PRIMS Full-text transcription (HTML)
Abriſs des Systems der Biologie
Zum Behufe seiner Vorlesungen.
Göttingen,beiVandenhoek und Ruprecht1805[. ]
Sed cum sit Ternarius communis rebus divinis et mundanis, ubicunque is occurrit; ſuperveniens mens humana, causarum ignara, conspirationem hanc miratur.
Der Astronom von Leonsberg.
Dreifach also, o Freunde! ist der Wesen Stufe Die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur sein.
Der Philosoph von Leonsberg.
[I]

Meinem Freund und ersten Lehrer Joseph Anton Maier, Professor der Physik und Naturgeschichte in Baden-Baden.

[II][III]

Vorrede.

Was ist das Thierreich anders als der anatomirte Mensch, das Makrozoon des Mikrozoon? In jenem liegt offen und in der schönsten Ordnung aus - einander gewikelt, was in diesem, zwar nach derselben schönen Ord - nung, in kleine Organe sich gesam - melt hat.

Wie die Blume alle Gliedmaſsen der Pflanze in sich liebend und innig aufnimmt, und sie, mit dem schim - merndsten Gewande angethan, dem Phöbos und der ewig fortschreiten - den Göttinn des Lebens zum Opfer* 2bringt,IVbringt, so erhöht, vergeiſtigt der Mensch alle Naturen, die, in nie - drere fleischliche Hüllen eingeschlos - sen, sich kärglich regen, und lehrt sie in ihm ihre verklärte Auferste - hung erkennen.

Nur der, dem die Hülle des einzelnen Fleisches in Lichtgestalt sich verwandelt, hat auch die Ge - heimnisse des menschlichen Tem - pels erblikt, er steht mitten in ihm, dem Sichtbargewordenen in der Durchsichtigkeit, hell und freund - lich erscheint er dem Heiligen, der in den Vorhöfen, in der Welt der realen Gestalten, weilend nun erst den kühnen Fuſs in das Innerste sezt; jeder Wiederhall seiner eig - nen ihm selbst noch nicht begrif - fenen Tritte ist ihm eine himmli - sche Entwirrung der unendlichen Töne seines Wesens, das er zuvor,sichVsich unbewuſst, nur in den Gestal - ten der Natur zerlegt kannte. Eine fremde Furcht ergreift ihn beim ersten Anstaunen der groſsen Har - monie zwischen ihm und den Glie - dern der Welt, kaum wagt er die Augen aufzuheben zu dem All, dem er gleich sein soll nach dem Aus - spruche seiner Selbsterscheinung, und doch mag er beschauen, was er will, so stralt ihm überall sein Antliz entgegen; endlich hat er alle Stimmen der Welt als die seinigen vernommen, er kann nichts Frem - des mehr erforschen, und ruft nun in freudigem Hochgefühle auf: du hast die Organe des Alls in dir, und dich in dem All gefunden!

Nur dem muſs die Naturphilo - sophie, das innerste Wesen aller Wesen, ein ewig dunkles Chaos scheinen, und ihn vor jeder An -* 3 -VInäherung zurükschröken, der tha - tenlos und müſsig das äussere Le - ben der Natur nicht erforschend, sich zu ihrem Innern herandrängt, um das, was sie in den kleinsten Formen jungfräulich aufbewahrt, mit einem an kolossalische Unformen gewöhnten Auge zu betrachten; nothwendig sieht er nur ein Chaos, denn zu Bergen und Pallästen, zu Inseln und Meeren sind hier die Or - gane nicht angewachsen; Ebbe und Flut, Stürme und Erdbeben sind hier ein sanftes Wogen, ein feind - liches Entzweien und Vereinen der freundlichen Gegner. Erden und Metalle, Luft und Schwefel, Was - ser und Salz sind auch ruhende Punkte, aber schon tragen sie den Stempel des Lebens an sich, das stätig beginnt, hier zum Korall, dort zur Pflanze und in ihrer Mitte zumThierVIIThier beseelt zu werden; so das Todte in der Seele, und die Seele im Todten zu sehen, ist die philo - sophische Kunst.

Die Naturbeobachtung ist die Mutter der Naturphilosophie, nicht so der Vater. Wie der Mann im Weibe immer nur sich selbſt erzeugt, so ist die Naturphilosophie ewig ihr eigner Schöpfer im Weibe. Dieses bringt nichts zur künftigen Frucht herbei als den bloſsen Anstoſs, der nach dem Grade seiner Beschränkt - heit dem Manne erlaubt, sich nun selbst zu produciren, und in allen Geburten immer nur seine Aufer - stehung zu feyern. Wie der Zirkel, den du mit dem Griffel auf die Ta - fel zeichnest, nicht der Kreis ist, sondern nur der Anstoſs, an dem du die Idee des Kreises, die sich nie mit dem Zirkel verunreinigt,mitVIIImit allen ihren Ausdrüken demon - strirst, so demonstrirst du die Na - turphilosophie an den empirisch ge - fundenen Stoffen der Erde und des Himmels. Die Einsicht in das noth - wendige Dasein und Sosein die - ser Stoffe ist die philosophische Ein - sicht, welche ohne die empirische Kenntniſs derselben schlechthin un - möglich ist; nicht als wenn diese Einsicht entstände aus der empiri - schen Kenntniſs, sondern weil das philosophische Wissen an den em - pirischen Formen allein construirt werden kann, so wie der Kreis am Zirkel. Diesen erblikst du mit ma - terialem Auge, aber nicht durch ihn, sondern vielmehr durch ihn verges - sen, nur an ihm gelangſt du zum An - schauen des philosophischen Kreises.

Ich habe es deswegen versucht, die Erfahrung mit der WissenschaftsoIXso innig zu vermischen, daſs man nicht wissen möge, ist das Ganze aus empirischen Quellen geflossen, oder sind diese erst gegraben wor - den, nachdem ihre Lagen durch Mes - sungen gefunden waren. Ich weiſs, daſs es mir nicht immer gelungen iſt, ich weiſs aber auch, daſs es als der erste Versuch nicht ganz gelingen kann; wenn nur die Idee, nach der ich die Natur ansehe, klar herausge - hoben ist, so ist meine Absicht er - reicht; die Zukunft wird für das Ue - brige nicht müſsig bleiben.

Die Biologie ist eigentlich nur die Naturphilosophie der organisirten Leiber, da aber die organische Welt durchaus das Abbild der unorgani - schen ist[,]so müssen die Hauptfunc - tionen und Hauptmaterien dieser auf - gezählt und geordnet werden, um die Eingeweide des Organischen schon in dieser Welt zu erkennen, und sieda -Xdaher mit Beſtimmtheit aufzufinden zu wissen. Dieses zwang mich, nicht geradezu bei dem Ursprunge der or - ganischen Welt zu beginnen, sondern bis auf die erste Regung des Alls zu - rükzugehen, und von dieser aus stuf - fenweise die ganze Natur entstehen zu lassen; aber doch habe ich das, was eigentlich bloſs Naturphilosophie des Unorganischen ist, nur kurz be - rührt, ihre Theile nur an ihre Stel - len gesezt, um das ganze Skelet des Universums vor Augen zu haben, da - gegen das, was der Naturphilosophie des Organischen eigen ist, was Bio - logie ist, total[herausgehoben].

Inertia mors est Philosophiae: Vivamus nos et exerceamur[]!

Göttingen 1805.

Geo -
[1]
Geometria est Hiſtoria. (Pythagoras. )

Es giebt nur Eine Gewiſsheit, und diese iſt die Mathematische. Die Mathesis selbſt aber iſt nur der geiſtige Ausdruk deſſen, was ſich in der Natur material darbietet. Wüſsten wir daher alle Modificationen der Matheſis, so wüſsten wir alle Sym - bole der Natur und mit ihnen die Modi - ficationen dieser selbſt. Die Modificatio - nen beider sind endlos, aber in diesem Wechsel der mathematischen Formen grün. den ſich doch gewiſſe Hauptfiguren, die unbeweglich ſtehen bleiben, und um die ſich alle andern Formen, nur als Abkömm - linge von ihnen, sammeln.

AWenn2

Wenn nun die Matheſis und die Natur Gleichbilder ſind, ſo müſſen auch in die - ser dieselben Grundfunctionen herrschen, welche in jener das centrale Ordnungs - princip aller Nebenfiguren ausmachen. Kennen wir daher die Hauptabschnitte, die Grundactionen, die Centralpfeiler der Matheſis in Zahl und Qualität, so wiſſen wir beſtimmt, daſs dieselbe Zahl und Qua - lität von Grundactionen, Hauptabschnitten, in der Natur ſich wiederfinden müſſe.

Pythagoras hat zuerſt die Gleichheit der Matheſis mit der Natur angeschaut, er hat zuerſt zu den Grundfiguren jener die Grundelemente dieser aufgesucht, und die Pyramide als den geiſtigen Ausdruck des Feuers, das Oktaeder der Luft, das Ikosaeder des Waſſers, und den Kubus als den der Erde beſtimmt.

Wer zu Pythagoras Zeiten eine ge - troffene und vollſtändige Aufzeigung der Gleichheiten der Natur und der Matheſis verlangte, zu einer Zeit wo er selbſt sei - nen Lehrsaz entdeken muſste, würde ſich selbſt nicht verſtehen.

Es3

Es iſt das Höchſte was in einem Men - schen der Gedanken erringen kann, daſs Er die Gleichheit ahnte, reiſst aber zur wahrhaft göttlichen Verehrung hin, wenn man Ihn betrachtet, wie Er diese Gleich - heit selbſt nachzuweisen unternommen. Wer mag noch grübeln, woher es gekom - men sein möge, daſs Ihn seine Schüler als eine göttliche Person verehrten, daſs ſie in heiligem Glauben der Welt zurie - fen Er hats gesagt!

Wer aber endlich gar meinte, Pytha - goras habe die mathematischen Figuren darum mit den Materien verglichen, weil diese in ihrer äuſsern Form mit jenen ei - nigermaſsen übereinkommen, weil das Feuer ſich wie eine einfache Pyramide, die Luft wie eine doppelte (?), das Waſſer wie ein Ikosaeder (?) etc. zeige, dem wäre al - les zu verzeihen, was er dem Pythagoras Unſinniges und Gespieltes vorwerfen möch - te. Es iſt gar kein Zweifel, daſs nicht auch die Materien der Form nach den ma - thematischen Figuren nachgebildet ſind, aber deswegen das Feuer Pyramide nen - nen, hieſse so viel als den Kreis darumA 2Kreis4Kreis nennen, weil dieses Wort eine ähn - liche Geſtalt mit dieser Figur habe.

Der Keim der Matheſis, den Pytha - goras gepflanzt, iſt mächtig emporgewach - sen, der geometrische Stamm hat seine Hauptzweige herausgetrieben, wir ſind im Beſize der Algebra, der Kegelschnitte, der Analyſis des Unendlichen.

Mit dieser Vollkommenheit der Ma - theſis glaube ich, iſt die von Eschenmayer aus tiefen Gründen so sehnlichſt gewünschte Zeit gekommen, wo man das pythagoräi - sche Orakel aus dem Traume weken kann; Er hat seine Metempsychose er - kannt, und ſicher wird Er ihr treu bleiben!

Bald ſind es vier Jahre, seit ich die Grundfiguren der Matheſis zu ordnen, und ihre Nachbilder in der Natur aufzuzei - gen gesucht habe. Ungeachtet dieser nicht müſsigen Zeit, kann ich doch nicht an - ders als dieselbe Ordnung noch anzuerken - nen, und die Naturfunctionen, obgleich jezt vollſtändiger dieser Ordnung anzurei - hen. Weder nach den Dimenſionen derZeit5Zeit noch des Raums können diese Figuren allein geordnet werden, da dieses nur eine einzelne Eigenschaft von ihnen iſt; das Princip liegt im ganzen Wesen der Figur selbſt, in ihrem innern Charakter, in ih - rer Einfachheit, in ihrer algebraischen For - mel und in der Summe aller Lehrsäze, die von jeder einzelnen möglich ſind.

Was mich leitete bei Aufzählung und Anordnung der mathematischen Grundpfei - ler, kann in dieser Schrift, wie Jedermann einſieht, unmöglich ausführlich angegeben werden. Sie kann keinen andern Zwek haben, als darzulegen die Resultate des Versuchs, die Gleichheit der Natur mit der Matheſis aufzudeken.

Die[6]

Die Linie, der Kreis und die Ellipse ſind die erſten Elemente der Matheſis, oder der idealen Natur.

Die Linie iſt das Ideal der Zeit, der Bewegung, der Staarheit, oder des Wider - ſtandes ſich räumlich auszudehnen; der Kreis aber das Ideal des Raums, des Be - ſtehens, des Gegentheils der[Starrheit]; er iſt der Linie direct entgegengesezt, da er ein Punkt iſt, der in Einer Ebene nach allen Richtungen ſich ausdehnt, hingegen die Linie nur einer einzigen folgt.

Die Ellipse iſt die Verbindung der Li - nie mit dem Kreise, daher die Mitte zwi - schen Bewegung und Beſtehen, zwischen Starrheit und Cohärenzloſigkeit. Dieses läſst ſich sowohl durch algebraische For - meln als durch geometrische Verzeichnung ſtreng demonſtriren, kann aber hier nicht gethan werden.

Diese drei Elementarfiguren ſtehen auf der ersten Stuffe der Mathesis, undwei -7weiter keine andern, denn das Dreiek iſt keine einfache Figur, sondern nur eine anschauliche, aber unvollkommene Dar - ſtellung des Kreises mit Linien, was von allen Polygonen gilt.

Figuren, welche um eine Stuffe höher ſtehen, als Linie, Kreis und Ellipse ſind Parabel, Hyperbel und Eiform. Die Para - bel hat im Ganzen wieder die Eigenschaf - ten der Linie, aber nicht mehr in dersel - ben Reinheit; ihre Starrheit läſst ſich schon in einen Baum ausdehnen; eben ſo die Hyperbel, als die zweite Stuffe des Krei - ses, welche ſich nicht mehr ſo rein der Starrheit entgegensezt; dasſelbe iſt von der Eiform wahr, die das, was die Ellipse im vollkommenſten Gleichgewicht hält, schon mehr zerfallen läſst.

Die dritte Stuffe endlich, auf die die Matheſis ſteigt, iſt die Synthese der beiden vorigen, und so werden Linie und Parabel zum Konus, Kreis und Hyperbel zur Sphä - re, und in die Mitte dieser kömmt die Synthese der Ellipse und Eiform. Mit die - sen Figuren iſt die Matheſis geschloſſen, ſie kann nicht mehr höher ſteigen: Esgibt8giebt keine Grundfigur mehr als diese neun, alle andern ordnen ſich um diese herum, und daher gehe ich nun sogleich zur Auf - suchung der gleichen Elementarfunctionen der Natur.

Wir haben sechs Figuren auf den zwei erſten Stuffen, und drei auf der drit - ten, der Synthese der beiden erſten. Die sechs erſten Figuren sind in Bezug auf die drei lezten einfache Formen, und die drei lezten enthalten alles vereinigt in ſich, was die erſten einzeln beſizen. So iſt der Konus nicht nur die Vermählung der Linie und des Kreises, sondern aller Figuren, aber mit dem Uebergewichte des Linigen; Eben so ſind alle Figuren in der Sphäre, aber nur mit dem Uebergewichte des Krei - ſigen, und so ſind alle in der neunten Fi - gur mit dem Uebergewichte des Ellipti - schen.

Ganz gleich iſt die[Natur]: ſie beſteht aus sechs einfachen (in unserm Sinne, wie es die Figuren ſind) Materien, und aus drei zusammengesezten. Jene ſind unor - ganische, diese die organischen. Ich ha - be ſie so geordnet:

1.9
1.3.2.
Linie.Ellipſe.Kreis.
Zeit........Raum.
Cohäſion.Schwere.Feuer.
Erde.Waſſer.Luft.
4.6.5.
Parabel.Eiform.Hyperbel.
Magnetismus.Chymismus.Electrismus.
Metall.Salz.Schwefel.
(Inflammabilien).
7.9.8.
Konus.Syntheſe beider.Sphäre.
Galvanismus.Animalism.Vegetatismus.
Korall.Thier.Pflanze.

Beim[erſten] Blicke zeigt es ſich, daſs Erde und Luft ſich entgegengesezt ſind, und das Waſſer ihre Indifferenz bildet, eben so Metall und Schwefel, deren In - differenz das Salz iſt, und endlich so Ko - rallen und Pflanzen, deren höchſte Blüte das Thier bildet.

Erde aber und Metall ſind homolog, eben so Luft und Schwefel, Waſſer und Salz, daher schlieſsen ſich diese Materien auch so räthselhaft an einander, und schei -nen10nen ganz zu Einer Reihe zu gehören; was wohl richtig iſt, aber nur zu einer Reihe, die über mehre Stuffen läuft; so ſind die Erden nur herabgezogene Metalle, und diese hinaufgeschobene Erden, so die Luft ein erniedrigter Schwefel, und dieser erhöhte Luft, auch das Waſſer iſt Salz auf einer niedrern Stuffe, und das Salz iſt Waſſer auf der höhern.

Ich nenne die Entgegensezungen der Elemente auf einer Stuffe direct oder ho - mogen, wie Erde und Luft, Metall und Schwefel, hingegen zwischen zwei Stuffen, schief oder heterogen, als Erde und Schwefel. Metall und Luft, die Glieder einer Reihe aber, welcher zu einer Grund - figur gehört, nenne ich homolog, wie Erde, Metall, Korall, oder Luft, Schwefel, Pflanze; und nun gehe ich zur Ausführung dieses Schemas, wobei man aber nicht aus dem Auge verlieren muſs, daſs ich von dem Unorganischen nur so viel be - rühre, als zur Totalität des Ganzen, und[vorzüglich] zur Gründung des Organischen unumgänglich nöthig iſt.

I.11

I. Stuffe.

1. Grundfigur. Linie. Cohæsion Erde.

Wie die Linie dem ganzen Syſtem der Matheſis zu Grunde liegt, und daher das Primare, Poſitive iſt, so ſind die Erden die Träger aller Materien. Sie ſind das Erſte, aus ihnen hat ſich alles metamor - phoſirt, ſie bilden den Kern, die Haupt - maſſe unsers Planeten, zwischen der die andern Materien, als Metalle, Schwefle, Salze nur eingegoſſen, oder, wie die Luft und das Waſſer, auf ſie aufgetragen ſind.

Sie ſind ferner die ſtarrſten Körper, und suchen in ihrem lebendigen Zuſtande immer die Form der Linie als Kryſtalle zu behaupten. Es giebt keine kuglicht kryſtalliſirte Erde, meiſtens ſind es Pyra - miden und Säulen, die ſich auch in Kuben abſtumpfen, oder in Tafeln spalten. Da - her iſt die Kryſtallform das Wesentlich - ſte für die Erden, und muſs bei ihrer sy -ſte -12ſtematischen Anordnung vorzüglich zu Grunde gelegt werden.

Sie widerſtehen unter allen Materien dem heftigſten Grade des Feuers, so sehr ſind ſie der Ausdehnung entgegengesezt. Sie haben die geringſte Compreſſibilität, keine Dehnbarkeit, Ziehbarkeit, Verbrenn - lichkeit, kurz ſie ſind als die Urmaterien, als der[einfachſte] und erſte Repräsentant der Starrheit die unbändigſten Körper der Natur. Auf ſie gründet ſich die Theorie des Stoſses, der Bewegung, also der leben - digen Darſtellung der Linie, und genau iſt das bekannte Grundgesez der Mecha - nik: wenn einmal ein Körper in Bewegung gebracht iſt, so behält er ins unendliche dieselbe Richtung (nach der geraden Linie) wenn er nicht durch eine andere Kraft abgelenkt wird, Gesez dieser Grundfi - gur, Gesez der Linie, der Cohäſion, der Erden.

Die Erden müſſen ihrer äuſſern Natur nach nach den Formen der Kryſtallisation eingetheilt werden; diejenigen Erden, die nicht kryſtalliſirt ſind, ſind als todte me -cha -13chanisch gehäufte Maſſen zu betrachten, und daher tritt hier die Charakteriſtik mit - tels phyſischer und chymischer Eigenschaf - ten ein.

Die innere Natur der Erden aber muſs nach der Natur der Linie eingetheilt werden, und so mag ſich wohl ein Pol der Erden finden, der als reiner Kohlen - ſtoff, im Diamant auftritt, durch Kiesel - erde, Zirkon, Thon, Glykin, Yttererde, zu Talk, und von da durch Strontian, Baryt zu Kalcherde als dem expandirteſten Pol dieses Momentes heraufſteiget, wie es Steffens so schön durchgeführt hat. Da - her verhält ſich die Alkalescenz gegen die Kieselerde schon einigermaſsen negativ, da beide ſich zu Glas neutralisiren. Die Kalcherde iſt schon völlig in den Kreis der thätigen Natur gezogen, ſie läſst ſich bändigen; während die Kieselerde, als das ewige Geripp des Planeten da ſteht, bildet ſie das Geripp der organischen Welt, und beweist auch für diese die Erſtheit derjenigen Materie, die das Nachbild der Linie iſt. Wie überall in der Starrheit die Möglichkeit der Bewegung, die Zeitliegt,14liegt, so auch in den Knochen; ſie ſind die Grundlage der organischen Bewegun - gen. Nach demselben Hauptgange der Geseze, welche die Erden hier befolgen, werden diese auch da, wo ſie ſich unter die organische Maſſe gemischt haben, ihre Wirkungen, obgleich mit höherer Bedeu - tung äuſsern, und daher werden die Ei - genschaften des Knochensyſtems, und der - jenigen Thiere, die vorzüglich diesem nach - gebildet ſind, immer homolog in diese Reihe fallen.

II. Grundfigur. Kreis Feuer Luft.

Es iſt kaum nöthig zu berühren, daſs der Kreis, das Schema der Expanſion, des Negativen und überall das Entgegenge - sezte der Linie, der Starrheit sei, welchem im Materialen die Luft aufs genaueſte entspricht.

Diese iſt das höchſte Extrem der Ent - gegensezung mit den Erden, die Starrheit iſt in ihr nicht nur aufgehoben, blos pri -va -15vative gesezt, wie im Waſſer, sondern wirklich als negativ aller Starrheit wider - ſtrebend iſt ſie das elaſtische, antikohären - te Fluidum vorzugsweise. Ich kann diese Eigenschaft mit nichts paſſenderm ausdrüken als mit Luftigkeit.

In ihr iſt schlechthin keine Bewegung nach der Linie[hervorzubringen], ſie iſt Nichts für jeden Stoſs, und die lebendige Expanſibilität selbſt; wo ihr Raum geſtat - tet iſt, erweitert ſie den Kreis, um ihre Elasticität zum Troze der Erde zu zeigen, dringt zwischen alles Feſte, und ruht so auf diesem obschon sein Feind; als di - recter Feind der Erden iſt ſie nothwen - dig der Repräsentant des Kreises, denn wie diese die Hauptmaſſe des Starren auf dem Planeten bilden, so ſie die Haupt - maſſe des Luftigen, ſie iſt eben so in ihrer Reihe die Arbeitsſtätte ihrer homologen Proceſſe, als des Feuers, der Electricität, des Pflanzenwachsthums, als es die Erden in der ihrigen ſind, nur mit dem Unter - schiede, daſs auch selbſt die Erden der Luft, mit allen ihren Proceſſen, noch zum Grundpfeiler dienen.

In16

In der Erde iſt die Kryſtallisation der herrschende, lebendige Charakter, in der Luft iſt es gerade das Gegentheil, was kryſtalliſirbar iſt, iſt eben darum keine Luft.

Wie es verschiedene Erden giebt, so giebt es auch verschiedene Luften, und wie dort der Granit, als der Fokus aller Erden gesezt werden kann, so hier[die] ath - mosphärische Luft, als die Mutter aller übrigen; da aber das Symbol der Erden die Linie iſt, und ſie deswegen nach die - ser einzutheilen ſind, so wäre es offenbar falsch, wenn man auch die Luften nach einer Linie darſtellen wollte, da ſie doch die Abbilder der Theile des Kreises ſind, daher auch nur so viele ſich finden kön - nen, als dieser wesentliche Theile hat, und zwar mit denselben Eigenschaften, als die dieser Theile ſind.

Es wird ſich zeigen, daſs das Saur - ſtoffgas keine Luft iſt, welche in die Na - tur des Kreises gehört, sondern nur als das geiſtige Schwerkraftsprincip, als das in seinen Urzuſtand zurückgekehrte Waſſer, als die wahre Waſſersäure, wie ſie Win -terl17terl so philosophisch nennt, in der At - mosphäre schwebt.

Als die Hauptluftart kann das Stikgas gerechnet werden, von dem alle andere, wie die Erden von der Kieselerde, Meta - morphosen sind. Das Expansissimum, nemlich das rein Peripherische des Krei - ses, ohne alles Starre des Diameters, er - scheint als Wasserſtoffgas, das Contractis - simum aber, das sich in das Centrum la - gert, als Kohlensäure, die um ihre Con - traction zu erreichen, schon Kohlenſtoff zu Hülfe nehmen muſs; daſs sie aber blos aus Kohlenſtoff und Saurſtoff beſtehe, hat noch kein einziges chymisches Experiment ſtreng bewiesen, und die prätendirten Zer - legungen durch Phosphor verlieren alle Kraft dadurch, daſs man ja beſtimmt weiſs, daſs jeder Phosphor beim Verbrennen Koh - lenſtoff absezt. Die andern Luftarten sind Compositionen.

Die atmosphärische Luft kann ange - sehen werden, als durch Säureprincip be - geiſtetes Stikgas, das durch gröſsere Säu - rung sich in Stikſtoffsäure verwandelt. BWird18Wird aber der Wasserſtoffpol des Stikga - ses gesäurt, so entſteht Wasser, Regen, der klarſte Beweis, daſs Wasserſtoffgas in der Atmosphäre vorhanden, aber durch gewöhnliche Desoxydation der Luft, durch Verbrennen, nicht heraushebbar, sondern in dem zwitterartigen Stikgas verschlun - gen iſt, woraus es erſt wahrscheinlich durch einen gewissen Grad des Electris - mus bei Gewittern etc. gezogen, oder in philosophischer Sprache, wozu das Stik - gas polarisirt wird. Warum iſt denn das Wasser, warum iſt die Salpetersäure flüs - sig? soll doch jenes aus Wasserſtoff, die - se aus Stikſtoff beſtehen.

Wenn die Luft nicht blos in mecha - nischer Action bleibt, sondern zu ihrer höchſten Thätigkeit sich erhebt, so er - scheint sie als Feuer. Wie die Cohäsion, Kryſtallisation, das Ideale der Erden, oder wie der Magnetismus das Ideale des Ei - sens oder der Metalle iſt, so das Feuer das der Luft. Der Magnetismus iſt selbſt nichts, als die Erscheinung der specifi - schen, eigenthümlichen Thätigkeit der Me - talle, oder die Metallthätigkeit, soiſt19iſt das Feuer die Luftthätigkeit, nemlich das Active der Metalle nennen wir Magne - tismus, das Active der Luft aber Feuer. Ich seze das Feuer in dieselbe Bedeutung, in der Magnetismus, Electrismus, Chy - mismus etc. ſtehen, nemlich als bloſse Action, die aber so specifisch als diese iſt, und wie diese eigentlich bloſse Thätigkei - ten der Natur sind, deren eine zu Metall, die andere zu Schwefel, und die dritte zu Salz erſtarrt, so wird auch die Feueraction, wenn sie zu Materie erſtarrt, Luft. Die magnetische Materie sind daher die Me - talle, die electrische iſt der Schwefel mit seinen Variationen, die chymische iſt das Salz, und so iſt die Feuermaterie die Luft. Dasselbe gilt auch von den Erden, deren Action Cohäsion iſt, welche we - sentlich vom Magnetismus verschieden, das Allgemeine umfaſst, da dieser nur Co - härenz-Action von beſtimmter, Rich - tung iſt.

Das Feuer als das reinſte Abbild des Kreises, als der in die Natur übergehende Kreis, iſt nothwendig Duplicität, obgleich gebunden an eine einfache Grundfigur;B 2denn20denn der Kreis iſt nicht mehr rein, wie es die Linie war, er hat nicht blos Peri - pherie, auch die Linie gehört nothwendig zu seinem Wesen, daher scheidet sich das Feuer in zwei Actionen, deren die eine peripherisch, die andere central iſt. Die peripherische Action iſt die rein Kreisige, das rein Expansive mit der endlosen Ten - denz den Raum zu erweitern, sie iſt die Wärme.

Die centrale Action iſt die Linige im Kreise, die diametrale oder radiale, mit der Tendenz den Raum zu verengern, aber Kreis muſs sie ewig bleiben, daher bringt sie es nur zu einer Begränzung des Raums durch Linien, sie macht den Kreis zum Dreiek; die Thätigkeit der Natur aber, die überall Linie producirt, und doch im Ex - pansiven schwebt, die den Raum auf ideale Weise begränzt, sich ideal in ihm kryſtal - ſtallisirt, iſt das Licht; dieses daher wie - der positiv, die Wärme negativ.

Wärme und Licht sind daher entge - gengesezt, obgleich Actionen Einer Figur; die Wärme iſt homolog mit dem Expan -dir -21dirteſten des Expansiven, das Licht aber mit dem Contrahirteſten. Die Richtung zur Peripherie iſt Wärme, die zum Cen - trum iſt Licht.

