„ Mähriſche Tagblatt “mit der illuſtr. Wochenbeilag „ Illuſtrirt. Sonntagsblatt “erſcheint mit Ausnahme der Sonn - und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken.
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Wahre Schreckensnachrichten, welche das In - tereſſe an der bulgariſchen Frage, der iriſchen Reform und der Miniſtercriſis in London für den Moment in den Hintergrund drängen, ſind geſtern aus Belgien eingetroffen; die Arbeiter-Un - ruhen breiten ſich immer weiter aus und die Anar - chiſten, die unverſöhnlichen Feinde alles Beſtehen - den, ſind es, welche die Ereigniſſe leiten, deren Mittelpunct jetzt Charleroi geworden iſt. Die Umſtürzler ſchwingen die Brandfackel und di - rigiren das Zerſtörungswerk mit ſteigender Wuth. Die genannte Stadt ſcheint ſich in der größten Gefahr befunden zu haben, da endlich der Mi - niſterrath in Brüſſel beſchloß, den geängſtigten Einwohnern von Charleroi Truppen zu Hilfe zu ſchicken. Urſprünglich ſollte die Garniſon der Re - ſidenz nicht geſchwächt werden, allein angeſichts der Cataſtrophe, von welcher Charleroi bedroht war, mußte man ſchleunigſt für Hilfe ſorgen. In - zwiſchen häufen die fanatiſchen Rotten, welche der Sache der ehrlichen Arbeiter ſchweren Schaden zufügen, Greuel auf Greuel; nach den Meldnn - gen der eingetroffenen officiellen Depeſchen wur - den in der Umgegend von Charleroi fünf Schlöſſer und acht große Glasfa - briken niedergebrannt, nachdem ſie vor - her geplündert worden waren; da wird alſo ein Krieg gegen das Eigenthum geführt, und daß in dieſem Kriege die Vertheidiger keine Schonung gegen die Angreifer mehr üben, iſt das nächſteblutige Reſultat der ſchauerlichen Vorgänge, bei denen der Anarchimus zeigt, weſſen er fähig iſt.
Heute und geſtern ſind uns über die Unruhen in Belgien folgende Origl. -Telramme zugekommen:
Die Zugänge zum Rathhauſe ſind abgeſperrt. Chaſſeurs a cheval beobachten an den Höhen von Montiguy aus die Bewegungen der Strikenden. Bei Mambourg ſtehen Chaſſeurs und Eclaireurs. Die Brücken, der Dammübergang und der Bahnhof werden von Truppen überwacht. Zahlreiche Verhaſtungen ſind erfolgt. Die Bevölkerung bleibt in den Woh - nungen. Abends verſuchten Strikende die Mauer eines Hüttenwerkes zu überſteigen. Die Truppen gaben Feuer, worauf die Strikenden zurückgingen, indem ſie die Drohung ausſtießen, in größerer Zahl wiederzukommen.
In Folge der An - weſenheit der Truppen iſt die Lage beruhigter. General Vandersmiſſen erließ eine Proclamation, in welcher er für den Fall erneuter Unruhen ſtrenges Einſchreiten ankündigt.
Vormittags. Die Nacht iſt hier verhältnißmäßig ruhig verlaufen. Die Truppen beſetzten die Anhöhen, die Bürger - garde die Brücken. Die Strikenden, die ſich geſtern innerhalb der Stadt befanden, werden nicht hinausgelaſſen. Es finden zahlreiche Verhaftungen ſtatt. Auch von auswärts werden zahlreiche Ge - fangene eingeliefert. In der Nacht wurde in der Richtung von Chatelet, Farciennes und Frame - ries Gewehrfeuer gehört. Gegen Mitternacht wurde von Louviere Hilfe angerufen, wo Hütten und Kohlenwerke geplündert wurden, in Folge deſſen wurden 500 Mann Truppen dahin abge -ſendet. General Vandersmiſſen läßt die Truppen concentriſche Bewegungen ausführen, um die Strikenden in den verſchiedenen Gemeinden des Kohlenreviers von Charleroi einzuſchließen. In Roux, Farciennes und Chatelineau fanden erneute Zuſammenſtöße ſtatt, wobei mehrere Perſonen getödtet und verwundet wurden. Neue Truppen - verſtärkungen paſſiren Charleroi und werden nach Mons und Louviere dirigirt.
Präſident Dr. Smolka eröffnet die Sitzung um 10 Uhr 15 Minuten.
Auf der Miniſterbank: Graf Taaffe, Ziemialkowski, Pražak, Pußwald.
Im Einlaufe befinden ſich zwei Petitionen aus dem Gablonzer Bezirke gegen das Land - ſturmgeſetz. Auf Antrag des Abgeordneten Bendel welcher hervorhebt, daß die Petitionen zahlreiche Unterſchriften aufweiſen, trotzdem die Verſamm - lungen verboten wurden, in denen über dieſe Petitionen berathen werden ſollte, werden die - ſelben dem ſtenographiſchen Protocolle beigelegt.
Abg. Strache (zu einer thatſächlichen Berichtigung) erklärt, zwei Aeußerungen in der geſtrigen Rede des Miniſter-Präſidenten richtig - ſtellen zu müſſen. Derſelbe habe ihm (Redner) eine Aeußerung zugeſchoben, welche ein Bedauern über die Anſtellung ſo vieler Cavaliere enthält.
In den nachfolgenden Zeilen wollen wir eine kurze Biographie und Characteriſtik eines vor einiger Zeit verſtorbenen Geiſtlichen geben, der ein Olmützer war und den Anſpruch auf die Bezeichnung „ Original “erwarb. Der Zufall ſetzte uns in den Beſitz eines Stoßes Maculatur, welche, halb verbrannt und zerriſſen, dennoch ge - nügendes Material zur Abfaſſung dieſer Studie bot. Da aber möglicherweiſe noch Verwandte des Verſtorbenen leben, ſo wollen wir, um nicht der Außerachtlaſſung des de mortuis nil nisi bene geziehen zu werden, ihn bloß mit Pater Franz J. und die Orts - ſowie ſonſtigen Namen mit Buch - ſtaben oder Punkten bezeichnen.
Pater Franz war um das Jahr 1810 ge - boren, abſolvirte ſeine Gymnaſialſtudien in Ol - mütz und trat 1837 ebendaſelbſt in das Alumnat ein. Da das fürſterzbiſchl. Seminacgebäude zum hl. Michael noch nicht ſoweit hergeſtellt war, um alle Theologen aufnehmen zu können, ſo wurde durch den damaligen Erzbiſchof Maximilian Joſef Freiherrn v. Somerau-Beckh eine Seminariums - Filiale begründet; zu den hier untergebrachten Externiſten gehörte auch Franz J.
Mit großer Accurateſſe verzeichnete er die Vorſchriften, welche ſie einzuhalten hatten; ausdenſelben iſt hervorzuheben, daß dieſe Externiſten ein Handſtipendium pr. 80 fl. C. M. für das Jahr bekamen und daß ihnen geſtattet war, von 11 — 12 Uhr Vorm. ſowie von 6 — 7 Uhr Abends Privat - unterricht zu ertheilen; nicht unintereſſant iſt auch folgender Paſſus: „ § 15. Da das Tabakrauchen für Candidaten des geiſtlichen Standes und ihren künftigen Beruf ebenſo unanſtändig, als auch insgemein der Geſundheit ſchädlich iſt, ſo wird, wer dieſer ungebührlichen Gewohnheit nicht entſagen will, unausbleiblich aus dem Hauſe und zugleich aus der Diöceſe entlaſſen. “
Wenn ſich auch annehmen läßt, daß unſer junger Theologe mit Frömmigkeit und Pflichtge - fühl ſeine Obliegenheiten erfüllte, ſo ſcheint ihm doch eine Fülle von Lebensfreudigkeit innegewohnt zu haben; wir finden nämlich, angeſchloſſen an die weitläufigen Alumnatsvorſchriften, ſowie die Tagesordnung voll Beten, Betrachtung und Schweigen auch Aufzeichnungen von verſchiedenen Gedichten, ſo z. B. eines unter dem Titel „ Das Lied vor der Ehe, “deſſen Anfang lautet: „ Jüng - ling, willſt du dich verbinden — O ſo frag’ zuvor dein Herz — Ler’n der Liebe Werth empfin - den — Mann zu ſein iſt mehr als Scherz. — Holdes Lächeln, ſüßes Küſſen — Iſt noch keine Zärtlichkeit — Der muß mehr von Liebe wiſſen, — Der ſich einer Gattin weiht; “und ſpäter kommt die Strophe: „ Drück’ das Mädchen, das du liebſt — An dein Herz und koſe — Weh dir aber, wenn du brichſt — Ihrer Unſchuld Roſe. — Spiel ein Spielchen, weil das Spiel — Zei[t]vertreib gewähret — Spiele aber nicht zuviel — Was den Beutel leeret. “ Man ſieht, Franz verſtand ſich, wenn auch theoretiſch, auf die Liebe, war aber ſicher der Mann, der das rechte Maß ſchätzte; der Schluß dieſes langen Poems lautet nämlich: „ Liebe, tanze, trink’ und ſpiel’ — Jede Luſt iſt göttlich: — Treib es aber nicht zu viel — Das Zuviel iſt ſchädlich. “— Den Geſang liebte er ohne Zweifel auch, denn er notirte ſich Julius Moſens „ Zu Warſchau ſchwuren “, — Wie ich bin verwichen — Zu mein Dirndl geſchlichen “— „ Im Wald und auf der Haide “, — woran ſich unmittelbar ein weitläu - figer Beichtſpiegel ſchließt.
Nebſt Anecdoten, wie jene bekannte, wo einer „ Pech und Schwefel “nicht ausſprechen kann und Studentenliedern finden ſich Gebete, ſowie eine Rede, welche bei einem Namensfeſte Herr Adam Suchanek an den Director Ritter von Unkrechts - berg hielt.
