PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Der Jesuitismus im Hausstande.
Ein Beitrag zur Frauenfrage
Berlin. Wedekind & Schwieger. 1873.
[1]

Einleitung.

Welches ist die Signatur unserer Zeit? Die Heuchelei, der Jesuitismus, der alle socialen Verhältnisse erfüllt, der unser Denken und Fühlen bis zu unseren Hand - lungen, der nicht nur das Wort auf unserer Zunge, sondern selbst die Keime, aus denen Gedanken werden, vergiftet.

Die Heuchelei, die den Kern unserer Gottesnatur mit unzerreißbarem Gewebe umspinnt und fesselt, sie ist, bewußt oder unbewußt, die Signatur unserer Zeit.

Gott hat dem Menschen die Sprache gegeben, um seine Gedanken zu verbergen jenes Wort des be - kannten Diplomaten ist die zutreffendste Charakteristik unserer Art zu sein.

Daß jene Giftquelle, die alle reinen Wasser des Lebens fälscht, versieche das sei das Gebet jedes auf - richtigen Menschen.

Es gilt einen Kreuzzug gegen den Jesuitismus! (nicht gegen die Jesuiten). Kein heilig Grab ist dabei zu erobern,Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 12im Gegentheil, die lebendige Seele soll von einem Alp, einem Leben heuchelnden Gespenst befreit werden.

An diesem Kampf der Ritter gegen den modernen Lindwurm Heuchelei , als einer der bescheidensten Knappen oder Schildträger Theil zu nehmen, ist all mein Ehrgeiz.

Noch ist der heilige Georg selber auf dem Kampfplatz nicht erschienen.

Wem es um Ruhm oder Anerkennung zu thun ist, der bleibe fern von diesem Streit.

Wenn Du, guter Mensch und Leser, einzelne Deiner Mitmenschen mit anmuthiger oder pikanter Malice trak - tirst, ihnen das Schwert hinterhältiger Bosheit durch den Rücken stößest, so hast Du Dich dadurch bestens der so - genannten guten Gesellschaft empfohlen, und Du darfst mit Sicherheit auf den Ruf außergewöhnlicher Liebens - würdigkeit rechnen. Schadenfreude applaudirt immer.

Hüte Dich aber, eine ganze Menschenklasse oder all - gemeine Laster anzugreifen.

Auf Dein Haupt fällt die Rache Aller, die sich ge - troffen fühlen, und ihr Grimm wird um so unauslösch - licher sein, je mehr sie sich durch Deine Angriffe in ihrer materiellen oder moralischen Existenz bedroht sehen.

Die Vertheidigung oder Anhängerschaft eines neuen Princips hat von jeher Feindschaft erweckt, noch nie sind die Grundzüge einer bestehenden socialen Ordnung ohne3 fanatische Anfeindung umgewandelt oder ausgelöscht worden.

Zweierlei Art sind die Waffen, mit denen die Alten gegen die Neuen zu kämpfen pflegen. Sie heißen Lächer - lichkeit und der Vorwurf der Unsittlichkeit.

Gemeiniglich wendet man beide Waffen zugleich an. Prallt der eine Pfeil von einem Dickfelligen ab, so haftet vielleicht der andere.

Die feige Furcht vor der Lächerlichkeit, das ist das Gorgonenhaupt, vor dem der Gedanke im Hirn, das Wort auf der Zunge erstarrt.

Zagende Seelen, bedenkt, was hat man nicht lächer - lich gemacht!

Wie viel große Erfindungen, wie viel weltumfassende Gedanken sind zu Tage getreten, deren Urheber nicht hätten Spießruthen laufen müssen durch die Reihen lachen - der Nationen, und oft verstummte das Gelächter erst, nachdem die Pforten des Jrrenhauses sich hinter dem Verlachten geschlossen.

Franz I. mußte seinen Hofleuten verbieten, den Ariost zu verhöhnen, die Abolitionisten wurden im Anfang der Bewegung mit Hohn und Spott überschüttet. Erst heute las ich in der Zeitung einen Nekrolog Daniel Morse's, des Erfinders der zaubersprachkundigen Telegraphie. Jch las von dem Gelächter, den tollen Scherzen, die sich der1*4Congreß in Washington über die lustigen Schwindeleien Morse's erlaubte.

Kürzlich hörte ich Frau von Staël spöttisch einen überspannten Blaustrumpf nennen von einem jungen Mann, der nicht einmal fähig war, ihre Gedanken zu verstehen, geschweige denn zu denken, was sie dachte.

Unwürdig, feige und treulos ist, wer Spott und Hohn fürchtet. Das Gelächter schadet nur Dir, dem Jndividuum, niemals Deiner Sache, Deiner Jdee. Was den Keim der Wahrheit in sich trägt, bricht sich Bahn, wie das ewige Sonnenlicht, mit Naturnothwendigkeit, mag man den Urheber der Jdee zu Tode gelacht haben. Heine sprach das ergreifende Wort: Ueberall, wo ein großer Mensch seine Gedanken ausspricht, ist Golgatha.

Nicht nur das.

Jch sage: auch überall, wo ein aufrichtiger Mensch seine Gedanken ausspricht, die dem entgegen sind, was meistens gedacht wird ist Golgatha.

Wer sich der Wahrhaftigkeit seiner Seele bewußt ist, dem ist das blödsinnige Lachen der Menge das Raben - lied des Pöbels , das er ganz verachtet.

Der zweite Vorwurf ist der der Unsittlichkeit.

Unsittlich erscheint der Menge stets alles Ungewöhn - liche, was sie aus dem Zauberbann ihrer Phrasen, ihrer brunnentiefen Gemüthsruhe aufschreckt, was sie zwingen5 will, sich an eine sittliche Norm zu binden. Die Be - drohung ihrer chronischen Lieblingssünden erzeugt bei ihr stets einen acuten Tugendrappel.

Noch heute spricht im Süden jeder fromme Katholik mit sittlichem Abscheu von jenem Ketzer Luther, der seine Gelübde gebrochen, um eine Nonne zu entführen.

Jeder Gedanke, wenn er wirklich einer ist, ist ein wenig ketzerisch, schrieb neulich einer unserer geistreichsten Abgeordneten.

Das Bestreben, neue Sitten, neue Prinzipien einzu - führen, erscheint der Menge wie ein Concurrenz-Unter - nehmen, das ihre rechtmäßigen Zinsen an Lebensfreuden, die die alten Sitten ihr abwarfen, bedroht.

Schlagt diesen Leuten ein kleines Börsengeschäft vor, bei dem sie durch einen schlauen Coup einige Mit - menschen um das Jhrige bringen können, und Jhr werdet sehen, ihr Gewissen wird stumm bleiben wie das Grab.

Für die Frauen aber insbesondere, die für ein Princip, für eine Jdee auf den Kampfplatz sich wagen, hält man eine Extra-Beschimpfung bereit. Sie heißt: Seelen-Prostitution.

Mir selbst wurde dieser Vorwurf in einem Journal, gelegentlich der Besprechung einer rein objectiv gehal - tenen kritischen Broschüre zu Theil. Nicht als ver -6 weigerte man der Frau jeglichen Ausdruck ihrer Gefühle. Jm keuschen Dämmer der Phrase, wohl verhüllt, mag sie in den Gefilden, wo anarchisch tausend kleine Ge - fühle durcheinander taumeln, sich ergehen.

Eine wohl verhüllte Wahrheit ist aber der Lüge näher als die Wahrheit. Die Tracht der letzteren ist einfach und durchsichtig, gelegentlich erscheint sie auch wohl nackt.

Was für eine nichtswürdige Verkehrung aller Be - griffe! Nicht wer im Dienst der Wahrheit schreibt und spricht, was er denkt, sondern wer schreibt, was er nicht denkt, prostituirt sein Gewissen, und er thut es um so mehr, wenn er aus Eigennutz oder Selbstsucht seine wahre Meinung verbirgt. Jede geistige Prostitution setzt feile Gesinnung voraus.

Wie aber, wenn eine Frau ihre wahren Gedanken ausspräche, ohne der Wahrheit zu dienen, sondern maß - los irrte?

Was ist Wahrheit? Was ist Jrrthum? Wessen Geist wäre so gewaltig, so allumfassend, um Vergangen - heit, Gegenwart und Zukunft zu durchdringen; wessen Geist hätte solche Urtiefe und Himmelshöhe, um zu sprechen: dieser Keim wird emporblühen und wachsen und edle Früchte tragen, jener aber giftiges Unkraut erzeugen.

Kein Mensch kann mehr thun, als nach seinem besten Gewissen denken und handeln, und wer mit leben -7 diger Zuversicht, mit ganzem Glauben und glühender Seele der Jdee, die ihn ergriffen, sich hingiebt, der darf und muß sprechen wie Luther auf dem Reichstage zu Worms: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir!

Wenn wir bedenken, wie viel Millionen Jahre der Entwickelung der Menschheit noch vorbehalten sind, liegt dann der Gedanke so fern, daß wir vielleicht noch in der Vorgeschichte der Menschheit stehen? Kann es uns überraschen, daß die heutige Civilisation noch Reste der Barbarei aufzuweisen hat?

Jch bin des Glaubens, daß zukünftige Geschlechter auf unsere Sitten wie auf die von Urvölkern blicken werden; ich bin des Glaubens, daß die eigentliche Ge - schichte der Menschheit erst beginnt, wenn der letzte Sklave befreit ist, wenn das Privilegium der Männer auf Bildung und Erwerb abgeschafft, wenn die Frauen aufhören, eine unterworfene Menschenklasse zu sein die Fesseln der Einen binden Alle dann erst beginnt die freie Entwickelung der Menschheit, jene Entwickelung, deren Ziel der Mensch ist ein Ebenbild Gottes.

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Eine gemüthliche Conversation bei Gelegenheit eines Damenkaffee's in einem kleinen thüring'schen Städtchen, den mitzumachen ich die Ehre hatte, gab mir die nächste Veranlassung zu dieser Schrift.

Wo mehrere Frauen beisammen sind, pflegt Frau Medisance mitten unter ihnen zu sein und sich über die abwesenden Mitschwestern herzumachen. Das Haus - frauenthum liefert in der Regel den Stoff für die Unter - haltung.

Diesem Herkommen gemäß wurde die Unterhaltung am Kaffeetisch etwa folgendermaßen geführt:

Kennen Sie unsere Frau Rendantin A? fragte eine der alten Stadthonoratioren eine junge Novize vom Lande.

Natürlich, ich bitte Sie, wie werde ich denn unsere Rendantin nicht kennen, eine vortreffliche Haus - frau.

Sagen Sie eine mustergültige. Schade, daß sie heute nicht kommen konnte. Sie hat absagen lassen wegen der Rollwäsche.

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An unserer hübschen Waldpartie konnte sie neulich auch nicht Theil nehmen, weil sie Grummet (Heu - ernte) hatte, warf eine Andere ein.

Ja wenn man unsere Rendantin mit Frau B. vergleicht

(Ein leichter Schauder lief sichtbar über die Mitglieder des Damenkaffee's hin.)

Um Gottes Willen, sprechen Sie diese beiden Namen nicht in einem Athem aus! rief eine Leiden - schaftliche.

Eine miserable Hausfrau, sage ich Jhnen, gründ - lich miserabel.

Richtiger gesagt gar keine.

Was Sie sagen! riefen einige ganz junge Mädchen, die die Chronique scandaleuse von W. noch nicht kannten. Bitte, bitte, erzählen Sie.

Was ist da groß zu erzählen? Die B'n. thut so gut wie gar nichts in ihrer eigenen Wirthschaft. Mein Mädchen hat erst gestern beim Krämer erfahren, daß sie sogar für die Oberhemden ihres Mannes eine Plättfrau hält. Nichts macht sie ein, nicht die kleinste Kirsche. Und was das Schlimmste ist, denken Sie, meine Damen, denken Sie (alle Damen ließen ihre Stricknadel sinken), sie läßt den Speisekammerschlüssel stecken!

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Man sah sich ungläubig an.

Den Speisekammerschlüssel! wiederhallte es im düstern Chor.

Unglaublich! unmöglich!

Aber mein Gott, was thut sie denn den ganzen Tag? fragte eine Uneingeweihte doch nicht ein Blaustrumpf?

Einige Damen wurden blaß.

Kaum weniger schlimm, meine Damen meinte die erste Sprecherin mit einem melancholischen Kopf - schütteln. Anstatt ihre Pflichten zu erfüllen, zeichnet diese Person den ganzen Vormittag Muster-Orna - mente was weiß ich. Sie zeichnet, meine Damen sie zeichnet für Geld!

Für Geld!

Verächtliches Achselzucken begann unter den Anwesen - den epidemisch zu werden.

Nur eine kleine, schüchterne junge Frau wagte einzu - wenden: Die Leute sollen aber das Geld so nöthig brauchen wegen der acht Kinder…

Ein höhnisches Lachen unterbrach die schüchterne Rednerin.

Und nun folgten die üblichen Anekdoten zur Jllu - strirung der schrecklichen Verirrung, wenn Frauen sich Geld erwerben wollen; die hergebrachten Scherze über11 zerrissene Strümpfe, angebrannte Suppen, ungekämmte Haare u.s.w.

Es waren unter diesen Geschichten solche, die man extra für Frau B. erfunden hatte, andere dagegen hatte ich schon an ganz anderen Orten, von ganz anderen Frauen erzählen hören.

Da sollte die Pflichtvergessene einmal bei einem hef - tigen Gewitter eines der Kinder im Garten vergessen, und sich desselben erst erinnert haben, als es in seinem Wägelchen in die Küche hineingeschwommen kam.

Die Cousine von einer der anwesenden Kaffee - schwestern wollte von einem früheren Dienstmädchen der Frau B. von einer Tasse ohne Henkel haben munkeln hören, die bei einem Damenkaffee präsentirt worden sei.

Während Madame ihre Sündenmuster und Schwefel - pfuhl-Ornamente zeichnete, wollte man sämmtliche Kinder, nur mit einem Hemdchen bekleidet, in einem großen Wasch - faß in der Küche wahrgenommen haben (um der Köchin die Aufsicht zu erleichtern).

Ein ander Mal, so ging die Mähr, hatte Frau B. statt ihres Mantels ein Kind in den Schrank gehängt u.s.w.

Jch erkundigte mich nun, ob es auch hübsch schmutzig, unordentlich und unbehaglich im Hause der Zeichnerin zuginge?

Wir gehen niemals in dieses Haus, antworteten mir12 kalt die Damen. Man muß solchen Frauenzimmern zeigen, daß man auf Sitte, Ordnung und Hausfrauen - thum hält.

Ja wohl, setzte eine Dame hinzu, indem sie mit ihren dicken Stricknadeln erheblich klapperte, wir müssen die Heiligkeit des häuslichen Heerdes vertheidigen.

Als der Anekdotenvorrath erschöpft war, sprach ich meinen Wunsch aus, etwas eingehender über die Vor - züge der Frau Rendantin unterrichtet zu werden.

Alle Damen sprachen nun in ausbrechendem Ent - zücken durcheinander.

Da hieß es:

Sie können zu dieser Frau kommen wenn Sie wollen bis in die Nacht hinein, immer ist sie auf den Beinen; das geht Trepp 'auf Trepp' ab, von der Küche in den Keller, von dem Gemüsegarten auf den Boden, und das kocht und plättet und näht und stopft und hackt und gräbt, daß es eine wahre Lust ist; und hinter den Dienstmädchen ist sie Jhnen her keinen Augenblick sind die Dirnen vor ihr sicher

Um es kurz zu sagen, ich erfuhr, daß Frau Ren - dantin ein Musterbild sei.

Jch that verschiedene Fragen, ungefähr folgende:

Speist man gut bei Frau Rendantin? Jst es sehr behaglich in ihrem Hause? Wird man stets gastfrei13 empfangen? Herrscht Friede und Eintracht in den häus - lichen Hallen? Werden die Dienstboten freundlich und mild behandelt u. s. w.

Die Damen schauten bei meinen Fragen verwirrt drein. Endlich meinten sie etwas verlegen:

Eine tüchtige Hausfrau habe keine Zeit, viel Com - plimente zu machen, oder Besuche zu empfangen, man gehe überhaupt nur auf besondere Einladung zu ihr, und sie möchten wohl die Hausfrau sehen, die in der heutigen Zeit in Güte mit den Dienstboten auskäme, und was die Küche beträfe nun, die Frau Rendantin koche gerade so, wie sie, die Frau Justizamtmännin und die Frau Landräthin, und sie wollten doch mal sehen, ob sich eine unterstehen würde

Jch hatte genug gehört.

Jch wußte es längst, daß man in einer unglaublichen Begriffsverwirrung die Hausfrau nicht nach der Quali - tät, sondern nach der Quantität ihres Thun schätzt, und daß letztere allein der Maßstab ist, an dem man ihre Tüchtigkeit mißt.

Jm Allgemeinen gilt von menschlicher Beschäftigung, daß man sehr viel thun und wenig leisten kann. Bei der Hausfrau gilt das Thun an und für sich, die Früchte desselben kommen kaum in Betracht.

Höchst seltsame Verirrung! als wollte man einen14 Maler darnach beurtheilen, ob er viel und Vielerlei malt, und nicht nach dem Kunstwerk fragen, das er ge - schaffen.

Als wollte man denjenigen Schriftsteller für den besten erklären, der die dicksten Bände geschrieben, ohne den Jnhalt derselben in Betracht zu ziehen.

Wenn ich all meine gründlichen Beobachtungen und vielseitigen Erfahrungen in Bezug auf die Hausfrau zu - sammenfasse, so komme ich zu dem Resultat, daß die moderne deutsche sogenannte gute Hausfrau ganz ver - werflich ist, daß sie nichts ist als eine Ausgeburt krank - hafter socialer Zustände.

Jch will in dieser Schrift zu beweisen versuchen, daß die gute Hausfrau unserer Zeit nur eine Karrikatur ist der Hausfrau früherer Jahrhunderte, daß sie ein Hemm - schuh ist für die edleren Bestrebungen der Frauen, für den idealen Aufschwung des Mannes, ich will beweisen, daß ihr all ihre sprichwörtliche Tugend gar nichts hilft, weil sie voller Laster steckt. (Ein für alle Mal schalte ich hier ein, daß ich unter einer guten Hausfrau nicht das verstehe, was dem eigentlichen Begriff, sondern was der Vorstellungsweise der Mehrzahl unserer männlichen und weiblichen Zeitgenossen entspricht. Jm Verlauf der Abhandlung wird sich diese Art der Vorstellung von selbst entwickeln.)

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Manche Frau von unantastbarem Charakter und gründlicher Bildung wird vielleicht, indem sie diese Zeilen liest, unwillig ausrufen:

Wie, bin ich denn nicht eine gute Hausfrau?

Gewiß, verehrte Frau. Aber sind Sie auch ganz sicher, daß sie in der Welt als solche gelten? Haben Sie eine Bescheinigung darüber?

Jede Frau, die nur um einige kleine Zoll das Durchschnittsniveau der üblichen weiblichen Geistes - und Charakterbildung überragt, setzt sich von vorn herein dem Verdacht aus, eine schlechte Hausfrau zu sein.

Der Gegenbeweis ist in solchen Fällen schwer zu führen, denn die Richter bestehen nicht aus Geschworenen, sondern aus Verschworenen.

Nicht Jeder wird von guten Freunden oder schlimmen Feinden in Kenntniß gesetzt von dem Ruf, dessen er genießt.

Daß unter der großen Zahl Derer, die für gute Haus - frauen gelten, auch solche vorkommen, die es wirklich sind, ist selbstverständlich.

Von der Regel aber handelt meine Schrift, nicht von den Ausnahmen.

Ehe ich mich zu meinem eigentlichen Thema wende, möchte ich eine Eigenthümlichkeit der guten Hausfrau , die als besonderes Kennzeichen in ihrem Passe figuriren könnte, zur Besprechung vorweg nehmen.

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Die guten Hausfrauen nämlich sind ausnahmslos fanatische Gegnerinnen der Frauenemancipation . Das heißt derjenigen Bestrebungen, die die geistige und ma - terielle Selbständigkeit der Frau bezwecken.

Achtung zwingt uns auch der Gegner ab, wenn seine Gegnerschaft entweder das Resultat der Erkenntniß ist (so weit der Umfang seines Gehirns sie ihm gestatten mag), oder wenn ein reiches Gefühl, wenn Liebe und Mitleid einen warmen Schimmer selbst über die Gemein - plätze und herzlichen Dummheiten verbreiten, mit denen er seine Meinung vertritt.

Jch will beweisen, daß die Opposition der Frauen weder der Liebe noch der Erkenntniß entspringt, sondern daß ihre alleinige Quelle zu suchen ist in Egoismus und Hochmuth, in Neid und Dummheit.

Mitleid und Liebe!

Jch wende mich zuerst an Euch selbst, Jhr guten Hausfrauen und Mütter, und fordere Euch auf, ehrlich Zeugniß abzulegen für Eure liebevollen Gesinnungen gegen Eure irrenden Mitschwestern.

Sagt selbst, Jhr guten Frauen, ist es Liebe, die Euch die giftigen Pfeile gegen jene Emancipirten auf die Zungenspitze legt? Erzittert Euer Herz in schmerzlichem Mitleid, wenn Jhr Fräulein Schulz die Buchführung ler - nen seht? Füllen sich Eure Augen mit Thränen der Weh -17 muth über Fräulein Schmidt, die in Zürich Medicin studirt? Gilt der schwermüthige Ausdruck Eures Ge - sichts, wenn Frau Hirschfeld Euch einen Zahn auszieht, wirklich nur dem Kummer über das frevelhafte Beginnen dieses weiblichen Henkers?

Sagt, würdet Jhr das Opfer einer einzigen wohl - schlafenden Nacht bringen, um diesen Verirrten die Eman - cipation vom Leibe zu schaffen?

Jhr schweigt und wendet Euch ab. Jhr habt keine Ursache, Euch zu schämen. Man hat Euch von jeher gelehrt: Jhr sollt keine anderen Jnteressen haben, als Euren Mann und Eure Kinder!

Was geht Euch ein ganzes Geschlecht, was geht Euch die Menschheit an!

Wer wäre so unsinnig zu verlangen, daß Jhr ent - brennen sollt in sittlichem Zorn oder in heiliger Liebe um eines Princips willen. Euch erregt der große Name der Jdee nur Gähnen oder Lachen.

Wie? dieselben Frauen, die so unerbittlich, so kalt - blütig jede einzelne ihres Geschlechts, die sich die kleinste Blöße giebt, abthun, sie sollten von Liebe für Alle er - füllt sein! Gesteht es offen: diese Frauenbewegung af - ficirt nicht Euer Herz, sondern nur Eure Galle. Jhr wißt es, Jhr guten Hausfrauen, oder vielleicht wißt JhrDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 218es auch nicht, daß Euer größter Verehrer und Lobredner Jean Paul ist.

Dieser große Dichter, der Euch nur Liliengedanken und Rosengefühle zutraut, er glaubt an alle Eure Tugen - den, nur an Eine glaubt er nicht: an Eure gegenseitige Liebe.

An verschiedenen Stellen spricht er sich aus wie folgt:

Die Weiber sind noch zehnmal listiger und falscher gegen einander als gegen uns.

Die Frauen sind so weich, so mild, so theilneh - mend, so fein, so liebevoll und liebesehnsüchtig, daß es mir gar nicht in den Kopf will, warum sie einander selbst nicht recht leiden können.

Gleich den Otahaitern, die so sanft und kindlich sind und doch den Feind lebendig fressen, haben diese zarten Seelen, wenigstens zu Feindinnen, einen ähnlichen Appetit.

Die Frau liebt ihr eigenes Geschlecht wenig und richtet dessen Schwächen härter als die Rohheiten des männlichen u. s. w.

Jean Paul hat Recht.

Wie ich die Frauen kenne, vermuthe ich sogar, sie würden im Großen und Ganzen über das den Eman - cipirten bevorstehende Verderben eher Schadenfreude als Betrübniß empfinden, ich fürchte, sie würden keinen19 Finger rühren, wenn es in ihrer Macht stünde, jene Unglücklichen vom Rande des Abgrunds zu entfernen; vielleicht würden sie sogar hin und wieder durch einen kleinen Puff ihren Sturz nicht ungern befördern.

Jch fürchte ferner, daß eine sehr einfache Berechnung sich ihrem praktischen Geiste aufdrängen würde, nämlich diese:

Jene verrufenen selbständigen Frauenzimmer, wider - wärtig und eklig wie sie sind, bekommen keine Männer, mithin sind die Chancen unserer Töchter um so größer. Von diesen Nachteulen wird sich unser Tagesgefieder um so glänzender abheben.

Die guten Hausfrauen stellen diese Betrachtungen nicht an. Warum unterlassen sie es?

Jch will es verrathen!

Weil, bewußt oder unbewußt, sich ihnen die Un - wahrheit derselben aufdrängt.

Sie erkennen es klar oder fühlen es instinktmäßig: Wenn diese Mädchen einen Beruf wählen, der ihnen ein sicheres Einkommen abwirft, so stehen sie in gleichem Rang mit wohlhabenden oder reichen Mädchen, und die Nachfrage nach unserm Töchtern, die kein Vermögen haben, sinkt.

Wenn diese Mädchen sich eine tiefere und gründlichere2*20Bildung aneignen, kommt vielleicht die billige Naivetät unserer Töchter aus der Mode.

Ferner: Die Erziehung der Söhne kostet ein Heiden - geld. Bisher war es ein Trost, daß wenigstens die An - sprüche der Töchter an unsern Geldbeutel mit der ab - solvirten höheren Töchterschule aufhörten, und wir hatten wohl ein Recht darauf, durch ihre Hülfsleistungen im Hause hier und da einige Groschen an Näherin, Plätterin u. s. w. zu ersparen. Und nun sollten die Erziehungs - ausgaben für die erwachsenen Töchter fortlaufen, ja sich steigern?

Eine Gänsehaut überläuft die liebreiche Mutter bei dieser Zumuthung, die ihr im Licht eines Raubsystems erscheint. Später freilich verdient das Mädchen Geld, vielleicht viel Geld. Wird es aber auch dann noch der zärtlichen Mutter zu gute kommen?

Sogleich will ich noch einem andern Einwande, einem Einwand der Liebe begegnen, den die Mütter er - heben werden. Gut, sprechen sie, ist es nicht die Liebe zu dem ganzen weiblichen Geschlecht, die uns in die Opposition gegen die Frauenbewegung treibt, so ist es wenigstens die zärtliche Sorge für unsere eigene Familie.

Wir fürchten das ansteckende Gift dieser Bewegung für die reinen Seelen unserer Töchter.

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Unnöthige Besorgniß! Habt Jhr Mütter nicht die Erziehung der Töchter in Händen?

Jhr könnt ihre Gehirnadern unterbinden, ihren Geist dergestalt einschnüren, daß er Zeitlebens ein Wickelkind bleibt.

Kommt dann vielleicht einmal später, viel später eine Zeit, wo Eure Töchter, wenn sie starken, ursprüng - lichen Geistes sind, gegen Eure Erziehung revoltiren und mit der Fluth ihrer Gedanken den Damm der Dumm - heit, den Jhr so sorgfältig aufgebaut, niederreißen, dann sind sie wohl längst verheirathet, oder die Zeit ist vor - über, wo Mädchen zu heirathen pflegen, oder Jhr seid auch vielleicht schon todt.

Liebe und Mitleid sind es also nicht, welche in der Brust der Hausfrau den Haß gegen die Freiheitsbestre - bungen der Frauen wecken.

Nun, so ist es vielleicht die Erkenntniß, und sie ver - wirft jene Bewegung kraft des Verdikts ihrer Vernunft.

Erkenntniß und Ueberzeugung sind wer wollte es bestreiten einzig und allein die Resultate tiefer und ernster Gedankenarbeit (nur wer die Wahrheit sucht, wird sie finden); einer Arbeit, die auf der Basis gründ - licher Bildung ruht.

Diese Art von Gedankenarbeit aber verwirft die Hausfrau von vornherein, darum kann bei ihr von Er -22 kenntniß und Ueberzeugung überhaupt nicht die Rede sein. Sie hat in der Regel noch nie in ihrem Leben den kleinsten Denkversuch angestellt, und doch erdreistet sie sich, mitzusprechen, wo es sich um Principien handelt.

Die kindische Phrase zu widerlegen, von der Erkennt - niß aus Jnstinkt, aus heiliger Natur-Unmittelbarkeit, die Annahme, als könne man zum Tempel der Wahrheit gelangen, ohne durch das Thor des Nachdenkens zu schreiten, erläßt man mir wohl.

Wohl weiß ich, daß es genialische Naturen giebt, so hoch begnadet, daß sie die Wahrheit schauen, ohne die Bedingung allmälichen inneren Wachsthums.

Was aber gehen uns die Genies an, wo es sich um sittliche Grundgesetze für eine Gesammtheit handelt.

Die Hausfrau beruft sich vielleicht auf ihren ge - sunden Menschenverstand, der ausreiche, um so einfache Dinge, wie die Frauenfrage, endgültig zu entscheiden.

Man beobachte einmal genau, was dergleichen Ge - wohnheitsmenschen unter gesundem Menschenverstand ver - stehen.

Nichts anders, als eine Gehirnfunktion, oder viel - mehr eine Windstille im Oberstübchen, vermöge deren ihnen Alles, was der gewohnten Denkweise widerspricht, überspannt und affektirt erscheint; der gesunde Menschen -23 verstand sagt ihnen, daß Dasjenige wahr sein muß, was stets für wahr gehalten worden ist.

Es geht den guten Hausfrauen bei dieser Berufung, wie den Männern mit ihrer Berufung auf Naturgesetze.

Wo die Begriffe fehlen, stellt sich bei diesen zur rechten Zeit ein Naturgesetz, bei jenen der gesunde Menschenverstand ein.

Mir sagte einmal eine Hausfrau, als ich einige Ein - wendungen gegen ein Gericht Mohrrüben erhob, das sie ihrem kranken Kinde verabreichen wollte: das sage ihr doch der gesunde Menschenverstand, daß Mohrrüben ein überaus leichtes und jedem Kranken zuträgliches Ge - müse sei.

Die Quelle, behauptete ich, aus der die Antipathie der Frauen gegen selbständige Frauenexistenzen fließe, sei Dünkel, Egoismus und Trägheit.

Die gute Hausfrau , so wie sie ist, gilt in der öffentlichen Meinung für ein Musterbild, für das Jdeal der Weiblichkeit. Was vermögen Gründe gegen eine Meinung, die ihr eine solche Bedeutung verleiht und ihr so unverantwortlich schmeichelt. Jhr, der Hausfrau, ge - nügt die eine, wie sie glaubt, unbestreitbare Wahrheit, daß sie vortrefflich ist vom Morgen bis zum Abend, vom Scheitel bis zur Sohle. Das Hausfrauenthum ist24 der einzige Ruhm, der ihr erreichbar ist, und darum muß er auch der höchste sein.

Und nun bricht diese Emancipirte den Burgfrieden ihres Hauses und behauptet keck, man könnte den Haus - halt leiten und daneben noch allerhand Allotria treiben, wie Bücher führen, Bilder malen, Unterricht geben, Zähne ausziehen u. s. w.

Gäbe die Hausfrau ihr Recht, so müßte sie ja ein - gestehen, daß sie nur einen sehr bescheidenen Platz in der menschlichen Gesellschaft ausfülle, daß man mehr leisten könne, als sie bisher geleistet hat. Jhre ganze moralische Existenz steht auf dem Spiel, wer will es ihr verdenken, daß ihre Galle steigt und steigt, und wenn sie französisch versteht, sich in dem Ausruf Luft macht: écrasez l'infame.

Schon sieht sie im Geiste Geschichtstabellen, riesige Landkarten und lateinische Grammatiken, die sie aus - wendig lernen soll, vor sich aufsteigen, Phantome un - gestopfter Löcher scheuchen den Nachmittagsschlummer von ihrer Stirn, und vorahnenden Gcmüthts schaut sie o Schreckbild Carolinen in der unverschlossenen Speisekammer naschen.

Es ist wahr, die gute Hausfrau raisonnirt wohl auch ein bischen über jene reichen, vornehmen und ver - gnügungssüchtigen Damen, die von Soirée zu Soirée25 flattern und die, in Folge der vielen Feldzugspläne, die sie an ihrem Toilettentische zu entwerfen, und der Schlachten, die sie im Salon zu liefern haben, ihren Beruf als Hausgöttinnen nur mangelhaft erfüllen können.

Sie raisonnirt, sage ich, wohl auch über diese, aber nicht sehr. Nicht die Toiletten - und Vergnügungs - Extravaganzen nein, die Geistes-Uebergriffe, die Ar - beitsexcesse, die Blaustrumpf-Theorien erregen ihren Haß und ihre Verachtung.

Die Nachsicht der Hausfrau gegen die Salon - und Weltdame ist erklärlich, aus zwei Gründen.

Einmal: Blöde Augen werden stets durch Glanz ge - blendet. Die Eleganz einer Gerson'schen Robe besticht selbst die einfachste Hausfrau.

Und zweitens: Jene Damen greifen das Hausfrauen - thum nicht an, sie denken nicht daran, sich über ihr Ge - schlecht erheben zu wollen, sie überragen, sie demüthigen nicht die Hausfrau, im Gegentheil, sie sind ein Beweis davon, wie wenig eine Frau leisten kann, und dienen deshalb der Hausfrau zur Folie, während jene die Emancipationslustige sie mag sich hüten! Jn unsern heiligen Hallen declamirt Madame Schulz kocht man außer Gemüse und Seife auch noch Rache.

Spötteln wir diese Seelen-Hermaphrodite in den Grund und Boden. Bezweifeln wir nicht nur die Rein -26 heit ihrer Seele, sondern auch die ihrer Wäsche. Schreibt sie, so sagen wir, sie kann die Dinte nicht halten, malt sie, nennen wir sie Aurora in Oel, und wenn das Alles nicht verfängt, behaupten wir kühn, sie trägt zerrissene Strümpfe. Daran, daß Madame Schulz zu den de - fecten Lever's der Emancipirten wahrscheinlich keine Ein - ladungskarten erhalten hat, denkt natürlich Niemand. Verläumde nur frisch darauf los, geglaubt oder nicht, es bleibt doch etwas hängen; écrasez l'infame!

Es treffe sie der Ostracismus der Frauen, und mit - hin Aller, denn die Frauen allein machen die öffent - liche Meinung über die Frauen, die Männer sind ihre Papageien.

Eine einzige Frau kann, wenn sie Geschick und Energie hat, den Ruf einer andern für immer vernich - ten. Ueber dieses Kapitel ein ander Mal.

Nach diesem kleinen Vorpostengefecht gegen meinen Feind beginne ich mein eigentliches Thema.

Von dreierlei Art sind die Pflichten der Hausfrau. Sie bethätigt dieselben, erstens als Gattin, zweitens als Mutter, drittens als Wirthschafterin oder Haushälterin.

Als Gattin wird von ihr verlangt, daß sie dem Mann in Liebe und Freundschaft anhange, und daß sie vollen Antheil nehme an seinem äußeren und inneren Leben.

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Als Mutter, daß sie die körperliche und geistige Pflege der Kinder, theils selber handhabe, theils sorg - fältig leite und überwache; als Wirthschafterin soll sie sich sowohl alle diejenigen Fertigkeiten, wie Nähen, Kochen, Plätten u. s. w., deren Bethätigung ein Haus - halt erfordert, aneignen, sich in den Besitz derjenigen geistigen Eigenschaften setzen, welche für die Leitung des Dienstpersonals und die Disposition des Haushalts un - erläßlich sind.

Um allen diesen Pflichten zu genügen, bedarf es, meines Erachtens, eines Maßes natürlicher Gaben, wie sie Mutter Natur in weiser Oekonomie nur selten an ein Jndividuum zu verleihen pflegt, bedarf es ferner eines Schatzes von erworbenen Kenntnissen, wie ihn zu heben einer Frau nicht vergönnt ist.

Es ist indessen dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, und ich hoffe, in diesem Auf - satz den Leser zu überzeugen, daß es durchaus mit diesen Forderungen nicht ernstlich gemeint ist, daß sie sich viel - mehr, sobald man sie scharf in's Auge faßt, in Nebel und Dunst auflösen.

Jch muß vorausschicken, daß, wenn man von den Pflichten der Hausfrau spricht, man im Allgemeinen nur die mittleren Klassen im Auge hat.

Jn den niederen Ständen ist die Frau nicht allein28 gezwungen, jede Arbeit im Hause selbst zu thun, sie be - treibt daneben auch, zum größeren Theil wenigstens, noch irgend ein anderes Gewerbe, als Tagelöhnerin, Näherin, Wäscherin u. s. w.

An einen Handwerker verheirathet, nimmt sie viel - fach an der Arbeit des Mannes Theil.

Mein Schuhmacher, der in der Charlottenstraße wohnt, hat acht kleine Kinder. Scheint es nicht unglaublich, daß seine Frau, außer der Sorge für Wirthschaft und Kinder noch den Verkauf im Laden besorgt und beim Einfassen der Schuhe hilft? Die acht Kinder habe ich stets reinlich und sauber gekleidet gefunden.

Ob diese Frau eine Ausnahme ist? ich glaube es kaum.

Jn den höchsten und reichsten Ständen herrscht re - lative Freiheit.

Die Sonne der Vernunft verscheucht mitunter die Gespenster der Vorurtheile, häufiger jedoch schmelzen sie im Glanz des Goldes. Der Prozeß des Schmelzens geht schneller von Statten, als der der Läuterung.

Die ganz reiche und ganz vornehme Frau wird als Hausfrau weder von ihrem Gatten, noch von der Welt controlirt. Man lauert ihrem Thun nicht auf, die Dienstboten sind von vornherein von Ehrfurcht vor der gnädigen Frau erfüllt. Unter der Sammetrobe ver -29 muthet Niemand defecte Unterkleider. Die reiche und vornehme Frau beurtheilt man als Wirthschafterin nach ihrer perfecten Köchin, höchstens kommt bei ihren Diners oder Soireen noch ihre auswendige Liebenswürdigkeit, ihre Repräsentation in Betracht. Den Verdacht man - gelnder Mutterliebe lassen die geschmackvollen Toiletten der wohlfrisirten Sprößlinge, die englischen und fran - zösischen Gouvernanten gar nicht aufkommen.

Jch wiederhole also, was in diesem Aufsatz ge - schrieben steht, gilt nur von den mittleren Ständen, die auch in der That für die Frauenfrage die maßgebenden sind. Die Frau in ihrer weitaus wichtigsten Stellung, in ihren Beziehungen zu dem Gatten und den Kindern ausführlich zu behandeln, behalte ich mir für ein anderes Mal vor.

