PRIMS Full-text transcription (HTML)
1

Nachmittags - ausgabe 4 h Morgenblatt 8 h in Wien. Redaktion, Verwaltung, Druckerei: Wien, VIII. Strozzi - gaſſe 8, Telephon: 18082, 13870, 22641. Poſtſparkaſſenkonto Oeſter - reich 80656, Ungarn 8, Vosuien - Herzegovina 7744. Stadtbureau: I. Schulerſtraße 21, Telephon: 2926. Inſeratenannahme: Wien, VIII. Strozzigaſſe 8, Telephon: 13870, Wien, I. Neuer Markt 3, Telephon: 8374 ſowie bei allen Annoncen - bureaus des In - und Aus - landes.

Nachmittagsausgabe. Reichspost Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

Bezugspreiſe: bei täglich zweimaliger Zuſtellung für Wien: monatlich ....... K 3.70 vierteljährlich ..... 11.50 halbhährlich ...... 22. Für Oeſterreich-Ungarn: monatlich ....... K 3.85 vierteljährlich ...... 11.50 halbjährlich ....... 23. Bei täglich einmaliger Zuſtellung (das Morgenblatt zugleich mit der Nachmittagsausgabe des vor - herigen Tages) für auswärts: monatlich ....... K 3.50 vierteljährlich ....... 10.50 halbjährlich ........ 21. Für Deutſchland: vierteljährlich Kreuzbandſendung K 16. Lünder des Weltpoſtvereines: vierteljährlich Kreuzbandſendung K 22.

Nr. 309 Wien, Samstag den 4. Juli 1914 XXI. Jahrgang

Erzherzog Franz Ferdinand .

Heimfahrt.

Fahles Morgengrauen bringt erſte, aufzitternde Helle über die weiten Donauauen vor Pöchlarn. Von den hohen ſtromumkränzenden Waldbergen ſteigen graue, ſchwere Nebelſchwaden, löſen ſich in wirr zerriſſene, wolkige Schleier, die über den müde ſtromabwärts - gleitenden Waſſern der Donau wallen. Im Herzen der heimiſchen Oſtmark, hier am ſagen - umwobenen Nibelungenſtrome, auf dem ſchon in altersgrauen Tagen jene vom ruhmreichen Le - gendenkranz verklärten, heldenhaften Recken gen Heuneland zogen, trat der unvergeßliche tote Thron - folger ſeine allerletzte Fahrt an. Heim ins Haus des Vaters, in dem ihm die glücklichſte Kindheit, ein frohes Jünglingsalter beſchieden war. Heim nach Artſtetten, dem geliebten, von unzähligen ſchönen Erinnerungen er - füllten Waldesboden, an dem des Reiches Erbe mit wahrhaft kindlicher Liebe hing, nach dem er, inmitten prunkender Feſte wie in ferner Weite, ſtets eine ſtille Sehnſucht und ein zehrendes Heimweh trug. Noch vor Monden, da gewiß niemand im ganzen Vaterlande an einen ſo jähen und entſetzlichen Tod dieſes unermüdlich für Oeſterreichs Heerweſen und Staatswohl ſchaffenden Habsburger Prinzen gedacht hat, vermochte Artſtetten ſeinen ſo viel verehrten und geliebten Schloßherrn zu begrüßen.

Ich komme im Sommer wieder! ſagte damals der Erzherzog zu ſeinen biederen, ländlichen Getreuen. Und nun iſt er wiedergekommen als ein Toter. Mitten in blühendſtem Mannesalter aus einem glück - und friedvollen Leben geriſſen, mitten im beſten und ſegensvollen Schaffen fiel er unter ruchloſer Mörder - hand auf dem Felde heldenhafteſter Ehre. Groß, ſtark und treu ſtarb er am Wege ...

Unten am Strome, bei der ſchwarzbehängten Fähre von Klein-Pöchlarn ſteigt von unzähligen brennenden Fackeln der wallende Rauch wie von einem einzigen, er - greifenden Totenopfer in die morgenblaſſe Luft. Ins kaum erwachte Tageslicht dringt neuerdings ein banger, ſchwerer Düſterſchein, als klage die Natur ſelbſt ob des Fürſten und Helden, der heute ſeine Heimfahrt beendet, als wolle ſie Auroras Strahlenmacht mit einem mächtigen wolkigen Bahrtuch eines trauernden Dunkels bannen. Finſtere Gewitterwolken ſchieben ſich dräuend zuſammen, verfinſtern aufs neue das kaum zu morgenblaſſer Helle gekommene Firmament. Grell auf - leuchtende Blitze tauchen die ganze Uferland - ſchaft wie in brandende Lohe, und grollender Donner kracht über den Häuptern der vielen, der Ankunft des hohen Totenpaares harrenden Landleute. Auf Meilen hinaus bilden ſie ein von treuer Liebe und Verehrung beredtes Zeugnis gebendes Spalier. Stundenweit ſind ſie hergekommen und warten nun in ehrfurchtsvollem Schweigen. Niemand ſchläft heute in all dieſen umliegenden Landorten, jedes Auge iſt offen und voll bitterſter Tränen ...

Knapp bevor die erſte Stunde des jungen Tages beendet iſt, langte der Trauerzug in Pöchlarn ein. Unter hallendem Glockengeläute werden die beiden Särge ſenſeits der Donau auf die dunkel behängten Leichen - wagen gehoben und in der Gefolgſchaft von Kreuz -trägern, Veteranen und Feuerwehrmannſchaften ſetzt ſich der trauernde Zug in Bewegung. Zieht durch die grünen Wälder, in denen nun nach dem vorüber - gezogenen Gewitter ein ſolch würziger Odem, ein ſo reizvolles, von den erſten Sonnen - ſtrahlen verklärtes Waldweben beginnt. Gleich zitterndem Gold huſchen die Lichtſtrahlen über die wirrzerfranſten, bläulichen Wipfeln der Föhren, melodiſche Vogelſtimmen erwachen der prächtigſte Frühſommertag ſchlägt ſeine großen, lachenden Augen auf. Doch welch entſetzlicher, überwältigender Gegenſatz! Mitten in all dieſer won - nigen Pracht und Herrlichkeit der Zug der Toten ...

Und dann nach Stunden, nach langſamer, mühſeliger, von Klagen, Leid und Tränen genug - ſam begleiteter Fahrt ſind Franz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte und ſeine Gemahlin im Hauſe des Vaters angelangt. Das von den fünf weit ins Land hinausleuchtenden Kuppeln umtürmte Dach des Schloßes Artſtetten wölbt ſich wieder über ihnen, ſie ſind beide nun wieder daheim. In der lieblichen, idylliſch gelegenen Schloßkirche ruhen ſie nun, umwallt von dem betäubenden Dufte zahlreicher Blumengewinde. Lautes Beten, qualvolles Schluchzen durchdringt wie ein Ton der Klage das Gotteshaus. An der Bahre knieen neben dem ſchwer heimgeſuchten neuen Thron - folger die dem faſſungsloſeſten Schmerze anheim - gefallenen Kinder, über deren jugendliche, gebeugte Köpfe das Licht der in den vielarmigen ſil - bernen Girandolen hochaufflackernden Kerzen fällt.

Endlich nahen durch die ſchweren, wie Nebel herab - wallenden Weihrauchwolken die Soldaten jenes Regi - ments, das des Verewigten Namen trug und das er ſo ſehr liebte. In der ſchmucken Ulanka ſtehen ſie jetzt in Reih und Glied neben den Särgen. Beim Ertönen eines vielſtimmigen und ergreifend ſeierlichen Miſereres heben ſie nun den Sarg des Thronfolgers und tragen denſelben hinaus auf das Kirchenplateau. Von dort geht ihr leidvoller Weg durch das mit dem erzherzoglichen Wappen geſchmückte Sandſteinportal der Gruft zu. Auf den Schultern alter, weinender Hauslakeien folgt der Sarg der Herzogin jenem ihres Gemahls. In der ſtillen Säulenhalle des Mauſoleums findet nun der letzte Ab - ſchied ſtatt. Kranz auf Kranz häuft ſich zu Füßen der Toten und wehmutsvolle Klage kann lange kein Ende finden. Gebrochen und wankenden Schrittes verlaſſen endlich die ſchmerzzerwühlten hohen Hinterbliebenen die Grabkapelle und ſchwer ſchließt ſich die Grufttüre hinter dem Letzten. Draußen iſt lachender Tag, Falter wiegen ſich in heiterer, blauender Sommerluft, unzählige Vög - lein wetteifern im trillernden Lobgeſang, allüberall iſt Blühen und Luſt und Leben, als würde es nie ein Daſeinsende, keine Vernichtung geben.

