PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II]
Bibliothek der Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Professor Dr. Erich Brandenburg
Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer
[figure]
1909Verlag von Quelle & Meyerin Leipzig
[III]

Meiner Frau Lotte gewidmet.

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Vorwort

Dies Buch möchte nicht nur belehren, sondern auch anregen, nicht nur studiert, sondern auch gern gelesen sein. Ich versuchte, viel unnützen Ballast, der in den landläufigen Lehrbüchern mit - geschleppt wird, über Bord zu werfen, um dafür dem Wesentlichen und Lebensvollen, soweit das auf beschränktem Raume möglich ist, zu seinem Recht zu verhelfen. Sollte mir das einigermaßen ge - lungen sein, so würde ich mich über einzelne Irrtümer und Ver - sehen, die gewiß nicht fehlen, trösten und wäre für ihre Aufzeigung dankbar. Der gewählte Titel soll andeuten, daß hier, wie es im Plane dieser Sammlung liegt, nicht ein Gesamtbild der deutschen Geschichte in der salischen und staufischen Epoche erwartet werden darf, sondern daß im Mittelpunkt der Darstellung durchaus die staatliche Entwicklung steht, in der die führenden Persönlichkeiten ja ganz anders hervortreten, als etwa in der verfassungsrechtlichen und wirtschaftlichen, deren Schilderung anderen Bändchen vor - behalten ist. Daß ich diesen Zeitraum zuerst behandelt habe und nicht etwa das frühere deutsche Mittelalter, das, wie ich hoffe, folgen soll, beruht auf persönlichen Ursachen. Die Überweisung auch der Ottonenzeit, die rein sachlich die natürliche Grundlegung für die vorliegende Darstellung abgegeben hätte, an das erste Bändchen erklärt sich lediglich aus Rücksichten einer gleichmäßigeren Raumverteilung; Bedeutung und Fülle der Ereignisse während der Hochblüte des deutschen Mittelalters haben ohnehin den zu - gemessenen Umfang schon etwas auf Kosten der früheren Epoche überschreiten lassen. Bei den Literaturangaben habe ich mich grundsätzlich auf die wertvolleren Schriften beschränkt; für biblio - graphische Zwecke steht ja neben anderen Hilfsmitteln die Quellen - kunde von Dahlmann-Waitz zur Verfügung. Auch hier galt es eben das Wesentliche herauszuheben. Nur wo es sich um neuere Forschungsergebnisse handelt, sind gelegentlich auch minderwichtigere Aufsätze und Dissertationen zum Beleg angeführt. Die den beiden Hauptabschnitten vorangeschickten Bemerkungen über die Geschichts - quellen sollen nur die notdürftigsten Fingerzeige geben, nicht etwa das Wissenswerte erschöpfen, denn gerade hierfür fehlt es nicht an bequemen Handbüchern. Auf die Andeutung der wichtigerenVIVorwort.wissenschaftlichen Kontroversen, namentlich soweit sie noch unaus - getragen sind, glaubte ich besonderen Nachdruck legen zu sollen. Eine eigene Stellungnahme schien mir da in der Regel anregender, als ein farbloses Referat der Meinungen; daß der angehende Forscher da nicht allenthalben auf die verba magistri zu schwören hat, ver - steht sich von selbst. Einige ausführlichere Begründungen vor - getragener Ansichten gedenke ich nachzuholen.

Und nun verabschiede ich mich von dem Buche wie von einem guten Freunde nach gemeinsamer, vertrauter Wanderfahrt und wünsche ihm eine wohlwollende Aufnahme bei Lehrenden und Lernenden.

K. Hampe.

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Inhaltsverzeichnis
  • I. Die Zeit der Salier.
    • Seite
    • Geschichtschreibung1
    • § 1. Konrad II. (1024 1039) 5
    • § 2. Heinrich III. (1039 1056) 17
    • § 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065) 30
    • § 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075) 37
    • § 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085) 48
    • § 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 bis 1106) 60
    • § 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits (1106 1125) 72
  • II. Die Zeit der Staufer.
    • Geschichtschreibung84
    • § 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137) 89
    • § 9. Konrad III. (1138 1152) 103
    • § 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157) 115
    • § 11. Reaktionäre Politik unter dem Einflusse Reinalds von Dassel (1157 bis 1167) 125
    • § 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177) 147
    • § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190) 156
    • § 14. Heinrich VI. (1190 1197) 172
    • § 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren (1198 1216) 183
    • § 16. Das Emporsteigen Friedrichs II. bis zum Frieden von Ceperano (1230) 201
    • § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239) 220
    • § 18. Der Entscheidungskampf zwischen Kaisertum und Papsttum (1239 bis 1250) 238
  • Sachregister258

Verzeichnis einiger umfassenderer Werke.

  • Quellen:
    • Monumenta Germaniae historica, Abteilung Scriptores (= M. G. SS.), mit wenigen Lücken sämtliche darstellenden deutschen Geschichtsquellen für den behandelten Zeitraum enthaltend, die daher hier aufzusuchen sind, wenn keine andere Ausgabe vermerkt ist.
    • Scriptores rerum Germanicarum (SS. r. G.), einzelne Schriftsteller aus M. G. SS. in zum Teil erheblich verbesserten Schulausgaben. Wo diese statt der Folioausgabe zu benutzen sind, sind sie unten vermerkt.
    • Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit, 2. Aufl. 1884 ff., einzelne Schriftsteller in deutscher Übersetzung.
    • VIII
    • Monumenta Germaniae historica, Abteilung Leges, hier vor allem wichtig: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum I, II hrsg. v. Weiland 1893 / 96 (= M. G. Const.), die Gesetze und Staatsverträge der deutschen Herrscher für die Zeit von 911 1272 enthaltend.
    • Jaffé, Bibliotheca rerum Germanicarum I VI 1864 ff. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte 7. Aufl. hrsg. v. Brandenburg 1906; Ergänzungsbd. 1907.
    • Potthast, Bibliotheca historica medii aevi 2 Bde. 2. Aufl. 1896, zum Auf - suchen der darstellenden Geschichtsquellen.
    • Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis z. Mitte d. 13. Jahrh. II 6. Aufl. 1894 und die größtenteils darauf beruhenden, aber fortgeführten Werkchen von Vildhaut, Handbuch der Quellenkunde z. deutsch. Gesch. I, 2. Aufl. 1906 (zur Einführung wohl zu empfehlen) und Jacob, Quellenk. d. d. Gesch. (Sammlung Göschen, ganz knapp) I 1906. Vgl. auch die betr. Abschnitte bei Giesebrecht u. bei Gundlach, Helden - lieder der deutschen Kaiserzeit II 1896, III 1899. Dagegen ist der betr. Abschnitt in Meisters Grundriß der Geschichtswiss. I 1906 von Jansen ziemlich unbrauchbar. Für Italien vgl. Balzani, Le cronache Italiane nel medio evo, 2. Aufl. 1900.
  • Bearbeitungen:
    • Ranke, Weltgeschichte VII, VIII 1886 / 87.
    • Lindner, Weltgeschichte seit der Völkerwanderung II, III 1902 / 03.
    • Jahrbücher der deutschen Geschichte (bis 1250) hrsg. durch die Hist. Kommission b. d. K. Akad. d. Wiss. zu München 1862 ff. Die Teile sind unten zu den einzelnen Abschnitten aufgeführt; noch nicht bearbeitet die Jahre 1116 25, 1158 90, 1233 50.
    • Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit II V (bis 1181); das Werk erschien seit 1855, später in neuen Auflagen; Bd. VI 1895 von Simson fortgesetzt (bis 1190).
    • Nitzsch, Geschichte des deutschen Volkes bis zum Augsburger Religions - frieden, hrsg. v. Matthäi II, III 2. Aufl. 1892.
    • Lamprecht, Deutsche Geschichte II, III 3. Aufl. 1904 / 06.
    • Gerdes, Geschichte des deutschen Volkes u. seiner Kultur i. Mittelalter II 1898, III demnächst erscheinend.
    • Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands III 3. u. 4. Aufl. 1906, IV 1903.
    • Richter-Kohl, Annalen der deutschen Geschichte im Mittelalter usw. III, 1, 2 1890 / 98 (bis 1137).
    • Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte I 3. Aufl. 1906.
    • Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, namentl. V u. VI 2. Aufl. 1893 / 96.
    • Ficker, Forschungen zur Reichs - u. Rechtsgeschichte Italiens I IV 1868 74.
    • Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom i. Mittelalter 5. Aufl. 1903 ff., hier Bd. IV, V.
    • Davidsohn, Geschichte v. Florenz I, II, 1, 2. 1896 1908.
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I. Die Zeit der Salier.

Die Geschichtschreibung, noch ausschließlich lateinisch und in den Händen der Mönche und Weltgeistlichen, wächst beständig an Umfang, an Weite des Gesichtskreises, an geistiger und sprachlicher Gewandtheit. Zu - nächst bleibt auch die Ruhe der vorigen Epoche bewahrt. Wipo's Leben Kaiser Konrads II. (SS. r. G. ed. II) ist für diesen Herrscher die wert - vollste Quelle, gut unterrichtet, wenn auch nicht ohne höfische Rücksichten, warm, lebendig, künstlerisch, nicht frei von Rhetorik. Daneben kommt für die ersten Salier die reich entwickelte Annalistik in Betracht, meist von unbekannten, wechselnden Verfassern, mit späteren Fortsetzungen, mehrfach in ihrer ursprünglichen Gestalt verloren und nur aus jüngeren Ableitungen zu erschließen; so die vielumstrittenen Schwäbischen Reichsannalen und die neuerdings in ihrer Existenz auch wieder bezweifelten größeren Hildes - heimer Annalen (bis 1043; Auszug daraus bis 1040 die Ann. Hild., SS. r. G.), vor allem aber die größeren Altaicher Annalen (Niederaltaich in Bayern) bis 1073, die, von Giesebrecht aus Ableitungen hergestellt, dann in Abschrift Aventins wieder aufgefunden, für die Jahrzehnte von 1041 ab reiche, verläßliche Nachrichten bieten (SS. r. G. ed. II). Die ähnlich von Scheffer - Boichorst hergestellten Paderborner Annalen (Ausg. 1870) reichen bis in die Stauferzeit, bis 1144 (1189).

Über diese, wesentlich der Stoffmitteilung dienende, annalistische Form erhebt sich die Chronik Hermanns des Lahmen von Reichenau bis 1054, neben der kurzen, mit ihr auf dieselbe Quelle zurückgehenden schwä - bischen Weltchronik die erste erhaltene bis auf Christi Geburt zurück - gehende Weltchronik dieser Epoche, durch Genauigkeit und Auswahl be - merkenswert und von 1040 ab auch eine zuverlässige zeitgenössische Quelle.

Die Ruhe dieser älteren salischen Reichsgeschichtschreibung wird unter - brochen durch die leidenschaftliche Bewegung des Investiturstreits, der auf lange jede gerechte Würdigung der Zeitereignisse ausschließt, die meisten Geschichtswerke zu Parteischriften macht und ihren Quellenwert mindert, aber auch die Geister aufpeitscht, den Blick weitet, das Urteil schärft, die Indivi - dualität der Verfasser stärker hervortreten und überdies die literarische Produktion mächtig anschwellen läßt. Die oft wiederholte Meinung von den verheerenden Wirkungen des Kampfes für die deutsche Geschichtschreibung dürfte daher mindestens einseitig sein. Wird der Wahrheitsinn zunächst von Leidenschaft getrübt, und die Feststellung des Tatbestandes der modernen Forschung er - schwert, so sieht man die Dinge dafür nun von ganz verschiedenen Seiten und wird in Denken und Fühlen der Zeit viel tiefer als früher eingeführt.

Schon der Schüler und Fortsetzer der Chronik Hermanns von Reichenau Berthold bis 1074 vermag in den letzten Jahren die ruhige, reichsfreundliche Stimmung nicht zu bewahren; von 1075 80 wird der Ton derart feindselig gegen Heinrich IV., daß man einen anderen Annalisten als Verfasser an - nimmt. Von demselben Ausgangspunkt (Hermann und Berthold) aus erzähltHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 12I. Die Zeit der Salier.Bernold, Mönch in St. Blasien, der sich auch als Publizist betätigte, die Ereignisse von 1074 1100 weiter, ganz im päpstlichen Sinn, aber wenigstens ohne absichtliche Entstellungen, als ein höchst bedeutsamer Berichterstatter.

Neben die südwestdeutsch-kirchliche Opposition gegen Heinrich IV. tritt die sächsisch-partikularistische. Ihr Hauptwerk ist der Sachsenkrieg von dem Magdeburger Domgeistlichen Bruno, bis Weihn. 1081 (SS. r. G. ed. II), maßlos einseitig und gehässig, aber nicht nur für die Stimmung im sächsischen Lager, sondern durch die zahlreichen Aktenstücke auch objektiv sehr wertvoll.

Mitten zwischen diesen beiden Oppositionszentren steht der Gegend und Richtung nach der Mönch Lambert v. Hersfeld mit seinem Haupt - werk, den Annalen v. Hersfeld, bis 1077 (SS. r. G. Lamperti opera), der in mancher Hinsicht schriftstellerisch glänzendsten Leistung der Zeit, für die wichtigen Jahre 1073 77 in dem breiten Fluß der Erzählung unübertroffen. Da er sich weder mit den kirchlichen, noch den sächsischen Forderungen ganz identifiziert, ist seine einseitige Parteinahme lange verkannt, und sein Bericht neueren Darstellungen zugrunde gelegt worden. Ranke setzte zuerst mit schärferer Kritik ein (Abh. Berl. Ak. 1854), andere folgten bis zu den einigermaßen abschließenden Untersuchungen von Holder-Egger (Neues Arch. 19 u. Ausgabe). Gewiß ist nicht alles Lüge und boshafte Verunglimpfung, was dieser dafür hält, sondern vieles erklärt sich aus Voreingenommenheit und Parteiklatsch, verbohrter Phantasie und romanhafter Fabuliersucht; immerhin bleibt ein ungewöhnlich geringes Maß von historischem Wahrheitsinn und moralischer Zuverlässigkeit, so daß das glänzende Werk, das durch reichen Stoff und Darstellungskunst nach wie vor einen hervorragenden Platz einnimmt, als Quelle doch nur mit äußerster Vorsicht zu benutzen ist.

Die aus dem kaiserlichen Lager stammenden Geschichtsdarstellungen sind weniger zahlreich und umfassend; manches wird von kirchlicher Seite damals oder später vernichtet sein. Außer den willkommenen, aber nicht eben reichen Augsburger Annalen, bis 1104, führt uns in Heinrichs IV. An - fänge der Sang vom Sachsenkrieg, eine dichterische Schilderung der sächsischen Ereignisse von 1073 75 (SS. r. G.) von unbekanntem, trotz mancher Hypothesen nicht ermittelten Verfasser, anschaulich, lebendig und trotz der künstlerischen Form in den Kern der Dinge dringend. Heinrichs spätere Zeit tritt vorwiegend hervor in dem Leben Heinrichs IV. (SS. r. G. ed. III), als dessen anonymen Verfasser man wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit Bischof Erlung von Würzburg bezeichnen darf (vgl. Neues Arch. 26 u. 31). Es ist ein schönes biographisches Denkmal, errichtet von einem treuen und kenntnis - reichen Anhänger, voll wichtiger Aufschlüsse und treffenden Urteils, immerhin mehr ein leidenschaftlicher, rhetorisch gefärbter Nachruf, als eine ausführliche Erzählung oder ruhige Würdigung.

Das Werkchen steht an der Spitze der zeitgenössischen Lebens - beschreibungen. Heinrichs Hauptgegner Gregor VII. hat keine ganz be - friedigende Biographie erhalten. Erst 1128 beschrieb der Chorherr Paul v. Bernried (a. Starnberger See) sein Leben, mit guter Methode, aber ohne höheren historischen Gesichtspunkt. Auch die älteren geistlichen Biographien der Salierzeit verlieren sich meist zu sehr im Legendarischen, so das Leben des Erzbischofs Anno v. Köln ( 1075) von einem Siegburger Mönch Anf. d. 12. Jahrh. verfaßt, mehr als Vorlage des deutschen Annoliedes, denn als historische Quelle beachtenswert; so auch die Lebensbeschreibungen der Äbte Richard v. St. Vannes und Wilhelm v. Hirschau, etwas reicher die des Staatsmannes Abt Poppo v. Stablo ( 1048). Noch in die letzte Ottonen - zeit greifen zurück die tüchtigen Biographien des Bischofs Meinwerk v. 3Geschichtschreibung.Paderborn ( 1036), erst nach Mitte des 12. Jahrh. im Kloster Abdinghof mit Humor und Anmut aufgezeichnet, und des Bischofs Godehard v. Hildes - heim ( 1038) von dem Domherrn Wolfhere, während die ersten Kampf - zeiten den Hintergrund abgeben für die in ihrer schlichten, getreuen Er - zählungsweise ungemein reizvolle von dem Abte Nortbert v. Iburg ver - faßte Biographie des Bischofs Benno v. Osnabrück, der zwischen Kaiser - tum und Papsttum klug seine Stellung zu nehmen verstand. Bisher durch Interpolationen aus dem Ende des 17. Jahrh. verfälscht, wurde sie erst 1902 von Breßlau in ihrer Urgestalt wieder aufgefunden und herausgegeben (SS. r. G.).

Weitaus die bedeutendste Biographie eines geistlichen Herrn aber, die des Erzbischofs Adalbert v. Bremen ( 1072), der Natur liebevoll nachgemalt mit allem Licht und allem Schatten, findet sich, eingefügt in einen größeren Rahmen, in der Geschichte der Hamburger Kirche bis 1072 (SS. r. G. ed. II), die wir dem angestrengten Fleiße, dem umfassenden Wissen und der feinen Kunst des Bremer Domherrn Adam verdanken. Die Persönlich - keit und ihre Schicksale entwachsen hier der eingehend geschilderten Ent - wicklung der hamburgisch-bremischen Kirche, und indem schließlich das ganze weite nordische Betätigungsfeld Adalberts geographisch, ethnographisch und historisch umschrieben wird, ist Meister Adam zu einem Tacitus für die baltischen Lande geworden.

Mit seinem Werke ist schon die bedeutendste Bistumsgeschichte genannt; auch in andern spiegeln sich trotz der regionalen Beschränkung die großen Weltereignisse wieder, so in der von Cambrai bis 1044, Lüttich bis 1048 und Trier bis 1101 (alle drei mit wertvollen späteren Fortsetzungen), oder, geht man noch eine Stufe weiter hinab, auch in der lebensvollen Klostergeschichte von St. Trond (n. w. v. Lüttich) bis 1108 (mit Fort - setzungen bis Mitte des 14. Jahrh. ) oder einer guten Fortsetzung der alten Klosterchronik von St. Gallen 1072 1133.

Nach der andern Seite wird der Rahmen der Reichsgeschichte über - schritten in den großen Weltchroniken, deren steigende Vollendung in der letzten Salierzeit das beste Merkzeichen für die Weitung des Blickes darstellt. Die Chronik des Marianus Scotus bis 1082, eines irischen Mönches in Fulda und Mainz, übertrifft die ältere Hermanns v. Reichenau nur erst durch die Genauigkeit der chronologischen Feststellungen; die viel reichere Chronik des Franzosen Hugo v. Flavigny bis 1102 vermag doch den gewaltigen Stoff noch nicht eigentlich übersichtlich zu beherrschen. Eben in dieser Hinsicht bezeichnet die Chronik des tüchtigen, für die kaiserliche Sache auch in Streitschriften auftretenden Sigebert v. Gembloux (i. Belgien) bis 1111 (mit vielen Fortsetzungen) einen erheblichen Fortschritt, vor allem aber die meisterhaft durchgearbeitete und geordnete Chronik des Priors Frutolf v. Michelsberg bei Bamberg bis 1101, dessen Verfasserschaft erst durch die neueren Untersuchungen Bresslaus erkannt worden ist (Neues Arch. 21), während dem Abte Ekkehard v. Aura nur noch das Verdienst bleibt, Frutolfs Chronik viermal umgearbeitet und fortgeführt zu haben. Eben diese Fortsetzungen aber bilden für die Regierung Heinrichs V., von dessen Partei - nahme Ekkehard sich erst in der letzten Bearbeitung entfernt, die wichtigste Quelle; denn von der offiziellen Historiographie des Schotten David, den dieser Kaiser auf seinem Römerzuge mitnahm, haben wir leider nur aus einigen dürftigen Zitaten Kenntnis.

Von den Geschichtswerken der Nachbarvölker sei hier nur die grundlegende böhmische Chronik des Prager Dekans Cosmas genannt. Dagegen liefern natürlich die italienischen Quellen für die Geschichte der1*4I. Die Zeit der Salier.Salier reiche Ausbeute, wenn es auch an umfassenden reichsgeschichtlichen Werken fehlt. Die Parteileidenschaft ist hier fast noch wilder, als in Deutsch - land. Die für die kaiserliche Sache eintretenden Werke des Kardinals Beno und des Bischofs Benzo v. Alba sind lügenhafte Schmähschriften gegen die Gregorianer. Die wichtige Erzbistumsgeschichte von Mailand ist von Erzbischof Arnulf bis 1077 mit maßhaltender Wahrheitsliebe, von dem Priester Landulf bis 1085 dagegen mit blinder Parteilichkeit beschrieben. Auf der Gegenseite steht insbesondere Bischof Bonizo v. Sutri ( 1089) mit seinem der Gräfin Mathilde v. Tuszien überreichten Buch an den Freund, in dem er Gregors Recht durch einen zwar wegen der starken Voreingenommen - heit nur mit großer Vorsicht zu benutzenden, aber gerade für die Zeiten Heinrichs III. doch nicht zu entbehrenden kirchenpolitischen Rückblick zu erweisen sucht. Für die Gräfin Mathilde ( 1115) und ganz in ihrem Sinne schrieb auch der Priester Donizo, Mönch in Canossa, in einem bilder - geschmückten Codex ihre Lebensgeschichte in Versen, beachtenswert nament - lich für den Vorgang von Canossa. Noch viele unbedeutendere Schriften liefern Einzelstoff zur Geschichte des großen Streites. Nicht unberührt da - von, aber mehr in sich geschlossen und auf dem sicheren Grunde reicher Urkundenschätze aufgebaut sind die wissenschaftlich unendlich viel höher stehenden Geschichten der beiden großen Reichsabteien: Farfa bis 1125 von Gregor v. Catina und Montecassino bis 1075 von Leo v. Ostia; die Fortsetzung der letzteren bis 1139 durch den Diakon Petrus aus dem Hause der Grafen v. Tuskulum ist freilich durch Unzuverlässigkeit und Fäl - schungen arg entstellt. Über das auch für die Reichsgeschichte wichtige Emporkommen der süditalischen Normannen endlich unterrichtet neben andern insbesondere die nur in einer altfranzösischen Übersetzung überlieferte Chronik des Mönches Amatus v. Montecassino ( 1101).

Neben die darstellenden Geschichtswerke tritt in der Salierzeit eine neue Literaturgattung in den Streitschriften, die alle wichtigen Fragen des kirchenpolitischen Kampfes, Priesterehe, Simonie, Investitur, die päpstliche Machtvollkommenheit, das Verhältnis zwischen geistlicher und weltlicher Ge - walt usw., aus beiden Lagern heraus behandeln, von Geistlichen aller be - teiligten Länder zunächst für Geistliche bestimmt, teilweise aber doch auch schon auf indirektes Hinüberwirken in die Laienkreise, auf Gewinnung der öffentlichen Meinung berechnet, zur Schärfung der Geister nicht wenig bei - tragend, aber auch die ausgleichende Lösung vorbereitend. Eine nahezu voll - ständige Sammlung liegt vor in den in die M. G. aufgenommenen Libelli de lite imperatorum et pontificum I III 1891 ff. ; vgl. Mirbt, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII. 1894 und die betr. Abschnitte in den Jahrbüchern Meyers v. Knonau.

Was die Urkunden betrifft, so sind diejenigen der deutschen Kaiser, da die Diplomataausgabe der M. G. noch aussteht, leider noch völlig zer - streut und z. T. schlecht gedruckt, und auch die Regestenübersicht bei Stumpf, Die Reichskanzler vornehmlich des 10., 11. und 12. Jahrh. 1865 ff. Bd. II, an die man sich, da die Neubearbeitung der Böhmerschen Regesta Imperii für diesen Abschnitt noch nicht vorliegt, zu halten hat, ist stark ver - altet. Für die Papsturkunden sind zunächst immer zu Rate zu ziehen die Regesta pontificum Romanorum von Jaffé-Wattenbach I. II bis 1198 2. Aufl. 1888, die seitdem freilich durch die Forschungen Kehrs um zahl - reiche Stücke vermehrt sind. Unschätzbar für die geschichtliche Erkenntnis des Investiturstreites ist die Erhaltung einer von Gregor VII. selbst veran - laßten, mehr als 350 Stücke enthaltenden Auswahl aus seinem Register, von Jaffé Bibl. II als Gregorii VII. Registrum herausgegeben; keine Quelle5§ 1. Konrad II. (1024 1039).eröffnet so tiefe Einblicke wie diese in das diplomatische Getriebe der Kampfzeit.

In viele der genannten Geschichtswerke sind zerstreute Briefe eingefügt. Sorgfältiger gepflegt wird die Briefkunst erst seit dem Ende des 11. Jahrh. Von da ab beginnen die wichtigen Sammlungen von unverändert aufgenommenen oder mehr oder weniger zu Formeln verarbeiteten Briefmustern, sogleich für den Ausgang der Salier die höchst wertvolle, in der kaiserlichen Kanzlei eine Zeitlang eifrig benutzte Sammlung des Bamberger Geistlichen Ulrich, der sog. Codex Udalrici bis 1125, mit Zusätzen bis 1134, gedruckt in Jaffés Bibl. V.

Von neueren Darstellungen der Salierzeit sei hier außer den vorn genannten umfassenden Werken noch das fleißige, aber in der politischen Auffassung nicht gerade tief dringende Werk von Manitius, Deutsche Ge - schichte unter den sächs. und sal. Kaisern 1889 genannt. Die wichtigeren Monographien sind an ihrem Ort verzeichnet.

§ 1. Konrad II. (1024 1039).

Als das karolingische Weltreich schon ein Menschenalter nach Karls Tode auseinanderfiel, war es sehr zweifelhaft, ob gegenüber dynastischen Erbteilungsansprüchen, volklichen Verschiedenheiten und provinziellen Sonderentwicklungen auch nur die Teilgebiete sich in ihrem Bestande würden behaupten können. Durch den Vorsprung nationaler Geschlossenheit brachten es zuerst die öst - lichen Reichslande zur endgültigen Ablösung aus der karolingischen Monarchie und zur Errichtung eines selbständigen und einheitlichen deutschen Königtums (911). Aber der Zusammenhalt der aus - einanderstrebenden Stämme ward dauernd doch erst gewährleistet, als Otto d. Gr. an dem festgefügten Bau der deutschen Kirche Gegengewicht und Stütze fand und deren Abhängigkeit von seinem Willen auch nach außen hin durch die Beherrschung des Papst - tums, zu der die Eroberung Italiens führte, sicherstellte. In den schweren Zeitläuften unter Otto III. bestand dieses Regierungs - system seine Belastungsprobe; nur dem staatlichen Sinne des deut - schen Episkopats war es zu danken, daß das Reich in allem Zer - fall sich wenigstens ein starkes Fundament bewahrte, auf dem dann Heinrich II. den Wiederaufbau ganz im Geiste Ottos d. Gr. durch - führen konnte.

Als jetzt mit seinem Tode (1024) das Haus der Ottonen ausstarb, ohne daß die Nachfolgeverhältnisse anderweit geregelt gewesen wären, lag trotzdem jeder Gedanke an ein Auseinander - fallen des Reiches völlig fern. Das nie ganz erloschene Wahlrecht trat wieder in volle Geltung, aber der Erbanspruch des letzt - regierenden Hauses hatte so tief Wurzel gefaßt, daß ernstlich nur zwei Anverwandte weiblicher Linie, die beiden fränkischen Konrade,6I. Die Zeit der Salier.Urenkel Herzog Konrads des Roten von Lothringen und einer Tochter Ottos d. Gr., als Kandidaten in Betracht kamen1)Das Verwandtschaftsverhältnis ergibt folgender Stammbaum: Konrad d. Rote Liutgard Otto Herz. v. Kärnthen ( 1004) Heinrich ( vor 1000) Konrad (II. ) d. Ä. Bruno (Papst Gregor V.) Konrad ( 1011) (Herz. v. Kärnthen) Konrad d. J. (Herz. v. Worms). Wilhelm (Bisch. v. Straßb.). Das Herzogtum Kärnthen war dieser Linie unter dem letzten Kaiser verloren gegangen; in dem Anteil an dem fränkischen Hausbesitz war der ältere Konrad2)Grundlegend und bisher kaum in irgend einem wesentlichen Punkte überholt sind die Jahrbücher des deutschen Reiches unter Konrad II. von H. Bresslau. 2 Bde. 1879, 1884. Alle seitherigen Darstellungen beruhen darauf. Von Bresslau ist auch schon bald die Ausgabe der Urkunden in den M. G. zu erwarten. durch den frühen Tod seines Vaters stark zu kurz gekommen, aber das Erstgeburtsrecht gab ihm den Vor - zug. Maßgebend für die Parteibildung war die Stellung zu den großen kirchenpolitischen Fragen. Eine starke rechtsrheinische Partei, namentlich die Bischöfe mit Aribo von Mainz an der Spitze, entschied sich für den älteren Konrad, weil sie von ihm keine Fortführung der kirchlichen Reform Heinrichs II. erwartete. Eine Minderheit: die lothringischen Herzoge mit dem Erzbischof Pilgrim von Köln setzten als Anhänger der Reform ihre Hoffnung auf den jüngeren Vetter.

Über die eigentliche Wahlhandlung auf einer Grenzebene zwischen den Gebieten von Mainz und Worms3)Das rechtsrheinische Kamba gegenüber Oppenheim ist nur als Lager - platz des schwäbischen Stammes zu erweisen. Die Wahlebene ist wohl auf dem linken Ufer zu suchen, vielleicht bei Lörzweiler, nach Vermutung von Schädel, Mainzer Schulprogr. 1896. hat man sich früher nach dem durch Uhlands dichterische Umschreibung volks - tümlich gewordenen Bericht des Augenzeugen4)Lindners Bezweiflung ist gegenstandslos. Wipo falsche Vor - stellungen gemacht; denn er zeigt mehr rhetorischen Aufputz, als bis zum Kern der Dinge dringendes Verständnis. Nicht um ein Aussieben nach dem Grade der Tüchtigkeit und eine Volksent - scheidung zwischen den beiden Auserwählten handelte es sich, nur noch darum, die nordwestdeutsche Minderheit für den älteren Konrad zu gewinnen. Wenigstens mit dem Gegenkandidaten selbst gelang das noch vor der Wahl, mit dem Haupte seiner Partei, dem Kölner Erzbischof, bald nach der Krönung; als auch die Sachsen dem Stammesfremden, an den nun das Königtum überging, gegen Bestätigung ihres alten Rechtes huldigten, war die Aner -7§ I. Konrad II. (1024 1039).kennung von nahezu ganz Deutschland mühelos genug erreicht etwas später gaben auch die Lothringer ihren Widerstand auf.

Konrad war damals ein hochgewachsener, stattlicher Mann von 34 Jahren. Familieneigenschaften, Jugendschicksale und per - sönliche Anlagen hatten so vollkommen einheitlich in dieselbe Richtung gewirkt, daß die geschlossenste und willenskräftigste Herrscher - natur des gesamten deutschen Mittelalters in ihm erstand. Weit mehr als die Ottonen und der Durchschnitt der Staufer neigte das salische1)Über den Namen, der im Anfang des 12. Jahrh. vereinzelt, häufiger erst im 14. Jahrh. vorkommt, vgl. Bresslau II, 519. Haus zu schroffer, rücksichtsloser Tat. Konrad selbst hatte als Waise früh und herb erfahren, wie das Recht des Minder - jährigen von Verwandtschaft und Kaiser hintangesetzt ward. Bischof Burchard von Worms, bekannt durch seine Kanonensammlung und die Aufzeichnung seines Hofrechtes, hatte sich seiner Erziehung angenommen; aber für seinen Beruf als kleinerer Herr, der nicht einmal im Besitz von Grafenrechten war, bedurfte er nicht der literarischen Bildung. Ganz als ein vollsaftiger Laie mit schwert - kundiger Faust, nüchternem Hellsinn und gesundem Kraftgefühl war er emporgewachsen und fand sich nun erstaunlich schnell in den weltumspannenden Aufgaben des deutschen Kaisertums zurecht.

Jene selbstsicheren, pflichterfüllten Worte, die er gleich auf seinem Krönungszuge zu den Fürsten seiner Umgebung sprach, als sie ihn abhalten wollten, in diesem Augenblicke auf die Klagen eines Bauern, einer Witwe und einer Waise zu hören, waren ein Regierungsprogramm: Gerechtigkeit für jeden, ohne Rücksicht und Verzug! So ward er zum Pfleger des Friedens, zum Schützer der Schwachen, zum unbeugsamen Wahrer des Rechts, der an dem Verkauf von Knechten des Bistums Verden, als wären sie vernunft - loses Vieh , Anstoß nahm und den räuberischen Grafen Thassel - gard anherrschte: Ist das der Löwe, der die Herde Italiens ver - schlungen hat? Beim heiligen Kreuz des Herrn, dieser Löwe soll nicht ferner von meinem Brode zehren und ihn wie einen ge - meinen Verbrecher hängen ließ. Scharfgeschliffene, bilderreiche Aussprüche und beziehungsvolle Symbole, oft nicht ohne einen grimmigen Humor, wie sie das altdeutsche Recht liebte, waren ganz dazu angetan, ihn volkstümlich zu machen. Welcher Ein - druck im Heere, wenn er etwa den Ravennaten befahl, einem namenlosen Krieger, dem sie bei ihrem Aufstande das Bein abge - hauen, die Lederstiefel, mit Münzen gefüllt, vor das Bett zu stellen! Es war wohl die höchste Auszeichnung für einen deutschen Herrscher, daß man ihn Karl dem Großen verglich und das Sprichwort prägte: An Konrads Sattel hangen Karls Bügel .

8I. Die Zeit der Salier.

Aber das Recht, das er andern schützte, nahm er mit gleicher Wucht auch für sich und sein Königtum in Anspruch, stets rück - sichtslos durchgreifend, jeden Widerstand erstickend und da, wo dem Ansehen des Herrscherwillens ernstliche Gefahr drohte, von überwältigender Leidenschaft. Wie jäh zerreißt jene Schilderung des Bamberger Reichstages von 1035, die uns zufällig in einem Briefe der Lorscher Sammlung1)Inhaltsangabe derselben: Neues Archiv 3, 321 ff. erhalten ist, den Schleier, den die geistliche Berichterstattung sonst über die Wirklichkeit der Dinge gebreitet hat! Als Konrad dort den alten Gegner seines Hauses, Herzog Adalbert von Kärnthen, den er des Hochverrats bezichtigte, vom Fürstengerichte entsetzt wissen wollte, und an dem unver - hofften Widerspruche seines eigenen Sohnes Heinrich das langvor - bereitete Vorgehen zu scheitern drohte, da schwoll dem Kaiser die Leidenschaft so allgewaltig in der Kehle, daß er besinnungslos zu Boden stürzte. Dann, nachdem er zu sich gekommen, scheute der Stolze selbst nicht den Fußfall vor dem eignen Sohne, wies, als er so dessen Herz bezwungen, dem Bischof von Freising, der jenen angestiftet, unter Schmähungen die Tür und wußte zu guter Letzt doch seinen Willen durchzusetzen.

So bewegte sich diese ungestüme Rechtswahrung vielfach noch in absolutistischeren Formen, als etwa später unter dem ähnlich gerichteten Barbarossa; aber hier wie dort wirkte sie in gleicher Weise zum Segen des Staates. Und wie für das wichtige Richter - amt, so befähigte Konrads umsichtige, zugreifende Art ihn auch in hervorragendem Maße zum Staatsmann und Feldherrn. Wenn er beim Aufstand in Ravenna unmittelbar aus dem Schlafgemach in das Waffengetümmel sprang, wenn er bei noch größerer Be - drängnis in Parma in rascher Eingebung die Stadt anzuzünden be - fahl, um seinen draußen lagernden Truppen ein Notsignal zu geben, so kennzeichnen solche Einzelzüge besser als alles andere seine schnelle und wirksame Entschlußkraft. In beständiger Be - wegung, ja, wo es darauf ankam, in rasender Eile, tauchte er an allen Enden seiner weitgedehnten Reiche auf, um allenthalben bei der Ordnung der Angelegenheiten das ausschlaggebende Gewicht seiner starken Persönlichkeit in die Wagschale zu werfen.

In der innerdeutschen Politik ist Konrad konservativer ge - wesen, als man wohl angenommen hat. Das Verhältnis des ottonischen Königtums zur deutschen Kirche wurde von ihm nicht wesentlich verschoben, nur daß er ihr kühler, ohne jeden Anflug von mystischer Religiosität, ähnlich wie der erste der sächsischen Herrscher gegenüberstand und sie noch selbstherrlicher nach dem9§ I. Konrad II. (1024 1039).Gesichtspunkte seiner politischen Machtinteressen behandelte. Die finanzielle Ausnutzung der straff festgehaltenen Ernennungen von Bischöfen und Reichsäbten begann bereits als Simonie bei den Cluniazensern Anstoß zu erregen. Die eigenmächtigen Eingriffe in das Kirchengut zur Lehensausstattung von weltlichen Großen be - gegneten massenhafter als bisher. Wichtige kirchliche Maßnahmen wurden durch die einfache Willenserklärung des Herrschers ent - schieden, ohne daß er für das innere Leben der Kirche bestimmte Ziele verfolgt oder auch nur tieferes Verständnis gezeigt hätte.

Der charakteristische Zug in seinem Verhalten gegenüber den weltlichen Machtfaktoren des Reiches war die Anerkennung der Lehenserblichkeit in männlicher Linie. Die Erblichkeitsidee hatte bei seiner eigenen Thronerhebung entscheidend mitgewirkt; so sicherte er nach dem Vorbilde der Ottonen seinem Sohne Heinrich schon früh die Nachfolge durch Königswahl und Krönung (1028)1)Daß er nicht, wie Giesebrecht meinte, über die Ottonen hinaus nach einer vollen Erbmonarchie gestrebt hat, betont Bresslau mit Recht..

Er selbst hatte es einstmals bitter empfunden, daß das Erb - recht seines Hauses auf das Herzogtum Kärnthen beiseite ge - schoben ward. So achtete er auch als König die Rechte der Herzoge. Es ist nicht richtig, daß er danach getrachtet habe, ihre Gewalt überhaupt zu beseitigen und eine unmittelbare kaiser - liche Herrschaft an die Stelle zu setzen2)Diese Annahme Giesebrechts ist von Waitz, Verfassungsgesch. und vor allem von Bresslau nachdrücklich widerlegt.. Sonst hätte er schwer - lich nach dem Sturze Adalberts Kärnthen seinem Vetter, dem jüngeren Konrad überlassen (1036) und Lothringen durch Ver - einigung seiner Hälften gestärkt (1033). Die Übertragung des durch den söhnelosen Tod des Lützelburger Herzogs erledigten Bayern an seinen Sohn Heinrich (1027), durch die er für sein Haus überhaupt erst ein Herzogtum gewann, war begreiflich genug, zudem ganz in der Bahn des Rechtes und der ottonischen Politik. Als dann unerwartet die schwäbische Linie des babenbergischen Hauses mit den beiden Stiefsöhnen des Kaisers aus der früheren Ehe seiner Gemahlin Gisela ausstarb (1038), war als deren Sohn Heinrich III. der nächstberechtigte Erbe, für dessen wohlbegründete Ansprüche dann bald nach dem Tode des Vaters auch Kärnthen frei ward (1039). Diese gewaltige Ausdehnung der Herrschaft des kaiserlichen Hauses über ganz Süddeutschland entsprang also un - mittelbar den Rechtsverhältnissen, nicht einer den Laienfürsten plan - voll feindseligen Politik, und diese wußten den strengen Rechts - standpunkt des Kaisers zu würdigen und ließen sich dafür denn auch die scharfe Betonung ihrer Beamteneigenschaft gefallen.

10I. Die Zeit der Salier.

Seiner eignen Vergangenheit nach aber fühlte sich Konrad am meisten hingezogen zu den kleineren Grafen und Herren, ehrte er doch einen ihm befreundeten Grafensohn, der in Rom getötet wurde, dadurch, daß er seine Leiche neben dem Sarkophage Kaiser Ottos II. beisetzen ließ. Und indem er nun für diese Vasallen den gleichen, aber hier noch keineswegs anerkannten Grundsatz der Lehenserblichkeit aussprach, gewann er an diesem Stande, auf dem ja die kriegerische Kraft des Reiches vor allem beruhte, eine über - aus wertvolle Stütze für das Königtum.

Das wurde alsbald von praktischer Bedeutung in den wieder - holten Empörungen (1025 1030) seines Stiefsohnes Ernst II. von Schwaben. Dieser Familienzwist war ohne alle grundsätzliche Be - deutung. Die Sage hat später Ernst mit Liudolf, dem Sohne Ottos d. Gr., verschmolzen, aber ihm fehlte der politische Zug, der jenem auch nach Abstrich kleindeutscher Übertreibungen verbleibt. In dem Unvermögen, seine Privatinteressen hinter die der Allge - meinheit zurückzustellen, erinnert er vielmehr an Johann Parricida, dem er auch in Eigensinn, Trotz und Erregbarkeit ähnelt, ohne sich freilich zu so verworfener Tat zu verirren. Das treibende Motiv des unreifen, auch durch die mehrfach bewiesene Großmut Konrads nicht bezwungenen Jünglings war wohl die Durchkreuzung seiner privatrechtlichen Ansprüche auf Burgund durch den höheren Staatsgedanken des Kaisers. Tragisch und anteilerregend ward sein Geschick erst, als er sich seiner herzoglichen Pflicht zur Voll - streckung der Reichsacht an seinen im Widerstande verharrenden Ge - nossen entschlug und lieber in unerschütterter Freundestreue den ge - meinsamen Untergang erwählte (1030). Der Kaiser aber sah nach dem wiederholten Treubruch in ihm nur noch den Empörer gegen die Staatsgewalt und sprach bei der Nachricht von seinem frühen, erben - losen Tode das bittere Wort: Bissige Hunde haben selten Junge. Wenn aber diese Empörungen trotz auswärtiger Verbindungen sich nie zu einer ernstlicheren deutschen Gefahr auswuchsen, so lag das nicht zum wenigsten an der Stellungnahme der schwäbischen Grafen und Herren, die ihrem herzoglichen Lehensherrn die Heeres - folge gegen den Kaiser als den höchsten Schützer ihres Rechtes weigerten.

Schuf Konrad hier durch seine kluge Haltung der Krone schon jetzt eine neue Stütze, so klangen leiser, aber immerhin vernehmlich in seiner Politik Motive der Zukunft an. Zu der für die späteren Salier so charakteristischen Begünstigung der neuen städtischen Ent - wicklung finden sich schon bei ihm bemerkenswerte Ansätze, und das Vorbild seines Erziehers, des Bischofs Burchard von Worms war es vielleicht, das ihn auf die Bedeutung des Ministerialen -11§ 1. Konrad II. (1024 1039).standes hinwies. Wissen wir auch nur von der trefflichen Besetzung seiner Hofämter, die er gleich nach seiner Krönung vornahm, so wird er weiterhin schwerlich an der sonstigen Reichsdienstmannschaft achtlos vorbeigegangen sein1)In dieser Einschränkung wird wohl die Auffassung von Nitzsch, die Bresslau in ihrer Bestimmtheit und allgemeinen Fassung ablehnt, festgehalten werden dürfen., um so weniger, als er ihrer zur Ver - waltung des wachsenden Reichsgutes dringend bedurfte. Denn die Zeit der Verluste war vorbei. Die kühle Haltung Konrads der Kirche gegenüber fand in einer auffälligen Abnahme der Schenkungen von Reichsgut an sie ihren bezeichnenden Ausdruck. Nur für zwei bedeutendere Stiftungen, die dem Ruhme seines Hauses dienen sollten, stellte er die Mittel bereit, für das noch als Ruine durch seine gewaltigen Verhältnisse eindrucksvolle salische Familienkloster Limburg a. Haardt und für die Grabeskirche der deutschen Könige, den nach großartigem Entwurfe von ihm begründeten Speyrer Dom. Im übrigen wußte er durch Rückgewinnungen und Neuerwerbungen in allen Herzogtümern das Reichsgut ansehnlich zu mehren und so auch nach dieser Seite hin die Machtgrundlage des deutschen Königstums auszudehnen.

Die im Innern gesammelte Kraft wirkte alsbald nach außen. Auf dem von seinem Vorgänger in vieljährigen Mühen neu ge - festigten Grunde hob Konrad das Kaiserreich wieder zu stolzem Ansehen ringsum bei den Völkern. Nach zwei Seiten hin glaubte er den Frieden durch kluges Entgegenkommen sichern zu sollen. An Ungarn wurde nach einem unglücklichen Feldzuge in einem von dem Thronfolger Heinrich abgeschlossenen Vertrage (1031) ein Grenzstreif zwischen Donau, Fischa und Leitha abgetreten. Mit dem gewaltigen Herrscher des Nordens Kanud dem Großen, der zu seinem dänischen und englischen Reiche Norwegen (1028) und Schottland (1031) gewann und seinen Einfluß auch auf die süd - liche Ostseeküste ausdehnte, schloß Konrad engste Freundschaft, indem er Kanuds Tochter seinem Sohne verband und die deutschen Gebietsansprüche auf die Eidergrenze beschränkte. 2)So wird man nach den Ausführungen von Steenstrup (Danmarks Sydgraense etc., Einlad. -schrift zu Königs Geburtstag, Kopenh. 1900) wohl richtiger sagen müssen, als von der Abtretung einer damals wirklich noch im deutschen Besitz befindlichen Mark zwischen Eider und Schlei zu sprechen.Hätte er vor - aussehen können, daß die dänische Großmachtstellung bald nach dem unverhofften Tode Kanuds (1035) zusammenbrechen würde, so hätte er sich vielleicht spröder gezeigt. Indes auch so war der auf Kosten schwer durchzuführender Ansprüche gesicherte Friede in der Folgezeit von hoher Bedeutung für das Vordringen deutschen Einflusses in Mission und Handelsverkehr.

12I. Die Zeit der Salier.

In Ost und West aber hatte Konrad um so glänzendere Er - folge zu verzeichnen. In Polen kam ihm dabei das Glück zu Hilfe. An dem Genie Boleslaws des Kühnen, der Polen zum mächtigen, selbständigen Königreich emporgehoben hatte, wäre wohl auch er wie sein Vorgänger gescheitert. Da führte der Tod des Gegners (1025) innere Wirren herauf, durch deren kluge Ausnutzung es dem Kaiser gelang, mit den beiden Lausitzen die alte Reichsgrenze zurückzugewinnen (1031) und sogar unter Beseitigung der neuen Königswürde die Lehensabhängigkeit herzustellen (1033). Auch Böhmen gegenüber ward trotz mancher Schwankungen die Ober - hoheit behauptet, und die Liutizen wurden aus Verbündeten wieder zu Unterworfenen (1036).

Wurden so im Osten die Verluste der letzten Zeiten wieder eingebracht, so gelang im Westen eine Gebietserwerbung, die ge - radezu den Charakter des Gesamtreiches abwandelte. Nach hundert - jähriger Dauer endete 1032 das von Basel bis Nizza ausgedehnte Königreich Burgund als selbständiger Staat mit dem kinderlosen Tode Rudolfs III. Lange vorher hatte die Frage seiner Zukunft die Welt beschäftigt. Konrad II. erntete hier nur, was sein Vor - gänger durch Verträge vorbereitet hatte. Aber wenn Heinrich II. als der nächste Verwandte Rudolfs unzweifelhaft die begründetsten Ansprüche hatte geltend machen können, so war es doch selbst nach erlangter Zustimmung Rudolfs (1027) sehr fraglich, ob Konrad, der privatrechtlich hinter andern Bewerbern zurückstand, seine neue staatsrechliche Auffassung, nach der er als Nachfolger in alle An - sprüche des Vorgängers eingetreten sei, zur Anerkennung bringen würde. Der eine jener Bewerber, Ernst von Schwaben, war indes zur Zeit der Entscheidung bereits verstorben, der andere, Graf Odo von Champagne, mußte seinen kriegerischen Widerstand vor der Übermacht des Kaisers bald genug aufgeben (1034).

Was bedeutete diese Angliederung eines dritten Reiches für das Imperium? Eine wirkliche Herrschaftserweiterung allerdings nur in den Landen, in welchen allein das schwache Königtum Rudolfs noch Geltung gehabt hatte, in den wenigstens teilweise germanischen Gebieten der heutigen französischen Schweiz, ein Zuwachs, der im wirtschaftlichen, wie nationalen Interesse unbedingt erfreulich war. Politisch aber war auch die lockere Angliederung der übrigen halb - selbständigen Teile an das Reich wertvoll genug. Denn sie be - deutete nach dieser Seite eine Eindämmung der Machtentwickelung Frankreichs, seine Absperrung von Italien, wohin vorher und wieder seit dem Verfall der burgundischen Reichsoberherrschaft im drei - zehnten Jahrhundert französische Eroberungsgelüste zielten, und also eine Befestigung des italischen Besitzes, für die auch die Gewinnung13§ 1. Konrad II. (1024 1039).der westlichen Alpenpässe belangreich war. Die mitteleuropäische Länderverbindung, die auf zwei weitere Jahrhunderte den Deutschen die Führerstellung in Europa sicherte, wurde erst jetzt vollendet. In kultureller Hinsicht endlich war es von hoher, aber freilich auch zweischneidiger Bedeutung, daß die politische Angliederung dieser Hauptwirkungstätten der kirchlichen Reformpartei deren Einfluß auf das Reich ungemein verstärken mußte.

Für die Gefahren, die da in einer allerdings noch fernen Zukunft der Staatsgewalt drohten, war Konrad blind, und diese Verkennung bildete den einzigen schwachen Punkt seiner Politik. Er kannte seine fast schrankenlose Macht über die Kirche und unterschätzte daher die Kraft ideeller Strömungen. Indem er auf der einen Seite den Dingen achtlos ihren Lauf ließ und dem weiteren Vordringen der Reformer im Reiche nicht entgegentrat, duldete er auf der andern Seite, insbesondere in Rom die schand - barsten Mißstände, weil sich von solchem Hintergrunde das kaiser - liche Ansehen nur um so glänzender abhob. So wuchs das Miß - verhältnis zwischen Forderungen und Wirklichkeit zu bedenklicher Spannung.

Das Papsttum aus dem Hause der Grafen von Tuskulum war nach einer zeitweiligen Hebung durch den Reformeinfluß Heinrichs II. und die staatsmännische Energie Benedikt VIII. mit beider Tode (1024) in Nichtigkeit und Verworfenheit zurückgesunken. Von der Begründung des mittelalterlich-deutschen Kaisertums durch Otto d. Gr. bis zu seinem Untergang hat die päpstliche Würde niemals so tief an Einfluß und Geltung gestanden, wie damals. Johann XIX., ebenso ungeistlich wie sein Bruder Benedikt, aber ohne dessen Bedeutung, übertrug Konrad auf dessen erstem Romzuge (1027) die Kaiserkrone, um hinfort neben ihm, der selbst die wichtigsten kirchlichen Entscheidungen des Papstes mit vollendeter Rücksichts - losigkeit umstieß, eine Rolle kläglichster Ohnmacht zu spielen. Nach ihm ( 1033) zog dann der noch unmündige, aber frühverdorbene Knabe Benedikt IX. das Papsttum völlig in den Lasterpfuhl wie zu den schlimmsten Zeiten unter Johann XII. hinab. Dem Kaiser war auch das willkommen. Wie er in die Rechtsverhältnisse der Stadt Rom selbstherrlich eingriff, so ließ er den päpstlichen Statisten, ganz wie einen seiner Beamten, an seinen Hof kommen, sobald er seines Namens etwa zur Ordnung der lombardischen Angelegen - heiten bedurfte. Denn die dortigen sozialen Streitigkeiten machten ihm in Italien weitaus am meisten zu schaffen.

Ganz wie in Deutschland knüpfte Konrad auch hier zunächst an die Überlieferungen der Politik Heinrichs II. an, wenn er auch nicht wie dieser an eine besondere italische Königswahl dachte, sondern14I. Die Zeit der Salier.weit schärfer das durch den Regierungswechsel keinen Augenblick erloschene Herrschaftsrecht des Reiches in jener Antwort an die Pavesen betonte: Wenn der König gestorben ist, so ist doch das Reich geblieben, wie das Schiff bleibt, dessen Steuermann zu Grunde geht. Die Bischofspartei mit dem getreuen Leo von Vercelli ( 1026) an der Spitze hatte unter Heinrich die sichere Basis der deutschen Herrschaft abgegeben; an ihrer Haltung scheiterte auch jetzt die von den weltlichen Großen aufgestellte italische Thronkandidatur eines Sohnes des Herzogs Wilhelm V. von Aquitanien, sie vor - nehmlich trug das erste Romfahrtunternehmen Konrads (1026 27).

Aber die Anwendung derselben Grundsätze wie in Deutsch - land führte den Kaiser hier nach kurzer Zeit zu einer viel hand - greiflicheren Abkehr von der Politik seines Vorgängers. Einmal wußte er, wie dort die Herzöge, so hier die Markgrafen bald mit seiner Herrschaft zu versöhnen und durch Familienverbindungen enger an Deutschland zu ketten. 1)Folgenreich waren namentlich die Verbindung des Hauses Este mit den süddeutschen Welfen und die Vermählung des Markgrafen Bonifaz von Canossa mit Beatrix, der Tochter des verstorbenen Herzogs Friedrich von Oberlothringen.Dann aber brachte ihn die in Übereinstimmung mit seinem deutschen Vorgehen auch hier ergriffene Parteinahme für die kleineren Lehensträger bei den scharf und eigenartig zugespitzten ständischen Verhältnissen der Lombardei, die durch die persönliche Machtpolitik des stolzen und herrischen Erzbischofs Aribert von Mailand noch ihre besondere Färbung er - hielten, zuletzt gar in einen offenen Konflikt mit den Bischöfen.

Die städtische Entwicklung Norditaliens war der deutschen weit vorausgeeilt. Autonomistische Erhebungen der Bürgerschaften gegen die mit den früheren Grafenrechten und der gesamten Regelung des Verkehrswesens betrauten bischöflichen Stadtherren, wie sie in Deutschland erst gegen Ende des Jahrhunderts einsetzten, kannte man hier schon seit Jahrzehnten. Eine Ausnahme machte indes die mächtigste Stadt Mailand. Solange hier noch ein welt - licher Vertreter des Kaisers die Grafenrechte wahrnahm, gingen im Gegensatze zu ihm Erzbischof und Bürgerschaft einträchtig zu - sammen. Dadurch gestärkt, konnte Aribert gegenüber den kleineren Lehensträgern, den Valvassoren, wie sie hier im Unterschied zu den mit Grafschaften und Grafenrechten belehnten Fürsten oder Kapitanen bezeichnet zu werden pflegten, um so eigenmächtiger ver - fahren; er nutzte jede Gelegenheit zur Einziehung ihrer Lehen, deren Erblichkeit hier so wenig wie in Deutschland bis dahin grundsätzlich anerkannt war. Darüber kam es zum Aufruhr der Valvassoren und zu ihrer Vertreibung aus Mailand (1035), und15§ 1. Konrad II. (1024 1039).da die gleiche Rechtsunsicherheit ihre Standesgenossen auch sonst bedrohte, so dehnte sich der Kampf alsbald über die gesamte Lombardei aus, während sich die Bischöfe mit einem Teil der Laienfürsten zusammenschlossen. 1)Es ist eine gewaltsame Betrachtungsweise, wenn Lamprecht in dieser Spaltung den Gegensatz zwischen Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sehen will.Als dann die kriegerische Kraft der Valvassoren noch in demselben Jahre ihre Überlegenheit im Felde bewies, wandten sich zuerst die geschlagenen Bischöfe, dann auch die Sieger um Vermittlung an den Kaiser, der ihnen mit dem stolzen Worte: Wenn Italien hungert nach dem Gesetze, so will ich es damit sättigen seinen Entschluß zur zweiten Romfahrt (1036 bis 38) ankündigte.

Mochte er seine Entscheidung zunächst offen lassen, so führte das persönliche Eingreifen den Kaiser seinen deutschen Grund - sätzen entsprechend bald genug mit Notwendigkeit auf die Seite der Valvassoren. Er forderte Abstellung ihrer Bedrückungen und lud Aribert vor seinen Richterstuhl nach Pavia (1037). Aber jener verweigerte trotzig den Gehorsam; da nahm der Kaiser den Hoch - verräter in Haft, und als er in Mönchtracht nach Mailand ent - wischte und sich dort im vollen Einklang mit der Bürgerschaft zur Wehr setzte, schritt Konrad zu seiner gewaltsamen Unterwerfung. Die Belagerung führte freilich zunächst nicht zum Ziel und ward in Rücksicht auf die beginnende Sommerhitze abgebrochen. Aber tags zuvor erließ der Kaiser jene bedeutsame Verfügung2) Constitutio de feudis v. 28. Mai 1037, M. G. Const. I 90., welche die Erblichkeit aller, auch der kleineren Lehen im Mannesstamme, wie er sie in Deutschland als Recht anerkannte, für Italien in der Form eines schriftlichen Gesetzes verkündete und gegen widerrecht - liche Lehensentziehungen weitere Sicherungen brachte. Die be - geisterte Anhängerschaft sämtlicher Valvassoren war ihm nach diesem Schritte gewiß, während auch die Mehrheit der weltlichen Fürsten auf seiner Seite stand.

Die weiteren Maßnahmen des Kaisers zeugten denn auch von dem Bewußtsein seiner unbedingten Überlegenheit. Es war ein schlechthin unerhörter Vorgang, der allen kirchlichen Rechtsvor - stellungen der Zeit ins Gesicht schlug, daß er es wagte, den wider - spänstigen Erzbischof einfach von sich aus ohne alle Mitwirkung von Papst und Synode abzusetzen und ihm einen Nachfolger zu ernennen. Als er dann einer weitverzweigten Verschwörung auf die Spur kam (1038), die, von Aribert ausgehend, ihre Mitwisser in den Kreisen des lombardischen Episkopats fand, aber auch Konrads Gegner, den Grafen Odo von Champagne, ins Einver - nehmen gezogen hatte und auf eine allgemeine Erhebung gegen16I. Die Zeit der Salier.die deutsche Herrschaft hinzielte, da griff der Kaiser mit furcht - barer Strenge durch, schickte drei der schuldigen Bischöfe über die Alpen in die Verbannung und ließ über Aribert durch den allzeit gehorsamen Papst die Exkommunikation verkünden (1038), während ein Einfall Odos in Lothringen von den dortigen Großen glücklich zurückgeschlagen wurde.

So ließ sich nicht daran zweifeln, daß Konrad genügende Machtmittel zu Gebote standen, um seiner italienischen Politik, die nachgerade zu einer vollen Umkehrung der Parteiverhältnisse ge - führt hatte, auf die Dauer den vollen Sieg zu verschaffen. Ab - gesehen von den starken Mauern Mailands, konnte Aribert seine Hoffnung nur noch auf den Thronfolger Heinrich richten, der aus seiner Unzufriedenheit über die unkanonische Behandlung eines hohen Kirchenfürsten kein Hehl machte. Einstweilen wurde indes ein weiteres Vorgehen gegen Mailand aufgeschoben, weil die süditali - schen Verhältnisse ein Eingreifen des Kaisers wünschenswert machten.

Konrad strebte hier nicht nach Gebietserweiterung. Vielmehr suchte und fand er freundliche Beziehungen zum griechischen Reiche, das eben damals einen frischen Trieb seiner gealterten Kraft spürte und Italien gefährlich geworden wäre, hätte es nicht durch den Kampf gegen die sizilischen Araber eine Ablenkung erfahren. Was dem deutschen Kaiser hier im Süden oblag, war im Wesentlichen die Sicherung des Grenzgürtels langobardischer Fürstentümer durch Beseitigung ihrer Reibungen und Behauptung der deutschen Oberhoheit. Wie das im einzelnen gelang, ist ohne erheblicheres Allgemeininteresse. Wichtig für die Zukunft dagegen wurde es, daß die normannischen Abenteurer, die seit zwei Jahr - zehnten in diesen süditalischen Kämpfen bald hier, bald dort ver - wendet wurden, es damals unter ebenso geschickter, wie skrupel - loser Ausnutzung der Rivalitäten von Capua, Neapel und Salerno in der Terra di Lavoro zu einem kleinen eigenen Territorium brachten, auf dem ihr Führer Rainulf die Burg Aversa erbaute (1030). Diese Grafschaft bestätigte ihm jetzt auch der Kaiser als ein Lehen des Fürsten von Salerno (1038). Er konnte nicht ahnen, daß aus diesem bescheidenen Keim in wenigen Jahrzehnten der starke Normannenstaat erwachsen sollte, der bereits gegen seinen Enkel dem feindseligen Papsttum mächtigen Rückhalt bot.

Von Süditalien aus wäre Konrad wohl zu neuem Angriff gegen Mailand geschritten, hätte nicht die sommerliche Hitze, der er diesmal nicht auszuweichen vermocht hatte, auf dem Rück - marsch in seinem Heere eine verlustreiche Seuche erzeugt, die für den Augenblick jede weitere Unternehmung ausschloß. Indem er daher die Achtsvollstreckung an dem Mailänder Erzbischof den17§ 2. Heinrich III. (1039 1056).italienischen Laienfürsten übertrug, wandte er selbst sich nach Deutschland zurück. Auch er trug den Todeskeim bereits in sich; an einem schweren Gichtleiden ist er schon im folgenden Frühling noch nicht fünfzigjährig gestorben, allzu früh für das Reich, das er in verhältnismäßig kurzer Regierung zu so gewaltiger Macht - fülle erhoben hatte, und das er nun vielleicht nicht ganz ohne Sorge seinem zwar hochbegabten, aber von Grund aus anders gerichteten Sohne hinterließ.

§ 2. Heinrich III. (1039 1056).

Unter dem erst zweiundzwanzigjährigen, aber in Politik und Kriegführung frühzeitig eingeweihten neuen Herrscher schien die Aufwärtsbewegung des deutschen Kaisertums zunächst einen stetigen Fortgang zu nehmen. Gleich die ersten Jahre brachten bedeut - same Erfolge im Osten. Es gelang, die slawischen Großmachtpläne des Böhmenherzogs Bretislaw zu zerstören, seine Abhängigkeit von Deutschland neu zu festigen und die Reichsgrenze in Mähren vor - zuschieben (1041). Ungarn gegenüber aber brachte Heinrich nicht nur den jüngsten Verlust an Grenzgebiet reichlich wieder ein (1043), sondern er griff auch bei erneuter Unzuverlässigkeit seines Königs kräftig durch, schlug dessen Heer und ersetzte ihn durch einen vom deutschen Kaiser abhängigen, tributzahlenden Vasallen (1044 / 45). Diese bedeutende Machtausdehnung gegen Osten und die schran - kenlose Verfügung über das Papsttum in den folgenden Jahren haben Heinrichs III. Regierung als den Gipfelpunkt deutscher Kaisermacht erscheinen lassen. Entsprach diesem Ausgreifen auch die höchste Spannung innerer Kraft? War Heinrich ein eben - bürtiger, wohl gar überlegener Nachfolger seines Vaters? Die zeitgenössischen Quellen lassen uns hier bedenklich im Stich, und die Urteile neuerer Forscher stehen in schroffem Widerspruch mit - einander. Den einen ist er der mächtigste deutsche Herrscher seit Karl d. Gr.1)Vgl. etwa Haucks in den Kern dringende, aber vom politischen Standpunkte aus doch viel zu günstige Beurteilung., den anderen der Verderber des deutschen Königtums. 2)So etwa W. Schultze in Gebhardts Handbuch. Eine mittlere Linie halten inne Giesebrecht, Ranke und Steindorff, dessen Jahrbücher der deutsch. Gesch. unter H. III., 2 Bde. 1874 / 81 für alle Einzelheiten die zuverlässigste Auskunft bieten, aber eine tiefere Auffassung vermissen lassen.

Äußerlich ein Ebenbild des Vaters, wich Heinrich in seiner geistigen Richtung von dessen gesund-kräftiger, lebensprühender Laiennatur auf das Bestimmteste ab. Von bischöflichen ErziehernHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 218I. Die Zeit der Salier.feingebildet, mit Liebe zu den Büchern und Verständnis für Musik und Architektur erfüllt, war er früh und völlig in den Bannkreis der kirchlichen Kultur und christlichen Sittenlehre getreten. Seine ernste und schwere Natur handelte nicht aus glücklichem Gefühl, sondern stets aus streng gemessenem Pflichtbewußtsein. Die Er - habenheit seiner priestergleichen Würde hob ihn zugleich und lastete auf ihm. Er spannte all' seine Kräfte an und tat sich doch kaum je genug. Und wie er selbst nur den Antrieben seines Pflichtbewußtseins folgte, so setzte er nach der Weise der Idealisten das Gleiche bei allen Menschen voraus und vertraute weniger auf den Zwang der Macht und die Lockungen des Eigennutzes, als auf den sittlichen Aufschwung.

Wie kennzeichnend sind dafür die Friedensbestrebungen seiner ersten Jahre! In Westeuropa war es die Kirche, die dem über - handnehmenden Fehdewesen Einhalt zu gebieten suchte. Der von ihr verkündete Gottesfrieden, der sich von Aquitanien (1040) über Burgund und Frankreich ausbreitete, setzte außer den hohen Fest - zeiten für die Passionstage jeder Woche von Mittwoch Abend bis Montag früh kriegerische Gewalttätigkeiten unter kirchliche Strafen. 1)Vgl. Kluckhohn, Gesch. des Gottesfriedens 1857.Heinrich ergriff diese Aufgabe der Friedenswahrung ganz persön - lich und mit voller Inbrunst, aber die Halbheit genügte ihm nicht. Er wollte das Ideal auf die Erde herabzwingen. Gelang es, die Massen zu seiner eigenen hohen Auffassung fortzureißen, so gab es keine Friedenstörung mehr. Deshalb ging er selbst mit dem Beispiel voran. Wenn er während der Konstanzer Synode von 1043 von der Kanzel aus ergreifende Friedensmahnungen an die Menge richtete, so vergab er zuerst allen seinen Schuldnern. Bei der großen Dank - und Bußhandlung nach dem Ungarnsiege von 1044 warf er sich als erster barfuß und im härenen Büßerkleide vor dem mitgeführten Splitter des heiligen Kreuzes auf die Knie, und wieder folgte eine allgemeine Vergebung. Solche Handlungen blieben nicht vereinzelt; sie machten im Augenblick starken Ein - druck und regten nur Nacheiferung an. Doch wie wenig dauern - der Verlaß war auf solche flutenden und ebbenden Gefühlswallungen der Menge! In Heinrichs späteren Jahren tobten die Fehden wieder zahlreich in Deutschland.

Diese achtungswerten, jedoch ihr Ziel verfehlenden Friedens - bestrebungen sind nun aber charakteristisch für die Persönlichkeit und Politik des Königs überhaupt. Wie er noch kurz vor seinem Ende bei einem rein politischen Zwist mit dem Könige von Frank - reich im Zweikampf sein Leben für das Reich in die Schanze19§ 2. Heinrich III. (1039 1056).schlagen wollte, so hat er sich durch die Ehrenhaftigkeit seines gesamten Wandels, die hohe Richtung seines Geistes und die ge - wissenhafte Verfolgung seiner idealen Ziele den Anspruch auf un - bedingte Achtung erworben. Das Gefühl seines Rechtes gab ihm auch eine gewisse Zähigkeit und Selbständigkeit; er ist seiner Natur nie untreu geworden. Aber vertragen sich die Grundsätze christ - licher Sittenlehre in dem Maße, wie Heinrich sie übte, noch mit den Forderungen einer erfolgreichen Staatskunst? Durch edel - mütiges Verzeihen hoffte er so oft seine Gegner zu entwaffnen und gab doch nur nutzlos seine Machtmittel aus der Hand. Dazu traten der schwerflüssige Ernst, die einseitige Starrheit und freud - lose Verschlossenheit seines Wesens seiner Beliebtheit hindernd in den Weg. Seine zweite Gemahlin Agnes von Poitou, die Tochter Wilhelms V. von Aquitanien, bestärkte ihn nur in dieser Richtung. Wenn er bei der Vermählung mit ihr (1043) die fahrenden Spiel - leute, damals nicht unwesentliche Träger der öffentlichen Meinung, von Hofe wies, so steigerte das gewiß nicht seine Popularität. Je länger, desto mehr klagte man im Volke über die Unnahbarkeit des Königs und mangelnden Rechtschutz. Vielleicht haben auch die häufigen Krankheiten in seiner zweiten Regierungshälfte seine Kräfte geschwächt, wie sie ihm zum Verhängnis des Reiches ein vorzeitiges Ende bereitet haben.

Eine Natur wie die Heinrichs III. mußte den kirchlichen Reformbestrebungen gegenüber eine ganz andere Haltung einnehmen, als sein Vater. Jenes Mißverhältnis zwischen den kanonischen Forderungen und der Wirklichkeit, das Konrad II. geduldet, ja ausgebeutet hatte, war seiner kirchlichen Gesinnung, seiner Ge - wissenhaftigkeit unerträglich. Nur in Reinheit konnte die Kirche ihre hohen Aufgaben als treue Gehilfin des Staates erfüllen! Auch hier ging Heinrich persönlich voran. Mit dem ernstlichen Verzicht auf die Simonie gab er ansehnliche Reichseinnahmen preis. In völliger Umkehrung der väterlichen Politik stellte er sofort den Kampf gegen den unkanonisch abgesetzten Aribert von Mailand ein und erkannte ihn als Erzbischof wieder an. Damit wollte er keineswegs auf seine oberherrlichen Rechte den Bischöfen und Reichsäbten gegenüber verzichten. Im Gegenteil, gerade ihre, die geistliche Befähigung sorgsam berücksichtigende Einsetzung, bei der er zuerst neben dem Hirtenstabe auch den Ring, das Symbol der Vermählung mit der Kirche, anwandte, bot ihm die sicherste Hand - habe zur Durchführung der Reformen, wie er auch sonst seine oberherrlichen Befugnisse durch Berufung und Leitung von Syno - den, durch eine Fülle kirchlicher Entscheidungen zu dem gleichen Zwecke geltend machte.

2*20I. Die Zeit der Salier.

Noch kam es ihm selbst wohl kaum zum Bewußtsein, in welchem inneren Widerspruche diese seine ganze Rechtsstellung zu den letzten Forderungen kirchlicher Freiheit stand; und doch drangen aus den Reihen der Reformer gelegentlich schon vernehm - liche Äußerungen an sein Ohr, die eine Trennung von Geistlichem und Weltlichem begehrten. Dem Papste sind wir Gehorsam, Euch Treue schuldig; Euch haben wir über das Weltliche, jenem über das Geistliche Rechenschaft zu geben , mit diesen Worten bestritt Bischof Wazo von Lüttich dem Könige das Recht, einen italieni - schen Erzbischof nach dem Spruche einer deutschen Synode ab - zusetzen, und wahrte es ausdrücklich dem Papste (1046). Ein andres Mal trat in einer stolzen Antwort desselben Bischofs an den König die hierarchische Überhebung schon deutlich genug zu Tage: Zwischen der priesterlichen Weihe und derjenigen, die Ihr empfangen habt, besteht ein großer Unterschied; die unsrige ist lebenspendend, die eurige hat den Tod im Gefolge, und je größer der Vorzug ist, den das Leben vor dem Tode hat, umso höher ist unsere Weihe erhaben über der eurigen.

In demselben Jahre weigerte sich der neuerwählte Erzbischof Halinard von Lyon als Mönch, dem Könige den Treueid zu leisten. Lockerte dieser, als er nachgab, nicht schon das Band der Beamten - abhängigkeit? Es war der große Lebensirrtum Heinrichs III., daß er glaubte, die Kirche im Sinne der Reformpartei umgestalten und doch die alte Herrschaft über sie behaupten zu können. Noch verhängnis - voller trat dieser Irrtum in seinem Verhältnis zum Papsttum hervor.

In Rom herrschten seit 1044 die wirrsten Zustände. 1)Vgl. für das Folgende Hedwig Kromayer, Hist. Vierteljahrschr. 10 (1907).Der Streit der Adelsparteien hatte zu einem Schisma geführt. Der junge, sittenlose Tuskulaner Benedikt IX. war von den Creszen - tiern verjagt; aber rückkehrend, behauptete er sich gegen den Gegen - papst Silvester III., der sich in sein Bistum Sabina zurückzog. Die Vorgänge verdarben Benedikt trotzdem die Lust am Amte, er ver - kaufte es für tausend Pfund Silber an seinen Taufpaten, der sich nun Gregor VI. nannte. Es war das ein frommer und unbeschol - tener Mann, der indes die heimliche Simonie nicht scheute, um die Reformpartei, die ihn unterstützte, erst einmal an das Ruder zu bringen. Im allgemeinen wußte er sich durchzusetzen. Hatte auch der Gegenpapst Silvester kaum ausdrücklich verzichtet, so kann man zum mindesten von einem dreiköpfigen Papsttum doch nicht reden, und Gregor VI. hätte mit Unterstützung des deutschen Königs unzweifelhaft die allgemeine Anerkennung erlangt.

21§ 2. Heinrich III. (1039 1056).

Aber Heinrich, der 1046 seinen ersten Romzug antrat und in Pavia eine Reformsynode abhielt, wollte die Kaiserkrone nur aus reinen Händen nehmen und konnte die Kirchenreform nur mit einem vollkommen einwandfreien Papste durchführen. Sobald sich daher die simonistische Schuld Gregors, der mit dem Könige in Piacenza zusammentraf, herausstellte, war Heinrich entschlossen, ihn fallen zu lassen. Er lud ihn und seinen Gegner Silvester vor die Synode von Sutri (20. Dez. 1046). Dort wurden beide Päpste für abgesetzt erklärt. 1)Die Angabe späterer Quellen, daß bei Gregor VI. in Rücksicht auf die kanonischen Forderungen die Form der Selbstabsetzung angewandt sei, ist sehr zweifelhaft.Gregor wanderte nach Köln in die Verbannung, begleitet von seinem Kaplan Hildebrand, dessen bedeutsamer Name hier zum erstenmal in der Geschichte auftaucht. Drei Tage später ward dann auf einer Synode in Rom auch Be - nedikt, der durch den unzulässigen Verkauf allein noch nicht seines Amtes verlustig gehen konnte, abgesetzt, und durch Heinrich der deutsche Bischof Suidger von Bamberg als Klemens II. auf den päpstlichen Stuhl gehoben. Aus seinen Händen empfing Heinrich die Kaiserkrone. Wenn ihm damals außer der kaiser - lichen Würde auch die eines römischen Patriziers übertragen wurde, so war das zwar nur jener uralte Titel, den schon die Karolinger geführt hatten, nicht die Bezeichnung eines besonderen städtischen Amtes2)Das war die Annahme L. v. Heinemann's, Der Patriziat der deutschen Könige, 1888., aber die Erinnerung der jüngeren Zeiten wies doch vor - nehmlich auf jene römischen Adligen, einen Alberich und Creszen - tius, hin, die als Patrizier die Stadt beherrscht und die erste ent - scheidende Stimme bei der Papstwahl gehabt hatten; dasselbe Recht verband sich auch mit Heinrichs Patriziertitel. An die Stelle der blos tatsächlichen Beherrschung des Papsttums in den letzten Zeiten trat somit der volle Einfluß auf die Besetzung des heiligen Stuhles, wie ihn die Ottonen geübt hatten, nicht mehr und nicht weniger! Ganz wie in den Tagen Ottos d. Gr. konnte das Papsttum nur dadurch, daß es aus dem römischen Parteigewirr heraus unter die Fittiche des Kaisertums trat, zu sittlicher Höhe und universaler Bedeutung emporsteigen. Damit schien die kaiserliche Oberherr - schaft aufs neue dauernd befestigt.

Aber die Idee des Papsttums widerstrebte solcher Abhängig - keit, und je reiner sie gerade infolge der Kirchenreform in die Er - scheinung trat, desto stärker wuchs der Drang nach Befreiung. Es ist nicht richtig, daß erst Heinrichs Tod die Machtverschiebung zwischen Kaisertum und Papsttum bewirkt habe; schon zu seinen22I. Die Zeit der Salier.Lebzeiten hat sie sich langsam angebahnt, und er selbst hat sie gefördert durch unbedachte Zugeständnisse, in Verkennung schlum - mernder Gefahren. Solche Verkennung mochte begreiflich sein im Rückblick auf die Schwäche des tuskulanischen Papsttums und bei der Einmütigkeit des gegenwärtigen Zusammenwirkens; ein verhäng - nisvoller Irrtum blieb sie gleichwohl.

Die kurzen Pontifikate der beiden ersten deutschen Päpste, die Heinrich einsetzte, sind bemerkenswert durch den deutschen Einfluß, der sich nun allenthalben in Rom, insbesondere in der päpstlichen Kanzlei, bessernd geltend machte. Dann aber begann der kühne Aufstieg des Papsttums mit Leo IX. (1048 54). Man kann sagen, daß er wenn auch stets in freundschaftlichster Übereinstimmung mit seinem kaiserlichen Vetter doch recht eigentlich das Fundament für diesen Aufstieg bereitet hat.

Bischof Bruno von Toul war eine glänzende Erscheinung, liebenswürdig und gewinnend, von packender Redegabe, hinreißen - dem Schwung und unermüdlicher Spannkraft. Schon in seiner lothringischen Heimat hatte er an den kirchlichen Reformbestre - bungen eifrigen Anteil genommen; jetzt standen sie im Mittelpunkt seines päpstlichen Wirkens. Durch einen feinen Zug betonte er gleich im Beginn die Selbständigkeit seines Amtes. Nicht der kaiserlichen Ernennung, sondern der nachträglichen Wahl durch die Römer wollte er seine Würde verdanken. Was er für die Bischöfe erstrebte, das sollte auch für das Papsttum gelten, der Wahlhand - lung maß er statt der rein formalen Bedeutung wieder einen tat - sächlichen Inhalt bei. 1)Haucks Anzweiflung dieses Vorgangs scheint mir nicht überzeugend.Es war eine erste leise Andeutung der künftigen Loslösung, und es stand ganz damit im Einklang, daß aus den päpstlichen Urkunden hinfort die Datierung nach Kaiser - jahren schwand. Heinrich achtete des nicht weiter.

Zu der Selbständigkeit des Papsttums trat die Universalität. Für die erweiterten Aufgaben schuf Leo das Kardinalskolleg um. Zu den Geistlichen Roms und den Bischöfen des Patrimoniums traten jetzt zuerst hervorragende Ausländer, namentlich Lothringer und Franzosen, reformeifrig, frei von den Einflüssen des römischen Adels und kundig der transalpinischen Verhältnisse. So tauchten nun als Ratgeber des Papstes die großen Gestalten auf, die in den nachfolgenden Kämpfen eine bedeutende Rolle gespielt haben, die Lothringer Friedrich, Humbert und Hugo Candidus, sowie der aus Deutschland nach Italien zurückgekehrte Mönch Hildebrand, der als Subdiakon einen hervorragenden Anteil an der Leitung des päpst - lichen Finanzwesens gewann.

23§ 2. Heinrich III. (1039 1056).

Mit solchen Hilfskräften und der lebhaften Unterstützung des Kaisers begann nun eine eifrige, fast stürmische Reformtätigkeit, die, an die letzten Tage Heinrichs II. anknüpfend, eine Durchführung der Beschlüsse gegen Simonie und Priesterehe und eine allgemeine Säuberung der Geistlichkeit zum Ziele hatte. Der Papst beschränkte sich nicht auf Italien; sechsmal während der kurzen Jahre seines Pontifikats hat er die Alpen überstiegen; aller Orten sammelte er den Klerus um sich zu Synoden oder eindrucksvollen Kirchen - festen, er selbst in beständiger Bewegung und in alle kirchlichen Verhältnisse eingreifend, die Abhängigkeitsbande der Metropoliten straff anziehend, von dem an weitgehende Selbständigkeit gewöhnten deutschen und französischen Episkopat daher nicht ohne Mißtrauen betrachtet, aber vom Mönchtum und den Volksmassen umjubelt. So schuf er dem Papsttum allenthalben unwägbare Werte und legte den Grund zu einem wahrhaft allgemeinen und tätigen Kirchenregiment.

Aber neben den geistlich-universalen Bestrebungen eines Sil - vester II. nahm Leo IX. doch auch die weltlich-nationalen Ziele eines Benedikt VIII. in Süditalien wieder auf. Im Hintergrunde stand offenbar der Gedanke, daß nur eigne staatliche Macht dem Papsttum die Selbständigkeit gewährleiste. Die auftauchende Er - innerung an die konstantinische Schenkung war ein Merkzeichen solcher Bestrebungen. Sie führten Leo zum Kampfe mit den süd - italischen Normannen. Diese hatten unter der Oberlehnsherrschaft des Fürsten von Salerno von ihrer Grafschaft Aversa aus Apulien erobert. Die Tage des Griechentums in jenen Gegenden waren gezählt. Heinrich III. hatte auf seinem Romzuge in diese verwickelten Ver - hältnisse nur vorübergehend eingegriffen, und es fragte sich, ob die unmittelbare Unterordnung der normannischen Herrschaften unter das Reich, die er zu ungunsten von Salerno verfügte, ersprießlich war, denn aus der Ferne waren diese unruhigen und ehrgeizigen Aben - teurer doch nicht im Zaum zu halten. Schon begann Robert Guis - card die Eroberung von Kalabrien.

Dem Papste war die fortschreitende Vernichtung des Griechen - tums an sich willkommen genug, denn damit mußten der römischen Kirche hier neue Provinzen zuwachsen. Aber mit der kirchlichen versuchte er die politische Ausdehnung zu verbinden, und dieser setzten sich die Normannen bei aller Ergebenheit rücksichtslos ent - gegen. Der Streit entbrannte um Benevent. Diese Stadt huldigte, um sich vor den Bedrückungen der Normannen zu schützen, dem Papste (1051), der die Gelegenheit begierig ergriff. Die ganze Selbständigkeit seiner Politik neben der kaiserlichen trat darin her - vor, daß er den Versuch machte, diesen Reichsbesitz im Zusammen - wirken mit den Griechen für das Papsttum zu erobern. Als indes24I. Die Zeit der Salier.das päpstliche Heer vor dem Kampfe auseinanderlief (1052), war Leo doch gezwungen, sich an den Kaiser nach Deutschland zu wenden. Das Ergebnis ihrer persönlichen Abmachungen war merk - würdig genug. Anstatt dem Papste wegen der eigenmächtigen Ver - letzung von Reichsrechten zu zürnen, zeigte sich Heinrich zur För - derung seiner Pläne bereit. Gegen deutsch-kirchliche Zugeständnisse, insbesondere Verzicht auf die direkte päpstliche Hoheit über Bam - berg und Fulda, trat er ihm Benevent ab und rüstete zu dessen Sicherung ein Reichsheer. So völlig fern lag ihm der Gedanke, die Politik der Kurie könne sich auch einmal feindlich gegen das Kaisertum wenden. Erst die entschiedene Opposition der deutschen Bischöfe mit Gebhard von Eichstätt an der Spitze, die, an sich schon mißtrauisch gegen Leos hierarchisches Walten, einer Verwen - wendung von Reichsmitteln für fremde Zwecke widerstrebten, be - stimmte den Kaiser, den größten Teil seiner Truppen zurückzurufen.

Aber Leo hielt sich für stark genug, auch mit seinen eignen Mannschaften zum Angriff zu schreiten. Das Ergebnis war die völlige Niederlage bei Civitate (1053). Der Papst selbst geriet in normannische Haft und sah sich gezwungen, seine süditalischen Pläne fallen zu lassen. Als Schwerkranker in Freiheit gesetzt, starb er alsbald in Rom (1054). Der erste Versuch zur Aufrichtung einer päpstlichen Herrschaft über Süditalien war gescheitert, trotzdem blieb er richtunggebend. Vor der Schlacht hatten die Normannen dem Papste das Anerbieten gemacht, alle eroberten kirchlichen Be - sitzungen von ihm gegen Tribut zu Lehen zu nehmen. In allzu - großem Kraftgefühl hat Leo das damals abgelehnt. Aber diesem Vorschlage gehörte die Zukunft; so sollte das Papsttum doch, wenn auch in andrer Form, im Süden eine Stütze für seine Selbständig - keit gewinnen.

Noch war indes an Unabhängigkeit vom Kaisertum nicht zu denken. Der Begünstigung Heinrichs hatte Leo IX. doch in erster Linie seine Erfolge verdankt, und er hatte dafür mit kirchlichen Mitteln die kaiserliche Politik mannigfach unterstützt. Das vielleicht allzu rasche Selbständigkeitstreben des Papsttums erfuhr sogar zu - nächst einen gelinden Rückschlag, denn Heinrich erhob nach längerer Vakanz gerade den Führer der deutschen Bischofsopposition, Geb - hard von Eichstätt, als Viktor II. (1055 57) zum Papste, nicht zur Zufriedenheit der Hauptratgeber Leos. Indessen, mochte Geb - hard glauben, sich nur so eine Stellung in Rom schaffen zu können, oder hielt er eine Befestigung den Normannen gegenüber für nötig, er machte eine umfassende Herstellung aller entfremdeten Besitzungen des h. Petrus geradezu zur Bedingung der Übernahme des Papst - tums und hat in den nächsten Jahren eifrig dafür gewirkt. Wenn25§ 2. Heinrich III. (1039 1056).er überdies die Ämter eines Herzogs von Spoleto und Markgrafen von Fermo mit seiner kirchlichen Würde vereinigte und so in Mittelitalien eine bedeutende Machtstellung einnahm, so war das allerdings ein rein persönlicher Vertrauensposten im Dienste des Kaisers, jedoch für zukünftige Ansprüche vielleicht nicht ganz unbe - denklich.

Immerhin zeigten diese letzten Vorgänge, daß Heinrich die Zügel noch in der Hand hatte. Die Reichskirche hielt er nach wie vor in straffer Abhängigkeit, durch das Einsetzungsrecht vermochte er in kurzen Zwischenräumen stets seinen Einfluß auf das Papsttum zu erneuern. So lange er lebte, drohte von dieser Seite kaum eine unmittelbare Gefahr. Aber er hat das Papsttum doch zur Macht gehoben; noch wuchs es ihm nicht über den Kopf, aber doch bis zur Schulterhöhe, und einen kindlichen Nachfolger mußte es bereits überragen. Allzusehr durchdrungen von der Har - monie zwischen Kaisertum und Papsttum und allzu zukunftsicher, hat Heinrich III. in seiner Kirchenpolitik doch ein gefährliches Spiel gespielt. Durch seinen unzeitigen Tod ging es zum Verhängnis Deutschlands verloren!

Auch für seine sonstige innere Politik bildete das Verhältnis zur Kirche den Angelpunkt. Die Vergabungen an sie waren nach dem Stillstande unter Konrad II. aufs neue im Wachsen; die deutschen Bischöfe waren wieder die hauptsächlichen Vertrauensmänner und Verwaltungsbeamten der Regierung. Wie, wenn die Reformer ein - mal diese Doppelstellung als unkanonisch verwerfen würden? War alsdann für andre Stützen der Reichsverwaltung gesorgt? Man kann kaum sagen, daß Heinrich die väterliche Politik nach dieser Rich - tung hin sorgsam weiter gepflegt habe. Das Emporsteigen des Ministerialenstandes und das Aufblühen der westdeutschen Städte setzte sich zwar ohne viel Zutun von oben fort. Auf die Mehrung des unmittelbaren königlichen Besitzes aber verwendete Heinrich bei weitem nicht die stete Sorgfalt des Vaters. Durch den Ver - zicht auf die simonistischen Abgaben der Geistlichen sah er sich gezwungen, die weltlichen Reichsbeamten und Lehensträger bei ihrer Einsetzung zu ähnlichen Zahlungen heranzuziehen, die ihm dann wohl den Vorwurf der Habsucht eintrugen. Überhaupt war das ganze kirchenfreundliche Regiment wenig nach dem Sinne des Laien - adels, den sich Konrad II. diesseits und jenseits der Alpen eng zu verbinden gesucht hatte. Die Unzufriedenheit dieser Kreise wuchs in allen Teilen des Reiches. Im Anfang war nun freilich Hein - richs Machtstellung überwältigend. Aber die drei heimgefallenen Herzogtümer Bayern, Schwaben und Kärnthen gab er noch in den vierziger Jahren aus der Hand. Bei dem weitausgedehnten Pflichten -26I. Die Zeit der Salier.kreis des Kaisers mochte ja eine unmittelbare Beherrschung dieser Herzogtümer, namentlich der von den Ungarn bedrohten: Bayern und Kärnthen, in der Tat schwer durchführbar sein, aber die stamm - fremden Männer, die Heinrich auswählte, um durch sie den un - ruhigen einheimischen Adel im Zaum zu halten, erwiesen sich nicht durchgängig als zuverlässig. So ward Heinrichs Geschick dadurch fast zu einem tragischen, daß er bei allem Friedenstreben in immer neue innere Kämpfe verwickelt ward.

Ihre Hauptstätten fand die wachsende Unzufriedenheit in den beiden Herzogtümern, die dem Kaiser noch am selbständigsten gegenüberstanden, in Sachsen und Lothringen. Dort ward sie bedeutsam erst für die Zukunft, hier bereits gefährlich in der Gegenwart.

Zu Sachsen hatte Heinrich besonders nahe Beziehungen. Hat er auch nicht, wie Nitzsch meinte, den ernstlichen Plan verfolgt, Goslar zu seiner festen Residenz zu machen, so hat er doch den Bau der neuen Pfalz begonnen und mit Vorliebe dort geweilt. Schon dieses Streben, auf Grund der alten ottonischen Besitzungen die Stellung des salischen Hauses in jenen durch die beginnende Ausbeutung der Harzer Silberschätze an Wert steigenden mittel - deutschen Landschaften zu befestigen, mußte den sächsischen Adel mit Mißtrauen erfüllen. Ein weiteres Moment des Zwiespalts er - gaben die nahen Beziehungen des Kaisers zu Erzbischof Adalbert von Bremen.

Kaum eine andre Persönlichkeit jener Zeit steht so lebendig vor uns, wie der thüringische Grafensohn, der 1045 (1043?) von Heinrich auf den Bremer Erzstuhl gehoben ward, denn die feine Feder Meister Adams1)Vgl. S. 30. Von Neueren vgl. über Adalbert: Dehio, Gesch. des Erzb. Hamburg-Bremen I (1877), jetzt im einzelnen zu übertreffen; R. Müller, Stader Progr. 1885, Haucks Darstellung u. v. Schubert, Kirchengesch. Schles - wig-Holsteins I (1907), 81 ff. hat ihn uns am Leben erhalten, diesen schönen, reichbegabten, zum Fürsten geborenen Mann mit seinem kühnen, hochfliegenden Geist, voll Hingabe an die große Sache, die er erwählt, und doch von ungemessenem Ehrgeiz und reizbarem Stolze, phantastisch zugleich und weltfreudig, großzügig und eitel. Wie er der Bremer Kirche sein ganzes reiches Erbgut von zwei - tausend Bauernhöfen schenkte, wie er die päpstliche Würde, die ihm der Kaiser anbot (1046), ausschlug, weil er von seinem Erzbistum eine bessere Meinung hegte, so hat er sein Leben lang mit allen Kräften an der Erhöhung der hamburgisch-bremischen Kirche ge - arbeitet, an der Erweiterung ihres geistlichen Einflusses und an dem Ausbau ihrer weltlichen Macht, energisch und unermüdlich, aber27§ 2. Heinrich III. (1039 1056).auch sprunghaft und gewaltsam, mit Überspannung der Kräfte und darum auf die Dauer nicht ohne Rückschläge und Mißerfolge.

Die Geschichte der deutschen Beziehungen zum Norden ist mit der überragenden Figur Adalberts auf das engste verknüpft. Die alten Missionsbestrebungen in dieser Richtung nahm er in breitestem Umfange und mit dem lebhaftesten Schwunge auf. Der erste große Erfolg ward in dem nahen, weitausgedehnten Wenden - staate des Christ gewordenen Abotritenfürsten Gottschalk errungen; die dort neugegründeten Bistümer Mecklenburg und Ratzeburg wurden der bremischen Metropolitangewalt unterstellt. Von da strahlte die Wirkung weiter in die benachbarten Wendenlande.

Auch in den nordgermanischen Reichen, insbesondere in Däne - mark, schien sich der bremischen Kirche bei dem Zerfall der Groß - macht Kanuds eine bedeutende Aussicht zu bieten; aber die festere nationale Geschlossenheit der Staaten drängte hier nach kirchlicher Selbständigkeit. Aus dem Wunsche, dieses unaufhaltbare Streben mit den kirchlichen Hoheitsansprüchen Bremens zu vereinigen, er - wuchs in Adalbert der Plan, ein nordisches Patriarchat zu begründen, das sich als eine hierarchisch übergeordnete Gewalt über die nor - dischen Landeskirchen erheben und dem bremischen Inhaber die Möglichkeit gewähren sollte, selbst Erzbischöfen zu gebieten. Um die Notwendigkeit dieser Rangerhöhung nach den kanonischen Vor - schriften Pseudoisidors darzutun, vermehrte Adalbert die Zahl der bremischen Suffraganbistümer über die wirklichen Bedürfnisse hinaus auf zwölf. In Rom hatte er mit seinem Plane indes nur einen halben Erfolg. Man schätzte seine Missionsleitung und Organisations - kraft hoch, lieh ihm die nötige Rückendeckung und kargte nicht mit Ehrenvorrechten, wie dem Titel eines Legaten, ja eines päpst - lichen Vikars. Aber eine dauernde, nicht nur auf persönlicher Verleihung, sondern auf eigenem Rechte beruhende Mittelsgewalt zwischen Rom und den nordischen Kirchen hier neu zu schaffen, würde doch der ganzen absolutistischen Richtung der päpstlichen Politik allzusehr widersprochen haben. So blieb der Plan unausgeführt.

Indes die immer weiter ausgreifende Wirksamkeit Adalberts wurde dadurch kaum eingeengt. Weit über Skandinavien hinaus, bis nach Finnland, den Orkneyinseln, Island und Grönland zogen die bremischen Missionare und schufen kirchliche Organisationen unter bremischer Oberleitung.

Diese reiche Wirksamkeit im Auslande bedingte eine starke Machtgrundlage daheim. Adalbert beschränkte sich da nicht nur auf die Erweiterung und straffe Vereinigung des Kirchengutes der bremischen Diözesen in seiner Hand, sondern er suchte möglichst viele Grafschaften seines Sprenels an sich zu bringen, um so eine28I. Die Zeit der Salier.ähnliche, herzoggleiche Stellung einzunehmen, wie sie in kleinerem Umfange etwa der Bischof von Würzburg im Laufe der Zeit wirk - lich erlangt hat. Wie sehr aber lief ein solches Streben den Interessen des sächsischen Laienadels, insbesondere der billungischen Herzogs - familie entgegen! Und bei der einflußreichen Vertrauenstellung, die Adalbert beim Kaiser einnahm, richtete sich die Unzufriedenheit nun auch gegen Heinrich. Schon als dieser 1047 den Erzbischof auf seinem Gute Lesum bei Bremen besuchte, wäre er fast das Opfer eines Attentats geworden, und der Verbrecher war ein Bruder des sächsischen Herzogs! Das war ein Merkzeichen der Mißstimmung, die seitdem im Stillen weiterfraß, aber zu einem offnen Ausbruch hier vorerst noch nicht führte.

Dagegen hatte der Kaiser nahezu während seiner ganzen Regierung fast ununterbrochen mit dem Herzog Gottfried von Ober - lothringen zu kämpfen, dem er das vom Vater besessene Nieder - lothringen verweigert hatte (1044). Die Grenzlage des Herzogtums, für den Kaiser um so unbequemer, als ihn die seit 1046 wieder ausgebrochenen ungarischen Kämpfe in die entgegengesetzte Richtung wiesen, die offene Hülfe des nie bezwungenen Flandern, die heim - liche Gunst des französischen Königs, der nur vorübergehend um - gestimmt wurde, der Mangel einer Reichsflotte, den man einmal (1049) gar durch die Hülfe des Auslandes, dänische und englische Schiffe, zu ersetzen versuchte, alles das machte diese fortgesetzten Erhebungen für Heinrich höchst unangenehm. Statt den unver - söhnlichen Gegner zu vernichten, nahm er mehrfach seine Unter - werfung an, um ihn nach kurzer Zeit zu begnadigen und neue Enttäuschungen zu erleben.

Geradezu bedrohlich für das Reich ward dann die Vermählung Gottfrieds mit der Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien (1054), die durch die weitverbreiteten Eigengüter und Lehen ihres Hauses Canossa und das auf sie übergegangene tuszische Reichs - amt ihres ersten Gemahls eine bedeutende Machtstellung in Mittel - und Norditalien einnahm. Diese von der Kurie vielleicht insgeheim geförderte Verbindung zwang den Kaiser zu seinem zweiten Rom - zuge (1055). Sein entschlossenes Vorgehen blieb nicht ohne Erfolg. Durch Begünstigung der Städte gewann er kräftigen Rückhalt, Beatrix und ihre Tochter Mathilde gerieten in seine Haft. Aber Gottfried selbst hatte sich schon vorher nach Deutschland geworfen, und der dort aufs neue entfachte Aufstand erwuchs noch einmal zu einer ernsten Gefahr durch die Verbindung mit der süddeutschen Op - position.

Die von Heinrich selbst eingesetzten Herzöge Konrad von Bayern und Welf III. von Kärnthen hatten sich als durchaus un -29§ 2. Heinrich III. (1039 1056).zuverlässig erwiesen. Möglicherweise waren es die engen Beziehungen des Kaisers zum bayrischen Episkopat, die Herzog Konrad schon 1052 zur Empörung getrieben hatten. Er ward abgesetzt und flüchtete nach Ungarn, um von dort aus den Kampf fortzuführen.

Wie wenig hatte doch hier im Südosten die scheinbar so glänzende Machtausdehnung des Reiches um die Mitte der vierziger Jahre in Wirklichkeit bedeutet! Schon 1046 war König Peter, der Schützling und Vasall Heinrichs, durch eine deutschfeindliche Re - aktion gestürzt worden, und mit dem Nachfolger Andreas begann bald wieder der alte Grenzkrieg (1050). Als schon ein für das Reich günstiger Friede in Aussicht stand (1053), entfachte der flüchtige Bayernherzog die Kriegsgluten aufs neue, in denen nun die ganzen Errungenschaften aus den ersten Jahren von Heinrichs Regierung zu Asche verbrannten.

Der Herzog selbst aber zettelte während des Kaisers Romzug eine weitverzweigte Verschwörung an, die Heinrich Thron und Leben kosten und ihn selbst auf dessen Platz heben sollte (1055). Die Kunde davon zwang den Kaiser zu sofortiger Rückkehr, und nun lächelte ihm noch einmal das Glück. Der unvermutete Tod der beiden Hauptverschworenen Welf und Konrad vernichtete die Machenschaften seiner Feinde. Auch Gottfried von Lothringen unterwarf sich, und trotz allem, was geschehen, begnadigte ihn Heinrich und entließ auch seine Gemahlin aus der Haft. Gegen ein Treueversprechen, das nach den bisherigen Erfahrungen im Ernstfalle federleicht wog, erkannte er jetzt die bedenkliche lothrin - gisch-tuszische Verbindung an. War es eine Vorahnung des Todes, die ihm die Notwendigkeit eines Entgegenkommens nahelegte? 1)Die Beschaffenheit unsrer Quellen läßt hier, wie auch sonst in Heinrichs Regierung, so manches dunkel. Daß die Entscheidung zu den letztwilligen Verfügungen des Kaisers gehörte, möchte ich um deswillen nicht annehmen, weil die Begnadigung Gottfrieds noch am Rhein erfolgt zu sein scheint, und die Entlassung seiner Gemahlin doch wohl im Zusammenhang mit ihr stand.War es ein Gefühl der Schwäche, das von durchgreifender Strenge nur neue Unruhen befürchten ließ? Im Grunde war doch auch dieser Entschluß nur ein Ausfluß der ureigensten Natur Heinrichs und seiner christlichen Lebensanschauung. Feindlichen Trotz zu brechen, aber dann durch überreiche Gnade die Herzen zu ge - winnen, das war hier, wie so oft, sein menschlich großes, aber staatsmännisch überaus bedenkliches Bestreben.

So war er, obwohl er manchem sich zu seinen Ungunsten entwickelt zu haben schien, doch wohl derselbe geblieben, der er im Anfang gewesen war; aber das Reich war nicht mehr ganz das30I. Die Zeit der Salier.gleiche, wie er es von seinem Vater übernommen hatte. Wohl hatten gerade die letzten Jahre bewiesen, daß der Kaiser noch allen gegensätzlichen Gewalten gewachsen war, und von einer ernst - lichen Erschütterung seiner Machtstellung ließ sich noch nicht reden. Aber nicht zum wenigsten durch die Fehler seiner Politik waren alle jene Gewalten emporgekommen, deren furchtbarer Zusammen - schluß seinem Nachfolger Verderben bringen sollte: die Opposition des sächsischen und süddeutschen Laienadels, die lothringisch-tus - zische Verbindung, das zur Selbständigkeit schreitende Papsttum, die süditalischen Normannen.

Mißstimmung und Unfriede waren im Reiche weitverbreitet, als Heinrich, der noch nicht das vierzigste Jahr vollendet hatte, in seiner Pfalz Bodfeld im Harz auf den Tod erkrankte. Mit schwerer Sorge gedachte er da der Nachfolge seines erst sechsjährigen Söhn - chens. Schon hatten diesen die Fürsten zum König gewählt (1053), aber, wie uns berichtet wird, ihren künftigen Gehorsam von der Voraussetzung eines gerechten Regiments abhängig gemacht. Eben weil diese Klausel, die man einem Konrad II. gegenüber schwerlich gewagt haben würde, ein Moment der Unsicherheit enthielt, ver - pflichtete Heinrich auf seinem Sterbebett die gerade anwesenden Fürsten durch eine Wiederholung der Wahlhandlung aufs neue. Dem Papste Viktor II., der als Bischof von Eichstätt daran teilnahm, empfahl der Kaiser seinen Knaben zum besonderen Schutze. Noch einmal verzieh er allen seinen Feinden und erbat ihre Vergebung für seine Schuld. Dann trat der Tod ein (5. Okt. 1056). Deutsch - land stand an einem Wendepunkt seiner Geschicke.

§ 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065).

Nach dem bald erfolgenden Tode des päpstlichen Beraters Viktor II. (1057) sah sich Agnes, die Witwe Heinrichs III., als Regentin vor eine ihre Kraft weit übersteigende Aufgabe gestellt. Ängstlich und unsicher, ohne politisches Urteil, persönlichen An - trieben folgend, voll kirchlicher Ergebenheit, ein schwaches Weib, hat sie durch ihr energieloses Walten künftiges Unheil vorbereiten helfen. Die Männer, die sie in Süddeutschland zu Herzogen erhob, der Burgunder Rudolf von Rheinfelden in Schwaben, der Sachse Otto von Nordheim in Bayern der Schwabe Berthold von Zähringen in Kärnthen, sollten sich bald genug als die gefährlichsten Gegner der Krone erweisen. Die Günstlingswirtschaft am Hofe, die Für - sorge für die Reichsklöster, die Mißerfolge der großen Politik steigerten31§ 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065).die Unzufriedenheit der geistlichen und weltlichen Großen und führten zu dem Staatsstreich von Kaiserswerth (1062), der mit der Person des königlichen Knaben zugleich das Reichsregiment in die Hand der Fürsten gab und die Kaiserin veranlaßte, sich in das langersehnte Kloster zurückzuziehen.

Ein Jahr lang war nun Erzbischof Anno von Köln tatsächlich alleiniger Regent, der Hauptrivale Adalberts von Bremen, stolz und herrisch wie dieser, ebenso auf die Erhöhung seiner Kirche und seines persönlichen Einflusses bedacht, zwischen Reichsregierung und Kurie eine selbständige Mittelstellung erstrebend, die unhaltbar war, im ganzen doch enger, kurzsichtiger, phantasieloser, als Adalbert, der schon durch seine weltfrohere glanzvollere Lebenshaltung den jungen König mehr für sich einzunehmen wußte, und daher bald (1063) mit dem Kölner um die Macht rang. Als dann Anno durch den kirchenpolitischen Streit nach Italien geführt wurde (1064), und der mündig gewordene König (1065) sich noch enger an den Bremer Erzbischof anschloß, begann für Adalbert die kurze Glanzzeit seines ausschließlichen Einflusses auf die deutsche Regierung. Daß er sich nun, wie die sächsische Parteilegende will, Heinrichs Gunst gesichert habe, indem er dessen schlechten Neigungen frönte, ist ebenso unrichtig, wie die auf Nitzsch zurückgehende Meinung neuerer Forscher, Adalbert habe wieder einen großen nationalen Zug in die Reichspolitik gebracht und planvoll an einer wirtschaft - lichen Stärkung der Krone gearbeitet. 1)Vgl. Meyer v. Knonau Jahrb. I, 695 ff.Wohl trug er den Ruhm eines glücklichen Feldzuges gegen Ungarn davon, der den deutschen Einfluß auf das Nachbarreich vorübergehend herstellte (1063), wohl lief sein persönlicher Nutzen mit dem der Krone, die ihm in Sachsen umfangreiche Rechte und Besitzungen zugestand, eine weite Strecke zusammen, wohl förderten seine eben damals großartig betriebenen Patriarchatspläne die Beziehungen des Reiches zu den nordischen Ländern. Aber als das Interesse des Königtums einen Romzug zur Erwerbung der Kaiserkrone erheischte (1065), widerriet Adalbert, im wesentlichen doch wohl aus Eifersucht gegen Anno, den Erz - kanzler für Italien, und der Versuch einer Aufteilung der wohl - habenden Reichsabteien unter die Bischöfe, unter denen er sich selbst ganz besonders bedachte, hätte bei völliger Durchführung gerade - zu den Hauptlebensnerv der Reichsgewalt unterbunden. Ebendiesen Plan nutzte die über die Bevorzugung eines Einzelnen mißvergnügte Fürstenaristokratie zum Sturze Adalberts; auf dem Tage von Tribur (1066) ward Heinrich gezwungen, seinen Ratgeber schimpflich zu entlassen, und nun erhoben sich dessen Gegner in Sachsen und32I. Die Zeit der Salier.wußten das Gebiet der bremischen Kirche auf kaum ein Drittel seines Umfangs zu beschränken. Der heidnisch-slawische Rückschlag aber, der nun bei den Abotriten und andern rechtselbischen Slawen - stämmen erfolgte, brachte dem Reiche wie dem Christentum die schwersten Schädigungen.

Nach innen und außen erinnerten so die Zustände an die Zeiten der Kindheit Ottos III. Was aber den Vergleich sehr zu Ungunsten des jungen Heinrich IV. entschied, war die inzwischen vollzogene Machtbefreiung des Papsttums, die in dem Jahrzehnt seit dem Tode Heinrichs III. reißende Fortschritte gemacht hatte.

Nach dem Tode Viktors II. hatte sich die Reformpartei mit dem Lothringer Stefan IX. (1057 58) zuerst in den Sattel gesetzt; sein Bruder Herzog Gottfried von Lothringen sollte durch seine mittelitalische Machtstellung dem Papsttum die Selbständigkeit gewährleisten. Indes bei seiner kurzen Dauer kam diesem Pontifikat nur programmatische Bedeutung zu. Dann vermochten die Reformer gegen einen Vorstoß des römischen Adels ihre Herrschaft nur durch erneute Anlehnung an die Reichsregierung zu sichern, indem sie die Zustimmung der Kaiserin für ihren Kandidaten einholten. Der Name Nikolaus II., den er sich gab, war mit seiner Erinnerung an den großen Papst des neunten Jahrhunderts ein Programm, und die kurzen drei Jahre dieses Pontifikats sind nun allerdings durch Zielsetzung, Festigung und Rüstung für die Geschichte des Papst - tums hochbedeutsam geworden.

In seine Anfänge fällt die Schrift des Kardinals Humbert Gegen die Simonisten , in der die letzten Ziele der kirchlichen Reformpartei zuerst unverhüllt ausgesprochen wurden, wohl die hervorragendste publizistische Leistung der ganzen Zeit. 1)Vgl. M. G. Libelli de lite I, 15 ff.

