Welches ist die Signatur unserer Zeit? Die Heuchelei, der Jesuitismus, der alle socialen Verhältnisse erfüllt, der unser Denken und Fühlen bis zu unseren Hand - lungen, der nicht nur das Wort auf unserer Zunge, sondern selbst die Keime, aus denen Gedanken werden, vergiftet.
Die Heuchelei, die den Kern unserer Gottesnatur mit unzerreißbarem Gewebe umspinnt und fesselt, sie ist, bewußt oder unbewußt, die Signatur unserer Zeit.
„ Gott hat dem Menschen die Sprache gegeben, um seine Gedanken zu verbergen ‟ – jenes Wort des be - kannten Diplomaten ist die zutreffendste Charakteristik unserer Art zu sein.
Daß jene Giftquelle, die alle reinen Wasser des Lebens fälscht, versieche – das sei das Gebet jedes auf - richtigen Menschen.
Es gilt einen Kreuzzug gegen den Jesuitismus! (nicht gegen die Jesuiten). Kein heilig Grab ist dabei zu erobern,Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 12im Gegentheil, die lebendige Seele soll von einem Alp, einem Leben heuchelnden Gespenst befreit werden.
An diesem Kampf der Ritter gegen den modernen Lindwurm „ Heuchelei ‟, als einer der bescheidensten Knappen oder Schildträger Theil zu nehmen, ist all mein Ehrgeiz.
Noch ist der heilige Georg selber auf dem Kampfplatz nicht erschienen.
Wem es um Ruhm oder Anerkennung zu thun ist, der bleibe fern von diesem Streit.
Wenn Du, guter Mensch und Leser, einzelne Deiner Mitmenschen mit anmuthiger oder pikanter Malice trak - tirst, ihnen das Schwert hinterhältiger Bosheit durch den Rücken stößest, so hast Du Dich dadurch bestens der so - genannten guten Gesellschaft empfohlen, und Du darfst mit Sicherheit auf den Ruf außergewöhnlicher Liebens - würdigkeit rechnen. Schadenfreude applaudirt immer.
Hüte Dich aber, eine ganze Menschenklasse oder all - gemeine Laster anzugreifen.
Auf Dein Haupt fällt die Rache Aller, die sich ge - troffen fühlen, und ihr Grimm wird um so unauslösch - licher sein, je mehr sie sich durch Deine Angriffe in ihrer materiellen oder moralischen Existenz bedroht sehen.
Die Vertheidigung oder Anhängerschaft eines neuen Princips hat von jeher Feindschaft erweckt, noch nie sind die Grundzüge einer bestehenden socialen Ordnung ohne3 fanatische Anfeindung umgewandelt oder ausgelöscht worden.
Zweierlei Art sind die Waffen, mit denen die Alten gegen die Neuen zu kämpfen pflegen. Sie heißen Lächer - lichkeit und der Vorwurf der Unsittlichkeit.
Gemeiniglich wendet man beide Waffen zugleich an. Prallt der eine Pfeil von einem Dickfelligen ab, so haftet vielleicht der andere.
Die feige Furcht vor der Lächerlichkeit, das ist das Gorgonenhaupt, vor dem der Gedanke im Hirn, das Wort auf der Zunge erstarrt.
Zagende Seelen, bedenkt, was hat man nicht lächer - lich gemacht!
Wie viel große Erfindungen, wie viel weltumfassende Gedanken sind zu Tage getreten, deren Urheber nicht hätten Spießruthen laufen müssen durch die Reihen lachen - der Nationen, und oft verstummte das Gelächter erst, nachdem die Pforten des Jrrenhauses sich hinter dem Verlachten geschlossen.
Franz I. mußte seinen Hofleuten verbieten, den Ariost zu verhöhnen, die Abolitionisten wurden im Anfang der Bewegung mit Hohn und Spott überschüttet. Erst heute las ich in der Zeitung einen Nekrolog Daniel Morse's, des Erfinders der zaubersprachkundigen Telegraphie. Jch las von dem Gelächter, den tollen Scherzen, die sich der1*4Congreß in Washington über die lustigen Schwindeleien Morse's erlaubte.
Kürzlich hörte ich Frau von Staël spöttisch einen überspannten Blaustrumpf nennen von einem jungen Mann, der nicht einmal fähig war, ihre Gedanken zu verstehen, geschweige denn zu denken, was sie dachte.
Unwürdig, feige und treulos ist, wer Spott und Hohn fürchtet. Das Gelächter schadet nur Dir, dem Jndividuum, niemals Deiner Sache, Deiner Jdee. Was den Keim der Wahrheit in sich trägt, bricht sich Bahn, wie das ewige Sonnenlicht, mit Naturnothwendigkeit, mag man den Urheber der Jdee zu Tode gelacht haben. Heine sprach das ergreifende Wort: „ Ueberall, wo ein großer Mensch seine Gedanken ausspricht, ist Golgatha. ‟
Nicht nur das.
Jch sage: auch überall, wo ein aufrichtiger Mensch seine Gedanken ausspricht, die dem entgegen sind, was meistens gedacht wird – ist Golgatha.
Wer sich der Wahrhaftigkeit seiner Seele bewußt ist, dem ist das blödsinnige Lachen der Menge das „ Raben - lied des Pöbels ‟, das er ganz verachtet.
Der zweite Vorwurf ist der der Unsittlichkeit.
Unsittlich erscheint der Menge stets alles Ungewöhn - liche, was sie aus dem Zauberbann ihrer Phrasen, ihrer brunnentiefen Gemüthsruhe aufschreckt, was sie zwingen5 will, sich an eine sittliche Norm zu binden. Die Be - drohung ihrer chronischen Lieblingssünden erzeugt bei ihr stets einen acuten Tugendrappel.
Noch heute spricht im Süden jeder fromme Katholik mit sittlichem Abscheu von jenem Ketzer Luther, der seine Gelübde gebrochen, um eine Nonne zu entführen.
„ Jeder Gedanke, wenn er wirklich einer ist, ist ein wenig ketzerisch, ‟ schrieb neulich einer unserer geistreichsten Abgeordneten.
Das Bestreben, neue Sitten, neue Prinzipien einzu - führen, erscheint der Menge wie ein Concurrenz-Unter - nehmen, das ihre rechtmäßigen Zinsen an Lebensfreuden, die die alten Sitten ihr abwarfen, bedroht.
Schlagt diesen Leuten ein kleines Börsengeschäft vor, bei dem sie durch einen schlauen Coup einige Mit - menschen um das Jhrige bringen können, und Jhr werdet sehen, ihr Gewissen wird stumm bleiben wie das Grab.
Für die Frauen aber insbesondere, die für ein Princip, für eine Jdee auf den Kampfplatz sich wagen, hält man eine Extra-Beschimpfung bereit. Sie heißt: Seelen-Prostitution.
Mir selbst wurde dieser Vorwurf in einem Journal, gelegentlich der Besprechung einer rein objectiv gehal - tenen kritischen Broschüre zu Theil. Nicht als ver -6 weigerte man der Frau jeglichen Ausdruck ihrer Gefühle. Jm keuschen Dämmer der Phrase, wohl verhüllt, mag sie in den Gefilden, wo anarchisch tausend kleine Ge - fühle durcheinander taumeln, sich ergehen.
Eine wohl verhüllte Wahrheit ist aber der Lüge näher als die Wahrheit. Die Tracht der letzteren ist einfach und durchsichtig, gelegentlich erscheint sie auch wohl nackt.
Was für eine nichtswürdige Verkehrung aller Be - griffe! Nicht wer im Dienst der Wahrheit schreibt und spricht, was er denkt, sondern wer schreibt, was er nicht denkt, prostituirt sein Gewissen, und er thut es um so mehr, wenn er aus Eigennutz oder Selbstsucht seine wahre Meinung verbirgt. Jede geistige Prostitution setzt feile Gesinnung voraus.
Wie aber, wenn eine Frau ihre wahren Gedanken ausspräche, ohne der Wahrheit zu dienen, sondern maß - los irrte?
Was ist Wahrheit? Was ist Jrrthum? Wessen Geist wäre so gewaltig, so allumfassend, um Vergangen - heit, Gegenwart und Zukunft zu durchdringen; wessen Geist hätte solche Urtiefe und Himmelshöhe, um zu sprechen: dieser Keim wird emporblühen und wachsen und edle Früchte tragen, jener aber giftiges Unkraut erzeugen.
Kein Mensch kann mehr thun, als nach seinem besten Gewissen denken und handeln, und wer mit leben -7 diger Zuversicht, mit ganzem Glauben und glühender Seele der Jdee, die ihn ergriffen, sich hingiebt, der darf und muß sprechen wie Luther auf dem Reichstage zu Worms: „ Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! ‟
Wenn wir bedenken, wie viel Millionen Jahre der Entwickelung der Menschheit noch vorbehalten sind, liegt dann der Gedanke so fern, daß wir vielleicht noch in der Vorgeschichte der Menschheit stehen? Kann es uns überraschen, daß die heutige Civilisation noch Reste der Barbarei aufzuweisen hat?
Jch bin des Glaubens, daß zukünftige Geschlechter auf unsere Sitten wie auf die von Urvölkern blicken werden; ich bin des Glaubens, daß die eigentliche Ge - schichte der Menschheit erst beginnt, wenn der letzte Sklave befreit ist, wenn das Privilegium der Männer auf Bildung und Erwerb abgeschafft, wenn die Frauen aufhören, eine unterworfene Menschenklasse zu sein – die Fesseln der Einen binden Alle – dann erst beginnt die freie Entwickelung der Menschheit, jene Entwickelung, deren Ziel der Mensch ist – ein Ebenbild Gottes.
8Eine gemüthliche Conversation bei Gelegenheit eines Damenkaffee's in einem kleinen thüring'schen Städtchen, den mitzumachen ich die Ehre hatte, gab mir die nächste Veranlassung zu dieser Schrift.
Wo mehrere Frauen beisammen sind, pflegt Frau Medisance mitten unter ihnen zu sein und sich über die abwesenden Mitschwestern herzumachen. Das Haus - frauenthum liefert in der Regel den Stoff für die Unter - haltung.
Diesem Herkommen gemäß wurde die Unterhaltung am Kaffeetisch etwa folgendermaßen geführt:
– Kennen Sie unsere Frau Rendantin A? – fragte eine der alten Stadthonoratioren eine junge Novize vom Lande.
– Natürlich, ich bitte Sie, wie werde ich denn unsere Rendantin nicht kennen, eine vortreffliche Haus - frau.
– Sagen Sie eine mustergültige. Schade, daß sie heute nicht kommen konnte. Sie hat absagen lassen wegen der Rollwäsche.
9– An unserer hübschen Waldpartie konnte sie neulich auch nicht Theil nehmen, weil sie Grummet (Heu - ernte) hatte, – warf eine Andere ein.
– Ja – wenn man unsere Rendantin mit Frau B. vergleicht ‰
(Ein leichter Schauder lief sichtbar über die Mitglieder des Damenkaffee's hin.)
– Um Gottes Willen, sprechen Sie diese beiden Namen nicht in einem Athem aus! – rief eine Leiden - schaftliche.
– Eine miserable Hausfrau, sage ich Jhnen, gründ - lich miserabel.
– Richtiger gesagt – gar keine.
– Was Sie sagen! – riefen einige ganz junge Mädchen, die die Chronique scandaleuse von W. noch nicht kannten. – Bitte, bitte, erzählen Sie.
– Was ist da groß zu erzählen? Die B'n. thut so gut wie gar nichts in ihrer eigenen Wirthschaft. Mein Mädchen hat erst gestern beim Krämer erfahren, daß sie sogar für die Oberhemden ihres Mannes eine Plättfrau hält. Nichts macht sie ein, nicht die kleinste Kirsche. Und was das Schlimmste ist, denken Sie, meine Damen, denken Sie – (alle Damen ließen ihre Stricknadel sinken), sie läßt den Speisekammerschlüssel stecken!
10Man sah sich ungläubig an.
– Den Speisekammerschlüssel! – wiederhallte es im düstern Chor.
Unglaublich! unmöglich!
– Aber mein Gott, was thut sie denn den ganzen Tag? – fragte eine Uneingeweihte – doch nicht ein Blaustrumpf?
Einige Damen wurden blaß.
– Kaum weniger schlimm, meine Damen – meinte die erste Sprecherin mit einem melancholischen Kopf - schütteln. – Anstatt ihre Pflichten zu erfüllen, zeichnet diese Person den ganzen Vormittag – Muster-Orna - mente – was weiß ich. Sie zeichnet, meine Damen – sie zeichnet – für Geld!
Für Geld!
Verächtliches Achselzucken begann unter den Anwesen - den epidemisch zu werden.
Nur eine kleine, schüchterne junge Frau wagte einzu - wenden: – Die Leute sollen aber das Geld so nöthig brauchen wegen der acht Kinder…
Ein höhnisches Lachen unterbrach die schüchterne Rednerin.
Und nun folgten die üblichen Anekdoten zur Jllu - strirung der schrecklichen Verirrung, wenn Frauen sich Geld erwerben wollen; die hergebrachten Scherze über11 zerrissene Strümpfe, angebrannte Suppen, ungekämmte Haare u.s.w.
Es waren unter diesen Geschichten solche, die man extra für Frau B. erfunden hatte, andere dagegen hatte ich schon an ganz anderen Orten, von ganz anderen Frauen erzählen hören.
Da sollte die Pflichtvergessene einmal bei einem hef - tigen Gewitter eines der Kinder im Garten vergessen, und sich desselben erst erinnert haben, als es in seinem Wägelchen in die Küche hineingeschwommen kam.
Die Cousine von einer der anwesenden Kaffee - schwestern wollte von einem früheren Dienstmädchen der Frau B. von einer Tasse ohne Henkel haben munkeln hören, die bei einem Damenkaffee präsentirt worden sei.
Während Madame ihre Sündenmuster und Schwefel - pfuhl-Ornamente zeichnete, wollte man sämmtliche Kinder, nur mit einem Hemdchen bekleidet, in einem großen Wasch - faß in der Küche wahrgenommen haben (um der Köchin die Aufsicht zu erleichtern).
Ein ander Mal, so ging die Mähr, hatte Frau B. statt ihres Mantels ein Kind in den Schrank gehängt u.s.w.
Jch erkundigte mich nun, ob es auch hübsch schmutzig, unordentlich und unbehaglich im Hause der Zeichnerin zuginge?
Wir gehen niemals in dieses Haus, antworteten mir12 kalt die Damen. Man muß solchen Frauenzimmern zeigen, daß man auf Sitte, Ordnung und Hausfrauen - thum hält.
Ja wohl, setzte eine Dame hinzu, indem sie mit ihren dicken Stricknadeln erheblich klapperte, wir müssen die Heiligkeit des häuslichen Heerdes vertheidigen.