In dieſe treue und ſchöne Heimatserde ſind nun Franz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte und Sofie von Hohenberg zur ewigen Ruhe gebettet. Möge ihnen, was all die Völker unſerer weiten Monarchie in dieſer ſchweren Schickſalsſtunde in heißem und aufrichtigem Gebet erflehen, die vaterländiſche Erde, auf der ſie in ſo ſegensreichem, unermüdlichem und liebevollem Wirken allzeit gewandelt, leicht werden!

Die Beiſetzung in Artſtetten. Der Trauerzug im Gewitterſturm.

Nachdem der Waggon mit den Särgen des Herrn Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und deſſen Gemahlin auf ein Nebengeleiſe geſchoben worden war, wurden den übrigen Waggons die zahlloſen Kranz - ſpenden entnommen und auf Wagen verladen.

Um ½3 Uhr früh ging ein außerordent - lich ſtarkes Gewitter über Groß-Pöch - larn nieder; im ſtrömenden Regen wurden die beiden Särge von Hausoffizieren der Wiener ſtädtiſchen Leichenbeſtattung gehoben und über den Bahnſteig an einem dichten Spalier fackeltragender Veteranen und Feuerwehrleute aus der ganzen Umgebung vorbei in den herrlich geſchmückten Warteſaal getragen, wo ſie auf Bahren niedergelaſſen wurden.

Zwölf Offiziere des Ulanenregiments Erzherzog Franz Ferdinand von Oeſterreich-Eſte Nr. 7 hielten mit gezogenem Säbel die Ehrenwache. Der Stadtpfarrer von Groß-Pöchlarn Reichsratsabgeordneter Bauchinger nahm unter Aſſiſtenz der Ortsgeiſtlichkeit die Ein - ſegnung der Leichen vor.

Dem feierlichen Akte wohnten bei: Oberſthofmeiſter Freiherr v. Rumerskirch, Flügeladjutant Oberſt Dr. Bardolff, die Dienſtkämmerer Rittmeiſter Graf van der Straaten und Dr. Freiherr v. Morſey, Sekretär Nikitſch, das erzherzogliche Kammerperſonal, der Bezirks - hauptmann von Melk Statthaltereirat Graf Mac Caffry, der Bezirkshauptmann von Beneſchau Dr. Hejda, der Stationsvorſtand von Pöchlarn Hatter, der Stations - vorſtand von Beneſchau Renelt, Landesgendarmerie - kommandant Oberſt Gautſch v. Frankenthurn, Oberſt - leutnant Nickel v. Ragenfeld des in Beneſchau garniſonierenden Infanterieregimentes Nr. 102, Major Stransky des Landwehrinfanterieregimentes Nr. 28, der Poſtamtsdirektor von Beneſchau Friedrich, der Domänen - direktor von Konopiſcht Schneiberg, der Konopiſchter Schloßverwalter Lehrer, der Leibarzt der verſtorbenen Herzogin Primarius Dr. Teuner, ferner der Bürger - meiſter von Größ-Pöchlarn Wrann mit den Gemeinde - räten.

Nach der heiligen Handlung hatte ſich der Gewitterſturm noch nicht gelegt. Da auch der Regen an Heftigkeit nicht nachgelaſſen hatte, wurden die Särge nicht ſofort in die Fourgons gehoben. Erſt um ½4 Uhr morgens, als das Gewitter einiger - maßen nachgelaſſen hatte, hoben Hausoffiziere der Leichenbeſtattung die Särge in die vor dem Bahnhof ſtehenden mit vier Rappen beſpannten Glas-Galaleichen - wagen. Geführt von Vorreitern mit Laternen ſetzte ſich der Trauerzug, dem in Automobilen die Suite und die übrigen Trauergäſte folgten, durch die Straßen von Groß-Pöchlarn zum Donauufer in Bewegung. Veteranen und Feuerwehrleute ſowie ein trotz der ungewöhnlichen Stunde ſehr zahlreich angeſammeltes Publikum entboten in ſtummer Ergriffenheit den Verewigten die letzten, ehr - erbietigen Grüße.

Die letzte Fahrt über die Donau.

Um 4 Uhr morgens war der Zug am Donauufer angelangt. Der Regen hatte aufgehört. Ein trüber Morgen war angebrochen. Im Dämmerlicht verblaßten die Oriflammen, die an den Brückenköpfen der Anlege - plätze hüben und drüben loderten. Die Fourgons wurden auf die Rollfähre geſchoben, die, vom Beſitzer Freih. v. Tinti geführt, langſam den Donauſtrom überſetzte. Es war ein ſchaurig ſchöner Anblick, als das Trauerſchiff die irdiſchen Hüllen des Erzherzog - Thronfolgers und deſſen Gemahlin hinüberführte zur letzten Ruheſtätte.

Am jenſeitigen Ufer angelangt, ſetzte der Zug ſeinen Weg nach dem Schloſſe fort. Eine Kilometer lange ziemlich ſteil anſteigende Straße führt vom Ufer zum Schloß hinan. Veteranen und Feuerwehrleute bildeten2Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 309längs des ganzen Weges Spalier, um den Toten die letzte Ehre zu erweiſen. Langſam bewegte ſich der Zug zum Schloſſe hinan, das er um 5 Uhr morgens bei hellem Tageslicht erreichte. Vom Ortseingange bis zur Schloßpforte bildeten Förſter, Jäger ſowie das erzherzog - liche Revierperſonal Spalier. Auch die Bevölkerung von Artſtetten hatte ſich eingefunden und grüßte ſtill die Toten. Nachdem der Zug im Schloſſe angelangt war, wurden die Särge in die Schloß - und Pfarr - kirche getragen und daſelbſt aufgebahrt. Prieſter und Nonnen hielten hier abwechſelnd Betſtunden ab.

Die Ankunft der Trauergäſte.

Um 8 Uhr früh traf Erzherzog Karl Franz Joſef mittels Hofſonderzuges in Begleitung des Kammervorſtehers Generalmajors Prinzen Lobkowitz in Groß-Pöchlarn ein. Mit demſelben Zuge fuhren auch die Herren der Militärkanzlei des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand, weiters Graf Micielski, ferner drei Offiziere des Ulanenregimentes Nr. 7 und eine Anzahl anderer Trauergäſte. Auf dem Bahnhofe hatte ſich der Bezirkshauptmann von Melk Statthaltereirat Graf Mac Cafry eingefunden, der ſich beim Erz - herzog meldete. Der Herr Erzherzog begab ſich ſodann mittels Automils nach Artſtetten, wo er um 8 Uhr 20 Minuten einlangte. Hier meldete ſich der Bezirks - hauptmann von Pöggſtall Statthaltereirat Doktor Bernatſchek-Schneller. Der Herr Erzherzog zog ſich hierauf in das Schloß zurück.

Um 9 Uhr 47 Minuten vormitags trafen mittels Hofſonderzuges in Groß-Pöchlarn ein: die Erzherzoginnen Zita, Maria Thereſia, Maria Annunziata und Maria Joſefa, weiters Herzog Albrecht von Württemberg mit ſeinen zwei Söhnen, Herzog Miguel von Braganza, Herzogin Thereſe von Braganza, Prinz Alfonſo von Bourbon, Infantin Maria das Neves, Erzherzog Maximilian, Prinzeſſin Eliſabeth von und zu Liechtenſtein, Prinz Louis von und zu Liechtenſten, Fürſt Max von Hohenberg, Prinzeſſin Sofie von Hohenberg, Prinz Ernſt von Hohenberg, Graf und Gräfin Jaroslav Thun-Hohenſtein mit Töchtern, Graf und Gräfin Schön - burg-Glauchau mit Tochter, Graf und Gräfin Wuthenau, Graf und Gräfin Leopold Noſtitz mit ihren Söhnen, Gräfin Marie Henriette Chotek, Graf Chotek, Fürſtin Ida Schwarzenberg-Hoyos, Graf und Gräfin Majlath, Fürſt und Fürſtin Weickersheim, Generalmajor Graf Wallis, Baronin Rumerskirch, Frau Oberſt Dr. Bardolff und Gräfin Lanjus.

Die Herrſchaften begaben ſich gleich nach ihrer Ankunft mittels Automobilen nach Artſtetten. Mit dem Zuge fuhr auch der Superior der PP. Reſurrektioniſten P. Jakob Kullinski nach Artſtetten. Den PP. Reſur - rektioniſten obliegt ſeit zwölf Jahren die Seelſorge in der Kapelle des Belvedere.

Einſegnung und Beiſetzung in der Gruft.

Um ¾11 Uhr vormittags fand in der Schloß - und Pfarrkirche in Gegenwart des Herrn Erzherzogs Karl Franz Joſef, der engſten Anverwandten des verblichenen Herrn Erzherzogs und höchſtdeſſen Gemahlin, darunter der Kinder des verblichenen Paares, zahlreicher Mitglieder des Kaiſerhaufes, des Herzogs Albrecht von Württemberg mit ſeinen beiden Söhnen ſowie einer außer - ordentlichen großen Anzahl von Mitgliedern der Hochariſtokratie die feierliche Einſegnung der Leichen des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand und deſſen Gemahlin in prunkvoller Weiſe ſtatt.

