PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]

Keiner Partei dienſtbar.

Freies Wort jedem Deutſchen.

Marburger Zeitung.

Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat - lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

Mit Poſtverſendung: Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h. Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.

Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag abends.

Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von 11 12 Uhr vorm. und von 5 6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe[4](Telephon Nr. 24.)

Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einſchaltungen: Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.

Nr. 76 Dienstag, 27. Juni 1911 50. Jahrgang.

Der neue Miniſterpräſident.

Wieder ein neues Miniſterio! In anderen Staaten wirkt eine ſolche Nachricht mit der zeugen - den Kraft eines hohen politiſchen Ereigniſſes; bei uns aber ſtellt ſie in ihrem Weſen nur eine neue, aber altgewohnte Epiſode dar, wie ja unſerer ganzen Politik zumeiſt der Charakter des Epiſodenhaften innewohnt. Täglich ein Schachern und Feilſchen und täglich muß ſich der Miniſterpräſident das neu er - werben, was er geſtern beſaß und wenn er ſich die Zufriedenheit der Krone dauernd ſichern will, ſo müßte er auf die verworrenen und krankhaft ver - zerrten parlamentariſchen Verhältniſſe einwirken können wie ein Zauberer und mit wahrhaft über - irdiſcher Kraft. Seit dem 15. November 1908 hat Herr von Bienerth ſich bemüht, in der parlamenta - riſchen Schaukelpolitik für ſich das Gleichgewicht zu erhalten und als die Verhältniſſe immer trüber und troſtloſer wurden, gedachte er durch eine Radikal - kur ſich Hilfe zu verſchaffen und der Regierungs - mehrheit eine größere Spannkraft zu verleihen. Die Auflöſung des Parlamentes und die Neuwahlen ſollten ihm jenen Zifferngewinn bringen, den er haben mußte, wenn er weiterregieren wollte. Aber dieſer Appell an die Wähler hat ihn ſchwer ent - täuſcht und ihm nicht jene Früchte gebracht, nach denen er ſich ſehnte und für die er alle Mittel ein - ſetzte, welche der Regierungsgewalt zur Verfügung ſtehen. Seine Hoffnungen ſchlugen fehl, denn das neue Haus wird im Weſen dieſelben Züge tragen wie das aufgelöſte; wohl aber konnte Herr vonBienerth gewärtigen, daß der Parlamentsbeginn gewaltige Stürme auslöſen wird, in deren Richtung auch der Leitminiſter ſtehen würde. Und als ſich die erſten Sturmzeichen meldeten: der Rücktritt des chriſtlichſozialen Handelsminiſters und jener des polniſchen Eiſenbahnminiſters, da machte er es zur Tat, was er als Trumpf gar oft ſchon ausgeſpielt hatte: Ich klebe nicht an meinem Mandat! Herr v. Bienerth hat dem Kaiſer ſeine Abdankung ange - boten; die Krone nahm ſie genehmigend zur Kennt - nis und betraute einen ihrer Lieblinge, den Frei - herrn Gautſch v. Frankenthurn zu ſeinem Nach - folger. Zweimal ſchon war Herr v. Gautſch Unter - richtsminiſter und zweimal auch Miniſterpräſident das erſtemal nach Badeni. Nun ſteigt er neuer - dings und zum dritten Male die Stufen zum Re - gierungsſitze hinan: die Opferung des Herrn von Bienerth, die ſo manche Partei verſöhnen ſoll, auf der einen, und die beſondere, noch nie unterbrochen geweſene Huld der Krone auf der anderen Seite mit ſolchen Geleitbriefen für die Zukunft tritt Herr v. Gautfch ſein Amt nun an. Wer in ſeiner poli - tiſchen Vergangenheit ſchürft, wird in ihr kein Edel - geſtein finden, nichts, was auf Herz oder Sinn an - regend wirken oder ſeinem Namen hiſtoriſche Be - deutung geben würde. Die Aufhebung der Badeni - ſchen Aufruhrakte war nicht ſein Verdienſt; ſie war mit dem Sturze des polniſchen Diktators vom deutſchen Volke erkämpft worden und die neuen Sprachenverordnungen, die Gautſch an deren Stelle ſetzte, ließen noch die Nachfolge Badenis erkennen; Graf Clary hob auch dieſe Sprachenzwangs - verordnungen auf. Und auch der Umſtand, daß erfür die Wahlreform eintrat, als er nach Körber neuerdings als Leitminiſter berufen wurde, wird ihm keinen Namen als Perſönlichkeit ſichern; denn ein Jahr zuvor war er noch ihr heftiger Gegner und er trat erſt dann für ſie ein, als die Krone ihm deutlich ihren Willen kundgab. So iſt Herr von Gautſch ein Beamter, deſſen Wirken ſich ſtets nur darnach richtet, was der Hof von ihm verlangt. Gautſch von Frankenthurn ſteht in einer gewiſſen Verbindung mit Marburg; die Gemahlin ſeines Onkels, des Oberſtleutnants Gautſch v. Frankenthurn, iſt die Schweſter des uns leider allzufrüh entriſſenen Direktors Edmund Schmid und am Marburger Friedhof befindet ſich auch eine Grabſtätte der Gautſch v. Frankenthurn. Nicht ohne Intereſſe ſind für uns derartige, wenn auch loſe Verbindungen mit unſerer Stadt und wenn man ſie auch nicht zur Grundlage von wirtſchaftlichen Phantaſien machen kann, ſo können ſie immerhin geeignet ſein, bei dem neuen Regierungschef freundliche Ge - ſinnungen gegenüber wirtſchaftlichen Forderungen unſerer Stadt hervorzurufen und gegebenen Falles wird Abg. Waſtian gewiß nicht verfehlen, auch dieſen Trumpf an richtiger Stelle auszuſpielen. Vorläufig wird Herr von Gautſch aber gewiß ganz andere Sorgen haben; mit vollen Breitſeiten werden die politiſchen Geſchehniſſe losgeſchoſſen auf ihn, wenn er ſich nicht vollſtändig den Tſchechen ausliefert, die ihn begrüßen. Ob er heute noch jene Feſtigkeit beſitzt, die ihn den Angriffen Liechtenſteins und des Episkopates auf die Volksſchule widerſtehen ließen ſeine beſte Tat! das gehört zu den Unge - wißheiten der Zukunft, die jetzt an uns herantritt.

Die weiße Frau von Oldensloe.

3 (Nachdruck verboten.)

Als ich einſt des Abends mit meiner Mutter vor der Tür unſeres Hauſes ſaß, ſchmiegte ich mich zärtlich an ſie und ſagte:

Mutter, erzähle mir von der weißen Frau im Schloß ...

Da erſchrack meine Mutter auf das heftigſte und ſtieß mich fort und ſtarrte mich an, als ſähe ſie ein Geſpenſt.

Junge, fragte ſie mit bebender Stimme, wer hat dir von der weißen Frau erzählt?

Der alte Peter.

Er ſollte etwas beſſeres tun , murmelte meine Mutter, ſich ſcheu umſehend, als fürchte ſie einen Lauſcher. Sprich du aber niemals von der weißen Frau , fuhr ſie flüſternd fort, mit keinem Menſchen und namentlich nicht mit dem Vater, wenn du nicht willſt, daß ein großes Unglück über uns alle kommt.

Ich fühlte wie meine Mutter zitterte und ich zitterte mit ihr, denn ich glaubte an die geſpenſtiſche Macht der weißen Frau, um Übles zufügen zu können. Ich befolgte auch den Befehl meiner Mutter aus abergläubiſcher Furcht, wenn mich auch die Neugier quälte, mehr von der weißen Frau zu hören.

Doch andere Ereigniſſe traten ein und ich ver - gaß das Märchen von der weißen Frau, an das ich mich erſt lange Jahre nachher erinnerte.

Es war ein ſtürmiſcher Winterabend. Der Wald war tief verſchneit und die Bäume beugten ſich tief unter der Laſt des Schnees. Wenn ein Windſtoß durch den Wald ſauſte, dann krachte und ſplitterte es an allen Enden, fünfzigjährige Tannen wurden abgeknickt, als wären ſie dünne Stangen, die die Hand eines Knaben zerbrechen konnte.

