PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]

Das Mähriſche Tagblatt mit der illuſtr. Wochenbeilage Illuſtrirt. Sonntagsblatt erſcheint mit Ausnahme der Sonn - und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Lokale: Riederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken.

Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10. Halbjährig 5. Vierteljährig 2.50 Monatlich .90

Zuſtellung ins Haus monat - lich 10 Kreuzer.

Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14. Halbjährig 7. Vierteljährig 3.50

Einzelne Nummer 5 Kreuzer.

Mähriſches Tagblatt.

Inſertionsgebühren die 4mal geſpaltene Petitzeile oder deren Raum 6 Kreuzer.

Außerhalb Olmütz überneh - men Inſertions-Auſträge: Heinr. Schalek, Annoncen - Exped., in Wien, I., Woll - zeile Nr. 12, Haasenstein & Vogler in Wien, Prag. Buda - peſt, Berlin, Frankfurt a / M., Hamburg, Baſel und Leipzig. Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, G. L. Daube & Co. (lg. Knoll) Wien, I., Singer - ſtraße 11 a, Frankfurt a / M., Adolf Steiner’s Annoncen - bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions-Bu - reaus des In - u. Auslandes.

Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt.

Nr. 30. Olmütz, Mittwoch den 6 Februar. 1884 5 Jahrgang.

Das Winiſterium Tißa vor den Wahlen.

Das Schickſal zwingt den ungariſchen Mi - niſterpräſidenten, bis zur letzten Neige den Trank zu leeren, welchen er aus den Händen ſeiner er - bittertſten Gegner entgegen nehmen mußte. An - ſtatt daß die unglückſelige Ehevorlage kurz und raſch von der Tagesordnung abgeſetzt wurde, wie es nach einem verunglückten Feldzuge ſelbſtver - ſtändlich wäre, ſieht ſich Koloman Tißa noch in der letzten Stunde herben und verletzenden An - griffen ausgeſetzt. Zu den zwei Niederlagen im Oberhauſe geſellen ſich der Spott und die Scha - denfreude ſeiner Gegner im Unterhauſe. Aber man darf nicht verkennen, daß der ungariſche Miniſterpräſident theilweiſe an dieſem ſeinem Mißgeſchicke mitſchuldig iſt. Er hat in der Ehe - frage einen Standpunct eingenommen, den man vielleicht bei ſeinem ultramontan angehauchten Collegen von der Juſtiz, nicht aber bei ihm, dem calviniſchen Papſt , begreifen kann, er hat ſich über die Zwecke, welche er mit ſeiner Vorlage verfolgte, nicht allein unklar, ſondern geradezu widerſprechend geäußert. Im Unterhauſe erklärte er die facultative chriſtlich-jüdiſche Civilehe für die natürliche Vorläuferin der obligatoriſchen Civilehe, während er im Oberhauſe von dem erſtgenannten Inſtitute ſagte, es ſei beſtimmt, die obligatoriſche Civilehe ſo lange als möglichhinauszuſchieben. Daraus erwuchs, was in der Regel die Folge ſolcher Zweideutigkeiten iſt: die Gegner der Vorlage im Oberhauſe wurden nicht gewonnen, dafür aber die Anhänger der obliga - toriſchen Civilehe, wie ſie namentlich auf der äußer - ſten Linken ſitzen, tief verletzt und mit neuerlichem großen Mißtrauen erfüllt. Der biſſige und ver - letzende Ton, welchen die donnerſtägige Debatte ſtellenweiſe annahm, war die nächſte Folge dieſes Widerſpruchs und die weiteren werden ſich ſchon rechtzeitig einſtellen, namentlich wenn etwa nach der erfolgten Reform des Oberhauſes die Miſchehe wieder einmal auf die Tagesord - nung gelangt.

Einſtweilen darf ſich nun freilich Ungarns Miniſterpräſident einen ſolchen Luxus nicht ge - ſtatten, denn die Lage hat ſich für ihn hinläng - lich ernſt geſtellt, um ihn zur größten Vorſicht zu mahnen. Immer näher rückt der Wahlkampf, welcher für das Miniſterium ein Kampf um deſſen Exiſtenz ſein wird. Die Gewißheit des uner - ſchütterten königlichen Vertrauens, welche Tißa von Wien mitgebracht hat, kann ihm noch lange keine Bürgſchaft für eine längere Dauer ſeines miniſteriellen Daſeins bieten. Die Krone findet ſich nicht veranlaßt, einen Miniſter zu entlaſſen, der im Unterhauſe mit großer Majorität geſiegt hat und im Oberhauſe einer winzigen Majorität erlegen iſt das iſt ganz ſelbſtverſtändlich, das iſt aber auch Alles. Den eigentlichen Richter - ſpruch wird das ungariſche Volk bei den bevor - ſtehenden Wahlen ausſprechen. Die Lage desMiniſterpräſidenten iſt alſo nach dieſer Seite eine precäre, und was man aus den ungariſchen Wahl - kreiſen erfährt, klingt nicht günſtig genug, um ſie erfreulicher erſcheinen zu laſſen. Es wird kaum in Ungarn, ganz gewiß aber nicht außerhalb des Landes einen einzigen Menſchen geben, welcher im Stande wäre, mit voller Beſtimmtheit das Reſultat der bevorſtehenden Neuwahlen voraus - zuſagen. Der Antiſemitismus wird bei denſelben eine bedeutende Rolle ſpielen, dieß läßt ſich mit Beſtimmtheit aus allen Erſcheinungen des öffent - lichen Lebens entnehmen; zudem ſind in der letz - ten Zeit faſt alle Ergänzungswahlen antiſemitiſch ausgefallen. Aber fraglich iſt es, welche Partei ſich als klug und mächtig genug erweiſen werde, dieſe populäre Strömung für ihre Dienſte nutzbar zu machen. Antiſemitiſche Gruppen finden wir heute in jeder ungariſchen Partei; die ge - mäßigte Oppoſition beſitzt ihre Antiſemiten, die Unabhängigkeitspartei erfreut ſich eines ſolchen Fähnleins, und auch im Lager der Regirungs - partei ſitzt der Antiſemitismus warm und feſt wenn er auch aus erklärlichen Gründen noch nicht offen hervortritt. Selbſt wenn die Neu - wahlen eine beträchtliche Anzahl antiſemitiſcher Abgeordneter bringen, ſo iſt damit noch lange nicht entſchieden, welche Partei den Hauptgewinn aus dieſer Acquiſition wird ziehen können.

Mit gewohnter Umſicht und Entſchloſſenheit wird der ungariſche Miniſterpräſident in den Wahlkampf eintreten, aber er ſteht dabei vor dem Unbekannten, Unberechenbaren. Von dem jetzigen

Fenilieton.

Wein erſtes Debut. Eine kleine Erzählung

Na, was nützt es Alles und wenn die Pepi noch ſo viel Talent hätte, mit dem Geſichte, mit der Figur kann man ſie doch nicht zum Theater geben dieſe Redensart hörte ich un - zähligemale von meiner guten Mutter ... Wie ſchlechte Folgen hat oft die Affenliebe der Eltern, die in ihrem Kinde einen Engel an Schönheit ſehen, wenn auch keine Spur von Schönheit vor - handen. Aber eben ſo ſchlimme Folgen bringt es armen Kindern, wenn man ihnen immer und immer vorwirft, daß ſie häßlich ſind ich war nun wirklich ſchiach ich ſehe dich lachen, verehrter Leſer, ich höre dich, verehrte Leſerin, ſpöttiſch ausrufen: Na, das hätte ſie nicht zu ſchreiben brauchen, das ſieht man ja noch ganz deutlich aber beruhigt euch, ich ſage euch nur, ich bin jetzt eine beautè gegen früher alſo iſt obige Redensart meiner Mutter wohl zu ent - ſchuldigen und doch hätte ſie es nicht ſagen ſollen, ich wurde dadurch verbittert und lernte frühzeitig den abſcheulichen Neid kennen, und ich weinte oft bitterlich bei dem Gedanken, daß ich wegen meines unſcheinbaren Aeußeren mich nicht der Bühne widmen ſollte, der darſtellenden Kunſt, an der ich mit allen Faſern meines Lebens hing. Ein Theaterkind, ſollte ich, 13 Jahre alt, für den Beruf einer Gouvernante beſtimmt ſein, ich war voll Verzweiflung. Glücklicherweiſe dauerte dieſe Idee meiner Eltern nur einige Monate, ſolange nämlich meine Mutter durch Geſangsſtunden, die ſie gab, in der Lage war, mir Lehrer zu halten. Dieſe wenigen Monate vergeſſe ich nie, in wel - chen meine glühende reiche Phantaſie durch - cherſtaub in eine pädagogiſche Landſtraße umge - wandelt werden ſollte; mein ganzes Naturell ſträubte ſich gegen dieſe Gewaltthat und man kann ſich vorſtellen, welche Seligkeit ich empfand, als der Sommer kam, mit ihm die Schülerinnen der Mama die Stadt gegen den Landaufenthalt vertauſchten, demzufolge das gemiethete Clavier weggetragen, meinen Lehrern gekündigt wurde und meine Mutter zur Erkenntniß kam, daß, um mich zur Gouvernante auszubilden, nicht genug Geld vorhanden ſei. Allerdings war dieſe verän - derte Anſchauung meiner Eltern für mich von geringem Vortheil, denn nun ſollte ich kochen und ſchneidern lernen, um mir die ſo beneidenswerthe Carriere einer Kammerjungfer oder Wirthſchaf - terin zu eröffnen. Es war dies die bequemſte Art, mich zu beſchäftigen, denn meine Eltern, die zur Zeit dieſer Erzählung in Graz domicilirten, hatten Beide nicht die Geduld, mich ſelbſt in irgend einem Zweige der Wiſſenſchacht zu unter - richten.

Meine Mutter war eine vorzügliche Sän - gerin, ſprach perfect Italieniſch, da mein Groß - vater ein geborener Italiener war (Giuſeppe To - maſelli), und doch hatte ſie mich gar nichts ge - lehrt. Als ich ſchon bei der Bühne war, gab ſie mir eine Geſangsſtunde; ich war total Naturaliſtin, hatte ſehr hübſche Coloratur, ſehr hübſchen Triller, die Mutter wollte aber, daß ich mit Schule trillire. Gleich bei der erſten Stunde ſagte ſie: Mach jetzt einen ſchönen Triller. Ich machte ihn. Spürſt du zwei Hammerln in der Kehle,die aneinanderſchlagen? Nein, liebe Mutter, die ſpür ich nicht. Schwups flop mir die Ge - ſangsſchule an den Kopf. Du biſt ein dummes Ding, aus dir wird nie etwas und aus war es mit dem Unterricht. Es war die erſte und letzte Lection, die mir meine Mutter gab. Doch ich will wieder zurückkommen zu der Zeit, da ich für den Kammerjungferdienſt erzogen wurde.