Unſer Candidat hatte nunmehr ſeine Studien hinter ſich und kam 1840 als Cooperator nach Stř. Mit jener Genauigkeit, die wir ſchon her - vorgehoben und die ihn in ſeinem Leben nicht verlaſſen hat, führt er auch hier ſeine Aufzeich - nungen; freilich ſind dieſelben, ebenſo wie ſein Leben in dem kleinen Orte, der weit von jedem Verkehre lag, höchſt eintönig; ſo erfahren wir, wie es am 21. November 1840 mit ſeiner Gar - derobe beſtellt war; nebſt der Kleidung, die er trug, beſaß er damals: Ein Primizkleid, welches aus einem ſchwarzen Frack, ditto Beinkleidern und ditto Weſte beſtand; einen neuen kirſchfar - bigen Rock, eine ſchwarze Weſte von ſchwerem
[2]Redner erklärt, daß nicht er darüber Beſchwerde geführt hat, ſondern ein regierungsfreundlicher Abgeordneter der Rechten. Weiter erklärt Redner, daß er nicht von der Förderung des tſchechiſchen Schulvereines in Nordböhmen durch die Regie - rung, ſondern von jenem des tſchechiſchen National - vereins geſprochen habe. Wenn das nicht eine Entſtellung iſt, ſagt Redner, ſo iſt es eine Ver - dächtigung, aus welcher hervorgeht, daß der Herr Miniſter-Präſident über die Verhältniſſe in Böhmen ſchlecht orientirt iſt und daher nicht in der Lage ſein kann, dem Statthalter Weiſungen zu ertheilen, ſondern ſolche von ihm empfängt. (Beifall links)
Der Präſident ermahnt die Redner, nicht auf die Generaldebatte über das Budget zurückzu - greifen, weil er ſonſt den Betreffenden das Wort entziehen würde.
Es folgt die Fortſetzung der Debatte über den Voranſchlag des Miniſteriums des Innern. Zur Verhandlung gelangt zunächſt der Titel: „ Auslagen der Staatspolizei “, 120.000 fl.
Abg. Fiegl erzählt, daß eine von ihm für den 16. Mai 1885 in Baden einberufene Ver - ſammlung der Reichsrathswähler verboten wurde, trotzdem damals die Wahlen ausgeſchrieben waren, daher das Verbot der Verſammlung geſetzwidrig war. Ein Recurs an den Statthalter blieb un - beantwortet. Das iſt der berühmte öſterreichiſche Inſtanzenzug, auf welchen ſich der Miniſterpräſi - dent immer beruft, ſagt Redner. Derſelbe theilt ferner mit, daß für Wanderverſammlungen, welche der Deutſchnationale Verein nach Bruck an der Leitha einberufen hatte, von der dortigen Bezirks - hauptmannſchaft auf Grund der Ausnahmsgeſetze die Vorlage des Programms verlangt wurde, trotzdem Graf Taaffe die beſtimmte Verſicherung abgegeben hatte, daß das Ausnahmsgeſetz nicht zu politiſchen Zwecken mißbraucht werden wird. Die betreffenden Beamten kennen entweder nicht das Geſetz oder ſie haben ſich eines Amtsmiß - brauches ſchuldig gemacht und ſie handeln, was das Schlimmſte wäre, im höheren Auftrage. Redner ſchließt mit den Worten: „ Es gibt nichts Schlimmeres für den Patriotismus, als dieſe Anarchie von oben. “
Abg. Kronawetter: Einer großen Maſſe des Volkes ſind jetzt alle bürgerlichen Rechte, die Rechte der Vertretung, der Preſſe, das Ver - eins - und Verſammlungsrecht, das Recht der Frei - zügigkeit geſchmälert, ja ganz benommen. Das iſt die große Maſſe der Arbeiter in Oeſterreich. Redner führt aus, daß die freiheitlichen Rechte wiederholt verſprochen, wiederholt ſiſtirt und nie - mals vollſtändig gewährt wurden. Unſere Ge - ſetzgebung enthalte leider Ermächtigung für die Regierung, die Grundrechte auch gegen den Wil - len des Parlaments zu ſuspendiren. Inzwiſchen iſt die ſociale Frage emporgewachſen, die Gegen - ſätze gegen den Capitalismus ſind auch bei uns in Folge des Mancheſterthums, das nur die In -dividualität anerkennt, zum Vorſchein gekommen. So oft die Unterdrückten zum Bewußtſein kom - men, daß ihnen ihre natürlichen Rechte entzogen werden, drängen ſie dahin, die Geſellſchaftsord - nung zu ihren Gunſten zu ändern. Damit treten die Unterdrückten in einen offenen Gegenſatz zur beſtehenden Geſellſchaftsordnung. Dieſer Gegenſatz läßt ſich auf die Dauer durch die Macht nicht niederhalten und darum ſind alle Ausnahmsver - ordnungen ein Fehler. So lange die Socialiſten die Ehre, das Vermögen und die körperliche In - tegrität ihrer Mitglieder nicht antaſten, muß ihnen im Namen des Rechtsſtaates geſtattet ſein, zu glau - ben, was ſie wollen. Die Anarchiſten brauchen nicht das Vereins - und Verſammlungsrecht, nicht die Preßfreiheit. Redner ſchildert die üblen Wir - kungen der ſocialiſtiſchen Geſetzgebung, die in ihrer ganzen Härte angewendet werde, ſobald ei - nige Halbwahnſinnige ſich zu ſchweren Ver - brechen hinreißen laſſen. Er verweiſt auf die Organiſation der ſocialiſtiſchen Partei und bemerkt, daß einer geänderten Weltanſchauung ohnedies die Zukunft gehöre. Es ſei grauſam, Denjenigen, die ſich jetzt bereits zu dieſer An - ſchauung bekennen, blos aus dem Grunde ſo hart zu begegnen, weil den herrſchenden Claſſen dieſe Anſchauung ſo unangenehm ſei. Die Geſetzgebung beſprechend, erklärt Redner, daß die gegenwärtig im Strafproceß beobachtete Methode, durch welche an Stelle des Beweismaterials lediglich die Ueber - zeugung des Richters getreten iſt, in einem Zeit - alter, wo nationale, ſociale und wirthſchaftliche Gegenſätze in allen Kreiſen ſich bemerkbar machen, zu ſehr bedenklichen Conſequenzen führen können. Daran anſchließend, erörtert Redner die Beſtim - mungen zum Schutze des Hausrechtes, die auf dem Papiere ſtehen, in der Praxis aber in wahr - haft ſchaudererregender Weiſe umgangen werden. Redner ſchildert weiter, wie man den Unter - ſuchungshäftlingen gegenüber conſequent das Geſetz umgehe. Die Polizei marterte die ſocialiſtiſchen Gefangenen, um ein Geſtändniß herauszupreſſen. Wenn ich Juſtizminiſter wäre, ruft Redner aus, ich würde dies nicht dulden. Der Unterſuchungs - richter kümmere ſich um den Beſchuldigten ſo lange nicht, als er in der Verwahrung der Polizei ſei, die ihn länger in ihrer Obhut behält, als das Geſetz geſtatte. Für die Polizei gelte der Straf - proceß nicht, und ſie quäle und martere den Häftling in grauſamer Weiſe. Redner erzählt, wie Polizei - Commiſſär Frankl bei Auffindung der anarchi - ſtiſchen Geheimpreſſe in Wien einen der Mit - ſchuldigen Namens Emanuel Doctor zur Namens - nennung aller übrigen Mitſchuldigen durch verſchiedene draſtiſche Mittel zu verhalten wußte. Wäre ich Miniſter, ſagte der Redner, ich würde einen ſolchen Beamten ſofort entlaſſen. Redner ſchildert die Behandlung des aus gleichem An - laſſe zu zwölf Jahren verurtheilten Brady im Strafhauſe zu Pilſen. (Rufe: Langſamer Mord.) Zwei Leute, welche im Grazer Hochverrathspro -ceſſe zu mehrmonatlicher Kerkerſtrafe verurtheilt wurden, ſind nach in Suben abgebüßter Strafe in Ketten nach Graz zurückgebracht worden. Redner fragt den Juſtizminiſter vor dem ganzen Hauſe, vor Oeſterreich, vor ganz Europa, warum gegen ſolche pflichtvergeſſene Beamte, die ſich derlei Willküracte zu Schulden kommen laſſen, nicht ein - geſchritten wird? (Lebhafte Zuſtimmung links.) Er verweiſt auf Deutſchland und ſpeciell die Ver - urtheilung der Frankfurter Polizeibeamten. Bei uns würde kein Staatsanwalt eine ſolche An - klage gegen Polizeibeamte erheben. (Lebhafter Bei - fall links.) Redner beſpricht dann die Art und Weiſe, wie bezüglich der Freizügigkeit von den Behörden vorgegangen wird. Es wurden Leute in Folge von Denunciationen durch acht bis zehn Wochen in Haft behalten, und wenn ſich dieſe Leute nur „ mucken “, werden ſie abgeſchoben. Sehr traurig ſei es auch, wenn Perſonen auf Grund der Ausnahmsbeſtimmungen abgeſchoben werden. Redner findet, daß für die vom Abgeordneten Per - nerſtorfer erzählten Fälle der Behandlung für welche derſelbe den richtigen Ausdruck nicht gebrauchen wollte, nur der Ausdruck Infamie paſſe. (Zu - ſtimmung links.) Redner erzählt, daß ein aus Graz ausgewieſener Arbeiter blos deshalb in Ketten gelegt ward, weil bei ihm eine zeriſſene Nummer der „ Freiheit “vorgefunden wurde. Weil aber der Betreffende nicht einmal leſen kann (Heiterkeit), wußte die Behörde nichts mit ihm anzufangen, und ſie begnügte ſich, ihn nach dem Vagabundengeſetz zu beſtrafen. Gegen einen aus - gewieſenen Arbeiter, der ſich nach Würbenthal wendete und dort Arbeit fand, ſchritt die Gen - darmerie ein, um zu verhindern, daß er Arbeit finde. Schließlich erſucht der Bezirkshauptmann den betreffenden Fabrikanten aus Patriotismus, den Arbeiter nicht länger zu behalten (Hört! Hört! links). — Kronawetter erzählt weiter, in welch’ urglaublich roher Weiſe Polizeiorgane bei Hausdurchſuchungen vorgehen, die nicht einmal vom Gerichte angeordnet wurden. Schwangere Frauen werden aus den Betten geriſſen, die nackten Kinder brutal behandelt, wobei ſich die Polizeiorgane oft die widerlichſten Uebergriffe erlauben. Wenn der Miniſter-Präſident nicht Waſſer, ſondern Blut in den Adern hat und zu - ſehen müßte, daß man auch gegen ſeine Frau und ſeine Kinder in ähnlicher Weiſe ſich benehmen würde, es wäre kein Wunder, wenn auch er die Beſinnung und die Herrſchaft über ſich ſelbſt verlieren würde. (Stürmiſcher Beifall links.)