Diese Schrift ist der Frau als Haushälterin ge - widmet; es müssen daher einige flüchtige Andeutungen über Gattin und Mutter an dieser Stelle genügen.

Zuvörderst über die Gattin ein paar Worte:

Man gestatte mir einige Fragen:

Besteht die gute und glückliche Ehe darin, daß die Frau nur die Wirthschafterin des Mannes sei?

Einstimmiges, entschiedenes: Nein.

Soll die Frau nur die Geliebte und die Haushäl - terin des Mannes sein?

30

Nein.

Soll sie zugleich seine Freundin sein?

Ja.

Wer allein kann uns wahrer Freund oder wahre Freundin sein?

Nur wer vollen Antheil nimmt an unserm Seelen - leben.

Jst Liebe dazu ausreichend?

Nein eine alte Haushälterin, die uns hat auf - wachsen sehen, kann uns mit aufopfernder Hingebung lieben, sie wird nie unsere Freundin sein können. Die Liebe braucht sich nur schüchtern anzuschmiegen, oder treu zu folgen, die Freundschaft soll muthig und fördernd zur Seite stehen.

Der Antheil am Seelenleben, oder das gemeinschaft - liche Seelenleben setzt selbstverständlich volles Verständniß der Freundesseele voraus. Ein solches aber ist unmög - lich zwischen Gatten, die auf einer ganz verschiedenen Stufe der Bildung, der Anschauung und Erkenntniß stehen.

Aus diesem Grunde finden wir wohl (was die mittleren Stände anbelangt) die unglücklichsten Ehen in der höheren Beamten -, in der Künstler -, Schriftsteller - und Gelehrtenwelt. Jm Kaufmannsstande dagegen die31 glücklichsten, weil hier der Unterschied des Bildungsgrades im Allgemeinen ein geringfügiger ist.

Nicht in allen Zeitaltern ist die Kluft der Bildung zwischen Mann und Frau so groß gewesen, wie in unserem Zeitalter.

Das Mittelalter gönnte den Männern, deren Leben in Abenteuern, ritterlichen Uebungen und Kampf auf - ging, keine Muße, sich mit den Wissenschaften, die auf Einzelne beschränkt blieben, abzugeben. Häufig über - ragten die mittelalterlichen Frauen ihre Männer an Wissen. Wohl mancher Ehemann mag meine Behaup - tung, daß volles Verständniß zwischen den Gatten einen annähernd gleichen Bildungsgrad voraussetzt, in Abrede stellen. Er wird vielleicht als Gegenbeweis die eigene Gattin aus dem Waschkeller heraufbeschwören, an der er, trotz ihrer geringen Elementarkenntnisse, einen freu - digen Antheil an seinen Bestrebungen wahrgenommen haben will.

Es scheint auf den ersten Blick, als hätten diese Ehemänner Recht, in Wahrheit aber verhält es sich mit dem Scheininteresse der Frauen folgendermaßen:

Die Theilnahme der unwissenden oder halbgebildeten Gattin an dem Geistesleben ihres Gatten besteht in vielen Fällen darin, daß sie einfach sein Echo ist. Sie sieht mit seinen Augen, hört mit seinen Ohren,32 redet mit seinen Worten, schreibt, wie Ottilie in den Wahlverwandtschaften, schließlich mit seiner Handschrift.

Für mich liegt in dieser rückhaltslosen Bewunderung und Anbetung etwas Rührendes, fast Religiöses, über das zu spotten ich außer Stande bin.

Und ich empfehle allen meinen Mitschwestern, die durch fremde oder eigene Schuld um den Besitz eines selbständigen Gehirns gekommen sind, dem Beispiel dieser Frauen zu folgen, die nicht selten mit ihrem Echospiel und ihrer Doppelgängerei die liebevolle Dankbarkeit ihrer Männer gewinnen.

Jch kann mich recht in die Seele so eines armen Wurms von Mann versetzen, der draußen in der Welt überall herumgestoßen, gehänselt, über die Achsel an - gesehen wird; und nun tritt er über die Schwelle seines Hauses, jeder Zoll an ihm ein Herr, eine Autorität, ein Hausgott.

Fehlt diesen sanften Frauennaturen auch die Er - kenntniß, so haben sie doch den Glauben, der bekanntlich selig macht, den Glauben, der nicht nur Berge versetzt, sondern auch mitunter, wie wir es bei den alten frommen Aegyptern sahen, einen heilig gesprochenen Ochsen für einen Gott hält und ihn anbetet.

Eine andere, weniger empfehlenswerthe Theilnahme der Frau an den Seelenzuständen ihres Gatten entspringt33 nicht sowohl der Liebe, als dem Egoismus und dem Dünkel.

Die gesellschaftliche Stellung der Frau hängt von der des Mannes ab, und je eitler, je ehrgeiziger sie ist, je freudiger, je leidenschaftlicher wird sie von Stufe zu Stufe den Erfolgen oder Niederlagen ihres Mannes mit ihrem Kummer oder ihrer Bewunderung folgen.

Oft genug sehen wir Frauen in bitterstem Zorn auf - flammen über eine Zurücksetzung, die der Gatte vielleicht mit Recht erfahren, und die ihn selbst nur obenhin be - rührt hat.

Eine Professorsfrau kann in Entzücken gerathen über ein gelehrtes Werk ihres Gatten, von dem sie natürlich nicht ein Wort versteht. Außer dem Mitgenuß am Ruhm genießt sie noch den schönen Aerger der Frau des Collegen ihres Mannes.

Nie werde ich den leuchtenden Blick, den majestäti - schen Gang einer mir bekannten Dame vergessen, als sie das Theater verließ, in dem man ein Stück ihres Mannes mit großem Beifall aufgenommen hatte.

Diese kleine, recht ungebildete junge Dame sah ich später öfter im Theater, mitunter bei Aufführung klassischer Stücke; stets zuckte es wie Hohn um ihre sonst sanften Lippen, und geschrieben auf ihrer Stirn stand's leserlich:Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 334wie mögt Jhr solches Zeug nur beklatschen, mein Franz macht's besser, viel besser.

Eine andere Art der Theilnahme der einfachen guten Hausfrau an den ideellen Bestrebungen des Mannes kenne ich nicht, jene Prophetinnen des Geistes ausge - nommen, die nicht maßgebend sind.

Das, was ich gesagt habe, läßt zweierlei Folgerungen zu:

Entweder man giebt zu, daß es eine Sünde gegen den heiligen Geist der Ehe ist, der Frau diejenigen Bildungsmittel vorzuenthalten, die geeignet sind, sie zu einer ebenbürtigen Gefährtin, zu einer Freundin des Mannes zu machen, oder man acceptirt die andere Folgerung: daß eigentliche Freundschaft kein nothwen - diges Bedingniß einer guten Ehe sei.

Wenn die Männer sich entschließen könnten, auf - richtig zu sein, so würden sie, der Mehrzahl nach, letzterer Meinung beipflichten.

Da aber Verlegenheit die Modetracht unseres Zeit - alters ist, so geben sie gar nichts zu, sondern antworten mit jenen abgestandenen Phrasen, jenen uralten mora - lischen Meidingern, von der Zauberkraft des weiblichen Gemüths, von der den Frauen angeborenen Jdealität, von blauäugigen Hausfrauentugenden u. s. w.

Meine gelehrten Herren und Ehemänner, wozu haben35 Sie denn studirt und gelernt und gedacht, wenn Sie nicht einmal wissen, was ein Jeder von Jhnen täglich an sich selbst wahrnehmen kann, nämlich: daß unser Thun und Denken in einem geheimen und offnen Zu - sammenhang steht, daß eine Jdee die andere entzündet.

Eine Frau, die den Tag über kocht, näht und wäscht, mit schmutziger Wäsche und Scheuerlappen hantirt, mit Hökerfrauen feilscht und Dienstmädchen zankt, deren Mußestunden werden nimmermehr von idealen Vor - stellungen erfüllt sein.

Sie kann ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft und Jhres Haushalts sein, niemals aber eine Hüterin der Poesie.

Jhre Vorstellungen und Gedanken werden Abends an den Beschäftigungen anknüpfen, die sie den Tag über geübt, und diese werden selbst in ihre Träume hinein - spielen; und wenn der Demagoge von Blutgerüsten so wird die Hausfrau von Blutwürsten träumen, und wenn der Feldherr im Traume seine Soldaten Revüe passiren läßt, so wird die Hausfrau vielleicht im Traume zu einem Schutzmann schicken, um die widerspänstige Magd zu ducken.

Jch weiß aus meinem eigenen Leben ein packendes Beispiel, in wie unmittelbarer Weise unser Thun unsere Vorstellungen beeinflußt.

3*36

Wir wohnten einmal im Sommer in einem Häuschen mitten im Walde. Eine Freundin der Natur im All - gemeinen, hatte ich an diesem herrlichen Buchenwalde eine besondere immer wiederkehrende Freude. Trotzdem wir im Walde lebten, bot die Beschaffung des Brenn - materials einige Schwierigkeiten dar, und eines schönen Tages sahen wir uns ohne diesen Artikel.

Jch ging mit meinen Kindern in den Wald, und wir suchten das für diesen Tag nöthige Holz zu - sammen.

Alsobald stellte sich meinem Hausfrauengeiste die Zweckmäßigkeit dieses Geschäfts dar, und der Sparsam - keit fröhnend, und dem Staate, der nur gewisse Raff - und Lesetage gestattet, Trotz bietend, bezogen wir von diesem Tage an, von einigen Bauernkindern unterstützt, unsern ganzen Bedarf an Brennmaterial direkt von Mutter Natur.

Die Folge meines Thuns war schrecklich. All meine tief innere Freude am Walde war dahin.

Wenn Nachts der Sturm durch die Wälder brauste, der sonst wohl schauerliche Ahnung in mir weckte, dann berechnete ich nur, wie viel Zweige er von den Bäumen schlagen würde, und ich konnte kaum den Morgen er - warten, um Ernte zu halten auf diesem Schlachtfelde der Winde.

37

Der entzauberte Wald war für mich zu einer soliden Holzhandlung geworden. Und wo ich wohl sonst bei dem magischen Spiel von Licht und Schatten entzücken - den Träumen nachgehangen, da spähte jetzt mein brenn - holzgieriger Blick empor zu den prächtigen Stämmen nach todten Zweigen. Meine ganze Seele war auf trockenes Reisig gestellt, und ich haderte mit dem Schick - sal, wenn ich einen hübschen dicken Zweig an einer Stelle am Boden traf, der zu weit von unserem Häus - chen entfernt war, als daß ich ihn hätte heimschleppen können.

Endlich, endlich erschrak ich vor der gemeinen Rich - tung, die mein Geist genommen, hing das kleine Holz - handelgeschäft an den Nagel und nährte, wie ehemals, mein Heerdfeuer mit baar bezahlter Kohle.

Sollte nicht Jeder, der sich ab und zu auf's Aus - spioniren seiner Seelen-Vorgänge legt, Aehnliches an sich beobachtet haben?

So gewiß, meine Herren Ehemänner, Sie stumm sein würden, wenn Sie unter Stummen aufgewachsen wären, ebenso bleibt der Geist stumm, wenn nicht Ge - danken und Jdeen von außen in ihn gedrungen sind, und die schönste Liebe kann zwischen dem Torffeuer der Kochmaschine und dem lauteren Feuer, an dem Gedanken reifen, keine Brücke bauen, sie kann die Kluft nicht füllen38 zwischen der tiefen Gleichgültigkeit der Frau gegen alle Resultate des Denkens, und der hohen Befriedigung, die der Mann in diesen Resultaten findet. Der Gatte müßte denn das phantastische Gemüth eines Don Quichote besitzen und seine angetraute Küchenmagd für eine Prin - zessin Dulcinea halten. Und wenn es wahr ist, daß nicht allein der Leib, sondern vor Allem die Seele die eheliche Verbindung ausmacht, so leben Gatten, die auf einer ganz verschiedenen Stufe der Anschauung und Er - kenntniß stehen, in einer geistigen Ehescheidung von Hause aus.

Jch sehe Sie bei diesen Worten, meine Herren, je nach Jhrem Temperament, entweder gutmüthig vor sich hin lachen, oder malitiös grinsen. Jch höre Jhre Worte: Meine Gute, bleiben Sie mir doch mit Jhrem müßigen Gerede vom Leibe. Wir sind zufrieden mit unseren Frauen, so wie sie sind, und unsere Frauen mit uns, und damit basta!

Und das ist wahr. Sie sind zufrieden. Aber es kommt wirklich gar nicht darauf an, ob Sie, Herr Pro - fessor B. oder Herr Geheimrath N. mit ihrer Friederike oder Amalie glücklich und zufrieden leben (vielleicht ist das nur ein Beweis, daß Jhnen entweder Jhre Wissen - schaft oder Jhre Gattin nicht sehr ernstlich am Herzen liegt).

39

Darauf kommt es an, ob solche Ehen der Veredlung des Menschengeschlechts dienen, auf das Princip kommt es an.

Und überlegen Sie einmal, Herr Professor, wenn Sie anstatt Jhrer Friederike, die Sie in Jhrer Eitelkeit und in Jhren Jrrthümern durch ihre blinde Verehrung nicht unwesentlich bestärkt, eine Gattin zur Seite hätten, voll Denk - und Urtheilskraft, die offenen Auges Jhre Fehler sieht, würden Sie nicht mitunter, in Anwand - lungen von Selbsterkenntniß, ein klein wenig von Jhrer souveränen Dünkelhaftigkeit ablassen?

Eine liebende, unwissende Gattin, die, entweder im guten Glauben, oder mit voller Absichtlichkeit, aus ge - meinen und egoistischen Gründen den Schwachheiten des Mannes schmeichelt, ist oft genug sein böser Dämon.

Der Mann ist im Allgemeinen mit der Halbbildung seiner Gattin zufrieden. Dessen ungeachtet ist es ihm peinlich, wenn in guter Gesellschaft ihre Unwissenheit allzu handgreiflich hervortritt.

Jhr Wissen und ihr Nichtwissen, Beides soll sie gleich sorgfältig verbergen.

Als ganz junge Frau war ich einmal in einer Ge - sellschaft, in der die Rede auf August Boekh kam.

Wer ist Boekh? fragte ich harmlos.

40

Jch werde nie den Blick des Schreckens vergessen, den mein Mann bei dieser Frage auf mich warf.

Er schämte sich gründlich meiner.

Nun bitte ich einen Menschen, hätte ich wirklich vom Hörensagen den Namen Boekh gekannt, ohne eine Ahnung von dem Jnhalt seiner Schriften zu haben, was hätte das an der Thatsache meiner Unwissenheit geändert?

Jst es nicht geradezu possierlich, daß die Männer sich der Unwissenheit ihrer Frauen schämen, deren in - tellektuelle Urheber sie sind?

Haben wir Frauen etwa die höhere Töchterschule organisirt, ihren Lehrplan bestimmt?

Was mich betrifft, so lehne ich die Verantwortung für jeden orthographischen, grammatischen oder sonstigen Fehler, der mir in dieser Schrift passiren sollte, ab, ich lehne sie energisch ab und wälze sie auf die Schulter der Männer. Jede falsche Jnterpunktion, die ich mache, ist ihr Werk, für jeden Sprachfehler treffe sie die Gering - schätzung der Mitwelt.

Jch habe die bestmögliche Schule meiner Jugendzeit besucht, und sie war so schlecht wie möglich.

Was verlangen die Männer von den Frauen? Den Schein des Wissens und die Thatsache der Unwissenheit. Sollte aber eine Frau ausnahmsweise wissend sein, so41 soll sie es verbergen, wie ein Calvinist seinen Glauben sagt Goethe.

Arme Frauen, sie gemahnen mich an jenen Hand - werksburschen, der nirgends heimathberechtigt, zeitlebens zwischen den Grenzsteinen zweier Gebiete wandern, wan - dern mußte.

Guter Mann, laß doch einmal auf einen Augenblick die Heuchelei und bekenne offen, ich brauche für meine Zärtlichkeit eine Gattin, für mein Haus eine Wirth - schafterin, aber setze nicht hinzu: eine Erzieherin für meine Kinder. Wenn Deine Friederike Dir nicht eine wahre Freundin sein kann, wenn sie nicht selbstdenkend an Deinem Seelenleben Theil nimmt, so wird sie auch nimmermehr Deine Kinder zu Ebenbildern Gottes er - ziehen.

Männer und Frauen, Kluge und Dumme, Junge und Alte, sie Alle treffen in dem wunderlichen Einfall zusammen, daß die Mutter nur den Jnstinkt braucht walten zu lassen, um das Kind zu einem Ausbund körperlicher und geistiger Vortrefflichkeit zu erziehen, sie Alle behaupten, daß die Mutterliebe der Quell ist, aus dem alle Weisheit fließt. (Worte eines Dichters.)

Wenden wir aber von dieser Phrase unsern Blick dem wirklichen Leben zu, so wird der Glaube an diesen42 zauberkräftigen Jnstinkt durch die Wucht der Thatsachen zerstört.

Der Jnstinkt bezieht sich vorwiegend auf das eigene körperliche und geistige Behagen. Der Gott und Vater Kronos verspeiste seine Kinder zum Frühstück, als er seinen Thron von ihnen bedroht glaubte.

Giebt es nur gute Jnstinkte?

Es giebt auch böse.

Und eine Mutter mit bösen Jnstinkten wird nichts verabsäumen, um ihr Kind zu Grunde zu richten.

Gute Jnstinkte aber helfen der Mutter ganz und gar nichts.

Gerade die Erziehung der Kinder erfordert eine strenge Selbstbeherrschung, eine schwere, unausgesetzte Arbeit an sich selbst. Eine Jnstinkt-Mutter aber handelt nach Laune und Eingebung.

Eine solche Mutter, wenn sie Migräne hat, wird eine auffallende Neigung an den Tag legen, ihr schreiendes Kind zu prügeln, einzusperren oder es sonst irgend einer Behandlung zu unterwerfen, die in keinem Verhältniß zu seinem Verbrechen steht.

Der mütterliche Jnstinkt tritt oft gradezu kindes - mörderisch auf.

Jst die Jnstinkt-Mutter zärtlicher Gemüthsverfassung, so küßt sie ihren Liebling wohl viele Male. Diese Mutter -43 küsse aber, (der Dichter vergleicht sie mit Sonnenstrahlen, die den Kelch der Blumen öffnen), sie pflegen von war - mem Waschwasser, von Leckerbissen und Verzärtelungen begleitet zu sein, die oft genug bewirken, daß der kleine Engel binnen Kurzem nur noch eine Zahl ist unter den 80 Todesfällen von Kindern, die Gott in der letzten Woche an der Brechruhr heimgerufen .

Wer will den furchtbaren Zusammenhang leugnen zwischen dem gepriesenen mütterlichen Jnstinkt und den schmerzlich langen Todtenlisten der Kinder.

Etwas weniger Jnstinkt und etwas mehr bewußtes Handeln und ich sollte denken, der Schnitter Tod würde sich mit einer geringeren Ernte begnügen.

Unser Herz erbebt bei jedem unnatürlichen Todesfall, von dem wir hören, auf den Schlachtfeldern oder bei Unglücksfällen.

Und kaltblütig lesen wir allwöchentlich die schauer - lichen Verzeichnisse jener kleinen Todesopfer. Die Ge - wohnheit macht uns stumpfsinnig.

Hier thut, in Bezug auf die körperliche Pflege der Kinder, eine ganz bestimmte Unterwerfung noth, ein formeller Unterricht, der so einfach sein kann und sein muß, daß selbst die beschränkteste Frau ihn zu fassen und anzuwenden im Stande ist. Es handelt sich dabei durchaus nicht um pädagogische Studien.

44

Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon, daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un - berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?

Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver - stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen Lebensformen u. s. w.

Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt und ausgebildet, die der Mutter viel und dem Kinde wenig nützen.

Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer - brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid, ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand - gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu - prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver - anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.

Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein - geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im Keime erstickt.

Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus45 demselben unbezähmbaren Kraftgefühl, das den jungen Herkules antrieb, in der Wiege seine Schlangen zu würgen.

Die Mutter bestraft Thatsachen, wann aber be - strafte sie je Nichtswürdigkeiten des Charakters? wann jene gemeinen Züge der Seele, Hinterlist, Bos - heit, Tücke, Heuchelei, die den künftigen Schurken ver - rathen.

Ungehindert läßt sie das üppige Unkraut in dem artigen Kinde wuchern.

Die gute Mutter, sie hat keine Ahnung von dem Seelenmakel ihrer Sprößlinge. Wie sollte sie auch! wie sollte sie, die vortreffliche Frau, zu einem gemeinen, ruppig gearteten Kinde kommen!

Eine absurde Voraussetzung, daß die Frau, die sich selbst nicht kennt, die Seelen ihrer Kinder verstehen, daß sie, die selber unbelehrt ist, Andere lehren sollte. Die Früchte unserer erziehlichen Thätigkeit an den Kindern stehen im engsten Zusammenhang mit unserer eigenen Erziehung. Goethe sprach das tiefe und geistreiche Wort: Man könnte erzogene Kinder gebären, wenn die Eltern erzogen wären.

Jch frage Euch, meine Leser, auf's Gewissen, wer von Euch hat je den Muth gehabt, eine Mutter auf46 widerwärtige und gemeine Charakterzüge ihres Kindes aufmerksam zu machen!

Jch theile übrigens nicht im entferntesten die Mei - nung Derjenigen, die von den Müttern der Zukunft ein gründliches Studium der Pädagogik fordern.

Meiner Meinung nach wird der Pädagoge wie der Künstler geboren, und alles Studium der Welt ersetzt niemals das eingeborene Talent.

Vorzugsweise intelligente Frauen möchten allerdings dem Mangel ursprünglicher Begabung durch andauerndes Studium und Denken (bis zu einem gewissen Grade wenigstens) abzuhelfen im Stande sein. Wollten aber alle Frauen, selbst die mit mittelmäßigen oder geringen Verstandesgaben Ausgerüsteten, sich in das Studium der Pädagogik stürzen, so würden wahrscheinlich wahre Miß - geburten von Erziehungsplänen das Licht erblicken, und die armen Kleinen würden in ihren Kinderstuben wie in den Betten des Prokrustes ruhen, um sich nach - dagogischen Regeln kürzen oder in die Länge ziehen zu lassen.

Wer keinen Beruf für Pädagogik fühlt, der bleibe den Theorien fern.

Es giebt etwas anderes, das den feinsten Erwägungen, den tiefsten psychologischen Beobachtungen fast die Waage hält.

47

Das Beispiel!

Jede Frau arbeite nach Kräften an ihrer eigenen Veredelung.

Mit Recht sagt man: Kinder sind wie Affen. Jhr Nachahmungstrieb verleugnet sich keinen Augenblick. Sie ahmen nicht blos das äußere Wesen, sie ahmen auch die Gesinnung nach.

Darum, Vater und Gatte, laß es Dir gesagt sein: ob Deine Frau plättet, wäscht oder der Hökerin ein paar Groschen abhandelt, das hat auf die Seele Deines Kindes nur einen geringen Einfluß, denn arbeiten sieht es Jedermann.

Jedes gute Wort aber, das aus der Mutter Munde geht, jede Jdee, mit der sie ihren Geist bereichert, jede Wohlthat, die sie spendet, jede edle Handlung ihres Lebens, das sind Samenkörner, die in des Kindes Seele sollen, und wo der Boden nicht allzu steinig ist, auf - gehen und Blüthen und Früchte tragen.

Betrachten wir noch einen Augenblick das Verhältniß der Mutter zum Kinde vom rechtlichen Standpunkte aus.

Nicht wahr, den Orthodoxen wie den Liberalen in der Frauenfrage, Jedem ist der Satz geläufig, daß die Mutter die natürliche Erzieherin des Kindes, gewisser - maßen seine Vorsehung ist, und daß die Erziehung des48 Kindes der, ausschließlich von Gott und Natur ihr zu - gewiesene Beruf sei.

Jch will beweisen, daß die Männer, indem sie sich zu Vertretern dieser Meinung machen, mit Gott und der Natur einen frevelhaften Spott treiben.

Worin finden wir oder sollen wir finden den reinsten Ausdruck und Jnhalt des ethischen Bewußtseins einer Nation?

Jn ihren Gesetzen.

Wer macht die Gesetze?

Die Männer.

Auch die Gesetze, die das Verhältniß der Mutter zu ihrem Kinde regeln? '

Auch die.

Wie könnten demnach diese Gesetze etwas anderes sagen, als daß der Mutter, der natürlichen Erzieherin des Kindes, nach dem Tode des Vaters die alleinige Bestimmung über das Kind zustehe.

Mit nichten. Das Gesetz schreibt vor, die Anord - nung der Art, wie das Kind erzogen werden soll, kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur diesem giebt das Ge - setz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder.

Nach dem Tode des Vaters ist die Mutter zur An - zeige wegen Bestellung eines Kurators oder Vormundes verpflichtet.

49

Thut sie dies nicht binnen sechs Wochen, so verliert sie den Anspruch auf die Vormundschaft (§. 101, 102, Tit. 18 Th. II. L. R.). Trotzdem ist aber auch dann ihr Einfluß auf die Wahl des Berufs und auf die Er - ziehung ihrer Kinder ein sehr beschränkter (§. 315 fg. a. a. O.). Jhr steht kein Nießbrauch und Verwaltungs - recht an dem Vermögen der Kinder, wie dem Vater, zu. Dieses befindet sich vielmehr ganz und ausschließlich unter vormundschaftlicher Verwaltung, so daß die Mutter jeden Pfennig für die Erziehung der Kinder von dem Vormund und dem Vormundschaftsgericht erbitten muß. Selbst wenn der Ehemann seine überlebende Ehefrau zur befreiten Vormünderin der Kinder ernannt hat, muß ihr zur Ueberwachung ein Ehrenvormund an die Seite gesetzt werden. Sie muß sofort die Vormundschaft niederlegen, wenn sie zur zweiten Ehe schreitet; nicht einmal eine ent - gegengesetzte testamentarische Anordnung des Vaters kann daran etwas ändern (§. 188 191, Tit. 18 Th. II. L. R.). Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle, aus der alle Weisheit fließt. Vor einem englischen Ge - richtshofe kam vor einiger Zeit die Frage, ob eine Wittwe das Recht habe, ihr Kind in ihrer Religion zu erziehen.

Sie war Protestantin, der Vater war Katholik ge - wesen. Das Kind war acht Jahre alt. Der Vater hatte in seinem letzten Willen keinen Wunsch in BezugDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 450auf die religiöse Erziehung des Kindes hinterlassen. Die Verwandten des Vaters aber zwangen die Mutter, das Kind im katholischen Glauben aufzuziehen, obgleich sie Protestantin mit Leib und Seele war.

Das Gesetz unterwirft die Mutter der Bestimmung des Vaters, wie lange sie dem Kinde die Brust reichen muß (§. 68 Tit. 2 Th. II. L. R.) Jm Uebrigen aber ist die Mutterliebe die Quelle, aus der alle Weisheit fließt. Die Anwendung dieser Weisheit aber ist nur ge - stattet: beim Trocknen der Windeln, bei der Herstellung des Kinderbiers, beim Waschen der kleinen Persönlichkeit und ähnlichen Verrichtungen.

So, meine Herren, interpretiren Sie Gottes und der heiligen Natur Gesetze. Wären ihre Worte etwas anderes als verlogene Phrasen, müßte dann nicht dem Vater, wenn die Mutter stirbt, ein weiblicher Vormund gesetzt werden? denn hören wir es nicht täglich von Jhren klugen Lippen, in allen möglichen Wendungen, daß nimmermehr ein Mann im Stande ist, ein Kind aufzu - ziehen.

Dieselben Männer, die da vorgeben, den einzigen und erhobenen Beruf der Frau in ihrer Mutterschaft zu finden, ertheilen in den Gesetzen, die sie machen, der Frau als Mutter ein Mißtrauensvotum sonder Gleichen und sonder Beispiel.

51

Verdorrt ihnen nicht die Zunge ob so schmählicher Lüge!

Bei diesem unerhörten Widerspruch zwischen dem Gesetz und den hergebrachten Heuchelphrasen vom heiligen Mutterberuf wird es dabei nicht dem Einfältigsten klar, daß diese Phrasen nur dazu dienen sollen, alle Müh - seligkeiten der Elternschaft unter der Etiquette heilig der Mutter aufzubürden, während der Vater alle Vor - theile, selbständige Bestimmungen und Rechte dem Kinde gegenüber für sich in Anspruch nimmt?

Jch weiß wohl, in vielerlei Dingen gestattet der Gatte, daß die Frau mit ihren Kindern nach freiester Willkür schalte.

Sie darf ungehindert nächtlicher Weile, wenn sie vom Wochenbett noch schwach und kränkelnd ist, das schreiende Kind Stunde um Stunde wiegen, tragen und sättigen. Und daneben schnarcht der Mann die liebe lange Nacht, höchstens brummt er unwillig, wenn der kleine Balg es zu arg macht. Der Gute, er würde es für einen Einbruch in das geheiligte Mutterrecht halten, der Gattin das Kindchen auf einige Augenblicke abzu - nehmen. Und wie lächerlich, wie unmännlich ein Mann als Kindeswärterin!

Er hat zwar zwei starke, gesunde Arme, doch muß er sich schonen, er muß ja bei Tage geistig arbeiten.

4*52

Die Herren der Schöpfung halten das wahrscheinlich für eine körperliche Arbeit, wenn eine Frau z. B. am Krankenbett des Kindes in namenloser Angst und Pein sich verzehrt.

Jch will nicht untersuchen, in wie vielen Fällen das gepriesene geistige Arbeiten der Männer nichts ist, als hohler Schematismus und geistlose Routine; das aber weiß ich, die schwerste geistige Arbeit unter allen Arbeiten der Welt, das ist der Schmerz.

Gelehrte Werke schreiben ist ein Kinderspiel dagegen. Der langsam zehrende Kummer, er greift nicht die Arme, sondern das Gehirn, die Lebenskraft an, er reibt auf, er tödtet.

Und welches Geschlecht, ihr Herren, hat den größeren Antheil an dieser Geistesarbeit?

Das ist einer der Zwecke der großen beginnenden Frauenreform, auch diese Arbeit gleichmäßiger zu theilen. Wir möchten gern von den sieben Schwertern, die wir als geborene Madonnen in der Brust tragen, drei und ein halbes abgeben.

Es ist nicht wahr, daß bei der Erziehung des Kindes Wille und Wunsch der Mutter prävalirt.

Der Mann gestattet der Frau, ihre Principien zur Geltung zu bringen, entweder, wenn sie mit den seinigen übereinstimmen, oder wenn er kein Jnteresse an der Er -53 ziehung des Kindes nimmt. Und letzteres ist allerdings, wo es sich um die Erziehung der Mädchen handelt, das Hergebrachte.

Sobald er aber eine Meinung hat, die von der der Gattin abweicht, so wird ihr Widerspruch ihm ungereimt, ja unverschämt erscheinen, und soll nicht das Haus zum Schauplatz widriger Scenen werden, so muß die Frau nachgeben, oder, was ebenso häufig geschieht, sie sucht ihren Zweck durch Hinterthüren, durch Schmeichelei, ver - stellte Zärtlichkeit u. s. w. zu erreichen.

Wenn wir von den Phrasen absehen, so ist diese Meinung von dem maßgebenden Willen des Vaters auch eine allgemein acceptirte. Jch war deshalb gar nicht erstaunt, als mein sechsjähriges Töchterchen mir eines Tages eine Arbeit, die ich ihr unterschrieben hatte, mit dem Bemerken zurückbrachte: Fräulein B. habe gesagt, die Unterschrift der Mutter gälte nicht, der Vater müsse unterschreiben.

Nach dieser flüchtigen Skizzirung der Frau als Gattin und Mutter wende ich mich zu der eigentlichen Haus - frau, der Vorsteherin des Haushalts.

Unter folgenden Rubriken will ich meine Erfahrungen über dieselbe dem Leser mittheilen.

  • 1. Was versteht man im Allgemeinen unter einer guten Hausfrau?
  • 54
  • 2. Welches sind die Hauptdogmen der guten Haus - frau?
  • 3. Welches sind ihre Hauptlaster?
  • 4. Was verstehe ich unter einer wahrhaft guten Haus - frau?

1. Was versteht man im Allgemeinen unter einer guten Hausfrau?

Da in dem gleich folgenden Abschnitt, über die Dogmen der guten Hausfrau, das eigentliche Wesen derselben klarer hervortreten wird, so will ich mich hier darauf beschränken zu wiederholen, was ich im Wesent - lichen bereits im Anfang gesagt habe: daß man nämlich diejenigen Hausfrauen für die guten hält (und natürlich halten sie sich auch selber dafür), welche ihren Wirkungs - kreis und ihre volle Befriedigung im engen Raum der Hauswirthschaft finden und sich innerhalb desselben durch eine möglichst große Quantität von Thun auszeichnen.

2. Welches sind die Hauptdogmen der guten Hausfrau?

a) Erstes Hauptdogma: Die Sparsamkeit.

Diejenige Hausfrau, die am wenigsten braucht, ist die beste.

55

Welches Mittel wendet die Hausfrau an, um ihre Ausgaben auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken?

Sie verabreicht der Köchin die denkbar winzigsten Zuthaten von Butter, Zucker, Eier u. s. w.

Nachdem ich Dir unschuldigem Leser dieses Geheim - niß verrathen, wirst Du Dich künftig nicht mehr wun - dern, bei Hausfrauen-Diners an den Gemüsen etwas Ursprüngliches und Naives wahrzunehmen, das Dich an jene barbarischen englischen Gemüsezustände erinnert, die bekanntlich durch die Abwesenheit von Butter und Zucker glänzen.

Wenn ich Dir ferner verrathe, daß die Hausfrau dem Grundsatze fröhnt, nichts umkommen zu lassen, so wirst Du Dir den wundersamen Duft erklären können, der mitunter, aus den grünlichen Gewässern der Gemüse zu Dir aufsteigend, Dich an die Geister geschiedener Hammel mahnt.

Jedes Bischen Hammel -, Spickgans - oder Schinken - fett conservirt die Hausfrau mit liebender Sorgfalt wochenlang, und ob die Zeit auch den Fluch des Ranzig - werdens darüber verhänge, Du, Mann, Kind oder Dienst - bote, entgehst Deinem Schicksal nicht.

Die gute Hausfrau läßt nichts umkommen.

Darum also jene Saucen, die aus dem Saft ver - schiedenartigen Gethiers am Ende der Woche zu einem56 friedlichen Bach zusammenrinnen, um die trockenen Ge - stade Deiner Quetschkartoffel zu netzen. Darum jene Bouletten von Hasenklein, jene Suppen von Fett und Knochenresten, aus denen uns die wehmüthigen Fett - augen so übelriechend anblicken. Gewisse Räume in den Wohnungen guter Hausfrauen gleichen einer Stätte der Abgeschiedenen.

Dort im irdenen Topfe ruhen alte Knochen, ver - gebens harrt die Nase der Hausbewohner ihrer Bestattung. Aus der Tiefe dunkler Eimer gähren Gemüseabfälle nebst Eierschalen. Der Milchmann pflegt sie an sich zu kaufen.

Hinter jenem düstern Verschlag ruht, was sterblich ist von Euch, ihr Hasen, Hühner, Rehe; Eure Felle, Federn, Krallen. Erst die Posaunenstimme des Hasen - fellkäufers vom Hofe her öffnet Eure Gruft.

Aus abgelegenen Tischkästen grinsen uns Stücke ver - schimmelten Brotes an, harrend ihrer Wiedergeburt als Brotsuppe. Zerbrochene Gläser, Porzellanscherben, leere Flaschen jeder Größe und Gestalt strecken uns ihre bleichen Hälse aus verwitterten Körben entgegen.

Mit einem Wort, es giebt keinen Rest, keine Knochen, kein Fell, er mag noch so klein sein, über dem die Haus - frau ihr Angesicht nicht leuchten ließe.

Doch damit sind ihre Sparsamkeitskniffe noch nicht57 zu Ende. Nur sie, die Hausfrau, versteht die Kunst, den Schinken oder die Wurst durch Plattdrücken in die Länge und Breite zu ziehen, nur sie liefert Miniatur - zuckerstückchen, vor denen jede anständige Tasse Kaffee oder Thee erröthen müßte.

Jch kannte eine Frau, wenn der von einer Nähnadel das Oehr abbrach, so setzte sie auf den Rumpf einen Knopf von Siegellack und gebrauchte sie als Stecknadel um nichts umkommen zu lassen.

Ein anderes Mittel der Sparsamkeit bietet sich der Hausfrau beim Einkauf. Billig einzukaufen ist ihr höchster Ehrgeiz.

Natürlich ist sie eine Kennerin von Fleisch und läuft deshalb nicht die geringste Gefahr, ihre Fleischeinkäufe auf dem Markte zu besorgen.

Jch bin nun so frei zu behaupten, daß diese Kenner - schaft an gewisse Bedingungen zu knüpfen ist.

Entweder es ist unvermittelte Weisheit, eine Art Divinationsgabe, die die Hausfrau in den Stand setzt, ein Stück junges Ochsenfleisch von dem einer älteren Kuh zu unterscheiden, oder sie verdankt ihre Fachkenntniß gründlichen anatomischen Studien.

Sollte man aber das Vorhandensein dieser beiden Vorzüge als unwahrscheinlich bestreiten (und ich fürchte, man thut es), so muß man zugeben, daß Hausfrauen58 sowohl wie Köchinnen keinen Grund haben, ein Stück Fleisch ungünstig zu beurtheilen, wenn es frisch, roth und saftig aussieht und auch seine sonstige Schönheit sich weder durch Sehnen, Knorpel noch allzu viel Knochen - werk entstellt zeigt.

Aber ach! Dieses blühende Aussehen des Fleisches, wie gründlich täuscht es oft. Jch habe schon das schönste Fleisch gehabt, und es war zähe wie Schuhsohle.

Nur Gott und der Schlächter wissen, wie ihr Roast - beef innerlich beschaffen ist, letzterer, weil er das zu ver - kaufende Stück gewöhnlich lebendig gekannt hat.

Die Hausfrau aber, die ihr Fleisch auf dem Markte kauft, spielt Hazard.

Damit will ich natürlich nicht in Abrede stellen, daß man zuweilen auch auf dem Markte einen guten Braten einhandeln kann. Das geschieht sogar häufig; entweder, wenn der Zufall uns begünstigt, oder wenn die Köchin in einem sympathischen Verhältniß zum Schlächter steht, oder drittens, wenn die Frau so bedeutende und immer wiederkehrende Einkäufe bei demselben Schlächter macht, daß dieser bei reeller Bedienung seine Rechnung findet.

Dennoch kommt es nur allzu oft vor, daß der be - klagenswerthe Mittagsgast einer Hausfrau, im Kampf mit einem tückischen, zähen alten Vieh, sich noch ein gewinnendes Lächeln abringen muß, wenn die Wirthin59 ihm triumphirend vorhält, wie billig sie den Braten gekauft.