Das Engagement meines Vaters in Graz war abgelaufen, wir reiſten nach Brünn, und dort beſuchte uns ein alter Freund und College meiner Mutter, ein damals berühmter Tenoriſt, Demmer. Ich werde den Mann nie vergeſſen; es war der Erſte, der zu meinen Eltern ſagte: Aber ich weiß nicht, was ihr mit dem Mädel habt, ſie iſt gar nicht ſo häßlich, ſie hat ein Paar ganz kluge Augen. Zu dieſem Manne hatte ich nun rieſiges Zutrauen und geſtand ihm, daß ich ſterben würde, wenn ich nicht zum Theater dürfte.

Da ich alle Partien meiner Mutter, alle Lieder, welche ſie ihren Schülerinnen einſtudirte, auswendig wußte, ſo ſang ich ihm mit der Kin - derſtimme Alles vor der Arme mußte viel ausſtehen! aber es war für mich gut; die Mutter erklärte, ihr Freund Fritz Demmer habe gefunden, daß ich viel Talent für Geſang habe, ich alſo in einigen Jahren zur Opernſängerin ausgebildet würde. Soll ich meine Wonne ſchil - dern, vermag ich es? Nein, ſie wurde nicht ein - mal getrübt durch den Widerſpruch meines Vaters, der die Anſicht hatte: Wenn die Pepi überhaupt für die Bühne beſtimmt wird, ſo muß ſie ſich für die Tragödie ausbilden. In Folge deſſen hielt er als geborner Hannoveraner darauf, daß ich mich des reinlichſten Deutſch befleißigen ſollte was den Anſichten meiner Mutter ſtreng zuwider

[2]

ungariſchen Unterbauſe gilt das Gleichniß, wel - ches Andraſſy einmal auf die Türkei angewendet hat, indem er ſagte: Wenn ich einen Spiegel zerſchlage, weiß ich zwar, daß ich etwas Beſtehen - des zerſtört habe, aber ich weiß nicht, wie die Sprünge laufen, welche einzelne Stücke heraus - kommen werden. Die Auflöſung wird dem Un - terhauſe ein Ende machen, der Antiſemitismus wird vorausſichtlich das beſtehende Parteigefüge zerſetzen, aber welche Neubildungen an deſſen Stelle treten werden, iſt noch nicht abzuſehen. Der Miniſterpräſident beſitzt obendrein nichts, was er der Bevölkerung zu bieten hätte; die Verſtaatlichung der Verwaltung darf er jetzt nicht in den Vordergrund ſtellen, da ſich zu viele be - drohte Privatintereſſen wider ihn erheben würden. Noch ſchwieriger wird ſeine Stellung dadurch, daß Tißa nicht der Mann iſt, mit einer winzigen Majorität ſeine politiſche Exiſtenz zu friſten. So geht Ungarn allmälig einer bedeutungsvollen Entſcheidung entgegen, Es iſt verhältnißmäßig noch leicht, Tißa zu ſtürzen. Hierauf beginnt aber die inhaltsſchwere Frage: Was dann?

Politiſche Rachrichten. Oeſterreich-Ungarn.

(Se. Excellenz der Leiter des Inſtiz - miniſteriums Dr. Pražak als Hüter des tſchechiſchen Staatsrechtes.)

Man ſchreibt uns aus Wien, 5. Februar: In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauſes haben die Abgeordneten Dr. Kopp und Genoſſen nachſtehende Interpella - tion an das Geſammt-Miniſterium eingebracht: Se. Excellenz der Herr Miniſter und Leiter des Juſtizminiſteriums Dr. Pražak hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 31 Jänner 1884 am Schluße ſeiner Rede über die Sprachenver - ordnung für Böhmen und Mähren die folgenden Worte geſprochen: Verlangen Sie nichts Unmögliches, verlangen Sie nichts, was dem Staatsrechte und der 100jäh - rigen Geſchichte Böhmens entgegen wäre In Erwägung, daß in dieſer Aeußerung die ausdrückliche Anerkennung des Rechtsbeſtandes eines beſonderen Staatsrechtes Böhmens, ſowie die Warnung vor einer Antaſtung liegt in Erwägung, daß dieſe Rechtsanſchauung mit dem in Oeſterreich geltenden Staatsrechte, insbeſondere mit der beſtehenden Verfaſſung der im Reichs - rathe vertretenen Königreiche und Länder im Widerſpruche ſteht in Erwägung, daß über den Sinn dieſer Worte umſoweniger ein Zweifel beſtehen kann, als Se. Excellenz der Herr Mi - niſter Dr. Pražak in ſeiner Eigenſchaft als Landtags - und Reichstagsabgeordneter ſowohl inder von ihm unterfertigten Declaration, womit er und ſeine Geſinnungsgenoſſen das Fernbleiben vom mähriſchen Landtag am 8 Auguſt 1868 motivirte als auch in der beim Wiedereintritt in den Reichsrath am 21. Jänner 1874 abgegebenen mündlichen Verwahrung einen ſolchen den Beſtand des öſterr. Staatsrechtes und der Verfaſſung in Frage ſtellenden Rechtsanſchauung feierlich Ausdruck gegeben hat in Erwägung, daß die neuerliche Betonung dieſer Rechtsanſchauung Seitens eines auf die Staatsgrundgeſetze beeideten Miniſters zu einer völligen Verwirrung der Be - griffe über das in Oeſterreich geltende Recht führen und von den bedenklichſten Folgen ſein kann, ſtellen die Gefertigten an das Geſammt - miniſterium die Anfrage:

Theilt die k. k. Regierung die von Se. Excellenz dem Herrn Miniſter Dr. Pražak in obiger Aeußerung niedergelegte mit der be - ſtehenden Verfaſſung im offenbaren Widerſpruch ſtehende Rechtsanſchau - ung? Was gedenkt die k. k. Regierung zu thun, um einer ſolchen verfaſſungswidrigen Kundgebung entgegen zu treten?

(Von der Vereinigten Linken.)

Die Mitgliederzahl der Vereinigten Linken iſt mit den geſtern erfolgten Aufnahmen auf nahezu hundertfünfzig geſtiegen, die höchſte Ziffer, welche der Club bisher aufzuweiſen hatte. In der Son - derſtellung, welche die Abgeordneten Graf Wurm - brand, Baron Zſchock und Poſch nach ihrem Ausſcheiden aus dem Clubverbande der Vereinig - ten Linken einnahmen, wollten die Gegner der Letzteren einen Beweis dafür erblicken, daß die ehemals ſelbſtſtändig organiſirte ſteieriſche Fort - ſchrittsparthei noch immer nicht vollſtändig in der Vereinigten Linken aufgegangen ſei. Davon kann jetzt nicht mehr die Rede ſein. Auch der Wieder - eintritt des Abgeordneten Löblich, der als Ver - treter des Kleingewerbes als Gegner der deutſch - liberalen Partei hingeſtellt wurde, iſt ein Zeichen dafür, daß der Gedanke der Solidarität aller deutſch-liberalen und ſtaatseinheitlich geſinnten Elemente gegenüber den immer unverhüllter her - vortretenden föderaliſtiſchen Tendenzen gewaltige Fortſchritte macht. So ſehen wir denn jene par - lamentariſche Partei, deren Niedergang von den officiöſen Federn ſo oft angekündigt wurde, ſtär - ker und kräftiger als je den Kampf fortſetzen.

(Die Vereinigte Linke)

wird erſt nach Anhörung des Herrn Miniſterpräſidenten im Aus - ſchuße zu dem Ausnahmsgeſetze Stellung nehmen. Die Berichterſtattung für die Plenarſitzung ſoll ſicherem Vernehmen nach Graf Hohenwart übernommen haben, nachdem von den Tſchechen und Polen ſich kein Abgeordneter hiefür finden ließ.

(Fortgeſetzte Juſtiſtcirung eines Offi - ciöſen.)

Ein Correſpondent der D. Ztg ſchreibt aus Carlsbad: Ich habe Ihnen mit - getheilt, wie das plötzlich entſtandene officiöſe Organ, der Karlsbader Anzeiger , von der Bürgerſchaft Karlsbads betrachtet und behandelt wird, und habe in Ausſicht geſtellt, daß dem - nächſt auch jene Körperſchaften, denen die Gebrüder Taſchler, welche Eigenthümer des Blattes und einer Druckerei ſind, angehören, ihre Anſichten über dieſe Art Regierungsfreundlichkeit ausdrücken. Nun haben bereits der Bürgermeiſter, die vier Stadträthe und vierundzwanzig Stadtverordnete folgendes Schreiben an Herrn Martin Taſchler gerichtet:

Die gefertigten Mitglieder des Stadtver - ordneten-Collegiums in Karlsbad haben mit großem Bedauern geſehen, daß Sie der an Sie herangetretenen Verſuchung, Ihren bisher als Localblatt beſtandenen Anzeiger in ein officiöſes, politiſches, der dermaligen Regierung dienſtbares Organ zu verwandeln, nicht wiederſtanden haben! Nachdem ſie als Mitglied des Stadtverordneten - Collegiums an den in demſelben in den letzten Jahren bei mehrfachen Anläſſen gefaßten ein - müthigen Beſchlüſſen, welche unſere volle Ueber - einſtimmung mit dem Vorgehen unſerer Reichs - raths - und Landtags-Abgeordneten zur Abwehr der Föderaliſirung und Slaviſirung des Staates ausſprechen, ſtets theilgenommen haben, ſo konnten wir von Ihnen eine derartige Veräuße - rung Ihrer bisherigen politiſchen Ueberzeugung nicht erwarten. Sie werden es darum gewiß be - greiflich finden, daß uns ein weiteres Zuſammen - wirken mit Ihnen im Stadtverordneten-Colle - gium eben ſo peinlich als unthunlich erſcheint, weil wir alles Vertrauen auf die Unbefangen - heit ihrer Mitwirkung verloren haben, und wir erſuchen Sie daher, zur Vermeidung weiterer Conflicte, eventuell eines Appells an Ihre Wähler, Ihr Mandat als Stadtverordneter ſofort zurückzulegen.

Leiſtet Martin Taſchler dieſer Aufforderung nicht Folge, ſo wird eine Wählerverſammlung einberufen werden, welche noch deutlicher ſprechen wird. Nachdem Franz Taſchler der Aufforderung des Ausſchuſſes des Landwirthſchaftlichen Vereins, wegen Vertrauensverluſtes aus dem Ausſchuſſe auszutreten, nicht nachkam, wurde er in der am 3. d. Mts. abgehaltenen Vollverſammlung des Landwirthſchaftlichen Vereins einſtimmig aus dem Verein ausgeſchloſſen. Ein Gleiches wird Martin Taſchler vom Turnverein in den nächſten Tagen erfahren. Vieles läßt ſich eben bezahlen, allein das Vertrauen ſeiner Mitbürger iſt mit Geld nicht zu erwerben noch zu erhalten.

lief, die als geborne Salzburgerin immer aus - rief: Pepi, i bitt di, red wie dir der Schnabel g’wachſen is! Der Wiener Dialect ſchadt für die Oper gar nit! Dieſer Grund leuchtete mir ein und ich ſprach wia mir der Schnabel g’wachſen war, das heißt, wenn der Vater nicht zu Hauſe war; in Gegenwart des Letzteren fühlte ich mich mehr als Tragödin und ſprach hochdeutſch.