Abg. Schönerer bemerkt, daß der Be - zirkshauptmann von Bruck die Abhaltung einer für morgen einberufenen Wanderverſammlung des deutſch-nationalen Vereines verboten habe, inſoferne, daß er im letzten Augenblicke in un - geſetzlicher Weiſe die Vorlage des Programmes verlange. Wenn der Miniſter ſeine Pflicht thun wolle, ſo müſſe er noch heute dieſen Bezirkshaupt - mann telegraphiſch anweiſen, der Verſammlung
Atlas, eine atlaſſene Chemiſette, eine Hoſe, ein Parapluie von Seide, ein paar Hoſenträger auf Merlin geſtickt und ein Tonſurkappel von Sammt. Er notirt mit peinlicher Gewiſſenhaftigkeit, wie viel und was für Wäſcheſtücke er zum Reinigen gibt, und begnügt ſich nicht zu ſagen, ein färbiges Sacktuch, ſondern ſchreibt genau: ein roth qua - drillirtes, ein blau quadrillirtes, ein gelbes Schnupftuch, ebenſo, daß die Wäſcherin Joſefa Kolařik heißt. Sein Waſchtag iſt der 23. eines jeden Monates. Er unterläßt auch nicht jede von ihm vollzogene geiſtliche Function zu verzeichnen; ſo begräbt er am 4. Februar 1840 einen erfro - renen Mann, Namens Johannes Reich, tauft auf die gewöhnlichen Namen und nimmt zahlreiche Beichten entgegen, wobei er öfter nicht verab - ſäumt, das Beichtkind näher zu bezeichnen; ſo heißt es „ die Beichte abgenommen von Unbe - kannten, von Verſchiedenen, von einem alten Weibe, von zwei Dirnen, von drei Dirnen, von einem Weibe (Abends), von einem Menſchen, von fünf Perſonen aus der Bruderſchaft des ſüßeſten Herzens Jeſu, von zwei Bräutigams u. ſ. w. Seine Schulden ſind genau angeführt, erheben ſich aber nicht über die Höhe von 12 fl. C. M.
So haben wir denn bis jetzt in Pater Franz einen Mann kennen gelernt, der ganz lobens - werthe Eigenſchaften hatte und dem es, zumal er ein Freund der Ordnung und pflichtgetreuer Prieſter war, nicht an Ausſichten für die künftige Carriére mindeſtens aber nicht an Hoffnung auf irgend eine annehmbare Pfarre fehlen mochte. Allein esſollte anders kommen. Im Jahre 1841 verließ er ſeinen Dienſtpoſten und wir finden ihn durch eine lange Reihe von Jahren an verſchiedenen Orten als Cooperator, ſo im Gayaer und im Müglitzer Bezirk, bis er endlich in der Mitte der Sechziger Jahre ſtatt einer Pfarre die Stelle eines Schloßcaplans in P. bekommt, welche er bis an ſein Lebensende, das iſt bis zum Jahre 1885, bekleidete. Die Umſtände, welche ihn auf dieſen verfehlten Lebensweg führten, laſſen ſich wohl in ſeinem Character finden. Wir haben ſeine peinliche Genauigkeit ſelbſt bei Kleinigkeiten dargethan; eine ſolche ſtark ausgeprägte Eigen - ſ[c]haft iſt aber faſt immer die Begleiterin, oder beſſer geſagt, die Vorläuferin von Habſucht und Geiz. Bei unſerem Geiſtlichen traf dies in vollem Maße zu; er mag wegen ſeiner Pedanterie viel - fach in Colliſionen mit Vorgeſetzten und Collegen gekommen ſein, wodurch er ſich veranlaßt ſah, ſich zurückzuziehen. In demſelben Maße nun, in welchem ſich bei ihm das ſchwärmeriſche Freund - ſchaftsgefühl für Geld entwickelte und die Verſuche, ſolches zu erwerben, ſich mehrten, ſchwand das Vertrauen ſeiner Obern in ſeine Qualification zum Pfarrer. Vielfach verbittert zog er ſich ganz auf ſich ſelbſt zurück und fand eine Erholung im Schreiben. Ein ganzer Stoß von Schriften liegt vor uns; ſie enthalten nichts anderes als Con - cepte von Briefen, die er abſendete; der gute Mann hatte eben den ganzen Tag Zeit und ſo war er in der Lage, nicht nur von jedem Briefe ein Concept zu machen, ſondern auch gewiſſeBuchſtaben, wie vor Jahrhunderten die abſchrei - benden Mönche, mit zierlichen Schnörkeln zu ver - ſehen. Die Briefe aber, die er ſchrieb, hatten es nothwendig, ihrem Inhalte nach getreulich aufbe - wahrt zu werden; ſie waren Geſchäftsbriefe und noch deutlicher geſagt Mahnbriefe, denn Pater Franz J. war ein greulicher Wucherer geworden, der ſelbſt Summen von nur einem Gulden ver - lieh und in der harmloſen Form von einigen Wochenkreuzern die ſchamloſeſten Wucherzinſen unerbittlich einforderte. Wie ſein ganzes Weſen, zeigen auch dieſe Mahnbriefe ſeine Originalität. In ſeinem Conceptbuche findet ſich bei jedem Briefe zuerſt eine genaue Adreſſe des Schuldners nud die Inhaltsangabe des Briefes; als Beiſpiel wollen wir Nachſtehendes anführen: „ Dem Johann Kantor in der Dorfgemeinde O ..... sub Nr. conscrp. 273 wohnhaft und unweit Rožnau ſituirt, wegen ſeiner — ſo Gott will — am 24. Juni 1868 an mich zu zahlenden, gleich - wie auch gewiſſenhaft und rechtmäßig ſchuldigen ganzjährigen Intereſſen per 5 Gulden und 90 Neukreuzern in Oeſterreichiſcher Währung franco durch die Rožnauer Poſt “. Dies iſt, wie geſagt, mit den nothwendigen Namensabänderungen die ſtehende Formel. Man kann aus derſelben auf eine beſondere Form der Briefe ſelbſt ſchließen. Dieſe ſind bald deutſch, bald ſlaviſch abgefaßt; Pater J. weiß, ſobald es ſich um Eintreibung ſeiner Gelder handelt, mit beiden Sprachen vor - trefflich umzugehen. Die Einleitung eines jeden Schreibens lautet: „ Gelobet ſei Jeſus Chriſtus,
[3]kein Hinderniß in den Weg zu legen. Hunderte von Leuten werden morgen dort erſcheinen. Er lehne jede Verantwortung für die Zukunft ab, wenn ähnliche Fälle vorkommen ſollten, wie in Mödling. Will man uns vielleicht — ruft Schö - nerer aus — zwingen, mit Stöcken und Revol - vern zu Verſammlungen zu gehen? Gut, aber wir lehnen jede Verantwortung ab. Wir werden aber den Grafen Taaffe zur Rechenſchaft ziehen und ich werde dann nicht allein kommen, um dies zu thun.
Specialreferent Zeithammer bemerkt ge - genüber Kronawetter, daß ſich weder die Regie - rung noch die Majorität den Gebrechen verſchlie - ßen, welche Herr Kronawetter dargelegt hat. Die Regierung habe bewieſen, daß ſie den Weg der Socialreform betreten hat. Wenn die So - cialgeſetze noch nicht fertig geſtellt ſind, ſo tra - gen die Mitglieder des Parlaments ſelbſt einen großen Theil der Schuld daran. Wenn die Bud - getdebatte derartige Dimenſionen annimmt (Wi - derſpruch links), dann werden wir kaum dazu kommen, dieſe zum Wohle des Arbeiterſtandes nothwendigen Geſetze zu berathen. (Abg. Richter ruft: Am Anfange wurden gar keine Sitzungen abgehalten.)
Der Titel Staatspolizei wird hierauf an - genommen.
Zu Titel „ Politiſche Verwaltung “ſprach Abg. Schuklje, um in überflüſſig breiter Weiſe eine Vorleſung über politiſche Ueberzeugung zu halten und mit einem Lobeshymnus auf die Aera Taaffe zu ſchließen. Der obige Titel wurde hierauf angenommen.
Zu Titel „ Straßenbau “brachten die Abge - ordneten Furtmüller, Wilhelm Pfeifer, Siegl, Proskowetz und Angerer Wünſche localer Natur vor. Letzterer plaidirte im Inte - reſſe der Hebung des Fremdenverkeh - res für die Verbeſſerung des Communications - weſens in den Alpenländern, damit dieſe mit Er - folg mit der ſpeculativen Schweiz concurriren können.
Bei dem nächſten Titel „ Waſſerbau “befür - worteten die Abgeordneten Vielguth, Pros - kowetz und Suttner die Durchführung meh - rerer Flußregulirungen.
Abg. Ritter v. Proskowetz ſpricht nament - lich über die Waſſerbauten in Mähren, welches Land in dieſer Beziehung arg vernachläſſigt wurde, trotz aller ſchon eingebrachten Petitionen, während es doch ſo viel zu den Staatseinnahmen beitrage. Die neueſten Nachrichten von dem Austreten der mähriſchen Flüſſe, der Schwarzawa und der Thaya, beweiſen, was verſäumt worden ſei. Er empfiehlt der Regierung in dieſer Hinſicht vor - zuſorgen. (Beifall links.)
Sämmtliche Poſten des Capitels „ Miniſte - rium des Innern “wurden hierauf unverändert genehmigt und ſodann die Debatte abgebrochen.
Vor Schluß der Sitzung erhält Abg. Dr. Hallwich zum Protocolle das Wort. Derſelbe proteſtirt gegen die Eingabe des Biſchofs von Leitmeritz wegen ſeiner (Hallwich) angeblich ver - letzenden Aeußerungen über die Wirkſamkeit des katholiſchen Clerus in Böhmen. Dieſe Eingabe ſei eigentlich nur eine Polemik gegen ſeine Rede. (Zuſtimmung links.) Keinesfalls aber, wie ſich der Biſchof ausdrücke, ein öffentliches Zeugniß. Nachdem es nun nicht angehe, daß ſolche Miß - fallskundgebungen einer Perſon außer dem Hauſe gegen ein Mitglied des Hauſes unter der Firma einer Petition in das ſtenographiſche Protocoll eingeſchmuggelt werden, ſo erhebe er gegen einen derartigen Mißbrauch der Geſchäftsordnung Ein - ſprache. (Beifall links. Rufe: Löſchung aus dem Protocolle!) Der Präſident erklärt, daß ihm die betreffende Eingabe als Petition übergeben und als ſolche geſchäftsordnungsmäßig behandelt wurde.
Abg. Heinrich nimmt hierauf das Wort, um folgenden Antrag zu ſtellen: „ Ich bin geſtern von Seite eines Abgeordne - ten (Schönerer) beleidigt worden. Ich appellire daher an den § 58, Abſatz 3, der Geſchäftsordnung und bitte daher den Herrn Präſidenten, das Nöthige zu veranlaſſen. Der bezügliche Punct der Geſchäftsordnung lautet:
„ Im Falle ein Abgeordneter durch ſeine Rede einen zur Theilnahme an der Verhand - lung Berechtigten perſönlich beleidigen ſollte, ſo ſteht dem Beleidigten das Recht zu, zu ver - langen, daß das Haus ſeine Mißbil - ligung hierüber ausſpreche. In dieſem Falle wird ein Ausſchuß aus den Ab - theilungen gewählt, welcher hierüber binnen 24 Stunden mündlich zu berichten hat. “
Präſident ladet in Folge deſſen die Ab - theilungen ein, ſich Montag vor der öffentlichen Sitzung zu verſammeln und je ein Mitglied in den zu wählenden „ Beleidigungs-Aus - ſchuß “zu nominiren.
