PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II]
PREISSCHRIFTEN
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Nr. XI der historisch-nationalökonomischen Section. XIX. A. Leskien, Die Declination im Slavisch-litauischen und Germanischen.
LEIPZIGBEI S. HIRZEL.1876.
[III]
DIE DECLINATION IM SLAVISCH-LITAUISCHEN UND GERMANISCHEN.
GEKRÖNTE PREISSCHRIFT.
LEIPZIGBEI S. HIRZEL.1876.
[IV]

Auf die von der Fürstlich Jablonowski’schen Gesellschaft gestellte Preisfrage:

Eine eingehende Erforschung des besonderen Verhältnisses, in welchem innerhalb der indogermanischen Gemeinschaft die Sprachen der litauisch-slavischen Gruppe zu den germanischen stehen.

eingereicht und gekrönt im März 1876.

[V]

Einleitung.

Vergleichende Grammatik einer gewissen Anzahl indogermanischer Sprachen dem Ganzen des Sprachstammes oder anderen Theilen desselben gegenüber ist nur dann möglich, wenn jene Sprachen eine über die Periode der Ursprache oder die Entwicklungsperiode einer grösseren Gruppe hinausreichende gemeinsame Geschichte durchlaufen und innerhalb dieser gewisse, von der Art aller Ver - wandten abweichende Züge angenommen haben. Von dem an sich denkbaren Fall, dass die Zeit der gemeinsamen Geschichte zu kurz gewesen sei, um einer eigenartigen Entwicklung Raum zu geben, kann man, als von einem nicht nach - weisbaren, völlig absehen.

Für die Zusammenschliessung einer bestimmten Anzahl indogermanischer Sprachen zu einem engeren Ganzen kommt es also darauf an, solche Züge zu finden, die nicht überhaupt in jeder Sprachentwicklung vorkommen können und daher, wenn auch mehreren Sprachen gemeinsam, doch als auf allgemeinen Nei - gungen oder Gesetzen beruhend vom historischen Gesichtspunkt aus nur zufällige Uebereinstimmungen sind, die für eine engere Einheit nichts beweisen. Die An - sichten über den Werth der zu diesem Zwecke gesuchten Beweismittel, über die Grenze zwischen zufälligen Uebereinstimmungen und solchen, die auf gemein - samer geschichtlicher Entwicklung beruhen, waren nie ganz fest und schwanken gerade jetzt mehr als je.

Es schien freilich eine Zeit lang, als sei die Frage nach der Gruppirung der indogermanischen Sprachen zu einem gewissen Abschluss gekommen. Die enge Verbindung der beiden asiatischen Familien lag auf der Hand, die des Litauischen und Slavischen ebenfalls. Ferner ergab es sich, dass das Germanische weder mit dem Griechischen noch Italischen noch Keltischen einen engen Zusammen - hang habe, jedenfalls weit eher mit dem Litauisch-slavischen zu einer Gruppe zu verbinden sei. Man erhielt also auf diese Weise drei Abtheilungen des Sprach - stammes, die asiatische, südeuropäische, nordeuropäische, über deren richtige Aufstellung kaum ein Zweifel bestand, wenn man auch unsicher blieb, wie inner - halb der südeuropäischen die italischen Sprachen zu stellen seien, ob dem Kel - tischen oder Griechischen näher.

Bei dieser Gruppirung blieb es nicht, in verschiedener Weise wurden zwei jener Gruppen wieder zu einer engeren Einheit verbunden. Schleicher, wie bekannt, nahm an, die südeuropäische stehe zu der asiatischen in näherem Ver - hältniss, diese beiden seien nach Abtrennung der nordeuropäischen länger ver -Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. *VIEinleitung.eint geblieben. Schleicher kam zu dieser Anschauung durch die Wahrnehmung der verschiedenen Alterthümlichkeit der drei Gruppen, mit andern Worten, ihres verschiedenen Verhältnisses zur Ursprache. Weil die nordeuropäische Gruppe sich von dieser am weitesten entfernt, das soll hier aber nur heissen, die meisten Verluste alten Sprachgutes erlitten und die meisten Neubildungen geschaffen hat (s. Comp. 3 7), so folgerte Schleicher, dass « die Slavodeutschen zuerst ihre Wan - derung nach Westen antraten », sich am frühesten vom Urvolke abzweigten und eine eigenartige Entwicklung bekamen. Dieser Schluss ist aber nicht zulässig, denn die angegebene Art der Entfernung von der Ursprache giebt keinen Mass - stab für eine frühere oder spätere Abzweigung von derselben. Die italischen Sprachen stehen mindestens ebensoweit von der Ursprache ab wie die slavi - schen, sowohl an Verlusten wie an Neubildungen; da es nun Schleicher fest - stand, dass die italischen Sprachen zusammen mit dem Griechischen (und Kel - tischen) sich abgezweigt haben, das Griechische von allen europäischen Sprachen als die alterthümlichste in der Erhaltung der Formen erscheint, folgt nothwendig, dass das bestehende Verhältniss zwischen Griechisch und Italisch und das ver - schiedene Verhältniss des Italischen und Griechischen zur Ursprache nur das Resultat einer ungleich schnellen Entwicklung sein kann, die von der Zeit der Abscheidung aus der Ursprache ganz unabhängig ist. Also kann auch der weitere Abstand der nordeuropäischen Sprachen von der Ursprache im Vergleich zum Griechischen einfach auf einer anders gearteten, schnelleren Entwicklung be - ruhen und beweist ebensowenig die frühere Trennung derselben, als die Alter - thümlichkeit des Griechischen dessen und der ganzen südeuropäischen Abtheilung längeren Zusammenhang mit der asiatischen. Es giebt ja überhaupt Beispiele genug, dass selbst die Einzelsprachen einer Familie auf verschiedenem Boden, was die Schnelligkeit der Entwicklung betrifft, sich ausserordentlich verschieden verhalten, vgl. das Lettische mit dem Litauischen, das Bulgarische mit dem Ser - bischen oder Russischen. Schleicher hätte nach den sonst von ihm befolgten Grundsätzen der Vergleichung eigentlich bei einer Zerlegung des Sprachstammes in drei Abtheilungen stehen bleiben müssen, und es scheint mir, dass er zu der Ueberordnung einer Zweitheilung über die Dreitheilung nur gekommen ist durch die Erfahrung, dass die unzweifelhaft feststehenden Gruppen, die asiatische und die slavisch-litauische je in zwei Theile zerfallen. Aber dieser Vorgang ist nicht zwingend. Geht man von der Vorstellung aus, dass Völker - und Sprachver - schiedenheit durch räumliche Trennung eines einheitlichen Volkes und einer ein - heitlichen Sprache entsteht, so ist eine dreifache Spaltung aus irgend welchen äusseren Veranlassungen oder inneren Gründen ebensogut möglich wie eine zwiefache. Obwohl die Beantwortung der Frage nach der Gruppirung der indo - germanischen Sprachen jetzt eine andere Richtung genommen hat als bei Schlei - cher, ist es doch immer noch nothwendig, scharf hervorzuheben, dass die relative Alterthümlichkeit verschiedener indogermanischer Sprachen nicht als Kriterium für Verwandtschaftsgrade benutzt werden darf, und dass die Zweitheilung nicht etwas nothwendiges ist, sondern nur auf einem Analogieschluss und einer ge - wissen allgemeinen Wahrscheinlichkeit beruht.

VIIEinleitung.

Die Kriterien einer engeren Gemeinschaft können nur in positiven Ueber - einstimmungen der betreffenden Sprachen, die zugleich Abweichungen von den übrigen sind, gefunden werden. Auf solche gründet sich aber die von Schlei - chers Aufstellung abweichende und allgemeiner angenommene Reducirung der drei Gruppen (südeuropäisch, nordeuropäisch, asiatisch) auf zwei Abtheilungen, eine asiatische und eine europäische, letztere in die bekannten beiden Gruppen als Unterabtheilungen zerfallend. Diese Zweitheilung hat ihren Rückhalt an be - sonderen grammatisch-lautlichen Erscheinungen der europäischen Sprachen, z. B. der übereinstimmenden Spaltung des r in r und l, namentlich aber an der den asiatischen Sprachen fehlenden Spaltung des a in a und e. Auf jeden Fall verdiente sie den Vorzug vor der Schleicherschen, und Schleicher hätte bei con - sequenter Anwendung der sonst von ihm befolgten Grundsätze selbst dazu über - gehen müssen.

Bekanntlich pflegte man sich die Auflösung des indogermanischen Sprach - stammes in Familien und Einzelsprachen, ob man Schleichers Gruppirung oder die andere annahm, nach seinem Vorgange durch das neuerdings sehr in Miss - credit gekommene Bild eines Stammbaumes zu versinnlichen. Gegen dieses Bild liessen sich von Anfang an, wie gegen alle solche Vergleiche, Einwendungen machen. Bei der Spaltung einer Sprache entstehen ja nicht in dem Sinne neue Individuen wie bei der Fortpflanzung organischer Wesen; jede indogermanische Sprache, und mögen noch so viele Spaltungen eines grösseren Ganzen bis auf die Ursprache zurück hinter ihr liegen, ist doch immer noch diese Ursprache selbst, nur in veränderter Gestalt, dasselbe Individuum, wenn überhaupt derartige Ver - gleiche mit organischen Wesen zulässig sind, in einem anderen Lebensalter. Der Widerspruch, der darin zu liegen scheint, dass wir die als eine Menge von Indi - viduen angesehenen indogermanischen Sprachen doch wieder nur für ein und dasselbe Individuum halten sollen, entsteht eben bloss durch den unpassenden Vergleich mit organischen Wesen. Wenn von einem Volke ein Theil z. B. durch Auswanderung sich abzweigt und vom anderen völlig getrennt wird, so ist der sich entfernende Theil gerade so gut im Besitz der ganzen Sprache wie der zu - rückbleibende, und es existirt also die betreffende Ursprache dann so viele male, als Trennungen vorgekommen. Es mag also sein, dass die Bezeichnung « Stamm - baum », mit der das Liniensystem, durch welches Schleicher die Verzweigung der indogermanischen Sprachen darstellte, benannt wurde, zu allerlei falschen Vorstellungen Veranlassung geben konnte und gegeben hat. Lassen wir aber den Namen fallen und sehen auf den eigentlichen Sinn der Zeichnung, so ist nichts dagegen einzuwenden. Die Linien bedeuten in der That weiter nichts, als die ohne bestimmte, weil bisher und vielleicht immer unmögliche, geogra - phische Fixirung angegebenen Wanderungslinien der angenommenen Gruppen und einzelnen Völker, der Anfangspunkt des Liniensystems den Sitz des indo - germanischen Urvolkes. Das ganze beruht also auf der Vorstellung, dass in der Geschichte der indogermanischen Völker so und so viele Wanderungen und da - mit verbundene geographische Trennungen und zwar wirksame, den früheren Zusammenhang des Volkes und der Sprache aufhebende Trennungen vorgekom -VIIIEinleitung.men sind. Wo Schleicher die Theilung des indogermanischen Sprachstammes beschreibt, liegt stets diese Anschauung zu Grunde. Die Berechtigung dazu gibt eine ganze Reihe bekannter historischer Thatsachen. Hat man Wanderungen wie z. B. die der Angeln und Sachsen mit ihrer völligen Trennung von den einstigen Volks - und Sprachgenossen vor Augen, deren Resultat die Entstehung eines besonderen germanischen Volkes und einer besonderen Sprache war, so muss man wenigstens die Möglichkeit zugeben, dass irgend eine Abtheilung des Indogermanischen sich vollständig und scharf vom Urvolke oder einem Theil des - selben abgelöst und die betreffende Sprachengruppe eine eigenthümliche Ent - wicklung, abgesondert von allen anderen indogermanischen Sprachen, gehabt haben kann.

So lange man, was bis vor einigen Jahren wenigstens bei der jüngeren Generation der Sprachforscher wohl ziemlich allgemein der Fall war, an dieser Vorstellung festhielt, gehörte es zu den Desiderata der Sprachvergleichung, neben der Gesammtgrammatik des ganzen Sprachstammes vergleichende Grammatiken der einzelnen Gruppen zu besitzen. Dies Verlangen war auch vollkommen ge - rechtfertigt, da man ja annahm, dass jede Gruppe eine eigne Geschichte habe; Versuche der Art sind vorhanden, so Leo Meyers Vergl. Grammatik des Griechi - schen und Lateinischen, Ficks Wörterbuch; Schleicher hatte den Plan, eine ver - gleichende Grammatik der nordeuropäischen Gruppe zu schreiben. Gegenwärtig sind diese Wünsche in den Hintergrund getreten, theils weil die historische Gram - matik der einzelnen Sprachen die Kräfte zu sehr in Anspruch nimmt, namentlich aber, weil die ganze jenen Wünschen zu Grunde liegende, oben beschriebene An - schauungsweise durch die Angriffe Joh. Schmidts ins Wanken gekommen ist. Da meine Arbeit über die Declination im Germanischen und Slavisch-litauischen voraussetzt, dass man überhaupt noch berechtigt sei zu dem Versuche, die Zu - sammengehörigkeit dieser drei Familien als einer besonderen Gruppe des Indo - germanischen nachzuweisen, muss ich meine Stellung zu Schmidts Ansichten hier angeben, kann es aber an dieser Stelle nur in der Kürze.

Die Beweisführung in Schmidts Schrift (Die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen, 1872) darf ich nach den Erörterungen, die seitdem für und wider geschehen sind, als bekannt voraussetzen und mich auf Angabe des Resultats beschränken. Joh. Schmidt findet, dass gewisse sprachliche Eigen - thümlichkeiten es unmöglich machen, auf der einen Seite das Slavisch-litauische vom Germanischen, auf der andern Seite vom Arischen, namentlich Iranischen zu trennen, und nach ihm (S. 17) ist « gleichmässig falsch sowohl die Annahme einer slavisch-lettisch-deutschen Grundsprache als die einer slavisch-lettisch - arischen Grundsprache, da keine von beiden Annahmen den sprachlichen That - sachen gerecht wird. Wollte man sich dadurch aus der Verlegenheit retten, dass man eine engere Einheit der nordeuropäischen Sprachen mit den arischen an - nähme, d. h. wollte man sich die Sprachtrennung in der Weise vorstellen, dass aus der Ursprache zunächst durch Zweitheilung erstens die südeuropäische Grundsprache, die Mutter des Griechischen, Italischen und Keltischen und zwei - tens eine Sprache hervorgegangen wäre, welche sich später durch abermaligeIXEinleitung.Theilung in die nordeuropäische Grundsprache und in die arische Grundsprache aufgelöst hätte, wollte man dies voraussetzen, so käme man wieder in Collision mit den Eingangs (S. 2 f.) festgestellten gemeinsamen europäischen Eigenthüm - lichkeiten, welche eine solche Annahme unmöglich machen. Man mag sich also drehen und wenden, wie man will, so lange man an der Anschauung festhält, dass die in historischer Zeit erscheinenden Sprachen durch mehrfache Gabelungen aus der Ursprache hervorgegangen seien, d. h. so lange man einen Stammbaum der indogermanischen Sprachen annimmt, wird man nie dazu gelangen, alle die in Frage stehenden Thatsachen wissenschaftlich zu erklären. Der ganze Charakter des Slavolettischen bleibt unter dieser Voraussetzung unbegreiflich. Verständlich wird er nur, wenn wir anerkennen, dass das Slavolettische weder vom Arischen noch vom Deutschen losgerissen werden kann, sondern die organische Vermit - telung beider ist ». Die Stellung, welcher nach Schmidt im Norden dem Slavo - lettischen als Vermittler zwischen Germanisch und Arisch zuzuschreiben, kommt im Süden dem Griechischen zu, S. 24: « auch in Südeuropa besteht dasselbe Ver - hältniss wie in Nordeuropa, es gibt keine Grenze zwischen den arischen und europäischen Sprachen, das Griechische ist ebenso unzertrennliah mit dem La - teinischen wie mit dem Arischen verbunden. Dass es keine gemeinsame euro - päische Grundsprache gegeben hat, beweist uns schon das Slavische, jetzt sind auch die südeuropäische und die gräcoitalische Grundsprache unhaltbar ge - worden, und wir sehen überall nur stufenweisen continuirlichen Uebergang von Asien nach Europa ». Da endlich Schmidt Ebels Versuchen (Beiträge II, 137), das Keltische dem Germanischen ebenso nahe zu stellen wie dem Italischen bei - tritt, so wird ihm das Keltische zum Vermittler zwischen Latein und Germanisch, zwischen Süd - und Nordeuropäisch (S. 25), und « wollen wir uns die Verwandt - schaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen in einem Bilde darstellen, welches die Entstehung ihrer Verschiedenheiten veranschaulicht, so müssen wir die Idee des Stammbaumes gänzlich aufgeben ». Schmidt hat dafür denn auch andere Bilder vorgeschlagen, ohne darauf besonderes Gewicht zu legen, und sich mit Recht darüber beklagt, dass man an diesen für die Sache unwesentlichen Vergleichen so viel Anstoss genommen hat. Ich lasse daher diese ganz bei Seite; allein wie der Stammbaum, um diese unpassende Bezeichnung der Kürze wegen beizubehalten, nichts anderes ist, als der Ausdruck einer Reihe von ethnogra - phisch-historischen Thatsachen, von Völkertrennungen durch Wanderung, so muss man sich auch bei Schmidts Anschauungsweise fragen, wie nimmt sie sich aus ins ethnographisch-historische übertragen. Die Sprachen führen ja nicht ein Leben für sich, sondern sind an die Völker gebunden.

Für Schmidts Hypothese bildet die geographische Einheit der indogermani - schen Völker, die ununterbrochene Continuität des von ihnen bewohnten Ge - bietes während der Entstehung seiner Reihe von Uebergangsstufen der Sprache die absolut nothwendige Voraussetzung. Es steht nun fest, dass dieses continuir - liche Gebiet sich nicht von Anfang an über den ganzen, heutzutage in Asien und Europa von Indogermanen bewohnten Raum mit Ausfüllung der jetzt von stamm - fremden Völkern bewohnten Zwischenräume erstreckt haben kann. In völligXEinleitung.historischer Zeit sind vielfach neue Gebiete von Indogermanen besetzt worden, und wenn irgend ein Schluss auf längst vergangene ethnographische Verhältnisse Geltung hat, so ist es der, dass die Indogermanen einmal auf einem verhältniss - mässig eng begrenzten Raum zusammengewohnt und von diesem aus sich ver - breitet haben müssen. Von einer solchen Verbreitung in vorhistorischer Zeit können wir uns eine Vorstellung nur erwerben durch Betrachtung der in histo - rischer Zeit vorgekommenen Fälle, und aus diesen ergibt sich, dass die Aus - breitung auf zweierlei Weise geschehen kann: entweder ein Theil des Volkes wandert aus und wird geographisch völlig getrennt von dem anderen Theil, vgl. die Wanderung der Angelsachsen nach Britannien, der Norweger nach Island, der Südslaven in die Donauländer, oder andererseits die natürliche Vermehrung der Volkszahl nöthigt das Volk durch Occupation des Landes an seinen Grenzen, sei dies unbewohnt oder bewohnt, in letzterem Fall mit Verdrängung oder Auf - saugung der alten Bewohner, sein Gebiet zu erweitern, wobei der geographische Zusammenhang bestehen bleibt; ein solches Beispiel gibt die enorme Aus - breitung des russischen Volkes nach Norden, Osten, Süden während des uns historisch bekannten Zeitraums von etwa 1000 Jahren. Die zuletzt beschriebene allmähliche Art der Gebietsvermehrung eines Volkes vollzieht sich natürlich viel langsamer als die durch Auswanderung, und in älterer Zeit langsamer als jetzt. Es versteht sich, dass die allmähliche Ausbreitung kein absolutes Hinderniss einer Wanderung ist, nur wird diese da, wo das Volk Raum zu jener hat, we - niger leicht eintreten.

Es fragt sich nun, welcher von den beiden an sich möglichen Vorgängen für die Ausbreitung des indogermanischen Urvolkes der wahrscheinlichste ist, Wan - derungen oder allmähliches ununterbrochenes Vorwärtsschieben. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass der Annahme von trennenden Wanderungen nach der Analogie geschichtlich bekannter Vorgänge von historischer Seite gar nichts im Wege steht. Versuchen wir, uns den Hergang und das Resultat bei allmählichem ununterbrochenem Fortschieben vorzustellen. Im ersten Jahrhundert vor und nach Christo, um eine Zeit zu nennen, wo die Interpretation der Ueber - lieferung nicht mehr zweifelhaft ist, haben wir von allen indogermanischen Völkern mit Ausnahme der Slaven und Litauer bestimmte Nachrichten, und auch das Gebiet dieser beiden lässt sich mit einiger Sicherheit als das heutige mittlere und westliche Russland bis an die Ostseeküste, oder allgemeiner als das Land östlich von Weichsel und Karpaten bestimmen; wir können uns also ein wenigstens hier genügendes Bild von der damaligen Ausbreitung der Indogermanen machen. Indogermanen reichten damals vom Ganges bis nach Britannien, und ferner, wenn man auch alle streitigen Fragen, z. B. nach der Zugehörigkeit einer Anzahl kleinasiatischer Stämme, die das geographische Bindeglied zwischen Iraniern und Europäern bildeten, bei Seite lässt, sicher berührten sich in jener Zeit mehrere indogermanische Völker unmittelbar, so die Kelten und Germanen an Rhein und Donau, höchst wahrscheinlich Slaven und Litauer im Osten mit Ger - manen, wahrscheinlich Slaven und iranische Stämme im Nordpontuslande, ferner Griechen mit indogermanischen (illyrisch-thrakisch-getischen) Stämmen im Nor -XIEinleitung.den, und diese können die Grenznachbarn von Kelten oder Germanen oder Slaven oder allen dreien sein. Dass diese geographische Lage auch schon vor dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bestanden hat, kann nicht zweifelhaft sein, wie lange sie so oder ungefähr so zurückreicht, lässt sich frei - lich nicht bestimmen. Betrachtet man nun den ungeheuren Umfang des Gebietes, die Culturzustände, in denen wir die meisten indogermanischen Völker zur Zeit ihres ersten geschichtlichen Auftretens finden, die allgemeinen geographischen Verhältnisse Europas, die äussere Beschaffenheit des Landes, wie wir sie für das alte Nord - und Mitteleuropa kennen, so scheint es mir aller historischen Wahr - scheinlichkeit zu widersprechen, dass die Lage der Völker zu der angegebenen Zeit die unmittelbare Folge einer continuirlichen Ausbreitung sei, dass in dem langen Zeitraume, der bis zur vollendeten Occupation des genannten Gebietes verlaufen sein muss, niemals wirkliche geographische Trennungen stattgefunden haben. Ich muss wenigstens gestehen, dass ich ohne dieselben mir die Aus - breitung der Indogermanen nicht vorstellen kann. Sind aber solche Trennungen vorauszusetzen, so bleibt es möglich, dass jede der angeführten geographischen Berührungen nach einer langen Periode der Trennung erst durch Annäherung von verschiedenen Seiten her wieder neu erfolgt, dass z. B. die Nachbarschaft der Germanen und Kelten an Rhein und Donau durch zufällige äussere Umstände, die mit dem Verhältniss der Sprachen gar nichts zu schaffen haben, hervorge - bracht ist, so gut wie das Zusammenwohnen von Griechen und Italikern auf der italischen Halbinsel durch Einwanderung von Griechen in den südlichen Theil derselben.

Wenn man aber die Wahrscheinlichkeit einer Anzahl von Trennungen zu - gibt, so muss man bei der Voraussetzung, die bestehenden Verhältnisse der indogermanischen Sprachen zu einander erklärten sich nur aus Uebergangsstufen und könnten sich nur innerhalb einer geographischen Continuität ausgebildet haben, diese Continuität vor jede Ausbreitung verlegen, in ein verhältnissmässig, d. h. mit der späteren Ausdehnung verglichen, enges Gebiet. Und wer von jener Voraussetzung ausgeht, wird eben antworten, dass kein Hinderniss bestehe, die Herausbildung der sprachlichen Eigenthümlichkeiten, durch welche sich die ent - fernter von einander wohnenden Stämme unterscheiden, und der zwischen ihnen liegenden Mittelstufen in jenes Gebiet und jene Zeit zu verlegen. Dagegen ist auch principiell von Seiten der Sprache nichts einzuwenden: jedes einigermassen ausgedehnte Volk zeigt dialektische Differenzen der trotzdem als einheitlich ange - sehenen Sprache. Aber sobald man diese Anschauungsweise combinirt mit der Wahrscheinlichkeit der Wanderungen und geographischen Trennungen, so er - gibt sich eine Möglichkeit, die den Werth von Schmidts Hypothese nicht auf - hebt, aber die Consequenzen wesentlich modificirt. Wenn man innerhalb der indogermanischen Einheit z. B. die Vorfahren der Germanen mit a bezeichnet, die der Arier mit c, beide in der Zeit der geographischen Continuität durch gewisse dialektische Eigenthümlichkeiten sprachlich unterschieden, ferner die zwischen beiden wohnenden Vorfahren der Slaven und Litauer mit b, deren Dialekt weder von a noch von c getrennt werden konnte und die Vermittelung beider bildete,XIIEinleitung.

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so kann man sich vorstellen, dass entweder durch geographische Trennung, Aus - wanderung von c oder durch gemeinsame Abzweigung von a und b der Zusam - menhang unterbrochen wurde. Die Wirkung müsste sein, dass zwar b die Eigen - thümlichkeiten, die es mit c theilt, behält, aber während seiner mit a allein gemeinsamen Geschichte mit diesem zusammen Eigenthümlichkeiten entwickelt, die c nicht mehr theilen kann. Die Chronologie der einerseits dem Slavisch - litauischen und Arischen, andererseits dem Slavisch-litauischen und Germani - schen gemeinsamen Eigenthümlichkeiten kennen wir nicht, aber so gut ich mir vorstellen kann, dass die Slavoletten mit den Iraniern die Entwicklung einer Anzahl von k-lauten zu Spiranten theilten, als sie zu gleicher Zeit z. B. mit den Germanen das bh der Casusendungen zu m verwandelten, so gut ist es möglich, dass die beiden Dinge niemals gleichzeitig waren, dass noch bh sich über das ganze Gebiet erstreckte, während die Spirans statt k nur über die Vorfahren der Slavoletten und Arier reichte und m erst eintrat nach Abtrennung der Slavoletten mit den Germanen von den Ariern. Mit einem Worte, die sogenannte Stamm - baumtheorie widerspricht der Uebergangstheorie, um so Schmidts Hypothese kurz zu bezeichnen, gar nicht. Slavisch-litauisch-germanisch kann eine von der Fortentwicklung der übrigen indogermanischen Sprachen unabhängige gemein - same Geschichte gehabt haben und trotzdem kann es wahr sein, dass Slavisch - litauisch das Mittelglied zwischen dem Germanischen und Arischen bildet; die europäischen Sprachen können eine von den asiatischen zu scheidende Gruppe bilden, obwohl Slavisch und Griechisch möglicherweise die Mittelglieder zwischen beiden Gruppen sind. Diese Möglichkeit ist aber für die Fortbildung der ver - gleichenden Grammatik von grosser praktischer Bedeutung. Habe ich mir das heutige oder überhaupt das historisch überlieferte Slavisch-litauische nur in der Stellung eines Mittelgliedes, einer Uebergangsstufe zwischen Arisch und Germa - nisch vorzustellen, so kann allerdings von einer vergleichenden Grammatik des Slavisch-litauisch-germanischen so wenig die Rede sein wie von einer des Sla - visch-litauisch-arischen. Jeder solcher Schnitt wäre reine Willkür. Hat dagegen das Slavisch-litauische zu irgend einer Zeit diese Vermittlerrolle verloren durch eine Trennung der oben angegebenen Art, so hat es vielleicht eine mit dem Germanischen gemeinsame Geschichte, und so bleibt eine vergleichende Grammatik dieser Gruppe denkbar und ausführbar. Diese hat dann einfach die aus älterer Zeit ererbten Uebereinstimmungen des Slavisch-litauischen mit dem Arischen zu registriren und sich dadurch nicht beirren zu lassen. Ich lasse es vorläufig ganz unentschieden, ob die Gründe Schmidts für die Uebergangslage des Slavisch-litauischen, des Keltischen, des Griechischen entscheidend sind; zugegeben, sie beweisen, was sie beweisen sollen, so macht mir das den Stamm - baum nicht unwahrscheinlicher.

Vorhistorische Zustände können wir uns nur mit Hülfe der Analogie histori - scher oder wenigstens der urkundlichen Geschichte näher liegenden VorgängeXIIIEinleitung.klarer machen, und Schmidt hat auch nicht unterlassen, solche zu verfolgen. Hier kommt namentlich der Abschnitt S. 178 ff. (« Ergebnisse für die Verwandtschafts - verhältnisse der slavischen Sprachen unter einander ») in seinem neuesten Werke « Zur Geschichte des indogermanischen Vocalismus II » in Betracht. Die bisherige, namentlich durch Schleicher ausgebildete Annahme der Gabelung des Urslavi - schen in einen westlichen und einen südöstlichen Zweig, von denen jener sich wieder in Čechisch und Lechisch, letzterer in Russisch und Südslavisch theilt, das Čechische ferner in Čechisch im engeren Sinne und Sorbisch, das Lechische in Polnisch und Polabisch, das Russische in Gross - und Kleinrussisch, die süd - slavische Gruppe in Bulgarisch und Serbo-slovenisch, letzteres endlich in Serbisch (Serbo-chorvatisch) und Slovenisch diesen ganzen Stammbaum sucht Schmidt aufzuheben, indem er auch hier die scharfen Grenzen leugnet und nach gewissen sprachlichen Kriterien continuirliche Uebergänge annimmt, hier freilich ausge - sprochener Massen in der Urheimat ausgebildete. Es heisst S. 182: « man mag also einen Stammbaum entwerfen wie man will, die speciellen Uebereinstim - mungen des Slovenischen mit den westslavischen Sprachen, des Čechischen und Polabischen mit den südslavischen, des Polabischen sowohl mit dem Čechischen als mit dem Polnischen, des Sorbischen sowohl mit dem Polnischen als mit dem Čechischen vermag er nicht gleichmässig zu erklären. Daher sehe ich mich ge - nöthigt, hier auf engerem Gebiete zu wiederholen, was ich schon auf weiterem gethan habe, indem ich constatire, dass die Methode, die Verschiedenheit der slavischen Dialekte vermittels eines Stammbaumes zu erklären, den Thatsachen nicht gerecht wird und sich dadurch als falsch erweist ». Ferner S. 199: « um zu veranschaulichen, wie sich die Vorfahren der historischen Slaven .... in der Urheimat räumlich berührt haben müssen, diene das folgende in idealer Regel - mässigkeit gehaltene Schema » (ich erlaube mir, um mich bequemer darauf beziehen zu können, es hier aufzunehmen):

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XIVEinleitung.Endlich S. 201: « vergleichen wir diese für die vorhistorische Zeit nothwendig an - zunehmenden Siedelungsverhältnisse der Slaven mit den historischen, so stellt sich heraus, dass, obwohl die Ausdehnung des von Slaven besetzten Gebietes in historischer Zeit sehr starke Veränderungen erlitten hat, die Siedelungsverhält - nisse der einzelnen Stämme zu einander von dem zwischen sie gedrungenen Keile der Deutschen, Magyaren und Rumenen abgesehen heute noch dieselben sind, wie wir sie für die Urzeit annehmen müssen ».

Ich knüpfe zunächst an die letztcitirte Stelle an: es könnte demjenigen, der nicht näher auf die historischen Verhältnisse eingeht, nach Schmidts Worten leicht scheinen, als bestehe ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Siede - lungsverhältnissen in der Urheimat und den späteren, oder als seien diese die unmittelbare Fortsetzung jener. Das ist nun entschieden nicht der Fall, wenn unsere historische Ueberlieferung etwas werth ist. Nehmen wir z. B. die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, wo Rumunen vielleicht nördlich der Donau noch gar nicht vorhanden waren oder ein sehr kleines, nicht mehr bestimmbares Gebiet einnahmen, die Magyaren noch nicht eingedrungen waren und die Deutschen die westslavischen Stämme noch nicht überwältigt und auseinandergedrängt hatten, eine Zeit, wo das Slaventhum seine grösste Ausdehnung nach Süden und Westen hatte. Dass damals zwischen Russen und Bulgaren oder zwischen Serben und Russen eine unmittelbare geographische Berührung nicht stattfand, steht fest. Die Slovenen waren Grenznachbarn der Serbo-chorvaten, diese der Bulgaren; im Norden standen Čechen, Sorben, Polen, Polaben in geographischem Zusam - menhang; möglicherweise berührten sich im Osten die Russen mit den Polen oder Čechen oder mit beiden. So giebt es eine südliche geographisch zusammen - hängende Abtheilung und eine nördliche. Es ist nicht gerade unwahrscheinlich, wenn es sich auch nicht beweisen lässt, dass die beiden Abtheilungen an der mittleren Donau, etwa auf der Linie Pressburg-Pest zusammenstiessen, indem südlich der Donau Slovenen, nördlich Čechen wohnten. So stehen allerdings die Völker, wenn man die Lücke zwischen Russen und Südslaven überspringt, zu einander ungefähr in einer Lage, wie sie Schmidts Schema gibt (ganz auch so nicht, denn nach ihm berühren sich sprachlich die Polaben sowohl mit den Čechen wie mit den Polen, im 9. Jahrhundert dagegen liegt ein breiter sorbischer Streifen zwischen Polaben und Čechen). Allein dass die Lage der Slovenen und Čechen so ist, wie sie Schmidt für die Urheimat ansetzt, ist ein Zufall. Die Čechen können nach Böhmen, Mähren, Oberungarn nur über die Sudeten - und Karpaten - pässe und die Senkung zwischen diesen Gebirgen, jedenfalls von Norden und Osten gekommen sein, während alle Verhältnisse dafür sprechen, dass das Vor - dringen der Slovenen nach Pannonien und Noricum durch die Donaupforte statt - gefunden hat (vgl. am kürzesten Rösler, Ueber den Zeitpunkt der slavischen An - siedlung an der untern Donau. Wiener Sitzungsber., phil. -hist. Cl. B. LXXIII, S. 92, 1873). Folglich waren Čechen und Slovenen einmal völlig getrennt, und äussere Umstände, die mit der relativen Lage dieser Stämme in der Urheimat und dem Verhältniss ihrer Dialekte nichts zu schaffen haben, führten sie wieder zusammen; oder um mich vorsichtiger auszudrücken, da die wirkliche BerührungXVEinleitung.nicht fest steht, gaben ihnen dieselbe relative Lage wieder. Geben wir nun auch Schmidts Hypothese von der Lage der Stämme in der Urheimat zu, so haben wir hier doch einen deutlichen Fall, wo zwei neben einander gelegene Dialekte, von denen der eine, das Čechische, als Vermittler zwischen dem späteren West - slavischen und Südslavischen angesehen werden soll, völlig von einander getrennt wurden und zwar durch Wanderung nach verschiedenen Richtungen. Nun glaube ich mit Schmidt, dass zwischen dem Slovenischen und Serbochorvatischen keine scharfen Grenzen vorhanden sind noch je waren; die beiden Sprachen zeigen ferner Erscheinungen, die nur ihnen allein gehören, weder auf der einen Seite von den Bulgaren noch auf der anderen von den Čechen getheilt werden, und ich sehe nicht ein, was uns hindern kann, für das Slovenisch-serbische ein Son - derleben anzunehmen, in welchem es getrennt von den übrigen Verwandten diese Eigenthümlichkeiten entwickelte; wobei die etwaige einstige Mittelstellung des Slovenischen als Uebergang zum späteren Westslavischen ganz gleichgültig ist. Also auch hier widerspricht die Stammbaumtheorie der Uebergangstheorie nicht, und das Beispiel der slavischen Sprachen kann so gut auf die eine wie auf die andere passen.

Ueber Schmidts Zeichnung möchte ich bemerken, dass sie zwar deutlich genug ist, aber schwerlich so das ideale Bild der Lage einer Reihe von Dialekten gezeichnet werden darf. Man darf den Umfang eines Sprachgebietes, wenn man von allen zufälligen Grenzkrümmungen absieht, durch eine Kreislinie als ideale Peripherie darstellen, aber die Theilung des eingeschlossenen Raumes durch Radien ist eine rein willkürliche, und doch beruht auf einer solchen Theilung die Möglichkeit der gegenseitigen Lage der Stämme, wie sie Schmidt sich denkt. Sobald man irgend welche andere Theilungslinien anwendet, ergeben sich andere Berührungen, und man wird zugeben, dass irgend ein anderer Theilungsmodus nach der Art, wie wir erfahrungsmässig Dialekte gruppirt sehen, bei weitem wahrscheinlicher ist. Indess ich will darauf weiter kein Gewicht legen, alle solche Bilder sind ihrer Natur nach unvollkommen.

In allem bisherigen habe ich mich absichtlich auf das Detail der sprachlichen Kriterien, die Schmidts Ansicht stützen, nicht eingelassen und die Richtigkeit und Beweiskraft seiner Aufstellungen zugegeben. Es kam mir zunächst nur darauf an zu zeigen, dass zwischen den beiden Ansichten kein principieller Widerspruch besteht, dass die Uebergangsreihe Schmidts in die Urheimat des ganzen Stammes oder der betreffenden Familie verlegt werden muss, und dass derjenige, der daran festhält, dass es innerhalb der indogermanischen Sprachen in der That scharf trennbare, durch geographische Sonderung entstandene Gruppen gibt, nur zuzugeben hat, dass auf dem Boden der Urheimat bereits dialektische Unterschiede bestanden, was jeder ohne weiteres zugeben kann. Man sollte nicht sagen: das Verhältniss der indogermanischen Sprachen unter einander ist nur verständlich durch die Annahme continuirlicher Uebergangsstufen, sondern: ge - wisse Erscheinungen, einzelne Uebereinstimmungen indogermanischer Sprachen lassen sich vielleicht nur erklären, wenn sich in der Urheimat Sprachtheile be - rührt haben, die später aus einander gerathen sind, das spätere Verhältniss derXVIEinleitung.Sprachen aber hängt nicht ab von ihrem etwaigen ursprünglichen, d. h. in der Urheimat zwischen den Dialekten der Ursprache anzusetzenden Verhältniss.

Es kommt nun nach diesen allgemeinen Auseinandersetzungen vor allem darauf an, ob die sprachlichen Erscheinungen, die Schmidt zur Grundlage seiner Hypothese hat, das beweisen, was sie beweisen sollen. Ich knüpfe hier zunächst an den speciellen Fall, das Verhältniss der slavischen Sprachen zu einander an, um von da aus auf die Stellung des Slavisch-litauischen im Ganzen des Sprach - stammes überzugehen. Zum Verständniss dessen, was Schmidt S. 194 über die Entwicklungsgeschichte der slavischen Sprachen zusammenfasst, muss das Re - sultat seiner Untersuchungen über die ursprünglichen Lautgruppen er, el, ar, al vor Consonant vorausgeschickt werden. Dies findet sich ausgesprochen einmal S. 98: « Das Urslavische hatte, unmittelbar nachdem der Zusammenhang zwischen ihm und dem Litauischen erloschen war, in den fraglichen Worten noch wie dieses er, el » .... « Es entwickelte sich .... auf dem ganzen sla - vischen Sprachgebiete gleichmässig die Svarabhakti: wo bisher nur er, el be - standen hatten, traten ere, ele an deren Stelle ». Also nach Schmidt setzen alle Abweichungen der slavischen Sprachen in der Vertretung von ursprünglichem er, el durchgehends die Lautverbindung ere, ele voraus (von vereinzelten Fällen, wo statt el ol anzusetzen ist, kann hier als etwas unwesentlichem abgesehen werden). Ferner S. 172: « nachdem das Slavische aus der Continuität mit den verwandten Sprachen ausgeschieden war, hatte es år, ål an Stelle von lit. und urspr. ar, al; von diesem Sprachstande hat sich eine einzige Spur bis auf den heutigen Tag erhalten: poln. poleć gen. polcia, osorb. polč, ěech. polt sind laut - gesetzliche Vertreter von urslav. * poltĭ (S. 134 unter platĭ). In allen übrigen Worten entwickelten sich år, ål durch Svarabhakti zu årå, ålå, von denen sich auch ausser dem gemeinslavischen olovo (S. 146) Spuren in allen slavischen Dia - lekten erhalten haben. Im Russischen und Kleinrussischen sind oro, olo vom Be - ginne der historischen Tradition an (S. 115) die regelmässigen Vertreter von altem ar, al. Ebenso war es im Altpolnischen .... Erst nachdem sich årå, ålå auf dem ganzen slavischen Sprachgebiete gleichmässig entwickelt hatten (ausgenom - men in * poltĭ), traten dialektische Verschiedenheiten in der bis dahin einheit - lichen Sprache hervor. Russen und Kleinrussen bewahrten årå, ålå in oro, olo, Polen und Sorben gaben den ersten Vocal auf ...., Südslaven und Čechen zogen årå, ålå in , zusammen. Das Polabische hat inlautendes ålå wie das Südslavische und Čechische zunächst zu zusammengezogen (S. 152), dagegen årå zu ār, welches später zu ōr geworden ist (S. 154) ». Der auf S. 194 be - schriebene gesammte Entwicklungsgang ist nun folgender: « Als die Slaven noch ein Volk bildeten ...., hatte ihre Sprache noch 1. dj, tj unverändert, 2. ebenso dl, tl, dn, tn, 3. vy und izŭ neben einander, 4. ere, ele ...., årå, ålå. Allmählich traten auf verschiedenen Punkten des Gebietes neue Laut - neigungen hervor, welche von dem Orte ihres Aufkommens aus weiter um sich griffen, jede für sich, jede in anderer Ausdehnung. Die vier genannten ursla - vischen Characteristica wurden durch sie in folgender Weise und Ausdehnung verändert: 1. dj, tj wurden bei den Westslaven zu dz, ts (= c). 2. d, t schwan -XVIIEinleitung.den vor l, n bei den Vorfahren der Russen, Kleinrussen, Bulgaren, Serben, Kroa - ten, blieben dagegen bewahrt bei denen der Slovenen (ausser tn) und West - slaven. 3. vy kam bei den Vorfahren der Bulgaren, Serben und Kroaten ausser Gebrauch, wurde dagegen bei denen der Slovenen, Russen und Westslaven be - wahrt. 4. a. ere ward bei den Vorfahren der Südslaven und Čechen zu , er - hielt sich bei den übrigen und ward erst später bei den Vorfahren der Polen, Polaben und Sorben zu re (S. 90, 94, 95). b. ele ward zu nicht nur bei den Vorfahren der Südslaven und Čechen, sondern auch bei denen der Polaben (S. 95) .... Bei den Vorfahren der Polen und Sorben wurden ele und das da - neben liegende olo (S. 98) zu respective le, ło vereinfacht. c. årå ward bei den Vorfahren der Südslaven und Čechen zu , und zwar waren die Vorfahren der Čechen und Südslaven zu dieser Zeit noch in vollem Zusammenhange mit denen der Polen und Sorben, denn der Lautwandel erstreckte sich auch bis in den An - fang von deren Gebiet, wie poln. straż neben stroż, osorb. straža neben stroža, poln. osorb. trapić beweisen. d. ålå inlautend ward zu nicht nur bei den Vorfahren der Südslaven und Čechen, sondern auch bei denen der Polaben »

Nach Schmidt muss man also annehmen, dass die in den vier Punkten an - gegebenen Veränderungen des Urslavischen insofern gleichzeitig waren, als sie alle noch auf dem Boden der geographischen Continuität stattfanden (vgl. seine Ueber - tragung auf die Zeichnung S. 200). Von diesen Punkten sind aber 2. und 3. hin - fällig, d. h. hier, es lässt sich mit demselben Rechte annehmen, dass diese Ver - änderungen erst in der einzelnen Gruppe oder einzelnen Sprache nach der Trennung aus der Urheimat eingetreten und damit für das alte Verhältniss der Sprachen nicht massgebend sind. Bei vy handelt es sich um einen Verlust, der nach Schmidts eigenen Ansichten zu solchen Bestimmungen werthlos ist. Der Verlust von t, d z. B. vor n tritt im Verlauf der Geschichte auch in westslavi - schen Sprachen ein: obersorb. panyć neben padnyć, kranyć neben kradnyć, niedersorb. panuś, kśanuś. So gut das hier nachweislich im Laufe der Sonder - entwicklung des Sorbischen eingetreten ist, kann es in einer Sonderentwicklung des Russischen und Südslavischen eingetreten sein, kann in der Sonderentwick - lung des Slovenischen dialektisch vorhanden sein und nicht, wie die Formen im Sorbischen beide vorkommen. Was nun das Verhältniss der Punkte 1. und 4. betrifft, so scheint mir, ist 1. fern zu halten, weil sich nicht ausmachen lässt, ob die Verwandlung von lj, dj zu ts, dz bei den Vorfahren der Westslaven schon in der Urheimat eintrat oder erst nach einer Trennung von den übrigen Stämmen. Man kann annehmen z. B., dass die Wandlung von ere in von irgend einem Centrum ausgehend sich über die Vorfahren der Südslaven erstreckte und die der Čechen noch erreichte und umfasste, während zu gleicher Zeit von einem anderen Punkte aus dz = dj, ts = tj sich über die gesammten späteren West - slaven verbreitete, so dass von allen Sprachen nur der Vorfahr des Čechischen beides, wie auch dz, c erhielt. Völlig ebenso gut kann man sich aber auch vorstellen, dass das in dem bezeichneten Gebiete herrschend geworden war, während über das gesammte Slaventhum hin noch dj, tj unverändert erhalten waren, dass diese erst verwandelt wurden, als die Vorfahren der Westslaven vonXVIIIEinleitung.den übrigen Stämmen getrennt waren. Da Lautwandel, wie der von dj, tj in dz, c und der von ere in oder sonst wie in keinem inneren Zusammenhang mit einander stehen, so bleibt es immer möglich, dass von den späteren West - slaven bei ihrer Trennung von der anderen Abtheilung die Čechen hatten, Polen, Polaben und Sorben ere, dass im Čechischen jenes blieb, im Polnischen, Polabischen und Sorbischen re entstand und dabei nach der Trennung erst das über alle vier Stämme sich ausdehnende dz, c ausgebildet wurde. Ich weiss wenigstens nicht, wie man je beweisen will, dass diese verschiedenen Erschei - nungen nothwendig gleichzeitig auf dem Boden der Urheimat eintreten mussten.

Ob Schmidt das Verhältniss der slavischen Sprachen richtig bestimmt hat, hängt also allein von dem vierten Punkte ab, davon, ob seine Erklärung der be - treffenden Erscheinungen richtig und ob das chronologische Verhältniss der ein - zelnen Erscheinungen von ihm richtig dargestellt ist. Es ist äusserst schwierig, ohne auf die erdrückende Masse von Einzelheiten, auf sämmtliche Beispiele ein - zugehen, über diesen Gegenstand zu handeln, und ich kann mir hier nicht die Aufgabe stellen nachzuweisen, dass Schmidts Svarabhaktitheorie angewendet auf jede beliebige Behandlung der betreffenden Lautgruppen im Slavischen verfehlt ist. Es kommt mir nur darauf an, an einem Beispiel zu zeigen, dass die aus der Behandlung von ursprünglichem er, el, ar, al entnommenen Kriterien nicht zur Aufstellung der Uebergangsreihen, wie sie Schmidt hat, berechtigen und selbst seine eigenen Angaben dagegen sprechen.

Ich nehme als Beispiel den Fall, wo im Urslavischen die Lautgruppe ar, al vor Consonant stand. Daraus müsste im Gange der regelmässigen Entwicklung or, ol werden, oder wie Schmidt will, år, ål, also mit einer Zwischenstufe zwischen reinem a und tieferem o, ein Unterschied, auf den es hier zunächst nicht ankommt. Die Untersuchung der in den einzelnen slavischen Sprachen überlieferten Formen dieser ursprünglichen Lautgruppen führte ihn zu dem Schluss, dass die gemeinsame, in der Zeit der ununterbrochenen Continuität des Slaventhums herrschende Vorstufe das durch Svarabhakti entstandene oro, olo (årå, ålå) gewesen sei, und zwar ausnahmslos und ohne Unterschied, ob jene Gruppen im Inlaut zwischen Consonanten standen oder ar, al anlauteten. Die Annahme der Svarabhakti für den Anlaut bildet aber den schwachen Punkt der ganzen Theorie: es ist uns hier Svarabhakti in den slavischen Sprachen nicht bloss nicht überliefert, sondern es lässt sich auch mit der grössten Sicherheit zeigen, dass sie nie vorhanden war. Es kommen zwei Fälle in Betracht: ent - weder die Sprachen differiren im Vocal als a und o, oder sie haben alle a (ein - mal alle o). Nehmen wir zunächst den ersten Fall: nach Schmidt ist die Ent - wicklung z. B. eines ursprünglichen * arlijā (Acker, W. ar) folgende:

  • urslav. * årlija
  • urslav. * årålija
  • westslav., russ. * orolĭja; südslav. rālija
  • westslav., russ. rolja (rolĭja).

Dies Schema entspricht nicht der nach der Behandlung des Inlauts (wo ar, al zwischen Consonanten stehen) zu erwartenden Regel, darnach müsste im Russi -XIXEinleitung.schen * orolĭja oder * orolja erhalten sein (vgl. koróva), im Čechischen * rālja stehen (vgl. kráva), nur das polnisch-sorbische rola entspricht der Regel, indem nach Schmidt in diesen Sprachen der erste Vocal der Svarabhakti verloren geht (krova). Schmidt kann also die russische Form nur erklären durch den Ver - lust des ersten o von * orolĭja (S. 197) und beruft sich auf die Abneigung aller Slaven gegen vocalischen Anlaut. Sievers in seiner Besprechung des Werkes (Jen. Lit. 1876, Art. 79) hebt die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorganges hervor, zu - mal « ja die Wörter mit gemeinslavischer Svarabhakti ihren anlautenden Vocal ruhig behalten (russ. olénĭ, ólovo) ». Es kommt aber vor allem in Betracht, dass eine Abneigung gegen anlautendes o im Russischen nicht besteht, das Gross - russische bewahrt es im Anlaut überall, und diejenigen slavischen Sprachen, welche es vermeiden, denen man also jene Abneigung zuschreiben kann, setzen v vor, aber auch in diesen ist der consonantische Vorschlag verhältnissmässig jungen Datums. Man kann also nicht mit Schmidt sagen, jene Abneigung habe die Ausbreitung der von den Nachbarn herüberdringenden Vereinfachung (der von den Westslaven herüberkommenden des oro zu ro) begünstigt; die Abnei - gung existirte eben nicht. Für das Russische kann man nur annehmen, dass ro unmittelbar, ohne die Mittelstufe der Svarabhakti aus or umgestellt sei. Nur im Vorbeigehen füge ich hinzu, dass dieser eine Fall schon es überhaupt sehr zweifelhaft macht, ob irgendwo zur Erklärung des r, l + voc. statt ursprüng - lichem voc. + r, l, die sogenannte Metathesis, Annahme von Svarabhakti erfor - derlich ist.

Der zweite Fall, wo die Sprachen im Vocal als a übereinstimmen, ist folgender:

  • Grundform * ar-lra-m, * artlam (Pflug, W. ar)
  • ursl. * årdlo
  • ursl. * årådlo
  • überall rādlo, rālo.

Dagegen wäre zu erwarten gewesen nach der Analogie von * arlija west - slavisch und russisch * orodlo, * rodlo, * rolo, oder lassen wir diese Analogie fallen und stellen uns vor, die Regel des Inlauts wäre befolgt, so hätte entstehen müssen russ. * orolo, poln. und sorbisch * rodlo, čechisch und südslavisch radlo, ralo. Da nun das südslavische ralo bei beiden Voraussetzungen, nach dem Entwick - lungsgange von * arlija wie nach dem des Inlauts, im regelmässigen Laufe der Entwicklung liegt, und man sich nach Schmidt vorstellen soll, dass im Russischen rolja durch Hinüberdringen des Einflusses von Seiten der Vorfahren der West - slaven aus * orolĭja entstanden sei, muss man consequenter Weise annehmen, dass a im westslavischen und russischen radlo, ralo auf einem Uebergreifen der bei den Vorfahren der Südslaven einheimischen Wandlung von oro (årå) in beruhe. Also muss man zu der Anschauung kommen, dass innerhalb einer An - zahl ursprünglich gleich geformter Worte, und es handelt sich hier um eine ge - ringe Anzahl, das eine von dieser, das andere von jener Seite her seine Gestalt bekommen habe. Schmidt drückt sich zwar S. 196 etwas allgemeiner aus: im Anlaute « erlitten einige Worte auf dem ganzen Slavengebiete, also auch bei den Vorfahren der Russen, Polen, Sorben, Polaben Contraction zu , ». Allein daXXEinleitung.wir uns jede solche Lauterscheinung als in einem engen Kreise entstanden und von da sich verbreitend denken sollen, so kann der Anfangskreis doch nur inner - halb der Vorfahren der Südslaven oder etwa der Čechen gesucht werden, da , hier der sonst beobachteten Entwicklung entspricht, während es den Er - scheinungen auf dem übrigen Gebiete widerspricht. Mir scheint es nun äusserst unwahrscheinlich, ja so gut wie unmöglich, dass z. B. im Russischen von zwei Worten aus einer in der Sprache noch gebräuchlichen Wurzel (in or-ati pflügen) das eine, rolja, seine von der zu erwartenden Gestalt abweichende Form durch Einfluss von westslavischer, das andre, ralo, seine abweichende durch solchen von südslavischer Seite her gewonnen habe, wie ich mir überhaupt von Berührungen und Verkehrsverhältnissen der Stämme, die ein solches Herüber und Hinüber zur Folge haben, keine Vorstellung machen kann. Wollte man endlich etwa Worte wie rālo ausser Zusammenhang mit den allgemeinen Regeln für die Behandlung von ar setzen, so bleibt die Gestalt derselben als rālo z. B. im Russischen ein Zufall, d. h. ist für uns nicht erklärlich und auch nicht zu weiteren Schlüssen verwendbar.

An die Verbindung al im Anlaut knüpft sich eine weitere Schwierigkeit: neben ladija (ladiji), Nachen, und lanija (laniji), Hindin, sind uns im Altbulgari - schen überliefert auch aldija, alnija (geschrieben auch alŭdija, alŭnija, wie Schmidt S. 175 richtig bemerkt, nur eine Consequenz der altbulgarischen Ortho - graphie, die sonst keine Verbindungen von ld, ln kennt), ferner neben lakati (hungern) auch alkati (alŭkati), dies auch russisch. Nach Schmidts Vorstellung von der allgemein gültigen Svarabhakti wäre die Entwicklung diese:

  • * alkati
  • * ålkati
  • * ålåkati
  • ālkati lākati,

das ālkati eine der allgemein slavischen wie auch südslavischen Entwicklung widersprechende Erscheinung, um so wunderbarer, als Regel und Ausnahme neben einander bestehen. Unter Schmidts Beispielen der Stellung al befindet sich auch eines des Inlauts balŭtina, das mit blatina (von blato Sumpf, See) gleichgesetzt wird. Es stammt aus dem Šestodnev des Exarchen Johannes von Bulgarien, die Handschrift ist serbischer Redaction vom Jahre 1263, und das Wort wird Gorskij und Nevostrujev, Opisanie II, 1, 23 citirt als bal’tiny mit der Erklärung « vpadiny, kuda stekaetŭ, voda » von da ist es in Miklosichs Wörter - buch übergegangen und hat nur dies eine Citat. Schmidt erklärt die auffallende Erscheinung S. 175 so: « Vielleicht bestand im Südslavischen, ehe sich die Regel herausbildete, vermöge deren die aus dem ursprünglichen Vocale und der Svara - bhakti zusammengeflossene Länge stets hinter die Liquida rückte, auch die Mög - lichkeit die Vocale wie im Polabischen vor der Liquida zu concentriren. Viel - leicht waren diese Nebenformen gerade im bulgarischen Dialekte heimisch, da das Nebeneinander von alkati und lakati u. s. w. völlig analog dem S. 13 er - wähnten von vŭlk und vlŭk, Bŭlgarin und Blŭgarin in der heutigen Sprache ist .... Diese Annahme wird durch die Gestalt einiger ins Rumenische gedrungenenXXIEinleitung.Worte unterstützt: daco-rom. baltĕ lacus, stagnum (durch ĕ umschreibe ich das jerŭ), mac. -rom. μπάλλτᾳ aus ab. blato palus; bardĕ securis, bĕrdaš faber lig - narius ab. brady securis; galvatinĕ cranium ab. glava caput, serb. glavetina » (folgen noch einige Beispiele). Miklosich (Slav. Elem. im Rum., Wiener Denkschr. XII, 15) nahm an, dass hier Umstellung des l aus der altbulgarischen, überhaupt südslavischen Form blato stattgefunden habe. Schmidt fährt dagegen fort: « Wären die rumenischen Formen wirklich aus den fertigen altbulgarischen umgestellt, so dürfte man erwarten, dass diese Metathesis auch das eine oder andere der Worte, in welchen die Liquida schon ursprünglich vor dem Vocale stand, ergriffen hätte, dies ist aber nirgends geschehen ..... Daher glaube ich, dass im rum. baltĕ, bardĕ, galvatinĕ, gard, daltĕ alte bulgarische Nebenformen von blato u. s. w. bewahrt sind. Allerdings finden sich auch die Worte unseres zweiten Verzeich - nisses (S. 123 ff. ), wenn sie ins Rumenische gedrungen sind, hier meist mit der südslavischen Reihenfolge la, ra: rum. blagĕ, brazdĕ = ab. blagŭ, brazda u. a. .... Diese widersprechen aber meiner Annahme gar nicht, da sie zu einer spä - teren Zeit entlehnt sein können, in welcher die Lautfolgen ra, la durch die Schrift - sprache so fest geworden waren, dass sie die Nebenformen mit ar, al gänzlich verdrängt hatten «. Schmidt führt dann noch (S. 176) rum. Entlehnungen an, die Svarabhakti haben, z. B. chĕrĕbor (alacer) = altbulg. chrabrŭ; chranĕ, chĕranĕ (nutrimentum) = serb. chrana, und hält auch diese für wahrscheinlich in dieser Gestalt aus dem Südslavischen entlehnt. Zugegeben, dies alles verhalte sich so, so ist doch die Consequenz der Art, dass sie Schmidts frühere Ansetzungen zer - stört. Noch zur Zeit, als die Südslaven (es kann sich hier nur um Bulgaren, höchstens Serben und Bulgaren handeln) mit den Rumunen in Berührung traten, d. h. nicht vor dem 6 7. Jahrhundert, bei der Einwanderung in die Süddonau - länder, sollen bei ihnen die Formen mit Svarabhakti, d. h. die nach Schmidt zur Zeit der slavischen Continuität ausgebildeten und über das gesammte Sprach - gebiet verbreiteten, noch vorhanden gewesen sein, also Formen, um die Sache an einem Beispiel durchzuführen, wie * gårådŭ, daneben das daraus entstandene * gardŭ, und ferner noch das ebenfalls daraus entstandene * gradŭ. Die Unwahr - scheinlichkeit, dass dieselbe Sprache den sonst betretenen Weg, die Wandlung des årå, ålå in , , bei einigen so geläufigen Worten, wie die in der oben citirten Stelle bei Schmidt vorkommenden glava und gradŭ, nicht eingeschlagen habe, liegt auf der Hand; es bliebe nur denkbar, dass der eine Dialekt * gardŭ, * galva u. s. w., der andre gradŭ, glava ausbildete, und so scheint sich auch Schmidt die Sache zu denken. Allein wie stimmt dies Resultat zu der Ansetzung auf S. 200, wornach årå auf dem Gebiet zwischen den Radien BM FM (siehe die oben gegebene Zeichnung), d. h. bei den Vorfahren der Südslaven und der Čechen zu , ålå ausser bei den Südslaven und Čechen noch bei den Polaben zu geworden sein soll, also während der Continuität des Volks - und Sprach - lebens. Das kann ja gerade nicht der Fall gewesen sein, wenn die Bulgaren oder Südslaven überhaupt noch årå, ålå in ihre spätere Heimat herüberbrachten oder daraus auch ar, al gemacht hatten. Wenn also Schmidts Princip hier geltend gemacht werden soll, müssen die Bulgaren oder alle Südslaven oder das süd -Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. **XXIIEinleitung.slavische Volk, von dem die Rumunen ihr gard, baltĕ haben, noch nicht von der Wirkungssphäre der Veränderung des årå, ålå in , auf dem Boden der Ur - heimat mitergriffen gewesen sein. Es hilft nichts, etwa dagegen zu sagen, die Verbindung der Bulgaren mit denjenigen anderen Stämmen, die , haben, könne sich gelöst haben zu einer Zeit, wo noch eine Anzahl årå, ålå übrig waren, wo der ganze Process noch nicht fertig war, daher hätten die Bulgaren später z. B. * gårådŭ zu gradŭ oder gardŭ umbilden können. Wie will man das jemals plausibel machen? Konnten bei den Bulgaren nach Lösung der Continuität mit den übrigen Stämmen eine Anzahl solcher Umbildungen selbständig geschehen, so sehe ich nicht ein, was einen hindern kann anzunehmen, dass sie alle ausser - halb des Connexes mit den anderen Stämmen entstanden sind.

Meine Ansicht ist daher, dass die von Schmidt für die gegenseitigen Verhält - nisse der slavischen Dialekte aufgestellten Kriterien durchaus nicht die Bedeutung haben, welche er ihnen zuschreibt, dass sie das nicht beweisen, was sie be - weisen sollen; und ich glaube dasselbe von den Gründen, die Schmidt (Ver - wandtschaftsverh. S. 9 ff. ) für eine nahe Berührung des Slavolettischen mit dem Arischen, für die Untrennbarkeit dieser beiden aufstellt. Die schon von Bopp hervorgehobenen nom. -acc. dual. der i - und u-stämme und der ā-stämme, slav. kostī, lit. avì (= avī), sanskrt. avī, znd. āfritī; slav. syny, lit. sūnù (= sūnū), sanskrt. sūnū, znd. pājū; slav. rącě, lit. rankì (aus * rankë), sanskrt. açvē, znd. dātē, sind schon deswegen wegzulassen, weil wir nicht wissen, wie im Germa - nischen diese Formen gelautet haben, ganz abgesehen von dem irischen fáith = * váti, das Schmidt anführt. Es heisst bei ihm S. 13: es ist unmöglich » zahl - reiche Erscheinungen, in welchen das Slavolettische mit dem Arischen überein - stimmt, vom Deutschen aber abweicht, zu übersehen: in der Declination haben Slavisch und Litauisch den instr. sg. auf urspr. - bhi, plur. auf urspr. - bhis, den loc. plur. auf urspr. - sva, in der Conjugation den einfachen und den zu - sammengesetzten Aorist, das Futurum auf urspr. - sjāmi, das part. perf. act. auf urspr. - vans, das Supinum auf - tum, lauter Formen, von denen das Gotische gar nichts mehr weiss oder, wie vom einfachen Aorist (s. Verf. Ztschr. XIX, 291 f.) und part. perf. act. (bērusjōs) nur noch wenige, als solche nicht mehr empfundene und daher kaum zu rechnende Spuren zeigt. Und zwar sehen wir schon hier, dass das Slavische, welches geographisch dem Arischen näher liegt als das Litauische, in der Bewahrung der Aoriste, welche dem Litaui - schen verloren gegangen sind, dem Arischen auch grammatisch näher steht als das Litauische «. Man bemerke, dass es sich um lauter Verluste einst gemein - samer indogermanischer Bildungen handelt. Sie beweisen für die nähere oder fernere Beziehung der betreffenden Sprachen nichts. Die grössere geographische Nähe hat die Slaven nicht verhindert, das Futurum auf - sjāmi zu verlieren, denn dies existirt auch nur in kaum zu rechnenden Spuren, während das ent - fernter liegende Litauische es unversehrt bewahrt hat. Slavisch und Litauisch haben das alte Perfectum spurlos verloren, während das ferner liegende Germa - nische es erhalten hat. Sind aber in einigen Fällen Verlust oder Erhaltung des ursprünglichen Sprachgutes unabhängig von der relativen Lage der Sprachen, soXXIIIEinleitung.können sie in allen davon unabhängig sein und alle derartigen Erscheinungen sind für die Bestimmung des Verhältnisses der Sprachen zu einander gleich - gültig. Ebenso steht es mit einigen anderen auf derselben Seite angeführten Punkten: « nur eranisch-slavolettisch ist der gen. sg. des Pron. der ersten Person: apers. manā, abaktr. mana, lit. máno, abulg. mene, denn got. meina muss wegen der analogen theina, seina als Stamm ma - mit Suff. - eina aufgefasst werden ». Lit. máno gehört nicht hierher, sondern ist der Genitiv des Possessivstammes mana -, nom. msc. manas, wie der preuss. Genitiv maise = * maja-sja vom Pos - sessivum mais = * majas, und dass der gotische Genitiv meina mit dem Possessiv - pronomen zusammenhängt, so gut wie der lat. mei etc., kann doch auch nicht bezweifelt werden. Da so in verschiedenen Sprachen der Genitiv verschiedener Possessivstämme als Genitiv des persönlichen Pronomens fungirt, ist der ur - sprüngliche Genitiv des letzteren verloren gegangen und kann im Litauischen, Germanischen und Italischen einst mit sanskrt. mana correspondirt haben; es handelt sich also auch hier vielleicht, ja wahrscheinlich um einen Verlust. Die - selbe Möglichkeit liegt vor bei lit. visa - (all), slav. vĭsĭ, das nur im Arischen eine Entsprechung hat. Auch darin, dass slav. ovŭ nur hier und im Iranischen (ava -) vollständig flectirt wird, andre Sprachen es nur in Resten haben, vermag ich keine besondre Annäherung des Slavischen an das Iranische zu finden. So gut es ein Zufall ist, dass an den beiden Enden eines vom Indischen bis zum Litau - ischen reichenden Sprachgebietes das Sanskrit jenes ava - fast ganz, das Litauische völlig aufgegeben hat, so wenig lässt sich demonstriren, dass die Erhaltung des - selben in den beiden in der Mitte liegenden Sprachen etwas mit einer längeren historischen und geographischen Continuität zu thun hat. Ich behaupte damit nicht, dass alle diese und andre Erhaltungen und Verluste, wenn einmal aus anderen Gründen eine engere Beziehung hergestellt werden muss, nicht mit an - geführt werden dürfen, sondern nur, dass sie keine Beweiskraft haben. Aus demselben Grunde sind alle Vergleichungen des Wortschatzes immer erst von secundärem Werth, abgesehen davon, dass sie sehr veränderlich und abhängig sind von der veränderlichen und vermehrbaren etymologischen Erkenntniss und bei verschiedenen Sammlern zu recht verschiedenen Resultaten führen; man vergleiche in dieser Beziehung die Verzeichnisse Schmidts und Ficks (Sprach - einheit etc.). Etwas mehr Gewicht scheint eine von Schmidt als solche hervor - gehobene Uebereinstimmung gewisser Zahlworte im Slavischen und Arischen zu haben, S. 14: « an die Stelle der Cardinalzahlen von fünf bis zehn hat das Slavi - sche collective Substantiva gesetzt. Sehen wir hierbei von den Benennungen für sechs, sieben und acht ab, welche nirgends ausserhalb genau entsprechendes haben, so finden sich die drei übrigen Zahlcollectiva oder Abstracta sämmtlich in den arischen Sprachen, und zwar nur in diesen wieder: pętĭ ist skrt. paṅkti - Fünfheit, devętĭ = abaktr. navaiti - Neunheit, desętĭ = skrt. daçati - Decade ». Ich würde diesem Umstande mehr Bedeutung zuschreiben, wenn jene Abstracta auch im Arischen die ursprünglichen Zahlworte verträten, und nicht für das Sla - vische auch eine andre Betrachtungsweise möglich wäre. Wir dürfen, meine ich, von den Worten für 6, 7, 8 eben nicht absehen; sie lauten šestĭ, sedmĭ, osmĭ,XXIVEinleitung.nur aus der ganzen Reihe erkennt man, dass das Slavische für alle alten Zahl - worte von 5 10 einen Ersatz anderswoher genommen hat und zwar von ver - schiedenen Seiten her. Dass nun sedmĭ, osmĭ aus den Ordinalzahlen sedmŭ, osmŭ (beide auch lit. sékmas, ászmas; dem sékmas wie sedmŭ liegt das im Preussischen erhaltene septmas zu Grunde) entstanden, scheint mir unzweifelhaft durch die Form gegeben. Dass also pętĭ, šestĭ, devętĭ ebenso den Ordinalzahlen pętŭ, šestŭ, de - vętŭ entsprechen und daraus gebildet sind, ist durchaus möglich; dass devętĭ in diese Reihe gehört, ist mir auch deswegen wahrscheinlich, weil im Litauischen eine andre Form, devyni, herrscht, eine Neubildung wie septyni und asztůni. Demnach ist das einzige Wort, welches hier bedeutend bleibt, desętĭ, wegen seiner Uebereinstimmung mit dem Litauischen dészimtis. Die Uebereinstimmung des Slavisch-litauischen mit dem Arischen beschränkt sich also, wenn man sicher rechnen will, darauf, dass von einem Zahlwort, dem für 10, in beiden Sprach - gruppen eine gleichartige Weiterbildung mit Suffix - ti - vorgenommen ist, ein Umstand, dem ich bei der Häufigkeit des Suffixes in beiden keine besondre Be - deutung beilegen kann.