Die Sonne iſt nur Licht, insofern eine centrale Action in ihr iſt, insofern sie Pla - neten an sich zu ziehen ſtrebt; jeder an - dere Körper z. B. die Erde, an die Stelle der Sonne gesezt, würde auch für die Planeten leuchtend sein, daher hängt das Licht der Sonne von gar keiner specifi - schen Eigenschaft ihrer Materie ab, von keinem Verbrennungsprocesse auf ihr, von Saurſtoffatmosphäre, von Reibung etc. sie kann ganz dieselben Stoffe auf sich haben, wie unsere Erde, und doch leuch - tet sie, ja auch das gröſste Feuer auf ihr würde uns nicht als Sonnenlicht erschei - nen, da ja dieses ein Weltphenomen, eine Action eines Weltkörpersyſtems iſt, und nicht eines Privatfeuers in der Sonne. Nur im Gegensaze mit Planeten iſt sie Licht, würden diese wegfallen, so wäre sie selbſt in ewiger Finſterniſs begraben.

Das22

Das Licht bewegt sich keinesweges von der Sonne zu uns als solches, ſtatt nach dem Grunde der ungeheuren Ge - schwindigkeit des Herſtrömens des Lichts zu fragen, müssen wir untersuchen, wie viel Zeit es brauche, bis die[unterbroche - ne] Centralaction der Sonne wieder von der Erde so ſtark gehemmt werde, daſs sie als Licht erscheint; vielmehr sollten wir uns wundern über die Langsamkeit dieser Hemmung. Die Sonne verliert nicht das Geringſte durch das Licht, wenn sie in alle Ewigkeiten ſtralt, denn das Licht iſt ja kein Ausfluſs aus ihr. Für die Immaterialität des Lichtes (in philosophi - schem Sinne) nach Schelling noch ein Wort sagen, hieſs das Licht beleuchten wollen. Der neue Beweis vom Fallen des electrischen Funkens, den Winterl für die Ponderabilität des Lichts anführt, möchte wohl mehr beweisen, als ihm selbſt lieb iſt, nemlich daſs das Licht schwerer als die Luft sei, was sicher diesem Erweker der alten Chymie nie im Spasse einge - fallen.

Es23

Es iſt ein bekanntes Gesez der Phyſik, daſs Gleiche sich abſtoſsen. Ungleiche sich anziehen, so hier. Wärme wird von der Luft, dem ihr Gleichartigſten abgeſtoſsen, diese iſt bekanntlich ein Nichtleiter für je - ne, hingegen leitet sie das Licht, als die centrale, als die linige Action.

Dagegen leiten die ſtarren Erden und Metalle die Wärme, weil sie peripherische Action iſt, denn alles Leiten iſt nur gegen das Fremde möglich die Luft nemlich als das Homogene mit der Wärme iſt ja schon so viel als möglich ausgedehnt, in - sofern sie sich aber noch ausdehnen läſst, leitet sie allerdings, daher iſt Wasserſtoff - gas der schlechteſte Leiter. Wasser aber, als das Mittlere zwischen Erden und Luft, iſt sowohl gegen Wärme als Licht gleich - gültig, es läſst sie, so zu sagen, nur pas - siv durch sich hindurch. Was iſt denn eine Ferne von 679 Fuſs, über die hinaus das reinſte Wasser nicht mehr durchsichtig iſt, gegen die Ferne des Himmels, und was die Erwärmung des Wassers gegen die einer Ei - senſtange?

Wir24

Wir scheinen hier in einen Widerspruch mit dem Licht zu kommen; es wurde cha - rakterisirt als centrale Action, und daher leitbarer durch die Luft als peripherische Materie, aber doch wird sie auch durch die Kryſtalle, die doch die ſtarreſten Kör - per der Natur sind, geleitet.

Die Antwort iſt leicht zu geben; eben weil sie das Ideal der Starrheit sind, wer - den sie dem Lichte, das doch nur eine Kreisthätigkeit bleibt, wieder heterogen, und daher seine Leiter. Deswegen hängt auch die Durchsichtigkeit der Kryſtalle, des Glases etc. schlechterdings von ihrer Ge - ſtalt, von ihrem wirklichen Beſtehen in der Kryſtallisation ab, wo sie am reinſten der Starrheit folgen; so wie sie zu Pulver zer - schlagen werden, iſt alle Durchsichtigkeit verloren, denn da wo Cohärenzaction er - ſtirbt, hört auch ihr Gegensaz gegen das Licht auf, der Körper wird undurchsich - tig, das heiſst; er sinkt zu dem Grade der Cohärenz herab, welcher gleich iſt dem Nisus des Lichts.

Der25

Der Diamant iſt als der Repräsentant der Cohärenzaction der durchsichtigſte Kör - per, der eben deswegen auch das Licht am ſtärkſten bricht, von ihm ſteigt die Durchsichtigkeit herunter bis etwa zu Glas; wie dieses sein kryſtallisches Gefüge ver - liert, fängt es an, in Farben zu spielen, und wird undurchsichtig, weil es homo - gen mit dem Lichte wird. Die Luft leitet daher das Licht, weil sie expandirter, die Erdkryſtalle, weil sie contrahirter sind, als eine Materie, die hierinn der Action des Lichtes nahe kömmt.

Was Farbe iſt, verſteht sich nun von selbſt. Sie iſt ein mehr oder minder homo - gener Zuſtand des hemmenden Körpers mit dem Lichte. Das Newtonische Prisma lehrt uns sieben solcher Zuſtände kennen, über die hinaus das Licht wieder in Durchsich - tigkeit verschwindet, das Licht iſt daher nichts Zusammengeseztes, die Farben sind nur beſtimmte Hemmungspunkte desselben.

Eben so löst es sich nun von selbſt, daſs das weiſse Licht aus dem Maximum seiner Entgegensezung mit der Materieent -26entſteht, daſs die reinen Erden ohne Un - terschied weiſs sind; wo aber das Licht seine homogene Materie findet, oder wo es ungehindert zu Materie erſtarrt, erscheint es grün; es wird sich mit Vergnügen an - sehen lassen, wenn bewiesen iſt, daſs die Pflanzenwelt in die homologe Reihe, aber auf der dritten Stuffe, mit dem Lichte fällt, was ich schon in dem von Anfange gegebenen Schema angezeigt habe, und sie daher durchgehends mit Grün bekleidet iſt.

Die um das Grün gelegten Farben, sind zwar auch noch Homogeneiteten der Materie mit dem Lichte, aber doch wei - chen sie von ihm in beſtimmtem Grade ab, und zwar auf der einen Seite mit ex - pansiven Widersezungen durch Blau zu Violet, welches erſte daher die Lieblings - farbe der Luft iſt, ohne Zweifel müſste eine Atmosphäre von Wasserſtoffgas violet sein. Auf der andern Seite differenzirt sich aber die Materie mit zunehmender Starrheit, geht durch Gelb zu Roth, wel - ches ohne Zweifel die erdigen Farben sind.

Die -27

Dieses sei genug zur Andeutung der Farbentheorie.

Alle Planeten sind nur Differenzen des Lichts, diese aber sind Farben, daher wird auch das Planetensyſtem nach der Idee der Farben geordnet sein. Es verſteht sich, daſs deswegen nicht eben nur sieben Pla - neten exiſtiren dürfen, weil so viele Far - ben exiſtiren, dieses wäre eine kleinliche Ansicht. Es iſt nur von Planetenproductio - nen die Rede, die nach den Gesezen der Spaltungen des Lichts sich richten muſsten, ob nun zu Einer Production nur Ein Pla - net oder deren mehre gehören, wie es oh - ne Zweifel mit Ceres und Pallas der Fall iſt, iſt für eine Sonne, zu der sich diese nur wie kleine Kügelchen zu einer millio - nenmal gröſsern Masse verhalten, natür - lich gleichgültig.

III.28

III. Grundfigur. Ellipse Schwere (Verbrennen) Wasser.

Ueber das lezte iſt es unnöthig ein Wort zu sagen; jedermann wird es als die Indifferenz der Erde und der Luft ansehen; wie jene die Pole der erſten Stuffe sind, auf und in denen alles Uebrige der Erde ruht, so gehört auch das Wasser zur erſten Pro - duction der Natur, und zwar, da es Synthe - se iſt, zu derjenigen, die alle andere Thä - tigkeit vermittelt, selbſt die obgleich pri - mare Erde kann nicht einen einzigen Pro - ceſs ohne Wasser beginnen, in ihre eignen Kryſtalle muſs sie es aufnehmen, eben so wohnt es der Luft als Wassersäure (Saur - ſtoffgas) bei, um dadurch ihren Processen Leben einzuhauchen. Daher iſt der Saur - ſtoff das Allesvermittelnde der Natur, da - her ſteht er dem Verbrennen, dem Ath - men, dem Verkalken vor, welches alles bei weitem keine Lichtprocesse, sondern wahre Processe dieser Grundfigur, der Schwere, des Wassers sind.

Wird die Linie als Weltfunction be - trachtet, so sind alle Weltkörper nur nachEi -29Einer Richtung geworfen, in der sie ins Unendliche fortſtrömen, nach dem Kreise aber sind sie umgelenkt um ein Centrum, wodurch diese beiden Tendenzen der Welt - körper nothwendig zur Ellipse ausschlagen, in der die Bewegung nach der Linie sowohl als die nach dem Kreise, durch die Zwei - heit der Focus erhalten iſt, und daher in dieser Naturfigur die Schwerkraft hervor - tritt.

Das Wasser iſt das Materiale der Schwer - kraft oder die materialgewordene Schwer - kraft selbſt, und daher gebe ich dieser auf ihrer Stuffe dasselbe Verhältniſs zum Was - ser, wie der Cohäsion zur Erde, dem Ma - gnetismus zum Metall etc. Das Wasser oder das Formlose, Synthetische der ganzen materialen Natur iſt nothwendig die Ein - heit des Gewichtes, was auch die Physiker zu allen Zeiten[erkannt] haben.

Das Wasserbilden iſt bekanntlich der Verbrennungsproceſs, und jedes Verbren - nen iſt ein Waſſerwerden, daher sucht die Natur, insofern ſie in der Form dieser Fi - gur thätig iſt, alles in Wasser zu verwan -deln,30deln. Die Verkalkung der Metalle, das Athmen etc. sind daher wahre Wasserpro - cesse, Hydrogenationen in unserm Sinne. Das Wasserbilden kann ganz getroffen der Respirationsproceſs der Natur genannt werden.

Der Verbrennungsproceſs iſt gänzlich verschieden vom Feuerproceſs, der dem vorigen Momente, der Luft angehört, denn das Verkalken, Athmen, sind auch Ver - brennen ohne Feuer. Der Verbrennungs - proceſs iſt ein synthetischer und kein polarer wie Cohäsion und Feuer.

Das Saurſtoffgas iſt durch Säureprincip begeiſtetes Wasser, wie schon Prieſtley dar - gethan; das Säureprincip selbſt aber iſt das Phenomen der Schwerkraft, wie Licht das Phenomen der Centralaction der Sonne, wie die Richtung nach Norden das des Magne - tismus, wie Abſtoſsen und Anziehen das des Electrismus sind. Das Säurende iſt da - her durchaus nichts Materiales es giebt überall keinen Saurſtoff im Sinne der Chy - miker dieser iſt wahre Wassersäure, nem - lich Wasser durch Schwere begeiſtet, Was -ser31ser in der Bedeutung eines Weltphenomens, wie Licht und Wärme das Weltphenomen der Luft sind; die Schwere iſt das Erhalten - de und Zerſtörende, das Ursynthetische Weltprincip, eben so der Schwereſtoff, die Wassersäure.

Man nennt in der Chymie alle Pro - cesse, worin die innere Form eines Kör - pers geändert wird, chymische, aber ganz wider alle Begriffe des wahren Chymismus, der keine allgemeine Auflösungsfunction der Materie, sondern nur, wie sich zeigen wird, ein ganz einfacher, specifischer Na - turabschnitt, wie Feuer, Oxydation, Ma - gnetismus etc. iſt. Der Oxydationsproceſs iſt ganz und gar kein chymischer, viel - mehr geht er allen chymischen direct vor - her, wie es das Auflösen der Metalle in Säuren beweiſt; ganz sicher müssen sich auch die Erden vor der Auflösung in Säu - ren oxydiren, obgleich dieses noch nicht wahrgenommen iſt. Das Ausgedehntwer - den der Körper durch Wärme iſt absolut keine chymische Action; die erhizten Kör - per verbrennen aber deswegen schneller, weil sie der Schwere heterogener werden. Daſs32Daſs blos diese Heterogeneität und nicht die Ausgedehntheit durch die Hize an der leichtern Oxydation Schuld iſt, beweist der Diamant, der als die ſtarreſte Erde, eben weil er diese, folglich der indifferen - ten Schwere am excessivſten entgegenge - sezt iſt, unter allen Erden, die doch viel mehr ausgedehnt sind, allein verbrennlich iſt.

Das Verquiken der Metalle, das Verer - zen durch Schwefel iſt kein chymischer Proceſs, so wenig als die Verbindung der Kohlensäure mit den Erden. Wie jene Verbindungen wechselseitige Tödtungen wegen der Entgegengeseztheit sind, so tödtet auch die Kohlensäure die Aezkraft der Erden: dieses sind alles Folgen der Verbindung heterogener Grundfiguren, wo - mit der Chymismus nicht das Geringſte zu thun hat.

Eben so wenig iſt der Oxydationspro - ceſs weder ein expandirender noch contra - hirender zu nennen, er ſteht zwischen bei - den und hindert als Schwerkraft so wohl die Luft vor zu groſser Expansion, als die Erden vor zu groſser Starrheit. DerSaur -33Saurſtoff contrahirt ja die Luft zu Waſſer oder Salpeterſäure daher diese sehr be - ſtimmt Hydras nitrogenii, die Luft Hy - dris nitrogenii, das Waſſer aber Hydras hy - drogenii genennt werden könnte) wie er den Diamanten zu Luft verflüchtigt, oder die Metalle zu Staub zerschlägt: die Metalloxyde ſind Hydrates de métaux inso - fern Sauerſtoff begeiſtetes Waſſer iſt.

Ich könnte über diese Figur noch vieles sagen, wenn ich nicht vorzüglich das organische weitläuftiger darzuſtellen trachtete, zu diesem Zwecke iſt das Ge - sagte genug, und ich kann jezt mit mehr Zuverſicht als beim Anfang mit Lvcretivs sagen:

Quod supereſt. ne Te in promiſſis plura moremur, Principio Maria ac Terras Coelumqué tuere.
CII.34

II. Stuffe.

1. Figur. Parabel Magnetismus Metall.

Die Metalle ſind die secundaren Er - den = Erden2, ſie ſind nur zwischen die - se als geringe Maſſen eingesprengt, und so zu sagen erſt aus ihnen ausgeschieden ſie ſind reducirte Erden im höheren Sinne. Diese Homologeität iſt auffallend bei dem Vergleichen der Metallkalke mit den Er - den, und selbſt oft treten ſich ihre Ge - wichte ziemlich nahe, obgleich man ſtreng sagen kann, keine Erde iſt fünfmal schwerer als das Urgewicht, das Waſſer, aber wohl jedes Metall.

Die Erden als vorherrschend allem Verbrennungsproceſs,[und] von ihm ent - fernt durch die Luft, welche zunächſt in diesen greift, und daher mit ihm in Con - flict geräth, wiederſtehen diesem ſtandhaft; die Metalle, obgleich in dieselbe Reihe ge - -35hörend, ſind schon unterjocht, verkalken ſich aber doch meiſtens langsam und mit Schwierigkeit, daher ſie im Ganzen un - endlich weit von dem Waſſerſtoff und Schwefel entfernt ſtehen.

Die Cohäſion iſt bei ihnen nicht mehr auf eine unbiegsame, gerade Linie be - schränkt wie bei den Erden; ſie laſſen ſich durch Dehnbarkeit, Strekbarkeit etc. schon dem Kreise näher bringen, auch iſt ihre Kryſtallisation nicht mehr so scharf und linig wie bei den Erden, ſie verzweigen ſich mehr in Flächen, und ſind eben we - gen dieser mindern Starrheit nicht mehr durchſichtig, sondern meiſtens dem Lichte homogener, daher das mannichfaltige Far - benspiel ihrer Oxyde, Erze und selbſt der Könige: der Glanz aber iſt vollkommenes Zurükwerfen des Lichts, wie bei den wei - ſsen Erden nur mit dem Unterschiede, daſs dieses Phenomen zwischen zwei schief entgegengesezten Functionen ſtatt findet; es iſt ein Mangel des dynamischen Verhältniſſes zum Lichte, daher ein me - chanisches Zurückwerfen deſſelben, der Glanz iſt für die Metalle das, was dieC 2wei -36weiſse Farbe für die Erden iſt, er iſt me - tallisches Weiſs.

Die Lage, welche Eisenfeilspäne um einen Magnet annehmen, iſt deutlich pa - rabolisch. Diese Form findet ſich selbſt im Erdmagnetismus wieder, wo von Nor - den nach Süden ein Schenkel über Aſien Borneo etc., der andere über Amerika läuft. Es iſt zu bemerken, daſs gerade da, wo diese Linien ohne Abweichung der Magnetnadel laufen, die beiden Erdconti - nente liegen. Beim Zuge der Vögel wer - de ich wieder darauf zurückkommen.

Die Metalle dürfen schlechterdings nicht nach dem Princip der Linie geord - net werden; denn ſie ſind ja keine Erden, ſie ſind ja nicht die materialiſirte Linie der Natur. Die hierüber gemachten Versuche zeigen auch deutlich durch ihr Miſslingen, daſs ſie nach einem andern Geseze geſtellt sein wollen, denn Eisen und Quekſilber, Gold, Platin, Silber, Kupfer, Blei, Arsenik etc. liegen keinesweges zwischen zwei Po - len einer Linie. Die Eigenschaften der Parabel laſſen ſich in den Metallreihennicht37nicht verkennen, da im Eiſen offenbar die Linie, die Achse vorzugsweise, im Quek - ſilber der Focus, in den andern Metallen die Schenkel nachgebildet ſind. Daher iſt Quekſilber das Centrale aller Metalle, wie es die Alchymiſten schon als Merkurial - waſſer mit tiefem Sinne erkannten, und dennoch behauptet das Eisen als die ſtarre Achse die Mitte der Metalle. Sie ſind alle Metamorphosen des Quekſilbers: Das Ei - sen selbſt iſt das erſtarrte, aber ohne alle Differenzirung[erſtarrte] Quekſilber, es iſt Hydrargyras martis, und so können ſie auch Metamorphosen des Eisens heiſsen.

Wenn ich die Metalle die herauf ge - ſtiegenen oder die reducirten Erden nenne, so iſt es nicht zu verſtehen, als wenn die - se ſich wirklich durch einen Proceſs in Metalle verwandeln lieſsen. Diese Ver - wandlung iſt nur bei der Urverwandlung, bei der erſten Schöpfung geschehen, und geschieht nimmermehr, ſo wenig als die Linie ſich wirklich in Parabel umändert. Aus der Idee der Mathematik löst ſich Li - nie und Parabel, jedes als eine eigne Func - tion los, ebenſo in der Natur Erden, Me -tal -38talle, Luft, Schwefel, doch aber ſo, daſs ſie deutlich Erſtarrungen Einer Function ſind, die bei ihrer erſten Production Erde, bei der zweiten Metall hervorbrachte, die entgegengeſezte Function war zuerſt Luft, was in ihr übrig blieb, schied ſich als Schwefel und endlich als Pflanze aus.

II Figur. Hyperbel Electrismus Schwefel.

Daſs Schwefel als idiolectrischer Kör - per mit allen seinen Modificationen der Erdharze, der materiale Repräsentant des Electrismus iſt, bedarf wohl keines Bewei - ſes, ebenso wenig, daſs er den entgegen - gesezten Pol der Metalle bildet, die er wo es ihm nur möglich iſt, nicht durch chy - mische, sondern durch electrische Action gänzlich tödtet, wie im Kupferkies, Eiſen - kies, Zinober etc. und eben daher in die homologe Reihe mit der Luft fällt, nur aber als secundare Materie dieser Reihe als Luft2, da er nicht mehr so rein den Raum als das Expanſivſte, wie die Luft darſtellt, aber es gleich wohl durch seine Flüchtigkeit zu erreichen sucht, auch nur eine dendrei39drei Hauptmaſſen, Erden, Luft, Waſſer untergeordnete Maſſe iſt, die ihre Wirk - samkeit mittels dieser erhält.

Ich weise wieder zurück auf das Lei - ten der Wärme und des Lichts, und glau - be jenen Säzen noch dadurch Kraft zu geben, daſs eben der Schwefel als das Gleiche des Electrismus gegen dieſen ſich als abſoluter Nichtleiter verhält, weil er durch und durch selbſt der erſtarrte Elec - trismus iſt, dagegen ſind die entgegenge - sezten Metalle die vorzüglichſten Leiter dieſer Function, wie ſie es mit ihren Er - den auch der Wärme ſind.

Es iſt merkwürdig daſs der Schwefel ſich der gelben Farbe bedient, um die Stuffe seiner Exiſtenz darzuſtellen, und mithin in Bezug auf die homologe Luft, die mit der blauen Farbe gegen das Periphe - rische neigt, ſich dem Rothen, dem ſtar - reren Farbenpole nähert, zwischen welche Farben dann ſich die Pflanze, als das Dritte der Luft und des Schwefels, mit dem die Indifferenz bildenden Grün ſezt.

Wie40

Wie das Feuer eine innere Heteroge - neität iſt, ſo auch der Electrismus; nur iſt es dieser als eine Action der zweiten Stuffe weniger innig, seine Pole heben ſich nothwendig ſtärker heraus, ſie ſind gleich der Hyperbel immer getrennt, ob - schon vereinigt, und in diesem endlosen Einigen und Trennen beſteht diese Func - tion. Auch für ſie iſt die Luft ein Nicht - leiter, weil ſie zu gleicher Reihe gehört, und eben so der Schwefel für Licht und Wärme. Das Waſſer aber behauptet auch hier seine Indifferenz, doch iſt es des Elec - trismus empfänglicher als der metallischen Action, oder des Magnetismus. Dieser iſt bekanntlich nur lebendig in der ſtarren Welt, der Electrismus aber gleich dem Lichte und der Wärme überall da, wo die Starrheit zur Flüchtigkeit ſollicitirt wird, aber eigenthümlich in Materien der zwei - ten Stuffe. Ich sage nichts mehr[über] Electrismus, da Schelling ihm seine Stelle in der Walt wie dem Magnetismus und Chymismus ſchon lange angewieſen und nun Ritter seine Entgegengeseztheit mit dem Magnetismus vollkommen bewährt hat.

Die41

Die Inflammabilien dürfen nun wie - der nicht nach der bloſsen Linie einge - theilt, oder gar zu andern Hauptmaterien geworfen werden, da ſie erwiesen einen ganz eignen Naturabschnitt bilden, nemlich den electrischen, der denselben Werth und dieselbe Eigenthümlichkeit hat als der magnetische, der phlogiſtische oder Luft -, der cohäſive oder Erd-Proceſs[.]Die In - flammabilien müſſen nach den Theilen der Hyperbel, deren Abbilder ſie ſind, einge - theilt werden.

III. Figur. Eiform Chymismus Salz.

Diese Function iſt die zweite Synthe - se der Natur, die Schwereaction auf der zweiten Stuffe, das Salz iſt das Waſſer2. Wie dieſes die Erden und die Luften be - herrscht, so das Salz zunächſt Metalle und Schwefel, und eben daher auch die untern Erden.

Waſſer und Salz, oder Meerwaſſer, iſt das Generalagens der Natur; durch dieses ſind alle Proceſſe vermittelt, die Erde er -hält42hält und erneuert ſich in ihm, und giebt ihm seine unbrauchbar gewordenen Stoffe zurük. Der Chymismus iſt der wahre Verdauungsproceſs der Natur.

Es iſt oben schon berührt worden, daſs viele Formänderungen der Materie mit dem Namen des chymischen Proceſ - ſes belegt werden, welches aber blos da - her kömmt, daſs die Functionen der Na - tur noch nie klar erkannt und von einan - der geschieden wurden. Hier, wo der Chymismus seine wahre Stelle erhalten, wo er als eine einzelne, obgleich totale Grundfunction charakteriſirt iſt, leuchtet es von selbſt ein, daſs ſo genannte Auflö - ſungen in Waſſer, wie Gummen, Erden, etc. oder Harze in Weingeiſt, nichts mit dem Chymismus gemein haben.

Der Repräsentant der Salze überhaupt iſt das gemeine Kochsalz; es iſt nicht nur das allgemeine Verdauungsmittel des Thier - reichs, sondern auch das am allgemeinſten verbreitete, und ein wesentlicher Beſtand - theil des Meers, welche Mischung in die groſse Oekonomie der Natur gehörend, ankleine43keine zufällige[Auflösung] einer Sandbank durch das Meerwaſſer denken läſst, um so weniger, so bald der Chymismus als ein Weltphenomen gleich dem Magnetismus, Electrismus etc. aufgefaſst wird.

Die Salzsäure iſt daher das Ideal der Säuren, die reinſte Erhebung des Waſſers zur chymischen Stuffe, ebendaher ihre Un - bändigkeit in der Zerlegung und die Un - gewiſsheit, in der ſie die Chymie über ih - re Beſtandtheile läſst, obschon ſie die - selben hie und da als Waſſerſtoff erbliken lieſs, was ſie auch gemäſs der Reihe in der ſie liegt, als höheres Waſſer ſicher ent - hält, um in der Sprache der franzöſischen Chymie zu reden, aber im wahren Sinne so gut einfach als das Waſſer, nemlich ein Erdelement iſt, nur wird ſie nach Verschiedenheit der Begeiſtung bald auf diesen bald auf jenen Pol ge - bracht werden können, wie ſie denn wirk - lich den Chymiſten schon Metall in Hän - den lieſs; es iſt nicht unmöglich die Zeit noch zu erleben, wo ſie auch Schwefel darinn werden gefunden haben.

Da44

Da diese Säure das Princip aller Säu - ren iſt, so können diese nur Muriaten von ihr sein. So kann man im höhern Sinne die Schwefelſäure allerdings Murias sul - phuris nennen, so die Stikſtoffsäure ſtatt Hydras, Murias nitrogenii etc., denn alle ſind ja nur Metamorphosen der Salzsäure. Das Waſſer selbſt iſt eine Murias auf der unterſten Stuffe.

Mit dieser Figur der Matheſis iſt das lezte Element der Erde gefunden. Sechs Elemente hat die Natur in ſich hervorge - bracht, und sechs Grundqualitäten hat ſie an diese Elemente gebunden. Jede Function iſt eine eigne Qualität der Welt, jede Qualität hat ſich aber in eine eigne Materie gebildet, daher iſt Wesen und Zahl der Materien auch Wesen und Zahl der Qualitäten; diese ſind nicht von der Materie verschieden, nichts ihr blos von der Fremde her eingepflanztes, ſie hat kei - ne Qualität, sondern ſie iſt Qualität; diese kann nicht entzogen werden, ohne die Ma - terie selbſt zu verwandeln, Qualität und Materie und Function und Figur ſind eins.

III.45

III. Stuffe.

I. Figur. Konus Galvanismus Korall.

Wir[befinden] uns nun in einer Welt, in der alle sechs Elementaractionen ſich vereinigen, um ein gemeinschaftliches Product hervorzubringen, das aber, unge - achtet dieser Totalität[,] doch die Functio - nen der Starrheit am vortrefflichſten in ſich ausgebildet trägt, die Erdigkeit und Metallität ſind daher der Hauptcharakter dieser Naturaction, aber beide ſind doch nur thätig im Conflicte mit allen übrigen, deswegen iſt diese Function begleitet von Licht und Wärme, von Electricität, vom Chymismus und nothwendig auch vom magnetischen Proceſſe, obgleich noch nicht bemerkt; ſie erſtikt, wenn ihr die Luft entzogen wird, ebenso ohne Waſſer diese Action nennen wir Galvanismus.

Er46

Er iſt alſo auch eine allgemeine und eigne Naturaction, wie Electrismus und Chymismus, er fällt in eine polare Reihe, nemlich in die poſitive, und iſt so die Cohäſions - oder magnetische Action auf der dritten Stuffe, vermittelt durch die andern Actionen, besonders durch den Chymismus. Auf dieser Anſicht beruht die voltaische Säule, ſie ſteht höher als Electrismus und selbſt als der Chymismus, und erhält ihre gröſste Energie durch Erbauung aus Me - tallen.

So bald ſich die sechs Grundactionen der Natur auf eine totale, innere Weise vereinigt haben, iſt beſtändige Thätigkeit in ihnen, und zwar in ununterbrochener Kette eine solche Synthese der Natur iſt ein Organismus. Ritter hat es bewie - sen, daſs ein beſtändiger Galvanismus den Lebensproceſs begleite, auch umgekehrt lieſs es ſich bewei[s]en, daſs der Lebenspro - ceſs nichts als ein beſtändiger Galvanismus sei.

Wir ſind daher mit dieser Figur zu der organischen Welt aufgeſtiegen, undhie -47hiemit beginnt nun eigentlich unser Ge - schäft.

