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Telegramme: Allgemeine, Czernowitz

Czernowitzer Allgemeine Zeitung

Ankündigung Es koſtet im gewöhnlichen Inſe - ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei[ einmaliger], 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re - klame 40 h die Petitzeile, Inſerate nehmen alle in - und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad - miniſtration entgegen. Einzel - exemplare ſind in allen Zeitungs - verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni - verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Ring - platz 4, 2. St.) erhältlich. In Wien im Zeitungsbureau Goldſchmidt, Wollzeile 11.

Einzelexemplare 10 Heller für Czernowitz.

Nr. 1905 Czernowitz, Dienſtag, den 24. Mai 1910.

Ueberſicht.

Vom Tage.

In der Türkei bieten ſich zahlreiche Freiwillige für einen Feldzug gegen Griechenland an. Die türkiſche Flotte iſt aus Konſtantinop[e]l ausgelaufen. Ja Prag fand heute ein deutſchfortſchrittlicher Parteitag ſtatt. Die Erledigung der Lember[g]er Univerſitätsfrage dürfte durch ein polniſch - rutheniſches Uebereinkommen ermöglicht werden.

Letzte Telegramme.

König Georg von England dankte in einer Botſchaft dem Volk: für die der königlichen Familie bewieſene Teil - nahme. Heute findet die Beratung der czechiſchen Agrarier über ihre Beteiligung an den Ausgleichskonferenzen ſtatt.

Der ſtädtiſche Doranſchlag.

Der Gemeinderat der Landeshauptſtadt begegnet der ſcharfen Kritik, die an ihm geübt wird, auf die Weiſe, daß er dieſe Kritik in eigener Regie beſorgt. Bei der vorgeſtrigen Beratung über das Präliminare pro 1910 (nicht etwa 1911) leitete der Präliminarrefent, Herr Dr. Norſt, die Debatte mit einem Expoſee ein, das an Ueberſichtlichkeit und Klarheit, aber auch an Offenheit nichts zu wünſchen übrig ließ. Er fand der Sünden recht viele und gab ſie der Oeffentlichkeit preis. Allerd[i]n[g]s fand er auch manches entſchuldigende Wort und gab, geſtützt auf eigene Wahrnehmungen und auf das Urteil von Fachmännern, zu, daß die Geldgebahrung in formeller Beziehung eine vollſtändig korrekte ſei. Die Verwaltungskoſten ſind exorbitant hohe und verſchlingen einen ſo beträchtlichen Teil des Budgeis, daß für alle Inveſtitionen Darlehen aufgenommen werden mußten, die zuſammen über fünfzehn Millionen ausmachen, für welche dreiviertel Millionen an Zinſen und Amortiſation jährlich zurückgezahlt werden müſſen. Der Präliminarreferent und ſpäter die zu Worte gelangten Mitglieder des Kollegiums gaben einige hübſche Anregungen, welche die ſtraffere Durch - führung des Budgets und die Verſchärfung der Kontrolle betrafen. Ein Redner empfahl größere Sparſamkeit und gab der Befürchtung Ausdruck, daß die Sanktionierung der ſtädtiſchenW[ah]lrefo[r]m auf Grundlage des nationalen Kataſters die Stadt dem Ruin zuführen würde, weil die Verwaltungskoſten ſelbſt - verſtändlich noch um ein Vielfaches anwachſen würden.

Das ſind ja auch durchwegs vernünftige Dinge, die da vorgebracht wurden, und es iſt außer Zweifel geſtellt, daß jeder Redner von den beſten Intentionen beſeelt war. Der Zweifel, der noch übrig blieb, bezieht ſich auf die Frage, ob die Kritik und die an ſie geknüpften Anregungen jene Erfolge erzielen werden, die jeder Freund der Stadt herbeiwünſcht: Ver - billigung der Verwaltung und Aufſchwung der Stadt. Die Ver - waltung iſt ungewöhnlich teuer und die ſtädtiſche Umlage ſehr hoch, allein die weitaus wichtigere Frage iſt, ob die Stadtverwaltung der Bevölkerung ein entſprechendes Aequivalent bietet, m. a. W. ob die Stadtrepräſentanz ſich darüber klar geworden iſt, daß ihre Aufgabe nicht allein in der F[e]ſtſtellung der Ausgaben und in der Einhebung der Steuern beſtehen kann. In dieſem Belangen vermißt man in der bisher abgeführten Debatte jegliche An - deutung. Weiſt der Wirtſchaftsplan der Stadtverwaltung manche Mängel auf, ſo beſitzt die Stadt als ſolche über - haupt keinen Wirtſchaftsplan. Auch darüber mußte aus Anlaß der Generaldebatte über das Budget manches offene Wort geſprochen werden. Nationale Streitigkeiten und Stellen - vermehrungen dürfen die Sitzungen nicht ganz ausfüllen.

In dem Sitzungsberichte, den wir nun folgen laſſen, insbeſondere in dem Referate des GR. Dr. Norſt, finden ſich nicht unintereſſante Aufſchlüſſe über manche Angelegenheit, die bis in die l[e]tzten Tage den Gegenſtand eifriger Dis - enſſion in der O[e]ff[e]ntlichkeit bildete.

(Sitzung vom 21. Mai 1910.)

Vorſitzender: Bürgermeiſter Baron Fürth.

Schriftführer: Oberoffizial Blaukopf.

Nach Eröffnung der Sitzung und Verifizierung des letzten Sitzungsprotokolles werden Gemeinderat Trichter und K. -R. Picker in das Kuratorium des Gewerbemuſeums wieder gewählt.

GR. Skalat beſpricht die Notwendigkeit der Errichtung eines Bades in Roſch und beantragt deshalb, der Stadt - magiſtrat wird aufgefordert, dem Gemeinderate binnen ſechs Wochen entſprechende Anträge wegen Errichtung eines all - gemeinen Volksdampfbades vorzulegen. (Ang.)

Der ſtädtiſche Voranſchlag pro 1910.

Der Prälim[in]a[r]referent GR. Dr. Norſt leitet ſeinen Bericht mit einer längeren Rede ein, der wir folgendes entnehmen:

Zum 6. Male trete ich mit dem Voranſchlage für das neue Wirtſchaftsjahr vor den Gemeinderat. Diesmal bin ich auch in der Lage, die Genehmigung der Rechnungs - abſchlüſſe einſchließlich 1908 beantragen zu können. Die Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe hat leider kein erfreuliches Bild geboten, wenn auch gegen die formelle Korrektheit derſelben nichts einzuwenden iſt. Vielfach ſind die Präliminar - poſten überſchritten worden, die bu[d]getmäßig nicht vorgeſehen waren. So findet ſich aus dem Jahre 1907 eine Ueber - ſchreitung von 2000 K für Straßenreinigung, für welche die gemeinderätliche Genehmigung bis heute nicht erteilt wurde. Aus neuerer Zeit iſt die Aufnahme von U[b]ikationen für die Exekutionsabteilung mit einer jährlichen Auslage von 2400 K zu erwähnen welche, gleichfalls ohne Ratifikation daſteht. Schließlich wäre im heurigen Budget eine Mehrausgade von 9800 K für die Erhöhung der Zahl der Offizianten und Kanzleihilfsarbeiter. Ja dieſer Beziehung werde ich am Schluſſe entſprechende Reſolutionen vorlegen.

Auch dem Gemeinderate fallen Budgetwidrigkeiten zur Laſt. Einzelne Ausgabrubriken erfahren Verſchiebungen bezw. Virements, was den allgemeinen Vorſchriften aus den ſtrikten Beſchlüſſen des Gemeinderates widerſpricht. Die Folge davon iſt, daß der Geldverkehr bei der Stadtkaſſa in beſonderer Weiſe beeinflußt wird. Es kommt vor, daß die verfügbaren Beſtände vollſtändig erſchöpft ſind, daß man Rechnungen nicht bezahlen könne und daß die ganze Wirtſchaftsgebahrung deswegen verſchoben wird. Für alle Fälle konnte die M[i]thilfe der GR. Harth und Tellmann bei der wiederholt vor - genommenen Prüfung der Rechnungsabſchlüſſe und Bücher ergeben, daß überall volle Ordnung und Sachlichkeit vorhanden iſt. Ich beantrage deshalb 1. die Rechnungsabſchlüſſe und Ueberſchreitungen bis inkluſive 1907 zu genehmigen; 2. zu verfügen, daß der dem Transaktionsfonde im Jahre 1907 überzahlte Betrag von 3600 K dem Stadtfonde rückgezahlt und 3. die Interkalarien aus dem Fonde Bildungsanſtalten dem Lehrerpenſionsfonde überwieſen werden.

Ich wende mich nunmehr dem Schuldenſtande der Stadt zu. Mit Ende 1909 betrug die geſamte Gemeinde - ſchuld K 15,321. 057·89. An dieſer Schuld partizipieren die eigenen Gelder der Stadt mit K 10,518.957 91, die Aſſanierungsfonde mit K 4,194. 664·61 und der Theaterſond mit K 607. 435·37. Für die Tilgung und Verzinſung der Gemeindeſchuld wurden im Jahre 1909: an Tilgung K 118 988 69, an Zinſen K 670 486·60, zuſammen ſohin K 789. 475·29 in Anſp[r]uch genommen. Hiezu werden im Jahre

Das Familienkreuz.

48] (Nachdruck verboten.)

Alice mußte das zugeben.

Käthe hatte vom Fenſter des Eßzimmers aus ihren Vater im Garten gehen geſehen. Sie lief ihm ſchnell nach.

Die gebeugte Haltung ſeiner ſonſt ſo ſtraffen Geſtalt fiel ihr auf.

Der arme Vater!

Wie einſam würde er ſich in dem großem Hauſe ohne die Mutter fühlen!

Rochlitz ſah ſeine Tochter. Er ging ihr entgegen und zog ihren Arm durch den ſeinen.

Sein zuerſt ſehr kühler Ton Käthe gegenüber war ſeit dem Tode der Mutter viel herzlicher geworden. Die Mutter hatte ſtets zu vermitteln, ſeine alte Liebe für die widerſpenſtige Tochter auferw[e]cken zu wollen. Das arme Kind verlor mit der Mutter die eifrigſte Fürſprecherin.

Das ſtimte ihn weich.

Run, Käthe, wollen wir mal durch den Garten gehen , ſagte Rochlitz freundlich. Du wirſt mich wohl auch bald wieder verlaſſen? Hartung entbehrt dich gewiß.

Seine Mutter iſt ja bei ihm! meinte Käthe. Wenn ich dir nützlich ſein kann, Vater, bleib ich gern noch bei dir.

Dein Platz iſt j[e]tzt bei deinem Mann, Kind. Ich muß mich doch aus Alleinſein gewöhnen. Ein tiefer Seufzer hob ſeine Bruſt. Vorläufig weiß ich noch nicht, wie’s werden ſoll. An allen Ecke[n], in jedem Winkel fehlt mir die Mutter.

