PRIMS Full-text transcription (HTML)
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Der Wald
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Leipzig und Heidelberg.C. F. Winter’ſche Verlagshandlung1863.
[I]
Erſtes Buch. Die Lebensgeſetze des Waldes.
[II][III]

Dem Gedächtniß Heinrich Cotta’s. Er war über ein halbes Jahrhundert lang Freund und Pfleger des deutſchen Waldes und Bildner der deutſchen Forſtpflegerſchaft. Der Verfaſſer.

[IV]

Aus der Umſchrift der auf unſerm Titel dargeſtellten Denkmünze, welche auf ihrer Gegenſeite in einem Eichenkranze die Inſchrift trägt: Nach 50jährigem Lehren der Forſtwiſſenſchaft , darüber: Tharand am 20. Aug. 1836 darunter: von ſeinen Verehrern und Freunden ergiebt ſich, daß die deutſche Forſtwelt am 30. Oktober 1863 Heinrich Cotta’s hundertjähriges Jubiläum zu begehen hat.

[V]

Vorwort.

Es iſt ein Vorzug lieferungsweiſe erſcheinender Bücher, daß mit Erſcheinen der letzten Lieferung das Urtheil über ſie meiſt ſchon feſtſteht. Faſt 2 volle Jahre ſind ſeit der Hinausgabe der erſten Lieferung dieſes Buches verfloſſen und ſchon nachdem die zweite nachgefolgt war, durfte ich nach den competenteſten Beurtheilungen die Hoffnung hegen, daß meine Arbeit keine mißlungene ſei. Wenn aufmunterndes Lob im Stande iſt, einen an ſeinem Werke fort - ſchaffenden Arbeiter für die Fortführung ſeiner Arbeit immer mehr anzuſpornen und dadurch dieſe ſelbſt in ihrem Gelingen zu fördern, ſo darf ich vielleicht hoffen, daß mein Buch an ſeinem Ende der ihm an ſeinem Anfange zu Theil gewordenen Anerkennung würdig geblieben ſein werde.

Als ich an die Ausführung des lange gehegten und vorbe - reiteten Planes ging mit welchem ich beiläufig geſagt bei den größten Verlagshandlungen ſo lange förmlich hauſiren gegangen war, bis ich faſt muthlos wurde ſo verhehle ich mir keinen Augen - blick, daß ich, wie ich mir den Plan zurecht gelegt hatte, ein kühnes Wagniß unternahm, und daß ich meinem Herrn Verleger gegenüber, der bereitwillig auf die großartig angelegte Herſtellung des Buches einging, große Verantwortung auf mich lade.

VI

Wenn zuletzt das Wagniß einen befriedigenden Ausgang ge - nommen hat worüber die Kritik bald ihr Endurtheil ſprechen wird ſo danke ich dies zu einem nicht kleinen Theile nächſt der Munificenz meines Herrn Verlegers auch meinen auf dem Titel genannten Mitarbeitern, neben denen die Herren Eigner und von Bomsdorf, welche den Druck der Kupferſtiche und Karten in der Brockhaus’ſchen Officin leiteten, nicht ungenannt bleiben dürfen. Herrn Forſtvermeſſungs-Direktor Oberforſtmeiſter Blaſe in Dresden verdanke ich die Benutzung der angefügten 2 Revier - karten, ſowie mich Herr Forſtinſpektor Keilpflug auf Roſſauer, Herr Oberförſter Lindner auf Krottendorfer und Herr Oberförſter Wettengel auf Ebersbacher Revier mit forſtlichen Notizen unter - ſtützt haben.

Ihnen allen überlaſſe ich als Ausdruck meines Dankes gern ein gut Theil des Beifalls, welchen unſere gemeinſame Arbeit jetzt ſchon gefunden hat. Mit meiner Liebe für den Wald verband ſich die ihrige und darüber ſteht auch mir ein Urtheil zu, daß die Leiſtungen der mithelfenden Künſtler denen keines der in ähnlicher Weiſe illuſtrirten neuern Werke nachſtehen.

Wenn ich ſchon in dem kurzen Vorworte zur 1. Lieferung: Was will das Buch auf Zuſtimmung hoffen zu dürfen glaubte, indem ich erklärte, in demſelben den Wald unter den Schutz des Wiſſens Aller ſtellen zu wollen, ſo iſt mir ſeitdem in vielen Beurtheilungen dieſe Zuſtimmung geworden, und wenn ſolchen Beurtheilungen eine Competenz eingeräumt werden darf, ſo wäre mir die Löſung meiner Aufgabe in ihrem weſentlichen Theile nicht mißlungen, indem man dem Buche zugeſteht, daß es dazu beitragen kann, eine tiefere Einſicht in den Wald und ſeine Be - wirthſchaftung, in ſein Leben und ſeine Bedeutung zu fördern. Da nun bei Erſtrebung dieſes Ziels mir bei Allen Liebe zumVII ſchönen Walde zur Seite ſteht, ſo dürfte mein Buch ſeines Erfolges wohl ſicher ſein, obſchon mir dabei ein gut Theil des Verdienſtes eben durch dieſe mithelfende Liebe weggenommen wird.

Den Freunden des Waldes und den Pflegern des Waldes iſt das Buch gewidmet.

Den Freunden und gar ſehr auch den Freundinnen des Waldes bin ich Rechenſchaft über mein Verfahren ſchuldig, obgleich ich andeutend ſchon in dem mit der 1. Lieferung veröffent - lichten Vorworte ſagte, daß es Diejenigen nur theilweiſe befriedigt aus der Hand legen würden, welche bei dem Walde nur an Vogel - gezwitſcher , an Maiblümlein und an zartes Säuſeln oder gewaltiges Rauſchen in den Laubkronen denken können . Mein Buch muthet ihnen etwas zu. Es will ſie nicht blos unter - haltend belehren, oder meinetwegen auch belehrend unterhalten nein es will ſie einfach belehren. Schlimm genug für unſern Lehrton, wenn man um ihm Geſchmack zu verſchaffen, ihn mit ſogenannter Unterhaltung überzuckern muß. Wenn eine Belehrung nicht unterhaltend iſt, ſo taugt ſie nichts, wenn eine Unterhaltung nicht belehrend iſt, ſo taugt ſie ebenfalls nichts. Beide ſind untrennbar. So lange man noch unterhaltende Belehrung als etwas Beſonderes, als eine eigne Form der Darſtellung unterſcheidet, beweiſt man damit, daß wir aus der Zeit des gelehrten Zopfthums noch nicht heraus ſind.

Ich denke , ſagte ich bei jener Gelegenheit, der Wald iſt es werth und verdient es um uns jeden Augenblick, daß wir unter ſeiner ſchönen Außenſeite auch die innerlichen Regungen ſeines Lebens aufſuchen. Unſere Waldliebe verliert nichts, wenn wir den Wald nicht blos mit genußſuchendem ſondern auch mit verſtändniß - ſuchendem Auge anſehen.

Wenn es ſo mein Vorſatz war, die rechte Bedeutung des Waldes in möglichſt weiten Kreiſen zum Bewußtſein zu bringenVIII und doch dabei der Waldluſt ihr volles Recht zu laſſen, ſo iſt es nicht minder meine Abſicht geweſen, die Zucht, Pflege und Be - wirthſchaftung deſſelben möglichſt vielen von den Millionen Deutſchen zu einem überſichtlichen Verſtändniß zu bringen, die davon kaum die Anfänge eines Begriffes beſitzen, die da nicht ahnen, welch ein wichtiges Glied der Staatsgeſellſchaft der Mann im grünen Rocke iſt.

Den Pflegern des Waldes bin ich noch mehr zu einer Rechenſchaft darüber verpflichtet, daß ich ſie neben Jenen auf dem Titel als die Empfänger meines Buches nenne. Bin ich auch 18 Jahre lang (1830 1848) Lehrer der forſtlichen Pflanzen - und Thierkunde auf der Tharander Akademie geweſen, und ſind ſomit Hunderte deutſcher Forſtmänner meine Schüler, ſo bin ich doch nicht Forſtmann, kann mir alſo nicht beikommen laſſen, ihnen in meinem Buche Etwas wie ein forſtliches Lehrbuch bieten zu wollen; ja es kann leicht ſein, daß mein letzter Abſchnitt manche Mängel hat, da eine Verkettung der Umſtände es unthunlich machte, das Manuſcript vor dem Drucke, wie ich es beſchloſſen hatte, einem meiner forſtlichen Freunde zur Durchſicht vorzulegen. Doch fürchte ich nicht, darin dem Nichtforſtmanne irgend etwas geradehin Falſches vorgetragen zu haben.

Was alſo dachte ich dabei, indem ich mein Buch auch für die Pfleger des Waldes beſtimmte? Abgeſehen davon, daß aus dem botaniſchen Theile deſſelben Manchem eine Auffriſchung alten ja hie und da vielleicht ſelbſt Gewinnung einiges neuen Wiſſens erwachſen kann, ſo wollte ich an ihr Urtheil darüber appelliren, wie weit es mir gelungen ſei, den Schauplatz ihres ſegensreichen Wirkens und dieſes ſelbſt dem Nicht-Forſtmanne anſchaulich zu machen und dann auch wollte ich ihnen den Pflegern des Waldes eine Freude damit machen, wenn mir dieſe Schilderung ſo weit ge -IX lingen ſollte, daß daraus eine verſtändnißvolle Werthſchätzung ihres Berufes von Seiten des Volkes hervorgehe, woran es ſo ſehr gebricht. Daß dieſe Schilderung (das dritte Buch ) nur eine ſkizzenhafte iſt, war durch die Aufgabe meiner Arbeit bedingt, welche durchaus keine tiefeingehend forſtliche ſein konnte.

Aber auch an die Künſtler wendet ſich mein Buch, nicht allein deſſen 17 Charakterbilder deutſcher Bäume, ſondern ganz beſonders auch der Abſchnitt Architektur der Waldbäume (S. 210 236). Mit meinen Freunden Heyn, Krauße und Neumann habe ich mehr als einen Sommer und Winter lang Waldſpaziergänge gemacht, um uns in die Eigenthümlich - keiten der Baumarten zu vertiefen. Die Ergebniſſe ſind unſere Bilder, aus denen vielleicht hervorgehen wird, daß ſelbſt in ſo kleiner Wiedergabe dieſe Eigenthümlichkeiten Berückſichtigung finden können.

Endlich habe ich noch ein Wort an die Landwirthe zu richten. Sie vor Allen ſind von ihrem eigenen Intereſſe zu Beſchützern des Waldes berufen, beſonders die großen Grundbeſitzer unter ihnen, welche meiſt auch zugleich Beſitzer von Waldungen ſind. In dem bewaldeten Theile ihres Grundbeſitzes ruht großentheils die Gewähr der Fruchtbarkeit ihres Feldbeſitzes, wenn auch nicht für einen Einzelnen von ihnen, ſo doch für ſie alle zuſammen. Darum iſt es als ein unnatürliches Verhältniß tief zu beklagen, welches weſent - lich auf Unkenntniß der einfachſten Naturgeſetze beruht, daß der Forſtwirth den Landwirth beinahe als ſeinen Feind anſieht, da dieſer zuweilen nicht blos ſeine eignen Wälder verwüſtet, ſondern auch fremden durch Streu - und Hutungsſervitute Schaden zufügt. Hier iſt es ein Verdienſt, Verſtändniß zu verbreiten; das vorliegende Buch hat ſich an mehreren Stellen ernſtlich bemüht, dieſes Verdienſt zu erwerben.

X

Das ſehr ausführliche Sachregiſter, für welches ich einem hülfreichen Freunde verpflichtet bin, wird die Benutzung des Buches weſentlich unterſtützen.

Und ſo möge denn mein Wald wenn ſein Vorbild draußen erſtorben ſcheint dem Leſer und der Leſerin ein kleiner Erſatz ſein, oder ein Begleiter in den wieder lebendig gewordenen Wald, und in beiden Fällen werden die zwei Jahre meines Lebens, die ich dieſer Arbeit gewidmet habe, nützlich verſtrichen ſein, wenn ſie dazu beiträgt, den Wald unter den Schutz des Wiſſens Aller zu ſtellen.

Leipzig, im Oktober 1862.

E. A. Roßmäßler.

[XI]

Inhalts-Verzeichniß.

  • Erſtes Buch. Die Lebensgeſetze des WaldesSeite 1 236
    • S.
    • 1. Wald und Forſt1
    • 2. Woraus beſteht der Wald? 9
    • 3. Der Baum12
    • 4. Der Waldboden25
    • S.
    • 5. Der Bau und das Leben des Baumes (der Bau) 48
    • 6. Der Bau und das Leben des Baumes (das Leben) 131
    • 7. Architektur der Waldbäume210
  • Zweites Buch. Uaturgeſchichte der WaldbäumeSeite 237 550
    • 8. Die Nadelbäume239
      • 1. Die gemeine Kiefer257
      • 2. Die Schwarzkiefer289
      • 3. Die Krummholzkiefer293
      • 4. Die Zirbelkiefer oder Arve298
      • 5. Die Fichte oder Rothtanne304
      • 6. Die Tanne oder Weißtanne324
      • 7. Die Lärche334
      • 8. Der Taxus oder die Eibe346
      • 9. Der Wachholder351
    • 9. Die Laubbäume355
      • 1. Die Buche367
      • 2. Die Stiel - oder Sommereiche382
      • 3. Die Stein - oder Wintereiche398
      • 4. Die flaumhaarige Eiche401
      • 5. Die Zerreiche403
      • 6. Die öſterreichiſche Eiche405
      • 7. Der Hornbaum406
      • 8. Die Hopfenbuche413
      • 9. Die Schwarz-Erle415
      • 10. Die nordiſche oder Weiß-Erle422
      • 11. Die Strauch-Erle424
      • 12. Die gemeine Birke426
      • 13. Die Strauchbirke437
      • 14. Die Zwergbirke438
      • 15. Die Espe oder Zitterpappel439
      • 16. Die Silberpappel445
      • 17. Die Schwarzpappel449
      • 18. Die Sahlweide454
      • 19. Die Ohrweide459
      • 20. Die Feldrüſter462
      • 21. Die Korkrüſter471
      • 22. Die Flatterrüſter474
      • 23. Der Zürgelbaum478
      • 24. 25. Der ſchwarze Hollunder u. der Traubenhollunder478
      • 26. 27. Der Kornel - und der ge - meine Hartriegel480
      • 28. 29. Der Waſſerholder und der Schlingſtrauch482
      • 30. Die gemeine Eſche484
      • 31. Die Blumen-Eſche491
      • 32. Der Liguſter491
      • 33. Die Stechpalme oder Hülſe493
      • 34. 35. Der glatte Wegedorn und der Kreuzdorn495
      • 36. Die Ebereſche500
      • 37. Die zahme Ebereſche501
      • 38. Die Mehlbirne502
      • 39. Die Elsbeere504
      • 40. Der Weißdorn504
      • 41. Die gemeine Mirpel507
      • XII
      • S.
      • 42. 43. Der wilde Apfelbaum und der wilde Birnbaum508
      • 44. Die gemeine Quitte511
      • 45. Die Vogelkirſche512
      • 46. Die Felſenkirſche514
      • 47. Die Traubenkirſche515
      • 48. Der Schlehdorn517
      • 49. Die Kriechen-Pflaume518
      • S.
      • 50. Der Sauerdorn520
      • 51. Der gemeine oder Berg-Ahorn521
      • 52. Der Spitzahorn526
      • 53. Der Feld-Ahorn oder Maßholder529
      • 54. 55. Der gemeine und der breit - blättrige Spindelbaum533
      • 56. Die kleinblättrige Linde534
      • 57. Die großblättrige Linde542
  • Drittes Buch. Die Waldwirthſchaft551
    • 10. Die Formen des Waldes553 Der Auenwald. Die Heide, Moor und Sandheide; (Götterbaum und Robinie); der Bruchwald; der Gebirgswald; internationale Bedeutung des Waldes; der Alpenwald; Wettertannen oder Gogants; Hoch -, Mittel - und Niederwald; Plänterwald; reiner und gemiſchter Beſtand.
    • 11. Die Arbeit des Forſtmannes580 Vorausſicht iſt Grundzug; Einrichtung eines Revieres; Beſtandskarte und Hauungsplan. Gliederung der Arbeit des Forſtmannes nach den Zweigen der Forſtwiſſenſchaft:
      • 1. Waldbau592
      • 2. Forſtſchutz602
      • 3. Forſteinrichtung605
      • 4. Waldwerthberechnung607
      • 5. Forſtverfaſſung609
      • 6. Forſtbenutzung u. Forſttechnologie613
  • Sachregiſter616
[XIII]

Alphabetiſches Verzeichniß der Holzſchnitte.

  • Adventivknospen 191.
  • Ahorn, gemeiner 523.
  • Spitz - 527.
  • Feld - 530.
  • Anatomie des Coniferenholzes 264.
  • Birke 428.
  • Blätter 431.
  • Frucht 429.
  • Buche 369.
  • Blattſpielarten 373.
  • Keimpflanze 137.
  • Buchenholz, Gewebe 162.
  • Drehwüchſiges Holz 287.
  • Eiche, Sommer - 383.
  • Keimpflanze 385.
  • Winter - 399.
  • Flaumblättrige und Zerr - 402.
  • Oeſtreichiſche 404.
  • Entfaltung der Buchen - und Ahornknospe 165, 166.
  • der Lindenknospe 167.
  • Erle 416.
  • Weiß - und Strauch - 422.
  • Espe 441.
  • Eſche 485.
  • Blätter 487.
  • Knospenentfaltung 489.
  • Fichte 305.
  • Fichtenborkenkäfer 314.
  • Flechten des Waldbodens 32.
  • Gefäßverlauf des Eichenholzes 178.
  • Holzauswuchs der Eiche 176.
  • Hornbaum 407.
  • Blattſpielart 411.
  • Jahreszuwachs des Stammes 92.
  • Ungleichmäßiger 93.
  • Keimung der Schminkbohne 135.
  • Kiefer, gemeine 124, 257.
  • Kiefer, vom Waldgärtner verunſtaltet 280.
  • Kiefernadel 260.
  • Kiefernmarkkäfer 281.
  • Kiefernſpinner 274.
  • Knospe 63.
  • Korkbildung des Rüſterntriebes 115.
  • Krummholzkiefer 294.
  • Kurztrieb und Knospen 60.
  • Lärche 335.
  • Ueberwallungen 344.
  • Linde, Sommer - 536.
  • Winter - 543.
  • Nadel - und Laubholzgefüge 101.
  • Oberhaut des Buchenblattes 126.
  • Querſchnitt des Adlerfarrn 37.
  • des Buchenblattes 127.
  • eines Eichentriebes 85.
  • eines Eſchentriebes 87.
  • Quer - und Längsſchnitt der Lindenrinde 97, 111.
  • Rüſter, Feld - 464.
  • Flatter - 475.
  • XIV
  • Rüſter-Blätter 477.
  • Sahlweide 456.
  • Schema des Stammbaues 88.
  • Schlupfwespen 277.
  • Schwarzkiefer 290.
  • Schwarzpappel 450.
  • Silberpappel 446.
  • Tanne 325.
  • Zapfen 327.
  • Taxus 384.
  • Triebzuwachs der Kiefer 70.
  • Verbänderungen 317.
  • Wachholder 352.
  • Weiß - und Schwarzdorn 505.
  • Wurzelſchößling 196.
  • Zauberring 172.
  • Zirbelkiefer 298.
  • Keimpflanze 300.
  • Zapfenſchuppen 299.
[1]

1. Wald und Forſt.

Hier und da ſtaunen wir noch rieſenhafte Eichen und Tannen an, die ohne alle Pflege gewachſen ſind, während wir uns überzeugt fühlen, daß von uns an jenen Stellen durch keine Kunſt und Pflege ähnliche Bäume erzogen werden können. (Heinrich Cotta (1816). )

Auch die Pflanzen haben im Umgang mit einander wie die Menſchen ihre Neigungen und Abneigungen, bald dem Sprichwort gehorſam gleich und gleich ſich geſellend, bald fern von ihres Gleichen die Geſellſchaft des Unverwandten ſuchend. Dies hat ſchon ſeit alter Zeit den Begriff der geſelligen Pflanzen gegründet. Ja als man, namentlich nach Humboldt’s Vorgange, das ſtille Volk der Pflanzen im Sinne einer Be - völkerung neben der Thierbevölkerung des Erdenrundes auffaßte, bildete ſich allmälig die Lehre von der geographiſchen Vertheilung der Gewächſe aus, in welcher die ſociale Seite ihre Rolle ſpielt. Nicht der Zufall oder die Launen des Windes und der Gewäſſer welche die Samen bald hier bald dorthin tragen beſtimmen den Pflanzen ihre Stätte. Es herrſcht hier wie bei der menſchlichen Geſellſchaft ein Zug mächtiger Kräfte oder einer ſanften Innigkeit, dem die Pflanzen, wie auch oft wir, bewußtlos folgen, und dabei dennoch, wie wiederum auch wir, in ſich ſelbſt die maßgebenden Geſetze tragen, welche mit den Geſetzen der Außenwelt in Verknüpfung ſtehen.

Es möchte ſcheinen, als übte die Natur Deutſchlands und ihm gleich beſchaffener Lagen, welche die goldene Mittelſtraße geht, in mehr als einer Hinſicht den Geſelligkeitszug aus; wenigſtens zeigt ſich dies in der Pflanzen - welt wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Zu keiner Zeit des Jahres zeigt unſer Klima ſo herriſche Gegenſätze, daß wir in einem Kampfe mit den -Roßmäßler, der Wald. 12ſelben uns gezwungen ſähen, alle anderen Rückſichten vergeſſend mit äußerſter Mühe es uns in dem kleinen Raume, den unſer Leib erfüllt, behaglich oder erträglich zu machen. Winter und Sommer nahe dem Pole und dem Erdgleicher, die Feinde der Geſelligkeit ſind bei uns die Beförderer derſelben. Ungeſucht bietet ſich, und zwar in einer eigen - thümlich ausgeprägten Beſtimmtheit, das Gleichniß unſerer Pflanzenwelt dar. Nicht bloß daß dieſe in vielen Punkten die gleiche Geſelligkeit zeigt, ſondern ſie zeigt dieſe auch gleich uns deutſchen Menſchen in der Aus - prägung des echt deutſchen Sprichwortes, was ich ſchon vorhin anwendete: Gleich und Gleich geſellt ſich gern ; nur daß ihr dies nicht ſo wie uns ein Vorwurf ſein kann. Denn wahrlich, es würde eine überraſchende Unterhaltung bieten, die einander ausſchließenden geſelligen Vereinigungen der Deutſchen mit denen der deutſchen Pflanzenwelt in Parallele zu ſtellen. Ich überlaſſe es aber meinen Leſern, zu dem ſich ſelbſt genügenden, heiteren Buchenwalde, dem niederes Volk ſchirmenden ariſtokratiſchen Eichenwalde oder dem plebejiſchen Weidendickicht des Flußufers ſich unter den Caſino’s und Reunions der Menſchen die paſſenden Seitenſtücke ſelbſt auszuſuchen.

Wald und Wieſe ſind zwei geſellſchaftliche Erſcheinungsformen der Pflanzenwelt, welche ſich in Deutſchland ſchärfer ausprägen, als in wär - meren Klimaten. Nicht nur daß die ſtolzen Bäume ſich aus der Geſell - ſchaft der niedrigen Pflanzengeſchlechter zurückziehen und im Walde ſich dicht und eng zuſammenſchaaren, auch unter ſich beobachten ſie das Syſtem der Ausſchließlichkeit. Der Nadelwald trennt ſich vom Laubwalde, ja die Fichte trennt ſich von der Kiefer, die Buche von der Eiche. Dies iſt wenigſtens dann der Fall, wenn der Wald im Mittelgebirge ſeine Herr - ſchaft entfaltet. In den fruchtbaren Niederungen ſchwindet oft dieſes kalte Streben der Abſonderung und wir erhalten dadurch gegenüber jenen reinen Kiefern - oder Fichtenwaldungen die ſchönen gemiſchten Laubwälder unſerer Auengegenden.

Die Wieſe zeigt uns das Bild eines liebenswürdigen Widerſpruchs: das treue Zuſammenhalten gleicher Brüder, der Gräſer, und das freund - liche Patronat derſelben gegen Fremde, die ſogenannten Wieſenkräuter, welche wir nirgends anders antreffen, als im grünen Schooße der Wieſen - gräſer, und deren ſich meine pflanzenkundigen Leſer und Leſerinnen eine Menge nennen werden.

3

Oft drängt ſich unſer Intereſſe ein in die freie Vergeſellſchaftung der Pflanzen und wir wenden alle Mittel der vorgeſchrittenen Feldbeſtellung an, um von unſeren Getreidefeldern gewiſſe Pflanzen fern zu halten, welche von Natur das Bedürfniß zu haben ſcheinen, die Geſellſchaft der Getreidepflanzen, ja deren Schutz zu ſuchen. Gehaßte Unkräuter werden uns dann auch jene drei vom Dichter geprieſenen Blumen, die blaue Cyane nebſt Kornrade und Ackermohn, deren heimathliche Berechtigung zuletzt die Schnitterin dennoch anerkennt, wenn ſie dem ſegenſchweren Wagen auf dem Rechen den Erntekranz vorträgt, in welchem ſie jene drei Blumen zwiſchen die falben Aehren geflochten hatte.

Der Wald ſteigert das ins Große, was die Wieſe im Kleinen zeigt und zwar in vielen Abſtufungen. Ich darf mich hier auf die Wahr - nehmungen aller Waldfreunde berufen und wer wäre kein Waldfreund? Wir alle kennen die verſchiedenen Grade der Gaſtfreundſchaft der Wälder. Der dicht geſchaarte Fichtenwald verſtattet nur dem zierlichen Völkchen der Mooſe das Lager zu den Füßen ſeiner Stämme, während der weitäſtige Eichenwald Raum läßt für ein ganzes Heer von Geſträuchen und Kräu - tern, der Buchenwald hingegen, den Nadelhölzern es an Selbſtgenüg - ſamkeit noch zuvorthuend, unter ſich faſt gar keine Waldkräuter duldet, denn er bedeckt den Boden fußhoch mit den ſchier unverweslichen Leichen ſeines Laubes.

Iſt alſo auch der Wald ein an ſich klarer und Niemand zweifelhafter Begriff, ſo ſchließt er doch Manchfaltigkeit ſeiner Ausprägung nicht aus. Ja dieſe Manchfaltigkeiten ſind ſo groß, daß ſie unſere Gemüthsſtimmung auf die verſchiedenſte Weiſe anregen; und es geſchieht dies nicht bloß durch die Baumverſchiedenheit der Wälder, ſondern faſt mehr noch durch den Charakter ihrer Bodendecke. Mit dieſem Namen wollen wir nämlich, dem Forſtmanne folgend, die Art bezeichnen, wie der Waldboden zwiſchen den Bäumen verhüllt iſt, was bald durch die abgefallenen Nadeln oder Blätter, oder durch mehr oder weniger dicht ſtehende Pflanzen niederen Ranges geſchieht. Wie verſchieden der Wald die Saiten unſeres Gemüths anzuſchlagen vermag, das werden wir ſofort inne, wenn wir uns in einen ſonndurchglüheten, harzduftenden Kiefernwald und dann wieder in einen Buchenwald verſetzen. Wir werden ſpäter Veranlaſſung finden, uns dieſer Anregungen des Waldes und ihrer Gründe klar bewußt zu werden. Jetzt1*4iſt es uns bloß darum zu thun, den Wald als ein Beiſpiel des Geſellig - keitstriebes im Pflanzenreiche uns vorzuhalten und nun weiter den Unter - ſchied zwiſchen Wald und Forſt feſtzuſtellen.

Jeder Forſt iſt zugleich auch ein Wald, aber nicht jeder Wald, und wäre er auch noch ſo groß, ein Forſt. Die geregelte Pflege und Bewirthſchaftung macht den Wald zum Forſte. Darum giebt es Urwälder aber keine Urforſten, eine Forſtwiſſenſchaft, keine Waldwiſſenſchaft. Das uralte deutſche Wort trägt dieſe ſeine beſchränkende Bedeutung in dem Worte Förſter klar zur Schau, für welches die Sprache kein gleich - bedeutendes von Wald gebildetes hat.

Die Nutzung des Waldes macht ihn noch nicht zum Forſte und darum ſind leider noch viele unſerer Gemeindewaldungen keine Gemeinde - forſten. Die Aufgabe der Zeit aber iſt es, wenigſtens in Kulturſtaaten, alle Wälder Forſten werden zu laſſen. Wir alle ſind dabei betheiligt, und mehr noch als wir unſere Enkel.

Man darf es wohl ſagen, daß die fern von großen Waldungen in volkreichen Städten Wohnenden die forſtliche Bedeutung des Waldes nur oberflächlich, meiſt ſogar noch weniger, kennen und würdigen. Ihnen iſt der Wald eine von ſelbſt fließende Quelle, die ihnen um ſo unerſchöpf - licher zu ſein ſcheint, je weniger ſie das Baumleben kennen und je unbe - kannter ſie ſind mit den Ziffern der Statiſtik, einer Wiſſenſchaft, ſo meinen ſie, die ſie ja nichts angeht.

Wie wenig ahnt man, daß der Förſter mit dem Gärtner und Acker - bauer die gleiche Aufgabe hat: Pflanzen zu ſäen und zu erziehen, nur unter noch weit größeren Mühen und Widerwärtigkeiten und das ver - geſſe man nicht oft, ja meiſt ohne in der Reife ſeiner Saaten ſeinen Lohn zu erleben. Leider iſt ja Vielen der Förſter mehr bloß ein Holz - verwalter als ein Walderzieher.

Diejenigen meiner Leſer, welche ſich zu den Freunden, nicht zu den Pflegern des Waldes zählen, mögen nur jetzt nicht fürchten, es könne ihnen etwas verloren gehen von ihrer poetiſchen Waldliebe, wenn ſie ihren Freund als Forſt in das kalte Licht der Wiſſenſchaft geſtellt ſehen. Lieben wir denn einen Freund dann weniger, wenn wir hören, daß er nicht bloß durch ſeine Innigkeit und Tiefe des Gemüths, nicht bloß durch den leuch - tenden Blick ſeines ſchönen Auges und durch den Zauber ſeines Geſprächs5 glänzt daß er in aller Stille einem ernſten edeln Berufe folgt? So iſt es mit dem Walde.

Wenn der Eichbaum gefällt neben ſeiner Wurzel liegt und Säge und Beil ihn zerſtücken nicht dann erſt beginnt er uns zu nützen. Die größere Halbſchied ſeines Nutzens endet mit ſeinem Leben. Was wir uns aus ſeinem Holze machen, kommt dem an Wichtigkeit nicht gleich, wozu er im Intereſſe unſeres Lebens mit anderen Bäumen als lebendiger Baum beitrug. Als Waldpfleger, nicht als Holzfäller iſt der Förſter ein wichtiger Arbeiter im Dienſte des Völkerlebens, nicht minder wichtig als der Ackers - mann. Zwar muß zugegeben werden, daß dieſe Seite des Wälderſegens, welche mit dem Fällen der Wälder aufhört, vielleicht ſelbſt von manchem Förſter noch nicht gewürdigt iſt. Aber die warme Liebe der Waldpfleger für ihre grünen Reviere verhütet die Gefahr, welche in jener Unkenntniß liegen könnte, von ſelbſt, denn nur ſelten iſt ein Förſter nichts weiter als ein kalter Finanzmann, der nur Klaftern im Walde wachſen ſieht, und nur nach dem Ruhme eines hohen Abgabe-Etats trachtet.

Vielleicht nur für wenige meiner Leſer und Leſerinnen brauche ich erſt noch zu ſagen, daß ich jetzt die Bedeutung des Waldes für das Klima und alſo für die Fruchtbarkeit des Bodens im Auge habe. Die Forſt - wiſſenſchaft erkennt in neuerer Zeit in der Würdigung dieſer Bedeutung des Waldes die Spitze ihrer Aufgabe und iſt dadurch aus der niederen Stellung der Holzerzieherin zu einer Höhe emporgeſtiegen, wo ſie ſich neben Wiſſenſchaften erblickt, welche man ſonſt hoch über ſie ſetzte.

Allerdings nimmt die ausübende Forſtwiſſenſchaft, die Forſtwirthſchaft, in ihren Maßregeln und Arbeiten auf dieſe höchſte Seite der Waldbedeu - tung noch keinen beſonderen Bedacht, denn ihr letztes und nächſtes Ziel war immer nur eine möglichſt reichliche Holzernte unter vorſichtigem Bedacht, daß eine gleiche auch den kommenden Zeiten geſichert ſei. Es kam aber dabei von ſelbſt auch für den in Rede ſtehenden Nutzen des Waldes das überhaupt Erreichbare heraus, denn der des Holzes wegen zu möglichſter Lebensfülle erzogene Wald war zugleich geeignet, jener Aufgabe zu genügen.

Wie könnte ich noch zweifeln wollen, daß ſchon nach dieſer kurzen Andeutung kein Waldfreund mehr den Forſt mit ſcheuem Bedenken anſehen werde, daß keinem die Forſtwiſſenſchaft länger als ein Eingriff in ſein poetiſches Beſitzthum erſcheine.

6

Hier drängt ſich uns ein alter noch ziemlich verbreiteter Irrthum zur Beachtung und Berichtigung auf. Manche glauben, die großen Waldungen Deutſchlands ſeien noch Erbſtücke der alten Teutonen und ohne unſer Zuthun von ſelbſt gewachſen. Solcher Erbſtücke, echte Urwälder, giebt es in Deutſchland nur noch ſehr wenige. Selbſt ſehr alte und ausgedehnte Waldungen ſind theils urkundlich, theils durch gewiſſe Merkmale nachweis - bar Schöpfungen forſtlicher Hände, deren Spuren ſich freilich für den unkundigen Blick zuletzt vollkommen verwiſchen, was ja eben dem Wald - freunde ganz recht ſein muß. Dieſer Irrthum hängt mit einem anderen zuſammen, der ſich in der Form eines zum Glück nicht aller Welt geläu - figen Sprichwortes breit macht: wo nichts wächſt, wächſt Holz. Dieſe grundfalſche Floskel ſpricht der Forſtwiſſenſchaft Hohn und erklärt den Wald gewiſſermaßen für einen Lückenbüßer des Feldbaues. Wir werden im Verlauf Gelegenheit finden, uns zu überzeugen, daß wo nichts wächſt , d. h. an ſehr unfruchtbaren Orten, es zuletzt doch meiſt noch leichter gelingt, einen kümmerlichen Feldbau zu betreiben, als ſolche Orte für Holzzucht zu gewinnen. Bei der allgemeinen großen Unbekanntſchaft mit dem Geſchäft des Forſtmannes wird es freilich Manchem unglaublich vorkommen, zu hören, daß ein gar nicht eben ſehr unfruchtbar ausſehender Boden dem Holzanbau zuweilen unbeſiegbare Schwierigkeiten entgegenſetzt, und daß der Forſtwirth hierin gegen den Landwirth in ſofern ſelbſt im Nachtheil iſt, weil er ſeine ungeheuren Kulturflächen nicht wie dieſer durch Düngen und Beſtellungsarbeiten verbeſſern kann und hiernach liegt wenigſtens etwas Wahres in der Volksmeinung, daß der Wald von ſelbſt wachſe.

Was der Forſtmann zu dieſem von ſelbſt ſeinerſeits noch hinzufügen kann, um das Gedeihen und Heranwachſen ſeiner Kulturen zu kräftigen und zu beſchleunigen, das iſt himmelweit von dem verſchieden, was hier in der Hand des Landwirthes liegt und wird viele meiner Leſer über - raſchen, wenn wir es ſpäter kennen lernen werden. Hier ſei nur vorläufig daran erinnert, daß es der Forſtmann ſtets mit langen Zeiträumen zu thun hat, wodurch ſeine Maßregeln einen weiten Spielraum gewinnen und Erfolge oft lange auf ſich warten laſſen. Oft bleiben dieſe Jahre und Jahrzehende lang aus, oder erweiſen ſich ganz der Erwartung ent - gegen, treten auch wohl ſo ſpät erſt ein, daß dann die von der bisherigen7 Erfahrung gerechtfertigte Ungeduld durch Ergreifung neuer Maßregeln dem endlich doch noch kommenden Erfolge ſtörend in den Weg tritt.

Der Waldbau iſt in der That ein großartiges Geduldſpiel; der Förſter ſteht der Natur gegenüber und beide tauſchen ihre bedächtigen Schachzüge, ſo bedächtig, daß der Erſtere oft darüber ſtirbt, ehe ſein Gegenpart durch einen maßgebenden Gegenzug geantwortet hat.

Der Waldfreund denkt ſich die Sache meiſt ganz anders. Begegnet er dem grünen Manne in ſeinen weiten, vom Morgengeſang der Vögel durchſchmetterten Revieren, ſo hat er wohl keine Ahnung davon, daß unter dem grünen Rocke vielleicht ein um ſeinen Pflegling bekümmertes Herz ſchlägt, daß ſich vielleicht eben der Mann den Kopf zerſinnt, weshalb wohl plötzlich jene Fichtenpflanzung nicht mehr wachſen will, an deren Gedeihen er zehn Jahre lang ſeine Freude hatte. So ſtehen zwei Männer neben einander, beide ſehen daſſelbe, beide lieben daſſelbe, der eine aber nennt und empfindet darin den Wald, der andere ſieht und ſorgt ſich um den Forſt.

Daneben kann es wohl vorkommen, daß ein greiſer Forſtmann, der ſchon eine Wandelung ſeines Revieres geſehen hat, mit theilnahmvollem Lächeln den Streifereien des Malers folgt, der vergeblich nach einem Plätzchen für ſeinen Feldſtuhl ſpäht, von wo aus er ein kunſtgerechtes Waldbild ſich geſtalten ſähe. Du kommſt zu ſpät, an der Stelle Deines Waldes ſteht jetzt mein Forſt.

Wir wollen ehrlich ſein. Die Forſtwirthſchaft iſt der Poeſie des Waldes nicht eben günſtig. Aber neben dieſem Geſtändniß kann es recht gut beſtehen, daß ich vorhin dem Waldfreunde ſagte, die Forſtwiſſenſchaft raube ihm nichts von ſeiner Waldliebe. Die Poeſie derſelben muß ſich aber in demſelben Sinne vergeiſtigen, klären, wie wir vorhin vom Walde einen höheren, tief in unſer Leben eingreifenden Beruf kennen lernten, welcher viel bedeutſamer iſt, als der Holzwerth des Waldes, und vom Denkenden leicht mit ſeiner poetiſchen Waldliebe verſchmolzen wird. Giebt es eine poetiſchere Anſchauung des Waldes, als wenn wir ſeine Laubkronen und ſeine Wurzeln als die Zauberer denken, welche das dreigeſtaltige ruhe - loſe Waſſer in zweien ſeiner Geſtalten, als Gas und als flüſſige Tropfen, im Dienſte des organiſchen Lebens feſthalten, herbeirufen mit Einem Worte: beherrſchen?

8

Der Wald hört nicht auf, ein Liebling unſeres Sehnens zu ſein, wenn er eine Quelle unſeres ganzen Seins wird. Wer die fürchterlichen Folgen der Entwaldung in dem franzöſiſchen Departement der Oberalpen und der Dauphiné, wer ſie in vielen Gegenden Südſpaniens geſehen hat, in dem ſteigert ſich ganz von ſelbſt ſeine kindliche Waldluſt zur dank - baren Liebe.

Daß ich es gerade herausſage: was mich ſchon ſeit Jahren zu dieſer Darſtellung des Waldes getrieben hat, was zuletzt in den genannten Län - dern zu einem unwiderſtehlichen Drange wurde: es iſt der Wunſch, den Wald gegenüber den maßloſen und gedankenloſen Anfor - derungen an denſelben unter den Schutz des Wiſſens Aller zu ſtellen.

Wahrlich es iſt hohe Zeit, neben die Bedeutung des Waldes und des Forſtes noch eine dritte zu ſtellen und nicht zu ruhen, bis dieſelbe in Allen lebendig geworden iſt. Ich habe ſie hinlänglich angedeutet und verſuche es jetzt nicht, für ſie einen Namen, gleich jenen kurz und bündig, zu erfinden.

[9]

2. Woraus beſteht der Wald?

Hier quillt die träumeriſche,
Urjugendliche Friſche;
In ahnungsvoller Hülle
Die ganze Lebensfülle.
(Lenau.)

Wenn hierauf aus Bäumen die richtige Antwort wäre, ſo wäre allerdings die Frage ſo müßig, wie ſie Manchem erſcheinen mag. Dieſe Antwort würde aber die Frage nur ſehr mangelhaft erledigen und allen - falls einen kunſtgerecht erzogenen Fichtenbeſtand treffen. Wenn wir uns jetzt recht lebhaft eines unſerer fröhlichen Waldgänge erinnern, ſo fühlen und wiſſen wir auch, daß der Wald nicht blos aus Bäumen beſteht.

Es fehlt unſerer reichen Sprache ein Wort, um es damit kurz und rund auszudrücken, daß der Wald ein formenreicher Inbegriff von Körpern und Erſcheinungen iſt. Ich entlehne jetzt nicht der franzöſiſchen Sprache, welche ein ſolches Wort beſitzt, um auch nicht den leiſeſten Anklang an Ausländiſches in die Betrachtung unſeres Deutſchen Waldes einzumiſchen.

Nennen wir darum den Wald eine ſchöne, eine gewaltige Vereinigung von Körpern und Erſcheinungen, in welcher kein Theil den übrigen völlig gleicht, und welche alle dennoch vollkommen zuſammenſtimmen zu erhabenem Einklang, der die Saiten in einer jeden unverdorbenen Bruſt erklingen macht.

Was in anderer Auffaſſung zu einem Vorwurfe werden kann, findet in dem Einklang, der der Wald iſt, Erklärung und ſomit Entſchuldigung. Umfangen von den hunderterlei Eindrücken, welche uns im Walde werden, können wir über dem Ganzen die Theile vollſtändig vergeſſen, es kann uns widerfahren, und vielen widerfährt es wirklich und daraus kann10 man eben einen Vorwurf machen daß in uns die ſprichwörtliche Redensart ſich umkehrt, daß wir vor dem Walde die Bäume nicht ſehen.

Das Ordnungsloſe, das Ungebundene, das unbändig Kühne, was uns ſonſt ſo oft verwirrt und verletzt: im Wald erhält es Berechtigung und wirkt in uns gegentheilig; es erzeugt in uns jenen ahnungsvollen Schauer, den nur die Natur in ihrer Größe hervorzurufen vermag. Es iſt nicht ein einzelner Sinn, den wir angeregt fühlen; alle Sinne wölben ſich zu Einer weitgeſpannten Pforte, durch welche das erhabene Waldbild in unſer Inneres einzieht.

Indem wir uns deſſen bewußt werden, ſo wäre es jetzt eine pedan - tiſche Entweihung, wollten wir den Wald in ſeine Einzelheiten zerlegen. Die Titelfrage iſt darum auch nicht deshalb aufgeworfen, um nun mit dem kalten Meſſer des Zergliederers den Wald in ſeine Theile zu zerlegen; ſie will nichts weiter, als uns zwingen, einmal mehr als es gewöhnlich geſchieht, uns zu erinnern, daß eben nicht blos die Bäume es ſind, daß es überhaupt nicht blos einzelne Dinge ſind, welche uns den Wald bilden; ſondern daß uns der Wald eine Erſcheinung iſt, ſo reich und manchfaltig, daß wir, indem wir uns ihr hingeben, an ihre Zergliederung gar nicht denken und kaum inne werden, wie uns geſchieht, wenn ſich der Wald unſeres Gemüthes ganz und voll bemächtigt.

In dieſer Auffaſſung möchte es ſcheinen, als gehöre der Wald nur dem Dichter und dem Maler, und wir merken eben, daß Inhalt und Aufgabe dieſes kleinen Abſchnittes in der Hauptſache eben in der Anerken - nung dieſes Eigenthums-Rechts aufgeht.

Aber ſind denn Dichter und Maler und der Forſcher ſo von einander getrennt, daß deren beiderſeitige Beſitztitel am Walde auf verſchiedenen Papieren geſchrieben ſind? Nimmermehr. Die Natur iſt ja eben die große Verſöhnerin, welche die auseinanderſtrebenden Wege menſchlicher Thätigkeit auf Einen Punkt zuſammenruft. Der Dichter, in dem ſich nichts vom Maler, nichts vom Forſcher regt, der Forſcher, dem die Empfindungen des Dichters und Malers fremd ſind, ſind keine echten Söhne der Natur.

Es iſt eine von den Aufgaben unſerer Arbeit, dieſen Zwieſpalt zwiſchen Dichter, Maler und Naturforſcher zu verſöhnen, und nirgends kann dies erfolgreicher geſchehen, kein Ort iſt dazu würdiger angethan als der Wald. 11In ihm wird jedes reine, eines Aufſchwungs fähige Gemüth zum Dichter wie zum Maler, und um es zu werden bedarf es nicht des Verſuchs, ſeine Ausrufungen in gereimte Worte zu faſſen, die ausgebreitete Pracht ſich und Anderen mit dem Griffel aufzubewahren. Nur Forſcher wird man im Walde zuletzt und man könnte fragen, wie wir es im vorigen Abſchnitt auch bereits gethan haben, ob nicht die forſchende Betrachtung des Waldes eine Beeinträchtigung der poetiſchen ſei. Ich fürchte es nicht. Wenn Dichter und Maler wenig daran denkt, die Frage unſerer Ueber - ſchrift zu beantworten, ja überhaupt ſie ſich vorzulegen, ſo drängt ſie ſich dem Forſcher von ſelbſt auf, und indem er ſie beantwortet, dient er nicht blos ſich, ſondern zugleich jenen Beiden, die mit ihm eins ſind, oder wenigſtens eins ſein müſſen, wenn er zu dem Ausrufe die volle Berech - tigung des Verſtändniſſes haben will, o wie herrlich iſt der Wald!

Unter dieſer Auffaſſung kann uns nun die Frage woraus beſteht der Wald, nicht mehr müßig erſcheinen. Unſere Sinne fühlen ſich ge - ſchärft, wir nehmen wahr, wir unterſcheiden, wir verſtehen, wo wir früher blos empfanden und entzückt waren, und indem wir Jenes lernen, büßen wir an Letzterem nichts ein. Mehr noch, wir büßen nicht nur nichts ein, ſondern unſere Freude wird vergeiſtigt, weil ſie verſtändniß - voll wird.

[12]

3. Der Baum.

Wenn man einen Baum als ein Aggregat von eben ſo vielen verbundenen Individuen hält als er Knospen an ſeiner Oberfläche entwickelt hat, ſo kann man nicht darüber ſtaunen, indem ohne Unterlaß neue Knospen auf die früheren folgen, daß das ſich ergebende Aggregat keinen nothwen - digen Endpunkt ſeines Beſtehens hat. (Decandolle. )

In der Betrachtung der uns umgebenden Natur, auch wenn ſie noch keine Verſtändnißſuchende iſt, fühlen wir dennoch das Bedürfniß nach Ruhepunkten, damit das Chaotiſche in der Formenwelt uns nicht unbe - haglich werde, wie uns der Eintritt in einen großen Bilderſaal unbehaglich wird, wo wir nicht wiſſen, wohin wir zunächſt blicken ſollen, und wo unſer verblüfftes Auge leicht auf dem Unbedeutenden haftet.

In dem großen Bilderſaal, welcher die uns umgebende Natur iſt, ſind ſolche Ruhepunkte, wo ſie der menſchliche Eingriff nicht verwiſcht hat, faſt überall vorhanden: die unendliche Manchfaltigkeit der Geſtaltungen zeigt ſich durch Vertheilung und Verhältniſſe gegliedert, und es iſt ſo unſerem Auge Unbehaglichkeit und Ermüdung erſpart. Der ſtarre Träger des Lebens, der flüſſige Vermittler deſſelben und des Lebens zwei Er - ſcheinungsformen, Pflanze und Thier, ſind dieſe Ruhepunkte, die jeder wieder in den verſchiedenſten Formen auftreten, ſich hundertfach verviel - fältigen.

Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß die Pflanze, wie wir uns bereits daran erinnerten, das Meiſte dazu beiträgt, die bewohnbaren Gebiete der Erdoberfläche zu ſchmücken; in unüberſehbarer Vervielfältigung webt ſie den Schooß, in welchem das Thier ſich geborgen fühlt; und ſchon13 dieſe nahe Beziehung zu einander mußte mit Nothwendigkeit zu einem vergleichenden Blick auf beide, zu einer ſcharfen Unterſcheidung beider hin - drängen.

Die im ganzen Pflanzenreiche ſich ausſprechende Unbegrenztheit wieder - holt ſich mit mehr oder weniger Beſtimmtheit an der einzelnen Pflanze. Wir können eine Pflanze nicht mit derſelben Schärfe und Abgeſchloſſenheit ein Individuum, ein Einzelweſen, nennen, von dem wir ſagen könnten, es iſt fertig, es kann ihm nichts genommen, nichts hinzugefügt oder wenigſtens hinzugefügt gedacht werden, wie wir das Thier in ſolchem Sinne ein Individuum nennen können. Das kleinſte Inſekt, ſobald es ſeine Ver - wandlungszuſtände durchlaufen hat, iſt ein fertiger, abgeſchloſſener Körper, dem wir kein Theilchen rauben können, ohne ſeinen leiblichen Beſtand zu ſtören, von dem wir ebenſo beſtimmt wiſſen, daß es nicht größer wird, daß ihm kein neuer Theil mehr zuwächſt.

Von welcher Pflanze können wir dies ſagen? Wann iſt ein Hyacinthen - ſtock fertig? Wie viel Blätter und Blüthen muß er haben, um es zu ſein? Wenn wir dies ſchon bei einem noch am meiſten abgeſchloſſenen Zwiebel - gewächs nicht können, ſo können wir es noch viel weniger bei einem Baume.

Wenn es, wie behauptet wird, hundertjährige Wallfiſche giebt, ſo mögen dieſe, was jedoch zu bezweifeln iſt, immer noch an Größe zunehmen, aber dieſes Wachsthum iſt nicht das Wachsthum eines Baumes. Es iſt dem Wallfiſch kein neues Glied, kein inneres Organ hinzugewachſen; in dieſer Beziehung iſt er ſchon ſeit langer Zeit fertig, ausgebildet, abge - ſchloſſen. Bei einer hundertjährigen Buche hat man dies niemals ſagen können und wird man es nie ſagen können, wenn ſie auch 200, 300 Jahre alt werden ſollte; es werden ihr immer neue Theile hinzuwachſen und früher beſeſſene gehen ihr fortwährend verloren.

Indem wir jetzt von anderen Pflanzengeſtalten abſehen, bei denen dieſe Erſcheinung einige Einſchränkung erleidet, ſo können wir alſo bei den Bäumen von einem Fertigſein, von einem Abſchluß nicht ſprechen.

Wir können einen Baum durchaus nicht in demſelben Sinne ein Einzelweſen nennen, wie ein Pferd. Wenn das letztere ausgewachſen iſt, ſo hört es im geſunden Zuſtande gleichwohl nicht auf, Nahrungsſtoffe in ſich aufzunehmen, aus dem dazu brauchbaren Theile derſelben Blut zu14 bereiten und durch das Blut den Stoffwechſel zu unterhalten, das heißt, die Theile ſeines Leibes fortwährend zu verjüngen. Aber es tritt in ſeinem Lebensverlauf ein Zeitpunkt ein, wo ihm nicht nur kein neuer Körpertheil mehr hinzugebildet wird, ſondern wo auch ſein körperlicher Geſammtumfang ſich nicht mehr verändert. Nachdem der Zahnwechſel ſtattgefunden hat, bleibt nur noch der jährliche Haarwechſel übrig, welcher für den dauernden Körperbeſtand keine Bedeutung hat.

Wie ganz anders verhält ſich in dieſer Hinſicht der wachſende Baum! Der einfache Hinweis genügt, uns an dieſe große Verſchiedenheit zwiſchen Thier - und Pflanzenleib zu erinnern und es iſt kaum noch nöthig, weiter auszuführen, worin dieſer Unterſchied beruht. Wir wollen es aber dennoch thun, weil wir jetzt auch des Bekannten bedürfen, um uns den Begriff und das Weſen des Baumes recht lebendig und deutlich vorzuſtellen.

Wir haben am Baume zwei Dinge zu unterſcheiden, welche ſich, wie ſie in Geſtalt und Lebensbedeutung von einander ſehr abweichen, in dieſem Augenblicke für uns namentlich die beiden Gegenſätze des Trägers und des Getragenen herauskehren, Wurzel, Stamm und Zweige die einen Knospen, Blätter und Blüthen die andern. Dieſer Gegenſatz iſt, wie wir ſogleich ſehen werden, nicht blos eine figürliche Redewendung und wir ſagen nicht blos in ſolchem Sinne: dieſer Baum trägt ſchlechte Früchte. Wenn uns ein Baum nur ſchlechte Früchte trägt, ſo geben wir ihm andere zu tragen, indem wir ihm eine oder gleichzeitig mehrere edlere Sorten durch Okuliren oder Pfropfen aufladen.

Im Thierreiche haben wir nichts Aehnliches; wir müßten denn die Rhinoplaſtik, die künſtliche Naſenbildung aus der Stirnhaut oder ſelbſt aus der eines lebenden Thieres hierher rechnen wollen.

Der Baum trägt alſo nicht blos ſeine eigenen Blätter und Blüthen, er trägt auch die anderer Arten, wenn ihm dieſe verwandt ſind, er trägt ſogar ganze Pflanzen unverwandter Arten, denen er als Wurzelboden und daher auch als Ernährer dient. Dies iſt der Fall mit den echten Schmarotzern, z. B. der Miſtel, Viscum album, und der Riemenblume, Loranthus europaeus.

Allein das Verhältniß zwiſchen Stengel - und Blattgebilden, wie wir wiſſenſchaftlich jene zwei Klaſſen der Baumtheile nennen wollen, iſt nicht allein das des Tragens und Getragenſeins, wobei die einen ſich handelnd15 und die anderen leidend verhalten würden, ſondern es beſteht ein weit wichtigeres Gegenſeitigkeitsverhältniß zwiſchen beiden. Die Einen führen den Anderen Nahrung zu.

Wir wiſſen, daß im Frühjahre im Holzkörper des Stammes und der Zweige ein waſſerheller Saft aufwärts ſteigt, welchen die Wurzel aus dem Boden aufgenommen hat. Dieſer Frühjahrsſaft iſt aber nicht reines Waſſer, ſondern er enthält verſchiedene Stoffe aufgelöſt, und indem er aufwärts ſteigend in den Holzzellen vorwärts dringt, löſt er die in dieſen vom vorigen Jahre her aufgeſpeicherten Nahrungsvorräthe auf. Beſonders in den Zellen der Markſtrahlen iſt zu dieſer Zeit ein großer Vorrath von Stärkemehl enthalten. So wird der aufſteigende Frühjahrsſaft, je höher er empordringt, immer reicher an nährenden Stoffen.

So gelangt er in die äußerſten Triebe und dringt in die Knospen ein, welche ſich im vorigen Jahre in den Blattwinkeln der nun längſt abgefallenen Blätter entwickelt hatten.

Derſelbe Wärmegrad, welcher in der Wurzel das Aufſaugungsvermögen weckte, weckt nun auch die Bildungsthätigkeit in den Knospen. Den Bau dieſer werden wir ſpäter genauer zu betrachten haben; jetzt genügt es, uns daran zu erinnern, daß aus jeder Knospe ein neuer Trieb wenn es Triebknospen ſind, oder nur Blüthen ſich entwickeln, wenn es Blüthen - knospen ſind, oder endlich beides, wenn es gemiſchte Knospen ſind.

In den Knospen wird aber aus dem ihnen zuſtrömenden Frühjahrs - ſafte nicht nur der Stoff zu den ſich aus ihnen entwickelnden Gebilden bereitet, ſondern ſie geben auch die Stoffe her, durch welche ſich ihr Nahrungsbringer, der Stamm mit ſeinen Zweigen und die Wurzel, ſich vergrößert. Dies geſchieht bekanntlich nur an deren Umfange, und in dieſer jährlichen Dickenzunahme beruht bekanntlich die Bildung der ſoge - nannten Jahresringe, welche wir an einem Stamm - oder Zweigquerſchnitte zählen können.

Dieſer von den Knospengebilden, namentlich den Blättern, zubereitete bildungsfähige Saft, heißt nun Bildungsſaft. Er ſteigt zwiſchen der Rinde und dem zuletzt vorher gebildeten Jahresringe der Stammgebilde abwärts und bildet unterwegs den neuen Jahresring.

Wenn wir dieſen Rückweg des zum Bildungsſaft veredelten Frühjahr - ſaftes hemmen, indem wir rings um den Baum etwa zwei Zoll breit die16 Rinde bis auf das Holz abſchälen, ſo muß der Baum ſterben, weil ſelbſt die Wurzel ſich nicht ſelbſt ernähren kann, ſondern der Blattgebilde bedarf, welche ihr den Stoff läutern und zuführen müſſen, durch den ſie wächſt. Wenn wir einem Zweige mehrere Jahre hintereinander alle Blätter, ſo wie ſie ſich ausgebildet haben, abſchneiden, ſo ſtirbt er, weil er nicht von den benachbarten Zweigen ernährt werden kann.

So ſehen wir denn in Wirklichkeit ein Gegenſeitigkeitsverhältniß zwiſchen den Stengelgebilden und den Blattgebilden beſtehen, ein innigeres als das des Tragens und des Getragenſeins. Der größte Baum iſt ein tauſendfach gegliedertes Ganzes, in deſſen einzelnen Theilen eine ununter - brochene Zuſammengehörigkeit, eine Kontinuität, beſteht, die wir für irgend einen ſeiner Theile nicht unterbrechen dürfen, ohne das Abſterben dieſes Theiles herbeizuführen. Das erhaltende Weſen dieſer Kontinuität iſt der Saftſtrom, ſowohl des Frühjahrs - wie des Bildungsſaftes.