Die Einſegnung nahm der Dechant von Maria - Taferl Dobner v. Dobenau unter großer geiſt - licher Aſſiſtenz vor. An den Särgen hielten Offiziere des Ulanenregiments Nr. 7 und des Dragonerregiments Nr. 4 die Ehrenwache. Mit tiefer Andacht und Be - wegung folgten die Anweſenden der heiligen Handlung.

Unter Glockengeläute wurden um 11 Uhr 35 Mi - nuten vormittags von Hausoffizieren der Wiener ſtädtiſchen Leichenbeſtattung die Särge gehoben und über die Stufen getragen. An der unterſten Stufe angelangt, übernahmen Wachtmeiſter des Ulanenregiments Nr. 7 und des Dragonerregiments Nr. 4 die Särge und trugen ſie an dem Spalier der Feuerwehr und der Veteranen vorbei durch das Parktor zur Gruft.

In der Gruft fand dann im Beiſein der engſten Anverwandten die endgültige Beiſetzung der hohen Ver - blichenen ſtatt.

Von der Fahrt des Trauerzuges. Die Durchfahrt des Trauerzuges durch Sankt Pölten. Die Ankunft in Pöchlarn.

Zum Empfange des Trauerzuges hatten ſich im Bahnhofe eingefunden: Hofrat v. Waniek mit den Spitzen der Behörden und der Beamtenſchaft, Biſchof Dr. Rößler mit dem Domkapitel, das geſamte Offizierskorps der Garniſon mit den Oberſten Dittrich und v. Stransky. Der Zug fuhr unter dem Geläute aller Glocken der Stadt in den Perron ein.

Lebhafte Bewegung ging tagsüber durch die Straßen des ſonſt ſo ſtillen Ortes. Um Mitternacht ſtellte ſich die Bevölkerung, die durch Zuzug aus der ganzen Umge - bung verſtärkt war, zum Spalier in den Straßen vom Bahnhofe bis zum Donauufer auf. Feuerwehr, Vete - ranen - und Kriegervereine reihten ſich ein undnahmen auf dem Platze vor dem Bahnhofe Aufſtellung. Der Bahnhof trägt Trauerſchmuck. Schwarze Behänge verkleiden das Dach, die Faſſade und die Pfeiler. Palmen und Blattpflanzen vervollſtändigen den Schmuck. Der Bezirkshauptmann mann von Melk Graf Max Caffry, Landes - gendarmeriekommandaut Oberſt v. Gautſch, Bürger - meiſter Wrann mit der Gemeindevertretung, Stations - vorſtand Hatter, Pfarrer Abg. Bauchinger mit der Ortsgeiſtlichkeit, ſowie einige Herren aus Konopiſcht und Beneſchau erwarteten hier den Trauerzug. Um 12 Uhr 37 Minuten lief der Separatzug mit den Leichen der hohen Verblichenen langſam im Bahnhof ein. Während die Anweſenden ehrerbietige Grüße ent - boten, wurde der Zug auf das Rangiergeleiſe geſchoben. Der die Leichen begleitende Hofſtaat verließ den Zug. Die Särge werden bis 2 Uhr 30 Minuten morgens im Waggon belaſſen.

Das Seelenamt in der Hofburg - pfarrkirche.

Zur nämlichen Stunde, da in der Schloßkapelle zu Artſtetten die irdiſchen Hüllen des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und der Frau Herzogin Sofie von Hohenberg eingeſegnet wurden, haben in der Hofburg - pfarrkirche in der kaiſerlichen Reſidenz der Kaiſer, die Mitglieder ſeines Erzhauſes und der Hofſtaat, ſowie die geſamte Generalität und die Stabsoffiziere der Garniſon einem Seelenamte beigewohnt. Die Hofburgpfarrkirche zeigte noch den Trauerſchmuck von geſtern. In den Höfen der Burg herrſchte auch heute ein lebhaftes Treiben. Viel Publikum war vor - mittags in die Burg geſtrömt, um die Auffahrt der Mitglieder des Kaiſerhauſes und der Würdenträger mit - anzuſehen.

Gegen 10 Uhr vormittags marſchierte im Schwei - zerhof ein Spalier, beſtehend aus einem Unteroffizier mit 16 Infanteriſten des Landwehr-Infanterieregi - ments Nr. 24 auf. Beim Torbogen des Schweizerhofes hielten acht Ulanen vom Ulanenregiment des verbliche - nen Thronfolgers. Nach ½11 Uhr begann die glän - zende Auffahrt der Würdenträger. Der Hofſtaat kam in ſchwarzer Kleidung mit angelaufenem Degen und ſchwarzen Federn auf dem Hute und ſchwarzer Schleife. Die Militärs erſchienen in Gala mit dem Trauerflor am linken Arme. Wagen und Automobile fuhren un - unterbrochen bei der Botſchafterſtiege im Schweizerhof vor. Die Generalität und das Offizierskorps verſam - melten ſich im Marmorſaale und erwarteten dort das Vorbeiziehen des Hofes, um ſich dann ſelbſt in die Kirche zu begeben. Die anderen Trauergäſte verſam - melten ſich in der Kirche ſelbſt, die völlig gefüllt war. Bei den Katafalken waren als Ehrenwache Leibgarden poſtiert. Die Edelknaben Ladislaus v. Lonyay, Otto Graf Herberſtein, Erwin v. Vladar, Hugo Freiherr v. Tinti, Joſef v. Ghyczy und Stefan v. Moricz ſtanden mit brennenden Wachswindlichtern beim Katafalk, während die Edelknaben Nikolaus Graf Sereny, Bela v. Görgey, Ludwig v. Mariaffi, Hans Graf Herberſtein, Stefan Freiherr v. Banffy, Auguſt Freiherr v. Rech - bach, Karl Graf Huyn, Herbert Graf Herberſtein, Jo - hann Graf Sereny und Johann v. Gosztonyi, geführt vom Edelknabenhofmeiſter Hofrat Ritter v. Rößler Kortègedienſte leiſteten.

Auf die Meldung des Erſten Oberſthofmeiſters Fürſten Montenuovo verfügten ſich der Kaiſer und die Herrſchaften in die Oratorien und das Seelenamt be - gann, das der hochw. Herr Weihbiſchof Dr. Pfluger mit zahlreicher Aſſiſtenz der Hofgeiſtlichkeit abhielt.

Die Ankunft der Kinder.

Wie wir erfahren, treffen heute die Kinder des er - mordeten Thronfolgerpaares um 2 Uhr 54 Minuten in der Station Penzing der Weſtbahnſtrecke mit dem Hof - ſonderzuge ein. Die Prinzen und die Prinzeſſin treten von hier aus die Fahrt nach Schönbrunn zum Kaiſer an.

Die letzte Huldigung des öſter - reichiſchen und ungariſchen Hochadels.

Wie bereits im Morgenblatte mitgeteilt, hatte der Hochadel während des geſtrigen Trauerzuges zum Weſt - bahnhofe eine impoſante Manifeſtation, eine allerletzte Huldigung für den Erzherzog-Thronfolger und ſeine Ge - mahlin veranſtaltet. Bekanntlich hat das von den Hof - behörden entworfene Programm die Beteiligung der erſten Familien des Reiches an dem Trauerzuge trotz erfolgter An - meldung nicht vorgeſehen. Im letzten Augenblicke ſetzte der Hochadel ſeine Teilnahme dennoch durch, und als der Trauerzug von der Burg herankam, ſchloſſen ſich an der Ecke der Babenbergerſtraße und des Burgringes mehr als Hundert Geheime Räte, Mit - glieder des Herrenhauſes und Kämmerer meiſt in Gala - uniformen an der Ecke der Babenbergerſtraße und des Burgringes unmittelbar nach der Kavallerie dem Zuge an.

Unter den Teilnehmern im Zuge der Ariſtokraten bemerkte man noch außer den im Morgenblatte ver - zeichneten Herrſchaften: die Fürſten Trauttmannsdorff, Starhemberg, Fürſtenberg, Karl Schwarzenberg, Friedrich Lobkowitz, Hugo Weriand Windiſchgrätz Fugger-Baben -hauſen, die Prinzen Eduard, Louis und Heinrich Liechtenſtein, Alex. Thurn und Taxis und Sohn Ludwig Windiſchgrätz, Jaroſlaw, Franz und Leopold Lobkowitz, Ernſt Schwarzenberg, Erbprinz Lobkowitz, Friedrich Thurn und Taxis, Gottfried Hohenlohe, Markgraf Pallavicini, die Grafen Franz Walterskirchen, Leopold Noſtitz, Laszlo und Stefan Szechenyi, Franz Colloredo, Joſef Hunyadi, Haugwitz, Otto und Ernſt Harrach, Alfons Pallavicini, Emmerich Mensdorff, Oswald Thun - Salm, Guido und Chriſtian Thun, Moritz Eſterhazy, Marenzi, Franz Clam-Gallas, Weſtphalen, Desfours Karatſonyi, Joachim Schönburg, Adam Wurthenau, Adolf Waldſtein, Alfons Clary, Rudolf Traun, Laszlo und Paul Szapary, Aladar Zichy, Rudolf und Alexander Van der Straaten, Franz Ledo - chowski, Witold Oſtrowski, Franz Seilern, Erwin Hartwig-Noſtitz, Rudolf Chotek, Karl Chotek jun., der Bruder der toten Herzogin, Hermann Noſtitz, Alfons Piatti, Franz Gudenus, Leopold Hardegg, Franz Kinsky, Adalbert und Georg Sternberg, Rudolf Hoyos.