Mein Vater war ſeit Mittag im Walde. Die ſchüchterne Bitte meiner Mutter, bei dem ſtürmiſchen Wetter nicht hinauszugehen, hatte er rauh zurück - gewieſen; in letzter Zeit hatten die Wilderei und der Holzdiebſtahl im Revier wieder überhand genommen; der Vater war mehreren gefährlichen Wilddieben auf der Spur, die über die nahe Grenze des Nachbar - ſtaates herüberkamen und ſich der Verfolgung da - durch entzogen, daß ſie mit dem erbeuteten Wild raſch über die Grenze zuruckgingen, wohin ihnen mein Vater nicht folgen konnte. Aber er hatte ihre Schleichwege über die Grenze aufgeſpürt und lau - erte ihnen jetzt auf dieſen auf, um ſie auf friſcher Tat zu ertappen.

Den Heger, meinen alten Freund Peter, und unſeren Knecht Heinrich hatte er mit ins Revier ge - nommen, um alle Schleichwege beſetzen zu können.

Die Mutter und ich ſaßen eng aneinander ge - ſchmiegt im Zimmer und lauſchten auf das Brauſen des Sturmes und das Krachen der brechenden Tannen. Wir ſprachen kein Wort; ich war ſehr müde, weil ich erſt nachmittags von der Schule aus dem be - nachbarten Dorfe zurückgekommen war und mich mit Mühe durch den hohen Schnee gekämpft hatte. Ich ſchloß die Augen und bei dem einförmigen Tik - tak der Wanduhr und dem Surren des Spinnrads unſerer Magd ſchlief ich feſt ein.

Wie lange ich geſchlafen, weiß ich nicht. Plötz - lich erwachte ich durch eine heftige Bewegung meiner Mutter, an deren Schulter ich meinen Kopf gelegt hatte, und hörte das wütende Bellen und Heulen unſerer Hunde draußen auf dem Hofe.

Meine Mutter und die Magd liefen hinaus. Ich hörte rauhe Männerſtimmen, und plötzlich einen lauten Schreckensſchrei meiner Mutter. Jetzt lief auch ich auf die Hausflur und niemals werde ich den Aublick vergeſſen, welcher ſich mir darbot.

Auf einer Tragbahre, die man aus den Flinten meines Vaters, des alten Peter und des Knechts, ſowie aus Tannenzweigen hergeſtellt hatte, lag der blutige Körper meines Vaters. Meine Mutter kniete neben der Bahre und verbarg ſchluchzend ihr Ge - ſicht in die Hände. Der alte Peter und der Knecht, welcher eine Laterne in der Hand trug, deren Licht die fürchterliche Szene mit rotem Schein übergoß, ſtanden mit geſenktem Kopf zu Häupten der Bahre.

Ich lief auf meinen Vater zu, der in dieſem Augenblick ſchwer aufſtöhnte; dieſes Zeichen, daß noch Leben in ihm war, erweckte meine Mutter aus ihrem Schmerze.

Bringt ihn in das Zimmer auf ſein Bett , bat ſie, und dann lauf einer nach dem Schloſſe und melde den Vorfall. Der Oberförſter ſchickt wohl einen Wagen nach dem Arzt ...

Und ich ſah hin und weinte.

2Marburger Zeitung Nr. 76. 27. Juni 1911

Eigenberichte.

(Ver - ſammlung wegen des Marburg Wieſer - Bahnbaues.)

Im Gaſthauſe des Herrn Alois Wratſchko werden wir Söhne der grünen aber ver - laſſenen Unterſteiermark. Sonntag den 2. Juli 1911 um 3 Uhr nachmittags eine landwirtſchaftliche Ver - ſammlung abhalten und hiebei nochmals ein Wort über den Bau der Marburg-Wieſer-Bahn ſprechen. Denn wir ſind Produzenten und Steuerträger erſter Klaſſe und wollen als ſolche endlich einen offenen Verkehr haben, den uns aber nur die Bahn, von der ſchon vor 30 Jahren die Rede war, geben kann. Wer das Pößnitztal zwiſchen dem Poßruckgebirge und den Wind. Büheln mit offenen Augen und geſundem Verſtand durchwandelt, kann die Renta - bilität einer Bahn nicht bezweifeln. Aus dieſen Gründen fordern wir den Landtagsabg. und Obmann des Eiſenbahnausſchuſſes Herrn Franz Neger auf, daß er in unſerer Verſammlung erſcheint und uns einen genauen Bericht über die wahre Sachlage erſtattet.

(Unglücksfalldurch einen Motorfahrer.)

Geſtern mittag fuhr der Bauer Koſeinc aus St. Nikolai mit ſeiner Frau in die Stadt u. zw. in ſeinem mit einem Rappen beſpannten Wagen. Schon von weitem winkte er den ihm entgegenkommenden Motorfahrer Ludwig Kuharic, dieſer möge ſtehenbleiben, weil das Pferd ſcheut. Allein Kuharic achtete auf dieſe War - nungszeichen und Rufe nicht, ſondern fuhr unbe - kümmert mit ſeinem auspuffenden Motor vorüber und fort; das Pferd ſcheute und der Wagen ſamt Inſaſſen ſtürzte in den Graben. Die Wagendeichſel zerbrach, das Pferd kam infolgedeſſen vom Wagen los und rannte der Straße entlang und wurde ſehr bald von dem aus St. Nikolai kommenden Poſtillon aufgefangen. Koſeinc klagt über Schmerzen in der Schulter; ſein Weib hat anſcheinend ſchwere innere Verletzungen erlitten. Mit Hilfe eines anderen Ge - ſpannes hat man die beiden Beſchädigten zu dem ſloweniſchen Dr. Kriſtan gebracht. Was die dortige Unterſuchung ergab, ſteht außer unſerer Kenntnis. Koſeinc machte bei Gericht die Klage anhängig. Als hievon der ſloweniſche Kaufmann Kuharic erfuhr, ſtellte er ſich ſelbſt dem Gerichte und bat den ſlo - weniſchen Amtsleiter L. G. R. Dr. Presker, einen Ausgleich mit dem Beſchädigten zu vermitteln. Sonderbarerweiſe riet ihm der Herr Gerichtsvor - ſtand davon ab, er brauche keinen Ausgleich an - ſtreben. Wir meinen aber, daß dieſem unvernünf - tigen rückſichtsloſen Motorfahren durch die Stadt, ohne das Tempo zu vermindern und das immer - währende Auspuffergetöſe, welches auch die Pferde ſcheu macht, einzuſtellen, endlich einmal Einhalt ge - tan werde. Die Gemeinde wird wohl die Mittel hiezu finden.

(Überfahren und getötet.)

Während des letzten Jahr - und Vieh - marktes geriet das dreijährige Koſtkind Otto derWäſcherin Thereſia Polegeg in der Mitte des Hauptplatzes unter einen fürſtlich Hugo zu Windiſch - grätz’ſchen Heuwagen und wurde ſofort getötet. Das Kind befand ſich ohne Aufſicht. Seine Ziehmutter hatte in einem daneben befindlichen Gaſthauſe Gäſte bedient.

(Todesſturz vom Heuwagen.)

Der Beſitzer Anton Radej aus Blanza war geſtern mit Aufladen von Heu beſchäftigt und befand ſich auf dem Wagen. Plötz - lich zogen die eingeſpannten Ochſen, ohne daß ſie jemand angetrieben hätte, mit einem Ruck den Wagen an und Radej ſtürzte ſo unglücklich rücklings vom Wagen, daß er ſich beim Fall das Genick brach und auf der Stelle tot blieb.

Pettauer Nachrichten.

Pettauer Sonnenwende.

Samstag den 24. Juni hielt der Germanenverband Auf Vor - poſten in Pettau auf der Höhe nächſt der Buſchen - ſchenke des Herrn Kollenz ſeine diesjährige Sonn - wendfeier ab. Im Gaſtgarten des Herrn Kollenz ſammelte ſich eine große Menge treudeutſcher Ge - ſinnungsgenoſſen an, welche der Feſtrede mit großer Spannung harrten. Feſtredner Herr Silber - bauer verſtand es, in treffenden Worten des niederträchtigen Kampfes, welchen man in den jüngſten Tagen mit den ſchmutzigſten Waffen und unter Verbrüderung mit den ſchwärzeſten Truppen gegen die treudeutſchen charakterfeſten Deutſchen, gegen deutſche Sprache und deutſche Sitten, gegen deutſche Treue und deutſche Einigkeit führte, zu gedenken. Herr Silberbauer forderte in rührenden Worten auf, an der deutſchen Einigkeit feſtzuhalten und ſelbſt dem gefährlichſten Gegner unſerer deutſchen Sache auf dieſem heißen Boden der ſchönen Unterſteiermark, welch wilder Gegner abſolut nicht in den Reihen der überzeugten Slowenen zu ſuchen iſt, mannhaft Stirne zu bieten. Indem wir Herrn Silberbauer für ſeine deutſchen Worte herzlichſt danken, ver - ſprechen wir, uns eines treudeutſchen Mannes ſtets würdig zu zeigen. Mit Recht kann die heurige Sonnwendfeier als Siegesfeier deutſcher Treue und Manneswürde über Volksverrat und Knechtſchaft betrachtet werden. Treudeutſches Heil!