Als der Anekdotenvorrath erschöpft war, sprach ich meinen Wunsch aus, etwas eingehender über die Vor - züge der Frau Rendantin unterrichtet zu werden.
Alle Damen sprachen nun in ausbrechendem Ent - zücken durcheinander.
Da hieß es:
Sie können zu dieser Frau kommen wenn Sie wollen – bis in die Nacht hinein, immer ist sie auf den Beinen; das geht Trepp 'auf Trepp' ab, von der Küche in den Keller, von dem Gemüsegarten auf den Boden, und das kocht und plättet und näht und stopft und hackt und gräbt, daß es eine wahre Lust ist; und hinter den Dienstmädchen ist sie Jhnen her – keinen Augenblick sind die Dirnen vor ihr sicher ‰
Um es kurz zu sagen, ich erfuhr, daß Frau Ren - dantin ein Musterbild sei.
Jch that verschiedene Fragen, ungefähr folgende:
Speist man gut bei Frau Rendantin? Jst es sehr behaglich in ihrem Hause? Wird man stets gastfrei13 empfangen? Herrscht Friede und Eintracht in den häus - lichen Hallen? Werden die Dienstboten freundlich und mild behandelt u. s. w.
Die Damen schauten bei meinen Fragen verwirrt drein. Endlich meinten sie etwas verlegen:
„ Eine tüchtige Hausfrau habe keine Zeit, viel Com - plimente zu machen, oder Besuche zu empfangen, man gehe überhaupt nur auf besondere Einladung zu ihr, und sie möchten wohl die Hausfrau sehen, die in der heutigen Zeit in Güte mit den Dienstboten auskäme, und was die Küche beträfe – nun, die Frau Rendantin koche gerade so, wie sie, die Frau Justizamtmännin – und die Frau Landräthin, und sie wollten doch mal sehen, ob sich eine unterstehen würde ‰ ‟
Jch hatte genug gehört.
Jch wußte es längst, daß man in einer unglaublichen Begriffsverwirrung die Hausfrau nicht nach der Quali - tät, sondern nach der Quantität ihres Thun schätzt, und daß letztere allein der Maßstab ist, an dem man ihre Tüchtigkeit mißt.
Jm Allgemeinen gilt von menschlicher Beschäftigung, daß man sehr viel thun und wenig leisten kann. Bei der Hausfrau gilt das Thun an und für sich, die Früchte desselben kommen kaum in Betracht.
Höchst seltsame Verirrung! als wollte man einen14 Maler darnach beurtheilen, ob er viel und Vielerlei malt, und nicht nach dem Kunstwerk fragen, das er ge - schaffen.
Als wollte man denjenigen Schriftsteller für den besten erklären, der die dicksten Bände geschrieben, ohne den Jnhalt derselben in Betracht zu ziehen.
Wenn ich all meine gründlichen Beobachtungen und vielseitigen Erfahrungen in Bezug auf die Hausfrau zu - sammenfasse, so komme ich zu dem Resultat, daß die moderne deutsche sogenannte „ gute Hausfrau ‟ ganz ver - werflich ist, daß sie nichts ist als eine Ausgeburt krank - hafter socialer Zustände.
Jch will in dieser Schrift zu beweisen versuchen, daß die gute Hausfrau unserer Zeit nur eine Karrikatur ist der Hausfrau früherer Jahrhunderte, daß sie ein Hemm - schuh ist für die edleren Bestrebungen der Frauen, für den idealen Aufschwung des Mannes, ich will beweisen, daß ihr all ihre sprichwörtliche Tugend gar nichts hilft, weil sie voller Laster steckt. (Ein für alle Mal schalte ich hier ein, daß ich unter einer „ guten Hausfrau ‟ nicht das verstehe, was dem eigentlichen Begriff, sondern was der Vorstellungsweise der Mehrzahl unserer männlichen und weiblichen Zeitgenossen entspricht. Jm Verlauf der Abhandlung wird sich diese Art der Vorstellung von selbst entwickeln.)
15Manche Frau von unantastbarem Charakter und gründlicher Bildung wird vielleicht, indem sie diese Zeilen liest, unwillig ausrufen:
– Wie, bin ich denn nicht eine gute Hausfrau?
– Gewiß, verehrte Frau. Aber sind Sie auch ganz sicher, daß sie in der Welt als solche gelten? Haben Sie eine Bescheinigung darüber?
Jede Frau, die nur um einige kleine Zoll das Durchschnittsniveau der üblichen weiblichen Geistes - und Charakterbildung überragt, setzt sich von vorn herein dem Verdacht aus, eine schlechte Hausfrau zu sein.
Der Gegenbeweis ist in solchen Fällen schwer zu führen, denn die Richter bestehen nicht aus Geschworenen, sondern aus Verschworenen.
Nicht Jeder wird von guten Freunden oder schlimmen Feinden in Kenntniß gesetzt von dem Ruf, dessen er genießt.
Daß unter der großen Zahl Derer, die für gute Haus - frauen gelten, auch solche vorkommen, die es wirklich sind, ist selbstverständlich.
Von der Regel aber handelt meine Schrift, nicht von den Ausnahmen.
Ehe ich mich zu meinem eigentlichen Thema wende, möchte ich eine Eigenthümlichkeit der „ guten Hausfrau ‟, die als „ besonderes Kennzeichen ‟ in ihrem Passe figuriren könnte, zur Besprechung vorweg nehmen.
16Die guten Hausfrauen nämlich sind ausnahmslos fanatische Gegnerinnen der „ Frauenemancipation ‟. Das heißt derjenigen Bestrebungen, die die geistige und ma - terielle Selbständigkeit der Frau bezwecken.
Achtung zwingt uns auch der Gegner ab, wenn seine Gegnerschaft entweder das Resultat der Erkenntniß ist (so weit der Umfang seines Gehirns sie ihm gestatten mag), oder wenn ein reiches Gefühl, wenn Liebe und Mitleid einen warmen Schimmer selbst über die Gemein - plätze und herzlichen Dummheiten verbreiten, mit denen er seine Meinung vertritt.
Jch will beweisen, daß die Opposition der Frauen weder der Liebe noch der Erkenntniß entspringt, sondern daß ihre alleinige Quelle zu suchen ist in Egoismus und Hochmuth, in Neid und Dummheit.
Mitleid und Liebe!
Jch wende mich zuerst an Euch selbst, Jhr guten Hausfrauen und Mütter, und fordere Euch auf, ehrlich Zeugniß abzulegen für Eure liebevollen Gesinnungen gegen Eure irrenden Mitschwestern.
Sagt selbst, Jhr guten Frauen, ist es Liebe, die Euch die giftigen Pfeile gegen jene Emancipirten auf die Zungenspitze legt? Erzittert Euer Herz in schmerzlichem Mitleid, wenn Jhr Fräulein Schulz die Buchführung ler - nen seht? Füllen sich Eure Augen mit Thränen der Weh -17 muth über Fräulein Schmidt, die in Zürich Medicin studirt? Gilt der schwermüthige Ausdruck Eures Ge - sichts, wenn Frau Hirschfeld Euch einen Zahn auszieht, wirklich nur dem Kummer über das frevelhafte Beginnen dieses weiblichen Henkers?
Sagt, würdet Jhr das Opfer einer einzigen wohl - schlafenden Nacht bringen, um diesen Verirrten die Eman - cipation vom Leibe zu schaffen?
Jhr schweigt und wendet Euch ab. Jhr habt keine Ursache, Euch zu schämen. Man hat Euch von jeher gelehrt: Jhr sollt keine anderen Jnteressen haben, als Euren Mann und Eure Kinder!
Was geht Euch ein ganzes Geschlecht, was geht Euch die Menschheit an!
Wer wäre so unsinnig zu verlangen, daß Jhr ent - brennen sollt in sittlichem Zorn oder in heiliger Liebe um eines Princips willen. Euch erregt der große Name der Jdee nur Gähnen oder Lachen.
Wie? dieselben Frauen, die so unerbittlich, so kalt - blütig jede einzelne ihres Geschlechts, die sich die kleinste Blöße giebt, abthun, sie sollten von Liebe für Alle er - füllt sein! Gesteht es offen: diese Frauenbewegung af - ficirt nicht Euer Herz, sondern nur Eure Galle. Jhr wißt es, Jhr guten Hausfrauen, oder vielleicht wißt JhrDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 218es auch nicht, daß Euer größter Verehrer und Lobredner Jean Paul ist.
Dieser große Dichter, der Euch nur Liliengedanken und Rosengefühle zutraut, er glaubt an alle Eure Tugen - den, nur an Eine glaubt er nicht: an Eure gegenseitige Liebe.
An verschiedenen Stellen spricht er sich aus wie folgt:
„ Die Weiber sind noch zehnmal listiger und falscher gegen einander als gegen uns. ‟
„ Die Frauen sind so weich, so mild, so theilneh - mend, so fein, so liebevoll und liebesehnsüchtig, daß es mir gar nicht in den Kopf will, warum sie – einander selbst nicht recht leiden können. ‟
„ Gleich den Otahaitern, die so sanft und kindlich sind und doch den Feind lebendig fressen, haben diese zarten Seelen, wenigstens zu Feindinnen, einen ähnlichen Appetit. ‟
„ Die Frau liebt ihr eigenes Geschlecht wenig und richtet dessen Schwächen härter als die Rohheiten des männlichen ‟ u. s. w.
Jean Paul hat Recht.
Wie ich die Frauen kenne, vermuthe ich sogar, sie würden im Großen und Ganzen über das den Eman - cipirten bevorstehende Verderben eher Schadenfreude als Betrübniß empfinden, ich fürchte, sie würden keinen19 Finger rühren, wenn es in ihrer Macht stünde, jene Unglücklichen vom Rande des Abgrunds zu entfernen; vielleicht würden sie sogar hin und wieder durch einen kleinen Puff ihren Sturz nicht ungern befördern.
Jch fürchte ferner, daß eine sehr einfache Berechnung sich ihrem praktischen Geiste aufdrängen würde, nämlich diese:
Jene verrufenen selbständigen Frauenzimmer, wider - wärtig und eklig wie sie sind, bekommen keine Männer, mithin sind die Chancen unserer Töchter um so größer. Von diesen Nachteulen wird sich unser Tagesgefieder um so glänzender abheben.
Die guten Hausfrauen stellen diese Betrachtungen nicht an. Warum unterlassen sie es?
Jch will es verrathen!
Weil, bewußt oder unbewußt, sich ihnen die Un - wahrheit derselben aufdrängt.
Sie erkennen es klar oder fühlen es instinktmäßig: Wenn diese Mädchen einen Beruf wählen, der ihnen ein sicheres Einkommen abwirft, so stehen sie in gleichem Rang mit wohlhabenden oder reichen Mädchen, und die Nachfrage nach unserm Töchtern, die kein Vermögen haben, sinkt.
Wenn diese Mädchen sich eine tiefere und gründlichere2*20Bildung aneignen, kommt vielleicht die billige Naivetät unserer Töchter aus der Mode.
Ferner: Die Erziehung der Söhne kostet ein Heiden - geld. Bisher war es ein Trost, daß wenigstens die An - sprüche der Töchter an unsern Geldbeutel mit der ab - solvirten höheren Töchterschule aufhörten, und wir hatten wohl ein Recht darauf, durch ihre Hülfsleistungen im Hause hier und da einige Groschen an Näherin, Plätterin u. s. w. zu ersparen. Und nun sollten die Erziehungs - ausgaben für die erwachsenen Töchter fortlaufen, ja sich steigern?
Eine Gänsehaut überläuft die liebreiche Mutter bei dieser Zumuthung, die ihr im Licht eines Raubsystems erscheint. Später freilich verdient das Mädchen Geld, vielleicht viel Geld. Wird es aber auch dann noch der zärtlichen Mutter zu gute kommen?
Sogleich will ich noch einem andern Einwande, einem Einwand der Liebe begegnen, den die Mütter er - heben werden. Gut, sprechen sie, ist es nicht die Liebe zu dem ganzen weiblichen Geschlecht, die uns in die Opposition gegen die Frauenbewegung treibt, so ist es wenigstens die zärtliche Sorge für unsere eigene Familie.
Wir fürchten das ansteckende Gift dieser Bewegung für die reinen Seelen unserer Töchter.
21Unnöthige Besorgniß! Habt Jhr Mütter nicht die Erziehung der Töchter in Händen?
Jhr könnt ihre Gehirnadern unterbinden, ihren Geist dergestalt einschnüren, daß er Zeitlebens ein Wickelkind bleibt.
Kommt dann vielleicht einmal später, viel später eine Zeit, wo Eure Töchter, wenn sie starken, ursprüng - lichen Geistes sind, gegen Eure Erziehung revoltiren und mit der Fluth ihrer Gedanken den Damm der Dumm - heit, den Jhr so sorgfältig aufgebaut, niederreißen, dann sind sie wohl längst verheirathet, oder die Zeit ist vor - über, wo Mädchen zu heirathen pflegen, oder Jhr seid auch vielleicht schon todt.
Liebe und Mitleid sind es also nicht, welche in der Brust der Hausfrau den Haß gegen die Freiheitsbestre - bungen der Frauen wecken.
Nun, so ist es vielleicht die Erkenntniß, und sie ver - wirft jene Bewegung kraft des Verdikts ihrer Vernunft.
Erkenntniß und Ueberzeugung sind – wer wollte es bestreiten – einzig und allein die Resultate tiefer und ernster Gedankenarbeit (nur wer die Wahrheit sucht, wird sie finden); einer Arbeit, die auf der Basis gründ - licher Bildung ruht.
Diese Art von Gedankenarbeit aber verwirft die Hausfrau von vornherein, darum kann bei ihr von Er -22 kenntniß und Ueberzeugung überhaupt nicht die Rede sein. Sie hat in der Regel noch nie in ihrem Leben den kleinsten Denkversuch angestellt, und doch erdreistet sie sich, mitzusprechen, wo es sich um Principien handelt.
Die kindische Phrase zu widerlegen, von der Erkennt - niß aus Jnstinkt, aus heiliger Natur-Unmittelbarkeit, die Annahme, als könne man zum Tempel der Wahrheit gelangen, ohne durch das Thor des Nachdenkens zu schreiten, erläßt man mir wohl.
Wohl weiß ich, daß es genialische Naturen giebt, so hoch begnadet, daß sie die Wahrheit schauen, ohne die Bedingung allmälichen inneren Wachsthums.
Was aber gehen uns die Genies an, wo es sich um sittliche Grundgesetze für eine Gesammtheit handelt.
Die Hausfrau beruft sich vielleicht auf ihren ge - sunden Menschenverstand, der ausreiche, um so einfache Dinge, wie die Frauenfrage, endgültig zu entscheiden.