Wir haben im heutigen Morgenblatt mitgeteilt, daß eine große Anzahl von Mitgliedern des Kaiſerhauſes obwohl dies auch nicht im Programm des Oberſthof - meiſtersvorgeſehenwar ſich am Weſtbahn - hofe zum Abſchiede von den teuren Toten eingefundenhatte. Auch hiefür gilt die Bemerkung unſeres Morgenblattes bezüglich der Manifeſtation des Hochadels, daß dieſes Erſcheinen von Mitgliedern des Kaiſerhauſes ent - gegen dem vom Oberſthofmeiſter - amte ausgearbeiteten Zeremoniell von der Bevölkerung mit tiefer Dankbarkeit aufgenommen werden wird.

Trauerkundgebungen.

Das Beileidstelegramm der katholiſch-deutſchen Studentenverbindungen.

Die Wiener katholiſch-deutſchen Studentenverbindungen haben an die Kabinettskanzlei des Kaiſers fölgendes Telegramm abgeſandt:

Die zehn Wiener Korporationen des Kartellverbandes der katholiſch-deutſchen Studentenverbindungen aufs ſchmerzlichſte berührt von dem entſetzlichen Verluſt, der Seine Majeſtät, das Herrſcherhaus und das ganze Reich durch das jähe Hinſcheiden Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigſten Herrn Erzherzog-Thron - folgers und höchſtdeſſen Gemahlin, Ihrer Hoheit der durchlauchtigſten Frau Herzogin Sofie von Hohen - berg betroffen, bitten, ſich den Kundgebungen der allgemeinen Trauer anſchließen zu dürfen. Indem ſie zugleich die Gelegenheit ergreifen, das Gelöbnis treuer Liebe zur ge - heiligſten Perſon Seiner Majeſtät des Kaiſers und zu ſeinem erlauchten Hauſe aufs neue zu bekräftigen, bitten ſie, dieſen ihren Ausdruck der Trauer und Ergebenheit an die Stufen des Allerhöchſten Thrones gelangen zu laſſen. Die derzeit vorſitzende Verbindung Marco-Danubia .

Weitere Trauerkundgebungen veranſtalteten der Verein Grünes Kreuz , der Verein zur Erziehung katholiſcher Lehr - linge, der katholiſche Jünglingsverein Maria Hilf der übrigens in ſeinem Verſammlungsſaale, 7. Bezirk, Weſtbahn - ſtraße 40, Montag den 6. d. eine große Kundgebung abhält, bei der Richard v. Kralik die Gedenkrede halten wird, der katholiſche Volksverein in St. Peter (Oberöſterreich), die Handels - und Gewerbekammer in Kaſchau u. v. a.

Die dem Reichsbund der chriſtlichen Jugend Oeſterreichs angehörenden Wiener Jugendorganiſationen beteiligen ſich korporativ an der großen Trauerkundgebung des Katholiſchen Volksbundes im Neuen Wiener Rathaus und treffen ſich zwiſchen 9 und ¼10 Uhr beim Schmiddenkmal hinter dem Rathauſe.

Aus Franzensbad wird uns berichtet: Der Kurort ſtand Freitag im Zeichen der tiefen Trauer. Die Früh - und Nachmittagskonzerte des Kurorcheſters unterblieben, Theater und Kino waren geſchloſſen und auch die ſonſt üblichen Konzerte in den Reſtaurants und Cafés wurden abgeſagt. In ſämtlichen Gotteshäuſern finden Samstag vormittag Seelen-Gedächtnis - feiern ſtatt. Auch an dieſem Tage entfallen die Frühkonzerte.

Morgen vormittag findet in der Hofkapelle ein Requiem für weiland Erzherzog Franz Ferdinand und deſſen Gemahlin ſtatt, an welchem die königliche Familie, die Hof - und Staatswürdenträger und die Mitglieder der öſterreichiſch-ungariſchen Geſandtſchaft teilnehmen werden.

Die Hintermänner der Blut - ſchuld. Drohungen ſerbiſcher Blätter gegen Oeſterreich-Ungarn.

Die Südſl. Korreſp. meldet aus Belgrad:

Die heutigen Blätter ſetzen die maßloſen An - griffe gegen die Monarchie aus Anlaß des Attentates in Sarajevo fort, wobei ein Blatt ſo weit geht, mit neuen ähnlichen Anſchlägen zu drohen.

Die Novoſti ſchreiben: Wir möchten unſeren Nachbar darauf aufmerkſam machen, daß er ſeine Blicke nicht auf uns richte. Er möge vielmehr in ſeinem eigenen Heim die Urſachen ſolcher Ereigniſſe ſuchen. Die Er - fahrung wurde mit dem Leben eines großen öſterreichi - ſchen Patrioten und mit dem Leben einer zarten Mutter gezahlt, aber die Tat iſt geſchehen. Durch keinen Druck, durch keine Rache läßt ſich das Uebel gutmachen. Im Gegenteil. In Wien müßte man ſich zuſammenfaſſen, kaltes Blut bewahren und die einzig richtige Lehre zie - hen, daß nämlich heute, im 20. Jahrhundert, ſich die Völker nicht mehr unterdrücken laſſen. Erſt dann, wenn in Oeſterreich ein freies, konſtitutionelles Regime ein - zieht, werden ſich die erregten Gemüter beruhigen. Widrigenfalls werden ſich ähnliche Vor - kommniſſe auch weiterhin ereignen. (!) 3Nr. 309 Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914Nur dann wird Oeſterreich ein Recht haben, dafür andere zu beſchuldigen und verantwortlich zu machen.

Die Pravda ſagt: Alle bisher in Oeſterreich begangenen Morde und Attentate haben ſtets eine und dieſelbe Quelle gehabt. Die unterdrückten Völker der Monarchie mußten zu dieſer Art des Pro - teſtes greifen, weil ihnen kein anderer Weg mög - lich war. Die Monarchie ſtand und ſteht noch immer unter einem fürchterlichen polizeilichen Regierungs - ſyſtem, wonach jeder als Hochverräter bezeichnet wird. In einem Chaos der Schreckensherrſchaft iſt es natür - lich und vollkommen begreiflich, daß ſich die Aera der Attentate eingebürgert hat.

Die Srpska Zaſtava erklärt: Es liegt uns vollkommen ferne, die abſcheuliche Tat, die von der ganzen Kulturwelt einmütig verdammt wird, irgendwie zu rechtfertigen. Aber konventionelle Worte dürfen die Wahrheit nicht verhüllen. Und dieſe Wahrheit iſt bitter. Oeſterreich-Ungarn führt ſeit langer Zeit eine Politik, die nicht nur die Intereſſen des ſerbiſchen Volkes ver - letzt, ſondern dieſen geradezu zuwiderlauft. Oeſterreich - Ungarn hat unſerem Vordringen nach dem Süden Widerſtand geleiſtet, uns zum Rückzug von der adriati - ſchen Küſte und zur Räumung Skutaris gezwungen. In Bosnien herrſchen heute wie auch in Kroatien Aus - nahmsverfügungen, die ſelbſtverſtändlich in erſter Linie gegen die Serben gerichtet ſind. Das führt zur Verzweiflung.

Das Befinden des Oberſtleutnants Merizzi.

Das Befinden des bei dem Bombenattentate ver - letzten Oberſtleutnants Merizzi iſt ein andauernd günſtiges, ſo daß der Patient binnen kurzem das Garniſonsſpital wird verlaſſen können. Die Meldungen, die von einer Verſchlimmerung im Befinden des Offiziers berichteten, ſind unzutreffend.

Der Tiroler Landtag.

Der Landtag erledigte heute die noch unerledigten Gegen - ſtände (84 Anträge), zumeiſt ohne jede Debatte. Die meiſten Anträge betrafen Subventiouen für volkswirtſchaftliche Inſtitu - tionen und Unterrichtsanſtalten ſowie für gemeinnützige Ver - eine.