Dieſer Kampf, ob ich für die Oper oder für das Schauſpiel ausgebildet werden ſolle, dauerte volle zwei Jahre; erſt im September 1853 ſollte ſich durch einen Spiegel mein ganzes Schickſal entſcheiden. Durch einen Spiegel! Mein Papa ſollte am 13. September ſein Bene - fice haben, was thut der Provinz-Schau ſpieler nicht Alles, um ein gutes Benefice zu machen es wurden drei einactige Komödien beſtimmt, und da mein Papa ſehr beliebt war, mußte er in allen drei Komödien ſpielen. Selbſtverſtändlich hätte er es auch gethan, wenn er nicht beliebt geweſen wäre. Unter dieſen drei Stücken, welche mein Papa wählte, war auch Der Kurmärker und die Picarde oder: Der prenßiſche Landwehr - mann. Die damals in Brünn engagirt geweſene Localſängerin Emma Ling (jetzt verheiratet an den Capellmeiſter Victorin,) welche ſehr beliebt war, ſollte die Marion ſpielen meine Mutter, welche mit der einſt berühmten Adele Beckmann innig befreundet war, ſchrieb an dieſe um ein Couplet für die Rolle, und ſie hatte die unend - liche Güte, ihre Einlage, eine Chanſonnette, mit welcher ſie einſt Alles bezauberte, Je suis la bajadere, meiner Mama für Fräulein Ling zu ſenden. Nun ging’s los, Fräulein Ling wohnte neben uns, Thür an Thür es kam eine Franzöſin, welche mit ihr die Proſa lernte, bei der drittenStunde konnte ich ſchon die ganze Rolle aus - wendig, denn ich horchte unverſchämt an der Thür, meine Mama ſtudirte die Chanſonnette mit ihr, in zwei Tagen wußte ich ſie auswendig. Einmal, ich war mit dem Ordnen der Wohnung fertig, halte noch den Flederwiſch in der Hand und ſumme das Je suis la bajadere vor mich hin, als mein Blick in den großen Spiegel über dem Sofa fällt ich weiß nicht, wie es kam, aber ich fand, das ich hübſcher bin, wenn ich ſinge, als wenn ich ſpreche ich legte den Flederwiſch auf den Tiſch und denke mir: J, probir einmal, wie du es machen würdeſt, wenn du ſo ein Lied ſingen ſollteſt. Ich fange alſo an zu ſingen, dabei zu ſpringen, mit dem Röckchen zu werfen wie ein Affe, der ſeine Gebieterin nachahmt aber ich gefiel mir fabelhaft ich ſinge und tanze darauf los, ſehe wieder in den Spie - gel und man denke ſich meinen Schrecken vis-á-vis dem Spiegel zwiſchen der halb offenen Thür ſteht meine Mutter und ſieht mir zu. Ich fing gleich zu heulen an. Na, na, ſagte ſie, das macht ja nichts, aber du ſollſt lieber nähen ſtatt ſolche Dummheiten zu machen. Wann haſt du denn das Alles gelernt? Gar nicht, liebe Mutter, vom Zuhören kenne ich es. Nu, s’iſt gut. Das war Alles, was die Mutter ſagte.

Es wird Mitiag, der Vater kommt zu Hauſe; nach dem Eſſen mußte ich immer den Eltern die Hand küſſen und für das Mittagbrod danken, dann durfte ich eine halbe Stunde ruhen! Ich gehe alſo in meine Kammer, war eben beſchäf - tigt, meiner Puppe eine moderne Friſur zu machen, da ruft mich die Mutter und führt mich zum Vater. O weh, dachte ich mir, jetzt kommenHiebe! Aber nein, der Papa nimmt mich bei der Hand, ſieht mich mit ſeinen großen klugen Augen an und ſagt: Die Mutter hat mir erzählt, daß du das franzöſiſche Lied ſo hübſch ſingſt; ſinge es mir einmal vor. Ich bekomme einen ſolchen Schreck, daß ich nicht einen Ton herausbrachte; erſt als die Mutter das Lied zweimal geſungen, faßte ich Courage und ſang und tanzte ſo wie früher vor dem Spiegel. Vater und Mutter ſahen ſich ganz ſonderbar an, nahmen mich in ihre Mitte und weinten. O, wie glücklich, wie ſtolz machten mich dieſe Thränen, es war die erſte Freude, die ich meinen Eltern bereitete, aber ich fühlte, daß es eine Freude für’s ganze Leben war. Nachdem wir uns beruhigt, das heißt wir ſprachen nichts, aber doch ſagten unſere Blicke, unſere Küſſe ſo unendlich viel, nachdem alſo die Gefühle ſich beſänftigten, fragte mich mein Vater: Sag mir, Pepi, hätteſt du Luſt, das Lied auch auf der Bühne in meinem Benefice zu ſingen? Solch ein Ja hat wohl noch kein Menſch gehört, nicht der Prieſter am Altar von der glücklichſten Braut. Ja, ja, ja! ſchrie ich wie beſinnungslos unaufhörlich, und dabei glühten die Wangen und die Augen, als hätte ich Fieber, und es war auch ein ſolches.

Nun ſpielte ich dem Vater noch die Rolle vor, er war zufrieden; die Mutter ging zu Fräulein Ling, um ihr zu danken für ihre Mühe, daß aber ich den erſten Verſuch wagen würde. Und dann kam der Tanzmeiſter, es war Herr Jules, der Vater der berühmten Schauſpielerin Jules, um mir den kleinen Tanz einzuſtudiren; auch der war ſehr zufrieden. Das war Montag. Donnerſtag hatte ich die Probe wenn ich daran denke, zittere ich noch heute nach mei -

[3]

(Deutſcher Techniker-Club.)

Der neuge - gründete Deutſche Techniker-Club in Brünn, der ſich behufs Vereinigung aller deutſchen Techniker Brünns aus dem früheren Techniker-Club ge - bildet hat, feierte am 2. d. M. einen ſolennen Commers, bei welchem ber Obmaun des Hoch - ſchulen-Ferial-Clubs, Dr. Schilder, eine kernige Rede hielt. Derſelbe wurde vom Regierungs - Commiſſär Kraus wiederholt unterbrochen und aufgefordert, das politiſche Gebiet nicht zu be - rühren. Als Redner nun mit einem Citate ſchließen wollte und den Satz ausſprach: Säumt der Deutſche noch ſo lange, fiel ihm der Regierungs - vertreter abermals ins Wort und verbat ſich jede politiſche Anſpielung. Erſt als Redner ruhig auseinanderſetzte, daß dieſe Worte aus einem Gedichte Simrock’s ſtammen, das in dem hohen Orts für öſterreichiſche Bürgerſchulen bewilligten Leſebuche des k. k. Schul-Inſpectors Niedergefäß enthalten iſt, durfte er das Citat fortſetzen. ( Säumt der Deutſche noch ſo lange, Nimmer beugt er ſich dem Zwange; Schlummernd mag er ſich wohl ſtrecken, Schläft er, wird ein Gott ihn wecken. )

Reichsrath. Sitzung des Abgeordnetenhauſes vom 5. Februar.

Die Galerien ſind überfüllt. Präſident Dr. Smolka eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 15 Minuten.

Auf der Miniſterbank: Taaffe, Pražak, Falkenhayn, Pino.

Abg. Dr. Bloch interpellirt den Obmann des Immunitäts-Ausſchuſſes, wann der Bericht über die Ehrenbeleidigungsklage des Profeſſors Rohling gegen ihr (Redner) zur Verhandlung gelangen wird.

Abg. Baron Gödel erwidert als Obmann des genannten Ausſchuſſes, daß gegen Dr. Bloch zwei Ehrenbeleidigungsklagen vorliegen. Bezüg - lich des Falles Rohling werde der Ausſchußbe - richt bald vorgelegt werden.

Auf der Tagesordnung ſteht die erſte Leſung der Ausnahmsverfügungen.

Es erhält das Wort

Miniſter-Präſident Graf Taaffe verlieſt eine Erklärung, durch welche die Regierung die Vertagung des Ausnahmezuſtandes zu rechtferti - gen ſucht.

Redner fährt dann fort: Die verbrecheriſchen Vorfälle, die ſich in letzter Zeit ereigneten und die größte Beunruhigung hervorgerufen haben, brauche ich nicht näher zu bezeichnen, ſie ſind Gegenſtand der ſtrafgerichtlichen Amtshandlung. Ich will nur das hervorheben, daß ſich die Er - mordung der zwei polizeilichen Functionäre unmittelbar an Drohungen angeſchloſſen hat, mit welchen die anarchiſtiſche Partei ſtaatliche Functionäre, die ihr unbequem geworden ſind, einzuſchüchtern verſuchte.

Seit einer Reihe von Jahren werden in - und ausländiſche Druckſchriften in Tauſenden von Exemplaren in gewiſſe Claſſen der Bevölkerung geſchleudert, die zum Umſturze der ſtaatlichen und geſellſchaftlichen Ordnung aufreizen. In den - ſelben wird unter Verhöhnung aller rechtlichen und ſittlichen Grundlagen zu den gewaltſamſten Schritten aufgefordert und insbeſondere die Ver - nichtung der zur Handhabung der öffentlichen Ordnung berufenen ſtaatlichen Organe in der flagranteſten Weiſe gepredigt.

Die Sicherheitsbehörde waltet mit der größten Aufopferung ihres Amtes; die ihr zu Gebote geſtandenen Mittel reichten jedoch nicht aus, um dem verbrecheriſchen Beginnen und Fort - wuchern Einhalt thun zu können. Sie hat Ver - bindungen der geheimſten Art, um den von dieſen ausgeübten Terrorismus zu bekämpfen. Die Blutthaten der letzten Zeit waren leider draſtiſch genug, um den Beweis zu liefern, daß man es nicht mit einer eingebildeten oder über - triebenen Gefahr zu thun hat, daß vielmehr die fortwährende Aufreizung gewiſſer Claſſen der Bevölkerung die traurigſten Früchte gezeitigt hat und weſſen man ſich zu verſehen hätte, wenn die Executive nicht mit außerordentlichen Mitteln ausgerüſtet wird.

Man kann ſich nicht damit beruhigen, daß man es nur mit einzelnen Fällen zu thuu hat, denn der Boden iſt weit unterwühlt. Man kann nicht hoffen, daß die ordentliche Strafjuſtiz dem Uebel ſteuern könnte. Die Wirkungen dieſer anarchiſtiſchen Beſtrebungen ſind ſo weit gediehen, daß ſelbſt für flagrante Fälle eine Befangenheit in den Rechtsſprüchen mit Grund beſorgt werden muß, weil der Terrorismus ſich auch in dieſer Beziehung geltend macht, ſo daß der nach dem Geſetze vom 23. Mai 1873, R. -G.-Bl. Nr. 120, anzuhörende Oberſte Gerichtshof nicht das ge - ringſte Bedenken dagegen trug, der zeitweiſen Einſtellung der Geſchworenengerichte rückhaltslos beizuſtimmen.