Wenn wir dieſes Verhältniß mit dem, was wir alle über das jähr - liche Baumleben kennen, zuſammenhalten, ſo können wir in Wahrheit ſagen, daß ſich der Baum alljährlich mit einer neuen Blatt - und Blüthen - welt bevölkert, welche im Herbſte abſtirbt, abfällt und in den Knospen die Keime zu einer neuen für das folgende Jahr hinterläßt.

Wir müſſen uns aber an noch einige andere Erſcheinungen im Baum - leben erinnern.

Wenn wir eine Weidenruthe in der Knospenruhe abſchneiden und in den Erdboden ſtecken, ſo wiſſen wir, daß dieſer Steckling alsbald zu einem Bäumchen erwächſt; er treibt unten an der Schnittſtelle Wurzeln, und die Knospen entfalten ſich ebenſo gut, als wenn der Zweig am Baume geblieben wäre. Es geht daraus hervor, daß es hier der Wurzel als nahrungaufnehmenden Organes gar nicht bedurfte; ſondern daß das an der Schnittſtelle aus dem Boden eindringende Waſſer ebenfalls empor und zu den Knospen drang, dieſe weckte und daß dann der von den entfalteten Blättern zubereitete Bildungsſaft abwärts geſtiegen, neue Wurzeln an einer Stelle bildet, wo ſonſt gar keine Wurzeln zu ſein pflegen.

Der erſte beſte hohle Baum muß uns jetzt daran mahnen, daß der Holzkörper eine untergeordnete Bedeutung für das Baumleben hat. Wir wiſſen, daß ein Baum, der eben noch in anſcheinend ungeſtörter Geſundheit17 und voller Lebenskraft vor uns ſtand, nachdem er gefällt iſt, ſich innen vollſtändig ausgefault zeigt. In felſigen Gebirgsgegenden findet man nicht ſelten Hornbäume, Carpinus Betulus, welche äußerlich geſund ausſehend bei einem Fuß Stammdurchmeſſer ringsum vielleicht kaum noch zwei Zoll Holz haben, alſo in Wahrheit gleich dem Rohre einen ganz hohlen Stamm hatten. Bei der Buche iſt bei mehr als zwei Fuß Stammdurch - meſſer das ganze Holz oft bis auf wenige Zoll, welche ſtets den Umfang bilden, meiſt faul und ganz unfähig, an der Saftleitung theilzunehmen. Aber keine Baumart treibt dieſes lebendige Ruinenthum ſo weit, als mehrere Weidenarten und die Schwarzpappeln, Populus nigra. Dieſe Bäume werden bekanntlich nur als Stecklinge oder Setzlinge erzogen. Man nimmt dieſe gewöhnlich etwa drei Ellen lang und bis zwei Zoll dick und der Umſtand, daß ſie auch oben abgehackt ſind, geſtattet den Einflüſſen der Witterung den Zugang von oben und der untere Abhieb von unten zu dem Innern des Holzes. Aus Stecklingen erwachſene Bäume müſſen daher faſt mit Nothwendigkeit im Alter kernfaul werden. Nur bei dünnen Setzreiſern wird der obere Abſchnitt durch die zunächſt ausbrechenden Triebe oft zugeheilt und ein Ausfaulen verhindert.

Aber nichtsdeſtoweniger kann, wie wir hundert Mal geſehen haben, ein zum Backtrog ausgehöhlter Weidenſtamm noch viele Jahre fortgrünen und wenn ihr der Korbmacher auch jedes zweite Jahr alle Triebe abhaut, der zerſchundene Stamm treibt unverdroſſen neue aus ſeinem krauſen Kopfe hervor. Ja, wenn wir ihn auf eine noch härtere Lebensprobe ſtellen wollten, ſo dürften wir nur die hohle Wand der Länge nach in drei, vier Theile bis auf die Wurzel ſpalten; jeder würde fortfahren zu treiben.

Um uns der Bedeutung des Baumſtammes vollſtändig klar zu werden, müſſen wir noch einmal auf das Veredeln der Obſt - und einiger anderen Bäume und auf die Schmarotzerpflanzen zurückkommen.

Mancher Obſtliebhaber, der nur einen kleinen Garten hat und darin doch recht viele Obſtſorten erbauen möchte, hilft ſich damit, daß er auf einen Baum mehrere verſchiedene Sorten zugleich pfropft. So kann er von Einem Baume Reinetten, Calvillen, Pigeons ꝛc. ernten. Die Be - ſchaffenheit des Wildlings übt alſo keinen Einfluß auf die Beſchaffenheit der Edelreiſer und deren Blätter, Blüthen und Früchte aus! Ja beideRoßmäßler, der Wald. 218dürfen ſogar verſchiedenen Arten, ſelbſt Gattungen angehören. Die edeln Zwergbirnbäumchen erzieht man meiſt ſo, daß man die Birnreiſer auf Quittenbäumchen pfropft.

Gewiſſermaßen ein natürliches Okuliren iſt die Fortpflanzungsweiſe der Miſtel und anderer echter Schmarotzer. Die weißen Beeren derſelben ſind mit einem ſehr klebrigen Schleim erfüllt, durch welchen die von ihm eingehüllten Samenkerne an einem Baumzweige kleben bleiben, mögen ſie nun an demſelben Baume von einem höher auf dieſem wachſenden Miſtel - buſch reif herabfallen oder mag die Miſteldroſſel, Turdus viscivorus, zu der Ausſaat behülflich ſein. Nur der auf Zweige lebender Bäume fallende Miſtelſame keimt, der Keim dringt durch die Rinde und die Wurzeln verbreiten ſich zwiſchen ihr und dem Holze und wachſen nach und nach ſcheinbar in letzteres hinein, während in Wahrheit vielmehr die alljährlich zuwachſenden Holzlagen die Miſtelwurzel immer tiefer in ſich begraben. Alle Nahrung zieht die Miſtel nun aus dem Holzkörper ihres Ernährers und Trägers, und die Miſtel iſt in Form und Farbe ihrer Theile und in der Hauptſache ohne Zweifel auch in ihrer chemiſchen Beſchaffenheit ſtets dieſelbe, mag ſie nun auf einer Tanne oder einer Linde oder einem Apfelbaume wachſen.

Alle dieſe Fälle beweiſen, daß der Stamm erſtens zum größten Theile vollſtändig verweſt ſein kann und ſich dennoch noch viele Jahre lang jährlich ganz geſunde Blätter, Blüthen und Früchte darauf entwickeln, und zweitens, daß der Stamm keinen Form und Miſchung bedingenden Einfluß auf letztere ausübt.

Was iſt nun alſo ein Baum?

Daß er kein Individuum ſei, haben wir zwar ſchon vorhin geſagt, aber wir ſind jetzt darüber klarer geworden. Schon das Wort läßt es nicht zu, den Baum ſo zu nennen, denn Individuum heißt doch etwas Untheilbares in dem Sinne, daß eine mechaniſche Theilung die natürlich, wie mit jedem Körper, ſo auch mit ihm vorgenommen werden kann ein Verſtümmeln, ein Aufheben ſeiner Vollſtändigkeit bedingt. Wir haben aber geſehen, daß ein Baum zu keiner Zeit ſeines Lebens ein ſolches in ſich abgeſchloſſenes unantaſtbares Ganzes iſt. Wir wiſſen, daß eine alte drei - hundertjährige Eiche, die in ihrer mächtigen Pracht vor uns ſteht, in ihrem langen wechſelvollen Leben ſehr viele Aeſte und Zweige verloren, die19 Narben ausgeheilt, neue bekommen hat und doch vermiſſen wir weder etwas oder bemerken wir etwas Ueberzähliges an ihr. Wir wollen uns noch einen recht intereſſanten Fall erzählen laſſen, um das Wort Indi - viduum in Anwendung auf den Baum ganz fallen zu laſſen.

Unſere ſogenannte italieniſche Pappel kann bei uns nie anders als durch Stecklinge erzogen werden, weil es in Europa vielleicht in botaniſchen Gärten verſteckte einzelne weibliche Exemplare ausgenommen nur männliche Pappeln giebt, denn als vor etwa hundert Jahren dieſer Baum über Italien und England aus ſeinem Vaterlande, dem Orient, nach Deutſchland kam, ſo geſchah dies durch einen Steckling, der zufällig von einer männlichen Pappel geſchnitten worden war. Dieſer Steckling iſt der Urahne aller italieniſchen Pappeln, welche in Europa ſtehen und je geſtanden haben, und er iſt zugleich das verbindende Glied, wodurch alle dieſe mit der oſtindiſchen Pappel als Glieder eines unſterblichen ſonderbar zertheilten Rieſenleibes Eins werden.

Wir dürfen hier nicht etwa einwenden wollen, daß dies doch im Grunde daſſelbe ſei, als wenn wir die Pappeln aus Samen erzogen hätten. Im Erfolg wohl, aber nicht in der Weiſe.

Der Same iſt gleich dem Thierei beſtimmt, ſich vom Mutterkörper zu trennen und alle Stufen der Entwickelung durchzumachen, bis ein jenem gleicher Körper daraus geworden iſt; das Steckreis iſt ein mit der Fortpflanzung und deren Organen nichts zu thun habender Theil des Mutterkörpers, wofür hier vielleicht richtiger Stammkörper zu ſagen wäre, ein Theil, der nicht beſtimmt iſt, ſich von jenem zu trennen und ſelbſt - ſtändig zu machen, und der, wenn er gewaltſam getrennt und unter günſtige Bedingungen gebracht worden iſt, ſogleich in dem Zuſtande des Stammkörpers fortvegetirt.

Ein Baum und ſechs um ihn wachſende Samenpflänzchen und ein Baum und ſechs um ihn wachſende Stecklinge ſind durchaus nicht daſſelbe; das Erſtere beruht auf geſchlechtlicher Fortpflanzung, das Letztere iſt blos Vermehrung, iſt ein Zerlegen des urſprünglich Einen, was in ſeinen Theilen dennoch daſſelbe bleibt.

Wenn nun der Baum kein Individuum iſt, was iſt er dann und wo ſind an ihm Individuen?

2*20

Das iſt eine wiſſenſchaftliche Streitfrage, über welche auch heute noch Meinungsverſchiedenheit beſteht. Wir wollen die verſchiedenen An - ſichten hier nicht gegen einander abwägen, ſondern wollen verſuchen, eine Auffaſſung annehmbar zu machen.

Man darf, an Decandolle anſchließend, wenigſtens iſt mir dies ſeit langer Zeit das Annehmbarſte geſchienen, am Baume zweierlei Indi - viduen unterſcheiden, von einer niedern und von einer höhern Rangord - nung: Die Blätter und die Blüthen. Beide pflanzen ſich in ihrer Weiſe fort und wirken dabei verſchieden für die Zukunft. Die Blätter erzeugen die Knospen und ſorgen dadurch für die Vergrößerung des Baumes, die Blüthen erzeugen die Samen und ſorgen dadurch für die Gründung neuer Bäume ihrer Art. Für dieſe ſelbſtſtändigen Weſeneinheiten am Baume iſt deſſen Holzkörper gewiſſermaßen ein organiſche Form annehmender Boden, welcher am inwendig ausfaulenden Baume in demſelben Schritte in Rückbildung wieder anorganiſche Form annimmt, in welchem ihm äußerlich unter der Rinde neue Holzlagen zuwachſen. Die pflanzenſchaffende Natur gewinnt ſo eine doppelte Benutzung der Erdoberfläche. Während ſie Tauſende von Blättern und Blüthen hoch empor hebt in die veräſtelte Krone, finden kaum weniger niedere Pflanzen um den Stamm gedeihlichen Raum.

Für unſere Schilderung des Waldes kann dieſe Auffaſſung vorläufig genügen und uns iſt demnach der Baum ein Staat, welcher zweierlei Bürger zählt, von denen die einen das Staatsgebiet fortdauernd ver - größern, die andern fortdauernd Auswanderer ausſenden, neue Colonien zu gründen, die zuletzt dem Mutterlande an Größe und Schönheit gleich - kommen ſollen.

Wir laſſen es uns jetzt von der ſtrengen Wiſſenſchaft nicht verbieten, uns in das Baumverſtändniß an dieſem Gleichniſſe zu vertiefen und indem wir dieſes zergliedern, finden wir ſeine Berechtigung größer, als es uns im erſten Augenblicke vielleicht erſchien.

Die Landwirthſchaft, ſo oft und mit Recht die Hauptſtütze der Staats - geſellſchaft genannt, denn ſie ſchafft dieſer die erſte Bedingung des Be - ſtehens herbei, ſie müſſen wir am Baume in ſeiner Wurzel repräſentirt finden. Das Erzeugniß des Landwirthes, ſei es das Brodkorn, der Ge - webſtoff zu unſern Kleidern, Fleiſch, Haut und Wolle ſeiner Thiere,21 bringt theils er ſelbſt auf den Markt, theils überantwortet er es der Hand des verbreitenden Verkehrs. Beides thut die Wurzel im Vereine mit dem Stamme. So dringt die aus der Natur genommene Gabe in die Blätter, in die tauſend arbeitenden Hände des Gewerbes, welche das Verarbeitete denen zurückgeben, von denen ſie es als Rohſtoff empfingen.

Was uns Decandolle in dem Motto ſagte, erinnert uns jetzt daran, daß viele Bäume heute noch leben und grünen, welche durch ihr hohes Alter ſich dem Vergleiche mit einem Staate vollkommen ebenbürtig zeigen. Es hat wohl niemals ein Volk gegeben, wenigſtens kein Kulturvolk, das chineſiſche vielleicht nicht ausgenommen, welches 3000 Jahre als ein ge - ſchichtliches Ganzes beſtanden hat, wie man z. B. dem Taxusbaum auf dem Kirchhofe zu Braburn in Kent dieſes Alter beimißt.

Es fällt uns hierbei unwillkürlich ein, wie oft uns zur Bezeichnung menſchlicher Verhältniſſe der Baum als Gleichniß dient und wir freuen uns jetzt darüber, wie ſehr dies bisher von uns vielleicht ohne tieferes Verſtändniß angewendete Gleichniß in der Natur des Baumes begründet iſt.

Für einen ſpäteren Abſchnitt eine eingehende Beſchreibung der Baum - natur uns vorbehaltend, müſſen wir jetzt aber noch etwas vom Baume lernen, was uns eine Seite des Pflanzenreichs beleuchten ſoll, die wir bisher vielleicht überſehen haben.

Dadurch, daß die Pflanze, und am allerwenigſten der Baum, nicht in dem Sinne des Thieres ein Individuum iſt, ging ihr auch das Eben - maaß, die Symmetrie, des Baues verloren. Ob auch wir dabei etwas verloren oder nicht vielmehr gewonnen haben, deſſen wollen wir uns in folgenden Betrachtungen klar zu werden ſuchen, welche ich aus Nr. 9 des Jahrganges 1860 meines naturwiſſenſchaftlichen Volksblattes aus der Heimath entlehne.

Zu den mancherlei naturwiſſenſchaftlichen und äſthetiſchen Unter - ſchieden zwiſchen dem Thier - und Gewächsreiche gehört als ein zunächſt in das Auge fallender, aber doch oft nicht zum Bewußtſein gelangender, das Verhalten der Pflanzen und Thiere zu dem Formgeſetz der Eben - mäßigkeit (Symmetrie).

An unzähligen Punkten der Welt der Geſtalten verlangt der gebildete Geſchmack Ebenmaaß und wird verletzt, wenn er es vermißt. Das ſchönſte22 Geſicht berührt das feinblickende Auge unangenehm, wenn es in ſeinen zwei Hälften ſich nicht völlig übereinſtimmend zeigt.

Gleichwohl iſt die ganze eine Hälfte der organiſchen Geſtaltenwelt, und zwar die umfangreichere, ohne Ebenmaaß: die Pflanzenwelt. Einzelne Theile der höheren Gewächſe, ſehr viele Blüthen und Früchte, und auch manche Pflanzen in ihrem ganzen Körper, z. B. die Mammillarien und Echinokakten, Hutpilze ꝛc. zeigen zwar Ebenmaaß, aber die ſehr große Mehrzahl der Gewächſe, jedes als ein Individuum betrachtet, z. B. eine Eiche, entbehrt des Ebenmaaßes.

Gegenüber unſerem Verlangen nach Ebenmaaß da, wo wir es erfah - rungsmäßig erwarten, iſt es bemerkenswerth, daß wir es in der Pflanzen - welt nicht nur nicht erwarten, ſondern es uns ohne Mißbehagen gar nicht denken können. Wem möchte nicht grauen vor einem Walde, in welchem jeder Baum ein vollkommen ebenmäßiges Gebilde wäre mit regelmäßig in gleichen Abſtänden und gleicher Richtung geordneten Zweigen und Blättern und Blüthen. Annähernd zeigt ſich dieſes bei den Nadelhölzern, und wie ſehr dieſes im Vergleich zu den frei ſich geſtaltenden Laubbäumen auf unſern Schönheitsſinn und unſer Gemüth einwirkt, deſſen müſſen wir uns ſofort klar werden, wenn wir vergleichende Blicke auf einen mit Fichten beſtandenen Berghang und auf einen Eichenwald werfen.

Mit Schrecken denken die Aelteren unter uns noch an die Ueberreſte des altfranzöſiſchen Gartengeſchmackes mit den geſchorenen Hecken und den zu Pyramiden und Kuppeln und Scheiben beſchnittenen Bäumen.

Das Ebenmaaß giebt alſo allein das Schöne nicht, dieſe iſt vielmehr von dem Ebenmaaß an ſich völlig unabhängig und iſt, wie es ſcheint, etwas rein Erfahrungsmäßiges, durch die Natur vermittelſt der ſinnlichen Wahrnehmung uns Eingepflanztes.

Wie ganz anders iſt es mit unſerem Urtheil über das Ebenmaaß bei den Thieren. Wie wir den Baum, den Strauch, ja ſelbſt den Grasſtock in ſeiner maleriſchen Ungebundenheit lieben, ſo widert uns ein krankhaft verunſtaltetes Thier an, an welchem durch einſeitige Ausſchreitung das Rechts und Links ſeiner Körpergeſtalt ungleich geworden ſind, das Eben - maaß dadurch aufgehoben iſt.

Das durch eine geſchwollene Wange ſeines Ebenmaaßes beraubte Geſicht reizt unwiderſtehlich unſer Lachen, wie ein an ſich ganz geſunder23 Menſch mit einer hohen Schulter unſer Mitleid erregt. So ſchuf die griechiſche Sage Cyklopen einäugig nicht durch ein fehlendes Auge, ſondern ſtatt der fehlenden beiden Augen ſetzte ſie ihnen das nur eine in die Mitte der Stirn, um das menſchliche Ebenmaaß zu wahren. So erhielten ſie hierdurch, wie es ſollte, etwas Schreckliches, während ſie auf die andere Art etwas Lächerliches oder Bedauernswürdiges gehabt haben würden. Und in der That hat die Störung des Ebenmaaßes nicht nur etwas den Geſchmack Verletzendes, etwas Widerwärtiges, ſondern ſehr oft auch etwas Lächerliches.

Meine Leſer und Leſerinnen werden ohne Zweifel dieſer Anſchauung beiſtimmen; aber indem ich dies vorausſetzen darf, kann ich Etwas nicht ungeſagt laſſen. Es könnte in dieſem äſthetiſchen Urtheil möglicherweiſe die Meinung vermuthet werden, die Natur habe ſich dem gebildeten Ge - ſchmack der Menſchheit anbequemt, welche Meinung mit jener zuſammen - fallen würde, die den Menſchen zum Mittelpunkte der Schöpfung macht und Alles ſeinem Intereſſe unterordnet. Dieſes anmaßende Urtheil, welches gerade diejenigen haben, die ſich die Demüthigſten nennen, iſt unſchwer zu widerlegen. Nicht der Baum und das Pflanzenreich iſt nach dem Ge - ſchmack des Menſchen eingerichtet, ſondern der Geſchmack der Menſchen hat ſich nach und an jenen gebildet. Der an Laubornamenten und Spitz - bögen und Roſen überreiche altdeutſche Bauſtyl weiſt eben ſo ſehr auf unſern deutſchen Wald hin, wie der altgriechiſche Säulenſtyl auf die ein - fach ſchöne Palme des Südens.

Unſer Ziel darf nicht ſein, einer erträumten Zweckmäßigkeitsordnung nachzujagen, ſondern die verborgenen Verknüpfungen von Urſache und Wirkung aufzuſuchen und uns zu freuen, wenn es uns einmal gelang, eine Erſcheinung, die bisher als ein unvermitteltes Räthſel vor uns ſtand, in jenen Zuſammenhang einzureihen.

Wir haben es eben mit dem Baume verſucht. Er ſteht jetzt nicht mehr als eine Erſcheinung für ſich da; wir begreifen dies jetzt und es iſt ſicher ein Gewinn zu nennen, daß wir die Erſcheinung ſo weit begriffen, uns klar zu werden, daß Alles zuſammen ſtimmt. Und in der ſchönen Harmonie, in welche unſers Inneres einſtimmt, tönt der Baum in ſeinem Blätterrauſchen als ein leitender Akkord hindurch.

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Kaum bedarf es nun noch eines Hinweiſes, wir finden es wenigſtens nun begreiflicher, ja wir finden es naturnothwendig, daß der Baum zu allen Zeiten und bei allen Völkern, deren Natur nicht zu karg war, um ſich bis zum Schaffen des Baumes zu erheben, ein Gegenſtand der ſinn - bildlichen Verehrung geweſen iſt. Und ſo iſt es denn gekommen, daß die Götterverehrung der Hellenen, wie ſie mit dem Baume entſtand und mit ihm dauerte, auch mit ihm fiel. Wie der Baumkultus dem Tempel - und Bilderkultus voranging, ſo überdauerte er denſelben auch bei dem gemeinen Volke, und das Letzte, was chriſtlich-clerikale Straf - geſetzgebung mit großer Mühe und ſchweren Strafen vernichtete, waren die heiligen Bäume mit ihrer Verehrung *)Carl Bötticher, Der Baumkultus der Hellenen. S. 16..

Wenn wir nicht Fanatiker ſind, ſo haben wir jenes ſo oft dargeſtellte Bild nicht ohne Mißbehagen ſehen können, welches den heil. Bonifacius darſtellt, wie er mit hochgeſchwungener Axt eifrige Streiche gegen den Stamm einer deutſchen Eiche führt.

[25]

4. Der Waldboden.

Unabläſſig ſaugt die Lippe
Der Verwittrung an der Felſenklippe;
Feſt Gebundnes muß gelöſt zerfallen.
Und da fühlt das Starre Regung,
Was geruht bekommt Bewegung,
Mit dem Bache muß es thalwärts wallen.
Unten wird es Muttererde,
Ruft der Pflanze: leb und werde,
Sei Vermittlerin für höh’res Leben!
Darum iſt es tiefe Wahrheit,
Unſres Seins Erkenntnißklarheit:
Daß wir alle an der Scholle kleben.

Den Grund, auf welchem uns die Natur das ſchöne reiche Waldbild malt, bildet der Waldboden. Da er der Quell des Waldbeſtandes und die bedingende Urſache von deſſen Beſchaffenheit iſt, ſo ſteht ſeine eigene Beſchaffenheit großentheils in einem geraden Verhältniſſe zu dem Waldbeſtande und iſt in hohem Grade unſerer Beachtung werth.

Daß der Waldboden auch von der äſthetiſchen Seite ſeine große Be - deutung für uns habe, wiſſen wir alle, wenn wir uns an die ſchwellende Moosdecke eines friſchen Fichtenbeſtandes oder an das düſtere Haidekraut erinnern, welches zwiſchen den weitläufiggeſtellten Bäumen eines Kiefern - waldes den Boden locker verhüllt.

Wenn ſchon der Boden, welcher die Wieſe, das Kornfeld, den blumen - reichen Garten trägt, als Spender von Nahrung für unſeren Leib und für unſer Gemüth unſre dankbare Beachtung erregt, und wir zu einem Warum uns veranlaßt fühlen, wenn wir auf einem Boden eine reiche Pflanzenwelt hervorkeimen ſehen und ein anderer, von jenem kaum ver - ſchieden ſcheinender, nur kümmerlichen Pflanzenwuchs erzeugt, um wieviel mehr müſſen wir dieſe Frage an den Waldboden richten, deſſen Leiſtungen26 wir in noch viel auffallenderer Weiſe verſchieden finden, bald an tropiſche Fülle erinnernd, bald nur das kümmerliche Haidebild zeigend.

Groß muß darum die Manchfaltigkeit der Faktoren ſein, durch deren Zuſammenwirken der Boden der Mutterſchooß des Waldes wird. Wir wollen den Waldboden in dieſer ſeiner Vielſeitigkeit der Zuſammenſetzung ſeiner Stoffe und ſeiner Wirkungen auffaſſen und damit für die ſpäteren Betrachtungen des Waldes ſelbſt recht eigentlich uns einen Boden unter die Füße ſchaffen.

Da der Waldboden das, was er iſt und wirkt, nur unter dem ſich unmittelbar betheiligenden Einfluß der Atmoſphäre und der Lage hinſichtlich der Meereshöhe und der Himmelsgegenden iſt und wirkt, ſo müſſen wir auch in dieſen Beziehungen den Begriff des Waldbodens auffaſſen.

Zwei ganz gleich zuſammengeſetzte Bodenflächen zeigen ganz verſchiedene Beſtände, wenn die eine in der Ebene, die andere 8000 Fuß über dem Meeresſpiegel, und letztere wieder wenn ſie an einem nach Abend oder an einem nach Mittag gerichteten Berghang liegt.

Es iſt darum ſchwer und erfordert eine große Uebung und Er - fahrenheit, im voraus von einem Boden zu ſagen, ob er ſich für Wald - anbau eigene oder nicht; ja wir müſſen uns hier an den Ausſpruch im erſten Abſchnitt erinnern, daß der erfahrene Forſtwirth ſich zuweilen den Kopf zerſinnt, weshalb wohl plötzlich jene Fichtenpflanzung nicht mehr wachſen will, an deren Gedeihen er zehn Jahre lang ſeine Freude hatte.

Vergleichen wir den Waldboden und den Ackerboden hinſichtlich ihrer Beſtandtheile in der weiteſten Auffaſſung dieſer, ſo ergeben ſich zwiſchen beiden erhebliche Verſchiedenheiten. Was dem einen nothwendige Bedingung iſt, kann dem andern zum großen Nachtheile gereichen und wir werden ſogleich etwas als einen nothwendigen Beſtandtheil eines Waldbodens kennen lernen, was wir vom Ackerboden fern zu halten bemüht ſind.

Die Unterſcheidung des Ackerbodens in die Ackerkrume und den Untergrund oder die Grunderde kann auf den Waldboden nicht unmittelbar übertragen werden, weil unter Ackerkrume die oberſte Bodenſchicht ver - ſtanden wird, in welcher die Ackerwerkzeuge bei der Bodenbearbeitung und bei der Düngung eindringen und von beiden in der Forſtwirthſchaft ja kaum die Rede iſt. Wohl aber können wir ohne dieſe urſächlich bedingte27 nähere Bezeichnung auch im Waldboden von einer oberen und einer unteren Schicht ſprechen.

Wenn wir auf einem feuchten und daher fruchtbaren Waldgehänge von einigen Ruthen Flächenraum alle Bäume abhauen und den Boden ſo tief und ſo lange abtragen laſſen, als wir in ihm noch eingedrungene Pflanzenwurzeln auffinden würden, ſo würden wir mit zunehmender Tiefe den Boden allmälig eine andere Beſchaffenheit zeigen ſehen.

Nehmen wir an, es handele ſich um einen mit einem gemiſchten, aus Fichten, Buchen und einigen anderen untergeordneten Holzarten zu - ſammengeſetzten hochſtämmigen Beſtand, auf einem aus Gneis gebildeten Boden wie wir ſolche Fälle in der größten Ausdehnung z. B. auf dem bewaldeten Grenzgebirge zwiſchen Sachſen und Böhmen finden, ſo würden wir bei der angedeuteten Unterſuchung des Bodens Folgendes finden.

Nachdem die dicht am Boden gefällten und abgehackten Stämme und Geſträuche weggetragen wären, würde es uns erſt auffallen, daß die - ſelben den Boden mit einer Welt niederer Pflanzen getheilt haben. Mooſe und Farrenkräuter und allerlei Waldkräuter und Gräſer bedecken die den Boden bildenden Gneisbrocken oder ſproſſen zwiſchen dieſen aus der ſchwarzen, feuchten, Modergeruch aushauchenden Erde empor. Wir laſſen ſie alle ſorgfältig beſeitigen und vor uns liegt nun der nackte, ſeiner Lebenserzeugniſſe beraubte Boden und nach wenigen Stunden hat ſich durch Austrocknen die zwiſchen den Blöcken hervorſchauende Erde weſent - lich heller gefärbt.

Wir dringen tiefer ein; wir müſſen es ſchon, wenn es uns gelingen ſoll, die ſich tief einkrallenden Baumwurzeln mit den Wurzelſtöcken, von denen ſie ausſtrahlen, gründlich auszugraben. Wir ſtaunen, nirgends große Maſſen von eigentlicher Erde zu finden. So tief wir wühlen, wir finden nichts als große und kleine Gneisblöcke, zu einem mauerähnlichen Haufwerk aufgethürmt, und dazwiſchen, nur wie einen locker verbindenden Mörtel, die ſchwarze Walderde, reich gemiſcht mit gebräunten, zum Theil noch wohl erkennbaren Blättermumien und Holzſtückchen, zwiſchen denen wir anfänglich die fadenförmigen Wurzeln der beſeitigten Waldkräuter, ſelbſt reichliche Ueberreſte von Käferflügeln und anderen Inſektentheilen, ja wohl lebendige Inſekten und Schnecken ſelbſt antreffen. Selten ſtoßen28 wir zwiſchen den Steinen auf kleine ganz von Walderde ausgefüllte Räume und wenn wir Steine und Erde geſondert aufſchütten wollten, ſo würde die letztere gegen jene nur einen ſehr kleinen Haufen geben. Wir treffen ſogar hier und da auf leere Räume, in denen ein Thaubeſchlag die Steinflächen bedeckt und Modergeruch daraus hervordringt.

Wir wühlen und wühlen und immer noch wollen die Spuren des tief eindringenden Lebens, wenn auch nur in Leichenüberreſten, nicht auf - hören. Endlich wird der ſchwarzen Modererde weniger, die Blöcke liegen dichter an einander bis wir zuletzt in ihrer gegenſeitigen Lage ſehen, daß ſie die nur wenig auseinander gewichenen Trümmer des Gneisfelſens ſind, und wir werden inne, daß wir bisher in der alten verwitterten Haut deſſelben gewühlt haben bis wir endlich auf das feſte Felſenfleiſch gekommen ſind. In ihm kommen wir zufällig auf eine Schicht, wo die unabläſſig ſaugende Lippe der Verwitterung das feſte Gefüge aufgelockert hat. Die Grundmaſſe des Felſengeſteins zeigt ſich entfärbt, hellgelblich und zerreiblich. Die Fugen der Felſenzerklüftung ſind bezeichnet durch weiche bröcklige dünne Schichten, die wir durch eine eingetriebene Spitzhacke leicht zum Ausein - anderreißen des Felsgefüges benutzen könnten. Die ſchwarze Färbung iſt nicht ſo weit herabgedrungen; wir wiſſen, daß ſie von den vermoderten Ueberreſten organiſcher Körper, namentlich von Pflanzentheilen herrührt, und deshalb nennen wir ſolche dunkle Erde Moder - oder Dammerde oder mit dem vornehmklingenden Namen Humus. Hier würden wir auch den Gärtnerausdruck Wald - oder Holzerde wählen können.

Jetzt gehen wir einmal mit unſerem Gehülfen nach jenem Fichten - beſtande, der auf dem Rücken einer ſanft geſchwellten Hochebene liegt, an drei Seiten von einer ſaftiggrünen Bergwieſe begrenzt.

Die Fichte hat hier das unbeſtrittene Regiment und bildet ein in freu - digem Wuchſe ſtehendes, etwa dreißigjähriges geſchloſſenes Stangenholz. Die Wipfel ſtehen in gutem Schuß und erſt kaum zum vierten Theil aufwärts haben ſich die Stämme gereinigt. Den Boden bedeckt eine dichte Moos - decke, hier und da an etwas trockenen Orten von Nadelſtreu verdrängt. Nur an etwas lichteren Stellen hat das freier hereinfallende Sonnenlicht einige im Boden ruhende Samen höherer Pflanzen zur Entwicklung gebracht: einige Grasſtöcke der Waldſchmiele, Aira flexuosa, Waldkreuzkraut, Sene - cio silvaticus, und ein ſchönes Weidenröschen, Epilobium angustifolium29 und allenfalls noch ein Habichtskraut, Hieracium, und einige Haideſtöckchen. Wir wollen ſehen, wie es in dieſem Boden ausſieht. Er iſt bald von den gehauenen Fichten geräumt und wir laſſen Alles, was den Boden bedeckt, Moos, Nadeln und Kräuter beſeitigen und ſtoßen alsbald auf ein ſehr dichtes Geflecht wagerecht verlaufender Baumwurzeln. Dies liegt ſehr ſeicht unter der Pflanzendecke in einer höchſtens eine halbe Elle dicken Schicht, welche großentheils aus Dammerde beſteht, in welcher wir eine Unmaſſe noch unverweſter Nadeln und Zweigſtückchen der Fichten, aber keine Steine und nur wenig Erde - und Sandbeimiſchung unterſcheiden. Indem wir dieſe mit den Stöcken und Wurzeln an einer Stelle zugleich beſeitigen laſſen, werden wir dadurch überraſcht, daß ſich die ganze Wurzelverbreitung lediglich auf dieſe Dammerdeſchicht beſchränkt, und daß unter dieſer ſofort eine feſte undurchdringliche Thonſchicht folgt, in welcher kaum eine einzige Wurzel eingedrungen iſt. Die Thonſchicht erweiſt ſich vollkommen unbetheiligt an dem Waldbeſtande, den ſie trägt.

Wir haben hier zwei ganz verſchiedene Arten des Waldbodens kennen gelernt und wer nur einigermaßen herumgekommen iſt, der erinnert ſich jetzt, noch mancherlei andere wieder anders beſchaffene Bodenarten im Walde geſehen zu haben. Er mag nur an den fetten, mit üppigem Kräuterwuchs bedeckten Lehmboden unſerer Auenwälder, oder an den magern Sandboden der märkiſchen Kiefernwaldungen denken. Wir finden überall eine untere und eine obere Schicht des Waldbodens und können mit dem Landwirthe jene den Untergrund nennen, in den beiden beſchrie - benen Fällen einmal Felſen, einmal eine undurchlaſſende Thonſchicht.

Wir errathen ſchon, daß die Beſchaffenheit des Untergrundes nicht ohne großen Einfluß auf die Beſchaffenheit des Waldbeſtandes ſein kann. In beiden beſchriebenen Fällen ſahen wir die Fichte gleich gut gedeihen, obgleich die Beſchaffenheit beider Waldboden ſehr ungleich war: das eine Mal ein mehrere Ellen tiefer an Modererde und Feuchtigkeit reicher klüftiger Felſenboden, das andere Mal ein nur fußtiefer, ganz ſteinfreier, auf einer undurchdringlichen Lehmſchicht ruhender Dammerdeboden. Wir müſſen die Fichte befragen, weshalb ſie zwei ſo ungleiche Wohnſtätten mit gleichem Vortheile einnimmt. Das Fichte hat das auffallende, unter unſern Waldbäumen faſt ihr allein eigene Weſen, daß ſie, auch wenn ſie es kann, ihre Wurzeln nie tief eindringen, ſondern nur in der Oberfläche30 ſich ausbreiten läßt. Die Buche muß mit ihren Wurzeln tief eindringen können; drum konnte ſie der Fichte nicht auf den zweiten Standort folgen.

Neben der aus verweslichen Stoffen und zu Sand oder Schutt zer - fallenen Geſteinſtücken beſtehenden Dammerde, welche oft nicht minder fein und mild iſt, wie auf dem Acker, und außer gröberen Steinen bis ſelbſt anſehnlichen Blöcken finden wir an einem guten Waldboden den Untergrund laſſen wir jetzt ganz aus dem Spiele an ſeiner Oberfläche immer eine ſogenannte Bodendecke, welche für das Gedeihen der Wald - beſtände von der größten Bedeutung iſt.

Sie iſt es beſonders, wodurch der Waldboden, als ein Theil des Geſammtbildes, als welches uns der Wald ergötzt, zum Gegenſtande auch unſerer äſthetiſchen Betrachtung wird.

Nach der Natur des Bodens, ſo weit er aus Stein - und Moder - ſtoffen beſteht, nach der Art der Bäume, die den Waldbeſtand bilden, und nach dem Feuchtigkeitsgehalte des Bodens und der Luft iſt die Boden - decke höchſt verſchieden. Man kann ſie weſentlich als Pflanzendecke und als Laub - oder Nadeldecke unterſcheiden, wobei es ſich von ſelbſt verſteht, daß beide Klaſſen wohl niemals ganz ſcharf geſchieden ſind, weil ſelbſt die entſchiedenſte Pflanzendecke natürlich auch den Laub - und Nadel - abfall enthalten muß und die dichteſte Nadeldecke doch wenigſtens einige niedere Pflanzen aufkommen läßt.

Es kommt namentlich auf die Oertlichkeit an, ob der Laub - und Nadelfall ſchnell oder langſam verweſt. Verweſt er nur langſam, ſo muß ſich nach und nach eine ſo dicke Laub - und Nadelſchicht anſammeln, daß Waldkräuter und Gräſer kaum aufkommen können. Nicht minder iſt hierbei die dichte oder lockere Belaubung im Verhältniß zu dem räumlichen Um - fang der Baumkronen von Einfluß. Die dichte Belaubung der reichver - zweigten Buche verurſacht darum meiſt eine hohe ſehr reine Laubdecke, um ſo mehr, als die Buche mehr trocknen Standort liebt, auf welchem das abgefallene Laub nur langſam verweſt. Die locker belaubte kleinblättrige Birke macht einen geringen Laubfall, die Fichte einen dichteren als die Kiefer. Obgleich die Erle ſehr dicht belaubt iſt, ſo duldet der feuchte Standort, den ſie liebt, niemals eine längere Anſammlung des ſchnell verweſenden Laubes. Die lockeren durchſichtigen Kronen alter Kiefernorte machen, daß die Nadeln lange unverweſt bleiben, weil Sonnenſchein und31 Luft den ohnehin ſehr trockenen Kiefernboden mehr erreichen und noch mehr austrocknen, als in einem in dichterem Wipfelſchluß ſtehenden Fichtenorte.

Für unſern Schönheitsſinn iſt natürlich die Laubſtreu weniger an - genehm als die Pflanzenſtreu (denn ich muß nun hier den Namen Streu für Decke geläufig machen, weil wir bald ſehen werden, daß die Bedeckung des Waldbodens Pflanzen oder Laub und Nadeln als Streu ein unglückſeliger Zankapfel für Land - und Forſtwirthe iſt). Nichtsdeſto - weniger hat namentlich in einem Buchenhochwalde die gleichmäßige falbe Laubdecke des Bodens für den geläuterten Geſchmack ihre Vorzüge. Sie bildet zwiſchen den weitläufigſtehenden alten, ein hohes Laubdach wölbenden Bäumen mit den weißgrauen ſäulenartigen Stämmen ein ſauberes Parkett, in welchem das von unſern Füßen aufgewühlte raſchelnde Laub unſere Schritte weit hinhallen läßt, wie in einem erhabenen Münſter.

Erfreuender freilich im wahren Sinne und anregender iſt die Boden - decke, wenn ſie aus lebenden Pflanzen gebildet wird, die dann wie ein Zwergengeſchlecht unter dem Schutze der Baumrieſen ſich vertrauensvoll aneinanderſchmiegen. Es giebt eine Menge Pflanzen, welche beinahe aus - ſchließend oder wenigſtens vorwaltend ſich unter dieſer Waldprotektion be - haglich fühlen und viele von ihnen tragen als wiſſenſchaftliche Artnamen die Bezeichnung vom Walde, z. B. das Waldvergißmeinnicht, Myosotis silvatica, der Waldzieſt, Stachys silvatica, das Waldlabkraut, Galium silvaticum und viele andere.

Der Wald in ſeinen verſchiedenen Ausprägungen als Gebirgswald oder Ebenenwald, Auenwald, Haide, Nadel - oder Laubwald, Hochwald, Nieder - oder Mittelwald bietet in ſeiner Pflanzendecke eine wahre Stufen - leiter des Ganges der Pflanzenſchöpfung dar. Die beiden unterſten Pflanzenklaſſen, die Pilze und Flechten, ſind, wenigſtens die letztern, in der Hauptſache Waldbewohner und von den erſteren ſind wenigſtens die Hutpilze am liebſten im Walde heimiſch. Jedoch tragen die Pilze zur Zuſammenſetzung der Pflanzendecke des Waldbodens nicht weſentlich bei; dazu ſind ſie zu ungeſellig und zu ſehr blos augenblickliche Emporkömm - linge, wie ihnen gerade an einzelnen Punkten das Schickſal günſtig iſt.

Die Flechten aber und faſt immer im Verein mit ihnen die Mooſe, betheiligen ſich um die Wette, den Boden des Waldes mit ihren niedlichen Heerſchaaren zu bekleiden. Wenn man dem in der Pflanzenkunde nicht32 hinlänglich Unterrichteten von Mooſen ſpricht, ſo iſt man oft nicht ſicher, daß er darunter daſſelbe verſteht, wie die Wiſſenſchaft; denn ſehr oft be - legt man auch die Flechten mit dieſem Namen, indem man von islän - diſchem Moos ſpricht und von den graubemooſten Bäumen. In beiden Fällen meint man aber nicht Mooſe, die bekannten faſt immer grünen beblätterten Pflänzchen, ſondern Flechten, welche niemals eine entſchieden grüne Farbe und niemals Blättchen von nur einigermaaßen ausgeprägter Form beſitzen. Beiſtehende Figuren, in welchen meine Leſer

I.

Flechten. 1. Die isländiſche Flechte, Cetraria islandica. 2. Die Rennthierflechte, Cladonia ran - giferina. 3. Die Knotenſchwammflechte, Baeomyces roseus. 4. Die Korallenflechte, Cladonia pleurota. 5. Die wirtelförmige Säulenflechte, Cladonia verticillata.

33 und Leſerinnen bekannte Gebilde erkennen werden, ſollen uns darüber verſtändigen, was Flechten ſind. Fig. 1. iſt die isländiſche Flechte, Cetraria islandica, welche uns den bekannten Thee für Bruſtleidende liefert; Fig. 2. iſt die Rennthierflechte, Cladonia rangiferina, welche faſt allein den Bewohnern der Polarländer den Genuß der Milch und die übrigen Vortheile der Rennthierzucht vermittelt, da dieſes wichtige Thier vorzugsweiſe von dieſer Flechte lebt.

Es iſt namentlich der Gebirgswaldboden, auf welchem die Flechten - welt ſich anſiedelt. Den fruchtbaren Lehmboden der Waldblößen oder friſch geräumter Schläge ſehen wir im Vorgebirge, da wo er vollkommen bloß gelegt worden war, zuerſt von der Flechtenwelt wieder verhüllt werden, wenn ihr nicht einige kleine Mooſe noch zuvorgekommen ſind. Oft ſehen wir ſolche Stellen ganz weiß gefärbt, als habe eben des Fabeldichters Anne Marthe hier ihren hoffnungsſeligen Luftſprung gemacht und ihren Milchtopf verſchüttet. Wenn man ſolche Stellen genauer betrachtet, ſo findet man einen grauweißen, trockenen käſigen Ueberzug. Es iſt entweder blos der Anfang einer Flechte oder ſie iſt bereits vollſtändig ausgebildet. Im letzteren Falle finden wir darauf kleinen Hutpilzen täuſchend ähn - liche Gebilde, auf weißem Stielchen einen roſenrothen Hut tragend. Es iſt die Knotenſchwammflechte, Baeomyces roseus, die erſte Coloniſtin auf dem verfügbar gewordenen Waldboden. Unſere Fig. 3. zeigt uns dieſe ſonderbare Flechte.

Wie keine andere Pflanzenklaſſe unſerer heimathlichen Flora ſind die Flechten mit ihrem Nahrungsbedürfniß faſt lediglich an die in der Luft vertheilte Feuchtigkeit gewieſen, während ihr Wurzelboden ihnen kaum mehr iſt als der Ankergrund, auf welchem ſie ruhen, ohne aus ihm mit ihren Wurzelhaaren, die eben nur Haftorgane ſind, Nahrung zu ſaugen. Die Flechten ſind daher auch wahre Feuchtigkeitsmeſſer, an welchen ſich jede Veränderung in dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft ausdrückt. Gehen wir in thauiger Morgenkühle durch einen Fichtenbeſtand, deſſen Boden oft in großen Strecken mit den bis 8 und 10 Zoll hohen grauweißen tauſendfach verzweigten Büſchchen der Rennthierflechte (I. 2.) bedeckt ſind, ſo machen ſie als ſchwellende weiche Polſter unſere Tritte unhörbar, indem ſie, weich und ſchmiegſam, ſich hinter unſerem Fuße ſchnell wieder aufrichten. Hat aber die ſteigende Sonne den Feuchtigkeitsgehalt der Luft vermindert, ſoRoßmäßler, der Wald. 334trocknen auch dieſe Büſchchen ſchnell vollkommen aus, und unſer Tritt zertrümmert dann mit einem feinen Kniſtern die ſtarren zerbrechlichen Gebilde, die dadurch, wie auch in der Geſtalt, feinen Korallenbäumchen ähnlicher ſind, als Gewächſen.

Im Nadelwald des Gebirges tragen die Flechten oft ſehr viel zur Bildung des Waldbodens bei und geben ihm durch ihre vorwaltend bleiche, grau - oder[grüngelbliche] Färbung einen ungewöhnlichen Farbenton. Nur im Morgen - und Abendthau und bei anhaltend feuchtem Wetter vermögen einige ſich einigermaßen zur Farbenſtufe des Pflanzenreichs empor zu ſchwingen; dann leuchtet nämlich unter der angefeuchtet durchſcheinend werdenden äußeren Zellenſchicht das in tiefer liegenden Zellenſchichten ab - gelagerte Pflanzengrün etwas hindurch.

Fühlt ſich das Auge von den zierlichen Geſtalten angezogen und bückt man ſich nach ihnen, ſo ſtaunt man entweder über die unerwartete Starr - heit und Zerbrechlichkeit oder über die noch faſt überraſchendere Zartheit und Zerreißbarkeit derſelben, jenachdem wir bei trockner oder bei feuchter Luft unſern Waldgang machen. Und fangen wir dann an, all die ver - ſchiedenen Formen zu ſammeln, ſo werden wir gar leicht daran irre, ob hier die Natur auch beſtimmte Arten oder nur freie, nie mit einander vollkommen übereinſtimmende Formen geſchaffen habe. Beſonders die Gattung der Säulenflechten, Cladonia, entfalten auf dem Waldboden, wenn die Standortsverhältniſſe ihnen zuſagen, eine unglaubliche Veränder - lichkeit der Formen und nur die Rennthierflechte, welche wir ſchon als Cladonie kennen, zeigt eine Beharrlichkeit in der Ausprägung ihrer Art - kennzeichen. Zwei andere Arten dieſer beinahe nur in der Veränderlichkeit beſtändigen Gattung, die ebenfalls den Waldboden höherer Gebirgslagen lieben, ſind die I. 4. und 5. abgebildete Korallenflechte, Cladonia pleurota und die wirtelförmige Säulenflechte, Cladonia verticillata. In erſterer erkennen wir das bekannte Korallen moos der Brockenſträußchen. Iſt einmal die Lage des Waldes rauh und an kalten Nebeln reich genug, wie es die Flechten lieben, ſo wird man auch ſtets bei genauerer Aufmerkſamkeit am Boden eine große Zahl ihrer chamäleontiſchen Formen finden. Selbſt an den umherliegenden größeren Steinen, wenn ſie na - mentlich hinlänglich ebene Flächen darbieten, ſiedeln ſich eine Menge Flechten an, bald blos kaum für belebte Weſen anzuſehende Kruſten, bald35 zierlich gerundete, ſchuppenförmige, vielfach zerſchlitzte laubartige Roſetten bildend. Dann klettern ſie aber auch faſt immer an den Stämmen ſelbſt in die Höhe, theils auf der Rinde ſich anſiedelnd, theils den abſterbenden untern Aeſtchen, vorzüglich der Fichte, einen bleichen leichenhaften Laub - ſchmuck verleihend. Andere Arten gehen dann noch höher hinauf und hangen als greisgraue Bärte von den Aeſten der alten melancholiſchen Fichtenwipfel herab, von wo ſie der Sturm und das unſtäte Eichhorn herabwerfen ſammt den dürren Aeſten, an deren Tode ſie ſelbſt vielleicht einigen Antheil haben.

Wenn die Flechten als Beſtandtheile der Pflanzendecke für den Wald - boden, ſelbſt wenn ſie in reicher Fülle vorhanden ſind, doch nur eine untergeordnete Bedeutung haben, wohl nur wenig zur Bodenverbeſſerung beitragen und auf unſeren Waldgängen meiſt nur dann unſere Aufmerkſamkeit gewinnen, wenn wir dieſelbe für die Natur immer in Bereitſchaft haben, ſo iſt dies Alles ganz anders mit den um einige Stufen des Pflanzen - ſyſtems höher ſtehenden Mooſen. Sie ſind von einer großen Bedeutung für den Wald, vielleicht ohne Ausnahme von einer vortheilhaften, und ſchon ihr freudiges Grün und die Zierlichkeit ihrer blätterreichen, zu ſchwellenden Polſtern verflochtenen Stengel macht ſie zu den Lieblingen Aller. Wie die Flechten ſind auch ſie meiſt Kinder des rauhen nebelreichen Waldgebirges und nur wenige ſteigen nieder in die ſonnige Ebene. In höherem Grade als die Flechten geſellige Pflanzen überziehen ſie mit ihrer ſammetnen Hülle oft in großen Beſtänden den Boden. Und zwar ſind es oft blos zwei oder drei Arten, welche ſich in die Aufgabe theilen, die Füße der Bäume zu bergen. Auf ſehr feuchtem Boden ſind es die bleichen Sumpfmooſe, Sphagnum, und die Widerthone, Polytrichum, mit ihren meiſt aſtloſen ſaftgrünen Stämmchen, welche faſt wie Fichtenpflänzchen ausſehen. An nur friſchen Stellen finden ſich die Aſtmooſe, Hypnum, ein, von denen das glänzende Aſtmoos, H. splendens, oft ganz allein große Bodenflächen vollſtändig mit ſeinem bräunlichgrünen Raſen überzieht. Jede Abſtufung im Feuchtigkeitsgehalte des Waldbodens ruft andere Mooſe herbei, bis endlich auf trocknen ſonnigen Waldblößen das purpurfarbige Haarzahnmoos, Ceratodon purpureus, ganze Strecken im Purpur - ſchimmer ſeiner haarfeinen Fruchtſtielchen leuchten läßt.

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Ganz beſonders und nicht ſo maſſenweiſe nach nur wenigen Arten vertheilt, geſtaltet ſich die Moosdecke auf einem felſigen Waldboden. Da ſind die loſe übereinanderliegenden Blöcke meiſt ganz und gar mit locker aufliegenden Moosperrücken bedeckt, die man von den harten Glatzköpfen leicht abnehmen kann. Hier ſind es vorzugsweiſe die Aſtmooſe eine jede Gebirgsflora vermag deren wohl an 50 Arten aufzuweiſen welche die Blöcke nicht ſelten ſo vollkommen verhüllen, daß der Unkundige ge - fährlich ſtrauchelt, wenn er dem dunkeln Moosteppich vertraut.

Gehen wir um einen Syſtemſchritt weiter, ſo finden wir nun die Farrnkräuter, in der alten Linné’ſchen umfaſſenden Bedeutung, als weſentlich betheiligt bei der Bildung der Pflanzendecke. Außer einigen ſumpfliebenden Schachtelhalmen, Equisetum, finden ſie ſich am liebſten auf mäßig friſchen Waldſtellen ein und namentlich die echten Farrnkräuter nicht ſelten in ſolcher Menge, daß ſie einen weſentlichen Antheil an der Waldſtreu nehmen und dem Walde einen Schmuck verleihen, der für den - jenigen eine ahnungsvolle Bedeutung gewinnt, der da weiß, daß die Farrn - kräuter wenigſtens auf deutſchem Boden nur die wenigen Ueberlebenden eines hier einſt mächtigen Geſchlechts ſind, deſſen Urahnen jetzt als Stein - kohlen aus millionenjähriger Grabesruhe wieder auferſtehen. Der Gebirgs - wald würde einen weſentlichen Schmuck und Vorzug vor dem Ebenenwalde entbehren, wenn auch dieſe[wenigen] Ueberreſte der Farrnwelt ausgeſtorben wären. Die zu eleganten[ſtammloſen] Palmenkronen gruppirten Wedel der Schildfarrn, Aspidium, und verwandter Gattungen verleihen unſeren friſchen Gebirgswäldern einen faſt tropiſchen Zug, der für den Unkundigen, dem aber doch das Auge für die Formen der Pflanzenwelt offen iſt, dadurch noch einen geheimnißvollen Reiz gewinnt, daß er an dieſen zierlich zuſammengeſetzten anſehnlichen Blattgebilden zu keiner Zeit und an keinem Orte jemals Blüthen, ſondern auf der Rückſeite derſelben nur räthſelhafte, aus kleinen braunen Körnchen beſtehende regelmäßig gruppirte Häufchen findet, deren Bedeutung als Früchte er kaum zu ver - muthen wagt. Am meiſten fühlt man ſich von dem Adlerfarrn, Pteris aquilina, angezogen, deſſen dreifachgetheilter Wedel auf friſchem lockeren Lehmboden nicht ſelten mannshoch wird; denn bei dieſem ſtattlichen Ge - wächs, welches oft mit den Nadelhölzern, deren Geſellſchaft es am meiſten37 liebt, um den Platz kämpft, fällt die völlige Blüthenloſigkeit am meiſten auf. Und wüßte nur ein Jeder, daß der Adlerfarrn, wie ſchon ſein Volks - und ſein Wiſſenſchaftsname andeutet, der Bannerträger deutſcher Nation iſt, der ſich mit ſeinem anvertrauten Reichskleinod unter den Schutz des deutſchen Waldes flüchtete man würde die Farrnkräuter des Waldes noch mehr lieben.

Wie in anderen Beziehungen, ſo haben nämlich die Farrnkräuter auch darin eine eigenthümliche Beſonderheit, daß in ihren Wedelſtielen man nennt die Farrnblätter Wedel die Gefäßbündel nicht zu einem einfach kreisrunden Holzkörper gruppirt ſind, wie es Regel iſt, ſondern daß dieſelben in ganz eigenthümlicher, man möchte faſt ſagen abenteuerlicher Weiſe in der zelligen Grundmaſſe liegen, ſo daß ein Querſchnitt des Wedelſtieles die manchfachſten Figuren zeigt. In Figur II. ſehen wir das etwa ſechsfach vergrößerte Bild dieſes Querſchnitts vom Adlerfarrn

II.

Schräg geführter Querſchnitt des Wedelſtieles vom Adlerfarrn.

und das deutſche Volk, welches der Pflanze dieſen Namen gab, dachte dabei ſicherlich nur an den deutſchen Reichsadler. Es iſt übrigens an dem mit vollkommenſter Treue gezeichneten Bilde durch keine Zuthat der Einbildungs - kraft zu Hülfe gekommen.

Einen Schmuck von der unnachahmlichſten Zierlichkeit bildet im Ge - birgswalde, oft große Flächen überziehend, der Waldſchachtelhalm,38 Equisetum silvaticum, bis fußhohe Bäumchen bildend, deren gegliederter einfacher Stamm aus jedem Gelenk einen ſtrahligen Schirm ebenfalls fein gegliederter Gebilde trägt, welche, obwohl beblätterte Zweige ſcheinend, doch nichts anderes ſind, als fein zertheilte Zweigbildungen.

Was von den Farren geſagt wurde gilt auch von den Schachtelhalmen und den noch hervorzuhebenden Bärlapp-Pflanzen, Lycopodium, auch ſie ſind nur noch die wenigen ſchwächlichen Ueberreſte von Pflanzenfamilien welche zur Zeit der Steinkohlenbildung in reicher Artenzahl und als ſtatt - liche Bäume den deutſchen Boden bedeckten, wie jetzt ſo auch damals im Vereine mit längſt ausgeſtorbenen Geſchlechtern von Nadelbäumen. Die wenigen uns verbliebenen Bärlapp-Arten kriechen meiſt moosähnlich und mehr vereinzelt am Waldboden und tragen daher nicht viel zu deſſen Charakteriſirung bei.

Fanden wir ſchon unter den blüthenloſen Pflanzen, den Kryptogamen Linné’s, eine große Befliſſenheit, den Waldboden zwiſchen den Stämmen mit einer lebendigen Decke zu verhüllen, ſo ſind nun der Arten der Blüthenpflanzen (Phanerogamen des Linné), welche daran Theil nehmen, noch viel mehr; obgleich kein Waldgras oder Kraut ſo ausſchließlich dies thut, wie wir ſahen daß es oft von zwei oder drei Moosarten geſchieht. Faſt immer zeigt der Waldboden, welcher von Blüthenpflanzen bewachſen iſt, ein Fülle zahlreicher Pflanzenarten auf einmal.

Die Blüthenpflanzen bedürfen als höher organiſirte Weſen noth - wendig einer größeren Einwirkung des Lichtes, der Sonnenwärme und des Luftwechſels. Wir finden deshalb, je dichter der Waldbeſtand iſt, deſto weniger Blüthenpflanzen auf ſeinem Boden und ſelbſt die bisher betrach - teten blüthenloſen vermögen nicht aufzukommen, wenn der Boden ganz beſchattet iſt, wie z. B. in Fichtendickichten oder angehenden Stangen - hölzern. Dann finden wir eben eine faſt oder ganz reine Nadelſtreu.

Je lockerer der Beſtand und zugleich fruchtbarer der Boden, deſto üppiger ſchießt eine Fülle von Blüthenpflanzen auf ihm empor und manch - mal kann man glauben, in einem verwilderten Garten zu ſein. Schließt ſich aber der aufwachſende Beſtand mehr und mehr, z. B. in einem Fichtenbeſaamungsſchlage, der durch Saamenanflug von einzelnen über - gehaltenen Saamenbäumen erzielt werden ſoll, ſo müſſen die großentheils einjährigen Waldunkräuter immer mehr weichen, wenn nicht, was39 auch vorkommt, das Unkraut die jungen Baumpflänzchen überwuchert, erſtickt und verdämmt .