Eine längere Debatte entwickelte ſich über den Antrag, für die Koſten der Erweiterungsbauten der beiden Irrenanſtalten, die Errichtung einer Gebäranſtalt in Trient und den Ausbau der Innsbrucker Gebäranſtalt ſowie für Straßenbauten ꝛc. eine Anleihe bis zehn Millionen Kronen aufzu - nehmen. Der Antrag wurde ſchließlich zum Beſchluß erhoben. Betreffend die Regelung der Kolonats - und Grundpachtverhält - niſſe beſchloß der Landtag, daß weitere Studien und Erhebungen zu pflegen ſeien. Behufs Einſchränkung der Aus - wanderung der Hütenkinder wurden verſchiedene Maßnahmen beſchloſſen. Ferner wurde ein Geſetz zum Schutze ſeltener Alpenpflanzen angenommen. Morgen vormittag findet eine vertrauliche Sitzung wegen Be - ſchlußfaſſung über die Gehaltserhöhung der Lan - desbeamten und ſodann eine öffentliche Sitzung ſtatt, in welcher das Schulgeſetz zur dritten Leſung gelangen und das Finanzgeſetz beraten werden wird. Sodann wird die Seſſion des Landtages geſchloſſen.

Aus den Wiener Morgenblättern.

Im Neuen Wiener Tagblatt ſchließt Feldmarſchall - leutnant Franz Rieger eine elegiſche Betrachtung des ſchrecklichen Ereigniſſes von Sarajevo mit der ſehr zeitgemäßen Mahnung an alle, die es angeht:

Aus Haß gegen den Imperialismus, aus Raſſenhaß, aus Haß gegen die beſtehende Ordnung, gegen die Autorität, den Beſitz, aus jenem Haß, der der Selbſtſucht ent - ſpringt, dem Neid, der Mißgunſt, der Trägheit und Geſinnungsloſigkeit, dem gänzlichen Mangel an Gottesfurcht und Sittlichkeit aus ſolchem Haß iſt jenes ruchloſe Verbrechen begangen worden, dem das hohe Paar zum Opfer ſiel. Gegen das Fort - wuchern ſolchen Haſſes muß mit aller Macht ange - kämpft werden, allerorts, zu jeder Zeit, ammeiſten bei der Erziehung der Jugend, in der Familie und in der Schule, damit ein kommendes Geſchlecht ganz frei von ſolchem Uebel und, im Guten ſtark und feſt, zum Kampfe gegen Strebungen und Irrungen bereit ſei, wie ſie aus gegenwärtigem Parteienhader und - gezänke emporwuchern.

Es wäre nur lebhaft zu wünſchen, daß dieſer Mahuruf überall beherzigt werde. Daß er von der Tribüne eines großen liberalen Organs erhoben wurde, das ſich ſonſt nicht gerade mit der Erziehung zur Gottesfurcht und Sittlichkeit abgibt und auch nicht gerade durch Schwärmerei für eine Jugenderziehung in dieſem Sinne in der Familie und in der Schule aufgefallen iſt, macht den Appell nur um ſo beherzigenswerter. Wir begrüßen es, wenn auch Organe des Liberalismus endlich einzuſehen beginnen, an welchen Grundübeln die Geſellſchaft krankt.

Selbſt die Neue Freie Preſſe kritiſiert in ihren Eindrücken nach der Trauerfeier die eng - herzigen und kurzſichtigen Ver - fügungen des Oberſthofmeiſters deſſen Penſionierung übrigens vom Neuen Wiener Journal gefordert wird und meint:

Viel iſt darüber geſprochen worden, daß die Trauerfeierlich - keiten zu ſchlicht waren, daß zu wenig Prunk entfaltet wurde, und daß ein ſtärkeres militäriſches Aufgebot nach dem hohen Range des Erzherzogs in der Armee hätte angeordnet werden ſollen. Die Beſchränkung war vielleicht mit Rückſicht auf die kaum wiederhergeſtellte Geſundheit des Kaiſers ein Wunſch der Aerzte (Es hätte ſich doch gewiß ganz gut die ſelbſtverſtändliche Schonung der Geſundheit des Monarchen mit einem den Ge -fühlen von Millionen entſprechenderen Arrangement der Trauerfeier vereinigen laſſen. Nicht um gcößeren Pomp , ſon - dern um die Ermöglichung einer größeren Teilnahme an der Trauerfeier handelte es ſich. D. Red. ), und gewiß haben die Hunderttauſende, die geſtern beim Eintreffen der Leichen des Erzherzogs Franz Ferdinand und der Herzogin von Hohenberg in dichten Reihen die Straßen ſäumten, das Andenken des verſtorbenen Thronfolgers mehr geehrt, als dies durch größeren Pomp hätte geſchehen können. Die Ausſchließung der fürſtlichen Gäſte, die das Bedürfnis hatten, in Wien an der Trauerfeierlichkeit teilzunehmen, war jedoch ein Fehler. Die Anweſenheit des deutſchen Kaiſers, mehrerer Könige und der Prinzen aus den meiſten Ländern von Europa hätte ſinnfällig gezeigt, was der Mord von Sarajevo nicht bloß für uns, ſondern auch für andere Völker bedeutet. Durch die Vereinigung der mächtigen Perſönlichkeiten, die einen ſo maß - gebenden Einfluß auf die Politik des zwanzigſten Jahrhunderts haben, wäre anſchaulich geworden, daß über alle Streitigkeiten hinweg ein Gemeinſames die Staaten verbindet. Was iſt das Verbrechen von Sarajevo? Die Wirkung einer Politik, die glaubt, ſich in amtliche Verantwortlichkeit und in nichtamtliche Unverantwortlichkeit ſpalten zu können.

Die Oeſterreich. Volksztg. lenkt die Aufmerkſam - keit auf die Umſtände, die das ſchreck - liche Attentat ermöglicht haben:

Wie es möglich war, daß die zum Sicherheits - dienſte berufenen Behörden, die bei Anweſenheit eines ſo außerordentlichen Gaſtes zu doppelter Wachſamkeit verpflichtet waren, ganz ahnungslos daſtanden, daß die Vorkehrungen ſo kläglich mangelhaft waren, das muß als eine Unbegreiflichkeit erſcheinen. Wahr - lich, wenn die große Oeffentlichkeit nachträglich auf den Ton aufmerſam gemacht wird, den das radikale Serbentum in unſeren Grenzlanden angeſchlagen, dann muß man ſich um ſo verwunderter fragen, wie es denn komme, daß die Verantwortlichen aus ſolchen Aeuße - rungen nicht bereits die Leidenſchaft heraushörten, die zur Pro - paganda der Tat drängte und ſchließlich zu der Greueltat von Sarajevo entartete ... Sicher aber iſt es, daß eine gewaltige Verſchwörung ſich den Erzherzog zum Opfer erkoren hat, und faſt ſo gut wie ſicher, daß die Verſchwornen ihren Sitz in Belgrad hatten, von da mit Geld und mit den Mordinſtrumenten verſehen wurden. Wenigſtens hat die Unterſuchung jetzt bereits Ergebniſſe gezeigt, die berechtigen, die Kommandanten der Verſchwörung in höheren, der Staats - verwaltung nicht allzu fernen Kreiſen des Königreichs Serbien zu ſuchen.

Vom Warenmarkte. Börſe für landwirtſchaftliche Produkte.

(Eigenbericht.) Die amerikaniſchen Getreidemärkte waren matt auf Realiſationen. Der Budapeſter Markt eröffnete heute in etwas feſterer Haltung. An der hieſigen Wochenbörſe iſt der Verkehr wohl ein lebhafterer, jedoch geſtalten ſich die Umſätze gering. Weizen ſtellt ſich von 10 bis 15, Roggen von 15 bis 20 Heller billiger gegen Vorwoche. Mais iſt unverändert und Hafer preishaltend.

Budapeſt. (Kurſe um ½12 Uhr.) Oktoberweizen 13.09, Aprilweizen 12.89, Oktoberroggen 9.33, Oktoberhafer 7.80, Mais pro Juli 1914 7.39.

Wiener Effektenbörſe.

(Eigenbericht.) Zufolge des Friedensſchluſſes zwiſchen Amerika und Mexiko, ſowie der höheren Notierungen verkehrt die heutige Vorbörſein freundlicher Haltung und fanden auf einzelnen Gebieten Rück - und Deckungskäufe ſtatt, wozu auch die Meldungen über günſtige Ernteausſichten beigetragen haben. Lebhafter geſtaltete ſich das Geſchäft in Eiſenwerten, Skoda - aktien und türkiſchen Werten. Orientbahnen ſtiegen um 12 Kronen, Türkenloſe um 6 und Tabak um Kronen. Alpineaktien gewannen 7 Kronen, Skodaaktien Kronen. Die feſte Tendenz hielt ungeſtört bis zum Ende der Vorbörſe an.