Gemeinderatsſitzung.

Letzten Sonntag 11 Uhr vormittag fand eine außerordentliche Ge - meinderatsſitzung ſtatt. Hiebei wurden für die am 8., 9. und 10. Juli ſtattfindenden Gemeinderats - wahlen die Herren G. -R. Steudte, Matzun, Ornig und Kropf in den Reklamationsausſchuß gewählt.

Pferdeprämiierung.

Am Mittwoch den 5. Juli findet in Pettau die Prämiierung von Muſterſtuten ſtatt.

Todesſturz vom Kirchturm.

In Zir - kulane. Poſt St. Barbara (Kolos) wird gegen - wärtig der Kirchturm durch den hieſigen Spengler - meiſter Taichner neu gedeckt und es arbeiten dort - ſelbſt ſeit mehreren Tagen die Spenglerarbeiter. Am Dienstag vorige Woche ſtürzte der Lehrjunge Os -wald aus bisher nicht aufgeklärter Urſache aus einer Höhe von faſt 7 Meter in die Tiefe, zog ſich einen Beinbruch und ſchwere innere Verletzungen zu und ſtarb an deren Folgen am Samstag nachmittag im hieſigen Krankenhaus. Hier iſt das Gerücht ver - breitet, daß Oswald bei der Arbeit vom Gehilfen eine Ohrfeige erhalten, hiedurch das Gleichgewicht verloren habe und heruntergeſtürzt ſei. Dies wird noch dadurch beſtärkt, daß Oswald nach dem Sturz vom Gehilfen eine Krone geſchenkt erhielt. Jeden - falls wird die Unterſuchung Klarheit ſchaffen. Os - wald hatte an dem Unglückstag ſeinen 15. Geburtstag.

Wind. -Feiſtritzer Nachrichten.

Turnfeſt.

Das Mittwoch den 28. Juni ſtattfindende Turnfeſt enthält folgende Feſtordnung. Auf der Wieſe des Herrn Werhoſchegg wird um genau 8 Uhr abends der Holzſtoß entzunden. Hier - auf folgen Scharlieder und Sonnwendſpruch. Dieſer Teil der Feſtordnung findet nur bei günſtigem Wetter ſtatt. Um 9 Uhr abends Einmarſch in die Stadt. Im Sparkaſſeſaal findet dann das eigent - liche Turnfeſt ſtatt. Der Begrüßung und dem Feſt - gedicht reiht ſich die Feuerrede an. Hierauf folgt das Blumenfeſtſpiel Der Blumenkönigin Sonn - wendtraum. In dieſem Feſtſpiel wird ſich die Windiſchfeiſtritzer Damenwelt auszeichnen. Nach den Proben zu ſchließen, wird das Spiel den Beſuchern etwas großartiges bieten. Die Zöglinge werden ſich in den Frei -, Pferd - und Barrenübungen zeigen. Die Lehrlings - und Stammriege werden Stab -, Pferd - und Barrenübungen bringen. Die Mädchen - riege, die zum erſtenmal öffentlich auftritt, hat einen Fahnenreigen großartig eingeübt und wird ſich außerdem in Seſſel - und Barrengruppen ſehen laſſen. Dieſen turneriſchen Vorführungen folgt Bernreiters Tragikomödie Schwere Sünden. Ein flottes Tanzkränzchen wird das Turn - und Jubelfeſt be - ſchließen. Wir machen beſonders aufmerkſam, daß das Feſt bei Tiſchen ſtattfindet. Turnfreunde! Der Turnverein ladet Euch zu dieſem Feſte, bei dem gegen 50 Turner auftreten werden, geziemend ein und er bittet um Förderung dieſer Veranſtaltung.

Bezirksſparkaſſe.

Die Bezirksſparkaſſe iſt für den Parteienverkehr Donnerstag und Sonntag von 8 bis 12 Uhr geöffnet. Zur Bequemlichkeit der Parteien und um den zu Beginn des zweiten Halbjahrs herrſchenden Parteienandrang leichter zu bewältigen, wird jedoch die Sparkaſſe im Monate Juli täglich von 8 bis 12 Uhr vormittags für den Parteienverkehr geöffnet ſein. Zinſenzuſchreibungen können auch täglich von 2 bis 5 Uhr nachmittags vorgenommen werden.

Marburger Nachrichten.

Heinrich Spira .

Samstag iſt hier der bekannte Komiker und ehemalige Theaterdirektor Heinrich Spira im 67. Lebensjahre geſtorben. In dem Verblichenen ſinkt wieder ein Stück alten, be -

Die beiden Männer hoben meinen Vater auf und trugen ihn auf das Bett. Der Knecht lief nach dem Schloß, während der alte Peter, welcher mit Schußwunden umzugehen verſtand, unter Beihilfe meiner Mutter und der Magd meinen Vater ent - kleidete, ſeine Wunde auswuſch und einen vor - läufigen, einfachen Verband anlegte.

Während des Reinigens der Wunde erwachte mein Vater aus ſeiner Bewußtloſigkeit. Mit ſtieren Augen blickte er um ſich. Als er meine Mutter ſah, wurde der Ausdruck ſeines Geſichtes weicher. Er ſtreckte die Hand nach ihr aus, die ſie ergriff und aufſchluchzend an das Herz drückte.

Weine nicht, Minchen , flüſterte er mit ver - ſchleierter Stimme. Einmal mußte es ſo kommen, dieſes Mal haben die Halunken beſſer gezielt, als ich aber ſeinen Denkzettel hat der Burſche, der auf mich ſchoß, doch gekriegt

Der Herr Förſter ſchoß noch, als er ſchon verwundet war , ſagte Peter, und hat den andern mauſetot geſchoſſen.

Meine Mutter ſchauderte. In meines Vaters Augen leuchtete es auf.

Hab ich ihn tot geſchoſſen? Ach, das iſt gut, gut, ich war von je ein guter Schütze, und man ſoll von mir nicht ſagen, daß ich jemals gefehlt habe ſelbſt mit der Todeswunde in der Bruſt. Sie dürfen nicht ſo viel reden, Herr Förſter.

Dummes Zeug zu Ende gehts ja doch ob eine Stunde früher oder ſpäter, iſt einerlei weine nicht, Minchen, komm her, Junge, ichhabe euch etwas zu ſagen, ſo kommt doch mal ich ſag’s euch

Wir drängten uns näher zu ihm. Er ergriff meiner Mutter Hand und legte ſie auf mein Haupt.

Sorge für ihn, Minchen , ſprach er. Er - ziehe ihn ordentlich, laß ihn etwas Rechtes lernen, du weißt, was davon abhängt

Ach Gundekar , ſeufzte meine Mutter, denk doch jetzt nicht an die alten Geſchichten!

Ich will aber daran denken , fuhr er auf. Und du ſollſt auch daran denken. Erzähle es dem Jungen ich habe alles aufgeſchrieben und dann lebt noch eine, die alles weiß, wenn die wieder zur Vernuft kommt

Ein Krampfanfall drohte ihn zu erſticken; ein - zelne Blustropfen traten ihm auf die Lippen.

Richtet mich auf , ſtöhnte er.

Peter hob ihn empor. Er kämpfte gewaltſam den Krampf nieder, aber die Augen traten ihm faſt aus den Höhlen und ſein Geſicht wurde aſchfahl.

Hörſt du , flüſterte er, ich habe alles auf - geſchrieben gib’s dem Jungen, wenn er zu Ver - ſtande kommt für mich konnts ja nichts nützen ich war ein armer, dummer Teufel, und ich ich habe dich geheiratet

Meine Mutter ſchluchzte.