So liegen die Dinge; ich habe ſie den That - ſachen entſprechend geſchildert. Die Regierung iſt überzeugt, daß es nur ein kleiner Theil der Be - völkerung iſt, welcher theils durch die unter voller Erkenntniß und Verfolgung ſeiner ruchloſen Zwecke an den Tag ge - legte Thätigkeit, theils durch ſeine Verblendung zu den getroffenen Maßregeln Anlaß gibt. Deſſen ungeachtet ſah ſie ſich gezwungen, zum allge - meinen Schutze die außerordentlichen Mittel, die

nem Liede applaudirte das Orcheſter, alſo ſchon ein Triumph, nun kam der verhängnißvolle Abend, der dreizehnte September. Den ganzen Tag über lachte ich und wollte meiner Mutter weiß machen, daß ich gar keine Angſt hatte; aber ſie durchſchaute mich. Um ſechs Uhr über - gab mir meine gute, ſehr fromme Mutter ein kleines Crucifix und einen kleinen Weihwaſſer - keſſel, beſpritzte mich mit dem Waſſer, ich mußte das Kreuz küſſen, drei Vaterunſer beten und dann ging’s fort in’s Theater.

Wie ich geſchminkt, angezogen und friſirt wurde ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht daran, ich war furchtbar erregt und lachte fortwährend. Da kommt das Zeichen zum zweiten Stück, ich ſtürze mit der Mutter auf die Bühne, der Vater kann nicht ſprechen vor Auf - regung, Alles ſtellt ſich vor Neugierde und Theil - nahme in die Couliſſen, der Vorhang geht in die Höhe, ich ſoll hinaus. Mutter, ich kann nicht, flüſtere ich und will umkehren ein Griff, ein Ruck Marſch ein Puffer, und ich ſteh auf der Bühne, Alles ſchien mir ſchwarz, ich ſah gar nichts. Das Publicum hatte Mit - leid, es ertönt ein Applaus und ich? Von dem Moment an war ich Schauſpielerin ich trete vor, bedanke mich, fange zu ſprechen an gleich nach den erſten Worten wieder Applaus; mein Vater tritt als Landwehrmann auf, iſt ſo erregt, daß er nicht gleich ſprechen kann, das Publicum wird gerührt, und nun beginnt ein komiſch-tra - giſches Familienfeſt. Ich ſinge das Lied, ein wahrer Sturm geht durch das Haus, mein Vater küßt mich auf der Bühne ab, die Damen in den Logen weinen, ich muß mein Lied zwei -mal repetiren, ich tanze derſelbe Jubel, auch den Tanz muß ich wiederholen bei alledem ſteht mein Vater immer mit verweinten Augen neben mir; der Vorhang fällt, muß aber oft wieder auf, immer und immer führt mich mein Vater vor das Publicum. Meine gute Mutter iſt halb ohnmächtig in einem Winkel und weint wir Drei küſſen uns dann unzähligemale ab und ſahen nicht, daß die Bühne voll Gratu - lauten war, wir hörten nicht, wie und was ſie Alles ſprachen und wünſchten, wir waren uns genügend in unſerer Freude. Nicht um Vieles möchte ich die Erinnerung an dieſen Abend miſſen. Es lag eine ſo reine ungetrübte Freude in dieſer einen Stunde und ſo viele harmloſe Naivetät in dieſer Freude. Was ſind alle Erfolge, die ich ſeitdem erlebte ich will nicht undank - bar ſein, aber was ſind ſie gegen dieſen Abend!

Als ich nach Hauſe kam, küßte ich den lieben Spiegel, erzählte meiner Puppe Alles ganz genau, denn vom Schlafen war ja doch keine Spur, ich nahm mein Kreuz und den Weihbrunnkeſſel zur Hand und dankte dem lieben Gott recht innig für dieſen Abend. Die Puppe mußte ich noch im ſelben Jahre verſchenken, das Kreuz und den Weihbrunnkeſſel habe ich noch der Spiegel?

Ja, der Spiegel ging in Trümmer, wie ſo viele nein, ſentimental will ich dieſe kleine Geſchichte nicht beſchließen er ging in Trümmer wie alle Spiegel, aber keiner wurde wohl je ſo bedeutungsvoll für ein Menſcheinleben, als der Spiegel vis-á-vis der Thür: Er war die Veranlaſſung zu meinem erſten Debut!

ihr das Geſetz an die Hand gibt, anzuwenden.

Sie hat es mit jener Einſchränkung gethan, die ihr, ſowohl was die Wirkung der Suspenſion ſtaatsgrundgeſetzlicher Beſtimmungen, als was das Territorium anbelangt, zuläſſig geſchienen hat. Sie wird die getroffenen Verfügungen kraft ihrer Verantwortung mit dem größten Ernſte handhaben, aber dabei nicht über den Zweck der - ſelben hinausgehen.

Schließlich will ich nur Eines noch hervor - heben. Der Regierung iſt es wohl bekannt, daß auch anderwärts in den im Reichsrathe ver - tretenen Königreichen und Ländern, insbeſondere in den bedeutenden Induſtrie-Bezirken ſich Be - ſtrebungen und Agitationen der in Rede ſtehen - den Art geltend machen und beſorgnißerregende Erſcheinungen, welche die volle Wachſamkeit der Behörden in Anſpruch nehmen, zu Tage treten. Gleichwohl hat die Regierung die getroffenen Ausnahmsverfügungen nur für die in den Ver - ordnungen bezeichneten Gebiete, und zwar die auf dem Geſetze vom 5. Mai 1869 beruhenden Aus - nahmsverfügungen für die Gerichtshofſprengel Wien, Kornenburg und Wiener-Neuſtadt, und die zeitwiſe Einſtellung der Geſchwornengerichte für die zwei erſtgenannten Sprengel erlaſſen, weil in dieſen Gebieten die beſondere Gefährlichkeit der daſelbſt herrſchenden anarchiſtiſchen Bewegung ſich durch die verbrecheriſchen Vorfälle der letzten Zeit bekundet hat.

Bei der durch die Natur dieſer Angelegen - heit gebotenen Vorſicht muß ich mich in dem gegenwärtigen Stadium der Behandlung auf dieſe Ausführungen beſchränken. (Allgemeine Stille welche durch zwei oder drei Bravo-Rufe rechts unterbrochen wird.)

Abg. Dr. Kopp erklärt zunächſt, er glaube nicht, daß es nothwendig wäre, feſt alle politi - ſchen Rechte aufzuheben, ſo daß nur wenige der - ſelben intact übriggeblieben ſind. Aus den Ver - ordnungen wird nicht klar, was eigentlich damit gethan ſein ſoll. Es müſſen mindeſtens erſt um - fangreiche Geſetze ſtudirt werden, um zu beurthei - len, welche Folgen dieſe Verordnungen haben werden. Wir ſeien noch politiſch ein junges Volk und es kann an einer falſchen Beurtheilung der Verordnungen nicht fehlen. Es ſei richtig, wir wollen ruhig ſchlafen, und inſoferne mag es nothwendig geweſen ſein, die Verordnungen zu erlaſſen. Doch ſei eingehende Erläuterung der Verordnungen nöthig. Wenn die Dinge ſchon ſo liegen, daß die Freiheit geopfert werden müſſe, um das Leben zu retten, ſo iſt doch zu erwägen, ob nicht der Regierung mit der Gutheißung je - ner Maßregeln ein Vertrauensvotum ertheilt wird, welches die Oppoſition eigentlich zu geben keine Veranlaſſung habe. Die Partei, welcher der Redner angehört, habe ihn beauftragt, den Standpunct der Oppoſition zu dieſen Ausnahms - verordnungen klarzuſtellen. Die Begründung der Verordnungen durch die Regierung ſcheint dem Red - ner nicht ausreichend. Die Begründung, mit welcher die Verordnungen eingebracht wurden, ſei nichts als eine Umſchreibung des Geſetzes, auf Grund deſſen dieſe Verordnungen erlaſſen wurden, wobei nur hie und da ein anderes Wort gewählt ſei. Das ſei durchaus nicht gleichgiltig, da es ſich um die Einſtellung der Grundrechte des Volkes handle. Auch im Ausſchuſſe habe der Miniſter nur all - gemeine Anklagen erhoben, jedoch gar nichts Neues an Thatſächlichen vorgebracht. Was er etwa ſpäter bringen wird, das wolle die oppo - ſitionelle Partei vorurtheilslos anhören und danach ihr Urtheil bilden. Redner weiſt aus den bezüglichen Geſetzen nach, daß dieſelben an und für ſich ausreichend ſeien, um die Sicherheits - organe in nichts zu behindern. Die Polizei braucht auch jetzt nicht Verbrecher ſchon nach achtundvierzig Stunden an das Landesgericht auszuliefern. Wir ſehen das ja. Die Polizei er - ſtattet täglich dem Publikum förmlich Bericht, was die Herren Mörder thun. Der Form wegen wird nun dem Verbrecher der Ver - haftsbefehl im Polizeigewahrſam ausgefolgt und der Mann bleibt bei der Polizei auch nach den geſetzlichen achtundvierzig Stunden. Redner beſpricht weiter die geſetzlichen Beſtim - mungen bei den Ausweiſungen. Er meint, daß Ausgewieſene die Gefahr in andere, nur minder durch zahlreiche Polizei geſchützte Gegenden tra - gen können. Schon heute könne jedes Sicherheits - Organ in flagranten Fällen einſchreiten, wozu alſo die völlige Einſchränkung des Hausrechtes?

Redner ergeht ſich dann über die Beſeiti -[4]gung des Briefgeheimniſſes. Damit werde wohl für die Sicherheit nicht viel gethan ſein, da die Umſturzpartei doch noch andere Mittel und Wege hat, um ihre Correſpondenz zu beſorgen. Die Beſtimmung über die Suspenſion des Vereins - und Verſammlungsrechtes trifft alle Vereine, alſo auch beiſpielsweiſe die Thee - und Suppenanſtal - ten. Wenn man ſagt, man könne nicht für die politiſchen Vereine allein Ausnahmsverfügungen treffen, weil ſich unter der Maske harmloſer Vereine anarchiſtiſche Tendenzen verbergen kön - nen, ſo iſt es dann nur nicht begreiflich, was die Phraſe in den Ausnahmsverfügungen über die öffentliche Sicherheit und die geſellſchaftliche Ordnung bedeuten ſoll. Glaubt denn die Regierung, daß die Ermordnung von Organen der öffentlichen Sicherheit, daß die Ein - führung von Sprengmitteln ꝛc. jemals in einer Vereinsverſammlung, welche der Behörde anzu - zeigen iſt, beſchloſſen werden wird? (Heiterkeit links.) Durch dieſes Vorgehen ſetzt man nur die Bürger Chicanen aus, aber die Verbrecher ſelbſt werden durch dieſe Beſtimmung in keiner Weiſe getroffen. (Lebhafte Zuſtimmung links.)

Durch ſolche Verfügungen werden aber nur die Beſtrebungen der Anarchiſten eher unterſtützt. Sie treiben dann die Arbeiter in ſolche geheime Verbindungen hinein, während ſie bisher ohne - weiters in ihre gewöhnlichen Vereinsverſamm - lungen gegangen ſind. Der Arbeiter wird auf dieſe Weiſe verbittert und nur bewogen, in ge - heime Conventikel einzutreten, und was dann ge - ſchieht, das entzieht ſich den Augen der Polizei regelmäßig, gerade ſo wie in Rußland, wo man die Conventikel auch immer entdeckt und damit nur beweiſt, daß es immer wieder etwas zu ent - decken gibt. (Zuſtimmung links.)