Es notierten: Kreditaktien 594.10 bis 595.75, Ungariſche Kreditbank 770. bis . , Bodenkredit . bis . , Unionbank 565. bis 566.75, Länderbank 474.25 bis 474.75, Anglobank 327.25 bis . , Bankverein 503. bis . , Ungariſche Hypothekenbank . bis . , Ungariſche Handels - geſellſchaft 469.50 bis 473. , Nied. Eskomptegeſellſchaft . , Allg. Verkehrsbank 360.75.

Staatsbahn 672. bis 674. , Lombarden 79. bis 79.50, Dampfſchiff 1113. bis 1115. , Tabakaktien 460.60 bis 407,50. Türkenloſe 208.75 bis 211. , Lloydaktien 545. bis . , Orientbahnen 884. bis 887. , Kahlenbergbahn 77. .

Alpine 786.50 bis 792.50, Rima-Muranyer 604. bis 607.50 Waffenfabrik . , bis . , Prager Eiſen 2456. bis 2464. , Galiziſche Karpathen 878. bis . , Mairente 80.80 bis . , Oeſterreichiſche Kronenrente 81.40 bis . , Ung. Goldrente 96.20, Ung. Kronenrente 79.50 bis . , Ruſſen . , Südbahnprioritäten 237.50 bis 238.25, Skoda - aktien 673. bis 678. , Berg - und Hüttenwerke 1190. bis . . Poldihütte 615. bis 618. , Perlmooſerzement 421. bis . , Königshofer Zement . , Allg. Baugeſellſchaft . bis . , Danek Maſchinen 395. , Brünner Maſchinen 526. , Siemens und Schuckert 264. bis . , Waagner Brückenbau 329.50, Broſche Spiritus . , Böhmiſcher Zucker 288. , Salgo Kohle 666. , Trifailer Kohle 276.50 bis 277.50, Brüxer Kohle 849. , Union Elektriſche 539.50, Kolben Elektriſche 503. , Vereinigte Elektriſche 212.50, Ungariſche Elektriſche 551.50.

Um 11 Uhr blieben: Oeſterreichiſche Kredit 595.25, Ungariſche Kredit 770. , Anglobank 327.25, Bankverein 503. , Unionbank 566. , Länderbank 474.75, Staatsbahn 673.50, Lombarden 70.50, Alpine 791.50, Skoda 678. , Türkenloſe 209. , Reichsmark 117.81.

Tagesbericht.

* Verleihungen.

Der Kaiſer hat dem Direktor der Finanz - landeskaſſe in Innsbruck Silvius Dejaco das Ritterkreuz des Franz-Joſefordens, dem praktiſchen Arzte Dr. Johann Schillinger in Wien den Titel eines Medizinalrates, dem Baumeiſter Karl Walter in Teplitz den Titel eines kaiſer - lichen Rates verliehen.

* Ernennungen.

Der Handelsminiſter hat den Poſtamts - Vizedirektor Anton Nikodemowicz in Krakau zum Poſt - amtsdirektor ernannt. Der Ackerbauminiſter hat im Stande der Wirtſchaftsbeamten des Staatsgeſtütes in Radautz die Wirt - ſchaftseleven Eugen Motresku und Guſtav Neunteufel zu Wirtſchaftsbereitern und im Stande der Buchhaltungs - beamten dieſes Geſtütes den Rechnungspraktikanten Kajetan Kajetanowicz zum Rechnungsaſſiſtenten ernannt. Der Miniſter für öffentliche Arbeiten hat den Vertragsbeamten Dr. Karl Saueracker zum Miniſterialkonzipiſten im Mini - ſterium für öffentliche Arbeiten ernannt. Der Miniſter desInnern hat den Rechnungsrat Alois Matuſchka zum Ober - rechnungsrate im Rechnungsdepartement der Statthalterei in Brünn ernannt. Der Leiter des Finanzminiſteriums hat den Finanzkommiſſär Dr. Joſef Hladky zum Miniſterial - vizeſekretär im Finanzminiſterium ernannt.

* Aus dem Anditoriate.

Der Kaiſer hat ernannt: den Oberſtauditor Anton Gonauer, Juſtizreferenten des Hafen - admiralates in Pola, zum Leiter des Admiralsgerichtes in Pola; den Oberſtleutnantauditor Maximilian Neumayer zum Juſtizreferenten und Militäranwalt des Hafenadmirals in Pola und den Majorauditor Leonhard Tanzer zum Militär - anwalt des Marinekommandanten.

* Veränderungen im Kouſularkanzleidienſte.

Der Mi - niſter des Aeußern hat im Konſularkanzleidienſte ernannt: Zum Kanzleidirektor den Kanzleirat Viktor Rottauſcher von Malata. Zum Kanzleirat den Kanzleiſekretär Ludwig Matitſch. Zu Kanzleiſekretären die Offiziale Johann Gom - baszky, Ferdinand Manchen, Anton Chlopecki, Franz Szuber und Joſef Kapatos. Zu Offizialen die Honorarbeamten Peter Monteforte, Martin Dietrich, Adolf Schneider, Franz Miklavic, Theodor Weiler, Robert Raroſſy, Egizio Fortunat, Jakob Schefbeck, Georg Wagner, Max Kos, Rudolf Kremnitzky, Joſef Kubisz, Joſef Matlas, Peter Geng, Emil Geltſch, Franz Pribyl, Wladimir Koziuk, Joſef Cikanek, Günther Freiherrn v. Geuſau und Julius Takacs.

* Todesfall.

In Tulbing iſt am 2. d. Herr Franz Poriska, k. k. Landesgerichtsrat, Obmann des Vereines Rudolfinerburſe uſw. geſtorben. Das Leichenbegängnis wird Sonntag den 5. d. ſtattfinden. Um ½4 Uhr nachmittags wird die Leiche in der Pfarrkirche in Tulbing (Bahnſtation Langen - lebarn) feierlich eingeſegnet und ſodann auf dem Ortsfriedhofe zur Ruhe beſtattet. Der Vorſteher war A. H. der katholiſch - deutſchen Verbindung Rudolfina , um die er ſich große Verdienſte erworben hatte.

* Karl Fürſt Paar.

Am 7. d. feiert in Kardas Recic ein hervorragendes Mitglied des Adels, der Sohn des Fürſten Paar und der Ida geb. Prinzeſſin Lichten - ſtein Karl Fürſt Paar im engſten Familienkreiſe ſeinen 80. Geburtstag. Karl Fürſt Paar, Freiherr auf Hart - berg und Krottenſtein iſt Oberſthof - und General - Erblandpoſtmeiſter, erbliches Mitglied des Herrenhauſes, Geheimer Rat und Kämmerer, Ritter des Ordens vom Goldenen Vließ uſw.

* Viktor Schmidt .

Nach langem Krankenlager iſt der Seniorchef Viktor Schmidt der bekannten Firma Viktor Schmidt & Söhne in Wien, im Sanatorium Weiſer-Hirſch in Dresden geſtorben. Seine langjährige erſprießliche Tätigkeit in der Firma Viktor Schmidt & Söhne, hat dieſelbe zu jener Höhe gebracht, welche dieſes Haus in der Zucker - und Schokoladenwaren - branche einnimmt. Die einſchneidenden Reformen, welche der Verewigte geſchaffen hat, kamen nicht nur ſeinem Welthauſe, ſondern auch dem Vereine der Zucker - und Schokoladenwarenbranche, deren langjähriger Präſident der Verblichene war, in hohem Maße zugute. Herr Viktor Schmidt, welcher der älteſte Sohn des Gründers der Firma Viktor Schmidt & Söhne war, hat ſich im Jahre 1905 ins Privatleben zurückgezogen.

* Das Beileid des Kaiſers an die Witwe des Armee - inſpektors FZM. Freiherr von Leithner.

Der Witwe des Armeeinſpektors FZM. Ernſt Freiherrn von Leithner, Luiſe Freiin von Leithner, iſt nachſtehende Depeſche des Generaladjutanten G. d. K. Grafen Paar zugekommen: Se. Majeſtät vernahmen mit aufrichtigſtem Bedauern das Ableben Sr. Exzellenz des Armeeinſpektors FZM. Ernſt Freiherrn von Leithner, Eurer Exzellenz nunmehr ver - ewigten Gemahls, und geruhen Eure Exzellenz Aller - höchſtihres wärmſt empfundenen innigſten Beileides an dieſem ſchweren Verluſte zu verſichern. Der vielfachen Verdienſte, der langjährigen, mehrmals Allerhöchſt ausgezeichneten und insbeſondere auf fortifikatori - ſchem und militärtechniſchem Gebiete her - vorragenden Betätigung des Dahingeſchiedenen gedenken Se. Majeſtät auch jetzt mit dankbarer Er - innerung und werden Allerhöchdieſelben dem Ver - blichenen ſtets eine ehrende Erinnerung treu be - wahren. Im Allerhöchſten Auftrage: G. d. K. Graf Paar. Beim Leichenbegängnis wird ſich der Kaiſer durch Herrn Erzherzog Friedrich vertreten laſſen.