Schließlich interpelliren noch die Abgeord - neten Derſchatta und Wenzlitſchke den Handelsminiſter wegen einer in der „ Kölniſchen Zeitung “erſchienenen Correſpondenz in Betreff des Vorganges bei der Beurlaubung des Poſt - ſparkaſſen-Directors Coch
Nächſte Sitzung Montag 10 Uhr Vor - mittags.
In der vorgeſtrigen Herrenhaus-Sitzung zeigte Graf Taaffe in officieller Weiſe die Enthebung des Barons Pino von dem Poſten des Handelsmini - ſters an und ſtellte zugleich Baron Pußwald als denjenigen vor, welcher mit der einſtweiltgen Lei - tung des Handelsminiſteriums betraut wurde. — Es folgt nun die zweite Leſung des Geſetzent - wurfes, betreffend die Uebernahme der Prag - Duxer und Dux-Bodenbacher Bahn durch denStaat. In der Generaldebatte ergreift Graf Re - vertera das Wort. Redner will nicht gegen den Bericht ſich wenden, welcher darthut, daß die beiden Linien für das Staatsbahnnetz durchaus nöthig ſeien. Er kann aber nicht umhin, dagegen einen Vorwurf zu erheben, daß der Staat nicht lieber zur Ergänzung der Franz Joſefbahn die Nordweſtbahn verſtaatlicht habe, welche eine Con - currenzbahn für die Staatsbahnlinien bilde und eine Staatsgarantie genieße. Redner bedauert, daß das Herrenhaus ſich ſelbſt in eine Zwangs - lage gebracht habe, daß es ſo leichten Herzens am 26. Oktober v. J. die Erhöhung der Staats - garantie der Nordweſtbahn bewilligt habe. Vor - theilhafter wäre es geweſen, dieſen Anlaß zu be - nützen, um den Staat zur Verſtaatlichung dieſer Bahn zu beſtimmen. Gleichwohl werde Redner für das Geſetz ſtimmen, weil eine Ablehnung derzeit nicht mehr thunlich ſei.
Nachdem Graf Bloome dem Wunſche Ausdruck gegeben, daß die Regierung öfter dem Herrenhauſe die Priorität in den legislativen Erörterungen, als dies jetzt geſchieht, einräumen möge, präciſirt Sectionschef Pußwald die Stellung der Regierung in der Angelegenheit der Prag-Duxer und Dux-Bodenbacher Bahn. Zu günſtigeren Bedingungen wäre die Erwerbung dieſer beiden Bahnen nicht zu erreichen geweſen, welche für den Betrieb des Staatsbahnnetzes unentbehrlich ſei. Beſonders die Prag-Duxer Bahn ſei vielleicht diejenige Bahn, welche unter den günſtigſten Bedingungen dem Staatsbahnnetze einverleibt werden wird. Zu keiner Zeit während der Dauer des gegenwärtigen Regimes hätte übrigens die Uebernahme der beiden Bahnen durch den Staat zu günſtigeren Bedingungen erfolgen können.
Das Geſetz wird hierauf in zweiter und dritter Leſung angenommen.
Freih. v. Helfert ſchildert im neueſten Bande ſeiner „ Geſchichte Oeſterreichs “, auf den wir noch zurückkommen, die Vorgänge, die zur Auflöſung des Kremſierer Reichstages führten, und veröffent - licht bei dieſer Gelegenheit ſo viele neue und in - tereſſante Details, die ihm, als einem Einge - weihten, bekannt wurden, daß es uns von beſon - derem Intereſſe ſcheint, dieſe Darſtellung unſeren Leſern zugänglich zu machen. Freiherr v. Helfert ſchreibt:
Am 28. Februar war Legationsrath Hübner in Wien zurück, wo man ihn mit wachſender Ungeduld erwartet hatte. Er brachte die Ergeb - niſſe jener Verhandlung mit, die er am erſten Schlachttage von Kapolna mit dem Feldmarſchall Fürſten Windiſchgrätz gepflogen hatte. Der Wider -
unſer göttlicher Herr und Heiland! “— Nach - dem ſich unſer Pater gewiſſermaßen verſichert hat, geht er direct auf die Sache los; doch ſchon an der Ueberſchrift iſt zu erkennen, welches Wohl - wollens ſich der Schuldner bei ſeinem Gläubiger zu erfreuen hat. Schreibt er, „ Schätzbarer Herr “, ſo iſt dies wohl der erſte Mahnbrief an einen ſonſt pünctlichen Schuldner; das „ Milá pani Anna Hatlapatkowa “oder „ Lieber Herr Leh - rer Nowotny “dürfte wohl als der zweite Grad gelten, während die Ueberſchrift „ Herr Schmied “, „ Kantore “, „ Paprskařu “als der Ausdruck des Grolles aufzufaſſen ſind.
Wir müſſen es uns ſchon mit Rückſicht auf den Raum verſagen, auch nur einen von den hunderten von wirklich claſſiſchen Briefen vollin - haltlich anzuführen und beſchränken uns darauf den Eingang und den Schluß zu characteriſiren. So ſchreibt Pater J. einmal: „ Schätzbarer Herr Jonas! Sind Sie abermals von Ihrer Güte und Gefälligkeit und überſchicken ganz beſtimmt und zuverläſſig an mich franco durch die Frank - ſtädter Poſt am 17. März laufenden Jahres, was uns mit Hilfe Gottes in ſieben Wochen intereſſiren wird, Ihre fälligen Zinſen per 35 fl. etc. etc. Hierauf bietet er dem Herrn Jonas ein abermaliges Darlehen, jedoch nur gegen ganz ſichere Hypothek an und ſchließt: „ Ich küſſe und umarme Sie oftmals in meinem Geiſte, und mich Schwachen in Ihr frommes Gebet vielmals empfehlend, verbleibe ich, wie jederzeit, in aller Achtung und Liebe und zwarauch für die weitere und ſpätere Zukunft Ihr aufrichtiger geiſtlicher Gläubiger Pater Franz J., Schloßcaplan in P. am ſüßeſten Namen unſeres göttlichen Herrn und Heilands Jeſu Chriſti im Jahre der Gnade 1868. “
Doch auch für edlere Regungen war Pater J. trotz ſeines wachſenden Geizes und ſeines Wucherns nicht unempfänglich; dies beweiſen eine Anzahl von Notizen über ausgefertigte Briefe, von denen wir die intereſſanteſten mit Inhalts - angabe und Ueberſchrift hieher ſetzen: Schreiben an Joſef M. (folgt weitſchweifige Adreſſe) von Brünn aus infolge einer Recreation geſchrieben. Gott zum Gruße! Lieber Pepku! “ Alſo offen - bar zur Erquickung ein Brief an einen Freund. „ Schreiben an die Victoria K., Hebamme in K., aus Recreation geſchrieben. Gott zum Gruße! Schätzbare Frau Mutter! “— Schreiben an die Nepomucena K. (Tochter dieſer Frau Mutter), Dienſtmagd auſ der Pfarrei in K., zu ihrem Namensfeſte mit Ueberſendung eines ſchönen Prä - ſentes, nämlich einem eleganten Gebetbuche in böhmiſcher Sprache, franco durch die .... Poſt. Pochwalen bud etc. Mila Muczko! “— Dieſer letzte Brief dürfte 8 Octavſeiten umfaßt haben; er behandelt intime Angelegenheiten, nebſt dem gehörigen Tratſch über die Verhältniſſe auf der Pfarre und im Orte; denn Pater J. war hier Cooperator geweſen. — Nicht unintereſſant iſt auch folgendes: „ Schreiben an die Marianna W., bemühte Ausgedingerin sub. Nr. conſcr. 48 und zugleich auch Poſtbote Wohlgeboren in B., un -weit M. ſituirt, beſchwert mit einem Kopftuche. Pochválen etc. Milá Mařenko! “—
Alle dieſe, freilich nur mit der größten Mühe zu entziffernden Concepte bilden eine Fundgrube der originellſten Dinge und geben Aufſchluß über die privaten Verhältniſſe des Paters, ſowie über die Ausdehnung ſeines Geſchäftes. Dasſelbe war ſehr lucrativ. Von einer Nichte, die er immer ſeine „ liebe Niéce “nennt, hatte er einige Tau - ſend Gulden geerbt; nach mehr als 20jähriger, wie er ſelbſt oft ſagt „ verdrießlicher Thätigkeit “hinterließ er bei ſeinem Tode ein Vermögen von über 60.000 fl. — Disponible Gelder beeilte er ſich in Baron Sothens Wechſelſtube in Wien oder bei einem Bankhauſe in Olmütz zu hinter - legen. Dies vollzog er mit großer Höflichkeit und Acurateſſe. Auch jene Summen, welche er bei ſich hatte, hielt er ſorgſam in Evidenz; entnahm er irgend einen Betrag, ſo unterließ er nicht, auf einem denkbar kleinen Z[e]ttel Zeit und Zweck der Entnahme mit rothem und ſchwarzem Stift in zierlichen Lettern anzumerken. Faſt jeder dieſer Z[e]ttel iſt ein köſtlicher Beitrag zur Kennzeichnung des originellen Mannes. Eine in früherer Zeit vorgefallene Affaire mit einer Bauers - frau wurde für ihn eine Quelle von Unannehm - lichkeiten, die er bei etwas weniger Geiz bald hätte beſeitigen können; doch er ſchrieb lieber zehn Briefe, ehe er einen Gulden hergegeben hätte. Wiederholt hatte ihn das Weib um Unterſtützung angeſucht, welches Verlangen er nur theilweiſe oder gar nicht erfüllte, ſo daß ſie gegen ihn end -
[4]ſtreit des Fürſten gegen den miniſteriellen Ver - faſſungsentwurf war ein grundſätzlicher und aus monatelangem Meinungsaustauſch ſattſam bekannt. ... Es wurde nun die letzte Hand an das Preß - geſetz und jenes über Aſſociation gelegt, die gleich - zeitig mit der Verfaſſung oder unmittelbar da - nach kundgemacht werden ſollten. Manifeſt und Proclamation, womit der große Schritt, den man vorhatte, zu begleiten war, ſtanden noch aus. Während dies in Wien beſorgt wurde, verfügte ſich der Miniſterpräſident zum Kaiſer (1. März). Am 3. wohnten drei der Miniſter der Reichstags - ſitzung in Kremſier bei und fuhren von da nach Olmütz, wo im vollen Miniſterrathe die letzte Beſprechung der Proclamations-Entwürfe, der Modalitäten der Auflöſung des Reichstags, der Kundmachung ꝛc. ſtattfand. Am 4. erfolgte die Unterſchrift Sr. Majeſtat des Kaiſers. Auch in Olmütz wurden Vorbereitungen für das bevor - ſtehende Unternehmen getroffen. Im Laufe des December hatte Radetzky den Major im General - Quartiermeiſterſtabe Grafen Joh. Huyn an das kaiſ. Hoflager geſchickt, der ihn in fortlaufender Kenntniß der Verhältniſſe erhalten und für die Armee in Italien auf die höchſten Kreiſe einwirken ſollte. Am Morgen des 6. wurde Huyn zum Miniſter - Präſidenten beſchieden, der ihm mittheilte, was bevorſtand, und daß er auserſehen ſei, die Sache Hand in Hand mit dem Olmützer Kreishaupt - mann Grafen Mercandin durchzuführen. Der gräfliche Major verlangte eine auf wenige Punc - tationen beſchränkte Inſtruction, die ihm Fürſt Schwarzenberg einzuhändigen verſprach; unmittel - bar danach, mit dem Krakauer Nachtzuge, ſollte Huyn mit den Truppen nach Hullein und Krem - ſier abgehen.
