PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Der böſe Geiſt Lumpacivagabundus,
oder: Das liederliche Kleeblatt. Zauberpoſſe mit Geſang in drei Aufzügen,
Muſik von Herrn Kapellmeiſter Adolf Müller.
Wien,1835. Gedruckt und im Verlage bei J. B. Wallishauſſer.
[2][3]

Perſonen:

  • Stellaris, Feenkönig.
  • Fortuna, Beherrſcherin des Glückes, eine mächtige Fee.
  • Brilliantine, ihre Tochter.
  • Amoroſa, eine mächtige Fee, Beſchützerin der wahren Liebe.
  • Myſtifax, ein alter Zauberer.
  • Hilaris, ſein Sohn.
  • Fludribus, Sohn eines Magiers.
  • Lumpacivagabundus, ein böſer Geiſt.
    • Leim, ein Tiſchlergeſell,
    • Zwirn, ein Schneidergeſell,
    • Knieriem, ein Schuſtergeſell,
    • vazirende Handwerksburſchen.

  • Pantſch, Wirth und Herbergsvater in Ulm.
  • Faſſel, Oberknecht in einem Brauhauſe.
  • Nannette, Tochter des Wirths.
    • Sepherl,
    • Hannerl,
    • Kellnerinnen.

  • Ein Hauſirer.
  • Ein Schuſtermeiſter.
  • Ein Tiſchlergeſell.
    • Erſter
    • Zweiter
    • Dritter
    • Zunftmeiſter.

  • Strudl, Gaſtwirth zum goldenen Nockerl in Wien.
  • Hobelmann, Tiſchlermeiſter in Wien.
  • Peppi, ſeine Tochter.
  • Anaſtaſia Hobelmann, ſeine Nichte.
  • 1 *[4]
  • Ein Fremder.
  • Gertraud, Haushälterin in Hobelmanns Hauſe.
  • Reſerl, Magd daſelbſt.
  • Hackauf, Fleiſchermeiſter in Prag.
  • Ein Maler.
      • Erſter
      • Zweiter
      • Bedienter

      • Erſter
      • Zweiter
      • Geſelle

      bei Zwirn.

  • Herr von Windwachel.
  • Herr von Lüftig.
  • Herr von Papillon.
  • Signora Palpiti.
    • Camilla,
    • Laura,
    • ihre Töchter.

    • Wirth
    • Wirthin
    • in einer Dorfſchenke unweit Wien.

  • Ein Reiſender. (Stellaris.)
  • Zauberer. Magier und ihre Söhne. Nymphen.
  • Genien. Gäſte. Volk. Bauern.
  • Handwerksleute verſchiedener Zünfte ꝛc. ꝛc.
Note: (Die Handlung ſpielt theils in Ulm, theils in Prag und theils in Wien.
[5]

Erſter Aufzug.

(Wolken-Decoration.)

Erſter Auftritt.

(Mehrere alte Zauberer und Magier, darunter My - ſtifax, treten auf und ſtellen ſich im Halbkreis, jeder führt einen erwachſenen Sohn an der Hand, dar - unter Hilaris und Fludribus. Stellaris ſitzt auf dem Throne.)
Chor der alten Zauberer.

Wir werden Euch ſchon Mores lehren, Ihr liederlichen Burſche Ihr! Was nun geſcheh’n wird, ſollt Ihr hören, Der Feenkönig richtet hier. Ihr kehrt im nächſten Augenblick Zur Ordnung wiederum zurück.

Stellaris.

Was verſammelt Euch ſo zahlreich an meines Wohnſitzes gold’ner Pforte? Was verlangt Ihr von mir?

Myſtifax.

Mächtiger Beherrſcher! wir flehen um Deine6 Hülfe. Es treibt ſich ein böſer Geiſt im Zauberlande herum.

Stellaris.

Wie heißt er?

Myſtifax.

Lumpacivagabundus.

Stellaris.

Was that Euch dieſer böſe Geiſt?

Myſtifax.

Er hat ſich der Herzen unſerer Söhne bemäch - tigt, und ſie vom Pfade der Ordnung gelockt. Sie verabſcheuen jetzt jede Beſchäftigung, ſie ſpielen, trinken, ſtürzen ſich in tolle Liebesabenteuer mit einem Wort, ſie ſind verloren, wenn Du den böſen Geiſt nicht bannſt.

Stellaris.

Lumpacivagabundus erſcheine!

(Muſik fällt ein, Lumpacivagabundus kommt im Vorder - grunde aus der Verſenkung.)

Zweiter Auftritt.

Vorige. Lumpacivagabundus.
Lumpaci
(nach der Muſik).

Da bin ich! Was ſteht zu Befehl?

7
Stellaris.

Du biſt Lumpacivagabundus?

Lumpaci.

Der bin ich, und zugleich Beherrſcher des luſti - gen Elends, Beſchützer der Spieler, Protektor der Trinker ꝛc. ꝛc. ; kurzum, ich bin ein Geiſt auſ’n F.

Stellaris.

Verwegener! der Du’s wagteſt, in das Feen - reich zu dringen, ich verbanne Dich von dieſem Au - genblick auf ewige Zeit.

Lumpaci.

Ha, ha, ha, ha, ha!

(Verſinkt lachend.)
Stellaris
(ehe er noch ganz verſunken iſt).

Halt!

Lumpaci
(kommt wieder in die Höhe).

Haben mir Eu’r Herrlichkeit noch was zu ſagen?

Stellaris.

Du haſt meinen Urtheilsſpruch mit Hohngeläch - ter erwiedert?

Lumpaci.

Natürlich, weil er nichts nutzt. Ob ich da bin oder nicht, dieſe jungen Herren bleiben auf alle Fäll meine getreuen Anhänger; denn meine Grundſätze leben in ihnen fort.

8
Stellaris
(zu den Söhnen).

Wie? Ihr ſeid nicht ernſtlich entſchloſſen, zur Ordnung zurückzukehren?

Fludribus
(vortretend).

Ich nehme im Namen meiner Kameraden das Wort. Wir haben den größten Theil unſers Vermö - gens durchgebracht, ob wir das Reſtel haben oder nicht, das iſt uns gleichviel; darum wollen wir das auch noch verjuxen.

Alle Söhne.

Ja, wir wollen es verjuxen.

Die Väter.

Entſetzlich!

Stellaris.

Und wenn Ihr nichts mehr habt, was dann?

Fludribus.

Dann machen wir Schulden.

Die Söhne.

Wir machen Schulden!

Stellaris.

Und wenn Ihr nicht bezahlen könnt, was dann?

Fludribus.

Dann laſſen wir uns einſperren.

Die Söhne.

Ja, ja, wir laſſen uns einſperren.

9
Fludribus.

Da gibt ſich hernach die Ordnung von ſelbſt.

Lumpaci
(ſich triumphirend die Hände reibend).

Das ſind meine Grundſätze.

Myſtifax
(zu Stellaris).

Was ſagen Euer Herrlichkeit nun dazu?

Stellaris
(zu den Söhnen).

Wenn Ihr aber wieder bekämet, was Ihr lie - derlicher Weiſe verpraßt habt, würdet Ihr dann or - dentlich mit dem Eurigen haushalten?

Hilaris.

Der macht uns wieder reich.

Fludribus
(zu Stellaris).

Ja, wenn wir wieder reich würden, würden wir auch wieder brav.

Die Söhne.

Ja, dann würden wir brav.

Stellaris.

Nun denn, Fortuna, nahe dich!

(Muſik. Mehrere Nymphen mit Füllhörnern treten auf, zuletzt Fortuna, ihr folgt ihre Tochter Brilliantine.)
Stellaris
(nach der Muſik).

Fortuna, dieſe jungen Männer haben ihr Ver -10 mögen vergeudet; gib ihnen den verlornen Reich - thum wieder.

Fortuna.

Beherrſcher des Feenreichs! befehlen laſſe ich mir nichts, auch nicht von Dir: doch weil ich gerade guter Laune bin

(zu Lumpacivagabundus)

und Dir, Elender, zum Trotze, mag es ſeyn.

(Zu den Söhnen.)

Ich ſchütte mein Füllhorn über Euch.

Die Söhne.

Tauſend Dank!

Lumpaci.

Ha, ha, ha! das iſt zum Todtlachen! Durch die Fortuna will Der mir meine Anhänger ent - reißen! Da werden g’rad noch ärgere Lumpen d’raus.

Hilaris.

Ich will aufrichtig ſeyn; Reichthum wird mich nie beſſern.

Myſtifax.

Wie? Was? Mein Sohn, Du wärſt der In - curabelſte von Allen?

Hilaris.

Nur ein Mittel gibt’s, das mich feſthalten wird auf dem Pfad der Tugend: es iſt Brillianti - nens Hand.

Alle.

Was?

11
Hilaris.

Wir lieben uns.

Fortuna
(entrüſtet).

Tochter!

Brilliantine.

Verzeihung, Mutter!

Lumpaci
(auf Hilaris zeigend).

Den geb ich auf; die Andern alle aber ſind und bleiben in meiner Macht.

Stellaris.

Warum, Unhold?

Lumpaci.

Weil die Fee Fortuna nicht im Stand iſt, mir einen Anhänger abwendig zu machen; aber Der,

(auf Hilaris zeigend)

de[r]ſteht unter dem Schutz mei - ner größten Feindin, die mich einzig und allein überall vertreibt.

Fortuna
(ſtolz).

Wer iſt die Fee, die mächtiger iſt als ich?

Lumpaci.

Amoroſa iſt’s, die Beſchützerin der wahren Liebe.

Stellaris.

Amoroſa!

(Muſik fällt ein. Amoroſa ſchwebt in einer lichten Wolke, mit zwei Genien hernieder.)
12
Lumpaci.

Sie naht ſchon, die Mächtige, die mir oft meine fidelſten Brüderln entreißt. Jetzt empfehl ich mich! Aber noch einmal, Madam Fortuna, Sie fürcht ich nicht; denn was meine wahren Anhänger ſind, die machen ſich nicht ſo viel aus Ihnen. Kommt’s Glück einmal, ſo werfen ſie’s beim Fenſter hinaus, und kommt’s zum zweitenmal, und will ſich ihnen aufdringen auf eine dauerhafte Art, ſo treten ſie’s mit Füßen. So behandeln meine echten Brüderln das Glück. Gehorſamer Diener allerſeits.

(Tritt auf die Verſenkung, und verſinkt unter Muſik.)

Dritter Auftritt.

Vorige, ohne Lumpacivagabundus. Amoroſa.
Amoroſa
(Hilaris und Brilliantinen an der Hand faſſend, und ſich Fortunen nähernd).

Fortuna! ich vereine meine Bitte mit dem Fle - hen dieſer Beiden, beſelige durch günſtigen Aus - ſpruch zwei Herzen, die ſich der wahren Liebe geweiht.

Fortuna
(zu Amoroſa).

Wie, Thörichte! Du hoffſt, ich werde mich Dei - nem Wunſche fügen, in einem Augenblick, wo eben ein frecher Unhold zu Deinen Gunſten mich erniedrig - te, und Du mit ſtolzem Blick auf mich hernieder13 ſiehſt? Ich zerreiße das Band, das Du um dieſe Herzen geſchlungen.

Brilliantine und Hilaris.

Weh uns!

Stellaris.

Halt ein! Bedenk erſt, was Du ſprichſt. Des Feenreiches unumſtößliche Geſetze erlauben Dir nicht, Hilaris Antrag unbedingt zu verwerfen; nur eine ſchwere Bedingung feſtzuſetzen, deren Erfüllung die Liebenden trennt, deren Nichterfüllung aber ſie auf immer vereint, nur dieß iſt Dir geſtattet.

Fortuna.

Nun denn, ſo ſei’s. Ich will eine Bedingung ſetzen, die zugleich jenen Frechen, der meine Macht verſpottet, und glaubt, nur Du

(zu Amoroſa)

ſeiſt ihm gefährlich, das Gegentheil beweiſen ſoll. Ich wähle unter den Sterblichen drei ſeiner Anhänger, lockere Geſellen, jedoch nur ſolche, welche ſchon der Armuth drückend Los gefühlt. Dieſe will ich mit Reichthum überſchütten; werfen ſie, wie er geſagt, das Glück zum Fenſter hinaus, ſo dringe ich es ihnen zum zweiten Male wieder auf; treten ſie es dann mit Füßen, ſo erkenne ich mich als beſiegt, und Hilaris werde meiner Tochter Gemahl; doch, wenn ſie, wie kaum zu zweifeln iſt, das Glück mit Dank empfan - gen, und aus Furcht vor neuer Dürftigkeit, mit weiſer Mäßigung, es ſich für’s ganze Leben bewahren,14 und ich ſie ſo dem Lumpacivagabundus entreiße, dann bin ich Siegerin, und Hilaris werde auf immer von meiner Tochter getrennt.

Stellaris.

Wohlan! Nur eines habe ich noch hinzu zu ſetzen, es gilt für beide Theile gleich. Gelingt es Dir, dem Lumpacivagabundus von den drei lockeren Geſellen auch nur Zweie zu entreißen, ſo haſt Du ſchon gewonnen; treten hingegen auch nur Zwei von ihnen das Glück mit Füßen, ſo haſt Du verloren. Dieß beſchwöre hier vor meinem Thron.