Da ward nicht nur die Simonie als Ketzerei und jede Weihenspende durch Simonisten als ungültig erklärt, sondern vor allem der Begriff der Simonie ausgedehnt auf die Erteilung eines kirchlichen Amtes durch Laien oder an Laien. So sollte das gesamte Kirchengut herausgehoben werden aus der Verfügungsgewalt der weltlichen Grundherren, eine völlige Umkehrung des bisherigen Rechtszustandes, die am empfindlichsten die deutsche Reichs - gewalt treffen mußte. Offen wurde ausgesprochen, die Schändung der jung - fräulichen Reinheit der Kirche durch die Einmischung der Laien habe mit den Ottonen begonnen, die Investitur von Geistlichen durch Laienhand mit den kirchlichen Symbolen Ring und Stab sei verwerflich und nichtig, wie viel mehr jetzt gar durch die Hand einer Frau! Nur ein Konsensrecht bei den Bischofswahlen wurde der weltlichen Gewalt zugestanden, jeder weitere Anspruch zurückgewiesen; nicht mehr Reform, sondern Befreiung der Kirche ward die Losung, und zu ihrer Durchführung wurde bereits die Revolutio - nierung der Volksmassen gegen die Fürsten ins Auge gefaßt. Da aber eine völlige Trennung von Geistlichem und Weltlichem bei dem Ineinandergreifen33§ 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065).beider Kreise aussichtslos erschien, so führte eine wahre Befreiung der Kirche zu ihrer Überordnung über die weltlichen Gewalten. Das Priestertum ward der leitenden Seele, das Königtum dem gehorchenden Körper verglichen. So gelangte man gleich im Anfange in der Verfolgung der kirchlichen Freiheit zur kirchlichen Herrschaft.

Noch mochten sich die maßvolleren Reformer, wie der zum Kardinal erhobene Petrus Damiani1)Seine Schriften und Briefe gehören zu den wichtigsten Quellen für die kirchliche Reformbewegung vor dem Investiturstreit, vgl. Opera ed. Caje - tanus 1743 u. Libelli de lite I., keineswegs zu so weitgehenden, den Frieden der Welt bedrohenden Schlußfolgerungen bekennen; aber die radikalere Gruppe, die sich nun ganz auf den Boden dieses mit eindringlicher Schärfe entwickelten Programms stellte, ge - wann die Führung, allen voran der vom Subdiakon zum Archidiakon der römischen Kirche emporsteigende Hildebrand. Das scharf - sichtige Auge des Papstes nannten ihn wohl die Freunde; er fütterte seinen Nikolaus im Lateran wie einen Esel im Stalle meinte ein Gegner. Von nun ab hielt er ununterbrochen das Regiment der Kurie in Händen bis zu seinem eignen Pontifikat.

Gleich die Lateransynode von 1059 zeigte in ihren Reform - beschlüssen den Einfluß von Humberts Schrift; vor allem aber suchte sie das Papsttum vor weiteren Störungen zu sichern und der Reformpartei dauernd zu erhalten durch eine Neuordnung der Papstwahl. 2)Die Verfälschungen des ursprünglichen Textes während des folgenden Kampfes in beiden Lagern haben der Forschung über das Papstwahldekret Nikolaus II. schwierige Aufgaben gestellt und eine reiche Kontroversliteratur hervorgerufen. Die älteren Abhandlungen finden sich aufgezählt und beurteilt in der Schrift von Scheffer-Boichorst, Die Neuordnung der Papstwahl durch Nikolaus II. (1879), die einen vorläufigen Abschluß brachte und noch jetzt die sicherste Grundlage für weitere Arbeit bleibt. Die sog. päpst - liche Fassung des Dekrets mit dem allgemeinen Vorbehalt des kaiserlichen Rechts wurde von ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit als die dem ursprüng - lichen Text im wesentlichen entsprechende nachgewiesen, während die sog. kaiserliche Fassung, die dem Kaiser einen Anteil an der Wahl selbst zu - gesteht, als eine spätere Fälschung aus dem Kreise der Anhänger des Gegen - papstes Wibert um 1080 erscheint, andererseits freilich auch eine Verfälschung aus dem Lager Gregors VII. nicht fehlt. Über einzelne Streitpunkte, wie die von Panzer, v. Heinemann, K. Müller u. a. angenommene Abänderung des Dekrets im Jahre 1060, setzen sich die Meinungsverschiedenheiten bis in die Gegenwart fort; vgl. darüber Meyer v. Knonau I, 678 ff., Hauck III 3. 4 S. 683. Neuerdings sucht v. Pflugk-Harttung (Mitt. des Inst. f. öst. Gesch. 27, 1906) auch die weitgehende Verunechtung der sog. päpstlichen Fassung nachzu - weisen und meint aus den zeitgenössischen Berichten schließen zu können, daß in dem ursprünglichen Texte das kaiserliche Recht als Gegengewicht gegen den Einfluß des römischen Adels stark betont gewesen sei; doch dürfte er mit seinen Ausführungen schwerlich allgemeinere Zustimmung finden.Denn indem der Kandidatenvorschlag künftig den Kardinalbischöfen, Annahme oder Verwerfung dem gesamten Kardinals -Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 334I. Die Zeit der Salier.kolleg zustehen sollte, während dem übrigen Klerus und Volk von Rom nur ein rein formelles Zustimmungsrecht blieb, sollte der Ein - fluß des römischen Adels auf die Wahl ein für allemal beseitigt werden. Das war neben der Legalisierung gewisser Unregelmäßig - keiten bei der Erhebung des gegenwärtigen Papstes offenbar der Hauptzweck der neuen Ordnung. Aber daneben war sie doch eine einseitige Abänderung des noch von Heinrich III. energisch betonten und geübten kaiserlichen Rechtes bei der Papstwahl, das in der vorliegenden Fassung des Dekrets nur in ganz unbestimmter Form als persönliches Vorrecht Heinrichs IV. vorbehalten wurde. Noch suchte man den offenen Bruch mit der Reichsregierung zu ver - meiden, wenn sie sich mit einer wenig greifbaren Phrase abspeisen ließ. Darüber freilich konnte man sich einer Täuschung nicht hingeben, daß die erstrebte Befreiung der Kirche sich ohne einen Kampf mit dieser Macht nicht verwirklichen ließ. So sah man sich frühzeitig nach Bundesgenossen um.

In Mittelitalien bot die Machtstellung des Herzogs Gottfried von Lothringen, dem Nikolaus II. nicht zum wenigsten seine Er - hebung verdankte, den natürlichen Rückhalt. Süditalien gegenüber aber vollzog sich nun auf Antrieb Hildebrands eine bedeutsame Schwenkung der päpstlichen Politik. Noch der letzte der deutschen Päpste Stefan IX. hatte wie Leo IX. an eine Machtstärkung der Kurie durch feindliche Niederwerfung der Normannen gedacht. Jetzt sah man die Unmöglichkeit ein und erreichte Ähnliches durch friedliches Übereinkommen. Beide Normannenführer wurden in ihren teilweise auf Kosten der Kirche erweiterten Gebieten aner - kannt, Richard von Aversa als Fürst von Capua, Robert Guiskard, der rücksichtslose Eroberer und listenreiche Unterhändler, als Herzog von Apulien, Kalabrien und dem noch erst zu gewinnenden Sizilien; aber zugleich wurde die durch keinen Rechtstitel zu stützende, vielmehr wohlbegründete Reichsansprüche verletzende Lehenshoheit des Papsttums über diesen ganzen Kreis von Land - schaften errichtet, Zinszahlung und Waffenhilfe ihm zugesichert (1059). Diente das normannische Schwert vorderhand gegen den römischen Adel, so konnte es dereinst auch Schutz gegen das Reich bieten. Und schon hatte die Kurie auch in Oberitalien wertvolle Bundesgenossenschaft gefunden. In Mailand hatten sich seit den Tagen Konrads II. die sozialen Parteien gewandelt; damals Spal - tungen zwischen den Adelsklassen und noch ein Zusammengehen zwischen Erzbischof und Bürgertum, jetzt die unteren Volksschichten emporstrebend und in feindlichem Gegensatz zu den durch Inter - essengleichheit, Verwandtschaft und Lebenshaltung eng verbundenen beiden Ständen des hohen Klerus und Gesamtadels. Mit dieser35§ 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065).demokratischen Bewegung verbanden sich im Todesjahre Hein - richs III. kirchliche Reformbestrebungen, die, von leidenschaftlichen Agitatoren geleitet und die soziale Begehrlichkeit ausbeutend, sich gegen die in dem verweltlichten lombardischen Klerus ganz be - sonders verbreiteten Mißstände der Priesterehe und Simonie wandten. Diese Mailänder Pataria1)Der Name ist höchstwahrscheinlich abzuleiten von dem nach dem Trödelmarkt genannten Mailänder Stadtquartier, das der Partei die Hauptzahl der Anhänger stellte. verkörperte so zuerst jenen Gedanken einer Massenrevolutionierung, dem Kardinal Humbert wenig später in seiner Schrift Ausdruck gab. Aufreizende Reden, die das Meß - opfer beweibter Priester als Hundemist, ihre Kirchen als Viehställe bezeichneten, führten zu Störungen der Gottesdienste, Mißhandlungen der Priester, endlich zu offenem Aufruhr. Beide Parteien wandten sich nach Rom. Da war es wieder Hildebrand, der schon zur Zeit Stefans IX. die Bedeutung der Pataria für das Papsttum er - kannte und bald die engste Verbindung zwischen beiden herstellte. Sie machte sich für die Kurie sofort belohnt, denn unter dem Drucke dieses Bündnisses leistete der schwache Mailänder Erzbischof Wido jetzt dem Papste einen Gehorsamseid und nahm aus seiner Hand das Amt durch das Symbol des Ringes noch einmal in Empfang, da - durch deutlich bekundend, daß seine frühere simonistische Einsetzung durch den Kaiser für nichts gelten sollte. Auch hier stießen die Ansprüche der vordringenden Reformpartei mit denen des Reiches feindlich zusammen.

So verfügte das Papsttum über Bundesgenossen in allen Teilen Italiens, als der Kampf nun doch unerwartet schnell zum Ausbruch kam; denn die Verletzungen des kaiserlichen Rechtes betreffs der Papstwahl, in Süditalien und der Lombardei waren selbst für die damalige Schwäche der deutschen Regierung unerträglich. Schon in den letzten Zeiten Nikolaus II. kam es zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen und dann auf einer deutschen Synode zu einer scharfen Verurteilung des Papstes und seiner Neuerungen. Sein Tod (1061) führte zum offenen Schisma. Aber Zielbewußt - heit und Tatkraft waren nur bei den Reformern. Sofort setzte Hildebrand mit normannischer Hilfe den entschlossensten Begünstiger der Pataria, Bischof Anselm von Lucca, als Papst Alexander II. (1061 73) auf den Stuhl Petri. Erst einen Monat später ließ sich die Regierung von den italienischen Reformfeinden, dem römischen Adel und den lombardischen Bischöfen, ins Schlepptau nehmen und stimmte auf dem Tage von Basel halb wider Willen der Erhebung des Bischofs Cadalus von Parma zum Gegenpapst Honorius II. zu, ohne indes für seine Durchsetzung die mindeste3*36I. Die Zeit der Salier.Kraftanstrengung zu wagen. Welches Wirrsal unheilvoller Wider - sprüche! Das Kaisertum, das die Papstkirche erneuert hatte, schwenkte nun plötzlich um. An der Seite der Reformfeinde sollte den Kampf eine Regentin führen, die zum Zeichen ihrer völligen Hingabe an die Ideale der Reformer ebendamals den Nonnen - schleier nahm. Die deutschen Bischöfe, die durch das Streben der Kurie, zunächst einmal die Metropoliten durch Gehorsamseid und persönliche Pallieneinholung zu päpstlichen Werkzeugen herabzu - drücken, wohl hätten stutzig werden können, standen lau abseits oder erkannten wohl gar den Reformpapst an. Je nach den augen - blicklichen Einflüssen wechselten Überstürzung und Zaghaftigkeit in den Maßnahmen der Regierung. So war der Kampf unmöglich zu führen.

Diese unhaltbaren Verhältnisse waren es, die mit anderen zu - sammen den Staatsstreich von Kaiserswerth veranlaßten. Der da - durch hervorgerufene Regierungswechsel brachte eine völlig ver - änderte Stellungnahme im kirchenpolitischen Streit. Die deutschen Fürsten, die nun mit Anno von Köln an der Spitze die Leitung der Geschäfte übernahmen, fühlten sich dem Gegenpapst gegenüber zu nichts verpflichtet und waren innerlich wohl von vornherein zur Anerkennung Alexanders II. entschlossen; wenn nur ihr fürstliches Ansehen gewahrt wurde, so kümmerte sie eine Preisgabe kaiserlicher Rechte wenig. Auf der Augsburger Synode von 1062 setzten sie ihre Auffassung gegenüber der lombardischen durch. Anstatt die Rechtmäßigkeit der ohne kaiserliche Mitwirkung vollzogenen Wahl Alexanders zu bestreiten, beschloß man, seine Anerkennung von einer Untersuchung über den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Simonie abhängig zu machen, der sich bald als gegenstandslos herausstellte (1063). Die fortdauernden Kämpfe der beiden Päpste um Rom machten dann ein erneutes Eingreifen der deutschen Regierung nötig. Auf der Synode von Mantua (1064) mochte sich Anno mit dem deutschen Episkopat in der Vorstellung gefallen, das ent - scheidende Wort in dem Schisma zu sprechen, in Wirklichkeit war Alexander, der den Vorsitz führte, von vornherein seiner Sache sicher, und das Reformpapsttum ging durch die stillschweigende Beseitigung des kaiserlichen Mitwirkungsrechtes bei der Papstwahl neugestärkt, auch der deutschen Kirche gegenüber, aus dem Streite hervor.

Immerhin lebten die Hoffnungen der lombardischen Gegner weiter, so lange der gebannte Cadalus sich wenigstens in seinem Bistum Parma behauptete. Trotz seiner Jugend hätte der mündig gewordene Heinrich IV. in dem Spiel der Parteien Italiens wohl seine Stellung nehmen und vielleicht die Kaiserkrone erlangen37§ 3. Das Reich während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. (1056 1065).können, aber die beabsichtigte Romfahrt ward erstmals, wie wir schon sahen, durch die Eifersucht Adalberts gegen Anno hinter - trieben (1065). Dann, als man bei erneuter Bedrohung durch die in Kampanien vordringenden Normannen Richards von Capua an der Kurie selbst den Zug zeitweilig wünschte, war es Herzog Gottfried von Lothringen, der, besorgt um seinen Einfluß in Italien, das Unternehmen vereitelte (1066 67). Alsbald stellte Hildebrand, dem jede Einmischung der Reichsregierung unlieb war, das frühere Verhältnis zu den Normannen her, und diese beschränkten sich nun auf die Ausdehnung nach Süden, wo 1072 mit der Einnahme von Palermo durch Herzog Robert und seinen Bruder Graf Roger die Eroberung Siziliens entschieden wurde.

In demselben Jahre sank mit dem Tode des Cadalus der letzte Rest des Schismas dahin. Es war das erste Mal, daß ein von der kaiserlichen Regierung aufgestellter Papst nicht zum Sieg gelangte. Von nun ab sollte das nie mehr geschehen. Das allein zeigt die Wendung, die sich in dem Verhältnis von Kaisertum und Papsttum vollzogen hatte. Für die deutsche Geschichte aber war dies Jahrzehnt nach Heinrichs III. Tode, diese Kette von Unsicher - heit, Zerfahrenheit und Fürsteneigennutz, eine der schmachvollsten Episoden. Die Stellung des jungen Königs war dadurch von vorn - herein unheilvoll geschwächt, als er nun selbständigen Anteil an der Regierung zu nehmen begann.

§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).

Heinrich IV. und Gregor VII. treten hinfort in den Mittelpunkt der Ereignisse, beide von zeitgenössischen Gegnern und Nachwelt ver - unglimpft und verkannt; Heinrichs problematische Natur freilich un - gleich stärker und länger als die Bronzefigur des Papstes. Ein wider - liches Zerrbild des Kaisers, fast noch schlimmer als die Caesarenschil - derungen Suetons, überliefern uns die gegnerischen Quellen1)Vgl. Richter, Ann. III, 2, 521 ff.: Hein - rich ein abscheuerregendes Gemisch von Wollust und Grausamkeit, eine Art Ritter Blaubart oder gar verloren in widernatürliche Laster, über solchen Gelüsten und Launen seine Herrscherpflichten ver - nachlässigend, jedes Recht brechend, ein andrer Nebukadnezar! So lebte sein Andenken Jahrhunderte lang fort, und als endlich die protestantischen Historiker der Reformationszeit auch günstigere Urteile der Zeitgenossen zu Worte kommen ließen und Heinrich38I. Die Zeit der Salier.als einen Vorkämpfer wider die Hierarchie auf den Schild hoben, da war der wissenschaftlichen Begründung doch wieder allzuviel Parteiinteresse beigemischt. Erst die Quellenkritik des 19. Jahr - hunderts schuf den Boden für eine wirklich historische Auffas - sung. 1)Bahnbrechend war Rankes Lambertkritik (vgl. S. 2). Floto (Kaiser H. IV. u. s. Zeitalter 2 Bde. 1855 56) gab zuerst eine warmempfundene, aber im politischen Urteil noch nicht ausgereifte Darstellung; auch Giesebrechts umfassendere, philologisch tüchtigere Behandlung blieb noch zu sehr im Banne der Überlieferung. Tiefer suchte Nitzsch in die Ursachen der Geschehnisse einzudringen, trotz mancher Verfehlungen und konstruktiven Gewaltsamkeiten gerade für diese Epoche anregend und bedeutend. Treten in der großartigen Darstellung von Rankes Weltgesch. die persönlichen Züge zurück, so bringt Hauck auch hier selbständige und feinsinnige Beobachtungen, während sich in der gewaltigen und für jede Weiterarbeit unentbehrlichen Stoffsammlung Meyers v. Knonau (Jahrb. d. d. Reiches unter H. IV., Bd. 1 5, 1890 1904) kaum Ansätze zu einer zusammenfassenden Beurteilung Heinrichs und seiner Politik finden.Aber noch heute haben sich die Meinungen nicht völlig geklärt.

Heinrich war eine hochgewachsene, einnehmende Erscheinung, aber nicht von zuverlässiger Gesundheit. Über seine ungewöhnlich hohe Begabung und seinen natürlichen Scharfblick herrscht nur eine Stimme bei Freund und Feind. Unter der Leitung geistlicher Fürsten aufgewachsen, hatte er sich eine gute literarische Bildung erworben: Lateinkenntnisse, Freude an Lektüre und wissenschaft - lichen Erörterungen, Verständnis für Musik und Baukunst. Aber solche Neigungen berührten nicht sein innerstes Wesen; der kirch - lich-ethischen Grundrichtung des Vaters stand er fern, viel näher verwandt der Laiennatur Konrads II. Dem auf den Knaben ge - übten Zwange setzte sich der Jüngling mit um so selbstherrlicherem Trotze entgegen, die erlangte Freiheit in sittlicher Ungebundenheit mißbrauchend, ohne indes, wie es scheint, die Grenzen zu über - schreiten, in denen sich damals das Leben der adligen Jugend durchschnittlich bewegte. 2)Alle darüber hinausgehenden Anschuldigungen der Gegner sind viel - mehr als elende Verläumdungen zu betrachten und können zum Teil in ihrer legendarischen Weiterbildung verfolgt werden.Daß er zeitweilig seine junge Ehe mit Bertha von Turin, deren Verlobter er mit fünf, deren Gatte er mit fünfzehn Jahren geworden, zu zersprengen strebte (1069) und erst vor dem Widerspruche des Papstes zurückwich, wird nicht zum wenigsten das Gerede auf sein sittliches Verhalten gelenkt haben.

Ein hochgespannter Herrscherstolz, oft verletzend und zum Widerstand herausfordernd, aber auch trotz Canossa verbunden mit einem lebhaften Gefühl für die Würde des Reiches, war das weitere39§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).Ergebnis dieser Kindheit voller Scheinmacht und Demütigungen, und nach solchen Disharmonien der Jugendzeit hat das wildbewegte spätere Leben seine leidenschaftliche Natur nie zu innerer Ausge - glichenheit gelangen lassen; maßloser Überschwang und hoffnungs - leere Verzagtheit wechselten miteinander, aber stets erfolgte neues Emporraffen. Mit dem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit, mit kriegerischer Unermüdlichkeit und der oft bewährten Gabe, nach Niederlagen eine fast verlorene Sache herzustellen, mit einer klug berechnenden, hinterhältigen, meist glänzend erfolgreichen Diplo - matie hat er, von vornherein in überaus schwieriger Lage und wiederholt von den entsetzlichsten Schicksalsschlägen heimgesucht, den gewaltigen Kampf seines Lebens durchgefochten, allmählich durch Züge von Milde und Großmut, durch seine friedenfördernde Tätigkeit und sozialausgleichende Barmherzigkeit die Liebe breiter Schichten seines Volkes erringend, in so mancher Hinsicht von unverkennbarer Ähnlichkeit mit der reicheren und machtvolleren Natur Kaiser Friedrichs II.

Heinrich begann, so hat man Nitzsch oft nachgesprochen, in seiner ersten Regierungsepoche als ein die Verfassung umstürzender Revolutionär, um später als ihr letzter Verteidiger zu enden; doch entspricht diese zugespitzte Formulierung kaum der geschichtlichen Wahrheit. Temperament, Macht und Taktik waren bei dem wie ein mutiges Schlachtroß vorwärtsstürmenden Jüngling gewiß ver - schieden von dem in die Verteidigung zurückgeworfenen, früh alternden Manne, aber das Ziel war hier wie dort das gleiche: Er - haltung und Stärkung der Königsmacht. Es galt die Einbußen an Besitz, Rechten und Ansehen wieder einzubringen, die das deutsche Königtum während der Minderjährigkeitsregierung erlitten hatte. Diese Politik lenkte ganz zu Konrad II. zurück, sie beabsichtigte schwerlich die ottonische Verfassung einem Absolutismus zu Liebe umzustoßen, sie war reaktionär, nicht revolutionär. Mit Hilfe der Fürsten aber, denen die Entwicklung der letzten Jahrzehnte wesent - lich zugute gekommen war, konnte sie natürlich nicht durchgeführt werden. Einzig Adalbert von Bremen, der ja unter den Fürsten stets eine Sonderstellung eingenommen, trat jetzt noch einmal kurz vor seinem Tode ( 1072) am Hofe bedeutsam hervor; neben ihm aber gewannen Ministerialen in steigendem Maße Einfluß auf den König.

Unter den Fürsten der mächtigste war damals Otto von Nord - heim, der mit ausgedehnten sächsischen Eigengütern und Lehen das ihm von Agnes verliehene Herzogtum Bayern verband, zugleich staats - männisch und strategisch der fähigste Kopf in Deutschland. Diesen für die Ausdehnungspolitik des Königs besonders gefährlichen Macht -40I. Die Zeit der Salier.haber suchte man durch eine Hochverratsanklage zu vernichten. Als Otto, offenbar unschuldig, sich durch Meidung des gerichtlichen Zweikampfes formell ins Unrecht setzte, wußte Heinrich, der in die Intrigue persönlich vielleicht nicht eingeweiht war, diese Lage geschickt zu seinem Sturze auszunutzen und trotz heftiger Gegen - wehr und der Verbindung mit Magnus, dem Sohne des Sachsen - herzogs Ordulf, seine Unterwerfung zu erzwingen (1071). Otto büßte dabei umfangreiche Güter in Sachsen und sein Herzogtum Bayern ein, das vom König alsbald an Welf IV., den Begründer der jüngeren, von dem Italiener Azzo II. von Este abstammenden, mit der älteren nur durch weibliche Verwandtschaft verknüpften Welfenlinie, verliehen wurde.

Der Sturz Ottos von Nordheim war der erste Schritt zu einer Ausdehnung des auf die alten ottonischen Hausgüter zurückgehen - den Königsbesitzes in Sachsen. Weitere Maßnahmen schlossen sich zu einem förmlichen System zusammen. Heinrichs Ziel war, durch Ausbreitung und Abrundung des Domanialbesitzes zwischen Harz und Thüringerwald dem Königtum eine starke wirtschaftliche Grund - lage zu verschaffen, die es der Fürstenwillkür unabhängiger gegen - übergestellt haben würde und für Deutschland eine Bedeutung hätte gewinnen können, wie später für Frankreich die Isle de France. Die Art, wie er dies Ziel zu erreichen suchte, erinnert lebhaft an die Restitutionspolitik des in ähnlicher Lage befindlichen jungen Friedrich II. in Sizilien. Es war ein Kampf gegen die Usurpationen der letzten Zeit, durchgeführt mit allen Rechtsmitteln, mit Nichtbeachtung des dem sächsischen Stamme seit Heinrich II. zugestandenen Sonderrechts, welches u. a. durch das den Sachsen fremde Inquisitionsverfahren des Königsgerichts mit seinem vom Richter geleiteten, Eideshelfer und Zweikampf ausschließenden Zeugenbeweis durchbrochen wurde. Ein umfassender Burgenbau, zu dem die Anwohner herangezogen wurden, und starke Besatz - ungen meist schwäbischer Dienstmannen sollten die neuen, durch Konfiskationen von Gütern aufständischer Großen vermehrten Gebietserwerbungen sichern. Ein großer und kühner Plan, dessen überstürzte und gewaltsame Durchführung indes lebhaften Widerstand wecken mußte! Indem Güter und Mannen, die durch Usurpation frei geworden waren, in die Abhängigkeit zurückversetzt wurden, schien allen Sachsen Knechtschaft zu drohen, ihr Sonderrecht war verletzt, nach dem Tode des Herzogs Ordulf (1072) gar ihre politische Stammesselbständigkeit bedroht, als der König zögerte, seinen Nachfolger Magnus aus der Haft zu entlassen, in die er durch seine Unterstützung Ottos von Nordheim geraten war. Der allgemeine Unwille führte zu dem41§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).großen Sachsenaufstand von 1073, dessen Seele bald Otto von Nordheim wurde.

Auf der Harzburg völlig überrascht und nur mit genauer Not von da entflohen, geriet Heinrich durch den Abfall auch der Thüringer und die Hilfsverweigerung der Fürsten, von denen die weltlichen durch die ganze Richtung seiner Politik, die geistlichen auch durch gesteigerte finanzielle Anforderungen des Reiches und Wiederaufnahme der einträglichen Simonie verstimmt waren, in eine äußerst mißliche Lage und sah sich gezwungen, den Rebellen einst - weilen entgegenzukommen. Eine ähnliche Anklage, wie er sie selbst gegen Otto von Nordheim ausgenutzt hatte, bedrohte jetzt das königliche Ansehen, offenbar eine Intrigue seiner Gegner, um die süddeutschen Herzöge, auf die er Mordanschläge gerichtet haben sollte, ihm noch gründlicher zu entfremden. Aus diesem Tiefstande seiner Macht hob ihn, als er sich zum Rhein wandte, zuerst die Anhänglichkeit der Wormser Bürgerschaft wieder empor, die ihren königsfeindlichen Bischof verjagte und Heinrich jetzt mit Jubel in ihre Mauern aufnahm. Hier und kurz darauf in Köln, also in den kulturell und namentlich im Handelsverkehr am weitesten fortge - schrittenen Gebieten des Mittel - und Niederrheins, zeigen sich so - mit die ersten Spuren des Emanzipationskampfes der jungen städ - tischen Bürgerschaft gegen die Herrschaft der Bischöfe, Spuren, wie sie in Italien schon über ein halbes Jahrhundert weiter zurück - reichen. Man darf die politische Bedeutung dieser noch keines - wegs allgemeineren Volksbewegung nicht überschätzen; nur in Worms wurde sie für die Reichsgewalt nutzbar, während in Köln Erzbischof Anno den Aufstand grausam erstickte. Es lagen in ihr noch weniger Gegenwartswerte, als Zukunftsmöglichkeiten: das freund - liche Verhältnis zwischen Königtum und Bürgertum, wie es nun ein charakteristischer Zug von Heinrichs Regierung wurde, konnte vielleicht für die deutsche Monarchie dereinst von ähnlicher Wich - tigkeit werden, wie für die französischen Capetinger. Schon jetzt aber mußte die unerwartete Hilfe dieser revolutionären Kräfte den Mut Heinrichs beleben und auf den deutschen Episkopat einen Druck im Sinne der Annäherung an den König ausüben. Der im Wahnsinn erfolgende Tod seines Anklägers mußte weiterhin als ein Gottesurteil zugunsten Heinrichs erscheinen. So war der Friede von Gerstungen (a. d. Werra), den die geistlichen Fürsten vermittelten (1074), nicht schlechthin eine Niederlage des Königs, wie ihn etwa Giesebrecht aufgefaßt hat, sondern ein Kompromiß, das den Besitzstand der Krone in Sachsen nicht schmälerte, aber den Re - bellen Straflosigkeit, Wahrung ihres Rechts und Schleifung der neuen Burgen zusicherte.

42I. Die Zeit der Salier.

Eben diese Zugeständnisse waren indes für Heinrichs Stolz unerträglich. Als die erbitterten sächsischen Bauern bei der Nieder - legung der Harzburg Frevel gegen die Kirche und die Gräber von Verwandten des Königs begingen, erklärte er den Frieden für gebrochen und wußte in überaus geschickter Weise gegen die Sachsen Stimmung zu machen und eine Anzahl der Fürsten durch Verhandlungen für sich zu gewinnen, so daß er im folgenden Jahre (1075) mit überlegenem Heere die Feinde bei Homburg a. d. Unstrut, nicht weit von Langensalza, aufs Haupt schlug und bald darauf zu völliger Unterwerfung zwang.

Heinrich hatte erreicht, was er gewollt: die sächsischen Großen in seiner Haft, ihre Güter jetzt nur umsomehr für die Krone ein - gezogen, der Wiederaufbau der Burgen sofort begonnen! Die er - strebte wirtschaftliche Grundlage schien dem Königtum gesichert; schon befestigte sich die Dynastie, indem die Fürsten zur Königs - wahl von Heinrichs einjährigem Söhnchen Konrad verpflichtet wurden. Aber die zur dauernden Sicherung der neuen Verhältnisse erforder - liche Ruhe blieb versagt. Das Anwachsen der Sondergewalten im Reiche war ja nur ein Teil der Erbschaft gewesen, die Heinrich bei seiner Volljährigkeit übernommen hatte; daneben stand drohend die errungene Selbständigkeit des Papsttums und das Anschwellen der kirchlichen Reformbewegung, welcher der König bislang nicht die genügende Beachtung geschenkt hatte. Jetzt kam es zum Zusammenstoß mit diesen Mächten.

Noch auf der Synode von Mantua (1064) hatten sich die deutschen Bischöfe mit Anno von Köln an der Spitze geschmeichelt, die Entscheidung über das Papsttum in der Hand zu haben. Gleich der damals von ihnen anerkannte Papst Alexander II. riß sie gründ - lich aus dieser Täuschung, indem er mit allen Mitteln daran arbeitete, die Selbständigkeit der deutschen Kirche zu brechen. Heinrich IV. bot damals den stolzen Erzbischöfen, die sich in Rom wie Schul - jungen zu verantworten hatten, vielleicht in einer gewissen Schaden - freude, keinen Rückhalt, doch half er damit nur die Macht der Krone unterhöhlen. Und schon trat die Kurie mit dem königlichen Hofe in der Frage der Bischofsernennungen in Konkurrenz, nament - lich in dem wichtigen Mailand, und sprach wegen der aufs neue geübten Simonie über Ratgeber des Königs, dessen Person man noch schonte, den Bann aus (1073). Ein Konflikt lag in der Luft, die Tonart wurde schärfer. Mit Petrus Damiani war eben damals (1072) der Hauptvertreter der maßvollen, kaiserfreundlichen Reform - richtung gestorben; der wahre Leiter der päpstlichen Politik war schon geraume Zeit der Kardinal Hildebrand, den Alexander II. nach Damianis Ausspruch zu seinem Gott erkor. Ebendieser wurde43§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).einen Tag nach Alexanders Tode (1073) in tumultuarischer, völlig ungesetzlicher Weise als Gregor VII. zum Papst erhoben1)Über eine fälschende Darstellung des Wahlvorgangs im päpstlichen Register vgl. Richter, Ann. III, 2, 105; Meyer v. Knonau II, 205..

Auch Gregor VII. ist erst spät in seiner wahren Bedeutung erkannt2)Vgl. Giesebrecht III, 1086 ff., Meyer v. Knonau IV, 531 ff.. Den Zeitgenossen vielfach unheimlich, später lange Jahrhunderte als selbstsüchtiger Kirchentyrann schlechthin beurteilt, hat er erst in neuerer Zeit eine ruhigere Würdigung gefunden, die freilich noch immer einigermaßen von konfessioneller Voreingenommen - heit getrübt ist3)Seine großartige kirchliche Reformtätigkeit ist zuerst von dem Pro - testanten Joh. Voigt (Hildebrand als Papst G. VII. u. s. Zeitalter 1815; 2. Aufl. 1846) mit einer Wärme gewürdigt, die dem Verf. den Ruf eines ver - kappten Katholiken eintrug. In ähnlicher Richtung bewegt sich das neuere Werk von Delarc (S. Grég. VII. et la reforme de l'église au XIe siècle, 3 Bde. 1889 / 90), während Gfrörer (P. Gr. VII. u. s. Zeitalter, 7 Bde. 1859 61) mit noch stärkerer Tendenz das Verhältnis des Papstes zum Staat zum Mittel - punkt seiner weitausholenden Darstellung machte. Das Buch von Martens (G. VII., sein Leben u. Wirken, 2 Bde. 1894) erstrebt in Einzeluntersuchungen eine unparteiischere kritische Grundlegung. Die bedeutendste Charakteristik verdanken wir Hauck, der indes seine politische Begabung u. welthistorische Größe doch wohl zu niedrig wertet. Eine befriedigende Gesamtbiographie fehlt. Zu den zeitgenöss. Quellen vgl. oben S. u. 4.. In seiner kleinen Gestalt mit den bleichen und häßlichen Gesichtszügen lebte eine Feuerseele, ein durchdringender Geist, dem sich die wirren Erscheinungen der Außenwelt mühelos zum klaren, wohlabgerundeten System zusammenschlossen, ohne daß daneben ein Zug zum Phantastischen gefehlt hätte, eine Gemüts - kraft, weit entfernt von jeglicher Ruhe der Betrachtung, aber erfüllt von mystischen Antrieben und dem Bewußtsein einer unmittelbaren Beziehung zu überirdischen Mächten, vor allem aber ein alles meisternder, stahlharter Wille, verbunden mit einem dämonisch - stürmischen Temperamente, das rauh wie der Nordwind seine Umgebung anfuhr und dem Papste von Damiani die Bezeichnung heiliger Satan eintrug. Diese gewaltige Persönlichkeit hatte sich nun mit allen ihren Kräften derart in den Dienst einer einzigen großen Idee gestellt, daß sie gleichsam nur noch als deren Ver - körperung erschien. Diese Idee war die Verwirklichung des Gottes - reiches hienieden unter Leitung des Papstes als des Vertreters der von Christus eingesetzten apostolischen Gewalt, der die Brücke bildete zwischen Diesseits und Jenseits, und dem daher die unein - geschränkte Verfügung über alles Geistliche und Weltliche auf Erden zustehen mußte. Vorstellungen und Handlungen Gregors waren durch die ausschließliche Hingabe an diese Idee völlig bestimmt, für das, was ihr widerstrebte, fehlte ihm alles Verständnis. Selb -44I. Die Zeit der Salier.ständige Persönlichkeiten mit eigenen Zielen verachtete er; alle ent - gegenstehenden Rechte der Staaten brachen sich an der Gerecht - same des heiligen Petrus . Der Widerstand der Welt hätte ihn nie belehrt oder bekehrt, machte ihn vielmehr nur einsam und mißtrauisch. Begreiflich genug, daß sich für diese leidenschaftliche, idealistische Kampfnatur die moralischen Maßstäbe verschoben: der Gegner war der Verworfene, Mittel, welche die höchste Idee förderten, erschienen unwillkürlich als billigenswert, auch wenn wir sie heute anders beurteilen. Die hastige Gier, mit der Gregor nach Rechts - titeln für die Herrschaftsansprüche der Kirche griff, verrückte absicht - lich oder unabsichtlich die natürlichen Zusammenhänge und führte zu erstaunlichen Entstellungen der Wahrheit1)Zwei besonders lehrreiche Fälle derart hat Scheffer-Boichorst (Ges. Schriften I, 107 ff. ) in das klarste Licht gerückt: das behauptete Eigentums - recht der römischen Kirche an Sachsen, weil dort unter Karl d. Gr. zwei Kirchen dem h. Petrus geweiht waren, und die Inanspruchnahme eines Zinses von ganz Frankreich wegen einer angeblichen Stiftung Karls für eine fränkische Schule in Rom! In welcher Welt der Träume und Fiktionen Gregor lebte, und wie gewaltsam oft die Umbildung des kanonischen Rechtes durch ihn und seine Anhänger erfolgte, läßt sich bei aller Vorsicht gegen die feindselige Tendenz doch auch den Ausführungen Döllingers (Das Papsttum, neubearb. v. Friedrich, 1892, S. 40 ff. ) entnehmen.; nur wird man die Gemüts - verfassung mittelalterlicher Geistlicher, die so oft zur Erhöhung ihrer Kirche selbst zu Fälschungen griffen, stets auch zum Verständnis Gregors berücksichtigen müssen.

Das kirchenpolitische System, das er entwickelte, war in seinen einzelnen Gedanken durchaus nicht neu, lebte er doch selbst in der Vorstellung, nur das alte Recht zu erneuern; aber indem er an Augustin, an Pseudoisidor und Papst Nikolaus I. anknüpfte, steigerte er doch allenthalben die Ansprüche durch zuspitzende Formulierung und den geschlossenen Bau des Ganzen. Hätte Gregor dies System nur theoretisch entwickelt, so würde ihm eine Stelle unter den Förderern des Kirchenrechts, aber nicht unter den weltgeschicht - lichen Größen zukommen. Dazu war nötig, daß er wenigstens einen Teil seiner Gedanken in die Tat umsetzte und für den Rest eine Propaganda von solcher Wucht und Nachhaltigkeit machte, daß sie niemals wieder vergessen werden konnten. Das war nun wirklich das Werk seines Lebens. Wenn Hauck ihm staatsmännische Größe abspricht, weil ihm das Gefühl für das Mögliche gefehlt habe, so wollte Gregor allerdings mehr sein, als ein mit den ge - gebenen Möglichkeiten rechnender Staatsmann, vielmehr ein großer Reformator, ein Umgestalter der Welt. Daß ein so umfassendes Ideal nicht sogleich, daß es in vollem Umfange überhaupt niemals verwirklicht werden konnte, kann wohl gegen die Realpolitik, aber45§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).doch kaum gegen die Größe des Mannes sprechen, der seine ge - waltigen Kräfte dafür einsetzte, und wenn man sein Pontifikat eine Kette von Niederlagen nennt, so sollte man einerseits die vor - aufgehenden Erfolge des Papsttums in Betracht ziehen, an denen bereits Hildebrand ein bedeutsamer Anteil zukommt, und anderer - seits erwägen, daß die Wirkung solcher Durchbruchsmenschen , wie Gregor war und sein wollte, nicht mit ihrem Leben abgeschlossen ist, sondern oft erst mit ihrem Tode in vervielfältigter Stärke be - ginnt. So dürfte es bei dem Urteile Rankes bleiben, der Gregor vielleicht die größte kirchenpolitische Erscheinung nennt, die jemals vorgekommen ist .

Übrigens fehlt es bei aller Leidenschaft des Vorwärtsstürmens keineswegs an Zügen kalter Berechnung, feinster Ausnutzung der Parteigegensätze in den einzelnen Staaten und opportunistischer Be - handlung der Angelegenheiten, wie sie etwa in dem ganz ver - schiedenen Verhalten England und dem deutschen Reiche gegen - über zutage tritt. Auch ergingen die großen Maßnahmen der gregorianischen Politik zwar Schlag auf Schlag, aber nicht eigentlich willkürlich und sprunghaft. Auf die Befreiung und Erstarkung des Papsttums erfolgte zunächst der Versuch, den Klerus durch Ver - wirklichung des Zölibats und Verbot der Simonie aus den Banden der Weltlichkeit zu lösen. Erst als die Durchführung im Rahmen der bisherigen Verbände sich als unmöglich herausstellte, schritt Gregor zur Niederreißung der alten Kirchenverfassung, indem er die Rechte von Metropoliten und Provinzialsynoden beiseite schob, die Bischöfe zu unbedingt abhängigen Dienern des Papstes herab - zudrücken und über sie hinweg direkt in die Diözesen einzugreifen strebte. Eben die Absicht aber, Einfluß auf die Einsetzung der Bischöfe zu gewinnen und zugleich das Kirchengut von den Eigen - tumsansprüchen der Laien zu befreien, führte zum Verbot der Laieninvestitur, das nun der Anlaß zu dem großen Kampf mit den staatlichen Gewalten, insbesondere mit dem Kaisertum wurde, der Anlaß, denn die eigentlichen Gründe lagen tiefer, der In - vestiturstreit wuchs zu einem Kampf um die Weltherrschaft. Der absolute Leiter der Kirche strebte nun ganz offen nach der Ober - gewalt über die weltlichen Reiche, die ihm ihrem Wesen nach nur als Äußerungen des widergöttlichen Prinzips galten und ihre Be - rechtigung nur durch Unterordnung unter die Lehensgewalt der Kirche erhielten. Es ist bekannt, wie er solche Hoheitsrechte den süditalischen Normannen, dem deutschen Gegenkönigtum, Dänemark, Rußland, Dalmatien, der Provence gegenüber zur Anerkennung brachte, wie er ähnliche Ansprüche auf England, Spanien, Ungarn, Böhmen, Sachsen, Sardinien, Corsica, Teile Mittelitaliens und in der46I. Die Zeit der Salier.gemäßigteren Form der Zinsforderung auch auf Frankreich und Polen erhob, wie er Europa bereits als eine Einheit unter der kirchlichen Spitze ansah und von einer großen, gemeinsamen Unter - nehmung unter päpstlicher Führung gegen den Orient träumte, die bald genug in dem ersten Kreuzzuge zur Wirklichkeit wurde. Die Leitsätze, die sich unter der Überschrift Dictatus papae in Gregors Register finden, rühren wohl nicht von ihm selbst, dürfen aber als Programm der gregorianischen Partei unzweifelhaft gelten1)Kulot in seiner Greifswalder Diss. 1907 leitet die wesentlichsten Be - standteile aus Deusdedit, Bonizo und Anselm v. Lucca her und läßt die Ver - fasserfrage offen., Darin wird das Recht, den Kaiser abzusetzen und selbst kaiserliche In - signien zu tragen, ausdrücklich für den Papst in Anspruch genommen. Je mehr das Kaisertum nach seiner Idee und seiner Ableitung aus dem Römerreiche mit dem Papsttum als friedenverbürgende Vor - macht Europas konkurrierte, und je enger das Band zwischen ihm und der deutschen Kirche geschlungen war, desto heftiger mußte der Zusammenstoß zwischen Papsttum und Reichsgewalt werden.

Eine Weile liefen die Wege Heinrichs und Gregors noch nebeneinander, ohne sich zu kreuzen. Wie der König mit seinen deutschen Angelegenheiten vollauf beschäftigt war, so hatte auch der Papst in Italien mit der Unbotmäßigkeit des Normannenherzogs Robert Guiskard, mit der Unsicherheit der römischen Zustände, mit der Gegnerschaft der reformfeindlichen lombardischen Bischöfe zu schaffen. Inzwischen begann er mit der Verwirklichung der schon so oft erhobenen kirchlichen Forderungen des Priesterzölibats und des Simonieverbotes in Deutschland Ernst zu machen. Dabei stieß er indes auf den passiven Widerstand der deutschen Bischöfe, die ihrerseits angesichts der Erbitterung der beweibten Kleriker die Unmöglichkeit einer raschen Durchführung einsahen und überdies durch mannigfache Eingriffe des Papstes in ihre Rechte gereizt waren. Gregor aber hielt sich an die Bischöfe, die ebendamals infolge der deutschen Gegensätze einer nachdrücklichen Unter - stützung des königlichen Hofes entbehrten, und ging mit scharfen Strafen gegen sie vor. Das steigerte die Entrüstung. Erzbischof Liemar von Bremen schrieb vertraulich über den Papst: Dieser gefährliche Mensch maßt sich an, Bischöfen zu befehlen wie seinen Gutsverwaltern; wenn sie nicht alles tun, was er will, so müssen sie entweder nach Rom kommen oder sie werden ohne Urteil sus - pendiert. Dieser Gegensatz vor allem trieb den deutschen Epis - kopat wieder auf die Seite Heinrichs, mit dem Gregor damals indes noch in freundlichem Briefwechsel stand.

47§ 4. Die Anfänge Heinrichs IV. und Gregors VII. (1065 1075).

Wichtige Entscheidungen brachte die römische Fastensynode von 1075. Da die geordneten Gewalten der Kirche bei der Durch - führung der Reformen versagten, so griff Gregor zu einer Revolu - tionierung der Laienmassen gegen die simonistischen und verhei - rateten Priester, indem er den kirchlichen Streik gegen sie allen Gläubigen zur Pflicht machte: ein verhängnisvoller Schritt, der die Verhetzung mitten ins Volk warf, der nun auch in Deutschland ähnliche Szenen der Mißhandlung von Priestern und Verhöhnung ihrer Sakramente hervorrief, wie man sie schon in dem patare - nischen Mailand kannte, und der im Grunde doch dem Autoritäts - prinzip der katholischen Kirche schnurstracks zuwiderlief. Sigebert von Gembloux hat uns geschildert, wie die erregte Erörterung über die höchsten Fragen nun selbst bis in die Werkstätten der Hand - werker und Spinnstuben der Frauen drang. Eben der Angliede - rung von Laienbrüdern, die für die Wanderpredigt freier beweglich waren, als Mönche, verdankte etwas später im Schwarzwald und den angrenzenden südwestdeutschen Landschaften die Hirschauer Klosterbewegung, welche unter Leitung des Abtes Wilhelm (1069 bis 91) im cluniazensischen Geiste auf Verschärfung der Ordens - regel und unbedingte Unterordnung unter Rom das Hauptgewicht legte, den größten Teil ihrer agitatorischen Erfolge.

Der andere noch weit bedeutsamere Beschluß, den die Synode auf Gregors Antrieb faßte, war das Verbot der Laieninvestitur. Es sollte nach den damaligen Absichten des Papstes wohl weniger eine Feindseligkeit gegen die Krone, als vielmehr einen Schlag gegen die Unabhängigkeit des Episkopates von der Kurie darstellen. Indem man den päpstlichen Einfluß auf die Besetzung der hohen Prälaturen an die Stelle des kaiserlichen setzte, sollte sich die Um - wandlung der Bischöfe zu abhängigen Dienern des Papstes voll - enden. Aber freilich, die ganze deutsche Geschichte seit den Tagen Ottos des Großen zeigt, daß ein solcher Eingriff nicht viel weniger bedeutete, als einen Versuch, die Reichsgewalt an der Wurzel ab - zusägen. Dem König die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien aus der Hand zu nehmen, hieß ihm jeden Einfluß auf die An - stellung der wichtigsten Reichsbeamten rauben; die Inanspruch - nahme des Reichskirchengutes ausschließlich als Eigentum der Kirche aber stellte geradezu die Unterhaltsmittel der Zentralgewalt in Frage. Jeder deutsche Herrscher, der noch an die Zukunft seines Reiches glaubte und sich dafür verantwortlich fühlte, mußte diesen Beschluß als eine Kriegserklärung auf Leben und Tod betrachten. Gregor selbst glaubte anfangs noch den offenen Bruch hinausschieben zu können und zeigte sich in vertraulichen Eröffnungen an Heinrich zu einem Entgegenkommen in der Form bereit; noch sprach er48I. Die Zeit der Salier.dem Könige seinen Glückwunsch zu dem eben damals erfochtenen Sachsensiege aus.

Aber gerade diese Niederwerfung seiner deutschen Gegner steigerte das Machtgefühl Heinrichs, der sich überdies durch die er - neute Bannung von fünf seiner vertrauten Räte gereizt fühlen mußte, auch dem Papste gegenüber. Er machte nicht im geringsten Miene, das Investiturverbot zu beachten, im Gegenteil, jetzt, wo er die Hände frei hatte, griff er sogar wieder in die Bistumsbesetzungen Italiens ein und wußte in Mailand, wo die mit der Kurie verbün - dete Pataria in erneuten Kämpfen zurückgedrängt war, einen Erz - bischof gegen den Willen des Papstes zur Anerkennung zu bringen. Darauf wies Gregor in einem scharfen Schreiben von Ende 1075 bei fernerem Ungehorsam des Königs drohend auf den Sturz Sauls hin und ließ durch die Überbringer mündlich schneidende Worte über die sittlichen Verfehlungen Heinrichs hinzufügen und Bann und Absetzung in Aussicht stellen. Es war ein Ultimatum, das den offenen Kampf unvermeidlich machte.

§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).

Wenn die Schärfe von Gregors Vorgehen vielleicht ein Fehler war, weil sie Krone und Episkopat des Reiches eng zusammentrieb, so hat Heinrich nun allerdings, indem er sich auf der Reichssynode von Worms (Jan. 1076) völlig ungerüstet in den aufgedrungenen Kampf hineinstürzte, seine Sache noch viel verhängnisvoller ge - schädigt. Schuld daran waren seine Unterschätzung der päpstlichen Macht und der cluniazensischen Geisterbeherrschung, die ansteckende Erbitterung der deutschen Bischöfe, die Verkennung der Stimmung in der Stadt Rom und die frechen Verläumdungen, welche der einst mit Gregor befreundete, jetzt aber von ihm abtrünnige Kardinal Hugo Candidus auf der Synode gegen das sittliche Verhalten des Papstes, der mit der Gräfin Mathilde von Tuszien in geheimer Buhlschaft lebe, vorbrachte. So ließ man sich gleich zu dem Äußersten fort - reißen, der Absetzung Gregors, der infolge seiner unregelmäßigen Erhebung in Wahrheit niemals Papst gewesen sei. 1)Man wird R. Friedrich, Studien z. Wormser Synode (Greifswalder Diss. 1905) ohne weiteres zugeben, daß der Bruch nicht durch blinde Leidenschaft Heinrichs hervorgerufen wurde, daß er selbst der Angegriffene war. Gleichwohl hätte eine kluge, die Weltlage richtig beurteilende Diplomatie m. E. danach trachten müssen, die äußersten Maßnahmen Gregors hinauszuzögern und derweil sich auf den unvermeidlichen Kampf ganz anders vorzubereiten.

49§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).

Neben dem Absagebriefe der deutschen Bischöfe, denen sich bald die lombardischen anschlossen, ging ein Schreiben Heinrichs1)M. G. Const. I, 110. Die vorwiegende Meinung der neueren Forscher, diese sog. schärfere Fassung sei erst zu Ostern von Utrecht aus abgesandt, teile ich nicht (so auch R. Friedrich a. a. O.), halte vielmehr die in das Manifest an die Römer aufgenommene Fassung (Bruno, De bello Sax. c. 67) nur für eine kürzere freie Umarbeitung. nach Rom an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch , welches ihm die Mißhandlungen der Bischöfe, das Buhlen um die Gunst des Pöbels, die anmaßende Drohung gegen das Königtum vorhielt und wirkungsvoll endigte: Du also, durch das Urteil aller unserer Bischöfe und das unsrige ver - dammt, steige herab, verlasse den angemaßten apostolischen Sitz. Ein anderer besteige den Thron des sel. Petrus, der nicht unter der Hülle heiliger Satzung Gewalttat üben, sondern die unverfälschte Lehre des sel. Petrus lehren möge. Denn wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen sagen dir: steige herab, steige herab!

Wenn frühere deutsche Herrscher einen Papst entsetzten, hatten sie mit Heeresgewalt in Italien gestanden und das Heft in der Hand gehabt. Welche Verblendung, wenn Heinrich jetzt glaubte, das seitdem machtvoll erwachsene Papsttum mit einem Stück Per - gament entwurzeln zu können!

Gregor beantwortete den Schlag von Worms sofort mit dem stärksten Gegenschlage. In der feierlichen Form eines Gebetes an den Apostelfürsten Petrus2)Jaffé, Bibl. II, 224. verkündete er auf der römischen Fastensynode von 1076 über Heinrich den Bann, widersagte ihm die Leitung des Reiches und entband seine Untertanen vom Eid der Treue. Und so fessle ich ihn, endigte er, im Vertrauen auf Dich, damit die Völker es erfahren und erproben, daß du Petrus bist, und auf deinem Felsen der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche erbaut hat, und die Pforten der Hölle nichts gegen sie vermögen.

Trotz allem, was das Vorgehen Gregors aus der allgemeinen Lage heraus begreiflich machte, blieb diese Absetzung des für die Kaiserkrone bestimmten deutschen Herrschers, denn das war es, nicht nur eine zeitweilige Suspension, wie man wohl gemeint hat,3)So Ranke. und seine Ausstoßung aus der Kirche ein schlechthin unerhörter, welterschütternder Akt. War das bisherige Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum völlig auf den Kopf gestellt? Welche der beiden Mächte würde den Sieg behaupten?

Nur zu bald trat die Hohlheit von Heinrichs Machtstellung zutage. Bei der Erschütterung von außen brachen die kaum ge - heilten inneren Wunden Deutschlands wieder auf. Die Sachsen sannen auf neue Empörung, die Laienfürsten suchten den Konflikt für ihre Sonderinteressen auszubeuten, die Bischöfe wurden vonHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 450I. Die Zeit der Salier.Gregor durch ein geschickt abgestuftes System von Strenge und Milde gespalten, die Volksmassen aber waren allenthalben im Reiche von den kirchlichen Vorstellungen doch so tief ergriffen, daß der Bann, welcher einen völligen Ausschluß aus der kirch - lichen, damals also menschlichen Gesellschaft bedeutete und für jeden, der mit dem Ausgestoßenen verkehrte, die gleiche Ex - kommunikation nach sich zog, je länger, desto mehr ein voll - kommen lähmendes Hemmnis für jede Art von Regierungstätigkeit des Königs wurde. Mochte er daher auch anfangs noch unver - änderlich an seinem Standpunkte festhalten und auf die Kunde aus Rom Bann mit Bann erwidern, mochte er unter Berufung auf die beiden Christus dargebotenen Schwerter im Lukasevangelium die Gleichordnung der königlichen und priesterlichen Gewalt be - tonen, seine Sache war doch bereits im Abflauen, als nun um die Mitte des Jahres im Norden und Süden des Reiches der öffentliche Abfall begann. Die sächsischen Großen, als Geiseln der Obhut einzelner Fürsten anvertraut, wurden von diesen aus der Haft entlassen, eilten in die Heimat und riefen das Volk zu den Waffen. Nach einigem Zögern übte auch Otto von Nordheim, den Heinrich nach dem Sachsensiege durch Zugeständnisse ge - wonnen und ganz in sein Vertrauen gezogen hatte, Verrat und trat an die Spitze der Aufständischen. Die sächsische Opposition schloß sich mit der süddeutschen der Herzoge zusammen; auf einem Tage in Tribur sollte im Oktober gemeinsam eine Ent - scheidung über die Sache des Reiches getroffen werden.

Der entstellende Bericht Lamberts von Hersfeld über diese Versammlung ist erst durch die neuere Forschung gereinigt worden. Heinrich selbst lagerte mit Truppenmacht am linken Rheinufer bei Oppenheim, noch keineswegs zur Nachgiebigkeit geneigt, bis sich die Vorgänge auf dem Lügenfelde bei Kolmar zu wiederholen schienen, und unter der Einwirkung von päpstlichen Legaten der Übergang seiner Leute ins Lager der Gegner begann. Da mußte er sich zu einem Ausgleich bequemen, der ihm demütigende Be - dingungen auferlegte. Den Fürsten mußte er die Entlassung seiner Ratgeber, die Preisgabe der getreuen Wormser Bürger und die vorläufige Enthaltung von den Regierungsgeschäften zugestehen, an den Papst aber ein Entschuldigungsschreiben richten, welches das Eingeständnis seiner Verfehlung und das Versprechen von Genug - tuung und Gehorsam enthielt. Vielleicht hat Heinrich den Text dann doch selbstbewußter gestaltet, als seiner Abmachung mit den Fürsten entsprach. 1)Die Ansichten der Forscher über den auf uns gekommenen Wortlaut des Schreibens (M. G. Const. I, 114) gehen freilich weit auseinander. AuchWürde schon das dafür sprechen, daß er51§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).seine Sache noch nicht als verzweifelt ansah, so hat er sich ganz gewiß nicht, wie man früher annahm, auf die noch weitergehenden Beschlüsse verpflichtet, welche die ihm feindlichen Fürsten vielmehr einseitig und vertraulich faßten, ehe sie in Tribur auseinander - gingen: nämlich die Bestimmung, daß Heinrich seiner Krone ver - lustig gehen solle, wenn er sich binnen Jahr und Tag nicht vom Banne gelöst habe, und die Einladung an den Papst, zu einem großen Reichstage in Augsburg im Anfang des nächsten Jahres1)Der Termin war anfangs der 6. Jan., dann der 2. Feb. 1077. persönlich zu erscheinen, um über den Streit zwischen König und Fürsten das Urteil zu sprechen. Eine Zustimmung zu diesen Be - schlüssen wäre einem Verzicht Heinrichs auf seine königliche Würde gleichgekommen. Vielmehr hoffte er damals noch, in direkten Verhandlungen mit dem Papste zu einer Verständigung zu gelangen. Indes Gregor glaubte jetzt den Sieg in der Hand zu haben. Als Schiedsrichter über die deutschen Parteien und in der Lage, beide gegeneinander auszuspielen, hätte er sich schwer - lich mehr mit dem Investiturverzicht begnügt, sondern hätte die Lehensabhängigkeit des Reiches gefordert. In der gehobensten Stimmung brach er von Rom nach Norden auf. Aus der Er - kenntnis, daß seine Vereinigung mit der deutschen Opposition den Zusammenbruch des salischen Königtums bedeutet haben würde, entsprang dann der plötzliche und alle Welt überraschende Entschluß Heinrichs, persönlich dem Papste nach Italien entgegenzueilen.

Diese Winterfahrt über den Mont Cenis mit seiner Gemahlin und dem zweijährigen Söhnchen, mit einem beschränkten Gefolge von Räten und Bediensteten ist schon von den Zeitgenossen, nament - lich wieder Lambert von Hersfeld, romanhaft ausgeschmückt, und auch die weiteren Vorgänge sind in ihrem historischen Kern unter der Fülle phantasievoller und tendenziöser Entstellungen nicht leicht herauszuerkennen. Der Papst, dem die über die unerwartete Wendung der Dinge bestürzten deutschen Fürsten das versprochene Geleit nicht gesandt hatten, zog sich auf die Kunde von der An - kunft des Königs in der Lombardei erschreckt auf die im Besitze der Gräfin Mathilde befindliche Feste Canossa zurück. Heinrich aber enttäuschte die kriegerischen Hoffnungen seiner lombardischen Anhänger und erschien friedlich vor der Burg. 2)Die weltberühmte Canossaszene ist sowohl ihrem Verlaufe, als ihrer Beurteilung nach in neuerer Zeit bedeutsamen Wandlungen der Auffassung.

1)der Äußerung v. D. Schäfer (Hist. Zeitschr. 96) kann ich mich nicht anschließen. R. Friedrich, D. Wirkungen der Wormser Synode usw. (Hamb. Progr. 1908) hält gleich mir den ganzen Text für echt. Seine sonstige Auffassung teile ich nicht.

4*52I. Die Zeit der Salier.

Der steile Canossafelsen mit seiner damals uneinnehmbaren, aber räumlich beschränkten Burganlage erhebt sich etwa fünfzig Meter hoch aus dem von Giesbachschluchten zerrissenen, unwirtlichen Plateau des zur Poebene abfallenden Apennin. Wahrscheinlich an seinem Fuße hat Heinrich mit wenigen Begleitern drei Tage lang geweilt und sich in der kirchlichen Büßertracht, mit nackten Füßen und härenem Gewande, trotz strenger Winterkälte wiederholt vor dem Burgtor einlaßheischend gezeigt. Ein zeitweiliges Bußestehen wird sich kaum in Abrede stellen lassen,1)Ausschlaggebend namentlich die meist übersehene Stelle Donizo II, 675 ff. aber daß der König drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung auf Eis und Schnee gestanden habe, ist eine schon von den Zeitgenossen vorgenommene Übertreibung, die bis in unsere Tage fortwirkt. Vielmehr verging zum mindesten ein Teil der Zeit unter Verhandlungen Heinrichs mit dem Papste durch Mittelspersonen, wie seinen Taufpaten Abt Hugo von Cluny und seine Verwandte Gräfin Mathilde. Dieser gelang es denn auch endlich, wohl am 28. Januar 1077, vom Papste die Zulassung zu erwirken. 2)Die entscheidende Zusammenkunft zwischen Heinrich und Mathilde fand nach Donizo in einer Kapelle des heiligen Nikolaus statt, über deren Lage die Forscher neuerdings streiten. Nach meiner Kenntnis der Örtlichkeit muß ich ihre Verlegung in die Burg selbst, wo nur die Kapelle des Apollonius - klosters in Betracht kommt, völlig ablehnen. Am Fuße des Felsens könnte sie gelegen haben; da aber eine Nikolauskapelle in der Burg Montegiovanni (Montezane) bei dem nördlich gelegenen Bianello existiert hat, so scheint mir die darauf gerichtete Vermutung von Campanini (Canossa, Guida storica illus - trata 1894 S. 91 ff. ) durch die Bemerkungen Bresslaus (N. Arch. 33, 531), daß jene Nikolauskapelle nicht vor 1285 nachweisbar ist, noch keineswegs abgetan. Heinrich müßte dann, verzweifelt, schon im Begriff gewesen sein, nach Norden abzuziehen, wie Donizo andeutet ( Cumque rex recedere vellet cappellam sancti petit Nicholai ).In Bußtracht vor Gregor er - scheinend, verpflichtete sich Heinrich durch den Eid der anwesen - den Reichsfürsten, in seinem Streite mit den deutschen Gegnern inner - halb einer zu bestimmenden Frist die Vermittlung oder den Schied - spruch des Papstes anzuerkennen und dessen Reise nach Deutsch - land weder selbst, noch durch seine Anhänger zu gefährden. Darauf vollzog Gregor die Lösung vom Banne und erteilte dem König das Abendmahl, das er indes nicht wie Lambert von Hersfeld2)unterworfen gewesen. Grundlegend für die Erkenntnis des äußeren Hergangs waren die Untersuchungen von Holder-Egger (Neues Arch. 19), die von Meyer v. Knonau, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. II, Otto, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. (18), Haller, Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum usw. 1906 in einzelnen Punkten weitergeführt wurden. Als die sichersten Quellen haben der eigene, immerhin tendenziös färbende Bericht Gregors an die deutschen Fürsten (Jaffé, Bibl. II, 256) und das urkundliche Versprechen Heinrichs (M. G. Const. I, 115) zu gelten. Daneben kommt vor allem der spätere Donizo (vgl. oben S. 4) wegen seiner Lokalkenntnis in Betracht.53§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).glauben machen will, zu einem Gottesgericht gestaltete. Die Frage des Investiturverbotes scheint bei dieser ersten Zusammenkunft nicht erörtert zu sein, doch fand sechs Tage später noch eine zweite in Bianello statt, bei der man für weitere Verhandlungen ein Konzil in Mantua in Aussicht nahm. Auf dem Wege dorthin ward Gregor durch die Feindseligkeiten der lombardischen Bischöfe zur Umkehr bewogen. Heinrich wandte sich um Ostern nach Deutschland zurück.

So der äußere Verlauf. Was aber bedeutete Canossa? Nach der älteren Auffassung einen uneingeschränkten Triumph des Papst - tums, nach der neueren einen politischen Sieg des Königs. Man hat sich nach beiden Seiten hin vor Übertreibungen zu hüten1)Die lächerlichen neueren Versuche, den Vorgang zu einem glänzenden Triumph Heinrichs aufzubauschen, verdienen keine wissenschaftliche Beachtung. und die Dinge nicht nach dem modernen Empfinden zu beurteilen. Der kirchliche Bußakt hatte für die Zeitgenossen nicht ganz das Demütigende2)Vgl. immerhin Richter, Ann. III, 2, 613., das er für uns hätte, und andererseits wäre es ver - kehrt, den Vorgang, bei dem starke Gemütserschütterungen hüben und drüben mitwirkten, ausschließlich als ein politisches Rechen - kunststück hinzustellen. In Gregor trug nach dreitägigem, schwerem Kampfe der Priester, der dem bußfertigen Christen die Absolution nicht verweigern konnte, schließlich den Sieg davon, aber freilich erst, nachdem der Politiker sich hinreichend gesichert zu haben glaubte. Er gestand nichts weiter zu, als die Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche, nicht eine volle Wiedereinsetzung in das Königtum3)Der gegenteiligen Meinung der meisten neueren Forscher vermag ich mich nicht anzuschließen, wenn auch eine gewisse Zweideutigkeit Gregors in den nächsten Jahren zuzugeben ist.. Die Sache des Reiches sollte, wie er sofort den deutschen Fürsten schrieb, durchaus in der Schwebe bleiben, sein Ziel war nach wie vor das Schiedsgericht über die Parteien in Deutschland mit der stets offen gehaltenen Möglichkeit, sich je nach dem Maße der Zugeständnisse auf diese oder jene Seite zu stellen und die Bedingungen, die er Heinrich auferlegte, sollten dies Ziel sichern. Aber der Reise nach Deutschland, an der Gregor noch im Mai festhielt, türmten sich immer neue Hemmnisse ent - gegen, bis ihn im Sommer die Kunde von Unruhen in Rom einst - weilen dorthin zurückrief. Die Politik seiner nächsten Jahre blieb gleichwohl von demselben Ziele beherrscht.

Auf der andern Seite war es Heinrich, der die Absolution stürmisch begehrte, schwerlich ohne jegliche Einwirkung des religiösen Momentes, in der Hauptsache aber doch, weil ihm der Bann die54I. Die Zeit der Salier.Glieder zusammenschnürte, und er erst einmal Luft haben mußte, um sich wieder regen zu können. Dafür war ihm schließlich kein Preis zu hoch, selbst nicht die unerhört demütigende Anerkennung eines päpstlichen Schiedsgerichtes in innerpolitischen Angelegenheiten des deutschen Reiches. Er mochte hoffen, daß Gregors Reise doch noch zu verhindern sei, er mochte einer Entscheidung des Papstes gegenüber von vornherein stille Vorbehalte machen, jedenfalls ge - wann er durch die Absolution die Freiheit des Handelns zurück, und er hat sie in den nächsten Jahren benützt, um durch eine meisterhafte Diplomatie die Kurie mit leeren Hoffnungen hinzu - halten und die Vereinigung seiner Gegner auf deutschem Boden dauernd zu hintertreiben. Indem ihm die Absolution die Möglich - keit zu dieser Diplomatie bot, gewährte ihm Canossa einen nicht zu leugnenden taktischen Vorteil.

Erhebt man indes den Blick von der momentanen politischen Lage zu dem großen Entwicklungsgange des Verhältnisses von Staat und Kirche und vergleicht die Rolle des deutschen Kaiser - tums in Sutri mit dem Tage von Canossa, so liegt freilich die ab - schüssige Bahn, auf der sich die Reichsgewalt während des letzten Menschenalters bewegt hatte, klar genug vor Augen: damals noch der Schiedsrichter Europas, jetzt sich beugend unter das päpstliche Schieds - gericht, damals die Päpste durch den Machtspruch des Kaisers abgesetzt, jetzt durch das Nachsuchen der Absolution das Bann - recht des Papstes gegenüber einem deutschen Könige, dem Ab - weichung vom Glauben gar nicht vorzuwerfen war, anerkannt! Der Schritt Heinrichs mochte unter den verzweifelten Verhältnissen klug sein, er mochte eine Wendung zum Besseren anbahnen, aber er war doch das Siegel auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die das Verhältnis von Kaisertum und Papsttum von Grund aus gewandelt hatte. Das allgemeine Urteil begreift politische Nieder - lagen erst, wenn sie in einem sinnfälligen Vorgang in die Erscheinung treten, und übersieht die Reihe der Fehler, die zu ihnen hingeleitet hat. In diesem Sinne, als das letzte Glied einer solchen Kette, darf uns der Name Canossa auch fernerhin das Symbol der Kapi - tulation staatlicher Macht vor kirchlichen Herrschaftsansprüchen bleiben, das er durch Bismarck in der ganzen Welt geworden ist.

Gregors Vorgehen weckte bei der deutschen Opposition leb - hafte Verstimmung; die Lösung vom Banne entzog ihr zugleich Rechtsboden und Agitationsmittel. Aber man mußte jetzt auf der betretenen Bahn fortschreiten, auch ohne den Papst. In dem alten fränkischen Wahlort Forchheim erhob man noch im März des Jahres nicht etwa den fähigen, aber gerade durch seine Bedeutung den Fürsten unbequemen Otto von Nordheim, sondern den schwäbischen55§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).Herzog Rudolf von Rheinfelden, einen Schwager Heinrichs, zum Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechtes über Erblichkeit und Legitimität. Wenn auch Gregor sich im Augenblick zurückhielt und seinen Legaten in Forchheim eine neutrale Haltung gebot, so war dieser Sieg doch nur möglich geworden durch das Zusammenwirken von Partikularismus und Papsttum, und diesen beiden Mächten hatte das neue Königtum die Kosten zu zahlen: den Fürsten durch Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone, der Kurie durch das Zugeständnis der freien Bischofswahlen. 1)Der Zweifel Neuerer, zuletzt Haucks, an dieser Nachricht Brunos ist kaum berechtigt.Und auch darüber hinaus erklärte sich Rudolf dem Papste gegenüber zu jeglichem Gehorsam bereit. So drohte dem Reiche bereits damals ein Schattenkönigtum ähnlich dem eines Adolf von Nassau. Aber noch besaß das legitime Herrscherhaus überlegene Kräfte. Mit der Rückkehr Heinrichs nach Deutschland und der dort von ihm aus - gesprochenen Absetzung der süddeutschen Herzöge begann der offene Bürgerkrieg.

Es gilt hier nicht, allen kriegerischen und diplomatischen Schwankungen desselben zu folgen, sondern nur das Wesentlichste herauszuheben. Der eigentliche Herd des Widerstandes blieb Sachsen, wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten und furchtbar verwüstet ward Schwaben. Es war das Herzogtum Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ; dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden andern abgesetzten Herzöge, des bayerischen Welf und des Zähringers Berthold von Kärnthen, dort war das Wirkungsgebiet der Hirschauer Mönche. Aber auch Gut und Anhang des Königs waren da beträchtlich, und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen Friedrich von Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechtes, daß es seinen Sitz von dem engen, kleinen Wäscherschlößchen Büren, das heute die umliegenden Gehöfte kaum überragt, hinaufverlegte auf den stolzen Gipfel des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer zuerst den Schauplatz der Geschichte. Das natürliche Streben der Aufständischen in Sachsen und Schwaben ging dahin, sich die Hand zu reichen. Indem Heinrich zwischen sie trat, fielen die Hauptschläge bald in der Main - und Neckargegend, bald weiter nördlich in Thüringen; aber sie brachten niemals Entscheidung, und wichtiger, als einige Schlappen, die er im offenen Felde erlitt, war,56I. Die Zeit der Salier.daß dem König die Hauptsache: die Trennung der Gegner dauernd gelang. So war seine Sache in den folgenden drei Jahren in ent - schiedenem Aufsteigen.

Geradezu glänzend aber waren seine diplomatischen Erfolge. Man kann es kaum anders bezeichnen: während dreier Jahre ist es ihm durch eine unvergleichliche Kunst, die offen mit allen Mitteln der Hinhaltung, Verstellung und Bestechung arbeitete, gelungen, einen Gegner wie Gregor VII. regelrecht an der Nase herumzu - führen. Das wurde erleichtert dadurch, daß der Papst die Aus - sichten des Gegenkönigs von vornherein nicht mit Unrecht gering anschlug und daher eine Verständigung mit dem Salier gegen entsprechende Zugeständnisse bevorzugt hätte, daß er überdies während der ganzen Zeit wie hypnotisiert nur auf das eine Ziel des Schiedsgerichtes über die Parteien stierte, das ja in der Tat dem Papsttum den höchsten Triumph eingebracht haben würde, und daß er aus diesem Grunde den abermaligen völligen Bruch mit Heinrich, der das päpstliche Schiedsgericht mit Worten stets anerkannte und es in die Wege leiten zu wollen schien, wieder und wieder hinausschob. Darob gereizte Klagen der sächsischen Opposition, die hier weit klarer sah als der Papst, Scheinfriedens - verhandlungen ohne Ergebnis, Zerwürfnisse zwischen Rudolf und den Sachsen, Festigung der königlichen Partei, wachsende Zuversicht Heinrichs, der am Ende gar einen päpstlichen Unterhändler in seinen heimlichen Dienst zu ziehen wußte und im Beginn des Jahres 1080 vom Papste voll Übermut die Bannung Rudolfs unter Drohung mit der Aufstellung eines Gegenpapstes gefordert haben soll.

Gregor mußte sich entschließen, mit seiner völlig verfehlten Zauderpolitik zu brechen. Auf der Fastensynode von 1080 ver - kündete er zum zweiten Male in der Form eines Gebetes an die beiden Apostelfürsten den Bann über Heinrich. In den leiden - schaftlich erregten Darlegungen klang der Zorn über die eigne Niederlage nach. Konnte die Oberhoheit der Kurie nicht in jenem Schiedsgerichte zum Ausdruck kommen, so sollte nun der Gegner der päpstlichen Weltherrschaftstendenzen, die hier ganz unverhohlen ausgesprochen und in dem großen programmatischen Schreiben an Bischof Hermann von Metz (1081) noch eingehender begründet wurden, zerschmettert werden. In prophetischem Tone sagte er am Ostermontag von der Kanzel der Peterskirche herab Heinrichs Unter - gang in einer ganz nahen Frist voraus und bat, ihm, dem Papste, künftighin nicht mehr zu glauben, wenn sich das nicht bewahrheiten sollte, so tief war er durchdrungen von der Gewißheit eines un - mittelbaren Einschreitens der Apostel für ihre Kirche. Der endgültigen Abkehr von Heinrich entsprach die Anerkennung Rudolfs57§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).als König von Deutschland, von dem der Lehensleid, falls nicht wirklich mehr geleistet, doch jedenfalls erwartet wurde.

Alles hing davon ab, ob dieser zweite Bann noch denselben Eindruck machen würde, wie der erste. Abgesehen von der ab - stumpfenden Wirkung jeder Wiederholung und der Enttäuschung der friedebedürftigen Massen über diese neue Kriegserklärung kam da, namentlich für die Haltung des deutschen Episkopates, ein weiterer Beschluß der Fastensynode in Betracht, der die letzten Absichten der Kurie in der Frage der Bistumsbesetzung mit voll - kommener Deutlichkeit enthüllte. Papst oder Metropolit sollten die Vornahme jeder Wahl durch einen Visitator anordnen, ihre Zu - stimmung dazu erteilen, bei einem unrechtmäßigen Verlaufe aber das Wahlrecht durch Devolution dauernd an sich nehmen. Be - denkt man, daß die Kurie schon seit einiger Zeit bestrebt war, die Erzbischöfe durch die Verpflichtung sofortiger Pallieneinholung so - wie durch besondere Gehorsamseide eng an sich zu ketten, so wollte die Erwähnung des Metropoliten nicht viel heißen, und der Beschluß besagte nicht weniger, als daß das Papsttum sich mit der kaum geforderten freien kanonischen Wahl nicht mehr begnügen, sondern seinen maßgebenden Einfluß an die Stelle des königlichen setzen wollte. Das blieb in der Tat das Programm der Kurie, bis Innozenz III. es verwirklichte; schon Gregor aber setzte es im Machtgebiete des Gegenkönigs Rudolf in Kraft. Das mußte die deutschen Bischöfe stutzig machen. Vor die Frage gestellt, ob sie deutsche Reichs - fürsten oder Diener des Papstes sein wollten, entschied sich die Mehrheit doch für das erste und scharte sich in dem neuen Kampfe um König Heinrich. Auf sie gestützt, tat dieser jetzt den Schritte zu dem man 1076 bei dem allgemeinen Abfall nicht mehr ge - kommen war: auf der Synode von Brixen (1080) erfolgte nicht nur die erneute Absetzung und Bannung Gregors, sondern auch die Aufstellung eines Gegenpapstes. Stimmung und Einzelvorgänge er - innerten an Worms. Jener Kardinal Hugo Candidus war abermals zugegen und betrieb die Verhetzung mit noch viel abgeschmackteren Verläumdungen, die in der Anklage gipfelten, Hildebrand habe seine vier Vorgänger durch Gift aus dem Wege räumen lassen. Noch war man auf beiden Seiten nicht imstande, einen Kampf auf Leben und Tod ohne persönliche Verunglimpfung des Gegners zu führen. Auch der neue Gegenpapst Erzbischof Wibert von Ravenna, ein Mann von unbescholtenem Wandel, der, die alte Rivalität Ravennas mit der Feindschaft der lombardischen Bischöfe gegen Rom in seiner Person vereinend, seine Rolle zwei Jahrzehnte lang mit ungemeiner Klugheit und Tatkraft durchgeführt hat, wurde von Gregor bald genug als Verbrecher gekennzeichnet. So ging nun ein völliger58I. Die Zeit der Salier.Riß durch die deutsche Welt. O beklagenswertes Antlitz des Reiches, schrieb damals der Augsburger Annalist, wie man bei einem gewissen Komiker (Plautus) liest: Alle sind wir gedoppelt , so sind die Päpste gedoppelt, die Bischöfe gedoppelt, die Könige gedoppelt, die Herzoge gedoppelt.

Als Heinrich sich nach Deutschland zurückwandte und mit neuem Heere in Thüringen bis zur Elster vorrückte, lächelte ihm einmal auch das sonst so neidische Glück. Er selbst erlitt zwar abermals eine Niederlage, aber sein Gegner Rudolf erlag seinen Kampfeswunden (1080). So eigenartig ging Gregors Prophezeihung in Erfüllung, und daß dem Rebellen, der seinem König den Treu - eid gebrochen hatte, gerade die rechte Schwurhand abgehauen war, verstärkte noch den Eindruck eines Gottesgerichtes. Heinrichs Herrschaft in Deutschland war, wenn auch eine Verständigung mit den Gegnern nicht erreicht wurde, vorderhand so wenig mehr gefährdet, daß er sich gegen seinen Hauptfeind, den Papst, wenden konnte. Diesmal sollte dem Absetzungsbeschluß die bewaffnete Vollstreckung folgen.

Gregors Lage war wenig beneidenswert. Zwar hatte er gleich bei dem erneuten Bruche mit dem Kaiser sich eines kraftvollen Helfers in Süditalien zu versichern gesucht, indem er die eigen - mächtigen, auch die päpstlichen Rechtsansprüche einschränkenden Gebietserweiterungen des Herzogs Robert Guiscard anerkannt und dafür von jenem den Lehenseid genommen hatte, aber der trotzige Vasall war doch allzusehr mit seinen eignen Eroberungsplänen, die ihn ebendamals gegen Byzanz nach Griechenland hinüberführten, beschäftigt, als daß vorerst auf seine tatkräftige Unterstützung zu rechnen gewesen wäre. In der Lombardei war auf die Er - hebung Wiberts zum Gegenpapst ein neuer Aufschwung der An - hänger Heinrichs gefolgt. Unbedingt konnte sich Gregor nur auf seine allzeit getreue Helferin die Gräfin Mathilde verlassen. Eben hatte sie ihre Ergebenheit aufs neue glänzend bewährt, indem sie die gewaltige Masse ihrer Eigengüter, die sich, abgesehen von den lothringischen Besitzungen, in Streulage von dem östlichen Ober - italien und der Romagna über die Landschaften an der Nordseite des Apennin nach Lucca und weiter südlich bis nach Siena und Perugia erstreckten, und die in der Reichsgeschichte des folgenden Jahrhunderts eine so bedeutsame Rolle spielen sollten, der römi - schen Kirche zu Obereigentum vermacht und als freiverfügbares Lehen zurückerhalten hatte. 1)Diese frühe Schenkung ist gegen Giesebrechts Zweifel von Scheffer - Boichorst, Gesammelte Schriften I S. 87 ff. gesichert. Über Mathilde und die weitere Geschichte ihres Gutes unterrichtet am besten das Buch von Over - mann, Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895.Unermüdlich und opferbereit hat sie59§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075 1085).auch jetzt den Widerstand gegen Heinrich organisiert; aber der Reichsacht verfallen, in der Lombardei geschlagen, in Tuszien durch die städtefreundliche Politik des Königs eingeengt, ward sie in die Verteidigung zurückgeworfen und konnte den Marsch des Königs auf Rom nicht hindern. So lag Gregors Heil einzig in der Zuverlässigkeit der Römer.

Viermal ist Heinrich in den folgenden vier Jahren (1081 84) vor die Mauern der ewigen Stadt gezogen und hat sie berannt, stets beim Beginn der heißen Jahreszeit die Belagerung mit seinen Deutschen abbrechend und dann die weitere Beobachtung Roms dem Gegenpapst mit den italischen Truppen überlassend. Nach - dem 1083 auf dem rechten Tiberufer die Leostadt mit der Peters - kirche erstürmt war, während Gregor sich in der Engelsburg be - hauptete, ward gegen Ende des Jahres noch ein letzter Verstän - digungsversuch gewagt. Eine aus beiden Lagern zu beschickende römische Synode sollte den Streit entscheiden; aber von vornher - ein wenig aussichtsvoll, scheiterte das Unternehmen an dem erwachen - den Mißtrauen des Königs, der nun das versprochene Geleit auf - hob und die Reise der Prälaten nach Rom hinderte. Gregors Mindestforderung für die verlangte Kaiserkrönung blieb eine öffent - liche Bußleistung Heinrichs. Dazu verstand sich der im vollen Siege begriffene Herrscher nicht noch einmal. Die Gegensätze waren unversöhnlich. Und nun wuchs die Friedenspartei in der Stadt. Selbst im Klerus bis tief hinein in das Kardinalskollegium begann der Abfall. Im Frühjahr 1084 konnte Heinrich trium - phierend seinen Einzug auch in das linksseitige Rom halten. Dort bestätigte eine vom König berufene Synode die Absetzung Gregors und die Wahl Wiberts, der die Weihe empfing und sich nun Klemens III. nannte, mit unverkennbarer Beziehung auf die Synode von Sutri, auf der ein andrer Gregor einem kaiserlichen Klemens hatte weichen müssen. Heinrich ließ sich und seiner Gemahlin Bertha von seinem Papste die Kaiserkrone aufs Haupt setzen.

Er stand am Ziel seiner Wünsche, und allzu wesentlich än - derte sich seine Lage auch nicht, als er sich kurz darauf vor dem gewaltigen Heere, das Robert Guiscard nun endlich zum Entsatz des noch immer in der Engelsburg ausharrenden Papstes herbei - führte, nach Norden zurückziehen mußte. Denn die entsetzliche Plünderung, welche von Seiten der Normannen über die Stadt er - ging und sie recht eigentlich erst zur Ruine machte, weckte einen derartigen Groll der Bürger auch gegen Gregor, daß ein ferneres Verweilen in Rom ohne den Schutz der normannischen Schwerter für ihn zur Unmöglichkeit wurde, und der Gegenpapst dort wieder für einige Zeit seinen Sitz aufschlagen konnte.

60I. Die Zeit der Salier.

Gregor folgte seinem Befreier nach dem Süden, und in Salerno ist er, durch die Aufregungen und Entbehrungen der letzten Jahre offenbar körperlich gebrochen, am 25. Mai 1085 gestorben. Seine geistige Energie blieb bis zuletzt ungeschwächt, aber er endete im deutlichen, niederdrückenden Gefühl des Unterliegens. Seine letzten Worte versteht man in ihrer bitteren Schärfe erst ganz, wenn man sie neben die zugrunde liegende Bibelstelle hält. Da heißt es von dem erhofften Messias: Du liebest Gerechtigkeit und hassest gott - loses Wesen; darum hat dich Gott, dein Gott, gesalbet mit Freu - denöl mehr denn deine Gesellen. So sagte Gregor mit starker Selbstgerechtigkeit, der gar nicht der Gedanke auftauchte, ob nicht etwa auch eigne Fehler die Niederlage verschuldet hätten: Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und gottloses Wesen gehaßt , und dann mit umso schneidenderem Gegensatze: darum sterbe ich in der Verbannung .

Gregor VII. hat dem Papsttum entschiedener als alle seine Vorgänger, selbst Nikolaus I., die Richtung auf Weltherrschaft auf - geprägt, er hat die Romanisierung der katholischen Kirche zwar nicht eingeleitet, aber vollendet, d. h. die Lösung von der deutschen Herrschaft und dem deutschen Einfluß, die Basierung hauptsäch - lich auf die romanischen Länder und die Durchführung des dem romanischen Geiste entsprechenden und aus ihm geborenen cluni - azensischen Subordinationssystems in der ganzen Kirche mit dem päpstlichen Absolutismus an der Spitze. Indem er diese von ihm gewiß nicht erzeugten Ideen mit einem Nachdruck vertrat, daß sie Jahrhunderte hindurch fortwirken mußten, hat er die weltgeschicht - liche Entwicklung so entscheidend beeinflußt, daß der, welcher sich über die von der Reformationszeit her in die Gegenwart hin - einragenden Konfessionsgegensätze zu erheben vermag, ihm unbe - denklich den Anspruch auf historische Größe zugestehen wird.

§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).

Gregors Hinscheiden bedeutete einen tiefen Einschnitt in dem großen Kampfe. Unter seinem Nachfolger, dem milden Abte Desiderius von Montecassino, der sich, in Anlehnung an den letzten kaiserfreundlichen Papst, Viktor III. nannte, schien ein Ausgleich nicht unmöglich. Aber er beherrschte nicht die Lage, fühlte sich mehr als Abt, denn als Papst, war kränklich und starb bereits 1087. Mit der Wahl Urbans II. im folgenden Jahre begann die zweite Phase des Kampfes. Wir haben nachzuholen, wie sich die Dinge in Deutschland bis dahin gestaltet hatten.

61§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).

Erst nach langen Schwankungen und Bemühungen war 1081 ein neues Gegenkönigtum zustande gekommen. Der Lützelburger Hermann, Graf von Salm, war der Erkorene; ein Ungeachteter, welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war , so nannte ihn ein Publizist nach dem Worte Daniels, König Knoblauch , so hieß er im Volksmunde. Es war der Fluch der Aristokraten - wahl, daß man auch jetzt an dem Fähigen und Mächtigen, der sich vielleicht durchgesetzt hätte, vorbeiging, weil man ihn fürchtete. Otto von Nordheim erklärte sich nach einem Augenblick verstimmten Schwankens schließlich doch für den neuen König und führte ihm die Sachsen zu; doch starb er schon 1083, und seitdem sank Hermanns Machtstellung noch mehr zum bloßen Schattenkönigtum herab. Gregor, der für den neuen Herrscher die Formel eines Lehenseides nach Deutschland gesandt hatte, war mit der getroffenen Wahl keineswegs einverstanden gewesen, und es ist vielleicht nicht ausschließlich Schuld seiner eingeschränkten Lage in Rom und unserer für diese Jahre dürftigeren Überlieferung, daß wir von un - mittelbaren Beziehungen zwischen ihm und Hermann nichts erfahren.

Die Erfolge Heinrichs in Italien und seine Rückkehr nach Deutschland im Schmucke der Kaiserkrone (1084) förderten dann noch den an sich schon günstigen Stand seiner Sache. An eine Beendigung des Bürgerkrieges war gleichwohl noch nicht zu denken. Aus den wirren Kämpfen der folgenden Jahre heben sich nur wenige Momente von höherer Bedeutung hervor. Wenn Heinrichs Versuch, zur Deckung seiner italienischen Anleihen nicht nur die deutschen Fürsten zu Abgaben heranzuziehen, sondern namentlich auch die gesteigerten wirtschaftlichen Kräfte der emporblühenden Städte auszunutzen, von diesen gewiß nicht mit Wohlgefallen auf - genommen wurde, so gewann er doch alle an der Herstellung fried - licher Zustände interessierten Kreise des Volkes aufs neue durch sein Eingehen auf die von Westen her vordringende Idee des Gottesfriedens. Noch unter Heinrich III. hatte das deutsche Königtum dieser kirchlichen Hilfe entraten zu können geglaubt. Seitdem waren bei der steigenden Friedlosigkeit zuerst in Lüttich mit Zustimmung Heinrichs Ordnungen im Sinne des französischen Gottesfriedens erlassen (1082), dann waren sie ähnlich für die ganze Kölner Kirchenprovinz beschlossen (1083), jetzt verkündete der Kaiser den Gottesfrieden für das ganze Reich (1085). Damit trug er zur weiteren Beruhigung bei, festigte sein Verhältnis zur deutschen Kirche und erwarb sich neue Zuneigung der Massen.

Von derselben Zeit an begann die Zersetzung des festesten Blockes seiner Feinde. Heinrich gewann einen Teil der Sachsen durch Bestätigung ihres alten Rechtes (1085). Den unruhigen Ehr -62I. Die Zeit der Salier.geiz des Markgrafen Ekbert von Meißen ( 1090) hielt er durch den Böhmenherzog in Schach und belohnte dessen Treue mit der Königskrone. Die gregorianischen Bischöfe zur Anerkennung seines Gegenpapstes zu bewegen, gelang zwar nicht; mit der politischen Anerkennung seines Kaisertums mußte er sich begnügen. Aber im Wesentlichen konnte die Erhebung der Sachsen als beendet gelten, als Heinrich 1088 friedlich unter ihnen erschien. Hermann von Salm hatte sich schon vorher, an seinem Königtum verzweifelnd, in seine lothringische Heimat zurückgezogen und kam in dem gleichen Jahre bei der Erstürmung einer Burg ums Leben.

Inzwischen war der Kampf auch mit geistigen Waffen in steigender Lebhaftigkeit geführt worden, und obwohl wir es mit einer einzigen Ausnahme ausschließlich mit geistlichen Publizisten zu tun haben, kann man auch auf diesem Gebiete nicht sagen, daß die kaiserliche Sache irgendwie zurückgestanden hätte, im Gegenteil, in Deutschland wenigstens sind ihre Vertreter doch eher als die vornehmeren und überlegenen zu bezeichnen. Denn dem schroffen gregorianischen Sachsen Bernhard, dem geschäftigen Schwaben Bernold v. St. Blasien, dessen publizistische Tätigkeit an seine historiographische Leistung nicht heranreichte, dem grobklötzigen, fanatischen Manegold v. Lautenbach, der die staatsumwälzenden Theorien Gregors sich ganz zu eigen machte und unter dem Einfluß naturrechtlicher Vorstellungen ausführte, das Volk könne einen pflichtvergessenen Herrscher mit dem gleichen Rechte ab - setzen, wie man einen Schweinehirten davonjage, der die anvertrauten Schweine nicht behüte, diesen päpstlichen Publizisten stehen auf der Gegenseite mit überlegener Gedankenarbeit und Sachlichkeit gegenüber: der formell maßvolle, aber inhaltlich durchaus entschiedene Scholastikus Wenrich v. Trier, der gründliche und tüchtige Kleriker Wido, später Bischof v. Osna - brück, der insbesondere das päpstliche Bannrecht über den König bestritt, und allen andern voran der uns unbekannte Hersfelder Mönch1)Wohl nicht der spätere Bischof Walram von Naumburg, wie man lange vermutet hat, vgl. Meyer v. Knonau in Festgaben f. Büdinger 1898., der in seinem schon 1084 begonnenen, 1090 im Wesentlichen abgeschlossenen Buche über die Erhaltung der Kircheneinheit das Königtum unmittelbar von Gott herleitete, der Kirche aber, der Gesamtheit aller Gläubigen, jede irdische Gewalt absprach. Das waren der Zeit vorauseilende Gedanken, die noch von Ulrich von Hutten, der das Büchlein wieder entdeckte, wirksam in den großen Re - formationsstreit geworfen werden konnten.

Anders war das Verhältnis in Italien, wo das geistige Übergewicht bei den Gregorianern lag. Dort leisteten Bischof Anselm von Lucca und Kardinal Deusdedit, die nebenher auch als Publizisten hervortraten, die für das Fort - wirken der gregorianischen Ideen unvergleichlich wichtige Arbeit der Kodi - fikation des fortentwickelten und umgestalteten Kirchenrechts, während Bischof Bonizo v. Sutri die kirchengeschichtliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte in die von der Partei gewünschte Beleuchtung rückte. Mit ihnen konnten sich auf der andern Seite der lügenhafte, wenn auch als energischer Ver - teidiger der kaiserlichen Herrschaft über das Papsttum immerhin beachtens - werte Bischof Benzo v. Alba und der widerliche Pamphletist Beno, ein von Gregor abtrünniger Kardinal, an geistiger Bedeutung freilich nicht messen; doch fehlte es auch hier im Lager des Gegenpapstes nicht an gediegenen, maßvolleren Streitschriften, wie etwa der des Bischofs Wido v. Ferrara,63§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).und der aus der ravennatischen Rechtsschule hervorgegangene Jurist Petrus Crassus, der das deutsche Kaisertum mit Sätzen des römischen Privatrechts verteidigte und für die Erblichkeit der Krone eintrat, war als Laie in diesem ganzen Kreise eine einzigartige Erscheinung.

Noch reihten diese Publizisten vielfach Bibelstelle an Bibelstelle, gaben Bilder und Spitzfindigkeiten statt logischer Beweise; aber die Notwendigkeit, zwischen widersprechenden Quellenbelegen selbständig Stellung zu nehmen, erschütterte den Autoritätsglauben und schärfte die Urteilskraft. Manche dieser Schriften verrieten doch bereits Spuren der befreienden Wirkung, die dies gewaltige Ringen, wie jeder frische Kampf der Geister, ausübte.

Heinrich IV. stand damals im besten Mannesalter, auf der Höhe seiner Erfolge. Mit rastloser Tatkraft und erstaunlichem Geschick hatte er sich aus den widrigsten Verhältnissen empor - gerungen zu fast allgemeiner Anerkennung. Aber wieder, wie nach dem Sachsensiege, versagte ihm das Geschick ruhige Befestigung; aufs neue riß es ihn in den Strudel des Kampfes und traf ihn nun mit noch viel furchtbareren Schlägen.

Ein überaus gefährlicher Gegner war ihm in dem neuen Papste Urban II. (1088 99)1)Eine umfassendere Würdigung seines Lebens und seiner Persönlich - keit fehlt völlig. Die neuere Biographie von Paulot (1903) ist historisch un - brauchbar. erwachsen, einem Nordfranzosen, der lange Jahre als Mönch in Cluny gelebt hatte, dann von Gregor zum Kardinalbischof von Ostia erhoben war. Sofort verkündete er der Welt seine völlige Übereinstimmung mit der Richtung seines großen Vorgängers, doch wich er in der Taktik erheblich von ihm ab; ge - schmeidiger und realpolitischer, ohne Gregors starren Idealismus zunächst alle Kräfte auf das nähere Ziel der allseitigen Durch - setzung seines Papsttums sammelnd, zu kleineren Zugeständnissen stets bereit, wenn er damit einen Schritt vorwärts tun konnte, in den Mitteln noch weit skrupelloser als jener, hat er es verstanden, die päpstliche Macht, der bereits der Einsturz drohte, neu zu stützen und auszubauen. Für Heinrich wäre ein Ausgleich mit ihm unter Preisgabe des Gegenpapstes vielleicht möglich gewesen, indes dazu wollte und konnte er sich nicht verstehen; die Personenfrage war mit der sachlichen Entscheidung durch die einmal vollzogene Partei - bildung allzu eng verquickt. Aber in kirchlicher Hinsicht erwiesen nun die folgenden Jahre seine Sache unzweifelhaft als eine verlorene. In Deutschland lichteten sich die Reihen der wibertistischen Bischöfe, denen Urban goldene Brücken baute, mehr und mehr; wie schon vorher in Sachsen, konnte sich Heinrich damit immerhin abfinden, wofern ihm nur die politische Anerkennung gezollt wurde. Wenn aber so wenigstens seine weltliche Machtstellung diesseits der Alpen vorderhand nicht ernstlich zu erschüttern war, ging ihm64I. Die Zeit der Salier.nun die Herrschaft über Italien in den neunziger Jahren fast völlig verloren.

Um die in letzter Zeit arg vernachlässigten Beziehungen zur deutschen Opposition wieder fester zu knüpfen und ihr neue Kraft zu verleihen, hatte Urban 1089 eine ähnliche Kombination, wie sie schon Heinrich III. nach Italien getrieben hatte, zustande gebracht, indem er die unnatürliche und rein politische Vermählung des sieb - zehnjährigen gleichnamigen Sohnes des Herzogs Welf mit der über vierzig Jahre alten Mathilde von Tuszien vermittelte, eine Ver - bindung, die, von der einen Seite nur in Erbschaftshoffnung ein - gegangen, von der andern als ein weiteres Opfer an die Kirche betrachtet und kaum von aussichtsvoller Dauer, zunächst doch einen für Heinrich überaus bedrohlichen, nahezu geschlossenen Zug feindlichen Gebietes von Süddeutschland bis Tuszien herstellte, der um jeden Preis zersprengt werden mußte. So begannen neue, er - bitterte Kämpfe in Italien (seit 1090), die für den Kaiser anfangs durchaus erfolgreich waren. Schon war der Papst aus Rom aber - mals zu den Normannen vertrieben, die süddeutschen Gegner zum Frieden geneigt, Mathilde beinahe von den eigenen Vasallen zum Nachgeben gezwungen, als nach einer unbedeutenden Niederlage der Kaiserlichen vor Canossa zunächst eine in ihren Ursachen nicht ganz aufgeklärte Stockung der Unternehmungen eintrat (1092), dann aber die Heinrichs Kräfte zeitweilig völlig lähmenden, furchtbaren Zerwürfnisse in seiner Familie einen gänzlichen Umschwung her - beiführten.

In ihrer Bedrängnis hatte die päpstliche Partei sich nicht da - vor gescheut, die Netze des Verrates unter seine nächsten An - gehörigen auszuwerfen. Der Abfall seines jungen Sohnes Konrad war ihr erster Erfolg. Dieser, schon seit einiger Zeit gekrönter deutscher König (1087), aber auch jetzt noch nicht zwanzigjährig, noch ohne ausgeprägte Eigenart, nur mit stark hervortretenden Zügen kirchlicher Hingebung, sagte sich auf die Einflüsterungen päpstlicher Parteigänger, unter denen die Gräfin Mathilde an erster Stelle ge - nannt wird, von seinem Vater los und ließ sich in Mailand noch einmal zum König krönen. Die Absicht war also, unter dem Aus - hängeschild seines Namens Italien vom Reiche loszureißen, und in der Tat erfolgte nun ein neuer Aufschwung der Pataria, ein erster Lombardenbund in engster Fühlung mit Welf und Mathilde schnitt dem Kaiser die letzten Alpenverbindungen mit Deutschland ab und sperrte ihm jeden Truppennachschub. Später trat Konrad auch mit dem Papste in direkte Verbindung; bei einer persönlichen Zu - sammenkunft mit ihm in Cremona (1095) tat er ihm Marschall - dienste und leistete ihm einen Sicherheitseid, der ihn, wenn auch65§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).nicht in aller Form zum Vasallen machte, so doch tatsächlich in ein ähnliches Abhängigkeitsverhältnis von der Kurie brachte, wie die Normannenherzöge. Dafür stellte ihm Urban bei entsprechen - den Zugeständnissen in der Investiturfrage die Kaiserkrone in Aus - sicht und suchte seine Stellung durch Vermählung mit der Tochter des mächtigen Normannengrafen Roger von Sizilien und Kalabrien zu festigen. Das Ziel, dem Gregor so lange vergeblich nachgestrebt hatte, die Beugung des salischen Herrscherhauses in die Abhängig - keit des römischen Stuhles, schien so Urban mit leichter Mühe durch eine Hintertür erreicht zu haben.

Dazu kam noch ein weiteres Zerwürfnis im Schoße von Heinrichs Familie (1094). Seine zweite Gemahlin Praxedis oder Eupraxia, Tochter des russischen Großfürsten von Kiew, die er zwei Jahre nach Berthas Tode (1087) geheiratet hatte, ward wegen Ehebruchs gefangen gesetzt, entkam mit Hilfe der Päpstlichen und stellte sich ihnen mit den widerlichsten verleumderischen Anklagen gegen ihren Gemahl zur Verfügung. Auch diese Waffe erschien ihnen nicht zu schmutzig, und auf dem unter Leitung Urbans tagenden Konzil von Piacenza wurden ihre Beschuldigungen ohne Untersuchung als gerecht anerkannt.

So sehr hatten sich in dem immer wilder und persönlicher werdenden Kampfe die moralischen Begriffe getrübt! Eine Flut von Unflat und Verleumdungen, in der Weitererzählung beständig wachsend und etwa zu dem Aberwitz gesteigert, Heinrich selbst habe den jungen Konrad zum Ehebruch mit der Stiefmutter zwingen wollen, wälzte sich, von der Kurie gelenkt oder doch genutzt, wider den Kaiser heran und drohte seinen Namen zu begraben. Man versteht, daß er unter der Wucht dieses Schicksals einen Moment in Ermattung die Waffe sinken ließ, sie vielleicht sogar, wie eine Nachricht will, auf die Kunde von Konrads Abfall in einem Augen - blicke der Verzweiflung gegen sich selbst gewandt hat. Zugleich verurteilte ihn die unglückliche Gestaltung der militärischen Lage zu völliger Untätigkeit; während eines vollen Jahres (1094) erfahren wir schlechterdings nichts von ihm. Seine Sache war im Nieder - gang; er vermochte nichts dagegen zu tun.

Und während er so noch immer in einem Winkel des östlichen Oberitaliens fast isoliert von den Weltereignissen weilte, begann über den Süden und Westen Europas der Sturm der ersten Kreuzzug - begeisterung dahinzubrausen. Es wird stets schwer zu sondern bleiben, wie sich dabei religiöser Gefühlsüberschwang und politische Berechnung mischten, und beide von den Handelsinteressen der italienischen Seestädte getragen wurden. Urban hatte als Flüchtling bei den süditalischen Normannen gesehen, zu welchen ErgebnissenHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 566I. Die Zeit der Salier.ein zielbewußtes Vorgehen gegen den Islam führen konnte. Graf Roger hatte die verlorenen Gebiete Siziliens der römischen Kirche zurückgewonnen und ward dafür bald (1098) vom Papste mit jenen bedeutsamen, seine Herrschaft über die neuen Kirchen im Gegen - satz zu den sonstigen kurialen Ansprüchen bestätigenden Zugeständ - nissen belohnt, die später unter dem Namen Monarchia Sicula zusammengefaßt, die Jahrhunderte hindurch bis zu ihrer endgültigen Aufhebung durch Papst Pius IX. in der Geschichte des Landes eine so hervorragende Rolle gespielt haben. Dort hat sich nun in Urbans Kopfe die Idee Gregors VII. zu einem klaren Angriffs - plane gegen den Islam im Osten verdichtet, und bei ihm am aller - wenigsten darf man daran zweifeln, daß er sich dabei der ge - waltigen kirchlichen und politischen Vorteile vollauf bewußt war, welche dem Papsttum erwachsen mußten, wenn es die streitbare romanische Ritterschaft durch den Bann einer großen Idee um sich zu scharen verstand und in der Leitung einer allgemeineuropäischen Angelegenheit in die Rolle des Kaisertums eintrat. Der Aufschwung der päpstlichen Sache hatte Urban schon 1093 nach Rom zurück - geführt. Von da reiste er in den folgenden Jahren wie in einem Siegeszuge, dessen Hauptetappen die großen, losunggebenden Synoden von Piacenza und Clermont (1095) waren, durch Italien, Burgund und Frankreich, und als er dann, vom Strome der Begeisterung getragen, nach Rom zurückkehrte (1096), war die Stellung des gregorianischen Papsttums in Europa über jeden Zweifel hinaus ge - sichert, und das Gegenpapsttum verlor nun auch in Italien allmählich allen Boden unter den Füßen. Sein völliges Erlöschen sollte Urban nicht mehr erleben ( 1099), aber auf seinen Nachfolger, den an geistiger Energie und diplomatischem Geschick weit hinter ihm zu - rückstehenden Paschalis II. (1099 1118), fiel nun der Glanz der großen Erfolge im Orient und hob sein Ansehen derart, daß das Gegenpapsttum nach dem Ableben Klemens 'III. (1100) gänzlich zusammenbrach, und auch der Tod König Konrads (1101) den Verlust Italiens für das Reich nicht mehr rückgängig machen konnte.

Für eine Schilderung des ersten Kreuzzuges selbst bietet die deutsche Geschichte keinen Raum; nur obenhin ward das Reich von der großen Bewegung berührt. Auf den Durchzug der ersten ungeordneten Bauernmassen von Westen her nach Ungarn, die von den friedebedürftigen Deutschen nur mit Mißtrauen betrachtet wurden, folgten neue Scharen, die gleich in den Rheinlanden den Kampf gegen die Ungläubigen eröffneten, indem sie allenthalben in den Städten die entsetzlichsten Judenmetzeleien heraufführten. Allein in Mainz wurden über tausend Juden hingeschlachtet, was der Erzbischof Ruthard trotz des Empfangs von Schutzgeldern67§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).schließlich nicht zu verhindern wußte. Hier setzte später (1098) eine strenge Untersuchung Kaiser Heinrichs zugunsten der Beraubten und zum Glaubenswechsel Gezwungenen ein, die ihn mit dem Erz - bischof unheilvoll verfeinden sollte. Endlich schloß der Durchzug mit dem geordneten Marsche der Lothringer, des einzigen, halb - romanischen Stammes der Deutschen, der an der Kreuzfahrt teil - nahm, unter der Führung des niederlothringischen Herzogs Gottfried von Bouillon.

Insofern kam nun die große Bewegung der Sache Heinrichs doch auch wieder zugute, als sie die kirchlichen Kräfte vorderhand ablenkte und das allgemeine Interesse vom Kampfe mit dem salischen Kaisertum abzog. Die unheilvolle Verbindung der süddeutschen Opposition mit Italien, die vor allem die Notlage des Kaisers ver - ursacht hatte, löste sich, als die in ihren Erbschaftshoffnungen ge - täuschten Welfen die Trennung jener unnatürlichen Ehe mit der Gräfin Mathilde vollzogen (1095), und in seiner Verstimmung dar - über der alte Welf sich gegen Anerkennung seiner bayrischen Her - zogswürde mit Heinrich aussöhnte (1096). Dadurch erst wurden diesem die Alpen zur Rückkehr nach Deutschland (1097) geöffnet, und es gelang ihm nun, auch in Schwaben einen befriedigenden Ausgleich herbeizuführen, durch welchen der nach dem Aussterben des Hauses Rheinfelden gegen den Staufer aufgestellte Gegenherzog Berthold II. von Zähringen mit dem Reichslehen Zürich und dem Herzogstitel abgefunden wurde (1098). Durch die Königswahl seines zweiten Sohnes Heinrich, den der Vater durch die moralische Bin - dung eines Treueides von den Bahnen Konrads fernzuhalten hoffte, wurde in demselben Jahre die salische Dynastie neu befestigt, und indem sich nun die Verhältnisse zusehends besserten, und eine nennenswerte Gegnerschaft diesseits der Alpen kaum noch vor - handen war, konnte Heinrich zu der gleichen Zeit, in der sich durch Erlöschen des Schismas der kirchliche Sieg des Papsttums vollendete (1100), wenigstens in Deutschland von einer völligen politischen Anerkennung sprechen, ohne daß er den Rechten des Königtums das mindeste vergeben hätte. Gern hätte er darüber hinaus den Frieden mit der Kirche hergestellt, indes sein Anerbieten, nach dem Vorgange mehrerer süddeutscher Fürsten (1101) unter der Bedingung einer vorherigen Bannlösung selbst die Buße einer Kreuzfahrt auf sich zu nehmen, wurde von Paschalis II. abgelehnt, wie es denn die eigentliche Streitfrage nur zu umgehen versuchte. Wichtig aber für Deutschland waren die Maßregeln, die auf dem Mainzer Reichstage von 1103 schon zur Vorbereitung dieser ge - planten Kreuzfahrt getroffen waren, die Verkündigung einer Amnestie und der Erlaß eines allgemeinen Reichsfriedens, der sich nun nicht5*68I. Die Zeit der Salier.mehr, wie der Gottesfrieden, damit begnügte, gewisse Zeiten im Jahre vor der Fehdelust der kriegerischen Mannschaften sicher - zustellen, sondern vier volle Jahre umfassen sollte, der ferner neue Strafrechtsbestimmungen festsetzte und als Hüter des Friedens nicht mehr die kirchlichen Organe bestellte, sondern die Territorialgewalten, die den Reichsfrieden freilich nun auch mit manchen Abweichungen in Inhalt und Dauer annahmen und durchführten. Auch so blieben die Wirkungen namentlich für die Erwerbstände der Bauern und Bürger segensreich genug, während der durch den inneren Krieg mächtig angeschwollene kriegerische Adel nicht ohne Unwillen seine Nahrungsquellen: Raub und Plünderung verstopft sah.