Es iſt klar daſs eine einzelne Naturac - tion, wie die vorhergehenden ſind, keine lebendige Action im Kreise hervorbringen könne, da ja eine solche nothwendig das Wechselſpiel der andern erfordert, daher ſind eben so nothwendig die verfloſſenen Figuren Schemate von unorganischen Ma - terien, und eben so klar ſieht man nun ein, daſs es deren nur ſechs gehen kann, nemlich dreimal zwei, weil zwei allein keinen Kreis bilden und nicht organisch sein können; so bald aber die Welt mit den drei Reihen, mit der poſitiven, nega - tiven und der synthetischen zur dritten Stuffe geſtiegen iſt, wo jede Reihe ihr drit - tes, eine Kette bildendes Glied erhält, so beginnt der Puls, und das Leben iſt auch im Individuellen erschaffen, da zuvor nur der Weltorganismus lebendig war; der or - ganisirte Leib iſt das Leben der einzelnen Leben.

Ieder Organismus iſt eine Nachbildung des Gesammtorganismus der Natur, aber nurder48der synthetische iſt das getreueſte Gleich - bild, denn der auf der poſitiven Reihe iſt zwar auch Nachbild, was Organität über - haupt betrifft, aber dieses nur mit dem Uebergewichte der Starrheit; so muſs es einen Organismus geben mit dem Ueber - gewichte der Negativität, der Anticohärenz, welches, wie wir schon anticipirt haben, die Pflanze iſt; der synthetische Organismus endlich iſt der der Thierheit.

Das Vorbild dieses Naturmomentes iſt eine Triplicität, nemlich zweier heteroge - ner Metalle und der Flüſſigkeit; ebenso iſt die materiale Production dieses Moments, die Welt der Korallen auf die Dreiheit gebaut; jeder Korallenſtamm beſteht aus einer Triplicität der Stoffe, aus abwech - selnden Lagen von Kalch, Horn und Gal - lerte, in welcher die galvanische Action al - lein durch Bewegung kann ſichtbar wer - den. Dieses dritte synthetische Glied des Koralls heiſst gewöhnlich Polyp oder Ko - rallenblüte ein Korallenſtamm iſt eine lebendige galvanische Säule.

Die -49

Diese galvanischen Organisationen ent - sprechen vollkommen der Reihe der Starrheit, ſie ſind als Erde3 kaum vom Tode losgewundene Steine, ja ihr Fuſs[coin]cidirt noch selbſt mit diesem Reiche; ewig in dieses feſtgewurzelt erheben ſie ſich in konischen Plattenpaaren durch - ſtrömt vom Galvanismus der Natur, wel - cher das Bewegliche in ihnen vorzüglich belebt. Die Korallenblüten ſind ganz und gar keine Thiere, auch keine Pflanzen, sondern nur der Repräsentant der Flüſſig - keit in der galvanischen Säule, welche aber mittels der galvanischen Action ver - mögend sind, sich zu verlängern und zu verkürzen, andere Materien, Nahrung mit sich zu vereinigen, sich in mehre Theile, Körner etc. zu spalten, und so wieder das flüſſige Zwischenglied eines andern galvanischen Stammes zu werden.

Dieses iſt die ganze Fortpflanzungs - weise der erſten Organismen, ein bloſses Trennen ihrer selbſt; denn wie sollte in ihnen Begattung möglich sein? da sie ja selbſt nur Ein Pol der Organisation sind, folglich den andern gar nicht kennen,Ddie -50dieser auch wirklich nicht in sie eingreift, wodurch doch alle Begattung erſt mög - lich wird, ja diese selbſt iſt nichts anders als die Synthese der Hauptpole der Na - tur kein polarer Organismus kann sich daher begatten und in der Welt der Ko - rallen oder der Polypen giebt es nirgends etwas Aehnliches.

Da diese gallertartige Subſtanz die gal - vanische Flüſſigkeit, mithin das Syntheti - sche der Polypenwelt iſt, aus dem diese sich immer ersezet, aus der wieder ein ganzer Korallenſtamm emporwächſt, da ferner diese Organisation die erſte der Na - tur iſt, und sie sich folglich zu den fol - genden Organisationen verhält, wie die Erden zu der übrigen unorganischen Welt, nemlich als Entſtehungsprincip für alle unorganische Materien; so iſt auch diese gallertartige, körnige Subſtanz das Ur aller Organismen wie das Unorganische aus der Erde entſtand, so das Organische aus der Erde der dritten Stuffe, aus der galvanischen Erde.

Die51

Die körnichte Maſſe der Poly - pen, oder wie wir es auch mit Ein - willigung der Naturforscher nennen kön - nen, die infusoriale Maſſe iſt das Ur aller Begattung, sie geht aller nothwendig vorher, ſie selbſt iſt in aller organischen Entſtehung das Materiale, welches sich in die organischen Gebilde metamorphosirt, welches die unorganischen Maſſen der Er - den, Luften, des Waſſers, der Metalle, der Schwefle und der Salze sammelt und sie zwingt, sich zum organischen Stamm zu ordnen, den sie dann als das rein Leben - dige bewohnt, freilich, nach Verschieden - heit der Reihe, auf der das Gebäude ſteht, bald als Korall, bald als Pflanze, und endlich wenn sie sich zur Mitte zu arbeiten vermochte, als Thier.

Von diesen erſten Organisationen der positiven Reihe der Natur muſs alle Zeu - gungstheorie ausgehen, und so die Zeu - gung der beschränkten, individuellen An - sicht entreiſſen, und sie zu einem gene - ralen Weltphenomen erheben, zu dem schon in der erſten Production der Ma - terie die Anſtalten getroffen worden, umD 2durch52durch Erden und Metalle zu dem Uror - ganismus zu gelangen, von dem die Na - tur endlich, obgleich er nur einen Pol re - präsentirt, doch durch Potenzirung der entgegengesezten Reihe, der Luft und des Schwefels zu der höchſten Production des Geschlechtes, welches nur in der Syn - these beider Pole möglich iſt, emporſteigt.

Wie die Welt verfahren habe, wie sie ihre männlichen Geschlechtstheile durch Erde, Metall zu Korall, ihre weiblichen durch Luft, Schwefel zu Pflanze, und so beide zum synthetischen Thier, das als der einzige Zwitter beide Welten männ - liche und weibliche in sich trägt, erho - ben, habe ich in meiner Schrift über die Zeugung ausführlich gezeigt, und überge - he es daher hier billig, zufrieden damit, daſs ich die Stelle angegeben habe, auf der dieses[Naturphenomen] beginnt.

Der Ausdruk, die Erde und das Me - tall sind[aufgeſtiegen] zu Korall, behauptet so wenig, die Erde als solche habe sich wirklich in das Korall verwandelt, als er oben behauptete, sie sei zu Metall, oderdie53die Luft zu Schwefel geworden, wo ich doch mit vollem Rechte sagte, das Metall iſt die höhere Erde, und die Luft iſt der herabgesunkene Schwefel; ebenso sage ich nun mit vollem Rechte, die organische Welt iſt die über sich gehobene unorgani - sche, die Korallenwelt iſt die Synthese des Metalls und der Erde etc.; alles iſt im philosophischen Sinne zu nehmen, und dann jedem höchſt verſtändlich. Wer chy - misch die Erde im Metall oder die Luft im Schwefel suchen wollte, würde sie freilich nicht finden, und daher diese Be - hauptungen für falsch halten, in welchem Sinne sie es allerdings sind, aber nicht in dem Sinne, in dem die Alchymiſten be - haupteten, das Queksilber sei das Radicale aller Metalle, zu dem keine Chymie mehr reicht.

Die Korallen sind wahrhaft weder Thiere noch Pflanzen, ihre äuſſern Bede - kungen so wohl als ihre innerſten Einge - weide sind verſteinert, ihre lebende Natur täuscht eben deswegen mit thierischem und pflanzlichem Colorite, weil sie unter beide erniedrigt, weil sie der Anfangspunktder54der organischen Maſſen sind, und daher den Keim zu Pflanzen und Thieren, ich möchte mit den Evolutioniſten sagen, ein - geschachtelt in sich pflegen. Es iſt beina - he[unbegreiflich], daſs man die Polypen vorzüglich deswegen für Thiere hält, weil sie sogenannte[willkührliche] Bewegungen äuſſern, als wenn die Bewegung nicht vor aller Idee der Thierheit entſtände, als wenn sie nicht grade eben das wäre, was das eigentlich Unthierische in der Natur iſt, als wenn sie nicht Phenomen der ſtarren, polaren Reihe wäre, und eben deswegen hervorbrechen muſs, wo die bei - den ſtarren Elemente sich vereinigen, und ebenda unterdrükt sein muſs, wo der Or - ganismus dem (galvanischen) Bewegungs - proceſs der Natur entgegenſteht, wie es in den Pflanzen iſt.

Ihr Uebergehen in die Pflanzenwelt erweist sich am unwidersprechlichſten beim Entſtehen der Tremellen, bei dem Wechsel der priestleyischen grünen Mate - rie bald in Infusorien, bald in Kryptoga - men. Diese sind so wenig Pflanzen, als die Infusorien Thiere, aber den schonent -55entschiedenen Uebergangspunkt in Pflan - zen bezeichnen sie allerdings, und sind eben daher keine Kryptogamen, sondern wahre Agamiſten.

Da das Infuſorium in seiner vollende - ten Exiſtenz als Korall auftritt, und die - ses als eine Triplicität der Functionen und Materien beſteht, welche sich als Kreislauf ausdrükt, so sehen wir hier schon zum[Voraus], daſs das, was in den spätern vorkommenden Organisationen als Kreislauf wird ausgebildet werden, ei - gentlich ein Nachbild des Synthetischen dieser Naturfunction, der Korallenwelt iſt. Diese sind das erſte Lebendige der Natur nur durch den Kreislauf, daher wird die - ser in allen Organisationen das Lebendige vorzugsweise, und wie Akermann gezeigt hat, unabhängig von den andern Syſtemen sein, und wegen seiner Erſtheit allen ü - brigen als das Ernährende zu Grunde liegen.

Das Flüssige hat keine eigne selbſt - ſtändige Form, es wird nur durch das Fe - ſte getragen, dieses aber, als einen Orga -nis -56nismus mit dem Flüssigen bildend, iſt nothwendig Gefäſs; daher fangt jede Or - ganisation mit dem Gefäſsbau an, ver - mittelt durch erdische und metallische Action.

Das Metall iſt die secundare Erde, es iſt in diese wie eingegoſſen, da es nur nach einer beſtimmten Richtung, nach der mag - netischen projicirt iſt, die Erde aber iſt das Universale aller Materien, die nur durch ſie Haltung und Stelle erhalten, ſie iſt das Behältniſs aller Materien, daher iſt sie es auch in den organiſchen Reichen, dem getreuen Nachbilde des groſsen Na - turreichs. Gemäſs der Erdaction erhält der Organismus seine[Begränzung], seine Bedekung, gemäſs der Metallaction sein determinirtes ſtarres Syſtem, und gemäſs der galvanischen Function, oder dem ei - gentlich Synthetischen der Korallenwelt, das Gefäſssyſtem.

Bedekendes, ſtarres und Gefäſssyſtem liegen also auf der positiven Seite der Natur, dieſe hat aber in sich das Princip der Zeit, der Bewegung, daher werden auchdie57die drei genannten Syſteme im Organischen die eigentlichen Organe der Bewegung sein, und nun wird man einsehen, daſs die Bewegung die Polypen nicht zu Thie - ren ſtempelt.

Die Bewegung iſt nothwendig durch das Synthetische vermittelt; das Gefäſssy - ſtem iſt daher das primare Bewegungssy - ſtem, das ſtarre aber und das bedekende sind das secundare, man kann auch jenes das active, dieses das passive nennen.

Es wird sich erſt später ganz deutlich[zeigen], daſs das männliche Geschlecht die positive Reihe der Natur in sich repräsen - tirt, das weibliche die negative, wir kön - nen daher die Korallenwelt im genaueſten Sinne die männliche Organisation nennen, und so fängt aller Organismus, ja selbſt alle Natur mit der Männlichkeit an. Das männliche Geschlecht iſt durch die ganze Natur das belebende oder zeugende. Dem weiblichen iſt das Geschäft der Pflanze, die Ausbildung durch den höhern Cohä - ſionsproceſs übertragen.

Die58

Die Vermehrung der Polypen iſt da - her als eine bloſs männliche Function auf - zufaſſen; ſie zerfallen in einzelne Punkte, ein wahres Zerflieſsen des männlichen Samens in mehrere Theile, wo jeder schon für sich das Synthetische des Orga - nismus repräsentirt, und daher das Unor - ganische sich aneignet, um so wieder ein Polypenſtamm zu werden. Die Infusorien sind daher der Samen für alle Organisatio - nen, und ohne sie kann keine hervorge - bracht werden.

Nach derselben Ansicht sind Bedekung, feſtes und Gefäſssyſtem die männlichen Or - gane; diese werden daher in dem männ - lichen Geschlechte vorzugsweise ausgewirkt sein, hingegen im weiblichen müssen sie von den Organen der negativen, expan - siven Reihe beherrscht werden.

II.59

II. Figur. Sphære Vegetatismus Pflanze.

Wie die Korallenwelt nur ruhet auf Erde und Metall, so diese auf Luft und Schwefel; alle Processe der Pflanze sind entweder Luft Licht-Wärme - oder elec - trische Proceſſe, denn Pflanze = Licht3 oder Schwefel2. Die Organe der erſten Action sind die Oberflächen, die der lez - ten aber die Blätter als die tafelförmigen Electrophore, die jede electrische Verände - rung der Natur aufs genaneſte anzeigen, die Synthese endlich, welche der Gallerte der Korallen entspricht, sind die Blüten; sie gehen durch alle Differenzen des Lichts und vermitteln die Vermehrung der Pflanzen vorzugsweise.

Obgleich die Pflanze ganz der Luft hin - gegeben iſt, und sie in unaufhörlichen Luftproceſſen, in Einsaugungen und Aus - dünſtuugen Leben erhält, so iſt ſie doch als Organismus der negativen Reihe ge - gründet auf die Erde, als das Erſte der Materie, und daher in diese feſtgewurzelt, wodurch sie alle Selbſtſtändigkeit verloren,im -60immer nur durch fremde Influenz wirksam sein kann. Das Korall iſt zwar auch an die Erde gefesselt, aber diese iſt ihm nicht eine fremde Welt, es iſt ja die Erde selbſt, nur zum Organismus geſteigert, da hingegen die Pflanze die organisirte Luft iſt.

Die Pflanze iſt ganz weibliche Natur; iſt nun von selbſt klar, da sie das Entge - gengesezte der Polypen, des Positiven, des ursprünglich Activen iſt. Wenn sie in der Blüte männliche Organe zeigt, ge - schieht es auch blos wegen der Unselbſt - ſtändigkeit dieser Naturreihe, die selbſt, um nur auf weibliche Art wirken zu kön - nen, die Influeuz der Infusorien nöthig hat; die Stanbfäden ſind daher nur in so - fern in der Pflanze, insofern das Negative ohne Positives nicht beſtehen kann, inso - fern der Diameter zum Wesen des Kreises nothwendig iſt, Wegen dieser Fremdheit werden auch die männlichen Geschlechts - theile der Pflanzen sogleich abgeworfen, so - bald sie die weiblichen in Action gesezt haben, und nun iſt die Pflanze in der Sa -men -61menkapsel ein durchaus weiblicher Orga - nismus.

Vom erſten Regen an iſt die Natur schon wahrhaft doppeltes Geschlecht, aber sie iſt es immer getrennt, und erſt in dem Korall und in der Pflanze gelingt es ihr, wenigſtens die Factoren Eines Ge - schlechtscharakters zu vereinigen, bis es ihr endlich erſt im Thiere ganz gelingt, beide Geschlechter selbſt auf Einen Stamm zu pfropfen. Weiter kann die Natur nichts mehr hervorbringen, da sie ja die höchſte Synthese hervorgebracht hat, und keine Materien mehr enthält zu neuen Synthe - sen, aber auch weiter zurük kann sie nicht gehen, als auf zwei Factoren des Geschlechts; so von den Korallen zu Me - tall und Erde, von den Pflanzen zu Schwefel und Luft, denn so bald zwei solcher Factoren vereinigt sind, iſt ein Ge - schlecht, iſt ein Organismus da: lägen vor den Erden und der Luft noch mehr Na - turmomente, so müſsten sie ja selbſt schon Synthesen sein, und so wäre die Luft schon der weibliche Organismus, folglich die Pflanze, und mithin das dieser orga -ni -62nischen Luft zu Grunde Liegende schlecht - hin nichts anders, als die eigentliche Luft und der Schwefel. Es giebt daher absolut nur sechs unorganische Naturmomente, und ebenso nothwendig nur drei organi - sche, da ja ihre erſte Vereinigung schon Organismus iſt, die Synthesirung aber nur drei Richtungen zuläſst, die männliche, weibliche und einen Zwitter.

Wie in der Luft und im Schwefel das Feuer seine Arbeitsſtätte hat, so wieder in den Pflanzen; wie jene so sind aueh diese Nichtleiter, und zwar für Wärme wie für Licht sehr vollkommen, denn die grüne Farbe iſt die totale Ruhe, die Mitte aller Lichtaction; daſſelbe gilt von der Electri - cität.

Insofern die Pflanze der Luft und der Erde hingegeben iſt, kömmt ihr eine Func - tion der Oberfläche, der Rinde, der Haut zu; die Hantfunction iſt daher die erſte in der weiblichen Reihe; Inſofern sie der Electricität nachgebildet iſt, hat ſie beson - ders den Blätterbau, der nothwendig von der Function der Rinde verschieden iſt;die63die Synthese beider aber entspricht dem Kreislauf der Korallen, iſt folglich das Ge - fäſssyſtem, aber da der Pflanzencharakter der entgsgengesezte des Galvanismus iſt, und dieser nur in geschloſsener Kette wirkt, so konnte das Gefäſssyſtem der Pflan - zen nicht ein in sich selbſt zurükkehren - des sein, sondern nur mit fremden Polen, mit Luft und Erde einen Galvanismus bilden. Nirgends zeigt sich die Feindschaft des Galvanismus und der Pflanzen auf - fallender, als wenn eine der leztern in die Kette der voltaischen Säule gebracht wird; ihr Wachsthum gewinnt dadurch nicht nur nicht an Energie, sondern nimmt so - gar eine umgekehrte Richtung, indem der Vegetationsproceſs direct gehemmt wird: Freilich sind die Versuche noch nicht mit der gehörigen Abwechslung gemacht, daſs man diesen Gegensaz in der Erfahrung für conſtant annehmen könnte.

Man kann füglich das Kreislaufsyſtem der Pflanzen ein Lymphsyſtem nennen, da nir - gends für dieses ein Centralorgan iſt, welches ihm galvanische Natur mittheilte, es iſt daher ewig vergebens in den Pflanzen ein Herz zu suchen, da dieses als ein Attribut desGal -64Galvanismus nothwendig verschwindet, wo er zerſtört iſt.

In den Pflanzen haben wir nun wie - der drei Syſteme, das Haut-Blat - und Lymphsyſtem. Das erſte iſt das direct Heterologe der Bedekung, das zweite des ſtarren Syſtems, das dritte endlich des Kreislaufs. Da der Charakter des Lymph - syſtems ein secundarer, ein weiblicher iſt, so folgt unmittelbar, daſs es nicht das Ge - schäft der Reproduction über sich hat, was ſich in der Folge noch deutlicher zeigen wird. Die Pflanzen ſind es auch gerade, welche, freilich gegen die allgemein ange - nommene Meinung, nicht eine Spur von Reproduction zeigen, denn ein abgeschnit - tener Theil, sei es Blatt, Zweig, Blüte oder was ihr wollt, ſtellt ſich nimmermehr her. Ein Fortwachsen ſind ſie, aber kein Reproduciren irgend eines ver - lezten Theils, ſtatt deſſen treiben andere Schöſslinge hervor.

Die Eintheilung der Pflanzen kann nicht zunächſt von den Geschlechtstheilen ausgehen, sie muſs sich vorzüglich aufdie65die Blüte und Blätter legen; im Ganzen aber sind alle Pflanzen nur Metamorpho - sen der Syngenesie hier iſt vereinigt, was in den andern zerfallen blüht; die Bedeu - tung der Fünfzahl, den Pflanzen so unab - änderlich heilig, muſs auch noch in der Mathesis ihre Auflösung finden, sie liegt ohne Zweifel unter dem aus Pentagonen beſtehenden Dodekaeder, als der kryſtal - lisirten Sphäre, verborgen.

Wir haben nun vier organische Func - tionen nachgewiesen, welche den vier un - organi schen, polaren vollkommen entspre - chen, die beiden synthetischen aber sind schon der organischen Welt eigenthümlich, der Kreislauf dem Korall, das Lymphsy - ſtem der Pflanze.

Es fehlt uns nur noch ein Organis - mus, der die Function des Waſſers und des Salzes nebſt ihrer Synthese aufweist, dieser aber kann, wie begreiflich, nur ein synthetischer sein.

EIII.66

III. Figur. Synthese des Konus mit der Sphære, Animslismus Thier.

Diese Function iſt die Synthese des Koralls und der Pflanze und mithin der ganzen Natur. Es muſs sich daher alles in ihr wiederholen, was wir bisher als po - lare oder als indifferente Function gefun - den haben. Sie iſt die höchſte, lezte Blüte der Welt, sie sieht, indem sie sich er - blikt, die vereinten Glieder der Natur, und indem sie diese sieht, erblikt sie ewig nur sich selbſt zerlegt.

Eigenthümliche Syſteme müſſen sein, Bedekung, ſtarre Organe, Kreislauf, dann Haut, electrisches Organ und Lymphsyſtem, zu diesen müssen noch kommen der Pro - ceſs der Waſſerbildung (Schwereproceſs), der Chymismus und ihre Synthese, so daſs diese neunte Function durch neun Grund - syſteme vollendet, über aller Natur, über allen einzelnen Syſtemen erhoben ſteht dieser Organismus heiſst Thier.

Eh67

Eh ich weiter gehe, muſs ich auf das Ideale des Thiers aufmerksam machen. Ich habe gezeigt, daſs allen Hauptmate - rien der Natur ein eigner Geiſt vorſteht, der sich bei den Erden als Cohäsion, bei der Luft als Feuer, beim Waſſer als Schwe - re, beim Metall als Magnetismus, beim Schwefel als Electrismus, und beim Salz als Chymismus offenbaret, ja selbſt in dem erſten Momente der organischen Welt sa - hen wir die über dem Korall thronende Naturthätigkeit als Galvanismus; in den Pflanzen habe ich zwar das geiſtige Phe - nomen der Pflanzenwelt Vegetatismus ge - nannt, aber ich muſs es noch als Problem ſtehen laſſen, welches diese eigne der Pflanzenwelt entsprechende Naturthätig - keit sei, indessen bin ich durch die Wis - senschaft feſt überzeugt, daſs eine solche müſſe vorhanden sein, aber in der Erfah - rung finde ich durchaus keine Belege da - zu, und selbſt nicht einmal eine Aeuſſe - rung, wodurch man auf den Gedanken, eine solche Action zu vermuthen, kommen könnte. Mögen daher die Pflanzenphy - siologen darauf bedacht sein, dieses Phe - nomen aufzufinden.

E 2Bei68

Bei dem Thiere aber halt ich dafür, daſs der Mesmerismus (der unrecht und ungerecht sogenannte thierische Magne - tismus) dieser Geiſt sei, welcher als Ani - malismus über dem Thierreiche schwebt wie der Magnetismus über den Metallen, und die bisher so geheimniſsvollen Pheno - mene bei[Menschen][und] Thieren, wo - hin ich vorzüglich den Trieb der Zugvö - gel und der Zugfische, und den Trieb zum Win terschlaf rechne, hervorbringt.

Es hebt ſich aus der Stelle, die das Thier in der Welt einnimmt, von ſelbſt heraus, daſs es beide Geschlechter zugleich in ſich trage, da es die Synthese der männ - lichen Korallen und der weiblichen Pflan - zen iſt; auch iſt die Frage gelöst, warum das Geschlecht an zwei Individuen geknüpft sei, denn es iſt ja nichts anders als die durch die ganze Natur greifende Zweiheit, ja der Anfang der Natur ſelbſt iſt ſchon getrenntes Geſchlecht, nur getrennter je unorganiſcher ſie iſt. Der Act der Begat - tung iſt daher die höchſte Synthese der Natur als Geschlecht, und exiſtirt nur im thierischen Organismus, der allein beideGe -69Geschlechter unter Einer Form, obgleich diese zerspalten, vereinigt, und daher der alleinige Zwitter im philosophischen Sin - ne iſt.

Die Geschlechtsfunction iſt keine po - lare, ſondern eine wahrhaft totale, die das ganze Thier in ſich faſst, aber doch iſt ſie nicht die höchſte Synthese des Thiers, da ſie immer und ihrem Weſen nach an zwei gesonderte Organe gebun - den iſt; ſie iſt die Totalität des Thier - reichs, oder die Totalität des Thiers - in der Differenz, wie das Thier selbſt die höchſte Totalität in der Identität ſein wird. Jene Totalität in der Diffe - renz oder die Indifferenz iſt die ob - verſe Identität des Thiers.

Die Begattung iſt der höchſte ſynthe - tiſche Act des Thierreichs, in dem männ - liches und weibliches Princip zu Einem Individuum werden. Ich glaube zeigen zu können, daſs die ſogenannten Ovula in den weiblichen Hoden nicht die ge - ringſte Analogie mit den Eiern der Vögel haben, daſs das Amnion und Chorionnicht70nicht die präexiſtirenden Häutchen dieser Eier seien, daſs nach dem Begattungsacte zuerſt die Veſicula umbilicalis und die Al - lantois entſtehen, nach dieſen Chorion und Amnion, daſs aus der Veſicula umbili - calis die Därme hervorwachſen, aus der Allantois der Urachus, die Harnblaſe, die Nierendrüsen und Nieren, daſs durch die - se Organe die erſte Ernährung des Embryo vermittelt sei, daſs mithin im ſtrengſten Sinne der Emcryo erſt nach den Hüllen entſtehe, daſs er wahrhaft aus der Nabel - schnur hervorgewachſen, daſs er nur eine Verlängerung, Erweiterung, Kryſtallisirung dieser sei, daſs endlich der Verdauungs - proceſs als Veſicula umbilicalis, der Ath - mungsproceſs als Placenta uterina zuerſt und auſſerhalb des Embryo vorhanden, und deſſen Entſtehung allein durch diese beiden Proceſſe möglich ſei; ſo ſind die Synthesen der Natur, Magen und Lunge die erſten Organe des Embryo, die aber abgeworfen werden, so bald die Proceſſe in dem nun gebildeten Embryo ſelbſt möglich ſind.

Wir71

Wir haben nun die Syſteme im Thie - re nachzuweisen, was nach dem Voraus - geſchikten nicht mehr ſchwer sein kann, da wenigſtens die polaren zum Theil ge - nannt ſind.

I.72

I. Stuffe.

1. Function. Reflex der Erde Bedekung.

Der Repräsentant der Erde, der Rinde des Koralls, iſt die Bedekung. In allen Thieren iſt diese deutlich als vollkommene Erde ausgewirkt; die Röhre der Würme, die Schale der Schneken, das Horn der Inſecten, die Schuppen der Fiſche, die Federn der Vögel, die Haare und das Ober - häutchen der Säugthiere, welches nach chymischer Analyse, nicht ohne Ueberra - schung des[Eintreffens] der Natur mit un - serm Syſteme, ganz aus derselben hornarti - gen Masse, wie die Schuppen etc. be - ſteht, ſind laute Beweise für diesen Saz.

Wenn die Materia medica eine wis - senschaftliche Bedeutung erhalten soll, so müssen die Pharmaka sich in so viele spe - cifische Klassen theilen, als Materien inder73der Natur, und als Functionen im Thier - reiche gefunden werden. Da aber alle Sy - ſteme des Thiers Reflexe der unorganischen find, so muſs es nothwendig für jedes Syſtem ein homologes Pharmakon geben, welches wir Specificum nennen wollen. Diejeni - gen Materien, welche dem Vorbilde eines organischen Syſtems entgegengesezt ſind, müssen es auch diesem selbſt ſein; ſie können in dieser Hinſicht Antidota ge - nennet werden. Es zeigt ſich daher, daſs die Naturphilosophie nicht, wie viele, die we - der ihren Geiſt noch ihre einzelnen Glie - der kennen, ihr voreilig zur Laſt legen wollen, die Arzneimittellehre auf wenige Mittel reducire, da ſie vielmehr gegen den Willen der ihr feindlich entgegengeſez - ten Meinung, weder bei der Brownischen Zweiheit, noch bei irgend einer chymi - schen Eintheilung ſtehen bleibt, ſondern mit Ueberzeugung die von allen Zeiten, vorzüglich aber von dem weisen Alterthum, erkannten Specifica und Antidota hervor - ruſt, ihnen aber eine Anordnung giebt, welche mit der Gliederung der organischen und unorganischen Syſteme zuſammenfällt, und nicht von äussern zufälligen Aehn -lich -74lichkeiten, worinn gewiſſe Materien in Farbe, Form. Härte, u. dergl. mit Orga - nen des Thiers übereinkommen, welches nur die erſten Spielereien der Wiſſenſchaft waren, hergenommen ſind.