Ja, ja , fuhr er fort, ich hatte mich in dich verliebt und Verliebte ſind Toren aber weine nicht, Minchen, die erſten Jahre waren wir doch glücklich, bis bis die alte Decker mir alles alles ſagte da faßte mich der Teufel undjetzt jetzt haltet mich ich ich ſterbe. In dieſem Augenblick öffnete ſich die Tür der Stube und der Pfarrer des nächſten Dorfes, der dem Knecht begegnet war, trat ein. Er kam gerade zur rechten Zeit, um dem unglücklichen Verwundeten den letzten Troſt zu ſpenden.

Der Kranke bäumte ſich krampfhaft empor. Ein blutig gefärbter Schaum quoll ihm über die Lippen und dann brach ein dunkelroter Blutſtrom hervor und aufſtöhnend ſank er zurück mein Vater war tot.

Niemals werde ich dieſe ſchreckliche Nacht ver - geſſen. Meine Mutter hielt mich in ihren Armen und weinte ſtill in ſich hinein; der alte Peter ſaß ſchweigend und mit ernſtem Geſichte da, zuweilen einen Seufzer oder ein gut gemeintes Wort des Troſtes zu meiner Mutter ſprechend. Die Magd drängte ſich ängſtlich in den Winkel hinter dem Ofen, ſie fürchtete ſich das Zimmer zu verlaſſen. Draußen aber brauſte der Winterſturm und ſtürzten krachend die Tannen zuſammen, als ſchöſſe man mit Kanonen. Und die Hunde auf dem Hof heulten in langgezogenen Tönen und aus dem Walde her - aus klang das heiſere Bellen der Füchſe und der unheimliche Ruf der Eule.

Es war eine ſchreckliche Nacht, die wir an dem Totenbette meines Vaters verbrachten, und wir at - meten alle erleichtert auf, als der Morgen langſam heraufdämmerte und helles Glockenklingen eines nahenden Schlitten die Ankunft anderer Menſchen meldete. Fortſ. folgt.

3Nr. 76, 27. Juni 1911. Marburger Zeitung

haglichen Volksſängerhumors ins Grab. Im jugend - lichen Alter von 19 Jahren wurde er bereits Volks - ſänger, und zwar bei der Geſellſchaft Stöckl in Wien. 1867 kam Spira nach Budapeſt und drei Jahre ſpäter nahm er ein Engagement an den Theatern Bruck und Leoben unter der Direktion Julius Böhm an. In Bruck lernte Spira den unvergeßlichen Volksdichter Karl Morre kennen, der damals Se - kretär der Bezirksvertretung war. Morre ſchrieb für Spira, der ſich als beſonders draſtiſcher Couplet - ſänger zeigte, das erſte Couplet Die Schand , das Spira noch vor mehreren Jahren mit großem Erfolge vortrug. Später wurde der Verſtorbene wieder Volksſänger in Wien und erfreute ſich als Mitglied der erſten Geſellſchaften allgemeiner Be - liebtheit. Der berühmte Komiker Matras ſtellte ihm ſein ganzes Coupletrepertoire für das eine Couplet Morres Die Schand zur Verfügung. Im Jahre 1874 bereiſte Spira mit einer eigenen Geſellſchaft Rußland, Deutſchland, Rumänien, Bul - garien und Serbien, wobei er ſich ein kleines Ver - mögen erwirtſchaftete. Spira verlor dieſes, als er nach der bosniſchen Okkupation mit einem Spaniolen ein Theater erbaute und durch volle vier Jahre Theaterdirektor in Sarajevo war. Spira wurde wieder Volksſänger. Im Jahre 1892 kam Spira nach dem Tode des Grazer Volksſängers Walter zu deſſen Witwe Marie ins Engagement. Auch in Graz war Spira durch ſeine behagliche Komik bald populär geworden. Eine ſchwere Krankheit entzog ihn vor einigen Jahren ſeinem Berufe und Not und Sorge zog in das Heim der guten Leute. Nun iſt der einſtige Liebling des Volksſängerpublikums, be - freit von allen Bitterniſſen des Komödiantenlebens, in die Ewigkeit gewandert. Man wird ihm ein freundliches Andenken bewahren.

Kirtagfeſt am 2. Juli.

Der Feſtausſchuß bittet alle, die ſich an unſeren ſchönen öffentlichen Anlagen erfreuen, Spenden für das Feſt zukommen zu laſſen. Weine an Herrn Richard Opriſeg, Gegen - ſtände für den Glückshafen an Frau Götz und Geldſpenden an Herrn Kokoſchinegg. Vielen Dank im voraus.

Poštellagrabungen.

Die erſte Grabungs - woche iſt abgelaufen. Sie hat einige ſehr bemerkens - werte Aufſchlüſſe gegeben, ſo zum Beiſpiel, daß der Platz, auf welchem heute die Wallburg ſteht, ſchon lange Zeit hindurch beſiedelt war und erſt dann mit dem Wallbaue begonnen wurde. Der Wall wurde vorerſt, und zwar im beſonderen im Süd - oſten nur bis zur Höhe von zwei Meter auf - geworfen und erſt ſpäterhin um einen Meter erhöht. Im Nordweſten wurden einige Hausſtätten auf - gedeckt. Die bedeutendſte liegt heute in einer Tiefe von 0·50 bis 0·80 Meter und gab allein beinahe 40 Kilogramm Topfſcherben zutage. Die Topf - ſcherben und andere Funde, in ihrer Geſamtheit gegen 100 Kilogramm, werden, wenn einmal gründ - lich gewaſchen, ſehr beachtenswerte Aufſchlüſſe über die Beſiedelungsverhältniſſe des vorgeſchichtlichen Bachern geben und unſer Muſeum mit einer ſehens - werten Kollektion an prähiſtoriſchen Ornamenten, Buckeln, Randſtücken ꝛc. bereichern. Metallfunde bisher nur ſehr gering. Die Arbeiten wurden mit vier Gräbern (drei aus Petttau) bewerkſtelligt, werden nach einer kleinen Pauſe wieder fortgeſetzt und laſſen weitere, für die Archäologie unſeres Bodens ſehr wichtige Aufklärungen erhoffen. Mögen ſie doch in reicherem Maße als bisher ſeitens der Bevölkerung Marburgs gefördert werden. Irmela, die Unerlöſte bittet darum. Spenden ſind dem Muſeumvereine noch in Ausſicht geſtellt worden. Anläßlich eines zweiſtündigen Führungsvortrages am vergangenen Sonntag trat die Ortsgruppe Marburg des Touriſtenvereines Die Naturfreunde , deren zahlreich erſchienene Mitglieder mit nicht genug rühmenswertem Intereſſe den Ausführungen an Ort und Stelle folgten, mit einem unterſtützen - den Beitrage von 10 K. dem Muſeumverein als Mitglied bei. Für dieſe tatkräftige Förderung ſeiner uneigennützigen Bemühungen, die auch bei anderen Vereinen Nachahmung finden möge, ſagt der Muſeum - verein herzlichen Dank! Auch der Volksmund hat ſich der Grabungen auf der Poštella bereits be - mächtigt: Marmorſtufen , Goldgeſchmeide und dergleichen Prachtſtücke phantaſievollen Schatzglaubens mehr, ſollen oben gehoben worden ſein; nichts da - von aber weiß jener zu berichten, der es doch in erſter Linie wiſſen ſollte ... Der Muſenmverein.

Fiſcherei-Bezirksverein.

Über eine vom Verein gegen die Maſchinendirekton der Südbahn gerichtete, auf die §§ 10 und 19 des öſterreichiſchen Waſſergeſetzes fußende Beſchwerde wegen fiſcherei -ſchädlicher Verunreinigung des rechtsufrigen Drau - waſſers durch täglich 300 Liter Ammoniakgeiſt aus der Südbahngasanſtalt hat die Maſchinendirektion verfügt, daß der Einlauf des Ammoniakwaſſers in die Drau eingeſtellt werde. Ferner hat das Kommando des k. u. k. Pionierbataillons Nr. 4 in Erledigung einer durch den § 56 des Einquartierungsgeſetzes begründeten Eingabe des Fiſchereivereines in An - gelegenheit der geplanten Sprengübungen unter Waſſer mit Zahl 645 / Adj. dem Verein mitgeteilt, daß es ſich mit Rückſicht auf die Zuſchrift des letzteren bemüßigt ſah, von der Vornahme von Spreng - übungen unter Waſſer auf der Drau abzuſehen. Beiden Kompetenzſtellen gebührt für ihr gerechtes, den Fiſchereibeſtrebungen des Vereines entgegen - kommendes Verhalten der wärmſte Dank! An der Ende Juli und Anfang Auguſt ſtattfindenden waſſer - rechtlichen Lokalerhebung und Verhandlung über das von Scherbaum. Buß & Comp. projektierte Elektri - zitätswerk bei Faal wird der Fiſchereiverein durch zwei Ausſchußmitglieder vertreten ſein, welchen die Wahrung der Intereſſen der Fiſcherei und ganz be - ſonders die Sicherſtellung des Einbaues eines gut funktionierenden Fiſchweges nach einem vom Verein vorzulegenden Plane zur ferneren Ermöglichung der für die Erhaltung des Fiſchbeſtandes äußerſt wichtigen Fiſchwanderung obliegt. Die neuen, in Nürnberg äußerſt geſchmackvoll hergeſtellten Vereins - abzeichen können von den ordentl. Mitgliedern beim Säckelwart Herrn Greiner (Koroſchetz, Trieſterſtraße 2) behoben werden.