Käthe faßte die Hand des Vaters und drückte ſie leiden - ſchaftlich an ihre Lippen.

Vater, hab mich doch wieder ein bißchen lieb! bat ſie mit erſtickter Stimme. Ich war damals im Unrecht ich ſeh’s jetzt ein, jetzt, wo es zu ſpät iſt.

Rochlitz war ſo erſtaunt über dieſen plötzlichen Gefühls - ausbruch, daß er ſich auf die nächſte Bank ſetzte und Käthe an ſeine Seite zog.

Er legte den Arm um ihre Schultern und zog den hübſchen braunen Kopf an ſeine Bruſt.

Armes kleines Ding! ſagte er leiſe. Haſt keine Mutter mehr da muß ich wohl jetzt beſonders gut gegen dich ſein!

Er ſtreichelte und küßte die Tochter, wie wenn ſie noch das kleine, unbändige Kind von einſt wäre, das einen ihrer wilden Streiche berente und gutmachen wollte.

Vater, hätte ich auf dich gehört! ſchluchzte Käthe auf.

Rochlitz blieb eine Weile ſtill, dann verſuchte er den geſenkten Kopf ſeiner Tochter aufzurichten. Daß das mal ſo kommen würde, hab ich mir wohl gedacht , ſagte er ernſt. Aber nun hilft’s nichts mehr. Und Hartung iſt ein guter, anſtändiger Menſch du hätteſt es viel ſchlimmer treffen können. Er liebt dich ſehr.

Käthe ſah den Vater groß an mit ihren verweinten Augen.

Ja, er liebt mich. Aber er verſteht mich nicht ich ihn nicht.

Du warſt doch ſo für Krankenpflege und all ſolche Dinge begeiſtert! Mit dem Glld deiner Mutter könnt Ihr v[i]elleicht bald ein Krankenhaus übernehmen. Hartung iſt dann ſelbſtändiger und dir, du kleine Weltverbeſſerin, macht das gewiß doch auch Freude.

Das iſt alles vorbei, Vater. Mir graut ſeit meiner eigenen Krankheit vor allen Krankenhäuſern, Kliniken, Oberinnen und Schweſtern.

Das geht gewiß vorüber.

Ich glaube nicht. Du darfſt auch Hartung das Geld gar nicht auszahlen, Vater.

Warum denn nicht, Käthe? Deine Schweſtern brauchen kein Kapital. Alles Geld ſogleich auszuzahlen, würde mir auch ſchwer werden. Aber deinen Anteil allein kann ich geben. Ich nehme eine Hypothek dafür auf.

Vater, wenn du mich noch ein bißchen lieb haſt, tuſt du das nicht.

Hartung bat mich aber darum.

Alſo doch!

Sie nagte an ihrer Unterlippe.

Die Schweſtern warfen mir das ſoeben vor. Ich wollte es nicht glauben. Aber es iſt alſo die Wahrheit! Ich will nicht wie eine Bettlern vor Euch ſtehen. Ich nehme nichts. Hörſt du, Vater nichts.

Sei nicht töricht! Es iſt dein Recht.

Ich will kein Recht. Ich will nicht, daß du mich anders behandelſt wie deine anderen Kinder.

Deine Schweſtern haben reiche Männer, und du nicht.

Sage lieber vornehm denkende.

Ich verarge Hartung ſein Verlangen keinen Augenblick. Von ſeinem Standpunkt aus iſt ſein Wunſch ſehr begreiflich.

Ader ich verdenke es ihm! brach Käthe leidenſchaftlich los.

Er ſoll nicht immer an Geld und Gelderwerb denken! Pfui ſogar con den Armen erpreßt er Honorare! Vater, ich habe mich in ihm geirrt. Er iſt auſtändig denkend, ſagſt du gut. Aber auſtänbig denken und vornehm handeln iſt zweierlei. Ich halte es nicht aus, mit ſolcher niedrig geſinnter Natur zu leben.

Du übertreibſt und urteilſt viel zu ſcharf.

Ich ſtoße mich aber ewig daran. Wund und weh ſtoße ich mich! ſchrie ſie auf.

Aber Kind, er muß doch Geld verdienen! Du biſt eine kleine überſpannte Perſon.

Meinetwegen. Ich will lieber überſpannt wie geldgierig ſein. Und ich nehme nichts von Mamas Vermögen nichts, und wenn ich hungern ſollte.

Rochlitz ſchüttelte den Kopf.

Wenn du es nicht nimmſt, dann ſchicke ich Hartung direkt die Zinſen. Mach dir doch das Leben nicht un - nütz ſchwer. Auch in anderen Ehen geht nicht immer alles ganz glatt.

Da ich ihn nicht liebe, müßte ich ihn wenigſtens achten können! warf Käthe finſter ein.

(Fortſetzung folgt.)

2Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 24. Mai 1910.

1913, in welchem die Amortiſierung des 8. Milliondarlehens be - ginnt, noch weitere 60.000 K erforderlich ſein. An Bedeckung ſtehen die Gefälle, die Mauten, Schlachthausgebühren, die Karten - ſteuer, Markt - und Standaelder, die Beiträge aus dem Waſſerleitungs - und Kanaliſierungsfonde gegenüber. Der ver - bleibende R[e]ſt wird dem Stadtfonde zugewieſen, ebenſo die 4-einhalbperzentigen Zinſen, welche die Verkehrsbank für den noch nicht verwendeten Teil des 8 Millionendarlehens zahlt.

Was die Verwendung des 8. Millionendarlehens betrifft, ſo wurde für die Schuldverſchreibungen ein Geſamterlös von 7,783.750 K erzielt, von welchen 250.000 K ſeitens der Stadtgemeinde dem Jubiläumsſtiftungsfonde direkt verkauft wurden.

Von der obigen Anleihe wurden auf Grund des Inveſtitionsprogrammes vom 19. September 1907 und auf Grund des Landesgeſetzes vom 11. Jänner 1908 bis Eade 1909 folgende Nettoauslagen beſtritten, und zwar für:

Straßenpflaſterungen .......K 1,593.691.77
Straßenregulierungen ....... 22 634·25
den Bau der Schule in Stinka-Roſch .. 51. 384·40
den Zubau an der Schule in Horecza .. 11. 000·
den Bau der Schule Station Volksgarten 86.092 34
den Ankauf der Gründe zum Bau des Mädchenlyzeums ........ 178. 616·41
den Bau der Schule bei der Feuerwehr - Kaſerne ........... 181. 164·19
die Errichtung eines Schlachthauſes ... 1·462·40
die Errichtung eines Epidemieſpitales .. 300 000·
die Errichtung eines Pruthbades ... 193 446·38
Feuerwehrerforderniſſe ....... 32 670.10
Bedürfnisanſtalten ........ 60 225·
Parkierung der Friedhöfe ...... 34. 745·10
die Adaptierung der Roſcher Kavallerie - kaſerne und für die Errichtung einer Eis - erzeugungsanlage ........ 24·909·44
den Ankauf der Elektrizitätsaktien ... 2,179 125·
die Erweiterung der Waſſerleitung ... 15.284 12
Darlehensrealiſierungskoſten und zwar:
a) Kursverluſte ...K 216. 250·
b) Herſtellungskoſten der Obligationen ... 6. 000·
c) Reiſeauslagen .. 2. 749·31
d) Speſen, Porti ꝛc .. 1. 220·06
e) Druckſorten ... 264·45
f) Buchbinderarbeiten. 58·95
g) Honorar für die Be - richterſtattung über die Gebarung mit den Inveſtitionsgeldern. 600· 227. 142·77
Die Auslagen für Inveſtitionen betrugen ſomitK 5,193. 593·87
ſo daß von der Anleihe per ..... 8 000 000·
noch ein Reſt von ........K 2,806. 406·13
verbleibt, welcher ſich aus dem Kaſſareſte von 60.968 03
aus der Vorſchußforderung von .... 540·
und aus den Einlagen bei der Wiener Verkehrsbank von ....... 2,744 898·10
zuſammengeſetzt.

Die Kontrollkommiſſion für das 8-Millionendarlehen hat konſtatiert, daß die Verwendung des Betrages von 2,179.125 K aus dem Anlehensfonde zum Ankaufe von 3341 Stück Aktien und 14 Stück Genußſcheinen des Czer - nowitzer Elektrizitätswerk und Straßenbahngeſellſchaft den Beſtimmungen des Geſetzes nicht entſpreche. Der gleiche Beſchluß wurde bezüglich der Verwendung des Betrages von 16.180 K, beziehungsweiſe K 14. 020·55 für die Adaptierung der Roſcher Kavalleriekaſerne gefaßt. Dagegen iſt die Kommiſſion bereit, um dem Gemeinderat entgegenzukommen, einen eventuellen Beſchluß des Gemeinderates auf Erwirkung eines neuen Geſetzes zum Zwecke des Ankaufes der Elektrizitäts - aktien beim Landtage zu befürworten.

Weiters wurde die Verwendung des Betrages von 250.000 K für eine Wohlfahrtseinrichtung, da im Geſetze und im Inveſtitionsprogramm eine ſolche Widmung nicht vorgeſehen erſcheint, beanſtändet; diesbezüglich liege jedoch eine genügende Aufklärung vor, da durch die Fiſcher’ſche Kinderſpitalsſtiftung ein entſprechender Betrag frei geworden iſt.

Das Verlangen der Kommiſſion, daß ſich die Gemeinde in der Abſicht auf den Bau eines Mädchenlyceums für eines der angekauften Grundſtücke entſcheide, kann als eine Beanſtändigung nicht angeſehen werden.

Ich erwähne noch, daß die von der Kommiſſion zuge - zogenen Sachverſtändigen aus dem Rechnungsfache, Oberrech - nungsrat Streit und Rechnungsrevident Sedelmayer einige dankbare Verfügungen zur Verſchärfung der Kontrolle und Ueberſicht der Gebahrung mit dem 8-Millionendarlehen trafen. Damit ſind die in der verſchiedenſten Abſicht ausge - ſtreuten Gerüchte über die Gebahrung mit dem Millionen - darlehen widerlegt.

Ich übergehe nun zum eigentlichen Voranſchlag.

Die Klage, daß die Auslagen in unverhältnismäßiger Weiſe heranwachſen, iſt vollauf begründet. Sie ſteigen ſeit dem Jahre 1900 alljährlich bedeutend. Seit dem Jahre 1900, in welchem ſie 390 621 K 78 h betragen, ſind ſie im Jahre 1910 auf 718.337 K angewachſen. Für Schulbauten wurde im Laufe der letzten 10 Jahre 1 Million verwendet, aus - ſchließlich des noch bevorſtehenden Lycealbaues und der Schule in der Dreifaltigkeitsgaſſe. Die Verwaltungs - und die Schul - auslagen machen des Geſamteinkommens der Stadt mit Einſchluß der Umlagen aus. Im Jahre 1910 betragen die Verwaltungsauslagen 718.337 K, die Schulauslagen 559.171 K, zuſammen alſo 1,347.628 K.