Es giebt ein sehr einfaches Mittel, stets das beste und auch preiswürdigste Fleisch zu haben.

Fast in jedem Stadtviertel wohnt ein Fleischer, von dem Jedermann weiß, daß seine Waare fast unfehlbar ist; allerdings ist er theurer als alle seine Kollegen; dafür aber ist sein Fleisch gesunder, kräftiger und ent - hält mehr Nahrungsstoff, eine geringere Quantität des - selben würde also der größeren Quantität des schlechteren und billigeren Fleisches entsprechen.

Jch will hier offen bekennen, daß auch ich, trotz meiner besseren Erkenntniß, im Kampf mit meiner Köchin in Bezug auf diesen Gegenstand noch nicht ge - siegt habe. Vergebens habe ich an diese Person all' meine, naturwissenschaftlichen und gastronomischen Kennt - nisse verschwendet, immer antwortete sie mir:

Ja wohl, Nahrungsstoff oder nich, Sie kennen die Menschen nich, Madame. Je besser sie des Fleisch schmeckt, je mehr wollen sie davon haben. Es is janz jut, daß es nich immer so delikat is, da bleibt doch mitunter ein bischen zum Aufschneiden für den Abend.

Nun frage ich aber einen Menschen, ist das ein humaner Grund, das Fleisch, anstatt beim Schlächter - meister H., auf dem Markt zu kaufen!

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Mit diesem Sparsamkeitsprinzip steht im Zusammen - hang das Hausfrauendogma, nach welchem Sehnen, Knochen und Knorpel dem Dienstmädchen am Besten schmecken und ihm am zuträglichsten sind, und die un - nachahmliche Geschicklichkeit, mit der die Hausfrau diese, dem Thiere zwar sehr nothwendigen, dem Magen des Menschen aber sehr entbehrlichen Bestandtheile so zu arrangiren versteht, daß sie wie köstliches Fleisch er - scheinen; eine schalkhafte kleine Spitzbüberei, die zu den gebräuchlichsten Listen und Kunstgriffen der guten Haus - frau gehört.

Außer an den Lebensmitteln übt die Hausfrau ihre Sparsamkeit auch an lebendigen Gegenständen, als da sind Näh - und Wäscherinnen, Handwerkern u. s. w., überhaupt an jeglichen Haus - und Küchenlieferanten, der es nicht verstanden hat, sich mit dem Aushängeschild prix fixes vor ihren Angriffen zu decken. Sie han - delt, feilscht, schachert, sie überredet, schmeichelt, spinnt Jntriguen, lügt wie gedruckt.

Hier umgarnt sie einen Handwerker mit der Lüge, daß sie bei Herrn N. N. die Stiefel um so viel billiger gekauft habe. Dort heuchelt sie einen Ohnmachtsanfall, beim Anhören eines Preises, von dem sie sehr wohl weiß, daß er auffallend mäßig ist.

Man muß mit einer guten Hausfrau Einkäufe ge -61 macht haben, um sich von ihren Flunkereien, Unver - schämtheiten und jesuitischen Kunstgriffen eine Vorstellung zu machen. Sie spart an Kleiderstoffen.

Stets braucht sie einige Ellen weniger als andere Frauen. Sie rühmt sich dessen sehr und merkt gar nicht, daß man ihr die fehlenden Ellen ansieht.

Jch erlaube mir nicht, eine Sparsamkeit, wie ich sie hier geschildert habe, zu tadeln. Jch meine nur, wo seine natürliche Neigung dazu treibt, dem muß die Aus - übung dieser Hausfrauentugend unerträglich schwer fallen.

Jch gebe zu, daß in einem Haushalt, wo vielleicht monatlich 100 Thaler gebraucht werden, sich auf diese Weise 5 6 Thaler ersparen lassen. Und wo es sein muß, da mag dieses Feilschen, Scharren, Knochen - und Abfallsammeln seinen Lauf haben, wo es aber die Ver - hältnisse nicht gebieterisch fordern, widerrathe ich es dringend.

Diese Sparsamkeit demoralisirt; sie demoralisirt, weil sie Gewinn zieht aus dem Schaden Anderer.

Eine solche Hausfrau kapitalisirt zuletzt die Leib - schmerzen ihrer Kinder (ein krankes Kind darf nichts essen), die Kolik ihres Mannes (er darf kein Bier trinken).

Sie tröstet sich über seine Abwesenheit wegen er - sparter Butterbrote. Sie zählt ihren Angehörigen die62 Bissen in den Mund und kann sich einer leichten Er - bitterung gegen vielessende Gäste nicht erwehren. Ja, diese Sparsamkeit deprimirt den Geist, verengt das Herz und die ganze Welt kommt einem zuletzt wie eine große Sparkasse vor, in welcher Derjenige das größte Verdienst hat, der die meisten Dreier hineinlegt.

Jch bewundere diese Tugend, sie nachzuahmen habe ich keinen Wunsch.

b. Zweites Dogma der guten Hausfrau: Jmmer hinter den Mädchen her sein.

Der guten Hausfrau Wohnung gleicht einem Jagd - revier. Sie ist die Jägerin und die Dienstboten sind die armen gehetzten Thiere.

Jmmer hinter ihnen her; in den Stuben, in der Küche, auf dem Boden und im Keller.

Keinen Augenblick, sagt sie, darf die Auguste vor mir sicher sein, sonst thut sie nichts.

Bald entwindet Madame ihr den Besen, um ihr zu zeigen, wie der gebildete Mensch fegt, bald fuchtelt sie ihr mit dem Staubtuch unter der Nase herum.

Madame verschwindet, um ein Kleines aber ist sie wieder da, scheltend, drohend, keifend; auf den zarten Fingern trägt sie das corpus delicti , eine Quantität Staubes, den sie auf den schwer zugänglichen Höhen eines einsamen Schrankes aufgegriffen. Sie hätte das63 Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand - that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst - boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich zu geben.

Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath.

Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge, sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter - rücks den wehrlosen Feind.

Und was hat sie hören müssen!

Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll , und sie klein geschrieben.

Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt, tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor - mittagskeiferei eine zuträgliche Motion.

Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen - räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz -64 pantoffels, und ihre Züge verrathen Unmuth, wenn sie den Augenblick verpaßt, wo die Waschfrau die ver - brecherische Lauge in's Wasser zu gießen liebt.

An heißen Nachmittagen, wenn Auguste nicht anders glaubt, als daß Madame träumend auf sanftem Pfühle ruht, schreckt die Nimmerrastende ahnungsvoll vom Sopha empor. Ein Bild stellt sich ihrem Geiste dar. Welch ein Bild!

Auguste in einem unaufgewaschenen Chaos von Töpfen, Tigeln, Tellern und Speiseresten, auf einem Schemel sitzend und nickend! Geräuschlos stürzt sie in die Küche, dies Mal hofft sie die Tagediebin, die Duselliese in flagranti zu ertappen. Das Ertappen gehört überhaupt zu den glücklichsten Augenblicken der Hausfrau.

Die Methode des Hinterherseins muß ich als eine verwerfliche bezeichnen. Zuvörderst, weil sie ganz und gar unpraktisch ist.

Madame ob das Mädchen ihre Sache schlecht oder gut macht, das sehen Sie, auch ohne das arme Wurm beständig mit ihrer Gegenwart zu erschrecken und zu incommodiren. Sie sehen es, wenn sie gelegentlich die Zimmer und Wirthschaftsräume passiren, insofern Sie überhaupt Sinn für Ordnung haben.

Glauben Sie mir, ein Mädchen, bei dem Anfangs65 ihre freundlichen Vorstellungen und später ihre strengen und eindringlichen Ermahnungen nichts fruchten, bei einem solchen wird Jhr Jagen und Hetzen, Jhr Schelten und Anschnauzen nicht die allergeringste Wirkung hervor - bringen. Jm Gegentheil, was Friederike früher nur aus Trägheit und Unachtsamkeit versäumte, das wird sie jetzt aus absichtlicher Bosheit unterlassen.

Ferner kann ich diese Behandlungsart deshalb nicht billigen, weil beide Parteien dabei, die herrschende und die dienende, Schaden an ihrer Seele leiden.

Jn dem Dienstmädchen geht jede Spur von Selbst - verantwortlichkeit und Ehrgefühl zu Grunde, sie verliert die Liebe zur Arbeit und zur Herrschaft. Die Frau aber giebt ihre Würde preis, sie zerstört den Boden, auf dem wahre Güte gedeiht, und stirbt nützlicher Be - schäftigung ab.

Gott sei Dank, nicht jede Frau ist zum Voigt und Sklavenaufseher geboren, nicht für jede ist die Peitsche das Symbol, unter dem sie ihren Hausstand regiert.

Und dann, meine Damen, welcher Mangel an Oekonomie, welche Zeitverschwendung dieses Hinterher - sein . Zu einer Arbeit, die Einer besorgen könnte, zwei Menschen! Wie können sie solche Methode mit ihrem sparsamen Gewissen vereinigen.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 566

c. Drittes Dogma: Eine ordentliche Haus - frau muß die Speisekammer stets verschlossen halten.

Kein Brosamen, der von der Herren Tische fällt, keine alte Semmel darf Fräulein Langfinger in der Küche erreichbar sein.

Selbstverständlich, werden meine Leserinnen zu - stimmend nicken, und wohl manche Hausfrau würde, wenn es nicht der Sitte allzu sehr widerspräche, Fuß - angeln und Selbstschüsse vor ihrer Speisekammer an - bringen lassen, oder mindestens zauberfeste kleine Arn - heims requiriren.

Jch kenne Musterwirthschaften, in denen die Haus - frau dem Mädchen jede Kartoffel und jedes Stückchen Holz, das verbrannt werden soll, zuzählt.

Jch will hier bemerken, daß dieses Dogma kein, allen civilisirten Nationen gemeinsames ist. Jn Nord - amerika z. B. würde ein Mädchen es für den größten Schimpf halten, wollte man die Speisekammer vor ihr verschließen.

Man sieht, daß in Bezug auf Speisekammerverhält - nisse die Naturgesetze wanken.

Die verschlossene Speisekammer ist vorzugsweise ein Dogma der deutschen Hausfrau, und nicht nur der orthodoxen, sondern auch der allerliberalsten.

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Jch aber erlaube mir zu meinen, daß dieses Verschluß - system eine unwürdige und unzweckmäßige Einrichtung ist, für deren Abschaffung ich plaidire.

Jn den meisten Haushaltungen wird die Köchin mit den nöthigen Zuthaten zu den Speisen in folgender Weise versorgt:

Nach dem Frühstück pflegt die Hausfrau mit einem großen Schlüssel das Allerheiligste des Hauses, die Speise - kammer, zu öffnen, um in zweckentsprechenden Gefäßen häufchenweise Zucker, Butter, Mehl, Eier u. s. w. auf - zuschichten. Nachdem dieses Werk vollbracht, verläßt sie die Küche.

Welche Mittel stehen nun der Hausfrau zu Gebot, diese Zuthaten vor dem Diebssinn der Köchin sicher zu stellen?

So sehr ich meinen Verstand anstrenge, kann ich nur etwa folgende entdecken.

Madame läßt sich ihr Nähtischchen in die Küche bringen, faßt dort Posto und verwendet kein Auge von der Köchin, bis nach und nach die kostbaren Zuthaten ihre Bestimmung erfüllt, d. h. zerflossen, verdampft, zerschlagen, zerrührt, zerquirlt sind.

Wie ein Wachtposten im Kriege darf sie sich nicht einen Augenblick entfernen.

Das Mittel, wie sie sehen, meine Damen, ist etwas5*68zeitraubend und kann unter Umständen recht unbequem werden. Jch schlage deshalb ein anderes vor:

Madame wägt die Waaren, ehe sie dieselben schutz - los der Köchin preisgiebt, mit einer Waage genau ab, und jedes Mal, wenn der Augenblick gekommen ist, wo diese oder jene Zuthat verbraucht werden soll, so läßt sie sich rufen. Abermalige genaue Abwägung, und da - rauf Beiwohnung des chemischen Prozesses der Auflösung der theuern Jngredienzien in die Speisen.

Versäumt die Hausfrau, einer dieser beiden Vor - schriften nachzukommen, so darf sie niemals aufhören, für Eier, Butter, Mehl und Zucker, Gries und Reis u. s. w. zu zittern.

Sich die Form der Häufchen merken, heimliche Zeichen anbringen, das Alles sind Listen und Kniffe, mit denen die Köchin längst vertraut ist, das sind Klippen, die sie zu umschiffen, Festungen, die sie zu unterminiren weiß.

Die verschlossene Speisekammer ist kein Schutz gegen die Naschhaftigkeit der Dienstboten.

Wäre sie es, woher dann die unaufhörlichen Klagen über die Diebereien der Köchin?

Sollte man es nach diesen Litaneien überhaupt für möglich halten, daß unter irgend welchen Umständen mehr gestohlen werden könnte, als es heut bei der ver - schlossenen Speisekammer bereits geschieht?

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Und Alles und Jedes kann man doch nicht unter Schloß und Riegel legen. Dinge, wie Petroleum, Wichse, Pomade, Zöpfe, Haarnadeln u. s. w. pflegen unverschlossen zu bleiben.

Jch hatte einmal eine Köchin, die mir täglich für zwei Groschen Wichse anschrieb, so daß unsere ganze Familie bei dem Kaufmann in den Verdacht kommen mußte, sich der Wasserstiefeln zu bedienen.

Man erlaube mir jetzt von den Vorzügen der offenen Speisekammer zu sprechen.

Bei einer solchen müßte selbstverständlich das ab - scheuliche und demoralisirende Kostgeld fortfallen. Man soll Niemand in Versuchung führen.

Jn Berlin erhält ein Dienstmädchen durchschnittlich (exclusive Mittagbrot) 3 Thaler Kostgeld. Jede Haus - frau, bis zur allerdümmsten herunter, weiß ganz genau, daß selbst das ätherischste und magerste Dienstmädchen dabei nicht zur Sättigung gelangen kann.

Jn völlig corrumpirten Staaten, bei elenden Ver - waltungszuständen kommt es vor, daß Beamte ein Ein - kommen beziehen, von dem sie notorisch ihre Familien nicht erhalten können. Man verweist sie von Staats - und Rechtswegen auf die Bestechung. Das ist genau dasselbe Verfahren, das man unseren Dienstboten gegen - über in Anwendung bringt.

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Aus dem Munde der achtbarsten Frauen habe ich gehört, wenn von der Unzulänglichkeit dieser drei Thaler die Rede war: Es fällt mir gar nicht ein, den Mädchen mehr zu geben, sie stehlen ja doch wie die Raben, so wie so.

Kann man sich ein verwerflicheres Verfahren denken?

Ein Vorzug der offenen Speisekammer ist: Die Er - weckung des Ehrgefühls bei den Dienstboten.

Wem ich etwas anvertraue, der besinnt sich dreimal, ehe er das Vertrauen mißbraucht.

Unter allen Schriftstellern, die jemals ethische Re - flexionen angestellt haben, ist wohl kaum einer, der nicht in irgend einer Form dem Gedanken Ausdruck gegeben hätte, daß der Mensch sich um so besser zeigt, je besser man von ihm denkt.

Dieser Satz ist vollkommen richtig, und ich sehe keinen Grund, bei seiner Anwendung von den Dienst - mädchen abzusehen.

Zweitens. Bei der offenen Speisekammer fällt das Bedürfniß des Stehlens fort.

Das Mädchen darf Butter und Brot im Verhältniß zu ihrem Appetit verbrauchen.

Sie erbleichen, Madame, und stottern:

Was! so viel sie will?

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Madame, ich werde eine Frage an sie richten, und bitte mir eine offene Antwort aus.

Soll Jhrer Ansicht nach das Mädchen in Jhrem Hause Hunger leiden?

Sie verneinen entrüstet.

So fürchten Sie vielleicht, daß sie sich in unmäßiger Gier den Magen überlade und Jhnen in Folge gastrischer Zustände 10 Thaler für die Charité erpresse?

Das wollen Sie gerade nicht behaupten, aber dennoch indessen der Landsmann, der Vetter der Schatz.

Jn der That, Sie haben Recht; das ist die einzige Gefahr, die bei der offenen Speisekammer nahe liegt, aber auch sie ist nicht so unvermeidlich, wie es auf den ersten Blick scheint.

Kein Dienstmädchen, bei dem heutigen Stande ihrer moralischen Erziehung, rechnet es sich für eine Sünde an, ihren eigenen Appetit widerrechtlich an den Lebens - mitteln der Herrschaft zu befriedigen.

Von dem ihr anvertrauten Gut aber aus dem Hause tragen, grenzt schon an wirklichen Diebstahl, und vor einem Mädchen sich zu schützen, das auf so bedenkliche Abwege vom Pfade der Tugend gerathen ist, wird in jedem Falle schwer sein. Von den Lebensmitteln ist nur72 ein Schritt zu den Cigarren des Herrn, zur Wäsche, zu Töpfen, Tigeln und Portemonnaies.

Die unbemerkte Ausführung gestohlener Gegenstände wird übrigens dem Mädchen nur in seltenen Fällen ge - lingen, denn jede Hausfrau kennt die Durchschnitts - quantität der Waaren, die sie monatlich oder wöchentlich verbraucht. Eine größere Differenz würde alsbald ihren Argwohn erwecken. Das als diebisch erkannte Mädchen wäre sofort zu entlassen.

Vor Diebinnen und schlechten Mädchen könnten sich übrigens die Herrschaften auf dem einfachsten Wege von der Welt schützen.

Sie brauchten dem Mädchen nur anstatt unverschäm - ter Lügen ein aufrichtiges, wahrheitsgetreues Zeugniß in den Schein zu schreiben.

Auch ich schreibe fast jedem Mädchen, wenn auch mit Widerstreben, das stereotype gut und weil ich mich verändern wollte in den Schein, mag sie sich auch noch so ungenügend erwiesen haben. Wo Alle lügen, habe ich kein Recht, wahr zu sein, und auf dem Altar meiner Wahrheitsliebe ein armes Mädchen zu schlachten.

Das ist so zu verstehen: Wenn ich meiner Karoline der Wahrheit gemäß in den Schein schreibe: mitunter unordentlich und naseweis, kocht ungenügend, so übersetzt sich jede Herrschaft, der die unglückliche Karoline diesen73 Schein präsentirt, meine Censur folgendermaßen: Die unverehelichte Karoline B. ist ein Ausbund von Laster - haftigkeit und völlig unbrauchbar.

Jede Hausfrau weiß nämlich, daß selbst die nichts - nutzigsten Mädchen gute Scheine haben; was muß also, denkt sie folgerichtig, jene Karoline verbrochen haben, um eine solche Kritik herauszufordern!

Jedes anständige Haus ist ihr fortan verschlossen und Karoline, die trotz ihrer Fehler vielleicht noch zu den besseren Mädchen gehört, ist in's Unglück gestürzt. Wären alle Scheine wahrheitsgetreu, so würde sich der Karolinens noch als einer der besseren erweisen.

Jch hatte einmal ein Hausmädchen, die in ihren frechen Diebstählen eine bewunderungswürdige Routine verrieth. Jn ihrem Schein aber hatte gestanden ehrlich .

Als ich später einmal zufällig mit der Ausstellerin dieses Scheins zusammentraf und ein leiser Vorwurf, dieses Zeugnisses wegen, über meine Lippen kam, ent - schuldigte sich Frau N. N. etwas verlegen: Gott, die Bertha habe sie gerade so sehr um das ehrlich gebeten, und da habe sie gedacht, sie könne sich ja wohl bessern u. s. w.

Eine andere, mir als bescheiden und liebenswürdig empfohlene junge Dame für die Küche, erwies sich als unsäglich impertinent. Diesmal lautete die Entschul - digung meiner Vor-Märtyrerin: Nehmen Sie's nur74 ja nicht übel, aber ich dankte Gott, daß ich endlich das Geschöpf los wurde. Ein naives Dankopfer an die Adresse des Gottes, der geboten hat: Du sollst nicht falsches Zeugniß ablegen.

Ein mir bekannter Herr kleidete dieses gemeinschäd - liche Manöver in ein Witzwort, indem er sagte: Meine Frau lobt sich immer ihre schlechten Dienstmädchen weg.

Ein anderer beliebter Vorwand der Hausfrau für ihren Lügenschein ist der: Habe mich so lange mit der Person quälen müssen, mag die Frau Doktern sich auch mit ihr quälen. Oder er war diktirt von der Furcht vor den Vettern und Landsmännern des Mädchens, oder vor ihrer üblen Nachrede.

Gute Frau, der Verläumdung entgehst Du in keinem Fall.

Bei mir erkundigte sich einmal eine Dame nach einer Köchin, die ich, weil des Kochens völlig unkundig, nur einige Wochen behalten hatte.

Als ich der miethslustigen Dame ehrlich gestand, Luise könne nicht kochen, antwortete sie mir: Aber die Luise habe ihr doch erzählt, daß sie bei mir drei Wochen hintereinander jeden Tag habe Beefsteaks machen müssen, und sonst weiter nichts. So rächte sich Luise dafür, daß ich ihr eines Tages die schwärzlichen und zähen75 Klöße, die sie uns als Beefsteaks hatte oktroyiren wollen, ungegessen in die Küche zurückschickte.

Der praktische und moralische Gewinn eines wahr - heitsgetreuen Zeugnisses würde ein ganz außerordentlicher sein. Das gute Mädchen fände in dem guten Zeugniß eine wirkliche Belohnung, das schlechte eine Strafe (jedes Unrecht fordert seine Sühne), und in der Strafe die Anregung zur Besserung.

Eine Zeit des Kummers und der Noth würde in vielen Fällen eine Einkehr bewirken.

Das heuchlerische Zeugniß dagegen erweckt in dem Mädchen eine gewisse Verachtung gegen die Herrschaft, und dann warum soll sie sich bessern? Auf Grund des guten Zeugnisses bekommt sie ja doch einen guten Dienst, und das häufige sich verändern ist auch nicht ohne Reiz.

So schwindelt sie sich Jahr ein, Jahr aus durch, Zwietracht und Unbehagen in die Familien tragend, bis sie endlich mit Hülfe ihrer diebischen Ersparnisse einen Mann findet, an dem sie dann das Geschäft des Zwietracht Säens fortsetzt.

Man sieht, dieses scheinbar so harmlose und durch die Sitte fast gebotene falsche Zeugniß ablegen ist von betrübendster Tragweite.

Als weiterer Vorzug der offenen Speisekammer ist76 zu bezeichnen: die größere Verantwortlichkeit der Köchin, der wiederum die größere Liebe zu ihrer Thätig - keit entspringt.

Das Wort Schillers: Es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken, gilt ebenso vom Staatsmann, wie von der Köchin.

Jeder hat wohl schon in seinem Leben auf irgend einem Gebiete die wohlthuende Wirkung der Selbst - verantwortlichkeit empfunden.

Wenn Madame jedes Ei, jedes Stückchen alte Semmel selbst herausgiebt, in den Topf brockt, so scheert sich die Köchin viel darum, ob die Speisen schmecken oder nicht. Madame ist ja verantwortlich.

Fernerer Vorzug: Die selbstverantwortliche Köchin wird im Stande sein (vorausgesetzt, daß sie es gelernt hat), wirklich schmackhaft zu kochen, denn sie ist nicht mehr auf das Kunststück angewiesen, ohne ausreichende Butter einen fetten Kohl, ohne den nöthigen Zucker eine süße Speise herzustellen. Die haus - frauliche Knauserei deprimirt nicht mehr ihre Kochkunst.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich mittheilen, daß mir von dem Tage meiner Verheirathung, ohne jegliche Pause, von den Dienstboten Lebensmittel ent - fremdet worden sind, bis zu dem Augenblick, wo ich die Speisekammer öffnete. Hätte ich es früher gethan, wie77 viel Aerger und Butter und Zucker wäre mir erspart worden.

Wie lebhaft eine Köchin den humanen Geist dieser Reform zu empfinden im Stande ist, mag Folgendes beweisen: Jch hatte die erstaunliche Neuerung erst kürzlich eingeführt, als ich den Besuch einer nahen und mir lieben Verwandten erhielt. Das Entsetzen dieser jungen Frau über meinen revolutionären Einfall war unbe - schreiblich. Sie war außer Stande, eine müßige Zu - schauerin zu bleiben, wo ich mich zu Grunde richtete. Und so erschien sie denn am zweiten Morgen meiner Gastfreundschaft im Frühstückszimmer, in der geschwun - genen kleinen Hand den abgezogenen Schlüssel haltend. Sie übergab ihn mir feierlich und machte ihre Achtung vor mir von meinem Verhältniß zu diesem Schlüssel abhängig. Jch gestehe beschämt, daß ich in einem An - fall verwerflicher Feigheit und Höflichkeit den Schlüssel an mich nahm, allerdings mit dem heimlichen Vorbehalt, ihn sofort nach der Abreise der kleinen Tyrannin wieder in's Schloß zu stecken.

Aber was geschah nun?

Meine Auguste in der Küche schwamm in Thränen, das ganze Haus gerieth in Aufregung, sie rührte nicht Speise und Trank an, selbst ein eigens zu dem Behufe der Tröstung herbeigeschafftes Stück Kuchen blieb ohne78 Wirkung auf ihr verletztes Gemüth. Wir hatten nur die Wahl: Auguste als verhungerte Leiche in den Fluthen ihrer Thränen dahintreiben zu sehen, oder: Wiedereröff - nung der fraglichen Kammer.

Natürlich steckte ich den Schlüssel, beladen mit der Verachtung der kleinen Verwandten, wieder ein.

d. Viertes Dogma der guten Hausfrau: Möglichst viel im Hause thun lassen.

Vergebens stellst Du einer guten Hausfrau vor, daß die Wäsche außer dem Hause ihr nicht theurer zu stehen kommt, als die im Hauskeller besorgte.

So, antwortet sie, nicht wahr, ich soll mir wohl mein gutes Leinen durch Lauge und anderes fressendes Zeug zu Grunde richten lassen!

Du fragst nach den Garantien, die ihr die Wäsche im Hause vor derartigen unangenehmen chemischen Ver - suchen bewahrt, und machst sie zu gleicher Zeit darauf aufmerksam, daß es zum großen Theil dieselben Wasch - frauen sind, die abwechselnd in öffentlichen und Privat - waschanstalten und Hausfrauen-Kellern funktioniren.

Sie bleibt natürlich die Antwort schuldig, scheint aber im Allgemeinen anzunehmen, daß die Waschfrau unter ihrer Direktion, aus ehrerbietiger Scheu vor ihrem Scharfblick, der Lauge sich entweder ganz enthalten, oder diese Höllenessenz doch wenigstens erst in dem Augen -79 blicke der Wäsche nähern werde, wo sie der Herrin Schritt hört, oder ihr zornmüthiges Auge an der Keller - luke erblickt, so daß ihr, der Hausfrau, noch Zeit bleibt, dem Frevel Einhalt zu thun.

Zur Zeit der großen Wäsche gehört die Hausfrau zu den schrecklichsten der Schrecken. Selbst aus ihrem Mutterherzen scheint anstatt Weisheit ätzende Lauge und Seifenschaum zu fließen.

Die Kinder, die armen, werden in Winkel gesteckt, auf Stühlen festgebunden, ihr klägliches Schreien wird mißachtet, oder durch Brotrinden und Klapse erstickt.

Auch der Hausherr wird in Mitleidenschaft gezogen, einmal durch die rasche, kampfesmuthige Laune seiner Ehehälfte, und dann durch ausgesuchte, auf die Wasch - frauen berechnete Diners. Eine beliebte Mahlzeit an Waschtagen ist: Griessuppe, saure Kartoffeln und Bou - letten, zu welchen letzteren die ganze Woche über, zu Nutz und Frommen der Waschfrauen, die Fleischreste ge - sammelt worden sind.

Die Sucht, möglichst viel im Hause thun zu lassen, erzeugt mitunter Rückschläge in mittelalterliche Sitten. So besuchte ich vor einiger Zeit eine Dame und fand sie beim Seifekochen. Die sonst sehr gescheute Frau schien selbst ein böses Gewissen über ihren abenteuer - lichen Einfall zu haben, denn sie setzte mir allzu eifrig80 auseinander, daß ihr dieses Seifengeschäft 15 Silber - groschen einbringe. Sie vergaß aber zu berechnen, daß ihr Gatte, falls der Himmel ihn an solchen Tagen nicht mit einem tüchtigen Schnupfen beschenkt, mindestens für 1 Thaler Eau de Cologne auf dem Altar der Göttin des Wohlgeruchs zu opfern gezwungen wird.

Um meine Leserinnen nicht zu ermüden, will ich jetzt von den Dogmen der Hausfrauen ablassen und zu ihren hervorragenden Lastern übergehen.

Erstes Laster: Die gute Hausfrau kann nicht kochen.

Andere Frauen können zwar auch nicht kochen, aber es besteht dennoch ein großer Unterschied zwischen diesen und jenen.

Die gute Hausfrau nämlich kann nicht kochen und glaubt, daß sie kochen kann, andere Frauen hingegen wissen, daß sie in der Kochkunst nichts leisten und geben sich deshalb Mühe, eine gute Köchin zu engagiren.

Eine gute Hausfrau bringt es fertig, Dir ein mit Gewürz wohlgespicktes Filet vorzusetzen; in kindlicher Unbefangenheit reicht sie Dir gezuckerten Salat dar, während sie an Puddings und Mehlspeisen den Zucker nur vorsichtig nähert.

Jch hatte einmal direkt von einer guten Hausfrau eine Köchin bezogen, die mir mit Zucker angemachte81 Bratwurst auf den Tisch brachte. Als ich mir einige Bemerkungen darüber erlaubte, antwortete sie mir ganz naiv und erstaunt: Aber Madame, das kocht man so, die Frau Professorin, wo ich zuletzt diente u. s. w.

Zucker und Butter sind überhaupt die schwachen Seiten der Hausfrau, ihre Seele steht in einem fort - währenden Rapport mit ihnen.

Uebrigens ist es nicht allein die Sparsamkeit, die Madames Geschmacksnerven deprimirt, sie hält wirklich ihre Familiendiners, die sie unter der Firma: Auguste oder Friederike und Comp. liefert, für vortrefflich.

Jch kann mich nie einer leichten Beklemmung er - wehren, wenn ich bei einer befreundeten Familie zu Tisch geladen, zu einem Gericht besonders verlockt werden soll, daß die Hausfrau oder Haustochter eigenhändig zu - bereitet hat.

Wenn ich ganz aufrichtig sein soll, so gestehe ich, daß ich, wenigstens was Berlin betrifft, nur bei reichen Leuten gut gegessen habe (selbstverständlich denke ich, wenn ich von gut spreche, nur an die Qualität, nicht an die Quantität der Gerichte), bei Banquiers z. B., bei Leuten, die sich eine perfekte Köchin halten, oder die ihre Diners und Soupers bei anerkannten Küchencelebri - täten bestellen.

Die Hausfrauendiners aber taugen in der RegelDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 682ganz und gar nichts. Es herrscht dabei eine übertünchte Armseligkeit, eine Hinterlist, die einem einen aufgebra - tenen Hecht in eleganter Garnirung als feinen Diner - fisch vorsetzt, den himbeerröthlichen Mehlbrei als köstliche süße Speise preist, und die Backpflaume zu unverdienten Ehren bringt.

Ganz im Argen liegt die Kochkunst der Hausfrauen in kleinen Städten.

Nie werde ich jene eigenfabricirten Himbeeressige ver - gessen, die bei landräthlichen Kaffee's mit selbstgebackenen Kirschkuchen herumgereicht wurden. Nie vergesse ich jene Kartoffelkuchen (o schnöde Entweihung des Wortes Kuchen), nie jene vielgerühmten Tischels, bei denen alte Semmeln und harte Rosinen in einem mir unbekannten Fett düster einhertrieben.

Die Höflichkeit zwang mich, dergleichen Delikatessen in meinem schuldlosen Magen zu begraben. Jch setzte ihnen die Jnschrift: Sanft ruhe ihre Asche. Ach sie ruhte nimmer.

Wem schaudert nicht die Haut, wenn ich des Familien - kaffee's gedenke. Er ist längst zum sprüchwörtlichen Spott geworden.

Diese Küchen-Misere erpreßte wahrscheinlich einer Schriftstellerin (Frau Reichardt) in ihrem Buch über:83 Frauenberuf den Schmerzensschrei: Man sollte alle Frauen zu denkenden Köchinnen erziehen.

Liegt hier nicht der Einwurf nahe, daß es vielleicht besser wäre, anstatt alle Frauen zu Köchinnen, alle Köchinnen zum guten Kochen zu erziehen?

Nach heutiger Sitte überläßt man es gemeiniglich dem Zufall, ob das Dienstmädchen in ihrer aufsteigenden Carriere vom Proletarierkind zum Kindermädchen, Mädchen für Alles, Hausmädchen bis zur Köchin vom Hören - sagen, Zusehen und durch eigene Versuche so viel profi - tiren mag, um schließlich einer anständigen Beamten - oder Kaufmannsfamilie durch ihre Kochkunst das Mittags - essen zu verleiden.

Meiner Meinung nach ist das gründliche Erlernen die Hauptsache bei der Kochkunst, obgleich ich nicht leugnen will, daß Dummheit selbst die beste Köchin entstellen kann.

Eine denkende Köchin! Jm Allgemeinen pflegt man nur die Dinge zu bedenken, über die man noch nicht völlig im Klaren ist. Wenn Madame, die Polyhymnia in der Küchenschürze, nun vor einer Pfanne mit einer Bratwurst stände und anfangen wollte, darüber nachzu - denken: kochst Du sie so oder kochst Du sie anders? könnte nicht mittlerweile die tückische Bratwurst das An - brennen oder das Platzen kriegen?

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Jn jedem Fall wäre es mir lieber, ein tüchtiges Stück Rindfleisch im Topf, als der Geist der kochenden Haus - frau über dünnem Wasser. 9 / 10 Fleisch und l / 10 Ge - danken ziehe ich dem umgekehrten Verhältniß vor.

Einer meiner Bekannten, der Schriftsteller ist und viel in Druckereien zu thun hat, sagte mir einmal: Nichts sei furchtbarer als ein denkender Setzer.

Und was für eine wirtschaftliche Verschwendung! eine Naturköchin am Heerd und eine geistreiche Köchin hinter ihr, vergleichbar dem Gesellschaftsscherz, wo der Eine declamirt und der Andere die Gesten dazu macht.

Und warum eine solche Parteilichkeit für Küche und Magen? Warum nur denkende Köchinnen? warum nicht auch denkende Scheuerfrauen, denkende Flick - frauen u. s. w.

Und sollte man nicht ebenso gut, wie alle Frauen zu denkenden Köchinnen, alle Männer zu denken - den Stiefelputzern erziehen? Mit wie viel mehr Einsicht und Urtheil könnten sie dann ihre Berufs - stiefelputzer, anstatt mit ihnen über die übelgewichsten Stiefel zu grollen, eines Besseren belehren; und dabei wäre zugleich eine sociale Frage gelöst, die so oft auf - geworfen wird, nämlich: Wenn alle Menschen an höherer Bildung participiren, wer putzt uns die Stiefel?

Vielleicht hat der Frau Reichardt, als sie ihre geist -85 reiche Ansicht niederschrieb, ein Ausspruch der Mrs. Stowe vorgeschwebt. Als diese nämlich eines Tages von einem Neugierigen gefragt wurde, wie sie Onkel Tom verfertigt habe, antwortete sie: Mein Herr, in - dem ich allein unser einfaches Mittagbrot bereitete. Mrs. Stowe spricht sich allerdings nicht näher darüber aus, ob das Kochen Onkel Tom wesentlich gefördert, oder ob unter Onkel Tom's Einfluß das einfache Mittag - brot an Schmackhaftigkeit gewonnen habe.

Jch würde aus dieser einfach berichteten Thatsache nur schließen, daß Mrs. Stowe zu arm war, um eine Köchin zu halten, und daß es kein Naturgesetz giebt, welches eine denkende Frau am Kochen hindert, wenn sie es gelernt hat, notabene. Jm Uebrigen aber glaube ich, wird sie wohl den Ausspruch überhaupt gar nicht gethan haben.

Hätte eine Hausfrau nun wirklich erstlich das Denken und zweitens das Kochen gründlich erlernt, so müßte doch noch etwas Drittes hinzukommen, um sie zu einer cor - rekten und perfekten Köchin zu machen, nämlich die Routine.

Die Routine ist das Stichwort für jede mehr oder weniger mechanische Arbeit, sie ist selbst bei geistigem Produciren ein nicht unwesentlicher Faktor.

Jch erlaube mir der fruchtbaren Schriftstellerin Frau86 Reichardt, im Hinblick auf ihre Kochwünsche für das weibliche Geschlecht, einige entsprechende Titel für ihre demnächst zu erscheinenden Werke vorzuschlagen.

Etwa: Der Geist in der Speisekammer oder die Ahnen-Pflaume. Essen oder nicht essen, ein Monolog in Hamlet's Manier vor einer Schüssel Gurken - salat. Der Gedanke und das Rippespeer, Medi - tationen über kalte Küche oder warmes Abendbrot u. s. w.

Jch kenne den Einwand, der Dir, o Hausfrau, schon lange voll verhaltenen Grimms auf den Lippen schwebt: Es ist folgender: Ob ich schlecht oder gut koche, dafür giebt es doch wohl ein Kriterium, das unangreifbar ist: die Zufriedenheit meines Mannes.

Jch sehe mich leider in die Nothwendigkeit versetzt, diese Autorität ablehnen zu müssen.

Gott sei's geklagt, die allergebildetsten Männer in Deutschland haben, in Bezug auf Speise und Trank, einen wahrhaft barbarischen Geschmack. Wie oft habe ich in früheren Jahren, wenn wir nach dem Theater mit Bekannten und Freunden meines Mannes die üblichen Restaurants besuchten, mit leisem Schauder wahrgenom - men, wie diese mehr oder weniger geistreichen Herren mit Appetit Fleischspeisen verzehrten, die an Thiere erinnerten, die im gewöhnlichen Lauf der Dinge des Schlachtens ungewohnt zu sein pflegen.

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Ein Freund meines Mannes, ein hervorragender Jurist, überraschte uns eines Mittags, als meine sonst rühmenswerthe Köchin uns durch ein angebranntes Ge - richt betrübt hatte. Auf unsern Freund übte gerade dieses Gericht einen besonderen Zauber aus, und er er - klärte es für famos. Jch erinnere mich noch wie heut, es waren Birnen und Klöße.

Dieser Unglückliche, wenn der einmal eine Frau be - kommt und diese ihm unangebranntes Essen vorsetzt, so hält er das wahrscheinlich für eine besondere Hausfrauen - Malice.