Zum dritten Male hatte sich Heinrich mit wiedergewonnener Kraft aus der schlimmsten Notlage zu befriedigenden Verhältnissen durchgerungen. Wäre er in diesem Momente gestorben, so hätte er zuletzt auf ein stürmisches und aufreibendes, aber doch auch an Erfolgen reiches Leben nicht ganz ohne Genugtuung zurück - blicken können. Indes die schwersten Leiden und Enttäuschungen waren dem frühgealterten Manne, der sich der Mitte der fünfziger Jahre näherte, noch für den Schluß seines Lebens vorbehalten.

Der Abfall seines Sohnes Heinrich wird in seinen tieferen Gründen vielleicht niemals völlig einwandfrei aufgehellt werden, doch stimmen die neueren Forscher in ihren Annahmen darüber einigermaßen überein. 1)Indem man das Motiv der Verführung (so Floto u. Heyck, Gesch. der Herzöge v. Zähringen 1891) als unverträglich mit der frühreifen, eigen - willigen Natur des jungen Mannes ablehnte und das eines vorzeitigen Ehr - geizes (so etwa Giesebrecht) nicht ausreichend fand, indem Nitzsch 'Darlegung der ständischen und wirtschaftlichen Gegensätze jener Tage mehr die Stimmung der Umgebung charakterisierte, als die persönlichen Motive erklärte, hat man sich im wesentlichen auf die übrigens auch mit den zeitgenössischen Quellen am besten übereinstimmende Ansicht geeinigt, die am eindrucksvollsten Ranke in seiner Weltgeschichte vorgetragen hat (ähnlich etwa Meyer v. Knonau, Richter, W. Schultze in Gebhardts Handbuch).

Danach beobachtete der scharfblickende und kaltrechnende junge König die Friedenspolitik seines Vaters, die ihm den kriegerischen Adel entfremdete, ohne die ersehnte Versöhnung mit der Kirche zu bringen, nicht ohne die Besorgnis, eine neue Erhebung möchte dem Vater und zugleich auch ihm selbst die Krone kosten, und daher machte er den moralisch vermessenen, aber politisch doch milder zu beurteilenden Versuch, selbst an die Spitze der Unzu - friedenen zu treten, als Feind seines Vaters mühelos, auch ohne prinzipielle Zugeständnisse, die Sanktion der Kirche zu erlangen und so durch die Verbindung von Legitimität und Kirchlichkeit seine Herrschaft auf Kosten des Vaters für die Zukunft zu sichern.

69§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).

Immerhin hätte er, wenn er sich wirklich in solchen Gedanken - gängen bewegte, die Gefahr, die der Krone drohte, doch wohl überschätzt; denn nichts berechtigt uns zu der Annahme, daß Heinrich IV. ihr nicht Stand gehalten haben würde, wenn nur Vater und Sohn einig blieben. Ich möchte daher das Allgemein - menschliche des Konflikts schärfer hervorheben. Reibungen ergeben sich nur zu natürlich, wo Vater und Sohn gewissermaßen in einem Unternehmen tätig sind, und werden solche Gegensätze in einer Zeit sittlicher Verwilderung nicht mehr überbrückt durch Ehrfurcht, so entsteht der offene Bruch. König Heinrich aber war aufge - wachsen in einer Zerrüttung der moralischen Begriffe und Auf - lösung der Familienbande ohne Gleichen, in Verhältnissen, die ge - eignet waren, in ihm frühzeitig Argwohn, Verschlagenheit, Selbst - sucht zu entwickeln, aber nicht Treue und Edelmut. Diese nach schrankenloser Selbständigkeit strebende Natur hatte nun der miß - trauisch gewordene Vater durch einen Treueid an sich zu ketten versucht, der, von dem Sohne als Demütigung empfunden, nur zu leicht das Gegenteil der gewollten Wirkung hervorrufen konnte, zumal wenn kirchliche Einflüsterungen hinzutraten, die den Eidbruch gegen den Gebannten als ein Verdienst hinstellten. Jene oben geschilderten Besorgnisse und die Einwirkungen mißvergnügter Adliger führten ihn weiter.

Nach wie vor hielt der gealterte Kaiser, wenn auch maßvoller als früher an seiner Politik fest, die deutsche Kirche in Abhängig - keit, den Laienadel im Zaum zu halten und gegen beide die empor - strebenden Kräfte von Bürgertum und Ministerialität auszuspielen. 1)W. Schultzes Meinung, die Reichsministerialität habe sich jetzt gegen Heinrich als den Verteidiger der alten Verfassung gewandt, die er früher umzu - stürzen versucht habe, ist die noch einseitigere und irrigere Zuspitzung einer Konstruktion von Nitzsch; vgl. oben S. 39.Eben die Begünstigung von Angehörigen dieser beiden Stände, die in einem an sich keineswegs bedeutenden Einzelvorgang zu Tage trat, gab den unmittelbaren Anlaß zum Abfall seines Sohnes.

Bei einem Aufenthalte des kaiserlichen Hofes in Regensburg kam es 1104 zu einer Auflehnung von Ministerialen und Bürgern gegen den Grafen Sigihard von Burghausen, der dabei ums Leben kam. Hier zuerst zeigte sich eine entgegengesetzte Stellungnahme des Kaisers und seines Sohnes; während dieser für den Grafen eingetreten war, tat der Vater nichts zu seiner Rettung und ließ die Täter straffrei. Darob Entrüstung des bayrischen Adels und Ver - stimmung des jungen Königs, der bald darauf heimlich vom Hofe entwich und mit jenen Unzufriedenen die Fahne des Aufruhrs gegen den Vater erhob. Auf die Kunde davon hat der Kaiser die70I. Die Zeit der Salier.Truppen, die er mit sich führte, entlassen; er mußte Atem schöpfen, ehe er die Hand zum vernichtenden Schlage gegen seine eigne Dynastie erheben mochte, und aller Welt sollte es offenkundig werden, daß nicht er es war, der den Kampf wollte.

Dadurch aber gewann der Aufstand Luft zur Ausbreitung (1105). Ohne daß er jemals Miene gemacht hätte, auf die Laien - investitur zu verzichten, fand König Heinrich sofort die Unterstützung des Papstes, der ihn von der Sünde des Eidbruches gegen den Vater freisprach und segnete. Und nun ergriffen die gregorianischen Bischöfe Deutschlands, namentlich Sachsens, begierig die Gelegenheit, sich aus der unbehaglichen Lage der Unterordnung unter einen gebannten Kaiser zu befreien. Persönliche Motive, wie bei dem Erzbischof Ruthard von Mainz, kamen hinzu, in Sachsen und Süddeutschland erwachten alte Feindschaften, ein unglücklicher Zufall wollte, daß eben damals der schwäbische Herzog Friedrich starb.

Endlich suchte Heinrich IV. die Entscheidung im offenen Felde, aber als am Regen die Heere kampfbereit gegeneinanderstanden, gelang es, die Hauptstützen des Kaisers, die Österreicher und Böhmen, von ihm abzuziehen, so daß ihm nichts übrig blieb, als ein flucht - ähnlicher Rückzug an den Rhein. Der König folgte eilends. Ein großer Reichstag in Mainz sollte über die Thronfrage entscheiden. Da ein persönliches Erscheinen des Kaisers, der sein gutes Recht verteidigen wollte, bei dem Anhang, den er noch immer unter den Fürsten besaß, und seiner Beliebtheit bei den Mainzer Bürgern be - denklich gewesen wäre, zog ihm der König nordwärts entgegen. Auf einer Zusammenkunft bei Koblenz erfolgte nun jene empörende Überlistung des Vaters durch den Sohn, der sich in Eiden und Liebesbeteuerungen überbot und als seinen einzigen, heißen Wunsch die Aussöhnung des Kaisers mit der Kirche bezeichnete. Auf dem gemeinsamen Zug nach Mainz wußte er den Vater mit der gleichen List um das starke Geleit seiner Kriegsmannen zu bringen; schon halb mit Gewalt führte er ihn dann die Nahe aufwärts nach der Burg Böckelheim, damit er dort über Weihnachten verweile, während er selbst in Mainz die kaiserliche Sache getreulich wie seine eigne führen wolle. Als das Burgtor sich schloß, war Heinrich IV. der Gefangene seines Sohnes. Es war die teuflischste Tat der ganzen deutschen Geschichte!

An die Überlistung schloß sich die Vergewaltigung. Der Kaiser hoffte noch immer auf den hinreißenden Eindruck seiner Darlegungen, wenn er nur auf dem gegen Ende des Jahres zu - sammentretenden Reichstage in Mainz persönlich aufzutreten ver - möchte. Um das zu erreichen, gab er selbst Weisung zur Aus -71§ 6. Die Fortsetzung des Kampfes bis zum Tode Heinrichs IV. (1085 1106).lieferung der Reichsinsignien. Aber man betrog ihn auch jetzt; nur die Anhänger des Königs, die allerdings die Mehrheit aus - machten, kamen nach dem nahen Ingelheim, wohin man den Kaiser geschafft hatte, und dort folgten weitere entsetzliche Szenen. Am Boden liegend, erflehte der gealterte Herrscher vergebens die Recht - fertigung vor allen Fürsten. Wie einst Ludwig der Fromme, ward er im Beisein des Sohnes und päpstlicher Legaten gezwungen, ein lächerliches Sündenbekenntnis abzulesen, das unter seinen Vergehen selbst die Anbetung von Götzen aufzählte und bestimmt war, ihn moralisch zu vernichten. Endlich erpreßte man von ihm vi et arte , wie er selbst schreibt, wir dürfen übersetzen: mit groß 'Macht und viel List zum Teil unter direkter Bedrohung mit dem Tode nicht nur die Abdankung, die schon in der Übersen - dung der Reichsinsignien gesehen wurde, sondern auch den Ver - zicht auf seine sämtlichen Besitzungen im Reiche. Während er dann in der Haft zurückblieb, vollzog man in Mainz die Krönung Heinrichs V. nicht ohne bestätigende Mitwirkung der päpstlichen Legaten und einschränkenden Vorbehalt der Fürsten.

Aber die Krone wurde dem neuen Herrscher noch einmal in Frage gestellt. Der Kaiser entkam aus Ingelheim und entfaltete zum letzten Male seine seltene Kunst, eine Sache, die unrettbar verloren schien, herzustellen. Von Köln, wo er zu Schiff gelandet, wandte er sich nach Lüttich, unterwegs durch eine barfuß zurück - gelegte Pilgerfahrt nach Aachen seinen kirchlichen Eifer beweisend. Und dort in Niederlothringen gelang es ihm in der Tat, eine Partei zusammenzubringen und Truppen zu werben. Schreiben mit rühren - den Darstellungen der letzten Vorgänge ergingen an den König von Frankreich und an Abt Hugo von Cluny, der noch einmal die Aussöhnung mit der Kurie in die Hand nehmen solle, aber auch jetzt noch vorbehaltlich unsrer Ehre .

Als Heinrich V. eilig gegen Niederlothringen vordrang, erlitt er eine Schlappe, mußte zurückweichen, verlor Zeit und Kraft an einer ver - geblichen Belagerung des kaisertreuen Köln, rückte nach erfolglosen Verhandlungen aufs neue dem Vater entgegen, eine Entscheidung im offnen Felde stand unmittelbar bevor, da ist Heinrich IV. in Lüttich nach kurzer Krankheit allen weiteren Kämpfen durch den Tod entrückt worden. Noch sterbend sandte er Schwert und Ring dem Sohne, erbat für seine Anhänger Verzeihung und für sich selbst einen Platz im Dome zu Speyer. Der ist dann freilich erst nach unduldsamen Aussperrungen dem gebannten Toten, dem aber in der rührenden Liebe der Bürger von Lüttich und Speyer reichster Ersatz ward, zuteil geworden, als auch der Sohn in neuen Kampf mit der Kurie geraten war.

72I. Die Zeit der Salier.

Sieht man von den Regungen des Mitgefühls ab, die dies schicksalvolle Menschenleben unwillkürlich auslöst, und fragt nur nach dem, was er für Deutschland erstrebt und geleistet hat, so wird ihm doch auch da das historische Urteil die Anerkennung nicht versagen, daß er unermüdlich mit dem ganzen Einsatz seiner Person für die Rechte des Königtums und die Ehre des Reiches gekämpft hat. Der Kirche gegenüber blieb er zwar nicht Sieger, aber er ist auch nicht völlig unterlegen; er hat die Weltherrschafts - ansprüche des Papsttums erfolgreich zurückgewiesen, das Investitur - recht noch unversehrt in die Hände des Sohnes gelegt, durch seinen zähen Widerstand die Starrheit der kirchlichen Forderungen doch bereits gemildert, so daß sein Nachfolger einen leichteren Stand hatte, und hat so schließlich nicht am wenigsten dazu beigetragen, daß der deutsche Episkopat noch ein volles Jahrhundert, wenn auch mit zeitweiligen Schwankungen, unter dem Einfluß der Krone blieb, und das ottonische Regierungsystem in diesem Punkte zwar abgewandelt, aber noch nicht gänzlich aufgegeben zu werden brauchte.

Auf der andern Seite hat er das deutsche Königsrecht ebenso zäh den partikularen Mächten gegenüber verteidigt, ist allerdings durch das Eingreifen der Kirche an einem weiteren Ausbau gehindert und in dem langen Bürgerkriege gewiß zu mancher Preisgabe von Reichsbesitz, zu manchem Zugeständnis an die Selbständigkeit der Fürsten gezwungen worden; aber auch da hat er den Boden doch nicht verlassen, auf dem in besseren Zeiten eine Rückbildung der königlichen Rechte erfolgen konnte, und auf welchem Wege etwa künftig eine neue Machtsteigerung möglich war, dafür hat er die Richtung gewiesen durch seine Begünstigung von Ministerialität und Bürgertum, aufstrebenden Ständen, mit denen indes eine größere Aktion schon damals gegen das Fürstentum schwerlich hätte geführt werden können.

So dürfen wir Heinrich IV. zwar nicht nach seinen Erfolgen, wohl aber nach Talent und Streben den bedeutendsten deutschen Herrschern an die Seite stellen.

§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106 1125).

Gegen Papsttum und Fürstentum hatte Heinrich IV. in einem dreißigjährigen Kriege sein Königtum verteidigt. Mit beiden Mächten verbündet, hatte zuletzt der Sohn den Vater gestürzt. Der Streit konnte damit beendet scheinen. Aber sobald Heinrich V. nun73§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106 1125).alleiniger Herrscher war, trat zutage, daß er im Grunde für dasselbe Ziel kämpfte, wie der alte Kaiser. Der Friede mit beiden Mächten konnte daher nicht dauern. 1)Das Material für die Jahre 1106 1116 ist ungemein fleißig, ohne tiefer dringende Auffassung, zusammengetragen von Meyer v. Knonau, Jahrb. d. d. Reiches unter H. IV. u. H. V. Bd. VI (1907).

Auf kirchlichem Gebiete hatte der König zwar die Reste des Schismas in Deutschland beseitigt, aber ganz im Einverständnis mit dem Episkopat auch nicht die geringste Bereitwilligkeit gezeigt, auf das wichtige Investiturrecht zu verzichten. Hatte Paschalis II. sich anfänglich darüber getäuscht, so brachten die nächsten Jahre völlige Klarheit über den ungelösten prinzipiellen Gegensatz: von Seiten des Papstes wiederholte scharfe Erneuerungen des Investiturverbotes, von Seiten Heinrichs unerschütterliches Festhalten an dem ererbten kaiserlichen Recht. Ohne daß man in fortgesetzten Verhandlungen der Verständigung näher gekommen wäre, brach der König 1110 mit der gesamten Streitmacht des geeinten Deutschlands zu der in Aussicht gestellten Kaiserkrönung nach Italien auf. Da ihm bei seinen noch immer freundlichen Beziehungen zur Kurie kein nennens - werter Widerstand entgegentrat, wurde der Verlust des Landes fast mühelos wiedereingebracht. Die furchtbare Zwangslage, in die sich der Papst angesichts der gewaltigen Kriegsmacht versetzt sah, mehr aber noch Geistesrichtung und Charakter Paschalis II. erklären den merkwürdigen, radikalen Lösungsversuch vom Februar 1111. Zurück - bebend vor den Schrecken eines neuen Riesenkampfes, ohne tieferen Einblick in die geschichtlichen Wirklichkeiten und politischen Möglich - keiten, im Sinne etwa eines Petrus Damiani mehr erfüllt von dem mönchischen Ideal einer Entweltlichung der Kirche, als von den gregorianischen Herrschaftsgedanken, machte er einen ehrlichen Ver - such, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers war, einen Versuch, der indes den Logiker mehr ehrte als den Staatsmann, und dessen Durchführung eine ganz andere Willensstärke bei dem Oberhaupt der Kirche vorausgesetzt hätte, als sie Paschalis eigen war. Die Reichsgewalt klammerte sich an die Investitur, weil nur sie ihr Obereigentumsrecht am Reichskirchengut verbürgte. Gab jetzt die deutsche Kirche dem Reiche alle Besitzungen und Rechte zurück, die sie von ihm seit den Tagen Karls d. Gr. erhalten hatte, und beschränkte sich künftig für ihren Unterhalt auf Zehnten und Privat - schenkungen, so konnte dem Kaisertum der Verzicht auf die In - vestitur mit dem kirchlichen Amte nicht schwer fallen. Das war der Hauptinhalt der Abmachungen, die damals auf Paschalis 'Vor - schlag zwischen Papst und Kaiser getroffen und in zwei Urkunden74I. Die Zeit der Salier.niedergelegt wurden. 1)Die entscheidenden Aktenstücke M. G. Const. I, 137 ff. Die sonstigen Berichte über den Vorgang zusammengestellt von Meyer von Knonau VI, 369 ff.Nach Verlesung dieser Aktenstücke in der Peterskirche sollte die Kaiserkrönung vollzogen werden.

Dieser Vertrag hat von jeher das allgemeinste Staunen her - vorgerufen. Glaubte man wirklich an seine Durchführbarkeit oder walteten andere Absichten vor? Bei dem Papste wird man trotz des mißtrauischen Urteils Heinrichs V. unbedingt Gutgläubigkeit voraussetzen müssen. Er übersah nicht etwa völlig die Schwierig - keiten, denn er verpflichtete sich, die widerstrebenden Bischöfe nötigen - falls durch Bann zum Gehorsam zu zwingen, aber von der elemen - taren Wucht des Widerstandes der gesamten gregorianischen Partei machte er sich auch nicht entfernt richtige Vorstellungen. Der nüchterne Realpolitiker Heinrich V. dagegen war schwerlich in solcher Täuschung befangen. Abgesehen von den kirchlich Ex - tremen mußte er die schärfste Opposition von Seiten der deutschen Fürsten erwarten, von den geistlichen, denn ihnen drohte Verlust der Regalien, die bisher als Zubehör ihres Amtes galten und ihre reichsfürstliche Stellung begründeten; aber auch von einem Teile der weltlichen Fürsten, denen die wirtschaftliche und politische Stärkung der Krone und die Unsicherheit über die Zukunft ihrer eigenen Lehen aus dem Reichskirchengut Besorgnis einflößte. In richtiger Einschätzung dieser Schwierigkeiten machte Heinrich die Zustimmung nicht nur der Gesamtkirche, sondern auch der Reichs - fürsten zur Bedingung des Vertrages. Es wäre aber verkehrt, aus dieser Erkenntnis folgern zu wollen, er habe im sicheren Bewußt - sein der Unausführbarkeit von vornherein ein unehrliches Spiel mit dem Papste getrieben, um ihn mit dem deutschen Episkopat un - heilbar zu verfeinden ,2)W. Schultze in Gebhardts Handbuch. oder wie die Motivierungen neuerer Dar - steller sonst lauten. Das Anerbieten war für den deutschen König so überaus vorteilhaft, daß eine Ablehnung ihn in den Ruf ge - bracht hätte, den Frieden schlechterdings nicht zu wollen. Wenn er aber zu Beginn der Krönungsfeier die öffentliche Erklärung ab - gab, daß er den Kirchen den Genuß der Regalien nicht zu entziehen gedenke, so wollte er damit nicht das Odium des Vertrags auf den Papst wälzen, wie man wohl gemeint hat, sondern seiner Durch - führung den Weg ebnen, indem er zu verstehen gab, die augen - blicklichen Besitzer sollten, wenn auch nicht mehr kraft eines Rechts - titels, so doch durch königliche Gunst ruhig im Genusse der Re - galien bleiben. Damit wurde in der Tat dem ganzen Plan ein gut Teil des Abenteuerlichen und Revolutionären abgestreift; nicht mehr eine Umwälzung der Besitzverhältnisse hatten die deutschen75§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106 1125).Fürsten zu befürchten, nur das Eigentum des Königs am Reichs - kirchengute sollte in der unzweideutigsten Weise zur Anerkennung gebracht werden.

Trotzdem erhob sich freilich am 12. Februar in der Peters - kirche ein Sturm des Unwillens, als nach dem kaiserlichen Bericht auf die Investitur die päpstliche Preisgabe der Regalien verkündet wurde. Nur zu bald zeigte es sich, wie wenig der schwache Paschalis Herr der Lage war. Da hat der durch äußere Angriffe der Römer auf die Peterskirche mißtrauisch gewordene König, der schon dereinst seinem Vater gegenüber genugsam bewiesen hatte, daß er für Regungen der Pietät unzugänglich war, den Papst, als er sich weigerte, ihm das preisgegebene Investiturrecht zurückzu - geben und die Kaiserkrönung zu vollziehen, samt dreizehn Kardi - nälen gefangen genommen und durch das tobende Rom nach dem sicheren Alba geführt.

Die weiteren Verhandlungen mit dem Gefangenen verglich Heinrich selbst zynisch dem Ringen des Patriarchen Jakob mit dem Engel des Herrn: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn . Schon im April erfüllte der Papst, um seine Freiheit wiederzuerlangen, im Vertrage von Ponte Mammolo alle Forderungen des Königs: die unbeschränkte Investitur als kaiserliches Vorrecht, die Kaiserkrönung und die Zusage völliger Amnestie wegen der letzten Vorgänge, insbesondere das eidliche Versprechen, niemals den Bann über Heinrich zu verhängen. Wer mit Hauck den Ab - schluß dieses Vertrages als einen der größten politischen Fehler Heinrichs betrachtet, da Paschalis angesichts des kirchlichen Wider - standes gar nicht in der Lage gewesen sei, ihn durchzuführen, dem dürfte es doch schwer fallen, anzugeben, wie er denn anders hätte handeln sollen. Etwa dem Papste durch dauernde Haft die pro - pagandistische Kraft des Märtyrertums verleihen und der allge - meinen Empörung darüber Zeit lassen zur Organisation? Man übersieht nur zu leicht, daß das Papsttum mindestens seit der Kirchenreform kein gewöhnlicher politischer Gegner und durch Ge - walt allein niemals zu bezwingen war. Heinrich hat vielmehr auch hier gezeigt, daß er seinen Vorteil in vollem Umfange wahrzu - nehmen verstand. Was er erreichte, war das Höchste, das seit der Mitte des elften Jahrhunderts jemals ein deutscher Herrscher dem Papsttum gegenüber durchgesetzt hat. Er erlangte den Voll - zug der Kaiserkrönung; er hat die Form der Zusicherungen so klug auf die ängstliche Natur des Papstes berechnet, daß dieser erst allmählich dahin gebracht werden konnte, den Vertrag unum - wunden als erzwungen zu kassieren (1116) und sich stets gescheut hat, gegen seinen Eid den Kaiser zu bannen. Er hat endlich76I. Die Zeit der Salier.durch die hier erpreßte Anerkennung des kaiserlichen Investiturrechts trotz der folgenden Widerrufe doch erheblich zur Schwächung der Gegenpartei beigetragen.

Die Durchführung des Privilegs freilich erwies sich bald ge - nug als völlig unmöglich. Weniger zunächst in Deutschland, als in Italien und noch mehr in Frankreich entlud sich von Seiten der Gregorianer ein Unwetter der Entrüstung über dem Haupte des ketzerischen Papstes, der trotz mancher sophistischen Vorbehalte und Halbheiten einen Schritt nach dem andern zurücktun mußte, wenn er nicht Gehorsamsaufkündigung und Absetzung heraufbe - schwören wollte. Auf den beiden Synoden im Lateran und in Vienne (1112) wurde das päpstliche Privileg als ein pravilegium , statt eines Gnadenbriefes ein Schandbrief, für null und nichtig er - klärt, und gegen den einen Verzicht darauf natürlich verweigernden Kaiser der Bann geschleudert, ohne daß Paschalis indes ihn selbst verkündet und die persönlichen Beziehungen abgebrochen hätte. So begann der Investiturstreit nach kurzer Unterbrechung von neuem. Für Heinrich wurde er erst dadurch gefahrvoll, daß sich mit dieser kirchlichen Gegnerschaft abermals wie unter seinem Vater, eine deutsche Fürstenopposition zusammenschloß.

Diese ist nicht aus einheitlicher Wurzel erwachsen. Schwer - lich läßt sie sich auf die einfache Formel von Nitzsch bringen, der meint, eine planmäßige Wiederaufnahme der väterlichen Städtebe - günstigung und Territorialpolitik mit Verlegung des Schwerpunktes vom Harz nach der oberrheinischen Tiefebene habe die feindliche Verbindung der Fürsten als Gegenschlag hervorgerufen, wenn auch Heinrichs V. große Privilegien für Speyer und Worms (1111 14) in der Entwicklung der deutschen Stadtfreiheit epochemachend ge - worden sind, und das oberrheinische Königsgut unzweifelhaft mit Hilfe der schwäbischen Reichsministerialen kräftig ausgebaut und durch einen Kranz von Burgen gesichert wurde. Auch sonst suchte Heinrich die Lücken, welche der jahrzehntelange Kampf in den königlichen Besitz gerissen hatte, nach Möglichkeit auszufüllen und war karg mit neuen Vergabungen. Die Habsucht, die ihm die Chronisten vorwarfen, war unter dem politischen Gesichtspunkte nur ein Lob, wie dieser moralisch so minderwertige Herrscher über - haupt eine Fülle bedeutender Regenteneigenschaften: Machtsinn, Überlegung, Kühnheit und Willenskraft besaß. Indes die rück - sichtslose Härte, mit der er allenthalben durch Gütereinziehung und Gefangennahme seinem Vorteil nachging, seine ganze rechnerische, verschlagene, unzuverlässige, unedle Natur erweckten ihm ringsum Feindschaften, die unabhängig voneinander erwuchsen, aber leicht den Zusammenschluß fanden. Rein persönliche Entzweiungen, wie77§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106 1125).die mit dem wesensverwandten Erzbischof Adalbert von Mainz, der früher als Kanzler der vertrauteste Mitwisser und Förderer seiner geheimsten Pläne gewesen war, dann aber als Kirchenfürst ein Vorläufer des Thomas Becket unter der Maske kirchlicher Be - strebungen seinen eigenen ehrgeizigen Wünschen nachjagte und vom Kaiser Jahre hindurch im Kerker gehalten wurde, vermehrten die Zahl der Gegner. Auf einem besonderen Brette endlich stand, wie in den Tagen Heinrichs IV., der ungebrochene sächsische Stammes - partikularismus, jetzt noch um so gefährlicher, als nach dem Zu - sammenbruch der bremischen Macht und dem Aussterben des billungi - schen Hauses (1106) der neue Herzog Lothar von Supplinburg, der mit seinen Erbgütern in der Gegend von Helmstädt durch Familien - verbindungen die ausgedehnten billungischen, nordheimschen und braunschweigischen Besitzungen verband, die Gesamtkraft des Stammes viel wuchtiger verkörperte, als es bisher möglich gewesen war. Er wurde Heinrichs mächtigster und zähester Gegner. Diese inneren Kämpfe im einzelnen zu verfolgen, lohnt sich kaum. Ein un - glücklicher Umstand für den Kaiser war immerhin, daß er, der öfter kränkelte, ohne kriegerische Neigung und Feldherrngabe war und die Führung daher gelegentlich anderen überließ. Bedenklich wurde seine Lage erst, als die Kaiserlichen kurz nacheinander (Ende 1114 und Anfang 1115) am Rhein und in Sachsen Nieder - lagen erlitten, eine Erhebung der Mainzer die Entlassung ihres Erz - bischofs erwirkte (1115), und die kirchlichen Einwirkungen nun auch an Boden gewannen und die Mehrheit der Bischöfe zum Abfall veranlaßten. Trotzdem hat Heinrich es gewagt, gerade in diesem Momente den deutschen Boden zu verlassen, weil ihn eine wich - tige Entscheidung nach Italien rief.

Nach dem eben erfolgten Tode der Gräfin Mathilde (1115) galt es nicht nur ihre Reichslehen einzuziehen, sondern auch auf ihre gewaltig ausgedehnten Eigengüter die Hand zu legen. Denn deren 1102 noch einmal wiederholte Schenkung zu Obereigentum an die römische Kirche hatte eine freie Verfügung Mathildens darüber keineswegs ausgeschlossen, und auf Grund einer vermutlich im Jahre 1111 getroffenen geheimen Vereinbarung trat Heinrich jetzt als Privaterbe der Gräfin auf. Ohne Heeresmacht eilte er nach Italien (1116) und indem er in kluger Freigebigkeit durch umfassende Verleihungen Adlige und Städte ringsum zu Mitgenießern machte, gelang es ihm in der Tat, seine Ansprüche zur Geltung zu bringen und so die Macht des Reiches in Ober - und Mittelitalien bedeutend zu verstärken. Unter dem Eindruck dieser Erfolge vermochte sich Paschalis in dem aufständischen Rom nicht zu halten und floh zu den Normannen, Heinrich aber ließ sich und seine junge Gemahlin78I. Die Zeit der Salier.Mathilde, die Tochter König Heinrichs I. von England, in der Peterskirche mit dem kaiserlichen Diadem schmücken (1117).

Nach dem Tode Paschalis 'II. (1118) verschärften sich trotz der maßvollen Gesinnung des zum Nachfolger erwählten Gelasius II. (1118 19) die Gegensätze noch mehr. Denn der Kaiser erhob jetzt nach erneuter Ablehnung seiner Forderungen den portugisi - schen Erzbischof Burdinus von Braga zum Gegenpapst, ein aus - sichtsloser Versuch zur Wiederbelebung des allgemein verhaßten Schismas, der denn auch schon nach drei Jahren mit der Ge - fangennahme des Burdinus scheiterte. Und auf der anderen Seite war Gelasius, der sich bald aus dem Streit der römischen Adelsfaktionen heraus nach Südfrankreich, dem Hauptlager der Gregorianer, rettete, durch keinen Eid mehr wie sein Vorgänger gehemmt, in aller Form den Bann über den Kaiser auszusprechen. Ohne daß sich ein Ende absehen ließ, setzte sich diesseits und jenseits der Alpen trotz wachsender Kampfesmüdigkeit der Streit fort.

Als dann nach Gelasius 'frühem Tode der extreme Südfranzose Erzbischof Guido von Vienne als Kalixt II. zum Papst erwählt wurde, schien eine Versöhnung noch mehr in die Ferne gerückt. Aber dem hohen burgundischen Adel entsprossen, verwandt mit Saliern und Capetingern, weit entfernt von der mönchischen Enge seiner Vorgänger, vielmehr von staatsmännischem Geiste erfüllt, schätzte Kalixt das Friedensbedürfnis der durch den langen Kampf zerrütteten Kirche sehr hoch ein und begann ernstlich nach einem mit den kanonischen Forderungen verträglichen Ausgleich zu streben. Der Kaiser aber, der aufs neue mit den deutschen Fürsten Fühlung gewonnen hatte, trug deren Friedenswünschen gern Rechnung, wenn nur die Reichsehre gewahrt blieb. Und der Weg, auf dem dies ehrliche Streben von beiden Seiten sich begegnen konnte, war nun schon seit einer Reihe von Jahren durch Publizisten beider Parteien klar vorgezeichnet. Italienische Schriftsteller und noch mehr viel - leicht Franzosen mit ihrer Gabe logischer Präzision, wie etwa Ivo von Chartres, hatten durch ihre Denkarbeit das Problem begrifflich geklärt, die geistliche und weltliche Seite der Investitur, Übertragung des kirchlichen Amtes und Belehnung mit den Regalien scharf von - einander geschieden und eine deutlichere äußerliche Sonderung an - gebahnt, indem Ring und Stab für die kirchliche Einweisung vor - behalten, für die weltliche Investitur aber das Symbol des Szepters vorgeschlagen wurde. Heinrich selbst hatte schon früh (1109) in seinen Verhandlungen mit der Kurie derartige Gedankengänge auf - genommen, und auch der Lösungsversuch von 1111 hatte zu weiteren Erörterungen in gleicher Richtung angeregt. Jetzt traten79§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106 1125).sie in den Mittelpunkt der Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst. Allen Schwankungen derselben zu folgen, ist hier nicht der Ort. Das wesentlichste war, daß an der Kurie die unbeugsamen Gregorianer, die noch 1119 den fast vollzogenen Ausgleich wieder umstießen, allmählich zurücktraten, und daß die deutschen Laien - fürsten sich für den Reichsfrieden (1119 u. 1121) wie für den kirchlichen Frieden einsetzten, dabei aber im wohlverstandenen eignen Interesse das Verbot der Laieninvestitur in seiner schroffen Form bekämpften. So hielt sich der Ausgleich, der endlich 1122 in Verhandlungen zwischen päpstlichen Legaten, dem Kaiser und den deutschen Fürsten in Worms erzielt wurde, in der Tat auf einer mittleren Linie. 1)Die beiden Aktenstücke des Wormser Konkordates finden sich gedruckt in M. G. Const. I, 159 ff. Die päpstliche Urkunde ist nur in Abschriften er - halten, die kaiserliche in der sehr einfachen und formlosen Originalausfertigung vgl. Faksimile und Erörterungen von Sickel u. Bresslau in Mitt. d. Instit. f. öst. Gesch. 6. Zur Auslegung des Konkordats besteht eine reiche Literatur, aus der sich die Schriften von Bernheim (Z. Gesch. des W. K. 1878 u. weitere Abhandlungen) als die bestbewährten herausheben. Die Erklärung Wolframs (Friedr. I. u. d. W. K. 1883) hat in einigen Punkten keine allgemeine An - erkennung finden können. Die Titel der ungemein zahlreichen Abhandlungen, auch über Auffassung und Anwendung des Konkordats in der folgenden Zeit, sind am vollständigsten in der Schrift von D. Schäfer, Zur Beurteilung des W. K., Abh. der Berl. Akad. 1905 zusammengetragen. Gegen Schäfers eigene Auffassung von der ganz vorübergehenden Dauer und geringen Bedeutung des Konkordats hat sich indes mit Recht der lebhafteste Widerspruch erhoben, vgl. etwa Hauck, Kirchengesch. III 3.4 S. 1047 ff., Bernheim, Das W. K. und seine Vorurkunden 1906; Rudorff, Zur Erklärung des W. K. 1906.

Heinrich gab die rein kirchliche Investitur mit Ring und Stab dauernd preis, erhielt aber dafür das noch 1119 verweigerte Zugeständnis der Regalien - investitur mit dem Szepter, damit also die Anerkennung seines Obereigentums am Reichskirchengute. Von erheblicher Bedeutung war die Reihenfolge von Regalieninvestitur und kirchlicher Weihe. Ging die Investitur vorauf, so entschied der Kaiser über die Rechtmäßigkeit der Wahl und konnte unter Umständen durch Regalienverweigerung auch die kirchliche Weihe verhindern, während er sich im umgekehrten Falle vor eine vollzogene Tatsache gestellt sah, die er ohne einen Bruch mit den kirchlichen Gewalten nicht mißachten konnte. Man kam hier zu einer verschiedenen Behandlung der Reichsteile. In Deutschland sollte die Investitur der Weihe voraufgehen, in Italien und Burgund aber, wo für das Reich weit geringere Hoheitsrechte in Frage kamen, erst in den sechs Monaten nach der Weihe eingeholt werden. Der Kirchen - staat blieb zu Gunsten der päpstlichen Machtbefugnis von den Verfügungen des Konkordats überhaupt ausgeschlossen.

Je mehr nun aber mit dem Wegfall der vollen kirchlich-weltlichen Investitur die unbeschränkte Einsetzung der Bischöfe und Reichsäbte dem deutschen Herrscher entzogen wurde, um so mehr mußte die Frage der Bischofs - und Abtswahlen in den Mittelpunkt der Erörterungen und Verhandlungen treten. Von kirchlicher Seite wurde hier, wenn man auch von den extremen gregoria - nischen Forderungen von 1080 einstweilen Abstand nahm, die volle Durch -80I. Die Zeit der Salier.führung der kanonischen Wahl durch Klerus und Volk mit Ausschließung jedes fremden Einflusses erstrebt, während es für den deutschen König eine Lebens - frage war, bei der Erhebung dieser wichtigen Reichsbeamten das entscheidende Gewicht in die Wagschale werfen zu können. An diesem Gegensatz der Interessen wäre der Ausgleich fast noch einmal gescheitert; aber schließlich kamen die Vertreter der Kirche um des Friedens willen auch hier einen Schritt entgegen. Dem König wurde die Gegenwart bei den Wahlen zu - gestanden, und das Recht eingeräumt, bei Zwiespältigkeit der Wähler nach dem Rate von Erzbischof und Bischöfen der betreffenden Kirchenprovinz zu Gunsten der besser befugten Partei zu entscheiden. Widersprach das letztere durchaus den Forderungen von 1080, so war mit der Möglichkeit persönlicher Anwesenheit des Königs tatsächlich ein Tor für seinen Einfluß auf die Wähler geöffnet, wenn er ihn auch nach dem Wortlaut der päpstlichen Urkunde eben nur bei deren Uneinigkeit geltend machen sollte.

Die Betrachtung des Inhalts zeigt, daß das Wormser Konkordat den Charakter des Kompromisses an der Stirn trägt, und man versteht ohne weiteres, daß die strengen Gregorianer über seinen Abschluß äußerst verstimmt waren. Das volle Urteil über seine Bedeutung aber hängt wesentlich mit ab von der Frage, ob es nur ein vorübergehender Waffenstillstand oder ein dauernder Friede sein sollte. Eine Meinungsverschiedenheit darüber konnte damals wie heute wohl bestehen, denn von den beiden Urkunden ist diejenige des Papstes formell nur für Heinrich V. persönlich ausgestellt, und in Rom behauptete man etwas später auch inhaltlich die rein persönliche Dauer der kirchlichen Zugeständnisse. Von den neueren Forschern hat vor allem D. Schäfer die Richtigkeit dieser Ansicht zu beweisen versucht. Die dadurch angeregte ge - nauere Prüfung der Quellenberichte und insbesondere der Vorurkunden hat indes zu dem gegenteiligen Ergebnis geführt. Trotz ihrer persönlichen Fassung sollte die päpstliche Urkunde mit der kaiserlichen zusammen nach der Absicht der Aussteller und dem Urteil der Zeitgenossen eine dauernde Rechtsgrundlage bilden, und als solche wurde sie, wenn auch unter schweren Bedenken, mit jener zusammen von dem Laterankonzil von 1123 zum Kirchengesetz erhoben, wie das Zugeständnis des Kaisers durch Zustimmung der Fürsten Reichsgesetz wurde. Indem man von beiden Seiten weitergehende Wünsche zurückstellte, fand man schließlich einen gemeinsamen Boden für ein vorläufiges friedliches Zusammenleben. An ewige Dauer haben die Vertragschließenden dabei vielleicht noch weniger gedacht, als gewöhnlich bei Staatsverträgen. Die Kirche behielt sich im Stillen vor, auf die unveräußerlichen kanonischen Forderungen zur geeigneten Stunde später zurückzukommen; die Reichsgewalt empfand bald genug bitter die Schmälerung ihrer Einwirkung auf die Be - setzung der geistlichen Ämter. Die mehrfach nicht allzu klare Fassung der Konkordatsurkunden begünstigte auf beiden Seiten das Streben, den Einfluß über den vereinbarten Rechtsboden hinaus vorzuschieben, und der Erfolg dabei hing ab von den jeweiligen Machtverhältnissen. War nach Heinrichs V. Tode zunächst die Kirche in der Überlegenheit, so begann später unter Barbarossa ein neues Vordringen des Reiches. Als eine gewisse Rechtsgrundlage für die beiderseitigen Beziehungen darf das Wormser Konkordat gleichwohl für die folgende Zeit gelten; nur hat man bei der damaligen Mündlichkeit der deutschen Rechtsentwicklung von jedem Gedanken an buchstabengetreue Befolgung oder auch nur Kenntnis des Textes schon nach kurzer Zeit ganz abzusehen.

So war der lange Streit dank der Zähigkeit und diplomatischen Kunst Heinrichs V. und dem Eingreifen der deutschen Fürsten schließlich mit einem Erfolge der kaiserlichen Sache beendet worden. 81§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits (1106 1125).Die weitausgreifenden Wünsche Gregors VII. : Lehenshoheit über das Kaisertum, volle Abhängigkeit des deutschen Episkopats und freie Verfügung über das gesamte Kirchengut hatten sich nicht er - reichen lassen und blieben ein Ziel der Zukunft. Gleichwohl war die Machtentfaltung der römischen Kirche während des Kampfes, ihre stets wachsende Beherrschung der Geister, die Entwicklung des Papsttums zum maßgebenden Faktor in der Gesamtkirche und zur unabhängigen Weltmacht und Führerstellung in Europa mit Händen zu greifen. Mit dem Verlauf im Ganzen durfte man also auf dieser Seite wohl zufrieden sein. Das ottonische Regierung - system war in wesentlichen Punkten erschüttert. Mit der Beherr - schung des Papsttums war es aus, und die Abhängigkeit des deutschen Episkopats war hinfort nur bei äußerster Kraftanstrengung der Krone und in beständigen Reibungen mit der Kurie aufrecht zu erhalten. Aber auch der andre Teil des ottonischen Systems, die Nieder - haltung des Laienfürstentums durch die Kirche, hatte in den langen Bürgerkriegen einen heftigen Schlag erlitten, und mit Recht haben Ranke und Andre betont, daß das deutsche Fürstentum aus dem Kampfe den Löwenanteil davontrug. Es war an Besitz und Rechten erstarkt, seine Mitwirkung an der Reichsregierung, die in der Königs - wahl ihren höchsten Ausdruck fand, war bedeutender geworden, zuletzt hatte es sich geradezu als eine Vertretung der Reichsrechte dargestellt. Indem jetzt die Abhängigkeit der geistlichen Fürsten von einem Ernennungsrecht der Krone fortfiel, und das Verhältnis sich mehr und mehr dem rein lehensrechtlichen annäherte, schwand der alte Gegensatz zwischen geistlicher und weltlicher Aristokratie dahin, und die Gleichartigkeit der Interessen mußte sie beide all - mählich zu einem der Krone mit ganz andrer Wucht geschlossen gegenüberstehenden Territorialfürstentum verschmelzen. In Italien andrerseits, wo die weitergehende Loslösung des Episkopats von der Krone die Bischöfe des Hauptrückhalts bei der Verteidigung des Reichskirchenguts beraubte, zogen die Städte den Hauptgewinn aus dem Konkordate, indem sie sich in der Folgezeit fast allenthalben in den Besitz der Regalien zu setzen wußten; das Ringen Barba - rossas mit seinen lombardischen Gegnern war daher in gewissem Sinne eine Wiederaufnahme des alten Investiturstreites, nur daß das Kampfobjekt nicht mehr gegen die Ansprüche der Kirche, sondern die der Städte zu verteidigen war.

Künftig galt es, im deutschen Reiche in anderer Weise und mit vielfach anderen Mitteln zu regieren. Daß aber diese Möglich - keit blieb, und daß sich das Königtum sogar bald wieder zu neuer Kraft erheben konnte, verdankte man neben der unbeug - samen Zähigkeit Heinrichs IV. doch auch der Klugheit seinesHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 682I. Die Zeit der Salier.Sohnes, der in schwieriger Lage für die Krone rettete, was noch zu retten war.

Wer weiß, was ihm bei längerem Leben noch gelungen sein würde; seinen Fähigkeiten nach wäre er wohl der Mann gewesen, die gebliebenen Kräfte des Königtums zusammenzufassen und zu mehren, wie er denn etwa die einzige wichtige Zentralbehörde, die Reichskanzlei, zu einer Einheit für alle drei Teile des Imperiums umgestaltete. Indes die kurze Spanne Zeit, die ihm noch vergönnt war, ließ es sonst nur zu bedeutsamen Ansätzen kommen, denen das Vollbringen versagt blieb. Wir hören von dem Plane einer Steuerverfassung nach englisch-normannischem Vorbild. Die durch seine Gemahlin vermittelten englischen Beziehungen wurden auch für die äußere Politik wichtig und verwickelten Heinrich in west - liche Kämpfe. Unser Blick darf wohl einen Augenblick bei der überraschenden Aussicht verweilen, daß Mathilde, wenn sie dem Kaiser eine Nachkommenschaft geboren hätte, auf diese auch ihr englisches Erbrecht übertragen und so eine Vereinigung Englands mit dem Imperium in ähnlicher Weise in den Bereich der Mög - lichkeit gerückt hätte, wie sie tatsächlich später durch ihre zweite Ehe mit dem Grafen Gottfried von Anjou als Stammmutter der Plantagenets den Grund zu der Verbindung von halb Frankreich mit ihrer Heimatinsel gelegt hat. Eben diese Kinderlosigkeit des kränklichen Kaisers war für das Reich ein böses Verhängnis, das den Neid wachruft gegen die kinderreicheren Capetinger. Wenn irgendwann, so waren jetzt, unmittelbar nach dem Friedenschluß, ein ruhiges Einleben in die neuen Verhältnisse und ein langsamer Wiederaufbau der Macht notwendig; nun drohte schon nach wenigen Jahren ein Dynastiewechsel mit seinen kaum vermeid - lichen Störungen der Ordnung und Schwankungen der Politik. Heinrich selbst betrachtete seine Neffen, die staufischen Brüder Friedrich und Konrad, als die natürlichen Erben seiner Herrschaft, wie des salischen Besitzes. Aber ob auch die Fürsten ihr neu - gekräftigtes Wahlrecht in diesem Sinne gebrauchen würden, stand doch dahin. Als Heinrich 1125 mit 44 Jahren an einem Krebs - leiden starb, stand er eben vor neuen Kämpfen mit Lothar von Sachsen, Adalbert von Mainz und anderen alten Gegnern. Man wird kaum sagen dürfen, daß es ihm bei längerem Leben nicht hätte gelingen können, diesen Widerstand endgültig niederzu - werfen, und daß er daher in der innerdeutschen Politik gescheitert wäre. Aber nun er vor der Zeit von der Bühne abberufen wurde, ließ er unüberbrückbare Gegensätze hinter sich zurück, die durch die wiederauflebenden kirchlichen Streitfragen noch ver - schärft wurden.

83§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits (1106 1125).

So erlosch das salische Haus nach fast genau einem Jahr - hundert, nachdem es Deutschland vier bedeutende Herrscherindi - vidualitäten geschenkt hatte. War auch im Kampfe gegen Kirche und Fürstentum die Königsmacht unter ihnen empfindlich geschwächt worden, so war dies Ergebnis doch mehr durch die Notwendigkeit der Gesamtentwicklung und die Einwirkung besonderer, verhäng - nisvoller Momente bedingt, als abgesehen von Heinrichs III. Kirchenpolitik und Heinrichs IV. Jugend durch Untüchtigkeit oder Mißgriffe. Vielmehr darf man wohl behaupten, daß kaum eine andere Dynastie des gesamten Mittelalters an echter Herrsch - begabung mit den Saliern zu wetteifern vermag. Auch war das Reich trotz der jahrzehntelangen, zerrüttenden Kämpfe und des Rückgangs der Zentralgewalt von einem Verfall seiner Kräfte weit entfernt. Politisch war es trotz allem noch immer die ausschlag - gebende Macht Europas, seine kriegerische Kraft war ungebrochen, in wirtschaftlicher Hinsicht hatte es geradezu einen ungeheuren Aufschwung genommen. Auf geistigem Gebiete endlich wird man zwar nicht von einer salischen Kultur in demselben Sinne reden können, wie man von einer ottonischen und staufischen spricht, hervorragende Leistungen wurden fast nur auf dem Gebiete der Geschichtschreibung und dem der Baukunst erzielt, und bald genug fehlte es für große Kulturtaten an der nötigen Sammlung. Aber für das geistige Reifwerden der Nation wird man die Bedeutung der salischen Epoche gleichwohl sehr hoch einschätzen; die Laien - kultur der Stauferzeit wäre ohne diese vorbereitende Entwicklung undenkbar.

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II. Die Zeit der Staufer.

Die Geschichtschreibung bewegt sich bis in die Zeiten Barbarossas hin - ein entschieden in aufsteigender Linie. Der Investiturstreit hat wohl das reiche, ruhige Bildungsleben mancher altberühmten Klöster gelähmt, aber dafür in neuen Kreisen historisches Interesse geweckt, und die geistige Aufrüttelung, die er brachte, macht sich für den Quellenwert der Geschichtswerke vorteil - haft erst jetzt geltend, nachdem die Kampfesleidenschaft verflogen ist. Im Absterben ist freilich der Zweig der geistlichen Biographie, der nur noch bis etwas über die Mitte des 12. Jahrh. reicher entwickelt ist, später ganz vereinzelte Blüten treibt; die besseren Werke sind unten an ihrem Orte ver - merkt. Im übrigen aber schwillt der Umfang der Geschichtschreibung noch erheblich an, und sie bewahrt sich fast während der ganzen Epoche durch den welfisch-staufischen Gegensatz den Vorzug des doppelten Zentrums, der uns vor einseitiger Auffassung schützt. Das eine dieser Zentren, Sachsen, tritt mit Lothar vorübergehend an die Spitze des Reiches; hier und in den angrenzenden Gebieten entfaltet sich namentlich eine reiche Annalistik. Wieder wie in der Salierzeit sind einige wertvolle Originalwerke verloren und nur aus jüngeren Ableitungen bekannt, so Annalen aus Nienburg a. / S. (bis 1139 nachweisbar) und aus Rosenfeld (Harsefeld b. Stade), in Ilsenburg (a. Harz) fortgeführt, bis 1164. Die in diese Epoche hineinreichenden Pader - borner Annalen sind schon S. 1 genannt. Eben in der Benutzung solcher verlorenen Quellen liegt die Bedeutung des sog. sächsischen Annalisten bis 1139. Tritt hier überall ein warmer Anteil an Kaiser Lothar zutage, so berichten Erfurter Annalen bis 1137 über ihn so eingehend, daß sie ge - radezu als die Lotharischen bezeichnet werden (SS. r. G. Mon. Erphesf.). Durch die von Lothar geknüpften Familienbande vereinigt sich das säch - sische mit dem welfischen Interesse. Über das Emporkommen des Welfen - hauses kann uns natürlich nur eine schwäbische Quelle Auskunft geben, die Weingartener Welfengeschichte bis 1167, fortgesetzt bis 1208. Dann aber sichert die eigenartig machtvolle Stellung Heinrichs d. L. der sächsischen Historiographie ihre Sonderentwicklung. Zwei Werke sind es, in denen das Augenmerk vor allem auf die Christianisierung und Kolonisation in den angrenzen - den Slawenlanden gerichtet wird: die bis 1171 reichende Slawenchronik Helmolds, des biedern Pfarrers in dem holsteinischen Bosau, und die um - fassendere, außer der nordalbingischen auch die gesamte Reichsgeschichte bis 1209 in den Kreis ihrer Betrachtung ziehende und auch dafür höchst wertvolle Slawenchronik Arnolds von Lübeck, Abtes vom dortigen Johannisstift. Über Heinrich d. L. berichten eingehend und warm auch diejenigen Annalisten, die nach seinem Sturze die Schwenkung ins kaiserliche Lager vollzogen haben, so die kompilatorischen Annalen v. Magdeburg bis 1188, die mit ihnen in naher Beziehung stehenden Annalen v. Kloster Pegau (b. Merseburg), die von 1176 1190 selbständig und wertvoll sind (mit Forts. im 13. Jahrh. ), und die Annalen v. Kloster Pöhlde (a. Harz) bis 1182. Bis zu Heinrichs85II. Geschichtschreibung.Tode (1195) reicht die welfisch gefärbte Chronik des Propstes Gerhard v. Steterburg (b. Wolfenbüttel). Für den neuen Kampf des Welfen Otto IV. gegen die Staufer findet man wertvolle ältere Berichte in späteren thürin - gischen Geschichtswerken, nämlich für die Zeit bis 1208 in der Erfurter St. Peterschronik, einer bedeutenden Kompilation, die um 1276 entstand und bis weit in das 14. Jahrh. fortgeführt wurde, und für die Jahre 1209 bis 1215 in der ähnlich gearteten Chronik v. Reinhardsbrunn (b. Gotha), die im ganzen bis 1338 reicht. Beide sind für die gesamte ausgehende Staufer - zeit von hoher Bedeutung. Über ihre Struktur im einzelnen unterrichtet Holder-Egger in M. G. SS. XXX u. SS. r. G. Mon. Erphesfurtensia. Mehr lokalen Charakter trägt die Chronik des Klosters auf dem Lauterberg (od. Petersberg) b. Halle bis 1225. Eine von einem norddeutschen Geist - lichen verfaßte sächsische Weltchronik , in verschiedenen Versionen, deren letzte bis 1248 reicht, und mit mehreren, auch süddeutschen Fort - setzungen ist namentlich durch den Gebrauch niederdeutscher Prosa beachtens - wert; eine etwa hundert Jahre ältere sächsische Kaiserchronik ist ver - loren, aber eine süddeutsche, ebenfalls auf welfischem Boden in Regensburg entstandene Kaiserchronik in deutschen Versen bis 1146 erhalten, verfaßt wahrscheinlich von dem Pfaffen Konrad , dem Dichter des Rolandsliedes. Als den letzten Ausläufer der sächsischen Annalistik kann man die kompi - latorische Chronik des Magisters Albert v. Stade bis 1256 betrachten, vielfach unzuverlässig und fabelnd, aber für die Zeit Friedrichs II. trotzdem wertvoll.

Wendet man sich zu dem andern staufischen Zentrum der Historio - graphie, nach Süd - und Westdeutschland, so wird man mit dem Bischof Otto v. Freising sogleich auf den Gipfel der mittelalterlichen deutschen Geschicht - schreibung geführt. Nicht vor 1111 als Sohn des Markgrafen Leopold v. Österreich und Agnes, der Tochter Heinrichs IV., geboren, 1133 Zisterzienser - mönch, kurze Zeit auch Abt in Morimond, dann zu seinem Bistum berufen, 1158 gestorben, war Otto als philosophisch durchgebildeter Gelehrter, ruhiger Beobachter, praktisch an der Zeitgeschichte beteiligter Reichsbischof und nächster Verwandter der Staufer in seltenem Maße zur Geschichtschreibung befähigt. In seiner Buch von den zwei Reichen (dem himmlischen und irdischen) betitelten Chronik bis 1146 (2. Redaktion 1156) wußte er unter dem Einfluß augustinischer Ideen von dem Wachstum des Gottesreiches auf Erden den zuletzt von Frutolf-Ekkehard gesammelten Weltgeschichtstoff philo - sophisch zu durchdringen, freilich durch das Mißverhältnis zwischen kirch - licher und staatlicher Gewalt unter Konrad III. von dem düstersten Pessimis - mus und dem Glauben an ein nahes Weltende erfüllt, dessen Hereinbrechen im letzten Buche geschildert wird (neue Ausgabe für die SS. r. G. in Vor - bereitung). Eine völlig andre, hoffnungsfreudige Stimmung beherrscht Ottos zweites Werk, die Taten Kaiser Friedrichs, zu dem Kaiser und Reichs - kanzlei Material beisteuerten (SS. r. G. ed. II). Von der Vorgeschichte des staufischen Geschlechts ausgehend, hat er noch das zweite Buch bis 1156 vollendet und für ein drittes Vorarbeiten hinterlassen: bei aller selbstverständ - lichen Parteinahme für Friedrich, gelegentlichen Versehen und ungeschickt eingefügten philosophischen Exkursen eine erstklassige Leistung! Ihr ist die von seinem Kaplan, dem Notar Rahewin verfaßte Fortsetzung bis 1160 (mit kurzem Anhang bis 1170) nahezu ebenbürtig, in der Formgebung durch stärkere Plünderung antiker Autoren unechter, aber durch schärfere juristische Kenntnis und vermehrte Einreihung vollständiger Aktenstücke ausgezeichnet. Die Chronik dagegen ist erst in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. bis 1209 fortgeführt von dem Mönche Otto v. St. Blasien, lebhaft und warm, durchaus ver - dienstvoll, aber an Kenntnis und Genauigkeit mit Rahewin nicht entfernt ver -86II. Die Zeit der Staufer.gleichbar. Eher schon vermag diesen Vergleich auszuhalten die Kölner Königschronik, von einem unbekannten Kölner Domherrn (mit selbständigen Nachrichten seit 1144) zuerst 1175 verfaßt, dann von wechselnden, kaiserlich gesinnten Autoren fortgeführt bis 1238 und 1249 (SS. r. G.). Die Bedeutung der ersten deutschen Handelsstadt und ihre namentlich seit Reinald v. Dassel bestehende enge Verknüpfung mit der großen Politik geben der Chronik, wie schon ihr Name sagt, das Gepräge einer Reichsgeschichte von durchgängig hohem Werte. In den Erzeugnissen Lothringens überwiegt sonst der lokale und territoriale Charakter, so in den verschiedenen, mehrfach fortgesetzten Bistumsgeschichten von Trier, Verdun usw., den wirtschaftsgeschicht - lich schätzenswerten Lütticher Annalen (1194 1230) des Mönches Reiner oder der durch verfassungsrechtliche Kenntnisse hervorragenden Chronik des Hennegaus von dem Kanzler Gislebert v. Mons bis 1195 (neue Ausg. von Vanderkindere 1904).

Wenden wir uns nach dem Elsaß, so sind in Straßburg wertvolle Reichsannalen geschrieben, die leider verloren, aber von 1015 1200 in den sog. Marbacher Annalen benutzt sind. Diese bis z. J. 631 zurück - greifende Kompilation ist von einem Mönche der Marbacher (b. Kolmar) Augustinerkongregation im Kloster St. Odilien bis z. J. 1212 geführt und im Kloster Neuburg b. Hagenau durch eine die Jahre 1213 38 umfassende Fort - setzung erweitert worden (vgl. Bloch, Die elsässischen Annalen der Staufer - zeit 1908, und seine Ausg. SS. r. G.). In Schwaben hat Propst Burchard v. Ursperg eine anfangs ebenfalls kompilatorische, aber seit Ende des 12. Jahrh. selbständige, vortrefflich unterrichtende Chronik mit scharfer staufischer Parteinahme bis 1229 geführt. Auch Böhmen, das ja in staufischer Zeit in immer engere Verbindung mit dem Reiche tritt, liefert uns noch eine wert - volle Quelle für Barbarossas 2. u. 4. Romzug in einer Fortsetzung der Chro - nik des Cosmas, den von 1140 bis 1167 reichenden Annalen des Prager Domherrn Vinzenz, der als Begleiter seines Bischofs Daniel in Italien die dortigen Vorgänge aus eigner Anschauung lebendig und ausführlich schildert. Abt Gerlach v. Mühlhausen (i. Böhmen) hat das Werk bis 1198 fort - geführt. Friedrichs ruhmvolle Taten haben endlich auch dichterische Lob - redner gefunden; so verfaßte der spätere Mönch Günther v. Pairis (i. Ober - elsaß) 1186 das früher in seiner Echtheit irrtümlich angezweifelte Helden - gedicht Ligurinus, das wegen seiner Abhängigkeit von Otto v. Freising - Rahewin weniger historisch, als dichterisch beachtenswert ist, während um - gekehrt die versifizierten Geschichtswerke des kaiserlichen Kaplans und Notars Gottfried v. Viterbo (v. deutscher Abkunft), namentlich seine Taten Friedrichs bis 1181, poetisch ganz versagen, aber uns manche gute Nach - richt übermitteln.

Ähnliche auf italienischem Boden erwachsene Dichtungen können wir daran anschließen: das wahrscheinlich von einem Bergamasken mit guten Kenntnissen und historischer Treue verfaßte Epos Die Taten Fried - richs I. in Italien (hrsg. von Monaci in Fonti p. la storia d'Italia I) und in Süditalien das eigenartige, mit vielen historisch bemerkenswerten Abbil - dungen geschmückte Gedicht des Magisters Peter v. Eboli (b. Salerno), dessen erstes Buch den Krieg Heinrichs VI. gegen Tancred von Sizilien be - handelt (Ausg. v. Winkelmann 1874; jetzt mit d. Abbildungen in der Neuausg. des Muratori und hrsg. v. Siragusa, Rom 1907).

Eine viel reichere geschichtliche Ausbeute gewähren natürlich die ita - lienischen Prosawerke, Erzeugnisse des erwachten städtischen Selbst - bewußtseins und meist schon von Laien geschrieben. Über Friedrichs I. ita - lienische Politik seit 1160 sind sie naturgemäß die ergiebigsten Quellen. Zu den wichtigsten gehören die Geschichte des reichstreuen Lodi, die der87II. Geschichtschreibung.kaiserliche Pfalzrichter Otto und sein Sohn Acerbus Morena für die Jahre 1153 67 mit bemerkenswerter Gabe der Persönlichkeitschilderung verfaßten (Forts. bis 1168) und die in Mailand von einem unbekannten, nach gerechtem Urteil strebenden Laien geschriebenen Taten Kaiser Friedrichs in der Lombardei 1154 77 (SS. r. G.), die später (um 1230) der Placentiner Notar Johannes Codagnellus mit leidenschaftlicher guelfischer Parteinahme umarbeitete. Derselbe verfaßte auch kaiserfeindliche, inhaltreiche Annalen von Piacenza bis 1235 (SS. r. G.), und von diesem Grunde vor allem aus - gehend, hat ein andrer Placentiner Bürger die Annalen mit ausgesprochen ghibellinischer Färbung fortgeführt bis 1284, für den Ausgang der Staufer eine Quelle ersten Ranges (weder die Ausg. M. G. SS. XVIII, noch die von Huillard-Bréholles 1856 ist ganz genügend). Eine noch großartigere offiziell städtische Annalistik hat Genua erzeugt, wo zuerst Cafaro die Jahre 1099 1163 beschrieb, dann wechselnde, von der Stadt beauftragte Verfasser das Werk bis 1294 fortführten (Ausg. v. Belgrano in Fonti p. la storia d'Italia XI). Damit kann sich die Geschichtschreibung der Konkurrentin Pisa nicht messen, höchstens für die ältere Zeit bis 1175, bis wohin die Annalen des Bernardo Marangone reichen. Es ist indes nicht möglich, hier die sich immer reicher entwickelnden Annalen der italienischen Städte, die fast alle für die Geschichte der späteren Staufer mehr oder weniger Stoff bieten, durch das 13. Jahrh. auch nur in ihren wichtigeren Erzeugnissen zu verfolgen. Verbindet auch die Persönlichkeit Friedrichs II. noch die Reiche, so löst sich die Entwicklung Italiens doch mehr und mehr von der deutschen. Besonders inhaltreich ist die Chronistik von Parma (namentlich die größeren Annalen v. 1165 1335) und die von Padua (Chronik des Rolandin 1200 1260 und Annalen v. S. Giustina 1207 1270). Aber auch aus fast jeder anderen bedeutenderen Stadt sind zum mindesten kurze Annalen überliefert. Umfassendere Welt - chroniken schrieben Bischof Sicard v. Cremona bis 1212 (fortges. bis 1218) und Albert Milioli, Notar v. Reggio, in seinem Zeitbuche bis 1286 (fortges. bis 1290), auf dem sich die hier nur noch zum Teil in Betracht kommende Chronik des Minoriten Salimbene v. Adam aus Parma bis 1287 auf - baut, vielleicht das farbenreichste und lebensprühendste Geschichtswerk des ge - samten Mittelalters (diese drei Chroniken jetzt ausschließlich in den neuen Ausgaben Holder-Eggers M. G. SS. XXXI, XXXII zu benutzen). Von den historischen Quellen des Königreichs Sizilien sei hier wegen ihrer nahen Beziehung zur Reichsgeschichte nur die Chronik des Notars Richard v. S. Germano hervorgehoben, zu deren in den M. G. allein gedruckter, umfassenderer und jüngerer Redaktion von 1189 1243 durch den Fund Gaudenzi's eine ältere ausführlichere Redaktion für die Jahre 1208 26 hinzugetreten ist (Società Napoletana di storia patria, Monum. storici, ser. I. Cronache 1888).

Mit dieser reichen historiographischen Entwicklung Italiens vermag die deutsche im 13. Jahrh. nicht mehr Schritt zu halten. Die auf scholastische Philosophie und Jurisprudenz gerichteten Neigungen der Zeit, die Unruhe der Geister, die wachsende Anteilnahme der Laien, die in Deutschland an Bildung derjenigen der Romanen nicht gewachsen sind, damit zusammen - hängend die Popularisierung des historischen Stoffes und seine vor allem durch die Bettelmönche alsbald vollzogene Zurichtung für die Zwecke der Predigt und Diskussion, alles das ist einer nach der Wahrheit der Dinge strebenden Geschichtschreibung wenig förderlich. Unterhaltungsbücher, wie die Otto IV. nach 1214 überreichten kaiserlichen Mußestunden des Ger - vasius v. Tilbury (Leibniz, SS. rer. Brunsvic. I. II) und die novellistischen Wundererzählungen des Caesarius v. Heisterbach (Dialogus Miraculorum hrsg. v. Strange 1851; Miraculorum libri VIII hrsg. v. Meister 1901) sind jetzt mehr nach dem Geschmacke der Zeit. Auch umfassende, aber ganz unkritische88II. Die Zeit der Staufer.Kompilationen wie die der Franzosen Alberich v. Troisfontaines (im Sprengel v. Châlons-sur-Marne) bis 1241 und des Vinzenz v. Beauvais bis 1250 fallen noch in das Ende unserer Epoche. Diese ganze Zeitstimmung bleibt gewiß nicht ohne Wirkung. Aber wenn in Italien, wenn in den west - europäischen Staaten auch jetzt Bedeutendes geleistet wird, so ist der Haupt - grund für dies Versagen in Deutschland anderwärts zu suchen; es hängt auf das engste zusammen mit seinem ganzen Entwicklungsgange. In den dreißiger Jahren weilt zuletzt ein Kaiser auf deutschem Boden, von da ab verschiebt sich endgültig der Schauplatz der großen Ereignisse nach dem Süden; in den dreißiger Jahren auch wird die Auflösung des Reiches in Territorien besiegelt, was Wunder, wenn eben damals die älteren, oben angeführten Quellen reichs - geschichtlichen Charakters versiegen, und neue Chroniken dieser Art nicht mehr in Angriff genommen werden? Sucht man für die vierziger Jahre nach einem monumentalen Werke über den Riesenkampf, der damals zwischen Kaiser und Papst ausgefochten wurde, so muß man sich, abgesehen von Italien, an das Ausland wenden und etwa die größere Chronik des englischen Mönches Matthaeus v. Paris bis 1259 (hrsg. v. Luard in 7 Bden. der Rerum Brit. Script., Auszüge auch M. G. SS. XXVIII) zu Rate ziehen, der nicht immer zuverlässig und gegen die Kurie stark parteiisch, aber doch in großem Zuge diese Ereignisse im Anschluß an die ältere Chronik des Roger v. Wendower (bis 1235) schildert.

Das Urkundenmaterial schwillt immer stärker an. Für die Herausgabe der Kaiserurkunden aber ist, mit Ausnahme derjenigen Friedrichs II., nicht viel besser gesorgt, als in der Salierzeit; denn die Diplomataausgabe der M. G. fehlt auch hier, und wenigstens bis zum J. 1197 hat man sich auch für die Urkundenübersicht noch an Stumpf (s. S. 4) zu halten; dann frei - lich setzt die ganz hervorragende Neubearbeitung von Böhmers Regesta Imperii Abt. V (1198 1272) durch Ficker u. Winkelmann (1881 1901) ein. Im Anschluß daran sind zahlreiche, bis dahin ungedruckte Kaiserurkunden und andre wichtige Aktenstücke der Zeit veröffentlicht in Winkelmanns Acta imperii inedita saec. XIII. 2 Bde. 1880 / 85, durch die Böhmers Acta imperii selecta 1870 ergänzt werden. Für die Papsturkunden bis 1198 sind wie bisher Jaffé und Kehr zu vergleichen (s. S. 4). Von da ab aber beginnt mit den ganz oder doch größtenteils erhaltenen Papstregistern der Strom der Überlieferung immer gewaltiger anzuschwellen. Potthasts Re - gesta Pontificum Romanorum 1198 1304 2 Bde. 1874 können daher nur noch zur allerersten Orientierung dienen; für die Reichsgeschichte voll - ständigere Übersicht in Reg. Imp. V. Für die Registerpublikationen vgl. unten die Anmerkungen zu den einzelnen Päpsten. Von 1216 ab sind daraus alle wesentlichen, auf die Reichsgeschichte bezüglichen Stücke gedruckt in den M. G. Epistolae s. XIII. e regestis pontificum Romanorum selectae, hrsg. v. Rodenberg 3 Bde. 1883 94. Das reiche, ganz zerstreute Ma - terial an Fürsten - u. Privaturkunden ist in den einschlägigen Urkunden - büchern und Regestenpublikationen aufzusuchen (die wichtigsten bei Dahlm. - Waitz verzeichnet).

Die Briefe werden in der Stauferzeit für die Erkenntnis der intimeren diplomatischen Vorgänge und des Seelenlebens geradezu Hauptquelle. Um so bedauerlicher, daß nahezu alle jene wichtigen Sammlungen, die unten an ihrem Ort vermerkt sind, bestenfalls in ganz ungenügenden Ausgaben vorliegen, und allenthalben noch wertvolles handschriftliches Material der Veröffentlichung harrt.

Daß die kirchenpolitischen Streitschriften zwar ihre frühere Bedeutung verlieren, aber nicht ganz versiegen, und die Spruchdichtung eines Walter v. d. Vogelweide, Freidank oder der Troubadours, sowie die Lieder89§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).der Vaganten für die Erkenntnis der öffentlichen Meinung eine wichtige histo - rische Quelle bilden, braucht hier nur angedeutet zu werden.

Was die neueren Darstellungen betrifft, so hat Raumers Geschichte der Hohenstaufen 6 Bde. 5. Aufl. 1878, abgesehen etwa von der kultur - geschichtlichen Sammlung am Schluß, jetzt nur noch historiographisches Inter - esse. Auch Cherriers Histoire de la lutte des papes et des empereurs de la maison de Souabe 3 Bde. 2. Aufl. 1858 / 59 ist veraltet. Neueren Datums ist Jastrow-Winters Deutsche Geschichte i. Zeitalter der Hohenstaufen I. II 1897. 1901, als Zusammenfassung nicht ohne Verdienst, aber höheren Ansprüchen ebensowenig genügend, wie Loserths hier für den Abschnitt v. 1197 1250 in Betracht kommende Geschichte des späteren Mittel - alters 1903. Umfassendere Werke sind im Eingang, Monographien unten an ihrem Orte vermerkt.

§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).

Über die Mainzer Königswahl des Jahres 1125 liegt uns der ausführliche Bericht eines Augenzeugen vor1)Erzählung der Wahl Lothars, M. G. SS. XII, 509 ff. von einem un - genannten Geistlichen der Salzburger Kirchenprovinz, der für den Bischof von Regensburg besonderes Interesse bekundet., wie über die Erhe - bung des ersten salischen Herrschers. Ein Vergleich zeigt den Wandel der Zeiten. Damals lenkte die anscheinend völlig freie Wahl zurück zum legitimen Erbrecht; jetzt galt der Anspruch von Heinrichs V. staufischem Neffen Herzog Friedrich von Schwaben den auf ihre erstarkte Selbständigkeit und ihr freies Wahlrecht pochenden deut - schen Fürsten fast schon als Hinderungsgrund. Zu den verfassungs - rechtlichen traten kirchenpolitische Bedenken. Wer mit dem Erz - bischof Adalbert von Mainz die Halbheit des Wormser Konkordats und nun gar die Art seiner Handhabung durch den verstorbenen Kaiser verdammte, konnte von dem Erben und Förderer seiner Politik nicht viel Gutes erwarten und mußte sich nach einem andern Anwärter umsehen. Da empfahl sich in jeder Hinsicht Herzog Lothar von Sachsen, mächtig genug, um sich durchzusetzen, aber durch Alter und Söhnelosigkeit dem Fürstenwahlrecht unge - fährlich, durch seine Feindschaft mit Heinrich V. und streng kirch - liche Gesinnung erprobt. Seine Wahl hat Adalbert in der Tat durch überaus geschickte, aber völlig gewissenlose Leitung der Ver - sammlung durchzusetzen verstanden. Die verfängliche Frage an Herzog Friedrich, von dem die Auslieferung der Reichsinsignien vorher schlau erlangt war, ob er wie die übrigen Bewerber neben dem fürstlichen Wahlrecht einen Erbanspruch nicht anerkenne, und die ausweichende Antwort, die jener darauf nur geben konnte, verdarben die staufischen Aussichten gründlich. Eine geheime Abmachung mit dem Bayernherzog, dessen Sohne Heinrich dem90II. Die Zeit der Staufer.Stolzen durch die damals wohl schon versprochene, zwei Jahre später vollzogene Vermählung mit Lothars einziger Tochter Gertrud die nächste Stelle am Throne zugesichert wurde, entschied vollends zu Gunsten des Sachsen. Selbst der Staufer erkannte ihn nach kurzem Zögern widerwillig an. Der Grundsatz der freien Wahl hatte gesiegt.

Hat Lothar auch in kirchlicher Hinsicht bindende Zusagen gegeben, welche die Errungenschaften des letzten Saliers zunichte machten? Man hat das vielfach geglaubt, denn am Schlusse des genannten Wahlberichts findet sich eine Zusammenstellung von scharf formulierten Forderungen der Art.1)Die Gegenwart des Königs bei den Wahlen der Bischöfe und Reichs - äbte und jegliche Beeinflussung sollte untersagt sein, seine Investitur erst der kirchlichen Weihe folgen, das konkordatmäßige Recht des Königs bei zwie - spältigen Wahlen damit stillschweigend beseitigt, endlich die treueidlich be - schworenen Verpflichtungen der Geistlichen vieldeutig auf die standesgemäßen beschränkt werden. Über Auffassung und Bedeutung dieser Sätze besteht eine überaus reiche Literatur, über die man sich am bequemsten in der oben S. 79 angeführten Abhandlung von D. Schäfer unterrichtet. Man hat die Stelle als eine spätere Interpolation (Volkmar) oder als Fälschung (Schneider - reit) oder als bloß subjektive Meinungsäußerung des Verfassers der Narratio (Waitz) aufgefaßt; man hat sie andererseits tatsächlich als eine Art Wahl - kapitulation Lothars angesehen, die aber durch direkte Verbindung mit dem Papst außer Kraft gesetzt (Bernheim) oder durch den Widerspruch der welt - lichen Fürsten in der Durchführung behindert sei (Witte). Im ganzen hat sich die Ansicht von Bernhardi und Giesebrecht durchgesetzt, nach der es sich nur um eine Art Resolution der extrem-kirchlichen Partei handelt. Die kirchenpolitische Praxis Lothars hat mit jenen Forderungen sich jedenfalls nicht gedeckt. Sehr verwirrend sind in diesem Punkte die Aufstellungen von Hauck, vgl. Hist. Zeitschr. 93, 398 ff. Indessen hat man darin doch nur ein Programm der extrem kirchlichen Partei zu erblicken, die eignen Zusicherungen Lothars gingen gewiß weder so weit, noch lauteten sie so bestimmt. Auch ohne das boten Vergangenheit und Gesinnung des Mannes Gewähr genug. Seine Erhebung vollzog sich freilich ganz unter kirchlichem Einfluß, unter Mitwirkung der beiden päpstlichen Legaten, die bei der Wahl zugegen waren. Und der neue Herrscher vergalt das sogleich durch verständnisvolles Ent - gegenkommen gegenüber den Wünschen der hohen Geistlichkeit2)Wenn er auf die den Geistlichen anstößige Mannschaftsleistung ver - zichtete, so hatte die Lehenserneuerung auch der geistlichen Fürsten beim Thronwechsel sich damals vielleicht noch nicht ganz fest eingebürgert; doch erließ er vereinzelt auch den Treueid. und dem Papste, dessen Bestätigung er einholte.

Lothar war mit seinen etwa sechzig Jahren nach den Vor - stellungen jener jugendlichen Zeit schon ein hochbetagter Greis. Ein langes, tatenreiches Leben lag hinter ihm, voll rühriger Amts - waltung, harter Kriegsmühen und erfolgreichen Machtstrebens. In91§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).Sachsen rühmte man seine Gerechtigkeit und Tapferkeit, seinen geraden, soldatischen Sinn. Noch erinnerten wohl gelegentliche Jähzornausbrüche an die rauheren Stürme der Jugend, um alsbald wieder der milderen Ausgeglichenheit und Konfliktscheu des bedäch - tigen und umsichtigen Alters Platz zu machen. Lothar erhob sich vielleicht als der tüchtigste und kräftigste aus der Mittelmäßig - keit der damaligen deutschen Laienfürsten, aber an Größe gebrach es auch ihm, und es ist nicht nur ein Mangel unserer Quellen, wenn sie uns Züge persönlicher Eigenart kaum von ihm zu berichten wissen.

Nicht nur die sächsisch-partikularistischen Chroniken seiner Zeit haben seiner Herrschertätigkeit hohes Lob gespendet, auch ein Otto von Freising rühmt von ihm: wäre er nicht durch den Tod abberufen, so würde er durch seine Kraft und sein Mühen die Krone wieder zu ihrem ehemaligen Ansehen erhoben haben. In scharfem Gegensatze dazu überwiegt in den neueren Darstellungen eine sehr ungünstige Beurteilung, die hinsichtlich der unleugbaren Schwächen seiner Kirchenpolitik nicht ganz unbegründet, im übrigen aber durchaus einseitig und ungerecht ist. 1)Bernhardi, Jahrb. d. d. Gesch. : Lothar v. Supplinburg 1879, das im allgemeinen tüchtige Hauptwerk über den Kaiser, hält sich im Urteil noch auf einer gewissen Mittellinie; ungerecht behandeln ihn dagegen Jastrow-Winter und Hauck, dessen hier völlig verfehlte Darstellung ich Hist. Zeitschr. 93, 393 ff. eingehend geprüft habe. Giesebrecht schließt sich der zeitgenössischen Auffassung enger an; günstiger lautet auch mit andrer Begründung das Urteil in Richters Ann. III. Ähnlich D. Schäfer, Worms. Konk. S. 37.Man wird stets im Auge zu behalten haben, daß Lothar seinen Ursprung weder ver - leugnen konnte, noch wollte. Partikularismus und Kirche hatten ihm zum Königtum verholfen. Auf sein sächsisches Herzogtum gestützt und im Kampfe gegen die Zentralgewalt emporgestiegen, dachte er nicht an die Bestrebungen eines selbstherrlichen König - tums, wie sie noch Heinrich V. versucht hatte. Persönlich ganz erfüllt von kirchlicher Ergebenheit und von seiner einflußreichen Gemahlin Richenza, die oft fast als Mitregentin erschien, in dieser Richtung nur bestärkt, durch sein eignes Interesse nicht nur in seinen Anfängen, sondern auch weiterhin, namentlich im Kampf mit dem staufischen Gegenkönigtum, auf das engste mit der Kirche ver - knüpft, wollte er nicht neuen Streit mit ihr, sondern gegenseitige fried - liche Förderung. Trotz aller Zugeständnisse, die schwächlich erschienen und zum guten Teil auch waren, war seine Politik offenbar doch nicht ziellos. Er machte den bemerkenswerten Versuch, ob sich nicht bei voller Anerkennung der bisherigen partikularistischen und kirchlichen Entwicklung etwa in ähnlicher Weise, wie er selbst zu92II. Die Zeit der Staufer.einer starken Herzogsmacht gekommen war, ein kräftiges Königtum schaffen und behaupten lasse. Bei den Hemmnissen seiner ersten Jahre und der Kürze seiner gesamten Regierungszeit konnte er da über vorbereitende Schritte nicht hinauskommen, er rechnete auf Fortführung durch seinen Schwiegersohn, aber die Art, wie er bereits den Ausbau von dessen Machtstellung in Angriff genommen hatte, erinnert an die Ziele späterer deutscher Herrscher, etwa des in einigen Zügen ähnlichen, an Bildung, Schlauheit und diplo - matischem Geschick freilich unendlich überlegenen Karl IV., an das Streben auf, dem Wege der Hausmacht wieder zu einem starken Königtum zu kommen.

Lothars Haltung der Kirche gegenüber aber wird ganz erst verständlich, wenn man sich die Stärke und Richtung des kirch - lichen Geistes jener Zeit vergegenwärtigt, der die besten Kräfte Europas aufsog und über alle Spaltung des Papsttums hinaus einen unwiderstehlichen Druck auf die Gemüter der Gläubigen ausübte. Die Partei der harten, herrschaftsfreudigen und kampfliebenden Gregorianer, zu denen man einen Adalbert von Mainz zählen konnte, war damals im Absterben. In dem langen Streite wirt - schaftlich geschwächt und gemütlich verödet, bedurfte die Kirche nach beiden Seiten hin einer Erneuerung. Die kam ihr abermals von Frankreich, und wieder das Mönchtum war Träger der Bewe - gung. Die Jahrhundertwende war eine Epoche neuer Ordens - gündungen gewesen, die erst jetzt ihre Kraft recht entfalteten. Schon 1086 hatte der Domherr Bruno von Köln den Karthäuser - orden gestiftet. Bedeutsamer wurde 1098 die Gründung des Klosters Citeaux bei Dijon durch Robert von Molêmes, einen Adligen der Champagne, der Ausgangspunkt für den Zisterzienser - orden, der freilich erst seit dem Eintritt Bernhards von Clairvaux (1113) seinen gewaltigen Aufschwung nahm und sich als eine machtvolle Kongregation über die meisten Länder Europas erstreckte. Bernhard selbst1)Seine von mehreren Ordensbrüdern verfaßte zeitgenössische Biographie vgl. Bernardi Opera ed. Mabillon II (1690). Von höchster Wichtigkeit für die gesamte Zeitgeschichte seine (etwa 500) Briefe, von denen eine kritische Ausgabe fehlt (am vollständigsten bei Migne, Patrol. lat. 182)., der ihn von Clairvaux aus leitete, gab nicht nur dem Orden sein Gepräge prunkloser Frömmigkeit und harter Arbeit, sondern wies auch dem ganzen Zeitalter, das sich vom Ausgang der Salier bis zu den Anfängen Barbarossas erstreckte, recht eigent - lich die Richtung. Bei allem selbstverständlichen Festhalten der gregorianischen Errungenschaften wünschte er kein weiteres Fort - schreiten auf dieser Bahn, die immer mehr zur Verweltlichung führte, sondern eine Erhebung der Kirche hoch empor über alles93§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).Irdische durch freie Entfaltung der ihr eigentümlichen Kräfte leben - digen, herzempfundenen Glaubens, tiefer mystischer Versenkung und bergeversetzender Heilswirkung, bei den Auserwählten gesteigert bis zu persönlicher Wundergabe. Aus der Wurzel seiner eignen starken Veranlagung nicht zum wenigsten erwuchs ihm dies Ideal, denn mit warmen und feinen Gemütskräften, die in künstlerischer Form zutage traten, verband er eine unerhörte, aus tiefster Überzeugung und Selbstsicherheit geborene, leidenschaftliche Wucht der Über - redung, die Glauben weckte und Willen lenkte, Heilungen wirkte und Entschlüsse umstieß, wohin er kam. In Clairvaux liefen die Fäden der Welt zusammen, Bernhard erteilte Königen Rat und Weisung und bestimmte dem Papsttum den Weg, voll Selbstgefühl, wie es bei so allseitiger Schätzung notwendig erwachsen mußte, unduldsam und nicht ohne Schrifstellereitelkeit und Künstler - empfindlichkeit, aber machtvoll und erfolgreich, von der Zeit - strömung getragen, jahrzehntelang der ungekrönte Herrscher von Europa.

Was der Zisterzienserorden durch religiöse Erneuerung und zusammenfassende Organisation für die Benediktinerklöster bedeutete, das schuf unter französischem Einfluß ein Deutscher für die regu - lierten Augustiner Chorherrenstifter durch Gründung des Prämon - stratenserordens. Norbert1)Vgl. seine in zwei Fassungen vorliegende zeitgenössische Biographie M. G. SS. XII., der Grafensohn aus Xanten, folgte dem Vorbilde Bernhards, persönlich härter und schroffer als jener, trotz aller Askese von weltmännischer Gewandtheit und Verwal - tungsgabe, aristokratisch, wie auch stets seine Schöpfung blieb, die von dem Kloster Prémontré im Bistum Laon (1120) ausgehend, in demselben Jahre die päpstliche Bestätigung erhielt, in dem Norbert unter dem Einfluß der Kurie von Lothar zum Erzbischof von Magdeburg erhoben ward (1126). Dadurch gerade sollte der Orden neben dem der Zisterzienser seine besondere Bedeutung für die Christianisierung der ostelbischen Slawenlande erhalten. Norbert selbst freilich besaß für diese Aufgabe nicht genug entsagende Hin - gebung, umso besser verstand er es, auf den König und die Reichs - regierung bis zu seinem Tode (1134) den nachhaltigsten Einfluß zu üben.

Stärker als in ihm kam der pietistisch-mystische Zug der bernhardinischen Richtung zum Ausdruck in dem kirchlich fast noch strengeren, persönlich milderen Erzbischof Konrad von Salz - burg2)Das Bruchstück einer bis 1138 reichenden, zwischen 1170 u. 1177 verfaßten Biographie M. G. SS. XI. und in dem von ihm eingesetzten Propste Gerhoh von94II. Die Zeit der Staufer.Reichersberg (1093 1169)1)Eine Auswahl seiner für die Beziehungen von Staat u. Kirche höchst bedeutsamen Schriften M. G. Libelli de lite III., der damals seine reiche und tief - gehende publizistische Tätigkeit begann, voll mönchischen Eifers, aber auch voll scharfer und eigenständiger Kritik an der verwelt - lichten Papstkirche.

Gegen den mächtigen Strom dieser ganzen Bewegung anzu - schwimmen, wurde für den Einzelnen von Jahr zu Jahr untunlicher; aber mit ihr war für den Staat ein friedliches Auskommen auch immerhin eher möglich, als mit den alten, stürmischen Gregorianern. So begreift es sich, daß Lothar, der überdies der Richtung persön - lich zugetan war, auf sie die weitestgehende Rücksicht genommen hat, und daß neben ihr als Machtfaktor das Papsttum zeitweilig fast zurücktrat.

Zunächst galt es, für das neue sächsische Königtum, die Be - deutung eines gesamtdeutschen zu erlangen. Durch die schicksals - schwere Verbindung mit den Welfen erstreckte es seinen Einfluß bereits auf Bayern und die schwäbischen Besitzungen jenes Hauses. Selbständig in Deutschland Fuß zu fassen versuchte es durch seine Maßnahmen gegen die Staufer. Ihnen als den Privaterben der Salier konnte deren Hausgut nicht bestritten werden, aber was sich daneben noch offenkundig als Reichsbesitz dartun ließ, wie etwa die Stadt Nürnberg, das sprach alsbald ein Fürstengericht in Regensburg (Nov. 1125) dem neuen Herrscher als Rechtsnach - folger der Salier zu. Beide Bestandteile waren indes in den da - maligen Vorstellungen und der damaligen Verwaltung nicht streng geschieden. Die Staufer betrachteten die Forderung auf Heraus - gabe jenes Reichsgutes als einen Eingriff in ihre Rechte, und die Erfolge ihres bewaffneten Widerstandes, der außer ihrem eigenen schwäbisch-fränkischen Machtbezirk auch in Österreich, Nieder - lothringen und bei einer Anzahl von Reichsstädten Anklang fand, ermutigten sie bald zur förmlichen Aufstellung eines Gegenkönigs in der Person Konrads III., der den fränkischen Herzogtitel führte und noch nicht, wie sein älterer Bruder Friedrich dem neuen Herrn gehuldigt hatte (Ende 1127). Auch im nächsten Jahre behauptete sich dieser trotz päpstlicher Bannung so glücklich, daß er eine Ab - schwenkung nach Italien wagen konnte. Dort zog er eine Zeit - lang aus dem Streite Mailands mit der römischen Kurie Gewinn und empfing vom Erzbischof die italienische Königskrone, aber sein eigentliches Ziel, auch für das reiche mathildische Gut entgegen den Ansprüchen des Papsttums das Erbe Heinrichs V. anzutreten, vermochte er mit seinen geringen Mitteln nicht zu erreichen, die95§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).Aussöhnung Mailands mit Rom entzog ihm vollends den Boden. Das ganze Unternehmen erwies sich als ein Mißgriff, denn als er 1130 mit leeren Händen nach Deutschland zurückkehrte, fand er die gespaltene staufische Macht auch dort bedenklich im Rückgang und in ihren Kernlanden bedroht. Schon war an ein Durchdringen des Gegenkönigtums nicht entfernt mehr zu denken, als eine andre große Spaltung, die seit kurzem die Welt bewegte, diese inner - deutschen Gegensätze völlig in den Hintergrund treten ließ.

Aus dem Widerstreit römischer Adelsfaktionen war 1130 eine päpstliche Doppelwahl erwachsen. 1)Vgl. Mühlbacher, Die streitige Papstwahl des J. 1130. 1876.Um einem Siege der Pierleoni zuvorzukommen, hatten die Frangipani unter Führung des Kanzlers Haimerich in überhastetem und völlig rechtlosem Verfahren Inno - zenz II. erhoben, dem dann das Haupt der Gegenpartei Peter Pierleoni als Anaklet II. in formell unanfechtbarer Wahl entgegen - gestellt wurde. Machte der eine die Priorität für sich geltend, so der andere das bessere Recht. Europa hatte zu entscheiden. Da war es von maßgebender Bedeutung, daß der minder hervorragende von beiden, der vor seinem mächtigeren Gegner aus Rom und Italien weichen mußte, Innozenz, ein Mann von ehrenhafter Mittel - mäßigkeit, vielleicht eben deswegen die Hilfe Bernhards von Clair - vaux und des französischen Mönchtums gewann, dem er sich mit feinem Instinkt in die Arme warf. Das bedeutete die Anerkennung Frankreichs und bestimmte die Entscheidung Lothars, der nun von den beiden Parteien umworben wurde. Ein kraftvolles und eigen - ständiges Königtum wie das der Salier hätte diese vorteilhafte Lage gründlich zugunsten der deutschen Herrscherrechte ausgenutzt. Lothar, behindert durch die staufische Gegnerschaft und gebunden durch Rücksichten und Gefühlswerte, faßte die Entscheidung wesent - lich als bedrückende Gewissenssache und war schließlich froh, die Verantwortung auf eine deutsche Synode abwälzen zu können. Unter den geistlichen Fürsten des Reiches fehlten solche nicht ganz, die von der Überlegenheit der Sache Anaklets überzeugt waren, aber unter Führung Norberts entschied die Mehrheit im Sinne Bernhards. Lothar folgte und zog dann auch England nach sich. Die große Gelegenheit war versäumt, und aus seiner Entscheidung ergaben sich für den deutschen König neue Pflichten. Man erwartete von ihm die Rückführung seines Papstes nach Rom und die dauernde Sicherung der von jüdischer Wut bedrängten Kirche .

Denn Anaklet, eine gebietende, geistig hochstehende Persön - lichkeit, der die Gegner mit Unrecht eine Fülle von Makel anzu - hängen suchten, war in der Tat und darin liegt nicht zum96II. Die Zeit der Staufer.wenigsten das Geheimnis seines Mißerfolges von jüdischer Ab - kunft und schon deshalb den Bernhardinern als Papst zuwider. Seine italienische Machtstellung aber war nicht so leicht zu er - schüttern, denn er behauptete sich in Rom, hatte die Mailänder Kirche durch kluge Zugeständnisse gewonnen und fand seinen kräftigsten Rückhalt an Roger II. von Sizilien. 1)Vergl. über ihn Caspar, Roger II. 1904.

In ihm (1101 1154) war den süditalischen Normannen der erste geniale Staatsmann erstanden, zugleich der erste moderner anmutende Herrscher des Mittelalters überhaupt, ein kluger, ränkevoller Nützlichkeitsrechner, voll statistischer, nationalökonomischer, geographischer Interessen, der seine wilden Leidenschaften in den Dienst seiner politischen Pläne zu zwingen wußte. Von der Grundlage der Insel Sizilien ausgehend, die sein Vater Roger I. als Lehens - mann Robert Guiscards erobert hatte, selbst ohne Feldherrngabe und sol - datische Neigungen, aber voll listenreicher Kombinationsgabe, glücklicher Treffsicherheit und diplomatischer Kunst, hatte er in vielfachen, rastlosen Kämpfen die kleineren normannischen und langobardischen Staatsgebilde des süditalischen Festlands der kräftigeren insularen Einheit anzugliedern ver - standen, unter Verletzung der lehnsrechtlichen Ansprüche von Reich und Papsttum, Schritt für Schritt seine Grenzen gegen Norden bedrohlich vor - schiebend. Vor allem aber gelang es seinem Verwaltungsgenie, diese bunt - bevölkerten und auseinanderstrebenden Gebietsfetzen wirklich zu einer festen Reichseinheit zusammenzuschweißen. Seine Assisen des Königreichs Sizilien sind Jahrhunderte lang ganz in den Hintergrund gedrängt worden durch das umfassendere, aber wesentlich auf ihnen beruhende Gesetzeswerk seines Enkels Kaiser Friedrich II., bis sie endlich wieder an den gebührenden Platz ge - rückt wurden. Sie sind buntscheckig, wie die ganze Mischkultur dieses Reiches, zusammengesetzt aus verschiedenen nationalen Elementen, wie die unter Roger in Palermo erbaute Palastkapelle aus Stilarten, aber das eben gab ihnen die Wirkungskraft, daß die einzelnen Volksstämme das Beste ihrer eigenen Ord - nungen in ihnen wiederfanden. Normannisch war das Gebiet des Lehenswesens, aber auch insgesamt die leichte Anpassung, geschickte Handhabung und kluge Weiterbildung; altrömisch und byzantinisch die straffe Beamtenorganisation mit dem starken und geheiligten monarchischen Haupt; arabisch und jüdisch das gesamte Finanzwesen, insbesondere die Steuer - und Zollpolitik, die die reichen Schätze des Landes für die Krone flüssig machte und ihren großen Unternehmungen erst den rechten Rückhalt gab. Diese unerschöpflichen Mittel, dazu eine treffliche Heeresorganisation mit Verwendung arabischer Söldner und starken Festungsbauten, die Schöpfung einer schlagfertigen Flotte und endlich die unvergleichliche geographische Lage Siziliens machten Rogers Reich alsbald zur gefürchtetsten Macht des Mittelmeerbeckens, gehaßt von Pisanern, Genuesen und Venezianern, deren Handel es schädigte, befehdet von dem griechischen Kaiser, dessen Botmäßigkeit es ja zum großen Teil erst ab - gerungen war, mißtrauisch beobachtet von dem Papsttum, dem es Rücken - deckung bieten, aber auch Vernichtung drohen konnte, und dem es alle eignen Herrschaftspläne hier im Süden zerstörte. Schon Honorius II. hatte den aussichtslosen Kampf gegen Roger aufgegeben und ihn mit dem Herzog - tum Apulien belehnt (1128). Durch noch größere Zugeständnisse gewann jetzt Anaklet seine Hülfe, indem er das um Capua, Neapel und Benevent er - weiterte Gesamtgebiet Rogers als ein päpstliches Lehen zum Königreich er -97§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).hob und der kraftvollen, jeglichen Fremdkörper im Staate ausschließenden Krongewalt weitgehende Rechte über die junge sizilische Kirche einräumte, die übrigens an die älteren Verfügungen Urbans II. anknüpften (1130).

Die von Lothar verlangte Rückführung Innozenz 'II. nach Rom konnte ihn also in die gefährlichsten Kämpfe mit Anaklets Freund und Lehensmann verwickeln. Waren dafür nicht auch Zugeständ - nisse zu fordern? Bei einer Zusammenkunft in Lüttich (1131), bei der Lothar kein Bedenken trug, durch die Marschalldienste, die er Innozenz leistete, die Überordnung des Papsttums symbo - lisch zum Ausdruck zu bringen, sprach er in der Tat das Ver - langen nach einer Wiederherstellung des alten Investiturrechtes aus. Er hatte bisher den redlichsten Willen bekundet, bei den Bistums - besetzungen den Bedenken der Kirchlichen entgegenzukommen, und hatte betreffs der königlichen Gegenwart und seiner Entscheidungs - befugnis bei zwiespältigen Wahlen nicht einmal den vollen Umfang der ihm konkordatmäßig verbliebenen Rechte zur Geltung gebracht. Die Einengung des königlichen Machtkreises, die darin lag, empfand er jetzt, wo er selbst an der Herrschaft war, doch bitter. Allein wie hätte die Kirche den mühsam errungenen Teilerfolg leichthin preisgeben sollen! Hätte selbst Innozenz gewollt, man hätte ihm wider - standen, wie einst dem Papst Paschalis II. Vor dem Widerspruche seiner eigenen Bischöfe und der Wucht von Bernhards Beredsamkeit wich Lothar denn auch sogleich zurück. Wenn man, wie er, die Möglichkeit eines Konfliktes von vornherein ausschloß, so ließ sich in diesen Fragen schlechterdings nichts erreichen, und er mußte es sich auch widerwillig gefallen lassen, wenn man sich rücksichtslose Eingriffe in seine unzweifelhaften Rechte erlaubte, wie das bald genug bei der Besetzung des Trierer (1131) und Regensburger (1132) Stuhles geschah, wo beide Male die Erwählten die Weihe vor der königlichen Investitur empfingen.

Immerhin lag der von ihm erhoffte Romzug, der ihm die Kaiserkrone bringen sollte, doch auch in seinem eigenen Interesse, und die Art der Ausführung (1132 / 33) bewies, daß er keineswegs gewillt war, nur die fremden Kastanien aus dem Feuer zu holen. Denn der Kräfteeinsatz war gering, solange die staufischen Gegner aufrecht standen, durfte er Deutschland nicht von Truppen entblößen; kümmerlich genug denn auch die Art, wie er sich an den feindlichen Städten vorbeiwand! Aber bedächtig behielt er das Reichsinteresse im Auge und ließ sich nicht in Abenteuer locken. Die Kaiserkrönung, die seine Überlegenheit gegenüber den Staufern besiegelte, ward ausnahmsweise im Lateran vollzogen, weil die Peterskirche mit dem größten Teile der Stadt im Besitze Ana - klets verblieb. Ihn daraus zu vertreiben und seinen Papst in RomHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 798II. Die Zeit der Staufer.sicherzustellen, machte Lothar keine Anstrengung. Dagegen kam er kurz nach der Krönung noch einmal auf jene Lütticher Forde - rung des alten Investiturrechts zurück, um vor dem scharfen Wider - spruche Norberts abermals zurückzuweichen. Doch erzielte er hier wenigstens einen bescheidenen Erfolg, indem er vom Papste eine freilich ziemlich unklar gefaßte Bestätigung des durch das Konkordat geschaffenen Rechtszustandes und eine ausdrückliche Erklärung gegen die letzthin vorgekommenen Mißachtungen der königlichen Investitur erlangte. 1)Die Urk. Innozenz 'II. v. 8. Juni 1133 (M. G. Const. I, 168), ver - stümmelt und vieldeutig wie sie ist, hat auch andre Auslegungen erfahren; Bernhardi, noch mehr Hauck sehen in ihr eine Abschwächung des Wormser Konkordats, Schäfer, der den Fortbestand des Konkordats leugnet, nur das Verbot einer Regaliennutzung ohne Investitur. Ich möchte nur zugeben, daß die mangelnde Präzision des Ausdrucks die Möglichkeit einer Ausbeutung im Interesse der Kurie offen ließ.

Wertvoller war ein andrer Gewinn. In dem Bestreben, das mathildische Gut nicht in die Hände der Staufer fallen zu lassen, begegneten sich Kurie und Kaiser. Dem Papste aber mangelte die Macht zur Behauptung, Lothar ein Rechtstitel zur Besitznahme. Da erkannte er das Eigentumsrecht der Kurie an und nahm das Gut von ihr zu Lehen. Ein formell bedenklicher Vorgang! Zwar leistete Lothar weder Treueid, noch Mannschaft, sondern wurde gegen Zinsverpflichtung nur mit dem kirchlichen Symbol des Ringes investiert. Aber wie leicht konnte dieser genaue Rechts - standpunkt verdunkelt werden, und der Kaiser als Mann des Papstes, das Imperium als abhängig von der Kurie im Sinne der Wünsche Gregors VII. erscheinen! Tatsächlich hat diese Verschiebung bald nach Lothars Tode Gestalt gewonnen in einem Gemälde des La - terans, auf dem der Kaiser knieend aus den Händen Innozenz 'II. die Krone entgegennahm, während ihn die Umschrift geradezu als Mann des Papstes bezeichnete. Das Bild, das später die Ent - rüstung Barbarossas erregte, zeigte nur zu deutlich, wie gefährlich Lothars kurzsichtiges Entgegenkommen in den Formen äußerer Er - gebenheit für die Zukunft des Kaisertums war. Aber andrerseits war der sachliche Vorteil, den ihm jene Übertragung bot, doch unleugbar, und man erkennt die Ziele von Lothars kluger Haus - machtpolitik aus dem Umstande, daß er alsbald auch seinem Schwiegersohne Heinrich dem Stolzen, der in die volle Lehens - mannschaft zur Kurie trat, die Nutznießung jener Güter sicherte. Die mitteleuropäische Weltstellung des welfischen Hauses von Sachsen über Süddeutschland bis nach Mittelitalien hin wurde so begründet.

99§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).

Lothar konnte also mit dem Gewinn des Romzuges, wenn er ihn mit dem Einsatz verglich, immerhin zufrieden sein. Auch so viel war nur erreicht, weil eben damals innere Wirren Rogers Kraft nach außen lähmten; diese augenblickliche Not aber zu einem An - griff auszunutzen, lehnte der Kaiser trotz dringender Bitten seines Papstes ab. Indem er sich über die Alpen zurückwandte, wurde Innozenz 'Lage bei neuem Erstarken Rogers bald genug unhaltbar. Enttäuscht, sah er sich gezwungen, nach Pisa zu flüchten; ihm hatte der Romzug nicht den erhofften Vorteil gebracht. Noch vor seinem Abschluß ergab sich die Notwendigkeit eines neuen, mit umfassenderen Machtmitteln auszuführenden Unternehmens.

Dafür galt es in den nächsten Jahren durch friedenfördernde Hilfe den Boden zu bereiten. Bernhard selbst war es, der in die Ausgleichsverhandlungen zwischen Lothar und seinen deutschen Gegnern vermittelnd eingriff. Nacheinander unterwarfen sich die beiden staufischen Brüder, die sich nicht lange mehr hätten be - haupten können, und erlangten gegen Anerkennung des Kaisers volle Begnadigung (1135). Auch sonst dankte Lothar der Kirche mancherlei Unterstützung nach innen und außen.

Es waren jene glücklichen Friedensjahre, deren die Chronisten in den bald hereinbrechenden Wirren mit sehnsüchtigem Lobe ge - dachten, auch unter dem Gesichtspunkte der deutschen Zukunft gewiß nicht mit Unrecht! Denn in einer Zeit, in der die wirt - schaftlichen Kräfte des Reiches aus den verhältnismäßig schon übervölkerten niederländischen und rheinischen Gebieten ostwärts zu fluten begannen, in der kirchliche und kriegerische Elemente in gleicher Weise dort ein Betätigungsfeld ersehnten, konnte es von höchster Bedeutung werden, daß das Königtum Lothars infolge der Lage seines Stammesherzogtums gewissermaßen einen Front - wechsel von Südwest nach Nordost vollzog und an die einstmals allzu jäh abgerissenen Überlieferungen Ottos d. Gr. wieder an - knüpfte. Während die Gebiete längs der französischen Grenze in der Sorge des Herrschers zurücktraten, kannte er sich, belehrt durch die Erfahrungen eines langen Menschenalters, in allen Verhältnissen, die Sachsen berührten, vortrefflich aus. Die Übertragung der branden - burgischen Nordmark an den Askanier Albrecht von Ballenstädt (1134), die Vereinigung der Lausitz mit der schon früher (1123) verliehenen Mark Meißen unter Konrad von Wettin (1136), die Verpflanzung der Schauenburger (Adolf I. 1110 bis c. 1128, Adolf II. c. 1128 1164) von der Weser in die Grafschaften Holstein und Stormarn zeigten, daß er hier den rechten Mann an die rechte Stelle zu setzen wußte, und wiesen den großen Ge - schlechtern der Zukunft ihre historischen Aufgaben. Unmittelbarer7*100II. Die Zeit der Staufer.noch wird die Erinnerung an den großen Sachsenkaiser wachgerufen, wenn Lothar auch während der Krönungsfeierlichkeiten in Rom diese östlichen Verhältnisse im Auge behielt, indem damals (1133) nicht nur dem Bremer Erzbischof seine Hoheitsrechte über die nordischen Reiche entgegen den Ansprüchen des neuen schwedischen Erzbistums Lund vom Papste bestätigt wurden, sondern auch der Versuch gemacht ward, die seit den Tagen Ottos III. preisgegebenen Metropolitanrechte über die polnische Kirche für Norbert als Erz - bischof von Magdeburg wiederherzustellen. Solche Versuche mußten freilich hier wie dort bald genug an dem nationalen Widerstande scheitern. Praktisch wertvoller waren die Missionsbestrebungen; auch hier zeigte der Kaiser wohlwollendes Verständnis, und es ge - reicht ihm zum Verdienst, daß er sowohl das menschenfreundliche Werk des aufopferungsvollen und gesundsinnigen Bischofs Otto von Bamberg1)Vergl. neben andern Aufzeichnungen die beiden bald nach Mitte des 12. Jh. verfaßten Biographien der Michelsberger Mönche Ebo und Herbord, Jaffé, Bibl. V. bei den Pommern mit seiner Teilnahme förderte, als auch die auf das östliche Holstein gerichtete Wirksamkeit des Priesters Vicelin2)Seine Biographie ist enthalten in Helmolds Slawenchronik. in ihren vorbereitenden Anfängen tatkräftig unter - stützte. Er selbst mochte bedauern, daß ihm die Pflichten seines kaiserlichen Amtes nicht noch mehr Muße für diese Dinge ließen. Aber reicher, als durch einzelne Eingriffe, wurden sie ja gefördert durch die Steigerung des Ansehens, die Lothar dem Reiche in dem ganzen weiteren Umkreise des Ostens und Nordens gewann. Hatte er gegen Böhmen im Anfang seiner Regierung eine schwere Nieder - lage erlitten (1126), so stellte sich doch bald das alte Abhängig - keitsverhältnis des Herzogs in besonders freundschaftlichen Formen her. Der dänische König, der sich aus längeren Thronwirren emporrang, huldigte dem deutschen Kaiser (1135). Lothar ver - mittelte in einem Kriege zwischen Ungarn und Polen und hatte auf dem Merseburger Tage von 1135 den Triumph, daß der lange widerspänstige polnische Herzog ihm zum Zeichen seiner Abhängig - keit beim Kirchgang persönlich das Schwert vortrug, den seit zwölf Jahren rückständigen Tribut nachzahlte und die Belehnung mit Pommern und Rügen von ihm empfing. Man kann doch sagen, daß Lothar hier in den nordöstlichen Gebieten bereits eine Rolle vorgezeichnet hat, wie sie ein Menschenalter später sein Enkel Heinrich der Löwe dauernder, wuchtiger und getragen von einer kräftiger flutenden Germanisationsbewegung durchführen sollte.