Man beobachte einmal genau, was dergleichen Ge - wohnheitsmenschen unter gesundem Menschenverstand ver - stehen.
Nichts anders, als eine Gehirnfunktion, oder viel - mehr eine Windstille im Oberstübchen, vermöge deren ihnen Alles, was der gewohnten Denkweise widerspricht, überspannt und affektirt erscheint; der gesunde Menschen -23 verstand sagt ihnen, daß Dasjenige wahr sein muß, was stets für wahr gehalten worden ist.
Es geht den guten Hausfrauen bei dieser Berufung, wie den Männern mit ihrer Berufung auf Naturgesetze.
Wo die Begriffe fehlen, stellt sich bei diesen zur rechten Zeit ein Naturgesetz, bei jenen der gesunde Menschenverstand ein.
Mir sagte einmal eine Hausfrau, als ich einige Ein - wendungen gegen ein Gericht Mohrrüben erhob, das sie ihrem kranken Kinde verabreichen wollte: das sage ihr doch der gesunde Menschenverstand, daß Mohrrüben ein überaus leichtes und jedem Kranken zuträgliches Ge - müse sei.
Die Quelle, behauptete ich, aus der die Antipathie der Frauen gegen selbständige Frauenexistenzen fließe, sei Dünkel, Egoismus und Trägheit.
Die „ gute Hausfrau ‟, so wie sie ist, gilt in der öffentlichen Meinung für ein Musterbild, für das Jdeal der Weiblichkeit. Was vermögen Gründe gegen eine Meinung, die ihr eine solche Bedeutung verleiht und ihr so unverantwortlich schmeichelt. Jhr, der Hausfrau, ge - nügt die eine, wie sie glaubt, unbestreitbare Wahrheit, daß sie vortrefflich ist vom Morgen bis zum Abend, vom Scheitel bis zur Sohle. Das Hausfrauenthum ist24 der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum muß er auch der höchste sein.
Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus - halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben, wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben, Zähne ausziehen u. s. w.
Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein - gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht: „ écrasez l'infame. ‟
Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus - wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un - gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von ihrer Stirn, und – vorahnenden Gcmüthts schaut sie – o Schreckbild – Carolinen in der unverschlossenen Speisekammer – naschen.
Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver - gnügungssüchtigen Damen, die von Soirée zu Soirée25 flattern und die, in Folge der vielen Feldzugspläne, die sie an ihrem Toilettentische zu entwerfen, und der Schlachten, die sie im Salon zu liefern haben, ihren Beruf als Hausgöttinnen nur mangelhaft erfüllen können.
Sie raisonnirt, sage ich, wohl auch über diese, aber nicht sehr. Nicht die Toiletten - und Vergnügungs - Extravaganzen – nein, die Geistes-Uebergriffe, die Ar - beitsexcesse, die Blaustrumpf-Theorien erregen ihren Haß und ihre Verachtung.
Die Nachsicht der Hausfrau gegen die Salon - und Weltdame ist erklärlich, aus zwei Gründen.
Einmal: Blöde Augen werden stets durch Glanz ge - blendet. Die Eleganz einer Gerson'schen Robe besticht selbst die einfachste Hausfrau.
Und zweitens: Jene Damen greifen das Hausfrauen - thum nicht an, sie denken nicht daran, sich über ihr Ge - schlecht erheben zu wollen, sie überragen, sie demüthigen nicht die Hausfrau, im Gegentheil, sie sind ein Beweis davon, wie wenig eine Frau leisten kann, und dienen deshalb der Hausfrau zur Folie, während jene – die Emancipationslustige – sie mag sich hüten! Jn unsern heiligen Hallen – declamirt Madame Schulz – kocht man außer Gemüse und Seife auch noch Rache.
Spötteln wir diese Seelen-Hermaphrodite in den Grund und Boden. Bezweifeln wir nicht nur die Rein -26 heit ihrer Seele, sondern auch die ihrer Wäsche. Schreibt sie, so sagen wir, sie kann die Dinte nicht halten, malt sie, nennen wir sie Aurora in Oel, und wenn das Alles nicht verfängt, behaupten wir kühn, sie trägt zerrissene Strümpfe. Daran, daß Madame Schulz zu den de - fecten Lever's der Emancipirten wahrscheinlich keine Ein - ladungskarten erhalten hat, denkt natürlich Niemand. Verläumde nur frisch darauf los, geglaubt oder nicht, es bleibt doch etwas hängen; écrasez l'infame!
Es treffe sie der Ostracismus der Frauen, und mit - hin Aller, denn die Frauen allein machen die öffent - liche Meinung über die Frauen, die Männer sind ihre Papageien.
Eine einzige Frau kann, wenn sie Geschick und Energie hat, den Ruf einer andern für immer vernich - ten. Ueber dieses Kapitel ein ander Mal.
Nach diesem kleinen Vorpostengefecht gegen meinen Feind beginne ich mein eigentliches Thema.
Von dreierlei Art sind die Pflichten der Hausfrau. Sie bethätigt dieselben, erstens als Gattin, zweitens als Mutter, drittens als Wirthschafterin oder Haushälterin.
Als Gattin wird von ihr verlangt, daß sie dem Mann in Liebe und Freundschaft anhange, und daß sie vollen Antheil nehme an seinem äußeren und inneren Leben.
27Als Mutter, daß sie die körperliche und geistige Pflege der Kinder, theils selber handhabe, theils sorg - fältig leite und überwache; als Wirthschafterin soll sie sich sowohl alle diejenigen Fertigkeiten, wie Nähen, Kochen, Plätten u. s. w., deren Bethätigung ein Haus - halt erfordert, aneignen, sich in den Besitz derjenigen geistigen Eigenschaften setzen, welche für die Leitung des Dienstpersonals und die Disposition des Haushalts un - erläßlich sind.
Um allen diesen Pflichten zu genügen, bedarf es, meines Erachtens, eines Maßes natürlicher Gaben, wie sie Mutter Natur in weiser Oekonomie nur selten an ein Jndividuum zu verleihen pflegt, bedarf es ferner eines Schatzes von erworbenen Kenntnissen, wie ihn zu heben einer Frau nicht vergönnt ist.
Es ist indessen dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, und ich hoffe, in diesem Auf - satz den Leser zu überzeugen, daß es durchaus mit diesen Forderungen nicht ernstlich gemeint ist, daß sie sich viel - mehr, sobald man sie scharf in's Auge faßt, in Nebel und Dunst auflösen.
Jch muß vorausschicken, daß, wenn man von den Pflichten der Hausfrau spricht, man im Allgemeinen nur die mittleren Klassen im Auge hat.
Jn den niederen Ständen ist die Frau nicht allein28 gezwungen, jede Arbeit im Hause selbst zu thun, sie be - treibt daneben auch, zum größeren Theil wenigstens, noch irgend ein anderes Gewerbe, als Tagelöhnerin, Näherin, Wäscherin u. s. w.
An einen Handwerker verheirathet, nimmt sie viel - fach an der Arbeit des Mannes Theil.
Mein Schuhmacher, der in der Charlottenstraße wohnt, hat acht kleine Kinder. Scheint es nicht unglaublich, daß seine Frau, außer der Sorge für Wirthschaft und Kinder noch den Verkauf im Laden besorgt und beim Einfassen der Schuhe hilft? Die acht Kinder habe ich stets reinlich und sauber gekleidet gefunden.
Ob diese Frau eine Ausnahme ist? ich glaube es kaum.
Jn den höchsten und reichsten Ständen herrscht re - lative Freiheit.
Die Sonne der Vernunft verscheucht mitunter die Gespenster der Vorurtheile, häufiger jedoch schmelzen sie im Glanz des Goldes. Der Prozeß des Schmelzens geht schneller von Statten, als der der Läuterung.
Die ganz reiche und ganz vornehme Frau wird als Hausfrau weder von ihrem Gatten, noch von der Welt controlirt. Man lauert ihrem Thun nicht auf, die Dienstboten sind von vornherein von Ehrfurcht vor der „ gnädigen Frau ‟ erfüllt. Unter der Sammetrobe ver -29 muthet Niemand defecte Unterkleider. Die reiche und vornehme Frau beurtheilt man als Wirthschafterin nach ihrer perfecten Köchin, höchstens kommt bei ihren Diners oder Soireen noch ihre auswendige Liebenswürdigkeit, ihre Repräsentation in Betracht. Den Verdacht man - gelnder Mutterliebe lassen die geschmackvollen Toiletten der wohlfrisirten Sprößlinge, die englischen und fran - zösischen Gouvernanten gar nicht aufkommen.
Jch wiederhole also, was in diesem Aufsatz ge - schrieben steht, gilt nur von den mittleren Ständen, die auch in der That für die Frauenfrage die maßgebenden sind. Die Frau in ihrer weitaus wichtigsten Stellung, in ihren Beziehungen zu dem Gatten und den Kindern ausführlich zu behandeln, behalte ich mir für ein anderes Mal vor.
Diese Schrift ist der Frau als „ Haushälterin ‟ ge - widmet; es müssen daher einige flüchtige Andeutungen über Gattin und Mutter an dieser Stelle genügen.
Zuvörderst über die Gattin ein paar Worte:
Man gestatte mir einige Fragen:
Besteht die gute und glückliche Ehe darin, daß die Frau nur die Wirthschafterin des Mannes sei?
Einstimmiges, entschiedenes: „ Nein. ‟
Soll die Frau nur die Geliebte und die Haushäl - terin des Mannes sein?
30Nein.
Soll sie zugleich seine Freundin sein?
Ja.
Wer allein kann uns wahrer Freund oder wahre Freundin sein?
Nur wer vollen Antheil nimmt an unserm Seelen - leben.
Jst Liebe dazu ausreichend?
Nein – eine alte Haushälterin, die uns hat auf - wachsen sehen, kann uns mit aufopfernder Hingebung lieben, sie wird nie unsere Freundin sein können. Die Liebe braucht sich nur schüchtern anzuschmiegen, oder treu zu folgen, die Freundschaft soll muthig und fördernd zur Seite stehen.
Der Antheil am Seelenleben, oder das gemeinschaft - liche Seelenleben setzt selbstverständlich volles Verständniß der Freundesseele voraus. Ein solches aber ist unmög - lich zwischen Gatten, die auf einer ganz verschiedenen Stufe der Bildung, der Anschauung und Erkenntniß stehen.
Aus diesem Grunde finden wir wohl (was die mittleren Stände anbelangt) die unglücklichsten Ehen in der höheren Beamten -, in der Künstler -, Schriftsteller - und Gelehrtenwelt. Jm Kaufmannsstande dagegen die31 glücklichsten, weil hier der Unterschied des Bildungsgrades im Allgemeinen ein geringfügiger ist.
Nicht in allen Zeitaltern ist die Kluft der Bildung zwischen Mann und Frau so groß gewesen, wie in unserem Zeitalter.
Das Mittelalter gönnte den Männern, deren Leben in Abenteuern, ritterlichen Uebungen und Kampf auf - ging, keine Muße, sich mit den Wissenschaften, die auf Einzelne beschränkt blieben, abzugeben. Häufig über - ragten die mittelalterlichen Frauen ihre Männer an Wissen. Wohl mancher Ehemann mag meine Behaup - tung, daß volles Verständniß zwischen den Gatten einen annähernd gleichen Bildungsgrad voraussetzt, in Abrede stellen. Er wird vielleicht als Gegenbeweis die eigene Gattin aus dem Waschkeller heraufbeschwören, an der er, trotz ihrer geringen Elementarkenntnisse, einen freu - digen Antheil an seinen Bestrebungen wahrgenommen haben will.
Es scheint auf den ersten Blick, als hätten diese Ehemänner Recht, in Wahrheit aber verhält es sich mit dem Scheininteresse der Frauen folgendermaßen:
Die Theilnahme der unwissenden oder halbgebildeten Gattin an dem Geistesleben ihres Gatten besteht in vielen Fällen darin, – daß sie einfach sein Echo ist. Sie sieht mit seinen Augen, hört mit seinen Ohren,32 redet mit seinen Worten, schreibt, wie Ottilie in den Wahlverwandtschaften, schließlich mit seiner Handschrift.
Für mich liegt in dieser rückhaltslosen Bewunderung und Anbetung etwas Rührendes, fast Religiöses, über das zu spotten ich außer Stande bin.
Und ich empfehle allen meinen Mitschwestern, die durch fremde oder eigene Schuld um den Besitz eines selbständigen Gehirns gekommen sind, dem Beispiel dieser Frauen zu folgen, die nicht selten mit ihrem Echospiel und ihrer Doppelgängerei die liebevolle Dankbarkeit ihrer Männer gewinnen.
Jch kann mich recht in die Seele so eines armen Wurms von Mann versetzen, der draußen in der Welt überall herumgestoßen, gehänselt, über die Achsel an - gesehen wird; und nun tritt er über die Schwelle seines Hauses, jeder Zoll an ihm ein Herr, eine Autorität, ein Hausgott.
Fehlt diesen sanften Frauennaturen auch die Er - kenntniß, so haben sie doch den Glauben, der bekanntlich selig macht, den Glauben, der nicht nur Berge versetzt, sondern auch mitunter, wie wir es bei den alten frommen Aegyptern sahen, einen heilig gesprochenen Ochsen für einen Gott hält und ihn anbetet.
Eine andere, weniger empfehlenswerthe Theilnahme der Frau an den Seelenzuständen ihres Gatten entspringt33 nicht sowohl der Liebe, als dem Egoismus und dem Dünkel.
Die gesellschaftliche Stellung der Frau hängt von der des Mannes ab, und je eitler, je ehrgeiziger sie ist, je freudiger, je leidenschaftlicher wird sie von Stufe zu Stufe den Erfolgen oder Niederlagen ihres Mannes mit ihrem Kummer oder ihrer Bewunderung folgen.
Oft genug sehen wir Frauen in bitterstem Zorn auf - flammen über eine Zurücksetzung, die der Gatte vielleicht mit Recht erfahren, und die ihn selbst nur obenhin be - rührt hat.
Eine Professorsfrau kann in Entzücken gerathen über ein gelehrtes Werk ihres Gatten, von dem sie natürlich nicht ein Wort versteht. Außer dem Mitgenuß am Ruhm genießt sie noch den schönen Aerger der Frau des Collegen ihres Mannes.
Nie werde ich den leuchtenden Blick, den majestäti - schen Gang einer mir bekannten Dame vergessen, als sie das Theater verließ, in dem man ein Stück ihres Mannes mit großem Beifall aufgenommen hatte.
Diese kleine, recht ungebildete junge Dame sah ich später öfter im Theater, mitunter bei Aufführung klassischer Stücke; stets zuckte es wie Hohn um ihre sonst sanften Lippen, und geschrieben auf ihrer Stirn stand's leserlich:Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 334wie mögt Jhr solches Zeug nur beklatschen, mein Franz macht's besser, viel besser.