Es wäre hier die wichtige Frage aufzuwerfen und zu entscheiden: Welches ist die bessere Hausfrau? die ihrem Manne wirklich gutes Essen vorsetzt, oder Die - jenige, die ihm Speisen bereitet, die seinem Geschmack entsprechen?

Was meint die geehrte Hausfrau, wenn ihr Gatte einen schlechten Geschmack hat, ist es ihre Pflicht, ihm schlechtes Essen vorzusetzen? und hat er einen scheußlichen Geschmack, muß sie nicht auch versuchen, diesem Geschmack Rechnung zu tragen?

Ein zweites, die Hausfrau charakterisirendes Laster ist ihr Mangel an Gastfreundschaft. Jmprovisirte Besuche sind ihr ein Gräuel.

Machst Du am Nachmittag Deine Aufwartung zu88 einer Zeit, wo der Familienkaffee im Anzuge ist, so fragt Dich zwar die Hausfrau, ob Dir nicht ein Täßchen Kaffee gefällig wäre, sie spricht aber so gleichgültig darüber hin, oder fragt so laut und scharf, daß die einfachste Höflichkeit Dich zu einem Nein verpflichtet.

Mitunter bietet sie Dir den Kaffee gar nicht erst an, sondern zieht es vor, hinter irgend einem Vorwand auf einige Minuten zu verschwinden, um in entlegenen Räumen eilfertig und einsam den bräunlichen Trank zu schlürfen. Erhitzt und frohlockend ob ihrer Hinterlist kehrt sie dann zu Dir, nichtsahnender Gast, zurück.

Erscheinst Du gegen Abend als unerwartete Visite, so sitzt die Hausfrau wie auf Kohlen. Sie sieht heim - lich alle fünf Minuten nach der Uhr, und die Sorge, Du könntest zu Abend bleiben, zehrt an ihrem Herzen, und während Du mit ihr von den Göthe-Büsten oder Parlamentsgebäuden plauderst, setzt sie ihre Seele mit der Speisekammer in Rapport. Sie läßt die paar Scheiben Wurst da drinnen Revue passiren vor ihrem inneren Auge, sie brütet über einem kleinen Käserest und hängt ihre Gedanken an drei Bouletten, die, vom Mittags - tisch übrig geblieben, nicht zu verwenden sind, wenn Du bleibst.

Und das reine Tischzeug!

Endlich empfiehlst Du Dich, und siehe da, die Gute,89 die bisher etwas kalt und befangen sich zeigte, wird plötzlich überaus liebenswürdig und gemüthlich; sie be - dauert so sehr, daß Du nicht bleiben kannst, sie hofft, daß Du ihr recht bald das Vergnügen machen wirst u. s. w. Sie läßt Dich förmlich das Aufathmen ihrer Seele hören.

Jener wilde Kanadier, der Europens übertünchte Höf - lichkeit nicht kannte, hatte er nicht ein Recht zu sagen, nachdem er den Gatten einer deutschen Hausfrau be - wirthet: Wir Wilde sind doch bessere Menschen.

Uebrigens erleidet diese Ungastfreundschaft der guten Hausfrau auch häufige Ausnahmen.

Es giebt unter ihnen solche, die sogar an Uebermaß von Gastfreundschaft leiden, bei denen diese Tugend einen wahrhaft krampfhaften Charakter annimmt. Sie nöthigen und quälen Dich zum Essen, als wärst Du ohne ihre Dazwischenkunft und Butterbrote dem Hungertode ver - fallen.

Viertes Laster: Schlechte Behandlung des Mannes und der Dienstboten.

Nur die guten Hausfrauen behandeln häufig ihre Gatten und gewöhnlich ihre Dienstboten schlecht. Nur unter ihnen finden sich die Hauskreuze, die bösen Sieben, die Hausdrachen, die Xantippen.

Armer Mann, wenn Du sanft bist und der Himmel Dein Weib mit einem lebhaften Temperament beschenkt90 hat! Unter Gewitterschauern bist Du keinen Augenblick Deiner Ruhe sicher. Aus heiterem Himmel fahren Blitze auf Dich nieder.

Sie scheuert Dir den Frieden aus der Seele, sie plättet Dir frühzeitige Falten in die Stirn, sie raisonnirt Dich in Grund und Boden. Die Gardinenpredigt ist ein Privilegium der guten Hausfrau. Und nichts ist natürlicher, als daß Du schlecht von ihr behandelt wirst, Du sanfter Mann.

Sie hat gar keine Ahnung von Deinem Werth. Was war Sokrates seiner Xantippe! Du bist vielleicht ein großer Sanskrit-Gelehrter. Was ist ihr Sanskrit, wie komisch muß ihr Sanskrit vorkommen. Die Wissen - schaft flößt ihr nur dann Respekt ein, wenn sie in un - verkennbarem Zusammenhange mit einer gefüllten Wirth - schaftskasse steht.

Die Erkenntniß von der Berechtigung jeder Jndivi - dualität, der Widerwillen gegen jegliche Art der Unter - drückung setzt eine ausgebildete Jntelligenz und richtiges Denken voraus.

Ein fünftes Laster der Hausfrau und eins der widrigsten ist ihr Hochmuth, ihr Tugend - stolz, ihr Pharisäerthum. Jch danke Dir Gott, daß ich nicht bin, wie diese da, ist ihr Lieblingsspruch.

Jch will ein Räthsel aufgeben:

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Welche Aehnlichkeit ist zwischen dem Papst und einer guten Hausfrau?

Beide sind unfehlbar.

Wodurch unterscheiden sie sich?

Die Hausfrau ist noch viel unfehlbarer als der Papst.

Dieser hält sich doch nur in kirchlichen Dingen als Hoherpriester für infallibel, als Mensch giebt er seine Sündenfähigkeit zu. Er räumt z. B. ein, daß er sich an einer Gänseleber den Magen eigenhändig verderben kann und macht nicht Gott dafür verantwortlich.

Die gute Hausfrau dagegen, wenn sie durch eine unerhörte Zusammenstellung von Gerichten ihre Familie an den Rand der Cholera gebracht hat, so behauptet sie, nicht sie, sondern die Gurken wären schuld, die Gott so unverdaulich aus der Erde wachsen ließ.

Die Weltordnung hängt ab von ihrer Art zu sein und zu thun.

Wie der Papst hat sie ihre Bannstrahlen, und sie schleudert sie selbst gegen die ihr wahlverwandten weib - lichen Jndividuen, wenn sie nicht so kochen, wie sie kocht, nicht so einmachen, wie sie einmacht.

Sie hat einmal von der Mutter der Grachen gehört, die, als sie von einer Freundin nach ihrem Schmuck gefragt, derselben ihre Kinder vorführte mit den Worten: Siehe da, all' mein Schmuck!

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Mit dem edlen Stolz jener Grachenmutter nennt sie ihre Kinder ihre Politik, das Kochbuch ihre Literatur, die Wäsche ihre Lebensfrage. Sie hält es förmlich für eine Beleidigung, wenn Du ihr z. B. Jnteresse an der Politik zutraust.

Die absolute Sicherheit, mit der sie von ihren Voll - kommenheiten spricht, macht oft selbst den, der mit ihren Schlichen vertraut ist, irre an seiner Einsicht.

So erzählte mir jüngst eine Dame, der keinerlei häusliche Tugenden zuzutrauen, ich allen Grund hatte, daß sie zwölf Arten von Klops zu bereiten verstände.

Und sie sprach mit solchem Feuer, mit so gediegener Sachkenntniß, daß ich nahe daran war, mein durch Präcedenzfälle erzeugtes Vorurtheil fahren zu lassen.

Als ich aber kurz darauf in ihrem Hause Gelegen - heit fand, die erste dieser Klopsarbeiten zu probiren, schenkte ich ihr, meinen Magen zu lieb, der auf steinige Kost nicht reagirt, die elf anderen.

Was der guten Hausfrau ein so großes Ansehen giebt, und ihr vielfach eine förmliche Hochachtung zu - zieht, ist dies:

Wenn sie in unglaublicher Naivetät ihre Schwächen als Vollkommenheiten preist, so lügt sie nicht, sondern spricht aus voller Ueberzeugung und unerschütterlicher Dummheit.

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Sie glaubt an sich wie der Fromme an das Evangelium.

Jhr Glaubensbekenntniß aber lautet also: Jch, Madame Schulz, glaube von ganzem Herzen und mit allen meinen Kräften an mich und meine Küche, an meine Kinderstube und meinen Waschkeller, an meinen Trockenboden und meine Nähmaschine. Alles aber, was darüber ist, ist vom Uebel. Jch glaube, daß, wenn der liebe Gott eine Frau hätte, sie gerade so sein müßte, wie ich. Jch glaube, daß die Dienstmädchen eine nichts - würdige und zu mißhandelnde Race sind. Jede Frau aber, die meine Unfehlbarkeit anzuzweiflen wagt, die meinen Anschauungen entgegen ist, oder sich mit so - genannten Jdeen befaßt, erkläre ich für eine sittenlose und verabscheuenswerthe Emancipirte, für eine Ketzerin, die von Rechtswegen gespießt und mir zu süßem Duft gebraten werden müßte.

Und die Hand begeistert mit dem Besen gen Himmel streckend, setzt sie hinzu: Denn ich war und bin und werde sein eine deutsche Hausfrau!

Von anderen Fehlern der guten Hausfrau wollen wir nicht viel Wesens machen. Angeführt sei noch ihr Vorurtheil gegen frische Luft in einem gewissen Speise - und Ofendunst zu schmoren kommt ihr äußerst gemüth - lich vor ihre Vorliebe für Wärmflaschen und ein -94 heimische Thee's, wie Camillen, Fenchel u. s. w., mit denen bei dem geringsten Uebelbefinden der Magen der Kinder verplempert wird, ihre Neigung, Windeln an den Stubenöfen zu trocknen und Speisenreste in allerhand Röhren aufzubewahren.

Ferner ist ihr vorzuwerfen das Talent, absonderliche Mahlzeiten herzustellen.

Wo anders als bei einer guten Hausfrau bekam ich einst zum Mittagessen: Chokoladensuppe und Eierkuchen mit Mussauce.

Weiter charakterisirt sie eine heftige Abneigung gegen das Wort Geist.

Wenn von einer geistreichen Frau die Rede ist, fühlt sie sich stets persönlich beleidigt, eine solche ist ihr völlig identisch mit einer schlechten Hausfrau.

So sagte mir neulich eine sehr ehrenwerthe Dame, als von einem jungen Mädchen bemerkt wurde, ihre Kragen säßen mitunter schief. Ja, das will ich schon glauben, natürlich, das kommt davon Fräulein B. interessirt sich für Literatur.

Jch komme jetzt zu dem Abschnitt, der von meiner Ansicht über die gute Hausfrau (im eigentlichen Sinne des Worts) handeln soll.

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Noch ein paar Bemerkungen über die gute Gattin und Mutter will ich vorausschicken.

Ob eine Frau eine schlechte oder eine gute Gattin ist, darüber hat ein für alle Mal Niemand sich ein Urtheil zu erlauben. (Fälle ausgenommen, wo ein aus - schweifender Lebenswandel vor aller Welt Augen liegt). Nur das eigene Gewissen der Frau hat sie zu richten oder frei zu sprechen.

Das ganze innere und äußere Leben der beiden Gatten müßte in durchsichtiger Klarheit Demjenigen, der sich zu einem Urtheil für berufen hält, vorliegen.

Und wann wäre das jemals der Fall!

Nicht Jede kann eine gute Gattin sein, die es sein möchte, denn zu einer guten Gattin gehört nothwendig ein guter Gatte.

Jm Allgemeinen wird Derjenige von der öffentlichen Meinung frei gesprochen oder entschuldigt, der persönlich die meisten Sympathien einflößt. Da nun bekanntlich die Frauen mehr Sympathien für das andere, als für ihr eigenes Geschlecht haben, und doch von ihnen allein die öffentlichen Meinungen in derartigen Angelegenheiten abhängen, so sind die unglücklichen Gattinnen meist von vornherein verurtheilt.

Ob eine Frau eine gute Mutter ist (nicht zu ver - wechseln mit einer zärtlichen), hängt nicht von der ge -96 lungenen Dressur ihrer Kinder zur Artigkeit ab, nicht davon, ob sie in der Kinderstube wohnt und keift und wäscht und haut und kämmt.

Allein von dem körperlichen und seelischen Gedeihen des Kindes ist ein Rückschluß erlaubt auf eine gute Mutter.

Wer aber mag entscheiden, wie oft auch hier außer - gewöhnliche Anlagen, schlimmer oder guter Art, entweder eine schlechte Erziehung neutralisiren, oder eine gute zu Schanden machen.

Zur Hausfrau:

Wodurch wird die Frau zu einer guten Haus - hälterin?

Allein durch Verstand und Charakter.

Bei allen eigentlichen Berufsarten kommt es vor - wiegend auf das Können oder das Wissen an, bei der Hausfrau wesentlich auf das Sein.

Was sie zu einer guten Hausfrau macht, ist der Besitz derjenigen Eigenschaften, welche überhaupt einen tüchtigen und guten Menschen ausmachen.

Jm Verlaufe der Abhandlung wird klar werden, was ich meine.

Sehen wir zuförderst, wie es sich mit dem Können der Hausfrau verhält, und worin die ungeheure Arbeits - last, die sie zu bewältigen hat, besteht.

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Von vornherein fällt uns als charakteristisch auf, daß sie nichts ganz, sondern Alles nur ein Bischen thut, daß sie die Arbeiten nicht gründlich, sondern nur so obenhin verrichtet.

Keine Frau, oder fast keine (in den Ständen von denen ich spreche) kocht ganz allein, noch führt oder trägt sie selbst ihre kleinen Kinder spazieren. Auch besorgt sie Wäsche und Näherei nicht ohne Hülfe dienstbarer Geister.

Jm Großen und Ganzen wird ihre Beschäftigung folgende sein:

Sie spielt abwechselnd ein Bischen mit den Kindern und mit dem Klavier, näht ein wenig, guckt in die Töpfe, tauscht ihre Gedanken mit der Köchin aus, und stört diese sehr, schnuppert in der Speisekammer umher, und läßt Flaschen, Kruken und Töpfe verwechsle das Plätzchen spielen. Sie nascht ein wenig, frühstückt, zankt mit Auguste und dem Kindermädchen, plättet ein Kinderkleidchen auf, inspizirt das Brennmaterial, ob der böse Dieb nicht eingedrungen, sucht einen Schlüssel, den sie verlegt hat, läßt sich frisiren, macht Toilette; daran schließt sich ein Spaziergang, oder ein Besuch, noch ein halbstündiges Schnurren auf der Nähmaschine, ein kleiner Handel mit der Hökerfrau, und in den Abendstunden Erfrischung des Gatten durch anmuthiges Geplauder, oder Gesellschaft, Theater u. s. w.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 798

Man sieht, lauter harmlose und zum Theil nützliche Beschäftigungen.

Was aber kann die Hausfrau durch all ihr Thun nicht hindern?

Sie kann nicht hindern, daß die Köchin die Suppe versalzt und den Braten anbrennen läßt, denn wenn diese nichtsnutzigen Geschöpfe von so böser Lust ange - wandelt werden, pflegen sie meist den Augenblick wahr - zunehmen, wo die Frau sich frisiren läßt oder am Klavier sitzt.

Zweitens: sie kann nicht hindern, daß ihr Kinder - mädchen die Kinder auf ihren stundenlangen Spazier - gängen, die häufig an der Seite eines Landsmanns stattfinden, knufft.

Ein Jeder von uns ist wohl auf der Straße ab und zu Zeuge solcher Frevelthaten gewesen.

Jch kann bei dieser Gelegenheit nicht umhin, mich ziemlich verächtlich gegen die Feigheit und die Vorsicht auszusprechen, mit der wir in solchen Fällen, um uns nicht in fremde Angelegenheiten zu mischen, das Kinder - mädchen gewähren lassen.

Diese armen Kinder müßten unter dem Schutz des ganzen Publikums stehen, und an einer Magd, die sich an dem ihr anvertrauten Kinde so schamlos vergeht, sollte Lynchjustiz geübt werden. Wenn ich Gesetze zu99 geben hätte, ich würde die grausamsten Strafen über diese Verbrecherinnen verhängen. Jch habe immer an den Spartanern bewundert, daß sie einen Knaben, der einem Vögelchen, das sich an seinen Busen gerettet, den Hals umdrehte, zum Tode verurtheilten.

Die Hausfrau kann nicht verhindern, daß bei der großen Wäsche die Waschfrau erst dann von ihrer schar - fen Essenz ein Loch in das feine Leinen beißen läßt, wenn die Gebieterin dem Kellerhals entstiegen, schon wieder droben im rosigen Lichte athmet.

Sie kann den Diebstählen nicht wehren. (Siehe Wichse, Petroleum, Pomade u. s. w.)

Wenn also die Hausfrau durch all ihre Selbstarbeit, durch Hinterhersein, Poltern, Schmähen, Schüsselkörbe und Klavierspielen nicht im Stande ist, ihr Kind vor Knuffen, ihre Wäsche vor frühzeitigen Löchern, ihr Eigen - thum vor Diebstählen, ihren Braten vor dem Anbrennen zu schützen, so ist das ein Beweis, daß die herkömmlichen Hausfrauentugenden nicht ausreichen, um wirklich gute Hausfrauen zu erzielen.

Giebt es nun überhaupt Mittel, jene Schreck - und Bitternisse erfolgreich zu bekämpfen?

O ja, bis zu einem gewissen Grad wenigstens.

Wie heißen diese Mittel?

Verstand und Charakter.

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Wie Gottes Geist über dem Wasser, so muß der Hausfrau Achtung gebietende Persönlichkeit über dem Haushalt schweben.

Jch erwähnte schon, daß bei eigentlichen Berufsarten das Können oder Wissen in den Vordergrund tritt.

Den geschickten Tischler erkenne ich daran, daß seine Möbel gut, dauerhaft und geschmackvoll gearbeitet sind, die gute Köchin offenbart sich in den wohlschmeckenden Speisen, die sie bereitet.

Woran erkenne ich aber, wenn ich als Fremder ein Haus betrete, daß eine gute Hausfrau darin waltet?

An der vollkommnen Behaglichkeit, die im Hause herrscht. Diese aber setzt nicht ein bestimmtes Können voraus, sondern die Gabe, die verschiedenen Elemente, Kräfte und Personen, die einen Haushalt bilden, zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen.

Die Behaglichkeit hängt von materiellen und gemüth - lichen Einflüssen ab.

Zu den materiellen gehören: gutes Essen, Licht, Luft, bequeme Möbel, geschmackvolle Anordnung u. s. w.

Ganz gleichgültig aber ist es mir, ob die Frau selbst gekocht, gepolstert, gescheuert, geheizt hat, oder ob sie diese Arbeiten von Andern besorgen ließ.

Das ist meines Erachtens eine rein pekuniäre Frage,101 die nur den Gatten angeht, wenn von seinem Gelde der Haushalt bestritten wird.

Jst er wohlhabend, so wird es ihm wohl ziemlich gleichgültig sein, ob die Frau ihm durch Selbstarbeit 50 Thlr. jährlich einbringt (wir werden später sehen, daß diese Summe nicht zu niedrig gegriffen ist). Liegt ihm aber an den 50 Thalern, nun so mag sie, wenn ihr Geschick oder Neigung zum Nähen und Plätten feh - len, sich das seidene Kleid verbitten, daß der Gatte ihr zu Weihnachten oder zum Geburtstag zu schenken liebt, und das Gleichgewicht ist wieder hergestellt.

Es kann eine Hausfrau mit dem besten Willen den ganzen Tag über waschen, kochen, plätten, nähen und doch eine elende Hausfrau sein.

Wäre es auch nicht ebenso thöricht als ungerecht, eine Frau nach ihren Fertigkeiten in häuslichen Arbeiten beurtheilen zu wollen?

Als ob sich dieses Können nicht nach der Begabung richtete!

Wen die Natur mit zwei linken Händen beschenkt hat, der wird bei ausdauerndem Fleiß, bei aller Müh und Noth nie das erreichen, was eine handgeschickte Frau spielend in der Hälfte der Zeit zu Stande bringt.

Ferner:

Uebung macht in allen Dingen den Meister, und102 da die Frauen des höhern Mittelstandes bei den heutigen Lebenseinrichtungen die häuslichen Arbeiten nicht an - dauernd und täglich, sondern nur ab und zu verrichten, so werden sie niemals mit einer guten Köchin oder Näherin rivalisiren können, sondern sie werden sich diesen Künstlerinnen gegenüber stets wie Dilettantinnen ver - halten.

Es fällt auch der ewigen Gerechtigkeit gar nicht ein, einer Person all diejenige Geschicklichkeit zu verleihen, die zur Herstellung der verschiedenen häuslichen Arbeiten erforderlich sind. Die Hausfrau, die den besten Schmor - braten liefert, wird vielleicht schiefe Säume machen, und diejenige, die mit dem Besen die verborgensten Spinn - weben ans Licht fördert, entbehrt vielleicht des anmuthi - gen Geplauders, um Abends den Gatten zu erfrischen.

Und wie viel junge Mädchen des gut situirten Mit - telstandes lernen denn wirklich aus dem Grunde kochen, plätten, nähen und waschen? Es sehe sich ein Jeder im Kreise seiner Bekannten um.

Das Können also macht nicht die gute Hausfrau, es wird vielmehr auf die zweckmäßige Verwendung und Leitung fremder Kräfte, auf Ueberblick, Berechnung und Eintheilung ankommen.

Und dazu bedarf es eben der Ausbildung von Ver - stand und Charakter, die bei der Mädchenerziehung völlig103 vernachlässigt werden. Aus diesem Grunde giebt es so unendlich viel gute Hausfrauen und so wenig gute Haushaltungen. Ein haltloser und dummer Mensch kann sich durch natürliches Geschick und Fleiß gewisse Fertigkeiten aneignen, wo es aber auf Ueberblick, Be - rechnung und Eintheilung ankommt, wird er rathlos dastehen oder die ungeeignetsten Maßregeln ergreifen.

Eine gute praktische Führung setzt verständiges Er - kennen und Denken voraus. Jeder Fortschritt im Denken wirkt vortheilhaft auf die Wirthschaft.

Mechanisches Erlernen reicht schon deshalb nicht aus, weil in einem Haushalt wechselnden Verhältnissen Rech - nung getragen werden muß, einer Versetzung an einen andern Ort etwa. Eine Vergrößerung der Familie, Erwerbung von Reichthümern, das Heranwachsen der Kinder ändert die Bedingungen eines Hauswesens.

Mein Kind schütze ich vor Mißhandlungen weit sicherer, wenn ich das Kindermädchen mit Verstand und Umsicht wähle, wenn ich durch scharfe Beobachtung ihrer Aeußerungen, ihrer Mienen, ihres ganzen Wesens mich entweder ihres Charakters versichere oder die als unzu - verlässig Erkannte sofort entlasse, dadurch, sage ich, schütze ich das Kind weit besser, als wenn ich alle Vier - telstunden die Thür zur Kinderstube aufreiße, um das Dienstmädchen beim Kneifen und Knuffen zu ertappen,104 und darauf Abends ins Theater fahre, wo dann mein Mädchen die schönste Gelegenheit hat, sich für die Tages - quälereien an dem unschuldigen Wurm zu rächen.

Charakter ist der Hausfrau ebenso nothwendig wie Verstand.

Wovon hängt zum großen Theil die Behaglichkeit des Hauses ab?

Vom häuslichen Sinn der Frau meint Jhr?

Nein.

Achtet auf die Klagen, die ununterbrochen von den Lippen der Hausfrau fließen ein einziger Schrei worüber? über die schlechten Dienstboten.

Von den Dienstboten, von ihrer Güte, Zuverlässig - keit und Tüchtigkeit hängt zumeist die materielle Behag - lichkeit des Hauswesens ab.

Jch kenne arme kleine Frauen, die sich halb todt arbeiten, aber sie sind schüchtern, haltlos und verstehen es nicht, die Dienstboten zu ihren Pflichten zu zwingen, und deshalb entspricht ihr Haushalt zu seiner Zeit auch nur den allermäßigsten Anforderungen.

Es ist nicht leicht, sondern sehr schwer für eine junge Frau, die vielleicht noch niemals in ihrem Leben die kleinste selbstständige Handlung gethan hat, urplötzlich Menschen leiten und beherrschen zu müssen, die vielleicht älter und erfahrener sind als sie.

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Das ist die Klippe, an der so mancher gute Haus - frauenruf scheitert.

Es ist wohl einem Jeden schon aufgefallen, daß die - selben Dienstboten, die in dem einen Haushalt nichts taugen, sich in einem andern überaus tüchtig erweisen.

Jm ersteren Hause war die Frau möglicherweise arbeitsam und liebreich in der Behandlung der Dienst - boten. Jn dem andern tauchte sie, wie man zu sagen pflegt, keinen Finger ins Wasser, aber sie hatte es ver - standen, den Mädchen einen heillosen Respekt einzuflößen. Das Geheimniß liegt in der Kraft der Persönlichkeit.

Eine der tadellosesten Haushaltungen, die ich kenne, regiert eine Freundin von mir, eine kranke Dame, die oft wochenlang keinen Fuß in ihre Küche setzt, und die nie in ihrem Leben eine häusliche Arbeit verrichtet hat. Sie gehört zu den wenigen Hausfrauen, die Jahrzehnte hindurch dieselben Dienstmädchen festzuhalten wissen und von ihnen schwärmerisch verehrt werden.

Als ich einige Zeit bei ihr wohnte, machte mir ihre Strenge gegen die Leute einen fast peinlichen Eindruck.

Sie besuchte mich eines Mittags, als wir bei Tische saßen.

Meine Köchin trug eine Leber auf, die augenschein - lich an partieller Verhärtung litt. Jch würde meiner Köchin eine solche Leber vor die Füße werfen, sagte106 meine Freundin kalt, während ich viel eher geneigt war, die Schuld der Leber als der Köchin beizumessen.

Es gehört wenig Zeit aber viel Charakter dazu, eine Haushaltung musterhaft zu führen.

Die Klasse der Dienstboten ist, wenigstens was die großen Städte anbetrifft, gründlich schlecht. Die Beauf - sichtigung und Leitung derselben erfordert Konsequenz, Energie, Strenge. Energie ist aber fast immer mit per - sönlichem Selbstgefühl und mit einem starken Sinn für Unabhängigkeit verbunden.

Diese Eigenschaften aber ziemen dem Weibe nicht, wie wir es täglich aus Aller Munde hören können, son - dern machen es zum Mannweib. Also nur ein Mann - weib würde eine vollkommen geordnete Häuslichkeit herzustellen im Stande sein.

Wählen Sie also meine Herren Ehemänner. Ent - weder eine sanfte, nachgiebige, holde weibliche Gattin und eine schlechte oder mittelmäßige Hausfrau, oder eine musterhafte Hausfrau, aber eine charakterstarke, selbst - ständige Gattin.

Auf einen Widerspruch mehr oder weniger kommt es bei den Faseleien über Frauenwesen nicht an, ich thue diesen zu den übrigen.

Oder glauben die Männer vielleicht, eine Frau könne charaktervoll, energisch, durchgreifend ihren Dienstmädchen107 gegenüber sich verhalten und in allen andern Beziehungen ein sanftes Lamm sein, jeder Laune des Gebieters fol - gend? Wer gut zu regieren versteht, weiß selten gut zu gehorchen.

Güte, die nicht mit Energie und Strenge gepaart ist, versteht das beste Dienstmädchen ganz und gar nicht. Eine schüchterne, sanfte Frau kommt ihr ziemlich ver - ächtlich vor.

Die derben prosaischen Kinder des Volks lauschen nicht den Harfentönen eines zartbesaiteten Gemüths, das ewig Weibliche zieht sie nicht hinan, nur einer charakter - vollen Persönlichkeit unterwerfen sie sich.

Zur Jllustrirung dieser Behauptung möchte ich mei - nen Lesern einen kleinen drastischen Vorfall aus meinem eigenen Leben, der sich erst vor wenigen Wochen ereignet hat, mittheilen. Jch hatte eine Köchin, die von uns mit einer unglaublichen Huld und Liebenswürdigkeit behan - delt wurde. So z. B. hatten wir sie in einer längeren Krankheit wie ein Kind des Hauses gepflegt. Unsere Wohnung war förmlich zu einem Hôtel für ihre Ver - wandtschaft geworden: ein Schwager und ein diabolischer Bube von Sohn genossen wochenlang unsere Gast - freundschaft.

Trotz alledem wurde unser Gustchen von Tag zu Tag unverschämter und schließlich erreichte ihre Unver -108 schämtheit den Siedepunkt, an dem meine Langmuth schmolz. Jch mußte sie fortjagen.

Sie hatte sich bereits empfohlen, als sie noch einmal umkehrte und mir folgende Rede hielt: Frau D. ich will mir dankbar beweisen und Jhnen einen guten Rath geben: Wenn Sie ein neues Mädchen kriegen, so seien Sie und Jhre ganze Familie nich von vornherein so sehre jut und freundlich zu ihr, denn da wird man dreist und immer dreister, und zuletzt wird man - dig, des is nu mal nich anders in die Welt.

O weise Auguste!

Daß Energie und Charakter nichts gemein haben mit jenem beständigen Keifen und Poltern, dem lebhafte und ungezähmte Hausfrauentemperamente sich so gern ergeben, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Energie im Rohzustande ist einem Feuerwerk gleich, das wir - kungslos in der Luft verpufft.

Mehr aber noch als von allen materiellen Annehm - lichkeiten hängt die Behaglichkeit des Hauses von dem gemüthlichen Einfluß der Frau ab.

Eine Hausfrau muß vor allen Dingen Herzensgüte und Selbstverläugnung besitzen, denn wo es darauf an - kommt, die verschiedenartigsten Geschmacks - und Willens - richtungen in Einklang zu bringen, muß sie stets bereit sein, sich unterzuordnen, persönliche Wünsche und An -109 schauungen zu opfern. Jch behaupte darum, nur eine ganz gute Frau kann zugleich eine ganz gute Haus - frau sein. Eine durchaus schlechte Haushaltung ist nicht eine Folge mangelnder Hausfrauenkenntnisse oder Fertigkeiten, sondern ein Beweis, daß die Frau überhaupt nichts taugt als Mensch.

Nur eine völlig zerrüttete Gesundheit oder abnorme häusliche Verhältnisse, oder ebenso abnorme Dummheit können ab und zu als ein Milderungsgrund angesehen werden.

Wenn eine Frau ihre Familie schlecht ernährt, um sich für das ersparte Geld Putz und Tand anzuschaffen, so entspringt diese Unwürdigkeit nicht dem Mangel einer speziellen Hausfrauentugend, sondern einem allgemein menschlichen Laster, dem Egoismus und der Eitelkeit.

Wenn eine Frau durch anhaltende Zanksucht das Haus den Jhrigen zur Hölle macht, so erscheint dieses Ergebniß wiederum nicht als ein Mangel an Wirth - schaftskenntnissen, sondern als ursprüngliche Charakter - bosheit.

Manche andere Eigenschaften, wie Sauberkeit und Ordnung sind nicht nur jeder Hausfrau, sondern jedem anständigen Menschen unerläßlich.

Was die Frau durch Arbeit dem Manne ersparen kann.

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Die deutsche Hausfrau hört nicht auf mit der großen Arbeitslast zu prahlen, die auf ihren schwachen Schul - tern ruhe. Fragst Du sie, worin denn nun eigentlich diese Arbeitslast bestehe, so antwortet sie Dir: das ließe sich nicht sagen, aber wer seine Sache ordentlich machen wolle, dürfe sich keinen Augenblick Ruhe gönnen.

Auf Details läßt sie sich nicht ein, im Allgemeinen aber besteht sie darauf, daß wenn sie nicht wäre, ihr armer Mann zu Grunde gehen müsse. Wie wäre er z. B. im Stande ohne sie mit seinem Gehalt auszu - kommen!

Ob es viele Wittwer giebt, die wegen Todesfalls ihrer Frauen an den Bettelstab gekommen sind?

Da ich in allen Dingen Einfachheit und Klarheit liebe, will ich gewissenhaft untersuchen, was die Frau durch ihre häuslichen Arbeiten direkt dem Manne an Geld ersparen kann.

Eine Arbeiterin, Näherin, Schneiderin, Plätterin oder Scheuerfrau bezieht durchschnittlich 10 20 Sgr. täglichen Lohn, 15 Sgr. ist also der Durchschnittspreis (ich habe z. B. eine mustergiltige Näherin, die nur 8 Sgr. pro Tag erhält; dafür arbeitet sie 11 Stunden, entweder von 8 7 Uhr Abends oder von 9 8 Uhr, kommt auf die Stunde 1 ½ Sgr.).

Eine Hausfrau, Mutter, Gattin und Dame hat111 nun sehr viel Dinge zu thun, die ihr direkt nichts einbringen, z. B. die Beschäftigung in der Küche neben der Köchin, das hinter dem Mädchen her sein , das Spa - zierengehen, das Spielen mit den Kindern, die Stunden, wo sie den Mann erfrischen und erheitern muß, die Gesellschaften, die Theater, Toiletten u. s. w., so viel, daß ich glaube, eine Frau, die wirklich drei Stunden den Tag über am Nähtisch, hinter dem Plättbrett u. s. w. arbeitet, gehört zu den fleißigen.

Sie verdient also höchstens den Tag 4 ½ Sgr., macht jährlich 54 Thlr.

Sonderbarer Weise betheiligt sie sich bei der einzigen Arbeit, die wirklich ausnahmsweise einträglich ist, fast niemals, nämlich bei der Putzmacherei, denn allerdings kann man sich einen Hut, der etwa zehn Thaler im Laden kostet, für fünf Thaler selber herstellen. Jch kenne zufällig unter meinen Bekanntinnen ziemlich viel Damen, die sich ihre Hüte selbst und zum Theil überaus reizend arrangiren, aber nicht eine einzige derselben gehört in die Kategorie der guten Hausfrauen.

Sehr natürlich: zur Putzmacherkunst gehört Geschmack, Phantasie und Eleganz, Luxuseigenschaften, die man bei der Hausfrau nicht suchen muß.

Jn kleinen Städten freilich wird sich die von der Hausfrau verdiente Summe verhältnißmäßig höher stellen. 112Man darf aber nicht vergessen, daß die kleinstädtische Hausfrau, wenigstens wie ich sie in Nord - und Mittel - Deutschland kennen gelernt habe, sich von ihrer Magd durch nichts unterscheidet, als durch eine etwas geringere Anzahl grammatikalischer und orthographischer Excesse und einige schlechtsitzende Seidenroben nebst dazu gehöri - gen Coiffüren für den verrufenen Damenkaffee.

Die Hausfrau unterbricht mich entrüstet: Als ob es darauf ankäme, wie viel ich arbeite; in dem Zusam - menhalten des Geldes, in der sparsamen Wirthschafts - führung liegt mein Verdienst.

Jn der That, wenn die Frauen ihre Männer in gemüthreichen Stunden von dem Glück zu überzeugen suchen, welches das Schicksal in ihrer holden Person über sie (die Männer) verhängt, so vergessen sie nie hervorzuheben, daß ihre Sparsamkeit ein Vermögen aufwöge.

Der Wahrheit zu lieb muß ich diesen Nimbus zer - stören.

Von vornherein wird es sich doch keine Frau zum Verdienst anrechnen, daß sie keine Verschwenderin ist, also von einem offenbaren Laster besessen ist. Ebenso gut könnte sie sich rühmen, daß sie sich nicht der Trunk - sucht oder dem Spiele ergeben habe.

Abnorme Laster gehören nicht in unsern Gesichtskreis.

113

Wie heut die wirthschaftlichen Verhältnisse sich ge - staltet haben, ist der umsichtigsten Frau kein großer Spielraum für ihre Sparsamkeit gegönnt. Sie kann bei dem besten Willen den Preis des Fleisches, der Butter, der Eier, des Bieres u. s. w. nicht um einen Sechser herabdrücken, sie kann auch die Arbeitslöhne nicht beeinflussen. Die prix fixes beherrschen gegenwärtig die ganze Oekonomie. Sie mag von Glück sagen, wenn sie nicht durch immer wiederkehrende kleine Strike's in Bedrängniß geräth. Sie wird also hauptsächlich ihre Sparsamkeit, wie ich schon früher erwähnt habe, auf Kosten der Verdauung und der Geschmacksnerven ihrer Angehörigen in Scene setzen, denen sie statt guter Butter schlechte vorsetzt, statt der besten Qualität Kaffee eine mittlere u. s. w. Jch will ein Beispiel vorführen, wie sich in den Augen der Leute eine sparsame Hausfrau von einer verschwenderischen unterscheidet.

Frau A., deren Familie aus acht Mitgliedern besteht, wie diejenige der Frau B., hat monatlich eine Schlächter - rechnung von 30 Thlrn., während Frau B. nur 15 Thlr. für Fleisch verausgabt (die Vermögensverhältnisse beider Familien nehmen wir als gleich an). Frau B., heißt es jetzt, ist eine tüchtige Hausfrau, Frau A. richtet ihren Mann zu Grunde. Die Ursache der Rechnungsdifferenz ist sehr einfach: Frau A. giebt jedem Kinde ein ganzesDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 8114Cotelett und ein großes Stück Braten, Frau B. fertigt das Kind mit einem halben Cotelett und einem homöo - pathisch kleinen Stückchen Braten ab.

Erlauben nun die pekuniären Verhältnisse der Fa - milie B. jedem Kinde ein ganzes Cotelett zu geben, und die Mutter giebt ihm nur ein halbes, so ist sie nicht eine sparsame, sondern eine schlechte Hausfrau.

Daß Frau A., die 30 Thlr. für Fleisch ausgiebt, damit über ihre Verhältnisse hinausgeht, ist nicht anzu - nehmen; mir ist wenigstens keine einzige Hausfrau be - kannt, die sich in Fleisch zu Grunde gerichtet hätte. Eher würde ich an unbezahlte Gerson'sche Rechnungen glauben.

Freilich gebe ich zu, daß, wie auf allen Gebieten, so auch in der sparsamen Wirthschaftsführung eine sehr kluge Frau einer beschränkten gegenüber im Vortheil sein wird; mehr aber noch als den Geldersparnissen wird dieser intellektuelle Vorzug der Behaglichkeit des ganzen Hauswesens zu Gute kommen.

Und thut man nicht gerade, als wäre Sparsamkeit die größte Tugend, die eine Frau üben könne? An einem Manne findet man es nicht liebenswürdig, wenn er allzu sparsam sich zeigt. Er muß gentil sein. Ent - spräche aber nicht die Sparsamkeit vielmehr den soge - nannten männlichen Eigenschaften: der Energie, Straff -115 heit, Entschiedenheit, den festen Prinzipien; und steht diese Tugend nicht halb und halb im Widerspruch mit den gepriesenen weiblichen Eigenschaften, der lieblichen Schüchternheit, der Naivetät, der Unkenntniß der Welt, der Harmlosigkeit, der Weichheit und Jdealität?