Es handelt sich hier um zwingende Kriterien, und als solche können alle von Schmidt angeführten Punkte nicht gelten; es bleibt nur einer übrig, der viel - leicht entscheidend ist: die Wandlung einer gewissen Anzahl von k-Lauten in einen Spiranten (arisch ç, slav. s, lit. sz oder s) in durchweg denselben Worten. Dass darauf das Hauptgewicht fällt, ist denn auch anerkannt, und die Frage ist: muss aus dieser Wandlung auf eine engere Verbindung des Slavisch-litauischen mit den arischen Sprachen geschlossen werden; mit anderen Worten: ist es nach sonstigen sprachgeschichtlichen Erfahrungen nothwendig anzunehmen, dass diese Wandlung innerhalb einer ununterbrochenen Continuität von Slavoletten und Ariern vor sich gegangen sei. Um diese Frage bewegt sich ein grosser Theil von Ficks Buche (Die ehemalige Spracheinheit der Indogerm. Europas), und ich meine trotz Schmidts Einwendungen (Rec. des Fickschen Werkes, Jen. Lit. 1874, Art. 201), ihm sei der Beweis gelungen, dass bereits die Ursprache einen dop - pelten k-Laut, k und (letzteres Zeichen des in ç u. s. w. übergehenden Conso - nanten) besessen habe und dass dies Verhältniss in allen indogermanischen Sprachen wiederzufinden sei. Das allgemeine Resultat von Ficks Untersuchung ist in einem Schema ausgedrückt folgendes.

indog. kindog.
ar. k, sl. -l.k, germ. hv (f), südeur. kv (p)ar. ç, sl. -l. sz, s, germ. h = k, südeur. k

Schmidt bringt a. O. Ausnahmen bei, also Fälle, in denen Ficks indogerm. k z. B. im Südeuropäischen nicht zu kv oder p, und Fälle, in denen im Süd - europäischen oder Germanischen zu kv geworden ist. Er zieht daraus den Schluss, dass die Unterscheidung der beiden k-Laute im Südeuropäischen und Germani - schen nicht durchgeführt war. Geben wir das auch zu, so folgt daraus nicht, dass der Unterschied in der Ursprache nicht vorhanden war. Die Sache steht vielmehr so: es giebt unleugbar im Südeuropäischen und Germanischen ein kvXXVEinleitung.neben einem k in einer Anzahl gleicher Fälle; auf der anderen Seite giebt es ein k neben einem aus k-Laut hervorgegangenen Spiranten im Slavisch-litauischen und Arischen. Ebenfalls ist es sicher, dass in einer Reihe von Fällen der slav. - lit. -arische Spirant im Südeuropäischen und Germanischen als k erscheint, das slav. -lit.-arische k dort als kv wiederkehrt. Rechnet man nun auch alle Fälle ab, wo dies Verhältniss nicht zutrifft, so bleibt doch die Thatsache bestehen: das Südeuropäische und Germanische kennen eine Spaltung des k-Lautes in kv (daraus auch p) und k, das Slavisch-litauische und Arische eine solche in k und ç (sz, s), in vielen Fällen correspondiren diese Spaltungen mit einander. Hat nun die Grundsprache keinen doppelten k-Laut gekannt, so ist diese Corresponsion barer Zufall, und dafür vermag ich sie nicht zu halten, wenigstens kann man dann mit demselben Recht auch die Uebereinstimmung des Arischen und Slavisch-litau - ischen in ç (sz, s) für Zufall erklären. Die von Schmidt angeführten Beispiele, in denen das Verhältniss nicht stimmt, können, wie mir scheint, nur beweisen, dass k und das palatal afficirte einander in der Ursprache noch sehr nahe lagen, so dass bei den Einzelentwickelungen der Sprachen die beiden Classen nicht überall so scharf wie durchweg im Arischen und Slavisch-litauischen aus - einandergehalten wurden, Uebertritt von der einen in die andre Classe stattfand, ebenso wie das Verhältniss der doppelten Medien g, ; gh, gh̗, die anzunehmen sind wie k, nur im Arischen und Slavisch-litauischen getreuer bewahrt, in den übrigen Sprachen mehr verwischt ist, d. h. vielleicht, denn die Untersuchungen darüber sind nicht abgeschlossen.

Gibt man nun die Existenz eines k, u. s. w. für die Ursprache zu, so be - schränkt sich die specielle Uebereinstimmung des Arischen und Slavisch-litaui - schen auf die Qualität des aus hervorgegangenen Lautes, und das ist ein Punkt von viel geringerer Bedeutung. Seinen wirklichen Werth kann man durch einen analogen Fall erläutern: in einem Theil des Griechischen, im Oskisch-umbrischen und im britisch-gallischen Keltisch wird kv z. B. im Relativstamm zu p, in einem andern Theil des Griechischen, im Latein und im Irischen geschieht das nicht, und doch wird wohl daraus niemand eine engere Beziehung des nicht-ionischen Griechisch, des oskisch-umbrischen Italisch und des britischen Keltisch herstellen wollen, sondern jeder annehmen, die Entwicklung gehöre in allen drei Fällen der einzelnen Familie an, obwohl der Lautwandel auch auffallend genug ist. Wir haben es hier zu thun mit einem lautphysiologischen Vorgange, der sich auf ge - meinsamer Grundlage an beliebigen Punkten wiederholen kann, wie z. B. die Erscheinungen des sogenannten Zetacismus gleichförmig auf den verschiedensten sprachlichen Gebieten wiederkehren. Es scheint mir daher ebenso wahrschein - lich, dass ein palatal afficirtes indogermanisches sich in getrennter Entwicklung verschiedener Familien zu einem Spiranten entwickelt habe, wie, dass diese Ent - wicklung in eine Periode der Continuität und gemeinsamer sprachlicher Schick - sale falle. Es ist demnach auch für mich nicht erwiesen, dass das Slavisch - litauische und Arische zu einander in einem Verhältnisse stehen, wornach es von vornherein unerlaubt sei, das Slavisch-litauische mit einer oder mehreren anderen Familien des Indogermanischen, mit allen europäischen Sprachen zu einer GruppeXXVIEinleitung.zu vereinigen und dieser Gruppe eine besondere, vom Arischen zu trennende Entwicklung beizulegen. Damit ist freilich nicht gesagt, dass es eine solche Familie geben muss, oder dass wirklich das Germanische mit dem Slavisch - litauischen eine besondere Gruppe bilde. Es kann ja möglicher Weise die bisher beliebte Gruppirung innerhalb des Europäischen falsch sein und statt der zwei Abtheilungen (nord - und südeuropäischer) eine Dreitheilung (Slavisch-litauisch, Germanisch, Südeuropäisch) anzunehmen sein. Für eine engere Verbindung des Germanischen mit dem Slavisch-litauischen sind bestimmte Gründe zu suchen.

Die bisher, namentlich von Schleicher beigebrachten, sind zusammengestellt und kritisirt von Schmidt (Verwandtschaftsverh. S. 4): er kommt zu dem auch für mich unzweifelhaften Resultat, dass sie alle keine beweisende Kraft haben ausser dem einen Argument der Wandlung des bh der Casusendungen zu m, « dies Zusammentreffen ist um so wichtiger, als keine der drei Sprachen diesen Lautwandel in anderen Fällen zeigt ». Schmidt hat dann selbst neue Argumente hinzugefügt (von der Vergleichung des Wortschatzes sehe ich aus dem oben an - geführten Grunde ab): erstens die Contraction des - im nom. sg. fem. wie altb. prijająšti, lit. áuganti, got. frijōndi soll auf gemeinsamer Entwicklung beruhen; auf diesen Punkt gehe ich hier nicht näher ein, weil ich unten S. 10 versucht habe nachzuweisen, dass keine Gemeinsamkeit stattfindet. Zweitens: die got. Declination der Zahlen von 4 10 als i-Stämme vergleicht Schmidt mit der litauischen Declination der Zahlen von 4 9; dabei wird besonders hervorgehoben die Zahl 4, lit. keturì, welches nach Schmidt gleich einem ursprünglich gotischen * fidvōri, der Vorstufe von fidvōr sein soll, « die gotische Form lässt sich keinem der sonstigen Declinationsschemata einordnen, die litauische kann allerdings nom. plur. des in allen casus obliqui ausser dem acc. erscheinenden Stammes keturja - sein, aber auch Laut für Laut dem gotischen fidvōr entsprechen, d. h. den im acc. kéturis zweifellos gesicherten i-Stamm wie im Gotischen ohne Casussuffix bieten ». Gegen diese Aufstellung habe ich verschiedene Einwendungen zu machen: zunächst können von den litauischen Zahlworten nur 4, 5, 6 zur Ver - gleichung herbeigezogen werden, da 7 seplynì, 8 asztůnì, 9 devynì secundäre Bildungen mit erweiterndem Suffixe sind; ferner ist keturì ganz sicher nicht un - flectirter Stamm, sondern gewöhnlicher pronominal-adjectivischer nom. pl. des a-Stammes keturja -, so gut wie septynì etc., wie denn überhaupt die Zahlen von 4 9 mit Ausnahme des acc. pl. pronominal-adjectivisch flectirt werden, vgl. dat. keturë́ms. In keiner indogermanischen Sprache finden wir das Zahlwort für 4 als unflectirten Stamm und fidvōr ist kein solcher, sondern steht für * fidvōrs = * katvāras, wie im Arischen, Griechischen, Lateinischen. Es bleiben zur Ver - gleichung mit den germanischen i-Casus der Zahlworte thatsächlich nur die drei Accusative kéturis, penkìs, szeszìs, und ich bin allerdings auch der Meinung, dass wir darin den Rest einer älteren Flexion der Zahlworte haben, die mit der des slavischen četyrije (vier), dat. četyrĭmŭ, acc. četyri, instr. četyrĭmi, loc. čety - rĭchŭ übereinstimmt. Allein im Slavischen heisst der gen. četyr-ŭ, das ist die consonantische Form, und möglich ist es wenigstens, dass der nom. četyre, der vorkommt, auch = četyr-e ist, wenn dieser freilich auch nach der Eigenthüm -XXVIIEinleitung.lichkeit der altbulgarischen Quellen für četyrje (чєтырѥ) = četyrĭje (чєтырьѥ) stehen kann. Im Slavischen und Litauischen fallen nun die i-Formen in die all - gemeine Regel dieser Sprachen, die alten consonantischen Formen ausser in No - minativen, Genitiven und zuweilen Accusativen durch die Formen der i-Stämme zu ersetzen. Es ist daher ganz zweifelhaft, ob irgend ein historischer Zusammen - hang mit den germanischen Formen stattfinde.

Von weit grösserem Gewicht sind die weiteren bei Schmidt S. 7 angeführten Punkte: die Zahlbildung mit got. - lif, - lib, lit. - lika, das gleiche Wort für die Zahl 1000, die Verwendung des nasalen Suffixes oder Infixes zur Präsensbildung mit inchoativer oder passivisch-intransitiver Bedeutung, Punkte, die ich hier nicht weiter auszuführen brauche. Rechnet man dazu noch besondere Eigen - thümlichkeiten in stammbildenden Suffixen wie das gemeinsame - iska - u. a., ferner diejenigen Uebereinstimmungen zwischen Slavisch-litauisch und Ger - manisch, die beide Familien nach der bisher geltenden Anschauung als zur euro - päischen Abtheilung gehörig characterisiren, so scheint es mir zum wenigsten noch eine plausible Vermuthung zu sein, dass dem Slavisch-litauischen und Ger - manischen eine besondere Entwicklungsgeschichte zuzuschreiben sei. Wir haben noch, und darauf kommt es mir hier an, das Recht, den Versuch zu machen, ob das Litauisch-slavische sich mit dem Germanischen zu einer besonderen Gruppe mit einer vom Ganzen des Sprachstammes oder anderen Theilen desselben ge - trennten Entwicklung vereinigen lasse. Das Gelingen eines solchen Versuches bleibt dabei natürlich ganz dahingestellt.

Fragt man sich, von welcher Seite her dieser Versuch am zweckmässigsten anzustellen sei, so darf der Wortschatz, wie oben bemerkt, erst in letzter Reihe berücksichtigt werden. Das Gebiet, auf welches man zu allererst Rücksicht zu nehmen hätte, die Entwicklung der Laute aus dem ursprünglichen Bestande heraus, bietet abgesehen von einer Erscheinung, der Wandlung des bh von Casusendungen in m, keine Ausbeute: bei der Vergleichung des litauisch-slavischen Lautsystems mit dem germanischen kommt man durchweg auf die allgemein indo - germanische oder wenigstens europäische Grundlage. Es bleiben also Flexion und Stammbildung, oder um für die letztere einen hier passenderen Ausdruck zu brauchen, Bildung und Anwendung der Ableitungssuffixe. Sprachen, deren ganzer Habitus nicht zweifelhaft lässt, dass sie eine längere gemeinsame Ge - schichte durchlaufen haben, pflegen in der Flexion Erscheinungen darzubieten, die nur ihnen gehörig auf Verlassen oder Umbilden der indogermanischen Grund - formen beruhen; man vgl. in dieser Beziehung die Flexion der beiden arischen Sprachen mit der Flexion der übrigen indogermanischen Sprachen, die des Sla - vischen und Litauischen mit der einer anderen europäischen Gruppe, die eigen - thümlichen und gleichartigen Neuerungen in der Conjugation im Italischen und Keltischen. Neubildungen in der Flexion gelten mit vollem Recht als Haupt - kriterien engerer Verwandtschaft: da die Mittel eine verlorne oder sich verlierende alte Form zu ersetzen sehr mannichfaltig sind und keine allgemeinen sprachlichen Gesetze nothwendig auch auf verschiedenem Boden zur Anwendung dieses oder jenes bestimmten Mittels führen, ist immer die grösste Wahrscheinlichkeit dafür,XXVIIIEinleitung.dass die Anwendung gleicher Mittel auf historischem Zusammenhang beruhe. Dasselbe lässt sich von der besonderen Ausbildung und Anwendung der stamm - bildenden Suffixe sagen.

Die folgende Darstellung der Declination des Slavisch-litauischen und Ger - manischen ist mit der Absicht unternommen zu untersuchen, ob gemeinsame Züge einer besonderen Entwicklung dieses Theiles der Flexion vorhanden sind, und ob demnach dieses Gebiet auf eine gemeinsame Sondergeschichte dieser Fa - milien zu schliessen erlaubt. Dass dabei oft auch das Verhältniss der slavisch - litauischen Formen zu denen der arischen Sprachen und die Frage nach der älte - sten Form dieses oder jenes Casus herangezogen werde, war unumgänglich; es war aber nicht meine Absicht, dahin zielende Untersuchungen weiter zu führen als für den vorliegenden Zweck erforderlich schien.

Bei der Untersuchung bin ich, wie das S. 1 kurz ausgesprochen ist, von dem Grundsatz ausgegangen, dass die uns überlieferte Gestalt eines Casus niemals auf einer Ausnahme von den sonst befolgten Lautgesetzen beruhe. Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich noch hinzufügen: versteht man unter Ausnahmen solche Fälle, in denen der zu erwartende Lautwandel aus bestimmten erkennbaren Ursachen nicht eingetreten ist, z. B. das Unterbleiben der Verschie - bung im Deutschen in Lautgruppen wie st u. s. w., wo also gewissermassen eine Regel die andre durchkreuzt, so ist gegen den Satz, die Lautgesetze seien nicht ausnahmslos, natürlich nichts einzuwenden. Das Gesetz wird eben dadurch nicht aufgehoben und wirkt, wo diese oder andre Störungen, die Wirkungen andrer Gesetze nicht vorhanden sind, in der zu erwartenden Weise. Lässt man aber beliebige zufällige, unter einander in keinen Zusammenhang zu bringende Ab - weichungen zu, so erklärt man im Grunde damit, dass das Object der Unter - suchung, die Sprache, der wissenschaftlichen Erkenntniss nicht zugänglich ist.

Einige Ergänzungen erlaube ich mir hier zum Schlusse beizufügen. In der Besprechung des Ablativs (S. 35 ff. ) hätte der Gathadialekt herangezogen wer - den müssen als Beweismittel für die ursprüngliche Beschränkung des Ablativs auf die msc. -ntr. a-Stämme, da er den Casus ebenfalls nur bei diesen Stämmen kennt (s. Hübschmann, Zur Casuslehre S. 240). Was das S. 37 erwähnte Schick - sal des t nach ai, au im Altpersischen betrifft, so macht mich Dr. Hübschmann aufmerksam, dass naiy (nicht) als dem zend. noiṭ entsprechend Verlust des t hat und derselbe Verlust in ciy = ciṭ eingetreten ist. Demnach würden altpersische Ablative von i-Stämmen z. B. * Caispai gelautet haben. In dem Abschnitt über den acc. plur. S. 104 hätte dem Satze: « in keiner der drei Familien ist ein urspr. acc. plur. der consonantischen Stämme vergleichbar erhalten », beigefügt werden sollen, was mich veranlasst, die in den Grammatiken aufgeführten consonantischen Formen des acc. pl. im Litauischen und Slavischen unberücksichtigt zu lassen. Schleicher führt Lit. Gr. S. 193 dùkteres an (mit der Note « uralte Form! Grund - form duktaras »). Er scheint sie später nicht mehr so angesehen oder für zweifel - haft gehalten zu haben, da es Comp. 3 532 heisst: « alle consonantischen [lit. Stämme] gehen nach der i-Form, ákmenis u. s. w. » In der That wäre für ein * duktaras lit. * dukters zu erwarten, vgl. gen. sg duktèrs, nom. pl. dùkters, undXXIXEinleitung.da nicht angegeben ist, woher die Form stammt oder welchem Dialekt sie ent - nommen ist, kann sie ganz wohl = dùkteris sein; i und e in Endsilben sind dialektisch oft nicht zu unterscheiden; und selbst wenn e = e ist, könnte die Form immer noch nach Analogie von żolès (-St. ) gebildet sein. Sonstige Bei - spiele der Art sind mir nicht bekannt. Die slavischen Formen matere, crĭkŭve, kamene, wie sie Miklosich (Altslav. Formenlehre in Parad.) als acc. pl. in den betreffenden Paradigmen hat, würden die allgemein indogermanische Endung - as zeigen, somit nichts besonderes bieten. Der Grund, weshalb ich sie weg - gelassen, ist der, dass ich keine sicheren Belege dafür habe finden können; einer, den Miklosich, Vgl. Gr. II, S. 53 gibt, jelene, ist aus einer serbisch-kirchensla - vischen Quelle des 15. Jahrh. und beweist nichts, da das e die aus dem ę der ja-Stämme hervorgegangene serbische Accussativendung sein kann.

[XXX][1]

Die Declination im Slavisch-litauischen und Germanischen.

A. Der Nomina.

Die Declination, d. h. die feste Verbindung von Stämmen mit bestimmten Casussuffixen, war vollendet vor der Trennung der indogermanischen Sprachen. Die vergleichende Grammatik einer einzelnen Gruppe dieser Sprachen hat es da - her nicht zu thun mit dem Ursprung der Casussuffixe, mit der etwa zu vermuthen - den ältesten Form und ursprünglichen Bedeutung, sondern mit der Gestalt und Geschichte der Wortformen, die aus der Verbindung von Stamm und Casus - suffixen hervorgegangen sind, den Casus. Wenn z. B. derselbe Casus bei a - und u-stämmen verschiedene Formen des Suffixes zeigt, so berührt uns die Frage nicht, ob möglicher oder wahrscheinlicher Weise diese verschiedenen Suffix - formen doch ursprünglich gleich sind oder gemeinsamen Ursprung aus einer dritten zu Grunde liegenden haben; wir haben nur zu fragen: welches ist die älteste für uns erreichbare Gestalt dieses Casus bei den a-stämmen, welches bei den u-stämmen. Ja selbst die Verbindung des Stammes mit dem Suffix und die etwa dabei obwaltenden Lautgesetze gehören nicht in unser Gebiet, da jene Ver - bindung längst vor der Enstehung der einzelnen Gruppen vollzogen war. Die Antworten auf die angedeuteten Fragen hat die allgemeine vergleichende Gram - matik des indogermanischen Sprachstammes zu geben. Es versteht sich freilich von selbst, dass jede Vergleichung einer bestimmten Anzahl indogermanischer Sprachen die Kenntniss und Benutzung der bereits vorhandenen Resultate nach dieser Richtung voraussetzt, es kann aber nicht als ihre Aufgabe angesehen werden, dieselben zu vermehren.

Die bestehenden Casusformen, Worte in Schleichers Sinne, von denen hier allein die Rede sein soll, sind denselben lautlichen Processen unterworfen, wie alle anderen Bildungen der Sprache, ein, wie es scheinen muss, selbstverständ - licher Satz, in thesi auch von den Grammatikern zugegeben, in praxi aber viel - fach unbeachtet gelassen. Bei der Behandlung der Declinations -, ja aller Flexions - formen von Seiten der vergleichenden Grammatik ist eine gewisse Neigung vorhanden, Bildungen, die nach den sonst bekannten und befolgten Gesetzen, namentlich des Auslautes, sich nicht in gerader Linie erklären lassen, als Aus - nahme von diesen Gesetzen zu erklären oder, was auf dasselbe hinausläuft, be - sondere Regeln für jene Formen aufzustellen. Dies Verfahren führt leicht dazu,Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 12a. Declination der Nomina.gegen die Lautgesetze Bildungen einer einzelnen Sprache mit vorhandenen ve - dischen und sanskritischen zu identificiren und so als uralt hinzustellen, während sie in der That oft sehr späten Ursprungs sind. Ferner herrscht, wo solche Ver - gleichungen nicht möglich sind, die Gewohnheit, eine bestimmte unerklärbare Bildung mit Anwendung der bekannten Entwickelungsgesetze der Laute in die Periode der Ursprache zurückzuverlegen und so hypothetische Grundformen, z. B. der Casus einer Einzelsprache oder einer Gruppe anzusetzen, die niemals existirt haben. Beispiele dieser von demselben Punkte ausgehenden falschen Richtungen werden uns unten begegnen.

Dieser Stand der Dinge macht es nothwendig, jede Casusform der drei Sprachen, mit denen wir es hier zu thun haben, einer genauen Prüfung zu unter - werfen, deren Richtschnur die Frage sein wird: ist die für einen jeden Casus von der vergleichenden Grammatik bisher angenommene Grundform wirklich die, aus der nach den bekannten Entwicklungsgesetzen der betreffenden Sprache der Casus hat entstehen können? Um dem vielfach angefochtenen und in der That missbrauchten, aber bequemen Worte Grundform einen für den Bereich dieser Arbeit unzweifelhaften Sinn zu geben, sei hier bemerkt, dass, wenn keine näheren Bestimmungen hinzugefügt sind, unter Grundform, z. B. eines Casus, jedesmal diejenige Gestelt zu verstehen ist, die derselbe hatte unmittelbar vor oder in der Zeit der Trennung der bestimmten Einzelsprache von der ihr im Kreise der indogermanischen nächst verwandten, also z. B. eine slavische Grund - form werden wir diejenige nennen, die dem betreffenden Worte zukam bei der Trennung des Slavischen vom Litauischen, oder, was mit anderen Worten das - selbe sagt, diejenige Form, welche mit Anwendung der bekannten Entwicklungs - gesetze der Einzelsprache die für diese anzusetzende älteste Gestalt repräsentirt.

Die Entwicklung einer bestimmten Flexionsreihe, also hier der Declination, unterliegt dem Einfluss zweier Momente. Jede Sprache besitzt zur Zeit ihres Entstehens als Einzelsprache eine gewisse Anzahl von Casusformen, herüber - gebracht aus der Periode ihres Zusammenlebens mit einer oder mehreren ver - wandten Sprachen. Diese Formen nehmen ausnahmslos die Gestalt an, welche die Wirkung der Lautgesetze, vor allen der hier namentlich in Betracht kommen - den Auslautsgesetze, hervorbringen muss. So weit ist die Entwicklung einfach und, wie man sagen kann, regelrecht. Nun erscheinen aber thatsächlich in der einen Sprache mehr, in der anderen weniger Bildungen, deren Gestalt durch die Wirkung der Lautgesetze nicht erklärt werden kann, aber auch nicht erklärt werden darf; sie sind der Stammclasse oder der Function, der sie dem Sprach - gebrauche nach anzugehören scheinen, ursprünglich fremd, einer anderen Stamm - classe entlehnt oder mit einer ihnen von Hause aus nicht zukommenden Function versehen, mit einem Worte Analogiebildungen. Beide Momente, lautgesetzliche Umbildung und Analogie, erklären die in einer bestimmten Periode vorhandene Gestalt der Declination einer Sprache, wie jeder Art der Flexion, und nur diese beiden Momente kommen in Betracht. Untersuchen wir also nach dem ange - gebenen Princip die einzelnen Casusformen unsrer Sprachen, und zwar so, dass bekanntes oder ohne Schwierigkeit erkennbares vorangestellt und seine Bedeutung3i. Die Casus des Singulars.angegeben wird, ehe die unklaren oder schwierigeren Punkte an die Reihe kom - men. Dazu sei mir noch eine Vorbemerkung gestattet: die mir vorschwebende Untersuchung lässt sich nicht führen, ohne oft ins allerspeciellste der Lautgesetze namentlich des Slavischen und Litauischen einzugehen. In keiner der vorhan - denen Grammatiken ist die Lautlehre genügend dargestellt, noch viel weniger in den vergleichenden Grammatiken; da es nun an diesem Orte unmöglich ist, eine ausführliche, systematische Lautlehre jener Sprachen vorauszuschicken, sind Di - gressionen, oft längere und schwierige, auf das Gebiet der Lautlehre unumgäng - lich und für die Beweisführung durchaus nothwendig.

I. Die Casus des Singulars.

1. Nominativ singularis.

A. Der i -, u - und masc. a-stämme.

Im Litauischen lautet der nom. sing. der i - und u-stämme - i-s, - u-s bis auf den heutigen Tag (akìs, sūnùs), im Slavischen verlangt das Auslautsgesetz den Abfall des - s, es lauten daher die Nominative auf - ĭ, - ŭ aus (nostĭ = naktìs, synŭ = sūnùs); nach germanischen Auslautsgesetzen muss i vor dem auslauten - den s schwinden, u bleiben (maht-s, sunu-s). Die Formen - i-s, - u-s sind die allen indogermanischen Sprachen gemeinsamen, haben die regelrechte lautgesetz - liche Entwicklung in unsern drei Sprachfamilien durchgemacht und sind so - mit ohne Bedeutung für die Charakteristik derselben als einer besonderen Gruppe.

Dasselbe ist zu behaupten vom nom. sing. masc. der a-stämme: das li - tauische - a-s (vìlka-s), das lautgesetzlich ebenfalls auf - a-s zurückgehende ger - manische - s (vulf-s), für das man nach den bekannten Spuren ältester Runen - inschriften noch - a-s ansetzen kann, wie bei den i-stämmen - i-s, geben die allgemeine indogermanische Form des Casus. Diese muss einmal auch für das Slavische gegolten haben, und wir könnten uns damit begnügen, dass diese Casusform ebenfalls für die Charakteristik der Gruppe nichts bedeutet. Allein es soll doch zugleich festgestellt werden, ob von einer bestimmten, ehemals der ganzen Gruppe gemeinsamen Grundlage aus die vorhandenen Formen der ein - zelnen Familien wirklich erklärt werden können, ob hier nicht Störungen ein - getreten sind. Das ist aber gerade bei der slavischen Nominativform auf - ŭ (vlŭkŭ) der Fall. In den vergleichenden Grammatiken (s. Bopp I3, 539, Schleicher, Comp. 3, 514) gilt das ŭ für die regelrechte lautgesetzliche Vertretung eines ursprünglichen - as, s sei nach der allgemeinen Regel abgefallen, a zu ŭ geschwächt. Das letztere ist aber in dieser Stellung nach slavischen Lautgesetzen nicht möglich. Die Ent - stehung eines ŭ aus ursprünglichem a ist überall im Slavischen an bestimmte Bedingungen geknüpft; hier geht uns nur das Vorkommen desselben im Auslaut an. Die dabei in Betracht kommenden Gesetze sind folgende:

1. in Endsilben (Flexions - und Ableitungssilben) entsteht ŭ1*4a. Declination der Nomina.aus ursprünglichem a nur vor folgendem Nasal. Die Fälle sind: 1. sg. aor. simpl. der Verbalstämme auf a, ursprünglich auslautend auf - am, slavisch - ŭ (nesŭ, ich trug); 1. sg. aor. comp., ursprünglich auf - sam, slavisch - oder - chŭ (nesochŭ); acc. sg. msc. der a-stämme, ursprünglich - am, slavisch - ŭ (gradŭ, Stadt); gen. plur., ursprünglich auf - ām, slavisch mit verkürztem Vocal als - am anzusetzen (s. u. beim gen. plur. ), dafür ŭ (kamen-ŭ zu Stamm kamen -, Stein); dat. plur., Grundform des Suffixes - mans, slavisch - (grado-mŭ); part. praet. act. im nom. sg. msc. -ntr. nesŭ, Suffix - ŭ, dessen Grundform für das Slavisch - litauische - ans - ist; pron. 1. pers. azŭ, vgl. skrt. ahám, griechisch ἐγών u. s. w.; die Präpositionen (in, an), (mit), (zu), zurückgehend auf * an, * sam (vgl. są-logŭ und sonst - in Nominalcomposition), * kam (s. Beitr. z. vgl. Spr. VIII, 101), die Part. (aber), deren Nebenform den Nasal noch zeigt. Das - der 1. plur. verbi (nese-mŭ) widerspricht nur dann, wenn man als indogermanische Grundform - masi (- mas) ansetzt; es ist aber - mans anzunehmen, schon wegen des griechischen - μεν und - μες, ein Nebeneinander, das sich nur so befriedigend erklären lässt (s. Scherer, Z. Gesch. d. d. Spr. 193).

2. Ursprüngliches - as im Auslaute wird im Slavischen zu - e oder - o, je nach dem bereits in vorslavischer Zeit der Vocal zu e geschwächt war oder noch als a erhalten ins Slavische überging, wo es dann zu o ward. Die Fälle sind: 2. sg. aor. der Verbalstämme auf - a, ursprünglich auslautend auf - as, slav. - e (nese); 2. sg. imperf. nesěa-še, ursprünglicher Auslaut des Hülfs - verbums - sas; nom. -acc. sg. der - as-stämme, slavisch o (slovo); gen. sing. der consonantischen Stämme, ursprünglich Suffix - as, slavisch - e (kamen-e); nom. pl. der consonantischen, msc. i - und u-stämme, ursprünglich - as, slawisch - e (kamen-e, pątij-e, synov-e).

3. Woursprünglich a auslautete, steht nicht ŭ, sondern e oder o, jenachdem in vorslavischer Zeit der Vocal bereits zu e geworden oder als a verblieben war, daher voc. sg. msc. a-stämme vlŭče, vgl. litauisch vilkè, voc. sg. fem. a-stämme ženo = * genă, wo die Kürze das alte Characteristicum des Voca - tivs ist.

Auf den vorliegenden Fall diese Regeln angewendet, ergiebt sich folgendes Resultat: die Nominativendung war ins Slavische übergegangen als - as, wie das Litauische und Deutsche beweisen; daraus kann an sich - e entstehen, aber dieser Vorgang war durch die Entwicklungsgeschichte der Sprache abgeschnitten, weil die allgemeine Regel die ist, dass die Vocalspaltung a: e vor der Geschichte der europäischen Einzelsprachen abgeschlossen ist, also auch für das Slavische, und die übrig gebliebenen kurzen a, je nach der Vocalentwicklung der Einzelsprache, nur zu o werden oder a bleiben konnten. Demnach musste lautgesetzlich ein Nominativ auf - o entstehen: * vlŭko. Der Verlust dieser Form erklärt sich durch das Zusammenfallen mit dem nom. -acc. sg. der Neutra, wie slovo, dělo; die Sprache liess diese Nominativform beim msc. ganz fallen, und ersetzte sie durch den Accus., daher die Endung - ŭ. Dieser Vorgang mag bei einer Sprache, die theils wirklich sehr alterthümlich ist, theils noch mehr dafür angesehen wird, als sie es thatsächlich ist, auffallend erscheinen, wird aber sofort durch eine Be -5i. Die Casus des Singulars.trachtung andrer Stammclassen einleuchtend. In der vocalischen Declination können nur die fem. a-stämme einen vom nom. unterschiedenen acc. bewahren (žena, ženą), bei allen i - und u-stämmen fallen nothwendig nom. und acc. sg. lautgesetzlich zusammen · noštĭ, fem. = lit. naktìs und nàktị für naktin; oder msc. zęlĭ (Schwiegersohn) = lit. gentìs (Verwandter) und gènti̧; synŭ = lit. su - nùs und súnų für sunun. Ferner fällt nothwendig der acc. sg. msc. der a - stämme auf urspr. - am mit dem der u-stämme auf-um zusammen, vlŭkŭ wie synŭ, es lag also sehr nahe, wie bei diesen die beiden Casus zusammengefallen waren, sie auch bei jenen auszugleichen. Die Verwendung von Accusativformen zur Function des Nominativs wird uns im Slavischen noch oftmals begegnen; in der ferneren Entwicklung der slav. Sprachen nimmt sie immermehr überhand, so dass einzelne der modernen Sprachen, z. B. das Russische, ausser dem nom. sg. fem. der ā-stämme gar keine wirklichen Nominativformen besitzen, auch im Plural nicht.

B. Nom. sg. fem. der ā-stämme.

Von einem vielleicht einmal dem Auslaute dieses Casus zukommenden - s, als wirklichem Casussuffixe, findet sich hier keine Spur mehr, der Stamm bildet zugleich die Nominativform, und diese bietet, da sie für alle drei Sprachen als - ā anzusetzen ist, nichts für das Verhältniss zu den übrigen indogermanischen charakteristisches; nur um allen Zweifel abzuschneiden, soll hier die Frage berührt werden, ob vielleicht eine der Specialgeschichte der einzelnen Glieder unserer Dreiheit vorangehende Verkürzung des auslautenden ā stattgefunden habe, da thatsächlich die Kürze in allen dreien herrschend ist. Das ist erweislich nicht der Fall gewesen, im Slavischen wäre ein vorslavisches ă im Auslaut zu o geworden (vergl. den voc. sg. ženo und das oben angeführte Gesetz), im Ger - manischen nach dem Auslautsgesetze abgefallen, dort žena, hier giba weisen also nothwendig auf auslautendes ā als unmittelbare Vorstufe. Die Verkürzung des ā, wo dieser Vocal sicher als Kürze erscheint, und das ist im Litauischen der Fall, während wir für das Slavische die wirkliche Quantität für die Zeit unsrer ältesten Quellen nicht bestimmen können, muss also in der Periode der Einzelsprachen eingetreten sein. In Befolgung des Grundsatzes, das gewon - nene Resultat an der weiteren Entwicklungsgeschichte der einzelnen Sprachen zu prüfen, sei hier hinzugefügt, dass die Verkürzung im Litauischen eingetreten sein muss, ehe die Verwandlung der langen ā in ō begann, weil sonst nicht Formen wie lë́pa (Linde), sondern * lëpo entstanden wären. Nun findet sich in dem pomesanischen Vocabular, dass die Endung dieses Nominativs o ist (mergo = litauisch mergà, glawo = litauisch galvà u. s. w. (s. das Verzeichniss bei Pauli, Preuss. Studien, Beitr. VII, 159), gegenüber dem Dialekt der Katechismen, der a hat (Vocab. menso, Kat. mensa, Fleisch). Pauli (Beitr. VII, 437) ist der Meinung, dies o sei eine Verdumpfung von bereits verkürztem a, entspreche also nicht dem litauischen ō = ā. Mir scheint aber die Sache so zu stehen, dass man sich nach dem vorliegenden Thatbestande ebensowohl für die Länge des ō = ā entscheiden kann: die Mundart des Vocabulars schwankt zwischen o (oa) und a6a. Declination der Nomina.als Vertretern eines ursprünglichen ā, beide stehen in Wurzelsilben litauischem ō gegenüber, vgl. mothe = litauisch. mōtė́ (Weib, preuss. noch Mutter), aber po - matre (Stiefmutter), nozy = litauisch. nósis (Nase), aber po-nasse (Oberlippe); die Fälle, wo pomesanisches o litauischem kurzem a der Wurzelsilbe entspricht, beruhen auf der besonderen Einwirkung von folgendem r, l (Pauli, Beitr. VI, 424), sind also hier nicht massgebend; es bleibt daher die Möglichkeit bestehen, dass im nom. sg. fem. das o die alte Länge sei.

Die Sprache der preussischen Katechismen bietet auch hier, wie so oft, Be - sonderheiten und einige räthselhafte Eigenthümlichkeiten. Die grosse Ueber - zahl der Beispiele zeigt ganz klar, dass die regelmässige Endung ā ist, so dass wir für die Abweichungen davon nach einem besonderen Grunde zu suchen haben. Lautgesetzlich ohne Schwierigkeit der Erklärung sind die Formen gallǻ (Kopf), mêrgu (Mädchen), widdewǻ (Wittwe), litauisch galvà, preuss. gen. sg. galwas, litauisch mergà, aber preussische Katechismen I. II. acc. sg. mergwan, also beruht das ǻ auf der Einwirkung des vorangehenden Labials und Verwand - lung des in , ǻ, daher auch z. B. der dat. plur. mergǻ-mans. Ausserdem findet sich dieselbe Nominativform bei aucktimmiskǻ (Obrigkeit), deiwǻtisku (Seligkeit), labbisku (Güte), seilisku (Andacht), und einmal adjectivisch gebraucht, aina peronisku enteikusna III, 39 (eine gemeine Ordnung); da dies der einzige Fall eines adjectivischen nom. sg. fem. auf - u ist, darf man annehmen, dass hier nur eine Verwechslung von Seiten des Uebersetzers mit dem Substantiv « Ge - meine » vorliegt. Die Beispiele gehören demnach alle zu einer bestimmten Kate - gorie von Worten und sind ganz gleichmässig Ableitungen mit dem bekannten Adjectivsuffix - iska -, dass sie aber wirkliche Adjectiva seien, ist mir aus folgen - den Gründen unglaublich. Wenn man, was ja durchaus im Bereiche der Mög - lichkeit liegt, annähme, es sei ursprünglich ein femininales Substantiv zu sup - pliren, so fehlt dabei die Möglichkeit des Nachweises, woher die im Preussischen ausser nach v sonst nicht vorkommende Wandlung des alten ā in u gerade hier komme. Wollte man ferner annehmen, es stehe der acc., wie in diesen Quellen oft genug, für den nom., - u also zunächst für - un aus - an, so ist dagegen zu sagen, dass zwar Accusative auf - un = - an und neben - an häufig genug sind, dieselben aber das n nicht verlieren (vgl. kailǻstiskun III, 23, Gesundheit). Offen - bar wäre die Sache erklärt, wenn man jene Formen als wirkliche Substantiva fasst, abgeleitet von Adjectiven auf - iska - durch Suffix - , das zur Bildung des Abstractums verwendet wäre, wie - ja - im gotischen barniskei fem., barniski ntr. (Kindheit) von barniska - (vergl. ähnliche Bildungen im Nordischen und anderen germanischen Dialekten bei Grimm, Gr. II, 372 f.). Im Litauischen und Let - tischen ist - va - oder seine Nebenformen, wie - = - vjā, kein häufiges Suffix (Schleicher, Lit. Gr. p. 109 hat nur primäre Bildungen, wie kal-và, Höhe, zu kél-ti, genau entsprechend ist smár-vė, Gestank, zu smird-ė́ti), aber offenbar eng verwandte Suffixformen dienen auch im Litauischen zur secundären Ableitung, z. B. senóvė (Alterthum) von sénas (alt), womit dann namentlich slavische Bil - dungen wie gąštava (Dickicht) = * gąstjava zu gąstŭ (dicht) zu vergleichen sind; so dass gegen die oben angenommene Verwendung des - im Preussischen7i. Die Casus des Singulars.sich principiell kaum etwas wird einwenden lassen. Vielleicht lässt sich nun auch noch in den preussischen Denkmälern selbst das v nachweisen: Kat. III, 72 steht sen alkînisquai (dat. sg. mit Kummer, eigentlich « mit Hunger »); es ist das einzige Mal, dass qu in einer der hier besprochenen Bildungen vorkommt, und es scheint diese Schreibung daher nicht von besonderer Bedeutung zu sein. In - dess ist es doch beachtenswerth, dass das Vorkommen des Zeichens qu in Kat. III derart wechsellos und consequent ist, dass wir Grund haben, es überall als wirk - liches k + v zu fassen. Sicher ist das in dem Verbalstamme quoit -, quait - (wollen), der in allen Ableitungen nie anders geschrieben wird und dem litaui - schen kvët - (in kvëczù, einladen, der Mittelbegriff ist « fordern ») gleich ist; ebenso steht es bei preuss. quei (wo), quendau (woher, in is-quendau), man braucht zur Bestätigung nur die Correlativa stwi (da), stwen (dorthin), stwendau (von dort her) zu vergleichen. Wenn ferner der nom. pl. relat. (Stamm ka -) stets quai oder quoi und nie anders geschrieben wird, ebenso die eigenthümliche Form des nom. sg. fem. quai, alle anderen Formen und Ableitungen dagegen nie anders als mit k vorkommen, so wird man nicht umhin können, in dieser Consequenz auch einen Unterschied der Laute zu finden, also qu als wirkliches kv zu fassen. Endlich steht qu noch in dem III, 45, 47 vorkommenden poquelbton, das als Uebersetzung von « kniend » dient, seiner Form nach (es ist part. perf. pass. ) kaum etwas anderes bedeuten kann, als « gekrümmt, gebogen », und mit litaui - schem kìlpa (Bogen, Bügel, Steigbügel, Schlinge), vielleicht auch mit kalpa, preus - sich Vocab. kalpus (Rungenbrett) zu vergleichen ist (auf die Schreibung b vor t ist nichts zu geben, in der Aussprache kann hier nur p gewesen sein, und man darf dies also ohne weiteres ansetzen). Litauisches klúpoti (knien) kann wegen des Vocalismus direct wenigstens nicht herangezogen werden, dagegen liegt das germanische * hvilban (got. nur in hvilftri erhalten) völlig nach Laut und Be - deutung stimmend sehr nahe, und hier haben wir kv. Bei dieser Sachlage wird es doch mindestens sehr wahrscheinlich, dass auch jenes alkînisquai richtig auf - geschrieben ist und uns den letzten Rest der sonst durch den Verlust des v ver - lorenen Formen erhalten hat (zu diesem Verluste des v vergl. den acc. mergan im Katech. III gegenüber dem mergwan von I und II und lit. mergà). Die beiden anderen Katechismen können, was die Schreibung mit qu betrifft, wenn man nur auf die einzelnen Beispiele sieht, ebenfalls herangezogen werden: I an-terpins - quan (eigentlich « in Nutzen »), II salobisquan (Ehe), peronisquan (Gemeine); in I kommt in der That daneben nur das richtige qu = kv in quaits (Wille) vor, in II aber auch enquoptzt (begraben), krichstianisquan acc. sg. adj. (christlich), griquan gen. pl. (Sünde, St. grika -), aber dieser zweite Katechismus ist in der Orthographie von den dreien der am meisten verwahrloste und inconsequenteste, so dass sein Gegenzeugniss wenig bedeutet.

Ich hielt es nicht für überflüssig, diese Auseinandersetzung hier aufzu - nehmen, weil man in sprachwissenschaftlichen Werken, namentlich slavischer Gelehrter, nicht selten die Neigung trifft, in vereinzelten absonderlichen Formen etwas uralterthümliches zu finden und von ihnen aus allerlei weitgehende Schlüsse zu machen. Ebensowenig wie in den Nominativen auf - u etwas anderes als8a. Declination der Nomina.eine lautliche Umbildung von Formen auf - ā (- ) steckt, ebensowenig glaube ich, dass uns in den vereinzelten nom. sg. fem. auf - ai (zuweilen auch - ei) etwas anderes als eine speciell preussische Entwicklung vorliegt, obwohl ich eine Er - klärung derselben nicht geben kann. Der Versuch könnte nur gemacht werden durch Herbeiziehung der mannigfachen auslautenden ai des Preussischen, z. B. in den Personalsuffixen, wo die anderen Sprachen keine Diphthonge bieten, was uns hier zu weit führen würde; es wird sich indess bei der Besprechung der pronominalen Declination eine Gelegenheit finden, auf diesen Punkt zurückzu - kommen. Die Beispiele sind: aucktimmiskai (neben aucktimmiskǻ), deiwutiskai (neben deiwǻtisku), crixtisnai (neben crixtisnă), mensai (neben mensă, Fleisch), switai (Welt), giwei (Leben), schlusnikai (Dienerin); adj. poklusmai (gehorsam), uschtai (sechste), septmai (siebente), pirmoi (erste, hier aber daneben pirmois als masc.); pron. stai (neben sta, die), quai, quoi (welche); das von Nesselmann (Spr. d. alten Pr. S. 48) noch angeführte peisalei (stai III, 52) kann ebenso - wohl nom. plur. msc. sein. Die angeführten Beispiele sind schwerlich gleicher Art: die adjectivischen können der zusammengesetzten Declination angehören, und dann erklärt sich das i aus dem angefügten Pronomen - ja; die pronominalen sind mit den litauischen neutr. tai u. s. w. zu vergleichen, wo das i auf einer angehängten Partikel beruht; und was die substantivischen betrifft, so könnte man bei dem Zustand der Uebersetzung allenfalls auf den Gedanken kommen, dass der Uebersetzer zuweilen die pronominale Form missverständlich auf Sub - stantiva übertragen habe. Aehnlichen Dingen werden wir öfter begegnen.

Anhang. Im vorstehenden sind die ursprünglichen ja-stämme übergangen worden, um deren besondere Erscheinungen für beide Genera zusammen - fassen zu können. Alles, was die msc. ja-stämme in den einzelnen Familien besonderes bieten, gehört der Specialgeschichte derselben an, beruht auf ihren besonderen Lautgesetzen. Im Litauischen liegen die sogenannten uncontrahirten Formen wie kélias (Weg) zum Theil neben den contrahirten kélis, kelýs; die meisten Beispiele sind fest, entweder contrahirt oder nicht contrahirt. Das Sla - vische kennt die im Litauischen als Contraction bezeichnete Erscheinung gar nicht: entweder das j verbindet sich mit dem vorhergehenden Consonanten zu den gesetzmässigen Consonantendiphthongen, plačĭ (fletus) = * plak-jŭ zu plak - ati (weinen), oder das j bleibt als solches erhalten, kon-jĭ (Ross), in jedem Falle musste ŭ zu ĭ werden. Aus der fehlenden Uebereinstimmung des Litauischen und Slavischen ergiebt sich ohne weiteres, dass als Grundform für beide unver - ändertes - ja-s anzusetzen ist, und damit zugleich, dass die germanischen Formen, got. harjis, hairdeis ebenfalls nicht der Vorgeschichte dieser Familie angehören.

Etwas weniger leicht ist die Entscheidung beim Femininum. Alle drei Fa - milien zeigen hier Formen mit i (ë) statt im Auslaut. Im Slavischen gehören hierher:

1. die auf Suffix - ynjā -, z. B. добрыни (virtus) l. dobrynji, vergl. die Aufzählungen bei Miklos. Gr. III, 39; Bild. der Nomina p. 53;

2. die vereinzelten Feminina ладии (Schiff) l. ladiji, млънии (Blitz), l. mlŭniji, мравии (Ameise), l. mraviji, алънии (cerva), l. alŭniji;

9i. Die Casus des Singulars.

3. eine Anzahl Nomina (meistens nom. agentis) masc. gen., aber femininaler Flexion auf Suffix - ijā - nom. sg. - ии, d. i. - iji, z. B. сѫдии (Richter), sądiji, gen. sądiję, acc. sądiją u. s. w., письчии (Schreiber), pisĭčiji, vergl. Miklos., Bild. d. Nomina; Vgl. Gr. III, 40.

4. Participium praes. act., part. praet. act. I, und die Comparative, deren Stämme zum Behufe der Femininalbildung das Suffix - - anfügen: part. praes. nesąšti, part. praet. act. I nesŭši, comp. dobrějĭši zu den Stämmen: nesąt -, nesŭs -, dobrějĭs -

5. nom. sg. fem. des Pronomens (dieser) si.

Zunächst ist hier anzumerken, dass die lautliche Gestalt der Endung richtig als - anzusetzen ist. Das steht zunächst für die Participial - und Comparativform fest: denn jedes auslautende (wie inlautende) volle i ist immer eine alte Länge (die ursprüngliche Kürze wird im Slavischen zu ĭ), und das j ist in den Laut - verbindungen št = tj, š = sj enthalten. Für die unter 1. angeführten Beispiele steht das ī als Länge nach der eben angeführten Regel sicher, und die Hand - schriften mit genauerer Lautbezeichnung des j (z. B. cod. Suprasliensis) schreiben добрын̑и, d. h. dobrynjī, also auch hier ist das - - gesichert. Die Fälle unter 2. und 3. schreibt Miklosich ладий, сѫдий, d. h. ladijĭ, sądijĭ, also mit kurzem Auslaut, oder, wie er diese Schreibung eigentlich aufgefasst haben will, in noch späterer Form ladij, sądij. Das ist aber eben nur eine Anbequemung an die spätere Gestalt dieser Worte, so gut wie z. B. die Schreibung дѣлай 2. sg. imper., d. h. dělaj, statt des für ältere Zeit allein richtigen дѣлаи, d. h. dělajī, vergl. z. B. nesi нєси 2. sg. imper. zu Wurzel nes (nesti, tragen). Es ergiebt sich in der That von selbst, dass, wenn für 1. und 4. - sicher steht, für die völlig gleichen Erscheinungen in 2. und 3. nicht oder j angesetzt werden kann. Der Lautwert der slavischen Schreibung als - musste hier zunächst festgestellt werden, damit man nicht ohne weiteres das i des Slavischen mit dem ī der San - kritfeminina wie bharatī u. a. identificire. Dann aber bleibt zu untersuchen, ist das - überhaupt als Vergleichungsmaterial zu gebrauchen, d. h. lässt sich mit Grund voraussetzen, dass es in eine vorslavische Periode gehört? In den südslavischen Sprachen findet sich, so weit mir der Sprachschatz bekannt ist, keine Spur des - ji mehr, die betreffenden Worte haben alle - ja (bei Suffix - ija mit Wegfall des i), so slovenisch boginja = ab. bogynji, ladja, sodja (= ab. sądiji), ebenso im Neubulgarischen robinè, d. i. robinjŭ = robinja (Sklavin, alt - bulg. rabynji) mravè = mravjŭ = mravja, oder noch die vollere Form mravijá. Nun haben freilich diese beiden Sprachen für die Geschichte jener Bildungen keine grosse Bedeutung, weil ihre Quellen sehr jung sind. Die Feminina der betreffenden Participien werden entweder gar nicht mehr gebraucht oder, wenn noch, mit dem nom. sg. auf - a, die fem. comp haben immer - a; ebenso ist hier die Form si oder eine entsprechende nicht vorhanden. Von etwas grösserer Be - deutung könnte das Serbische sein wegen des relativen Alters seiner Quellen, die bis ins 11. Jahrh. zurückreichen, allein auch hier finden sich nur Formen auf - a: milostynja (Almosen, ab. milostynji), ladja, sudja. Daničic (Истор. облика. Belgrad 1874, p. 9), führt zwar die Form milostynji милостыни an, aber aus10a. Declination der Nomina.Dometian’s Leben Sava’s, dessen Sprache so stark kirchenslavisch gefärbt oder geradezu kirchenslavisch ist, dass sie nichts beweisen kann; und ebenso verhält es sich mit dem Leben des heiligen Simon von König Stephan, aus dem a. a. O. S. 156 si citirt wird, in den übrigen Quellen heisst es sija oder sa. Auf das i in sija die Vermuthung zu gründen, dass durch Analogiebildung der fertigen Form si das ja erst angefügt sei, ist deswegen nicht thunlich, weil auch andere Formen desselben Pronomens schon im Altbulgarischen das i vor j zeigen, z. B. acc. sg. sem. siją, nom. -acc. dual. msc. sija, acc. plur. msc. -fem. siję, dies i also jedenfalls erst erklärt und ausser Zusammenhang mit dem des nom. sg. fem. sija gesetzt sein müsste (auf die eigenthümlichen Formen dieses Pronomens wird uns die Betrachtung der pronominalen Declination zurückführen; ich bemerke hier nur vorläufig, dass im ab. si das j nur scheinbar fehlt, die Form steht für sji, dieses für sĭji). Obwohl also diese Sprachen für die einst allgemeine Gültigkeit des - ji kein Zeugniss ablegen, so ist doch anzunehmen, dass auch sie dieselben einst besassen und nur, wesentlich durch die überwiegende Analogie der Feminina auf - a, wieder verloren haben. Etwas weiter kommen wir nämlich mit den anderen Sprachen; im Russischen finden sich die Formen auf - ynji u. s. w. wenigstens vereinzelt auch in den profanen alten Denkmälern und kommen dia - lektisch, während die Schriftsprache sie heutzutage gar nicht mehr aufweist, noch vor: knjagnji (княгни) = gemeinrussisch княгиня, knjaginja = ab. kŭnęgynji (Fürstin) Пѣсни Рыбник. I, 138, v. 297. Am entscheidendsten ist hier das Pol - nische: diejenigen von den oben aufgestellten Kategorien von Worten, die das Polnische noch besitzt, haben auch hier i (= ji), nicht ja, z. B. auf - yni: gos - podyni (Herrin), bogini (Göttin), prorokini (Prophetin); andere: lani (cerva) = ab. laniji oder alŭniji; sędzi = ab. sādiji. Dass diese Formen alt sind, beweist auch der Umstand, dass bei den msc. nom. ag., während z. B. der acc. sg. fe - mininal gebildet wird, sędzię = ab. sādijā, die Sprache durch die absonderliche Nominativform sich gewissermassen hat verführen lassen, einige Casus adjec - tivisch-pronominal zu bilden, gen. sędziego, dat. sędziemu, weil das i als Nomi - nativendung sonst nur bei den Adjectiven vorkommt. Da wir nun aus der Ent - wicklungsgeschichte des Polnischen keine Neigung kennen, auslautendes - in - zu verwandeln, das Polnische dem westslavischen Zweige, das Altbulgarische dem südöstlichen angehört, also zwei der von einander am weitesten entfernten Sprachen dieselbe Erscheinung zeigen, darf der Schluss gezogen werden, dass die Endung - in den bestimmten Fällen ursprünglich slavisches Gemeingut war. Ich bemerke noch, dass das Čechische wenigstens in den Worten auf - ynjā - dazu stimmt; hier lautet der nom. sg. im Altčechischen vor dem Auftreten des Laut - gesetzes, nach welchem später ija, ije zu i wird, - yni, z. B. hospodyni, daher auch die Kürze des i, während die Formen wie lodi nur aus ladija (ладиꙗ), nicht aus ladiji (ладии) erklärt werden können. Was aber noch mehr zu beach - ten ist, das Altčechische hat auch das fem. part. auf i: řkuci = ab. rekąšti, vgl. Šafařik, Altb. Gramm., übers. von Jordan, p. 70). Die Neigung ferner der west - slavischen Sprachen, die Formen auf - i nicht zu vermehren, sondern im Gegen - theil durch die weit geläufigeren auf - a, - ja zu ersetzen (so modern čech. hospo -11i. Die Casus des Singulars.dyně, d. i. - ynja) spricht auch für das Alter jener. Somit haben wir die in Rede stehenden Nominativformen zunächst der gemeinsam slavischen Entwickelungs - periode zuzuschreiben.

Wie verhält es sich mit dem Litauischen? Zunächst waltet hier im nom. sg. fem. derselbe Unterschied zwischen contrahirten und nicht contrahirten Formen, wie im nom. sg. msc. żolė́ = żolia (Kraut), aber pradżà = pradia (Anfang), prekià (Preis). Davon weichen nur ab:

  • 1. die Worte patì (Ehefrau), gen. paczós = patios, also Stamm patiā -, fem. zu dem alten Worte pàts, Stamm pati - (Eheherr, selbst); martì (Braut), gen. marczós = martios; vësznì (Gastin), gen. vëszniós;
  • 2. die fem. des part. praes. act. áuganti, gen. sg. áuganczios = áugantios; des part. fut. act. áugsenti, gen. áugsenczos = áugsentios; des part. praet. act. áugusi, gen. áugusios;
  • 3. nom. sg. fem. der Pronominalstämme ja - (er), szja - (dieser), kurja - (welcher), , szì, kurì (nom. sg. msc. jìs, szìs, kùrs).
  • 4. nom. sg. fem. der adjectivischen u-stämme, welches mit Abwerfung des u durch Suffix - ja gebildet wird, z. B. kartì (msc. kartùs) gen. kareziós, d. i. kartios.

Auch hier ist zunächst das Alter der Formen vom Standpunkt des Litauischen zu untersuchen. Das Preussische giebt leider keine Aukunft, die angeführten Kategorien von Worten fehlen den Quellen bis auf eine im folgenden noch zu erwähnende Ausnahme und den acc. sg. martin neben martan, aus diesem lässt sich aber nichts entnehmen für die Nominativform, da auch die den litauischen Nominativen auf - ė (= - ) entsprechenden Formen in den Katechismen häufig den acc. sg. auf - in zeigen (vgl. Nesselmann, Spr. d. a. Pr. S. 49, 50). Nun finden sich zwar sowohl in den Katechismen wie im Vocabular nom. sg. fem. von -stämmen auf - i, allein sieht man, wie muti (Mutter), duckti (Tochter) = lit. motė́, duktė́ sind, in denen das - ė́ gar nicht aus entstanden, sondern ur - sprünglich aus Ersatzdehnung hervorgegangen ist, wie ferner semmê = lit. żémê (Land, Erde) contrahirt ist, so werden Beispiele wie supuni (Hausfrau) = lit. żiupónė werthlos, man wird auch bei ihnen das i = ė ansetzen müssen. Ebenso stehen die Beispiele des Vocabulars neben ė, ohne Frage sind die - i im Auslaut blosse Verhörungen von wahrscheinlich verkürztem oder stummem e oder Schwä - chungen desselben (vgl. Pauli, Beitr. VII, 173). Anders dagegen im Lettischen: hier treffen wir das i in denselben Fällen wie im Litauischen, pati = lit. patì (das Wort martì fehlt, wie vësznì); fem. part. praes. - ůti = lit. - anti, fut. - schůti = lit. - senti, praet. - usi = lit. - usi; endlich schî = lit. szì. Zieht man nun in Betracht, dass das Lettische mit dem Litauischen die Theilung der ja-stämme msc. wie fem. gen. in contrahirte und nicht contrahirte gemeinsam hat: zełsch = lit. kélias (Weg, uncontr. ), lázis = lit. lokýs (Bär, contr. ); in̸a = lit. żinià (Kunde) uncontr., ále = lit. żolė́ (contr. ), dass ferner das Preussische die letztere Art der Contraction ebenfalls kennt (vgl. semê = lit. żémê), so darf man schliessen, dass auch jenes i für der gemeinsamen Entwicklungsperiode der litauischen Familie angehört. Damit ist nicht gesagt, dass die verschiedenen Sprachen der -12a. Declination der Nomina.selben im einzelnen überall gleichen Schritt gehalten hätten, vielmehr finden sich im Litauischen, wie in dieser Sprache selbst zuweilen contrahirte und uncontra - hirte Formen neben einander bestehen, z. B. żinė́ neben żinià, so auch dem Lettischen gegenüber Abweichungen und umgekehrt. Aber dass gerade bei den Nominativen auf i sich nur die gleichen Beispiele finden und keine anderen, macht die Alterthümlichkeit derselben um so gewisser. Eine Einschränkung wäre hier freilich nach dem Preussischen zu machen, es kommt Katech. III, 64 das fem. part. praet. act. au-lausê (todt) vor, also behandelt wie semmê = lit. żėmė, allein bei dem Zustande der Texte kann man sich auf die Richtigkeit einer einzelnen Form durchaus nicht verlassen.

Welches ist aber der Werth dieser Erscheinung im Litauischen für die Ver - gleichung? Auf den ersten Blick erkennt man die Aehnlichkeit der slavischen nom. sg. fem. part. auf - ąšti, - ŭši mit den lit. auf - anti, - usi; das im Slavischen deutlich erkennbare j fehlt im Litauischen nur scheinbar, áuganti steht für * aug - antji, da in dieser Sprache ji in i zusammengeht und j daher nicht auf den vor - hergehenden Consonanten einwirkt. Es scheint also sicher zu sein, dass wenig - stens der nom. sg. fem. part. eine gemeinsame Umbildung des alten - in - er - litten hat (das auslautende ī ist im Litauischen nach einer durchgehenden Neigung dieser Sprache verkürzt); wie weit sich sonst etwa dieselbe Umwandlung erstreckt haben mag, lässt sich nicht mehr erkennen, da die sonstigen Formen des Slavischen und Litauischen, die hier in Betracht kamen, sich etymologisch nicht decken.

Was endlich das Verhältniss zum Deutschen betrifft, so bemerkt Joh. Schmidt (Verwandtschaftsverh. p. 6): « den nordeuropäischen Sprachen gemeinsam ist die Contraction des - gewisser femininer Nomina im nom. sg. zu langem ī, über - einstimmend besonders im fem. der Participia: got. frijōndi wie abulg. prija - jąšti, berąšti, lit. áuganti. Hier muss die Contraction in sehr früher Zeit eingetreten sein, denn got. frijondi erweist, dass sie vor Wirkung des got. Aus - lautsgesetzes schon bestand. Das Auslautsgesetz fand schon frijondī vor, welches es zu frijondĭ verkürzte. Hätte es noch * frijondjā gefunden, so würde daraus nur * frijondjă geworden sein ». So ansprechend diese Zusammenstellung auch erscheint, es ist mir doch keineswegs sicher, dass wir es hier mit einer gemein - samen Entwicklung zu thun haben. Die Verwandlung eines ursprünglichen ja, in ji, i, ĭ (got. ei) findet sich in manchen Fällen als Resultat der besonderen Ent - wicklung des Germanischen; es wurde in Betreff der Declination schon oben bemerkt, dass beim msc., und wir können hier gleich beifügen, auch beim ntr. von einer mit dem Slavisch-litauischen gemeinsamen Entwicklung nicht die Rede sein könne und bei den fem. wird eine solche Annahme dadurch sehr un - wahrscheinlich, dass die Wandlung von - zu - i durch ein bestimmtes Laut - gesetz geregelt ist, nur bei Stämmen mit langer Wurzelsilbe oder mehrsilbigen eintritt, bandi, hulundi, dagegen banja, ein Gesetz, von dem sich im Litauischen und Slavischen keine Spur findet und das wir für eigenthümlich germanisch halten müssen. Die Beschränkung auf den nom., während es im acc. bandja gegenüber dem msc. hari heisst, wird sich aus der ehemaligen Nasalirung des auslauten - den - a (aus - ām) genügend erklären lassen.

13i. Die Casus des Singulars.

Die Nominativformen sämmtlicher Arten von a-stämmen bieten nichts, was für die drei Sprachen eine besondere Stellung oder engere Einheit in dem ganzen des indog. Sprachstammes begründen könnte.

C. Die Nominativformen der consonant. Stämme.
a) Die n-stämme.

Uebersicht der vorhandenen Formen:

  • slav. msc. kamy, St. kamen - (Stein),
  • fem. fehlt.
  • msc. korę = korję, St. korjen - (Wurzel), vereinzeltes Wort.
  • lit. msc. akmů́, St. akmen - msc. (Stein),
  • fem. fehlt.
  • got. msc. hana, St. hanan -,
  • fem. tuggō, St. tuggōn -; managei, St. managein -.

Der Unterschied der Genera kann hier, da die ursprüngliche Form des No - minativs davon nicht beeinflusst wird, unbeachtet bleiben; die germanischen Femininalformen sind Neubildungen, deren eigenthümliche Form und Ent - stehung im Zusammenhange mit dem gen. pl. zu behandeln sein wird und die hier nur der Vollständigkeit wegen mit angegeben sind. Die Frage nach der dem nom. sg. msc. zu Grunde liegenden ältesten Form ist nach der Theorie von dem ursprünglich allgemein gültigen Nominativsuffixe - s dahin beantwortet worden, dass auch hier für die älteste Periode * akman-s anzusetzen sei (so Schleicher, Comp. 3, 510). Scherer (z. Gesch. d. deutschen Spr. S. 316 f.) behauptet: « es giebt für den Nominativ dreierlei Bezeichnungsweisen: erstens Vocalverstärkung des Bildungssuffixes, zum Theil mit Veränderung des Themas; zweitens beigefügtes ám; drittens Anhängung von - s ..... Die erste Art des Nominativausdrucks nehme ich in mehreren Fällen an, in denen man un - berechtigt einstiges s und verschiedene andere Consonanten abfallen zu lassen pflegt. Man legt sich die Lautgesetze der Ursprache nach willkürlichen Hypo - thesen zurecht ». Zu den ersten Fällen rechnet Scherer die Bildung des sanskrit. nom. sg. msc., wie açmā, lat. homō u. s. w., « dem (skrt.) Nominativ - ā von Stämmen auf an correspondiert im Lateinischen gleichfalls ā (homō), im Griechi - schen ān (ποιμήν), worauf auch die germanische und letto-slavische Form beruht. Eine alte Dittologie mithin, das eine Gebilde mit, das andere ohne Wahl verschiedener Themagestalt. » Scherer muss zu dieser Meinung gekommen sein durch die scheinbare Unmöglichkeit, ein Nominativ-s bei diesen Stämmen irgendwo in einer indogermanischen Sprache zu finden. Ich glaube aber nachweisen zu können, dass zunächst die slavische Form auf - y sich nur aus der Grundform auf - an-s erklären lässt, und zwar durch eine genaue Betrachtung der Auslautsgesetze, auf die schon von Joh. Schmidt (Vocal. I, 177) hingewiesen ist, die hier aber der Wichtigkeit der Frage wegen vollständig gegeben werden mögen.

14a. Declination der Nomina.

Der Laut y entsteht im Slavischen in folgenden Fällen:

1. aus langem ū, sei es, dass dies

  • a) einem ursprünglichen oder wenigstens vorslavischen ū entspricht: synŭ = skrt. und lit. sūnùs, nom. acc. dual. syny = skrt. sūnū, lit. sūnù mit ver - kürztem Auslaut; ljuby, gen. ljubŭv-e u. s. w., Stammauslaut - ū; oder
  • b) erst innerhalb des Slavischen durch Dehnung (Steigerung) des kurzen u (ŭ) entstanden ist, wobei es gleichgültig ist, ob das ŭ auf ursprüngliches a oder u zurückgeht, z. B. dychati durat. zu dŭchnąti (blasen), vgl. duchati, Wurzel dus; sylati frequ. zu sŭlati (schicken), Wurzel sar; syny acc. plur. durch Ersatzdehnung aus sūnu-ns, vgl. lit. sunùs neben altem sūnuns.

2. Durch Contraction eines ŭ mit folgendem i (, ji); so möge hier, obwohl nicht treffend, der Kürze wegen die Erscheinung genannt werden, nach welcher nom. sg. msc. decl. comp. dobryjĭ добрый aus dobrŭ + , vyną вынѫ aus iną вь инѫ entsteht.

3. Aus a + Nasal.

  • a) im Inlaut; die wenigen, zum Theil problematischen Beispiele s. Joh. Schmidt, Vocal. a. a. O.
  • b) im Auslaut: acc. plur. msc. vlŭky = - ans, acc. plur. fem. ženy = - āns, bei den ja-stämmen aber msc. konję sem. dušę; nom. sing. msc. -ntr. part. praes. act. nesy, dagegen bei ja-stämmen pišę, Grundform des Suffixes - ant -. Der gen. sing. fem. ženy gegenüber dem - ę der -stämme (dušę) ist nicht sicher erklärt (s. u. beim gen. und der pron. Declination), muss also überhaupt von der Betrachtung zunächst ausgeschlossen werden.