* Todesfall.

Im Stift Zwettl ſtarb Freitag abends Subprior P. Bernhard Semler. Das Be - gräbnis findet am 6. d. ½10 Uhr ſtatt.

* Die Sterbe-Gedächtnisandachten für Kaiſer Ferdinand

I. Wie die heutige Wiener-Zeitung meldet, werden die Sterbe Gedächtnisandachten für Kaiſer Ferdinand I., und zwar die Vigilien am Diens - tag den 7. Juli um 5 Uhr nachmittags und das Seelen - amt am Mittwoch den 8. Juli um 11 Uhr vormittags in der Hofburg-Pfarrkirche im Stillen abgehalten werden.

* Plötzlicher Tod.

Aus Horn, 3. d., wird uns geſchrieben: Heute fand in der Piariſtenkirche ein feierlicher Trauergottesdienſt für das Thronfolgerpaar ſtatt, zu welchem alle Behörden erſchienen waren. Ein angeſehener Bürger, Kaufmann Auguſt Kirchner, ging nach dem Gottesdienſte in ſeine nahe Wohnung, wo er einem Schlaganfalle erlegen iſt. Die Trauer um den beliebten Mann iſt allgemein.

* Revolverattentat eines früheren Gaſtwirtes.

Im Prater hat geſtern abend die Tat eines früheren wohl - habenden Gaſtwirtes Aufſehen erregt. Sie ſpielte ſich im Gaſthauſe der Frau Marie Holansky im Prater, Obermüllnerſtraße Nr. 1, ab. Frau Holanski hatte vor einiger Zeit zu dem 37jährigen Gaſtwirt Joſef Uhlig, der unverheiratet iſt, Beziehungen unterhalten, die zu einer Ehe führen ſollten. Das Verhältnis hatte aber keine Dauer, da Uhlig nichts weniger als wirtſchaftlich war und ſein Geſchäft immer mehr herabbrachte. Schließlich mußte er das Gaſthaus aufgeben. Die Holansky wollte wohl den Mann auf beſſere Wege bringen, doch ihre Mühe war fruchtlos und Uhlig ſank immer mehr. Schließlich er - kalteten die Beziehungen. Uhlig war ungemein eiferſüchtig. Seine materielle Lage verſchlechterte ſich zuſehends und zu - letzt war Uhlig unterſtandslos. Geſtern abend kam er nun nach ¼11 Uhr in das Gaſthaus der Frau Holansky und traf ſeine frühere Braut an. Er ſchien etwas angeheitert; aber nichts in ſeinem Weſen ließ ſchließen, daß er eine Gewalt - tat plane. Ruhig und ohne Aufregung, aber etwas müh - ſam, ſprach er mit Frau Holansky. Plötzlich zog er einen4Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 309Revolver und legte ihn auf die Frau an. Frau Holansky ſchrie auf und ſuchte zu flüchten; da krachte aber auch ſchon ein Schuß und die Kugel ſauſte hart an der Frau vorbei. Sie ſtreifte Frau Holansky an der Stirne. Uhlig legte dann auch auf den Geſchäftsdiener Johann Ritſchl an. Zweimal ſchoß er auf ſeinen vermeintlichen Rivalen, traf ihn aber nicht. Dann ſtürmte Uhlig aus dem Lokale und wollte auf der Straße ſich ſelbſt erſchießen. Schon hatte er die Waffe an die Bruſt angelegt, als der Sicherheitswachinſpektor Karl Fuchs auf ihn zutrat und ihn verhaftete.

* Silberne Hochzeit.

Am 28. Juni beging Herr Fr. Soukup mit ſeiner Gattin Antonie in der Neulerchenfelder Pfarrkirche Zur ſchmerzhaften Mut - tergottes das[Fe]ſt der ſilbernen Hochzeit. Pfarrer Franz Xaver Lindner, zugleich Präſes der Männer - kongregation, welcher Herr Soukup ſchon durch zehn Jahre als Mitglied angehörte, ſegnete den Bund mit einer tief ergreifenden Anſprache ein. Zu der Feier fan - den ſich viele Freunde und Bekannte, die Männerkon - gregation Mater Doloroſa , welche mit der Fahne aus - rückte, ferner der Katholiſche Volksbund Neulerchenfeld, der Sparverein Maria Zell und die Sektion Neu - lerchenfelder Chriſtkind ein. Nach der kirchlichen Feier ſang der Cäcilienchor Neulerchenfeld, welcher unter der Leitung des Hw. Rektors H. Gotzes von der Hl. Geiſtkirche ſteht, das Weihelied Das iſt der Tag des Herrn .

Der erſte weibliche Gefangenaufſeher in Oeſterreich.

Die Hausbeſitzerstochter Stefanie Naringbauer aus Amſtetten wurde vom Oberlandesgerichte in Wien zur proviſoriſchen Gefangenaufſeherin für das kreisgerichtliche Gefangenhaus in Ried beſtellt und hat ihren Poſten am 1. d. M. angetreten. Fräulein Naringbauer iſt der erſte weibliche Gefangenaufſeher in Oeſterreich.

Aus dem Gerichtsſaale.

Die Komenskyſchule vor dem Verwaltungs - gerichtshofe.

Die in der Oeffentlichkeit viel erörterte Angelegen - heit der vom Komenskyverein auf der Landſtraße, Schützengaſſe Nr. 31 geleiteten tſchechiſchen Volksſchule bildet heute beim Verwaltungsgerichtshofe den Gegen - ſtand einer Beſchwerde, welche die Stadtgemeinde Wien bekanntlich gegen das Miniſterium des Innern eingebracht hat und die noch von dem ſeither verſtorbenen Vizebürgermeiſter Dr. Porzer gefertigt iſt.

Als Vertreter des mitbeteiligten Komenskyvereines nterveniert Dr. Artur Kantor.

Die Diebſtahlsbeſchuldigung gegen den Abg. Waſtian.

Aus Graz wird uns telegraphiert: Geſtern nachmittag fand vor dem hieſigen Bezirksgerichte die Verhandlung gegen den Abg. Franz Waſtian wegen Diebſtahls ſtatt. Am 10. November v. J. war der Vertreter der Buchhand - lung Leuſchner und Lubetzky Krakowitzer bei der Polizei erſchienen und hatte angezeigt, daß der Abgeord - nete Waſtian heimlich Bücher eingeſteckt und mit ſich genommen habe. In der Wohnung des Abgeordneten wurden auch mehrere Bände gefunden, die er dann be - zahlte. Dieſe Beſchuldigung hatte zur Folge, daß Waſtian ſein Reichsratsmandat zurücklegte. Vom Landtag wurde Herr Waſtian ausgeliefert. Der Beſchuldigte gab in der von LGR. Ritter von Fritſch geführten Verhandlung an, daß er jahrelang Kunde in der Buchhandlung ge - weſen ſei. Es ſei unfaßlich, daß man ihm, den das Ver - trauen der Bevölkerung in die Vertretungskörper berief, einen Diebſtahl zumute. Er habe allerdings Bücher zur Einſicht nach Hauſe mitgenommen, aber ſie noch abgeſon - dert auf einew Tiſch gelegt, um ſie dann nach Einſicht in dieſe zu bezahlen oder zurückzuſchicken. Der Richter ſprach Abg. Waſtian frei, da von einem Diebſtahl keine Rede ſein könne.

Wiener Kirchenmuſik

für Sonntag den 5. Juli.

K. k. Hofpfarre St. Auguſtin: In der Zeit vom 5. Juli bis 15. Auguſt findet ſtatt des Hochamtes mit Muſik die Segenmeſſe ſtatt. Pfarrkirche in Hetzendorf (10 Uhr): Tantum ergo von Schubert, Krönungsmeſſe von Mozart, Offertorium von R. Schmetterer.

Theater von heute.

  • Raimundtheater. ½8 Uhr: Jägerblut . (Ende gegen 10 Uhr.)
  • Theater a. d. Wien. 8 Uhr: Müllers . (Ende gegen 10 Uhr.)
  • Carltheater. 8 Uhr: Die Kinokönigin . (Ende ½11 Uhr.)
  • Luſtſpieltheater. 9 Uhr: Die rote Redoute , Die ſpaniſche Fliege . (Ende nach 11 Uhr.)

9. Folge.

Nachdruck verboten.

Stern Nr. 300.

Hempel betrachtete die zwei von Diamanten einge - faßten Katzenaugen.

Ein ſehr ſchön gearbeitetes Stück. Man begreift, daß es den Sohn eines Juweliers reizen mußte ... da es vielleicht kein zweites ſolches Exemplar auf Erden gibt. Um ſo liebenswürdiger von dem jungen Mann, dieſes corpus delicti ſo ſorglos in der Taſche zu be - halten!

Er war eben auf eine Verhaftung durchaus nicht gefaßt.