Die Männer schätzen die Sparsamkeit an ihren Frauen auch nur insofern, als sie sich in ihrem Haus - halt Vortheile davon versprechen, sobald aber ihre Eitel - keit darunter leidet, zeigen sie sich stets bereit, die Lauge ihres Spottes über diejenigen Frauen zu ergießen, die Droschkenkutschern und Kellnern keine Trinkgelder geben, die einem Dienstmädchen nach geendigtem Damenkaffee zwei Groschen in die Hand drücken oder in ihrer, der Herren Gegenwart, um ein paar Groschen feilschen. Fehlten der Frau aber am Ende des Monats einige Thaler am Wirthschaftsgelde, und sie wollte sie von dem Mann erbitten unter dem Hinweis auf die noblen Trink - gelder, die sie gegeben, und daß sie sich das Handeln abgewöhnt habe, so würde der gentile Herr ihr die paar Thaler wahrscheinlich höchst entrüstet verweigern.

Mein Gott, man kann doch eben nicht an jede Eigen - schaft den Maßstab des Vortheils legen, den die Männer davon haben. Es giebt absolute Maßstäbe, und nach diesen würde ich die Sparsamkeit zu den praktisch nütz -4*116lichen Eigenschaften rechnen, ihnen einen höheren Werth aber nicht beimessen.

Es ist hier die geeignetste Stelle von einem bösarti - gen Fehler zu sprechen, der recht viele Männer arg ent - stellt. Es giebt Männer, die an ihren Frühstückstisch, Mittags - und Abendtisch ganz bestimmte Anforderungen stellen. Die Frau erhält ein fest bestimmtes Wirthschafts - geld, mit dem die Ausgaben zu bestreiten sind.

Es reicht nicht. Sie klagt es ihm.

Er fertigt sie stets mit derselben Antwort ab:

Liebes Kind, das geht mich nichts an, das verstehe ich nicht, es ist Deine Sache zu sehen, wie Du auskommst.

Die arme Frau verbringt ihre Tage in qualvollen Rechnungsversuchen. Sie darbt selber und läßt die Kinder darben, um ihrem Mann Abends seine drei Flaschen Bier, Mittags sein Stück Braten auf den Tisch zu bringen.

Suppenfleisch ißt er nie, Gemüse selten, nur die feinste Butter behagt ihm wer will es ihm verdenken! Man preist die Frauen wegen der glücklichen Sorglosig - keit, in der sie leben. Welche Jronie!

Nie hat ein Mensch schwerere, unerträglichere Geld - sorgen auszustehen, als die Frau, die mit ihrem Wirth - schaftsgelde nicht auskommt. Und diese Sorgen sind nimmer endende.

117

Wie viel Thränen habe ich fließen, wie viel tägliche Verzweiflung consumiren sehen von solchen Frauen.

Das Verfahren der Männer in dieser Angelegenheit ist gehässig und grausam. Entweder er glaubt der Frau, daß sie nicht auszukommen im Stande ist, und stimmt seine Ansprüche herab, oder er giebt ihr, wenn seine Verhältnisse es gestatten, mehr Wirthschaftsgeld.

Glaubt er aber, daß sie verschwenderisch sei und es ihr an Verstand und Umsicht fehlte, so bleibt ihm nichts übrig, als sich selbst zu instruiren. Er ist ihr das unter allen Umständen schuldig.

Die Wirthschaftsführung ist nichts weniger als ein complicirter Mechanismus, sondern ein äußerst einfacher; ihn zu fassen für den scharfen Verstand des Mannes eine Kleinigkeit.

Es gehört nicht hierher und würde mich zu weit führen, sonst würde ich dem Hausherrn eine Anleitung geben, wie er sich in kürzester Frist eine eingehende Kenntniß der häuslichen Oekonomie zu verschaffen im Stande ist. Die Controlle wird durch die festen Preise und die fast in jedem Hause vorhandene Waagschale we - sentlich erleichtert.

Auf dem Grabstein mancher Frau ist zu lesen: sie starb an einem Halsleiden, oder an der Schwind - sucht, oder nach Gottes unerforschlichem Rathschlusse.

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Diese Jnschriften lügen zuweilen, und auf dem Grab - stein mancher dieser Frauen müßte stehen, den Männern zur ewigen Gewissenspein: Sie starb am Wirth - schaftsgelde.

Jch will dies Kapitel von der Sparsamkeit nicht schließen, ohne diejenigen guten Hausfrauen, welche in der That und in der Wahrheit ihren Männern eine pekuniäre Erleichterung verschaffen wollen, darauf auf - merksam zu machen, daß sie ihre Absicht am leichtesten erreichen, wenn sie dem Gatten ein Dienstmädchen er - sparen.

Die Erhaltung eines solchen kostet nach heutigen Einrichtungen ungefähr 150 Thaler, die Ersparniß würde sich demnach lohnen.

Also sparsame Hausfrau entweder entlasse Deine Köchin, und koche anstatt mit vier mit zwei Hän - den, oder, wenn Du Deine Abneigung gegen rothe Hände und Abschlachten nicht bezwingen kannst, so schreibe Dei - ner Kinderwärterin den Schein, und pflege und hüte allein, ohne jeglichen Beistand, die lieben Kindlein. Freilich wärst Du dann ans Haus gebunden und müß - test so ziemlich allen Vergnügungen entsagen, auch müß - test Du selbst Dein Kindchen spazieren tragen oder fahren.

Sie finden das unschicklich, meine Damen? Jch119 glaube kaum, daß Sie in diesem Fall den Tadel oder Spott der Welt zu fürchten hätten.

Selbstverständlich sind nicht alle Hausfrauen, wie ich sie geschildert habe. Es giebt glücklicherweise manche Ausnahmen. Jch selber kenne einige Frauen von Land - predigern z. B., die wie Veilchen neben ihren Schwestern, den Klatschrosen, blühen; milde, engelhafte Frauenbilder, die ihre bescheidene Arbeit bescheiden thun, und die mit ihrem lieblichen Wesen selbst über den tiefsten Waschkeller und den einfachsten Kohl Behagen verbreiten. Sie gleichen jenen persischen Rosen, deren Duft sich Allen mittheilt, die mit ihnen in Berührung kommen.

Es liegt aber gar kein Grund vor, diese Seelenlieb - lichkeit, deren einzige Quelle die Herzensgüte ist, auf Feuerheerd und Waschfaß zurückführen zu wollen. Welche Beschäftigung diesen Frauen auch zugefallen wäre, ein Schimmer ihrer Herzinnigkeit würde selbst die niedrigste verklärt haben.

Uebrigens trifft keine Hausfrau ein Vorwurf, daß ihr Thun nur ein bescheidenes und untergeordnetes ist. Sie steht eben auf dem Platz, auf den Schicksal und Vorurtheil sie gewiesen.

Was wir aber zurückweisen mit aller Energie, das ist ihr pharisäischer Hochmuth.

Niemand hat etwas dagegen, wenn die Gute in ihrer120 Küche oder Speisekammer wonneschmunzelnd ihr Einge - machtes anbetet, wenn sie Freudenthränen vergießt über den bräunlichen Gänsebraten, oder gemeinschaftlich mit der Butter dahinschmilzt in Lust und Behagen beim Anblick der aufgegangenen Mehlspeise.

Gott erhalte ihr das kindliche Gemüth.

Wenn die Hausfrau aber daraus die Berechtigung herleitet, ein Musterbild für das ganze Geschlecht sein zu wollen, wenn sie ihre Art für die einzig mögliche erklärt, wenn sie ihr Küchengepräge der ganzen Frauen - welt ausdrücken will, dann erwacht mit Recht der Zorn der Andern und es ist an der Zeit, sie energisch und verächtlich in ihre Schranken zu weisen.

Die vier Wände dürfen nicht zum Ghetto werden, in das man ein Pariageschlecht einpfercht.

Mein Zweck in diesem Aufsatz war, den heuchlerischen Heiligenschein von Madonna Hausfraus Haupt, den eine heuchlerische Gesellschaft darum gewoben, zu lösen. Diese Gesellschaft ruft ihr zu: Du deutsche Hausfrau, nur Du bist die Hüterin und Erhalterin der idealen Güter der Menschheit, und wenn Dich die bösen Buben, die Fortschrittsgeister, locken, so folge nicht.

121

Nur so lange Du Strümpfe stopfst und den Besen führst, so lange Du Deine Andacht verrichtest am Altar des Küchenheerdes, so lange Dein Näschen über Koch - töpfen erglänzt und Dein Auge über der niedlichen klei - nen Kapelle, der Speisekammer, so lange nenne ich Dich Priesterin am häuslichen Heerde.

Und weiter ertönt die Stimme der öffentlichen Mei - nung: Dein zernähter Finger ist ein heiliges Symbol, der Dunst, der dem Waschkessel entsteigt Weihrauch, die Windeln, die Du hinter dem Ofen trocknest, sind Trophäen der Mutterliebe.

Der Mann und Gatte ist vollkommen damit einver - standen, und fügt noch hinzu: So ist es Niemand kann Sauerkraut kochen und Oberhemden plätten wie meine Frau, kein Kaffee schmeckt mir, den nicht ihre liebe Hand verwässert hat u. s. w.

Wie oft mögen hier fromme Täuschungen Jhr dunk - les Spiel treiben. Wie oft mag der arglose Eheherr mit heimlichem Liebesblick auf die angetraute Köchin an einem Schmorstück sich laben, das der weibliche Mieth - ling in der Küche geschmort.

Jn der That, es ist auffallend, bei dem was gut schmeckt, hat stets das liebe Frauchen Jhre Hände im Spiel gehabt, dagegen alles Verbrannte, Versäuerte,122 Verpantschte, Verpriezelte hat stets die böse Köchin zur Verfasserin.

Es thut mir leid um die frommen Seelen, die ich verletze, aber mein Gewissen zwingt mich zu bekennen: in meine profane Nase dringt kein Atom von Weihrauch als der eingeseiften Wäsche, keinen Schimmer von Hei - ligenschein (nicht einmal den eines geschmorten oder marinirten Heiligenscheins, denn nur auf einen solchen könnte sie doch, ihres Köchinnenthums wegen, Anspruch machen) gewahre ich über Madame's Taghaube oder Nachtmütze.

Und was die Tempelhaftigkeit der Küche betrifft, so glaube ich allerdings, daß sie an stillen Sonntag - nachmittagen meiner Auguste, wenn der Landsmann ihr zur Seite steht, wie ein Tempel erscheinen mag ein Tempel der Liebe.

An Wochentagen aber müßte ich fürchten, durch solch 'einen Vergleich der Religion zu nahe zu treten, deren Wohlgeruch sicher mit dem Parfüm von Fett, Zwiebeln, Aufspülwasser, Knochen, Schalen und Rüben, das in der Küche herrscht, nichts gemein hat.

Jndessen, ich will einmal annehmen, meine werthen Damen und Hausfrauen, daß der Heerd ein Altar, die Nähnadel ein heiliges Symbol ist, und daß dem Wasch - faß eine läuternde Kraft inne wohnt. Gut. Aber123 warum ist dann die Köchin nicht ebenso gut eine Priesterin wie die Dame? Warum ist es nicht die Waschfrau und nicht das Nähmädchen und nicht die Scheuerfrau?

Sollte das ein Hinderniß für die Priesterschaft sein, daß diese Arbeiterinnen dieselben Arbeiten, die Sie, meine Damen, nur obenhin und ab und zu betreiben, gründlicher und besser verrichten als Sie?

Von einem gewissen Standpunkt ist es begreiflich, daß der Mann der Wissenschaft herabsieht auf den Kauf - mann, der Kaufmann auf den Handwerker, dieser auf den Tagelöhner u. s. w.

Der Standpunkt ist dieser, daß die Arbeit des Kopfes über der des Armes steht, daß die wissenschaft - liche Erkenntniß die höchste Spitze ist, und daß die Menschen, je mehr sie sich davon entfernen, je niedriger im Range stehen.

Dieser Standpunkt, sage ich, ist begreiflich. Wie die Hausfrau aber zu der unerhörten Anmaßung kommt, ihre Beschäftigungen, die genau dieselben sind, wie die - jenigen der Arbeiterinnen und der Dienstboten, für ideale und geweihte zu erklären, begreife ich nimmermehr.

Bescheidener waren die Frauen im Mittelalter, die wenigstens in gemeinschaftlichen Räumen die gemeinsame Arbeit mit den Dienstthuenden verrichteten.

124

Du, gute Hausfrau, merk 'auf: Diese Köchinnen, Wäscherinnen, Näh - und Plättmädchen sind Deines gleichen.

Erklären Sie aber, meine Damen, daß es auf die Arbeit als solche nicht ankomme, daß jegliche Arbeit, worin sie auch bestehe, gleich verehrungswürdig sei, so begreife ich in der That nicht, warum sie Alexander von Humboldt, der seine Sache gut gemacht hat, mehr ver - ehrt als meine Köchin, die die ihrige vortrefflich macht.

Einen graduellen Unterschied aber zugegeben, so steht die eigentliche Arbeit der Hausfrau der der Arbeiterin völlig gleich, und man weiß nicht, soll man über die absurde Phrase von ihrer heiligenden Kraft, ihrer priester - schaftlichen Qualität lachen, oder sie als Gotteslästerung beim Thron des Ewigen denunciren.

Jch höre längst, Madame, Jhr verächtliches Prusten, durch das Sie mir zu verstehen geben wollen, daß dennoch ein immenser Unterschied zwischen Jhnen und der Dienstthuenden bestehe. Diese nämlich arbeite für Geld, Sie aber um der Liebe willen.

Das entscheidende Wort ist gefallen, und ich müßte mich nach diesem stolzen Ausspruch eigentlich vernichtet fühlen. Darauf kommt natürlich nichts an, daß in vielen Fällen die Arbeiterin mit dem Gelde, das sie verdient, ihre Kinder oder eine alte Mutter erhält, das125 hat mit der Liebe nichts zu schaffen. Sie arbeitet für Geld! sie ist gerichtet.

Jch weiß es längst, Madame, Sie nähen mit Liebe, sie stopfen mit Zärtlichkeit, Sie füllen mit süßem Sinnen eine Pute und schlachten mit liebreichem Lächeln den Aal (welch ein Trost für den armen Aal, wenn er es wüßte). Mit welch zärtlicher Gesinnung Sie wohl die Krebse in kaltes Wasser thun mögen?

Madame, ehe Sie mir nicht beweisen können, daß ein zärtlich gestopftes Loch besser hält, als ein von der Näherin gestopftes, daß ein mit Seingedenken ge - schmortes Rind saftiger geräth, als das von der Köchin beigesetzte, so lange, sage ich, erscheint mir Jhre Argu - mentation überaus kindisch.

Wenn sie wirklich mit Liebe kochten, so würden Sie mehr Butter an Kohl und Braten, mehr Zucker an die Puddings und mehr Kaffeebohnen in den Kaffee thun.

O Jhr armen reichen Männer! Jhr Opfer Eurer pekuniären Verhältnisse, die Jhr mit Euren Braten und Puddings zu Tische sitzt, die allerdings mit hinreichendem Fett, aber ohne Liebe gekocht sind.

Was für Wollüste rauben Euch Eure perfekten Köchinnen. Wie beklage ich Euch.

Ach, Jhr werdet vielleicht niemals erfahren, wie eine Boulette schmeckt, die Eure Frau eigenhändig aus Fleisch -126 resten zusammengehackt, nie werdet Jhr die Wonne des Familienkaffee's schlürfen. Eurem Magen mögen diese guten Bissen wohl bekommen, aber Euer Herz, Euer Gemüth geht auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen gastronomischen Wege zu Grunde.

Eins möchte ich gar zu gern wissen, vielleicht be - lehrt mich eine gute Hausfrau darüber: Warum nimmt man an, daß die Frau nur mit Liebe waschen, kochen und plätten kann, und nicht auch zeichnen, malen, Bücher führen, Bücher schreiben, Klavier spielen, unter - richten u. s. w., womit sie doch, anstatt drei Groschen täglich, einen, zwei oder drei Thaler verdienen könnte, die dann wieder ihrer Familie zu Gute kämen?

Jst die Liebe wirklich an Nähnadel und Plättbrett gebunden? und erstickt sie an Oelfarbe, ersäuft sie in Dintenschwärze?

Eins der Vorurtheile, welche diesen Aberglauben nähren, heißt: Baar Geld.

Baares Geld, von einer Hausfrau verdient, hat ein wenig den Beigeschmack von Sündengeld.

Sie soll ihrem Gatten beistehen, aber nicht baar, sie soll ihm fröhnen, wie der Untergebene im Mittel - alter dem Herrn fröhnte.

Was sie ihm verdient, soll sie ihm abnähen und abplätten in Oberhemden, abkochen und abschmoren in127 Braten, Coteletts und Sauerkraut. Man sieht, das letzte Stückchen mittelalterlicher Romantik hat sich in die Ehe gerettet.

Es giebt aber noch andere Vorurtheile, die den er - wähnten Aberglauben lebendig erhalten.

Eine ernste, andauernde Beschäftigung mit einer Kunst oder einem Gewerbe, heißt es, würde bei der Frau das Jnteresse an der Familie und am Familien - leben untergraben.

Allen Vertretern dieser Meinung kann ich versichern, daß mir in meinem Leben noch kein Künstler, kein Kaufmann, kein Beamter, ja, was gewiß viel sagen will, kein Schriftsteller begegnet ist, der auf sein Thun und die Resultate desselben größeres Gewicht gelegt hätte, als gerade die Hausfrau auf ihre häuslichen Arbeiten.

Eine Mutter, die in der Küche beim Einmachen oder im Waschkeller beim Einseifen beschäftigt ist, zeigt sich viel eher aufgelegt, ihren kleinen Jungen, der sie zu stören kommt, aus der Küche zu jagen oder zu prügeln als die Mutter, die von ihrem Kleinen beim Malen oder Schreiben unterbrochen wird.

Der Mann wird eher seine Gattin bewegen, einen Spaziergang mit ihm zu machen, wenn er sie beim Excerpiren eines gelehrten Buches, als wenn er sie beim Plätten eines Unterrocks antrifft.

128

Der Einwand, daß sich ja die häuslichen Arbeiten unmittelbar auf die Familie selber beziehen, und zwar so, daß dies Kleid, welches Mutterchen plättet, die kleine Emilie anziehen, der Kohl, den sie kocht, der Gatte ver - dauen wird, ändert an meiner Auffassung nichts.

Ebenso gut könnte eine Malerin sagen: mit diesem Baum, den ich in diese Landschaft hineinmale, verdiene ich mindestens fünf Thaler, dafür kaufe ich ein Paar Stiefelchen für Wilhelmchen, ein Schürzchen für Els - chen u. s. w.

Ein drittes Vorurtheil lautet: Ein Hauswesen muß zu Grunde gehen, in dem die Frau nicht thätigen An - theil an den häuslichen Verrichtungen nimmt, sondern außerhalb desselben einem anderen Beruf nachgeht.

Das Bild, das man sich von einem solchen Haus - wesen macht, stellt sich dem Auge der Mitlebenden dar als ein ungekämmtes und ungewaschenes Chaos, in dem Strümpfe, Kämme, Zöpfe, Unterröcke, hungernde Kinder, in einem wüsten Knäuel, auf schmutzigen Dielen ihr schreckliches Spiel treiben, während der Mann, die einzig führende Brust unter Larven, als trübseliger Zu - schauer sich wehklagend die Haare rauft. Jn diesem Chaos sieht man die Spinne von Wand zu Wand un - gestört ihre Netze ziehen und friedlich legt sich der Mensch mit seiner Wanze zu Bett.

129

Jch glaube, die amüsante Schilderung, die Dickens in Bleakhouse von einer Verrückten giebt, die ihr Leben der Bildung südafrikanischer Negerkinder gewidmet hat, und darüber ihr Haus in Schmutz umkommen läßt, hat nicht wenig zur Fixirung solcher Vorstellungsweise beigetragen. Mir scheint es nun nicht gerade geboten, eine interessante Jrrenhaus-Geschichte auf reale Ver - hältnisse anzuwenden.

Diese absurde Vorstellung von dem Verkommen des Hauswesens unter dem Regime einer berufsthätigen Frau verdankt ihren Ursprung einer unmäßigen und überaus kindischen Eitelkeit der Männer.

Jeder ist wohl darin mit mir einverstanden, daß im Allgemeinen, je mehr die Jntelligenz eines Menschen fortschreitet und sein Wirkungskreis wächst und steigt, in demselben Grade sein Sinn für ästhetische Umgebung zunehmen, sein Gaumen sich verfeinern wird.

Ja, bei Männern.

Und bei Frauen? Tritt das Gegentheil ein.

Je höher und vielseitiger sich ihre Jntelligenz, ihre Talente und ihr Charakter bei der Bethätigung eines Berufes entwickeln, je mehr wächst bei ihnen eine un - bezähmbare Begierde nach zähem Fleisch, eine nicht zu dämpfende Lust an zerrissenen Strümpfen, bestaubten Möbeln, schmierigen Kindern, Cichorien und Wanzen.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 9130

Jch will ein Geheimniß verrathen: Die Frauen, denken Sie meine Herren, ich schwöre Jhnen, es ist wahr, die Frauen haben einen eigenen Gaumen, ver - mittelst dessen ihnen ein saftiges Beefsteak besser schmeckt als altes Kuhfleisch, sie haben einen selbständigen Ge - ruchssinn, der sie in den Stand setzt, das Parfüm des Eau de Cologne von dem Mißduft des Schmutzes zu unterscheiden, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie auf den Einfall gerathen könnten, um ihrer selbst willen gut zu kochen, auch wenn die Männer gar nicht existirten.

Es thut mir leid, meine Herren, daß ich Jhnen mit dieser Eröffnung die Jllusion rauben muß, daß die Frauen sich blos um Jhretwillen reinlich betragen, schmackhaft kochen und auf Verfolgung des Ungeziefers halten.

Jm Wesentlichen habe ich gegen das Berufsleben der Frau von Dumm und Klug, von Jung und Alt stets dieselben zwei Einwände gehört, sie heißen: die Küche und das Gefühl. Die Küche, die die Hausfrau er - heischen soll, wie die Bouillon das Rind, und das Ge - fühl, das sich gegen die Aenderung der jetzigen Sitten sträube.

Der Einwand der Küche läßt sich mit wenigen Worten abthun (ganz abgesehen davon, daß die Hausfrau, wie131 bereits erwähnt, diesem Jnstitut durch ihre Anwesenheit mehr Schaden als Vortheil zufügt).

Der Uebelstand liegt hier nämlich gar nicht an der Hausfrau, sondern an der Köchin.

Niemand wird behaupten, daß das englische Familien - leben dem unsrigen nachstehe.

Jm Gegentheil, es gilt für musterhaft, und was Comfort und gute Küche betrifft, so kann sich ein deut - scher Haushalt mit einem englischen gar nicht vergleichen.

Mir sagte einmal eine durch deutsche Dienstboten hart bedrängte naive Engländerin, die gezwungen war, mehrere Jahre in Deutschland zu leben, sie begriffe gar nicht, wie es ein Mensch sein ganzes Leben lang in Deutschland aushalten könne.

Nun diese gerühmten Vorsteherinnen des englischen Comforts, sie ermangeln jeglicher intimen Beziehung zur Küche, aus dem einfachen Grunde, weil eine englische Köchin ihre Herrin gar nicht in ihrem Departement dulden würde. Eine englische Köchin nämlich staunen Sie, meine Damen kann kochen.

Neulich war in der Vossischen Zeitung folgende Annonce zu lesen: Eine Koch-Köchin, die wie ein Koch kocht, sucht eine Stelle.

Ein Selbstlob, durch welches die Einsenderin die Kluft andeuten wollte, die sie, die gelernte Köchin, von9*132ihren Colleginnen, den Natur - oder Jnstinkt-Köchinnen trennt.

Wenn die deutsche Sitte erst der deutschen Köchin erlauben wird, sich ihre Kochkenntnisse auf dieselbe Weise anzueignen, wie der Koch es thut, durch Erlernen ihrer Kunst nämlich, dann wird der Mann und Gatte keinen Grund mehr haben, in seiner Frau nur die Göttin seines Magens zu respektiren, und die Gute wird Zeit für nützliche Beschäftigung gewinnen.

Das Gefühl, das festgewurzelte, das die Frau in ihrer jetzigen Stellung festhalten will, ist mächtig, ich weiß es. Erzählt man doch eine Legende von dem hei - ligen Bernhard, bei dem das Gefühl von der ange - stammten Unterthänigkeit der Frau so stark war, daß es selbst einen Schatten in die frommen Verzückungen seiner Andacht warf.

Der heilige Bernhard trat einst in den Dom zu Speyer und grüßte das dort befindliche Marienbild: Sei gegrüßt, o Königin! Wie erstaunten die An - wesenden, als die geschmeichelte steinerne Mutter Gottes die Lippen öffnete und ausrief: Wir danken Dir schön, unser lieber Bernhard. Aber noch mehr verwunderte man sich, als der verdrießliche Heilige die Worte des Apostels zurückbrummte: Weiber schweigen in der Ver - sammlung.

133

Das Gefühl, das heut die Frauenbefreiung abwehrt, es ist dasselbe Gefühl, das sich vor Jahrhunderten gegen die Gewissensfreiheit empörte, das im Volke aufjauchzte bei der massenhaften Abschlachtung der Ketzer.

Nicht auf das Gefühl als solches kommt es an. Wer Gefühle hat, der prüfe sie wohl, ob sie auf Ge - rechtigkeit und Tugend, oder auf Egoismus, Tradition und Gewohnheit gegründet sind.

Wäre es wahr, daß, um ein Beispiel anzuführen, die Liebe zu den Kindern nur in der Küche gar schmorte, vor dem Studium einer Wissenschaft aber sich in eitel Dunst auflöste so wäre es auch wahr, daß die Ver - edlung des Menschen nur in Begriffen besteht, ohne Ein - fluß auf das wirkliche Leben zu gewinnen.

Dann könnte mir alle Bildung und alle Wissenschaft gestohlen werden, und ich würde mit Rousseau für Naturzustände schwärmen.

Die Anfeindung der künstlerisch, wissenschaftlich oder gewerblich beschäftigten Frau geschieht übrigens nicht ein - mal in gutem Glauben.

Fast ein Jeder aus den Kreisen der sogenannten guten Gesellschaft kennt derartige Frauen und weiß sehr wohl, daß sie ihren Haushalt nicht weniger ordentlich führen, als andere Frauen.

Mir sind zufällig eine Anzahl verheiratheter Schau -134 spielerinnen bekannt, deren Hauswesen mir stets als ein vollkommen geordnetes und behagliches erschienen ist.

Die Namen Lebender zu nennen, wäre unschicklich. Der verstorbenen großen Tragödin Frau Krelinger darf ich aber hier wohl gedenken.

Jch hatte eine alte Kinderfrau, die fast 40 Jahre früher bei Frau Krelinger gedient hatte; trotz dieser langen Zwischenzeit aber war sie noch nicht müde ge - worden, die Frau als die exemplarischste Hausfrau, die ihr je vorgekommen, anzugreifen.

So hat es aber die Krelinger gemacht, war noch immer ab und zu der Trumpf, den sie mir gegenüber ausspielte, wenn ich mit einer ihrer Anordnungen nicht zufrieden war. Nur ein Bischen zu genau, gar zu genau, gar zu genau, wäre die Krelinger gewesen, klagte sie.

Wenn irgend eine Berufsthätigkeit absorbirend, zeit - raubend und nervenaufregend ist, so ist es gewiß die einer Schauspielerin.

Ebenso kenne ich Malerinnen und Schriftstellerinnen, in deren Häusern ich viel Comfort und guten Kaffee genossen, aber wenig Schmutz, Angebranntes, Ungeziefer und Krakehl angetroffen habe.

Jch wiederhole in Kürze, was ich schon ausgeführt habe: Die gute Haushaltung hängt nicht von der Zeit135 ab, die die Hausfrau auf Führung derselben verwendet, sondern von dem Verstand und dem Charakter, mit dem sie geleitet wird.

Die für jede Hausfrau unentbehrliche Arbeit (für jede, die sich nicht eine Wirthschafterin hält, was bei sehr einträglicher Berufsarbeit durchaus zulässig wäre), kostet ein Minimum von Zeit.

Das Rechnen des Wirthschaftsbuches, wenn es täg - lich geschieht, das Zählen und Fortlegen der Wäsche, wenn die Wäsche stets geordnet ist, das Bestimmen des Mittagbrotes, das Alles nimmt nur Minuten in Anspruch.

Zeitraubende Anweisungen für die Dienstboten finden in normalen Haushaltungen nur in den ersten Tagen nach dem Zuzug statt.

Das Behandeln der Dienstboten aber, das Erziehen der Kinder (wenn letzteres nicht als pädagogische Kunst betrieben wird) kostet gar keine Zeit; es ist eben ein un - mittelbarer Ausfluß des eigenen Charakters. Jch er - ziehe und leite nicht Vormittags oder Nachmittags ein paar Stunden, sondern unwillkürlich durch jedes meiner Worte, durch jede meiner Handlungen und Mienen.

Auf außergewöhnliche Verhältnisse (eine Familie z. B., die mit acht bis zwölf kleinen Kindern gesegnet ist), können meine Ausführungen natürlich nur eine sehr beschränkte Anwendung finden.

136

Die Durchschnittszahl der Kinder übersteigt aber in Deutschland, wenn ich recht unterrichtet bin, nicht die Zahl vier.

Jch weiß es wohl, das Herz der Gesellschaft wird sich wenden, auch ohne daß wir unsere Stimme laut und klagend erheben.

Nicht von innen heraus ändern sich vorzugsweise die Sitten, nicht nur durch wachsende moralische Er - kenntnisse es sind zugleich die Erfindungen, es sind die Fortschritte auf dem Gebiet der Naturwissenschaften, der Technik u. s. w., es sind die Naturkräfte selber, die das Bestehende unterwühlen und sociale Revolutionen herbeiführen.

Nach dem Gesetze der Nothwendigkeit, sage ich, wird die Frauenfrage ihre Lösung finden.

Wie der Adel im Zeitraume nach der Reformation durch das Emporkommen der Jndustrie sich gezwungen sah, dem Vorurtheil, daß gewerbliche Thätigkeit entehre, zu entsagen, ebenso wird den Frauen der Zukunft die Selbständigkeit aufgezwungen werden, wenn sie nicht physisch und moralisch verkommen wollen.

Die Noth des Daseins wird die Vorurtheile brechen.

Die Erfindung der Maschine, die alle volkswirth - schaftlichen Verhältnisse umgewandelt, sie hat auch den Wirkungskreis der Frauen verschoben. Einen Theil der137 Hausarbeit hat sie bereits in die Fabrik gelegt, ohne daß man bis jetzt die nothwendigen Consequenzen daraus für die Frauenwelt gezogen hätte.

Auch die Hausarbeit, die ihr geblieben, wird ihr mehr und mehr entzogen werden.

Es naht die Zeit, wo in den mittleren und niederen Ständen das Heerdfeuer erlöschen wird, um in groß - artig angelegten öffentlichen Küchen desto heller zu lodern. (Selbstverständlich nicht Restaurants auf Spekulation nach heutigem ekelerregenden Zuschnitt.)

Und das wird vielleicht eher geschehen, als wir denken, denn es handelt sich bei dieser Küchenfrage nicht allein um einen Kampf zwischen Vorurtheil und einer neuen Jdee (in diesem Falle würde wohl auf Jahrzehnte hinaus dem ersteren der Sieg verbleiben), vielmehr wird der Kampf entbrennen zwischen zwei gleich starken Kräften, zwischen Gewohnheit und Egoismus.

Wenn der so scharf denkende Mann es erst begriffen haben wird, daß er aus solchen Küchen für die Hälfte des Geldes noch einmal so gut essen kann, als aus der Hausküche (man denke allein an die Ersparniß einer Köchin und ihrer Diebstähle), dann wird der Vortheil des Magens und der Geldbörse mächtig an der alten Gewohnheit rütteln, und die Tage der Hausküche mit sammt ihrem Heiligenschein werden gezählt sein.

138

Sie aber, Madame, wenn Sie neben Jhrer Leiden - schaft für's Kochen auch wirklich ausgezeichnet zu kochen verstehen, so mögen Sie als Angestellte einer solchen Küche Jhren Ehrgeiz befriedigen.

Jch verhehle es nicht ein Schauder des Ent - zückens befällt mich bei der Vorstellung eines Lebens ohne Köchin. Sicher gehörte es nicht zu den geringsten Comforts des Paradieses, daß Eva keine Köchin brauchte.

Aufzustehen des Morgens ohne die Sorge: was kochst Du heute? sich niederzulegen, ohne kummervoll die Mäusereien zu resümiren, die Karoline im Laufe des Tages verübt.

Wenn ich mein vergangenes Leben überblicke und an alles Traurige denke, was mir widerfahren, so tauchen auch vor mir die Schatten vieler, vieler des Anbrennens und Stehlens kundige Köchinnen auf, schwarze Bosheit im Herzen, Verläumdung auf der Zunge. Und um mich vor den brenzligen Gespenstern zu retten, schicke ich ein Stoßgebet empor: Herr, erlöse mich von der Köchin!

Und alle Hausfrauen, gute und schlechte, junge und alte, stimmen in das Gebet mit ein, denn o über die verwünschte Köchin, ach könnte ich doch ohne Köchin leben , ist das Morgen - und Abendlied jeglicher Haus - frau. Wagt eine Einzige es zu leugnen!

139

Trittst Du nun aber vor diese Hausfrauen hin und sprichst: Jch will Euch erlösen, folgt mir, ich führe Euch in das gelobte Land, zu der idealen. Küche, wo Euch mühelos edle Bouillon in Strömen fließt, wo kräftige Braten allmittäglich am Spieße schmoren, so thut sich der Mund, der eben noch die Köchin verwünscht hat, gegen Dich auf. Sie bekreuzt sich vor Dir und spricht: Hebe Dich weg von mir, Satanas! Hätte ich die Köchin nicht, wie wäre ich des Ruhms vor meinem Gatten baar. Wie sollte ich ferner behaupten, daß der Gute nur unter meiner Pflege so herrlich schmeerbäuchig gedeihen kann. Die große Garküche macht mich um eine große Lüge ärmer.

Jn jener idealen Küche, fährt sie fort, wird Un - moralität geschmort, Faulheit marinirt, der häusliche Sinn zu Asche gebrannt. Hinweg mit Dir! Es lebe die Köchin, das Piedestal meines Ruhms.

Das Herz der Welt, wir sehen es, wie in allen großen, so auch in dieser kleinen Küchenfrage, ist von Lüge und schnöder Eitelkeit gefressen.

Unsere Hausfrauen sind Götzendiener, Feueranbeter, wie jene wilden Urvölker.

Diese aber beteten sonder Nutzen und sonder Braten das reine Feuer an, das Feuer der Sonne oder die Flamme als Urelement. Die Hausfrau aber betet zum140 Torf - und Kohlenfeuer, an dem so appetitlich ihr Haus - frauenruhm mit dem Braten gar wird.

Freilich, einen Uebelstand, einen sehr betrübsamen, als Consequenz dieser öffentlichen Küchen, darf ich hier nicht verschweigen.

Der arme Hausherr, er müßte einen gewissen Par - füm, der an langen Vormittagen seine Nase so lieblich afficirte, fortan entbehren, jenen süßen Duft, meine ich, von Kohl und Rüben, der ihm alle fünf Minuten den Schrei erpreßt: Thüre zu! Fenster auf!

Nicht mehr würde er hören das Gezeter seiner Gattin über der Köchin Frevelthaten, nicht mehr würde sein Auge erfreuen die rahmige Karline.

Und Madame, die entthronte Köchin?

Trostlos schweift ihr Blick über die dürftige Speise - kammer, die ausgebrannte Stätte ihrer Triumphe. Noch eine Hoffnung hält sie aufrecht, sie eilt zum Waschkeller. Der Waschkeller ist nicht mehr. Keine Waschfrau schlürft mehr in ihren Holzpantöffelchen über die dröhnenden Corridore. Der niedliche kleine Familienwaschkeller ist geschlossen für immer. Große Waschhäuser mit com - plicirten Maschinen haben ihn umgebracht, und der Hauswirth verwerthet jetzt seinen Waschkellerraum in anderer Weise.

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Die Frau stürzt sich auf die Kinder, um an ihnen ihre Zeit auszulassen.

Zurück! ruft ein paradiesischer Kindergarten, der die Kleinen, unter der Leitung wirklicher Pädagoginnen, für die Vormittagsstunden der Atmosphäre getrockneter Win - deln und widriger alter Kindsweiber entzieht.

Große Schneiderinnenwerkstätten liefern die Kleider fix und fertig in's Haus, billiger, als man dieselben im Hause könnte anfertigen lassen. Nur Flickarbeit bleibt für die Hausfrau übrig.

Das deutsche Hausfrauenthum von heut ist nur ein Schatten, eine Karrikatur desjenigen früherer Jahr - hunderte, in denen die Frauen Theil hatten an der Jndustrie.

Jene Hausfrauen brauten das Bier, spannen das Garn, webten das Zeug. Sie buken das Brot, sie pökelten das Fleisch und bestellten Obst - und Gemüse - garten. Sie kochten Seife und zogen Lichter, sie fer - tigten köstliche Gewände, sie klöppelten Spitzen und hatten doch noch Zeit, musterhafte Gattinnen und Mütter zu sein.

Unsere Hausfrauen spinnen nicht und weben nicht, sie brauen nicht und backen nicht, sie sticken nicht köst - liche Gewände und pflanzen nicht. Was thun sie denn?

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Sie spielen. Sie spielen mit der Küche, mit den Kindern, sie spielen mit dem Leben.

Als Anhang zu dieser Schrift will ich in Kürze meine Ansichten über den sogenannten weiblichen Beruf aussprechen.

Worin soll der weibliche Beruf bestehen?

Jch bitte den Leser um Verzeihung, wenn ihm das Wort vielleicht schon ebenso sehr widerstehen sollte, wie mir.

Guter Leser, glaube mir, es giebt überhaupt gar keinen weiblichen Geschlechtsberuf, sondern nur einen allgemein menschlichen und einen individuellen.

Wie die Natur auf die Stirn des einen Mannes schrieb: werde Künstler! wie sie im Busen des andern eine Flamme entzündete, deren Funken als süße Lieder uns berauschen, wie sie einen Dritten mit unermüdlichem Forschungsgeist erfüllte, dem Vierten seines Lebens Jn - halt in die Fäuste legte gerade so verfuhr in seiner bodenlosen Unvernunft dieser Racker Natur mit den Frauen.