Auf den letztangeführten Punkt kommt es uns hier vor allem an: überall, wo in etymologisch erklärbaren Fällen y einer Verbindung von ursprünglichem a + nas. entspricht, folgte auf den Nasal ein andrer Consonant. Umgekehrt, wo wir etymologisch sicher a, ā + nas. ohne folgende Consonanten ansetzen können, erscheint nie y, sondern für am, an ŭ (wie schon oben beim nom. sg. msc. der ŭ-stämme auseinandergesetzt), für ām, ān dagegen ą: acc. sg. fem. ženą = - ām, 1. sg. praes. berą = * berām für noch älteres - āmi, instr. sg. fem. ženoją für - āmi mit Abfall des i oder für - ām. Nimmt man das alles zusammen, so bleibt kein andrer Schluss übrig, als dass die Form kamy nur auf * akmans zu - rückgehen kann, weder * akmā noch * akmān konnten im Slavischen zum Aus - laut - y führen. Man könnte hier einwenden, dass doch der gen. plur. auf ur - sprüngliches - ām, der im Slavischen auf - ŭ endigt (vlŭkŭ, ženŭ, kamenŭ) eine Möglichkeit biete, ein auslautendes y aus ursprünglichem ā + nas. ohne folgen - den Consonanten zu erklären, indem man annehmen könne, aus - ām (oder wie nach slav. -lit. Auslautsgesetz anzusetzen, - ān) wäre zunächst - ūn, daraus - y geworden, aus welchem durch Verkürzung - ŭ, und könnte sich dabei auf die litauische Form des Casus berufen: vilkū́, mergūı akmenū́, älter und dialektisch noch - ūn. Allein mit solcher historischer Verbindung gleicher Lauterscheinungen muss man sehr vorsichtig sein: die altpreussischen Katechismen haben noch Genitive auf - an ( ān), von denen an der betreffenden Stelle zu handeln sein wird. Für die Beurtheilung der slavischen Form kommt nun noch hinzu, dass15i. Die Casus des Singulars.in dem ganzen uns historisch bekannten Verlauf zwar sehr häufig die Schwächung und Verkürzung eines ursprünglich vollen und langen ī zu ĭ vorkommt, ja das - selbe ganz, wenigstens in seiner Geltung als Vocal verloren geht, z. B. inf. ab. dělati, russ. dęłatĭ, sprich dělat́, während die gleiche Erscheinung bei y ganz fehlt, aus diesem wird nie das dem ĭ entsprechende ŭ. Dieser Unterschied in der Behandlung des i und y stimmt wieder zu dem allgemein beobachteten Gesetz von der grösseren Widerstandsfähigkeit der u-Vocale gegen Schwächungen und Ausstossungen gegenüber den a - und i-Vocalen (vgl. das gotische und lettische Auslautsgesetz). Es ist demnach die Vorstufe eines - y für den gen. plur. durch - aus unwahrscheinlich, und die Erklärung des - ŭ kann nur ausgehen von der Annahme einer Verkürzung des noch intact bestehenden - ām (- ān) zu - am (- an), aus dem weiterhin nothwendig - ŭ wird, oder aus der Verkürzung eines bereits aus - ām (- ān) gewordenen - ūm (- ūn) zu - um (- un), aus dem wieder ŭ werden muss, vor dem Eintritt der Wandlung aller langen ū zu y. Mir ist das erstere eben wegen der grösseren Nachgiebigkeit der a-vocale gegen Kürzungen wahr - scheinlicher; im Litauischen z. B., um einen analogen Fall anzuführen, hat der gen. plur. sein langes ū bis auf den heutigen Tag bewahrt, mergū́, während der acc. sg. fem. auf - ām seit alter Zeit verkürzt auftritt, mérgą̨̆.

Um hier ein für allemal für die Behandlung der in der Flexion so häufigen y und der nasalen Silben die Richtschnur zu geben und nicht jedesmal die betref - fenden Regeln wiederholen zu müssen, fasse ich sie sogleich zusammen:

1. ein Nasalvocal (ą, ę) entsteht nur in einer (natura oder positione) langen Silbe; daher 1. sg. praes. nesą = ām (i), aber 1. sg. aor. nesŭ = - am; acc. sg. fem. ženą = - ām, aber acc. sg. msc. vlŭkŭ = - am.

2. Nasalvocal kann nur aus ursprünglichem a-vocal entstehen, aus ā + nas. oder aus ă + nas. + cons., und zwar ist ą = ā + nas., ę = ē + nas. ; nie wird aus i oder u + nas. ein Nasalvocal, sondern stets ī, ū (d. h. slav. y), da - her acc. plur. noštī = naktins, syny = sūnuns.

3. Wo ein y = ū einer ursprünglich nasalen Silbe mit ursprünglichem a entspricht, folgte nach der früheren Auseinandersetzung stets nas. + cons. ; da nach 2. aus jedem als a verbliebenen a-Vocal + nas. vor anderen Consonanten ą geworden wäre, muss zu der Zeit, als im Slavischen die Nasalvocale ent - standen, in den betreffenden Silben bereits ein Vocal gestanden haben, der nicht mit dem Nasal zum Nasalvocal werden konnte, d. h. hier die nächste Vor - stufe des y, nämlich un, hervorgegangen aus an durch verdumpfende Einwirkung des nasalen Consonanten (oder ūn aus ān, wenn wie z. B. im acc. pl. fem. auf ursprüngliches - ā-ns das ā bereis lang war). Dass diese Chronologie richtig ist, beweist unwiderleglich die Parallelität der acc. plur. wie ženy dušę, der Participien wie nesy pišę (vgl. auch kamy korę). Das j hindert die Ver - dumpfung des a (ā) zu u (ū), der a-vocal blieb, sei es als a oder e, daher die Nasalvocale nach dem j; hätte zu derselben Zeit bei den a-stämmen ohne j noch das a (ā) bestanden, so wäre nothwendig parallel den ja - ( -) stämmen die Endung ą entstanden; es gab also, an Beispielen ausgedrückt, im Slavischen eine Zeit, wo ein acc. pl. * ženūn (s) neben einem * dusjān (s) oder dusjēn (s) stand.

16a. Declination der Nomina.

Das Auslautsgesetz, nach welchem Nasale die Wandlung eines ursprüng - lichen a in u bewirken, glaube ich vorläufig folgendermassen fassen zu können:

1. vor einfach auslautendem Nasal wird jedes kurze a zu ŭ (d. h. kurzem u);

2. die Einwirkung des Nasals auf a in langen Silben erfolgt nur dann, wenn dem Nasal noch ein Consonant folgte; bei einfach auslautendem Nasal nach ā bleibt dieses (in ą enthalten).

3. j hindert bei langen Silben die Wirkung der Nasale.

Beispiele geben die im vorhergehenden angeführten Worte; dort auch die Er - klärung der scheinbaren Ausnahme des gen. plur. auf - ŭ.

Müssen wir somit als Grundform des nom. msc. der n-stämme im Slavischen eine Form mit s ansetzen (* akmans), so fragt sich, wie verhält sich dazu das lit. akmů́.

Im Litauischen lauten die nom. sg. sämmtlicher n-stämme gleich, einerlei ob sie in den verwandten Sprachen msc. oder ntr. sind. Da nun die ursprüng - lichen Nominativformen der beiden Genera lautgesetzlich nicht auf die gleiche Form führen können, auch in keiner indogermanischen Sprache sich dazu ent - wickeln, das heutige Litauisch aber überhaupt das neutrum gegen das msc. oder fem. aufgegeben hat, kann in der Nominativform auf - ů nur die des msc. vor - liegen, da fem. und msc. hier ja nicht geschieden sind. Der thatsächliche Bestand der drei litauischen Sprachen ist folgender:

Litauisch - ů, in russisch-litauischen Dialekten - un, daneben dialektisch - u, - uo, - o, also es können vorkommen: akmun, akmů́, akmuo, akmu, akmo als Modificationen des ursprünglich gleichen Lautes oder Lautcomplexes.

Preussisch des Vocabulars: smoy = lit. żmů (Mensch) msc. ; wundan = lit. vandů́, dial. unduo (Wasser); dadan (Milch); semen = lit. sėmů́ (Samen), Die drei letzten Beispiele sind in den verwandten Sprachen Neutra: got. vatō, skrt. dadhan, slaw. sěmę, und auch im preussischen Vocabular als solche anzu - sehen (vgl. vorläufig Pauli, Beitr. VII, 202). Endlich kann man irmo (Arm) neben slav. ramę (ntr.) für n-stamm halten, die Nominativform wäre dann die des msc., allein das Wort kann seiner Form nach auch nom. sg. fem. eines a-stam - mes sein (s. o.), was neben den Formen der verwandten Sprachen, in denen das entsprechende Wort msc. a-stamm ist, als durchaus möglich anzusehen ist. Es bleibt demnach zur Vergleichung mit dem Litauischen nur smoy.

Preussisch der Katechismen: emmens, emnes (Name), kêrmens (Leib); denen anzuschliessen ist die Form des

Lettischen akmens (so bei allen Worten gleich). Die preussischen wie die lettischen Formen sind ganz secundär, durch Uebergang in die vocalische Declination (der a - oder i-stämme) zu erklären, ganz wie die späteren slavischen Formen kamenĭ u. dgl. Bielenstein (Lett. Spr. II, 7) drückt sich so aus (das Let - tische habe das Nominativzeichen - s, « wo im Litauischen Casuszeichen und der vorhergehende Consonant geschwunden sind »), dass man vermuthen muss, er halte die lettische Form für ursprünglicher als die litauische, und für die Grund - lage dieser. Das ist aber durchaus unmöglich, aus - ens kann im Litauischen nur - ęs, dialektisch - i̧s, d. h. gesprochen - ēs, - īs, höchstens mit Abfall des s ė oder ī17i. Die Casus des Singulars.werden, nie aber ů; im Lettischen selber bleibt ursprüngliches - ans, - ens nie ohne die lautgesetzliche Veränderung zu - ůs und - ës (i̊s), und im preussischen Katechismus beweist das zum msc. gewordene unds (Wasser), dass hier eben - falls Uebergang in die vocalische Declination vorliegt.

Ueber die einzige in Betracht kommende preussische Form wird sich schwer - lich etwas anderes aussagen lassen, als was Pauli, Beitr. VII, 165 bemerkt: « es scheint hier (bei smoy) oy das ů vertreten zu sollen mit ungenauer Auffassung des sch’waähnlichen nachhallenden å durch den Niederschreibenden » (vgl. den - selben Beitr. VI, 426, §. 47 49).

Im Litauischen ist die Entscheidung, was dem auslautendem ů zu Grunde liegen muss, keineswegs leicht. Es soll hier versucht werden, zu einem wenig - stens wahrscheinlichen Resultat zu gelangen. Auf dem ganzen Gebiet der li - tauischen Sprachen herrscht die entschiedene Neigung, a vor folgendem Nasal in u zu verwandeln. In den östlichen Dialekten des Litauischen, oder um bei der Unbestimmtheit, die noch in der litauischen Dialektologie herrscht, einen be - stimmten Localdialekt zu nehmen, in dem von Anykszczei (über diesen s. Schlei - cher, Donaleitis S. 335), wird jedes a vor nas. + cons. zu u, runka = rankà (Hand), randù zu rundu (ich finde), jedes ą des Hochlitauischen (d. h. der aus der Lautverbindung a + nas. + s, ż oder im Auslaut aus am, an entstehende Vocal) zu ų, d. h. u, z. B. żųsis = żąsìs (Gans), acc. sg. runkų = rànką (vgl. auch Schleicher, Gramm. S. 78). Im Lettischen verhält es sich genau so, nur dass aus dem vor Consonanten im Inlaut entstehenden un bereits ů geworden, růka, růdu; im Auslaut acc. sg. růku, gréku (msc.). Wir haben es also hier mit einer Bewegung zu thun, die in der uns bekannten historischen Entwicklung der litauischen Sprachen in dauerndem Fortschritt begriffen ist, nicht wie beim Slavischen mit einzelnen und bestimmten Gesetzen unterworfenen Ver - wandlungen des a in u durch folgenden Nasal. Es fragt sich daher, welche von den aus ursprünglichem a + nas. entstandenen u, resp. ů, gehören der späteren Entwicklung der Einzelsprachen oder Dialekte des Litauischen, welche der ganzen Familie an; ehe das entschieden ist, kann nicht ausgemacht werden, worauf das ů von akmů́ zurückzuführen ist. Die Betrachtung kann sich indessen auf den Auslaut oder, besser gesagt, auf die nicht wurzelhaften Elemente beschränken, da im Inlaut, in der Wurzelsilbe, wo ursprünglich a + nas. + cons. überhaupt erhalten blieb, d. h. a nicht zu e geworden war, das Hochlitauische noch heu - tiges Tages das a bewahrt.

Für den Auslaut, in dem angegebenen Sinne zu verstehen, liegt die Sache folgendermassen: selbst, wo Litauisch und Lettisch in der Verwandlung des a zu u übereinstimmen, zeigt die Sprache der preussischen Katechismen in den aller - meisten Fällen noch den a-Vocal:

acc. plur. der a-stämme lit. vilkus, lett. wilkus, pron. lit. tůs, tùs, jůs, jùs (letzteres enclit. ), lett. jůs (auf den Unterschied in der Schreibung des dem li - tauischen ů entsprechenden Vocals als ů und õ wird hier keine Rücksicht genom - men, der Unterschied ist nur einer der Accentuation); aber preuss. tâwans, St. tâva - = lit. të́va - (Vater), s-tans = lit. tů́ s, tùs.

Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 218a. Declination der Nomina.

suff. dat. plur. lit. - mus, lett. m, aber preuss. - mans.

gen. plur. lit. - ū, dial. - un, lett. - u; preussisch schwankend grikan (Sünden) neben grecon, grekun. Da auch sonst im Preussischen die Neigung zur Wandlung in u vor Nasal bereits hervortritt, z. B. dat. plur. 2. pers. ioumus neben ioumans, im ersten Katechismus numons dat. plur. 1. pers. neben nûmans, nûmas im dritten, so haben wir im gen. plur. offenbar auch ältere und jüngere Formen neben einander, - an oder vielmehr - ān ist also als Grundform für die litauische Familie anzusetzen.

acc. plur. 1. pers. lit. mùs, lett. mûs, aber preuss. mans͘.

praepos. lit. su (mit), in Nominalcompositionen -, lett. sa, preuss. sen, also Grundform * san.

In anderen Fällen ist das Preussische, weil die Formen zufällig nicht vor - kommen, nicht vergleichbar.

nom. acc. dual. der msc. a-stämme lit. vilku, pron. - du, decl. comp. gerů́-ju. Der Ursprung der Form ist überhaupt unklar; man denkt zunächst an das sanskr. au (das nähere s. unten); jedenfalls bleibt die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit einer Entstehung des ů, u aus dem Diphthong.

loc. plur. msc. der a-stämme lit. vilkůse, dial. vilkunse, lett. wilkůs, nicht weiter zurück zu verfolgen, da das Preussische fehlt.

praep. (von), lett. ; Ursprung dunkel, das preuss. na, no heisst wie slaw. na « auf » und kann wenigstens nicht unmittelbar herangezogen werden.

2. sing. verbi der mit a-Suffixen gebildeten Verbalstämme: lit. - u, reflexiv - ů-s, lettisch ebenso. In den preussischen Katechismen findet sich das u nur einmal in dem vereinzelten asmu (sum), also von einem nicht ursprünglich hier - her gehörenden Verbalstamm, neben dem ebenfalls vereinzelten asmau und dem gewöhnlichen asmai; sonst schwankt die Endung bei den verschiedenen Verbal - stämmen zwischen a, e, i (imma = lit. imù, ich nehme; turri = turiù, ich habe, inf. turrîtwei, lit. turė́ti; segge, ich thue, inf. seggit); es bleibt also bei der son - derbaren Form asmu als der einzigen mindestens zweifelhaft, ob das lettisch - litauische - u für die Gesammtperiode der drei litauischen Sprachen anzusetzen ist.

Nur ein sicherer Fall ist vorhanden, in dem die drei Sprachen überein - stimmen, der instr. sg. msc. der a-stämme, lit. vilku, altlettisch ebenso (jetzt durch die Dativform wilkam ersetzt; dass diese nicht, wie Bielenstein, lett. Spr. II, 22 meint, ein alter Instrumental auf - ami ist, darüber s. u. bei diesem Casus); pron. lit. (daneben jů-mì, die Form ist aber erst entstanden durch secundäre Anfügung des - mi, wie im dialektischen vilku-mi nach Analogie von sunu-mì, aki - u. a.), lett. (je, desto), preuss. sen-ku (womit, zum pron. ka-s), ku stu (wie so). Wenn auch die Form dieses Casus weiterer Auseinandersetzung bedarf, so ist doch durch die Vergleichung mit slav. vlŭkŭmĭ, vlŭkomĭ an der einstigen Existenz eines Nasals nicht zu zweifeln, und diesem das u zuzuschreiben.

Aus allem bisher angeführten geht jedenfalls hervor, dass in der gemein - samen Entwicklungsperiode des Litauischen, Lettischen, Preussischen die Nei - gung, a vor Nasalen zu u zu verwandeln, nur in sehr wenig Fällen durchge - drungen war. Wenn wir nun dem lit. żmů́, akmů́ das preuss. smoy gegenüber19i. Die Casus des Singulars.finden, so scheint mir bei der Alterthümlichkeit des Preussischen in der Be - wahrung des a vor Nasalen selbst in der Sprache der Katechismen, die doch um wenigstens 150 Jahre jünger ist als die des Vocabulars, dem wir das smoy ver - danken, die Annahme berechtigt, dass diese Nominative bereits in der Zeit der gemeinsamen Entwicklung den u-Laut hervorbrachten.

Gehört nun dieses u bereits der litauisch-slavischen Gemeinsamkeit an? Ich glaube, man kann mit der grössten Wahrscheinlichkeit behaupten, dass dies nicht der Fall war. Wir kennen ein paar Fälle, wo in der Wurzelsilbe u = a + nas. ist oder wenigstens sein kann (s. Joh. Schmidt, Voc. I, 104), ferner einen sicheren Fall in einem Stammbildungssuffix, in den cass. obl. part. perf. act., lit. gen. sg. msc. augus-io, slaw. nesŭš-a, aber auch got. bêrus-jôs, und hier ist das u (vgl. skrt. und das griech. - υῖα) älter als die Sonderexistenz der drei nord - europäischen Sprachen überhaupt. In allen anderen Fällen ist die Ueberein - stimmung des Litauischen und Slavischen in diesem Punkte nur scheinbar (z. B. acc. plur msc. der a-stämme lit. - us, slav. - y, gen. plur. lit. - ū, slav. - ŭ; vgl. die oben gegebene Zusammenstellung der litauischen Sprachen untereinander, die natürlich auch auf das Verhältniss zum Slavischen anwendbar ist). Für die An - nahme einer grundsprachlichen Uebereinstimmung von akmů und kamy fehlt demnach jede ratio. Haben wir für das Slavische die Grundform * kamans fest - gestellt, so kann für das Slawisch-litauische nur * akmans angenommen werden, und die Entwicklungsreihe wäre diese:

slav. -lit. * akmans

Nun kommen wir bei dieser Annahme allerdings auf eine bedenkliche Schwierigkeit: nach litauischem Auslautsgesetz geht auslautendes s auch in der Lautgruppe - ns nicht verloren (vgl. den acc. plur.). Es giebt freilich Fälle, wo ein ursprüngliches s abgefallen sein muss, im nom. plur. msc. part. áugą, wenig - stens scheinbar in der 2. sg. verbi sukì, aber diese Fälle sind auch in anderen Beziehungen so räthselhafter Natur, dass sie für den vorliegenden Fall nichts nützen. Wenn man also trotzdem den Abfall des auslautenden s hier annimmt, so wäre das eine eben solche Singularität, wie die Entstehung eines u aus a in der slavisch-litauischen Periode, und die Wagschalen stünden gleich. Und den - noch glaube ich, dass sich ein Uebergewicht zu Gunsten des Abfalls von s nach - weisen lässt. Ich kenne im Litauischen und Lettischen kein Wort, wo sich ů aus un (sei dies = ursprünglich u + n oder = ursprünglich a + n) entwickelt hat, das nicht entweder nach dem u (= u oder a) zwei Consonanten, d. h. hier Nasal + anderen Consonanten, zeigte oder einsilbig wäre; die zwiefache Consonanz kann dem Worte selbst angehören oder durch Zusammenrückung mit einem an - deren Worte entstanden sein, wobei j als voller Consonant gilt; ohne diese Be - dingungen entsteht nicht ů, sondern u, vgl. lett. acc. sg. msc. fem. der a-stämme wilku, růku, aber einsilbig pron. (lit. vìlką, rànką, ji̧, ); lit. instr. sg. msc. 2*20a. Declination der Nomina.vilku, aber einsilb. pron. lit. -lett. , in der Zusammensetzung lit. gerů́-ju; 1. sg. praes. lit. -lett. - u, in der Zusammensetzung refl. lit. -lett. - ů-s u. s. w. (vgl. die oben gegebenen Fälle von ů, u in allen drei lit. Sprachen). Mir scheint nun, diese Sachlage entscheidet sehr stark zu Gunsten der Annahme, dass für den Anfang der speciellen Entwicklung die Form * akmans anzusetzen und ein späterer singulärer Abfall des - s anzunehmen sei.

Bei den germanischen Formen genügt ein Hinweis auf das gotische Auslauts - gesetz noch nicht, um die Grundform als - ān zu bestimmen, denn hana könnte auf vorgerman. hanā zurückgehen, allein die hochdeutsche Form hano weist auf germ. hanā wegen ihres constanten o (vgl. Braune, Quantität der ahd. Endsilben; Paul und Braune, Beitr. II, 152), und nach der bisherigen Fassung der voca - lischen Auslautsgesetze des Germanischen kann das auslautende ā nur in Folge eines ursprünglich vorhandenen nachstehenden Nasals erhalten sein (s. auch Scherer, ZGDS p. 120). Weiter zurück als auf * hanān können wir fürs Germa - nische nicht kommen, es liegt also in dieser Nominativform eine Differenz vom Slavisch-Litauischen, eine Coincidenz mit den übrigen indogermanischen Sprachen.

b) nom. sg. msc. der Participialstämme (Suff. - ant -, - ans -) und der Comparativstämme (Suff. - jans -).
α. part. praes. act. (- ant -).

Hier stellt die litauische Form - ās (sukąs, dial. sukans und sukus = sukuns) das Nominativ-s ohne weiteres sicher. Dass hier aber das s in der That unmittel - bar dem consonantischen Stammauslaut angefügt ist, lehren die litauischen Laut - gesetze. Es ist nicht möglich, dass hier der Stamm des Particips durch ein erweiterndes Suffix vocalisch auslautend geworden und dadurch in die vocalische Declination übergegangen sei, wie z. B. in den cass. obl. durch Anfügung von - ja - (daher gen. sg. msc. sùkanczo = sukantio). Wäre dies erweiternde Suffix auch im nom. sg. angetreten, so würde die Form * sukantis lauten (das lett. - ůt (i) s ist in der That so gebildet), da ja in diesem Falle zu i contrahirt würde, i vor auslautendem s aber nicht wegfällt, vgl. in der heutigen Sprache: stets vìlks = vìlkas, aber nie anders als dàlgis = * dalgias. Wollte man ferner Erweiterung durch reines a annehmen, so würde zwar statt nom. * sukantas gesprochen wer - den innerhalb der speciellen Entwicklung des Litauischen * sukants, aber weder könnte aus der secundär zusammengekommenen Gruppe das t wegfallen, noch jemals vor der erst secundär durch Ausfall entstandenen Gruppe n (t) s ein Nasal - vocal entstehen. Dass das fut. sùksęs dem praes. völlig gleich steht, braucht nur angedeutet zu werden, ę entsteht aus ą durch Einfluss des j (1. sg. fut. sùksiu). Letzte indogermanische Grundform ist also jedenfalls - ant-s; es fragt sich nur, ob sich über die Periode, in der das t verloren oder assimilirt wurde, etwas fest - stellen lässt. In keiner indogermanischen Sprache, abgesehen vom Germanischen, lässt sich das ts noch belegen, entweder t ist mit dem s abgefallen (griech., so auch im Sanskrit, wenn die Form bharan lautet) oder s allein erhalten (lit., lat., sanskr., wenn vor gewissen Lauten bharãs steht, vgl. auch z. bharaç), oder21i. Die Casus des Singulars.die Form lässt den zunächst vorausgegangenen Consonantenbestand nicht mehr erkennen, so das slav. nesy msc. und ntr. Diese Form ist dem kamy ganz gleich und das y auf die oben auseinandergesetzte Art entstanden zu denken. Bei dem Consensus zwischen Latein, Litauisch und Sanskrit ist die Wahrscheinlichkeit einer sehr frühen, bereits vor der Sprachtrennung erfolgten Assimilation des t, also einer als - ans anzusetzenden Grundform, nicht zu leugnen. Wenn wir diese Wahrscheinlichkeit auch in Betreff des Germanischen gelten lassen, werden wir geneigt sein, der bisher allgemein geltenden Annahme zu folgen, dass got. gi - bands auf den erweiterten Stamm gibanda - zu beziehen sei. Doch ist eine andere Auffassung möglich, vielleicht wahrscheinlicher: dem germanischen Auslauts - gesetze widerspricht auch eine ursprünglich consonantische Form auf - ants, got. - ands nicht; diese Ansetzung bleibt für die beiden anderen Sprachen ebenfalls vollkommen denkbar, und es ist somit möglich, dass das t erst in der besonderen Entwicklung der einzelnen assimilirt worden ist. Vielleicht liegt sogar in dem einst vorhandenen t der Grund, weshalb der nom. im Litauischen anders behan - delt ist, als bei den substantivischen n-stämmen, mit deren Grundform auf - an-s, wenn sehr früher, vorlitauischer Verlust des t eingetreten war, der nom. sg. msc. part. zusammenfallen musste. Wäre somit - ant-s für unsere drei Sprachen an - zusetzen, so ergäbe das eine Differenz von allen übrigen indogermanischen Sprachen, da in diesen sich das t nicht mehr nachweisen lässt, aber nach dem eben bemerkten ist die Sache zu problematisch, um von Wert zu sein. Auf die preussische Form sindats (sitzend, I. Katech. 2. Art.; in II. syndens, in III. - dons, III. 91 sîdans) wage ich mich nicht zu berufen wegen ihrer Vereinzelung, es ist wohl nur ein Druckfehler. Dagegen kommt skellânts oder schkellânts (schuldig) nach Nesselmanns Glossar fünfmal vor, dîlants (arbeitend) III, 52 zweimal, das können aber ebensowohl vocalische Formen sein, wie die lettischen auf - ůt (i) s.

β. part. perf. act. und compar.

können hier zusammengenommen werden, da der Stammauslaut derselbe ist. Es kommt hier nur das Slavisch-litauische, beim Comparativ nur das Slavische in Betracht, da im Germanischen jenes Particip bis auf geringe Reste verloren und keine Form des nom. sg. msc. erhalten ist, der Comparativ im Litauischen wenn nicht ursprünglich, so doch durch neu angetretene Suffixe abweicht, im Preus - sischen, wo er in alter Form erhalten, in unseren Quellen keinen nom. sg. msc. aufweist, im Germanischen aber in eine andere Flexionsclasse übergegangen ist (s. einzelne Formen beim ntr. unter acc. sg.).

Das Suffix des part. perf. act. ist im Slavischen - vans - nach vocalisch aus - lautenden Verbalstämmen, - ans nach consonantischem Schluss (da-vŭ da, geben, nes-ŭ), im Litauischen, wie es scheint, nur-ans, denn davęs lässt sich allenfalls aus der nach der gewöhnlichen Auffassung eigenthümlich lit. Wurzelform dů́-ti er - klären. Doch ist dabei das Preussische zu beachten, das wenigstens in einigen Fällen nach Vocalen v zeigt: taykowuns (geschaffen habend) I, inf. teickut, att - skiwuns (auferstanden) vgl. et-skî-mai (wir stehen auf) I, aulauwussens (acc. plur. 22a. Declination der Nomina.todte) I, inf. aulâut (sterben), klantîwuns, inf. klantît (fluchen) III, 35. Auch aus einem andern Umstand erlaubt das Preuss. einen Schluss auf einst vorhandenes v, und ob - wohl es für die Gestalt des nom. sg. zunächst gleichgültig ist, möchte ich doch die Frage hier berühren, weil wir gelegentlich uns darauf beziehen müssen. Im Preuss. nämlich wechselt die Endung zwischen - uns und - ons, seltener - ans (dâuns, gemmons, gemmans), und ich halte diesen Wechsel nicht für einen zufälligen. Die Aufzählung bei Nesselmann (Spr. d. a. Pr. 65) enthält 31 Beispiele von voca - lisch auslautenden Verbalstämmen, und hier kommt nur - uns (neben einmaligem - ans) vor, ferner 27 Fälle, wo der Verbalstamm consonantisch auslautet, darunter mit - uns nur swintinninuns (Druckfehler für swintinnuns) neben swintinons, wierpuns neben wierpons, lisuns neben lisons, lassinuns, iduns, migguns, ran - guns, wedduns; einmal - ans, immans ohne Nebenform; einige male - ans mit Nebenform - ons, laipinnans neben - ons, gemmans und - ons, gubans, gubas neben - ons, sidans und - ons; sonst aber - ons ohne Wechsel. Die Formen auf - ans beruhen übrigens zum Theil auf einer Verwechslung mit dem part. praes. Es ergiebt sich demnach als Regel, dass - uns den vocalisch, - ons den consonantisch auslautenden Stämmen angehört (vgl. Nesselmann a. a. O. S. 63); und dies hat seinen lautlichen Grund darin, dass bei den vocalischen Stämmen das Suffix mit v anlautete, dies aber im Verein mit dem folgenden Nasal eine völlige Ver - dumpfung des a zu u herbeiführte, während der Nasal allein nur die Mittelstufe zwischen a und u, nämlich o bewirkte. Da von den Formen auf - ans einige sicher richtig sind, ausserdem a mit u (o) in den preussischen Katechismen auch sonst wechselt, haben wir die drei möglichen Lautstufen hier in der That sämmt - lich vertreten: - ans, - ons, - (v) uns; ein einziges mal kommt vor polîkins (ver - liehen habend), wohl nur ein Versehen.

Gegenüber dem Litauischen und Lettischen ist die preussische Form in gewissem Sinne auffallend; lit. - ęs, wie lett. - is (miręs, miris, gestorben) gehen zunächst auf - ens zurück, und die Wandlung des - ans in dies - ens muss sehr alten Datums sein, eingetreten, ehe die Neigung, a vor n oder n + cons. in u zu wandeln, aufkam, weil sonst in beiden Sprachen sicher - ųs, - us entstanden wäre. Ich führe das hier nur an, weil die Vorstellung, die man aus gewissen lautlichen Erscheinungen, z. B. der gleichen Vertretung des lit. sz, ż, lettisch wie preus - sisch durch s, z gewonnen hat, es stehe das Preussische dem Lettischen näher als dem Litauischen, leicht dazu führt, die speciellen Uebereinstimmungen des Lettischen und Litauischen zu übersehen. Bei genauerer Untersuchung, die nicht hierher gehört, wird es mehr als fraglich, ob jene Meinung richtig ist. Als letzte gemeinsam litauische Form ist jedenfalls - ans anzusetzen und es verdient hervorgehoben zu werden, dass im Litauischen das Verhältniss des nom. sg. msc. zu allen übrigen Casus, was die Gestalt des Participialsuffixes betrifft, als genau dasselbe erkennbar ist, wie in den arischen Sprachen. Im Slavischen ist dies Verhältniss wenigstens nicht mehr unmittelbar deutlich, denn das - ŭ des nom. sg. könnte, rein lautlich aufgefasst, auf eine Suffixform - us - bezogen werden, wie sie in den obliquen Casus vorliegt. Der Consensus der übrigen Sprachen deutet aber natürlich auch für das Slavische auf eine Verschiedenheit in der Suffixform23i. Die Casus des Singulars.zwischen nom. sg. und cass. obl., wir werden also für beide Sprachen als stamm - bildendes Suffix im nom. - ans - ansetzen. Bei dieser Lage der Sache giebt nun die Vergleichung der Nominativform, lit. - ęs, slav. - ŭ, mit dem nom. der sub - stantivischen n-stämme Veranlassung zu weiteren Fragen. Wie kommt es, dass 1. der nom. sg. msc. dieses Particips nicht dieselben Wandlungen durchgemacht hat wie der nom. sg. der n-stämme, dessen Grundform ja eben - an-s war; 2. wie ist es zu erklären, dass der nom. sg. msc. part. praes. im Slavischen auf - y, der des part. perf. act. auf - ŭ auslautet, während doch beiden zunächst die Lautgruppe - ans zu Grunde zu liegen scheint und sonst jedes - ans im Auslaut zu y wird. Ich kann mir die Sache nur auf eine Weise erklären, durch die Existenz einer Nominativform auf - ans-s, die zwar hypothetisch auch sonst angenommen (Schleicher, Comp.), aber nicht lautgesetzlich nachzuweisen war. Die Verwand - lung des a in u erfolgte im Slavischen sowohl bei - an-s wie bei - ans-s, aber nur vor n + einfachem s trat Ersatzdehnung ein, daher * kamans, * kamuns, * kamūns, woraus kamy, dagegen vor n + s + s nicht, daher * nakans-s, * ne - sunss, * nesuns, * nesun, nesŭ. Dieselbe Annahme macht es denn auch begreif - lich, warum im Litauischen die substantivischen n-stämme und dieses Participium auseinandergehen; bei jenen trat ebenfalls vor n + s Ersatzdehnung ein, * ak - mans, * akmāns, * akmūns, akmů, vor n + s + s nicht, daher * marans-s, * mi - ranss, * mirans, preuss. * mirons, lit. -lett. * mirens, daraus lit. mìręs, lett. miris. Wie sich zu diesen Aufstellungen die acc. plur. verhalten, darüber am betreffen - den Orte.

Ueber den nom. sg. msc. des slavischen Comparativs, z. B. dobrě-jĭ braucht nichts weiter gesagt zu werden, als dass sich die Kürze des Auslauts genau so erklären lässt, wie beim part. perf. act. ; das ĭ ist gleich ŭ nach j.

c) nom. sg. der r-stämme (msc. und fem.).

Die germanischen Formen stehen einem ursprünglichen Stande hier näher als die slavisch-litauischen, insofern sie den letzten Consonanten des Stamm - bildungssuffixes bewahren, got. daúhtar gegenüber lit. duktė́, slaw. dŭšti = * duktī. Es fragt sich, von welcher Nominativform haben wir als der dem Ger - manischen zunächst zu Grunde liegenden auszugehen? Die südeuropäischen Glieder unseres Sprachstammes haben übereinstimmend in den Verwandtschafts - namen das r: πατήρ, pater, air. (p) athir; und selbst wenn ein lateinisches patēr in der uns bekannten Periode der Sprache zweifelhaft ist, wird man wohl aus dem - tōr der nom. ag. die einstige Länge des e der Verwandtschaftsnamen supponiren dürfen, also als Grundform des nom. sg. für die ganze Gruppe - ēr ansetzen. Dass diese Form vor der Geschichte der einzelnen Sprachen liegt, wird durch den Hinweis auf vereinzelte griechische Dialektformen wie χέρς, μάκαρς, die noch dazu anderen Kategorien von Worten angehören, nicht hinfällig. Wird man demnach geneigt, die germanische Grundform als - ār zu bestimmen, so lässt sich auch nachweisen, dass nach speciell germanischen und zwar altnordischen Lautgesetzen nur so angesetzt werden kann. Hätte es für die specielle Entwick -24a. Declination der Nomina.lung der germanischen Sprachen noch eine Form * patar-s gegeben, so hätte diese im Altnordischen nur * faðarr oder * faðirr ergeben können, genau wie hammarr, annarr u. dgl. aus - ara-s, denn da auslautende Consonantengruppen, bestehend aus Consonant + s, vom consonantischen Auslautsgesetz nicht angegriffen wurden, würde ein * faðars, * faðirs hinüber gedauert haben in die Wirkungszeit des vocalischen Auslautsgesetzes, nach welchem aus * anþaras * anþars, altnord. annarr wurde, und ebenso behandelt sein. Mithin war das s verschwunden vor dem Eintritt des consonantischen Auslautsgesetzes. Aus dem Gotischen lässt sich derselbe Nachweis aus einem besonderen Grunde nicht führen; in dieser Sprache wird aus - rs nach Vocalen r, daher die Nominative vair (= * viras), stiur, anþar u. a. zunächst aus * vairs u. s. w., während nach Consonanten rs bleibt akrs u. a., also würde auch ein durch das consonantische Auslautsgesetz nicht afficirbares * fadars doch haben zu fadar werden müssen. Nebenbei bemerkt, muss das Gesetz, nach welchem - rs bei vorhergehendem Vocal das s verliert, zu den spä - testen Auslautsmodificationen des Gotischen gehören: das consonantische Aus - lautsgesetz ist älter als das vocalische; da nun die Grundformen * vairas, * an - þaras von jenem nicht betroffen werden konnten, weil eben auslautendes ursprüngliches s erhalten bleibt, musste zunächst durch die nun eintretende Periode des vocalischen Auslautsgesetzes * vaírs, * anþars entstehen und erst nach dieser Wirkung konnte das s abfallen. Eben der Umstand, dass dies letztere fürs Nordische gar nicht gilt, beweist, dass auch im Gotischen fadar und anþar aus einander zu haltende Fälle sind. Wir kommen also mit Hülfe der germanischen Sprachen nicht über die Nominativform auf - ār hinaus.

Die slavischen und litauischen Formen sind folgende:

  • preuss. Katech. mûti, duckti, brâti,
  • Vocab. mothe, brote,
  • lit. motė́, duktė́,
  • lett. māte,
  • slav. mati, dŭšti.

Die preussischen Formen der Katechismen sind nur durch die auch sonst vorkommende Schwächung des ē zu ī (vgl. supuni mit lit. żiupónė) von den anderen unterschieden, so dass - ē als Endung für die ganze litauische Familie zu Grunde zu legen ist. Auch die slavischen Formen matī, dŭštī (das i ist wie jedes volle i des Slavischen ein langer Vocal) sind, da das Suffix ja jedenfalls ein a enthalten hat, nicht anders als aus * mātē, * duktē zu erklären. Nun zeigen auf den ersten Blick diese Formen im Fehlen des r die grösste Verwandtschaft zu denen der arischen Sprachen, skrt. bhrātā, z. brāta, apers. brātā, und sind auch bereits von Bopp zu den speciellen Uebereinstimmungen zwischen arisch und slavo-lettisch gerechnet worden. Dennoch halte ich es für unmöglich, darin mehr als einen Zufall zu erkennen. Grassmann, Wörterb. zum Rigveda VII macht darauf aufmerksam, dass die Nominativformen mātār, hotār bisweilen im Vedatext herzustellen sind, aber auch von Seiten des Slavisch-litauischen lassen sich lautliche Gründe gegen die gemeinsame Ausbildung des nom. auf - ā an - führen. Hätte bei einer etwa vorausgesetzten näheren Verbindung des Slavisch -25i. Die Casus des Singulars.litauischen mit dem Arischen eine beiden, jetzt getrennten Gruppen gemeinsame Form bereits existirt, z. B. mātā, so wäre sie im Slavischen zu māta, im Li - tauischen zu mōta geworden; es giebt keinen Fall, wo aus vorslavisch-litauischem langem ā im Auslaut ein anderer Vocal als a geworden wäre. Also jedenfalls hat das ā nicht im Auslaut gestanden, ob aber für die gemeinsame Periode des Sla - vischen und Litauischen noch - * ars, daraus - * ers, oder - * ār, daraus - * ēr anzu - setzen, ist aus diesen Sprachfamilien heraus unmöglich zu entscheiden, da sowohl die Lautgruppe wie einfaches r im Slavischen nothwendig abfällt, im Litauischen rs schwerlich geduldet werden konnte, r nothwendig schwindet.

Die Nominativform der r-stämme giebt also für die Bestimmung des Ver - hältnisses des Slavisch-litauischen zum Germanischen keinen Anhaltspunkt, widerspricht aber auch nicht einer etwa sonst sich ergebenden Annäherung, und, was hier wichtig ist, hat jedenfalls in ihrer slavisch-litauischen Form keine Be - deutung für die Versuche, das Slavisch-litauische dem Arischen näher zu stellen.

Masculine oder femininale s-stämme kommen in unseren Sprachen nicht vor, nur Neutra sind vertreten, die beim acc. sg. abzuhandeln sind; die schein - baren litauischen Masculinformen werden ebenfalls dort erwähnt werden.

2. Genitiv singularis.

A. Consonantische Stämme.

Die durch Anfügung des alten Suffixes - as gebildeten Genitive sind in den drei Sprachfamilien nicht mehr überall, wo sie zu erwarten waren, vertreten, indem Uebergänge in die vocalische Declination stattgefunden haben. Am reich - sten ist in dieser Beziehung das Slavische, es hat die alte Form bei

  • den n-stämmen, msc. kamen-e, ntr. imen-e,
  • den r-stämmen mater-e,
  • den s-stämmen sloves-e ntr.,
  • den anderswo fehlenden - nt-stämmen der Art, wie z. B. žrě - bęt-e,
  • den durch Spaltung des langen ū zu ŭv consonantischen Stämmen auf - ū -, nom. sg. ljuby, gen. ljubŭv-e;

dagegen haben die Participien und der Comparativ, da sie in allen Casus ausser dem nom. sg. msc. ntr. ein vermehrendes Suffix - ja - annehmen, auch den Ge - nitiv der a-stämme (nesąšta, nesŭša, mĭnjĭša). Es bedarf keiner weiteren Er - läuterung, dass das e jener Genitive unmittelbar dem alten - as entspricht, Mittel - stufe ist - * es.

Das Litauische hat einige Verluste mehr erlitten; erhalten ist die alte Form nur bei den n - und r-stämmen: akmèn-s, motèr-s, verloren bei den - s - und Parti - cipialstämmen, jene bekommen das erweiternde Suffix - i - oder - ja - für die Flexion, diese - ja -, nom. sg. më́nů (Mond), St. mėnes -, gen. më́nesio von St. mėnes-ja -, part. gen. sukanczo, d. i. sukantio, sukusio von den Stämmen sukant-ja -, sukus-ja -. Höchst wahrscheinlich hat uns hier das Preussische die älteste Form26a. Declination der Nomina.intact erhalten in dem öfter im III. Katechismus vorkommenden und von allen anderen preussischen Genitivformen abweichenden kermenes (nom. kermens, s. o.); denn wäre auch dieser Casus ein Uebergang in die vocalische Declination, wie solcher im acc. sg. kermenan (neben kermenen) vorliegt, so würde die Form nur * kermenas lauten können (vgl. den gen. sg. der a-stämme). Wenn es noch eines weiteren Zeugnisses für den einst vorhandenen Vocal vor s im Litauischen bedarf, so giebt dieses die Nichtexistenz des Nasalvocals in akmèns: die ursprüngliche Stellung a (e) + nas. + s giebt stets Nasalvocal; daher kann auch z. B. der gen. pron. pers. tavę́s u. s. w. nicht, wie Schleicher wollte, aus - enas oder-inas erklärt werden. Für das Slavische und Litauische muss nach dem gesagten die Schwächung des a der Endung zu e als gemeinsam angenommen werden, demnach ist die Grundform beider * akmen-es.

Im Germanischen zeigen den consonantischen Genitiv die

  • n-stämme, got. hanin-s,
  • r-stämme, broþr-s,
  • part. praes. giband-s,
  • vereinzelte, wie man-s u. a.,

die anderen ursprünglich hierher gehörenden sind, wie bekannt, vocalisch ge - worden. Hier lässt sich nun die Schwächung des Vocals vor s zu i (= e) nicht belegen, allerdings vermuthen, wenn man annimmt, dass im gotischen hanin-s, ahd. hanin, das i des stammbildenden Suffixes aus assimilirendem Einflusse eines folgenden i hervorgegangen sei, und dafür spricht freilich der Umstand, dass nur noch die Form, deren Auslaut sicher i war, dat. -loc. sg., ebenfalls i zeigt, got. ahd. hanin = * hanini, die übrigen aber a. Allein über eine Vermuthung kommt man hier nicht hinaus, die übrigen germanischen Sprachen haben alle a oder dessen Vertreter vor dem n, as. hanan, - on, - un, - en, ags. hanan, anord. hana. Nun ist es allerdings ganz wohl möglich, dass das a der letztgenannten Sprachen, deren Declination sehr stark von secundären Analogiebildungen durchsetzt ist, erst aus den anderen Casus eingedrungen ist, und die Uebereinstimmung des Gotischen und Althochdeutschen hat immer ein gewisses Gewicht für die An - nahme eines einst allgemein germanischen i an der betreffenden Stelle. Aber man darf auf der anderen Seite nicht vergessen, dass das a des stammbildenden Suffixes auch ohne Einwirkung eines folgenden i geschwächt werden konnte, vgl. altlat. nomin-us, zumal hier möglicher Weise auch noch Accentverhältnisse in Betracht kommen. Es lässt sich weiter nichts sagen, als dass uns nichts hindert, die germanische Endung als - is anzusetzen, aber die Sicherheit, dass wir für unsere drei Familien - es als Grundform anzusetzen hätten, während im Griechi - schen und Lateinischen - os anzunehmen ist, fehlt doch.

B. i - und u-stämme.

Bekanntlich giebt es für die Anfügung der vocalisch anlautenden Casus - endungen bei diesen Stämmen eine doppelte Möglichkeit und daneben eine zwie - fache Form der Genitivendung:

27i. Die Casus des Singulars.

1. Der Stammauslaut erscheint in seiner Steigerungsform, dabei kann die Form des Genitivsuffixes sein

  • a) - s: skrt. sūnō-s, z. paçèus, skrt. avēs, z. patōis;
  • b) - as: z. paçavō, patajō = - vas, - jas; griech. ἡδέϝ-ος, πόλεως, πόληος = * πολεϳος;

2. der Stammauslaut bleibt ungesteigert, Genitivendung ist - as, dabei bleibt

  • a) u oder i als Vocal erhalten, νέκυος, πόλιος, wahrscheinlich auch im Grie - chischen aus - uv-as, - ij-as, jedenfalls kann die Spaltung des Vocals im betreffenden Fall immer angenommen werden;
  • b) u, i werden zu den entsprechenden Spiranten v, j, skrt. sūnv-as, bei den i-stämmen im Sanskrit nur mit der dort den fem. eigenthümlichen Endung - ās, avj-ās, aber vedisch auch von ari -, arj-as (s. Schleicher, Comp. 3 538).

Es ist noch hinzuzufügen, dass die Theorie geneigt ist, die angeführten Fälle auf zwei zu reduciren, indem angenommen wird, dass sūnōs (= sūnaus) und sūnvas beide aus der Grundform * sunavas entstanden seien, neben der dann als zweite * sūnu-as, * sūnuv-as bestanden habe.

Auf die gegebenen Möglichkeiten hin sind die bestehenden Formen zu unter - suchen. Bei der slavischen, synu, lässt sich sicher bestimmen, dass für den An - fangspunkt der slavischen Entwicklung nur * sūnaus und keine andere Form gelten kann; ein * sūnvas, * sūnuas, * sūnuvas kann selbstverständlich nicht zu Grunde gelegt werden, da das u des Slavischen bestimmt auf einen, wie immer entstandenen Diphthongen au hinweist. Aber auch eine Entstehung aus * sūnavs = sūnavas ist nicht möglich, weil es im Slavischen keinen Fall giebt, wo vor auslautender Consonanz Vocal ausfiele, das Slavische ist darin dem Litauischen geradezu entgegengesetzt (vgl. gen. kamene mit akmèns); aus * sūnavas hätte nur * synove werden können. Für die i-stämme lässt sich mit derselben Gewissheit - ais als Anfangspunkt der slavischen Entwicklung erkennen: eine Form wie pątī, moštī = * moktī kann aus * pantajas nicht hervorgehen aus dem eben bei den u-stämmen angeführten Grunde; aus * pantijas, * pantjas nicht, weil das Slavische eine Contraction von i (j) + a zu ī nicht kennt. Man darf hier nicht etwa die nom. sg. fem. auf ī der oben (s. nom. sg. ) besprochenen -stämme heranziehen, da hier ja eben das j bleibt, nesąšti = * nesąt-jī. Die regelmässige Entwicklung eines * pantijas wäre * pątĭje, die eines * pantjas * pąšte gewesen: pątī, moštī können also nur auf * pantais, * maktais beruhen; ī ist der regelrechte Vertreter von auslautendem ai, d. h. kurzem a + i.

Wenn auch nicht mit völliger Sicherheit, so doch mit der grössten Wahr - scheinlichkeit lässt sich ferner behaupten, dass die litauischen Formen sūnaús, akë́s = * akais mit Mittelstufe * akeis die ältesten erreichbaren sind. Leider hat das Preussische nur sehr undeutliche Spuren der Genitive von i - und u-stämmen erhalten. In Katech. III lautet der gen. von soûns; das schon im nom. in die Analogie der a-stämme übergetreten erscheint, soûnas; das ist ebenfalls die Form der a-stämme, wenigstens lässt sich nicht nachweisen, dass das als Länge anzu - sehende a (s. beim gen. sg. der a-stämme) aus au hervorgegangen sein könne. 28i. Declination der Nomina.In Kat. I. (Taufformel) lautet die Form sunos, an derselben Stelle in II. sunons, das letztere sicher nur ein Druckfehler für sunous, und das würde die der litauischen genau entsprechende Form sein Genitive von i-stämmen können wohl in Formen wie etnîstis (Gnade) mit Grund vermuthet werden, allein die Form lässt sich von der der ja-stämme nicht trennen und kann ebensowohl bei dem im Preussischen vorkommenden Uebergang der i - in ja-stämme (s. acc. nacktien) den letzteren angehören. Wenn wir nun für das Litauische Grundformen wie * sūnavas, * aka - ias supponirten, so wäre zwar der Verlust des a vor dem schliessenden s nach litauischen Auslautsgesetzen an sich zu erklären, nur enthielte die Erklärung einen starken chronologischen Fehler: Elisionen des Vocals wie im nom. sg. msc. der a-stämme vìlks = vìlkas, wie sie heutzutage Regel sind, gehören zu den allerspätesten phonetischen Erscheinungen des Litauischen und sind nicht ein - mal gegenwärtig völlig durchgedrungen oder dialektisch allgemein, in der Mund - art von Anykszczei z. B. existirt das a noch als geschwächter Vocal durchweg: vìlkŭs = vìlkas, während wir doch nirgends Nebenformen von sunaús, akë́s kennen. Ferner ist es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass eine aus zunächst vor - ausgesetztem * akajas hervorgehende Form * akais ihr ai in ë verwandelt hätte, wenigstens kenne ich keinen Fall, wo ein irgendwie durch Zusammenrückung entstandenes ai dieser Verwandlung, die bei ursprünglichem ai so häufig ist, an - heim gefallen wäre, vgl. z. B. 2. sg. praet. sukaí = * sukaji, aber te-sukë 3. sg. opt. = * sukai (t). Was aber von den i-stämmen gilt, darf man bei der durch - gängigen Conformität dieser Stämme auch auf die u-stämme übertragen. Es könnte auffallen, dass dem akë́s nicht ein * sunůs gegenübersteht, allein man darf im Litauischen durchaus nicht, wie man sich das z. B. nach Schleichers Dar - stellung im Compendium und der litauischen Grammatik leicht vorstellen könnte, für das ursprüngliche au als Regel ů erwarten, es bleibt vielmehr au in den aller - meisten Fällen unverändert: nach einer auf Nesselmanns Wörterbuch beruhenden Zählung giebt es 200 Fälle mit au, 65 mit ů, also für den letzteren Vocal entfällt nur etwa ¼ aller Fälle. Nach dem gesagten werden wir für das Litauische nicht über die Formen sunaús, * akais, d. h. akë́s hinausgehen können, die also mit den slavischen sich decken. Einer kurzen Erwähnung bedürfen noch die lettischen Formen sird-s, alus (lit. szirdë́s, alaús), weil sie leicht zu falschen Con - structionen Veranlassung geben können; sie beruhen einfach auf der im Letti - schen allgemeinen Verkürzung aller Endsilben (vgl. růkăs = lit. rankós), die aus au und ë stets u und i werden lässt, vgl. 1. sg. praet. lit. - au, likaú, lett. - u, liku. Nach Bielensteins Worten (Lett. Spr. II, 20) muss es scheinen, als sei hier ein Genitivsuffix - s unmittelbar dem Stamm angefügt. In dem, was die Reich - haltigkeit und Zuverlässigkeit des Materials betrifft, wahrhaft ausgezeichneten Werke Bielensteins ist die Auffassung der Formen leider oft beeinträchtigt durch die Neigung, die lettischen Gestalten derselben direct auf älteste vorhandene oder erschlossene Grundformen zu beziehen.

Die germanischen Formen, die bei den u-stämmen durchaus einerlei Gestalt sind und alle zunächst aus sunaus = der gotischen Form hervorgehen, zeigen bei den i-stämmen eine Differenz: got. anstais, as. ahd. ensti = ensti aus * anstîs29i. Die Casus des Singulars.verhalten sich nicht so, dass letzteres aus ersterem als Grundform lautlich erklärt werden könnte. Betrachten wir zunächst nur die gotischen Formen. Scherer (ZG 113) setzt als Grundformen * sunavas und * anstajas (vgl. auch S. 419), und es ist unzweifelhaft, dass daraus nach dem Auslautsgesetz sunaus, anstais werden mussten. Aber bei der Annahme von sunaus als germanischer Grund - form widerspricht bekanntlich das Auslautsgesetz auch nicht, und einem ebenso angesetzten anstais nur dann, wenn man Scherers Fassung desselben annimmt (S. 121: « das Germanische befehdet i und a als letzte Vocale des Wortes, daher verlieren sich die einfachen Kürzen i, a gänzlich aus der Endsilbe und âi, ai, ii (i) werden zu â, a, i. Später verkürzen sich auch âa und â zu â und a »). Allein das Gesetz ist in seiner Ausdehnung auf die Diphthonge nur dann erweis - lich, wenn man Scherers sehr weit gehende und durch keine anderen Gründe als eben dies hypothetische Auslautsgesetz gestützte Ansetzungen von Grund - formen mitmacht (s. a. a. O. S. 120). Formen, wie die 2. sg. opt. praes. nimais oder 2. sg. opt. perf. nemeis machen eine schon vorgermanische Form anstais völlig möglich. Weiter als bis zur Möglichkeit lässt sich hier allerdings nicht schliessen und wir stehen damit, wie oft, vor einem Falle, der eine gewisse Wich - tigkeit hat und den wir doch nicht sicher entscheiden können. Stünde es fest, dass für das Litauische, Slavische und Germanische nur - ais, aus gelten könne, so wäre damit eine Abweichung vom Griechischen gegeben, das hier die süd - europäischen Sprachen vertreten muss, da Italisch und Keltisch kaum einen sicheren Schluss erlauben; das Griechische kennt entsprechende Formen nicht. Auf der anderen Seite bestünde ebenfalls eine Abweichung vom Arischen, das zwar - ais und - aus hat, daneben aber auch im Zend - avas, - ajas. Ich hebe diesen Umstand nur hervor, um gelegentlich daran zu erinnern, dass an der - gleichen Subtilitäten die Frage nach dem Verhältniss der Sprachen öfter hängt, und dass es daher nothwendig ist, darauf näher einzugehen.

Eine weitere Schwierigkeit macht die ahd. alts. Form ensti = ensti = * enstîs: ist sie aus einer einst mit dem Gotischen gemeinsamen Grundform nur lautlich differenzirt oder nach einem anderen Princip gebildet? Scherer (S. 419) nimmt das erstere an, indem er aus dem von ihm angenommenen * anstajas « mit Fär - bung des a », d. h. durch Schwächung des a zu e, i * anstijas entstehen lässt, das dann durch den Eintritt des vocalischen Auslautsgesetzes zu * anstīs geworden; das gotische behielt das a, sonst würde * ansteis entstanden sein. Wäre diese Entwickelung sicher, so hätten wir in der That zugleich den directen Nachweis einer Grundform * anstajas für das Germanische. Als analoge Abweichung des Alt - hochdeutschen vom Gotischen in der Schwächung des Vocals kann man ahd. suniu dat. sg. für * sunivi neben got. sunau = * sunavi anführen, das Altsächsische hat aber hier wieder die dem Gotischen entsprechende Form suno, sunu. Wie schwer oder gar nicht hier zu einer Sicherheit über den Ursprung der Formen zu ge - langen ist, zeigt die Darstellung der germanischen u-Declination bei Scherer selbst S. 434, wo so viele Uebertragungen und Analogiebildungen als mitwirkend zu der uns überlieferten Gestalt der Declination herbeigezogen werden, dass man kaum noch Schlüsse auf die ursprüngliche Gestalt derselben wagen darf. Es ist30a. Declination drr Nomina.daher auch fraglich, ob die Heranziehung von suniu neben sunau irgend etwas beweist; der Genitivform liegt sicher in keiner germanischen Sprache ein aus * sunavas durch Vocalschwächung entstandenes * sunivas zu Grunde, so dass in diesem Casus die Parallelität der beiden Stammclassen jedenfalls fehlt. Somit bleibt, worauf es hier ankommt, die zweite Möglichkeit offen, dass in enstî die dem griech. πόλιος analoge Bildung vorliege, und wir im Germanischen beide Weisen, gesteigerten Auslaut in got. anstais, ungesteigerten in ahd. enstî anzu - nehmen haben. Wir werden die Spuren solcher Doppelbildungen auch bei den übrigen Casus zu suchen haben, um zu einem relativ sicheren Resultat zu ge - langen.

C. a-stämme.
a) masc. -neutra.

Am leichtesten ist hier die Entscheidung über das Germanische: got. vulfis, so wie die Formen der übrigen germanischen Sprachen, die dieser völlig ent - sprechen*)Scheinbare Differenz im Vocalismus, die aber die Grundform nicht berührt, findet statt im altsächs. - as, aber dieses a, sowie das gelegentlich auch in anderen Dialekten er - scheinende (s. Scherer a. a. O. S. 437) ist sicher erst secundär aus e entstanden., kann eine Endung - is nur aus ursprünglichem - asja haben, das durch Assimilation zu * assa, * - issa, durch das vocalische Auslautsgesetz endlich zu - is, d. h. * iss wurde. Dass so der Vorgang war, dass Assimilation des sj zu ss stattfand, beweist die altnord. Form úlfs durch die Nichtverwandlung des auslautenden s in r, die bei ursprünglich einfachem s nothwendig ist (s. Ebel, KZ. IV, 149). Zugleich besteht im Germanischen kein Unterschied zwischen dem gen. sg. msc. -ntr. der substantivischen und dem der Pronominalstämme (abge - sehen vom Personalpronomen), got. þis = tasja.

Ehe wir zu den sehr abweichenden Formen der beiden anderen Sprachen übergehen, wird es zweckmässig sein, an die Gestalten dieses Casus in der Ge - sammtheit der indogermanischen Sprachen zu erinnern. Im Arischen waltet genau dasselbe Verhältniss wie im Germanischen, - sja gilt als Suffix bei Nomen und Pronomen; ebenso verhält es sich im Griechischen. Die italischen Sprachen müssen bei der noch immer bestehenden Unsicherheit der Erklärung und nament - lich der Schwierigkeit einer solchen bei den pronominalen Formen wie lat. illius u. s. w. vorläufig unberücksichtigt bleiben; es wird sich Gelegenheit zu ihrer Benutzung gleich im folgenden finden. Das Keltische giebt keine Möglichkeit einer sicheren Zurückführung der Formen. Man kann also, ohne auf die Frage nach der ursprünglichen Zugehörigkeit des - sja einzugehen, das Factum so aus - sprechen: im Germanischen, Arischen, Griechischen hat der gen. sg. msc. -ntr. der a-stämme, einerlei ob diese nominal oder pronominal sind, als Suffix nur - sja.

Im Slavischen und Litauischen ist nun das Verhältniss zwischen Pronomen und Nomen ein anderes. Die Formen des Nomens, lit. vìlkō, slav. vlŭka = vlŭkā31i. Die Casus des Singulars.(da nur ursprüngliches ā im Auslaut als a erhalten bleibt) lassen sich trotz Schleichers Behauptung (Comp. 3 543) in keiner Weise aus * varkasja erklären, da in keiner der beiden Sprachen Verluste von s oder sj zwischen Vocalen vor - kommen. Die pronominale Form ist im Litauischen der nominalen gleich, , dass dieser Zustand aber erst durch eine Uebertragung dieser auf jene entstanden ist, wird durch das gleich zu behandelnde Preussische so gut wie sicher. Das Sla - vische hat als pronominale Genitivendung - go (togo) und - so (čĭ-so), deren Er - klärung noch dahin steht (s. unten pron. Declin.). Jedenfalls haben wir zunächst das Factum, dass innerhalb des Slavisch-litauischen Differenzen zwischen no - minaler und pronominaler Declination in diesem Casus bestehen, die das Ger - manische nicht kennt. Es ergeben sich daraus zwei Fragen: ist diese Differenz ursprünglich, und wie ist die slavisch-litauische Genitivform der Nomina zu erklären?

Von ganz besonderer Bedeutung ist hier das Preussische, es kennt für msc. und fem. nur eine Form: msc. deiwas, fem. galwas, so in den Katechismen, und nach Pauli’s Deutung (Beitr. VII, 19) auch im Vocabular einmal gen. sg. msc. in silkas-drunber (oder - drimbis) « Seidenschleier ». Dass das a der Endsilbe beim fem. als lang anzusetzen ist, versteht sich von selbst, vgl. lit. galvós, aber auch beim msc. muss es lang sein, weil ă vor s im Preussischen der Katechismen aus - fällt, daher der nom. sg. constant deiws, im Dialekt des Vocabulars zu i ge - schwächt ist, daher nom. deywis. Daneben stehen nun als pronominale Formen des msc.:

    • steisei
    • steise
    häufig in Kat. III.
  • steisi einmal in III.
  • stesse häufig in III.
  • stessei
  • steisai einmal in III.

zu nom. sg. msc. s-ta-s, zusammengesetzes Pronomen wie lit. szì-tas aus den Stämmen szi -, preuss. si -, und ta -. Derselbe Wechsel des Auslauts zwischen e, ei, ai findet sich auch bei anderen pronominal declinirten Worten, von ains (unus) sogar ainessa III, 24. Wie es sich nun auch mit dieser wechselnden Schreibung verhalten mag, man wird, namentlich im Hinblick auf die gesammte Pronominal - flexion des Preussischen (s. u.) keine andere Annahme haben können, als dass hier der alte Genitiv auf - sja vorliege, s-tesse = tasja. Wenn das aber richtig ist, so fällt damit die etwaige Möglichkeit einer Erklärung des nominalen Genitivs deiwas aus * daivasja von selbst weg. Hier im Preussischen haben wir also einen Unterschied pronominaler Declination von der nominalen und zwar einen solchen, dass wir beide Formen auf bekannte Suffixe verwandter Sprachen beziehen können. Anders im Slavischen, wo zunächst beide unterschiedenen Formen noch unklar sind. Was ist von diesem Unterschied zu halten, ist er ursprünglich, oder, was dasselbe sagt: ist die nominale Form des preussischen Genitivs eine aus alter Zeit ererbte oder aber eine speciell preussische, an dieser Stelle nicht ursprüngliche Formation? Die Möglichkeit einer ursprünglichen Form * daivās32a. Declination der Nomina.lässt sich nicht bestreiten. Die Länge des ā könnte nur in einer Contraction ihren Grund haben, also müsste man zurückgehen auf * daiva + as oder wahrschein - licher auf * daiva-j-as, und hätte damit eine Bildung, wie sie als Grundlage der italischen Formen osk. - eís, umbr. - ēs, lat. - ei, - ī angesetzt wird, von Schleicher (Comp. 3 543) auch für das Keltische; ausserdem könnte der gen. sg. fem. der ā-stämme herbeigezogen werden als Analogie, der ja im preussischen gal - wās = lit. galvós völlig gleiche Form hat. In dem letzteren ist aber gerade der Punkt, wo für das Preussische und dessen Verhältniss zum Litauischen und Sla - vischen der Zweifel anfängt. Wäre eine Form wie deivās vorpreussisch, also einst wenigstens dem gesammten Litauischen, wie man vermuthen müsste, auch dem Slavischen eigen gewesen, so erklärt sich zwar die slavische Form vlŭkā ganz vortrefflich aus * vlŭkās; warum aber hätte das Litauische von den gleichen Formen * deivās, * galvās die eine als galvós erhalten, die andere aufgeben und zu dë́vo umbilden sollen, zumal da kein Lautgesetz den Abfall von s verlangt. Ein solcher Abfall kommt zwar im Litauischen vereinzelt vor (s. oben beim nom. sg. ), aber hier verbietet die Lautgleichheit des msc. und fem. und die Gemein - samkeit des - s bei allen anderen Genitivformen (sunaús, akë́s, akmèns) daran zu denken. Von der slavischen Form lässt sich streng genommen nicht behaupten, dass sie der überlieferten preussischen nicht gleich sein könne, mag es auch immerhin bei weitem wahrscheinlicher sein, dass vìlko und vlŭka dieselbe Form sind. Wenn aber lit. dë́vo (lett. dëva) und preuss. deivās entschieden nicht das - selbe sind, so kann man sich diese Differenz auf doppelte Weise erklären: ent - weder es hat zwei Genitivformen oder vielleicht besser ausgedrückt, zwei zur Function des Genitivs verwendete Formen gegeben, von denen das Litauisch - lettische die eine, das Preussische die andere festgehalten hat; oder die preus - sische Form ist eine Analogiebildung, vom fem. aufs msc. übertragen. Was die erste Möglichkeit betrifft, so hat es immer sein missliches, bei zwei Sprachen, die so wenig, nur dialektisch unterschieden sind, wie Preussich und Litauisch, deren eine uns noch dazu erst in der Epoche des Aussterbens und sehr schlecht über - liefert ist, in einer Degeneration, die secundäre Vorgänge stark begünstigt, radi - cale Abweichungen, selbst nur stark differirende Verwendungen eines altüber - lieferten, einst gemeinsamen Sprachgutes anzunehmen. Für die zweite Möglichkeit der Erklärung lässt sich dagegen manches sagen. Vergleicht man die überlieferten Casusformen der msc. und fem. a-stämme, so stellt sich eine fast durchgängige Gleichheit heraus. Der Uebersicht wegen mögen diese Casus (nur die vier ge - wöhnlichen sind im Preussischen überliefert mit dem Vocativ) hier an demselben Worte durchgeführt werden, die unbelegten, d. h. nur bei anderen Worten be - legten, besternt

msc. sing.n.deivs*)fem.* gena, genā**)
g.deivāsgenās
d.* deivai, deivu* genai
*)v für w der Quellen.
*)
**)n für nn der Quellen.
**)33i. Die Casus des Singulars.

Also im plur. herrscht, abgesehen von dem im dat. plur., sonst aber nirgends bezeichneten Quantitätsunterschied im Stammauslaut, absolute Gleichheit der Formen. Nun ist es mir im höchsten Grade wahrscheinlich, dass der nom. plur. fem. aus einer Anlehnung an das msc. hervorgegangen sei. Wir haben zwar im Griechischen sicher eine Pluralform des femininalen a-stammes mit i-suffix, diese ist aber auch dort auffallend genug und erklärt sich vielleicht ebenfalls nur durch Analogiebildung, um so mehr als ein nom. plur. fem. auf altes - ās mit dem gen. zusammenfallen musste, ganz wie es, abgesehen von dem, aber bloss als Mög - lichkeit vorhandenen Accentwechsel, z. B. im Litauischen wirklich der Fall ist: rànkos repräsentirt beide Formen, mergós ist gen. sg., mérgos nom. plur. An - dererseits hat das Litauisch-lettische keine Spur eines nom. plur. fem. auf ai, und auch die eigenthümliche slavische Form auf - y, - ę (ein acc. ) führt indirect, wie unten auszuführen, auf - ās. Drittens scheint mir sogar wenigstens ein Bei - spiel der dem Litauischen gleichen femininalen Pluralform Katech. III, 27 erhalten zu sein in dem Satze: stawîdas madlas ast steismu tâwan en dangon enimmewingi, deutsch: « solche bitte sind u. s. w. », also im Deutschen Plural. Es ist doch un - glaublich, dass das häufig vorkommende und an dieser Stelle des Katechismus (im Vaterunser) siebenmal nach einander stehende fem. madla gerade hier als msc. behandelt und die Stelle noch dazu falsch übersetzt sein soll, wie Nessel - mann meint, der madlas für nom. sg. masc. hält; es ist eben der alte nom. plur. fem. Dazu kommt noch die Doppelform des dat. sg. msc., von der die auf - u die genaue Entsprechung in den beiden andern litauischen Sprachen und vielleicht im Slav. hat, die auf - ai wieder der Femininalform gleicht; da nun u aus ai nicht ent - standen sein kann, bleibt auch hier nur Annahme einer Entlehnung vom fem. übrig. Bei dieser Sachlage, die uns eine Ausgleichung zwischen den Formen des msc. und fem. als höchst wahrscheinlich annehmen lässt, kann man auf die Genitivform des msc. für die Vergleichung unmöglich etwas geben. Wie viel freilich von den auffallenden Erscheinungen in der Sprache der preussischen Katechismen auf die damalige Gestalt des Dialekts, wie viel auf Unwissenheit und Missverständnisse des Uebersetzers kommt, ist nicht auszumachen; wie dem aber auch sei, die Authenticität der Form im Sinne einer ursprünglichen gewinnt in keinem Falle.