Allerdings würde es von wenig Wohlwollen für die Stadt zeigen, wenn man die Agenden des Magiſtrates mit denen einer Bezirkshauptmannſchaft vergleichen würde, weil eine autonome Verwaltung mehr Koſten verſchlingt und weil die ſtädtiſchen Intereſſen vielfach kompliziert ſind, wenn auch zugegeben werden muß, daß durch die Vereinfachung in der Geſchäftsführung manches erſpart werden könnte. Der Magi -ſtratsbeamte ſei ein willkommenes Objekt für mehr oder minder berechtigte Angriffe. Dieſe ſchaden nur ſeinem Anſehen und ſind in den allermeiſten Fällen ganz unbe - rechtigt. Die wachſenden Ausgaben ſind darauf zurückzu - führen, daß in früheren Jahren manches vernachläßigt wurde, was rapid nachgeholt werden muß. Das Sprunghafte muß jedoch von nun ab vermieden und durch ernſte Arbeit eine gewiſſe Stabilität in die Verwaltung gebracht werden.

Ich beantrage deshalb die Annahme der nachſtehenden

Reſolutionen:

1. Die bewilligten Kredite gelten wie beim Staate nur bis 31. Dezember des Präliminarjahres. Nur ausnahms - weiſe kann mit Genehmigung des Gemeinderates die Geltungs - dauer einzelner Anſätze des Extraordinariums über dieſen Termin hinaus verlängert werden. 2. Das Magiſtratsprä - ſidium wird verpflichtet, in der erſten Sitzung in jedem Quartal dem Gemeinderate die in den einzelnen Rubriken des Präliminares noch verfügbaren Beträge bekanntzugeben. 3. Vorlagen, die Geldauslagen beantragen, für deren Be - deckung im Präliminare vorgeſorgt werden ſoll, müſſen in der erſten Jahreshälfte der gemeinderätlichen Beſchlußfaſſung unterzogen werden. 4. Der Magiſtrat wird angewieſen, bei Vorlagen, die mit Geldauslagen verbunden ſind, für deren Bedeckung präliminarmäßig nicht vorgeſorgt iſt, jedesmal be - züglich der Bedeckung, eventuell unter Beziehung der Rubrik, welcher der angeforderte Betrag entnommen werden ſoll, den Antrag zu ſtellen. 5. Das Magiſtratspräſidium wird auf - gefordert, unter keiner Bedingung ohne vorhergegangene Ge - nehmigung des Gemeinderates Ueberſchreitungen der präli - minierten Anſätze oder Viremens in den einzelnen Rubriken zuzulaſſen. 6. Der Herr Bürgermeiſter wird erſucht, das Buch, in welchem alle gemeinderätlichen Beſchlüſſe über Initiativanträge ſeiner Mitglieder aufgenommen erſcheinen, im Gemeinderate bei jeder Sitzung aufliegen zu laſſen, damit die Mitglieder des Gemeinderates aus der erſichtlich gemachten Erledigung über den Stand der Fragen informiert werden und auf dieſe Weiſe überflüſſige Interpellationen vermieden werden können. 7. Geſuche um Subventionen können nur dann im nächſten Präliminare berückſichtigt werden, wenn ſie ſpäteſtens bis Ende März im Stadtmagiſtrate eingebracht worden ſind, 8. Ueber ſämtliche Amtspauſchalien iſt Rechnung zu legen, die vom Rechnungsdepartement zu überprüfen iſt. 9. Der Stadtmagiſtrat wird beauftragt, das im Jahre 1887 angelegte Inventar zu rektifizieren, zu ergänzen und regelmäßig fort - zuführen. 10. Das Rechnungsdepartement iſt anzuweiſen, das Magiſtratspräſidium mittelſt Sonderberichtes jedesmal in Kenntnis zu ſetzen, wenn im Laufe des Budgetjahres hervor - kommt, daß mit dem vorhandenen Kredite in einer Rubrik mut - maßlich das Auslangen nicht wird gefunden werden können.

Das Magiſtratspräſidium wird verpflichtet ſein, in dieſem Falle entweder die Weiterauslagen einzuſchränken oder ganz einzuſtellen; in dringendſten Fällen aber beim Gemeinderate um Erhöhung des Kredites unverzüglich mit einem motivierten Berichte einzuſchreiten.

11. Der Magiſtrat wird eingeladen, dem Gemeinderate einen Bericht über die Forſtverwaltung vorzulegen. 12. Der Magiſtrat wird aufgefordert, die Abrechnungen über den Theaterbau, das Volksbad unbedingt vorzulegen und einen Bericht über den Stand des Transaktions - fondes zu erſtatten. 13. Der Stadtmagiſtrat wird erſucht, nach vom Gemeinderate feſtgeſtellten Status eine Ueberſicht der Beamten, der Kanzleihilfskräfte (Offizianten und Gehilfen) und der Amtsdiener anzulegen und die Zahl der deſinitiven und proviſoriſchen Amtsdiener in ein entſprechendes Verhältnis zu bringen. 14. Bei Be - nützung von ſtädtiſchen Wagen für Kommiſſionen auf Koſten der Parteien iſt der erlegte Betrag ordnungsgemäß abzufürhen und zu verrechnen. 15. Der Stadtmagiſtrat wird aufgefordert, für Zuſtellungen ſich in gleicher Weiſe, wie das bei Gericht geſchieht, der Poſt zu bedienen. 16. Bei Studienreiſen auf Koſten des Stadtfondes oder eines in der Verwaltung der Stadt ſtehenden Fondes iſt der Beamte verpflichtet, einen ſchriftlichen Bericht zu erſtatten. 17. Der Stadtmagiſtrat wird aufgefordert, den Vertrag der Gemeinde mit dem Elektrizitätswerke mit Rückſicht auf die Erweiterung des Beleuchtungsrayons zu überprüfen und hierüber nach Ein - holung eines Gutachtens des ſttädtiſchen Anwaltes im Wege der Rechtsſektion dem Gemeinderate Bericht zu erſtatten. 18. Der Stadtmagiſtrat wird aufgefordert, die Frage der Krankenverſicherung der Straßenarbeiter zu ſtudieren und hierüber mit tunlichſter Beſchleunigung dem Gemeinderate zu berichten. 19. Der Stadtmagiſtrat wird aufgefordert, nach Einholung der Wohlmeinung des ſtädtiſchen Anwaltes dem Gemeinderate im Wege der Rechtsſektion Anträge wegen Sicherſtellung der Beiträge des Landes zur Militärbequar - tierungslaſt zu ſtellen. 20. Der Stadtmagiſtrat wird auf - gefordert, wegen Einführung der Kehrichtsausfuhr endilch das Nötige zu veranlaſſen.

Was das Präliminare als ſolches betrifft, hat ſich die Kommiſſion unter der zielbewußten Leitung ihres Obmannes, des GR. Kindler, in langwierigen S[i]tzungen bemüht, die einzelnen Poſten auf das Gewiſſenhafteſte zu beraten, ſoweit es ging, Einſchränkungen zu machen und die Umlage auf der bisherigen Höhe zu erhalten.

Die Generaldebatte.

GR. Tellmann konſtatiert, daß die vom Gemeinderat gewährten Kredite alljährlich bei Weitem überſchritten werden. Dies ſei insbeſondere darauf zurückzuführen, daß der Magi - ſtrat ſich in vielen Fällen nicht ſtrikte an die Beſchlüſſe des Gemeinderates halte. Um dem vorzubeugen, ſtelle Redner folgenden Antrag: Es werde eine aus 3 Mitgliedern be - ſtehende, ſogenannte gemeinderätliche Gebahrungs - kontrollkommiſſion gewählt, die die Aufgabe hätte, die Gebahrung der präliminarmäßig feſtgeſtellten Kredite zu überwachen, genau zu kontrollieren und einmal in jedem Quartal dem Gemeinderate darüber Bericht zu erſtatten. (Angenommen.)

GR. Dr. Wender verweiſt auf die triſte Finanzlage der Stadt und empfiehlt dem Gemeinderate die größte Spar -ſamkeit. Ebenſo wie früher ſei auch diesmal ein großer Teil desjenigen, was der Präliminarreferent vorgetragen habe, bereits überholt durch eine ganze Reihe von Beſchlüſſen, welche in dieſem Jahre gefaßt worden ſeien, überholt aus dem Grunde, weil der Gemeinderat ſich in der Regel an die Beſchlüſſe in Bezug auf das Präliminare nicht halte und weil nicht die notwendige Sparſamkeit geübt werde. Eine Aenderung der Verhältniſſe müſſe unbedingt herbeigeführt werden. Wenn auch diesmal die Präliminarkommiſſion eine Erhö - hung der Umlagen nicht vorgenommen habe, ſo müſſe man ſich doch vor Augen halten, daß eine Erhöhung bald eintreten werde; denn die Einnahmen ſeien viel zu gering, um die Ausgaben ohne Erhöhung der Umlagen decken zu können. Die Aus - gaben ſeien in letzter Zeit um 27% geſtiegen, während die Einnahmen kaum um 18% gewachſen ſeien. Redner weiſt an der Hand von Daten nach, daß in keiner Stadt Oeſter - reichs ſo hohe Umlagen beſtehen, wie in Czernowitz und dies deshalb, weil die anderen Städte die Einnahmen auf anderem Wege hereinzubringen ſuchen und nicht wie bei uns durch eine fortwährende Steigerung der Umlagen. Redner wendet ſich hierauf gegen die fortwährenden Remunerationen, gegen die Syſtemloſigkeit bei der Anſtellung und bei der Beförderung der Magiſtratsbeamten, welche im Falle der Sanktionierung der neuen Gemeindevorlage auf Grund des nationalen Kataſters die Stadt dem Ruin zuführen werden. Redner be - halte ſich auch einen Antrag betreffend die Einführung des Zeitavanzement’s für die Magiſtratsbeamten vor. Zum Schluſſe gelangen folgende vom GR. Dr. Wender be - antragten Reſolutionen zur Annahme: 1. der Magiſtrat wird aufgefordert, bezüglich Abgabe der Zinsheller eine Vorlage auszuarbeiten, mit beſonderer Berückſichtigung ihrer Ver - wendung zu Schulzwecken. 2. Es werde ein genauer Status der ſtädtiſchen Beamten aufgeſtellt, in dem die Vorſtudien, die Dienſtzeit, die Verwendung uſw. der einzelnen Beamten enthalten ſei.

