PRIMS Full-text transcription (HTML)
ARCHIV für die gesammte Naturlehre,
in Verbindung mit Bischof, Förstemann, C. G. Gmelin, Grischow, F. v. Paula Gruithuisen, Hallaschka, Pl. Heinrich, A. v. Humboldt, John, Kleefeldt, Lichtenberg, Marx, Olbers, Pleischl, Prechtl, Schmidt, Schön, Späth, Wöllner und Zimmermann,
I. Band.
Mit 2 Steindrucktafeln.
NÜRNBERG1824,bei Johann Leonhard Schrag.
329zur Meteorologie.
〈…〉〈…〉

11. A. v. Humboldt*)Hr. v. Humboldt bezieht sich in dem Nachstehenden auf den Inhalt meines Hds. der Meteorologie (Erlan - gen 1823. 8. ); da einige meiner Freunde mir den Vor - wurf gemacht haben, als hätte ich im bemerkten für Freunde der Naturwissenschaft bestimmten Hdb. den Be - griff der Meteorologie zu weit ausgedehnt, so sey es mir erlanbt, folgende Stellen des oben gedachten Briefes hier mitzutheilen; daß darin v. H. (so wie auch Oken; in der Isis 1823. 10tes H) meine auf die Bearb. des Hdbs verwandte Mühe und dazu benutzten (wie ich gern und aufrichtig gestehe, gar sehr der Vervollständigung be - dürftigen) Kenntnisse, weit überschätzt und überhaupt den nachsichtsvollen Gönner und nicht den Recensenten spre - chen läßt, bedarf wohl kaum dieser Vorausbemerkung. Sie haben den Meteorismus in solcher Größe und All - gemeinheit aufgefaßt, zu der Ausführung eine so unge - heure Fülle von Materialien angewandt, daß das Studium dieser Schrift, bei meinem eigenen, dem Ihrigen so ver - wandten Treiben mir den größten Nutzen gewährt hat. Ihre Meteorologie enthält den ganzen physikalischen Tbeil der Geognosie, und bei dem ewigen Wechselwirken des Luftkreises mit der festen und flüssigen Erdrinde ist eine solche Ausdehnung des Gebiets Ihrer Wissenschaft gewiß nicht zu tadeln; etc.: Ueber vormalige Tropenwärme in nördlichen Breiten, isothermische Li - nien etc.; aus einem Briefe an den Herausgeber.

Was Sie an mehreren Stellen Ihrer Me - teorologie (S. 25, 47. 145. ) über die Ursachen der vormaligen Tropenwärme in nördlichenK.330KastnerBreiten (Farnkräuter und Rhinoceros in Sibi - rien etc.) sagen, hat meinen Freund Gay - Lussac und mich besonders interessirt, indem Ihre Erklä - rung unabhängig von der häufig beliebten Annahme einer gewaltsamen Veränderung der Neigung der Erdaxe zu seyn scheint. Sie schreiben die hohe Temperatur z. B. des alten Meeres, dem großen Luftdrucke, der Dichtigkeit des vormaligen Luft - kreises und der großen Stralenbrechung zu. Da aber die Verdichtung und Verdünnung der Luft, während des Acts der Druckveränderung nur eine vorübergehende Temperaturveränderung hervor - bringt, und da in der verdichteten Luft auch die In - tensität jenes Lichts, welches die Wärme der alten Erde hervorbringen soll, abnimmt, so ist uns die eigentliche Ursache der alten nordischen Tropen - wärme (an der ich sonst keinesweges zweifle) nicht ganz klar geworden. Es würde uns freuen, wenn Sie einige Augenblicke der Muße, einer ausführli - cheren Erläuterung Ihrer Ansicht widmen wollten; der Gegenstand ist in der That von unendlicher Wichtigkeit etc.

Indem ich an einer neuen Ausgabe der iso - thermischen Linien arbeite, wünsche ich zur Tabelle der mittleren Wärme recht sehr für Deutsch - land, Pohlen etc. einige Correctionen und neue Bei - träge, blos numerisch (blos die 5 Resultate: mitt - lere Wärme des ganzen Jahres, des Winters, Früh - lings, Sommers und Herbstes betreffend) zu er - halten.

331zur Meteorologie.

Nachschrift vom Herausgeber.

Es handelt sich (aus denen S. 197 ff. m. Me - teorologie angeführten Gründen) bei Erklärung der alten nordischen Tropenwärme nicht sowohl von allgemeinen und allmählig, sondern von plötzlich wirkenden Ursachen der klimatischen Aenderung der älteren Erdoberfläche. Als allmählig wirkende Ursachen führe ich a. a. O. unter andern min - der bedeutenden auf:

  • 1) eine periodische Wärmedehnung des Erd - kerns (vergl. a. a. O. S. 137. §. 46 u. S. 194. §. 52.) muthmaaßlich entsprechend der großen Periode des Erdmagnetismus (a. a. O. S. 261. Bemerk. d);
  • 2) eine periodisch-veränderte Wärmever - breitung innerhalb der Erdrinde, mittelst des mit dem Erdmagnetismus wechselnden Elektricismus der Erde (a. a. O. S. 259.) und des Erdgalvanismus (a. a. O. S. 262. Bem. e.; 262. Bem. f.; S. 82. Bem. 11.);
  • 3) das allmählige Erkalten vulkanisch geschmol - zener Massen, des durch Dämpfe emporgetriebe - nen (basaltbildenden) Schlammes der vor - zeitigen Vulkane, und überhaupt der zahl - reichen erloschenen Vulkane der Vorzeit (S. 204 205 ff. );
  • 4) die auf nassem Wege zu Stande gekommene Krystallisation vieler Felsmassen. Während in der Richtung des einen Krystallstammes oder einiger Gebirgskerne die Krystallisation sich fortsetzte, wurde an andern Orten schon Kry - stallisirtes wieder aufgelöst; an ersterem Orte