Also ich fasse die preussische Form deivās als eine unursprüngliche, von der die eigentliche Form des msc. vollkommen verdrängt ist. Und doch vielleicht nicht vollkommen; eine freilich kühne Vermuthung in Bezug auf eine verzweifelte Stelle des Katech. III führt möglicher Weise auf eine letzte Spur des dem litaui - schen analogen Genitivs. III, 52 ist der Satz: « du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden », übersetzt durch: tu turei stesmu kurwan,Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 334a. Declination der Nomina.kas arrientlâku, ni stan austin perreist. Alle anderen Worte sind klar, nur ar - rientlâku spottet der Erklärung und Vergleichung. Wenn Nesselmann noch Thes. ling. pruss. p. 7 den von ihm als tlâku abgetrennten letzten Theil mit abulg. tlŭką, tlěšti, russ. tołkat́ u. s. w. (stossen) vergleicht, so beweist das eben nur seine Unkenntniss des Verhältnisses von Slavisch und Litauisch: das Wort kann weder urverwandt noch aus dem Slavischen entlehnt sein, denn in beiden Fällen würde die Wurzelsilbe talk lauten. Dagegen hat auch Nesselmann, was freilich auf der Hand lag, im ersten Theil lit. ár-ti (pflügen) richtig vermuthet und fährt fort: « ich denke mir nun die Entstehung dieses wundersamen Wortes so: der Uebersetzer hatte den bekannten Spruch vor sich: « du sollst dem Ochsen, der da drischet, das Maul nicht verbinden »; nun hatte derselbe, der hiesigen Landessitte gemäss, den Ochsen zwar häufig zum Pflügen, aber nie zum Dreschen benutzt gesehen, daher übersetzte er: « der da pflügt », aria oder ähnlich, ver - änderte dieses aber nach nochmaliger Einsicht in den deutschen Text in tlaku, vielleicht entlaku, so dass nun in seiner Handschrift und von da auch im Drucke beide Formen neben einander stehen blieben und zu einem räthselhaften Com - positum zusammenwuchsen ». Abgesehen von der durch nichts zu begründenden Meinung, dass entlâku wirklich « er drischt » heisse, könnte man sich den Hergang ja ungefähr so vorstellen, aber viel näher scheint mir folgendes zu liegen: der Uebersetzer, der, wie es feststeht, nicht selbst übersetzte, sondern seinen Tolken (Dolmetsch) dazu brauchte, fragte diesen, wie « der Ochse drischt » zu über - setzen, dieser, dem Dreschen und Ochs keine Beziehung zu einander hatten, über - setzte nach der ihm einzig bekannten Verwendung des Ochsen zur Feldarbeit frisch weg: ária ànt laúko (lit. ) « er pflügt auf dem Felde », wofür preussisch ein arie ent lauku sehr wohl möglich wäre (u = lit. ō = urspr. ā kommt auch sonst vor, vgl. mûti = lit. motė́ = * mātē). So wäre der gesuchte Genitiv wirklich vor - handen. Ich weiss wohl, dass dem leicht entgegenzusetzen ist, es finde sich in dem uns überlieferten Preussischen die Präposition ant nicht und lâku für lauku sei auch auffällig; aber ich will damit auch weiter nichts geben, als eine ge - wagte Vermuthung, die man bei diesen corrumpirten Quellen wohl haben darf. Die obigen Bemerkungen über den gen. msc. auf - as bleiben davon unberührt.

Es bleibt nun für die Erklärung des litauischen und höchst wahrscheinlich auch des slavischen Genitivs nichts anderes übrig als die Vermuthung Hattala’s, die Formen dë́vo, vlŭkā seien gar nicht Genitive, sondern Ablative auf urspr. - āt. In beiden Sprachen muss lautgesetzlich das t abfallen, und die Formen sind damit in der That lautlich erklärt. Auf eine etwaige syntaktische Begründung dieser Ansicht, wie sie versucht worden ist, muss man, glaube ich, verzichten; es lässt sich zwar leicht nachweisen, dass die Formen auf - o, - a ablativische Functionen haben, z. B. beim Comparativ, im Litauischen als Bezeichnung des Urhebers beim Passivum, allein bei der ganz engen Verwandtschaft des Ablativs und Genitivs, bei der Leichtigkeit, mit der diese Casus sich ablösen, halte ich es für zu unsicher, vom Gebrauche auf die ursprüngliche Form zu schliessen.

Die Verwendung der Ablativform statt des Genitivs bei diesen Stämmen ver - anlasst nothwendig, über die etwa derselben zu Grunde liegenden sprachgeschicht -35i. Die Casus des Singulars.lichen Thatsachen nachzudenken. Hätte es im Gebiete der litauischen und sla - vischen Sprachen je einen gen. sg. msc. auf - asja gegeben, so ist gar nicht ein - zusehen, wie derselbe hätte verloren gehen können. Der Verlust einer Casusform kann verschiedene Gründe haben: die Auslautsgesetze können alles charakteri - stische der Form abstreifen, so dass Zusammenfallen mit einer anderen Casusform eintritt, und eine und dieselbe Form zwei ursprünglich getrennte Functionen erfüllt oder erfüllen müsste. Ist nämlich in solchem Falle das Formgefühl einer Sprache noch lebendig, so wird aus einer anderen Stammclasse, in der die Formen nicht zusammenfielen, die verlorne entlehnt, es entsteht eine Analogiebildung, wie solche in der modernen Entwicklung, z. B. der slavischen Sprachen, fast übermässig vorhanden sind. Oder die Sprache besitzt zwei Casusformen ver - schiedenen Suffixes, aber so verwandter Bedeutung, dass namentlich bei der Abschleifung der Empfindung für die ursprüngliche Bedeutung die feine Nüance nicht mehr gefühlt und die eine der Formen vernachlässigt, aufgegeben wird. Der erstere Fall wird für den Genitiv auf - asja durch die litauischen und sla - vischen Auslautsgesetze ausgeschlossen, wir sehen ja im preuss. stesse u. s. w. die Form erhalten, und im Litauischen hätte * tasja, * varkasja auch nur * tasie, * vil - kasie oder * tasi, * vilkasi, wie im Slavischen * toše, * vlŭkoše oder - šĭ werden können, eine weitere Veränderung hätte nicht stattgefunden. Die Form ist über - dies von allen sonstigen Casusformen deutlich geschieden. Möglich wäre der andere Fall, allein es ist, wenn man sowohl das Slavisch-litauische selbst wie die übrigen Sprachen betrachtet, sehr unwahrscheinlich, dass der Genitiv für den Ablativ hingegeben sei: einmal ist der wirkliche Genitiv aller anderen Stämme im Slavisch-litauischen in lebendigem Gebrauche, zweitens, wo in an - deren Sprachen Verlust eintritt, sehen wir regelmässig den Ablativ weichen, wie im Griechischen und Deutschen. Es ist daher wohl erlaubt, die Vermuthung aus - zusprechen, dass das Slavisch-litauische einen nominalen gen. sg. auf - asja nie besessen habe, und die weitere Hypothese, dass das Suffix sja ursprünglich eins jener dem Pronomen eigenthümlichen Casussuffixe gewesen, und in den Sprachen, die es auch beim Nomen haben, erst auf dieses übertragen sei. Damit soll nicht gesagt sein, dass dies in jeder einzelnen Sprache für sich geschehen sei, möglicher Weise kann es auch in einer ganzen, erst später getrennten Gruppe vor sich gegangen sein.

Ueber die Behandlung der vorliegenden Ablativformen der indogermanischen Sprachen ins reine zu kommen, scheint mir überhaupt recht schwierig, und es dürfte wegen der allgemeinen Frage nach der ursprünglichen Casusreihe und der sich daran knüpfenden Frage nach dem Werthe, den die in einer Sprache vor - handene Reihe für die Rückschlüsse auf die Ursprache hat, der Mühe werth sein, hier wenigstens andeutungsweise darauf einzugehen. Die Theorie der ver - gleichenden Grammatik geht dahin, den Ablativ mit ursprünglichem - at oder daraus entstandenem - t der Ursprache für alle Stammclassen der Nomina zuzu - schreiben, also einen Zustand anzunehmen, wie er im Zend und den italischen Sprachen wirklich vorliegt (s. z. B. Schleicher’s Comp. 3 533). Man nimmt also auch an, dass die Sprachen, die bei gewissen Stämmen den Ablativ nicht kennen,3*36a. Declination der Nomina.ihn bei diesen im Verlauf ihrer Geschichte eingebüsst haben. Dabei kommen aber doch ganz eigenthümliche Verhältnisse heraus. Das Sanskrit hat den Ablativ nur bei den msc. und ntr. a-stämmen, auch beim Pronomen nur so. Der von Benſey, Kl. Skrtgr. § 451 und A. Weber, Beitr. III, 389 genannte vereinzelte Fall vom Ab - lativ eines u-stammes ist ganz unsicher: vgl. das P. W. s. v. vidjōt, wo sowohl dies wie didjōt als dem Gleichmass in der Formel mrtjōs pāhi vidjōt pāhi zu Liebe künstlich aus vidjut, didjut gebildete Formen erklärt werden. Die griechischen Adverbia auf - ῶς stammen alle, direct oder als Analogiebildungen, von den a-stämmen her, und zwar, wie die Vocalisation als ō zeigt, vom msc. -ntr. Das Slavisch-litauische hat den gen. - abl. auf - ā = - āt nur beim msc. und ntr. a-stamm. Wenn die gotischen Adverbia auf - ō wirklich Ablative wären, was kaum möglich ist, gehörten auch sie der Form nach nur den a-stämmen an. Wir haben also hier in drei oder vier Sprachen, die unter einander in keinem näheren historischen Verhältniss stehen, für die gleichen und, wie Italisch und Zend zeigen, so bequem zu bildenden Ablativformen der i - und u-stämme gleichmässigen Ver - lust, und, was noch sonderbarer ist, in allen dreien oder vieren gleichmässige Erhal - tung der syntaktisch doch ebenso überflüssigen Form bei den msc. -ntr. a-stämmen anzunehmen. Es scheint mir daher viel wahrscheinlicher, dass die Ablativform schon ursprünglich nur den msc. -ntr. a-stämmen zukam und im Zend wie in den italischen Sprachen auf die anderen Stammclassen übertragen ist. Ich möchte hier eine Bemerkung nicht unterdrücken, die, wenn sie auch aus der Kargheit des Materials heraus nichts entscheiden kann, doch vielleicht einen Beitrag zur weiteren Verfolgung der hier behandelten Frage liefert. Im Altpersischen sind nur Ablative von msc. -ntr. a-stämmen wirklich formell nachweisbar. Verbin - dungen wie hacâ draugâ (von Lüge), hacâ Kambujiyâ (von Kambyses), wie sie häufig vorkommen, können nur Ablative enthalten, wie sie auch von Spiegel, Altp. Keilinschr. S. 154, bestimmt sind. Die Formen fallen allerdings mit dem instr. zusammen, aber einmal ist ein solcher hier syntaktisch undenkbar und dann zeigt die Anwendung der nicht als Casus geltenden Formen auf - ta = skt. - tas (in dem öfter vorkommenden hacâ paruviyata, « von früher her »), so wie das häufige hacâ ma, « von mir », wo ma = skrt. mad deutlich genug, dass wir es bei hacâ mit Ablativformen zu thun haben, in denen, wie das im Altpersischen nach a-Vocalen nothwendig ist, das t abfiel. Von der Genitivform auf - hyâ ist der Ablativ deutlich geschieden. Nicht so bei den anderen Stammclassen: fem. ā - stamm z. B. hacâ taumâyâ (von dem Stamme) kann lautgesetzlich ebenso - wohl = * taumâyâs wie * taumâyât sein und entspräche in letzterem Falle dem zendischen Ablativ fem. gen. auf - ayâṭ. Nun lauten die Genitive der u - und i-stämme z. B. Kuraus (St. Kuru -, Cyrus), Fravartais (St. Fravarti -, Phraorthes), nach den Citaten in Spiegels Glossar s. v. hacâ kommt einmal eine solche Form ablativisch vor: hacâ Bâbiraus (St. Bâbiru -, von Babylon). Wendet man darauf die Regel an, wie sie Schleicher, Comp. 3 200 giebt: « im Altpersischen wird im Auslaut t, n, h (s) nicht geduldet, wenigstens nicht geschrieben ..... t wird nach au in s gewandelt, z. B. 3. sg. impf. a-kunaus, W. kar (machen), Gdf. a - karnaut », so könnte die Sache einfach so erscheinen: die Ablativform * Bâbiraut,37i. Die Casus des Singulars.die zendischen Formen wie paçaoṭ entspräche, sei durch die Wandlung von t in s mit der Genitivform nur äusserlich zusammengefallen, ebenso natürlich bei den i-st. Und doch wäre das falsch, denn nach der Fassung der Regel müssten ja die wirk - lichen Genitive * Bâbirau, * Kurau, * Fravartai lauten, der Unterschied der Casus wäre mithin geblieben. Wie soll man aber daran zweifeln, dass in Verbindungen wie Caispais pitâ (des Caispis Vater) oder Kuraus putra (des Cyrus Sohn) so gut wirkliche Genitive enthalten sind, wie etwa in Arsâmahyâ pitâ (des Arsama Vater); man kann doch nicht annehmen, dass hier auf einmal lauter Ablativ - formen aus * Caispait, * Kuraut u. s. w. stehen. Kurz, die ganze Regel ist un - richtig, der Abfall des s beschränkt sich auf die Stellung nach a-Vocal, wie es auch bei Spiegel a. a. O. S. 146 angegeben ist, und wie die nom. sg. auf - is, - us ohne weiteres zeigen. Auch so würde, die Allgemeinheit der Regel von der Wand - lung des t in s nach au zugegeben (sie kann thatsächlich nur aus der 3. sg. im - perf. der Präsensstämme auf - nu - abstrahirt werden), ein ursprünglicher Ablativ * Bâbiraut mit gen. Bâbiraus zusammenfallen müssen, aber die Möglichkeit, und das ist es, worauf ich hier hinweisen wollte, bleibt doch, dass das Verhältniss der Ablativ - und Genitivformen im Altpersischen so war, wie im Sanskrit. Unglücklicherweise lässt uns die Ueberlieferung in Betreff der analogen Fälle aus anderen Flexionsclassen im Stich: es kommt keine Form eines i-stammes auf - ais ablativisch vor, noch ist die 3. sg. opt. praes. auf - ait belegt, so dass das Schick - sal von auslautendem t nach ai nicht entdeckt werden kann; das würde den Stand der Dinge auf einmal klar machen.

Kehren wir zu unserer unterbrochenen Betrachtung zurück. Wenn man zu der gegebenen Auseinandersetzung hinzunimmt, dass für das Slavisch-litauische die einstige Existenz eines Genitivs auf - a-sja beim Nomen höchst unwahrschein - lich ist, so kommt man auf den Schluss, dass es eine Zeit gegeben habe, wo wenigstens in einem Theile des indogermanischen Sprachgebietes die msc. -ntr. a-stämme nur eine Form zur Bezeichnung des Genitiv - und Ablativverhältnisses hatten, die auf - āt = a-at, sowie die übrigen Stammclassen die eine Form auf - as, - s zum Ausdruck beider Verhältnisse gebrauchten, während beim Pronomen unterschiedene Formen für beide bestanden. Oder anders ausgedrückt: nur beim Pronomen waren überhaupt die Functionen geschieden. Diese Differenz zwischen Nomen und Pronomen mag auf den ersten Blick auffällig erscheinen, ist es aber in der That weniger, wenn man bedenkt, dass die Pronomina ja entschieden andere und mehr Casussuffixe zeigen als die Nomina. Stellen wir uns die Sache, um zu einer Ansicht zu gelangen, warum gerade nur bei den nominalen a-stäm - men eine Doppelform vorhanden ist, an Beispielen vor Augen: es existirte gen. - abl. * varkāt, gen. -abl. sūnaus, und so bei allen nominalen Nicht-a-stämmen, mit - s-suffix; beim Pronomen aber tasja und * tāt oder tasmāt neben einander mit geschiedenen Functionen; so wäre der Grund einer Annahme des - sja für die a-classe der Nomina darin zu suchen, dass nur sie mit dem Pronominibus in der Ablativ - (Genitiv) form eine Gleichheit des Auslauts zeigen; weder Sanskrit, noch Zend, noch Griechisch, noch Italisch haben in der Ablativform der Prono - mina andere als a-stämme, sei es, dass a den Auslaut der Wurzel bildet, sei es,38a. Declination der Nomina.dass dasselbe dem Zusatze - sma - angehört. Die so bei den nominalen a-stämmen eingetretene Scheidung der beiden Casus wäre dann erst im Zend und Italischen zur Perfection gekommen, indem die Ablativform auf die anderen Stammclassen ausgedehnt wurde. Dabei blieben immer noch Fragen unbeantwortet: wie kommt es, dass die msc. -ntr. a-stämme einen andern gen. -abl. hatten, als die übrigen, und dass nur beim Pronomen die Functionen von Ablativ und Genitiv ursprünglich geschieden waren? Die Frage lässt sich nicht beantworten, so wenig wie für den Umstand, dass wir für den instr. sg. zwei in ihrer Function nicht verschiedene oder besser gesagt nicht mehr unterscheidbare Casussuffixe - ā und - bhi finden, die wenigstens im Slavisch-litauischen beide vorkommen (ā auf die femininalen ā-stämme beschränkt) eine Erklärung gefunden ist, ausser der über - all passenden, dass eben für den ältesten Zustand der Sprache die Zahl der Casus - suffixe eine grössere war.

Ich betone, dass ich auf die vorgetragene Hypothese nicht viel gebe, aber es kommt mir gerade darauf an, die gegebenen Möglichkeiten zu erschöpfen, und eine Möglichkeit bleibt es, dass das Slavisch-litauische den gen. auf - sja beim Nomen nie besessen hat. Das war aber hier um so mehr hervorzuheben, weil davon das Verhältniss dieser Gruppe zu den anderen indogermanischen berührt wird: um nur eins hier auszusprechen, dass Slavisch-litauische hätte in diesem Falle einen primitiveren Zustand bewahrt, als alle anderen indogermanischen Sprachen, wenn man von den italischen und keltischen Sprachen absieht, das muss man aber wegen der Unklarheit der Genitivformen in diesen auf alle Fälle. Im Italischen ist ohne die grösste Willkür keine Spur des - sja nachweisbar, aber die hier in Betracht kommenden Genitivformen der msc. a-stämme wie die pro - nominalen Genitive scheinen mir ganz unursprüngliche, speciell italische Bil - dungen zu sein. Alles, was die vergleichenden Grammatiker darüber vorgebracht haben, kann nur als ein Versuch angesehen werden, Grundformen zu finden und mit Grundformen zu operiren, die keine Gewähr haben.

Es wäre hier vielleicht der Ort, über die etwaigen germanischen Ablative, die in den Adverbien auf - ō vermuthet sind, zu reden. Die Entscheidung über diese schwierigen Formen lässt sich aber nur durch eine Untersuchung der ger - manischen Adverbialbildung überhaupt erlangen, auf die ich hier verzichten muss, weil sie zu weit in die Stammbildung hineinführen würde. Ein Bedenken gegen die Auffassung jener Adverbia als Ablativa auf - āt bildet das Auslauts - gesetz, wenigstens in seiner bisher anerkannten Fassung. Wenn durch das con - sonantische Auslautsgesetz das t beseitigt war, kann für ā nach Wirkung des vocalischen Auslautsgesetzes nur ă erwartet werden.

b) fem. ā-stämme.

Alle europäisch-indogermanischen Sprachen, wenn man die unklare Form des Keltischen bei Seite lässt, geben uns Belege für den Auslaut dieser Form als - ās: griech. - āς, - ης, lat. osk. umbr. - ās, germ. - ās (daher got. - ōs und alle Formen der einzelnen germanischen Sprachen), lit. - ās (preuss. - as = ās, lett. - as = ās, lit. - ōs); das Slavische hat die Form verloren und anderweitig ersetzt,39i. Die Casus des Singulars.worüber unten. Nur die arischen Sprachen zeigen deutlich eine anders geartete Bildung: skrt. açvājās, zend. dātajāo, dātajāoç-ka, altpers. taumājā. Bekannt - lich wird das - ās im Arischen auch bei den fem. i - und u-stämmen neben - as und einfachem mit Steigerung des Stammes verbundenem - s angewendet, worin man kaum etwas anderes als Uebertragung von den ā-stämmen erblicken kann. Die Formen der geschlechtigen Pronomina zeigen keine Abweichung, was den Ausgang - ās betrifft, und hier haben wir auch im Arischen einfaches - ās ohne vorangehendes j, da im sanskr. tasjās sj oder besser sja als stammbildendes Element aufzufassen ist. Was nun bei dieser Pronominalform als eigentliches Casussuffix abzutrennen sei, ist nicht wohl auszumachen, da sowohl tasja + as wie + ās die vorhandene Form ergiebt; bei den Nomina liegt ja - ās deutlich vor.

Es scheint ziemlich allgemein die Ansicht zu herrschen, die europäischen Formen dieses nominalen Genitivs seien mit den arischen zu identificiren. Dem scheinen die altlateinischen Formen auf - ais, - aes eine unmittelbare Handhabe zu bieten; so wird nach Curtius (Erläut. S. 53) aus - ājās « durch Verdünnung der Silbe jās im Lateinischen - aïs (auch - aes), das dann einerseits zu (terrâi) und weiter zu ai, ae abgestumpft, andererseits wie in familiās zu ās contrahirt ward, während die Griechen das j ausfallen liessen und α-ας zu ᾱς zusammenzogen ». Wer, wie z. B. Schleicher, die Entstehung des gen. msc. der italischen a-stämme, osk. - eis, lat. - ei, - ī = * eis auf * - a-j-as zurückführt, erhält durch jene Erklärung des gen. fem. zugleich eine Parallelität der Genera, die scheinbar für ihn spricht. Trotzdem scheint mir die Sache äusserst zweifelhaft. Im Oskischen und Um - brischen finden wir den gen. sg. msc. -ntr. der a-stämme auf - eís, umbr. - ēs, - ēr, also wie im Lateinischen - ei = * eis; dagegen von einem entsprechenden - aís der fem. nichts. Wenn nun so nahe verwandte Sprachen wie Oskisch - Umbrisch auf der einen, Lateinisch auf der andern Seite so eigenthümliche Bil - dungen zeigen, wie die gen. auf - eis jedenfalls sind, muss man annehmen, dass dieselben auf einer noch gemeinsamen Entwicklung der Sprachen beruhen. Wenn aber daneben die ganz analoge Form auf - ais nur in der einen vorkommt, diese aber zugleich in den vereinzelten Formen auf - ās die zum Oskisch-Umbrischen völlig stimmende Gestalt aufweist, so ist nach allen sprachgeschichtlichen Er - fahrungen zu präsumiren, dass - ais erst auf dem Boden des Lateinischen selbst entstanden ist durch Nachbildung des - eis der msc. -ntr. Mir ist nicht unbekannt, dass solche Ansichten in der vergleichenden Grammatik immer noch starken Widerspruch erregen: man hat sich nach dem ganzen Entwicklungsgange dieser Disciplin daran gewöhnt, bei den einzelnen Formen der Einzelsprachen immer zunächst an die Ursprache zu denken und die Canäle zu suchen, die bis zu dieser hinführen, den Drang zur Formbildung, der sich in den einzelnen Sprachen durch Uebertragungen und Analogiebildungen verräth, vernachlässigend. Ich halte es, wenn man sich vor falschen Constructionen bewahren will, für ganz nothwendig, die letztere Seite immer zuerst hervorzuheben, dann erst nach den Grundformen zu suchen. Hätten wir, was wir leider nicht haben, eine den An - forderungen der heutigen Grammatik entsprechende Geschichte derjenigen indo - germanischen Sprachen, deren Entwicklung wir am längsten verfolgen können,40a. Declination der Nomina.ja nur des Slavischen und Deutschen, so würde mancher Unglaube an Analogie - bildungen schwinden. Mir gilt es durchaus nicht für erwiesen, dass in den latei - nischen gen. fem. auf - ais ursprüngliche Formen stecken, ja nicht einmal, um das hier mit anzuführen, dass das allgemein italische - eis der msc. -ntr. auf - ajas zurückgehe. Ich halte es für wenigstens ebenso möglich, dass diese Form nichts weiter sei, als die auf die a-stämme übernommene Form der i-stämme, ur - sprünglich-ais. Wenn man sieht, wie im Oskischen consonantische und u-stämme, mātreis, senateis, diese Genitivform haben, die doch hier gar nicht anders erklärt werden kann, als auf Grundlage einer Nachbildung der i-formen, wenn daneben bei den u-stämmen noch im osk. castrous, umbr. trifor die ursprüngliche Genitiv - form vorkommt, man also den Fortschritt der Analogiebildung in diesen Sprachen selbst beobachten kann, so hält es doch auch nicht schwer, die gleiche Ueber - tragung auf die a-stämme anzunehmen. Die italischen Sprachen gelten noch immer fälschlich für sehr ursprünglich, aber niemand sträubt sich dagegen, im Italischen, speciell im Lateinischen die Entlehnung des Suffixes des gen. plur. fem. auf - rum in die msc. und ntr. hinein anzunehmen, ebensowenig die Aus - dehnung des nom. und gen. plur. der i-stämme auf die consonantischen u. s. w. Die Sache steht bei der lateinischen Declination so: die Herrschaft der i-stämme ist in der Declination eine so ausgedehnte, dass, wenn eine Form einer andern Stammclasse mit einer i-form lautlich identisch ist, und wir diese Identität nicht auf ein aus dem Italischen selbst bekanntes Lautgesetz zurückführen können, wir immer der Wahrheit näher kommen werden, wenn wir dieselbe auch für eine wirkliche i-form halten, als wenn wir dafür eine indogermanische Grund - form suchen, die doch, genau genommen, keine andere Gewähr hat, als eben jene Form selbst.

Ganz ebenso steht es mit den im Griechischen gesuchten Beispielen für eine Genitivform auf - ājā̆s, so anzusetzen, weil die so gedeuteten Formen die Quan - tität des a vor dem s nicht immer erkennen lassen. Curtius deutet die gen. msc. der männlichen Themen auf ā, ᾱο, εω aus - ā-jas. Schleicher, Comp. 3 540, be - merkt schon dagegen: « wir möchten jedoch bezweifeln, dass im gen. sg. ein ein - mal vorhandenes s geschwunden ist, da die Analogie der zahlreichen Genitive auf - os wohl ein solches gehalten haben würde. » Ganz entschieden; bei der Existenz der Genitivformen auf - o (oo, οιο aus οσjο = asja) ist es zweifellos, dass wir in den Formen wie Ἀτρείδαο die Endung - sja anzusetzen haben, also mit dem Stammvocal zusammen - āsja, wie auch von Bopp angenommen. Dar - aus entsteht ao richtig lautgesetzlich; und es erscheint mir ebenso einzig richtig, anzunehmen, dass von den überzahlreichen msc. ă-stämmen das Suffix eben wegen des gleichen Genus auf die minder zahlreichen msc. ā-stämme übertragen ist. Auch hat die Berufung auf die femininalen Formen gleicher Art im arkadischen Dialekt (s. Michaelis, Inschr. aus Tegea. Jahrb. f. cl. Phil. 1861, p. 585) keine Bedeutung; wenn in diesem Dialekt die femininalen ā-stämme Genitive wie ζα - μίαυ = ζαμίαο bilden, so haben wir darin natürlich dieselbe Form wie Ἀτρεί - δαο; allein wenn im selben Dialekt der gen. sg. fem. des Artikels τᾶς lautet, so kann ich mich wenigstens nicht überzeugen, dass hier Artikel und Nomen die -41i. Die Casus des Singulars.selbe Grundform auf - αjος, nur verschieden lautlich umgebildet, enthalten sollen. Wo lässt sich erstlich ein Grund finden, dass in bedeutend vorhistorischen Zeiten ein j ausgefallen und dann in einem Falle, beim Artikel, αο zu geworden, im andern, beim Nomen, αο uncontrahirt geblieben und noch dazu s abgefallen sei. Wollte man aber, um wenigstens bei τᾶς und den gemeingriechischen Formen der Nomina auf gen. - ᾱς das ājas zu retten, in der That einen so frühen Ausfall des j annehmen, so würde man in eine zweite Schwierigkeit gerathen: das ă aller Genitivendungen auf - as ist im Griechischen zu - ος geworden, Curtius setzt daher auch consequent - ājos an; die Contraction eines - αος aber zu - ᾱς zeigt sich wieder für die vorhistorische Zeit als unmöglich, da die ganzen Contractionen in den verschiedenen Dialekten verschiedenen Gesetzen unterliegen, also alle jung sind. Wenn die Anführung des Abfalls von s in λέγετε gegenüber legitis zur Er - läuterung des - s-abfalls im Genitiv einen Werth haben soll, so müssten die ver - gleichenden Forschungen erst ein sichreres Resultat über die ursprüngliche Form der Personalendungen geliefert haben, als es bis jetzt der Fall ist; man kann nicht eine Unerklärlichkeit mit der andern klar machen. Es scheint mir daher nach den bisherigen Resultaten der Forschung allein möglich anzunehmen, dass in dem betreffenden eigenthümlichen Dialekt o oder jo (wie es nach Ausfall des s erscheinen musste) als generelle Casusendung aller nominalen a-stämme angenommen ist. Somit wäre für die südeuropäischen Sprachen keine andere Form des gen. sg. fem. der ā-stämme als ursprünglich nachweisbar, denn - ās. Was nun die nordeuropäischen Sprachen betrifft, so hat zwar Scherer, Z. Gesch. d. d. Spr. 120, die germanische Form auf - ā-as zurückgeführt (« im gen. sg. der feminina auf â ist auch wohl - â-as die eigentliche Endung und man fühlt sich versucht, das skrt. - â-yâs, zd. - a-yâs herbeizuziehen »). Den einzigen Stütz - punkt für diese Ansicht bildet die von Scherer aufgestellte, schon oben als un - haltbar bezeichnete Ausdehnung des vocalischen Auslautsgesetzes, nach welchem die ursprünglichen einfachen Längen und der Diphthong ai vor auslautendem - s verkürzt erscheinen müssen. Mit dieser Verwerfung des Schererschen Gesetzes fällt auch die Möglichkeit des Nachweises einer Grundform - ā-as oder, wie es auch denkbar wäre, - ā-ās. Die litauische Gestalt des Casus bedarf keiner weiteren Bemerkung, als dass kein Grund vorliegt, über - ās (lit. -ōs) hinauszugehen. Der Schluss dieser Vergleichungen und Betrachtungen wird nun der sein, dass für die europäischen Sprachen keine andere Form des Genitivs erkennbar ist, als - ās gegenüber dem arischen ājās. Eine weitere Frage ist allerdings, ob in jenem - ās nicht im letzten Grunde eine Verbindung von - ā + as zu suchen sei, die - selbe Frage, die z. B. bei * sunaus neben * sunavas vorliegt; die Contraction liegt dann aber weit vor der Geschichte der einzelnen Sprachen und berührt uns hier nicht.

Das Slavische besitzt die Form überhaupt nicht, sondern hat dafür glavy, dušę (ja-stamm), d. h. nach dem oben beim nom. sg. ausgeführten Gesetze, eine auf - ans oder - āns basirende Bildung. Vor dem Versuche einer Erklärung dieser sonderbaren Form wird es nicht unnütz sein, sich zu vergegenwärtigen, was aus einer Form wie dem europäischen - ās, dem arischen - ājās und einem etwaigen42a. Declination der Nomina.- * ājas, wenn eine derselben noch am Anfangspunkte der slavischen Entwicklung bestand, geworden wäre: ein * galvās, * dausjās wäre einfach * glava, * duša geworden und so mit dem nom. sg. und, wie sich später ergeben wird, dem ur - sprünglichen nom. pl. zusammengefallen. Die beiden andern hypothetischen Formen enthalten j; dieser Laut hält sich aber im Slavischen zwischen Vocalen mit Vorliebe: die Fälle, in denen er in der späteren Entwicklung geschwunden ist, kennt unsere älteste Ueberlieferung entweder noch gar nicht (dobrajego u. s. w. gegenüber späterem dobraago u. s. w.), oder sie zeigt noch die Spuren des j im Hiatus (wie z. B. in den Imperfectformen dělaachŭ u. s. w.) oder in einer be - stimmten Affection des Vocals (wie in chvalīši etc. = * chvalĭješi etc.). Der ganze bestehende Vocalismus des Slavischen war fertig, ehe der Schwund des j begann, dadurch schliesst sich die Möglichkeit einer Form * ājas aus, diese hätte nur - * āje werden können (vgl. die gen. wie kamen-e u. s. w.) und wäre so geblieben. Es könnte zwar jemand auf den Gedanken kommen, so gut wie dobrajego zu dob - raago durch Ausfall des j und Vocalassimilation geworden, und zwar kurz nach dem Anfang unserer Ueberlieferung, so hätte auch etwa kurz vor der Periode der ältesten Texte aus * glāvāje ein * glavāa, durch Contraction * glavā werden können, die ganze Aufstellung bewiese also nichts. Dem ist zu entgegnen, dass der Schwund von j überhaupt nur stattfindet, wo Consonanten folgen, niemals da, wo ein Vocal auslautet, sogar bei gleichem Vocal vor und nach j nicht: dobra - jego dobraago, dobrujemu dobruumu u. s. w., aber dobraja, dobriji, dobroje u. s. f. Die letztere Regel spricht natürlich auch gegen die Annahme eines-ājās. Wir können demnach der Reihe der europäischen Sprachen auch noch das Slavische anfügen, das nur die Existenz eines einstigen - ās erkennen lässt. Davon ausgehend haben wir die existirende Form auf - y, - ę zu betrachten. Dass es je eine nominale ursprachliche Genitivform auf - ans, - āns gegeben habe, ist mit nichts wahrscheinlich zu machen, die Form muss eine speciell slavische sein. Man hat daran gedacht, für diesen Genitiv des Slavischen einen Anhaltspunkt in der Ueberleitung zahlreicher ā-stämme des Germanischen in die Kategorie der n-stämme zu suchen (Friedr. Müller, Revue ling. IV, 264), also ein slav. vĭdovy einem got. viduvōns gleichzusetzen. Allein da sonst weder im Slavischen noch im Litauischen eine Spur solcher Veränderung der Form nachweisbar ist, wird die Sache unwahrscheinlich, lautlich aber unmöglich: ein der germanischen Form zu Grunde liegendes * vidavānas müsste ganz nothwendig slav. zu * vĭdovāne führen, wie der Vergleich mit den sonstigen consonant. Genitiven kamene etc., und der Um - stand beweisen, dass überhaupt Vocalausfall vor auslautenden Consonanten dem Slavischen ganz unbekannt ist. Es bliebe nun die weitere Möglichkeit, dass nach dem nothwendigen Verlust der alten Genitivform auf - ās bei dem noch lebendigen Formgefühl der Sprache ein Ersatz aus einem andern Casusgebiet gesucht sei, wie das bei lautgesetzlich bedrohten Casus in den slavischen Sprachen bis in die neueste Zeit geschehen ist. Darauf beruht denn auch die Meinung, die von Schleicher, Comp. 3 543, als Vermuthung, von Scherer (z. Gesch. d. d. Spr. 291, 474) bestimmter ausgesprochen ist: der gen. sg. habe die Form des acc. plur. angenommen. Man könnte sich den Fall so zurechtlegen: gen. sg. und nom. 43i. Die Casus des Singulars.plur. fielen seit alter Zeit in eine Form, * galvās, die dann zu * glavā wurde, zusammen; als nom. plur. ward sie, wie das eine allgemeine Neigung des Sla - vischen ist, durch den acc. plur. glavy, dušę ersetzt, und der rein äusserlichen Formenanalogie folgte der gleichlautende gen. sg. Unwahrscheinlich ist mir aber das im höchsten Grade: Analogiebildungen halten sich überall, auch im Slavi - schen, immer im Kreise der Bedeutungsgleichheit oder Bedeutungsverwandtschaft, die hier vollständig fehlt. Hier liegt entschieden etwas anderes zu Grunde. Wenn man, ohne nach dem historischen Zusammenhang zu fragen, nur die Lautform im Auge hat, gleichen die litauischen Genitive des pron. pers. manęs, tavęs, savęs den vorauszusetzenden slavischen gen. auf - ā̆ns so sehr, dass man wohl auf den Ge - danken kommen kann, die eigenthümliche Form gehöre ursprünglich nur der pro - nominalen Declination an und sei von dieser auf die nominale übertragen. Einer Entscheidung lässt sich nur bei der Betrachtung der pronominalen Declination im Zusammenhange nahe kommen, und indem ich auf den betreffenden Abschnitt verweise, bemerke ich hier nur vorläufig: dass die genannten litauischen Formen nicht ganz jung sind, beweisen trotz des Fehlens des Altpreussischen, das nur Possessivformen an jener Stelle hat, die übereinstimmenden lett. manis, tevis, sewis (die Entsprechung ist wie part. praet. act. lit. miręs, lett. miris). Schleicher hat sie nach Smith, Beitr. II, 338 = * mani-n-as u. s. w. angesetzt, was wieder nach litauischen Lautgesetzen unmöglich ist, ganz abgesehen von der im Hinblick auf loc. manyjè u. s. w. gemachten, aber dadurch nicht gerechtfertigten An - setzung eines Stammes mani -. Der Ausfall des a vor dem s würde dem des Ge - nitivsuffixes in akmèns = * akmanas zwar richtig entsprechen, aber secundär zu - sammenstossendes n + s bringt nie einen Nasalvocal hervor, nicht einmal in dem doch noch viel jüngeren Lautbestande des Lettischen; also ist tavęs = tavens eine ältere und in der Endung ursprünglichere Form.

Für unsern Zweck haben wir der Besprechung dieser Genitivform nur hinzu - zufügen, dass sie keine Momente für die engere Beziehung des Slavisch-litauischen zum Germanischen bietet, dass aber diese drei Familien wie die übrigen euro - päischen nur auf ursprüngliches - ās schliessen lassen.

3. Locativ-Dativ singularis.

A. Der germanische Loc. -Dat.

Im Germanischen lässt sich, wenigstens beim Nomen, keine Form als wirk - liche Dativform nachweisen. Im Gotischen kann es nach den Lautgesetzen nicht zweifelhaft sein, dass die Dative der consonantischen i - und u-stämme nur auf Locativformen zurückgehen: hanin, broþr, sunau, anstai nur auf * hanin-i, * broþr-i, * sunavi, * anstaji. Ein Zweifel könnte nur entstehen bei den a-stämmen, aber wie Scherer (vgl. Gesch. d. d. Spr. 287) ohne Zweifel richtig erkannt hat, ein dat. gibai kann den Auslautsgesetzen zufolge nur gedeutet werden durch Abfall eines Vocals am Ende, und die einzige sich darbietende Vergleichung ist der lit. loc. mergo-jè, d. i. mergo-jà, also auch gibai ist loc. = * gibāja. Durch die Ver -44a. Declination der Nomina.gleichung des althd. Dativs gëbo, - u mit gibāi und dem gegenüber des ahd. tage mit got. daga wird es ferner (s. Scherer a. a. O. 115 ff. ) höchst wahrscheinlich, dass letzteres nicht auf - āi, sondern auf - ai ausging, also auch eine Locativform war. Die pronominalen Dative wie þamma, die äusserlich dem dat. -loc. daga gleichen, verhalten sich doch im althd. anders: dëmo, dëmu, und sind beim Pro - nomen besonders zu betrachten. Eine zweite Frage ist nun allerdings, ob wir in den übrigen germanischen Sprachen durchaus dieselbe Form haben, ob also das Gotische dazu die Grundform giebt. Unzweifelhaft ist das bei den consonanti - schen Stämmen der Fall, bei den a-stämmen steht der Identificirung wenigstens nichts im Wege. Bei den u-stämmen liegt altsächs. sunu, suno ein sunau zu Grunde, ebenso dem ags. suna und der von Scherer (a. a. O. S. 435) ange - führten altfriesischen Form auf - a = â = au; wenigstens möglich ist dieselbe Zurückführung auch bei der andern ags. Form sunu. Wenn Scherer den dat. fêt, St. fotu - mit Recht zu den echten u-formen zählt und wegen des Umlauts auf die Endung - iu recurrirt, so tritt hier schon die abweichende Form, die im ahd. suniu und vielleicht im nord. velli (St. vallu -) gebildet wird, hervor. Jedenfalls haben wir sie im Ahd. klar vorliegen, dazu im dat. der i-stämme ensti = enstî. So kommen wir zu derselben Frage, wie oben beim gen. sg. der i-stämme, got. an - stais, ahd. ensti. Das ahd. suniu kann gotischem sunau nur unter der Voraussetzung gleichgestellt werden, dass das ältere * sunavi hier den Vocal a bewahrte, dort zu i schwächte; aus * sunivi aber musste suniu werden. Ebenso kann enstî nicht unmittelbar = anstai aus * anstaji sein, aus dem vielmehr hätte * ansta, * anste werden müssen, sondern nur durch die Mittelform * anstiji. So können die Formen erklärt werden; ob sie so erklärt werden müssen? Im Ahd. lautet der angenommene intsr. sg. ebenfalls suniu, und wenn man überlegt, dass der im Altsächsischen thatsächlich bestehende Fall der Lautgleichheit von gen. und dat. (beide suno) im Ahd. bei Zugrundelegung der gotischen Formen sunaus, sunau ebenfalls eintreten musste, liegt es durchaus nicht ausser dem Bereiche der Mög - lichkeit, dass hier die Instrumentalform, von der unten zu reden sein wird, den Dativ ersetze. Beim i-stamme aber bleibt die Ansetzung einer dem gen. enstî = urspr. * anstij-as (gebildet wie πόλιος) analogen Bildungsweise * anstiji (wie πόλιι) ebenfalls denkbar, so dass wir die im Griechischen bekannte Doppelbildung auch im Deutschen in zwei Singularcasus der i-sämme, gen. und loc., vermuthen dürfen. Eigentliche Dativformen können auch in den althochdeutschen Formen nicht gesucht werden.

B. Die Locative und Dative des Litauischen und Slavischen.
a) Die Locative des Litauischen.

Können wir im Germanischen eigentliche Dative nicht nachweisen und sicher behaupten, dass eine functionelle Trennung der beiden Casus nicht oder nicht mehr existirt, so haben wir im Litauischen eine sowohl formell als functionell vollständig deutliche Scheidung der Casus, aber auch wieder auffallende Er -45i. Die Casus des Singulars.scheinungen genug, um nicht in Versuchung zu kommen, in jedem einzelnen Falle nach den indog. Grundform zu suchen. Im Litauischen haben alle Stämme mit Ausnahme der msc. reinen a-stämme, d. h. der ohne j, das Locativsuffix - je, d. h. ja, da a nach j nothwendig die Färbung zu e annimmt; also:

  • fem. ā-stamm galvō-jè
  • msc. ja-st. dàlgy-je
  • i-st. aky-jè
  • u-st. dangu-jè
  • cons. St. akmenyjè,

die consonantische Form ist nur der Vollständigkeit wegen mit aufgenommen, in der That ist sie den i-stämmen entlehnt, fällt also für die Betrachtung weg, msc. a-st. abweichend vilkè.

Diese Formation mit dem vollen Suffixe - ja sieht recht alterthümlich aus und scheint auch so angesehen zu werden. Scherer a. a. O. 287 vergleicht die weite Anwendung dieses Suffixes im Zend, wo, wie es scheint, alle Stämme daran Theil haben. Meine Kenntniss des Zend reicht nicht so weit, um bei der Fülle von Formen, die in der vocalischen Declination locativisch gefasst werden und sich lautlich zum Theil sowohl mit Genitiv -, wie mit Instrumentalformen decken, eine Meinung aussprechen zu können, wie weit hier die Bildungen ursprüngliche, wie weit Analogien, wie weit vielleicht überhaupt gar nicht Locative sind. Nur das steht mir fest, dass sie mit den lit. in der Form nicht zusammentreffen. Den Beispielen, wie bāmaja, viçpaja (Spiegel, Gr. S. 123), vohujā (wenn das überhaupt loc. sein kann, Justi, Gr. § 545), wollte man sie mit dàlgyje u. s. w. vergleichen, fehlt die dem Litauischen charakteristische Dehnung des Stammauslautes vor j, und von Formen, die man mit akyjè zusammenstellen könnte, vermag ich überhaupt nichts zu entdecken. Es lässt sich, glaube ich, nachweisen, dass die weite Ausdehnung des - ja im Litauischen ganz secundär ist.

Völlig erklärlich ist die Form galvō-jè = * galvā-ja, die Länge des stamm - auslautenden Vocals ist ja hier ursprünglich und dieselbe stimmt völlig zu got. gibai = * gibāja, wie zu der jedenfalls im Suffix verwandten sanskritischen auf - ā-jām. Die Länge des i in akyjè ist aber ganz unerklärlich, sobald man nicht eine einfache Anlehnung an die fem. ā-stämme annimmt, die hier um so leichter eintreten konnte, als die i-stämme mit wenigen Ausnahmen fem. gen. sind. Den - selben Uebertritt mit Erhaltung des i und Annahme der Suffixe oder des Aus - lauts der Casus der ā-stämme bemerkt man auch sonst im sing. : so ist dat. ákei = * akiai gebildet, wie mérgai, instr. akiè, d. h. akià (neben akimì) wie mergà; und selbst, wenn man, was an sich möglich, in den Formen ákei, akiè wirkliche i-formen sehen will, so ändert das nichts an der Thatsache, dass sie in den En - dungen den ā-formen gleich sind, also auch den loc. sg. in dieselbe Analogie herüberziehen konnten. Bei den u-stämmen nun scheint die Dehnung des Stamm - auslautes, hier das wichtigste, im Litauischen zu fehlen, wenigstens behandeln Schleicher und Kurschat die Mittelsilbe von dangujè als Kürze. Allein, wenn sie auch im Litauischen heute überall entschieden kurz sein sollte, so lässt sich doch nachweisen, dass sie es nicht immer war. Das Lettische nämlich hat für sämmt -46a. Declination der Nomina.liche Stämme die Endung - ja angenommen, in dieser vollen Form freilich nur noch vereinzelt in den Volksliedern (s. Bielenst., Lett. Spr. II, 18) erhalten und selbst da vielleicht noch etwas anders zu fassen: aber in älterer Zeit und in der Volkspoesie ist ein mit dem vorhergehenden Vocal diphthongbildendes i häufig (ıi̊mái = lit. żëmojè, ſeméi = lit. żémėje), welches endlich im heutigen Lettischen ganz abgefallen ist, gerade wie man im modernen Litauischen regelmässig rànko, aký u. s. w. spricht. Das Lettische hat die Dehnung des Stammauslauts überall (vgl. Bielenst., Lett. Spr. II, 15 f.)

  • a-st.
    • msc. lett. grékā́, wäre lit. * grëko-je,
    • in Wirklichkeit grëke,
    • fem. lëpā́ = lit. lëpoje.
  • ja-st.
    • msc. uncontr. zełā́, lit. kelyje
    • contr. sapnī́, lit. dalgyje,
    • fem. ſalḗ = lit. żolė-je,
  • i-st. sirdī́ = lit. szirdy-je,
  • u-st. alū́ = lit. alŭ-je für * alūje.

Die blosse Zusammenstellung, namentlich die ganz der fem. gleichende Form des msc. a-stammes (für diese hat das behauptete schon Smith, De locis II, 61, « e de - clinatione femininorum huc traducta sunt », erkannt) thut wohl ohne weiteres dar, dass hier nur Analogiebildung nach der so deutlich ausgeprägten Form des loc. sg. fem. der ā-stämme vorliegt und dass die überall herrschende Länge des Stammauslautes auch erst dieser Form nachgebildet ist. Es ist daher im höch - sten Grade wahrscheinlich, dass das litauische sūnujè die Länge der zweiten Silbe wegen ihrer beständigen Unbetontheit nur wieder verloren hat, oder dass dieselbe aus dem gleichen Grunde nicht als lang gehört und so aufgezeichnet wurde.

Somit reducirt sich für das Litauische die ursprüngliche Anwendung des Locativsuffixes - ja auf die femininalen ā-stämme, wie im Germanischen, und be - merkenswerth ist es doch, dass auch das Sanskrit sein - jām nur bei denselben Stämmen anwendet, - ām in etwas weiterer Ausdehnung, aber doch auch nur beim fem. der i - und u-stämme. Das litauische - ja könnte, wenn man allein die heutige Lautgestalt - je = - ja im Auge hat, und eine andere ist uns nicht über - liefert, mit - jām geradezu identisch sein; immerhin ist das aber schon aus dem Litauischen heraus nicht wahrscheinlich, weil bei der einstigen Existenz des Nasals und der Länge des ā wahrscheinlich in älterer Zeit mehr Beispiele der Schreibung mit a erhalten wären, während dieselbe ganz vereinzelt ist und gerade die ältesten Quellen je haben (s. Schleicher, Gr. S. 172). Die deutsche Form gibai kann natürlich nicht aus * gibājām erklärt werden. Zugleich verdient es Beachtung, dass bei den übrigen europäischen Indogermanen irgendwelche Locativformen auf - ja nicht nachgewiesen werden können. Scherer a. a. O. 287 (vgl. auch Curtius Etym. 4 614) dachte an die räthselhaften griechischen Bildungen wie ϑύραζε u. a., die, wenn sie aus * ϑυρα-jε lautlich erklärbar sind, allerdings eine Analogie bieten, allein ich habe mich noch immer nicht von der Entstehung47i. Die Casus des Singulars.des ζ aus inlautendem j zwischen Vocalen überzeugen können. Wie die Sache steht, bietet immerhin got. gibai zu lit. galvo-je eine sehr bemerkenswerthe Parallele.

Es bleibt noch die eine abweichende Form des Litauischen, die der msc. a-stämme zu betrachten, vilkè zeigt, wenn man es direct auf altes * varka-i be - zieht, eine entschieden auffällige Gestalt, mir ist wenigstens kein Fall bekannt, wo im Litauischen altes ai selbst im Auslaute zu ĕ geworden wäre. Dass trotz - dem im letzen Grunde altes - ai darin steckt, kann nicht bezweifelt werden, aber vielleicht ist das Litauische zu dem Auslaut e doch auf einem Umwege gelangt. Die eigentlich echte Locativform sehe ich in dem Adverb namë (zu Hause, St. nama -, als selbständiges Wort plur. tant. namaí); ë ist die für altes ai regelrecht zu erwartende Vertretung. Es ist mir, um wenig zu sagen, ferner höchst wahr - scheinlich, dass die bei Smith, De locis II, 60 citirten Schreibungen von Locativ - formen in älteren Quellen cziesi (Bretkun), czesie (Willent), szimty (Kat. 1547), szadegimij (ib.), ischguldimi (ib.), wie Smith selbst vermuthet, den Auslaut ë bedeuten oder dessen Nebenform i, nur müsste man, um hier völlig sicher zu gehen, die Orthographie der mir zum grössten Theil unzugänglichen Quellen genau untersuchen; vgl. indessen zur Bestätigung bei Smith l. c. 27 diewie-p (Willent) = dëvë-p (bei Gott). Nun kommt neben namë́ auch namëje vor (von Kurschat, Deutsch-lit. Wörterbuch s. v. Haus als namë́j angeführt). Dazu citirt Smith (l. c.) aus dem ältesten Katechismus den Satz: sunus klausikiet gimditaju jussu Paneie, d. h. « ihr Söhne, gehorchet euren Eltern in dem Herrn »; die letzte Form ist = pånë-je; vgl. auch Beitr. I, 211, wo eine ganze Reihe solcher Bil - dungen aufgezählt wird, z. B. darżije, virije u. a., und nicht mit Schleicher an den Uebergang in die ja-stämme zu denken, sondern darżi als alter Locativ = darżë aufzufassen ist. Man sieht darin schlagend die übermächtige Analogie des - je, dass es an eine fertige Locativform noch einmal angetreten ist. Nun ist es gewiss nicht zu viel vermuthet, wenn man annimmt, dass der Auslaut ĕ der jetzt bestehenden Form nur der Gewohnheit, alle anderen Locative auf ĕ zu hören, seinen Ursprung verdankt. Diese Gewohnheit ist so mächtig, dass sie den alt - litauischen und ursprünglichen loc. pron. tamì verdrängt und in tamè umge - wandelt hat; da vilkè, tamè an sich deutlich von allen anderen Formen unter - schieden sind, brauchte man das j nicht mit.

Die Sache steht also endlich für das Litauische so: als ursprüngliche Formen des lc. sg. können nur gelten die auf - je des fem. ā-stammes, und die auf - ë = ai des msc. a-stammes, die sich mit den entsprechenden Formen des Germani - schen vollkommen decken und zwar beide zusammengenommen nur mit diesen; die ursprünglichen Locativformen der consonantischen i - und u-stämme sind ver - loren und durch die Analogiebildungen nach Art der femininalen ā-stämme ersetzt.

b) Die Locative des Slavischen und die Dative des Slavischen und Litauischen.

So einfach die eigentlichen Locativformen des Litauischen sich bestimmen lassen, so sehr verwischt in der Form sind grösstentheils die des Slavischen, auch48a. Declination der Nomina.von der Betrachtung der als Dative fungirenden Formen nicht zu trennen, von diesen wieder nicht die litauischen Dative.

Es ist merkwürdig, wie bei den im Slavischen so deutlich geschiedenen Functionen des Dativs und Locativs der Ursprung der Formen so schwer erkenn - bar ist. Schleicher beginnt seine Auseinandersetzung über den altbulg. loc. sg. (Comp. 3 553) mit den Worten: « der Loc. gilt fast bei allen Stämmen zugleich als Dativ », und fügt beim dat. sg. (ib. 556) hinzu: « nur fem. rącě für * rąkě darf vielleicht als Dativ gelten ». Nach ihm hätten wir es also überhaupt nur mit Lo - cativformen zu thun. Allein wie soll man sich da erklären, dass bis in die modernsten Entwicklungsphasen der einzelnen slavischen Sprachen ein so leben - diges Bewusstsein für den Unterschied dieses Casus blieb, dass im Altbulgari - schen z. B. bei den msc. -ntr. a-stämmen, auch bei den Resten der u-stämme eigenthümliche Formen, die nur dativisch gebraucht werden, existiren. Ein Bei - spiel: bei den i-stämmen lautet der dat. -loc. nošti, bei den u-stämmen dat. sy - novi, loc. synu, und Schleicher erklärt den ersteren aus Uebernahme der Endung - i aus den i-stämmen mit Steigerung des Stammauslautes. Mir scheint das doch zu den verzweifelten Erklärungen zu gehören: wenn bei den i-stämmen eine und dieselbe Form beide Functionen erfüllen konnte, warum nicht bei den u-stämmen; ja, wenn die Form synovi zugleich auch locativische Bedeutung hätte, das hat sie aber in älterer Zeit nie und in späterer fast nie. Ferner erklärt Schleicher synu für eine wirkliche Locativform, dieselbe Form ist bei ihm der dat. sg. msc. -ntr. der a-stämme, vlŭku, diese aber dient in den älteren Quellen nie als loc., als solcher wird nur vlŭcě gebraucht. Schleicher beruft sich auf den Wechsel zwischen a - und u-stämmen, nach welchem auch bei diesen die a-form syně als loc. vorkomme. Das ist für etwas spätere Quellen richtig, aber die Form dient wieder nie als Dativ, und erklärt sich bei den u-stämmen sehr einfach daraus, dass diese schon in unserer ältesten Ueberlieferung im Verschwinden begriffen sind und in allen Casus anfangen, nach der Analogie der a-stämme behandelt zu werden (gen. syna u. s. w.). Wer die Ueberlieferung und die Geschichte der Formen, nicht bloss ihre Lautgestalt im Auge hat, kann gar nicht daran zweifeln, dass im Slavischen von Alters her - ovi der u-stämme nur Dativ, - u nur Locativ war; - u der a-stämme nur Dativ, - ě nur Locativ. Wo also ein Dativ und ein Lo - cativ sich lautlich decken, haben wir viel eher ein secundäres lautliches Zu - sammenfallen anzunehmen und den Versuch zu machen, die wirklichen Dativ - und Locativformen herauszufinden. Es kommt hier auch das Pronomen in Betracht: dat. tomu, loc. tomĭ sind völlig geschiedene Formen; man kann sich wenigstens schwer vorstellen, wie Schleicher das allerdings thut, dass die Endung - u in tomu der Locativform der nominalen u-stämmen ohne einen bestimmten Grund entlehnt sei. Die litauischen Sprachen haben noch dazu dieselben oder wenig - stens sehr nahe liegende Formen und man sieht für diese Uebertragung in so früher Zeit gar keinen Grund; Auslautsgesetze, welche später in der Einzelent - wicklung zum Verlust von Formen und zur Entlehnung führen, waren ent - schieden in der Gesammtperiode noch nicht wirksam.

Um von einem festen Punkte auszugehen: es liegt kein lautlicher oder syn -49i. Die Casus des Singulars.taktischer Grund vor, die Form synovī nicht für einen wirklichen Dativ zu halten; sie ist nur in dativischem Gebrauch und deckt sich lautlich völlig mit der ari - schen Form sūnavē; ī ist der regelmässige Vertreter von ursprünglich auslauten - dem oder durch Consonantenabfall in den Auslaut gerathenem ai, vgl. nom. pl. msc. der a-stämme (vlŭcī = * varkai), die Partikel li (ob, oder) = lit. lai, 3. sg. opt. berī = * bharait, lit. permiss. te-sukë́, die dat. pron. pers. mi, ti, si mit μοί etc. Dem gegenüber kann man synu, wie es nur als Locativ gebraucht wird, auch nur als wirkliche Locativform fassen; es deutet zunächst auf * sūnau. Nun liegt es natürlich sehr nahe, an ved. sūnávi, skrt. sūnāú zu denken, also Abfall des ursprünglich auslautenden i anzunehmen. Mit solchen Annahmen ist man in der vergleichenden Grammatik nicht gerade schwierig, und doch ist sie hier bedenk - lich. Abfall eines ursprünglich auslautenden Vocals ist als speciell slavische Er - scheinung fast gar nicht nachzuweisen. Sicher ist er in berą = bharāmi, aber hier, wie die Uebereinstimmung des Germanischen und der andern europäischen Sprachen darthut, einer viel ältern Periode zuzuschreiben. Für das Slavische als solches kenne ich nur den einen, ebenfalls hypothetischen Fall beim instr. sg. fem. glavoją = * galvā-jā-mi (so wenigstens wird die eigenthümliche Form er - klärt) gegenüber den Formen wie vlŭkomĭ, pątĭmĭ u. s. w. mit erhaltenem - i. Man muss also mit der Annahme des Abfalls sehr vorsichtig sein. Dass trotzdem die slavische Form im letzten Grunde auf * sūnavi zurückgeht, ist mehr als wahr - scheinlich, aber für die Specialuntersuchung lautet die Frage nicht, wie die indo - german. Grundform gewesen ist, sondern wie die dem Slavischen vor der Periode seiner Sonderentwicklung, also vereint mit dem Litauischen zu Grunde liegende aussah. Die slavischen Lautgesetze, wie schon bemerkt, führen nur auf * sūnau, und legt man diese Form auch für das Litauische zu Grunde, so führt sie zu einer wahrscheinlichen Erklärung des Verlustes und der Annahme einer deut - licheren auf - je: * sunau konnte im regelmässigen Verlauf der Entwicklung auf * sūnu führen (vgl. den nom. -acc. dual. vilkù), also eine ganz suffixlose Gestalt, wie sie gerade in Sprachen, die sich sonst manche Alterthümlichkeiten bewahrt haben, aufgegeben zu werden pflegen. Demnach halte ich * sūnau für die gemein - same litauisch-slavische Form des Locativs und bemerkenswerth ist es immerhin, dass die arischen Sprachen dieselbe Gestalt, also Abfall des i zeigen, sūnā́u, alt - baktr. khratāo, vanhāu u. dgl., altpers. Babirauv, wobei man nicht mit Schleicher Comp. 3, 550 an * Babirauvi zu denken braucht; das v gehört nur der bekannten Eigenthümlichkeit der Schrift bei auslautendem u an.

Der Bemerkung, dass * sūnavi nicht unmittelbar der slavischen Form voran - gehen könne, wird man leicht aus dem Slavischen selbst einen Einwand ent - gegensetzen durch Hinweis auf das als loc. angesehene Adverbium domovĭ (nach Hause) vom u-stamm domŭ (z. B. gen. domu), das sich in den modernen Sprachen zum Theil als domoj (durch Ausfall des v aus domoύ entstanden), slov. auch als domov erhalten hat. Es steht neben dem adverbialen, wie immer entstandenen doma (zu Hause), letzteres hat also die eigentlich locativische Bedeutung, ersteres drückt nur die Richtung aus. Auffallend ist schon dies, noch bedenklicher wird die Ansetzung von domovĭ домовъ als loc. wegen der Nebenform domovi домови,Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 450a. Declination der Nomina.d. h. des Dativs, in derselben Bedeutung. Der Dativ ist hier aber nach slavischer Syntax gerade am Platze, denn er wird bei Verben der Bewegung als Ausdruck des Zieles gebraucht, z. B. altruss. privede Volodimirŭ Mstislavomŭ vsja bo - jary Novgorodskyja Kyevu (Buslajev, Ист. Гр. II, 282) (Wolodimir führte mit dem Mstislav alle Novgorodschen Bojaren nach Kijev), und im Serbischen bis heute ganz gewöhnlich, z. B. pa odoše svaki svome dvoru, « da gingen alle nach ihrem Hofe » (eine Menge von Beispielen Даничић, Српска синтакса p. 321). Vergleicht man damit noch andere bei Buslajev a. a. O. gegebene Fälle, z. B. Danilu že vozvrativšusja domovi: « Als Danilo nach Hause zurückkehrte », wo statt des sonst allein stehenden domovi die nur mit dem Dativ zu gebrauchende Präposition hinzugefügt ist, und nimmt dazu, dass domovĭ домовь in den ältesten Quellen des Altbulgarischen gar nicht vorkommt, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dass domovĭ, домовь, aus dem Dativ domovi, домови, erst entstanden ist durch die in der Weiterentwicklung der slavischen Sprachen häufige Schwächung eines auslautenden i, и zu ĭ, ь, das sich dann natürlich nur als j oder Erweichung äussert oder ganz abfällt.

Bei den u-stämmen steht uns im Slavischen nach den obigen Bemerkungen ein altererbter Unterschied zwischen Locativ - und Dativform fest. Völlig im Gegensatze dazu stehen die i-stämme und die fem. ā-stämme: bei beiden haben wir nur die gleiche Form für loc. und dat. seit ältester Zeit überliefert. Bei den letztgenannten erklärt sich diese Gleicheit durch lautliches Zusammenfallen ohne weiteres: Bildungen wie dat. * ganā + ai daraus * ganāi und loc. * ganā + i, daraus * ganāi, mussten nothwendig im Slavischen in ženě zusammenfallen. Viel - leicht möchte sich jemand, um den doch festgehaltenen Unterschied zu beweisen, auf die Accentuation des Serbischen berufen, wo bei überhaupt möglichem Accent - wechsel der loc. verschieden vom dat. betont wird, z. B. dat. glâvi, loc. glávi, dat. vȍdi, loc. vòdi, allein einmal fehlt dieser Unterschied im Russischen und dann ist vor allem zu bedenken, dass der Loc. nicht ohne Präposition vorkommt, diese aber im Serbischen einen bestimmten Einfluss auf die Betonungsweise des abhängigen Casus hat.

Mit dem slavischen Dativ glavě deckt sich völlig das lit. gálvai, eigentlich gálvāi, die Länge ist aber im Litauischen in solchem Falle nie mehr zu erkennen, da das lange ā in Diphthongen nicht der Wandlung zu ō unterliegt. Der loc. glavě dagegen weicht von galvo-jè ab; es sind eben zwei Suffixe gebräuchlich gewesen, einfaches - i und - ja, von dem oben die Rede war. Der Unterschied zwischen loc. und dat., wie er im Litauischen ja noch erhalten, ist auch hier jedenfalls ein ursprünglicher.

Was ist von der Form des loc. -dat. der i-stämme, msc. pątī, fem. pamętī, zu halten? Es wird zunächst zu versuchen sein, ob wir sie nach irgend einer vorhandenen Möglichkeit der Vergleichung lautlich erklären können. Ausge - schlossen sind, um zunächst auf etwaige Dativform zu forschen, die Zusammen - stellung mit skrt. dat. avajē, weil ein * mantajai (aus pa-mętĭ, « Gedächtniss » ent - nommen) höchstens zu * mętoji, aber nicht zu - mętī leiten konnte, denn eine etwa aus * manta-j-ai mit Schwächung des zweiten a entstandene Mittelform * mętĭjī51i. Die Casus des Singulars.anzusetzen, kann man nicht wagen, weil in der gleichgebildeten Dativform sy - novi das a des Steigerungsdiphthongen als o geblieben ist; ferner verbietet sich die Vergleichung mit skrt. dat. avjāi, oder wenn wir, von der Länge des ā als etwas vielleicht oder wahrscheinlich speciell arischem absehend, * avjai ansetzen, mit diesem, weil ein * mantjai nothwendig, hätte * męštī werden müssen. Es giebt nur eine lautliche Möglichkeit, für die zwar keine unmittelbaren Belege an - geführt werden können, die aber bei dem bekannten Verhalten des u und i vor Vocalen zulässig ist, die Ansetzung einer Grundform * mantij-ai. Diese würde im Slavischen zu * mętĭjī werden, und bei der wenigstens zum Theil allen slavischen Sprachen gemeinsamen, also alten Dehnung des ŭ und ĭ vor j zu y, ī, zu * - tījī, mit Verlust des j zu - mętī. Von diesem Ausfall des j war oben beim gen. sg. fem. der ā-stämme die Rede, wo bemerkt wurde, dass derselbe ungefähr mit dem Anfang unserer Ueberlieferung häufiger hervortritt, sein erstes Auftreten aber vor derselben liegt. Nimmt man nun die Fälle, wo der Verlust des j all - gemein slavisch ist, also vor den Beginn der altbulgarischen Tradition fällt, so zeigt sich, dass j dabei stets von palatalen Vocalen (e, i) begleitet war, z. b. 3. sg. praes. dělītĭ ist = dělĭjetĭ, daraus * dělījetĭ nach dem eben erwähnten Gesetz der Dehnung, weiter * dělīetĭ und durch die Vocalassimilation * děliitĭ, endlich dělītĭ; něsmĭ = ne jesmĭ; während bei nicht palatalen Vocalen theils der Ausfall des j viel später, theils, wo er eingetreten ist, keme Contraction statt - gefunden hat, z. B. in älterer Zeit gen. sg. decl. comp. dobrajego, später dobraago, imperf. dělaachŭ u. s. w. Also liegt eine Entstehung der Dativform - mętī nach der oben gegebenen Deutung im Bereiche der lautlichen Möglichkeit. Wenn dem aber so ist, so würde die slavische Form mit der litauischen Dativform ákei = * akiai, nákczei = * naktiai so gut wie zusammenfallen; der Unterschied bestünde nur darin, dass im Litauischen der Stammauslaut einfach zu j geworden ist; in - dess bleibt im Litauischen die Entlehnung von den fem. ā-stämmen, wie Schlei - cher sie annimmt, ebenfalls denkbar, und wird vielleicht unterstützt durch die Accentgleichheit, nur möchte ich mich auf den letzten Punkt nicht zu sehr be - rufen, weil im Litauischen alle Dative den Accent auf der Endsilbe vermeiden.