Als die gleichen Pharmaka für das Be - dekungssyſtem der Thiere, müſſen nach unserer Anſicht die Erden geſezt werden, in die gleiche Reihe fallen die Metalle als das zweite, und die Korallen als das dritte Specificum, endlich dasjenige, was in den Pflanzen und den Thieren als Er - digkeit zurükgeblieben. Diese Pharmaka ſind homogen mit dieser Function, und werden ihr daher, je nachdem ſie ein - heres oder ferneres Specificum ſind, mehr oder minder Energie geben, aber immer erhöht jedes dieser Mittel ihre Thätigkeit.

Das erſte Antidotum iſt die Luft, das zweite der Schwefel, das dritte das Pflanz - liche in der Pflanze. Diese, werden der Energie dieses Organs entgegenwirken, ſie werden es zur Thätigkeit, zum Widerſtand aufreizen, ohne ihm selbſt einen Zuſchuſs von Kraft zu geben.

II.75

II. Function. Reflex der Luft Haut.

Das Nachbild der Luft, der Rinde der Pflanze iſt die Haut, als das Ausdün - ſtungsorgan des Organismns; es bedarf keines Beweises, da diese hinlänglich als solches bekannt iſt. In dem Hautorgan ge - hen vorzüglich, die Wärme - und Electrici - tätsproceſſe, wie auch die des Vegetatis - mus vor ſich, ſie iſt durchaus ein Luft - organ.

Das gleiche Pharmakon iſt Licht, Wärme und Luft, das gleichliegende zweite die Electricität und der Schwefel, das dritte das Pflanzliche in der Pflanze, auch äthe - riſche Oele, milde Oele, Harze, Kampfer, etc., die ungleichen entgegengeſezten ſind Erden. Metalle etc. Was die Metalle auf die Haut vermögen, iſt jedem Arzte be - kannt, so wie andererseits die Wirkungen des Schwefels, der Schwefelbäder etc. auf dieselbe. Die Hautkrankheiten, welche durch Metalle, als Zink-Braunſtein-Quek - ſilber - Wismuth - Oxyde geheilt werden. müſſen76müſſen aus luxurirender Hautfunction ent - ſprungen sein, die aber, welche durch ſchwefelartige Arzneien gehoben werden, müſſen von unterdrükter Hautfunction entſtanden ſein.

III. Function. Reflex des Waſſers Lunge.

Hier entſteht nun ein Organ, das noch in keinem der vorigen Organismen gefun - den wurde, es iſt das Gleichbild des Schwere-Oxydations Waſſerproceſſes, aber auch so deutlich als ſolcher dargeſtellt, daſs man beim erſten Blike erräth, es iſt die Lunge.

Diese iſt daher das erſte ſynthetiſche und auch das erſte eigentlich thierische Organ, weder Pflanzen noch Korallen ha - ben dieſen Proceſs, da ſie vielmehr die entgegengeſezten in ſich auszubilden su - chen. Er iſt Repräsentant des ausgebrei - tetſten, thätigſten Proceſſes der Natur, durch den, wie wir sahen, alle Actionen hindurch gehen müſsten; daher iſt auch das Athmen der Hauptproceſs der Thiere,und77und ohne es ſteht der ganze Organismu - ſtill, da kein Galvanismus ohne Flüſſigkeit möglich, und doch der Waſſerbildungspro - ceſs im Athmen zu einem Thierischen po - tenzirt iſt.

Das Athmen iſt kein polarer oder Luftproceſs, wie man ſich etwa denken möchte, denn das Säureprincip, welches die Luft begeiſtet, iſt wahrhaft ein Synthe - tisches, und nur der Geiſt des Waſſers: dieſer iſt es auch ohne Zweifel ganz allein, welcher ans Blut tritt, und keineswe - ges der ſogenannte Sauerſtoff oder die Wassersäure selbst, denn die Luftver - minderung während des Athmens kann nebſt dem, daſs ſie noch lange nicht er - wieſen iſt, sehr wohl daher kommen, weil ſie durch die Entgeiſtung in einen andern Schwere - und Cohäſione-Zuſtand versezt wird, daher der Rükſtand Stikgas, als die des Säure - oder Schwereprincips beraubte Luft, und Kohlenſäure, als wahrſcheinli - ches Product des Athmens, iſt. Das Stikgas wird daher nicht in den Athmungsproceſs aufgenommen, da es nur durch dieſen erzeugt, erſt nachdem das Athmen vor - über iſt, Stikgas iſt.

Ver -78

Verſuche an Thieren und Erfahrungen der Chymie über das arteriale und venose Blut beweisen ſchon für ſich, daſs das Herz eine doppelte Erregbarkeit beſize, daſs das linke Herz nur von arterialem, das rechte nur von venoſem Blute zu Contractionen ge - reizt werden könne. Die beiden verwach - senen Herzen, ſind wahrhaft zwei galvani - sche Platten, wovon jede einen entgegen - gesezten Pol repräsentirt: das rechte Herz als die Zinkplatte, kann daher nicht durch arteriales, das linke als die Silberplatte, nicht durch venoses Blut erregt werden, am widersprechenden aber iſt ein Herz, in dem beide Blutmaſſen ſich vereinigen müſs - ten, wie es die Anatomen und Phyſiolo - gen von dem Herzen der Amphibien glau - ben, obgleich unter allen man nur den Bau des Herzens der Schildkröten erträg - lich kennt, bei den andern aber, als Frö - schen, Schlangen, Eidechsen, man darum auf eine einzige Herzkammer ſchloſs, weil die Zusammenziehungen bei lebendig ge - öffneten nur eine solche einfache Höhle zeigten. Eine genauere Anatomie, und eine genauere Beobachtung des Kreislaufs dieser Thiese, wird uns eines Beſſern be -leh -79lehren, wozu Plumier schon so vielver - sprechende Thatsachen geliefert hat.

Die Pharmaka der Lunge ſind Sauer - ſtoff, Waſſer, Salze, und die diesen ent - sprechenden vegetabilischen und thierischen Subſtanzen, als Gummen, ſchwache Säu - ren, etc. daher ohne Zweifel die Sehnſucht der Lungenſüchtigen nach säuerlichem Ge - tränke, daher der ſtärkere Durſt bei ver - mehrter Lungenaction etc.

Die Antidota ſind die Erden und die Luften, auch Metalle und Schwefel, doch ſind diese alle[nur] schiefe Entgegensezun - gen, da der Oxydationsproceſs eine Syn - these iſt. Waſſerſtoffgas, Kohlensäure zer - ſtören den Reſpirationsprocess, Schwefel beengt das Athmen, droht Erſtiken etc.

II.80

II. Stuffe.

IV. Function. Reflex des Metalls Knochen.

Das Nachbild der Metalle, des Kerns der Korallen iſt das Knochensyſtem; seine beſtimmte magnetische Form, sein Kryſtal - liſirtsein im Innern, wo es von der erdigen Bedekung umgeben iſt, sprechen genug dafür. Wie die Bedekungen, die Röhren, Schalen, Panzer noch ins Weite ſich ver - aufen, so ſind die Knochen schon ganz von determinirter Figur und metallischer Geschmeidigkeit, da ſie die zweite Stuffe der Erden abbilden: daher iſt es nur un - eigentlch gesprochen, daſs die niedern Thierklassen, wie Würme, Schneken und Inſecten, ihr Knochensyſtem nach Auſſen hätten, denn was man bei ihnen ein äus - seres Knochensyſtem nennt, iſt nichts we - niger als dieses, sondern das wahrhaft er - dige Bedekungssyſtem die Knochenſind81sind in allen Thieren, wo sie sind, nach Innen angeſchoſſen = Bedekung2.

Auf ihnen ruhet das ganze Syſtem der weichen Organe des Thiers, sie geben den Thieren die Totalform, welche sich vor - züglich in ſymmetriſcher Anordnung aus - prägt.

Die gleichen Pharmaka der Knochen sind die Metalle, die entfernten die Er - den etc., die Antidota sind Schwefel, Luft etc.

V. Function. Reflex des Schwefels Leber.

Das Gleichbild des Schwefels, des Electrismus, der Blattfunction ist im Thier - reiche nicht so leicht nachzuweiſen; ich nehme die Leber als das gallabſondernde Syſtem dafür an, und gebe indeſſen zu Gründen, die Galle, welche sich offenbar an die Inflammabilien durch ihre Beſtand - theile, durch ihre Harzigkeit, und selbst durch die Inflammabilität des sogenanntenFGall -82Gallſtoffes anſchlieſst, folglich ein Product von electriſcher Natur iſt; dann die Ho - mogeneität der Leber mit der Haut, welche sich auffallend in der Gelbſucht, und eben so in der Fettproduction, einem offenba - ren Hautproceſs erweiſt, da nach Himly’s Un - terſuchungen die Leber fetter Menſchen und Thiere eine ähnliche Metamorphoſe zu Fett, wie die Haut zu erleiden scheint; nun gehört aber doch ohne Zweifel Fett unter die Rubrik der Oele, folglich der Inflammabilien, deren Ideal Schwefel ist. Die Gallenruhren nach Hauterkältungen bei groſser Hize sprechen auch für eine sehr nahe Verwandſchaft dieſer Organe, und endlich die Wirkung der Pharmaka, wo die Inflammabilien, die doch zur elec - triſchen Reihe gehören, als ätheriſche Oele etc., so auffallend auf die Leber wir - ken, dagegen die Metalle, als Mercuria - lien, Antimonialien, ihre wahren Antidota sind, worüber wir zuverſichtlich durch die Metallverſuche, welche Marcus anſtellt, in den Jahrbüchern der Medicin mehr Licht erhalten werden. Später aber wird es sich aus dem totalen Durchgreifen dieſes Or - gans in derjenigen Thierklaſſe, welche vor -zugs -83zugsweiſe dieſe Stelle in der Natur einnimmt, augenſcheinlicher zeigen, daſs die Leber = Haut2 ist.

Die Specifica sind Inflammabilien, ver - brennliche Luftarten und ihre Homologa. Die Antitoda ergeben sich von selbst.

VI. Function. Reflex des Salzes Magen.

Das entſprechende Syſtem des Chymis - mus, der Salze sind ohne Anſtand die Ver - dauungsorgane. Der Magenſaft verhält sich ganz und gar zum Organismus, wie die Salze, wie das Meerwaſſer zu den übrigen Materien der Natur, nemlich als auflöſen - des, zerſtörendes, tödtendes Medium. Wie der Chymismus das Synthetiſche, und da - her der durchgreifende Proceſs auf der zweiten Stuffe ist, so auch die Verdauung. Durch sie bemächtigt sich der Organis - mus der fremden Natur, und zwingt sie in seinen eignen Dienst zu treten, sie ver -F 2bin -84bindet sich mit dem Athmen, mit dem Oxydationsproceſſe, und unter der Leitung dieſer beiden geſchieht alles, was in dem Thier als bloſsem Organismus vorgeht.

Der Aſſimilationsproceſs ist anfänglich ein blos chymiſcher, alle Qualitäten der Spei - sen zerflieſsen in die Qualität des Magen - saftes, doch ist aber dieſe Auflöſung, un - geachtet sie unter der Function des thieri - schen Chymismus steht, immer auf der Seite der Weltmaterien, auf der die Spei - sen vor ihrem Verſchluken waren, so wie eine Goldauflöſung auch in ihrer durch - sichtigſten Klarheit immer aufgelöſtes Gold und nicht Blei oder Erde in dieſem Zu - stande ist. Sobald der Chylus dem Blute übergeben ist, verwandelt sich der chymi - sirende Proceſs in den der Oxydation, und so sind es diese beiden homologen, syn - thetiſchen Proceſſe, durch die das Thier wie die unorganiſche Natur erhalten wird: Ernähren aber ist fortgeſetztes Erzeugen, daher wird ein Licht auf obige Behaup - tung znrükgeworfen, daſs der Embryo ur - sprünglich aus dem in der That vor ihm exiſtirenden Verdauungs - und Athmungs - proceſſe hervorgebracht werde,

An85

An den Verdauungsproceſs schlieſst sich an die Action der Milz, und der Harn - werkzeuge; da der Magen die aufgeſtiege - ne Lunge, die Lunge2 iſt, so hat ihn der Oxydationsproceſs wegen der chymiſchen Function des Magenſaftes begleitet, und dieſe Oxydation, dieſes Athmen des Magens iſt vermittelt durch die Milz. Dieſe ist die Lunge des Magens oder der Magen selbſt, in - dem er noch Lungenfunction hat. Die Milz - krankheiten sind daher wahre Lungen - krankheiten, und wirken auch auf den Organismus eben so, indem sie die Schwind - sucht hervorbringen. Ohne Zweifel hängt in sehr vielen Fällen Dispepsie, Ructus, Vomitus etc. von unterbrochener oder auch vor zu starker Athmung des Magens durch die Milz ab, und häufig sind die soge - nannten reinen Fieber Phenomene der so treffend genannten, aber noch unmerkli - chen Phthisis lienalis; die Fieber - rinde scheint homolog mit der Milz zu sein.

Die Milz scheint nur in denjenigen Thieren vorhanden, welche nach Entſte - hung der Lunge geformt sind, und ener -gi -86giſcher in denen, die nicht in die Rei - he des Athmungsproceſſes fallen, alſo in den Vögeln, Fiſchen und Säugethieren; bei den Amphibien iſt sie noch im Streit, da einige die am Gekrös hängende Drüſe für Pankreas, andere für Milz halten, wenn aber die Milz den Oxydationspro - ceſs des Magens unterhält, so muſs sie auch an dieſem hängen, oder wenigſtens durch Gefäſse an ihn reichen, dieſes habe ich aber nicht an der Gekrösdrüſe der Am - phibien gefunden, und keine Zeichnung spricht dafür; zudem iſt die Milz in allen Thieren in der Nähe des Magens und com - municirt mit ihm durch Gefäſse. Nebst dieſer Gekrösdrüſe aber iſt noch ein ander - res Organ in mehren Amphibien, wel - ches theils an dem Magen, theils an den Därmen feſtklebt, dieſes könnte wohl die Stelle der Milz vertreten, aber in jedem Falle iſt sie verhältniſsmäſsig klein, daher der Magen der Amphibien, als die zweite Potenz des Oxydationsproceſſes, dieſen gröſstentheils in sich aufgenommen zu ha - ben scheint, und so eine Verkleinerung der Milz ertragen kann. Auch iſt dieſes da - durch plauſibel, daſs der Speichel schonso87so viele tödtende Kraft besizt, die ihn ei - ner fernern ſtarken Oxydation überhebt.

Mit den Nieren iſt es einigermaſsen der umgekehrte Fall. Sie sind selbſt als das Ende des Magenproceſſes auch eine synthetiſche Function, und zwar, wie im Magen die auflöſende Thätigkeit iſt, so iſt in den Nieren die präcipitirende, jene So - lutio, dieſe Praecipitatio. Nieren - action und Nierenkrankheiten sind daher homolog der Verdauungsaction und ihren Abſtuffungen, wie aber hier der anfangen - de Chymismus leidet, so dort der endende. Wenn die Salze die Specifica des Magens sind, so müſſen sie es auch für die Nie - ren sein, aber in jedem Falle sind dieje - nigen, welche dem Fällungsproceſſe des Herns parallel gehen, andere als die, wel - che die Verdauung erigiren.

Wie sich Verdauen und Athmen paral - lel gehen, so auch Knochen und Bedekungs - syſtem, welches sich erst in der Folge auf - fallend zeigen wird; je mehr dieſe heraus - gehoben, deſto unterdrükter die Hautfun - ction. Auch Leber und Haut sind sichpa -88parallel, beſonders in den Thieren, welche der Leber oder der Haut nachgebildet sind.

Die Salze sind nun als verdauungsbe - fördernde Mittel bekannt, da sie homolog mit dem Magen sind. Die Metalle aber Erden, Schwefel und Licht sind die Fein - de derselben; er sucht sie zu tilgen, da - her weken sie ihn zur Thätigkeit auf, aber machen ihn nicht energiſcher. Was die Alten so Wohlthätiges in den Salzen für den Magen sahen, muſs, ungeachtet des abschrökenden Miſsbrauchs, der wegen zu groſser Quantität damit getrieben wurde, wieder zur Sprache gebracht werden. Na - türlich wird der Magen durch zu viel Salz geſchwächt weil es ihn zu viel Ma - genſaft abzuſondern zwingt, und ihn so erſchöpft. Aber müssen denn die Salze immer lothweiſe gegeben werden? Ihr heilt doch mit Kali aceticum, wenn ihr mäſsig damit seid, die Waſſerſucht ganz gegen eine Theorie; ihr müſst selbſt ge - ſtehen, daſs die gedankenlos übertriebene Laxiermethode doch nicht so viel gescha - det hat, als das eben so gedankenlose Opium Eingeben; dieses mit den Grün -den89den der Wiſſenſchaft verbunden wird die Salze in ihr altes Recht wieder einſezen, aber vorſichtiger mit Maas und Gewicht bezeichnet, als in verfloſſenen Zeiten.

III. Stuffe.

VII. Function. Reflex des Koralls Kreislauf.

Wir kommen nun zu den Organen der dritten Stuffe, welche eigentlich dem Korall und der Pflanze entſprechen. Das Syſtem, welches dem erſten nachgebildet ist, kennen wir schon als Kreislauf, als den wahren thieriſchen Galvanismus.

In dem Kreislaufe liegt das Princip des Lebens für das Thier; das Herz iſt der galvaniſche Konus, der durch ſeine heterogenen Platten als die beiden Herz - kammern, und durch das Blut in raſtloſer Thätigkeit erhalten wird. Die Herzkam - mern sind sich heterogen, wie die beiden Metallplatten der voltaiſchen Säule, und können daher nie durch denſelben Reiz zur Contraction gebracht werden; venoſes Blut kann nicht für die linke Kammer,ar -90arterioſes nicht für die rechte Reiz sein; daher kann es nicht nur kein Thier ge - ben, in deſſen Herzen sich beiderlei Blut miſchte, wie ich oben von den Amphibien erzählte, sondern auch nie einen Zuſtand irgend eines Thiers, wo dieſes Statt fin - den sollte. Vom Fötus glauben viele, er habe im ganzen Körper gleichartiges stark des - oxydirtes Blut, das von allen Theilen in die rechte Vorkammer flieſse, um sich da zu miſchen, wovon ein Theil durch das ovale Loch nach der linken Vorkammer dringe, und so beide Herzen durch einer - lei Reiz zur Contraction gebracht werden: aber so wenig als gleichartige Metalle die geringſte Action hervorbringen, so wenig kann ein solches Herz in irgend einem Leibe sein, und eben so wenig kann ein Herz beſtehen, in dem blos Blut von Ei - ner Natur vorhanden wäre, denn, wenn durch es auch eine Vorkammer zur Con - traction gezwungen würde, so müſste es gerade deswegen in der andern stokend den Kreislauf aufheben. Das Blut im Fötus muſs daher nach allem, was nur die Phyſiologie und die Chymie je Ratio - nales herausgebracht haben, Säureprincipin91in der Placenta aufnehmen, und mit die - sem nicht in die rechte Vorkammer, sondern, wie es auch die Anatomie lehrt, geradezu gröſstentheils in die linke gehen, wo es als arterioſes Blut dieſe arterioſe Höhle reizt und so fortgeſchafft wird; dagegen senkt sich das venoſe Blut aus der obern Hohl - ader allein die rechte Vorkammer, wodurch nur der Kreislauf begreiflich und möglich wird.

Daſſelbe muſs in den Amphibien ge - schehen, und wenn es gleich wahr iſt, daſs alle Kammern in der Schildkröte durch Oeffnungen mit einander communiciren, so müſſen dieſe Canäle so angebracht sein, daſs durch sie doch keine Miſchung des Blutes statt haben kann. Ich bin über - zeugt, wenn man in dieſer Verausſezung ein Amphibienherz anatomirt, wird man die Canäle eben so finden, wie im Men - ſchen, wo die untere Hohlader im Fötus sich geradezu in die linke Vorkammer öff - net und in die rechte nur einen Seitenca - nal macht, wie ich es jedem in dem Her - zen der Embryonen augenſcheinlich zeigen kann.

Das92

Das Herz iſt das Princip der Bewe - gung, das ganze Syſtem des Kreislaufs iſt nichts als Bewegungsſyſtem, daher sind die Muskeln der lezte Pol des Gefäſsſyſtems, der sich als actives Bewegungsorgan an die paſſiven Knochen und die paſſive Bedekung, wie Federn, Schuppen, Stacheln, Scha - len etc. anlegt, um mit dieſen das ganze Syſtem der Bewegung, beſtehend aus den Organen der Erd -, Metall - und Korall - function, zu vollenden.

Das Blut iſt das nothwendige Mittel - glied des thieriſchen Galvanismus, und obgleich Flüſſigkeit doch wahrlich kein Waſſer; es unorganiſch nennen, heiſst ge - rade soviel, als wenn man das Waſſer noch unter das Unorganiſche herabſezen wollte, denn dieſes iſt das Mittelglied ſeiner Welt wie das Blut der organiſchen. Wer hat es denn je bewieſen, daſs nur die feſte Maſſe organiſch sein könne? geſagt finde ich es wohl von hundert Stimmen, aber nichts weiter. Hat denn das[Unorganische] nicht auch eine beſtimmte Structur, oder vielmehr, iſt dieſer starre Bau nicht eben das Unorganiſche an der Maſſe überhaupt? war -93Warum bleibt man sich denn nicht conſe - quent, und sagt auch, nur das Flüſſige iſt unorganiſch, das Feſte aber organiſch? was in Bezug auf das Waſſer und die Erde nothwendig gelten müſste. Weder das Feſte iſt organiſirt, noch das Flüſſige, bei - de mit einander können nur ein organi - sches Gebilde hervorbringen; wenn aber doch eines von beiden organiſirt heiſsen soll, so iſt es eher das flüſſige Blut, als der starre Knochen, denn der Organismus iſt synthetiſche Function.

Da der Kreislauf auf der dritten Stuffe wieder die erſte Function iſt, so greifen nothwendig alle untergeordnete sechs Fun - ctionen in ihn ein, so das Verdauungsſy - stem durch den Ductus thoracicus, das Oxydationsſyſtem durch die Lunge, der Electrismus durch die Leber, die Luft durch die Vasa capillaria der Haut, die Knochen endlich, die Parallelen der Muskeln, als der magnetiſche Proceſs, und die Bedekungen als die cohäſive Function ohnehin, da sie Integranten des Kreislau - fes sind.

Der94

Der Kreislauf iſt der Ernährungspro - ceſs, und zwar iſt er es allein; denn er iſt das erſte organiſche Syſtem, entſprechend den Polypen, den Urorganismen, die das Princip aller Zeugung, folglich auch aller Ernährung, der Vergröſserung des Gezeug - ten sind. Das Blut enthält dieſe Uror - ganismen in seiner Miſchung, und sezt sie überall da ab, wo es in den desoxydirten Zuſtand übergeht, nemlich in den Haarge - fäſsen; die Ernährung iſt daher ein galva - niſcher Proceſs.

Es gibt kein eignes Reproduc - tionsſyſtem im Organismus, ja nicht einmal iſt es eine eigne Function in ihm, am wenigſten kann es zur Syntheſe der organiſchen Thätigkeit, der Senſibilität und Irritabilität gemacht werden: Reprodu - ction iſt Vollendung des Kreislaufs, ver - möge der die bei dem Präcipitationsproceſſe als edel zurükgebliebenen Materien an die Stelle derjenigen geſezt werden, die durch das Lymphſyſtem weggenommen wurden.

Die Pharmaka des Kreislaufs ſind das Erdiſche, Metalliſche, Polypenmaſſe, unddie95die dieſen gleichenden Pflanzen - und thie - riſchen Stoffe. Die Antidota geben sich von ſelbst.

VIII. Function. Reflex der Pflanze Lymphsystem.

Dieſe Function iſt das Nachbild der Pflanzen und schon oben als Lymphſyſtem aufgeführt. Es hat keinen geſchloſſenen Kreislauf, vielmehr greift es in das Blut - syſtem ein,[und] endet, ohne in sich zu - rük zu kehren. Es iſt das wahre Wurzel - syſtem im Thiere, das einerſeits in den Verdauungscanal, wie jenes in die Erde, andererſeits in die Oberfläche der Haut, wie die Rinde der Pflanzen in die Luft, eingetaucht ist.

Es iſt in allem dem Kreislauf entge - gengeſezt, nicht nur in der äuſsern Form als ungeſchloſſenes Syſtem, sondern selbſt in seiner Action, da es nicht nur nicht die ernährenden Stoffe an die beſtimmte Stelle führt, auſser in den Kreislauf, son - dern auch raſtlos der Ernährung entgegenwir -96wirkend, alles eingeſaugt und zerſtört, was das Blut angeſezt hatte, aber eben darum den Tod der abgeſezten Theile hindert, da sie zu lange der Auſsenwelt ausgeſezt, endlich dieſer unterliegen müſsten, wenn nicht immer an ihre Stelle neue gebracht würden. Dieſes Syſtem kann nicht das reproductive genannt werden, da es gerade das umgekehrte der Reproduction iſt, und diejenigen Thiere, deren Leib ganz von Lymphgefäſsen durchzogen iſt, am allerwenigſten die abgeſchnittenen Thei - le reproduciren, wie Fiſche und Inſecten.

Die Pharmaka des Lymphſyſtems sind Luft, Schwefel, ätheriſche und andere Oele etc. Antidota sind Erden, Metalle etc.

IX.97

IX. Function. Reflex des Animalismus Nervensyſtem.

Dieſes iſt die höchſte Syntheſe der or - ganiſchen Welt, sie iſt das Charakteriſtiſche des Thierreichs, durch sie allein wird das Thier Thier, und was dieſe Syntheſe nicht in sich trägt, iſt schlechterdings kein Thier, und was kein Thier iſt, hat die Organe dieſer Function schlechterdings nicht. Es bedarf auch keines[ungewiſſen] Suchens, um dieſes Organ aller Organe als das Ner - venſyſtem, und so das Ende der Natur zu finden, alle seine Reflexe als eigenthümli - che Thierorgane zu erkennen, und so die einzelnen Functionen des Nervenſy - stems wieder zu charakteriſiren und zu ord - nen.

Als Totalſyntheſe der Natur hat dieſes Syſtem nothwendig so viele Functionen und eigne Organe, als wir in der Natur selbſt gefunden; wir gehen nun zur Nach - weisung derſelben.

Die nächſten Pole des Thiers sind Kreislauf und Lymphſyſtem, folglich zer -Gfällt98fällt es allerdings in drei Syſteme, wovon das erſte den Namen des irritablen, das dritte den des senſiblen behalten mag, aber an die Stelle des bisher sogenannten repro - ductiven muſs das Lymphſyſtem als vegeta - tives geſezt werden. Wie wenig aber mit dieſen dreien die Eintheilung des Organis - mus erſchöpft sei, sieht jedermann, der unſerer Conſtruction bis hieher gefolgt iſt; sie begreifen nemlich nur den Kreislauf, das lymphatiſche und nervoſe Syſtem, und wiſſen weder von einer Lunge, noch von Magen, Milz, Nieren, Leber etc.; über - haupt iſt durch dieſe kaum der halbe Or - ganismus, und folglich gar nichts von ihm charaktcriſirt.

Nach den genannten höchſten Syſte - men theilen sich die Nerven in Bewegungs - und Lymphſyſtemsnerven, die erſten gehen zu den Bedekungen, Knochen und zu dem Gefäſsſyſtem, daher nothwendig zu den Muskeln, den Bündeln der feinſten Ge - fäſse; die zweiten verlaufen sich zur Haut. Leber und zum Lymphſyſtem. Die zu den niedern Syntheſen gehörenden Nerven ver - ſorgen das Syſtem des Athmens, Verdauens,und99und der, obgleich duplexen, doch ſynthe - tiſchen Geſchlechtsverrichtungen, und so sind alle geordnet, welche zum blos Or - ganiſchen des Thiers gehören.

Die Nerven sind nicht blos Eingriffe des Thieriſchen in das blos Organiſche deſſelben, sondern die Welt reflectirt sich auch im Thieriſchen als solchem, und inſofern sind die Nerven Abdrüke von Actionen, wodurch die Welt sich nicht nur im Organismus schlechthin, sondern im Thieriſchen deſſelben wiedergebärt. Dieſe Naturfunctionen zu eigentlichen Thierfunctionen erhoben, heiſsen Sinne.

Das Centralorgan des Nervenſyſtems iſt das Gehirn; als die höchſte Syntheſe iſt es homolog mit dem Magen und den Lungen, daher selbſt nur dieſe beiden Organe ver - geiſtigt, in Form und Action noch kennt - lich erhalten. Wenn Gall’s Entdekun - gen nicht ein einziges Verdienſt hätten, als das, durch die Entwiklung des Hirns in ein ſakförmiges Organ dieſem Reſultate der Wiſſenſchaft sogleich die anatomiſche Nachweiſung zu geben, so wäre dieſes al -G 2lein100lein genug, seine weniger gelungenen Be - hauptungen aufzuwiegen, und dieſem Ana - tomen Achtung wiederfahren zu laſſen.

Die Nerven der blos organiſchen Sy - ſteme haben so nothwendig ein Centralorgan, als die Nerven der eigentlich thieriſchen Functionen, ich nenne jenes das Hirn des Rumpfes, dieſes das Hirn der Sinne.