GR. Dr. Straucher wendet ſich in ſcharfen Worten gegen die von einem hieſigen Blatte ſyſtematiſch betriebene Hetze gegen den Gemeinderat zwecks Anflöſung desſelben. Ein ſolches Vorgehen richte ſich gegen die Autonomie der Gemeinde. Es habe unſer Gemeinderat nicht ſolche Ver - brechen begangen, daß er aufgelöſt werden ſoll. Im weiteren Verlaufe ſeiner Ausführungen behauptet Redner, daß die Stadt in den letzten Jahren einen großen Aufſchwung ge - nommen habe, was mit ungeheueren Koſten verbunden geweſen ſei und fordert den Gemeinderat zur Stellungnahme gegen den Landtag auf, der den ihm fehlenden Betrag aus dem Landesfonde deckt, an dem Czernowitz mit einem Drittel partizipiere und ſo herangezogen werde, einen Teil der Ausgaben des Landes zu decken. Zum Schluſſe verlangt Redner, daß das Präliminare nächſtens früher an den Gemeinderat geleitet werde.

Ueber Antrag des GR. Kampelmacher wird die Sitzung bis Dienſtag, 24. d. unterbrochen.

Vom Tage.

Die Verſtändigungskonferenzen. Ein allöſterreichiſches Sprachengeſetz.

Die Korreſpondenz Zentrum be - richtet: Viele Anzeichen ſprechen dafür, daß das Projekt, es möge bei den von der Regierung in Ausſicht genommenen Konferenzen die Löſung der Sprachenfrage nur für das Königreich Böhmen zur Beratung geſtellt werden, kaum zur Durchführung gelangen wird. In der czechiſchen Agrarparte beſteht eine ſehr ſtarke Oppoſition gegen die Beſchickung einer lediglich auf Böhmen beſchränkten Konferenz und es iſt zu erwarten, daß die czechiſchen Agrarier ſich de[fin]itiv für die Einbringung eines ſprachlichen Rahmen - geſetzes für ganz Oeſterreich entſchließen werden. Entſchließt ſich die Slaviſche Union, das Rahmengeſetz im Wege der Dringlichkeit auf die Tagesordnung des Abge - ordnetenhauſes zu ſetzen, dann dürften ſich die von der Re - gierung geplanten Konferenzen als überflüſſig und überholt erweiſen, umſomehr, wenn die Slaviſche Union es zuwege bringt, auf Grund des Einvernehmens mit den übrigen intereſſierten Parteien ſowohl die Annahme der Dringlichkeit wie auch die Zuweiſung des Rahmengeſetzes an den national - politiſchen Ausſchuß zu erzielen. Sollte die Slaviſche Union dieſen Weg nicht wählen, dann würde offenbar verlangt werden, daß die von der Regierung urſprünglich zur Löſung der Sprachenfrage nur für Böhmen geplante Konferenz auf der erweiterten Grundlage des für alle Kronländer beſtimmten Rahmengeſetzes abgehalten wird. An einer ſolchen Konferenz würden alle öſterreichiſchen Nationen teilnehmen. Zu dieſem Behufe ſollen in den nächſten Tagen zwiſchen den Mit - gliedern der Slawiſchen Union und den übrigen nichtdeuſchen Parteiführern Beſprechungen abgehalten werden, die dem er - wähnten Rahmengeſetz gelten werden. Zugleich ſoll verſucht werden, zwiſchen den nichtdeutſchen und ſpeziell zwiſchen allen ſlawiſchen Parteien ein b[e]ſſeres Einvernehmen zu erzielen, damir das gemeinſame Intereſſe bei allen ſich bietenden Gelegenheiten gewahrt werde.

Deutſchfortſchrittlicher Parteitag in Böhmen. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Heute fand der deutſchfreiheitliche Parteitag ſtatt. Nach Erſtattung der Referate wurde folgende Reſolution324 Mai 1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. angenommen: Die Teilnehmer des Parteitages nehmen die Berichte der Referenten zur Kenntnis und ſprechen ihre Zuſtimmung hiezu aus. Insbeſondere begrüßen ſie den wenngleich bisher noch in loſer Weiſe erfolgten Zuſammen - ſchluß der deutſchfreiheitlichen Abgeordneten des Reichsrates und des Landtages mit Freude und erhoffen, daß ſich dieſe Einigkeit immer mehr vertiefen und zum feſten Organ, zur Wahrung der Rechte des Deutſchtums in Oeſterreich und beſonders in Böhmen ausgeſtalten werde. Sie ſprachen ihre Ueberzeugung dahin aus, daß die Beſſerung der rechtlichen Stellung des Deutſchtum im Lande nur auf dem Grund - gedanken der nationalen Abgrenzung und Selbſtverwaltung erzielt werden kann, und wünſchen, daß vor der ausdrücklichen Anerkennung dieſer Grund - ſätze auf czechiſcher Seite die Flottmachung des Landtages unterbleibe.

Die Lemberger Univerſitätsfrage.

Die Neue Freie Preſſe berichtet in ihrem Sonntags - blatte, daß die hinſichtlich der Univerſitätsfrage zwiſchen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen bereits inſofern zu einem günſtigen Reſultate geführt hätten, als ſie wenigſtens die Feſtſtellung eines einigenden grundſätzlichen Ge - dankens ergaben. Es ſoll einerſeits der polniſche Charakter der Lemberger Univerſität anerkannt werden, während auf der anderen Seite die rutheniſchen Lehrkanzeln ſyſtematiſch ausgeſtaltet, erweitert und vermehrt werden ſollen. Allerdings iſt über den wichtigſten Punkt noch immer keine Einigung erzielt, nämlich darüber, wie weit die Ausgeſtaltung des rutheniſchen Hochſchulweſens zu gehen hätte. Die Polen erklären, daß die rutheniſchen Lehrkanzeln im Rahmen der polniſchen Univerſität zu verbleiben hätten, während die Ruth[e]nen die Errichtung einer ſelbſtändigen Univerſität verlangen. Aber immerhin ſind die beiden Parteien einander inſoweit näher gekommen, daß ſie beide den Grundſatz anerkennen wollen: polniſcher Charakter der Univerſität mit gleichzeitiger Erweiterung des rutheniſchen Hochſchulunter - richtes. Der Verwirklichung dieſes Prinzips im Wege der Geſetzgebung ſtellt das von der Slaviſchen Union aufgeſtellte Junktim zwiſchen den ſlaviſchen Hochſchulforderungen jedoch unüberbrückbare Hinderniſſe entgegen. Es iſt nun im Laufe der zwiſchen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen die Idee aufgetaucht, die Lemberger Univerſitätsfrage durch eine kaiſerliche Verordnung zu regeln. Hiezu meldet das zitierte Blatt:

Im Verlaufe der Verhandlungen zwiſchen Polen und Ruthenen über den Lemberger Univer - ſitätsſtreit iſt der Vorſchlag aufgetaucht, im Wege einer kaiſerlichen Willenskundgebung den Wünſchen beider nationalen Parteien gerecht zu werden. Man will hiedurch den politiſchen Schwierigkeiten ausweichen, die einer Regelung im Wege der Geſetzgebung entgegenſtehen. Nach dem Plane, über den gegen - wärtig zwiſchen den Polen und Ruthenen verhandelt wird, ſoll eine kaiſerliche Kundgebung erfolgen, in der einerſeits der polniſche Charakter der Lemberger Univerſität feſtgelegt, an - dererſeits die allmähliche Schaffung einer rutheniſchen Univer - ſität angekündigt wird.

In Beſprechung der Frage, ob und inwieweit nach dem geltenden Rechte der Weg einer kaiſerlichen Entſchließung in dieſem Falle gangbar ſei, weiſt die N. Fr. Pr. auf Grund der Beſtimmungen des § 11, lit. i des Staatsgrundgeſetzes und an Hand der durch die Zweiteilung der Prager und die Errichtung der Czernowitzer Univerſität gegebenen Präzedenzfälle nach, daß die Errichtung einer Univerſität in die Kompetenz der Reichsgeſetzgebung falle. Allerdings gingen in beiden Fällen der legislativen Aktion die feierliche Ankün - digung der Errichtung in Form kaiſerlicher Entſchließungen voran. Hieraus wäre zu folgern, daß auch hinſichtlich der Regelung der rutheniſchen Univerſitätsfrage, falls zwiſchen Polen und Ruthenen eine Vereinbarung über die Erlaſſung einer kaiſerlichen Entſchließung zuſtandekommen ſollte, dieſer letzteren gleichfalls nur die Bedeutung der feierlichen Ankün - digung einer nachfolgenden geſetzlichen Löſung zukommen könnte.

Eine irredentiſtiſche Verſchwörung.

Die Trieſter Polizei iſt einer weit - verzweigten irredentiſtiſchen Verſchwörung auf die Spur gekommen, die bereits zu 18 Verhaftungen geführt hat. Die Aufdeckung erfolgte durch Zufall. Einer der Verſchwörer hatte an ein Frl. Anita Brandolino in Trieſt eine Karte gerichtet, welche von Majeſtätsbeleidigungen ſtrotzte. Als die Polizei die Adreſſatin über den Abſender der Karte vernahm, geſtand ſie auf eindringliches Befragen, daß der Abſender der Karte in ein irredentiſtiſches Komplott verwickelt ſei. Die Polizei ſetzt die Erhebungen in Trieſt und Görz gegenwärtig fort. Die Verhafteten ſind Mitglieder von Sportvereinen, welche unter der harmloſen Maske von ſportlichen Vereinigungen politiſche Geheimbündelei treiben.

Programmrede Graf Khuens.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Miniſterpräſident Graf Khuen Hedervary hieltheute vor den Wählern des vierten hauptſtädtiſchen Bezirkes ſeine Programmrede, in welcher er unter anderem ausführte, daß es der Wille der ganzen Nation ſei, wieder auf den von Franz Deak gewieſenen Weg zurückzukehren. Der Grund der Erſchütterungen die in den letzten Jahren Ungarn heim - ſuchten, ſei, daß man dieſe Bahnen verlaſſen habe. Der Miniſterpräſident wendete ſich ſodann gegen die Obſtruktion und betonte wiederholt die Notwendigkeit des Einvernehmens der Nation mit dem König. Der in jeder Faſer ſeinen An - ſchauungen vom Geiſte Franz Deaks durchgedrungene Miniſterpräſident kritiſiert die verfloſſene Finanz - wirtſchaft, durch welche die Ausgaben ſich um 4% er - höhten. Der Miniſterpräſident kündigt ſodann die Erhöhung der Erforderniſſe für die Armee an, zur Sicherung der Unverſehrtheit des Landes gegen Angriffe und als Garantie für jene, mit denen die Monarchie im Bündniſſe ſteht. Die Vermehrung der eigenen Kraft ſei die größte Sicherung der Selbſtändigkeit und Unabhängigkeit des Staates. Die Regierung wird, bevor ſie auf das Gebiet poſitiver Schöpfungen übertreten könne, ſehr viel zu tun haben, um die Verſäumniſſe der letzten Zeit wieder gut zu machen. Der Miniſterpräſident glaube mit Recht, auf die Unterſtützung der ganzen Nation rechnen zu können. Redner verſicherte, daß er ſtets alles tun werde, um die Erwartungen der Nation zu erfüllen. (Wiederholter lebhafter Beifall.)