Aber wie kurz währte diese Zeit fruchtbarer Ruhe für Deutsch - land! Eben in Merseburg drängten alle Gegner König Rogers:101§ 8. Lothar von Supplinburg (1125 1137).der griechische Kaiser, Venedig, süditalische Flüchtlinge, vor allem Innozenz II. und seine Parteigänger den Kaiser unwiderstehlich zu einem neuen Romzuge (1136 / 37). Die gefestigte Einheit Deutsch - lands, die in der starken Truppenzahl ihren Ausdruck fand, die eifrige Propaganda der Kirche, die vorbereitenden Erfolge Bernhards, der Mailand für Innozenz gewonnen und die Seehilfe von Pisa und Genua gesichert hatte, gaben dem Unternehmen, das sich diesmal ausgesprochenermaßen gegen Innozenz 'Hauptgegner Roger von Sizilien richtete, von vornherein ein machtvolles Ansehen. Als wirk - licher Herrscher durchzog der Kaiser Norditalien vom Fuße der Westalpen bis nach Ravenna, jeden Widerstand niederwerfend, auch die Gesetzgebung wieder aufnehmend. In zwei Heersäulen rückte man dann südwärts: Lothar mit der Masse der Truppen die Ost - küste entlang, Heinrich der Stolze an der Spitze einer Abteilung gemeinsam mit dem Papste westlich durch Tuszien. So drang man von zwei Seiten her in das süditalische Reich, vereinigte sich in Bari und eroberte in raschem Ansturm den größten Teil Apuliens bis hin nach Tarent (1137). Bis soweit war der Feldzug tadellos durchgeführt, aber was nun? Roger hatte den übermächtigen An - griff wie das Anschwellen eines Gießbachs, dem bald Dürre folgen mußte, betrachtet und in kluger Überwindung einen Teil seines Reiches geopfert. Gegen Anerkennung seines Königstitels hätte er sich immerhin wohl zur Preisgabe Anaklets bereitfinden lassen. Aber Innozenz bestimmte den Kaiser zur Ablehnung seiner Friedens - anerbietungen und drängte vorwärts nach Süden. Da setzte der Heimatsdrang der deutschen Truppen, die in der apulischen Juli - hitze eine Katastrophe befürchten mochten und sich drohend gegen Papst und Kardinäle erhoben, eine unüberwindliche Schranke. Eine dauernde Besetzung des eroberten Gebiets war ja ohnehin undurch - führbar; so tat man das allein Mögliche: man griff zu der alten Spaltungspolitik und belehnte Rogers Gegner Rainulf von Alife mit dem Herzogtum Apulien, in der Hoffnung, daß er sich aus eigner Kraft würde behaupten können. Dabei stießen aber die Hoheits - ansprüche von Kaiser und Papst zusammen. Lothar, der urkund - liche Belege für das Recht des Reiches im Augenblick nicht zur Hand hatte, gab trotz seiner überlegenen Stellung noch einmal nach und verstand sich zu einem schwächlichen Kompromiß, durch das hier für die Zukunft verhängnisvoll unklare Rechtsverhältnisse ge - schaffen wurden: Papst und Kaiser faßten die Herzogsfahne an Schaft und Spitze und überreichten sie so als gemeinsame Lehens - herren an Rainulf.

In einem anderen Konfliktsfalle, bei dem es sich um die Be - setzung der alten Reichsabtei Montecassino handelte, setzte indes102II. Die Zeit der Staufer.Lothar, nachdem er sich eine ganze Nacht hindurch aus den vor - gelegten Urkunden von seinem Rechte überzeugt hatte, durch die nachdrückliche Androhung eines Bruches seinen Willen durch. Und überhaupt gewinnt man aus dieser letzten Zeit den bestimmten Eindruck, daß die Linien der kaiserlichen und päpstlichen Politik auseinanderzuweichen begannen. Der Kaiser, der bei dem An - schwellen seiner Macht in den letzten Jahren auch der deutschen Kirche gegenüber seinen konkordatmäßigen Einfluß stärker als früher zur Geltung gebracht hatte, mußte bei aller Milde durch die stete rechtsverletzende Begehrlichkeit der Kurie verstimmt werden; der Papst andererseits begann zu fürchten, daß jene Macht bald in den rücksichtsloseren Händen Heinrichs des Stolzen, mit dem er letzthin schon mehrfach schroff zusammengestoßen war, erdrückt werden möchte. Überdies waren dort auch diesmal seine Wünsche keines - wegs befriedigt, als Lothar sich mit seinem Heere nordwärts wandte. Innozenz sah sich fast ausschließlich auf das Ansehen und die Redekunst Bernhards angewiesen und war gezwungen, dem wieder vordringenden Roger, der damit in Lothars Rolle einrückte, das Amt eines Schiedsrichters zwischen ihm und seinem Gegner an - zutragen. Erst der Tod Anaklets (1138) verschaffte ihm end - gültig Luft.

Damals weilte Lothar schon nicht mehr unter den Lebenden. Im Gefühl seines nahenden Todes hatte der mehr als Siebzigjährige den Rückmarsch beschleunigt; er starb, kurz nachdem er den deut - schen Boden betreten hatte. Wenn eine aufsteigende Machtent - wicklung das Kennzeichen politischer Erfolge ist, so war Lothars Regierung wenn nicht glänzend so doch keinesfalls ganz unglücklich. Aber sie war wesentlich vorbereitender Art. Noch vor kurzem hatte er Heinrich den Stolzen mit der Markgrafschaft Tuszien belehnt; jetzt bestimmte er ihm Sachsen und bezeichnete ihn sterbend durch Übergabe der Reichsinsignien als den erwünschten Thronfolger. Welch 'gewaltigen Gebietsumfang von Meer zu Meer, von Dänemark bis Sizilien vereinigte dieser damit unmittelbar unter sich! Wie würde die Geschichtschreibung Lothar als vorbereitenden Gründer der Dynastie preisen, wenn statt der Staufer die Welfen sich auf dem Throne behauptet hätten! Daß dies Ziel durch listige Machenschaft und bösen Zufall vereitelt wurde, vernichtete, wenigstens zum guten Teil, Lothars Lebenswerk und stürzte das Reich in Ver - wirrung und Ohnmacht.

103§ 9. Konrad III. (1138 1152).

§ 9. Konrad III. (1138 1152).

Das deutsche Geschlecht, dessen weltgeschichtliche Aufgabe vornehmlich die Bekämpfung hierarchischer Ansprüche werden sollte, kam auf den Thron im Dienste der Kirche. Es war der Dank der Kurie für Lothars nachsichtige Schwäche, daß sie in rücksichtsloser Wahrnehmung ihres Vorteils noch in seinen letzten Tagen insgeheim ihre Vorbereitungen traf, um das Königtum seines Schwiegersohnes zu vereiteln. Ihr Werkzeug war der klügste und energischste unter den damaligen Kirchenfürsten Deutschlands, Erzbischof Albero von Trier1)Seine zeitgenössische Biographie von dem Trierer Scholastiker Balde - rich M. G. SS. VIII., der bei der augenblicklichen Vakanz von Mainz und Köln die Leitung der Wahlgeschäfte übernahm und sie in der unerhörtesten Weise mißbrauchte. Die jelzt von ihm ausgeführte Erhebung des früheren Gegenkönigs Konrad III. (März 1138) erinnerte an die des Papstes selbst; sie war eine Überrumpelung vor der festgesetzten Zeit, ohne alles Recht, von einer kleinen Minderheit der Fürsten vollzogen. Wenn dieser Pfaffenkönig und Sonderherrscher gleichwohl über - raschend schnell an Boden gewann, so weisen eben diese Chronisten - bezeichnungen auf die beiden Mächte, die ihn trugen; Kirche und Fürstentum, die Lothar erhoben hatten, wandten sich von seinem kraft - voll erstarkten Hause, als die Person des Vertreters, die rücksichtslos durchgreifende Herrschernatur Heinrichs des Stolzen, ihnen keine Ge - währ für die Fortführung der bisherigen Politik zu bieten schien. Bald mußte der Welfe seine Kronhoffnungen zurückstellen; wurde ihm nur der volle Umfang seiner Rechte anerkannt, so blieb er trotz - dem der tatsächliche Herrscher im Reiche. Eben das aber machte Konrad jene Anerkennung unmöglich. Nach kurzem Hinhalten, das die Auslieferung der Reichsinsignien erzielte, weigerte er die Belehnung mit Sachsen, ächtete den Ungehorsamen, der die Huldigung unter - ließ, und vergab zuerst Sachsen an den Markgrafen Albrecht den Bären, der als Schwiegersohn des letzten Billungers Ansprüche darauf erhob, dann (1139) Bayern an seinen eigenen Stiefbruder, den Babenberger Markgrafen Leopold von Österreich. Aber das waren Ansprüche, die erst im Kampf durchzusetzen waren. Denn nun spaltete sich Deutschland in zwei feindliche Heerlager, der unheilvolle Streit zwischen Staufern und Welfen nahm seinen Anfang.

Es war zunächst ein von den mittelstarken Fürsten unterstützter Kampf der Kirche gegen eine kräftige deutsche Königsgewalt. Denn was war Konrad2)Über ihn ausführlich und gründlich: Bernhardi, Jahrb. der d. Gesch. : Konrad III. 2 Bde. 1883. für sich allein, er, der als der jüngere104II. Die Zeit der Staufer.der staufischen Brüder nicht einmal über das schwäbische Herzog - tum verfügte? Persönliche Bedeutung trat bei ihm nicht ergänzend in die Machtlücke. Schon als Gegenkönig hatte er mehr Lebhaftig - keit als Geschicklichkeit gezeigt. Jetzt stand er in der Vollkraft seiner Jahre, eine schöne, ritterliche Erscheinung, ein wackerer Kriegs - mann, der nicht nur die Gefahr suchte und wuchtige Schwaben - streiche auszuteilen wußte, sondern auch Anstrengungen und Ent - behrungen mit den Seinen teilte, von gewinnender Liebenswürdigkeit und natürlichem Frohsinn, wenn er etwa an lustiger Tafel sich in seiner laienhaften Art in die gelehrte Unterhaltung seiner Hofgeist - lichen mischte und lachend den Philosophen ihr heiteres Leben neidete, da sie mit solcher Leichtigkeit das Unmögliche als möglich darzutun verstünden. Trotz solcher menschlich anziehenden Eigen - schaften sind indes Zeitgenossen und spätere Forscher in ihrem Urteil über den Staatsmann völlig einmütig; er hat nicht einen einzigen ernsthaften Lobredner gefunden. Nicht an Beweglichkeit und Unternehmungsgeist fehlte es ihm, er hätte sonst nicht zweimal unter den schwierigsten Umständen die Bürde der Krone auf sich genommen, wohl aber an abschätzender Überlegung, vorbereitender Umsicht und folgerichtiger Stetigkeit. Von dem kirchlichen Zuge der Zeit mit Tausenden und Abertausenden er - griffen und vom Gefühl seiner Sündhaftigkeit durchdrungen, wie ein Briefwechsel mit der geistlichen Seherin Hildegart von Bingen beweist, erregbar und leichtgläubig, der Beredsamkeit eines Bernhard von Clairvaux ebenso hilflos preisgegeben wie dem Eindruck einer Mondfinsternis, ließ er sich leicht zu unbedachten Unternehmungen fortreißen, um unter neuen Einwirkungen zu schwanken und eigne Entscheidungen zu widerrufen, so daß wohl seine nächsten Ver - trauten über seine Unzuverlässigkeit klagten. So blieb seine Re - gierung ohne allen Aufbau, jeder Erfolg erstickte in dem Mißver - hältnis zwischen Wollen und Können; am Ende stand Konrad fast genau da, wo er begonnen hatte. Aber eine Flut von Unheil war über das Reich dahingebraust, das königliche Ansehn war tief ge - sunken, und wenn gerade dies Elend nicht zum wenigsten den Rückschlag beschleunigt hat, so erfolgte doch der Wandel der öffentlichen Meinung, der sich zuletzt vollzog, und der das be - deutsamste Ergebnis seiner Regierung bildete, im wesentlichen ohne Konrads Verdienst.

Es wäre wohl die Frage gewesen, ob er sich in seinem König - tum auch nur behauptet hätte, wäre nicht Heinrich der Stolze gleich im Beginn des Kampfes durch einen vorzeitigen Tod hin - weggerafft worden (1139); denn es spricht für die Stärke der gegnerischen Partei, daß sie trotz dieses bösen Unfalls Sachsen für105§ 9. Konrad III. (1138 1152).seinen zehnjährigen Sohn Heinrich den Löwen unbedingt zu be - haupten vermochte, während allerdings Bayern, wo sein Bruder Welf (VI. ) den Kampf leitete, hart umstritten blieb1)Konrads Sieg über Welf vor Weinsberg und die daran anschließende Einnahme der Burg (1140) haften im Gedächtnis durch die Erzählung von den getreuen Weibern. Entgegen früheren Anzweiflungen (vgl. namentlich Bernheim, Hist. Taschenbuch 6. Folge Bd. 3 und öfter) möchte man nach den Ausführungen von Weller, Würt. Vierteljahrsh. N. F. Bd. 12 (1903) zum mindesten an einen historischen Kern glauben.. Auch als nach Leopolds von Österreich Tode sein Bruder Heinrich sich durch die Vermählung mit Heinrichs des Stolzen Witwe Gertrud (1142) Bayern sicherte, war die Versöhnung nicht von Dauer. Denn da Gertrud schon im nächsten Jahre starb, erneuerte Heinrich der Löwe seine bayrischen Ansprüche, die Welf überhaupt nicht hatte fallen lassen. So nahmen die Kämpfe bald ihren Fortgang.

Und bei dieser Lähmung der Königsgewalt tobten allenthalben die Fehden im Reiche, ein furchtbarer Zustand der Rechtsunsicher - heit trat ein. Bald zeigten sich die Wirkungen nach außen: in Ost und Nord ging das von Lothar behauptete Ansehn verloren, während im Westen das französische Königtum seit der Vermählung Ludwigs VII. mit der aquitanischen Erbin Eleonore (1137) seinen Kronbesitz bis zu den Pyrenäen ausdehnte. In Italien gelang es Konrad zwar, nach Heinrichs des Stolzen Tod von den Vasallen der mathildischen Güter, die in der unmittelbaren Unterordnung unter den König ihren Vorteil erblickten, die Anerkennung seines Erbrechts zu erlangen, so daß aus der Besitzfolge dreier deutscher Herrscher allmählich ein Rechtsanspruch des Reiches als solchen auf diese Gebiete erwachsen mußte. Aber Ansprüche waren im Mittelalter noch mehr als in anderen Zeiten fruchtbringend doch nur bei persönlicher Wahrnahme. Durch Konrads Abwesenheit zerfiel das Gut mehr und mehr und diente benachbarten Lokal - gewalten zur Bereicherung. Und das nicht allein! Diese herrscher - losen anderthalb Jahrzehnte seit Lothars Tode, die zusammenfielen mit dem mächtigen Emporblühen der ober - und mittelitalischen Städte, wurden für die Reichsrechte überhaupt verhängnisvoll; eins nach dem andern ward angeeignet oder geriet in Vergessenheit. Man entwöhnte sich jedes Zwanges und dehnte sich in der Frei - heit, der nur die Mitbewerbung des Nachbarn Schranken setzte. Vom Süden her aber lastete die Machtstellung Rogers, der durch den Tod seines Gegners Rainulf vollends Oberwasser bekam, auf Reichsitalien und Rom.

Es war doch eine arge Selbsttäuschung Innozenz 'II., daß er im Vollgefühl der wiedererrungenen kirchlichen Einheit noch einmal106II. Die Zeit der Staufer.in die Bahn südlicher Eroberungspolitik zurücklenkte. Er scheiterte wie Leo IX. und Honorius II. Geschlagen und gefangen, mußte er im Vertrage von Migniano (1139) alle vom Gegenpapst be - willigten Forderungen Rogers erfüllen, wobei er dessen Königtum, um nur nicht eine Schöpfung Anaklets gutheißen zu müssen, schon auf seinen päpstlichen Vorgänger zurückführte. Die völlige Miß - achtung der süditalischen Reichsansprüche hätte den Papst wohl schon damals in Gegensatz zum deutschen König bringen können, aber noch war das Einverständnis mit Roger nur ein erzwungenes. Indem dieser Herrscher nun seinen Staat zu dem feingestalteten und festgeschlossenen Gefüge umschuf, das jedem Drucke seiner Hand gehorchte, das eine Sonderstellung der Geistlichkeit neben dem straff abhängigen Beamtentum nicht duldete, indem er auch jetzt noch die nördlichen Grenzen nicht ängstlich achtete, blieb er für das Papsttum ohne das Gegengewicht des Kaisertums eine stete Bedrohung.

Und überdies machten alsbald die römischen Zustände ein Eingreifen Konrads höchst wünschenswert. Noch in den letzten Tagen Innozenz 'II. ( 1143) ergriff die Bewegung auf bürgerliche Selbstbestimmung, die sich aus den lombardischen Städten auch nach Mittelitalien verpflanzte, Rom und vermengte sich hier mit den herrschenden Adelsgegensätzen und den nie ganz geschwundenen aber jetzt mit frischer Kraft auftauchenden Erinnerungen an die alte Größe. Ein Senat als Organ des Volkswillens, mit einem Pierleoni an der Spitze, verlangte vom Papst den Verzicht auf die weltliche Herrschaft über Rom, genau wie die lombardischen Städter von ihren Bischöfen. In den Wirren, die daraus entstanden, ward gar einer der folgenden Päpste durch einen Steinwurf getötet. Eugen III. (seit 1145), der unter dem Papstgewand die Zister - zienserkutte trug, ein ergebener Schüler Bernhards, dessen Einfluß dadurch noch höher stieg, sah sich nach vergeblichem Ausgleichs - versuche gezwungen, die Stadt nordwärts zu verlassen (März 1146). Er erhoffte damals einen Romzug Konrads; aber gewaltige Ereig - nisse traten dazwischen.

Nichts wäre verkehrter, als angesichts der lokalen Widerwärtig - keiten von einer allgemeinen Schwäche des Papsttums zu reden. Nie war sein Einfluss nördlich der Alpen beherrschender, tiefer in alle Verhältnisse eingreifend! Eben damals sind auch seine Macht - ansprüche theoretisch zusammengefaßt; was einst bei Pseudoisidor als Forderung aufgetreten war, erhielt jetzt im Dekret Gratians, dem Grundstock des großen kanonischen Rechtsbuches, seine gültige Formulierung. Und solche Ansprüche wurden getragen von der mächtigen kirchlichen Strömung, die trotz vereinzelter Gegenwirkungen107§ 9. Konrad III. (1138 1152).noch ungebrochen1)Die gegenteilige Ansicht von Hauck kann ich nicht für richtig halten, vgl. Hist. Ztschr. 93, S. 408. die Geister beherrschte. Selbst die Kreise, die mit Bitterkeit bemerkten, wie das Anwachsen der Kirche dem deutschen Kaisertum alles Mark aussauge, betrachteten diese Ent - wicklung doch als ein von der Vorsehung gewolltes Verhängnis. Ein Stiefbruder Konrads, der Bischof Otto von Freising, hat solchen Auffassungen in seiner Chronik den bezeichnendsten Ausdruck ge - geben. Jener Traumkoloß Nebukadnezars, den Daniel deutet als die Folge der vier großen Weltreiche, ruht auf Füßen von Eisen und Ton. Sie sind die letzte, die römisch-deutsche Monarchie. Ein Stein aber, der herabgerissen wird nicht von Menschen - hand , zertrümmert sie und wächst dann zu einem großen Berg, der die ganze Welt erfüllt. Das ist die Papstkirche! Durch der Kaiser Freigebigkeit zur Macht gehoben, hat sie mit Gregor VII. den Wettkampf begonnen, mit dem Wormser Konkordate den Sieg errungen. Seitdem dehnt sie sich über die ganze Erde. Wird sie endlich das ersehnte Gottesreich verwirklichen? Ist die Zeit erfüllt, und bedarf es etwa nur noch einer letzten, begeisterten Kraftan - strengung, um ihr die Völker der Ungläubigen zuzuführen? Otto von Freising sprach nur aus, was aller Herzen bewegte. Nur aus diesem Zustande hochgradiger religiöser Spannung heraus begreift man die fabelhaften Erfolge der nun einsetzenden neuen Kreuz - zugsbewegung. Die Kunde von der Einnahme Edessas durch den Reichsverweser von Mossul Emadeddin Zenki (1144) gab doch nur den Anstoß, im Hintergrunde stand die Erhöhung des Kreuzes über den gesamten Erdkreis, und wie sollte nicht Gott selbst die Seinen zu solchem Ziele leiten?

Die Bewegung wuchs lawinenartig. Als Eugen III. nach dem Vorbilde Urbans an die Nation des ersten Kreuzzuges, die Franzosen, seinen Hilferuf ergehen ließ, ahnte er wohl noch nicht, welche Wirkungen er erzielen sollte. Da war es bedeutsam, daß der junge Ludwig VII. selbst in Gewissensnot über grausamen Kirchenfrevel sich zur Fahrt bereit erklärte und Nacheiferung weckte; noch viel folgenschwerer indes, daß Bernhard von Clairvaux in päpstlichem Auftrage die Agitation übernahm und durch seine zündende Beredsamkeit, durch die Heilwirkungen, die der Menge seine göttliche Sendung bestätigten, Triumphe feierte, die ihn über sich selbst hinaushoben und die Zuhörer willenlos fortrissen. Auf dem Hoftage von Vezelay (Ostern 1146) mußte er sein Gewand zerschneiden, weil die Zahl der Kreuze dem stürmischen Begehren nicht genügte. Alle Geister waren nur noch auf das eine Ziel ge -108II. Die Zeit der Staufer.richtet. Plötzlich , sagt Otto von Freising, trat fast im ganzen Abendlande eine solche Stille ein, daß es nicht nur für Frevel galt, Krieg anzufangen, sondern sogar, öffentlich Waffen zu tragen.

Schon flutete der Strom über die deutschen Grenzen. Hier wandte man sich zunächst gegen die Ungläubigen in der Nähe, es kam zu massenhaften Judenmorden, bis Bernhard selbst erschien und Einhalt gebot. In einen schweren Pflichtenkampf stürzte er dann den staufischen König. Alle Vernunftgründe sprachen gegen dessen Teilnahme; denn wollte er wirklich die unausgeglichenen Gegensätze Deutschlands hinter sich lassen, so riefen ihn gebieterisch nach Italien die Not des Papstes, die Kaiserkrone, der Verfall der Reichsrechte und die Übergriffe Rogers. So lehnte er ab. Aber was galten in diesen Tagen die Gebote der Vernunft? Kurz nach dem Weihnachtsfest in Speyer erlag Konrad unter Thränen einem letzten rednerischen Ansturm Bernhards, der den Lauen drohend an die Schrecken des Todes und den Richterstuhl Christi mahnte und dann seine Umstimmung als das Wunder der Wunder pries. Vergeblich suchte der Papst im eignen Interesse das Gelübde rück - gängig zu machen. Die Bewegung war nun auch in Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Ein allgemeiner Landfriede dehnte sich über das Reich, Heinrich der Löwe versprach seine bayrischen An - sprüche einstweilen zurückzustellen, und wenigstens einen bedeut - samen Erfolg brachte das Unternehmen dem staufischen Hause: Konrads zehnjähriger Sohn Heinrich ward zum Könige gewählt und gekrönt, um unter Leitung des Erzbischofs Heinrich von Mainz den Vater während seiner Abwesenheit zu vertreten. Also ein erster Schritt, um die seit den Saliern unterbrochene Erbfolge her - zustellen! Seitdem mußte die Kreuzfahrt noch öfter als Hebel für den gleichen Zweck dienen.

Die Ereignisse des zweiten Kreuzzuges selbst können hier nur kurz gestreift werden. 1)Für die Einzelheiten vgl. namentlich die Forschungen von Kugler und Röhricht.Bezeichnend für die allgemeinen Ziele der Bewegung und die übergroße Zahl der Teilnehmer, aber auch für den geringen Zusammenhalt des damaligen Reiches war, daß mit Konrad eigentlich nur die Süddeutschen zogen. Die sächsischen Großen unternahmen auf eigne Faust, wenn auch mit kirchlicher Billigung, einen Kreuzzug in die ihrem Interessenkreise näherliegen - den Wendenlande (1147), freilich nur, um hier die mühsam er - rungenen Erfolge der friedlichen Mission unsanft zu stören und alsbald statt der geplanten Ausrottung der Heiden deren Scheintaufe und Tributzahlung vorzuziehen. Flandrer und Lothringer aber fuhren109§ 9. Konrad III. (1138 1152).mit Engländern und Normannen über See und errangen unterwegs, indem sie dem König von Portugal zur Eroberung des moham - medanischen Lissabon verhalfen (1147), den einzigen großen Erfolg des gesamten Kreuzzugunternehmens. Andre Lothringer zogen mit dem französischen Heere, das den Massen Konrads III. durch Ungarn in das griechische Reich folgte.

Dort kam dem deutschen Könige seine Verschwägerung und Freundschaft mit dem ritterlichen und unternehmungslustigen Kaiser Manuel zu statten, mit dem ihn überdies die gleiche Feindschaft gegen Roger von Sizilien politisch eng verknüpfte. Manuels durch eignes Interesse geförderter guter Wille, seine reichen Mittel und die der abendländischen noch immer weit überlegene byzantinische Technik brachten die unzweifelhaft auf viele Zehntausende zu schätzenden deutschen Kreuzfahrer ohne Störung hinüber nach Nicaea. Von da aus riet er zu dem weiteren, aber sichereren Küstenwege. Indes der Drang vorwärts entschied für den näheren Marsch durch das Innere, der ein festgeschlossenes, berittenes und verproviantiertes Heer in der Tat in etwa drei Wochen nach Iko - nium hätte führen können. Konrad suchte daher die ungeordneten, mittellosen Massen mit einer kleineren Truppenabteilung unter Bischof Otto von Freising die Küste entlang zu schicken; aber nur wenige gehorchten, die meisten ließen sich in der Furcht, preis - gegeben zu werden, von dem Hauptheere nicht abschütteln. Es gehörte schon der volle Glaube an die unmittelbare Leitung Gottes dazu, um ohne genaue Kenntnis des Weges und mit gänzlich un - zureichenden Lebensmitteln den Marsch trotzdem zu wagen. Nach zehn Tagen sah man sich in dem öden, von den Feinden überdies noch verwüsteten Lande am Ende des Unterhaltes, von den mit Schmähungen überhäuften griechischen Führern verlassen, von be - henden türkischen Reiterscharen auf allen Seiten angegriffen. So - fern noch Rettung möglich war, lag sie in schleunigster Umkehr, zumal eine schreckenerregende Sonnenfinsternis Gottes Zorn zu ver - raten schien. Der Rückzug gestaltete sich dann durch Hunger, Krankheit und Feindesnot zu einer furchtbaren Katastrophe, aus der Konrad, der Gefahren, Mühen und Entbehrungen in der auf - opferndsten Weise mit den Seinen teilte, nur einen kümmerlichen Heeresrest nach Nicaea zurückbrachte. Im Anschluß an die fran - zösischen Kreuzfahrer, die er dort antraf, marschierte er mit einem Teil seiner Leute dann noch eine Strecke weit auf dem Küsten - wege, um sich von Ephesus aus in völliger Erschöpfung nach Konstantinopel in die sorgsame Pflege Manuels zu begeben (Januar 1148). Kurz zuvor war auch die Abteilung Ottos von Freising, die von dort das Mäandertal aufwärts gezogen war, im110II. Die Zeit der Staufer.Innern bei Laodicea von den Ungläubigen überfallen und zu völliger Auflösung gebracht worden. An derselben Stelle erlitten auch die Franzosen furchtbare Verluste. Nur dadurch, daß Ludwig mit den zahlungsfähigen Rittern schließlich griechische Schiffe bestieg und die mittellosen Massen dem Verderben preisgab, gelangte er sicher ins heilige Land. Dorthin kam auf einer Flotte Kaiser Manuels auch Konrad III., und indem sich nun von allen Seiten die zer - sprengten und gesonderten Züge der Kreuzfahrer zusammenfanden, wäre mit der trotz allem ansehnlichen Streitmacht wohl noch etwas Erkleckliches auszurichten gewesen. Aber die Begeisterung war geschwunden, ein sicheres Ziel fehlte, seitdem Zenkis Sohn Nu - reddin Edessa dem Erdboden gleichgemacht hatte (Ende 1146), und andrerseits von einer augenblicklichen Bedrohung der übrigen Kreuzfahrerstaaten doch nicht mehr die Rede sein konnte; ja, man hatte gar bald das Gefühl, daß man den Lateinern jetzt nur lästig war. Als an ihrer lässigen und zweideutigen Haltung Unter - nehmungen gegen Damaskus und Askalon, die nur noch dem Wunsche, etwas getan zu haben, entsprangen, scheiterten, beschloß man die Rückkehr nach Europa. Nach unsagbaren Verlusten an Leben, Gesundheit und Gut endete so die große Bewegung in zorniger Verstimmung und gehässigen Anschuldigungen.

Nicht unzutreffend hat Nitzsch die Katastrophe des zweiten Kreuzzuges mit dem Untergange der großen russischen Armee Napoleons I. verglichen. Wie damals das aufs äußerste überspannte napoleonische Weltherrschaftstreben den entscheidenden Stoß er - hielt, der die französische Gloire vernichtete und ein Zeitalter na - tionaler Gegenwirkungen hervorrief, so versank in Kleinasien und Syrien der leidenschaftliche Glaube an das Hereinbrechen des Gottesreiches unter päpstlicher Oberleitung; der Blick für die Schäden des kirchlichen Regiments ward geschärft, und weltliche Strömungen bekamen auf ein halbes Jahrhundert das Oberwasser.

Die Möglichkeit eines solchen Umschlags begriff Bernhard sofort; nicht als ob er am Ziele selbst irre geworden wäre, auch Moses hatte ja sein Versprechen, die Kinder Israels ins gelobte Land zu führen, um ihrer Sünden willen nicht mehr selbst erfüllen können! Aber er forderte in seinem Buche über die Be - trachtung , das er dem Papste widmete, eine umfassende Reinigung der Kirche. Er blieb dabei freilich ganz im Rahmen wenn nicht gregorianischer, so doch streng hierarchischer Gesinnung: durch innere Heiligung sollte sich das Papsttum nur um so sicherer über die Reiche der Welt erheben! Schon aber wurden auch andre Stimmen laut, welche die Überhebung der Kirche über den Staat mit Bitterkeit tadelten und den Kampf gegen die überhand nehmende111§ 9. Konrad III. (1138 1152).Juristerei und Geldsucht in Rom mit schroffer Rücksichtslosigkeit aufnahmen. Damals mochte zuerst die grimmige Satire des Evan - geliums der Mark Silber von Mund zu Mund gehen, in der Christi Stellvertreter in Rom den mittellosen Bittsteller anherrscht: Daß du verdammt seist mit deiner Armut! Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, du wirst nicht eingehen zu deines Herrn Freude, bis du nicht deinen letzten Heller hergegeben hast . Die Forderung einer Rückkehr der Geistlichen zur apostolischen Armut lag in der Luft, und sie fand einen ersten bedeutenden Verfechter in Arnold von Brescia. 1)Die Grundlinien seines Lebens sind zuerst gezogen von Giesebrecht in seinem Vortrag Über A. v. B. S. B. der Münch. Ak. 1873. Weitere Ausführungen von Breyer, Hist. Taschenb. 1889 und Hausrath 1891.

In den lombardischen Städten hatte sich der religiöse Radikalismus der Pataria, die mit der zunehmenden Verweltlichung der Kirche notwendig in die Opposition geriet, schon längst vermählt mit der bürgerlichen Demokratie. Zu beiden Elementen trat bei Arnold während seiner Studienzeit in Paris der Einfluß der rationalistischen Theologie Peter Abälards, die zu vorurteils - freierem, folgerichtigem Denken anleitete. Nach Brescia zurückgekehrt, em - pfing er die Priesterweihe und ward Chorherr, bald Vorsteher des dortigen Augustinerkonvents. Wie er, sittenernst und willensstark, an seinen eigenen Wandel voll strenger Kasteiungen die höchsten Anforderungen stellte, so geißelte er scharf und mit packender Redegabe die Verweltlichung und sitt - liche Verwilderung der zeitgenössischen Geistlichkeit. Als der Bischof von Brescia auf dem Laterankonzil von 1139 von Innozenz II. die Verbannung des unbequemen Tadlers aus Italien zu erwirken wußte, wandte er sich aufs neue zu seinem Lehrer Abälard und geriet nun an dessen Seite in scharfen Gegensatz zu dem allmächtigen Bernhard von Clairvaux, der das Gefährliche der neuen Theologie und ihres lombardischen Schildträgers mit feiner Witterung spürte und überdies, persönlich gereizt, seiner Empfindlichkeit die Zügel schießen ließ. Nach der billigen Verdammung von Abälards Lehre auf der Synode von Sens (1141), wußte er vom Papste die Verurteilung seiner beiden Gegner zu lebenslänglicher Einsperrung ins Kloster zu erwirken und hat schließlich Arnold, der nach Abälards Tode (1142) seine Angriffe nur noch verschärfte, mit Hülfe des Königs aus Frankreich ausweisen lassen. Auch aus Zürich vertrieb ihn Bernhards Einfluß. Dann aber waren es persönliche Beziehungen zu einem Kardinal, die Arnold schließlich nach Rom führten und ihm die Verzeihung Papst Eugens III. erwirkten. Dort lebte er die nächsten Jahre unter schweren Bußübungen in den Katakomben, bis ihn die hoch - gehenden Wogen der stadtrömischen Bewegung ergriffen und mitten in das politische Getriebe hineinwarfen. Nun dehnte sich der kleine Kreis asketischer Anhänger, der Lombarden , die ihn umgaben, rasch zu der gewaltigen, tobenden Volksversammlung, die Arnold unter den ehrwürdigen Ruinen des Kapitols gleich einem antiken Volkstribun und in Wahrheit ergriffen von den Erinnerungen an die alte römische Größe, mit seinem Wort lenkte, gegen die Herrschsucht des Papstes und die Habgier der Kardinäle entflammte und als die Quelle des Kaisertums pries. Ohne ein bestimmtes Amt stand er im Mittelpunkt dieser aus Kirchenreform, städtischer Demokratie und hochpoli - tischen Utopien gemischten Bewegung, wie später Huß in Prag oder Savonarola112II. Die Zeit der Staufer.in Florenz. Welchen Eindruck mußten hier die Kreuzzugsnachrichten hervor - rufen! Schon war selbst die niedere Geistlichkeit Roms gewonnen, als Eugen III. gegen Arnold, dem eine Abweichung im Glauben kaum vorzuwerfen war, als Schismatiker den Bann schleuderte und die ihm anhangenden Kleriker mit Absetzung bedrohte (1148). Jedoch der Senat schützte seinen Propheten, und der Papst mühte sich trotz einer erneuten Annäherung an den sizilischen König vergebens, das widerspänstige Rom zu bezwingen.

So standen die Dinge, als Konrad nach einem längeren Auf - enthalt in Konstantinopel von seiner Kreuzfahrt zurückkehrend, in Aquileja landete (Mai 1149). Die Römer haben damals und öfter gehofft, ihn für ihre Sache gegen den Papst zu gewinnen. Schwungvolle Schreiben des Senats, die sich gelegentlich gar zu metrischer Form erhoben, erfüllt von dem Geiste Arnolds, luden ihn in die ewige Stadt. Jener seit den Tagen Gregors VII. ein - gerissene unselige Zustand, daß die Pfaffen in der einen Hand den Kelch, in der anderen das Schwert führten, solle ein Ende haben; das römische Volk selbst biete ihm die Kaiserkrone, welche ihm die durch keine geistliche Gewalt gebrochene Machtfülle Konstantins und Justinians erneuern solle! So verlockend das Ziel sein mochte, und so viel Richtiges die geschichtliche Betrachtungsweise enthielt, über die nun einmal bestehenden Machtverhältnisse glitten die An - erbietungen mit so ahnungsloser Gutgläubigkeit hinweg, daß es Konrad nicht zu verargen war, wenn er ihre Annahme in keine ernstere Erwägung zog. Aber auch dem Papst vermochte er keine Hülfe zu bringen, und die römischen Zustände verharrten trotz eines vorübergehenden Ausgleichsversuches in einer für den Papst unerträglichen Spannung.

Die großen Weltverhältnisse aber wurden damals nicht durch diese Dinge bestimmt, sondern durch den sizilisch-griechischen Gegensatz. Roger, der einzige der europäischen Machthaber, der in diesen Zeiten religiöser Erregung keinen Augenblick die Gebote politischer Klugheit außer Acht ließ, hatte die Behinderungen Kaiser Manuels selbstsüchtig ausgenutzt zu einem Angriff auf das grie - chische Reich. Kaum war die Kreuzfahrt beendet, so warben die beiden Gegner Bundesgenossen. Konrads Interessen berührten sich in diesem Punkte eng mit denen Manuels, und für manchen Freund - schaftsdienst war er ihm persönlich sehr verpflichtet. Daß er sich aber unmittelbar nach der Kreuzzugskatastrophe, wo es doch galt, das nahezu auf den Nullpunkt gesunkene königliche Ansehen müh - sam wieder aufzurichten, mit seinen kümmerlichen Mitteln zu einem Angriffsbündnis gegen Roger bereit finden ließ und sich in Italien sofort in den neuen Krieg stürzen wollte, war doch unüberlegt genug und erweckt den Eindruck, daß er damals stark im Schlepptau von Manuels Politik segelte. Zur Ausführung kam das Unternehmen113§ 9. Konrad III. (1138 1152).jedoch nicht. Denn auch Roger hatte mit rückkehrenden Kreuz - fahrern, die er bei sich bewirtete, Bündnisse abgeschlossen: mit dem französischen Könige und dem Herzog Welf, der in Süd - deutschland sogleich eine neue Erhebung vorbereitete. Jetzt ließ der schlaue Normanne die Gegenmine springen und zwang den Staufer zu schleuniger Heimkehr.

Die auswärtige Politik der letzten Jahre Konrads, stark beein - flußt von dem wesentlich formal begabten, aber ängstlichen, eitlen und charakterlosen Abt Wibald von Stablo1)Das Konzeptbuch seiner Briefe, von 1146 ab erhalten (Jaffé, Bibl. I) ist die wichtigste Quelle zur Erkenntnis der deutschen Politik jener Zeit., gedrückt durch längeres Siechtum des seit dem Kreuzzuge in seiner Kraft gebrochenen Königs, eingeschnürt durch völlige Mittellosigkeit, die gelegentlich gar den Gesandtschaftsverkehr hemmte, zeigt ein Bild kläglicher Ohnmacht. Die oft geplante und verschobene, endlich bestimmt festgesetzte Romfahrt kam doch nicht mehr zur Ausführung.

Im Innern gelang es zwar, den unruhigen Welf zu schlagen und durch überaus gnadenvolle, von dem jungen Schwabenherzog Friedrich vermittelte Anerbietungen zum Frieden zu bewegen (1150); aber bald brach die Feindschaft mit Heinrich dem Löwen, der seine bayrischen Ansprüche erneuerte, abermals zu hellen Flammen aus, und in offnem Trotze gegen den König vermochte sich der selbst - bewußte Welfe zu behaupten. Der gesamte Norden des Reiches begann sich überhaupt den Einflüssen der Zentralgewalt mehr und mehr zu entziehen und seine eignen Wege zu gehen, und die Er - folge der sächsischen Territorialpolitik bildeten weitaus den gesun - desten und erfreulichsten Teil der deutschen Gesamtentwicklung jener Tage. An der Stelle der friedlichen Heidenmission, deren Ergebnisse durch den törichten Wendenkreuzzug nahezu vernichtet wurden, trat hier in den nordöstlichen Grenzgebieten jetzt die Arbeit von Pflug und Schwert. Graf Adolf II. von Schauenburg war der erste Fürst, der westdeutsche Kolonisten, wie sie bis dahin in den Weser - und Elbgebieten mit ihrer überlegenen Ackerbautechnik Bodenmeliorationen durchgeführt hatten, über die Reichsgrenze in die verwüsteten Wendenlande Ostholsteins rief (seit 1143). Schon begann, teilweis im Wettbewerb mit ihm, Heinrich der Löwe sein von der Reichsgewalt so gut wie unabhängiges ostelbisches Slawen - reich auszubauen, in welchem das durch keine kirchlichen Rück - sichten beirrte weltliche Machtinteresse des Fürsten die Metropoli - tanrechte des Bremer Erzbischofs unsanft bei Seite schob und die Inhaber der neugegründeten oder hergestellten Bistümer ebenso als Beamten des Herrschers betrachtete, wie in dem sizilischenHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 8114II. Die Zeit der Staufer.Staate König Rogers. Noch in den letzten Jahren Konrads schuf sich auch der Markgraf Albrecht der Bär1)Vgl. über ihn O. v. Heinemann, A. d. B. 1864 und Krabbo, Forsch. z. brand. u. preuß. Gesch. 19, 371 ff. für die entgangene sächsische Herzogswürde östlichen Ersatz, indem er das branden - burgische Erbe des ihm befreundeten christlichen Hevellerfürsten Pribislaw antrat (1150), um nun auch in diesen für Deutschlands Zukunft so bedeutsamen Landen mit der Kraft derber Bauernfäuste das Germanisationswerk einzuleiten.

An dem allen hatte das Königtum keinerlei Anteil, und von dem Zuge weltfreudiger und zugreifender, in gewissem Sinne anti - kirchlicher Realpolitik, der hier zu Tage trat, gewahrte man sonst im deutschen Reiche erst schwache Spuren, fast nur sehnsüchtiges Wünschen und Hoffen, das des rechten Führers harrte. Bitter waren auch hier in den Zeiten des Kreuzzugs, da Eugen III. in Trier als der eigentliche Herrscher Deutschlands Hof hielt (Winter 1147 48), die unaufhörlichen und verletzenden Eingriffe des kurialen Regiments empfunden worden; war doch der Reichsver - weser und vornehmste Erzbischof Heinrich von Mainz zusammen mit dem von Köln ohne weiteres suspendiert worden, als er dem päpstlichen Rufe zum Konzil nach Rheims wegen dringender Ge - schäfte nicht entsprochen hatte! Wurden auch in diesen und ähn - lichen Fällen durch rechtzeitiges, reuiges Nachgeben ernstere Folgen vermieden, so blieb doch eine tiefe Mißstimmung bei den Betroffenen zurück, und der Boden ward so allmählich bereitet für einen er - neuten Zusammenschluß von Krone und Episkopat im Sinne der alten Verfassung. Auch Konrad III., der in den reichskirchlichen Rechts - und Machtfragen durchgängig ein noch schwächlicheres Entgegenkommen gezeigt hatte, als selbst sein Vorgänger, hatte jetzt doch, namentlich unter dem Eindruck der so ganz anders gearteten Verhältnisse von Byzanz, wenigstens Anwandlungen, in denen es ihn gelüstete, wider den päpstlichen Stachel zu löcken. Aber er vermochte seine Vergangenheit nicht mehr abzuschütteln; er fühlte sich überdies krank und schwach und war tief gebeugt durch den vorzeitigen Tod seines hoffnungsvollen Sohnes, des jungen Königs Heinrich (1150); der einzige Erfolg seiner Regierung, die Sicherung der Krone für sein Haus, ward dadurch zunichte!

Konrad trug den Namen seines Ahnherrn, des ersten Saliers; aber seine Art und seine Schicksale erinnern nicht an ihn, sondern an das verzweifelte und völlig erfolglose Ringen des ebenso ritter - lichen und liebenswürdigen Konrad I., und wie dieser vollbrachte auch er die einzige große Tat, für die ihm die Dankbarkeit Deutsch -115§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).lands gebührt, auf dem Sterbebette. Es mochte ihm schwer genug werden, als er sein siebenjähriges Söhnchen Friedrich überging und seinen schon gereiften und bewährten Neffen Friedrich von Schwaben durch Übersendung der Reichsinsignien als den erwünschten Nach - folger bezeichnete. Darin lag Rettung, falls die Wahl der Fürsten mit seinem Wunsche zusammentraf; denn für die beiden großen Aufgaben, die des neuen Herrschers harrten: die Beseitigung des staufisch-welfischen Zwiespalts in Deutschland und die Zurück - drängung der päpstlich-kirchlichen Übermacht in Europa war kaum eine geeignetere Persönlichkeit denkbar als Friedrich Barbarossa.

§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).

Weniger die Richtung und Ergebnisse von Friedrichs nicht eben schöpferischer Politik haben ihm im Andenken des deutschen Volkes einen Platz gleich hinter Karl d. Gr. verschafft, als seine starke, heldenhafte Persönlichkeit, der vollkommenste Ausdruck des deutschen Rittertums in seiner höchsten Blüte. Eben das Typische seines Wesens, das die höchsten weltlichen Zeitideale ver - körperte, bedeutete nicht etwa Schwäche, sondern durch Verminde - rung der Reibungen eine Verstärkung der Wirkungskraft. Auch innere Kämpfe haben diese Wucht kaum je gemindert. Selbstsicher und tatenfroh hatte er sein Leben bis an die Schwelle der dreißig durchgestürmt, frühzeitig gereift und fertig. Schon in der äußeren Erscheinung, der mittelgroßen, ebenmäßigen Figur, der modischen Tracht des rötlichblonden Haares und Bartes, der stetigen Heiter - keit seines Gesichtsausdrucks, entsprach er mehr dem neuen Ritter - ideal, als der ungeschlachten Kraftgestalt altgermanischer Recken. Noch mehr in Bildung und Wesen! Ohne Anwartschaft auf den Thron unliterarisch erzogen, so daß er beim Verkehr mit Fremden stets des Dolmetschers bedurfte, hatte er doch für deutsche Dich - tung, Geschichtschreibung und Baukunst förderndes Interesse, ge - wann, durch Personengedächtnis und natürliche Redegabe unter - stützt, leicht die Herzen, beherrschte völlig die höfischen Formen und hielt vor allem streng die Krone der Zucht, die vielgepriesene mâze inne. Wenn er im Kriege, der lustigen Jagd , diese Grenze für unser Gefühl gelegentlich überschritten zu haben scheint, am Feldstreit selbst eine wilde Freude zeigte, einen leichten Kampf gegen Mittelitaliener einmal verächtlich Knabenspiel, nicht Männer - arbeit nannte, zur Niederzwingung von Rebellen auch grausame Mittel, wie vor Crema die Anheftung der Gefangenen an die Belagerungs - werkzeuge zu deren Schutz, nicht verschmähte, so dachten die ritter -8*116II. Die Zeit der Staufer.lichen Zeitgenossen da doch anders. Und Friedrich war nicht nur persönlich von zugreifender Unerschrockenheit und zäher Unermüd - lichkeit, so daß er etwa beim Brande eines Belagerungswerkes selbst die Löscharbeit leitete oder bei Eilmärschen seine Mahlzeit im Sattel einnahm, sondern auch trefflicher Heeresorganisator und kühner, umsichtiger Feldherr.

Im Mittelpunkt seines Vorstellungskreises aber stand die Idee der Gerechtigkeit, der Leitstern seines Handelns, die Hauptquelle seiner furchtgebietenden Stellung und seiner volkstümlichen Beliebt - heit. Als Richter kannte er kein Ansehen der Person und keine verwandtschaftliche Rücksicht; selbst eine Begnadigung am Krönungs - tage erschien ihm als eine Verdunkelung der Gerechtigkeit. Fest auf das Recht fußend, hat er alle großen Erfolge seiner Politik errungen; denn was er andern zubilligte, nahm er auch für sich und das Königtum voll in Anspruch. Kein noch so alter Rechts - titel, den er nicht hervorgeholt und unbekümmert um jeden Wider - stand verfochten hätte, sagte doch ein Vertrauter von ihm, er habe nicht völlig gelernt, auch seine Feinde zu lieben. Wie mußte solcher Rechtskampf der deutschen Kronmacht zustatten kommen! Und auch in der europäischen Politik verlieh ihm dies Rechtsge - fühl eine ungebrochene Frische und Schwungkraft. Über alle Rück - schläge hinweg, nicht ohne überraschende Schwenkungen, aber stets großzügig und rastlos, hat er in langer Regierung sein politisches Ansehen, je ausschließlicher er selbst den Ton angab, um so mehr zu steigern verstanden, bis der greise Held von der vollen Höhe plötzlich entrückt ward, und der Glanz seines Andenkens nun die trüberen Tage seiner Regierung völlig überflutete. 1)Für eine abschließende Geschichte Fs. I. fehlen noch die Vorarbeiten, die Neubearbeitung der Böhmerschen Regesten, die Scheffer-Boichorst unfertig hinterließ, und die Ausgabe der Urkunden. Von den Darstellungen ist die von Prutz (3 Bde. 1871 74) kaum noch zu brauchen, weitaus am besten die von Giesebrecht im 5. u. 6. Bde., die in manchen, aber nicht erheblichen Einzelheiten für die Jahre 1152 58 überholt ist durch die Stoffzusammen - fassung von Simonsfeld, Jahrb. d. d. Reiches unter Friedr. I. 1908.

Die Einmütigkeit seiner Wahl (4. März 1152) erklärte sich dadurch, daß er, der von Konrad III. designierte Staufer, zugleich durch seine Mutter, die Schwester Heinrichs des Stolzen, nächster Anverwandter des Welfenhauses war und die babenbergische Politik seines Vorgängers keineswegs gebilligt hatte. So verband er in der Tat wie ein Eckstein die auseinanderstrebenden Wände des Reiches und bot allein Aussicht auf den ersehnten friedlichen Ausgleich. Darauf ist denn auch in den ersten Jahren sein heißestes Bemühen gerichtet gewesen. In diesem Entgegenkommen gegen bisher be -117§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).kämpfte starke Laiengewalten gemahnen seine Anfänge an die Heinrichs I. Wie dieser in Bayern geradezu eine landesherrliche Gewalt hatte dulden müssen, so gestand Friedrich seinem Vetter Heinrich dem Löwen jetzt seine weitgehenden Hoheitsansprüche über seine transalbingischen Slawenlande samt der Bischofsinvestitur zu und erkannte insbesondere auch sein Recht auf das bayrische Herzogtum an (1154). In mühevollen weiteren Unterhandlungen mit dem dadurch hart betroffenen Babenberger Heinrich hat er dann endlich einen beiderseits befriedigenden Ausgleich erzielt (1156). Durch gänzliche Abtrennung von Österreich wurde Bayern abermals verkleinert und dadurch vollends zu einem innerdeutschen Territorium. Trotz dieser Einbuße blieb die nun vom Reiche an - erkannte Machtstellung des Welfen gewaltig genug und für die Krone in der Folgezeit nur dadurch erträglich, daß Kaiser und Herzog bald völlig getrennte Wege nach Südwest und Nordost einschlugen und sich daher eine Weile freundvetterlich fördern konnten, Heinrich durch Teilnahme an den Romzügen, Friedrich durch gelegentlichen Druck auf die geistlichen und weltlichen Großen Sachsens, von denen Albrecht der Bär sich eben damals in dem neuerworbenen Slawengebiet seiner Mark Brandenburg eine landes - herrliche Stellung schuf, ähnlich derjenigen Heinrichs d. L. in Transalbingien.

Auch in Bayern galt es die andern Bewerber um das Herzog - tum abzufinden. Herzog Welf VI. war schon früher (1152) da - durch gewonnen, daß Friedrich ihm, anknüpfend an die von Lothar begründeten italienischen Ansprüche des Welfenhauses, Tuszien, Spoleto und das mathildische Gut zugestanden hatte. Der Baben - berger Heinrich wurde erst jetzt nach längerem Streben zufrieden - gestellt, indem ihm für das neugeschaffene Herzogtum Österreich ganz einzigartige Vergünstigungen verbrieft wurden, die auch hier, wie auf dem gesamten östlichen Kolonialboden des Reiches die Entwicklung zur Landesherrschaft beförderten. 1)Der dynastische Anspruch auf das Herzogtum wurde in weitestem Umfange sichergestellt durch Mitbelehnung von Heinrichs Gemahlin, weibliche Erbfolge und Verfügungsrecht bei erbenlosem Tode; die herzogliche Regierungs - gewalt gestärkt durch den Ausschluß jedes fremden Gerichts; endlich die Ab - hängigkeit vom Reiche gelockert durch Beschränkung der Leistungen: der kriegerischen Beihilfe auf die Österreich benachbarten Gebiete und der Hof - tagspflicht auf die Tage in Bayern. Die verfassungsgeschichtlich so überaus wichtige Urkunde Friedrichs v. 17. Sept. 1156, das sog. privilegium minus vgl. M. G. Const. I, 220 und bei Erben. Seine Echtheit ist dargetan durch die Untersuchungen von Wattenbach, Ficker u. Huber. Der Versuch von Erben, D. Privilegium F. I. f. d. Herz. Öst. (1902), spätere Interpolationen Herzog Friedrichs d. Streitbaren aus der Zeit von 1243 / 44 in der Urkunde nachzuweisen, hat nur zu noch sicherer Erkenntnis ihrer völligen Echtheit ge -

118II. Die Zeit der Staufer.

Die Krone hatte nach beiden Seiten Opfer gebracht, um den ersehnten Frieden im Reiche herzustellen. Die Anfänge Friedrichs waren mühselig genug. Wie hätte sich von heute auf morgen Schwäche in Macht verwandeln können! Es galt durch kluge Rücksichtnahme auf die Fürsten, auf deren Wunsch er etwa Heer - fahrten gegen Ungarn und Burgund aufgab, erst einmal Boden zu gewinnen. Und schon machten sich die errungene Einheit und kräftigere Leitung nach außen geltend; im Norden und Osten ge - wann das Reich seine vorherrschende Stellung zurück. Polen wurde in rascher Heerfahrt zu vorübergehender Unterwerfung gezwungen (1157), Pommern ihm abgewandt und Schlesien an deutschfreund - liche Fürsten gebracht. An dem abermals und nun dauernd zur Königswürde (1158) erhobenen Böhmenherrscher gewann Friedrich einen treuen Mitarbeiter und zu seinem zweiten Römerzuge selbst von Ungarn kriegerische Beihilfe.

Aber auch im Innern Deutschlands war das Königtum Barba - rossas trotz aller anfänglichen Vorsicht des Auftretens entfernt nicht jener Schemen , als den von Sybel es dargestellt hat. Noch be - stand eine Fülle königlicher Rechte, die den Träger der Krone, wenn er sie zu nutzen verstand, den Fürsten gegenüber hoch hinaus - hob über die Stellung eines ersten unter gleichen . Und Friedrich war der Mann, sie wahrzunehmen! Als ein umsichtiger Haushalter begann er sogleich den unmittelbaren Kronbesitz zu sammeln und nach allen Seiten auszudehnen. Von dem Kern seiner schwäbischen Hausgüter aus reichte nordöstlich bald eine nahezu geschlossene Kette königlicher Besitzungen über Nürnberg und Eger bis ins Vogtland. Westlich schuf Friedrich zwischen dem mittelrheinischen Reichsbesitz und der burgenbeherrschten oberrheinischen Tiefebene der staufischen Macht einen neuen Stützpunkt, indem er die Rhein - pfalz seinem Stiefbruder Konrad übertrug (1156). Und vom Elsaß griff er noch weiter nach dem Südwesten aus; denn nach Scheidung seiner ersten kinderlosen Ehe vermählte er sich 1156 mit der Erbin der Grafschaft Hochburgund, Beatrix, die nun die Stammmutter aller späteren Staufer wurde. Der unmittelbare Besitz, den sie ihm zubrachte, war höchst bedeutend, und daran anknüpfend, wußte Friedrich, der den Einfluß des burgundischen Rektors Berthold von Zähringen ostwärts auf die schweizerischen Gebiete abzulenken ver - stand, hier nun allenthalben alte Reichsrechte, die ein volles Jahr -1)führt. Zur Orientierung vgl. Simonsfeld, Jahrb. F. I., S. 468 ff., 709 ff. Das früher für echt gehaltene privilegium maius mit noch viel reicheren, aber stark anachronistischen, erst durch die Goldene Bulle von 1356 erklärlichen Zu - geständnissen hat sich als Fälschung Herzog Rudolfs IV. von 1358 / 59 her - ausgestellt.119§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).hundert geruht hatten, wahrzunehmen. So erwarb er Burgund dem Reiche gewissermaßen zum zweiten Male. Lockend öffnete sich ihm von dort ein neuer Alpenweg nach Oberitalien, und die Zahl der kriegerischen Kräfte, die dem Herrscher namentlich in den ebenso verwaltungskundigen, wie kampfesfrohen Reichsministerialen zur Verfügung stand, schwoll erheblich an durch den Zuwachs der Tausende von neuen burgundischen Vasallen seiner Gemahlin.

Aber das deutsche Königtum war ja damals noch keineswegs ausschließlich angewiesen auf seine unmittelbare Hausmacht; noch hatte es die in alle Territorien eingreifenden Regalien nicht grundsätzlich aus der Hand gegeben, es gehörte nur zum Rechte die Persönlichkeit! Wie verständnisvoll und energisch Friedrich auch hier seine Königs - pflicht erfüllte, bewies schon in diesen Jahren die Befreiung der Mainschiffahrt von unrechtmäßigen Zöllen (1155). 1)Für die energische Wahrnahme der Regalien durch Friedrich vgl. im übrigen R. Scholz, Beitr. z. Gesch. d. Hoheitsrechte d. deutschen Könige z. Zeit d. ersten Staufer. 1896.Auch das Königs - gericht wurde durch seine strenge und gerechte Handhabung wieder zu einer geachteten und gefürchteten Macht im Reiche; selbst die angesehensten Fürsten bekamen es zu fühlen, daß eine Verletzung der Reichskriegspflicht ebenso unnachsichtig bestraft wurde, wie der Friedensbruch. An die Bestrebungen Heinrichs IV. anknüpfend, hatte Friedrich, wie es scheint2)Vgl. über die Streitfrage Simonsfeld, Jahrb. S. 59 ff., 674 ff., schon bald nach seiner Erhebung ein allgemeines Landfriedensgesetz erlassen, welches die Normen aufstellte, die freilich erst durch einzelne beschworene Provinzial - frieden tatsächlich Geltung erlangten, aber immerhin den Keim einer neuen Reichsgesetzgebung bildeten. Die Wirkung solcher Bestrebungen, gesteigert durch den Ausgleich mit den Welfen, war bald genug zu spüren; nach allem Elend der letzten Zeiten konnte ein Annalist schon zum Jahre 1157 vermerken: Fülle des Friedens .

Das bedeutsamste Moment für die Neukräftigung des deut - schen Königtums war indes, daß es gelang, die alte, von Otto d. Gr. gelegte, aber schon halb zerstörte Regierungsgrundlage zum großen Teile wiederherzustellen: die enge Verbindung von Krone und Episkopat. 3)Über Friedrichs Stellung zur deutschen Kirche vgl. das gründliche, aber in einigen Auffassungen etwas zu künstliche Buch von Wolfram, F. I. u. d. Wormser Konkordat 1883. Dazu Hauck, F. Barb. als Kirchenpolitiker, Lpz. Rektoratsrede 1898; D. Schäfer, Z. Beurt. des Worms. Konk. S. 60 ff.Friedrichs Rechtssinn begegnete sich hier mit der Zeitströmung. Die Worte, die ihm ein späterer Chronist in den Mund legt: den Zugeständnissen der früheren Kaiser bezüglich der Bischofseinsetzungen werde er Rechnung tragen, da sie es so ge - wollt hätten; den Rechtsbestand aber, den er noch vorgefunden,120II. Die Zeit der Staufer.halte er mit Zähigkeit fest1)Arnold v. Lübeck III, 18 mit Bezug auf das Spolienrecht., könnte er immerhin gesprochen haben. Dieser Rechtsbestand war nach deutscher Art nirgends ausdrück - lich aufgezeichnet; er war das Gewohnheitsrecht, das in einigen wichtigen Streitpunkten durch die Abmachungen des Wormser Kon - kordats2)Eben weil noch die ganze Rechtsentwicklung mündlich war, kannten schon nach einer Generation nicht einmal Nächstbeteiligte, wie Bischof Otto v. Freising, mehr den genauen Inhalt des Konkordats. abgewandelt worden war. Wie alles Gewohnheitsrecht hatte es die Neigung, dem Drucke von Macht und Persönlichkeit nachzugeben. War in den letzten Jahrzehnten das deutsche König - tum der weichende Teil gewesen, so wurde nun diese Bewegung unter Friedrich rückläufig.

Er nutzte jede der Krone noch verbliebene Handhabe, um ihr tatsächlich den maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der Bischofsstühle zurückzugewinnen. Hatten die beiden letzten Herrscher auf die kirchlichen Bedenken gegen die durch die königliche Gegen - wart hervorgerufene Beeinträchtigung der Wahlfreiheit Rücksicht genommen über das Konkordat hinaus, so wußte Friedrich meist schon bei der Aufstellung des Bewerbers seinen Willen nach - drücklich zur Geltung zu bringen. Kam es gleichwohl zur Doppel - wahl, so pflegte er rücksichtslos und nicht immer im Einklang mit dem Geiste des Konkordats einzugreifen und seinem Kandidaten durch eine Neuwahl die Anerkennung zu verschaffen. So trug er gleich im Beginn mit der Einsetzung des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg einen eindrucksvollen Erfolg über die widerstrebende Kurie davon (1153). Bald tat er noch einen Schritt weiter und ließ sich von den Fürsten für solche Fälle den Anspruch bestätigen, mit Übergehung beider Bewerber von sich aus einen beliebigen Dritten einzusetzen (das sog. Devolutionsrecht). Den in letzter Zeit zutage getretenen Bestrebungen der Kurie, ihren Einfluß an die Stelle des königlichen zu setzen, trat er erfolgreich entgegen, indem er den weltlichen Mitgliedern der Wahlkörper die Stimmberechtigung wahrte3)Über die gegenteiligen Bestrebungen der Kurie vgl. v. Below, D. Entstehung d. ausschließl. Wahlrechts der Domkapitel 1883. und Appellationen nach Rom hemmte. Streng hielt er darauf, daß erst die königliche Investitur den Erwählten in den Genuß der Regalien setze, und daß sie der Weihe voranzugehen habe. 4)Daß Friedrich diese Reihenfolge entgegen den Konkordatsbestimmungen auch für Italien und Burgund durchzusetzen versucht habe, wie Wolfram a. a. O. und Zeitschr. f. Kirchengesch. 8 meint, ist doch schwerlich richtig, wenn er auch während des Kirchenstreits die Investitur gelegentlich not -Den Mißbräuchen, die sich in dieser Hinsicht in der Salz - burger Kirchenprovinz unter Duldung der Krone eingeschlichen121§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).hatten, trat er sofort mit aller Schärfe entgegen; der Bischof Hart - wich von Regensburg wußte (1155) ein Lied davon zu singen.

Wie Friedrich die Bischöfe in erster Linie als Reichsbeamte betrachtete, so zog er die Reichsforderungen kräftig an. Unnach - sichtiger und regelmäßiger, als man das unter seinen Vorgängern gewohnt gewesen war, nutzte er das Regalien - und Spolienrecht1)D. h. die Einziehung der Bistumseinkünfte während einer Vakanz und des beweglichen Nachlasses eines verstorbenen Bischofs für das Reich: beides Übertragung von Bräuchen des Eigenkirchenrechts auf das Reichskirchengut, auch das letztere zum mindesten keine völlige Neuerung Friedrichs, wie man wohl gemeint hat, sondern in den Anfängen viel weiter, sicher in das 11. Jahrh., zurückreichend. Für das Nähere ist auf die Verfassungsgeschichte zu verweisen., ohne daß zunächst Klagen darüber verlautet wären. Vielmehr voll - zog sich die Umgestaltung des hohen Klerus ganz in Friedrichs Sinne und merkwürdig schnell. Der Tod Bernhards von Clairvaux (1153) bedeutete den endgültigen Abschluß der durch ihn gekenn - zeichneten Epoche. Statt von Pietisten seiner Richtung wurden die deutschen Bischofssitze nun eingenommen von weltlichgesinnten, praktischen Verwaltungsmännern, geschäftskundigen Politikern und Diplomaten, die womöglich aus der königlichen Kanzlei hervorge - gangen waren und sich mehrfach sogar im Felde als treffliche Heerführer bewährten. Der religiöse Geist und die Hingabe an die kirchlichen Ideale waren nicht mehr ausschlaggebend für die Auswahl. Männer wie der Propst Gerhoh von Reichersberg ver - einsamten mehr und mehr im höheren deutschen Klerus, aber auch jene ängstlichen und schwankenden Vermittlungsnaturen wie Wibald von Stablo ( 1158) gerieten bald ins Hintertreffen. In ihrer Selbständigkeit von den absolutistischen Bestrebungen der Kurie weit mehr bedroht, als von dem deutschen Königtum, scharten sich die Bischöfe freudig um den jungen Herrscher, dessen selbst - bewußte Kraft ihnen den Rücken steifte, eine stolze Reihe hochgemuter, weltfreudiger, feingebildeter, tatenlustiger, vaterlands - liebender Männer! Auch manchem jener maßvollen älteren Prä - laten, die geteilt und sorgenvoll die Konflikte der letzten schweren Zeiten durchkämpft hatten, ging doch das Herz auf unter dem frischen Hauche der neuen Zeit. Otto von Freising, der noch vor kurzem den Trübsinn seiner eignen Seelenstimmung in der Welt - geschichte widergespiegelt fand, pries nun in seinen Taten Frie - drichs (1157 / 58) den Friedenspender, der nach finsterer, regne - rischer Nacht die Frische eines heiteren Morgens wieder herauf - geführt habe.

4)gedrungen ohne vorhergegangene Weihe erteilt hat, vgl. die Götting. Dissertation von Reese 1885; Bresslau, Aufgaben mittelalt. Quellenforschung, Straßb. Rekt. - rede 1904, S. 29.

122II. Die Zeit der Staufer.

Konnte dieser Friede der Kurie gegenüber von Dauer sein? Eine Weile ward er noch durch die Gemeinsamkeit der italienischen Interessen aufrecht erhalten. Eugen III. sah sich nach wie vor auf die deutsche Hilfe gegen die aufständischen Römer und feind - lichen Normannen angewiesen. Friedrich war umso mehr bereit, sie zu leisten, als er nach der Kaiserkrone verlangte. Sie aus den Händen der römischen Revolutionäre zu nehmen, die ihm dies Anerbieten in stolz-überlegenem Tone machten, daran dachte er nicht entfernt; er hielt hier wie stets an dem historischen Rechte fest und konnte die Krönung ja auch vom Papst als Gegengabe erwarten. Kurie und Königtum waren endlich gleichmäßig daran interessiert, eine erneute Festsetzung der Griechen in Italien unter dem ehrgeizigen Kaiser Manuel zu verhindern. Diese beiderseitigen Wünsche fanden ihren Ausdruck in dem Konstanzer Vertrage von 1153. Ein baldiger Romzug sollte dem Papste Sicherheit gegen seine römischen und normannischen Feinde, dem deutschen König die Kaiserkrone und die geistliche Hilfe der Kurie gegen alle Reichsfeinde bringen. Eugen III. erlebte das Unternehmen nicht mehr ( 1153), aber auch seine Nachfolger hielten an dem Ver - trage fest.

Friedrichs erster Romzug (1154 / 55) nahm noch keinen glän - zenden Verlauf und konnte in Zielen und Ergebnissen wohl an die erste Romfahrt Lothars erinnern. Bei den damals noch un - ausgeglichenen deutschen Gegensätzen bestand das kriegerische Auf - gebot nur aus 1800 Rittern. Gleichwohl verriet das Auftreten des Königs ein lange nicht mehr gekanntes, stolzes Selbstbewußtsein. In der Lombardei klangen bereits vernehmlich die Motive des künftigen großen Dramas an: das an Lothar anknüpfende Lehens - gesetz mit seiner gegen die städtischen Aneignungen gerichteten rückwirkenden Kraft, feindliche Reibungen mit dem trotzigen Mai - land, die zur Belagerung und Zerstörung seiner Bundesgenossin Tortona, zum schützenden Eintreten für seine vergewaltigten kleinen Nachbarn führten, endlich in Bologna die freundschaftliche An - knüpfung mit den gelehrten Vertretern des zu neuem Leben er - weckten römischen Rechts. Noch fehlte zur Durchführung des bereits klar erkennbaren Programms die Macht. Auch Rom gegen - über war es sehr zweifelhaft, ob man mit den unzulänglichen Streit - kräften auch nur den zur Krönung nötigen Eintritt erzwungen haben würde, wenn nicht kurz vorher ein Umschwung zugunsten der Kurie erfolgt wäre.

Der Wechsel der Zeitströmung ergriff auch das Papsttum und führte tatkräftige Politiker an die Spitze der Kirche. Ha - drian IV. (1154 59), bis heute der einzige Engländer auf dem123§ 10. Die Anfänge Friedrichs I. (1152 1157).päpstlichen Stuhle, war eine energische Persönlichkeit, aus tiefstem Elend durch eigne Kraft emporgestiegen bis zum Kardinalat, dann erfolgreich bemüht um die selbständige Gestaltung der norwegischen Kirche, als Papst gegenüber dem Aufschwung der weltlichen Mächte überzeugt von der Notwendigkeit eines Zurücklenkens in die gre - gorianischen Bahnen, zu schrofferen Maßnahmen und schärferer Tonart geneigt, wenn auch durch Widerstände im Kardinalskolleg öfter gehemmt. 1)Haucks Versuch, ihn als schwankenden, widerspruchsvollen Schwächling hinzustellen, erscheint mir recht unzutreffend, vgl. Hist. Zeitschr. 93, 412.Hinter ihm stand, wie Hildebrand hinter Ale - xander II., als sein Hauptberater der Kardinal Roland, aus Siena gebürtig, von hervorragender Begabung und Bildung, eine Zeitlang hochgeschätzter Lehrer des Kirchenrechts in Bologna, jetzt als päpst - licher Kanzler mit allen Geschäften vertraut, feurig und scharf, von raschem Entschlusse und nachhaltiger Kraft, der Führer der vor - wärtsdrängenden Kardinalspartei.

Ihr gelang alsbald ein erster bedeutender Erfolg: durch das äußerste, der auf die Pilgerscharen angewiesenen Stadt gegenüber noch nie angewandte Mittel des Interdikts erzwang Hadrian von den Römern die Ausweisung Arnolds von Brescia (Anf. 1155), seines Hauptgegners. Volle Einmütigkeit zwischen Kurie und Rom war gleichwohl nicht zu erzielen, und vom Süden her schien die Gefahr noch zu wachsen, als nach dem Tode Rogers II. (1154) sein Sohn Wilhelm I. ob der Verweigerung des Königstitels den Krieg gegen den Kirchenstaat begann. Friedrichs Eingreifen blieb also dringend notwendig. Als er sich jetzt Mittelitalien zuwandte, zeigte er dem Papste zunächst seinen guten Willen zur Durch - führung des Konstanzer Vertrages, indem er den an die tuszische Grenze geflüchteten Arnold gefangen nehmen und dem päpst - lichen Präfekten von Rom überantworten ließ. Zur Hinrichtung durch den Strang verurteilt, erlitt der kühne Gegner des ver - weltlichten Papsttums standhaft den Märtyrertod und sicherte nicht zum wenigsten eben dadurch seinen Ideen weitere Wirkungs - kraft.

Führte nun dieser erste wertvolle Dienst, den Friedrich dem Papste geleistet hatte, zu ferneren herzlichen Beziehungen? Es ist unmöglich, das tiefe Mißtrauen zu verkennen, das bei der ersten persönlichen Zusammenkunft in Sutri hüben und drüben obwaltete. Was sich schon gleich im Beginn angedeutet hatte, als Friedrich sich mit der bloßen Wahlanzeige an den Papst begnügte und dann doch die unerbetene Approbation erhielt, das wiederholte sich jetzt in schrofferen Formen, als der König den ihm unwürdig erscheinen -124II. Die Zeit der Staufer.den Stallmeisterdienst des Steigbügelhaltens und Roßführens1)In Übereinstimmung mit der konstantinischen Schenkung wurde der Dienst zuerst von Pippin, dann Ludwig II., später von Heinrichs IV. Sohn Konrad und Lothar III. den Päpsten geleistet. dem Papste weigerte und erst nachgab, als die älteren Reichsfürsten das als Herkommen bezeugten. Gleichwohl wurde die Kaiserkrönung in der Leostadt glücklich vollzogen (1155); das eigentliche Rom aber behaupteten die von Friedrich schroff abgewiesenen Römer in umso heftiger entbrennender Feindseligkeit. Nun geschah das Un - erwartete: ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zur Durch - führung des Konstanzer Vertrages zu machen, obschon die inneren Wirren Siziliens wohl zu einem Angriff hätten locken können, führte Friedrich gegen seinen eigenen Wunsch auf das dringende Ver - langen der Fürsten und drohende Mahnungen der italischen Sommer - hitze sein Heer nach Deutschland zurück. Damals rettete ihn beim Durchzug durch die Veroneser Klause die Tapferkeit des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach aus gefährlicher Lage.

Rein sachlich waren für Friedrich die Ergebnisse der Rom - fahrt: der Gewinn der Kaiserkrone und eine gründliche Kenntnis - nahme der ober - und mittelitalischen Verhältnisse, mit dem be - scheidenen Einsatz verglichen, noch immer zufriedenstellend; weniger unter dem Gesichtspunkte seines Ansehns, am wenigsten, soweit sein Verhältnis zur Kurie in Betracht kam. Konnte man es ihr verdenken, wenn sie in tiefer Verstimmung nun ihrerseits den Kon - stanzer Vertrag mehr und mehr fallen ließ? Zunächst versuchte sie noch, die durch eine schwere Erkrankung des Herrschers über - aus mißlichen Zustände Siziliens im Zusammenwirken mit den Griechen zu eigner Eroberung auszunutzen. Dann aber, als Wil - helm I. gesundete und erstarkte, vollzog Hadrian, nur von einer Minorität der Kardinäle unterstützt, mit dem Vertrage von Benevent (1156) entschlossen die große Schwenkung der päpstlichen Politik. Er erkannte Wilhelm als seinen zinszahlenden Lehensmann im vollen Besitz seiner Königswürde und seines Reiches an, das er gegen jedermann zu verteidigen versprach, und gestand ihm im wesent - lichen auch die schon von Roger beanspruchten Rechte über die sizilische Kirche, namentlich den maßgebenden Einfluß auf die Ein - setzung der Bischöfe zu. Dies einseitige, unter Nichtachtung aller Reichsansprüche auf Unteritalien geschlossene Abkommen stand zu dem Konstanzer Vertrag, auch wenn er es nicht ausdrücklich ver - bot, unzweifelhaft im schroffsten Widerspruch. Gleichwohl war es müßig, über Treubruch zu klagen. Staatsverträge werden nicht auf Ewigkeit geschlossen! Die Voraussetzung, in dem neuen deutschen König, wie in seinen Vorgängern, ein gefügiges Werkzeug der kurialen125§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinolds v. Dassel (1157 1167).Interessen zu finden, hatte sich nicht erfüllt; man bedurfte eher einer Stütze gegen ihn. Da war die Schwenkung begreiflich, vom Standpunkt der päpstlichen Weltmachtpolitik vielleicht notwendig. Aber sie bedeutete, darüber konnte kaum ein Zweifel bestehen, den Bruch mit dem kaiserlichen Hofe. So ward sie auch dort ver - standen. Alsbald setzte eine steigende Spannung ein. Noch war die Möglichkeit in Rechnung zu ziehen, daß die starke kaiser - freundliche Kardinalspartei unter dem gegenwärtigen oder einem folgenden Papste die Oberhand gewinnen und einlenken möchte. Andernfalls war Friedrich zum Widerstande entschlossen; und da war es von hoher Bedeutung, daß er eben in diesem Augenblicke einen Helfer fand, der die Kraft und den Willen hatte, der päpst - lichen Feindseligkeit nötigenfalls auch mit wuchtigem Angriff zu begegnen.

§ 11. Reaktionäre Politik unter dem Einflusse Reinalds v. Dassel (1157 1167).

Reinald von Dassel1)Die ältere Biographie von J. Ficker 1850, seinerzeit eine sehr tüch - tige Leistung, ist heute in Auffassung und Einzelheiten zu übertreffen. Eine Vorarbeit bieten die Regesten der Kölner Erzb. II (1901) von Knipping. Eine neue Biographie steht demnächst von einem meiner Schüler C. Schambach in Aussicht., als zweitgeborener Sohn aus dem an der Weser ansässigen Grafengeschlecht früh zum Geistlichen be - stimmt, erwarb sich auf den Schulen von Hildesheim und Paris seine theologisch-philosophische Bildung, wurde als Propst mehrerer Stifter seiner Heimat in die praktische Verwaltung eingeführt, dann von Friedrich auf den verantwortungsvollen Posten des Reichs - kanzlers gehoben (1156). Mit der wachsenden Spannung zur Kurie trat er jetzt in den Vordergrund der kaiserlichen Politik, als eine der glänzendsten Erscheinungen der gesamten deutschen Geschichte. Neben dem schwäbischen Kaiser stand hinfort die kräftiggedrungene Gestalt des blonden Niedersachsen, heiter und diesseitsfreudig, um - gänglich zugleich und schroff, zugreifend und freigebig, baulustig und literarisch interessiert, in den Schriften und Dichtungen der Alten ebenso bewandert, wie ergötzt durch die übermütigen Verse des von ihm geförderten Erzpoeten.

Die reiche Begabung und den ungestümen Tatendrang seiner ungebrochenen Kraftnatur stellte er ganz in den Dienst der kaiser - lichen Sache. 2)Daß persönlicher Ehrgeiz und Eigennutz diese Hingabe beeinträchtigt hätten, wie noch Ficker annahm, ist schwerlich mehr haltbar.Ihm, dem klugen und sprachgewandten Unter -126II. Die Zeit der Staufer.händler, fielen die schwierigsten diplomatischen Missionen zu, dem umsichtigen, durchgreifenden Organisator die bedeutendsten Ver - waltungsaufgaben; auch als Feldherr hat er sich trotz seiner geist - lichen Würden trefflich bewährt. Furcht und Zaudern waren ihm fremd; die Gefahr reizte ihn zu oft verblüffender Kühnheit. Mit nur zehn Rittern hat er einmal eine Schar von etwa drei - hundert Ravennaten überrumpelt und gefangen genommen, im ent - scheidenden Augenblicke griff er wohl persönlich in den Kampf ein. Kein Rückschlag vermochte ihn zu beugen, von Tag zu Tage , sagt ein Chronist, wuchs er über sich selbst hinaus , bis er aus leuchtender Höhe durch den Tod entrafft ward.

Eben dies plötzliche Hinschwinden, das ihm die Enttäuschung des Abstiegs ersparte, kann uns leicht zu einem allzu günstigen Urteil über ihn verleiten. 1)So etwa neuerdings Hauck.Daß sein Gesamteinfluß auf Friedrichs Politik schlechthin günstig gewesen wäre, läßt sich doch nicht sagen. Freilich wird sich wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie stark dieser Einfluß gewesen ist, wie weit Reinald über die Stellung eines ausführenden Organs zum tatsächlichen Leiter der Politik emporwuchs. Schwerlich hat sich ein Herrscher wie Friedrich, wenn er auch seinem Kanzler gern einen freimütigen Ton gestattete, von ihm in der Weise vergewaltigen lassen, wie das kirchliche Gegner wiederholt zu verkünden für gut hielten. Volle Übereinstimmung in der politischen Gesamtrichtung wird unbedingt vorauszusetzen sein. An radikale Utopien, wie die kirchliche Losreißung Deutsch - lands von Rom hat Reinald sicher nicht gedacht. 2)Diese noch von Ficker geteilte Annahme stützte sich auf Briefe, die den Plan erörtern, den Erzbischof Hillin von Trier als deutschen Papst auf - zustellen, die aber von Jaffé, Arch. f. öst. Gesch. 14 seitdem als Stilübungen erwiesen sind.Wie Friedrich, wollte er die noch verbliebenen Rechtstitel und Machtmittel des deutschen Königtums so kräftig anspannen, daß ihm womöglich die Stellung der Ottonen und ersten Salier zurückgewonnen würde, insbesondere durch eine Neukräftigung der deutschen Reichskirche, durch tatsächliche Beherrschung Italiens und politischen Druck auf das Papsttum. Immerhin hat sein stürmisches Temperament den Kaiser auf diesem Wege sicher weiter fortgerissen, als jener selbst gegangen sein würde, weiter, als eine vorsichtige Abschätzung der entgegenstehenden Hemmnisse erlaubt hätte. In seiner schrofferen Art hat er dann die eingeschlagene Richtung mit gewaltsameren Mitteln verfolgt und in seinem schrankenlosen Optimismus einen hochmütig-rücksichtsloseren Ton angeschlagen, als taktisch nützlich war und seinem Herrn im einzelnen lieb sein mochte. Und als127§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).die Gegenwirkung immer mächtiger anschwoll, das gregorianische Papsttum in der Verteidigung seiner Unabhängigkeit an der natio - nalen Empfindlichkeit Westeuropas und dem Freiheitsdrang der lombardischen Städte die kräftigsten Stützen fand, hat er Friedrich, der ohne ihn in seiner maßvolleren Weise vielleicht eingelenkt haben würde, mit seinem zähen, niederdeutschen Starrsinn bis an sein Ende in der Bahn festzuhalten verstanden. Niemand weiß, welch 'neue Mittel der erfindungsreiche Geist des Kanzlers noch ersonnen hätte, um aus der bedenklichen Lage, die durch die römische Katastrophe von 1167 plötzlich enthüllt wurde, heraus - zukommen; aber die Erbschaft, die er seinem kaiserlichen Herrn hinterließ, war nicht beneidenswert. Bei dem allen ist freilich scharf zu betonen, daß Reinalds Politik ebensowohl Abwehr wie Angriff war, daß zwei Offensiven aufeinander stießen.

Schon im Jahre 1157 kam es auf dem Reichstage zu Be - sançon zu einem hitzigen Vorgefecht. 1)Vgl. für das folgende die in einigen Punkten zu überholende Studie von Ribbeck, F. I. u. d. röm. Kurie 1157 59 (1881).Erzbischof Eskil von Lund, der sich in Rom unter Verletzung der älteren bremischen Ansprüche den Primat über Dänemark und Schweden hatte übertragen lassen, war bei seiner Rückkehr auf burgundischem Reichsgebiet von Übel - tätern überfallen und gefangen gehalten. In einem Beschwerde - schreiben Hadrians, das dem Kaiser in Besançon von zwei päpst - lichen Kardinallegaten, darunter Roland, überreicht wurde, war die Wendung gebraucht, der Papst bereue trotzdem die Übertragung der Kaiserkrone an Friedrich nicht und würde sich sogar freuen, wenn er ihm noch größere Benefizien verliehen hätte. Man kannte bei Hofe zur Genüge die seit Gregor VII. auf Lehenshoheit über das Kaisertum gerichteten Weltherrschaftswünsche der Kurie, wie sie auch in jenem Lateranbilde ihren Ausdruck fanden, das Kaiser Lothar als Lehnsmann des Papstes darstellte. Die Gespanntheit der Lage und das selbstbewußte Auftreten der Legaten schienen keinen Zweifel daran zu lassen, daß die Zweideutigkeit des Aus - drucks Benefizien beabsichtigt war. So verdeutschte ihn der Kanzler Reinald nicht mit dem harmlosen Worte Wohltaten , sondern mit dem inhaltschweren Begriff Lehen und erregte da - durch auf dem Reichstage einen Sturm nationaler Entrüstung, in dem nur das Eingreifen des Kaisers das Leben der Legaten schützte. 2)Mit Ficker nehmen auch Nitzsch und Lamprecht an, Reinald habe durch entstellende Auslegung diesen Streit vom Zaun gebrochen, während etwa Reuter (s. S. 136) und Hauck der Kurie die offne Absicht des Bruches zu -Anstatt Reinalds Übersetzung sofort als irrtümlich zurückzuweisen, machte der Papst den Versuch, die deutschen Bischöfe in dem be -128II. Die Zeit der Staufer.ginnenden Streite auf seine Seite zu ziehen. Aber schon zeigten sich die Folgen der von Friedrich in Angriff genommenen natio - nalen Umwandlung des Episkopats; seine klugen Maßnahmen, die eine finanzielle Ausbeutung der deutschen Kirche durch die Legaten hinderten und Appellationen nach Rom an die bischöfliche Zu - lassung knüpften, verstärkten diese Stimmung. Meisterhafte, in Schliff und Wucht Reinalds Geist und Feuerseele verratende Mani - feste Friedrichs wiesen die päpstlichen Anmaßungen schroff zurück.

An der Spitze des Erdkreises , so heißt es in dem einen1)Rahewin, Gesta Frid. III, 17., hat Gott durch das Reich die Kirche erhöht; an der Spitze des Erdkreises sucht jetzt die Kirche, nicht aus Gott, wie wir glauben, das Reich zu zerstören. Mit einem Gemälde begann es, Schriftzüge traten zum Gemälde, jetzt erstrebt man gar urkundliche Festsetzung. Das ertragen, das leiden wir nicht; eher legen wir die Krone nieder, als daß wir die Krone des Reiches zugleich mit unsrer Person so in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist, möge ausgelöscht, was geschrieben, getilgt werden, auf daß nicht zwischen Königtum und Priester - tum ewige Denkmale der Feindschaft bestehen bleiben.

Die volle Zustimmung der deutschen Bischöfe zu solchen Sätzen zeigte der Kurie, daß der Ausgangspunkt des Kampfes un - glücklich gewählt war. Hadrian sah sich gezwungen, Öl auf die Wogen zu gießen, indem er jetzt endlich den Worten seines ersten Schreibens eine harmlose Ausdeutung gab. Mit dieser diplomati - schen Niederlage der Kurie ward der offne Bruch noch einmal hinausgezögert. Aber der Vorgang hatte nur die Gegensätze im Kardinalskollegium verschärft, die Zuversicht am kaiserlichen Hofe gehoben. Und zu den vorhandenen Zwistigkeiten traten jetzt neue, als der Kaiser entscheidend in die Verhältnisse der Lombardei eingriff.

Dies Eingreifen ist für den weiteren Verlauf der gesamten Reichsgeschichte unter den Staufern von höchster Bedeutung ge - worden. Ist hier auch nicht der Ort, die verfassungsrechtlichen Fragen im einzelnen zu erörtern, so gilt es doch die großen Probleme scharf ins Auge zu fassen, welche die seit einem Jahr - hundert vollzogene Entwicklung der oberitalischen Städte dem deutschen Herrscher darbot. Friedrich hatte sie auf seinem ersten Romzuge nur eben streifen können, aber die Notwendigkeit einer umfassenden Ordnung eingesehen.

Den nächsten Anlaß zu der neuen Unternehmung bot der ungebrochene Trotz des mächtigen Mailand, das, aller kaiserlichen2)schreiben. Man wird vielmehr mit Prutz, Ribbeck und Simonsfeld einen ver - deckten Vorstoß des Papstes und eine beabsichtigte Zweideutigkeit anzu - nehmen haben, die, wenn man sie hätte durchgehen lassen, für später einen wertvollen Präzedenzfall geschaffen hätte.129§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).Mahnungen ungeachtet, fortfuhr, seine wirtschaftliche, politische und militärische Überlegenheit zu einer unerhörten Vergewaltigung der schwächeren Nachbarstädte zu mißbrauchen, ihren Handelswett - bewerb zu vernichten, das eigne Gebiet vorzuschieben. In offner Auflehnung gegen den Kaiser war das von ihm zerstörte Tortona sofort nach seinem Abzuge wieder aufgebaut worden (1155). Diese lastende Vormachtstellung Mailands zu brechen, war ein Gebot ausgleichender Gerechtigkeit und eine Vorbedingung für jegliche Neuordnung der lombardischen Rechtsverhältnisse. Seitdem der Vertrag von Benevent ein Unternehmen gegen Sizilien völlig un - tunlich gemacht hatte, wurde Mailand das Hauptziel der neuen Romfahrt (1158 62). Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und der Reichskanzler selbst, der dadurch von vornherein als das treibende Element in Friedrichs Italienpolitik erschien, eilten nach Art der alten Königsboten dem Zuge voraus und bereiteten ihm durch kluge und kühne Maßnahmen allenthalben den Boden.

Diesmal rückte der Kaiser mit einem starken Aufgebot von mehr als zehntausend Rittern, das sich durch lombardischen Zuzug noch erheblich verstärkte, geradeswegs auf Mailand los. Schon nach wenig Wochen hatte er den stolzen Triumph, die Konsuln der Stadt barfuß und die Schwerter um den Hals gebunden vor sich erscheinen zu sehen. Die starken Mauern hätten noch lange Widerstand geleistet, aber Hunger und Krankheit mahnten zur Übergabe, solange sie noch unter leidlichen Bedingungen zu er - reichen war. In der Tat schien der Vertrag einen befriedigenden Ausgleich zu bedeuten, da er dem Kaiser die wesentlichsten Hoheits - rechte, der Stadt ein gewisses Maß von Selbstverwaltung, selbst die freie Konsulnwahl zusicherte. Später freilich ergab sich, daß Friedrich diese Bedingungen nur als vorläufig betrachtete. Mailand war so auf den Stand der andern lombardischen Städte herabgedrückt, und das Haupthemmnis für eine allgemeine, durchgreifende Regelung der Verhältnisse beseitigt. An sie ging Friedrich nun mit seiner ganzen Gründlichkeit und seinem strengen Rechtssinn heran. 1)Vgl. C. Hegel, Gesch. der Städteverf. v. Italien 1847, mannigfach überholt durch Fickers Forsch. z. Reichs - u. Rechtsgesch. Italiens Bd. 1 u. 2. Für die Einzelheiten außer Giesebrecht auch die Dissertationen von Arras (1882) und Suhle (1893).

Es galt zunächst, die Summe dieser Reichsrechte, der Re - galien, festzustellen. Da kamen etwa in Betracht die Einsetzung der höchsten Beamten und der Bau kaiserlicher Pfalzen, die oberste Gerichtsbarkeit und ein Anteil an Strafgeldern und Gütereinziehungen, außerordentliche Steuern und Leistungen für die Romfahrten, und vor allem der ganze Umfang jener gerade für die hochentwickeltenHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 9130II. Die Zeit der Staufer.Wirtschaftsverhältnisse der Lombardei so überaus wichtigen Rechte, die mit der Straßenhoheit und Verkehrsaufsicht in Verbindung standen, wie das Markt -, Zoll -, Münz - und Geleitrecht. Der weit - aus größte Teil dieser Rechte war ja seit unvordenklichen Zeiten nicht mehr in unmittelbarer Verwaltung des Reiches, sondern aus - geliehen an Bischöfe und weltliche Feudalherren. Indem dann der Ausgang des Investiturstreites die italienischen Bischöfe zwar unab - hängiger von der Krone machte, aber damit auch ihres Rückhalts beraubte, indem Jahrzehnte lang, insbesondere unter Konrad III., jedes Eingreifen des Königtums in die italienischen Verhältnisse aufhörte, wurden die aufblühenden Städte, die nun fast allenthalben gegen die bischöflichen Stadtherren ihre Autonomie unter selbst - gewählten Konsuln erkämpft hatten, in weitem Umfang auch die Erben jener Regalien, nicht kraft rechtlicher Verleihung, sondern durch rechtlose Aneignung. Insofern also der Investiturstreit nicht zum wenigsten um den Einfluß auf Besitz und Rechte der Reichs - kirchen geführt worden war, blieb der Gegenstand in den folgenden Kämpfen der gleiche; nur die Besitzer hatten gewechselt.

Aber wie jetzt im einzelnen den Bestand dieser Regalien er - gründen? Die alten Privilegien waren großenteils zugrunde ge - gangen, neue nicht verliehen, alle Verhältnisse tiefgreifend verändert. Man bedurfte der Aufstellung fester Normen, und diese Aufgabe vor allem wurde den auf den Reichstag von Roncaglia1)Die neueren Forschungen scheinen doch zu ergeben, daß dies Ron - caglia nicht, wie man früher annahm, am rechten Poufer, östl. von Piacenza, zu suchen ist, sondern nordwestl. von Piacenza, nördl. vom Po. So im An - schluß an die Untersuchungen von Agnelli namentlich Güterbock, Quell. u. Forsch. aus ital. Arch. etc. 9, 197 ff. Vergl. auch die Berliner Diss. von Fliedner 1906. Widersprechend Simonsfeld S. 202, 249. Vielleicht aber bezog sich der Name auf die ganze Gegend nördl. und südl. vom Po, aufwärts und abwärts von Piacenza; vergl. Holder-Egger, Neues Arch. 32, 527. geladenen vier berühmten bolognesischen Rechtsgelehrten übertragen, die nun mit 28 städtischen Richtern zu einer Kommission zusammentraten. So konnte man hier zum ersten Male handgreiflich den Einfluß des wiedererwachten römischen Rechts auf die praktische Politik wahrnehmen. 2)Vergl. die trotz einiger Überschätzung lehrreichen Zusammenstellungen in der Hallenser Diss. von Pomtow 1885.Es ist eine feine Bemerkung Rankes, daß die spekulative Entwicklung der Theologie, indem sie sich dem Papst - tum entgegensetzte, eine politische Wirkung zugunsten der öffent - lichen Freiheit hatte, die juristische Wissenschaft dagegen die Macht des Kaisertums in seinem Gegensatz gegen Papsttum und Bürger - tum begünstigte . In der Tat lernte man in dem großen Rechts - buche Justinians den Begriff einer durch keine geistliche Neben -131§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).gewalt eingeschränkten, absoluten und geheiligten Majestät kennen, wie er dem germanischen Königtum fremd war. Friedrich I. konnte nach seiner ganzen Vergangenheit und Rechtsanschauung kaum anders, als ihn für seine Person abzulehnen. Wenn Rahewin ihn in Roncaglia sagen läßt:

Obwohl wir den königlichen Namen tragen, so wollen wir doch lieber ein gesetzliches Regiment führen, das auf Erhaltung der Freiheit und des Rechtes eines jeden gerichtet ist, als, wie man es als die Art eines Königs bezeichnet, alles ungestraft zu tun, durch Ungebundenheit übermütig zu werden und die Pflicht des Regierens in Stolz und Herrschbegier zu verwandeln ,

so traf das trotz der sallustischen Phrasen doch wohl den Kern seiner Auffassung. Und trotzdem ist es nur zu begreiflich, daß jene der Kronmacht so förderlichen römischen Vorstellungen auf den Kaiser und seine Umgebung ihren Eindruck nicht verfehlten, daß sie zunächst in äußeren Formen ihren Niederschlag fanden und allmählich doch unwiderstehlich zu einer Steigerung des kaiser - lichen Ansehens und Selbstbewußtseins, zu einer Verschärfung der imperialistischen Bestrebungen, einer Entnationalisierung des Herr - schertums und einer Verschiebung des politischen Schwerpunktes im Reiche führen mußten. 1)Über die von da ab sich vollziehende Umwandlung des durch das deutsche Königtum charakterisierten Staatsbegriffs in den römisch-kaiserlichen vergl. neuerdings die sehr lehrreiche Studie von Krammer, D. Reichsgedanke des stauf. Kaiserhauses 1908, wo m. E. indes der Gegensatz zwischen den beiden Auffassungen allzu scharf zugespitzt, und das Vorbild, das auch in dieser Hinsicht Karl d. Gr. und Otto I. mit ihren Nachfolgern boten, zu sehr außer Acht gelassen wird.Man kann die Wirkungen solcher unwäg - baren Momente nicht mit Händen greifen, aber wie sollten die besonderen Ansprüche auf Rom als alten Sitz des Kaisertums, die aus der Wiedererweckung spätantiker Vorstellungen ganz natürlich erwuchsen, nicht das Verhältnis zum Papsttum verbittern, wie sollten jene neu erwachenden universalen Herrschaftstendenzen nicht auf die Beziehungen zu den Königen Europas wirken, wie sollten An - schauungen, die eine Auflehnung gegen die Majestät als das schwerste Verbrechen brandmarkten und selbst kaiserliche Zusiche - rungen für rücknehmbar erklärten, wenn es das Wohl des Staates erfordere, wie sollten sie nicht den Kampf gegen die Lombarden verschärfen?

Ähnlich liegt die Sache bei den roncalischen Beschlüssen, die das Ergebnis jener Kommissionsberatungen waren (Nov. 1158). Man hat die römisch-rechtlichen Einflüsse darauf übertrieben. Im Grunde waren alle jene Regalien, die nun unter Zustimmung der lombardischen Großen und städtischen Konsuln dem Kaiser zu - gesprochen wurden, zweifellos nur die hergestellten Rechte der9*132II. Die Zeit der Staufer.früheren fränkischen und deutschen Herrscher. Ganz spurlos ist die römischrechtliche Auffassung der bolognesischen Juristen an dem Werke gleichwohl nicht geblieben. Wichtiger als die Begründung einiger neben - sächlicheren Einnahmequellen oder ein gelegentliches Zitat aus dem Corpus juris war der über dem Ganzen schwebende Grundsatz, daß Staatseigentum nicht durch Verjährung abhanden kommen könne. Und indem nun für das praktische Verfahren als Regel aufgestellt wurde, die ganze namhaft gemachte ungeheure Summe von Rechten für die Krone wahrzunehmen, falls nicht Privilegien über ihre Verleihung vorgewiesen würden, ward dieser gesamte rein tatsächliche Regalienbesitz den Städten entzogen, und Bahn geschaffen für eine völlige Neugestaltung der kaiserlichen Herrschaft in Oberitalien, die freilich nicht ohne erbitterten Widerstand der Betroffenen durchzuführen war.

Um was handelte es sich bei diesen Kämpfen der Folgezeit? Gewiß nicht schlechthin um den Gegensatz zwischen Feudalismus und Bürgertum, Mittelalter und Neuzeit, wie man noch heute in populären Darstellungen lesen kann. Diese Auffassung wäre nur stichhaltig, wenn Friedrich die eingezogenen Rechtstitel wieder wie einst zu Lehen ausgetan hätte. Das aber war Aus - nahme, nicht Regel! Hatten die früheren Lehnsträger sie nicht zu behaupten vermocht, so wären sie auch jetzt bald genug wieder in Verlust geraten. Man mußte sich schon an die kräftigeren jeweiligen Besitzer, die Städte, halten. Bisher hätte sich Friedrich vielleicht damit begnügt, durch Verleihung der Regalien an sie seine Hoheitsrechte zu wahren und die ordnungsmäßigen Leistungen an das Reich zu sichern. Die roncalischen Beschlüsse aber führten darüber hinaus zu dem bedeutsamen Versuche einer unmittelbaren Verwaltung durch Reichsbeamte. Der Kaiser begnügte sich nun nicht mehr mit der In - vestitur der freigewählten Konsuln, sondern setzte von sich aus je einen oder mehrere, zunächst einheimische, dann auch deutsche Podestàs ein, die auf Zeit und als absetzbare Behörden angestellt, die Regalien nicht als Lehnsbesitz, sondern von Amts wegen für das Reich wahrnehmen sollten. Friedrich mochte immerhin auch hier nur die Herstellung des Vergangenen im Auge haben, das Reich Karls d. Gr. hatte ja in der Tat schon ein derartiges zentralisiertes Beamtentum gekannt, aber ebensowohl wie auf die Vergangenheit wies doch der Versuch auf den modernen Beamtenstaat der Zukunft, der bestimmt war, das mittelalterliche Lehnswesen zu überwinden. Reaktion und Fort - schritt reichten sich hier die Hände!

Auch der nationale Gegensatz, etwa die Beschirmung der italischen Freiheit gegen den barbarischen Unterdrücker, von der im modernen Italien so viel geredet worden ist, hat in Wahrheit noch keine erheblichere Rolle in diesem Ringen gespielt. Das lombardische Volk hat Barbarossa lauter zu - gejubelt, die italienischen Dichter haben ihn begeisterter gepriesen, als seine deutschen Landsleute. Ein einheimischer Monarch mit ähnlichen Zielen ein - heitlicher Herrschaft hätte genau denselben hartnäckigen Widerstand gefunden, denn entscheidend für die Beurteilung war nicht ein nationales Gemeingefühl, das zum mindesten in politischer Färbung noch nicht vorhanden war, sondern Selbständigkeit und Blüte des eignen Gemeinwesens, und die konkurrierenden Nachbarstädte wurden schon damals weit ingrimmiger gehaßt, als der Kaiser und seine deutschen Ministerialen.

133§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).

Statt des nationalen haben neuere Historiker wie Nitzsch und Lamprecht wohl den wirtschaftlichen Gegensatz in den Vordergrund gestellt; die bäuer - liche Naturalwirtschaft der Deutschen sei hier dem höheren geldwirtschaft - lichen Verkehrsleben der lombardischen Städte brutal entgegengetreten, um es womöglich auf die niedere Stufe herabzudrücken. Auch dieser Ansicht wird man zum mindesten in solcher Zuspitzung schwerlich beipflichten können. Gewiß bot dies lombardische Leben einem deutschen Beobachter genug fremdartige Erscheinungen, wie man etwa aus der berühmten Schil - derung Ottos von Freising ersieht, und bei den deutschen Edelleuten und Ministerialen, die hier plötzlich mit der Verwaltung betraut wurden, wird es an Unverständnis so manchem verwickelteren Wirtschaftsvorgange gegenüber nicht gefehlt haben. Für das piemontesische Gebiet, wo freilich das städtische Leben viel weniger entwickelt war, ist es auch richtig, daß mit Erfolg dahin gestrebt wurde, den unmittelbaren Besitz an großen Reichsdomänen, der hier an die burgundischen Güter des Kaisers anschloß, zielbewußt auszubauen und nach deutscher Art zu verwalten. 1)Vgl. Matthaei, Die lombardische Politik Kaiser F. I. u. d. Gründung v. Alessandria, Progr. Großlichterf. 1889.Mehr aber läßt sich nicht behaupten. Denn wenn Friedrich schließlich in der Tat den Versuch gemacht hat, das städtische Leben Mailands zu vernichten, so war das eine rein politische Maßnahme, mit der er sich zwar gegen den heiligen Geist der geschichtlichen Entwicklung versündigte, zu der ihm aber niemand anders das Vorbild ge - geben hatte, als die Mailänder selbst. Und für die übrige Lombardei kann von einer Unterbindung des geldwirtschaftlichen Verkehrs, der ja im eigensten Interesse des Fiskus lag, nicht von fern die Rede sein, hat doch Friedrich, wie wir jetzt wissen, sogar den bedeutsamen Plan eine Zeitlang mit Erfolg durchgeführt, in der Form von hochwertigen kaiserlichen Denaren eine Ein - heitsmünze für ganz Reichsitalien zu schaffen2)Vgl. Bresslau, I denari imperiali di Federico I. Atti del Congresso internat. di Scienze storiche, Roma 1904, Vol. VI., zugleich ein Merkzeichen seiner zentralistischen Tendenzen!

Und das bleibt nun doch der Kernpunkt der großen Gegensätze: hier eine starke monarchische Staatsgewalt, die bereits mit dem Feudalismus zu brechen begann und die kommunale Selbständigkeit dieser städtischen Gemein - wesen erst recht als eine Behinderung seiner Bewegungsfreiheit, seiner Rechte und Einnahmen betrachtete, dort kraftvolle Bürgerschaften, in staatlosen Zuständen durch Selbsthilfe groß geworden, stolz auf die in inneren Kämpfen errungene Autonomie und die alten Rechtsforderungen der Reichsgewalt als neue, unerhörte Zumutungen empfindend. Gerade dadurch, daß das formale Recht ganz und gar auf seiten des Kaisers lag, während die Städte für ihre Sache zum mindesten ein gut Teil historischen Rechts in Anspruch nehmen konnten, wurde ein maßvoller Ausgleich der Gegensätze erschwert.

Man versteht es, daß nach der Ansicht Friedrichs die ronca - lischen Normen trotz des vorläufigen Sonderabkommens auch auf Mailand Anwendung zu finden hatten, aber ebensowohl, daß die Mailänder, deren Konsuln in Roncaglia freilich zugestimmt hatten, darin eine vertragsbrüchige Überrumpelung erblickten, sich erneut zur Wehr setzten und Bundesgenossen fanden, die ebensowenig auf die freie Konsulnwahl verzichten wollten. Bei der Ausübung seiner Hoheitsrechte ward es überdies für den Kaiser alsbald ganz134II. Die Zeit der Staufer.unmöglich, sich von den Parteibestrebungen und Sonderinteressen völlig frei zu erhalten; Maßnahmen zugunsten der einen weckten den Widerstand der andern. Als er die neuen Mauern des kleinen Crema im Interesse des ihm befreundeten Cremona, das dem Kaiser dafür eine hohe Summe zahlte, niederzulegen befahl, widersetzten sich die Cremasken und ertrugen mit Heldenmut eine siebenmonatliche Be - lagerung, die insbesondere durch die Anwendung der neuen An - griffs - und Verteidigungstechnik ungeheures Aufsehen erregte. Erst der Verrat des leitenden Ingenieurs überlieferte dem Kaiser die Stadt, die er dem Erdboden gleichmachte (Jan. 1160). Und während sich in diesen gleich nach der feierlichen Friedensverkün - digung von Roncaglia wieder ausgebrochenen Kämpfen die Gegen - sätze hier immer mehr verschärften, hatte sich inzwischen auch die Kluft zwischen Papsttum und Kaisertum unüberbrückbar erweitert.

Die Durchführung der roncalischen Beschlüsse berührte doch auch die Interessen der Kirche auf das allererheblichste. Die Er - rungenschaften des Investiturstreites drohten damit zum großen Teil verloren zu gehen. Soweit die italienischen Bischöfe noch im Be - sitz der Regalien waren, wurde auch ihnen gegenüber das Ab - hängigkeitsverhältnis durch Forderung des Mannschaftseides, Be - anspruchung bedeutender Reichsleistungen, sogar Verfügungen über das Kirchengut und Einmischung in die Wahlen straff angezogen. Es bedurfte wahrlich keiner Prophetengabe, um eine baldige Aus - dehnung der unmittelbaren Herrschaftsbestrebungen des Kaisers auf Mittelitalien vorauszusehen. Wo blieb dann die Bewegungsfreiheit der Kurie? Konnte sie auch nur hoffen, ihre in jahrhunderte - langen Mühen errungene Landesherrschaft im Kirchenstaate, wo ihrer Meinung nach alle obrigkeitliche Gewalt und alle Regalien dem hl. Petrus gehörten, unangetastet zu bewahren? Sprach Friedrich nicht schon jetzt ganz unverhohlen aus, daß er den auf gewisse Unterhaltsforderungen bei der Krönungsfahrt beschränkten Oberhoheitsansprüchen des Kaisertums auf die Stadt Rom wieder einen volleren Inhalt zu geben gedenke, als er auf die Beschwerde des Papstes antwortete: Da ich durch göttliche Anordnung römischer Kaiser genannt werde und bin, so würde ich doch nur den Schein der Herrschaft heucheln und einen leeren Namen ohne sachliche Bedeutung führen, wenn die Hoheit über die Stadt Rom unserer Hand entwunden würde ? Wurden solche Absichten ausgeführt, so sank der Papst in die Stellung eines bloßen Reichsbischofs herab.

Eine schwüle Gewitterstimmung lastete in den letzten Tagen Hadrians IV. auf den Beziehungen zwischen Papsttum und Kaiser - tum. Wie dräuende Speere , sagt ein Zeitgenosse, trafen die scharfen Worte von hüben und drüben aufeinander. Die kaiser -135§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).liche Kanzlei, bisher der päpstlichen an diplomatischem Geschick zumeist nicht gewachsen, war ihr jetzt unter Reinalds von Dassel geistvoller und schneidiger Leitung mindestens ebenbürtig. Eben in dieser Zeit (1159) durch die Gunst seines kaiserlichen Herrn auf den zweithöchsten Erzstuhl des deutschen Reiches, den Kölner, erhoben, ohne einstweilen die Weihen zu erhalten, wurde er nicht, wie in ähnlicher Lage wenige Jahre später Thomas von Canterbury, vom hierarchischen Geiste ergriffen, sondern bewahrte, der bisherigen Richtung getreu, als Erzkanzler für Italien maßgebenden Einfluß auf Kanzlei und Politik Friedrichs. Man spürt ihn aus der stolzen und schroffen Art, mit der Formfehler der Kurie dadurch erwidert wurden, daß nun in den Schreiben an Hadrian der kaiserliche Name vor dem päpstlichen, das einfache Du an Stelle des höflichen Ihr trat. Die ganze Lage gemahnte lebhaft an die letzten Zeiten Papst Alexanders II. Auch jetzt trat die Kurie unter Ablehnung eines vom Kaiser angebotenen Schiedsgerichts mit den Reichsfeinden, dem Könige von Sizilien und den lombardischen Rebellen, in die engste Verbindung und nahm die Bannung des Kaisers in Aussicht, während Friedrich mit der Bürgerschaft Roms Fühlung suchte. So standen die Dinge bereits auf des Messers Schneide, als Hadrian plötzlich starb (Sept. 1159).