Je mehr die Sinne in einer Thierklaſſe hervortreten, deſto mehr muſs das Sinnen - hirn über das Rumpfhirn, sowohl in Maſſe, als Wirkung, dominiren, selbſt in den In - dividuen gleicher Klaſſen wird das Sinnen - hirn beträchtlicher entwikelt sein, wo des - sen Functionen mehr in Uebung sind.

Das Rumpfhirn iſt das Cerebellum, das Sinnenhirn das Cerebrum: läſst sich vorzüglich an den Thieren demonſtriren. Je mehr die Sinne zuſammenſchmelzen, je kraftloſer die noch übrigen Spuren da - von sind, deſto unbeträchtlicher iſt die Maſſe des Cerebrum, deſto voluminoſer aber die des Cerebellum, ja in den nie - derſten Thierklaſſen iſt so gar nichts, alsdas101das Cerebellum nebſt den Nervenfäden einiger Sinnorgane vorhanden. in den Würmen, Inſecten und Schneken iſt das Hirn von einem einzigen Ganglion gebil - det, von demaus Nerven zu allen organi - schen Theilen, und auch zu den vorhan - denen Sinnen gehen es iſt nichts als das Cerebellum. In den höher organi - sirten Thieren, wie im Vogel, Fiſche und Amphibion, tritt zwar das Cerebrum schon über das Cerebellum hervor, aber kaum beträgt es drei bis viermal mehr als das lezte, da es hingegen in den Säug - thieren viel gröſser, ja wohl sechs, sieben, achtmal, und im Menſchen neun, nach andern gar eilfmal mehr Maſſe enthält. Je mehr mithin die Organiſation mit Sin - nesactionen verſehen iſt, deſto mehr iſt das kleine Gehirn zurükgedrängt; unter allen Thieren hat der Menſch das kleinſte Cerebellum im Verhältniſs zum Cere - brum. (Die Ausnahme, welche der Saï - miri (Simia sciurea) machen soll, muſs durch mehre Zerlegungen geprüft werden).

Da102

Da die Geſchlechtsorgane zwar nicht zum Charakteriſtiſchen des Thiers gehören. sie aber die Totalität der Differenz der Organiſation sind, mithin auch alle orga - niſche Functionen in sich begreifen, so kann man das Hirn des Rumpfes das Hirn der Geſchlechtsfunction nennen. Daher es allerdings wahr iſt; je ausgebildeter das kleine Gehirn, deſto mächtiger der Ge - ſchlechtstrieb, aber dieſes vom Menſchen ausgeſprochen, als wenn er das entwikelt - ſte Cerebellum in Bezug auf das Ce - rebrum hätte, iſt grundfalſch, und wider - spricht der Thieranatomie aller Jahrhun - derte. In den Thieren iſt das kleine Ge - hirn durchgängig überwiegend, und deſto überwiegender, je niedriger das Thier in den Sinnen steht, daher auch der Ge - schlechtstrieb in ihnen heftiger als im Menſchen, daher ihr ganzer Organismus nichts als Geſchlechtstrieb, selbſt der vor - handene Sinn iſt ihm dienſtbar und nur seiner wegen da, denn iſt er befriediget, so haben sie ihren Endzwek erreicht und sind bereit, den Sinn nebſt ihrem Leben abzulegen.

Ein103

Ein hervorſtehendes Hinterhaupt be - weist nicht nur nicht einen stärkeren Ge - schlechtstrieb, sondern caeteris pari - bus nothwendig das Gegentheil, indem es von einer groſsen voluminoſen Entwike - lung des Sinnenhirns zeugt, wodurch das kleinere Rumpfhirn zurükgedräugt wird. Es iſt ja das Charakteriſtikon der Blödſinni - gen, einen flach abgeſchnittenen Hinter - schädel, und doch dabei einen exceſſiven, wie zum Charakter gewordenen Geſchlechts - trieb zu haben. Ihre Sinne sind bekannt - lich nicht entwikelt, das Cerebrum iſt klein, deswegen bleibt das Cerebellum tief im Schädel ungeſtört liegen, und iſt nun doch wegen der Niedrigkeit des Sin - nenorgans allein herrſchend, obſchon es das Hinterhaupt gar nicht herausdrükt.

Die Geſchlechtsfunction wurde oben erkannt als Totalität des Thiers in der Differenz, das Hirn iſt die Totalität in der Identität, man kann daher die Geſchlechts - theile sehr wohl das zerfallne Hirn, und dieſes die verſchmolzenen Geſchlechtstheile nennen, oder da die Geſchlechtsfunction der Ausdruk der Identität der Thierheit,die104die Nervenfunction aber die Identität des individuellen Thiers iſt, so sind die Geſchlechtstheile das Hirn der Thierheit überhaupt, das Hirn des Individuums aber iſt die identiſch gewordene Geſchlechts - function der Thierheit. Wie die Pflanze in der Blüthe sich schlieſst, so die ganze Erde im Gehirn des Menſchen, welches die höchſte Blüthe der ganzen organiſchen Metamorphoſe iſt.

Es gibt blos sechs Naturfunctionen, die zu Thierfunctionen erhoben werden können. Daher gibt es auch nur sechs Sinne, und nothwendig sechs. Die Zahl dieſer Sinne, ihre Stellung zu einander, und die streng darauf gegründete Einthei - lung der Thiere, wie ich es in meiner Ueberſicht etc. der Theorie der Sinne dem Publicum vorgelegt habe, finde ich, ob - gleich nun seitdem mehre Jahre verfloſſen sind, in denen ich raſtlos nach Berichtigung forſchte, durch alle mir bekannt geworde - nen Erfahrungen beſtättiget, so daſs ich nun die folgende Darſtellung nicht nur als der Wiſſenſchaft gemäſs, welche die Sinne als die höchſten Widerſtralungen der Sinnedes105des Univerſums erkennt, sondern auch selbſt die Subſumtion jedes einzelnen Sinnes, und jeder Thierklaſſe unter die vorgebildete Naturfunction, als durch die Erfahrung, so weit sie bis jezt reicht, durchgängig nachgewieſen, anzugeben mich im Stande sehe.

I.106

I. Stuffe.

I. Sinn. Cohæsion Bedekung Gefühl.

Die Cohäſionsfunction der Natur im Nervenſyſtem wiederholt, iſt der Sinn für das Feſte, für den Widerſtand überhaupt. Er abſtrahirt von aller Geſtalt, welche nur eine kubiſche Bedeutung iſt, und von al - len übrigen Eigenſchaften der Materie; nur ihre Undurchdringlichkeit, der Grad ihrer Starrheit wird ihm zum Object. Es iſt der Gefühlſinn, der mit dem Taſtſinn nicht für eins zu halten iſt. Dieſer Sinn iſt keinesweges gleich zu achten dem Ge - meingefühl (Coenaeſthesis), das über den ganzen Körper verbreitet, nichts mit dem Charakter eines Sinnes gemein hat, sondern unter die Rubrik der Empfindung gehört nach der man auch Magenſchmerz etc. wahrnimmt, ohne doch dergleichenEm -107Empfindungen für Sinne halten zu können, was sie auch in der That nicht sind, so - bald es wahr iſt, daſs nur die Reflexe der unorganischen Welt, und nicht die Wahrnehmungen der eignen Zuſtände des Thiers, Sinne zu nennen sind.

Dieſer Sinn für die Cohäſionsfunction der Natur hat sich als eignes Organ conſtituirt in den Saugwarzen der Würme, in den Palpen der Inſecten, im Rüſſel der Säugthiere, des Elephanten, Schweins, Tapirs, Nil - pferdes etc., im Schnabel der Waſſervö - gel etc., und endlich in den Lippen des Menſchen. Sein Nerv iſt bekanntlich ein groſser Theil des fünften Paars, und ei - gens stark ausgebildet in den Rüſſelthie - ren, in den Aenten, und nach Blumen - bach im Ornithorhynchus. Ueber die Bedeutung seiner Verbindung mit dem Hör - nerven und mit dem sympathiſchen, kann hier nichts geſagt werden, auſser daſs er in Bezug auf das letztere als erſter Sinn allen thieriſchen Functionen zum Grunde liegt, wie die Erde den unorganiſchen.

Mit dem Lippenſinn öffnet sich die Mundhöhle, und daraus folgt nothwendig,daſs108daſs Alles, was sich für ein Thier aus - gibt, eine Mundhöhle vorweiſen muſs, wenn es nicht soll ausgeſtoſsen werden, aber nicht umgekehrt folgt, daſs die Poly - pen Thiere sind, weil sie eine einzige Oeffnung für die Ernährung haben, denn als Radix dieſes Sinnes haben sie aus der - selben Urſache nur Eine Schlundöffnung, aus der die Pflanzen die Organe der Haut haben, nemlich beide sind die Vorbilder dieſer Organe.

Der geiſtige Charakter des Gefühlſin - nes scheint Stumpfheit zu sein, welche sich daher wohl da hervorthun wird, wo der dieſem Nerven entſprechende Hirntheil voluminos iſt: ob wulſtige, hängende Lip - pen, als der externe Ausdruck dieſes Sinn - organs, hieher gehören, will ich nicht entſcheiden.

II.109

II. Sinn. Feuer Haut Aug.

Die Lichtfunction der Natnr im Ner - venſyſteme abgemalt, iſt das Auge. Dieſes sieht überall nur Farben oder gefärbte Flä - chen, sonſt ganz und gar nichts, alles an - dere iſt für dieſen Sinn schlechthin nicht in der Welt, nichts Kubiſches, keine Dike der Körper, keinen Widerſtand, keine Ent - fernung, keine chymiſche Aenderung etc. wird dem Auge zum Object; gefärbte Flä - chen sind ihm seine Körper, und gerne läſst es sich durch gemalte Kuben täu - schen, die Entfernung lernt es erſt durch Bewegung kennen, und eben so den ge - malten Kubus vom wirklichen unterschei - den. Der Bau des Auges iſt eine vor un - seren Augen geschehende Verwandlung des Lichtes zur organiſchen Form, er iſt die höchſte Organiſirung der Haut (und der Le - ber), verbunden mit den unorganiſchen leitenden Kryſtallen und den indifferenten, ich sollte sagen, den electriſchen, phos - phoriſchen, die höchſte Galle darſtellenden Flüſſigkeiten, die eben so in bis aufs höch - ste ausgebildeten Häuten verſchloſſen liegen.

Wie110

Wie das Licht des Univerſums, so sucht das Auge überall den unendlichen Raum zu meſſen und zu begränzen, es blikt starr die Sonne an, seine Mutter, und hat keine andere Welt, so lange dieſe in seiner Nähe iſt. Das Auge sucht seine Bilder in der unermeſslichen Ferne, und braucht nur einen Augenblick, dieſe Ferne zu durchdringen, welch ungeheure Sphäre seiner Wirkſamkeit! Alles verkündet, daſs das Auge nur das kryſtalliſirte Licht sei.

Der geiſtige Charakter des Auges iſt Muth, Tapferkeit, Stolz, Verachtung.

Das vollkommenſte Auge muſs mit dem Weſen des Kreiſes erſcheinen. In den In - secten sind die Faſetten nicht vergeblich sechsſeitig. Nam talis eſt factus oculus, quia talis Mens (mathematica) eſt, non vi - ciſſim. Und von hier aus, von der Idee des Kreiſes, des Lichts, der Luft, der electriſchen Fläche, der Blume, der Haut und der Leber wird der Licht erhalten müſſen, der es unternehmen will, das Or - gan des Lichtes als eignes so beſtimmt pronuncirtes Gebilde zu conſtruiren.

III.111

III. Sinn. Schwere Lunge Tastsinn.

In dieſem findet sich die Schwerefunc - tion im Nervenſyſtem befangen. Er iſt das Organ für das Kubiſche der Natur, für das eigentlich Körperliche, oder für die Gestalt; dieſe kann nur aufgefaſst wer - den durch eine Bildung, die selbſt eine kubiſche Form iſt, mit dem Vermögen, dieſe Form beliebig nach den Formen der Körper zu ändern, das heiſst, dieſer Sinn muſs selbſt aus beweglichen Organen be - stehen. Die Finger können gegen einan - der alle Geſtalten annehmen, und beson - ders iſt der Daumen, der Radius in der Ellipſe des Gravitationsſyſtems so geſtellt, daſs er allzeit, wenn er mit den andern Fingern wirkt, einen körperlichen Raum einſchlieſst, daher iſt dieſes Sinnorgan das eigentlich formloſe oder formwechſelnde, wie das Waſſer, indem es sich allen Ge - stalten anſchmiegt; dieſer geſtaltwechſelnde und daher geſtalterkennende Sinn iſt der Taſtſinn.

Durch dieſen Charakter unterſcheidet er sich hinlänglich von dem Gefühlſinn,der112der nur den Widerſtand ohne alle Form wahrnimmt: die Finger nehmen zwar auch den Widerſtand wahr, aber nicht inso - fern sie taſten, sondern insofern sie über - haupt als körperliche Maſſe anſtoſsen, und als thieriſche Maſſe empfinden, der Lip - penſinn aber nous procure la plus déli - cieuſe de toutes les senſations du tou - cher, und lehrt die Rüſſelthiere meiſtens allein ihre Speiſe erkennen, was ihnen mit dem Taſtorgan, z. B. dem Elephanten, der Aente etc. nicht so leicht gelingt, und wenn auch, doch nur in anderer Rükſicht, oder wegen andern Eigenſchaften der Speiſen. Inſofern wir mit den Fingern bloſs Wider - stand auffaſſen, tasten wir nicht, dieſes tritt erſt ein, wenn wir in das Kubiſelſe des Körpers eindringen, wenn wir eine Vorſtellung von seiner Geſtalt, von seinem Attribut, das ihm gemäſs der Schwere - function eingeprägt iſt, haben wollen.

Der geiſtige Charakter dieſes Sinnes scheint Vorsichtigkeit, Prüfung, Bedächt - lichkeit zu sein.

Die113

Die ausgesuchteſte Form dieſes Sinnes iſt die elliptiſche, nicht nur die Umriſſe der Hand, auch die der Finger sind nach dieſer Figur gebildet, und wer die Natur des Taſtorgans ergründen will, mag wohl am klügſten mit der Gravitation der Welt - körper, mit den Schellingiſch-Kepplerſchen Geſezen beginnen, von der Ellipſe zu dem allgeſtaltigen, gravitirenden Waſſer herab - steigen, das Salz und die Lunge befra - gen, um endlich die Finger als graviti - rende Radien der Weltellipſe zu erkennen.

HII.114

II. Stuffe.

IV. Sinn. Magnetismus Knochen Ohr.

Der Magnetismus oder die Starrheit der Natur widerhallt dem Thiere als Ge - hör. Dieſes nimmt wahr das Streben der Körper, in ihrer Starrheit zu bleiben, die Form der magnetiſchen Action zu behaup - ten, welches Streben sich als Zittern äus - sert. Es iſt daher der freier gewordne Ge - fühlſinn, der Gefühlſinn2, welcher den Widerſtand der Körper selbſt in der Ferne fühlt, und noch durch die Nervenverbin - dung beider nahe Verwandſchaft beweiſt.

Wie das Aug eine Lichtfunction, das Taſten eine Wiederholung der Schwere - action, mittels der die Sonne die Planeten wie mit Händen umfaſst, so iſt das Hören ein wahrer magnetiſcher Proceſs, deſſenEr -115Erregung aus den Metallen übergeht in das metalliſche Ohr. Gleich dem Farbenbilde, welches die[Lichtaction] auf die Retina wirft, wird ein magnetiſches Farbenbild auf den Nervenbrei im Ohr geworfen, eben so re - flectirt sich die Schwere in der Hand, und alle Naturactionen auf ihren Sinnorganen. Das Hörorgan iſt selbſt aus starren Thei - len, sogar bei den niederſten Thieren zu - sammengeſezt, und entſpricht so als der einzige verknöcherte Sinn den Metallen, seinem Vorbilde aufs vollkommenſte. Die eigentliche Welt des Tons iſt in den Me - tallen lebendig, und so sind dieſe und das Ohr aufs genaueſte für einander geſchaffen.

Dieſer Sinn wirkt am stärkſten beim Schlafe der übrigen Natur, beſonders des Lichts; nur von unbeſtimmten Vorgängen der Welt, von ihrem raſtloſen Bemühen, die Starrheit zu zerſtören, und den hefti - gen Schlägen dieſer in dieſem Kampfe, dem Thiere Nachricht gebend, macht er Furcht zum Charakter des Hörſinns, und läſst sie da am ſtärkſten wirken, wo er am meiſten herrſchend iſt, wie in der Klaſſe der Vögel. Auch Geſchwäzigkeit und alleH 2Sym -116Symptome der Muthloſigkeit ſcheinen hie - her zu gehören.

Die Natur hat das Ohr nach den Re - geln der Parabel entworfen: Es iſt ſonder - bar, daſs es eigentlich noch kein Phyſiker unternommen, das Hör - und Sprachrohr ganz allein nach der Form der Parabel zu conſtruiren, da doch dieſes selbſt der ge - meinen Theorie des Schalls nach die na - türlichſte Form iſt. Die Organiſation des Ohrs wird aber nur dann philoſophiſch be - griffen sein, wann alle einzelne Theile deſ - selben als Veredlungen der Metalle, der Ko - rallen, (der Bedekung) und der Knochen er - kannt ſind, wann die Ohrmuſchel als das paraboliſche Hörrohr, das Paukenfell als die parabelſchlieſsende Ebne, die Pauke als die Wände, von der die Schallſtralen als Radien gegen einen Focus, in dem viel - leicht die Retina der Scarpaiſchen Nerven - breiſäkchen liegt, und wann die Bogen - gänge, Schneke etc,[auf] eine gleiche Weiſe nachgewieſen sind, wozu aber die Hoff - nung nicht sehr nahe liegt, da so selten ein mathematiſcher Kopf die nöthigen Kenntniſſe der Thieranatomie, und der Anatom so selten die mathematiſchen beſizt.

V.117

V. Sinn. Electrismus Leber Nase.

Die electriſche Naturfunction wieder - kehrt in dem Nervenſyſtem als Geruchſinn. Es iſt überhaupt nicht schwer zu bewei - sen, daſs der Geruch nicht durch das Me - chanische der Berührung ausge - dünſteter Theilchen hervorgebracht werde, weil sonſt alles Geruch haben müſste, was in die Naſe gezogen wird, dagegen be - kanntlich alle Materien gerochen werden, von denen es gewiſs iſt, daſs sie vorzüg - lich electriſch sind, und dieſe Electricität der Luft mittheilen, die dann, heterogen mit unſerer Naſe electriſirt, diese in Thätig - keit verſezt, wodurch sie so, wie das Auge die Stralen des Lichts, die empi - riſch noch zu findenden electriſchen Stralen der Körper wahrnimmt. Riechen iſt der Ue - bergang der so wenig als das Licht nur in zwei specifiſche Actionen trennbaren, elec - trischen Proceſſe der Natur in die Naſe, welche durch ihre lamellenartige Form der feinſte Electrometer geworden: Die Schnei - derſche Haut iſt die Retina, worauf das electrische Farbenbild von den Natur -kör -118körpern geworfen, und wo von dem Riech - nerven die gehrochne Electricität, wie vom Sehnerven das gebrochne Licht ange - schaut wird. Als das Aug2 iſt die Bedeu - tung der Verbindung der Ciliarnerven mit - tels des Ganglion lenticulare mit dem Riechorgan begreiflich; merkwürdig iſt es aber, daſs nur die Nebennerven der ho - mologen Sinne sich verbinden, wie der Maxillaris superior mit der Portio dura, die nebſt einem Faden zum Säkchen eines Bogengangs nur die Paukenſaite abgibt, und die Riechnerven nicht mit dem Seh - sondern nur mit den Ciliarnerven.

Jedermann weiſs, wie sehr der Kam - pher electriſch iſt, so daſs er auf Waſſer geworfen, beſtändig angezogen und abge - ſtoſsen wird. Ebenſo verhalten sich ande - re riechbare Subſtanzen, bei der Electriſir - maſchine entſteht Geruch, ja selbſt das bloſse Reiben vieler Körper, von denen doch nichts ausdünſten kann, wie das Kupfer, bringt Geruch hervor, und zwar sehr begreiflich, da durch das Reiben ihr electriſcher Zuſtand aus dem Gleichge -wicht119wicht gebracht, dieſer Electricitätsgrad der benachbarten Luft mitgetheilt wird, bis endlich eine solche electriſche Luft auf die Schneiderſche Haut wirkend, die Empfin - dung eines beſtimmten Geruches erzeugt.

Die Verſchiedenheit der Gerüche hängt ohne Zweifel von den verſchiedenen Zu - ſtänden des Electrismus, wie die Farben von den Brechungen des Lichts, und die Töne von denen des Magnetismus ab. Die Lehre der Phyſiker über die Electricität, daſs aller ihr ſpecifiſcher Unterſchied nur auf ihren zwei entgegengeſezten Aeuſse - rungen beruhe, alles andere aber bloſs quantitativ sei, kann unmöglich wahr sein, zu welchem Schluſſe uns schon die Farben und die Töne berechtigen, die doch alle nicht quantitativ hervorgebracht sein sol - len, da doch kein Menſch das Grün für ein geſchwächtes Roth auszugeben wagen wird indeſſen will ich noch die Ver - schiedenheit der Gerüche verſchieben, bis ich über dieſe Eigenſchaft bei allen Sin - nen reden kann.

Die120

Die Schwefelreihe iſt das eigentliche Object des Geruchs, wie die Farben des Sehens, die Geſtalten des Taſtens, die Me - talle des Hörens.

Die Welt der Electricität, die sich dieſem Sinne aufthut, läſst den Ort der veranlaſſenden Gegenſtände immer in Un - gewiſsheit; das unaufhörliche Abſtoſsen und Anziehen und das Hingleiten dieſer Function über die bloſse Fläche scheint bei höherer Vergeiſtigung die Schlauheit zur Begleiterinn dieſes Sinnes zu machen.

Das vollkommenſte Riechorgan muſs unter der Form der Hyperbel exiſtiren, die Naſe muſs hyperboliſch sein, denn sie iſt die höchſte Organiſirung der Leber und des Schwefels, (der Haut = und Luft2).

VI.121

VI. Sinn. Chymismus Magen Zunge.

Der Chymismus iſt der Schmekſinn der Natur, und folglich auch des Thiers, eine Behauptung, die allgemein angenom - men wird. Die Zunge iſt nur thätig, wann sie feucht iſt, wann die schmekba - ren Materien aufgelöſt sind, wo überhaupt ein chymiſcher Proceſs auf der Zunge vor - genommen werden kann. Was das Meer - waſſer der Natur iſt, das iſt die Zunge dem Nervenſyſtem. Die Salze sind die wahren Objecte des Geſchmaks. Lekerheit, Geil - heit iſt der geiſtige Charakter dieſes Sin - nes, die Figur aber, nach der die Zunge entworfen iſt, iſt die Eiform, der potenzir - te Finger, oder Magen, (Lunge) etc.

Wir haben nun das Weſen aller Sinne, ihre Stelle und Bedeutung in der Welt und im Thiere erkannt, aber die einzelnen Eingeweide eines jeden Sinnes sind uns noch verborgen geblieben. Woher kömmt es, daſs wir sieben specifiſch verſchiedne Farben durch das Aug auffaſſen, woher die qualitativ verſchiedenen Töne verſchie - dener Inſtrumente, die vielartigen Gerücheund122und Geſchmäke? Eschenmayer hat durch seine Conſtruction der Töne das Feld für alle Sinne geöffnet, es wird sich sogleich zeigen, daſs allerdings viel Wahres darinn liege, daſs die Töne verſchiedener Inſtru - mente nach einer geometriſchen Propor - tion auf und abſteigen, und die Eines In - ſtrumentes ebenſo ungefähr nach einer arithmetiſchen; doch gehen wir sogleich zur Conſtruction selbſt.

Jeder Ton iſt nichts als die zur Em - pfindung gewordene Action der Parabel, daher kann auch alle Tonverſchiedenheit keine andere ſein, als die der Parabel. Die magnetiſchen Verſchiedenheiten beruhen sicher nicht auf bloſser Stärke und Schwä - che, es müſſen gemäſs der mathematiſchen Vorbilder wieder so viele Modi exiſtendi unter den Actionen vorkommen, als die Vorbilder selbſt Modi exiſtendi haben, die zwar das Weſen dieſer Figuren nicht über - schreiten, aber auch nicht bloſs quantita - tiv verſchieden sein dürfen.

Nun kennt aber die Mathematik nur drei Zuſtände der Parabel; sie wird ver -län -123längert oder verkürzt bei gleichbleibendem Parameter, was alſo bloſs eine quantitative Verſchiedenheit gibt, oder dieſe nämliche Parabel wird potenzirt zu Parabel 〈…〉 was schon nicht mehr bloſs quantitativ bleibt, da sich die Entfernung des Focus vom Scheitel bei jeder Potenzirung ändert, und endlich kann die Parabel einen an - dern Parameter erhalten, wodurch ganz qualitativ verſchiedne Eigenſchaften, ob - gleich Parabel bleibend, hervorgrbracht werden.

Es können daher auch nur dreierlei Verſchiedenheiten der Töne exiſtiren. Ihr erſter Zuſtand bezieht sich bloſs auf Stär - ke und Schwäche eines und deſſelben Tons, welches in der Parabel vorgebildet iſt durch Verlängerung oder Verkürzung der Achſe je länger dieſe, deſto mehr werden paral - lele Stralen in den Focus geſammelt, deſto ſtärker der Ton.

Der zweite Zuſtand hängt ab von den verſchiedenen Potenzen der nämlichen Curve, wo sie mit den Exponenten 1, 2, 3, n, geſezt wird, und mag die Tonleiter desnäm -124nämlichen Inſtruments bezeichnen, daher auch wegen dem beſtändigen Verrüken des Focus eine Art specifiſchen Unterſchiedes selbſt unter dieſen Tönen herrſcht, der sich doch am meiſten an eine arithmeti - sche Proportion anſchlieſst. Der Ton d eines Inſtrumentes iſt nicht bloſs um einen Grad höher geſtimmt, als der Ton c, es iſt wirklich ein specifiſcher Unterſchied zwiſchen beiden, daher man beide zugleich hört, wenn sie angeſchlagen werden; d iſt etwa = Parabel2, wenn c = Parabel1 iſt, aber etwas ganz anders iſt es, wenn der - selbe Ton c geſungen wird.

Dieſer dritte Zuſtand der Töne wird hervorgebracht durch die Verſchiedenheit des Parameters der Curven, in denen der Focus schon urſprünglich geändert iſt, wo - nach die Töne verſchiedner Inſtrumente, die Eschenmayer nach geometriſcher Proportion geordnet hat, sich richten; so daſs aus dieſer Conſtruction klar hervor - geht, jedes Inſtrument habe einen andern Parameter, und es erſchaffe seine Tonlei - ter wieder durch ein Potenziren dieſer Pa - rabel zu höheren Ordnungen, die Stärkeaber125aber durch Verlängerung der Achſe derſel - selben. Vielleicht entſpricht die Vocalmu - sik bloſs der so sehr regelmäſsigen Para - bel, in der Parameter. Abſciſſe und Se - miordinate gleich sind, die Inſtrumental - muſik aber den abweichenden Parabeln.

Die Idee von der Conſtruction der Töne muſs nothwendig für alle mathema - tiſche Figuren gelten, und so werden ſich auch die Farben nach den Proprietäten des Kreiſes, die Gerüche nach denen der Hyperbel, und die Geſchmäke nach denen der Eiform richten. Alle Verſchiedenheit iſt nichts als Varietät der Curve. Die ver - schiedene Stärke des Schwefelgeruchs rich - tet sich so nach der Zahl der Abſciſſen ei - ner Hyperbel mit beſtimmtem Parameter, wahrſcheinlich nach der gleichſeitigen, die Geruchleiter des Schwefels aber, wohin etwa die Hydroſulfure etc. gehören, steigt mit den Exponenten zu höhern Ordnun - gen der Hyperbel auf, so iſt vielleicht der Schwefelgeruch = Hyperbel1, der der Hy - drothionſäure aber = Hyperbel2 u. s. f. Die eigentlich specifiſchen Gerüche sind endlich determinirt durch die Verſchieden -heit126heit der Parameter, die aber auch, ob - gleich unendlich varirend, doch nur be - stimmte Abweichungen von der gleich - seitigen electriſchen Curve ſein können. Iſt Schwefelgeruch die Electricität der gleichſeitigen Hyperbel, so wird Weingeiſt nicht blos eine höhere Ordnung dieſer sein, sondern er wird zu einem ganz an - dern Parameter gehören.

Was hier von Tönen und Gerüchen geſagt iſt, gilt natürlich zuerſt vom Mag - netismus und Electrismus, woraus zu - nächſt folgt, daſs dieſer beider Qualität nicht bloſs[auf] dem einfachen Gegenſaze zwiſchem poſitivem und negativem Pol be - ruht, sondern die Qualität hängt ab von dem verſchiedenen Modus exiſtendi bei - der Pole gemäſs dem Weſen ihrer Cur - ven, wobei ich nur an die Electricität des Turmalins erinnern will. Wer Zeit und Trieb hat, möge dieſes indeſſen weiter ent - wikeln, und es auch auf den Geſchmak, auf die Farben, aufs Taſten etc. aus - dehnen.