Eine andere Art der Theilnahme der einfachen guten Hausfrau an den ideellen Bestrebungen des Mannes kenne ich nicht, jene Prophetinnen des Geistes ausge - nommen, die nicht maßgebend sind.
Das, was ich gesagt habe, läßt zweierlei Folgerungen zu:
Entweder man giebt zu, daß es eine Sünde gegen den heiligen Geist der Ehe ist, der Frau diejenigen Bildungsmittel vorzuenthalten, die geeignet sind, sie zu einer ebenbürtigen Gefährtin, zu einer Freundin des Mannes zu machen, oder man acceptirt die andere Folgerung: daß eigentliche Freundschaft kein nothwen - diges Bedingniß einer guten Ehe sei.
Wenn die Männer sich entschließen könnten, auf - richtig zu sein, so würden sie, der Mehrzahl nach, letzterer Meinung beipflichten.
Da aber Verlegenheit die Modetracht unseres Zeit - alters ist, so geben sie gar nichts zu, sondern antworten mit jenen abgestandenen Phrasen, jenen uralten mora - lischen Meidingern, von der Zauberkraft des weiblichen Gemüths, von der den Frauen angeborenen Jdealität, von blauäugigen Hausfrauentugenden u. s. w.
Meine gelehrten Herren und Ehemänner, wozu haben35 Sie denn studirt und gelernt und gedacht, wenn Sie nicht einmal wissen, was ein Jeder von Jhnen täglich an sich selbst wahrnehmen kann, nämlich: daß unser Thun und Denken in einem geheimen und offnen Zu - sammenhang steht, daß eine Jdee die andere entzündet.
Eine Frau, die den Tag über kocht, näht und wäscht, mit schmutziger Wäsche und Scheuerlappen hantirt, mit Hökerfrauen feilscht und Dienstmädchen zankt, deren Mußestunden werden nimmermehr von idealen Vor - stellungen erfüllt sein.
Sie kann ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft und Jhres Haushalts sein, niemals aber eine Hüterin der Poesie.
Jhre Vorstellungen und Gedanken werden Abends an den Beschäftigungen anknüpfen, die sie den Tag über geübt, und diese werden selbst in ihre Träume hinein - spielen; und wenn der Demagoge von Blutgerüsten – so wird die Hausfrau von Blutwürsten träumen, und wenn der Feldherr im Traume seine Soldaten Revüe passiren läßt, so wird die Hausfrau vielleicht im Traume zu einem Schutzmann schicken, um die widerspänstige Magd zu ducken.
Jch weiß aus meinem eigenen Leben ein packendes Beispiel, in wie unmittelbarer Weise unser Thun unsere Vorstellungen beeinflußt.
3*36Wir wohnten einmal im Sommer in einem Häuschen mitten im Walde. Eine Freundin der Natur im All - gemeinen, hatte ich an diesem herrlichen Buchenwalde eine besondere immer wiederkehrende Freude. Trotzdem wir im Walde lebten, bot die Beschaffung des Brenn - materials einige Schwierigkeiten dar, und eines schönen Tages sahen wir uns ohne diesen Artikel.
Jch ging mit meinen Kindern in den Wald, und wir suchten das für diesen Tag nöthige Holz zu - sammen.
Alsobald stellte sich meinem Hausfrauengeiste die Zweckmäßigkeit dieses Geschäfts dar, und der Sparsam - keit fröhnend, und dem Staate, der nur gewisse Raff - und Lesetage gestattet, Trotz bietend, bezogen wir von diesem Tage an, von einigen Bauernkindern unterstützt, unsern ganzen Bedarf an Brennmaterial direkt von Mutter Natur.
Die Folge meines Thuns war schrecklich. All meine tief innere Freude am Walde war dahin.
Wenn Nachts der Sturm durch die Wälder brauste, der sonst wohl schauerliche Ahnung in mir weckte, dann berechnete ich nur, wie viel Zweige er von den Bäumen schlagen würde, und ich konnte kaum den Morgen er - warten, um Ernte zu halten auf diesem Schlachtfelde der Winde.
37Der entzauberte Wald war für mich zu einer soliden Holzhandlung geworden. Und wo ich wohl sonst bei dem magischen Spiel von Licht und Schatten entzücken - den Träumen nachgehangen, da spähte jetzt mein brenn - holzgieriger Blick empor zu den prächtigen Stämmen nach todten Zweigen. Meine ganze Seele war auf trockenes Reisig gestellt, und ich haderte mit dem Schick - sal, wenn ich einen hübschen dicken Zweig an einer Stelle am Boden traf, der zu weit von unserem Häus - chen entfernt war, als daß ich ihn hätte heimschleppen können.
Endlich, endlich erschrak ich vor der gemeinen Rich - tung, die mein Geist genommen, hing das kleine Holz - handelgeschäft an den Nagel und nährte, wie ehemals, mein Heerdfeuer mit baar bezahlter Kohle.
Sollte nicht Jeder, der sich ab und zu auf's Aus - spioniren seiner Seelen-Vorgänge legt, Aehnliches an sich beobachtet haben?
So gewiß, meine Herren Ehemänner, Sie stumm sein würden, wenn Sie unter Stummen aufgewachsen wären, ebenso bleibt der Geist stumm, wenn nicht Ge - danken und Jdeen von außen in ihn gedrungen sind, und die schönste Liebe kann zwischen dem Torffeuer der Kochmaschine und dem lauteren Feuer, an dem Gedanken reifen, keine Brücke bauen, sie kann die Kluft nicht füllen38 zwischen der tiefen Gleichgültigkeit der Frau gegen alle Resultate des Denkens, und der hohen Befriedigung, die der Mann in diesen Resultaten findet. Der Gatte müßte denn das phantastische Gemüth eines Don Quichote besitzen und seine angetraute Küchenmagd für eine Prin - zessin Dulcinea halten. Und wenn es wahr ist, daß nicht allein der Leib, sondern vor Allem die Seele die eheliche Verbindung ausmacht, so leben Gatten, die auf einer ganz verschiedenen Stufe der Anschauung und Er - kenntniß stehen, in einer geistigen Ehescheidung von Hause aus.
Jch sehe Sie bei diesen Worten, meine Herren, je nach Jhrem Temperament, entweder gutmüthig vor sich hin lachen, oder malitiös grinsen. Jch höre Jhre Worte: „ Meine Gute, bleiben Sie mir doch mit Jhrem müßigen Gerede vom Leibe. Wir sind zufrieden mit unseren Frauen, so wie sie sind, und unsere Frauen mit uns, und damit – basta! ‟
Und das ist wahr. – Sie sind zufrieden. Aber es kommt wirklich gar nicht darauf an, ob Sie, Herr Pro - fessor B. oder Herr Geheimrath N. mit ihrer Friederike oder Amalie glücklich und zufrieden leben (vielleicht ist das nur ein Beweis, daß Jhnen entweder Jhre Wissen - schaft oder Jhre Gattin nicht sehr ernstlich am Herzen liegt).
39Darauf kommt es an, ob solche Ehen der Veredlung des Menschengeschlechts dienen, auf das Princip kommt es an.
Und überlegen Sie einmal, Herr Professor, wenn Sie anstatt Jhrer Friederike, die Sie in Jhrer Eitelkeit und in Jhren Jrrthümern durch ihre blinde Verehrung nicht unwesentlich bestärkt, eine Gattin zur Seite hätten, voll Denk - und Urtheilskraft, die offenen Auges Jhre Fehler sieht, würden Sie nicht mitunter, in Anwand - lungen von Selbsterkenntniß, ein klein wenig von Jhrer souveränen Dünkelhaftigkeit ablassen?
Eine liebende, unwissende Gattin, die, entweder im guten Glauben, oder mit voller Absichtlichkeit, aus ge - meinen und egoistischen Gründen den Schwachheiten des Mannes schmeichelt, ist oft genug sein böser Dämon.
Der Mann ist im Allgemeinen mit der Halbbildung seiner Gattin zufrieden. Dessen ungeachtet ist es ihm peinlich, wenn in guter Gesellschaft ihre Unwissenheit allzu handgreiflich hervortritt.
Jhr Wissen und ihr Nichtwissen, Beides soll sie gleich sorgfältig verbergen.
Als ganz junge Frau war ich einmal in einer Ge - sellschaft, in der die Rede auf August Boekh kam.
„ Wer ist Boekh? ‟ fragte ich harmlos.
40Jch werde nie den Blick des Schreckens vergessen, den mein Mann bei dieser Frage auf mich warf.
Er schämte sich gründlich meiner.
Nun bitte ich einen Menschen, hätte ich wirklich vom Hörensagen den Namen Boekh gekannt, ohne eine Ahnung von dem Jnhalt seiner Schriften zu haben, was hätte das an der Thatsache meiner Unwissenheit geändert?
Jst es nicht geradezu possierlich, daß die Männer sich der Unwissenheit ihrer Frauen schämen, deren in - tellektuelle Urheber sie sind?
Haben wir Frauen etwa die höhere Töchterschule organisirt, ihren Lehrplan bestimmt?
Was mich betrifft, so lehne ich die Verantwortung für jeden orthographischen, grammatischen oder sonstigen Fehler, der mir in dieser Schrift passiren sollte, ab, ich lehne sie energisch ab und wälze sie auf die Schulter der Männer. Jede falsche Jnterpunktion, die ich mache, ist ihr Werk, für jeden Sprachfehler treffe sie die Gering - schätzung der Mitwelt.
Jch habe die bestmögliche Schule meiner Jugendzeit besucht, und sie war – so schlecht wie möglich.
Was verlangen die Männer von den Frauen? Den Schein des Wissens und die Thatsache der Unwissenheit. Sollte aber eine Frau ausnahmsweise wissend sein, so41 soll sie es verbergen, „ wie ein Calvinist seinen Glauben ‟ – sagt Goethe.
Arme Frauen, sie gemahnen mich an jenen Hand - werksburschen, der nirgends heimathberechtigt, zeitlebens zwischen den Grenzsteinen zweier Gebiete wandern, wan - dern mußte.
Guter Mann, laß doch einmal auf einen Augenblick die Heuchelei und bekenne offen, ich brauche für meine Zärtlichkeit eine Gattin, für mein Haus eine Wirth - schafterin, aber setze nicht hinzu: eine Erzieherin für meine Kinder. Wenn Deine Friederike Dir nicht eine wahre Freundin sein kann, wenn sie nicht selbstdenkend an Deinem Seelenleben Theil nimmt, so wird sie auch nimmermehr Deine Kinder zu Ebenbildern Gottes er - ziehen.
Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Junge und Alte, sie Alle treffen in dem wunderlichen Einfall zusammen, daß die Mutter nur den Jnstinkt braucht walten zu lassen, um das Kind zu einem Ausbund körperlicher und geistiger Vortrefflichkeit zu erziehen, sie Alle behaupten, daß die Mutterliebe der Quell ist, aus dem alle Weisheit fließt. (Worte eines Dichters.)
Wenden wir aber von dieser Phrase unsern Blick dem wirklichen Leben zu, so wird der Glaube an diesen42 zauberkräftigen Jnstinkt durch die Wucht der Thatsachen zerstört.
Der Jnstinkt bezieht sich vorwiegend auf das eigene körperliche und geistige Behagen. Der Gott und Vater Kronos verspeiste seine Kinder zum Frühstück, als er seinen Thron von ihnen bedroht glaubte.
Giebt es nur gute Jnstinkte?
Es giebt auch böse.
Und eine Mutter mit bösen Jnstinkten wird nichts verabsäumen, um ihr Kind zu Grunde zu richten.
Gute Jnstinkte aber helfen der Mutter ganz und gar nichts.
Gerade die Erziehung der Kinder erfordert eine strenge Selbstbeherrschung, eine schwere, unausgesetzte Arbeit an sich selbst. Eine Jnstinkt-Mutter aber handelt nach Laune und Eingebung.
Eine solche Mutter, wenn sie Migräne hat, wird eine auffallende Neigung an den Tag legen, ihr schreiendes Kind zu prügeln, einzusperren oder es sonst irgend einer Behandlung zu unterwerfen, die in keinem Verhältniß zu seinem Verbrechen steht.
Der mütterliche Jnstinkt tritt oft gradezu kindes - mörderisch auf.
Jst die Jnstinkt-Mutter zärtlicher Gemüthsverfassung, so küßt sie ihren Liebling wohl viele Male. Diese Mutter -43 küsse aber, (der Dichter vergleicht sie mit Sonnenstrahlen, die den Kelch der Blumen öffnen), sie pflegen von war - mem Waschwasser, von Leckerbissen und Verzärtelungen begleitet zu sein, die oft genug bewirken, daß der kleine Engel binnen Kurzem nur noch eine Zahl ist unter den 80 Todesfällen von Kindern, „ die Gott in der letzten Woche an der Brechruhr heimgerufen ‟.
Wer will den furchtbaren Zusammenhang leugnen zwischen dem gepriesenen mütterlichen Jnstinkt und den schmerzlich langen Todtenlisten der Kinder.
Etwas weniger Jnstinkt und etwas mehr bewußtes Handeln – und ich sollte denken, der Schnitter Tod würde sich mit einer geringeren Ernte begnügen.
Unser Herz erbebt bei jedem unnatürlichen Todesfall, von dem wir hören, auf den Schlachtfeldern oder bei Unglücksfällen.
Und kaltblütig lesen wir allwöchentlich die schauer - lichen Verzeichnisse jener kleinen Todesopfer. Die Ge - wohnheit macht uns stumpfsinnig.
Hier thut, in Bezug auf die körperliche Pflege der Kinder, eine ganz bestimmte Unterwerfung noth, ein formeller Unterricht, der so einfach sein kann und sein muß, daß selbst die beschränkteste Frau ihn zu fassen und anzuwenden im Stande ist. Es handelt sich dabei durchaus nicht um pädagogische Studien.
44Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon, daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un - berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?
Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver - stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen Lebensformen u. s. w.
Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt und ausgebildet, die der Mutter viel und dem Kinde wenig nützen.
Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer - brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid, ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand - gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu - prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver - anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.
Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein - geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im Keime erstickt.
Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus45 demselben unbezähmbaren Kraftgefühl, das den jungen Herkules antrieb, in der Wiege seine Schlangen zu würgen.
Die Mutter bestraft Thatsachen, wann aber be - strafte sie je Nichtswürdigkeiten des Charakters? wann jene gemeinen Züge der Seele, Hinterlist, Bos - heit, Tücke, Heuchelei, die den künftigen Schurken ver - rathen.
Ungehindert läßt sie das üppige Unkraut in dem artigen Kinde wuchern.
Die gute Mutter, sie hat keine Ahnung von dem Seelenmakel ihrer Sprößlinge. Wie sollte sie auch! wie sollte sie, die vortreffliche Frau, zu einem gemeinen, ruppig gearteten Kinde kommen!