Die zweite hier einschlagendc Frage ist: lässt sich die gleichlautende sla - vische Form auch als ursprüngliche Locativform fassen? Schleicher, Comp. 3 553 erklärt pątī, noštī einfach = pąti-i, also durch Contraction des Stammauslautes und Locativsuffixes, wie griech. loc. -dat. πόλῑ = πόλιι. Besonders wahrschein - lich ist diese Aufstellung nicht, wenn man sie auch, wie es oben beim gen. und loc. der i-stämme des Althochdeutschen geschah, bisweilen vermuthen darf. Das Griechische steht mit der strieten Durchführung der Declination der i - und u - stämme nach Analogie, um es kurz zu sagen, der consonantischen allein, und auch hier ist sie ja nicht allen Dialekten gemeinsam. Es ist daher wenigstens zu überlegen, ob nicht auch für das Slavische eine Grundform mit gesteigertem Aus - laut, also aj-i, anzusetzen wäre. Merkwürdig ist es, wie klar zu erkennen diese Form wenigstens in einigen europäischen Sprachen ist: πόλει = * πολεjι, got. anstai = * anstaji, und wie sehr verwischt sie in den arischen erscheint, im Sanskrit ist sie mit der Form der u-stämme vertauscht: kavāu, avāu wie sūnāu,4*52a. Declination der Nomina.im Zend gara, uta-jūtā und andere Beispiele auf a, ā, ō (s. Justi, Gr. § 534 539). Schleicher nimmt Comp. 3 550 nach Spiegels Vorgang für die letzteren Abfall des ji an, demnach gara = * garaji, wie im skrt. sūnā́u neben altem - návi, das Mehr liegt bei jenen nur im Abfall des j. Die Uebertragung der u-form auf die i-stämme, denen eine dem sūnávi entsprechende, * avaji, auch vedisch schon ganz zu fehlen scheint, muss einen bestimmten lautlichen Grund haben, und einen solchen kann man finden, wenn man annimmt, auch hier, wie im Zend sei das Suffix i mit dem vorausgehenden j sehr früh abhanden gekommen, eine dadurch ganz suffixlose und undeutlich gewordene Form wie * ava aber durch die sehr deutlich in der Endung ausgeprägte u-form vertreten, was gerade bei der Parallelität in der Declination der beiden Classen nicht fern liegt. Beim Slavischen fanden wir, dass mit dem loc. der u-stämme nicht über die Grundform * sūnau hinaus zu kommen ist; supponiren wir nach dem eben an - geführten einen gleich alten Abfall des i bei den i-stämmen, so würde eine Form * mantai (aus * mantaji in weit vorslavischer Zeit entstanden) nothwendig zu * mętī führen. Diese Auseinandersetzung scheint mir weiter dadurch eine Berechtigung zu bekommen, dass so innerhalb des Slavischen die Analogie der i-stämme mit den u-stämmen, die man ohne Noth nicht vernachlässigen darf, gewahrt bleibt. Was das Litauische betrifft, so würden beide vorgetragenen Deutungen es er - klären, warum der alte loc. verloren ging: ein * mantī = * mantii gäbe lit. * at - minti, ein * mantai (aus * mantaji) kann ebenfalls durch die Zwischenstufe - * mintë zu - * minti werden, und eben diese undeutliche Form hätte zur Entlehnung der kräftigeren Endung - je der femininalen ā-stämme geführt (at-mintyje).

Ueberblicken wir den bisher zurückgelegten Weg, so fanden wir einen seit ältester Zeit ausgeprägten Unterschied von dat. und loc. im Slavischen bei den u-stämmen (synovi, synu); konnten uns das Zusammenfallen der Formen beim fem. ā-stamm (ženě) lautlich völlig befriedigend erklären; im Litauischen war der Unterschied durch die Anwendung des Locativsuffixes - je gewahrt; bei den i-stämmen war ebenfalls die Annahme eines bloss lautlichen, späteren Zu - sammenfallens der Formen für das Slavische zu begründen, im Litauischen ist ein wirklicher Dativ vorhanden, den man als ursprünglichen fassen kann. Es bleiben noch zu besprechen: der slavische Dativ der a-stämme msc. ntr. vlŭku, der litauische Dativ der msc. a-stämme vìlkui und der der u-stämme súnui, der slavische loc. der msc. ntr. a-stämme, vlŭcě = * vlŭkě; sie gehören in der Decli - nation des Slavischen und Litauischen zu den schwierigsten Formen. Am ein - fachsten scheint sich die Locativform vlŭcě zu geben, wenn man sie = * varkai, skrt. vrkē, ansetzt, wozu man nach den bekannten Formen der verwandten Sprachen ohne Zweifel berechtigt ist. Und doch ist selbst hier eine lautliche Sonderbarkeit: man hätte nach der sonst befolgten Regel * vlŭci statt vlŭcě er - warten müssen (s. die oben gegebenen Beispiele der Vertretung des ursprüng - lichen ai im Auslaut durch i), genau wie im nom. plur. vlŭci = lit. vilkai ist; nur eine Form lässt sich dem loc. vlŭcě in dieser Hinsicht gleichstellen, der nom. - acc. dual. ntr. izě (zu igo, Joch), doch ist dessen Erklärung auch schwierig. Man pflegt sich in solchen Fällen gewöhnlich mit der den Sprachen zugeschriebenen53i. Die Casus des Singulars.Neigung zur Differenzirung zu helfen, die unter anderem bewirken soll, dass Formen von ursprünglich verschiedener Function durch verschiedene Behandlung des gleichen Auslautes getrennt gehalten werden. Diese ganze Differenzirungs - theorie gehört ins Gebiet der Nothbehelfe, welche die vergleichende Grammatik vermeiden sollte; ohne mich auf die weitläufige Frage hier näher einzulassen, muss ich doch sagen, dass mir aus dem Gebiete des Slavischen und Litauischen kein Fall vorgekommen ist, in welchem die Wirkung der Auslautsgesetze gehemmt wäre durch Rücksicht auf zu erhaltende Bedeutungsunterschiede. In jeder Sprache übrigens kann man den seltenen Fällen, wo eine lautliche Differenzirung aus Gründen der Bedeutung vorgenommen zu sein scheint, gewöhnlich eine ganze Reihe von Fällen entgegensetzen, wo die Aufrechthaltung des Unterschiedes aus denselben Gründen geboten gewesen wäre und die Formen doch zusammenge - fallen sind. Wenn im Slavischen z. B. beim i-stamm gen., dat., loc., voc. sg., nom. acc. plur. alles in die eine Form nošti zusammenfällt, beim fem. ā-stamm, wie wir gesehen haben, loc. und dat. sing. nicht mehr zu unterscheiden sind, wie sollte dieselbe Sprache dazu kommen, einen loc. sg. * varkai von einem nom. plur. * varkai, mit dem doch eine syntaktische Verwechslung gar nicht vorkom - men kann, dadurch zu scheiden, dass sie jenen zu vlŭcě, diesen zu vlŭci werden liess, zumal sie bei denselben msc. a-stämmen nom. und acc. sg. in vlŭkŭ, acc. und instr. plur. in vlŭky ungetrennt lässt. Man hat also entschieden nach einem lautlichen Grunde für die Erhaltung des ai als ě im loc. sg. zu suchen; ob freilich ein solcher noch zu finden ist, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Es kommt hier ein Factor in Rechnung, der überall zu spüren, bis jetzt aber leider in seinem Werthe nicht fest zu bestimmen ist, der Accent. Eine und zwar vergleichende Bearbeitung der litauisch-slavischen Accentgesetze gehört zu den allerdringend - sten Erfordernissen für eine wissenschaftliche Grammatik dieser Sprachen. In unserem Falle kann man z. B. sehr wohl die Frage aufwerfen, ob es zufällig sei, dass im Litauischen bei weitem die meisten msc. a-stämme im loc. sg. den Ton auf der Endlilbe tragen, ob diese Betonung die ursprüngliche sei, ob sie einst auch für das Slavische gegolten habe, wie es wahrscheinlich ist, ob etwa davon die Erhaltung des ai als ě abhänge? Aber eine Antwort ist darauf bis jetzt un - möglich. Ich wollte diese Bemerkung hier nicht unterdrücken, um einmal dar - auf aufmerksam zu machen, dass hier noch manche Punkte zu untersuchen sind, ehe die Vergleichung der indogermanischen Sprachen eine genügende Grundlage erhalten kann. Zunächst muss auch ich dabei stehen bleiben, dass in vlŭcě der alte Locativ erhalten sei.

Die noch restirenden Dativformen, slav. a-st. vlŭku, lit. a - und u-st. vìlkui, súnui tragen ein so gleiches Gepräge, dass sie mit einander zu behandeln sind. Es wurde schon oben bemerkt, dass Schleichers Auffassung dieser Formen, nach welcher sie Locative der u-stämme und, von diesen auf die a-stämme übertragen, hier dativisch angewendet sein sollen, sich weder syntaktisch noch in Bezug auf ihre Entstehungszeit in vorslavischer und vorlitauischer Periode chronologisch rechtfertigen lasse. Den letzteren Punkt mag auch Scherer empfunden haben, wenn er die litauischen Formen von den slavischen trennt (z. G. d. d. Spr. 291),54a. Declination der Nomina.seine eigne Erklärung leidet aber theils an der Unwahrscheinlichkeit der von ihm wie von Schleicher angenommenen Uebertragungen, theils an der noch grösseren Unwahrscheinlichkeit seiner lautlichen Ansetzungen. « Wir haben », heisst es a. a. O., « von u-stämmen loc. -dat. synu, dat. synovi, loc. syně, von a-stämmen dat. vlŭku, vlŭkovi, loc. vlŭcě. Dazu pronominal dat. tomu, Grdf. tasmái. Niemand zweifelt, dass der loc. ě nur den a-stämmen, der Dativ ovi (aus Grdf. avai, skrt. avē, wie z. B. nom. plur. vlŭci aus Grdf. varkai) nur den u-stämmen ursprüng - lich gebühre. Für loc. dat. u bleibt nur die Zurückführung auf einen Locativ der u-stämme offen, Grdf. sunavi: wie im Genit. synu für Grdf. sunaus, mithin u für au steht, so gleichfalls hier u für av, au, im u ursprünglich û aber ist i spurlos untergegangen ». Das ist in mehrfacher Beziehung ungenau: erstlich haben wir in älterer Zeit keinen Dativ des u-stammes synu, sondern diese Form ist nur loc., und es bleibt daher unerklärt, weshalb die a-stämme diese Form ent - lehnt und wieder nur als Dativ angewendet haben sollten; zweitens kann synu nicht aus * sunavi durch eine Mittelform * sunûi entstehen, weil diese Form selbst nicht entstehen kann; nur bei folgendem Consonanten oder im Auslaut kann aus au (av) ū werden, nie bei folgendem Vocal. Scherer fährt fort: « Diese Form (synu) fand im Dativ der a-stämme (Grdf. varkâi) gewiss nicht vlŭcě und noch weniger tomě vor denn weder begegnet der Loc. vlŭcě in dativischer noch der Dativ vlŭku in locativischer Function sondern ohne Zweifel * vlŭka, * toma (aus vlŭkâ, tomâ für varkâi, tasmâi), ersteres gleichlautend mit dem Gen. und gerade deshalb zur Differenzirung geneigt, letzteres dann unter dem Einfluss der No - minalflexion ebenfalls gewandelt. Wenn Grdf. rankâi (loc. dat. vom fem. rankâ) nicht ebenfalls die Gestalt raṅka, sondern raṅcě annimmt, so beruht dies wohl auf altem Uebergang des âi in ai, welches seinerseits zu ě oder i werden konnte » u. s. w. Diese Annahmen sind ganz willkürlich: dass altes âi je zu a geworden, ist nicht zu beweisen, alle älteren āi wie ai sind im Slavischen zu ě oder i ge - worden. Scherer trennt, wie erwähnt, die litauischen Dative vìlkui, támui wenigstens insofern von den slavischen, als das - ui in der Entwicklung des Li - tauischen selbst entstanden sein soll. Seine Darstellung dieses Vorganges gehört aber zu den gezwungensten der vielen gezwungenen Erklärungen des Buches. « Litauischer Uebergang », so construirt Scherer, « von â zu ů (au), der sich den skrt. Dualen und Locativen auf âu für â und dem skrt. Perfectum dadâu, dadhâu vergleicht, kann, dünkt mich, nicht geleugnet werden. Den Wurzeln und stů für und stâ gesellt sich der instr. sing. für , got. thê (vgl. Pott, Präpos. S. 308, d) und der nom. dual. tů́-du zu. Im Substantiv mit bekannter Verkürzung instr. sing. vilkù (vgl. den altpreuss. « Dativ » auf u), nom. dual. vilkù. Grdf. beider Casus varkâ. Von wird das Prät. daviaú gebildet. Musste nicht ebenso im Dativ aus tasmâi zunächst tasmavi, aus varkâi zunächst vilkavi entstehen? Eine solche Form fiel aber mit dem vorauszusetzenden Dativ der u-stämme, z. B. * sû́ navi zu - sammen, neben welchem (wie zd. Dativ paçvē neben paçavê) sûnui bestand: dieses ui wurde ausschliesslich herrschend im Dativ der u - und a-stämme. Analoge Wand - lung des auslautenden ksl. a (â) zu u (au) lässt sich nicht nachweisen ». Man kann sich in der That eine wunderlichere Art der Zusammenstellung und Vergleichung kaum55i. Die Casss des Singulars.denken. Dass im Dual und der 1. sg. perf. des Sanskrit âu aus â entstanden sei, ist eine Hypothese, die sich nur auf diese Formen stützt und zum Belege nicht gebraucht werden darf, es heisst das nur eine unbekannte Grösse durch die andere ersetzen. Wenn im Litauischen der nom. -acc. dual. vilku heisst, im Slavischen vlŭka = - ā, wie im Sanskrit vrkāu neben vedischem vrkā, so kann man eben - sowohl den Schluss ziehen, * varkau und * varkā seien seit ältester Zeit gleichberechtigte, vielleicht dialektisch wählbare Formen gewesen, von denen die eine Sprache diese, die andere jene bewahrt habe; damit kann also jedenfalls nichts bewiesen werden. Die Erklärung von instr. sg. = ist eine eben solche Hypothese, die richtige Deutung ist = * ta-mi (s. u. beim instr.). Eine Wurzel - form stu ist eine reine Fiction, entstanden aus einer zu mechanischen Anwendung der Steigerungsregeln und der Nichtbeobachtung litauischer Dialektverhältnisse. Weil es ein Verb stóviu, stovė́ti, eine Dialektform desselben staunu, und ein No - men stůmů́ (Statur) giebt, hat man eine Wurzelform stu zu Grunde gelegt. Nun ist aber stůmů́ nur eine von Schleicher verhörte oder eine dialektische Form (ů für ō ist dialektisch häufig) für stōmů́, so hat denn auch Kurschat (D. -Lit. Wörter - buch s. v. « Körpergrösse ») und Schleicher selbst, Lit. Gr. S. 45, stomů́ neben stůmenýs (Stück Leinen von Leibeslänge), welches letztere ganz dasselbe Wort ist, nur mit einem weiterbildenden Suffix; stovëti aber ist ein denominatives Verbum von stova (Stand, Stelle), gebildet wie slav. sta-va (articulus), auch in za-stava u. s. w., d. h. mit Suffix - va - von W. stā; und so wenig es einem ein - fallen kann, dem slavischen Verbum stavati (stehen), staviti (stellen) eine Wurzel - form stu unterzuschieben, so wenig sollte einem das beim Litauischen einfallen. Die Consequenz solches äusserlichen Verfahrens führt dann dahin, für slavisches stojati (stehen) eine Wurzel sti anzusetzen, was denn in der That auch schon ge - schehen ist. Was endlich staunu betrifft, so ist dies ganz dasselbe was stóviu, und erklärt sich aus der in manchen Dialekten sehr beliebten Anwendung von - nu statt eines beliebigen andern Präsensstammsuffixes, das sonst gebräuchlich ist; statt stāviu = stóviu heisst es dialekt. stavnu, woraus natürlich von selbst in der Aussprache staunu wird; es ist genau derselbe Fall wie guinù (ich trachte) neben[.]guijù, vgl. Schleicher, Gr. § 114, 2. Unter dieselbe Reihe von Doppel - bildungen fällt 1. sg. stóvmi neben stóviu, auf welche Form Schleicher, Gr. S. 251 die Wurzelform stu bezieht; hier zeigt sich die secundäre Bildung schon im Bleiben des v; wäre die Form alt und ursprünglich, so würde sie wie einù (ich gehe) auch * staumi oder etwa * stůmi gelautet haben; die allermeisten 1. sg. praes. auf - mi, die Schleicher § 119 anführt, beruhen auf ganz später Formübertragung von dė́mi, esmì u. a. auf andere Verbalclassen. Die eigentliche Wurzelform ist und bleibt also für das Litauische sta, wie sie in stó-ti, praes. stó-ju erscheint.

Mit diesem Vergleiche Scherers war es nichts, etwas scheinbarer ist der von dů́ti (geben), praes. dů́du, praet. daviaú, passt aber ebenfalls nicht hierher: im Preussischen lautet der dat. sg. msc. pron. stesmu, kasmu u. s. w. und es liegt nicht der mindeste Grund vor, diese von Scherer nicht erwähnten Formen von den lit. támui, kámui zu trennen, im Preussischen aber giebt es nur eine Wurzel - form (inf. dâtwei, 3. sg. praes. dâst), also auf dů́ti, die jüngere Form, kann56a. Declination der Nomina.man sich zur Erklärung von - ui, der älteren, nicht berufen. Man wird für die Ab - weisung nun eine Erklärung des ů von dů́ti verlangen. Diese lässt sich, wie ich glaube, in befriedigender Weise geben, wenn man mit Hülfe bekannter That - sachen die betreffenden Formen genauer analysirt. Es ist von Schleicher der auffallende Umstand nicht unbemerkt geblieben, dass das ů im Präsens in der Reduplicationssilbe steht; im Comp. 3 784 heisst es ohne Erklärung: « W. urspr. da (geben), die im lit. dav, lautet, auch hier mit Verlust des Wurzelauslautes, aber mit vollem Vocal in der Reduplicationssilbe důd - » u. s. w., hier scheint es, als nähme Schleicher eine Art von gesteigerter Reduplicationssilbe an, also etwa urspr. * daudu. In der Lit. Gr. S. 253 heisst es: « Wie δίδωμι, τίϑημι, skrt. dádâmi, dádhâmi aus den Wurzeln, δω, ; ϑη, dhâ durch Reduplication ent - standen sind, so die entsprechenden litauischen Formen dů́ mi für dů́dmi, dė́mi für dė́dmi, nur ist im Litauischen der Wurzelvocal (die Wurzeln lauten hier , d. i. du, und ) in die Reduplicationssilbe getreten und im Auslaute völlig ge - schwunden ». Es lässt sich leicht zeigen, dass diese Dinge unhaltbar sind. Das ē̇ in dė́mi, neben dem sogar dèmi vorkommt und neben dem dést steht (d. h. dĕst, denn ist nur Folge des Accents, Steigerungsvocal oder ältere Dehnung wäre ė), ist nichts anderes als eine Ersatzdehnung für * dedmi; weiterer Beweis dafür ist die moderne Form dedù; stünde dė́mi, wie Schleicher ansetzt, für * dėdmi, so hiesse es * dėdu; der kurze Vocal stimmt überdies zum slav. deždą = * ded-ją. Die andere Wurzel hat slav. praes. damĭ, dasī, dastĭ, damŭ u. s. w. für * dadmĭ u. s. f. Die Uebereinstimmung des Slavischen mit den litauischen Sprachen in dem Verlust des Wurzelvocals vor den Personalendungen muss nach aller ver - nünftigen Vergleichungsmethode Beweis genug sein, dass derselbe vor der Einzel - entwicklung von Slavisch und Litauisch vor sich gegangen ist; es konnte also auch im Litauischen kein Wurzelvocal besonderer Art in die Reduplicationssilbe treten, weil keiner mehr vorhanden war. Ferner zeigt die Uebereinstimmung des Preussischen und Slavischen in dem a der Reduplicationssilbe, dass dies noch der Vocal derselben war zur Zeit der engeren Gemeinschaft der litauischen und slavischen Sprachen. Mit einem Worte: das ů ist erst innerhalb des Li - tauisch-lettischen in der Reduplicationssilbe entstanden, und der Entwicklungsgang ist folgender: der inf. lautete ursprünglich nur wie preuss. dâtwei, dem entspräche, wenn keine Veränderungen vorgegangen wären, lit. * dō-ti (vgl. stō-ti zu stā). Daneben ist die Form - erhalten in dō-snùs (frei - gebig), dovanà (Gabe), padónas (Unterthan). Dovanà braucht ebensowenig wie das slavische abgeleitete Verbum davati aus W. du erklärt zu werden oder dajati aus W. di, es liegen hier alte Nomina * dā-va, * dā-ja zu Grunde. Wie die Sprache zwischen o und ů ins Schwanken gekommen ist, namentlich durch den dialektischen Wechsel dieser Vocale, beweisen auch die verschiedenen Schrei - bungen, Kurschat s. v. « freigebig » hat z. B. důsnùs, aber dovanà. So ist also dů́-ti aus * dō-ti entstanden. Als litauische Grundform des Präsens ist * dadmi anzusetzen. In den preussischen Katechismen wird die 3. sg. consequent dâst, die vereinzelt vorkommende 2. sg. dâse geschrieben, der Vocal der Reduplications - silbe ist also gedehnt (auch das slav. a in damĭ u. s. w. ist nach den früheren57i. Die Casus des Singulars.Bemerkungen über slav. a höchst wahrscheinlich als ā anzusetzen), im Litaui - schen demnach * dōst, daraus dů́st. Dass in einer litauischen Neubildung, wie dem Präteritum, dann als Wurzel zu Grunde gelegt ist, daher daviau, kann nicht Wunder nehmen; übrigens ist es auch noch die Frage, ob die Form nicht anders erklärt werden kann; preuss. dâuns part. praet. act. ist = * dā-vans.

Wenn auf diesem Wege nicht zum Ziele zu kommen war, giebt es für das lit. vìlkui, súnui, das slav. vlŭku überhaupt noch eine Möglichkeit der Erklärung? Nach den früheren Bemerkungen halte ich es für allein richtig, zunächst davon auszugehen, dass diese Formen wirkliche Dative, nicht Locative sind, erst wenn so keine Erklärung zu gewinnen ist, darf man vielleicht auf Locativformen zurück - gehen. Da sich nun die Entstehung des - ui der a-stämme aus - āi nicht begrün - den lässt, bleibt nur die Möglichkeit einer Entlehnung von den u-stämmen. Da auch im Slavischen keine Möglichkeit ist, von einem - āi direct auf - ū zu kommen, müssen hier ebenfalls die u-stämme zu Grunde gelegt werden. Aus alle dem folgt, dass als Grundlage der vorliegenden Formen zunächst eine wirkliche Dativ - form der u-stämme zu suchen ist. Da als solche im Slavischen eine alte Form als synovi = * sūnavai erhalten ist, kann, wenigstens für beide Sprachen zu - sammen, an diese nicht gedacht werden, sondern nur an die einzige mögliche Nebenform derselben, * sūnvai (analog den zend. Dativen auf - v-ē). Hätte man es nur mit dem Litauischen zu thun oder nähme zunächst nur auf dieses Rück - sicht, sowäre die Erklärung ziemlich einfach: altes * sūnvai kann nach litauischen Auslautsregeln zu der Gestalt * sūnvi führen, und es ist klar, dass die bestehende Form súnui geradezu mit derselben identificirt werden dürfte. Eine alte solche Dativform liegt wahrscheinlich wirklich vor in den preussischen Infinitiven wie dâ-twei (geben), worin man schwerlich etwas anderes erkennen kann, als den Dativ des Stammes dātu -, dessen acc. im Litauischen, auch im Preussischen wie im Slavischen, das sogen. Supinum bildet (důtu, dâtun, datŭ). Vom Standpunkt des Litauischen allein ist es vielleicht auch möglich, den dat. sū́nui unmittelbar an slav. synovi = * sūnavai anzuschliessen, nur nicht so, dass - av - vor ai (i) zu ů, u geworden wäre, sondern dass a vor v ausfiel und so die Form * sūnvai, * sūnvi entstand, aus der dann, wie eben bemerkt, sū́nui. Für wahrscheinlicher halte ich die Deutung aus * sūnvai. Man darf sich, nebenbei bemerkt, nicht durch die scheinbar gleichlautende litauische Locativform sūnùi irre führen lassen, sie ist nur eine moderne Verkürzung von sūnujè, wie man heutzutage auch mergój statt mergojè, akýj satt akyjè schreibt und mergó, aký spricht, der Unterschied ist nur, dass nach dem u das j sich in der Aussprache hält; daher auch der ad - verbiale loc. virszùi (oben) zu virszùs. Die weitere Entwicklung ergiebt sich für das Litauische dann ohne Schwierigkeit: Dativ und Locativ der msc. a-stämme, wenn als deren indogermanische Grundform * varkāi und * varkai feststehen, sind im Litauischen schwerlich aus einander gehalten, sondern werden beide * vilkë geworden sein. Da nun bei den u-stämmen die Formen aus einander ge - halten sind, ist die Entlehnung der Dativform auf - ui von den u-stämmen ein sehr natürlicher Vorgang. Da aber auf diese Weise sämmtliche msc. Dative auf altes - āi der Sprache beim Nomen abhanden gekommen waren, ist - ui auch58a. Declination der Nomina.auf das Masculinum des Pronomens übergegangen, daher támui; die preussische Form s-tesmu und die gleich auslautenden nominalen Dative des Preussischen werden unten zur Sprache kommen.

Wenn so auch die litauischen Formen erklärbar werden, so genügt doch die vermuthete Grundlage nicht, wenn man das Slavische herbeizieht, weil sich nicht beweisen lässt, dass ein Dativ * synu, wie er als Muster des vlŭku vorauszusetzen wäre, aus * sūnvai, überhaupt - ū aus - vai entstehen konnte. Mit vlŭku kommen wir nicht über * varkau, d. h. auf den u-stamm angewendet, * sūnau hinaus, und dies ist die Locativform (synu). Wenn sich so lit. vilkui, sūnui auf keine Weise mit slavischem vlŭku vereinigen lassen, so scheint es mir gerathen, trotz der scheinbaren Gleichheit der Formen, sie nicht gemeinsamer Entwicklung zuzuschreiben. Es ist nur der gleiche lautliche Grund, der hier wie dort zu einer Entlehnung von den u - stämmen ge - führt hat. Wir fanden im Slavischen den alten loc. * varkai als vlŭcě, der dat. * varkāi kann auch nur vlŭcě ergeben haben, die Formen müssen also einst, wie beim fem. in ženě, zusammengefallen sein. Dass beim fem. dieser Zustand be - stehen blieb, hat offenbar seinen Grund in der allgemein, wenigstens in älterer Zeit zu beobachtenden Abneigung, mit Analogiebildungen aus dem Genus heraus - zugehen; die etwa dafür zu Gebote stehende andere Kategorie femininaler Worte sind aber i-stämme, in denen ebenfalls dat. und loc. zusammengefallen sind. Denken wir uns also einen Zustand der Sprache, in welchem vlŭcě dat. und loc., aber daneben synovi dat., synu loc. war, so erscheint es uns als das am nächsten liegende, den Dativ als vlŭkovi zu entlehnen. Dies ist notorisch nicht geschehen; die Anführungen der Formen auf - u und - ovi freilich, wie sie z. B. auch bei Schleicher, Comp. 3 553 erscheinen, könnten zu dem Glauben veranlassen, seit alter Zeit seien beide als dat. sing. der a-stämme gleich gebräuchlich gewesen und stünden einfach neben einander; das widerspricht durchaus der Ueber - lieferung, das - ovi ist bei den a-stämmen anfangs nur ganz sporadisch vertreten und noch jetzt haben einzelne slavische Sprachen (Grossrussisch und Serbisch) es nicht. Man muss demnach einen andern Weg der Entwicklung suchen, den ich mir so denke: es wurde anfangs vielmehr der loc. vlŭcě durch vlŭku ersetzt, solche Uebertragungen gehen aber bekanntlich nicht mit einem male vor sich, die alte Form wird durch die neue nicht sofort verdrängt, sondern beide sind eine Zeit lang neben einander im Gebrauch. Da nun vlŭcě zugleich dativische Function hatte, kam auch vlŭku als Nebenform des Locativs zu dativischer Bedeutung; es bedarf aber einer Erklärung, warum dieselbe als Dativ fixirt wurde. Der Grund scheint mir im Pronomen zu liegen: der ursprüngliche dat. msc. * tomě = tasmai folgte dem Zuge des nominalen dat. -loc. vlŭcě und nahm ebenfalls die Form tomu an, diese kann aber nur dativisch verstanden werden, da der loc. tomĭ (= tasmin) ganz anders gebildet ist. Dieser beim Pronomen nothwendigen Fixirung verdankt dann auch beim Nomen das - u seine ausschliesslich dativische Bestimmung, während vlŭcě als loc. festgehalten ward. Ich vertraue auf diese verwickelte Auseinandersetzung deswegen mehr, als ich es sonst thun würde, weil sie sich wenigstens innerhalb sicherer oder höchst wahrscheinlicher lautlicher Vorgänge hält, und weil sie uns vor allen Dingen das scharfe Auseinanderhalten des Dativs59i. Die Casus des Singulars.und Locativs im Litauischen und Slavischen begreiflich macht, während dies bei der Annahme von lauter Locativformen ganz unverständlich bleibt.

In allem bisherigen sind die preussischen Formen unberücksichtigt geblieben, mit Absicht, weil die Declination in den Katechismen in Verwirrung gerathen ist und erst eine Sonderung der unrichtigen von den richtigen Formen vorgenommen werden muss. Diese sei hier kurz vorgenommen, sie ergiebt kein anderes Re - sultat als das eben gewonnene. Oben wurde beim gen. sg. eine vergleichende Zusammenstellung der Declination des fem. und msc. innerhalb der a-stämme gegeben und gezeigt, dass nur im nom. sg. ein constanter Unterschied festge - halten wird, die übrigen Casus alle gleichlauten können. Nun finden sich im Preussischen im Dativ der msc. a-stämme zwei Formen: waldniku wêldnikai, die letztere dem fem. Dativ gleichlautend. Scherer hält die Form auf - u für einen Instrum., der also missbräuchlich in dativischer Function angewendet wäre und formell sich dem lit. instr. vilku vergliche. Lautlich ist das ohne Zweifel möglich, denn der instr. von kas, stas lautet preuss. ku, stu, aber trotzdem ist jene Zu - sammenstellung unrichtig, denn im Preussischen lauten auch die pronominalen Dative stesmu, kasmu; das sind doch sicher keine Instrumentalformen und von den lit. támui, kámui nicht zu trennen. Wenn es ferner eine so deutliche Dativ - form des msc., die auf - ai, gab, was sollte die Sprache oder den deutschen Ueber - setzer veranlassen, dafür die Instrumentalform einzusetzen, für die er gar kein Sprachbewusstsein hatte? Es ist auch hier, wie mir scheint, sicher, dass die Formen auf - u die alten Dative des Preussischen sind, den litauischen auf - ui gleichzusetzen und so zu erklären, die auf - ai dagegen entweder in der Sprache wirklich vorkommende Anschlüsse an die femininale Declination oder Missver - ständnisse des Uebersetzers. *)Solche Annahmen können leicht denen, die diesen Studien ferner stehen, willkürlich erscheinen, und es bedürfte einer besonderen Abhandlung, um die Ungeheuerlichkeit der Uebersetzungsarbeit, wie die Katechismen sie bieten, nachzuweisen. Aber eine Notiz über die Entstehungsgeschichte derselben wird genügen, um auch dem Gläubigsten einen Zweifel an der Befähigung des Bearbeiters des Enchiridion, des ehrsamen Pfarrers Abel Will zu Pobeten auf Samland, zu erwecken. Derselbe schreibt an einen Amtsbruder 1554: « .... Ehrwürdiger lieber Herr Gevatter, es ist E. A. W. wohl wissentlich, was mir für eine Arbeit in Katechismo von Euch anstatt und auf Befehl fürstl. Durchlaucht unsers gnädigsten Herrn ist auferlegt wor - den. Nun hätte ich wohl verhofft, dass ich meinen Tolken (wie ich denn auch am nächsten mit E. A. W. darum geredet) bei dieser Arbeit geruhlich hätte brauchen wollen, damit solche Arbeit so viel schleuniger von Statten ginge, dieweil er sonderlich vor andern dieser Sprache wohl kundig, und auch darin von Gott mit sondern Gaben begabt. Aber ich weiss E. A. W. nicht zu bergen, dass der Weltfürst Satan (als ein sondrer Feind solcher heilsamen Werke) mit seinem Werkzeuge solches zu hindern in keinem Wege ablassen will. Denn der Haupt - mann in Grünhoff denselben Tolken vielfältig aufgeboten, dass er ins Schaarwerk hat ziehen müssen und ihm auch solches Schaarwerk auferlegt, das seine Vorfahren und auch er zuvor niemals haben thun dürfen. Nun hat er einige Schaarwerks-Tage versessen, insonderheit zu der Zeit, wenn ich bei ihm gewesen und er mir im Dolmetschen hat corrigieren geholfen. Ueber solchem hat ihm der Hauptmann Boten geschickt und zu sich in den Grünhoff diese ver - gangene Woche fordern lassen, und als er nun hineingekommen, hat ihn der Hauptmann aufs unglimpflichste angefertigt und übel abgefertigt mit Worten. Wie denn auch der arme Mann ganz betrüblich am nächst verschienenen Sonntag geklagt und öffentlich gesagt, er törste und konnte fort mehr in dieser Arbeit mir nicht helfen, wenn er solcher übeln Anfertigung vom

60a. Declination der Nomina.

Um keine der vorhandenen Locativformen zu übergehen, sei hier noch die eigenthümliche Bildung des Slavischen bei den consonantischen Stämmen ange - führt: kamen-e, mater-e, sloves-e, žrěbęt-e, crĭkŭv-e. Miklosich (Wien. Sitzungs - ber. Phil. hist. Cl. 1875, p. 68) ist geneigt, diese Form für den Genitiv zu halten, der also den Locativ ersetze, « wofür die in andern Fällen nachweisbare Verwandt - schaft beider Casus spricht ». Das Verhalten dieser Casus im Slavischen spricht nicht dafür, und ich könnte mir den Hergang nur so zurechtlegen, dass bei der Mischung der ursprünglich consonantisch flectirten Casus dieser Stämme mit den von den i-stämmen entlehnten Formen der consonantische Genitiv kamene als loc. verwendet wurde, weil bei den i-stämmen beide Casus zusammenfallen. Aber die Locative auf - e erscheinen in unserer Ueberlieferung entschieden als alter - thümliche, im Verschwinden begriffene Formen, ererbt aus einem älteren Sprach - zustand. Ich weiss sie nicht zu deuten noch zu vergleichen, denn die etwa mög - liche Zusammenstellung mit den aus dem Zend angegebenen Locativformen auf kurzes - a (- ja) ist so lange werthlos, als die mannichfachen Casusformen des Locativs, Dativs, Instrumentalis und Genitivs nicht im Zusammenhang behandelt sind, und ich mir wenigstens kein Urtheil zutraue, welche Formen als alt, welche als jung und entstellt anzusehen sind. Auch der Gedanke, dass vielleicht ein Zusammenhang des - e (= ă) mit der litauischen Locativendung - je (= ja) statt - finde, der Art, wie es sonst vorkommt, dass dieselbe Casusendung an vocalische Stämme mittelst j angefügt wird, an consonantische unmittelbar lässt sich weiter nicht begründen.

4. Accus. sing. msc., fem. ; nom. -acc. sing. ntr.

A. Acc. sing. msc., fem.

Die Form des Suffixes bei consonantischen Stämmen als - am, bei vocalischen als - m steht auch für unsere Sprachen als Grundform fest, aber in keiner der drei Familien ist m als solches erhalten: das Germanische hat den Consonanten, wo er überhaupt erhalten ist, als n, got. þa-n-a, im Litauischen ist er wie jedes auslautende m zu n geworden, acc. sg. vilka-n, vgl. gen. pl. vilkūn, so schon im Preussischen des Vocabulars wie der Katechismen. Das Slavische lässt nicht er - kennen, ob den aus nasalen Silben entstandenen kurzen oder langen einfachen Vocalen und Nasalvocalen der Auslaut m oder n zu Grunde liege. Es kann so höchstens als eine Möglichkeit ausgesprochen werden, dass die Wandlung von m*)Hauptmann viel dulden und tragen sollte. Dieweil aber mir (als einem einzelnen Manne) solches unmöglich ist, solchen Katechismus in preussische Sprache zu bringen, und mir der Hauptmann durch seine Bedrohungen und Tyrannei den Tolken abhändig gemacht, will ich E. A. W. aufs dienstliche gebeten haben, mir doch hierin zu rathen, wessen ich mich ferner halten soll in dieser Sache » u. s. w. (Notiz zur Geschichte der Uebersetzung des Luth. Katech. in das Preuss. Mitgeth. von A. Meckelburg, N. Pr. Provinzialbl. Andr. F. VII). Eines Com - mentars bedarf dieser Text wohl nicht: der Pfarrherr konnte gar nicht oder sehr schlecht preussisch, und dass seinem Dolmetscher, der doch höchstens ordentlich plattdeutsch ver - stehen konnte, die Sprache des Katechismus klar gewesen, wäre eine sehr kühne Annahme; die beiden haben zusammen die Arbeit gemacht und das Resultat ist darnach.61i. Die Casus des Singulars.in n einer gemeinsamen Entwicklung angehöre; sie kann ebensowohl in der Einzelsprache erst eingetreten sein: im Griechischen ist sie vorhanden, im Ita - lischen nicht; und selbst in modernen slavischen Dialekten kommt es vor, dass die secundär in den Auslaut getretenen m zu n werden.

Die Formen der vocalisch auslautenden Stämme bieten nicht die mindeste Schwierigkeit, die einfache Zusammenstellung beweist ihre Zusammengehörigkeit, zugleich aber auch die Unwichtigkeit derselben für die specielle Vergleichung des Germanischen und Litauisch-slavischen. Nur der Vollständigkeit wegen seien sie hier mit angeführt.

i-stämme:

  • got. anst = * ansti-n,
  • lit. nakti̧ = nakti-n (so dialektisch noch),
  • slav. noštĭ = * nokti-n oder-m.

u-stämme:

  • got. sunu = * sunu-n,
  • lit. súnų = sūnu-n,
  • slav. synŭ = * sūnu-n oder-m.

a-stämme:

  • msc. got. vulf = * vulfa-n,
  • lit. vìlką = vilka-n,
  • slav. vlŭkŭ = * velka-n oder-m,
  • fem. got. giba = * gibā-n,
  • lit. mérgé = merga-n, verkürzt aus * mergā-n; vgl. preuss. gena-n,
  • slav. ženą = * genā-n, - m.

Das Slavische giebt den Beweis, dass die Verkürzung des Auslauts beim Femi - ninum erst innerhalb des Litauischen selbst stattgefunden haben kann, da slav. - ą nur = ām, ān sein kann.

Was die consonantischen Stämme betrifft, so hat das Germanische die bekannte alte Form, got. brôþar = * brôþar-am. Dem heutigen Litauischen fehlt sie ganz, es ist dafür die Analogie der i-stämme eingetreten (ákmeni̧, móteri̧); sehr wohl möglich ist es aber, dass im Preussischen der alte Accusativ erhalten ist in kermenen, kermnen, kermenan (St. kermen -, Leib). Denkbar bleibt dabei freilich ein Ueber - gang in die a-stämme, bei denen auch zuweilen statt - an - en geschrieben wird, z. B. waldǻnen (nom. sg. waldǻns), laisken (nom. sg. laiskas); man muss indess im Auge behalten, dass sonst im Gebiet des Slavischen und Litauischen wenig Nei - gung besteht, die ursprünglich consonant. Stämme in a-stämme überzuführen.

Eigenthümlich verhält sich hier das Slavische: anstatt eines ursprünglichen * akman-am, mātar-am u. s. f. hätte man * kamenŭ, * materŭ erwarten sollen, wie denn sonst jedes auslautende - am zu - ŭ wird; die vorhandenen Formen aber, so - weit der Casus nicht nach Weise der i-stämme gebildet wird (kamenĭ, materĭ), lauten kamen-e, mater-e, crĭkŭv-e, und weichen von den sonstigen Gestaltungen des Accusativs ganz ab. Es liegt natürlich sehr nahe, das auslautende - e für den Rest des - am zu halten und sich dabei etwa auf das Griechische zu berufen, das die Accusativendungen der verschiedenen Stämme verschieden behandelt:62a. Declination der Nomina.* varkam λύκο-ν * mātar-am μητέρ-α. Allein so einfach kann dieser Ver - gleich doch nicht gebraucht werden: im Griechischen werden auch sonst die aus - lautenden - am gleicher Bildungen verschieden behandelt, z. B. ἔφυγον neben ἔδειξα, während im Slavischen der Auslaut beider Aoristformen gleich ist: vezŭ = * avagham, bychŭ = * a-bhū-sam; ausserdem ist das Schwinden des ur - sprünglichen Nasals im Auslaut von Accusativen wie μητέρα im Griechischen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel; es liegen also hier ganz speciell griechische Lautwandel vor. Dass in den europäischen Sprachen nicht etwa eine allgemeine Tendenz vorhanden war, den acc. der consonantischen Stämme von dem der msc. a-stämme getrennt zu halten, geht z. B. aus dem Oskisch-umbrischen hervor, wo - om für beide die Endung bildet (umbr. curnaco [m] wie puplu [m]). Es bleibt daher in Betreff der slavischen Sprachen immer ein Recht zu zweifeln, ob jene Formen auf - e wirkliche Accusative sind. Leider ist die slavische Grammatik nicht in dem Zustande, dass man über das Vorkommen der einzelnen Formen in den älteren Quellen eine Uebersicht erlangen könnte; was ich geben kann, lässt den Zweifel bestehen oder vermehrt ihn. Im Assemanischen Evangelistar kommt nicht ein einziger Accusativ auf - e vor (s. Assemanov ili Vatikanski Evangelistar. Jzd. Dr. Fr. Raěki. Uvod Jagicá p. XLV), während die Genitive und Locative auf - e gebräuchlich sind; die Accusative haben nur die Form: kamenĭ, materĭ, ljubŭvĭ, also i-formen. Im Ostromirschen Evangelium steht der häufiger vor - kommende Accusativ von kamy nur als kamenĭ und ebensowenig kommt von anderen n-stämmen ein Accusativ auf - e dort vor. Nun giebt es allerdings Quellen, in denen Formen auf - e in accusativischer Function von jeder Art con - sonantischer Stämme reichlich vertreten sind, z. B. der codex Suprasliensis. Ver - gleicht man mit diesem Stande den des Ostromirschen Evangeliums, so stellt sich heraus, dass im letzteren der acc. zu kamy neunmal und nur in der Form kamenĭ erscheint, der acc. zu mati elfmal und zwar achtmal als matere, dreimal als ma - terĭ, während der gen. kamene vorkommt wie der gen. matere. Jedenfalls ist dies ein auffälliges Verhältniss, das mich längst auf den Gedanken gebracht hat, der acc. matere sei nichts anderes als die Genitivform, und die Anwendung des - selben als Accussativ, wie auch bei dŭštere, hervorgegangen aus der Neigung des Slavischen, bei Bezeichnungen lebender Wesen den Genitiv statt des Accusativs zu gebrauchen. Diese Neigung beschränkt sich in der neueren Entwicklung der slavischen Sprachen, wenigstens im Singular, auf das Masculinum, aber noch in der Zeit, aus der unsere ältesten Quellen stammen, war sie nicht durchgebildet: der wirkliche acc. sg. msc. Belebter ist häufig neben dem gen. Was für Gründe nun auch zusammengewirkt haben mögen, um gerade bei den belebten Masculinis die Vertretung des Accusativs durch den Genitiv zu bewirken, als einen haupt - sächlichen wird man sich vorstellen müssen, dass gerade bei der im Slavischen ganz freien Wortstellung im Satze eine neue Scheidung von Subjects - und Ob - jectscasus (die ja lautlich zusammengefallen waren) bei jener Kategorie von Worten am meisten Bedürfniss war. Das trifft die Worte mati und dŭšti nicht, aber ein acc. * materŭ musste mit dem gen. pl. materŭ zusammenfallen und es kommt hinzu, dass die beiden Worte dem verlorenen msc. * brāti (preuss. brâti,63i. Die Casus des Singulars.lit. brōter-ė́lis) völlig gleich flectirt wurden, während sie später, wo die Formen ihrer Casus andern Analogien folgen, sich wieder ganz den übrigen Femininen anschliessen. Der Analogie von matere, dŭštere als acc. entstammt dann der Gebrauch der Genitivformen auf - e bei den übrigen consonantischen Stämmen in accusativischer Function, wobei wieder zu beachten ist, dass die Worte auf - y, gen. - ŭv-e alle Feminina sind wie mati, dŭšti. So hätten wir denn überhaupt keine ursprünglichen Accusativformen auf - e, und die räthselhafte Ausnahme fiele weg. Ich gebe indess das vorstehende unter dem Vorbehalt, dass eine ge - nauere Untersuchung der Quellen vielleicht zu einer andern Auffassung führen mag. Nur eins sei hier noch angeführt als ein Hinweis darauf, dass der Sprache die wirkliche ursprüngliche Accusativform der consonantischen Stämme wahr - scheinlich verloren gegangen ist: schon in altbulgarischen Quellen, z. B. im Asse - manischen Evangelium, kommt es vor, dass die Nominativformen wie ljuby (gen. ljubŭve) neben der gewöhnlichen Accusativform ljubŭvĭ (i-form) auch als Accu - sative verwendet werden, und im Serbischen, noch bei dalmatinisch-chorva - tischen Dichtern des 16. Jahrh. werden die echten Nominativformen der n-stämme, wie kami (= kamy) häufig genug accusativisch gebraucht. So gut wir nun wissen, dass kamenĭ und kamy in accusativischer Bedeutung nur den verlornen alten Ac - cussativ ersetzen, so gut ist es denkbar, dass auch kamene ein solcher Ersatz, in Wirklichkeit also Genitivform ist.

B. Nom. -acc. sing. neutr.
a) Die consonantischen Stämme.

Die Vergleichung muss sich hier auf das Germanische und Slavische be - schränken, da dem Litauischen das Neutrum bis auf geringe Reste abhanden ge - kommen ist, die überdies der vocalischen Declination angehören.

Vergleichbar sind hier nur - n und - as-stämme: was im Slavischen von con - sonantischen Formen mehr da ist, fehlt dem Germanischen in dieser Gestalt. Da in letzterem auch die - as-stämme zum Theil in die Analogie der a-stämme über - gegangen sind, bleiben als unmittelbar einander gegenüberstehende Formen nur die der - n-stämme. In beiden Familien hat der nom. acc. sg. eine auffallende Gestalt: das Deutsche weicht mit der Dehnung des Vocals in hairtô, vatô von allen andern indogermanischen Sprachen ab; eine rein lautliche Erklärung giebt es für diese Abweichung nicht; man könnte, um innerhalb des Germanischen zu bleiben, geneigt sein, eine Uebertragung der Länge aus dem Plural haírtôna an - zunehmen, allein auch hier ist die Länge durch den Hinweis auf sanskr. - māni, zend. dāmãn kaum als ursprünglich zu erweisen, da die letzteren Formen im Zusammenhang mit dem räthselhaften manā̆si u. s. w. betrachtet werden müssen. Sehr auffällig ist es nun, dass im Slavischen die Gestalt des nom. -acc. imę, znamę sich nur aus einer vorausgehenden Gestalt * imēn, * znamēn erklären lässt. Wäre, wie in den südeuropäischen Sprachen und in den arischen, der un - veränderte Stamm * anman, in slavischer Form * inmen (daraus īmen) verwendet64a. Declination der Nomina.worden, so hätte das nothwendig * ime, * zname geben müssen. Nie wird eine Kürze mit Nasal zum Nasalvocal, und es berechtigt uns nichts, von einem sonst allgemein gültigen Gesetz zu Gunsten jener Form eine Ausnahme anzusetzen, zu - mal da Formen wie * ime, * zname der Sprache ganz wohl hätten passen können. Die Dehnung kann nun nicht, wie möglicherweise im Germanischen durch eine Uebertragung aus dem Plural erklärt werden, da sie innerhalb des Plurals im Slavischen nicht vorkommt, nom. -acc. imĕna und so in allen Casus. Die Reste dieser Neutra im preussischen Vocabular wundan, dadan (Milch), semen (Same) geben keinen Aufschluss (Pauli in den Beitr. VII, 202, 204); ich möchte indess glauben, dass wir in dem letzten Beispiel wegen des e die ächte alte Form haben, die beiden ersteren dagegen den Neutris der a-stämme (preuss. - an) gefolgt sind, ähnlich wie in Katech. III pecku, die richtige alte Form, auch durch peckan ver - treten wird; die Quantität des e der Endsilbe ist aber nicht zu bestimmen. Die übrigen Sprachen verfahren so mit dem Suffix - man, das hier fast allein in Betracht kommt, dass keine Dehnung eintritt: arisch nom. -acc. - ma mit Abfall des - n, lat. - men und ebenso im Altirischen - min, nom. ainm (Name) = * an-min. Eine ganz merkwürdige Ausnahme macht bei diesem Suffixe bekanntlich das Grie - chische: während im Arischen, Lateinischen, Litauischen, Slavischen die An - wendung des neutrale Verbalnomina bildenden - man sehr häufig ist, wird dies im Griechischen durch - μα, - ματ-ος vertreten. Es liegt freilich sehr nahe, im Anschluss an das latein. - men-to - und ähnliche Weiterbildungen andrer Sprachen dem Griechischen ein Suffix - manta - unterzulegen, das dann zu - mant - verkürzt wäre oder seit alter Zeit diese Nebenform gehabt hätte und endlich zu - man der andern Sprachen geworden wäre. Allein sieht man Worte wie slav. sěmę, St. sēmen -, lit. sėmů́, St. sēmen -, lat. sēmen, althd. sâmo, St. sāmin -, so bleibt doch kein anderer Schluss, als dass - man in dieser Gestalt und Anwendung indoger - manisch sei und nicht einzelsprachlich, dass aber, wo eine Einzelsprache eine verwandte abweichende Form zeigt, diese einer besonderen Entwicklung, einer Neubildung zuzuschreiben ist. Ausserdem kommt hier noch hinzu, dass die Form des Griechischen doch nicht zu einem angenommenen - mant - stimmt: es ist schon schwer zu begreifen, warum ein solches in den obliquen Casus zu - ματ - wird, ganz unverständlich aber der nom. - μα, da eine Form auf - μαν, wie sie z. B. nach πᾶν oder part. ntr. λῦσαν zu erwarten war, völlig den Lautgesetzen gemäss ist und innerhalb der deutlich verständlichen Bildungen liegt. Die nähere Ver - folgung der griechischen Eigenthümlichkeit würde hier zu weit führen, sie wurde nur herangezogen, um den Gedanken, die slavische Form auf - sei vielleicht aus einer volleren Form - mant abzuleiten, als unrichtig nachzuweisen. Es bleibt nichts übrig, als die beiden Thatsachen, die Länge des Vocals im Germanischen und die im Slavischen, hinzunehmen; ob dieselbe älter sei als die Entwicklung der einzelnen Familien, lässt sich nicht erkennen; die Vermuthung bleibt aber offen, dass es der Fall sei, namentlich wenn man die von Delbrück Ztschr. XXII, 272 besprochenen vedischen nom. sg. ntr. auf - hinzuzieht. Ueber die Be - deutung dieser wage ich keine Entscheidung, die Sache bedarf noch von Seiten der vedischen Grammatiker aus einer näheren Untersuchung.

65i. Die Casus des Singulars.

Denken wir uns für Germanisch wie Slavisch als Grundform ein * sāmān, so ist im Germanischen die Weiterentwicklung ganz regelrecht, im Slavischen Uebergang des ā in ē anzunehmen, also * sēmēn, und zwar ehe die Bildung der Nasalvocale eintrat, weil sonst * sěmą entstanden wäre. Mag man aber über das Alter der Länge denken, wie man will, so zeigt sich doch hier eine Neigung, die in den europäischen Sprachen auch sonst hervortritt: den nom. acc. ntr. der con - sonantischen Stämme, der ja, ohne Suffix, ursprünglich dem einfachen Stamme gleich ist, doch von diesem zu scheiden.

Diese Neigung wird am klarsten bei den - as-stämmen: während das stamm - bildende Suffix in sämmtlichen indogermanischen Sprachen Europas in allen andern Casus zu - es - wird, lautet es griechisch, lateinisch, slavisch im nom. -acc. sing. - os (slavisch als - o), zum sichern Zeichen, dass hier in allen Sprachen - as erhalten blieb, also eine europäische Grundform dieses Casus z. B. als * nebhas anzusetzen ist, woraus im Griechischen νέφος, im Slavischen nebo. So erklärt sich die sla - vische Form des nom. -acc. sg. ganz einfach, und ist nicht, wie Schleicher, Comp. 3 526 meint, durch Anschluss an die neutralen a-stämme entstanden; der Vorgang ist vielmehr, wie weiter unten auszuführen, gerade umgekehrt gewesen.

Der Verlust der consonantischen Declination dieser Stämme im Germanischen begreift sich ohne weiteres, wenn man die zu erschliessende ursprüngliche Flexion neben die eines neutralen a-stammes stellt:

  • as-st. nom. -acc. * agas, musste zu * ags werden,
  • gen. * agisas, musste zu agis werden, so erhalten,
  • loc. -dat. * agisi, musste zu * agis werden,
  • [dat. * agisai, musste zu agisa werden],
  • plur. nom. -acc. agisā, erhalten als agisa,
  • gen. agisē = * agis-ām, so erhalten,
  • dat. agisam, vocalische Form, aber auch bei andern consonantischen Stämmen durchgedrungen.

Die Pluralformen fallen also in der Flexion ganz mit denen des a-stammes: vaurda, vaurdê, vaurdam zusammen, der gen. sg. ebenso mit vaurdis, und dieser Um - stand würde schon genügen, um den völligen Uebergang in die a-stämme zu er - klären; es kommt noch dazu, dass eine neutrale Form wie * ags mit s hinter Consonant, die nach Wirkung des vocalischen Auslautsgesetzes mit dags zu - sammenfiel, dem Sprachgefühl ganz fremdartig erscheinen musste.

Innerhalb der Participial - und Comparativstämme bietet sich im Germani - schen wegen der Annahme der sogenannten schwachen Declination nichts ver - gleichbares; dennoch müssen wir bei denselben kurz verweilen wegen einer Aufklärung über die Formen des Slavischen und Litauischen. Im Slavischen wird der nom. -acc. ntr. der part. praes. act. und praeter. act. dem nom. sg. msc. gleichlautend gebildet: nesy, nesŭ, und das ist lautlich völlig erklärlich, ein - ant, - ans des Neutrums kann im Slavischen zu nichts anderem führen, als wozu - ants, - anss des msc. geführt hat, zu y und ŭ, das Litauische, bei dem wir in diesem Falle das Neutrum erhalten haben, bewahrt den Unterschied der Genera, da es das s des msc. bewahrt, msc. sukąs, sukęs, ntr. suką, sukę, der Vocal des Suf -Leskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 566a. Declination der Nomina.fixes ist der nämliche für beide Genera, wie im Slavischen. Consequenter Weise würde man nun im Slavischen denselben Gleichklang des msc. und ntr. auch beim Comparativ erwarten, also mĭnjĭ, dobrějĭ für beide, da es nicht abzusehen ist, wie - jans-s des msc. und - jans des ntr. lautgesetzlich auseinandergehalten wer - den konnten. Trotzdem dienen die angeführten Formen nur dem msc., während das Neutrum mĭnje, dobrěje hat. Schleicher, Comp. 3 466 bemerkt zu den letz - teren: « die alte consonantische Form ist nur erhalten im nom. sg. ntr. und msc., ntr. mĭnje, Gdf. * man-jas, vgl. lat. minus für * minius ». Hier ist also und zwar nach dem Latein und Sanskrit, das Germanische kann die Annahme stützen, die Suffixform als jas angesetzt, und daraus entsteht allerdings - je ganz regelrecht. Allein jene Annahme hat ihre Bedenken gegen sich, weil im Slavischen weder die Declination des Comparativs noch die der Participialstämme auf einen Unter - schied der sogenannten schwachen und starken Casus führt, die Form der stamm - bildenden Suffixe ist überall dieselbe. Ich meine daher, dass die Sache etwas anders liegt. Schleicher hat a. a. O. ganz richtig erkannt, dass die in den Gram - matiken paradigmatisch angesetzte Form des nom. sg. msc. mĭnjijĭ, мьн̑ий oder, um Miklosichs Beispiel zu nehmen, boljijĭ, бол̑ий, die der zusammengesetzten Declination sei, also = boljĭ + mit der immer eintretenden Dehnung des ĭ vor j zu ī. Nun scheidet zwar Miklosich, vgl. Gr. I, 77, den bestimmten, zu - sammengesetzten nom. sg. msc. durch die Schreibung бол̑ии, d. i. boljījī, wie von добрѣй = dobrějĭ als unbestimmter Form die bestimmte добрѣи, d. i. dobrějī, allein die Scheidung ist, da überhaupt das in den alten Quellen nicht geschrieben wird, willkürlich und grammatisch geradezu unbegreiflich. Auf jeden Fall muss bei der bestimmten Form - й = - im Auslaut stehen; nimmt man nun, wie Miklosich thut, бол̑ий, добрѣй als unbestimmte Form, so könnte daraus als bestimmte nur hervorgehen boljījĭ + , mit Dehnung des ĭ vor j boljījī-jĭ; daraus kann durch eine Dissimilation, wie sie öfter vorkommt, das eine ausgefallen sein, dann bliebe boljījĭ, бол̑ий, es kann aber nicht das letzte (das überall erhalten wird) verloren gehen, so dass boljījī, бол̑ии, übrig bliebe. Ebenso würde aus do - brějĭ + mit der Dehnung dobrějī-jĭ, also eigentlich zu schreiben добрѣий; und es ist auch hier denkbar, dass das mittlere ausfällt, also dobrějĭ, добрѣй, entsteht, nicht aber, dass abfällt und die Gestalt добрѣи = dobrějī die definitive wird. Kurz, mit diesen Ansetzungen Miklosichs ist nichts zu machen; alle Schwierigkeiten verschwinden dagegen, wenn man mit Schleicher die scheinbar unbestimmte Form boljījĭ, болий, als die bestimmte ansieht. Wie man zu der falschen Ansetzung derselben als unbestimmter gekommen ist, begreift sich ja leicht, wenn man bedenkt, dass der Comparativ äusserst selten überhaupt in unbestimmter Form vorkommen kann. Ist daher aus mĭnjī-jĭ, мьн̑ий als eigentliche Nominativform mĭnjĭ herauszunehmen, so möchte ich glauben, dass diese Form ursprünglich auch dem Neutrum zugekommen sei und die gebräuchlichen dobrěje, mĭnje eben - falls der bestimmten Declination zuzuzählen sind, also entstanden wären aus * dobrějĭ-je, mĭnjĭ-je mit Ausfall des ĭ. Es ist unschwer zu erklären, dass später diese Formen auch unbestimmt oder adverbiell gebraucht worden sind; die be - queme Unterscheidung vom msc. musste dazu leiten und ausserdem der Anschluss67i. Die Casus des Singulars.an die adjectivischen ja-stämme, deren nom. -acc. sg. ntr. in unbestimmter Form eben auf je ausgeht. Miklosich giebt zwar die bestimmte Form des Neutrums als болѥѥ, boljeje, was also eine nicht zusammengesetzte Form болѥ, bolje, vor - aussetzen liesse; allein gegen die Ursprünglichkeit dieser Form muss uns bedenk - lich machen, dass keine entsprechende добрѣѥѥ, dobrějeje existirt, sondern nur добрѣйшєѥ, dobrějĭšeje, d. h. von dem durch - ja - erweiterten Stamm auf - jans-ja -, der den obliquen Casus zu Grunde liegt, noch mehr aber den Umstand, dass der acc. als бол̑ьшєѥ (boljĭšeje) von dem nom. болѥѥ, boljeje differiren soll, was unmöglich ursprünglich sein kann. Mir scheint daher boljeje nur eine missverständliche, erst aus dem an sich schon zusammengesetzten bolje neu com - ponirte Form zu sein. Demnach wäre der ursprüngliche nom. -acc. ntr., den wir dem msc. gleich als * boljĭ voraussetzen, dem Slavischen in dieser einfachen Ge - stalt verloren gegangen und nur aus dem componirten bolje herauszuanalysiren.

Eine Vergleichung mit den gotischen Adverbialformen wie hauhis, mins, mais u. s. w. unterlasse ich, weil nicht auszumachen ist, ob hier wirklich acc. sg. ntr. oder ein anderer verstümmelter Casus zu Grunde liegt.

b) Die vocalischen Stämme.

In keiner der drei Familien finden sich neutrale i-stämme; im Deutschen und Litauischen noch schwache Reste neutraler u-stämme, die dem Slavischen ganz fehlen, neutrale a-stämme in allen dreien, wenn auch innerhalb der litaui - schen Familie reichlicher nur im Preussischen, im Litauischen selbst ver - einzelter.

Betrachten wir zunächst die u-stämme: die gotischen Formen wie faíhu, filu u. s. w. verglichen mit den adverbiell angewendeten acc. ntr. litauischer Ad - jectiva wie saldù und den preussischen Beispielen alu (Bier), meddo, d. i. medu, des Vocabulars, dem pecku, d. i. peku, der Katechismen geben geradezu die Grund - formen, die skr. madhu, griech. μέϑυ entsprechen. Im Slavischen musste nun aus medu medŭ werden, d. h. die Form des nom. -acc. ntr. dieser Stämme fiel mit dem nom. acc. msc. synŭ = sūnus, sūnum, nothwendig zusammen, und das ist der Grund, weshalb im Slavischen das Neutrum dieser Stammclasse ver - schwunden ist. Es hätte sich allerdings ein Unterschied im Plural erhalten können; dass auch dieser nicht vorhanden ist, wird sich einfach daraus erklären, dass die einzigen slavischen u-stämme, die als ursprüngliche Neutra bestätigt werden durch die verwandten Sprachen, medŭ und olŭ (Bier, germ. alu, ntr.) Stoffnamen sind, die kaum je im Plural vorkommen.

In Betreff der a-stämme ist für das Germanische nichts besonderes hervor - zuheben, ebensowenig für das Litauische: die ursprünglich bereits mit dem acc. sg. msc. identische Form wird wie dieser behandelt: got. vaúrd = * vaúrdam, wie vulf = * vulfam; lit. géra (nur adverbiell angewandt: gut), eigentlich gérą, wie vìlką, und preussisch im Vocabular kelan (Rad), lunkan (Bast) u. s. w. (s. Pauli, Beitr. VII, 201). Ganz verwunderlich dagegen ist die slavische Form mit dem auslautenden o, igo (jugum), kolo, dělo. Nach Schleichers Bemerkung Comp. 3 527 scheiden die Neutra des Slavischen den « acc. sg. vom acc. sg. des msc.,5*68a. Declination der Nomina.indem sie den vollen Stammauslaut o zeigen, während ihn das msc. zu ŭ schwächt »; aus dem Anschluss an diese Form der a-stämme erklärt Schleicher, wie oben erwähnt, auch die der - as-stämme, nebo. Für die letztere giebt es aber eine befriedigende Deutung aus der allgemein europäischen Gestalt der - as - stämme, während es völlig unbegreiflich ist, wie aus einem - am im Auslaute im Slavischen o werden konnte. Nirgends in den indogermanischen Sprachen findet sich eine Scheidung in der Behandlung des nom. -acc. ntr. und des acc. msc. dieser Stämme. Auch im Slavischen muss das Neutrum unmittelbar vor dem Eintritt der speciell slavischen Entwicklung der Auslautsgesetze auf - am oder - an ausgelautet haben, und es ist nur eine Verwandlung dieser Verbindung im Aus - laut bekannt, die zu - ŭ. Es giebt daher nach meiner Ansicht nur eine mögliche Erklärung des o, die, dass alle neutralen a-stämme im Slavischen die Nom. -acc. - form der - as-stämme angenommen haben. Diese Uebertragung ist ganz einfach, wenn man von der regelrecht zu erwartenden Form auf - * ŭ ausgeht und dabei den Plural in Betracht zieht; in letzterem bleibt der Unterschied vom msc. ge - wahrt und konnte lautgesetzlich nicht aufgehoben werden: msc. vlŭci, ntr. iga, dort nom. -acc. sg. vlŭkŭ, hier ebenfalls * igŭ; iga deckt sich aber in der Endung mit nebes-a, und das Gefühl, dass zu dem Plural auf - a ein Singular auf - o ge - hört, liess diese Entsprechung auch bei a-stämmen eintreten. Es ist hier ein Zug, der sich in der modernen Entwicklung der slavischen Sprachen fortwährend wiederholt: das Formengefühl bleibt durch gewisse, lautgesetzlich unantastbare Formen so lebendig, dass, wo in einer Stammclasse ein Zusammenfallen eintritt, immer das Bestreben herrscht, durch Entlehnung einer deutlich gebliebenen Form derselben Bedeutung aus einer andern Stammclasse den ursprünglichen Unterschied, wenn auch mit andern Mitteln, aufrecht zu erhalten. Es beschränkt sich übrigens in diesem Falle der Anschluss an die - as-stämme nicht auf den nom. acc. sg. allein: von igo, das doch, wie die Uebereinstimmung von jugam, ζυγόν, jugum, juk zeigt, ursprünglich sicher nicht mit Suffix - as gebildet ist, kann man vom specifisch slavischen Standpunkt nicht einmal sagen, ob es - as - oder - a - stamm sei, der gen. sg. heisst ebensowohl ižese wie iga, nom. plur. ižesa wie iga, von lože (Lager) giebt es eine Ableitung ložes-ĭno (uterus), obwohl jenes sicher nicht - as-stamm ist, ebenso von dělo. gen. děla und dělese, von lice plur. lica und ličesa u. s. f. Umgekehrt kommen von wirklichen alten as-stämmen, wie sloves - (= skrt. çravas, griech. κλεϝεσ -) von unsern ältesten Quellen an auch die Casusformen der a-stämme vor, gen. slova, dat. slovu, plur. slova, wenn auch in älterer Zeit seltener. Es ist leicht verständlich, dass die schon ursprüng - lich viel zahlreicheren a-stämme, zu denen alle Adjectiva gehören, da Adjectiv - stämme auf - as - im Slavischen nicht mehr vorkommen, in der weiteren Geschichte der Sprachen die Casusformen der - as-stämme ausser dem nom. -acc. sg. mehr und mehr verdrängen, sodass diese in den modernen slavischen Sprachen selten werden. Die allgemeine Annahme einer neutralen Nominativform auf - o wurde noch durch einen andern Umstand befördert: das Neutrum der Pronomina wie to darf schwerlich anders als aus ursprünglichem ta-d erklärt werden, wenigstens haben wir bei dem Consens des Arischen, Griechischen, Italischen, Germanischen69i. Die Casus des Singulars.vollkommen das Recht dazu; aus tad konnte, da das a im Europäischen nicht zu e wurde, nur to entsehen und von hier aus mochte namentlich die Einwirkung auf die Adjectiva vor sich gehen. Natürlich steht bei allen solchen Untersuchungen Hypothese gegen Hypothese: wenn ich mich aber frage, ist es wahrscheinlicher, dass hier ein unerklärlicher Lautübergang, verstossend gegen ein sonst aus - nahmslos befolgtes Gesetz stattgefunden hat, oder dass eine Analogiebildung, der - gleichen gerade in den slavischen Sprachen so ungemein häufig sind, vorliegt, so kann ich nicht umhin, die letztere Annahme für weit rationeller zu halten.

Auch beim acc. sg. hat sich so die Untersuchung auf das Detail der Einzel - sprachen einlassen müssen, ohne etwas zur Bestimmung des Verhältnisses von Germanisch zu Slavisch-litauisch zu gewinnen ausser der Möglichkeit, dass die Dehnung des Suffixvocals im nom. -acc. sg. ntr. der - as-stämme etwas diesen Familien gemeinsames sei.

5. Instrumentalis singularis.

Bekanntlich unterscheidet sich in diesem Casus das Slavisch-litauische, wenn wir das Germanische, dessen Formen controvers sind, zunächst bei Seite lassen, vom Arischen durch die Anwendung eines hier nicht vorkommenden Suffixes - mi (= bhi, über die Erklärung des m = bh s. u. die Pluralcasus); es erscheint im Sla - vischen vielleicht bei allen Stämmen, im Litauischen nur bei den femininalen ā - stämmen nicht; diese letzteren haben im Litauischen das im Arischen allgemein gültige - ā, welches im Slavischen bei denselben Stämmen, wenn auch verdunkelt, zu finden ist. Dass übrigens im Indogermanischen einst auch - bhi als Instrumental - suffix des Singulars häufiger oder allgemein war, lassen die griechischen Beispiele mit - φι und Präpositionen wie abhi, ἀμφὶ, ob, umbi u. s. w. vermuthen (s. Schleicher, Comp. 3 563).