Wir127

Wir können nun die homologen Glie - der der Organe der Sinne und des Rumpfs zuſammenſtellen, und so finden wir, daſs der Bedekung der Gefühlſinn, der Haut der Lichtſinn, dem Oxydationsſyſtem der Taſtſinn, den Knochen der Hörſinn, der Leber der Geruchſinn, und endlich dem Verdauungsſyſteme der Schmekſinn ent - spreche. Weiter iſt homolog mit dem Gefühlſinn der Hörſinn, beide sind Cohä - sionsproceſſe, mit dem Auge der Geruch - sinn, und mit dem Taſten der Schmek - sinn, daher in allen die Nervenanaſtomo - sen; die Zunge iſt eine verwachſene Hand, um das Aufgelöſte zu taſten, die Finger aber ſind die zerfallene Zunge, um wie eine Flüſſigkeit die Geſtalten zu umgeben; doch dieſes läſst ſich ganz deutlich über - schauen im folgenden Schema.

I.128
I. Stuffe.
1.3.2.
Cohäſion.Schwere.Feuer.
Erde.Waſſer.Luft.
Bedekung.Lunge.Haut.
Gefühlsinn.TaſtſinnLichtſinn.
II. Stuffe.
1.3.2.
Magnetismus.Chymismus.Electrismus.
Metall.Salz.Schwefel.
Knochen.Magen.Leber.
HörsinnSchmeksinnRiechsinn
III. Stuffe.
1.3.2.
Galvanismus.Animalism.Vegetatismus.
Korall.Thier.Pflanze.
Kreislauf.Nervensyſtem.Lymphsyſtem.
............

Man wird sich wundern, warum ich nicht auch noch drei Sinne für die dritte Potenz aufſtelle, aber, da in dieſer keine unorganiſchen Functionen mehr, sondern blos eigentlich organiſche reflectirt wer -den,129den, so ſteigen die entſprechenden Ner - venfunctionen über die Sinne hinaus in eine höhere Welt, die ich hier unberührt laſſen werde, und mithin die dritte Stuffe, die Syntheſe der Sinne überſchlage.

Wenn die Natur die einzelnen Organe nach so getreuen Geſezen producirte, so muſs sie auch die ganze Thierwelt in der - selben Ordnung hinſtellen, denn jede Thierklaſſe iſt nichts, als der Träger die - ses oder jenes Sinnes. Wie der Magnetis - mus eine eigene materiale Welt, die Me - talle zu seiner Wohnung wählte, so wird auch im Thierreiche dieſelbe Action ihre Wohnung gefunden haben; wie die Me - talle, die Kinder des Magnetismus, in mehre Gattungen zerfallen, so werden auch die Thiere, in welchen die Natur zu Ohr geworden, wieder Modificationen die - ses Organs sein, wodurch eine ganze Klaſſe von Hörſinnthieren gebildet wird, ebenſo muſs es Riechſinns-Schmekſinns-Thiere etc. geben

Wir wiſſen daher schon wieder zum Voraus, daſs es sechs Thierklaſſen als Re - präſentanten der Sinne geben müſſe, ohne die Syntheſe davon, welche der dritten Stuffe entſprechend die höchſte Klaſſe bildet.

II.130

I. Stuffe.

I. Klasse. Cohæsion Erde Bedekung, Gefühlsinn Würme.

Das erſte wahrhafte Sinnenleben be - wegt sich im Wurme, obgleich meiſtens von einem ſteinernen Kerker bedekt, wie die Serpulen, Sabellen, Dentalien etc., iſt es ihm doch geſtattet, sich durch Verlän - gerung, Bewegung, aus ſeiner Röhre in die Welt hervorzuſtreken, und so den er - ſten Sinn, der in seinem Nervenfaden aus - geprägt iſt, als Gefühl zu üben. Unter der erdigen Bedekung hat er eine feine weiche Oberfläche, vorzüglich sind aber dem Gefühlſinne beſtimmt die Stralen oder Wärzchen, welche als Lippen das Maul umgeben, die ich aus Mangel eines paſſen - dern Wortes Palpen neune.

Alle höhern Sinne sind bei dieſen Thieren noch nicht entwikelt, Augen, Oh - ren etc. sind spätere Productionen der Na - tur, eben so sind die dieſer Reihe hetero -lo -131logen Organe nicht vorhanden, z. B. Leber; das Verdauungsſyſtem iſt ein einfacher Ka - nal, das Athmungsorgan aber fällt, wie es Cuvier gezeigt hat, mit der Oberfläche des Leibes zuſammen. Ihre Fortpflanzung iſt in vielen ganz den Polypen gleich, nemlich ein Glied löſt sich um das andere ab, und wächſt wieder zu einem ganzen Wurm, alſo eine blos männliche Vermeh - rung, wie es sich gemäſs der Reihe, in die sie fallen, vorausſehen läſst. Dagegen iſt der ihnen parallele Kreislauf so sehr herausgehoben, daſs sogar die meiſten, nach Redis, Swammerdams, La Marks und Cuviers Beobachtungen, gefärbtes Blut haben, welches bald roth, bald violet, bald blau nach Verſchieden - heit der Thiere vorkömmt.

Die Definition dieſer Thierklaſſe grün - det sich natürlich auf den Gefühlſinn, den sie ohne Ausbildung der andern Sinne al - lein besizen. Bei allen Definitionen, die ich von Thieren gebe, welche nicht Säug - thiere sind, nehme ich auf dieſe aus Gründen, die sich von selbſt ergeben wer - den, gar keine Rüksicht, sondern gebeI 2zu -132zunächſt nur das Unterſcheidende von den Thieren an, welche unter den Säugthie - ren ſtehen, und wie sich zeigen wird, nur durch Einen vorragenden Sinn charakteri - sirt sind.

Der Charakter des Wurms muſs dem - nach folgendermaſsen ausgedrükt werden:

Vermis = animal unisensuale, palpis labialibus, aut palpis-labiis (totum pal - pans, alteris sensibus depressis).

Es gibt kein anderes Thier, deſſen Palpen zugleich die Lippen, und deſſen Lippen zugleich wahre Palpen wären; wo wir auch Palpen finden, sind sie immer bloſse Anhängſel der Lippen, oder gehören auch kaum zu ihnen, wie Leztes in den Inſecten, Erſtes in den Fiſchen, nebſtdem daſs weder dieſe noch jene eigentlich so etwas haben, was man Lippen nennen könnte, nemlich ein bewegliches, palpi - rendes, speiſeergreifendes Organ. Auch den Vögeln und Amphibien hat die Zooto - mie die Lippen mit Recht abgeſprochen, und so haben wir den Würmen dieſenSinn133Sinn als ein ausſchlieſsliches Eigenthum gerettet.

Dieſe Thiere müſſen nach den Orga - nen des Gefühlſinnes eingetheilt werden, was auch meiſtens von den Naturforſchern geſchehen iſt, da sie die Wärzchen am Maul gröſstentheils zum Charakteriſtikon gewählt haben.

Die Stumpfheit dieſes Sinnes charakte - riſirt die Würme hinlänglich.

II. Klasse. Feuer Luft Haut. Lichtsinn Insecten.

Das Inſect hat sich zu seiner Bedekung eine feinere Maſſe auserleſen als der Wurm, nur von Horn in gelenkige Schienen ge - gliedert will es umfangen sein, wie jene noch Sclaven ihrer Hülſen, so iſt hier der Panzer der Sclave des Leibes, er folgt nicht nur allen Bewegungen des Thiers, sondern iſt selbſt gezwungen, sich los - zutrennen und ihm als Flügel in die Luft zu helfen, so sehr iſt die Bedekungschon134schon von der Haut verdrängt. Die Flü - gel der Inſecten sind keine Verflächungen des Taſtſinnes wie beim Vogel, deſſen Vorderfüſse sich wirklich in Flügel ver - wandelt haben Das Insect hat noch keine Füſse zum Taſtſinn, und daher sind seine Flügel bloſse abgelöſte Deken seines Lei - bes, wahre Elytra. Streng genommen ha - ben die Inſecten weder Flügel noch Füſse, obſchon sie deren mehr als andere Thiere zu haben scheinen, ich verſtehe nemlich unter Flügel und Fuſs Organe des Taſt - ſinns, wenn auch gleich dieſer noch so sehr wegen andern Functionen unterdrükt ist.

Dieſe Klaſſe iſt überhaupt an die In - fluenz der Sonne und der Luft gefeſſelt, nur der Sommer, wo Licht und Wärme die Erde beſeelen, iſt ihr Element, mit diesem sterben sie und werden lebendig. Der meiſten Inſecten Lebensdauer iſt nicht weiter als auf Einen Sommer berechnet, so sehr sind sie Ebenbilder des Lichts und der Wärme, ja manche Gattungen unter ihnen sind sogar wahre leuchtende Phos - phore, von dem Farbenſpiele der Schmet -ter -135terlinge, überhaupt von der zur Fläche, zum Kreiſe werdenden Form des ganzen Thiers nicht zu reden.

Die Hautabſonderung iſt in ihnen sehr stark hervorgebildet, besonders unter den Flügeln, zwiſchen den Bauchringen, in den Gelenken etc., der ſpecifiſche Geruch, welchen so viele von sich geben, spricht für eine ſtarke Ausdünſtung, ebenso die mancherlei Säfte, welche in dieſer Klaſſe ausgeſchieden werden.

Das Aug endlich iſt ihnen übermäſsig zu Theil geworden, ihr ganzer Kopf iſt zu Lichtſinn kryſtalliſirt, sie sind an die Farben der Natur, an die Blumen gefeſſelt, und so sehr mit dem Lichte identiſch, daſs sie unermüdbar durch einen unwider - ſtehlichen Trieb gezwungen, jedem zu - fliegen, was leuchtet. Man öffne in einer Sommernacht die Fenſter eines Gartenhau - ses, seze ein Licht hinein, und ehe man sichs versieht, flattern die Nachtfalter schaarenweiſe mit einem unvertreibbaren, aber wohl begreiflichen Eifer in die Flam - me; wenn sie sich die Antennen, wennsie136sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ - ſen sie doch nicht ab, von dem Streben, sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn sie die Flamme erreichen zu können glau - ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie auch gleichwohl hundertmal herab, so hindert dieſes sie doch nicht, es von neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt mehr für sie, als die des Lichts.

Wie ein Waldvogel sich das Hirn am Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin - ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu - scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er - wärmt, so will es dennoch nicht zum Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim Vogel iſt es offenbar das Auge, welches ihn, das Glas durchſchauend, so unvor - sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt würde lachen, wenn man dieſes leugnen und etwa seinem Schnabel oder seinen Klauen das Vermögen geben wollte, die Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be - leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim Vogel das Auge thut, wie soll es beim In -sect137sect ein anderer Sinn thun können? Oder iſt denn das Organ für das Licht nicht in jedem Thiere der erſtarrte Lichtſtral? Kann ein Sinn, der vielleicht der Cohä - sion der Auſſenwelt entſpricht, oder der, welcher die Körper der Erde, wie die Schwerkraft die Planeten miſst, je sich so traveſtiren, daſs er ſtatt seiner Natur zu folgen, nun ein Lichtmeſſer wird? Wohl gebe ich das zu, wenn ihr mir werdet be - wieſen haben, daſs das Licht = Erde, oder Waſſer oder Metall iſt, so lange ihr aber dieses nicht könnt, so lange b〈…〉〈…〉 rdet der Natur nicht auf, daſs die Luft Erde, das Metall Waſſer sei, oder daſs der Ma - gen hören die Zunge sehen, die Finger riechen können! Beobachtet doch die Schmetterlinge an einem schönen Sommer - tage, wie schnell, wie in allen Richtungen dieſe sich verfolgen, nie verliert ein Männ - chen sein Weibchen, wendet sich dieſes auch in den wunderlichſten Zikzak, iſt es gleich zwanzig Schritte entfernt, es wird sicher eingeholt. Seht dieſes und sehet ſie im Lichte, und sehet sie am Fenſter, dann werdet ihr nicht mehr, eingenommen durch vorhergebaute Meinungen, einemThie -138Thiere sein Eigenthum abſprechen, weil Perrault glaubt, die niederſten Thier - klaſſen müſsten nur Einen Sinn haben, damit er eine schöne Leiter für die Natur bekäme.

Das Hirn der Inſecten iſt nichts als ein Cerebellum, aus dem zwei ungeheure Sehnerven zu den Augen laufen, dieſe reiſſen so alle Nervenmaſſen an sich, daſs kaum noch einige feine Faden für die An - tennen und die Palpen übrig sind. So deutlich iſt in den Inſecten das ganze Ge - hirn in zwei Sehnerven getheilt, so früh finden wir schon einen Beweis, daſs das groſse Gehirn nichts als der Zuſammenfluſs der Sinnesnerven, hingegen das kleine das Centrum für die Nerven des Rumpfes iſt. Was den übrigen anatomiſchen Bau des Auges der Inſecten betrifft, so iſt er durch die geſchikteſten Zootomen so klar als eine Zuſammenhäufung von unzähligen Sehor - ganen bewieſen worden, daſs man die Ver - suche, welche durch Beſchmieren der Au - gen für ihr wirkliches Sehen angeſtellt wurden, völlig entbehren kann.

Wir139

Wir gehen zu den Organen über, wel - che mit dem Auge parallel entwikelt, und dann zu denjenigen, welche wegen der Entgegenſezung unterdrükt sein müſſen.

Die Leber als das parallele Organ der Haut und des Auges iſt in ihnen schon ſtark ausgebildet, vorzüglich in den Kreb - sen; und was sind die blinden Anhängſel des Darmkanals als eine Leberfunction? Die Gefäſse in ihnen treten der Natur des Lymphſyſtems ganz nahe, auch der paral - lele Geruchſinn iſt bedeutend entwikelt, die übrigen Sinne sind auſser dem Gefühl in den Palpen sehr zurükgedrängt, eben - so das Athmungsſyſtem, welche ohne Zwei - fel auf das Gefäſsnez um den Maſtdarm reducirt iſt, denn die vielen und weiten wie Silber glänzenden, meiſtens freilie - genden Luftröhren, sind doch im Ganzen nichts als Luftbehälter, wie die Knochen der Vögel.

Der Darmcanal iſt voll blinder Anhän - ge, die vier langen sogenannten Gallen - gefäſse sind wahrſcheinlichſt Nahrungsge - fäſse, durch die der Chylus in das Ge -fäſs -140fäſsſyſtem geführt wird, wofür vorzüglich ihre Inſertion in das Gefäſsnez des Maſt - darms spricht, denn daſs die Ernährung durch bloſse Durchschwizung durch die Wände, wie einige Alte und Neuere mein - ten vor sich gehen soll, iſt bei einem thieriſchen Körper, der doch mehr als ein todter Schwamm iſt, um es gelinde zu sagen, zu viel behauptet.

Der heterologe Kreislauf iſt in ihnen un - gleich schwächer ausgebildet, als in den Würmen, und neigt sich vollkommen zu dem Charakter des Lymphſyſtems, denn so viel mir bekannt, hat kein einziges Inſect gefärbtes Blut, ſtatt des Herzens aber, wel - ches man schon bei den Schneken so in - dividualisirt findet, iſt eine gleichdike Aorta in ihrem Leibe, und überhaupt fin - det man das Gefäſyſtem nicht so ausge - wirkt in Venen und Arterien, wie bei den obgleich niederern Würmen.

Das Knochenſyſtem suchen wir verge - bens, die ihm homologe Bedekung iſt eben - so doch weniger zurükgedrängt, alles wie es in dem erſten Thiere der anticohären - ten Reihe sein muſs.

Der141

Der Kunſttrieb der Inſecten geht auf regelmäſsige kryſtalliſche Formen, und was bedeutend iſt, meiſtens auf Sechseke, wel - che dadurch entſtehen, daſs der Radius in die Peripherie getragen, und so der voll - kommenſte Kreis, inſofern er als Kryſtall exiſtiren kann, dargeſtellt wird. Die Zel - len der Bienen sind ein nach Auſſen kry - ſtalliſirtes, polyödiſches Auge, deſſen sechs - seitige Faſetten aufs bewundrungswürdigſte in jeder Zelle erhalten sind. Das Kunſt - product iſt das in der Auſſenwelt abgedruk - te Sinnorgan, ich verändere daher das so unedel herabgezogene Wort Kunſttrieb in Sinntrieb, eigentlich kann man nur dem Menſchen Kunſttrieb und seinen Produc - ten den Namen Kunſtproduct beilegen.

Weil das Aug in die weibliche Reihe der Natur fällt, so hat auch in dieſer Klaſſe der weibliche Charakter das Uebergewicht, meiſtens sind die Männchen kleiner, und ſterben gleich den Staubfäden unmittelbar nach der Begattung, die Weibchen dage - gen sind sehr productiv, legen viele und ſehr groſse Eier, ja die Blattläuſe pflanzen sich lange auf blos weibliche Weiſe fort. In142In den Bienen endlich, in den Ameiſen und Termiten hat sich sogar die Weiblich - keit so energiſch entwikelt, daſs ihr Ein Individuum nicht mehr hinreicht, sondern sie muſs an die Königinn und an die ar - beitenden Inſecten vertheilt werden, indem jene blos die Eier, dieſe aber den Uterus als Zellen, und die Bruſt als Honigbrei hergeben; so überflieſsend, so alleinherr - schend iſt der weibliche Leib in dieſer Klaſſe!

Das herrlichſte und am tiefſten grei - fende Phenomen, die Metamorphoſe von der Larve zur Puppe und von dieſer zum vollendeten Thier, iſt aus der Duplicität dieſer Naturfunction zu erklären, wo sie von der Form des Diameters zu der der Peripherie und dann zur totalen Kreisform übergeht, was sich im einzelnen Inſect als Larve, Puppe und Vollendetes, in der Klaſſe aber als Aptern, Schmetterlinge und als Elytraten ausdrükt. Die Metamorphoſe iſt eine Entwiklung des Kreiſes, ein herr - liches, deutlich ausgeprägtes Spiel zwi - schen Licht und Wärme, zwiſchen poſiti - ver und negativer Electricität. Dieſe lezteiſt143iſt noch zu wenig bei den Inſecten unter - sucht, ſicher sind sie für selbe sehr senſi - bel, wie für die Aendrungen der Tempe - ratur. Wann einſt dieſe Verhältniſſe ge - nauer entwikelt ſind, so wird es sich wohl von einer meteorologiſchen Araneologie wiſſenſchaftlich sprechen laſſen, wenig - ſtens so beſtimmt als von unſern unorga - niſchen Thermo - und Electrometern.

Das Auge iſt das Organ des Muthes, und wirklich iſt die Klaſſe der Inſecten, die verwegenſte und muthvollſte, gemäſs des Herrſcherſinns, der sie begeiſtert.

Die Definition des Inſects muſs von den Augen hergenommen werden; wenn ich auch nicht jede Faſette für ein Aug halte, so ſteht wegen den Ocellis doch folgender Charakter feſt: Insectum = animal unisensuale, po - lyops.

Dieſen Charakter kann wieder kein einziges Thier aufweiſen, gehöre es zu niederern oder höhern Klaſſen. Wo iſt ein Fiſch, der mehr als zwei Horopter hätte,wo144wo ein solcher Vogel, ein Amphibion, oder eine Sepia? Alles was Inſect iſt, hat polyhoropteriſche Augen, und was solche hat, muſs ohne weiteres, wäre auch der übrige Bau des Rumpfes noch so abwei - chend, hieher gerechnet werden. Nur durch dieſe Definition kann die Unordnung vertrieben werden, die seit einigen Jahren in dieſer Klaſſe um sich gegriffen hat.

Die Haupteintheilung der Inſecten iſt natürlich und nicht schwer nach den Au - gen zu machen. Sie theilen sich in sol - che, deren gröſsten Theil des Kopfes die Augen ausmachen, und in andere, bei de - nen es umgekehrt iſt: bei jenen sizen sie entweder ganz mit ihrer Oberfläche feſt, oder hängen nur an einem dünnen Fäd - chen, sie sind ferner rund, oval oder der sechſte Theil einer Sphäre, sie ſtehen vor oder hinter den Antennen, oder dieſe selbſt auf ihnen etc.

Bei den Spinnen hat sich sogar dieſe Eintheilung den Naturforſchern schon auf gedrungen, weil sie in der That keine an - dern Charaktere fanden, als die Zahl undden145den wechſelnden Stand der Augen. Daſs aber die Cruſtacea mit Unrecht von den Inſecten getrennt werden, zeigt sich nach unſerer Definition auffallend, wie auch die ungeſchikte Hereinpreſſung fremder Individuen, die weder den Körperbau, noch die Gliedmaſsen, geſchweige das un - endliche Aug mit dieſer Lichtklaſſe gemein haben.

Es iſt natürlich, daſs bei dieſer Ein - theilung weniger eigentliche Gattungen herauskommen, aber auf die Zahl kömmt es nicht an, sondern auf die Natur. Was liegt denn daran, ob dieſes Inſect, das übrigens seinen Augen nach zu einer be - ſtimmten Gattung gehört, nun ein Gelenk in einem Palpus oder in einem Fuſs mehr hat? Soll es deswegen eine eigne Gattung ausmachen? Man glaube aber nicht, daſs ich hier das Geſez vor Augen habe: man müſſe die Dinge nicht ohne Noth vermeh - ren; dieſes auf unſere Inſecten angewen - det, hätte gerade dieſelbe Bedeutung, als wenn man sagte: man müſſe die Zahl der Planeten nicht ohne Noth vermehren. Nicht wir machen die Zahl, sondern dieKZahl146Zahl macht uns, denen nichts bleibt als die Verehrung und Anbetung derſelben in pythagoräiſcher Andacht: wir müſſen so viele Gattungen machen als deren sind, oder um die Schwachheit nicht zu ver - hehlen, so viel als wir nach unſerm Sy - ſteme finden.

III. Klasse. Schwere (Oxydationsproceſs) Waſſer, Lunge Tastsinn Schneken.

Ich glaube nicht, daſs über dieſe Zu - ſammenſtellung irgend jemand einen Zwei - fel haben wird. Das Waſſer iſt das Pro - duct des Oxydationsproceſſes, das Athmen iſt derſelbe im Thier, die Kiemen aber sind in den Schneken am ungeheuerſten ausgebildet, beſonders iu den zweiſchali - gen liegen sie als vier ungeheure Hautlap - pen an den Seiten des Körpers, so lang und breit als dieſer selbſt, mit dem schön - ſten Gefäſsneze, an dem sich der Blik nicht genug sättigen kann, durchwebt. Ebenſo ungeheuer iſt die Kieme der ein - häuſigen Land - und Waſſerſchneken, sieliegt147liegt unter dem Rüken der Schale als eine breite und lange Membran von den dikſten Gefäſsſtämmen durchzogen, die sich sehr deutlich verzweigen. Auch iſt es ja erwie - sen, daſs die Schneken das Sauerſtoffgas am reinſten aus der Luft vertilgen, so daſs sie sogar von Vauquelin als Eudiometer vorgeſchlagen wurden.

Ihre Taſtorgane sind zu ſtark ausge - wirkt, als daſs ich dieſe wahren Finger weiter berühren sollte: viele von ihnen haben als synthetiſche Thiere Augen hin - zugebracht, wie die Landſchneken, und vorzüglich die Sepien.

In ihnen als der erſten Syntheſe des Thierreichs iſt weder das Männliche noch das Weibliche vorſtechend, ihr Gleichge - wichtscharakter äuſſert sich so eigen, daſs die meiſten wechſelſeitige Zwitter sind, welches wenigſtens von den Landſchneken und einigen Waſſerſchneken erwieſen, und wovon ich mich selbſt an der Weiher - ſchneke (Bulimus ſtagnalis, La Mark) durch Beobachtung ihrer Begattung und durch Anatomie überzeugt habe.

K 2Zu -148

Zuweilen sieht man drei dieſer Schneken in Einer Begattung; eine davon vertritt blos die Stelle eines Weibchens, auf dem Rüken ihrer Schale sizt eine andere, die der er - ſten das männliche[Zeugungsglied] in die Vulva bringt, auf dem Rüken dieſer[zwei - ten] ſizt eine dritte, die ihr auch die männ - liche Ruthe in der Vulva hält, während sie die erſte befruchtet; so könnte die dritte wieder von einer vierten u. s. f. be - fruchtet werden, wo dann jede, selbſt die erſte und lezte, wenn man dieſe Kette ge - schloſſen denkt, zugleich männlich und weiblich iſt, aber nicht wechſelſeitig, wie bei den Landſchneken, sondern nur durch eine dritte hinzukommende, sie sind daher wahre Trikliniſten. Uebrigens kann ich dieſe Behauptung, als befruch - tete jede Schneke sich selbſt wegen dem undurchborten Penis, und die Begattung diene nur, Gott weiſs, zu welchem Kizel, für falſch erklären, da der Penis wirklich, auch in Helix Pomatia durchbort iſt; von dem lächerlichen Abſchieſsen des Liebespfeils, des ewigen Romans der Na - turforſcher, sollte aber kein Wort mehr verloren werden.

Der149

Der parallele Verdauungsproceſs, die Speichelabſonderung iſt scharf angezeich - net; von zwei groſsen an der Speiſeröhre liegenden Drüſen sieht man deutlich zwei Speichelgefäſse, wie schon secirt, zum Maul laufen; auch als synthetiſche und als Athmungsthiere iſt der Kreislauf beſtimm - ter als in den vorigen, er hat nemlich schon einen Centralpunkt, ein wahres mus - culoſes Herz. Das sogenannte Hepar in - teſtinale iſt bei ihnen groſs entwikelt, ohne Zweifel gehört es zum Verdauungsproceſs.

Ein Knochenſyſtem iſt auch noch nicht auſſer einigen Zähnen zu finden, wie in den beiden vorigen Klaſſen, was nach un - serer Theorie sehr consequent iſt, da der Knochen der Metallität angehört, ebenſo sind die andern Sinne als Gehör, Geruch, Gesicht, theils verdrängt, theils stark ins Kleine gezogen; nur der homologe Schmek - ſinn scheint schon einige Wirkſamkeit zu haben.

Eine gewiſſe Bedächtlichkeit, Vorſicht iſt bei den Schneken nicht zu verkennen.

Die150

Die Definition dieſer Thiere iſt kurz fol - gende, wobei zu bemerken, daſs ich unter Schneke verſtehe, was man bisher unter dem todten Worte Teſtacea begriffen hat, nebſt einigen Molluſcis, welche gemäſs ihrer Taſthörner von den Würmen geſchieden sind, wie die Wegſchneke und Aplyſia.

Limax = animal unisensuale, tenta - culatum.

Die Schneken sind nach den Taſtfä - den zu ordnen; so wenig auch in dieſer Klaſſe, auſser den einhäuſigen, hierüber gethan iſt, und so wenig jemand, der nicht am Meere wohnt, hierinn etwas Vollſtändiges, beſonders wenn man in die einzelnen Gattungen gehen wollte, leiſten kann so iſt doch in dem Wenigen, was vorhanden iſt, das Eigenthümliche des Taſtſinns so hervorſtechend, daſs man schon einige natürliche Ordnungen mit - tels deſſelben erblikt.

Die Schneken mit zwei oder vier Fin - gern am Kopfe gehören offenbar zuſam - men, und doch sind sie in den Syſtemenge -151getrennt, weil die einen nakt, die andern behauſet sind; eine andere Ordnung hat die Finger am Rande des Mantels, andere an der Mündung der Athmungsröhre, so iſt Taſten und Athmen eins geworden; end - lich in den Sepien sizen sie im Kreiſe um den Schnabel.

II.152

II. Stuffe.

IV. Klasse. Magnetismus Metall Knochen, Hörsinn Vögel.

Auch hierin glaube ich, wird jeder Naturhiſtoriker übereinſtimmen; einfach und scharf iſt das Gerippe des Vogels ausge - prägt; wie der Wurm ganz mit seiner Röhre, von der reinſten Erde genommen, verwachsen und so mit ihr eins geworden, so iſt in den höheren Thieren der Vogel ganz zu Knochen angeſchoſſen, nicht nur nach Innen hat sich die kalchichte Maſſe kryſtalliſirt, auch selbſt in der äuſſern Be - dekung will sie sich als Federn erhalten, ja das Maul iſt selbſt zur Erdröhre gewor - den, die sich sogar über den ganzen Schä - del in der Nahtloſigkeit ausgebreitet; kaum iſt es noch den Naslöchern geſtattet, eine andre Oeffnung durchzubrechen, als dieMün -153Mündung der Röhre iſt, die Löcher des Siebbeins sind mit Knochenmaſſe verſchlos - sen, das Rükgrat iſt steif geworden, die Arti - culation verſchwunden, selbſt in dem Len - denwirbeln und dem Schwanzbein; die Flü - gelknochen sind äuſſerſt arm an Gelenken, und an den Beinen sucht man die Knieſcheibe, die Fibula und den Tarſus vergebens; auf - fallend sind die magnetiſch geſtrekten Beine fleiſchlos, und die meiſten Knochen hohle Wurmgehäuſe; wohl iſt dieſes der Grund ihres Hohlſeins ohne die Abſicht zum Fluge!

Das Auge enthält einen blättrigen Kno - chenring, ja selbſt die Zunge iſt zu Kno - chen erſtarrt! Man[sehe] die Vergleichung des Geripps der Vögel mit dem der Säug - thiere, welche Blumenbach angeſtellt, und man wird mit Erſtaunen wahrnehmen, wie in ihnen alle Theile zu Einem metal - liſchen Stüke verwachſen, nur der Hals erhält bewegliche Wirbel, wodurch er ſich gleich einem Wurme aus und einziehen kann.