Wenn der Großſtädter aus der deutſchen Ebene einmal ins Gebirge auf ſolch einen blumenſtrotzenden Waldſchlag kommt, ſo kann er nicht müde werden, die ihm großentheils neuen Pflanzen zu muſtern. Neben dem herrlichen Weidenröschen erblickt er den ſtattlichen Hohlzahn, Galeopsis versicolor, mit ſeinen großen citronengelben Lippenblumen mit dem violetten Flecken an der Unterlippe; in den faſt ſchwarzen großen Beeren, die er noch nie geſehen, erräth er die Tollkirſche, Atropa belladonna, denn gerade ſo drohend und doch zum Koſten einladend iſt ſie ihm ja in der Schule be - ſchrieben worden. Zu den Füßen der faſt mannshohen Giftpflanze ladet ihn nicht vergebens die würzige Erdbeere ein, unter ihrer Blätterdreifaltigkeit hervorgrüßend. Neben überraſchend ſtattlichen Federbüſchen des weiblichen Milzfarrn, Asplenium filix femina, giebt ihm das Rühremichnichtan, Impatiens Nolimetangere, ihr Blumenräthſel auf und erſchreckt ihn wohl mit dem geſchoßähnlichen Aufſpringen ihrer nur leiſe berührten Früchte. Wenn es ihm daheim niemals einfiel, Heidelbeeren zu eſſen, hier lieſt er mit Mühe die vereinzelt an den Büſchchen ſtehenden Beeren auf. Im Hochſommer ſieht er entzückt und mit einem was iſt das! die brennend korallrothen Trauben des Traubenhollunders, Sambucus racemosa, an; ſicher in der ganzen deutſchen Flora das vollendetſte Beiſpiel dieſer ſchönen Farbe. Ganze Flächen ſind mit einem bunten Muſter von dem reinſten Violett und Hochgelb überzogen, welches die Deckblätter und Blüthen des Kuhweizens, Melampyrum nemorosum, bilden. Rieſige Binſenbüſche und mannshohe Waldgräſer, voran die zierlichen Rispen der Calamagroſten, am Boden kriechende, mit Millionen weißen Stern - blümchen beſäete Labkräuter Alles, Alles feſſelt ſeine Aufmerkſamkeit.

Es iſt ſchon oben geſagt worden, daß eine Menge höherer, d. h. im Syſteme einen hohen Rang einnehmender Pflanzen ausſchließend oder vor - zugsweiſe ihre Heimath im Walde haben, und es würde jetzt eine lange Namenreihe geben, wenn wir dieſe Pflanzen alle aufzählen wollten; es mögen darum vorſtehende Beiſpiele genügen. Es iſt keine Pflanzenfamilie der Blüthenpflanzen, von den Gräſern bis zu den am höchſten ſtehenden Thalamifloren des Reichenbach’ſchen Syſtems, welche nicht ihre Ver - treterinnen im Waldesgrunde hätten.

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Die Beobachtungen der Waldkräuter und Gräſer geben Gelegenheit zu einer lehrreichen Erfahrung, die hier am beſten einige Worte der Er - wähnung findet.

Wenn ein achtzigjähriger oder noch älterer Fichtenhochwald ganz abgetrie - ben wird und nachdem die Stämme abgefahren auch die Stöcke gerodet worden ſind, ſo iſt dies einigermaßen mit einer Art Bodenbearbeitung nothwendig verbunden. Das Herausſchleifen und Abfahren des Holzes, das Aufwühlen des Bodens beim Stockroden, die Wagengeleiſe und die Tritte der Pferde alles dieſes ſchließt den bisher dicht verhüllt geweſenen Boden auf und geſtattet dem Regen und der Luft - und Wärmeeinwirkung den Zugang. Tritt zumal nach der Schlagräumung fruchtbare Witterung ein, ſo erſcheinen ſofort, ſpäteſtens im folgenden Jahre eine Menge Pflanzen, als wären ſie hingeſäet und man fragt ſich, woher ſie gekommen. Bei ſo hochent - wickelten Pflanzen träumt auch der Wunderſüchtige nicht von einem Entſtehen von ſelbſt , ſondern er läßt ſich nur die Wahl, ob die Winde die Saamen hierher geführt haben, oder ob der Saamen viele Jahrzehnte lang im Boden geſchlummert habe und jetzt erſt in der ihm gewordenen Freiheit aufgegangen ſei. Ohne Zweifel iſt Beides der Fall. Manche Wald - pflanzen, wie z. B. das Waldkreuzkraut, Senecio silvaticus, und das Weidenröschen, Epilobium angustifolium, zwei der verbreitetſten Schlag - pflanzen, haben außerordentlich kleine mit großem Haarſchopf verſehene Saamen, welche ſelbſt ein leiſer Luftzug leicht tragen kann; andere, bei denen dies nicht der Fall iſt, können nur dadurch auf einem friſchgeräumten Schlage ſich in Menge einfinden, daß ihre Saamen lange im Boden ge - legen hatten, ohne ihre Keimkraft zu verlieren. Vor kurzem ſahe ich aus einem Gefäß voll Erde, welches durch eine Glasglocke abgeſperrt war, allerlei Keimpflänzchen aufgehen, obgleich feſtſtand, daß dieſe Erde, ein ehemaliger Kompoſthaufen, ganze 30 Jahre von einem feſten Kieswege bedeckt ge - weſen war. Hier waren alſo unzweifelhaft Sämereien 30 Jahre lang mehrere Fuß tief im Boden vergraben geweſen und dennoch keimfähig geblieben.

Wenn man dieſe Seite des Waldbodens ins Auge faßt, ſo gewinnt er noch die ſinnvolle Bedeutung als fruchtbarer Mutterſchooß, dem nach langer Verſchloſſenheit eine Blumenfülle entſprießt, wenn ſich des Himmels Segen darauf ergoſſen.

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Endlich iſt hier noch einer andern Art der Pflanzendecke auf dem Waldboden zu gedenken, welche gewiſſermaßen ein Ueberbleibſel der Ur - waldbildung iſt.

Es kommt, wiewohl nicht häufig, vor, daß ohne Dazuthun des Förſters ſich der Wald ſelbſt ſeine Nachkommen erzieht, indem die ab - gefallenen Saamen im Boden nicht nur keimen, was ſehr häufig der Fall iſt, ſondern trotz der Ueberdachung der zeltartigen Laubkronen freudig fortwachſen und einen jungen Wald unter dem alten bilden.

Dann bleibt dem Förſter nur übrig, die Alten, wenn ſie haubar ſind, mit möglichſter Schonung der Jugend heraus zu nehmen.

Näher liegt uns aber jetzt die große Bedeutung, welche die aus Pflanzen gewebte, eben ſo wie die aus dürrem Laub und Nadeln auf - geſchüttete Bodendecke für den Wald hat, und wenn wir uns dieſe Be - deutung recht klar gemacht, wenn wir ein Verſtändniß derſelben gewonnen haben, ſo ſehen wir in dieſer Bodendecke nicht blos eine dem Auge wohl - thuende Vermittlung zwiſchen dem Walde und ſeinem ſtarren Träger, ſondern eine wichtige Bedingung des Waldlebens.

Der Walderzieher muß in der Hauptſache der Natur überlaſſen, für das Gedeihen ſeiner Baum-Saaten und Pflanzungen zu ſorgen. Kaum daß er für dieſe Einiges zur Bodenvorbereitung thun kann und daß er alsdann mit Vorſicht den dazwiſchen aufwuchernden Unkräutern Einhalt thut; ſo wie einmal ſeine Pfleglinge in eine kräftige Kindheit getreten ſind und ſie ſich in ihren ausgreifenden Zweigen zu Schutz und Trutz die Hände reichen, muß er ſie in der Hauptſache ſich ſelbſt überlaſſen. Er kann allenfalls dem Boden das zu viele Naß durch Entwäſſerung ableiten und Inſekten - und Wildſchaden nach Kräften abhalten, dem Eindringen des Weideviehes wehren, durchforſtend das zu dicht werdende Gedränge lichten das iſt aber auch ſo ziemlich Alles, was er kann. Sein Auge iſt aber unabläſſig auf die Bodenſtreu gerichtet.

Sie muß ihm den Waldboden friſch erhalten, ſie muß den austrock - nenden Sonnenſtrahlen und Winden ſteuern, ſie muß dafür ſorgen, daß den Baumwurzeln im Boden ſich immer erneuernder Vorrath verwes - licher Stoffe und der unbeſchränkteſte Spielraum geboten ſei.

Wenn namentlich, wie wir es von der Fichte bereits wiſſen, die Wurzel am liebſten in den oberſten Bodenſchichten bleibt, ſo iſt ihr die42 Bodendecke ein unentbehrliches Schutzmittel, möge ſie nun aus dem Nadel - fall oder aus Moos oder aus Waldkräutern beſtehen.

Wir begreifen, daß es eine ſchwere Sünde am Walde be - gehen heißt, wenn man ihm ſeine Bodendecke nimmt.

Und dieſe Sünde wird auch heute noch hundertfältig begangen! Wir verſtehen nun, was es vorhin ſagen wollte, als wir die Bodenſtreu einen Zankapfel zwiſchen Landwirthen und Forſtwirthen nannten.

Die Landwirthſchaft iſt noch vielfältig nicht ſo weit vorgeſchritten, daß Getreidebau und Viehzucht mit einander in Gleichgewicht ſtehen, d. h. in dieſem Falle, daß der Landwirth ſo viel Stroh erzeugt, als er an Streu für ſeine Thiere bedarf, um die nöthige Menge Dünger zu er - zeugen. Da ſoll und muß nun der Wald aushelfen, er muß ſeine Bodendecke zur Stallſtreu hergeben und verliert dabei mehr, als der Acker dadurch gewinnt; denn er verliert nachhaltig, während der Acker nur vorübergehenden Nutzen zieht.

Die Ablöſung der Streuſervituten iſt ſeit einigen Jahrzehenten das ſtehende Kapitel in den Jahrbüchern der Forſtverwaltung. In früheren Jahrhunderten, wo der Werth des Waldes theils wirklich noch ein geringerer war, theils für geringer galt als es hätte ſein ſollen, wurde ganzen Dorfgemeinden von der Staatsgewalt das Recht des Streurechens in den Staatswaldungen für alle Zeiten eingeräumt und jetzt ſeufzen die räumlich und zuſtändlich herabgekommenen ſchwer unter dieſem un - rechten Rechte.

Es iſt ſchon ſchlimm genug, wenn der Privatwaldbeſitzer, dem man das freie Gebahren mit ſeinem Eigenthum nicht beſchränken will, eben nicht angehalten werden kann, dieſe Waldverwüſtung, die es iſt, zu unter - laſſen. Wie viel ſchlimmer, wenn ſie die Staatsforſtverwaltung ſich ge - fallen laſſen muß, welche ſich verpflichtet fühlen ſoll, im Walde nicht nur eine ſichere Holzquelle, ſondern in ihm auch einen der wichtigſten meteorologiſchen Faktoren zu erhalten.

Gewiß, ich darf nun mit doppeltem Rechte wiederholen, daß uns der leuchtendgrüne Moosteppich eines Fichtenwaldes mehr als eine Augen - weide, daß er uns eine verſtändnißvolle Naturfreude gewähren muß. Während es uns ergötzt, unhörbar wie auf weichem Flaum darüber hin - zuſchreiten, ſo denken wir nun alle dabei auch daran, daß dieſe Decke es43 iſt, welche die geheimnißreiche Stätte des Baumlebens vor dem Herein - brechen ſtörender Gewalten beſchützt.

Wer an den Jammer des Streurechens nicht recht glauben will, der gehe nur in einen unter dem Streuſervitut ſeufzenden Wald. Nicht ſelten wird er unmittelbar an einen ſolchen einen Staatswald, vielleicht nur durch einen ſchmalen Holzweg und die mit der Krone verſehenen Grenz - ſteine von jenem geſchieden, angrenzend finden. Vielleicht trifft es ſich ſogar, daß dieſſeit und jenſeit des Grenzwegs derſelbe Fichtenhoch - wald ſteht. Dann blicke er unter ſich und über ſich. Auf dem Boden des ſtreugerechten Waldes ſieht er auf der kahlen Erde, nur mit küm - merlichen Moospflänzchen und einem lockern Nadelfall nothdürftig bedeckt, die entblößten Wurzeln hervortreten; und als Folge davon ſehe er dann die lockern durchſichtigen Wipfel, während die ſtreugeſchützten Bäume auf der andern Seite ein dichtes ſchattendes reichbenadeltes Schirmdach bilden.

Die Bedeutung der Waldſtreu iſt jedoch nicht allein eine ſchützende, feuchterhaltende, ſondern ſelbſtverſtändlich auch eine bodenverbeſſernde, düngende, indem die zerfallenden Pflanzentheile den Boden mit Dammerde bereichern. Wie weſentlich dieſer Dienſt iſt, beſtätigt ſich ſogar in Fällen, die man dazu für kaum geeignet halten ſollte. Im fürſtlich reußiſchen Gröbaer Wald in der preußiſchen Niederlauſitz hat man ſeit einigen Jahren ſchlechtwüchſige Kiefernorte dadurch zu einem beſſern Gedeihen gebracht, daß man auf die vorzugsweiſe aus magerem Haidekraut und dem kümmer - lichen Nadelfall beſtehende Bodendecke einen Fuß hoch Sand auffährt, welcher die Zerſetzung der Pflanzentheile befördert und den Boden dadurch bereichert.

Indem wir nun dem aus dem Steinreiche ſtammenden unteren Theile des Waldbodens noch einige Aufmerkſamkeit zu widmen haben, ſo iſt natürlich auch in dieſer Richtung die Bodenbeſchaffenheit eine ſehr verſchiedene und es ſpielt ſchon die Geſteinsart,*)Geſteinsart und Steinart muß man wohl unterſcheiden. Unter einer Ge - ſteinsart, auch Felsart oder Gebirgsart genannt, verſtehen wir ſolche Steinmaſſen, welche einen weſentlichen Antheil an der Zuſammenſetzung der feſten Erdrinde nehmen, ſo daß ihr Begriff nicht ſowohl durch die mineralogiſche Beſchaffenheit, ſondern durch ihre maſſenhafte Verbreitung bedingt iſt. Granit, Porphyr, Baſalt, Thonſchiefer, Kalk - ſtein ſind Geſteinsarten. Steinarten dagegen ſind durch ihre chemiſche Zuſammenſetzung durch deren Verwitterung der Boden entſtanden iſt, eine einflußreiche Rolle dabei.

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Eine der weſentlichſten Bedingungen, durch welche eine Gebirgsart mehr oder weniger fruchtbaren Waldboden bilden kann, liegt in dem größeren oder geringeren Grade, in welchem das Waſſer in die Poren deſſelben eindringen kann und eine auflöſende Kraft auf ſie ausübt. Dieſe Seite der Gebirgsarten iſt eben ſo wichtig als die, ob dieſelben mehr oder weniger aus ſolchen Stoffen beſtehen, welche im aufgelöſten Zuſtande zur Nahrung dienen können.

Es iſt hier ein für allemal als eins der wichtigſten Geſetze des Pflanzenlebens einzuſchalten, daß die Pflanze nur Löſungen aufzunehmen im Stande iſt; auch noch ſo fein zertheilte Stoffe, welche das Waſſer nur beigemengt enthält, vermögen nicht in die Wurzel einzudringen. Sie werden an ihrer Außenſeite abgelagert, während das Waſſer ſelbſt mit den in ihm vollkommen gelöſten Stoffen durch die Häute der äußeren Zellenſchichten hindurch in das Innere der Wurzel eindringt.

Der Umfang, bis zu welchem die chemiſche Einwirkung des Waſſers, vorzüglich durch deſſen Kohlenſäuregehalt, die Felſen in ihrem Gefüge aufzulockern und zum Zerfallen zu bringen vermag, iſt nach der Be - ſchaffenheit der Geſteine natürlich ſehr verſchieden. Hand in Hand gehen mit ihr des Waſſers phyſikaliſche Eigenſchaften, namentlich die, beim Gefrieren ſich auszudehnen. Das in die Poren und Haarſpalten der Ge - ſteine eingedrungene Waſſer wirkt dabei in der Form unzähliger kleiner Keile, weil es ſich beim Gefrieren ausdehnt und die Steintheilchen aus - einander ſprengt.

Dies letztere iſt namentlich bei zuſammengeſetzten ſogenannten kryſtalli - niſchen Gebirgsarten, z. B. Granit, Gneis, Syenit, der Fall, indem in ſolchen in den Berührungsflächen der ſie zuſammenſetzenden Stein - arten gewiſſermaßen der Weg angedeutet iſt, welchen das eindringende Waſſer zu nehmen hat. Daher finden wir ſehr oft auf Granitgebirgen den Waldboden aus einem nach oben hin immer feineren, nach unten*)und ihre geſtaltliche Beſchaffenheit und andere an der Farbe, Härte, Glanz etc. ſich aus - ſprechende Merkmale charakteriſirte Steine, z. B. Feldſpath, Glimmer, Quarz, Zinn, Diamant. Die drei erſtgenannten Steinarten bilden durch ihre Verbindung die Ge - ſteinsart Granit, welcher alſo eine zuſammengeſetzte Geſteinsart oder Gebirgsart iſt. Der Kalkſtein iſt beides zugleich: Steinart, weil er eine durch obige Merkmale für ſich beſtehende beſondere Art iſt, Geſteinsart, weil er felſenbildend vorkommt.45 immer gröberem Granitſand beſtehend; und an ſtehenden Gebirgswänden kann man dieſen zerfällenden Einfluß des Waſſers, der faſt immer auch mit Verfärbung und Erweichung der einzelnen Beſtandtheile verbunden iſt, oft bis in beträchtliche Tiefe verfolgen.

Wenn wir uns nun hierbei an die ſo höchſt manchfaltigen Zuſammen - hangsverhältniſſe (Cohäſion) der verſchiedenen Gebirgsarten erinnern, vom harten Baſalt an bis zu dem weichen Schieferthon und dem ganz zu - ſammenhangsloſen Sande, ſo ergiebt ſich von ſelbſt, wie verſchieden ſchon nach der Geſteinsbeſchaffenheit der Waldboden ſein kann. Die eine Ge - ſteinsart zerfällt leicht, die andere ſchwer, die eine zerfällt in dünne Schieferplatten, eine andere in kleinere oder größere ungeſtaltete Blöcke, eine dritte in loſen Schotter; die eine löſt ſich dabei zugleich ſtark auf, die andere ſehr wenig u. ſ. w. Dabei iſt es zuweilen von dem erheblichſten Einfluß, ob ein Waldboden bis zu der Tiefe, bis zu welcher überhaupt die Wurzeln eindringen mögen, von einer und derſelben Gebirgsart ge - bildet wird, oder ob innerhalb der Wurzeltiefe bald eine zweite, vielleicht ganz anders beſchaffene, folgt.

Man ſieht zuweilen Eichenbeſtände, welche an allen Bäumen deutlich wahrnehmen laſſen, daß ſie bis zu einem gewiſſen Alter geſund und kräftig erwachſen, dann aber ſämmtlich wipfeldürr geworden ſind. Zählen wir die Jahresringe einer ſolchen Eiche, ſo ſehen wir, daß nicht das Alter am Abſterben ſchuld geweſen ſein kann. Der Boden zeigt ſich außer - ordentlich fruchtbar und dieſe oberflächliche Unterſuchung läßt uns die Sache als ein Räthſel erſcheinen. Die Löſung liegt nicht tief, vielleicht nur einige Fuß tief. Dort liegt nämlich eine undurchlaſſende feſte Kies - ſchicht, oder eine Muſchelkalkbank, oder ſelbſt nur eine feſte Thonſchicht, in welcher die tiefer dringenden Wurzeln nicht weiter können, was ein Abſterben des Wipfel verurſacht.

Wie aus dieſem Beiſpiel erhellt, daß ſchon allein der mechaniſche Widerſtand des Bodens einen nachtheiligen Einfluß auf das Gedeihen des Waldes ausübt, ſo iſt überhaupt anzunehmen, daß die phyſikaliſchen Eigen - ſchaften, wie Erwärmungsfähigkeit, Lockerheit, Waſſerhaltigkeit, Tiefgrün - digkeit, von bedeutenderem Einfluß ſind, als die chemiſchen. Wenn z. B. auf den Höhen der aus Jurakalk beſtehenden ſchwäbiſchen Alp ein geringerer Waldwuchs iſt als auf den Gneis - und Granit-Kuppen des Schwarzwaldes,46 ſo hat dies ſeinen Grund weſentlich darin, daß der weiße Jurakalk außerordentlich viel ſchwerer zerfällt und verwittert und daher einen mit den vegetabiliſchen Reſten viel weniger innig gemengten Boden giebt als Granit und Gneis.

Wenn daher eine Gebirgsart nicht geradehin ſchädliche Stoffe enthält, ſo iſt es ziemlich gleichgiltig, ob ein Waldboden aus einem Gemenge von Moderſtoffen mit Kalk oder mit Sandſtein, oder mit Baſalt, Porphyr, Granit u. ſ. w. beſteht, wenn das Gemenge nur derart iſt, daß der Boden neben den ſteinigen Beſtandtheilen den gehörigen Antheil an Moder - ſtoffen (Humus), die nöthige waſſerhaltende Kraft, Lockerheit, Erwärmungs - fähigkeit und Mächtigkeit (Tiefgründigkeit) hat. Dieſe Eigenſchaften eines Waldbodens werden bedingt durch die angemeſſene antheilige Zuſammen - ſetzung aus den drei Hauptbeſtandtheilen Humus, Thonerde und Sand.

Ohne uns hier weiter in die überaus wichtige Lehre der Boden - kunde einlaſſen zu können, ſei doch noch zum Schluß dieſes Abſchnitts kurz dargelegt, nach welchen Seiten hin die Güte eines Waldbodens zu prüfen iſt. Wir folgen dabei der ſchon vor langer Zeit von Schübler hierüber gegebenen Anleitung, indem wir von ſeinen neun Fragen, die er an den Boden ſtellt, wobei er allerdings mehr Ackerboden im Auge hat, die erſte weglaſſen, welche das ſpecifiſche Gewicht betrifft, da dieſes bei dem Waldboden nicht von erheblicher Bedeutung iſt.

  • 1) Die Waſſerhaltigkeit eines Bodens, d. h. das Vermögen, beigemiſchtes Waſſer nicht abfließen zu laſſen, iſt eine ſehr wichtige Seite bei der Beurtheilung der Güte eines Waldbodens. Sandboden, oder vielmehr reiner Quarzſand, welcher oft genug faſt ganz allein den Kiefern - boden bildet, vermag nur 25 Procent Waſſer feſtzuhalten, während humusreiche Gartenerde 89 Procent aufnehmen kann. Am meiſten, näm - lich 190 Procent, hält der reine Humus (Moderſtoffe) feſt, daher es ſehr erklärlich iſt, welchen Nutzen ſchon hierdurch die Beimengung von Humus einem Waldboden bringt, wenn dieſer zumal aus Mineralſtoffen beſteht, welche eine geringe waſſerhaltende Kraft beſitzen.
  • 2) Die Zuſammenhangskraft (Cohäſion), in einem höhern Grade Zähigkeit genannt, findet ihre beiden Endpunkte im Sand und im Thon, und wenn man die Zuſammenhangskraft gleich 100 ſetzt, ſo iſt ſie bei guter Gartenerde 7,6 und bei gewöhnlicher Gartenerde 33,0; jene iſt alſo viel lockerer als dieſe.
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  • 3) Die Austrocknungsfähigkeit des Bodens iſt mit Berückſich - tigung der mittlern Menge der atmoſphäriſchen Niederſchläge oder nicht zu beſeitigenden Bodenwaſſers eine wichtige Bodeneigenſchaft. Schübler fand, daß mit Waſſer getränkter Sand in 4 Stunden bei 900 Wärme 88,4 Proc. Waſſer verlor, mehr als irgend ein anderer Bodenbeſtandtheil, während Humus nur 20 Proc. verlor. Erinnern wir uns, daß Humus 190 Proc. Waſſer einſaugen kann, und nun auch am ſchwerſten daſſelbe wieder ab - giebt, ſo müſſen wir die Bedeutung deſſelben für den Waldboden doppelt hoch anſchlagen, und wir erinnern uns jetzt der oben geſchilderten erſten Bodenunterſuchung, wie das geringe Maaß von Modererde zwiſchen den locker übereinander liegenden Steinblöcken den Waldboden dennoch friſch erhalten hatte.
  • 4) Die Zuſammenziehung des Bodens durch Austrocknen iſt nicht minder bei den mancherlei Bodenarten und deſſen Beſtandtheilen verſchieden, und es entſtehen dadurch bekanntlich Sprünge im Boden. Am größten findet man letztere z. B. in einem abgelaſſenen Teiche in deſſen mit Humus überladenem Schlamm, weil der Humus das größte Zuſammenziehungs - vermögen hat, was man auch an den oft allein aus Moderſtoffen beſtehenden Torfziegeln ſieht.
  • 5) Die Waſſeraufſaugungskraft (Hygroſkopicität), nicht zu ver - wechſeln mit der waſſerhaltenden Kraft, beruht in dem Vermögen, den Waſſerdampf aus der Atmoſphäre einzuſaugen. Bei waſſerarmen Boden - arten und bei regenloſem Wetter iſt dieſe Kraft natürlich von großer Be - deutung. Der Sand ſaugt durchaus keine atmoſphäriſche Feuchtigkeit auf, der Humus wiederum am meiſten.
  • 6) Das Aufſaugungsvermögen für Sauerſtoff iſt neben der Verſchiedenheit ſeiner Beſtandtheile im Boden namentlich durch ſeine Lockerheit und Poroſität bedingt. Auch hier iſt der Humus von der höchſten Bedeutung, weil er nicht nur den Boden locker macht, ſondern durch ſeine fortdauernde Verweſung den aus der Luft eingedrungenen Sauerſtoff in Kohlenſäure verwandelt, welche einer der wichtigſten Nährſtoffe für die Pflanze iſt.
  • 7) Das Wärmeleitungsvermögen eines Bodens ſpricht ſich da - durch aus, in wie viel Zeit derſelbe einen aufgenommenen beſtimmten Wärme - grad wieder verliert. Auch hierin herrſchen unter den mancherlei Bodenarten48 große Verſchiedenheiten. Auf 62½0 erhitzter Quarzſand brauchte Stunden um auf 21,00 abzukühlen, Humus dagegen blos 1 Stunde 43 Minuten.
  • 8) Endlich iſt die Erwärmungsfähigkeit des Bodens durch die Sonnenſtrahlen von großer Bedeutung und von nicht unbedeutender Verſchiedenheit. Dabei kommt es beſonders auf die Farbe deſſelben, auf den Feuchtigkeitsgrad, auf die Dichtigkeit und auf den Winkel an, unter welchem er von den Sonnenſtrahlen getroffen wird. Schon wegen ſeiner dunkeln Farbe erwärmt ſich der humusreiche Boden am ſtärkſten von allen.

Es iſt in dieſen acht Fragen zur Beurtheilung eines Waldbodens nichts enthalten, was ohne gelehrtes Wiſſen nicht verſtändlich wäre, es iſt in ihnen nur das ausgeſprochen und das gehört recht eigentlich in dieſes Volksbuch vom Walde was uns von einer nachdenklichen Be - trachtung der Natur als unſer ungekannter Wiſſensbeſitz nachgewieſen wird.

Wir ſind lange auf dem Waldboden herumgewandelt, aber ſicher nicht ohne Vortheil davon gezogen zu haben. Wir haben den innigen Lebenszuſammenhang zwiſchen ihm und dem Walde oder vielmehr den Bäumen denn ein Theil des Waldes iſt er ja ſelbſt erkannt und unſere Blicke, die wir aufwärts in die Wipfel richteten, wurden immer aufmerkſamer und immer fragender und darum fühlen wir nun, daß wir uns mit Dem nicht begnügen können, was wir im dritten Abſchnitte über den Baum mehr im Allgemeinen und nur vorbereitend erfuhren.

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5. Der Bau und das Leben des Baumes.

Lehr mich, Ehrwürd’ger, Dein Weſen verſtehen,
Daß ich in ihm mein Vorbild erkenne,
Daß ich Deinen Schüler mich nenne,
Redlichen Eifers voll, Dir nachzugehen.
Du mein Vorbild im ſtillen Begnügen,
Du mein Vorbild in nützlichen Werken.
Du mein Vorbild, den Muth mir zu ſtärken,
Will meine Kraft im Sturme erliegen.

Es iſt eine ſonderbare Gedankenloſigkeit oder mindeſtens Unachtſam - keit, daß man den Baum gemeiniglich mit gleichgültigen, wenn nicht mit geringſchätzenden Blicken anſieht, wann er ſeines Schmuckes beraubt in winterlicher Armuth vor uns ſteht. Es iſt aber geradehin eine Unmög - lichkeit, ein volles Verſtändniß des Baumes zu gewinnen, wenn wir ihn nicht auch im Winter anſehen. Gerade der laubloſe Baum enthüllt uns die Geſetze ſeines Baues und ſeines Werdens vollſtändiger und klarer, als wenn er in verwirrender Laub - und Blüthenpracht als ſchönes vollendetes Ganzes vor uns ſteht, an dem der Theil ſich nicht geltend machen kann.

Kaum daß der Landſchaftsmaler von Anderen will ich gar nicht ſprechen im Sommer die Ulme von der Eſche, den Spitzahorn vom Bergahorn, die Buche vom Hornbaum unterſcheiden kann; im Winter geht, ich rede aus vielfacher Erfahrung, die Baumkenntniß über die weißſtäm - mige Birke und über den Allerweltsſtudienbaum, die Eiche, nicht hinaus.

Jetzt wo wir den Baum nicht blos mit wiſſenſchaftlich forſchendem Auge, ſondern, wie es in der Naturforſchung ſtets ſein ſollte, auch mit dem ſchön menſchlichen Wohlgefallen des geläuterten Geſchmackes be - trachten wollen, kann ich es mir um ſo weniger verſagen, über KunſtRoßmäßler, der Wald. 450und Natur etwas vorauszuſchicken, als der Baum in einem ſo beliebten Zweige der darſtellenden Kunſt die hervorragendſte Rolle ſpielt.

Kunſt und Natur, oder Natur und Kunſt? Man weiß nicht, welches man vor, welches hinter ſetzen ſoll. Beide ſtehen ſo dicht neben einander, durchdringen einander vielmehr ſo innig, daß man eben dieſem Zweifel verfällt.

Dennoch werden beide oft als Gegenſätze gebraucht; vielleicht miß - braucht.

Dies iſt recht natürlich gemalt. In dieſem oft gehörten Satze liegt ein Verlangen nach Harmonie zwiſchen Kunſt und Natur.

Dieſe Ausſicht giebt ein ſchönes Bild, oder Dieſer Blumen - ſtrauß iſt wie gemalt will ſagen, daß die Kunſt, wie ſie ſich in dem geläuterten Geſchmack des Gebildeten ausgeprägt hat, ſich das Recht der Kritik über die Natur vorbehält.

Dieſe Körperhaltung iſt unnatürlich, oder geſteigert: widernatür - lich dies ſetzt die Natur in ihr Oberhoheitsrecht.

Auch der Sprachgebrauch, der nicht blos ein Tyrann, ſondern ebenſo oft, ohne daß wir daran denken, ein ſcharfer Logiker iſt, unterſcheidet auf dem Gebiete des Künſtlichen, d. h. des von Menſchenhand Gemachten, gegenüber dem Natürlichen in vielen Fällen ſehr klar. Bekanntlich wird in dem eben angegebenen Sinne anſtatt Künſtlich oft auch Falſch an - gewendet. Beide aber werden darum noch nicht für alle Anwendungsfälle gleichbedeutend.

Wir ſagen falſche Zähne, falſche Locken, nicht künſtliche Zähne, künſtliche Locken, obgleich ſie beide dieſes ſind, denn ſie ſind mit höchſter Kunſtfertigkeit der Natur möglichſt treu nachgebildet; ebenſo ſagen wir falſche Diamanten. Nicht aber ſagen wir falſche Blumen, ſondern künſt - liche Blumen; ein Invalid hat ein künſtliches Bein, nicht ein falſches Bein. Woher dieſe Verſchiedenheit? Offenbar daher, daß in die Be - zeichnung Falſch der Vorwurf gelegt werden ſoll, daß die als falſche be - zeichneten Dinge täuſchen wollen. Die anderen wollen nicht täuſchen; ſie ſetzen ſich anſpruchslos und nur mit der Abſicht, die fehlende Natur - wirklichkeit zu erſetzen, an die Stelle dieſer, und beanſpruchen und haben einen Eigenwerth. Die falſchen Dinge haben ihren Werth nur in der Täuſchung.

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Dieſem nach beſtimmt ſich der Werth eines Kunſtwerks. Sobald es ſeinen Werth in der höchſtmöglichen Nachahmung und ſomit in der Täuſchung ſucht, hört es auf ein Kunſtwerk zu ſein, es wird ein Kunſt - ſtück, welches den kunſtſinnigen Beſchauer verſtimmt. Darum mögen wir eine Statue nicht mit den natürlichen Farben bemalt. Je peinlicher die Be - mühung iſt, alle Seiten der Natur nachzuahmen, deſto mehr wird das Auge auf diejenigen gelenkt, wo eine vollendete Nachahmung eine Unmöglichkeit iſt.

Dabei ergeht es ſolchen Werken noch ſchlimmer als den falſchen Zähnen, weil ſie nicht einmal täuſchen können.

Die wahre Kunſt beſcheidet ſich daher, es der Natur nicht gleich thun zu wollen, und zwar deshalb nicht thun zu wollen, weil ſie es nicht kann. Sie ſtellt ſich mit der Natur in ein weiſes Einverſtändniß.

Dieſes Einverſtändniß beruht auf der richtigen Würdigung der beiderſeitigen Mittel.

Die plaſtiſche Kunſt, namentlich die Bildhauerei, hat vor der ma - lenden Kunſt die Körperlichkeit voraus und tritt dadurch der Natur einen Schritt näher. Aber eben darum hütet ſie ſich vor dem Vorwurf, der Natur zu nahe kommen zu wollen, und dann todte Nachäffungen neben die lebenden Originale zu ſtellen. Sie hütet ſich alſo vor den Farben, denn eine mit den lebenden Farben bemalte Statue ſagt: weiter kann ich nicht, und verräth ihre Schwäche, während eine weiße Marmor - ſtatue ſagt: weiter will ich nicht, und ihre Stärke innerhalb weiſer Grenzen zeigt.

Es wird wenig Menſchen geben, welche ſich in einem Wachsfiguren - Cabinet nicht unbehaglich fühlen. Dieſe Unbehaglichkeit, die ſich bei Manchem bis zum Grauen ſteigert, iſt eine Verbannung dieſer Art von Nachbildung aus den Grenzen der wahren Kunſt; denn was Unbehaglichkeit, ja Grauen erweckt, kann nimmermehr auf dieſen erhabenen Namen An - ſpruch machen.

Noch einen Schritt weiter über die Grenzen des Erlaubten hinaus ſind die durch einen innern Mechanismus beweglichen Wachsfiguren, welche jenes Gefühl bis zum Schrecken ſteigern können.

Worin nun liegt das Unzuläſſige in den Wachsfiguren? Einfach darin, daß ſie außer Form und Farbe auch Stoff und zuletzt gar Bewegung nachahmen wollen.

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Jenes Mißbehagen, welches bewegliche Wachsfiguren bis zum Schrecken ſteigern können, beruht darauf, daß ſie täuſchen können und täuſchen wollen. Man kann alſo eine Wachsfigur in ähnlichem Sinne wie den falſchen Diamant einen falſchen Menſchen nennen. Warum aber nicht einen künſtlichen Menſchen neben den künſtlichen Blumen? Weil die Wachsfigur, wie der falſche Diamant, täuſchen will. Das will die künſtliche Blume nicht, ſondern ſie will nur in Ermangelung der natür - lichen deren Stelle vertreten, ſo weit ſie es vermag; und dies vermag ſie in einem hohen Grade, da wenigſtens diejenigen Blumen, die wir künſtlich nachahmen, ihren Hauptzweck darin haben, uns zu erfreuen, was die künſtlichen ihnen eben bis zu einem gewiſſen Grade gleichthun können. Es braucht nicht erſt hervorgehoben zu werden, daß dies von Wachsfiguren gegenüber ihren lebenden Vorbildern nicht gilt.

Wir ſehen alſo, daß es gewiſſe Grenzen giebt, welche die Kunſt, indem ſie die Natur darſtellt, nicht überſchreiten darf.

Es giebt aber auch Grenzen, welche die Kunſt bei ihrer Darſtellung der Natur erreichen muß. Zwiſchen dem mindeſten Grade des Noth - wendigen und dem höchſten Grade des Zuläſſigen bewegen ſich alſo die Beſtrebungen der darſtellenden Kunſt.

In der Tonkunſt iſt es ähnlich; auch ſie hat eine äußerſte Grenze des Zuläſſigen in ihrer Darſtellung der Natur. Dies ſind die Natur - laute. Ein Zunahekommen an dieſe (Peitſchenknall!) iſt ein Ueberſchreiten der Grenze.

Bleiben wir nun bei der Frage ſtehen, ob die Malerei die Grenzen ihres Bereichs immer weiſe einhalte.

Was das Ueberſchreiten der Zuläſſigkeitsgrenzen betrifft, ſo ſind ihr ſchon durch ihre Mittel Feſſeln angelegt. Sie kann nur die Farben und von der Form nur Fläche und Umgrenzung nachahmen.

Wir kennen die Farben als Produkte des zerlegten Lichtſtrahls, wir wiſſen auch, daß auf dem Blatte einer Roſe die Farbe in derſelben Weiſe entſteht wie in dem Farbeſtoffe, mit dem wir ſie malen. Hier fallen alſo Natur und Kunſt in Eins zuſammen, und von einem Ueberſchreiten der Zuläſſigkeitsgrenzen kann hier eigentlich nicht die Rede ſein.

Wie wir aber nicht ohne Augenweh in die blendende Sonnenſcheibe blicken können, ſondern nur die durch Aetherſchwingungen hervorgebrachte53 Beleuchtung und Färbung für das Bereich unſeres Auges gehört, ſo iſt es eine Frage, ob es nicht bereits ein Ueberſchreiten der Zuläſſigkeitsgrenzen ſei, die Sonnenſcheibe zu malen. Eine Berechtigung zu dieſer Frage drückt ſich immer dadurch aus, daß wir jede Landſchaft, welche dieſes Wagniß begeht, mit beſonders kritiſchem Auge anſehen und nicht leicht Urſache zu voller Befriedigung haben. Die Lichtquelle zu malen, iſt wohl eine Ueberſchreitung des Zuläſſigen zu nennen. Nicht ganz ſo miß - lich iſt dies mit den Flammen, weil hier der Kontraſt bedeutend zu Hülfe kommt.

Die Bewegung, an ſich durch die Malerei undarſtellbar, gehört doch nicht durchaus zu dem Unzuläſſigen. Das brandende Meer, die ſturm - bewegte Baumkrone, ein laufendes Thier ſehen wir auf einem Bilde ohne Widerwillen, weil ſie einen Moment aus einer dauernden, ſich immer wieder in denſelben Momenten darſtellenden und wiederholenden Be - wegung veranſchaulichen, welche mehr als ein bloßes Mittel zum Zweck iſt. Dagegen müſſen wir zuletzt über einen zum Axthieb ausholenden Holzfäller lachen, weil wir den Zweck des Ausholens wiſſen und ihn doch nicht folgen ſehen. Tanzende Figuren werden zu Zerrbildern, wenn ihre Stellung eine ſolche Körperhaltung zeigt, welche gegen das Gleichgewicht iſt.

Nach dieſen wenigen Bemerkungen über das für die Malerei Zu - läſſige verweilen wir etwas länger bei dem Nothwendigen, was ſie erreichen muß.

Hier ſtößt der naturkundige Kunſtliebhaber mit dem ſchulmäßigen Kunſtkritiker oft hart zuſammen, und um jetzt meinerſeits einen ſolchen Zuſammenſtoß ſoweit möglich zu vermeiden, ſo hebe ich ausdrücklich her - vor, daß ich auch in der Landſchaft, die ich hier beſonders im Auge habe, eine Grenze der Zuläſſigkeit in der Nachahmung der Natur anerkenne.

Bilden auch immerhin in den meiſten Landſchaftsbildern die Pflanzen den Hauptbeſtandtheil, ſo dürfen jene doch kein Moſaik von Pflanzen - porträts ſein, ſondern eine harmoniſche Einheit, in der die einzelnen Theile ſich nicht, wenigſtens nicht alle mit gleichem Verlangen, zu indivi - dueller Geltung vordrängen dürfen.

Eine Landſchaft, in welcher der Pflanzenkundige jedes Blatt, jeden Grashalm, jedes Kraut mit wiſſenſchaftlicher Genauigkeit dargeſtellt er - kennen würde, könnte vielleicht dem Pflanzenkundigen ſelbſt eine Zeit lang54 gefallen, aber es iſt ſehr die Frage, ob eine ſolche Landſchaft ein Kunſt - werk und nicht vielmehr ein Kunſtſtück würde genannt werden können. Ich ſage ausdrücklich: es wäre dies die Frage, denn wir wiſſen es nicht, weil ein ſolches Bild wohl noch niemals gemalt worden iſt. Es iſt jedoch möglich, daß unſer durch die Photographie bereits an die höchſte Natur - wahrheit gewöhntes Auge durch eine ſolche Landſchaft nicht unangenehm berührt werden würde, vorausgeſetzt, daß die Lichtwirkung und Perſpektive darin gut behandelt wäre. Die bekannten Landſchaftsſpiegel laſſen uns vermuthen, daß eine ſolche Landſchaft gefallen könnte.

Der etwas widerliche Eindruck, den die bis auf das kleinſte Fältchen und bis auf die Farbwölkchen in der Regenbogenhaut des Auges ausge - führten Köpfe Denners machen, würde bei gleich ausgeführten Landſchaften nicht zu fürchten ſein, weil bei dieſen nicht das Erſchreckende der Naturwahrheit vorliegt, was den Dennerſchen Bildern eigen iſt, bei denen man glaubt, ſie müßten jeden Augenblick den Mund öffnen oder das Auge bewegen.

Ich will aber einer ſoweit gehenden Naturwahrheit der Landſchaften nicht im Ernſt das Wort reden. Meine oder vielmehr der Naturwiſſen - ſchaft Forderungen an die Landſchaftsmalerei, denn bei der bleibe ich zu - nächſt ſtehen, bewegen ſich in engeren Grenzen.

In dieſe Forderungen würde ſofort alle Welt einſtimmen, wenn aller Welt diejenige Naturkenntniß eigen wäre, die nach meiner Anſicht aus einer Landſchaft hervortreten ſollte. Der Mangel dieſer Naturkenntniß, welcher leider im Allgemeinen zu beklagen iſt, kommt den Leiſtungen unſerer Maler zu Gute; man erklärt ſich mit ihnen zufrieden, weil man daran nichts vermißt. Dennoch habe ich mich davon überzeugt, daß auch ohne dieſe Kenntniß eine Landſchaft, in der die verſchiedenen Baumarten in ihren charakteriſtiſchen Merkmalen der Stammbildung, der Aſtſtellung, der Belaubung deutlich hervortraten, größeren Beifall fand, als andere, die eben nur Baumſchlag in einer beliebigen ſchablonenmäßigen Technik zeigten. Es beruht dieſe einigermaaßen auffallende Erſcheinung dennoch ganz natürlich darauf, daß das hundertmalige Sehen von Buchen und Eichen, Rüſtern, Linden, Fichten, Kiefern, von dieſen Baumarten allen im Hirn der Leute Erinnerungsgebilde niedergelegt hat, welche durch ge - malte Bilder jener Baumarten wachgerufen werden, auch wenn man ſich55 gar nicht bewußt geworden war, daß die ſo oft gedankenlos geſehenen Bäume die Verſchiedenheit in ihrem allgemeinen Charakter haben. Es iſt und bleibt eine der merkwürdigſten Erſcheinungen unſeres geiſtigen Lebens, daß unſer Auge auch ohne unſer Geheiß und Wiſſen aus dem fortwäh - renden Verkehr mit der Außenwelt eine Menge Eindrücke aufnimmt und in unſerem Gehirn gewiſſermaaßen niederlegt, wo ſie als ein ungekannter Beſitz ruhen, bis ſie durch eine äußere Veranlaſſung wachgerufen werden. Wenn Letzteres geſchieht, ſo merken wir erſt mit einem Aufwachen aus der Unbewußtheit und mit einem ach ja! , daß wir das ſchon gewußt haben.

Dieſe Seite des menſchlichen Geiſtes verurſacht es, daß auch der der Baumwelt Unkundige durch charaktervolle Baumbilder mehr angeſprochen wird, als durch Baumſchlagmalerei.

Man verſtehe mich jetzt nicht falſch. Ich meine nicht die botaniſchen Kennzeichen der Bäume, die ſich in den Blättern, Blüthen und Früchten ausdrücken. Dieſe gehören nicht zu dem landſchaftlichen Baumcharakter, abgeſehen davon, daß ſie ſchon des beſchränkten Raumes wegen in den Landſchaften gar nicht zur Darſtellung kommen können. Die Form des Blattes iſt nur inſoforn dabei von Einfluß, als durch ſie der Charakter der Belaubung bedingt iſt. Das breite, zackige und lappige Blatt des Ahorn bildet eine ganz andere Belaubung als das eiförmige der Buche.

Die Naturſtudien unſerer jungen Ruisdaels beſchränken ſich ſehr oft nur auf abenteuerliche Stammſonderlinge und impoſante Baumrieſen, und ihr Stift erlahmt, wenn er über die Aſtgliederung hinaus an die feine Verzweigung kommt, wo nachher das Univerſalmittel des Baumſchlags beginnt. Der Baumkundige kann bei den meiſten Landſchaften nicht um - hin, nur in Umkehrung des Oben und Unten, an das Horaziſche mulier formosa superne desinit in piscem turpiter atrum*)Oben ein ſchönes Weib, häßlich endend in einen ſchwarzen Fiſch. zu denken.

Beſucht man Gemäldeausſtellungen, ſo findet man immer die Land - ſchaft am ſtärkſten vertreten und dennoch auf den Malerſchulen für eine gediegene Ausbildung des Landſchafters faſt nichts gethan.

Die bedauerliche Nichtbeachtung der charakteriſtiſchen Merkmale in den Umriſſen der Bäume, wodurch ſich in einem gemiſchten Laubholzbeſtande,56 ja ſelbſt in einem reinen, die einzelnen Laubkronen faſt immer ſehr beſtimmt von einander abheben, führt unſere Landſchaftsmaler auf einen Behelf, der in den meiſten Fällen geradehin etwas Unwahres hervorbringt. Man nimmt die Farbe zu Hülfe, um eine Baumwand zu gliedern, und ſcheut ſich nicht, mitten in eine Sommerlandſchaft eine braune Baumkrone zu malen, wie man ſie im Spätherbſt kaum zu ſehen bekommt.

Es iſt eine Aufgabe dieſes Buches, von unſeren wichtigeren deutſchen Laub - und Nadelbäumen charakteriſtiſche Baumbilder mit eingehender Be - ſchreibung zu geben, um etwas dazu beizutragen, die Künſtlerwelt auf die große Bedeutung der naturwiſſenſchaftlichen Auffaſſung der Landſchafts - malerei hinzuweiſen.

Der aufmerkſame Spaziergänger lernt in Wald und Flur die bedeu - tungsvolle Zugabe zu einer naturwahren Landſchaft würdigen, welche in der Färbung und Begrünung des Bodens liegt. Oft ſtehen in einer Waldlandſchaft die Bäume ziemlich unvermittelt auf einem als geringe Nebenſache vernachläſſigten Boden.

Ganz beſonders ſpricht ſich die Flüchtigkeit in der Behandlung der armen Natur in den Vorgründen vieler Landſchaften aus. Da ſieht man ſehr oft wahre Phantaſiegebilde, zu denen man in der Natur vergeblich nach Vorbildern ſuchen würde. Gerade an kräftigen Vorgrundpflanzen iſt unſere Flora ſehr reich. Was in einem Landſchaftsbilde dem Stand - punkte des Beſchauers ſo nahe ſteht, daß er es, und manchmal faſt in wirklicher Größe, deutlich in ſeinen Einzelheiten unterſcheiden kann, das muß auch in ſeinen natürlichen Formen erkennbar ſein. Es braucht dies deswegen noch lange nicht bis zur botaniſchen Genauigkeit getrieben zu werden.

Ein nicht minder häufiger Verſtoß gegen die Natur wird von den Malern dadurch begangen, daß ſie Unzuſammengehöriges zuſammen ſtellen, oder Pflanzen an den falſchen Ort bringen. Alles zu ſeiner Zeit und an ſeinem Platze iſt auch in der Malerei ein wohlzubeachtendes Ge - ſetz. Geſtalten von Waſſerpflanzen auf trocknen Boden zu ſetzen, iſt ebenſo tadelnswerth, als Blumen in Einen Strauß vereinigt, welche zu ſehr verſchiedenen Zeiten blühen, Früchte auf Einem Teller, welche nicht gleich - zeitig reifen.

Aber nicht allein Pflanzenkundiger ſollte der Landſchafts - und Blumen - oder Fruchtmaler ſein, ſondern der erſtere muß auch57 bis zu einem gewiſſen Grade mit den Verhältniſſen der Verbreitung der Pflanzen und mit der Geognoſie bekannt ſein.

Die geognoſtiſche, d. h. die Geſteins-Beſchaffenheit der Gebirge übt einen weſentlichen Einfluß aus auf die Umriſſe der Berge und auf die Einzelheiten der Felſen. Die Art der Verwitterung, die Zerklüftung in Bänke oder Platten oder in unregelmäßige Blöcke, ebenſo wie die Fär - bung, ſind nicht der Willkühr des Malers anheim gegeben, ſondern unter - liegen bei den verſchiedenen Gebirgsformationen feſten Regeln, die beachtet werden müſſen. Es erhöht den Werth einer felſigen Landſchaft bedeutend, wenn der Kundige darin auf dieſe Merkmale Bedacht genommen ſieht. Aber gerade hierbei wird gar oft das bunteſte Durcheinander willkührlicher Felſendetails gemalt. *)Aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte des Verfaſſers Aus der Heimath . Jahrg. 1859. Nr. 22.

Ich wiederhole, was ich in dieſer wiedergegebenen kleinen Anregung zu tieferem Nachdenken über das Verhältniß zwiſchen Kunſt und Natur eben ſagte, daß es dieſem Buche eine weſentliche Aufgabe iſt, alle Welt und namentlich den Landſchaftsmaler zu veranlaſſen, die Bäume zu ſtudiren, um ſich dadurch das Wohlgefallen an der Natur und an guten Bildern zu erhöhen, und die Landſchaftsmaler, um gute Bilder malen zu lernen.

Bei der Ausführung der unſerem Buche beigegebenen Baumbilder iſt es mir recht klar geworden, wie wenig wir im Allgemeinen daran ge - wöhnt worden ſind, ſehenzulernen, was der Naturkundige Sehen nennt. Meine Freunde, denen ich dieſe Bilder verdanke, geſtehen es mir jetzt gern ein, daß ſie dazu erſt haben ſehen lernen müſſen und daß ſie das meiſte Baumverſtändniß auf unſeren winterlichen Waldgängen gewonnen haben. Was ſie dabei außerdem noch gewonnen haben, daß möchte ich alle meine Leſer und Leſerinnen auch gewinnen laſſen: eine ungeahnte Steigerung und Vergeiſtigung ihrer Freude am Walde.

Wenn im Frühjahr endlich die neuen Triebe des Waldes kommen und das zarte gelbliche Grün aus tauſend Knospen hervorbricht, da denkt man nicht daran, rückwärts zu meſſen und zu prüfen, was ſchon früher geworden man freut ſich an dem Werdenden; und dieſe Freude am Werden benimmt uns das Nachdenken über das Geſetz des Werdens.

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Und doch bietet die Kenntniß dieſes Geſetzes einen hohen Genuß. Suchen wir uns ihn zu verſchaffen.

Wir durchſtreifen den laubloſen Wald und ohne uns mehr als ſonſt umzuſchauen nehmen wir wie Mancher von uns wird dies noch nie - mals gethan haben! von allerlei Bäumen und Geſträuchen ein kahles Zweiglein mit; hier an dieſem vom Sturme aus einer alten Eſchenkrone herabgeworfenen Aſte ein längeres Stück um Etwas daran zu lernen, was zwar an jeder Baumart zu lernen iſt, aber an keiner ſo deutlich, als an der Eſche. Die Knospen des winterlichen Waldes, welche wir be - trachten wollen, und einige andere Theile und Merkmale an den feinen Verzweigungen, ſollen uns jetzt den äußeren Bau und die Zuwachsver - hältniſſe des Baumes erläutern, ehe wir deſſen Inneres betrachten.

Die Knospen.

Die in ihren Bildungen ſich immer an beſtimmte Formen -, Stellungs - und Zahlengeſetze bindende Pflanzenwelt thut dies ganz beſonders auch an den Knospen, denen man ſo ſelten einige Aufmerkſamkeit zu widmen pflegt, wodurch man freilich auch nur dann einen Gewinn haben würde, wenn man die Knospen von mehreren Baumarten vergleichend be - trachten und dann finden würde, daß auch an dieſen unſcheinbaren Ge - bilden die höchſte Geſetzmäßigkeit und nach den verſchiedenen Baumarten ſcharfe Unterſchiedenheit ſtattfindet.

Was iſt eine Knospe? Wenn wir dieſe Frage mit ausſchließender Berückſichtigung des Baumes beantworten wollen, ſo iſt ſie die vorgebil - dete Anlage eines Triebes oder einer Blüthe oder eines Blüthenbüſchels, von der wir bereits im 3. Abſchnitt erfuhren, daß ſie, ähnlich wie die Saamen die Erzeugniſſe, die Abkömmlinge der Blüthe, die Erzeugniſſe je eines Blattes ſind. Wir können uns an den mitgenommenen Reiſern davon leicht überzeugen, denn wir finden dicht unter jeder Knospe die Blattſtielnarbe (III. 4. n), d. i. die Stelle, wo der Blattſtiel des abgefallenen Blattes geſeſſen hat. Selbſt dieſe Narben haben immer eine ſehr beſtimmte Form, wie unſere Fußſpuren im weichen Schnee immer den treuen Abdruck unſerer Sohlen geben. So lange das Blatt noch am Triebe ſaß, bildete ſein Stiel mit dem Triebe einen Winkel, in welchem die Knospe ſitzt die Blattachſel oder der Blattwinkel. Selbſt59 in der Richtung wie die Knospen an unſern Aeſtchen über den Blattſtiel - narben ſitzen herrſcht eine Verſchiedenheit, ſie ſtehen nämlich entweder genau ſenkrecht über letzteren wie bei dem Hornbaum (III. 10.) oder ſchräg wie bei der Buche (III. 9.) und im letzteren Falle ſtehen die an einem Jahrestriebe ſtehenden Knospen abwechſelnd nach rechts und links geneigt (z. B. bei der Buche, Linde, Ulme).

Die Blätter ſtehen bei den verſchiedenen Baumarten entweder, wie - wohl nur ſelten, platt am Triebe, oder ſie ſtehen auf einer mehr oder weniger hervortretenden Erhöhung deſſelben, dem ſogenannten Blatt - kiſſen. Demzufolge müſſen nun auch die Blattſtielnarben ebenſo ſtehen. Wir ſehen dieſe z. B. bei der Eſche auf einem ſtark hervortretenden Blattkiſſen ſtehen (III. 4. bk), ſo daß die Blattſtielnarbe gewiſſermaßen die Oberfläche einer Conſole iſt welche das Blattkiſſen darſtellt auf welcher das Blatt aufgeſetzt war. Durch die Blattkiſſen werden namentlich die Triebe der Eſche ſehr knotig und höckerig, wie das unſere Fig. III. 4. ſehr deutlich zeigt. Bei keinem deutſchen Baume ſteht die Blattſtielnarbe ſo platt am Triebe, wie bei der Roßkaſtanie.

Die Blattſtielnarbe hat nicht nur in ihrem Umriſſe, ſondern auch auf ihrer Fläche mancherlei bemerkenswerthe Unterſcheidungsmerkmale. Immer finden wir darauf mancherlei Grübchen oder Knötchen: die Ge - fäßbündelſpuren, ſo genannt, weil hier aus dem Triebe die Gefäß - bündel in den Blattſtiel eintraten. Bei der Rüſter (III. 1. n) finden wir deren ſtets 3, bei der Eſche (III. 4.) bilden ſie ein liegendes〈…〉〈…〉.

Iſt nun ſchon das anſcheinend ſo gleichgültige Plätzchen, wo das Blatt geſtanden hat, mit ſo ſcharfen Merkmalen ausgeſtattet, ſo iſt dies in noch viel höherem Grade bei der Knospe ſelbſt der Fall.

Mit nur wenigen Ausnahmen ſind die Knospen unſerer Laubholz - bäume mit Schuppen bedeckt und ſolche wollen wir vollſtändige oder bedeckte, die ſchuppenloſen aber unvollſtändige oder nackte Knospen nennen. Die letzteren finden ſich namentlich bei zwei Sträuchern, bei dem gemeinen Wegedorn, Rhamnus Frangula, und bei der einen Art Schneeball, Viburnum Lantana (III. 8.). Bei dieſen ſtehen die jungen vorgebildeten Blättchen der Knospe frei und namentlich bei erſterer der beiden genannten Pflanzen ſehen ſie wie erfroren aus.

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III.