Fortuna
(geht an die Stufen des Thrones, und erhebt die Hand zum Schwur).

Ich ſchwöre!

(Drei kurze, ſtarke Accorde.)
Stellaris.

Dein Schwur iſt angenommen.

Myſtifax
(zu Amoroſa).

Und für die andern verlornen Söhne hier, iſt keine Rettung aus den Krallen des Lumpacivagabun - dus zu hoffen?

Amoroſa.

Nicht eher, als bis wahre Liebe in ihrem Her - zen Eingang gefunden.

Hilaris
(Brilliantinen umarmend).

So leb denn wohl auf ewig! Unmöglich15 kann die Bedingung zu unſerm Beſten ſich er - füllen.

Amoroſa.

Verzweifelt nicht, baut auf die Beſchützerin wahrer Liebe.

(Sie beſteigt ihren Wolkenwagen.)
(Kurze Muſik fällt ein, Alle ziehen ſich zurück.
Chor.

So iſt in dunkler Zukunft Schoß

Verborgen unſ’rer Söhne Los.

(Die nächſte Decoration fällt vor.)
Verwandlung.
(Kurze freie Gegend, die Landſtraße vorſtellend, links eine hölzerne Bank unter einem Meilenzeiger.)

Vierter Auftritt.

Leim dann Knieriem dann Zwirn.
Leim
(mit einem Felleiſen, tritt gleich nach der Verwand - lung auf).

Da wär ich beim Thor. Es iſt aber, ſo viel ich merk, eine ungefällige Stadt; denn wenn ſie gefäl - lig wär, ſo wär ſie mir auf halbem Weg entgegen gekommen. Im Grund betracht, iſt’s a Schand, ich bin ein ausgelernter Tiſchler, und es geh’n mir or - dentlich d’Füß aus’n Leim. Iſt’s denn aber anders möglich? Die Wirth auf der Straßen haben ja Her - zen, ſo hart als ein Aſt in ein buchsbaumenen Pfo -16 ſten. Woher kommt das aber? Weil die Leut keine Bildung haben auf’n Land. Und warum haben’s auf’n Land keine Bildung? Weil’s lauter eichene Möbeln haben, d’rum kennt das Volk keine Politur; und wer keine Politur kennt iſt ein Socius. Jetzt will ich halt a biſſel ausraſten da, und nachher um d’Herberg frag’n.

(Setzt ſich auf die Bank.)
(Das Ritornell des folgenden Liedes beginnt. Knie - riem, ein Ränzchen auf dem Rücken, tritt auf.)
Knieriem.

Es kommen d’Stern, es wird ſchon ſpat, Zeit is, daß’s einmal da is d’Stadt, Ich brauch ein Guld’n jetzt zum verhau’n, Da muß i gleich zum Fechten ſchau’n. Und wie i ein Guld’n z’ſammbettelt hab, Da laßt’s mir drei Maß Bier hinab, A drei Maß Bier laßt’s mir hinab. Mein Rauſch hab i Jahr aus Jahr ein, Es wird doch heut kein Ausnahm ſeyn.

(Er ſetzt ſich auf die Bank rechts.)
(Die Muſik verändert ſich. Zwirn tritt von derſelben Seite ein, er iſt abgeſchaben, aber dennoch ſo viel wie möglich geputzt, und trägt ebenfalls den Wan - derbündel auf dem Rücken.
Zwirn
(äußerſt luſtig).

D’Stadt iſt in der Näh, D’rum ſchrei ich Juheh! Juheh! Juheh! Juheh! 17Wer d’Madeln gern hat, Find’t g’nug in der Stadt, Juheh! find’t g’nug in der Stadt. Blauer Montag is alle Tag, Darum laß ich nicht nach, Bis die Sonn morgen ſcheint, Grad ſo lang tanz i heunt; Ich tanz mir doch nit gnu, Darum gib ich kein Ruh, Spring wie a Gas in d’Höh, Und ſchrei Juheh!

Was ſitzen denn da für ein paar Maner?

Leim.

Ich bin ein Tiſchler.

Knieriem.

Und i bin a Schuſter.

Zwirn.

Seid’s ös ſchon ſo weit gangen heut, daß’s ſo müd ſeid’s.

Leim.

Das juſt nit, aber mit’n Eſſen hat’s ſchlecht ausg’ſchaut. Ich hab nit mehr als zwei Meilen g’macht.

Knieriem.

Und ich hab mir eine halbe Stund von hier ein Rauſch ausg’ſchlafen, das war aber ſchon ein Millionhaarbeutel das und was hab i trunken? 18Neun halbe Bier; aber ſeit dem letzten Kometen greift mich Alles ſo an.

Zwirn.

Pfui Teuxel! Schamt’s Euch nit? Auf ſo ein Trümmerl Weg raſten’s aus! Ich geh heut ſchon meine drei Stationen, und kann den Augenblick nit erwarten, wo ich zum Tanzen komm.

Leim.

Hör auf, Brüderl, Du ſchneid’ſt auf. Ich bin g’wiß nit ſchlecht auf die Füß; aber drei Stationen geh’n, und noch tanzen woll’n, das is g’log’n. Jetzt ſchaun wir halt, daß wir g’ſchwind auf d’Her - berg kommen.

Knieriem.

Ich hab einen enormen Durſt.

Leim.

Zuerſt geh’n wir fechten.

(Das Betteln parodirend.)

Euer Gnaden, ein armer reiſender Handwerksburſch bitt gar ſchön um a biſſel was auf a Muſik; nachher wird’s ein Leben werden heut Nacht.

Zwirn.

Fidel muß’s zugeh’n.

Knieriem.

Ich dudl mir heut ein an, wie ich ſeit’n letzten Kometen kein g’habt hab.

Leim.

Alſo friſch in die Stadt marſchirt.

19
Alle Drei.
Lied.

Wir wollen in die Stadt marſchiren, Und d〈…〉〈…〉 innen unſer Glück probiren. Der Weg wird uns zur Herberg führen, In der Herberg nacher da gehts an. Was uns ’s Fechten g’winnt, Durch die Gurgel rinnt, Und is All’s verthan, Liegt uns a nix dran; Darum nicht lange ſpekuliren, In der Herberg zeigt ſich was man kann.

(Gehen Arm in Arm ab.)
Verwandlung.
(Schenkſtube in der Herberge.)

Fünfter Auftritt.

Faſſel. Mehrere Bräuknechte und Hand - werksburſchen von verſchiedenen Profeſſionen. Pantſch. Nannett. Sepherl. Hannerl. Dann Zwirn, Leim und Knieriem.
(Alle ſitzen theils an den Tiſchen und trinken, theils tan - zen ſie mit Hannerl und Sepherl, Faſſel tanzt mit Nan - netten.)
Alle.

Vivat! der Herr Beſtgeber ſoll leben!

20
Faſſel
(im Tanzen).

Ein Glas her!

(Pantſch gibt ihm während dem Tanz eine Flaſche.)

Die ganze Geſellſchaft Vivat!

(Er trinkt im Tanzen die Flaſche aus, wirft ſie dann zur Erde, und tanzt weiter.)
(Zwirn, Leim und Knieriem treten ein.)
Zwirn.

Halloh! da hab ich a Muſik g’hört!

Knieriem.

Herr Vater! a Halbe, G’miſchts.

(Setzt ſich links.)
Leim.

Mir eine Halbe, und eine Portion Niernd’ln.

Hannerl.

Wie ſchaffen Sie’s denn?

Leim.

Mit Semmelbröſeln oder mit Sagſchaten, das iſt ein hungerigen Tiſchler alles eins.

(Setzt ſich.)
(Die Kellnerinnen bringen das Verlangte.)
Zwirn
(zu einem Muſiker).

Da ſeyn acht Groſchen, jetzt machts mir einen ſaubern Walzer auf.

(Gibt ihm Geld.)
Faſſel
(bei Seite).

Das iſt ein fideler Kerl.

Zwirn
(zu Faſſel, neben welchem Nannette ſitzt).

Sie erlauben ſchon eine Tour. Nannette auffor -21 dernd.) Mein Fräulein, darf ich ſo frei ſeyn?

(Ein Ländler beginnt, Zwirn haut auf, und[ſchlägt] un - geheure Fußtriller.)
Leim.

Ah wart, Schneider, du ſollſt mich nicht ſpotten.

(Nimmt Hannerl, welche ihm das Bier bringt, und tanzt mit ihr ein paarmal herum, endlich ſieht er ei - nen Handwerksburſchen ſehr ärmlich und traurig da ſitzen er hört zu tanzen auf, und ſagt zu ihm)

Ich glaube gar, das iſt ein Tiſchler?

(Die Muſik hört auf)
Handwerksburſch.

Ja leider!

Leim.

Wo fehlt’s denn?

Handwerksburſch.

Ueberall.

Leim.

Mir auch; aber wer wird denn deßwegen trau - rig ſeyn? Heda! Eing’ſchenkt da für den eine Halbe Wein auf meine Rechnung.

Faſſel.

Nix, das laß ich nit angehn, heut geht Alles aus mein Sack. Ich hab tauſend Thaler g’wonnen in der Lotterie, heut traktir ich ganz allein.

Knieriem.

Tauſend Thaler? A Halbe G’miſcht’s!

22
Leim.

Ah ſchön! da werd’n wir ſchon ſo frei ſeyn, und werden’s uns ſchmecken laſſen.

Zwirn.

Das wird ſchon ein ſchön’s Glück ſeyn; wenn ich das hätt, ich ſetzet mich gar nicht mehr nieder, da gings alleweil a ſo.

(Er haut auf.)

Ah verdammt! ich hab mir den rechten Wadel überſtaucht ich muß mich ſchon niederſetzen.

Faſſel.

Warum ſetzt’s Euch denn nicht zu unſerm Tiſch, Kameraden?

Leim und Zwirn.

Mit Verlaub.

(Setzen ſich zu Faſſel und den Brauknechten.)
Knieriem.

Noch ein G’miſcht’s!

(Gibt der Kellnerin das leere Zimment, und ſetzt ſich ebenfalls an dieſen Tiſch.)

Ein ſchlechter Zeitpunkt war’s halt doch, jetzt was z’gwinnen.

Faſſel.

Warum?

Knieriem.

Weil man’s nicht mehr anbringen kann. Auf’s Jahr kommt der neue Komet, der die Welt z’Grund richt, nacher iſt der Herr Pfutſch mit ſammt ſein Treffer.

23
Leim.

Red nit ſo dumm, gar nichts g’ſchieht, mir hat’s ein Profeſſor g’ſagt.

Knieriem.

Ich werd’s doch beſſer verſteh’n als ein Pro - feſſor? Ich hab die Aſtronomie aus’n Büchel g’lernt, und mach alleweil meine Beobachtungen, wenn ich ham geh in der Nacht.

Leim.

Ja, wenn Du beſoffen biſt.

Zwirn.

Mit’n Tanzen iſt’s heut ſchon Feierabend bei mir.

Faſſel.

So ſingen wir eins, weil wir ſo in carita - tibus beiſammen ſitzen.

Knieriem.

Gut is! Ich hab ein ſuperbes Lied g’macht.

Leim.

Heraus damit!

Knieriem.

[Des] müßt’s aber Alle mitſingen. Der Text iſt von mir nach einer Rittergeſchichte frei bearbeitet.

Faſſel.

Das is recht. O ich hab die romantiſchen Sa - chen ſo gern.

24
Knieriem.

Schaut’s mir auf’s Maul, und ſingts Alle mit mir zugleich.

Geſang.

Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard, Eduard und Kunigunde Kunigunde und Eduard. Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard.

Faſſel.

Das iſt wirklich einzig.

Leim.

Ordentlich rührend.

Knieriem.

Ein G’miſcht’s! Alſo jetzt ſingen wir die zweite Strophe, die is noch ſchöner.

Geſang.

Eduard und Kunigunde, Kunigunde und Eduard, Eduard und Ku

Leim.

Hörts auf! Das is ja allweil ’s Nämliche.

Knieriem.

Ihr wißt nicht, was ſchön iſt.

25
Faſſel.

Halt! Ich weiß was ſchön iſt. Wir ziehen Alle da in’s Kaffeehaus hinüber, und ich zahl dort ein Jeden ein Glaſel Punſch. Wer mitgehn will, geht mit. He, Muſikanten! Aufgrebellt!

(Chor und Alle ab, bis auf)

Siebenter Auftritt.

Zwirn. Leim. Knieriem. Pantſch. Kellnerinnen.
Leim.

Dem ſähet man’s auch nicht an, daß er tauſend Thaler gewonnen hat.

Knieriem.

Warum? er ſchaut dumm genug aus.

Zwirn
(zum Wirth).

Wer iſt er denn?

Pantſch.

Der Oberknecht in der Bräuerei da darneben.

Zwirn.

Da haben wir’s, ſo ungebildetes Volk hat ein Glück. Ein Schneider gewinnt in ſeinem Leben nichts.

Pantſch.

Ich bin ihm d’rum gar nicht neidig, ich dank226Gott, daß ich die tauſend Thaler nicht g’won - nen hab.