332Kastner

  • wurde Wärme frei, am letzteren Wärme ge - bunden. Erfolgte die Krystallisation innerhalb des Innenwassers (d. i. in Erdhölen einge - schlossenen Wassers) zu einer Zeit, während welcher an der Aussenseite desselben Erdrin - dentheils Schon - Krystallisirtes wieder aufgelöst wurde, oder umgekehrt, so gab dieses zu all - mähligen Veränderungen des Innern der Erde, und damit auch der Wärmeleitung der Erd - rinde Veranlassung; a. a. O. S. 70 74; 45. Bem. 5.
  • 5) die auf gleichem Wege annoch fortdauernden Süß - und Seewasserbildungen (Landansatz, Korallenriffe etc. ; S. 91 92; 109 119.) Jedes werdende Korallenriff muß für diese Orte Wärme - spendend wirken;
  • 6) die in Folge der vulkanischen Erhebungen und Senkungen, Felskrystallisationen und Felsver - witterungen, Landabsetzungen und Landzer - spühlungen etc. eintretenden Aenderungen der Richtung der Meeresströme, Winde etc.;
  • 7) die aus der Kultur des Bodens erwachsenen Temperatur - Veränderungen der obersten Erd - rinde und
  • 8) die Wirkungen der Ebbe und Fluth, zumal der des frei beweglichen Innenwassers der Erde; a a. O. S. 73. Bem. 9.

Zu den plötzlich wirkenden Ursachen zähle ich hauptsächlich:

  • 1) das Versinken des größeren Theil des ehe - maligen Oceans in vulkanisch geöffnete (zuvor entweder durch die bei ihrer Erzeugung vor -

333zur Meteorologie.

  • handene Hitze sehr ausgedehnte und mithin sehr verdünnte Gase erfüllte, oder fast leere) viele Cubikmeilen betragende Erdhöhlungen. Dadurch, das das Wasser den größeren Theil der mehr oder weniger krystallinischen Aus - senrinde der Erde, d. i. den gebirgigen (ehe - mals allein bewohnten) Theil derselben verließ um in zuvor fast leere Räume zu dringen, ward mehr Raum für die das Wasser sonst bedeckende Luft, und diese nun im gleichem Verhältniß beträchtlich verdünnt. Mit der Verdünnung der Luft minderte sich die Brech - barkeit des Lichtes durch dieselbe, und Ge - genden die das schief einfallende Sonnenlicht sonst noch gemäß der starken Lichtbrechung zum größeren Theil bekommen hatten, erhiel - ten nun beträchtlich geringere Lichtantheile. Als späterhin mittelst der durch die Luftver - dünnung entstandenen Verdunstung hervorge - gangenen heftigen Kälte die Luft dieser (Po - lar -) Gegenden wieder mehr zusammengezo - gen (verdichtet) wurde, nahm die Lichtbre - chung derselben wieder zu, und dem plötzli - lichen Ertödten einer früheren Tropenvegeta - tion etc. folgte nun wieder das Erwachen einer neuen, geringe Wärme bedürfenden und damit der langsameren und sparsameren Entwicklung unterworfenen Pflanzen - und Thierwelt. Der theilweise Einsturz des Uroceans in die Erd - höhlen der Urzeit gab der Innenerde jenes Wasser, welches zunächst die Erhebung des Basaltschlamms bewirkte, dann aber auch das

334Kastner

  • Entstehen der jetzigen Vulkane, der heißen Quellen, der Erdbeben etc. veranlaßte und noch jetzt bedingt. Das durch jene Luftver - dünnung in Gas (Dampf) verwandelte Wasser ließ hervorgehen die Hauptbedingung zur Erzeu - gung der Gewitter. Vergl. a. a. O. S. 138. 145. Bem. 8; 182 (vergl. mit S. 45. Bem. 6.) 185, 194 §. 52, 196 ff., 206 ff., 217. Bemerk. 16;
  • 2) sich sehr weit erstreckende vulkanische Erhe - bungen z. B. der Azoren, kleinen Antillen etc. (a. a. O. S. 79. Bem. 9.); und
  • 3) Knallgas - Verbrennungen im Innern der Erde a. a. O. S. 68. §. 38 ff. Wahrscheinlich wird dieses Gas nicht lediglich durch Compression (a. a. O. S. 68 69.) Verbrennung leichter Metalle (ebendas. ) und elektrische Funken (a. a. O. S. 69 70.), sondern auch durch Gasverschluckung solcher Materien zu Wege gebracht, die hier wirken wie Platin (Kohle etc.) in Döberei - ner's Versuch; vgl. dies. Arch. H. 1. S. 68 u. ff.
〈…〉〈…〉

About this transcription

TextUeber vormalige Tropenwärme in nördlichen Breiten, isothermische Linien etc.; aus einem Briefe an den Herausgeber
Author Alexander von Humboldt
Extent7 images; 1167 tokens; 653 types; 8445 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic information Ueber vormalige Tropenwärme in nördlichen Breiten, isothermische Linien etc.; aus einem Briefe an den Herausgeber. Alexander von Humboldt. . I+6 S. 1824. Archiv für die gesammte Naturlehre (1) pp. 329-334.

Identification

Physical description

Antiqua

LanguageGerman
ClassificationWissenschaftliche Abhandlungen in Form gedruckter Briefe; ready; avh

Editorial statement

Editorial principles

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:48:42Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding Library
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.