Unter den obwaltenden Verhältnissen und bei der schroffen Spaltung im Kardinalskolleg war an eine einmütige oder auch nur geordnete Papstwahl nicht zu denken. Für die Mehrheit stand die Erhebung des Kanzlers Roland von vornherein fest. Sie bedeutete den offenen Bruch mit dem Kaisertum. Ebendeshalb suchte man ihr von jener Seite entgegenzuarbeiten, denn einen unzweifelhaften Reichs - feind auf dem Stuhle Petri meinte man nicht ruhig hinnehmen zu dürfen. Friedrichs Abgesandter Otto von Wittelsbach stand doch wohl insgeheim hinter der kaiserfreundlichen Kardinalsminderheit, die nun in tumultuarischem Verfahren einen der ihrigen, Oktavian als Viktor IV. zum Papst erhob, während die Gegner darauf in gesetzlicherem, wenn auch keineswegs unanfechtbarem Vorgehen die Wahl Rolands als Alexanders III. vollzogen. Die Namen scheinen anzudeuten, daß man in der Tat in die Zeiten vor dem Ausbruch des Investiturstreits zurückdachte.

Dem Kaiser wäre die einhellige Wahl eines maßvolleren, farb - loseren Papstes weitaus das Erwünschteste gewesen; ein Vorschlag in diesem Sinne wurde indes von den Alexandrinern abgelehnt. Da nun eine friedliche Verständigung mit Roland unmöglich erschien, so war einer geschlossen feindseligen Papstkirche das Schisma immer noch vorzuziehen. Aber es durfte nicht lange währen, sollte es nicht für die kaiserliche Politik ernste Gefahren heraufbeschwören. 136II. Die Zeit der Staufer.Daher suchte Friedrich sogleich unter scheinbar möglichster Wahrung der Unparteilichkeit eine europäische Entscheidung durch ein allge - meines Konzil herbeizuführen, das er nach dem Vorbilde der früheren römischen und fränkisch-deutschen Kaiser als Schirmvogt der Kirche nach Pavia berief (1160). Obwohl aber die meisten europäischen Staaten dorthin ihre Abgesandten schickten, so konnte die Ver - sammlung mit ihrem Übergewicht von Reichsbischöfen doch schwer - lich als eine unparteiische Vertretung der Gesamtkirche betrachtet werden. Es war vorauszusehen, daß sie sich entweder für Viktor entscheiden oder beide Päpste für unrechtmäßig erklären würde. Alexander III. aber war klug genug, sie nicht anzuerkennen, da er als Papst keinen irdischen Richter über sich habe. Das Konzil, vor dem seine Reichsfeindschaft durch aufgefangene Briefe an die Mailänder erwiesen wurde, entschied sich nun zwar für die Bannung Alexanders und die Anerkennung Viktors, aber es befestigte dadurch doch nur das Schisma, denn die zu erwartende Antwort Alexanders war die Bannung des Gegenpapstes, des Kaisers und seiner Haupt - ratgeber. Ein achtzehnjähriger Kampf war damit eröffnet.

Alexander III.1)Vgl. die zeitgenössische, stark parteiische Biographie des Kardinal - priesters Boso, der die Arbeit am Papstbuch wieder aufnahm (Duchesne, Liber pontificalis II, 351 ff. u. von neueren Darstellungen die trotz mancher Ver - kehrtheiten und heute veralteter Abschnitte noch immer bedeutende Gesamt - würdigung von H. Reuter, Gesch. A. III. und der Kirche seiner Zeit, 3 Bde. 1860 64. Gegen die ungünstigere Beurteilung A. s durch Hauck vgl. Hist. Zeitschr. 93, 415. hat ihn bei aller Schärfe und Kühnheit mit kluger Besonnenheit und ausharrender Geduld geführt, mehr noch mit kirchlichen, als kriegerischen Mitteln, trotz aller Leidenschaft im ganzen doch mit würdevollem Anstand und einem Mindestmaß persönlicher Verdächtigungen, wie sie völlig in diesen mittelalter - lichen Kämpfen ja nie fehlen konnten. Zwischen dem leidenschaft - lichen Stürmer Gregor VII. und dem politischen Rechner Innozenz III. nimmt er in jeder Hinsicht die Mitte ein. Seine weltgeschichtliche Aufgabe war, die in dem letzten Jahrhundert errungene Weltstellung der römischen Kirche unter den schwierigsten Verhältnissen zu be - haupten, gewissermaßen die Feuerprobe auf die politische Souverä - nität des Papsttums zu bestehen. Er hat sie bestanden unter Sorgen, Mühen und Gefahren, aber mit unerschütterlichem Mute, steigendem Ansehen und schließlichem Erfolg!

Seine Hauptstütze dabei war die Eifersucht der europäischen Nationen auf die wachsende Macht des Kaisers. Wie tief griff jetzt allenthalben das Papsttum in die Geschicke der Völker ein! Seine erneute Abhängigkeit vom Imperium mußte auch sie mittel -137§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).bar dem kaiserlichen Einfluß unterwerfen. Der Engländer Johann von Salisbury1)Seine Briefe und Schriften sind eine wichtige Quelle für diese Zeit; vgl. Opera ed. Giles 1848. sprach daher vielen aus dem Herzen, wenn er schalt: Wer hat denn die Deutschen zu Richtern der Nationen bestellt? Wer hat diesen plumpen und wilden Menschen das Recht gegeben, nach Willkür einen Herrn über die Häupter der Menschenkinder zu setzen? In der Tat erkannten außer Sizilien, Ungarn, Spanien, Norwegen, Irland und dem Orient auf der Synode von Toulouse (1160) auch Frankreich und England Alexander III. als recht - mäßigen Papst an, ein Erfolg, der für diesen umso willkommener sein mußte, als seine Aussichten im Reichsgebiet, dem sich in dieser Sache die Nebenländer Böhmen und Dänemark anschlossen, nicht günstig waren. Denn der deutsche Episkopat scharte sich unter Führung Reinalds von Dassel treu um den Kaiser und erklärte sich entweder offen für Viktor IV. oder nahm doch, mit alleiniger Ausnahme von Salzburg eine zuwartende Haltung ein. In Reichs - italien aber ging den Alexandrinern alsbald ihr Hauptbollwerk verloren.

Der mit wachsendem Ingrimm und steigender Grausamkeit wiederaufgenommene Krieg gegen Mailand führte endlich ohne eigentliche Belagerung durch Vernichtung der Ernten und Unter - bindung aller Zufuhr zum Ziel. Das verhungernde Volk erzwang die Übergabe auf Gnade oder Ungnade (März 1162). Friedrichs beleidigtes Majestätsgefühl, die politische Absicht der Schreckens - wirkung und nicht zum wenigsten der unersättliche Rachedurst der Nachbarn verbanden sich nun zu dem erbarmungslosen Strafgericht, das über die Stadt erging. Sie sollte nicht nur Befestigung und Selbständigkeit, sondern geradezu ihr Dasein verlieren, damit ihr in Zukunft keine Gelegenheit zum Aufstand geboten würde . Nach - dem das gewaltige Zerstörungswerk durch die Nachbarn selbst voll - zogen war, wurden die Bewohner in vier offenen Flecken ange - siedelt, zu bäuerlicher Lebensweise herabgedrückt, der kaiserlichen Domänenverwaltung, die sich von Piemont her über das Mailänder Gebiet ausdehnte, zu Naturalabgaben und Diensten verpflichtet2)Daß sie ihre persönliche Freiheit behielten, hat Tschirch in einem Brandenburger Progr. 1885 gegen Ficker mit guten Gründen dargetan., eine gewaltsame, den natürlichen Bedingungen ebenso wie der geschichtlichen Entwickelung hohnsprechende Maßregelung, die von den stolzen Mailändern nur mit Knirschen ertragen wurde und auf die Dauer schwerlich haltbar war. Einstweilen aber lief nun der Schrecken dem Heere des Kaisers voraus und warf ihm den Rest seiner lombardischen Gegner vor die Füße. Indem Friedrich an138II. Die Zeit der Staufer.den roncalischen Beschlüssen durchaus festhielt, meinte er das Werk jetzt doch durch eine unterschiedliche Behandlung der Städte umso sicherer zu befestigen: die Getreuen wurden durch das Zu - geständnis der freien Wahl ihrer vom Kaiser zu belehnenden Kon - suln und zeitweilige Verleihung der Regalien gegen Zahlung einer jährlichen Abschlagsumme belohnt, die Widerstrebenden durch das Regiment eines vom Kaiser ernannten, meist deutschen Podestà mit amtsweiser Verwaltung der Regalien im Zaum gehalten.

Von Stolz geschwellt über die Niederwerfung seiner trotzigen Gegner und in seiner Macht, namentlich finanziell, in der Tat außer - ordentlich gehoben, verkündete Friedrich nun, daß er zu neuen Unternehmungen und einer völligen Wiederherstellung des Reiches sein Heer und seine siegreichen Adler wenden werde . Er beab - sichtigte eine Ausdehnung des lombardischen Herrschaftsystems auf ganz Italien. In der Romagna gelang ihm das ohne Schwierig - keit, in Tuszien wußte alsbald Reinald von Dassel, der Hauptträger dieser ganzen Politik, sowohl den wenigen kräftig entwickelten Städten, als den hier noch in viel höherer Geltung stehenden feu - dalen Machthabern gegenüber trotz der nominellen Herrschaft Welfs Ähnliches durchzusetzen. Eine umfassende Seehilfe von Pisa und Genua war durch Verträge gesichert. Das von Parteiungen zer - rissene Rom und das durch innere Unruhen arg geschwächte Sizilien waren die weiteren Ziele der kaiserlichen Siegeslaufbahn. Da brach Friedrich sie im Sommer 1162 plötzlich ab und wandte sich nach Frankreich, wo sich ihm die Möglichkeit einer Beendigung des kirchlichen Schismas zu bieten schien.

Alexander III. hatte sich schon zu Anfang des Jahres, als auch die letzte sizilische Stütze wankte, den stetig wachsenden, seine Freiheit bedrohenden Gefahren Italiens, wie einstmals Stefan II. und später Innozenz IV., durch die Flucht nach Frankreich ent - zogen. Aber dort erwartete ihn neue Bedrängnis; denn die Treue Ludwigs VII. gegen ihn geriet eben damals bedenklich ins Wanken. Die Gespanntheit mit England und persönliche Einflüsse rangen dem König die Zustimmung zu einem bedeutungsvollen Vertrage mit dem Kaiser ab: beide Herrscher wollten mit den Bischöfen ihrer Reiche gegen Ende August 1162 an der Saonebrücke von St. Jean de Losne eine Versammlung zur Lösung des Schismas abhalten. Wenn einer der Päpste nicht erschien, sollte dadurch seine Sache ver - wirkt sein, andernfalls die Entscheidung durch ein Schiedsgericht erfolgen. Alexanders Sache schien verloren, wenn er seine Teil - nahme verweigerte; trotzdem verharrte er in größter Sorge uner - schütterlich auf seinem Standpunkt, keinen Richter über sich anzu - erkennen. Auf kaiserlicher Seite hatte man offenbar damit gerechnet139§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).und hielt den Übertritt Ludwigs zu Viktor IV. für eine ausgemachte Sache. Der aber begann bereits unter den Einwirkungen der Alexandriner seine Übereilung zu bereuen und suchte sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Den festgesetzten Termin ließ er verstreichen, um dann doch noch einmal mit einem Aufschube von drei Wochen unter Pfandsetzung seiner eignen Person den Vertrag zu erneuern. Aber er benutzte die Frist nur, um seine Lage unter Vermittelung Alexanders durch eine Verbindung mit England zu festigen und einen Vorwand abzuwarten, der ihn von der Anklage des Vertragsbruches befreien würde. Den boten ihm wirklich die Kaiserlichen, die offenbar alle Hoffnung auf ihn aufgegeben hatten, denn um die in großer Zahl erschienenen Reichsbischöfe nicht unver - richteter Sache nach Hause kehren zu lassen, ließ Friedrich sie auf einer Synode in dem nahegelegenen Dôle, auf der insbesondere Reinald von Dassel in gereizter und schroffer Sprache jede Einmischung der westeuropäischen Könige in die Besetzung des römischen Stuhls als eines dem kaiserlichen Landesherrn unterstehenden Reichsbis - tums verbeten zu haben scheint, aufs neue die Rechtmäßigkeit Viktors erhärten und brach auf, ohne den Ablauf jener Fristver - längerung abzuwarten. Zwischen seinem Vertreter Reinald und König Ludwig kam es dann noch an der Saonebrücke zu einem bittern Wortwechsel. An den Tatsachen haben diese undiploma - tischen Schroffheiten der Kaiserlichen wohl nichts mehr geändert, sie ermöglichten Ludwig nur, sein Gewissen zu beruhigen. Aber zur Verbitterung der Stimmung trugen sie nicht unerheblich bei, wenn auch ein kriegerischer Ausbruch von beiden Seiten ver - mieden wurde, und daß die fehlgeschlagene Hoffnung auf Bei - legung des Schismas einen höchst unwillkommenen Mißerfolg bedeutete, konnte durch hochfahrende Reden nicht vertuscht werden. Es war das erste Anzeichen dafür, daß sich der allzu sehr über - spannten Gewaltpolitik Reinalds unüberwindliche Kräfte des Wider - stands entgegensetzten; Friedrich selbst soll geäußert haben, in St. Jean de Losne habe er zuerst die Launen der Fortuna kennen gelernt.

Kein Zweifel, daß eine Fortdauer des Schismas, namentlich seit der durch Alexander klug bewirkten tätigen Anteilnahme der Westmächte, den Kaiserlichen das Kampfesfeld übermäßig erweitern und die Stoßkraft in Italien schwächen mußte. Friedrich hätte die Spaltung deshalb gern mit Ehren beendet, selbst mit einem wirklich unparteiischen Schiedsgericht hätte er sich jetzt begnügt. Auch Alexander zeigte sich Verhandlungen stets geneigt und betonte wiederholt, mit welcher Freude er einen durch so viele glänzenden Eigenschaften ausgezeichneten, großen und erhabenen Fürsten wie140II. Die Zeit der Staufer.Friedrich in den Schoß der Kirche wieder aufnehmen würde; aber indem er von seinem grundsätzlichen Standpunkt aus jedes Schiedsgericht ablehnte, kam es zu keiner Verständigung. Selbst nicht, als die Bahn dazu durch den Tod Viktors IV. scheinbar frei wurde (April 1164). Diesmal war es offenkundig, wie Reinald seinem vielleicht doch schwankenden Herrn die Entscheidung über den Kopf wegnahm, indem er von den kaiserlichen Kardinälen sofort die Wahl eines neuen Gegenpapstes Paschalis III. vollziehen ließ. Es kann indes kaum zweifelhaft sein, daß er das nicht, wie man wohl angenommen hat, aus eigensüchtigen Gründen tat, um nicht das Opfer eines Ausgleichs mit der Kurie zu werden, sondern daß er in Friedrichs wohlverstandenem Interesse zu handeln meinte und, wenigstens sofern man das System nicht von Grund aus wechseln wollte, wohl auch in der Tat handelte, denn eine Vakanz des Gegenpapsttums mußte dessen bisherige Anhänger Alexander bedingungslos in die Arme treiben und Friedrich eine uneinge - schränkte Niederlage bringen. Dieser hat denn auch den Schritt nachträglich gebilligt. Aber ein ungünstiges Moment blieb dieser Papstwechsel immerhin; nicht alle Anhänger Viktors erklärten sich für seinen Nachfolger.

Etwa gleichzeitig erwuchs der italienischen Machtstellung des Kaisers eine ernste Gefahr. Von Burgund aus war er im Herbst 1162 auf kurze Zeit nach Deutschland zurückgekehrt, wo es galt, die aufständischen Mainzer für die schmähliche Ermordung ihres Erzbischofs Arnold von Selenhofen ( 1160)1)Gleichzeitige Biographie: Böhmer, Fontes rer. Germ. III. zu züchtigen und eine Fürstenverschwörung gegen die wachsende Macht des mit dem Kaiser damals noch auf das engste verbundenen Heinrich des Löwen im Keime zu ersticken. Da ein neuer Kriegszug nach Italien bei den deutschen Fürsten keine Gegenliebe fand, begab sich Friedrich 1163 ohne Heer nach Italien zurück, um die im vorigen Jahr abgebrochenen sizilischen Pläne wieder aufzunehmen. Dort hatte inzwischen Reinald als sein Bevollmächtigter geschaltet und das Reichsgebiet trotz der hier und da gärenden Unzufriedenheit in straffer Untertänigkeit gehalten. Eben durch diese ganze Wieder - aufrichtung der kaiserlichen Herrschaft hatte sich schon seit dem Falle Mailands Venedig bedroht gefühlt. Im Bündnis mit Sizilien und dem griechischen Kaiser Manuel, mehrfach Aufenthaltsort alexan - drinischer Kardinäle, wurde es seitdem zu einem Mittelpunkt reichs - feindlicher Bestrebungen und erweiterte seinen Machtkreis eben im Früh - jahr 1164 durch Bestechung der kaiserlichen Städte Verona, Vicenza und Padua zu dem Veroneser Bunde, der seine Spitze offen gegen141§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).den Kaiser richtete, seinem mit ungenügenden Kräften unternommenen Angriff erfolgreichen Widerstand leistete, die hoffnungsvollen Blicke aller Bedrückten in der Lombardei auf sich lenkte und ihnen ein gefährliches Beispiel der Selbsthilfe durch Zusammenschluß gab.

Alle diese Mißerfolge der letzten Jahre begannen schließlich den festen Grund zu erschüttern, auf dem Friedrichs Macht ruhte. Die heimlichen Alexandriner unter den deutschen Bischöfen erhoben kühner ihr Haupt, ein Teil der Neutralen schloß sich ihnen an. Friedrich hatte bisher, wo er politischen Gehorsam fand, gern kirchliche Duldung walten lassen. Der immer weiterdringenden Spaltung aber schien jetzt nur durch härteren Druck begegnet werden zu können. Das geschah unter dem Eindruck einer neuen politischen Wandlung, die noch einmal die Aussicht bot, das Schisma im Sinne des Kaisers zu beendigen.

Das normannische Königtum Heinrichs II. von England, kräftig entwickelt und zentralistisch, wie das sizilische schon mit einem Fuße außerhalb des mittelalterlichen Lehensstaates, keine Selbständigkeit, auch keine kirchliche, neben sich duldend, war eben damals auf das schärfste zusammengestoßen mit den namentlich auf gerichtlichem Gebiete vordringenden Unabhängigkeitsbestrebungen der Geistlichen. Als die Konstitutionen von Clarendon (1164) solchen Tendenzen scharf entgegentraten, erhob sich der frühere Kanzler des Königs Thomas Becket, den er zum Erzbischof von Canterbury gemacht, dagegen als das Haupt der geistlichen Oppo - sition. Bald mußte er vor dem leidenschaftlichen Zorn Heinrichs nach Frankreich flüchten, und indem er dort nun den Papst Alexander für die Aufhebung jener Konstitutionen gewann, erweiterte sich der englische Kirchenstreit zu einer heftigen Spannung zwischen König Heinrich und den Alexandrinern. Diesen Stimmungswechsel suchte Reinald von Dassel sofort für seine Zwecke auszunützen. Als Gesandter am englischen Königshofe in Rouen wußte er nicht nur enge Verbindungen zwischen den Dynastien anzubahnen, son - dern auch Heinrich II. für Anerkennung des kaiserlichen Gegen - papstes zu gewinnen.

Das war das glänzende Ergebnis, mit dem er rückkehrend vor den Würzburger Reichstag (Pfingsten 1165) trat. Was es bedeutete, kann man ganz nur ermessen, wenn man bedenkt, daß das König - tum der Plantagenet mit seiner Ausdehnung über mehr als die volle westliche Hälfte Frankreichs unbestritten die zweite Welt - macht des Abendlandes war, daß der unmittelbare Besitz Ludwigs VII., damit verglichen, nur ein winziger Fleck war, und auch sein ge - samter übriger Lehensbesitz nicht an das Festlandsgebiet seines größten Vasallen, des englischen Königs, heranreichte. Der Zusammenschluß142II. Die Zeit der Staufer.Englands mit dem Reiche stellte daher eine schlechthin un - widerstehliche Macht dar und schien eine siegreiche Beendigung des Schismas zu verbürgen. Unter dem Eindruck dieses Erfolges wußte Reinald Kaiser und Reichstag in Würzburg zu verhängnisvollen Beschlüssen fortzureißen. 1)Die Verhandlungen dieses wichtigen Reichstages bieten durch den Mangel guter Berichterstattung der Forschung ein schwieriges Problem. Zwischen dem entstellenden Bericht eines ungenannten Alexandriners, dem man früher zu einseitig folgte, und dem schönfärbenden kaiserlichen Manifest gilt es die Mitte zu halten, vgl. Watterich, Vitae pontif. II, 547 und Constit. I, 314 ff. An Widerstand gegen die Beschlüsse scheint es nicht ganz gefehlt zu haben. Von einem heftigen Zwiespalt zwischen Reinald und seinem kaiserlichen Herrn kann aber, selbst wenn man jenen als das treibende Element betrachtet, schwerlich die Rede sein. Auch Reinalds Zaudern, die Weihen zu nehmen, entsprang gewiß nicht einer egoistischen Selbstsicherung für den Fall einer Preisgabe des Gegenpapstes, denn was hätte dieser Mann für sich von Alexander noch erwarten können? sondern dürfte mit dem Besitz seiner drei Dompropsteien in Verbindung stehen, wie Schambach in der oben angekündigten Arbeit sehr wahrscheinlich macht, indem er nachweist, daß Reinald deren Verwaltung und Einkünfte bisher als Erwählter noch beibehalten hatte.Friedrich, die erschienenen englischen Gesandten und alle geistlichen und weltlichen Fürsten verpflichteten sich mit den bindendsten Eiden, nie Alexander anzuerkennen, stets an Paschalis oder einem von dessen Partei gewählten Nachfolger fest - zuhalten. Wer von den Großen im Lande nicht binnen sechs Wochen denselben Eid leisten würde, den sollte als Reichsfeind Verbannung und Verlust von Amt, Lehen und Eigen treffen. So sollte die deutsche Kirche von den alexandrinischen oder unsicheren Elementen gründlich gereinigt, und durch die Festlegung der poli - tischen Richtung dem Gegner jede Hoffnung auf Verständigung genommen werden.

In der Tat ging man mit aller Schärfe an die Durchführung; selbst der erste Erzbischof des Reiches Konrad von Mainz ward als Alexandriner ersetzt durch Friedrichs Kanzler, den ganz welt - lich gerichteten, als Staatsmann und Feldherr hervorragenden Christian von Buch. Auch sonst wurden die alexandrinischen Geistlichen, insbesondere Zisterziensermönche, scharenweis aus dem Reiche getrieben; im Salzburgischen entbrannten heftige Kämpfe, die den greisen Propst Gerhoh von Reichersberg an der stets er - strebten Versöhnung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ver - zweifeln ließen. Es war doch ein gewalttätiger Gewissenszwang, der notwendig starken Gegendruck erzeugen mußte. Auch politisch war diese Beschränkung der eignen Bewegungsfreiheit für alle Zukunft schwerlich ratsam, um so weniger, als sich der neue eng - lische Verbündete, in der auswärtigen Politik stets rücksichtslos opportunistisch, trotz des Schwurs seiner Gesandten keineswegs in143§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).gleicher Weise verpflichtet fühlte und überdies bei dem einmütigen Widerstand der englischen Geistlichkeit auch gar nicht in der Lage gewesen wäre, sein Versprechen in vollem Umfange durchzuführen. So verwendete er das neue Bündnis wesentlich als Druckmittel bei seinen weiteren Verhandlungen mit Alexander und zeigte sich jeder - zeit bereit, ihn gegen kirchenpolitische Zugeständnisse aufs neue anzuerkennen.

Den Erfolg aber brachten das Zusammengehen Friedrichs mit England und die dadurch hervorgerufene Spaltung zwischen den Westmächten immerhin, daß sie die Unsicherheit der Lage Alexanders verstärkten und seine ohnehin beabsichtigte Rückkehr nach Rom beschleunigten (Ende 1165). Hier war er für die Kaiser - lichen weit leichter angreifbar, denn die Hoffnungen, die ihn zu dem Entschlusse getrieben hatten, erfüllten sich in keiner Weise. Er war in der Stadt nahezu eingeschlossen; von Norden her hatte die kühne Kriegsleitung des Kanzlers Christian den Gegenpapst nach Viterbo geführt und bedrohte das Patrimonium; der sizilische Rückhalt versagte durch den dortigen Thronwechsel, der mit Wil - helm II. einen noch unter Vormundschaft stehenden, zwölfjährigen Knaben zum Königtum erhob (1166), und die abenteuerlichen, auf eine Wiedervereinigung des ost - und weströmischen Reiches und eine Union der Kirchen gerichteten Pläne des griechischen Kaisers Manuel, zu deren Durchführung er mit dem Gewinn Anconas einen bescheidenen Anfang machte, wurden zwar von der Kurie in ihrer Not nicht schroff zurückgewiesen, konnten jedoch nur ein unbe - stimmtes Gemisch von Hoffnungen und Befürchtungen erregen. Die ganze Lage mußte Friedrich dazu anreizen, durch einen Vor - stoß auf Rom seinen päpstlichen Gegner zur Unterwerfung zu zwingen. Eine neue Heerfahrt nach Italien ward beschlossen.

Man war am kaiserlichen Hofe nun wieder in der gehobensten Stimmung und zweifelte nicht am Erfolge. Soeben hatte Friedrich in Aachen mit Zustimmung seines Papstes die feierliche Kanonisation Karls d. Gr., seines leuchtenden Vorbildes, vollzogen (Ende 1165); noch galt es in Deutschland allerlei Zwistigkeiten beizulegen, ins - besondere wiederum zu vermitteln zwischen seinem Vetter Heinrich und dessen sächsischen Gegnern, denen sich diesmal sogar Reinald von Dassel in Wahrung der westfälischen Interessen seines Kölner Erzbistums angeschlossen hatte. Noch einmal gelang es dem Kaiser, zwar nicht einen wirklichen Ausgleich, aber doch die Zusicherung der Friedenswahrung zu erlangen, indem er, wenn auch ungern, beiden Parteien die Teilnahme an der Romfahrt erließ. Dann rückte er mit trotzdem recht ansehnlichen Heeresmassen zum vierten Male in Italien ein (1166).

144II. Die Zeit der Staufer.

In der Lombardei hatten Beamtendruck und Abgabenlast die heftigste Gährung erzeugt, aber der Kaiser hielt sich jetzt nicht damit auf; der Erfolg im Süden mußte auch hier jede Erhebung im Keim ersticken. Das weitere Vorrücken vollzog sich ähnlich wie bei Lothars späterem Romzuge in zwei getrennten Heeressäulen. Wie damals marschierte der Kaiser mit der Hauptmacht von der Romagna her die Ostküste entlang und nahm nach mehrwöchent - licher Belagerung das zu den Griechen abgefallene Ancona. Der - weil waren die Erzbischöfe Reinald und Christian mit dem Rest der Ritterschaft und den damals zuerst im kaiserlichen Heer ver - wendeten brabantischen Söldnern durch Ligurien und Tuszien gezogen, in das Patrimonium eingedrungen und in einem glänzend durchge - führten Kampfe gegen die weit zahlreicheren Römer bei Tuskulum Sieger geblieben (Mai 1167). Alexander sah sich in dem unzu - verlässigen Rom eingeschlossen, und Paschalis rief den Kaiser zum Schneiden der Saat, zur Ernte der Trauben herbei. Gleich vom Marsche aus führte Friedrich sein Heer zum Sturm gegen die Mauern, nahm die Leostadt, ließ seinen Papst in der Peterskirche inthronisieren und empfing mit seiner Gemahlin Beatrix aus seiner Hand noch einmal die Kaiserkrone (1. Aug. 1167). Schon stand man unmittelbar vor dem Ziel, da gelang es Alexander, noch kurz ehe die Tibermündung von pisanischen Galeeren versperrt wurde, in Pilgertracht auf einem Nachen das Meer zu gewinnen und nach Benevent zu flüchten. So ward die Beendigung des Schismas doch wieder ins Unabsehbare verschoben! Immerhin, als dem Kaiser sich nun auch die Tore des eigentlichen Rom öffneten, und seine Hoheit dort unumschränkt anerkannt wurde, schien er doch auf einem Gipfelpunkt seiner Erfolge zu stehen, wie nur Heinrich IV. nach der langersehnten Einnahme der Stadt. Da schleuderte ihn ein furchtbares Naturereignis, das den Zeitgenossen kaum anders als ein Strafgericht Gottes für die Verfolgung des rechtmäßigen Papstes erscheinen konnte, jählings in die Tiefe. Am Tage nach der Krönung ergriff nach einem wolkenbruchartigen Regen mit einer kaum je wiedererlebten Wucht in wenigen Stunden eine tödliche Seuche, wie die ganze Stadt, so auch das kaiserliche Heer, Hoch und Niedrig wahllos dahinraffend. Ihr erlagen über zweitausend Ritter, angesehene Fürsten, wie Konrads III. Sohn Friedrich von Rotenburg und der junge Welf VII., hervorragende Verwaltungsbeamte wie die Bischöfe Hermann von Verden und Daniel von Prag, vor allen andern aber sein größter Staatsmann, der ihn auf diese steile Höhe geführt, und der ihm nun bei dem gefährlichen Abstieg nicht mehr helfend zur Seite stehen konnte: Reinald von Dassel, wenig über fünfzig Jahre alt, aus der Vollkraft des Schaffens hinweggerissen! 145§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157 1167).So widerstrebend Friedrich letzthin der genialen Gewaltpolitik dieses Mannes mitunter gefolgt sein mochte, so sehr sein eignes Tempe - rament ihn auf eine maßvollere und vorsichtigere Behandlung der Dinge wies, die ihm dann auch die späteren großen Erfolge ein - tragen sollte, Mannesmut und Schwungkraft, Erfindungsgabe und Organisationstalent des treuen Dieners hatten ihren Eindruck auf ihn nie verfehlt, und sein Hinscheiden schien eine unausfüllbare Lücke zu hinterlassen. So hat er noch den Toten mit Ehren überhäuft und es rühmend gepriesen, wie er, stets bedacht gewesen sei, Ehre und Mehrung des Reiches allen eignen Vorteilen voranzustellen und mit glühender Seele alles zu fördern, was dem kaiserlichen Ruhme dienstlich sei .

Jetzt war weder an eine Fortsetzung des Feldzuges gegen Alexander und Sizilien, noch an längeres Verweilen auf dem durch - seuchten Boden Roms zu denken. Eilends wandte sich der Kaiser mit den Trümmern seines Heeres nordwärts durch Tuszien und gelangte nur noch mit Mühe über den Apennin nach Pavia. Denn in der Lombardei war inzwischen ein völliger Umschwung ein - getreten, durch den Eindruck des römischen Gottesgerichts mächtig gefördert, aber nicht erst hervorgerufen. Als das Erscheinen des Kaisers in der Lombardei statt der erhofften Milderung nur ge - doppelte Strenge gebracht hatte, waren im Frühjahr kurz nach seinem Abmarsch, nicht ohne alexandrinische und venezianische Einwirkungen, insgeheim vier Städte, darunter das vielbegünstigte, aber in seinen weiteren Ansprüchen doch enttäuschte Cremona, zu einem Bunde1)Das urkundliche Material für die Entstehung des Lombardenbundes gibt Vignati, Storia diplomatica della lega lombarda 1866; dazu vgl. Ficker, Z. Gesch. des Lombardenbundes, S. B. der Wiener Akad. 1868. zusammengetreten, hatten sich mit den Mailändern, die gegen ein Wiedererstehen ihrer alten drückenden Vorherrschaft Sicherheit leisteten, in Beziehung gesetzt und bereits in offener Auflehnung den Aufbau ihrer zerstörten Stadt in Angriff genommen. Seitdem hatte sich der Bund nicht ohne Zwang auf im ganzen acht Städte erweitert, deren zusammenhängende Gebiete den Kern der Lombardei bildeten, und bei dem Veroneser Bunde freudige Unterstützung gefunden. Das ausgesprochene Ziel war die Ab - schüttelung des kaiserlichen Beamtenregiments, Herstellung der freien Selbstverwaltung und Regaliennutzung. Was der Kaiser der Lom - bardei anfangs durch Beseitigung der Mailänder Vorherrschaft und Zügelung der wilden Konkurrenzkämpfe an Segen gebracht hatte, sollte künftig durch die Bundesbehörde der Rektoren geleistet werden, zu der jede Stadt einen ihrer Konsuln entsandte; ihnenHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 10146II. Die Zeit der Staufer.sollte die Kriegsleitung und die oberste Gerichtsbarkeit zustehen. Der Bund war also eine Schöpfung, die nicht nur auf den augen - blicklichen Zweck, sondern auf die Dauer berechnet war, ein selb - ständiges föderatives Staatsgebilde innerhalb des Staates!

Wäre Friedrich mit ungeschwächtem Heer und unvermindertem Ansehn zurückgekehrt, so hätte er diesen feindlichen Bund wohl noch zu zersprengen vermocht. So aber wandte sich alles zum Schlimmen. Seine verzweifelten Anstrengungen, von dem getreuen Pavia aus durch rasche Erfolge den bösen Eindruck zu verwischen, waren fruchtlos. Schon ergriff der Aufstand auch die westliche Lombardei und bedrohte durch Sperrung der Alpenpässe seine Rückzugslinien. Einen Augenblick schien er wirklich abgeschnitten und seinen übermächtigen Gegnern preisgegeben. Da gelang noch in letzter Stunde die Umstimmung des Grafen von Savoyen; durch sein Gebiet, noch zuletzt in Susa mit Gefangenschaft und Tod be - droht, flüchtete der Kaiser in Knechtstracht nach Deutschland (März 1168).

Und nun konnte sich die lombardische Liga, die in ihrem Zusammenschluß mit dem Veroneser Bunde bald zweiundzwanzig Städte umfaßte, in voller Ruhe weiten und festigen. Mit dem kaiserlichen Regiment schwand auch die Geltung des Gegenpapstes dahin. Die Lombarden traten mit Alexander in die engste Ver - bindung; als sie damals (1168) zwischen Tortona und Asti ein neues Gemeinwesen gründeten, das aus einer Zusammenlegung dörflicher Ortschaften erwachsen, städtisches Leben auch in dieser westlicheren Landschaft entfalten und zugleich den Zwecken des Angriffs und der Abwehr gegenüber dem Reste kaiserlicher An - hänger und dem Gebiete der Reichsdomänen dienen sollte, da gaben sie ihm zu Ehren des Papstes den Namen Alessandria. 1)Vgl. die Berliner Diss. von F. Gräf, der bestreitet, daß man schon bei der Gründung daran gedacht habe, eine Bundesfestung zu schaffen. Ganz gefehlt aber haben militärische Zwecke sicherlich nicht.

Welcher Wandel hatte sich doch in wenigen Monaten voll - zogen! Von der ersehnten Beendigung des kirchlichen Schismas war man jetzt weiter als je entfernt, und der stolze Herrschaftsbau, den Friedrich mit der Hilfe Reinalds von Dassel in Italien errichtet hatte, war in den Grundfesten erschüttert. Es war vorderhand nicht abzusehen, wann die Verhältnisse Deutschlands dem Kaiser ein erneutes Ausgreifen über die Alpen gestatten würden.

147§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).

§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).

Man könnte versucht sein, die Aussichten Friedrichs nach der römischen Katastrophe und der Erhebung der Lombarden zu ver - gleichen mit der Lage Heinrichs IV. nach dem Abfall Italiens unter Führung Urbans II. Hier wie dort hatte es sich entschieden, daß an eine volle Durchsetzung des schismatischen Papsttums nicht wohl zu denken war. Europäischer Anhang und italienische Widerstands - kräfte stützten die unabhängige Kurie. Friedrich, gebunden durch die Würzburger Beschlüsse, dachte damals zwar noch nicht an Nachgeben, erteilte vielmehr bei einem neuen Wechsel im Gegen - papsttum Kalixt III. sofort seine Anerkennung (1168), aber ernst - hafte Friedensunterhandlungen mit Alexander III., mochten sie auch noch scheitern, zeigten doch in den folgenden Jahren Wunsch und Möglichkeit eines Ausgleichs. Noch war des Kaisers Machtstellung südlich und nördlich der Alpen höchst bedeutend und jener Hein - richs IV. unendlich überlegen. In Italien hatte sich allerdings ein neuartiger Bund städtischer Selbstherrschaften wie ein Keil zwischen die Reichsgebiete geschoben und hemmte ihre Verbindung; aber die kaiserliche Herrschaft in Mittelitalien blieb unerschüttert, sie ge - wann sogar bald einen festeren Rechtsgrund, als der alte Herzog Welf VI., der durch die römische Seuche seinen einzigen Sohn und mit ihm das Interesse an seinem italienischen Lehensbesitz verloren hatte, gegen eine Geldentschädigung zugunsten des Kaisers auf Tuszien, Spoleto, die mathildischen Güter, Sardinien und Corsica verzichtete (c. 1174). Ein umfänglicher Teil des engeren Kirchen - staates mit Rom selbst blieb überdies die ganzen folgenden Jahre hindurch in den Händen der Kaiserlichen.

Auf Deutschland endlich wirkten die letzten Verhältnisse in - soweit ungünstig, als sie die Zurückhaltung der deutschen Fürsten neuen italienischen Unternehmungen gegenüber steigerten. Sonst aber gelang es Friedrich in der nächsten Zeit, durch eine kluge, zugleich vorsichtige und zielbewußte Politik seine hier völlig ungeschwächte Macht noch zu erhöhen. Wenn Heinrich IV. sich dereinst nur durch Zugeständnisse an die sächsisch-süddeutsche Opposition wieder wenigstens zum politischen Gebieter Deutschlands gemacht hatte, so zeigte zwar die Machtstellung Heinrichs des Löwen, daß auch jetzt noch eine ähnliche Aufgabe der Lösung harrte. Aber noch hatten sich die Herrschaftskreise des Staufers und des Welfen nicht ge - schnitten, gerade auf ihrem ungestörten freundschaftlichen Neben - einander beruhte noch eine Weile das System der innerdeutschen10*148II. Die Zeit der Staufer.Politik. Ebendamals deckte der Kaiser seinen Vetter mit dem Reichsschilde gegen den Bund seiner territorialen Gegner und gebot Frieden, wußte aber trotz dieser Begünstigung des mächtigsten Herzogs in seiner vornehmen, klugen und gerechten Art auch die andern Reichsfürsten um seinen Thron zu scharen und ziemlich mühelos die Wahl seines zweiten, erst vierjährigen Sohnes Heinrich zum deutschen König durchzusetzen (1169). Seinem Ältesten Friedrich1)Vielleicht machte ihn ein körperliches Gebrechen zur Nachfolger - schaft im Reiche ungeeignet, vergl. Scheffer-Boichorst, Gesammelte Schriften II, 383 ff. war kurz vorher das Herzogtum Schwaben zugefallen; hier, wie in Mittelitalien, hatte die römische Seuche, die den jungen Herzog Friedrich von Rotenburg, Konrads III. Sohn, dahinraffte, dem Kaiser unmittelbaren Gewinn eingetragen. Und auch sonst wußte dieser den staufischen Hausbesitz zu wahren, nicht zum wenigsten durch Übertragung von Kirchenlehen an den König selbst oder seine Söhne, wie das bis dahin nicht üblich gewesen war.

Was aber endlich die damalige Machtstellung Barbarossas in Deutschland derjenigen Heinrichs IV. so unvergleichlich überlegen machte, war, daß er auch die Zügel des Kirchenregimentes fest in der Hand behielt, ja sie noch straffer anzog. Denn indem er in Durchführung der Würzburger Beschlüsse allenthalben die Geist - lichen zwang, von Schismatikern ihre Weihen zu nehmen, kettete er sie eng an seine Sache. Selbst in das Hauptbollwerk der Alexandriner, die Salzburger Kirchenprovinz, ward Bresche gelegt. Und an der Spitze des einigen Deutschlands nahm Friedrich auch dem Ausland gegenüber die Reichsinteressen in Ost und West mit Erfolg wahr. Die Ermordung des Erzbischofs Thomas von Canter - bury (1170), die den Abscheu der Christenheit gegen den mit - schuldigen König Heinrich II. wachrief, führte zu einer unerwarteten Umkehr der politischen Verhältnisse; denn die Beseitigung des Starr - kopfs erleichterte trotz allem den Ausgleich zwischen der Kurie und England. Indem aber nun die Feindschaft zwischen den beiden Westmächten bald wieder zu vollem Ausbruch kam (1173), ersetzte der Kaiser den Verlust des unzuverlässigen englischen Bundes - genossen durch eine Annäherung an Frankreich, und diese Ver - bindung zwischen Staufern und Capetingern wurde nun über ge - legentliche Schwankungen hinweg bis tief in das folgende Jahrhundert aufrecht erhalten, während England mit dem Welfenhause schon durch die verwandtschaftlichen Beziehungen verknüpft blieb.

Die sechs Jahre, die Friedrich damals auf deutschem Boden weilte, waren arm an großen Ereignissen, reich an stillen, nach - haltigen Erfolgen. Konnten dieser gesammelten Kraft, wenn sie zu149§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).einem letzten, vernichtenden Schlage ausholte, das Papsttum und seine italischen Bundesgenossen widerstehen? Sie hatten inzwischen ihre Stellung behauptet, aber kaum befestigt. Der Lombardenbund hatte sich zwar noch etwas erweitert, aber auch schon bedenklich gelockert. Venedig, in einen erbitterten Kampf gegen den griechi - schen Kaiser verwickelt und dadurch zeitweilig gar zu einem Zu - sammenwirken mit den deutschen Reichstruppen gegen das von den Griechen besetzte Ancona geführt, stand tatsächlich schon außerhalb des Bundes; im Schoße der Lombardei selbst erwachten alte Neben - buhlerschaften, das neuerstarkende Mailand bedrohte die Führerrolle Cremonas.

Als der Kaiser 1174 zu einem fünften Romzuge aufbrach, war zwar seine Heeresmacht von etwa 8000 Kriegern nicht etwa glänzend zu nennen, noch wirkte die Erinnerung an das tückische Klima Italiens nach, und den mächtigsten Reichsfürsten Heinrich den Löwen für die Fahrt zu verpflichten, war leider auch diesmal nicht gelungen; aber man durfte nach dem ersten Erfolge auf starken Zuzug in Italien rechnen, und der diplomatischen Kunst Friedrichs war die Aufgabe gestellt, den Papst von den Lombarden nach Möglichkeit abzuziehen.

Die Wucht des deutschen Angriffs, die die westlichen Teile der Lombardei im Fluge für das Reich zurückgewann, brach sich erst an den Wällen und Gräben Alessandrias, der wegen ihrer dörflichen Unfertigkeit wohl verspotteten Strohstadt , die sich aber jetzt in sechsmonatlicher, zäher, verlustbringender Verteidigung als Eisenstadt erwies. Das entschied das Los des Feldzuges, und mehr; es zeigte Friedrich die Widerstandsfähigkeit seiner Gegner und bestimmte ihn zu einer Herabminderung seiner politischen Ab - sichten in der Lombardei. Als daher endlich ein starkes Ersatzheer der Bündler herannahte, zog er einen Ausgleich der kriegerischen Entscheidung vor, und die Lombarden, vor sich den unbesiegten Kaiser, hinter sich den von der Romagna her vordringenden Erz - bischof von Mainz, voll Mißtrauen gegen ihren eignen Zusammen - halt, kamen trotz augenblicklicher Überlegenheit seinem Wunsche entgegen. So entstand der Vertrag von Montebello (1175), der Form nach eine Unterwerfung der Lombarden unter die Gnade des Kaisers, dem Wesen nach eine Einigung auf schiedsgericht - lichen Austrag der gegensätzlichen Forderungen, beiderseitig unter so bindenden Verpflichtungen, daß die Abmachung nicht etwa nur als ein Waffenstillstand, sondern als der Friede selbst betrachtet werden durfte. Denn die letzten nicht wegzuräumenden Streit - punkte sollten durch einen unbedingt bindenden Wahrspruch der Konsuln Cremonas entschieden werden, das also trotz seiner noch150II. Die Zeit der Staufer.fortdauernden Stellung an der Spitze des Bundes wegen seiner letzt - weiligen vorsichtigen Zurückhaltung von beiden Parteien gewisser - maßen als eine neutrale Macht angesehen wurde. Diesen Fest - setzungen entsprach es, daß Friedrich sogleich einen großen Teil seines Heeres, namentlich die kostspieligen Söldner, entließ, und daß auch die städtischen Truppen sich auflösten.

Bei ehrlichem Einhalten der Vertragsbestimmungen schien nun in der Tat ein beiderseits annehmbarer Friede möglich. Denn mit einer jener für seine spätere persönliche Politik so charakteristischen plötzlichen Schwenkungen verzichtete Friedrich jetzt auf die Durch - führung der roncalischen Beschlüsse, d. h. vor allem auf ein über das Lehenswesen hinausgreifendes direktes Reichsbeamtenregiment in Oberitalien. Er gedachte sich bei Anerkennung der Bundes - organisation mit einem Maße kaiserlicher Hoheitsrechte zufrieden - zugeben, wie es die früheren deutschen Herrscher vor den großen Verlusten seit Heinrichs V. Tod besessen hatten. Das Kompromiß, wie es in dem Spruche der Cremoneser Konsuln schließlich aus den Verhandlungen hervorging, steht den späteren Konstanzer Fest - setzungen nicht allzu fern: warum mußten erst neue Kämpfe dahin führen? Weil Friedrich bei seiner Schwenkung nur den einen Gegner abfinden wollte, um gegen den andern freie Hand zu be - halten. Der Kampf gegen Alexander III., zu dem die Lombarden sich kirchlich auch künftig bekennen mochten, sollte fortgeführt werden; die seiner Schutzherrschaft unterstellte Bundesfestung Alessandria als solche nicht anerkannt, ja als städtisches Gemein - wesen aufgelöst werden. Das aber widersprach der kirchlichen Überzeugung der Lombarden ebenso wie ihrem Bewußtsein engster Interessengemeinschaft mit dem Papste. Sie haben sogleich durch einen starken Druck auf den truppenentblößten Kaiser durchgesetzt, daß auch päpstliche Bevollmächtigte zu den Verhandlungen zuge - zogen wurden, ohne daß freilich dadurch die Beilegung des Schismas gefördert worden wäre. Das Ansinnen einer Preisgabe des helden - mütigen Alessandria aber mußte geradezu als eine Schmach für den Bund empfunden werden. Wenn die Cremoneser Konsuln sich in beiden Punkten den Wünschen des Kaisers anschlossen, so hat es fast den Anschein, als ob sie um kommunaler Sondervorteile willen die Interessen des Bundes preisgegeben und den von dieser Seite auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hätten. So brach auf die Verkündigung ihres Spruches hin eine von den Bischöfen geschürte Volksbewegung in der Lombardei los und führte zur offenen Verletzung des Vertrages von Montebello1)F. Güterbock, D. Friede von Montebello und die Weiterentwickelung des Lombardenbundes, Berl. Diss. 1895, ist in einigen Punkten über die, die151§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).begreiflich ist, aber doch auch nicht beschönigt werden darf. 1)Wie das wohl von italienischer Seite versucht ist, vergl. Tononi, Arch. stor. lombardo 4.Von welcher Seite die Feindseligkeiten aufs neue eröffnet wurden, ist strittig, aber unwesentlich. Politisch gestaltete sich dadurch die Lage für Friedrich nicht ungünstig, daß das beleidigte Cremona sich zurückhielt und bald zu ihm hinzuneigen begann; aber militärisch geriet er durch seine geringe Truppenzahl in bedenkliche Gefahr. Ein Glück noch, daß ihm der Abfall von Como wichtige Alpen - pässe zur Heranziehung deutscher Hilfskräfte öffnete.

In dieser Lage hat sich der Kaiser an Heinrich den Löwen gewandt. Nördlich vom Comersee, bei Chiavenna hat in den ersten Monaten des Jahres 1176 höchstwahrscheinlich jene denkwürdige Zusammenkunft stattgefunden, die eine überkritische Forschung neuerdings aus den Annalen der Geschichte hat streichen wollen, weil sich in der dürftigen unmittelbar gleichzeitigen Chronistik kein Beleg dafür findet. Indessen reichen die etwas späteren Berichte aus, um mit dem Grade relativer Sicherheit, mit dem wir uns bei der mittelalterlichen Quellenforschung nur zu oft begnügen müssen, Tatsache, Örtlichkeit und das Wesentlichste des Verlaufes festzu - stellen. 2)Die völlige Negation vertreten mit unzureichenden Gründen: Ozl - berger, Linzer Gymn. -progr. 1859 60, Jastrow-Winter I, 583, Lucas, Berliner Diss. 1904; etwas zu skeptisch auch noch D. Schäfer, Hist. Ztschr. 76. Das Richtige haben Ranke u Giesebrecht. Hält man sich zunächst an die An - nalen v. Paderborn, Gislebert v. Mons und Otto v. S. Blasien und zieht für die Ortsbestimmung auch die sonst unzuverlässige Chronik von Ursperg heran, so erhält man eine im ganzen zusammenstimmende Überlieferung, die auch dadurch noch nicht hinfällig wird, daß sie teilweise durch eine gemeinsame historische Volksdichtung beeinflußt zu sein scheint. Die Angabe von Partenkirchen in der Chronik von Lauterberg muß dem gegenüber auf Verwechselung beruhen, und die weiteren Berichte zeigen zunehmende Ver - wirrung und legendarische Trübung. Auch der Fußfall Friedrichs ist nicht als historisch bezeugt anzusehen, wenn derartige Äußerungen der Erregung dem mittelalterlichen Menschen auch näher lagen als uns.Wie weit die Reichsheerfahrt von 1176 als eine be - schworene anzusehen, und Heinrich daher zur Hilfeleistung ver - pflichtet war, steht dahin3)Weiland, Forsch z. deutsch. Gesch. 7 ging in der positiven Be - hauptung dieser Pflicht zu weit und wollte mit Unrecht auf ihre Verweigerung die spätere Verurteilung rechtlich zurückführen.; jedenfalls verboten die politischen Machtverhältnisse allen Zwang. Doch konnten die Notlage des1)älteren Forschungen von Vignati, Ficker und Giesebrecht hinausgekommen. Er sieht den Bruch schon in der Hereinziehung päpstlicher Unterhändler. Möglich bleibt immer, daß Friedrich, als er das zugestand, sich im übrigen die Unversehrtheit der Vertragsbedingungen vorbehielt, und dann bliebe es bei Fickers Ansicht, der den Bruch erst nach der Verkündigung des Cremo - neser Spruches eintreten läßt.152II. Die Zeit der Staufer.Kaisers und die Erinnerung an ihr bisheriges Verhältnis wohl einen moralischen Druck üben. Indes der Herzog, seit 1161 den italie - nischen Reichsunternehmungen fern und ganz im Bannkreise seiner ebenso gesunden, wie rücksichtslosen territorialen Machtpolitik, zeigte sich solchen Affekten unzugänglich und verlangte in seiner nüchternen, derbzugreifenden Art als Preis für seine Hilfe die Reichsstadt Goslar, während dem vornehmen, feinfühlig-stolzen Kaiser gerade eine der - artige Zahlung mit der Würde des Reiches unvereinbar schien. Ihre Verhandlung entbehrte vielleicht der leidenschaftlich-dramatischen Töne und gewiß der billigen Vorausdeutungen, mit denen die ge - schäftige Volksphantasie sie bald darauf ausstattete. Aber noch heute, wer vermöchte sich ganz dem Reize einer Ausmalung jener Szene zu entziehen, in der die hervorragendsten Männer des da - maligen Reiches, verschieden in Stellung und Richtung, Vertreter gewissermaßen der beiden großen Tendenzen, welche die deutsche Geschichte von den Anfängen bis auf Bismarck bewegt haben, und die noch heute fortwirken, sich gegenübertraten und ohne Einigung verstimmt voneinander schieden. Man hat die Bedeutung des Moments für die weitere Entwicklung der deutschen Ereignisse über - schätzt. Es war noch nicht der Bruch, nicht einmal die geheime Absicht dazu, aber doch der erste Keim jenes Mißverhältnisses, das dann weiter wuchs und die Fortsetzung jenes Gleichgewicht - systems in Deutschland im Interesse des Reiches untunlich machte.

Und auch für den Ausgang der lombardischen Kämpfe und damit des großen kirchenpolitischen Ringens ist dies Hineinwirken des deutschen Partikularismus möglicherweise von entscheidender Bedeutung geworden. Denn die Streitkräfte, die nun heimlich auf dem wenig begangenen Lukmanierpasse herbeikamen, waren nicht erheblich genug, um dem Kaiser das Übergewicht in der Lombardei zu verschaffen, und als er sie persönlich in kühnem Zuge zur Ver - einigung mit seinen Truppen nach Pavia führen wollte, brach sich bei Legnano (nw. v. Mailand) die Kraft der deutschen Ritterschaft an den Schilden und Lanzen des um den Fahnenwagen gescharten Mailänder Fußvolks. Nur unter bedeutenden Verlusten konnte Friedrich sein Ziel erreichen. Die erste Niederlage im offenen Felde verriet dem Kaiser aufs neue die Widerstandskraft seiner oberitalischen Gegner, und noch einmal bot er die Hand zum Frieden. Die Bedingungen eines zweiten Cremoneser Spruches, mit dem Friedrich sich einverstanden erklärte, gingen in ihren Zu - geständnissen an die Lombarden1)So in der Beseitigung der kaiserlichen Gerichtshoheit, der Beschrän - kung des Fodrums auf den Krönungszug, der Anerkennung Alessandrias als Bundesstadt. sehr erheblich hinaus über die -153§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).jenigen des Vorjahres. Sie boten mehr, als später in Konstanz wirklich erreicht wurde und hielten nur die Trennung von der Sache Alexanders III. aufrecht. Indem die Lombarden sie gleich - wohl in Überschätzung ihres Erfolges und in Rücksicht auf den Papst auf Antrieb der Mailänder ablehnten, brachten sie sich selbst um die Früchte ihres Sieges1)Einer nationalen Überschätzung der Folgen des Sieges für die Lom - barden ist schon Bertolini entgegengetreten. Immerhin betont neuerdings Güterbock, Ancora Legnano 1901, daß ihre Lage ohne diesen Sieg bedenk - lich genug hätte werden können., und in der ausbrechenden Gegnerschaft zwischen Cremona und Mailand trat der Zwiespalt im Bunde nun offen zu Tage.

Friedrich aber trachtete in neuer Schwenkung nach einem Sonderabkommen mit Alexander III. und hatte hier Erfolg. Denn wenn auch der Papst einen endgültigen Friedenschluß ohne seine Bundesgenossen ablehnte, so war es Gewinn genug für den Kaiser, daß die Streitpunkte zwischen Reich und Kirche wenigstens zu einem provisorischen Ausgleich gebracht wurden in dem Vertrage von Anagni (November 1176). 2)Das lange verlorene Schriftstück wurde erst im Winter 1885 / 86 im Vatikanischen Archiv in gleichzeitiger Kopie aufgefunden und von P. Kehr, Neues Arch. 13 mit Erläuterungen veröffentlicht; vergl. M. G. Const. I, 349 ff.

Jetzt endlich erklärte sich Friedrich bereit, entgegen seinem Würzburger Eide den Gegenpapst fallen zu lassen und Alexander III. anzuerkennen; ein schwerer Entschluß nach siebzehnjährigem Kampfe, aber nachgerade eine Not - wendigkeit. Ein europäischer Sieg war längst, zumal nach dem Abfall Eng - lands, aussichtslos, die deutsche Kirche zwar noch festgeschlossen, aber iso - liert, und selbst die treuesten Berater Friedrichs von dem Wunsche nach Be - seitigung der anormalen Verhältnisse beseelt. Die Lage des Papstes anderer - seits war gesicherter. Ein Gregor an seiner Stelle wäre vielleicht unnach - giebig gewesen. Aber Alexander war ein Greis geworden in der Verteidigung der päpstlichen Freiheit, seine Wirksamkeit im Reiche war weithin lahm - gelegt, die Kirche litt in dem endlosen Kampfe. Da ergriff er die Gelegen - heit, ihn zu enden unter voller Wahrung seines Standpunktes. Die Bann - lösung und Anerkennung des bekehrten Kaisers verstand sich von selbst. Schwieriger war die Frage nach der Anerkennung der schismatischen Weihen. Während der Papst da in dem vorwiegend alexandrinischen Italien freie Hand behielt, machte er der Gegenpartei in Deutschland die erheblichsten Zuge - ständnisse, die Friedrichs Verbindung mit der deutschen Kirche unerschüttert ließen. Selbst der eifrige Alexandriner Kardinal Konrad von Wittelsbach sollte auf Mainz verzichten und mit dem ersten freiwerdenden Erzbistum ent - schädigt werden, was dann bald in Salzburg möglich wurde. Höher waren Alexanders Forderungen in kirchlich-territorialer Beziehung: Preisgabe der Staatshoheit des Reiches über das römische Patrimonium3)Das bedeutete die Rückgabe der römischen Präfektur., Rückführung des päpstlichen Besitzes auf den Stand unter Innozenz II. und Anerkennung der kirchlichen Ansprüche auf das Eigengut der Gräfin Mathilde, harte Zu - mutungen, auf die der Kaiser indes um des Friedens willen schließlich einging.

154II. Die Zeit der Staufer.

Der alle kirchenpolitischen Streitpunkte schlichtende, alle Mög - lichkeiten klug überschauende Vertrag von Anagni, der die beider - seitige Diplomatie auf einem Höhepunkte zeigt, war ein Präliminar - friede, der erst in Kraft treten sollte, wenn der Abschluß mit Sizilien und den Lombarden gelang. 1)Der griechische Kaiser wird zwar ebenfalls genannt, kommt aber weiter kaum in Betracht; nach dem Tode Manuels (1180) hörten die griechischen Angriffe und Intriguen in Italien von selbst auf.Die Schwierigkeiten, die namentlich in Oberitalien zu erwarten waren, wollte Alexander persönlich auf einem dort abzuhaltenden Friedenskongreß, der dann wirklich in Venedig2)Die ältere für den Kaiser allzu ungünstige Auffassung des Friedens von Venedig (m. G. Const. I, 360 ff. ) ist namentlich durch die Forschungen Fickers beseitigt. Erst die Kenntnis des Vertrags von Anagni ermöglichte das volle Verständnis jener Friedensabmachungen; daher kommen die älteren Arbeiten von Peters und Eichner neben den Ausführungen Giesebrechts kaum mehr in Betracht. stattfand, beseitigen helfen.

Bald zeigte sich, wie sehr Friedrich seine Lage durch dies Sonderabkommen mit der Kurie verbessert hatte. Mißtrauen trat, vom Kaiser geschürt, zwischen Papst und Lombarden. Ihre Klagen über das einseitige Vorgehen Alexanders erinnern an die der deutschen Opposition nach Canossa. In der Tat schnellten die kaiserlichen Forderungen sofort in die Höhe und blieben nicht einmal mehr bei den schon in Montebello, geschweige denn nach Legnano, gebotenen Zugeständnissen stehen. Der Papst hatte jetzt ein Inter - esse an ihrem Entgegenkommen; versagten sie sich, so traf sie der Vorwurf, allein noch den kirchlichen Frieden zu hemmen. Als es trotzdem zu keiner Einigung kam, empfahl der Papst statt des Frie - dens einen sechsjährigen Waffenstillstand. An sich war dieser für den Kaiser nicht unbedingt ungünstig, denn bis zu seinem Ablauf konnte er die Spaltungen im Bunde, aus dem jetzt bereits Cremona und Tortona austraten, erweitern, und bei künftigen Verhandlungen würde er den von der Kurie völlig getrennten Lombarden gegenüber - stehen. Gleichwohl hat er es ganz persönlich mit ungemeiner diplomatischer Kunst verstanden, für diese vom Papst beantragte Abwandlung des Vertrags von Anagni auch seinerseits eine bedeut - same Änderung zu seinen Gunsten durchzusetzen. An die Stelle genauer Umgrenzung der kirchlichen Territorialansprüche trat die unbestimmte Erklärung einer gegenseitigen Rückgabe des entwen - deten Besitzes. Rechtsstreitigkeiten darüber sollten durch ein gemischtes Schiedsgericht zum Austrag gebracht werden. Da aber auch dort eine Einigung schwerlich zu erwarten stand, so mußten die strittigen Objekte in der Hand des jeweiligen Besitzers ver - bleiben, vor allem das mathildische Gut in der Verwaltung des155§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168 1177).Kaisers. Außer mit den Lombarden sollte auch mit Sizilien nur ein Waffenstillstand geschlossen werden, der aber bei fünfzehn - jähriger Dauer einem Frieden nahezu gleichkam und dazu diente, freundliche Beziehungen zwischen dem Imperium und dem König - reiche nach langer Feindschaft einzuleiten.

Das war nun im wesentlichen die Grundlage, auf der nach mühseligen Verhandlungen, um die sich die deutschen Erzbischöfe Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg besonders verdient gemacht haben, im Sommer 1177 der Friede von Venedig abgeschlossen wurde. Eine ewig denkwürdige Szene, als nun der Kaiser auf der Galeere des Dogen in der Nähe des prunkvoll geschmückten Markusplatzes landete, als er zu dem vor den Por - talen des Domes errichteten Thron des Papstes hinanstieg, sich beugte und dem lange befehdeten Gegner die Füße küßte, von Alexander aber mit dem Friedenskusse aufgehoben wurde. In diesen und anderen Zeremonien jener festlichen Tage lag für Friedrich an sich gewiß keine persönliche Demütigung, aber sie brachten den prinzipiellen Sieg des Papsttums zu sichtbarem Aus - druck. Die Reaktionspolitik Reinalds von Dassel war endgültig gescheitert. Im Kampfe gegen den Versuch, die Kurie durch eine Beeinflussung der Papstwahl in die alte Abhängigkeit vom Kaiser - tum zurückzuzwingen, hatte die Selbständigkeit der römischen Kirche die Feuerprobe bestanden. Als Alexander bald nach dem Frieden - schluß, ähnlich wie Kalixt II. nach dem Investiturstreit und Innozenz II. nach Beendigung des Schismas, in Rom das dritte lateranische Konzil (1179) versammelte, eine glänzende Vertretung der lateinischen Christenheit, da wurden nicht nur die letzten Trümmer des Schismas aus dem Wege geräumt, und der von den Stürmen durchschütterte Bau der Kirche neu gefestigt, sondern auch durch ein Dekret, das die Papstwahl unter Ausschluß aller fremden Elemente an die Zweidrittelmehrheit der Kardinäle knüpfte, die Spitze der Kirche in Zukunft vor ähnlichen Gefährdungen nach Möglichkeit gesichert.

Aber dieser Sieg des Papsttums war doch nur dadurch errungen, daß Alexander in kluger Mäßigung die weitergehenden gregoriani - schen Herrschaftsziele einstweilen völlig zurückgestellt hatte. Die Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit durch Friedrich bedeu - tete nicht entfernt eine Unterordnung des Imperiums! Vielmehr trat es, wennschon es auf die Obergewalt verzichten mußte, doch als ebenbürtige Macht aus eignem Rechte neben das Papsttum, und unter dem politischen Gesichtspunkte betrachtet, darf der Friede von Venedig keineswegs als eine Niederlage des Kaisers gelten. Die völlig unbestrittene Herrschaft in Deutschland bildete das156II. Die Zeit der Staufer.sichere Fundament seiner Macht. Im burgundischen Reiche, der Heimat seiner Gemahlin Beatrix, hat er eben damals, nach dem Frieden, in umfassenderer Weise wieder persönlich die Hoheits - rechte wahrgenommen und sich zum Zeichen seiner Herrschaft in Arles zum König krönen lassen (1178). In Italien hatte es zwar bei dem schon 1175 ausgesprochenen Verzicht auf die Durch - führung der roncalischen Beschlüsse in der Lombardei, jenem andern Hauptprogrammpunkte von Reinalds Politik, sein Bewenden haben müssen, aber die letzten diplomatischen Erfolge des Kaisers hatten seine Machtstellung doch auch da wieder gehoben. Dem in sich gespaltenen, dem päpstlichen Einfluß mehr und mehr ent - rückten Lombardenbunde stand er viel sicherer, als noch vor kurzem, gegenüber, von Sizilien war vorab nichts zu besorgen; in Mittel - italien aber war zuletzt der Umfang der kaiserlichen Herrschaft durchaus behauptet, hier konnten die Tendenzen des unmittelbaren Beamtenregiments bald mit voller Energie wieder aufgenommen werden. Damit aber war die Gefahr eines politisch-militärischen Druckes auf die Kurie erneuert. Nur durch kaiserliche Truppen hatte Alexander nach Rom zurückgeführt werden können (1178), ohne daß er sich doch auf die Dauer zu halten vermochte. Bald genug kam es zu erneuten Reibungen der kaiserlichen und päpst - lichen Ansprüche. Noch wahrte Alexander durch kluge Zurück - haltung den Frieden, aber als er 1181 starb, konnte er nicht mit der gleichen Befriedigung, mit der er auf den dornenreichen, aber ehrenvollen Kampf seines Lebens zurückblickte, auch in die Zukunft schauen. Denn Friedrich Barbarossa war unbestritten der erste Herrscher Europas, und schon hatte mit der Niederwerfung seines mächtigsten Vasallen in Deutschland die Epoche seiner letzten großenErfolge begonnen.

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).

Die Machtstellung Heinrichs des Löwen1)Eine wirklich befriedigende Biographie fehlt. Die kurz nacheinander erschienenen Werke von Prutz (1865) und Philippson (1867) genügen nicht allen Wünschen. Von Spezialarbeiten sind daneben namentlich die von Heigel - Riezler für Bayern (1867) und von Weiland für Sachsen (1866) heranzuziehen. wäre schon durch die Verbindung des innerlich noch immer kräftigsten, wenn auch durch Abtrennungen verkleinerten Herzogtums Bayern mit dem in dem Umfang seiner herzoglichen Gewalt zwar beschränkten, aber durch die Stärke seines Sondergeistes von je hervorragenden Sachsen157§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).höchst bedeutend gewesen. Kernpunkt, Eigenart und weltgeschicht - lichen Wert erhielt sie indes erst dadurch, daß Heinrich es ver - standen hatte, die seit einem Menschenalter gegen den slawischen Osten heranbrausenden Wogen der deutschen Kolonisation in seinen Machtkreis zu leiten. Der rücksichtslos-stürmischen Tatkraft des Löwen, die seinen Namen bei den Abotritenhäuptlingen gefürchteter machte als den Gottes, war vor allem die Unterwerfung, Germani - sierung und Christianisierung der Wendengebiete des heutigen Holsteins, Lauenburg und Mecklenburg zu danken, jener Lande, die schon um das Jahr 1172, wie Helmold schreibt, gleichsam eine große Ansiedlung der Sachsen mit Städten und Dörfern und einer wachsenden Zahl von Kirchen und Geistlichen geworden waren. Heinrichs Sorge für das Emporkommen des neugegründeten Lübeck, die Empfehlung seines Marktes in Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland, die Privilegierung der Kaufleute von Gotland, die Befreiung der Ostsee von der wendischen Piraterie, die Einmischung in die Thronwirren Dänemarks und die Anlehnung von dessen Königtum an die Macht des Löwen, alles das scheint bereits vor - auszudeuten auf die Glanztage der Hanse. Das Vorrücken der Grenze und die erzwungene Achtung des Auslandes kamen auch dem Reiche zugute. Gleichwohl darf von einer bewußt deutsch - nationalen Politik Heinrichs ebenso wenig gesprochen werden, wie etwa von einer solchen des brandenburgisch-preußischen Staates bis hinein in das neunzehnte Jahrhundert. Denn gerade die neu - gewonnenen Slawenlande mit ihrem weiten Umkreis landesherrlicher Befugnisse, der Verfügung über Rechtsprechung und Besteuerung, Bischofstühle und kirchliche Regalien, mit einer Beamtenverwaltung, wie sie der Kaiser in Ober - und Mittelitalien aufzurichten versuchte, taten dem rein egoistischen Machtstreben des Löwen Genüge. Ähnliche Grundsätze einer neuen Landeshoheit auch in seinen altdeutschen Territorien zur Anwendung zu bringen, konnte nur auf geringe Hindernisse in Bayern stoßen, wo das Herzogtum von alters her im Besitze der meisten Grafschaften war, und keine nennenswerte Mittelgewalt ihm im Wege stand. Anders in Sachsen, wo das beschränkte billungische Grenzherzogtum sich trotz seiner Verschmelzung mit den lotharianischen Hausgütern nicht entfernt mit dem Umfang des alten Stammesgebietes deckte. Hier gab es in den Markgrafen von Brandenburg und Meißen, in dem Land - grafen von Thüringen, in den Erzbischöfen von Köln, Bremen und Magdeburg ansehnliche Mächte, die sich dem Vordringen der landesherrlichen Ansprüche Heinrichs widersetzten und auch den bedrohten kleineren Herren Rückhalt gewährten. Schon mehrfach war es daher in den sechziger und siebziger Jahren zu geheimen158II. Die Zeit der Staufer.Verschwörungen, offenen Verbindungen und kriegerischen Angriffen gegen den Löwen gekommen, und wiederholt hatte der Kaiser zu dessen Gunsten vermittelnd eingegriffen. Wir sahen schon, wie dies freundvetterliche Verhältnis in Chiavenna den ersten Stoß erhielt. Heinrich glaubte sich um das Reich und die Bedürfnisse seiner großen Politik nicht weiter kümmern zu brauchen, und indem er mit leidenschaftlicher Hast an dem Ausbau seiner deut - schen Machtstellung arbeitete und jene mittleren fürstlichen Gewalten, auf deren Hilfe der Kaiser ebendamals mehr als je angewiesen war, zurückzudrängen suchte, zog die Gefahr drohend herauf, daß er das Reich zersprengen und sich für einen großen Teil an dessen Stelle setzen könne.

Selbst wenn wir vom Standpunkte der modernen nationalen Betrachtungsweise zugestehen wollten, daß das für die Entwicklung Deutschlands keineswegs ein Unglück gewesen wäre, würden wir es begreiflich finden, daß das Oberhaupt des Reiches solchen Be - strebungen entgegentrat. Aber man wird sich überhaupt hüten müssen, in dem großen Gegensatze jener Tage den Welfen als den eigentlich nationalen Helden gegen den universalgerichteten Staufer auszuspielen und so als einen Unterschied der politischen Über - zeugungen hinzustellen, was doch nur ein Ausfluß der verschieden - artigen Stellung war. Wir haben gewiß alle Ursache, anzunehmen, daß Heinrich, der als Herzog und von der kaiserlichen Macht stets gedeckt, sich auf die näherliegenden Herrschaftsziele beschränken konnte, an der Spitze des Reiches durch die sachliche Notwendig - keit ganz ebenso in die Bahnen der imperialen Politik getrieben wäre, wie ein Otto I., Lothar und Otto IV., und dann vielleicht noch gewalttätiger und rücksichtsloser jeden Anspruch verfolgt hätte, als sein Gegner. Denn vergleicht man die beiden Persön - lichkeiten, so heben sich gerade in dieser letzten Auseinander - setzung die schwungvolle Größe, vornehme Sachlichkeit und reife Sicherheit Friedrichs vorteilhaft genug ab von der gewinnsüchtigen, hochmütigen, leidenschaftlichen Art des Vetters, der durch blinden Eigenwillen und unbändigen Trotz seinen Sturz nicht zum wenigsten selbst verschuldet hat. Denn des Kaisers Vorgehen war langsam und bedächtig, die Erinnerung an den alten, mühsam von ihm selbst beigelegten staufisch-welfischen Bruderzwist noch allzu leb - haft, als daß er an eine Erneuerung desselben oder gar an einen Vernichtungskampf gegen den mächtigen Vetter von vornherein auch nur hätte denken mögen. Erst Schritt für Schritt, unter dem Antrieb der fürstlichen Gegner Heinrichs und befördert durch dessen eigenen Starrsinn, ist aus der Erkaltung der Beziehungen ein Rechtsverfahren und schließlich eine Achtvollstreckung geworden.

159§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).

Zuerst im Vertrage von Anagni verriet eine für den Herzog ungünstige Bestimmung über die Beseitigung des schismatischen Bischofs von Halberstadt das Nachlassen der früheren Rücksicht - nahme. In Sachsen erwuchsen daraus neue Kämpfe. Wenn der rückkehrende Kaiser jetzt noch einmal den Waffen der Gegner Heinrichs Einhalt gebot, so bedeutete das nicht eine erneute Partei - nahme für den Vetter, sondern den Entschluß Friedrichs, ihn statt durch Landfriedensbruch durch ein geordnetes Gerichtsverfahren1)Neben der angeführten Arbeit von D. Schäfer kommen zur Verurteilung Heinrichs neuere Abhandlungen, wie die von Klein und Lucas wenig in Betracht. Dagegen steht eine eingehende Darlegung v. Güterbock in Aussicht. in die Schranken des Rechts zu zwingen. Der Trotz, den der Welfe demselben, als es nun seinen Gang nahm, durch beharrliches Fern - bleiben entgegensetzte, wird uns in der Tat verständlich nur dadurch, daß er bei einer Begegnung mit dem Kaiser den veränderten Wind von oben sogleich spürte und von jenem Rechtsgang nichts Gutes für sich erwartete. Eben damals (Ende 1178) erweiterte sich noch die Reibungsfläche zwischen den Interessenkreisen der beiden Vettern. Der alte Herzog Welf VI., bei seiner Verschwendungsucht in ewigen Geldnöten, hatte seine reichen schwäbischen Eigengüter ursprünglich dem Löwen für eine Summe vermacht, die dieser in - des nicht auszahlte. Jetzt schloß er das Geschäft mit seinem anderen Neffen, dem Kaiser, ab. Ein ruhig urteilender Politiker hätte sich mit der Notwendigkeit verhältnismäßig geringer Einbußen abgefunden; Heinrichs reizbarer Welfenstolz ertrug das nicht, und indem er die Festigkeit seiner Machtstellung überschätzte, glaubte er sich in offener Auflehnung gegen die Gerichtsgewalt des Kaisers behaupten zu können. Das erst führte seinen Sturz herbei.

Es kommt hier nicht auf die Einzelheiten des Rechtsganges an, die unsre Quellen zum Teil im Unklaren lassen. 2)Näheres bei Schäfer, der mit Waitz zwei nebeneinanderlaufende Prozesse unterscheidet (Lucas im Anschluß an Ficker kaum mit Recht gar drei).Die Hilfs - verweigerung von Chiavenna konnte keinesfalls als rechtliches Moment in Betracht kommen, höchstens als politische Ursache mitwirken. 3)Vgl. etwa die Gesta Henrici II. (M. G. SS. XXVII).Zu der Klage der Fürsten auf Landfriedensbruch gesellte sich die weitere auf Hochverrat, der, wie es scheint, in einer angeblichen Verbindung mit den Lombarden gesehen wurde und durch Zwei - kampf erwiesen werden sollte. Als sich Heinrich, wie einstmals Otto von Nordheim, den Ladungen entzog, erfolgte seine Verurteilung aus dem rein formalen Grunde der Kontumaz. Er ward geächtet und all' seiner Lehen und Eigengüter für verlustig erklärt (1180).

Die alsbald vorgenommene Neuverfügung führte den großen160II. Die Zeit der Staufer.Prozeß der Stammeszerschlagung zum Abschluß und stärkte das Territorialfürstentum, das ja vor allem auf den Sturz des Welfen hingearbeitet hatte. Der Kölner und der Paderborner Sprengel wurde von Sachsen abgetrennt und als Herzogtum Westfalen dem Erzbischof von Köln verliehen, der fortan ein ähnliches geistlich - weltliches Doppelregiment führte, wie einst der Bruder Ottos des Großen, und eine nicht unbedenkliche Machtsteigerung erfuhr. Die Herzogsgewalt in dem übrigen Sachsen ward, aller neuerlichen Usur - pationen entkleidet und dadurch nahezu auf die alten billungischen Gebiete mit den wendischen Marken beschränkt, dem Askanier Bernhard von Anhalt, dem jüngsten Sohne Albrechts des Bären übertragen. Ähnlich verfuhr man mit Bayern. Noch einmal ward ein neues Herzogtum: Steiermark aus seinem Gebiete herausge - hoben und mit dem Rest der treue Helfer des Kaisers Otto von Wittelsbach belohnt, der seine Pfalzgrafschaft einem jüngeren Bruder abtrat. Damals gewannen die Wittelsbacher die bayrische Herzogs - würde.

So hatte man bereits das Fell des Löwen vergeben, ehe man ihn erlegt hatte. Noch wies er grimmig seine Zähne. Indes Fried - rich hatte das Interesse der Fürsten nun doppelt mit dem seinigen verkettet, und als er selbst mit ihrer Hilfe zur Vollstreckung der Acht in Sachsen erschien, wirkten der Glanz des kaiserlichen Namens und die Abneigung gegen das autokratische Regiment Heinrichs zusammen, um einen allgemeinen Abfall hervorzurufen. Als auch die englische und dänische Hilfe, auf die er gezählt haben mochte, versagte, sah sich Heinrich zur Unterwerfung unter die Gnade des Kaisers gezwungen (1181), der jedoch den Spruch des Fürstengerichts nur insofern für den Vetter mildern konnte, als ihm seine braunschweigisch-lüneburgischen Haus - güter belassen wurden. Doch ward er zur Verbannung verpflichtet, aus der er frühestens in drei Jahren mit kaiserlicher Erlaubnis sollte zurückkehren dürfen; er wandte sich mit den Seinen an den Hof seines königlichen Schwiegervaters in die Normandie. So trat seine große Erscheinung eine Weile völlig heraus aus den deutschen Kämpfen, und der alte Einfluß war für immer dahin, nicht zum Segen der ostelbischen Gebiete. Denn wenn auch das Gesamthaus der Askanier mit der Verfügung über das Herzogtum, die Mark Brandenburg und das Erzbistum Bremen eine ansehnliche Stellung in Sachsen einnahm, so fehlte in dem Nebeneinander fürstlicher Gewalten doch der einheitliche, machtvolle Herrscherwille. Konnte sich Lübeck als Handelsplatz und Auswandererhafen gerade in der Ungebundenheit einer Reichsstadt, die es nun geworden war, kräftig weiterentwickeln, und kamen die einmal flutenden Wellen der161§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).deutschen Kolonisation auch jetzt nicht ins Stocken, so ging der politische Einfluß auf die Slawenlande an der Ostsee bald genug bedenklich zurück, und Dänemark, das die Lehensabhängigkeit dem Reiche kündigte, trat hier die Herrschaft des Löwen an. Friedrich war diesen Dingen gegenüber keineswegs gleichgültig, er suchte die Lehenshoheit über Pommern dem Reiche, freilich ohne dauernden Erfolg, zu gewinnen, er begünstigte Lübeck; aber im Strome der großen Weltpolitik konnte er auf die Dauer den fernen Grenzge - bieten des Nordostens nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken.

Für ihn selbst aber war der rasche und vollständige Sieg über den weithin gefürchteten Gegner, mochte er ihn auch mit den Fürsten teilen, ein bedeutender Erfolg; im Reiche wie im Auslande schnellte das kaiserliche Ansehen mit einem gewaltigen Ruck in die Höhe. Friedenssicherheit und Machtbewußtsein atmeten die glanzvollen Hoftage der nächsten Jahre, vor allen andern das von den Dichtern verherrlichte große Mainzer Pfingstfest von 1184: eine Feier des Herrscherhauses, die Schwertleite der beiden ältesten Söhne Barbarossas, erhoben zu einem Nationalfest, in der Be - herbergung, Verköstigung und Ordnung von mehreren Zehntausenden der Gäste trotz eines störenden Unfalls eine staunenerregende or - ganisatorische Leistung, eine furchtgebietende Heerschau der deut - schen Ritterschaft, und mehr als alles das: die Verkörperung einer neuanbrechenden, großen Kulturepoche. Der Händedruck, den dort der Troubadour Herr Guiot von Provins und der deutsche Dichter Heinrich von Veldeke miteinander austauschten, versinnbildlichte gleichsam das Hineinfluten der ritterlichen Kultur Frankreichs in das Reichsgebiet. Sie bedeutete ein erstes Schönheitsideal des Lebens seit den Tagen des Altertums, ein erstes Erwachen sinn - licher Weltfreude neben den strengen Forderungen christlicher Moral, eine erste Laienbildung. Sie verband den Reichtum mohammeda - nischer Kultureinflüsse mit der Eigenart der keltisch-germanischen Nation. Sie brachte eine Veredlung der Empfindungsweise, ein verfeinertes Formgefühl in Leben und Kunst, eine Bereicherung der Phantasie. Rittertugend und Heldendichtung, Frauendienst und Minnepoesie waren die vornehmsten Blüten dieser Kultur. Ihr Einströmen in Deutschland bedeutete eine Verwälschung der füh - renden Gesellschaftskreise wie nur je in den Tagen des Rokoko, aber mit dem grundlegenden Unterschiede, daß hier eine starke, selbstbewußte Nation, weit davon entfernt, sich an das fremde Wesen zu verlieren, die neue Bildung auf den kräftigen Stamm ihrer Eigenart pfropfte und so Blüten trieb, welche die Leistungen der französischen Meister oft genug in den Schatten stellten. Nicht gar lange nach dem Mainzer Feste begann Walter von der Vogel -Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 11162II. Die Zeit der Staufer.weide seine Poetenlaufbahn, formte sich das Nibelungenlied zu seiner heutigen Gestalt, reifte Wolfram von Eschenbach zum Dichter und Denker heran. Erst als unter Friedrich II. die politische Vor - machtstellung Deutschlands allmählich sank, setzte auch im deutschen Ritterstande eine kulturelle Erschlaffung ein, begannen Empfindelei, Schematismus und Frivolität hervorzutreten, und sklavische Nach - ahmung des fremden Wesens sich breitzumachen. Je kürzer aber die Dauer der reichen Blüte, desto leuchtender ihr Glanz! Und er ist es nicht zum wenigsten, der auf die letzten Jahre Barbarossas strahlt. Minnesangs Frühling verklärt mit romantischem Schimmer das greise Haupt des Kaisers, der sich auf jenem Feste ohne Gleichen noch als ein rüstiger Sechziger in das Getümmel des Riesenturniers stürzte und von den anwesenden Dichtern einem König Artus, Alexander und Caesar verglichen wurde.

Schon hatte ihm damals die durch den Sturz des Löwen ge - festigte deutsche Machtstellung einen weiteren Erfolg in Italien ein - getragen. Die Lombarden mochten, als der sechsjährige Stillstand seinem Ende entgegenging, jetzt erst recht nicht einen neuen Waffengang wagen. Die eröffneten Unterhandlungen führten zum Abschluß des Konstanzer Friedens (Juni 1183). Er ist früher wohl einem Zusammenbruch der kaiserlichen Herrschaft in Ober - italien gleich erachtet worden, aber nichts wäre verkehrter als das. Denn die Undurchführbarkeit der roncalischen Beschlüsse hatte sich schon vor der Niederlage von Legnano herausgestellt. Den damals bereits angebotenen Zugeständnissen gegenüber aber bedeuteten die Konstanzer Bestimmungen eine erneute Steigerung der kaiserlichen Rechte, die dem Wachstum seiner Macht entsprach, aber daneben doch auch der hier ähnlich wie in Venedig bewähr - ten diplomatischen Kunst Friedrichs verdankt wurde. Noch größer war natürlich der Abstand des jetzt Erreichten von den Verhält - nissen Oberitaliens unter der ohnmächtigen Herrschaft Konrads III.

Es erleichterte die Verständigung ungemein, daß ein Haupt - streitpunkt durch ein Sonderabkommen vorher aus dem Wege ge - räumt wurde. Alessandria hielt es für geraten, sich durch Unter - werfung unter die Gnade des Kaisers seine Existenz als Stadt zu sichern. Es wurde als solche formell neu begründet, auf den Namen Caesarea umgetauft und schützte künftig als kaiserliche Feste das Machtgebiet des Reiches in der westlichen Lombardei: also ein voller moralischer und sachlicher Erfolg Friedrichs, der seine Stärke verriet. Der Konstanzer Friede selbst suchte die Aner - kennung des Bundes und des gegenwärtigen Besitzstandes zu ver - binden mit einer Befestigung und Nutzbarmachung der kaiserlichen Oberhoheit.

163§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).

Den Städten überließ er die Regalien innerhalb ihrer Mauern völlig, in dem städtischen Gebiete aber nur dann, wenn sie nicht durch Schiedsgericht als kaiserliche Rechte erwiesen oder statt dessen von den Kommunen durch jährliche Entrichtung einer Pauschsumme abgelöst wurden. Auch eine er - hebliche einmalige Zahlung für den Frieden kam den Finanzen des Reiches zugute. Die kaiserlichen Hoheitsrechte aber wurden viel weiter ausgedehnt, als den Lombarden lieb war: die Konsuln ihrer Städte sollten zwar nicht mehr vom Kaiser als Beamte eingesetzt werden, sondern freigewählte Ver - treter sein, aber doch zur Einholung der Investitur vom Kaiser und zur Leistung des Treueids verpflichtet, wie alle Bürger zur Ablegung eines Untertaneneides; die kaiserliche Appellationsinstanz blieb für wichtigere Gerichtssachen gewahrt, nur erleichtert durch Bestellung von Vertretern des Kaisers in den Städten, die herkömmlichen Leistungen der Heeresverpflegung wurden nicht nur auf die Krönungsfahrt nach Rom beschränkt, sondern galten für alle Durchzüge durch die Lombardei.

Wohl blieb ein Bund innerhalb des Staates stets bedenklich, und die Selbständigkeit der oberitalischen Städte war der Stellung der Fürsten in Deutschland vergleichbar. Aber wie hier die kluge Politik eines Barbarossa noch Handhaben genug besaß, seinen Herrscherwillen durchzusetzen, so bewahrte der Konstanzer Friede der obersten Reichsgewalt in den lombardischen Städten nicht nur eine ergiebige Finanzquelle, sondern sicherte ihr auch ein notwen - diges Mindestmaß von Hoheitsrechten. Die heftigen Rivalitäten innerhalb des Bundes eröffneten überdies einer geschickten Diplomatie stets Wege genug, um den kaiserlichen Einfluß geltend zu machen. Endlich lagen zwischen den städtischen Gebieten noch allenthalben kleinere geistliche und weltliche Territorien und Fetzen von Reichs - besitzungen, die durch das Emporsteigen der Städte nur um so mehr Anlehnung an die kaiserliche Gewalt suchen mußten, und es war nun ein feiner Erfolg von Friedrichs Politik, daß er die Lombarden zum Schutze des zerstreuten Reichsbesitzes, darunter auch der von der Kurie beanspruchten mathildischen Hausgüter, verpflichtete. Zusammen mit dem geschlossenen piemontesischen Machtgebiet und den Erwerbungen in der Romagna blieb so auch die unmittelbare Herrschaft des Reiches in Oberitalien noch an - sehnlich genug. Der Friede von Konstanz hat sich in der Tat als eine annehmbare Ausgleichung der beiderseitigen Ansprüche erwiesen und blieb für diese Verhältnisse in den folgenden Jahr - zehnten Staatsgrundgesetz. Alles kam freilich für das Reich darauf an, wie weit es gelang, die verbliebenen Rechte dauernd wahr - zunehmen.

Wesentlich war insbesondere die Behauptung des mathildischen Erbes gegenüber den Ansprüchen der Kurie. Friedrichs Ent - schlossenheit, zum mindesten die strategisch und wirtschaftlich wichtigsten Gebiete desselben festzuhalten, war ebenso unverkenn - bar, wie sein ernstliches Streben nach einem Ausgleich. Sein an11*164II. Die Zeit der Staufer.sich weitgehendes Angebot, als Ersatz je ein Zehntel der gesamten italienischen Reichseinkünfte für Papst und Kardinäle sicherzustellen, mußte doch abgelehnt werden, weil es die Kurie zum Pensionär des Kaisers gemacht hätte. So kam es zu keiner Verständigung. Neue Streitpunkte tauchten auf. Sollte der Papst die Herrschaft Friedrichs über die deutsche Kirche auf die Dauer unangetastet lassen? Eben war es zu einer Doppelwahl im Erzbistum Trier gekommen (1183). Der Kaiser hatte, im wesentlichen nach den Normen des Wormser Konkordats dem Erwählten der einen Partei die Investitur erteilt, aber der unterlegene Kandidat appellierte an die Kurie. Andrerseits wünschte Friedrich nach dem Vorbilde Karls des Großen und Ottos des Großen seinen Sohn Heinrich schon zu seinen Lebzeiten zum Kaiser gekrönt zu sehen, um für den Fall seines Todes jede Störung der Herrschaft zu vermeiden, und erbat die Einwilligung des Papstes. Aber bedeutete das nicht fast schon Erblichkeit der Kaiserwürde und für die Kurie noch eine Steigerung des immer lästiger empfundenen Druckes der imperialen Macht?

Die beiden Häupter der Christenheit hofften diese und andre Meinungsverschiedenheiten am leichtesten durch eine persönliche Aussprache beseitigen zu können, die im Herbst 1184 in Verona stattfand. Lucius III., als Kardinal gelegentlich Vertrauensmann des Kaisers, blieb ihm auch als Papst (1181 85) versöhnlich und wohlwollend gesinnt. Aber solche persönlichen Beziehungen konnten höchstens den Zwist vertagen. Nur auf dem unpolitischen Gebiete der Ketzerbekämpfung kam es zu einem Zusammenwirken der kaiserlichen Acht mit dem päpstlichen Banne. Die Gefahr des heil. Landes regte zu dem Plane eines neuen Kreuzzuges an, und der auf englische Vermittlung zurückgehenden Verwendung des Papstes gestand der Kaiser die Rückkehr Heinrichs des Löwen nach Deutschland zu. Im übrigen standen die freundlichen Ver - kehrsformen im Mißverhältnis zu den Ergebnissen der Verhand - lungen. Beklemmung und Mißtrauen, vereinigt mit Kampfesscheu, ergaben zunächst noch eine hinhaltende Politik der Kurie. Und vielleicht erreichte sie noch in Verona die niederschmetternde Kunde von der am 29. Oktober in Augsburg vollzogenen Verlobung des deutschen Thronfolgers mit der Erbin des sizilischen Reiches. Von da ab gab es für das politische Papsttum nur noch die Losung heimlicher oder offener Feindschaft gegen das Kaisertum.

Es war ein Ereignis von grundlegender Bedeutung für die weitere Geschichte Europas, aber in seiner Entstehung ist es noch in fast völliges Dunkel gehüllt. Parteiintriguen am Hofe des kinderlosen, schwächlichen Wilhelm II. und ein gemeinsamer Gegensatz Deutsch -165§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).lands und Siziliens gegen das griechische Kaisertum scheinen för - dernd darauf eingewirkt zu haben, daß des Königs Tante und Erbin, Konstanze, die nachgeborene, damals dreißigjährige Tochter des großen Roger II., dem um elf Jahre jüngeren Heinrich die Hand reichte. Was bedeutete dieser Bund und die dadurch in nahe Aussicht gerückte Vereinigung beider Reiche für die deutsche Geschichte? Man wird unbedenklich der namentlich von Ficker energisch verfochtenen Ansicht beipflichten, daß zum mindesten die tatsächlichen Folgen dieses Hinausgreifens über die jahrhun - dertelang innegehaltenen Grenzen des Imperiums im höchsten Grade verhängnisvoll gewesen sind. Der Versuch, so ganz ver - schieden geartete Länder wie Norddeutschland und Sizilien dauernd in einer Hand zusammenzufassen, mußte sich früher oder später als unnatürlich und undurchführbar erweisen. Das Zentnergewicht, das nun auf die transalpine Wagschale des Reiches gesetzt wurde, mußte sie zu Ungunsten Deutschlands herabdrücken und zwar zu einem Zeitpunkte, wo ein energischer und zielbewußter Ausbau der deutschen Königsmacht notwendig und gerade noch möglich war. Endlich mußte das Papsttum, seines südlichen Rückhalts beraubt und in Zukunft dort selbst in seinen oberlehnsherrlichen Rechten gefährdet, vom Imperium nun rings umklammert und in seiner freien Bewegung gehemmt, zum Vernichtungskampfe getrieben werden, der schließlich die kaiserliche Gewalt entwurzelt hat. Indessen wird man sich hüten müssen, allein hier die Ursachen für eine Entwick - lung zu sehen, die in ihrem für Deutschland unheilvollen Verlaufe doch sehr wesentlich durch eine Reihe schwerer Unglücksfälle mit - bestimmt worden ist. Und für den Staatsmann von 1184 konnten solche historischen Erwägungen wenig in Betracht kommen. Es bot sich Gelegenheit, die so oft gefährdete Südgrenze des Reiches zu sichern und zu erweitern, dem päpstlichen Nebenbuhler seine Hauptstütze zu entziehen, mit dem Imperium die hervorragenden Mittel des am straffsten und modernsten organisierten Staates von Europa zu vereinigen, der durch seine staunenerregende Finanz - kraft und seine maritime Bedeutung gerade die am schmerzlichsten empfundenen Lücken in der Machtstellung des Reiches auszufüllen geeignet war: und das alles nicht auf dem Wege anfechtbarer Er - oberung, sondern kraft unantastbaren Erbrechtes! Den Politiker hätte man erst finden müssen, der solche Vorteile um unsicherer Zukunftbefürchtungen willen in den Wind geschlagen hätte! Wahr - lich, wenn die imperialen Hoffnungen, die damals stärker als je am kaiserlichen Hofe genährt wurden, überhaupt in Erfüllung gehen konnten, so war es auf diesem Wege! Jene Verlobung schien den Zeitgenossen und war in der Tat der glänzendste Erfolg der Macht -166II. Die Zeit der Staufer.politik Barbarossas. Sie stand denn auch im Hintergrunde seines neuausbrechenden Kampfes mit der Kurie1)Darüber unterrichtet am besten das noch heute unübertroffene, auch in Einzelheiten nur wenig zu berichtigende Buch von Scheffer-Boichorst, Kaiser F. I. letzter Streit m. d. Kurie. 1866. Vgl. dazu Simsons Darstellung in Giesebrecht VI., aber mangels einer rechtlichen Handhabe wurden geflissentlich andre Streitpunkte in den Vordergrund geschoben.

Friedrich erschien schon im Beginn des Konfliktes als der weit überlegene Teil in der klugen Sicherung seiner Stellung, dem zähen Festhalten des Rechtsstandpunktes und der unbeirrten Ver - folgung seiner Ziele. Um einem erneuten Bunde zwischen Papsttum und Lombarden die Spitze abzubrechen, wußte er mit überraschender Schwenkung Mailand und seinen mächtigen Anhang durch Sonder - vorteile gänzlich auf seine Seite zu ziehen, sie sogar zur Beschirmung des italienischen Reichsbesitzes zu verpflichten. Völlig ausgesöhnt, rechnete die alte Feindin es sich zur hohen Ehre, daß die Ver - mählung des deutschen Thronfolgers mit der Erbin Siziliens in ihren Mauern prunkvoll gefeiert, und dabei Heinrich vom Patriarchen von Aquileia zum König von Italien gekrönt wurde (Jan. 1186). Griff man damit ein in das Gewohnheitsrecht des Mailänder Erz - bischofs, so zeigte der nach spätantikem Vorbild Heinrich verliehene Tites eines Caesar, daß man nötigenfalls auch ohne päpstliche Zu - stimmung auf dem Wege der kaiserlichen Mitregierung vorzuschreiten gedachte. Mailänder Erzbischof und Papst aber waren damals schon ein und dieselbe Person.

Die letzten Tage Lucius 'III. gemahnen in ihrer Stimmung an das Ende eines Alexander II. oder Hadrian IV., und wie damals, so fanden auch jetzt Spannung und Kampfesbereitschaft ihren schärfsten Ausdruck in der Erhebung eines ganz ausgesprochenen kaiserlichen Gegners auf den Stuhl Petri (Ende 1185). Urban III. (1185 1187), ob der früheren Verfolgung seiner Mailänder Familie von persönlicher Rachsucht gegen Friedrich erfüllt, begabt und hoch - gebildet, aber leidenschaftlich und skrupellos, begnügte sich bald nicht mehr mit heimlichen Gegenwirkungen, sondern stürzte sich blind in den Kampf, indem er in offener Mißachtung der im Ein - klang mit dem Wormser Konkordat bisher geübten Rechte des Kaisers den Trierer Gegenkandidaten anerkannte und ohne vorher - gehende Regalienbelehnung zum Erzbischof weihte. Zu spät suchte er dann nach Bundesgenossen. In Italien bot sich einzig Cremona dar, das durch das Mailänder Bündnis Friedrichs in die schärfste Oppositionsstellung gedrängt und von der kaiserlichen Acht bedroht war. Aber die geheime Förderung der Kurie rettete die stolze167§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).Stadt nicht vor demütigender Unterwerfung. Durch eine furchtbare Verheerung des Kirchenstaates auf das tiefste verletzt, durch Ein - schließung seines damaligen Aufenthaltsortes Verona in seinem Ein - fluß auf Italien völlig lahmgelegt, richtete Urban seine Hoffnung auf Deutschland. Gelang es, die Bande zwischen Friedrich und der deutschen Kirche zu zerschneiden, so wankte das Fundament seiner Machtstellung. Die Forderungen, die der Papst jetzt erhob, ent - sprachen zwar durchaus den kanonischen Grundsätzen, aber daß er eben in diesem Augenblicke mit ihnen hervortrat, verriet deutlich ihren Kampfzweck. Er verlangte Beseitigung des königlichen Re - galien - und Spolienrechtes1)Vgl. oben S. 121., die von dem deutschen Episkopate zwar nicht als ganz ungesetzlich beanstandet, aber in ihrer scharfen Handhabung durch Friedrich doch als eine lästige und nicht recht anständige Bedrückung empfunden wurden. Er wollte ferner die kirchlichen Besitzungen vor den so viel beklagten Übergriffen der Laiengewalten besser sichern, indem er die Übertragung von Kirchenvogteien und Kirchenzehnten an sie verbot, denn solche Verleihungen hatten oft genug zu widerrechtlichen Entfremdungen geführt. Diese Forderungen, die den kirchenpolitischen Kampf auf andere Gebiete hinüberzuspielen und unter den deutschen Bischöfen eine Oppositionspartei gegen den Kaiser zu schaffen suchten, blieben vielleicht nicht ganz ohne Eindruck.

Eine wirkliche Gefahr aber brachte erst der Abfall des mäch - tigsten geistlich-weltlichen Reichsfürsten, des Erzbischofs Philipp von Köln, für den der kirchliche Streit freilich mehr den Vorwand ab - gab2)Über seine Territorial - und Reichspolitik sind die beiden brauchbaren Arbeiten von H. Hecker (1883) und A. Peters (Marb. Diss. 1899) zu vergleichen.. Dieser einst so ergebene und einflußreiche Helfer und Rat - geber des Kaisers war seit der bedeutenden Erweiterung seines Machtkreises durch das westfälische Herzogtum mehr und mehr aufgegangen in den Sonderinteressen seines Hochstifts: der Ab - rundung des Gebietes, der Erweiterung des Lehnshofes, der Förde - rung des emporstrebenden Kölner Handels. Diese Bestrebungen kreuzten im Westen ähnliche staufische Pläne, stießen rings auf die Konkurrenz königlicher Städte und Zollstellen und führten zu persönlichen Reibungen mit König Heinrich. Der Erzbischof suchte und fand Bundesgenossen. Er knüpfte mit Heinrich dem Löwen an; von diesem aus leiteten die Fäden nach England und Däne - mark; auch Frankreich nahm in den flandrischen Händeln eine feind - selige Haltung ein.

Diese Gefahren riefen den Kaiser nach Deutschland zurück; aber wenn er Besorgnisse wegen der deutschen Kirche hegen168II. Die Zeit der Staufer.mochte, so beseitigte sie völlig der glänzende Reichstag von Geln - hausen (1186). Die überwältigende Mehrheit der deutschen Bischöfe, auch die eifrigsten der ehemaligen Alexandriner, scharte sich mit - samt den weltlichen Fürsten um den greisen Herrscher, billigte seine von überzeugendem Rechtsgefühl getragenen Darlegungen und mahnte den Papst durch ein Sendschreiben zum Nachgeben und Frieden. Je aufrichtiger der kirchliche Sinn der Versammelten, je maßvoller ihre Sprache, desto vernichtender die moralische Niederlage der Kurie! Urban III. hat sie nicht lange überlebt; von den wider - streitenden Meinungen der Kardinalsparteien hin - und hergerissen, persönlich, wie es scheint, zu den schroffsten Maßnahmen, selbst der Bannung des Kaisers geneigt, ist er kaum ein Jahr nach dem Geln - hausener Tage gestorben (1187).

Mit der Überzeugung der meisten Kardinäle von der Not - wendigkeit eines Einlenkens trafen nun die schmerzlichen Nach - richten aus dem heil. Lande zusammen, die den Fall Jerusalems von Tag zu Tag erwarten ließen und gebieterisch die Eintracht zwischen den Häuptern der Christenheit forderten. Von den beiden kaiserfreundlichen Männern, die unter solchen Eindrücken kurz nach - einander zu Päpsten erhoben wurden, hat Gregor VIII. (1187) das Friedenswerk eingeleitet, Klemens III. (1187 91) es vollendet. Es bedeutete ein Nachgeben auf der ganzen Linie; insbesondere wurde die lange verweigerte Kaiserkrönung Heinrichs jetzt in sichere Aussicht gestellt, und in der Trierer Streitsache durch eine voll - kommene Neuwahl ein von Friedrich selbst angebotener und ihn zufriedenstellender Ausgleich getroffen, der wenigstens die brennendste Verletzung des Reichsrechtes durch das Papsttum rückgängig machte.

Und mittlerweile hatte nun auch die immer weitere Kreise ergreifende Kreuzzugstimmung dem Kölner Erzbischof allen Wind aus den Segeln genommen. Durch das erneute Zusammengehen des Kaisers mit Frankreich seines Rückhaltes beraubt, vom sonstigen Auslande nicht unterstützt, in Deutschland selbst durch geschickte Schachzüge Friedrichs isoliert, war er ein zu kluger Rechner, um in leidenschaftlichem Trotz, wie einst Heinrich der Löwe, das jetzt auch gegen ihn eröffnete Rechtsverfahren bis zum Ende zu miß - achten. Noch in letzter Stunde sicherte er sich durch Unterwerfung unter die Gnade des Kaisers seine Stellung; über ungelösten sach - lichen Gegensätzen spannte sich scheinbare Freundschaft. Demütigung und Vergebung wurden erleichtert durch die Kreuzzugbegeisterung, denn der Ausgleich vollzog sich auf dem Hoftage Christi zu Mainz (Frühjahr 1188), wo Barbarossa und sein Ältester selbst das Kreuz nahmen und viele der Fürsten und Großen zur Nacheiferung ent - flammten.

169§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).

Dieser Entschluß zur persönlichen Leitung des gewaltigen Unternehmens, während Frankreich und England noch durch ihren Hader gehemmt waren, und das Papsttum in Schwäche zur Seite stand, entsprang bei Friedrich ebensowohl religiösen Antrieben, als dem Bewußtsein der aus seiner universalen Stellung hervorgehenden Pflichten. In der Überzeugung, daß er nach einer abermaligen Verbannung Heinrichs des Löwen das Reich in der energischen Obhut seines demnächst mit der Kaiserkrone zu schmückenden Sohnes und Mitregenten beruhigt zurücklassen könne, ja, daß die heilige Fahrt den Frieden nur noch mehr verbürge, griff er für das Kaisertum nach höheren Zielen und rückte es wieder an den Platz, von dem es seit den Tagen Urbans II. verdrängt war, an die leitende Stelle in den gemeineuropäischen Angelegenheiten. Wenn es gelang, die Sehnsucht der Christenheit zu stillen und das heilige Grab noch einmal den Ungläubigen zu entreißen, wie unermeßlich mußte das Ansehen des Imperiums steigen! Die kühne Inangriffnahme dieser Riesenaufgabe durch den von der Last der Jahre ungebeugten Helden und ihre großartige Durchführung bis zu dem Augenblick seines Todes bildeten den letzten seiner Erfolge1)Der bedeutende Eindruck der Kreuzfahrt auf die Zeitgenossen spiegelt sich in einer reichen Literatur. Am besten unterrichtet darüber Simson bei Giesebrecht VI, 313 ff. Außer wertvollen Briefen sind namentlich hervor - zuheben: die Tagebuchaufzeichnungen des Domdechanten Tageno von Passau (aufgenommen in die Chronik des Priesters Magnus von Reichersberg, M. G. SS. XVII); die Historia de expeditione Friderici imperatoris von einem öster - reichischen Kleriker (Ansbert?), gedruckt in den Fontes rer. Austriac. I, 5, aufgenommen in die Annalen des Gerlach v. Mühlhausen, vergl. oben S. 86; die Historia Peregrinorum bei Canisius, Lectiones antiquae V, 2. Über die verwickelten Beziehungen zwischen diesen drei Quellen hat zuletzt Chroust (1892) eingehend gehandelt. Daneben ist das etwas später niedergeschriebene Werk des Griechen Nicetas trotz vieler Irrtümer bemerkenswert (Corp. script. hist. Byz. 1835). Die grundlegende neuere Darstellung ist die von Riezler in Forsch. z. deutsch. Gesch. 10. Ergänzungen dazu in der Arbeit von Fischer (1870) und mehreren Abhandlungen von Röhricht. Alle Ergebnisse sind zuletzt zusammengefaßt von Simson..

Wie einst gerade die Spaltungen des Orients die Erfolge der Kreuzfahrer ermöglicht und den Bestand ihrer staatlichen Gründungen gewährleistet hatten, so drohte ihnen jetzt die Vereinigung Ägyptens und Syriens unter dem an Kraft, Schwung und sittlicher Energie so unendlich überlegenen Sultan Saladin den Untergang. Leicht - fertig herausgefordert, hatte er die lateinischen Streitkräfte bei Hittin geschlagen (1187) und einen festen Platz nach dem andern, auch Jerusalem, erobert. Der Zweifel, ob nicht auch die letzten See - städte, wie Tyrus, bis zur Ankunft der Kreuzfahrer gefallen sein würden, wirkte bei Friedrich neben den allzu geringen Beziehungen170II. Die Zeit der Staufer.des Imperiums zum Seewesen wohl auch auf die Wahl des Land - weges ein. Gleichwohl war das ein schwerer Fehler. Man unter - schätzte trotz der Erfahrungen des zweiten Kreuzzuges noch immer die ungeheuren Schwierigkeiten dieses Marsches; durch bessere Vor - bereitungen glaubte man ihrer leichter Herr werden zu können. Und in der Tat war die Organisation unvergleichlich umsichtiger und energischer als in den Tagen Konrads III. : statt schwärme - rischer, ungeordneter Massen ein schon durch die hohen Vermögens - bedingungen begrenztes, kriegstüchtiges Ritterheer, leichter zu be - wegen und zu ernähren, von dem besten Geiste beseelt und in eiserner Zucht gehalten; Durchmarsch und Verpflegung durch Ab - machungen mit dem König von Ungarn, dem Großzupan von Serbien, dem griechischen Kaiser und dem Sultan von Ikonium scheinbar auf das bündigste sichergestellt; an der Spitze ein als Feldherr wie Diplomat gleich erprobter, allverehrter Herrscher, der in nie erlahmender Tatkraft und unerschütterlicher Zuversicht schließ - lich selbst die gewaltigen Hindernisse zu überwinden verstand, welche die Vertragsbrüchigkeit der fremden Fürsten heraufbeschwor.