Leim.

Iſt der Herr verruckt?

Pantſch.

Könnt’s nit ſagen. Morgen Vormittag iſt die Hauptziehung, da gewinnt man hunderttauſend Thaler, und das wär ſo meine Paſſion.

Leim.

Na, die Paſſion wär freilich nicht ſchlecht.

Pantſch.

Ich g’winn’s auch; denn meiner Frau Ahnl hat ja ’s Nummero traumt.

Leim.

Ah, nachher iſt’s ſchon g’wiß. Weil aber der Herr heut noch kein Kapitaliſt iſt, ſo macht’s uns ein Stroh herein, daß wir uns niederlegen; es wird ſo bald Tag.

Pantſch.

Recht gern. O mich macht’s Glück nicht ſtolz.

(Zu den Kellnerinnen.)

He! laßt’s Stroh bringen.

(Ab mit Hannerl und Sepherl.)
Leim.

Das iſt ein recht ein rarer Mann der Wirth, er iſt gar nicht ſtolz auf den Treffer, der noch gar nicht gezogen iſt.

27
Knieriem.

Hunderttauſend Thaler! das gibt über eine Million Maß G’miſcht’s die kann der Menſch nicht verſaufen, mit’n beſten Willen nicht.

Zwirn.

Schuſter, Du biſt ein gemeiner Kerl.

Knieriem
(auffahrend).

Du Schneider, trau mir nicht!

Leim
(ſie beruhigend).

Seid’s ruhig ſchamt’s Euch. Schaut’s, wenn ich mir’s recht überleg, glücklich ſo was man ſagt, recht glücklich, machet mich halt doch das viele Geld nicht, wenn nicht noch etwas dabei wär

(ſeufzend)

ein Etwas

Knieriem.

Da biſt Du ein Nimmerſatt.

Zwirn
(zu Knieriem).

Aber merkſt denn nicht, er iſt ja verliebt.

Knieriem.

Schwachheit.

Zwirn.

Ja wohl Schwachheit, in meiner Gegenwart von Madeln und Verliebtſeyn ſprechen. Da müßt’s mich erzählen laſſen, ich könnt Euch meine Amouren Bataillonweis aufmarſchiren laſſen.

2 *28
Leim.

Ich war nur in ein Einzige verliebt.

Zwirn.

In eine Einzige? Brüderl, das iſt ja gar nicht der Müh werth, daß man davon redt. Wie ich in der Lehr war, war ich ſchon in Zehne verliebt. Mein erſter Meiſter, zu dem ich als G’ſell kommen bin, hat ein ſchön’s jung’s Weiberl g’habt, das Weiberl hat mir g’fallen, und ich ihr auch, denn ich war da - mals ein ſehr ein liebenswürdiger Jüngling. Einmal gibt mir das Weiberl ein Buſſel, da kommt der Meiſter dazu, und der Eſel halt ſich drüber auf, daß mir ſein Weib ein Buſſel geb’n hat, und jagt mich auf der Stell davon. Mein zweiter Meiſter hat fünf Töchter g’habt das waren Zwilling da war ich Dir aber in alle fünfe zugleich verliebt. Einmal haben wir Pfänder g’ſpielt no Du weißt, das geht auch mit’n Buſſelgeben aus

Knieriem.

Allemal.

Zwirn.

Wie wir die Pfänder ausg’löst haben, kommt der Meiſter dazu der geht her, gibt mir für eine jede Tochter zwei Watſchen, und jagt mich fort.

Knieriem.

Zwei Watſchen? Das iſt zu viel.

29
Zwirn.

Nicht wahr? Ich wär ja hinlänglich zufrieden geweſen, wenn er mir für eine jede Tochter eine Watſchen gegeben hätte, aber zwei Watſchen, das iſt ja ein offenbarer Luxus. Mein dritter Mei - ſter, der hat ein G’ſchwiſterkind g’habt von 21 Jah - ren aber hörſt, Schuſter, ſo ein ſchönes G’ſchwi - ſterkind hab ich in meinem ganzen Leben nit g’ſehn. Da hab ich aber hernach eine ſaubere Köchin kennen g’lernt, mit der bin ich durchgangen, und ’s G’ſchwi - ſterkind hab ich ſitzen laſſen.

Knieriem.

Meine G’ſchicht iſt nicht ſo lang, aber äußerſt tragiſch. Erſtens iſt mir meine Profeſſion z’wider, ich hab nur Sinn für die Aſtronomie und dann hab ich nichts als unverſchuldete Unglücksfälle g’habt. In Budweis hab ich mein Meiſter g’haut.

Leim.

Warum denn?

Knieriem.

Weil ich ein Rauſch g’habt hab, alſo kann ich nix davor. In Altbrünn hätt ich bald ein Lehrbu - ben zerriſſen.

Leim.

So was iſt aber auch abſcheulich.

Zwirn.

Aber was ſoll denn ein zerriſſener Lehrbub an -30 fangen? Und gar ein Schuſterlehrbub kann es denn etwas Zarteres geben als einen Schuſterbuben?

Knieriem.

Ich hab damals einen unſinnigen Haarbeutel g’habt, alſo kann ich nix davor. Ich ſag Euch, ich hab ſchon ſo viel Malheur g’habt, und allzeit durch meine Räuſch. Wann ich mir meinen Verdruß nit verſaufet, ich müßt mich g’rad aus Verzweiflung dem Trunk ergeben.

(Zwei Hausknechte kommen mit Stroh, und bereiten die Schlafſtellen.)
Leim.

Sie, machens mir mein Bett etwas in Ent - fernung von den Andern, denn ich ſchlag furchtbar herum bei der Nacht.

Zwirn.

Warum denn?

Leim.

Das iſt alles mein Herzenskummer. Ihr wer - det mir’s nicht glauben ich ſeh einem luſtigen Kerl gleich, aber das is Alles nur auswendig, inn - wendig ſchaut’s famos aus bei mir. Wie ich trink, glaub ich, ein jeder Tropfen iſt Gift wie ich , ſo ißt der Tod mit mir wenn ich ſpring und tanz, ſo iſt mir inwendig, als wenn ich mit meiner Leich ging wie ich ein Kameraden ſeh, der nix hat, ſo gib ich ihm gleich Alles, obwohl ich31 ſelbſt nix hab, und das bloß, weil ich in Gedanken alleweil mein Teſtament mach.

Zwirn.

Ja, Brüderl, wer iſt denn Deine Geliebte, daß ſie Dich gar ſo enderiſch macht?

Leim.

Sie iſt eine Tiſchlermeiſteriſche.

Knieriem.

Hat’s Laſchi?

Leim.

Was?

Knieriem.

Knöpf.

Leim.

Wie?

Zwirn.

Nein, nein er fragt, ob ſie Batzen hat.

Leim.

Geld? Freilich hat’s Geld. Sie iſt die Toch - ter vom reichen Meiſter Hobelmann in Wien.

Zwirn.

Von dem? Schuſter, den reichen Tiſchler - meiſter Hobelmann mußt ja kennen.

Knieriem.

Ich bin ein Schuſter, was geht mich ein Tiſch - ler an. Beleidigt’s mich nicht!

32
Zwirn.

Wart, ich werd Dir gleich d’raufhelfen. Der reiche Tiſchler Hobelmann logirt in in Wien logirt er. Du kennſt den reichen Tiſchler Hobel - mann nicht?

Knieriem.

Nein.

Zwirn.

Ich kenn ihn auch nicht.

Knieriem
(zu Leim).

Da weiß ich Dir ein Rath, ſchau daß Du’s kriegſt.

Leim.

Das hätt ich ſelber g’wußt; aber da iſt’s zu mit’n kriegen, ich glaub es hat’s ſchon ein Anderer.

Knieriem.

So nimm Du Dir auch eine Andere.

Leim.

Das bring ich nicht über’s Herz. O meine Peppi!

Zwirn.

Ja, mag ſie Dich, oder mag ſie Dich nicht?

Leim.

Das iſt’s eben was ich nicht weiß. Ich hab drei Jahr bei ihrem Vater gearbeitet

Zwirn.

Und weißt nicht, ob Dich ’s Madel mag? Tiſchler, Du haſt ja Hobelſchatten im Kopf?

33
Leim.

Der Vater iſt reich, er lebt in Pracht und Herrlichkeit, er war zwar ſelbſt immer beim Geſchäft, aber die Tochter haben wir Geſellen kaum alle Mo - nat einmal zu ſehen kriegt. Einmal bringt meine himmliſche Peppi ihrem Vater eine Schale Kaffee in die Werkſtatt ich ſchau ſie zärtlich an, ſie laßt ihre Blicke auf mich, und die Schalen auf die Erd fallen der Vater, der gähzornigſte Patron von der Welt, wirft’s Stemmeiſen auf ſie ich erſeh das, halt mich vor, und das Stemmeiſen fahrt mir zolltief in die Achſel hinein.

Zwirn.

Ah Spectakel!

(Setzt ſich auf’s Stroh.)
Knieriem.

Haſt’n nit g’haut den Alten? Wann mir das g’ſchehn wär!

Leim.

Warum nicht gar! Ich bin umg’fallen, und wie ich wieder zu mir kommen bin, war der Alte und die Peppi bei meinem Bett. Der Alte hat g’ſagt, ich möcht das nicht übel nehmen, es war nicht ſo bös gemeint.

Knieriem.

Bedank mich.

Leim.

Es wird Sein Schaden nicht ſeyn, hat er g’ſagt,34 Er hat meiner Tochter das Leben gerettet; bis Er wie - der geſund iſt, wollen wir weiter reden über Sein künftiges Glück.

(Mittlerweile hat Zwirn ſich mit einem zerriſſenen Tüchel den Kopf eingebunden, ſich auf das Stroh gelegt.)

Ein paar Wochen darauf, wie ich ſchon wieder hergeſtellt war, hör ich auf einmal, der dicke reiche Strudl, der Wirth vom goldenen Nockerl, heirath ich frag wem? ſo heißt’s: die Hobelmanniſche. Das hat mir den Gnadenſtoß geben; denn der Meiſter Hobelmann hat keine an - dere Tochter g’habt, als meine Peppi.

Knieriem.

Na, da wirſt aber doch aus Verzweiflung g’redt hab’n?

Leim.

Nein es war g’rad Samſtag, der Meiſter hat uns auszahlt da bin ich den andern Tag in der Fruh aufg’ſtanden, hab auf ein Zettel g’ſchrie - ben: » Adieu Peppi, aus Bosheit heirath ich jetzt auch « und dann bin ich fort über Berg und Thal, ohne b’hüt dich Gott und ohne Allem; und ſo flankir ich jetzt ſchon über zwei Jahr in der Welt herum.

Knieriem.

Ich hätt den Alten und den Wirth g’haut, und ’s Mädel hätt ich g’heirath.

35
Leim
(legt ſich nieder).

Mit mir iſt’s aus, ich hab nichts mehr zu hoffen. Ich lauf halt ſo mit, ſo lang’s ſeyn muß.

Knieriem.

Und ich ſauf halt ſo mit, ſo lang’s geht.

(Zieht den Rock aus.)

Ich hätt jetzt ein Guſto zu aſtrono - miſchen Beobachtungen; denn mich hat’s G’miſchte ein wenig duslich g’macht.

(Gähnt.)
Leim.

Ich hab ſchon ſeit ein paar Jahren kein Schlaf mehr.

(Gähnt.)
Knieriem
(löſcht das Licht aus und legt ſich nieder).
Zwirn.

Werd’s nit bald ſtill ſeyn?

(Schläft ein.)
Leim
(einſchlafend).

Peppi Pep pi

Knieriem
(eben ſo).

Noch ein G’miſchtes denn der Komet

(Leiſe Muſik beginnt. Wolken ſenken ſich über den Hintergrund. Nach einer Weile theilen ſich die Wolken, Fortuna wird ſichtbar mit einem Füllhorn, daraus kommt die transparente Zahl 7359. Der Schlaf der drei Geſel - len wird unruhig. Die Wolken erheben ſich wieder.)
36
Leim
(ſich nach und nach ermunternd).

Ah ah

(Gähnt.)

Das war ein kurioſer Traum 7359. Wenn ich’s nur nicht vergiß. Ah, ich merk mir’s ſchon bis morgen.

(Will wieder ſchlafen.)

Es laßt mir keine Ruh, ich muß He, Schneider! Schneider! Der ſchlaft feſt. Landsmann!

Zwirn
(ſich ermunternd).

Was iſt’s denn?

Leim.

Haſt keine Kreiden?

Zwirn.

Ich glaub nit. Zu was denn?

Leim.

Mir hat ein Nummero traumt.

Zwirn
(ihm eine Kreide gebend).

Ein Nummero hat Dir traumt?

Leim.

Ja. Nro. 7359.

Zwirn.

Und mir hat auch ein Nummero traumt es war Nro. 7359.

Leim.

Was? das nämliche Nummero? Bruder,37 das hat was zu bedeuten. Nur g’ſchwind aufg’ſchrie - ben.

(Schreibt das Nummero auf den Tiſch.)
(Es wird von Außen ſtark geklopft.)
Stimmen
(von Außen).

Heda! Aufg’macht! Aufg’macht!