Finanzminiſter Lukacs über die Wahl - rechtsfrage. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Finanzminiſter Lukacs hielt hier ſeine Programmrede, in welcher er ſich gegen die Obſtruktion ausſprach. Bezüglich der Wahlrechtsfrage erklärte der Miniſter, er ſei ein Anhänger der möglichſt weiten Ausdehnung des Wahlrechtes, und führte zahlreiche Argumente dafür an, daß dieſe dem Lande in keiner Weiſe ſchaden würde.

Wahlexzeſſe. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In Marginen, Wahldezirk Fogaras, fand ein Zuſammenſtoß zwiſchen den Anhängern des Regierungs - kandidaten, Werner, und den Anhängern der Kandidaten der Rumänen Vajda ſtatt. Die Gendarmerie mußte einſchreiten. Zwei Perſonen wurden getötet, zweiverletzt.

Die Kretafrage.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Die Zeitungen veröffentlichen Interviews mit dem Marineminiſter, wonach dieſer begüglich des Aus - laufens der Flotte erklärte, daß die Türkei die Verwirklichung des Verſprechens der Schutzmächte abwarte. Sollte ſich aber die Notwendigkeit ergeben, daß die Türkei ſelbſt ihre Rechte verteidige, dann werde die Regierung nicht zögern, ihre Pflicht zu erfüllen.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Infolge Beſchluſſes des letzten in Resna abgehaltenen Proteſt - meetings meldeten ſich bereits zahlreiche Freiwillige für den Marſch an die griechiſche Grenze.

Die türkiſche Flotte beſtehend aus fünf Panzerſchiffen und mehreren Torpedo - booten iſt Samſtag in See gegangen, ſie ſoll nach Schieß - übungen in Marmarameer nach dem Archipel dampfen und dort kreuzen.

Die Blätter fordern die Regierung auf, wegen der Kretavorgänge und des Einfalls der Altalbenier in Bosnien auf der Hut zu ſein, welche Machenſchaften als Vorwand zur Okkupierung des Sandſchak benutzt werden könnten. Es könne plötzlich ein großer Balkanbrand aufflamen. Serbien dürfe nicht wieder wie bei der Annexion von Bosnien und der Herzegowina überraſcht werden.

Nach der Beiſetzung König Eduards. Kaiſer Wilhelm und Miniſter Pichon.

Der franzöſiſche Miniſter des Aeußern Pichon, der als Führer der Delegation Frankreichs bei dem Leichenbegängnis König Eduards war, iſt, wie gemeldet, von Kaiſer Wilhelm in ein längeres Geſpräch gezogen worden. Der Miniſter hat dem Korreſpondenten des Matin folgendes über die Unterhaltung mitgeteilt. Kaiſer Wilhelm entwickelte mit großer Beredſamkeit die ihm ſehr ſympathiſche Idee des europäiſchen Staatenbundes. Im Intereſſe der Menſchheit und der Ziviliſation, ſagte Kaiſer Wilhelm, ſollten die großen europäiſchen Völker einig bleiben, einander unterſtützen und einen großen Friedensbund bilden.

In Windſor iſt dem Kaiſer, als er ſich in einem vierſpännigen, offenen Wagen mit Spitzen - reitern vom Schloſſe Windſor nach dem Bahnhof begab, eine ſtürmiſche Ovation von der koloſſalen Menſchenmenge dar - gebracht worden. Der Kaiſer dankte ſichtlich überraſcht.

Bunte Chronik.

Krönung der Czenſtochauer Mutter - gottesſtatue. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Zu der heute ſtattfindenden feierlichen Krönung des wundertätigen Mutter-Gottesbildes mit den Kronen, die der Papſt als Erſatz für die im Vorjahre geraubten ſpendete, iſt hier eine außerordentlich große Zahl katholiſcher Geiſtlicher eingetroffen. Die Zahl der Wallfahrer wird mit 300.000 bis 500.000 Perſonen angegeben. An der Feier nahmen auch Abordnungen aus Warſchau, Lemberg und Krakau teil.

Der Komet.

Das Rätſel des Kometen iſt gelöſt. Die Annahme, daß die Erde den Kometenſchweif bereits paſſiert hat, iſt jetzt bereits zur Gewißheit geworden. Die Wiſſenſchaft hat alſo Recht behalten, wenn ſie auf Grund ihrer Betrachtungen den Vor - übergang des Kometenkerns vor der Sonnenſcheibe für den 19. Mai von 4 Uhr 34.5 Minuten bis 5 Uhr 34.3 Min. feſtſetzte. Der Durchgang der Erde durch den Kometenſchweif ließ ſich rechneriſch nicht genau feſtlegen. Aus der von der Sonnenwendſtein-Warte feſtgeſtellten Tatſache jedoch, daß der Kometenſchweif, der Donnerstag früh noch beobachtet werden konnte, Freitag verſchwunden war, wird mit unumſtößlicher Gewißheit der bereits vollzogene Durchgang der Erde durch den Kometenſchweif geſchloſſen.

Angeſtellte Beobachtungen.

Aus William Bay in Wisconſin wird telegraphiert: Die Yerkes-Sternwarte meldet, daß der Halleyſche Komet geſtern abend von 7 Uhr 40 Minuten bis 8 Uhr 35 Minuten im Weſten beobachtet wurde. Er war dem bloßen Auge ſichtbar und ging um neun Uhr unter. Sein Schweif wurde nicht geſehen.

In Volo wurde geſtern nachts um 1 Uhr 15 Minuten am Firmament eine große Feuerkugel von außerordentlicher Lichtſtärke wahrgenommen, die die Be - völkerung in Schrecken verſetzte. Die Feuerkugel bewegte ſich von Weſten nach Oſten.

Feuersbrunſt.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In dem Städtchen Skotſchau (Oeſt. -Schlſ. ) brach heute vor - mittags 10 Uhr eine Feuerbrunſt aus, die bisher 25 Häuſer erfaßte. Die Bielitzer Feuerwehr und zwei gleichfalls aus Bielitz requirierte Kompagnien-Infanterie ſind mit der Be - kämpfung des Brandes beſchäftigt. Das Feuer iſt wahrſcheinlich durch Ausſchütten glühender Aſche in eine Kehrichtgrube entſtanden.

KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Brand in Skotſchau hielt die ganze Nacht an. Ein ganzes Stadtviertel iſt abgebrannt. Der Geſamt - ſchaden beträgt 600.000 Kr.

Raubüberfall auf einen Kaſſier. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

In der Nähe der Stadt überſielen vier Räuber einen Kaſſier und beraubten ihm. Von der Feldpolizei verfolgt, wurden zwei von ihnen erſchoſſen. Die übrigen zwei verſuchten auf eine fahrende Lokomotive aufzuſpringen, wobei ſie den Zugsführer verletzten, ſchließlich wurden ſie von der Feldpolizei eingeholt und ver - haftet. Beide waren aber bereits ſchwer verletzt.

Luftſchiffahrt.

Der Aviatiker de Leſſeps unter - nahm heute nachmittags 3 Uhr 30 Min. bei herrlichem Wetter einen Verſuch, mit ſeinem Apparat nach Dover zu fliegen und von dort wieder nach Calais. Er ſtieg ſofort in eine Höhe von 500 Meter über dem Meeresſpiegel.

de Leſſeps iſt nach Ueberquerung des Kanals um 4 Uhr 20 Min. in der Margaretenbucht zwiſchen hier und Dover glatt gelandet.

Ein zweiter Flug über den Aermelkanal. KB.

(Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der Aviatiker Leſſeps gab den für heute vormittags beab - ſichtigten Rückflug über den Kanal wegen des heftigen Windes auf und ließ den Apparat zum Transport nach Calais verpacken.

[Die Hygiene der Briefmarke.]

Metall - und Papiergeld haben ſich ſchon oft den Vorwurf gefallen laſſen müſſen, wegen der Möglichkeit, Krankheitskeime zu übertragen, ſehr gefährlich zu ſein. Ein engliſcher Arzt weiſt nun darauf hin, daß dieſer Vorwurf für die Briefmarke in viel höherem Grade zutrifft. Im Auftrage des Daily Mirror hat er hierüber eingehende Unterſuchungen ausgeführt. Er hat auf einem Poſtamte einen Bogen Briefmarken gekauft. Hiervon wurden einige ſofort in Glasröhrchen geſteckt, die verſchloſſen auf ein paar Tage dem bakteriologiſchen Brutofen anvertraut4Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 24. Mai 1910. wurden; der Reſt wurde vier Stunden lang an einem feuchten Tage in einem Zimmer bei offenen Fenſtern auf einem Tiſche ausgebreitet und darauf ebenſo behandelt, wie die erſten Brief - marken. Dann wurden beide Proben unter dem Mikroſkop ſorg - fältig auf Keime hin unterſucht. Alle Briefmarken enthielten nachher große Mengen mikroſkopiſcher Lebeweſen, jedoch ent - hielten die im Zimmer der feuchten Luft ausgeſetzten fünfmal ſoviel, wie die anderen. Allerdings waren die meiſten der ge - fundenen Bakterien harmloſer Natur, jedoch fanden ſich maſſen - haft Staphylokokken (Eiterbakterien), und daß in einem Zimmer, in dem Menſchen verkehren, auch Tuberkeln und Erreger anderer Krankheiten auf die Briefmarken gelangen, verſteht ſich von ſelbſt. Der engliſche Arzt gibt daher den wohlverſtändlichen Rat, nie Briefmarken durch Lecken mit der Zunge anzufeuchten, nicht nur aus äſthetiſchen Gründen, ſondern auch aus hygieniſchen. In Geſchäften, die große Poſtſeudungen zu ledigen haben, ge - ſchieht das Anfeuchten der Briefmarken gewöhnlich mit An - ſeuchtern, waſſergetränkten Schwämmchen oder feuchten Filz - platten. Auch in dieſen finden ſich allerhand Keime, die beim Anfeuchten einer Briefmarke dann auf die Hand und auf dieſem Wege ſpäter in den Mund gelangen können. Es iſt daher zu empfehlen, ſolche Briefmarkenanfeuchter nicht mit reinem Waſſer zu tränken, ſondern irgendeine antiſepttſche Flüſſigkeit zu wählen.

Czernowitzer Angelegenheiten.

Militäriſches.

Transferiert wurde der Kadett in der Reſerve des 85. Jaſauterie-Regimentes Hermann Sand zum 41. Infanterie-Reginment und ernannt zum proviſoriſchen Landwehrbezirksf[e]ldwebel der Poſtenführer, Titularwachtmeiſter Karl Kaufenberg des Landwehrkommandos Nr. 13 beim Landwehrinfanterieregiment Czernowitz Nr. 22.