Neuer Telephonanſchluß.

Herr Med. Dr. Hermann Krauß, Herrengaſſe 2, wurde mit Nr. 150 VIII an das Telephonnetz angeſchloſſen.

Bioſkop-Theater.

Das grandioſe Groß - ſtadtprogramm fand bei allen bisherigen Vorführungen vollſte Anerkennung und mit Recht, die Natur - aufnahmen ſind von bewundernswerter Reinheit und Schärfe und ſind beſonders hervorzuheben die klaſſiſchen Neapel-Serien und die höchſt ſchwierigen Gelände-Reitübungen der italieniſchen Königs-Kü - raſſiere; in der zoologiſchen Serie ſieht man bei der Inſel Island Seehunde in ihrem Elemente, gewiß eine höchſt ſeltene Augenweide. Die zwei Schau - ſpiele Das Geheimnis der Berge und Der ver - hängnisvolle Tintenfleck haben ergreifenden, lebens - wahren Inhalt; durch die Darſtellung von erſten Künſtlern wird die Wirkung der feſſelnden Szenen ſehr erhöht. Der heitere Teil des Programmes be - ſteht aus hochkomiſchen Schlagern erſten Ranges, von denen die beiden Nummern Fritzchens erſte Zi - garette und Fritzchen als Lebensverſicherungsagent, geſpielt vom 5jährigen Abelard, ſelbſtverſtändlich am meiſten gefallen. Jeden Tag um 8 Uhr iſt Gelegen - heit gebotem, um wenig Geld dieſe genußreiche Vorführung im kühlen, gut ventilierten Theater - ſaal zu beſichtigen. Am kommenden Feiertag ſind wie Sonntag vier große Vorſtellungen.

Gaſtwirtegenoſſenſchaft des Bezirkes Umgebung Marburg.

Am 5. Juli um halb 11 Uhr vormittags wird im Hotel Alte Bierquelle in Marburg die Generalverſammlung dieſer Genoſſen - ſchaft abgehalten. Auf der Tagesordnung ſtehen u. a.: Neuwahl des Ausſchuſſes und Beſprechung über eine allfällige Organiſierung der Gaſtgewerbe - treibenden. Falls die Verſammlung zur obigen Stunde nicht beſchlußfähig iſt, wird eine Stunde ſpäter eine zweite abgehalten, welche bei jeder Teil - nehmerzahl beſchlußfähig iſt.

Neue Prüfungsvorſchrift für das Lehramt an Mittelſchulen.

Der Unterrichts - miniſter hat eine neue Prüfungsvorſchrift für das Lehramt der wiſſenſchaftlichen[F]ächer an Mittelſchulen einſchließlich der Mädchenlyzeen erlaſſen. Die wich - tigſten Neuerungen beſtehen in folgendem: Vor allem erſchien eine Änderung in der Gruppierung der Prüfungsgegenſtäude notwendig: ſo wird Latein außer mit Griechiſch auch mit jeder lehrplanmäßigen lebenden Sprache, die Unterrichtsſprache außer mit einer zweiten lebenden Sprache auch mit Geſchichte zu einer Fachgruppe vereinigt. Die Geographie kann mit Naturgeſchichte, die Philoſophie faſt mit jedem der übrigen Prüfungsgegenſtände eine Fachgruppe bilden. Dagegen wurde die Fachgruppe Unterrichts - ſprache als Hauptfach, Latein und Griechiſch als Nebenfächer fallen gelaſſen. Die ſogenannten Neben - ſächer wurden ſehr eingeſchränkt. Die Lehrbefähigung wird nicht mehr nur für Gymnaſien, für Real - ſchulen oder für Mädchenlyzeen erworben, ſondern die Gruppen der Prüfungsgegenſtände und die Anforderungen in denſelben ſind für alle Typen der Mittelſchulen die gleichen. In den lebenden Sprachen und ebenſo in der Unterrichtsſprachewird auf deren praktiſche Beherrſchung größeres Gewicht gelegt als bisher, bei den realiſtiſchen Fächern iſt die praktiſche Übung in den Laboratorien und namentlich auch das phyſikaliſche Experiment mehr betont als früher, wie überhaupt die praktiſche Erprobung ſowohl bei der Vorbereitung als bei der Prüfung ſelbſt mehr in den Vordergrund tritt. Von nun an ſoll, wo es immer nur angeht, jeder Kandidat nach beſtandener wiſſenſchaftlicher Lehr - amtsprüfung behufs intenſiver pädagogiſch didakti - ſcher Durchbildung ein pädagogiſches Mittelſchul - ſemninar beſuchen. Solche Seminare ſollen an ein - zelnen Mittelſchulen in Univerſitätsſtädten oder auch in anderen Schulorten errichtet werden.

Kriegsbrücke über die Drau.

Am 4. Juli nachmittags wird 300 Schritte unterhalb der Mellinger Überfuhr vom 4. Pionierbataillon über die ganze Breite der Drau eine Kriegsbrücke geſchlagen werden, welche geſchloſſen über Nacht beſtehen bleibt. Um Materialſchäden und eventuellen Unglücksfällen durch Einfahren von Flößen in die geſchloſſene Brücke vorzubeugen, iſt in der Zeit vom 4. Juli 1911 4 Uhr nachmittags bis 5. Juli 10 Uhr vormittags de Schiffahrt in der Drau - ſtrecke von der Marburger Straßenbrücke bis Unter - Poberſch einzuſtellen. Die Truppen der Garniſon werden über die Kriegsbrücke marſchieren.

Bauernhochzeit beim Kirtagfeſt

am Sonntag den 2. Juli im Volksgarten. Es ergeht vom Feſtausſchuſſe die Aufforderung, es mögen ſich recht viele Kinder, klein und groß, an demſelben be - teiligen. Herr Bernhard, Tegetthoffſtraße, erklärte ſich bereit, Anmeldungen hiezu entgegenzunehmen und Auskünfte zu erteilen.

Aufgeſeſſen.

Am vergangenen Sonntag nachmittags trieben mehrere Burſchen, worunter ſich der 24 Jahre alte Franz Strauß aus St. Peter befand, am Hauptplatze vor dem Gaſthauſe Stram - litſch dadurch ihr Unweſen, daß ſie im betrunkenen Zuſtande einen derartigen Skandal machten, daß ſich Leute anſammelten und ein Wachmann die Burſchen zur Ruhe ermahnen mußte. Kaum hatte ſich der Wachmann entfernt, ging es von neuem los. Strauß, wegen Rauferei gerichtlich wiederholt vorbeſtraft, tat ſich beſonders hervor und meinte, ihm könne nichts geſchehen. Als wieder weiter ge - rauft wurde, nahm der Wachmann den Strauß als Rädelsführer feſt, dieſer ergriff aber die Flucht, wurde jedoch vom Polizeihund Luchs ſolange ver - folgt und feſtgehalten, bis der Wachmann nachkam. Bei dieſer Gelegenheit wurde der hintere Teil ſeiner Hoſe arg in Mitleidenſchaft gezogen. Abends fand am gleichen Platze eine Rauferei ſtatt, wobei der Taglöhner Thomas Klinz mit einem Meſſer drohte; es erfolgte ſchließlich ſeine Verhaftung.

Tödlicher Sturz bei einem Neubaue.