Achter Auftritt.

Vorige. Hannerl. Sepherl. Dann mehrere Maurer, Zimmerleute, Marktweiber ꝛc.
Hannerl.

Ich komm ſchon!

(Oeffnet die Thür.)
Sepherl.

Gar keine Ruh hat man!

Zwirn.

Kellnerin! bring Sie mir ein Spiegel und ein Köllnerwaſſer.

Sepherl
(aufräumend).

Vor drei Uhr kommt man in kein Bett, und um halber Sechſe ſoll man ſchon wieder auf’n Füßen ſeyn.

(Sie wiſcht das Nummero aus.)
Leim.

Unglückliche! was haſt Du gethan?

38
Sepherl
(erſchrocken).

Was ſeyn denn das für Dummheiten?

(Die Eintretenden haben Schnaps ꝛc. verlangt, und ſe - tzen ſich an die Tiſche.)
Leim.

Schneider, da ſchau her, ’s Nummero hat ſie ausg’wiſcht.

Zwirn.

Wär nicht übel!

(Zu Sepherl.)

Sie iſt ei - ne unüberlegte Perſon, ein von der Natur vernach - läſſigtes Geſchöpf.

Zwirn.

Weißt Du das Nummero noch?

Zwirn.

Freilich weiß ich’s. Schreib auf das Nummero. Es war 87 Tauſend

Leim.

Das war’s nicht.

Hannerl
(Knieriem aufweckend).

Aber hör der Herr, ſchlaft man denn bis Mit - tag? Sieht Er den nicht, daß ſchon wieder Gäſt da ſeyn?

Knieriem
(ſich halb im Schlaf erhebend, lallt).

Sieben tauſend drei hundert neun und fufzig.

39
Leim
(ſchnell auf ihn loßfahrend).

Brüderl was haſt g’ſagt?

Knieriem.

Mir war im Traum, als wenn in einem gan - zen Nebel von G’miſchten iſt auf einmal erſchie - nen Nr. 7359.

Leim.

Nein, das geht nicht natürlich zu, alle Drei den nämlichen Traum!

Zwirn.

Auf d’Letzt iſt uns gar das Glück beſtimmt.

Leim.

Wie können wir denn was g’winnen, wenn wir kein Los haben?

Knieriem.

Wenn’s Glück will, braucht man kein Los.

Neunter Auftritt.

Vorige. Ein Hauſirer.
Hauſirer
(mit ſeinen Anhängtrüherl, worin verſchiedene Waaren ſind, eintretend).

Guten Morgen allerſeits. Kaufen die Herren Hoſenträger, Brieftaſchen, Pfeifenröhr’ln, Tabaks -40 beuteln auch noch einige Lotterieloſe hab ich die Ziehung geht ſchon in einer Stunde vor ſich. Kaufen Sie, vielleicht gewinnen Sie heut das gro - ße Los, probiren Sie Ihr Glück.

Leim.

Laß anſchau’n, was ſeyn’s denn für Nummern?

Hauſirer
(zeigt die Loſe).

Nr. 439.

Leim.

Das kann ich nicht brauchen.

Hauſirer.

Nr. 8521.

Knieriem.

Das iſt ein alt’s Nummero.

Hauſirer.

Nr. 7359.

Zwirn
(auf ihn losſpringend).

Der hat unſer Nummero!

Knieriem
(zu Leim).

Frag ihn, was’s koſt’t.

Leim
(zum Hauſirer).

Was koſt’t das Los?

Hauſirer.

Sechs Gulden Silber.

41
Leim
(zu ſeinen Kameraden).

Sechs Gulden Silber hat er g’ſagt.

Zwirn.

Das bringen wir nit z’ſamm. Wißt’s was wir thun? Schlag’n wir’n todt.

Leim.

Ah, wer wird denn ſo grob ſeyn? Ein Men - ſchen, den wir ’s erſtemal ſeh’n wir wurden aus - g’richt.

Knieriem.

Ja, hing’richt wurden wir. Ich hab da in mein Bruſtfleck ein Thaler eing’naht.

(Trennt ihn heraus.)
Leim.

Ich hab auch ſechs neue Zwanziger.

Zwirn.

Da ſeyn fünf Zwanziger und zwei Zehnerln.

Hauſirer.

Na, wie iſt’s? kaufens die Herren?

Leim
(legt den Thaler auf das Trüherl).

Da iſt ein Thaler vom Schuſter und da ſeyn ſechs neue Zwanziger von mir.

(Wendet ſich zum Schuſter.)
Knieriem.

Der Thaler iſt von mir, daß keine Irrung g’ſchieht.

42
Zwirn
(zum Hauſirer).

Der Thaler iſt vom Schuſter und die ſechs Zwanziger ſeyn vom Tiſchler.

(Steckt den Thaler in die Weſtentaſche und tritt bei Seite.)
Hauſirer.

Ja, wo iſt denn der Thaler?

Knieriem.

Der Thaler iſt von mir.

Leim.

Da hab ich ihn hergelegt.

Hauſirer.

Er iſt aber nicht da.

Leim
(zieht den Zwirn herbei).

Du haſt g’ſehn, daß ich den Thaler da her g’legt hab.

Zwirn
(verlegen).

Ja ja der Thaler iſt eh’nder da g’leg’n.

Hauſirer.

Aber wo iſt er denn jetzt?

Zwirn.

Wo er jetzt iſt, wollen’s wiſſen? Eh’nder iſt er da g’leg’n

Hauſirer.

Wo er aber jetzt iſt?

43
Zwirn.

Eh’nder iſt er da g’leg’n, und jetzt

(zieht den Thaler aus der Taſche)

iſt er da.

(Legt ihn hin.)
Leim.

Aber Schneider!

Knieriem.

Wenn wir ’s Geld allein hätten, ſo därfet er gar nit mit ſetzen.

Zwirn.

Nur nit kindiſch ich hab den Thaler nur wechſeln woll’n.

Knieriem.

Ja, Du biſt der, der ’s Geld wechſelt.

Leim
(zum Hauſirer).

Alſo, da iſt der Thaler vom Schuſter da da ſeyn die ſechs Zwanziger von mir und da ſeyn fünf Zwanziger und zwei Zehnerln vom Schnei - der. Jetzt her mit’n Los.

Hauſirer.

Da haben Sie’s. Ich wünſch, daß Sie damit gewinnen. Schaffens ein Andermal.

(Ab.)
44

Zehnter Auftritt.

Vorige ohne Hauſirer.
Sepherl.

Das iſt ſtark, wie ich’s Geld ſo hinauswerfen könnt!

Leim.

Das wird ſich kurios rentiren.

Zwirn.

Aber Sie reden ja ſchon wieder d’rein?

Leim.

Um wie viel Uhr iſt denn die Ziehung?

Sepherl.

Gleich nach ſechs Uhr fangt’s an, grad da drü - ben, und dauert den ganzen Tag.

(Man hört trommeln.)
Leim.

Was trommelns denn?

Alle Weiber.

Die Ziehung geht ſchon los.

Ein Zimmermann.

Weiß man nicht, wer’s g’winnt?

Sepherl.

Gewiß wieder Einer der’s nicht braucht.

45
Zwirn.

Das könnt man von uns nicht ſagen, wenn wir’s gewinneten.

(Leim ſteht traurig und tiefſinnig.)
Knieriem
(zu Leim).

Was machſt denn Du wieder für trübſelige Fa - xen? Das ärgert mich von Dir.

Leim.

Meine Peppi iſt mir eing’fallen.

(Wieder heiter.)

Aber es macht nur ein Bremsler, ’s iſt gleich vorbei.

Eilfter Auftritt.

Vorige. Pantſch.
Pantſch
(rabiat hereinſtürzend).

Das iſt entſetzlich!

Alle.

Was iſt’s denn?

Pantſch.

Das iſt unbegreiflich! Ich hab den Haupttref - fer nicht.

Alle.

Iſt er ſchon da?

46
Pantſch.

Auf’n erſten Zug war er heraus. Nr. 7359.

Leim. Zwirn. Knieriem
(außer ſich vor Freude).

Mich trifft der Schlag!

(Alle Drei fallen um.)
Alle.

Was iſt denn das? Zu Hülf!

Leim. Zwirn. Knieriem
(ſpringen jubelnd auf).

Den Treffer haben wir! Den Treffer haben wir! Juheh!

Alle.

Was? Nicht möglich!

Leim.

Da iſt’s Los, was wir grad kauft haben. Wir wollen uns luſtig machen. Alle Tiſchler von der ganzen Stadt ſind eingeladen.

Knieriem.

Herr Wirth! alle Schuſter vom ganzen Land.

Zwirn.

Alle Schneider von der ganzen Welt!

Alle.

Juheh! Juheh! Juheh!

(Alle ab.)
47
Leim
(indem er mit Zwirn und Knieriem vortritt).

Jetzt ſagt’s mir aber, Kameraden, was fangen wir mit unſerm Reichthum an? Ich hab meinen Plan.

Zwirn.

O ich auch. Aber nur nobel!

Knieriem.

Ich hab ganz eine eigene Idee.

Leim.

Ich reiſ nach Wien morgen in aller Früh; find ich meine Peppi noch ledig, ſo bin ich der glücklichſte Menſch auf der Welt; iſt ſie verheirathet, dann nutzt mich mein ganzer Reichthum nichts da geh ich dann nach Haus, bau ein Spital für unglückliche Tiſchlergeſellen, und da leg ich zuerſt mich ſelber hinein, und ſtirb auch d’rin.

Zwirn.

Nein, dieſer Plan iſt mir zu traurig. Ich werde von nun an mehr Don Juan, als Schnei - der ſeyn.

Knieriem.

Und ich hab keine Leidenſchaft, als die Aſtro - nomie, d’rum g’wöhn ich mir’s Bierſaufen ab, und verleg mich von heut an bloß auf’n Wein. Auf’s Jahr geht ſo die Welt zu Grund, da zieh ich halt48 heuer noch von einen Weinkeller in den andern her - um, und führ ſo ein zufried’nes, häusliches Leben.

Leim.

Mir iſt leid, daß wir auf die Art nicht bei - ſammen bleiben können.

Zwirn.

Wir haben Jeder unſre apparte Paſſion.

Knieriem.

Auseinander müſſen wir.

Leim.

Aber, wie Einer vom Andern hört, daß er im Unglück iſt

Knieriem.

Von Unglück iſt gar keine Red nicht, wenn der Menſch einen Treffer macht.

Zwirn.

Wenn’s halt aber doch der Fall iſt, ſo wollen wir Einer dem Andern beiſteh’n.

Leim.

Die Hand d’rauf!

Zwirn und Knieriem.

Gilt allemal.

(Reichen ſich die Hände.)
Leim.

Und heut über’s Jahr, am heutigen Tag, an dem Gedächtnißtag unſers Glücks, kommen wir alle Drei in W’ien zuſammen beim Meiſter Hobelmann,49 dort bin ich entweder glücklich, oder Ihr erfahrt wo ich in meinem Unglück zu finden bin.

Zwirn und Knieriem.

Gilt detto.

(Reichen ſich die Hände.)
(Pantſch und viele Männer und Weiber treten ein.)
Alle.

Wir gratuliren!

Leim.

Danke, danke! Herr Wirth!

Pantſch.

Euer Gnaden!

Knieriem.

Wir geben eine Tafel bei Ihm.

Pantſch.

Euer Excellenz

Zwirn.

Heute iſt bei mir balparée.

Pantſch.

Euer Durchlaucht mein Saal in der Vor - ſtadt hab ich auf’s Prächtigſte neu arrangiren laſ - ſen, es kann alle Stund der Ball anfangen.

Leim

Und jetzt aufgrebellt, Muſikanten! Jetzt mar - ſchiren wir im Zug zu der Ausſpielung, um unſer Geld z’holen, und nachdem geht’s gleich ans Eſſen, Trinken und Tanzen bis morgen Fruh.

350
Chor.
Es kommt halt das Glück
Auf einmal oft dick;
Die Hüt werft’s in d’Höh,
Schreit’s Juheh! Juheh!
(Unter dem Chor Alles jubelnd ab.)
(Der Vorhang fällt.)
Ende des erſten Aufzuges.
51

Zweiter Aufzug.

(Die Bühne ſtellt die Tiſchlerwerkſtätte des Meiſter Hobelmann in Wien vor. Mittel - und Seitenthüren.)

Erſter Auftritt.

Ein Fremder. Dann Gertraud.
Fremder
(die Werkſtätte muſternd).

Hat wirklich eine ſchöne Werkſtätte, der Mei - ſter Hobelmann.

Gertraud
(kommt aus der Seitenthüre rechts im ſchwäbiſchen Dialect).

Euer Gnaden, ich hab’s dem Meiſter Hobel - mann ſchon geſagt, er wird gleich da ſeyn. Da kommt er ſchon.

(Geht durch die Mittelthüre ab.)

Zweiter Auftritt.

Der Fremde. Hobelmann.
Hobelmann.

Unterthänigſter Diener, Euer Gnaden. Mit was kann ich zu Dienſten ſteh’n?

3 *52
Fremder.

Ich etablire mich hier, und habe ein großes Möbelgeſchäft mit Ihm abzumachen, lieber Meiſter.