Vom Zentralverband der öſterreichiſchen Staatsbeamtenvereine.

Aus Wien w[ir]d uns tele - graphiert: Bei ber Sonntag, den 22. d. M. ſtattgefundenen Generalverſammlung des Zentralverbandes der öſterreichiſchen Staatsbeamtenvereine wurden gewählt: OLGR. Dr. Albert Salter als Leitungsmitglied, Baurat Würfel und O[b]er - vorſteher Wegner als Verbandsausſchußmitalieder, Steuer - oberverwalter Eichel und Rechnungsoff[i]zial Kamieniecki als Erſatzmänner.

II. Oeſterreichiſcher Steuerbeamtentag.

Der zweite Steuerveamtentag, der am 22. d. M. im Rathausſaale zu Czernowitz ſtattgefunden hat, hat einen überaus günſtigen Verlauf genommen. Faſt aus allen Amtsorten der Bukow. waren mehrgliedrige Abordnungen erſchienen. Ja aus dem benachbarten Kronland Galizien hat ſich eine D[e]putation an der Tagung bewilligt. Im allgemeinen war die Beteil[i]gung aus den bukow. Staatsbeamtenorganiſationen eine zahlreiche. Die Bukowiner k. k. Finanzdirektion war durch den Steuer - landes-Inſp[e]ktor k. k. Oberfinanzrat Zothe vertreten. Auch Steueramtsluſtrator Dworzak nahm an der Tagung teil Zur feſtgeſetzten Stunde wurde der Steuerbeamtentag vom Vereinsohmanne Steueroberverwalter Eichel eröffnet. Nachdem derſelbe die Verſammlung und insbeſonders die verſchiedenen Vertretungen auf das herzlichſte begrüßte, gedachte er d[e]s erhabenen greiſen Monarchen, der zu Gunſten der Staatsbeamtenſchaft entſchieden hat. Der Vorſitzende führte weiter aus: Die allerhöchſte Thronrede vom 19. Juni 1907 enthält nämlich eine auf dieſen Gegenſtand bezughabende Stelle, derzufolge die Regelung der Dienſtverhältniſſe der Staatsbeamten in Ausſicht geſtellt wurde. Dieſer allerhöchſten Anordnung wurde mit dem im Abgeordnetenhauſe am 31. Dezember 1909 eingebrachten Geſetz[e]sentwurfe entſprochen. Sodann brachte der Vorſitzende die unbegrenzte Dankbarkeit der Verſammlung mit einem dreimaligen Hoch zum Ausdrucke, in welches die Anweſenden begeiſtert einſtimmten. Hierauf erteilte der Vorſitzende dem Referenten Steueraſſiſtent Mihalescul das Wort zur Erſtattung des Referates: Die Regierungsvorlage eines Zeitbeſörderungsſchemas und deſſen Bedeutung für die öſterr. Steuerbeamtenſchaft. Dieſes Referat, wurde von der Verſamm - lung mit großem Applaus aufgenommen. Nachdem der Vor - ſitzende dem Referenten namens der Verſammlung den Dank abgeſtattet hatte, wurde von demſelben nachſtehende, von der Verſammlung einſtimmig angenommene Reſolution zur Ver - leſung gebracht: Die am zweiten öſterreichiſchen Steuer - beamtentage verſammelten Steuerbeamten fordern mit Rückſicht auf die beſondere Schwierigkeit und Verantwort - lichkeit des Dienſtes dieſer Beamtenkategorie ſowohl bei den Steuerämtern als auch den Steuerbehörden erſter Inſtanz, auf die Ebenbürtigkeit dieſes Dienſtes mit jenen anderer Staats - dienſtzweige wie Staatskaſſen, Rechnungs -, Poſt - und Zolldienſt, ferner mit Rückſicht auf die wiederholten E[n]tſcheidungen maß - gebender Zentralſtellen, daß der Steueramtsdienſt kein Mani - pulationsdienſt ſei, ſowie mit Rückſicht auf die Beſtimmungen über die Aufnahme in den Steueramtsdienſt in Ungarn und Bosnien, daß der Experte der öſterreichiſchen Steuerbeamten - ſchaft im Staatsangeſtelltenausſchuſſ[e]folgende Kardinalforde - rungen der Steuerbeamtenſchaft vertrete: 1. Geſetzliche Nor - mierung der abſolvierten Mittelſchule als Anſtellungserfor - dernis für den Steueramtsdienſt vor Inkrafttreten einer Dienſtpragmatik. 2. Einreihung der einzelnen Beamtenkate - gorien in die im Zeitbeſörderungsſchema vorgeſehenen Gruppen ausſchließlich im Geſetzwege und nicht im Verordnungswege. Zum letzten Punkt der Tagesordnung erteilte der Vorſitzende dem Steueroſſizialen Geza Beuſch aus Radautz das Wort, welcher nachſtehenden, von der Verſammlung ebenfalls ein - ſtimmig angenommenen Antrag ſtellte. Die Verſammlung ſpricht der Vereinsleitung, und insbeſonders dem Obmanne Steueroberverwalter Eichel für die Vorbereitung und das Zuſtandekommen des Steuerbeamtentages, dann für die ſowohl beim Zentralverbande der öſterreichiſchen Staats - beamtenvereine in Wien und bei der Verbandsleitung derSteuerbeamtenv[e]reine in Prag eingebrachten, für die Steuer - beamtenſchaft äuß[e]rſt wichtigen Abänderungsanträge zur Dienſtpragmatik den wärmſten Dank und die vollſte An - erkennung aus. Die Vereinsleitung wird ferner erſucht, der Leitung des Zentralverbandes in Wien und der Verbands - leitung der Steuerbeamtenvereine in Prag für die energiſche und zielbewußte Vertretung der Intereſſen der Staatsbeamten im Allgemeinen und jener der Steuer - beamtenſchaft im Beſonderen, den Dank und die Anerkennung d[e]r Verſammlung auf telegrafiſchem Wege zum Ausdrucke zu bringen. Nachdem noch der Obmann ein beifällig auf - genommenes Schreiben des Reichsratsabg[e]ordneten Doktor Straucher zur Verleſung gebracht, und der Vereinsobmann der Bukowiner Rechnungsbeamten, Rechnungsoff[i]zial Kaminiecki die kollegialen Glückwünſche dieſer Organiſation überbracht hatte, ſchloß der Vorſitz[e]nde unter h[e]rzlichen Dankſagungen an die erſchienenen Vertretungen die denkwürdige Verſammlung. Von den bei der Tagung p[e]rſönlich nicht erſchienenen Steuerbeamten langten zahlreiche Begrüßungs - und Zuſtimmungstelegramme ein.

Der Komet.

Bei günſtigen athmosphäriſchen Ver - hältniſſen [r]fte der Komet in den nächſten Tagen des Abends und zwar am weſtlichen Horizont, genau in der Richtung des Sonnenunterganges zu beobachten ſein. Seine Auff[i]ndung iſt allerdings dadurch erſchwert, daß er ſich infolge der von v[e]rſchiedenen O[b]ſervatorien gemeldeten ſehr geringen Sichtba[r]keit des Schwe[i]fes von einem Sterne 2 Größe nur wenig unterſcheidet; es iſt jedoch nicht ausgeſchloſſen, daß ſich die Sichtbarkeitsverhältniſſe bis 26. d. noch beſſern. Ueber die geneigteſten Beobachtungszeiten gibt nachſtehende, auf Czernowitzer Ortszeit baſi[e]rte Tabelle Aufſchluß:

Sonnen - untergang Uhr Min.Untergang des Kometen Uhr Min.Dauer der Sichtbarkeit St. Min.
Montag, 23.7 4010 513 11
Dienſta[g], 24.7 4111 043 23
Mittwoch, 25.7 4211 133 31
Donnerſtag, 26.7 4411 193 35

Eine Bauernrevolte?

In Bezug auf die Meldung eines hieſigen Blattes, welche auch in die Wiener Blätter über - gangen iſt, daß auf dem, dem Großgrundbeſitzer Warteres R. v. Prunkul gehörigen Gute eine Bauernrevolte aus - gebrochen ſei, erfahren wir von zuſtändiger Seite, daß dieſe Meldung vollſtändig unrichtig iſt. Wohl ſind einige Beſitz - ſtreitigkeiten zwiſchen der Gutsherrſchaft und einigen bäuerlichen Grundbeſitzern vorgekommen; doch ereigneten ſich hiebei keinerlei Ruheſtörungen und keinerlei Gewalttätigkeiten. Vielmehr reduziert ſich die Revolte auf einen ordnungsmäßigen Zivilprozeß, der vor dem Suczawaer Gerichte geführt wird.

Verſammlungen.

Geſtern vormittags fand im Narodny Dim eine von politiſchen Vereine der Ruthenen einberufene rutheniſche Volksverſammlung ſtatt, in welcher die Gemeindewirtſchaft einer ſcharfen Kritik unterzogen und eine diesbezügliche Reſolution gefaßt wurde, wonach die Regierung aufgefordert wird, im Sinne des Aufſichtsparagraphen der politiſchen Behörde über die Tätigkeit des Gemeinderates energiſch zu wachen. Was die Sanktion der neuen Gemeindevorlage betrifft ſprachen ſich die Redner dahin aus, daß die Abge - ordneten aufgefordert werden mögen, die baldige Sanktion dieſer Vorlage zu erwirken. Gleichzeitig wurde anch das Verlangen geſtellt, daß die Anzahl der Stadtſchulratsmandate vermehrt werden ſolle, damit auch die Ruthenen ihre Vertreter dorthin entſenden können. Am ſelben Tage fand auch eine ſtark beſuchte polniſche Volksverſammlung ſtatt, bei der folgende Reſolutionen zur Annahme gelangten: Es ſei an das Unter - richtsminiſterium eine Zuſchrift zu richten, mit dem Proteſte gegen die ablehnende Haltung des Landesſchulrates in der Frage der Einführung der polniſchen Sprache als obligater Gegenſtand für die polniſchen Schüler an den Mittelſchulen, wie auch in der Frage der Erteilung des Religionsunterrichtes in polniſcher Sprache. Ferner ſei an das Magiſtratspräſidium die Bitte zu richten, die nötigen Schritte zu veranlaſſen, daß den Polen das Mandat im Stadtſchulrat erhalten bleibe und der gemeinde - rätliche Polenklub werde aufgefordert, dieſes Poſtulat zur Durchführung zu bringen. Die alliierten Parteien ſeien an den Pakt vom Jahre 1905 zu erinnern, der den Polen den Beſitzſtand wahren ſoll.

Die Handelsangeſtellten von der Penſions - verſicherung ausgenommen.

Seitens des kaufmän[ni]ſchen Gremiums Gruppe II in Czernowitz werden wir verſtändigt, wienach der Verwaltungsgerichtshof in einer geſtern durch - geführten Verhandlung die Entſcheidung gefällt hat, daß die Handeisangeſtellten der Verſicherungspflicht zur Penſions - verſicherung der Privatbeamten nicht unterliegen.