Der Miniſter-Präſident ſelbſt hat geſagt, es handle ſich nur um einen kleinen Theil der Bevölkerung. Die Mörder ſind in Oeſterreich ſehr dünn geſäet, und die Bevölkerung kann trotz des Ausnahmszuſtandes keinerlei Gefahr erblicken.

In Bezug auf die Verſammlungen enthält das Ausnahmsgeſetz gar nichts, ſie ſind ganz dem Ermeſſen der Verwaltungs-Behörde anheimgegeben. Auch nichtpolitiſche Verſamm - lungen dürfen nicht abgehalten werden. Nun enthält der § 4 des Geſetzes über das Verſamm - lungsrecht die Beſtimmungen, daß Verſamm - lungen der Wähler zu Wahlbeſprechungen und zu Beſprechungen mit den gewählten Abgeord - neten zur Zeit der ausgeſchriebenen Wahlen von den Beſtimmungen des Geſetzes über das Ver - ſammlungsrecht ausgenommen ſind. Auch dieſe Verſammlungen ſind nur möglich mit Bewilli - gung der politiſchen Behörde, und es gibt gegen ihre Entſcheidung kein Rechtsmittel. Die Abhal - tung von Wahlbeſprechungen wäre alſo von dem Belieben eines Regierungsorgans abhängig. (Zu - ſtimmung links) Ich weiß nicht, ob bei dieſen Wahlbeſprechungen Mordanſchläge beſchloſſen und geplant werden; ich weiß nicht, ob bei dieſen Verſammlungen Attentate gegen die Miniſter ausgeheckt werden. (Heiterkeit links.) Ich weiß nur, daß die Abhaltung ſolcher Wahlbeſprechungen ohne Rückſicht darauf, ob ſie die öffentliche Sicherheit und geſellſchaftliche Ordnung gefährden oder nicht, von dem Belieben der Regierung ab - hängig gemacht werden, und ich bemerke, daß wir in der nächſten Zeit in Wien und Nieder - öſterreich den Landtagswahlen entgegengehen.

Dr. Kopp beantragt ſchließlich in formaler Beziehung, daß die Vorlage einem Ausſchuſſe von 24 Mitgliedern zugewieſen werde, daß die Wahl des Ausſchuſſes noch in der heutigen Sitzung vorgenommen und daß der Ausſchuß beauftragt werde, ſeinen Bericht binnen acht Tagen zu erſtatten.

Abg. Graf Hohenwart: Ich werde auf die Debatte, welche bereits vom Herrn Vor - redner über das Meritum der Sache ſich verbrei - tet hat, nicht eingehen und glaube, daß das wohl einer weiteren Rechtfertigung nicht bedarf, nach - dem ſelbſt ein ſo hervorragender Rechtsgelehrter, wie der Herr Vorredner, die Sache als ſehr ſchwierig bezeichnet und die Nothwendigkeit her - vorgehoben hat, an die Prüfung derſelben erſt nach eingehenden Studien einer Reihe von Ge - ſetzen heranzutreten. Es iſt aber, um ein rich - tiges Urtheil in der Sache abgeben zu können, auch noch etwas Anderes erforderlich, worauf der Herr Vorredner gleichfalls bereits hingewieſen hat, nämlich die volle Kenntniß der Gründe, welchedie Regierung zu dieſen Beſtimmungen veranlaßt haben.

Ich ſtimme mit dem Herrn Vorredner in - ſoweit überein, daß das, was die Regierung uns bisher mitzutheilen in der Lage war, noch nicht genügt, um ein ſicheres Urtheil abgeben zu kön - nen. Ich kann jedoch damit nicht übereinſtim - men, wenn der Vorredner der Regierung hieraus einen Vorwurf machen will, denn ich glaube nicht, daß der Abg. Dr. Kopp und ſeine Partei bereit wären, öffentlich die Gründe, die ihn zu ſeiner Handlungs - weiſe beſtimmt haben, in einer Weiſe darzulegen, die auch dem Gegner es ermöglichen würde, dieſe Gründe genau kennen zu lernen. (Sehr richtig[!]rechts.) Den gleichen Weg ſchlägt die Regierung ein; ſie begründet im Allgemeinen die Verfügungen die ſie getroffen hat, und ladet ein, bei ihr ein - zutreten und die Gründe im Detail zu ver - nehmen, die ſie uns noch weiter vorzubringen hat.

Bei der Geneigtheit und dem Wunſche aller Parteien, die Sache möglichſt beſchleunigt zu Ende zu führen, glaube ich, iſt auch nicht der mindeſte Anlaß vorhanden, durch eine Friſtbe - ſtimmung im vorhinein dem Ausſchuſſe eine Art Mißtrauen in ſeine Arbeitswilligkeit zu zeigen. Ich bitte alſo, von der Fixirung einer gewiſſen Friſt Umgang zu nehmen. (Bravo! Bravo! rechts.)

Abg. Ritter v. Schönerer: Heute hat der Miniſter-Präſident ungefähr dasſelbe mit anderen Worten betont, was er bereits einem Interviewer (dem Correſpondenten des Standard ) geſagt, daß die Regierung über den Zweck der Verordnung nicht hinausgehen werde. Ich werde nun beweiſen können, daß dieſe beſchwichtigenden Worte des Herrn Miniſter-Präſidenten, bewußt oder unbewußt, nichts weiter als ein purer Schwindel ſein können. (Stürmiſche Heiterkeit.)

Präſident: Ich rufe den Herrn Abge - ordneten Ritter v. Schönerer zur Ordnung. Hier iſt es nicht geſtattet, einem Miniſter einen Schwindel vorzuwerfen.

Abg. Ritter v. Schönerer: Ich ſetze voraus, daß der Herr Präſident geneigt ſein wird, ſeinen Ordnungsruf zurückzuziehen, ſobald ich die Richtigkeit meiner Aeußerung bewieſen haben werde.

Der Präſident erklärt, ihm eventuell das Wort zu entziehen.

Abg. Ritter v. Schönerer: Die getroffe - nen Ausnahmsverfügungen ſind zumeiſt gegen das Deutſchthum gerichtet. Im Suspenſionsgebiete kann in Zukunft gar keine Volks - und Vereinsverſammlung mehr ſtattfinden. Ich bin Obmann des deutſch-nationalen Vereines in Wien. Geſtern nun wurde der Obmann-Stell - vertreter dieſes Vereines zur Polizei vorgeladen und ihm dort eröffnet: es werde in Zukunft nicht mehr die einfache Anzeige einer Vereinsverſamm - lung genügen, ſondern es müſſe in einem ge - ſtempelten Geſuche um die Bewilligung unter Vorlage einer genau detaillirten Tagesordnung ergebenſt angeſucht werden. (Hört! Hört!) In dem Geſuche müſſen die Redner genau ihre Reden ſkizziren und die Vorträge müſſen in ihrem Wort - laute vorgelegt werden. Es wurden noch andere weitergehende Beſtimmungen in Ausſicht geſtellt, denen die Vereine ſich werden unterwerfen müſſen. (Hört!) Ich glaube alſo, jetzt die Richtigkeit meiner früheren Worte erwieſen zu haben. Sollte die Regierung dies nicht beabſichtigen, ſo hat der Herr Miniſter-Präſident Gelegenheit, mich ohne - weiters der Lüge zu zeihen. Daß unter ſolchen Umſtänden jede Ausübung des Vereins - und Ver - ſammlungsrechtes im Suspenſionsgebiete, alſo im deutſchen Kronlande, in Wien, auch während etwaiger Wahlbewegungen unmöglich gemacht wird, wird Jeder einſehen, der mindeſtens Einen geſunden Sinn noch hat. Ich bemerke nur, daß es ganz unglaub - lich erſcheinen muß, daß angeſichts ſolcher That - ſachen der Miniſter-Präſident die Stirne hat zu ſagen, daß er die Ausnahmsverfügungen nicht als politiſche Machtmittel gegen ſeine Gegner zu gebrauchen beabſichtigt. Schon aus dieſem Grunde ſehe ich mich veranlaßt, zu erklären, daß ich ſchon heute in erſter Leſung gegen dieſe Regierungs - vorlage, alſo auch gegen die Zuweiſung an einen Ausſchuß ſtimmen werde. Redner beſpricht die Lage der Arbeiter und fährt fort: Der Wahr - heit die Ehre gebend, ſage ich, daß ein Theil der bürgerlichen Geſellſchaft ſich ſchwerer Ver - ſündigungen gegen die arbeitende Claſſe ſchuldig gemacht hat. Die Unſicherheit der Exiſtenz und die Hoffnungsloſigkeit treiben die Arbeiter, Hand - werker und Bauern in die Arme der Social -Demokratie. Eine wirthſchaftliche Wohlfahrtsge - ſetzgebung iſt nothwendig, damit ein bleibender Erfolg erzielt werde. Die Regelung der Lohn - frage ſollte in erſter Linie in Angriff genommen werden und die Verſorgung des Arbeiters im Alter möglich gemacht werden. Ich werde daher am Schluſſe der heutigen Sitzung im Vereine mit dem Abgeordneten Fürnkranz einen Antrag ſtel - len, es möge im Budget des Jahres 1885 für die Errichtung von Verſorgungs-Rentenkaſſen für Arbeiter ein Betrag von 10 Millionen Gulden eingeſtelle werden; für weitere Zuſchüſſe ſolle die Finanzgeſetzgebung jährliche Vorſorge treffen.

Der Grundſatz: Kleine Diebe hängt man, große läßt man laufen, ſollte endlich vollſtändig ausgemerzt werden (Langanhaltende Heiterkeit.) Nach den Erfahrungen, welche ich in dieſem Hauſe gemacht habe, wundert es mich gar nicht, daß heute bei dieſen erregten, der Wahrheit ent - ſprechenden Ausführungen gelacht wird. Ich bin überhaupt der Meinung, daß Sie erſt dann ernſt geſtimmt ſein werden, wenn Ihnen die 10 Gulden Diäten durch ein Geſetz entzogen würden. (Stür - miſche Heiterkeit) Sache des Parlaments iſt es, den Arbeitern ein menſchenwürdiges Daſein zu verſchaffen.