Als geſtern der 20jährige Zimmermann Auguſt Habit mit dem Verſchalen der Stiegenhausdecke bei einem Villaneubaue in der Joſefgaſſe beſchäftigt war, verlor er plötzlich das Gleichgewicht und ſtürzte vom Gerüſte in eine Tiefe von ungefähr neun Meter herab und blieb auf der Stelle tot liegen. Da er auf das Betonpflaſter des Vorhauſes gefallen war, erlitt er einen Schädelbruch. Das Verſchulden am Unfalle dürfte den Verunglückten zum Teile ſelbſt treffen, weil das Gerüſt, auf dem er ſtand und das er ſich ſelbſt hergerichtet hatte, ein mangelhaftes war. Der Leichnam wurde in die Leichenhalle nach Poberſch überführt.

Im Windenauer Schloßteiche er - trunken.

Vorgeſtern abends badete ſich der 17 Jahre alte Fleiſcherlehrling Alois Sobitſch im Teiche nächſt dem Windenauer Schloſſe, wobei er ertrank. Der Teich hat bereits mehrere Opfer auf dieſe Weiſe gefordert. Sobitſch ſtand beim Fleiſcher - meiſter Jakob Wreßnig in der Windenauerſtraße in der Lehre.

Selbſtmord eines Knaben.

Vorgeſtern nachmittags erhängte ſich der 13 Jahre alte Keuſchlers - ſohn Ferdinand Ladera in Neudorf, Gemeinde Rothwein bei Marburg, in einer Holzhütte an einer Rebſchnur. Genannter war trübſinnig und hatte vor 14 Tagen einen Selbſtmord auf die gleiche Weiſe verſucht, wurde jedoch von ſeiner Mutter noch rechtzeitig daran gehindert.

Vom Südbahndienſte.

Neu aufgenommen wurden u. a. die Beamtenaſpiranten: Paul Cchy, Schwanberg, Johann Koller, Mureck, Friedrich Puncuh, Reichenburg, Franz Zekar, Franzdorf. Verſetzt wurden: Ing. Joſef Leopold Pasnocht, Maſchinenadjunkt, von Graz nach Leibnitz; Heinrich Ritter von Holle, Aſſiſtent, von Deutſch-Landsberg4Marburger Zeitung Nr. 76, 27. Juni 1911nach Bozen-Gries; Eduard Legner, Aſſiſtent, von Hill nach Marburg (Hauptbahnhof); Adolf Stefan, Aſſiſtent, von Klagenfurt (Hauptbahnhof) nach Marburg (Hauptbahnhof); Adolf Schmuck, Beamten - aſpirant, von St. Lorenzen nach Wuchern-Mahren - berg; Konrad Tercek, Revident, von Pöltſchach als Stationsvorſtand nach Preſtranek; Jakob Cydrich, Aſſiſtent, von Unterdrauburg nach Pettau; Karl Zavodny, Aſſiſtent, von Paternion-Feiſtritz nach Unterdrauburg; Robert Dawiel, Beamtenaſpirant, von Wies nach Pragerhof; Eduard Valencic, pro - viſoriſcher Aſſiſtent, von Sagor nach Römerbad; Auguſt Kolleſen, Adjunkt, von Leibnitz nach Wiener - Neuſtadt; Friedrich Furche, Aſſiſtent, von Deutſch - Landsberg nach Brenner; Robert Schöberl, Aſſi - ſtent, von Brenner nach Deutſch-Landsberg; Franz Glaſer, Beamtenaſpirant, von Mureck nach Spittal - Millſtatt; Alois Petelin, prov. Aſſiſtent, von Tri - fail nach Trieſt; Johann Widowitz, Aſſiſtent, von Franzdorf nach Trifail; Karl Friſchenſchlager, Aſſi - ſtent, von Marburg (Kärntnerbahnhof) nach Leib - nitz; Auguſtin Lukacic, Aſſiſtent, von Nabreſina nach Marburg (Kärntnerbahnhof); Ferdinand Piro, prov. Aſſiſtent, von Maria-Raſt nach Lienz; Joſef Prinz. Beamtenaſpirant, von Mühlbach nach Maria-Raſt.

Oberſtleutnant Halmſchlager .

Heute vormittags ſtarb nach längerem Leiden der k. k. Oberſtleutnant i. R. Eduard Halmſchlager im 54. Lebensjahre. Das Leichenbegängnis findet Donnerstag um halb 4 Uhr von der Leichenhalle des Stadtfriedhofes aus ſtatt.

Auf die heutige Schüleraufführung,

welche im kleinen Kaſinoſaale um 8 Uhr beginnt, wird nochmals aufmerkſam gemacht. Der E[i]ntritt ſteht jedermann frei. Für einen Sitzplatz ſind 40 H. zu bezahlen.

Von der freiwilligen Feuerwehr.

Aus Anlaß des 40jährigen Beſtehens der Marburger freiwilligen Feuerwehr ließ Herr Friedrich Stau - dinger, Weingroßhändler, Haus - und Realitäten - beſitzer, dem Wehrkommando eine Spende von 30 Kronen zukommen. Aus demſelben Anlaſſe ſpendete Herr Joſef Schamesberger, Käſegroßhändler, der Rettungsabteilung der Wehr den Betrag von 5 K. Herr Karl Koratſchin, Buchbindermeiſter, ſpendete der Rettungsabteilung Materialien und lieferte un - entgeltlich Buchbinderarbeiten im Werte von 4 K. Allen hochherzigen Spendern wird hiermit der tief - gefühlte Dank des Wehr - und Rettungskommandos ausgeſprochen. Das Programm der nach der Übung am Burgplatze ſtattfindenden Feſtkneipe hat eine kleine Änderung erfahren, indem dieſelbe um 6 Uhr abends geſchloſſen wird, worauf die ganzen Feſtteilnehmer korporativ zum Volksfeſte in den Volksgarten marſchieren. Die ſehr geehrten Haus - beſitzer von Marburg werden höflichſt gebeten, zu Ehren der in ziemlich großer Anzahl erſcheinenden Feuerwehrkameraden aus allen Bezirken Steiermarks die Häuſer mit Fahnenſchmuck gütigſt zu verſehen.

Zigeunerkonzerte

finden jetzt täglich ſtatt in Götz’s Räumen.

Radfahrende Waffenübungspflichtige.

Jene im heurigen Jahre waffenübungspflichtige nichtaktive Mannſchaft des k. u. k. Infanterieregi - mentes Graf Beck Nr. 47, welche mit eigenen brauch - baren Fahrrädern einrückt, wird als Radfahrer ver - wendet. Für das mitgebrachte eigene Fahrrad wird pro Tag 30 Heller zur Beſchaffung von Konſer - vierungsmitteln und eine Abnützungsgebühr von 2 Kronen ausbezahlt. Überdies können größere Schäden, welche an den eigenen Fahrrädern während des dienſtlichen Gebrauches entſtehen, ſeparat ver - gütet werden. Die Konſtatierung des entſtandenen Schadens und der auszuzahlenden Entſchädigungs - ſumme erfolgt kommiſſionell. Die Meldung als Radfahrer mit eigenem Fahrrade iſt mit Korreſpon - denzkarte unter Angabe der Adreſſe an das Kommando des k. u. k. Erſatzbataillonskaders Nr. 47 in Marburg zu richten.

Die heutige Nummer

erſcheint in gerin - gerem textlichem Umfang, weil die nächſte Nummer wegen des Feiertages bereits morgen erſcheinen muß.

Spenden für Irmela .

Ungenannt zehn Spatenſtiche 5 K., Hauptmann Nadler vier Spaten - ſtiche 2 K.

Skontrierung in allen Trafiken.

Kommenden Freitag werden Finanzorgane in allen Trafiken Öſterreichs die Vorräte ſkontrieren, die ab 1. Juli, d. i. Samstag, zu erhöhten Preiſen abgegeben werden müſſen. Mit dieſer Preisſteigerung ſtellt ſich der Staat ſelbſt an die Spitze der Ver - teuerung.

Aus dem Gerichtsſaale.

Ein Familiendrama.

Meuchelmordverſuch am Gatten und Vater.

Die diesmalige Schwurgerichtstagung rollte ein trauriges Familienbild auf; das Drama erlebte vor dem Abbruch der Verhandlung noch eine grauſige Steigerung. Nachſtehend kurz der Sachverhalt.