Die Formen der verschiedenen Stammclassen sind meist leicht verständlich:

  • cons. Stämme lit. msc. akmeni-mì,
  • fem. mōteri-mì,
  • slav. msc. kamenĭ-mĭ,
  • fem. materī-ją,

alle Formen den i-stämmen entlehnt.

  • u-stämme lit. sūnu-mì,
  • slav. synŭ-mĭ,
  • i-stämme lit. msc. genti-mì,
  • fem. aki-mì, akià,
  • slav. msc. pątĭ-mĭ,
  • fem. kostĭ-ją, kostī-ją,
  • a-stämme lit. msc. vilkù,
  • slav. vlŭko-mĭ,
  • lit. fem. galvà,
  • slav. glavoją.

Die einzigen Formen, die einer[Erläuterung] bedürfen, sind die des lit. msc. a-stammes, die des lit. fem. ā-stammes und die slavischen Femininalformen. 70a. Declination der Nomina.Geht man bei den letzteren von der starken Uebereinstimmung mit den arischen Formen auf - a-jā in dem j und der Kürze des Stammauslautes aus, so kann man nicht umhin, Bopps sinnreiche Erklärung (vgl. Gr. 3 II, 539) wahrscheinlich zu finden, wornach - o-ją = - a-j-ā-mi, also an die fertige Instrumentalform auf - ā noch einmal Suffix - mi angetreten sein soll (vgl. auch Schleicher, Comp. 3 564). Diese zweite Anfügung wäre zu erklären aus der sonst allgemeinen Verbreitung des - mi. Freilich bleibt dabei eine lautliche Schwierigkeit, der Abfall des auslauten - den i; ursprünglich auslautende Vocale fallen bekanntlich im Slavischen nicht ab. Schleicher vergleicht ihn mit dem Abfall des i in der 1. sg. praes., vezą = * va - ghām aus * vaghāmi, allein es lässt sich leicht nachweisen, dass bei den Verbal - stämmen auf - a der Abfall des i älter ist als die Einzelsprachen, wahrscheinlich allgemein europäisch, sicher germanisch, denn * viga kann nicht auf germanischem Boden aus veghāmi hervorgegangen sein, sondern nur aus vorgermanischem * veghām. Der instr. sg. fem. wäre ja aber eine speciell slavische Neubildung mit einem Suffixe, das in allen andern Fällen, wo es vorkommt, nie sein - ĭ verloren hat; und bei derartigen secundären Analogiebildungen halten sich sonst die Sprachen streng an das vorliegende Muster. Der Schwund des i in - o-ją würde in der That das einzige Beispiel vom Abfall eines ursprünglich auslautenden Vocals in der gesammten Sonderentwicklung des Slavischen bilden. Wenn man nun noch überlegt, dass es nicht recht begreiflich ist, warum die Sprache eine so deutliche, von allen andern Casusformen unterschiedene Bildung wie das voraus - zusetzende * ženoja = ursprünglichem * gana-jā aufgegeben habe, so erscheint es um so unbegreiflicher, warum, wenn trotzdem Analogiebildung nach den Formen auf - eintrat, die neue Gestaltung * ženojāmĭ wieder von den letzteren ab - weichend behandelt wurde. Kurz, so plausibel auch auf den ersten Blick Bopps und Schleichers Erklärung erscheint, so hat sie ihre sehr bedenklichen Seiten, und man muss die Vermuthung aussprechen dürfen, dass die Entstehung dieser Form eine andere sei: ženoją führt mit Beobachtung der Lautgesetze nur auf * genajām zurück, und es scheint mir die Annahme nicht ganz abweisbar, dass hier in der That das Suffix als - j-ām anzusetzen. Oben wurde das Locativsuffix - ja behandelt und nachgewiesen, dass es in dieser Form im gotischen dat. sg. der ā-stämme wie im Litauischen (ja, je) ursprünglich sei; dazu stimmt die Zendform, und doch heisst es im Sanskrit - ā-jām, wofür es kaum eine andere Erklärung geben dürfte, als dass jenes in der Casusbildung öfter verwendete Element - am angetreten, also das Suffix = - ja + am sei, wie auch Schleicher eine solche Auflösung für die pronominale Form jasjām angedeutet hat (Comp. 3 614). Zu vergleichen wäre das Dativsuffix - bhj-am neben dem Instrumental - suffix - bhi und der Wechsel pronominaler Formen mit und ohne - am in den verschiedenen Sprachen: lat., germ., slav., lit. Grundform der II. Person tu, , sanskr. tv-am. Wie sich indess die Sache auch verhalten mag, für die Geschichte dieser Form im Slavischen scheint mir noch eine Berichtigung nöthig: Schleicher Comp. 3 564 nimmt kostiją als direct einer Grundform auf - i-jā (+ mi) ent - sprechend, dieser Form nachgebildet die der consonantischen Stämme materiją, crĭkŭviją. Darnach müsste man annehmen, das Suffix - mi sei seit ältester Zeit71i. Die Casus des Singulars.auf das msc. -ntr. beschränkt gewesen. Zu einer solchen Annahme der Trennung der Instrumentalsuffixe nach den Genera ist aber nirgends ein rechter Grund zu finden: im Sanskrit erscheint ā überall, im Litauischen - mi überall mit Aus - nahme der femininalen ā-stämme. Da diese letzteren im Litauischen eine beson - dere Stellung einnehmen, im Slavischen sich mit der arischen Form berühren, werden wir viel eher anzunehmen haben, dass ihnen allein in älterer Zeit im Slavischen die Bildung auf - zukam und dass diese erst von ihnen aus auf alle andern Feminina, welcher Classe auch immer angehörig, übertragen wurde.

Im Litauischen bietet die Erklärung von galvà keine Schwierigkeit: das auslautende ă beruht jedenfalls auf einer Verkürzung, und das einzusetzende - ā deckt sich mit den vedischen Formen wie dhārā (s. Benfey, Gr. Gr. p. 297, N. 6), wie auch mit iranischen so völlig, dass ohne Zweifel darin eine alte Bil - dung, entstanden aus Stammauslaut - ā + Suffix - ā zu suchen ist. Dieser Form der ā-stämme sind die Nebenformen der femininalen i-stämme akià (spr. akiè) entnommen; sie finden sich eben nur beim Femininum, während der msc. i - stamm sie nicht hat. Es scheint sogar vereinzelt auch eine Uebertragung des - mi auf die ā-stämme vorzukommen, Schleicher (Beitr. I, 240) führt nach Mikuckij an katbumi (von kalbà, Sprache), wo man an dem u vor m deutlich die Analogie - bildung erkennt, ferner duonomi (zu dů́na, Brot) « aus einem alten Gebetbuche », welches, wenn nicht mangelhafte Orthographie für duonumi den übrigen Casus der Feminina in dem o mehr entspricht.

Diese eben erwähnten Analogiebildungen werfen vielleicht auch Licht auf eine Thatsache, die bei Geitler, Litauische Studien, p. 56, erwähnt wird. Es heisst dort: « den instr. sg. der weiblichen a-stämme, mergà, schreibt Prof. Ba - ranowski mit einem Nasal, mergà, und nach ostlitauischer Art mergų̀, also putų̀ (Anik. 74) mit dem Schaum, këtų̀ (Anik. 84) mit der harten, indem er schliesst: da im Dialecte von Wilkomierz a vor Nasalen fast durchgängig zu u wird (ein Process, der im Litauischen überhaupt vorgezeichnet ist, und wie oben gezeigt, mit seinen Anfängen in die lettoslav. Periode zurückreicht), so muss putu als instr. sein schliessendes u einem ehemals nachfolgenden n (an, am) ebenso ver - danken, wie der acc. runkų, ponų von runka, ponas, wie ku () für u. s. w. Prof. Baranowski machte mich darauf aufmerksam, dass in den Gegenden, wo dangùs, nusigąstù gesprochen wird, ganz parallel mergà (d. i. nach seiner Mei - nung mergą́) vorkommt, wo dongus, nusigostu, auch su mergo sich findet (in żemaiten), und ganz entsprechend in Wilkomierz dungùs, nusigųstù, su mergù, d. i. mergų̀, wenn auch in der factischen Aussprache nichts von einem Nasal zu hören ist. Diese Argumentation lässt sich etymologisch rechtfertigen. Denn da der instr. sg. der weiblichen a-stämme ursprünglich - a-jām lautete (slav. - oją, skrt. ajā, aus älterem - ājām, lit. - oje, das für den loc. verwendet wurde, A. Lud - wig, Agglutination oder Adaption, p. 98), so muss in dem - ą, - ų der Rest des - ām gesucht werden (Zusammenziehung beider a muss angenommen werden, wie in sùkome aus sukajame, Schleicher, Lit. Gramm. 224; Kürzung ist bei den litauischen Auslautsgezetzen nicht befremdend). Noch klarer wird die Annahme eines ehemaligen Nasals durch den instr. sg. der - (ė -) - stämme: wórszkių72a. Declination der Nomina.(Anik. 89) für gewöhnliches warszkè, egłų, gewöhnlich eglè, ebenso gójlistų (Anik. 76), żołų̀ (60) für żolè, in Szirwids Punktai su galiby didżu (p. 1, ganz wie der acc. sg. użtiesu, fürwahr, für tiesą); denn da wir im Slavischen ьѭ (woraus durch Assimilation des ь an j иѭ, костьѭ, костиѭ) haben, so finden wir dies - iam in - wieder. Der Process, der hier Dialecte schied, ist offenbar dieser: - iām, - iām, - ian, - iun, , oder es wurde aus - ian, - durch Umlaut - , z. B. żemię, durch den so gewöhnlichen Ausfall des i vor ę żemę (wie im acc. sg. żémę), das Schleicher żemè schreibt. Bekanntlich kürzen sich Nasale im Aus - laute. In - ist noch das i des Stammes erhalten, welches auch im Preussisch - litauischen sich erhielt im instr. sg. akiè von dem i-stamme akìs (neben akimì); es wäre offenbar akię zu schreiben. Der Dialect von Wilkomierz hat akiu, akių (i-stamm), vgl. szaknių̀ (Anik. 84), von wórszkių (-stamm) gar nicht geschie - den ..... Auch Szirwids Punktai bieten instr. sg. wie akiu ». Wenn wir die Form mergù für alt halten, so ist die Erklärung aus - ām richtig und dies - ām würde sich zum slav. - jām, dem es eine willkommene Bestätigung gäbe, ver - halten, wie sonst an vocalische Stämme mit und ohne j angefügte Casusendungen. Es ist aber eben sehr die Frage, ob die Form alt ist und nicht vielmehr nur vom - u des msc. herrührt. Geitler hätte sich für die Alterthümlichkeit derselben noch auf das Lettische berufen können: Bielenstein, Lett. Spr. II, 22, führt femininale Instrumentale wie galvu, růku an, aber gerade eines seiner Beispiele zeigt eine ganz unursprüngliche Verwendung des - u als instr. pl. oder, wenn man sich nur an die Bedeutung der Stelle halten will, dual. : sweschas mâtes galwas áuti abu růku daun̸ajam (i), der Schwiegermutter Kopfhauben müssen mit beiden Händen aufgedrückt werden. Man sieht jedenfalls daraus, dass das Bewusst - sein von der ursprünglichen Zugehörigkeit der Form verschwunden ist, und ich möchte vorläufig annehmen, dass auch in den betreffenden litauischen Dialekten mergù u. s. w. nur ein dem Masculinum entnommener Ersatz für das ältere verlorene mergà = mergā ohne Nasal ist. Der Verlust der Femininalform erklärt sich ohne Schwierigkeit aus dem vollständigen lautlichen Zusammenfallen des instr. sg. fem. aller ā-stämme mit dem nom. sg., namentlich wenn man hinzunimmt, dass schon im Hochlitauischen öfters der Accent beider Casus derselbe ist, nothwendig aber in den Dialekten, welche den Ton auf der Endsilbe eingebüsst haben.

Was die litauische Form des msc. a-stammes, vilkù, betrifft, so hat Scherer (z. Gesch. d. D. Spr. 426) in seiner völlig gerechtfertigten Polemik gegen die Annahme eines Instrumentalsuffixes - mi für das Germanische nach der andern Seite gefehlt, indem er lit. - ù aus - ā herleitet. Bei der Besprechung des dat. -loc. sg. wurde nachgewiesen, dass die Verwandlung von einfach (pure) auslautendem ā in u im Lateinischen unmöglich ist, und damit fällt diese Ansetzung. Da nun eine andere Entstehung eines ů, u im Auslaut aus a nicht bekannt ist, als in der ursprünglichen Verbindung a + nas., so bleibt gar nichts anderes übrig, als die Vergleichung mit slavischem vlŭkomĭ. Es kommen für die Aufstellung der Form folgende Gestaltungen in Betracht:

  • vilkù, dial. und alt vilkumi (piktumi vyrumi Schleicher, Beitr. I, 238 aus Mi - kuckijs Werk); im zusammengesetzen Adjectiv gerůju;
73i. Die Casus des Singulars.
  • pronominal , tům, tůmì,
  • preussisch s-tu (so), zum Pronominalst. s-ta -; ku (wie) zu ka -, in senku (wo - mit), ku-ilgimai (wie lange)
    *)In Kat. I kommt einmal vor kodesnimma (II kudesnammi geschrieben) in der Bedeutung wie oft, so oft als , ein Wort, für das die Herausgeber der preussischen Denkmäler keine Erklärung haben. Sie ist ganz einfach: ko, ku ist dieselbe Partikel, wie in ku-ilgimai, und desnimma (zu lesen deznima) genau dieselbe Weiterbildung von lit. dáżnas (oft) wie ilgimai von ilgas (lange), in II. ist das Wort verschrieben entweder für desnimma oder desnimmi, die Adverbialendungen - a, - i, - ai wechseln mit einander: ilga, ilgi, ilgimai, ilgimi.
    *);
  • lettisch (je desto) zu Pronomen ja -.

Die in der letzteren Sprache im Sprachgebrauch des täglichen Lebens und im Volksliede vielfach erhaltenen instr. sg. auf - u (Bielenstein, Lett. Spr. II, 23), z. B. lúzin̸u (mit Bastbändchen) msc. auch vom fem., wie schon oben bemerkt, durch Uebertragung káilu galwu (mit blossem Kopf), wi̊nu růku (mit einer Hand) betrachtet Bielenstein ohne Zweifel mit Recht als wirkliche alte Instrumentale. Dadurch aber widerlegt sich von selber seine Ansicht, dass die Dativform der masculinen a-stämme, grékam, neben welcher aus den Volksliedern auch vollere Formen, wie têwami (dem Vater), man wi̊nami (mir allein), angeführt werden (a. a. O. p. 22), einfach der alte Instrumental = * grékami, also mit einem even - tuellen Instrumental gréku identisch sei. Die Uebereinstimmung des Litauischen, Preussischen und Lettischen in dem - u beweist, dass die Entstehung desselben in eine ältere Zeit fällt. Es ist undenkbar, dass die ganz volle Form auf - ami sich nun in einer weit mehr als das Litauische lautlich entarteten Sprache neben - u gehalten haben könne. Die Dativform grékam erklärt sich auch sehr gut anders, durch den Hinweis auf die Behandlung des Dativs in der gesammten lettischen Declination: es blieb durch Einwirkung der Auslautsgesetze keiner der älteren Dativformen mit einem deutlich ausgeprägten Suffix erhalten: aus vilkui wurde * vilku, so lautet aber auch der acc. (aus * vilkan) und ebenso, wie be - merkt, der instr. ; in gleicher Weise musste bei den u-stämmen aus alui * alu werden, das ebenfalls dem acc. gleich ist. Bei den letzteren Stämmen ist für den Dativ die Instrumentalform alum (= lit. alumù) eingetreten, was vielleicht begünstigt wurde durch eine bereits früh beginnende Abstumpfung des Sprach - gefühls in der syntaktischen Verwendung der beiden Casus, wie denn im Plural die Dativform überhaupt den Instrumental ersetzt (wilkëm ist beides). Die Fe - minina (auf - ā und - i), bei denen die alte Form lëpai ebenfalls als * lëpa un - kenntlich wurde, suchen den Ersatz anderswo, indem sie den loc. als dat. mit benutzen: lëpái = lit. lëpoje, sirdí = lit. szirdyjè. So ist denn auch wilkam eine neue Form, entweder dem dat. sg. der Pronomina und Adjectiva tam, la - bam (lit. tám [ui], labám [ui]) nachgebildet, und das halte ich für das wahrschein - lichste, wie ja bei den msc. a-stämmen im Plural die pronominale Form einge - drungen ist, dat. wilkëm = tëm; oder es geht z. B. têwam wirklich auf das in den Volksliedern erhaltene têwami zurück und ist dann allerdings ein instr., aber als solcher eine Neubildung nach Analogie der Stammclassen, in denen das Suffix - mi gebräuchlich war, jedenfalls nicht in der Geschichte des Lettischen74a. Declination der Nomina.der Vorläufer von têwu. Es spielt hier einer jener Zufälle, wie sie auch inner - halb der Entwicklungsgeschichte der modernen slavischen Sprachen häufig genug sind, dass eine ganz junge Form scheinbar ein uraltes Gepräge trägt. Ein Bei - spiel der Art aus dem Slavischen wird nicht überflüssig sein: der instr. pl. der msc. a-stämme lautet russisch z. B. vołkami, und es könnte einer nicht übel Lust haben, darin ein urindogermanisches * varkabhis zu suchen, leider ist aber die Form ganz jung, Analogiebildung vom fem. z. B. ženami, während es altrus - sisch nur vołky heisst = altbulg. vlŭky in Uebereinstimmung mit allen älteren slavischen Sprachen. In solche Deutungen lettischer Formen aus uralten, wo die lettischen ganz jung sind, ist Bielenstein nicht selten verfallen.

Mir scheint nach dem bisher bemerkten nun sicher, dass für die ganze li - tauische Familie eine gemeinsame Form des instr. sg. dieser a-stämme auf - u angenommen werden muss, entstanden zunächst aus - am, dies aus - ami (= slav. - omĭ). Man wird hier leicht einwenden, dass doch in aki-mì, sūnu-mì das i fest - gehalten sei; aber wir finden in der kurzen uns bekannten Geschichte der litaui - schen Sprachen eine starke Neigung zum Aufgeben der ursprünglich auslauten - den, namentlich kurzen Vocale, und zwar zu einem sehr unregelmässigen Abfall, der sicher nicht erst in der uns überlieferten Periode eingetreten ist oder ange - fangen hat; unregelmässig hier in dem Sinne genommen, dass er innerhalb der gleichen Form bei einer bestimmten Stammkategorie eintritt, bei einer andern nicht. Ein analoges Beispiel bietet die 3. sg. praes. verbi, die im Slavischen, einerlei ob die Personalendung unmittelbar an die Wurzel tritt oder an einen Stamm auf - a, stets das alte i des - ti behält (veze-tĭ wie jes-tĭ), während im letzteren Falle im Litauischen die ganze Endung verloren geht, veża, und in der uns bekannten Geschichte der Sprache keine Spur davon erhalten ist, auch im Preus - sischen nicht, im ersteren aber ti erhalten bleibt, ésti, ést. Aehnlich verhält es sich, wenn im Slavischen das alte - ai des nom. plur. msc. überall zu i wird, vluci wie ti = * varkai, tai, litauisch dagegen beim Nomen ai bleibt, vilkai, im Ad - jectivum und Pronomen zu ë, i wird , gerì. Was bei den u - und i-stämmen erst heutzutage eintritt, indem man jetzt sūnùm, akìm statt sūnumì, akimì spricht, trat bei den a-stämmen bereits in älterer Zeit ein, daher * vilkam und nach der regelrechten Weiterentwicklung vilkù.

Der Unterschied des Vocals von vilkù und tů́ erklärt sich aus der Einsilbig - keit des letzteren. Einsilbige Worte erhalten ursprüngliche und secundäre Länge (eine solche ist für den zwischen am und ů, u liegenden Nasalvocal anzusetzen) besser, vgl. den acc. pl. pron. tů́s, nom. vilkŭs, beide aus - ans, lett. acc. sg. vilku, aber , beide gleich * vilkan, * tan. Wo die Instrumentalendung nicht im Auslaut steht, bleibt ů, die Länge, erhalten, daher in der zusammengesetzten Declination der Adjectiva gerů-ju. Aus dem angeführten folgt nun für das histo - rische Verhältniss der innerhalb des eigentlichen Litauischen überlieferten Formen, vilku, vilkumi, , tům, tůmì, dass tůmi jünger ist als , obwohl es dem Suffixe nach älter erscheint: aus ursprünglichem * ta-mi kann auf keine Weise tůmì ent - stehen, ů erklärt sich eben nur aus einem Nasalvocal, folglich ist an das orga - nische das der Sprache sonst geläufig - mi noch einmal wieder angefügt, wie75i. Die Casus des Singulars.das auch Schleicher vermuthungsweise Comp. 3 615 ausgesprochen hat (vgl. Beitr. I, 410); tům ist wieder aus der neuen Form moderner Weise verkürzt, wie - nùm aus sūnumì; vilkumi endlich hält Schleicher für einen Anschluss an die u - stämme, einfacher wird es sein, auch hier dieselbe secundäre Anfügung von - mi anzunehmen wie bei tůmì.

Wenn Schleichers Ansicht von der Deutung des germanischen Instrumentals aus dem Suffixe - mi richtig wäre, so wäre damit in der That eine bedeutsame Uebereinstimmung des Germanischen mit dem Slavisch-lit. gegeben, die in Schlei - chers Darstellung umsomehr hervortritt, als er nach Holtzmann im Althochd. In - strumentale auf - ā der femininalen ā-stämme ansetzt. (Vgl. auch Beitr. II, 456 Note: « man beachte diese neue Uebereinstimmung zwischen den drei nordischen Sprachen: sie haben sämmtlich nur bei den weiblichen Stämmen auf - ā den instr. sg. I. [d. h. Suffix - ā] erhalten »). Dass die letzteren gar nicht existiren, bedarf nach Dietrichs Auseinandersetzung (vgl. auch Scherer, Z. Gesch. d. D. S. 425) keines Nachweises mehr. Aber auch für die msc. -ntr. lässt sich die An - nahme des - mi nicht begründen, ohne zu den gezwungensten, den germanischen Gesetzen ganz widersprechenden Lautveränderungen zu greifen. Schleicher erklärt (seine endliche Ansicht ist Comp. 3 564 ausgesprochen) ahd. wolfu aus * wolfami « oder vielmehr wahrscheinlich mit Dehnung des a aus ā-mi »; ebenso auch got. þē aus * tā-mi, mit der Bemerkung: « die althochdeutschen Formen ver - bieten hier an den instr. I auf - ā zu denken, der überdiess als aus * þa-ā, * hva-ā, * sva-ā entstanden, wahrscheinlich * þō, * hvō, * svō lauten würde ». Alles das ist unhaltbar (vgl. Scherer a. a. O. 425): zuerst müssten wir annehmen, das i des Suffixes sei abgefallen vor dem Eintreten der germanischen Auslautsgesetze, da, wenn diese ein * wolfami vorhanden, daraus nur ein fortan bleibendes * wolfam entstehen konnte. Für diesen frühen Abfall des i ist aber keine Begründung zu finden; dass sie im Litauischen nicht gesucht werden kann, liegt in der oben gegebenen Darstellung der dortigen Verhältnisse. Ferner ist die Annahme einer Dehnung vor dem m eine ganz willkürliche; ohne eine solche konnte Schleicher nicht auskommen, denn ein beim Eintritt der Auslautsgesetze vorhandenes * wol - fam konnte nur zu * wolf werden. Dazu kommt, dass die Hinweisung auf die Qualität des Vocals im Gotischen (als ē) nicht beweisen kann, was sie bei Schlei - cher wenigstens wahrscheinlich machen soll: wir haben ja sonst Beispiele von einem bisher nicht aufgeklärten Wechsel von ē und ō im Gotischen, vgl. den gen. plur. vulfē = * varkām = * varka + ām mit demselben Casus des fem. gibō, zwar aus - ā + ām, aber sicher auch seit uralter Zeit in - ām contrahirt wie die Endung des msc., und in den übrigen germanischen Dialekten vom msc. nicht unterschieden. Endlich hat Schleicher die überlieferten Formen des msc. i - und u-stammes auf - iu unberücksichtigt gelassen, muss also wohl angenommen haben, da sie sich aus - i-mi, - u-mi nicht deuten lassen, dass die Endung von den a - stämmen entlehnt sei; das ist aber natürlich nur dann zu billigen, wenn die Erklärung bei den letzteren völlig sicher steht.

Schleicher ist bei der ganzen Darstellung dieser Formen offenbar zu sehr von seiner Auffassung des Verhältnisses zwischen Germanischem einerseits und76a. Declination der Nomina.Slavisch-litauischem andrerseits beeinflusst gewesen. Bei unbefangener Be - trachtung lassen sich die germanischen Formen alle aus Suffix - ā erklären. Die althochdeutschen Formen verbieten die Erklärung aus - ā gar nicht, im Gegen - theil fordern sie: ahd. tagu, alts. dagu ist so gut aus * dagā entstanden, wie der acc. pl ntr. wortu, alts. fatu aus urspr. - ā ohne folgenden Consonanten; wäre die Form im Gotischen erhalten, so müsste sie * daga lauten, d. h. sie fällt mit dem dat. sg. zusammen. Beim Pronomen, wo die Dativform ja ganz anders gebildet ist, und wegen der Einsilbigkeit die Länge des Vocals erhalten werden konnte, blieb * als þē, * , * kvā als hvē. Althd. suniu ist nur aus * sūnavā, woraus zunächst * sunivā, zu verstehen; ebenso kann balgiu unmittelbar zu alt - indischen Formen wie patjā gestellt werden, obgleich bei der Neigung der msc. i-stämme des Germanischen in die Analogie der a - und ja-stämme überzutreten, hier auch an eine Entlehnung aus hirtiu gedacht werden kann, wie balgu durch Anschluss an tagu entstanden ist. In Betreff der Pronominalformen dieses Casus in den übrigen germanischen Sprachen verweise ich auf Scherer, Z. Gesch. d. D. S. 424, da eine weitere Besprechung derselben für den uns vorliegenden Zweck keine Förderung giebt.

Es ist somit der Vergleich der germanischen Instrumentalformen mit denen des Litauischen und Slavischen ganz aufzugeben, die Sprachen entfernen sich vielmehr in dieser Beziehung stark von einander: Litauisch und Slavisch sind die einzigen Familien des Indogermanischen, die für den Singular das Instrumen - talsuffix mi = bhi besitzen, wenigstens in lebendiger casueller Anwendung.

6. Vocativus singularis.

Die Vocativform der slavischen und litauischen u - und i-stämme bilden eine genaue Parallele zu den arischen auf - au (ō), ai (ē): lit. sunaú, slav. synū = * sunau, lit. akë = * akai, slav. kostī = * kostai. Die Vergleichung lässt sich aber vielleicht noch weiter ausdehnen, wenn man das ē der fem. ā-stämme im San - skrit und Zend zu dem im Litauischen fast nur bei männlichen Eigennamen ge - bräuchlichen - ai stellen darf (z. B. Jónai von Jónas, doch auch tė́vai zu tė́vas); wegen der Erhaltung des ai im Auslaut vgl. den nom. pl. tėvai. Diesen ver - stärkten Formen steht im Germanischen nur eine gegenüber, got. sunau neben sunu. Die Beispiele auf u sind etwas häufiger als die auf au (11 gegen 8 nach der Aufzählung bei L. Meyer, G. Spr. p. 574), doch sind unter den ersteren 8 Beispiele fremder Eigennamen (Lazaru u. s. w.), während von echt gotischen Worten nur sunu einmal, dauþu zweimal vorkommt, so dass über die Gebräuch - lichkeit der Form kein Zweifel sein kann. Nach den Formen des Griechischen und Italischen erscheint in diesen Sprachen nichts analoges. Schleicher, Comp. 3 575 führt nach Stokes aido (mi domine) als Vocativ auf - au des nom. sg. áed, áid an, Zeuss-Ebel2 239 hat nur a aed (nom. propr. ) nach Stokes Beitr. I, 336. Wenn jene keltische Form richtig aufgefasst ist, so fiele damit der Gegensatz, in dem sonst die südeuropäischen Sprachen mit den übrigen in diesem Casus der u - und i-stämme stehen, weg, und damit auch die engere Beziehung des Slavisch -77ii. Die Casus des plurals.litauischen und Germanischen zum Arischen: wir hätten uns zu denken, dass seit alter Zeit Formen auf - u und - au, wie auf - i und - ai neben einander be - standen, von denen hier die einen, dort die anderen aufgegeben sind.

Die Formen der a-stämme msc. gen. vulf, vlŭče, vilke gehen auf * varka zurück. Dass der Vocal in der Vorgeschichte des Slavisch-litauischen bereits e war, geht hervor aus der slavischen Form der femininalen ā-stämme glavo, wo das o einem bereits in vorslavischer Zeit verkürzten a aus ā entspricht; wäre nun ins Slavische noch * vilka wie * galva übergegangen, so würden beide Formen auf o auslauten. Gegen die Gemeinsamkeit der Entwicklung im msc. zu e scheint auf den ersten Blick das Preussische zu sprechen, wo deiva neben deive, tâva neben tâve vorkommt; allein es ist darauf nichts zu geben, das auslautende e, wie e überhaupt, scheint einen stark nach a hinneigenden Klang gehabt zu haben (so oft auch im heutigen Litauischen noch), so dass der Uebersetzer der Katechis - men zuweilen a für e (ä) hörte und die beiden Laute verwechselte, z. B. gen. sg. ainessa, während er sonst immer - e oder - ei in dieser Endung schreibt; so wechseln bei ihm stas und stes (der), acc. stan und sten, wo a das ältere ist (lit. tas, tan), assai und essei, 2. sg. der W. as, astai und estei 2. pl., wo sicher e das ältere für die litauische Familie ist, gena, Frau, mit seltnerem gana, wo der Consens der anderen europäischen Sprachen das e sicher stellt u. s. w.

II. Die Casus des Plurals.

1. Nominativus pluralis.

A. Der consonantischen Stämme.

Wo uns die drei Familien die alten Formen erhalten haben, stimmen sie unter einander, aber auch mit den übrigen indogermanischen Sprachen überein, so dass eine blosse Anführung genügt:

  • got. man-s, guman-s, alts. brođar, modar = - n-as, - r-as,
  • lit. ákmens = * akmen-es,
  • móters = * moter-es,
  • slav. kamene = * kamen-es,
  • matere = * mater-es.

Das lautgesetzliche ist ohne weiteres klar. Zusammengesetzter sind die Fragen bei den vocalischen Stämmen, hier kommen verschiedene Bildungen in Betracht.

B. Die u - und i-stämme.

Evident ist die Uebereinstimmung des slavischen synove mit got. sunjus = * sūnivas, beide gleich * sūnavas, aber schon das litauische sū́nūs ist aus dieser Grundform nicht erklärlich, sie würde hier zu * sunavs, d. i. * sunaus haben78a. Declination der Nomina.führen müssen, von der Schwächung aber eines secundär entstandenen au zu ū giebt es kein Beispiel, in allen vorhandenen Fällen bleibt au (vgl. z. B. das oben angeführte staunu für * stavnu). Wollte man aber auch den Verlust des Vocals vor dem s in eine verhältnissmässig alte Zeit hinaufrücken, so dass au im Verein mit den älteren Beispielen dieses Diphthongs behandelt wäre, so würde die zu erwartende Form durchaus * sūnůs sein müssen, und von diesem führt wieder keine bekannte litauische Lautregel zu sū́nūs. Die Bemerkung Schleichers Comp. 3 519 « sū́nūs mit Dehnung anstatt der Steigerung » erklärt nichts; wenn sich ent - sprechende Formen mit ū und bei den i-stämmen mit ī im vedischen Sanskrit finden, so haben wir hier die genügende Erklärung durch samprasāraṇa aus - v-as, - j-as. Im Litauischen lässt sich aber diese Erscheinuog nicht nachweisen, und so wird auch * sūnvas als Grundform ausgeschlossen (u für va findet sich vereinzelt im Preussischen, so gallǻ für galvà (s. oben beim nom. sg. ), nicht aber im Litauischen. Es wird demnach keine andere Form zu Grunde gelegt werden können als * sūnuvas, entsprechend vedischen Formen wie ājuvas, St. āju - und den griechischen wie νέκυ-ες: aus dem nach Schwinden des a oder e vor s entstandenen * sunuvs (vgl. ákmens für * akmenes) kann nur sū́nūs werden. Wir haben also in diesem Casus eine Doppelform, mit und ohne Steigerung des Stammes, von denen das Litauische jene, das Slavische und Germanische diese bewahrt haben.

Dieselbe Differenz zwischen Slavisch und Deutsch auf der einen, Litauisch auf der andern Seite lässt sich bei den i-stämmen nicht so sicher nachweisen, hier können die Formen identificirt werden. Das slav. msc. pątĭ-je, mit Dehnung des ĭ gewöhnlich pątīje (die Beschränkung der Form auf das msc. erklärt sich einfach dadurch, dass im Slavischen sämmtliche fem. die Nominativform des Plurals aufgegeben haben und durch den acc. ersetzen, kostī ist also acc. ), ent - spricht ganz genau gotischem ansteis, balgeis, Voraussetzung für beide ist - ijas. Ich sehe keinen hinreichenden Grund, mit Scherer die Grundform des Germa - nischen als - a-j-as anzusetzen, aus der - i-j-as durch Schwächung des a hervor - gegangen sei. Die Formen der deutschen Sprachen im engern Sinne mit ihrem i = î im Auslaut (ahd. belgi, alts. gasti, ahd. ensti, alts. ansti) sind mit der gotischen identisch. Für Scherer lag die Veranlassung zu seiner Ansetzung in der alt - nordischen Gestalt dieses Casus, fem. âstir, msc. stađir, wo, wenn unmittelbare Entsprechung des i mit gotischem und deutschem ī stattfände, der Umlaut, also z. B. steđir zu erwarten wäre, daher i, wie Scherer schliesst, nur = ai sein könne (vgl. denselben Gegensatz darstellend den conj. praes. mit dem conj. praet., 2. sg. praes. farir = got. farais, 2. sg. praet. fœrir = got. fôreis).

Allein im Nordischen wird die Sache dadurch erschwert, dass wir bei den msc. eine Classe mit und ohne Umlaut finden, dem stađir steht belgir gegenüber, letzteres genau gleich got. balgeis; und man muss nun schon mit Scherer so weit gehen (p. 421) anzunehmen, « dass dieser Gegensatz des zu i gefärbten oder nicht gefärbten a im gunirten Themavocal sich dort innerhalb einer und derselben Sprache hervorgethan habe ». Das ist an sich schon wenig wahrscheinlich, und wird es noch weniger dadurch, dass auch im acc. pl. stađi und belgi, Umlaut und79ii. Die Casus des Plurals.Nichtumlaut neben einander stehen, wo doch in beiden Fällen i nur = i-ns sein kann, also gar kein Grund für das Unterbleiben des Umlauts vorliegt. Hier müsste man zur Erklärung wieder die Analogie des Nominativs herbeiziehen, wie auch Scherer thut; man kommt aber auf diesem Wege zu einer Kette sehr unwahrscheinlicher Vorgänge. Mir scheint es doch einfacher anzunehmen, dass im Altnordischen der Umlaut wieder aufgegeben ist, bei den fem. schon ganz, bei den msc. zum Theil. Um das erklärlich zu finden, muss man den massen - haften Uebergang der ursprünglichen femininalen ā-stämme des Altnordischen in die Classe der i-stämme vor Augen haben. Dieser Uebergang geschah doch wohl in derselben Weise, wie bei denen, die als ā-stämme noch gebräuchlich sind und nom. plur. - ir ohne Umlaut neben - ar haben, d. h. durch eine rein äusserliche Annahme des - ir, das an die Stelle des - ar gesetzt wurde, und zwar wie dieses ohne Wirkung auf den Wurzelvocal. Bei der durchgehenden Gleich - heit der Flexion von msc. und fem. innerhalb der i-stämme ist es dann begreif - lich, wenn derselbe Hergang sich auch auf die ohnehin viel seltneren Masculina erstreckte. In einem ganz analogen Fall bei den u-stämmen greift auch Scherer nicht zu der analogen Erklärung, und doch handelt es sich da um verschiedene Dialekte: im Angelsächsischen und Altfriesischen nämlich (s. Scherer p. 435) lautet der nom. pl. suna, offenbar nicht aus * sunivas erklärbar, dagegen gleich - lautend dem gen. sg. suna und also möglicher Weise wie dieser aus * sunaus, das wäre * sunavas zu deuten, und doch will hier Scherer lieber eine Uebertragung aus dem gen. sg. annehmen. Was der einen Sprache recht ist, muss der andern billig sein, ich sehe wenigstens keine Veranlassung zu einer verschiedenen Auf - fassung: wenn im Altnordischen allein - ajas und - ijas neben einander angenom - men werden, warum nicht im Angelsächsisch-altfriesischen ein - avas neben son - stigem germanischen - ivas? Ich führe das nur an um zu zeigen, dass man bei Scherers Verfahren viel zu rasch auf Grundformen schliesst. Es ist überhaupt sehr fraglich, ob man auf Formen, wie das angeführte suna, Schlüsse für die ältere Zeit bauen darf; die Flexion dieser u-stämme ist in den erwähnten Dia - lekten so durchsetzt von Analogiebildungen, dass ich wenigstens nicht wagen möchte, irgend welche ältere Bildungen daraus zu reconstruiren. Gerade dasselbe gilt aber von der altnordischen Declination überhaupt. Was übrigens, nebenher bemerkt, die Erklärung des suna betrifft, so ist eine Herübernahme des a aus dem gen. sg. ganz unverständlich; Analogiebildungen halten sich immer in derselben Formen - oder Functionsreihe, und eine solche liegt hier auch nicht so fern: im fem. heisst der nom. -acc. pl. handa, lautet also wie derselbe Casus bei den fem. ā-stämmen (gifa), kann daher von diesen übernommen sein, und die weitere Uebertragung auf das msc. liegt dann wenigstens weit näher als eine Analogie - bildung aus dem gen. sg. Ein Bedenken ähnlicher Art wird uns auch abhalten müssen, in dem ags. nom. pl. sunu, suno eine Grundform * sūnuvas zu suchen, was an sich möglich wäre; es kann eben ganz wohl die Accusativform sein, da in dieser Sprache nom. und acc. pl. absolut zusammengefallen sind.

Aus dem Germanischen lässt sich somit ein Beweis für die Existenz eines * gastajas, * anstajas nicht beibringen, die allgemeine germanische Form ist - ij-as,80a. Declination der Nomina.welches freilich allgemein germanisch möglicherweise erst aus - ajas entstanden ist, wie - ivas der u-stämme sicher aus - avas. Diese Vermuthung beruht dann eben auf dem Verhalten der u-stämme; dass aber ein solcher Schluss trügen kann, beweist das slav. synove neben pątĭje. Es steht somit nichts im Wege, die germanische Form der i-stämme mit der slavischen zu identificiren.

Es fragt sich jetzt noch, wie verhält sich dazu die litauische Form ákys. Auch diese lässt keine andere plausible Deutung zu, als aus - ij-as, denn - aj-as wäre aus denselben Gründen, die bei den u-sämmen * - aus oder höchstens - * ůs erhalten hätten, zu - * ais oder - * ës geworden. In der ebenfalls annehmbaren Grundform * akjas, analog älterem skrt. arjas zu ari - hätte zwar samprasāraṇa stattfinden können, allein da die Endsilbe dieses Casus stets unbetont ist, wäre ja zu kurzem i geworden, vgl. die contrahirten msc. ja-stämme: unbetonte En - dung giebt - is, dàlgis, betonte - ýs, kelýs. Ohne Schwierigkelt ist nur die Ab - leitung aus * akijas, das nothwendig nach Schwinden des a ein ákys gibt.

Also bei den i-stämmen ist für alle drei Familien die gleiche Form - ijas mit ungesteigertem Stammauslaut anzusetzen, dem gegenüber bei den u-stämmen im Slavischen und Germanischen - avas mit Steigerung, im Litauischen - uvas ohne Steigerung. Denkbar wäre es übrigens, dass einst im Litauischen die u - stämme sich ebenso verhielten und die Endung - ūs nur in Nachahmung der i - stämme annahmen, wobei, wie immer in solchen Fällen, das rein zufällige, die Dehnung, als das Characteristicum der Form genommen ward.

C. a-stämme.

Nom. plur. msc. -fem.

Bei diesen Stämmen erhebt sich zunächst die Frage nach dem ursprüng - lichen Verhältniss der beiden durch die indogermanischen Sprachen verstreuten Suffixe - as und - i. Es spricht manches dafür, dass die Vertheilung, wie sie die arischen Sprachen bieten, nämlich die Beschränkung des - i auf den nom. plur. msc. des Pronomens, die ursprüngliche war, d. h. für unsere Betrachtung, das Verhältniss der Formen so lag vor der ersten Trennung der indogermanischen Sprachen. Zunächst ist dafür geltend zu machen, dass im Germanischen genau dasselbe Verhältniss besteht, dann dass im Slavischen und Litauischen nur der msc. a-stamm i hat, das fem. nicht (das scheinbar eine Ausnahme machende Preussische wird unten auf das richtige Verhältniss zurückgeführt werden), also ein Anschluss an den pronominalen a-stamm msc. gen. leicht denkbar ist; ferner, dass Oskisch und Umbrisch das Suffix - i bei den Nominibus gar nicht haben, das Keltische, wie es scheint (s. Schleicher, Comp. 3 519), ebenfalls nur beim msc.

Bei dieser Bestimmung ist von dem Dualsuffixe i und von dem skr. nom. - acc. ntr. jugāni abgesehen. Das letztere ist eine besondere Bildung dieser Sprache. Das fem. und ntr. dual. hat allerdings im Arischen und Slavisch-litauischen Suffix - i (açvē, jugē, slav. rącê, izě, lit. ranki), aber mit der Zurückführung der Dualsuffixe auf bekannte Suffixe des Plurals ist es trotz der vielleicht zuzugeben -81ii. Die Casus des Plurals.den ursprünglichen Identität eine so missliche Sache, dass man wenigstens vor - läufig besser thut, sie bei der Betrachtung des Plurals aus dem Spiel zu lassen.

Schleicher hat die Hypothese aufgestellt, tai wäre auf * ta-j-as zurückzu - führen (Comp. 3 517) und dies sogar auf * ta-i-sas (p. 611), eine Meinung, die aus dem Bestreben hervorgeht, für die gleiche Function auch den gleichen Aus - druck in der Ursprache zu finden, und gestützt wird durch die Ansicht von dem Verhältniss der lateinischen Form des msc. equei, equī zu equeis, welches letztere Schleicher aus * akva-j-as deutet. Wenn dergleichen Zurückführungen auf Grund - formen hier einen Sinn haben sollen, so kann es nur der sein, dass eine solche Form als Erbgut aus der indogermanischen oder wenigstens aus der Einheits - periode einer einzelnen Gruppe der indogermanischen Sprachen herübergebracht sei. Da müsste es denn für einen sehr wunderbaren Zufall gehalten werden, dass nirgend wo anders eine entsprechende Form erhalten blieb, für noch wunder - barer aber, dass die nächstverwandten Dialekte, Oskisch und Umbrisch, nur msc. - ōs, fem. - ās kennen. Es ist dagegen bei den Auslautsverhältnissen des älteren Latein, die den oskisch-umbrischen entsprechenden Formen auch für dieses vor - ausgesetzt, vollkommen begreiflich, dass nach Abfall des - s (der Plural matrona aus dem pisaurischen Hain kann wenigstens und wird am natürlichsten = ma - tronas genommen) nach einem Ersatz für die sehr unkenntlich gewordene Form (* equo aus * equos) ausgesehen wurde. Ein solcher konnte sehr bequem in den pronominalen Formen auf - ei, ī gefunden werden, ebenso gut aber in den Pluralen der i-stämme auf - eis, und ich glaube in der That, dass die Differenz in unsrer Ueberlieferung des nom. plur. msc. als * viroi (überliefert poploe, daraus virei, virī) und vireis (daraus auch virēs, virīs) sich aus dieser doppelten Analogie erklärt. Man ist gewohnt, die beiden Formen in der Weise zu identificiren, dass man virei auf vireis, dies also weiter auf * virois zurückführt, was ja ohne Zweifel lautlich möglich ist, aber durch das Material der historischen Ueber - lieferung (s. dasselbe bei Büchler, Grundriss p. 17) nicht bewiesen werden kann. Den Zug, a-stämme in die i-Declination überzuführen, erwähnt auch Bücheler p. 18 (vgl. die Bemerkungen oben beim gen. sg.). Wo die Pronomina Plurale wie eis, heis zeigen, werden sich auch diese auf dem angegebenen Wege er - klären; es ist dafür doch bezeichnend, dass im senatusc. de Bach. ques (= queis) nur als Plural des Interrogativstammes qui -, quei nur als Plural des Relativ - stammes quo - vorkommt. Aus dem gesagten würde weiter folgen, dass die Uebereinstimmung des Latein mit dem Griechischen in der Anwendung des i im nom. plur. msc. und fem. nur ein Zufall ist, so gut wie dieselbe Uebereinstim - mung des Preussischen mit dem Griechischen nur ein Zufall sein kann. Für das Griechische und Lateinische wäre kurz der in beiden selbständig einge - schlagene Gang der Entwicklung dieser: in beiden Sprachen ging das i zu - nächst auf das fem. des Pronomens, vom Pronomen auf die nominalen a und ā - stämme über.

Also wir halten daran fest, dass in der Ursprache zwei verschiedene En - dungen, - i des Pronomens, - as des Nomens vorhanden waren, die innerhalb der Einzelsprachen nicht auf einander bezogen und aus einander erklärt werdenLeskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 682a. Declination der Nomina.dürfen, und haben von diesem Standpunkt aus die Formen unserer drei Familien anzusehen. Slavisch und Litauisch haben gemeinsam die pronominale Endung beim msc. vilkai, vlŭcī, die litauische Form bildet geradezu die Grundform der slavischen, und es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieselbe während einer gemeinsamen Entwicklungsperiode entstanden ist. Innerhalb des Slavischen ist es zwar vollkommen begreiflich, dass die alte Form * varkās, die nur hätte * vlŭka geben können, verloren ging, sie wäre mit dem gen. sg. und nom. -acc. dual. zusammengefallen, und die Anlehnung an die pronominale Form ti = * tai lag nahe. Allein derselbe Grund gilt nicht auch für das Litauische, wo ein aus der Grundform zu erwartendes * vilkōs erhalten bleiben und eine vollkommen kennt - liche Pluralform abgeben konnte, deren Zusammenfallen mit der Femininalform rankōs die pluralische Beziehung ja nicht hinderte. Ich meine daher, dass wir es hier mit einer älteren Erscheinung zu thun haben, die nicht so zu sagen aus lautlicher Noth, sondern durch eine mehr spontane Ausgleichung von nominaler und pronominaler Declination eingetreten ist: die beim Pronomen seit uralter Zeit bestehende Scheidung zwischen msc. und fem. in diesem Casus wurde bei den msc. a-stämmen nominaler Art bereits in der litauisch-slavischen Periode nach - geahmt.

Was das Femininum betrifft, so hat das Litauische die nominale Form in ursprünglicher Weise, rankōs, das Slavische den acc. statt des Nominativs, rąky (bei -stamm dušę = - jāns); in diesem Umstand liegt aber ein indirecter Beweis für das einstige Vorhandensein der dem Litauischen entsprechenden Form auch hier: * rankās hätte zu * rąka werden müssen, fiel also mit dem nom. sg. rąka zusammen, wurde eins mit seinem geraden Gegensatz. Die Uebertragung der Accusativform auf den Nominativ bei diesen zahlreichen Stämmen hat dann die Folge gehabt, dass überhaupt ausser den vereinzelten consonantischen Formen wie matere kein femininaler nom. plur. im Slavischen mehr vorkommt (vgl. oben die i-stämme).

Wie früher schon einmal erwähnt, bildet das Preussische mit seinem Femi - ninum eine merkwürdige Ausnahme, in den Katechismen heisst es z. B. gennai (l. genai) zu genna (l. gena) wie msc. grîkai zu grîks. Dass diese Erscheinung in der Sprache der Katechismen jung ist, zeigt ganz zweifellos der Dialekt des Elbinger Vocabulars, indem hier nur die nominale Form wie im Litauischen vor - kommt: wayos (Wiesen, lit. vejós zu vejà, Rasen), lauksnos (Gestirne) u. s. w., s. Pauli, Preuss. Stud. Beitr. VII, 180. Ausserdem aber liegt im Katechismus III, 27 die oben beim gen. sg. schon besprochene Pluralform stawîdas madlas (zu madla, Gebet) wirklich vor. Möglicherweise kommen daher alle femininalen Plurale auf - ai nur auf Rechnung des Uebersetzers; natürlich ist es aber auch denkbar, dass in der damaligen Sprache bereits eine Confusion der Art bestand. Uns genügt es, dass das i beim Femininum sicher nur der besonderen preussi - schen Entwicklung angehört.

Die germanischen Sprachen kennen nur eine einzige, die nominale Form, beim Nomen, deren Grundform uns das got. vulfôs, gibôs giebt, wenigstens zu geben scheint. Einen durch seine Consequenzen interessanten Einwurf gegen83ii. Die Casus des Plurals.diese Identificirung der Formen des msc. und fem. hat Scherer gemacht. Nach seiner Formulirung der germanischen consonantischen Auslautsgesetze (a. a. O. p. 97) heisst es: « das Ostgermanische [also nach Müllenhoffs und Scherers An - setzung Gotisch und Altnordisch] lässt das schliessende s unangetastet, das West - germanische [Deutsch und Angelsächsisch] duldet im allgemeinen kein s am Wortende ». Die Einschränkung bezieht sich auf die einsilbigen Pronominalformen ahd. wir, ir, er, der, huer und den nom. sg msc. des unbestimmten Adjectivs blintêr, welcher bei Scherer, da er ihn aus * blinda-jis, urspr. * blindas + jas ab - leitet, auch in die erstere Kategorie fällt. Wie es sich nun auch mit dem Ur - sprung dieser Adjectivform verhalten möge, Thatsache ist, dass der nom. pl. der sogenannten westgermanischen Sprachen bei allen Nicht-a-stämmen dem Gesetze entspricht (ahd. z. B. man = got. mans, belgi = got. balgeis), bei den femininalen ā-stämmen ebenfalls (z. B. ahd. gëbâ = got. gibos), bei den msc. a-stämmen da - gegen nicht: altsächs. dagos, dagas, angels. fiscas, zu welchen noch die von Förstemann, K. Z. XIV, 163 behandelten althochdeutschen pluralischen Orts - namen auf - as (Rimilingas) kommen, die sich etwa bis zur Mitte des 9. Jahr - hunderts nachweisen lassen. Scherer (a. a. O. p. 427) sträubt sich gegen die Annahme einer Abweichung vom Auslautsgesetz und sucht die Erklärung in dem arischen - āsas (skrt. dēvāsas, zend. açpāoṅhō, altpers. bagāha). Ein so gebildetes * varkāsas kann allerdings im Germanischen zunächst nur * vulfāss geben, und das einstmals doppelte s würde hier die Erhaltung z. B. im altsächsischen wulƀos ebenso erklären wie im gen. sg. auf - es = got. - is. Demnach hätten wir im Germanischen zwei Formen anzusetzen: - ās für das fem., - āsas für das msc., und bekämen in letzterer eine ganz specielle Uebereinstimmung mit den arischen Sprachen, noch genauer mit dem Iranischen, das die längere Form auch nur beim msc. kennt. Scherer bemerkt dazu: « vereinzelte Uebereinstimmung einer westarischen Sprache mit dem Ostarischen ist nichts unerhörtes ». Gewiss nicht, allein eine solche Uebereinstimmung hat zur nothwendigen Voraussetzung die einst allgemeine indogermanische Gültigkeit dieser Form, und auffallend bleibt es, dass in keiner andern westarischen (europäischen) Sprache sich von - āsas die geringste Spur findet. Ja sogar im Germanischen weist das nordische ulfar die Grundform * vulfās = * varkās ganz unzweifelhaft auf, da eben aus * varkāsas, * vulfāss nordisch nur * ulfas hätte werden können, vgl. gen. sg. ulfs = vulfis aus * vulfissa = varkasja. Es ist mir daher nicht entschieden, ob wir nicht in den altsächsischen und angelsächsischen Formen eine Alterthümlichkeit vor uns haben, wie in den vereinzelten althochdeutschen, und die Sache so ansehen müssen, dass die Wirkung des Auslautsgesetzes im Althochdeutschen consequent weiter gegangen ist, in den beiden andern Dialekten bei diesen Formen auf - gehört hat und die Plurale auf - s so feste Formen wurden. Jedenfalls ist mir das Verbleiben des s in den beiden Dialekten nicht genügend, um eine sonst nur als speciell arisch bekannte Form dem Germanischen zuzuschreiben.

6*84a. Declination der Nomina.

2. Genitivus pluralis.

Auch bei diesem Casus werden wir für die Bestimmung des Verhältnisses von Slavisch-litauisch zum Germanischen wenig oder nichts positives gewinnen. Dennoch ist er hier ausführlicher zu behandeln, weil er wieder einen Punkt dar - bietet, wo das Germanische unmittelbar an die arischen Sprachen anzuknüpfen scheint, und einige für das Verhältniss des Slavischen zum Litauischen nicht un - wichtige Bemerkungen dabei zu machen sind.

Als Suffix ist, wie die consonantischen Stämme darthun, - ām anzusetzen, dies findet sich überall wieder, auch bei den vocalischen in verschiedenen Ver - bindungen mit dem Stammauslaut. Sowohl im Slavischen wie im Litauischen hat die Wirkung des auslautenden Nasals das ā in ū umgewandelt, das aber im Slavischen früh verkürzt sein muss, da es sonst als y, nicht wie in Wirklichkeit als ŭ erscheinen würde: die vorliegenden Formen sind also litauisch älter und dialektisch - ūn, gewöhnlich - ū, slav. - ŭ (nach j natürlich statt dessen ĭ), lit. ak - men-ū́, slav. kamen-ŭ. Für die chronologische Bestimmung dieser Lautentwick - lung muss festgestellt werden, dass sie nicht der gemeinsamen Entwicklung der beiden Familien angehört, da das Preussische der Katechismen noch gen. plur. grîkan, swintan (zu grîks, swints) kennt und zwar nach Nesselmanns Citaten ersteres wenigstens sechsmal, letzteres zweimal, so dass an ein Versehen für grîkun nicht gedacht werden kann. Ueberhaupt kennt das Enchiridion (Kat. III) den gen. plur. auf - un beim Nomen gar nicht, beim Pronomen schwanken an und on (steison die gewöhnliche, steisan die seltenere Form, ebenso bei anderen Pro - nomina), in I. dagegen findet sich auch beim Nomen - un (grecon, grekun), in II wird an denselben Stellen griquan geschrieben. Es scheint wohl, dass wir die Sprache zur Zeit der Abfassung dieser Texte in der Periode des Ueberganges zu denken haben, wo noch das alte - an, namentlich dialektisch, zum Theil erhalten war. Jedenfalls zeigt die Existenz desselben, dass die Entwicklung des alten - ām zu - ūn eine speciell litauische ist und mit der gleichen slavischen nicht in Verbindung gesetzt werden darf.

Bei den u - und i-stämmen gehen die beiden Sprachen genau in derselben Weise auseinander wie im nom. plur. : die i-stämme haben slavisch wie litauisch ungesteigerten Stammauslaut, die u-stämme im Slavischen gesteigerten, im Li - tauischen ungesteigerten, daher entsprechen sich genau

  • lit. naktiū (n), nakczū = * nakti-ām,
  • slav. nostĭjĭ, gewöhnlich mit Dehnung des ĭ vor j noštījĭ (ноштий) = * nakti - jām; der einzige Unterschied, der aber kaum einer genannt werden kann, ist, dass im Slavischen das i in i + j gespalten wird, im Litauischen ein - fach vor dem Vocal in j übergeht;

dagegen:

  • lit. sūnū́ (n) nur aus * sūnu-ām oder * sūnuvām herzuleiten,
  • slav. synovŭ = * sūnavām;

bei den ā̆-stämmen herrscht völlige Gleichheit:

85ii. Die Casus des Plurals.
    • msc. lit. vilkū
    • slav. vlŭkŭ
    = * varkām.
    • fem. lit. galvū
    • slav. glavŭ
    = - ām,

es wird also hier in den Vocalen, beim Masculinum - ām = - ă + ām, beim fem. = - ā + ām kein Unterschied gemacht, beide Gruppen müssen für die Einheits - periode des Slavisch-litauischen als ein unterschiedsloses - ām angesetzt werden.

Die übrigen europäischen Sprachen, vom Germanischen zunächst abgesehen, lassen leider nicht überall erkennen, wie sich die Formen des msc. und fem. dort ursprünglich zu einander verhalten haben, da das Griechische für ersteres die pronominale Endung - sām angenommen hat, das Italische ebenfalls, im Kelti - schen die Formen so unkenntlich geworden sind, dass sie zu weiterer Bestim - mung nicht gebraucht werden können. Die Wahrscheinlichkeit ist natürlich da - für, dass für msc. wie fem. der ă̄-stämme ein contrahirtes gleichwerthiges - ām für alle europäischen Sprachen vorhanden war, und man könnte diesen Punkt ganz unberührt lassen, wenn sich nicht im Gotischen jener eigenthümliche Unter - schied zwischen msc. und fem. in den Endungen - ē und - ō bei den ă̄-stammen und - n-stämmen fände (bei den i-stämmen balgē wie anstē, u-stämme sunivē wie handivē, dagegen hananē tuggōnō, vulfē gibō; mit Einschluss derer auf - eini -, die im nom. und gen. plur. der Analogie von gibōs folgen, nom. plur. z. B. birōdeinōs, gen. plur. hazeinō), ein Unterschied, den selbst die übrigen germanischen Dialekte nicht theilen. Da die femininalen n-stämme ihn nur des - wegen zeigen, weil sie erst secundär aus ā-stämmen entwickelt sind, beschränkt sich die Differenz innerhalb des Nomens auf die ă̄-stämme, und erscheint ausser - dem nur im Pronomen, þizē und þizō. Da aber bei letzterem sicher die gleiche Endung - sām für beide Genera zu Grunde liegt, muss hier der Unterschied als vom Nomen übertragen gefasst werden, und es ist die Frage nur so zu stellen: woher rührt die Differenz des fem. und des msc. -ntr. der a-stämme des Goti - schen in diesem Casus?

Es wäre freilich das bequemste, man könnte diesen Unterschied einfach an die alte Verschiedenheit der Verbindungen - a + ām im msc. -ntr., - ā + ām im fem. anknüpfen, wenn nur die nothwendig daraus zu ziehenden Consequenzen nicht mit den sonstigen Thatsachen in Widerspruch stünden. Ein solcher ur - sprünglicher Unterschied müsste ja einst allen germanischen Sprachen angehört haben: wenn er nun in deren Ueberlieferung nicht mehr existirt, könnte man nur annehmen, die gen. plur. sämmtlicher Stammclassen wären hier nach der Analogie der femininalen ā-stämme umgebildet worden, aber man sieht dazu weder in den Lautverhältnissen einen Grund, noch sind diese Stämme an Zahl und Bedeutung gegen die übrigen zusammen so überwiegend, dass ein solcher Vorgang nicht höchst unwahrscheinlich wäre. Wenn es also möglich ist, die bestehende Differenz ohne Hülfe jener ursprünglichen Grundformen aus dem für alle Genera unterschiedslos angenommenen - ām durch Vorgänge innerhalb der Entwicklungsgeschichte des Germanischen zu deuten, so verdient eine solche Er - klärung den Vorzug. Ein Versuch dazu darf wenigstens gemacht werden.

86a. Declination der Nomina.

Die dabei in Betracht kommenden Thatsachen sind folgende: das Germa - nische hat eine zwiefache Behandlung des ursprünglichen ā: in einer gewissen Anzahl von Fällen erscheint es in allen Dialekten als ō (oder dessen Vertreter uo u. s. w.), in einer anderen bestimmten Anzahl hat das Gotische ē, Althochd. ā, Alts. ā, daneben auch e, Angelsächs. œ Altnord. ā. Es kann hier ununter - sucht bleiben, ob z. B. im Althochdeutschen das ā erst secundäre Entwicklung aus ē ist, wofür manches spricht, da wir es hier nur mit der Differenz in der Behandlung von altem ā überhaupt zu thun haben. Woher diese Differenz rührt, ist nicht auszumachen, nur, worauf es hier ankommt, ist durchaus kein Grund zu finden für eine etwaige Annahme, dass wir in brōþar = bhrātar - und dēds = * dhāti - Vocale von ursprünglich verschiedener Qualität zu sehen hätten. Die beiden Entwicklungen, zu ō und nicht zu ō, stimmen nun durchweg in den ger - manischen Sprachen überein; es kommen aber einzelne Abweichungen, und zwar nur in Endsilben vor, wo das Gotische ē, das Althochdeutsche-altsächsische aber ō (o) zeigen (Angelsächsisch und Altnordisch kommen nicht in Betracht, weil sie überhaupt in den Flexionssilben kein o mehr haben): es sind 2. sg. praet. nasidēs, althd. neritôs, got. svē, alth. , got. vulfê, althd. wolfô (- o); ferner, aber ebenfalls nur in Endsilben, giebt es Fälle, wo das got. a mit unentschiedener Quantität, aber sicher einst lang, das Althochdeutsche dagegen o oder u hat, z. B. hana hano; þamma (vgl. hvammê-h) dëmu u. s. w. Es sind daraus, wie mir scheint, folgende Regeln zu entnehmen:

1. Das lange ā der Endsilben (sei es ein ursprüngliches, sei es durch Er - satzdehnung entstandenes) ist in den Fällen, wo Gotisch und Hochdeutsch in der Qualität des Vocals differiren, als ā im Urgermanischen anzusetzen.

2. Das Gotische kennt keine weitere Entwicklung des ā zu ō als die sich bereits allgemein germanisch vollzogen hatte, im Althochdeutschen setzte sich die Entwicklung von ā fort und führte bald zu ô (o), bald zu u; ihr verfielen die in 1. bestimmten ā: daher neritôs, hano, demu.

3. Im Gotischen wurden dieselben ā, wenn sie im Auslaut standen zu a, daher hvamma, wenn in einsilbigen Worten oder vor Consonanten zu ē, daher hvē, þē, hvammē-h (eine Verbindung, die zu einer Zeit fest geworden sein muss, als das ā noch lang war).

Ehe wir dies auf den gen. plur. anwenden, ist noch daran zu erinnern, dass das consonantische Auslautsgesetz in seiner gewöhnlichen Fassung nicht richtig ist, dass vielmehr die Nasale nach ursprünglichem langen ā später abfielen, dieser Abfall überhaupt die letzte Phase des ganzen Auslautsgesetzes ist, dass also die Fälle, wo ursprünglich m nach ā im Auslaut stand, nicht unter vocalischen Aus - laut zu zählen sind.

Betrachten wir davon aus den gen. plur., so ist für das msc. als urgerma - nisch * vulfān, für das fem. * gibōn anzusetzen, die weitere Entwicklung ergiebt sich aus den angeführten Punkten: beim msc. folgte im Hochdeutschen das ā der fortgezetzten Umbildung zu ō (o), daher wolfô (- o), wurde im Gotischen als nicht im Auslaut stehend zu ē, später fielen die Nasale ab. Die Erklärung aber, warum das - ān des msc. nicht ebenfalls im Urgermanischen zu - ōn ward, wird sich nun87ii. Die Casus des Plurls.auch finden lassen: die fem. haben im Plural in allen anderen Casus ō = ā, die msc. nur im nom. plur. ; wenn man sich die Gesammtheit der Formen vergegen - wärtigt, wird es verständlich, dass im fem. auch der gen. plur. demselben Zuge folgte, der in den andern Casus das ā zu ō gemacht hatte, im msc. aber mit den andern obliquen Casus das ā festhielt; in einer Progression ausgedrückt: dat. gibōm, acc. gibōs: g. gibō (n) = d. vulfam, acc. vulfans: gen. * vulfān (vulfē), dass die Wandlung des ām in ē im Gotischen die sozusagen naturgemässe war, wenn keine anderen Einflüsse mitwirkten, zeigt die Uebereinstimmung der con - sonantischen, i - und u-stämme im - ē.

Was nun im Germanischen die Verbindung des - ām mit den einzelnen Stammclassen betrifft, so ist das Verhältniss zwischen i - und u-stämmen genau dasselbe, wie im Slavischen: pątĭjĭ: synovŭ = ahd. gestio, gesteo: sunio (= got. sunivē), also bei den u-stämmen Steigerung, bei den i-stämmen nicht. Dies wenigstens scheint die einfachste Erklärung der Formen. Scherer (a. a. O. p. 421) will zwar die beiden Stammclassen in der Bildungsweise nicht trennen, ahd. gestio = * gastijām geht ihm im letzten Grunde auf * gastajām zurück mit geschwächtem a wie in sunio = * sunivē = * sūnavām, eine Anschauung, gegen die sich, was die rein lautliche Seite betrifft, nichts sagen lässt, die aber auch durch nichts begründet werden kann. Wir können, wie die bisher behandelten Casus zeigen, eine völlige Parallelität der Casusbildung bei den i - und u-stämmen nicht her - stellen, so wenig wie eine solche in andern Sprachen nothwendig oder immer vorhanden ist. Im Hochdeutschen stimmt noch dazu der gen. pl. zum gen. und dat. sg. enstî, zu dessen Identificirung mit der gotischen Form keine Veranlassung ist. Scherer hält nun allerdings die Erklärung des gotischen gastē, anstē aus der alten i-form für möglich: aus - aj-ām soll durch Verlust des j und Contraction - ām geworden sei, dies dann wie sonst zu - ē, wodurch die Form mit der der a-stämme zusammenfiel, während man sonst annahm, es habe hier, wie im gen. und dat. sg. msc., einfach Uebertragung aus der a-form stattgefunden. So wäre allerdings das gleiche Bildungsprincip durchgeführt, allein wenn wir als Grund - formen * gastajām, * sūnavām ansetzen sollen, und es sich bei dem i in beiden Fällen, in sunio, sunivē wie in ahd. gestio um einen rein lautlichen Vorgang handelt, so bleibt es unverständlich, warum im Gotischen die Form der i-stämme davon ausgeschlossen blieb. Vollends unwahrscheinlich aber ist Scherers Aus - dehnung jener Grundform auf das Altnordische, wo wir glauben sollen, dass so - wohl das ursprüngliche - ajām wie das geschwächte - ijām neben einander vor - kommen, aus ersterer die Formen wie braga, aus letzterer die wie belgja zu erklären. Nach den wirklich vorliegenden Formen scheint es mir weit sicherer, die althochdeutschen Formen aus Grundformen ohne Steigerung des Stammvocals zu erklären, und die gotischen Genitive auf - ē für Entlehnungen aus den msc. a-stämmen zu halten.

Wenn man geneigt ist, in den uns vorliegenden Formen überall directe Ab - kömmlinge der ursprünglichen Formation zu sehen, kann man übrigens ganz88a. Declination der Nomina.dieselbe Controverse bei den u-stämmen anregen: ahd. sunio stimmt nicht zu alts. hando und nicht zu ags. suna. Letzteres bezeichnet Sievers (Paradigmen) durch cursiven Druck als Analogiebildung nach den a-stämmen, ersteres lässt er ohne besondere Merkmale, es könnte also nach ihm als wirkliche u-form zu fassen sein, und dabei auch wieder an ein zu Grunde liegendes - avām mit un - geschwächtem a gedacht werden. Allein auch hier liegt es viel näher, an die Analogie der übrigen Stämme zu denken, durch welche die alte zu erwartende Form auf - io verdrängt ist. Bei dem ganzen uns überlieferten Stande der Decli - nation in den germanischen Dialekten ausser dem Gotischen und zum Theil selbst hier, wird es im Zweifelfalle immer richtiger sein, die Erklärung möglichst wenig auf einen allerältesten indogermanischen Lautbestand zu beziehen, wenigstens so lange, bis eine den gegenwärtigen Anforderungen entsprechende systematische vergleichende Grammatik der germanischen Sprachen uns die Verhältnisse der Laute und Formen derselben deutlicher gemacht hat, als es bis jetzt der Fall ist.