Die Maßnahmen ber Regierung ſind gegen die Rechtloſen Arbeiter gerichtet. Angeſichts dieſes bemitleidenswerthen Geſichtspunktes iſt wohl die Variation des bekannten Sprichwortes auf dem Dache ſitzt ein Greis der ſich nicht zu helfen weiß , anzuwenden. Auf der Miniſterbank ſitzt ein Mann, der ſich nicht mehr helfen kann, der nichts anderes zur Befeſtigung ſeiner Stellung vorzu - bringen vermag, als Gewaltmaßregeln . Dieſe Politik von Fall zu Fall muß zum Zerfall führen In den letzten Tagen ſind viele Arbeiter ausgewieſen worden, die Freizügigkeit der Arbeiter iſt jetzt beſchränkt. Die Regierung weiſt jetzt manchem Arbeiter durch ihre Maßregeln die Stelle an, wo er wahrſcheinlich Hunger leiden muß. Wie ich höre, iſt das Elend mancher Familien - mitglieder von plötzlich ausgewieſenen, inhaftirten, oder durch Sperrung von Druckereien brodlos gewordenen Arbeitern ſehr groß. Ich werde des - halb im Vereine mit dem Abg. Fürnkranz den Antrag ſtellen, es möge den durch die Ausnahms - geſetze betroffenen Familien Unterſtützungen aus Staatsmitteln gewährt werden. (Beifall links.) Die Regierung verlange ſo weitgehende Vollma[ch]ten, wie man ſie keiner, am allerwenigſten dieſer Regie - rung bewilligen kann. Redner bedauert, daß ſeine durch zehn Jahren fortgeſetzten Anregungen zu - meiſt dem parlamentariſchen Papierkorbe zuge - wieſen worden und ſchließt mit der Frage: ob nicht angeſichts der erlaſſenen Ausnahmsverfü - gungen der Rücktritt des Geſammt-Miniſteriums und die Auflöſung des Abgeordnetenhauſes die beſte Maßregel gegen die Gefährdung der öffent - lichen Ordnung wäre.

Der Antrag Kopp, die Wahl des 24gliede - rigen Ausſchuſſes noch in der heutigen Sitzung vorzunehmen, wird mit allen gegen die Stimmen der Abg. Schönerer und Fürnkranz angenommen.

Der zweite Antrag Kopp’s, daß dieſer Aus - ſchuß nach acht Tagen ſein Referat dem Hauſe vorlege, wird abgelehnt. (Dagegen ſtimmte die Rechte und der Coronini-Club; für den Antrag Kopp ſtimmte die Linke und die jungtſchechiſchen Abgeordneten Gregr und Heller.)

Das Haus ſchreitet hierauf zur Wahl eines 24gliederigen Ausſchuſſes zur Berathung des Ausnahmsgeſetzes.

Der Abg. Dr. Kopp und Genoſſen richten eine Interpellation an das Geſammt-Miniſterium betreffend eine Aeußerung des Dr. v. Pražak.

Der Antrag des Abgeordneten Riter v. Schönerer und Abgeordneten Fürnkranz, betreffend die Errichtung von Verſorgungs-Rentencaſſen für Arbeiter wird nicht unterſtützt, hingegen wird der Antrag desſelben Abgeordneten, betreffend die Unterſtützung aus Staatsmitteln an durch die Ausnahmsgeſetze betroffene Familien, von der Linken unterſtützt.

Hierauf wurde die Sitzung geſchloſſen. Die nächſte Sitzung findet Freitag den 8. d. um 11 Uhr ſtatt.

Lokaſes und Provinzieſſes.

(An unſere Leſer!)

Die treffliche Rede unſeres Vertreters im Reichsrathe, des Abg. Dr. Auguſt Weeber in der Debatte über[5]die Sprachenverordnung, welche im Abgeordne - tenhauſe ſo großen Beifall fand, bisher jedoch nur bruchſtückweiſe bekannt wurde, werden wir Morgen ihrem vollen Wortlaute nach veröffent - lichen.

(Olmützer Creditbank.)

Die Direction der Olmützer Creditbank hat in einer geſtern ſtattgefundenen Sitzung beſchloſſen die 18 or - dentliche Generalverſammlung der Olmützer Cre - ditbank am Sonntag, den 17. Februar 1884 10 Uhr Vormittags im Cafino-Saale abzuhalten. Die Bilanz welche der Direction vorgelegt wurde, iſt eine durchgehends ſehr zufriedenſtellende und das Erträgniß ein ſehr günſtiges zu nennen. Dasſelbe ſetzt die Direction in die angenehme Lage bei der nächſten General-Verſammlung, nebſt reichlicher Dotirung der Reſervefonde eine 6%tige Dividende zur Auszahlung zu beantragen und überdieß von dem Ueberſchuße einen Betrag zur Gründung eines Penſionsfondes für die Beamten der Anſtalt widmen zu können. Weiters wurde beſchloſſen Herrn Joſ. Gerl, welcher auf ſeine Stelle als Directions-Mitglied reſignirte, für ſeine mehr als 15jährige Wirkſamkeit als Mit - glied der Aufnahmscommiſſion, Ausſchuß der Credittheilnehmer und Directionsmitglied ſchrift - lich den Dank der Direction auszudrücken.

(Sonntagsruhe beim k. k. Poſtamte Olmütz.)

Wir werden um Aufnahme der nach - ſtehenden Kundmachung erſucht: Vom näch - ſten Sonntage angefangen werden die Amtsſtun - den an Sonntagen beim k. k. Poſtamte Olmütz (Stadt) nachſtehend feſtgeſetzt: Aufgabe von Brief - und Fahrpoſtſendungen und Abgabe von Brief - und Fahrpoſtſendungen Vormittags von 8 10 Uhr, Nachmittags von 4 5 Uhr, Einzahlung von Poſtanweiſungen und Spareinlagen und Auszahlung von Poſtanweiſungen und Sparein - lagen Vorm. von 8 11 Uhr, Ausgabe der Zei - tungen Vorm. von 8 9 Uhr, und Nachm. von 4 5 Uhr. K. k. Poſtamt. Olmütz, den 6. Februar 1884. Der k. k. Oberpoſtverwalter Burda.

(Pfründenverleihung.)

Die Kuratie zu Mittelwald wurde dem Eckersdorfer Kooperator Herrn Franz Hedrich verliehen.

(Leichenbegängnitz.)

Geſtern Nachmittags 5 Uhr fand vom Gemeindehauſe aus, das Lei - chenbegängniß des verſtorbenen Präſidial-Burean - Dieners Philipp Wagner ſtatt. An demſelben betheiligte ſich der deutſche Veteranenverein in corpore mit Fahne und Muſik. Dem reich mit Kränzen geſchmückten Sarge folgten die Leidtra - genden, ferner Herr Bürgermeiſter v. Engel, mehrere Herren Gemeinderäthe und Stadt - verordnete, die ſtädt. Beamten und Diener, eine Deputation der Sicherheitswache etc. Wir werden um die Aufnahme der folgenden Dank - ſagung erſucht: Für die außerordentliche Theil -nahme an dem Leichenbegängniße meines verſtor - benen Gatten, Philipp Wagner, Präſidial - Bureau-Dieners der Stadtgemeinde Olmütz, erlaube ich mir den tiefſtgefühlten Dauk aus - zuſprechen: Dem hochverehrten Herrn Bürger - meiſter Joſef v Engel, dem löbl. Gemeinderathe und dem löbl. Stadtverordneten-Collegium, den Hru. ſtädt. Beamten, den Herren Vertretern des Lehrer - ſtandes, dem löbl. Veteranen-Verein, den Herren Dienern des k. k. Bezirks - und[ Kreisgerichtes], den Herren Collegen des Verſtorbenen, der löbl. ſtädt. Sicherheitswache, allen Freunden und Bekannten ſowie allen edlen Kranzſpendern. Hochachtungsvoll Anna Wagner.

(Do mkapitel und Ruſtikalbank.)

Wie ein Wiener commercielles Blatt meldet, dürfte auch unſer Domkapitel bei dem Zuſammenbruche der galiziſchen Ruſtikalbank einen bedeutenden Verluſt erleiden. Dasſelbe beſitzt nach dieſem Blatte Pfandbriefe dieſer Bank in der Höhe von einer Million Gulden.

(Vom Muſikvereine.)

Die Generalver - ſammlung unſeres Muſikvereines, welche am Sonntag den 10. d. M. hätte ſtattfinden ſollen, wurde mehrfacher Hinderniſſe halber auf Sonn - tag den 17. d. M. verſchoben.

(Vom Damen-Singvereine.)

Morgen, Donnerſtag, findet keine Singprobe ſtatt. Die nächſte Probe wird Montag 5 Uhr Nchm. abgehalten.

(Theatercoſtumeball.)

Herr Director Schönerſtädt will die Faſchingslaune und die Tanzluſt des hieſigen Publikums nicht unge - nützt vorübergehen laſſen und beabſichtigt einen Theatercoſtumeball im großen Style zu veranſtalten. Derſelbe ſoll am 20. d. M. im großen Redoutenſaale ſtattfinden.

(Studentenkränzchen.)

Die beſten Ingre - dienzien, die eine Tanzunterhaltung haben kann, Jugend, Schönheit und Frohſinn waren geſtern vereinigt, um das Kränzchen, welches die Stu - direnden des hieſigen deutſchen Gymnaſiums ver - anſtaltet hatten, ebenſo glänzend als belebt zu geſtalten. In dem hübſch decorirten Saale des deutſchen Caſinos war Alles verſammelt, was unſere Stadt an jugendlicher Schönheit bieten kann, und kurz nach 8 Uhr ſchon war der Saal dicht gefüllt von den Studirenden und ihren Freunden. Nebſt dem Director des Gymnaſiums, Herrn Dittrich und den Profeſſoren desſelben waren auf dem Kränzcheu erſchienen: Seine Excellenz der Feſtungscommandant FML. R. v. Fröhlich, der Diviſionär FML. v. Panz, Oberſt Schumbera, Geniedirector Oberſt - lieutenant von Tilzer und andere Stabs - offiziere, Bürgermeiſter von Engel, Kreis - gerichtspräſident Dr. Schwetz, Handelskam - merpräſident Moritz Primaveſi, zahlreiche Gemeinderäthe und Stadtverordnete. Daß bei der Fülle von weiblicher Schönheit und Anmuth, die dieſes Kränzchen aufwies, demTanze mit beſonderem Eifer und mit eine Hingebung, wie ſie nur der Jugend eigen iſt gehuldigt, wurde, iſt ſelbſtverſtändlich und wir können deshalb nur noch berichten, daß um 4 Uhr Morgens noch getanzt wurde. Das Kränz - chen gehört jedenfalls zu den ſchönſten Tanzunter - haltungen des heurigen Carnevals und das Comité verdient für das glückliche Arrangement desſelben vollſte Anerkennung.

(Vom Carneval)

Samſtag den 16. d. findet der Ball der hieſigen Artillerie-Unterofficiere im ſtädt. Redoutenſaale ſtatt. Der Anfang iſt auf halb 8 Uhr Abends feſtgeſtellt.

(Belauſchtes.)

Am Oberringe vor der Hoppe’ſchen Papierhandlung ſtanden heute zwei Bäuerinnen und betrachteten mit großer Aufmerkſamkeit die dort ausgeſtellte Fotografie eines jungen Mannes, wobei ſich fol - gendes Geſpräch entwickelte: Nein! So ein junger, hübſcher Menſch, fünf Mädeln hat er umgebracht! Jetzt ſind’s ſchon fünfzehne. Alle Tag kommt eine neue Anzeig bei der Wiener Polizei. Da war der Blaubart ja noch ein urndtlicher Menſch, der hat nur ſechs Frauen - zimmer am Gewiſſen ghabt. Schrecklich, ſchrecklich! Ich glaub, ich muß den Menſchen ſchon wo gſehn habn. Unſer Dienſtbot hat ein - mal ein Verhältniß mit einem jungen Mann ghabt, der hat grad ſo ausgeſchaut. Lebt ſie noch? Ja. Dann war ers nicht, denn da wär ſie ſchon in der Ewigkeit. Es iſt eigent - lich recht ſchad, daß ihn hängen werd’n, er iſt wirklich ein hübſcher Menſch. Kopfſchüttelnd entfernten ſich die Beiden. Würden ſie die Unterſchrift unter jener Fotografie geleſen haben oder hätten ſie dieſelbe leſen können, ſie wären wohl niemals auf die Vermuthung gekommen, ein Portrait des Mädchenmörders Hugo Schenk vor ſich zu haben; denn jene Unterſchrift lautet: Zich, Operettenſänger des Olmützer Stadttheaters. Moral: Unter den heutigen Verhältniſſen iſt es für einen jungen Mann höchſt riscant, ſeine Fotografie zu exponiren, will er nicht für Hugo Schenk gehalten werden.