Eine absurde Voraussetzung, daß die Frau, die sich selbst nicht kennt, die Seelen ihrer Kinder verstehen, daß sie, die selber unbelehrt ist, Andere lehren sollte. Die Früchte unserer erziehlichen Thätigkeit an den Kindern stehen im engsten Zusammenhang mit unserer eigenen Erziehung. Goethe sprach das tiefe und geistreiche Wort: „ Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären. ‟
Jch frage Euch, meine Leser, auf's Gewissen, wer von Euch hat je den Muth gehabt, eine Mutter auf46 widerwärtige und gemeine Charakterzüge ihres Kindes aufmerksam zu machen!
Jch theile übrigens nicht im entferntesten die Mei - nung Derjenigen, die von den Müttern der Zukunft ein gründliches Studium der Pädagogik fordern.
Meiner Meinung nach wird der Pädagoge wie der Künstler geboren, und alles Studium der Welt ersetzt niemals das eingeborene Talent.
Vorzugsweise intelligente Frauen möchten allerdings dem Mangel ursprünglicher Begabung durch andauerndes Studium und Denken (bis zu einem gewissen Grade wenigstens) abzuhelfen im Stande sein. Wollten aber alle Frauen, selbst die mit mittelmäßigen oder geringen Verstandesgaben Ausgerüsteten, sich in das Studium der Pädagogik stürzen, so würden wahrscheinlich wahre Miß - geburten von Erziehungsplänen das Licht erblicken, und die armen Kleinen würden in ihren Kinderstuben wie in den Betten des Prokrustes ruhen, um sich nach pä - dagogischen Regeln kürzen oder in die Länge ziehen zu lassen.
Wer keinen Beruf für Pädagogik fühlt, der bleibe den Theorien fern.
Es giebt etwas anderes, das den feinsten Erwägungen, den tiefsten psychologischen Beobachtungen fast die Waage hält.
47Das Beispiel!
Jede Frau arbeite nach Kräften an ihrer eigenen Veredelung.
Mit Recht sagt man: Kinder sind wie Affen. Jhr Nachahmungstrieb verleugnet sich keinen Augenblick. Sie ahmen nicht blos das äußere Wesen, sie ahmen auch die Gesinnung nach.
Darum, Vater und Gatte, laß es Dir gesagt sein: ob Deine Frau plättet, wäscht oder der Hökerin ein paar Groschen abhandelt, das hat auf die Seele Deines Kindes nur einen geringen Einfluß, denn arbeiten sieht es Jedermann.
Jedes gute Wort aber, das aus der Mutter Munde geht, jede Jdee, mit der sie ihren Geist bereichert, jede Wohlthat, die sie spendet, jede edle Handlung ihres Lebens, das sind Samenkörner, die in des Kindes Seele sollen, und wo der Boden nicht allzu steinig ist, auf - gehen und Blüthen und Früchte tragen.
Betrachten wir noch einen Augenblick das Verhältniß der Mutter zum Kinde vom rechtlichen Standpunkte aus.
Nicht wahr, den Orthodoxen wie den Liberalen in der Frauenfrage, Jedem ist der Satz geläufig, daß die Mutter die natürliche Erzieherin des Kindes, gewisser - maßen seine Vorsehung ist, und daß die Erziehung des48 Kindes der, ausschließlich von Gott und Natur ihr zu - gewiesene Beruf sei.
Jch will beweisen, daß die Männer, indem sie sich zu Vertretern dieser Meinung machen, mit Gott und der Natur einen frevelhaften Spott treiben.
Worin finden wir oder sollen wir finden den reinsten Ausdruck und Jnhalt des ethischen Bewußtseins einer Nation?
Jn ihren Gesetzen.
Wer macht die Gesetze?
Die Männer.
Auch die Gesetze, die das Verhältniß der Mutter zu ihrem Kinde regeln? '
Auch die.
Wie könnten demnach diese Gesetze etwas anderes sagen, als daß der Mutter, der natürlichen Erzieherin des Kindes, nach dem Tode des Vaters die alleinige Bestimmung über das Kind zustehe.
Mit nichten. Das Gesetz schreibt vor, die Anord - nung der Art, wie das Kind erzogen werden soll, kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur diesem giebt das Ge - setz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder.
Nach dem Tode des Vaters ist die Mutter zur An - zeige wegen Bestellung eines Kurators oder Vormundes verpflichtet.
49Thut sie dies nicht binnen sechs Wochen, so verliert sie den Anspruch auf die Vormundschaft (§. 101, 102, Tit. 18 Th. II. L. R.). Trotzdem ist aber auch dann ihr Einfluß auf die Wahl des Berufs und auf die Er - ziehung ihrer Kinder ein sehr beschränkter (§. 315 fg. a. a. O.). Jhr steht kein Nießbrauch und Verwaltungs - recht an dem Vermögen der Kinder, wie dem Vater, zu. Dieses befindet sich vielmehr ganz und ausschließlich unter vormundschaftlicher Verwaltung, so daß die Mutter jeden Pfennig für die Erziehung der Kinder von dem Vormund und dem Vormundschaftsgericht erbitten muß. Selbst wenn der Ehemann seine überlebende Ehefrau zur befreiten Vormünderin der Kinder ernannt hat, muß ihr zur Ueberwachung ein Ehrenvormund an die Seite gesetzt werden. Sie muß sofort die Vormundschaft niederlegen, wenn sie zur zweiten Ehe schreitet; nicht einmal eine ent - gegengesetzte testamentarische Anordnung des Vaters kann daran etwas ändern (§. 188 – 191, Tit. 18 Th. II. L. R.). Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle, aus der alle Weisheit fließt. Vor einem englischen Ge - richtshofe kam vor einiger Zeit die Frage, ob eine Wittwe das Recht habe, ihr Kind in ihrer Religion zu erziehen.
Sie war Protestantin, der Vater war Katholik ge - wesen. Das Kind war acht Jahre alt. Der Vater hatte in seinem letzten Willen keinen Wunsch in BezugDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 450auf die religiöse Erziehung des Kindes hinterlassen. Die Verwandten des Vaters aber zwangen die Mutter, das Kind im katholischen Glauben aufzuziehen, obgleich sie Protestantin mit Leib und Seele war.
Das Gesetz unterwirft die Mutter der Bestimmung des Vaters, wie lange sie dem Kinde die Brust reichen muß (§. 68 Tit. 2 Th. II. L. R.) Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle, aus der alle Weisheit fließt. Die Anwendung dieser Weisheit aber ist nur ge - stattet: beim Trocknen der Windeln, bei der Herstellung des Kinderbiers, beim Waschen der kleinen Persönlichkeit und ähnlichen Verrichtungen.
So, meine Herren, interpretiren Sie Gottes und der heiligen Natur Gesetze. Wären ihre Worte etwas anderes als verlogene Phrasen, müßte dann nicht dem Vater, wenn die Mutter stirbt, ein weiblicher Vormund gesetzt werden? denn hören wir es nicht täglich von Jhren klugen Lippen, in allen möglichen Wendungen, daß nimmermehr ein Mann im Stande ist, ein Kind aufzu - ziehen.
Dieselben Männer, die da vorgeben, den einzigen und erhobenen Beruf der Frau in ihrer Mutterschaft zu finden, ertheilen in den Gesetzen, die sie machen, der Frau als Mutter ein Mißtrauensvotum sonder Gleichen und sonder Beispiel.
51Verdorrt ihnen nicht die Zunge ob so schmählicher Lüge!
Bei diesem unerhörten Widerspruch zwischen dem Gesetz und den hergebrachten Heuchelphrasen vom heiligen Mutterberuf wird es dabei nicht dem Einfältigsten klar, daß diese Phrasen nur dazu dienen sollen, alle Müh - seligkeiten der Elternschaft unter der Etiquette „ heilig ‟ der Mutter aufzubürden, während der Vater alle Vor - theile, selbständige Bestimmungen und Rechte dem Kinde gegenüber für sich in Anspruch nimmt?
Jch weiß wohl, in vielerlei Dingen gestattet der Gatte, daß die Frau mit ihren Kindern nach freiester Willkür schalte.
Sie darf ungehindert nächtlicher Weile, wenn sie vom Wochenbett noch schwach und kränkelnd ist, das schreiende Kind Stunde um Stunde wiegen, tragen und sättigen. Und daneben schnarcht der Mann die liebe lange Nacht, höchstens brummt er unwillig, wenn der kleine Balg es zu arg macht. Der Gute, er würde es für einen Einbruch in das geheiligte Mutterrecht halten, der Gattin das Kindchen auf einige Augenblicke abzu - nehmen. Und wie lächerlich, wie unmännlich – ein Mann als Kindeswärterin!
Er hat zwar zwei starke, gesunde Arme, doch muß er sich schonen, er muß ja bei Tage „ geistig ‟ arbeiten.
4*52Die Herren der Schöpfung halten das wahrscheinlich für eine körperliche Arbeit, wenn eine Frau z. B. am Krankenbett des Kindes in namenloser Angst und Pein sich verzehrt.
Jch will nicht untersuchen, in wie vielen Fällen das gepriesene geistige Arbeiten der Männer nichts ist, als hohler Schematismus und geistlose Routine; das aber weiß ich, die schwerste geistige Arbeit unter allen Arbeiten der Welt, das ist der Schmerz.
Gelehrte Werke schreiben ist ein Kinderspiel dagegen. Der langsam zehrende Kummer, er greift nicht die Arme, sondern das Gehirn, die Lebenskraft an, er reibt auf, er tödtet.
Und welches Geschlecht, ihr Herren, hat den größeren Antheil an dieser Geistesarbeit?
Das ist einer der Zwecke der großen beginnenden Frauenreform, auch diese Arbeit gleichmäßiger zu theilen. Wir möchten gern von den sieben Schwertern, die wir als geborene Madonnen in der Brust tragen, drei und ein halbes abgeben.
Es ist nicht wahr, daß bei der Erziehung des Kindes Wille und Wunsch der Mutter prävalirt.
Der Mann gestattet der Frau, ihre Principien zur Geltung zu bringen, entweder, wenn sie mit den seinigen übereinstimmen, oder wenn er kein Jnteresse an der Er -53 ziehung des Kindes nimmt. Und letzteres ist allerdings, wo es sich um die Erziehung der Mädchen handelt, das Hergebrachte.
Sobald er aber eine Meinung hat, die von der der Gattin abweicht, so wird ihr Widerspruch ihm ungereimt, ja unverschämt erscheinen, und soll nicht das Haus zum Schauplatz widriger Scenen werden, so muß die Frau nachgeben, oder, was ebenso häufig geschieht, sie sucht ihren Zweck durch Hinterthüren, durch Schmeichelei, ver - stellte Zärtlichkeit u. s. w. zu erreichen.
Wenn wir von den Phrasen absehen, so ist diese Meinung von dem maßgebenden Willen des Vaters auch eine allgemein acceptirte. Jch war deshalb gar nicht erstaunt, als mein sechsjähriges Töchterchen mir eines Tages eine Arbeit, die ich ihr unterschrieben hatte, mit dem Bemerken zurückbrachte: Fräulein B. habe gesagt, die Unterschrift der Mutter gälte nicht, der Vater müsse unterschreiben.
Nach dieser flüchtigen Skizzirung der Frau als Gattin und Mutter wende ich mich zu der eigentlichen Haus - frau, der Vorsteherin des Haushalts.
Unter folgenden Rubriken will ich meine Erfahrungen über dieselbe dem Leser mittheilen.
Da in dem gleich folgenden Abschnitt, über die Dogmen der guten Hausfrau, das eigentliche Wesen derselben klarer hervortreten wird, so will ich mich hier darauf beschränken zu wiederholen, was ich im Wesent - lichen bereits im Anfang gesagt habe: daß man nämlich diejenigen Hausfrauen für die guten hält (und natürlich halten sie sich auch selber dafür), welche ihren Wirkungs - kreis und ihre volle Befriedigung im engen Raum der Hauswirthschaft finden und sich innerhalb desselben durch eine möglichst große Quantität von Thun auszeichnen.
Diejenige Hausfrau, die am wenigsten braucht, ist die beste.
55Welches Mittel wendet die Hausfrau an, um ihre Ausgaben auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken?
Sie verabreicht der Köchin die denkbar winzigsten Zuthaten von Butter, Zucker, Eier u. s. w.
Nachdem ich Dir unschuldigem Leser dieses Geheim - niß verrathen, wirst Du Dich künftig nicht mehr wun - dern, bei Hausfrauen-Diners an den Gemüsen etwas Ursprüngliches und Naives wahrzunehmen, das Dich an jene barbarischen englischen Gemüsezustände erinnert, die bekanntlich durch die Abwesenheit von Butter und Zucker glänzen.
Wenn ich Dir ferner verrathe, daß die Hausfrau dem Grundsatze fröhnt, nichts umkommen zu lassen, so wirst Du Dir den wundersamen Duft erklären können, der mitunter, aus den grünlichen Gewässern der Gemüse zu Dir aufsteigend, Dich an die Geister geschiedener Hammel mahnt.
Jedes Bischen Hammel -, Spickgans - oder Schinken - fett conservirt die Hausfrau mit liebender Sorgfalt wochenlang, und ob die Zeit auch den Fluch des „ Ranzig - werdens ‟ darüber verhänge, Du, Mann, Kind oder Dienst - bote, entgehst Deinem Schicksal nicht.
Die gute Hausfrau läßt nichts umkommen.
Darum also jene Saucen, die aus dem Saft ver - schiedenartigen Gethiers am Ende der Woche zu einem56 friedlichen Bach zusammenrinnen, um die trockenen Ge - stade Deiner Quetschkartoffel zu netzen. Darum jene Bouletten von Hasenklein, jene Suppen von Fett und Knochenresten, aus denen uns die wehmüthigen Fett - augen so übelriechend anblicken. Gewisse Räume in den Wohnungen guter Hausfrauen gleichen einer Stätte der Abgeschiedenen.
Dort im irdenen Topfe ruhen alte Knochen, ver - gebens harrt die Nase der Hausbewohner ihrer Bestattung. Aus der Tiefe dunkler Eimer gähren Gemüseabfälle nebst Eierschalen. Der Milchmann pflegt sie an sich zu kaufen.
Hinter jenem düstern Verschlag ruht, was sterblich ist von Euch, ihr Hasen, Hühner, Rehe; Eure Felle, Federn, Krallen. Erst die Posaunenstimme des Hasen - fellkäufers vom Hofe her öffnet Eure Gruft.
Aus abgelegenen Tischkästen grinsen uns Stücke ver - schimmelten Brotes an, harrend ihrer Wiedergeburt als Brotsuppe. Zerbrochene Gläser, Porzellanscherben, leere Flaschen jeder Größe und Gestalt strecken uns ihre bleichen Hälse aus verwitterten Körben entgegen.