Der154

Der Vogel hat unter allen Thieren, selbſt die am höchſten ſtehenden Säugthie - re, wenn man die Windung der Schneke abrechnet, nicht ausgenommen, den aus - gebildetſten Hörſinn, die Theile seines Ohrs sind gegen die der Fiſche und der Amphibien, mit denen er doch auf glei - cher Stuffe ſteht, aufs vollkommenſte vor - handen. Die Vögel beſizen die wahre an - geborne Muſik, auch beweiſen sie ihre Stelle[durch] die Liebe zu den Metallen, und endlich durch das groſse Phenomen des Wegziehens zu beſtimmter Zeit und auf beſtimmten Wegen, welches Phenomen durch das Zuſammenfallen mit dem Auf - wachen und mit[der] Richtung der magne - tiſchen Thätigkeit der Erde, allein be - greiflich wird: ihre Reiſen sind Abſtoſsun - gen und Anziehungen zwiſchen dem nörd - lichen und ſüdlichen Pole, welche im Frühjahr und im Herbſte nothwendig ein - treten müſſen, da dann der Erdmagnetis - mus die gröſsten Variationen erleidet die Vögel sind wie die Metalle Producte des magnetiſchen Theils der Welt, und da - her der ins groſse gehende Parallelismus.

Die155

Die Ohrmuſchel des Vogels wird gebil - det durch eigne, kleine, meiſtens ver - schieden gefärbte, um die Oeffnung des Hörgangs eingepflanzte Federchen. Aeus - serſt bedeutend iſt es, daſs er allein mit den Säugthieren ein offnes äusseres Ohr hat, seine häutigen Bo - gengänge sind nach Scarpa sehr deutlich in den freiliegenden knöchernen einge - ſchloſſen, die Schneke aber iſt zum hohlen mit einer Scheidewand verſehenen Cylin - der geworden, die Paukenhölen ſtehen mit den Zellen des Kopfes, ja selbſt mit denen des Schnabels in Verbindung, wo - durch der ganze Schädel zur Paukenhöhle wird. Dieſer herrliche Bau, qui caracté - rise éminemment l’organe de l’ouïe des oi - seaux, begleitet von einem doppelten Kehlkopfe, muſs nothwendig durch dieſe Vereinigung des Organs der Stimme und des Gehörs den vollkommenſten Ton her - vorbringen.

Die Ohren der Fiſche und Amphibien sind ohne Ausnahme, nach den darüber er - schienenen Monographien, nach Auſſen nicht geöffnet, denn unter den sogenann -ten156ten Ohrdekeln des Toc-kai iſt die Haut über den Hörgang geſpannt, wie beim Froſch, die sogenannten Ohrlöcher der Eidechſen aber braucht man nur anzuse - hen, um sie als bloſse Vertiefungen der Haut zu erkennen; ich weiſs daher nicht, welche Amphibien La Cepède ausneh - men mag, da er nur sagt, ihr äuſserer Ge - hörgang sei gewöhnlich mit einer Haut verschloſſen; denn selbſt beim Krokodil verſchlieſst nicht nur der Ohrendekel den Gehörgang ganz genau, sondern das Pau - kenfell iſt ja noch unter dem Dekel mit einer Haut überzogen, daher man ihnen ein doppeltes Paukenfell beigelegt hat: mehre Theile der Paukenhöhle, ja dieſe selbſt, auch Organe des Labyrinths, wie die Schneke, fehlen. Die Fiſche haben nur Bogengänge und Steinſäkchen, welche in der Hirnſchale selbſt, kaum mittels einer dünnen Haut vom Hirn geſondert liegen, man sprach ihnen sogar bis auf unſer Zeit - alter dieſen Sinn ab, welches Loos auch mehre Amphibien, namentlich das Kroko - dil und die Schildkröten traf.

In157

In den Inſecten hat man nur in dem Krebſe die Spur eines Hörorgans entdekt, in den Schneken nur bei den Sepien, in den Würmen aber vollends gar nichts. Die Vögel bleiben daher in dem Besize dieſes Sinnes, kein anderes dieſer Thiere macht ihnen denſelben streitig.

Den homologen Gefühlſinn, deſſen Nerven bei den meiſten Thieren mit den zum Ohr gehenden mittels des vidiani - schen anaſtomoſiren, ja in den Fiſchen beide nur aus Einem Stamme entſpringen, haben viele Vögel sehr ausgezeichnet in der Schnabelhaut; den entgegengeſezten und sich später zeigenden Riechſinn haben sie wirklich nur in geringem Grade, eben - so den Schmekſinn, den man ihnen sogar abgeſprochen, den Lichtſinn aber, als schon in der Reihe der Sinne vor den Vögeln entſtanden, haben sie nicht unbe - deutend, doch iſt er mit drei Augenliedern bedekt, was fern von den Inſecten ſteht, die das Auge nakt tragen.

Vor allen Proceſſen iſt der ihnen ho - mologe Kreislauf herausgehoben, sie habenein158ein ganz doppeltes Herz, sehr warmes Blut und mit einiger Einſchränkung ein regelmäſsiges Gefäſsſyſtem wie die Säug - thiere, wodurch sie sehr schön beweiſen, so wohl, daſs sie dem Kreislaufe parallel, als auch daſs dieſer in der ſtarren Reihe zu liegen kömmt. Daher ihre Beweglich - keit, ihre Muskelkraft, das Uebergewicht der Männchen über die Weibchen, ja selbſt der Verdauungsproceſs iſt bei einer gan - zen Ordnung durch Bewegung vermittelt, der Magen iſt, wie Döllinger so tref - fend sagt, zum Zwerchfell geworden. Hier iſt merkwürdig, daſs die Hörſinnsthiere gleich den Wiederkäuern, auch einen mehrfachen Magen, wenn wir nemlich Kropf und Vormagen dazu rechnen, haben, wodurch wir schon einen Wink bekom - men, dieſe lezten an die Thiere mit aus - gebildetem Ohr anzuſchlieſsen.

Bekanntlich hat sich die Furcht in den Vögeln niedergelaſſen, auch sind sie dieje - nigen, welche am allgemeinſten zu Scla - ven werden, nimmt man noch der Wie - derkäuer als der säugenden Hörsinnsthiere leichte Bezähmbarkeit hinzu, so iſt wohlkein159kein Zweifel, daſs die Unterwürfigkeit auf das Ohr berechnet sei.

Die Definition des Vogels heiſst so: Avis = animal unisensuale, meatu au - ditorio externo aperto.

Wer sollte glauben, der die weitläuf - tigen und unbeſtimmten Beſchreibungen der Syſtematiker, welche sie für Definitio - nen der Vögel ausgeben, ansieht, daſs ein solch kurzer und von allen andern Thie - ren unterſcheidender Charakter möglich sei! In unſerm hier gegebenen Charakter iſt alles Zufällige, alles blos Organiſche weg - gelaſſen, und nur das eigentlich Thieri - sche, deſſen Abbild der Vogel iſt, der Sinn iſt angegeben. Dieſer kurze, präciſe Charakter möge zugleich dienen, als Beleg für die durch unſer ganzes Syſtem durch - geführte Behauptung, daſs die Sinne das Einzige dem Thier Eigenthümliche, und folglich das Princip aller Eintheilung sind.

Die Vögel sind nach dem Hörsinn zu ordnen, wozu wohl der Schnabel mit Recht gebraucht werden kann, da er, mitden160den Ohren durch Zellen in Verbindung ſtehend, die Paukenhöhle erweitert, und so den Ton verſtärken hilft. Die Natur - beſchreiber haben in dieſer Klaſſe das Ein - theilungsprincip am glüklichſten getroffen.

V. Klasse. Electrismus Schwefel Leber. Riechsinn Fische.

Durch das Vorhergehende iſt gezeigt, wie Electrismus, Schwefel und Riechsinn eins und daſſelbe auf verſchiedenen Stuffen sind. Die Fiſche aber als das Organ des Riechsinns zu erkennen, iſt nicht schwer, wenn man weiſs, daſs ihr ganzes groſses Hirn nichts als Riechnervenknoten iſt, wel - che sich in der Naſe der Knorpelfiſche auf einer sehr gro[ſ]sen kammförmig, in den Schuppenfiſchen aber ſtralenförmig gefalte - ten Haut verlieren, eine Vorrichtung zur Vergröſserung und zur Zartheit der Ge - ruchswerkſtatt, die schlechterdings in kei - nem andern Thiere sich wieder findet; daſs die Naslöcher weiche verlängerbare Röh - ren, und gewiſſermaſsen durch eine be -weg -161wegliche häutige Scheidewand verdoppelt sind, und überhaupt ihre ganze Lebens - weiſe auf den Geruch berechnet iſt, denn die Durchsichtigkeit des Waſſers geht nur auf einige hundert Fuſs, daſs der Fiſchfang sich gröſstentheils durch den Geruch der Fiſche erhalte, daſs dieſe Klaſſe allein in den electriſchen Fiſchen lebendige Electro - phore, und in ihrem faulenden Fleiſche leuchtende Phosphore habe,[und] daſs end - lich die Züge der Fiſche mit dem Welt - electrismus, für den nun Ritter die nach Oſten zeigende Nadel entdekt hat, wie die der Vögel mit dem Magnetismus zuſam - menhängen.

Dagegen fehlt den Vögeln sogar das Siebbein, ihre Naslöcher sind enge, ja oft ganz verwachſene Spalten; Scarpa’s Verſuche über den Geruch der Vögel sezen ihn sehr herab, aber, was für unſre Fiſche spricht, unter ihnen sind es doch die Waſ - ſervögel, welche den Geruch am vorzüg - lichſten besizen.

Bei den Amphibien iſt dieſer Sinn nur angezeigt, die Naslöcher durch keine Schei -Lde -162dewand verdoppelt, auch von keinem wahren Dekel nach Auſſen[geſchloſſen], ob - schon die Fröſche sie durch eigne Mus - keln erweitern und verengern können, und die Krokodile wirklich eine Art Dekel haben, der aber nicht häuticht, wie in den Fiſchen, und nur das Nasloch von Innen, damit die zu schlukende Luft nicht heraus - trete, zu verſchlieſsen fähig iſt, dagegen die Naſendekel der Fiſche, unabhängig von der Reſpiration, sowohl von Auſſen als von Innen den Durchgang des Waſſers untersuchen, aber die Löcher nicht gang schlieſsen können, ferner iſt die Nashöle ganz von der Athmungsfunction occupirt, da sie hingegen bei den Fiſchen ganz und gar allein dem Geruch beſtimmt iſt, und die Naslöcher doch beweglicher als in jedem andern Thiere sind. Auch iſt zu bemer - ken, daſs caeteris paribus die Waſ - ſeramphibien immer ein ausgebildeteres Geruchorgan haben, als die, welche auf dem Troknen leben.

Die Inſecten haben endlich als homo - loge Thiere mit den Fiſchen Geruchſinn, obgleich man das Organ noch nicht ent -dekt163dekt hat, wie weit es aber bei den Schne - ken und Würmen reicht, iſt nicht bekannt, nur jedenfalls unbedeutend gering.

Die andern Sinne sind beim Fiſche um so weniger hervorgetrieben; das dem Riechſinn homologe Auge iſt noch allein bedeutend, und obgleich nicht polyödriſch tritt es doch dem der Inſecten sehr nahe durch den Mangel an Augenliedern, seine Zunge iſt ein wahrer Knochen, der Taſt - sinn verſchwunden, das Ohr verſchloſſen und verſtümmelt, der Gefühlſinn noch ei - nigermaſsen in der Schnauze, denn Lip - pen darf man es nicht kek nennen, merklich.

Hier erſt kann die Leber als das wahre Organ des Schwefels vindicirt werden. Dieſe iſt nemlich als das homologe Organ des Riechſinns bei den Fiſchen unter al - len Organen des Rumpfes am vollkom - menſten, am gröſsten entwikelt und zwar vollkommner als in jedem andern Thier. Der Darmkanal iſt ganz in die Leber vom Magen bis zum After verwikelt und hängt ihr überall feſt an, die Bauchhöhle selbſt scheint nichts als Leber zu enthalten, dazuL 2kömmt164kömmt noch die ſtarke Hautfunction des Fiſches, seine Seitenlinien von lauter Aus - führungsgängen, die häufig unter der Haut laufen, und die Anatomen lange in Thä - tigkeit sezten.

Dieſes Zuſammentreffen aller homolo - gen Organe im Fiſche, die Haut, die Le - ber, das den ganzen Fiſchkörper einneh - mende Lymphſyſtem, worüber man nur Monro vergleichen möge, die Naſe sind Gründe genug, die Leber an dieſe Stelle zu ordnen, und sie zum Reflex des Schwe - fels zu machen. Wenn wir[nun] vollends die der Leber heterologen Organe verklei - nert finden, so haben wir alle Wege be - treten, auf denen Gründe für unſere Be - hauptung liegen können.

In der That iſt in den Fiſchen der ih - nen heterologe Kreislauf zurükgedrängt, in dem Verhältniſs, wie das Lymphſyſtem in ihnen herrſchend wird, daher auch die schwächſte Reproduction in dieser Klaſſe; sie haben nur ein halbes, nur ein blos ve - noses Herz, das wenige Blut läuft aus den Kiemen gerade in die Aorta, längs desRük -165Rükgrats wie bei den Inſecten rükwärts; auch der Oxydationsproceſs iſt nicht ihr Hauptorgan, wie es sich aus der Kleinheit ihrer Kiemen, aus der unbedeutenden Wärme, und dem kaum verſchieden ge - färbten Blute zeigt. Sie entziehen dem Waſſer mittels der Kiemen das Säureprin - cip, wie man vor undenklichen Zei - ten glaubte, seit aber die Luftchymie die Oberhand gewonnen, wagt niemand mehr, der alten Meinung zu sein, von nun an muſsten sie den Sauerſtoff der im Waſſer mechaniſch vertheilten atmoſphäriſchen Luft einathmen! aber warum athmen ſie denn nicht den Sauerſtoff der Atmoſphäre selbſt, und wählen lieber den Tod als aus dieſem Gefäſse die doch gleiche Speiſe zu ge - nieſsen? Es iſt nicht abzusehen, warum das Waſſer nicht auch solches Schwere - oder Säureprincip enthalten könne, wel - ches ihm[durch] Athmen oder durch Ko - chen entzogen werden kann, wodurch die Fiſche in ihm erſtiken; in verſchloſsnem Waſſer aber dürfte sie wohl das durch den Athmungsproceſs entſtehende Waſſerſtoff - gas und die Kohlenſäure tödten, aber nicht der Mangel der atmoſphäriſchen Luft.

Die166

Die Speichelabſonderung, der Darm - kanal sind auch weit hinter der Leber zu - rük, der lezte aber wiederholt die blinden Anhänge der Inſecten in den seinigen um den Pylorus.

Das Knochenſyſtem iſt im Vogel zu einem harten Stüke verwachſen, im Fiſche hingegen in[unzählige] weiche Wirbel, in einzelne Schädelknochen und in ein Heer von Zähnen zerfallen, kaum kann man es noch ein feſtes metalliſches Gebäude nen - nen, viel näher tritt es der Holznatur der den Fiſchen ſymmetriſchen Pflanzen. Auch ihre Geſchlechtsfunction hat auf die weib - liche Seite übergeſchlagen, die Zahl ihrer Eier iſt Million, die Gröſse der Weibchen aber gegen die Männchen so auffallend, daſs schon geſchikte Naturforſcher aus bei - den Individuen ganz eigne Gattungen mach - ten, und es iſt nicht unmöglich, daſs noch deren im Syſteme zu berichtigen sind.

Als Riechſinnsthiere geben sich endlich die Fiſche auch kund durch ihre bekannte Schlauheit, und als Symmetrica des Licht - ſinns durch ihren Muth, der meiſtens an Verwegenheit gränzt.

Das167

Das Riechorgan der Fiſche kömmt uns wieder auf eine ganz eigne Art geſtal - tet entgegen, wie wir es in keinem Thiere finden. Wie in den Inſecten die Augen, so haben sich hier die Naslöcher verdop - pelt. Alle Schuppenfiſche haben in jedem Nasloche eine häutige, bewegliche Scheide - wand, mittels der sie zum Theil das Loch verſchlieſsen, nur der Aal und der Schleim - fiſch sollen nach Scarpa eine Ausnahme machen, wofür aber die Naslöcher einen langen Tubulum bilden, doch wünſchte ich diesen Bau ex professo untersucht zu wis - sen. Die Knorpelfiſche haben, die runden wie die platten, einen wahren beweglichen Dekel vor den Naslöchern, da ihn die Schuppenfiſche eigentlich darinn haben. Sie können die Löcher immer verengern und erweitern, als wenn sie athmeten, da es doch ein bloſses Auffangen der Electrici - tät iſt; andere tragen sogar die Löcher auf beweglichen Stielen, die wahre Auslader vorſtellen, der auffallendſte Unterſchied iſt aber in der Lage der Löcher selbſt, da sie bei den Schuppenfiſchen oben, bei den Knorpelfiſchen aber unten am Rüſſel sich befinden, von dem ungeheuern Wechſelder168der Länge des Oberkiefers, wie es schlecht, hin in keiner andern Klaſſe vorkömmt, und worauf man allein schon gröſstentheils die Gattungen gründen könnte, will und kann ich hier nichts Ausgedehntes sagen.

Nach dieſen Charakteren glaube ich folgende Definition vom Fiſche geben zu können; sollte ich das eigentlichſte Merk - mal auch nicht getroffen haben, so bin ich doch überzengt, daſs es in Zukunft, wenn man einmal die Fiſche um dieser Definition willen wird untersucht haben, leicht sei, das etwa Mangelnde zu erſezen.

Piscis = Animal unisensuale, naribus utrinque membrana mobili aut geminatis aut dimidiatis.

Die syſtematiſche Eintheilung der Fi - sche kann dem Hauptmomente nach von keinem andern Sinne als von dem des Ge - ruchs genommen werden, daher nicht von Floſſen, Kiemendekeln, Kiemenlöchern, Augen, Zunge u. d. gl. Nach unſerm Princip scheiden sie sich von selbſt in zwei naturliche Ordnungen, die man bisher nur durch eine lange Beſchreibung einer Men -ge169ge unweſentlicher Charaktere von einander zu trennen ſuchte. Der gröſste Theil der Knorpelfiſche hat die Naslöcher unten an dem über das Maul hinausragenden Ober - kiefer, die Schuppenfiſche aber und viele Branchiostegi haben sie oben vor den Augen.

  • a. Pisces naribus pronis = Chon - dropterigii.
  • b. Pisces naribus supinis = Squam - mosi etc.

VI. Klasse. Chymismus Salz Magen. Schmeksinn Amphibien.

Dieſe Functionen der Natur und des Thiers sind so weſentlich eins, daſs sicher alle sind, wo sich eine findet. Die Zunge der Amphibien iſt auf solchen hohen Grad ausgebildet, daſs sie nicht nur als die fein - ſte, weichſte, beweglichſte, schlüpfrichſte Maſſe allen Zungen anderer Thiere vorgeht, sondern sie verdoppelt sich sogar meiſtens, und zugleich dient ihr der trefflichſte Spei - chel zum Ziel ihrer Beſtimmung.

Das170

Das Gift wohnt nur im Reiche der Amphibien, der Zungenthiere, und da der Schmeksinn dem Chymismus entſpricht, dieſer aber das Alleszerſtörende der Natur iſt, so muſs nothwendig der Schmeksinn in dem Thier, welches ihm eigens gleich - gebildet iſt, das Alleszerſtörende des Thier - reichs sein; der Speichel iſt daher seinem Wesen nach Gift, und in allen Thieren ſteht er unter dieſer Rubrik, denn in allen iſt er das erſte chymiſche Zerſtörungsmittel der Speiſen, da aber die andern Thiere auch mit andern Sinnen, und nicht allein mittels des Schmeksinns die Speiſen an sich reiſsen, und dieſer nicht aufs höchſte getrieben iſt, so iſt ihr Speichel weniger gefährlich, aber doch muſs alle Theorie der Wirkung der Gifte auf das Weſen des Schmekſinns gegründet werden.

Hoffentlich habe ich nicht nöthig zu erinnern, daſs das Arſenik so wenig ein Gift iſt, als ein glühendes Eiſen, das ihr in den Magen ſteket; es wirkt chy - miſch,[unabhängig] von der lebendigen Eigenſchaft des Körpers, den es zerſtört; das Speichelgift aber iſt Nichts auſserder171der Einwirkung auf einen lebenden Körper, es zerſtört nur das Lebende als Lebendes, das Arſenik aber zer - ſtört den bloſsen Körper als eine chymiſch afficirbare Materie, wobei jedoch die or - ganiſche Gegenwirkung nicht auſſer Acht zu laſſen iſt.

Wo der Speichel, der erſte Magenſaft, so hoch ausgebildet iſt, iſt es auch der übrige Verdauungsproceſs, sonſt wäre es ja eine närriſche Anſtalt, wenn in die Zunge die gewaltigſten Mittel zur Ver - dauung gelegt, hingegen der Magen mehr als in andern Thieren vernachläſſiget wäre.

Der Darmkanal dieſer Thiere iſt übri - gens sehr einfach und nicht lang, wie es bei den meiſten fleiſchfreſſenden Thieren sich findet, die Leber iſt mäſsig, ebenso die Gallblaſe.

Die homologe Lunge iſt gleichſam die erſte Anlage zum Magen, sie iſt ein ath - mender Darmkanal, denn so erſcheinen dieſe beiden Luftblaſen, die sogar die Luft wie die Speiſen schluken, und so sehenwir172wir am deutlichſten und herrlichſten die Gleichheit der Form, welche die Natur bei der Erbauung der Lunge, des Magens und des Hirns vor Augen hatte.

Die Nieren als das lezte aber umge - kehrte Organ des Verdauungsproceſſes, ſind zwar in allen Thieren der zweiten Stuffe vorhanden, aber in den Amphibien wirk - lich mit Uebergewicht. Bei den Vögeln findet sich keine Harnblaſe, bei vielen Fi - schen ebenso, und die Nieren dieſer sind so abweichend gebaut, und oft so sehr hinter den After verdrängt, daſs man sie lange leugnete, dagegen sie bei den Am - phibien beſtimmte Umriſſe haben, an der gewöhnlichen Stelle wie bei den Säugthie - ren liegen und eine lange Streke der Bauchhöhle einnehmen. Es gibt zwar auch Amphibien, denen die Harnblaſe ab - geht, aber in andern iſt sie ein ungeheu - rer und zwar doppelter Sak, wie in den Fröſchen und Schildkröten.

In den Thieren der erſten Stuffe sind freilich die entſprechenden Organe nicht so leicht zu finden, auch mögen sie denpo -173polaren Klaſſen wirklich abgehen, aber in den synthetiſchen, athmenden Schneken scheint doch die Kalchproduction mit der Harnabsonderung zuſammen zu hängen, und das, eine graue Maſſe enthaltende, Or - gan in der Athemhaut der zwei - und vier - fingerigen Schneken hieher zu gehören.

Aus dem Charakter der Harnwerkzeuge als dem Ende des Magenproceſſes, folglich als dem Ende des höchſten organiſchen, synthetiſchen Proceſſes erklärt sich die Verwandſchaft dieſer Organe mit den Ge - schlechtstheilen, die ebenfalls einer Syn - theſe entſprechen, indem sie das Excre - tionsſyſtem des ganzen Thiers wie die Nieren das des Magens sind.

Die heterologen Proceſſe sind zwar als in Thieren der zweiten Syntheſe alle merklich angezeigt, aber doch iſt das Hautſyſtem und die Leber weit von der Vollkommenheit der Inſecten und Fiſche entfernt, ebenso die Bedekung und das Knochenſyſtem von den Würmen und - geln. Dieſes lezte iſt zwar nicht in so viele einzelne Stüke zerfallen, wie bei denFi -174Fiſchen, aber auch nicht so sehr anchylo - sirt wie in den Vögeln, und so ſtellt es sich sehr schön in die Mitte, was sich auch von Leber, Haut und Bedekung sa - gen läſst. Die Schale der Schildkröten iſt sehr wohl eine Nachahmung des homo - logen Schnekenhauſes.

Die Füſse der Amphibien, als der ho - mologe Sinn des Schmekorgans, sind in weiche zum Theil wohlgeſtaltete bewegli - che Finger geſpalten, nur die Schlangen machen hier eine sonderbare Ausnahme, haben aber dagegen die doppelte Zunge, Zähne und Gift zur Vergeltung erhalten.

Es finden sich auch alle Sinne in die - ſer Klaſſe, und dieſes nothwendig, da sie die lezte Syntheſe der einsinnigen Thiere iſt, aber sie sind nicht im Gleich - gewichte, sondern alle wegen der Zunge zurükgeſchoben. Der Gefühlſinn hat aller - dings seine Nerven, der Hörsinn iſt viel beſſer ausgebildet als bei den Fiſchen, ob - schon hierinn die Knorpelfiſche sehr nahe kommen, aber das Ohr doch noch von Auſſen geſchloſſen, obgleich es in den Ei -dech -175dechſen eine Vertiefung hat. Der Geruch unbedeutend, auch selbſt der Bau der Na - senmuſcheln arm, und das Aug iſt nur Die - ner des Schmekſinns.

Die Natur hat hier eine ganz eigne Sorge auf die Zunge verwendet, beinahe in allen Amphibien hat sie sich verdop - pelt, oder, da auch unſere Zunge ein dop - peltes Organ iſt, wenigſtens die zwei Zun - gen in den Amphibien getrennt gelaſſen; sie iſt geſpalten in der ganzen Ordnung der Schlangen, in den Eidechſen[und] Frö - ſchen; dagegen haben die Fiſche statt der Zunge einen bloſsen Knochen, und die der Vögel iſt auch meiſtens an der Spize knorplicht; die Thiere der erſten Stuffe haben vollends kein ähnliches Organ, so sehr iſt der Schmeksinn allen Thieren ent - zogen, um ihn aufs reichlichſte den Am - phibien mittheilen zu können. Die Zunge des Fiſchs iſt Zahn, die des Vogels aber Feder geblieben.

Einige wenige Amphibien sollen keine geſpaltene Zunge haben, wie das Chamä - lon, die Schildkröte, das Krokodil, dieKröte176Kröte, Stellio und Draco: auch vom Sa - lamander hat man es behauptet, und so - gar Latreille es nicht berichtiget, ob - schon er ex profeſſo darüber geſchrieben, auch Brogniart hat ihn unter die Am - phibien mit ungeſpaltner Zunge gerechnet; aber ich habe es nach der genaueſten ei - gens deswegen angeſtellten Unterſuchung der Salamandra terreſtris falſch gefunden, denn sie iſt wirklich und zwar hinten wie beim Froſch ausgerandet. Man muſs frei - lich mit der Absicht an die Anatomie ge - hen, die Gespaltenheit der Zunge und nicht blos die Zunge überhaupt zu unterſuchen; nur dann findet man es, weil die Zunge obenhin angeſehen aller - dings als ein runder, unförmiger breiwei - cher Klumpen erſcheint, der ganz am Un - terkieſer angewachſen iſt, wie es sogar der genaue Swammerdam beim Froſch nicht beſſer geſehen, aber, wenn man genau Acht gibt, wird man finden, daſs dieſer Klumpen wie ein Hutſchwamm in die Höhe ſteigt,[und] rükwärts einen herzför - migen Ausſchnitt hat. Ich muſs geſtehen, daſs ich von dieſer Zeit an sehr zweifle, ob die andern Amphibien, beſonders dasKro -177Krokodil, und der dem Salamander so ähnliche Stellio eine wirklich ganz und gar ungeſpaltene Zunge habe, wie es die Anatomen behaupten. Würde sich dieſes so wie beim Salamander finden, und - ren vielleicht noch die Schildkröten, in deren einer I. G. Schneider die unten ganz (alſo wie beim Salamander) verwachs - ne Zunge oben gefurcht, vielleicht ausge - randet fand, dazu zu bringen, so könnte man, den Chamäleon, Stellio und Draco wahrſcheinlichſt nicht einmal ausgenommen, es zum allgemeinen Charakter dieſer Klaſſe machen, und so hätten wir die herrliche Definition: Amphibium = Animal unisensuale, lin - gua geminata.

Ich weiſs sehr wohl, daſs die Phoken auch eine ausgerandete Zunge haben, aber sie sind genugſam von den Amphibien ge - trennt, da sie nicht Animalia unisen - sualia sind, was sich, um gleich das auffallendſte Unterſcheidungszeichen zu nennen, allein in[den] offenen Ohrgängen darthut. Für einzelne Gattungen der Am -Mphi -178phibien hat sogar schon Brogniart die Charaktere von der Zunge genommen, aber unrichtig, wenigſtens nach Campers Behauptung, dem Iguan eine ungeſpal - tene gegeben.

So viel ich bis jezt in den Amphibien gearbeitet habe, und in Betracht der wurm - förmigen Zunge des Chamäleon, des Ver - schloſſenſeins dieſer und der Schlangen - zunge in einer Scheide, und der zwar hinten freien, aber abgerundeten Zunge der Kröte, die ich in Wahrheit nicht aus - gerandet finden konnte, so sehr ich es auch gewünſcht hatte, finde ich, ohne alle Bedenklichkeit wegen den Schildkröten, folgenden Charakter den durchgeführteſten: Amphibium = Animal unisensuale, lin - gua mollissima, secundum longitudinem maxillae adnata (biſida).