Hobelmann.

Iſt mir eine Ehr. Aber dürft ich nicht bitten, wenn’s möglich wär die Sach auf morgen zu ver - ſchieben? Heut kann ich nicht, und wenn ich tau - ſend Gulden profitiret; denn ich hab heut eine Hoch - zeit im Haus.

Fremder.

Nach Gefallen, ich bin nicht preſſirt.

Hobelmann.

Dann hab ich aber noch eine Bitt. Der Hoch - zeitſchmaus iſt zwar ſchon zu End, aber ein Schal - lerl Kaffee, wenn Euer Gnaden bei uns zu ſich neh - men wollten die Ehr müſſen Euer Gnaden der Braut anthun.

Fremder.

Mit Vergnügen, lieber Meiſter.

Hobelmann
((ruft zur Thüre hinein).

Peppi! richt den porzellanenen Weidling zum Kaffee für den gnädigen Herrn.

(Beide ab.)
53

Dritter Auftritt.

Leim. Etwas ſpäter Gertraud.
Leim
(im ſchlechten zerriſſenen Rock, den Wanderbündel auf den Rücken, tritt ein).

Ich weiß nicht was das iſt, kein Menſch fragt mich, zu wem ich will. In der Kuchel hab ich eine Menge Dienſtboten g’ſeh’n, die jubeln, was’s Zeug halt, und einer ſitzt vor der Thür, dem muß übel ſeyn.

(Umherſehend.)

Da wär ich halt wieder in mei - ner lieben Werkſtatt. Das ſind Erinnerungen für mich! Auf den Platz hab ich einen Tiſch g’macht, und hab d’Füß vergeſſen; denn meine Gedanken waren bei der Peppi an dem Platz hab ich ein Kaſtenb’ſchläg an ein Spucktrüherl g’nagelt; denn meine Gedanken waren nicht bei der Arbeit. O ich war ein Stockfiſch, daß ich nie g’redt hab, und mir g’ſchähet recht, wenn ſie ſchon längſt den Wirth gehei

Gertraud
(zur Mitte eintretend).

Wie kommt denn Er da herein?

Leim.

Nu, wie jeder andere Menſch, bei der Thür.

Gertraud.

Wann Er Arbeit ſuche thut, ſo komm Er mor - ge, heut iſt’s nix, heut hanne wir Hochzeit.

54
Leim
(erſchrocken).

Wer hat g’heirath?

Gertraud.

Der Herr Strudel, der Wirth im goldenen Nockerle hat g’heirath Vormittag war die Ko - pulation.

Leim.

Wem hat er g’heirath?

Gertraud.

Die Mamſell Hobelmann.

Leim
(fährt auf ſie los).

Schwabin! ich bring Dich um.

Gertraud
(ſchreit, indem ſie abläuft).

Zu Hülfe! zu Hülfe! er will mich verſchlage.

Vierter Auftritt.

Leim. Hobelmann.
Hobelmann.

He, he! was gibt’s denn da?

Leim.

Meiſter Hobelmann

55
Hobelmann
(erfreut).

Was ſeh ich! Leim, Er iſt wieder da? Na das freut mich!

(Ruft in die Thüre.)

Peppi! Peppi g’ſchwind komm, der Leim iſt da!

Leim.

Um Alles in der Welt, nein! Ich will ſie nicht ſehen ich kann ſie nicht ſehen.

Fünfter Auftritt.

Vorige. Peppi.
Peppi
(heraushüpfend, einen weißen Kranz auf dem Kopf, ganz weiß gekleidet).

Ach Vater wo wo iſt er? Ha! end - lich kommt er wieder zurück. Iſt das auch recht, daß Er ſo lange auf ſich warten ließ?

(Faßt ihn ſanft am Arme.)
Leim
(ſie in heftiger Bewegung, aber nicht unſanft abwehrend).

Zurück, junge Frau!

Peppi.

Vater, was iſt ihm denn?

Hobelmann.

Das wird ſich geben.

56
Peppi.

Ach Gott, Johann, ich bin ſo froh, daß Er wieder da iſt, ſo froh. Das muß ich gleich dem Strudl erzählen.

(Ins Seitenzimmer ab.)

Sechster Auftritt.

Vorige ohne Peppi.
Leim.

O Strudl! Der Strudl liegt mir im Ma - gen, wie ein Knödel.

Hobelmann.

Er ſchaut etwas abg’ſchaben aus, mein lieber Leim, Er hat nicht viel aufg’ſteckt in der Fremd. Sei Er froh, daß Er wieder bei mir iſt, ich hab mit Ihm einen Plan.

Leim.

O jetzt geht der Leim aus’n Leim, für mich plant ſich nichts mehr. Meine Peppi!

Hobelmann.

Ah, iſt es das? Sieht Er, mein lieber Johann, wie Er mir damals ſo unverhofft davongegangen iſt, hat Er ja geſchrieben, Er wird aus Bosheit heirathen.

Leim.

Das hab ich nur aus Bosheit g’ſchrieben; aber ich bin ſo ledig, als nur was ſeyn kann.

57
Hobelmann.

Ich hätt[]vor zwei Jahren durch einen gähzor - nigen Wurf meine Tochter umbracht, wenn Er nicht geweſen wär, für dieſe That hat Er ſich’s Madel verdient; aber Er hat ja nix g’redt oder hat Er glaubt, daß ich ihn um Gotteswillen bitten ſoll, daß er’s Madel heirath?

Leim
(verzweifelnd).

O ich war ein Eſel! ſo was kommt nur alle Jahrtauſend einmal auf d’Welt.

Siebenter Auftritt.

Vorige. Strudl. Anaſtaſia. Peppi. Der Fremde.
Hobelmann
(auf Leim zeigend).

Da, meine Freunde, ſeht’s, da iſt er!

Alle.

Willkommen! Willkommen!

Strudl
(gutmüthig zu Leim).

Das war nicht ſchön von Ihm, daß Er uns ſo abg’fahren iſt.

Leim
(bei Seite grimmig).

Der Dickwammſt foppt mich noch? Das iſt zu58 viel!

(Grob zu Strudl.)

Sie haben’s nöthig, daß’s mich aufzieh’n wollen. Pfui Teufel! ich ſchamet mich, heirathen mit dem Bauch. Sie ſollten ſich lieber zwiſchen Ihre Weinfäſſer ſetzen, von denen kein’s ſo dick iſt, als Sie, und ſo lang trinken, bis Sie liegen bleiben im Keller unten, das wär g’ſcheidter, als auf der Welt heroben einem ehrlichen Kerl ſei - ne Lieb abfiſchen.

Alle.

Was?

Hobelmann.

Leim, jetzt ſei Er ſtill! Wie kann Er einen ehrenfeſten Mann in meinem Hauſe ſo traktiren?

Leim.

Ja ehrenfeſter Mann

Hobelmann.

Da geh Er her, ich muß Ihn ja erſt bekannt machen mit der ganzen Geſellſchaft.

Leim.

O, ich kenn Alle.

Hobelmann
(auf Strudl zeigend).

Das iſt mein Freund Strudl, der Bräutigam, jetzt eigentlich ſchon Ehmann das

(auf Peppi zei - gend)

iſt meine Tochter Peppi, die Kranzeljungfer.

Leim
(froh überraſcht).

Kranzel Jungfer?

59
Hobelmann
(Anaſtaſia vorführend).

Das iſt Anaſtaſia Hobelmann, die Tochter von meinem verſtorbenen Bruder, gegenwärtig ehrenfeſte Strudl.

Leim
(in höchſter Freude losbrechend).

Alſo die Peppi iſt nicht ſeine Frau? ſie iſt noch frei?

(Zu Peppi eilend.)

Du biſt alſo noch mein, Peppi? biſt keine Strudl?

(Anaſtaſien die Hand küſſend.)

O meine Gnädige! erlauben Sie, daß ich Ihnen die Hand küſſe.

(Zu Strudel.)

Und Sie, mein beſter, liebſter, ſchönſter, goldener Herr von Strudl, jetzt hab ich Ihnen ſo lieb, weil Sie nur die Peppi nicht g’heirath haben. Verzeihen Sie, ich war ein Flegel ich begreif gar nicht, wie ich hab ſchimpfen können über Ihre reſpektable Weſte - gegend

(Dreht ihn um, und ſtreicht über ſeinen - cken.)

Sie ſind ſo ſchön, ſo proportionirt gar kein Bauch laſſen Sie ſich umarmen.

(Umarmt ihn.)

Und Sie, Herr Schwiegerpapa

(ſich zu Hobel - mann wendend.)
Hobelmann.

Was? Schwiegerpapa? Er hat ja noch nicht einmal mit’n Madel Richtigkeit g’macht, ſein Wort angebracht, bei mir gar nicht angehalten um ſie.

Leim.

O Peppi! himmliſche Peppi!

60
Peppi.

Ich ſollt bös ſeyn, Johann.

Leim.

Ja, ich verdien’s.

Peppi.

Du haſt mir viel Kummer verurſacht.

Leim.

Und das blos durch meine Dummheit, weil ich nix g’redt hab

Peppi
(ihm die Hand reichend).

Du haſt mir das Leben gerettet, ich bin Dein.

Hobelmann.

Halt! da hab ich auch ein Wort d’rein zu re - den. Dem erſten beſten Haſenfuß, der nix iſt und nix hat, kann ich meine Tochter nicht geben. In - deſſen, das iſt mit Ihm anders geworden, Er iſt ein Mann, der ſeine Batzen hat.

Leim.

Was? Wie weiß denn der Meiſter das?

Hobelmann.

Nu, wenn ich’s nicht wüßt, wer ſollt’s denn hernach wiſſen. Ich hab für Ihn damals, wie Er den Wurf aufg’fangt hat, der meine Tochter getroffen hätt, 500 Dukaten angelegt, die g’hören ſammt Intereſſen Sein. Jetzt fang Er halt Sein61 Meiſterſtuck an, in drei Wochen iſt Er Meiſter, und dann ſoll Er’s Madel haben.

Alle.

Wir gratuliren!

Leim.

Beſter, großmüthigſter Herr Schwiegerpapa! ich nehm’s an; aber jetzt müſſen auch Sie und die Peppi erlauben, daß ich das auch dazu leg, was ich hab.

Hobelmann.

Hat Er ſich auch was erſpart?

Leim.

Was man ſich halt ſo erfecht auf der Straßen. Ich werd gleich die Kiſten hereintragen laſſen.

(Läuft zur Thüre.)

Heda, Leut! nur herein!

(Vier Träger tragen eine große Kiſte herein).
Alle.

Was iſt das?

Leim
(den Deckel aufreißend).

Das gehört Alles meiner Braut.

Hobelmann.

Lauter Geldſäck? Was Tauſend!

Leim.

Nix tauſend über dreißigtauſend Thaler ſind da drin. Ich hab’s in der Lotterie gewonnen, ich bin jetzt ein Mandel mit Kren.

62
Alle
(ganz verwundert).

Ah! Ah!

Leim.

Der alte zerriſſene Rock da, war nur Verſtel - lung, ich hab Dich nur prüfen wollen, ob Du mich noch liebſt.

Peppi.

Johann! Mein Johann! ich verlang mir nichts, als Dein Herz.

(Sinkt in ſeine Arme.)
Hobelmann.

Das Geld gehört alſo alles Sein? Jetzt muß er’s Madel nehmen!

(Vereinigt ihre Hände.)

Heut vier Wochen iſt Hochzeit, da ſoll die ganze Stadt reden davon.

Leim.

Das Geld g’hört mein die Peppi g’hört auch mein, jetzt nimm ich mein ganze Bagage zuſamm, und zieh aus.

(Er hebt Peppi in die Kiſte auf die Geldſäcke, die Träger tragen ſie ab, er geht neben bei, alle Andern folgen.)
Verwandlung.
(Elegantes Zimmer in Zwirns Wohnung mit Mittel - und Sei - tenthüren. Im Vorgrunde rechts und links Tiſche und Stühle).
63

Achter Auftritt.

Zwirn
(allein, tritt in einem modernen Palmenſchlafrock auf).

Jetzt bin ich ſchon über ein Vierteljahr hier in Prag etablirt iſt das ein Leben in dem Prag, wenn der Menſch ein Geld hat. Ich betreib zwar mein Handwerk auf eine noble Manier, aber es bleibt halt doch Schneiderei, und mich hat die Natur zu etwas Höherem beſtimmt, Alles zeigt, daß ich nicht zum Schneider geboren bin.

Neunter Auftritt.

Zwirn. Mehrere Bediente und Geſellen, (einer nach dem andern).
Erſter Bedienter
(aus der Mittelthüre).

Eu’r Gnaden, es iſt eine Kundſchaft da.

Zwirn.

Ich bin heut nicht mehr zu ſprechen.

Erſter Bedienter.

Sehr wohl, Eu’r Gnaden.

(Ab.)
Zwirn.

Die Leut glauben grad, ein Schneider iſt nur wegen ihnen auf der Welt.

64
Erſter Geſell
(aus der Seitenthüre links).

Herr von Zwirn!

Zwirn.

Was gibt’s?

Erſter Geſell.

Der Herr von Fidibus hat ſeinen Konto be - zahlt.