Zur Einen sprach sie: herrsche! zur Andern: diene! zur Dritten: denke! zur Vierten: scheure!

Und es sprach die Natur: So Du mir nicht folgst, so sei verflucht diesseits und jenseits!

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Und unter diesem Fluch sehen wir Herzen und Geister so vieler begabter Frauen hinsiechen, unentrinn - barem Elend preisgegeben, bis endlich über ihre des Suchens müde Seele das Grab sich schließt, das Grab, die gleiche Bestimmung Aller.

Der unfehlbare Mann aber empört sich gegen die Natur.

Anstatt die Gesetze, die in Gottes Busen längst ge - schrieben ruhen, zu entziffern, vermißt er sich, selbst Ge - setze zu schreiben.

Ein kleiner Prometheus, bringt er den Frauen, ihnen zur Glückseligkeit zu verhelfen, das Feuer des Küchen - heerdes.

Und seine Strafe?

Nicht er, sondern sie ward angeschmiedet, der Geier frißt nicht sein sondern ihr Eingeweide.

O ewige Gerechtigkeit!

Jhr Frauen Alle, Jhr Millionen so lautet die Weisheit des Mannes seid umschlungen von einem Gefühl, einer Lust, einer Begabung.

Die Nadel und der Kochlöffel der ganzen Frauen - welt!

Auf Zweierlei, spricht er, hat Gott Dich, Weib, ver - wiesen, auf Deine Finger und Dein Herz. Diese bilden Deinen Beruf.

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Deine Finger, um zu nähen, zu kochen, zu scheuern, zu plätten u. s. w. Dein Herz, um zu lieben, Deinen Mann und seine Kinder.

Betrachten wir zuerst die auserwählten Frauenfinger, in die der heilige Geist gefahren sein soll.

Sollten Sie wirklich an den männlichen Fingern keine Rivalen haben?

Sollte man sich wohl auf die Dauer der Ansicht verschließen können, daß mehr Geschicklichkeit dazu gehört, Operationen zu vollziehen, als eine gute Steppnaht zu nähen? sollte nicht der menschliche Geist mit der Zeit die Erkenntniß gewinnen, daß die Finger eines Lißt, Bülow, Rubinstein allenfalls im Stande seien, mit denen der bewunderungswürdigsten Flickfrau zu concurriren?

Was beweisen denn all die Schneider, Friseure, Weber, Köche u. s. w.?

Und nun gar die Taschendiebe und Taschenspieler, mit Fingern, die wunderthätig, gleich den Pfeifen des Rattenfängers von Hameln, Geld, Taschentücher und Portemonnaies aus den verborgensten Taschen hervorzu - zaubern vermögen.

Eine Engländerin, Frau Kembde, welche sich nach Amerika verheirathet hatte, bewunderte die absolute Un - fähigkeit der amerikanischen Damen zu weiblichen Hand - arbeiten.

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Eine Schriftstellerin, die uns die Geschichte der Klöppelkunst erzählt, bemerkt dabei, daß seltsamerweise die Knaben im sächsischen Erzgebirge mehr Anlage für diese Kunst bewiesen, als die Mädchen, und wenn diese später geschickter klöppelten, so verdankten sie es nur der unausgesetzten Uebung.

Jch will mit diesen Beispielen nur beweisen, daß von einer Fingerüberlegenheit, die die Frauen vor den Männern voraus haben sollen, nicht die Rede sein kann.

Bleibt die Liebe.

Mir ist noch kaum ein Buch über Frauenfrage und Frauenbewegung in die Hände gefallen, in dem nicht der Beruf der Liebe, in dieser oder jener Wendung, ein - fach und entschieden, oder in blumiger Umschreibung, als der den Frauen ausschließlich zukommende, gepriesen worden wäre.

Die Liebe als Beruf! klingt das nicht wie der Titel zu einer Posse?

Was ist Beruf?

Doch wohl die planmäßige, andauernde Anwendung der mechanischen, intellektuellen oder Gemüthskräfte eines Menschen auf einen bestimmten Gegenstand zu einem bestimmten Zweck. Jeder Beruf setzt ein bestimmtes Können voraus.

Obgleich sich diese Kräfte selten ganz trennen lassen,Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 10146so würden doch bei dem Beruf eines Arbeiters oder Handwerkers vorzugsweise die mechanischen Kräfte, bei dem eines Gelehrten die intellektuellen, bei dem Beruf eines Musikers oder Schriftstellers die intellektuellen und Gemüthskräfte in Anwendung kommen.

Läßt sich diese Definition auf die Liebe anwenden?

Gewiß nicht. Die Liebe ist nicht planmäßig, sie setzt kein Können voraus (sie ist lauter Gnade Gottes), sie hat auch keinen bewußten Zweck. Die Dichter, von den Poeten erster Qualität bis zu den dürftigsten poeti - schen Ablegern herunter, singen und sagen es von An - beginn aller Dichtkunst an, daß der einzige Zweck der Liebe die Liebe sei.

Ob nicht allzu viel Liebe eher geeignet ist, die häus - lichen Verrichtungen zu beeinträchtigen als sie zu fördern?

Ob die sprüchwörtliche Redensart, daß eine verliebte Köchin die Suppe versalze, eine so ganz zufällige ist?

Wäre die Liebe als solche ein Beruf, so müßten ja die armen Männer entweder gar nicht lieben, oder zwei Berufe haben.

Jch kenne Männer, die im Schweiße ihres Angesichts an der Börse und ihren Comptoirs, oder hinter den Aktentischen sich berufsmäßig abarbeiten und daneben die zärtlichsten Gatten und Väter sind.

Jst denn die Liebe wirklich so zeitraubend?

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Jch glaube es nicht, man müßte sie denn als ga - lantes Abenteuer auffassen.

Und dennoch ja, es giebt Frauen, deren Beruf die Liebe ist. Jch weiß aus der neuesten Geschichte der Menschheit zwei solcher Frauen, zwei hehre Priesterinnen, deren Namen ich nicht nennen kann, ohne daß das Herz im Busen mir vor Ehrfurcht zittert. Es sind nicht deutsche Hausfrauen, sondern zwei Engländerinnen: Miß Nigtingale und Elisabeth Kry.

So manchem braven Haudegen, der pflichtschuldigst Menschen in feindlichen Uniformen niedersäbeln ließ, sind Statuen errichtet worden. Euch aber, die Jhr Tausende und aber Tausende vom moralischen und physischen Tode gerettet, Euer Leben für nichts achtend, Euch gebührt einer jener hehren Tempel der Ehre, zu dem man, nach antiker Anschauung, nur schreiten konnte durch den Tempel der Tugend. Jch küsse Euch Eure heiligen Füße.

Die Liebe als Beruf ist ein unauslöschliches Feuer, eine reine Flamme, aus der von rechtswegen die Hei - ligenscheine gewoben werden müßten, die man aus der Torfglut für die Küchen-Heiligen herstellt.

Nur erhabene Genien werden von diesem Beruf er - griffen.

10*148

Aus welcher Kraft floß Nathan der Weise? Aus Liebe.

Aus welchem Quell die Reformation? Aus Liebe.

Nur ein Herz voll glühender Liebe erzeugt den großen Dichter, den großen Reformator, den Märtyrer.

Gepaart ist diese Liebe immerdar mit dem tiefsten Schmerz. Es sieht der Dichter, der Reformator dies Blut rinnen aus den Wunden der Menschheit und rast - los, bis in den Tod sucht er den Balsam, sie zu heilen.

Eine Hausfrau aber kann recht gut die Wirthschaft führen, im Eingemachten Lorbeeren davontragen, recht - schaffen für Kind und Mann sorgen und doch kalt sein wie der Aal, den sie schlachtet.

Kalt, sage ich, wenn sie es auch zu Stande bringt, Mann und Kind mit sich zu identificiren und einen Mischmasch von Liebe und kleinlichem Egoismus zu er - zeugen, den man den heiligen Frauenberuf nennt und der einer ordinären Selbstliebe gleich sieht wie ein Ei dem andern. Jch kenne mehr als eine Frau von ganz gemeiner Art, die nichtsdestoweniger ihren Mann und ihre Kinder liebt.

Sollen wir es den Frauen als hohe Tugend an - rechnen, daß sie nicht ganz verworfen sind, daß sie noch die Fähigkeit haben, ihr Herz an irgend ein menschliches Wesen zu hängen.

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Jn Betreff der hergebrachten Meinung über Frauen - beruf ist dies meine Ansicht: Alles Reden gegen Berufs - thätigkeit der Frau halte ich so lange für Heuchelei, Dummheit oder Egoismus, bis ich einen Kampf ent - brennen sehe gegen die Berufsarbeiten der Frauen der niederen Stände.

Zwei Drittel aller Frauen arbeiten, von der Zeit des Alterthums bis heut, von den wildesten bis zu den civilisirtesten Völkern berufsmäßig neben dem Manne.

Diese zwei Drittel für nichts zu achten ist Hochmuth oder Barbarei.

So lange nicht der Handwerker die Frau aus seinem Laden oder seiner Werkstatt in Küche und Kinderstube treibt, so lange der Bauer auf dem Felde die Frau an seiner Seite schwitzen läßt, so lange man den Frauen nur die einträglichen, Geld und Ehre einbringenden Beschäftigungen entzieht, ihnen die niederen und müh - samen aber zuweist, damit, wenn unverheirathet oder verwittwet, sie der Gesellschaft nicht zur Last fallen, so lange der Staat die Wittwe nicht standesgemäß erhält, so lange glaube ich nicht an die Ueberzeugung, sondern nur an die Heuchelei, den Egoismus, die Barbarei oder die Dummheit der Vertreter der hergebrachten Meinung.

Du sollst kochen , spricht der Mann zur Frau, aber es nicht gründlich erlernen. Du könntest sonst ein150 paar hundert Thaler Gehalt beanspruchen und auf diese Weise dem Koch Konkurrenz machen.

Du sollst nähen, Tag für Tag, einsam über die Nähmaschine gebeugt, aber es schickt sich nicht, daß Du eine große Werkstatt eröffnest und Gesellinnen hältst (ob eingewurzelte Vorurtheile oder Gesetze oder Erziehung den Zwang auf die Frauenwelt ausüben, ist für unsere Frage gleichgiltig). Du darfst dem Schuhmacher als Gattin bei seiner Arbeit helfen, nicht aber die Schuh - macherei als selbstständiges Handwerk betreiben.

Jeder nimmt so viel er bekommen kann von den - tern dieser Welt. Hinweg mit dem, der ihn dabei zu verkürzen droht. Glück auf, wenn Du mehr Kraft hast als Dein Nebenmann.

Das Banner, unter dem eine große Partei (ich will nicht sagen die größte) der Gegner der Frauenbewegung kämpft, ist das Geschäftsinteresse und ihre Losung heißt: Tod der weiblichen Concurrenz.

Wehe der Frau , ruft ein Schriftsteller aus, welche bei dem Versuch, dem Manne zufallende Aufgaben zu lösen, der weiblichen Grazie vergißt.

Und das ist der Vorwurf, den jeder Mann für die in einem selbständigen Beruf thätige Frau in Bereit - schaft hält: Unweibliches Thun!

151

Nun bitte ich mir ohne Umschweife eine klare Ant - wort auf folgende klare Frage aus:

Was ist zarter und weiblicher: Briefe zu expediren, zu malen, Gottes Wort von der Kanzel zu verkündigen, Bücher zu führen oder zu schreiben, meinetwegen Recht zu sprechen vor Gericht oder Hühner abthun, mit den Lilienfingern in schmutziger Wäsche herumklauben, Kasse - rolen und Kessel in der Küche schwingen, mit nackten Armen, hochrothen Gesichts, in gewaltigen Waschzubern umherrudern und hinter den Dienstboten herblaffen! (Jch schalte hier ein, daß man in Deutschland unter der idealen Frau, der Frau wie sie sein soll, nicht etwa die elegante, nichtsthuende Salondame, sondern einzig und allein die arbeitsame, die gute Hausfrau versteht, die überall selbst mit zugreift; ich übertreibe also in keiner Weise.)

Wer gleicht mehr einer Amazone:

Madame mit dem Besen und fliegenden Hauben - bändern, Madame auf der Leiter, Madame, gewaltige Laken über die Leine schlagend, Madame, die eine blu - tige Leber häutet und mit der Hökerin um ein paar Groschen feilscht, oder die Frau, die im stillen Gemach studirt oder öffentlich über ideale Dinge spricht, die die Künste pflegt oder ruhig im Comptoir sitzt? Jch bitte um Antwort.

152

Was meint man zu dem weiblichen Thun einer jungen verlobten Dame, deren Bekanntschaft zu machen ich in einem thüringischen Städtchen die Ehre hatte. Jch traf nämlich diese angehende Hausfrau in der Küche, als sie mir triumphirend einen Hahn wies, den sie soeben noch schwang sie das blutige Messer zu einem Capaun hatte avanciren lassen. Der Bräutigam war gewiß entzückt über das Wirthschaftstalent dieser zarten Jungfrau.

Die Hausfrau, die keine Arbeit scheut, die mit Ver - gnügen schmutzige Wäsche aussucht, mit Seelensatisfaktion kocht, mit Herzenslust nach Ungeziefer jagt und die dabei so zart und sinnig geartet ist, daß sie mit Lindenblüthen und Mondschein, mit Heine und Byron vertrauten Um - gang pflegt und in den Zaubergärten der Poesie wonnig und behaglich wie in ihrer Speisekammer wandelt, eine solche Frau gehört zu den Fabelwesen. Sie existirt nicht. Jch wenigstens kenne kein einziges Exemplar.

Wer kennt es?

Don Quixote.

Nur er kann eine Kartoffel für eine Pfirsich, das Gackern einer Henne für Nachtigallengesang halten.

Lassen wir einmal die heuchlerische Phrase, daß eine Frau, die wirthschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke153 verfolge, sich zum Familienleben nicht eigne, für Wahr - heit gelten.

Wenn eine solche Frau nun aber sagt: Jch fühle keinen Beruf für Familienleben, ich will nicht Mann, ich will nicht Kind, ich will allein sein. All mein Sin - nen ist auf diese oder jene Wissenschaft oder Kunst ge - richtet, ich will studiren, ich will malen!

Wie kommen die Männer dazu ihr zu antworten: Das darfst Du nicht, wir verschließen Dir die Hörsäle der Universität, wir verschließen Dir die Akademie, denn was Du thust ist gegen die Ordnung der Natur.

Mit welchem Rechte, frage ich?

Genau mit demselben Recht, mit dem die geistreichen Griechen erklärten, daß es zwei Menschenklassen gäbe, die Freien und die Sklaven.

Gegen die Ordnung der Natur!

Und unter den Männern, die so leichtfertig gewaltige Worte in den Mund nehmen, sind Männer der Wissen - schaft, die sich so weit vergessen, ein unerwiesenes und unerweisbares Naturgesetz a priori anzunehmen, Män - ner, die schülerhaft den Glauben an menschliche Formeln für Wissenschaftlichkeit halten.

Was würden diese Herren sagen, wenn ein Philosoph behaupten wollte, er glaube nicht nur an einen persön - lichen Gott; der persönliche Gott (oder Götter), dessen154 Existenz durch den Jahrtausende währenden Glauben aller Völker der Erde genugsam erwiesen sei, sei ein Naturgesetz, aus das allein alle philosophischen Argu - mente und logischen Beweise zu gründen seien. Sie würden ihn für einen Blödsinnigen erklären.

Die Annahme aber von einem Naturgesetz, daß die Hälfte des menschlichen Geschlechts auf häusliche Ver - richtungen als ihren Beruf erweist, ist noch viel blöd - sinniger.

Der Anhänger des persönlichen Gottes konnte sich wenigstens darauf berufen, daß das Gegentheil, der nicht existirende Gott , unbewiesen sei, während die Anhänger jenes anderen Naturgesetzes ihre Sinne und ihre Ge - schichtskenntnisse verleugnen müssen, um dasselbe aufrecht zu erhalten.

Wir wollen von unseren Gegnern nicht verlangen, daß sie die Seelen der lebendigen Frauen an dem Ge - setze prüfen mögen. Dazu fehlt es ihnen an Zeit, Lust und Talent.

Daß aber können wir verlangen, daß sie wenigstens einen flüchtigen Blick in die Geschichte werfen, daß sie heraufbeschwören aus den Erinnerungen Quartas und Tertias (wenn ihnen in spätern Jahren die Geschichts - schreiber abhanden gekommen sein sollten) jene lange Reihe von Königinnen, Regentinnen und andern Frauen,155 die einzigen, von denen wir wissen, daß sie, ungefesselt durch zwingende Sitte, an Bildung den Männern eben - bürtig, Raum fanden auf diesem Erdenkreis für das Spiel ihrer Kräfte.

Die Geschichte redet laut und oft rollt ihre Rede wie Donner aus dem Munde der Frauen.

Man verschone uns mit dem albernen Einwande der Ausnahmen.

Von Ausnahmen kann dabei gar nicht die Rede sein. Man lese die Geschichte der römischen Kaiserzeit, man lese die von Makedonien, die des byzantinischen Kaiserreichs, die italienische Geschichte des Mittelalters in ununterbrochener Reihe sehen wir eine Frau auf die andere folgen, um Thron, Kirche und Volk zu beherrschen. Fast alle sind feurigen Gemüths, voll Herrschsucht und üppiger Lebenslust, voll gewaltiger Thatkraft.

Es kann dabei auch nicht von Auserwählten die Rede sein, von exceptionellen Naturen, die sich durch unge - wöhnliche Gaben berufen in den Vordergrund drängten. Die weitaus größere Zahl jener Frauen standen auf dem Platz, wohin sie Geburt oder das Spiel des Zu - falls gerufen.

Man sage auch nicht, mit der steigenden Civilisation habe sich die Natur des Weibes geändert. (Jn Jtalien156 war man zur Zeit der Renaissance schon recht civilisirt.) Erstens würde doch die Wandlung der Frauen Schritt halten mit der der Männer, und dann bleibt nicht die Menschennatur (wenigstens so weit bis jetzt unser geisti - ges Auge zu schauen vermag) immer und ewig dieselbe? sind es nicht blos ihre Erscheinungsformen, die sich ändern?

Wenn eine herrschsüchtige Frau des byzantischen Kai - serreichs ihre Verwandten hängen, spießen und verhungern ließ, um sich ihrer zu entledigen, so wird eine herrsch - süchtige Frau der Gegenwart dolchscharfe Jntriguen spinnen, die ihren Feind ebenso sicher dem Verderben weihen. Der Unterschied ist nur: damals floß mehr Blut nach außen, moderne Grausamkeit läßt die Lebens - kraft nach innen verbluten.

Die Nerven sind bei beiden Geschlechtern zarter ge - worden.

Seltsam warum kam in keiner jener Frauen, in keiner dieser Fulvia's, Agrippina's, Livia's, Julia's, in keine jener Jrenen, Berenicen, Zenobia's, Olympia's, Kleopatra's das Naturgesetz zum Durchbruch!

Warum hören wir nicht von einer dieser Frauen, daß sie wenigstens auf dem Sterbebett ihre Jrrthümer bereut und mit dem Strickstrumpf am Herzen gestorben?

Wenn es wahr ist, daß die Frau kocht, wie die157 Lerche singt, aus Naturtrieb, warum hören wir nicht von der kleinsten Anwandlung von Kochlust oder Scheuer - launen, die sie mitten im Regieren ergriffen?

Klio weiß nichts davon. Jm Gegentheil, sie hat in ihr ewiges Buch verzeichnet, daß manche dieser Frauen zum Stamme jener souveränen Naturen gehörten, die sterben, wenn sie nicht mehr herrschen dürfen.

Armseliges Naturgesetz, das nur durch eine Ma - schinerie von Sitten, schlechten Mädchenschulen und un - gerechten Privilegien in Scene gesetzt werden kann! Und vor solch einem Gesetz sollte ich mich in den Staub werfen und es anbeten? Nimmermehr.

Manchmal scheint es mir, als wäre ein solches Naturgesetz für die Frauen nichts anderes, als was die Kette für den Hund ist; daran gelegt kriecht er stumpf - sinnig und gehorsam in seine Hütte und blickt weh - müthig auf die freien Hunde, die die fetten Knochen nagen, losgelassen aber erobert auch er seinen Knochen - antheil, und jede Muskel an ihm athmet Lebenslust.

Freilich, es gibt auch geborne Kettenhunde bei - derlei Geschlechts.

Wie der Mann, der stillen Geistes und friedfertigen Gemüths, in wilden Zeiten auf einen Thron berufen, zu Grunde geht, weil er die Gesetze seiner Natur miß - achtet, so geht die Frau zu Grunde, die feurigen Ge -158 müths, voll rastloser Energie, auf thatenloses Vegetiren sich beschränkt sieht. Denn drängst Du die Kräfte, die zu bilden, zu gestalten streben, zurück, verzehren sie Dich selber.

Ein Jeder trägt in seiner Gruft sein eigenes Natur - gesetz.

Ja, die Natur ist die Urquelle aller Erkenntniß, und darum weiß jede denkende Frau, die in ihre eigene Seele blickt, mit absoluter Gewißheit, daß die Natur die Selbstständigkeit des Weibes will.

Bin ich wirklich ein von dem Mann so ganz ver - schiedenes Wesen, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, daß nur ich allein wissen kann, wozu ich bestimmt bin. Wie kommt der Mann zu der abenteuerlichen Anmaßung, mein Wesen besser verstehen zu wollen als ich selbst, mich zwingen zu wollen auf seine, nicht auf meine Art glücklich zu werden.

Denkt er vielleicht weiblicher als ein Weib?

Könnten wir nicht mit demselben Recht behaupten, wir verstünden die Natur des Mannes besser, als er sie zu verstehen im Stande ist!

Darum sind die Frauen unglücklich, weil sie sein sollen, was sie in Wirklichkeit nicht sind.

Jch war noch ein Kind, als Gottes Stimme zu mir159 sprach: Gehe hin und werde (aus Discretion verschweige ich was).

Jch hörte sie laut, ich hörte sie bald nur noch wie im Traum, ich durfte ihr nimmermehr folgen.

Und weil ich so im eigenen Geist erfahren, was es heißt, die heilige Stimme der Natur mißachten, darum schreibe ich diese Schriften, voll glühenden Mitgefühls für mein Geschlecht.

Nur Wenigen wohl wird zu Theil in den Himmel der Wahrheit zu gelangen, ohne durch das Fegefeuer der Schmerzen zu schreiten. Und Mancher ringt sich empor zum Licht aus der Hölle der Verzweiflung.

Welcher Mann hat die Stirn, mir zu sagen: Du bist ein Unding, eine Abnormität, eine Unnatur, wäh - rend ich weiß und fühle, daß all meine Empörung nichts ist, als Sehnsucht zurück nach meiner ureignen, ganz harmonischen Natur, Sehnsucht nach mir selber.

Alle Gelehrten der Welt, die ganze Wissenschaft mag kommen und mir zurufen: Du irrst, die häuslichen Verrichtungen sind Dein Beruf. Jch rufe ihnen zurück: Jhr lügt! Meine Natur ist Gottes, ich bin ihr alleini - ger Priester, und so Jhr mich schmäht, entweiht Jhr ein Heiligthum.

Die gescheutesten und die dummsten (deutschen) Män - ner, sie alle kommen so ziemlich in der Ansicht überein,160 daß die jetzige Frauenbewegung entweder lächerlich oder frevelhaft sei.

Sie sprechen alle dagegen, welcher Geistesbegnadigte aber hätte jemals dagegen geschrieben? (Jch denke dabei selbstverständlich nur an die gegenwärtige Zeit, jede Zeit hat ihre besondere Mission.) Daß der Gegen - stand der Dinte nicht werth sei, wagt man kaum noch zu behaupten, seitdem vornehme englische Minister, die den Ruf haben, sich nicht mit müßigen Dingen zu be - schäftigen, die Frage für eine beantwortungswürdige er - klärt haben.

Oder sollte man sich damit entschuldigen, daß zu - fällig nicht genug Regenbogenfarben und Schmetterlings - staub vorhanden seien, in die man die Federn (wie ein bekannter Dichter es verlangt) tauchen müßte, um über das ätherische Geschlecht der Frauen zu schreiben?

Es ist etwas Anderes, das die Denkenden zurückhält, auf diesem Gebiet etwas Schriftliches von sich zu geben.

Jn der Unterhaltung finden sie sich ohne Gewissens - bisse wie jeder Andere mit Phrasen ab.

Als Männer der Wissenschaft aber, deutscher Wissen - schaft, haben sie die Gewohnheit angenommen, da, wo sie sich gedruckt äußern, mit Gedanken umzugehen, nicht sie zu umgehen. Als Gymnasiasten haben sie schon ge - lernt, was ein logischer Beweis ist. Sie ahnen, daß161 es mit einigen Reminiscenzen wie Schiller, Jean Paul und anderen modernen Frauenlob's nicht abgethan ist. Sie wissen, man muß einen Gegenstand kennen, ihn tief durchdacht haben, ehe man darüber schreibt.

Mit einem Wort: ihr wissenschaftliches Gewissen hindert jene Männer, schriftlich gegen die Frauenbe - wegung Parthei zu ergreifen, so sehr Jhr Gefühl dieselbe verdammen mag.

Nie wird ein Denker gegen die Befreiung des weib - lichen Geschlechts sich erheben,[denn] Du, Göttin der rei - nen und stolzen Vernunft, Du hast keine Argumente für unsere Gegner.

Man weise mir ein einziges, mit Geist und Ge - danken geschriebenes Buch gegen die heutigen Frauen - bestrebungen nach, und mit unablässigem, strengem Ernst will ich es studiren.

Kommen wir auf die praktische Tragweite der Frage zurück.

Es handelt sich bei dieser Frage gar nicht darum, ob die Frauen klüger oder dümmer sind als die Män - ner. Meinetwegen, wenn es zu Jhrem Glück gehört, mögen die Herren Männer annehmen, daß die Klügsten ihres Geschlechts den Klügsten des andern Geschlechts stets unendlich überlegen sein werden. Sie mögen sich von dem Bewußtsein durchdringen lassen, daß Gott derDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 11162Natur nie die Concession zu einem weiblichen Bismarck, einem weiblichen Moltke, einem weiblichen Schiller und Goethe verleihen werden. (Jch meine freilich, daß Schiller mit denselben Gaben, die ihn zu unserm großen Schiller gemacht, als Mädchen geboren und mit der in kleinen Bürgerfamilien zeit - und landesüblichen Mädchenerziehung versehen, es wahrscheinlich nie weiter gebracht hätte, als etwa durch ein hübsches Gelegenheitsgedicht oder durch verprudelte Handarbeiten den Neid oder die Mißachtung seiner Mitschwestern zu erregen. Schiller wäre schon nicht Schiller gewesen, wenn er nicht Kant studirt hätte.

Jch weiß auch, wenn ich in meiner Jugend gewußt hätte, mich in der Schriftsprache gebildet und rhythmisch zu äußern, ich würde all die poetischen Thränen, die ich im Mondschein unter Lindenbäumen geweint, all meine Himmelsbetrachtungen und Todesahnungen in holde Lieder umgesetzt haben, und vielleicht wäre ich heut schon photographisch in der Gartenlaube als berühmte Zeitge - nossin erschienen.

Also wir nehmen an, die klügsten Männer sind klü - ger als die weisesten Frauen. Aber wieviel klügste Män - ner giebt es denn überhaupt?

Die ungeheure Masse beider Geschlechter bewegt sich in den sanften Wellenlinien der Mittelmäßigkeit.

Wenn wir die Männer über ihresgleichen sprechen163 hören, den Beamten über seinen Collegen, den Professor über den Professor, den Künstler über den Künstler, den Kaufmann über den Kaufmann, so können wir uns des Staunens nicht erwehren über die große Zahl von Eseln und Schafsköpfen (derberer Ausdrücke nicht zu gedenken), die in diesem Geschlecht mit unterlaufen, eine so große Zahl, daß der Thierkopf das gewöhnliche, der denkfähige Menschenkopf die Ausnahme zu sein scheint. Nun, viel weniger als Esel und Schafsköpfe können die Frauen doch auch nicht sein.

Und wenn der einfältigste Referendar es mit der Zeit zum Geheimrath bringt, wenn der naive, der Gram - matik fernstehende Künstler bedeutende Kunstwerke, der bornirte und engherzige Kaufmann einige Millionen er zielt, so kann die Frau wohl auch diese Stufen mensch - licher Vollkommenheit, ohne Gefahr Hals oder Herz zu brechen, erklimmen.

Eine einfältige Frau wird ihre Sache nicht schlechter machen als ein einfältiger Mann.

Was mag wohl eine kluge, gebildete und energische Frau empfinden, die, unverheirathet oder verwittwet, von Handarbeiten oder Almosen wohlhabender Ver - wandten ein kärgliches Dasein fristet, wenn sie Herrn X. und Herrn Z., die sie persönlich kennt, und von denen sie weiß, daß ihre Unwissenheit nur ihrer Dummheit11*164gleich kommt, wenn sie diese von einem Jahr zum an - dern Hunderttausende erwerben sieht. Sie schwelgen in Lebensfreuden, und sie, die kluge, die energische, sie sitzt über ihre Handarbeit gebeugt bis in die Nacht hinein freudlos, einsam. Vorzeitig fühlt sie ihre physischen und geistigen Kräfte hinsterben. Und keinen Trost hat sie als den einen, jammervollen, herzzerreißenden: Du er - füllst das Geschick Deines Geschlechts.

Als ich kürzlich im Gespräch mit einem liberalen Staatsmann flüchtig die Frage der Anstellungsfähigkeit und des Stimmrechts der Frauen berührte, wies er ein solches Ansinnen entschieden zurück.

Er antwortete mir ungefähr Folgendes:

Der Staat sei nicht da, um zu experimentiren. Nicht für die Keime, für das Werdende habe er Sorge zu tragen. Es sei Sache der menschlichen Gesellschaft, diese Keime in ihrem Schooße zu erzeugen und zu ent - wickeln. Erst das Entwickelte, das Reife habe der Staat in sich aufzunehmen.

Ein seltsames Princip, nach welchem der Staat wie eine alte Großmutter erscheint, die still auf ihrem Stuhle sitzt, den Kämpfenden zusieht und der siegenden Partei ein Lorbeerblatt nach dem andern aus der Hand nimmt, um schließlich mit dem vollen Kranz ihr Haupt zu schmücken.

165

Was ist denn reif und was nicht? Welche Keime sind zukunftverheißend und welche verderbenschwanger?

Würde dieses Prinzip der abwartenden Politik durch - geführt, mit welchem Recht wollte der Staat diese oder jene Bewegung unterdrücken, mit welchem Recht verhält er sich gegenwärtig feindlich der social-republikanischen Bewegung gegenüber?

Könnten nicht möglicherweise in dieser Bewegung die Keime zukünftiger Menschengröße und Menschenbe - glückung liegen? Sind nicht oft Jahrhunderte vergangen, ehe eine Jdee, deren Bekenner ihrer Zeit das Schaffot bestiegen, sich zum Heil der Menschheit in Wirklichkeit umsetzte!

Noch nie seit aller Geschichte haben wir den Staat zuwartend gesehen. Er hat Partei ergriffen von jeher und seine ganze Macht eingesetzt für die Verwirklichung seines Jdeals.

Wer weiß es nicht, eine jegliche Wahrheit bricht sich Bahn mit innerer Nothwendigkeit, sei es mit, sei es gegen den Staat.

Ob es aber zur rechten Zeit geschieht, oder ob Ge - nerationen darüber glücklos ins Grab steigen, ob die Wahrheit wie sanftes Morgenroth über den Häuptern der glücklichen Menschen aufgeht oder ob sie ihren Sieges - purpur in Blut tauchen muß, das hängt zumeist vom166 Staate ab und seiner Weisheit. Besäße aber der Staat immer diese höchste Weisheit der zeitigen Erkenntniß, so würden wir niemals von Revolutionen gehört haben.

Vielleicht aber unterdrückt der Staat nur diejenigen Keime, aus denen eine blutige Saat emporschießen könnte?

Die Socialdemokraten wie die Anhänger der Frauen - befreiung erstreben eine neue Weltordnung. Die letzteren verlacht man, die ersteren nicht.

Warum?

Vor der bleichen Furcht verstummt das Gelächter. Das Blut, das aus Wunden strömt, wird gescheut, Niemand ist vor solchen Wunden sicher. Ueber verblu - tende Herzen lächelt man fort zur Tagesordnung.

Für mich liegt der Anfang alles wahrhaften Fort - schritts auf dem Gebiet der Frauenfrage im Stimm - recht der Frauen. Die Gesetze, bei denen sie am meisten interessirt sind, sind gegen sie, weil ohne sie.

Despotisch nennt man diejenige Regierung, die sich eine unbeschränkte Autorität über die Bevölkerung gegen Wunsch und Willen derselben anmaßt. Fast alle Gesetz - geber der letzten Jahrhunderte betonen, daß Niemand durch irgend ein Gesetz gebunden sein sollte, bei dessen Abfassung er nicht mitgewirkt habe.

Unter unzähligen derartigen Aussprüchen ist mir ein Wort Franklins gegenwärtig. Er sagt: Jeder Ange -167 hörige eines Staates, Kinder, Jrre und Verbrecher aus - genommen, ist nach allgemeinen Rechtsbegriffen und nach den Gesetzen der Natur ein freier Mensch und berechtigt zum vollen Genuß der Freiheit. Diese Freiheit aber besteht darin, einen thätigen Antheil zu haben an der Wahl Derjenigen, welche die Gesetze machen. Der Arme hat ein gleiches Recht, aber ein ungleich höheres Bedürfniß vertreten zu sein als der Reiche. Diejenigen, welche keine Stimme haben bei der Wahl der Vertreter, sind absolut der Freiheit beraubt, denn der Freiheit be - raubt sein, heißt regiert zu werden von solchen, die An - dere über uns gesetzt haben.

Dieser Ausspruch scheint mir klar, einfach und un - widerleglich, seine Anwendung auf die Frauen ergiebt sich von selbst. Schon im 15. Jahrhundert wurde von hervorragenden Staatsmännern in Frankreich mit voller Entschiedenheit der Satz betont, daß Niemand ohne seine eigene Bestimmung etwas von seinem Vermögen heraus - zugeben gezwungen werden dürfe (Ranke, französ. Ge - schichte, Thl. I. S. 86).

Man könnte einwenden, das den Frauen bewilligte Stimmrecht würde im Großen und Ganzen schwerlich ein anderes Resultat in der Gesetzgebung herbeiführen, als das bis jetzt durch das einseitige Stimmrecht der Männer erzielte.

168

Diese Annahme ist grundfalsch.

Sind nicht die Männer stets die ersten zu behaupten, daß die Frauen andere Jnteressen haben, andere Geistes -, Seelen - und Körperbedürfnisse als sie die Männer? Je - mehr man die Verschiedenartigkeit der Geschlechter betont, umsomehr gibt man die Nothwendigkeit einer besonderen Frauenvertretung zu. Und sowie, nach Franklin, der Arme ein höheres Bedürfniß hat vertreten zu sein als der Reiche, ebenso hat die Frau, als das schwächere Ge - schlecht, ein höheres Bedürfniß vertreten zu sein als der Mann.

Es bedarf für diese Frage gar keiner besonders tiefen Argumentation. Die Thatsachen sprechen überlaut, und wenn die Männer ihre Ohren und Herzen nicht mit doppeltem Egoismus verstopfen wollten, so müßten sie diese Sprache verstehen.

Jch frage jeden aufrichtigen Menschen, wären Gesetze wie die über das Vermögensrecht der Frauen, über ihre Rechte an den Kindern, über Ehe, Scheidungen u. s. w. denkbar in einem Lande, wo die Frauen das Stimm - recht ausübten? Hätten sie die Macht, sie würden diese Gesetze von Grund aus ändern.

Das Stimmrecht , sagt ein englischer Staatsrechts - lehrer, ist die einzige friedliche Waffe der Selbstver - theidigung, die stark genug ist, diesem Zweck zu genügen169 (to do its work). Die unterworfene, unvertretene Klasse ist immer degradirt. Kein Mensch, der gesunden Menschenverstand hat und sich einer nur mittelmäßigen Geschichtskenntniß erfreut, vermag diese Thatsache zu leugnen.

Viel eher als den Frauen könnte man der Hälfte des männlichen Geschlechts das Stimmrecht entziehen. Das Stimmrecht unter die Hälfte der Männer vertheilt und zwar so, daß alle Stände und Klassen gleichmäßig berücksichtigt wären, würde in der That keine wesentliche Beeinträchtigung der männlichen Jnteressen zur Folge haben.

Die Frauen haben Steuern zu zahlen wie die Män - ner, sie sind verantwortlich für Gesetze, an deren Be - rathung sie keinen Antheil gehabt; sie sind also den Gesetzen unterworfen, die Andere gemacht. Das nennt man in allen Sprachen der Welt Tyrannei, einfache, absolute Tyrannei, sie mag noch so milde gehandhabt werden, sie bleibt Tyrannei. Die Frau besitzt wie der Sklave Alles, was man ihr aus Güte bewilligt.

Der Vergleich zwischen der Stellung des Sklaven und der Frau ist oft gemacht worden und er ist vollkom - men zutreffend. Sklaverei heißt nichts anderes als: unfreiwillig unter dem Willen Anderer leben. Der Sklave hat keine Verfügung über seine Person, auch die170 Frau hat sie nicht. Der Sklavenhalter ist in seinem Verhalten gegen den Sklaven, wie der Mann der Frau gegenüber, an gewisse Gesetze gebunden. Körperliche Züchtigung ist in beiden Verhältnissen dem Mann und Herrn gestattet (in der Ehe wenigstens in Bezug auf die niederen Stände). Rechtlos sind Sklave und Frau ihren Kindern gegenüber. Der Vater darf in seinem Testament festsetzen, daß sein Kind im Fall seines Todes mit Uebergehung der Mutter der Obhut eines beliebigen Verwandten anvertraut werde. Was der Sklave oder die Frau erwirbt, gehört dort dem Herrn, hier dem Gatten.

Wenn ich ein philosophisches, politisches, national - ökonomisches oder sonst ein wissenschaftliches Buch in die Hand nehme, so kann ich mich nie genug über ge - wisse, immer wiederkehrende Ausdrucksweisen wundern, aus denen hervorgeht, daß bei den Verfassern dieser gelehrten Werke die Existenz der Frau gar nicht in Be - tracht kommt.

Wir lesen da auf jeder Seite; die Menschen, alle Jndividuen das menschliche Geschlecht jeg - licher u. s. w.