Hieraus ergeben sich sogleich folgende Ordnungen, die ich, doch ohne hier Voll - ſtändigkeit im Auge zu haben, da es nur darum zu thun iſt, die Idee anzugeben, nach der dieſe Klaſſe wiſſenſchaftlich zuord -179ordnen iſt, herſezen will. Ich nehme hiebei auf einige Eidechſen, die nach den bisherigen Kenntniſſen von ihnen, in der Zunge von den andern abweichen, keine Rüksicht.

Amphibia

  • A. lingua undique subtus adnata = Crocodilus.
  • B. lingua postice libera.
    • a. obtusa = Bufo.
    • b. biſida = Rana, Hyla.
    • c. emarginata = Salamandra.
  • C. lingua antice libera.
    • a. bipartita = Serpens.
    • b. bifida = Lacerta.
    • c. obtusa = Testudo etc.
    • d. vermiformis = Chamaeleon.

Wenn die Eintheilung einmal über die Zunge erſchöpft iſt, wodurch die eigent - lichen Gattungen beſtimmt werden, so kann sie sehr wohl zu andern Sinnorga - nen fortgehen, und dann erſt, wann es auf ganz untergeordnete Arten ankömmt, können auch die andern Organe benüztM 2wer -180werden. Zu dem Schmekſinn gehören al - lerdings auch die Zähne, und in dieſer Klaſſe iſt es nicht nur erlaubt, ſie mit zum Eintheilungsgrund zu nehmen, son - dern es muſs selbſt gemäſs den Geſezen der Wiſſenſchaft so geſchehen, aber auch eben deswegen nicht in den andern Thie - ren, die nicht Schmekſinnsthiere sind. Hier wäre es wohl möglich, zwiſchen den Schlangen und Eidechſen, sollten sie sich wirklich durch die Zunge nicht gehörig unterſcheiden, eine Trennung mittels der Zähne zu machen, ebenso bei den Schlan - gen in Bezug auf die[Giftzähne], doch in dieſem Abſchnitte werde ich hierüber zu weitläuftig.

Um die Charaktere der sechs einſinni - gen Thierklaſſen ausführlich zu geben, und sie von allen Seiten selbſt ihrem Habitus nach zu beſchreiben, darf man zu der poſitiven Definition nur noch die der an - dern Thiere, aber negativ sezen. Wir erhalten auf dieſe Art den ausführlichen Charakter folgendermaſsen:

Ver -181
  • Vermis = Animal unisensuale, palpis - labiis,
    • non polyops,
    • non tentaculatum,
    • non auribus apertis,
    • non naribus utrinque geminatis,
    • non lingua molli, adnata, bifida.
  • Insectum = Animal unisensuale, polyops,
    • non palpis-labiis,
    • non tentaculatum,
    • non auribus apertis,
    • non naribus utrinque geminatis,
    • non lingua molli, adnata, bifida.
  • Limax = Animal unisensuale, tentacu - latum,
    • non palpis-labiis,
    • non polyops,
    • non auribus apertis,
    • non naribus utrinque geminatis,
    • non lingua molli, adnata bifida.
  • Avis = Animal unisensuale, auribus apertis.
    • non palpis-labiis,
    • non polyops,
    • non tentaculatum,
    • non naribus operculatis, utrinque geminatis, protractilibus etc.
    • non lingua molli, adnata, biſida.
Pi -182
  • Piſcis Animal unisensuale, naribus membrana mobili utrin - que aut geminatis aut dimidiatis,
    • non palpis-labiis,
    • non polyops,
    • non tentaculatum,
    • non auribus apertis,
    • non lingua molli, adnata, bifida.
  • Amphibium = Animal unisensuale, lingua mollissima adnata, (bifida),
    • non palpis-labiis,
    • non polyops,
    • non tentaculatnm,
    • non auribus apertis,
    • non naribus membrana mobili utrinque aut geminatis aut dimidiatis.

Die scheinbaren Ausnahmen, wie die Palpen der Inſecten, die Bartfaſern der Fiſche sind, die erſten als nicht zu Lippen gehörend, die lezten als freihängende, auſſer dem Bewegungskreiſe des Fiſches geſezte Organe nur scheinbare, und bei ge - ringer Vergleichung sieht jedermann, daſsdieſe183dieſe weder zu Palpen noch zu Tenta - cula gebracht werden dürfen, und wenn auch, so sind sie ja durch ihren Sinn un - terſchieden genug von Würmen und Schne - ken. Wegen Einwürfen über die Palpen der Würme, über die Form der Naslöcher der Amphibien und Fiſche, über die soge - nannten Tentacula des Lophius, über die Zunge der Vögel, den Saugrüſſel der In - secten etc. kann hier nichts mehr geſagt werden, da ohne Zweifel genug geſagt iſt.

Dieſes sind nun die sechs Thierklas - sen, deren Charakteriſtikon das Herr - schen eines einzigen Sinnes iſt; mehr sol - cher Einsinnsthiere kann es nach unſerer Wiſſenſchaft nicht geben, und wenn es deren mehr geben sollte, so iſt unſere ganze Darſtellung falſch. Noch eine ein - zige Thierklaſſe iſt übrig, die keinem Cha - rakter der vorigen Thierklaſſen entſpricht; wenn in dieſer etwa auch ein einziger Sinn die andern beherrſchen sollte mit der Alleinigkeit, wie in den vorigen, so müſs - te sie sich freilich an dieſe anſchlieſen, aber gemäſs ihres neuen den andern Klas -sen184sen unbekannten Sinnes widerſpräche sie doch unſerm Syſtem, welches keinen ein - fachen Sinn mehr und folglich auch keine einſinnige Thierklaſſe mehr anerkennt, aber geſchloſſen iſt es doch nicht, es ſteigt nun von den zwei Stuffen hinauf zur dritten, und fodert auf dieſer eine Thierklaſſe, wel - che die Synthese aller vorigen in sich trägt, bei welcher die Sinne alle vollendet sind und neben und mit einander das Thier re - gieren; dieſe Thiere sind demnach wahre Allſinnsthiere.

Zur Nachweiſung bleiben uns keine andern mehr übrig als die Säugthiere; es iſt nun zu zeigen, ob in ihnen nur Ein Sinn herausgehoben, oder ob jeder gleich - ſtark vollendet iſt.

III.185

III. Stuffe. Allsinnsthiere.

Ein Sinn kann in den Allsinnsthieren nicht so gränzenlos entwikelt, nicht so vervielfacht sein, als der einzelne es war in derjenigen Klaſſe, die er charakteriſirte, denn eine solche Verdoppelung iſt nur möglich auf Koſten der andern. Vorzüg - lich müſſen wir auf dieſe Verdoppelung des Sinnes, wie es meiſtens bei den Ein - ſinnigen iſt, Verzicht thun; so werden wir zur Vollendetheit des Lichtsinns nicht die Vieläugigkeit und die Menge von Ho - roptern fodern können, welche in den In - secten wohnt, ebenso wenig die doppelt erscheinenden Naslöcher der Fiſche, die doppelte Zunge der Amphibien, die Ver - breitung der Paukenhöhle durch den gan - zen Kopf wie im Vogel, welche beidenlez -186lezten Eigenſchaften doch stark in einigen Säugthieren, wie im Elephanten angezeich - net sind. Aber das werden wir fodern, daſs jeder Sinn ausgebildeter sei als irgend ein zurükgedrängter in den andern Klaſſen, und daſs er wenigſtens den Hauptcharak - ter des einzig herausgebildeten in sich dar - ſtelle, wir werden nicht nur fodern, daſs weder Zunge, Naſe, Gliedmaſsen, Aug noch Lippen fehlen, sondern selbſt fodern wir, daſs alle Lippen weich, daher nicht ein wahrer Vogelſchnabel seien, daſs jedes Aug so gut organiſirt sei, als das des Am - phibions, Fiſches, Vogels und der Sepia, aber nicht wie das des Inſects, daſs jedes Gliedmaſsen habe, daſs keines ein geſchloſ - ſenes Ohr wie das Amphibion, der Fiſch, die Sepia, der Krebs, daſs jedes offene Naslöcher, keines endlich eine knöcherne Zunge habe.

Und dieſes finden wir wirklich so in den Säugthieren. Ihre Bedekung, weit entfernt dieſe Thiere auf einen feſten Punkt zu feſſeln, umſchlieſst sie nicht ein - mal mehr wie eine feſte Röhre, sie iſt meiſtens zu Haaren verfeinert, als wenndie187die kalchichten an einander gebauten Stra - len der Wurmröhre, die hornartigen Schup - pen, die Blättchen der Federn sich ins unendlich Kleine getrennt hätten, nur wenigen sind Stacheln zurük geblieben, und die gepanzerten Säugthiere haben auch hinlänglich freie Auſſenſeite; kurz die Säugthiere sind nicht nakt wie die Schneken und die Amphibien, kein einzi - ges iſt ganz haarlos, aber auch nicht ge - panzert wie der Wurm oder der Vogel, und so ſtellen sie sich schon bei den er - ſten Organen in die höhere Mitte.

Von der Hautfunction läſst sich daſſelbe sagen, sie dünſten aus und saugen ein, aber eigne individualiſirte Hautorgane wie die Inſecten und Fiſche, beſizen sie nicht.

Die Lunge beobachtet daſſelbe Geſez, sie iſt deutlich eine Syntheſe der Kiemen mit den weiten Blaſen der Amphibien.

Daſſelbe gilt vom Knochenſyſtem. Weit entfernt zu der knorplichten Weichheit der Fiſche und selbſt zu den Amphibien herabzuſteigen, erreicht es aber auch nichtdie188die schlanke Starrheit der Knochen des Vogels, hingegen iſt es gelenkiger als dieſe, umſchlieſst die Lungen mit einer mittlern Zahl von Rippen, und hat ein Beken, wie es sich bei keinem andern findet.

Die Leber iſt in allen vorhanden, aber lange nicht so ungeheuer und so weich wie in den Fiſchen, sie hat auch den an - dern Organen Plaz gelaſſen.

Das Verdauungsſyſtem hat zwar keine Gifte in seiner Macht, aber es bedarf auch nicht der Trituration wie in manchem Vo - gel, und einer Luftblaſe wie im Fiſche. Merkwürdig iſt das Anſchlieſsen der eben - falls gut hörenden und furchtſamen Thiere, des Hafen, der Mäuſearten, und beſonders der Wiederkäuer an die Vögel durch die Mehrheit der Magen, dagegen nähern sich die Fleiſchfreſſenden durch die Einfachheit deſſelben, durch die Kürze der Därme und die Viellappigkeit der Leber etc. beſtimmt den Fiſchen.

Wir kommen nun zu Syſtemen, die zwar in den untern Thierklaſſen vorhan -den,189den, aber in keinem aufs höchſte ausge - bildet waren, nemlich auf die Syntheſe ihrer einzelnen Functionen, auf Kreislauf, Lymph - und Nervenſyſtem.

Vollkommen wird der Galvanismus erſt im Säugthiere geſchloſſen; dieſes springt in die Augen, wenn man den kümmerli - chen Kreislauf der Fiſche und der Amphi - bien anſieht, aber doch nicht ſo gegen den des Vogels. Dieſem iſt es zwar erlaubt, unter den sechs einſinnigen Klaſſen den vollkommenſten Kreislauf zu haben, da er mit ihm homolog iſt, aber dennoch kann man ihn noch nicht so rein dynamiſch wie in den Allſinnsthieren nennen, da der von Blumenbach genau beſchriebene Mus - kel in der rechten Herzkammer noch im - mer ein mechaniſches Bedürfniſs des Kreis - laufs bedeutet, welches in den Säugthie - ren ganz weggefallen, und auch der Ge - genſaz zwiſchen Arterien und Venen nicht durch Heterogeneität der Häute, wie in den lezten, herausgehoben iſt.

Auch das Lymphſyſtem erhält erſt im Säugthier seine Vollendung. In dieſemwurde190wurde es zuerſt entdekt, und lange dauerte es, bis es auch in den Thieren der zwei - ten Stuffe erwieſen war; in den Fiſchen wurde es endlich unter dieſen wieder am höchſten gefunden, aber der Mangel an Drüſen in dieſen Thieren sezt dieſes Sy - ſtem weit unter das der Säugthiere.

Wie der Kreislauf unter ſich begreift Vögel und Würme, so das entgegengeſezte Lymphſyſtem nothwendig Fiſche und In - secten, die Amphibien und Schneken neh - men an beiden gleichen Antheil.

Das Nervenſyſtem, die höchſte Blüte des Univerſums iſt endlich in den Säug - thieren zur lezten Ausbildung gekommen; und da sie Allſinnsthiere sind, folglich die Sinnenheit ihr edelſter Charakter iſt, so hat in ihnen das Sinnenhirn über das Stammhirn ein ungleich beträchtlicheres Uebergewicht, als in allen Klaſſen der ein - sinnigen Thiere.

Wie die Organe des Rumpfes gleich stark entwikelt sind, so auch die der Sinne.

Alle191

Alle haben weiche Lippen, der Ge - fühlſinn aber iſt eigentlich charakteriſirt in dem Rüſſel des Elephanten, in der Schnau - ze des Schweins, Tapirs, der mäuſeartigen Thiere etc.

Das Aug iſt vollkommen gebildet, doch lebendiger in den muthigen fleiſchfreſſen - den Kazen, Tigern, Löwen, im Luchs, Hund, Marter etc., als in den Pflanzen - freſſenden, es iſt nicht polyödriſch, aber auch nicht von der gemeinſamen Haut be - dekt, wie bei den meiſten Fiſchen und Amphibien, nicht mit einer solchen Nik - haut verſehen, wie bei den Vögeln etc.

Der Taſtſinn iſt wenigſtens in allen durch wahre Gliedmaſsen kenntlich, selbſt die Wallthiere und Phoken haben wahre Arm - und Handknochen, die Pferde sind wohl die ärmſten hierin, am reichſten aber die Affen, Maki und Meerkazen.

Das Ohr iſt in allen ohne Ausnahme durchbort, selbſt in den Wallthieren, wo - durch sie sich aufs charakteriſtiſchſte von den Fiſchen auszeichnen, welches Merk -mal192mal man bis auf heute noch nicht benüzte, sondern lieber eine lange Umſchreibung, selbſt die Anatomie zu Hülfe nahm, um die Fiſche von den Wallthieren zu unter - scheiden.

Die Naslöcher sind nirgends doppelt, wie bei den Fiſchen, aber auch nirgends verſchloſſene, unbewegliche Spalten wie bei den Vögeln, und nicht ganz dem Ath - mungsgeſchäfte, als eine Pumpmaſchine, hingegeben wie bei den Amphibien, da sie auch durch das Maul athmen können, was den luftſchlukenden Amphibien un - möglich iſt; die Zunge iſt überall weich und beweglich, wenn sie auch gleich bei einigen mit harten Warzen besezt, und bei den Waltthieren groſsentheils an die Kinn - lade verwachſen iſt.

So beweiſen dieſe Thiere, daſs sie alle Sinne besizen, und wenn sie auch nicht gezeigt hätten, daſs sie durch keinen aus - ſchlieſslich charakterisirt sind, indem sie keinen verdoppeln, so folgte es schon aus dem Beiſammenſein, welches nur durch ein getroffenes Gleichgewicht möglich wird;daſs193daſs nicht ein einzelner, sondern eben dieſe Totalität ihr wahrer Charakter iſt, daſs sie im strengſten Sinne Allsinns - thiere sind.

Die Definition des Säugthiers heiſst demnach so:

  • Animal omnisensuale,
    • Labiis palpantibus,
    • Oculis sphaericis (non polyödris), nudis, mobilibus,
    • Manibus, (Membris) quatuor articulatis,
    • Auribus apertis,
    • Naribus mobilibus, binis,
    • Lingua molli, carnosa.

Durch die weichen Lippen unterſchei - den sie sich beſtimmt von den Vögeln, auch von den Inſecten, und ſelbſt von den Schneken, Fiſchen und Amphibien; durch die unbedekten Augen von den meiſten Fiſchen, auch, wenn wir die Nikhaut zum Ueberbleibſel der Bedekung rechnen, von Vögeln und Amphibien, von den niedern Klaſſen ohnehin; durch die vier Glied -Nmaſsen,194maſsen, die immer mehre Gelenke haben, von Fiſchen, Schlangen, Würmen etc.; durch die geöffneten Ohren von den Am - phibien und Fiſchen; durch die weichen, beweglichen Naslöcher von den meiſten Vögeln, durch ihre Einfachheit von Fi - schen, durch die fleiſchichte Zunge end - lich von den Fiſchen und Vögeln; von den niedern Thieren unterſcheiden sie sich durch jeden Sinn,

Die Säugthiere allein sind es, die sich wieder nach den untergeordneten Thier - klaſſen abtheilen und so dieſe in sich wie - derholen, eben weil sie die Syntheſe aller Klaſſen sind. Die Individuen jeder untern Klaſſe aber können auf keine Weiſe die andern Klaſſen in sich wiederholen, denn sie sind ja nicht eine Syntheſe dieſer, sondern ein einzelner Sinn wie jede ihr zur Seite ſtehenden Klaſſe. Die Schneken und Amphibien kön - nen allein, als die erſten Syntheſen, angrän - zen an die Würme und Inſecten, Vögel und Fiſche, aber dieſe doch nicht eigent - lich in ſich wiederholen.

Aber195

Aber Säugthiere, die in ihrer Klaſſe wieder die Würme, Inſecten, Schneken etc. sind, kann es geben und muſs es geben, da die Säugthiere wirklich nichts als dieſe Würme, und Inſecten und Schneken etc., alles in der höchſten Einheit darſtellen.

Ich gebe nur die erſte Eintheilung der Säugthiere an, denn eine Eintheilung bis in die Gattungen herunter, die bei den Säugthieren nach dieſen Principien und den bekannt gewordenen Erfahrungen bei - nahe jezt schon möglich iſt, wäre hier überflüſſig.

Es gibt erſtens Säugthiere, welche die dem Kreislauf homologen Sinne in sich gebildet tragen; dieſe ſtehen daher über den Thieren des Hör - und Geruchſinns. Sie sind furchtſam, bezähmbar, meiſtens pflanzenfreſſend etc. Ich rechne hieher die Wiederkäuer, alle Mäuſearten, Fleder - mäuſe, Schweine, Hippopotamus, Wall - thiere etc.

N 2Die196

Die dem Lymphſyſtem parallelen Säug - thiere wiederholen den Riech - und Licht - ſinn, sie sind schlau, muthig, fleiſchfres - send, Hund Fuchs, Muſtela, Viverra, Löwe, Tiger, Luchs, Kaze, Fiſchotter etc.

Die Säugthiere, welche sich in die Mitte ſtellen, und mithin den Taſt - und Schmekſinn in sich wiederholen, sind Af - fen, Bären, und wahrſcheinlich auf der niederſten Stuffe die Phoken; sonderbar iſt es immer, daſs alle synthetiſchen Thie - re, selbſt die Amphibien, menſchenähnli - che Frazen sind, ja sogar in der zwei - oder vierfingerigen Schneke iſt etwas Omi - noſes nicht zu verkennen.

Der einzige Repräsentant des höchsten Mittelpunkts des Hirns ist der Mensch.

Wir haben nun gezeigt, wie die urſprüng - lich zerriſsne Natur sich bemühte, durch Verbindung der einzelnen Glieder sich wieder zu sammeln, um in einem ihrer Weſen das zu werden, was sie vor derur -197urſprünglichen Entzweiung in dem Ur war. Alle Producte sind nur Annäherun - gen zu dieſem Höchſten, Naturtragenden, sie sind eigentlich nur Ausbildungen ein - zelner Organe des Menſchen. Dieſe Aus - bildungen sind keineswegs nach einer Li - nie entworfen, sondern nach Hauptepochen, in denen sie ausruhten, um wieder aufs Neue Kräfte zu sammeln zu fernern Epo - chen, bis endlich alle Organe erschaffen, nun sich vereinigen konnten.

Die Natur ſtieg nicht auf von Erde zu Metall und Korall und so fort, sondern wenn sie auch linig begonnen, so ruft sie sogleich den andern Pol hervor, wozu die Syntheſe kam, um das erſte Kubiſche zu bilden. Es gibt gar keine Natur syntheſe in einer bloſsen Linie, wo sie iſt, iſt sie schon kubiſch. Dieſes erſte kubiſche Ver - hältniſs der Natur iſt Erde mit der gegeg - neten Luft, die mithin schon nicht mehr in Einer Linie liegen, aber vollends durch das Waſſer die wahre Dike erhalten.

Dieſe drei bilden die erſte Periode der Natur, sie iſt in ihnen zu einem Gleich -ge -198gewichte zuſammengeſunken, aber die in - nere Entzweiung iſt noch nicht gehoben, die organiſchwerden wollenden Keime drän - gen raſtlos vorwärts, aus der rohen Erd - maſſe wird das, ich möchte sagen, orga - niſch begränztere Metall, aus der geſtalt - haſſenden Luft der individualiſirtere Schwe - fel; und beide fallen zum zweiten Kubus[zuſammen] im Salze, mit dem mithin wie - der die zweite Periode geendet iſt. In ihr sind die Qualitäten alle beſtimmter und mannigfaltiger, die unbiegſame, unſchmelz - bare, unverbrennliche Erde wird zum ge - schmeidigen, schmelzbaren, verbrennlichen Metall, die form - farb - und geruchloſe Luft wird zum geformten, gefärbten und riechbaren Schwefel, das geſchmakloſe Waſſer endlich zu dem schmekbaren Salz; so zeigt sich schon die Veredlung der Na - turproducte in der zweiten Epoche!

Aber auch hier iſt die edle Maſſe noch nicht rein ausgeſchieden, die Natur öffnet zum drittenmal ihren Schoos, und das höchſte, lezte Ziel iſt erreicht, sie erblikt in sich das Korall, die Pflanze und das Thier, durch welches alle Differenz ge -ho -199hoben, und das am vollkommenſten Ku - biſche erreicht iſt.

Der Kubus der Natur fällt am deut - lichſten in folgendem Schema in die Au - gen, obſchon auch hier auf dem flachen Papier die eigentliche Pyramide nicht darſtellbar iſt; man muſs sich nemlich die dritte Periode denken, ſtehend auf den beiden erſten:

Was iſt endlich die organiſche Welt anders als die theilweiſe Geburt des Men - schen? Iſt nicht das Inſect das noch los schwebende Auge des Menſchen, iſt nichtdie200die Schneke seine noch abgetrennte Hand, der Vogel sein werdendes Ohr und so fort? Als es die Natur verſuchte, eine Bedekung und eine Lippe für den Menſchen zu pro - duciren, iſt ihr der Wurm entſtanden, sie wollte seine Haut und das Auge machen, und ein Inſect geht ihr unter der Hand hervor, die erſte Lunge und Hand erſchien der Natur als Schneke, der erſte Knochen und das Ohr als Vogel, die Naſe und die Zunge der Natur sind endlich die Fiſche und Amphibien. So entwikelt sich vom unterſten Thiere herauf ein Organ um das andere, nicht blos die der Sinne, sondern auch die des Rumpfes, daher bricht in je - dem Thiere mit jedem neuen Sinne auch eine neue Function des Rumpfes hervor. Jede Thierklaſſe bringt ein neues Organ zu seinem Hirne, vom Wurme fängt dieſe Entwiklung an und ſteigt bis dahin, wo alle dieſe Organe vereinigt sind, aber nicht in Einer Linie ſteigt ſie herauf, sondern in dreien und doch nur einer zugleich. Nach dem Getaſt iſt ein Ruhepunkt, von dem die Sinne mit einer neuen Linie be - ginnen, aber sobald das Ohr geformt iſt,wird201wird sie zerbrochen, und der andere Pol breitet die Haut zum Geruch aus. Daher iſt die Ansicht, welche die Sinne nur als Eine blos quantitative Ausbildung Einer Natur - oder Thierfunction betrachtet, grund - falſch, nebſtdem daſs ihr alle Congruenz mit den unorganiſchen Momenten fehlt, die doch selbſt nichts anders als die herab - gezognen, unorganiſch gewordnen Sinne sind.

Iſt denn die Luft nicht das Auge der Natur und das Licht das Sehen derſelben, iſt das Metall nicht das Ohr der Welt und der Magnetismus sein Gehör, iſt der Schwe - fel nicht die unorganiſche Naſe und der Electrismus sein Geruch, iſt nicht das Salz die Zunge der Erde und der Chymismus ihr Geſchmak? Aber wo iſt dieſe Con - gruenz, wenn die Sinne nur Stuffen Einer Linie sind? Oder iſt etwa das Unorgani - sche nach einer Linie geboren? Sind et - wa Erden, Metall, Schwefel, Salze, Was - ser. Luft nur eine quantitative Stuffenlei - ter? Vielleicht iſt es nach der Cohärenz wahr, aber iſt denn etwa die ganze Natur nur ein Cohäſionsproceſs? Welcher Cohä -ſions -202ſionsgrad iſt denn zwiſchen Grün, Rund, Sauer und dem Tone c? Wer keine Qua - lität in der Natur, wer nicht ihre Sexua - lität vom erſten Schöpfungstage an bis zum lezten, wer nicht das Stereotiſche erkennt, klettert ewig auf einer Leiter auf und ab, ohne je von seinem beſchränkten Horizon - te zu kommen.

Dieſelbe Regelloſigkeit und Falſchheit iſt in der Stellung der Thiere nah Einer Reihe. Sind denn die Thiere etwas an - ders als ihre Organe? etwas anders als ihre Organe des Rumpfs und der Sinne? Dieſe haben sich aber in ein dreifaches Stereon geordnet, wie können sie daher dann, wann sie blos unter einem andern Namen, unter dem der Thiere aufgeführt werden, eine andere Stellung annehmen?

Es iſt der Natur zuwider, daſs über den Zoophyten die Würme, über dieſen die[Schneken], dann die Inſecten, und nun gar die Fiſche (wer sieht nicht den Sprung?) darauf die Amphibien und endlich über allen der Vogel ſtehe, der an das Säug - thier, ich begreife nirgends wie, gränze,da203da er doch das Thier iſt, welches auf der zweiten Stuffe offenbar am weitſten von ihnen entfernt ſteht, da man hingegen noch nicht gar lange Säugthiere mit Amphibien verwechſelte, obſchon man nur nach der Ohröffnung zu sehen nöthig gehabt hätte.

Der Standpunkt und die Verwandſchaf - ten der Thiere zu einander und zu den übrigen Producten der Natur möge in fol - gendem Schema überſehen werden, damit es sich sogleich zeige, daſs die Natur, we - der nach einer bloſsen Leiter, noch nach einem flachen Neze die Thiere geordnet habe, sondern nach einem ſtereotiſchen Neze, nach einer Leiter, deren Baſis ein Nez iſt.

I.204
I. Stuffe.
1.3.2.
Linie.Ellipse.Kreis.
Cohäsion.Schwere.Feuer.
Erde.Waſſer.Luft.
Bedekung.Lunge.Haut.
Gefühlſinn.TaſtsinnLichtſinn.
Wurm.Schneke.Insect.
II. Stuffe.
1.3.2.
Parabel.Eiform.Hyperbel.
Magnetismus.Chymismus.Electrismus.
Metall.Salz.Schwefel.
Knochen.Magen.Leber.
HörsinnSchmekſinnRiechſinn
Vogel.Amphibion.Fiſch.
III. Stuffe.
1.3.2.
Konus.Syntheſe.Sphäre.
Galvanismus.Animalismus.Vegetatismus.
Korall.Thier.Pflanze.
Kreislauf.Nervenſyſtem.Lymphſyſtem.
............
.1205
1. Stuffe.
1.3.2.
Gefühlſinn.Taſtſinn.Lichtſinn.
Wallthier.....Muſtela, Viver - ra.
(Pachydermen).(Affen).(Feles).
(Schweinähnli - che).
2. Stuffe.
1.3.2.
Hörſinn.Schmekſinn.Riechſinn.
Mäuſe.Phoken.Lutra?
(Wiederkäuer).(Bär).(Hund).
3. Stuffe.
1.2.1.2.
Gefühlſinn.Lichtſinn.Hörſinn.Riechſinn.
Elephant.Löw.Pferd.Hund.
3.3.
Taſtſinn.Schmekſinn.
Aff......Bär.
.
.
.
Menſch.
Hier206

Hier wäre nun die Stelle von den Ab - weichungen der Organiſation von ihrem Typus, von dem Ueberwiegen einer Func - tion über die andre im Menſchen denn im Thiere iſt dies nothwendiger Charak - ter von der Metamorphoſe einer Fun - tion in die andre, und von dem Miſsver - hältniſſe der organiſchen Functionen zu den unorganiſchen, überhaupt von Krank - heit, derſelben Formen, und den, ob - gleich schon gelegenheitlich angeführten, nach den Hauptorganen des Thiers und der Natur zu ordnenden Pharmaka zu sprechen, da ich aber die Gränzen dieſer Schrift schon weit überſchritten habe, so sei hier das Ziel.

Errata.

  • S. 88. Z. 6. seze Luft statt Licht.
  • 7. seze deſſelben statt derselben.

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TextAbriß des Systems der Biologie
Author Lorenz Oken
Extent227 images; 29055 tokens; 5742 types; 203198 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationAbriß des Systems der Biologie Lorenz Oken. . [1] Bl., X, 206 S. Vandenhoek und RuprechtGöttingen1805.

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