(Will ihm Geld geben.)
Zwirn
(ihn ſtolz zurückweiſend).

Das geht den Buchhalter an.

(Der Geſell will gehen.)
Zweiter Geſell
(ebenfalls von links kommend).

Herr Meiſter!

Zwirn.

Grobian! Weiß Er meinen Titel nicht?

Erſter Geſell
(leiſe zum zweiten).

Herr von Zwirn mußt ſagen.

Zwirn.

Noch einmal das Wort Meiſter, und Du haſt ausgerungen.

Zweiter Geſell.

Herr von Zwirn, der Konto da iſt nix nutz g’ſchrieben.

65
Zwirn.

Man trage ihn ſchleunigſt noch einmal in die Copiatur, und melde dem Kanzleixerſonale meinen Zorn.

(Beide Geſellen ab.)
Erſter Bedienter
(durch die Seitenthüre links).

Euer Gnaden, es iſt Samſtag, die Geſellen wollen ihr Geld.

Zwirn.

Sie ſollen zu meinem Kaſſier gehen, ich beküm - mere mich nicht um ſolche Gemeinheiten.

Erſter Bedienter.

Das hab ich ihnen auch g’ſagt, aber ſie ſagen, ſie ſeyn noch überall vom Meiſter auszahlt worden.

Zwirn.

Zum Kaſſier hab ich g’ſagt. Hinaus, Filou!

(Erſter Bedienter ab.)
Zweiter Bedienter
(durch die Mitte).

Euer Gnaden, der Maler iſt da.

Zwirn.

Herein mit’n Maler.

Zweiter Bedienter.

Sehr wohl.

(Ab.).
66

Zehnter Auftritt.

Zwirn. Maler.
Maler
(mit vielen Verbeugungen zur Mitte eintretend).

Wenn es gefällig wäre, mir nur noch gütigſt auf ein Viertelſtündchen die Anſicht Ihrer höchſt in - tereſſanten Phiſiognomie zu verſtatten.

(Richtet ſeinen Apparat auf den Tiſch.)
Zwirn.

Na, ein Viertelſtündchen hab ich grade noch Zeit.

(Setzt ſich.)

Aber Sie dalken lang herum mit mein Porträt.

Maler.

Heut wird der Dalk fertig.

Zwirn.

Was? Wie meinem Sie das?

Maler.

Ich meine meine eig’ne Wenigkeit ich werde heute fertig mit Hochdero Porträt.

Zwirn.

Ah ſo!

Maler
(indem er malt).

Dieſelben hätten ſich aber doch ſollen gefälligſt in Oel malen laſſen.

67
Zwirn.

Wegen meiner, wenn wir wo ein gutes Oel kriegen. Schaun’s nur, daß’s mich gut treffen, es wär Schad um ein jeden Zug, der daneben geht.

Maler.

Ihre Naſe iſt ſehr ſchwer zu treffen.

Zwirn.

Meine Naſen? Gar nicht. Schaun’s, mir hat vorigen Jahr im Bierhaus Einer ein Halbglas in’s G’ſicht g’haut, der hat meine Naſen ſehr gut getrof - fen, ſag ich Ihnen.

Eilfter Auftritt.

Vorige. Hackauf.
Hackauf
(zur Mittelthüre eintretend, im böhmiſchen Dialekt).

Ale Gagramente, was wär denn das? Sie ſeyns nit auf zu Haus, und ſitzens da und laſſens Ihne paladatſchete G’fries mal’n?

Zwirn.

Hinaus!

Hackauf.

Ah, da muß ich bitten! Ich bin ich Kundſchaft, die zahlte gleich. Gleich af der Stell meßt Er mir ein Rock an.

68
Zwirn.

Hinaus!

Hackauf.

Was? Ich ſoll ich hinaus geh’n?

(Er packt Zwirn, und drängt ihn auf den Seſſel, worauf der Ma - ler das Bild gelegt, Bediente treten ein, und drän - gen Hackauf zur Mittelthüre hinaus.)
Maler.

Wo iſt denn mein Porträt?

Zwirn.

Das hat gewiß der Fleiſchhacker mitgenommen.

(Geht an die Thüre, das Porträt klebt an ſeinem Schlafrock.)
Maler.

An Ihrem Schlafrock klebt’s.

Zwirn
(beſieht ſich).

Ah verflucht, jetzt hab ich mich auf mein Mi - niaturg’ſichtl g’ſetzt.

Maler.

Das iſt hin; doch es macht nichts, Sie zahlen um 50 Dukaten mehr, und ich mach es Ihnen von Neuem.

Zwirn.

Aber heut kann ich nicht mehr ſitzen, ich bin zu alterirt.

69
Maler
(hat ſeine Sachen zuſammengepackt).

So werd ich morgen die unterthänigſte Ehre haben.

(Mit Verbeugung ab.)

Zwölfter Auftritt.

Zwirn
(allein, ſehr erſchöpft).

Den Fleiſchhacker klag ich ich muß Satis - faction haben. Ich arbeit einmal für keine Kund - ſchaft, die mir meinen Reſpekt nicht gibt, und wenn’s mich zehnfach bezahlt.

Dreizehnter Auftritt.

Zwirn. Windwachel. Lüftig.
Windwachel.

Theurer Freund! hier hab ich das Vergnügen, Dir einen Dutzbruder von mir vorzuſtellen. Herr von Lüftig.

Lüftig.

Herr von Zwirn, ich hatte ſchon lange den Wunſch, den berühmten Mann kennen zu lernen

70
Zwirn
(geſchmeichelt).

Ich bitte, die Ehre iſt meinerſeits.

Windwachel.

Mein Freund will ſich Verſchiedenes bei Dir machen laſſen.

Zwirn.

O ich bitte, mein ganzes Magazin ſteht zu Be - fehl. Belieben Sie ſich nur nach Guſto auszuſuchen.

Lüftig.

Ich brauche aber ziemlich viel.

Zwirn.

Je mehr, deſto beſſer.

Lüftig.

Bin aber für den Augenblick nicht bei Kaſſa, um gleich bezahlen zu können.

Zwirn.

Thut nichts, ich hab Geld genug; übrigens kennt Sie mein Freund Windwachel, und das iſt ge - nug. Spazieren Sie nur in mein Magazin.

Lüftig.

Ihr unterthänigſter Diener, Herr von Zwirn.

(Im Abgehen zu Windwachel.)

Der Schneider kriegt keinen Kreuzer von mir.

(Ab.)
Zwirn.

Jetzt ſag mir, Freund, kommt die Frau von Palpiti?

71
Windwachel.

Ich war heute Vormittag bei ihr, ſie nahm Deine Einladung ſammt ihren beiden Töchtern mit Vergnügen an.

Zwirn.

Du haſt doch nichts merken laſſen, daß ich ein Schneider bin?

Windwachel.

Keine Sylbe.

Zwirn.

Haſt g’ſagt, daß ich ein Kapitaliſt bin aus aus aus Particulier?

Windwachel.

Freilich. Nun hätt ich aber eine Bitte an Dich. In Deinem Magazin iſt nicht ein Stück, was mir paßt; Du mußt ſchon die Güte haben, und mir ſelbſt das Maß nehmen.

Zwirn
(ſehr bereitwillig).

Ja, Freund! mit Dir mach ich eine Ausnahm.

(Läutet, erſter Bedienter tritt ein.)

Johann, geh Er hinüber, und hol er mir eine Schneidermaß.

(Bedienter ab.)
Windwachel.

Du wirſt finden, daß ich ſeit einiger Zeit et - was ſchlanker geworden bin.

72
Zwirn.

Es iſt wahr, Du biſt bedeutend mägerer gewor - den, Du brauchſt auf ein Frack jetzt nicht mehr, als anderthalb Achtel Kaſimir.

(Der Bediente hat das Maß gebracht.)

Was willſt denn haben?

Windwachel.

Einen modernen Kaput.

Zwirn
(ihm Maß nehmend).

Was nehmen wir den für eine Farb?

Windwachel.

Ich denke, kaſtanienbraun.

Zwirn.

Die Hand halt ſo, daß wir die Armlänge krie - gen.

(Nimmt ihm die Länge zu einem Schlepp.)

Was nehmen wir denn für einen Kragen?

Windwachel.

Schwarzblauen Sammt.

Zwirn.

G’fallt mir nicht ich glaubet Pomeran - zengelb.

Windwachel.

Ah, was fallt Dir ein!

73

Vierzehnter Auftritt.

Vorige. Frau von Palpiti, Laura, Ca - milla (treten, von Beiden unbemerkt, ein).
Palpiti.

Wir haben die Ehre

Zwirn.

So, jetzt die Mitte.

Palpiti.

Wir haben die Ehre

Zwirn
(ſie bemerkend, wirft Maß und Schere weg).

Mich trifft der Schlag!

Palpiti.

Wir haben geſtört

Zwirn
(ſehr verlegen).

O nein es war ich hab nur

Windwachel.

Ein Scherz, weiter nichts.

Zwirn.

Ja, nur ein Geſpaß wir wollten ſehen, wer dicker iſt um die Mitte. Ich bin noch ganz im Negligée, Sie erlauben ſchon ich werd gleich474mein Sonntagskleid anleg’n. Windwachel, unter - halte die Damen indeß.

(Ab in die Seitenthüre rechts.)

Fünfzehnter Auftritt.

Vorige, ohne Zwirn.
Camilla.

Ah, das iſt ein kurioſer Menſch.

Laura.

Was iſt denn das?

Palpiti
(zu Windwachel).

Sie haben uns geſagt, daß der Herr vom Haus ein gebildeter Weltmann iſt. Weh Ihnen, wenn Sie meine Töchter durch eine ignoble Bekanntſchaft blamiren.

Camilla.

Ich hab ſchon geglaubt, Sie haben uns in eine Schneiderwerkſtatt geführt.

Windwachel.

Was fällt Ihnen ein? Der Herr vom Haus iſt ein Menſch, der von ſeinem Geld lebt und viel Geld hat; iſt Ihnen das nicht genug?

Laura.

Freilich, wenn ich an die brilliantenen Ohrrin - ge denke

75
Windwachel.

Dann finden Sie, daß er eine ſcharmante Bil - dung hat.

Camilla
(zu Windwachel).

Wir ſind Ihnen verbunden für die Connaissan - ce, zu der Sie uns verholfen haben.

Palpiti.

O, nicht ihm habt Ihr das zu danken, ſondern nur mir; denn erſt ſeitdem Ihr nach meiner Idee Euch für Italienerinnen ausgegeben, habt Ihr eini - gen Anwerth.

Laura.

Es liegt doch nur in unſerm intereſſanten Be - nehmen, daß man es uns glaubt.

Camilla
(zu Laura).

Meine wälliſche Ausſprach hat ſchon Manchen irre geführt, bei Dir aber wird er ſich bald ausken - nen, daß Du nur eine Burkersdorferin biſt.

Laura.

Das könnte wohl bei Dir der Fall ſeyn.

Windwachel.

Nur keinen Streit, meine Damen da kommt der Herr vom Haus.

Camilla.

Jetzt will ich gleich Eindruck auf ſein Gemüth machen.

4 *76

Sechszehnter Auftritt.

Vorige. Zwirn (nach dem neueſten Journal, aber karrikirt gekleidet).
Camilla
(ſich ſtellend als ob ſie weine).

O ich Unglückliche! Freund, weinen Sie mit mir.

Zwirn.

Was iſt denn geſchehn?

Camilla.

Ich habe meinen Mopperl verloren.

Zwirn.

Ha, ha, ha! Iſt nicht ſchad um ſo ein Viecherl.

Camilla.

O ich bin untröſtlich! Jetzt erſt hab ich den Verluſt bemerkt.

Zwirn.

Er kann ja noch nicht weit ſeyn.

Camilla.

Das Hunderl iſt ſicher nach Italien geloffen.

Zwirn.

Laſſen wir’n anſchlagen. Ich zahl zwanzig Du - katen, wer ihn bringt. Windwachel! Wind - wachel! hörſt denn nicht, wenn ich Dich ruf?

77
Windwachel
(der mit Frau v. Palpiti geſprochen, wendet ſich zu ihm).

Was willſt denn?

Zwirn.

Schreib eine Annonce!

Windwachel.

Schreib ſie ſelbſt.

Zwirn
(leiſe zu ihm).

Ich kann nicht ſchreiben.

Windwachel.

Ah ſo!

(Setzt ſich an den Tiſch).
Zwirn
(diktirt).

Verlorner Hund

Camilla.

Halt! das geht nicht; die Annonce muß ita - lieniſch ſeyn, ſonſt verſteht’s dort Niemand.

Zwirn
(bei Seite).

Jetzt kocht’s.

(Leiſe zu Windwachel.)

Kannſt Du Wälliſch?

Windwachel.

Kein Wort.

Zwirn.

Italieniſch auch nicht?

Windwachel.

Eben ſo wenig.

78
Zwirn
(für ſich).

Ich hab vier Wochen in Trieſt gearbeitet, da iſt ſo Manches hängen geblieben. Probir’n wir’s.

(Zu Windwachel.)

Schreib italieniſch.

(Diktirt.)

Cane perdutto Non avete veduto cane perdut - to.