1. Rüſterknospe. 2. Geſpaltener Eſchenzweig mit 3 Jahrestrieben, m innere, m äußere Schicht des Markes, h Holz, r, r und r Baſtſchicht, mittle und äußere Schicht der Rinde, n Blattſtielnarbe (deren 8 an der Figur ſind). Die Sternchen im Marke bezeichnen die Triebgrenzen. 3. Querſchnitt des Triebes da wo derſelbe am breiteſten iſt, die Buchſtaben bedeuten daſſelbe wie an Fig. 2, nur iſt für n ein k geſetzt, zur Andeutung, daß die Blattſtielnarbe eine Korkſchicht trägt, welche den Blattfall vermittelt. 4. Ein Eſchenzweig von 4 Jahrestrieben, *, **, ***, **** die äußerlich ſichtbaren Jahresgrenzen, k Endknospe und das letzte Knosvenpaar, n Blattſtielnarbe, bk Blattkiſſen. 5. 6. 7. Querdurchſchnittene Knospen der Erle, des Ahorn und der Schwarzpappel. 8. Eine unbedeckte Knospe vom Viburnum Lantana. 9. 10. 11. 12. Triebſpitzen der Buche, des Hornbaumes, der Erle und der Korbweide.

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Halbbedeckte Knospen hat der gemeine Hollunder oder Flieder, Sambucus nigra, deſſen kurze Knospenſchuppen nicht lang genug ſind, um die jungen Blättchen der Knospe ganz zu verhüllen. Bei der andern Art, dem Traubenhollunder, S. racemosa, ſind die Knospen dagegen ganz bedeckt.

Die bedeckten Knospen zeigen in der Zahl und Anordnung, in Farbe und Oberfläche ihrer Schuppen eine große Manchfaltigkeit, wodurch die Unterſcheidung der Bäume im Winterzuſtande außerordentlich erleichtert wird. Sie ſind entweder regelmäßig oder unregelmäßig geſtellt, obgleich auch die unregelmäßige Schuppenſtellung doch auch nach einer mathe - matiſchen Regel geordnet iſt, die nur weniger leicht in das Auge fällt, und auch hier in ihrer Regelmäßigkeit nicht nachgewieſen werden ſoll, weil dies uns von unſerem Ziele zu weit abführen würde.

An den Knospen der Eſche (III. 4.) ſtehen die Knospenſchuppen immer abwechſelnd paarweiſe gegenüber, was folgendermaßen ſich veran - ſchaulichen läßt: , und was man mit zuſammengebrochenen Karten - blättern ſehr leicht darſtellen kann. Ebenſo ſtehen die Knospenſchuppen auch bei den Ahornen, von denen wir, und zwar von dem Bergahorn, Acer pseudoplantanus, eine Knospe im Querſchnitt III. 6. dargeſtellt ſehen. Jedes Schuppenpaar umſchließt mit ſeiner Oeffnung die Ränder des vorhergehenden Paares. Man nennt dieſe Anordnung die kreuz - weiſe gegenſtändige, weil Blätter oder Zweige, die ſo geſtellt ſind, von der Spitze des Stengels aus geſehen, übers Kreuz ſtehen.

An den Rüſtern ſtehen die Schuppen nicht an 4 Seiten der Knospe von denen je zwei und zwei gegenüber liegen ſondern nur an zwei Seiten und zwar nicht paarweiſe einander gegenüber, ſondern abwech - ſelnd, alternirend. Wir ſehen dies an III. 1., wo die Schuppen 1, 3, 5 rechts, 2, 4 links ſtehen. Hier ſagt man, ſie ſtehen zwei - zeilig oder zweireihig abwechſelnd.

Ziegeldachartig oder dachziegelartig ſtehen die Schuppen bei der Buchenknospe (III. 9.), bei dem Hornbaum (III. 10.), bei der Eiche. Sie ſtehen dabei zugleich in Schraubenlinien geordnet, wie man dieſe Anordnung am Fichtenzapfen recht deutlich ſehen kann.

Bei der Birke, Pappel, Linde, Erle (III. 11.) ſtehen die Knospen - ſchuppen unregelmäßig.

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Laſſen wir uns dies Stellungsgeſetz der Knospenſchuppen jetzt nicht unwichtig vorkommen, denn wir werden bald ſehen, daß ſich das Geſetz an dem Baume in höheren Verhältniſſen wiederholt.

Die Zahl der Knospenſchuppen iſt zwar ſelten ſo ſtreng feſtgehalten, wie z. B. die der Staubgefäße, aber wenigſtens die der äußerlich ſicht - baren bietet doch einige Anhaltepunkte der Unterſcheidung dar. An der Hartriegelknospe (Cornus) kann man äußerlich nur ein Schuppenpaar unterſcheiden, bei der Eſche 2, bei den Ahornarten 3 4 (bei allen dieſen ſtehen ſie kreuzweiſe gegenüber); die Linde läßt nur 2 Knospenſchuppen ſehen, die Erle und Birke 3, die Buche und Eiche 10 bis 15. Die an den Trieb angedrückten Knospen der Weiden ſind von einer einzigen kapuzenförmigen Schuppe dicht umſchloſſen, welche bei der Knospenent - faltung abgehoben wird (III. 12.).

Daß die Farbe der Knospen ein allein ſchon ausreichendes Unter - ſcheidungsmerkmal abgeben kann, davon liefert die gelbgrüne Knospe des Bergahorns und die ſchmutzig karminrothe des Spitzahorns ein Beiſpiel. Die feine ſeidenartige Behaarung unterſcheidet die Knospe der Feld - rüſter von der kahlen der Flatterrüſter.

Die Knospen der Buche und des Hornbaumes ſind einander ſehr ähnlich, aber bei jener ſteht ſie unter einem großen Winkel von dem Triebe ab (III. 9.), bei dieſem iſt ſie angedrückt (III. 10.).

Gewöhnlich iſt die Knospe ſitzend, d. h. ohne beſonderen Stiel angeheftet, bei der Erle jedoch iſt ſie geſtielt (III. 11.).

Daß die Geſtalten der Knospen verſchieden ſeien, läßt ſich ver - muthen, und werden wir hierüber wie über die vorſtehenden, blos an - gedeuteten, Verhältniſſe bei der Betrachtung unſerer verſchiedenen Wald - bäume Weiteres erfahren.

Ehe wir jetzt das Innere der Knospe betrachten, müſſen wir noch Seitenknospen und Endknospen unterſcheiden.

Nicht jede Knospe, welche am Ende, an der Spitze, des Triebes ſteht, verdient die beſondere Bezeichnung als Endknospe, ſondern eigentlich wird nur bei der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung die unpaarig an der Triebſpitze ſtehende Knospe ſo genannt, während unter und zu - nächſt neben ihr nur Knospenpaare ſtehen, wie es an III. 4. bei der Eſche der Fall iſt, wo wir an dem oberſten, diesjährigen Triebe drei63 Seitenknospenpaare und an der Spitze eine Endknospe ſehen. Solche eigentliche Endknospen ſind auch immer größer und vollkommener als die Seitenknospen (IV. 1. Bergahorn).

IV.

1. Endknospe und Seitenknospenpaar vom gemeinen Ahorn. 2. Eichentrieb. 3. Schwarzpappel mit unechter Endknospe und 2 Seitenknospen; unten rechts daneben eine Seitenknospe mit der großen Blattſtielnarbe, von welcher 3 erhabene Linien abwärts gehen; Mark fünfſtrahlig. 4. Kreuzdorntrieb, welcher ſtatt der Endknospe einen Dorn trägt. 5. Espenzweig; die Sternchen deuten die Baſis von 2 Kurztrieben an, von denen der obere 2 dicke Blüthenknospen und über ihnen 2 ungleiche Laubknospen trägt. 6. Langtrieb der Traubenkirſche. 7. Ein Langtriebſtück der Espe mit einem aus 3 Trieben beſtehenden Kurztrieb (Kurzzweig), der nur eine Endknospe trägt. 8. Langtriebſtück der Birke mit 2 aus je 7 Trieben beſtehenden nur eine Endknospe tragenden Kurzzweigen. 9. Kurzzweig der Buche, aus 4 Kurztrieben beſtehend, welche immer mit den ringförmigen Schuppenſpuren beginnen. Der oberſte Kurztrieb trägt eine Endknospe und die Stielſtummel der abgeſchnittenen Blätter und einer männlichen Blüthe.

64

An der Buche und dem Hornbaume (III. 9. und 10.) verdient die oberſte Knospe den auszeichnenden Namen Endknospe nicht, weil ſie nicht oben den Trieb quer abſchließt, was bei der Eſche der Fall iſt, ſondern recht gut noch eine ſeitliche Verlängerung des Triebes mit noch einer oder mehreren Knospen gedacht werden kann. Gleichwohl iſt dieſe letzte Knospe, z. B. ſehr auffallend bei der Linde, meiſt doch etwas entwickelter als die unteren, wenn auch nie ſo auffällig wie die echten Endknospen der kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſtellung.

Die Eiche und die Pappelarten ſtehen zwiſchen den Bäumen mit und denen ohne echte Endknospe in der Mitte, indem bei erſterer an den Triebſpitzen die Knospen immer viel gedrängter ſtehen als tiefer am Triebe und eine davon durch bedeutendere Größe und ihre Stellung auf dem wirklichen Ende des Triebes ausgezeichnet iſt (IV. 2.), bei den Pappel - arten aber an der Triebſpitze immer die den Trieb fortſetzende Knospe immer größer iſt als die tieferen und ſo ziemlich genau an der wahren Endfläche des Triebes ſteht (IV. 3. Schwarzpappel, IV. 5. und 7. Zitter - pappel).

Anſtatt einer Endknospe enden einige Laubholzarten den Trieb in einen Dorn, was dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, und dem Schwarzdorn, Prunus spinosa, den Namen gegeben hat. Daſſelbe iſt der Fall bei dem Kreuzdorn, Rhamnus catharticus (IV. 4.).

Endlich haben wir noch zwiſchen Laub - oder Triebknospen und zwiſchen Blüthen - oder Tragknospen zu unterſcheiden. Oft ſind an einem winterlichen Baumzweige die Blüthenknospen ſehr deutlich zu erkennen und zwar, wie zu errathen, an ihrem größeren Umfang, wie z. B. bei der Zitterpappel (IV. 5.), dem Hornbaum (III. 10. die unterſte Knospe), den Weiden, Rüſtern und vielen anderen. An Fig. IV. 5. ſehen wir an dem jüngſten Triebe 1 End -, dicht daneben 1 Seiten - und tiefer 2 Blüthenknospen. Zuweilen iſt jedoch auch nur ein geringer oder kein Unterſchied zwiſchen beiden.

Weiter in das äußere Anſehen der Knospen unſerer Bäume und Sträucher einzugehen, würde uns jetzt zu weit von dem Ziele dieſes Ab - ſchnittes ablenken; wir werden bei Betrachtung der einzelnen Arten immer auch die Knospen beſprechen. Nur das ſei noch hinzugefügt, daß bei manchen Arten die Knospenſchuppen zu noch dichterem Verſchluß des65 Knospeninneren mit einer harz - oder wachsartigen Maſſe überzogen ſind, z. B. bei der Birke, Erle und Schwarzpappel.

In Vorſtehendem iſt übrigens lediglich auf die Laubhölzer Rückſicht genommen. Bei den Nadelhölzern ſind dieſe Verhältniſſe ziemlich einfach und im Ganzen ſehr übereinſtimmend. Die Triebknospen der Nadelhölzer ſind meiſt ſehr vielſchuppig.

Die Baumknospen pflegen ziemlich lange Zeit vor dem Laubfall ſchon vollkommen ausgebildet zu ſein. Im Oktober iſt es bei allen der Fall. Bei der Linde iſt bereits zur Blüthezeit namentlich die Endknospe ſehr entwickelt, während ſie an der Buche nur etwa zum fünften Theile fertig iſt, wenn die Saamen bereits ausgewachſen ſind.

Wir haben nun das Innere der Knospen zu unterſuchen und werden darin namentlich in der Art, wie die jungen Blättchen unter - gebracht ſind, eine große Manchfaltigkeit kennen lernen.

Bei denjenigen Bäumen, welche wie die Buche und Eiche in auf - fallend kurzer Zeit, oft in einer Woche, den ganzen Jahrestrieb, wenigſtens ſeiner Länge nach, ausbilden, iſt dazu die ganze Anlage mit allen ſeinen Blättern in der kleinen Knospe enthalten, ebenſo wie in der Puppe ſchon der ganze Schmetterling mit ſeinen vier großen Flügeln enthalten iſt, jedoch mit dem Unterſchiede, daß dem Schmetterlinge nach dem Aus - ſchlüpfen keine neue Maſſe hinzugebildet wird, während dies bei dem aus der Knospe in gewiſſem Sinne ebenfalls ausſchlüpfenden Triebe der Fall iſt, wenn gleich deſſen Vergrößerung zum Theil auch nur auf Zellen - Ausdehnung beruht.

Unſere deutſche Baumwelt bietet leider keine ſo großen Knospen dar, daß eine Zergliederung den Knospenbau ſo bequem erkennen läßt, als die Roßkaſtanie; weshalb ich zu dieſem Zwecke ſie empfehle. Vorher muß man mit Weingeiſt den klebrigen Ueberzug wegwaſchen und auch das Meſſer in Weingeiſt eintauchen, weil ſonſt das auch zwiſchen den inneren Schuppen ſitzende Harz am Meſſer klebt und ſo das mit weichem Flaum ausgepolſterte Knospeninnere in Unordnung gebracht wird. Dieſe Vor - ſicht iſt überhaupt in vielen Fällen zu empfehlen, weil mit einem unbenetzten Meſſer nicht leicht ein ſo ſcharfer und glatter Schnitt zu machen iſt, wie mit einem naſſen, wenn es auch nur mit Waſſer benetzt iſt.

Roßmäßler, der Wald. 566

Zunächſt ſehen wir uns auf S. 60 die Figuren III. 5. 6. und 7. an, welche querdurchſchnittene Knospen der Erle, des gemeinen oder Bergahorns und der Schwarzpappel darſtellen. Wir ſehen an der erſten die unregelmäßig geſtellten bis in das Innere der Knospe vordringenden Schuppen und dazwiſchen die ſchlangenförmig gebogenen Blätter, Alles im Querſchnitt. Daſſelbe zeigt die Pappelknospe, nur daß hier die Blättchen nicht geſchlängelt ſind, ſondern beiderſeits vom Rande her nach der Mitte eingerollt. Bei dem Ahorn bleiben alle Knospenſchuppen, es ſind deren meiſt 2 mal 4 gegenüber ſtehende Paare, am Umfange der Knospe, und im Inneren ſehen wir die im Zickzack gefalteten Blättchen. Wäre es eine Tragknospe geweſen, ſo würden wir auch die Querſchnitte der Blüthenknöspchen ſehen*)Es mag hier eingeſchaltet werden, daß man zum Zerſchneiden von Knospen und anderen Pflanzentheilen eines dünnen ſehr ſcharfen Meſſers, einer Lanzette, benöthigt iſt, als welches ein Federmeſſer in der Regel nicht ausreicht. Man mache dabei während des Schneidens eine ziehende Bewegung, denn das Durchdrücken des Meſſers preßt die Theile zu ſehr zuſammen. Man ſtemme den Pflanzentheil dabei gegen die Tiſchkante, oder lege ihn dabei gegen einen Kork..

Die Entblößung der inneren Knospentheile durch allmälige Beſei - tigung der Schuppen gewährt, wenn die Knospen nicht zu klein ſind, mit Hülfe eines ſpitzen Meſſers und eines feinen Zängelchens einen noch deutlicheren Einblick in den Knospenbau. Man ſieht, daß die äußeren Knospenſchuppen meiſt keine höheren Blattgebilde hinter ſich haben; erſt die weiter nach innen zu liegenden Schuppen decken je ein Blatt. Dabei findet man oft, z. B. bei den Weidenarten, bei der Eſche und manchen anderen Holzarten, daß eine Fülle von weichen, oft ſeidenartigen Härchen ſilberweiß bei den Weiden, braun bei der Eſche die kleinen Blättchen und die inneren Schuppen bedecken, während ſpäter das ausgebildete Blatt vielleicht kahl iſt. In der Regel findet man bei einer ſolchen Zergliederung die Knospenſchuppen viel zahlreicher, als man nach dem äußeren Anſehen vermuthet hatte.

In der Art, wie die oft zahlreichen kleinen Blättchen in dem ſo engen Raume des Knospeninneren untergebracht ſind, unterſcheidet man zwei Rückſichten; erſtens die Art, wie jedes einzelne Blatt auf dem mög - lich kleinſten Raum zuſammengefaltet iſt, was man die Knospenfaltung, Vernation, nennt und die Art, wie die einzelnen Blätter in Beziehung67 zu einander liegen, was Knospenlage, Foliation, heißt. Wir wollen nur von der erſteren zu dem, was wir ſchon durch die Figuren III. 5. 6. 7. kennen, noch Einiges hinzufügen, weil es blos eines etwas unter der Mitte der Längenaxe der Knospe geführten Querſchnittes bedarf, um dieſe zier - lichen Verhältniſſe mittels einer ſcharfen Lupe kennen zu lernen.

Wenn die Pappelblättchen in der Knospe ſtets von den beiden Seiten - rändern her nach der Mittelrippe zu aufwärts gerollt ſind, ſo ſind ſie es bei den Weiden abwärts. Bei dem Hornbaum und einigen andern Holzarten iſt das Blatt beiderſeits von der Mittelrippe in viele ſcharfe Falten, wie ein zuſammengelegter Fächer, gefaltet, wobei die Seitenrippen den Anhalt zu der Faltung geben; dieſe Faltungen ſind nicht ſcharf, ſondern gerundet bei der Erle. Bei der Linde, dem Faulbaum oder der Trauben - kirſche (Prunus Padus), der Birke, den Blattlappen der Ahorne und den Einzelblättern mehrerer fiederblättrigen Holzarten iſt das Blatt die Mittel - rippe entlang einfach nach oben zuſammengeklappt wie ein zugemachtes Buch.

Durchſchneidet man eine Knospe genau durch die Mitte der Längen - axe, ſo ſieht man im Grunde derſelben einen meiſt nur ſehr wenig er - hobenen kleinen Hügel, auf welchem die inneren Knospenſchuppen und

V.

Knospenlängsſchnitte: 1. der Kiefer, 2. der Traubenkirſche, 3. der Eiche, 4. der Espe. 1. iſt eine gemiſchte, d. h. Blüthen - und Laubknospe, 4. eine Blüthen - knospe. Die Sternchen bezeichnen die Knospenaxe.

die jungen Blättchen ſtehen. Dies iſt die Knospenaxe, die unmittel - bare oder ſeitliche Verlängerung des Holz - und Markkörpers des Triebes, aus welchem die Knospe entſpringt und woraus ſich bei der Knospenent - faltung der neue Trieb entwickelt.

5*68

Beſonders zierlich ſieht der Längsſchnitt einer männlichen Blüthen - knospe der Zitterpappel (V. 4.) aus, wobei man findet, daß alle die Hun - derte von Staubbeuteln darin bereits vorgebildet ſind, welche ſich ſpäter an dem daraus gewordenen fingerlangen Kätzchen finden.

Die drei anderen Figuren des nebenſtehenden Holzſchnittes ſind die durch die Knospenaxe (*) geführten Längsſchnitte der Kiefer (V. 1.), der Trauben - kirſche, Prunus Padus (V. 2.), und der Eiche (V. 3.). Aus der Kiefern - knospe würde ſich ein männlicher Blüthenſproß entwickelt haben. Die Knospenaxe iſt hier beſonders lang und es gehen von ihr bereits Ab - zweigungen in die Blüthenkätzchen über. Unten links daneben ſteht eine Laubknospe. Ein ſehr kurzer Kegel iſt die Knospenaxe bei der Eſche, wie wir an Fig. III. 2. (S. 60) in der geſpaltenen Endknospe ſehen.

Am anſehnlichſten ſieht man dieſe Knospenaxe bei der Kiefer während des Winters. Um eine Kiefernknospe zu durchſchneiden muß man das Meſſer immer mit Weingeiſt benetzt erhalten, weil ſonſt das Harz, welches der Weingeiſt auflöſt, den Schnitt hindert.

Gerade bei der Kiefer iſt es ſehr anzurathen, zunächſt einige noch ruhende Knospen im Innern zu unterſuchen und dann im Frühjahr die nach einander folgenden Stufen der allmäligen Entwicklung an einer jungen, üppig wachſenden Kiefer zu verfolgen. Ueberhaupt gewährt es einen ſehr lehrreichen Genuß, zur Zeit der Knospenentfaltung den Wald fleißig zu beſuchen und dabei beſonders beſtimmt angemerkte Knospen im Auge zu behalten. Das erſte Nahen des erwachten Frühlingslebens giebt ſich da - durch kund, daß die auseinander geſchobenen Schuppen ſich an den ent - blößten Stellen heller gefärbt zeigen.

Der Jahrestrieb*)Wir brauchen hier den allgemeiner angewendeten Ausdruck Trieb, während na - mentlich in neuerer Zeit die Wiſſenſchaft lieber Sproß ſagt. Beide Wörter ſind hier vollkommen gleichbedeutend..

Nachdem wir in der Knospe den Winterzuſtand des nächſtjährigen Triebes kennen gelernt haben, müſſen wir nun die Bekanntſchaft des vor - jährigen, eben vollendeten Triebes im Winterzuſtande machen, um dadurch ein Verſtändniß der äußeren Gliederung des Kronenzuwachſes des Baumes zu gewinnen.

69

Es iſt bekannt, daß auf dem Querſchnitte eines Baumſtammes aus der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu erſehen iſt. Wie aber iſt dies am noch ſtehenden Baume zu erfahren?

Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, müſſen wir uns über die Bedeutung des Wortes Zuwachs verſtändigen. Es iſt ein Kunſt - ausdruck des Forſtmannes, womit er die jährliche bleibende Maſſenzunahme eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Beſtandes, bezeichnet, alſo den Maſſenantheil der Blätter und Früchte nicht mit be - rückſichtigt. Es iſt für den Forſtmann wichtig, zu wiſſen, ob ein Beſtand in ſchlechtem oder gutem Zuwachs, wüchſig, ſei, weil er danach in vielen Fällen zu beſtimmen hat, ob der Beſtand noch länger ſtehen bleiben oder geſchlagen werden ſoll. Daß dieſe Ermittelung keine leichte Aufgabe ſei, können wir leicht begreifen, und es iſt auch die Zuwachsberechnung einer der ſchwierigſten Zweige der Forſtwiſſenſchaft.

Wir wollen nicht verſuchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel kennen zu lernen, ſondern wir beſchränken uns jetzt darauf, eins dieſer Mittel, welches dem Forſtmanne bei ſeinen Zuwachsberechnungen auch nur eine blos mittelbare Hülfe leiſtet, nach Anleitung einer ſchematiſirten Figur praktiſch anzuwenden.

Während es dem Forſtmanne lediglich auf den Holzgehalt ſeiner Re - viere ankommt, ſieht der Waldfreund mehr auf die ſchattenden Kronen der Bäume und freut ſich, wenn er in dieſen ein recht geſundes und üppiges Gedeihen wahrnimmt.

Dieſe unſere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, beſonders wenn es ſich um ſelbſt gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im Bereiche unſerer Hand iſt, entbehrt bis jetzt für die Meiſten des kundigen Bewußtſeins, weil wir die ſichtbaren Maaße nicht kennen, um welche jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wächſt und wächſt, und nach 4, 5 Jahren iſt ſeine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wiſſen, um wie viel. Wir können dies aber für jedes verfloſſene Jahr daran ableſen, wie wir aus den am Thürſtock gemachten Marken ſehen, um wie viel unſer Söhnchen in einem gewiſſen Zeitraum länger geworden iſt.

Wie in ſo vielen anderen Punkten, ſo iſt auch in den Kennzeichen des äußeren Zuwachſes ein erheblicher Unterſchied zwiſchen Nadelhölzern und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge70 um ſich ſieht, der kann es kaum unbemerkt laſſen, wie alt eine vor ihm ſtehende etwa mannshohe Kiefer ſei. Trifft ſich’s nun vollends, daß es gerade Mai oder Anfang Juni iſt, ſo müſſen ihn die hellen neuen Triebe mit den ſilbergrauen Nadelſcheiden in ihrem augenfälligen Gegenſatze zu den dunkleren älteren Trieben, deren Fortſätze ſie bilden, geradezu zum Abwärtszählen auffordern. An der regelmäßigen Quirlſtellung der Aeſte rings um den Stamm herum zählt man leicht Jahr um Jahr abwärts, und nur ganz unten am Boden, wo die früheſten jungen Quirltriebe be - reits abgeſtoßen ſind, bleibt man zuweilen um ein, zwei Jahre ab und zu im Ungewiſſen.

Wir dürfen darum den mehr frei und ungebunden ſich entwickelnden Laubhölzern gegenüber die Nadelhölzer ein mathematiſches Geſchlecht nennen, denn wir finden nicht nur die Triebe, ſondern an dieſen auch die Nadeln und an den Zapfen die Schuppen und Saamen in genauer Regelmäßigkeit und zwar in Spirallinien geordnet.

VI.

Triebzuwachs der Kiefer.

71

Wer von meinen Leſern und Leſerinnen jetzt nicht gleich hinausgehen kann, um eine junge Kiefer aufzuſuchen, möge ſich an unſerer Fig. VI. ſchadlos halten. Sie ſtellt ſchematiſch einen dreijährigen Kiefernwipfel dar. Die diesjährigen Triebe ſind mit einfachen, die vorjährigen mit Doppellinien gezeichnet, die dreijährigen mit dreifachen, während unten vierfache Linien die Spitze des vier Jahr alten Triebes zeigen, welcher ſeit 3 Jahren aus ſich den ganzen dreijährigen Zuwachs getrieben hat. Wir können demnach mit Leichtigkeit uns vorſtellen, wie dieſer Kiefern - wipfel vor einem und vor zwei Jahren ausſah, wenn wir das mit ein - fachen und das mit Doppellinien Gezeichnete hinwegdenken. Ja wir können den Wipfel gewiſſermaßen vor unſeren Augen fortwachſen laſſen, indem wir den vier -, drei -, zwei - und einfachen Linien je eine weitere Linie hinzumalen und dann auf jede Spitze der jetzt einfachen Linien einen Quirl aus einfachen Linien aufſetzen und ſo fort.

Dieſes Spiel würde uns eine vollſtändige Baumpyramide geben, welche eine Kiefer im regelmäßigen Lebensverlaufe iſt, und wir würden durch wiederholte Hinzufügung einer weiteren Linie zugleich den Dicken - zuwachs veranſchaulicht erhalten. Hätten wir dieſes Zuwachs-Spiel auf einem großen Tiſchblatt mit Kreide hingezeichnet, ſo würden wir, wenn wir etwa bis zum zwanzigſten Jahrestrieb gekommen wären, mit jeder ferneren Hinzufügung bis zu einer gewiſſen Höhe unten einen Quirl aus - löſchen müſſen, weil dann von unten an das Abſterben der älteſten Quirle beginnt.

Es iſt hier aber daran zu erinnern, daß nur die Kiefer dieſe ſtrenge Durchführung der Quirlſtellung der Triebe zeigt; daß ſich dagegen bei Fichte und Tanne außer dieſen regelmäßig geſtellten Quirltrieben auch noch unregelmäßig an dieſen ſtehende Triebe finden, welche wir Neben - triebe nennen. Allein bei einiger Aufmerkſamkeit ſtören uns in der Ab - zählung des Alters einer Fichte oder Tanne dieſe Nebentriebe doch nicht, weil auch an dieſen Bäumen die Quirſtellung der Haupttriebe zu deutlich iſt.

Wenn wir an unſerer Figur VI. den oberſten Quirl in’s Auge faſſen, ſo finden wir an ihm einen Mitteltrieb, welcher den Stamm, die Haupt - axe des Baumes, fortſetzt, und um dieſen herum 4 Seiten - oder Quirl - triebe, Nebenaxen. Dieſe Zahl der letzteren, welche zwiſchen 3 und 5, ſelten bis 6 ſchwankt, nimmt an den Aeſten und Verzweigungen älterer72 Bäume außer an der Hauptaxe, meiſt raſch ab und zuletzt ſinkt ſie auf 2 herab, die man dann eigentlich gar nicht mehr Quirltriebe nennen kann, da zu einem Quirl doch mindeſtens drei Arme gehören. An vielen Zweigen, namentlich an den männliche Kätzchen tragenden der Kiefer, fallen oft die Quirl - oder Seitentriebe ganz weg, ſo daß nur Haupttrieb ſich an Haupt - trieb reiht. Da dies an ſehr alten, freiſtehenden und daher ihre unteren Aeſte nicht verlierenden Fichten auch oft vorkommt, ſo haben dieſe dann ſehr lange peitſchenförmige dünne und einfache Zweige, welche trauer - weidenartig herabhängen.

Wenn wir ſo an einem Nadelbaume die einander gleichalterigen Triebe mit Zuverläſſigkeit als Repräſentanten je eines Jahres betrachten und nach ihnen das Alter des Baumes leicht erkennen können, ſo iſt dies bei den Laubhölzern nicht ſo leicht erſichtlich, wenn immerhin für den Kundigen nicht ſchwer.

Bevor wir die Verhältniſſe des äußeren Zuwachſes bei den Laub - hölzern kennen lernen, müſſen wir noch auf eine ſehr intereſſante Eigen - thümlichkeit der Nadelhölzer achten, durch welche dieſe gewiſſermaßen zu Geſchichtſchreibern ihres Standortes werden.

Wenn nicht örtliche Verletzungen einzelner Knospen oder der aus ihnen heraustretenden, noch kleinen und weichen Triebe ſtattgefunden haben, ſo bleibt nur ſelten ein Trieb bedeutend hinter den andern in Länge und Stärke zurück, und mit Ausnahme der faſt ſtets die Quirl - triebe an Länge etwas übertreffenden Mitteltriebe zeigen die an einem Nadelbaume, bis an das Ende des Stangenholzalters alljährlich zuwach - ſenden Triebe eine durchſchnittlich ziemlich übereinſtimmende Länge und Stärke. Es iſt dies ein Beweis von einem ſehr gleichmäßig im ganzen Baum vertheilten Bildungsſtoff und Bildungsdrang. Beides iſt unmittelbar und mittelbar von der Umgebung abhängig, welche jenen liefert und ſo dieſen bedingt. Durch dieſe eben genannte gleichmäßige Vertheilung wird es möglich, daß ſich der Grad der Fruchtbarkeit eines Jahres ſehr deutlich an allen dieſem Jahre entſprechenden Trieben ausdrückt. Finden wir an einer etwa ſechs Ellen hohen jungen Kiefer ein Stammglied zwiſchen 2 Aſtquirlen ſehr kurz, alſo dieſe Quirle einander ungewöhnlich genähert, ſo können wir darauf rechnen, daß nicht nur an allen Zweigen des Baumes das entſprechende Zweigglied ſich ebenſo verhalten wird, ſondern wir werden73 oft in einem weiten Umkreis an allen Kiefern von gleicher Alters - und Standortsbeſchaffenheit dieſelbe Erſcheinung wahrnehmen. Wenn wir auf einem ganzen Fichtenorte das dem Jahre 1854 entſprechende Stammglied an allen Fichten auffallend kurz finden, und dann ſind faſt immer auch die Nadeln ungewöhnlich kurz und weniger lebhaft gefärbt ſo werden wir mit Grund ſchließen dürfen, daß in dieſem Jahre eine heiße und trockne Witterung geherrſcht habe; finden wir aber auf demſelben Orte an einzelnen Plätzen an den Fichten den 1854er Trieb länger, ſo werden wir gewiß im Gehalt des Bodens oder in der Umſtellung oder in der Lage, in einer feuchten Einſenkung des Bodens einen Grund auf - finden, welcher dieſe Fichten die Unbill des Jahres weniger empfinden ließ.

So kann man wirklich mit Grund ſagen, daß die Nadelhölzer, we - nigſtens in der Dickicht - und Stangenholzperiode, die Geſchichtſchreiber ihres eigenen Lebens und ihres Standortes ſind.

Sehen wir nun, wie man an den Trieben der Laubhölzer das Alter oder wenigſtens den jährlichen Zuwachs erkennen kann. Dabei ſehen wir von immergrünen ab, deren wir überhaupt in Deutſchland keine einzige Art beſitzen, mit Ausnahme der Hülſe oder Stechpalme, Ilex Aquifolium, welche den Namen eines Baumes kaum verdient.

Das jährliche Abwerfen des Laubes hat für uns in dieſem Augen - blicke wenigſtens die Bedeutung, daß uns das Laub ſo lange es noch anſitzt, ſagt, was diesjähriger Trieb iſt. Da nämlich unſere ſommergrünen Bäume und Sträucher unter allen Verhältniſſen das Laub vor dem Aus - bruch des neuen abwerfen, ſo iſt an einem Baume alles das als diesjähriger Trieb zu betrachten, was die Blätter trägt. Dieſer laubtragende jüngſte Trieb iſt in der Regel auch durch ſeine friſchere und hellere, meiſt grün gefärbte Rinde von den älteren Trieben, deren letzte Fortſetzung er iſt, zu unterſcheiden.

So einfach dieſe Erkennung des dies - oder letztjährigen Triebes iſt, ſo kann man doch leicht in einen Irrthum dabei verfallen, vor welchem wir uns alſo im voraus zu bewahren haben.

Während wir bei den Nadelhölzern gefunden haben, daß alle Triebe eines Jahres ſo ziemlich gleich lang ſind, wenigſtens die Haupttriebe unter ſich und die Nebentriebe unter ſich, ſo iſt dies bei den Laubhölzern durchaus anders.

74

Man nehme einen Birkenzweig zur Hand oder trete vor ein Apfel - oder Birn-Spalierbäumchen, um ſofort zu ſehen, daß ſich daran hinſichtlich der Länge zweierlei ſehr verſchiedene Triebe finden: ſolche welche eine ſehr bedeutende Ausdehnung zeigen und bei manchen Arten von den drei genannten bei der Birke nicht bis in den Herbſt an der ſich ver - jüngenden Spitze immer noch fortwachſen, und dann ſolche, welche kurz und dick ſind und nur an der Spitze ein Paar Blätter und zwiſchen dieſen die Endknospe für das kommende Jahr tragen. Erſtere nennen wir mit Willkomm in Tharand Langtriebe, letztere Kurztriebe*)Th. Hartig, welcher zuerſt auf dieſen Unterſchied aufmerkſam machte, nennt letztere meines Wiſſens Stauchlinge..

Dieſe Verſchiedenheit, welche übrigens auf einer unerforſchten inneren Urſache beruht, iſt aber nicht ſo ſcharf begründet, daß an einem Baume die Kurztriebe im Fortwachſen immer Kurztriebe, die Langtriebe immer Langtriebe bleiben müßten. Oft bleiben ſie es allerdings eine Reihe von Jahren hintereinander; oft aber auch ermannt ſich ein Kurztrieb plötzlich zu einem kräftigen Langtriebe oder ein ſolcher ſinkt zu einem Kurztriebe herab.

Ich ſchalte hier ein, daß dieſe Verſchiedenheit der Triebe einen be - deutenden Einfluß auf den Habitus der Bäume ausübt, denn ihr verdanken wir z. B., daß die Birke nicht ganz und gar wie eine durchſichtige Trauer - weide ausſieht, indem zahlreiche, faſt immer nur 2 oder höchſtens 3 Blätter tragende Kurztriebe die Krone füllen helfen.

Hinſichtlich dieſer Triebverſchiedenheit ſtellt ſich in auffallender Weiſe ein Nadelholz auf die Seite der Laubhölzer, was es auch dadurch thut, daß es im Winter ſeine Nadeln verliert: die Lärche. Dieſe hat außer ſehr langen Langtrieben, an denen die Nadeln einzeln und auffallend weitläufig ſtehen, ſehr übereinſtimmend gebaute, höchſtens ½ Zoll lang werdende und dabei doch an 10 Jahr alte Kurztriebe, an deren Spitze ein Kranz von zahlreichen Nadeln ſteht.

Woran erkennt man nun aber die Lang - und die Kurztriebe; woran ſieht man überhaupt äußerlich an einem Zweige, wieviel von ſeiner Länge auf je ein Jahr kommt? Es ſind bei einiger Aufmerkſamkeit an jedem Baumzweige leicht Merkmale aufzufinden, an welchen man beſtimmt ſehen75 kann, bis hierher war der Zweig im vorigen Jahre gewachſen und von hier an iſt er in dieſem Jahre gewachſen. Man wird dabei die über - raſchende Thatſache finden, daß dies ebenſowohl eine Länge von 2 Ellen und darüber und eine Länge von kaum 1 / 12 Zoll betragen kann.

Wir dürfen jetzt nur die Figur III. 4. (S. 60) anſehen, um an dem dargeſtellten Eſchenzweige eine auffallende Abtheilung in Glieder durch Sternchen bezeichnet, zu bemerken, welche faſt von ſelbſt für eben ſo viele Wachsthumsſtillſtände Zeugniß ablegt.

Jede Triebknospe kann aus ſich einen neuen Trieb entwickeln, aber nicht jede thut es und die es thun, thun es mit verſchie - denem Erfolge. Ein Blick auf einen Baumzweig belehrt uns, daß viele Knospen ſitzen bleiben, nicht zur Entfaltung kommen, wofür wir den nähern Grund um ſo weniger anzugeben wiſſen, als die ſitzen bleibenden Knospen doch gewöhnlich die unteren am Triebe ſind, alſo der zuſtrömende Frühjahrsſaft früher zu ihnen kommt, als zu den über ihnen am Triebe ſtehenden. Allerdings ſind die unentwickelt bleibenden Knospen faſt immer ſchwächlicher und unvollkommener als die, welche ſich entwickeln, und ſo wäre dies ein Grund für jene Erſcheinung. Aber die Blätter, von welchen dieſe unvollkommeneren Knospen gebildet wurden, ſaßen doch auch tiefer am jungen Triebe, hatten alſo den Frühjahrsſaft früher, dem Ort und ſelbſt der Zeit nach, als die höhern! Kurz, den nähern Grund des Sitzenbleibens ſo vieler Knospen kennen wir nicht.

Wenn alle Knospen zur Entfaltung kämen, ſo würden die Kronen unſerer ſämmtlichen Bäume nicht allein viel dichter ſein, ſondern ſie würden auch eine viel größere Regelmäßigkeit der Verzweigung zeigen. Wenn wir an dem oberſten, dem diesjährigen, Gliede (Triebe) des Eſchen - zweiges (III. 4.) die ſchwarzen Knospen ſo äußerſt regelmäßig ſtehen ſehen und mit dieſer Stellung die Zweigſtellungen einer alten Eſche vergleichen, ſo muß uns die große Verſchiedenheit auffallen; wir müſſen bemerken, daß viele Tauſende von Knospen fehlgeſchlagen ſind.

Wir ſehen an dem diesjährigen, etwa zolllangen Triebe des abge - bildeten Eſchenzweiges 4 Paar Seitenknospen und die Endknospe; das unterſte Seitenknospenpaar iſt ganz klein und unausgebildet geblieben. Der vorhergehende hatte genau eben ſo viele gehabt, der vor dieſem ein Seitenknospenpaar mehr und der unterſte ebenfalls. Von allen dieſen76 zahlreichen Knospen iſt in den drei Jahren immer nur die Endknospe zur Entwicklung gekommen und ob es mit denen des neueſten Triebes wiederum ſo geworden ſein würde, das würde zum Theil wenigſtens von den Witterungsumſtänden abgehangen haben. Die ſitzen, d. h. unentfaltet gebliebenen Seitenknospen haben oberhalb ihrer Blattſtielnarbe eine Knospennarbe hinterlaſſen, wie man die Flecke nennen könnte, wo dieſe Knospen geſeſſen haben, von denen einige ſelbſt jetzt noch feſtſitzen, wenn auch nur vertrocknet und längſt todt.

Wo an unſerer Figur die Sternchen ſtehen erkennen wir mit Leich - tigkeit die Grenze zwiſchen zwei Jahrestrieben an der daſelbſt bemerkbaren Einſchnürung, zum Theil an der von da an etwas veränderten Richtung des neuen Triebes und endlich an den dunkeln Querlinien, welche daſelbſt bemerkbar ſind. Dieſe Linien ſind die Narben, welche die hier anſitzend geweſenen Knospenſchuppen zurückgelaſſen haben, als ſie bei der Ent - faltung der Knospe ſich auseinanderbiegen mußten und endlich abgeſtoßen wurden.

Da die Zeichnung natürliche Größe iſt, ſo ſehen wir, daß in vier Jahren dieſer Zweig jährlich um kaum mehr als um je 1 Zoll länger geworden iſt und keinen einzigen Seitentrieb gewonnen hat. Daß wir alſo hier 4 Kurztriebe vor uns haben verſteht ſich von ſelbſt.

Wenn die jährliche Triebgliederung auch nicht immer ſo augenfällig iſt, wie hier, ſo iſt ſie doch, und zwar zumeiſt durch die Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen, bei einiger Aufmerkſamkeit leicht nachzuweiſen, beſonders wenn die Knospen des Baumes vielſchuppig ſind, wie z. B. bei der Buche, wo die Baſis jedes neuen Triebes etwa 1 Linie breit mit zierlichen feinen Linien, den Schuppenſpuren, geringelt iſt (Siehe S. 63 IV. 9. ****).

Dennoch gehört zuweilen große Aufmerkſamkeit oder wenigſtens eine Kenntniß des betreffenden Kennzeichens dazu, um ſich, wie ſchon vorher im voraus angedeutet wurde, vor einer Täuſchung zu bewahren.

Fig. IV. 8. zeigt uns ein Stück eines Langtriebes von der Birke, an welchem zwei Kurztriebe ſitzen. An letzteren bemerken wir eine Menge äußerſt regelmäßige Blattſtielnarben und dichtſtehende Einſchnürungen und kleine Wülſte. Jeder dieſer Kurztriebe iſt ſieben Jahr alt, er trug an ſeiner Spitze jedes Jahr ſtets nur 2 Blätter dicht nebeneinander, welche77 zwiſchen ſich eine Knospe bildeten, aus welcher ſich im folgenden Jahre wieder ein winziger Kurztrieb mit 2 Blättern entwickelte. Dieſe Kurztriebe haben alſo ſeit 7 Jahren am Wachsthum des Baumes Theil genommen und haben es in dieſer langen Zeit noch nicht auf 1 Zoll Länge gebracht. Wir haben jetzt der Kürze wegen dieſe beiden gekrümmten Aeſtchen an Fig. IV. 8. Kurztriebe genannt, ſie ſind aber vielmehr zwei Zweige von je 7 an einander gegliederten Kurztrieben. Während dieſe Zweige jährlich höchſtens um 1 Linie zunahmen, hat der Hauptzweig, an dem ſie ſeitlich anſitzen, vielleicht jedes Jahr einen 2 Fuß langen Trieb gemacht. Vor 6 Jahren waren dieſe aus Kurztrieben zuſammengeſetzten kleinen Seiten - zweige noch ſo kurz, daß man ſie leicht überſehen und meinen konnte, ihre 2 Blätter ſtänden unmittelbar am Langtriebe. Dies iſt der Irrthum, in den man leicht verfallen kann.

Namentlich an dieſem Birkenreis können wir den glatten, ſchlanken Langtrieb von den buckligen und runzligen Kurztrieben leicht unterſcheiden, und ebenſo erkennen wir in IV. 5. und 7. zwei Kurztriebe von der Espe, und zwar den einen (7.) genau wie den der Birke an einem Stück eines Langtriebes.

Wenn wir nun eine wiſſenſchaftlich beſtimmte Unterſcheidung zwiſchen Lang - und Kurztrieben aufſtellen wollen, ſo müſſen wir ſagen, Langtriebe ſind ſolche Triebe, welche erſtens eine bedeutende Längenausdehnung und zahlreiche, weit auseinanderſtehende Blätter haben, welche wenigſtens theilweiſe entwicklungsfähige Knospen hinterlaſſen, während gerade die Endknospe bei ihnen oft fehlſchlägt. Viele Weidenarten machen faſt nur Langtriebe (deshalb vorzugsweiſe Ruthen, Gerten genannt); Kurztriebe dagegen ſind ſolche, welche bei einer ſehr unbedeutenden Längenausdehnung nur wenige, dicht beiſammen an der Spitze ſtehende Blätter haben, welche in der Regel entwicklungsunfähige Knospen hinterlaſſen, mit Ausnahme der ſtets entwicklungsfähigen Endknospe und reiner Blüthenknospen, welche erſtere oft auch die einzige Knospe des Kurztriebes iſt.

Von letzteren beiden Gegenſätzen bieten der Eſchenzweig (III. 4.) und die Birken - und Espenzweige (IV. 8. 5. 7. ) deutliche Beiſpiele, indem erſterer beiderlei Knospen hat, von denen jedoch nur die Endknospe entwicklungsfähig war, letztere überhaupt blos eine Endknospe. Kurztriebe letzterer Art haben bei Bäumen, deren Blüthenknospen am vorjährigen78 Triebe ſtehen, neben der Endknospe meiſt nur noch ſolche Blüthen - knospen (IV. 5.).

Auf dieſer Verſchiedenheit von Lang - und Kurztrieben und auf dem Fehlſchlagen unzähliger Knospen beruht weſentlich die maleriſche, ſo manch - faltig zuſammengeſetzte Fülle unſerer Laubkronen, während dieſe ohne Zweifel an einer unſchönen Regelmäßigkeit leiden würden, wenn alle Triebe gleich ſein und alle Knospen ſich zu Trieben entwickeln würden.

Es muß hier noch einmal ausdrücklich darauf aufmerkſam gemacht werden, was uns eben der Birkenzweig (IV. 8.) lehrte, daß das, was dieſe Figuren (8. 5. 7. ) darſtellen, richtiger Kurzzweige als Kurztriebe heißen ſollte, denn wir ſahen, daß an Fig. 8. zwei aus je 7 Kurztrieben von je kaum 1 Linie Länge zuſammengeſetzte Kurzzweige ſtehen. Ein Trieb iſt ja immer nur das Produkt einer Vegetationsperiode (wenigſtens am Baume) und an Fig. 8. ſehen wir in jedem der beiden Kurzzweige das Produkt von 7 Vegetationsperioden.

Das Wort Zweig hat ſtreng genommen gar keine wiſſenſchaftliche Berechtigung, wenigſtens nicht in der Forſtbotanik, eben ſo wie auch Aſt nur eine Volksbenennung iſt. Es würde uns ſehr ſchwer werden, im Anblick einer Eichenkrone, und namentlich unter vergleichender Berück - ſichtigung einer alten und einer jungen Eiche, beſtimmt zu ſagen, was an ihnen Aſt und was Zweig iſt. Nur was Trieb, Sproß, iſt, wiſſen wir beſtimmt zu umſchreiben: das Axenglied, welches innerhalb einer Vegetationsperiode aus einer Knospe hervorging.

Wenn wir auch nicht wiſſen, aus welchen Gründen die eine End - knospe einen Langtrieb, eine andere einen Kurztrieb entwickelt, ſo iſt doch hierüber nach der Alters - und ſonſtigen Beſchaffenheit der Bäume eine gewiſſe Verſchiedenheit bemerkbar. An alten Bäumen herrſchen meiſt die Kurztriebe vor, an jungen die Langtriebe. Beſonders übt hierauf das Beſchneiden des Baumes einen bemerkenswerthen Einfluß. Eine friſch geköpfte Weide treibt nur ellenlange Langtriebe hervor; daſſelbe thut ein ausſchlagender Wurzel-Stock, deren Triebe, z. B. bei dem Ahorn, der Rüſter, der Weide und vielen andern Bäumen nicht ſelten 2 3 Ellen lang in einem Sommer hervorſchießen und den beſonderen Namen Stock - lohden erhalten haben. Ohne Zweifel übt hier der Umſtand einen Einfluß aus, daß der geköpfte Baum oder der ſeines ganzen Stammes79 beraubte Wurzelſtock ſich dieſes Ausweges bedient, um die Fülle des auf - genommenen Nahrungsſaftes zu verwerthen, welche die alte bleibt, da ja die Wurzel dieſelbe geblieben iſt. Es findet hier gewiſſermaßen ein haſtiger zügelloſer Bildungsdrang in dem Baume ſtatt, daher auch an den in großer Anzahl und Ausdehnung hervorgetriebenen Langtrieben die Blätter nicht nur rieſenmäßig groß werden, ſondern zuweilen auch ganz aben - teuerliche Formen annehmen, was z. B. bei der Linde, der Feldrüſter und der Eiche der Fall iſt.

Wenn es vielleicht meinen Leſern und Leſerinnen des Redens von dieſen Trieben zu viel geworden ſein ſollte, ſo werden ſie bald anderer Meinung werden, wenn ſie nun mit dem hierüber Gelernten an die Bäume und Sträucher herantreten und es nun ganz leicht finden werden, die Lebensgeſchichte und das Lebensalter derſelben, ſoweit ſich dieſe an den Trieben ausdrücken, abzuleſen.

Freilich hört dieſes Ableſen auf, wenn die Schriftzüge: die Ein - ſchnürungen und die ringförmigen Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen und die Blattſtielnarben, bei dem Dickerwerden der Zweige verwachſen. Dann kann aber der geübte Blick immer noch weit herab annähernd ſchätzen und im äußerſten Falle giebt die Zahl der Jahrringe im quer - durchſchnittenen Aſte die ſofortige Auskunft.

Bei dieſem Abwärtsleſen von den äußerſten Triebſpitzen immer näher nach dem Stamme hin wird man auch, namentlich bei den Laubhölzern, recht deutlich inne, wie mit der immer zunehmenden Dicke der Verzwei - gungen keine Grenze feſtzuſtellen iſt, von wo an die Bezeichnung Zweig nicht mehr ausreicht und man dann Aſt ſagen muß.

Nachdem einmal der Trieb ſeine volle Länge erreicht hat, welche ihm nach der ihm innewohnenden Kraft und nach dem ihm zugedachten Bil - dungsſtoff geſetzt iſt, und er verholzt iſt, was bei allen Bäumen, die ab - geſchloſſene Triebe haben, im Juni beſtimmt der Fall iſt, ſo nimmt er alsdann in der laufenden Vegetationsperiode an Länge nicht mehr zu und er mißt im Juni wie im Oktober genau daſſelbe Längenmaaß. Etwas anderes iſt es bei den Bäumen und Sträuchern, deren Triebe die ganze Vegetationsperiode hindurch an der Spitze fortwachſen, was namentlich auch an den Stocklohden oder an den Trieben geköpfter Bäume der Fall iſt, ſelbſt wenn dieſe ſolche ſind, die wie Eiche und Buche im gewöhnlichen80 Zuſtande abgeſchloſſene Triebe haben. Ich erinnere an die Weiden und andere vorhin genannte Bäume.

Wenn die Buche, die Linde, die Eiche im Mai ihre Triebe aus den Knospen herausgebildet haben, ſo ſteht nach längſtens 14 Tagen das Treiben dieſer Bäume für einige Zeit vollſtändig ſtill. Es wächſt ihnen kein neues Blatt nach; die Triebe werden keinen Strohhalm breit länger. Dies ſind die Bäume mit abgeſchloſſenen Trieben. Wenn wir am An - fange und am Ende dieſer Periode des Stillſtandes, welche ungefähr 6 8 Wochen dauert, zu verſchiedenen Zeiten Photographien von einem ſolchen Baum nehmen könnten, ſo würden wir dieſe ſämmtlich hinſichtlich der Blätter und Triebe vollkommen einander gleich bekommen. Aber dann ermannt ſich das Baumleben noch einmal zu Neubildungen, namentlich bei Buche und Eiche.

Einzelne Knospen, End - wie Seitenknospen, deren Mutterblatt noch lebensfriſch neben ihnen ſteht, öffnen ſich und treiben einen meiſt ziemlich kurz bleibenden, belaubten Trieb, deſſen Blätter bei der Buche ſo zu ſagen meiſt etwas ſchlechter gerathen als die Maiblätter. Dann verleihen dieſe zweitgeborenen Blätter durch ihre jugendliche gelbgrüne Farbe dieſen Bäumen eine Zeit lang ein abſonderliches Anſehen, indem ihr ernſtes tiefes Grün von friſchem Gelbgrün beſprenkelt erſcheint, bis nach kurzer Zeit auch dieſe neuen Blätter dieſelbe tiefe Farbe wie die Maiblätter an - genommen haben.

Dieſen zweiten Trieb nennt man Sommer -, Johannis - oder auch wohl (gegen die Zeit) Auguſttrieb. Seine Zeit fällt je nach den Witterungsverhältniſſen in dieſem Zeitraume etwas früher oder etwas ſpäter. Da nun dieſer zweite Trieb auch aus einer Knospe hervorgeht, ſo zeigt er zuletzt an ſeiner Baſis, wo er an den Maitrieb grenzt, ähn - liche Kennzeichen, wie dieſer an ſeiner Grenze gegen den vorjährigen Trieb. Man kann daher Gefahr laufen, Maitrieb und Sommertrieb Eines Jahres für 2 Jahrestriebe zu halten und dann einem Zweige ein höheres Alter zuſchreiben als er hat. Vor dem Laubfall kann man dieſen Irrthum freilich nicht begehen, denn da man dann an beiden Trieben Blätter findet, ſo weiß man, daß beide derſelben Vegetationsperiode angehören müſſen.

Man kann den Sommertrieb während der ganzen Vegetationsperiode künſtlich hervorrufen, wenn man z. B. die Maitriebe ſtark zurückſtutzt,81 wodurch die Knospen der ſtehen gebliebenen Blätter genöthigt werden, dem Andrange des Nahrungsſaftes ſich zu öffnen und einen Trieb zu entwickeln. Darum treiben im Laub beſchnittene Hecken immer eine Menge neue Triebe, welche ohne das Beſchneiden nicht gewachſen ſein würden. Namentlich an Stockausſchlägen, die mit ihrem Bildungsſtoff nicht wiſſen wohin, iſt dieſe Erſcheinung ſehr häufig. Dieſes Beſchneiden der Hecken iſt daher ein allgemein angewendetes Mittel, dieſelben dichter zu machen.

Trotz dieſer vielen Ausnahmen kann man es doch als eine Regel be - trachten, daß die Baumknospen beſtimmt ſind, ſich erſt in der folgenden Vegetationsperiode (nach einem Winter) zu ent - falten.

Im Einklang mit dieſer Regel müſſen wir es nun einen Vorgriff, eine Vorzeitigkeit wiſſenſchaftlich Anticipation oder Pro - lepſis nennen, wenn eine Knospe, wie wir es eben bei Eiche und Buche kennen lernten, noch in derſelben Vegetationsperiode zur Entfaltung kommt, in welcher ſie ſelbſt gebildet wurde und während ihr Mutterblatt noch lebendig am Baume neben ihr ſteht.

Den Sommertrieb der Eichen und Buchen möchten wir eine na - türliche Prolepſis, die Triebe beſchnittener Bäume eine künſtliche Prolepſis nennen. Zwiſchen beiden beſteht der Unterſchied, daß es bei der letzteren in der Regel zu einer vorgängigen Knospenbildung gar nicht kommt, während bei jener der Trieb immer aus einer wirklichen Knospe hervorgeht, wenn auch dieſe nie ſo vollkommen wie eine Herbſtknospe iſt.

Aus alledem, was wir bisher über den Jahrestrieb kennen gelernt haben, geht nun als Endergebniß hervor, daß der Baum aus zeitweiſe nacheinander hinzugewachſenen ſelbſtſtändigen Längentheilen zuſammengeſetzt iſt, welche ſich ſcharf von einander abgliedern, ſo daß wir auch einen Trieb an ſeiner Anfügungsſtelle am Zweige leichter abbrechen können, als in ſeiner Mitte. Für dieſe letzte Erſcheinung müſſen wir nun noch einen Grund in ſeinem Innern ſuchen, wobei uns Fig. III. 2. (auf S. 60) behülflich ſein ſoll.

Dieſe Figur ſtellt einen durch die Mitte geſpaltenen Eſchenzweig dar, dem in Fig. III. 4. abgebildeten ſehr ähnlich. Der Zweig beſteht aus 2 Kurztrieben und dem oberen Theile eines dritten. In dem geſpaltenen Marke iſt durch Sternchen die Stelle bezeichnet, wo der Urſprung desRoßmäßler, der Wald. 682neuen Triebes iſt. mm′ iſt das Mark und zwar m der innere Theil deſſelben, welcher trocken und nicht mehr lebensthätig iſt, m′ der äußere Theil, welcher in ſeinen Zellen Stärkemehl und einige andere Stoffe enthält und noch lebensthätig iſt. Wir ſehen, daß dieſe äußere Markſchicht nach jeder Knospe hin ſich vordrängt, während die Schicht m in der Axe des Triebes zurückbleibt; h ſind die fünf Jahrringe, denn der Trieb war 5 Jahre alt; rr′r″ ſind die drei Schichten der Rinde.

Wir werden dieſe Figur noch beſſer verſtehen, wenn wir damit die Figur 3 vergleichen. Sie ſtellt den Querſchnitt durch den Trieb mitten durch zwei einander gegenüberſtehende Blattſtielnarben dar, wo allemal der Trieb in der Richtung der Knospengegenüberſtellung breit gedrückt iſt (was wir deutlich an III. 4. ſehen), daher eigentlich die Figur quer ſtehen müßte. Dieſelben Buchſtabenbezeichnungen bezeichnen hier dieſelben Theile wie an Fig. III. 2. Das Mark, was zwiſchen je zwei übereinander - ſtehenden Knospenpaaren auf dem Querſchnitt ziemlich kreisförmig iſt, zeigt ſich hier nur in ſeinem inneren Theile ſo m, während die äußere Schicht deſſelben ſehr lang und ſchmal breit gezogen iſt m′ und von einer Blattſtielnarbe bis zur andern quer herüber reicht, wo es in die Knospen - axen der 2 Knospen eintrat, welche hier geſtanden haben. Das Mark hat hier auch die 5 Holzlagen (der Zweig iſt alſo 5 Jahre alt) durch - brochen, von denen die innerſte viel dicker als die vier andern iſt. Das Mark iſt der erſte Ernährer der ſich bildenden und ſpäter der ihre Ent - faltung beginnenden Knospe.

Stamm und Aeſte.