(Theaternachrichten.)

Die Vertreterin des naiven Faches an unſerer Bühne, Frl. Sternen - thal wurde für das Wallner-Theater in Berlin engagirt. Herr Max Pategg wurde am Ham - burger Stadttheater reengagirt. Für das Sommertheater in Marienbad wurde Fräulein Bertha Hausner und Herr Braun und für das Theater in Zürich Herr Haſchkowetz engagirt.

(Verhaftung eines Hochſtaplers.)

Heute Vormittags wurde durch den Polizei-Oberinſpi - cienten Jantſchik ein Hochſtapler verhaftet, der unter dem Namen eines Grafen Wagenſterg hier längere Zeit ſein Unweſen trieb. Graf Wagenſterg, rocte Süß iſt der Sohn eines Militärverpflegsbeamten, beſuchte vor mehreren Jahren die Kadettenſchule und diente ſchließlich

Am eine Fürſtenkrone.

(17.)

Ich ſehe zwei Fiſcherkähne, die ſich begeg - nen, nickte ſie, die Hand über die Augen hal - tend, um ſchärfer ſehen zu können bei dem blen - denden Sonnenlichte. In dem einen ſitzt der wunderliche Doctor Und der andere Kahn? Hällt auf die Hallig zu, es ſitzen drei Perſonen darin mit dem Schif - fer Es wird der Fürſt ſein, nickte Leonard, warten wir noch ein wenig, Gertrud! Iſt die Tante ängſtlich?

Nein, der Kranke war ganz ruhig und ohne Fieber, ſie gab ihm zu trinken, meinte aber doch, daß ich Sie aufſuchen ſollte, Herr Doctor!

Leonard blickte ſie verwundert an. Geſtern nannteſt Du mich weder Herr Doc - tor noch Sie, Gertrud!

Die Tante ſagte mir, daß es ſo ſchicklicher ſei, verſetzte ſie die Augen ſenkend.

Bah, mir gegenüber brauchſt Du das nicht mein Kind. Anders iſt es zum Beiſpiel mit dem Fürſten oder jenem Doctor.

Ja, der Fürſt, das iſt wohl ein ſehr vor - nehmer Herr, meinte Gertrud nachdenklich, wie muß ich denn ihn nennen?

Man nennt ihn für gewöhnlich Durch - laucht!

Wie ſonderbar, verſetzte das Kind kopf - ſchüttelnd, Durchlaucht! Dabei kann man ſich doch eigentlich nichts vorſtellen. Majeſtät, wie man einen König oder Kaiſer heißt, iſt doch ganz anders, das klingt ſo erhaben, ſo überir - diſch.

Haſt recht, Gertrud! lächelte Leonard, aber die Durchlaucht klingt auch gut und for - dert gewaltigen Reſpect. Willſt Du nicht lie - ber zur Tante heimkehren und ihr ſagen, daß ich gleich komme? Er legte ihr die Hand auf den von blonden Flechten umrahmten Kopf und ſah ſie mit einem ſo ſonderbar bewegten Blick an, daß Gertrud ſich erröthend abwandte und eilig fortſchlüpfte, ohne ſich nur ein einziges Mal umzuſchauen.

Der Geheimrath blickte ihr lange nach und wandte ſich dann mechaniſch dem Meere zu. O, Schickſal o, Nemiſis! murmelte er mit einem tiefen Seufzer, der qualvoll ſeiner Bruſt ſich entrang.

Der Kahn war jetzt ſchon ſo nahe heran - gekommen, daß Leonard den Fürſten begrüßen konnte. Nach wenigen Augenblicken ſtieß er an’s Ufer und der Geheimrath ſtreckte dem Fürſten beide Hände entgegen, um ihm beim Ausſteigen behülflich zu ſein.

Finſter wandte dieſer ſich an ſeinen Kam - merdiener und befahl kurz, ihm ſeinen Arm zu leihen. Der Arzt trat ruhig, ohne eine Miene zu verziehen zurück.

Geſtatten Durchlaucht, daß ich vorangehe als Führer, nahm er jetzt, als Fürſt Reichen -ſtein den Strand betreten, das Wort. Der Fürſt nickte finſter und ſchritt, von dem Kammer - diener gefolgt, in einiger Entfernung von ſeinem Leibarzt, dieſem in auffälligſter Weiſe ſeine Ungnade bezeugend.

Hier iſt das Pfarrhaus, wo der Prinz die liebreichſte Aufnahme gefunden, wandte ſich Leonard wieder zu dem Fürſten, haben Durch - laucht die Güte, einzutreten.

Ohne jetzt weitere Notiz von ihm zu neh - men, trat der Arzt an das Bett des Kranken, um ſich von ſeinem Zuſtande zu überzeugen. Mamſell Tinchen flüſterte ihm einige Worte zu. Er ſchlummert ſchon wieder? fragte Leo - nard erſtaunt, ſo iſt er noch immer nicht zum Bewußtſein gekommen?

Geſprochen hat er nicht, doch war ſein Blick frei und verſtändnißvoll, derſelbe dankte mir ſogar für die Erquickung, welche ich ihm reichte.

Der Geheimrath beugte ſich zu dem Kranken nieder und horchte auf die ruhigen Athemzüge des - ſelben. Dann nickte er befriedigt. Er war ganz fieberfrei? flüſterte er. Vollſtändig, ich glanbe, daß die Gefahr vorüber iſt.

Der Geheimrath unterſuchte mit leiſer Hand den Puls und legte die Linke leicht auf die Stirn des Schlummernden. Dann nickte er befriedigt.

Ich werde jetzt Ihren Platz einnehmen, Fäulein Hallmann , flüſterte er, Sie bedürfen der Etholung.

(Fortſetzung folgt.)

[6]

im Inſt. -Regt. Nr. 8. Der angebliche Graf Wagenſterg kontrahirte hierorts mehrere Hotel - Schulden und pumpte auch mehrere hieſige Adelige an. Süß der häufig das hieſige Theater beſuchte, war bereits eine bekannte Perſönlichkeit. Man wird ſich eines kleinen ſchwächlichen Männchens erinnern, das auffallend hinkte, ſtets ein ſchwarz - gelbes Bändchen im Knopfloch trug und mit einem langen grauen Sommer-Ueberzieher be - kleidet war. Dieſer Fremde war der angebliche Graf Wagenſterg. Derſelbe wird noch heute dem Straf - gerichte eingeliefert werden.

(Benefice-Vorſtellung.)

Zum Benefice des Characterdarſtellers, Herrn Lehmann, geht heute Shakeſpeares Drama: Der Kaufmann von Venedig in Scene Die Wahl dieſes Werkes iſt eine ſehr gute und dürfte der Bene - ficiant, der unſerem Publikum ſchon manche treff - liche Leiſtung bot und ſich großer Beliebtheit erfreut, heute ein volles Haus erzielen. Herr Lehmann ſpielt den Shylok.

(Olmützer Wochenmarkt vom 6. Februar.)

Der heutige Wochenmarkt, ſo ſchwach er auch be - fahren war, bot dennoch ein klares Bild des jetzigen Geſchäftsganges, welcher wie ſelten in der Winterszeit, heuer ganz matt und luſtlos iſt. So hielten ſich heute ſowohl Brauer wie Malzfabrikanten, deren Geſchäfte der bisher ungelöſten Eisfrage gegenüberſtehen, ganz reſervirt und ſind es auch dem Gerſteneinkaufe vis a vis, weßhalb am heutigen Wochenmarkte dieſer Ar - tikel vollſtändig unbeachtet blieb. Die 2 3 Käufer, die am Platze auftraten, benützten die totale Flauheit, zu ſtark gedrückten Preiſen ein - zukaufen. Das Geſchäft, das ſich ohnehin nur auf die Deckuug des heimiſchen Bedarfes be - ſchränkte, liegt demnach im Argen, wenn nicht bald ein günſtiger Witterungsumſchlag eintritt. Auch im Weizen iſt die Stimmung nicht beſſer. Freilich ſind die geringeren Mengen, die jetzt am Markte ausgeboten ſind, nicht ausſchlag - gebend. Roggen iſt gefragt, doch gleichfalls mäßig vertreten.

(Ernennungen.)

Die Wiener Zeitung meldet: Der Superintendent-Stellvertreter und evangeliſche Pfarrer helvetiſcher Confeſſion in Rovecin, Benjamin Fleiſcher wurde zum Mit - glied des mähriſchen Landes-Schulrathes, der Re - gierungs-Secretär Ed. v. Roſenberg zum Bezirks - hauptmann und der Bezirks-Commiſſär Othmar Herzig zum Regierungs-Secretär in Schlefien ernannt.

(Schwere Erkrankung.)

Der Landtags - Abgeordnete Adolph v. Ripka-Rechthofen liegt im Sterben.

(Arbeiter-Strike.)

Wiener Blätter melden: Sämmtliche Arbeiter der Seidenzeug-Fabrik Schmieda und Compagnie in Mähriſch-Schön - berg ſtriken und verlangen Lohnerhöhung. Da der Fabriksbeſitzer bedeutende Lieferungen abge - ſchloſſen hat, wird mit den Arbeitern unterhandelt, jedoch bisher vergebens.

(Deutſcher Schulverein.)

Die nächſte Haupt - verſammlung des deutſchen Schulvereines findet zu Pfingſten in Graz ſtatt.

(Speiſezettel der Volksküche.)

Morgen Donnerſtag. Erbſenſuppe, Selchfleiſch, Kraut, Knödel.

Vom Tage.

(Das Leichenbegängniß der Gallmeyer.)

Sang - und klanglos, wie ſie es gewünſcht, wurde geſtern in Wien Joſephine Gallmeyer zu Grabe getragen. Eine unabſehbare Menſchenmenge um - ſtand vor dem Trauerhauſe den einfachen, zwei - ſpännigen Leichenwagen, an deſſen Ecken vier Kerzen, in Lampen mit mattem Glaſe, ein düſteres Licht gaben. Vor und hinter dem Leichenwagen wurden auf je einem Blumen - wagen die zahlreichen Kränze gelegt, welche von Nah und Fern Freunde und Verehrer der Ver - blichenen geſendet hatten. Die Kirche zu St. - Johann Nepomuk, wo die Einſegnung ſtattfand war lange vor zwei Uhr für welche Zeit das Leichenbegängniß anberaumt war im wahren Sinne des Wortes überfüllt.