Diese Schwierigkeiten begannen nach dem Durchzuge durch Ungarn und Serbien, sobald man den Boden des griechischen Reiches betrat: anfangs mangelnde Verpflegung, Räubereien, Ränke der Beamten und Reibereien mit der Bevölkerung, dann nach der mühevollen Balkanübersteigung in der reichen Ebene von Philippopel offene Feindseligkeiten, Gefangennahme von Friedrichs Gesandten, sogar eine Verbindung des griechischen Kaisers mit Saladin. In der Politik des Isaak Angelos mischten sich Kopflosigkeit und Miß - trauen. Wie, wenn Friedrich trotz gegenteiliger Versicherungen sich als ein Fortsetzer normannischer Eroberungsgelüste entpuppte oder auch nur dem alten Gedanken Raum gab, dem Kreuzzuge durch die Einnahme von Konstantinopel eine sichere Basis zu gewinnen? Warum sollte damals fernliegen, was wenig später von Heinrich VI. geplant, was im vierten Kreuzzuge verwirklicht wurde? Hätte Isaak Angelos freilich einen Blick in die Seele Friedrichs tun können, er hätte nichts als das tief eingeprägte Kreuzeszeichen darin er - schaut. Nur weil ihm durch die Feindseligkeit des Griechenkaisers der Weg zu dem fernen Ziele versperrt wurde, dachte er einen Augenblick an die Eroberung von Konstantinopel, um diesen Plan sofort wieder fallen zu lassen, als Isaak Angelos sich endlich im Vertrage von Adrianopel (Februar 1190) den maßvollen, aber mit Stolz und Zähigkeit festgehaltenen Mindestforderungen Friedrichs anbequemte. Hieß das nicht eine große Gelegenheit versäumen? 1)Das betont vor allem Ranke in seiner Weltgeschichte.171§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178 1190).Luden nicht die Verhältnisse dazu ein, auf den Trümmern des morschen Griechenreiches eine deutsche Herrschaft oder Zweig - herrschaft zu errichten, zur Herstellung der einst gespaltenen Ein - heit des römischen Imperiums und als ein künftiges Bollwerk Europas gegen den andringenden Orient? Ob freilich das Ver - waltungsvermögen der damaligen Deutschen einer so unermeßlich schwierigen Aufgabe auch nur annähernd gewachsen war, ob es irgend stärkere und dauerndere Gebilde hätte schaffen können, als die Franzosen in der Staatenwelt des lateinischen Kaisertums, bleibt mehr als zweifelhaft. Wie immer, Friedrich war kein Alexander; wir dürfen ihn nicht tadeln, wenn er der Lockung widerstand. Er blieb sich selbst und der Kreuzzugsidee treu!

Die Überfahrt über den Hellespont ward nun mühelos bewerk - stelligt, aber beim Marsch durch das unwirtliche Innere Kleinasiens erlitten die Kreuzfahrer durch die Angriffe der unbotmäßigen Turko - manen und die Wortbrüchigkeit des Sultans von Ikonium noch weit größere Entbehrungen und Verluste. Trotzdem blieb die Spannkraft des geschwächten und erschöpften Heeres und seines Führers stark genug, um die Truppen des Sultans aufs Haupt zu schlagen, Ikonium zu nehmen und den Frieden zu diktieren. Schon waren unter neuen Mühen die Gebirge Ciliciens überschritten, schon dehnte sich das christliche Armenien, dessen Fürst Leo II. eben - damals von Friedrich die Königskrone erbat, vor den lechzenden Blicken der Kreuzfahrer und versprach ihre Not zu stillen, da traf sie der härteste von allen Schlägen: ihr kaiserlicher Anführer wurde bei einem Bade in den kühlen Fluten des Saleph vom Tode ereilt (10. Juni 1190). Bei dieser Stelle und bei diesem traurigen Bericht, so heißt es in der Kölner Königschronik, versagt unser Griffel und verstummt unsre Rede.

Das Schicksal des deutschen Kreuzzuges war damit entschieden. Wohl bewährte sich der tapfere Schwabenherzog Friedrich auf dem weiteren Marsche als umsichtiger Heerführer, aber die Siegeszuver - sicht war dahin, und bald sank auch er ins Grab. Neben den frischen Heeren der Engländer und Franzosen, die nun zur See eintrafen, traten die Deutschen ganz in den Hintergrund. Eben - deshalb berühren uns hier die ferneren Ereignisse des Kreuzzuges nicht weiter. Die Ergebnisse waren ja auch diesmal im Verhältnis zu den Aufwendungen kläglich genug: nur ein schmaler Küsten - saum auf dreijährige Frist gesichert, das Hauptziel, die Befreiung des heil. Grabes nicht erreicht! Trotzdem erfolgte kein starker Rückschlag der Völkerstimmung, wie nach dem zweiten Kreuzzuge. Insbesondere das Ansehen des Imperiums blieb unerschüttert; denn aus der Bahn seiner Erfolge hatte den kaiserlichen Helden wie172Die Zeit der Staufer.einen zweiten Moses nur ein unzeitiger Tod gerissen, und dieser Tod selbst in der märchenhaften Ferne des Orients, in begeisterter Hingabe an eine große Idee umgab sein Haupt mit romantischem Schimmer.

Die Erinnerung an ihn ist im deutschen Volke nie erloschen, aber die nationalen Regungen, die heute bei dem Klange des Namens Barbarossa in Schwingung geraten, erklären sich doch nur durch die späte Verknüpfung seiner Person mit der Sage von dem heimlichen und dereinst wiederkehrenden deutschen Kaiser. Erst durch Rückerts Gedicht (1813) ist er da in der Volksphantasie an die Stelle seines Enkels Friedrich II. getreten, und ein halbes Jahr - hundert der Sehnsucht nach dem neuen deutschen Einheitsreiche hat die Verbindung seines Namens mit der Kaisersage unlöslich gemacht. Noch nach dem glorreichen Wiedererstehen der alten Reichsherrlichkeit in neuer Form hat man, wenn auch ver - geblich, in Syrien nach seinen Gebeinen gesucht, um sie als ein vaterländisches Heiligtum auf deutschen Boden zu überführen. 1)Vergl. Scheffer-Boichorsts kritische Auseinandersetzung, Schriften II, 154 ff.Inzwischen hat gelehrte Forschung2)Ich weise neben den älteren Forschungen von G. Voigt und Riezler, v. Bezold und R. Schröder hier nur hin auf die zusammenfassende Dar - stellung der deutschen Kaisersage von Kampers, Die deutsche Kaiseridee in Prophetie u. Sage 1896. die alte Sage in ihrer ur - sprünglichen Gestalt aus der modernen Umdichtung herausgeschält. Aber die auf einen engen Kreis beschränkte Erkenntnis wird schwer - lich in der breiten Volksvorstellung den freien Strom der Sagen - bildung zurückdämmen. Auch tut das nicht not, denn die Phan - tasie hat hier das Vorrecht vor dem Verstande; sie aber hat mit richtigem Gefühl die vaterländischen Hoffnungen verknüpft nicht mit der Person des halbsizilianischen Enkels, sondern mit der echt - deutschen Heldengestalt Barbarossas.

§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).

Seltsam hebt sich die Persönlichkeit Heinrichs VI.3)Die frühere Beurteilung Heinrichs als Tyrannen schlechthin, wie sie etwa noch bei Gregorovius fortlebt, ist schon durch Abel, König Philipp der Hohenstaufe (1852) beseitigt. Toeche, Jahrb. d. d. Gesch. : Kaiser H. VI. (1867) hat sich dann durch die nahezu vollständige Zusammentragung und Verwertung des Quellenstoffes und eine schwungvolle Darstellung um die Ge - schichte Heinrichs große Verdienste erworben, doch genügt der kritische ab von der des Vaters, neben dem jugendfrischen Greise der frühgereifte Jüngling, neben dem Helden die Charakterfigur! Von Friedrich173§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).zeitig in die große Politik eingeführt und selbständig mit wichtigen Aufgaben betraut, zum Mitregenten erhoben und zuletzt als Ver - treter im Abendlande zurückgelassen, tritt er uns jetzt mit seinen 25 Jahren als ein völlig Fertiger entgegen. Der magere, schwäch - liche Körper, das bleiche, ernste, fast bartlose Antlitz, das ganz von der mächtigen Stirn beherrscht wird, verrät die Gedankenarbeit des Staatsmannes, nicht die Faustkraft des Kriegers. In der Tat ist von dem reicheren, harmonischeren Wesen des Vaters hier nur eine Seite in großartiger Steigerung auf Kosten aller anderen Eigen - schaften entwickelt: der Sinn für Macht und die Kunst staats - männischen Handelns. Wenn die kurze Regierungszeit einen voll - gültigen Schluß gestattet, ist die Fähigkeit, die politischen Gelegen - heiten beim Schopfe zu fassen, die Mittel haarscharf abzumessen, die größten Wirkungen mit dem geringsten Einsatz zu erreichen, aber die letzten Ziele nur um so weiter zu stecken, vielleicht nie - mals einem mittelalterlichen deutschen Herrscher in solchem Grade zu eigen gewesen, wie Heinrich VI., der auch die in gewisser Hin - sicht wesensverwandte, aber kleinere und unedlere Natur Heinrichs V. weit hinter sich läßt. Ein glühender Ehrgeiz, das Reich noch größer und mächtiger als unter seinen Vorgängern zu gestalten, trieb ihn vorwärts, verscheuchte ihm Ruhe und Genuß, machte ihn unliebenswürdig, streng und, soweit es seinen Zwecken frommte, auch rücksichtslos, grausam, für Gefühlswerte unzugänglich. Ohne den ritterlichen Sinn, das gerechte Maßhalten und die sittliche Größe des Vaters, von keinem ebenbürtigen Gegner in Schranken gewiesen, umspannte sein Herrschergeist immer weitere Kreise der Weltpolitik, bis ihn ein früher Tod aus der Bahn seiner Erfolge riß.

Der Reichtum der sizilischen Erbschaft war für die Staufer, was der Nibelungenhort für die alten Sagenhelden; er lockte und bannte ihr Sinnen und Trachten und ward schließlich zu ihrem und Deutschlands Verhängnis. Auch die Politik Heinrichs VI. war in viel höherem Maße, als man früher meinte, von der Rücksicht auf Gewinnung und Sicherung Siziliens beherrscht, und selbst die imperialistischen Bestrebungen seiner letzten Jahre trugen einen starken Einschlag normannisch-sizilischer Tendenzen.

3)Unterbau nicht allen Anforderungen, und die Auffassung ist noch mehr ro - mantisch als realistisch. Die für alle Abschnitte nötige Nachprüfung ist für einzelne bereits geleistet, namentlich durch die scharfsinnigen Untersuchungen von H. Bloch, Forsch. z. Politik Kaiser H. VI. 1191 94 (Berl. Diss. 1892). Für Einzelheiten brauchbar auch Ottendorffs Bonn. Diss. über die beiden letzten Normannenkönige 1899 und Is. Caro's Rost. Diss. über H. s Beziehungen z. Kurie 1902. Leider gestattet das verhältnismäßig dürftige Quellenmaterial, namentlich an Urkunden und Briefen, vielfach keine gesicherte Erkenntnis; doch stehen die Hauptzüge hinlänglich fest.

174Die Zeit der Staufer.

Als es nach dem Tode Wilhelms II. von Sizilien (Ende 1189) galt, den Erbanspruch Konstanzens zu verwirklichen, schloß Heinrich, der eben mit dem eidbrüchig nach Deutschland zurückgekehrten Heinrich dem Löwen im Felde lag, mit diesem, statt ihn zu ver - nichten, einen raschen Frieden (Juli 1190), um sich freie Hand für das sizilische Unternehmen und für den Vollzug der vom Papste versprochenen Kaiserkrönung zu verschaffen, die noch dringender wurde, als die Nachricht vom Tode des Vaters aus dem Orient eintraf. Aber vor beiden Zielen türmten sich nun die erheb - lichsten Schwierigkeiten. Eine sizilische Nationalpartei hatte voll Abneigung gegen die deutsche Herrschaft einen unehelichen Sproß des normannischen Königshauses auf den Thron gehoben (Januar 1190). Tancred, eine tüchtige und gewinnende Persönlichkeit, wenn auch ohne Größe, war der Förderung des Papstes von vorn - herein gewiß, der jedes Mittel ergreifen mußte, um sich vor der drohenden Umstrickung durch die staufische Macht zu retten, und der als Oberlehnsherr ein Mitwirkungsrecht bei der Regelung der Thronfolge wenigstens beanspruchte. Eine weitere Stütze bot ihm ein Bündnis mit Richard Löwenherz, das bei dem Winteraufenthalt des Kreuzfahrers in Messina (1190 / 91) nach feindseligen Reibungen und Erpressungen des englischen Königs zustande kam und seine Spitze gegen Heinrich richtete. Durch diesen Rückhalt im Süden ermutigt, weigerte sich nun der damals neuerwählte Papst Coelestin III. (1191 98), das Krönungsversprechen seines Vor - gängers einzulösen. Er war fast schon ein halbes Jahrhundert Kardinal gewesen, ein fünfundachzigjähriger Greis, heroischer Ent - schlüsse für die kirchliche Freiheit kaum fähig, von der Überlegen - heit der kaiserlichen Macht schmerzlich durchdrungen, trotzdem das Ringen gegen sie nie ganz aufgebend, aber im Bewußtsein seiner Ohnmacht auf passiven Widerstand, hinhaltende Maßregeln, geheime Zettelungen und Verschwörungen angewiesen. 1)Hauck IV, 680 sucht Coelestin gegen den Vorwurf der Schwäche in Schutz zu nehmen; ähnlich die Jenenser Diss. v. Leineweber (1906). Wie viel von energischeren Maßnahmen der letzten Jahre bereits auf den Einfluß des Kar - dinals Lothar von Segni (Innozenz III. ) zurückzuführen ist, wird sich schwer ausmachen lassen; wahrscheinlich recht viel. Immerhin war die damalige Lage des Papsttums eine der schwierigsten aller Zeiten.Charakteristisch, daß er jetzt, um einen Vorwand für die Verzögerung der Kaiser - krönung zu haben, seine eigne Weihe hinausschob.

Für Heinrich wären ein längerer Aufenthalt oder ein vor - läufiger Verzicht im Hinblick auf seine sizilischen und deutschen Gegner gleich bedenklich gewesen. Indes war er nicht der Mann, sich durch Ausflüchte hinhalten zu lassen. Nicht durch brutale175§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).Gefangennahme, wie einst Heinrich V. erreichte er sein Ziel, das hätte nur Gegenwirkungen hervorgerufen, sondern durch kluge Verwertung der Schwäche des Gegners. Wie er die römische Abstammung und Neigung Coelestins, die nachbarlichen Rivalitäts - kämpfe der Römer ausnutzte, um durch die Preisgabe des kaiser - freundlichen Tuskulum zunächst jene zu gewinnen und durch ihren Druck auf den Papst seinen Zweck, die Kaiserkrönung, zu erreichen, das war ein Meisterstück der politischen Rechenkunst, wie es für Heinrichs Art bezeichnend ist. 1)Es wäre endlich an der Zeit, daß die sentimentale Auffassung dieses Aktes, die sich von ungenügend eingeweihten zeitgenössischen Chronisten aus - gehend, bis in die neuesten Darstellungen hinein findet, schwände. Die Aus - lieferung von Tuskulum an den Papst zugleich mit den anderen okkupierten Plätzen des engeren Kirchenstaates war ja schon im Vertrage Heinrichs mit der Kurie v. 3. April 1189 vorgesehen. Eine Treulosigkeit ist höchstens darin zu erblicken, daß er auf Bitten der Bewohner überhaupt eine Besatzung in die Stadt legte und dadurch Hoffnungen erweckte, in seinem Sinne aber wohl nur den Wert dieses Verhandlungsobjektes steigerte. Was war ihm Tusku - lum? Um seinetwillen die verbrieften Versprechungen an die Kurie zu brechen und die Verständigung mit ihr aufs Spiel zu setzen, war von Heinrich nicht zu verlangen.

Als er nun aber zur Eroberung Siziliens schritt, häufte sich das Mißgeschick und führte zu einer ernstlichen Gefährdung seiner Herrschaft. An den Mauern Neapels brach sich die Wucht des zur See ungenügend unterstützten Angriffs, eine furchtbare Seuche im Heere warnte noch in letzter Stunde vor der unnatürlichen Länderverbindung, ergriff auch den Kaiser und zwang ihn zum Abbruch der Belagerung. Eine falsche Nachricht von seinem Tode überlieferte seine Gemahlin den Feinden. Schon vorher war aus seinem Lager der als Geisel mitgeführte älteste Sohn Heinrichs des Löwen entflohen, hatte eine Verbindung mit Tancred angeknüpft, wie einst zur Zeit Konrads III. Welf mit Roger II., und suchte nun den Aufruhr in Deutschland zu entfesseln. Noch hätte der eiligst heimkehrende Kaiser, der auch jetzt im Hinblick auf Sizilien zu weitem Entgegenkommen bereit war, wohl den Frieden hergestellt, hätte nicht eine Untat die Funken zu loderndem Brande geschürt.

Heinrich verfolgte auch in der innerdeutschen Kirchenpolitik die vom Vater vorgezeichnete Richtung, aber seinem Wesen entsprechend in schrofferen und rücksichtsloseren Formen. Hatte jener sich bei bischöflichen Doppelwahlen nur theoretisch ein Devolutionsrecht2)Vgl. oben S. 120. zu - billigen lassen, so brachte Heinrich es jetzt wirklich zur Anwendung. In den Wirren, die daraus in Lüttich entstanden, wurde der päpst - liche Gegenkandidat Albert, ein Bruder des Herzogs von Brabant, von deutschen Rittern ermordet (Ende 1192). Die noch frische176Die Zeit der Staufer.Erinnerung an das Schicksal des Thomas Becket war es vielleicht nicht zum wenigsten, die den Verdacht der Mitschuld sofort, wenn auch ungerechtfertigterweise, auf den Kaiser selbst lenkte. Von der weitverzweigten Verwandtschaft des Ermordeten ausgehend, ergriff der Aufruhr alsbald die gesamten niederrheinischen Gebiete. Und nun schlossen sich jene beiden norddeutschen Kreise, deren Rivalität der Kaisermacht Barbarossas lange zugute gekommen war, die sich dann beim Abfall des Erzbischofs Philipp von Heinsberg erstmals berührt hatten, der niederrheinisch-kölnische und der sächsisch - welfische, zu einer gefährlichen Verbindung zusammen, aus der bald genug das Gegenkönigtum Ottos IV. erwachsen sollte. Hinter beiden stand England, das mit Köln durch wirtschaftliche, mit den Welfen durch verwandtschaftliche Bande verknüpft war. Erwägt man, daß sich die deutsche Fürstenverschwörung noch weiter, auch nach Oberdeutschland erstreckte, daß der englische König mit dem sizi - lischen Usurpator verbündet war, daß im Hintergrunde der Papst alle Feinde des Kaisers mehr oder weniger offen unterstützte, so sah sich Heinrich in der Tat einem internationalen Bunde von großer Ausdehnung und Bedeutung gegenüber.

Da ermöglichten ihm Glück und diplomatische Meisterschaft, mit einem lächerlich geringen Kräfteaufwand diesen Bund zu zer - sprengen. Schon längst war er mit Philipp II. August von Frankreich übereingekommen, auf Richard Löwenherz, ihren gemeinsamen Feind, bei seiner Rückkehr aus dem Orient zu fahnden, obwohl er als Kreuzfahrer hätte gesichert sein sollen. Für den Herzog Leopold von Österreich kam noch persönliche Rache hinzu, als er den König, der sich in Pilgertracht unerkannt durch das Reich hindurch - zuschleichen versuchte, gefangennahm und dem Kaiser auslieferte. Wie dieser nun den Glücksfall ausbeutete, wie er durch wieder - holte Drohung einer Auslieferung Richards an seinen Todfeind, den französischen König, schließlich die harten Freiheitsbedingungen in zähen, mit unzweifelhafter Überlegenheit geführten Verhandlungen erpreßte, das war freilich weder ritterlich, noch vornehm, aber es brachte ihm Erfolg auf der ganzen Linie. Zunächst durch Richards Einfluß die Befriedigung Deutschlands! Eine die Plane der hohen Politik durchbrechende, rasch vollzogene Liebesheirat zwischen dem jüngeren Welfen Heinrich und einer Base des Kaisers, dem einzigen Kinde Konrads, des staufischen Pfalzgrafen bei Rhein, schien über - dies geeignet, die Welfen durch die Anwartschaft auf die Pfalz dauernd zufriedenzustellen. Weitere Erfolge waren die Preisgabe Tancreds, die Zahlung einer enormen Lösesumme, die zugleich die Mittel für ein neues sizilisches Unternehmen bereitstellte, endlich die Lehenshoheit Heinrichs über den englischen König, ein bedeut -177§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).samer Schritt auf der Bahn der Weltherrschaftspolitik! Einzig das demütigende Ansinnen, als Vasall dem Kaiser gegen seinen bis - herigen Verbündeten Tancred persönlich Heeresfolge zu leisten, hat Richard standhaft verweigert und schließlich durch eine Erhöhung des Lösegeldes abgekauft.

Die Bedingungen beweisen aufs neue, wie ausschließlich noch immer der Gedanke der Erwerbung Siziliens Heinrichs Politik be - herrschte. Weit gesicherter im Rücken, nach umfassenderen Zu - rüstungen, durch Abmachungen mit Genua und Pisa auch zur See gefördert, trat er 1194 seinen zweiten Zug in sein Erbreich an. Auch dort war ein bedeutsamer Wandel zu seinen Gunsten einge - treten. Tancred, der inzwischen in beständigen Kämpfen stetige Fortschritte gemacht, gegen kirchliche Zugeständnisse vom Papste die feierliche Belehnung mit Sizilien erlangt und unter Vermittlung Coelestins den aussichtslosen Versuch gemacht hatte, durch groß - mütige Freigabe Konstanzens auch Heinrichs Großmut wachzurufen, hätte dem neuen Angriff schwerlich zu widerstehen vermocht. Aber er war schon im Beginn des Jahres plötzlich gestorben, und gegen den an seiner Stelle auf den Thron gehobenen unmündigen Sohn Wilhelm III. hatte nun Heinrich von vornherein gewonnenes Spiel. Noch Ende 1194 zog er triumphierend in Palermo ein. Der junge König mit seinen Angehörigen wurde nach anfänglicher Abfindung infolge einer Verschwörung der Barone in die Verbannung nach Deutschland geschickt. Heinrich stand an dem ersehnten Ziel.

Jetzt galt es, das Errungene zu sichern und dauernd mit dem Imperium zu vereinigen. Dafür war von vornherein von unermeß - licher Bedeutung, daß ihm ebendamals seine bereits vierzigjährige Gemahlin ihren ersten und einzigen Sohn gebar (26. Dez. 1194), der, gleichsam als ein Eckstein beide Dynastien und ruhmreiche Überlieferungen in seiner Person vereinigend, die großen Namen Friedrich Roger erhielt. 1)Ursprünglich war der Name Konstantin in Erinnerung an Konst. d. Gr. beabsichtigt.Er war der geborene Erbe Siziliens; wenn es gelang, eine staatsrechtliche Vereinigung beider Reiche herzustellen, so mußte sich das sizilische Erbrecht auf das römische König - und Kaisertum übertragen. Beides hing unlöslich zusammen. So entsprang der Plan eines Erbkaisertums2)Die grundlegende Arbeit darüber ist die lateinische Bonner Diss. von Ficker 1849, seitdem im einzelnen überholt; vgl. auch Krammer, s. o. S. 131. nicht eigentlich den Bedürfnissen Deutschlands, sondern dem Wunsche einer dauernden Angliederung Siziliens; seine Durchführung hätte dem Reiche an Stelle des deutschen endgültig den römisch-universellen Charakter aufgeprägt. Denkwürdig genug bleibt der Versuch auch so für dieHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 12178Die Zeit der Staufer.deutsche Geschichte. Fürstlicher Sonderpolitik und päpstlichen Ein - mischungen in die Thronfolge wäre damit für alle Zukunft der Boden entzogen. Von einem Staatsmanne wie Heinrich dürfen wir voraussetzen, daß er solche Folgen klug erwog. Aber so despotisch dachte doch auch er nicht von seiner Machtstellung, daß er eine derart grundstürzende Verfassungsänderung einfach von sich aus hätte anordnen können; dazu bedurfte er der Zustimmung der deutschen Fürsten oder des Papstes. Er hat es mit beiden versucht.

Die Zugeständnisse, die er den Fürsten bot, waren unzu - reichend. Der Erblichkeit der Krone sollte eine über die direkte männliche Deszendenz hinaus auch auf weibliche Glieder und Seiten - linien ausgedehnte Erblichkeit der weltlichen Reichslehen entsprechen, aber einzelne Fürsten besaßen derartige Rechte schon durch Sonderprivilegien, und die andern hofften sie wohl im Laufe der Entwickelung leichteren Kaufs zu erlangen. Den geistlichen Fürsten wurde die Preisgabe des lästigen Spolienrechts angeboten, aber dies Recht wurde in kirchlichen Kreisen als ein Mißbrauch empfunden, dessen Abstellung man ohne so hohen Entgelt glaubte erwarten zu dürfen. Für so dürftige Zugeständnisse sollte man also verzichten auf das wertvollste Recht zur Stärkung der Fürstenmacht, auf alle eignen Thronhoffnungen, sollte wohl gar zum Range sizilischer Barone herabsinken und die eignen Mittel und Kräfte im Dienste sizilischer Unternehmungen vergeuden?

Heinrichs Machtstellung war furchtgebietend. Als er damals (1195) die Mark Meißen in Ermangelung eines direkten männlichen Erben als erledigtes Reichslehen einzog und gegen das geltende Ge - wohnheitsrecht auch nach Jahr und Tag nicht wieder austat, da wagte sich kein Widerspruch hervor gegen die neue Übung, die, folgerichtig weitergehandhabt, nach Art des französischen Königtums, zu einer gewaltigen dauernden Kräftigung der deutschen Krone hätte führen müssen. Auch gegenüber dem Erbkaiserplan trat zu - nächst kein offner Widerstand zu Tage, sondern nach einem schüch - ternen Verschleppungsversuche gelang es Heinrich, auf einem neuen Reichstage (1196) unter Druck und Drohungen die Stimmen der Anwesenden auf das Projekt festzulegen. Aber noch fehlten ange - sehene Fürsten, wie der neue Kölner Erzbischof Adolf, das Haupt einer rheinischen Opposition. Um auch ihr Widerstreben zu brechen, scheint nun Heinrich, der sich aufs neue nach Italien begab, an den Papst unter ungewöhnlich vorteilhaften Bedingungen das An - sinnen gestellt zu haben, seinen noch im frühesten Kindesalter stehenden Sohn Friedrich zum Caesar oder Mitkaiser zu krönen. 1)Diese Nachricht der sog. Marbacher Annalen ( et quod in regem ungeret ) ist in ihrer Deutung viel umstritten. Die Möglichkeit ihrer Aus -179§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).Wenn so die höchste kirchliche Autorität dem Kölner Erzbischof zum Trotz die imperialistischen Bestrebungen gefördert und ein Erbrecht für das Kaisertum ohne vorhergehende Fürstenwahl aner - kannt hätte, wer hätte dann in Deutschland noch ferner in der Gegnerschaft zu verharren gewagt? Aber durch diese Rechnung machte die Kurie einen Strich; in dem klaren Bewußtsein der Ein - buße, die auch sie durch eine solche Neuordnung erleiden würde, setzte sie der Forderung eine zähe Weigerung entgegen. Dadurch erstarkte dann auch die Opposition in Deutschland, und Heinrich begnügte sich nun in klugem Einschwenken zunächst mit einem geringeren Erfolge, mit dem er immerhin zufrieden sein konnte. Durch die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige schien das, was er für die Dauer festgesetzt wissen wollte, Vereinigung beider Reiche unter dem staufischen Herrscherhause, wenigstens für die nächste Generation gesichert zu sein, und der weitergehende Plan, der jetzt fallen gelassen wurde, konnte zu gelegenerer Zeit wieder aufgenommen werden.

Aber auch von sizilischer Seite drohte der Vereinigung ernste Gefahr. Heinrich war dort der Nationalpartei weit entgegenge - kommen, indem er die Verwaltung unverändert ließ und die Regent - schaft seiner Gemahlin, der Sizilianerin, der Tochter des großen Roger, übertrug. Aber eben diese, eine stolze Frau von starkem, selbständigem Geiste und leidenschaftlichem Temperament, ganz erfüllt von den Überlieferungen des normannischen Königtums1)Vgl. über sie neuerdings auch P. Kehr, Quell. u. Forsch. aus it. Arch. 13 ff., 50 ff., scheint jener Partei sehr nahegestanden zu haben und ist selbst über den Verdacht der Mitwisserschaft um die letzte große Ver - schwörung gegen ihren Gemahl nicht ganz erhaben. Sicher ist der geheime Anteil des Papstes daran. Die Umlage einer hohen Steuer und der Versuch Heinrichs, nach dem Vorbilde Rogers alle früheren königlichen Privilegien einer scharfen Revision zu unterziehen, hatten1)legung als Krönung zum Mitkaiser suchte ich, im Anschluß an Winkelmann u. Caro, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 27 darzutun. Ich freue mich, dadurch den Anstoß zu der sehr beachtenswerten Studie v. Krammer (s. S. 131) gegeben zu haben. Seinen mehr nach der Seite von Toeche u. Hauck (römische Königskrönung) neigenden Darlegungen kann ich mich hier freilich nicht an - schließen, vielmehr scheinen mir die sonstigen Ausführungen seines Buches gerade zugunsten meiner Auffassung zu sprechen. Kr. s Meinung berührt sich damit freilich viel näher, als er selbst zugibt; denn ist eine Krönung, durch den Papst in den üblichen Formen einer Kaiserkrönung vollzogen, die den Caesartitel gewährt, zur Nachfolge im römischen Imperium berechtigt, eine künftige Kaiserkrönung überflüssig macht (vgl. Krammer S. 35), überhaupt noch als eine Krönung zum römischen König von einer Krönung zum Mitkaiser zu unterscheiden?12*180Die Zeit der Staufer.die Unzufriedenheit mit der deutschen Herrschaft gesteigert. Es handelte sich um nichts Geringeres, als eine Art von sizilianischer Vesper, um die Ermordung des Kaisers und aller Deutschen im Lande, um die Erhebung eines einheimischen Königs. Da ward der Plan vorzeitig entdeckt, und die Verschwörer nun mit blutiger Strenge niedergeworfen (Mai, Juni 1197). Die Grausamkeit der Strafen hat dem Kaiser viele entrüstete Vorwürfe eingetragen; sie entsprach immerhin Ort und Zeit und der Furchtbarkeit des Ge - planten. Indem aber nun die Nationalpartei völlig am Boden lag, hatte die gescheiterte Verschwörung dem Kaiser nur zu einem neuen Erfolge verholfen und die Verbindung Siziliens mit dem Reiche neu gefestigt. Und auf dem Grunde dieser Vereinigung hatte Heinrich inzwischen immer sicherer und stolzer die Bahnen der Weltpolitik beschritten.

Dahin sah er sich gewiesen schon durch die machtvolle Steigerung der imperialistischen Vorstellungen und Ansprüche in den Zeiten und Kreisen, die für seine Entwickelung maßgebend waren. Die Reichsministerialität, verstärkt noch durch den Anfall der welfischen Besitzungen Schwabens nach dem Tode Welfs VI. (1191), stand damals auf dem Gipfelpunkt ihrer politischen Be - deutung. Jenseits der Alpen verharrte die Lombardei im wesent - lichen auf dem Boden des Konstanzer Friedens, ward aber von Heinrich durch kluge Ausnutzung der inneren Gegensätze politisch lahmgelegt. Das übrige Italien schien sich immer entschiedener in der Richtung unmittelbarer kaiserlicher Beamtenverwaltung zu ent - wickeln, und deren Organe waren vor allem die überschüssigen Kräfte der deutschen Reichsministerialität. Nirgends aber lebten so weitausgreifende Vorstellungen von den Aufgaben des deutschen Kaisertums, wie in diesen Kreisen, in denen sich die Anschauungen eines Reinald von Dassel in ungeminderter Kraft erhalten hatten. Die Weltherrschaft galt hier geradezu als der nationale Beruf der Deutschen, und mit unverhohlener Verachtung blickte man auf die andern Völker und ihre armen Könige , die dem Kaiser zu dienen hatten. 1)Vgl. Burdach, Walter v. d. Vogelweide (1900) S. 135 ff. Dazu jetzt auch die Ausführungen von Krammer.

Der vornehmste Träger solcher Ideen war Heinrich selbst. Schon hatte er in der Person Richards Löwenherz den mächtigsten König Europas in Lehensabhängigkeit gezwungen. Durch die Herrschaft der Plantagenets über mehr als die Hälfte des heutigen Frankreichs war England selbst eine Weltmacht. Und Heinrich betrachtete das Lehensverhältnis nicht nur als bloße Form, sondern beanspruchte181§ 14. Heinrich VI. (1190 1197).einen maßgebenden Einfluß auf Richards auswärtige Politik und übte dadurch einen Druck auch auf die französische Krone. Das König - reich Burgund im Süden Frankreichs konnte für das Reich durch Barbarossa als neugefestigt gelten. Gewisse Ansprüche reichten von dort selbst nach Aragonien, das vorübergehend schon in den Kreis der Heiratspolitik Friedrichs I. getreten war. Im Norden und Osten Deutschlands hielt man an den alten Rechten der Lehnshoheit natürlich fest, wenn auch, der allgemeinen südlichen Tendenz ent - sprechend, ohne besonderen Nachdruck und Dänemark gegenüber auch ohne Glück.

Und mit diesem gewaltigen Umkreis imperialistischer Ansprüche verbanden sich nun die großen Überlieferungen der normannischen Politik Süditaliens. Sizilien war das Zentrum des Mittelmeers, die Schwelle des Orients. Heinrich erbte hier von Süden her die jähr - liche Tributzahlung des Almohadenherrschers von Nordafrika, nach dem Osten hin bedeutsame Ansprüche und Eroberungstendenzen gegen das griechische Kaiserreich, die von Robert Guiscard bis auf Wilhelm II. nie ganz geruht und noch zuletzt zu einer erfolgreichen Heerfahrt gegen die Balkanhalbinsel (1183) geführt hatten. Dazu traten für Heinrich die Erinnerungen an so manche Feindseligkeit der griechischen Kaiser gegen seinen Vater und neuerdings Erb - ansprüche seiner eignen Familie. Im Palaste von Palermo hatte er die einem Sohne Tancreds zur Gattin bestimmte byzantinische Prinzessin Irene vorgefunden und sie mit seinem Bruder Philipp vermählt. Ihr Vater Isaak Angelos aber ward durch seinen Bruder Alexios III. vom Thron gestoßen. Eine Zeitlang trug sich Heinrich in der Tat mit dem Gedanken einer Eroberung Konstantinopels und stand nur davon ab, als Alexios sich zu einer demütigenden Tribut - zahlung herbeiließ. Aber die Tage des griechischen Reiches schienen trotzdem gezählt zu sein. Schon suchten ehemalige oströmische Gebiete Anlehnung an das abendländische Imperium; die Könige von Armenien und Cypern nahmen von Heinrich ihre Krone zu Lehen. Schon eröffnete sich die Aussicht auf weitere Erwerbungen in Syrien.

Denn der Eroberungsplan gegen Konstantinopel war doch nur zurückgestellt zugunsten eines andern großen Unternehmens, das nun mit aller Energie betrieben wurde, eines neuen Kreuzzuges, aber eines Kreuzzuges, der nicht sowohl eine allgemeineuropäische Schwarmbewegung sein sollte, als vielmehr ein festgefügtes Glied in der Kette von Heinrichs weltumspannenden Entwürfen. Er sollte einmal den Frieden im Reiche sichern helfen. Heinrich wußte nur zu gut, wie ingrimmig die Kurie den Zustand politischer Ohn - macht ertrug, der in jenen Tagen sogar einmal den Gedanken einer182Die Zeit der Staufer.völligen Säkularisation des Kirchenstaats hat aufkommen lassen1)Vgl. v. Heinemann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 9., wie sie jedes noch so verwerfliche Mittel zu geheimen Gegen - wirkungen und Friedenstörungen ergriff. Der Kreuzzug mußte ihrer Agitation gewisse Schranken setzen. Er stand ferner in enger Beziehung zu dem gleichzeitig betriebenen Erbkaiserplane, dessen Annahme Heinrich vielleicht zur Voraussetzung einer persönlichen Teilnahme gemacht hat. Er sollte den Glanz des Kaisertums steigern, seine Herrschaft und seinen Einfluß noch weiter ausdehnen. Die Aussichten im Orient hatten sich durch den Tod Saladins, dem neue Spaltungen folgten, erheblich gebessert. Der Kaiser selbst stellte für das Unternehmen eine besoldete Kerntruppe, an die sich die zahlreich teilnehmenden Fürsten und Großen des Reiches an - schlossen. Je mehr von ihnen außer Landes gingen, desto unbe - schränkter konnte sich unterdes der Einfluß des zurückbleibenden Kaisers, der sich gleichwohl die Leitung des Unternehmens wahrte, geltend machen. Diesmal wurde der bequemere und gefahrlosere Seeweg gewählt. Alles war in Bereitschaft. Die Flotte segelte im September 1197 von Sizilien ab.

Kurz darauf ist der Herrscher, der ihre Fahrt mit den kühnsten Hoffnungen begleitete, dem eben die Ernte mühevoller Saaten zu reifen begann, plötzlich mit zweiunddreißig Jahren als ein Opfer des sizilianischen Sommers dahingerafft worden (28. Sept. 1197). Seine Gebeine ruhen noch heute im Dom von Palermo.

Sein früher, unerwarteter Tod war die furchtbarste Katastrophe der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands. Ein Rückschlag wäre ja auch ohne das einmal auf die Überspannung der imperialistischen Tendenzen eingetreten, denn an ein organisches Zusammenwachsen aller dieser beherrschten, verlehnten oder beanspruchten Länder - massen war ja nicht zu denken. Aber solange dieser große politische Rechner mit seiner kühlen Phantasie an der Spitze stand, hätte immerhin ein zeitliches Gebilde, wie etwa das Weltreich Karls V., erstehen können, und wie alsdann dessen ungeheure Machtmittel zur Stärkung der Monarchie gegenüber Papsttum und Fürstengewalt verwandt worden wären, das können wir an der Hand bedeutsamer Ansätze nur ahnen. Freilich nicht das war das Schlimmste, daß solche Pläne unausgeführt blieben, sondern daß der Führer eben in dem Augenblicke zu Boden sank, wo er in unwiderstehlichem Vorsturm die gegnerischen Kräfte ringsum zwar zurückgeworfen, aber auch zusammengeballt hatte, und der gedoppelte Widerstand, dessen er selbst Herr geworden wäre, einem unmündigen Kinde und einem zerrissenen Deutschland gegenüber das Bild nun mit einem Schlage in sein Widerspiel verkehrte.

183§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).

Kaum jemals, selbst nicht beim Ende Heinrichs III., an das die Lage einigermaßen erinnert, hat an dem Leben eines Mannes so schlechthin alles gehangen. Schon die zeitgenössischen deutschen Chronisten zeigten das lebendigste Gefühl des unersetzlichen Ver - lustes und die Ahnung eines drohenden Umschwungs. Voller Sorge suchte damals, so erzählte man sich in Köln, der alte Recke Dietrich von Bern das deutsche Reich auf; an der Mosel hatte man seine riesenhafte Erscheinung auf kohlschwarzem Rosse gesehen. Er weissagte künftiges Unheil.

§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).

Während die Verhältnisse im Reiche zu Spaltung und Bürger - krieg führten, bestieg ein Vierteljahr nach dem Tode Heinrichs VI. der Mann den Stuhl Petri, der in der ganzen Reihe der großen politischen Päpste vielleicht als der herrschbegabteste zu bezeichnen ist. Das erst vollendete den Umschwung. Schon daß man den 37 jährigen Lothar von Segni, den jüngsten der Kardinäle, zum Papst wählte, spricht für seine überragende Bedeutung.

Innozenz III. (1198 1216)1)Hauptquelle sind seine bewunderungswürdigen Registerbände (hrsg. von Baluze (1682) und von Brequigny u. La Porte du Theil (1791); danach, zusammen mit den sonstigen Schriften des Papstes, bei Migne, Patrol. lat. Bd. 214 217). Von besonderer Wichtigkeit für die Reichsgeschichte ist das leider unvollständige Registrum de negotio imperii . Die Gesta Innocentii III. papae von einem unbekannten Zeitgenossen aus der Umgebung des Papstes sind ganz tendenziös, aber stofflich sehr wertvoll (Migne 214). Von neueren Dar - stellungen ist noch immer die einzige vollständige Biographie die von Fr. Hurter in 4 Bänden, zuerst 1834 ff., wenn auch unkünstlerisch, so doch gründlich und lehrreich, aber von so schrankenloser Bewunderung des Papstes, daß sie den Übertritt des protestantisch-theologischen Verfassers zur Folge hatte, der dann als Hofhistoriograph des österreichischen Kaiserhauses endete. Das heute veraltete Werk sucht neuerdings A. Luchaire, teilweise mit gutem Er - folg, durch eine Reihe von Monographien über den Papst zu ersetzen: Inno - cent III: Rome et l'Italie (1904), La Croisade des Albigeois (1905), La Pa - pauté et l'Empire (1906); La question d'Orient (1907); Les royautés vassales du Saint-siège (1908); dazu eine Anzahl vorbereitender Abhandlungen, auf - gezählt Hist. Zeitschr. 94, 474. Von deutschen Monographien vgl. Schwemer, J. III u. d. deutsche Kirche (1882). war von zartem Körperbau und feinen, schmalen Gesichtszügen, in denen man Klarheit und ge - sammelte Energie erkennt. Genuß und Muße waren ihm unbekannt. Er beschränkte sogleich den Aufwand der päpstlichen Hofhaltung, ohne indes zu kargen, wo es das Ansehen der Kirche galt. Seine persönliche Bedürfnislosigkeit weckte wohl Klagen der in Mitleiden -184Die Zeit der Staufer.schaft gezogenen Umgebung. Die ungeheuren Anstrengungen, die er seinem Körper zumutete, untergruben allmählich seine Gesund - heit; wie der Vogel zum Fliegen, so meinte er, sei der Mensch dazu geschaffen, Mühsal zu ertragen. Und diese stete Rastlosigkeit eines vernunftbeherrschten Schaffens ist für ihn so bezeichnend, wie für Gregor VII. die stoßweis hastende, dämonische Leidenschaftlich - keit. Seine Natur barg nicht unerforschliche Abgründe und über - raschte nicht durch Blitze blendender Genialität, aber sie wußte viel - leicht ebendeshalb umso besser ihr Lebenswerk vor Klippen und Schiffbruch zu sichern.

Die scholastische Universitätsbildung seiner Zeit hatte sich Innozenz in einem seltenen Grade der Vollkommenheit angeeignet. Eine scharfe Dialektik spricht aus jeder seiner Äußerungen. Als theologischer Schriftsteller und Redner erscheint er uns zwar ohne Tiefe und Wärme, aber auf seine Zeitgenossen machte der Abra - ham des Glaubens durch seine Rhetorik doch einen tiefen Ein - druck. Unübertrefflich aber war er als Jurist. Indem er einen großen Teil seines Lebens der persönlichen Rechtsprechung widmete, wurde das päpstliche Tribunal unter ihm in Wahrheit zu einem Richterstuhl für ganz Europa, vor dem man in rechtlichen und sittlichen Fragen aller Art die vielbewunderten Entscheidungen des andern Salomo erwartete.

Für Innozenz selbst waren solche Vergleiche1)Vgl. Histor. Viertelj. 8, 509 ff. kaum zu hoch gegriffen. Er war daran gewöhnt, daß man ihm einen unmittel - baren Verkehr mit Gott zuschrieb. Vom ersten Tage seiner Amts - führung an hatte er sich ganz mit den hohen Vorstellungen erfüllt, die seit den Zeiten Nikolaus 'I. und Gregors VII. mit seiner Würde verknüpft waren, und fühlte sich als die Verkörperung der hier - archischen Idee. Als Mittler stand er zwischen Gott und Menschen, weniger als Gott, mehr als Mensch , nicht mehr ein bloßer Stellvertreter des Apostels, sondern Christi selbst. Die Anekdote, nach der er sich einmal den im Lateran bewahrten ungenähten Rock des Herrn angelegt habe, um festzustellen, ob jener nicht kleiner gewesen sei, als er selbst2)Salimbene M. G. SS. XXXII, 31., ironisiert die tatsächlichen An - sprüche des Papstes. Diese aber bezogen sich nicht nur auf das Mittleramt zwischen Diesseits und Jenseits, sondern im allerweitesten Umfange auch auf die Herrschaft dieser Welt. Hier trat er ganz in den Ideenkreis Gregors VII. ein und wußte die Überlegenheit des Priestertums über das Königtum, die Überordnung des Papstes über alle Fürsten der Welt in immer neuen Wendungen mit dem185§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).ganzen Schatz überlieferter Bilder und Vergleiche darzutun, insbe - sondere die Abhängigkeit des Kaisertums aus seiner angeblichen Übertragung durch den Papst von den Griechen an die Deutschen herzuleiten.

Und indem er sich nun mit allem Ernst an die Durchführung dieser Ansprüche machte, kamen ihm die Gunst der allgemeinen Lage der Zwiespalt im Reiche, die Minderjährigkeit des sizi - lischen Thronfolgers, die deutschfeindliche Strömung in Italien, der französisch-englische Gegensatz ebensosehr zu statten, wie seine hervorragende Begabung für Verwaltung und Finanzen, sein kritischer Scharfsinn, den er etwa durch die Prüfung verdächtiger Papstur - kunden fast nach den Grundsätzen moderner Forschung glänzend bewährte, vor allem andern aber seine meisterhafte Diplomatie. Wohl hat ihm mancher außer aller Berechnung stehende Glücksfall die Wege geebnet, aber Innozenz verstand eben ihn zu nutzen, er wußte auch widrigen Entwicklungen sich geschmeidig anzu - passen, stets das letzte Ziel im Auge den Weg dahin ständig zu wechseln, sich gelegentlich mit geringem Vorteil zu begnügen oder gar einen Schritt zurückzuweichen, um bald zwei vorwärts zu tun. Da hat er stets rücksichtslos und unbekümmert um ängstliche Moralbedenken seinen Vorteil, den Vorteil von Kirche und Welt, wie er ihn verstand, wahrzunehmen gewußt, nach echter Diplo - matenart die Dinge stets unter dem Gesichtswinkel seiner augen - blicklichen Absichten gesehen, beleuchtet und zurechtgerückt. Alles, was man ihm da vom Standpunkte der Moral aus vorwerfen kann1)Sehr scharf namentlich das Urteil von Hauck; vgl. dazu Hist. Ztschr. 93, 417., geht schwerlich hinaus über das Durchschnittsmaß jedes Realpoli - tikers und fällt hier eben nur bei dem Papste besonders auf. Daß aber die höchste religiöse und moralische Autorität auf Erden jetzt ganz zum Realpolitiker herabsank, der heute guthieß, was er gestern verworfen, der die kirchlichen Strafmittel zu rein weltlichen Zwecken anwandte und abnutzte, der es mit der Wahrheit nicht eben genau nahm und auf seine politische Tätigkeit selbst das Sprüch - wort wer Pech angreift, besudelt sich bezogen haben soll, das bedeutete allerdings in der zunehmenden Verweltlichung der Papst - kirche einen großen Schritt über Alexander III. hinaus und wurde vorbildlich für die folgenden Jahrhunderte. Freilich, wie sollte man die Weltherrschaft erringen ohne die Mittel der Politik? Innozenz III., der sie am gewandtesten von allen Päpsten gehandhabt hat, ist dem letzten Ziele vielleicht von allen auch am nächsten gekommen.

Zunächst galt es, die Kirche aus der erdrückenden Umklam - merung durch das mit Sizilien vereinigte Reich zu befreien und186Die Zeit der Staufer.ihre Unabhängigkeit auf eine selbständige Machtgrundlage zu stellen. Im Schoße der Kurie hatte man schon in den Tagen der Ohn - macht unter Coelestin III. durch eine Sammlung der wirtschaftlichen und politischen Rechte und Ansprüche des Papsttums die künftige Erhebung vorbereitet. Man hatte aus den alten Privilegien der Kaiser jene umfassenden karolingischen Versprechungen hervorge - holt, die da widerspruchsvoll genug neben den späteren beschränkten und sie ersetzenden Schenkungen standen und daraus für den Aus - bau des Kirchenstaats die weitesten Folgerungen gezogen. Wenn schon ein so maßvoller Verwaltungsmann wie der Kämmerer Cen - cius in dem großen, 1192 angelegten Zinsbuche der römischen Kirche bemerkte, zum Patrimonium Petri gehörten eigentlich einige vollständige Herzogtümer und Markgrafschaften, so formten sich solche Ansprüche in dem Kopfe eines Innozenz schon damals zum Programm. Aus der höchsten Bedrängnis erwuchsen, wie um die Mitte des achten Jahrhunderts, die kühnsten Forderungen. Gleichwohl ist es wenig wahrscheinlich, daß man sie schon dem gewaltigen Kaiser gegenüber zu erheben wagte, und es darf keineswegs für sicher gelten, daß Heinrich selbst in seinem Testamente Zuge - ständnisse gemacht habe, die diesen Wünschen begegneten. Wohl hat er auf seinem Sterbebette voll Sorge in die Zukunft geschaut und, wie es scheint, in seinem letzten Willen der Kurie weitgehende Anerbietungen für die Anerkennung seines Sohnes als Kaiser und König von Sizilien, also für die Aufrechterhaltung der Union jener beiden Reiche gemacht; die sizilische Lehensfrage sollte befriedigend und für den Papst recht vorteilhaft geregelt, das Patrimonium Petri und die vielumstrittenen mathildischen Eigengüter ihm herausgegeben werden. Ob aber auch auf den größten Teil Mittelitaliens zu seinen Gunsten verzichtet werden sollte, scheint mehr als zweifelhaft. 1)Wir haben es hier mit einer der schwierigsten Fragen der mittel - alterlichen Geschichtsforschung zu tun, bei deren Lösung mangels ausreichender Quellen dem subjektiven Gefühl ein breiter Spielraum bleibt. Sind die An - gaben der Gesta Innocentii, die allein ein angebliches Bruchstück des Testa - ments bringen, richtig, so wurde es erst nach der Schlacht bei Monreale (1200) von den Päpstlichen in dem Gepäck des zum Vollstrecker bestimmten Markward v. Anweiler erbeutet. Die heute herrschende Meinung hält im Anschluß an die Ausführungen v. Winkelmann (zuletzt in seinem Philipp S. 483 ff. ) das ganze Fragment für echt. Abgesehen von den obigen Bestimmungen hätte danach Markward v. Anweiler seine mittelitalischen Gebiete, insbesondere die Mark Ancona und das den Reichsbesitz in der Romagna umfassende Herzogtum Ravenna vom Papste zu Lehen nehmen sollen, und in diesem Falle wäre das Fragment wohl durch eine ähnliche Bestimmung über das Herzogtum Spoleto zu ergänzen, das die notwendige Verbindung zwischen dem Patrimonium undMag indessen das uns überlieferte Bruchstück jenes Testaments echt, ge - fälscht oder verunechtet sein, eine tatsächliche Wirkung hat es kaum187§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).geübt; denn als es durch seltsame Fügung spät bekannt wurde, hatten die Ereignisse nach Heinrichs Tode die Lage bereits völlig verschoben.

Sofort nach seiner Erhebung sicherte Innozenz seine Hoheit über Rom gegen die Ansprüche des Kaisers und des römischen Volkes. Dann wußte er die päpstliche Landesherrschaft über das Patrimonium bis in die strittigen Grenzgebiete Südtusziens hinein zur Anerkennung zu bringen, und indem er die deutschfeindliche Bewegung, die als Rückschlag gegen die straffe Fremdherrschaft Heinrichs bei seinem Tode in allen Teilen der italienischen Halb - insel ausbrach, schürte und für seine Zwecke ausnutzte, gelang es ihm, in dem Herzogtum Spoleto und der Mark Ancona an Stelle der Reichsgewalt das päpstliche Regiment aufzurichten und durch diese Eroberungen, die man geflissentlich als Rekuperationen bezeichnete, den Kirchenstaat durch ganz Mittelitalien hindurch von einem Meere zum andern zu erweitern. Nicht das Gleiche gelang in den ebenfalls beanspruchten Gebieten der Romagna und Tus - ziens; hier ward zwar mit Hilfe der Kurie das Joch der kaiser - lichen Herrschaft abgeschüttelt, aber die Städte wollten doch nicht in dem Papste einen neuen Herrn über sich setzen, und ebenso nahm der Lombardenbund wohl eine reichsfeindliche Haltung ein damals ward der Name Caesarea wieder gewandelt in Alessan - dria , doch auch er behauptete seine Selbständigkeit.

Innozenz hatte inzwischen neue Erfolge in Sizilien errungen. Dort gewann nach dem Tode Heinrichs die Nationalpartei mit der Kaiserin an der Spitze die Oberhand. Das Reich der Nor - mannen sollte unverändert neu erstehen, die deutsche Fremdherr - schaft nur als ein kurzes Zwischenspiel erscheinen. Konstanze löste die Verbindung mit dem Imperium, wies die Deutschen mit dem von Heinrich anscheinend zum Regenten bestimmten Markgrafen Markward von Anweiler aus ihrem Reiche, verzichtete auf das1)der Mark Ancona bildete. Mir scheinen indes die ebenso scharfsinnigen, wie vorsichtigen Erörterungen von Ficker (Wiener S. B. phil. -hist. Kl. 67), der den Markward betreffenden Abschnitt als eine Fälschung Markwards selbst aus dem Anfang des Sommers 1198 wahrscheinlich macht, durch die Ein - wendungen Winkelmanns keineswegs widerlegt zu sein, und ebensowenig kann ich Politik und Charakter Heinrichs VI. in diesem Punkte mit der herrschenden Meinung in Einklang bringen. Aber auch nach der andern Seite hin möchte ich vorderhand von der hier ausgesprochenen Ansicht nicht abweichen, nach - dem ich die Schrift von Gerlich, D. Testament Heinrichs VI. (1907) gelesen. G. verficht nachdrücklich die Annahme einer völligen kurialen Fälschung, während er Heinrich auch im Tode uneingeschränkt an seinen Ansprüchen festhalten läßt. Obwohl ich im ganzen nicht überzeugt bin, meine ich, daß die beachtenswerten Ausführungen als Grundlage weiterer Diskussion ge - eignet sind.188Die Zeit der Staufer.römische Königtum ihres Sohnes und ließ ihn zum Könige von Sizilien krönen (1198). Eine solche Trennungspolitik war ganz nach dem Herzen des Papstes, aber doch erst, nachdem er der stolzen Normannentochter ein Konkordat abgerungen hatte, das die kirchlichen Vorrechte der sizilischen Krone noch über das Maß der von Tancred gemachten Zugeständnisse hinaus beschränkte und nur den geringen Rest eines königlichen Konsensrechtes bei den Bischofswahlen bestehen ließ, stellte Innozenz das alte Lehensver - hältnis wieder her, gerade rechtzeitig, um nun nach dem uner - wartet schnellen Tode der Kaiserin (1198) auf ihre Verfügung hin als Oberlehnsherr die Vormundschaft über den jungen Friedrich zu gewinnen und damit die Bestimmung über die Geschicke Siziliens in seine Hand zu bekommen. Das Land sollte ihm freilich bald Sorge genug bereiten, denn die deutschen Truppenführer, in steter Verbindung mit der staufischen Reichsregierung, wichen nicht aus den starken Burgen des Festlandes, und in diesen anarchischen Kämpfen und Parteiungen schien das Königtum Friedrichs hier zeitweilig völlig zu versinken. Indes welcher Wandel der politischen Verhältnisse Italiens hatte sich nun doch in dem einen kurzen Jahre vollzogen: von der Allgewalt Kaiser Heinrichs sah man nur noch zersprengte Trümmer, und über all' den deutschfeindlichen Lokal - mächten ragte das eben noch regungslos eingeschnürte Papsttum jetzt frei und beherrschend empor. Solcher Umschwung wäre un - möglich gewesen ohne die deutsche Zwietracht.

Die unselige Doppelwahl des Jahres 1198 ist das verhängnis - vollste Ereignis der Geschichte Deutschlands im Mittelalter, der Wendepunkt in der äußeren Machtstellung des Reiches wie in dem inneren Widerstreit zwischen Krongewalt und Sonderbestrebungen. Dem apulischen Kinde die Krone zu wahren, erwies sich ange - sichts der bedrohlichen Lage trotz der schon vollzogenen Wahl sogleich als völlig untunlich; nur ein Mann konnte das Reich Heinrichs VI. zusammenhalten. Im wohlverstandenen Reichsinteresse, nicht aus selbstsüchtigem Ehrgeiz ließ sich daher Philipp1)Grundlegend über ihn Winkelmann, Jahrb. d. d. Gesch. : Philipp v. Schwaben 1873., der jüngste Bruder des verstorbenen Kaisers, zur Annahme der Krone bewegen. 2)Aus dem imperialistischen Reichsbegriff der letzten Jahrzehnte erklärt es sich, daß seine Wahl ursprünglich zum Kaiser erfolgte, und Philipp künftig stets die imperialistischen, das deutsche Königtum verflüchtigenden Tendenzen vertrat, während Otto zunächst das engere deutsche Königtum be - tonte. Vgl. Krammer (s. S. 131).Aber gegen ihn schlossen sich nun die welfisch-niederrheinischen Interessen, deren wachsende Annäherung schon seit dem Sturze189§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).Heinrichs des Löwen zu beobachten war, zusammen, und alle fürstlichen Elemente, die ein staufisches Erbkaisertum fürchteten, gliederten sich an. So kam es vor allem auf Betreiben des Erz - bischofs Adolf von Köln, der durch die Abwesenheit des Mainzers im heiligen Lande an Einfluß gewann, zu der Gegenwahl Ottos IV., des dritten Sohnes Heinrichs des Löwen. Zu einem Zeitpunkte, in dem es mehr denn je der Zusammenfassung aller Volkskräfte gegen einen gewaltigen Papst und das ringsum drohende Ausland bedurft hätte, brach die alte Wunde Deutschlands, der staufisch - welfische Gegensatz, wieder auf. Ein verheerender Bürgerkrieg begann, ohne rasche Entscheidungen im offnen Felde, umso lang - wieriger und entsittlichender. Deutschlands größter politischer Dichter, Walter von der Vogelweide, der damals mit der ganzen Wucht seiner leidenschaftlichen Überzeugung für die Sache des Staufers eintrat, glaubte die Vorzeichen des jüngsten Gerichts zu erkennen.

Die Thronbewerber, beide Jünglinge von wenig mehr als zwanzig Jahren, waren in ihrem Wesen sehr verschieden.

Philipp war als der jüngste von Barbarossas Söhnen ursprüng - lich zum Geistlichen bestimmt und entsprechend herangebildet, dann aber, als der Tod die Reihen der Staufer lichtete, hatte ihn Heinrich VI. dem geistlichen Stande entzogen (1193) und mit Tuszien und dem mathildischen Gute (1195), bald darauf mit dem Herzogtum Schwaben (1196) belehnt. Während der schwierigen Amtswaltung in Mittelitalien hatte er durch Eingriffe in päpstliches Gebiet die Anwendung einer allgemeiner gehaltenen Banndrohung auf sich gezogen. 1)Über die Streitfrage betr. der Bannung u. Lösung Philipps vgl. Hauck, Berichte der Sächs. Ges. d. Wiss., ph. -hist. Kl. 1904 S. 137 ff.Wenn er aber mit der politischen Richtung Heinrichs VI. durchaus übereinstimmte, so reichte er doch nicht ent - fernt an die staatsmännische Größe und durchgreifende Energie des Bruders heran. Was der Vater in seinem Wesen vereinigt hatte, schien getrennt und gesteigert auf diese beiden Söhne gekommen zu sein. Philipp war ein zartgebauter Jüngling mit blondem Locken - haar, fein in Aussehen, Umgangsformen und Bildung, der liebens - würdigste unter den Staufern und wohl unter allen Herrschern des deutschen Mittelalters, milde, heiter, leutselig, von makellosem Wandel, ein süßer, junger Mann , wie ihn Walter nannte. Ihm zur Seite, in innigster Gemeinschaft mit ihm die byzantinische Prinzessin Irene, die Rose ohne Dorn, die Taube ohne Galle , ein Königspaar, wie es sich Deutschland für eine Friedensherr - schaft nicht edler und besser hätte wünschen können. Den wilden190Die Zeit der Staufer.Zeitläuften war Philipp, wenigstens im Anfang, staatsmännisch und kriegerisch in keiner Weise gewachsen; erst durch die bitteren Er - fahrungen des folgenden Jahrzehnts ist er gereift und erstarkt, und diese kräftige Aufwärtsbewegung verhieß immerhin eine gute Zukunft.

Ganz anders sein welfischer Gegner! Otto IV. war als Knabe seinem Vater in die Verbannung gefolgt und am normannisch - englischen Hofe auferzogen als der besondere Liebling seines Oheims Richard Löwenherz, der ihn mit der Grafschaft Poitou belehnte. Blutsverwandtschaft, gleiche Züge des welfischen Familiencharakters und bewußte Nacheiferung hatten ihn in der Tat seinem könig - lichen Oheim sehr ähnlich gemacht. Er war von hohem Wuchs und gewaltiger Körperkraft, kriegseifrig und abenteuerlustig, tollkühn und verwegen, wie nur je ein normannischer Ritter, aber auch hochfahrend, schroff und derb, dabei doch ohne die innere Sicher - heit, die die Bildung verleiht, schwankend zwischen Überhebung und Verzagtheit. Es charakterisiert seine unfeine Habgier, daß man ihm den Plan zuschrieb, die Bordelle im Reiche zu einer staat - lichen Einnahmequelle zu gestalten. 1)Ann. v. Reinhardsbrunn, M. G. SS. XXX, 583.Ein solcher Mann war nicht zum klug berechnenden Politiker geboren, ihm fehlte jegliche di - plomatische Feinheit. Sein rücksichtsloses Zugreifen mochte gefähr - lich sein, wenn die Macht hinter ihm stand, aber er wußte sie sich nicht dauernd zu sichern; er konnte die Schlingen seiner Gegner wohl durchhauen, aber er besaß nicht die Gewandtheit, sich ihnen auf die Länge zu entwinden.

Wahl und Krönung waren bei beiden Königen nicht einwand - frei verlaufen. Hatte Philipp weitaus die Mehrheit der Wahl - stimmen und trug er die echten Reichsinsignien, so war Otto an dem rechten Orte Aachen von dem dazu befugten Kölner Erz - bischof gekrönt. Es gab keine höhere Instanz als das Schwert. Zwischen dem staufischen Süden und dem welfischen Norden schwankten die Fürsten dahin, daher, um sich dem zuzuwenden, der ihnen von den Besitzungen und Rechten der Krone jeweils am meisten preisgab; Landgraf Hermann von Thüringen verschaffte sich damals durch vollendete politische Grundsatzlosigkeit die Mittel für seinen glänzenden Musenhof auf der Wartburg. Neben den Lockungen von Geld und Gut wirkte der Einfluß des Auslandes. Die verwandtschaftlichen Bande und die Handelsbeziehungen Kölns, seines Hauptstützpunktes, wiesen den Welfen gleichmäßig nach England, von wo er durch König Richard mit reichen Geldmitteln unterstützt wurde. Um so enger schloß sich Philipp an Frankreich (1198) zu gemeinsamer Abwehr des englisch-welfischen Bundes.

191§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).

Alle diese Spaltungen steigerten den Einfluß des Papstes. Obschon Philipp der Kirche innerlich enger verbunden war, als sein Gegner, konnte von vornherein kaum ein Zweifel darüber be - stehen, auf wessen Seite Innozenz neigte. Denn Philipp vertrat die staufischen Überlieferungen, die Reichsherrschaft in Mittelitalien, die Vormundschaft über Friedrich von Sizilien, während Otto, der als der schwächere Teil ganz anders auf die Unterstützung der Kurie angewiesen war, sogleich zu verstehen gab, er werde die italienischen Ansprüche des Papstes anerkennen1)Durch Krabbo, Neues Arch. 27, 515 ff. ist festgestellt, daß 1198 von Otto zwar Verhandlungen mit dem Papste eingeleitet, aber noch keine eid - lichen und urkundlichen Zusicherungen gegeben wurden., und durch den Verzicht auf das Spolienrecht auch hinsichtlich der deutschen Kirche weitere Nachgiebigkeit erwarten ließ. Indessen Innozenz war klug genug, seine Entscheidung nicht zu übereilen; denn der Bürgerkrieg brachte eine erwünschte Schwächung der gefürchteten deutschen Macht. Freilich nur so lange, als der eine Teil nicht unbedingt die Oberhand gewann. Dahin aber schien die Entwicklung der beiden folgenden Jahre zu führen. Während Innozenz, wie einst Gregor VII., die Anerkennung seines Schiedsgerichtes von beiden Thronbewerbern forderte, erließ eine glänzende Versammlung von fürstlichen Anhängern Philipps, unter denen insbesondere die Bischöfe in noch ungebrochener Treue gegen das staufische Haus nahezu vollzählig vertreten waren, einen geharnischten, ganz und gar von imperialistischem Geiste erfüllten Protest gegen die Ein - mischung des Papstes in den deutschen Thronstreit, sowie gegen seine italienischen Ansprüche und stellte einen Romzug Philipps zur Einholung der Kaiserkrone in nahe Aussicht. Diese Speyrer Er - klärung vom 28. Mai 11992)Dies Jahresdatum darf jetzt gegenüber früheren Schwankungen als sichergestellt gelten. reiht sich den Kundgebungen von Besançon, Würzburg und Gelnhausen würdig an und schließt die Kette. Von da ab sah Deutschland nichts Ähnliches mehr bis zu den Tagen von Rense und Frankfurt. Als dann der ehrwürdige Erzbischof Konrad von Mainz aus dem Orient zurückkehrte, konnte sein Vermittlungsversuch für Otto jedenfalls nur ungünstig ausfallen (1200). Dieser selbst sah sich seit dem Tode Richards Löwenherz (1199) von England im Stich gelassen, sein Königtum schien sich, wie er selbst schrieb, in Staub und Asche aufzulösen .

Da endlich trat Innozenz III. in einer berühmt gewordenen Denkschrift (Deliberatio) mit seiner Entscheidung hervor (Ende 1200). Indem er mit scheinbarer Unparteilichkeit die Rechte der drei Thronbewerber erörterte denn auch Friedrichs II. Anspruch192Die Zeit der Staufer.stand noch in Frage , suchte er mit gewandter Sophistik zu ver - schleiern, daß allein das politische Interesse des Papsttums den Ausschlag gab. Natürlich entschied er zugunsten Ottos, der bald darauf seine früheren Anerbietungen urkundlich verbriefte und Frieden mit Frankreich nach dem Wunsche der Kurie gelobte (Neuß, 8. Juni 1201).

Und nun griff der Papst mit Energie in den Kampf ein, bannte Philipp und seine Anhänger und suchte seine Stellung durch eine zielbewußte Agitation zu unterhöhlen. Wie einst Gregor VII. gegen die reichstreuen Bischöfe, so ging jetzt Innozenz mit klug berechneter Abstufung von Strafen und Belohnungen, mit juris - diktionellem Druck, erzwungenen Gehorsamseiden, Vorladungen, Suspensionen und Bannungen gegen die geistlichen Unterzeichner der Speyrer Protestation vor. Die einen stürzte er in schwere Ge - wissensnöte, die andern trieb er zu offnem Abfall oder wohl gar, wie Philipps eignen Kanzler, zu schmählichem Verrat an der Seite ihres staufischen Herrn, der in seiner oft an Schwachheit grenzen - den Arglosigkeit sich erst allmählich in einen solchen Kampf mit vergifteten Waffen hineinfand. Indem dann der Papst bei allen Neubesetzungen und Doppelwahlen, wie etwa in Mainz nach dem Tode des Erzbischofs Konrad, rücksichtslos die welfischen Bewerber zur Geltung brachte, wußte er die Reihen der stauferfreundlichen Bischöfe noch mehr zu lichten. Diese Säule, auf der das deutsche Königtum seit den Tagen Ottos des Großen zu allermeist geruht hatte, geborsten im Investiturstreit, aber von Barbarossa aufs neue mit eisernem Reif umspannt, brach damals für immer zusammen.

Manches andre kam hinzu, um die Macht Ottos IV. in den beiden folgenden Jahren (1202 / 3) gewaltig anschwellen zu lassen: der Anschluß auch weltlicher Fürsten, wie des Böhmen und Thüringers, ein Abkommen mit dem Dänenkönig, dem Nordalbingien und Slawien preisgegeben wurden, erneute Unterstützung Englands, dessen König Johann, abermals in Krieg mit Frankreich verstrickt, sich mit Otto zu Schutz und Trutz verbündete.

Indes bald zeigte es sich, daß die großen Erfolge des Welfen doch mehr scheinbar waren. Die allgemeine Erschütterung der Treue entzog auch ihm jeden festen Halt, und eben seine wachsende Macht war es, die ihm Gegner schuf und den reißenden Abfall erzeugte, der seit dem Jahre 1204 begann. Der eigne Bruder Pfalzgraf Heinrich wandte sich von ihm, ja selbst der Schöpfer seines Königtums Adolf von Köln, der nicht ohne Grund eine Wiederherstellung des alten sächsischen Stammesherzogtums von dem Welfen befürchtete. Als Philipp nun auch am Niederrhein vordrang, vollzog der Erzbischof an dem rechten Orte Aachen an193§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216.)ihm die Krönung (6. Januar 1205). Es war ein unerhörter Ein - griff in das Reichsrecht, daß der Papst ihn daraufhin seines geist - lich-weltlichen Fürstenamtes entsetzte und ihm einen neuen Erz - bischof entgegenstellte. Aber er vermochte den immer weiter um sich greifenden Abfall von Otto IV. dadurch nicht zu hemmen. Schon bedrohten staufische Erfolge in Mittelitalien und ein erneutes Hinübergreifen nach Sizilien1)Über den Angriff des Reichslegaten Lupold v. Worms auf Sizilien im Sommer 1205 vgl. Hist. Viertelj. 6, 473 ff. die Grundlage der päpstlichen Politik. Als Otto schließlich mit der Stadt Köln seinen Hauptstützpunkt verlor (November 1206) und den deutschen Boden verließ, um in England neue Hilfsgelder flüssig zu machen, hielt es der Papst für geraten, in letzter Stunde seine Sache von der verlorenen seines Schützlings zu trennen und durch einen Ausgleich mit Philipp für die Kurie zu retten, was zu retten war.

Diese Schwenkung, in längeren Verhandlungen vorbereitet, wurde Innozenz durch zwei Umstände erleichtert. In England hatte der seit den Tagen Heinrichs II. nie ganz ausgeglichene Gegensatz zwischen den Kronrechten und den Ansprüchen der Kirche sich eben infolge einer Doppelwahl in Canterbury (1205) zu einem schweren kirchenpolitischen Konflikt erweitert, der den wel - fischen Verbündeten König Johanns mittelbar auch zum Feinde des Papstes machte. In Sizilien mußte der herannahende Termin der Mündigkeit des jungen Friedrich (26. Dezember 1208) jedes Vormundschaftsrecht seines Oheims beseitigen und die Trennung vom Imperium sichern. Philipp konnte daher in diesem Punkte leicht Verzicht leisten. Ebenso vermochte Innozenz in den kirch - lichen deutschen Streitfragen, wie den Spaltungen in den Erzbis - tümern Mainz und Köln, gegen geringe tatsächliche Zugeständnisse seinen grundsätzlichen Standpunkt aufrecht zu erhalten und sogar in dem deutschen Thronstreit von Philipp eine Anerkennung des päpstlichen Schiedsgerichts zu erlangen, dessen Entscheidung im staufischen Sinne jenem nun freilich ebenso wie die Kaiserkrone in Aussicht gestellt wurde. Gleichwohl blieb der Entschluß für den Papst schwer genug, denn zäher als in Deutschland verstand der Staufer in Reichsitalien seine Rechte zu wahren. Es scheint, daß hier die Vermählung eines päpstlichen Nepoten mit einer Tochter Philipps und seine Belehnung mit dem Herzogtum Tuszien ins Auge gefaßt wurde. Dadurch wäre Rom nach dieser Seite hin einstweilen vor Übergriffen gesichert worden; aber wie Tuszien da - mit natürlich nicht aus dem Reichsverbande scheiden sollte, so hielt Philipp hier überhaupt die kaiserlichen Hoheitsrechte aus der ZeitHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 13194II. Die Zeit der Staufer.Heinrichs VI. in vollem Umfange aufrecht. Der Verlust der Re - kuperationen vor allem war es, der den im Mai 1208 zum Ab - schluß gebrachten Abmachungen den Charakter einer offnen Nieder - lage der päpstlichen Politik aufprägte!

Da hat eine jener unerwarteten Schicksalswendungen, an denen der Pontifikat Innozenz 'III. so reich ist, ihm diese Niederlage er - spart und alles zugunsten der Kurie umgestaltet. König Philipp, der sich eben anschickte mit unvergleichlich überlegener Heeres - macht die letzten Reste welfischen Widerstandes in Braunschweig niederzuwerfen, starb plötzlich in der Bischofspfalz von Bamberg als das Opfer einer Privatrache unter der Mörderhand des bayrischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach (21. Juni 1208). Für Deutsch - land ein neues furchtbares Verhängnis! Eben hatte sich der Staufer in jahrelangen Mühen den Weg zur Einheitsherrschaft gebahnt, da schien die unselige Tat das Reich in das Chaos zurückzustürzen.

Indessen die deutschen Fürsten waren des Haders müde. Schon während der letzten Verhandlungen war der Gedanke auf - getaucht, Otto IV. mit einer Tochter des söhnelosen Königs Philipp zu verloben und ihn so durch die Aussicht auf die Nachfolge oder gar auf die römische Königswürde zur Seite eines staufischen Kaisers zu entschädigen. Um so eher erklärten sich jetzt die Anhänger Philipps mit diesem rettenden Ausweg, der neue Kämpfe vermied, einverstanden. Otto1)Vgl. über ihn Winkelmann, Jahrb. d. deutschen Gesch. : Otto IV. 1878. trat damit aus der Rolle eines Gegenkönigs heraus und vereinigte die beiden feindlichen Häuser in seiner Person ähnlich wie Barbarossa in seinen Anfängen. Und sofort zeigten sich die Wirkungen dieser Einung in bedeutender Steigerung des königlichen Ansehens und kräftiger Friedenswahrung.

Nur nach einer Seite hin fühlte sich das neue Gesamtkönig - tum auch jetzt noch durch seine Vergangenheit gebunden. Dem Papste, der ihn freudig anerkannte, erneuerte und erweiterte Otto sogleich in der Speyrer Urkunde vom 22. März 1209 seine früheren Zugeständnisse.

Er gab alle jene strittigen Gebiete Italiens abermals preis, die Philipp noch eben für das Reich gerettet hatte, und sicherte dem Papste ausdrück - lich zu: den um die Grenzgebiete Südtusziens erweiterten engeren Kirchenstaat, die Mark Ancona, das Herzogtum Spoleto, die mathildischen Güter, die Grafschaft Bertinoro, den Exarchat Ravenna und die Pentapolis. Aber er zog auch für Deutschland die Folgerungen aus der kirchenpolitischen Entwicklung des letzten Jahrzehnts. Indem er die Bischofswahlen allein an den Mehrheits - beschluß des Domkapitels knüpfte und die königliche Gegenwart und Ent - scheidung zwiespältiger Wahlen, jene noch im Wormser Konkordat aner - kannten Kronrechte, stillschweigend fallen ließ, indem er die Appellationen nach Rom in kirchlichen Angelegenheiten schrankenlos zugestand, indem195§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).er auf Spolien - und Regalienrecht mit ihren für die Krone so wertvollen Einkünften Verzicht leistete, zerschnitt er die alten Bande zwischen dem Königtum und der deutschen Kirche und hieß alle Errungenschaften gut, die Innozenz auf diesem Gebiete in den letzten Jahren für das Papsttum gewonnen hatte. Durch die Beherrschung der geistlichen Wähler, durch die Prüfung der vollzogenen Wahlen erlangte die Kurie den entscheidenden Einfluß, sank die königliche Investitur zu einer machtlosen Form herab.

Der so weittragende Versprechungen machte, ward als Herr - scher des geeinten Reiches nicht mehr durch die Not dazu ge - trieben, schwerlich auch war er so ganz ohne Verständnis für die Machtinteressen des deutschen Königtums. Die Vermutung liegt nahe, daß es eben leere Versprechungen waren, die zu den Akten gelegt werden sollten, sobald Otto als Entgelt dafür die in Aussicht gestellte Kaiserkrone erlangt haben würde. Noch in demselben Jahre trat er seine Romfahrt an, und alsbald zeigte es sich, wie wenig ernst er seine Zusagen nahm. Er sah die Dinge mit den Augen der staufischen Reichsministerialen, die ihn hier berieten; zu den gewaltigen deutschen Krongutsverlusten noch die reichen Einkünfte der dem Papste versprochenen italienischen Besitzungen zu fügen, schien einem Selbstmorde des deutschen Königtums nahe - zukommen. So verwies Otto die kirchlichen Forderungen auf den Rechtsweg. Dem Papste trat er schon bei der ersten Zusammen - kunft nicht ohne Schroffheit entgegen: seinen Versprechungen mangle die Zustimmung der deutschen Fürsten, und auch sein Krönungseid, stets ein Mehrer des Reiches sein zu wollen, stünde ihnen entgegen. Trotzdem ward die Kaiserkrönung noch glücklich vollzogen (4. Okt. 1209). Sie steigerte Ottos Selbstbewußtsein; auf seinen Kaisersiegeln sah man Sonne und Mond zur Seite der thronenden Majestät. Die Mißstimmung der Kurie über die Nicht - beachtung ihrer territorialen Ansprüche war im Wachsen1)Das ist doch nach Ficker, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 4, 341 ff. scharf zu betonen, wenn auch Winkelmann gegenüber der älteren Auffassung darin durchaus Recht behält, daß erst der Angriff auf Sizilien den Bruch herbei - geführt hat. Über Chronologie und Auffassung der folgenden Ereignisse vgl. Hampe, Hist. Viertelj. 3, 172 ff.; Inno - zenz klagte wohl über Otto mit den Worten der Bibel, es reue ihn, den Menschen gemacht zu haben. Aber wenn er sich vor kurzem mit dem Standpunkte König Philipps abgefunden hatte, so blieb die Lage für ihn auch jetzt einstweilen wenigstens erträglich.

Da hat eine überraschende Wendung in Ottos Politik den Bruch mit der Kurie unvermeidlich gemacht. Schon wenige Wochen nach der Kaiserkrönung ergriff er in Pisa den Gedanken eines An - griffs auf das Königreich Sizilien (Ende Nov. 1209). Lockende Aufforderungen der deutschen Truppenführer, die sich dort noch13*196II. Die Zeit der Staufer.immer gegen die schwache Herrschaft des jungen Friedrich be - haupteten, normannische Abenteuerlust, die ihn zur leichten Er - oberung gerade dieses Normannenreiches antrieb, Versprechungen der Pisaner, die auf Kosten ihrer genuesischen Nebenbuhler von ihm die volle Verkehrsfreiheit an den sizilischen Küsten erhofften, endlich das Vorbild Kaiser Heinrichs VI., dem er immer eifriger nachzustreben begann, alles das wirkte zusammen und trieb ihn im Widerspruche mit den deutschen Fürsten zu einem Ent - schlusse, der aufs neue die verhängnisvollsten Verwicklungen her - aufbeschwören mußte. Besprechungen mit den sizilischen Rebellen nahe der Grenze, diplomatische und kriegerische Vorbereitungen machten es in den nächsten Monaten offenkundig, daß Otto sich des Königreichs bemächtigen und so den ganzen Umfang der Herr - schaft Heinrichs VI. wiederherstellen wollte.

Der Papst hatte sich noch vor der Kaiserkrönung die Unver - sehrtheit Siziliens von Otto gewährleisten lassen. Jetzt sah er mit Entsetzen, wie seine Kreatur, brutal über alle Rücksichten und Verpflichtungen hinwegstürmend, das Werk seines Lebens, die Trennung Siziliens vom Reiche, zu vernichten trachtete. Vom ersten Augenblick ab begriff er, daß das den offenen Bruch be - deutete. Solange der Kaiser noch in Reichsitalien seine Rüstungen betrieb, suchte er gemeinsam mit dem Könige von Frankreich, dem eifrigsten Gegner des Welfen, durch heimliche Agitation unter den deutschen Fürsten den Abfall vorzubereiten und eine Gegen - partei zu schaffen. 1)Da das Registrum de negotio imperii mit dem 11. Okt. 1209 un - vollständig abbricht, so sind uns die päpstlichen Maßnahmen in der nächsten Zeit nur vereinzelt bekannt.Als Otto dann im November 1210 wirk - lich mit starkem Heere die sizilische Grenze überschritt, schleuderte der Papst gegen ihn den Bann (18. Nov.). Die schwachen Kräfte des Widerstandes, die sich in der Terra di Lavoro regten, suchte er eifrigst anzuspornen, wenn auch nur, um Zeit zu gewinnen. 2)Vgl. betr. Aversa Hist. Viertelj. 6, 479 ff.Denn wie hätte das zerklüftete Königreich der Wucht dieses An - griffs auf die Dauer Trotz bieten sollen? Im folgenden Jahre beugte sich das gesamte Festland bis herab nach Kalabrien dem Gebote des Kaisers; er gedachte die Meerenge von Messina zu überschreiten, die Insel schien in seine Hand gegeben, schon soll im Hafen von Palermo eine Galeere bereit gelegen haben, um den jungen König für den Fall der äußersten Not nach Afrika hinüber - zusetzen. Doch da war auch der Gegenplan des Papstes zur Reife gediehen; er bot dem Staufer die Hand zur Rettung.

197§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).

Den vereinten päpstlichen und französischen Einwirkungen war es inzwischen gelungen, die bedeutendsten Fürsten Süd - und Mitteldeutschlands zum Abfall und zur Aufstellung eines Gegen - königs zu bringen. Ihr Kandidat war kein andrer als Friedrich von Sizilien; eben als ihm sein süditalisches Reich dahinzu - schwinden drohte, bot ihm eine deutsche Gesandtschaft die Krone (Herbst 1211). 1)Wieder war nach staufisch-imperialistischer Anschauung die Wahl zum römischen Kaiser erfolgt, wie Friedrich auch die nächsten Jahre den Titel erwählter römischer Kaiser führte; vgl. oben S. 188.Innozenz hatte nur schweren Herzens dieser von Frankreich empfohlenen Kandidatur zugestimmt, denn sie ver - bürgte eben das, was er vor allem bekämpfte, die Vereinigung Siziliens mit dem Reiche! Doch es gab für ihn keine Wahl. Wer sonst hätte sich dem welfischen Kaiser nur mit einiger Aussicht auf Erfolg in den Weg stellen sollen? Für Friedrich aber, so ohnmächtig er im Augenblick erschien, stritten sein auf Erblichkeit und Wahl gegründetes Kronrecht, die Überlieferung seines Hauses und der Glanz des staufischen Namens. Er erkannte die päpst - liche Lehenshoheit über Sizilien an und bestätigte das, ebenso wie das Konkordat der Konstanze, noch einmal ausdrücklich; dies Ver - hältnis mochte auch auf das Kaisertum hinüberwirken. Gegen die Dauer der Personalunion konnten Garantien geschaffen werden, und mit der Krönung von Friedrichs einjährigem Söhnchen Hein - rich zum König von Sizilien ward ein Anfang in dieser Richtung gemacht. Zum mindesten war der jugendliche Schützling des Papstes vorderhand nicht so gefährlich, als der undankbare und treulose Welfe, der die Drangsale der Kurie unter Heinrich VI. zu erneuern drohte. So wird uns diese Wendung der päpstlichen Politik, die den Grund zu künftigen schweren Verwicklungen legte, immerhin verständlich. Die Zeitgenossen aber sahen nur die ewig erneuten Schwankungen und wurden irre an der moralischen Autorität des Stellvertreters Christi. Dein Mund ist Gottes Mund, aber deine Werke sind Werke des Teufels , so unterbrach ein römischer Ghi - bellinenführer Innozenz bei öffentlicher Predigt, und Walter von der Vogelweide stand mit seiner Meinung in Deutschland nicht allein, wenn er in geharnischten Versen die Kurie der Doppel - züngigkeit zieh und die Schenkung Konstantins als den Urgrund der unseligen Verweltlichung der Kirche beklagte.

Ein erster Erfolg der päpstlichen Gegenwirkung war es, daß Otto die sichere Beute Siziliens fahren ließ und nach Deutschland zurückeilte (Okt. 1211). Aber seine Truppen hielten das Festland besetzt, und die Gefahr mußte sich erneuern, wenn Friedrich sich198II. Die Zeit der Staufer.dem Rufe versagte. Eben die Notlage seines sizilischen Reiches gab denn auch für den jungen Staufer neben Rechtsgefühl, dynastischem Stolz und persönlichem Ehrgeiz gegen die abmahnenden Stimmen seiner Ratgeber den Ausschlag zugunsten des gewagten Unter - nehmens.

Mit geringer Begleitung und fast mittellos gelangte er nach Rom. Dort leistete er seinem päpstlichen Lehnsherrn persönlich den Mannschaftseid, ward von ihm mit Geld unterstützt und mit seiner Zustimmung von den Römern als künftiger Kaiser ausge - rufen. Wie ein Abenteurer schlug er sich dann von Genua aus durch die Lombardei, verschwand in den Alpen, tauchte in Chur wieder auf und wandte sich nach Konstanz. Hier gelang es ihm festen Fuß zu fassen (Sept. 1212), sein Anhang wuchs und aufs neue entbrannte in Deutschland der Bürgerkrieg. Wieder hatte der Papst, wie Walter sang, zwei Deutsche unter eine Krone ge - bracht, daß sie über das Reich Unfrieden und Verwüstung brächten .

Dem Welfen war es letzthin gelungen, seine Stellung in Deutsch - land neu zu festigen. Wenn gleichwohl Friedrich, der nun formell gewählt und gekrönt ward (Dez. 1212), seine Macht in kurzer Zeit über ganz Süd - und Mitteldeutschland ausdehnen und seinen An - griff bereits gegen Sachsen richten konnte, so wirkten verschiedene Momente zusammen, um diese überraschenden Erfolge zu erklären: die staufischen Erinnerungen und die Geschicklichkeit Fried - richs ebensosehr, wie die Abneigung gegen den gewalttätigen, hab - süchtigen Welfen und die Furcht vor seinen zentralisierenden Be - strebungen. Dazu die überaus wirksame Unterstützung des Papstes, die Friedrich vergalt durch die Goldbulle von Eger (v. 12. Juli 1213), eine wörtliche Wiederholung von Ottos Speyrer Versprechungen, aber jetzt gesichert und zur reichsrechtlichen Gültigkeit erhoben durch die Zustimmung der Fürsten. So erhielten erst damals die Erweiterung des Kirchenstaates und die Aufhebung jener alten Kronrechte gegenüber der deutschen Kirche die gesetzliche Grund - lage. Sehr erheblich fielen endlich die Einwirkungen Frankreichs, mit dem sich Friedrich sofort verbündet hatte, ins Gewicht, das französische Geld, die politischen und kriegerischen Erfolge Philipp Augusts, und ein französischer Sieg von allgemeineuropäischer, welt - geschichtlicher Bedeutung war es denn auch, der den deutschen Thronstreit mit einem Schlage zur Entscheidung brachte.

Es ist hier nicht der Ort, zu schildern, wie die durch die geographischen und lehensrechtlichen Verhältnisse bedingten fran - zösisch-englischen Verwicklungen damals zur Lösung drängten, wie durch das staufische und welfische Bündnis der beiden Gegner und das Hineinwirken kirchenpolitischer Kämpfe ganz Europa in Mit -199§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).leidenschaft gezogen und in zwei große Koalitionen gespalten wurde, wie endlich Frankreich im Jahre 1214 einem furchtbaren englisch - welfischen Doppelangriff Stand zu halten hatte. Die Schicksals - schlacht von Bouvines (südöstl. v. Lille, am 27. Juli 1214), die das französische Königtum und den englischen Parlamentarismus in den Sattel hob, entschied auch über Deutschlands Zukunft. Als Philipp August mit den Bürgertruppen der Städte die überlegenen Streitkräfte Kaiser Ottos trotz dessen verzweifelter Tapferkeit in die Flucht geworfen hatte, sandte er den vergoldeten Adler der erbeuteten kaiserlichen Standarte seinem staufischen Verbündeten zum Geschenk und versinnbildlichte so den Übergang der Herrschaft, zugleich aber auch den von nun ab stets wachsenden Einfluß Frankreichs auf die deutschen Geschicke. Seit dieser Zeit , so schrieb der Chronist von Lauterberg, sank der Ruf der Deutschen bei den Welschen.

Seit dieser Niederlage ist Kaiser Otto nichts mehr gelungen. Bald sah er sich vom Niederrhein vertrieben (1215) und auf seine braunschweigischen Stammlande beschränkt, auch dort bedroht durch die neu geknüpfte Verbindung des Staufers mit dem Dänenkönig (1214), die freilich nur durch abermalige Preisgabe Nordalbingiens und Slawiens auf Kosten des Reiches zu erkaufen war. So ist er nach einigen ruhmlosen Jahren auf der Harzburg in Zerknirschung, ohne inneren Halt, gestorben (1218). Sein Ende bildet doch einen Einschnitt in der Geschichte des deutschen Kaisertums. Denn er war der letzte Herrscher, der wenigstens in seinen späteren Jahren das Streben, wenn auch nicht die erforderliche politische Begabung gezeigt hat, den alten Umfang kaiserlicher Rechte gegen Fürstentum und Papsttum zu behaupten. Friedrich II. hat das nicht mehr versucht.

Am glücklichsten von allen Mächten war das Papsttum aus den endlosen Verwicklungen hervorgegangen. Wie hatte es doch verstanden, auch aus Enttäuschungen wertvolle Lehren und aus der wechselnden Lage stets wieder Vorteil zu ziehen! Es hatte zuletzt seinen Schützling zur Anerkennung im Reiche gebracht, in Sizilien seine Hoheitsrechte, in Italien seine Gebietsansprüche, in Deutschland seine kirchlichen Forderungen durchgesetzt. Es stand auch sonst glänzend da in der Welt. Mit Frankreich, noch der einzigen politischen Macht von selbständiger Entschlußfähigkeit, hatte es zumeist freundschaftlich zusammengewirkt, England war soeben in die Lehensabhängigkeit herabgedrückt, durch die fortschreitende Befreiung Spaniens von der mohammedanischen Herrschaft, durch den kirchlichen Anschluß des neuerrichteten lateinischen Kaiser - reiches, durch die Christianisierung von Livland und Esthland200II. Die Zeit der Staufer.hatte das Papsttum seinen Machtkreis rings erweitert, in allen übrigen europäischen Ländern, ja darüber hinaus bis zu dem fernen Arme - nien entweder die volle Lehenshoheit oder doch den bedeutend - sten politischen Einfluß gewonnen.

Das Gefüge der kirchlichen Organisation war straffer gestaltet. Nicht nur in Sizilien und dem Reiche, sondern fast allenthalben, namentlich in England, war Bresche gelegt in die kirchlichen Hoheitsrechte des Staates, zugleich aber auch die absolute Gewalt des Papsttums innerhalb der Kirche auf Kosten der alten Selbstän - digkeit des Episkopates und jeglicher Mittelgewalten kräftig erweitert.

Die Zentralisation der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Rom, die dort mit ihrer Vielgeschäftigkeit allen echt religiösen Geist zu er - sticken drohte, das unaufhaltsame Vordringen dieser jurisdiktionellen Ansprüche gegen das weltliche Gebiet, wodurch zahllose Konflikte mit den staatlichen Gewalten bis in die kleinsten Kreise hinein entstanden, die wachsenden Geldforderungen der Kurie, die für ihre weltumspannende Politik und den Unterhalt ihrer riesenhaften Organisation entsprechender Mittel bedurfte; die übermäßige An - wendung der geistlichen Disziplinarmittel, die leicht eine Abstumpfung des religiösen Gefühls erzeugte, das alles waren freilich bedenk - liche Züge in der neuerlichen Entwicklung der Papstkirche, die nicht zum wenigsten den Nährboden für die immer reichere Ent - faltung ketzerischer Sekten abgaben.

Aber schon war unter Innozenz gegen diese inneren Feinde der Kirche, gegen Katharer und Waldenser, mit aller Wucht der Vernichtungskampf aufgenommen, in Südfrankreich ein erster greuel - voller Triumph errungen, und in der Inquisition zur weiteren Ver - nichtung der Ketzer eine schneidige Waffe geschliffen.

Und auch zur Wiedererweckung echter Religiosität waren im Schoße der Kirche neue Kräfte erwacht und vom Papsttum nach kurzem Schwanken anerkannt. Schon mehrere Jahre lehrte und lebte Franz von Assisi, der Religionsheld und gottbegnadete Künstler, das opfervolle Evangelium der Armut und Liebe. Er und sein wesensverschiedener Schicksalsgenosse, der willensstarke und ver - standesklare Spanier Dominikus traten noch an Innozenz III. mit der Bitte um Bestätigung ihrer neuen, freilich noch in der ersten keimartigen Entwicklung begriffenen Ordensschöpfungen heran, und tiefdringende Beurteiler, wie der Kardinal Ugolino von Ostia, er - kannten in ihnen schon damals die Säulen, die bestimmt waren, bei einer allgemeinen Erschütterung der Dinge den Bau der Kirche zu tragen, wie es die Legende vom h. Franz den Papst in der Nacht vor der Bestätigung der ersten Genossenschaft träumen läßt. Denn in den beiden Bettelorden der Minoriten und Dominikaner,201§ 15. Innozenz III. und die deutschen Thronwirren. (1198 1216).die bald in den Augustinereremiten und Karmelitern Nachahmer fanden, erwuchs dem Papsttum eine ihm unbedingt untergeordnete, schlagfertige Armee, die mit Durchbrechung der gesamten hierar - chischen Ordnung die Massen durch die erneute Verkörperung der alten, hohen Ideale und eine volkstümliche Predigt wieder an die Kirche zu fesseln und durch eine hinreißende Agitation nach dem Willen der Kurie zu lenken verstand, die durch ihr werktätiges Vorbild und die Vertiefung, die sie nach der gemütlichen und wissenschaftlichen Seite dem kirchlichen Leben zurückgaben, den Widersachern ein gut Teil des Anklagestoffes entzog, den Ketzern ihr Panier entriß .

Alle Triumphe und Zukunftsorgen der Kirche erfüllten die große Versammlung des vierten lateranischen Konzils (1215), die dem Pontifikate Innozenz 'III. den glänzendsten Abschluß gab. Ein neuer Kreuzzug ward hier ins Auge gefaßt. Eben hatte Friedrich II. in einer seltsamen Mischung von Gefühlsauf - wallung und politischer Berechnung bei seiner Königskrönung das Kreuz genommen; das belebte die Hoffnungen des Konzils. Da - mals ward auch der deutsche Thronstreit vor dem Forum der Kurie endgültig erledigt, Otto IV. für abgesetzt erklärt, Friedrich II. anerkannt, eine Entscheidung, die damals auf die tatsächlichen Ver - hältnisse kaum noch einwirkte, aber für die Zukunft einen verhäng - nisvollen Präzedenzfall schuf.

Innozenz III., der seiner Eröffnungsrede auf dem Konzil das Textwort zugrunde gelegt hatte Herzlich hat mich verlangt, dieses Osterlamm mit Euch zu essen, bevor ich leide , schien bereits da - mals eine Ahnung seines nahen Todes zu spüren. Ein halbes Jahr später ist er in Vorbereitungen für den neuen Kreuzzug in Perugia gestorben (16. Juli 1216).

Die beiden letzten Jahrzehnte der europäischen Geschichte hatten unter seinem maßgebenden Einflusse gestanden. Für die nächste Generation trat noch einmal eine weltliche Figur in den Mittelpunkt der Betrachtung und zwang die Zeitgenossen zu Be - wunderung oder Haß. Mit dem Tode Innozenz 'III. begann die Epoche Kaiser Friedrichs II.

§ 16. Das Emporsteigen Friedrichs II., bis zum Frieden von Ceperano (1230).

Die Namen Friedrich und Roger, die der Erbe Heinrichs VI. einst in der Taufe erhalten hatte, bezeichnen die beiden Über - lieferungsreihen, die auf ihn wirkten und sich in seiner Person un -202II. Die Zeit der Staufer.harmonisch vereinigten, die staufische und die normannisch-sizilische. Die Ereignisse hatten ihm fast gewaltsam den Umfang der väter - lichen Herrschaft zurückgegeben, aber in dem gleichen äußeren Rahmen welcher Abstand an Machtinhalt! Die furchtbaren Ein - bußen der beiden letzten Jahrzehnte waren schlechterdings nicht mehr rückgängig zu machen, die Aufgabe, die ihm hier zufiel, war unlösbar. Sein Genie mochte sich da ein Menschenalter lang be - haupten, aber die Ergebnisse dieses Ringens mußten im wesent - lichen negativ bleiben, auch so freilich durch den zähen Wider - stand der Staatsgewalt gegen die Papstallmacht nicht ohne starken Einfluß auf die weltgeschichtliche Entwicklung.

Die positiven Wirkungen seines Schaffens lagen in der Fortführung der Überlieferung von mütterlicher Seite. Friedrich war durch Er - ziehung und Neigung ganz und gar Sizilianer. Der Gott der Juden , so soll er einmal in Palästina gesagt haben, würde das Land, das er seinem Volke gab, unmöglich so haben preisen können, wenn er sein sizilianisches Reich gekannt hätte. Man kann Fried - richs Wesen nicht verstehen, ohne die eigentümlich reiche, bunte und vorgeschrittene Mischkultur des Bodens zu kennen, aus dem es erwuchs. Manche Züge, die man als besonders modern oder eigenartig gepriesen hat, sind von seinen normannischen Vorfahren übernommen, aber auch was man an ihm zu tadeln fand, ent - sprach zum Teil einfach der Landessitte. Nur eine Wiederher - stellung und Weiterführung der Leistungen seines großen Ahnherrn Roger II. war der Ausbau des sizilischen Staates, aber zugleich die greifbarste und dauerhafteste Schöpfung Friedrichs. Er faßte nur die Ausstrahlungen jener sizilisch-normannisch-arabischen Mischkultur in seiner universalen Persönlichkeit wie in einem Brenn - punkte zusammen auch darin hatte er in Roger ein Vorbild , aber indem er zugleich Träger des Imperiums war und ein Kaiser, der die Welt zwang, jahrzehntelang die Blicke auf ihn zu richten, machte er für jene Kultur die denkbar erfolgreichste Propaganda und wirkte tief ein auf das Geistesleben des Abendlandes, insbesondere Italiens. So manche Strömung der beginnenden Renaissancebe - wegung nahm von seiner Person ihren Ausgangspunkt. Das sind Wirkungen von einer Tragweite, die derjenige in der Regel nicht voll ermißt, der sich nur mit Friedrichs deutschem Kaisertum be - schäftigt. 1)Die von Scheffer-Boichorst nachgewiesene zeitgenössische Biographie Fs. von dem Bischof Mainardino v. Imola hat sich leider noch nicht auf - finden lassen; alle zu ermittelnden Bruchstücke von ihr sind zusammengetragen von Güterbock, Neues Arch. 30. Von den Neueren hat den ersten bedeutenden Versuch einer auf die gesamte Überlieferung gegründeten Beurteilung Fs. Böhmer

203§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).

Seit seine Mutter Konstanze nach dem Tode ihres Gemahls den dreijährigen Knaben aus Foligno nach Sizilien kommen ließ, um ihn zum Nationalsizilianer zu erziehen, hat Friedrich seine ganze Kindheit in Palermo zugebracht, dort, wo die italisch - griechisch-arabisch-normannisch-jüdische Völkermischung in Sitte und Recht, in Sprache und Kunst am allerbuntesten zutage trat, an jenem Hauptsitz der Moslem , an dem der überlegene mohamme -1)(Einl. zu Reg. Imp. V) gemacht (1849). Aber sein vom katholischen Stand - punkt beeinflußtes Verdammungsurteil hat sich als höchst einseitig erwiesen. In der Auffassung ähnlich, aber gemildert u. bereichert ist das Bild, das Huillard - Bréholles entworfen hat in der Introduction zu seiner großartigen Sammlung der Urkunden und Briefe Fs. Historia diplomatica Friderici secundi, 12 Bde. 1852 61. Mit demselben Quellenstoff kam zu schrankenloser Bewunderung Fs. die nicht minder einseitige Darstellung v. Schirrmacher, Kaiser F. II. 4 Bde. 1859 65 und in der Richtung ähnlich, aber nüchterner und kritischer: Winkelmann, Gesch. Kaiser Fs. II. u. seiner Reiche. I (1863), II, 1 bis 1239 (1865). Anregend wirkten auch die Staufischen Studien v. Nitzsch, Hist. Zeitschr. 3. Eine ganz neue Grundlage schuf dann die Neubearbeitung von Reg. Imp. V. Dabei geriet Ficker zu Böhmers Auffassung, von der er ausging, mehr und mehr in kritischen Gegensatz; in den Vorbemerkungen gab er ein tiefbegründetes, in mannigfacher Hinsicht günstigeres Urteil über F. Der Voll - ender der Regestenbearbeitung Winkelmann übernahm auf Grund dieses stark erweiterten Materials und zahlreicher vorbereitender Untersuchungen die Ausarbeitung der vortrefflichen Jahrbücher der deutsch. Gesch. unter F. II. I (1889), II bis 1233 (1897), die durch den Tod des Verf. unterbrochen wurde. Seitdem scheint zunächst wieder eine Epoche der Quellenvermehrung eingesetzt zu haben. Zu den beiden schon früher aus einer Neapeler und Marseiller Hs. bekannten wichtigen Registerbruchstücken Fs. ist ein minderbedeutendes Heft Verwaltungsakten einer einzelnen Provinz, der Capitanata, aus einer Hs. in Montecassino hinzugekommen (Lo scadenziere inedito della Capitanata di Fe - derico secondo, 1903); dazu wichtige urkundliche Einzelfunde. Das Preußische historische Institut in Rom plant unter Kehrs Leitung eine Neuausgabe sämtlicher Urkunden Fs. nach modernen diplomatischen Grundsätzen, sowie eine Durchfor - schung und Aufnahme aller auf ihn zurückzuführenden süditalischen Baudenkmäler. Die von mir in Paris aufgefundene Capuaner Briefsammlung bot für Fs. Jugendgeschichte neue bemerkenswerte Funde, von denen ich die wichtigsten in einzelnen Abhandlungen bekannt machte (aufgezählt zuletzt Hist. Viertelj. 7, 510). Auch die erst zu einem geringen Teil gedruckte Formelsammlung des Thomas v. Capua (Hahn, Collectio Monumentorum I von 1724) und die wichtige, nur in alten, ausschließlich die in 6 Büchern geordnete Redaktion wiedergebenden Drucken (von Iselin 1740) vorliegende Briefsammlung des Peter v. Vinea bedürfen dringend einer guten Ausgabe. Weitere Funde auf diesem Gebiete sind noch wahrscheinlich, wie auch das v. Kehr gefundene Briefbuch des Thomas v. Gaeta zeigte (Quell. u. Forsch. aus it. Arch. 8 v. J. 1905). Neuere Darstellungen der Geschichte Fs. in weiterem Rahmen vgl. bei Ranke, Jastrow-Winter, Lindner. Die verfassungsgeschichtlichen Fragen behandelt auf Grund deutscher Forschungen Blondel, Étude sur la politique de l'empereur F. II en Allemagne 1892. Neuere Schilderungen seiner Persönlichkeit v. Dove (Ausgewählte Schriftchen 1898) u. Hampe (Hist. Zeitschr. 83).204II. Die Zeit der Staufer.danische Einfluß auf die Kultur sich mit besonderer Kraft geltend machte, in einem großen städtischen Gemeinwesen, wo die tägliche Berührung mit einem fortgeschrittenen Bürgertum auf die Entwicklung des königlichen Knaben nicht ohne Eindruck bleiben konnte. Denn Friedrich wuchs nicht auf in der vornehmen Zurückgezogenheit eines geordneten Hofwesens, sondern trotz der scheinbar geregelten, durch ein Familiarenkollegium von geistlichen und weltlichen Großen Siziliens unter Oberleitung des päpstlichen Vormundes geübten Regierung in wahrhaft anarchischen Zuständen. Als vater - und mutterlose Waise, ohne den Beistand irgendeines Verwandten, wanderte der Knabe, von gewissenlosen und habgierigen deutschen und italienischen Machthabern nur als Gegenstand der Ausbeutung betrachtet, von einer Hand in die andere, bald durch die Ver - schleuderung des Krongutes in solche Not gestürzt, daß Bürger von Palermo wechselnd für seinen Unterhalt sorgten.

Schon bei dem siebenjährigen Kinde gewahrt man seltsam frühreife Regungen eines durch die unwürdige Ohnmacht seiner Stellung tiefverletzten Herrscherstolzes. Bei dem heranwachsenden Knaben verdichteten sie sich zu dem brennenden Wunsche nach Vergeltung, zu einer mit eiserner Willenskraft betriebenen Vorbe - reitung auf den künftigen Herrscherberuf. Als er mit vierzehn Jahren die Mündigkeit erlangte, hatte ihn die durchmessene Schule der Leiden bereits hellsehend und lebenskundig gemacht, aber auch die Keime zu Mißtrauen und Menschenverachtung gepflanzt. Un - vergleichlich treten schon in der Schilderung, die einer seiner Lehrer in jener Zeit von ihm entworfen hat, die Rastlosigkeit einer geni - alen Begabung und die Selbstdurchsetzung eines unbändigen Herr - scherwillens hervor.

Alsbald begann der junge König, an der Nord - und Ostküste der Insel seine Hoheit zur Geltung zu bringen1)Schon vor der Aug. 1209 vollzogenen Vermählung, vgl. Hist. Viertelj. 3, 161 ff., indes die Ab - sicht, mit der Ritterschar, welche ihm die vom Papste für ihn aus - erlesene Gemahlin Konstanze von Aragonien zuführte, nach dem Festlande hinüberzugehen, ward durch eine Seuche vereitelt, und kurz darauf stellte der Angriff Ottos IV. seine ganze Existenz in Frage. Wir sahen, wie in den folgenden Ereignissen, die ihn auf den deutschen Königsthron führten, Begabung und Geschicklichkeit des frühreifen Jünglings keine geringe Rolle spielten. Rasch genug lebte er sich in die universalen Herrschaftsideale des Kaisertums ein, aber zu einem Deutschen vermochte ihn der neue Besitz doch nicht umzuschaffen.

205§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).

Man hat ihm die heftigsten Vorwürfe gemacht1)So noch Ficker. Vgl. dagegen Rodenberg, Friedrich II. u. d. deutsche Kirche, Hist. Aufs. dem Andenk. a. G. Waitz gewidm. 1886., daß er da - mals, wo eben noch in zwölfter Stunde eine Wiederherstellung der deutschen Monarchie möglich gewesen wäre, seine übernommenen Pflichten vernachlässigt und die bequemere Aufgabe im Süden vor - gezogen habe. Indes seine Verbindung mit Deutschland war im wesentlichen dynastischer Art, Heimatgefühl hegte er nur für Sizilien. Auch das war für sein Handeln schwerlich entscheidend, vielmehr in erster Linie die politische Berechnung. Wenn er auch auf Hein - richs VI. Plan einer staatsrechtlichen Vereinigung Siziliens mit dem Reiche weder zurückgreifen konnte, noch wollte, so mußte er doch den Umfang der überkommenen Gebiete schon vom Standpunkte der Selbstbehauptung aus als eine Einheit betrachten, und wenn er sich nun fragte, in welchem der Länder: Deutschland, Reichs - italien oder Sizilien am ehesten darauf zu rechnen sei, an Stelle der gegenwärtigen Scheinherrschaft eine wirkliche Macht neu zu be - gründen, so mußte ihn ein richtiges politisches Augenmaß notwen - dig auf Sizilien weisen, wo das starke normannische Königtum zwar seit zwei Jahrzehnten am Boden lag, aber abgesehen von den Zu - geständnissen an die Kurie noch keines seiner Rechte preisgegeben hatte, wo die inneren Widerstände doch auch keineswegs unüber - windlich schienen. Viel schwieriger war eine Herstellung schon in Reichsitalien, weil die dortigen Verluste zum größten Teil Gewinne des Papsttums und ohne Zusammenstoß mit ihm kaum einzu - bringen waren. Am aussichtslosesten lagen die Dinge in Deutsch - land, das mit seinem überwiegenden Verharren in Naturalwirtschaft und Lehenswesen den vorgeschritteneren Italiener fremdartig genug anmuten mochte. Es mag zugegeben werden, daß sich einer Sammlungspolitik des deutschen Königtums damals noch immer Handhaben genug boten. Aber wenn hier die Entwicklung der letzten Jahrzehnte dem Fürstentum und der Papstkirche zugute gekommen war, so konnte eine Gegenbewegung nur im Kampfe mit eben den beiden Mächten sich Bahn brechen, mit deren Hilfe Friedrich bisher emporgestiegen war, denen er rechtlich bindende Zusicherungen gegeben hatte. Das war vorderhand völlig untunlich. Aus den Verhältnissen heraus ist es daher verständlich genug, daß das Reorganisationswerk Friedrichs seinen Gang von Süden nach Norden nahm. Das brachte es dann mit sich, daß er, um durch Ruhe in Deutschland Bewegungsfreiheit für seine italienischen Unter - nehmungen zu gewinnen, den deutschen Fürsten auch weiterhin in die Hand arbeitete und durch Preisgabe neuer Kronrechte hier ein späteres Einlenken noch mehr erschwerte.