Die 45jährige, in St. Barbara bei Wurmberg geborene Anna Rokavec, B[e]ſitzersgattin in Gru - ſchau, iſt des verſuchten meuchleriſchen Gatten - mordes angeklagt; neben ihr ſitzt auf der Anklage - bank ihr Schwager, der 46jährige, in St. Peter bei Marburg geborene, verheiratete Joh. Ganſer, Winzer in Zelleſtrin, mit welchem die Anna Ro - kavec nach ihrer Angabe ſeit vielen Jahren ein in - times Verhältnis unterhielt; er iſt der entfernten Mitſchuld am verſuchten Gattenmord beſchuldigt.

Die Eheleute Jakob und Anna Rokavec lebten, obwohl ſie ſchon ſeit 17 Jahren verheiratet ſind, in der letzten Zeit nicht im beſten Einvernehmen. Jakob Rokavec iſt jähzornig, gerät wegen jeder Kleinigkeit in Aufregung und iſt dann gegen ſeine Angehörigen roh und gewalttätig. Am 3. März 1911 war es zwiſchen den Eheleuten wieder zu derartigen Szenen gekommen; ſchließlich jagte Rokavec ſeine Gattin aus dem Hauſe. Sie begab ſich zu ihrer Schweſter Maria, der Gattin des Winzers Johann Ganſer in Zelleſtrin. Als ſie am nächſten Tage nachmittags wieder nach Hauſe zurückkehrte, fand ſie ihren Ehegatten ſchwer krank. Er war nach dem Ge - nuſſe eines ihm von ſeiner 15jährigen Tochter Maria zubereiteten Eierſchmarrens von Üblichkeiten befallen worden, mußte wiederholt erbrechen und war dem Tode nahe. In der Nacht beſſerte ſich jedoch ſein Zuſtand; als am 5. März die Gerichtskommiſ - ſion erſchien, war er bereits außer Lebensgefahr. Die chemiſche Unterſuchung der Speiſereſte ergab, daß dieſe von einer ſolchen Menge Arſenik durch - ſetzt waren, daß ſie zur Tötung eines erwachſenen Menſchen hingereicht hätte. Daß er die Speiſe und mit ihr das Gift rechtzeitig erbrach, bevor das Gift verheerende Wirkungen ausüben konnte, hatte ihm das Leben gerettet. Es war klar, daß Rokavec ver - giftet werden ſollte. Der Verdacht richtete ſich ſofort gegen deſſen Ehegattin, zumal deren 13jähriger Sohn Franz angab, geſehen zu haben, daß ſeine Mutter einen Teil der erbrochenen Speiſereſte beim Garten - zaun vergraben hat. Die Anna Rokavec leugnete dies; tatſächlich wurden aber von der Gerichts - kommiſſion an der vom Knaben Franz angegebenen Stelle vergiftete Speiſereſte gefunden. Auch auf die Nichte der Anna Rokavec, die Johanna Ganſer, fiel infolge der Ausſagen der Anna und der Maria Rokavec ein ſchwerer Verdacht; ſie wurde nämlich um die Mittagszeit des kritiſchen Tages von der Anna Rokavec ins Haus geſchickt, um bei der Wirt - ſchaft mitzuhelfen; hiebei ſoll ſie eine Weile in der Küche allein geweſen ſein. als der Eierſchmarren zu - bereitet wurde. Die Johanna Ganſer beteuerte in der Unterſuchungshaft fortwährend ihre Unſchuld, aber auch die Anna Rokavec erklärte ſich nichtſchuldig.

Erſt am 22. April legte Anna Rokavec ein Geſtändnis ab. Sie gab an, daß ſie von ihrem Schwager Johann Ganſer, mit dem ſie vor und während ihrer Ehe bis in die letzte Zeit hinein ein intimes Verhältnis hatte und welcher den Beſitz des Rokavec an ſich bringen wollte, das Gift er - halten hatte, um damit ihren Mann zu beſeitigen. Sie habe dann das Gift ihrer Tochter Maria mit dem Auftrage gegeben, daß dieſe das Gift in den Eierſchmarren ihres Gatten, bezw. Vaters menge, doch habe die Tochter nicht gewußt, daß dieſe Bei - mengung Gift iſt. Sie habe aber nicht die Abſicht gehabt, ihren Mann zu töten, ſie habe ihn nur etwas martern wollen. Als infolge dieſes Ge - ſtändniſſes auch die Tochter Maria verhaftet wurde, gab dieſe nun ebenfalls zu, was ſie früher ſtets ge - leugnet hatte, daß ſie dem Vater etwas in den Eierſchmarren hineingegeben habe; daß es Gift ſei, habe ſie nicht gewußt. Auch habe ihr die Mutter mehrmals verboten, davon etwas zu ſagen. Bezeich - nend iſt es, daß die Maria vorher, ſtatt von dieſem Umſtande Mitteilung zu machen, ſogar die Johanna Ganſer verdächtigte, obwohl ſie von deren Unſchuld überzeugt ſein mußte. Der ſchon dem Tode geweiht geweſene Vater gab übrigens an, er ſei davon über - zeugt, daß ſeine Tochter nicht gewußt habe, daß ſie ihm Gift in die Speiſe mengte. Johann Ganſer ſtellte alle ihn betreffenden Behauptungen der Anna Rokavec in Abrede; er habe ihr kein Gift zur Ver -giftung ihres Mannes gegeben und mit ihr auch kein Verhälnis unterhalten.

Bei der heutigen unter dem Vorſitze des Ober - landesgerichtsrates Dr. Vouſchek ſtattgefundenen Schwurgerichtsverhandlung änderte aber die Anna Rokavec weſentlich ihre Ausſagen; ſie entlaſtete ihren Schwager, indem ſie die Behauptung, er habe ſie zum Morde verleitet, zurückzog. Anderſeits beſchul - digte ſie nun unter lebhafter Bewegung des Publi - kums und des Gerichtshofes ihre eigene fünf - zehnjährige Tochter Maria der abſicht - lichen und bewußten Mitwirkung an der geplanten Vergiftung des Vaters, bezw. Gatten. Durch dieſe ſenſationelle Ausſage erhielt der Prozeß eine ganz neue Wendung; die Verhand - lung wurde abgebrochen und dann vom Gerichts - hofe vertagt. weil nun der Staatsanwalt auf Grund dieſer Ausſage auch gegen die Tochter das Ver - fahren wegen des verſuchten meuchleriſchen Vatermordes einleiten wird. Unter lebhafter Bewegung verließen das Publikum und die Ge - ſchworenen den Schwurgerichtsſaal.

Der Mord bei Altſtraß.