Mit einem Wort, es giebt keinen Rest, keine Knochen, kein Fell, er mag noch so klein sein, über dem die Haus - frau ihr Angesicht nicht leuchten ließe.
Doch damit sind ihre Sparsamkeitskniffe noch nicht57 zu Ende. Nur sie, die Hausfrau, versteht die Kunst, den Schinken oder die Wurst durch Plattdrücken in die Länge und Breite zu ziehen, nur sie liefert Miniatur - zuckerstückchen, vor denen jede anständige Tasse Kaffee oder Thee erröthen müßte.
Jch kannte eine Frau, wenn der von einer Nähnadel das Oehr abbrach, so setzte sie auf den Rumpf einen Knopf von Siegellack und gebrauchte sie als Stecknadel – um nichts umkommen zu lassen.
Ein anderes Mittel der Sparsamkeit bietet sich der Hausfrau beim Einkauf. Billig einzukaufen ist ihr höchster Ehrgeiz.
Natürlich ist sie eine Kennerin von Fleisch und läuft deshalb nicht die geringste Gefahr, ihre Fleischeinkäufe auf dem Markte zu besorgen.
Jch bin nun so frei zu behaupten, daß diese Kenner - schaft an gewisse Bedingungen zu knüpfen ist.
Entweder es ist unvermittelte Weisheit, eine Art Divinationsgabe, die die Hausfrau in den Stand setzt, ein Stück junges Ochsenfleisch von dem einer älteren Kuh zu unterscheiden, oder sie verdankt ihre Fachkenntniß gründlichen anatomischen Studien.
Sollte man aber das Vorhandensein dieser beiden Vorzüge als unwahrscheinlich bestreiten (und ich fürchte, man thut es), so muß man zugeben, daß Hausfrauen58 sowohl wie Köchinnen keinen Grund haben, ein Stück Fleisch ungünstig zu beurtheilen, wenn es frisch, roth und saftig aussieht und auch seine sonstige Schönheit sich weder durch Sehnen, Knorpel noch allzu viel Knochen - werk entstellt zeigt.
Aber ach! Dieses blühende Aussehen des Fleisches, wie gründlich täuscht es oft. Jch habe schon das schönste Fleisch gehabt, und es war zähe wie Schuhsohle.
Nur Gott und der Schlächter wissen, wie ihr Roast - beef innerlich beschaffen ist, letzterer, weil er das zu ver - kaufende Stück gewöhnlich lebendig gekannt hat.
Die Hausfrau aber, die ihr Fleisch auf dem Markte kauft, spielt Hazard.
Damit will ich natürlich nicht in Abrede stellen, daß man zuweilen auch auf dem Markte einen guten Braten einhandeln kann. Das geschieht sogar häufig; entweder, wenn der Zufall uns begünstigt, oder wenn die Köchin in einem sympathischen Verhältniß zum Schlächter steht, oder drittens, wenn die Frau so bedeutende und immer wiederkehrende Einkäufe bei demselben Schlächter macht, daß dieser bei reeller Bedienung seine Rechnung findet.
Dennoch kommt es nur allzu oft vor, daß der be - klagenswerthe Mittagsgast einer Hausfrau, im Kampf mit einem tückischen, zähen alten Vieh, sich noch ein gewinnendes Lächeln abringen muß, wenn die Wirthin59 ihm triumphirend vorhält, wie billig sie den Braten gekauft.
Es giebt ein sehr einfaches Mittel, stets das beste und auch preiswürdigste Fleisch zu haben.
Fast in jedem Stadtviertel wohnt ein Fleischer, von dem Jedermann weiß, daß seine Waare fast unfehlbar ist; allerdings ist er theurer als alle seine Kollegen; dafür aber ist sein Fleisch gesunder, kräftiger und ent - hält mehr Nahrungsstoff, eine geringere Quantität des - selben würde also der größeren Quantität des schlechteren und billigeren Fleisches entsprechen.
Jch will hier offen bekennen, daß auch ich, trotz meiner besseren Erkenntniß, im Kampf mit meiner Köchin in Bezug auf diesen Gegenstand noch nicht ge - siegt habe. Vergebens habe ich an diese Person all' meine, naturwissenschaftlichen und gastronomischen Kennt - nisse verschwendet, immer antwortete sie mir:
„ Ja wohl, Nahrungsstoff oder nich, Sie kennen die Menschen nich, Madame. Je besser sie des Fleisch schmeckt, je mehr wollen sie davon haben. Es is janz jut, daß es nich immer so delikat is, da bleibt doch mitunter ein bischen zum Aufschneiden für den Abend. ‟
Nun frage ich aber einen Menschen, ist das ein humaner Grund, das Fleisch, anstatt beim Schlächter - meister H., auf dem Markt zu kaufen!
60Mit diesem Sparsamkeitsprinzip steht im Zusammen - hang das Hausfrauendogma, nach welchem Sehnen, Knochen und Knorpel dem Dienstmädchen am Besten schmecken und ihm am zuträglichsten sind, und die un - nachahmliche Geschicklichkeit, mit der die Hausfrau diese, dem Thiere zwar sehr nothwendigen, dem Magen des Menschen aber sehr entbehrlichen Bestandtheile so zu arrangiren versteht, daß sie wie köstliches Fleisch er - scheinen; eine schalkhafte kleine Spitzbüberei, die zu den gebräuchlichsten Listen und Kunstgriffen der guten Haus - frau gehört.
Außer an den Lebensmitteln übt die Hausfrau ihre Sparsamkeit auch an lebendigen Gegenständen, als da sind Näh - und Wäscherinnen, Handwerkern u. s. w., überhaupt an jeglichen Haus - und Küchenlieferanten, der es nicht verstanden hat, sich mit dem Aushängeschild „ prix fixes ‟ vor ihren Angriffen zu decken. Sie han - delt, feilscht, schachert, sie überredet, schmeichelt, spinnt Jntriguen, lügt wie gedruckt.
Hier umgarnt sie einen Handwerker mit der Lüge, daß sie bei Herrn N. N. die Stiefel um so viel billiger gekauft habe. Dort heuchelt sie einen Ohnmachtsanfall, beim Anhören eines Preises, von dem sie sehr wohl weiß, daß er auffallend mäßig ist.
Man muß mit einer guten Hausfrau Einkäufe ge -61 macht haben, um sich von ihren Flunkereien, Unver - schämtheiten und jesuitischen Kunstgriffen eine Vorstellung zu machen. Sie spart an Kleiderstoffen.
Stets braucht sie einige Ellen weniger als andere Frauen. Sie rühmt sich dessen sehr und merkt gar nicht, daß man ihr die fehlenden Ellen ansieht.
Jch erlaube mir nicht, eine Sparsamkeit, wie ich sie hier geschildert habe, zu tadeln. Jch meine nur, wo seine natürliche Neigung dazu treibt, dem muß die Aus - übung dieser Hausfrauentugend unerträglich schwer fallen.
Jch gebe zu, daß in einem Haushalt, wo vielleicht monatlich 100 Thaler gebraucht werden, sich auf diese Weise 5 – 6 Thaler ersparen lassen. Und wo es sein muß, da mag dieses Feilschen, Scharren, Knochen - und Abfallsammeln seinen Lauf haben, wo es aber die Ver - hältnisse nicht gebieterisch fordern, widerrathe ich es dringend.
Diese Sparsamkeit demoralisirt; sie demoralisirt, weil sie Gewinn zieht aus dem Schaden Anderer.
Eine solche Hausfrau kapitalisirt zuletzt die Leib - schmerzen ihrer Kinder (ein krankes Kind darf nichts essen), die Kolik ihres Mannes (er darf kein Bier trinken).
Sie tröstet sich über seine Abwesenheit wegen er - sparter Butterbrote. Sie zählt ihren Angehörigen die62 Bissen in den Mund und kann sich einer leichten Er - bitterung gegen vielessende Gäste nicht erwehren. Ja, diese Sparsamkeit deprimirt den Geist, verengt das Herz und die ganze Welt kommt einem zuletzt wie eine große Sparkasse vor, in welcher Derjenige das größte Verdienst hat, der die meisten Dreier hineinlegt.
Jch bewundere diese Tugend, sie nachzuahmen habe ich keinen Wunsch.
Der guten Hausfrau Wohnung gleicht einem Jagd - revier. Sie ist die Jägerin und die Dienstboten sind die armen gehetzten Thiere.
Jmmer hinter ihnen her; in den Stuben, in der Küche, auf dem Boden und im Keller.
Keinen Augenblick, sagt sie, darf die Auguste vor mir sicher sein, sonst thut sie nichts.
Bald entwindet Madame ihr den Besen, um ihr zu zeigen, wie der gebildete Mensch fegt, bald fuchtelt sie ihr mit dem Staubtuch unter der Nase herum.
Madame verschwindet, um ein Kleines aber ist sie wieder da, scheltend, drohend, keifend; auf den zarten Fingern trägt sie das „ corpus delicti ‟, eine Quantität Staubes, den sie auf den schwer zugänglichen Höhen eines einsamen Schrankes aufgegriffen. Sie hätte das63 Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand - that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst - boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich zu geben.
Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath.
Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge, sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter - rücks den wehrlosen Feind.
Und was hat sie hören müssen!
„ Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll ‟, und „ sie ‟ klein geschrieben.
Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt, tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor - mittagskeiferei eine zuträgliche Motion.
Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen - räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz -64 pantoffels, und ihre Züge verrathen Unmuth, wenn sie den Augenblick verpaßt, wo die Waschfrau die ver - brecherische Lauge in's Wasser zu gießen liebt.
An heißen Nachmittagen, wenn Auguste nicht anders glaubt, als daß Madame träumend auf sanftem Pfühle ruht, schreckt die Nimmerrastende ahnungsvoll vom Sopha empor. Ein Bild stellt sich ihrem Geiste dar. Welch ein Bild!
Auguste in einem unaufgewaschenen Chaos von Töpfen, Tigeln, Tellern und Speiseresten, auf einem Schemel sitzend und – nickend! Geräuschlos stürzt sie in die Küche, dies Mal hofft sie die Tagediebin, die Duselliese „ in flagranti ‟ zu ertappen. Das „ Ertappen ‟ gehört überhaupt zu den glücklichsten Augenblicken der Hausfrau.
Die Methode des „ Hinterherseins ‟ muß ich als eine verwerfliche bezeichnen. Zuvörderst, weil sie ganz und gar unpraktisch ist.
Madame – ob das Mädchen ihre Sache schlecht oder gut macht, das sehen Sie, auch ohne das arme Wurm beständig mit ihrer Gegenwart zu erschrecken und zu incommodiren. Sie sehen es, wenn sie gelegentlich die Zimmer und Wirthschaftsräume passiren, insofern Sie überhaupt Sinn für Ordnung haben.
Glauben Sie mir, ein Mädchen, bei dem Anfangs65 ihre freundlichen Vorstellungen und später ihre strengen und eindringlichen Ermahnungen nichts fruchten, bei einem solchen wird Jhr Jagen und Hetzen, Jhr Schelten und Anschnauzen nicht die allergeringste Wirkung hervor - bringen. Jm Gegentheil, was Friederike früher nur aus Trägheit und Unachtsamkeit versäumte, das wird sie jetzt aus absichtlicher Bosheit unterlassen.
Ferner kann ich diese Behandlungsart deshalb nicht billigen, weil beide Parteien dabei, die herrschende und die dienende, Schaden an ihrer Seele leiden.
Jn dem Dienstmädchen geht jede Spur von Selbst - verantwortlichkeit und Ehrgefühl zu Grunde, sie verliert die Liebe zur Arbeit und zur Herrschaft. Die Frau aber giebt ihre Würde preis, sie zerstört den Boden, auf dem wahre Güte gedeiht, und stirbt nützlicher Be - schäftigung ab.
Gott sei Dank, nicht jede Frau ist zum Voigt und Sklavenaufseher geboren, nicht für jede ist die Peitsche das Symbol, unter dem sie ihren Hausstand regiert.
Und dann, meine Damen, welcher Mangel an Oekonomie, welche Zeitverschwendung dieses „ Hinterher - sein ‟. Zu einer Arbeit, die Einer besorgen könnte, zwei Menschen! Wie können sie solche Methode mit ihrem sparsamen Gewissen vereinigen.
Kein Brosamen, der von der Herren Tische fällt, keine alte Semmel darf Fräulein Langfinger in der Küche erreichbar sein.
„ Selbstverständlich, ‟ werden meine Leserinnen zu - stimmend nicken, und wohl manche Hausfrau würde, wenn es nicht der Sitte allzu sehr widerspräche, Fuß - angeln und Selbstschüsse vor ihrer Speisekammer an - bringen lassen, oder mindestens zauberfeste kleine Arn - heims requiriren.
Jch kenne Musterwirthschaften, in denen die Haus - frau dem Mädchen jede Kartoffel und jedes Stückchen Holz, das verbrannt werden soll, zuzählt.
Jch will hier bemerken, daß dieses Dogma kein, allen civilisirten Nationen gemeinsames ist. Jn Nord - amerika z. B. würde ein Mädchen es für den größten Schimpf halten, wollte man die Speisekammer vor ihr verschließen.
Man sieht, daß in Bezug auf Speisekammerverhält - nisse die Naturgesetze wanken.
Die verschlossene Speisekammer ist vorzugsweise ein Dogma der deutschen Hausfrau, und nicht nur der orthodoxen, sondern auch der allerliberalsten.
67Jch aber erlaube mir zu meinen, daß dieses Verschluß - system eine unwürdige und unzweckmäßige Einrichtung ist, für deren Abschaffung ich plaidire.
Jn den meisten Haushaltungen wird die Köchin mit den nöthigen Zuthaten zu den Speisen in folgender Weise versorgt:
Nach dem Frühstück pflegt die Hausfrau mit einem großen Schlüssel das Allerheiligste des Hauses, die Speise - kammer, zu öffnen, um in zweckentsprechenden Gefäßen häufchenweise Zucker, Butter, Mehl, Eier u. s. w. auf - zuschichten. Nachdem dieses Werk vollbracht, verläßt sie die Küche.
Welche Mittel stehen nun der Hausfrau zu Gebot, diese Zuthaten vor dem Diebssinn der Köchin sicher zu stellen?
So sehr ich meinen Verstand anstrenge, kann ich nur etwa folgende entdecken.
Madame läßt sich ihr Nähtischchen in die Küche bringen, faßt dort Posto und verwendet kein Auge von der Köchin, bis nach und nach die kostbaren Zuthaten ihre Bestimmung erfüllt, d. h. zerflossen, verdampft, zerschlagen, zerrührt, zerquirlt sind.