Ungenaue Angabe der Zuſtellungsadreſſe von Güterſendungen.

Die mangelhafte oder[un]terlaſſ[ene]Bezeichnung der Wohnung der Abſender oder Empfänger von Sendungen in den F[r]achtbriefen oder Eingaben hat wiederholt die Unbeſtellbarkeit der Sendungen und Karreſpondenzen zum Schaden der Intereſſanten zur Folge gehabt. Namentlich kommt dies in Czernowitz vor. Jafolge der Bevölkerungs - zunahme daſelbſt, ſowie infolge Außerachtlaſſung der Melde - vorſchrift[e]n mehren ſich in den l[e]tzten Jahren die Fälle, in denen Av〈…〉〈…〉 ſi über angelangte Seudungen, Unanbringlichkeits - anzeigen, Veräußerungsanzeigen und ſonſtigen M[i]tteilungen, welche die Eiſenbahn den Abſendern oder den Adr[e]ſſaten in deren Intereſſe zu machen hat, ſeitens der k. k. Poſtverwaltung als unbeſtellbar den Bahnämtern zurückgeſtellt werden. Da hiedurch auch Erſchwerungen in der Abw[i]cklung des Güter - dienſtes eintreten und insbeſonders wie V[e]rderb der Güter, hohe Lager - und Wagenſtandgelder, ungünſtige Veräußerung unanbringlicher Sendungen ꝛc. hervorgerufen werden, ſollten die Parteien darauf achten, daß in den Frachtbriefen nebſt den Vor - und Zunamen, Titel und Charakter, Wohnort, ([e]ventuell Poſtbezirk), auch Gaſſe und Hausnummer, des Abſenders und Adreſſaten mit der größtmöglichen Genauigkeit angegeben werden.

Wetterprognoſe

für morgen: Zunehmende Bewölkung - lebhafte Winde, kühl, ſchlechtes Wetter.

Der Czernowitzer Volksküche

ſind folgende Spenden zugekommen, und zwar von den Herren: Dr. Mayer Schifter, aus einer Ehrenſache als Vertreter des Klägers 10 K, Inſtallateur Julius Mehlmanu 10 K, Friedrich Fiſcher 1000 K[i]logramm Kartoff[e]l, Kommerzialrat Max Anhauch 100 K, Dr. Max Perlſtein und Magiſter Perlſtein anläßlich der Wiederkehr des Todestages ihres Vaters 10 K, Frau Guſta Perlſtein anläßlich der Wiederkehr des Todes - tages ihres Gatten 5 K, Frau Amalie Habermann zehn Speiſemarken zur Verteilung an Arme, weiters die Herren Dawid Weidenfeld anläßlich ſeiner Geneſung 10 K, N. N. aus einem Vergleich 100 K, Dr. Mayer Schiſter erlegte eine durch Dawid Fränkel geleiſtete Buße anläßlich einer Straf - ſache 50 K und Dr. Max Thenen 30 K. Den edlen Spendern, die damit eine Sache wahrſter Menſchlichkeit förderten, wird von der Vereinsleitung wärmſter Dank geſagt. Man vergeſſe bei den mannigfachen Anläſſen nicht der Volksküche. Dieſer humanen Inſtitution können nur Spenden die Erfüllung ihrer ſchönen Aufgabe ermöglichen.

Zur Lehrerinnenfrage.

Der Leitartikel in der Czernowitzer Allg. Z[e]itung vom 12. d. M. bringt die traurige Tatſache zur Kenntnis, daß unſere Kollegen mit emſigem Eifer bemüht ſind, Beweiſe ihres rückſchrittlichen Denkens und gehäſſigen Vorgehens gegen ihre Mitarbeiterinnen, zu liefern. Der Antragſt[e]ller der Reſo - lution iſt ein Lehrer aus Itzkany, man benötigt nicht viel Scharfſinn dazu, um ſofort herauszufinden, daß er von den meiſt Betroffenen zur ſogenannten Weiberwirtſchaft in Czernowitz das Wo[r]t zu ergreifen aufgefordert wurde.

Zuallereſt ſtelle ich feſt, daß ich nicht gerade geſonnen bin, den Lehrerinnen ein hohes Lied zu ſingen. Auch in ihren Reihen finden ſich ſolche, die leider nicht tadelfrei ſind; aber gottlob wenige.

Seit wann und warum entſtand der Kampf gegen die L[e]hrerinnen? Derſelbe dauert ſchon ziemlich lange an; nur daß ſich vor einigen Jahren die widerſinnigen Angriffe bloß ſchüchtern und leiſe hervorwagten. Nun aber ſi[n]d die Rufer, von geiſtreichen Apoſteln angeeifert, bei jeder ſich bietenden Gelegenheit ihre Behauptung vom Stappel laſſen, daß Frauen für den Unterricht der Jugend nicht taugen, immer lauter geworden. Arme Söhne des Landes; die ihre Mütter in den tiefſten Schatten ſtellen, weil ſie nicht verſtanden haben, ihnen die Erkenntnis einzuflößen, daß nur die Mutter allein geeignet iſt, Sinn für Duldſamkeit, Pflichtgefühl, O[r]dnung, Anerkennung der Obrigkeit, Vaterlandsliebe und den zur Ausübung all dieſer Tugenden nötigen Takt, ihren Kindern anzuerziehen. Und ſo wie die Mutter in der Familie die erſten Keime des Guten in das Herz des Kindes legt und es mit den nötigen Tugend - und Ehrbegriffen fürs Leben ausſtattet, ſo kann in der größeren Fam[i]lie, der Schule kaum jemand anderer beſſer, als eben die Frau mit ihrem zar[t]ſinnigem Empfinden die ſchlummernden guten Keime im Kinde wecken und die böſen, durch Geduld und umſichtige Behandlung der Kindesſeele, ausrotten. Alles Schreien und ſich Mühen wird deshalb den geehrten Kollegen nichts helfen, die Frau wird nie aus der Schule entfernt werden, weil ſie eben dorthin gehört, vermöge ihrer natürlichen pädagogiſchen Eignung.

Wenn die Mutter die Fähigkeit beſitzt, Söhne und Töchter zu erziehen, und dieſe Fähigkeit Geſetz und Geſellſchaft anerkannt haben, warum ſollte die Lehrerin nicht ähnliches können, wo ſie noch obendrein eine w[i]ſſenſchaftliche Bildung zu dieſem h[e]iligen Amte des Lehrens und Erziehens erhalten hat. Flöße die Quelle des Kampfes der Herren Kollegen aus großem Eifer für das Wohl der Jugend, dann: Hut ab! Aber leider entſpringt ſie anderen Motiven. Die einen möchten gerne Stellen in der Hauptſtadt bekommen, die Familien - väter ihrer Kinder wegen, andere, um ſich dem Genuſſe des Großſtadtlebens hingeben zu können, und ſo hat jeder ſeine ihm berechtigt ſcheinenden Gründe und führt zu ihrer Geltendmachung einen unberechtigten Kampf, der weit übers Ziel führt.

Ich lade die ritterlichen Kämpfer ein, die Streitax[t]für kurze Zeit mit den großen Literaturwerken unſerer Zeit zu vertauſchen. An der Hand derſ[e]lben werden ſie im Meinungs - ausdruck zahlreicher Geiſtesgrößen finden, daß zumeiſt die ſorgende, zärtliche, verſtändnisinnige Mutter es war, die die Fähigkeiten ihres Sohnes oder ihrer Tochter entdeckte und dieſelben zu fördern und zu leiten auch anzuregen verſtanden hat. Den Reigen nach dieſer Richtung eröffnet unſer Alt - meiſter Goethe.

Blicken wir aber auch ins Leben! Gehen wir nach dem W[e]ſten; dort arbeiten die Frauen bereits auf allen Gebieten des Erwerbes; ſie werden aber von den Männern, nicht nur geduldet, ſondern anerkannt und gefördert. Der jüngſt ver - ſtorbene Dichter Björnſon hat in ſeinen Werken oft das wertvolle höherleitende Element im Weibe dargeſtellt und war aus Ueberzengung ein [r]derer der Frau als Erzieherin. Die Lehrerinnen in der Bukowina ſind gottlob auch ſchon hellſehend geworden und trachten nach erweiterten Rechten, jedoch ohne hiebei dieſelben anderer zu ſchmälern.

Im Blatte Neues Frauenleben leſen wir, daß in jüngſter Zeit die Frauen Wiens große Verſammlungen ab - halten, um den § 30 des Vereinsgeſetzes, welcher Frauen - perſonen von der Teilnahme an politiſchen Vereinen aus - ſchließt, zu ſtreichen. Dem Verfaſſungsausſchuffe des Par - lamentes liegt die Reform des V[e]reinsgeſetz[e]s vor; der Referent hierüber iſt der Reichsratsabgeordnete Perne[r]ſtorfer. Derſelbe meint, daß ihm die Streichung des § 30 nur dann gelingen werde, wenn er außerhalb des Parlamentes, von den Frauen, tatkräftig unterſtützt werde. Zu dieſem Zwecke fand nun eine ſehr zahlreiche Verſammlung ſtatt, in welcher Vertreterinnen verſchiedenſter Berufsklaſſen als: gewerbe - treibende Frauen, Beamtinnen, Lehrerinnen, Studentinnen u. a. m. ſprechen. In Prag dieſelbe Bewegung; dort werden524 Mai 1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. die Frauen vom Profeſſor Dr. Gottlieb unterſtützt. Dieſer führte unter Anderem folgendes an: Wenn von den Gegnern der Frauenrechtsbewegung geltend gemacht werde, daß die F[r]au ins Haus gehöre, ſo müſſe darauf hingewieſen werden, daß die Frau nicht mehr im Hauſe ſei. In Oeſter - reich ſtehen ſechs Millionen Frauen, d. i. 44 % aller er - wachſenen Frauen im Erwerbsleben. Aber auch die Frau, die nicht zum Erwerb gezwungen iſt, müſſe für Politik intereſſiert werden; einesteils gebe es auch für ſie wirtſchaftliche Fragen〈…〉〈…〉, bei denen ſie ein Wort mitzuſprechen habe, andernteils müſſe man von ihr als Erzieherin verlangen, daß ſie auf der Höhe der Zeit ſtehe und dazu reiche die herkömmliche literariſche und künſtleriſche Bildung nicht mehr aus, es ſei auch das Intereſſe und V[e]rſtändnis an den Problemen des öffentlichen Lebens notwendig. Dieſer Redner betonte in ſeinen Ausführungen, daß in Ländern, in denen die Frauen das Wahlrecht b[e]ſitz[e]n, ihr Einfluß die Politik nicht nur nicht beeinträchtigt, ſondern ihr wertvolle ſoziale und humanitäre Impulſe gegeben habe. In Auſtralien haben eben bei den letzten Budesparlamentswahlen die radikalſten Parteien geſiegt, und wer ihnen anerkanntermaßen mit zum Siege verholfen hat, waren die Frauen Wählerinnen. So, meine Herren Kollegen, das geht in der ziviliſierten Welt vor. Bei uns aber will man, möchte man aus purem ungerechtfertigtem Eigennutz die Frau vom Kinde, die Lehrerinnen von den Schülerinnen trennen.