(Zu Camilla.)

War der Mopperl ein Mandel oder ein Weibel?

Camilla.

Er war männlichen Geſchlechts.

Zwirn
(diktirt).

Questo Mopperl un Signore.

(Zu Camilla.)

Was für einen Charakter hat er gehabt?

Camilla.

Je nun, wie alle Mopperln.

Zwirn
(nachdenkend).

Aha!

(Diktirt.)

carattere calfacteri - stico.

(Zu Camilla.)

Wie alt?

Camilla.

Drei Jahr.

Zwirn.

Drei Jahr wie heißt denn das

(Diktirt.)

tre cento anni vecchio.

(Zu Camilla.)

Hatte er keine beſonderen Kennzeichen?

Camilla.

Er trug ein ſchwarzes Halsband.

79
Zwirn
(diktirt).

Portate un nero cravattel.

(Zu Camilla.)

Hatte er abgeſchnittene Ohren?

Camilla.

Natürlich, er war ja ein Mopperl.

Zwirn
(diktirt).

Geſtutzte orrecchi.

(Zu Camilla.)

War er klein oder groß?

Camilla.

Ein ganz kleines Hunderl.

Zwirn
(diktirt).

Piccolo Viech mit quatro Haxen. Recom - penza zwanzig Zechini in buona moneta.

(Läutet.)

He, Bediente!

Erſter Bedienter
(eintretend).

Eu’r Gnaden!

Zwirn.

Das kommt in die Buchdruckerei.

(Gibt ihm das Blatt.)
Erſter Bedienter.

Wo wird’s denn ang’ſchlagen?

Zwirn.

In ganz Italien.

Erſter Bedienter
(für ſich).

Mein Herr iſt ein Narr.

(Ab.)
80
Camilla
(zu Zwirn).

Ich dank Ihnen vielmals.

Zwirn.

O Sie ſchöne Signora, es iſt gern geſchehen.

(Sich zu Laura wendend.)

Haben Sie vielleicht auch Etwas verloren?

Laura.

Und wenn ich mein Herz verloren hätte?

Zwirn
(entzückt für ſich).

Die geht ſcharf d’rein, ganz das italieniſche Feuer.

Windwachel.

Die Geſellſchaft kommt.

Siebenzehnter Auftritt.

Vorige. Mehrere geputzte Herren und Da - men, unter ihnen Lüftig (im neuen Frack).
Chor der Geſellſchaft.

Geladen haben Sie uns, Herr von Zwirn, Wir thun von Ihrer Güte profitir’n Wer Ihre Gaſtfreiheit und Freundſchaft kennt, Macht Ihnen auch ein tiefes Compliment.

Zwirn,
(nachdem er ſie begrüßt).

Das iſt wahr, die ganze ſchöne Welt von Prag hab ich da verſammelt.

81
Lüftig.

Herr von Zwirn, eine ſchönere Wohnung als Sie, kann man nicht mehr haben, hier fehlt nur Eins zur vollſtändigen Eleganz.

Zwirn.

Wie? bei mir fehlte noch was?

Lüftig.

Sie müſſen die Gasbeleuchtung einführen.

Zwirn
(beleidigt).

Gasbeleuchtung? Ich kann beleuchten mit was ich will, das geht Ihnen gar nichts an.

Lüftig
(erſtaunt).

Ich meinte nur

Zwirn.

Trau’n Sie mir nicht wenn ich meine Scher erwiſch

(ſich korrigirend)

will ich ſagen, meinen. Degen wenn ich erwiſch

Lüftig.

Sie ſind ein Narr!

Zwirn.

Marſchiren Sie, ſonſt wirf ich Ihnen ein - geleiſen nach!

Lüftig.

Adieu, Sie Herr Zwirn Sie.

(Mit Windwachel ab.)
82
Camilla
(zu Zwirn).

Sie haben Verdruß gehabt.

Zwirn
(ſich faſſend).

Das eben nicht, aber

Laura.

Kann theilnehmende Freundſchaft Sie wieder erheitern?

Zwirn.

Freundſchaft? Nein, die Liebe könnte das viel beſſer.

Camilla.

Die Liebe, glauben Sie?

Laura.

Je nun

Zwirn
(Beide in die Wangen kneipend).

O Ihr ſeid Beide ein paar liebenswürdige Schnecken!

Quodlibet. Terzett mit Chor.
Camilla.

Wie mich der Mann betrachtet, Ach, das iſt ſtark, auf Ehr.

Laura.

Auf mich allein er ſchmachtet, Es iſt kein Zweifel mehr.

83
Zwirn.
Recitativ.

Allen Zwei’n möcht ich zugleich ein Buſſel geben, Ich weiß nicht wie mir g’ſchieht, Ich fühl mein Herz hier erbeben. Ich möcht ein kleines Hüttchen nur Wo hab’n auf einer ſtillen Flur, Bei dieſem Hüttchen fließt ein Bach, Und dieſem Bach fließt Liebe nach.

Camilla.

Der Geſang, zart und ſtill, Weckt Liebesqual; Daß ich für einen Mann was fühl, Iſt’s erſtemal.

Laura.

O fließt ihr Thränen, Ertönt ihr Klagen, Vergeblich Sehnen Nach ſel’gen Tagen, Des Herzens Bangen Kennt kein Verlangen, Als nur den Tod allein.

Zwirn.

Welch ein Reiz in ihren Tönen, Thränen ſelbſt ſie noch verſchönen, Neu entflammt der Liebe Glut.

84
Camilla.

Wo die Donau brav rauſcht, Und kein Stadtherr nit plauſcht, Viel Meil’n weit von hier, Möcht ich ſchmachten mit Dir.

Zwirn.

Wenn mir Dein Auge ſtrahlet, Iſt mir ſo leicht, ſo gut.

Laura.

Und meine Wangen malet Noch nie gefühlte Glut.

Camilla.

O weile!

Zwirn.

Laß mich!

Camilla.

Weile!

Zwirn.

Laß mich;

Dort hinten bei der Linden Sitzt ein unbekanntes Reh, Das ſchaut kerzengrad in d’Höh. Auf der G’ſtetten war’s a Metten, Auf der Gſtetten ſitzt a Mann, Der hat ein Pudel und ein Hahn; Und weil’s dort gar ſo zieht, Hat der Pudel d’Strauchen kriegt,85 Da wird deſparat der Mann, Frißt g’ſchwind ſeinen Hahn.

Camilla.

Willſt Du kalt mir widerſtreben, Ach, dann end auch mein Leben. Kannſt Du mir nicht Liebe geben, Ja, dann weih ich mich dem Grab.

Laura.

Ei!

Nun, Schweſter! was ſagſt Du denn? Er kann nicht länger widerſteh’n, Er find’t mich einmal gar zu ſchön.

Camilla.

Du glaubſt, es ſeyn alle Leut In Dich verliebt, na, da hat’s Zeit. Verſteht ſich, da hat’s Zeit,

Zwirn.

Halt!

In dieſen heil’gen Hallen, Kennt man die Rache nicht, Und iſt a Menſch hier gefallen, Das wär a verfluchte G’ſchicht.

Laura.

O caro, caro mio!

Camilla.

Con te felice son io.

86
Zwirn.

Nehmt’s mir’s nit krumm Ich bin nit ſo dumm, Die wälliſche Sprach Bringt mi a no nit um. Cara ade a tendi mi, Prove soave palpiti, Ch esprimere non non Non non non .

Camilla.

Es iſt doch ein Glück Ein Berliner zu ſeyn.

Chor.

Ja, ja, ein Berliner zu ſeyn.

Laura.

Wir ſind mit den Männern Stets pfiffig und fein.

Chor.

Ja, wir ſind pfiffig und fein.

(Laura dudelt.)
Chor.

Es geht ihm die Arbeit So flink wie das Maul, Auch iſt er beim Eſſen Und Trinken nicht faul.

87
Alle mit Chor zuſammen.
Laura.

Laſſet jeden Streit uns enden.

Chor.

Wie die Schweſtern ſich verſöhnen ꝛc.

Laura.

Mag er ſich zu Einer wenden, Räumt die And’re dann gern das Feld, Viel tauſend Männer gibt’s auf der Welt. Ja, es wird mir doch gelingen, Ihn gewiß in’s Netz zu bringen. Einen reichen Mann zu fangen, Darnach gehet mein Verlangen.

Zwirn. Laura. Camilla.

Ja, es wird mir ſchon gelingen ꝛc.

Chor
(fällt mit ein).

Täuſchet nur nicht leerer Schein, Welche Freude wird das ſeyn.

(Der Vorhang fällt.)
Ende des zweiten Aufzuges.
88

Dritter Aufzug.

(Die Bühne ſtellt ein nobles Zimmer im Erdgeſchoß in Meiſter Hobelmanns und Meiſter Leims Hauſe in Wien vor, mit Mittel - und Seitenthüren, und zwei praktikablen Fen - ſtern im Hintergrunde; durch welche man auf die Stra - ße ſieht.)

Erſter Auftritt.

Gertraud. Reſerl.
Gertraud.

Alſo heut iſt der g’wiſſe Jahrestag, wo’s zu - ſammenkommen ſollen alle drei Brüderln.

Reſerl.

Ich hör einen Wagen, mir ſcheint, es kommt ſchon Einer ang’fahren.

Gertraud.

Ja, mir ſcheint auch.

(Beide eilen an das Fenſter rechts im Hintergrunde, und ſchauen rechts in die Scene.)
Reſerl.

Nein, das iſt der gnädige Herr, der da dane - ben wohnt im erſten Stock.

89

Zweiter Auftritt.

Vorige. Zwirn (kommt ärmlich und abgeriſſen, aber wohlgemuth zur Mittelthüre herein).
Zwirn.

Schön guten Abend wünſch ich. Logirt da nicht der Meiſter Hobelmann?

Gertraud.

Ja. Und was will Er?

Zwirn.

Sagens nur, der Zwirn iſt da, wegen dem Jahrestag.

Beide.

Wie? Was?

Zwirn.

Ja, ſo ſchaut ein Zwirn aus, dem der Zwirn ausgangen iſt.

Gertraud.

Sie machen ein Spaß ſo ein reicher Herr, der ſo viel g’wonnen hat, in der Maskerade.

Zwirn.

O nix Maskerade, das iſt mein ſchönſter, mein einziger Anzug, denn ich hab gar kein andern.

Reſerl.

Hörens auf!

90
Zwirn.

Auf Ehr, wenn ich auf einen Baum ſteig, ſo hab ich nix zu ſuchen herunt auf der Erd.

Gertraud.

O du blau’s Herrgottle, das iſt kaum zum glauben.

Zwirn.

Unter andern, war noch kein Schuſter da?

Knieriem
(von Außen).

Fixſtern, Kometen! Wenn ich nicht bald ein Schnaps krieg, ſo

Zwirn.

Ach, da kommt er ſchon.

Dritter Auftritt.

Vorige. Knieriem.
Knieriem
(ebenfalls zur Mitte eintretend, ſehr abgeſchaben).

Iſt das die Boutique, wo der Herr Hobelmann logirt?

Zwirn.

Brüderl, kennſt mich nicht?

Knieriem.

Halloh! der Zwirn!

(Umarmen ſich.)
91
Zwirn
(betrachtet ihn von oben bis unten).

Armer Menſch, wie ſiehſt Du aus!

Knieriem.

Du haſt’s Urſach, daß Dich wunderſt, wie ein Anderer ausſchaut.

Zwirn.

Kamerad, mir ſcheint, wir ſeyn alle Zwei mit unſern Kapitalien in Ordnung. Du, mir iſt’s noch ſchlecht gangen.

Knieriem.

Mir iſt’s auf die Letzt gar nicht mehr gangen; denn ich bin g’ſeſſen, zwei Monat in Arreſt.

Zwirn.

Aber nobel hab ich das Meinige durchgebracht, das braucht einmal nix.

Knieriem.

Ich hab a Reiſ am Rhein g’macht da ſind gar kurioſe Weinkeller ſo oft ich zu viel trunken hab, allemal war meine Brieftaſchen weg. Unbegreif - lich! Dann hab ich im Rauſch immer Händel an - g’fangt, Straf zahlen müſſen, wie ich nix mehr g’habt hab, habens mich eing’ſperrt mit einem Wort, nichts als unverſchuldete Unglücksfälle!

Zwirn.

Wir ſeyn halt jetzt alle Zwei betteltutti.

92
Knieriem.

Bei uns heißt’s: gleiche Brüder, gleiche Kappen.

Zwirn.

Aber dabei immer Allegro und fidel.

Knieriem.

Allemal!

Vierter Auftritt.

Vorige. Hobelmann.
Hobelmann
(iſt ſchon früher aus der Seitenthüre rechts getreten).

No brav, da hör ich ja recht auferbauliche Sachen.

Zwirn
(Hobelmann ſein Compliment machend).

Hab ich die Ehr, den Herrn von Hobelmann zu ſprechen?

Knieriem.

Seyn Sie der, der ſeiner Tochter einmal ’s Stemmeiſen nachg’worfen hat?

Hobelmann.

Der bin ich. Ihr habt es aber weit ge - bracht mit Eurem Geld.

Zwirn.