Für den 6. März war der Unter-Staats - ſecretär Dr. Helfert nach Wien beſchieden worden. Kaum dort angelangt, empfing er die Weiſung, ſich für den Olmützer Abendzug auf dem Nord - bahnhofe einzufinden. Im Warteſaale gewahrte er den Landrath Georg Ritter von Mitis und einige junge Beamte mit ungeheuren Päcken von Druckſchriſten. Stadion und Bach ließen nicht auf ſich warten und nahmen Helfert in ihr Coupé. Gleich nachdem man über Wien hinaus war, ſagte Stadion zu Bach: „ Wir müſſen jetzt wohl unſern jungen Freund in Kenntniß ſetzen, was im Zuge iſt “; er that dies ſogleich in kurzen Worten und fragte, was dieſer dazu meine. „ Haben Sie in Prag genug Militär? “fuhr es dem Unter-Staatsſecretär unwillkürlich heraus, denn er kannte die gereizte Stimmung in Böhmen. Stadion ſtutzte: „ Wieſo? “ Bach theilte jene Beſorgniſſe nicht, ſagte einige beſchwichtende Worte und brachte das Geſpräch auf das Nächſtliegende, das Wie deſſen, was man vorhatte.
Es war finſtere Nacht, als Stadion und Helfert (Bach war direct nach Olmütz gereiſt) in Kremſier ein fuhren und allſogleich eine AnzahlDiener in die Wohnungen der gewünſchten Abge - ordneten ausſchickten. Viele lagen ſchon im Bette, als ſie die Einladung traf: „ Se. Erlaucht läßt bitten, ſogleich zu erſcheinen “. So war es 11 Uhr und darüber, ehe die Geladenen zuſammentrafen. Nachdem die Eingeladenen vollzählig beiſammen waren, nahm Stadion das Wort und eröffnete ihnen den Beſchluß Seiner Majeſtät des Kaiſers, den Reichstag aufzulöſen und eine Ver - faſſung zu geben, die ſich auf alle Theile des Reiches erſtrecken ſollte .... Der Eindruck, den dieſe Mittheilung auf die Anweſenden machte, war überwältigend. Die Scene, die ſich damals ab - ſpielte, iſt vielfach geſchildert worden, und wir erwähnen aus dem Berichte Helfert’s nur, daß, mit Ausnahme von zwei Abgeordneten, Dr. Gredler aus Schwaz und Ober-Rabbiner Thieman aus Rumburg, ſich faſt alle Einberufenen mit aller Entſchiedenheit gegen die projeetirte Maßregel ausſprachen und die furchtbarſten Ereigniſſe in Ausſicht ſtellten. „ Gewiß “, meint Helfert, „ war es in ihrem Innern nicht Ernſt mit dem, was Jeder von ihnen in Gegenwart der Anderen zur Schau trug. Unter vier Augen war gerade in der letzten Zeit von Solchen, die ſich jetzt ſo ge - waltig gegen den Entſchluß der Regierung auf - bäumten, ganz Anderes zu hören geweſen. War es nicht Dieſer da (Pinkas), der wiederholt im Zwiegeſpräch mit dem Juſtizminiſter geäußert hatte: „ Schickt uns nach Hauſe, zu Stande brin - gen wir ja doch nichts. “ Oder gar Jener dort (Cajetan Mayer), der ebenfalls im Zwiegeſpräch mit aufgehobenen Händen, halb Scherz, halb Ernſt, den Grafen Stadion angerufen hatte: „ Erlaucht, löſen’s uns auf. “
Stadion war ſichtlich ergriffen. Seine Natur die bereits bedenkliche Symptome geiſtiger Ueber - ſpannung und Abmattung aufwies, war ſolchem Sturme nicht mehr gewachſen ... Während dies in Kremſier vorging, ſpielte ſich eine Verhand - lung anderer Art in Olmütz ab. Major Graf Huyn hatte ſich dem ihm gewordenen Beſcheid gemäß gegen Abend beim Miniſter-Präſidenten eingefunden, um ſich die erbetene Inſtruction zu holen. Aber ſie war noch nicht fertig; der Fürſt berieth ſich eben mit Bach und Bruck, dem im letzten Augenblicke Zweifel aller Art aufſtiegen, und zwar äußerte der Juſtizminiſter Rechtsbeden - ken wegen der durch die Polizei vorzunehmenden Verhaftung der Compromittirten; der Handels - miniſter machte Einwendungen in conſtitutio - neller Richtung über den Vorgang bei der Auflöſung. Darüber verging eine halbe Stunde nach der andern; der Zeiger an der Uhr ging auf 11 Uhr los, wo der Prager Zug Ol - mütz paſſirte. Graf Huyn, der nun keinen Augen - blick zögern durſte, um mit dem Morgen an Ort und Stelle zu ſein, erbat ſich unverweiltes Gehen und trat mit der Erklärung unter die Miniſter: „ Ich verzichte auf eine Inſtruction,wenn mich Eure Durchlaucht genau und beſtimmt über einige Puncte aufklären wollen: 1. Iſt es des Kaiſers Wille und Befehl, daß der Reichstag aufgelöſt werde? “— „ Gewiß! “— „ 2. Iſt dem Reichstag zu geſtatten, noch einmal zu einer Sitzung zuſammerzutreten? “— „ Unter keinen Umſtänden! “— „ 3. Iſt ſonſt in Kremſier oder im Weichbilde der Stadt eine Verſammlung von Abgeordneten zum Zwecke von Adreſſen oder Proteſten zu geſtatteu? “— „ Ebenſowenig! “— „ Ich danke Eurer Durchlaucht, ich habe die In - ſtruction, die ich brauche, und werde darnach handeln. “
Ungefähr um 1 Uhr Nachts, während die beiden von Olmütz mitgenommenen Compagnien von Hullein nach Kremſier marſchirten, langten Mercandin und Huyn in den Appartements Stadion’s ein und waren ſehr erſtaunt, zu ver - nehmen, daß ſich der Miniſter in lebhaften Ver - handlungen mit mehreren Abgeordneten befinde; ſie zogen ſich, weil Niemand von ihrer Anweſen - heit etwas wiſſen durfte, in Seitengemächer zurück und warteten den Schluß der Berathung ab.
Es war gegen die dritte Morgenſtunde des 7. März, als die Verſammelten auseinandergin - gen, nachdem ihnen Stadion das Verſprechen abgenommen hatte, über das was vorgefallen, bis zur Entſcheidung unverbrüchliches Stillſchweigen zu bewahren, wogegen er ihnen zuſagte, ſich ohne Aufenthalt nach Olmütz zu begeben und für eine Aenderung der dort gefaßten Beſchlüſſe zu wirken. Nachdem eine Aenderung der dort gefaßten Be - ſchlüſſe zu wirken. Nachdem Alle, bis auf den Hausherrn und Helfert fort waren, trat der Major aus ſeinem Cabinet hervor. — „ Was machen Sie hier? fuhr ihn Stadion in ſeiner Erregtheit an. — „ Eure Erlaucht wiſſen wohl, daß morgen der Reichstag aufgelöſt wird, und dazu bin ich hier. “— „ Das kann nicht ſein! Ich werde das auf die beſte Weiſe machen. Ich habe mich eben der Zuſtimmung der Abgeordneten verſichert, daß ſie die Verfaſſung en ploc annehmen werden. Eine Gewaltmaßre - gel iſt daher nicht nothwendig und ſehr gefähr - lich. “— „ Das mögen ſehr richtige Anſichten ſein, allein ich habe ganz beſtimmte Weiſungen, von denen ich nicht abgehen kann, es wäre denn, Fürſt Schwarzenberg befehle es. “
Stadion erklärte, daß es ohnedies ſeine Ab - ſicht ſei, unverzüglich nach Olmütz zu fahren und dort mit dem Miniſter-Präſidenten zu ſprechen. Dann ſei die Sache ſehr einfach, verſetzte Huyn, der Poſtwagen, mit dem er von Hullein gekom - men, ſtehe im Hofe und könne gleich zur Fahrt nach Olmütz benützt werden, Fürſt Schwarzen - berg möge dann telegraphiſch ſeine Befehle ge - ben. Während dieſes Geſpäches war Graf Mer - candin, der ſich in der Zwiſchenzeit einem kurzen Schlummer hingegeben hatte, herausgekommen, welcher dem Unter-Staatsſecretär im Abgehen
lich eine Klage bei einem Notar machen ließ. Dieſer ließ Pater J. rufen, theilte ihm die Sache mit und gab ihm den Rath, die Angelegenheit durch Zahlung eines Betrages beizulegen. Pater J. willigte endlich ein und mit Zahlung von 11 Gulden war die Sache abgethan. Doch ſiehe da! Die Entnahme der 11 Gulden begründet der Pater mit folgende Worte: „ Ad notam! Hievon dem betrügeriſchen Notar ... in ... durch viehiſche Erpreſſung herausgenommen am .. den Betrag von 11 Gulden. Im Jahre der Gnade 18 .. — “. — Ein zweiter Zettel: „ Ad notam! Hievon dem ... (genauer Name und Adreſſe) für den Macherlohn neuer wallachiſcher Babutſchen in aller Ehrbarkeit herausgenommen 5 Gulden. Im Jahre der Gnade 18 ... — “. Ein dritter Zettel: „ Ad notam! Dieſe anliegend geweſenen 3 Gulden der Bedienerin .. als ein großmüthi - ges Douceur in aller Ehrbarkeit gegeben. “— Nun laſſen wir noch zwei Zettel mit wahrhaft köſtlichem Inhalte folgen; der erſte lautet: „ Dieſe hier anliegend geweſenen 9 Stück Silbercoupons perſönlich ausgewechſelt zu Olmütz, im effectiven Werte von 39 fl. während meiner dreiwöchent - lichen Anweſenheit in Olmütz in meinem Irr - thume und zugleich auch aus einer unverzeihlichen Dummheit ganz leichtſinnig verſchwendet und durchgebracht. “— Und der zweite: „ Hiervon am 27. März 18 .. der Eliſabeth .. nach T.. zum fortwährenden Andenken durch die Poſt un - francirt in aller Güte, gepräget im Jahre 1874 überſchicket und zwar: Zwei blanke harte Silber - thaler, glänzend weiß, wie die pure Milch. “—Bevor wir die Characteriſtik ſchließen, wollen wir noch einen Brief anführen, welchen einer ſeiner Studiencollegen und zugleich Amtsbruder vor etwa zwanzig Jahren an ihn richtete; wir füh - ren ihn wörtlichan, weil dieſes Schriftſtück einen ganz beſonders gelungene Characteriſtik enthält:
Lieber Franz!