Wenn wir an einem alten ſchlanken Buchenſtamme ſtehen, ſo können wir nicht mehr ſehen, daß auch er in ſeiner ganzen Länge Sproß auf Sproß gliederweiſe erwachſen iſt und auch wenn wir ſeinen vielleicht 20 Ellen langen aſtfreien Schaft mitten durch das Mark ſpalten, wir würden nur den gleichmäßigen Holzkörper finden und nur das geübteſte, mit der ſcharfen Lupe bewaffnete Auge könnte mit vieler Mühe den Markkörper entlang die oberen Endigungen der immer höheren, einander umſchließenden Jahres - lagen auffinden. Es iſt als ob der Stamm nur eine geſetzmäßige Jugend hätte, während ſein Alter im Drange des Lebensberufes, welchen wir in der83 Saftzuführung und im Laſttragen bereits kennen gelernt haben, ihn an ſeine eigene Leibes - und Lebensordnung am wenigſten denken laſſe, ſo daß er inwendig oder ſeitlich dem Tode und der Fäulniß längſt verfallen ſein kann und dennoch unverdroſſen ſeinem gemeinnützigen Berufe lebt.

Von den zahlreichen Zweigen, welche im Verlaufe ſeines vielleicht mehr als hundertjährigen Lebens zwiſchen ſeiner Wurzel und ſeinem jetzigen erſten, aber 20 Ellen hoch ſtehenden Aſte geſtanden haben, aber jung ſtarben, iſt an ſeiner glatten ſilbergrauen Rinde nichts mehr zu ſehen, als vielleicht einige längſt vernarbte Wunden, wo ihm der Sturm erſt in reiferen Jahren einen Zweig glatt am Leibe abgeriſſen hatte.

Sehen wir eine alte Eiche oder Linde an, oder was ſonſt für einen alten Laubholzbaum, wir finden dieſelbe vollſtändige Verwiſchung ſeiner Entſtehungsgeſchichte, ſeiner Altersſtufen; eine tief gefurchte dicke Borke umpanzert den mächtigen Leib. Weſentlich anders iſt es bei den Nadel - hölzern. Auch an einer alten mehr als mannsdicken Kiefer erkennt man in den meiſten Fällen bis herunter an die Erde ihre ehemaligen Aſtquirle und während es bei einem alten Laubholzbaume ein ſehr gewagtes Ding iſt, ſein Alter zu ſchätzen, ſo kann man es bei einem Nadelbaume, na - mentlich wenn er gefällt vor uns liegt, nicht blos ſchätzen, ſondern bis auf wenige Jahre ab und zu genau angeben, auch ohne daß wir am Ab - ſchnitt ſeine Jahresringe zählen. Alſo bis in ihr hohes Alter bewährt ſich der Einfluß ihres mathematiſchen Lebensgeſetzes bei den Nadelhölzern von den wir vorhin ſprachen (S. 70).

Der Forſtmann ſagt, daß ſich der Nadelbaum ſpäter reinige als der Laubholzbaum, d. h., daß er im Aelterwerden ſeine früheren, allmälig abſterbenden Aeſte ſpäter abwerfe. Der Grund zu dieſer Erſcheinung, welche eine Thatſache iſt, liegt in mehr als einem Umſtande. Das Harz, welches den Nadelbäumen eigen iſt, ſchützt die abgeſtorbenen Aeſte längere Zeit vor der Fäulniß. Da das Harz namentlich nach Verwundungen hinſtrömt, ſo werden die Aſtſtummel oft nach und nach ganz mit Harz durchdrungen. Wer im Walde einigermaßen zu Hauſe iſt, der weiß′ daß ein dürrer Aſt eines Laubholzbaumes wie Glas abbricht, während er von einem Nadelbaume viel ſchwerer abzubrechen iſt. Ferner iſt dem Baue nach das Holz der Nadelbäume an ſich zäher als das der Laub - hölzer und namentlich iſt die Aſtverbindung mit dem Stamme inniger als6*84bei den Laubhölzern, daher es ſchwerer iſt einen lebenden Fichtenzweig vom Stamme abzureißen, als von irgend welchem Laubholzbaume.

Darum ſehen wir auch in jedem Nadelwalde an jedem Baume eine Menge Aſtſtummel ſtehen, die, wenn ſie nicht zu lang waren, zum Theil nach und nach in den dicker werdenden Stamm gewiſſermaßen hinein - wachſen, was bei den Laubhölzern viel weniger der Fall iſt. Wir dürfen nur auf unſere fichtenen Stubendielen ſehen, um an den zahlreichen Aſtlöchern die Beſtätigung hiervon zu erhalten. An dem aus der Mitte des Stammes geſchnittenen Bret ſehen wir auch immer die ein - gewachſenen Aſtſtummel vom Marke aus die Holzfaſern ſchräg durch - ſetzen, ſcharf von dieſen abgegrenzt.

Wenn aber auch äußerlich am alten Baumſtamme der artkennzeich - nenden Merkmale wenige und noch weniger der altersbeſtimmenden ſind, ſo zeigen ſich dafür beide in deſto reicherem Maaße in ſeinem Innern. Wir wollen daher, nachdem wir die Geſetze ſeines äußeren Aufbaues kennen gelernt haben, uns mit denen ſeines inwendigen Lebens und Ge - ſtaltens bekannt machen.

Wir können dabei von einer breiten Grundlage von Allbekanntem ausgehen. Mark, Holz und Rinde kennen wir alle als die drei un - fehlbaren Haupttheile eines Pflanzenſtengels aus der Abtheilung der zwei - ſaamenlappigen Gewächſe; wenn wir auch das Mark eines alten Baum - ſtammes nur zufällig einmal an den Scheitchen unſeres Holzkorbes oder an einem Brete ſehen, für welches der Sägeſchnitt ſehr gegen den Wunſch des Käufers zufällig gerade durch das Mark ging und dadurch einen Fehler, eine weiche Linie, bekam.

Weil man im Ganzen an Bretern oder aus denſelben gearbeiteten Dingen ſo ſelten den Markcylinder zu ſehen bekommt, ſo hat ſich wohl hie und da der Irrthum eingeniſtet, als werde am alten Baume das Mark ſo ſtark zuſammengedrückt, daß es zuletzt verſchwinde. Ein ſolcher Druck findet nicht ſtatt und das Mark verſchwindet auch im älteſten Baumſtamme nicht, es ſei denn durch Ausfaulen mit dem Kern. Schon der Umſtand, daß das Holz aus zahlreichen, einander umſchließenden walzenförmigen Schichten beſteht, alſo ein echtes Tonnengewölbe iſt, müßte jeden Gedanken an eine Zuſammenpreſſung des Innern fern halten.

85

Schneiden wir einen einjährigen Zweig irgend eines Baumes, z. B. eine Weidenruthe, durch und thun wir daſſelbe mit dem verholzten Stengel einer krautartigen Pflanze, z. B. einer Klette, einer Sonnenroſe oder auch nur eines Levkoi-Stockes, ſo finden wir ſie beide in der Anordnung der drei genannten Beſtandtheile des Baumſtammes, der ja auch nur ein Stengel, aber ein ſehr vieljähriger, iſt, ganz übereinſtimmend. Unter der Rinde ſehen wir auf dem Schnitt einen Holzring und die Mitte nimmt ein mehr oder weniger dicker Markkörper ein.

Der Holzring iſt bei allen unſeren Bäumen und Sträuchern ſchon im jungen Triebe ein vollkommen geſchloſſener, während er bei vielen krautartigen einjährigen Pflanzen aus einzelnen Holzbündeln zuſammen - geſetzt iſt. Man ſieht jedoch auch bei manchen Bäumen wenigſtens etwas Aehnliches. An dem Querſchnitte eines einjährigen Eichentriebes ſehen wir um das fünfeckig ſternförmige Mark herum den Holzring ebenfalls dieſe Geſtalt annehmen und zwiſchen je 2 der Ecken bildet das Holz ge - wiſſermaßen durch die Ecken verbundene einwärts gebogene Partien. Wir ſehen dies an Fig. VII., welche ein nur ſchematiſirtes Bild eines jungen Eichentriebes im Querſchnitt darſtellt.

VII.

Querſchnitt eines ganz jungen Eichentriebes.

  • m. Mark.
  • h. Holz.
  • c. Cambiumcylinder.
  • b. Baſtſchicht in der Rinde.
  • r. Rinde.
  • o. Rindenhaut.
86

Im Weſentlichen ſtimmen alle unſere Bäume und Sträucher in der Anordnung und Anlage der verſchiedenen Gewebsmaſſen ihrer Stengel - theile überein. Die dabei ſtattfindenden Unterſchiede ſind nur nebenſäch - liche, obgleich immerhin oft ſo erheblich und in das Auge fallend, daß ein geübtes Auge in vielen Fällen an einjährigen Trieben auf dem Quer - ſchnitte die Holzarten unterſcheiden kann. Wir werden einige dieſer Unter - ſcheidungsmerkmale ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen, bei denen ſie eben artunterſcheidend, oder wenigſtens gattungsunterſcheidend auftreten.

Bei der Betrachtung des Markes, bei allen unſeren Holzarten der innerſte Theil der Stengelgebilde, müſſen wir uns erinnern, daß das Mark im Pflanzenkörper eine andere Bedeutung hat, als im Thier - körper, wie es überhaupt ſchon oft zu irrigen Auffaſſungen verleitet hat, wenn man pflanzliche Körpertheile und Lebenserſcheinungen nach thieriſchen deuten wollte, weil die letzteren den erſteren ähnlich ſchienen.

Das Mark iſt in den Pflanzen eine faſt immer ſehr gleichmäßig gebildete Zellengewebsmaſſe, welche aus ſogenannten kurzen, d. h. ſolchen Zellen beſteht, an denen die Ausdehnung nach allen Richtungen (Länge, Dicke, Breite) gleich iſt. Man kann ſich davon leicht am Hollundermark überzeugen, wenn man einen Quer - und einen Längsſchnitt davon vergleicht.

Bei unſeren meiſten Waldbäumen iſt das Mark ein verhältnißmäßig ſtarker, walzenförmiger und daher einen runden Querſchnitt zeigender Körper, an welchem man eine innere, trockne, weiße Schicht und eine zweite ſaftige, meiſt grünliche, jene erſte umſchließende äußere Schicht unterſcheiden kann. Beſonders ſtark iſt der Markcylinder bei dem Hollunder (Sambucus nigra), bei der Eſche, bei den Ahornen, beim Schneeball, den wilden Roſen - und Brombeerſchoſſen u. ſ. w.

Bei anderen Bäumen iſt der Markcylinder dagegen auffallend dünn und auch nicht aus den beiden eben erwähnten Schichten zuſammengeſetzt. Solchem Marke fehlt dann die innere Schicht und es beſteht nur aus lebendigen Zellen der äußeren Schicht. Es hat dann auch bei einigen Bäumen keinen runden Querſchnitt. Daß er bei der Eiche fünfeckig oder faſt ſternförmig iſt, wiſſen wir ſchon (Fig. IV. 3., S. 63 und Fig. VII. der vor. S.). Bei der Birke iſt er dreieckig, bei der Erle ſogar faſt ſpornförmig oder dreiſtrahlig (Fig. III. 11. S. 60).

87

Am augenfälligſten iſt die Trennung des Markes in eine äußere, Kreisſchicht m, und in eine innere, Kernſchicht m′ an der Eſche zu ſehen, wie dies nebenſtehende Figur VIII.*)Dieſe Figur, wie deren noch mehre kommen werden, iſt ſo aufgefaßt, als läge ein ganz feines, vergrößertes Schnittchen auf einer ſchwarzen Unterlage, etwa wie ein Stückchen feine Spitze. Mithin iſt das Weiße Zellenmaſſe und das Schwarze die leeren Räume, die Poren, im Zellengewebe. zeigt. Die Kreisſchicht wird auch Markſcheide genannt.

VIII.

Querſchnitt eines einjährigen Eſchentriebes, achtmalige Vergrößerung (nur ſchematiſirt.)

  • m′ Kernſchicht,
  • m Kreisſchicht des Markes.

Wir haben aber nun an einer, der größeren Deutlichkeit wegen auch nur ſchematiſirten Figur (IX. ) zu unterſuchen, wie die drei weſentlichen Beſtandtheile eines Zweiges wie jeden Stammes unſerer Waldbäume, untereinander verbunden ſind.

Es hat der ſehr ſtark vergrößerten Figur ein zweijähriger Trieb zum Grunde gelegen und wir ſehen, daß ſie vom Mittelpunkte des Markes aus etwa ein Sechstel des ganzen Querſchnittes darſtellt, von welchem wieder außen ein würfelförmiges Stück herausgeſchnitten iſt. Wir be - kommen dadurch die drei Hauptanſichten des Holzes oder überhaupt eines Stengelgebildes zu Geſicht: erſtens den Querſchnitt (Q) was der88 Holzarbeiter über Hirn, Hirnholz nennt, zweitens den Spalt - ſchnitt (Sp), welcher vom Mittelpunkte nach einem Punkte des Um - fanges des Stengels geführt iſt, und drittens den Sekantenſchnitt (Se), oft auch, aber weniger richtig, Tangentialſchnitt genannt durch welchen auf der Sägemühle von einem Stamme das erſte Bret abgeſchnitten wird, alſo rechtwinklig auf den Spaltſchnitt. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß außer dieſen drei Schnitten noch unzählige andere durch einen Zweig oder

IX.

Schema des Stammbaues. m das Mark, und zwar m′ deſſen Kern - und m deſſen Kreisſchicht; h das Holz, und zwar 2 Jahresringe, zwiſchen denen die Jahresgrenze jj; 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. ſieben Markſtrahlen; c die Cambiumſchicht; r die Rinde, darin die Rindenmarkſtrahlen *; Q Querſchnitt; Sp Spaltſchnitt; Se Sekantenſchnitt.

Stamm geführt werden können, welche immer eine andere Anſicht von deſſen innerem Gefüge geben müſſen. Jene drei aber erkennen wir leicht als die allein maaßgebenden, weil ſie in einem regelmäßigen Verhältniſſe zu dem Gewebe des Stammes ſtehen und wir wollen ſie daher die drei Normalſchnitte nennen.

Auf dem Querſchnitte ſehen wir an der rechten Ecke das Mark (m), dann das Holz (h) und außen die Rinde (r). An dem Markſechstel unterſcheiden wir die Kernſchicht (m′) und die Kreisſchicht (m). Wo dieſe beiden Marktheile ſich gegenſätzlich ausgeprägt finden, da iſt der89 innere, die Kernſchicht, an jedem mehr als 1 Jahr alten Triebe ſtets trocken und ſaftleer, und wenn ſie, wie dies meiſt der Fall iſt, eine weiße Farbe hat, ſo gleicht ſie auf einem glatten Querſchnitte recht fein - blaſigem eingetrockneten Seifenſchaume, wegen des Glanzes der trocknen Zellenwände (dies iſt am Hollundermark leicht zu ſehen). Von der Kreis - ſchicht des Markes ſtrahlen auf dem Querſchnitte (Q) des abgebildeten Holzſtückes 5 gerade, dünne und dickere Streifen (1. 2. 3. 4. 5. ) durch das Holz hindurch nach der Rinde hin. Dies ſind die ihren Namen alſo ganz paſſend tragenden Markſtrahlen, wahre Ausſtrahlungen des Markes.

Doch nur die Markſtrahlen der innerſten, zunächſt an das Mark grenzenden Jahresringe gehen unmittelbar vom Marke aus; bei zu - nehmender Dicke des Zweiges entſtehen in den neuhinzukommenden Jahres - ringen immer mehr neue Markſtrahlen, die alſo ſtreng genommen, da ſie nicht im Marke entſpringen, ihren Namen nicht vollkommen verdienen. Eben ſo gehen ſchon bei einem nur einigermaßen ſtarken Zweige nicht alle Markſtrahlen bis zur Rinde, und an einem Querſchnitte eines hundert - jährigen Stammes gehen die einzelnen Markſtrahlen ſelten durch mehr als 10 12 Jahresringe; dann entſpringen neben ihnen neue.

Es iſt als eine ſehr bemerkenswerthe Erſcheinung hier beſonders her - vorzuheben, daß die Markſtrahlen mehr als ein anderer Beſtandtheil des Stammes, ja eigentlich ſie ganz allein die ſtreng mathematiſche Regel der vollkommen geraden und zum Marke rechtwinkligen Linie und des ſtrengſten Parallelismus unter ſich beobachten. Der letztere tritt auf der Spaltfläche jeder beliebigen Holzart deutlich hervor.

Die Markſtrahlen ſind nach ihrer Länge, Breite und Dicke aufzufaſſen und zwar wenden wir ein für allemal dieſe drei Dimenſionen an einem Markſtrahle eben ſo an wie an einem Bande. Demnach ſind an unſerer Fig. IX. die Markſtrahlen 1. 2. 3. und 5. dünner als 4, und (an der Spaltfläche Sp ſichtbar) 6. breiter als 7. Auf der Se - kantenfläche, Se, ſehen wir die Breitenverſchiedenheiten von 10 hier quer - durchſchnittenen Markſtrahlen. Auf der Fläche r c j, welche natürlich eine Spaltfläche wie Sp iſt, ſehen wir drei verſchieden breite Markſtrahlen.

90

Nach dem Marke folgt von rechts nach links an der Figur IX. das Holz und zwar 2 Jahresringe,*)Jahrringe, Jahresringe, Jahreslagen, Jahresſchichten, auch wohl kurzweg Jahre, ſind gleichbedeutende Bezeichnungen. Erfunden ſind ſie alle gleicherweiſe nach einem Anblick eines Stammquerſchnittes, wo ſie als einander umſchließende, concen - triſche, Kreiſe mit einem gemeinſamen Mittelpunkte, dem Marke, ſichtbar ſind. Zwiſchen ihnen einerſeits und Jahres grenze andererſeits iſt wohl zu unterſcheiden; erſtere ſind die alljährliche zugewachſene, den ganzen Baum unter der Rinde überziehende neue Holz - ſchicht, die, weil ſie, auf einem Querſchnitte, ringförmig erſcheint, wohl angemeſſener Jahresring als Jahreslage zu nennen iſt. Jahresgrenze iſt nun ſelbſtverſtändlich die Grenzlinie zwiſchen zwei Jahresringen. Je deutlicher die Jahresgrenze, deſto leichter laſſen ſich die Jahresringe zählen. Bei unſeren deutſchen Holzarten, welche unter all - jährlichen vollſtändigen Wachsthumsunterbrechungen erwachſen, ſind die Jahresgrenzen faſt immer ſehr deutlich bezeichnet. welche durch die Jahresgrenze (jj) getrennt ſind.

Es iſt noch gar nicht ſo lange, daß man über die zeitliche Bedeutung der Jahrringe außer Zweifel iſt, obgleich der Praktiker hierin ſchon ſeit langer Zeit dieſe auf dem Querſchnitt eines Stammes oder Aſtes ſichtbaren ringförmig erſcheinenden Holzſchichten Jahrringe oder kurzweg Jahre nennt, und von grob - und feinjährigem Holze ſpricht und dadurch andeuten will, daß, wie es auch thatſächlich iſt, jedes Jahr alle - mal nur eine ſolche Schicht gebildet wird.

In unſerem Klima unterbricht der kalte Winter und in den Tropen - ländern die dürre Jahreszeit das Wachsthum der Bäume und erſt nach Ablauf dieſes Stillſtandes hebt das Wachsthum von Neuem an, was zur Folge hat, daß dieſes neue Anheben des Dickenzuwachſes durch eine Grenz - linie bezeichnet iſt.

In der Regel ſind die Jahrringe, oder hier richtiger die Jahreslagen, in dieſen Berührungs - oder Grenzflächen (denn nur auf dem Querſchnitte ſind es Grenzlinien) innig und feſt mit einander verbunden. Zuweilen zeigen aber die Stämme eine krankhafte Erſcheinung, welche der Forſtmann Kernſchäligkeit nennt, und welche darin beſteht, daß ſich die Jahres - lagen von einander ablöſen und dann der Stamm dieſelbe Erſcheinung zeigt, welche man zuweilen an Wachskerzen bemerkt, die ſich der Länge nach in Schalen auflöſen. Die Urſache der Kernſchäligkeit iſt noch unbekannt.

Es iſt leicht zu vermuthen, daß die Breite der Jahresringe theils von der Fruchtbarkeit des Bodens, theils von der der Witterung abhängt,91 daher auf einem Stammquerſchnitt ſehr oft Jahrringe von der verſchie - denſten Breite neben einander vorkommen. Oft aber ſehen wir an einem Querſchnitte alle Jahrringe an einer Seite des Stammes viel breiter als an der entgegengeſetzten und daher den Querſchnitt mehr eirund als kreis - rund, und das Mark weit aus dem wahren Mittelpunkte des Stammes gerückt. Dies deutet auf eine ungleichmäßige Ernährung des Stammes. Stand ein Baum am Rande eines Beſtandes und konnte er vielleicht als Randbaum einige recht kräftige Wurzeln in den lockern fruchtbaren Boden einer anſtoßenden Wieſe hinaustreiben, und dabei ſeine Aeſte an dieſer Seite frei in die Luft hinaus entfalten; oder ſtand ein Baum dicht an einem ſteilen Felſen, in den er keine Wurzeln hineintreiben und gegen den hin er auch keine Aeſte ausbilden konnte, ſo wird in beiden Fällen der Stamm excentriſch wachſen, d. h. es werden bei dem einen auf der nach der Wieſe hin und bei dem andern auf der vom Felſen ab liegenden Seite die Jahresringe ſtärker ſein als auf der entgegengeſetzten, weil beide hier die ſtärkeren Wurzeln und Aeſte hatten.

Dies Verhalten ſehen wir an Fig. X. 1. dargeſtellt (einem mitten durchgeſpaltenen Baume), wo a eine kümmerliche dünne, etwa in einen Felsſpalt eingetriebene Wurzel darſtellt und zugleich der Baum nach der - ſelben Seite nur wenig Aeſte hatte. Darum ſehen wir das Mark ſehr außer der Mitte des Stammes und deſſen Jahreslagen in gleichem Sinne nach rechts dünner als nach links.

Dieſes höchſt ungleichmäßige Verhalten der Jahresringe zeigt ſich namentlich an den dicken Aeſten des Stammes und des Wurzelſtockes. Erſtere zeigen ſich an ihrem Urſprunge oft ſeitlich dreit gedrückt und dann liegt das Mark weit außer dem wahren Mittelpunkte nach oben hin (Fig. X. 3.).

Stand aber ein Baum was namentlich von der oft in dichteſtem Schluſſe ſtehenden Fichte gilt von allen Seiten von anderen Bäumen dicht umſtanden, ſo daß auch ſeine Wurzeln und Aeſte ringsum die ganz gleichen Entwicklungsbedingungen und das gleiche Maaß von Ernährung fanden, ſo ſind auch die Jahresringe ringsum von ganz gleicher Dicke und ſolche Stämme haben dann oft einen wie mit dem Zirkel gezogenen Querſchnitt und ihr Mark liegt vollkommen im Mittelpunkte.

Zuweilen ſtehen auch, und hier wieder vorzugsweiſe Fichten, zwei alte Bäume ganz dicht beiſammen, ſo daß in der unteren Partie92 oft kaum ein Finger breit Raum zwiſchen ihnen bleibt und ſie auch in der Krone einander an der Aſtbildung hindern. Auch in dieſem Falle müſſen beide Stämme excentriſch wachſen und an den einander zugekehrten Seiten müſſen die Jahrringe dünner ſein als auswärts. Zuweilen kommt es dann vor, daß der eine Baum umgehauen wird, wodurch der andere dann mehr Freiheit bekommt. Er fängt dann an auf der frei gewordenen Seite die Jahr - ringe wieder dicker zu machen. Dies Verhältniß zeigt ſich an Fig. X. 2.

X.

1. 2. 3. excentriſch gewachſene Stämme, an Fig. 1 a ein verwachſener Zweig, b ein überwallter Aſt. 4. Unterſchied zwiſchen Kernholz und Splint. 5. Seitliche Aus - heilung eines ganz ausgefaulten Stammes.

93

Oft ſieht man aber auch an verſchiedenen Seiten des Querſchnitts eine Breitenverſchiedenheit der Jahrringe. Dann rührt die eine vielleicht von dem Standorte, wie eben beſchrieben, her, die andere vielleicht da - von, daß über ihr ſich ein Aſt beſonders ſtark entwickelte, der nun unter ſich den Stamm beſonders reichlich ernährte. Später brach vielleicht der Sturm dieſen Aſt ab, und nun treten über den bisher auffallend breiten Stellen der Jahrringe auffallend dünne auf. Es iſt dies an Fig. XI. dargeſtellt, an welcher die durch eine Linie zuſammengefaßten Jahresringe drei dergleichen beſonders modificirte Stellen der Jahresringe bezeichnen. Zuerſt hatte der Stamm dicht neben ſich einen Nachbar und daher waren

XI.

Stammquerſchnitt mit zeitweilig an verſchiedenen Stellen ungleichmäßiger Jahresringbildung.

die Jahresringe von dieſer Seite ſehr ſchmal, während ſie ſich an der entgegengeſetzten ſehr breit entwickelten. Später wurde der hinderliche Nachbar beſeitigt und nun entwickelten ſich auch an der frei gewordenen Seite die Jahresringe breit. Die beiden, durch die anderen zwei Linien zuſammengefaßten Anſchwellungen der Jahresringe wurden durch einen über dieſer Stelle ſtehenden ſtarken Aſt bedingt. Einer derſelben iſt ſpäter abgeſtorben oder abgebrochen, daher wir die Jahresringe hier wieder ſchmal finden. Der drittletzte Ring iſt ringsum ſehr ſchmal, daher war das ihm entſprechende Lebensjahr für dieſen Baum ein Hungerjahr wenn wir einmal jeden Ring an dieſer Figur für je einen Jahresring halten wollen, während ich mir bei der Zeichnung derſelben unter jedem Ringe vielmehr je deren fünf gedacht habe, weil ſonſt der Baum zu jung geweſen wäre, um94 ſchon ſolche auffallende Einflüſſe auf ſeine Holzbildung erlebt haben zu können.

Dieſe bisher von vielen meiner Leſer und[Leſerinnen] gewiß mit Gleichgültigkeit angeſehenen concentriſchen Kreiſe an dem Querſchnitte eines Stammes oder eines ſtehenden Stockes oder auch nur eines Balkens werden für dieſelben durch dieſe Mittheilungen gewiß eine überraſchende Bedeut - ſamkeit erhalten haben, und es iſt nicht zu viel geſagt, indem ich ihnen einen ſehr unterhaltenden Genuß verſpreche, wenn ſie auf das gegenſeitige Verhalten der Jahresringe an einem Baumſtamme achten wollen. Man kann daran die ganze Lebensgeſchichte eines vor uns liegenden, ſeiner Wurzel und ſeiner Aeſte und Krone beraubten Baumes leſen, ſo weit ſich dieſelbe an dem Holze ausſpricht.

Hier liegen zwei Fichtenſtämme vor einer Schneidemühle, um in Breter geſchnitten zu werden. Sie ſind beide gleich dick und tragen am Abſchnitt den gleichen Stempel ihres Beſitzers. Er hat vielleicht, ja wahrſcheinlich, für beide den gleichen Preis gezahlt, denn bei gleicher Länge und gleichem Durchmeſſer haben beide denſelben Gehalt an Holzmaſſe. Und doch ſind die beiden Stämme ſehr verſchieden an Werth. Der eine der beiden Stämme hat viel ſchwammigeres weicheres Holz, denn er iſt auf einem ſehr üppigen fruchtbaren Boden erwachſen, viel ſchneller als der andere, der auf magerem Boden ſtand. Wir ſehen das aus den Jahresringen. Der erſte hat deren 15 weniger als der andere und iſt doch ebenſo dick. Er ſetzte eben auf ſeinem guten Standorte jährlich dickere Jahresringe an als der andere und war daher funfzehn Jahre früher ebenſo dick als der andere; aber er wurde dies auf Koſten der Güte ſeines Holzes. Er iſt grobjährig, während der andere feinjährig iſt eine ſonderbare Vertauſchung des wenig mit grob und des viel mit fein.

Es gewährt dem Gebirgsbewohner wenn er darauf achten will eine angenehme Unterhaltung, vor der Schneidemühle am Gebirgsbache in ſeiner Nachbarſchaft baumbiographiſche Studien zu machen. Er hat beobachtet, daß ſeit mehreren Tagen immer dieſelben Geſpanne Fichten - klötze angefahren bringen und vor der Schneidemühle zu einer hohen Schicht aufthürmen. Sie ſind alle von gleicher Länge und durchſchnittlich auch von ziemlich gleicher Stärke. Daß ſie alle aus einem königlichen Forſtrevier kommen, ſieht er an dem Waldzeichen auf ihren Abſchnitten95 und er kann es auch allenfalls beim Schneidemüller erfragen. Die ſtanden auf echtem Fichtenboden und das in gutem Schluß, ſagt er ſich, denn die Jahre ſind von der richtigen Breite, eine Linie breit, etwas drüber oder drunter, und einer wie der andere, das Mark im Mittel - punkte wie das Schwarze in der Scheibe. Da fällt ihm ein, daß vor ſechs Jahren ein harter Spätfroſt, noch ſpäter als Pancratius und Ser - vatius, alle Maitriebe der Fichten weit und breit umher vernichtete, ſo daß die roſtrothen Triebe den Beſtänden einen rothen Schein gaben. Er zählt an den Stämmen 6 Jahresringe rückwärts und richtig findet er wenigſtens bei der großen Mehrzahl den entſprechenden Jahresring viel ſchmaler als die übrigen benachbarten.

So wird für denjenigen, der wenigſtens die Bedeutung der Jahres - ringe kennen gelernt hat, dieſe ſo höchſt einfache Seite der Stammbildung eine Quelle zu einer Unterhaltung, die wenigſtens ein anregender Zeitvertreib genannt werden darf, für den ſinnigen Freund des Waldes aber jeden - falls mehr iſt.

Es liegt uns jetzt die Frage nahe, ob trotz der großen Verſchieden - heit, welche die Jahresringe in ihrer Breite ſelbſt an einem und demſelben Stamme oder Aſte, ja ſelbſt die ein Jahresring an verſchiedenen Stellen ſeines Umfanges zeigt ob nicht dennoch bei den verſchiedenen Baum - arten wenigſtens einigermaßen eine Regel in der durchſchnittlichen Breite herrſche. Mit Vorbehalt iſt darauf ja zu antworten. Die Lärche hat z. B. durchſchnittlich breitere Jahresringe als die Eiche, dieſe breitere als die auf rauher Alpenzinne wachſende Arve und die Krummholzkiefer. Schwierig bleibt es aber immer, hier eine Eintheilung feſtzuſtellen, weil die Gunſt oder Ungunſt des Standortes einen ſo ſehr großen Einfluß auf die Breite der Jahresringe ausübt.

Wer ſich hierüber von unſeren deutſchen Bäumen und Sträuchern eine bequeme Ueberſicht verſchaffen will, der kaufe ſich die Miniatur - Holzſammlung von Nördlinger*)Profeſſor Dr. Nördlinger, fünfzig Querſchnitte der in Deutſchland wachſenden hauptſächlichſten Bau -, Werk - und Brennhölzer; für Forſtleute, Techniker und Holzarbeiter. Stuttgart und Augsburg. J. G. Cotta’ſcher Verlag. 2 Thlr. 15 Ngr. Es ſind dies außer - ordentlich dünne, etwa 2 Quadratzoll große Holzblättchen, ſo dünn und ſo rein im Schnitt,, die an Sorgfalt der Auswahl und unübertrefflicher Eleganz der Exemplare Vorzügliches leiſtet.

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Wir müſſen nun noch einmal zu Figur X. 1. zurückgehen, welche uns in einem Schema deutlicher machen ſoll, wie nun der Baum in ſeinem Holze aus lauter einzelnen Jahresſchichten zuſammengefügt iſt. Am einfachſten können wir es uns ſo denken, daß ſich die einzelnen Jahreslagen Jahresringe würde jetzt eine falſche Vorſtellung geben wie Zwiebelſchalen verhalten. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß auch an der größten Eiche nicht bloß der Stamm und die Aeſte, ſondern auch das jüngſte Reis, jede Wurzelfaſer alljährlich mit einer neuen Holzſchicht über - kleidet wird, und daß dieſe Holzſchicht über den ganzen Baum hinweg in ununterbrochenem Zuſammenhang ſteht. Es würde natürlich unmöglich ſein, dies an einem geſpaltenen Baume, wenn wir einen ſpalten könnten, der Wahrheit getreu zu zeichnen, darum muß uns unſer Schema aus - helfen. Zählen wir unten über dem Erdboden und oben am Abſchnitte an unſerer Figur die Jahresringe, die hier vielmehr durch ſenkrechte Grenz - linien vertreten ſind, ſo zählen wir dort 14, hier 9. Dies iſt ganz na - türlich, denn indem der Baum höher wurde, wurde er es ja durch neue Triebe, deren jeder einen neuen Jahresring hinzubrachte. Wir wollen aber jetzt wie vorhin bei Fig. XI., die ja eben nur ein Schema ſein ſoll, unter jedem gezeichneten Jahresring deren je fünf, ein Luſtrum des Baum - lebens, denken. Demnach wäre der Baum 70 Jahre alt, oder richtiger blos unten ſo alt und oben am Abſchnitt nur 45. Auch eine ſonderbare Seite des Pflanzenleibes, inſonderheit des Baumes, daß er an verſchie - denen Theilen ein verſchiedenes Alter hat! Wir erinnern uns hier der Frage aus dem 3. Abſchnitte, ob der Baum in demſelben Sinne ein In - dividuum genannt werden könne, wie eine Hund oder ein Pferd und müſſen es nun doppelt verneinen, da wir eben daran denken, daß ein Baum an verſchiedenen Theilen ſeines großen Leibes ein verſchiedenes Alter hat.

Während am ganzen Baume an jedem Theile das Holz mit jedem neuen Jahre mit einer neuen Holzlage überzogen wird, ſo geſchieht ein*)daß man mit einer guten Lupe, wenn man die Blättchen, die über einem ovalen Loche in kleinen Papierbogen angeklebt ſind, gegen das Licht hält, das Holzgewebe ſehr deutlich ſieht. Die kleine wunderſchöne Sammlung, in Form eines Duodez-Bändchens, das man bequem in die Taſche ſtecken kann, erhielt mit Fug und Recht 1851 in London eine Preis - medaille. Herr N. hat noch 3 andere ganz gleich beſchaffene Sammlungen von je 100 weiteren Holzarten und zu je 4 Thlr. 20 Sgr. herausgegeben.97 Gleiches mit der Rinde, nur mit dem Unterſchiede, daß hier die neuen Lagen nach innen zu aufgelagert werden, ſo daß das Zuwachsverhältniß beider ſich wie folgende durch getrennte Zahlenreihen verhält: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 0 9 8 7 6 5 4 3 2 1 +

In dieſer Reihe entſpricht 1 bis 0 der Rinde, 0 bis 1 dem Holze und + bezeichnet das Mark. Freilich kann man nur bei wenigen Bäumen in der Rinde ebenſo deutlich wie im Holze die Jahrringe unterſcheiden und noch ſeltener entſprechen die unterſcheidbaren Zahlen der Zuwachs - ſchichten einander vollſtändig; entweder in der Rinde oder im Holze zählt man deren mehr. Dies ſoll uns hier blos darthun, daß das Zu - wachsverhältniß des Holzes ein viel regelmäßigeres und ſtetigeres iſt als das der Rinde. Der nachfolgende Holzſchnitt, auf welchen wir ſpäter noch einmal ausführlicher zurückkommen müſſen, wird hier vorläufig nur deshalb eingeſchaltet, um daran zu ſehen, daß eine concentriſche Schich - tung der Rindenmaſſe ebenſo erſichtlich iſt wie am Holze.

XII.

Querſchnitt der Lindenrinde. h Rindenhaut. g Grünſchicht. b Baſtſchicht. gr Holzgrenze. m m m m m Mark - ſtrahlen des Holzes, welche auf Rindenmarkſtrahlen ſtoßen.

An der Stelle des Minuszeichens () liegt nun im lebendigen Baume über ſeinen ganzen Umfang hinweg, alſo genau zwiſchen Holz und Rinde,Roßmäßler, der Wald. 798der Geſtaltungsheerd der jährlichen Zuwachsmaſſe, welche zum größeren Theile dem Holze, zum kleineren der Rinde zufällt.

Während der Zeit des lebendigſten Wachsthums, alſo beſonders in den Monaten Mai bis Auguſt, iſt dieſer Heerd auf dem Querſchnitte eines lebenden Zweiges namentlich durch ſeine Farbe als ein das Holz von der Rinde trennender Ring zu unterſcheiden. Er heißt der Cam - biumring oder die Cambiumſchicht und zeichnet ſich beſonders in der angegebenen Zeit durch ſeine düſtere, faſt wie Oel auf weißem Papier erſcheinende Farbe aus. Daß in dieſem Ringe das regſte Bildungsleben herrſcht erkennt man auch daran, daß auf einem während der Vegetations - zeit gemachten Querſchnitt dieſer Ring allein ſafterfüllt iſt und einen Flüſſigkeitsring bildet, der aus der Schnittfläche hervorquillt, während Holz und Rinde trocken bleiben. (An Fig. IX., S. 88, iſt der Cambium - ring mit c angedeutet).

Es verſteht ſich bei dieſer Verlegung des Bildungsheerdes des jähr - lichen Stammzuwachſes an die Grenze zwiſchen Holz und Rinde nun ganz von ſelbſt, daß durch das gewaltſame alljährliche Einſchieben des neuen Zuwachſes zwiſchen dieſe beiden die Rinde immer nach außen gedrängt werden und da dieſe kein elaſtiſches Gewebe iſt, endlich in ihren älteren äußeren Schichten zerreißen muß. Daß letzteres dennoch nicht in dem Grade geſchieht, wie es eigentlich der Fall ſein müßte, und über die ſonſtigen Eigenſchaften der Rinde werden wir bald näher zu ſprechen haben.

Wir kehren zur Betrachtung des Baues des Holzkörpers zurück, deſſen Zuſammenſetzung aus concentriſchen Jahreslagen wir kennen gelernt haben.

Unſere Figuren VII., VIII., IX. und X. zeigen uns übereinſtimmend in der Richtung vom Markmittelpunkte nach der Rinde die uns ebenfalls bereits bekannten Markſtrahlen, welche wir in den drei Dimenſionen der Länge, Breite und Dicke mit einem Bande verglichen haben. Indem wir nun den feineren Bau des Holzes betrachten wollen, müſſen wir uns der Markſtrahlen nochmals erinnern, weil ſie zu den übrigen Gewebs - maſſen des Holzes in einem in jeder Hinſicht gegenſätzlichen Verhältniß ſtehen.

Wir hoben ſchon oben den unter ſich, natürlich blos in Beziehung auf die Axe des Stammes, vollkommen parallelen Verlauf der Mark - ſtrahlen hervor und ebenſo daß dieſelben in ihrem Verlaufe die übrige Zellenmaſſe des Holzes rechtwinklig ſchneiden.

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Keinem unſerer Hölzer fehlen die Markſtrahlen, in allen kommen ſie ſtets in außerordentlich großer Menge vor, obgleich dennoch bei den einen in größerer Anzahl als bei den andern. Wir können ſchon an Fig. VIII. ſehen, wie zahlreich ſie ſind, obgleich an dieſer mehr ſchematiſirten Figur viel weniger gezeichnet ſind, als vorhanden waren, um die Deutlichkeit der Zeichnung nicht zu beeinträchtigen.

Die Markſtrahlen ſtellen durch ihre außerordentliche Häufigkeit und durch ihren horizontalen Verlauf eine innige Verbindung zwiſchen den übereinander liegenden Jahresringen her und ſorgen für einen Austauſch der Säfte in horizontaler Richtung; während die nun zu betrachtenden ſenkrecht verlaufenden Gewebsmaſſen des Holzes die Verbindung zwiſchen dem Oben und Unten des Baumes und die ſenkrechte Saftleitung vermitteln.

Neben den Markſtrahlen, welche unter allen Umſtänden einen nicht unbedeutenden Antheil an der Holzmaſſe nehmen, wird dennoch der größere Antheil von den ſogenannten Holzbündeln gebildet, d. i. von den in der Richtung der Stamm-Axe geſtreckten und verlaufenden Zellen und Gefäßen. Es würde uns hier zu tief in die feinere Anatomie und von unſerem Ziele ablenken, wenn ich hier eine genaue wiſſenſchaftliche Be - ſchreibung der Elementar - oder Grundorgane der Pflanzen vortragen wollte; wir beſchränken uns daher auf das Nothwendigſte.

Die Zelle in ihrer einfachen Grundgeſtalt oder in ihrer höheren Entwicklung (Gefäß) iſt der Bauſtein, aus welchem unter allen Verhält - niſſen auch der koloſſalſte Pflanzenleib aufgebaut iſt, wie es auf der andern Seite aber auch Pflänzchen giebt, die nur aus einer einzigen Zelle beſtehen. Die Zelle iſt urſprünglich ein winzig kleines kugelrundes Bläschen, deſſen Haut, Membran, einen wäſſrigen Saft, Zellſaft, einſchließt. Von dieſer Urform kommen aber zahlloſe Wandelformen vor. Die Zellen der Kartoffelknolle, welche bei ſogenannten mehligen Kartoffeln eben das körnige Mehl bilden, ſind ein Beiſpiel dieſer Urform. Durch das Kochen haben ſich die Zellen von einander abgelöſt und ſind frei geworden. Eine Baumwollenfaſer, wie wir ſie aus der Watte ziehen, iſt das andere Extrem, eine außerordentlich lang geſtreckte Zelle. Zwiſchen beiden Extremen kommen alle denkbaren Zwiſchenformen vor; es kommen ſogar verzweigte, ſternförmige, flaſchenförmige Formen der Zellen vor. Während eine einzelne freie Zelle meiſt gerundet iſt, ſo wird ſie im7*100Zellgewebe, wo ihrer viele innig mit einander verbunden ſind, durch gegenſeitigen Druck eckig, kantig und ebenflächig, genau ſo wie eine einzelne Seifenblaſe ebenfalls rund iſt, großblaſiger Seifenſchaum aber in ſeinem durchſichtigen Innern die Seifenblaſen ebenfalls eckig, kantig und ebenflächig zeigt. Die urſprünglich immer ſehr dünne und zarte Zellen - haut wird in vielen Fällen durch ſpätere Ablagerung von Holzſtoff an ihren inneren Wandungen allmälig dicker und ſogar nicht ſelten ſo ſehr verdickt, daß gar kein Zellenraum mehr übrig bleibt. Daß dieſe Ver - dickung der Zellenhaut der weſentliche Grund der Schwere und Härte des Holzes iſt, iſt leicht zu errathen. Schwere, harte Hölzer haben immer dickwandige Zellen.

Bei dieſer Verdickung der Zellenhaut bleiben aber oft kleine punkt - oder ſtrichförmige Stellen derſelben unverdickt und dadurch der Säfteaus - tauſch zwiſchen den benachbarten Zellen ermöglicht, der durch eine gleich - mäßige Verdickung der Zellenhäute aufgehoben werden würde. So ent - ſtehen die punktirten, getüpfelten und Spiralfaſer-Zellen, die wir ſpäter durch eine Abbildung kennen lernen werden.

Was den Inhalt der Zellen betrifft, ſo iſt der Zellſaft entweder klar und farblos oder er enthält Farbſtoffe, aufgelöſt oder in Körnchen, oder er enthält Stärkemehlkörnchen, Tröpfchen fetten oder ätheriſchen Oeles, winzig kleine Kalkkryſtalle und dergl. Alles dieſes und ſogar der Zellſaft ſelbſt fehlt aber, ſobald das Zellgewebe an dem Leben der Pflanze keinen Theil mehr nimmt, z. B. in der Kernſchicht des Markes (S. 87) mehr als ein Jahr alter Stengelgebilde; z. B. Hollundermark.

Was die Lebensverrichtungen der Zellen betrifft, ſo ſind die ſehr lang geſtreckten, welche mit ſchräg abgeſtutzten Enden im Zellgewebe ſich zwiſchen einander ſchieben, der Hauptſache nach nur Organe der Fortleitung der Säfte, daher im Holze vorherrſchend. Die nicht oder nur wenig geſtreckten, die kurzen Zellen, welche mit platten Böden ſich an einander anreihen, dienen mehr der Verarbeitung, Aſſimi - lation, der ihnen zugeführten Stoffe, daher auch faſt nur in ihnen die vorhin genannten Stoffe vorkommen. Die Markſtrahlenzellen ſind ſtets ſolche kurze Zellen.

Aus den Zellen entſtehen die Gefäße, ſo zwar, daß ein Gefäß ſtets aus einer Reihe von an einander ſtoßenden kurzen Zellen gebildet worden101 iſt, indem die an einander liegenden Böden derſelben beſeitigt werden. Wenn wir uns 10 gleich große Fäſſer übereinander geſtellt und dann die ſämmtlichen Böden der Fäſſer wegdenken mit Ausnahme des oberen Bodens des oberen und des unteren des unteren Faſſes, ſo haben wir die Ent - ſtehung eines Gefäßes. Am deutlichſten iſt ſelbſt mit unbewaffnetem Auge dieſe Abſtammung der Gefäße am Eichenholze zu ſehen, an welchem die großen Poren des Querſchnittes (Fig. IX. Q.) die querdurchſchnittenen, bei dem Eichenholze ſehr großen Gefäße ſind. Schneidet man mit einem recht ſcharfen Meſſer von einem Stück alten Eichenholze eine glatte Spalt - fläche (Fig. IX. Sp.) gerade im Längsverlauf dieſer Gefäße, ſo wird man dieſe etwas perlſchnurförmig eingeſchnürt und wie gegliedert finden. Jedes ſolches Glied entſpricht einer ehemaligen Zelle, aus deren Aneinanderreihung das Gefäß unter Beſeitigung der trennenden Zellenböden entſprungen iſt.

XIII.

a. Nadelholz (Kiefer), b. Laubholz (Eiche) im Querſchnitt (ſchematiſirt). An beiden Figuren bezeichnet F die Schicht des Frühjahrsholzes, H die des Herbſtholzes, J die Jahresgrenze gegen den vorjährigen Jahresring. Die obere Linie der Figuren bezeichnet die Jahresgrenze gegen den folgenden Jahresring. Mitten durch das Eichenholz geht ein breiter Markſtrahl.

102

Wie die Zellen, ſo werden auch die Gefäße durch Auflagerung von Holzſtoff an ihrer inneren Wandung allmälig dickwandiger, während auch bei ihnen die Gefäßhaut urſprünglich dünn iſt. Auch hier bleiben bei der Verdickung und zwar meiſt in ſehr regelmäßiger Anordnung einzelne Stellen unverdickt, wodurch ähnlich den punktirten, getüpfelten und Spiralfaſer - Zellen eben ſolche und noch einige andere Formen von Gefäßen entſtehen. Sie dienen der Saftbewegung; nur die Spiralgefäße, welche luftführende Organe ſind, machen davon eine Ausnahme. Im Zellgewebe, in welchem die Gefäße mit eingewebt ſind, behaupten die Gefäße den Zellen gegen - über ihre Rundung und nehmen nur von einander durch ſeitlichen Druck Abflachung und Kanten an. Selbſt die ſo ſteif nach außen dringenden Markſtrahlen müſſen ſich krümmen, um an einem Gefäße vorbeizukommen (Fig. XIII. b. S. 101).

Meiſt ſind die Gefäße im Querſchnitt viel weiter als die Zellen und bilden nicht ſelten ſehr lange feine Röhren. Durch die großen Gefäße des Eichenholzes und des ſpaniſchen Rohres kann man ſehr leicht ein Pferdehaar fußlang einführen.

Aus ſolchen Zellen und Gefäßen iſt nun, abgeſehen von den in anderer Richtung verlaufenden Markſtrahlen, das Holz in der Weiſe zu - ſammengeſetzt, daß dieſelben in der Richtung der Axe des Stammes oder Zweiges dicht an einander gefügt ſind und durch eine unendlich dünne Schicht eines zuſammenkittenden Stoffes, des Intercellularſtoffes, feſt aneinander haften. Auffallender Weiſe machen hiervon unſere Nadelhölzer inſofern eine Ausnahme, als deren Holz lediglich aus Zellen zuſammen gefügt iſt.

Um zu lernen, wie bei den verſchiedenen Holzarten Zellen und Ge - fäße in verſchiedenem Verhältniß mit einander verbunden ſind, und wie dadurch eine überraſchende Manchfaltigkeit und oft eine außerordentliche Zierlichkeit des Holzgewebes hervorgeht, iſt nichts geeigneter als die S. 95 erwähnten Nördlinger’ſchen Holzquerſchnitte, denn faſt nur auf dem Quer - ſchnitte ſprechen ſich dieſe Verſchiedenheiten vollkommen deutlich aus. Es reicht zum deutlichen Erkennen derſelben eine ſcharfe Doppellupe voll - kommen aus.

Die umſtehenden Figuren XIII. a. und b. ſind in etwa achtmaliger Vergrößerung nach Nördlinger’ſchen Querſchnitten und zwar nur ſchematiſch gezeichnet, denn zu einer naturwahren Zeichnung für den Holzſchnitt iſt103 dieſe Vergrößerung zu gering. Die Figuren ſtellen wiederum wie bei Fig. VIII. (S. 87) das mohnblattdünne Querſchnittchen auf einer ſchwarzen Unterlage dar.

Am Kiefernholze (a) ſehen wir die Zellen ziemlich regelmäßig in einander durchſchneidenden Längs - und Querreihen angeordnet und ein ſehr gleichmäßiges Gewebe bildend, und von zahlreichen ſehr dünnen Markſtrahlen durchſetzt. Die regellos darin zerſtreuten etwas größeren runden Löcher ſind keine Gefäße, wie wir ſie eben kennen gelernt haben, ſondern haarfeine Harzgänge. Auf dem Holze erſcheinen ſie dem un - bewaffneten Auge wie feine weißliche Nadelſtiche.

Wie ganz anders ſieht daneben das Eichenholz (b) aus. Wie am Kiefernholze haben wir ein kleines ſchmales Stückchen des Umfanges eines ganzen, in ſeiner Breite ganzen, Jahresringes vor uns und unten bezeichnet J die Jahresgrenze gegen den vorjährigen Jahresring, von dem unten noch ein Streifchen mit gezeichnet iſt. Die obere Grenze der Figuren iſt zugleich die äußere Grenze des Jahresringes. Wenn wir von der Jahresgrenze aufwärts das Gewebe des Eichenholzes, wie es ſich innerhalb eines Jahresringes darſtellt, verfolgen, ſo begegnen wir zunächſt einer Schicht ſehr großer, oder vielmehr ſehr weiter Gefäße die Poren , welche im Eichenholze am größten ſind zwiſchen denen nur für wenige Holzzellen Raum übrig geblieben iſt. Nach oben hin dies nach oben an unſerer Figur iſt eigentlich am ſtehenden Baume nach außen werden die Gefäße allmälig kleiner (enger), bis ſie endlich an der oberen (äußeren) Grenze des Jahresringes ſehr eng ſind und ſich dabei in geſchlängelte Gruppen weitläufig angeordnet haben. Zwiſchen dieſem aus Holzzellen und verhältnißmäßig nur wenigen Gefäßen zuſammengeſetzten Holze ſtreicht ein ſehr dicker und viele andere immer weniger dicke Markſtrahlen hindurch, von denen die dünneren ſich in ihrem Verlauf nach dem Um - fang der großen Gefäße krümmen. Der große Markſtrahl endet an der oberen Grenze in einen Ausſchnitt, in den ſeine keilförmige Fortſetzung im folgenden Jahre eingreift, wie es unten die vorjährige thut.

Im anatomiſchen Bau iſt dem Kiefernholze, wenigſtens auf dem Querſchnitte, jedes andere Nadelholz im Weſentlichen gleich, nur daß dem der Tanne, P. picea L. (Abies pectinata Dec.) und des Taxus die feinen Harzgänge fehlen. Es iſt alſo leicht, an einem Querſchnitte auch104 das kleinſte Stückchen Nadelholz als ſolches von jedem beliebigen Laub - holze, deren keinem die Gefäße fehlen, zu unterſcheiden.

Vergleichen wir nun das Eichenholz mit andern Laubhölzern und dieſe unter ſich, ſo zeigen ſich zwar bei mehreren ſehr erhebliche und be - ſtändige Unterſchiede, aber es iſt dennoch auch nicht ſelten ziemlich ſchwierig und erfordert eine lange Uebung, um jedes unſerer Laubhölzer zu erkennen, namentlich wenn es ſich um die vielen Weidenarten und um die Pappel - arten handelt. Wir werden auf hervorſtechende Holzkennzeichen ſpäter bei den verſchiedenen Baumarten zurückkommen.

Im Allgemeinen beruhen dieſe unterſcheidenden Kennzeichen auf folgenden:

1) Größe der Gefäße, d. h. die Größe der Löcher, welche ihre Querſchnitte auf dem Holze bilden. Danach unterſcheidet Nördlinger ſechs Stufen: 1. grob (Eiche), 2. ſchwach grob, gröblich (Ulme), 3. ſchwach gröblich, mittler (Eſche), 4. ſchwach mittler, ziemlich fein (Ahorn), 5. ſchwach ziemlich fein, fein (Buche), 6. ſchwach fein und ſehr fein (Buchsbaum). Dies ſind aber offenbar zu viele und daher kaum feſt - zuhaltende Stufen. Man kann mit groß, mittel und klein auskommen. Groß nenne ich diejenigen Gefäßporen, welche auf einem recht glatt ge - ſchnittenen Querſchnitte mit unbewaffnetem Auge leicht zu erkennen ſind (Eiche, Eſche, Ulme, Zürgelbaum, Celtis, und die Ausländerin Akazie); mittel, wenn dies bei ſcharfem Auge nur mit Mühe geſchehen kann (Buche und viele andere); klein, wenn dies nicht geſchehen kann (Paffenhütchen, Buchsbaum und andere). Im Jahre 1847*)E. A. Roßmäßler, Verſuch einer anatomiſchen Charakteriſtik des Holzkörpers der wichtigeren deutſchen Bäume und Sträucher. Eine Ergänzung zu Reum’s Forſt - botanik und andern forſtbotaniſchen Werken. Dresden und Leipzig, in der Arnoldiſchen Buchhandlung. 1847. glaubte ich ſogar mich auf groß und klein beſchränken zu ſollen. Auf den Nördlinger’ſchen Quer - ſchnitten, wenn man ſie namentlich gegen das Licht oder gegen eine ſchwarze Unterlage hält, kann man weiter ſehen als an einem glattgeſchnittenen Stück Holz.

2) Gleichmäßigkeit oder Ungleichmäßigkeit der Gefäße eines Holzes. Kein Holz hat blos große Gefäße, wie wir ſchon bei der Eiche105 außer ſolchen auch kleine und immer kleinere Gefäße fanden. Bei den allermeiſten Holzarten ſind ſie gleichmäßig und zwar mittel oder klein. Die großen Gefäße finden ſich immer nur im Frühjahrsholze, wovon wir gleich ſprechen werden.

3) Art der Vertheilung der Gefäße im Holzzellgewebe. Wir werden hierin eins der weſentlichſten Unterſcheidungskennzeichen finden. Am innigſten und gleichmäßigſten iſt das Gemenge zwiſchen Zellen und Gefäßen bei dem Pfaffenhütchen, Evonymus europaeus; in quer, d. h. die Markſtrahlen durchſchneidend, verlaufenden unterbrochenen Reihen geordnet bei der Ulme; in flammigen Gruppen, von den Zellen abgeſondert, bei dem Kreuzdorn, Rhamnus catharticus.

4) Die Dimenſionen der Markſtrahlen, die durch große Breite bei Eiche und Buche den Namen Spiegel erworben haben. Bei manchen Holzarten ſind die Markſtrahlen auf dem Stammquerſchnitte lange, gleichbreite Linien, bei andern nur kurze, ſpitz beginnende und endende Striche (Ahorn), bald ſind ſie gleichmäßig in großer Anzahl im Holze vertheilt, bald zu Bündeln vereinigt (Hornbaum, Schwarzerle).

5) Die Farbe, mit Unterſcheidung der des Splintes und des Kern - holzes, iſt wenigſtens bei einigen Holzarten ein gutes Erkennungszeichen (Eiche, Ulme, Taxus, Kreuzdorn und andere).

Wenn wir nun auch nach den eben angedeuteten Kennzeichen viele Holz - arten ſicher unterſcheiden können, ſo iſt doch einzugeſtehen, daß die für eine Art geltenden Kennzeichen bei verſchieden alten Bäumen, ja bei einem und demſelben Baume in den jüngeren und älteren Holzſchichten nicht immer übereinſtimmend zutreffen. So iſt z. B. der Schnitt des abge - bildeten Eichenholzes offenbar von einem jüngeren wüchſigen Baume oder wenigſtens aus dem mehr nach innen zu liegenden Holze einer alten Eiche entnommen. An ſehr alten Bäumen oder an ſolchen, die auf einem ſchlechten Boden nur kümmerlich erwachſen ſind, werden zuletzt die Jahres - ringe ſo ſchmal, daß ſo zu ſagen die Holzkennzeichen nicht einmal Platz haben, ſich geltend zu machen.

Mit dem vorhin vorläufig erwähnten Frühjahrsholze und dem dieſem gegenüberzuſtellenden Herbſtholze hat es folgende Bewandtniß.

Bald nach dem Ausbruch des Laubes entfaltet ſich eine große Energie der Holzbildung und in ziemlich kurzer Zeit iſt ein großer Theil des106 neuen Jahresringes gebildet. Dieſe erſte Schicht jedes einzelnen Jahres - ringes, das Frühjahrsholz, zeichnet ſich bei den Nadelhölzern durch weite, ſehr dünnwandige Zellen aus (XIII. a. F, S. 101) und bei den Laubhölzern durch Reichthum an Gefäßen wie denn eben große Ge - fäße nur im Frühjahrsholze zu finden ſind (mit Ausnahme des Nußbaumes, wo ſie im ganzen Jahresringe vorkommen) und zuweilen ebenfalls durch etwas dünnwandigere und lockere Zellen (XIII. b. F, S. 101). Hat das Holz nur mittle oder kleine Gefäße, ſo ſind dieſelben im Früh - jahrsholze meiſt nicht weſentlich anders vertheilt als im Herbſtholze. Zu - weilen beginnt aber doch der neue Jahresring mit einer einfachen dichten Reihe oder (wie bei der Vogelkirſche, Cerasus avium, und dem Pflaumen - baum) mit einer Lage dicht beiſammenſtehender Gefäße, oder die Zahl der Gefäße nimmt gegen das Herbſtholz hin ſehr allmälig ab.