Grad ſo weit, als das Geld g’lengt hat.

93
Hobelmann.

Ihr habt Euer Glück zum Fenſter hinaus - g’worfen.

Zwirn.

Deßwegen wird aber doch der Jahrstag celebrirt.

Knieriem.

Gebens nur ein Schnaps her.

Zwirn.

Vor allem Andern, was macht denn der Bru - der Leim?

Hobelmann.

Da müßt’s mich nicht drum fragen.

Knieriem.

Iſt er nicht Ihr Schwiegerſohn?

Hobelmann.

Laſſen wir das. Mit einem Wort, er iſt nach und nach um Alles kommen

Zwirn.

Ich kann nicht begreifen, wie der Menſch ſo liederlich ſeyn kann.

Hobelmann.

Und wie’s Geld weg war, bis auf zweihun - dert Thaler, da hat er hundert Thaler bei mir zu - rückg’laſſen, und mit die andern hundert iſt er auf’s Gerathewohl fort in die weite Welt. Heut hab ich glaubt, er wird ſich wieder einfinden, aber ſtatt ſei - ner iſt der Brief da kommen, an Euch Zwei adreſſirt.

94
Zwirn.

An uns Zwei? Ah da bin ich neugierig.

(Nimmt den Brief und öffnet ihn.)

Du, Schuſter, biſt Du auch neugierig?

Knieriem.

Freilich bin ich neugierig.

Zwirn.

No da haſt, lies!

Knieriem.

Weißt ich leſ nicht gern.

Zwirn.

Ich leſet wieder für mein Leben gern, aber ich kann nit leſen.

Knieriem.

Bei mir iſt das der nämliche Fall.

Zwirn.

Mir fallt was ein, ich probirs!

(Geht zu Ho - belmann.)

Herr Hobelmann, Sie ſcheinen ein ver - nünftiger Mann zu ſeyn obwohl der Schein manchmal trügt.

Hobelmann.

Nein, nein! diesmal trügt er nicht.

Zwirn.

Sie werden wiſſen, ein Unterſchied der Stän - de muß ſeyn. Sie ſind Meiſter, wir zwei Ge - ſellen

(ihm den offenen Brief reichend)

leſen Sie!

95
Hobelmann.

Recht gern will ich Euch den Gefallen thun.

(Liest.)

» Liebe Freunde und Brüder! Wie gern wär » ich heut bei Euch, aber

Zwirn.

Ehre dem Ehre gebührt.

Hobelmann.

No ja, ich leſ ja recht gern, ich fühl mich auch geehrt.

(Lies’t.)

» Wie gern wär ich heute bei Euch «

Zwirn.

Das werden Sie gar nie erleben, daß ich in Ihrer Gegenwart leſen werd.

Hobelmann.

Wann Er’s ſo fortmacht, ſo wird auch Er nicht erleben, daß ich in Seiner Gegenwart leſen werd. Alſo

(lies’t.)

» Wie gerne wäre ich heute bei Euch, aber

(Zwirn murmelt Etwas vor ſich hin.)
Hobelmann.

Was murmelt Er denn da?

Zwirn.

Jetzt, Schuſter, ſei einmal ſtill.

Knieriem.

Ich hab kein Wort g’redt.

Hobelmann.

Der Schuſter red’t ja gar nichts.

96
Zwirn.

O, Sie kennen ihn nicht ſo, wie ich ihn kenn.

Hobelmann.

Aber er hat ja gar nichts g’redt.

Zwirn.

Aber er hätt was reden können. Das kommt grad ſo heraus, als wenn Sie unſer Narr wären.

Hobelmann.

Jetzt ſei Er einmal ſtill, ſonſt leg ich den Brief nieder, nachher kann Er leſen.

Zwirn.

Nachher kann ich leſen, wenn Sie den Brief niederlegen?

Hobelmann.

Ich mein, daß Er hernach gar nicht erfahret, was in dem Brief ſteht, weil Er ſelber nicht leſen kann. Kann Er denn nicht zwei Minuten ſtill ſeyn?

Zwirn.

O, auch noch länger.

Hobelmann.

Alſo ſchweig er.

(Lieſ’t.)

» Wie gern wär ich heute bei Euch, aber

Zwirn.

Herr von Hobelmann, ich werd Ihnen einen Vorſchlag machen. Damit Sie im Leſen nicht mehr97 können unterbrochen werden, ſo leſen Sie uns den Brief g’ſchwind vor, und wir Zwei gehen derweil hinaus.

(Geht gegen die Thür.)
Hobelmann.

Aber wie dalket! Wie kann Er denn hör’n, was ich da herin leſ wenn er draußt iſt?

Knieriem.

Dableib’n müſſen wir.

Zwirn.

Richtig das hab ich nicht überlegt.

Hobelmann.

Jetzt ſei Er einmal ruhig.

(Lieſ’t.)

» Wie gern wär ich heute bei Euch, aber meine traurige Lage macht es unmöglich. Ich bin krank

Zwirn.

Da ſollten’s doch mit ein Doktor reden.

Hobelmann.

Warum denn?

Zwirn.

Sie ſagen ja, Sie ſeyn krank.

Hobelmann.

Das ſchreibt ja der Leim, der iſt krank.

Zwirn.

Ja, von wem iſt denn der Brief?

Hobelmann.

Von Leim.

598
Knieriem.

Von Leim.

Zwirn.

Ah ſo von Leim.

Hobelmann
(lieſ’t weiter).

» Ich bin kränk und liege in Nürnberg im Spi - tal «

Zwirn.

Herr Hobelmann, foppen müſſens mich nicht! ich kann auch grob ſeyn. Wie können’s denn ſagen, Sie liegen in Nürnberg im Spital, und ſtehen da neben meiner?

Hobelmann.

Aber den Brief ſchreibt ja der Leim.

Knieriem.

Der Leim.

Zwirn.

Ah ſo der Leim.

Hobelmann
(lieſ’t).

» Ich habe vor vier Monaten, wie ich von Wien fort bin, Herrn Hobelmann hundert Thaler zurück - laſſen

Zwirn.

Wer?

Hobelmann.

No, der Leim.

99
Knieriem.

Der Leim.

Zwirn.

Aha, der Leim.

Hobelmann
(lieſ’t).

» Herrn Hobelmann hundert Thaler zurücklaſ - ſen

Zwirn.

Alſo zweihundert Thaler.

Hobelmann.

Nein, nur einhundert Thaler.

Zwirn.

Verzeihen Sie, Sie haben vorhin geleſen: ich habe Herrn Hobelmann hundert Thaler zurücklaſſen dann haben Sie wieder geleſen: ich habe Herrn Ho - belmann hundert Thaler zurücklaſſen ſeyn alſo zwei hundert.

Hobelmann.

Wie ich das erſte Hundert geleſen hab, hat Er mich unterbrochen, dann hab ich’s repetirt, und ſo iſt das zweite Hundert herauskommen.

Zwirn.

Das müſſen Sie ſich abgewöhnen.

Hobelmann.

So muß Er mich nicht immer unterbrechen.

(Lieſ’t)

» Herrn Hobelman hundert Thaler zurückgelaſſen

5 *100
Zwirn.

Jetzt ſeyn’s drei.

Hobelmann
(böſe).

Es gilt nur einhundert Thaler, ich halte mich an das, was in dem Brief ſteht.

Knieriem.

Nein, nein, es gilt nur hundert Thaler.

Zwirn.

So müſſen Sie alſo nicht mehr herausleſen, als drin ſteht, Sie ſtürzen ſich ſonſt in eine Schuldenlaſt.

Hobelmann.

Jetzt laß Er mich einmal zum Schluß kom - men.

(Lieſ’t.)

zurück laſſen, für den Fall, daß Ihr ebenfalls Nichts mehr haben ſolltet, und ein Reiſegeld braucht. Ich hoff Euch daher vor meinem Ende noch zu ſehen. Euer Bruder Johann Leim.

Zwirn.

Herr Hobelmann, jetzt gebens nur g’ſchwind die hundert Thaler her.

Hobelmann.

Da könnt’s Euch einen frohen Tag d’rum an - thun.

Zwirn.

Ja, das wollen wir auch.

101
Knieriem.

Aber auf eine andere Art, als der Herr Hobel - mann glaubt. Wir bringen ihm das Geld in’s Spi - tal, und nichts wird davon verſoffen.

Zwirn

Wir wollen unter Wegs Erdäpfel eſſen, daß uns der Staub bei die Ohren heraus fahrt.

Fünfter Auftritt.

Vorige. Leim.
Leim
(gut gekleidet, aber häuslich, ſtand ſchon etwas früher unter der Thüre, und ſtürzt auf ſie zu).

Brüderln! laßt’s Euch umarmen!

(Umarmt Beide.)

Ihr ſeyd’s Lumpen, aber treue Seelen, wahre Gold - kerls.

Zwirn.

Wa was iſt denn das?

Knieriem.

Iſt da drin Dein Spital?

Leim.

Der ganze Brief iſt erlogen. Ich bin geſund, glücklich, und mein Reichthum hat ſich noch um Vie - les vermehrt in dem Jahr. Den Brief hab ich nur geſchrieben, um zu ſehen, ob bei Euch’s Herz auf’n102 rechten Fleck ſitzt, und davon hab ich mich jetzt voll - kommen überzeugt. Daß ſich bei Euch das Geld nicht halten wird, das hab ich im Voraus g’wußt; aber es freut mich, daß ich jetzt in der Lag bin, Euch dauerhaft glücklich zu machen.

(Zu Gertraud und Re - ſerl, die nach Leim herausgetreten ſind.)

Geht’s und holt’s Wein und Braten.

(Die Mädchen ab.)
Knieriem.

Ich trink keinen Wein mehr, ich trink jetzt nur Schnapps. Apropos! wie iſt’s mit der Peppi? Haſt Du’s.

Leim.

Freilich hab ich’s.

Knieriem.

Führ ſie uns auf.

Leim
(öffnet die Thüre rechts).

Peppi! Peppi!

Sechster Auftritt.

Vorige. Peppi.
Leim.

Da ſchau her, das ſeyn meine Kameraden, die das große Loos mit mir g’wonnen haben reiche Kerls, man ſieht’s ihnen an.

103
Peppi.

Es freut mich herzlich, die alten Freunde mei - nes Mannes kennen zu lernen.

Zwirn
(ſehr galant).

Erlauben Sie mir Ihre ſchöne Hand zu küſ - ſen und daß die andere Hand nicht böſe wird und daß das liebe Goſcherl da nicht böſe wird.

(Will ſie küſſen.)
Hobelmann
(ſpringt dazwiſchen).

He, Schneider!

Leim.

Zwirn! was treibſt denn?

Zwirn.

Sei nicht kindiſch, Bruder, wir ſeyn ja Ka - meraden.

Leim
(zu Zwirn).

Du, Zwirn, mit Dir hab ich aparte eine Menge zu reden.

(Zu Gertraud und Reſerl, wel - che mittlerweile Braten und Wein gebracht haben.)

Bringt’s uns die Sachen in mein Zimmer. Komm Zwirn, komm mit mir.

Zwirn
(zu Reſerl, die er in die Backen kneipt, indem er mit Leim in die Seitenthüre links abgeht).

O Du lieber Schneck Du!

(Die Mädchen tragen Braten und Wein links hinein, kom - men zurück, und gehen rechts ab.)
104
Hobelmann
(zu Peppi, auf Knieriem zeigend).

Mach ihn nur gleich vorläufig mit unſern Plan bekannt.

(Rechts ab.)
Peppi.

Schon recht, Vater.

Siebenter Auftritt.

Peppi. Knieriem. (Peppi ſchenkt ihm Roſoglio in ein Gläschen und reicht es ihm.)
Knieriem.

Ich bitt, haben’s kein anders Glas.

Peppi.

Warum denn? das gehört ja zum Roſoli.

Knieriem.

Ah nein da ſeh ich ein Stutzen.

(Nimmt ein großes Glas vom Tiſch.)

Bei die klein Gläſer plagt man ſich mit’n Einſchenken z’viel.

(Schenkt ſich ein und trinkt.)
Peppi.

Nun, mein lieber Freund! ich hoffe, daß Er von nun an ein beſtändiger Freund unſers Hauſes ſeyn wird. Er muß ſich hier anſäßig machen, muß Meiſter werden.

105
Knieriem.

Meiſter ſoll ich werden?

Peppi.

Freilich. Wie ſchmeckt der Liqeur?

Knieriem.

Gut, recht gut. Aber eine Bitt hätt[]ich halt.

Peppi.

Was denn?

Knieriem.

Wenn Sie mir einen Zwanziger ſchenken möch - ten, daß ich in’s Branntweinhaus geh’n könnt.

Peppi.

Wozu denn das? Er bekommt ja bei uns Alles viel beſſer.

Knieriem.

Madam, das verſteh’n Sie nicht. Im Haus ſchmeckt einem der beſte Trunk nicht; im Wirthshaus muß man ſeyn, das iſt der Genuß, da iſt das ſchlech - teſte G’ſäuf ein haut goût.

Peppi.
(gibt ihm Geld).

Nun, da hat Er. Ich muß Ihm aber ſagen, daß mich das recht verdrießt von