Um 2 Uhr wurde der ſchmuckloſe Holzſarg mit den Ueberreſten der todten Pepi gehoben und die ſchmale Stiege hinabgetragen. Als der Leichenzug auf die Straße trat, bot ſich ein impo - ſantes Bild. Dichtgedrängt ſtanden die Theil - nehmer an der Trauerfeier in ſechsfachen Reihen vor dem Hauſe. Auf den Stufen, die zurJohanneskirche führen, war kein Plätzchen frei und die Fenſter und Balcons der benachbarten Häuſer waren gleichfalls ſtark beſetzt.

Mit Mühe und Noth wurde der Leichen - wagen quer über die Straße, bis vor die Kirche gebracht, in welcher die Einſegnung ſtattfinden ſollte. Bis auf das letzte Plätzchen war das weite, große Gotteshaus gefüllt, und als der Sarg in die Kirche getragen wurde und die Freunde der Verſtarbenen nachdrängten, ent - wickelte ſich in dem Hauſe ein geradezu lebens - gefährliches Gedränge .... Die eigentlichen Trauergäſte ſtanden draußen auf den Steinflieſen, einigen wenigen war es geglückt, hineinzukommen, das Gros der Kirchenbeſucher bildeten die Wiener.

Vom Hofſtaate des Erzherzogs Wilhelm war der Kammervorſteher Feldmarſchall-Lieutenant Koblitz v. Willenburg erſchienen. Anweſend waren ferner die Schriftſteller Anzengruber und der Präſident des Schriftſteller-Vereines Concordia Regierungsrath v. Weilen, der Director des Burgtheaters Ad. Wilbrandt, Hofopern-Director Jahn, die Directoren Bukowics Coſta und Steiner, Graf Lamezan, Herrn v. Dumba, die Damen Schläger, Chriſten, Bredow, Groß, die Herren Girardi, Schweighofer, Blaſel, Guttmannn, Joſeffy, Bank ꝛc.

Wenige Minuten nach 2 Uhr war die kirchliche Feier vorüber. Der Zug ſetzte ſich langſam in Bewegung. An der jetzt verödeten Stätte ihres Ruhmes an dem Carltheater vorüber, wurde die todte Pepi ge - führt. Eine lange wallende Trauerfahne grüßte vom Balcon des Hauſes herab die todte Träge - rin der glanzvollen Vergangenheit des Carl - theaters. In dem hellen klaren Sonnenſchein nahm ſich das Haus mit dem ſchmutzig ge - wordenen Anſtrich doppelt einſam aus. Der ſtumme Gruß, den der ſchwarze Flor herüber - ſandte zu dem Sarge der feſchen Pepi, er war auch eine Art ſtummer Trauerbotſchaft für das einſame Haus ſelbſt. Die genialſte Soubrette die auf ſeinen Brettern gewirkt, todt, ſein großer Matras wahnſinnig, das glänzende Enſemble auseinandergeſtoben. Verdorben geſtorben . Auf allen Wegen, die zum Friedhofe führten, ſtanden hunderte Menſchen, welche den Leichenzug erwarteten. Den Leichenzug eröffneten zwei be - rittene Sicherheitswachmänner, dann folgte ein Wagen mit Kränzen, hierauf der einfache zwei - ſpännige Leichenwagen, hinter demſelben wieder ein Wagen mit Kränzen und dann eine unab - ſehbare Reihe von Equipagen und Fiakern mit den Trauergäſteu.

Das Grab der Gallmeyer befindet ſich links von der Capelle des Friedhofes; ein Weg, welcher längs der Einfriedungsmauer des Friedhofes läuft, führt dahin. Man geht einige Schritte längs dieſer Mauer, biegt dann rechts nach dem erſten offenen Platz ein und befindet ſich an einem aufgeworfenen Grabe. Unter demſelben ein Grab - ſtein aus politirten Granit, umringt von Epheu und anderen Gewächs. Auf dem Stein lieſt man die Worte: Chriſtian Gallmeyer, geb. 19. März 1814 geſt. 25. Februar 1867. Das iſt das Grab des Vaters der Gallmeyer und zugleich der Ort, an welchem auch ſie zur letzten Ruhe gebettet wird. Wer ſeitwärts tritt, der ſieht den Sarg des Chriſtian Gallmeyer. Irgend ein Unberufener hat am Sockel dieſes Grabſteines eine mit einem Veilchenkranz umgebene Marmor - tafel niedergelegt, auf welcher in Goldbuchſtabeu die Worte ſtehen: Du haſt die Blumen auf dem Grabe verſchmäht deine Lieblings - blume aber eilt Dir voraus. Die Freunde der Verſtorbenen ordneten ſofort an, daß dieſe Tafel entfernt werde, da es dem ausdrücklichen letzten Wunſche der Gallmeyer widerſpricht, ihr Grab mit Blumen zu ſchmücken. Um den Hügel, den die ans dem Grabe gehobene Erde bildet, waren mehrere Repräſentantinnen der Wiener Bühnen - welt verſammelt.

Eine alte Freundin der Gallmeyer war auch hiehergeeilt: Anna Grobecker. Da ſtand ſie wei - nend und gedachte wohl früherer Triumphe und fröhlicherer Zeiten ...

Die Freunde der Verſtorbenen, die letzten, die ihr auch im Tode nahegeſtanden, umringen im Halbkreis das offene Grab, in welches jetzt unter dem Läuten der Friedhofglocke der braune Holzſarg geſenkt wurde. Es iſt ¾4 Uhr Nach - mittags; die Sonne ſendet ihre goldigſten Strahlen hinunter auf das Grab JoſephineGallmeyer’s, als wollte ſie noch einmal ihren Glanz über ſie ausbreiten. Dann kollern die Erdſchollen hinab; kein Wort wird laut, nur das Schluchzen der Damen hört man und das Wehklagen der treuen Liſi, der Kammerfrau der Verſtorbenen, die ſich mühſam an das Grab vor - drängt und einige Schollen Erde hinabwirft. Zwei Männer im blauen Arbeitsrocke werfen nun den Grabhügel auf. Alles ſteht entblößten Haup - tes da während dieſer Arbeit, die etwa eine halbe Stunde währt. Kurz vor 4 Uhr iſt Alles zu Ende. Man legt die Kränze auf den Grabhügel und die Menſchen entfernen ſich. Nun ruht Jo - ſephine Gallmeyer in kühler Erde.

(Ein billiges Heilmittel.)

Magenleidenden empfiehlt ſich der Gebrauch der echten Moll’s Seidlitzpulver , die bei geringen Koſten die nach - haltigſten Heilreſultate nach ſich ziehen. Schachtel mit Gebrauchs-Anweiſung 1 fl. ö. W. Täglicher Verſandt per Poſtnachnahme durch A. Moll, Apotheker, k. k. Hoflieferant, Wien, Tuchlauben 9. In den Apotheken der Provinz verlange man ausdrücklich Moll’s Präparat mit deſſen Schutz - marke und Unterſchrift.

(Ermordung eines Polizei-Agenten.)

Wie die Dresdener Nachrichten melden, erin - nerte ſich, durch eine in dieſem Blatte enthaltene genaue Perſonsbeſchreibung aufmerkſam geworden, der Amts-Copiſt Rößler in Dresden, das er als Soldat mit einem Manne gedient hatte, der ſo wie der Florisdorfer Verbrecher zwei Warzen an der linken Wange hatte. Rößler verfügte ſich ſofort auf die Polizei und ließ ſich in der Criminal - Abtheilung das Porträt des Verbrechers vorlegen, wobei er ſofort die Ueberzeugung gewann, daß er hier den ehemaligen Corporal Stellmacher vor ſich habe, welcher mit ihm in den Jahren 1865 / 76 im ſächſiſchen 2. Grenadier-Regiment Nr. 101 gedient hatte. Die weitere Erörterungen ergaben, daß dieſer Stellmacher aus Grottau in Schleſien gebürtig, das Schuhmacherhandwerk erlernt und dann bei einem preußiſch-ſchleſiſchen Regiment in Militärdienſt trat, aus welchem Regimente er ſpäter in das 12. ſächſiſche Armeecorps übertrat und zum Unterofficier avancirte. Sehr bald darauf ward er nach der Schweiz fahnenenflüchtig, weß - halb er ſteckbrieflich verfolgt wurde. Die Dresdener Criminal-Abtheilung fahndete nach den Rößler’ſchen Mittheilungen nun ſofort bei dem genannten Regiment nach weiteren Kameraden Stellmacher’s aus jenen Dienſtjahren und ermittelte deren auch eine anſehnliche Zahl, welche ſämmtlich die Ge - ſichtszüge des Corporals Stellmacher mit den ominöſen zwei Warzen auf dem von der Criminal - Polizei vorgelegten Porträt erkannten. Selbſtver - ſtändlich hat die Dresdener Behörde ſich ſofort mit der Wiener ins Einvernehmen geſetzt und werden wahrſcheinlich die ſämmtichen dortigen Recognoscirungszeugen nach Wien befördert wer - den, um dem Verbrecher auch perſönlich gegen - übergeſtellt zu werden. Bei der Wiener Staats - anwaltſchaft iſt hievon allerdings wie ver - lautet bisher noch nichts bekannt. Es bleibt alſo die Beſtätigung dieſer Nachricht abzuwarten.

(In der Menagerie.)

In London ſind mehrere Prieſter aus Siam angekommen, um dem weißen Elephanten ihre Huldigung darzubringen. Das Thier ſchien ſeine Landsleute zu erkennen, und äußerte ſeine Freude über das Wiederſehen, indem es ſeinen Rüſſel in den Waſſerbehältr tauchte und die ihn Anbetenden mit einer rieſigen Douche überraſchte.

Kein Zweifel mehr!

Wer bisher noch Zweifel gehabt, daß die Apotheker R. Brandt’s Schweizerpillen ein ſicheres, raſches und angenehmes Haus - und Heilmittel bei Krankheiten des Magens, der Därme und des Blutes ſind, der leſe die Urtheile, welche die erſten Männer der mediciniſchen Wiſſenſchaft über dieſe Pillen abgegeben. Erhältlich á Schachtel 70 Kreuzer in den bekannten Apotheken. In Olmütz bei Hern Dr. Schrötter Apoth.

Königl. ſtädt. Theater in Olmütz.

Direction Emil Schönerſtädt. 28. Vorſtell. Abonn. susp. Gerader Tag. Mittwoch, den 6. Februar 1884. Zum Benefice des Schauſpielers Herrn Carl Lehmann. Der Kaufmann von Benedig. Schauſpiel in 5 Aufzügen von Shakeſpeare.

[7]
〈…〉〈…〉
[8]
〈…〉〈…〉

Herausgeber und verawortlicher Redakteur Wilhelm SeethalerDruck von Joſef Grak in Olmütz.

About this transcription

TextNr. 30, 06.02.1884.
Author[unknown]
Extent8 images; 10038 tokens; 3673 types; 74655 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationNr. 30, 06.02.1884. . Jakob RiemerCzernowitz1884. Mährisches Tagblatt

Identification

IDS Mannheim

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:23:38Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.

Holding LibraryIDS Mannheim
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.