In den Augen derjenigen, welche auf der Höhe der Zeit ſt[e]hen, deren Strömungen kennen und ihnen mit Verſtändnis entgegenkommen, wird eine derartige Aktion nur als Lächer - lichkeit gelten können. Daher will es mir auch ſcheinen, daß daß Ausfälle wie diejenige unſerer Kollegen der O[e]ffentlichk[e]it nur eine Beläſtigung bilden können. U[n]ſeren tüchtigen Schul - aufſichtsbehörden ſind ſie Gottlob! keine. Die laſſen einer derartigen Reſolution die einzigmögliche Behandlung zu[t]eil werden, indem ſie ſie mit einem Beileidsſeufzer in den Papierkorb ſinken laſſen. L. J.

Rechtspflege.

Der Prozeß Tarnawska.

Gräfin Tarnowska und Naumow haben Berufung eingelegt.

Letzte Telegramme.

Der czechiſch-deutſche Ausgleich.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Heute vormittags begannen die Beratungen der czechiſch - agrariſchen Partei über die Teilnahme an den Sprachen - konferenzen. Die Stimmung iſt eine geteilte. Während die czechiſch-agrariſchen Reichsratsabgeordneten für den Sprachenantrag Bukvaj und die Beſchickung der Ver - ſtändigungskonferenzen ſind, verlangen die Landtagsabge - ordneten, ſowie ein großer Teil der Mitglieder des Exekutiv - ausſchuſſes vom Miniſterpräſidenten gewiſſe Garantien betreffend die Flottmachung des böhmiſchen Land - tages, ſowie eine Aenderung des Regierungs - ſyſtems. Es iſt zu erwarten, daß die Sitzung erſt in ſpäter Abendſtunde zu Ende gehen wird.

Parteikonferenz der polniſchen National - demokraten.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg .)

Heute begann die von 400 Delegierten beſchickte Konferenz der Partei der polniſchen Nationaldemokraten. In der Debatte beſprach Abg. Zamorski die Tätigkeit des Finanz - miniſters v. Bilinski. Er gab ſeiner Ueberzeugung Ausdruck, daß nicht eine einzige der vom Finanzminiſter eingebrachten Finanzvorlagen im Parlament werde ange -[n]ommen werden, und erklärte, daß die Stellung des Finanz - min[i]ſters als erſchüttert anzuſehen ſei.

Zur Lemberger Univerſitätsfrage.

(P. -Tel. d. Cz. Allg. Ztg. )

Die Beilzgung des Lemberger Univerſitätsſtreites iſt für die nächſte Zeit zu gewärtigen. Die Ruthenen verlangen die Abſonderung der 10 rutheniſchen Lehrkanzeln und deren Vereinigung zu einer eigenen Anſtalt, aus der ſich die rutheniſche Univerſität entwickeln ſoll.

Die Rede des ungariſchen Finanzminiſters.

(Korr. -B.)

Miniſter Lukacs trat in ſeiner Programmrede beſonders für die Wahlreform aus Gründen der ſozialen Gerechtigkeit ein. Das ſicherſte Mittel zur Abwehr der Uebergriffe der Nationalitäten gegen die Suprematie der ungariſchen Raſſe ſei die Verſtaat - lichung der autonomen Verwaltung. Bezüglich der ſelbſtändigen Bank betonte Redner: Die öſterreichiſch - ungariſche Bank gehöre zu den allererſten Bankinſtituten Europas und befriedige die ungariſchen Intereſſen in ſolchem Maße, daß hiezu jede andere Form einer Bank unfähig wäre.

Eine Rede Graf Tiszas.

(Korr. -B.)

Graf Stefan Tisza ſprach hier zu Gunſten des Kandidaten der Arbeits -partei und polem[i]ſierte heftigſt gegen die Juſthpartei. D[e]ſſen Wagen wurde mit Steinen beworfen. Die Gendarmerie vertri[e]b die Ruheſtörer.

Zum Tode König Eduards.

(Korr. -B)

Der Miniſter des Innern veröffentlicht eine Botſchaft des Königs an das britiſche Volk, worin der König für die Teilnahme dankt und erklärt, der Gedank[e]an das Volk gebe ihm Mut, hoffnungsvoll in die Zukunft zu bl[i]cken.

Feindliche Stimmung in Bulgarien gegen König Ferdinand.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Der O[e]ff[e]ntlichkeit hat ſich eine gereizte Stimmung gegen König Ferdinand bemächtigt. Das hieſige Blatt Balkanſea Tribuna bezeichnet den König als einen Fremdling, der nach Bulgarien gekommen und dem Volke bis jetzt noch immer fremd geblieben ſei. Er ſei heute hier, morgen dort, ſelten im Lande. Das gehe nicht bis ins Endloſe. Eines Tages werde das Land ihm die Gaſtfreundſchaft kündigen.

Die Kretafrage.

(Priv. -Tel. der Cz. Allg. Ztg. )

Wie in hieſigen diplomatiſchen K[r]eiſen erklärt wird, w[e]rden die we[i]teren Schritte der Großmächte in der K[r]etafrage im Einvernehmen mit der türkiſchen Regierung erfolgen und den Wünſchen der Türk[e]i Rechnung tragen. Die Großmächte werden zunächſt von den Kretenſern die Widerrufung des Ausſchluſſes der Mohammedaner aus der Nationalverſammlung verlangen. Falls die K[r]etenſer die Aufhebung dieſes Be - ſchluſſ[e]s ablehnen ſollten, werden die Schutzmächte energiſche Maßnahmen gegen die Kretenſer ergreifen.

Wolkenbruch.

(K. -B.)

In einem Dorfe bei Tho - nonleshains wurden durch einen Wolkenbruch drei Häuſer fortgerißen. Fünf Perſonen ſind ertrunken.

Italien und Montenegro.

(Korr. -B.)

Ein italieniſches Ge - ſchwader traf Sonntag früh hier ein. Der Kommandant Vizeadmiral Conte Creslis wurde vom Fürſten Nikolaus in feierlicher Audienz empfangen. Zu Ehren der Gäſte gab der Fürſt am Abend ein Galadiner.

Der Aufſtand in Nicaragua.

(Korr. -B.)

Das Kanonenboot Venus bohrte ein Kanonenboot der Rebellen in den Grund. Hundert Perſonen ertranken.

Irland.

(Korr. -B.)

In York, dem Haupt - bollwerke der unter der Führung O Briens ſtehenden D[i]ſſidenten der iriſchen Partei, ſprachen in einer Verſammlung ſowohl Redmond wie O Brien. Es kam zu einem heftigen Zuſammenſtoße zwiſchen beiden Parteien. Zwölf Perſonen wurden ſchwer v[e]rletzt in das Spital gebracht.

Telegraphiſche Kurſe vom 23. Mai 1910.

(Wechſelſtube der Bukowinaer Landesbank)

4%ige Bukow. Landesbank-Fonds-Schuldverſchreibung 95·00, 95 00; 4%ige Bukow. Bodenkredit-Pfandbriefe 101·25, 102·25; 5%ige Bukow. Bodenkredit-Pfandbriefe 101·25, 102·25; Oeſterr. Kredit 663·25, Anglobank 311· . Bankverein 541·00, Boden - kredit 1192·, Eskompte-Geſ. 688 00, Länderbank 500 75, Unionbank 600.75, Staatsbahn 755·60, Lemberg-Czernowitzer 563.00, Dampfſchiff 1160 00, Alpine 719·25, Brüxer Kohlen 740 00. Prager Eiſen 2620 00, Rima-Muranyer 673·00, Weſtböhmiſche Kohlen 518·25, Draſche 799·00, Hirtenberger 1124.00. Türkenloſe 260.30, Rubel 253·75, 254.75, Mark - noten 117 53, 117 75; Privat 331.00, Ruſſ 103 75. Lom barden 119·00, Mai-Nente 94·25, Ungar. -Kronenrente 92 15, Karpathen 871·00 Schodnica 522 00, Skoda 387·75, Ober-Hütten 493 25, Tabak 403·75.

Amtlicher Kurs - und Marktbericht. der Czernowitzer Frucht - und Produktenbörſe.

Preiſe per 50 kg, in Kronen ab (Parität) Czernowitz.

Weizen 10·75 11· , Roggen 7·40 7·60, Gerſte (Brauer - ware) 7·00 7·10, Hafer (Herrſchaftsware) 6·40 6·50, Mais 7·15 7·35, Kleie (Weizen) 4·40 4·50, Roggen 4·50 4·60, Spiritus, per 10.000 Literperzent, roher, prompt, exkl. Steuer ab Czernowitz 53·00 53·25.

Telegr. Handelsbericht vom 23. Mai 1910.

Die Budapeſter Produktenbörſe notiert:

Weizen ..........K 9·79 9·80 per 50 kg
Mais .......... 5·55 5·56
Oelſaaten ......... 12·40 12·50

Effekten - und Wechſelkurſe der Wiener Börſe

Einheitliche 4%ige konv. Rente Mai-November 94·25, Jänner-Juli 94·25; Einheitliche Rente 4·2% in Noten, Februar Auguſt 98 10, in Silber, April-Oktober 98·15, Oeſterr. Gold - rente 117 00, Oeſterr. Kronenrente 4% 94 25, Oeſterr. In - veſti[ti]onsrente. % 84 55, Ungar. Goldrente 4% 113 70, Ungar. Kronenrente 4% 92.15, Ungar. Inveſtitionsrente % 82 35; Oeſterr. -ung. Bank-Aktien 17 93, Kreditaktien 662·75, London vista 241 07½, Deutſche Reichsbanknoten für 100 Mark der R. -W. 117·47½, 20 Mark-Stücke 23·50, 20 Frank-Stücke 19·11, Italieniſche Banknoten 94 62½, Rubel 254·00.

〈…〉〈…〉
6Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 24. Mai 1910.
〈…〉〈…〉
724. Mai 1910 Czernowitzer Allgemeine Zeitung
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8Czernowitzer Allgemeine Zeitung 24. Mai 1910
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Eigentümer und Herausgeber: Dr. Philipp Menczel. Verantwortlicher Redakteur: Oskar Slawik. Buchdruckerei Gutenberg , Czernowitz.

About this transcription

TextNr. 1905, 24.05.1910.
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationNr. 1905, 24.05.1910. . Buchdruckerei „Gutenberg“Czernowitz1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung

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LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

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