Neulich wird mir ein Recepiſſe zugeſtellt, auf welchem ſtand: „ eine Kiſte von N. ohne Wert. “— Holla, dachte ich, das kommt ge - wiß vom Spotz (Spitznamen unſeres Paters), denn der ſchickt gewiß nichts Wertvolles. Richtig — eine Kiſte mit Trauben = Mačka, welche ſchon durch den Boden der Kiſte rann. Das ſind alſo die mir von Dir bei meiner letzten Anweſen - heit in ... verſprochenen Ananaschen? O Du Erz — Schmu — nicht, Erzknauſer Du? Der Gärtner hat Dir halt keine Ana - naschen geſchenkt, wie vielleicht die Trauben ein altes Mütterchen, oder haſt Du keine Gelegenheit gehabt, welche zu ſtibitzen — denn daß Du Etwas kaufen möchteſt — das gibts net — Du haſt gewiß, was Du in ... biſt, keinen Kreuzer aus - gegeben. Wer weiß, ob Du ſchon die halbe Bier und den ſchwarzen Caffee beim Juden für mich gezahlt haſt? Ich muß doch nächſtens ſelbſt nach - ſehen kommen, ob ich oder Du nicht noch auf der ſchwarzen Tafel des Juden paradiren.
Obwohl ich beſſere Trauben aus meinem Garten bis jetzt noch vorräthig habe, als die waren, welche Du mir geſchickt haſt, ſo hat es mich doch recht ſehr gefreut und ich danke Dirherzlich dafür. Es iſt mir noch nicht alle Hoff - nung geſchwunden, daß Du Dich doch noch beſ - ſern könnteſt. Nun lebe recht wohl. Dies und einen guten Appetit wünſcht Dir
Dein gewiß aufrichtiger Freund und Bruder ......
Als Pater Franz ſtarb, hinterließ er ein Ver - mögen von etwa 60000 fl., nur 3 oder 4 Tauſend ſoll er einer nahen Verwandten teſtirt haben; das Uebrige mußte er nothgedrungen in dieſer Welt zurück - laſſen und beſtimmte daher, ſein Schloßherr und Gönner ſolle dasſelbe zu „ frommen “Zwecken verwenden; da „ fromm “und „ wohlthätig “nicht dasſelbe iſt, ſo dürfte der Erbe wohl manchmal in Verlegenheit kommen, das bedeutende Capital zweckentſprechend zu verwenden.
In den letzten Jahrzehnten war ſein Geiz und ſein Wucherſinn auf das Höchſte geſtiegen. Die Sorge für die Reinlichkeit und Pflege ſeines Körpers war ziemlich geſchwunden; er ſparte ſich einen großen Theil des ihm gebotenen Eſſens und verkaufte dieſe Erſparniſſe an ärmere Dorf - bewohner, das disponible Geld aber verlieh er zu den kleinſten Beträgen gegen erhebliche Zinſen.
Hiemit ſind wir am Schluſſe angekommen; können wir auch nicht vorausſetzen, daß dieſe Characteriſtik ſeine Freunde intereſſiren wird, — denn er hatte keine — ſo wollen wir doch an - nehmen, daß ſie von jenen zahlreichen Perſonen geleſen werden wird, denen er ein „ geiſtlicher Gläubiger “geweſen.
[5]dringend ans Herz legte. alle mögliche Vorſicht und Schonung walten zu laſſen.
Fort ging es nun in die finſtere Nacht hinein, auf der Straße nach der mähriſchen Hauptſtadt. Es wurden wenige Worte gewechſelt, als Stadion und Helfert — es mochte halb 4 Uhr Morgens ſein — in Olmütz vor Bach’s Wohnung ausſtiegen, den ſie im tiefen Schlafe fanden. Vom Diener mit der Kerze verſehen, traten ſie an das Bett und Stadion ſetzte dem Aufgewachten in kurzen Worten, aber durchaus nicht im Tone jener Ueberzeugung, in welchem er anderthalb Stunden früher zu dem Grafen Huyn geſprochen hatte, das Ergebniß der gepflo - genen Berathung auseinander und knüpfte daran etwas unſicher die Meinung, daß man wol die Angelegenheit in dieſe Fährte leiten könne. Bach, halb ſchlaftrunken, machte große Augen, ergriff Stadion’s Hand, wie um ihm den Puls zu fühlen und ſagte: „ Eure Durchlaucht werde am beſten wiſſen, daß ſich jetzt nichts mehr ändern läßt “, wünſchte den Beiden „ Gute Nacht “und legte ſich auf die andere Seite, um weiter zu ſchlafen.
Stadion und Helfert fuhren unmittelbar danach in das Telegraphen-Bureau; die Depeſche die ſie nach Kremſier richteten, enthielt drei in - haltsſchwere Worte: „ Es bleibt dabei. “
Mor - gen Früh 4 Uhr treffen mit der Nord - bahn dreißig der bedeutendſten Brauereibeſitzer aus Belgien, Nord-Frankreich und Holland, auf einer Studienreiſe begriffen, von Wien in Olmütz ein, und werden im Laufe des morgigen Tages mehrere Malzfabriken und Brauereien beſichtigen. Zu Ehren der Gäſte findet morgen Nachmittags 1 Uhr ein Diner im Clublocale des „ Hotel Lauer “ſtatt. Nach demſelben erfolgt die Abreiſe der Gäſte nach Prag.
Die Tagesordnung der heutigen Sitzung des Stadtverordneten-Collegiums iſt folgende: Geſuch der Theaterdirection um erhöhte Eintrittspreiſe bei einem Gaſtſpiele. — Bericht der Rechnungs - abtheilung über mehrere Zuflüſſe zum Penſions - fond der ſtädt. Beamten. — Note der Sparkaſſa - Direction über die beantragte Aenderung der Sparcaſſa-Statuten. — Vorlage der Bau - materialien-Rechnung für das Jahr 1885. —Bericht der 1. Section über den Ankauf des Hauſes Nr. 435 in Olmütz. (2. Leſung. ) — Bericht der erſten Section bezüglich der Eingabe des Stadtparkgärtners um Erhöhung des Ar - beiter-Pauſchalbetrages und Errichtung eines neuen Glashauſes. — Bericht der 1. Section über die Eingabe des Vereines „ Mähriſcher Zuckerfabriken “bezüglich des Tauſches der, der Stadt Olmütz gehörigen Parcellenantheile Nr. 958 / 3 und Nr. 957 / 4. — Bericht der 1. Section über das mit 31. October 1886 erfolgende Erlöſchen des Vertrages bezüglich des Jahrmarktsbuden.
Herr Max Hirſch, Maſchinen - fabrikant in Schlan, ein Sohn des hieſigen Hausbeſitzers, Herrn Martin Hirſch hat ſich mit Fräulein Marie Etterich aus Trautenau verlobt.
Wir machen die Mitglieder des Olmützer Gewerbe - vereines darauf aufmerkſam, daß die Vereins - localitäten (Realſchule) heute von halb 7 bis 9 Uhr Abends für Mitglieder und Gäſte ge - öffnet ſind.
Der Wirthſchaftsinſpector des Staatsgeſtüts in Radautz, Eduard Freiherr Schwarz v. Meiler, wurde zum Landescultur - Inſpector von Niederöſterreich, Mähren und Schle - ſien mit dem Amtsſitze in Wien und der Civil - Ingenieur Theodor Herzmansky zum Ingenieur für den Staatsbaudtenſt in Schleſien ernannt.
Der hieſige deutſche Verein beabſichtigt unmittelbar nach Oſtern eine Mitgliederverſammlung abzuhalten, in wel - cher ſowol die allgemeine politiſche Lage, als auch die ſpeciellen Verhältniſſe Mährens unter dem gegenwärtigen Regime zur Beſprechung gelangen ſollen. —
wurde geſtern Vor - mittags 10½ Uhr im Caſinoſaale unter recht zahlreicher Betheiligung der Mitglieder abgehalten. Der Obmann der Ortsgruppe, Herr Robert Primaveſi begrüßt die Anweſenden mit herz - lichen Worten und richtete an dieſelben die Bitte immer und ſtets des deutſchen Schulvereins ein - gedenk zu ſein und denſelben kräftigſt zu unter - ſtützen, damit derſelbe ſeiner Aufgabe gerecht wer - den könne. Die Verhältniſſe der Ortsgruppe Olmütz ſeien nicht die günſtigſten, die Mitglieder - anzahl und die Spenden ſeien zurückgegangen; es müſſe daher getrachtet werden, der Ortsgruppe neue Mitglieder zuzuführen und dieſelbe auch anderweitig zu unterſtützen. Der Ausſchuß habe beſchloſſen, um der Ortsgruppe einen Beitragzuzuweden, demnächſt ein Concert zu Gunſten des Schulvereins zu veranſtalten. Die Ausführungen des Herrn Vorſitzenden fanden lebhafteſten Beifall. Hierauf las Herr Schriftführer, Theodor Knaute den von ihm verfaßten Jahresbericht vor, der von der Verſammlung beifälligſt auf - genommen wurde. Der Jahresbericht, der ein umfaſſendes und getreues Bild der Thätigkeit des Schulvereins und der hieſigen Ortsgruppe bietet und den wir ſeinem Wortlaute nach demnächſt ver - öffentlichen werden, zerfällt in drei Abtheilungen u. zw. a) in den Bericht der Centralleitung, b) in den Bericht über die Thätigkeit der Olmützer Ortsgruppe und c) in den Bericht über die Paulo - witzer Volksſchule. Der von Herrn Zahlmeiſter W. Lang erſtattete Caſſabericht wird zur Kennt - niß genommen und dem Referenten für die Er - ſtattung des Berichtes Beifall gezollt.