Ich komme jetzt zu dem oben schon angedeuteten Punkte, in welchem dieser Casus im Germanischen eine besondere Berührung mit der Form der arischen Sprachen zeigen soll. Scherer (a. a. O. p. 430) setzt in seiner Uebersicht der germanischen Grundformen der Declinationsendungen bei den femininalen ā - stämmen sowohl - ān wie - ānān (= ām, ānām) an, letzteres nach dem « West - germanischen », denn das Gotische kennt die Form mit n so wenig wie das Alt - nordische (vgl. p. 428). Man hätte also, anders ausgedrückt, für das Urgerma - nische die Existenz zweier Bildungen neben einander anzunehmen, Anfügung von blossem - ām an den vocalischen Stammauslaut mit Verschmelzung von Stamm und Endung und Einsetzung von n zwischen Stamm und Endung, wobei das - ām von aller Contraction frei bleibt. Die überlieferte Vertheilung dieser Nebenformen wäre dann eine zufällige dialektische, nur das Angelsächsische mit seinem gifena neben gifa hätte beide erhalten. Die Möglichkeit einer solchen Anschauung ist ja nicht zu bestreiten, ihre Wahrscheinlichkeit gar sehr: das n der arischen Sprachen in diesem Casus correspondirt mit dem hier vielfach sonst vor Casusendungen stehenden n, und kennen wir auch dessen Ursprung nicht, so reiht es sich doch ein in eine Fülle gleichartiger Erscheinungen, im Germani - schen aber stünde es ganz vereinzelt. Ferner hat keine andere europäische Sprache eine Spur davon, endlich glaube ich, dass aus dem Deutschen selbst ein Grund dagegen zu finden ist. Scherer ist der Meinung (p. 430), dass der seit alter Zeit vorhandene gen. plur. auf - ānām « ausreichte, um zur Folgerung eines Stammes auf - ān zu verführen », diese Folgerung sei der Ursprung des schwachen Femininums. Also tuggônô, manageinô als die Veranlassung der ganzen Formation wären auch die ältesten Formen. Nun sind dieses, wie schon oben erwähnt, die einzigen Classen von Femininen, welche sich im Gotischen an dem Unterschied des femininalen ā-stammes vom msc. betheiligen, indem sie als Endung - ô haben. Das ist nun schwer oder gar nicht verständlich bei Scherers Annahme: wenn die Grundform - ānām hier gilt, warum nicht das zu erwartende * - onê, da es doch handivê = - avām heisst und woher die Abweichung vom msc. hanan-ē? Man kann hier nicht die Analogie der andern Form der femininalen ā-stämme,89ii. Die Casus des Plurals.also gibô zu Hülfe rufen, denn wenn deren Beispiel wirkte, warum wirkte es nicht auf alle Feminina ohne Unterschied, also warum nicht auch * handivô. Da - gegen wird das ô der femininalen n-stämme verständlich, wenn man annimmt, dass es auch im gen. plur. ursprünglich nur tuggô (= * tungān) hiess von einem Nominativ * tuggā, das n also im gen. plur. wie in den übrigen Casus erst eine speciell germanische Erweiterung des Stammes ist; diese veränderte an dem einmal bestehenden und wie oben auseinandergesetzt, auch zu erklärenden ô der Endung nichts mehr.

Freilich erhebt sich hier nun die Frage, wie die sogenannte schwache Decli - nation im Germanischen bei Substantiv und Adjectiv zu erklären sei. Die Frage hat mit dem Verhältniss des Germanischen zum Slavisch-litauischen, wenigstens unmittelbar, nicht viel zu schaffen, denn etwas entsprechendes findet sich in diesen Sprachen nicht. Trotzdem kann sie hier nicht umgangen werden, weil nothwendig doch die Frage entschieden oder wenigstens behandelt werden muss: ist die schwache Declination ein Product der besonderen Geschichte des Germa - nischen, oder ist sie anzuknüpfen an ältere Sprachperioden, und wenn letzteres, auf welche Fälle in den verwandten Sprachen ist sie zu beziehen. Ich würde vorziehen, die ganze Sache bei der Adjectivdeclination abzuhandeln, wenn diese, sobald die Untersuchung über das Germanische hinausgeht, überhaupt einen selbständigen Abschnitt bilden könnte, und nicht im Germanischen selbst auf der einen Seite ebenso mit der substantivischen Declination zusammenhinge, wie auf der andern mit der pronominalen.

Wäre man in der germanischen Grammatik nicht durch Grimms Vorgang von vornherein von dem Gedanken beherrscht gewesen, dass das n in der Decli - nation eine ganz besondere Eigenthümlichkeit, sozusagen eine Erfindung des deutschen Sprachgeistes sei, so würde man vielleicht die ganze Erscheinung nicht für so merkwürdig gehalten und eine nicht fernliegende Erklärung dafür gefunden haben. Die Meinung, als gehöre das n der Declination als solcher an, darf wohl für überwunden gelten; es wird allgemein als dem Stamm angehörig anerkannt. Die Frage ist also diese: woher kommt die ausserordentliche Verbreitung dieser Stämme im Deutschen und ihre besondere Anwendung bei der Adjectivdeclination. Und für beides, meine ich, giebt es eine Erklärung.

Beginnen wir mit dem sogenannten schwachen msc. Es ist klar, dass die gotischen ahman -, blôman - u. s. w., kurz die mit Suffix - man - gebildeten (s. die Aufzählung bei Leo Meyer, G. Spr. § 232) ihre Stammform nicht erst in der ger - manischen Entwicklungsperiode bekommen haben. Bei den übrigen, auf - an ohne m ausgehenden ist dies nicht so unmittelbar deutlich, aber auch nachzu - weisen. Es giebt von ältester Zeit an in den indogermanischen Sprachen ein Suffix - an -, welches nom. ag. primär aus Wurzeln bildet, oder auch secundär angewendet in einem der Bedeutung eines nom. ag. sehr verwandten Sinne die Betheiligung an etwas, die Beschäftigung mit etwas bezeichnet. Aus dem San - skrit gehören hierher z. B. takšan - (Zimmermann, takš), rāǵan - (König, rāǵ) djuvan -, (Sonne, eigentl. « Leuchtender », div, dju), pušan - (Name eines Gottes, eigentl. « Ernährer, Gedeihenbringer », puš), ukšan - (Stier, ukš beträufeln),90a. Declination der Nomina.vršan - (Stier, vrš benetzen), wahrscheinlich juvan - (vgl. BR. W. s. v.) u. a. Häufig ist das Suffix nicht, aber die Bedeutung ist klar; und so auch im Grie - chischen ἀηδον -, ἀρηγον -, τεκτον -, ἀλαζον -, mit anderem Vocal adjectivisch in ταλαν -, ἀρσεν -. Im Griechischen wie im Lateinischen findet sich ferner eine Suffixform - ōn - mit durchgehends langem Vocal, aber in derselben Bedeutung des nom. ag. : δρομων -, δραπων -, φαγων - u. s. w., comedōn -, combibōn -, suc - cubōn - u. s. w. (s. L. Meyer, Vgl. Gr. II, p. 139). Die Länge des ō hat hier schwerlich einen andern Grund als die Vocallänge in datōris oder δοτῆρος, d. h. Uebertragung aus dem nom. sg., wo die Länge lautgesetzlich entstehen musste, oder aus dem acc., wofür die sanskritischen Formen dātāram, açmānam, rāǵā - nam zu sprechen scheinen; wir dürfen die Beispiele also hierher rechnen. Be - trachtet man nun die schwachen msc. der germanischen Sprachen, so zeigt sich, dass die grösste Zahl derselben reine nomina agentis primärer (d. h. hier un - mittelbar verbaler) oder secundärer Ableitung sind. Ich gebe die Beispiele aus dem Gotischen als Beleg und bemerke nur, dass in den andern Dialekten sich die Sache ähnlich verhält:

  • auhsan - = skrt. ukšan -, also altererbt, ebenso
  • guman - = lat. homin -, lit. żmen - (nom. żmů),
  • ahan - (Sinn, Verstand), ak, also eigentlich « der sehende »,
  • hanan -, kan, also « Sänger »,
  • aran - (Adler) wird man wohl auch zu diesen alten Worten ziehen dürfen, ar (ὄρνυμι), also « der sich erhebende ».
  • Von Verben, die im Germanischen selbst noch vorliegen:
  • faura-gaggan - zu gaggan,
  • skulan - (Schuldner) zu skulan,
  • lukarna-staþan - zu standan vgl. unser « Ständer » im Sinne von Pfeiler,
  • ufar-svaran - (wenn dies nach dem dat. - svaram Timoth. I, 1, 10 anzu - setzen; Meineidiger) zu svaran,
  • vilvan - (Räuber) zu vilvan (rauben),
  • un -, fulla-vitan - (Nicht -, vollkommener Wisser) zu vitan,
  • haurnjan - (Hornbläser) zu haurnjan (Horn blasen),
  • fērjan - (Nachsteller) hat wohl nur zufällig im Gotischen sein Verbum nicht neben sich, vgl. ahd. fârên (nachstellen) und zur Bedeut. fârâri (Nachsteller),
  • mana-maurþrjan - (Mörder) zu maurþrjan,
  • timrjan - (Zimmermann) zu timrjan (zimmern),
  • vardjan - (Wächter) zu fra-vardjan,
  • nutan - (Fänger), vgl. ga-niutan (fangen),
  • gamainjan - (Theilnehmer) zu gamainjan (Theil nehmen),
  • skiljan - (Metzger) wird auf skar (griech. κείρω) bezogen und setzt dann ein Verbum * skiljan voraus, zu vergleichen mit bidjan; jedenfalls ist die Bildung wie bei den übrigen,
  • gasinþjan (Reisegefährte), vgl. ags. sîđian (reisen) u. s. u. gasinþan -,
  • aiza-smiþan -, wenn auch die nicht sicher ist, gehört selbstverständlich auch hierher,
91ii. Die Casus des Plurals.
  • vaurstvjan - (Arbeiter) ist zu beziehen auf ein von vaurstva - abgeleitetes Verbum * vaurstvjan, gebildet ähnlich wie bandvjan. Ich will damit nicht sagen, dass ein solches Verbum im Gotischen wirklich gebräuchlich ge - wesen sei. Gab es einmal Bildungen der Art von abgeleiteten Verben wie das oben angeführte haurn-jan -, so konnte die Sprache nach dieser Analogie natürlich auch unmittelbar vom Stamm aus solche Worte bilden. Mit Leo Meyer hier eine besondere Suffixform - jan - anzunehmen, ist kein Grund vorhanden. Ebenso wird es sich verhalten mit:
  • svigljan - (Pfeifer), zu dem das Substantiv svigla -, das Verbum sviglôn, aber kein * svigljan vorhanden ist,
  • skattjan - (Geldwechsler), zu skatta - (Geld),
  • liugnjan, subst. liugna - (Lüge),
  • fiskjan -, subst. fiska -,
  • kasjan - (Töpfer), kasa - (Gefäss).

Dazu kommt nun eine Reihe secundärer Bildungen, deren Bedeutung sich nur dadurch von der eines eigentlichen nom. ag. unterscheidet, dass sie nicht den Vollzieher einer Handlung, sondern den Theilhaber, Empfänger, Bearbeiter einer Sache bezeichnen:

  • ga - hlaiban - zu hlaiba - (Genosse), « der das Brot mit hat »,
  • ga-jukan - (Genosse), « der das Joch (juka -) mit trägt »,
  • ga-laistan - (Gefährte, Begleiter) zu laisti - (Spur, Ziel), entweder so zu er - klären, dass eine Nebenform laista - bestand, oder dass i vor dem neuen Suffixe abfiel; ebenso
  • ga-dailan - (Theilhaber) zu St. daili - (Theil),
  • galeikan - (þiudôs galeikans ἔϑνη σύσσωμα, Eph. 3, 6) zu leika - (Leib), vgl.
  • man-leikan - (Ebenbild), eigentl. « Mannesgestalt habend »,
  • garaznan - (Nachbar), « das Haus mit habend », zu razna -; dass
  • ga-daukan - (wenn so nach acc. plur. gadaukans I. Cor. 1, 16 anzusetzen, was wahrscheinlich ist) ebenso zu erklären, liegt nahe,
  • ga-sinþan - (Gefährte) braucht nicht mit Leo Meyer auf ein muthmassliches * sinþan (gehen) bezogen zu werden, sondern kommt von sinþa - (Gang) und bedeutet « Theilnehmer am Gange, der Reise »,
  • ga-vaurstvan - (Mitarbeiter) zu vaurstva - (Arbeit), vgl. auch alla-vaurstvan - (allwirkend),
  • in-kunjan - (Stammesgenoss) zu kunja - (Geschlecht), vgl. Bildungen wie ἐνοίκιος, und got.
  • ingardjan - (Hausgenoss) zu gardi - (Haus),
  • us-liþan - (Gichtbrüchiger) zu liþu - (Glied), wo das u vor dem neuen Suffixe abgefallen ist, eigentlich « einer der die Glieder aus hat », vgl. die nieder - deutsche Redewendung: « den Arm ut’t Lid hebben » = verrenkt haben.

Die Uebereinstimmung in diesen Bildungen ist ja unverkennbar, es sind Bâhuvrhi-composita, wie sie überall häufig sind, deren erstes Glied eine Präpo - sition bildet. Dazu kommen noch ausserhalb der Composition:

  • spillan - (Verkündiger), der mit spilla - (Erzählung) zu thun hat,
92a. Declination der Nomina.
  • gaujan - (Gaugenosse) zu gauja - (nom. sg. gavi),
  • stauan - (Richter) zu staua (Gericht),
  • arbjan - (Erbe) zu arbja - (das Erbe),
  • aurtjan (Gärtner) zu aurti-gards,
  • baurgjan - (Bürger) zu baurgi -. Es mag hier gleich bemerkt werden, wie sich das Sprachgefühl ganz gleich verhält zu den Suffixen des nom. ag. - an - und - ārja -; unser « Bürger », ahd. burgâri enthält eben das letztere vermöge derselben Bedeutungserweiterung aus dem einfachen nom. ag. heraus, wie wir sie für - an - behaupten,
  • vai-dēdjan - (Uebelthäter) zu dēdi - (That),
  • bandjan - (Gefangener) nicht unmittelbar zu bindan, sondern zum Substan - tiv bandjā -, ebenso
  • bi-haitjan - (Prahler) mit dulga-haitjan - (Schuldforderer, Gläubiger) nicht auf haitan, sondern zunächst auf haiti, St. haitjā (Forderung, Geheiss),
  • vein-drugkjan - (Weintrinker) mit af - drugkjan - werden wir so nicht auf drigkan, sondern auf einen substantivischen ja-stamm drugkja - = ahd. trunch zu beziehen haben, und
  • arbi-numjan - liegt ein subst. * numi - oder * numja - (Nehmung) zu Grunde, gebildet wie qums, St. qumi - oder quma -, dem im althd. not-numeo ent - stammt: einem althd. - nëmo würde got. - niman - entsprechen,
  • af-ētjan - (Fresser) sicher nicht unmittelbar zu itan, wenn auch ein ent - sprechendes Substantiv * êti - oder * êtja - fehlt (vgl. slav. ědĭ, Speise),
  • faura-gaggjan - neben dem schon erwähnten faura-gaggan erklärt sich aus faura-gaggja - (Vorsteheramt). Eine Suffixform - jan hat nirgends existirt.

Bei allen diesen Worten haben wir also ein bestimmtes, in seiner Bedeutung klares stammbildendes Suffix vor uns, das altererbt ist, mit dieser Bedeutung aus der ältesten indogermanischen Zeit stammt, im Gotischen und den germa - nischen Sprachen überhaupt nur eine grössere Verbreitung erlangt hat als anders - wo: also in einem Worte wie gajukan - ist die Sachlage nicht so aufzufassen, als habe es erst ein an sich natürlich mögliches gajuka -, wie griech. συ-ζυγο - ge - geben, sondern das Wort ist von vornherein mit dem Suffixe - an oder, was bei zu Grunde liegenden Stämmen auf - a - auf dasselbe herauskommt, mit - n ge - bildet worden.

Nun bleibt im Gotischen ein Rest von Masculinen, deren Etymologie nicht klar ist und damit die ursprüngliche Bedeutung nicht zu bestimmen, oder bei denen, wenn auch etymologische Beziehungen zu finden sind, die Bedeutung ver - dunkelt ist. Dieser Rest ist in der That gering, wenn man die nur conventioneller Weise den Substantiven zugezählten substantivirten schwachen Adjective wie blindan -, liutan -, unhulþan -, veihan -, þarban - u. a. abrechnet; es bleiben dann nur: aban -, attan -, h (b) alsaggan -, brunnan -, uzētan - (Krippe, wenn es msc. ist), fanan -, fulan -, gardan -, hohan -, maþan - (nur nom. sg. maþa überliefert, viel - leicht fem. ), mênan -, notan -, skuggvan -, snagan -, sunnan -, smakkan -, sparvan -, vaihstan, giblan -, mêlan -, fraujan -, galgan -, hlijan -, mannan -. Endlich sind einige zu erwähnen, deren nahe Beziehung zu gotischen Worten klar ist, deren93ii. Die Casus des Plurals.Bedeutung aber nicht zu der oben gegebenen der nom. ag. stimmt: ga-tauran - (Riss) zu tairan; ganauhan - (Genüge) zu ganauhan; drobnan - (Aufruhr) zu dro - bnan, trans. drobjan, ib-daljan - (Abhang) vgl. dala - (Thal); bidagvan (Bettler) vgl. bidjan, bida; viljan - (Wille) zu viljan, nêhvundjan - (Nächster) vgl. adv. nêhva; gudjan (Priester) zu guþa -, guda -; das Deminutiv magulan - zu magu -, der nom. plur. brôþra-hans. Unter diesen mögen immer noch einige sein, die als substantivirte Adjective anzusehen, wie nêhvundjan -, bidagvan -, gudjan - (vgl. veihan -) oder als nom. ag., die ihren persönlichen Sinn gegen einen unpersön - licheren aufgegeben haben, z. B. viljan - (vgl. oben ahan -).

Unerwähnt ist noch geblieben svaihran -, wo wir aus çvaçura -, ἑκυρό-ς, ahd. swëhur, mit völliger Bestimmtheit wissen, dass das stammbildende Suffix ursprünglich nicht auf - n - ausging. Das ist für die Anschauung des ganzen wichtig. Diese lässt sich nun folgendermassen zusammenfassen:

1. es gab von alter Zeit her ein nomina agentis bildendes Suffix - an -;

2. dies ist im Germanischen zu häufigerem Gebrauch gekommen als in andern indogermanischen Sprachen und seine Bedeutung in der uns überlieferten Periode der Sprache offenbar für das Sprachgefühl ganz lebendig gewesen, so dass sogar im Gotischen das im Deutschen so häufige - ārja - viel seltner, in der That nur in einigen wenigen Beispielen vorhanden ist (bôkareis, môtareis, vul - lareis, liuþareis, laisareis, sôkareis).

3. Die Mehrzahl der vorhandenen sogenannten schwachen msc. lässt sich nach Ableitung und Bedeutung als zu diesen nom. ag. gehörig bestimmen, und sie bilden demnach die aus alter Zeit ererbte Grundlage der schwachen Decli - nation der männlichen Substantiva.

4. Es ist leicht verständlich, dass die Fülle dieser Bildungen auch eine Anzahl ursprünglich anders geformter Stämme in ihre Analogie hinübergezogen hat, wie das bei svaihran - unmittelbar nachgewiesen werden kann.

Hier wäre nun auszuführen, dass die schwache Declination der Adjectiva auf demselben Suffixe - an - beruht, das wie in andern Sprachen andere Suffixe des nom. ag. zur Substantivirung der Adjectiva benutzt wurde. Dass diese Sub - stantive im Deutschen adjectivische Verwendung bekamen und zwar gerade die des bestimmten Adjectivs, lässt sich Schritt für Schritt begründen. Ich verzichte aber hier auf diese Begründung und verweise auf H. Osthoff, Zur Geschichte des schwachen deutschen Adjectivums (Forschungen 2. Th.), der die Sache nach meiner Meinung entscheidet.

Wenden wir uns nun zu den schwachen Substantiven fem. gen. : die im Gotischen vorkommenden sind zunächst zu sondern nach dem vocalischen Ele - ment, welches dem - n vorangeht, in Bildungen auf - ein - und auf - on -. Die letzteren zerfallen ihrer Bedeutung nach in verschiedene Kategorien:

1. solche, die den behandelten msc. nom. ag. als fem. nom. ag. zur Seite stehen, oder, wenn auch das entsprechende msc. fehlt, die gleiche Bedeutung haben:

  • garaznōn - fem. zu garaznan -,
  • arbjōn - fem. zu arbjan -,
94a. Declination der Nomina.
  • unvaurstvōn - (Müssige), fem. zu vaurstvan -,
  • daura-vardōn - neben daura-varda fem. zu daura-varda - msc.;
  • gamarkōn - (Grenznachbarin) zu marka;
  • malōn - (Motte) zu malan;
  • vinþi-skaurōn - (Wurfschaufel).

Es ist von vornherein klar, dass hier nicht unmittelbar ein Suffix - an - zu Grunde liegen kann, denn an diesem konnte ein Genusunterschied ursprünglich nicht ausgedrückt werden, daher denn im Griechischen ἀηδών, und ἀρηγών. Sollte das Femininum kenntlich gemacht werden, so konnte es nur durch ein neues Suffix geschehen, griech. τέκταινα zu τέκτων u. a., skrt. râǵńī d. i. * - ǵan-jā zu râǵan -. Das ist im Gotischen nicht geschehen, jene gotischen Femi - nina sind also germanische Neubildungen, und zwar, wie mir unzweifelhaft scheint, Analogiebildungen: wie dem msc. auf - a ein fem. auf - ā gegenübersteht, vgl. daura-varda - msc. zu daura-vardā fem., so stellte die Sprache neben das alte - an - ein jüngeres - ān -, d. i. - ōn -. Das Bedürfniss, besondere Bezeichnungen für das femininale nom. ag. zu haben, ist in den Sprachen, wie es scheint, über - haupt jüngeren Ursprungs: die ältesten Verwandtschaftsnamen auf - tar - unter - scheiden die Genera nicht; das Slavische hat neben dem aus älterem - tar - der nom. ag. weiter gebildeten msc. - tarja -, nom. sg. - teljĭ (da-teljĭ, dator), kein fem., obwohl es ganz einfach gewesen wäre, das entsprechende Femininum * dateljā zu brauchen; das Griechische und Sanskrit verwenden - zur Femininalbildung, δότειρα, dātrī = * dātarjā, lateinisch wieder - īc -, sodass die Sprachen weder ein völliges Durchführen des Genusunterschiedes zeigen noch in der Formation des fem. übereinstimmen. Im Germanischen werden alte Feminina auf - ā mit dem Sinne eines nom. ag. wie - vardā zur Bildung der - ān-formen beigetragen haben: man hatte also alte nom. ag. auf - a msc. gen. (- varda -), eine weit grössere An - zahl dagegen von solchen in der Sprache lebendig empfundenen auf - an -, jenen entsprechend fem. auf - ā, und schuf zu diesen dann die conformen auf - ān -.

2. Eine weit zahlreichere Classe besteht aus Abstracten und zwar

a) Verbalabstracten:

  • armaiōn - zu arman, das Erbarmen,
  • brinnōn - zu brinnan, Fieber, eigentl. « Brand »,
  • driusōn - zu driusan, Abhang, eigentl. « Fall »,
  • reirōn - zu reiran, Zittern,
  • rinnōn - zu rinnan, Bach, vgl. Fluss: fliessen,
  • vinnōn - zu vinnan, Leiden

u. s. w.

b) von Adjectiven:

  • fullōn - Fülle zu fulla -,
  • heitōn - Hitze, Fieber, zu einem Adjectiv * heita -,
  • aglōn - zu agla -, Trübsal,
  • gariudjōn -, Ehrbarkeit, zu gariuds, Stamm - riuda -.

Dass in dieser Kategorie von Worten dasselbe Suffix - ā oder - ursprünglich95ii. Die Casus des Plurals.sei, welches solche Abstracta in allen indogermanischen Sprachen bildet (φυγή, ἐλευϑερία), wird uns geneigt machen, die Entwicklung des - ān - auch hier für specifisch germanisch zu halten. Es fragt sich nur, ob wir auch hier die Ver - anlassung zu dieser Weiterbildung mit - n - nachweisen können. Der Entschei - dung lässt sich nur nahe kommen, wenn man zugleich die Feminina auf - ein - in Betracht zieht; sie sind viel zahlreicher und entsprechen den Abstracten anderer Sprachen auf - .

Diese Feminina auf - ein -, ihre Zahl ist c. 100, sind mit Ausnahme von aiþein -, kilþein -, hvairnein -, þramstein -, marein - sämmtlich Abstracta zu Adjec - tiven oder vereinzelter zu Substantiven (wie godein - zu goda -, vitvodein - zu vit - vodja - oder vitvod -). Nun vergleiche man folgende Stellen:

Phil. 2, 1: εἴ τινα σπλάγχνα καὶ οἰκτιρμοί jabai hvo mildiþo jah gablei - þeino, also nom. sg. gableiþeins, St. gableiþeini -, anzusehen als Verbalabstractum zu gableiþjan sich erbarmen.

Röm. 12, 1: διὰ τῶν οἰκτιρμῶν þairh bleiþein guþs (im Got. steht der acc. sg.); Col. 3, 12: ἐνδύσασϑε σπλάγχνα οἰκτιρμῶν, χρηστότητα ga - hamoþ .... brusts, bleiþein, armahairtein (im Got. der Text abweichend, über - setzt ist der acc. sg.); II. Cor. 1, 3: πατὴρ τῶν οἰκτιρμῶν atta bleiþeino. Nach den Formen dieser drei Stellen könnte man mit vollem Rechte als nom. sg. bleiþeins, St. bleiþeini -, Verbalabstractum zu bleiþjan ansetzen, und ich sehe allerdings gar keinen Grund ein, warum man das nicht thut. Es findet sich zwar der nom. sg. bleiþei, St. also bleiþein -, einmal Gal. 5, 22, übersetzt aber dort nicht οἰκτιρμοί, sondern ἀγαϑοσύνη, ist also Abstractum zum Adjectiv bleiþs, St. bleiþja - und gedacht wie das griechische Wort im Verhältniss zu ἀγαϑός. Die Bedeutungsverschiedenheit, wenn auch nicht gross, berechtigt entschieden, zwei Worte: bleiþei und bleiþeins anzunehmen, während die Lexica nur bleiþei neben gableiþeins aufführen; belehrend ist aber, dass GaLö den nom. als ga - bleiþei ansetzen und gableiþeins mit einem Fragezeichen dazu stellen. Das näm - lich zeigen die angeführten Stellen klar, dass der Bedeutungsunterschied zwischen einem Verbalabstractum auf - eini - von schwachem Verbum auf - jan - und einem Abstractum auf - ein - zu einem Adjectivstamm sehr gering sein und man, wo nur einzelne Formen überliefert sind, in Verlegenheit sein kann, wie Stamm und Nominativ zu bestimmen. Das Zusammenfallen der Bedeutung wird fast jedesmal dann stattfinden, wenn in der Sprache ein Adjectiv und ein davon ab - geleitetes schwaches Verbum neben einander vorhanden sind. Dass dies nicht bloss in der Theorie als möglich gedacht werden kann, sondern wirklich vor - kommt, lässt sich aus dem Gotischen leicht nachweisen:

Joh. 10, 33 muss man wegen des gen. vajamereins den nom. sg. als vaja - merei (βλασφημία), folglich als St. vajamerein - ansetzen, und als Grundlage ein wie vaila-mers, St. - merja -, gebildetes * vajamers annehmen; Marc. 7, 22 steht aber der nom. sg. vajamereins, folglich St. mereini -, als Verbalabstractum zu vajamerjan, das wirklich vorkommt; die Bedeutung ist ganz dieselbe. Ebenso verhält es sich mit vitvodein - und vitvodeini -, ersteres auf vitvods, letzteres auf vitvodjan zu beziehen. Gerade so gut aber, wie es hier einerlei war, welche96a. Declination der Nomina.Bildung angewendet wurde, musste es einerlei sein in manchen Fällen, wo uns nur eine Form überliefert ist: z. B. ein * filuvaurdeins (Geschwätz) zu filuvaurd - jan könnte keinen andern Sinn gegeben haben, als filuvaurdei zu einem Adjec - tivum St. * filu-vaurda - (vgl. lausa-vaurda -), * faurhteins zu faurhtjan nichts andres bedeuten als faurhtei zum Adj. faurhta -. Einzelne Ansetzungen von Nominativen sind ganz willkürlich, z. B. 2. Cor. 7, 11 wird nach dem acc. unverein (ἀγανά - κτησιν) der nom. als unverei angesetzt und dazu ein Adjectiv-Stamm * unverja - angenommen, aber mit demselben Rechte kann man nom. unvereins annehmen als Abstractum zu unverjan, wie es Schulze (Glossar) und GaLö wirklich thun.

Es ist klar, dass da, wo das Verbum ein ausgeprägt transitives oder facti - tives ist, ohne Object nicht wohl gedacht werden kann, das Abstractum des Ad - jectivs den Zustand, das des Verbums die Thätigkeit ausdrückt, so bei garaihtei, Gerechtigkeit, zum Adj. garaihta -, dagegen garaihteins, Rechtsertigung, zu ga - raihtjan, rechtfertigen (vgl. 2. Timoth. 3, 16 πρὸς ἐπανόρϑωσιν, πρὸς παιδείαν τὴν ἐν δικαινσύνῃ du garaihteinai, du talzeinai in garaihtein), ebenso svikneins, Reinigung, sviknei, Reinheit, hauheins, Erhöhung, hauhei, Höhe u. s. w. Das Factum bleibt trotzdem bestehen, dass in sehr vielen Fällen die Abstracta der Adjectiva sich von den Verbalabstracten auf - ni - in der Bedeutung nicht unter - scheiden, und beide Classen promiscue gebraucht werden können.

Noch auf eine andere Thatsache muss hingewiesen werden. Wenn z. B. Leo Meyer zu dem Abstractum gafraþjein - ein Adjectivum * gafraþja - hypothe - tisch ansetzt, so geschieht das nach dem vorhandenen z. B. grinda-fraþja - (klein - müthig), jenes wie dieses ein Bâhuvrhi (Verstand, fraþi, St. fraþja -, mit habend); ein ebenfalls mögliches * gafraþeini - zu gafraþjan (verständig sein) würde das - selbe bedeutet haben. In derselben Weise kann man auch zu andern Beispielen die Adjectiva erschliessen. Wie verhält es sich aber mit gaaggvein - (gaagvein -, Beengung)? Hier wird man doch schwerlich ein Adjectiv * ga-aggvja - = aggvu - erschliessen wollen, wobei die geforderte transitive Bedeutung nicht einmal her - auskäme, sondern wird das Wort einfach als Verbalabstract zu gaaggvjan ansehen, es also für gleichbedeutend mit einem etwaigen * gaaggveini - halten. Damit hätten wir wenigstens ein Zeugniss, dass nicht bloss Bedeutungsgleichheit einen unterschiedslosen Gebrauch der beiden Wortclassen veranlassen konnte, sondern auch ein Uebergang der Form von einer in die andere möglich war.

Auf Grund der gegebenen Thatsachen möchte ich die Hypothese aufstellen, dass die schwache Declination der fem. auf ursprünglich - (Abstracta zu Ad - jectiven) veranlasst wurde durch eine Vermischung mit den Verbalabstracten auf - eini -. Es muss dabei nur erklärt werden, warum jene nicht einfach die Formen dieser i-stämme annahmen, sondern consonantisch behandelt wurden. Auch da - für wird sich ein zureichender Grund finden lassen. Folgende Sätze scheinen mir darauf hinzuführen:

1. Die uns erhaltenen gotischen Bildungen mit Suffix - haben bekanntlich den nom. sg. auf - i bei langer Wurzelsilbe und wenn andere stammbildende Suffixe dem - vorangehen, bandi, hulundi, und unterscheiden auf diese Weise den nom. vom acc. bandja. Diese Contraction muss älter sein als das Wirken97ii. Die Casus des Plurals.der Auslautsgesetze, denn hätten diese den nom. als * bandjā vorgefunden, diesen zu * bandjă verändert, wie der Accusativ * bandjān zu bandja wurde, und wäre dann erst die Contraction eingetreten, so ist es unverständlich, warum nicht nom. und acc. gleich behandelt sind, da die Sprache doch beim fem. a-stamm die beiden Casus nicht scheidet (nom. -acc. giba). Wir haben also ein * bandi aus * bandjā, vor dem Wirken der Auslautsgesetze entstanden, als nom. einem acc. * bandjān gegenüberzustellen.

2. Mit Ausnahme von hlasei zu hlasa -, frijei zu frija -, latei lata -, afgudei afguda -, inahei inaha -, unagei zu einem zu erschliessenden * unaga -, faihuf - rikei zu faihufrika - (anaviljei und gafraþjei zu den Adjectivst. - vilja - und - fraþja -) sind alle andern Adjectiva, die den Abstracten zu Grunde liegen, der Art, dass sie entweder lange Wurzelsilbe haben oder mehrere Bildungssilben nach der Wurzel (vgl. das Verzeichniss bei Leo Meyer, Gr. Spr. § 465), also von allen diesen uns vorliegenden Beispielen musste der nom. sg. eines Abstractums auf - - einmal den Auslaut - ī haben, z. B. * faurhtei, * handugei, oder, um durch die gotische Schreibweise nicht irre zu führen, * faurhtī u. s. w.

3. Wenn sich nun, wie oben ausgeführt, die Sprache daran gewöhnte, eine grosse Anzahl derartiger Bildungen promiscue mit den Verbalabstracten auf - eini - zu gebrauchen, so war damit der Grund zu einer Heteroklisie gelegt. Es konnte z. B. ein acc. * faurhteinin, der zu * faurhteinis gehört, zugleich als zu * faurhti beziehbar empfunden werden, umgekehrt aber auch natürlich ein acc. * faurhtjān zum nom. * faurhteinis. Dass nun die letztere Möglichkeit keine Spuren hinter - lassen hat, liegt offenbar darin, dass das erst im Germanischen zu starker An - wendung gekommene - ni - in seiner ganz einseitigen Bedeutung lebendiger em - pfunden wurde, als das auch andern Zwecken dienende - -, wie sich überhaupt unmittelbar auf Verba zurückgehende, ihre verbale Natur gewissermassen halb bewahrende Abstractbildungen immer in den Sprachen die grössere Beweglich - keit und Sinnlichkeit bewahren. Mit einem Worte also: der nom. sg. * faurhti verlor seine Casus obl. ; dieser Verlust ist weniger gross, als es scheinen möchte, wenn man bedenkt, dass die Plurale von den allermeisten dieser Abstracta kaum je vorkommen können, dass von den cass. obl. des Singulars aber der acc. in der Häufigkeit der Anwendung den gen. und dat. bei weitem übertreffen muss, sodass in der That auf die Accusativform das grösste Gewicht zu legen ist, und von ihr die weitere Entwicklung abhangen wird; vgl. Grimm, Gr. 3 p. 544, wenn auch in etwas anderer Beziehung: « Uebergänge veranlasste schon im Gothischen der gleichlautende acc. sg. beider Declinationen. » Nach der Wirkung des con - sonantischen Auslautsgesetzes entstand der acc. * fauhrteini, die Nominative * faurhti, * faurhteinis blieben noch unberührt. Nun wurde durch das vocalische Auslautsgesetz der acc. * faurhteini zu faurhtein, der nom. * faurhti hätte zu * faurhti werden sollen. Diese Verkürzung wurde verhindert durch die Zugehörigkeit der - selben im Sprachgefühl zum acc. faurhtein, oder was auf dasselbe hinausläuft, dieses schuf zu dem acc. faurhtein einen entsprechenden neuen Nominativ, wel - cher der alten Form gleich war, d. h. den nom. eines n-stammes, während bei denLeskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 798a. Declination der Nomina.übrigen Worten auf altes die lautlichen Processe ohne Aufenthalt wirkten, da - her bandi u. s. w. entstand.

Noch ein anderer Umstand mag dabei mitgewirkt haben oder sogar noch stärker wirksam gewesen sein: im Gotischen haben wir eine beträchtliche An - zahl von Adjectivabstracten auf Suffix ja - gen. ntr., zum Theil neben der femi - ninalen Form, nom. sg. - ei, z. B. aglaiti aglaitei, barniski barniskei, lausa - vaurdi lausavaurdei, ausserdem azeti, biuhti, unhaili u. s. w. Die Feminina auf - i wie * fauhrti mussten nun bei dem regelmässigen Entwicklungsgange im nom. sg. mit den Neutris zusammenfallen: * faurhti fem. = unhaili ntr. Das konnte ganz wohl eine Flexion dieser Feminina als Neutra nach sich ziehen und es ist möglich, dass unter diesen Neutris einige Feminina stecken. Das Gefühl für das Femininum konnte aber nicht verloren gehen, weil die Feminina von Anfang an in der Ueberzahl vorhanden waren und umsoweniger wegen ihrer Vermi - schung mit den stets femininalen Verbalabstraten auf - eini -. Man konnte also sehr leicht dazu kommen, die entstandene Heteroklisie wieder auszugleichen durch Neubildung eines Nominativs zu acc. faurhtein, diesen aber der Form nach möglichst nahe dem nach regelmässigen Entwicklungsgange entstehenden anzu - schliessen, was wieder nur faurhtei giebt. Aus dem nom. und acc. resultirt dann die übrige Flexion.

4. Die Bestätigung, dass der ganze Wandel in die consonantische Declination hinein von der Bedeutung abhängig gewesen ist, scheint mir die Betrachtung der übrigen Feminina auf zu geben. Unter den in die consonantische Declination übergetretenen sind nur fünf, die oben genannten aiþei (Mutter), kilþei (Mutter - leib), hvairnei (Schädel), marei (Meer), þramstei (Heuschrecke), nicht Abstracta von Adjectiven, dagegen unter den der vocalischen Declination verbliebenen 32 Beispielen auf - befindet sich nur ein erkennbar von einem Adjectiv abgeleitetes Abstractum: sunja zu Adj. sunja - (wahr), und das ein solches, wo wegen der Kürze des Wurzelvocals die Wandlung zu i nicht eintrat. Hinge die Entstehung der schwachen Declination hier nicht mit der Bedeutung zusammen, wie wird es erklärlich, dass von den auf gebildeten Nominibus concreterer Bedeutung wie þiudangardi, vasti, haiþi, die sich nicht unmittelbar auf Adjectiva beziehen, nur jene 5 in die n-Dcclination übergingen, von den Adjectivabstracten nur ein einziges, sunja -, nicht? Natürlich ist dies Verhältniss aufgestellt nach den uns überlieferten Worten: es mag immerhin in der Sprache mehr Abstracta wie sunja und noch einige Worte wie marei gegeben haben, aber wäre das Verhält - niss nicht ungefähr so in dem Gesammtvorrath der Sprache gewesen, so könnte es sich unmöglich in unserem Texte so zeigen, man müsste denn an einen der wunderbarsten Zufälle glauben.

Kehren wir nun zu unserer zweiten Abtheilung, den fem. auf - ōn - zurück und wenden das gefundene darauf an. Wie die abgeleiteten Verba auf - jan das Abstractum auf - eini -, die auf - ai - im Verbalstamm solches auf - aini - entwickeln, so haben zwar die Verbalstämme auf - ō - eins auf - ōni -, aber ein Verhältniss der letzteren zu den fem. auf - ōn -, wie das der Verbalabstracta auf - eini - zu denen auf - ein - lässt sich hier nicht herstellen, die auf - on - kommen vielmehr von99ii. Die Casus des Plurals.andern Verbalstämmen her, (so driusōn - driusan, reirōn - reiran, rinnōn - rinnan). Ein solches Verhältniss ist aber auch zur Erklärung nicht nöthig: nehmen wir an, dass hier das Suffix ursprünglich - ā war wie bei jenen - , so konnte sich ganz wohl eine Analogie aus den letzteren für die ersteren bilden, oder in einer Proportion ausgedrückt * faurhtjā: faurhtei = * driusā: driusō und die wenigen Abstracta dieser Bildung von Adjectiven wie * fullā fielen wegen der Bedeutungsähnlichkeit mit hinein. Es braucht nur noch hinzugefügt zu werden, dass Fälle wie viduvō, tuggō, die eine dritte Classe bilden würden, der wir aber aus den verwandten Sprachen - ā mit Sicherheit als ursprünglich zu - weisen können, der einmal eingetretenen Neigung nachgegeben haben (wie marei u. a. in der andern Classe).

Also, worauf es uns hier ankommt, das n der schwachen Declination der Feminina beruht nicht auf einem altererbten n vor dem Suffix des gen. plur., sondern in diesem Casus wie in allen andern auf secundär im Germanischen aus den alten nom. ag. auf - an - und den Verbalabstracten auf - eini - entwickelten n-stämmen. Zu Grunde liegen immer ā - oder -stämme, und das erklärt es, warum im Gotischen der gen. plur. ō und nicht ē hat. In den germanischen Dialekten, die im gen. plur. aller Feminina auf - ā, auch der nicht durch n er - weiterten, - ōnō haben, ist dies demnach von den erweiterten, den n-stämmen entlehnt, und dadurch wird es wieder erklärlich, warum das n gerade auf die Feminina beschränkt ist, während es doch in den arischen Sprachen allen Genera zukommt. Wir müssten schon, um diesen Unterschied zu erklären, annehmen, im Germanischen hätten die msc. das n wieder aufgegeben, oder im Arischen die Feminina es von den Masculinen entlehnt, welche beiden Annahmen sich durch nichts würden begründen lassen.

Ich muss übrigens hinzufügen, dass der Gang der Entwicklung, wie ich ihn dargestellt habe, an den Formen der übrigen germanischen Dialekte geprüft wer - den muss und dadurch vielleicht die Anschauung modificirt wird. Ihre Grund - lage, die Vermischung von Declinationsclassen, die Behandlung einzelner Formen der Stämme auf - ni - als n-stämme halte ich für richtig; ein althd. nom. sg. ma - nagin ist auch nur vom i-stamm aus zu begreisen.

3. Dat. plur. und Instr. plur. des Slav. -lit.

Mit diesem Casus kommen wir zu einem Lautverhältniss, das für einen der schlagendsten Gründe einer besonderen Einheit des Slavisch-litauischen und Ger - manischen gilt, auf die Vertretung des bh in Casusendungen durch m. Im Sla - vischen und Litauischen giebt es vier Casus der Art: instr. sg. - mi, , instr. plur. mis, , dat. plur. preuss. - mans, lit. mus, slav. , germ. - m (aus - ms, vgl. altn. vereinzelt erhaltenes - mr), dat. instr. dual. lit. - m, slav. - ma (d. i. - ), von denen die ersten drei auf die Grundformen bhi, bhis, bhjams zurückgeführt werden, letzteres erschlossen aus der Vergleichung des preuss. - mans mit dem arischen - bhjas und dem Dativsuffix des Singulars - bhjam; bhis in den arischen7*100a. Declination der Nomina.Sprachen, bhi wenigstens in abhi, ἀμφί u. s. w. erhalten. Das - m, - des Duals endlich ist zu vergleichen mit arischem - bhjām. Sicher ist, dass in keiner der drei Familien sich sonst der Uebergang eines bh in m findet noch irgendwie lautgesetzlich begründet ist. Man hat daher wohl das Recht zu fragen · ist trotz der völligen Gleichheit der Function und der Aehnlichkeit der Form z. B. mis = bhis. In den Mémoires de la société linguistique de Paris II, 213 hat A. Ber - gaigne (Du prétendu changement de bh en m en paléoslave, en lithuanien et en gothique) die Identität einfach in Abrede gestellt und mit Berufung auf Prono - minalcasus wie slav. tomu, tomĭ = tasm -, tasmin behauptet, auch das m der nominalen Casusendungen sei = sm und rühre also von einer Theilnahme der Nominalstämme an dem Zwischensatz sm, sma her. Zur Widerlegung genügt einfach die Bemerkung, dass im Preussischen, wo das Pronomen sm unversehrt bewahrt (stesmu), die Endung des dat. plur. nur einfaches m hat. So sehr man sich daher auch sträuben möchte, die Entwicklung eines bh zu m anzunehmen, so bleibt doch nichts anderes übrig; damit wird aber die Verpflichtung nicht auf - gehoben, nach einem lautlichen Grunde der so auffallenden Erscheinung zu suchen.

Die Entsprechungen, wie sie oben gegeben wurden, sind nun nicht so glatt, wie sie auf den ersten Blick aussehen: die Länge des ī im Slavischen im instr. plur. ist sehr auffallend, - kann nicht einfach = bhis sein, dies hätte zu - werden müssen, so gut wie z. B. naktìs zu nostĭ. Ferner ist, wenn wir die pro - nominale Declination herbeiziehen, der dat. sing. pers. II. und III. slav. tebě, sebě, preuss. tebbei, sebbei, sicher in te-bě u. s. w. zu zerlegen, das Suffix im letzten Grunde mit - bhjam verwandt, und doch ist hier bh nicht zum m geworden. Nun werden wir bei der Besprechung der Personalpronomina sehen, dass tebě, tebei in die Analogie einer vocalischen Declination übergegangen sind, der Auslaut auf - * bai, nicht auf - bh (j) am beruht; ein dem bhjam-s als Plural entsprechendes Singularsuffix bhjam fehlt dem uns überlieferten Zustand des Slavisch-litauischen. Sicher ist aber, dass sich bhjam-s zu - bhjam genau so verhält, wie bhi-s zu bhi, s Zeichen des Plurals ist; demnach muss eine Singularendung - bhjam einmal allgemein indogermanisch gewesen sein, so gut wie man das für - bhi annehmen muss. Fragen wir jetzt, wie die Länge im slavischen instr. plur. - entstanden sein kann, so bleibt, da an einen Ursprung aus ai hier nicht gedacht werden darf, nur eine Möglichkeit, die Entstehung aus einer nasalen Silbe, also aus * mins oder * mims (vgl. acc. plur. noštī), damit kämen wir also auf eine dem * bhjams entsprechende Grundform * bhims, aus der im Litauischen nur * - mīs, ver - kürzt - mis, im Slavischen nur - werden konnte. Dem * bhims als Plural würde ein * bhim, analog dem * bhjam, als Singularsuffix entsprechen, aus dem litauisch wie slavisch nur der Auslaut i, ĭ hervorgehen kann. Den Nasal in der Dual - endung zeigt das arische * bhjām. Giebt man diese Ansetzungen, denen lautlich nichts im Wege steht, zu, so ist damit, glaube ich, eine Erklärung des m ge - funden, dasselbe beruht auf einer Angleichung des Anlautes des Suffixes an dessen Auslaut, wie dergleichen ja sonst häufiger vorkommt. Ganz ohne Stütze ist dabei nur die Ansetzung des * bhim, denn das griech. φιν zur Vergleichung101ii. Die Casus des Plurals.herbeizuziehen, ist bei der beweglichen Natur des n zu unsicher, aber man wird zugeben, dass es immerhin eine plausible Conjectur ist.

Die Entwicklung hätte sich demnach im Slavisch-litauischen so gestellt:

Ist diese Auseinandersetzung zutreffend, so ist sie für das Deutsche nicht ohne Wichtigkeit, das m seines dat. plur. wäre dann beweisend für eine ur - sprüngliche Form der Endung als * mams, denn nur so würde sich nach unserer Auffassung m = bh erklären. Weder in den arischen Sprachen, noch in den südeuropäischen findet sich vom Nasal in dem Suffixe eine Spur, bhjas ist die letzte Form, die für sie zu finden ist. Aus den altnordischen dat. plur. tveimr und þrimr wissen wir, dass s erst in der Entwicklung des Germanischen abge - fallen ist, dass * vulfam zunächst auf * vulfam-s, dies auf * vulfamas zurückgehen muss, und es ist klar, dass es zu den Auslautsgesetzen besser stimmt, wenn * mas unmittelbar = bhjas zu Grunde gelegt, als wenn eine Grundform * mams, * mans angenommen wird, da-*mas unmittelbar zu - ms führt, * - mans nur durch eine lautgesetzlich nicht zu begründende stärkere Verstümmelung. Indess wäre selbst, wenn man von * - mas = - bhjas ausginge, der Abfall des auslautenden s doch etwas irreguläres, und wir dürfen daher wohl auch annehmen, dass bei der Ansetzung von * mams = * bhjams eine nicht regelrechte Einbusse von Lauten, zunächst zu * mas, dann zu * ms, - m stattgefunden hat. Die Uebereinstimmung mit dem Slavisch-lit. läge dann in zwei Punkten: Erhaltung des ursprünglichen Nasals vor dem s und Wandlung des bh in m, während in allen andern Sprachen der Nasal fehlt und bh als momentaner Laut (bh, b, φ) erhalten ist. Nach den geltenden Regeln der Vergleichung muss man geneigt sein, die Form - * mams für das Germanische, Slavische und Litauische einer gemeinsamen Entwicklung zuzuschreiben, obwohl sich natürlich nicht beweisen lässt, dass die von uns angenommene Assimilation nicht auch in jeder Sprachfamilie für sich vorgenommen sein kann.

Ein Punkt ist bisher unerwähnt geblieben, die Abweichung des Germa - nischen wie Slavisch-litauischen von den arischen Sprachen im Mangel des j nach bh, m des dat. plur. Zwar findet man in Schleichers Comp. 3 573 die Mei - nung ausgesprochen, dass jenes j einer verwandten Casusendung, des dat. dual. - bhjām, sich noch erhalten habe im russischen dat. plur. der Zahlworte 2, 3, 4, dvumja, tremja, četyrmja, allein das ist ein Irrthum, wie ich im « Archiv für slav. Phil. I, 56 » gezeigt habe; die Formen sind ganz jungen, speciell russischen Ur - sprungs, entstanden durch eine Ausgleichung der Declination jener drei Zahl - worte; tremja ist = tremi-a, d. h. instr. tremi (ab. trĭmi) mit Anfügung des a vom alten Dual dvěma; weil so die Lautgruppe ja secundär ist, fehlt auch das102a. Declination der Nomina.sonst nothwendige sogenannte euphonische l zwischen m und j, das sonst noth - wendig ist, vgl. zem-l-ja für älteres zem-ja. Das nähere s. a. a. O. Also wir haben in der That keine Spur des j im Slavisch-litauischen weder im Plural noch im Dual, und können nur annehmen, dass es bereits in alter Zeit verloren ge - gangen ist, wieder eine Erscheinung, die sonst in diesen Sprachen nicht vor - kommt.

Auf den Dativ plur. beschränkt sich die Vergleichung des Germanischen mit dem Slavisch-litauischen in Bezug auf die mit bh anlautenden Casussuffixe. Der instr. plur. des Slavisch-litauischen ist aber hier mit zu erwähnen, weil seine Formen sich nahe mit den arischen berühren: lit. - mis, slav. ist die Endung bei allen Nicht-ă-stämmen, im Slavischen ausserdem beim Pronomen (těmi), da - gegen haben die ă-stämme und im Litauischen auch das Pronomen msc. gen. ganz eigenthümliche Formen: slav. vlŭky, lit. vilkais, tais. Die Zusammenstel - lung des letzteren mit dem skrt. vrkāis ergiebt sich so sehr von selbst, dass es keiner Verweisungen auf die vergleichenden Grammatiken bedarf, in denen sie gemacht ist. Bekanntlich wird vrkāis aus * vrka-bhis oder vrkēbhis (der vedi - schen Form neben - āis) durch Ausfall des bh erklärt, dem entsprechend bei Schleicher, Comp. 3 566 lit. vilkais aus * vilka-mis mit dem Zusatze: « wäre der Ausfall des m alt, so wäre * vilkës entstanden », ebenso slav. vlŭky aus * vlŭkŭmī, vlŭkŭ-i mit Contraction der Vocale. Dass der Ausfall eines m zwischen Vocalen im Slavisch-litauischen etwas unerhörtes ist, bedarf keines weiteren Beweises, man begreift ihn umsoweniger, als alle instr. plur. der anderen Stämme auf mis, mit vorhergehendem Vocal auslauten, die Form der a-stämme also diesen ganz analog war, während im Slavischen die Entstellung zu y das Zusammenfallen mit dem acc. plur. vlŭky zur Folge hatte, und daher die Form in den modernen sla - vischen Sprachen meist wieder aufgegeben und durch neue Analogiebildungen ersetzt ist (vgl. das schon angeführte russische volkami, dem ženami nachge - bildet). Der gleiche Grund lässt sich auch gegen die Herleitung des skrt. vrkāis aus * vrka-bhis oder vrkēbhis anführen, und ich glaube in der That, dass die beiden Formen nicht aus einander entstanden sind. Wenn man aber dabei bleiben will, dass ein Ausfall von bh stattgefunden, so muss man ihn nach allen Gesetzen der Vergleichung für proethnisch halten. Was Schleicher für die Nicht - alterthümlichkeit des lit. ai anführt, trifft nicht zu, denn es wird nicht jedes ai in Endsilben zu ë, nom. plur. heisst es vilkai, obwohl im Pronomen = preuss. s-tai, also wenn z. B. gen. sg. * akais (von akìs) zu akë́s wird, braucht darum nicht vilkais zu * vilkës zu werden. Ausserdem liegt eine innere Nothwendigkeit, - ais aus - ă-bhis oder - ai-bhis abzuleiten, nicht vor, haben wir doch m Singular zwei indogermanische Instrumentalsuffixe ā und bhi; warum sollte das im Plural nicht ebenso gewesen sein? Also wir können, wenn wir durch nichts zu recht - fertigende Gleichsetzungen vermeiden wollen, nur auf eine Doppelform: * var - kāis und * varkaibhis kommen. Dass ā in * varkāis lang ist, geht aus dem San - skrit hervor, wäre es kurz gewesen, so würde hier * vrkēs stehen.

Sollte nun nicht dies āis zum Singularsufflx ā sich ebenso verhalten, wie bhis zu bhi, oder * bhjams zu bhjam oder acc. plur. a-ns aus * am-s zu - a-m, d. h. 103ii. Die Casus des Plurals.s das Zeichen des Plurals sein? Wenn es richtig ist, was doch schwerlich zu bezweifeln, dass wir den gen. sg. der i-stämme skrt. avēs = * avais im letzten Grunde auf * avaj-as zurückführen müssen, und die Verwandlung des letzteren zu * avais sich zum Theil wenigstens in der Grundsprache vollzogen hat, so ist die Möglichkeit vorhanden, instr. * varkāis auf * varkājas zurückzuführen, die Länge des ā erklärt dann genügend, dass das entstandene āi nicht weiter skrt. zu ē, lit. zu ë wurde, obwohl, wie wir sahen, für das Litauische diese Hülfe nicht nöthig ist. Das erschlossene * varkājas möchte ich nun auflösen in * varkā - j-as, d. h. * varkā enthält das Suffix des instr. sg. - ā, - as ist das Pluralzeichen, j jener Zwischensatz, von dessen Ursprung und eigentlicher Natur wir bis jetzt nichts wissen. Dass aber - as neben - s Pluralsuffix ist, bedarf keines weiteren Beleges. Die Sache verhielte sich also, auf die einzelnen Sprachen angewendet, dass in den arischen Sprachen beide pluralischen Instrumentalsuffixe bei den a-stämmen sich erhalten haben, im Litauischen nur das eine, ähnlich wie in den arischen Sprachen im Singular nur ā erhalten ist, im Litauischen sowohl ā (beim sem. ) wie bhi (mi).

Die grösste Schwierigkeit bei dieser Form auf - āis besteht aber darin, von ihr aus auf die slavische Gestalt - y zu kommen. Ein y kann von den slavischen Lautgesetzen aus betrachtet sein = urspr. ؛, = urspr. - uns, = - uns aus urspr. - ans, was alles hier ausgeschlossen ist. Endlich kann es aus einer Contraction von ŭ-i (ī oder ĭ) hervorgehen, z. B. vyną = iną (in einem fort); dieser Vor - gang ist eigentlich so zu denken, dass ŭ vor dem i (wie vor j) gedehnt wird (es wird daher auch vyiną geschrieben) und das i im y aufgeht. Zunächst müsste man nun, um aus āis auf y = ŭ-i zu kommen, annehmen, dass āi kein wirk - licher Diphthong gewesen, sondern = ā-i mit Hiatus, was zwar nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich ist. Setzen wir indess so an, so ist es leicht denkbar, dass im Slavischen, das in älterer Zeit eine absolute Abneigung gegen unmittel - baren Zusammenstoss von Vocalen hat, ein * - ājis entstanden wäre, man könnte dafür selbst auf das angenommene * - ājas zurückgehen. Nach den bekannten Lautgesetzen würde daraus - * ājĭ werden. Will man aber noch weiter gehen und eine alte Verkürzung zu - * ăjis ansetzen, so hätte daraus bei der bekannten Neigung der ă-stämme ihr ă in o zu wandeln und der zuweilen dafür eintreten - den Schwächung zu ŭ (vgl. instr. sg. vlŭkŭmĭ und vlŭkomĭ) ein * ŭjĭ hervorgehen können und mit der Dehnung des ŭ zu y * yjĭ. Weiter kann man aber nicht kom - men; denn nun müsste man weiter den Abfall des ĭ annehmen, um zu yj, y zu gelangen, und ein solcher widerspricht durchaus dem Auslautsgesetze. Wo so viele dem sonstigen Gange der Entwicklung widersprechende Vorgänge anzu - setzen sind, um von der vorausgesetzten Grundform auf die vorliegende zu kommen, ist immer die Wahrscheinlichkeit grösser, dass die ganze Annahme in dieser Gestalt unrichtig ist, dass also - y gar nicht direct auf - āis zurückgeht, und ich bin überzeugt, dass jeder Versuch einer solchen Zurückführung unnütz ist, dass man entweder auf eine Erklärung verzichten oder sie auf einem anderen Wege suchen muss. In der gesammten uns bekannten Entwicklung des Sla - vischen kann man mit Sicherheit darauf rechnen, dass, wo eine Form nicht auf104a. Declination der Nomina.die für die betreffende Stammclasse geltende Grundform lautgesetzlich zurück - geführt werden kann, sie einer andern Stammclasse entlehnt ist, also auch für den instr. plur. auf - y ist das wahrscheinlich. Nehmen wir die ganz regel - mässige Entwicklung eines alten * varkāis, so würde dieselbe zu * vlŭci geführt haben, also die Form mit dem nom. plur. zusammengefallen sein, oder zu * vlŭcě = dem loc. sg., Grund genug, die Form durch eine deutlichere zu ersetzen. Nun lautet der instr. plur. der u-stämme synŭmi und syny, ersteres ganz sicher iden - tisch mit s؛nubhis, lit. s؛numìs, letzteres der Form der a-stämme gleich und auf - gefasst als innerhalb des Slavischen später diesen entlehnt, wie denn sonst diese Entlehnung vorkommt (gen. syna u. s. w.). Hier beim instr. sg. liegt aber die Sache so, dass die Formen auf - ŭ-mi in den ältesten Quellen auch bei den a - stämmen erscheinen (s. Miklos., Vgl. Gr, III, 16), also z. B. vlŭkŭmi, was einer Grundform * varka-bh - entspricht; a - und u-stämme stehen sich also in diesem Falle ganz gleich; und es lässt sich wenigstens nicht beweisen, dass y ursprüng - lich allein den a-stämmen zukam, syny nicht schon auch eine ältere Form der u-stämme ist. Wenn das aber der Fall ist, so geht es auf * s؛nvāis zurück und daraus kann nachweisbar syny entstehen: wurde zu ؛, d. h. slav. y, wie in četyrije, vgl. skrt. čatvāras, chytiti neben chvatiti, kyselŭ neben kvasŭ, also aus * s؛nvāis zunächst * s؛n؛is, daraus * synyĭ und mit dem Aufgehen des i in y, wie sonst, y, syny. Davon aus ist dann die Form auf die a-stämme übergegangen, die Entsprechung des alten * varkāis, lit. vilkais verloren.

4. Accusativus pluralis.

Eine blosse Zusammenstellung genügt, um die gleiche Bildung unserer drei Familien darzuthun, zugleich aber auch zu zeigen, dass darin nichts abweichen - des von den übrigen indogermanischen Sprachen vorkommt:

  • i-st. lit. naktìs = naktins,
  • slav. noštī = * naktins,
  • got. mahti-ns,
  • u-st. lit. s؛nùs = s؛nuns,
  • slav. syny = * sununs,
  • got. sununs.

In keiner der drei Familien ist ein ursprünglicher acc. plur. der consonan - tischen Stämme vergleichbar erhalten, da das Slavisch-litauische bei diesen den acc. plur. durch die i-form zu ersetzten pflegt.

  • msc. a-st. lit. vilkùs = vilkuns, aus * vilka-ns, - ans noch preussisch,
  • slav. vlŭky = * vilku-ns aus - a-ns,
  • got. vulfa-ns,
  • ntr. a-st. lit. verloren,
  • slav. iga = - ā,
  • got. juka = - ā,
105ii. Die Casus des Plurals.
  • fem. a-st. lit. rankàs = * rankā̆ns, preuss. noch - ans,
  • slav. rąky = * rankā̆ns,
  • got. gibōs.

Nur dies fem. bedarf einiger Worte zur Erläuterung. Man könnte versucht sein, das lit. rankàs unmittelbar auf eine Grundform * rankās mit verkürzter Endsilbe zurückzuführen, und sie so mit skrt. açvās, griech. χώρας unmittelbar zusammenzustellen, demnach der Verlust des n für sehr alt anzusehen oder das n als ursprünglich fehlend. Dem widerspricht das Preussische mit seinem acc. plur. gennans und das slav. - y, das nur auf eine nasale Silbe zurückgeführt werden kann. Es ist indess zu bemerken, dass im Litauischen der Verlust des n älter sein muss, als die Trennung des Litauischen und Lettischen, denn wäre ins Lettische noch * rankā̆ns übergegangen, so würde es zu * růkus geworden sein, es heisst aber růkas, das bedeutet * rankās. Ein solches Schwinden des Nasals in früher Zeit ist nun in der That etwas ungewöhnliches, in andern Fällen hat, wie die Nachwirkungen auf den Vocal zeigen, auch das Lettische den Nasal noch mit überkommen, z. B. acc. sg. růku = * rankan, lit. ranką. Dennoch glaube ich, dass hier nur ein ausnahmsweise früher Ausfall des n anzunehmen ist. Scherer will zwar (a. a. O. 428) das germ. - ōs auf ein ursprüngliches ā + as zurückführen, das - as also wie bei den consonantischen Stämmen als Accusativ - endung angesehen haben. Wenn man aber bedenkt, dass im Griechischen - ανς dialektisch erhalten ist, dass im Oskischen - ass = ans erscheint, so halte ich es kaum für gerechtfertigt, von einer indogermanischen Grundform auf - ās auszu - gehen. Hätte speciell im Litauischen eine Form * rankās als acc. existirt, so wüsste ich nicht zu erklären, warum diese anders behandelt wäre, als der nom. * rankās, der zu rankōs nach der gewöhnlichen Regel wurde, während Ver - kürzung auslautender nasaler Silben häufig ist. Wenn wir so für das Litauische - āns ’als Grundlage für das wahrscheinlichste halten, so stimmen Litauisch und Slavisch in diesem Punkte nicht zum Germanischen. Es scheint mir aber für das letztere immer noch am wahrscheinlichsten, dass hier die Nominativform für den acc. eingetreten ist, wie im sing. die beiden Casus zusammenfallen.

5. Locativus pluralis.

Dieser im Germanischen fehlende Casus sei hier nur erwähnt, um eine litauische Eigenthümlichkeit gegenüber dem Slavischen als wahrscheinlich speciell litauisch darzustellen. Während alle Sprachen, die diesen Casus haben, bei den a-stämmen zwischen Stamm und Suffix - i - einsetzen: vrkēšu, açpae-šu (- šva), ἵπποισι, vlŭcěchŭ, bei den übrigen das Suffix einfach an den Stamm an - hängen, hat das Litauische bei a - und u-stämmen statt dessen n: vilkunsu (dar - aus vilkůsu) aus älterem * vilkansu; * sununsu, daraus s؛nůsu. Dass man hier, wie es geschehen ist, das n sucht, welches im Sanskrit zuweilen Stamm und Endung trennt, ist nicht zu billigen, erstlich fehlt es sonst im Slavischen und Litauischen ganz und gar, und steht zweitens im Sanskrit nie vor consonantisch106a. Declination der Nomina.anlautenden Casusendungen. Gegenüber der Uebereinstimmung der anderen Sprachen in - ai - kann man in dem n nur eine litauische Neubildung vermuthen. An ein Eindringen vom acc. plur. darf schwerlich gedacht werden, eine befrie - digende Erkärung weiss ich aber nicht zu geben, umsoweniger, als aus den An - gaben nicht zu entnehmen ist, wo und in welchem Umfange die Formen mit n noch vorkommen. Nur auf eins möchte ich aufmerksam machen: in der älteren Sprache, zum Theil auch jetzt noch im Hochlitauischen, in Ostlitauen aber sehr verbreitet (vgl. Geitler, Lit. Studien p. 57) ist die Verbindung des acc. plur. mit der Postposition - na (abgekürzt - n) zur Bezeichnung der Richtung, von den Sprechenden, wie es scheint, geradezu als Casusform empfunden (von Bara - nowski nach Geitlers Angabe als cas. impositivus bezeichnet). Es entsteht auf diese Weise ein loc. plur. der Richtung auf ein scheinbares Suffix - sna (darbůs-na = darbuns - aus darbans -, acc. plur. + na) neben einem loc. plur. der Ruhe auf - su, - se, und es scheint mir nicht undenkbar, dass dieser sich an jenen angelehnt und von ihm das - uns -, - ůs - angenommen habe. Da sich a - und u-stämme im acc. plur. nicht unterscheiden, werden beide Stammclassen davon betroffen. Es wird dieser Vorgang um so leichter eingetreten sein, als sich bei den übrigen Stämmen der Vocal des acc. plur. in der Verbindung mit - na vom Vocal des loc. plur. nicht unterscheidet: ausser der Verbindung mit dem - na heisst z. B. der acc. plur. von dëna dënăs, loc. dëno-se (u), aber mit - na dënos-na, da bei der Stellung im Inlaut die alte Länge in der Accusativsilbe unverkürzt bleibt. Von i-stämmen stehen mir keine Beispiele der Verbindung mit - na zu Gebote, der Unterschied könnte auch hier nur ein quantitativer sein, also * akys-na und aki - se (su). Man könnte also die Gleichung aufstellen, dënosna: dënosu = darbůsna: darbůsu, letzteres also die ersetzende Analogiebildung für das der slavischen Form entsprechende * darbësu.

III. Die Casus des Duals.

Da im Germanischen der Dual der Nomina nicht erhalten ist, könnten wir denselben hier übergehen, wenn nicht hervorzuheben wäre, dass die Casus des Slavisch-litauischen eine überraschende Gleichheit mit denen der arischen Sprachen zeigen.

Nom. -acc. dualis sind im Slavischen und Litauischen völlig gleich ge - bildet bei den

  • i-stämmen: slav. noštī, lit. naktì, verkürzt aus * naktī, also = arischem - ī (z. B. skrt. avī);
  • u-st. : slav. syny = * s؛n؛, lit. s؛nù, aus s؛n؛ verkürzt, also = ar. - ؛, s؛n؛;
  • fem. ā-st. : slav. rącě = * rankai, lit. rankì = * rankë (vgl. im Pron. të́-dvi) = * rankai, also wie ar. - ē.

Die einzige Abweichung zwischen Slavisch und Litauisch findet sich in den107iii. Die Casus des duals.ă-stämmen, slav. vlŭka, d. i. vlŭkā, also wie das arische - ā, litauisch dagegen vilkù, verkürzt aus * vilků (vgl. das Pronomen -du), steht demnach dem skrt. vrkāu gleich. Beide Formen sind also alt, im Slavischen die eine, im Litauischen die andere bewahrt.

Da das Neutrum dem Litauischen fehlt, lässt sich nur slav. izě, d. i. igě = * jugai anführen, das wieder gleich skrt. jugē ist. Dies völlige Zusammentreffen mit den arischen Sprachen ist merkwürdig genug, aber für das Verhältniss des Slavisch-litauischen zum Germanischen gleichgültig, weil wir nicht bestimmen können, wie einst die Dualcasus in dieser Familie gelautet haben.

Die Endung des gen. -loc. im Slavischen (dem Litauischen fehlt dieser Casus) ist - ؛, also = dem skrt. - ōs aus älterem - * aus, wenn auch die Verbindung des Stammes mit der Endung zum Theil eine andere ist, z. B. vlŭk؛ = * varkaus, während skrt. vrkajos.

