Die Coalition der östreichisch-preußischen Standrechtsbestialität liegt nun klar zu Tage. Heute Nachmittag langten mit dem Bahnzuge von Oppeln circa 200 bis 250 Mann preußische Infanterie hier an, denen 4 Kanonen nachfolgen. So viel man von den Soldaten erfährt, sind sie zur Besetzung der Gränze bei Pleß bestimmt, wohin sie heute noch abmarschiren werden. Wie leicht aber die in Standrechtslust schwelgende preußische Regierung eine Veranlassung finden wird, sie auf galizisches oder anderes östreichisches Terrain vorzuschieben, um die östreichischen Truppen disponibel zu machen, bedarf keiner weitern Erwähnung, wenn man die Nachrichten kennt, die in den letzten Tagen vom ungarischen Kriegsschauplatze eingetroffen sind: Komorn entsetzt, Ofen und Pesth von den Magyaren genommen, und, was das Neueste, der Jablunka-Paß und das nahe liegende östreichisch-schlesische Teschen von denselben hart bedroht. Reisende, die heute früh hier ankamen, wollen einen Transport östreichischer Verwundeten nach letzterer Stadt gestern einbringen gesehen haben.
Der gestrige Tag hatte ein mehr heiteres Aussehen als die Tage vorher. Die gewöhnliche Sonntagsphysiognomie fehlte ihm nicht. In langen Schaaren zogen die Berliner, wie es Mode ist, zum Thiergarten hinaus und der Dönhofsplatz blieb frei von Attroupements Gegen Abend aber sammelten sich doch wieder eine ziemlich ansehnliche Menge daselbst, welche sich über die Vorfälle der letzten Tage in einer oft sehr leidenschaftlichen Weise unterhielten. Natürlich fingen die Constabler wie gewöhnlich Streitigkeiten an, es mußte gerade zu ihrem Schutze Militär herbeigeholt werden und es ist auch dieser Tag nicht vorübergegangen, ohne daß auf das Volk geschossen wäre. Die Anzahl der Ermordeten nimmt natürlich durch dies tägliche Privatvergnügen der Herren Offiziere in angemessener Weise zu und es ist doch schauderhaft, daß jetzt schon fünfzehn Menschen dem Kriegsruhm des herrlichen Heeres als Opfer gefallen sind, ungerechnet die vielen Verwundeten.
Wir erfahren aus sehr guter Quelle, daß in Kalisch eine große Bewegung herrscht. Es werden mehr und mehr Truppen nach diesem Punkt hingezogen und Zimmer in Bereitschaft gehalten für etwa 70 Ober-Offiziere. Es verlautet sogar, und ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß der Kaiser von Rußland selbst, bei seinen Truppen in kürzester Zeit anlangen wird.
So eben geht die Nachricht aus Kalisch hier ein, daß der Kaiser Nicolaus nach Kalisch kommt, die Zimmer im Palais werden in Bereitschaft gesetzt, große Bewegung in Polen. Zehn Lokomotiven mit Munition sind vorgestern von Warschau nach der Gränze von Krakau abgegangen, ‒ man spricht hier von Aufstellung eines Armeekorps von Preußen gegen Böhmen.
Die Volksversammlungen an der Porte St Denis dauern fort. Das Ministerium läßt jetzt die Nationalgarden dort stationiren
‒ In der Assemblée fand eine heftige Scene in Folge der Interpellation dreier Deputirten statt, welche beim Nachhausegehen von den Stadtserganten an der Porte St. Denis maltraitirt worden waren. Der kapitolinische Bauchredner Odilon Barrot erklärte, daß die Versammlungen von geheimen Volksführern provocirt würden, worauf Schölcher im Namen des Berges dies als eine „ feige Verläumdung “zurückwies. Das Central-Wahl-Comité hat eine Proklamation erlassen, worin nach Verkündigung der Kandidatenliste, und gegenüber den Provokationen der Re. gierung, die Wahlreunionen für suspendirt erklärt werden.
*In Marseille sind Depeschen aus Palermo angekommen wonach der Kampf in Sizilien aufgehört hat. In Palermo hat sich eine reaktionäre Junta gebildet, und dem blödsinnigen Tiger in Neapel die Unterwerfung des verwüsteten, rauchenden Landes angeboten. Mieroslawski mit 200 sizilianischen Flüchtlingen ist bereits in Marseille eingetroffen.
Druck von J. W. Dietz.
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Fraktur
Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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