Hierauf erfolgt die Neuwahl des Ausſchußes. Die bisherigen Mitglieder desſelben, die Herren: Robert Primaveſi (Obmann), Adolf Thannabaur (Obmann-Stellvertreter), Th. Knaute (Schrift - führer), Dr. Carl Schrötter (Schriftführer-Stell - vertreter), W. Lang (Zahlmeiſter), und W. Sa - liger (Zahlmeiſter-Stellvertreter) werden ein - ſtimmig wieder gewählt.
Herr Th. Knaute ergriff hierauf das Wort und ſchilderte in längerer Rede die Angriffe, deren Ziel die Central-Leitung des Schulvereines und deren wackerer Obmann Dr. Weitlof in letzterer Zeit geweſen waren; er empfahl der Verſamm - lung die Annahme der nachfolgenden Reſolution:
„ Die Ortsgruppe „ Olmütz und Umgebung “des deutſchen Schulvereins iſt von tiefſtem Be - dauern über die maßloſen und ungerechtfertigten Angriffe, welche einzelne Ortsgruppen gegen den Vorſtand des deutſchen Schulvereins, und insbe - ſondere gegen Herrn Dr. Weitlof gerichtet haben erfüllt; ſie weiſt die Bemühungen, eine con - feſſionelle Spaltung in die Reihen des Schulvereins zu bringen, als eine freiſinnigen Anſchauungen zuwiderlaufende beklagenswerthe Verirrung zurück, ſie erklärt, daß Vorſtand und Schiedsgericht nach dem klaren Wortlaute der Satzungen vollſtändig ordnungsmäßig gehandelt haben, ſie fordert die Mitglieder des Schulvereins auf, ihre Sonder - intereſſen nicht in einen Verein zu tragen, der den Ausbau der freien deutſchen Schule, dem Heile der deutſchen Jugend gewidmet iſt, ſie ſpricht ſchließlich dem Geſammtvorſtande des deutſchen Schulvereins (insbeſondere aber dem Herrn Dr. Weitlof) für die raſtloſen und ſelbſtloſen Be - mühungen im Dienſte des deutſchen Volksthums den wärmſten Dank aus und bittet auf Grund
(67.)
Sie hatte Alexis nie nach ſeinem Vermögen gefragt, und bei der Kürze ihres Zuſammenlebens auch keine Zeit gewonnen, einen genaueren Einblick in deſſen finanzielle Lage zu thun.
Namentlich die Pachtverhältniſſe über die Güter ihres Mannes lernte ſie erſt aus den vorgefundenen Contracten kennen, denn der Einzige, welcher hätte genaue Auskunft geben können, der Onkel und Vor - mund des Verſtorbenen, war verſchollen, Niemand kannte ſeinen Aufenthalt, obwohl man annahm, daß Paris der Ort ſei, wohin er ſich gewendet habe.
Die Scham über ſeine Veruntreuungen hatte ihn aus der Nähe ſeines von ihm betroffenen Nef - fen verbannt; mit dem unrechtmäßig erworbenen Gelde war er unter Bruch des Handgelöbniſſes dem über ihn verhängten Hausarreſt entflohen, und alle Nachforſchungen nach ihm blieben erfolglos, ſo daß Agnes nicht einmal in der Lage war, ihm den Tod ſeines nächſten Verwandten anzuzeigen.
Die Glocke an der Vorſaalthür ertönte, zum Zeichen, daß Jemand Einlaß begehrte.
Gleich darauf meldete das Mädchen den Ma - ler Wallburg.
Agnes nickte zuſtimmend, und Herbert trat ein, während die junge Frau die Schriftſtücke zu - ſammenlegte und ihrem Vater reichte, der ſie ſorg - fältig verſchloß.
„ Ich komme, um mich nach ihrem Beſinden zu erkundigen, gnädige Frau, “begann der Maler, einige Schritte näher tretend.
„ Als ich Sie das letzte Mal in Rom ſah, fürchtete ich ernſtlich für Ihre Geſundheit, da ichbemerkte, wie ſehr Sie ſich in Folge des ſo plötz - lich eingetretenen Unglücksfalles angegriffen fühlten.
Auf die Wangen der jungen Witwe trat die Röthe der Verlegenheit. Sollte ſie ſich von dem Manne, der ihr einſt ſo nahe geſtanden hatte, mit der förmlichen Titulatur: „ Gnädige Frau “anreden laſſen, ſie die ehemalige Stickerin, die Tochter des armen Penſionärs?
„ Es iſt ſo ziemlich überwunden, Herr Wall - burg, ich danke für Ihre Theilnahme, wenn ich auch den Entſchlafenen nie vergeſſen werde! “verſetzte ſie, indem ſie den Künſtler mit einer Handbewegung zum Platznehmen einlud.
„ Und Sie, — haben Sie Ihre Studien in Rom bereits vollendet? “
„ Seit länger als zwei Monaten bin ich wie - der hier in meiner Vaterſtadt eingetroffen. Es war mir nicht länger möglich, in der alten Trümmer - ſtadt zu verweilen, wie mit unſichtbaren Banden zog es mich zurück nach der Heimath und ich mußte dieſem unwiderſtehlichen Zuge folgen, wollte ich nicht meine ganze freudige Schaffenskraft lähmen, Pinſel und Palette verſtauben laſſen. “
Seine dunklen Augen ruthen mit innigem, lie - bewarmen Ausdruck auf der jugendlichen Geſtalt, die durch das knappe, ſchwarze Coſtüm auf das Vor - theilhafteſte gehoben wurde.
Die blonde Lockenfülle ergoß ſich wie ein gol - dener Strom über Haupt und Nacken, und das herrliche, tiefblaue Auge blickte ſo wahr und ohne Falſch zu dem jungen Manne hinüber, daß er ſich ſagen mußte: bei Gott, ſie iſt hinreißend ſchön! Wo hatte er die Augen gehabt, als er um der Sänge - rin willen dieſes wunderbar reizende Weſen auch nur einen Augenblick lang vernachläſſigen konnte?
„ Und dieſe Sehnſucht nach der Heimath trat erſt ein, nachdem Sie bereits über ein Jahr in Rom gelebt hatten? “
Der Maler ſenkte die Augen.
„ Es war vielleicht nicht die Stätte, wo ich meine Jugend verlebte, an ſich, welche das Verlan - gen, zurückzukehren in mir weckte, nicht die Häuſer, die Straßen, die Menſchen, nach denen ich mich ſehnte, ſondern es war eine einzige plötzliche Er - ſcheinung, die unerwartet überraſchend vor mein Auge trat und eine Zeit des ſüßeſten, reinſten Glü - ckes heraufzauberte aus dem Meere der Erinnerung. Von dieſem Augenblicke an fand ich weder Ruhe und Raſt; Rom mit allen ſeinen Kunſtſchätzen war mir gleichgiltig, zuwider geworden, ich mußte zurück aus den langweiligen Oliven - und Citronenhainen, aus den ſtarren Ruinen, die in der Sonnengluth brannten, zurück in mein liebes, rauhes Deutſch - land, zu ſeinen Tannen - und Buchenwäldern, ſeinen fleißigen, thatkräftigen Bewohnern, zu ihr, deren Bild mich im Wachen und Träumen umſchwebte. “
„ Noch einmal wollte ich Sie ſehen, noch ein - mal Ihre ſüße Stimme hören, und dann mich in mein Atelier vergraben und in der Kunſt Erſatz ſuchen für das entflohene Liebesglück.
„ Sie wieſen mich nicht von Ihrec Thür, Ag - nes, Sie vergönnten mir noch einmal das Glück, Sie ſehen und ſprechen zu dürfen. — haben Sie Dank für Ihre Güte! “
„ Und die Baronin von Rodovicz. Herr Wall - burg, was iſt aus ihr geworden? Man hat mir geſagt, Sie ſeien mit Ihr verlobt! “
„ Man hat Sie falſch berichtet, ſoweit iſt es zwiſchen uns nicht gekommen! Als Sie mir wenige Wochen nach meiner Abreiſe nach Rom den letzten Brief ſchrieben und mir in kaltem nüchternen Wor - ten erklärten, aus unſerer Verbindung könne Nichts werden, Ihre Kindespflicht gebiete Ihnen zurückzu - treten, da mußte ich an der Menſchheit verzweifeln - denn jetzt erſt fühlte ich, wie unendlich heiß ich Sie geliebt hatte. (Fortſetzung folgt.)
[6]unerſchütterlichen Vertrauens den Vorſtand, ſich nicht beirren zu laſſen in der Erfüllung der Pflicht und unentwegt einzuſtehen für das Wohl des deutſchen Volkes in Oeſterreich. “
Die Verſammlung gibt einhellig ihre Zu - ſtimmung zu dieſer Reſolution. Ueber Antrag des Herrn Ad. Thannabaur wird dem Reichsraths - abgeordneten Dr. Weeber für die Unterſtützung der hieſigen Ortsgruppe der Dank votirt. Re - dacteur Seethaler ſpricht der Leitung der hieſigen Ortsgruppe, insbeſondere deren wackeren Obmann den Dank der Verſammlung für deren aufopfernde Thätigkeit aus. Die Verſammlung zollt den Wor - ten des Redners ſtürmiſchen Beifall, worauf Herr Primaveſi in ſeinem und im Namen des Aus - ſchuſſes das Verſprechen leiſtet, den Verein auch fernerhin kräftigſt fördern zu wollen, wobei er auch der Mitwirkung des „ Mähr. Tagblattes “in freundlichen Worten gedenkt. Hierauf werden die Delegirten für die in Salzburg ſtattfindende Jah - resverſammlung des Schulvereins gewählt und wird ſodann die Verſammlung geſchloſſen.
Die beiden in Olmütz weilenden Landesſchulin - ſpectoren Herren Dr. Nacke und P. Riedl be - ſuchten im Verlaufe des geſtrigen Nachmittags die Paulowitzer Schule und beſichtigten daſelbſt in eingehender Weiſe die Einrichtung der Anſtalt, die Lehr - und Lernmittel, derſelben u. ſ. w. ſpendeten wärmſte Worte der Anerkennung für die trefflich eingerichtete und mit ſo guten Lehr - mitteln ausgeſtattete Anſtalt, und zeichneten ihre Namen in das Gedenk - und Ehrenbuch der Schule.
Der auch in Olmütz wolbe - kannte Director der Männerſtrafanſtalt in Mürau, Herr Kroupal iſt geſtern geſtorben.
Samſtag Abends wurde das im Clublocale des „ Hotel Lauer “von der Ol - mützer Bolzenſchützengeſellſchaft veranſtaltete Kö - nigſchießen beendet. Den 1. Preis erhielt Herr J. Rupprecht, den 2. Herr Joh. Aulegk, den 3. Herr Raimund Nietſche, den 4. Herr Carl Auſt. den 5. Herr Moritz Läufer, den 6. Herr Clem. Jurenka, den 7. Herr Lieutenant Staniek, den 8. Herr Alois Witzke und den 9. Herr Wilhelm Mika. Die Unterhaltung war eine ſehr animirte und wurde allgemein der Wunſch geäußert, im nächſten Jahr abermals ein ſolches Schießen zu veranſtalten.