Diese Ausdrücke enthalten eine ungeheure Lüge, denn aus dem Jnhalt der Schriften erkennen wir zur Genüge,171 daß die darin entwickelten Grundsätze nur auf Männer angewandt, nur von Männern befolgt werden sollen. Jch will einige Beispiele anführen:

Wir lesen: Da alle Menschen nur Formen derselben göttlichen Kraftbethätigung in der Materie sind, so folgt, daß alle gleich sind hinsichtlich der staatlichen Rechte und Pflichten, daß alle öffentlichen Aemter für alle dazu Be - fähigten gleich zugänglich sind. Unter alle sind natürlich nur die Männer verstanden.

Oder: Die allseitig freie Entwicklung des Jndivi - duums, die völlige Gleichberechtigung aller Staatsange - hörigen würde in der völlig durchgeführten demokratischen Republik am Sichersten gewährleistet sein.

Anderer philosophischer Ausspruch: Das Jndividuum muß gelten rein als solches und es ist ihm die unbe - hinderte Selbstbethätigung seiner Kräfte als Einzelner zu garantiren.

Ferner: Das allgemeine gleiche Wahlrecht bewilligt Jedem ohne alle Rücksicht auf irgend welche Besitzver - hältnisse einen gleichmäßigen Antheil an der Herrschaft über den Staat. Jedem, mit Ausnahme der Frauen. Erinnert das nicht an die Ankündigung eines Blattes, das täglich erscheinen wollte, mit Ausnahme der Wochentage.

Und endlich noch ein bekanntes Wort Fichte's: Der172 Mensch soll ein eigenes für sich bestehendes Ganzes bilden. Nur unter dieser Bedingung ist er ein Mensch.

Auch der große Fichte begeht hier die Fälschung, Mensch statt Mann zu setzen.

Denn wie sollte wohl die Frau ein eigenes für sich bestehendes Ganzes bilden und doch dem Manne nach Naturgesetz unterthan sein.

Welches ist die Quelle dieser unzutreffenden Aus - drücke?

Jst es vielleicht eine Art von Schamgefühl, das diese Denker verhindert hat, von ihren Principien der Huma - nität und der höchsten Sittlichkeit die Frauen geradezu durch Namensnennung auszuschließen.

Jch glaube es kaum; eher möchte ich annehmen, daß die Fluth der Gedanken und die Kraft der Wahrheit die Verfasser dieser Schriften unwillkürlich und unbewußt über die zeit - und ortgemäßen Schranken emporhebt und ihnen eine Weisheit in den Mund legt, deren Tragweite sie selber nicht ermessen, denn die wirkliche Wissenschaft, die Wahrheit, oder, um das höchste Wort zu gebrauchen, Gott, weiß nichts von einer solchen Beschränkung der Geschlechter.

Am Auffälligsten und Lächerlichsten tritt diese Fäl - schung des Allgemeinbewußtseins durch derartige Aus - drücke in dem bekannten Satz hervor, daß die beste173 Regierungsform diejenige sei, wo Alles durch das Volk und für das Volk geschehe.

Noch niemals, so lange wir von Geschichte etwas wissen, hat man einen Versuch gemacht, diesem Princip gerecht zu werden. Die Basis der politisch radikalsten Experimente war immer nur: durch die Hälfte des Volks für die Hälfte des Volks.

Die guten, deutschen Frauen placken sich damit ab, einige Verbesserungen an Mädchenschulen vorzuschlagen, kleine niedliche Fortbildungsanstalten zu errichten, die natürlich, da ihnen nur untergeordnete Lehrkräfte zu Gebote stehen, keine wesentliche Wirkung hervorbringen können. Ein hervorragender Lehrer oder Professor kommt sich (abgesehen vom Geldpunkt) wie deplacirt in einer Mädchenschule vor. So lange er in einem Gymnasium eine Anstellung finden kann, läßt er sich nicht zu einem Mädchenlehrer herab. Nur durch Zufall gelangt ab und zu eine weibliche Bildungsanstalt in den Besitz einer bedeutenden Lehrkraft.

Selbst aber, wenn eine durch glückliche Umstände begünstigte Fortbildungsanstalt an diesem oder jenem Ort Treffliches leistete, so würde diese Wirkung eine rein lokale sein und das ganze Geschlecht kaum berühren.

Unsere bescheidenen Frauen schmachten nach einer kleinen Anstellung am Post - oder Telegraphenamt. Und174 selbst diese versagte ihnen der grimme Stephan, den gewiß die mustergiltigen Posteinrichtungen, mit denen er den preußischen Staat beschenkt hat, nicht hindern, ein Denker zu sein. Aber ich wette, er ist nicht arm, und hat nicht, wie so mancher andere Beamte, alternde Töch - ter, deren kommendes Elend sein edles Vaterherz zerreißt.

Witzblätter ergießen sich in Spott über uniformirte weibliche Postbeamte und Briefträger. Jch glaube, in jeder Soiree würden diese Herren ein viel ergiebigeres Feld für ihre Costümwitze finden, Trouville's und Ostende's gar nicht zu gedenken.

Gutmüthig aber sind diese Witzreichen. Nicht die kleinsten Witze lassen sie los gegen die Zeitungsweiber, die stundenlang Trepp auf Trepp ab klettern. Freilich die Zeitungen haben ein größeres Format als die Briefe, auch sind diese Weiber nicht fest angestellt, sie bekommen nur wenige Pfennige und können jeden Augenblick fort - gejagt werden. Sie machen Niemand Concurrenz.

Die Sitte , antwortete mir jener Staatsmann, sie regelt Alles aufs Beste, sie gibt den Frauen jegliches Recht, dessen sie bedürfen.

Ließe sich nicht dasselbe Argument den Sklaven gegenüber in Anwendung bringen? Auch den zu Tode peitschen wäre mit der Zeit aus der Mode gekommen.

Die heutige Sitte mag die Frauen (wenigstens in175 den meisten Fällen) vor Mißhandlungen und Rohheiten schützen, vor Armuth, vor herzfressendem Kummer können nur sie selber sich schützen dadurch, daß sie von Pflanzen - menschen zu Gottmenschen avanciren.

Und ist dieser Ausspruch über die Sitte, die Alles regelt, mehr als eine Phrase?

Wohl die Sitten ändern sich, aber sie schreiten dem vorwärtseilenden Geist nicht voran, sie folgen ihm nach, oft unwillig und gezwungen. Und ändern sich die Sitten etwa dadurch, daß wir die Hände müßig in den Schooß legen und geduldig warten und warten?

Jede Wandlung der menschlichen Daseinsformen vollzieht sich im Kampf und durch Kampf.

Und sind die Kampfesmittel immer dieselben?

Gewiß nicht.

Nun an dem jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung halten wir eben das Stimmrecht der Frauen für das geeignete Kampfesmittel, um die Sitten in legaler Weise zu ändern.

Jene heiligen Frauen im Beginn des Christenthums, die sich für ihre Jdee spießen, rädern, braten, spicken und dämpfen ließen, sie wirkten sicherlich auf die Aende - rung der weiblichen Sitten. Jhr Märtyrertod war ein Kampfesmittel.

Heutzutage würde sich gar Niemand mehr finden,176 der uns zum Behuf der Sittenänderung braten wollte. Wir schlagen, wenn wir für eine Jdee kämpfen, nicht mehr unser Leben, höchstens unsern guten Ruf als solide deutsche Hausfrauen in die Schanze.

Wie jene Märtyrinnen starben, weil sie im Tempel glauben wollten, was sie im Herzen glauben mußten, so wollen wir das Stimmrecht, weil wir in der Welt sein wollen, was wir im Herzen sein müssen.

Niemand (die Gesinnungsgenossen ausgenommen) hatte etwas dagegen, daß jene Frauen öffentlich starben, warum sollen wir nicht einmal öffentlich reden? Mir wenigstens erscheint das Erstere tausendmal schlimmer als das Letztere.

O über diese hassenswerthe Oeffentlichkeit der Frauen!

Jn die Oeffentlichkeit tritt ein Jeder, der sich mit seinen Leistungen, sie mögen nun an seinem Geist oder an seinem Körper haften, an ein größeres oder kleineres Publikum wendet.

Die Frauen treten in den Salons und auf Bällen öffentlich auf; bei größeren Festlichkeiten ist uns stets ein Theil der Gesellschaft völlig fremd. Je edler der Zweck der Oeffentlichkeit ist, je mehr wird dieselbe idealisirt.

Und man sollte denken, es gäbe edlere Zwecke als Schönheit und Toilette zu zeigen, Eroberungen machen, Jntriguen spinnen, Stoff für Bosheiten sammeln u. s. w.

177

Dieselben Leute beiderlei Geschlechts, die vielleicht mit unschuldigstem Behagen in französischen Seebädern ge - meinschaftlich baden, haben die ungeheuerliche Naivetät, gegen das öffentliche Auftreten der Frauen zu predigen.

Dieses Geschrei gegen die Oeffentlichkeit ist nichts als eine alte Reminiscenz verschollener Zeiten. Nur im Orient hat es noch heute einen Sinn. Die Türkin verbringt noch heute ihre Tage im verschlossenen Harem, außerhalb desselben erscheint sie verschleiert. Männlichen Besuch empfängt sie nur im Beisein des Gatten. Der Türke mag gegen das öffentliche Auftreten der Frauen predigen. Unsere Männer aber, die edlen Don Quichote's, kämpfen für etwas, das gar nicht mehr existirt.

Jedermann kann bei uns das jüngste und schönste Mädchen aus der Straße anstarren, und wenn es ihm sein Bildungsmangel erlaubt, unverschämt anstarren.

Die Frau, die jeder Zeit von Jedermann öffentlich gesehen werden kann, warum kann diese vor einer ge - wählteren Versammlung nicht öffentlich gehört werden? Warum ist man gegen den Gesichtssinn so tolerant und gegen den Gehörssinn so scharf?

Man entgegnet vielleicht: Es ist die volle Absicht, auf eine Menge wirken zu wollen, die die öffentlich redende oder in einem Amte funktionirende Frau ent - würdigt.

Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 12178

Eine Frau, die in bezaubernder Toilette mit ihren hohen Stelzchen sich auf die Promenade begiebt, hat ebenfalls die vollbewußte Absicht, auf eine Menge zu wirken.

Eine andere Entgegnung: Auf der Straße erregt die Frau nur zufällige oder flüchtige Aufmerksamkeit, in einem Hörsaal würde sich die ganze Aufmerksamkeit auf sie concentriren.

So wäre auch Schönheit eine entwürdigende, weib - liche Eigenschaft, eine schöne Frau erregt überall, wo sie auch erscheint, nicht nur eine flüchtige, sondern eine unausgesetzte concentrirte Aufmerksamkeit.

Dritte Einwendung: Eine in meinem Sinn öffent - lich auftretende Frau setzt sich dem Unbehagen aus, ihre Leistungen öffentlich in Blättern und Journalen be - sprochen zu sehen. Schrecklich!

Jn England, wo die Sitten in Bezug auf das weibliche Geschlecht prüder und conventioneller sind als irgendwo anders, machen es sich die gelesensten Blätter zur Pflicht, Schilderungen der vornehmen Soireen zu liefern, in denen Namen genannt und Toiletten, Wesen, Reize der anwesenden Lady's, oft mit pikanten Details, beleuchtet und kritisirt werden. Und die zarteste hell - blonde Engländerin erröthet darüber nicht.

Und in der That, ich weiß wahrhaftig nicht, was179 eine Frau mehr verletzen muß ob ein Kunstwerk, eine Rede, ein Buch von ihr in einer Zeitung besprochen wird, oder ob ihre Mitschwestern, von der intimen Busenfreundin bis zur Köchin herunter, ihren guten Ruf mit dem Gift der Verleumdung und Bosheit stück - weise zerstören.

Freilich, jeder große Fortschritt auf dem einen Gebiete setzt auch Fortschritte auf anderen Gebieten voraus. Der freiere öffentliche Verkehr zwischen beiden Geschlechtern hat eine Gesittung der Männer zur Bedingung, die wir häufig noch vermissen.

Eine jede Mutter würde ohne Bedenken ihre Tochter in eine Versammlung von Männern entlassen, die sie von reinen und edlen Gesinnungen erfüllt wüßte.

Das Geschlecht ist doch nicht das Unanständige an den Männern; ihre Rohheit ist es; und ist diese Roh - heit denn wirklich ein unabänderlicher und unaustilg - barer Charakterzug des Mannes.

Das Beste bei dieser Frage ist aber nun, daß der Abscheu, den die Männer vor dem öffentlichen Auftreten der Frauen affektiren, die allertollste Lüge ist, die je gehört worden ist.

Ein Jeder von uns kann sich überzeugen, daß in Gesellschaften, in denen sich zugleich Schauspielerinnen und liebenswürdige hübsche junge Hausfrauen befinden,12*180die Ersteren alle Männer, von dem Roué bis zu dem solidesten Spießbürger herunter, unwiderstehlich an sich ziehen, mögen diese Damen noch so albern und abge - schmackt sein.

Der mitunter so rührend naive Jean Paul meint freilich, das geschähe, weil die Männer diese Damen als Tugendheldinnen hätten agiren sehen, und nun in ihrer Phantasie ein Stückchen Tugendglorie an ihrer Privat - person haften geblieben sei; also mit einfachen Worten: die Männer lieben unbewußt in diesen Miminnen die Tugend. Hony soit qui mal y pense.

Uneingeweihte wenden vielleicht ein: man verliebt sich wohl in diese Damen, aber man heirathet sie nicht.

Das ist eine einfache Unwahrheit. Jch habe zu - fällig eine größere Zahl von Schauspielerinnen gekannt, und ich weiß positiv, daß Allen, ohne Ausnahme, die solidesten Männer (Beamte, Kaufleute, Künstler u. s. w.) als Gatten zur Verfügung standen, und daß es nur an ihnen lag, wenn sie die Bretter, die die Welt bedeuten, nicht mit dem Hause, das Küche und Kinderstube be - deutet, vertauschen wollten.

Es giebt Mütter, ganz achtbare Frauen, die ihre Töchter in die Schauspielerinnen-Carriere drängen, weil sie dann mit absoluter Sicherheit auf eine gute Partie für das Mädchen rechnen können.

181

Jede Frau, die öffentlich auftritt, bezaubert die Männer, so lange sie es versteht, dieselben zu amüsiren.

Tritt die Frau aber öffentlich auf, um ihnen Con - currenz zu machen, oder gar sie zu belehren, so wird sie zur Unnatur, zum Mannweib.

Mit anderen Worten: sobald der Zweck ihres öffent - lichen Auftretens nicht der Mann ist und sein Ver - gnügen, sondern ein idealer oder persönlicher Zweck an seine Stelle tritt, wird die Oeffentlichkeit verworfen.

Ebenso verhält es sich mit der sogenannten Weib - lichkeit.

Weiblich heißt bei der Frau Alles, was den Männern ein Gefühl der Lust hervorruft.

Eine Kunstreiterin mit ihren riesigsten Sprüngen ent - zückt sie als Weib (obgleich notorisch ihre Muskeln ausgebildeter sein müssen, als die der meisten Männer).

Eine Frau aber, die etwa vor einer politischen Ver - sammlung reden wollte (sie mag die Grazie in Person sein), ist unweiblich, weil sie in ihnen ein Gefühl der Unlust erregt verletzte Eitelkeit.

Wenige von meinen Lesern mögen wohl die Ver - handlungen im englischen Parlament über das Stimm - recht der Frauen verfolgt haben, und ich glaube, sie werden es mir Dank wissen, wenn ich sie in aller Kürze mit den Hauptgründen, die von den Gegnern des182 Stimmrechts beigebracht wurden (einige harmlose Rand - bemerkungen von meiner Hand sollen sie begleiten), be - kannt mache.

Zwei Hauptgruppen von Theorien, denen ganz ent - gegengesetzte Anschauungen zu Grunde liegen, springen sofort in die Augen.

Die eine könnten wir die Stelzen -, die andere die Aschenputtel-Theorie nennen.

Die erstere geht von der Erhabenheit des weiblichen Geschlechts aus, die andere gründet ihr ablehnendes Ver - halten auf die intellektuelle Jnferiorität der Frau.

Man wird sich alsbald überzeugen, daß die be - quemen Honorables sich begnügt haben, einige Griffe in den großen Phrasen-Glückstopf des Jahrhunderts zu thun, ohne etwas besonders Brillantes herauszufischen.

Die Verhandlungen des Parlaments sind ausführlich in einer kleinen Broschüre erschienen, betitelt: The Debate of the House of Commons on the Women's Disabilities Bill.

Die Stelzen-Theoretiker sprechen sich aus wie folgt:

Erster Gentleman: Die Stellung der Frauen ist eine viel zu hohe, als daß man sie dem Schmutz und Koth (dirt and mire) politischen Treibens aussetzen dürfe.

Zweiter Gentleman schaudert bei der Vorstellung,183 daß eine Frau sich an dem wüsten Treiben, an den Widerwärtigkeiten und Feindseligkeiten einer politischen Agitation betheiligen könne.

Dritter Gentleman giebt die stramme und bündige Erklärung von sich: Die aktive Theilnahme am Wahlakt beflecke und verunreinige das ganze Geschlecht.

Wir wollen ganz absehen von der mehr als sonder - baren Jdentificirung politischer Thätigkeit mit Schmutz und Koth.

Andere Vorstellungen drängten sich uns auf.

Wir sehen im Geiste Schaaren von Frauen, weinen - den Auges, mit unaussprechlicher Bitterkeit im Herzen, sich gegen das Parlaments-Mitglied erheben, Frauen, die in harter Arbeit um das tägliche Brot, im Kampf mit jeglicher Niedrigkeit ihr kümmerliches Dasein zu fristen gezwungen sind.

Und es kamen andere Schaaren von Frauen, voll Jngrimm aus den Ehrenwerthen starrend, Frauen, deren guter Ruf mit Schmutz beworfen, in den Koth geschleift ward von den giftigen Zungen ihrer (wahrscheinlich so erhabenen und so reinen) Mitschwestern.

Und es kamen die unabsehbaren Reihen jener Un - glücklichen, die, meist schuldlos in die tiefsten Abgründe des Lebens gerissen wurden.

184

Hülfeheischend streckten sie ihre Hände empor, und siehe die sehr Ehrenwerthen, die Ritter der weiblichen Reinheit, sie versetzten ihnen den letzten Fußtritt, daß sie im Schlamm versanken.

Eine kleine Lüge wird leicht erkannt und macht den Lügner lächerlich. Die großen Lügen aber, die unge - heuren socialen Heucheleien, die alle Dinge in ihr Gegen - theil verkehren, sie gelten, mit dem Etiquette eines Na - mens versehen, in den Augen der blöden Menge für Wahrheit.

Jene Herren, die sich den Anschein geben, als ver - möchten sie die Frauen vor jeder Berührung mit dem Schmutz der Erde zu wahren, sie gemahnen mich an jene hygienischen Charlatane, die mit Daubitz'schen Kräuter-Liqueuren, mit Königstrank und Bullrich'schem Salz alle Uebel des Leibes heilen zu wollen sich an - maßen.

Wer Frauen vor dem Schmutz des Lebens bewahren will, der sorge zunächst dafür, daß sie mit einer anstän - digen Revenüe zur Welt kommen. (Ach, und auch das ist nicht einmal eine sichere Garantie, heirathet sie ein Mann um dieser Revenüen willen, so trägt das auch nicht gerade zur Reinerhaltung ihrer erhabenen Persön - lichkeit bei.) Jede Frau, die um ihrer Versorgung willen heirathet, beschmutzt von vorn herein ihre Seele.

185

Zweitens, und vor allen Dingen mögen diese Herren antragen auf Abschaffung der Dienstmädchen.

Die Seelen derjenigen Frauen, an denen in jahre - langen Kämpfen mit ganzen Reihen von diebischen Augusten, unsaubern Karolinen und des Kochens un - kundigen Friederiken, nichts von dem Schmutz und der Niedrigkeit der Erde haften geblieben ist, diese mögen getrost zur Wahlurne schreiten. Jhre Seele ist in den Styx getaucht.

Die Stelzen-Theoretiker sind gewiß sehr reich, und ihre Frauen sind Lady's im Winter mit Zobelpelzen, und im Sommer mit indischen Battistkleidern, sie haben angeborene Equipagen, Brillanten und Dienstbotengelasse im Souterrain.

Jhre Lords stellen sie auf ein Piedestal und hüllen sie in Weihrauchs-Tabackswolken.

Es giebt Männer, meine Herren, die auf der Straße junge hübsche Mädchen pöbelhaft durch Wort und Blick beleidigen, so daß, in großen Städten wenigstens, eine Mutter Sorge tragen muß, ihre junge Tochter ohne Begleitung über die Straße gehen zu lassen.

Gehören diese Männer dem Volke oder dem Pöbel an? O nein, diese seltsame Art, die Bescheidenheit und Reinheit des weiblichen Geschlechts zu fördern, ist ein Privilegium der Männer der höheren und gebildeten186 Stände mit Ausnahme der Parlamentsmitglieder natürlich.

Der Schmutz des politischen Treibens!

Wenn die Männer im politischen Leben, da, wo sie als Gleichberechtigte, die höchsten Jnteressen der Mensch - heit berathend, zusammenkommen, schon so schrecklich sind, ach Gott, sollten sie da nicht vielleicht im eigenen Hause, wo sie jeglicher Controle der öffentlichen Meinung überhoben, unter vier Augen mit ihren sanften Gattinnen verkehren, noch schrecklicher sein!

Politische Thätigkeit eine Befleckung und Verunreinigung des Geschlechts.

Welchen Zweck hat die politische Thätigkeit für die Männer?

Sie durch die Theilnahme am Staatsleben auf eine höhere Stufe der Civilisation zu erheben, mit einem Wort: die Veredlung.

Der sehr Ehrenwerthe nimmt also an, daß politische Thätigkeit auf Frauen nicht nur anders wirke, als auf Männer, sondern geradezu entgegengesetzt.

Der Sitz all unserer geistigen Erregungen ist, wie Physiologen uns lehren, im Gehirn, folglich muß das Gehirn der Frau vollkommen verschieden von dem des Mannes konstruirt sein.

Wäre das der Fall, so würde sich folgerichtig die187 verschiedene Auffassung derselben Dinge bei beiden Ge - schlechtern nicht auf die Politik beschränken, sondern sie würde auch auf allen anderen Gebieten zu Tage treten.

Jch behaupte z. B. (wer will es mir wehren), das Anhören einer Beethoven'schen Sonate erweckt in der Frau wehmüthige Mondscheingedanken, im Manne Rachegefühle. Jch behaupte es und erwarte den Gegen - beweis.

Jch behaupte, die Lektüre einer Shakespeare'schen Tragödie erweckt in den Frauen tugendhafte, in den Männern lasterhafte Entschlüsse, ich behaupte es und er - warte den Gegenbeweis.

Auch die Sehnerven stehen in unmittelbarem Zu - sammenhang mit den Gehirnnerven. Wie geht es zu, daß bei so verschieden construirten Gehirnen beide Ge - schlechter die Bäume grün sehen? warum erscheinen sie nicht, um den Unterschied der Geschlechter festzustellen, den Männern roth oder gelb?

Hier ist jedenfalls ein weiter Spielraum für die kühnsten Hypothesen gegeben.

Schon sehen wir große Männer sich darauf tummeln, schon hat der Postdirektor Stephan entdeckt, daß die Frau einen Gehirnnerven habe, vermöge dessen sie das Brief - geheimniß nicht wahren könne.

Er führt sogar aus (mit dem Citat eines Anderen),188 daß sie wegen dieser Schuld nicht zu bestrafen sei, weil von Niemand zu erwarten sei, daß er gegen seine Natur handle.

Ach, Herr Stephan, wissen Sie nicht, daß aus - nahmslos alle Gegner der Frauenbewegung behaupten, die eigentlichste Natur des Weibes sei Liebe, nichts als Liebe.

Fehlt sie aber aus Liebe, so infamirt sie die ganze menschliche Gesellschaft. Und Sie in einem Uebermaß von Güte wollen nicht einmal zugeben, daß man sie wegen angeborener Neugierde und geöffneter Briefe ein paar Tage brummen lasse.

Postdirektor Stephan werde hart!

Den Stelzen-Theoretikern verwandt ist ein anderer Ehrenwerther, dessen Einwand also lautet: Das Stimm - recht verwandelt den Charakter des Geschlechts.

Ein Vertheidiger des Stimmrechts bestreitet diesen Satz, indem er die Frage aufwirft: wer denn je einen Mann gesehen hätte, der in Folge des ausgeübten Stimmrechts heiterer, weiser, besser oder schlechter ge - worden, als er vordem gewesen.

Jch bin mit dieser Vertheidigung nicht ganz ein - verstanden. Selbstverständlich wird die Ausübung des Stimmrechts nicht auf jeden Einzelnen (Mann oder Frau) in Bezug auf sein Temperament, seine Liebens -189 würdigkeit, seinen Charakter irgend welchen wahrnehm - baren Einfluß äußern, indessen muß man doch zugeben, daß die Theilnahme am politischen Leben, sobald man nicht Einzelne, sondern Generationen in Betracht zieht, nicht ohne Einwirkung auf den Charakter einer Menschen - klasse bleiben kann.

Ein Negerstamm, der hundert Jahr das Stimmrecht geübt hat, wird nicht mehr derselbe Negerstamm sein wie vordem.

Und in der That, wir hoffen zu Gott, daß im Laufe der Jahrhunderte der Charakter der Frau eine Wandlung erfahren möge, wir hoffen zu Gott, daß der frivole, kleinliche, auf Putz, Tand und persönliche Eroberungen gerichteten Sinn der Frauen edleren Anschauungen, rei - neren Auffassungen menschlicher Verhältnisse weichen werde.

Die Theilnahme am Staatsleben betrachten wir als eines der Mittel zu dieser Wandlung.

Sir Honorable fürchtet übrigens, wie aus seinen weiteren Ausführungen erhellt, nicht sowohl eine Aen - derung des weiblichen Charakters als vielmehr eine Ver - wischung respektive Austilgung der Geschlechts - unterschiede.

Er fürchtet, daß das ganze weibliche Geschlecht auf dem ungewöhnlichen Wege des Stimmrechts abhanden kommen möchte.

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Und das ist die Angst, das schaudernde Gefühl, das sich aller Gegner der Frauenbewegung bemächtigt und sie in die dämmerigen Haine der Phrase treibt, wo sie, männliche Cassandra's, vorahnenden Geistes Wehe rufen, weil sie ihr bischen Amüsement im Leben bedroht sehen. Die Angst macht sie poetisch und sie citiren Schiller: Was ist das Leben ohne Liebesintriguen, Abenteuer, Rendezvous u. s. w.

Weiblicher Geschlechts-Charakter!

Jch gestehe, daß mir noch nie im Leben ein Charak - ter vorgekommen ist, den eine Frau nicht gehabt hätte oder haben könnte (und nicht etwa als Ausnahme), von dem Blutdurst einer Katharina von Medicis bis zur süßen Lammsgeduld einer Mater dolorosa, von der abgefeimtesten Jntrigantin bis zur kindlichen Unschuld, von der marmorkalten Kokette bis zur todestrunkenen Märtyrerin, von der stumpfsinnigsten Dummheit bis zur schärfsten Denkkraft.

Die Frau vertritt alle Temperamente; sie durchläuft alle Charakterstadien. Der gute Mann sieht es täglich mit eigenen Augen, er aber, der konsequente, der logische Denker, er bleibt dabei, daß rührende Bescheidenheit, Liebe und Sanftmuth der himmlische Nationalcharakter des Weibes sei.

Es würde mich hier zu weit führen, sonst würde191 ich ausführen, daß dasjenige, was die Männer Weib - lichkeit nennen, in gar keinem Zusammenhang mit dem Charakter der Frau steht.

Unter weiblichem Charakter versteht der Mann ge - meinhin die Abwesenheit jeglichen Charakters. Durch ihre abhängige Lage bilden die Frauen ihre Persönlich - keit nicht aus, sie bequemen sich vielmehr in der Regel dem an, der sie füttert. Was die Männer weiblich nennen, ist demnach nichts, als ein Zerrbild ihrer selbst, ihr eigenes mattes Echo. Der Mann ist in der Ehe ein Narciß, der sich in sein eigen Bild verliebt.

Gerade für Sanftmuth und Bescheidenheit haben die Männer auffallend wenig Sinn.

Die sanfteste und bescheidenste aller Frauen pflegt auf sie den Eindruck der Unweiblichkeit zu machen, wenn ihr Organ rauh ist und ihre Bewegungen eckig sind, oder wenn sie im Laufe ihres Lebens ihrer Jugend ver - lustig gegangen ist, während die verworfenste Jntrigantin ihnen oft genug im Licht holdseliger Weiblichkeit er - scheinen mag, ohne daß sie gerade mehr zu heucheln braucht, als Frauen es im Allgemeinen thun.

Bianca Eenci, die ihren Vater umgebracht hat, steht uns Allen als ein Bild hinreißender Lieblichkeit vor Augen.

Jn Lukrezia Borgia, wenn sie nicht gerade mit Um -192 bringen beschäftigt war, verliebte sich fast Jeder, den das Schicksal in ihre Nähe führte.

Fragt Prinz Georg, und Jhr werdet hören, mit wie zauberhaftem Reiz ihn die Marquise von Brinvilliers umstrickt hat, die zehnfache Mörderin.

Wie sind nicht von den urältesten Zeiten her alle regierenden Herrscherinnen, trotz ihrer unweiblichen Be - schäftigung, trotz Lasterhaftigkeit und gelegentlichen Blut - durstes geliebt, ja angebetet worden.

Nun, meine Herren, wenn Gift, Dolch, Mordlust, rabenschwarze Charakterschwärze der Weiblichkeit in Jhren Augen keinen Abbruch thun, so wird das bischen Stimm - recht das Geschlecht wohl auch nicht umbringen.

Es mag sein, daß die sogenannten weiblichen Typen, die Madonnen, mitunter einen Mann wahrhaft an - ziehen, z B. poetisch gestimmte jugendliche Gemüther.

Jm Allgemeinen aber kann sich Niemand der Wahr - nehmung verschließen, daß, in unserer heutigen Gesell - schaft, ein Mann, wenn er von einer Frau hört, daß sie leidenschaftlich sei und Temperament habe (worunter er sinnliches Feuer versteht), stets die größte Begierde an den Tag legt, in Beziehung zu ihr zu treten, da - gegen habe ich nie bemerkt, daß, wenn von der Sanft - muth und Bescheidenheit einer Frau die Rede ist, ein193 Mann irgend welche Neugierde verrathen hätte, die Be - kanntschaft dieses Jdeals zu machen.

Jch wünschte, der liebe Gott erfüllte einmal die ge - heuchelte Sehnsucht der Männer nach den Madonnen - Jdealen und verwandelte über Nacht alle Frauen in sanfte, bescheidene, fügsame Hausfrauenseelen, es würde ihnen klar werden, was dabei herauskäme, wenn das ganze weibliche Geschlecht von einem und demselben Charakter besessen wäre.

Knieend würden die Männer ihr Phrasenthum ab - schwören und den lieben Gott himmelhoch bitten, doch wie vordem der Natur ihren Lauf zu lassen.

Die Geschlechter verwischen! Ein Hanswurst muß zuerst diesen Einfall gehabt haben.

Würde man mich nicht für blödsinnig halten, wollte ich behaupten, der Mann hört auf Mann zu sein, wenn er sich nicht heißspornig, muthschnaubend und thatendurstig zeigt.

Jst ein Mann etwa weniger ein Mann, wenn er sanft und bescheiden ist, voll Aufopferung und liebe - vollen Gemüths?

Die besten aller Menschen sind stets bescheiden, voll Aufopferung und Liebe.

Hört der Mann auf ein Mann zu sein, weil er inDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 13194der Küche beschäftigt ist und Koch gelernt, oder weil er an der Nähmaschine sitzt und Schneider gelernt hat.

Ob die Seele der Frau von großen politischen oder von neuen Puddings-Jdeen glüht, sie bleibt ein Weib, ob ihr Herz sehnsüchtig einen Sitz im Parlament oder eine Gerson'sche Mantille erstrebt, sie bleibt ein Weib.

Jch bin übrigens weit entfernt davon, irgend welche feine Unterschiede der Gehirn - und Nerventhätigkeit in Bezug auf die beiden Geschlechter leugnen zu wollen.

Jch glaube sogar fest daran.

Jch behaupte nur, der heutige Stand unserer Wissen - schaft gestattet uns nicht, irgend eine Folgerung aus dieser erkannten Verschiedenheit zu ziehen, die mehr als eine Hypothese wäre.

Unsere Gegner aber scheinen ihre phrenologischen Studien bei Baffard gemacht zu haben.

Wie wär's, wenn sie sich einmal an die ersten Physiologen Europa's wendeten, um sich sagen zu lassen, welche Schlüsse zu ziehen seien daraus, daß (wie Burdach gefunden) Kopf und Gehirn der Frauen zwar etwas kleiner als beim Manne, aber im Verhältniß zum übrigen Körper größer und schwerer sei, daß das Ge - wicht der Schädelknochen sich (nach Sömmering) beim Weibe wie 1: 6, beim Manne wie 1: 8 verhalten.

195

Der berühmte Cuvier hat nach dem Verhältniß der Gesichtsknochen zur Schädelhöhle die höhere oder niedere Stufe in dem Thierreiche bestimmt.

Sömmering nimmt an, daß, wie der Mensch in dieser Hinsicht über den Thieren, so das Weib hier über dem Manne stehe.

Das weibliche Gesicht ist in der That kleiner, die Schädelhöhle dagegen um so größer.

Wollten wir uns nun höchst albern auf's Folgern legen, was für herrliche Schlüsse könnten wir nicht aus diesem Uebergewicht des Gehirns bei den Frauen ziehen.

Da wir aber nicht albern sind, überlassen wir der - artige Folgerungen dem logisch denkenden Geschlecht.

Aber der gesunde Menschenverstand

Um Gottes willen schweigen Sie, der ist stets die Umschreibung für jenen conservativen Ordnungssinn, der, um die herkömmliche Ordnung aufrecht zu erhalten, den Fortschritt negirt.

Nun denn die praktische tägliche Erfahrung und Beobachtung.

Unter Erfahrung und Beobachtung verstehen unsere Gegner nämlich die Thatsache, daß auf allen geistigen Gebieten die Frauen weit hinter den Männern zurück -13*196geblieben sind, und von dieser Thatsache machen sie einen Rückschluß auf die Natur des Weibes.

Ebenso gut könnte der Chinese auf die verkrüppelten Füße seiner Chinesin sich berufen und behaupten, sie könne nicht laufen, darum habe die Natur sie für den Harem bestimmt.

Die guten dummen Chinesinnen, sie ertragen mit Stolz ihre verkrüppelten Füße und ihre Schmerzen. Warum? Die Männer haben ihnen vorgespiegelt, sie seien ein Zeichen von feiner Sitte und großer Vor - nehmheit.

Was auch künftige geniale Physiologen in Bezug auf die vergleichende Anatomie der Gehirne für Ent - deckungen machen mögen, das steht fest, diese Entdeckungen sind für die Frauenfrage, wie sie jetzt die menschliche Gesellschaft bewegt, völlig gleichgültig.

Die immensen Fähigkeiten, die dazu gehören, ein bürgerliches Amt zu verwalten, sich durch Handel ein Vermögen zu erwerben, eine Kunst oder Wissenschaft zu treiben, hat die Frau von jeher besessen.

Völlig gleichgültig ist es, ob sie dabei synthetisch oder amalytisch (oder wie die Stichworte alle heißen mögen) verfährt.

Der Stoff, der große Königinnen hervorbrachte, wird auch für kleine Telegraphistinnen ausreichen.

197

Der Mangel physischer Kraft dient immer da zum Vorwand, wo man die Frau benachtheiligen will. *)Bei einem Theil des weiblichen Geschlechts ist dieser Mangel allerdings in hohem Grade vorhanden, in Folge der ab - soluten Vernachlässigung körperlicher Uebungen. Uebung und Aus - bildung der Körperkraft steht auf dem Programm der zukünftigen Mädchenerziehung. Daß ein gesunder weiblicher Körper der größten Strapazen fähig ist, beweist uns jede Bauersfrau, die stundenlang Lasten trägt, die wir gebildete Stadtfrauen mit Händen und Füßen kaum von der Stelle zu bewegen im Stande sind.

Erst kürzlich zählte Herr Stephan diesen Mangel unter die Hindernisse für die Postcarriere der Frauen.

Wir müssen doch annehmen, daß eine verständige Frau weiß, wie weit ihre Kräfte reichen. Herr Stephan aber scheint des Glaubens, daß das ganze Geschlecht von einem krankhaften Gelüst besessen sei, sich zu verheben. Bricht das Weib im Dienst unter der Last der Packete zusammen, nun, so ist ja immer noch Zeit, sie mit einer Gratification von einer Flasche Eau de Cologne an die Luft zu setzen.

Diese vorgebliche physische Schwäche flößt ihm auch die Besorgniß ein, daß sie keinen Respekt bei den Unter - beamten, strammen Unteroffizieren u. s. w. finden werde.

Man könnte einwenden, daß bei derartigen Be - ziehungen das geistige Uebergewicht entscheide, da ich198 aber diesen Einwand nicht richtig finde, kann ich mich seiner nicht bedienen.

Es ist eine abstrakte Vorstellung, die dem Beamten Autorität verschafft; diese Vorstellung heißt: Gesetz.

Die Autorität haftet nicht an der Persönlichkeit, sondern am Amt. Wenn mich ein Post - oder Eisenbahn - Beamter anschnauzt, so halte ich still und würge den Grobian , der mir auf den Lippen schwebt, herunter, nicht wegen des Respekts, den mir der Anschnauzer ein - flößt, sondern weil ich weiß, daß Beleidigungen im Amt schwer gerochen werden.

Zwei andere Einwürfe, deren sich die ehrenwerthen Sir's schuldig machen, mögen vielleicht auf englische Zustände Anwendung finden, für uns aber sind sie be - deutungslos.

Die Frau würde nach erlangtem Stimmrecht, meint der eine Sir, zur Wahlurne getrieben werden, ob sie wolle oder nicht; während der Wahlen müsse ihr das Leben zur Last werden, man würde sie belagern, ver - folgen u. s. w., um ihre Stimme zu erlangen.

Bei uns wählt man meines Wissens nicht unter dem Motto: Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt, es heißt vielmehr: Und bist Du nicht willig, so bleibe zu Haus.

Ein anderer Gentleman weist als abschreckendes Bei -199 spiel auf Scenen hin, wie sie bei den letzten Municipal - Wahlen vorgekommen seien, wo betrunkene Männer be - trunkene Frauen zum Wahlhaus schleppten, und er schließt die gräßliche Schilderung mit der pathetischen Ansprache: Er wolle doch einmal fragen, ob irgend ein gegenwärtiger Gentleman seine Frau, Tochter oder Schwester als Zeuge so abscheulicher Scenen zu sehen wünschte.