Der dat. instr., slav. ma = , lit. - m setzt als nächste Vorstufe, wenn unsere Erklärung des m der Casusendungen richtig ist, * mām = der sanskri - tischen Endung * bhjām voraus, nur muss das auslautende m vor der speciellen Entwicklung des Slavischen geschwunden sein, da sonst hätte * entstehen müssen. Von dem vermeintlichen Verbleiben des j war oben die Rede.

[108]

B. Declination der Pronomina.

I. Der nicht-persönlichen Pronomina.

Die drei in Betracht kommenden Sprachfamilien bieten der Erklärung der pronominalen Casusformen zum Theil solche Schwierigkeiten, dass es nothwendig ist, das Slavische und Litauische erst allein zu betrachten, und dann die germa - nischen Formen dazuzustellen.

1. Die Formen des Slavischen und Litauischen.

Sämmtliche nicht-persönliche Pronomina werden im Slavischen und Litaui - schen (bis auf einen unten zu erörternden Fall) auf eine Weise flectirt, es braucht daher auch nur ein Pronominalstamm in seinen Formen betrachtet zu werden. Der besseren Uebersicht wegen stelle ich ein vollständiges Paradigma voran; die Formen, welche von der nominalen Flexion nicht abweichen, also schon behandelt sind, sind cursiv gedruckt.

109i. Der nicht-persönlichen Pronomina.

Der nom. -acc. sg. ntr. fällt im Slavischen allerdings lautlich auch mit dem - selben Casus beim ntr. a-stamme zusammen, to wie igo, dělo, doch ist die Gleich - heit nur eine scheinbare. Bei der Besprechung des Nomens wurde nachgewiesen, dass dessen - o nicht auf indogermanisches - am zurückgehen kann, sondern von den alten - as-stämmen entlehnt ist. Man könnte nun allenfalls annehmen, dass die so entstandene allgemeine Neutralendung o auch auf das Pronomen über - gegangen sei, allein to kann sehr wohl auf die Grundform ta-d zurückgehen, die im Slavischen zu nichts anderem werden konnte; und beweisend ist dafür das preuss. s-ta; diesem kann nicht * tam zu Grunde liegen, da das m als n im Preus - sischen erhalten bleibt, z. B. acc. sg. msc. sta-n, folglich ist [s -] ta = ta-d. Das litauische tai ist mit einer festgewordenen hervorhebenden Partikel i versehen. Wir gehen also jetzt über zu den vom Nomen in Stammbildung oder Suffix ab - weichenden Formen:

a) Die abweichenden Formen des sing. msc. -ntr.

Der slavische Genitiv sing. togo ist einer der schwierigsten Casus der indogermanischen Declination und daher den mannichfachsten Erklärungsver - suchen ausgesetzt gewesen, die nach meiner Meinung alle zu nichts geführt haben oder sehr unsicher sind. Die Form ist auch innerhalb des Slavischen da - durch auffallend, dass sie der einzige Pronominalcasus ist, der in zwei gänzlich von einander abweichenden Gestalten vorkommt: von einem Pronomen nämlich, čĭ - [to] lautet der gen. čĭ-so (česo), bei allen andern herrscht die Endung - go. Die Ansichten über diese Formen, was ihnen in anderen Sprachen entspreche und wie sie sich zu einander verhalten sollen, findet man bei Miklosich (Ueber die Genitivendung - go, Sitzungsber. der Wien. A. phil. -hist. Cl. LXII, p. 48 Mai 1869) besprochen. Es lag ja sehr nahe, bei diesen Formen an tasja zu denken, und Bopp hat mit demselben togo identificirt, Schleicher sowohl togo wie čĭso, indem er annahm, - so sei unmittelbar aus - sja entstanden, togo aber aus einer Mittelstufe * tasga, aus dieser durch Assimilation dann * taga. Dass die dabei nothwendige Verwandlung von j in g im Slavischen unmöglich sei, habe ich schon Beitr. V, 409 nachgewiesen, und Miklosich (a. a. O.) stimmt dem bei, hält aber daran fest, dass - so von čĭso = - sja sei, die Grundform also * ki-sja, « dass so statt des erwarteten šo, še steht, kann mich in meiner Ansicht nicht be - irren, indem j auch sonst spurlos ausfällt, man vergleiche den Dativ und Instru - mentalis des Duals des Pronominalstammes : těma für sanskritisches tā-bhjām, wofür etwa těmja erwartet wird, man beachte ferner altslovenisch vĭsego nicht etwa vĭšego aus vĭsjogo, allerdings neben dem čechischen všeho und dem pol - nischen wszego. Das wir im Altslovenischen čĭso statt des nach der Analogie von sego aus zu erwartenden čĭse haben, ist allerdings befremdend. Dieses čĭse findet sich im Altčechischen als čse, čese und im Altpolnischen als czse in niczsež ». Ich glaube allerdings auch, dass die Zurückführung des - so auf - sja richtig ist, aber sprachgeschichtlich verhält es sich damit doch anders als Miklo - sich will, das j ist nicht erst auf slavischem Boden verloren gegangen, und die110b. Declination der Pronomina.Vergleichung mit den Casusformen von und vĭsĭ muss ganz beseitigt werden, da die Erklärung der Formen sego, vĭsego aus unmittelbar ursprünglichem * sjogo u. s. w. selbst nicht richtig sein kann. Wenn der vorhandenen Declination von ein Stamm kja (so müsste man ihn nach Miklosichs Voraussetzungen annehmen, oder um das in s übergehende k anzudeuten, als kja, also slav. sja -) zu Grunde läge, so könnte daraus nur * šĭ, * šego u. s. w. werden, denn es giebt keinen Fall, wo ein im Slavischen verbliebenes j nicht auf einen vorhergehenden über - haupt afficirbaren Consonanten nach der allgemeinen Regel gewirkt hätte. Die Berufung auf das Dualsuffix - ma hilft nichts, da ja auch im Litauischen die Casus - suffixe mit bh (m) ihr j eingebüsst haben, dieser Verlust also weit vorslavisch ist. Und wäre ebenfalls in vorslavischer Zeit aus dem Pronominalstamme * sja - das j geschwunden, so würde der gen. * sogo u. s. w. lauten, nicht sego. Man wird, wie ich glaube, auf eine andere Erklärung kommen können, sobald man alle vorkommenden Formen, auch die vereinzelten, mit in Betracht zieht.

Es stehen in den Quellen neben einander z. B. nom. sg. msc. (сь) und сии (l. sījĭ), ntr. se (сє) und sije (сиѥ), gen. fem. seję und sijeję, dat. msc. semu und sijemu, dat. fem. seji und sijeji (сиѥи), acc. fem. lautet sĭją, sīją. Miklosich meint, Vgl. Gr. III, 66, das i von sije, siją beruhe auf der Vocalisirung von j in dem vorausgesetzten * sje, * sją. Allein wo kommt je dergleichen vor, und was hätte die Sprache hindern sollen, wenn einmal das j behalten wurde, aus * sje auf dem regelrechten Wege * še zu machen, derartige Formen wären ja voll - kommen verständlich geblieben, mit nichts anderem zusammengefallen. Nimmt man dagegen an, der zu Grunde liegende Stamm sei für die obliquen Casus sĭja -, so erklärt sich alles. Es kann dabei, nebenbei bemerkt, unentschieden bleiben, ob man das ja als Suffix oder das ganze als ein zusammengesetztes Pronomen wie etwa lit. szì-tas, preuss. s-tas anzusehen habe; mit der zusammengesetzten De - clination der Adjectiva darf man freilich keinen Vergleich ziehen, da es sich bei dieser nicht um eine Zusammensetzung, sondern um eine Aneinanderrückung zweier flectirter Formen handelt. Aber ein anderer Vergleich liegt nahe, der mit kyjĭ (кый), von dem auch mehrere Formen nicht einfach der zusammengesetzten Declination der Adjectiva entsprechen, z. B. kojego, kojemu, sondern auf einen abgeleiteten Stamm ka-ja - zurückgehen. Also alle Formen unseres Pronomens ausser nom. sg. , der einfach = ḳi-s, gehen auf - ḳija -, d. h. slav. sĭ-je - zurück und zwar sego auf sĭjego u. s. w. Mit einer solchen Form konnte die Sprache einen doppelten Weg einschlagen, indem einmal ĭ vor j gedehnt wurde, daher z. B. sījemu, oder das ĭ ausfiel; im letzteren Falle würde * sjego (сѥго) u. s. w. entstehen. Solche durch Vocalwegfall secundär entstandene Verbindungen mit j haben aber keine Consonantenveränderung zur Folge (vgl. das unten zu er - wähnende вьсꙗкъ), sondern verlieren im Altbulgarischen, wenn der Consonant nicht erweichbar ist, das j (vgl. вьсдкъ вьсѣкъ), also entstand sego u. s. f.

Ganz ähnlich verhält es sich mit vĭsĭ (omnis). Das Wort ist, wie lit. vìsas und im Slavischen die Casus vĭsěchŭ, vĭsěmŭ, vĭsěmi beweisen, ursprünglich a - stamm und kann erst innerhalb des Slavischen in den übrigen Casus eine dem analoge Declination angenommen haben. Wäre es von Haus aus ja-stamm oder111i. Der nicht-persönlichen Pronomina.auch ja-stamm, so würde es nur gen. * vĭšego u. s. w. heissen können. Nun be - weisen hier Schreibungen wie nom. sg. fem. vĭsja (вьсꙗ) das secundäre Zu - sammentreten des s-j, die Form steht also für * vĭsĭja. Dass es hier keine Neben - formen wie * vĭsiją = siją giebt, beweist nichts dagegen, aus vĭsĭją konnte eben beides werden: vĭsją, vĭsą und * vĭsīją, bei ist das eine, bei vĭsĭ das andere erhalten, wenn man nicht vorzieht, vĭsą für den alten acc. fem. des ā-stammes zu halten, der also diesen bewahrt hätte, wie vĭsěchŭ u. s. w. Es ist auch mög - lich, dass diese Flexionsweise bei vĭsĭ überhaupt erst aus der Analogie von entstanden ist, darauf deutet der nom. sg. hin. Demnach sind die Formen von und vĭsĭ bei der Erklärung des čĭ-so = * ki-sja fern zu halten, und die letztere Entsprechung so zu fassen, dass der Verlust des j, oder will man lieber, die As - similation des sj zu ss, d. h. slav. s, in vorslavische Zeit fällt, wenigstens vor die Wirkung der später geltenden Lautgesetze, und da in einzelnen Fällen solcher Verlust vorkommt (vgl. - ma bhjām, - * bhjams), so ist das nicht un - annehmbar. Da ferner das a der Endung sja europäisch nicht zu e wird (vgl. το-ῖο), muss es im Slavischen als o erscheinen. Das e im čechischen und pol - nischen čse gehört, wie hier ohne weiteres Eingehen auf die specielle slavische Grammatik nicht näher nachgewiesen werden kann, der besonderen Entwicklung dieser Sprachen an. вьсꙗкъ ist = vĭsĭ-jakŭ, vgl. сꙗкъ = sĭ-jakŭ.

Wenn nun die Auffassung des - so als - sja richtig ist, so kann togo nicht = tasja sein, da es durchaus keinen Grund giebt, warum nicht ein entsprechendes * toso entstehen sollte, und Miklosich hat daher in der erwähnten Abhandlung einen andern Weg der Erklärung eingeschlagen. Er nimmt an, - go sei identisch « mit der Partikel , , welche skrt. gha, ghâ; ha, , hi, griech. γε, dorisch - aeolisch γα (τοῦτο γί aus τοῦτο γε ι), altbaktr. , armen. zi; lit. ga (tai ga, Pott 1, 415), gi, gu, g, lett. gu, g, dz; slavisch endlich nach Verschiedenheit der Sprachen go, , že, ž, zi, z und in Folge der Verwandlung des ž in r: ra, re, r (Vgl. Gr. I, 336) lautet. Sie wird in den gotischen Singular-Accusativen der ersten und zweiten Person mi-k, þu-k und in si-k und in den althochdeutschen Plural-Accusativen unsi-h und iwi-h angetroffen ». Die Heranziehung der deut - schen Formen hat für die Erklärung des togo als Casusform nur dann einen Werth, wenn man annimmt, das - k sei nicht hervorhebende Partikel und als solche an einen fertigen Casus gefügt, sondern selbst Casussuffix; denn wäre ersteres der Fall, so müsste in dem to - von togo die eigentliche Genitivform stecken, was nicht erweislich ist. Miklosich hält denn auch in der That - go für ein Casussuffix im eigentlichen Sinne. Dass ein solches dem Ursprunge nach mit einer in der Sprache selbständig gebrauchten Partikel zusammenhängen kann, ist an sich nicht zu leugnen, da ja beide auf eine und dieselbe Pronominalwurzel zurückgehen können; ich verstehe nur nicht, weshalb Miklosich zur Stütze seiner Ansicht anführt, gha werde gelegentlich declinirt. Wenn das der Fall ist, so ist eben Pronomen und nicht Partikel oder gar Casussuffix, also dieser Umstand für die Beweisfährung ganz werthlos. Aber selbst was Miklosich für eine solche De - clination von ga (gha) beibringt, gilt wenigstens für die slavischen Sprachen nicht. Man kann sich hier nicht auf moderne slavische Formen berufen, wie serbisch112b. Declination der Pronomina.tizijeh statt tijeh-zi, wo in der That die Declinationsendung der Partikel angefügt ist, aber das ti - in ti-zi-jeh beweist ja klar, dass hier ganz junge, durch den nom. plur. ti-zi veranlasste Formen vorliegen; wäre das Pronomen mit der Partikel im eigentlichen Sinne zusammengeschmolzen, so könnte vor derselben doch nur eine Form des Stammes, aber kein Casus wie ti erscheinen. Noch eine andere An - führung von Miklosich ist unbrauchbar: das neuslovenische teleha (dessen da, als acc. den da) ist = altbulgar. to-ględi-go (siehe ihn), also go von to getrennt, daraus soll sich « die Lockerheit der Verbindung des Stammes to mit dem Suffix go » ergeben. Aber eine solche Lockerheit schlägt ja der Auffassung des go als Casussuffix geradezu ins Gesicht; sie besteht auch überhaupt gar nicht, vielmehr ist der Fall genau derselbe, wie mit tizijeh und allen ähnlichen: die angehängte Partikel ging mit der Nominativform eine feste Verbindung ein, die Sprechenden empfinden das ganze als ein Wort und hängen die Casusendungen an das Ende des ganzen Gebildes. Dergleichen Fälle kommen häufig genug vor: ich erinnere nur an die litauischen Imperativformen wie eikite, wo die Partikel zwischen Ver - balstamm und Personalsuffix steht; daraus wird niemand folgern, dass deren Verbindung eine lockere sei; eikite ist einfach ein weiter conjugirtes singulari - sches eiki, eik. Wäre das go also trennbar, so müsste man bestimmt darin nur eine Partikel und demgemäss in to - die Genitivform sehen.

Versuchen wir dagegen - go als Casussuffix im eigentlichen Sinne anzusehen, so schwebt es ganz in der Luft, d. h. hier, hat keine Entsprechung in den ver - wandten Sprachen, denn erstlich ist es doch nur eine willkürliche Voraussetzung, dass in mi-k u. s. w. vor dem k der reine Pronominalstamm und nicht ein durch Lautgesetze umgebildeter Casus stecke, während wir überall in den älteren indo - germanischen Sprachen die Anfügung von Partikeln an fertige Casusformen gerade der Pronomina verbreitet finden. Ferner erhebt sich die auch von Miklosich nicht übersehene Frage, wie ein und dasselbe Suffix in einer Sprache den acc., in der andern den gen. bedeuten könne. Miklosich beruft sich zur Hebung dieses Zweifels auf den Umstand, dass im Slavischen der Genitiv den Accusativ ersetzen könne und dass ja die Partikel sma bei der Bildung verschiedener Casus eine Rolle spiele. Es ist mir nicht verständlich, wie mit diesen Anführungen das Be - hauptete bewiesen oder nur wahrscheinlich gemacht werden kann. Der Genitiv ersetzt im Slavischen allerdings den Acc. bei Bezeichnungen lebender Wesen, nur bei diesen, während togo allgemein gilt; die Regel ist in den ältesten uns über - lieferten Quellen erst im Werden, also verhältnissmässig jung, und kann doch nimmermehr auf das Germanische angewendet werden. Ferner, wann bildet denn sma einen Casus? Es tritt an den Stamm der Pronomina und an diesen erweiterten Stamm die Casusendungen, selbst ist es kein Casussuffix, kann also die Anwendung eines gha zum Ausdruck verschiedener Casusfunetionen nicht erläutern. Wenn die Erklärung Miklosichs etwas werth sein soll, so muss man entweder nach - weisen, dass, falls - go angehängte Partikel ist, in to - eine Casusform und zwar des Genitivs oder eines der Bedeutung nach verwandten Casus steckt, oder falls es selbst Casusendung, dass irgendwo etwas entsprechendes und zwar als Genitiv - endung vorkommt; sonst ist sie um nichts besser als frühere Erklärungsversuche.

113i. Der nicht-persönlichen Pronomina.

Ich kann selbst keine Erklärung geben, musste aber die vorhandenen durch - nehmen, um zu zeigen, dass auch die neueste nicht zu halten ist, und dass eine Beziehung des - go zum deutschen - k nicht nachgewiesen ist. Ich erwähne auch noch den Versuch Benfeys (Ueber die indogerm. Endungen des gen. sing. p. 25). Er hält čĭso für die alte den Genitiven auf - sja entsprechende Form, billigt auch Miklosichs Erklärung des - go aus gha, nimmt aber dies als Partikel, nicht als Casussuffix. Als Partikel sei es einer einst vorhandenen Genitivform * toso angetreten, aus der Verbindung * tosogo aber durch Synkope togo geworden. Benfey ist darauf gekommen durch die Nebenformen čĭ ogo, čego, čĭso, wo scheinbar alle drei gesuchten Formen vorliegen; allein die Geschichte der Sprache zeigt, dass in ältester Zeit čĭso allein vorhanden war, čego kennen die altbulga - rischen Quellen nicht, und zu čĭsogo sind die Formen dat. česomu statt čemu, loc. česomĭ statt čemĭ zu stellen, d. h. also, man hat čĭso, dessen Genitivbedeutung sich leicht verdunkelte (vgl. čech. co aus čso = čĭso als nom. ), als Stamm be - handelt und die pronominalen Casusendungen, darunter - go, daran gefügt, mit andern Worten, čisogo setzt čĭso und togo schon voraus; čego aber ist erst dem togo und jego später nachgebildet. Auch diese Lösung ist also nicht gelungen, ganz abgesehen von der inneren Unwahrscheinlichkeit eines Ausfalls wie der Silbe - so -. Die Entstehung des togo ist ein ungelöstes Räthsel. Die Form bietet bis jetzt keine Möglichkeit zu Vergleichungen mit Genitivformen verwandter Sprachen, für eine solche bleibt allein čĭso verwandbar.

Zunächst bieten sich dafür die schon beim nominalen Genitiv erwähnten Formen des Preussischen dar. Von dem zusammengesetzten Pronomen stas = lit. szìtas, in den Katechismen als Artikel gebraucht, kommen folgende Schreibungen des gen. sing. msc. -ntr. vor (wo nichts besonderes bemerkt, sind die Formen aus Katech. III):

    • steisei (einmal steisai, was dasselbe bedeutet, und steisei-sei III, 50 durch Druckfehler)
    • steise
    • stessei
    • stesse (stetse III, 39 Druckfehler
    • steisi vereinzelt III, 22;
    ungefähr gleich häufig, 6 10 mal jedes,
  • ferner von dem abgeleiteten Pronomen tans (= ta-na-s) tennessei, von schis (dieser) schiêise.
  • Von den Possessivpronomina mais (= * majas), twais, swais: maisei
  • twaisei (gleichbedeutend twaisai), die häufigste Form (7 mal), daneben ver - einzelt twaiasei und einige male twaise (das mehrmals vorkommende twaias ist die nominale Form); dazu aus I twaisei, twaise, aus II twayse, twaysis,
  • swaisei, swaise.
  • Vom Zahlwort ains: ainassei, ainessa; von ainonts (jemand) ainontsi, von ka - wîds (welcher) kawydsa (?).

Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, dass diese Form auf - sja zurück - geht und dass allen diesen Schreibungen eine und dieselbe preussische Form zuLeskien, slav. -lit. u. germ. Decl. 8114b. Declination der Pronomina.Grunde liegt; aber welche ist die richtige, wie die eigentliche Lautgestalt? Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob das ursprüngliche j noch darin enthalten und in seiner Nachwirkung merkbar ist oder nicht, also auch, ob Sla - visch und Litauisch eine gemeinsame vom alten - sja lautlich abweichende Form erzeugt haben. Dem slav. - so käme ainessa am nächsten, aber dies ist ganz ver - einzelt (nur III. 24) und kawydsa (III. 59) ist wegen der falschen Uebersetzung der Stelle zu zweifelhaft. Ausser diesen beiden Stellen schwankt die Schreibung zwischen ei, e, i. Dieselbe Schwankung findet sich bei den contrahirbaren femi - ninalen -stämmen auch (lit. nom. sg. - ė = - ), z. B. heisst es:

  • semmê = lit. żémė, acc. semmien (lit. żémę = zemią) wo man die Wirkung des j auf das folgende a sieht; in I. dafür semmin. Im Dialekt des El - binger Vocabulars sind zum Theil die Formen den litauischen ganz gleich, z. B. gerwe = gérvė (Kranich), saule = sáulė;
  • supûni = lit. żiupónė, ebenso im Vocabular vereinzelter, z. B. pelki = pelkė (Sumpf), asy = eżë́ (Rain); damit zu vergleichen ist, dass den lit. motë́ duktë́ in den Katechismen mûti, duckti (im Vocab. mothe) entsprechen.

Wenn nun giwei III. 24 den nom. sg. zu geiwin (I), geywien (II), gywin (III. 80) bildet, so ist der richtige nom. sicher einem zu erschliessenden lit. * gyvė (Leben), dem vorhandenen lett. dfiwe gleichzusetzen, und ich halte es für völlig möglich, dass das auslautende ei in der Vorstellung und nach dem Gehör des Schreibers nichts anderes bedeuten soll, als ein dem i sich näherendes e. Die Feminina auf e kommen in den Katechismen selten vor (packe, semmê, aulausê), sonst würden wir vielleicht mehr Beispiele des - ei haben; es ist aber sehr mög - lich, dass die unter dem nominalen nom. sg. unerklärt gelassenen Formen wie deiwutiskai eigentlich = deiwutiskei sind (nach dem sonstigen Wechsel von ai und ei in der Schreibung auslautender Silben); das hiesse also - iskė = - iskjā, und jene Adjectiva auf - iska - wären zur Abstractbildung sowohl mit Suffix - (s. oben beim nom. sg. ) wie mit - erweitert; vgl. in Betreff letzterer ähnliche litauische Bildungen wie të́viszkė (Erbe) zu të́viszkas (väterlich).

Einen ähnlichen Wechsel von ê, êi, i finden wir ferner in wackîtwei (rufen, III. 19), enwackêimai (wir rufen an, III. 2), enwackêmai (III. 84); zwischen ê und i in druwê (ich glaube) III, drowe I, drowy II; vgl. auch turrîtwei (haben) III, turrettwey I, turryetwey II. Die meist - twei geschriebene Infinitivendung kommt auch als - twi vor (biâtwi, fürchten, III. 12) und als - twe (istwe, essen, III. 72), anderer Fälle ähnlicher Art zu geschweigen. Es geht daraus also her - vor, dass die Laute ei, ê (das tiefe ī-artige e) und î (dafür auch mit Vernach - lässigung der Quantitätsbezeichnung e, i) einander wenigstens für das Ohr des Schreibers in der Aussprache sehr nahe gelegen haben müssen und sicher oft den gleichen Laut ausdrücken. Die Beispiele, in denen so ei, ē̆, ī̆ wechseln, ent - halten alle ursprünglich entweder ai oder oder ein irgendwie entstandenes langes ē (wackêmai); wie im Litauischen ė als Contractionsproduct nur aus entsteht, während ja zu je, e, i wird. Demnach müsste man genau genommen für den Auslaut von stessei, steise, steisi als Endung - sjā zu Grunde legen. Die Länge des Vocals wird aber durch die übrigen Sprachen widerlegt. Es lässt sich115i. der nicht-persönlichen Pronomina.indess aus der Ueberlieferung des Preussischen höchst wahrscheinlich machen, dass - sjă ebenso behandelt wurde. Man darf freilich nicht Fälle wie 2. plur. verb. auf - tei, - ti und vereinzelt - te hier heranziehen, weil die Personalendungen in den uns überlieferten Texten überhaupt so absonderlicher Art sind, dass sie erst selbst einer Aufklärung bedürfen. Indess kann man einen andern Fall hierher - ziehen, der mit unserm geradezu identisch zu sein scheint: im Litauischen wird das fut. auf - siu (bú-siu) so behandelt, dass in allen Personen ausser der 1. sing. das alte ja in i contrahirt wird: 2. sg. búsi, 3. bús (i), 1. plur. búsime (dial. bu - sieme = busiame). Im Preussischen kommt nun im imperativisch-conjunctivischen Sinne eine 3. sing. plur. (beide Personen wie im Litauischen gleichlautend und ohne Personalsuffix) auf - sai, - sei, - se, - si vor, die kaum etwas anderes sein kann, als die Futurform: boûsei, boûse, boûsai (bhū), ebsignâsi (er segne); dâsai, dâse, au-dâsei (zu geben). Da also hier sjă zu Grunde liegt, haben wir den verlangten Wechsel der Schreibung auch für die Kürze; der Aussprache nach wird eine dem litauischen ė entsprechende Kürze anzusetzen sein, die man durch ě bezeichnen könnte. So werden wir also kaum zweifeln, dass in stessei u. s. w. - sja enthalten ist, also das j innerhalb der litauischen Sonderentwicklung noch bewahrt war. Als slavisch-litauische Grundform ist daher nach - sja anzusetzen und die Entwicklung folgendermassen:

sja preuss. * sje slav. * sa so.

Noch eine andere Frage knüpft sich an die preussische Genitivform: ist vor dem s das ei oder e der richtige Vocal, also zu schreiben steisě oder stesě. Diese Frage ist insofern nicht gleichgültig, als wir ein altberechtigtes ei vor pronomi - nalen Casusendungen, entsprechend dem skrt. ē, finden werden, es sich also darum handelt, ob im Preussischen das zwischen Pronominalstamm und Casus - endung eingeschobene i weiter verbreitet sei als in anderen Sprachen. Doch ist es vorzuziehen, diese Frage im Zusammenhange zu behandeln und zunächst erst die übrigen Casus durchzunehmen.

Dativ sing. msc. ntr. slav. tomu, lit. támui (heutzutage nur noch tám), preuss. s-tesmu haben offenbar dieselbe Casusendung, wie die Nomina: vlŭku, vilkui, waldniku; es wurde schon bei der Besprechung des nominalen dat. sing. msc. bemerkt, dass diese Form im Litauischen aus einer wirklichen Dativform stammt, keine Instrumentalform ist, und der Grund angegeben, warum die eigentlich den u-stämmen zukommenden Formen auf die a-stämme, auch auf die pronominalen übergingen. Beim Pronomen kommt gegen die Bestimmung als instr. noch hinzu, dass in keiner indogermanischen Sprache ein instr. sg. msc. mit dem Zwischensatz - sma - vorkommt. Dieser wird aber durch das preuss. sm als sicher erwiesen, als slavisch-litauische Grundform des Stammes ist also tasm (a) - anzusetzen, daraus lit. tám -, slav. tom -. Die Länge des ā im lit. támui braucht nicht als Ersatzdehnung genommen zu werden, sondern kann Wirkung des Accents sein, darf indessen mit Rücksicht auf gleich zu erwähnende preus - sische Formen im ersteren Sinne aufgefasst werden.

8*116b. Declination der Pronomina.

Die preussische Form, die in den Katechismen sehr häufig ist, zeigt immer den gleichen Auslaut - u (steismo [III. 63] ist dem steismu gleichzurechnen) mit Ausnahme von stesma III. 45 und stasma I, man wird aber auf diese beiden Fälle gegenüber den etwa zwanzigen auf - u nichts zu geben haben. Eine andere Dif - ferenz innerhalb der preussischen Form bedarf jedoch der Erwähnung: wir haben hier wieder einen Wechsel zwischen stesmu und steismu (wie den zwischen stessei und steisei), beide Schreibungen ungefähr gleich häufig; ebenso tenneismu, ten - nesmu, einmal sogar tennysmu, Erhaltung des stammauslautenden a in kasmu, Dehnung desselben bei den Possessiven maiâsmu, twaiâsmu, swaiâsmu, endlich Wegfall desselben, z. B. anter-smu, St. antara -, kawidsmu, St. kawida -, twaismu, St. twaja -, wismu, St. wissa - (all), für * wisasmu. Wegen des litauischen - ámui bin ich geneigt, Schreibungen wie twaiâsmu für dem wirklichen Laute ent - sprechend zu halten, dann wäre also anzusetzen * tasmui, * tāsmui, tā́mui. Dem - nach würde man auch ein preuss. * s-tâsmu annehmen dürfen, oder da bei diesem Pronomen in den meisten Casus e für a eintritt (selbst im nom. sg. msc. stes neben stas) ein stēsmu und der Wechsel zwischen ei, ê und vereinzeltem i (y) bedeutete nichts anderes als in den oben angeführten Beispielen. Die Länge scheint bestätigt zu werden durch Schreibungen wie stêismu III. 90. Mit dieser Annahme fiele denn auch der Gedanke, dass ei ursprünglicher Diphthong sei, entstanden aus jenem Einsatze i zwischen Stamm und Casussuffix, dieser kommt nämlich in den gesammten indogermanischen Sprachen nur da vor, wo Prono - minalstamm und Casusendung unmittelbar an einander treten, aber nie vor - sma -. Ebensowenig aber auch vor - sja des Genitivs, und man wird also schwerlich geneigt sein, im Genitiv steisei das ei für ursprünglich zu halten, sondern ent - weder auch hier eine Dehnung anzunehmen, also stēsě, oder Uebertragung aus einem anderen Casus, worauf wir beim gen. plur. zurückkommen. Neben den Formen mit gedehntem Vocal hätte man im Preussischen dann solche mit unge - dehntem anzusetzen, wie der Ausfall des Stammauslautes von - smu deutlich kurzen Vocal verräth; mit andern Worten, die Sprache hätte die alten Lautver - hältnisse noch zum Theil erhalten. Vielleicht war, was sich nach der schlechten Ueberlieferung nicht beurtheilen lässt, Kürze oder Länge des Vocals von der Stellung im Satze oder der Silbenzahl oder dem Accent abhängig (vgl. z. B. lit. tā́mui und loc. tămè).

Locativ. sing. msc. Leider ist diese Form im Preussischen nicht über - liefert. Die älteste Form hat sich aber im Litauischen ziemlich treu erhalten vor der Postposition - pi (bei) in älteren Büchern (s. Smith in den Beitr. I, 506), z. B. jemim-pi, schwentamim-p. Der Nasal erscheint als m nur wegen des folgenden p, davon getrennt ist tamin anzusetzen, daraus das altlit. tami, also eigentlich tami̧ (warum im heutigen Litauisch tamè, ist beim Nomen auseinandergesetzt). Da nun m unzweifelhaft ebensowohl wie in támui auf sm zurückgeht, bekommen wir als Grundform tasmin, d. h. die mit der sanskritischen identische Gestalt. Wie sich daraus die slavische entwickelt, ergeben die Lautgesetze ohne weiteres: urspr. i + nas. muss zu ĭ werden, sm wie in tomu zu m, a zu o, also tomĭ. Smith, De locis quibusd. gramm. lingg. Balticarum et Slavonic. III. 46 wirft die117i. Der nicht-persönlichen Pronomina.Frage auf, ob vielleicht das preussische, einmal (Kat. III, 89) nach en (in) vor - kommende schisman heranzuziehen sei. Die Schreibung a für i oder allenfalls e spricht dagegen, und überhaupt ist man bei solcher Vereinzelung niemals sicher, dass man es nicht mit einer der vielen Liederlichkeiten des Uebersetzers der preussischen Katechismen zu thun hat.

Im instrum. sing. msc. haben wir eine entschiedene Abweichung des Slavischen vom Litauischen; das letztere hat die nominale Form, und es wurde oben gezeigt, dass auch tůmì, welches dem slav. těmĭ ähnlicher zu sein scheint, nur eine litauische Neubildung ist. Dieser slav. Instr. weicht nun von der nomi - nalen Form dieser Sprache (vlŭkomĭ) in einem Punkte ab, der auch sonst der pronominalen Declination wenn nicht eigenthümlich, doch bei ihr häufiger ist als in der nominalen, durch die Vermehrung des Stammes mit i: těmĭ ist aufzulösen in * ta-i-mi, auf indogermanischer Lautstufe * tai-bhi (m). Eine sich mit dieser deckende Form findet sich schon deswegen nicht, weil den andern Sprachen das singularische bhi fehlt; der Vergleich Schleichers, Comp. 3 645, mit ἧφι ist nicht wohl zu brauchen, weil die ursprüngliche Form der Endung und die Casuszugehörig - keit nicht sicher sind; das skrt. tena, vrkena hat zwar i, ist aber anderer Bildung. Wir dürfen, müssen sogar in solchem Falle immer fragen: ist die Form ursprüng - lich, gab es überhaupt eine indogermanische Form * taibhi (m) neben (so im Zend)? Die Frage ist nicht gleichbedeutend mit der andern: existirte überhaupt ein Singularsuffix - bhi; denn bei dessen Voraussetzung könnte man nach vlŭ - komĭ ein * ta-bhi erwarten. Natürlich lässt sich ein ursprüngliches * taibhi als möglich vertheidigen, aber die bestehenden historischen Verhältnisse führen leicht auf einen andern Gedanken. In allen Sprachen mit alleiniger Ausnahme des Slavischen lautet bei Nomen und Pronomen instr. sg. msc. -ntr. gleich, immer - hin ein gewichtiges Zeugniss dafür, dass wahrscheinlich nie eine besondere Form für das Pronomen vorhanden war. Nehmen wir einmal an, das Slavische habe einst seine mit dem Nomen stimmende Form ta-bhi (m) gehabt, so musste diese laut - gesetzlich zu * tomĭ werden, d. h. fiel mit dem loc. tomĭ = tasmin zusammen. Die Vermuthung einer Neubildung liegt also nahe, und diese wäre dann nach dem instr. plur. těmī gemacht. Weiter als bis zu einer Vermuthung kann man es hier nicht bringen, aber sie ist eben so viel werth wie ein ursprachliches * taibhi (m).

b) Die vom Nomen abweichenden Formen des plur. msc. -ntr.

Genitivus pluralis. Die vollständigste Erhaltung des Casus haben wir im Preussischen steison (einigemale steisan, wie sonst an, das ältere, mit on, dem jüngeren, wechselt). In der Auffassung des ei kann man hier nicht wie beim gen. und dat. sg. schwanken, da nie eine andere Schreibung vorkommt; auch tenneison steht nur so; (s) teison ist also sicher = * taisām = skrt. tēšām, daraus slavisch den Lautgesetzen völlig entsprechend těchŭ (s. - ŭ = - ām beim nominalen gen. plur.). Im Litauischen würde die Form nach Analogie des dat. plur. (tëmùs) * tësu gelautet haben. Ein lautlicher Grund zu ihrem Aufgeben liegt nicht vor, es beruht also wohl nur auf der allgemeinen Neigung des Litauischen, vom118b. Declination der Pronomina.Nomen abweichende Pronominalformen fallen zu lassen (vgl. das ganze Femini - num). Ueber eine möglicher Weise erhaltene Spur der Pronominalform siehe unten den loc. plur.

Im dativ. pluralis zeigen die litauischen Sprachen und das Slavische über - einstimmende Form, am deutlichsten erhalten im preuss. (s) teimans = * taimans = * taibhjams, skrt. tēbhjas; daher lit. tëmùs, slav. nach den Lautgesetzen těmŭ.

Der loc. pluralis, im litauischen tůsè nominal, im Preussischen nicht er - halten, lautet slav. těchŭ, also auch nominal = vlŭcěchŭ (vgl. skrt. tēšu), und soll hier nur erwähnt werden, um auf das Zusammenfallen dieses Casus mit dem gen. plur. těchŭ aufmerksam zu machen. Die Wirkung der Lautgesetze musste nothwendig dazu führen; dass die beiden Casus sonst nichts mit einander zu thun haben, versteht sich von selbst.

Um einem Missverständniss vorzubeugen, füge ich bei, dass die scheinbar alterthümliche lettische Form des loc. plur. táis neben tůs (= lit. tůsè) nicht gleich altem * taisu sein kann, sondern durch neue Anfügung des Pluralsuffixes s (u) an die specifisch lettische, ebenfalls junge Form des loc. sing. tái entstanden ist. Ebenso sind die sonderbaren Nebenformen des loc. plur. tanis, älter tamís, erstlich nicht direct eine aus der andern geworden und beide nicht alt, sondern genau wie táis aus den Singularformen taní, tamí gemacht, und zweitens sind diese selbst wieder nur Abkürzungen von * tanīje, tamīje, gebildet wie die Lo - cativformen der persönlichen Pronomina nach der Analogie der nominalen i - stämme (sirdi = lit. szirdyjè). Ich deute das hier nur an, eine nähere Aus - führung der dabei obwaltenden Vorgänge würde eine Auseinandersetzung über das lettische Auslautsgesetz erfordern, die hier zu weit führen würde, bemerke übrigens bei der Gelegenheit, dass das Lettische in seiner gesammten Declination keine einzige Form bietet, die alterthümlicher wäre, als die entsprechende li - tauische, dass vielmehr der gesammte lettische Flexionsvorrath auf dem Laut - bestande beruht, den das Litauische jetzt bietet oder zur unmittelbaren Voraus - setzung hat; es ist geradezu nur die jüngere Entwicklungsstufe des Litauischen, so zu sagen das litauische Romanisch. Es war ein Irrthum Schleichers, das Let - tische dem Preussischen näher zu stellen als dem Litauischen.

Das Lettische bietet also die alte Form des loc. plur. nicht, möglicher Weise hat sich aber eine Spur derselben im Litauischen selbst erhalten, die interessant ist zu verfolgen. In der Zweizahl werden dat. instr. dual. slavisch wie litauisch pronominal flectirt: lit. dvëm = tëm, slav. dvěma = těma; während nun die beiden andern Dualcasus im Slavischen dva, dvoju lauten, hat das Litauische den im Vocalismus eigenthümlichen gen. dvëjū, also einen scheinbaren Stamm dvë -. Dass die Form dvëjū in dieser Gestalt ursprünglich sei, ist nicht zu glauben, wo - her das zweimalige i (j) vor der Casusendung, dvëjū wäre = * dvai-j-ām? Ent - weder also ist das ë aus dem Dativ herübergenommen, oder es ist einst eine dem slav. těchŭ entsprechende pronominale Form * tësū, * dvësū vorhanden gewesen, die bei der späteren Bevorzugung der nominalen Form nur halb nominal wurde, in - dem ë festgehalten ward. Das also die oben angedeutete Spur eines pronominalen gen. plur. auch für das Litauische. Ferner fehlt dem Litauischen der loc. dual,119i. Der nicht-persönlichen Pronomina.überhaupt, auch bei der Zweizahl, Kurschat (Beiträge z. Kunde d. lit. Spr. II, 125) führt aber dwiesa (nach Schleichers Schreibung dvësè) an in dieser Function. Es ist die Pluralform, diese kommt aber mit ihrem - ëse, - ësu ganz und gar der vorauszusetzenden litauischen Pronominalform * tësu, der wirklich vorhandenen slav. těchŭ gleich und giebt bei der Gleichheit, die im Slavischen hier zwischen Nomen und Pronomen msc. gen. herrscht, eine Stütze für unsere obige Annahme eines älteren loc. plur. nom. lit. * vilkësu, der durch eine Neubildung, vilkůsu, vielleicht in der oben beschriebenen Weise, ersetzt wurde.

Die übrigen Formen, instr. plur. und die Dualcasus bedürfen hier nur einer Andeutung: slav. instr. plur. těmī = skrt. tēbhis, abgesehen von der bereits beim Nomen erörterten Gestalt des Suffixes; gen. -loc. dual. slav. toju = skrt. tajōs; dat. -instr. dual. slav. těma, lit. tëm haben den Zusatz von i, wie die ent - sprechende Pluralform (těmŭ, tëmùs) und weichen darin von der sanskritischen ab.

c) Die vom Nomen abweichenden Formen des fem. sing.

Da das Litauische hier nur nominale Formen bietet, haben wir es einzig mit dem Preussischen und Slavischen zu thun; das erstere ist hier wieder im höchsten Grade merkwürdig durch Erhaltung alterthümlicher, vergleichbarer Formen. Ich stelle sie zunächst in den verschiedenen Schreibungen zusammen:

  • gen. sing. stessias, stessies, stesses, steises;
  • dat. stessiei, steisiei, stessie, stessei, stesse, steisei.

Was zunächst die Endung betrifft, so scheint es mir ohne weiteres sicher zu sein, dass sie dieselbe ist, wie im skrt. ta-sjās, ta-sjāi. Darnach wäre im dat. sing. der Auslaut ei das alte und richtige, man sieht aber aus den obigen Schrei - bungen, dass es dem Uebersetzer nicht darauf ankommt, dafür auch e zu setzen; daher wird auch möglich sein, was wir oben für den gen. sing. annahmen, dass derselbe gelegentlich ei für ursprüngliches e (= ja) schrieb. Die auch hier vor - kommende Schwankung zwischen ei und e im Pronominalstamm ist zu beur - theilen wie beim gen. und dat. sg. msc. Nur das eine lässt sich aus der Ueber - lieferung nicht beurtheilen, ob das a (e) vor dem auslautenden s lang oder kurz war, die Aufstellung der Grundform muss also diesen Punkt unentschieden lassen: * tasjā̆s.

Die slavischen Formen gen. sing. toję, dat. tojī sind abweichend. Was die letztere Form in slavischer Schreibung betrifft, so wird sie gewöhnlich fälschlich durch той, d. i. tojĭ wiedergegeben. Es ist dies, in der Lesung toj, die abge - kürzte Form der modernen Sprachen, die Quellen bieten immer nur тои, das man auf beide Weisen lesen kann. Da aber alle Casusendungen des Pro - nomens im sing. fem. den nominalen gleich sind, bei den Nominibus nach j un - bestrittener Massen ī gelesen werden muss (dušī, voljī, vyjī), so liegt kein Grund vor, das Pronomen in diesem Casus anders anzusehen. Die Formen sind nämlich äusserlich genommen von einem femininalen jā-stamm tojā - abgeleitet und unter - scheiden sich nur dadurch vom acc. , nom. ta, die unmittelbar auf - be -120b. Declination der Pronomina.ruhen. Dass das auslautende ī des dat. -loc. tojī (wegen j für ě) = ai ist, ver - steht sich von selbst. Ist also tojī einfach = tasjāi, dem es auch in der Kürze des Wurzelvocals zur Seite steht? Eine einfache lautliche Entsprechung, bei der j als aus sj entstanden gefasst werden müsste, halte ich so lange für unmöglich, als nicht irgend ein Fall angeführt wird, wo das sonst im Slavischen vorkommt. Einem nach tasjāi zu erwartenden * toši stünde ja gar nichts im Wege; oder ver - änderte sich die Lautgruppe vor der Wirkung der späteren Lautgesetze in ein - faches s, so könnte * tosě erhalten geblieben sein. Dasselbe gilt vom Genitiv. Läge auf der andern Seite eine Form vor, die etwa dem sanskritischen nominalen dat. sg. fem. auf - ājāi zu vergleichen wäre, also * tājāi, so wäre ein solcher im Slavischen zu * tajī geworden (ein * ta-jai als dem tojī zu Grunde liegend aus dem zend. - a-jai zu entnehmen, ist mir zu gewagt). Vielleicht bietet das Sla - vische selbst einen Weg zur Erklärung: der instr. sg. toją (über die Endung s. das Nomen) stimmt sowohl in der Kürze des Wurzelvocals (o = ă) als in dem einfachen j zum skrt. ta-j-ā; sollte also nicht im Slavischen ein einst vorhan - denes tasjāi durch blosse Angleichung, durch Nachahmung der Gewohnheit des instr. zu * tajāi, d. i. tojī umgebildet sein? Dasselbe hätte dann beim gen. statt - gefunden. Beim Pronomen gehe ich in solchen Vermuthungen mit weniger Be - denken weiter, weil, wie wir namentlich beim Personalpronomen sehen werden, die Neigung zu Analogiebildungen hier ganz besonders stark ist.

Beim gen sing. toję kommen wir also noch einmal auf die nasalirte En - dung zurück, die schon beim Nomen (rąky, dušę) räthselhaft war. Alle Schwierig - keit der Erklärung wäre mit einem Male beseitigt, wenn Benfeys Entdeckung eines indogermanischen Genitivsuffixes îans sich bestätigte (Ueber die indo - germanische Endung des gen. sing. îans, îas, îa, Göttingen 1874). Ich kann nicht umhin, etwas darauf einzugehen, es wäre zu wichtig, wenn so der Stein des Anstosses, den die Endung - y, - ę bisher bildete, beseitigt würde. Das Ziel der Benfeyschen Schrift ist, aus den überlieferten pronominalen Formen des gen. sing. und denselben Suffixformen, wenn sie auch beim Nomen, nach Benfey vom Pronomen dahin übertragen, vorkommen, die ursprachliche Existenz eines Genitivsuffixes - îans nachzuweisen, aus welchem entstanden und ebenfalls schon in der Ursprache vorhanden waren - îas und - îa. Es kommt darauf an, einmal die Länge des î, dann das n zu begründen. Benfey nimmt an, das von ihm nachzuweisende Genitivsuffix sei identisch mit dem Comparativsuffix, skrt. - îjans -. Wenn man auch die Möglichkeit der Verwendung desselben Suffixes zu beiderlei Functionen zugeben wollte, so kann darauf doch nicht der Beweis der Länge im Genitivsuffixe îans begründet werden, vielmehr würde diese Länge erst aus den überlieferten Genitivformen zu erweisen sein, und dadurch würde die Identifi - cirung mit dem Comparativsuffixe eine Stütze finden. Benfey versucht nun für eine Rigvedastelle (II. 11, 10) die Lesung - sîa des Genitivsuffixes - sja nachzu - weisen. Mir scheinen die Beweisgründe durchaus nicht zwingend zu sein; es handelt sich darum, dass in dem Sollen mâjíno Dâvanásja mâjấ, dem eine Silbe fehlt, das j des - sja als Vocal zu lesen ist, ob als Kürze oder121i. Der nicht-persönlichen Pronomina.Länge, ist an sich zweifelhaft. Benfey will - sîa lesen: bei der Kürze des i ist die Messung des zweiten Fuses _ (Paeon primus) bei der Länge _ _ (Choriamb) und nach Benfeys Zusammenstellung von 132 Beispielen (bis Rg. I. 32) kommt an dieser Stelle in elf - und zwölfsilbigen Rollen der Choriamb 44 mal vor, andere Füsse, aber stets auf eine Länge ausgehende, 84 mal, so dass nur in zwei Bei - spielen eine Kürze steht: der Paeon primus (nur I, 24, 14) und ausserdem I, 32, 6 _ . Wenn aber Benfey p. 22 verlangt, dass es darnach nicht soll « im geringsten zweifelhaft bleiben dürfen, dass Dâvanasîa an dieser Stelle das einzig richtige ist », so ist das doch zu weit gegangen. S. 21 sagt Benfey selbst: « übrigens will ich keineswegs leugnen, dass, wie noch andere Rhythmen in diesem zweiten Fuss vorkommen, so auch der Paeon primus (_ ) noch sonst er - scheint, wenngleich sehr selten und fast immer in einer Weise, die leicht Aende - rungen zulässt » (folgt ein Beispiel). Man sieht also, es handelt sich dabei um eine nicht fertige metrische Theorie, und einem Schluss aus einer solchen vermag ich wenigstens keine bindende Kraft zuzuerkennen. Somit bleibt für die Länge des i nur das lateinische illîus und was ihm an pronominalen Genitiven gleich ist; ich brauche aber kaum darauf hinzuweisen, dass die Annahme, dies î sei gleich grundsprachlichem ī ganz in der Luft schwebt und andere Erklärungen dieser lateinischen Eigenthümlichkeit, wie sie bisher versucht worden, gerade so berechtigt sind. Wie steht es nun mit dem Nasal? Benfey hat selbst bemerkt, dass keine Genitivendung irgend einer indogermanischen Sprache ein n nach - weisbar enthalte ausser gen. sg. pron. pers. im Litauischen manę́s, tavę́s, savę́s, gen. sg. fem. nom. im Slavischen rąky, duśę und pron. toję. Die litauischen Formen lassen sich lautlich allenfalls aus * tavians erklären, ebensogut aber unmittelbar aus * tavans nach Wandlung des a in e (vgl. part. praet. act. sukęs), und das letztere müsste man sogar nach dem Slavischen vorziehen, denn diesem fehlt das j, die Endung ist = - ā̆ns und es wäre eine petitio principii, das j von toję heranzuziehen, da es eben erst auszumachen ist, ob dasselbe zur Casus - endung gehört; die andern Casus haben es ebensogut und in diesen gehört es nicht zur Endung. Also das ganze reducirt sich darauf:

  • 1. wir haben eine lateinische Form, deren î sich als ursprachlich nicht nachweisen lässt, und die kein n enthält, ausserdem aus ihrem Zusammen - hange mit illī, quoiei herausgerissen ist;
  • 2. wir haben eine litauische Form, die zwar n hat, bei der aber j sich nicht nachweisen lässt; eine slavische (rąky), die sicher kein j hat.

Ein aus diesem Zustand der Dinge erschlossenes îans scheint mir demnach wenig Werth zu haben. Auf die Versuche Benfeys, im Slavisch-litauischen ein Genitivsuffix îa nachzuweisen, gehe ich hier nicht ein, sie scheitern an der lautgesetzlichen Unmöglichkeit.

Um mich wenigstens der Lösung zu nähern, möchte ich zuerst die Vorfrage stellen: liegt es wirklich so nahe, die slavischen Formen toję, rąky, dušę mit den122b. Declination der Pronomina.litauischen manę́s, tavę́s, savę́s zu verbinden, oder, lassen wir rąky, dušę als möglicher Weise erst dem Pronomen entlehnte Formen bei Seite, toję mit den litauischen Genitiven in Zusammenhang zu setzen? Sieht man die Sache von ihrer historischen Seite an, so wird man nach der folgenden Auseinandersetzung, bei der ich etwas ins Personalpronomen übergreifen muss, zugeben, dass manę́s u. s. w. eher litauische Neubildungen sind als irgend etwas anderes, altererbtes. Im Slavischen lauten die obliquen Casus des Singulars der Personalpronomina, das Reflexivum eingerechnet, so:

Dazu kommen als enclitische Nebenformen des Dativs: , , . Man wird ohne weiteres bemerken, dass der loc. -dat. und instr. nach Analogie der femininalen ā-stämme gebildet sind (ženě, duši, ženoją), also für die pronominale Flexion zu - nächst nicht in Betracht kommen. Die acc. sind = skrt. mām u. s. w. und stehen zunächst für * mēn, * tēn, * sēn; die Dative u. s. f. = altem * mai u. s. w. Die Genitive haben nichts von den sonst gebräuchlichen Genitivendungen an sich, gleichen aber so genau den arischen, zend. mana, tava, skrt. mama (wohl nur durch Assimilation der beiden Silben an einander für mana; über das slav. b vgl. unten die Personalpronomina), dass man nicht den geringsten Zweifel an der Identität des mene mit mana hegen kann. Die Färbung zu e hat der Vocal des Pronominalstammes fast überall in den europäischen Sprachen, und das aus - lautende a ist zu e geworden, wie z. B. im voc. vlŭče = * varka.

Stellen wir nun dazu die preussischen Formen:

so kann wieder kein Zweifel sein an der Identität des acc. mit dem slavischen, noch eigenthümlicher aber ist die vollständige Uebereinstimmung der Dativformen, sogar in dem b der 2. und 3. Person. Es ist daher im höchsten Grade wahr - scheinlich, dass die Flexion dieser Pronomina im Slavischen und Litauischen einst ganz dieselbe war, dass also der ursprüngliche Genitiv, der slavischen Form entsprechend, dem Litauischen verloren gegangen ist. Schon im Preussischen ist das der Fall, es braucht dafür den gen. sing. msc. des Possessivums, denn twaise ist = * tvajasja, nom. sing. twais = * tvajas (slav. tvojĭ). Im Litauischen dient für die possessive Bedeutung des Genitivs ebenfalls der gen. sing. msc. des Possessivpronomens: manō (nom. sing. manas), tavō, savō. Dass der loc. sing. und instr. sing. lit. manyjè, tavyjè, savyjè; manimì, tavimì, savimì, der dat. mán - (ei) mit ihren den nominalen i-stämmen nachgebildeten Formen litauisch-lettische Neubildungen sind, liegt auf der Hand. Dass die acc. manę̀, tavę̀, savę̀ ebenfalls solche sind, lässt sich gegenüber den preussischen Formen und dem erhaltenen litauischen acc. refl. si und dem vereinzelten mi (= si̧, mi̧) nicht bestreiten. 123i. Der nicht-persönlichen Pronomina.Nothwendig muss man bei diesem Verhältniss also darauf kommen, dass die litauischen Genitive manę́s, tavę́s, savę́s ebenfalls in diese Reihe von Neubildungen gehören, dann können sie aber mit dem slavischen toję in Form und Entstehung nichts zu thun haben. Es kommt bei der Auffassung der litauischen Formen noch dies in Betracht: der acc. manę̀ u. s. w. stimmt im auslautenden Vocal nicht zu den übrigen Casusformen, da er nicht auf einen Stamm mani - zurückgehen kann, ein acc. von diesem würde * mani̧ (vgl áki̧) lauten. Für diese Eigenthümlichkeit glaube ich eine Erklärung zu haben, gebe sie aber lieber unten im Zusammen - hange mit dem ganzen Personalpronomen, und bemerke nur vorläufig, dass mit dem acc. die Bildung des Genitivs zusammenhängt.

Es bleibt also das slavische toję mit seinem nominalen Zubehör wieder ver - einzelt. Gerade im Slavischen hat man nun allen Grund, bei dieser Form zu fragen: ist sie denn eine wirkliche Genitivform? Wir haben im Slavischen im Singular der Pronomina ausser čĭso nicht eine einzige formell als gen. zu be - stimmende Form: mene, tebe, sebe, togo sind alles nicht Genitivformen im ge - wöhnlichen Sinne. Nehmen wir an, wie die arischen Sprachen und das Preus - sische es an die Hand geben, das Slavische habe einst einen gen. sing. fem. * tasjās, nach seiner Weise in * tajās umgebildet, besessen, so hätte daraus den Lautgesetzen nach * toja werden müssen, und dies hätte, da es von allen anderen Formen unterschieden ist, so bestehen können; allein der Auslaut ist dem eines femininalen ā-stammes gleich, und das konnte zum Aufgeben der Form geneigt machen. Die alten nominalen Genitive * rankās, * dusjās (lit. rankos) mussten zu * rąka, * duša werden, fielen also mit dem nom. sing. ganz und gar zusammen. In ähnlichen Fällen sehen wir das Slavische, dessen Formgefühl trotz der zer - störenden Auslautsgesetze immer ausserordentlich lebendig blieb und bis auf den heutigen Tag lebendig ist, zu einem Ersatz durch einen verwandten Casus greifen; es ist einfach das unbewusste Streben nach deutlichem Ausdruck. Nun kann ohne weiteres toję mit dem sanskritischen loc. sing. fem. tasjām identificirt werden. Dass im Slavischen nicht * toją daraus geworden ist, braucht uns davon nicht abzuhalten, wir finden auch sonst in anderen Fällen nach j ein ą und ę wechseln (auf diesen Punkt komme ich gleich im folgenden in Verbindung mit einer anderen lautlichen Schwierigkeit zurück). Dass der loc. den gen. ersetzen kann, bedarf wohl keines besonderen Nachweises, die Bedeutungen des « an, bei, in » sind annähernd im Stande, die mannichfachen Beziehungen des Genitivs auszudrücken, ähnlich wie der gen. sing. msc. ntr. im Slavi - schen und Litauischen durch den in der Bedeutung enger begrenzten, aber verwandten Ablativ ersetzt wird. Die Form macht so beim Pronomen keine Schwierigkeit. Man könnte nun für das Nomen eine einfache Entlehnung vom Pronomen annehmen, und diese scheint mir das wahrscheinlichste, aber eine Möglichkeit ist vorhanden, selbst beim Nomen auf eine analog gebildete Locativ - form zu schliesen. Die sanskritische Form des loc. sing. fem. der ā-stämme ist açvā-j-ām (Zend a-j-a); eine Betrachtung der übrigen Casusformen dieser Stämme muss aber darauf führen, dass das eigentliche Casussuffix (wie sicher beim Pro - nomen, wo sj zur Stammbildung gehört) - ām ist. Wenn wir

124b. Declination der Pronomina.
  • dat. sing. avj-āi hanv-āi neben açvājāi,
  • instr. sing. avj-ā hanv-ā açvajā

stellen, und dazu nehmen, dass älteres açvāi, açvā überliefert ist, so kann kein Zweifel bleiben, dass hier die Casusendungen ai, ā sind, und so gut açvāi, açvā, vom u - und i-stamm loc. sing. hanv-ām, avj-ām vorhanden sind, musste ein loc. * akvām möglich sein ausser * akvājām. Dass Doppelformen der femininalen ā-stämme, mit und ohne j, auch innerhalb des Slavisch-litauischen vorkommen, beweist instr. sing. lit. rankà = * rankà, slav. rąkoją. Nehmen wir an, dass eine solche Doppelform auch für den loc. sing. bestanden habe, so haben wir im Litauischen rankoje die eine, die andere würde * rankām sein, und daraus kann im Slavischen durch die Mittelstufen * rankān, * rankūn das rąky entstehen; wo j im Stamm vorhanden war, unterblieb wie immer die Verwandlung und es ent - stand Nasalvocal, daher dušę. Diese Annahme erklärt zugleich, warum das Sla - vische bei den femininalen ā-stämmen, seien sie nominal oder pronominal, keine eigenthümliche Locativform mehr besitzt, sondern dafür den Dativ, rącě, tojī, eintreten lässt. Doch gebe ich gern die Construction des nominalen Locativs * rankām Preis, es genügt auch die Annahme einer Entlehnung vom Femininum des Pronomens. Was die Verwendung einer Locativform in genitivischer Function betrifft, so darf man für das Slavische noch daran erinnern, dass nach der Wir - kung des consonantischen Auslautsgesetzes in zwei Stammclassen der gen. dem loc. gleichlautend geworden war: bei den u-stämmen gen. synu, loc. synu, und was hier noch von grösserer Bedeutung ist, bei den zahlreichen femininalen i - stämmen, gen. nošti, loc. nošti. Ferner lässt sich noch herbeiziehen die wie immer zu erklärende Locativform kamen-e der consonantischen Stämme, die ebenfalls dem gen. kamen-e gleichlautet, sodass ein Anschluss an die Locativform der Sprache nicht fern liegt.

Wenn so auch in der gegebenen Erklärung keine innere Unwahrscheinlich - keit liegt, so könnte doch die angenommene lautliche Entwicklung Bedenken erregen. Zunächst, warum ist nicht der beim Pronomen vorausgesetzte loc. * ta - jām aus tasjām so behandelt, wie etwa der instr. * tajām, d. h. - ām wie hier und in andern Fällen zu - ą geworden? Darauf lässt sich nur antworten, dass wir auch sonst im Slavischen bei gleichen zu Grunde liegenden Lautverhältnissen einen Wechsel zwischen ą und ę finden, dessen Ursache bis jetzt nicht gefunden ist, vgl. z. B. nom. sing. part. pišę, gen. pišąšta, 3. plur. aor. comp. něsę = * nes-sę, dašę = * da-chę (ch = s zwischen Vocalen) neben 3. plur. imperf. nesě - a-chą, wo dasselbe - * sant des Hülfsverbums zu Grunde liegt, 3. plur. praes. glagoljątĭ aber chvalętĭ, obwohl letzteres auch auf Präsensbildung mit Suffix - ja - zurückgeht. Demnach ist es auch erlaubt, die abweichende Entwicklung eines - jām zu - in toję anzunehmen. Gewichtiger ist ein anderer Einwand. Bei der Besprechung des nom. sing. msc. der n-stämme wurde davon ausgegangen, dass, wo wir sicher ein auslautendes - y auf eine ursprünglich nasale Silbe zurück - führen können, die Lautverbindung indogermanisch als a + nas. + cons. er - scheint, und darauf wurde die Annahme eines vorslavischen nom. * akmans gegründet. Dieser Entstehungsregel des - y würde die oben angenommene Ent -125i. Der nicht-persönlichen Pronomina.wicklung von rąky widersprechen, mit Anwendung der Regel müsste auf - * ā̆ns oder überhaupt auf n + cons. zurückgegangen werden. Giebt man wiederum die Regel Preis und nimmt an, auch ā mit Nasal ohne weiteren consonantischen Zusatz sei zu - ūn, daraus - y geworden, so fehlt jede Beziehung dieser Verwand - lung zu einem bestimmten Lautverhältniss, und man steht vor der Frage, warum nicht alle - ām oder - ān im Auslaut gleich behandelt sind, sondern bald zu ą (ę) bald zu y werden, worauf dann jede Antwort fehlt. Ich weiss aus diesem Di - lemma nicht herauszukommen und bin daher weit entfernt, die gegebene Deutung des toję und rąky für sicher zu halten. Wenn ich sie trotzdem mit aufgenommen habe, so ist es nur geschehen, um die Möglichkeiten zu erschöpfen und eine Kritik der ganzen hier in Betracht kommenden mannichfachen Fragen hervor - zurufen.

d) Die vom Nomen abweichenden Formen des fem. plur.

Im Slavischen stimmen gen., dat., loc. plur. völlig mit denen des msc. über - ein: těchŭ, těmŭ, těchŭ. Ob das je auch in der litauischen Familie der Fall war, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Im Preussischen ist es allerdings der Fall, aber hier fallen alle Casus des msc. und fem. zusammen, sodass die ur - sprüngliche Zugehörigkeit der Formen nicht bestimmt werden kann. Die Frage, ob das ě = ai ursprünglich auch dem fem. zukommen kann, werden wir beim Deutschen wieder aufnehmen. Dieselbe Frage erhebt sich beim Dual, wo slav. těma beiden Genera, lit. tëm nur dem msc. zukommt.

2. Die germanischen Formen verglichen mit denen des Slavisch - litauischen.

Bei der Besprechung der germanischen Formen verzichten wir auf die Be - handlung der Stammbildung in den zusammengesetzten Pronominalstämmen, da diese Bildungen im Slavischen und Litauischen nichts entsprechendes haben, es kommt uns also hier nur auf die Casusendung an und auf die vor derselhen stehenden Elemente wie sma und ähnliche, die nicht germanisch, sondern indo - germanisch sind.

a) Die Formen dessing. msc. -ntr.

Beim Nominativ sind nur die Formen des Pronomens got. sa, , þat-a einer Betrachtung zu unterziehen. Die Uebereinstimmung zwischen dem

ist der Art, dass man kaum umhin kann, die althochdeutschen Formen des msc. und fem. der (thie), diu, das altsächs. thê, thie, fem. thiu für eine neue Form,126b. Declination der Pronomina.einen Anschluss an den Stamm ta - der übrigen Casus und des ntr. zu halten. Ferner macht die weitere Uebereinstimmung zwischen

geneigt zu der Annahme, dass für das Indogermanische überhaupt der Nomi - nativ als sa tad anzusetzen ist, also Formen wie * tas, nicht vorhanden waren und in den Sprachen, wo sie später auftreten, also auch im Slavischen und Litauischen, spätere Bildungen sind. Auf der andern Seite ist es allerdings auch möglich, für die Grundsprache Doppelformen sa tas, anzunehmen, von denen die eine hier, die andere dort erhalten wäre. Dafür könnte das Griechische mit seinen doppelten Pluralformen τοἰ οἱ, ταἰ αἱ sprechen, allein es liegt hier wieder bei der Uebereinstimmung aller andern Sprachen im Stamm ta - für den Plural nahe, an eine speciell griechische Fortbildung des nom. sing. , zu denken. Zu einer sicheren Entscheidung wird sich die Sache kaum bringen lassen, ich wollte sie nur nicht unerwähnt lassen, weil sie ein sprachgeschichtliches Moment enthält.

Von den übrigen Formen des sing. kommt für uns nur der dat. in Betracht; gen. þis ist natürlich = preuss. (s) tesse, im Gotischen aber mit der nominalen Form gleich gebildet, also für diese Sprache keine eigentlich pronominale Form; der acc. ebenfalls nur lautgesetzlich, durch die beim einsilbigen Wort nothwen - dige Erhaltung des Wurzelvocals und die Bewahrung des n in Folge des ange - fügten a = ā (þan-ā), von der nominalen Form unterschieden. Es tritt hier wieder die Frage ein, welcher Casus eigentlich þamma sei (s. darüber Braune, Quantität der althochd. Endsilben, Paul und Braune, Beitr. II. Paul. Der Ab - lativ im Germanischen, ebend. II. 339). Eins steht zunächst fest: dass das aus - lautende a lang anzusetzen ist; daher denn die von der weiteren Wirkung des Auslautsgesetzes durch die angehängte Partikel verschonten Dative wie hvammē-h. Nach der bisherigen Fassung des Auslautsgesetzes konnte ein þammā auf * þam - māi zurückgehen und war dann sicher dem skrt. tasmāi gleich zu setzen, dem Casus nach wirklicher Dativ, wie im Nomen daga = * dagāi so gefasst wird. Braune versucht nun a. a. O. dies Auslautsgesetz überhaupt umzustossen auf Grund der althochdeutschen Formen tage und demu, die allerdings nicht auf die - selbe urgermanische oder gotische Grundform zurückgehen können: ersteres könne nur auf einem gotischen * dagai beruhen, « denn niemals geht gotisch aus - lautendes kurzes a im althochd. in e » über (die Beweisgründe sind blinte = got. blindai, neme = got. nimai, imper. habe = got. habai, überhaupt alle Fälle, wo sich e im Althochdeutschen auslautend findet, d. h. abgesehen von der späteren Schwächung der auslautenden Vocale zu e); demu könne nur auf got. þamma zurückzuführen sein, denn das Althochdeutsche kenne nur einen Uebergang des127i. Der nicht-persönlichen Pronomina.auslautenden kurzen a des Gotischen, nämlich den in - u. Da nun Braune trotz - dem die für tage vorausgesetzte Form * dagai und z. B. blindamma für dieselbe dati - vische Casusform hält, muss er annehmen, dass das urgermanische Auslautsgesetz aus * blindammai das i fallen liess, daher ahd. blintemu, dagegen in * dagai das i festhielt, daher tage, und so kommt er zu der Formulirung: « indogerm. ai bleibt im Germanischen in der zweiten Silbe, in der dritten wird es zu a verkürzt ». Darnach kann also der gotische nominale Dativ daga nicht = * dagai sein, und Braune hält ihn für den Instrumental = althd. tagu. Nun blieben aber wieder þamma, himma u. s. w. unerklärt, denn in diesen zweisilbigen Formen müsste ja nach dem obigen Gesetze * þammai u. s. w. stehen, und Braune nimmt an, dass þamma erst durch die Analogie von blindamma herbeigeführt sei. Dagegen hat Paul a. a. O. mit Recht eingewandt, « dass die Flexion des Adjectivs sich immer mehr der der Pronomina anbequemt, nicht umgekehrt » und als positiven Beweis gegen Braunes Auffassung die Formen wie hvammēh angeführt, die das ā von þamma beweisen, das in einem vorausgesetzten * þammai nicht vorhanden ist. Da aber auch Paul annimmt, dass mit Ausnahme der Medialformen (nimada etc.) u. s. w. ai im Gotischen erhalten bleiben musste (für den Wegfall des i in den Medial - endungen fehlt ihm die Erklärung), so bleibt ihm nichts übrig, als in þammā einen anderen Casus zu suchen, und das kann dann nur der Ablativ tasmāt sein.

Ich halte diese ganzen Auseinandersetzungen nicht für zutreffend. Bei Braune (p. 34 des Sonderabdr. ) heisst es: « von den Endungen [des Althochdeutschen] auf unveränderliches o, welche sämmtlich aus langen Vocalen verkürzt sind, muss man die Endungen