Samſtag Abends producirte ſich der Gedankenleſer Herr Grudzky im deutſchen Caſino. Die Seánce, bei welcher Herr Grudzky abermals ſtaunenswerthe, beifälligſt aufgenommene Leiſtungen bot, war ſehr gut be - ſucht. An dieſem Abend brachte auch der kleine Rechenkünſtler Rüber aus Oswicčim mehrere Re - chenkünſte; derſelbe löſte die ſchwierigſten Rechen - aufgaben in überraſchender Weiſe.
fand geſtern in unſerem Theater ſtatt. Auch geſtern übte das Werk eine große Zugkraft aus, denn das Theater war, trotzdem gleichzeitig eine Circusvorſtellung ſtatt - fand, ſehr gut beſucht. Der Beifall, den die Träger der Hauptparthieen erhielten, war abermals ein ſtürmiſcher. Heute erfolgt die eilfte Aufführung dieſes Caſſaftückes.
Im Laufe des geſtrigen Tages fanden in dem auf dem Vieh - marktplatze etablirten Circus Merkel zwei Vor - ſtellungen ſtatt, welche ſehr gut beſucht waren. Herr Merkel hat auch dießmal dem hieſigen Publicum eine Elite-Truppe vorgeführt, deren bravouriöſe Leiſtungen ſtürmiſchen Beifall fanden. Die von früher her bekannten Turner: die Herren Ernſt Merkel und Mr. Gicarda, die Parforce - reiter Cooke und Victor Merkel, der Japaneſe Gnover, die graziöſen Reiterinnen Taylor und Honrey wurden bei ihrem Erſcheinen mit lebhaftem Beifall begrüßt. Neu hinzugekommen ſind Herr Rüthing, und die urkomiſchen Clowns Brüder Wheal. Das Publicum kam bei den Productionen derſelben, die vieles Neue boten, nicht aus dem Lachen heraus und jubelte dieſelben mehrmals heraus. Senſation erregte die Vorführung der vier oſtpreußiſchen Schecken durch Herrn Theodor Henry. Die Thiere erwieſen ſich als vortrefflich dreſſirt und bilden eine Specialität des Circus Merkel. In der Nachmittagsvorſtellung wurden die Elefanten und in der Abendvorſtellung die dreſſirten Löwen von Herrn Perlmann vorgeführt. Der muſikaliſche Clown Herr Wels bietet ſchon Oftgehörtes. Dieſer ewige „ Carneval von Venedig “ſollte denn doch ſchon einmal aus dem Circus - Repertoire verbannt werden. Erwähnen müſſen wir noch, daß ſich das Programm ungemein raſch abwickelte und daß die Coſtüme der ein - zelnen Mitglieder als glänzende bezeichnet werden müſſen.
Samſtag Abends 6 Uhr iſt der Artilleriſt Franz Malata des 10. Corps-Artillerie-Regimentes in der March ertrunken. Um die genannte Stunde fuhren drei Artilleriſten in einem Kahne unterhalb dem Ka - tharinen-Wehr beim „ Wanderer “im Marcharm herum. Dieſelben ſchtenen guter Dinge zu ſein, denn ihr helles Lachen tönte bis aus Ufer. Vom Uebermuth getrieben fuhren ſie mit dem leichten Nachen gegen das Wehr an; derſelbe erhielt bei dem Anpralle einen Stoß und wurde von den herabſtürzenden Waſſermaſſen umgelegt, ſo daß die drei Artilleriſten ins Waſſer ſtürzten. Zwei derſelben klammerten ſich an den Nachen an, während der dritte vom Hochwaſſer fortgetrieben wurde. Zweimal tauchte der Unglückliche noch empor, dann verſchwand er ſpurlos in den Wellen. Die Hilfeleiſtung des einen Artilleriſten, der von dem Kahne ſich in das Waſſer begab, um den Kameraden zu retten, war vergeblich und konnte derſelbe ſelbſt nur mit Mühe ans Ufer gelangen. Der auf dem Kahne verbliebene Artilleriſt ruderte ans Ufer. Zahlreiche Perſonen waren Zeugen dieſer gräßlichen Scene. Die Leiche des ertrun - kenen Artilleriſten wurde bisher nicht entdeckt.
Ströme und Bäche ſind bereits vom Eiſe befreit; allein auf den Fel - dern lagert noch hie und da Schnee und Eis, und ſelbſt in unſerem Stadtparke begegnet man an den Rändern der Gänge und Alleen Eiskruſten, die der rauhe Winter zurückließ. Die Sonne aber meint es gut mit uns. Sie ſcheint ſo hell und warm vom reinen Himmel nieder, daß die hätteſten Eiskruſten ihr bald werden weichen müſſen. Ihre wärmenden Strahlen lockten geſtern Tauſende ins Freie. Straßen und Wege waren mit Promenirenden bedeckt, die zum erſten Male Frühlingsluft wieder athmen wollten. Je rauher der Winter war und je länger er ſich heuer bei uns feſtgeſetzt hatte, deſto mehr freute ſich Jung und Alt geſtern an dem heiteren Sonnenſchein, an der milden Luft, die uns an - wehte, als wärs bereits Maienluft. Nun kann endlich auch der Anbau der Felder beginnen, die heuer ſo lange der Anbauzeit harren mußten, wie wir ſelbſt auf den Beginn des Frühlings.
Die Demolirung des „ gel - ben Hauſes “am Stadterweiterungsplatze ſchreitet vorwärts und wurde bereits der Dachſtuhl abge - deckt. Das Mauerwerk dürfte noch im Laufe die - ſer Woche abgeriſſen werden.
In Berlin verſchied Samſtag der Schriftſteller Julian Schmidt, der für eine gewiſſe Zeit und für gewiſſe Schrift - ſtellerkreiſe eine Art Literatur-Papſt war, an deſſen Unfeblbarkeit geglaubt wurde. Das Anſehen ſeines Urtheils war übrigens längſt in den Hinter - grund getreten.
Die Situation, die ſich einigerma - ßen gebeſſert zu haben ſchien, iſt in den letzten Stunden eine ſchreckliche geworden. Die militäriſche Macht, welche aufgeboten wurde, reicht nicht mehr aus. Die Wei - ber kämpfen mit den Männern gegen das Mili - tär. Ueber die revolutionirenden Orte wurde der Belagerungszuſtand ver - hängt.
In parlamentariſchen Kreiſen wir die Rede Reverteras als Programmrede für das Portefeuille des Handelsminiſters bezeichnet.
Der Sprachengeſetzausſchuß (Antrag Scharſchmid) wurde für Dienſtag, 30. d. Mts., um 7 Uhr Abends zu einer Sitzung eingeladen.
Geſtern wurde die Leiche der Gräfin von Chambord einbalſamirt. Der Tag des Lei - chenbegängniſſes iſt noch nicht beſtimmt. Anwe - ſend ſind hier: Don Carlos, die Herzogin von Madrid, der Herzog Della Grazia, die Groß - herzogin von Toscana und Gräfin Cibeins. Ge -ſtern wurde das Teſtament eröffnet. Erben ſind Don Carlos und Don Alfonſo.
Das heute ausgegebene Bulletin über das Befinden des Statthalters Baron Cornaro lautet: Nacht ruhig; Fieber mäßig; keine we - ſentliche Veränderung.
Mr. Stanfelds wurde zum Präſidenten der Local-Regierung, Lord Dalhouſie zum Staats - ſecretär für Schottland ernannt. — England ſetzt energiſch ſeine Bemühungen fort, Griechenland von einer Action zurückzuhalten.
Die „ Nordd. Allg. Ztg. “dementirt die Nachricht, daß der italieniſche Hof oder die ita - lieniſche Regierung ſich zu Gunſten des Landes - verräthers Kraszewski ausgeſprochen hätten. Damit ſei auch der tendenziöſen Erfindung von einer Erkaltung der deutſchitalieniſchen Beziehungen die Unterlage entzogen.
Die „ Agence Havas “meldet: Wie es ſcheint, wurde in Folge der Einwendungen Ruß - lands der italieniſche Vorſchlag fallen gelaſſen. Fürſt Alexander ſeinerſeits weigere ſich, der Er - neuerung der Ernennung alle fünf Jahre zuzu - ſtimmen. Die Situation wird als geſpannt be - trachtet, und iſt von einem neuerlichen Collectiv - ſchritt der Mächte, welcher wahrſcheinlich fruchtlos wäre, nicht die Rede.
Die Nachrichten von dem Zuſammentritte der Kammer hat lebhafte Bewegung hervorgerufen. Die Regierung wird einen Geſetzentwurf vorlegen behufs Errichtung neuer Cadres zur Einreihung der einberufenen Reſerviſten. Der Kriegsminiſter wird Abends zur Inſpection der Truppen an die Grenze abreiſen.
Die Antwortnote des Fürſten Alexander an die Pforte iſt eingelangt. Fürſt Alexander erklärt, daß ihn das gemeinſame Intreſſe Bulgariens und der Türkei veranlaßte, auf der früheren Beſtimmungen lebenslänglicher Er - nennung feſtzuhalten, da nach 5 Jahren neue Verwicklungen mit Europa und Rußland ausweichlich wären. — Kurz vor Eintref - fen dieſer Antwortsnote waren die in Adrianopel weilenden Truppen angewieſen worden Marſch - bereitſchaft zu halten. Weitere Verfügungen wur - den nicht getroffen. Die Pforte ließ durch ihre Geſandten den Großmächten erklären, das ſie für neue Verwicklungen nicht verantwort - lich ſei und erſucht die Großmächte die Türkei in ihren friedlichen Beſtrebungen zu unterſtützen. — Der Sultan wird den Czar bei ſeiner An - kunft in der Krim durch den Specialgeſandten Sever Paſcha begrüßen laſſen.
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Der Zigeunerbaron.
Morgen Dienſtag: 146. Vorſtellung. Im Abonnement. Gerader Tag Zum Benefice des Schauſpielers Herrn Alfred Klatsoher. Die Fledermaus.
☞ Der Geſammtauflage unſerer heu - tigen Nummer liegt ein Proſpect über Tiroler Geſundheits-Feigenkaffee der renom - mirten Firma A. Bidal & Co. in Nieder - dorf (Tirol) bei, worauf wir die geehr - ten Hausfrauen beſonders aufmerkſam machen. ☜
Herausgeber und verantwortlicher Redacteur Wilhelm Seethaler. Druck von Joſef Groak in Olmütz.
Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T15:49:55Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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