Wie ein Wachtposten im Kriege darf sie sich nicht einen Augenblick entfernen.
Das Mittel, wie sie sehen, meine Damen, ist etwas5*68zeitraubend und kann unter Umständen recht unbequem werden. Jch schlage deshalb ein anderes vor:
Madame wägt die Waaren, ehe sie dieselben schutz - los der Köchin preisgiebt, mit einer Waage genau ab, und jedes Mal, wenn der Augenblick gekommen ist, wo diese oder jene Zuthat verbraucht werden soll, so läßt sie sich rufen. Abermalige genaue Abwägung, und da - rauf Beiwohnung des chemischen Prozesses der Auflösung der theuern Jngredienzien in die Speisen.
Versäumt die Hausfrau, einer dieser beiden Vor - schriften nachzukommen, so darf sie niemals aufhören, für Eier, Butter, Mehl und Zucker, Gries und Reis u. s. w. zu zittern.
Sich die Form der Häufchen merken, heimliche Zeichen anbringen, das Alles sind Listen und Kniffe, mit denen die Köchin längst vertraut ist, das sind Klippen, die sie zu umschiffen, Festungen, die sie zu unterminiren weiß.
Die verschlossene Speisekammer ist kein Schutz gegen die Naschhaftigkeit der Dienstboten.
Wäre sie es, woher dann die unaufhörlichen Klagen über die Diebereien der Köchin?
Sollte man es nach diesen Litaneien überhaupt für möglich halten, daß unter irgend welchen Umständen mehr gestohlen werden könnte, als es heut bei der ver - schlossenen Speisekammer bereits geschieht?
69Und Alles und Jedes kann man doch nicht unter Schloß und Riegel legen. Dinge, wie Petroleum, Wichse, Pomade, Zöpfe, Haarnadeln u. s. w. pflegen unverschlossen zu bleiben.
Jch hatte einmal eine Köchin, die mir täglich für zwei Groschen Wichse anschrieb, so daß unsere ganze Familie bei dem Kaufmann in den Verdacht kommen mußte, sich der Wasserstiefeln zu bedienen.
Man erlaube mir jetzt von den Vorzügen der offenen Speisekammer zu sprechen.
Bei einer solchen müßte selbstverständlich das ab - scheuliche und demoralisirende Kostgeld fortfallen. Man soll Niemand in Versuchung führen.
Jn Berlin erhält ein Dienstmädchen durchschnittlich (exclusive Mittagbrot) 3 Thaler Kostgeld. Jede Haus - frau, bis zur allerdümmsten herunter, weiß ganz genau, daß selbst das ätherischste und magerste Dienstmädchen dabei nicht zur Sättigung gelangen kann.
Jn völlig corrumpirten Staaten, bei elenden Ver - waltungszuständen kommt es vor, daß Beamte ein Ein - kommen beziehen, von dem sie notorisch ihre Familien nicht erhalten können. Man verweist sie von Staats - und Rechtswegen auf die Bestechung. Das ist genau dasselbe Verfahren, das man unseren Dienstboten gegen - über in Anwendung bringt.
70Aus dem Munde der achtbarsten Frauen habe ich gehört, wenn von der Unzulänglichkeit dieser drei Thaler die Rede war: Es fällt mir gar nicht ein, den Mädchen mehr zu geben, sie stehlen ja doch wie die Raben, so wie so.
Kann man sich ein verwerflicheres Verfahren denken?
Ein Vorzug der offenen Speisekammer ist: Die Er - weckung des Ehrgefühls bei den Dienstboten.
Wem ich etwas anvertraue, der besinnt sich dreimal, ehe er das Vertrauen mißbraucht.
Unter allen Schriftstellern, die jemals ethische Re - flexionen angestellt haben, ist wohl kaum einer, der nicht in irgend einer Form dem Gedanken Ausdruck gegeben hätte, daß der Mensch sich um so besser zeigt, je besser man von ihm denkt.
Dieser Satz ist vollkommen richtig, und ich sehe keinen Grund, bei seiner Anwendung von den Dienst - mädchen abzusehen.
Zweitens. Bei der offenen Speisekammer fällt das Bedürfniß des Stehlens fort.
Das Mädchen darf Butter und Brot im Verhältniß zu ihrem Appetit verbrauchen.
Sie erbleichen, Madame, und stottern:
Was! so viel sie will?
71Madame, ich werde eine Frage an sie richten, und bitte mir eine offene Antwort aus.
„ Soll Jhrer Ansicht nach das Mädchen in Jhrem Hause Hunger leiden? ‟
Sie verneinen entrüstet.
So fürchten Sie vielleicht, daß sie sich in unmäßiger Gier den Magen überlade und Jhnen in Folge gastrischer Zustände 10 Thaler für die Charité erpresse?
Das wollen Sie gerade nicht behaupten, aber – dennoch – indessen – der Landsmann, der Vetter – der Schatz.
Jn der That, Sie haben Recht; das ist die einzige Gefahr, die bei der offenen Speisekammer nahe liegt, aber auch sie ist nicht so unvermeidlich, wie es auf den ersten Blick scheint.
Kein Dienstmädchen, bei dem heutigen Stande ihrer moralischen Erziehung, rechnet es sich für eine Sünde an, ihren eigenen Appetit widerrechtlich an den Lebens - mitteln der Herrschaft zu befriedigen.
Von dem ihr anvertrauten Gut aber aus dem Hause tragen, grenzt schon an wirklichen Diebstahl, und vor einem Mädchen sich zu schützen, das auf so bedenkliche Abwege vom Pfade der Tugend gerathen ist, wird in jedem Falle schwer sein. Von den Lebensmitteln ist nur72 ein Schritt zu den Cigarren des Herrn, zur Wäsche, zu Töpfen, Tigeln und Portemonnaies.
Die unbemerkte Ausführung gestohlener Gegenstände wird übrigens dem Mädchen nur in seltenen Fällen ge - lingen, denn jede Hausfrau kennt die Durchschnitts - quantität der Waaren, die sie monatlich oder wöchentlich verbraucht. Eine größere Differenz würde alsbald ihren Argwohn erwecken. Das als diebisch erkannte Mädchen wäre sofort zu entlassen.
Vor Diebinnen und schlechten Mädchen könnten sich übrigens die Herrschaften auf dem einfachsten Wege von der Welt schützen.
Sie brauchten dem Mädchen nur anstatt unverschäm - ter Lügen ein aufrichtiges, wahrheitsgetreues Zeugniß in den Schein zu schreiben.
Auch ich schreibe fast jedem Mädchen, wenn auch mit Widerstreben, das stereotype „ gut ‟ und „ weil ich mich verändern wollte ‟ in den Schein, mag sie sich auch noch so ungenügend erwiesen haben. Wo Alle lügen, habe ich kein Recht, wahr zu sein, und auf dem Altar meiner Wahrheitsliebe ein armes Mädchen zu schlachten.
Das ist so zu verstehen: Wenn ich meiner Karoline der Wahrheit gemäß in den Schein schreibe: mitunter unordentlich und naseweis, kocht ungenügend, so übersetzt sich jede Herrschaft, der die unglückliche Karoline diesen73 Schein präsentirt, meine Censur folgendermaßen: „ Die unverehelichte Karoline B. ist ein Ausbund von Laster - haftigkeit und völlig unbrauchbar. ‟
Jede Hausfrau weiß nämlich, daß selbst die nichts - nutzigsten Mädchen gute Scheine haben; was muß also, denkt sie folgerichtig, jene Karoline verbrochen haben, um eine solche Kritik herauszufordern!
Jedes anständige Haus ist ihr fortan verschlossen und Karoline, die trotz ihrer Fehler vielleicht noch zu den besseren Mädchen gehört, ist in's Unglück gestürzt. Wären alle Scheine wahrheitsgetreu, so würde sich der Karolinens noch als einer der besseren erweisen.
Jch hatte einmal ein Hausmädchen, die in ihren frechen Diebstählen eine bewunderungswürdige Routine verrieth. Jn ihrem Schein aber hatte gestanden „ ehrlich ‟.
Als ich später einmal zufällig mit der Ausstellerin dieses Scheins zusammentraf und ein leiser Vorwurf, dieses Zeugnisses wegen, über meine Lippen kam, ent - schuldigte sich Frau N. N. etwas verlegen: Gott, die Bertha habe sie gerade so sehr um das „ ehrlich ‟ gebeten, und da habe sie gedacht, sie könne sich ja wohl bessern u. s. w.
Eine andere, mir als bescheiden und liebenswürdig empfohlene junge Dame für die Küche, erwies sich als unsäglich impertinent. Diesmal lautete die Entschul - digung meiner Vor-Märtyrerin: „ Nehmen Sie's nur74 ja nicht übel, aber ich dankte Gott, daß ich endlich das Geschöpf los wurde. ‟ Ein naives Dankopfer an die Adresse des Gottes, der geboten hat: „ Du sollst nicht falsches Zeugniß ablegen. ‟
Ein mir bekannter Herr kleidete dieses gemeinschäd - liche Manöver in ein Witzwort, indem er sagte: „ Meine Frau lobt sich immer ihre schlechten Dienstmädchen weg. ‟
Ein anderer beliebter Vorwand der Hausfrau für ihren Lügenschein ist der: Habe mich so lange mit der Person quälen müssen, mag die Frau Doktern sich auch mit ihr quälen. Oder er war diktirt von der Furcht vor den Vettern und Landsmännern des Mädchens, oder vor ihrer üblen Nachrede.
Gute Frau, der Verläumdung entgehst Du in keinem Fall.
Bei mir erkundigte sich einmal eine Dame nach einer Köchin, die ich, weil des Kochens völlig unkundig, nur einige Wochen behalten hatte.
Als ich der miethslustigen Dame ehrlich gestand, Luise könne nicht kochen, antwortete sie mir: „ Aber die Luise habe ihr doch erzählt, daß sie bei mir drei Wochen hintereinander jeden Tag habe Beefsteaks machen müssen, und sonst weiter nichts. ‟ So rächte sich Luise dafür, daß ich ihr eines Tages die schwärzlichen und zähen75 Klöße, die sie uns als Beefsteaks hatte oktroyiren wollen, ungegessen in die Küche zurückschickte.
Der praktische und moralische Gewinn eines wahr - heitsgetreuen Zeugnisses würde ein ganz außerordentlicher sein. Das gute Mädchen fände in dem guten Zeugniß eine wirkliche Belohnung, das schlechte eine Strafe (jedes Unrecht fordert seine Sühne), und in der Strafe die Anregung zur Besserung.
Eine Zeit des Kummers und der Noth würde in vielen Fällen eine Einkehr bewirken.
Das heuchlerische Zeugniß dagegen erweckt in dem Mädchen eine gewisse Verachtung gegen die Herrschaft, und dann – warum soll sie sich bessern? Auf Grund des guten Zeugnisses bekommt sie ja doch einen guten Dienst, und das häufige „ sich verändern ‟ ist auch nicht ohne Reiz.
So schwindelt sie sich Jahr ein, Jahr aus durch, Zwietracht und Unbehagen in die Familien tragend, bis sie endlich mit Hülfe ihrer diebischen Ersparnisse einen Mann findet, an dem sie dann das Geschäft des „ Zwietracht Säens ‟ fortsetzt.
Man sieht, dieses scheinbar so harmlose und durch die Sitte fast gebotene „ falsche Zeugniß ablegen ‟ ist von betrübendster Tragweite.
Als weiterer Vorzug der offenen Speisekammer ist76 zu bezeichnen: die größere Verantwortlichkeit der Köchin, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig - keit entspringt.
Das Wort Schillers: „ Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken, ‟ gilt ebenso vom Staatsmann, wie von der Köchin.
Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst - verantwortlichkeit empfunden.
Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht. Madame ist ja verantwortlich.
Fernerer Vorzug: Die selbstverantwortliche Köchin wird im Stande sein (vorausgesetzt, daß sie es gelernt hat), wirklich schmackhaft zu kochen, denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen, ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus - frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst.
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen, daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent - fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie77 viel Aerger und Butter und Zucker wäre mir erspart worden.
Wie lebhaft eine Köchin den humanen Geist dieser Reform zu empfinden im Stande ist, mag Folgendes beweisen: Jch hatte die erstaunliche Neuerung erst kürzlich eingeführt, als ich den Besuch einer nahen und mir lieben Verwandten erhielt. Das Entsetzen dieser jungen Frau über meinen revolutionären Einfall war unbe - schreiblich. Sie war außer Stande, eine müßige Zu - schauerin zu bleiben, wo ich mich zu Grunde richtete. Und so erschien sie denn am zweiten Morgen meiner Gastfreundschaft im Frühstückszimmer, in der geschwun - genen kleinen Hand den abgezogenen Schlüssel haltend. Sie übergab ihn mir feierlich und machte ihre Achtung vor mir von meinem Verhältniß zu diesem Schlüssel abhängig. Jch gestehe beschämt, daß ich in einem An - fall verwerflicher Feigheit und Höflichkeit den Schlüssel an mich nahm, allerdings mit dem heimlichen Vorbehalt, ihn sofort nach der Abreise der kleinen Tyrannin wieder in's Schloß zu stecken.
Aber was geschah nun?
Meine Auguste in der Küche schwamm in Thränen, das ganze Haus gerieth in Aufregung, sie rührte nicht Speise und Trank an, selbst ein eigens zu dem Behufe der Tröstung herbeigeschafftes Stück Kuchen blieb ohne78 Wirkung auf ihr verletztes Gemüth. Wir hatten nur die Wahl: Auguste als verhungerte Leiche in den Fluthen ihrer Thränen dahintreiben zu sehen, oder: Wiedereröff - nung der fraglichen Kammer.
Natürlich steckte ich den Schlüssel, beladen mit der Verachtung der kleinen Verwandten, wieder ein.
Vergebens stellst Du einer guten Hausfrau vor, daß die Wäsche außer dem Hause ihr nicht theurer zu stehen kommt, als die im Hauskeller besorgte.
„ So, ‟ antwortet sie, „ nicht wahr, ich soll mir wohl mein gutes Leinen durch Lauge und anderes fressendes Zeug zu Grunde richten lassen! ‟
Du fragst nach den Garantien, die ihr die Wäsche im Hause vor derartigen unangenehmen chemischen Ver - suchen bewahrt, und machst sie zu gleicher Zeit darauf aufmerksam, daß es zum großen Theil dieselben Wasch - frauen sind, die abwechselnd in öffentlichen und Privat - waschanstalten und Hausfrauen-Kellern funktioniren.
Sie bleibt natürlich die Antwort schuldig, scheint aber im Allgemeinen anzunehmen, daß die Waschfrau unter ihrer Direktion, aus ehrerbietiger Scheu vor ihrem Scharfblick, der Lauge sich entweder ganz enthalten, oder diese Höllenessenz doch wenigstens erst in dem Augen -79 blicke der Wäsche nähern werde, wo sie der Herrin Schritt hört, oder ihr zornmüthiges Auge an der Keller - luke erblickt, so daß ihr, der Hausfrau, noch Zeit bleibt, dem Frevel Einhalt zu thun.
