Von Marſeille aus nahm ich Abſchied von Ihnen, weil ich nach Alger abzugehen, das Atlasgebirg zu ſtudiren, und mit der Caravane von Mecha den Landweg nach Cairo ein - zuſchlagen gedachte. Daſſelbe ungünſtige Schikſal, wel - ches meine Reiſe um die Welt mit Cap. Baudin verei - telte, verfolgte mich auch dort. Der zwiſchen Alger und der Republik ausbrechende Krieg machte Africa unzugänglich für mich, und meinem Plane, eine groſſe naturhiſtoriſche Reiſe zu unternehmen, getreu, lief ich bis an's Ende von Europa. Ich rechnete damals, als ich nach Spanien kam, nur auf eine ſichere Ueberkunft nach Marocco. Aber die liberale Art, mit der mich der neue, und junge Staatsminiſter D. Mariano de Urquijo aufnahm, die ausgezeichnete Gnade, mit der mir der König und die Königin perſönlich begegneten, ließ mich bald mehr hoffen. Der Sächſiſche Geſandte, Baron v. Forell, ein vortreflicher Mineraloge, und Beſizer ei - nes ſehr intereſſanten geognoſtiſchen Cabinets, ver - ſchaffte mir die Erlaubniß, mit allen meinen Inſtrumen - ten die ſpaniſchen Colonien zu beſuchen. Der König äuſ - ſerte mir noch, als ich mich ihm zum Abſchiede am Hofe zu Aranjuez zeigte, wie gern er zu nüzlichen wiſſenſchaftlichen Zweken behilflich ſey. Ich trete dem -nach400nach mit den herrlichſten Empfehlungen, und unter tauſend günſtigen Vorbedeutungen meine groſſe Reiſe an. In wenigen Stunden (das iſt pünctlichſt wahr — ich wollte Ihnen noch einen recht langen Brief ſchrei - ben; aber der Wind hat ſich plözlich günſtig geändert) ſegeln wir um das Cap Finisterre. Wir landen in Lan - celotte, Teneriffa, an der Küſte Carraccas, und zulezt in Trincolad, einem ſüdlichen Hafen von Cuba, von wo wir (der franzöſiſche Botaniſt Bonpland, vom Muſée ebenfalls zu Baudin's Reiſe um die Welt beſtimmt, be - gleitet mich) zu Lande nach der Havana reiſen. Wie, in welcher Folge ich meine Plane ausführe, iſt von hier aus ſchwer zu beſtimmen; wahrſcheinlich Vera Cruz, das Gebirge von Tlascala, dann Mexico, Califor - nien, Guatimala, den für die Geognoſie ſo wichtigen[Iſthmus] von Panama, Neugranada ſamt dem Vulcan von Tonguragua (der 1797 an 16000 Menſchen das Leben koſtete, mehr durch heiſſes Waſſer, als durch Laven) dann Peru… Ich werde Pflanzen und Foſsilien ſam - meln, mit einem vortreflichen Sextanten von Ramsden, einem Quadrant von Bird, und einem Chronometer von Louis Berthoud werde ich nüzliche aſtronomiſche Beob - achtungen machen können; ich werde die Luft che - miſch zerlegen. — dieß alles iſt aber nicht Hauptzwek meiner Reiſe. Auf das Zuſammenwirken der Kräfte, den Einfluß der unbelebten Schöpfung auf die belebte[Thier -] und Pflanzenwelt; auf dieſe Harmonie ſollen ſtäts meine Augen gerichtet ſeyn. Der arbeitſame Menſch muß das Gute und Groſſe wollen. Ob er es erreiche, hängt von dem unbezwungenen Schikſale ab.
Ich401Ich arbeite noch immer unausgeſezt an meinem Werke über die Conſtruction des Erdkörpers, das aber ſchlechterdings erſt nach meiner Rükkunft erſcheinen ſoll. Ich habe nun den gröſſern Theil von Europa geſehen, und er - ſtaune immer mehrüber die bewundernswürdige Ein - fachheit der Conſtruction. Drey bis vier Schichten kann man von Moscau bis Cadiz, von Schweden bis Akruim im Mittelägypten verfolgen. Im Königreich Leon habe ich ſogar, ganz wie am Harz, und bey Servoz in Savoyen unſere Grauwake unter dem alten Flözkalkſtein (Zech - ſtein-Alpenkalkſtein) hervorkommen ſehen. In Madrid geſchieht izt viel für die Mineralogie. Prof. Herrgen, der den Wiedemann überſezt hat, legt neben dem groſ - ſen königl. Cabinete eine kleine oryctognoſtiſche Samm - lung zum Unterricht an. Er wird Ihnen nächſtens ſchreiben, und wünſcht ſehr in Verkehr mit Ihnen zu treten. Prouſt kömmt von Segovia nach Madrid in eine thätige Lage. Wenige Chemiſten haben ſo viel zerlegt, und gearbeitet, als er. Leider! macht er wenig bekannt — aus Beſcheidenheit, nicht um es zu verheimlichen. Der König läßt izt ein prächtiges Laboratorium für ihn bauen.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Alexander von Humboldt an den Herausgeber aus Corunna am 5. Jun[i] 1799. Alexander von Humboldt. . I+3 S. 1799. Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde (4) pp. 399-401.
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