Betrunkene Frauen existiren bei uns gar nicht, wenigstens habe ich in meinem ganzen Leben noch keine einzige gesehen; wir wollen deshalb an den so scharf - sinnigen Einwand keine weitere Erörterung knüpfen, nur zum Nachdenken möchten wir auffordern darüber, ob nicht die Trunkenheit jener Leute am Ende eher eine Folge ihrer Trunksucht, als der Betheiligung der Frauen an den Municipal-Wahlen gewesen sein mag.

Wenden wir uns zu einem andern formidablen Ein - wand, der mit einem gewaltigen Schwerthieb der ganzen Frage das Haupt zu spalten trachtet.

Er heißt: Durch die Bewilligung des Stimm - rechts werden alle Grundlagen der menschli - chen Gesellschaft untergraben, Gebäudeeinsturz Untergang Chaos Posaunen jüngstes Gericht.

Wenn man mir nachweist, daß jemals eine um - fassende Reform socialer Zustände sich vollzogen hat,200 ohne daß man den Urhebern der Reform diesen Vor - wurf in's Gesicht geschleudert hätte, so will ich mich für besiegt erklären und die Frauenfrage für eine verlorene halten.

Jndessen will ich zugeben, daß diesmal der englische Pessimist nicht ganz Unrecht hat. Es handelt sich in der That bei der Frauenfrage um eine sociale Revolution, eine gewaltige und wunderbare, wie die Welt keine zweite gesehen, eine Revolution, in der einzig und allein mit geistigen Waffen gekämpft wird.

Ja, es ist wahr, wir leugnen es nicht, diese Revo - lution bezweckt die Auflösung der heutigen socialen Zu - stände, den Sturz der Anarchie der Conservativen, deren sociales Staatsgebäude auf morschen Lügen ruht. Wir wollen neue, geläuterte Sitten schaffen, und für die Frau, für die heute leben gleichbedeutend ist mit heucheln , eine Basis, auf der sie, statt Schwäche und heuchelnd, Tugend und Kraft entwickeln mögen.

Dem Pessimisten folgt ein edler, tugendsamer Herr, der die Bill für völlig zwecklos erachtet, sintemalen die Frauen ja nichts zu fürchten hätten, denn bekanntlich sei das Glück und das Jnteresse der Frau und Tochter jedem Familienhaupte theurer als sein eigenes.

Und wenn das Familienhaupt, wie es schon vor - gekommen sein soll, vor Frau und Tochter stirbt?

201

Setzt der Gatte nach seinem Tode spukend die Glücks - geschäfte für die Familie fort? oder giebt's in England Glücks-Versicherungs-Gesellschaften?

Uebrigens verweisen wir mit diesem Ausspruch (ab - gesehen von den Todesfällen) die Männer an ihr eigenes Gewissen.

Was es doch für Nationalunterschiede gibt! Wie angenehm und wehmüthig werden die Frauen überrascht, zu hören, daß es ein männliches Geschlecht giebt (es lebt in England), das, aller Selbstsucht baar, erst das andere Geschlecht in den sicheren Besitz des Glückes setzt, ehe es an sein eigenes denkt.

Hoch klinge das Lied vom braven Britten!

Nie kommt es unter diesen Gentlemen vor, daß der natürliche Beschützer sein Weib mißhandelt, sie hungern und darben läßt. Gebrochene Herzen sind böswillige Romanerfindungen.

Nur das zärtliche Jnteresse für das schwächere Ge - schlecht diktire dem Manne jene Gesetze, die die Frau entrechten, die sie zur Bettlerin machen, ihr das Kind aus den Armen reißen, ihr die Möglichkeit des Erwerbes rauben.

Freilich, der Staat hat wichtigere Dinge zu thun, als daß er sich mit solchen Kleinigkeiten beschäftigen könnte.

202

Seltsam, daß diese Theorie der männlichen Selbst - losigkeit in einem Lande ausgesprochen wird, wo erst in diesem Jahrhundert (formell wenigstens) ein Gesetz auf - gehoben wurde, das dem Manne erlaubte, seine Frau öffentlich mit dem Strick um den Leib zu verkaufen.

Was meint der ehrenwerthe Sir?

Werden erst seit den letzten Jahrzehnten die von ihm gepriesenen Excesse an Selbstlosigkeit von den Männern begangen, oder waren diese Tugenden von jeher ein charakteristisches Kennzeichen des starken Geschlechts?

Er vertritt wohl die letztere Ansicht und schreibt es der sprichwörtlichen Querköpfigkeit der Frauen zu, wenn sie in jenen Zeiten, als die Männer von dem erwähnten Gesetz noch Gebrauch machten, die Hände nicht küssen wollten, die sie auf den Markt treiben zum Verkauf, dem Schlachtvieh gleich.

Anderer Einwurf: Der einzige Stolz und Ruhm einer Frau darf allezeit nur ihre Reinheit und ihre Bescheidenheit sein.

Die Beweisführung meiner Behauptung, daß nur die weisesten und besten der Menschen wahrhaft bescheiden sind, würde mich in eine ethisch-philosophische Abhandlung verlocken, die hier nicht am Platze wäre.

Ohne viel Nachdenken aber kann ein Jeder sich von der Richtigkeit der Thatsache überzeugen, wenn er, ein203 Diogenes mit der Laterne, sich aus dem Kreise seiner Bekannten die wahrhaft Bescheidenen heraussucht.

Man darf nur Bescheidenheit nicht mit jenem stumpfen Gleichmuth oder jener passiven Zufriedenheit verwechseln, die kümmerlichen Pflanzennaturen eigen ist, die auf jedem Erdreich fortvegetiren. Am allerwenigsten darf man Bescheidenheit von einer Menschenklasse ver - langen und erwarten, der man von jeher ihren in Wirklichkeit niederen und kleinen Wirkungskreis als einen erhobenen und heiligen angepriesen hat.

Man kann nicht verlangen, daß eine Frau, der man zuruft: Du bist eine Priesterin! einen Knix mache und antworte: Verzeihen's, ich bin nur eine Köchin!

Jn der That, ich kenne wenig bescheidene Frauen, und niemals habe ich bemerkt, daß man bei diesen Wenigen die Bescheidenheit sonderlich anerkannt hätte.

Jm Gegentheil, in der Regel werden bescheidene Frauen von ihren Gatten, Bekannten, Geschwistern bis zu den Dienstboten herab schlecht behandelt, und ich bin halb und halb überzeugt, daß dieselben Redner, die im Parlament für weibliche Bescheidenheit schwärmen, sich in ihren Salons sorgfältig vor der Annäherung an einfache, bescheidene Hausfrauen hüten werden.

Frauen ganz anderer Art werden sie ihre Huldigungen zu Füßen legen.

204

Man kennet Euch, Jupiterlein!

Reinheit!

Jst mit dieser Reinheit Unschuld und sachliche Un - wissenheit gemeint, so verschwindet diese bei jedem halb - wegs intelligenten Menschen mit zunehmender Lebens - erfahrung von selbst.

Diese Unschuld kann wohl einen poetischen und sinn - lichen, niemals aber einen ethischen Werth beanspruchen.

Will der Gentleman aber darunter Reinheit der Ge - sinnung verstanden wissen, so mache ich ihn zuvörderst auf einen Widerspruch in seinen Theorien aufmerksam.

Eine Frau nach dem Sinn und Herzen seiner Partei darf überhaupt keine eigene, sondern nur die Gesinnung des Gatten haben.

Vieles verlangt man von einer Frau: Reiz, An - muth, Schönheit, Jugend, Zärtlichkeit, liebliches oder pikantes Geplauder, wer aber verlangte je von ihr Ge - sinnung und Charakter.

Sollte der ehrenwerthe Angelsachse indessen diesmal vom Standpunkte seiner Partei abweichen und geruhen, der Frau eine eigene Gesinnung zu gestatten, nun so müßte er mir in der That seinen Verstand leihen, damit ich begreifen könnte, warum gerade der politischen Thätigkeit eine verunreinigende Kraft, in Bezug auf das weibliche Geschlecht, inne wohnen soll.

205

Freilich, es giebt Jnsekten, die aus derselben Blume, aus der die Biene Honig saugt, Gift destilliren. Für Alles läßt sich eben nicht aussorgen. Seelenreinheits - Versicherungs-Gesellschaften giebt es vorläufig noch nicht.

Madame Roland, die für eine politische Jdee starb, war rein.

Rein war die Jungfrau von Orleans.

Rein vor Gott war auch Charlotte Corday, die ein politisches Verbrechen beging.

Meine Gegner mögen mir eine Frage beantworten: Was ist geeigneter, eine reine Seele zu trüben, die vor - übergehende Theilnahme an einer politischen Agitation, oder die lebenslängliche Gemeinschaft mit einem schlechten Manne?

Selbstverständlich das Letztere.

Sind alle Männer gut?

Nein.

Verheirathen sich nur die guten?

Nein auch die schlechten.

Jst etwa so ungefähr die Hälfte aller Männer schlecht?

Man bleibt die Antwort schuldig, und ich will auch nicht weiter mit Fragen zudringlich werden.

Wir[können] den Männern nicht genug den Antheil danken, den sie an unserer Reinheit nehmen.

Aber auch wir wollen nicht zurückbleiben, wir wollen206 ebenfalls etwas zur Erhaltung unserer Seelenreinheit thun.

Wir werden im nächsten Parlament eine Bill ein - bringen, kraft deren wir auf die Abschaffung aller Männer antragen, die durch unreine Gesinnung, verwerfliche Handlungen und schlechten Charakter die Frauen anzu - stecken geeignet sind.

Man unterwerfe diese Männer irgend einer modernen Todesart, oder erscheint dieses Verfahren allzu hart, so hindere man sie wenigstens, mit Güte oder mit Gewalt, am heirathen.

Die Männer selbst mögen, die einen über die andern, zu Gericht sitzen und Diejenigen namhaft machen, denen sie unreine Gesinnung, verwerfliche Handlungen und einen schlechten Charakter zutrauen.

Sollte man nach obigen Aussprüchen nicht glauben, alle Frauen badeten ihre Seelen täglich im lichten Morgenroth, und Dinge, wie Klatsch, Jntriguen, Neid, Hoffarth, häusliche Zänkereien u. s. w. seien ihnen völlig fremd?

Hören wir einmal, wie einer der größten Menschen - kenner, der amerikanische Schriftsteller Emerson, die reinen Seelen englischer Frauen beurtheilt:

Eines der allerschlimmsten Uebel, woran England leidet, meint er, ist der Mangel an Frauen und Müttern.

207

Oben sind es Damen , unten trinken sie Gin und versetzen nicht selten die Kleider schlafender Kinder, um noch einmal Gin zu trinken und dann von dem be - trunkenen Manne zerprügelt zu werden. Die Dame von Stand sucht ihre Kinder sobald als möglich los zu werden, erst durch Ammen und Dienerinnen verschiedener Stationen, dann durch Schul - und Erziehungsanstalten u. s. w.

Uebrigens glaube ich, daß Reinheit der Gesinnung einen jeden Menschen ziert, selbst den Mann.

Ein Gesinnungsgenosse des Ritters der Reinlichkeit fürchtet, daß die Frauen durch das Stimmrecht die Furcht und das Erröthen verlieren möch - ten, und Furcht und Erröthen seien die Gür - tel der Unschuld.

Die Kindlichkeit dieser Phrase rührt einen förmlich, so daß man sich scheut, sie anzutasten.

Bemerken möchte ich nur, daß Eva wahrscheinlich zum ersten Male roth geworden ist, nachdem sie vom Baume der Erkenntniß gegessen. Bemerken möchte ich ferner, daß die unschuldigen Kindlein (und unschuldig müssen sie sein, denn wo sollten sonst die unschuldigen Frauen herkommen) selten roth werden, etwa nur dann, wenn ihre kleinen Unschuldshände in der Zuckerschale oder ihre Zünglein über der Torte ertappt werden.

208

Was insbesondere das Erröthen der Engländerinnen betrifft, so verräth uns Thakeray in einem seiner Werke, daß eine Miß oder Mrs. bereit sei, bei allen Gelegen - heiten zu erröthen, wo sich die leiseste Jnconvenienz zwischen Natur und Fashion bemerkbar mache.

Hören wir nun auch die Hauptvertreter der Aschen - puttel-Theorie:

Die Geschlechter, meint der eine, seien ver - schieden, der Mann eigne sich mehr für direk - tes Regieren, die Frau für Privateinfluß. Vernunft herrsche beim Manne, Gefühl und Sympathie bei der Frau, sie fänden vorwie - gend Genügen im Gefühl, er in der Vernunft.

Beim Stimmrecht der Frau läge nun die Gefahr nahe, daß die Gefühlsrichtung die der Vernunft para - lysire, wohl gar beherrsche, während doch das umgekehrte Verhältniß das allein richtige sei.

Bequemen wir uns einmal der Ansicht des englischen Großgeistes an und acceptiren wir, daß die Frau im Besitz des Gefühls, der Mann in dem der Vernunft glücklich sei und knüpfen wir daran die Frage:

Jst das Ziel aller Staatsbestrebungen das Glück des ganzen Menschengeschlechts?

Gewiß.

Gleichmäßig des weiblichen wie des männlichen?

209

Selbstverständlich.

Nun denn, so müßten jeglicher Gerechtigkeit zur Folge alle Gesetze, Jnstitutionen, Maßnahmen dem weiblichen Geschlechtscharakter als dem in der Majorität sich befindenden angepaßt werden (statistischen Angaben zufolge übersteigt in Europa die Zahl der Frauen die der Männer).

Das sympathetische, sentimentale Element (wie die Herren sich ausdrücken) müßte in der Gesetzgebung vor - herrschen, denn nach konstitutionellen Grundsätzen herrscht die Majorität, gleichviel, ob sie die höhere oder niedere Richtung vertritt.

So zog die Schweizer Regierung ihre erleuchtete Ver - fassungsrevision ohne Widerrede zurück, als eine unter - geordnete Majorität sie verwarf.

Bisher hat der Mann unumschränkt geherrscht. Und das Resultat? Schlagen wir ein beliebiges Blatt der Geschichte auf:

Kampf und Blut, Aberglauben und sittliche Ver - kommenheit, sociales Chaos.

Jst es wahr, was die Männer so gern behaupten, daß sie ein wildes und kampfbegieriges, ein thaten - durstiges, grausames, zu Rohheit und Lastern neigendes Geschlecht seien, während die Frauen vorzugsweise Tu - gend, Sanftmuth und Jdealität destilliren, nun, so seheDohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 14210ich keinen Grund, Tugend, Milde und idealen Sinn von der Gesetzgebung auszuschließen.

Nur wenn der Mann sich herbeilassen wollte zu er - klären: Wir, die Männer, sind das Menschengeschlecht erster Qualität Nummer 1, die Frauen dagegen das Menschengeschlecht Nummer 2, dann erst dürften sie be - haupten: L'état c'est nous und sich anmaßen, dem Staate das Gepräge ihres Wesens aufzudrücken.

Derjenige Mann, der als der fähigste der Redner im Parlament gepriesen ward, der sehr ehrenwerthe Vertreter von Staunton, schließt sich der Meinung des Vorredners an, indem er sich noch kräftiger und präciser ausdrückt: Das sympathetische Element, meint er, in der geistigen Constitution der Frau macht sie jeder Logik unzugänglich (the sym - pathetic element in the mental constitution of wo - man absolutely blind them to all logic).

Es giebt doch keinen Aberglauben, er mag noch so abgeschmackt sein, der nicht seiner Zeit einmal die öffent - liche Meinung beherrscht hat.

Was aber diesem Ausspruch des Vertreters von Staunton den Charakter unwiderstehlicher Komik auf - drückt, ist der Umstand, daß alle Argumente seiner Partei, die während der Verhandlung zur Sprache kamen, so aller logischer Vernunftschlüsse baar sich211 zeigten, daß selbst der Anspruchloseste keine Spur davon in ihnen entdecken konnte.

Wir begegnen nicht einmal hier und da einer An - lehnung an ernste phisiologische, psychologische oder historische Studien, nicht ein Wort von Recht und Un - recht, von faktischen Nothständen u. s. w.

Nichts als uralte, dityrambische Seufzer, fromm - schillernde Seifenblasen.

Wir hören nur von göttlichen Naturgesetzen, von Anstand, Sitte und Herkommen, von Piedestalen, Un - schuldsgürteln, Trunksucht und Erdenschmutz. Mit einem Wort, nichts als Gemüth.

Als der fähigste der Redner darauf hinwies, daß das Stimmrecht die Mutter von der Wiege des Kindes reißen würde laute Cheer's.

Als er die anwesenden Gatten beschwor, an die reine Liebe ihrer Gattinnen daheim zu denken, die als Opfer des Stimmrechts drauf gehen würden lautere Cheer's.

Und als er am Schluß nicht umhin konnte, seine Ueberzeugung dahin auszusprechen, daß Niemand diesen Argumenten widerstehen würde, denn was die Natur be - stimmt und was die Sitte als die natürliche Stellung des Weibes im Staate bestätigt (nature ordained and custom ratified), sei unantastbar anhaltende Cheer's.

Sollte man Aussprüche, wie diesen, nature ordai -14*212ned and custom ratified im Munde eines halbwegs gebildeten Mannes für möglich halten!

So hätte die Sitte oder Gewohnheit auch die Prostitution geheiligt, so das Haremsleben der Türkinnen, so das idiotische Verbrennungssystem der Jndierinnen.

Anstatt die Gewohnheit anzubeten, sollen wir nicht mit all unserer Kraft bestrebt sein, uns von ihr zu emancipiren!

Was die Natur angeordnet!

Wo und wann hat die Natur angeordnet, daß der sehr ehrenwerthe Herr James (Vertreter von Staunton) im englischen Parlamente Reden halten soll? ebenso wenig wie sie angeordnet hat, daß die Frau keine Reden halten soll.

Jch kann den Herren versichern, daß in der That von Seite der Frauen einer solchen Logik gegenüber wirkliche Bescheidenheit erforderlich ist, um sie vor dem Glauben zu bewahren, daß ein umgekehrtes Verhältniß zwischen den Geschlechtern stattfindet, als es die Männer anzunehmen belieben, daß nämlich die Frauen in der Vernunft, die Männer dagegen in Gefühlsfaseleien ihre Befriedigung finden.

Wie man weniger logischen Verstand haben kann, als die Ehrenwerthen in jener Parlamentssitzung be - wiesen, das begreife wer es kann.

213

Jch kann übrigens meinen Lesern versichern, daß die Männer gar nicht daran denken, sich unter einander logische Denkkraft zuzutrauen. Es ist nur so ein Ge - thue vor den Frauen. Jede Frau kann die Probe dar - auf machen. Sie fordere den gescheutesten Mann, den sie kennt, auf, ihr unter den lebenden Männern seiner Bekanntschaft Diejenigen zu nennen, die er für logisch denkende hält.

Um mich keiner Parteilichkeit zeihen zu müssen, will ich nun auch des einzigen Einwandes gegen das Stimm - recht der Frauen gedenken, dessen praktische[Tragweite] ich nicht verkennen kann.

Der fähigste Redner behauptete nämlich: das den Frauen verliehene Stimmrecht würde, kraft des Einflusses der Geistlichkeit auf das weibliche Gemüth, eine politische Reaktion herbei - führen.

Wenn die Frauen unter der Leitung der Pfaffen stimmen würden, wer trägt die Schuld? Wer hat die religiösen Anstände geschaffen? wer die Beichte ersonnen? Die Frauen haben bis heutigen Tages noch keine Re - ligion erfunden.

Die Männer haben die Frauen in die Kirche ge - trieben dadurch, daß sie ihnen jedes andere Gebiet idealen Lebens verschlossen. Jn dem Maße, als sich214 die Frau an höheren Aufgaben betheiligen darf, wird dieser Einfluß geringer werden.

Selbst aber auf die Gefahr einer Reaktion hin dürfen wir von einem Princip nicht abweichen, das wir für richtig erkannt haben.

Niemand darf die Frau ihrer conservativen Ge - sinnung wegen vom Staatsleben ausschließen. Ebenso gut könnten die Conservativen verlangen, daß allen liberal Gesinnten das Stimmrecht entzogen würde.

Jndessen ist das Uebel auch nicht ohne Abhülfe.

Ehe Deutschland dem ureinfachsten Princip der Ge - rechtigkeit und Humanität Rechnung tragen wird, mag wohl noch ein halbes Jahrhundert vergehen. Scharf - sinnige Staatsmänner werden vielleicht diese Zeit zu be - nutzen verstehen.

Bismarck, der gewiß nie in seinem Leben an die Frauenfrage gedacht, hat durch den Fehdehandschuh, den er dem Ultramontanismus hingeworfen, auch die Lösung des auf den Frauen ruhenden geistlichen Bannes in Angriff genommen.

Jm Wesentlichen läßt sich der erwähnte Einwand auf ein einziges Wort zurückführen:

Die Volksschule.

Wäre ich Bismarck oder Falk, so wüßte ich, was ich thäte. Jch würde ein Gesetz einbringen, kraft dessen215 die Volksschullehrer nur aus der Elite der Nation zu wählen seien. Nur den besten, reinsten und bedeutend - sten Männern der Wissenschaft würde ich die Jugend, d. h. die Zukunft der Nation anvertrauen. Jch würde ihnen ein hohes Gehalt bewilligen.

Es müßte dahin kommen, daß der höchste Ehrgeiz eines Menschen dahin ginge, ein trefflicher Volksschul - lehrer zu werden, und der größte Ruhm darin bestände, es zu sein.

Man wende nicht ein, daß ein tiefsinniger Mann der Wissenschaft der rohen Jugend des niederen Volkes wie ein Räthsel gegenüber stehen würde.

Jch glaube nicht daran; ich glaube vielmehr, je be - deutender und tiefer ein Mensch ist, je einfacher, klarer und durchsichtiger wird er sich zeigen im Denken und Reden.

Nicht auf die geringe Summe der Kenntnisse kommt es an, die etwa einem Bauernkinde beizubringen wären, sondern auf die ganze Persönlichkeit des Lehrers.

Wir alle wissen, daß ein guter, reiner, wenn auch beschränkter Pastor den ganzen moralischen Stand einer Dorfschaft zu heben im Stande ist.

Und nun denke man sich einen Mann, der die Jdeale der Zukunft in seiner Brust und auf seinen216 Lippen trägt, und der mit der Bildung seines ganzen Jahrhunderts bewaffnet, vor die Jugend tritt.

Den Augen der Bauernkinder würde er wie ein Hoherpriester erscheinen, und jedes seiner Worte würde wie ein Orakel in ihre Seele fallen.

Er würde der Sauerteig sein, der die träge dumpfe Masse durchdringt, lockert, zum wahren Leben weckt, und der dümmste Bauernjunge würde seines Geistes reinen Hauch verspüren .

Unsere heutigen Volksschullehrer aber sind zum weit - aus größeren Theil Mitleid erweckende Hungerleider.

Wenn ich schließlich noch berichten soll, wie der englische Premierminister selbst, der allerehrenwertheste Mr. Gladstone, sich über das Stimmrecht der Frauen ausgesprochen, so muß ich mein Unvermögen eingestehen, denn trotzdem ich das dickste Wörterbuch, das ich auf - treiben konnte, zu Rathe zog, kann ich doch nichts anderes sagen als: Herr, Deiner Rede Sinn war dunkel.

Nach anhaltendem Nachdenken indessen glaube ich folgenden Meinungsschimmer aus seiner Rede zwischen den Zeilen heraus lesen zu dürfen: Jm Principe ließe sich eigentlich gegen das Stimmrecht der Frauen nichts einwenden, sein Gefühl aber sträube sich mächtig da - gegen; deshalb nun setze er eine Belohnung aus für Denjenigen, der ein Mittel[ersinne], dessen Wirkung217 darin bestände, den Frauen das Stimmrecht zu ver - schaffen, ohne daß sie persönlich ihre kleinen Hände da - bei im Spiel zu haben brauchten.

Wir sind dem Premierminister einen aufrichtigen Dank für seine Herablassung schuldig. Ach, er ist unserem Bismarck um einen Riesenschritt voraus.

Verlangen Sie nicht etwa gar, ruft mir vielleicht ein Höhnischer zu, daß die Frauen schließlich noch im Parlament sitzen sollen?

Warum nicht?

Zwar meinte jener Staatsmann, als wir auch diese Möglichkeit berührten, daß nun und nimmer davon die Rede sein könne.

Wie viel tüchtige Männer, wandte er ein, möchten nicht durch Liebesgefühle in ihrer Stimmgebung und politischen Gesinnung beirrt werden?

Aber müßten dann nicht auch die Minister aus dem Parlament entfernt werden?

Könnte nicht ein Liebesblick, ein Lächeln und ach ein Händedruck von ihm (Bismarck) so leicht empfäng - liche Gemüther bewegen und umstimmen?

218

Als Schutzwehr für die Weichherzigen könnte man ja den Frauen erst, wenn sie das dreißigste Jahr über - schritten haben, den Eintritt in's Parlament gestatten. Frauen, die über dieses Alter hinaus die Männer zu bezaubern verstehen, gehören bei uns zu den Ausnahmen. Sehen wir nicht die urältesten Junggesellen schaudern, wenn wir ihnen etwa eine dreißigjährige Dame zur Ehe vorschlagen.

Jndessen, eine solche Maßregel wäre nicht einmal nothwendig.

Die Männer werden doch nicht vergessen haben, daß sie stets mit ebenso viel Pathos als innerster Ueber - zeugung die Meinung vertraten: Eine Frau, die einen dem Manne zukommenden Beruf erfüllt, ist jeglichen weiblichen Reizes baar, ein unausstehliches Mannweib.

Sie werden sich doch nicht eines grellen Widerspruchs schuldig machen, meine Herren?

Und außerdem, Jhr Herren, sind denn die Frauen blos auf der Welt, um Alles zu vermeiden, was der Tugend der Männer zum Fallstrick werden könnte?

Könnten die Männer nicht ab und zu selbst etwas für ihre Tugend thun?

Mir, in der That, steht das Jnteresse der Hälfte des Menschengeschlechts höher als die Gefahr, daß etwa219 einige weichherzige Abgeordnete mit ihren Herzen zu - gleich um ihre politische Gesinnung kommen könnten.

Die Aeußerung dieses Staatsmannes, die die poli - tische Gesinnung der Männer so bedauerlich angreift, findet ein Pendant in den Ansichten des sehr gelehrten und berühmten Herrn Professor Gneist.

Professor Gneist sprach sich gegen die Zulassung der Frauen an deutschen Universitäten sehr energisch aus, weil die Professoren aus Eitelkeit und um der un - zulänglichen Vorbereitung Rechnung zu tragen, sich zum Nachtheil der Wissenschaft zu mehr glänzenden und ober - flächlichen Vorträgen könnten hinreißen lassen. (Die Rede des Herrn Professors ist mir nicht zur Hand, ich citire deshalb nicht seine Worte, sondern nur seine Meinung.)

Entspricht diese Anschauung nicht einem Verfahren, wie es unter der modernen Willkürherrschaft des ersten Napoleon den Frauen gegenüber in Paris gehandhabt würde? Damals kam es nämlich in Paris häufig vor, daß anständige junge Mädchen, die wegen ihrer hübschen Erscheinung beleidigende Blicke und Aeußerungen der Männer dulden mußten, von einem Sergeanten ange - halten und kraft der Ordonnanz von 1802 bei der Po - lizei angeklagt wurden als schuldig, die Jugend zum Bösen verführt zu haben.

220

Schuldig, die Professoren zur Oberflächlichkeit ver - führt zu haben, würde die Anklage des Professor Gneist, lauten.

Wie man straft die Frauen, weil die Männer Unrecht thun! Wäre es nicht viel natürlicher, die pflicht - vergessenen, an der Wissenschaft frevelnden Professoren von ihrer vorgesetzten Behörde durch einen starken Rüffel (so glaube ich, nennt man es) an ihre Pflichten mahnen zu lassen, wäre das nicht viel gerechter, als Tausenden von Frauen den Tempel der Wissenschaft zu verschließen, in dem allein, wie es in allen Klassikern zu lesen ist, die reinen, ewigen, unsterblichen Freuden wohnen sollen.

Jm Uebrigen glaube ich, daß die Furcht des Herrn Professor Gneist vollkommen unbegründet ist. Jch glaube, daß man, um von einem Publikum mit wenig Voraussetzungen verstanden zu werden, viel tiefer und gründlicher, was den Jnhalt, und viel klarer und durchsichtiger, was die Form betrifft, sprechen muß, als vor einem gelehrteren Publikum.

Es würden demnach an die Professoren nicht ge - ringere, sondern höhere Anforderungen gestellt werden.

Gewisse Disciplinen erfordern natürlich ganz be - stimmte Vorbereitungen, und nur einer völlig abge - schmackten weiblichen Person könnte es einfallen, sich ohne genügende Vorkenntnisse damit zu befassen.

221

Außerdem handelt es sich ja bei dieser Frage nur um eine kurze Uebergangszeit, der ganze Einwand fällt in nichts zusammen, sobald sich ein Cultusminister findet, so groß, einsichtig und gerecht, um auch für Mädchen Gymnasien zu eröffnen, wo sie für den dritten Theil des Geldes zehnmal so viel lernen könnten, als in den theuren und schlechten Mädchenschulen.

Jch komme nach dieser kleinen Abschweifung auf mein Thema zurück.

Daß bis jetzt nur ein geringer Bestandtheil der deutschen Frauenwelt sich für die Befreiung der Frauen erwärmt, daß nur Wenige eine durchgreifende Reform fordern, das mag wahr sein.

Eine große Zahl von Frauen wird durch ein sehr einfaches Raisonnement von der Betheiligung an den geforderten Reformen zurückgehalten. Sie monologisiren:

Jch esse und trinke gut, ich habe elegante Kleider, ich frequentire Theater, Bälle u. s. w. Was wollen diese Närrinnen denn eigentlich? Jch habe was ich brauche, was gehen mich die Andern an?

Die zehn Tausend Glücklichen spotten der Millionen Unglücklichen.

Wer glücklich ist, fühlt selten das Unglück der An - deren, ebenso wenig wie ein Jeder, der für sich die Freiheit wünscht, sie auch für Andere wünscht.

222

Nicht Bescheidenheit, nicht die Erkenntniß von einer unabänderlichen Naturbestimmung hält die Tausende und aber Tausende von Frauen von der großen revolutio - nären Bewegung zurück, sondern ordinäre Selbst - sucht.

Auf die Zahl der uns Zustimmenden kommt es ganz und gar nicht an. Die große Menge denkt niemals vorwärts, sondern rückwärts. Das heißt, sie denkt nicht aus sich selbst heraus mit den Gedanken der reinen Vernunft, sondern mit den Gedanken der Vergangenheit. Die bestehenden Verhältnisse bestimmen all ihr Denken.

Mögen die Frauen eine Reform fordern oder nicht, sie leiden darum nicht weniger unter den herrschenden socialen Mißständen. Sie ahnen nicht, daß der Gift - quell, aus dem ihr Siechthum quillt, gehemmt werden kann. Sie halten ihr Leiden für ein zufälliges oder schicksalvolles, oder machen einzelne Jndividuen dafür verantwortlich. Die Wahrheit wird immer nur von Wenigen erkannt und erstrebt.

Einmal errungen, kommt sie Allen zu Gute.

Wo sind die Millionen Katholiken, deren zartes Ge - wissen von den Zuständen vor der Reformation verletzt wurde? Die große Masse fühlte sich jedenfalls bei dem landläufigen Sündenschacher sehr comfortable.

Nur Wenige, und die Besten jauchzten Luther bei223 seinem Auftreten zu, und doch ist seine That die größte und erhabenste aller deutschen Thaten.

Die große Masse, die weder einen Luther ersehnte noch ihn verstand, sie lebte ein neues Leben durch ihn.

Und wenn man mir sagt, seit Jahrtausenden haben diese Zustände gedauert, so antworte ich: Jst das noch nicht lange genug? oder ich erinnere an das nieder - sächsische Sprüchwort: Hundert Jahr Unrecht machen nicht ein Jahr Recht.

Nicht in der Vergangenheit ruht das Jdeal der Menschheit, nein die wachsende Gedankenfluth wird es aus dem Schoß der Zukunft heben.

Und wenn man mich fragt: Wo soll die Grenze sein, auf der man der Frau zurufen wird: Bis hierher und nicht weiter! so antworte ich: Das weiß ich nicht, doch so gut der Mann stricken, nähen, kochen und weben darf, ebenso gut muß der Frau gestattet sein, Eisen zu schmieden und das Griechische zu erlernen, wie sie Lust und Kraft dazu fühlt.

Niemand darf ihr eine Grenze ziehen als der Gott, der ihr im Busen wohnt. Noch kein Sterblicher hat das Antlitz der Zukunft geschaut.

Was die Erlangung des Stimmrechts betrifft, so ist diese für die Frauen nur eine Frage der Zeit.

Das Municipal-Stimmrecht der englischen Frauen224 ist in den Augen jedes Einzelnen nichts anderes, als ein Vorläufer des allgemeinen Stimmrechts. Das Princip ist darin anerkannt, es handelt sich nur noch um eine Erweiterung der Praxis.

Ein Vorläufer des allgemeinen Stimmrechts ist ferner, daß in einigen Staaten Amerika's die Frauen bereits in der Ausübung desselben begriffen sind.

Eine andere frohe Botschaft des nahen neuen Frauen - Evangeliums ist die Erklärung der großen republikani - schen Partei zu Massachusetts in Amerika, die das all - gemeine, von keinem Census oder Geschlecht abhängige Stimmrecht auf ihr Programm geschrieben hat.

Nach Ablauf weniger Jahre werden Amerikanerinnen und Engländerinnen im Besitz des Stimmrechts sein, Russinnen und Jtalienerinnen werden folgen und mit der Zeit auch die Deutschinnen.

Jrgend ein Schriftsteller hat einmal gesagt: Die Französinnen seien klüger als die Franzosen, die Eng - länderinnen ebenso klug wie die Engländer, die deutschen Frauen aber seien viel dummer als die deutschen Männer.

Das ist möglich. Befremdend ist allerdings die Thatsache, daß, während Deutschland ungleich weniger bedeutende Frauen und Schriftstellerinnen aufzuweisen225 hat als die Nachbarländer, ihre Kochbuch-Literatur die aller Länder riesenhaft überragt.

Klemm (in seiner Geschichte der Frauen ) zählt allein in den letzten Jahrhunderten 42 berühmte von deutschen Frauen verfaßte Kochbücher auf, während er z. B. nur ein einziges von einer Frau verfaßtes fran - zösisches Kochbuch zu nennen weiß.

Nicht freiwillig werden die Männer ihre Geschlechts - herrschaft fahren lassen, die sie für ein legitimes Recht halten, und die doch nur ein uraltes Privilegium ist, das im Laufe der Jahrhunderte ihr Rechtsbewußtsein corrumpirt hat.

Was das Jnteresse der herrschenden Klasse verletzt, hat von jeher Revolutionen hervorgerufen, und der Kampf wird um so erbitterter sein, je größer und mäch - tiger die angegriffene Partei ist (in diesem Falle die Hälfte des Menschengeschlechts).

Aber es sind schon größere Vorurtheile, als das in der Frauenfrage mächtige, besiegt worden.

Welch eine wahnsinnige Wuth erhob sich gegen Co - pernikus, der da behaupten wollte, daß die Sonne sich bewege.

Heute kämpft nur noch ein einsamer Nachzügler für den sittigen Stillstand der Sonne.

Auch die unzähligen Knak's, die heute der Frauen -Dohm, Der Jesuitismus im Hausstande. 15226frage schroff sich entgegenstemmen, sie werden von Jahr - zehnt zu Jahrzehnt zusammenschmelzen, bis schließlich auch in dieser Frage ein letzter einsamer Knak ungeheure Heiterkeit erregen wird.

Meiner Meinung nach läßt sich die ganze com - plicirte Angelegenheit auf eine einzige einfache Frage zurückführen:

Gab Gott uns Frauen eine Seele?

Antwortet Jhr ja, so ergiebt sich daraus von selbst das Recht freier Selbstbestimmung für die Frau.

Hätte Gott gewollt, daß die Frau dem Manne Unterthan sei, so würde sich der Allweise den Luxus, ihr eine besondere Seele zu schenken, erspart haben.

Mensch bleibt Mensch, und die Verfügung über die eigene Person ist das jedem Menschen angeborene Recht.

Eine Landesvertretung, die die Hälfte des mensch - lichen Geschlechts von der Regierung ausschließt, ist eine Farce.

Die Männer der strengsten Wissenschaft lehren uns, daß das Lebensprincip aller Geschichte nichts anderes sei als die Entwickelung zur Freiheit, und darum ist die Sache der Frauen die Sache der gesammten Menschheit, und so wahr es einen Fortschritt giebt, so gewiß müssen wir siegen.

Daß in diesen Uebergangsstadien, wie bei allen Ueber -227 gängen, manches Verkehrte, Verworrene und Abenteuer - liche zu Tage treten wird, ist selbstverständlich.

Es ist auch möglich, daß durch die Selbstständigkeit der Frauen hier und da einem guten Manne eine Quantität Hausfrauenliebe verloren gehen kann, deren er sich sonst erfreut haben würde.

Möglich, sogar wahrscheinlich.

Aber gehören denn die Männer zu jenem Pöbel, der den Nachtigallen die Augen aussticht, damit sie besser singen sollen?

Eine edle und reine Liebe ist nur in der Freiheit möglich.

Eine sittliche Erhebung des menschlichen Geschlechts, ohne eine volle Reform der Frauenzustände halte ich für unmöglich. Selbstständigkeit gehört zur wahren Tugend, wie die Seele zum Leib. Die Pandorenbüchse, der alle Laster der Frauen entsteigen, ist ihre Leibeigenschaft.

Das Verbrechen aber, das nun seit Jahrtausenden schon das männliche Geschlecht ungesühnt an dem weib - lichen begeht, ist der höchsten und schwersten Verbrechen eines.

Es heißt: Hochverrath gegen Gott!

15*

Druck von Gebrüder Grunert in Berlin.

About this transcription

TextDer Jesuitismus im Hausstande
Author Hedwig Dohm
Extent242 images; 39469 tokens; 8968 types; 273090 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU GießenNote: Bereitstellung der Texttranskription.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2017-07-10T17:06:15Z Anna PfundtNote: Bearbeitung der digitalen Edition.2017-07-10T17:06:15Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationDer Jesuitismus im Hausstande Ein Beitrag zur Frauenfrage Hedwig Dohm. 1. Wedekind & SchwiegerBerlin1873.

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LanguageGerman
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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;

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