Wie ſehr das Herbſtholz bei den Nadelhölzern von dem Frühjahrsholze abſticht, das wiſſen wir Alle, und wenn wir es auch nur an unſeren Stubendielen durch die tiefe Abnutzung des ſehr weichen Früh - jahrsholzes gelernt hätten, wodurch ſich auf den Dielen vertieftere Furchen bilden, welche mit den harten gelbbraunen Herbſtholzſtreifen abwechſeln. Noch deutlicher und beſtimmter ſehen wir es aber auf dem glattgehobelten Querſchnitte, wo ſich jeder Jahresring ſehr deutlich in eine innere helle und weiche und in eine äußere harte und gelbbraune Schicht theilt. Beſonders iſt dies bei dem gemeinen Kiefernholze ſehr in das Auge fallend, während bei einigen anderen Nadelhölzern dieſer Unterſchied weniger erheblich iſt. Unter dem Mikroſkop findet man, daß dieſer bedeutende Unterſchied des Herbſt - holzes bei den Nadelholzarten darauf beruht, daß deſſen Zellen ſehr dickwandig und dabei in der Richtung der Jahresgrenze ſehr breit gedrückt ſind, ſo daß in ihnen nur wenig Zellenraum übrig bleibt (XIII. a. H). Es kommt nicht ſelten vor, daß es ſo ſcheint, als habe vorzeitig die Herbſtholzbildung begonnen und als ſei nachher wieder in die Frühjahrs - holzbildung zurückgegriffen worden, bis erſt ſpäter das eigentliche Herbſt - holz ſich bildete. Dies zeigt ſich namentlich bei der gemeinen Kiefer nicht ſelten, und dann kann man zuweilen verſucht ſein, ſolche vorzeitige Herbſt - holzringe für Jahresringe zu halten.

Neben dieſer ſehr bedeutenden Scheidung der einzelnen Jahresringe in eine Frühjahrs - und eine Herbſtſchicht bei den Nadelhölzern, kann107 man von einem beſtimmt zu unterſcheidenden Herbſtholze der Laubhölzer nur bei wenigen Arten ſprechen. Am beſtimmteſten bei denjenigen, welche große Gefäße haben, die ſich eben nur im Frühjahrsholze finden. Bei ſolchen Holzarten, wie bei der Eiche (XIII. b. H), kann man jedoch noch nicht Alles Herbſtholz nennen, was eben nur kleine Gefäße hat, weil ſchon ſehr früh die Schicht mit großen Gefäßen beendet wird und die mit den blos kleinen ſofort danach begonnen wird. Bei vielen Holzarten iſt aber dieſer Jahreszeitunterſchied kaum oder ſelbſt gar nicht vorhanden. Bei der Buche iſt nur die äußerſte Herbſtgrenze als ein ſchmaler, etwas dunkler gefärbter Ring zu unterſcheiden, in welchem die Gefäße faſt ganz fehlen.

Bei mehreren Holzarten finden ſich höchſt unregelmäßig vertheilt in den Jahresringen kleine quergezogene kurzzellige Fleckchen, welche ſich im Längsverlauf des Jahresringes als meiſt bräunlich gefärbte Streifen ver - folgen laſſen. Sie beſtehen aus unverkennbarem Markzellgewebe und zwar dem der Kreisſchicht des Markes entſprechend, aus welchem die Markſtrahlen entſpringen. Deshalb und weil auch aus dieſen Fleckchen auf dem Querſchnitt meiſt neue ſtarke Markſtrahlen entſpringen, nannte ich ſie (a. a. O. S. 33) Markwiederholungen. Nördlinger*)Nördlinger ſagt in ſeinem neueſten Werke Die techniſchen Eigenſchaften der Hölzer, für Forſt - und Baubeamte, Technologen und Gewerbtreibende. Stuttgart, J. G. Cotta’ſcher Verlag, 1860, S. 41 hierüber Folgendes: Die Markfleckchen fehlen im Wurzelholz und müſſen hier fehlen, weil ſie, wie Roßmäßler ſie ſehr bezeichnend nennt, gleichſam Wiederholungen der Markröhre ſind, eine ſolche aber im Wurzelholze nicht vorhanden iſt. Warum hat er alſo den ſo bezeichnenden Namen nicht beibehalten? Es ſchien dies um ſo gerathener, als dieſe Markwiederholungen nur auf dem Quer - ſchnitt den Namen Fleckchen rechtfertigen. nennt ſie Markfleckchen. Sie kommen beſonders bei der Birke, dem Vogelbeerbaum, der Erle und einigen anderen vor.

Alle dieſe Kennzeichen des Holzes, ſo weit ſie in dem anatomiſchen Bau deſſelben liegen, ſind jedoch im Aſtholze, wenn der Aſt weniger als 3 Zoll Durchmeſſer hatte, nicht immer deutlich ausgeprägt.

Auch das Wurzelholz iſt von dem Stammholze oft, ja meiſt ſehr bedeutend abweichend. Zunächſt fehlt der Wurzel das eigentliche, beſtimmt umgrenzte Mark, ſo daß die Markſtrahlen zwar von einem gemeinſamen Mittelpunkte ausgehen, aber dieſer Mittelpunkt beſteht nur aus einer108 kleinen unregelmäßigen Zellengruppe. Da der Wurzel das wahre Mark fehlt, ſo fehlen dem Wurzelholze auch die eben beſchriebenen Markwiederholungen.

Die Holzzellen der Wurzel ſind meiſt weiter und dünnwandiger, die Gefäße, bei den Holzarten mit kleinen Poren im Stammholze, ſind größer als letztere, faſt immer ſehr dicht und gleichmäßig vertheilt; die Jahres - ringe ſelten deutlich, oft gar nicht zu unterſcheiden; kurz, das Wurzelholz iſt weit weniger reich an unterſcheidenden Merkmalen und dazu iſt es ein viel poröſeres, weicheres und daher meiſt viel leichteres als das Stammholz. Auch der Unterſchied in Kern und Splint fällt bei der Wurzel beinahe ganz weg.

Wir haben nun noch den Unterſchied von Kern oder Kernholz, duramen, und Splint oder Splintholz, alburnum, kennen zu lernen, wovon wir namentlich die holzverſtändigen Arbeiter reden hören, indem ſie dem erſteren eine größere Dauerhaftigkeit nachrühmen. Zwiſchen beiden beſteht, ſelbſt unter dem Mikroſkop, nur der Unterſchied der Farbe, und außerdem allerdings der, daß das Kernholz ſich gewiſſen chemiſchen Ein - wirkungen gegenüber widerſtandsfähiger verhält.

Auf dem Querſchnitt eines Eichen -, Ulmen - oder Kiefernſtammes und auch an vielen anderen Holzarten findet man zunächſt unter der Rinde das Holz heller, oft ſogar ſehr auffallend heller als mehr nach der Mitte zu und zwar ſo, daß beide Farbentöne nicht allmälig in einander über - gehen, ſondern durch eine ſcharfe Grenzlinie geſchieden ſind. So hat z. B. das faſt ſchwarze Ebenholz einen geblichweißen Splint, von dem wir an Gegenſtänden, die aus dieſem ſo ſehr dauerhaften Holze gearbeitet ſind, z. B. Meſſerheften, zuweilen etwas ſehen.

Der Splint iſt alſo das jüngere und der Kern das ältere Holz und es liegt uns jetzt die Vermuthung ſehr nahe, daß die Umwandlung des Splintes in Kernholz Jahresring um Jahresring vorrücke, daß alſo die Grenzlinie zwiſchen beiden immer mit einer Jahresgrenze zuſammenfallen werde. Dies iſt jedoch nicht der Fall; denn auf dem Querſchnitte eines Stammes ſehen wir oft an der einen Seite die Kernholzbildung um 5 bis 6 Jahresringe weiter vorgreifen als auf der andern (Fig. X. 4. S. 92). Ja manchmal, z. B. am Birnbaum, iſt die Kernholzfigur auf dem Quer - ſchnitt des Stammes ein höchſt unregelmäßiger zackiger Stern. Oft aller - dings ſchließt die Kernholzfärbung mit einem Jahresringe genau ab.

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Aus alledem ſcheint hervorzugehen, daß das Vordringen der Kern - holzfärbung ein mit dem Pflanzenleben nicht in unmittelbarem Zuſammen - hang ſtehender Akt ſei. Das Kernholz ſcheint nur noch den rein mecha - niſchen Dienſt der Frühjahrsſaft-Leitung zu verrichten, und wenngleich hieran auch der Splint Theil nimmt, ſo ſcheint es doch der letztere in anderer Weiſe zu thun, welche mehr auf eine chemiſche Lebensthätigkeit hinweiſt. Man kann leicht an verſchiedenen Holzarten, namentlich an aufgeſchichteten, im Frühjahr nachdem der Saft bereits im Aufſteigen begriffen war gefällten Klafterhölzern beobachten, daß an der Schnitt - fläche gerade blos der Splint Schimmelbildungen hervorgetrieben hatte, was beſtimmt auf anderes chemiſches Verhalten als im Kernholze hinweiſt. Der Splint iſt ſo zu ſagen lebendiger als das Kernholz.

Wahrſcheinlich ſcheidet ſich aus dem in dem Gewebe des Holzes auf - ſteigenden Safte irgend ein Stoff ununterbrochen im Holze ab, was zu - letzt unter hinzukommenden beſonderen Umſtänden mit endlicher Verderbniß des Kernholzes endet; denn an kernfaulen Stämmen ſehen wir die Kern - fäule wie die Kernholzfärbung allmälig von innen heraus vorſchreiten ohne eine ſcharfe Grenze zwiſchen ſich und dem noch geſunden Kernholz. Am auffälligſten iſt dies im Stamme des bekannten Bohnenbaumes oder Goldregens, Cytisus Laburnum, wo, wie es ſcheint, faſt mit Noth - wendigkeit der Kernholzfärbung die Kernfäule auf dem Fuße folgt.

Es bleiben nun noch einige ungewöhnliche Bildungserſcheinungen des Holzes übrig, wie z. B. Maſer, Wimmer, Froſtriſſe, Ueberwallungen, und dergl., welche wir ſpäter bei denjenigen Baumarten kennen lernen wollen, bei denen ſie ſich am häufigſten finden.

Die Riude.

Außer dem Baſt , den wir zum Anbinden der Gewächſe benutzen oder den wir als Band um die Cigarrenbündel erhalten, bekümmert man ſich wenig um die Rinde der Bäume, wenn ich etwa noch die Korkpfropfen der Weinflaſchen und die ſo ſehr auffallende ſchneeweiße Lederſchicht der Birkenrinde ausnehme. Es iſt auch in der That der Bau der Baumrinden ein viel verwickelterer und zeigt faſt eine größere Manchfaltigkeit bei den verſchiedenen Baumarten als das Holz; ja bei manchen, z. B. bei der Birke; giebt er dem Pflanzenzergliederer ſchwere Räthſel auf.

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Daher kann ich auch nicht eine jede beliebige Baumrinde als Beiſpiel empfehlen, um daran den Rindenbau kennen zu lernen, wie dies bei dem Holzbau geſchehen konnte, wo wir nur zwiſchen Nadel - und Laubholz zu unterſcheiden hatten.

Man unterſcheidet an der Rinde unſerer Bäume gewöhnlich drei verſchiedene Schichten: 1. die Baſtſchicht, 2. die Grünſchicht und 3. die Rindenhaut, welche die äußerſte iſt. Dieſe Schichten ſind aber nicht nur nicht immer alle drei vorhanden, ſondern die eine oder die andere iſt bei den verſchiedenen Baumarten ſo verſchieden gebildet, daß dadurch die verſchiedenſten Rindenbildungen hervorgehen. Schon in der räumlichen Ausdehnung iſt die Rinde bei den verſchiedenen Baumarten oft höchſt verſchieden; man erinnere ſich an die dicke Rinde einer alten Eiche und an die kaum 3 4 Linien dicke des ſtärkſten Buchenſtammes.

Am zugänglichſten und zugleich am inſtruktivſten und zierlichſten iſt der Bau der Lindenrinde, weshalb ſie auch als Beiſpiel in nebenſtehenden Figuren XIV. a. und b. abgebildet iſt, von denen a. ſchon einmal als Fig. XII. auf Seite 97 gedient hat, um uns vorläufig zu zeigen, daß auch in der Rinde ein alljährlicher Schichtenzuwachs ſtattfindet.

Wir ſehen uns zunächſt den Querſchnitt (a) an, an welchem wir deutlich drei verſchiedene Gewebsmaſſen unterſcheiden. Zu äußerſt die dünne, aus platten Zellen gebildete Rindenhaut h; unter dieſer liegt eine ziemlich großzellige, deutlich in Querſchichten abgetheilte Gewebsmaſſe, die Grünſchicht g, welche gewiſſermaßen die Grundmaſſe bildet, in welche die dritte, die Baſtſchicht b, eingebettet iſt. Dieſe letztere zeigt uns auf dem Querſchnitt eigenthümlich flammige Figuren, durch welche die querge - ſchichtete Anordnung der Grünſchicht mit hindurchgeht.

Die Rindenhaut beſteht aus dickwandigen, tafelförmigen, ſehr regelmäßig und feſt aneinandergefügten Zellen und bildet daher eine nahezu undurchdringliche feſte Hülle der unter ihr liegenden lebenskräftigeren Schichten. Aus den äußerſten Zellenſchichten der Grünſchicht ſcheint ſich während der Vegetationsperiode immer eine neue einfache Zellenſchicht in eine neue Rindenhautſchicht umzuwandeln, denn die inneren Schichten dieſer letzteren ſind weicher und heller je näher ſie nach innen liegen und deſto härter und dunkleren Inhaltes, je weiter ſie nach außen liegen.

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Wenn man, was ſich bei der Linde, Birke und mehreren anderen Bäumen thun läßt, die Rindenhaut von einem friſchen Aſte abzieht, ſo erſcheint die lebhaft grüne Grünſchicht. Dies iſt z. B. bei noch nicht verkorkter Rinde des Hollunders (Sambucus nigra) beſonders leicht zu

XIV. a

Querſchnitt der Lindenrinde. h Rindenhaut. g Grünſchicht. b Baſt - ſchicht. gr Holzgrenze. m m m m m Mark - ſtrahlen des Holzes, welche auf Rindenmark - ſtrahlen ſtoßen.

b

Längsſchnitt der Lindenrinde. b Baſtbündel, welche ſich verzweigend ein Maſchennetz bilden, deſſen ſchmale ſpitzige Maſchen von der Grünſchicht (g) aus - gefüllt werden.

bewerkſtelligen, bei dem die Rindenhaut aſchgrau ausſieht. Die Grünſchicht iſt aber wie auch bei anderen Bäumen nur in ihren äußerſten Zellenlagen chlorophyll - (blattgrün) - haltig und alſo grün. Weiter nach innen enthält ſie in ihren Zellen auch andere Stoffe, z. B. auch ſehr oft Kryſtalle von Kalk.

Zwiſchen die Grünſchicht ſchieben ſich die Baſtzellenbündel der Baſt - ſchicht ein, welche, je dicker der Aſt oder der Stamm wird, unten, wo ſie an dem Cambiumringe (S. 98) anliegen, deſto breiter werden und dadurch eben auf dem Querſchnitt das flammenähnliche Anſehen bekommen. 112Zwiſchen ihnen ſehen wir nach innen die Partien der Grünſchicht immer ſchmäler werden und allmälig in Rindenmarkſtrahlen übergehen, welche immer genau auf die Holzmarkſtrahlen ſtoßen, was auch unſere Figur zeigt, denn wir ſehen daran, daß unten noch etwas vom anliegenden Splint-Holze mit gezeichnet iſt. Die Baſtzellenbündel verlaufen aber nicht getrennt neben einander den ganzen Stamm oder Aſt entlang in welchem Falle die Flammenfiguren in allen Höhen eines ſolchen einander gleich ſein würden ſondern ſie verſchmelzen ſeitlich unter einander, um bald wieder ſich zu trennen und dann wieder in anderen Stücken zu ver - ſchmelzen. Da nun jedes Jahr, von einer dünnen großzelligen Schicht getrennt, neue Baſtſchichten um den ganzen Aſt herum ſich bilden und die Bündel jeder einzelnen Schicht ſich vielfältig maſchenartig verbinden, ſo kann man eben die Baſtlagen, nachdem man die abgeſchälte Rinde eine Zeit lang im Waſſer der Fäulniß ausgeſetzt hatte, von einander trennen. Durch die beginnende Fäulniß, welcher die ſehr dickwandigen Baſtzellen ſehr lange widerſtehen, werden die zarten Zellen der Rindenmarkſtrahlen und der die Baſtlagen trennenden Grünſchicht aufgelöſt. So entſtehen im Lindenbaſt der Cigarrenbündel die ſchmalen länglichen Maſchen, in denen wir nun leicht die Stellen der herausgefaulten Markſtrahlenzellen erkennen. Dabei verſteht es ſich nun auch von ſelbſt, daß dieſe Maſchen deſto größer alſo die Baſtlagen deſto großmaſchiger ſein müſſen, je weiter ſie nach außen liegen und umgekehrt. Ebenſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß die vielleicht dreißig und mehr übereinander liegenden Baſtlagen in dem Ver - laufe der Baſtzellenbündel und in der Vertheilung der Maſchen überein - ſtimmen müſſen, nur daß die Maſchen in den äußeren Lagen immer größer werden müſſen.

In gleicher Vergrößerung etwa 20 mal im Durchmeſſer ſehen wir nun in Fig. XV. b. die Lindenrinde im Längsſchnitt. Der Schnitt iſt etwa in der Mitte der Dicke der Rinde geführt, wo die geſchlängelten Baſtbündel b ſchon bedeutende Partien der Grünſchicht g zwiſchen ſich hindurchlaſſen.

Die Krümmungen der jüngſten Baſtbündel ſchließen ſich immer genau den Krümmungen der jüngſten Holzzellenbündel an und müſſen es auch, denn für beide werden dieſe Krümmungen von den ſich in gerader Rich - tung hindurchdrängenden Markſtrahlen vorgeſchrieben; und da nun an das113 Ende eines Holzmarkſtrahls ein Rindenmarkſtrahl ſtößt, ſo müſſen die Krümmungen der einander berührenden Holzzellen - und Baſtzellenbündel einander gleich ſein.

An anderen Bäumen würden wir die Rinde in anderen Beziehungen wiederum ſehr abweichend finden, namentlich z. B. die Baſtſchicht nicht unmittelbar an den Holzkörper anliegend, ſondern tiefer in die Grün - ſchicht hineingerückt und in einzelne Bündel zertheilt. Man kann ſogar ſagen, ſo widerſprechend es klingt, daß die Baſtzellen nicht einmal ein nothwendiger Beſtandtheil der Baſtſchicht ſind, weil ſie vielen Bäumen (Birke, Buche) ganz abgehen. Wir werden bei Betrachtung unſerer deutſchen Baumarten auf die wichtigſten Kennzeichen der Rinde einzugehen haben; und wir wollen uns hier nur noch einmal daran erinnern, daß uns die Lindenrinde lehrt, wie auch ſie durch alljährliche Schichtenan - lagerung nach innen zu, wie das Holz nach außen zu, wachſe, was uns die Zahlenreihe auf S. 97 veranſchaulichte.

Wir haben aber noch zwei Bildungen der Rinde kennen zu lernen, welche mehr untergeordneter Art ſind und nicht zu den drei weſentlichen Schichten derſelben gehören, bei manchen Holzarten deshalb auch nicht oder wenigſtens nur ſehr untergeordnet vorkommen. Es iſt der Kork und die Borke.

Beide treten in der Regel erſt an älteren Stammtheilen auf, wie wir ja alle wiſſen, daß die Rinde junger Stämmchen meiſt glatt und ſogar zuweilen glänzend iſt (Kirſchbaum, Eiche), während die Rinde alter Bäume tief gefurchte Borke zeigt. Es giebt jedoch auch einige Bäume, wo ſelbſt ſchon einjährige Zweige eine entſchiedene Kork -, wenn auch nicht Borken-Bildung zeigen. Dies iſt namentlich bei der Korkrüſter, Ulmus suberosa, und dem Maßholder und Feldahorn, Acer campestre, der Fall.

Ganz eigenthümlich verhält ſich hierin bekanntlich der Spindelbaum oder das Pfaffenhütchen, Evonymus europaeus, an deſſen rein grüner Rinde an den jüngeren Zweigen 4 kreuzweisgeſtellte Längsſtreifen von zartem Kork verlaufen, wodurch die an ſich vollkommen runden Zweige faſt vier - ſeitig erſcheinen (deshalb bois carré der Franzoſen).

Kork und Borke ſind zwei ſchon ihrer Entſtehung nach ganz ver - ſchiedene Gebilde, die aber ſehr oft miteinander verwechſelt werden.

Roßmäßler, der Wald. 8114

Man kann mit gewiſſem Vorbehalt die Korkbildung eine normale, geſunde Zellenverwucherung der Rinde, dagegen die Borkenbildung eine abnorme, krankhafte nennen, wenn ſchon auch die Borkenbildung, wie wir Alle wiſſen, an der Rinde der Bäume eine geſetzmäßige Erſcheinung und nicht eine vereinzelte Krankheitserſcheinung iſt.

Wenn wir die mit einem ſehr ſcharfen Meſſer recht glatt geſchnittene Oberfläche eines Korkſtöpſels mit einer gut vergrößernden Lupe betrachten, ſo können wir ſehen, daß die einzelnen Korkzellen in radiale Reihen geordnet ſind, ſo daß die Fläche dem in Fig. XIII. a (S. 101) abgebildeten Nadelholz ſehr ähnlich iſt, nur muß man ſich die an der genannten Figur ſichtbaren ſtarken weißen Linien (die Markſtrahlen des Holzes darſtellend) hinwegdenken. Durch dieſe Anordnung müſſen die nach allen Dimenſionen gleichen Korkzellen durch gegenſeitigen Druck ſo ziemlich eine würfelförmige Geſtalt annehmen.

Bekanntlich finden wir die Korkbildung, die von unſeren Bäumen am entſchiedenſten bei der Korkrüſter, Ulmus suberosa, und bei dem Feldahorn, Acer campestre, vorkommt, an den diesjährigen Trieben meiſt noch nicht vorhanden. Jedoch iſt dies gerade bei den beiden ge - nannten Bäumen der Fall, und man kann namentlich an heurigen Trieben der Korkrüſter von der Spitze bis herab zu ſeiner Urſprungsſtelle die Korkbildung allmälig auftreten ſehen.

Wenn die Korkbildung, zunächſt mit einzelnen Korkzellen, beginnt, iſt immer die Oberhaut, Epidermis, der Rinde noch vorhanden, unter welcher ſie ſtattfindet.

Bei den meiſten Bäumen finden ſchon auf der diesjährigen Rinde räumlich genau umſchriebene Korkwucherungen ſtatt. Es ſind dies die meiſt länglich eirunden etwas erhabenen Rindenhöckerchen oder Len - ticellen, aus denen dann bei manchen Bäumen die weitere Korkbildung ihren Urſprung nimmt. Wir ſehen dieſelben auf S. 63 als kleine rund - liche Höckerchen der Rinde an Fig. 1. 2. und 3.

Durch die Zunahme der Korkſchicht in der angegebenen radialen An - einanderfügung von neuen Zellen, welche durch Quertheilung älterer erfolgt, wird die Korkſchicht bald ſo ſtark, daß die auf ihr ſitzende Epi - dermis zerreißt und dann entweder wie bei den Haſelſtäben als ringsum115 loſe längliche Läppchen noch lange Zeit hängen bleiben oder wie bei der Korkrüſter die Wölbung der Korkſtreifen bedeckt.

Da die älteren Korkzellen dies ſind natürlich die der äußeren Schicht der Korkhülle bald abſterben und daher ganz trocken und in - haltlos werden, ſo kann, indem an der innern Seite der Korkſchicht immer neuer Zuwachs ſtattfindet, die äußere Schicht ſich nicht ausdehnen und nachgeben, was für die Maſſenzunahme der innern nothwendig wäre, ſondern ſie reißt in unregelmäßigen Längsfurchen auf, die ſich mit der Zeit mehr und mehr vertiefen, indem die zwiſchen ihnen liegenden Kork - züge immer höher und an ihrer Baſis immer breiter werden. So erhält ſchon im erſten Jahre ein Trieb der Korkrüſter an ſeinem untern Ende dicke Korkwülſte, welche etwas geſchlängelt und unterbrochen verlaufen und auf dem Querſchnitt dem Triebe ein unregelmäßig ſternförmiges

XV.

Querſchnitt eines einjährigen Triebes der Korkrüſter.

  • aaaaaa ſechs Korkwülſte.
  • b die Rinde.
  • c das Holz.
  • d das Mark.

Anſehen geben, was die nebenſtehende Fig. XV. zeigt. Wir ſehen ſechs querdurchſchnittene Korkzüge, welche mit ziemlich ebener Grundfläche auf der Rinde aufſitzen, die dadurch deutlich ſechseckig geworden iſt, was ſelbſt die Rundung des Holzkörpers einigermaßen geſtört hat.

8*116

Bei keinem unſerer deutſchen Bäume iſt die Korkbildung ſo reichlich wie bei der Korkeiche, Quercus suber, welche im Süden von Europa und in Algier in großen Beſtänden wächſt. Je nach der Schnelligkeit des Wachſens fängt man dort vom 15. 20. Lebensjahre an den Bäumen die Korkſchicht abzuſchälen, was alle 3 5 oder auch erſt alle 8 Jahre wiederholt wird. Friſchgeſchälte Korkeichen, deren ich auf der ſpaniſchen Seite der Pyrenäen viele geſehen habe, machen einen wahrhaft ſchmerz - lichen Eindruck, denn ſie ſehen wie geſchunden und blutend aus, indem die der Korkſchicht beraubte Rinde ziemlich lebhaft roth ausſieht.

Wegen der geringen Durchdringbarkeit des weichen und elaſtiſchen Korkes für Feuchtigkeit nutzt ſich die äußerſte Korklage auch nur ſehr langſam ab, ohne ſich in Platten und Täfelchen abzulöſen, wie wir dies nachher bei der Borke kennen lernen werden; obſchon man, was an einem Korkſtöpſel leicht zu beſtätigen iſt, in der Korkmaſſe dunklere, den Jahresringen des Holzes gleichlaufende ſchmale Streifen bemerkt, welche aus etwas dickwandigeren Zellen beſtehen. Dieſe Streifen ſcheinen übrigens nicht für Jahresabſchnitte gehalten werden zu dürfen, denn ich ſehe an einem vierjährigen Korkeichenaſte deutlich nur drei ſolche Korkabtheilungen, auf deren äußerſter die Oberhaut noch ganz wohlerhalten zu ſehen iſt.

Mit dem echten Kork müſſen wir ihrer phyſiologiſchen Bedeutung, wenn auch nicht ihren übrigen Eigenſchaften nach die ſchon vorher er - wähnte Rindenhaut, Periderm (S. 110) für gleichbedeutend halten, denn auch ſie beſteht aus radial geordneten Lagen etwas platter würfeliger Zellen. Sie nutzt ſich nur äußerſt wenig ab und verdickt ſich von innen auch nur wenig durch Zellenvermehrung. Dieſe unverwüſtliche Rinden - haut bildet die ſelbſt an ſehr alten Buchen noch überaus glatte Rinde, und auch junge Eichen können bis in ihr 15. 20. Jahr eine ſolche und zwar aus demſelben Grunde haben. Die weiße ſich leicht abblätternde Schicht der Birkenrinde iſt unter anderen ebenfalls hierher zu rechnen.

Bei der uns ſchon bekannten faſt vollkommenen Undurchdringbarkeit für Flüſſigkeiten und Gaſe dient der Kork ebenſo den Bäumen wie auf unſeren Champagnerflaſchen zu Abſchließung der Verdunſtung von innen heraus und des Eindringens atmoſphäriſcher Feuchtigkeit in das Innere*)Wir finden daher, beiläufig bemerkt, nicht blos an der Rinde Korkbildung, ſondern an vielen andern Pflanzentheilen, wenn es einen Abſchluß, ein Abſperren gegen Verdunſtung.

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Wenn wir ſo in dem Korke eine normale Gewebebildung kennen gelernt haben, ſo iſt dagegen die Borke vielmehr faſt ein pathologiſches Gebilde zu nennen, wenn auch nicht in dem Sinne, daß ſie eine wahre Krankheitserſcheinung ſei, da wir im Gegentheile wiſſen, daß viele Bäume von einem gewiſſen Alter an regelmäßig eine dicke Borkenſchicht bilden.

Die Borke umfaßt bei den verſchiedenen Baumarten bald mehr bald weniger tief, von außen her gerechnet, eindringende Schichten der Rinde.

Man muß hier ausdrücklich daran erinnern, daß im äußeren An - ſehen Kork und Borke kaum von einander zu unterſcheiden ſind. An der Korkeiche findet der Unkundige ſcheinbar daſſelbe wie an unſeren deutſchen Eichen, dieſelben tiefen Furchen und zwiſchen dieſen die erhabenen Kämme. Unterſucht man jedoch die letzteren bei der Korkeiche, ſo findet man, daß ſie eben lediglich aus Korkzellen beſtehen, während ſie bei unſeren Eichen aus Rindenparenchym der von uns ſogenannten Grünſchicht und aus Baſtzellen beſtehen. Die Korkzellen ſpielen aber dennoch eine wichtige Rolle bei der Borkenbildung, indem ſie das bekannte Abſtoßen der Bor - kentafeln einleiten, welches am ausgeprägteſten bei der Kiefer und bei der bei uns eingebürgerten Platane ſtattfindet. Es bilden ſich nämlich mitten in der Rinde dünne mit dem Stammumfange gleich laufende Schichten dickwandiger Korkzellen, wodurch die auswärts von ihnen liegende Rinden - ſchicht abgeſperrt und dem Abſterben anheimgegeben wird, wodurch bei der Platane bekanntlich das herbſtliche Abblättern von großen etwa ¼ Zoll dicken Borkentafeln bedingt wird.

Neben dieſen maſſenhaften Abſtoßungen bewirkt noch die äußere Ver - witterung eine Abnutzung der äußeren Borke, welche jedoch nur langſam wirkt und am meiſten noch dadurch, daß das atmoſphäriſche Waſſer von den Seiten der Borkenfurchen in die Borkenhügel eindringt und den Korkabſperrungen folgend, die abgeſperrten Schichten abhebt, was am deutlichſten bei der Kiefer zu ſehen iſt, bei welcher ohne Zweifel der Wechſel zwiſchen feuchtem Wetter und austrocknender Wärme von großem Einfluß auf die Abſchuppung der oberen Stammtheile iſt.

*)gilt. Dies iſt namentlich ſehr oft bei kleinen Verwundungen der Fall, die durch Kork - bildung geſchloſſen werden. Bei dem Laubfall werden wir der Korkbildung wieder begegnen.

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Indem wir uns auf dieſe kurze allgemeine Schilderung der Rinde beſchränken müſſen, bleibt uns noch etwas über die Bedeutung der - ſelben zu ſagen übrig. Daß dieſe ſehr groß iſt, wiſſen wir Alle daher, daß jede weſentliche Entrindung ein Kränkeln und eine auch nur wenige Zoll hoch den ganzen Stammumfang einnehmende, den unausbleiblichen Tod des Baumes zur Folge hat. Ohne Vermittlung der Rinde heilt keine Stammwunde, wie wir im folgenden Abſchnitt lernen werden.

Die Rinde iſt der Stapelplatz für eine Menge von Stoffen, die ſich im Holze nicht oder nur in geringer Menge finden; darum giebt es auch in unſerem Arzneiſchatze ſo viele officinelle Rinden, von denen ich neben der Zimmetrinde, nur die China - und Cascarill-Rinde, und wegen ihres Reichsthums an Gerbſtoff die Eichenrinde nenne. Alle dieſe Stoffe kommen jedoch mehr in der innern als in der äußern Schicht und mehr in den jüngern als ältern Rinden vor.

Die Rinde mit der Haut und anderen Bedeckungen des thieriſchen Körpers vergleichen zu wollen, was der oberflächlichen Auffaſſung vielleicht nahe liegen könnte, iſt durchaus unzuläſſig und vielleicht höchſtens nur in dem Punkte zutreffend, daß wie die Pflanze ohne Rinde, ſo das Thier ohne Haut nicht leben kann. In den weſentlichſten Verrichtungen ſind beide einander eher entgegengeſetzt als ähnlich. Die Haut vermittelt den Verkehr und den Stoffaustauſch des thieriſchen Lebens mit der umgebenden Luft, während die Rinde gerade das Gegentheil thut. Nicht einmal die regelmäßige und allgemeine Abſchuppung der Haut findet bei der Rinde ein Seitenſtück, denn es giebt Pflanzen, und z. B. in unſerer Buche auch Bäume, bei denen die Abſtoßung der äußerſten und älteſten Rinden - ſchichten nicht oder wenigſtens nicht durch eine organiſche Bedingung ein - geleitet ſtattfindet. Es iſt übrigens ſehr mißlich und hat ſchon zu großen Verkehrtheiten geführt, pflanzliche Lebenserſcheinungen mit ähnlichen thieriſchen zu vergleichen oder gar nach dieſen zu deuten. Die Geſetze des Lebens ſind zwar in beiden Reichen dieſelben, aber ſie bedienen ſich oder vielmehr ſie wirken in anderen Stoffverbindungen, ſehr zuſammen - geſetzten im Thierleibe, höchſt einfachen im Pflanzenleibe.

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Wurzel und Wurzeläſte.

Zwiſchen der Wurzel und dem Stamme unſerer Waldbäume iſt hin - ſichtlich des innern Baues und Gefüges nur ein geringer Unterſchied und bei keinem findet ſich eine ſcharf markirte Stelle, durch welche beide von einander geſchieden wären, von welcher an aufwärts der Stamm und abwärts die Wurzel beginnt.

Dieſe innere Uebereinſtimmung ſchließt nicht aus, daß im Ganzen der äußerlichen Geſtalt zwiſchen Stamm und Wurzel eine ſehr große Verſchiedenheit ſtattfindet. Die vielleicht über 100 Fuß hohe mächtige Fichte hat eine regellos in Aeſte getheilte Wurzel, welche kaum 2 Fuß tief in den Boden eindringen, ſondern ſich flach in demſelben verbreiten, ſo daß man ſagen möchte, eine Fichte ſteht mehr auf einem flachen nur leicht mit dem Boden verbundenen Fußgeſtelle, als daß ſie tief eingreifend, tief in dem Boden wurzele. Daher kommt es auch, daß von allen Wal - dungen reine Fichtenwaldungen am meiſten durch Windbruch leiden. Ein Sturm legt zuweilen ganze Fichtenbeſtände um, ohne einen Baum zu zerbrechen; er hebt verhältnißmäßig mit Leichtigkeit das flache ſeicht lie - gende Wurzelgeflecht mit ſammt dem zwiſchen den Wurzeläſten feſtgehaltenen Boden los, ſo daß jeder geworfene Baum einem umgeworfenen Chriſt - bäumchen mit ſeinem Fußbretchen gleicht. Wird dann das hoch und hohl liegende Stammende dicht über der Wurzel abgeſägt, ſo fällt der Wurzel - ſtock oft ſo genau von ſelbſt wieder auf ſeinen alten Platz zurück, daß man kaum noch ſehen kann, was hier vorgegangen iſt.

Doch es iſt hier nicht der Ort, die Aeußerlichkeit der Baumwurzeln zu beſchreiben; wir verſparen dies, ſo weit es nothwendig iſt, auf die ſpätere Betrachtung der einzelnen Baumarten, wo wir ja auch den ge - ſtaltlichen Charakter von Stamm und Krone zu unterſcheiden haben werden.

Wenn wir die uns hier nicht beſchäftigenden Zwiebeln und Knollen und einige andere, gewöhnlich, aber fälſchlich, Wurzeln genannte Gebilde unberückſichtigt laſſen, ſo iſt die Geſtalt der Wurzeln unſerer Bäume im Allgemeinen ſehr ſchlicht und bietet wenig Anlaß zu Unterſcheidung ver - ſchiedener Wurzelformen.

Dem Urſprunge nach, d. h. nach der Art wie ſie aus dem keimenden Samen hervortritt, beſteht auch jede Baumwurzel aus einer Haupt - oder Pfahlwurzel und aus Neben - oder Adventivwurzeln.

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Aber nicht immer behält die Pfahlwurzel bei der Weiterent - wicklung des Baumes die Oberhand, wie ſie ſie beim jungen Keimpflänzchen und auch einige Jahre lang an dem jungen Bäumchen hat. Aus dem vorhin über die Wurzel der Fichte Geſagten geht von ſelbſt hervor, daß bei ihr die Pfahlwurzel in ihrer Entwicklung bald nachläßt, während die Pfahlwurzel der Eiche weit in die Tiefe des Bodens geht, woraus einmal deren Vorliebe für einen lockern tiefgründigen Boden und ihre Feſtigkeit im Sturme hervorgeht. Die Pfahlwurzel hat übrigens kein anderes Merkmal vor den Nebenwurzeln voraus, außer eben das, daß ſie bereits im Samen in der Anlage vorhanden war, was wir bei der Betrachtung des Samens und des Lebens des Baumes näher kennen lernen werden.

Alle übrigen Wurzeläſte ſind Neben - oder Adventivwurzeln, d. h. ſie ſind an verſchiedenen Stellen der Pfahlwurzel oder an früher aus dieſer gebildeten Nebenwurzeln entſprungen. In der Geſtalt und Stellung der Nebenwurzeln findet bei unſeren Waldbäumen wenig Manch - faltigkeit und überhaupt nicht die Regelmäßigkeit ſtatt, welche in der Zweigſtellung der Baumkrone oft ſo ſehr bemerkbar iſt. So findet ſich z. B. von der regelmäßigen Quirl - und Schraubenſtellung der Triebe und Nadeln der Nadelhölzer (S. 70) bei deren Wurzeln keine Spur.

Wahre Wurzelknospen gehen der Bildung der Nebenwurzeln nicht voraus, ſondern die letzteren brechen an beliebigen Stellen, meiſt ohne alle bemerkbare Regelmäßigkeit aus der Rinde älterer Wurzeläſte hervor.

Dagegen vermögen die Wurzeln vieler Laubhölzer Adventivknospen zu Stammtrieben hervorzutreiben, wodurch ſich namentlich die Pappelarten und der Pflaumenbaum auszeichnen. Man ſieht oft neben den Chauſſee - gräben ſchlanke Pappelſchößlinge aus dem Boden hervorſproßen, welche aus einer Wurzel der danebenſtehenden alten Pappel hervorkommen. Man nennt ſie Wurzelſchößlinge oder Wurzelausſchlag.

Da an der Baumwurzel alle Veräſtelungen nur Adventivbildungen ſind und ihr namentlich an ihren Spitzen die Endknospe fehlt und in der Hauptſache alle Regelmäßigkeit der Stellung fehlt, ſo fehlen ihr auch alle hierauf gegründeten Erkennungszeichen des Alters und man iſt hierbei allein auf die Jahresringe angewieſen, wovon weiter unten.

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Nebenwurzeln finden ſich übrigens nicht blos am Wurzelkörper, ſon - dern können auch an Stammtheilen entſpringen, wenn ſie unter ſolche Verhältniſſe gebracht werden, wie ſie die Wurzelthätigkeit verlangt, d. h. in den Erdboden. Wir wiſſen Alle, daß Weiden und italieniſche Pappeln lediglich durch Stecklinge vermehrt werden. Es reicht aus, einen Weidenzweig in die Erde zu ſtecken, um aus ihm ein Weidenbäumchen werden zu laſſen, indem aus dem in dem Erdboden ſteckenden Ende deſſelben an beliebigen Stellen Adventivwurzeln durch die Rinde hervortreten.

Was nun den innern Bau der Wurzel unſerer Waldbäume anbelangt, ſo wiſſen wir zunächſt bereits, daß ihr das Mark fehlt, in - dem nur ſelten ein feines Fädchen davon übrig iſt, in welchem die Mark - ſtrahlen zuſammenſtoßen. Die Markſtrahlen ſind dagegen bei manchen Arten deſto reichlicher entwickelt.

Das Wurzelholz iſt von dem Stamm - und Aſtholz in vielen Stücken ſehr verſchieden, wenigſtens bei den Laubhölzern, weniger bei den Nadelbäumen. Im Allgemeinen iſt es weicher, lockerer und leichter, einmal weil die Zellen dünnwandiger ſind, einmal weil es reicher an weiten Gefäßen iſt, ja bei den meiſten der Unterſchied zwiſchen weiten und (ganz fehlenden) engen Gefäßen ganz wegfällt (S. 104, wo ſie große und kleine Gefäße genannt wurden). Neben dieſen auch ſchon auf S. 107 mitgetheilten Unterſchieden des Wurzelholzes ſei noch hinzugefügt, daß auch der Unterſchied zwiſchen Frühjahrs - und Herbſtholz (S. 105) mit den Jahresringen bei dem Wurzelholze mehr oder weniger wegfällt.

Leider iſt unſere Kenntniß von den Verſchiedenheiten des Wurzelholzes unſerer Bäume noch ſehr hinter der vom Stammholze zurück, weil man ſelten Gelegenheit hat, Baumwurzeln zu bekommen, da von manchen Bäumen, namentlich in gemiſchten Mittel - und Niederwald-Beſtänden die Stöcke ſelten oder nicht gerodet werden, ſondern zum Stockausſchlag ſtehen bleiben.

Die Rinde der Wurzeln gleicht zwar in der Hauptſache der des Stammes, aber ſelbſt an den ſtärkſten Wurzeläſten iſt ſie meiſt viel ſchwächer als am Stamme, an den dünnen dagegen meiſt etwas dicker und fleiſchiger als an gleichſtarken Zweigen.

Eine ſo ſtarke Borkenbildung wie am Stamme findet ſelbſt an den ſtärkſten Wurzeläſten nicht ſtatt, dagegen ſehr häufig eine nicht unbedeutende122 Korkerzeugung. Der Kork bildet dann aber nie eine allgemeine, die ſtärkeren Wurzeläſte überziehende Hülle, wie an den Stämmen der Kork - bäume, ſondern nur vereinzelte Partien, die jedoch, wie es ſcheint, niemals nach der Länge der Wurzeln verlaufen, ſondern ringförmig ver - theilt ſind.

Ueber den Bau der feineren Wurzelverzweigungen und der Wurzelſpitzchen, der ſogenannten Saug - oder Thauwurzeln, wollen wir bei der Betrachtung des Lebens des Baumes ſprechen, weil ſie es allein ſind, wodurch die Nahrungsaufnahme im Boden bewerk - ſtelligt wird.

Was die Lebensbedeutung der Wurzel betrifft, ſo iſt dem, was hierüber das allgemeine Volkswiſſen zu ſagen weiß, kaum etwas hinzuzufügen.

Die Wurzel iſt der Fuß und das wichtigſte Ernährungsorgan des Baumes wie mit wenigen Ausnahmen aller Pflanzen, den Thieren gegenüber gewiß eine ſonderbare Verknüpfung der Funktionen und ein anderweiter Beleg, wie wenig rathſam es iſt, Pflanzen und Thiere hin - ſichtlich der Lebensvorgänge, einander erklärend, zu vergleichen.

Nimmt auch ohne Zweifel der Luftraum einen nicht unbedeutenden Antheil an der Ernährung des Baumes, ſo iſt doch der Erdboden deſſen weſentliche Nahrungsquelle, in welcher die Wurzel nach dem größeren oder geringeren Reichthum derſelben nach allen Seiten ſich verbreitet, um das dem Baume Nöthige zu ſchöpfen. Es iſt darum für jeden Pflanzen - erzieher eifrigſte Sorge, durch Bodenbearbeitung und Düngung dieſe Nahrungsquelle zu bereichern und zuzubereiten.

Hier ſteht der Forſtmann mit ſeinen Mitteln gegen den Landwirth weit zurück; er muß daher ſeine Hauptſorge darauf richten, weſentlich mit Berückſichtigung der Wurzelbeſchaffenheit, für jede zu erziehende Baum - art den richtigen Boden zu wählen, auf flachgründigem Boden keine Eichen, auf ſehr feuchten keine Kiefern, auf trockenen keine Erlen zu bringen.

Wenn wir als zweite Aufgabe der Wurzel die Befeſtigung des Baumes an ſeinem Standorte kennen, ſo müſſen wir doch zugeben, daß dieſe die nebenſächliche, die weſentlichere dagegen die Ernährung iſt. Wir erinnern uns hierbei wieder an die lehrreiche Fichte. Sie findet ihr Nahrungs - bedürfniß nur in den oberen, an Moderſtoffen reichen Schichten des123 Bodens und eine Warnung für die Zweckmäßigkeitstheoretiker! ſie verſäumt über dieſer Sorge die andere, ſie ankert ihren koloſſalen Leib, den ſchwanken mächtigen Stamm, ſo unzureichend feſt, daß ſie bei jedem Sturm dafür büßen muß.

Andere Bäume möchte man klüger nennen. Sie krallen ſich tief und immer tiefer ſelbſt in felſigen Boden ein, jede Felſenkluft mit ihren Würzelchen durchdringend. Es wäre aber thöricht, hierin eine Abſichtlich - keit zu finden. Das Nahrungsbedürfniß ſolcher Bäume findet ſich mehr in den unteren, an löslichen Steinſtoffen reicheren Bodenſchichten und indem ſie ihrem Nahrungsdrange folgen, erreichen ſie gelegentlich, aber nicht als erſtrebten Zweck, einen feſteren Stand.

Blätter und Blüthen.

Gerade bei unſeren Waldbäumen kann man ſich überzeugen, daß Blätter und Blüthen im Grunde Eins, nur verſchiedene Entwicklungs - ſtufen deſſelben Formgedankens ſind, denn die Mehrzahl unſerer Wald - bäume trägt nur höchſt unvollkommene Blüthengebilde, deren Verwandtſchaft mit den Blättern erſichtlicher iſt, als bei den prangenden Blumen tropiſcher Bäume und ſelbſt einiger aus gemäßigten Zonen bei uns eingeführter, wie z. B. der Kaſtanie, des Trompetenbaumes und der Robinie.

Von allen unſeren Waldbäumen tragen nur der wilde Apfel -, Birn - und Kirſchbaum und einige andere vollkommen entwickelte Blüthen, an denen man die normalen vier Kreiſe des Kelches, der Blumenkrone, der Staubgefäße und der Stempel unterſcheidet, am vollſtändigſten, obgleich bekanntlich nichts weniger als in die Augen fallend, bei der Linde, welche man zu den vollkommenſten aller Gewächſe ſtellen muß.

Die Eiche dagegen, die Eſche, die Weiden, Pappeln, Birken, Erlen und die Nadelhölzer haben Blüthen, bei welchen jene vier Kreiſe niemals beiſammen und obendrein, wenigſtens Kelch und Blumenkrone, auf das geringſte Maaß der Entwicklung beſchränkt ſind.

Wir ſehen uns hier zum Beweiſe deſſen den Blüthenbau der ge - meinen Kiefer, Pinus silvestris, an, obgleich wir den Inhalt der Tafel in allen ſeinen Einzelnheiten erſt ſpäter bei der botaniſchen Beſchreibung auch dieſes Baumes durchzugehen haben werden.

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Wir ſehen eine Triebſpitze mit einem abwärts gekrümmten weiblichen Blüthenzäpfchen (1) und daneben einen mehrjährigen Trieb, an deſſen Baſis dicht gedrängt eine Menge eirunder männlicher Blüthenkätzchen ſtehen (2). Das weibliche Zäpfchen iſt in Fig. 5 und ein männliches in Fig. 13

XVI.

ſchwach vergrößert dargeſtellt. Jenes beſteht in der Hauptſache aus von einer Schuppe geſtützten Stempeln (6, 7, 8), dieſes aus ungewöhnlich geſtalteten Staubgefäßen (14, 15). Die männlichen Kätzchen fallen nach125 erfolgter Befruchtung bald ab (daher die Lücken an Fig. 2), während das weibliche Zäpfchen allmälig zu dem Fruchtzapfen erwächſt (3, 4).

Ein Inſekt, welches wir ſpäter kennen lernen werden, vermittelt in überraſchender Weiſe das Verſtändniß der Verwandtſchaft dieſer ſchlichten Blüthengebilde mit den Blättern. Der Fichtenblattſauger übt bei der Ablegung ſeiner Eier an die jungen Maitriebe der Fichte einen wahrhaft zauberiſchen Einfluß aus, wodurch der benadelte Trieb ſich in ein Gebilde umgeſtaltet, welches einem jungen Fichtenzapfen ſehr ähnlich ſieht.

Die Beſchreibung der Blüthen unſerer Waldbäume ſpäterer Be - trachtung überlaſſend, ſprechen wir jetzt nur von einigen allgemeinen Verhältniſſen dieſer und der ihnen verwandten Blätter.

Zwiſchen beiden beſteht eine bemerkenswerthe Zeitbeziehung: ent - weder die Blätter erſcheinen am Baume vor den Blüthen oder nach oder zugleich mit denſelben. Die Erlen, die Pappeln, die Eſchen, die Rüſtern, viele Weiden, der Haſelſtrauch, der Schlehdorn, haben längſt abgeblüht, wenn ihre Blätter erſt nachkommen; bei den Eichen, Buchen, Hornbäumen, Birken, Ahornen und anderen Weidenarten kommen Blätter und Blüthen zuſammen, und bei der Linde kommen die Blüthen um mehr als einen Monat ſpäter als die Blätter.

Da bei der großen Verſchiedenheit des Blüthenbaues unſerer Wald - bäume etwas Allgemeines ſich ſchwer ſagen läßt, ſo müſſen wir die Be - ſchreibung bis auf die Betrachtung der einzelnen Arten verſchieben.

Unſere ſämmtlichen Laubholzbäume haben ſommergrüne Blätter, d. h. ſie verlieren die im Frühling hervorgeſproßten im Herbſte wieder. Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß die abgeſtorbenen Blätter oft noch den Winter über am Baume hängen bleiben, und erſt den neu auf - brechenden Knospen weichen. Dies iſt namentlich der Eiche und dem Hornbaum, wenn immerhin auch nur als Ausnahme von der Regel, eigen.

Was die Geſtalt der Blätter betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den meiſten einfach, d. h. ſie beſtehen nur aus einer wenn auch zuweilen ſehr tief eingeſchnittenen und gelappten Blattfläche: Eiche, Ahorn, Buche, Birke. Zuſammengeſetzt ſind ſie nur bei der Eſche und bei den Ebereſchen, und zwar gefiedert.

An den Blättern der Laubbäume iſt faſt immer ſehr deutlich der Blattſtiel von der Blattfläche (in neuerer Zeit nach Schimpers126 Vorgange oft Spreite genannt) zu unterſcheiden, wobei man dann an den zuſammengeſetzten Blättern den gemeinſamen Blattſtiel und die Blattſtielchen der Theilblätter die dann Blättchen oder Fiedern heißen unterſcheidet.

An der Blattfläche finden ſich bei den verſchiedenen Laubhölzern eine Menge von Merkmalen und Beziehungen, ſo daß in Ermangelung anderer Theile die Blätter faſt immer allein ausreichen, um die Baum - arten von einander zu unterſcheiden; nur bei den Weidenarten reichen die Blätter allein nicht immer dazu aus.

Ober - und Unterſeite, Behaarung oder Glätte, Glanz, Farbenton, Zähnung oder tieferes Eingeſchnittenſein des

XVII.

Oberhaut der unteren Seite eines Buchenblattes (ſehr ſtark vergrößert). a Oberhautzellen; b Spaltöffnungen, gebildet aus zwei gegeneinander gekehrten, an dieſer Seite concaven Zellen z s, welche den Spalt, c, die eigentliche Spaltöffnung, Stoma, einſchließen.

Randes, Verhältniß der Länge des Blattſtieles zu der der Blatt - fläche, das Geäder, endlich die ganze Geſtalt des Blattes geben eine Menge Unterſcheidungsmerkmale an die Hand.

Der anatomiſche Bau der Blätter iſt bei allen unſeren Laubbäumen und Sträuchern ſehr übereinſtimmend. Zunächſt ſind ſie oben und unten127 von einer oberen und einer unteren Oberhaut, Epidermis, über - kleidet, welche immer aus einer einzigen von ſeitlich ſehr feſt aneinander gefügten Zellen beſteht und darum, zwar nicht gerade bei den Baum -, aber bei vielen anderen Blättern, als ein weißliches durchſcheinendes Häutchen abgezogen werden kann. Fig. XVII. ſtellt ein Stückchen Ober - haut der unteren Blattſeite von einem Buchenblatte dar. Die Oberhaut - zellen, a, zeigen wurmförmig gekrümmte Seitenwände.

In der Epidermis der unteren Blattſeite, weniger und oft gar nicht auf der oberen, finden ſich die ſogenannten Spaltöffnungen, Fig. XVII. b, außerordentlich kleine von 2 gegeneinander gerichteten meiſt halbmondför - migen Zellen den Spaltöffnungszellen begrenzte Oeffnungen, durch welche das Blattinnere mit der umgebenden Luft in unmittelbarer Ver - bindung ſteht.

Die zwiſchen den beiden Oberhäuten eingeſchloſſene Zellenmaſſe nennt man das Blattfleiſch. Wenn man ein friſches Blatt gegen das Licht

XVIII.

Senkrechter Querſchnitt eines Stückchens Buchenblatt (ſehr ſtark vergr.). o o die obere und u o die untere Oberhaut; o die obere und u die untere Schicht des Blattfleiſches; 1 Luftlücken in derletzteren, zu deren einer die Spaltöffnung sp, zwiſchen den beiden Spaltöffnungszellen, führt.

beſieht, ſo nimmt man wahr, daß das Blattfleiſch aus einer grünen Grundmaſſe beſteht, in welcher die weißlich durchſcheinenden Blattrippen liegen, die ſich zuletzt in ein außerordentlich feines Maſchennetz auflöſen. Die zellige Grundmaſſe des Blattfleiſches beſteht auf der oberen Blattſeite 128 unter der oberen Oberhaut aus länglichen, innig aneinander anliegenden Zellen o, welche ganz mit Blattgrün, Chlorophyll, ausgefüllt ſind, dem aus äußerſt kleinen Körnchen beſtehenden grünen Farb-Stoffe aller grünen Pflanzentheile. Unter dieſer oberen Zellenſchicht des Blattfleiſches, welche bei dickeren Blättern auch oft eine mehrfache iſt, liegt eine zweite untere Zellenſchicht, u, deren blattgrünärmere Zellen meiſt ſehr unregel - mäßig geſtaltet und ſo locker mit einander verbunden ſind, daß zwiſchen ihnen eine Menge Luftlücken, l, übrig bleiben, welche mit den Spalt - öffnungen in Verbindung ſtehen. An der Fig. XVIII. unterſcheiden wir beide Oberhäute, o o und u o, die beiden Schichten des Blattfleiſches, o und u, und in der unteren Oberhaut ſehen wir eine querdurchſchnittene etwas in dieſelbe eingeſenkte Spaltöffnung, sp.

Die Blattrippen und deren letzte feine Veräſtelung, das Blatt - geäder oder Blattnetz, beſtehen aus Baſtzellen und Gefäßen, welche letztere meiſt Spiralgefäße ſind.

Wir haben daher am Blatte zwiſchen den beiden Oberhäuten zu - und ableitende und verarbeitende, aſſimilirende, Organe; jene ſind die Baſtzellen und Gefäße, dieſe die chlorophyllhaltigen Zellen.

Der Blattſtiel, der bei manchen unſerer Waldbäume, z. B. der Eſche, ſtengelartig erſcheint, iſt als weſentlich ſaftleitendes Organ auch im Inneren dem Stengel ähnlich gebaut, indem man bei manchen Baum - arten im Blattſtiele ein centrales Mark, einen Holzring und eine Rinde, denen des Stengels ganz ähnlich gebaut, unterſcheidet. Meiſt aber gleicht der Blattſtiel auf dem Querſchnitt mehr einem halbirten Stengel; nämlich einem halbkreisförmigen Holzkörper liegt innenſeitig ein Markkörper an und beide ſind von der gemeinſamen Rinde umſchloſſen.

Was nun die Blätter der Nadelhölzer betrifft, die mit der gewöhnlichen Benennung Nadeln doch nicht als etwas ganz anderes von den Blättern der Laubhölzer getrennt werden können, ſo iſt wie ihre äußere Geſtalt auch ihr innerer Bau verſchieden, doch nicht in dem Grade, daß wir nicht auch an ihnen eine Ober - und eine Unterſeite mit ihrer Oberhaut und ein Blattfleiſch mit blattgrünhaltigen Zellen und mit aus Baſtzellen und Gefäßen gebildeten Gefäßbündeln unterſcheiden könnten, nur eben in anderer Anordnung.

129

Am deutlichſten iſt eine Ober - und eine Unterſeite am Blatte der Tanne, Abies pectinata, zu unterſcheiden, am wenigſten bei der Fichte, Abies excelsa, deren Blätter auf dem Querſchnitt faſt rautenförmig ſind.

Vor der Betrachtung einiger niederer Blattformen, welche namentlich bei einigen unſerer deutſchen Waldbäume eine gewiſſe Bedeutung haben, muß hier von den eigentlichen Blättern noch nachgetragen werden, daß ſie nicht ſelten hinſichtlich ihrer allgemeinen Form einer beträchtlichen Ver - änderlichkeit unterworfen ſind. Dieſe Abweichungen von der der betreffenden Art zukommenden Grundform bilden zuweilen beachtenswerthe Ab - oder Spielarten, von denen die auffallendſte die einfachblättrige Eſche, Fraxi - nus excelsior var. simplicifolia iſt, deren Blätter anſtatt 9 11-blättrig gefiedert, wie bei der Stammart, einfach ſind. Die Buche hat drei ſolcher auffallender Blattvarietäten, welche wir ſpäter durch Abbildungen kennen lernen werden. Bekannter ſind die Spielarten mit geſchäckten Blättern, foliis variegatis, wie die Gärtner ſagen, z. B. von dem gemeinen Ahorn, Acer pseudoplatanus.