Ach ſo. Wie erklärt er nun den Beſitz dieſer ſelte - nen Quarzvarietät?

Das werden wir binnen fünf Minuten erfahren. Ich gab eben, als Sie kamen, den Auftrag, Tierſteiner vorzuführen.

Hm das wird ja recht intereſſant werden.

Hempel ſtarrte einen Augenblick in die Luft, dann ſah er den Unterſuchungsrichter lächelnd an.

Wiſſen Sie was? Sie können mir die Gefälligkeit tun, mich dabei das Protokoll führen zu laſſen. Viel - leicht bekehrt mich die Verantwortung des Gefangenen zu Ihrer Anſicht.

Ich habe nicht das Mindeſte dagegen.

6. Kapitel.

Richard Tierſteiner ſtand vor dem Unterſuchungs - richter.

Wenn Wasmut geſagt hätte, der junge Mann biete das Bild eines Schuldigen, ſo hätte er nicht gelogen.

Die urſprünglich edlen Züge des Angeklagten waren verſtört, in den ſonſt ſonnig und heiter drein - blickenden braunen Augen flackerte ein unſtetes Licht, und das lockige Haar klebte wirr an der bleichen Stirne.

Silas Hempel, der an einem kleinen Seitentiſch den Platz des Protokollführers eingenommen, während Brandner ſich ganz in den Hintergrund des Zimmers zurückgezogen hatte, ſah dies alles auf den erſten Blick.

Armer Teufel, dachte er, Du magſt eine ſchöne Nacht hinter Dir haben! Wenn Dich die hübſche Harriet ſo ſähe! Nun nur Geduld!

Aber nichts in Hempels Geſicht verriet dieſe Gedanken. Vielmehr war nur geſpannte Neu - gier darauf zu leſen, als Wasmut nun das Verhör zu eröffnen begann.

Ich habe Sie rufen laſſen, Herr Tierſteiner, um noch einmal auf die Fragen zurückzukommen, die ich Ihnen bereits heute nacht ſtellte. Es handelt ſich umIhr Alibi. Wo befanden ſie ſich am 30. Mai zwiſchen zehn und elf Uhr abends?

Kein Zug in des Angeklagten Geſicht veränderte ſich.

Ich glaube darauf bereits Antwort gegeben zu haben! Ich ging ſpazieren.

Ach Sie beharren immer noch auf dieſer lächerlichen Ausrede? Trotzdem der Gärtnerburſche von Monplaiſir Sie im Park ſah und erkannte?

Der Burſche muß ſich getäuſcht haben.

Nun, dann will ich Ihnen ein anderes Zeugnis vorhalten, das ich bisher nur anzuführen unterließ, weil ich Ihnen Zeit geben wollte, ſelbſt die Wahrheit zu ſagen. Fräulein Henderſon hat eingeſtanden, daß Sie ſich während der fraglichen Zeit in ihrer Geſellſchaft befanden und zwar

Ein Schrei unterbrach den Unterſuchungsrichter. Unter allen Anzeichen waßloſen Schreckens war Richard Tierſteiner bis an den Tiſch des Richters vorge - ſtürzt und rief faſſungslos: Das hat Harriet o Gott haben Sie ſie denn auch verhaftet?

Nein. Dazu lag bisber keine Veranlaſſung vor. Um ſo weniger, als Fräulein Henderſon ja weniger halsſtarnig war als Sie und freiwillig eingeſtand, daß Sie ſich bei ihr in ihrem Zimmer befanden.

Es lag etwas Lauerndes in Ton und Blick des Richters, aber der Angeklagte achtete nicht darauf.

Sichtlich erleichtert aufatmend, trat er zurück.

Ah dies hat ſie Ihnen geſagt? rief er in völ - lig geändertem Tone, weltmänniſch faſt heiter, daß Wasmut und Brandner ihn ſprachlos vor Ueberraſchung anſtarrten. Arme Harriet ſie will ihren Ruf opfern, um mir ein Alibi zu verſchaffen! Aber Sie, Herr Unterſuchungsrichter, ſind ein viel zu erfahrener Menſchenkenner, um dieſe rührende Selbſtverleugnung auch nur einen Moment zu glauben, nicht wahr?

Wasmut war immer noch ſichtlich verblüfft über den jähren Stimmungswechſel ſeines Gefangenen.

In der Tat, ſagte er kopfſchüttelnd, Fräulein Henderſon macht nicht den Eindruck ... ich faßte ihre Worte auch lediglich als einen Beweis dafür auf, daß Sie zur fraglichen Zeit im Park von Monplaiſir waren. Vermutlich wollten Sie den Verſuch machen, Fräulein Henderſon zu ſprechen und der Oberſt vereitelte dieſe Abſicht?

Der Tölpel, dachte Silas Hempel, während ein kaum merkbares Lächeln über ſein Geſicht huſchte. Erſt gibt er ihm ahnungslos durch Wiederholung von Harriets Worten den Weg, den ſie wünſcht, daß Tier - ſteiner einſchlägt und nun legt er ihm die weitere Ver - teidigung noch in den Mund. Und ich wette, er bildet ſich noch ein, ſeinen Inkulpaten in die Enge getrieben zu haben!

In der Tat ging Richard ſofort auf Wasmuts Ge - dankengang ein.

Völlig unbefangen, als hätte er nie zuvor geleug - net, ſagte er: Ich ſehe, daß es keinen Zweck hat, Herr Unterſuchungsrichter, Ihnen die Wahrheit länger zu verſchweigen. Ja ich war vorgeſtern abend im Park von Monplaiſir, aber nicht um Fräulein Henderſon zu ſprechen, ſondern nur, um noch einen Blick auf die Fenſter des geliebten Mädchens zu werfen. Das mag vielleicht töricht ſcheinen, aber wenn Sie ſelbſt jemals geliebt haben, ſo werden Sie dieſe ſentimentale An - wandlung eines Verliebten begreifen.

Ein ſpöttiſches Lächeln kräuſelte des Richters Lippen.

Um wieviel Uhr kam Ihnen dieſe ſentimentale‘ Anwandlung?

Ich glaube, es muß zwiſchen neun und halb zehn geweſen ſein.

Ach wie konnten Sie denn da in den Park hinein, da das Tor um neun bereits verſperrt wurde?

Eine leichte Röte huſchte über des jungen Mannes Geſicht, aber die Antwort klang noch vollkommen ſicher: Dies muß ein Irtum ſein. Das Tor war wohl zu, aber nicht verſperrt.

Und wie lange blieben Sie im Park?

O, ziemlich lange. Vielleicht zwei Stunden ... ge - nau weiß ich es nicht. Die Nacht war ſchön und warm. Ich ſetzte mich auf eine Bank, von der aus ich Harriets erleuchtete Fenſter ſehen konnte und verſank in allerlei ſüße Zukunftsträume ...

Und Fräulein Henderſon wollen Sie weder ge - ſehen, noch geſprochen haben die Zeit über?

Ich ſah ſie nicht. Sie geht zeitig zu Bett, wie ich weiß, und hatte beſtimmt keine Ahnung von meiner Anweſenheit, bis es ihr am andern Morgen vielleicht von dem Gärtnerburſchen erzählt worden ſein mag.

Hempel blickte unruhig auf den Sprecher.

Warum zum Teufel lügt er ſo ungereimtes Zeug zuſammen? Wasmut muß ja rein auf den Gedanken kommen, nun wolle er ſie ſchonen! Und meiner Treu, ſo ſieht es aus!

Er wurde noch ärgerlicher, als er auf des Richters Geſicht nichts als blanken Hohn las.

Nun, das klingt ja rührend à la Toggenburg! Aber wenn Sie ſo lange im Park ſaßen, müſſen Sie doch etwas von des Oberſten Ermordung gemerkt haben?

So lange ich mich dort befand, geſchah nicht das Mindeſte, was meine Aufmerkſamkeit hätte in An - ſpruch nehmen können. Ich glaube den Oberſten längſt ſchlafend.

(Fortſetzung folgt.)

Herausgeber Dr. F. Funder, Wien. Verantwortlicher Redakteur Heinrich Ambros, Wien. Druck von Ambros Opitz Nachfolger, Wien.

About this transcription

TextNr. 309, 04.07.1914. Beilage
Author[unknown]
Extent4 images; 7416 tokens; 3207 types; 57033 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

Benjamin FiechterSusanne HaafNote: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).2018-01-26T13:38:42Z grepect GmbHNote: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.Note: Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.2018-01-26T13:38:42Z Amelie MeisterNote: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.2018-01-26T13:38:42Z CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationNr. 309, 04.07.1914. Beilage . OpitzWien1914. Reichspost

Identification

IDS Mannheim

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationZeitung; ready; mkhz2

Editorial statement

Editorial principles

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T11:23:55Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported (German) License.

Holding LibraryIDS Mannheim
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.