206II. Die Zeit der Staufer.

Mit dieser allgemeinen politischen Tendenz Friedrichs kreuzte sich nun das Bestreben der Kurie, die Personalunion Siziliens mit dem Reiche, die bei längerer Dauer dem Papsttum ebenso gefähr - lich werden mußte, wie eine staatsrechtliche Verbindung, so bald als möglich durch Abspaltung Siziliens zu lösen. Dafür hatte Inno - zenz III., der in der Kaiserkrone noch immer einen Trumpf be - saß, kurz vor seinem Tode Vorsorge getroffen. 1)Über die Unionsfrage vergl. v. Kap-herr, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. 1.Friedrich hatte sich (1216) verpflichten müssen, vom Augenblicke der Kaiserkrönung ab zugunsten seines minderjährigen Sohnes Heinrich und einer mit dem Papst zu vereinbarenden Regentschaft auf Sizilien Verzicht zu leisten. Ob es ihm damit jemals Ernst gewesen ist, steht dahin. Wahrscheinlich hoffte er von vornherein, die Zusage später umgehen zu können, und dem Nachfolger Innozenz 'III. gegenüber gewann er in der Tat diplomatisch das Oberwasser.

Honorius III. (1216 27)2)Seine Register sind herausgegeben v. Pressutti, 2 Bde. 1888, 1895; über die sonstigen Quellen zur Geschichte des Papstes vergl. Reg. Imp. V, S. 1120., der uns schon unter dem Namen des Kardinals und Kämmerers Cencius als ausgezeichneter Finanz - mann und Verwaltungsbeamter der Kurie entgegengetreten ist, glaubte auch als Papst nach der gewaltigen Machtausdehnung der Kirche unter seinem Vorgänger vor allem den begonnenen inneren Aus - bau fortführen und für eine sichere wirtschaftliche Grundlage Sorge tragen zu sollen. Überdies hatte er die große Aufgabe des neuen Kreuzzugunternehmens überkommen, die ihm ganz besonders am Herzen lag. Auch machte seine ehrliche, milde und versöhnliche Natur den hochbejahrten, kränklichen Mann dem Ränkespiel der hohen Politik abhold, während Friedrich sich da alsbald als der gelehrige Schüler seines päpstlichen Vormundes erwies. Er erkannte mit Scharfblick den schwachen Punkt des Vertrages: für sich selbst hatte er zwar auf die Personalunion in Zukunft verzichtet; daß sie sich aber unter seinem Sohne erneuerte, widersprach zum mindesten nicht dem Wortlaut der Abmachung. Auf dies Ziel nun strebte Friedrich alsbald ganz offen hin; war die Verbindung der Reiche erst einmal in der Person Heinrichs gesichert, konnte die Kurie dann gegen die gleiche Vereinigung unter dem Vater, mit dem sie ja fortdauernd die besten Beziehungen unterhielt, noch begründete Einwendungen machen?

Die Einholung des Sohnes nach Deutschland (1216), seine Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben (1217) und dem Rektorat über Burgund (1219) waren vorbereitende Schritte, um den jungen sizilischen König diesseits der Alpen Fuß fassen zu lassen. Die Hauptfrage war dann, ob die deutschen Fürsten sich zu seiner207§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).Königswahl geneigt zeigen würden, die vor der Kaiserkrönung des Vaters, wenn auch nicht unerhört, so doch einigermaßen ungewöhn - lich war. Bedenkt man indes, daß sie die Voraussetzung für die Errichtung einer Nebenregierung in Deutschland war, die den Fürsten bei der Minderjährigkeit Heinrichs auf lange hinaus den Hauptein - fluß sicherte, so begreift man trotz der Förderung der Erblichkeit, die das bedeutete, ihre Bereitwilligkeit. Nur die geistlichen Fürsten, die zwischen königlichen Lockungen und päpstlichen Abmahnungen hin und her schwankten, mußten erst durch neue, große Zugeständ - nisse gewonnen werden, die in der deutschen Verfassungsgeschichte eine bedeutende Stelle einnehmen. 1)Privilegium in favorem principum ecclesiasticorum v. 26. Apr. 1220, M. G. Const. II, 86 ff.

Nachdem die Krone auf die Besetzung der geistlichen Fürstentümer jeden entscheidenden Einfluß eingebüßt hatte, gab sie dort jetzt auch ihre An - sprüche auf die Nutzung des Reichskirchengutes und ihre allgemeinen Hoheits - rechte in weitgehendem Maße preis. Die Zentralgewalt begann sich aus diesen geistlichen Territorien zurückzuziehen und verlor immer mehr die Ein - wirkung auf deren innere Verhältnisse. Jede Neuerrichtung von Zoll - und Münzstellen ward dort an die Zustimmung des betreffenden Fürsten geknüpft, der Heimfall der Regaliennutzung bei persönlicher Anwesenheit des Königs auf die förmlich angesagten Hoftage beschränkt, die höchste Äußerung der königlichen Gerichtsbarkeit, die Achterklärung, eingeengt durch die Bestim - mung, daß sie dem kirchlichen Banne ohne weiteres zu folgen habe, der Lehenshof des geistlichen Fürsten gegen Entfremdungen durch das lehen - tragende Königtum gesichert. Zugleich aber verpflichtete sich das Reich auch zum Schutze dieser geistlichen Territorien gegen die Anmaßungen der Laiengewalten: Usurpation des von der Krone aufgegebenen Spolienrechtes, Übergriffe der Vögte, Anlage von Befestigungen im Gebiete der geistlichen Fürsten gegen deren Willen, endlich gegen die Anziehungskraft, die auf ihre Unfreien die benachbarten Städte ausübten. Das war eine Summe wertvoller Zugeständnisse, denen die geistlichen Wähler erlagen.

Und die Kurie, vor die vollzogene Tatsache von Heinrichs Wahl gestellt, hielt es nun doch für geraten, einzulenken und mit der Personalunion des Sohnes auch die des Vaters stillschweigend weiter zu dulden. Wie seine staufischen Vorfahren: Konrad III., Friedrich I. und Heinrich VI., so hat auch Friedrich II. die be - vorstehende Kreuzfahrt als wirksamen Hebel für die Einsetzung eines Vertreters benutzt und mit solcher Begründung gerade auf einen Honorius III. Eindruck gemacht. Noch in demselben Jahre wurde zu Rom die Kaiserkrönung vollzogen (Nov. 1220). Friedrich hatte über die Kurie einen vollständigen diplomatischen Sieg errungen.

Doch war er von feindseligen Gedanken gegen sie weit ent - fernt. Was er durchgesetzt hatte, war für ihn ein Gebot der politischen Notwendigkeit gewesen. Im übrigen war ihm an dem208II. Die Zeit der Staufer.engsten Zusammengehen mit dem Papsttum gelegen. Er erfüllte seine Versprechungen in Deutschland1)Nur ein beschränktes Regalienrecht wurde, offenbar im Einverständnis mit dem Episkopat, bald wieder geübt. und Italien in vollem Um - fange; erst die Macht des Reiches vermochte damals in dem er - weiterten Kirchenstaate die Anarchie zu beseitigen und den Papst nach Rom zurückzuführen. In seinem bei der Krönung erlassenen großen Gesetze verhieß der Kaiser der italienischen Geistlichkeit zumeist auf Kosten der Städte wertvolle Befreiung von weltlichen Ab - gaben und Gerichten. Dem Kirchenbanne sollte auch hier die kaiserliche Acht folgen, und zur Vernichtung der Ketzer ward nach dem Vorbilde Friedrichs I. der Kirche von Seiten des Kaisers der weitestreichende Vorschub geleistet, und das weltliche Schwert zur Verfügung gestellt. Als Gegendienst war dabei an eine Bekämpfung der Reichsrebellen mit den Waffen der Kirche gedacht, flossen doch in der Tat die Begriffe Ketzerei und Abkehr von der bestehen - den Staatsordnung damals vielfach in eins zusammen. Endlich er - neuerte Friedrich bei der Kaiserkrönung sein Kreuzzugsgelübde und verhieß für das nächste Jahr die Erfüllung. Diese Frage trat nun in den Mittelpunkt der Politik des folgenden Jahrzehnts.

Nachdem der vierte Kreuzzug sein ursprüngliches Ziel ver - fehlt hatte, war die Bewegung im Abendlande nicht mehr ins Stocken gekommen. Sie führte zu so krankhaften Auswüchsen wie dem Kinderkreuzzug des Jahres 1212. Da war es gut, daß der Beschluß des großen Laterankonzils sie wieder in geordnete Bahnen zu lenken suchte. Innozenz III. hätte sich vielleicht persönlich an die Spitze der Heerscharen gestellt; sein Nachfolger, einer so gewaltigen Aufgabe nicht gewachsen, bemühte sich zwar mit aller Kraft um das Unternehmen, vermochte aber die verschiedenen Einzelströme nicht in eine große Flutwelle zusammenzufassen. Insbesondere mußte man der Lage Friedrichs II. notgedrungen Rechnung tragen, der den ungeordneten deutschen Verhältnissen unmöglich seine Gegenwart entziehen konnte. Der Ruf an ihn wurde dringlicher, als ein vorwiegend aus Deutschen bestehendes Kreuzheer, dessen Leitung der päpstliche Legat Pelagius an sich gebracht hatte, mit der Eroberung der ägyptischen Hafenstadt Damiette (1219) zwar einen verheißungsvollen Erfolg davontrug, ihn aber ohne erheblichen Truppennachschub nicht fruchtbar machen konnte. Nach der Ord - nung Deutschlands und der Erneuerung seines Gelübdes wurde nun Friedrichs Eingreifen für das Jahr 1221 mit Bestimmtheit ange - kündigt, und der Legat angewiesen, bis dahin sich aller kriegerischen Unternehmungen zu enthalten.

209§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).

Allein wie hätte Friedrich, als er nach der Kaiserkrönung endlich wieder sein sizilisches Reich betrat, es in dem Zustande der Anarchie, in dem er es vorfand, lassen sollen, um sich sogleich nach dem Orient zu wenden? War doch der Erfolg seines Kreuzzuges nicht zum wenigsten abhängig von den Mitteln, die ihm dies Reich bieten sollte! Indem er aber nun mit aller Energie die Reorgani - sation Siziliens in Angriff nahm, verwickelte er sich ohne alle hinterhältige Absicht in ein neues Unternehmen, das ihn nicht so bald losließ. Es war schon etwas, das er mit den rasch gesammelten Kräften 1221 hintereinander zwei Flotten mit erheblichen Truppen - nachschüben nach Ägypten voraussenden konnte; er selbst blieb mit stillschweigender Billigung des Papstes einstweilen zurück. In - zwischen aber ereilte die Kreuzfahrer das Verhängnis. Von der Wartepflicht entbunden, ließ sich der Legat, ohne nur die zweite Flotte des Kaisers abzuwarten, mit völlig unzureichenden Kräften auf das unsinnige Wagnis eines Eroberungszuges in das innere Ägypten ein, während er die Auslieferung Jerusalems wiederholt vertragsmäßig hätte erlangen können, ward durch das Durchstechen der Dämme vom Nilwasser eingeschlossen und nur durch die weise Mäßigung des Sultans El Kamil vor völliger Vernichtung bewahrt. Aber die Erfolge waren dahin, der Abzug des Kreuzheeres wurde durch die Rückgabe von Damiette erkauft, und ein achtjähriger Waffenstillstand zugestanden, den nur ein gekrönter christlicher König sollte kündigen dürfen.

Friedrich II. blieb nicht ganz unberührt von dieser Schmach. Trotzdem war der Ausgang für ihn nicht ungünstig: alle Hoffnung richtete sich fortan auf ihn, und da nun der Anlaß zur Eile fort - fiel, und der neue Kreuzzug um so umfassendere Vorbereitungen erforderte, gewann er eine Spanne Zeit zur Durchführung seiner dringendsten europäischen Aufgaben.

Zunächst bedurfte noch Sizilien seiner emsigsten Fürsorge. Das Werk der Assisen von Capua (Dez. 1220) und ihrer Ergänzung in Messina (Juni 1221)1)Beide vollständig u. im Wortlaut erst durch die 1888 aufgefundene erste Redaktion der Chronik Richards v. S. Germano bekannt. war nicht Neuschöpfung, sondern Her - stellung.

Es galt der Monarchie ihre alte, starke Grundlage wieder zu gewinnen, daher Rückführung aller Dinge auf den Stand von 11892)Auch die Verleihungen Heinrichs VI. an Deutsche galten als Ent - fremdungen., Einforderung aller seitdem entfremdeten Besitzungen und Rechtstitel, Kassierung der darüber ausgestellten Königsurkunden, selbst oft der eignen aus Friedrichs Kindheit3)Nicht in Frage gestellt aber wurden die älteren Königsurkunden vor 1189, vergl. gegen Winkelmann Scheffer-Boichorst, Schriften II, 248 ff.,Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 14210II. Die Zeit der Staufer.Aufhebung aller neu errichteten Verkehrsabgaben und Märkte (seit 1198) und der Regungen städtischer Selbständigkeit. Dazu nun erneute Wehrhaftmachung des Staates: Sicherung zwar der leistungsfähigen Lehen vor Zersplitterung, aber auch Ausnutzung der ersten Gelegenheit zu umfassender Einziehung für die Krone, Niederlegung aller seit 1189 gebauten Burgen der Barone und Er - richtung königlicher Festungen, Vertreibung der italienischen Seestädte aus ihrer bevorrechteten Stellung und Neubau einer sizilischen Flotte. Endlich Be - stimmungen zur Friedenssicherung, strafrechtliche und polizeiliche Verfügungen.

Die nächsten Jahre (bis 1225) galt es diese Maßregeln zur vollen Durchführung zu bringen gegen den Widerstand einzelner Barone und gegen die Ungebundenheit der im Innern und Süden Siziliens noch staatlos hausenden Mohammedaner, von denen eine große Zahl auf das Festland nach der in der Capitanata angelegten sarazenischen Militärkolonie Lucera verpflanzt wurde. Die Her - stellung der sizilischen Monarchie war eine umso bedeutendere Leistung, als sie ohne auswärtige Gewaltmittel mit den zum Teil doch gerade erst zu bekämpfenden Kräften des Landes selbst erfolgte. Das Ergebnis rechtfertigte das allgemeine Programm von Friedrichs Politik; es wäre nicht erreichbar gewesen, wenn er sich nicht inzwischen die Ruhe Deutschlands durch ein Gewährenlassen der Fürsten erkauft hätte.

Die Regierung des dort als Vertreter des Kaisers zurückge - lassenen, unmündigen Heinrich (VII. ) war fürstliche Klassenherrschaft, nur nach einer Seite hin gemildert durch den Einfluß der im könig - lichen Rate stark vertretenen Reichsdienstmannen. Wenn diesem Regimente trotzdem ein größerer nationaler Zug nicht ganz fehlte, so lag das ausschließlich an der Persönlichkeit des Mannes, den Friedrich mit glücklichem Griffe zum Reichsgubernator und Vor - mund seines Sohnes bestellt hatte. Erzbischof Engelbert von Köln1)Vergl. die zeitgenössische Biographie des Caesarius v. Heisterbach (Böhmer, Fontes II) u. die neuere v. Ficker 1853., eine bedeutende, noch jugendlich-kräftige Erscheinung, in seinem Territorium die Sonderinteressen der Herren rücksichtslos zugunsten der allgemeinen Wohlfahrt brechend, zeichnete sich vor allen seinen Standesgenossen aus durch die Gabe, über die landesherrliche Enge den Blick zum Ganzen Deutschlands zu erheben. Ebendamals bot ein Zufall im Norden die Möglichkeit eines großen nationalen Gewinns. Seit dem unseligen Thronstreit lastete hier auf dem Reiche die unnatürlich vorgeschobene Machtstellung Dänemarks, das im Besitze der deutschen Kolonisationsgebiete von der Eider bis nach Rügen, auch in Samland und Esthland sich festsetzte, gegen Livland vordrang und im Begriffe stand, das baltische Meer in einen dänischen Binnensee zu verwandeln. Da geriet mitten im Frieden König Waldemar II. durch List und Verrat in die Gewalt des von ihm ungnädig behandelten Grafen Heinrich von Schwerin211§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).(1223), und so wenig anständig der Fang war, so bestand bei den maßgebenden deutschen Persönlichkeiten doch kein Zweifel, daß er ähnlich wie einst die Haft Richards Löwenherz zum Vorteil des Reiches auszubeuten, und womöglich die Herausgabe der deutschen Ostseegebiete zu erzwingen sei. Engelbert ging in dieser Richtung weiter als der Kaiser, der bei grundsätzlichem Einverständnis doch durch Rücksicht auf seine universale Politik und den sich ein - mischenden Papst zu Milderungen des abgeschlossenen Vertrages bereit war. Besser als die hohe Diplomatie wußte schließlich das scharfe Schwert der nächstbeteiligten deutschen Großen den Vorteil des Reiches und ihren eigenen wahrzunehmen. Nach der gewaltsamen Befreiung Nordalbingiens von der dänischen Herrschaft verstand sich Waldemar endlich dazu, den Vertrag zu beschwören, der seine Frei - lassung nicht nur an ein hohes Lösegeld, sondern auch an die Abtretung der Gebiete von der Eider bis Pommern knüpfte (Ende 1225). Jedoch sobald er aus der Haft entlassen war, erklärte er den Vertrag für erzwungen und ließ sich durch den Papst von seinem Eide lösen. Er gab seinen deutschen Gegnern nur er - wünschte Gelegenheit, die Errungenschaften des durch Gewalttat erpreßten Vertrages auf der Ebene von Bornhövde (s. v. Kiel) um so ehrenvoller mit den Waffen zu behaupten (Juli 1227). Die dänische Niederlage bezeichnet den Rückgang der stark überspannten Großmachtpolitik Waldemars auf der ganzen Linie, zugleich ein erneutes Vordringen des deutschen Einflusses. Das Reich war an diesem großen nationalen Erfolge nicht unmittelbar beteiligt. Immer - hin hat der Kaiser, von der Rücksicht auf die Kurie damals einiger - maßen befreit, die letzten Ereignisse aus der Ferne mit förderndem Interesse begleitet, wie etwa die Erneuerung der Reichsfreiheit Lübecks (1226) bekundete, und die Gestaltung der Dinge durch - aus anerkannt. Bedeutsam fielen mit diesem Aufschwunge des Deutschtums in den Ostseegebieten die Anfänge des Deutschordens im Preußenlande zusammen, der berufen war, in den nächsten Jahr - zehnten die Brücke zu den deutschen Brüdern in Kurland und Livland zu schlagen. Friedrich fügte damals (1226) dem Orden zu dem vom Herzog Konrad von Masovien versprochenen Kulmer - land alle künftigen Eroberungen im preußischen Gebiet hinzu und erhob den Großmeister zum Reichsfürsten. Wenn nicht andre Gesichtspunkte, so waren zum mindesten seine engen Beziehungen zu dem Orden und seinem hervorragenden Großmeister Hermann von Salza1)Vergl. die Biographie von A. Koch 1885. Anlaß für den Kaiser, diesen Dingen dauernd seine Aufmerksamkeit zu schenken.

14*212II. Die Zeit der Staufer.

Vielleicht noch freudiger als er würde der Reichsgubernator Engelbert diese letzten Entwickelungen begrüßt haben, aber er sollte sie nicht mehr erleben. Es fehlte in den Jahren (1224 u. 25), in denen er ganz persönlich die deutsche Politik leitete, nicht an einer gewissen Spannung zum kaiserlichen Hofe, der die letzte Entscheidung der wichtigsten Fragen doch immer in seiner Hand behielt nach dem Grundsatz, daß Deutschland an jedem Ort sei, an dem der Kaiser mit einigen seiner Fürsten zusammenkomme. Meinungsverschiedenheit entstand namentlich über die Frage der Verheiratung des jungen Königs, für den Engelbert, seinem kölnischen Standpunkt entsprechend, aber auch aus nationaldeutschen, anti - französischen Erwägungen heraus eine englische Verbindung wünschte, während Friedrich, an seinem capetingischen Bündnis festhaltend, schließlich für Margaretha, die Tochter des Herzogs Leopold von Österreich entschied. Eben als die Hochzeit des jungen Paares gefeiert wurde, erscholl die grause Kunde von der durch einen Verwandten des Erzbischofs mit anderen Helfershelfern aus Privat - rache vollführten Ermordung Engelberts (7. Nov. 1225). Er hatte sich dem Willen des Kaisers bereits unterworfen und hätte, damals erst ein vierzigjähriger, seine Dienste dem Reiche weiter zur Ver - fügung gestellt; da ward dieser glänzenden und für Deutschland bisher nur segenvollen staatsmännischen Laufbahn durch Mörder - hand ein jähes Ende bereitet! Man versteht den entsetzlichen Fluch, den der alternde Walter von der Vogelweide gegen den ruchlosen Täter schleuderte!

Der Charakter der fürstlichen Klassenherrschaft blieb auch hinfort unverändert, aber Herzog Ludwig von Bayern, der an Engel - berts Stelle trat, besaß weder die Gesichtsweite, noch die Begabung des Kölners, und als der ausbrechende Kampf des Kaisers mit dem Papsttum die Verhältnisse verwirrte, schob der achtzehnjährige junge König alsbald den unzuverlässigen Herzog beiseite und übernahm von da ab selbst die Verantwortung für die Leitung der deutschen Angelegenheiten (1228).

Inzwischen war der Termin für die Kreuzfahrt Friedrichs unter mißmutiger Zustimmung der Kurie mehrfach hinausgeschoben. Schon hatten Reibereien in Mittelitalien, wo der Kaiser die Hinderung seiner Verbindungen durch die päpstlichen Rekuperationen doch schmerzlich empfand, und Eingriffe des Papstes in das Konsens - recht der Krone bei sizilischen Bistumsbesetzungen Mißtrauen und Ärger hüben und drüben geweckt. Noch einmal kam es zu der Vereinbarung von S. Germano (1225). Sie legte Friedrich die bindendsten Verpflichtungen auf: Abfahrt mit festbemessener Mann - schaft und Flotte im August 1227 bei Strafe des Bannes und bei213§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).Verfall einer hohen Kaution. Aber durch die noch in demselben Jahre vollzogene Vermählung des verwitweten Kaisers mit Isabella von Brienne, der Erbtochter des Königreichs Jerusalem, wurde sein eigenstes Interesse eng mit dem Unternehmen verknüpft, und er gewann immerhin zwei weitere kostbare Jahre.

Wie er sie anzuwenden gedachte, verkündete er schon in S. Ger - mano: zwischen der unmittelbaren Herrschaft über Sizilien und der mittelbaren über Deutschland sollte als das notwendige Bindeglied die Herstellung der kaiserlichen Rechte in Reichsitalien eingefügt werden, die in der Tat in den letzten Jahrzehnten in den ärgsten Verfall geraten waren. Als er damals auf das folgende Jahr (1226) zur Ordnung dieser Verhältnisse einen Reichstag nach Cremona aus - schrieb, hat er schwerlich schon weitergehende Absichten gehabt, als die Rechtsgrundlage des Konstanzer Friedens herzustellen. Aber er täuschte sich über die Stimmung der Lombarden, die angesichts der absolutistischen Tendenzen Friedrichs in Sizilien von lebhaftem Mißtrauen erfüllt waren, er unterschätzte die in der Ungebundenheit der letzten Generation neuerstarkten Widerstandskräfte und würdigte nicht genug die stille, aber dauernde Interessengemeinschaft zwischen Lombardei und Papsttum. Diese Irrtümer führten zu einem ersten unliebsamen Mißerfolge seiner Politik.

Sofort erneuerten die meisten Städte der Lombardei, Romagna und Mark Treviso den alten Lombardenbund, nahmen eine feind - liche Stellung ein, hinderten durch Sperrung der Etschklause den Zuzug deutscher Truppen unter König Heinrich und reizten den Kaiser durch demütigende Zumutungen weit über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Wie hätte Friedrich solch 'offene Auflehnung ruhig hinnehmen sollen? Aber von Deutschland ab - geschnitten, in Oberitalien nur von Cremona und seinem Anhang unterstützt, konnte er an ein kriegerisches Vorgehen nicht denken, sondern mußte sich mit der Verkündigung der Reichsacht gegen die Bundesmitglieder, der Aufhebung des Konstanzer Friedens und aller Privilegien begnügen. Nur der Einmischung der Kurie war es dann zu danken, daß, im Hinblick auf den Kreuzzug, dem aus dem Zwiespalt ein neues Hemmnis zu erwachsen drohte, vor - derhand ein leidlicher Friedenszustand geschaffen wurde, der zwar die Verhältnisse vor 1226 wiederherstellte und dem Kaiser keine Genugtuung gewährte, aber wenigstens keine grundsätzliche Ent - scheidung traf und so die Erledigung der Streitfrage der Zukunft vorbehielt.

Es war die letzte Tat Honorius 'III. Als er kurz darauf starb (1227), konnte er hoffen, daß der langersehnte Kreuzzug ohne weitere Gefährdung von statten gehen würde. Aber eben der Papst -214II. Die Zeit der Staufer.wechsel war es, der die Welt aufs neue in Unruhe stürzen sollte; wie so oft, brachte er die Gegenpartei ans Ruder. Gregor IX. (1227 41)1)Die Register hrsg, von Auvray 1890 ff. Für die sonstigen Quellen vergl. Reg. Imp. V, S. 1170. Neuere Biographien v. Balan (1872) u. Felten (1886) kritisch wenig verwendbar. Beachtenswerte Bemerkungen v. W. Goetz, Hist. Viertelj. 5, 43 ff; der Politiker Gregor dürfte aber doch etwas un - günstiger zu beurteilen sein., ein naher Verwandter Innozenz 'III., war noch mit seinen annähernd sechzig Jahren eine schöne, kraftvolle Erscheinung, schon seit einem Menschenalter gepriesen als Spiegel der Bered - samkeit und Zierde guter Sitten 2)Vergl. Hist. Viertelj. 7, 519., hervorragend durch Ge - dächtniskraft, juristischen Scharfsinn und gelehrte Bildung. Bereits als Kardinalbischof Ugolino von Ostia hatte er als eine Säule der Kirche gegolten. Kaum in einer andern Figur der Papstgeschichte liegen die großen inneren Widersprüche der Hierarchie so unver - mittelt und doch so selbstverständlich nebeneinander. Der Freund und Förderer der Minoriten, der freilich die sonnigen Ideale des h. Franz mit hartem Druck in die kältere Wirklichkeit führte, aber eben dadurch sein tiefes Verständnis für ihren praktischen Wert bewies, der sich auch sonst für religiöse Verinnerlichung, Entsagung, Armut erwärmte, liebte als Papst den glänzenden Pomp und die eindrucksvolle Pose und hat den Kampf um die Weltherrschaft mit den weltlichsten Mitteln bis zur Verflachung und Entsittlichung geführt. Nach innen und außen verkörperte er so fast noch in einer Steigerung die Reformtendenzen und Herrschaftsbestrebungen der Papstkirche unter Innozenz III. Aber wenn über dessen Maßnahmen stets eine kühle, überlegene Vernunft gewaltet hatte, die ihm die Erfolge sicherte, so lebte in Gregor IX. etwas von der dämonischen Leiden - schaft und bergestürzenden Willenskraft des großen Papstes, dessen Namen er sich erwählte. Eben diese zügellose Leidenschaftlichkeit mag viele häßliche Auswüchse seiner Kampfesweise erklären, sie versagte ihm auch die durchschlagenden Erfolge. Wie Gregor VII. war er der Mann der von einer großartigen Einheitlichkeit und Kraft der Weltanschauung getragenen, stürmischen Initiative, nicht der mühevollen Vollendung. Zweimal hat er die furchtbare Ver - antwortung eines Weltkampfes auf seine Schultern genommen, sein Temperament vor allem hat dem Schicksalsstreit seinen Charakter aufgeprägt und eine Wendung zur Versöhnung auch für die Zukunft verbaut, aber trotz aller Wucht des Angriffes war er für Friedrich noch nicht der gefährlichste Gegner!

Nicht die zufälligen Ereignisse des Jahres 1227 haben den Kampf hervorgerufen, sie gaben nur den Anlaß zu dem überlegten215§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).und gewollten Angriff der römischen Kurie gegen Friedrich II .1)Über die aggressive Tendenz der damaligen Kirche vergl. die Be - merkungen Fickers, Reg. Imp. V, S. XXIII ff.. Gregor IX. hatte mit Sorge und Unwillen beobachtet, wie das ver - söhnliche Walten seines Vorgängers es dem Kaiser ermöglicht hatte, seine volle Machtstellung gegen die Absichten Innozenz 'III. zu behaupten und ungemein zu befestigen, wie er von der starken Grundlage Siziliens aus bereits nach Reichsitalien hinübergriff und durch so manche temperamentvolle Äußerung zu erkennen gab, daß er bei allem Streben nach Frieden mit der Kirche nicht aus der staufischen Art geschlagen war und die alten politischen Ziele fest im Auge behielt. Was frommten schließlich alle kirchlichen Zugeständnisse, wenn die politische Umklammerung des Papsttums sich erneute? Darauf spitzten sich nun die alten Gegensätze mit aller Schärfe zu: Das Papsttum, das eine selbständige weltliche Herrschaft als Voraussetzung für seine freie Willensentschließung betrachtete, suchte seinen politischen Einfluß von dem erweiterten Kirchenstaat aus auf das sizilische Lehensreich geltend zu machen und auch gegen Oberitalien vorzuschieben. Der Kaiser, der Herr in seinem sizilischen Hause bleiben wollte, konnte die Verbindung mit Deutschland nur aufrecht erhalten, wenn er sich auch des Mittel - gliedes versicherte. Italien, durch das Vordringen des Abendlandes im Mittelmeerbecken, durch den Umschwung des Welthandels seit den Kreuzzügen, durch das Emporblühen der wirtschaftlichen und geistigen Kultur ganz anders als früher in den Mittelpunkt der Welt gerückt, bildete das große Streitobjekt zwischen den beiden Häuptern der Christenheit. Gregor war es, der zuerst die Unlösbarkeit des Knotens erkannte und den Vernichtungskampf mit bewunderungswürdiger Folgerichtigkeit und Entschlußkraft begann, der aber die politischen Gründe seines Vorgehens stets sorgfältig verschleierte und, indem er kirchliche, agitatorisch wirksame Momente vorschob, der kurialen Politik den Stempel unwahrer Hinterhältigkeit aufdrückte. Indes die persönliche und moralische Beurteilung hat zurückzutreten hinter der Wucht der großen Weltgegensätze.

Der Aufbruchstermin für den Kreuzzug war von der Kurie unklug auf den heißen August gesetzt, Friedrich mehrte die Gefahr, indem er über die festen Normen des Vertrages von S. Germano hinaus auch für alle Pilger Schiffe bereitzuhalten erklärte. So er - griff in der Ebene von Brindisi eine furchtbare Seuche die Massen. Der Kaiser selbst erkrankte schon vor der Einschiffung, nach der Abfahrt starb sein Begleiter, der Landgraf Ludwig von Thüringen. Friedrich selbst kehrte um und suchte Heilung in den Bädern von216II. Die Zeit der Staufer.Pozzuoli. Da traf ihn der Bannstrahl des Papstes. 1)Erste Ankündigung 29. Sept., feierliche Verkündigung 18. Nov. 1227.Gregor war formell unzweifelhaft im Recht; die Rücksicht auf eine höhere Ge - walt, wenn auch nicht ausbedungen, wäre freilich menschlich ge - wesen, aber der Papst dekretierte sie hinweg mit der haltlosen Behauptung, Friedrichs Krankheit sei nur eine Fiktion. Eine Ver - ständigung hätte sich unschwer erzielen lassen, denn der Kaiser war bereit, den unfreiwilligen Vertragsbruch durch eine Kirchenbuße zu sühnen und das Versäumte baldigst nachzuholen, aber nun be - gründete Gregor den Bann mit neuen, auf Sizilien bezüglichen Be - schwerden und erklärte, bei fernerer Mißregierung dies päpstliche Lehen als erledigt einziehen zu müssen. Es wurde klar, das Papst - tum wollte die Vernichtung des Kaisers oder seine Demütigung und dauernde Schwächung. Da war es ein meisterhafter Schachzug Friedrichs, daß er, um aller Welt den Ernst seiner Absicht zu be - weisen und den Papst in der öffentlichen Meinung ins Unrecht zu setzen, im folgenden Jahre trotz des Bannes die Fahrt nach dem Orient antrat.

Der fünfte Kreuzzug (1228 29) unterschied sich scharf von seinen Vorgängern durch die Führerrolle eines Gebannten, dem die Kurie ob dieses Trotzes nur um so mehr grollte, durch die dynastischen Pläne des Leiters, dem seine Gemahlin soeben sterbend den Erben des Königreichs Jerusalem, seinen zweiten Sohn Konrad, geboren hatte, und durch die von vornherein auf diplomatische Erfolge gerichteten Absichten Friedrichs, der mit dem Sultan El - Kamil von Ägypten wie mit so manchem mohammedanischen Ge - lehrten freundliche Beziehungen unterhielt und ihre Hochachtung genoß. Das hat in der Tat neben dem für die Christen wertvollen Zwiespalt zwischen Ägypten und Damaskus dem Kaiser sein Unter - nehmen erleichtert und schließlich den Vertrag ermöglicht (1229), durch den die Hauptandachtstätten: Jerusalem, Bethlehem, Na - zareth und ihre Verbindungen mit dem namentlich um die Stadt Sidon verstärkten Rest des Königreichs Jerusalem an der Meeres - küste an Friedrich als neuen König des Landes abgetreten wur - den, während für die Mohammedaner auf zehn Jahre Waffen - stillstand, unbedingte Neutralität bei Angriffen auf sie von andrer Seite und freie Religionsübung in der Moschee von Jerusalem aus - bedungen ward. Dieser Vertrag hatte unleugbare Schwächen. Schwerer als die letztgenannten Zugeständnisse, die in der Chri - stenheit kaum ganz berechtigten Anstoß erregten, fielen die mangelhafte Verteidigungsfähigkeit dieser schmalen Gebietsstreifen und die fortdauernde Feindschaft des Sultans von Damaskus217§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).ins Gewicht. Aber unter welchen Schwierigkeiten war der Abschluß erreicht! El-Kamil hatte angesichts des offenen Zwiespalts der Christenheit seine entgegenkommende Haltung geändert, nach einer Einigung mit Damaskus gestrebt, die Verhandlungen in die Länge gezogen und dem Kaiser manche Demütigungen bereitet. Friedrichs militärische Lage war bei schwacher Truppenzahl gefährdet, Zwie - tracht und Verrat herrschten im eignen Lager. Denn der Papst betrachtete ihn nicht als Kreuzfahrer, sondern als Piraten, der Patriarch von Jerusalem predigte offenen Widerstand und arbeitete ihm selbst beim Sultan entgegen, die Johanniter waren unzuverlässig, die Templer sind vielleicht nicht einmal vor dem Versuche zurück - geschreckt, die Person des Kaisers verräterisch dem Feinde in die Hände zu spielen. Endlich drängte die Kunde von dem Einfall päpstlicher Truppen in das sizilische Reich zu äußerster Beschleunigung und Beschränkung. Und trotz alledem ward viel mehr gewonnen, als durch die riesenhaften Opfer der letzten Jahrzehnte: das König - reich Jerusalem wenigstens zu einem Bruchteil hergestellt, die ge - weihten Stätten alle aufs neue dem Strome der Pilger geöffnet. Mehr noch als der Jubel der Pilger und die Anerkennung des deutschen Freidank sprachen die Trauerkundgebungen der Moham - medaner zugunsten des Vertrages. Aber die Realpolitik und Toleranz Friedrichs vertrugen sich schlecht mit der Kreuzzugsbegeisterung, und auf päpstlicher Seite verschloß man absichtlich die Augen vor dem Erfolge.

Statt zu übermütigem Triumphe lenkte er Friedrich zu kluger Versöhnlichkeit. Als er sich in der Grabeskirche zu Jerusalem die Königskrone aufs Haupt setzte, bot er dem Papste die Hand zum Frieden und sprach in einer Rede und einem kurz darauf er - lassenen Manifest von dem Verhalten Gregors in den schonendsten Ausdrücken. Ohne Verzug kehrte er dann über Akkon, wo der vom Patriarchen aufgehetzte Pöbel den Kaiser und seine Begleitung bei der Einschiffung mit Kot bewarf, nach Europa zurück und landete unverhofft in Brindisi (10. Juni 1229).

Auf offene Feindseligkeiten des Papstes hatte Friedrich sich schon bei seinem Aufbruch zur Kreuzfahrt gefaßt machen müssen. Der von ihm als Statthalter in Sizilien zurückgelassene Herzog Reinald von Spoleto hatte daher die Weisung, einen päpstlichen Angriff durch einen Einfall in den Kirchenstaat und Rücknahme der Rekuperationen zu beantworten1)Daß es sich nur um einen solchen Eventualauftrag handelte, hat zu - erst Ficker, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 4, 351 erkannt.. Er überschritt seine Vollmacht und rückte über die Grenze, als Gregor die Untertanen des Kaisers218II. Die Zeit der Staufer.vom Treueid löste und zur Empörung aufrief, ihm seine Reiche absprach und sich mit den Lombarden verbündete. Dieser nicht ohne selbstsüchtige Absicht unternommene Einfall Reinalds in den Kirchen - staat, der ihm nachmals die Ungnade des Kaisers zuzog, gab dem Papst in den Augen der Welt wohl die Berechtigung, ihn mit schnell geworbenen Söldnerscharen zurückzuweisen und nun selbst die Eroberung des Königreichs, das er unter die unmittelbare Herr - schaft der Kirche zu nehmen gedachte, zu beginnen. Noch war der Bau nicht gefestigt genug, um ohne die Person seines Leiters Widerstand zu leisten; schon war mehr als die Hälfte des Fest - landes in den Händen der Päpstlichen, als Friedrich zurückkehrte.

Die Untätigkeit der geistlichen Heerführer ließ ihm Zeit, zu erstarken; mit rasch gerüsteten Truppen jagte er dann in raschem Siegeslaufe die päpstlichen Schlüsselsoldaten aus dem Lande. An der Grenze löste er sein Heer auf und bot dem Papste Friedens - verhandlungen an. Wäre es Gregor nur um Genugtuung für die Verletzung des Vertrages von S. Germano zu tun gewesen, so hätte er die ausgestreckte Hand freudig ergriffen. Aber erst nach langem Sträuben, als ihn die Unfähigkeit seiner Truppen, Geld - mangel, Mißerfolge der Lombarden und Versagen der Agitation in Deutschland in eine sehr bedenkliche Lage brachten, ging er auf das Anerbieten ein. Die Verhandlungen, in S. Germano geführt und in Ceperano zum Abschluß gebracht, sind gekennzeichnet durch zäheste Hartnäckigkeit des Papstes und äußerstes Entgegenkommen des Kaisers. 1)Die Korrespondenz des päpstlichen Unterhändlers Thomas v. Capua, Kardinalpriesters v. S. Sabina, hat darüber Aufschlüsse gegeben, vergl. Roden - berg, Neues Arch. 18, 177 ff.Erst die Einmischung der deutschen Fürsten, die im eignen Interesse den Frieden brauchten, auf die Kurie drückten, aber auch auf die sizilischen Rechte Friedrichs wenig Gewicht legten, brachte die Einigung. Der Kaiser erlangte die Absolution, hatte aber dafür der Kirche nicht nur volle Besitzrückgabe und umfassende Amnestie zuzusichern, sondern auch wertvolle Zugeständnisse in Be - zug auf die innerkirchlichen Verhältnisse Siziliens zu machen. 2)Exemption des sizilischen Klerus von weltlicher Gerichtsbarkeit (ab - gesehen von Lehenssachen) und allgemeiner Besteuerung (unter Vorbehalt der bestehenden Verpflichtungen einzelner Kirchen und Geistlichen). Das Kon - sensrecht bei Bischofswahlen wurde von Friedrich mühsam behauptet.

Die Beurteilung dieses Friedenschlusses wie überhaupt der gesamten Kirchenpolitik Friedrichs unterliegt noch jetzt den stärksten Schwankungen. Man3)Winkelmann, Jahrb. II, 189. Ich kann ihm nicht zustimmen, stehe dagegen der völlig entgegengesetzten Beurteilung, die gleich darauf in dem - selben Buche vorgetragen wird, sehr nahe. hat sein unterwürfiges Entgegenkommen an219§ 16. Das Emporsteigen Friedr. II., bis zum Frieden v. Ceperano (1230).Schmach für das Kaisertum mit dem Tage von Canossa verglichen oder ihm völlige Verkennung der wahren Absichten des Papsttums vorgeworfen. 1)Vergl. Hauck IV, 782 ff. Dagegen meine Bemerkungen Hist. Ztschr. 93, 422 ff.Solche Beurteiler betrachten die beiden Gegner doch zu sehr als gleichstehende Mächte und rechnen nicht genug mit der von vornherein hoffnungslosen Lage Friedrichs der Kirche gegenüber. Es dürfte schwer halten, die Bahn zu bezeichnen, die er sonst hätte gehen sollen! Auf kirchlichem Gebiete war die päpstliche Macht unerschütterlich gefestet bis zu der Zeit, da die Nationalstaaten oder die Massen selbst gegen die Kurie mobil machen würden. Dieser Tag lag noch fern. Das Ziel Friedrichs konnte daher nur sein, durch diplomatische Mittel und kirch - liche Zugeständnisse den Vernichtungskampf des Papsttums gegen ihn möglichst lange aufzuhalten und derweil seine politische Macht - stellung nach Kräften auszubauen. Für die Beurteilung der ein - zelnen Schritte wäre danach ausschlaggebend, ob sie diese Ge - legenheit boten oder aber durch wesentliche Einräumungen das Papsttum für den letzten Entscheidungskampf nur kräftigten. Der Friede von Ceperano brachte der Kirche höchst wertvolle Zu - geständnisse für Sizilien; aber sie haben Friedrichs unbedingte Herrschaft dort schließlich nicht zu erschüttern vermocht und daher dem Papsttum nicht den erhofften politischen Gewinn eingetragen. Und für diesen Verlust, ohne den der Friede anscheinend doch nicht zu erreichen war, nun der überaus eindrucksvolle moralische Sieg, den der Kaiser über den Papst in den Augen der damaligen Welt davontrug: der Bann trotz alles Sträubens zurückgenommen, das Ergebnis des als Piraterie gebrandmarkten Kreuzzuges anerkannt, die Eroberung Siziliens kläglich gescheitert, alle Bemühungen des Papsttums um eine Empörung im Reiche vergeblich, der Weltfriede nur der weisen Mäßigung Friedrichs verdankt. Die Dinge liegen hier doch genau umgekehrt wie bei Canossa: dort ein augenblick - licher politischer Erfolg erkauft durch dauernde moralische Einbuße des Kaisertums; hier durch faktische Zugeständnisse eine ungeheure Steigerung des kaiserlichen Ansehens erzielt, wie sie in den dreißiger Jahren deutlich zu Tage trat. Gerade in solchen Fragen ist vielleicht der Haupteindruck, den ein aus großer Gesichtsweite beobachtender Zeitgenosse, der Araber Abu al Fadayl, von den Ereignissen zurück - behielt, nicht ganz gering zu schätzen; er schrieb von Friedrich: Seit den Zeiten Alexanders gab es in der Christenheit keinen Fürsten wie diesen, nicht allein in Anbetracht seiner Macht, sondern auch wegen der Kühnheit, mit der er gegen den Papst, ihren220II. Die Zeit der Staufer.Khalifen, aufzutreten wagte, ihn bekämpfte und in die Flucht jagte. Den Frieden bezeichnete auch ein abendländischer Zeitgenosse1)Abt Wilhelm von Andres; vgl. Winkelmann, Jahrb. II, 210. als einen Schimpf für die heilige Kirche. Wenn er freilich die her - gestellte Eintracht für mehr erheuchelt als ehrlich hielt, so hatte er nicht minder Recht. Darüber durften die persönliche Zusammen - kunft Gregors und Friedrichs in Anagni und theoretische Aus - führungen über das harmonische Zusammenwirken der beiden Ge - walten nicht täuschen. Der erste Vernichtungsanfall war abgeschlagen, das Kaisertum hatte einstweilen seinen Platz neben dem Papsttum zurückerobert, aber der unheilvolle Gegensatz war mitnichten gelöst. Immerhin hatte Friedrich sich eine Grundlage für weitere Befestigung seiner Macht gesichert.

§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).

Friedrich stand damals in seinen kräftigsten Jahren. Die mittel - große, später etwas volle Figur mit dem bartlosen Antlitz2)Einer Identifizierung der eindrucksvollen Büste von Acerenza mit Friedrich II. (R. Delbrück, Ztschr. f. bild. Kunst 1902) wird man auf Grund weiterer Untersuchungen (ebenda 1903) bis auf weiteres ablehnend gegenüber stehen müssen. und dem rötlichblonden Haar war nicht eben an sich von überwältigendem Eindruck, aber von unermüdlicher Leistungsfähigkeit und gehoben durch Sicherheit und Pomp des Auftretens. Der dabei entfaltete Prunk, fremdartige Gestalten von Äthiopiern und Mauren, seltene Tiere der kaiserlichen Menagerie, wie Elefanten, Dromedare, Löwen und Panter, erregten lebhaft die Phantasie der Deutschen, aber zeigten ihnen auch handgreiflich, wie wenig sie doch eigentlich diesen Herrscher als den ihrigen betrachten konnten. In der Tat war dieser ganze Luxus, der sich in seinen apulischen Schlössern noch weit glänzender und berauschender entfaltete, war die ganze Üppig - keit des Sinnenlebens und die fast mohammedanische Auffassung der Ehe, die dem Herrscher eunuchenbewachte Harems daheim wie im Feldlager gestattete, in Art und Unart sizilianisch und bei Friedrichs normannischen Vorfahren ganz ähnlich anzutreffen. Das verschlang gewaltige Summen und erregte manchen Anstoß; aber Friedrichs geniale Kraftnatur war weit entfernt, davon entnervt zu werden.

Rastlos kam er den vielseitigen und aufreibenden Pflichten seines Amtes nach. Imperialistische, normannische und moham -221§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).medanische Überlieferungen wirkten, unterstützt durch die Lehren des römischen Rechts, mit angeborenem Genie und energischer Schulung zusammen, um ihn zum wahrhaften Selbstherrscher zu machen, der alle wichtigen Entscheidungen von sich aus traf. Die eigentümliche Stärke seiner politischen Begabung lag unzweifelhaft auf dem Felde der Organisation und Verwaltung, ähnlich wie bei seinem Großvater Roger, dessen Vorbilde er so viel verdankte, ohne indes bei der bloßen Nachahmung stehen zu bleiben. In der großen Politik durch seine Stellung von vornherein an eine hoff - nungslose Sache geknüpft und durch die staufische Überlieferung vielfach festgelegt, hat er doch auch da Festigkeit der Ziele mit Beweglichkeit und Unerschöpflichkeit der Mittel verbunden. Dem Diplomaten schadete öfters die impulsive Art, die die Karten zu früh aufdeckte, seine scharfe Zunge, die den beißenden Witz nicht unterdrückte, Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit, die ihm den Blick verdunkelten und unnötige Mißstimmung erzeugten, im ganzen ist er wohl der kurialen Diplomatie, namentlich unter den beiden Innozenzen, nicht gewachsen gewesen, aber bis zu einem gewissen Grade entschädigten dann wieder scharfsinnige Berechnung, überraschender Wechsel und phantasievolle Kombinationsgabe. Der kriegerische Beruf lag Friedrich an sich ferner, aber er hat sich ihm nie versagt, und wenn er auch schwerlich ein großer Feldherr genannt werden kann, so kamen ihm auch da Organisationstalent, technische Kenntnisse im Festungsbau und Belagerungswesen, Ent - schlußfähigkeit und Unermüdlichkeit zu statten, und einen über - legenen Gegner lernte er auf diesem Gebiete nicht kennen.

Der Reichtum von Friedrichs Natur aber fand in diesen durch seine Stellung bedingten Betätigungen nicht entfernt Genüge. Man wird seiner Bedeutung nicht gerecht, wenn man sich nur auf sie beschränkt. Die Aufnahmefähigkeit und Verarbeitungskraft seines Geistes darüber hinaus waren erstaunlich, und es war doch nicht allein diese Zugänglichkeit für alle kulturellen Reizungen, sondern fast noch mehr die Voraussetzungslosigkeit, das Eindringen in die Ge - heimnisse der Natur, die Vernünftigkeit und Zweckmäßigkeit seines ganzen Denkens und Tuns, die auf die Mitwelt befreiend und befruchtend wirkten und in die Zukunft wiesen. 1)Das Schlagwort von dem ersten modernen Menschen ist besser zu meiden, weil gelegentlich übertreibende Unmöglichkeiten darunter begriffen werden, und jede derartige historische Aufstellung nur bedingt zu verstehen ist. Die fortschreitende Erkenntnis sizilisch-normannischer Zustände hat das Urteil über F. vielfach abgewandelt, und man könnte natürlich auch Roger II. den ersten modernen Menschen nennen. Aber dieser hat abgesehen von immerhin geringerer Vielseitigkeit in seiner sizilischen Sonderexistenz doch

222II. Die Zeit der Staufer.

Wann hatte sich ein deutscher Herrscher selbständig wissen - schaftlich betätigt? Man müßte etwa zurückgehen auf die kümmer - lichen Versuche des Merowingers Chilperich oder die Ansätze Karls d. Gr. Friedrich ward durch seine Liebhaberei für die Falkenjagd zu ernsten zoologischen Studien geführt, die in seinem durch jahr - zehntelangen, echt wissenschaftlichen Sammelfleiß, durchdringende Beobachtung und kritischen Scharfsinn ausgezeichneten Buche über die Kunst der Jagd mit Vögeln einen höchstbedeutenden Nieder - schlag fanden. Er eröffnete so die kurze Reihe der großen Empi - riker des dreizehnten Jahrhunderts, eines Albertus Magnus und Roger Bacon. Für andre Wissensgebiete, für Heilkunde und Mathe - matik, Philosophie und Astrologie zeigte er angeregtes und anre - gendes Interesse und Verständnis, disputierte und korrespondierte mit den bedeutendsten christlichen, mohammedanischen und jüdi - schen Gelehrten seiner Zeit, sammelte sie nach Möglichkeit an seinem Hofe zu einer Art von Akademie und suchte die Kenntnis wichtiger griechischer, arabischer und hebräischer Werke, die er selbst bei dem Reichtum seiner durch die sizilische Völkermischung erklärten Sprachkenntnisse im Urtext las, durch Übersetzungen dem Abendlande zugänglich zu machen. Die von ihm gegründete Uni - versität Neapel, nächst kleineren spanischen Schöpfungen die erste nach arabischem Muster errichtete Staatsuniversität in Europa, hatte zwar in erster Linie die Aufgabe, dem Kaiser juristisch geschulte, vor dem freiheitlichen Geiste Bolognas behütete Beamte großzuziehen, diente aber doch auch den allgemeinen Bildungsinteressen.

Die Ausgestaltung einer in sich geschlossenen, den christlichen Vorstellungen abgewandten philosophischen Weltanschauung wäre seiner ganzen skeptischen Geistesrichtung ebensosehr, wie seinem historischen Berufe als christlicher Kaiser entgegen gewesen. Seine Haltung wird da etwa der doppelten Buchführung des Averroismus und der Stellung der modernen aufgeklärten Romanen zur Kirche entsprochen haben: autoritätsfeindlicher Zweifel, pietätloser Spott und ein aus dem täglichen Umgang mit Andersgläubigen erwach - sener toleranter Indifferentismus bei voller Bewahrung und Betonung der kirchlichen Zugehörigkeit, so daß trotz eigner häretischer Nei - gungen sich seine Behandlung der Ketzer immerhin auch aus andern als rein politischen Gründen begreift.

1)nicht annähernd eine ähnliche Wirkung auf die europäische Kultur geübt; das große geographische Werk des Edrisi etwa blieb nahezu ganz unbekannt. Neueren Versuchen, wie etwa dem von Hauck, bei F. die moderneren Züge stark zurücktreten zu lassen, kann ich mich nicht anschließen, vergl. Hist. Ztschr. 93, 422 ff. Von Hauck stark beeinflußt ist auch Seeliger in dem Prachtwerk Deutsche Gedenkhalle (o. J., c. 1907), dem ich auch in seiner sonstigen Beurteilung F. s nicht durchgehends zustimme.

223§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).

Füllte schon die Beschäftigung mit der Wissenschaft diesem rastlosen Geiste nur die Mußestunden, so hat er gewiß seine Kunst - liebhabereien noch mehr als Erholung und Luxus betrachtet. Aber auch ihre Wirkung war höchst bedeutend. Die Kanzonen, die er dichtete und in Musik setzte, machten mit ihrer frühen Anwendung der Vulgärsprache ihren Verfasser nach Dantes Urteil zum Vater der italienischen Poesie. Die bildenden Künste1)Das Hauptwerk ist jetzt Bertaux, L'art dans l'Italie méridionale I (1904); vgl. Dehio Hist. Ztschr. 95. Populäre Darstellungen mit Illustrationen von Schubring, D. Baukunst II. Serie, 5. Heft (1903) u. Haseloff, Wester - manns Monatsh. 100 (1906). Weitere Aufklärung werden die im Auftrag des Preuß. hist. Instituts vorgenommenen Forschungen v. Haseloff bringen., die unter seinem Antriebe in Süditalien einen mächtigen, wenn auch ganz und gar durch die persönlichen Bedürfnisse und Neigungen des Herrschers bestimmten Aufschwung nahmen, weisen, wie das Wesen Friedrichs selbst deutlich hin auf die kommende italienische Renaissance. Die in den Resten zahlreicher Schloßbauten, insbesondere in dem wohl von dem Kaiser selbst entworfenen, reizvollen Castel del Monte (w. v. Barletta) noch heute zu uns redende Baukunst weist dorthin nicht nur durch einzelne verblüffende Renaissancemotive, sondern fast noch mehr durch Zweckmäßigkeit und Monumentalität, die Skulptur in den Werken der Capuaner Bildhauerschule und der Prägung der goldenen Augustalen durch direkten Anschluß an die griechisch-römischen Vorbilder, deren Verehrung der Kaiser, auch darin seiner Zeit weit voraneilend, durch die Anlage einer ersten Antikensammlung bezeugte.

Schon die stark persönliche Note in allen diesen Betätigungen zeigt, daß er sein Selbst nicht nach Art geistreicher Dilettanten in dieser Vielseitigkeit verlor. Dafür sorgte schon der hochgespannte Herrscherstolz, der unbeugsame Eigenwille und das reizbare Selbst - gefühl. Wo sie geschont wurden, konnte Friedrich leutselig, frei - gebig, großmütig sein; wurden sie jedoch durchkreuzt, so erwachten wilde, dämonische Triebe und suchten Selbstdurchsetzung um jeden Preis zu erzwingen: rücksichtslose Willkür, unbarmherzige Grau - samkeit, hinterlistige Treulosigkeit, die gegen Rebellen und Verräter erlaubt erschien, und leidenschaftlicher Rachedurst, der in jenen Worten vor dem abtrünnigen Viterbo grandiosen Ausdruck gefunden hat: auch nach seinem Tode würden seine Gebeine nicht Ruhe finden, ehe er nicht die Stadt zerstört habe; schon den Fuß im Paradiese, würde er ihn zurückziehen, wenn er an Viterbo Rache nehmen könne .

Man begreift, daß gerade diese jähen Wandlungen seines Wesens, das der gleichmäßigen Wärme ermangelte, die unberechenbar224II. Die Zeit der Staufer.hervorbrechende, durch keine Pietät gebundene Leidenschaft geeignet waren, das Gefühl von Unsicherheit und Mißtrauen ihm gegenüber zu erwecken, und daß er auch ohne die wilden Kämpfe seiner ausgehenden Regierung sich niemals die allgemeine Achtung und Verehrung erworben haben würde, wie etwa sein Ahnherr Barba - rossa. An seiner Person schieden sich die Geister, und noch heute ringen um ihn Haß und Bewunderung.

Die dringendste Aufgabe nach dem Frieden von Ceperano war für Friedrich, die erschütterte Herrschaft seiner Reiche neu und umso widerstandsfähiger zu befestigen. Der Plan seines Vorgehens war dabei genau der gleiche, wie in den zwanziger Jahren: zunächst die Neuordnung Siziliens und Deutschlands nach völlig entgegengesetzten Gesichtspunkten, dann die Herstellung der Hoheit in Reichsitalien, alles unter möglichster Wahrung des Einvernehmens mit der Kurie.

Die Gesetzgebung und Verwaltungsreform Siziliens, wie sie 1231 in den Konstitutionen von Melfi1)Eine abschließende Ausgabe und Analyse der später durch Novellen stark vermehrten Konstitutionen fehlt noch. Ältere Ausgaben von Carcani 1876 u. Huillard-Bréholles IV, I ff. Ein näheres Eingehen auf die Reor - ganisation Siziliens würde den Rahmen der obigen Darstellung überschreiten, die nur wenige, auch für die Reichsgeschichte indirekt bedeutsame Hauptzüge herausheben kann. Für Weiteres vergl. die zahlreichen Arbeiten v. Winkel - mann, insbes. seine Dissertation (1859), sein älteres Friedrichwerk (1863) I, 350 ff., Aufsätze in Forsch. z. deutsch. Gesch. 12 u. Jahrbücher II, 262 ff. Brauchbare Dissertationen von Wilda (1889) und Maerker (1889). Vieles natürlich auch in Fickers Forsch. z. Reichs - u. Rechtsg. Italiens. Vergl. ferner Capasso, Sulla storia esterna delle costitutioni del regno di Sic. (1896); Brandileone, Il diritto nelle leggi Normanne e Sueve del regno di Sic. (1884); auch Caspar, Roger II (1904), S. 275 ff. und den großen Finanz - plänen ihren Ausdruck fand, stellen die glänzendste und dauerhafteste Leistung dar, die Friedrich vollbracht hat, bei aller Mitarbeit seiner ausgezeichneten Juristen, des Erzbischofs Jakob von Capua und Großhofrichters Peter von Vinea2)Über seinen Anteil vergl. Winkelm. Jahrb. II, 270 u. unten. doch sein eigenstes Werk. Es war keine Schwäche, sondern eine Stärke dieser Gesetzgebung, daß sie mit ausgesprochen autoritätsfeindlichem Rationalismus zugleich einen stark historischen Zug verband, indem sie mehr als die Hälfte der Artikel den älteren Konstitutionen Rogers II. entlehnte, wie dieser selbst bei dem Corpus Justinians ähnlich starke Anleihen gemacht hatte. 3)Diese Sätze des römischen Rechts sind vor allem von F. übernommen, vergl. Caspar S. 281.Friedrichs große Kodifikation, bereichert um viele neuen Bestimmungen, sollte das ältere Gesetzes - und Gewohnheitsrecht ersetzen, ließ aber das buntgemischte bürgerliche Recht im allge - meinen unberührt.

225§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).

Wenn der normannische Staat neben manchen Elementen der byzan - tinischen und arabischen Verwaltung vor allem doch auf dem germanischen Lehenswesens beruht hatte, so lag der Fortschritt der neuen Monarchie Friedrichs in der Überwindung des Lehenswesens durch ein mehr durch Bildung als Geburt ausgezeichnetes, großenteils juristisch geschultes, auf Zeit und Besoldung angestelltes und in straffer Abhängigkeit gehaltenes Beamten - tum, das in dem absoluten Königtum seine Spitze fand. In diesem modernen Beamtenstaate sanken alsbald alle andern Körperschaften zu politischer Un - selbständigkeit und Bedeutungslosigkeit herab; die Vereinigung der könig - lichen Vasallen auf den Hoftagen, die nur noch selten und lediglich zu Zwecken der Beratung berufen wurden, die Städte, denen der König die Vor - steher ernannte, und denen er, wenn er gelegentlich bürgerliche Sachver - ständige zur Begutachtung heranzog, damit doch nicht das mindeste Recht politischer Vertretung zugestehen wollte1)Vergl. Paolucci, Il parlamento di Foggia 1240, Akten der Palermi - taner Akad. 1897 gegen Winkelmanns höhere Wertung.; die Kirchen, denen gegenüber die Krone, zwar in ständigen Reibungen mit dem Papsttum, aber im wesentlichen erfolgreich und gelegentlich selbst über die Zugeständnisse von Ceperano hinaus2)Vergl. Winkelm. Jahrb. II, 268., die notwendigsten Rechte festhielt. Diese zentralisierte und stark bürokratische Verwaltung blieb trotz genauer Umschreibung der Befugnisse des Einzelnen gewiß nicht ohne Übergriffe der allregierenden Beamtenschaft, aber es war doch auch für Rechenschaftsablegung, Überwachung und freie Beschwerdeführung ausgiebig gesorgt, und gegenüber dem unbeholfenen, kraft - zersplitternden Lehenswesen bedeutete sie zum mindesten unter dem Gesichtspunkte staatlicher Leistungsfähigkeit und Schlagfertigkeit einen ge - waltigen Fortschritt, dem für ganz Europa die Zukunft gehörte.

Allmächtig war in diesem Staate nur das Königtum, das sich auch im Heerwesen durch die unbedingt ergebenen sarazenischen Soldtruppen, die Anlage königlicher Festungen und den Ausbau der Flotte von dem Feudalis - mus unabhängig zu machen wußte. Die Schrankenlosigkeit seines in alle Ge - biete eingreifenden und oft genug mit rechtbrechender Willkür verfahrenden Regiments wurde vom Lande bald als ein schwerer Druck empfunden, aber von den Mächtigeren mehr als von der Masse der Tieferstehenden, denen Friedrich eine in dem früheren Lehensstaate ungewohnte Gerechtigkeit und soziale Für - sorge zuteil werden ließ. Und es war eben doch keine launenhafte Tyran - nei, sondern ein aufgeklärter, die Vernunft allein zum Maßstab nehmender Absolutismus. In seiner allseitigen Fürsorge, seiner Freiheit von Dogmatismus und Mystizismus, seiner Beeinflussung durch nationalökonomische, statistische, hygienische, volkserzieherische Gesichtspunkte, seinen handelspolitischen Maß - nahmen und Landesmeliorationen, seinem fortgeschrittenen Strafrecht, das Gottesurteile als widernatürlich und unwahrhaftig abschaffte, Zweikampf und Folter eng begrenzte, in der zunehmenden Schriftlichkeit des Verwaltungs - wesens und Gerichtsverfahrens, in diesem ganzen kühlen Rationalismus mutet er uns doch wenig mittelalterlich mehr an und deutet weit voraus in das siebzehnte Jahrhundert.

Bei aller Fürsorge hatte doch auch diese vielgeliebte Heimat Friedrichs, anders als Deutschland, aber kaum minder schwer zu empfinden, daß sie nur noch der Teil eines Universalreiches war, dessen Behauptung und Ausbau unendliche Mittel erforderte. DieHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 15226II. Die Zeit der Staufer.Kämpfe der Zukunft waren gegen die kapitalkräftigen lombardischen Städte und die größte Finanzmacht der damaligen Welt, das Papst - tum, zu führen. Mochte das männerreiche Deutschland für die kriegerischen Kräfte aufkommen, die Geldmittel waren allein dem Reichtum des sizilischen Landes abzugewinnen, und diese Aufgabe hat Friedrich nun sofort nach dem Frieden von Ceperano mit rücksichtsloser Folgerichtigkeit gelöst.

Abgesehen von wiederholten Rückforderungen des entfremdeten Kron - guts, das jetzt zu den Abgaben stark herangezogen wurde, war hier das meiste Neuschöpfung und dem früheren Normannenstaate noch unbekannt; so die Umgestaltung der früheren Vasallenbeiträge zu einer allgemeinen, regelmäßigen Grundsteuer, der kunstvolle Ausbau der bereits bestehenden indirekten Steuern, der Grenzzölle, Lager - und Hafengelder, Verbrauchs - und Nutzungsabgaben, der überaus gewinnbringende staatliche Getreidehandel und die noch er - giebigeren, auf jüdisch-orientalische Einwirkungen zurückzuführenden Monopole.

Die Ergebnisse schienen in der Tat glänzend und waren es auch vom Standpunkt der universalen Machtpolitik aus; denn der Kaiser rückte als Kapitalkraft durch die Unsummen, die ihm diese Finanzwirtschaft von Jahr zu Jahr abwarf, geradezu an die erste Stelle der Welt, und das Geld ward schon damals immer mehr zur Vorbedingung der Kriegführung! Aber diese Ergebnisse wurden doch nur erzielt durch einen Raubbau, der die übermäßig angespannten Kräfte des Landes, weil er sie nicht zu ersetzen ver - stand, in absehbarer Zeit erschöpfen mußte. Die immer erneuten Steuerforderungen erregten mehrfache Unruhen der betroffenen Bevölkerung; das künstliche Zoll - und Abgabensystem schraubte die Lebensmittelpreise zu unerträglicher Höhe; der staatliche Ge - treidehandel wirkte lähmend auf den Privathandel und machte den Getreideanbau außerhalb der Domänen kaum mehr lohnend; die Monopolwirtschaft endlich hemmte völlig die Unternehmungskraft für eine Reihe wichtiger Geschäftszweige. Friedrich war keineswegs blind für die Schädigungen, er verfolgte sie mit Sorge und versuchte wiederholt, noch zuletzt in seinem Testament, durch Steuerreduk - tionen Erleichterungen zu gewähren. Er war sich vollkommen klar darüber, daß die sichere und wohlhabende Lage der Untertanen den Ruhm der Könige begründe . Aber der furchtbare Existenz - kampf, der das ganze letzte Drittel seiner kaiserlichen Regierung erfüllte, trieb ihn wider Willen in der verhängnisvollen Richtung vorwärts, die auf die Dauer zum Niedergang führen mußte. Trotzdem ist gerade dieses Finanzsystem, das ja in der Tat eine grandiose Leistung darstellte und in Friedenszeiten bei maßvollerer Anwendung wohl auch bessere Wirkungen erzielt haben würde, von den Zeit - genossen mehr als alles andre bewundert und nicht nur in den kleinen italienischen Stadtstaaten und in Aragonien, sondern auch227§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).im fernen Deutschordenslande weitgehend nachgeahmt worden. Im sizilischen Reiche aber hat Friedrichs Verfassungswerk den Sturz der staufischen Herrschaft auf Jahrhunderte ohne wesentliche Ände - rung überdauert.

Nicht minder bedeutsame, aber völlig entgegengesetzte Wand - lungen vollzogen sich zu derselben Zeit in dem Verfassungsleben Deutschlands. Die Steigerung der Regierungsgewalt kam hier nicht mehr der Krone, sondern dem Territorialfürstentum zugute, dessen Förderung durch die universale Politik des Kaisers bedingt war. Wer wie der junge König Heinrich die Dinge unter dem deutschen Gesichtswinkel betrachtete, mußte diese Politik für verkehrt und eine Eindämmung der Fürstenmacht im Interesse der Krone für dringend geboten halten. Seit dem Bruche mit Ludwig von Bayern, der einige Jahre später auf unaufgeklärte Weise ermordet wurde (1231)1)Über den unbegründeten, aber 1245 auch vom Papsttum genährten Verdacht, der sich auf den Kaiser als Urheber lenkte, vergl. zuletzt Winkel - mann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 17., fehlten fürstliche Stimmen im königlichen Rate fast ganz. Heinrich, im Kreise der ritterlichen Reichsdienstmannen aufge - wachsen, begann unter ihrem Einflusse der fürstenfreundlichen Politik seines Vaters entgegenzuarbeiten, freilich ohne Nachdruck und Folgerichtigkeit. Denn als er die Abwesenheit der mächtig - sten Fürsten, die den Frieden von Ceperano vermittelten, benutzte, um gegen sie an den Städten eine Stütze zu gewinnen, reizte er nur seine Gegner, die gerade jetzt, im erhöhten Bewußtsein der kaiserlichen Gunst rückkehrend, mit geschlossener Kraft dem jungen Könige ihren Willen aufzwangen (Wormser Privileg Heinrichs vom 1. Mai 1231). Wollte Friedrich dann nicht seine gesamte Politik verleugnen und mit dem deutschen Fürstentum brechen, so mußte er schon die Zugeständnisse des Sohnes wenn auch mit einigen für die Krone vorteilhaften Änderungen in allem Wesent - lichen bestätigen. Er tat es auf dem Hoftage von Cividale in Friaul im Mai 12322)Vergl. M. G. Const. II, 211 ff..

Kein Chronist hat des Vorgangs gedacht, gleichwohl war er für die deutsche Verfassungsgeschichte von epochemachender Be - deutung, denn er drückte das Siegel auf die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die den politischen Schwerpunkt des Reiches verschoben hatte aus der Monarchie in die Fürstenaristokratie.

Hatte die Krone schon 1220 den größten Teil ihrer Hoheitsrechte aus den geistlichen Territorien zurückgezogen, so dehnte sich diese Bewegung jetzt auch auf die weltlichen Fürstentümer aus. Münz - und Geleitrecht eines jeden Fürsten in seinem Gebiete wurden vom Reiche als allein gültig anerkannt. 15*228II. Die Zeit der Staufer.Das wichtigste Moment in dem Verselbständigungsprozesse dieser werdenden Territorialstaaten war der Ausschluß aller fremden, insbesondere der könig - lichen Gerichtsbarkeit. Indem die Krone sich auch auf diesem Gebiete zurückzog und die Vorsteher der Niedergerichte, auch wo sie bis dahin noch von den Gaugrafen abgehangen und im Namen des Königs nach Landrecht gewaltet hatten, den Fürsten zur Beleihung überwies, eben diese Niedergerichte auch vor Usurpationen von unten her sicherte1)Diese Wirkungskraft der betreffenden Paragraphen kann man, wie mir scheint, A. Heusler, Deutsche Verfassungsgesch. S. 171 ff. zugestehen, ohne den Hauptzweck der Loslösung nach oben hin zu bezweifeln., die Ritterbürtigen des Territoriums aber dem fürstlichen Gerichte unmittelbar unterstellte, ging sie über die früheren Zugeständnisse erheblich hinaus, und die Sprache des Privilegs brachte die Bedeutung dieser neuen Entäußerung zu unwillkürlichem Ausdruck, indem sie eben in diesem Zusammenhang zuerst den Begriff der Landes - herrschaft prägte. Freilich wie diese Landesherrschaften künftighin das Reich zersetzten, so begannen mit dem Augenblick ihres Entstehens ähnliche Tendenzen in ihrem eigenen Innern, die auf einen Anteil der Territorial - stände an der Regierung hinwiesen2)Das von Heinrich (VII. ) verkündete Reichsweistum vom 1. Mai 1231 knüpft allgemeine Verfügungen und neue Rechtsfestsetzungen (Steuern) in den Territorien an die Zustimmung der höheren Stände..

Das große Privileg Friedrichs II. war der Abschluß einer langen Entwicklung, aber zugleich der Anfang einer neuen. Denn weder begnügten sich auf die Dauer die Fürsten mit dieser Ab - schlagszahlung, noch waren die kleineren Territorialherren geneigt, sich ähnlicher Vorrechte entsagungsvoll zu bescheiden. Die Ge - staltung der deutschen Geschicke in der Folgezeit hat dieser Ent - wicklung kräftigen Vorschub geleistet, bis endlich mit der goldenen Bulle zunächst von einem engeren, dann immer ausgedehnteren Kreis von Fürsten eine weitere Stufe der Verselbständigung er - klommen wurde.

Daß die Zukunft Deutschlands diesen Sondermächten gehörte, war freilich schon 1232 entschieden. Schon damals erschienen mehr fast, als das Königtum, die emporblühenden Reichsstädte als die Hauptgegner solcher Territorialentwicklung. Heinrich (VII. ) hatte die schwächlichen Ansätze einer bürgerfreundlichen kape - tingischen Politik auch nach dieser Richtung mit den demütigend - sten Zugeständnissen an das Fürsteninteresse büßen müssen. So geben die städtefeindlichen Verfügungen auch dem bestätigenden Privileg Friedrichs II. fast noch mehr als die auf die unmittelbare Hebung des Fürstentums gerichteten Bestimmungen den Charakter. Da die Städte damals der vorwärtsdrängende Teil waren, der in jugendlichem Kraftgefühl sich manche rechtlosen Übergriffe erlaubte, so zeigten diese Verfügungen einen stark konservativen Zug.

Eine größere Gruppe von ihnen suchte die Ausdehnung des städtischen Besitzes, Gerichts - und Machtkreises auf die ländliche Umgebung zu hemmen229§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).und die befreienden Wirkungen der städtischen Anziehungskraft auf die Ab - hängigen der benachbarten Landesherren aufzuheben. Andre wollten die Territorien und ihre städtischen Verkehrsmittelpunkte schützen vor den ver - derblichen wirtschaftlichen Folgen einer in der Nähe neu erwachsenden reichs - städtischen Konkurrenz und nahmen das alte königliche Straßenregal zur Auf - rechterhaltung der Verkehrsfreiheit und Abstellung von Markt - und Straßen - zwang in Anspruch.

Auch sonst leistete ja die damalige Reichsregierung oft genug der fürstlichen Interessenpolitik gegen die Städte Vorspanndienste, so schon 1226 durch die Aufhebung eines ersten rheinischen Städtebundes, der 1231 ein allgemeines Verbot von Städtebünd - nissen folgte. So kam man auch den bischöflichen Stadtherren gegen die Selbständigkeitsgelüste ihrer eignen Städte zu Hilfe, indem man (1231) alle autonomen Regungen, mochten sie in der Ein - setzung eines Stadtrates, in den Einungen der Handwerker oder in andern genossenschaftlichen Bildungen der Bürger zu Tage treten, von Reichswegen untersagte. In dieselbe Richtung wies eine Fülle von Einzelmaßnahmen.

Gleichwohl darf man in dem allen nicht ein grundsätzliches Widerstreben gegen die neue städtische Entwicklung erblicken, weder bei Heinrich (VII. ), der ja oft genug entgegengesetzte Wünsche zu erkennen gab, noch bei Friedrich II., der schon als Italiener die wirtschaftliche Bedeutung der Städte richtig einzuschätzen wußte. Überall da, wo keine fürstlichen Interessen entgegenstanden, hat er es an Begünstigung der königlichen Städte durch Gewährung einer gewissen Selbstverwaltung, Verkehrserleichterungen, Meß - privilegien, Straßenfürsorge und Mauernbau nicht fehlen lassen. Und auch die Wirkungskraft jener feindlichen Bestimmungen werden wir uns schwerlich allzu groß vorzustellen haben, wie schon die ständigen späteren Wiederholungen anzeigen. Die Bedeutung der Reichsstädte blieb gleichwohl in beständigem Wachsen, und ihr natürliches Interesse trieb sie in den großen Kämpfen der vierziger Jahre trotz allem, was geschehen war, unbedingt aufdie staufische Seite.

Die eigenwillige Politik Heinrichs, die schließlich doch nur zu einer weiteren Schwächung der Königsgewalt führte, hatte eine starke Mißstimmung des Kaisers gegen ihn erzeugt. Auf einer persönlichen Zusammenkunft in Aquileia (1232) ward noch einmal durch völlige Unterwerfung des Königs unter den Willen des Vaters eine Aussöhnung erzielt, doch nur unter demütigenden Be - dingungen legte der mißtrauisch gewordene Kaiser die Regierung Deutschlands aufs neue in die Hände des Sohnes. Heinrich ver - sprach eidlich Gehorsam und Begünstigung der Fürsten, die andern - falls ihres Treueides entbunden und gegen ihn, der dann ohne weiteres der Exkommunikation verfallen sollte, verpflichtet wurden.

230II. Die Zeit der Staufer.

Diese Fesselung wirkte auf den reizbaren, unruhigen Geist des jungen Königs nicht anders wie einst der Vasalleneid auf Heinrich V. Der Druck dieses Fürstenregiments und der berichtigenden Ein - griffe des Vaters wurde ihm immer unerträglicher und trieb ihn der Empörung zu. 1)Eine ausreichende neuere Darstellung der Empörung Heinrichs fehlt. Vergl. Rohden, Forsch. z. deutsch. Gesch. 22.Es scheint, daß neben einigen Ministerialen ins - besondere die aufstrebenden gräflichen und freiherrlichen Dynasten des deutschen Südwestens, die aus der Spaltung zwischen König - tum und Fürstentum Vorteil zu ziehen suchten, Heinrich ungünstig beeinflußten. 2)Vergl. Redlich, Rud. v. Habsb. S. 48 gegen Nitzsch, der den vor - wärtstreibenden Einfluß allein bei den Ministerialen suchte.

Die religiöse Aufregung, die eben damals Deutschland ergriffen hatte, war nicht geeignet, beruhigend zu wirken; sie sollte überdies noch den Konfliktstoff zwischen dem königlichen und kaiserlichen Regiment vermehren. Man begann in Deutschland die Wirkung der neuen Bettelorden zu spüren. Seit dem Anfang der zwanziger Jahre mehrten sich dort die Niederlassungen der Minoriten er - staunlich schnell. Das Bild des Stifters erstrahlte nach seinem Tode (1226) und seiner Kanonisation (1228) nur in umso leuchten - derem Glanze. Auch viele, die seinem Orden nicht beitreten konnten, erfüllte es mit den Idealen der Armut, Selbstaufopferung und einer persönlich gefärbten Religion. Aber daneben machte sich auch der starrere glaubenseifrige Geist der Dominikaner geltend, denen Papst Gregor IX. 1233 die Aufgabe der Inquisition über - trug, in der sie sich bereits hervorragend betätigt hatten. Typische Vertreter beider Richtungen in ihren Extremen und doch in ihrem Schicksal auf das engste miteinander verbunden sind die Landgräfin Elisabeth von Thüringen und ihr Beichtvater Magister Konrad von Marburg. 3)Von den Quellen sind nur die protokollierten Aussagen von Elisa - beths Dienerinnen, der Libellus de dictis quattuor ancillarum (Mencken, Script. rer. Germ II) und der Bericht Konrads von Marburg an Gregor IX. von Ende 1232 (Hess. Urkundenb. I. 31 ff. ) glaubwürdig, wenn auch tendenziös. Alles andre ist legendarisch. Aus der überreichen neueren Literatur seien hier nur zur ersten Einführung die Aufsätze von K. Wenck (Hist. Ztschr. 69 und in dem Prachtwerke Die Wartburg 1907) über Elisabeth und von Winkelmann (Deutsche Rundschau 28) über Konrad hervorgehoben.Elisabeth, das ungarische Königskind, weich und ein - drucksfähig, tief ergriffen von dem Armutsideal der Franziskaner und nach dem Tode des Gemahls (1227) auch als Tertiarierin dem Minoritenorden angegliedert, endlich bis zu völliger Selbstentäußerung gelenkt von dem Magister Konrad und in maßlos gesteigerten as - ketischen Übungen und Liebeswerken rasch ihre jungen Kräfte231§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).verzehrend, schon im Tode (1231) vom reliquiensüchtigen Volke als Heilige nahezu in Stücke zerrissen, bald genug (1235) von der Kirche kanonisiert. Neben ihr der Dominikaner Konrad wie ein Martergemälde aus der spanischen Gegenreformation neben einem kölnischen Madonnenbilde, hart und eng, finster und fanatisch. Er vor allem war es, dem Deutschland bald nach dem Tode Elisabeths die erste große und allgemeine Ketzerverfolgung ver - dankte. Fanatismus und Aberwitz, Blutgier und Eigennutz feierten einige Jahre hindurch in deutschen Landen wüste Orgien, während sich etwa gleichzeitig in Italien die religiöse Spannung der Gemüter in der Andachtbewegung des großen Hallelujah auslöste (1233) und auch dort einen Dominikaner, Johann von Vicenza1)Vergl. über ihn das anziehende Büchlein von Sutter (1891)., in den Mittelpunkt der Bewegung führte, der kurze Zeit in der Mark Treviso eine eigenartige, Savonarolas Rolle vorwegnehmende geist - lich-weltliche Herrscherstellung behauptete.

Kurz vor seinem Sturze (Sept. 1233) war auch in Deutsch - land der Dominikaner Konrad von Marburg dem aufgesummten Hasse seiner Gegner auf offener Straße zum Opfer gefallen (Juli 1233), und die Hochflut der Bewegung damit überschritten. Noch freilich hatten die Stedinger Bauern an der Unterweser die Ketzerei ihrer Zehntverweigerung an den Erzbischof von Bremen nach tapferer Gegenwehr mit ihrer Vernichtung zu büßen (1234). Aber die Ausschreitungen des ketzerrichterlichen Treibens hatten damals bereits in den maßgebenden Kreisen Deutschlands einen tiefen Widerwillen erzeugt, der bei den Bischöfen durch den übel ver - merkten Einbruch der Bettelorden in ihre kirchliche Gerichtsbarkeit noch verstärkt wurde. König Heinrich machte sich zum Organ der allgemeinen Wünsche, als er im Februar 1234 auf dem Frankfurter Hoftage in Übereinstimmung mit den Fürsten den jede staatliche Ord - nung über den Haufen werfenden Kreuzpredigten und Heerfahrten gegen angebliche Ketzer durch Verkündigung eines allgemeinen Land - friedens ein Ziel setzte und die Anklagen wegen Ketzerei wieder einem billigen Urteil der ordentlichen weltlichen Gerichte überwies.

So berechtigt und wohltuend uns aber auch dies Vorgehen erscheinen mag, es stimmte schlecht überein mit der damaligen Politik des Kaisers, der eben 1232 das Krönungsgesetz gegen die Ketzer, wesentlich verschärft und jetzt auf das gesamte Reich als Geltungskreis ausgedehnt, erneuert hatte und auf ein einmütiges Zu - sammenwirken mit der Kurie, namenslich soweit es ihm politisch nichts kostete, das allergrößte Gewicht legte, wie er sich auch durch eifrige Bekämpfung der rebellischen Römer den Papst verpflichtete. 232II. Die Zeit der Staufer.Der damaligen Machtstellung Friedrichs gegenüber erscheint die Auf - flehnung seines Sohnes, wenn wir auch ihre Ursachen begreifen, doch nur als ein knabenhafter Trotz. Eigenwillig und unstät, ausschweifend in seiner Lebensführung, vorwärtshastend und zurückweichend ohne Zielsicherheit, Überlegung, Rechtsgrundlage und Abschätzungsver - mögen, erweckt der übelberatene Jüngling mehr Bedauern als Anteil. In Spannung mit den stärksten Mächten des damaligen Deutschland, Fürstentum und Kirche, vorwärtsgetrieben von den kleinen Dynasten Südwestdeutschlands, sonst nur von einigen Bischöfen, Städten und Mini - sterialen unterstützt, wagte er die Empörung gegen den eben damals dem Gipfel seiner Machtstellung zustrebenden kaiserlichen Vater und brach alle Brücken der Versöhnung ab, als er nicht nur in Frank - reich Hilfe suchte, sondern auch mit dem reichsfeindlichen Lom - bardenbunde eine verräterische Verbindung knüpfte (Dez. 1234). Er mochte seine Hoffnung auf eine Sperrung der Alpenpässe für die kaiserlichen Truppen richten.

Indes Friedrich bedurfte keines Heeres, er kam allein (1235). Alles war vorbereitet, er brauchte nur das Netz zuzuziehen. In kurzem sah sich der leichtfertige Empörer von seinen Feinden ver - lassen, von allen Hilfsmitteln entblößt und zur Unterwerfung ge - zwungen. Seiner harrten apulische Kerkermauern zu frühem Tode ( 1242). Dem Vater ist dies Vorgehen sicher nicht leicht ge - worden, aber dem Politiker blieb keine Wahl. Um die Aussichten seiner Dynastie, deren Fortführung nun auf zwei Augen stand, zu mehren, schloß er kurz darauf unter rauschenden Festlichkeiten eine neue Ehe mit der englischen Prinzessin Isabella. Vielleicht hatte der Kaiser, als er eben diese Verbindung ins Auge faßte, damit den Zweck verfolgt, ein Hineinspielen der alten englisch-welfischen Gegnerschaft in die Empörung seines Sohnes hintanzuhalten. Die Verwandlung der welfischen Hausbesitzungen Braunschweig-Lüne - burg in ein reichslehnbares Herzogtum diente derselben Aufgabe der Versöhnung. Der glanzvolle Mainzer Hoftag von 1235, auf dem sie erfolgte, ward aber auch sonst bedeutungsvoll für Deutschland.

Die mühelose Bewältigung des Aufstandes und das ungemein fördernde Zusammenwirken mit der Kurie, die vielleicht nicht ganz ohne Hintergedanken1)Wenn es richtig ist, daß der Papst sogleich in Mainz gegen eine Königswahl Konrads zu arbeiten begann, so hoffte er mit Heinrichs Königtum vielleicht die Fortdauer der staufischen Dynastie auf dem deutschen Throne überhaupt zu beseitigen. eifrig zu der Vernichtung Hein - richs mitgeholfen hatte, steigerten gewaltig das kaiserliche Ansehen und erleichterten dadurch die Maßnahmen zur Herstellung der durch die Wirren der letzten Jahre bedenklich gestörten Ordnung.

233§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).

Der große Mainzer Landfriede von 1235, in dem sie ihren Ausdruck fanden, ragt an Bedeutung über alle ähnlichen früheren oder späteren deutschen Reichsordnungen des Mittelalters empor. Schon in der Form, denn er war das erste in deutscher Sprache ausgefertigte und verkündigte Reichsgesetz. 1)K. Zeumer hat nachgewiesen, daß die lateinische Bearbeitung erst auf Grund des deutschen Textes und nicht ohne sachliche Mißverständnisse erfolgte. Er hat auch den verlorenen deutschen Urtext aus Ableitungen wiederhergestellt. Vgl. Neues Archiv 28; Ztschr. f. Rechtsgesch., germ. Abt., 23. Der Text auch in Zeumers Quellensamml. z. Gesch. d. deutsch. Reichsverf. 1904, der zu der Ausgabe M. G. Const. II, 241 ff. zu vergleichen ist.Mehr noch durch seinen umfassenden Inhalt, der, frühere Satzungen wiederholend, aber auch neue hinzufügend, Strafrecht und Strafvollzug entscheidend weiterbildete, die regelmäßige Gerichtstätigkeit zu beleben, künftigen Friedensbrüchen vorzubeugen, den Verkehr zu sichern und die durch die großen Fürstenprivilegien zwar in ihrer Ausübung beschränkten, aber keineswegs preisgegebenen Zoll -, Münz - und Geleitsregalien des Reiches vor Usurpationen zu schützen suchte. Spätere Zeiten haben diese Bestimmungen oftmals wiederholt und zur Grundlage aller Weiter - bildungen genommen. Bedeutsam waren endlich die Spuren eines Herüberwirkens sizilischer Einrichtungen und Rechtsvorstellungen, die hier mehr oder weniger deutlich zu Tage traten, am unverkenn - barsten in der Einsetzung eines Reichshofrichters, eines auf Zeit und nach Amtsrecht angestellten freien Mannes zur ständigen Ver - tretung des Königs im Hofgericht, und in dem Wert, der durch die Zuweisung eines besonderen Notars mit genau bestimmten Funktionen auf geregelten schriftlichen Geschäftsgang und eine Sammlung von Präzedenzfällen kaiserlicher Hofgerichtsprüche gelegt wurde.

Hier wie in anderen Fällen handelte es sich nicht um eine gewaltsame Aufpfropfung fremden Rechts, sondern um durchaus nützliche Einwirkungen der vorgeschrittenen sizilischen Verfassung, die freilich nur bei sorgfältiger Pflege fruchtbringend für Deutsch - land geworden wären. Vielleicht ist damals nach dieser Richtung hin mehr geschehen, als der zufällige Bestand unserer Quellen er - kennen läßt. Wenigstens auf das Steuerwesen scheinen sich ähn - liche fördernde Einwirkungen erstreckt zu haben. Der glückliche Fund eines Eingangsverzeichnisses von Steuern königlicher Städte aus dem Jahre 1241 hat uns eine einheitliche Zentralverwaltung in der königlichen Kammer und eine beträchtliche Höhe der regel - mäßigen Abgaben, zu denen unter Umständen noch außerordent - liche Umlagen hinzutreten konnten, gezeigt, wie man sie früher nicht vermutete. 2)Vgl. Schwalm, Neues Arch. 23; dazu Zeumer, Hist. Zeitschr. 81, Schulte, Ztschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. 13.

234II. Die Zeit der Staufer.

Auch sonst war dieser letzte Aufenthalt Friedrichs in Deutsch - land (1235 37, unterbrochen durch die italienische Heerfahrt von August bis Dezember 1236) reich an bedeutungsvollen Ansätzen zu einer Stärkung der Kronmacht. Das königliche Gut war wieder im Wachsen; so suchte etwa der Kaiser die nördlichen Vorlande des neueröffneten Gotthardpasses dem Reiche zu sichern, so kaufte er mit sizilischem Gelde dem Böhmenkönige als dem Schwieger - sohne seines Oheims Philipp, seine Ansprüche auf umfangreiche staufische Hausgüter in Schwaben ab. Nichts zeigt besser die ein - getretene Machtsteigerung, als daß es jetzt ohne erheblichere Schwierigkeiten gelang, die Fürsten für die Nachfolge seines erst neunjährigen Sohnes Konrad IV. im Kaisertum zu verpflichten (1237). Denn das bedeutete seine Wahl zum römischen König und künftigen Kaiser ; indem er so unmittelbar als der Erbe des Imperiums erschien, ohne daß eine Königskrönung in Deutschland je an ihm vollzogen worden wäre, wurden in gewissem Sinne die großen Gedanken Heinrichs VI. wieder aufgenommen, zugleich aber einem deutschen Regimente Konrads jede Eigenständigkeit neben dem kaiserlichen von vornherein entzogen, einer Wiederholung der Schicksale Heinrichs (VII. ) klug vorgebeugt. 1)Vgl. Krammer (s. S. 131).Und schon machte Friedrich im deutschen Südosten den kühnen, an Bedeutung weit über die Meißener Bestrebungen Heinrichs VI. hinausgehenden Versuch, dem Reiche in Österreich und Steiermark ein unmittel - bares Herrschaftsgebiet zu gewinnen. Der letzte Babenberger, Herzog Friedrich II. der Streitbare, ein jugendlich ungestümer und ausschweifender Fürst, war dort durch den auf Grund des Barba - rossaprivilegs hastig betriebenen Ausbau seiner Landeshoheit und durch eine Fülle persönlicher Motive in einen Konflikt mit Kaiser und Reich geraten, der mit der Erhebung Heinrichs kaum äußer - liche Berührungspunkte hatte (1236 / 37). 2)Vgl. die Biographie von A. Ficker (1884), Juritsch, Gesch. der Baben - berger (1894), für Einzelheiten auch die Untersuchungen von Thiel (1905). Eine Verbindung des Herzogs mit König Heinrich ist nicht anzunehmen.Das Vorgehen des Kaisers gegen ihn in steter Fühlung mit der übrigen Fürstenschaft, die wiederholten, mit Trotz beantworteten Ladungen, die Acht - erklärung, die Übertragung der Exekution zunächst an die fürst - lichen Gegner Österreichs, endlich das persönliche Eingreifen Fried - richs, der allgemeine Abfall vom Herzog, die Erhebung von Wien zur reichsunmittelbaren Stadt, das alles gemahnt lebhaft an die Er - eignisse, die zum Sturze Heinrichs des Löwen führten. Friedrich wollte jetzt mehr, als damals sein Ahnherr; er gedachte, dem be - stehenden Gewohnheitsrecht zuwider, die beiden Herzogtümer235§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).dauernd in die unmittelbare Verwaltung des Reiches zu nehmen. Aber während Barbarossa seine ganze Kraft freilich einem un - gleich mächtigeren Fürsten gegenüber auf das beschränktere Ziel vereinigt und es dadurch voll erreicht hatte, glaubte sein Enkel den weitergehenden Plan nebenbei durchführen zu können und verscherzte sich so den dauernden Erfolg. Der Herzog behauptete sich in einem Teil des Landes, und die Kämpfe nahmen kein Ende. Immerhin war hier dem deutschen Königtum eine zukunft - reiche Bahn gewiesen, die Friedrich selbst später noch weiter ver - folgt hat, die aber erst Rudolf von Habsburg bis zu dem welt - geschichtlichen Ziele durchmessen sollte.

Wenn Friedrich sich damals der von ihm gewiß richtig ein - geschätzten Aufgabe gleichwohl ohne nachhaltige Kraft widmete, so erklärt sich das aus den ungleich größeren Kämpfen, in die er gleichzeitig verwickelt war. Denn das Eingehen der Lombarden auf die hochverräterischen Pläne König Heinrichs hatte auch in Oberitalien eine neue Lage geschaffen und dem Kaiser die lang - ersehnte Möglichkeit zum offnen Kriege gegen den Bund geboten.

Nach dem Frieden von Ceperano hatten sich (1231 / 32) die Vorgänge von 1226 in nahezu getreuer Wiederholung noch einmal abgespielt1)Über die Entwicklung der lombardischen Frage vgl. Köhler, Das Ver - hältnis Kaiser F. II. z. d. Päpsten seiner Zeit, 1888.: Berufung eines Reichstages zur Herstellung der kaiser - lichen Rechte, Erneuerung des Lombardenbundes, Sperrung der Alpenpässe, Verkündigung der Reichsacht und Annahme der päpst - lichen Vermittlung. Auch jetzt war Friedrichs militärische Lage durch die Fernhaltung des deutschen Zuzugs und die Unzuverlässig - keit König Heinrichs durchaus unzureichend. Sie besserte sich erst durch den Anschluß Veronas unter seinem Machthaber Ezzelin III. von Romano (1232), der dem Kaiser die Brennerstraße sicherte, aber freilich im folgenden Jahre vorübergehend durch das bundes - freundliche Regiment Johanns von Vicenza abgelöst wurde. So ließ Friedrich sich den päpstlichen Spruch, der ihm für die neuen Be - leidigungen keine Genugtuung gewährte, gefallen (1233) und über - trug dem Papste sogar gemeinsam mit den Lombarden die Aufgabe, in den grundsätzlichen Rechtstreitigkeiten einen Ausgleich zu ver - mitteln (1234). Dadurch nicht zum wenigsten hielt er die Kurie bei seinem Vorgehen gegen den abtrünnigen Sohn noch auf seiner Seite. Dann brachte der Anschluß der Lombarden an König Heinrich (Ende 1234) in die Entwicklung ein ganz neues Moment, das von Friedrich gewiß als eine Erlösung aus unbehaglicher Lage begrüßt wurde. Dieser erneute Friedensbruch machte das Aus -236II. Die Zeit der Staufer.gleichsmandat des Papstes hinfällig und riß die deutschen Fürsten auf dem großen Mainzer Hoftage (1235) fort zu dem einmütigen Beschlusse des Reichskrieges gegen die Lombarden. Mit der Er - hebung der Gebeine seiner Verwandten, der heiligen Elisabeth und ihrer feierlichen Beisetzung in Marburg gab der Kaiser dem be - ginnenden Feldzuge des Jahres 1236 gleichsam die religiöse Weihe.

Die Kurie geriet durch diese Vorgänge in eine überaus miß - liche Lage. Die Macht des Kaisers mehr als sein Recht mahnte Gregor noch von einer offnen Unterstützung der Reichsrebellen ab, aber mußte sie nicht nach Niederwerfung dieses letzten Wider - standes zu einer alle Freiheit und zuerst die des Papsttums er - drückenden Allmacht anschwellen? So begannen heimliche Gegen - wirkungen der Kurie. Kaum noch verborgen zu haltende Förderungen der Lombarden und lange Beschwerdelisten gegen den Kaiser, die alles andre vorbrachten, nur nicht den eigentlichen Konfliktsgrund, wechselten mit erneuten vergeblichen Ausgleichsversuchen. An der Weigerung des Kaisers, den Konstanzer Frieden jetzt noch als Rechtsgrundlage anzuerkennen, scheiterten alle Bemühungen.

Die Entscheidung stand bei den Waffen. Und da bot nun der glänzende Sieg Friedrichs über die Bundestruppen bei Corte - nuova (s. o. v. Bergamo) plötzlich die Möglichkeit einer Lösung ganz nach den Wünschen des Kaisers (27. Nov. 1237). In den Friedensverhandlungen, welche die Mailänder unter dem Eindruck der furchtbaren Niederlage eröffneten, hätte der Sieger alles er - langen können, was Ehre und Nutzen des Reiches erforderten, noch über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Es ist Friedrichs Verhängnis geworden, daß er im Glücke nicht die kluge Mäßigung zu üben verstand, die seinem Ahnherrn nach dem Unglück von Legnano so schöne Erfolge eingetragen hatte, daß viel eher die Erinnerung an die Gewaltpolitik von 1162 vor seinem Geiste schwebte. Den Rebellen gegenüber war überdies sein poli - tisches Augenmaß durch persönliche Gereiztheit getrübt; wie er es von seinem Sohne getan, verlangte er auch von ihnen, ganz wie Barbarossa, bedingungslose Unterwerfung auf Gnade oder Ungnade. Zu dieser äußersten Demütigung wollten sich die Mailänder und ihre Verbündeten nicht verstehen. Der Krieg nahm seinen Fortgang. Es war der kritische Moment in Friedrichs Leben. Anstatt einen ehrenvollen und nutzbringenden Frieden in der Lombardei anzunehmen, der ihm verstattet hätte, sich mit ungeteilter Kraft seinem versteckten Hauptfeinde, der dann völlig isolierten römischen Kurie, gegenüber aufzustellen, setzte er um einer formalen Befriedigung seines Stolzes willen, die sachlich kaum eine Änderung bedingt hätte, alles aufs Spiel und beschwor die endlosen Kämpfe herauf, die schließlich237§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230 1239).dem deutschen Kaisertum wie dem staufischen Hause den Unter - gang bringen sollten.

Aber es scheint auch sonst, daß der blendende Erfolg den Kaiser über die bisher innegehaltenen Linien seiner Politik hinaus - führte und Stimmungen auslöste, die an Reinald von Dassel ge - mahnen. Wie immer deutlicher Tendenzen hervortraten, durch Übertragung des sizilischen Beamtenregiments die Selbstverwaltung der reichsitalischen Städte zu verdrängen, so ließ Friedrich jetzt im Vollgefühl seiner Machtstellung auch der römischen Kurie gegen - über alle gebotene Rücksicht fahren, reizte sie durch die höhnische Übersendung des erbeuteten Mailänder Fahnenwagens an die Römer und schreckte sie durch die Ankündigung, Rom zur Hauptstadt seines Reiches machen zu wollen und so erst in Wahrheit Kaiser der Römer zu werden. Er wird durch solche unpolitischen, im - pulsiven Äußerungen nichts anderes erreicht haben, als daß er in dem Ringen der Parteien, das in den letzten Jahren das Kardinals - kollegium zerrissen hatte, der reichsfeindlichen Kampfpartei end - gültig die Herrschaft sicherte.

Noch wagte man unter dem Eindruck des kaiserlichen Sieges nicht offen hervorzutreten, aber der erste Mißerfolg Friedrichs, der sich nun an die schwierige Unterwerfung der einzelnen Städte her - angemacht hatte, die vergebliche Belagerung von Brescia im Som - mer 1238 gab Gregor IX. das ersehnte Signal zum offnen Bruche. Noch nahmen die gereizten Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser kurze Zeit ihren Fortgang, galt es doch für die Kurie den rein politischen Charakter des Konflikts zu verschleiern und ihn vor den Augen der Welt mit kirchlichen Beschwerden, insbe - sondere Bedrückungen des sizilischen Klerus zu begründen. Eben im Herbst 1238 gab Friedrich dem Papste überdies durch eine unnötige Rücksichtslosigkeit neuen Stoff zur Anklage, indem er seinen natürlichen Sohn Enzio mit der Erbin eines Teils von Sar - dinien vermählte und ihn künftig als König der Insel bezeichnete, obwohl die Kurie, welche die Oberhoheit über Sardinien bean - spruchte, gegen die Eheschließung protestierte.

Alles das aber hätte natürlich nicht genügt, um einen neuen Weltbrand zu entzünden. Die zahlreichen Beschwerdepunkte, deren Beantwortung durch den Kaiser der Papst gar keiner Beachtung würdigte, waren durchaus nur Vorwände. Die große Lebensfrage für das politische Papsttum war, ob es dem Kaiser gelingen würde, den letzten namhaften Widerstand, der sich in Italien seinem Herrscherwillen entgegenstemmte, niederzuwerfen und so den lasten - den Druck der väterlichen Machtstellung auch der Kirche gegen - über zu erneuern. Daß der greise Gregor mit der klaren Erkennt -238II. Die Zeit der Staufer.nis dieser Gefahr noch die Entschlußkraft zur Eröffnung eines solchen Riesenkampfes fand, entbehrt nicht der historischen Größe. Am Palmsonntag den 20. März 1239 schleuderte er gegen Fried - rich zum zweiten Male den Bannstrahl. An demselben Tage starb Hermann von Salza, der treueste Vermittler zwischen Kaiserhof und Kurie. Die Zeit der Versöhnung war vorbei!

§ 18. Der Entscheidungskampf zwischen Kaisertum und Papsttum (1239 1250).

Der politische Gegensatz, das Ringen um Italien, hatte den Bruch unvermeidlich gemacht und schloß auch künftig die Versöhnung aus. Wenn die Tendenz auf Zentralisation und Absolutismus auch für Reichsitalien seit den lombardischen Erfolgen nur erst in ver - einzelten Maßnahmen hervorgetreten war, so vollzog Friedrich jetzt seit dem Beginn des großen Kampfes bewußt und schroff jene völlige Umgestaltung der italischen Reichsverwaltung, die sich an Bedeutung wohl der Organisation des sizilischen Staates an die Seite stellen darf. 1)Grundlegend Ficker, Forsch. z. Reichs - u. Rechtsg. It. II, 492 ff. Vergl. auch Neues Arch. 31, 721 ff.

Es war eine gewaltsame Übertragung des absolutistischen Beamtenregi - ments, wie es in Sizilien mit einer gewissen Notwendigkeit erwachsen war und sich bewährt hatte, auf die so vielfach andersgearteten Verhältnisse Reichs - italiens. Nun ward auch hier das einzig ausschlaggebende politische Moment der unumschränkte Herrscherwille des Kaisers, an dessen Hofe große und kleine Entscheidungen fielen, Gericht und Kanzlei zugleich für Sizilien und das Reich arbeiteten. Nur noch die Generallegatschaft König Enzios war ein Sonderamt Italiens, aber nicht unter ihm, sondern unmittelbar unter dem Kaiser standen die zahlreichen, häufig wechselnden Generalvikare (General - kapitäne), deren Sprengel sich bald über die gesamte Halbinsel erstreckten, auch über die jetzt (1239 / 40) für das Reich zurückeroberte päpstliche Reku - perationen und sogar das Patrimonium Petri (seit 1240 / 41). Aber auch ihre Unterbeamten: die Vikare (Kapitäne) und städtischen Podestàs wurden vom Kaiser eingesetzt und waren ihm zum Gehorsam verpflichtet. Verwaltungs - kundige Sizilianer, für deren Treue der mißtrauische Herrscher an ihren Gütern und Angehörigen allein hinreichende Bürgschaft zu besitzen glaubte, traten in allen diesen Ämtern weitüberwiegend an die Stelle der Deutschen und Italiener. In dieser straffen Zentralisation blieb kein Raum mehr für die Rechte des Feudalismus oder auch nur die Selbständigkeit und Dauer der bisherigen Beamtenherzöge und - Markgrafen; ebensowenig freilich für die städtische Selbstverwaltung, und auch hier ging Friedrich II. über die ronca - lischen Bestrebungen Barbarossas und Reinolds von Dassel hinaus, indem er nicht einmal den treuergebenen Städten die freie Wahl ihres Podestà zugestand, deren Amtsführung allgemein reglementierte, immer neue Kriegssteuern forderte, in allen den Kaiser berührenden Angelegenheiten unbedingtesten Gehorsam239§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).heischte und im Notfall jedes entgegenstehende, auch das von ihm selbst ver - liehene Recht brach. Es war ein System, das auf Gewalt und Mißtrauen auf - gebaut war und eine geniale Leitung voraussetzte. Es mußte den heftigsten Widerstand aller selbständigeren Elemente wecken und oft genug selbst er - gebene Freunde in die Gegnerschaft treiben. Aber es war für Italien in langen Jahrhunderten die einzige große Gelegenheit, aus der leidenvollen und opferreichen Zerklüftung heraus zum straff organisierten, friedenverbürgenden, auch nach außen Geltung erzwingenden, nationalen Einheitsstaate zu gelangen. Und weit mehr noch, als in den roncalischen Beschlüssen, war hier Fortschritt mit Reaktion verknüpft. Denn allenthalben in den italienischen Städten war das Volk die blutigen Segnungen einer jahrzehntelangen Freiheit gründlich satt; gleichgültig, nur erfüllt von brennender Friedenssehnsucht, schaute es dem auf und abwogenden Kampfe der allmählich sich aufreibenden Adelsparteien zu; kaiserliche oder kirchliche Herrschaft galt ihm gleich, wenn sie nur die ewigen Störungen und Gefahren für den ruhigen Bürger beseitigte. So drängte die Entwicklung, wie im Altertum, aus der aristokratischen Selbstverwaltung zum demokratischen Cäsarismus und kam den Zielen Friedrichs mächtig ent - gegen. Und daß dieser in der Tat nicht etwas schlechthin Ungesundes und Undurchführbares erstrebte, wird durch nichts schlagender erwiesen, als durch die Fortentwicklung seiner Schöpfungen nach seinem Tode selbst unter den allerungünstigsten Verhältnissen. Aus der Wurzel der Generalvikariate, die sich teilweise auch da zu behaupten vermochten, erwuchsen Signorien1)Vergl. auch Salzer, Über die Anfänge der Signorie in Oberitalien (1900)., die die freie Selbstbestimmung der Bürger ganz ebenso ausschalteten, und nicht nur die letzten Staufer, sondern auch Karl von Anjou und die späteren deutschen Herrscher, die in Italien eingriffen, haben an die Reste von Friedrichs Verwaltungsorganisation als an die allein noch lebenskräftigen und entwicklungsfähigen Einrichtungen angeknüpft.

Nicht in dem System selbst also lagen die Ursachen des Miß - lingens, und für sich allein wären die Widerstandskräfte der italienischen Städte gewiß nicht zureichend gewesen. Wohl aber begreift sich aus diesen Bestrebungen die schlechthin notwendige Unversöhnlichkeit des politischen Papsttums, denn in diesem absolutistischen italienischen Einheitsstaate blieb für eine selbständige päpstliche Landesherrschaft auf die Dauer kein Raum; sie aber galt seit langem als die einzige Bürgschaft kirchlicher Entschlußfreiheit und war es damals wohl auch tatsächlich. Erst an dem Widerstande des Papsttums, das alle Gegner des Kaisers um sich scharte und seinem zentralistischen System eine ebenso straffe und noch viel weiter greifende Organi - sation entgegensetzte, sind Friedrichs Pläne gescheitert.