Aber faſt noch intereſſanter als dieſe aus unbekannten Urſachen ent - ſprungenen Blätter-Spielarten ſind die Fälle, wo die Blätter in Folge einer vor Augen liegenden Veranlaſſung ihre normalen Erſcheinungen mehr oder weniger verleugnen. Namentlich zeigen die Blätter von ſtark beſchnittenen Büſchen und Hecken, von Stock - und Wurzelausſchlag oder von geköpften Bäumen oft ſehr abweichende Erſcheinungen. Es iſt, als ob der allzureichliche Andrang von Nahrungsſtoff ein Ueberſchreiten des gewöhnlichen Maaßes an Form und Umfang der Blätter herbeiführte, denn namentlich ſind die Blätter von Stocklohden bei Eichen, Rüſtern, Birken, Linden und andern Bäumen oft vielmal größer und auch oft anders geſtaltet als an dem geſunden Baume und dabei natürlich auch die Triebe wohl um das Zehnfache länger und viel ſtärker als ſonſt.

Ganz auffallend verhält ſich hinſichtlich der Blattgeſtalt die Espe, Populus tremula, bei welcher an jungen Bäumchen die an der unteren Hälfte der Triebe ſtehenden Blätter allein die normale Geſtalt zeigen, während die mehr nach der Spitze des Triebes hin ſtehenden auffallend anders geſtaltet ſind. Faſt noch auffälliger iſt der Unterſchied der Blätter bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, je nachdem ſie an Trieben ſtehen, welche aus Adventivknospen hervorgingen oder an den normalen Trieben.

Roßmäßler, der Wald. 9130

Der Weißdorn leitet uns von den eigentlichen Blättern zu einigen andern Blattgebilden, die namentlich bei dem eben genannten Buſche eine große Rolle ſpielen. Es ſind dieſes die Neben - oder Afterblätter und die inneren Schuppen der Knospen.

Schon die Knospenſchuppen (ſ. S. 59 ff. ) ſind als niedere Blatt - gebilde zu betrachten und bei manchen Bäumen kann man von den äußerſten bis zu den innerſten Knospenſchuppen eine allmälige Zunahme in der Ausbildung und eine ſtufenweiſe Annäherung an die Bildung der Blätter erkennen. Dies iſt am meiſten bei der Eſche der Fall, bei der ſogar die innerſten Schuppen bei der Entfaltung der Knospe zum Triebe zu langen breiten, an der Spitze gefiederten Blattgebilden auswachſen. Ganz ähnlich iſt es bei dem Spitzahorn, Acer platanoides.

Von dieſen laubartig auswachſenden Knospenſchuppen machen zu den dauernden Nebenblättern die hinfälligen Nebenblätter den Uebergang, welche ſich bei mehreren Baumarten finden, z. B. bei der Buche und Linde. Wenn dieſe Bäume ihre Triebe aus der Knospe her - vortreiben, ſo ſtehen neben jedem Blatte zwei zungenförmige weißlich oder hellroſenroth gefärbte Afterblätter, welche aber nach einigen Tagen abfallen.

Dauernde Afterblätter finden ſich namentlich bei einigen Wei - denarten, z. B. bei der deshalb ſo genannten Ohrweide, Salix aurita, und bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha. Sie nehmen immer weſentlich Theil an der vorhin erwähnten Umgeſtaltung der Blattform bei beſonders reichlichem Andrang von Nahrungsſaft.

Endlich ſind hier noch einige Blattgebilde zu nennen, welche ſich immer nur am Grunde der gemeinſamen oder der einzelnen Blüthenſtiele finden und welche Deckblätter heißen. Sie ſind immer klein und von einfacher lanzettlicher Geſtalt. Eine ganz beſondere Art von Deckblatt werden wir bei der Linde kennen lernen; wie wir überhaupt bei der Be - trachtung der Illuſtrationen der einzelnen Baumarten die verſchiedenen Geſtaltungen der Neben - und der Deckblätter kennen lernen werden.

[131]

6. Der Bau und das Leben des Baumes. (2. Das Leben.)

Da ſteh ich, ein entlaubter Stamm,
Doch innen im Marke lebt die ſchaffende Gewalt.

Wenn die Winterszeit überſtanden iſt und das gefeſſelte Leben ſich im Laubwalde wieder regt und wie aus Millionen geſprengter Kerkerzellen das junge Grün aus den Knospen hervortreibt da ſchauen wir fragend auf die ſcheinbar erſtorbenen Leiber der borkenumpanzerten Bäume und auf den Boden, auf dem wir neben ihnen ſtehen, was es wohl ſei, was dieſen Zauber bewirkt. Dann fallen uns obige Worte Schillers ein und wir rechten jetzt auch nicht mit ihm, daß er dieſen Zauber dem Marke zuſchreibt, von dem wir wiſſen, daß es in der Pflanze keine weittragende Kraft, am allerwenigſten eine verjüngende Gewalt beſitzt.

Die Macht des geſtaltenden Lebens können wir zwar auch bei den Pflanzen nicht in dem Momente ihres Schaffens ſehen: wir ſehen nur das, was bereits da iſt, niemals den Moment des Werdens. Dennoch bilden wir uns ein, im Frühjahrserwachen des Baumes einen ſchöpferiſchen Akt zu belauſchen und das vergeiſtigt unſere Freude daran. Wenn wir auch nicht vermögen, auch nicht mit den beſten Hülfsmitteln der ſpähenden Wiſſenſchaft, dieſe Selbſttäuſchung zu einer Wahrheit zu machen, ſo wiſſen wir doch, nachdem wir früher dem Bau der Baumknospen eine eingehende Aufmerkſamkeit geſchenkt haben, daß wir uns die Freude über die Knospen - entfaltung erhöhen können, wenn wir kurz vor dem Eintritt derſelben eine Knospe zergliedern, um zu ſehen, wie die kleinen vorgebildeten9*132Blättchen darin zur Zeit noch untergebracht ſind, und wenn wir dann von dem erſten Anſchwellen der Knospe an, dem bald ein Anseinander - treten der Schuppen folgt, Schritt für Schritt der ſtündlich zunehmenden Entfaltung und Geſtaltung folgen. Wir lernen dabei die Verſchieden - heiten der Knospenfaltung kennen (S. 66) und ſehen, wie die Knospen - ſchuppen ſich bei manchen Baumarten verwandtſchaftlich zu den hinfälligen Nebenblättern verhalten. Wir ſehen, wie die einen Bäume zuerſt nur die Blüthenknospen entfalten, was uns bisher vielleicht entging, weil wir an einem Baume keine Blüthen zu ſuchen gewöhnt waren, der noch keine Blätter hat, obgleich ſchon der Aprikoſenbaum und der Schlehdorn uns vom Gegentheile belehren wollen.

Doch wir wollen das Leben des Baumes nicht an den Wandlungen während eines Jahreslaufes betrachten, weil uns das darüber unbelehrt laſſen würde, wie der Baum bis dahin gediehen ſei, wo wir dieſe Be - trachtung beginnen. Wir verfolgen daher lieber die Entſtehung eines Baumes aus einem Samenkorn und haben dabei Veranlaſſung, zunächſt den Bau eines Samenkorns zu unterſuchen, um zu ſehen, welche von ihm die Theile ſeien, aus denen das junge Bäumchen hervorgeht.

Wer den Bau einer Eichel nicht kennen ſollte, der kennt wenigſtens den einer Mandel oder eines Kürbis - oder Bohnenkernes oder einer Erbſe, bei denen allen die Verhältniſſe, um die es ſich uns jetzt handelt, genau ſo ſind wie in der Eichel und wie bei den meiſten Waldſämereien.

Wenn wir uns recht genau von dem Bau der genannten Samen - arten unterrichten wollen, ſo legen wir ſie etwa eine halbe Stunde in heißes Waſſer, worauf alsdann die äußere Samenhaut weich geworden ſein und ſich leicht abſtreifen laſſen wird. Indem wir dies thun haben wir uns in Acht zu nehmen, daß der enthäutete Same nicht von ſelbſt in zwei halbkugliche (bei der Erbſe) oder halbeiförmige (bei der Eiche) Hälften zerfalle, denn ſie hängen nur an einer kleinen Stelle mit einander zu - ſammen, und gerade dieſe kleine Stelle iſt das Weſentliche des Samen - korns: der Keim oder Embryo.

Obgleich die Bohne nicht zu den deutſchen Waldbäumen gehört, ja wir nicht einmal eine Familienverwandte von ihr unter dieſen haben, ſo wähle ich doch einen Bohenkern zur Erläuterung des Keimens, weil ein Bohnenkern für Jederman viel leichter zu haben iſt, als eine Eichel oder133 eine Buchecker und obendrein dieſe letzteren nur kurze Zeit keimfähig bleiben und viel längere Zeit zum Keimen brauchen als die in wenigen Tagen keimende Bohne. Letztere iſt auch deshalb hier eine ganz paſſende Stellvertreterin der Eichel, weil ſie wie dieſe die Keim - oder Samen - lappen im Boden zurückläßt, was beinahe alle übrigen Waldſamen nicht thun. Um die wichtigſten Vorgänge des Keimens zu ſehen, genügt es, unſern Bohnenkern in Waſſer zu legen, oder auch in feuchterhaltene Sägeſpähne.

Wenn wir eine Bohne in kaltes Waſſer legen, ſo iſt nach einigen Stunden die Folge hiervon, daß die Schale runzlig wird; laſſen wir ſie dann noch länger im Waſſer liegen, ſo wird ſie allmälig wieder glatt, und vergleichen wir ſie dann mit einer zweiten Bohne, die der in das Waſſer gelegten an Größe und Gewicht vollkommen gleich war, ſo finden wir nun, daß die im Waſſer geweſene etwas größer und ſchwerer als die andere iſt. Das wiſſen wir Alle, das wiſſen namentlich unſere Hausfrauen, welche daher zu einem Gericht Bohnen nicht den ganzen Topf bis an den Rand damit anfüllen, weil ſie ſonſt über dieſen hinausquellen würden. Quellen iſt auch für dieſe Veränderung der harten Pflanzenſamen der allgemein gebräuchliche Ausdruck. Es iſt bekannt, daß die Zunahme der Bohne an Umfang und Gewicht durch das Waſſer bedingt iſt, welches in ſie eingedrungen iſt.

Das Runzligwerden hat ſeinen Grund darin, daß die Samenſchale ſich durch das eingedrungene Waſſer ausdehnte, während dies der ein - geſchloſſene Samenkörper noch nicht that. Dieſer ſaugt ſich vielmehr lang - ſamer voll Waſſer, welches erſt durch die Samenſchale hindurch zu ihm dringt, und erſt wenn die ganze innere Maſſe des Samens ſich ebenfalls voll Waſſer geſogen und dabei natürlich ebenfalls eine Vergrößerung er - fahren hat, wird die Samenſchale wieder glatt, denn nun wird ſie von dem Samen wieder ganz ausgefüllt. Es iſt bekannt, daß man dieſen ganzen Vorgang durch Anwendung ſehr warmen Waſſers beſchleunigen kann, wodurch allerdings in den meiſten Fällen die weitere Entwickelungs - fähigkeit des Samens, die Keimkraft, zerſtört wird.

Wir lernten alſo, daß die Samenſchale das Vermögen Waſſer auf - zuſaugen in hohem Grade beſitzt. Sie hält dieſes aber nicht in ihren134 Zellen feſt, ſondern läßt es durch dieſe hindurchgehen und in das Zell - gewebe des Samenkorns eindringen.

In dem Samen befindet ſich ein Vorrath von gewiſſen Stoffen in einem chemiſchen Ruhezuſtand, dieſe Stoffe ſind darin gewiſſermaßen feſt - gelegt. Da wir wiſſen, daß manche Samen ihre Keimfähigkeit Jahr - hunderte lang behalten, andere ſie ſchon nach einigen Jahren verlieren, ſo iſt dieſer chemiſche Ruhezuſtand nicht in allen Pflanzenſamen von gleicher Beſchaffenheit. Diejenigen Samen behalten in der Regel am längſten die Keimfähigkeit, in ihnen iſt jener Ruhezuſtand der feſteſte Schlummer, ein wahrer Scheintod, welche keine flüſſigen und als ſolche den chemiſchen Zerſetzungen am leichteſten zugänglichen Stoffe oder Stoffverbindungen enthalten. Darum iſt es ſchwer, ölhaltige Samen, in denen das Oel leicht ranzig wird, längere Zeit keimfähig zu erhalten.

Wir ſehen auf unſerem Holzſchnitt XIX. in Fig. 1 einen gequellten Bohnenkern von der ein wenig verwendeten Seiten-Anſicht und Fig. 2 denſelben in derſelben Lage, nachdem wir ſeine Samenſchale abgeſchält haben. An Fig. 1 unterſcheiden wir die eirunde Stelle, n, mit welcher der Kern vermittels eines kurzen dicken Stielchens in der Hülſe feſtge - wachſen war und über derſelben verräth ſich durch eine Anſchwellung der noch unter der Samenſchale eingeſchloſſene Keim, w, welchen wir an Fig. 2 w ſelbſt ſehen. Alles was wir ſonſt nach an Fig. 2 ſehen, ſind die uns Allen bekannten beiden halbeiförmigen dicken Körper, in die eben nach Entfernung der Samenſchale viele Samen ſo leicht zerfallen. Dieſe beiden Körper ſind die beiden Samen - oder Keimlappen, Kotyle - donen. In Fig. 3 iſt der eine Samenlappen hinweggenommen und wir ſehen nun nicht blos den Keim was man nämlich im gemeinen Leben ſo nennt, ſondern auch noch die andere dazu gehörige Hälfte, welche mehr nach einwärts zwiſchen den beiden ebenen Flächen der Samenlappen eingeſchloſſen war. Wir ſehen aber leicht, daß das auf dem Samenlappen aufliegende und nur an einer kleinen Stelle mit ihm verbundene Körperchen das zukünftige Pflänzchen iſt, an dem wir, durch den Punkt c von ein - ander geſchieden, das Würzelchen, w, und das Federchen, f, unter - ſcheiden. Da bei dem keimenden Samen immer das Würzelchen zuerſt hervortritt, ſo verſtehen wir gemeiniglich unter Keim blos dieſe eine Hälfte. Die andere, die wir eben Federchen nannten, tritt erſt ſpäter, nachdem135 die Samenſchale ganz abgeworfen iſt, zwiſchen den Samenlappen hervor und wächſt aufwärts, indem der oberirdiſche Theil der Keimpflanze daraus wird, während das Würzelchen unter allen Umſtänden, der Same mag bei dem Keimen gelegen haben wie er wolle, abwärts in den Boden dringt. Es liegt alſo zwiſchen dem Würzelchen und dem Federchen ge - wiſſermaßen ein Indifferenzpunkt, von welchem an ſich einerſeits das

XIX.

Das Keimen des Samens der Schminkbohne, Phaseolus multiflorus. Fig. 1 ein Bohnenſame, w das durchſcheinende Würzelchen, n der Nabel; Fig. 2 derſelbe der Samenſchale entkleidet, w das Würzelchen; Fig. 3 der eine der beiden Samenlappen mit dem Keime, der aus dem Federchen, f, und dem Würzelchen, w, beſteht; Fig. 4 ein Keimpflänzchen der Bohne, w. das ehemalige Würzelchen.

Wachsthum nach aufwärts, andererſeits nach abwärts richtet. Dieſer Punkt iſt ungefähr da, wo an dem Keime die beiden Samenlappen be - feſtigt ſind und welcher an Fig. 3 durch c angedeutet iſt.

136

Man kann darüber verſchiedener Meinung ſein, ob man unter Keim blos das aus dem Federchen und Würzelchen beſtehende Gebilde, Fig. 3 fw, ohne die beiden Samenlappen, oder jenes zuſammen mit dieſen verſtehen will. Gewöhnlich geſchieht das Letztere, und demnach wäre das ganze Samenkorn der Keim.

Wenn man der anderen Auffaſſung huldigt, ſo macht man dabei geltend, daß unter Keim im eigentlichen Sinne doch blos verſtanden werden dürfe, was vom Samen als ein bleibender Theil in die er - wachſende Pflanze übergeht: das Federchen, aus dem der Stamm wird, und das Würzelchen, aus dem die Wurzel wird. Die beiden Samen - lappen ſterben in den meiſten Fällen bald nach einiger Erſtarkung des Samenpflänzchens ab und verfaulen entweder im Boden wie bei der Erbſe und der Eichel oder, wenn ſie wie bei den allermeiſten Pflanzen nach dem Keimen über den Boden emporgehoben werden, ſie vertrocknen und fallen ab. Demnach ſind die Samenlappen nicht in demſelben Sinne wie das Federchen und das Würzelchen bleibende Theile des Keimes.

Die Bedeutung der Samenlappen für das Leben des jungen Pflänz - chens wird uns vielleicht bei der Löſung der Frage, ob wir ſie zum Keime rechnen ſollen oder nicht, unterſtützen.

Nicht alle Pflanzenſamen haben ſo große Samenlappen wie z. B. Bohne, Eichel, Mandel, Erbſe und Linſe, bei denen gegen ſie Federchen und Würzelchen an Maſſe faſt verſchwindend zurücktreten. Der ſüße und ölige und ſtärkemehlreiche Inhalt, den wir in dieſen Samen als Nahrung genießen, iſt ebenſo die Nahrung für das Keimpflänzchen. Man kann deshalb dieſe Samen in reinem ausgeglüheten Quarzſand und deſtillirtem Waſſer welches beides den Keimpflänzchen außer dem Waſſer faſt keine Nahrung zu gewähren vermag keimen und bis zu einer gewiſſen Grenze erwachſen laſſen, indem ſie die dazu nöthigen Nahrungsmittel aus den Samenlappen beziehen. So lange dieſer Vorrath reicht, bedürfen die Keimpflänzchen aus dem Boden keine Nahrung. Demnach ſind die Samenlappen Vorrathsbehälter, welche die Mutterpflanze dem jungen Pflänzchen im Samen für ſeine erſte Jugendzeit mitgegeben hat, und welche in den meiſten Fällen abgeworfen werden, nachdem der Nahrungs - vorrath aufgezehrt iſt.

137

Es würde uns jetzt zu weit von un - ſerem Waldgeſichtspunkt abführen, wollten wir auf die Manchfaltigkeiten im Bau der Pflanzenſamen eingehen. Es genüge zu erwähnen, daß außer den Nadelhölzern unſere ſämmtlichen Waldbäume Samen mit zwei Samen - oder Keimlappen haben, die von den meiſten mit über den Boden emporgehoben werden, wie wir dies an einem Keimpflänzchen der Buche ſehen, Fig. XX., und da dies bei den allermeiſten zweiſamenlappigen Pflanzen der Fall iſt, ſo ſehen wir eben im Frühjahre überall eine zahlloſe Menge Keimpflänzchen mit den zwei blättchenähnlichen Samenlappen dem Boden entſprießen, zwiſchen denen dann ſpäter das erſte echte Blatt hervortritt.

Bei den Nadelhölzern finden ſich 5 9 nadelähnliche, im Quirl ſtehende Samen - lappen, weshalb man ſonſt aus ihnen eine eigene Abtheilung der höheren Pflanzen, die Bielſamenlappigen, Polykotyledonen, machte, im Gegenſatze zu den zweiſamen - lappigen, Dikotyledonen und zu den Ein - ſamenlappigen, Monokotyledonen. Wir ſehen dies auf Seite 124, XVI., Fig. 18, an einem Keimpflänzchen der Kiefer, wo zwiſchen 5 nadelähnlichen Samenlappen die Knospe zu den erſten echten Nadeln her - vortritt.

Der Vorgang der Keimung eines Samens beruht auf folgenden inneren und äußeren Bedingungen.

Daß die Samenlappen in ihrem Zell - gewebe große Vorräthe von Nahrungsſtoffen

XX.

Keimpflänzchen der Buche. c c die beiden Samenlappen von der Rückſeite; darüber noch die zu - ſammengefalteten behaarten beiden erſten Blätter: die Herzblätter a.

138 enthalten, wiſſen wir ſchon. Dieſe zerfallen in ſtickſtoffhaltige und in ſtickſtofffreie. Letztere ſind namentlich Stärkemehl, Zucker, Dextrin, Gummi; erſtere Eiweißſtoffe, Caſeïn, Legumin. Alle dieſe Stoffe ſind löslich durch die in den Samen eindringende Bodenfeuchtigkeit.

Zur Löſung dieſer theilweiſe flüſſigen, zum größten Theile jedoch feſten Stoffe bedarf es neben der Bodenfeuchtigkeit einer gewiſſen Wärme des Bodens, welche für unſere Holzgewächſe im Durchſchnitt wahrſcheinlich nicht viel unter R. betragen darf. Eine etwas höhere Wärme befördert das Keimen; wenn ſie jedoch 20 25° überſteigt, ſo wird die Keimung beeinträchtigt.

Obgleich bei weitem die meiſten Pflanzenſamen im Finſtern, d. h. von dem undurchſichtigen Boden bedeckt, keimen, ſo iſt doch das Licht, ent - weder das direkte oder das reflektirte Sonnenlicht, zur Vollendung eines vollkommenen Keimes nothwendig, wenn wir dieſes, wie wir es ſogleich thun werden, ſeiner Dauer nach richtig auffaſſen.

Endlich ſind von äußerlichen Keimbedingungen noch atmoſphäriſche Luft und jedenfalls auch noch Elektricität erforderlich.

Dieſe Bedingungen zuſammengenommen rufen in dem Innern des Samens chemiſche und phyſikaliſche[Veränderungen] hervor, hauptſächlich dadurch, daß die in den Samenlappen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe gelöſt und in den Keim im engern Sinne, d. h. in das Federchen und Würzelchen übergeführt werden, welche letzteren dieſelbe zu Neubildung von Zellen, mithin zu ihrem Wachsthum verwenden. Dabei ſind die beiden Punkte, wo die Samenlappen mit dem Keime zuſammenhängen (S. 135 XIX. Fig. 3 c), der Weg, auf welchem dieſe Nahrungszuführung ſtattfindet. Da nun das Keimen von dem Augenblicke beginnt, wo die eben aufgezählten Bedingungen die Ernährung des Keimes durch die Samenlappen einleitet, ſo müſſen wir die Dauer des Keimvorganges bis zu dem Zeitpunkte verſtehen, wo die Samenlappen ihres Nahrungsgehaltes vollſtändig beraubt ſind und dann in der Regel bald verwelkt abfallen. Ein großer Theil dieſer Keim-Dauer fällt in den Zuſtand des Keim - pflänzchens, wo dieſes längſt über den Erdboden ſich erhoben hat und dann unerläßlich des Sonnenlichtes bedarf, um grün zu werden.

In vollkommener Dunkelheit erwachſene Keimpflanzen bleiben gelb - weiß und ſterben bald ab.

139

Um die Bedeutung der Samenlappen als Ernährer des Keimes nach - zuweiſen, hat man theils noch trocknen, theils gequellten oder ſchon gekeimten Samen die Samenlappen ganz oder theilweiſe genommen und immer eine ent - ſprechende nachtheilige Wirkung auf die Entwicklung des Keimpflänzchens eintreten ſehen. Beſonders lehrreich ſind die neueren Verſuche von Ju - lius Sachs*)Phyſiol. Unterſuchungen über die Keimung der Schminkbohne (Phaseolus mul - tiflorus). Sitzungsberichte der mathem. -phyſik. Klaſſe der k. Akademie der Wiſſenſchaften in Wien. 1859. Bd. XXXVII. S. 57. Dieſe Abhandlung giebt eine vollſtändige und ſehr genaue Darſtellung des Keimungsvorganges und iſt allen Denen zu empfehlen, welche ihn gründlich kennen lernen wollen., aus denen auch hervorging, daß eine ſolche Verſtümmelung die erwachſenden Pflanzen in allen Theilen zwerghaft macht. Vielleicht beruht alſo die Meinung in Wahrheit, daß die Chineſen bei der Erziehung von Zwergbäumchen, in der ſie Meiſter ſind, ſich dieſer Operation bedienen.

Eine andere Verſtümmelung der Keimlinge hat man bei der Eiche angewendet. Um ihr ſo zu ſagen die tief gehende Pfahlwurzel abzuge - wöhnen, welche den Anbau der Eiche auf ſeichtem Boden verbietet, hatte man den Wurzelkeim der keimenden Eicheln zum Theil abgeknippen. Da - durch wurde allerdings die Abſicht ziemlich erreicht, aber die aus ſolchen Eicheln erwachſenen Pflanzen waren ſchlechtwüchſig.

Wir haben nun, ehe wir den weiteren Verlauf des Baumlebens ver - folgen, eine nicht nur in der Walderziehung ſehr wichtige, ſondern über - haupt in der Naturgeſchichte eine der wichtigſten Fragen zu erörtern, uämlich die, welche Bewandtniß es mit der Keimfähigkeit der Sa - men habe.

Vorerſt iſt hier noch auf den Begriff der Reife des Samens zu achten, die erfolgt ſein muß, wenn der Same keimfähig ſein ſoll, obgleich von Mehreren, namentlich von Göppert und Cohn, auch mit unreifem Samen gelungene Keimverſuche angeſtellt worden ſind. Auch manche Er - folge der Gärtnerkunſt ſollen auf Anwendung unreifen Samens beruhen.

Das ſicherſte Kennzeichen der Reife des Samens iſt bei unſeren Bäumen in der Regel das Abfallen derſelben, obgleich auch dieſe ihre Ausnahmen hat, indem z. B. der Same der Feldrüſter ſehr oft unreif abfällt. Ein Verſchrumpfen, Weichwerden, Verfärben ſeiner fleiſchigen Fruchthülle, ein Vertrocknen der Fruchtſtiele, Trockenwerden des Samen -140 Innern (meiſt durch Stärkemehlbildung) ſind die weſentlichſten Kennzeichen der Samenreife. Jedoch auch wenn dieſe vorhanden ſind, iſt bei manchen Samen noch eine Nachreife erforderlich, die dadurch erzielt wird, daß man den Samen nach dem Einſammeln noch eine Zeit lang an einem luftigen, trocknen und der Sonne nicht zu ſtark ausgeſetzten Orte vollends abtrocknen läßt.

Unter Keimfähigkeit des Samens verſteht man das Vermögen deſſelben, unter Einwirkung jener kennen gelernten äußeren und inneren Bedingungen, die in ihm ruhende vorgebildete Anlage zu einer Pflanze, den Keim, zu einer ſolchen zu entwickeln. Durch Keimkraft, in der Hauptſache daſſelbe bedeutend, bezeichnet man zugleich die längere oder kürzere Zeitdauer, in welcher die verſchiedenen Samen die Keimfähigkeit behalten.

Zu einer tiefer eingehenden Betrachtung dieſer, ſchon vorhin als eine der wichtigſten bezeichneten naturgeſchichtlichen Frage fühlen wir uns an dieſer Stelle um ſo mehr veranlaßt, als im Walde nicht ſelten eine über - raſchende Erſcheinung vorkommt, welche nur in der langen Keimkraft mancher Baumſamen ihre Erklärung finden kann. Dieſe Frage liegt zugleich auf einem Gebiete, welches in neueſter Zeit zu dem heftigſten Meinungswiderſtreit geführt hat, auf dem der ſogenannten Lebenskraft.

Es iſt bekannt und durch die glaubwürdigſten Gewährsmänner be - wahrheitet, daß tauſendjährige Samenkörner dennoch keimfähig geblieben waren.

Waren nun ſolche Samen inzwiſchen, wo ſie ganz außer Kurs der ſich verjüngenden Pflanzenwelt geſetzt waren, lebendig oder todt geweſen? Iſt überhaupt ein Jahre lang aufbewahrter Same todt oder lebendig? Man ſagt natürlich: lebendig, weil er unter Umſtänden durch das Keimen eine lebendige Pflanze aus ſich hervorgehen laſſen kann.

Wenn man aus dieſem Grunde einen Samen lebendig nennt, ſo darf man dabei wenigſtens nicht die, nach den Erſcheinungen am lebenden Thier - oder Pflanzenleibe gebildete, Definition des Lebens anwenden, nach welcher das Leben im Umſatz und der Bewegung der Stoffe und in den dadurch bedingten Erſcheinungen beruht. Da hierbei Betheiligung von Waſſer nothwendig iſt, ſo iſt in dem voll - kommen ausgetrockneten Samen Bewegung und Umſatz der ihn zuſammen - ſetzenden Stoffe, und folglich in dieſem Sinne auch das Leben des Samens nicht möglich.

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Wenn wir alſo den Pflanzenſamen lebendig nennen wollen, ſo müßten wir ſeinetwegen eine andere Begriffsbeſtimmung des Lebens aufſuchen, welche der Stoffbewegung und des Stoffumſatzes (was Beides in der Hauptſache Eins iſt) nicht bedürfte.

Daß wir aber für Ein Ding nicht zwei verſchiedene Definitionen aufſtellen dürfen, liegt auf der Hand.

Demnach wäre alſo wohl der Pflanzenſame kein lebendiger Körper?

Leblos, in dem gangbaren Wortſinne, wie wir einen Stein leblos nennen, können wir ein Samenkorn nicht nennen.

Wir müſſen zu der erwähnten bedingenden Weſenheit des Lebens: Umſatz und Bewegung der Stoffe, die Form als Bedingung hinzufügen.

Nachdem wir die Erbſen gemahlen haben, wobei ihre Stoff-Beſtand - theile dieſelben geblieben ſind, hören ſie auf keimfähig zu ſein. Die Stoffe müſſen alſo nach gewiſſen Formgeſetzen angeordnet ſein.

Aber demnach müßte ein eben getödtetes Thier auch noch ein leben - diges genannt werden, denn ſeine Form iſt dieſelbe geblieben, und auch der Stoffumſatz und die Stoffbewegung geht fort, nämlich in der Fäulniß. Alſo dieſe drei Bedingungen bilden das Leben noch nicht allein. Es muß noch ein Viertes hinzukommen, was ſich freilich nur in ſeiner Erſcheinung, nicht in ſeiner bedingten Nothwendigkeit auffaſſen läßt. Dieſes liegt in einem gewiſſen Gleichgewicht des Umſatzes und der Bewegung der Stoffe, in einem gewiſſermaßen in ſich abgeſchloſſenen Kreislaufe der - ſelben.

Bei einem neunzigjährigen Greiſe hat dieſes Gleichgewicht, dieſer Kreislauf neunzig Jahre lang beſtanden, im Moment des Todes wird es aufgehoben und die Bewegung und der Umſatz der Stoffe tritt aus dieſem geregelten Kreislaufe heraus. Wenn alſo auch im getödteten Thierkörper ein Stoffumſatz und eine Stoffbewegung noch ſtattfindet, ſo geſchieht dies doch nicht mehr innerhalb des bisherigen Gleichgewichts, des bisherigen Kreislaufs es führt zur Bildung von Fäulnißprodukten.

Die Bewegung und der Umſatz der Stoffe, worein wir eine Weſenheit des Lebens ſetzten, iſt aber dadurch von beiden, wie ſie in den Fäulniß - proceſſen ſtattfinden, verſchieden, daß in dem lebenden Thier - und Pflanzen - leibe eine fortdauernde Erneuerung dieſer Stoffe (durch die Ernährung) ein ſogenannter Stoffwechſel, innerhalb der gegebenen Körpergeſtalt142 ſtattfinden muß, eine Verjüngung, welche in Aufnahme ſolcher Stoffe, welche denen des ſich ernährenden Körpers ähnlich ſein müſſen, und in Wiederausſcheidung desjenigen Antheils dieſer Stoffe beſteht, welche ſich der Körper nicht aneignen (aſſimiliren) kann.

Kehren wir zu den vollkommen gereiften und dann in der Regel harten und trocknen Pflanzenſamen zurück. Bei ihnen finden wir von allen Bedingungen des Lebens blos die Form gegeben, ſie haben weder Umſatz und Bewegung der Stoffe noch einen Austauſch derſelben durch Aufnahme und Ausſcheidung.

Wir dürfen daher nach unſeren bisherigen Betrachtungen die Pflan - zenſamen noch immer nicht lebendige Körper nennen. Da wir ſie aber doch beſtimmt nicht mit den Steinen auf eine Stufe ſtellen dürfen, ſo müſſen wir noch einen weiteren Punkt betrachten.

In jedem Samenkorn, auch im kleinen Mohnkorn, finden wir einen vorgebildeten Keim, der nichts Anderes iſt, als die Anlage zu einer der Mutterpflanze in allen weſentlichen Stücken gleichen Pflanze, und neben demſelben in den Samenlappen in einem feinen aber feſten Zellgewebe niedergelegte Nahrungsſtoffe, welche das keimende Pflänzchen verzehren ſoll. Alle dieſe Stoffe, ſowohl die des Keimes als die der Samenlappen, befinden ſich bei vielen Samen in einem Zuſtande, der jeden chemiſchen Stoffumſatz ausſchließt, indem ihnen das dazu nöthige Waſſer gebricht. Dieſe Stoffe ſind daher in ſolchen Samen gewiſſermaßen feſtgelegt, ſie befinden ſich in einem Ruhezuſtande. Sie ſind aber an ſich von der Art, und dieſer Ruhezuſtand iſt ſo bedingt, daß, unter Betheiligung der inneren Geſtaltungen des Samens, durch hinzutretende Wärme und Feuchtigkeit Umſatz und Bewegung dieſer Stoffe und damit das bildende Leben wieder beginnen können, welche bisher ruheten. Deshalb ſpricht man auch von ruhendem Leben im Samenkorn.

Daß dieſe Anſchauung richtig iſt, beweiſen eben die eingangsgedachten tauſendjährigen und doch noch keimenden Samen.

Es geht aus alledem von ſelbſt hervor, daß diejenigen Pflanzenſamen die längſte Keimfähigkeit haben werden, in welchen jener Ruhezuſtand, jene Feſtlegung ihrer Stoffe möglichſt vollſtändig iſt. Das wird dadurch bedingt ſein, daß ſie keine Stoffe enthalten, welche flüſſig und als ſolche der Zerſetzung am meiſten unterworfen ſind. Daher behalten ölreiche Samen,143 z. B. Bucheckern, meiſt nur über einen Winter ihre Keimkraft. Samen mit weicher und daher die Feuchtigkeit der Luft leicht einſaugender Samen - ſchale verlieren ihre Keimkraft leicht. Eben ſo ſolche Samen, welche, wie z. B. die Eichel, in ihren Samenlappen viel Feuchtigkeit enthalten. Da - gegen behalten jene Samen, welche am meiſten ein Bild des Todes zu ſein ſcheinen wie knochenartige Weizenkörner, ihre Keimkraft am längſten, weil der geringe Feuchtigkeitsgehalt trockner Luft in feuchter Luft iſt es natürlich umgekehrt nicht fähig iſt, den Ruhezuſtand der chemiſchen Feſtlegung ihrer Stoffe zu ſtören.

Demnach beruht die lange Dauer der Keimfähigkeit der Pflanzen - ſamen in der Weſenheit darauf, daß ihre Beſtandtheile ſich in einem ſolchen chemiſchen Ruhezuſtande befinden, der es ihnen erlaubt, durch die weſentlichen Bedingungen des Keimens, Wärme und Feuchtigkeit, auch noch nach langer Unterbrechung den natürlichen chemiſchen Umſatz wieder zu beginnen. *)Dieſe Darlegung iſt mit geringen Beränderungen ein Artikel über die Keim - fähigkeit der Samen aus dem naturwiſſenſchaftlichen Volksblatte Aus der Heimath von dem Verfaſſer, Jahrgang 1859, Nr. 13.

Was hier von der Keimfähigkeit der Samen geſagt iſt, gilt ebenfalls von ſehr vielen Sporen der kryptogamiſchen Gewächſe, welche nur aus einer einzigen Zelle beſtehen, alſo keinen vorgebildeten Keim enthalten, und ebendeswegen als Sporen **)Bei dieſer eingehenden Betrachtung des Samens und der Spore mag es an - gemeſſen ſein, von deren Bedeutung für die Klaſſifikation des Pflanzenreichs etwas vor - zubringen. Nach dem alten Linné’ſchen Syſtem werden die Pflanzen zunächſt in ſichtbar blühende, Phanerogamen, und in verborgen blühende, Kryptogamen, oder was daſſelbe kürzer ſagt: in Blüthen-Pflanzen und in blüthenloſe Pflanzen eingetheilt; jene haben echte Samen, dieſe nur Sporen, darum auch die Benennungen: Samenpflanzen und Sporenpflanzen. Je nachdem nun die Samen jener zwei oder blos einen Samenlappen haben, nennt man ſie Zwei - oder Einſamenlappige Pflanzen, Dikotyledonen und Monokotyledonen. von den Samen unterſchieden werden.

Dieſe Sporen ſind ſo klein, daß ſie in Menge ein außerordentlich feines Pulver bilden; und dennoch hat man Sporen von Farrenkräutern, welche Jahrzehnte in Herbarien gelegen hatten, nicht nur zum Keimen, ſondern auch zur vollendeten Entwicklung der Pflanze gebracht.

Wo bleibt nun in allen ſolchen Fällen die Lebenskraft? Man ſagt, ſie habe dieſe lange Zeit über im Samen oder in der Spore gebunden geruht.

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Iſt dadurch an klarer Erkenntniß etwas gewonnen, und können wir uns von einer ſolchen Lebenskraft eine deutliche Vorſtellung machen?

Nehmen wir daher lieber die Sache wie ſie iſt. Wir ſehen, daß die Samen mancher Pflanzen wenn ſie den kennen gelernten äußeren Keim - bedingungen (Wärme, Feuchtigkeit u. ſ. w.) entzogen werden, lange Zeit liegen können, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren, eine große Keimkraft beſitzen. Dies bedeutet der Erſcheinung nach nichts weiter, als: es findet in ihnen das chemiſche Spiel der Löſung und Bindung nicht ſtatt. Dieſes tritt aber wieder ein, wenn die äußeren Anregungen dazu (Wärme, Feuchtigkeit etc.) wieder an den Samen herantreten.

Wer zu einer Verherrlichung dieſer einfachen und gar nichts etwa Ungewöhnliches einſchließenden Naturerſcheinung noch eine beſondere Kraft, die er Lebenskraft nennt, bedarf, nun dem iſt dies unverwehrt; nur bilde er ſich nicht ein, daß er dadurch die Erſcheinung beſſer und vollſtändiger erklärt habe, denn er läßt, und muß dieſes, dabei die Lebenskraft ſelbſt unerklärt; er erklärt eine Erſcheinung durch ein vermeintliches Etwas, was an ſich ſelbſt unerklärlich und unnachweisbar iſt.

Es kommt dieſe Erſcheinung übrigens nicht allein bei den Samen vor. Im Jahre 1857 bot ſich durch einen Zufall die Gelegenheit dar, eine außerordentliche Wiederbelebungsfähigkeit (nennen wir es einmal ſo), eines kleinen Farrenkrautſtockes von Cryptogramme crispa kennen zu lernen. Nachdem derſelbe 4 Tage lang in einem Nachtſacke gelegen und ganz vertrocknet war und ſchon weggeworfen werden ſollte, ſteckte ihn der Beobachter ohne eine beſtimmte Abſicht in eine Blechbüchſe. Als er den ganz zuſammengetrockneten Stock nach 7 Monaten in der Blechbüchſe zu - fällig wiederfand und in Erde ſetzte, ſtand er nach einiger Zeit wieder in vollem Wachsthum.

Wie weit in allen ſolchen Fällen die Zeitdauer der Möglichkeit reiche, die unterbrochenen chemiſchen und phyſikaliſchen Proceſſe, in denen ſich das Leben ausſpricht, wieder hervorzurufen dies iſt uns freilich un - bekannt. Man kann ſogar darüber nicht entſcheiden, ob nicht vielleicht angenommen werden müſſe, daß dieſe Dauer eine unbegrenzte ſei, voraus - geſetzt, daß der chemiſche Ruhezuſtand, die Feſtlegung der Stoffe, wie wir uns auf Seite 143 ausdrückten, fortwährend und vollkommen un - geſtört geblieben ſei. Wenn man Samen keimen und geſunde Pflanzen145 bringen ſah, von welchem unzweifelhaft war, daß er anderthalb Jahr - tauſende tief im Boden unter dem Schädel eines beſtatteten Leichnams gelegen hatte, warum ſoll man vermuthen, daß dieſe Keimkraft nach ander - weiten anderthalbtauſend Jahren, unter vollkommener Beibehaltung der bisherigen Umſtände, nicht mehr vorhanden ſein werde?

Dieſe Erwägungen zuſammen ſollen uns nun eine Erſcheinung er - klärlich machen, welche im Walde und anderwärts ſehr oft vorkommt und welche recht eigentlich an dieſem Orte ins Auge gefaßt zu werden verdient. Dieſe Erſcheinung iſt vorläufig ſchon auf S. 40 bei Betrachtung des Waldbodens kurz beſprochen worden, welche Stelle daher vorerſt noch einmal nachzuleſen iſt.

Wenn der Forſtmann einen Hochwaldbeſtand kahl abgetrieben und den Schlag geräumt, d. h. das gefällte Holz abgefahren und die Stöcke gerodet hat, ſo wird er nicht ſelten durch ein reichliches Aufgehen von Samenpflänzchen einer ganz anderen Baumart überraſcht, als diejenige war, welche bisher vielleicht ſeit 50 60 Jahren ganz allein dieſe Fläche bedeckt hatte.

Dies iſt z. B. bisweilen mit Buchen nach Fichten der Fall. Es kann Niemand einfallen, zu glauben, daß die jungen Buchenpflänzchen ohne Samen von ſelbſt entſtanden ſeien, und es bleibt keine andere Deutung ſolcher überraſchender Erſcheinungen übrig, als anzunehmen, daß die Bucheckern ſeit ſehr langer Zeit unter den den Boden ganz bedeckenden Wurzelſtöcken der Fichten gelegen haben, und nun, nachdem Luft und Sonnenſchein und Regen den aufgewühlten Boden durchdrangen, endlich noch aufgehen. Die andere an der erwähnten früheren Stelle unſeres Buches für ſolche Erſcheinungen mitgetheilte Erklärung iſt bei den großen ſchweren Bucheckern nicht nur an ſich nicht zuläſſig, ſondern in der Nähe ſolcher ſogenannten natürlichen Buchenbeſamungen ſind oft die ſamentragenden Buchen gar nicht einmal vorhanden, von denen der Wind die Samen hieher geführt haben könnte.

Dieſe Erſcheinung iſt bei den Buchen um ſo mehr auffallend, als wir bereits wiſſen, daß es eine Art Preisfrage des Waldbaues iſt, Buch - eckern für mehrere Jahre ſo aufzubewahren, daß ſie ihre Keimkraft nicht verlieren.

Roßmäßler, der Wald. 10146

Was hier ohne Zweifel mit Bucheckern ſtattfindet, geſchieht auch mit den Sämereien von vielen ſolchen Waldkräutern, von denen ebenfalls nicht ſehr wahrſcheinlich iſt, daß ſie aus ſolchen Samen erwuchſen, welche der Wind herzuführte. Noch vor Kurzem ſahe ich in auffallendſter Weiſe alle Erdhaufen, welche bei dem Eiſenbahnbau zwiſchen Tharand und Freiberg von abgetragenem Waldboden aufgefahren worden waren, ſo vollſtändig mit zahlloſen jungen Pflanzen von einer Hohlzahn-Art, Galeopsis, be - deckt, daß es ausſah, als ſeien ſie darauf ganz dick angeſäet worden. Da an anderen Stellen, dicht daneben, die zum Aufgehen nicht minder geeignet geweſen wären, ſich kein Exemplar dieſer gemeinen Waldpflanze fand, ſo war kaum anzunehmen, daß in dieſem Falle der Wind die Samen herbeigebracht haben ſollte.

Dieſe und viele ähnliche Fälle berechtigen daher zu der Annahme, daß der Waldboden, namentlich der, welcher vielleicht ſeit Jahrtauſenden ſchon immer Wald getragen hat, ein reichgefüllter Speicher von allerhand Waldſämereien ſei, welche nach und nach unter begünſtigenden Umſtänden zur Auferſtehung kommen. Welcher Art freilich die Umſtände ſein mögen, wodurch denſelben die Keimkraft bewahrt wurde, was uns mit allen Vor - ſichtsmaßregeln oft nicht gelingt, darüber iſt man noch ſehr im Dunkeln.

So viel jedoch hat man hier von der Natur gelernt, daß tiefes Ein - graben in mäßigfeuchtes und im Feuchtigkeitsgehalt ſich möglichſt gleich - bleibendes Erdreich ein erprobtes Mittel iſt, Waldſamen längere Zeit aufzubewahren und keimfähig zu erhalten.

Um nun zu den weiteren Lebenserſcheinungen des Keimpflänzchens überzugehen, ſo kann ich mich dabei hinſichtlich der äußeren Erſcheinungen im Allgemeinen auf allgemein Bekanntes beziehen, was wir in unſerem Garten kennen gelernt haben und was in der Hauptſache bei den Wald - bäumen nicht anders iſt.

Das Würzelchen des Keimes, das wir an Fig. XIX. 3 w ſehen, dehnt ſich, wie wir ſchon wiſſen, nach der Sprengung der Samenſchale in den Boden eindringend immer mehr aus, jedoch nicht ſo unmittelbar, daß die Spitze der Wurzel ſelbſt durch Vorſchreiten dieſe Verlängerung bildete. Es findet vielmehr folgender Vorgang ſtatt. An jeder Wurzelſpitze, ſei es die der Haupt - oder einer Nebenwurzel, bildet ſich alsbald bei ihrem erſten Entſtehen die ſogenannte Wurzelhaube, eine feine Umhüllung147 der Wurzelſpitze aus einem zarten Zellgewebe, welche auf der Wurzelſpitze etwa ſo aufſitzt, wie der Fingerhut auf dem Finger, jedoch ſo, daß das äußerſte Wurzelſpitzchen innen im Grunde der Wurzelhaube befeſtigt iſt. Indem nun die feinſten Würzelchen, die Wurzelfaſern, Saug - oder Thauwurzeln, Nahrungsflüſſigkeit einſaugen, wozu die vielen Pflanzen eigenen Wurzelhaare der Saugwurzeln viel beitragen, verlängern ſie ſich zugleich weiter unten werden wir ſehen, woher der Stoff zu dieſem Wachsthum kommt aber das Wachſen geſchieht nicht an der äußerſten Spitze des Würzelchens, welche ja die Wurzelhaube bildet, ſondern unter derſelben, was wir uns am beſten ſo verdeutlichen können, als wenn unſere Fingerſpitze unter dem Fingerhute ſich verlängerte.

Dieſe Art des Wachsthums der Würzelchen ſcheint eine allgemeine zu ſein und wir können ſie leicht an einigen Meerlinſen (Lemna) in einem Glaſe Waſſer kennen lernen, an deren fadendünnen Wurzeln man auch mit unbewaffnetem Auge die Wurzelhaube leicht ſehen kann.

Wir wiſſen ſchon, daß die von der jungen Wurzel aufgenommene Bodenfeuchtigkeit nach den Samenlappen geleitet wird, um dort die in dieſen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe aufzulöſen, die dann zur Ernährung des ganzen Keimpflänzchens, die Wurzel ſelbſt mit inbegriffen, verwendet wird. Zwiſchen den ſich auseinanderbreitenden Samenlappen, von deren Verbindungsſtelle an, ſchiebt ſich nun das beginnende Stämmchen empor, wie ſich bei den meiſten Baumarten, um jetzt bei dieſen zu bleiben, von dieſer Stelle an auch abwärts ein Stengelgebilde entwickelt, welches wir beſonders anſehnlich bei der Buche finden (Fig. XX., S. 137), und welches man das hypokotyle, d. h. das unterhalb der Kotyledonen ſtehende Glied nennt. So lange es innerhalb des Samens lag, bildete es das Würzelchen deſſelben.

An dem aufwärtswachſenden Stämmchen bilden ſich nun ſchnell oder vielmehr faſt mit ihm zugleich die erſten echten Blätter, die wir im Bohnenſamen ſogar bereits vorgebildet fanden (Fig. XIX. 3. S. 135). Man bezeichnet ſie als die erſten mit dem Namen Herzblätter oder Primordialblätter. Dieſe weichen bei manchen Bäumen ſehr von den Stammblättern ab, wie wir ſie ſchon bei der Bohne einfach ſehen, während doch die ſpäteren Stengelblätter dreizählig oder gedreit ſind, wie bei dem Klee. So ſind z. B. die Herzblätter der Rüſter am Rande10*148einfach ſägezähnig, die ſpäteren doppeltſägezähnig; bei der Eſche ſind ſie dreizählig, die ſpäteren bekanntlich gefiedert (S. 125); bei der bei uns heimiſch gewordenen Robinie iſt das Herzblatt einfach und rund, das zweite Blatt gedreit, das dritte fünffiederig und ſofort, bis die normale Zahl des reichgefiederten Robinienblattes erreicht iſt.

Während der erſten Wochen des Lebens einer Keimpflanze iſt ihr eine feuchte Luft zu einem geſunden Gedeihen ſehr nothwendig und der Forſtmann bedeckt in dieſer Zeit ſeine Saatbeete bei trockenem Wetter mit Reiſig und dennoch gehen ihm oft die Saaten durch Sonnenbrand zu Grunde. Namentlich das unterhalb der Samenlappen liegende (das hypokotyle) Glied iſt ſehr empfindlich, beſonders bei der Buche und Tanne, deren Erziehung aus dieſem Grunde die meiſten Schwierigkeiten hat.

Je nach der Witterung, der Güte des Bodens und des Samens ſelbſt entwickelt ſich nun bis zum Herbſte das junge Bäumchen mehr oder weniger kräftig, in der Regel ohne Seitentriebe zu machen. Die durch - ſchnittliche Höhe, die eine Samenpflanze unſerer Bäume im erſten Lebens - jahre erreicht, iſt nach den verſchiedenen Arten verſchieden.

Wie das ganze Leben hindurch die verſchiedenen Baumarten an ihren Standort verſchiedene Anforderungen ſtellen und von deſſen Eigenthüm - lichkeiten mehr oder weniger beeinflußt werden, ſo iſt dies auch ſchon in ihrer früheſten Jugend der Fall. Namentlich bedürfen die einen in der Jugend Licht und freien Stand, um ſich geſund entwickeln zu können, wie Fichte und Eiche; andere können lange Zeit und ohne Nachtheil Be - ſchattung und Unterdrückung ertragen, um ſpäter, wenn ſie frei geſtellt werden, doch noch zu kräftigem Wuchs ſich aufzuraffen, wie das in auf - fallendem Grade der Tanne eigen iſt.

Bei den meiſten Baumarten iſt jedoch das erſte Lebensjahr von er - heblichem Einfluß auf das ganze übrige Leben oder wenigſtens auf eine lange Reihe von Jahren. Eine kräftige Samenpflanze, die auf paſſendem Boden aus einem geſunden wohlausgebildeten Samenkorn hervorging, iſt im folgenden Jahre zum Verpflanzen gut geeignet, wenn es einer Baum - art angehört, welche ſo junge Verpflanzung erlaubt, oder das gerade vorliegende Bedürfniß dieſe erheiſcht.

Auf der andern Seite iſt jedoch etwas nicht zu überſehen, was wahr - ſcheinlich von den Walderziehern manchmal überſehen werden mag.

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Man hat ſich für eine Saat den beſten, keimfähigſten Samen ver - ſchafft, man hat ſich der Ueberzeugung hingegeben, daß der Boden, den man damit beſäet hat, für die gewählte Holzart ganz der geeignete ſei und ſiehe da, der Erfolg entſpricht ganz den Erwartungen, der Same geht herrlich auf und im Herbſte ſteht das junge Heer in hoffnungerweckender Kraft da, und man berechnet ſchon, wie hoch, wenn das ſo fort geht, etwa in drei Jahren die Kultur ſein werde. Aber ſchon im zweiten Jahre kommt es ganz anders. Der neue Trieb iſt äußerſt kümmerlich, und im Herbſt zeigen ſich an den kurzen Trieben nur kleine dürftige Knospen und im dritten Jahre ſchon gleichen die Bäumchen jungen Greiſen, denen man kein langes Leben mehr prophezeien kann. Wir müſſen uns überzeugen, daß der Boden der gewählten Holzart dennoch nicht zuſagt. Und doch wuchſen im erſten Jahre die Pflänzchen ſo trefflich! Wir vergeſſen, daß es damals nicht der Boden war, der ſie ernährte, ſondern der Nahrungs - vorrath in den Samenlappen, welcher bei der einen Art beinahe allein zu monatlanger Ernährung des Keimpflänzchen ausreicht, bei der andern wenigſtens einen weſentlichen Beitrag zur Ergänzung des dem Boden an ſich Mangelnden lieferte. Und in dem hier angenommenen Falle kam viel - leicht noch hinzu, daß im Saatjahre während des Aufgehens und der erſten Entwicklung des Samens eine beſonders günſtige Witterung herrſchte.

Es hat in früherer Zeit Naturforſcher gegeben, welche dieſe Betheili - gung der Samenlappen an der Ernährung der Keimpflanze ſo ſehr über - ſahen, daß ſie die voreiligſten Folgerungen machten. Sie ließen Samen in ausgewaſchenem und ausgeglühtem Quarzſand, der mit deſtillirtem Waſſer feucht erhalten wurde, keimen. Dadurch war dafür geſorgt, daß den Keim - pflänzchen keine oder wenigſtens beinahe keine Nahrungsſtoffe von außen zugeführt wurden. Als nun dennoch dieſe Samen nicht nur keimten, ſon - dern auch in manchen Fällen ſich bis zur Blüthe entwickelten, ſo ſagten ſie, daß die Pflanze das wunderbare Vermögen beſitze, aus dem Grund - weſen des Waſſers alle die Stoffe zu bereiten, aus denen ſie beſteht. Wir wiſſen es nun beſſer und lächeln um ſo berechtigter über den Irrthum, als zu jenen Verſuchen große Samen gewählt worden waren, in denen große Vorräthe von den gedeihlichſten Nahrungsſtoffen enthalten geweſen waren.

Es giebt, und gerade unter der Baumwelt, Pflanzen, deren Samen allerdings gleich Anfangs an die Bodenernährung gewieſen, die nämlich150 ſo klein ſind, daß in ihnen kein weit reichender Nahrungsvorrath enthalten ſein kann. Dies iſt namentlich bei einer Baumgattung der Fall, welche zu den größten Bäumen zählt, nämlich bei den Pappeln, deren Same ſo klein wie ein Sandkorn iſt. Daſſelbe iſt es mit den den Pappeln ganz nahe verwandten Weiden. Hier muß der Boden ſogleich als Ernährer eintreten, bei den am Waſſer wachſenden Weiden das Waſſer an den Ufern der Lachen, in Buchten der Flüſſe und Bäche.

Bevor wir in der Betrachtung des Baumlebens fortfahren, müſſen wir hier Einiges über die Ernährung der Pflanzen einſchalten. Wir be - ſchränken uns aber dabei auf einige allgemeine Grundzüge, weil ein tieferes Eingehen in dieſe Lehre uns unausweichlich in die Irrgänge eines noch nicht überall vollſtändig aufgehellten Gebietes verlocken müßte. Obgleich die Lehre von der Ernährung der Pflanzen ſeit 1840, wo Liebig durch ſein berühmtes Buch*)Die organiſche Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Phyſiologie. Braunſchweig 1840. den Zankapfel unter die Landwirthe und Pflanzen - phyſiologen warf, tauſende von Beobachtungen und Verſuchen ins Leben gerufen hat, ſo iſt man doch auch heute noch über einige Grundfragen im Zweifel.

Alle Stoffe, aus denen eine Pflanze zuſammengeſetzt iſt, müſſen von ihr aus der Außenwelt aufgenommen ſein, mit Ausnahme desjenigen An - theils, den ſie in den Samenlappen von ihrer Mutter erhielt, welche in letzter Inſtanz doch ebenfalls denſelben Urſprung haben müſſen.

Gleichwohl finden wir dem äußern Anſcheine nach im Boden nichts von alledem, was wir in der Pflanze finden, kein Stärkemehl, keinen Zucker, kein Harz, kein Gummi, keine Pflanzenfaſer etc. Wir finden nur die chemiſchen Elemente zu allen dieſen Dingen im Boden und es muß daher die Pflanze die Befähigung haben, aus den Elementen jene Pflanzen - ſtoffe zuſammenzuſetzen, was uns mit Nothwendigkeit zu der Annahme hin - drängt, daß das bildende Pflanzenleben weſentlich in chemiſchen Vorgängen beruhe.

Wenn wir eine Pflanze einäſchern, ſo bleibt bekanntlich im Vergleich zu dem bekannteren Gewicht nur äußerſt Weniges übrig, was nicht verbrannt iſt, die Aſche. Es zerfällt daher zunächſt die Pflanzenmaſſe in zwei Klaſſen,151 in verbrennliche und in unverbrennliche oder Aſchen-Be - ſtandtheile. Jene entweichen in Gasform in die Luft, dieſe, in der Pflanze vielfältig mit jenen verbunden, trennen ſich von ihnen und bleiben feſt und unveränderlich zurück, obgleich wahrſcheinlich auch ſie alle in höhern Hitzegraden gasförmig werden können. Immer bildet das Waſſer einen bedeutenden, oft den bedeutendſten, Antheil an der Pflanzenmaſſe, bei Spargel, Radischen, Rüben über neun Zehntel, bei friſchem Holz im Durchſchnitt weniger als vier Zehntel.

An der Zuſammenſetzung dieſer Pflanzenbeſtandtheile betheiligt ſich von den jetzt unterſchiedenen 61 chemiſchen Elementen*)Während des Druckes dieſes Bogens verbreitet ſich die Neuigkeit, daß Bunſen in der neuerbohrten Dürkheimer Soolquelle zwei neue Elemente entdeckt hat, welche dem Kalium zunächſt ſtehen und welche er Cäſium und Rubidium genannt hat. kaum etwa der dritte Theil, und von dieſen am weſentlichſten Waſſerſtoff, Kohlenſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff, Calcium, Silicium, Kalium, Natrium, Bittererde.