Zur Zeit der großen Wäsche gehört die Hausfrau zu den schrecklichsten der Schrecken. Selbst aus ihrem Mutterherzen scheint anstatt Weisheit ätzende Lauge und – Seifenschaum zu fließen.
Die Kinder, die armen, werden in Winkel gesteckt, auf Stühlen festgebunden, ihr klägliches Schreien wird mißachtet, oder durch Brotrinden und Klapse erstickt.
Auch der Hausherr wird in Mitleidenschaft gezogen, einmal durch die rasche, kampfesmuthige Laune seiner Ehehälfte, und dann durch ausgesuchte, auf die Wasch - frauen berechnete Diners. Eine beliebte Mahlzeit an Waschtagen ist: Griessuppe, saure Kartoffeln und Bou - letten, zu welchen letzteren die ganze Woche über, zu Nutz und Frommen der Waschfrauen, die Fleischreste ge - sammelt worden sind.
Die Sucht, möglichst viel im Hause thun zu lassen, erzeugt mitunter Rückschläge in mittelalterliche Sitten. So besuchte ich vor einiger Zeit eine Dame und fand sie beim Seifekochen. Die sonst sehr gescheute Frau schien selbst ein böses Gewissen über ihren abenteuer - lichen Einfall zu haben, denn sie setzte mir allzu eifrig80 auseinander, daß ihr dieses Seifengeschäft 15 Silber - groschen einbringe. Sie vergaß aber zu berechnen, daß ihr Gatte, falls der Himmel ihn an solchen Tagen nicht mit einem tüchtigen Schnupfen beschenkt, mindestens für 1 Thaler Eau de Cologne auf dem Altar der Göttin des Wohlgeruchs zu opfern gezwungen wird.
Um meine Leserinnen nicht zu ermüden, will ich jetzt von den Dogmen der Hausfrauen ablassen und zu ihren hervorragenden Lastern übergehen.
Andere Frauen können zwar auch nicht kochen, aber es besteht dennoch ein großer Unterschied zwischen diesen und jenen.
Die gute Hausfrau nämlich kann nicht kochen und glaubt, daß sie kochen kann, andere Frauen hingegen wissen, daß sie in der Kochkunst nichts leisten und geben sich deshalb Mühe, eine gute Köchin zu engagiren.
Eine gute Hausfrau bringt es fertig, Dir ein mit Gewürz wohlgespicktes Filet vorzusetzen; in kindlicher Unbefangenheit reicht sie Dir gezuckerten Salat dar, während sie an Puddings und Mehlspeisen den Zucker nur vorsichtig nähert.
Jch hatte einmal direkt von einer guten Hausfrau eine Köchin bezogen, die mir mit Zucker angemachte81 Bratwurst auf den Tisch brachte. Als ich mir einige Bemerkungen darüber erlaubte, antwortete sie mir ganz naiv und erstaunt: Aber Madame, das kocht man so, die Frau Professorin, wo ich zuletzt diente u. s. w.
Zucker und Butter sind überhaupt die schwachen Seiten der Hausfrau, ihre Seele steht in einem fort - währenden Rapport mit ihnen.
Uebrigens ist es nicht allein die Sparsamkeit, die Madames Geschmacksnerven deprimirt, sie hält wirklich ihre Familiendiners, die sie unter der Firma: „ Auguste oder Friederike und Comp. ‟ liefert, für vortrefflich.
Jch kann mich nie einer leichten Beklemmung er - wehren, wenn ich bei einer befreundeten Familie zu Tisch geladen, zu einem Gericht besonders verlockt werden soll, daß die Hausfrau oder Haustochter eigenhändig zu - bereitet hat.
Wenn ich ganz aufrichtig sein soll, so gestehe ich, daß ich, wenigstens was Berlin betrifft, nur bei reichen Leuten gut gegessen habe (selbstverständlich denke ich, wenn ich von „ gut ‟ spreche, nur an die Qualität, nicht an die Quantität der Gerichte), bei Banquiers z. B., bei Leuten, die sich eine perfekte Köchin halten, oder die ihre Diners und Soupers bei anerkannten Küchencelebri - täten bestellen.
Die Hausfrauendiners aber taugen in der RegelDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 682ganz und gar nichts. Es herrscht dabei eine übertünchte Armseligkeit, eine Hinterlist, die einem einen aufgebra - tenen Hecht in eleganter Garnirung als feinen Diner - fisch vorsetzt, den himbeerröthlichen Mehlbrei als köstliche süße Speise preist, und die Backpflaume zu unverdienten Ehren bringt.
Ganz im Argen liegt die Kochkunst der Hausfrauen in kleinen Städten.
Nie werde ich jene eigenfabricirten Himbeeressige ver - gessen, die bei landräthlichen Kaffee's mit selbstgebackenen Kirschkuchen herumgereicht wurden. Nie vergesse ich jene Kartoffelkuchen (o schnöde Entweihung des Wortes Kuchen), nie jene vielgerühmten Tischels, bei denen alte Semmeln und harte Rosinen in einem mir unbekannten Fett düster einhertrieben.
Die Höflichkeit zwang mich, dergleichen Delikatessen in meinem schuldlosen Magen zu begraben. Jch setzte ihnen die Jnschrift: „ Sanft ruhe ihre Asche. ‟ Ach – sie ruhte nimmer.
Wem schaudert nicht die Haut, wenn ich des Familien - kaffee's gedenke. Er ist längst zum sprüchwörtlichen Spott geworden.
Diese Küchen-Misere erpreßte wahrscheinlich einer Schriftstellerin (Frau Reichardt) in ihrem Buch über:83 „ Frauenberuf ‟ den Schmerzensschrei: „ Man sollte alle Frauen zu denkenden Köchinnen erziehen. ‟
Liegt hier nicht der Einwurf nahe, daß es vielleicht besser wäre, anstatt alle Frauen zu Köchinnen, alle Köchinnen zum guten Kochen zu erziehen?
Nach heutiger Sitte überläßt man es gemeiniglich dem Zufall, ob das Dienstmädchen in ihrer aufsteigenden Carriere vom Proletarierkind zum Kindermädchen, Mädchen für Alles, Hausmädchen bis zur Köchin – vom Hören - sagen, Zusehen und durch eigene Versuche so viel profi - tiren mag, um schließlich einer anständigen Beamten - oder Kaufmannsfamilie durch ihre Kochkunst das Mittags - essen zu verleiden.
Meiner Meinung nach ist das gründliche Erlernen die Hauptsache bei der Kochkunst, obgleich ich nicht leugnen will, daß Dummheit selbst die beste Köchin entstellen kann.
Eine denkende Köchin! Jm Allgemeinen pflegt man nur die Dinge zu bedenken, über die man noch nicht völlig im Klaren ist. Wenn Madame, die Polyhymnia in der Küchenschürze, nun vor einer Pfanne mit einer Bratwurst stände und anfangen wollte, darüber nachzu - denken: kochst Du sie so – oder kochst Du sie anders? könnte nicht mittlerweile die tückische Bratwurst das An - brennen oder das Platzen kriegen?
6*84Jn jedem Fall wäre es mir lieber, ein tüchtiges Stück Rindfleisch im Topf, als der Geist der kochenden Haus - frau über dünnem Wasser. 9 / 10 Fleisch und l / 10 Ge - danken ziehe ich dem umgekehrten Verhältniß vor.
Einer meiner Bekannten, der Schriftsteller ist und viel in Druckereien zu thun hat, sagte mir einmal: Nichts sei furchtbarer als ein denkender Setzer.
Und was für eine wirtschaftliche Verschwendung! eine Naturköchin am Heerd und eine geistreiche Köchin hinter ihr, vergleichbar dem Gesellschaftsscherz, wo der Eine declamirt und der Andere die Gesten dazu macht.
Und warum eine solche Parteilichkeit für Küche und Magen? Warum nur denkende Köchinnen? warum nicht auch denkende Scheuerfrauen, denkende Flick - frauen u. s. w.
Und sollte man nicht ebenso gut, wie alle Frauen zu denkenden Köchinnen, alle Männer zu denken - den Stiefelputzern erziehen? Mit wie viel mehr Einsicht und Urtheil könnten sie dann ihre Berufs - stiefelputzer, anstatt mit ihnen über die übelgewichsten Stiefel zu grollen, eines Besseren belehren; und dabei wäre zugleich eine sociale Frage gelöst, die so oft auf - geworfen wird, nämlich: Wenn alle Menschen an höherer Bildung participiren, wer putzt uns die Stiefel?
Vielleicht hat der Frau Reichardt, als sie ihre geist -85 reiche Ansicht niederschrieb, ein Ausspruch der Mrs. Stowe vorgeschwebt. Als diese nämlich eines Tages von einem Neugierigen gefragt wurde, wie sie „ Onkel Tom ‟ verfertigt habe, antwortete sie: „ Mein Herr, in - dem ich allein unser einfaches Mittagbrot bereitete. ‟ Mrs. Stowe spricht sich allerdings nicht näher darüber aus, ob das Kochen Onkel Tom wesentlich gefördert, oder ob unter Onkel Tom's Einfluß das einfache Mittag - brot an Schmackhaftigkeit gewonnen habe.
Jch würde aus dieser einfach berichteten Thatsache nur schließen, daß Mrs. Stowe zu arm war, um eine Köchin zu halten, und daß es kein Naturgesetz giebt, welches eine denkende Frau am Kochen hindert, wenn sie es gelernt hat, notabene. Jm Uebrigen aber glaube ich, wird sie wohl den Ausspruch überhaupt gar nicht gethan haben.
Hätte eine Hausfrau nun wirklich erstlich das Denken und zweitens das Kochen gründlich erlernt, so müßte doch noch etwas Drittes hinzukommen, um sie zu einer cor - rekten und perfekten Köchin zu machen, nämlich die Routine.
Die Routine ist das Stichwort für jede mehr oder weniger mechanische Arbeit, sie ist selbst bei geistigem Produciren ein nicht unwesentlicher Faktor.
Jch erlaube mir der fruchtbaren Schriftstellerin Frau86 Reichardt, im Hinblick auf ihre Kochwünsche für das weibliche Geschlecht, einige entsprechende Titel für ihre demnächst zu erscheinenden Werke vorzuschlagen.
Etwa: – „ Der Geist in der Speisekammer oder die Ahnen-Pflaume. ‟ „ Essen oder nicht essen, ‟ ein Monolog in Hamlet's Manier vor einer Schüssel Gurken - salat. – „ Der Gedanke und das Rippespeer, ‟ Medi - tationen über kalte Küche oder warmes Abendbrot u. s. w.
Jch kenne den Einwand, der Dir, o Hausfrau, schon lange voll verhaltenen Grimms auf den Lippen schwebt: Es ist folgender: Ob ich schlecht oder gut koche, dafür giebt es doch wohl ein Kriterium, das unangreifbar ist: die Zufriedenheit meines Mannes.
Jch sehe mich leider in die Nothwendigkeit versetzt, diese Autorität ablehnen zu müssen.
Gott sei's geklagt, die allergebildetsten Männer in Deutschland haben, in Bezug auf Speise und Trank, einen wahrhaft barbarischen Geschmack. Wie oft habe ich in früheren Jahren, wenn wir nach dem Theater mit Bekannten und Freunden meines Mannes die üblichen Restaurants besuchten, mit leisem Schauder wahrgenom - men, wie diese mehr oder weniger geistreichen Herren mit Appetit Fleischspeisen verzehrten, die an Thiere erinnerten, die im gewöhnlichen Lauf der Dinge des Schlachtens ungewohnt zu sein pflegen.
87Ein Freund meines Mannes, ein hervorragender Jurist, überraschte uns eines Mittags, als meine sonst rühmenswerthe Köchin uns durch ein angebranntes Ge - richt betrübt hatte. Auf unsern Freund übte gerade dieses Gericht einen besonderen Zauber aus, und er er - klärte es für famos. Jch erinnere mich noch wie heut, es waren Birnen und Klöße.
Dieser Unglückliche, wenn der einmal eine Frau be - kommt und diese ihm unangebranntes Essen vorsetzt, so hält er das wahrscheinlich für eine besondere Hausfrauen - Malice.
Es wäre hier die wichtige Frage aufzuwerfen und zu entscheiden: Welches ist die bessere Hausfrau? die ihrem Manne wirklich gutes Essen vorsetzt, oder Die - jenige, die ihm Speisen bereitet, die seinem Geschmack entsprechen?
Was meint die geehrte Hausfrau, wenn ihr Gatte einen schlechten Geschmack hat, ist es ihre Pflicht, ihm schlechtes Essen vorzusetzen? und hat er einen scheußlichen Geschmack, muß sie nicht auch versuchen, diesem Geschmack Rechnung zu tragen?
Ein zweites, die Hausfrau charakterisirendes Laster ist ihr Mangel an Gastfreundschaft. Jmprovisirte Besuche sind ihr ein Gräuel.
Machst Du am Nachmittag Deine Aufwartung zu88 einer Zeit, wo der Familienkaffee im Anzuge ist, so fragt Dich zwar die Hausfrau, ob Dir nicht ein Täßchen Kaffee gefällig wäre, sie spricht aber so gleichgültig darüber hin, oder fragt so laut und scharf, daß die einfachste Höflichkeit Dich zu einem „ Nein ‟ verpflichtet.
Mitunter bietet sie Dir den Kaffee gar nicht erst an, sondern zieht es vor, hinter irgend einem Vorwand auf einige Minuten zu verschwinden, um in entlegenen Räumen eilfertig und einsam den bräunlichen Trank zu schlürfen. Erhitzt und frohlockend ob ihrer Hinterlist kehrt sie dann zu Dir, nichtsahnender Gast, zurück.
Erscheinst Du gegen Abend als unerwartete Visite, so sitzt die Hausfrau wie auf Kohlen. Sie sieht heim - lich alle fünf Minuten nach der Uhr, und die Sorge, Du könntest zu Abend bleiben, zehrt an ihrem Herzen, und während Du mit ihr von den Göthe-Büsten oder Parlamentsgebäuden plauderst, setzt sie ihre Seele mit der Speisekammer in Rapport. Sie läßt die paar Scheiben Wurst da drinnen Revue passiren vor ihrem inneren Auge, sie brütet über einem kleinen Käserest und hängt ihre Gedanken an drei Bouletten, die, vom Mittags - tisch übrig geblieben, nicht zu verwenden sind, wenn Du bleibst.
Und das reine Tischzeug!
Endlich empfiehlst Du Dich, und siehe da, die Gute,89 die bisher etwas