In dem nun ausbrechenden Kampfe war die Stellung des Kaisers, politisch-militärisch betrachtet, unzweifelhaft weit überlegen. Von der durch gesteigerte Zentralisation und gewaltsame Grenz - sperren nach außen dauernd gesicherten Grundlage seines sizilischen Königreichs, aus dem er immer neue Gelder für die Kriegführung erpreßte, ausgehend, in Mittelitalien zunächst übermächtig, suchte240II. Die Zeit der Staufer.er in Oberitalien möglichst die Verbindung mit der ergebenen Mark Treviso, namentlich über den Apenninpaß La Cisa1)Vgl. Schütte, D. Apenninenpaß des Monte Bardone (1901). und das wichtige Parma, zu wahren und die beiden feindlichen Haupt - herde: Lombardenbund und Romagna getrennt zu halten. Das getreue Verona Ezzelins sicherte ihm weiter die Verbindung mit Deutschland. Dort erzielten die eifrigen Bemühungen des geschäf - tigen päpstlichen Agitators Albert Beham, Archidiakons von Passau2)Sein Briefregister, hrsg. v. Höfler im Bibl. d. lit. Ver. 16 (1847) bildet für diese deutschen Vorgänge die wichtigste Quelle. zunächst doch nur im äußersten Südosten einige Erfolge; im übrigen waren die Fürsten schwer zu bewegen, ihre eben erst von Friedrich verliehene, überaus vorteilhafte Stellung durch die Empörung aufs Spiel zu setzen. Wenn trotz alledem im Felde die letzten Ent - scheidungen zugunsten des Kaisers ausblieben, so trugen die Un - berechenbarkeit des schwankenden Parteienspiels und die Unvoll - kommenheit der damaligen Kriegstechnik festen und verproviantierten Städten gegenüber daran nicht zum wenigsten Schuld.

An dem Enderfolg würde freilich nicht zu zweifeln gewesen sein, wäre der Papst eben nicht unendlich viel mehr gewesen, als ein einfacher politischer Gegner; er war das Haupt einer kirchlichen Gemeinschaft, welche die ganze abendländische Staatsgewalt um - spannte, als solches in der Lage, in alle Verhältnisse einzugreifen, sie von innenheraus zu erschüttern, immer neue Bundesgenossen und Geldmittel zu gewinnen, selbst aber vor äußersten Gewaltmaß - regeln doch einigermaßen gesichert, da ein Märtyrerruhm die päpst - liche Sache nur gestärkt hätte, und dem Rumpfe der Kirche statt eines abgeschlagenen Hauptes ja stets ein neues erwuchs. Diese ganze hoffnungslose Lage muß man stets klar im Auge behalten, will man die Politik unserer Kaiser seit der großen Kirchenreform und insbesondere die Friedrichs II. nicht ungerecht beurteilen. Da bei Festigkeit des Gegners ein völliger Sieg ausgeschlossen war, so ist Friedrich noch lange bestrebt gewesen, bald durch Druck, bald durch Zugeständnisse einen leidlichen Frieden von Papst oder Kardinälen zu erlangen, bis erst zu allerletzt in dem wilden Existenzkampfe dies Ziel dahinschwand. Bis dahin erscheint er, gewiß mehr aus kluger Würdigung der Lage denn aus haltloser Schwäche, stets als der nachgiebige, friedfertige, nur einen gewissen Kern politischer Forderungen zäh festhaltende Unterhändler.

Denn befand sich der Papst als Landesherr wirklich in Not - wehr, als Kirchenoberhaupt war er, wiewohl er sich auch da gern als den Verfolgten hinstellte, ohne Zweifel der vordringende An - greifer, der ganz im Geiste Gregors VII. dem Imperium, wie allen241§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).andern Staaten, jede Eigenberechtigung bestritt und unter Berufung auf göttliche Sendung und die konstantinische Schenkung die Ober - leitung für sich in Anspruch nahm. Dem gegenüber war Friedrich, der an die Aufstellung eines Gegenpapstes niemals gedacht hat, stets mit der Nebenordnung der beiden Gewalten zufrieden, und es war ein kluges Zurückweichen hinter den höchstgespannten staufischen Reichsbegriff seiner Vorgänger, daß er von den andern Staaten für das Kaisertum wohl einen gewissen Vorrang, aber keine Überordnung in Anspruch nahm, vielmehr den Königen und Fürsten Europas auf das eindringlichste zurief, er kämpfe für ihrer aller Ehre, für das Recht des weltlichen Staates schlechthin, wenn er mit seinem Schilde die ersten Stöße des gemeinsamen Feindes auf - fange. In der Tat ist es seiner geschickten Diplomatie gelungen, wenigstens die Neutralität dieser Mächte, die ihn vor der Bannung in seinem Kampfe gegen die Lombarden größtenteils geradezu durch Hilfstruppen unterstützt hatten, aufrechtzuerhalten.

In leidenschaftlichen Manifesten, die aber diesmal, anders als im Investiturstreit, fast ausschließlich den beteiligten Kanzleien ent - stammten1)Über die Publizistik dieser Kampfzeit wird demnächst einer meiner Schüler, F. Graefe, eine umfassendere Arbeit veröffentlichen., wurden solche Ansichten hüben und drüben verfochten. Die gehässigeren Anschuldigungen, die unverantwortlicheren, bis zur Mordanklage gegen den Kaiser sich steigernden Verdächtigungen waren auch hier auf päpstlicher Seite zu finden, worauf dann Friedrich natürlich schroffe und feindselige Antworten nicht schuldig blieb. Die alten kirchlichen Disziplinarmittel: Bann, Lösung vom Unter - taneneid, Interdikt, übten jetzt nicht mehr die einstige Wirkung, wenn auch dem Papsttum in den neuen Bettelorden eine furcht - bare Agitationsarmee erstanden war. Man bedurfte noch schär - ferer Abschreckungsmittel. Da haben die Päpste und kurialen Publizisten miteinander gewetteifert, das Grauen der abergläubischen Massen vor dem Kaiser wachzurufen, indem sie ihn als die Bestie der Apokalypse, den leibhaftigen Antichrist schilderten, der, vom Glauben abgefallen, an der Zerstörung der Christenheit arbeite. Denn seine Ketzerei, so behauptete Gregor IX., werde erwiesen durch seine Äußerung: Die Welt sei durch drei Schwindler, Moses, Christus und Mohammed betrogen, und es sei einfältig, zu glauben, daß von einer Jungfrau der Gott hätte geboren werden können, der die Natur und alles geschaffen habe. Friedrich hat diese berühmt gewordene Anklage (1239) sofort zurückgewiesen, und er hat die Äußerung so schwerlich getan. 2)Der Satz von den drei Betrügern ist schon 1201 von Simon von Tournay, Professor der Theologie in Paris, als Schulbeispiel ver -Trotz seiner skeptischenHampe, Deutsche Kaisergeschichte. 16242II. Die Zeit der Staufer.Geistesrichtung wäre es für ihn ein Gebot der Selbsterhaltung ge - wesen, als rechtgläubiger Christ zu erscheinen, selbst wenn er sich innerlich schon völliger der mittelalterlichen Kirche entfremdet hätte, als es tatsächlich der Fall sein konnte. Noch 1246 hat er sich einer förmlichen Glaubensprüfung unterzogen, um seine Überein - stimmung mit den christlichen Lehren vor der Welt kundzutun.

Aber inzwischen hatte er den Spieß umgedreht und gegen Papsttum und Hierarchie die schwersten Vorwürfe geschleudert, die er auf einem allgemeinen Konzil zu erweisen sich erbot: Gregor sei ein unwürdiger, durch manche Unregelmäßigkeiten der Amts - führung schwerbelasteter Vertreter des Papsttums, die Prälaten ins - gesamt in Hochmut und Üppigkeit verkommen, der alten apostolischen Einfachheit völlig entfremdet. Ähnliche Gedanken hatte einst schon mit äußerstem Nachdruck Arnold von Brescia ausgesprochen, und wenigstens in ihren positiven Forderungen waren sie auch in den Anfängen des Franziskanerordens hervorgetreten, mit dessen abge - setztem General Elias von Cortona der Kaiser nahe Beziehungen unterhielt. Er hätte vielleicht keinen geschickteren Stoß führen können, um die Wirkungskraft der päpstlichen Anklagen zu brechen. Die Zeitstimmung kam seinen Vorwürfen bis zu einem gewissen Grade entgegen. In Frankreich und England fielen sie auf frucht - baren Boden und wurden genutzt, um gegen die Übergriffe der Kirche die nationale Selbständigkeit zu verteidigen. Auch in Deutschland wagten gegen Ende der vierziger Jahre einzelne kühne Agitatoren, den Papst als Antichrist zu verdammen, Friedrich aber als gerechten Reformkaiser zu preisen1)Vgl. das Sendschreiben eines Dominikaners Arnold (hrsg. v. Winkel - mann 1865) und ähnliche kurze Schriften, auch das von den Stader Annalen zu 1248 berichtete Auftreten von waldensisch gefärbten Predigern in Schwä - bisch Hall., und in Italien wurde hier und da durch langjährige Interdikte eine kirchenlose Gesinnung in der heranwachsenden Generation geradezu großgezogen. An eine Massenbewegung gegen das Papsttum war gleichwohl auch jetzt nicht im entferntesten zu denken, und Friedrich hat diese Möglich - keit schwerlich erwogen. Die Reformforderung war für ihn nicht Selbstzweck, sondern eine Waffe neben andern. Bei politischem Entgegenkommen wäre er jederzeit bereit gewesen, das als entartet gescholtene Papsttum kirchlich in vollem Umfange anzuerkennen. Immerhin gab es diesem gewaltigen Ringen erhöhte Bedeutung,2)wertet. Eine Schrift darüber, die man fälschlich auf Friedrich bezog, ist ein Mach - werk des 16. Jahrh. Der Zweifel an der jungfräulichen Geburt Christi wäre Friedrich eher zuzutrauen. Innozenz IV. nahm diese Anklage seines Vorgängers bezeichnenderweise nicht wieder auf.243§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).daß hier große, zukunftreiche Gedanken in den Machtstreit ge - worfen wurden.

Aus den Schwankungen des hin und her wogenden Kampfes gilt es hier nur einige Hauptmomente herauszuheben. Vor einem allgemeinen, von den Kardinälen zu berufenden, unparteiischen Konzil wollte Friedrich seine Anklagen gegen den Papst vertreten. In anderm Sinne aber berief Gregor, der sich bei einem ersten kaiserlichen Angriff nur mit Mühe der schon wankenden Treue der Bevölkerung versichert hatte (1240), auf Ostern 1241 eine Synode nach Rom. Sein Einfluß auf sie war von vornherein ge - sichert; dem Kaiser wurde die Rolle einer gleichberechtigten Partei nicht zugestanden, wie Otto IV. sollte er gerichtet, seines Amtes entsetzt werden. Friedrich ließ öffentlich keinen Zweifel darüber, daß er ein solches Konzil mit allen Mitteln verhindern werde, und als die auswärtigen Prälaten gleichwohl wagten, auf genuesischer Flotte von Südfrankreich her Rom zu erreichen, schlug sein Ad - miral mit sizilischen und pisanischen Schiffen die Genueser in einem glänzenden Seesiege südöstlich von Elba und nahm über hundert Geistliche, darunter drei Kardinäle, gefangen (Mai 1241). Dieser Erfolg machte zwar in den Weststaaten böses Blut, aber steigerte doch auch die Furcht vor der Macht des Kaisers und hinderte den Absetzungsplan. Als Friedrich dann den Papst aufs neue in Rom selbst bedrängte und bei der Bürgerschaft, ja im Kardinalskolleg wachsenden Anhang fand, stand er etwa auf dem Punkte Heinrichs IV. von 1084 oder Friedrichs I. von 1167. Diesmal entwischte der Papst zwar nicht, aber er starb (Aug. 1241), und wenn nun auch die nach dem kurzen Pontifikate Coelestins IV. ein - tretende über anderthalbjährige Sedisvakanz dem Kaiser willkommene Gelegenheit zu weiterer Machtbefestigung gab, so machte sie doch auch einen Friedenschluß unmöglich, und die Kardinäle verschoben die Neuwahl, bis Friedrich den letzten ihrer gefangenen Kollegen in Freiheit setzte (1243).

Inzwischen hatte eine furchtbare auswärtige Gefahr das deutsche Reich bedroht. 1)Statt aller sonstigen Literatur verweise ich nur auf Strakosch-Graßmann, D. Einfall der Mongolen in Mitteleuropa (1893).Die neue Weltmacht des Mongolenherrschers Temudschin Dschingiskhan hatte zuerst den fernen asiatischen Osten verbunden mit den Grenzlanden Europas. Trotz der Teilung der Gewalt nach seinem Tode (1227) war die Stoßkraft gegen den Westen unvermindert. Seinem Enkel Batu erlagen die russischen Fürstentümer (1237 40) und Ungarn (April 1241); eine andre Heeresabteilung unterwarf Polen, brachte Herzog Heinrich II. dem16*244II. Die Zeit der Staufer.Frommen von Niederschlesien auf der Wahlstatt bei Liegnitz eine vernichtende Niederlage bei (9. April 1241)1)Daß die immerhin tapfere Gegenwehr die Mongolen zur Umkehr be - stimmt hätte, ist irrig. und verwüstete Mähren. Der Schrecken lief durch das Reich und ließ die tatsächlich große Gefahr vielleicht noch furchtbarer erscheinen, denn an den befestigten Städten Deutschlands hätte sich der Anprall wohl ohnehin, wenn auch erst nach entsetzlichen Verheerungen und Leiden, gebrochen. Dem Kaiser hätte sich hier eine große Aussicht geboten, Retter von Europa zu werden und die ihm angebotene Lehenshoheit über Ungarn zu gewinnen, hätte er nur die Hände freigehabt. So blieb ihm nichts, als durch Befehle, Aufforderungen und Hilfsgesuche wenigstens von fern die deutsche Abwehr unter seinem Sohne Konrad zu organisieren, während der Papst diesen Maßnahmen eher entgegenarbeitete. Auch nach Gregors Tode hielten die dauernde Spannung und die alles überragende Bedeutung der Papst - wahl Friedrich an Italien gefesselt. 2)Die auf Matthäus Paris. zurückgehende, namentlich von Schirrmacher, IV, 499 ff., zuletzt von Schirmer (Greifsw. Diss. 1904) verfochtene Annahme eines letzten, heimlichen Aufenthalts Friedrichs in Deutschland in dieser Zeit entbehrt der überzeugenden Begründung.Inzwischen war die mongolische Gefahr für den Augenblick vorübergegangen. Das vorläufige Ge - nügen an den ungarischen Ebenen, die starke österreichisch-böhmische Verteidigungstellung und mehr als alles Thronwirren in Innerasien nach dem Tode des Großkhans Ogotai (Ende 1241) hemmten den Siegeslauf. Indessen blieb die jederzeit drohende Gefahr einer Wiederaufnahme für die beiden Häupter der Christenheit eine ernste Mahnung zur Einigkeit, als nun endlich (25. Juni 1243) in dem Genuesen Sinibald Fieschi, aus dem Hause des Grafen von Lavagna, ein neuer Papst, Innozenz IV. (1243 54), gewählt ward. 3)Vgl. seine Biographie v. seinem Beichtiger, dem Minoriten Nikolaus v. Calvi (de Carbio; Curbio ist Lesefehler!), Archivio della soc. Rom. etc. 21. Seine Register hersg. v. Berger 1881 ff. ; dazu Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 24. Vgl. auch Reg. Imp. V, S. 1260. Eine neuere vollständige Biographie fehlt; von Monographien nenne ich schon hier C. Rodenberg, Inn. IV. u. d. Königr. Sizilien 1245 1254 (1892).Friedrich, der mit ihm in durchaus freundlichen Beziehungen gestanden, begrüßte das Ereignis als eine Bürgschaft des Friedens und ordnete in Sizilien einen allgemeinen Dankgottesdienst an; er hat sich noch die ganze nächste Zeit an die Hoffnung geklammert, daß sich mit diesem Papste die Möglichkeit eines friedlichen Auskommens finden lassen müsse. Es war die größte und verhängnisvollste Täuschung seines Lebens!

Schon der Name Innozenz hätte ihm über das Programm des neuen Papstes die Augen öffnen sollen; er war vom ersten Augen -245§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).blicke an auf das klarste und sicherste entschlossen, den gesamten Umfang der Herrschaftsansprüche seiner großen Vorgänger mit dem Einsatz aller Kraft zu behaupten. Von der schrankenlosen Leiden - schaft und stürmischen Wucht Gregors IX. zeigte er freilich nichts, aber wie einst Urban II. gegenüber Gregor VII., war er eben deswegen nur ein um so gefährlicherer politischer Gegner. In seinen verbindlichen, weltmännischen Formen, in seiner verschlagenen, völlig skrupellosen Diplomatie, in der Vereinigung von kluger Vor - sicht und zugreifendem Wagemut, in der jedem Wechsel sich an - passenden Kombinationsgabe, in der raschen Erkenntnis und rück - sichtslosen Ausbeutung jeglichen Vorteils, in der ganzen realistischen Lebensauffassung und Menschenbehandlung verriet er deutlich genug den Genuesen. Jede innerliche Religiosität, alle Tiefen der Mystik, jeglicher Aufschwung des ethischen Gefühls waren ihm fremd; seine kühl-ironische Natur arbeitete nur mit den greifbaren Werten dieser Welt, aber innerhalb dieses Kreises, dessen Umgrenzung freilich jeden Anspruch auf echthistorische Größe ausschließt, bewegte er sich mit vollendeter Meisterschaft; hier war er seinem kaiserlichen Gegner, den er an Reichtum und Tiefe der Veranlagung nicht ent - fernt erreichte, unbedingt überlegen. Und dieser klare und nüchterne Staatsmann setzte sich nun zum einzigen Lebensziel die Vernichtung des staufischen Kaisertums! Unter bewußter Vernachlässigung aller andern kirchlichen Aufgaben, unter Aufhebung aller hinderlichen kanonischen Satzungen, unter Preisgabe von Rechtsgefühl und feinerem sittlichen Empfinden wurden alle Werte, über die die Papstkirche nur irgend verfügte: Besitztümer und Rechte, Steuern und Zehnten, geistliche Ämter und Anwartschaften, Disziplinarmittel und Indul - genzen, Kreuzzugsgelübde und Schlüsselgewalt, irdische und himm - lische Verheißungen umgemünzt in politische, militärische, finanzielle Kampfmittel! Der Erfolg dieser beispiellosen Konzentration war in der Tat die Behauptung, solange Friedrich lebte, der Sieg nach seinem Tode. Aber die Kehrseite war, daß der kirchliche Organis - mus sich seinen eigentlichen Daseinszwecken völlig entfremdete, religiös und sittlich verödete und auf der Gipfelhöhe weltlicher Macht doch schon die Keime inneren Verfalls in sich aufnahm.

Die Rücksicht auf das allgemeine Friedensbedürfnis der Christen - heit zwang Innozenz IV., der nicht von vornherein unversöhnlich erscheinen durfte, zunächst auf die vom Kaiser angebotenen Unter - handlungen einzugehen. 1)Die Arbeiten von Tammen (Leipz. Diss. 1886) und H. Weber (1900) über diese Dinge dringen nicht tief. Besser die zeitlich daran anschließende Schrift von A. Folz, Kaiser F. II. u. P. Inn. IV. Ihr Kampf i. d. J. 1244 u. 1245 (1905); dazu vgl. Hist. Ztschr. 101, 371 ff.Friedrich setzte sie fort, obwohl er sich246II. Die Zeit der Staufer.durch den währenddessen vom Kardinal Rainer, dem Haupte der Kriegspartei an der Kurie, angezettelten Abfall der kaiserlichen Stadt Viterbo (Sept. 1243) auf das tiefste verletzt fühlen mußte1)Für das einzelne vgl. Winkelmann in Hist. Aufsätze dem Andenken an G. Waitz gewidmet (1886).; er hoffte noch immer auf das Übergewicht der Friedensfreunde unter den Kardinälen. Daß aber am Gründonnerstag 1244 nach schwierigen Verhandlungen und demütigenden Zugeständnissen des Kaisers von diesem wirklich ein Friede beschworen und der Welt als frohe Osterbotschaft verkündet werden konnte, war doch nur dadurch er - möglicht, daß der heikelste Punkt, über den keine volle Einigung erzielt war, die Regelung der lombardischen Verhältnisse, ausgemerzt und weiteren Ausführungsverhandlungen vorbehalten war. Als diese dann kurz darauf an dem grundsätzlichen Gegensatze scheiterten, klagte Innozenz den Kaiser öffentlich des Eidbruches an2)Da die rechtlose Einmischung Gregors IX. in die lombardischen Ver - hältnisse wohlweislich 1239 nicht zur Motivierung des Bannes verwertet war, konnte auch jetzt die Verweigerung der Absolution nicht mit der rein poli - tischen Meinungsverschiedenheit über die lombardische Frage begründet werden. Daher verschleierte Innozenz den Tatbestand durch den Vorwurf des Eidbruchs. Vgl. Fickers Ausführungen in Reg. Imp. V. und be - gann insgeheim seine Flucht vorzubereiten. Es ist schwer zu ver - stehen, daß Friedrich sich trotzdem noch eine Zeitlang mit leeren Hoffnungen hinhalten ließ und so dem Papste das Entweichen auf genuesischen Schiffen ermöglichte (Ende Juni 1244). Als Innozenz den Boden seiner Heimatstadt betrat, jauchzte er mit dem Psalmisten: Unsere Seele ist entronnen, wie ein Vogel dem Strick des Voglers; der Strick ist zerrissen, und wir sind los. Aber für sicher hielt er sich erst, als er das nominell zwar noch zum Reiche gehörige, tat - sächlich aber damals schon unabhängige Lyon erreichte. Dorthin, wo eine Behinderung nicht, wie wenige Jahre vorher in Rom, zu befürchten war, berief er auf den 24. Juni 1245 ein allgemeines Konzil, das über den Kaiser das von Gott selbst eingegebene Ur - teil fällen sollte.

Die Vernichtungsabsicht des Papstes schien offenkundig zu werden. Gleichwohl ist es noch einmal zu einer ernstlichen Schwankung gekommen, die allein den übertriebenen Optimismus des Kaisers bis in die Tage des Konzils hinein verständlich macht. Die Hiobspost vom Falle Jerusalems (1244) und den weiteren Bedrängnissen der lateinischen Christen im Osten war dafür von entscheidender Einwirkung. Wie Friedrich sie aufgriff, um einen dreijährigen Kreuzzug als Friedenspreis in Aussicht zu stellen, so mußte Innozenz auch dem Drucke von anderen Seiten Rechnung tragen. Der Patriarch Albert von Antiochia und der Deutschordensmeister Heinrich von Hohenlohe waren diesmal die Unterhändler des Kaisers, der der Kurie für das Vergangene die weitestgehende Genugtuung versprach, für die Ein -247§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).haltung seiner Verpflichtungen die denkbar sichersten Bürgschaften bot1)U. a. sofortigen Verlust seiner Reiche und Bann bei Bruch der Ver - sprechungen, Garantien von Königen und Fürsten. und selbst in der Lombardenfrage offenbar noch einen Schritt weiterging. Innozenz hat daraufhin wirklich noch einmal die Absolution Friedrichs in Aussicht ge - stellt (6. Mai 1245). Aber nun begann die Kriegspartei eine fieberhaft leiden - schaftliche Gegenwirkung. Kardinal Rainer, der zum Schutze des Patrimoniums in der Umgebung Roms zurückgelassen war, sandte Flugschriften von maß - loser Gehässigkeit, aber bedeutender Eindruckskraft nach Lyon. Als eben damals die kaiserlichen Truppen bei dem Marsche Friedrichs von der sizilischen Grenze nach Verona sich im Gebiete des Kirchenstaates, wohl nur zum Teil nach dem Willen des Kaisers, Übergriffe zu Schulden kommen ließen, bauschte sie Rainer, um das Mißtrauen zu schüren, zu einem schweren Friedensbruche auf. 2)Vgl. Hampe, Hist. Viertelj. 10, 297 ff.Vielleicht gab das den Vorwand zu erneutem Umschwung an der Kurie. Jedenfalls war bis zum Beginn des Konzils jegliche Schwankung überwunden, ohne daß man indes den Kaiser darüber aufgeklärt hätte.

Das Konzil von Lyon3)Hauptquellen außer den Aktenstücken selbst die sog. Brevis nota M. G. Const. II, 513 ff. und der auf einen Augenzeugen zurückgehende, trotz mancher Ungenauigkeiten höchst bedeutsame Bericht des Matthaeus Parisiensis. Von neuerer Literatur vgl. ausschließlich die angeführte Schrift von Folz. war trotz der verhältnismäßig geringen Zahl der Teilnehmer, unter denen die Romanen stark überwogen, grundsätzlich als ein allgemeines zu betrachten. Die geschickte und eindrucksvolle Verteidigung Friedrichs durch seinen Sachwalter, den Großhofrichter Thaddäus von Suessa, erzielte am zweiten Sitzungs - tage den vom Papste widerwillig zugestandenen Erfolg einer kurzen Vertagung, damit der Kaiser persönlich erscheinen oder neue Voll - macht schicken könne. Aber dem sicheren Vernichtungsplane der Kurie gegenüber war doch alles vergeblich. In der dritten Sitzung (17. Juli 1245) überraschte Innozenz, ohne weitere Botschaft des Kaisers abzuwarten, das Konzil mit der feierlichen Verkündigung der heimlich vorbereiteten Absetzungsentenz. 4)M. G. Const. II, 508 ff. u. Ep. saec. XIII. II, 88 ff.An die tendenziöse Darstellung der in den letzten Jahren geführten Friedensverhand - lungen schloß sich eine lange Aufzählung der Verbrechen des Kaisers, die indessen des Hauptstreitpunktes, der Lombardenfrage, nicht gedachte, endlich seine Absetzung und Verfluchung. Thaddäus, der eine Verurteilung seines Herrn umsonst für nichtig erklärt und an den zukünftigen Papst und ein allgemeines Konzil appelliert hatte, rief nun unter Tränen: Dies ist ein Tag des Zornes, des Unglücks und des Elends , aber die Mehrheit des Konzils erhob gegen das Vorgehen keinen Widerspruch.

Friedrich, dem ja noch kurz zuvor vom Papste die Aussicht auf Absolution eröffnet war, scheint von dieser plötzlichen Verurteilung248II. Die Zeit der Staufer.völlig überrascht worden zu sein. Bekannt ist jene Erzählung1)Matth. Paris. ed. Luard IV, 474., er habe sich auf die Kunde von Lyon seinen Reiseschatz bringen lassen, eine Krone auf die Stirne gedrückt und die Nächststehenden gefragt, ob sie ihm denn schon verloren sei. Jetzt endlich wußte er, daß ihm keine andre Wahl bleibe, als der wildeste Kampf auf Leben und Tod, und er selbst kündigte ihn mit den Worten an: lange genug sei er Ambos gewesen, nun wolle er Hammer sein .

Die nächste Folge der Lyoner Absetzung war, daß nun auch Deutschland ganz anders als bisher in den Streit hineingezogen wurde. Lange hatte die Agitation der Kurie hier nur spärliche Er - folge im Südosten zu verzeichnen gehabt, die sich überdies bald genug in nichts auflösten. Endlich (bis 1242) war es ihr gelungen, sich wenigstens der drei rheinischen Erzbischöfe zu versichern, die nun dauernd den Kern der staufischen Opposition bildeten. Der Kaiser hatte sofort die Folgerung daraus gezogen, indem er das Reichsregiment, das für Konrad IV. die Geschäfte führte, statt der geistlichen an weltliche Fürsten, Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen und König Wenzel von Böhmen übertrug, die indes in ihrem unmittelbaren Einfluß auf den jungen König neben einer Anzahl von Reichsministerialen zurücktraten (1242). Innozenz IV. hat dann auch auf diesem Gebiete, namentlich seit dem Konzil von Lyon, mit noch ungleich wirksameren Mitteln gearbeitet, als sein Vorgänger. Er sandte einen besonderen Legaten und ließ es an Gold nicht fehlen; er sorgte allenthalben für die Verkündigung der kirchlichen Sentenzen gegen Friedrich und der Strafandrohungen gegen seine Anhänger, verhängte das Interdikt über die Besitzungen seiner Hauptgegner und gebot die Kreuzpredigt gegen den Kaiser statt des heiligen Landes. Insbesondere aber hat er die Treue, die der Kaiser seit seinen großen territorialen Zugeständnissen trotz aller Kämpfe mit dem Papsttum immer noch bei der Mehrheit des Episkopats gefunden hatte, bis auf wenige Ausnahmen allmählich völlig zu erschüttern vermocht durch eine Fülle von Versprechungen, Drohungen und Gewaltmaßnahmen, die sich schließlich gar zu der Aufhebung des Wahlrechtes aller Kapitel und Besetzung aller Präla - turen durch den Papst selbst steigerten. 2)Vgl. außer Hauck namentlich Aldinger, D. Neubesetzung der deutschen Bistümer unter Papst Inn. IV. (1900).

Auf seinen Befehl haben denn auch die rheinischen Erz - bischöfe, nachdem man die Krone lange vergeblich in Deutschland, Dänemark und Frankreich ausgeboten, die Erhebung eines Gegen - königs vollzogen (Mai 1246). Der Landgraf Heinrich Raspe3)Vgl. C. Wenck in Die Wartburg (1907) S. 215 ff. war249§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).es, dessen eitle Großmannssucht schließlich seine ängstlichen Be - denken überwand. Als ihm König Konrad vor Frankfurt entgegen - trat, gelang es ihm, einige schwäbische Grafen und Herren, die auch künftig von einem Zusammenbruch der staufischen Landes - herrschaft ihr eignes Emporkommen erhofften, durch päpstliches Geld zum Verrat zu bewegen und dadurch einen wenig rühmlichen Sieg zu gewinnen. Doch wie sein Königssiegel auf der Rückseite nach Art päpstlicher Bullen die Köpfe der beiden Apostelfürsten zeigte, so galt er im Volke mit Recht nur als Pfaffenkönig , sein Anhang blieb beschränkt; und wenn die Staufer in diesen Kämpfen durch Entfremdungen, Veräußerungen und Verpfändungen schwere Einbußen an Reichsgut und Hausgut erlitten, so erwuchsen ihnen doch auch neue Stützen, vor allem in den finanzkräftigen Reichs - und Bischofsstädten, die trotz aller früheren Maßregelungen im wohlverstandenen eignen Interesse für die staufische Sache, an die allein sich die Hoffnung einer kräftigen Zentralregierung knüpfen konnte, mit allem Eifer eintraten und nun auch wirklich von oben begünstigt wurden. 1)Vgl. Friedrichs Zugeständnis einer unabhängigen Ratsverfassung an Regensburg Nov. 1245, in schroffem Widerspruch zu dem früher im Interesse der Fürsten eingenommenen Standpunkt.Weiter knüpfte die Vermählung Konrads IV. mit einer Tochter Herzog Ottos von Bayern dies Herzogtum eng an das Schicksal des staufischen Hauses (1246), und zur selben Zeit eröffnete sich abermals eine bedeutende Aussicht im äußersten Südosten. Friedrich II. hatte das Herzogtum Österreich trotz seines ersten Mißerfolges und seiner Behinderungen in Italien nicht aus dem Auge verloren. Gertrud, die Nichte und Erbin des letzten Babenbergers, hatte er sich selbst zur vierten Gemahlin ersehen; dem Herzoge winkte für seine Zustimmung die Königskrone. Auf dem glänzenden Fürstentage, den der Kaiser während des Lyoner Konzils in Verona abhielt (Juni 1245) war bereits alles abgemacht, da haben verleumderische kirchliche Einflüsterungen Gertrud zur Weigerung bestimmt, an der dann der ganze Plan scheiterte. 2)Vgl. die oben S. 234 angeführte Literatur und Histor. Viertelj. 10,311.Jetzt aber starb unverhofft, vor der Zeit und kinderlos, Herzog Friedrich der Streitbare (1246); der Kaiser griff sofort zu, zog das Herzog - tum als erledigtes Reichslehen ein, tat es aber nicht nach Jahr und Tag wieder aus, sondern ließ es, indem er hier die Grundsätze seines italienischen Regierungsystems in höchst bedeutsamer Weise auf Deutschland übertrug, dauernd durch einen Reichskapitän ver - walten.

So war der gesamte Süden, abgesehen von dem geringen schwäbischen Anhang, dem Landgrafen verbaut; auch sonst standen250II. Die Zeit der Staufer.die weltlichen Reichsfürsten und sogar noch einige Bischöfe treu zu den Staufern, als die päpstliche Sache durch den plötzlichen Tod des Gegenkönigs (Febr. 1247) einen empfindlichen Schlag erlitt. Denn damit traten nicht nur die thüringischen Lande in die staufische Einflußsphäre1)Der erbberechtigte Sohn des Markgrafen Heinrich von Meißen, Albrecht, war mit des Kaisers Töchterlein Margarethe verlobt., sondern es hielt schwer genug, einen neuen päpst - lichen Thronkandidaten zu finden. Graf Wilhelm von Holland2)Vgl. über ihn die Arbeiten von Hintze u. Hasse, beide 1885., der sich endlich dazu bereit erklärte und ähnlich wie der Land - graf auf Geheiß des Papstes fast ausschließlich von den geistlichen Fürsten des Rheinlandes gewählt ward (Okt. 1247), ein ritterlicher und mutvoller junger Herr, aber nicht einmal Reichsfürst, ent - täuschte die Hoffnungen der Kurie und vermochte seinen Geltungs - bereich nur wenig über die niederrheinischen Gebiete auszudehnen.

Diese beiden schwächlichen Gegenkönige reichten in der Tat nicht einmal an die Schulterhöhe eines geistlichen Fürsten wie des Erzbischofs Siegfried III. von Mainz heran, auf dessen bekanntem Grabmal sie in zwergenhafter Erscheinung dargestellt sind, wie sie aus seiner Hand die Krone empfangen. Und eben deshalb gelang es der Kurie trotz der verzweifeltsten Anstrengungen schließlich doch nicht, solange Friedrich II. lebte, die staufische Herrschaft diesseits der Alpen zu stürzen. Die Vorgänge in Deutschland be - hielten nur sekundäre Bedeutung neben dem gewaltigen Ringen auf dem italienischen Kriegsschauplatze, wo schon allein die Persön - lichkeit des Kaisers die Aufmerksamkeit Europas bannte.

Hier ward nun alles noch wilder und grandioser! Was Wun - der, wenn der zum Teil mit teuflischen Mitteln geführte Vernich - tungsangriff auf der andern Seite maßlose Leidenschaften entflammte, und in dem fieberhaften Drange nach Selbstbehauptung, Macht - steigerung, Zerschmetterung des Gegners allmählich alle edleren Gefühle erstickten.

Für diese letzten Kampfesjahre ist etwa ein Ezzelin von Romano3)Über ihn ein reiches Material in dem älteren Werke von Verci, Storia degli Ecelini 1779. Neuere Darstellungen seines Lebens können sämtlich nicht befriedigen. Eine Biographie wird demnächst von einem meiner Schüler, F. Stieve, erscheinen die charakteristische Figur, der bei einer gewissen Wesensverwandtschaft mit Friedrich II. aus dessen unendlich reicherer und verwickelterer Natur nur eine einzige Richtung, das rücksichtslose Machtstreben und Durchsetzen der eignen Persönlichkeit, in verblüffender Einseitigkeit zum Kolossalen ge - steigert hat. Als veronesischer Landadliger in den Fraktionskämpfen seiner Standesgenossen emporgekommen, aber erst durch die Verbindung mit der Volkspartei zu wirklichem Einfluß gestiegen, war er aus persönlichen Gründen vom Lombardenbunde abgeschwenkt und hatte den Anschluß an den Kaiser251§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).gefunden, um zunächst neben dessen Beamten, dann auch ohne und gegen sie, aber von Friedrich, der ihn brauchte, nie gehindert, ohne festumgrenztes Amt in der Trevisaner Mark eine tatsächliche Tyrannis zu begründen und sie durch die stets gesteigerten Gewaltmittel eines entsetzlichen Schreckensregiments zu behaupten, das indes weniger auf dem Volke als auf dem Adel lastete. So gab er ein Vorbild schrankenloser Selbstdurchsetzung und verbrecherischer Machtbegründung, das trotz aller Schrecken von den italienischen Renaissance - herrschern nur zu häufig nachgeahmt werden sollte. In jenen Jahren war er nur der furchtbarste Gewaltmensch unter vielen andern, und auch unter den geistlichen Heerführern des Papstes fehlten ähnliche Naturen, wie etwa die Legaten Philipp von Ferrara und Gregor von Montelongo, nicht.

Von einem Rückgang der kaiserlichen Machtstellung infolge der Absetzung war zunächst nicht das mindeste zu spüren. Frei - lich umlauerten jetzt Verrat und Mord Friedrich und die Seinen. Im März 1246 ward eine weitverzweigte Verschwörung entdeckt, an der höchststehende und vertrauteste Beamte des Kaisers beteiligt waren, und deren Fäden mindestens zu den Spitzen der päpstlichen Partei reichten, wenn auch Innozenz selbst vermutlich noch nicht eingeweiht war. Geplant war nichts geringeres, als eine Ermordung Friedrichs und eine allgemeine Erhebung. Die nach Rom geflüchteten Attentäter und ihre zum Losschlagen gezwungenen Mitverschworenen im Königreiche wurden nun vom Papste belobt und durch Legaten - sendung und Kreuzpredigt gefördert, aber es gelang Friedrich, der in Eilmärschen Sizilien erreichte, doch binnen kurzem, den Auf - stand mit blutiger Strenge niederzuwerfen. Enthüllte der Vorgang auch mit schauerlicher Deutlichkeit, wie sehr der Boden unter seinen Füßen schwankte, und mußte er das ohnehin zum Mißtrauen ge - neigte Gemüt des Herrschers noch mehr vergiften, so bedeutete die rasche Niederwerfung doch unzweifelhaft einen neuen Sieg, an den sich andre Erfolge wie die Rückgewinnung Viterbos (Mai 1247) in Mittelitalien und wertvolle Übertritte in der westlichen Lombardei anreihten.

Nach neuen Sicherungsmaßregeln hielt Friedrich schon im Frühjahr 1247 seine Herrschaft in Sizilien und Reichsitalien für gefestigt genug, um einen Zug nach Deutschland anzutreten. Er gedachte ihn über Lyon zu richten und dort dem Papste persön - lich gegenüberzutreten. Dieser geriet in nicht geringe Bedrängnis, denn auch die Weststaaten boten ihm keinen genügenden Rück - halt. Mit seinem Schwager König Heinrich III. von England unterhielt Friedrich freundschaftliche Beziehungen, und die gegen die Kurie gerichteten nationalen Beschwerden der englischen Ge - sandten waren schon auf dem Lyoner Konzil höchst unbequem geworden. Ludwig IX. von Frankreich aber hörte nicht auf, im Interesse eines Kreuzzuges an einem Ausgleich zu arbeiten, den Friedrich mit bedeutsamer Zurücksetzung seiner Person hinter die252II. Die Zeit der Staufer.sachlichen und dynastischen Zwecke sogar durch seine Abdan - kung zugunsten seines Sohnes Konrad zu erkaufen bereit war, und im französischen Adel hatte sich ebendamals (Ende 1246) eine be - drohliche, den Einfluß der kaiserlichen Manifeste verratende Be - wegung gegen die gerichtlichen und steuerlichen Anmaßungen der Kirche erhoben.

Schon war der Kaiser mit seinen Truppen im Begriff, von Turin aus die Alpen zu übersteigen, als der Abfall des wichtigen Parma den Papst aus seiner Beklemmung befreite; durch einen kühnen Handstreich geriet die von Friedrich in schädlichem Miß - trauen ihrer Befestigungen beraubte Stadt in die Hände der päpst - lichen Außenpartei (Juni 1247), die nun von ringsher ansehnliche päpstlich-lombardische Truppenmassen heranzog und sich in Ver - teidigungszustand setzte. Indem nun auch der Kaiser in Gemein - schaft mit Enzio und Ezzelin bedeutende Heereskörper um die Stadt legte, wurde die Belagerung gleichsam zu einer großen Kraft - probe, auf deren Ausgang die Welt mit Spannung wartete. Nach langen Monaten schien endlich die Aushungerung der Belagerten in naher Aussicht zu stehen, als eine böse Nachlässigkeit auf Seiten der Kaiserlichen die mühsamen Erfolge in furchtbare Niederlage wandelte. Während einer kurzen Abwesenheit Friedrichs auf der Jagd wurde die schlechtbewachte hölzerne Lagerstadt, der man in voreiliger Vorwegnahme des Sieges den Namen Vittoria gegeben hatte, von den ausbrechenden Feinden überrumpelt und verbrannt, das Heer unter schweren Verlusten zersprengt, Thaddäus von Suessa getötet, Krone und Reichssiegel erbeutet (Febr. 1248). Der rückkehrende Kaiser entkam nur mit genauer Not nach Cremona, um mit bewunderungswürdiger Schwungkraft schon nach drei Tagen von da mit rasch gesammelten Truppen aufs neue vorzudringen. Konnte aber auch die Einschließung in weiterem Umkreise fortge - führt, und der wichtige Apenninübergang behauptet werden, so hatten die Belagerten doch Luft und Kraft zu fernerer Behauptung ge - wonnen, und das schlimmste waren die Fernwirkungen des mora - lischen Eindrucks. Unmittelbar machten sie sich vor allem in der Romagna geltend, die nach dem Abfall Ravennas (Mai 1248) so gut wie ganz den Kaiserlichen verloren ging, während auch im übrigen Mittelitalien die Schwierigkeit der Behauptung wuchs. Mittel - bar waren sie wohl allenthalben in Europa zu spüren, und man kann sagen, sie haben fortgedauert bis in unsere Tage! Denn bis in die neuesten Darstellungen hinein1)So etwa in Davidsohns Gesch. v. Florenz II, 1, dem ich in den die allgemeine Geschichte dieser Zeit betreffenden Abschnitten auch sonst mehrfach nicht zuzustimmen vermag. behauptet sich unausrott -253§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).bar die Vorstellung, jene Niederlage vor Parma bedeute den ent - scheidenden Wendepunkt in Friedrichs Geschicken; seitdem sei er ein besiegter, gebrochener Mann gewesen, dem nichts Rechtes mehr habe gelingen wollen. 1)Diese Vorstellung ist nach den Ausführungen Fickers in der Einleitung von Reg. Imp. V unhaltbar.

Dieser Eindruck ist wohl wesentlich mit hervorgerufen durch die beiden furchtbaren Schicksalsschläge, die den Kaiser in seinen letzten Jahren ganz persönlich trafen und ihm seine sinkende Lebenssonne verfinsterten. Der eine war die Untreue seines er - probtesten und vertrautesten Staatsmannes. Peter von Vinea2)Vgl. Huillard-Bréholles, Vie et Correspondance de Pierre de la Vigne (1864). war durch seine hervorragende juristische Bildung und seine seltene, in der Schule seiner Heimat Capua entwickelte, stilistische und red - nerische Formgewandtheit aus niederer Herkunft zu den höchsten Ämtern emporgestiegen. Lange als Großhofrichter an Recht - sprechung und Gesetzgebung3)Schlagend erscheint mir namentlich der von Friedrich selbst ange - wandte Vergleich Peters mit Moses, den Reg. Imp. V, 3764 voraussetzt. Siziliens hervorragend beteiligt, zu den wichtigsten diplomatischen Missionen verwandt und neben Thaddäus von Suessa mit der tatsächlichen Leitung der Kanzlei betraut, war er 1247 als Reichsprotonotar und Logothet des König - reichs Sizilien alleiniger Vorstand der nun auch offiziell die Reichs - angelegenheiten erledigenden kaiserlichen Kanzlei geworden. 4)Den ihm von neueren Darstellern meist beigelegten Kanzlertitel hat er nie geführt.Da er das vollste Vertrauen des Monarchen besaß und in Wahrheit zu seinem Herzen die Schlüssel führte , indem er zu bestimmen hatte, welche Briefe und Bittschriften überhaupt an ihn gelangten, welche kurzerhand erledigt wurden, so galt er mit Recht nächst dem Herrscher als der mächtigste Mann im Staate. Dieser verant - wortungsvollen und versuchungsreichen Stellung ist offenbar seine moralische Festigkeit auf die Dauer nicht gewachsen gewesen; er hat, wie wir annehmen dürfen, sein Amt in unerhörter Weise zu eigner Bereicherung ausgenützt und Gelder bis zu einer Höhe ver - untreut, daß dem Reiche daraus in der durch den langjährigen Krieg hervorgerufenen schweren Finanznot nach des Kaisers eignen Worten5)Reg. Imp. V, 3764. geradezu eine ernstliche Gefahr erwuchs. Diese Ent - deckung und schmerzlichste Enttäuschung seines Lebens traf Fried - rich während seines Aufenthaltes in Cremona (Febr. 1249), als sein Gemüt eben durch einen noch viel furchtbareren Vertrauensbruch verdüstert war. Sein eigner, vielbegünstigter Leibarzt, der von254II. Die Zeit der Staufer.den Päpstlichen gefangen und bestochen, dann durch Auswechselung an den Hof zurückgekehrt war, hatte seinem Herrn einen Gifttrank gereicht. Der Kelch war an dem rechtzeitig gewarnten Herrscher noch eben vorübergegangen, der nun befahl, den geständigen Hoch - verräter unter entsetzlichen, fortwährenden Martern durch das sizilische Reich zu führen und schließlich hinzurichten. Auch gegen Peter von Vinea ließ er unnachsichtige Strenge walten. Er ward gefangen und vor der Wut des Volkes, das ihn lynchen wollte, durch nächt - liche Fortführung geschützt. Als dann der Kaiser sich zur Her - stellung seiner zerrütteten Finanzen, zur erneuten Reinigung des Beamtenkörpers und Bekämpfung der päpstlichen Agitationen nach seinem sizilischen Erbreiche zurückwandte, ward jener gefesselt mit - geführt, und als sich Friedrichs Aufenthalt in Tuszien in die Länge zog, in S. Miniato eingekerkert und nach erfolgter Verurteilung ge - blendet. Dort im Gefängnis hat er sich, wie es scheint, selbst den Tod gegeben. Sein Sturz erregte ungeheures Aufsehen in der ganzen Welt und gab, da die Gründe zurückgehalten wurden, Anlaß zu abenteuerlichem Gerede. Die Verquickung mit jenem Giftmord - versuch und die Annahme verräterischer Beziehungen zum Papst - tum lagen nur allzu nahe. Von diesem Verdacht ist Peter mit Sicherheit freizusprechen. Aber bei allem Anteil, den der Unter - gang des hochverdienten Mannes auslöst, wird der Historiker sich Dantes warmherzigem Eintreten für seine volle Unschuld nicht an - schließen dürfen. Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, an der Gerechtigkeit des kaiserlichen Urteils zu zweifeln, und schon diese Untreue gegen die Majestät des Herrschers galt der Zeit als schwerer Verrat. 1)Indem ich mir ausführlichere Darlegungen über die durch Dürftigkeit und Unsicherheit der unmittelbaren Quellen, legendarische Entstellungen und kritiklose Forschung arg verwickelte Schuldfrage vorbehalte, bemerke ich hier das Folgende. Schlechthin entscheidend für die Auffassung ist Reg. Imp. V, 3764, wo Peter vom Kaiser selbst nur der unerlaubten, allerdings in gerade - zu staatsgefährlichem Maße ausgeführten Bereicherung durch sein Amt be - zichtigt wird. Solche Vergehen, ausgeführt in längerer Amtswaltung, lassen sich denn doch wahrlich beweisen oder widerlegen! Wie sollte sich Friedrich seines fähigsten Helfers beraubt und dies furchtbare Odium auf seine Regierung gewälzt haben, wenn er nicht durch zweifellose Beweise zum Einschreiten ge - zwungen war? Daß uns heute die Akten der Amtsführung nicht soweit er - halten sind, um die Schuldfrage nachprüfen zu können, ist selbstverständlich. Eine erstaunlich reiche Hinterlassenschaft Peters steht übrigens fest, und unter den Belegen der folgenden Jahre spricht keiner auch nur entfernt dafür, daß man etwa nachträglich zu der Erkenntnis gekommen wäre, man habe ihm doch zu viel getan. Im Grunde ist es ja auch nur Dantes ehrwürdiges Urteil (Inferno 13), das hier, wie in so manchem andern Punkte, der Erkenntnis der historischen Wahrheit hemmend im Wege gestanden hat. Eine Verquickung mit dem Mordversuche des Arztes ist aber wohl sicher abzuweisen, wenn

255§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).

Nur wenige Monate nach seinem bedeutendsten Staatsmann verlor Friedrich seinen zuverlässigsten und fähigsten Feldherrn, König Enzio. 1)Vgl. über ihn die nicht eben bedeutenden Schriften von Großmann (Gött. Diss. 1883) und Blasius (1884).Einer deutschen Liebschaft des Kaisers entsprossen, blondhaarig, schön und jugendkräftig, war er von allen seinen Söhnen der begabteste, in der Vereinigung von schneidiger Willens - kraft und reichem geistigen Interesse der dem Vater ähnlichste. Oftmals schon allzu tollkühn im Kampfe, geriet er in einem unbe - deutenden Gefecht bei Fossalta (unweit Modena, Mai 1249) in die Hände der Bolognesen, die ihn zwar anständig behandelten, aber trotz aller Drohungen und Versprechungen des Kaisers nicht heraus - gaben. Seiner wartete das furchtbare Los, in jahrzehntelanger Ge - fangenschaft zur Untätigkeit verdammt, den Untergang seines Ge - schlechts zu betrauern ( 1272). 2)Über diese Gefangenschaft und die mancherlei Legenden, die sich darum gesponnen haben, vgl. Frati, La prigionia del Re Enzio in Bologna (1902).

Die Wirkung aller dieser Schicksalsschläge auf das Gemüt des Kaisers ist gewiß ebenso wenig zu unterschätzen, wie ihr moralischer Eindruck auf die Parteien und das Ausland; aber es waren doch am Ende nur Unglücksfälle, die die politisch-militärische Gesamt - lage wohl hier und da beeinflussen, aber nicht dauernd bestimmen konnten. Nichts aber wäre verkehrter, als hier von einem ständigen Rückgang, wohl gar völligen Unterliegen der kaiserlichen Sache zu reden oder anzunehmen, Friedrich selbst habe, geistig und körper - lich gebrochen, an einem Erfolge verzweifelt. Dürfte man nach der Lage der Dinge in seinem letzten Lebensjahre urteilen, so stand er eher vor dem Siege, als vor der Niederlage.

Das sizilische Königreich bildete noch immer die feste, unberührte Grundlage seiner Macht. Eben hatte es von neuem reiche Mittel zu um - fassenden Rüstungen gewährt. Ein Angriff, den der Papst durch seinen Kar - dinallegaten Peter Capoccio von Mittelitalien aus versucht hatte (Sommer 1249) war mühelos abgeschlagen, und auch die schon errungenen Erfolge der Päpst - lichen in der Mark Ancona größtenteils rückgängig gemacht (Sommer 1250). In Tuszien wurde freilich die Behauptung der kaiserlichen Herrschaft immer fraglicher, denn in Florenz erhob sich das durch Steuern und Kriegsleistungen erbitterte Volk und errichtete ein unabhängiges, parteiloses Regiment (Sept. 1250); aber noch konnten hier neue Erfolge alles zum Guten wenden. Der Abfall der Romagna war seit der Wiedergewinnung von Ravenna (Okt. 1249) 1)man nur den irreführenden Bericht des Matthäus Paris. als phantasievolle, durch ihn selbst oder das Gerücht geschaffene Kombination erkennt und mit Ficker den Erlaß Reg. Imp. V, 3768 gewiß richtig auf den Arzt, statt auf Peter be - zieht. Trifft meine Auffassung im Wesentlichen die Wahrheit, die sich im Einzelnen natürlich nicht mehr einwandfrei zurückgewinnen läßt, so sind freilich sämtliche neueren Darstellungen zu ändern.256II. Die Zeit der Staufer.rückläufig geworden. Ezzelin hatte im östlichen Oberitalien seinen Machtkreis nur noch weiter ausgedehnt, in der Lombardei aber der Markgraf Hubert Pallavicini, der hier König Enzio ersetzte, geradezu glänzende Erfolge errungen und in einem bedeutsamen Siege über die Parmesen Rache für Vittoria ge - nommen (Aug. 1250). Den Genuesen war zur See eine empfindliche Nieder - lage beigebracht. 1)Reg. Imp. V, 3823.Innere Spaltung bedrohte den Lombardenbund; in Rivalität mit Mailand neigte Piacenza zur kaiserlichen Partei. Westlich aber erstreckte sich seit dem Gewinn von Vercelli (Okt. 1248), der weitere Übertritte zur Folge hatte, und durch die Treue des jetzt auch verwandtschaftlich dem staufischen Hause verbundenen Grafen von Savoyen ein geschlossenes kaiserliches Macht - gebiet über die Alpen bis vor die Tore von Lyon. Einem Zuge dorthin stand nichts im Wege. Und auch Frankreich bot dem Papste keine Rücken - deckung mehr. Ludwig IX., der auf seinem Kreuzzuge die mangelnde Unter - stützung der Kirche bitter empfand und sich mit seinem Heere eben aus der ägyptischen Gefangenschaft (April 1250) losgekauft hatte, forderte aus dem Orient auf das bestimmteste den Friedenschluß mit dem Kaiser; Innozenz richtete bereits eine Anfrage an den englischen Hof, ob man ihn in Bordeaux dulden würde. Seine Finanzmittel waren der Erschöpfung nahe.

Friedrich selbst war damals trotz gelegentlicher Krankheitsan - fälle so wenig lebensmüde, daß er vielmehr im Begriff stand, zur Sicherung seiner Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog Albrechts von Sachsen zu schließen. 2)Vgl. Simonsfeld, S. B. d. Münch. Ak. phil. -hist. Kl., II., 443 ff.Eben war er im Begriff, zur endgültigen Niederwerfung aller italischen Rebellen gegen Norden zu ziehen; seine letzten Briefe an den griechischen Kaiser Johannes Vatazes atmen das gehobenste Siegesbewußtsein. In diesem Augen - blick ist Friedrich völlig unerwartet an einer leichtsinnig behandelten Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino3)Die angebliche astrologische Weissagung, die ihn vor Florenz warnte und dann so trügerisch in Erfüllung ging, schmeckt doch nach späterer Erfindung. im Alter von fast 56 Jahren gestorben (13. Dez. 1250). 4)Gegen die Annahme einer anfänglichen Verheimlichung seines Todes vgl. Davidsohn, Forsch z. Gesch. v. Florenz IV, 98 ff.Nach seinem Testa - ment sollte Konrad IV. die gesamten Reiche erben, nur während seiner Abwesenheit Manfred in Italien und Sizilien Statthalter sein. Von einer Nachgiebigkeit gegen die römische Kirche findet sich keine Spur; die entrissenen Besitzungen sollten ihr nur dann zurück - gegeben werden, wenn sie dem Reiche gegenüber ebenso handle. Des Kaisers Leiche wurde neben denen seiner Eltern im Dom von Palermo beigesetzt.

Friedrich selbst schied unbesiegt aus dem großen Streite, aber eben sein Tod hat doch der staufischen Sache den Untergang ge - bracht; denn ein wahrer Nachfolger seines Geistes fehlte, und furchtbar wüteten alsbald Tod und Zersplitterung in seinem Hause. 5)Wenn dieser Untergang des staufischen Hauses hier nicht mehr mit behandelt wird, so geschieht das nicht nur aus Raummangel, sondern auch, weil es sich nicht empfehlen würde, die Geschicke Manfreds und Konradins257§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239 1250).Wenn trotz dieser unsäglich ungünstigen Verhältnisse der Kampf noch achtzehn Jahre fortgesetzt werden konnte, und die Entschei - dung, die noch mehrmals auf des Messers Schneide stand, von der Kurie schließlich doch nur durch Hereinziehen der französischen Macht herbeigeführt wurde, jenes Rohrstabes, der als Stütze ihr bald genug selbst die Hand durchbohren sollte, so spricht das besser als alles andre für die Stärke, in der Friedrich bei seinem Tode trotz allem sein Werk noch immer zurückließ.

Deutschland hat vom nationalen Standpunkt aus schwerlich Grund, zu wünschen, daß es gesiegt hätte; denn da es für die Aufrichtung eines zentralistischen Beamtenregiments viel weniger Spielraum bot als Italien, so wäre es wohl sicher zum Nebenland des Imperiums herabgesunken. Aber eine tiefe Sehnsucht nach der entschwundenen Kaiserherrlichkeit blieb doch in den Gemütern von Tausenden zurück und wuchs in der Not der folgenden Zeiten. Sie fand ihren Niederschlag in der deutschen Kaisersage1)Vgl. oben S. 172., in der die Person Friedrichs II. zum Mittelpunkt ward von Weltunter - gangsvorstellungen, mythologischen Beimischungen und nationalen Hoffnungen, und die sich nicht zum wenigsten deswegen in dem thüringischen Berge Kyffhäuser lokalisierte, weil sich auf den Sohn der Kaisertochter Margarathe, den Wettiner Friedrich den Freidigen später die letzten Hoffnungen der Ghibellinen richteten.

Aber auch die Erinnerung an die kirchlichen Kämpfe hat in Deutschland lange nachgewirkt, und es ist kein geringerer als Ranke, der in seiner Weltgeschichte die Behauptung wagt, daß die Un - gerechtigkeit, welche in dem Verhalten des siegreichen Papsttums lag, der erste Grund zu dem späteren Abfall von der Kirche wurde, insofern diese nicht allein in der Theologie, sondern auch in den populären Gefühlen wurzelte . Was Luther , so fährt er fort, im Eingang seiner Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation beklagt, daß die teuren Fürsten Friedrich der Erste und der Andere und viel mehr deutscher Kaiser so jämmerlich von den Päpsten mit Füßen getreten und verdrückt seien, davon hat sich eine Empfindung, zumal in den deutschen Städten, welche sich zuletzt eben deswegen für die untergehende staufische Sache schlugen, durch die Jahrhunderte des sinkenden Mittelalters erhalten .

5)aus dem Zusammenhang der Geschichte des deutschen Interregnums heraus - zureißen, die einem späteren Bändchen vorbehalten bleibt.

Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 17
[258]

Register der Orts - und Personennamen.

  • Aachen71,143,190,192.
  • Aba, Kön. v. Ungarn17.
  • Abälard s. Peter.
  • Abdinghof3.
  • Abotriten27,32,157.
  • Abu al Fadayl219.
  • Acerbus Morena87.
  • Acerenza220.
  • Adalbero, Erzb. v. Bremen100.
  • Adalbert, Herz. v. Kärn - then8,9.
  • Adalbert, Erzb. v. Bre - men3,26 bis28,31,37,39,89.
  • Adalbert, Erzb. v. Mainz77,82,92.
  • Adam, Domherr v. Bremen3,26.
  • Adam s. Salimbene.
  • Adelasia, Gemahlin König Enzios237.
  • Adolf v. Nassau, deutscher König55.
  • Adolf, Erzb. v. Köln178,179,189,190,192,193.
  • Adolf I., Graf v. Schauen - burg99.
  • Adolf II., Graf v. Schauen - burg99,113.
  • Adrianopel170.
  • Ägypten169,208,209,216,256.
  • Äthiopier220.
  • Afrika181,196.
  • Agnes v. Poitou, zweite Gemahlin Kaiser Hein - richs III.19,30 bis32,36,39.
  • Agnes, Tochter Kaiser Heinrichs IV.55,85.
  • Agnes, Gemahl. Heinrichs, Pfalzgr. b. Rhein176.
  • Akkon217.
  • Alba75; s. Benzo.
  • Alberich, römischer Patri - zier21.
  • Alberich v. Troisfontaines88.
  • Albero, Erzb. v. Trier103.
  • Albert, Patriarch v. Anti - ochia246.
  • Albert, Bisch. v. Lüttich175.
  • Albert Beham, Archidia - kon v. Passau240.
  • Albert Milioli, Notar v. Reggio87.
  • Albert v. Stade85.
  • Albertus Magnus222.
  • Albrecht, Herz. v. Sachsen256.
  • Albrecht d. Bär v. Ballen - städt, Markgr. v. Bran - denburg99,103,114,117,160.
  • Albrecht der Unartige, Markgr. v. Meißen250.
  • Alessandria (Caesarea)146,149,150,152,162,187.
  • Alexander II., Papst (An - selm, Bisch. v. Lucca)35,36,42,43,46,62,123,135,166.
  • Alexander III., Papst (Kar - dinal Roland)123,127,135 bis147,150,153 bis156,185.
  • Alexandriner135,137,139 bis142,145,148,153,168.
  • Alexios III., griechischer Kaiser181.
  • Alife s. Rainulf.
  • Almohaden181.
  • Alpen13,23,64,67,99,101,119,146,198,232,235,252,256.
  • Altaich I.
  • Amadäus, Graf v. Savoyen256.
  • Amalrich, Kön. v. Cypern181.
  • Amatus v. Montecassino4.
  • Anagni153,154,159,220.
  • Anaklet II., Gegenpapst (Peter Pierleoni)95 bis97,101,102.
  • Ancona143,144,149.
  • Ancona, Mark186,187,194,255.
  • Andreas, Kön. v. Ungarn29.
  • Andres s. Wilhelm.
  • Angelos s. Isaak.
  • Anhalt160.
  • Anjou81.
  • Anno, Erzb. v. Köln2,31,36,37,41,42.
  • Ansald de Mari, Admiral Friedrichs II .243.
  • Ansbert, österr. Kleriker,169.
  • Anselm, Bisch. v. Lucca s. Alexander II.
  • Antiochia246.
  • Anweiler s. Markward.
259Register der Orts - und Personennamen.
  • Apennin52,58,145,240,252.
  • Apolloniuskloster in Ca - nossa52.
  • Apulien23,34,96,101,188,220,232,256.
  • Aquileja112,166,229.
  • Aquitanien14,18,19,105.
  • Araber16,96,202,203,219,222,225; s. Mau - ren, Mohammedaner, Sarazenen.
  • Aragonien180,204,226.
  • Aribert, Erzb. v. Mailand14 bis16,19.
  • Aribo, Erzb. v. Mainz6.
  • Arles156.
  • Armenien171,181,200.
  • Arnold v. Selenhofen, Erzb. v. Mainz140.
  • Arnold, Abt des Johannis - stifts in Lübeck84,119.
  • Arnold, v. Brescia111,112,123,242.
  • Arnold, Dominikaner242.
  • Arnulf, Erzb. v. Mailand4.
  • Asien243,244.
  • Askalon110.
  • Askanier99,160.
  • Assisi s. Franz.
  • Asti146.
  • Augsburg2,36,51,58,164.
  • Augustin44,85.
  • Augustiner86,93,111.
  • Augustinereremiten200.
  • Aura3.
  • Averroismus222.
  • Aversa16,23,34,196.
  • Azzo II. v. Este40.
  • Babenberger9,103,116,117,234,249.
  • Balderich, Scholastiker in Trier103.
  • Balkan170,181.
  • Ballenstädt s. Albrecht.
  • Baltisches Meer s. Ostsee.
  • Bamberg3,5,21,24,100,194.
  • Barbarossa s. Friedrich I.
  • Bari101.
  • Basel12,35.
  • Batu, Mongolenherrscher243.
  • Bayern9,25,26,28 bis30,39,40,55,67,69,89,94,103 bis105,108,113,117,156,157,160,194,212,249.
  • Beatrix, zweite Gemahlin Kaiser Friedrichs I.118,119,144,155.
  • Beatrix, Tochter Philipps v. Schwaben194.
  • Beatrix, Gemahlin des Markgr. Bonifaz v. Canossa14,28,29.
  • Beauvais s. Vinzenz.
  • Becket s. Thomas.
  • Beham s. Albert.
  • Benedikt VIII., Papst13,23.
  • Benedikt IX., Papst13,16,20,21.
  • Benediktinerorden93.
  • Benevent23,24,96,124,129,144.
  • Benno, Bisch. v. Osna - brück3.
  • Beno, Kardinal4,62.
  • Benzo, Bich. v. Alba4,62.
  • Bergamo86.
  • Bern183.
  • Bernardo Marangone87.
  • Bernhard v. Anhalt, Herz. v. Sachsen160.
  • Bernhard, Abt v. Clairvaux92,93,95,97,99,101,102,104,106 bis108,110,111,121.
  • Bernhardiner93,96.
  • Bernhard, Sachse, Publizist62.
  • Bernhold v. S. Blasien,2,62.
  • Bernried2.
  • Bertha v. Turin, erste Ge - mahlin Kaiser Hein - richs IV.38,51,59,65.
  • Berthold, Herz. v. Schwa - ben55.
  • Berthold I. v. Zähringen, Herz. v. Kärnthen30,55.
  • Berthold II., Herz. v. Zäh - ringen67.
  • Berthold IV., Herz. v. Zähringen, Rektor v. Burgund118.
  • Berthold v. Reichenau1.
  • Bertinoro, Grafschaft194.
  • Besançon127,191.
  • Bethlehem216.
  • Bianello52,53.
  • Billunger77,103,157,160.
  • Bingen s. Hildegart.
  • S. Blasien2,62,85.
  • Bodfeld30.
  • Böckelheim70.
  • Böhmen3,12,17,45,62,70,86,100,118,137,192,234,244,248.
  • Boleslaw I. d. Kühne, Kön. v. Polen12.
  • Boleslaw II., Herz. v. Polen100.
  • Bologna122,123,130,132,222,255.
  • Bonifaz, Markgr. v. Tuszien (Canossa)14,28.
  • Bonizo, Bisch. v. Sutri4,46,62.
  • Bordeaux256.
  • Bornhövde211.
  • Bosau84.
  • Boso, Kardinalpriester136.
  • Bouillon s. Gottfried.
  • Bouvines199.
  • Brabant175.
  • Brabantische Söldner, Bra - banzonen144.
  • Braga s. Burdinus.
  • Brandenburg, Mark99,114,117,157,160.
  • Braunschweig77,160,194,199,232.
  • Bremen3,26 bis28,31,32,46,77,100,113,127,157,160,231.
  • Brennerstraße235.
  • Brescia111,237; s. Arnold.
  • Bretislaw, Herz. v. Böh - men17.
  • Brienne s. Isabella.
  • Brindisi215,217.
  • Brixen57.
  • Bruno, Erzb. v. Köln, Bruder Ottos I.160.
17*260Register der Orts - und Personennamen.
  • Bruno, Bisch. v. Toul s. Leo IX.
  • Bruno, Domherr in Köln92.
  • Bruno, Domherr i. Magde - burg2.
  • Buch s. Christian.
  • Büren55.
  • Burchard, Bisch. v. Worms7,10.
  • Burchard, Propst v. Urs - perg86.
  • Burdinus, Erzb. v. Braga, Gegenpapst78.
  • Burghausen s. Sigihard.
  • Burgund10,12,18,30,66,78,79,118 bis120,127,133,140,156,181,206.
  • Byzanz58,96,114,181,189,225; s. Griechen - land, Konstantinopel.
  • C (s. auch K und Z).
  • Cadalus, Bisch. v. Parma s. Honorius II.
  • Caesarea s. Alessandria.
  • Caesarea, Mönch v. Heister - bach87.
  • Cafaro, genues. Annalist87.
  • Calvi s. Nikolaus.
  • Cambray3.
  • Canossa4,14,28,38,51 bis54,64,154,219.
  • Canterbury193; s. Thomas Becket.
  • Capetinger41,78,82,148,212,228; s. französ. Königtum.
  • Capitanata, sizil. Provinz203,210.
  • Capua16,34,37,96,203,223,224,253; Assisen v. Capua209.
  • Castel del Monte223.
  • Catina s. Gregor.
  • Cencius, päpstl. Kämmerer s. Honorius III.
  • Ceperano218,219,224, bis227,235.
  • Champagne12,15,16,92.
  • Chartres s. Ivo.
  • Chiavenna151,158,159.
  • Chilperich, fränkischer - nig222.
  • Christian v. Buch, Erzb. v. Mainz142 bis144,149,155.
  • Chur198.
  • Cilizien171.
  • Cisapaß (Monte Bardone)240,252.
  • Citeaux b. Dijon92.
  • Cividale227.
  • Civitate24.
  • Clairvaux92,93; s. Bern - hard.
  • Clarendon141.
  • Clermont66.
  • Cluny, Cluniazenser9,47,48,52,60,63,71.
  • Codagnellus s. Johannes.
  • Coelestin III., Papst174 bis179,186.
  • Coelestin IV., Papst243.
  • Como, Comersee151.
  • Corsica45,147.
  • Cortenuova236.
  • Cortona s. Elias.
  • Cosmas, Dekan v. Prag3,86.
  • Crassus s. Petrus.
  • Crema115,134.
  • Cremona64,87,134,145,149 bis154,166,213,252,253.
  • Creszentier20.
  • Creszentius, römischer Pa - trizier21.
  • Cypern181.
  • Dänemark11,27,28,45,100,102,127,137,157,160,161,167,180,192,199,210,211,217,248.
  • Dalmatien45.
  • Damaskus110,216.
  • Damiani s. Petrus.
  • Damiette208,209.
  • Daniel, Bisch. v. Prag86,144.
  • Dante Allighieri223,254.
  • Dassel s. Reinald.
  • David, Schotte3.
  • Desiderius, Abt v. Monte - cassino s. Viktor III.
  • Deusdedit, Kardinal46,62.
  • Deutschorden211,227,246.
  • Dietrich v. Bern183.
  • Dôle139.
  • Dominikanerorden200,230,231.
  • Dominikus200.
  • Donau II.
  • Donizo, Mönch i. Canossa4,52.
  • Ebo, Mönch v. Michels - berg100.
  • Eboli b. Salerno86.
  • Edessa107,110,
  • Edrisi222.
  • Eger118,198.
  • Egilbert, Bisch. v. Frei - sing8.
  • Eichstätt24,30.
  • Eider11,210,211.
  • Ekbert, Markgr. v. Meissen62.
  • Ekkehard, Abt v. Aura3,85.
  • Elba243.
  • Elblande113.
  • Eleonore, französ. u. engl. Königin105.
  • Elias v. Cortona, Franzis - kanergeneral242.
  • Elisabeth, Gemahlin König Konrads IV .249.
  • Elisabeth, Landgräfin v. Thüringen230,231,236.
  • Elsaß118.
  • Elster58.
  • Emadeddin Zenki, Reichs - verweser v. Mossul107.
  • Engelbert I., Erzb. v. Köln210 bis212.
  • England11,28,45,78,82,88,95,109,122,137 bis139,141 bis143,148,153,160,164,167,169,171,176,180,185,190 bis193,198 bis200,212,232,242,251,256.
261Register der Orts - und Personennamen.
  • Enzio, König v. Sardinien237,238,252,255,257.
  • Ephesus109.
  • Erfurt84,85.
  • Erich Emund, König v. Dänemark100.
  • Erlung, Bisch. v. Würz - burg2.
  • Ernst II., Herzog von Schwaben9,10,12.
  • Erzpoet (Archipoeta)125.
  • Eschenbach s. Wolfram
  • Eskil, Erzb. v. Lund127.
  • Este, Familie14,40.
  • Esthland199,210.
  • Etschklause s. Veroneser Klause.
  • Eugen III., Papst106 bis108,110 bis112,114,122.
  • Eupraxia s. Praxedis.
  • Ezzelin III. v. Romano235,240,250,252,256.
  • Fadayl s. Abu.
  • Farfa4.
  • Fermo25.
  • Ferrara62,251.
  • Fieschi s. Sinibald.
  • Finnland27.
  • Fiorentino256.
  • Fischa11.
  • Flandern28,108,167.
  • Flavigny3.
  • Florenz112,255,256.
  • Foligno203.
  • Folmar, Erzb. v. Trier166.
  • Forchheim54,55.
  • Fossalta255.
  • Frangipani, Familie95.
  • Franken, fränkisch5,6,54,94.
  • Frankfurt a. M.191,231,249.
  • Frankreich, Franzosen, französ. Königtum3,12,18,22,23,28,40,41,44,46,61,63,66,71,76,78,82,88,92,93,95,99,105,107,109 bis111,113,137,138,141,143,148,161,167 bis169,171,176,178,180,181,185,190,192,196 bis200,212,232,242,243,248,251,252,256,257.
  • Franz v. Assisi200,214,230.
  • Franziskaner s. Minoriten.
  • Freidank88,217.
  • Freising8; s. Otto.
  • Friaul227.
  • Friedrich I. Barbarossa, Kaiser8,80,81,84 bis87,92,98,113,115 bis172,174,175,181,189,192,194,207,208,224,234 bis236,238,243,257.
  • Friedrich II., Kaiser39,40,85,87,88,96,162,172,177 bis179,185,186,188,190,191,193,197 bis199,201 bis257.
  • Friedrich I. v. Büren, Herz. v. Schwaben55,70.
  • Friedrich II., Herzog von Schwaben82,89,90,94,99.
  • Friedrich von Rotenburg, Herzog v. Schwaben,115,144,148.
  • Friedrich, Sohn Barba - rossas, Herzog von Schwaben148,161,168,171.
  • Friedrich, Herz. v. Ober - lothringen14.
  • Friedrich II. d. Streitbare, Herzog von Österreich117,234,249.
  • Friedrich der Freidige, Markgr. v. Meißen257.
  • Friedrich v. Lothringen, Kardinal22.
  • Frutolf, Prior v. Michels - berg3,85.
  • Fulda3,24.
  • Gaeta203.
  • St. Gallen3.
  • Gebhard, Bisch. v. Eich - stätt s. Viktor II.
  • Gelasius II., Papst78.
  • Gelnhausen168,191.
  • Gembloux3,47.
  • Genua, Genuesen87,96,101,138,177,196,198,243 bis246,256.
  • Gerhard II., Erzb. von Bremen231.
  • Gerhard, Propst v. Steter - burg85.
  • Gerhoh, Propst v. Rei - chersberg93,121,142.
  • Gerlach, Abt v. Mühl - hausen86,169.
  • S. Germano87,209,212,213,215,218.
  • Gerold, Patriarch v. Jeru - salem217.
  • Gerstungen41.
  • Gertrud, Gemahlin Herz. Heinrichs d. Stolzen88,105.
  • Gertrud, Nichte Herzog Friedrichs d. Streit - baren v. Österreich249.
  • Gervasius v. Tilbury87.
  • Gisela, Gemahlin Kaiser Konrads II .9.
  • Gislebert v. Mons86,151.
  • S. Giustina i. Padua87.
  • Godehard, Bisch. v. Hil - desheim3.
  • Goslar26,152.
  • Gotland157.
  • Gottfried, Herz. v. Ober - lothringen28,29,32,34,37.
  • Gottfried v. Bouillon, Herz. v. Niederlothringen67.
  • Gottfried, Graf v. Anjou81.
  • Gottfried, Patriarch v. Aquileja166.
  • Gottfried v. Viterbo86.
  • Gotthardpaß234.
  • Gottschalk, Abotritenfürst27.
  • Gratian106.
  • Gregor VI., Papst20,21.
262Register der Orts - und Personennamen.
  • Gregor VII., Papst (Hil debrand)2,4,21,22,33 bis35,37,42 bis63,66,81,98,107,112,123,127,136,153,184,191,192,214,245.
  • Gregorianer, gregorianisch4,46,62,66,70,73,74,76,78 bis80,92,94,110,123,127,155,240.
  • Gregor VIII., Papst168.
  • Gregor IX., Papst (Ugo - lino, Kardinalbisch. v. Ostia)200,214 bis220,230 bis232,235 bis246.
  • Gregor von Montelongo, päpstlicher Legat251.
  • Gregor v. Catina4.
  • Griechisches Reich, Grie - chenland, Griechen, griech. Kaiser16,23,58,96,101,109,110,112,124,140,143,144,149,154,165,169 bis171,181,185,203,222,256; s. By - zanz, Konstantinopel.
  • Grönland27.
  • Günther v. Pairis86.
  • Guido, Erzb. v. Vienne s. Kalixt II.
  • Guiot v. Provins, Trou - badour161.
  • Gunhild, Tochter Kanuds, erste Gemahlin Kaiser Heinrichs III .11.
  • Habsburg235.
  • Hadrian IV., Papst122 bis124,127,128,134,166.
  • Haimerich, päpstl. Kanzler95.
  • Halberstadt159.
  • Halinard, Erzb. v. Lyon20.
  • Hall, schwäbisch242.
  • Hamburg3,26.
  • Hanse157.
  • Hartwich, Bisch. v. Re - gensburg121.
  • Harz26,30,40,76.
  • Harzburg41,42,199.
  • Heilige Land110,248; s. Palästina.
  • Heinrich I., deutscher König117.
  • Heinrich II., Kaiser5,6,11 bis14,23,40.
  • Heinrich III., Kaiser4,8,9,11,16 bis30,32,34,35,37,38,61,64,83,183.
  • Heinrich IV., Kaiser1,2,16,30 bis73,75,77,81,83,85,119,124,144,147,148,243.
  • Heinrich V., Kaiser3,67 bis82,89 bis91,94,150,173,175,230.
  • Heinrich VI., Kaiser86,148,161,164 bis167,170,172 bis183,186, bis189,196,197,201,203,205,207,209,234,237,256.
  • Heinrich, Sohn Konrads III., deutscher König108,114.
  • Heinrich (VII. ), deutscher König197,206,207,210,212,213,227 bis232,234 bis236.
  • Heinrich Raspe, Landgr. v. Thüringen, deutscher Gegenkönig248 bis250.
  • Heinrich I., Kön. v. Eng - land78.
  • Heinrich II., Kön. v. Eng - land141,148,160,193.
  • Heinrich III., Kön. v. Eng - land251.
  • Heinrich I., Kön. v. Frank - reich18,28.
  • Heinrich v. Lützelburg, Herz. v. Bayern9.
  • Heinrich d. Stolze, Herz. v. Bayern89,98,101 bis105,116.
  • Heinrich d. Löwe, Herz. v. Sachsen u. Bayern84,100,105,108,113,117,140,143,147bis149,151,152,156 bis162,164,167, bis169,174,175,189,190,234.
  • Heinrich v. Babenberg, Herz. v. Bayern, Herz. v. Österreich105,117.
  • Heinrich, Herzog v. Bra - bant175.
  • Heinrich II. d. Fromme, Herz. v. Niederschle - sien243.
  • Heinrich der Erlauchte, Markgr. v. Meißen250.
  • Heinrich d. Jüngere, Sohn Heinrichs d. Löwen, Pfalzgraf b. Rhein175,176,192.
  • Heinrich, Erzb. v. Mainz108,114.
  • Heinrich v. Hohenlohe, Deutschordensmeister246.
  • Heinrich, Graf v. Schwerin210.
  • Heinrich, Vater Konrads II .6.
  • Heinrich v. Veldeke161.
  • Heinsberg s. Philipp.
  • Heisterbach s. Caesarius.
  • Hellespont171.
  • Helmold, Pfarrer v. Bosau84,100,157.
  • Helmstädt77.
  • Hennegau86.
  • Herbord, Mönch v. Michels - berg100.
  • Hermann, Graf v. Salm, deutscher Gegenkönig61,62.
  • Hermann II., Herz. v. Schwaben9.
  • Hermann, Landgr. v. Thü - ringen190,192.
  • Hermann, Bisch. v. Metz56.
  • Hermann, Bisch. v. Ver - den144.
  • Hermann v. Salza, Deutsch - ordensmeister211,238.
  • Hermann d. Lahme v. Reichenau1,3.
  • Hersfeld62; s. Lambert.
263Register der Orts - und Personennamen.
  • Heveller114.
  • Hildebrand s. Gregor VII.
  • Hildegart v. Bingen104.
  • Hildesheim1,3,125.
  • Hillin, Erzb. v. Trier126.
  • Hirschau2,47,55.
  • Hittin169.
  • Hohenlohe s. Heinrich.
  • Holland s. Wilhelm.
  • Holstein84,99,100,113,157.
  • Homburg a. Unstrut42.
  • Honorius II., Gegenpapst (Cadalus, Bischof v. Parma)35 bis37.
  • Honorius II., Papst96,106.
  • Honorius III., Papst (Cen - cius, päpstl. Kämmerer)186,206 bis208,211,213,215.
  • Hubert Pallavicini, Mark - graf256.
  • Hugo Candidus, Kardinal22,48,57.
  • Hugo, Abt v. Cluny52,71.
  • Hugo v. Flavigny3.
  • Humbert, Graf v. Savoyen146.
  • Humbert, Kardinal22,32,33,35.
  • Huss111.
  • Iburg3.
  • Ikonium109,170,171.
  • Ilsenburg84.
  • Imola202.
  • Ingelheim71.
  • Innozenz II., Papst95,97 bis99,101,103,105,106,111,153,155.
  • Innozenz III., Papst (Lo - thar v. Segni)57,136,183 bis201,204,206,208,214,215,221.
  • Innozenz IV., Papst (Si - nibald Fieschi)138,221,242,244 bis248,250 bis252,255,256.
  • Irene, Gemahlin Philipps v. Schwaben181,189.
  • Irland, Iren3,137.
  • Isaak Angelos, griech. Kaiser170 .181.
  • Isabella v. Brienne, zweite Gemahlin Kaiser Fried - richs II.213,216.
  • Isabella, engl. Prinzessin, dritte Gemahlin Kai - ser Friedrichs II .232.
  • Islam66; s. Mohamme - daner.
  • Island27.
  • Isle de France40.
  • Italien oft; ital. Seestädte65.
  • Ivo v. Chartres78.
  • Jakob, Erzb. v. Capua224.
  • St. Jean de Losne138,139.
  • Jerusalem168,169,209,213,216,217,246.
  • Johannes Vatazes, grie - chischer Kaiser256.
  • Johann ohne Land, König v. England192,193.
  • Johann XII., Papst13.
  • Johann XIX., Papst13.
  • Johannes Codagnellus, No - tar87.
  • Johann Parricida10.
  • Johann v. Salisbury137.
  • Johann v. Vicenza, Domi - nikaner231,235.
  • Johanniter217.
  • Jordan Pierleoni106.
  • Juden66,67,95,96,108,202,203,222,226.
  • Judith, Mutter Kaiser Friedrichs I.116.
  • Justinian röm. Kaiser112,130,224.
  • K (s. auch C).
  • Kärnthen6,8,9,25,26,28,30,55.
  • Kaiserswerth31,36.
  • Kalabrien23,34,65,196.
  • Kalixt II., Papst (Guido, Erzb. v. Vienne)78 bis80,155.
  • Kalixt III., Gegenpapst147,153.
  • Kamba6.
  • Kamil, Sultan v. Ägypten209,216,217.
  • Kampanien37.
  • Kanud d. Gr., dänischer König11,27.
  • Karl d. Gr., Kaiser5,7,17,44,73,115,131,132,143,164,222.
  • Karl IV., Kaiser92.
  • Karl I. v. Anjou, Kön. v. Sizilien239.
  • Karmeliterorden200.
  • Karolinger, karolingisch5,21,186.
  • Karthäuserorden92.
  • Katharer200.
  • Kelten161.
  • Kiew65.
  • Kirchenstaat79,123,134,147,167,175,182,186,187,194,198,208,215,217,218,247; s. Patrimonium Petri.
  • Kleinasien110,171.
  • Klemens II., Papst (Suid - ger v. Bamberg)21,22.
  • Klemens III., Gegenpapst (Wibert, Erzb. v. Ra - venna)33,57 bis59,63,66.
  • Klemens III., Papst168,174.
  • Koblenz70.
  • Köln2,6,21,31,36,41,61,71,86,92,103,114,135,157,160,167,171,176,178,179,183,190,193,210,212,231.
  • Kolmar50.
  • Konrad I., deutscher - nig114.
  • Konrad II., Kaiser1,5 bis17,19,25,30,34,38,39,89,114.
  • Konrad III., deutscher König82,85,94,99,103 bis115,120,130,144,148,162,170,175,207.
  • Konrad IV., deutscher König216,232,234,244,248,249,252,256.
264Register der Orts - und Personennamen.
  • Konrad, Sohn Kaiser Heinrichs IV., deut - scher König42,51,64 bis67,124.
  • Konradin, Herz. v. Schwa - ben256.
  • Konrad d. Rote, Herz. v. Lothringen6.
  • Konrad d. Jüngere, Herz. v. Worms, v. Kärn - then5,6,9.
  • Konrad, Herz. v. Bayern28,29.
  • Konrad, Herz. v. Maso - vien211.
  • Konrad, Pfalzgr. bei Rhein118,176.
  • Konrad v. Wettin, Mark - graf v. Meißen99.
  • Konrad v. Wittelsbach, Kardinal, Erzbisch. v. Mainz, v. Salzburg, v. Mainz142,153,189,191,192.
  • Konrad, Erzb. v. Salz - burg93.
  • Konrad v. Querfurt, Bisch. v. Würzb., Kanzler192.
  • Konrad v. Marburg, Ma - gister230,231.
  • Konrad Pfaffe, Dichter des Rolandsliedes85.
  • Konstantin d. Gr., röm. Kaiser112,177.
  • Konstantinische Schen - kung23,124,197,241.
  • Konstantinopel109,112,170,181; s. auch By - zanz, Griechenland.
  • Konstanz18,122 bis124,150,153,162,163,180,198,213,236.
  • Konstanze, Gemahlin Kai - ser Heinrichs VI.164 bis166,174,175,177,179,187,188,197,203,256.
  • Konstanze v. Aragonien, erste Gemahlin Kaiser Friedrichs II .204.
  • Kulmerland211.
  • Kurland211.
  • Kyffhäuser257.
  • Lambert, Mönch v. Hers - feld2,38,50 bis52.
  • Landulf, Priester4.
  • Langensalza42.
  • Langobardische Fürsten - tümer in Süditalien16,96.
  • Laodicea110.
  • Laon93.
  • Lateiner (in den Kreuz - fahrerstaaten)110,246.
  • Lateinisches Kaisertum171,199.
  • Lateran, Laterankonzil33,76,80,97,98,111,127,155,184,201,208.
  • Lauenburg157.
  • Lausitz12,99.
  • Lautenbach s. Manegold.
  • Lauterberg (Petersberg) b. Halle85,151,199.
  • Lavagna, Grafen v.244.
  • Legnano152,154,162,236.
  • Leitha11.
  • Leo II., Fürst von Ar - menien171,181.
  • Leo IX., Papst (Bruno, Bisch. v. Toul)22 bis24,34,106.
  • Leo, Bisch. v. Ostia4.
  • Leo, Bisch. v. Vercelli14.
  • Leopold d. Fromme, Mark - gr. v. Österreich85.
  • Leopold, Markgr. v. Öster - reich, Herzog v. Bayern103,105,
  • Leopold V., Herzog v. Österreich176.
  • Leopold VI., Herzog v. Österreich212.
  • Leopold (Lupold), Bisch. v. Worms193.
  • Lesum28.
  • Liegnitz244.
  • Liemar, Erzb. v. Bremen46.
  • Ligurien144.
  • Ligurinus, Epos86.
  • Limburg a. d. Hardt11.
  • Lissabon109.
  • Liudolf, Sohn Ottos d. Gr.10.
  • Liutgard, Tochter Ottos d. Gr.6.
  • Liutizen12.
  • Livland199,210,211.
  • Lodi86.
  • Lörzweiler6.
  • Lombardei, Lombarden, Lombardenbund13 bis15,35,36,49,51,53,57 bis59,64,81,87,106,111,122,127 bis129,131 bis133,135,137,138,141,144 bis147,149,150,152 bis156,159,162,163,166,180,187,198,213,218,226,232,235,236,238,240,246,247,250 bis252,256.
  • Lorsch8.
  • Lothar III. v. Supplin - burg, Kaiser77,82,84,89 bis102,103,105,117,120,122,124,127,144,157,158.
  • Lothar v. Segni s. Inno - zenz III.
  • Lothringen6,7,9,14,16,22,26,28 bis30,32,34,37,58,62,67,71,86,94,108,109.
  • Lucca58; s. Anselm.
  • Lucera210.
  • Lucius II., Papst106.
  • Lucius III., Papst164,166.
  • Ludwig d. Fromme, Kaiser71.
  • Ludwig II., Kaiser124.
  • Ludwig VII., Kön. v. Frankreich105,107,110,111,113,138,139,141.
  • Ludwig IX. d. Heilige, Kön. v. Frankreich251,256.
  • Ludwig I., Herzog v. Bayern212,227.
  • Ludwig, Landgr. v. Thü - ringen215.
  • Lübeck84,157,160,161,211.
  • Lüneburg160,232.
265Register der Orts - und Personennamen.
  • Lüttich3,20,61,71,86,97,98,175.
  • Lützelburger9,61.
  • Lukmanierpaß152.
  • Lund100,127.
  • Lupold s. Leopold.
  • Lyon20,246 bis248,251,256.
  • Mäandertal109.
  • Mähren17,244.
  • Magdeburg2,84,93,100,120,155,157.
  • Magnus, Herz. v. Sachsen40,103.
  • Magnus v. Reichersberg, Priester169.
  • Mailand4,14 bis16,19,34,35,42,47,48,64,87,94 bis96,101,122,128,129,133,136,137,140,145,149,152,153,166,236,237,256.
  • Main55,119.
  • Mainardino, Bisch. v. Imo - la202.
  • Mainz3,6,66,67,70,71,77,82,89,92,103,108,114,140,142,153,155,161,168,189,191 bis193,232,233,236,250.
  • Manegold v. Lautenbach, Publizist62.
  • Manfred, natürlicher Sohn Kaiser. Friedr II .256.
  • Mantua36,42,53.
  • Manuel, griechischer Kaiser109,110,112,122,140,143,149,154.
  • Marangone s. Bernardo.
  • Marbach i. Elsaß86,178.
  • Marburg i. H.230,236.
  • Margarethe, Gemahlin - nig Heinrichs (VII.)212.
  • Margarethe, Tochter Kaiser Friedrichs II.250,257.
  • Marianus Scotus3.
  • Markward von Anweiler, Herz. von Ravenna, Markgr. von Ancona186,187.
  • Marseille203.
  • Masovieu211.
  • Mathilde, Tochter Kön. Heinrichs I. v. Eng - land, Gemahlin Kaiser Heinrichs V.78,82.
  • Mathilde, Gräfin v. Tuszien4,28,48,51,52,58,59,64,67,77.
  • Mathildisches Gut94,98,105,117,147,153,154,163,186,189,194.
  • Matthäus v. Paris88,244,247,255.
  • Mauren220; s. Araber, Mohammedaner, Sara - zenen.
  • Mecklenburg27,157.
  • Meinwerk, Bisch. v. Pader - born2.
  • Meissen, Mark62,99,157,178,234,250.
  • Melfi, Konstitutionen v.224.
  • Merowinger222.
  • Merseburg100.
  • Messina174,196,209.
  • Metz56.
  • Michelsberg bei Bamberg3,100.
  • Migniano106.
  • Milioli s. Albert.
  • S. Miniato254.
  • Minoritenorden (Franzis - kaner)200,214,230,242.
  • Mittelmeer181,215.
  • Mohammed241.
  • Mohammedaner109,161,199,203,210,216,217,220,222; s. Ara - ber, Mauren, Sarazenen.
  • Molêmes s. Robert.
  • Mongolen243,244.
  • Monreale b. Palermo186.
  • Mons s. Gislebert.
  • Mont Cenis51.
  • Monte, Castel del223.
  • Montebello149,150,154.
  • Montecassino4,60,101,203.
  • Montegiovanni (Monte - zane)52.
  • Morena s. Acerbus, Otto.
  • Morimond85.
  • Mosel183.
  • Moslem203.
  • Mossul107.
  • Mühlhausen i. Böhmen s. Gerlach.
  • Nahe70.
  • Naumburg62.
  • Nazareth216.
  • Neapel16,96,175,203,222.
  • Neckar55.
  • Neuburg b. Hagenau86.
  • Neuß192.
  • Nibelungenlied162.
  • Nicaea109.
  • Nicetas169.
  • Niederlande99.
  • Nienburg a. S.84.
  • Nikolaus I., Papst32,44,60,184.
  • Nikolaus II., Papst32 bis35.
  • Nikolaus v. Calvi, Minorit244.
  • Nil209.
  • Nizza12.
  • Norbert, Erzb. v. Magde - burg93,95,98,100.
  • Nordalbingien84,192,199,211.
  • Nordheim77; s. Otto.
  • Normandie160.
  • Normannen, normannisch4,16,23,24,30,34,35,37,45,46,59,64,65,77,82,96,109,122,141,170,173,179,181,187,188,190,196,202,203,205,220,221,225,226.
  • Nortbert, Abt v. Iburg3.
  • Norwegen11,123,137,157
  • Nürnberg94 .118.
  • Nureddin v. Mossul110.
  • St. Odilien86.
  • Odo, Graf v. Champagne12,15 .16.
  • Österreich70,85,94,103,117,176,212,234,244,249.
266Register der Orts - und Personennamen.
  • Ogotai, mongolischer Groß - khan244.
  • Oktavian, Kardinal s. Vik - tor IV.
  • Oppenheim50.
  • Ordulf, Herz. v. Sachsen28 .40.
  • Orient46,66,137,169,171,172,174,176,181,182,191,209,216,226,256.
  • Orkneyinseln27.
  • Osnabrück3,62.
  • Ostia4,63,200,214.
  • Ostsee, Ostseeküste, bal - tisches Meer11,157,210,211.
  • Otto I. d. Gr., Kaiser5,6,13,21,47,99,100,119,131,158,164,192.
  • Otto II., Kaiser10.
  • Otto III., Kaiser5,32,100.
  • Ottonen, ottonisch,2,7 bis9,21,26,32,39,40,72,81,83,126.
  • Otto IV., Kaiser85,87,158,176,188,189.190 bis199,201,204,243.
  • Otto von Nordheim, Herz. v. Bayern30.39,40,41,50,54,61,159.
  • Otto v. Wittelsbach, Pfalz - graf, Herz. v. Bayern124,129,135,160.
  • Otto d. Erlauchte, Herz. v. Bayern249.
  • Otto v. Wittelsbach, Pfalz - graf v. Bayern194.
  • Otto, Bisch. v. Bamberg100.
  • Otto, Bischof v. Freising85,86,91,107,109,120,121,133.
  • Otto Morena, Pfalzrichter87.
  • Otto, Mönch in S. Blasien85,151.
  • Paderborn1,3,84,151,160.
  • Padua87,140.
  • Pairis i. Oberelsaß86.
  • Palästina202; s. heil. Land.
  • Palermo37,96,177,181,182,196,203,204,256.
  • Pallavicini s. Hubert.
  • Paris111,125,241; s. Matthäus.
  • Parma8,35,36,87,240,252,253,256.
  • Partenkirchen151.
  • Paschalis II., Papst66,67,73 bis78,97.
  • Paschalis III., Gegenpapst139,142 bis144,146.
  • Passau169,240.
  • Pataria35,47,48,64,111.
  • Patrimonium Petri22,143,144,153,186,187,238,247; s. Kir - chenstaat.
  • Paul, Chorherr v. Bern - ried2.
  • Pavia, Pavesen14,15,21,136,145,146,152.
  • Pegau b. Merseburg84.
  • Pelagius, päpstl. Legat208.
  • Pentapolis194.
  • Perugia58,201.
  • Peter, König v. Ungarn17,29.
  • Peter Pierleoni; s. Ana - klet II.
  • Peter Capoccio, päpst - licher Kardinallegat255.
  • Petrus Damiani, Kardinal33,42,43,73.
  • Peter v. Vinea, Großhof - richter203,224,253,254.
  • Peter Abälard111.
  • Petrus Crassus63.
  • Petrus Diakon4.
  • Peter v. Eboli86.
  • Philipp von Schwaben, deutscher König181,188 bis195,234.
  • Philipp I., König von Frankreich71.
  • Philipp II. August, Kön. von Frankreich176,196,198,199.
  • Philipp von Heinsberg, Erzb. v. Köln160,167,168,176.
  • Philipp, Bisch. v. Ferrara, päpstlicher Legat251.
  • Philippopel170.
  • Piacenza21,65,66,87,130,256.
  • Piemont133,137,163.
  • Pierleoni, Familie95,106; s. Peter.
  • Pilgrim, Erzb. v. Köln6.
  • Pippin, fränk. König124.
  • Pisa, Pisaner87,96,99,101,138,144,177,195,196,243.
  • Plantagenet82,141,180.
  • Po52,130.
  • Pöhlde a. Harz84.
  • Poitou19,190.
  • Polen12,46,100,118,243.
  • Pommern100,118,161,211.
  • Ponte Mammolo75.
  • Poppo, Abt v. Stablo2.
  • Portugal, Portugiesen78,109.
  • Pozzuoli216.
  • Prämonstratenserorden93.
  • Prag3,86,111,144.
  • Praxedis (Eupraxia), zwei - te Gemahlin Kaiser Heinrichs IV .65.
  • Prémontré93.
  • Preußenland211.
  • Pribislaw, Hevellerfürst114.
  • Provence45.
  • Provins s. Guiot.
  • Pseudoisidor27,44,106.
  • Pyrenäen105.
  • Querfurt s. Konrad.
  • Rahewin83,86,131.
  • Rainer v. Viterbo, Kar - dinaldiakon v. S. Maria in Cosmidin246,247.
  • Rainulf v. Alife, Herz. v. Apulien101,105.
  • Rainulf v. Aversa16.
  • Rai s. auch Rei .
  • Raspe s. Heinrich.
267Register der Orts - und Personennamen.
  • Ratzeburg27.
  • Ravenna, Ravennaten7,8,57,63,101,126,252,255; s. Wibert.
  • Ravenna, Herzogtum186; Exarchat194.
  • Regen, Fluß70.
  • Regensburg69,85,89,94,97,121,249.
  • Reggio (Emilia)87.
  • Reichenau1,3.
  • Reichersberg s. Gerhoh, Magnus.
  • Reinald, Herz. v. Spoleto217,218.
  • Reinald v. Dassel, Erzb. v. Köln86,125 bis146,155,156,180,237,238.
  • Reiner, Mönch in Lüttich86.
  • Reinhardsbrunn85.
  • Rei s. auch Rai .
  • Rekuperationen187,194,217,238.
  • Rense191.
  • Rheims114.
  • Rhein, Rheinland, Nieder - rhein, Mittelrhein, Oberrhein29,41,66,70,76,77,99,118,176,178,188,192,199,228,248,250.
  • Rheinfelden76; s. Rudolf.
  • Rheinpfalz118,176.
  • Richard Löwenherz, Kön. v. England174,176,177,180,181,190,191,211.
  • Richard v. Aversa, Fürst v. Capua34,37.
  • Richard, Abt v. St. Vannes2.
  • Richard v. S. Germano, Notar87,209.
  • Richenza, Gemahl. Kaiser Lothars III .91.
  • Robert Guiscard, Nor - mannenherzog23,34,37,46,58,59,96,181.
  • Robert v. Molêmes92.
  • Roger I., Graf v. Kala - brien u. Sizilien37,65,66,96.
  • Roger II., Kön. v. Sizi - lien96,99 bis102,105,106,108,109,112 bis114,123,124,165,175,179,202,221,224.
  • Roger v. Wendower88.
  • Roland, Kardinal s. Ale - xander III.
  • Rolandin v. Padua87.
  • Rom, Römer13,20 bis22,24,27,32 bis36,42,44,46 bis51,53,57,59,61,64,66,75,77,78,80,95 bis97,100,105,106,111,112,120,122 bis124,126 bis128,131,134,135,138,143 bis145,147,148,153,155,156,163,175,187,193 bis195,198,200,207,231,237,243,246,247.
  • Römisches Recht63,122,130 bis132,221,224.
  • Romagna58,138,144,149,163,186,187,213,240,252,255.
  • Romano s. Ezzelin.
  • Roncaglia, roncalische Be - schlüsse130 bis134,138,150,156,162,238,239.
  • Rosenfeld (Harsefeld b. Stade)84.
  • Rotenburg s. Friedrich.
  • Rouen141.
  • Rudolf von Habsburg, deutscher König235.
  • Rudolf III., König von Burgund12.
  • Rudolf von Rheinfelden, Herzog v. Schwaben, Gegenkönig30,55 bis58.
  • Rudolf IV., Herzog von Österreich118.
  • Rügen100,210.
  • Rußland45,65,157,243.
  • Ruthard, Erzb. v. Mainz66,70.
  • Sabina, Bistum20.
  • S. Sabina s. Thomas.
  • Sachsen2,6,26,28,30,31,39 bis42,44,45,48 bis50,55,56,61 bis63,70,77,82,84,85,89,91,94,98,99,102 bis104,108,113,114,117,125,143,147,156,157,159,160,176,192.198,256.
  • Sächsischer Annalist84.
  • Saladin, Sultan169,170,182.
  • Saleph171.
  • Salerno16,23,60.
  • Salier, Name7; sonst oft.
  • Salimbene v. Adam87.
  • Salisbury s. Johann.
  • Salm s. Hermann.
  • Salza s. Hermann.
  • Salzburg89.93,120,137,142,148,153.
  • Samland210.
  • Saone138,139.
  • Sarazenen210,225; s. Araber, Mauren, Mo - hammedaner.
  • Sardinien45,147,237.
  • Savonarola111,231.
  • Savoyen146,256.
  • Schauenburger99,113.
  • Schlei11.
  • Schlesien118,244.
  • Schottland, Schotten3,11.
  • Schwaben, schwäbisch1,6,9,10,25,30,40,54,55,62,67,76,84,86,89,94,103,113,115,118,125,148,159,180,189,206,234,249.
  • Schweden100,127,157.
  • Schweiz12,118.
  • Schwerin210.
  • Selenhofen s. Arnold.
  • Sens111.
  • Serbien170.
  • Sicard, Bisch. v. Cremona87.
  • Sidon216.
  • Siegburg2.
268Register der Orts - und Personennamen.
  • Siegfried III., Erzb. v. Mainz250.
  • Siena58,123.
  • Sigebert v. Gembloux3,47.
  • Sigihard, Graf v. Burg - hausen69.
  • Silvester II., Papst23.
  • Silvester III., Papst20,21.
  • Simon v. Tournay, Prof. in Paris241.
  • Sinibald Fieschi s. Inno - zenz IV.
  • Sizilien16,34,37,40,65,66,87,96,97,101,109,112,113,124,129,135,137,138,140,141,143,145,154 bis156,164 bis166,172; von da ab oft.
  • Skandinavien27.
  • Slawen, Slawenlande, Sla - wien32,84,93,113,117,157,161,192,199.
  • Spanien45,137,199,222,231.
  • Speyer11,71,76,108,190,192,194,198.
  • Spoleto, Herzogtum25,117,147,186,187,194,217.
  • Stablo2,113.
  • Stade85,242.
  • Staufer oft.
  • Stedinger231.
  • Stefan II., Papst138.
  • Stefan IX., Papst32,34,35.
  • Steiermark160,234.
  • Steterburg85.
  • Stormarn99.
  • Straßburg86.
  • Suessa s. Thaddäus.
  • Suidger, Bisch. v. Bamberg s. Klemens II.
  • Supplinburg s. Lothar.
  • Susa146.
  • Sutri21,54,59,123; s. Bonizo.
  • Syrien110,169,172,181.
  • Tageno, Domdechant v. Passau169.
  • Tancred, Kön. v. Sizilien86,174 b.177,181,188.
  • Tarent101.
  • Templerorden217.
  • Temudschin Dschingis - khan, Mongolenherr - scher243.
  • Terra di Lavoro, sizilische Provinz16,196.
  • Thaddäus v. Suessa, Groß - hofrichter247,252,253.
  • Thasselgard, Graf7.
  • Theodora, Gemahlin Herz. Heinrichs v. Österreich117.
  • Thomas Becket, Erzb. v. Canterbury77,135,141,148,176.
  • Thomas v. Capua, Kar - dinalpriester v. S. Sa - bina203.
  • Thomas v. Gaeta203.
  • Thüringen26,41,55,58,85,157,190,192,215,230,248,250,257.
  • Tiber59,144.
  • Tilbury s. Gervasius.
  • Thüringer Wald40.
  • Tortona122,129,146,154.
  • Toul22.
  • Toulouse137.
  • Tournay s. Simon.
  • Transalbingien117.
  • Treviso, Mark213,231,240,251.
  • Tribur31,50,51.
  • Trier3,62,86,97,103,114,126,164,166,168.
  • Troisfontaines88.
  • St. Trond3.
  • Troubadours88,161.
  • Türken109.
  • Turin38,252.
  • Turkomanen171.
  • Tuskulum144; Grafen v.4,13,20,22,175.
  • Tuszien4,28 bis30,48,59,64,101,102,117,123,138,144,145,147,187,189,193,194,254,255.
  • Tyrus169.
  • Ugolino, Kardinalbisch. v. Ostia s. Gregor IX.
  • Ulrich, Bisch. v. Halber - stadt159.
  • Ulrich, Geistl. v. Bam - berg5.
  • Ungarn11,17,18,26,28,29,31,45,66,100,109,118,137,170,230,243,244.
  • Urban II., Papst (Kardi - nalbischof v. Ostia)60,63 bis65,97,107,147,169,245.
  • Urban III., Papst (Erzb. v. Mailand)166 bis168.
  • Ursperg86,151.
  • Vaganten89.
  • St. Vannes2.
  • Vatazes s. Johannes.
  • Venedig, Venezianer96,101,140,145,149,154,155.
  • Vercelli14,256.
  • Verden7,144.
  • Verdun86.
  • Verona, Veroneser Bund140,145,146,164,166,235,240,247,249,250.
  • Veroneser Klause, Etsch - klause124,213.
  • Vezelay107.
  • Vicehn, Priester100.
  • Vicenza140,231,235.
  • Vienne76,78.
  • Viktor II., Papst (Geb - hard, Bisch. v. Eich - stätt)24,25,30,32.
  • Viktor III., Papst (Desi - derius, Abt v. Monte - cassino)60.
  • Viktor IV., Gegenpapst (Oktavian, Kardinal)135 bis140.
  • Vinea s. Peter.
  • Vinzenz, Domherr v. Prag86.
  • Vinzenz v. Beauvais88.
  • Viterbo86,143,223,246,251.
  • Vittoria, Lagerstadt vor Parma252,256.
269Register der Orts - und Personennamen.
  • Vogelweide s. Walter.
  • Vogtland118.
  • Wahlstatt b. Liegnitz244.
  • Waimar, Fürst v. Salerno16,23.
  • Waldemar II., König v. Dänemark192,199,210,211.
  • Waldenser200,242.
  • Walram, Bisch. v. Naum - burg62.
  • Walter v. d. Vogelweide88,161,189,197,198,212.
  • Wartburg190.
  • Wazo, Bisch. v. Lüttich20.
  • Weingarten84.
  • Weinsberg105.
  • Welf III., Herz. v. Kärn - then28,29.
  • Welf IV., Herz. v. Bayern40,55,64,67.
  • Welf VI., Herzog105,113,117,138,147,159,175,180.
  • Welf VII., Herzog144,147.
  • Welfen14,40,67,84,85,102,103,115 bis117,148,158,176,180,188,189,190,198,199,232.
  • Wenden, Wendenlande27,108,113,157,160.
  • Wendower s. Roger.
  • Wenrich, Scholastikus v. Trier62.
  • Wenzel I., König von Böhmen234,248.
  • Weser99,113,125,231.
  • Westfalen143,160,167.
  • Wettin, Wettiner99,257.
  • Wibald, Abt v. Stablo113,121.
  • Wibert, Erzb. v. Raven - na s. Klemens III.
  • Wichmann, Erzb. v. Mag - deburg120,155.
  • Wido, Erzb. v. Mailand35.
  • Wido, Bisch. v. Ferrara62.
  • Wido, Bisch. v. Osna - brück62.
  • Wien234.
  • Wilhelm, Graf v. Holland, deutscher Gegenkönig250.
  • Wilhelm I., Kön. v. Si - zilien123,124,135.
  • Wilhelm II., Kön. v. Si - zilien143,164,174,181.
  • Wilhelm III., König v. Sizilien77.
  • Wilhelm V., Herzog von Aquitanien14,19.
  • Wilhelm, Abt v. Andres220.
  • Wilhelm, Abt v. Hirschau2,47.
  • Wipo1,6.
  • Wittelsbacher160; s. Kon - rad, Erzb. v. Mainz; Otto.
  • Wladislaw, Kön. v. Böh - men118.
  • Wolfhere, Domherr von Hildesheim3.
  • Wolfram v. Eschenbach162.
  • Worms6,7,10,41,48 bis50,57,76,79,193,227.
  • Wormser Konkordat79,80,89,90,97,98,102,107,120,164,166,194.
  • Würzburg2,28,141,142,147,148,153,191.
  • Xanten93.
  • Zähringen s. Berthold I., Berthold II.
  • Zenki s. Emadeddin.
  • Zisterzienserorden92,93,106,142.
  • Zürich67,111.
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About this transcription

TextDeutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer
Author Karl Hampe
Extent280 images; 107413 tokens; 18102 types; 775808 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationDeutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer Karl Hampe. . VIII, 269 S. Quelle & MeyerLeipzig1909.

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ClassificationFachtext; Historiographie; Wissenschaft; Historiographie; ready; dwds1

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