Unter der Anklage des Verbrechens des ge - meinen Mordes ſtand heute vor den Geſchworenen der 54jährige, verehelichte Paul Koſi, Beſitzer in Mekotnjak. Es wird ihm folgendes zur Laſt gelegt: Am Charſamstag den 15. April 1911 zechten im Gaſthauſe Jeſenik zu Altſtraß der Keuſchler Johann Gatſchitſch, die Beſitzersſöhne Joſef und Ludwig Zavratnik, alle aus Mekotnjak und der Keuſch - lersſohn Franz Holz aus Pichelberg. Später kam auch der Beſitzer Paul Koſi, ſtellte ſein geladenes Lefaucheux Gewehr im Vorhauſe hinter das Tor und ſetzte ſich ins Gaſtzimmer zu den genannten Gäſten. Zwiſchen ihm und Gatſchitſch kam es zu einem Wortwechſel, in deſſen Verlauf Gatſchitſch das Gewehr des Koſi holte, dieſes ausſchoß und dann wieder neben Koſi niederlegte. Es wurde dann noch weitergetrunken. Endlich ging Kdfi mit dem ausgeſchoſſenen Gewehre fort und ſpäter, es war halb 5 Uhr, begaben ſich auch Gatſchitſch und die Brüder Zavratnik auf den Heimweg, begleitet von Franz Holz. Als ſie auf den Gemeindeweg gelangten, entſpann ſich zwiſchen Koſi, Gatſchitſch und Holz wieder eine kleine Herumzerrerei um das Gewehr, der aber Ludwig Zavratnik ein Ende machte. Dem Koſi wurde nun bedeutet, mit ſeinem Gewehr heim - zugehen; die anderen blieben ſolange ſtehen, bis Koſil zum Walde ſeines Beſitzes kam, wobei ſie bemerkten, daß er ſein Gewehr neuerdings lud und dann am Waldrande ſtehen blieb. Bei Koſi ging mittlerweile der Winzer Andreas Zizek vorüber, der den Koſi frug, was er denn mit dem Gewehre beabſichtige, worauf Koſi ſloweniſch erwiderte, daß er den Gatſchitſch erſchießen wolle. Zizek ging darauf fort, Koſi aber blieb wartend ſtehen. Mittlerweile hatten ſich die anderen in Fortſetzung ihres Weges dem Koſi genähert. Als Gatſchitſch und Holz an ihn herankamen, ſtand Koſi mit dem Gewehr am Arm hinter einer Eiche und rief dem Gatſchitſch ſloweniſch zu: Verfluchter Gatſchitſch, komme her, wenn du etwas willſt! Gatſchitſch entgegnete ſlo - weniſch: Was willſt du, verfluchter Paul mit ſo einer Schweinerei? und machte einige Schritte gegen Koſi. Nun nahm Koſi das Gewehr in die Hand und rief dem Gatſchitſch zu: Doſtopi! (weg), worauf Gatſchitſch ihn nochmals frug, was er denn wolle. Im nächſten Augenblick feuerte Koſi zwei Schüſſe gegen Gatſchitſch ab. Nach dem zweiten Schuſſe fiel Gatſchitſch nieder und war ſofort eine Leiche. Franz Holz ſtand ſo nahe, daß er alles hören und ſehen konnte; infolge der Gewehrſchüſſe, des Pulverdampfes und des Schreckens ſtürzte auch er zu Boden und blieb zwei Stunden bewußtlos liegen. Wie die Ge - richtsärzte konſtatierten, hatte der erſte Schuß dem Gatſchitſch das Endſtück des kleinen Fingers der rechten Hand weggeſchoſſen und den Mittel - und Endknochen des Ringfingers zertrümmert. Der zweite Schuß war der tötliche. Am linken unteren Ende des Bruſtbeines wurde eine große Schuß - öffnung gefunden. Der Schußkanal ging durch die zertrümmerten Rippen in das Herz hinein. Die Vorderwand des Herzens war gänzlich zertrümmert und zerfetzt. Die Seitenwände und die hintere Wand des Herzen wieſen mehrere Schußausgangsöffnungen auf. Ferner wurde die ſiebente Rippe zertrümmert in deren Bruchöffnung ein Schußpfropfen und mehrere Bleiſchrotte ſtacken. Der unter Lappen der linken Lunge war ebensfalls durch einen Schrott - ſchuß verletzt und darinnen ein Bleiſchrott gefunden. Der Magen wurde an zwei Stellenund der Zwölf -5Nr. 76, 27. Juni 1911 Marburger Zeitungfingerdarm an einer Stelle perforiert und überall Schrotte gefunden. Der Angeklagte will Notwehr geltend machen; nach Anführung der Zeugenaus - ſagen, ferners Koſis eigener Worte vor der Tat und anbetracht des Umſtandes, daß Gatſchitſch ange - trunken und ohne jede Waffe war, kommt Anklage zu dem Schluſſe, daß Koſi die Abſicht hatte, den Gatſchitſch, der verheiratet und Vater von drei Kindern war, zu erſchießen. Bemerkt ſei, daß Koſi und Gatſchitſch ſchon ſeit geraumer Zeit nicht im guten Einvernehmen miteinander waren. Koſi war einſt Vormund der ſpäteren Gattin des Gatſchitſch und letzterer behauptet, aus jener Vormundſchaft ſei ein zu kleines Vermögen zurückgeblieben. Vor etwa zehn Jahren ärgerte ſich einmal Johann Gatſchitſch über das Benehmen des Koſi zu Anna Gatſchitſch, die damals noch nicht ſeine Frau war. Er ging zu Koſi und ſtellte ihn zur Rede, worauf Koſi und deſſen Vater den Johann Gatſchltſch an einem Baum feſtbanden, um ihn ungefährlich zu machen, was letzterer auch nicht vergeſſen konnte. Dies ſowie andere Vorkommniſſe führten öfter zu Streitigkeiten zwiſchen beiden. Den Vorſitz in der heutigen Verhandlung führt O. -L.-G.-R. Morcutti, die Anklage vertritt der Erſte Staatsanwalt Ver - derber. Über den Ausgang der Verhandlung werden wir morgen berichten.

〈…〉〈…〉

Beobachtungen an der Weiterwarte der Landes-Obſt - und Weinbauſchule in Marburg von Montag den 19. Juni bis einſchließlich Sonntag den 25. Juni 1911

TagLuftdruck-Tagsm. ( red. Baromet.)Temperatur u. CelſtusBewölkung, TagesmittelNiederſchläge m / mBemer - kungen
7 Uhr früh2 Uhr mittags9 Uhr abendsTagesmittelHöchſteNiederſte
in der Luftam Bodenin der Luftam Boden
Montag736.417.024.620.020.526 032.614.511.82
Dienstag736 217.514.312 814.920.226.812 511.5726.1Regen
Mittwoch740.811.420 414.015.321 028 110 08.14
Donnerst.742 612 020.814 015.621.629 310.57.45
Freitag739.813 122 416 617.423 029.511.07.81
Samstag736 216.525.119.420.325.730.610 27.11
Sonntag737.321 327 420.323 027.834 414 49.7
〈…〉〈…〉
6Marburger Zeitung Nr. 76, 27. Juni 1911
〈…〉〈…〉
7Nr. 76, 27. Juni 1911 Marburger Zeitung
〈…〉〈…〉

Marburger Marktbericht vom 24. Juni 1911

GattungPreiſe
perKh
FleiſchwarenKilo
Rindfleiſch ...184
Kalbfleiſch ...2
Schaffleiſch ...140
Schweinfleiſch.210
geräuchert250
friſch ..2
Schinken friſch.190
Schulter .180
Viktnalien.
KaiſerauszugmehlKilo42
Mundmehl ...40
Semmelmehl ..38
Weißpohlmehl.36
Türkenmehl ..28
Haidenmehl ..48
Haidenbrein ..Liter40
Hirſebrein ...28
Gerſtbrein ...28
Weizengries ..Kilo44
Türkengries ..28
Gerſte, gerollte.50
Reis .....50
Erbſen ....60
Linſen ....60
Bohnen ....28
Erdäpfel ....10
Zwiebel ....36
Knoblauch ...80
Eier .... 1Stück07
Käſe (Topfen).Kilo50
Butter ....280
Milch, friſche ..Liter20
abgerahmt.14
Rahm, ſüß ...96
ſauer ...104
Salz .....Kilo26
Rindſchmalz ..3
Schweinſchmalz.2
Speck, gehackt.
friſch ..2
geräuchert210
Kernfette ....210
Zwetſchken ...
Zucker .....88
Kümmel ....130
Pfeffer ....2
WacholderbeerenKilo60
Kren .....1
Suppengrünes.48
Krant, ſaures.28
Rüben, ſaure ..
Kraut ... 100Köpfe
Getreide.
Weizen ....Zntn.25
Korn .....18
Gerſte .....18
Hafer .....21
Kukurutz ....17
Hirſe .....18
Haiden ....20
Bohnen ....24
Geflügel.
Indian ....Stück
Gans .....320
Ente .....Paar4
Backhühner ..240
Brathühner ..4
Kapaune ....Stück
Obſt.
Äpfel .....Kilo
Birnen ....
Nüſſe .....
Diverſe.
Holz hart geſchw.Meter850
ungeſchw.950
weich geſchw.750
ungeſchw.850
Holzkohle hart.Hektl.160
weich.150
Steinkohle ...Zntn.280
Seife .....Kilo76
Kerzen Unſchlitt.120
Stearin.180
Styria.
Heu .....Zntn.350
Stroh Lager ..550
Futter ..250
Streu ..250
Bier .....Liter44
Wein .....80
Branntwein ..80
〈…〉〈…〉
8Marburger Zeitung Nr. 76, 27. Juni 1911
〈…〉〈…〉

Verantwortlicher Schriftleiter Norbert Jahn. Druck, Herausgabe und Verlag von Leop. Kralik in Marburg

About this transcription

TextNr. 76, 27.06.1911.
Author[unknown]
Extent8 images; 7471 tokens; 3073 types; 55144 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationNr. 76, 27.06.1911. . KralikMarburg1911. Marburger Zeitung

Identification

IDS Mannheim

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

Editorial statement

Editorial principles

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:23:48Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.

Holding LibraryIDS Mannheim
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.