Alle dieſe Stoffe müſſen in wäſſriger Löſung oder in Gasform der Pflanze dargeboten werden um von dieſer aufgenommen werden zu können, da es dieſer, mit Ausnahme der Spaltöffnungen (S. 127) an allen Oeff - nungen gebricht, die einen Zugang zu ihrem Innern vermitteln könnten. Namentlich ſind die Saugwürzelchen keineswegs etwa als feine Saugröhr - chen aufzufaſſen, ſondern ſie beſtehen vielmehr lediglich aus Zellen, welche rings von einer zwar feinen aber doch ganz dichten Haut gebildet werden, wie wir ſie früher kennen lernten (S. 99).

Daß und wie eine Flüſſigkeit durch eine dichte Haut hindurchdringen könne, iſt erſt 1826 durch den Verſuch nachgewieſen worden und zwar von dem franzöſiſchen Naturforſcher Joachim Dutrochet zu Chaveau bei Chateau-Regnault. Dieſer wurde dadurch der Entdecker eines allgemein geltenden und alſo höchſt wichtigen Naturgeſetzes, welches er Endosmoſe nannte (mit einem ergänzenden Gegenſatze: Exosmoſe), wofür aber in neuerer Zeit die Benennung Diffuſion, die allerdings bezeichnender iſt, eingeführt wird. Das Weſen der Diffuſion beſteht darin, daß zwei Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit (z. B. Gummiwaſſer und reines Waſſer), welche von einander durch eine dünne organiſche Haut getrennt ſind, ſo lange durch dieſe Haut hindurch zu einander übertreten (diffundirt werden), bis beide gleich dicht ſind, wonach alsdann die Diffuſion aufhört.

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Man nimmt nun an und darf wohl annehmen, daß die Zellen der aufſaugenden Wurzeln eine Flüſſigkeit enthalten, welche eine andere Dichtigkeit hat als das Bodenwaſſer. Dadurch wird die Diffuſion oder Endosmoſe eingeleitet und von den äußerſten aufſaugenden Zellen auf die mehr nach innen liegenden Zellen übertragen, da natürlich auch zwiſchen dieſen und jenen eine Dichtigkeitsverſchiedenheit des Zellſaftes vorhanden ſein muß. Es beruht demnach das Einſaugungsvermögen der Wurzel auf einem ununterbrochenen, von Zelle zu Zelle fortſchreitenden Aus - gleichen der Säftedichtigkeit und auf daran ſich nothwendig anſchließender fortwährenden Störung der Ausgleichung.

Man kann den Vorgang der Endosmoſe leicht durch einen Verſuch kennen lernen.

Einen gewöhnlichen Lampencylinder, deſſen eine Oeffnung mit dünner Schweinsblaſe luftdicht und ſtraff verſchloſſen iſt, füllt man etwa zur Hälfte voll Waſſer, welchem man durch etwas Zucker, Kochſalz, Gummi oder ſonſt einen löslichen Stoff eine größere Dichtigkeit gegeben hat. Zu - gleich giebt man noch etwas von einem färbendem Stoff hinzu (der na - türlich vollkommen löslich ſein muß), um die Wirkung der Endosmoſe beſſer wahrnehmen zu können. Den Glascylinder ſtellt man nun in ein Glas mit Waſſer, ſo daß nun alſo auf der einen Seite der Schweins - blaſe ſich z. B. hellroth gefärbtes Gummiwaſſer, auf der andern reines Waſſer, alſo zwei Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit, befinden.

Nach kurzer Zeit wird man die Flüſſigkeit in dem Cylinder ſteigen ſehen und am Ende des Experimentes hat man innerhalb und außerhalb deſſelben eine Flüſſigkeit von gleicher Färbung und gleichem Geſchmack mit einem Worte von gleicher Dichtigkeit. Je größer, bis zu einem ge - wiſſen Grade, die Dichtigkeitsverſchiedenheit der beiden Flüſſigkeiten iſt, deſto lebhafter findet die Endosmoſe ſtatt. Die weniger dichte wird von der dichteren mit einer gewiſſen Kraft durch die Haut hindurchgezogen, während nur ein geringeres Maaß von der dichteren zu der weniger dichten übertritt. Hierauf beruht es, daß der Gärtner ſaftige Stecklinge erſt etwas abwelken läßt, ehe er ſie ſteckt, d. h. er veranlaßt, daß das Zellen - gewebe des Stecklings und namentlich auch an der Schnittfläche einen Theil ſeines Waſſergehaltes verdunſtet, wodurch der zurückbleibende Theil153 verdichtet und alſo geeigneter wird, die Endosmoſe, die Waſſeraufnahme aus dem Boden, einzuleiten.

Die ſich hierbei von ſelbſt aufdrängende Frage, ob hierbei die Pflanze nicht genöthigt ſei, alles Mögliche unfreiwillig aufzunehmen, hat natürlich alsbald zu Proben veranlaßt, deren Ergebniſſe noch zu keiner allgemein angenommenen Entſcheidung der Frage geführt haben; jedoch ſprechen ſehr viele Beobachtungen dafür, daß die Wurzel gleichzeitig in dem ihr darge - botenen Waſſer gelöſte Stoffe nicht in gleichem Mengenverhältniß auf - nimmt, mithin mit einer gewiſſen Auswahl zu verfahren ſcheint.

Nicht weniger legt ſich uns die Frage nahe, ob die Pflanzenwurzel, wenn die Endosmoſe die die Wurzeleinſaugung vermittelnde Kraft ſein ſoll, dann nicht auch nothwendig Etwas in den Boden ausſcheiden müſſe. Nach dem Geſetz von Dutrochet muß dieſes allerdings folgerichtig ange - nommen werden und dieſe Wurzelausſcheidung würde nach Dutrochet Exosmoſe zu nennen ſein, denn dieſe Bezeichnung giebt er der zweiten Hälfte der Erſcheinung, dem Austreten der dichteren Flüſſigkeit, während unter Endosmoſe von ihm das Eintreten der dünneren im engeren Sinne verſtanden wird. Auch hierüber iſt durch Experimente viel und lange beobachtet worden, mit theils bejahenden, theils verneinenden Reſultaten. In neueſter Zeit wird namentlich durch Liebig die Anſicht verfochten, daß durch Wurzelausſcheidung ſich die Pflanze die Stoffe des Bodens vor deren Aufnahme gewiſſermaßen erſt chemiſch zubereite, was nicht anders als durch Exosmoſe geſchehen kann.

Aus alledem möge für uns hier ſo viel hervorgehen, daß die Pflanzen - ernährung ſozuſagen ein viel feinerer, mit viel einfacheren Stoffen ver - fahrender Vorgang ſei, als die Ernährung der Thiere. Was wir in dieſem Buche hierüber noch weiter aufnehmen dürfen, ohne zu tief in die Pflanzenphyſiologie uns zu verſenken, ſoll auf den folgenden Seiten gehörigen Ortes eingeſchaltet werden.

Bis zum eintretenden Froſt iſt nun unſere Samenpflanze je nach der Gunſt des Bodens und der Witterung mehr oder weniger kräftig herangewachſen und hat ſich durch Knospenbildung das Wiedererwachen und Fortwachſen im kommenden Jahre geſichert.

Auf die Geſtalt des jungen Bäumchens hat namentlich auch deſſen Umgebung einen großen Einfluß, ob dieſe entweder durch verdämmende 154Nachbarſchaft ſeine freie Entfaltung hemmte, oder ob ſie ihm einen ange - meſſenen Schutz vor austrocknender Wärme und Luft und vor zu viel Licht gewährte, oder endlich ob in Ermangelung dieſes Schutzes das junge Bäumchen durch Hitze und Trockenheit kümmerte oder gar zu Grunde ging. Daher iſt die Bodenbekleidung in den Kulturen , ſo nennt der Forſtmann die durch Saat oder Pflanzung angebauten Flächen, von ſo großer Bedeutung und hier zeigen ſich die verſchiedenen Baumarten ſehr ungleich in dem höheren oder geringeren Grade, in welchem ſie durch die Waldunkräuter leiden oder ſogar deren Schutz bedürfen. Nicht ſelten muß der Forſtmann für ſeine Holzſaaten wenigſtens theilweiſe die Waldunkräuter entfernen und anſtatt einer Vollſaat muß er dann Streifen - oder Platz-Saaten anwenden.

Wir verlaſſen nun das junge Bäumchen und ſetzen unſere Betrach - tung des Baumlebens erſt wieder fort, wenn es zu einem großen Baume erwachſen iſt. Nur Einiges wollen wir über den dazwiſchen liegenden Zeitraum noch hinzufügen; zunächſt daß derſelbe nicht nur bei den ver - ſchiedenen Arten, ſondern auch bei einzelnen Bäumen oder ganzen Be - ſtänden einer Art ſehr verſchieden iſt, wobei natürlich der Boden von maßgebendem Einfluſſe iſt. Ferner erinnern wir uns jetzt an das, was wir auf S. 13 über den Baum hinſichtlich ſeines individuellen Abſchluſſes geſagt haben. Wir konnten bei den meiſten Pflanzen, am allerwenigſten bei den Bäumen, nicht wie bei den Thieren ſagen, ſie ſei nun fertig und ausgewachſen. Von zwei gleich alten Eichen kann die eine, die auf gutem Boden ſteht, noch ganz den Eindruck eines jugendlich kräftigen, immer noch in bedeutendem Maße zunehmenden Baumes machen, während die andere, in ſchlechtem Boden, bereits den Eindruck des Alters macht.

Man bezeichnet es gewöhnlich als einen bemerkenswerthen Lebens - abſchnitt, wenn der Baum anfängt zu blühen und Früchte zu tragen, was keineswegs immer um ſo früher geſchieht, je fruchtbarer der Boden iſt. Im Gegentheil ſieht der Forſtmann ein frühes Samen - tragen gewöhnlich als ein Zeichen zu frühen Alterns an, was namentlich bei der Lärche oft eintritt, wenn ſie auf ungünſtigem Boden ſteht. Ein ſehr fruchtbarer Boden hat in der Regel mehr eine üppige Maſſenzunahme des Baumes als eine Blüthenentwicklung zur Folge, und letztere beginnt in der Regel erſt, wenn der Baum ſeinem möglichen Umfange bereits nahe iſt.

155

Wenn in der erſten Jugend die Pflanzendecke des Waldbodens einen weſentlichen Einfluß auf deſſen Entwicklung und Geſtaltung hat, ſo üben ſpäter die heranwachſenden Bäume gegen einander ſelbſt einen großen Einfluß aus.

Namentlich bei Vollſaaten, beſonders wenn der Same recht gut auf - gegangen iſt, bilden die heranwachſenden Bäumchen unter ſich in einigen Jahren ein ſo dichtes Gedränge, daß ſie einander ſelbſt hinderlich werden. Namentlich bei den Nadelhölzern, wenn ſie etwa 4 5 Fuß hoch geworden ſind, iſt es dann gar nicht möglich hindurchzukommen, und man nennt eine Fichtenkultur nun nicht mehr ſo, ſondern ein Dickicht, nachdem ſie vorher eine Schonung geheißen hatte.

Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe ſich drängende junge Schaar gar nicht einmal Raum dazu hat, daß alle Einzelnen zu gedeihlichem Wachsthum kommen können. Der Forſtmann muß für Platz ſorgen. Er kann dies nur durch Herausnehmen des Zuviel bewerkſtelligen; entweder durch Herausheben, um die herausgehobenen Bäumchen zu Pflanzkulturen zu verwenden, oder durch Heraushauen.

Man darf hier nicht etwa den anſcheinend ganz zweckmäßigen Vor - ſchlag machen, daß man doch lieber gleich zu Anfang nicht mehr Samen ausſtreuen ſollte, als man Bäumchen haben will. Daß dies ſelbſt bei Saaten nicht zuläſſig ſein würde, begreift ſich leicht, weil immer theils eine Menge Samenkörner nicht aufgehen, theils viele junge Pflänzchen in den erſten Lebensabſchnitten zu Grunde gehen; aber ſelbſt bei Pflanz - kulturen muß man immer viel dichter, alſo viel mehr ſelbſt bereits 3 4 Fuß hohe Bäumchen pflanzen, als man auf der Fläche nachher Bäume haben will, weil ſelbſt von dieſen viele theils verkümmern und abſterben, theils krüppelhaft wachſen und beſeitigt werden müſſen. Bei den ſogenannten reinen Beſtänden, d. h. denen, welche nur aus einer Holzart beſtehen und welche faſt nur von Nadelhölzern erzogen werden, kommt noch ein wichtiger Grund hinzu, weshalb man ſie gleich von Jugend an in dichtem Schluß , d. h. in den Kronen dicht aneinander gedrängt, erzieht, welcher von der Lebens - und Bildungsweiſe der Bäume abhängig iſt. Sehr weitläufig ſtehende Bäumchen würden, da ſie rings um ſich einen großen Luftraum zu ihrer Ausbreitung haben, geneigt ſein mehr breit in die Aeſte als ſchlank in die Höhe zu wachſen. Letzteres156 muß aber ſtattfinden, wenn ſie ſich gegenſeitig am Wachſen in die Aeſte hindern und ihnen nur nach oben das Wachsthum freiſteht.

Hierneben iſt noch zu bemerken, daß ſehr räumlich , d. h. weit von einander ab, geſtellte Pflänzlinge lange Zeit alljährlich würden aus - geäſtet werden müſſen, um ſie zum Höhenwuchs zu zwingen. Dieſes Ausäſten beſorgt der dichte Schluß von ſelbſt, indem die unten im dichten Schatten ſich drängenden Aeſte bald abſterben und abbrechen, was der Forſtmann reinigen nennt.

Das Licht - und Luftbedürfniß zieht die im Schluß ſtehenden Bäum - chen geradezu aufwärts und der Forſtmann, der nun daran denken muß, hier Platz zu ſchaffen und das Gedränge zu lichten, muß ſeine Wald - arbeiter gut anweiſen, welche und wieviel Bäumchen ein Opfer der ſtehen - bleibenden werden ſollen. Als Hauptregel drängt ſich hier gewiſſermaßen von ſelbſt auf, daß man die im Wuchs zurückbleibenden heraushaut und die wüchſigeren ſtehen läßt.

Wann dieſes Lichten eines Dickichts anzufangen habe, wie oft es zu wiederholen ſei, wie viel herauszuſchlagen ſei, um einerſeits die nöthige Freiheit zu ſchaffen, andrerſeits aber auch die Bäumchen nicht zu licht zu ſtellen das iſt dem erfahrenen Ermeſſen des Förſters anheim gegeben, wie überhaupt die Durchforſtungen der Kunſtausdruck für dieſe Maßregel des Waldbaues zu denjenigen Obliegenheiten der Forſt - bewirthſchaftung gehören, welche die meiſte Umſicht erheiſchen und über die ſich am wenigſten eine feſte Regel aufſtellen läßt.

So iſt unter mehrmaligen Durchforſtungen und während ſich die Bäumchen des Dickichts von ihren unteren Aeſten gereinigt haben, allmälig die Altersklaſſe des Stangenholzes herangekommen, ſo genannt wahrſcheinlich deshalb, weil die Bäumchen beſonders die Nadelhölzer nun bereits anſehnliche, bis 3 oder 4 Zoll am unteren Abſchnitt ſtarke hohe Stangen geben, während die Bäumchen, welche aus dem Dickicht herausgenommen wurden, höchſtens zu Bohnenſtangen dienten.

Inzwiſchen hat ſich der Stamm immer mehr im Gegenſatz zum Wipfel ausgebildet und unter mehrmaliger Durchforſtung ſind die bei - ſammenſtehend belaſſenen jungen Bäume in immer lichteren Schluß gekommen und haben dadurch, weil jedem der gleiche nöthige Raum ge - boten wurde, auch im Wuchs immer mehr Gleichheit angenommen. Doch157 iſt dabei immer dafür geſorgt worden, daß der junge Beſtand in den Wipfeln immer im Schluß bleibt. Wurde dieſer zu dicht und begann aufs neue der Wettkampf um Platz und Licht und Luft, ſo erfolgt wieder - um eine Durchforſtung, bis allmälig zuletzt nur ſo viel Bäume ſtehen bleiben, als wenn ein ſolcher beabſichtigt iſt zu einem geſchloſſenen Hoch - oder Baumwalds-Beſtande erforderlich ſind, der dann bis zum Haubarkeits-Alter ſtehen bleibt, d. h. bis zu der Zeit, wo der Beſtand dasjenige Alter erreicht hat, von welchem ab kein erheblicher Zuwachs mehr zu erhoffen iſt und welches bei den verſchiedenen Baum - arten verſchieden iſt.

Wir haben jetzt das allmälige Heranwachſen des Bäumchens zum Baume Schritt für Schritt verfolgt, wir lernten eine angeſäte oder ange - pflanzte Waldfläche der Zeitfolge nach zunächſt Kultur, Schonung, dann Dickicht, Stangenholz benennen, bis zuletzt und wir wurden dabei unvermerkt von einem Nadelholzbeiſpiele feſtgehalten ein reiner Hoch - waldsbeſtand fertig war, was z. B. bei der Fichte durchſchnittlich nach 80 Jahren, das ungefähre Haubarkeitsalter der Fichte, der Fall iſt.

Dieſe kurze Bemerkung über das Alter der Haubarkeit einer Baum - art (die Umtriebszeit ), könnte vielleicht bei meinen Leſern und Leſerinnen einigen Zweifel hervorrufen, da ja doch nicht leicht eine Perſon 80 Jahre hindurch einen aufkeimenden und heranwachſenden Beſtand beobachten kann, um obendrein aus vielen ſolchen Beobachtungen das durchſchnittliche Haubarkeitsalter zu beſtimmen. Der Zweifel wird ſchwinden, wenn wir uns an die Jahresringe und an die Länge der Jahrestriebe erinnern (S. 68 u. 90). Zählt man an einem gefällten alten Baume eines Be - ſtandes 80 Jahresringe und findet man die jüngſten Triebe noch anſehn - lich lang, die letzten Jahreslagen auch noch nicht auf ein Minimum reducirt und die Stämme nicht kernfaul, ſo wäre der Beſtand noch nicht haubar geweſen, weil er noch einigen Zuwachs erwarten ließ. Es leuchtet ein, daß aus vielen ſolchen Unterſuchungen für jede beſonders beſchaffene Lage und Gegend ſich das Haubarkeitsalter jeder Holzart annähernd ſicher beſtimmen läßt.

Das Leben des Baumes, welches unter der Gewalt ſo mancherlei Einflüſſe ſteht, giebt in dieſer langen Zeit dem Forſtmann unausgeſetzt Stoff zu wachſamer Sorge und gar nicht ſelten zu einſchreitenden Maß -158 regeln, wenn eine unvorhergeſehene Wendung der Dinge eintrat, Schnee - druck, Duftanhang, Windbruch, Sonnenbrand, Inſektenfraß in den Lebens - verlauf der Beſtände ſtörend eingriff. Ja zuweilen iſt es nichts von alledem, was ihn nöthigt ein junges Stangenholz oder ſelbſt ein Dickicht abzuhauen, weil im Boden die Wurzeln vielleicht eine undurchlaſſende oder ſonſt eine feindſelige Schicht erreicht haben, welche plötzlich das freudige Wachsthum unterbricht und es rathſam erſcheinen läßt, eine andere Holzart anzubauen, welche dieſem ſchädlichen Einfluſſe weniger unterworfen iſt.

Wir begreifen nun beſſer eine Stelle in unſerem erſten Abſchnitte (S. 7), welche uns ſagte, daß das Amt eines Förſters auch ſeine Sorgen und Bekümmerniſſe hat.

Nachdem wir nun in Gedanken den Baum vor uns heranwachſen ließen, müſſen wir nun ſehen, wie ſich das Leben in ihm regt und bewegt, wie es alljährlich Neues entfaltet und geſtaltet. Wir treten darum an irgend einen erwachſenen Baum heran und laſſen uns von der erfahrenen Wiſſenſchaft erzählen, was in ihm und äußerlich an ihm vom erſten Frühjahrserwachen an bis zum Eintritt des Winters geſchieht.

Wir wählen eine Buche in einem Laubholz-Mittelwalde, d. h. einem aus verſchiedenen Laubholzarten in der Weiſe zuſammengeſetzten, daß hohe und alte Bäume in weitläufiger Stellung ein dichtes Unterholz überragen.

Der Schnee iſt ſchon ſeit einigen Wochen beſeitigt und auf ent - blößteren Stellen ſproſſen auch ſchon die erſten Spitzchen von allerhand Waldkräutern hervor. Wann, d. h. in welchem Monate und in welcher Woche des Monates dies ſei, hängt von dem Wetter ab, welches das Amt der Schlüſſel verwaltet, zu binden und zu löſen das der Befreiung harrende Baumleben.

Während des Winters war Alles ſtill im Baume, wenigſtens hat man durch Beobachtungen nicht das Gegentheil gefunden. Das Holz iſt zwar nicht ſaftlos und trocken; im Gegentheil im todten Winter gefälltes Holz gehört zu dem ſchwerſten und waſſerreichſten.

Ob bei ſtrenger Kälte der Saft in den Bäumen ſich in gefrorenem Zuſtande befinde, iſt oft beſtritten und oft behauptet worden und wird beides wohl jetzt noch. Daß man die Holzgefäße während großer Kälte gefällter Bäume deutlich mit zu Eis erſtarrtem Safte erfüllt fand, wollen159 Viele nicht als einen Beweis anſehen, weil dieſe Erſtarrung auch erſt nach dem Zerſpalten des Stammes ſtattgefunden haben könne, wie ja bekanntlich tief unter den Gefrierpunkt erkaltetes Waſſer, ſo lange es in vollkommener Ruhe ſich befindet, flüſſig bleibt, aber in dem Augenblicke, wo es erſchüttert wird, ſofort zu Eis erſtarrt.

Daß hohe Kältegrade einen Einfluß auf die Bäume ausüben, beweiſen die Froſtriſſe, deren im Namen ausgedrückter Urſprung jetzt wohl nicht mehr bezweifelt werden kann. Die Stämme ſpringen dann in einem oft viele Ellen langen Riſſe auf, welche meiſt ſpäter wieder vernarben. Dieſe Froſtriſſe entſtehen plötzlich und Viele wollen den damit verbundenen Knall gehört haben. Jedoch ſind die erwähnten Vernarbungen früherer Riſſe wohl in vielen Fällen die Ausheilungen von Blitzſchlägen, von welchen die Bäume oft getroffen werden.

Der nöthige Temperaturgrad des Bodens und der Luft, an welchen der Beginn der Saftbewegung im Baume gebunden iſt, zeigt ſich für die verſchiedenen Holzarten verſchieden, was ſich ſchon äußerlich durch die verſchiedene Ausſchlagszeit ausſpricht, wenn ſchon natürlich lange vor der Entfaltung der Knospen die Wurzel ihr Geſchäft der Nahrungsaufnahme beginnt.

Das Erwachen des Baumlebens im Saftſteigen iſt ſchon von Alters her als der Markſtein des Frühlingseintrittes angeſehen worden und eine Menge alter Volksſprüche beziehen ſich auf denſelben. Es iſt dabei der Baum nicht als Ganzes thätig, indem zu ſeiner Zeit auch am Abhiebe der Wurzelſtöcke, die in der vorausgegangenen Winterszeit abgehauen wurden, der Saft in Maſſe hervorquillt, alſo hier die allein im Boden zurückgebliebene Wurzel die Nahrungsaufnahme vollzieht, als wenn ſie ihren Stamm noch trüge. Dieſe Erſcheinung iſt ſehr geeignet, die Zeit des Eintretens des Saftſtromes zu beſtimmen, vorausgeſetzt daß ſie in ſolchen Wurzelſtöcken dieſelbe wie in ſtehenden Bäumen und nicht vielmehr durch den gewaltſamen Lebenseingriff des Fällens geſtört worden iſt.

Hier muß noch einer auffallenden Erſcheinung ähnlicher Natur gedacht werden, woraus ebenfalls eine partielle Bewegung des Saftes hervorzu - gehen ſcheint; man beobachtete nämlich, daß ein einzelner Zweig, welchen man während des Winters durch eine Oeffnung am Fenſter in ein160 geheiztes Zimmer hereingezogen hatte, die Knospen öffnete und ſich be - laubte, während draußen der Baum übrigens in der Winterruhe blieb.

Von der reichlichen Fülle des Saftſtromes kann man ſich leicht über - zeugen, wenn man kurz vor dem Eintritt deſſelben einem Baume einen ſeiner unterſten nicht zu ſtarken Aeſte bis auf einen kurzen Stummel abſägt, indem dann in den Stunden des lebhafteſten Saftſtroms eine förmliche Quelle von Frühjahrsſaft aus der Wunde herabträufelt.

Unter dem Namen des Thränens iſt der Saftſtrom von der Weinrebe längſt bekannt und hier ſchon 1727 von Stephan Hales ſeine treibende Gewalt gemeſſen worden. Durch eine aufgeſteckte doppelt gekrümmte in der Biegung mit Queckſilber gefüllte Barometerröhre fand er, daß der Saftſtrom dem Druck einer Queckſilberſäule von 38 Zoll die Waage hielt, alſo den Druck der Atmoſphäre überwand.

Dieſe Gewalt des emporſteigenden Saftſtroms ſchien eine treibende oder eine hebende Kraft vorauszuſetzen, die man lange Zeit an ver - ſchiedenen Stellen des Baumes und ſelbſt des Bodens vergeblich ſuchte, bis man in neuerer Zeit in der uns bereits bekannten Endosmoſe wenig - ſtens den hauptſächlichſten Grund dieſer Erſcheinung gefunden hat. Doch iſt anzunehmen und zum Theil auch bereits nachgewieſen, daß hier nicht blos Wärme und Licht, ſondern auch andere Kräfte mitwirken mögen.

Es giebt viele Beobachtungsreihen über die Zeit des beginnenden Saftſtroms, die jedoch nach der Lage des Beobachtungsortes und auch nach der Witterung des Beobachtungsjahres nur ſchwankende und daher auf Mittelwerthe zu berechnende Ergebniſſe lieferten. In Prag z. B. hat Fritzſch das Ende der Winterruhe der Bäume, die er weſentlich nach dem Safteintritt beſtimmte, in der Mitte des März gefunden und rechnet genauer ausgedrückt die Dauer der Vegetationsperiode vom 11. März bis zum 10. November, alſo auf 245 Tage oder faſt doppelt ſo lange als die Zeit der Winterruhe. Der erforderliche Wärmegrad, der an den verſchiedenen Orten und zu verſchiedenen Jahren ſehr verſchieden ſein kann, verſchiebt natürlich die Zeit des Safteintritts.

Wenn man den vollkommen waſſerhellen und in den meiſten Fällen auch geſchmackloſen Frühjahrsſaft chemiſch unterſucht, ſo zeigt er ſich von dem Bodenwaſſer ſehr verſchieden; er muß alſo innerhalb des Baumes bereits eine Veränderung erlitten haben. Er enthält in verſchiedenen161 Verhältniſſen Gummi, Dextrin und Zucker. Seinen Reichthum an organiſchen Subſtanzen kann man leicht daraus abnehmen, daß auf den Schnittflächen der Stöcke kurz vorher gefällter Bäume der heraus - quellende Frühjahrsſaft an der Luft in Fäulniß übergeht und meiſt eine mennigröthliche Farbe und rahmartige Conſiſtenz annimmt.

Dieſe Bereicherung erfährt der aus dem Boden aufgenommene Früh - jahrsſaft durch die in den Zellen des Holzkörpers der Wurzel, des Stammes und der Zweige, beſonders in den Markſtrahlenzellen aus vorigem Jahre aufgeſpeicherten Stoffe, unter denen Stärkemehl der wichtigſte und reichlichſte iſt. Zur Verflüſſigung dieſer feſten Reſervenahrung iſt die aus dem Boden in die Wurzel eingetretene und in dieſer von Zelle zu Zelle aufwärts gedrungene Flüſſigkeit dadurch beſonders geeignet, daß ſie reich an Kohlenſäure iſt, außer welcher ſie aufgelöſte Bodenſalze enthält.

Das von den Wurzelſpitzchen endosmotiſch aufgeſogene Waſſer gelangt ſofort in die Axe derſelben, welche aus geſtreckten, alſo leitenden Zellen und Gefäßen beſteht und ſich ſchon in den feinſten Wurzelverzweigungen als ein centraler Holzkörper der Rinde gegenüberſetzt. Da alle Wurzel - verzweigungen unter ſich und mit dem Stamm und dieſer wieder mit der Verzweigung der Krone in unmittelbarem Zuſammenhang ſtehen, ſo ge - ſchieht die Verbreitung des rohen Nahrungsſaftes, wie man den Früh - jahrsſaft auch nennt, im ganzen Holzkörper ſehr ſchnell. Im Anfange beſchränkt ſich dieſe Saftleitung auf den Splint (S. 108), erſtreckt ſich aber zuletzt auf den geſammten Holzkörper.

Wir ſchalten hier die Betrachtung der Fig. XXI. ein, welche ein ſehr kleines Stückchen Buchenholz in etwa 200 maliger Vergrößerung dar - ſtellt, um das feine Holzgewebe mit ſeinen zahlloſen unendlich kleinen Räumen kennen zu lernen, in denen der Saft von Zelle zu Zelle vor - wärts dringt. Wir unterſcheiden darin zweierlei Grundorgane: Zellen, p, pr und m, und Gefäße g, und zwar von erſteren drei verſchiedene Abänderungen. Zunächſt unterſcheiden wir kurze und geſtreckte Holz - zellen; jene bilden das ſogenannte Holzparenchym, pp, und die Mark - ſtrahlen m m m in welchen Stoffe gebildet und umgebildet werden und in denen man daher auch Stärkemehl während der Winterruhe findet; dieſe, die geſtreckten Zellen pr, heißen auch Prosenchymzellen und dienen vermöge ihrer geſtreckten Geſtalt zur Saftleitung. Beide habenRoßmäßler, der Wald. 11162häufig getüpfelte Zellenwände, d. h. dieſe haben punktförmige unverdickt gebliebene Stellen, in denen die übrigens verdickte Zellenwand für Flüſſig - keiten leicht durchdringbar bleibt. Von den Längsdurchſchnitten der Scheide - wände von je zwei benachbarten Zellen ſind beiſpielsweiſe vier mit q q q q

XXI.

Gewebe des Buchenholzes (Schnitt parallel mit der Rinde, Sekantenſchnitt, S. 88) 200 mal vergrößert. g g g g g punktirte Gefäße (S. 100) p p kurze Zellen mit nur wenig ſchrägen Böden, Holzparenchym (S. 100); pr pr geſtreckte Zellen mit ſehr ſchrägen Böden, Prosenchym (S. 100); m m m querdurchſchnittene Markſtrahlen (S. 89); q q q q vier beiſpiels - weiſe bezeichnete Längsſcheidewände geſtreckter Zellen, an deren erſteren beiden man die querdurchſchnittnen Tüpfel ſieht.

bezeichnet und von dieſen haben die beiden zumeiſt lings liegenden ſolche Tüpfel und erſcheinen dadurch perlſchnurförmig.

Am meiſten in die Augen fallend obſchon am kleinſten ſind die Zellen der Markſtrahlen, m m m (zwei weitere Markſtrahlen fallen in das Innere des Bildes und konnten daher am Rande nicht bezeichnet werden). Die Zellen der Holzmarkſtrahlen erſcheinen auf dem ſenkrechten Quer - ſchnitte immer rund und geben den Markſtrahlen eine Aehnlichkeit mit den alten Kirchenfenſtern mit kleinen runden Scheiben, namentlich bei der Eiche und Buche, welche dicke und feine Markſtrahlen zugleich haben (S. 89) die dickeren, deren wir zwei an unſerer Figur ſehen. Dieſe,163 in der Längsrichtung des Markſtrahls nur wenig oder nicht geſtreckten, echten Parenchymzellen ſind, wie wir dies bereits wiſſen, die hauptſäch - lichen Bildungsſtätten der Stärkemehlvorräthe für die folgende Vegeta - tionsperode.

Zwiſchen den Zellen des Holzes vertheilt ſehen wir nun ferner die Geſäße g, und zwar getüpfelte Gefäße, deren 5 theilweiſe auf unſer Bild fallen, von denen 2 (rechts) mit ihren Enden aneinander ſtoßen und durch eine ſchräge Scheidewand getrennt ſind.

In allen dieſen Grundorganen des Holzgewebes unſerer Buche wie aller Bäume ſteigt der rohe Nahrungsſaft aufwärts, denn es iſt dieſes, was lange von Einigen beſtritten wurde, auch in den Gefäßen der Fall. Durch die Tüpfel der Zellen - und Gefäßwände wird die Saftleitung ſehr gefördert, indem die Endosmoſe durch unmittelbares Eintreten des Saftes aus einem Grundorgan in das andere unterſtützt wird, weil die Tüpfel wenigſtens zum Theil durch Verflüſſigung (Reſorption) zu wirklichen Löcherchen oder Spaltchen werden.

Bedenken wir, daß ein Kubikzoll Buchenholz aus vielen Tauſenden von Zellen beſteht, und in den meiſten Zellen eine Menge Tüpfel ſind, ſo müſſen wir ſtaunen über die millionenfache Zertheilung des Saftſtromes und wir ahnen die Feinheit im Detail dieſer mit ſo großer Gewalt ſtatt - findenden Bewegung.

Indem der Saft aufwärts ſtrömt, beladet er ſich je höher er kommt immer mehr mit der ſeiner harrenden Reſervenahrung vom vorigen Jahre, die er auflöſt, und iſt daher je höher wir ihn abzapfen, wir kennen das ſüße Birkenwaſſer, deſto reicher an aufgelöſten Stoffen.

In den vorjährigen Trieben angelangt tritt er an die unteren Enden der Knospen, in deren Axe (S. 67. Fig. V. 1* 2* 3* 4*) er auf ein ſehr kleinzelliges Markgewebe trifft, deſſen Zellen vollgeſtopft ſind von aſſimilirten Stoffen, unter denen Proteinſtoffe vorwalten, jene wich - tigen ſtickſtoff - und ſchwefelhaltigen Verbindungen, ohne welche keine Neu - bildung im Pflanzenkörper ſtattzufinden ſcheint.

Die Lehre vom Baumleben hat hier Manches noch nicht vollſtändig aufgehellt. Namentlich iſt es noch unbekannt, welche Wechſelwirkung zwiſchen den proteinreichen Stoffen der innern Knospentheile und des ankommenden Frühjahrsſaftes beſteht und ob wirklich die Entfaltung der11*164Knospen ohne Betheiligung des letzteren ſtattfindet oder wenigſtens be - ginnt, was durch den auf S. 159 angeführten Fall eines ſelbſtſtändig ausſchlagenden in ein warmes Zimmer gezogenen Zweiges wahrſcheinlich gemacht wird.

Nachdem ſpäter die Blätter ſich vollſtändig entfaltet haben, hört der mächtige Strom des Frühjahrsſaftes auf, wenn es nicht vielleicht richtiger iſt zu ſagen: er ſetzt ſich mit dem Verbrauch durch die Blätter in’s Gleich - gewicht; denn daß die Wurzel nicht aufhört Bodenwaſſer aufzunehmen und ſtammaufwärts zu ſchicken erhellt aus dem Verdorren der Baum - kronen bei lange anhaltender Wärme und Trockenheit.

Doch wir kehren nun vorbereitet zu den Erſcheinungen des Baum - lebens vom erſten Erwachen an zurück.

Es beginnt nun in den Knospen ein reges Bildungsleben und wir wiſſen es ſchon, daß in ihnen der neue Trieb mit allen Blättern, oder wenigſtens ein guter Theil davon, bereits vorgebildet als kleine Anfänge vorhanden iſt (S. 65 f.).

Namentlich an der Buche ſieht das kundige Auge ſchon vor dem erſten Aufbrechen der Knospen, wenn daſſelbe eben ganz nahe bevorſteht, eine Veränderung, die recht eigentlich in einer Summirung vieler faſt unſichtbar kleiner Sümmchen beruht. Die großen ſpindelförmigen vom Triebe weit abſtehenden Knospen der Buche (S. 60. III. Fig. 9) ver - mögen durch ihr Anſchwellen einem aus der Ferne geſehenen Buchen - beſtande eine bemerkbare Füllung und Färbung zu geben.

Die Art und Weiſe wie die jungen Blättchen in der Knospe unter - gebracht und dabei verſchiedentlich zuſammengefaltet und gewunden waren, bedingt nun eine große Manchfaltigkeit der Bilder, welche die ſich ent - wickelnden Knospen darbieten. Dabei ſpielen die, vielen Bäumen eigenen, bereits erwähnten Nebenblättchen eine nicht unbedeutende Rolle, was z. B. auch bei der Buche der Fall iſt.

Sie zeigt uns zugleich durch ihre Knospenentfaltung, daß am Triebe die Blätter (wenn ſie nicht gegenſtändig ſtehen) ſtets in Schraubenlinien geſtellt ſind, ſo wenig dies auch nachher, nachdem der Trieb mit ſeinen Blättern in ſeiner ganzen Länge hervorgetrieben iſt, noch auffällt. Eine Buchenknospe bildet nach dem Aufbrechen der Knospe einen zierlichen Trichter, gebildet durch die Spiralſtellung an dem noch ganz kurzen Triebe. 165Dieſer Zuſtand währt aber nur kurze Zeit, indem der ſich ſtreckende Trieb die Blätter aus einander zieht und ſich dieſe dann ſchnell nach zwei Seiten wenden, ſo daß ſie in einer Ebene liegen.

XXII.

Entfaltung der Buchenknospe.

XXIII.

Knospenentfaltung des gemeinen Ahorn, Acer pseudoplatanus.

Wir ſehen dieſe Entwicklungsweiſe der Buchenknospe in Fig. XXII. und vergleichen damit die der Bergahornknospe als der eines Baumes mit kreuzweiſe gegenſtändigen Knospenſchuppen und Blättern, Fig. XXIII.

An der Buchen - und vielen anderen Knospen ſtehen nach ihrer Ent - faltung neben jedem Blatte 2 zungenförmige bald abfallende Nebenblättchen, welche anderen Bäumen, z. B. dem Ahorn fehlen. Dagegen zeigt uns dieſer in auffallender Weiſe, daß die Knospenſchuppen nicht immer blos166 eine paſſive Umhüllung des jungen Triebes ſind, ſondern daß dieſelben je weiter ſie nach innen zu ſtehen, deſto mehr Leben und Entwicklungsfähig - keit zeigen, denn wir ſehen die innern Knospenſchuppen zu langen zungen - förmigen Blattgebilden ausgewachſen, welche aber dann ſo wie die erſteren ſich nicht weiter entwickelnden bald abfallen (Fig. XXIII.).

An manchen Bäumen ſind die Knospenſchuppen beſonders deutlich als äußere eigentliche, blos mechaniſche Hüllen, welche ſich bei der Ent - faltung nicht oder nur ſehr wenig verändern ſondern blos auseinander gedrängt werden, und als lebendige entwicklungsfähige innere zu unter - ſcheiden, welche, da ſie bedeutend auswachſen, ſogar vielleicht an der Er - nährung des ſich entfaltenden Triebes Theil nehmen.

XXIV.

Weiter entfaltete Ahornknospe, welcher die Nebenblättchen fehlen.

Im letzteren Falle ſind die innern entwicklungsfähigen Schuppen ent - weder wirkliche Schuppen, welche zu den jungen Blättchen keine Beziehung haben, wie uns dies der nebenſtehende Umriß einer weiter entfalteten Ahornknospe zeigt (Fig. XXIV. ), oder ſie ſind gar nicht eigentlich Schuppen, ſondern Schuppendienſte verrichtende After - oder Nebenblättchen, deren je 2 zu einem der in der Knospe enthaltenen Blättchen gehören, wie z. B. bei der Buche, Linde und dem Hornbaum, Fig. XXV.

167

Die Linde hat genau blos 2 eigentliche Knospenſchuppen, welche bei der Knospenentfaltung nicht die mindeſte Veränderung erleiden, ſondern auseinander gedrängt und dabei oft zerſchlitzt und bald hart und trocken werden und abfallen.

Wir ſehen dies an drei Entfaltungsſtufen der Lindenknospe. Zunächſt werden deren 2 eigentliche Knospenſchuppen von dem ſich ausdehnenden Triebe, der von ſchnell wachſenden Schuppen noch eine Zeit lang um - ſchloſſen bleibt, überwachſen, XXV. 1., und immer weiter auseinander

XXV.

Entfaltung der Lindenknospe.

gedrängt von dem ſich nun entfaltenden Triebe, XXV. 2., an dem endlich deutlich wird, daß die nun ſichtbar werdenden langen zungenförmigen Schuppen wirkliche wenn auch hinfällige Nebenblättchen ſind, deren je 2 zu einem Blatte gehören, XXV. 3.

Daſſelbe iſt es bei mehreren anderen Baumarten; ja die Erle hat ſtreng genommen gar keine eigentlichen Knospenſchuppen, denn bei der Knospen - entfaltung bemerkt man, daß die Schuppen wahre Nebenblättchen ſind, und die Stelle der fehlenden Kospenſchuppen vertreten. Um dies zu ſehen muß man den ſchnell verlaufenden Akt der Knospenentfaltung wohl beobachten, weil die Nebenblättchen des unterſten Blattes ſehr bald ab - fallen, nachdem ſie ſich zurückgekrümmt haben.

Wir erkennen hierin die Einheit und verwandtſchaftliche Zuſammen - gehörigkeit aller Blattgebilde, auf welche ſchon S. 130 hingewieſen wurde und welche ſich ſehr oft dadurch ausſpricht, daß durch bedingende Umſtände168 (die wir freilich in ihrem ſpeciellen Einfluß kaum nachweiſen können) aus der Anlage eines Blattes in dieſer allgemeinen Auffaſſung des Wortes ein anderes Blattgebilde wird, als der Regel nach hätte werden ſollen. Blätter verwandeln ſich in Kelchblätter, Kelchblätter in Blumenblätter, Staubgefäße und Stempel in Blumenblätter. Auf dieſer weſentlichen Einheit aller Blattgebilde, zu denen alſo auch die Befruchtungswerkzeuge der Blüthe gehören, beruht die Füllung vieler unſerer Gartenblumen und manches andere Ergebniß der Gärtnerei.

Es wird daher an dieſer Stelle angemeſſen ſein, neben dem Begriff des Blattes im alltäglichen engeren Sinne die Niederblätter und die Hochblätter zu erklären. Beide Benennungen ſind von der Stellung im Verhältniß zu den echten Blättern die nun zum Unterſchied von jenen Laubblätter oder Vegetationsblätter zu nennen ſind aufzufaſſen, nicht von ihrer geringeren oder höheren Ausbildung. Die Blattgebilde, welche an der Pflanze eine tiefere Stelle als ein Bege - tationsblatt einnehmen, heißen Niederblätter, z. B. die breiten ange - drückten dreiſeitigen Schuppen am Spargelſchoß. Niederblätter ſind nun auch die Knospenſchuppen und wir fanden eben jetzt zwiſchen ihnen und den Nebenblättern, welche ebenfalls Niederblätter ſind, eine nahe verwandt - ſchaftliche Beziehung.

Hochblätter ſind diejenigen Blattgebilde, welche über einem Vege - tationsblatte und vielmehr in einer örtlichen Beziehung zu der Blüthe ſtehen. Wir ſehen ein ſchuppenförmiges Hochblatt an der einzelnen freilich auf das einfachſte Maaß beſchränkten weiblichen Blüthe der Kiefer in Fig. XVI. 6 und 7 (S. 124) als ein weißliches angedrücktes Gebilde neben der braunrothen in ein Spitzchen endenden runden Blüthenſchuppe ſtehen.

Von unſeren Bäumen hat die Linde ein am meiſten entwickeltes Hochblatt, das bekannte zungenförmige gelbliche Blatt, welches in ſeiner Mittelrippe zum Theil mit dem Blüthenſtiele verwachſen iſt. (Siehe ſpäter unſere Abbildung der Lindenblüthe). Gewöhnlich ſtehen dieſe Hoch - blätter dicht unter der Blüthe und heißen Deckblätter weil ſie die Blüthe während des Knospenzuſtandes decken. Die Deckblätter ſind für die Blüthe das, was für die Blätter die Nebenblätter ſind. Meine Leſer und Leſerinnen werden bei vielen unſerer Wieſen - und Gartenblumen neben den Blüthenſtielen ein meiſt einfachlanzettförmiges Deckblatt finden.

169

Nachdem die Befreiung des in der Knospe eingeſchloſſenen Triebes begonnen hat, treibt dieſer mehr oder weniger ſchnell hervor und erreicht damit entweder (wie bei der Buche) ſchon nach ſehr kurzer Zeit ſeinen Abſchluß oder der Trieb wächſt beinahe die ganze Vegetationsperiode hin - durch an der Spitze fort, welches letztere beſonders bei Stock - und Stamm - Ausſchlägen ſtattfindet.

Wie ungleichzeitig die Triebentfaltung bei den verſchiedenen Baum - arten ſtattfindet, davon iſt z. B. Buche und Eiche im Vergleich zu der Traubenkirſche, Prunus Padus, ein Beleg. Während die Knospen der erſteren noch vollkommen geſchloſſen ſind, hat ſich letzterer bereits voll - ſtändig belaubt und junge Triebe von 6 8 Zoll mit ganz ausgewachſenen Blättern gemacht.

Geſchützter ſonniger Stand übt außerdem einen beſchleunigenden Ein - fluß auf die Knospenentfaltung aus.

Die Blätter erlangen meiſt ſehr ſchnell ihre volle Größe und zwar zugleich durch einfache Ausdehnung aus ihrer zuſammengefalteten Knospen - lage (S. S. 67), und durch Zellenvermehrung in ihrem Innern. Dabei erfahren die Blätter mancher Baumarten eine bedeutende Farbenänderung; nicht nur daß das anfänglich gelbliche Grün allmälig beſtimmter und dunkler wird, ſondern bei manchen, z. B. bei der Espe und noch ent - ſchiedener bei dem Weißdorn, Crataegus oxyacantha, ſind ſie anfangs braunroth. Dieſe Jugendfarbe findet ſich namentlich an den Trieben, welche ſpäter und daher unter intenſiverer Licht - und Wärme-Einwirkung erwachſen, z. B. an beſchnittenen Weißdornhecken.

Was nun die Lebensverrichtungen der Blätter betrifft, ſo iſt dieſe, wenn wohl auch nicht allein aber doch im Weſentlichen eine aſſimilirende zu nennen, d. h. die in die Blätter aus dem Triebe eintretende Nahrungs - flüſſigkeit, deren Beſchaffenheit wir bis hieher kennen gelernt haben, wird in ihnen immer mehr veredelt, zu Neubildungen, die aus ihr hervor - gehen ſollen, immer mehr geeignet gemacht. Wir unterſcheiden daher am paſſendſten an dieſen Orte den noch unaſſimilirten Frühjahrsſaft als rohen Nahrungsſaft von dem Bildungsſaft, der aus jenem durch die Blätter gemacht wird.

Wenn wir einen vergleichenden Blick auf ähnliche Vorgänge im Thierkörper thun wollen, ſo könnten wir die Blätter demnach Verdauungs -170 organe nennen, wobei wir uns jedoch hüten müſſen, die Blätter ihrer Geltung nach den Verdauungsorganen des Thieres gleich zu ſtellen.

Man hat die Blätter auch Athmungsorgane genannt, weil ſie durch Vermittlung der Spaltöffnungen (S. 127) gasförmige Stoffe aus - und wahrſcheinlich auch eintreten laſſen.

Dieſes Athmen der Blätter ſteht aber mit der Zubereitung des ihnen zuſtrömenden rohen Nahrungsſaftes in unmittelbarem Zuſammenhange, indem von dieſen der überſchüſſige Theil an Waſſer in Gasform und außerdem namentlich Sauerſtoff ausgehaucht wird.

Obgleich wir es bisher ſchon mit Zellenbildung zu thun hatten, ſo ſei doch hier erſt über dieſelbe Einiges geſagt, weil mit der Entfaltung der Knospen die Maſſenzunahme des Baumes am entſchiedenſten beginnt und ein Baum um ſo ſtärkere Jahresringe anſetzt, je vollſtändiger er be - laubt iſt.

Es iſt ſchwer das Verhältniß der Zeit genau anzugeben, in welchem die Blätterentfaltung zu dem Beginn der neuen Holzlage unter der Rinde ſteht, obgleich ſo viel wohl feſt ſteht, daß letztere ohne die Blätter, die den Stoff dazu vorbereiten, nicht möglich iſt.

Der in den Blättern geläuterte und geſtaltungsfähig gewordene Bildungsſaft ſteigt nun im Baume abwärts. Sowohl dieſe auffallende rückgängige Bewegung an ſich iſt lange Zeit ein Gegenſtand der Unge - wißheit und des Meinungswiderſtreites geweſen als auch der Ort, das Gewebe, in dem dieſer Strom ſtattfindet.

Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt es zwar ſchon früher von der Mehrheit angenommen aber erſt in neueſter Zeit durch Hauſteins mit größter Umſicht angeſtellte Experimente unumſtößlich nachgewieſen worden, daß der Bildungsſaft wirklich abwärts ſtrömt, mithin der Zuwachs von oben nach unten fortſchreitet. Um uns dies klar zu machen, müſſen wir vorher den andern Punkt feſtſtellen.

Wenn auf Seite 15 geſagt wurde, daß der Bildungsſaft zwiſchen Rinde und Holz abwärts ſtrömt, ſo iſt dies nicht ſo zu verſtehen, als dränge er dabei dieſe beiden auseinander und ſtröme nun frei in der da - durch gebildeten Kluft, ſondern es iſt dabei vorläufig auf die allgemein bekannte Erſcheinung, vielleicht zu ſehr, Rückſicht genommen worden, daß man im Frühjahr eine geſchälte Weidenruthe von einer Flüſſigkeit benetzt171 findet, als ſei dieſelbe eben zwiſchen Rinde und Holz geweſen. Die Thatſache kennen die Knaben ſehr gut, denn ſie ziehen mit Leichtigkeit ein längeres Rindenrohr von der Weidenruthe ab, nachdem ſie vorher durch Schlagen und Drücken die Rinde gelockert haben. Aber eben dieſe nöthige Vorbereitung beweiſt, daß der Saft nicht frei zwiſchen Rinde und Holz eingeſchloſſen war, ſonſt würde jenes Klopfen und Drücken nicht nöthig ſein und das Rindenrohr ſich auch ohne dieſes leicht abziehen laſſen. Vielmehr muß der Saft in einem zarthäutigen, locker verbundenen Ge - webe eingeſchloſſen ſein, welches eben durch jene Vorbereitung leicht zer - riſſen und von dem Holze abgelöſt wird. Von dem Vorhandenſein dieſes Gewebes kann man ſich leicht überzeugen, wenn man mit dem Meſſer - rücken dieſen vermeintlichen etwas ſchleimigen Saft zuſammenſtreicht. Man findet nicht einen ſolchen, ſondern vielmehr einen ſchleimigen Brei, der ſich mit der Lupe als aus zarthäutigen Zellen beſtehend erweiſt, wenn man ihn in klarem Waſſer ſich ausbreiten läßt. Wir haben hier alſo einen bereits fertigen Theil der neuen Holzlage.

Wenn nun alſo dieſer nur dem oberflächlichen Anſchein nach freie Saft ſchon nicht mehr der Bildungsſaft iſt, ſondern daraus bereits ge - ſtaltetes zartes Gewebe, ſo müſſen wir ihn anderswo ſuchen.

Wir wiſſen ſchon, daß diejenigen Grundorgane, welche die Saft - leitung beſorgen, lang geſtreckt ſein müſſen, während die ſogenannten kurzen, d. h. nach keiner Richtung vorwaltend ausgedehnten Zellen mehr der Verarbeitung des Saftes (Aſſimilation) dienen.

Sowohl im Holze, wie in der Rinde finden ſich geſtreckte Zellen, in erſterem außerdem noch die beſonders langen feinen Gefäßröhren. Da aber in dem Holze der aufwärts gerichtete Strom des rohen Nahrungs - ſaftes ſtattfindet, ſo iſt ſchon deshalb nicht anzunehmen, daß der abwärts ſtrömende Bildungsſaft denſelben Weg nehmen werde, wie anderſeits dieſes auch durch unmittelbare Beobachtungen widerlegt iſt. Es bleibt alſo nur das Rindengewebe als die Bahn für den Bildungsſaft übrig und zwar ſind es in dieſem die ſehr langgeſtreckten Baſt - zellen, in denen der Bildungsſaft abwärts geleitet wird.

Da aber nicht alle Bäume in der Rinde ſolche eigentliche, d. h. lang - geſtreckte beiderſeits ſpitz endende Baſtzellen haben (S. 113), und dieſe, wo ſie da ſind, meiſt außerordentlich dickwandig und daher wenig geeignet172 für endosmotiſche Durchdringung eines concentrirten Saftes erſcheinen, ſo könnte allerdings an dieſer Saft-Leitung der Baſtzellen, wenigſtens der älteren, ſo dickwandigen, daß ein Querſchnitt kaum noch einen Zellenraum zeigt, gezweifelt werden. Jedoch ſprechen die Verſuche dafür.

Was nun die abwärts gerichtete Strömung des Bildungsſaftes be - trifft, ſo hat man ſchon ſeit alter Zeit den bekannten Zauberring der Gärtner als einen Beweis dafür betrachtet. Dieſer beſteht bekanntlich darin, daß man an einem ſtärkeren Zweige eines Obſtbaumes nach dem Anſetzen der Früchte einen ringförmigen Schnitt durch die Rinde bis auf das Holz macht, oder einen ſchmalen Rindenring ablöſt, in Folge deſſen man dann an dieſem Zweige die Früchte vollkommener werden ſah. Man ſchloß daraus und die ſorgfältigen Verſuche der Neuzeit haben es beſtätigt daß durch den Zauberring die Bahn des abwärts ſtrömenden Bildungsſaftes unterbrochen und dieſer dadurch genöthigt werde, ſich ober - halb des Schnittes zu verwerthen.

XXVI.

a b von der Rinde entblößte Strecke; über a Wulſtbildung von dem abwärts ſtrebenden Cambium gebildet; b c abgeſtorbene und feſtgetrocknete Rinde; unterhalb c d hat Zuwachs ſtattgefunden durch Vermittlung des Zweiges e.

Schält man im Frühling an einem Stämmchen oder Zweige etwa eine Elle unter der Spitze ein ungefähr zollbreites Rindenband ringsum173 ab und trocknet man dann den entblößten Holzring ſorgfältig ab, ſo zeigt ſich nach einem Jahre Folgendes:

Das entblößte Holz a b hat ſich keineswegs mit neuer Rinde be - kleidet, ſondern zeigt ſich vielmehr trocken und mißfarbig, wie abgeſtorben, was es bis auf einige Tiefe auch wirklich iſt; es hat ſich nicht nur keine neue Jahreslage gebildet, ſondern wenn wir nach dem Abſchälen den Durchmeſſer der entblößten Stelle genau gemeſſen hätten, ſo würden wir nun dieſelbe durch oberflächliche Vertrocknung ſogar etwas ſchwächer finden. Oberhalb und unterhalb der geſchälten Stelle hat ſich in der Zeit ganz Verſchiedenes ergeben. Ueber a hat ſich nicht nur eine merkliche Wulſt gebildet, ſondern der ganze Zweig hat im Umfang etwas zugenommen, ebenſo wie man an der nicht mit abgebildeten Zweigſpitze die hinzuge - kommenen Jahrestriebe normal finden würde. Namentlich aber die Wulſt a zeigt deutlich, daß hier ein Saftandrang ſtattgefunden hat, welcher hier nicht weiter konnte und die Wulſt bildete. Ganz anders ſieht es unter der geſchälten Stelle von b an abwärts aus. Eine Strecke weit, bis an die ſchräge Grenzlinie c d iſt die Rinde verſchrumpft und ganz feſt auf - getrocknet. Von dieſer Linie an abwärts, wo links bei e ein Zweig ab - geht, iſt die Rinde aber wieder friſch und prall und der Zweig zeigt auch Dickenzunahme. Alle dieſe Erſcheinungen beweiſen für den abwärts ge - richteten Strom des Bildungsſaftes, ſo wie dafür, daß dieſer in der Rinde ſtatthat, daß ſich die Rinde auf einer geſchälten Stelle nicht wieder erzeugt, und daß das Holz aus ſich ohne Beihülfe der Rinde keine neue Holzſchicht erzeugen kann.

Da wir die aſſimilirende Lebensaufgabe der Blätter und die des Holz - körpers bereits kennen, ſo iſt uns nun alles das, was hier geſchehen iſt, leicht erklärlich. Als wir etwa Ende April den Rindenring abſchälten, war der oberhalb deſſelben liegende Theil des Zweiges und der bei c ab - gehende Seitenzweig mit jungen Blättern verſehen. Zu ihnen ſtrömte im Holzkörper der rohe Nahrungsſaft empor, die Blätter bereiteten aus ihm den Bildungsſaft, den nachher die Rinde abwärts leitete. Weiter als bis a konnte er nicht, da hier der Rindenweg unterbrochen war, er war genöthigt, ſich hier zu geſtalten, wovon die Wulſt und die Dickenzu - nahme die Folge iſt, vielleicht auch unſere Figur zeigt uns das nicht Adventivknospen zu treiben und vorhandene Seitentriebe ſich be -174 ſonders kräftig entwickeln zu laſſen. Unterhalb der entrindeten Strecke übernahmen die Blätter des Zweiges e die Bereitung des Bildungsſaftes, der aber, da er nicht oder nur in ſehr beſchränktem Maaße aufwärts ſteigen kann, dem von c bis b liegenden Theile nicht zu gute kam, wes - halb hier nicht nur keine Dickenzunahme ſtattfand, ſondern auch die Rinde abſtarb.

Würden wir nach der Entrindung das nackte Holz nicht glatt abge - wiſcht haben, ſo würden zarte Ueberreſte des jungen Zellgewebes, als welches wir vorher auf S. 171 den vermeintlichen Saft kennen gelernt haben, zurückgeblieben ſein, und wäre unmittelbar nachher kühles feuchtes Wetter eingetreten, ſo wären dieſe Ueberreſte nicht nur nicht vertrocknet, ſondern aus ihnen würden ſich Vernarbungswärzchen gebildet haben, an denen wir mit dem Mikroſkop eine beginnende Rinden - und eine Holz - ſchicht würden haben erkennen können. So wäre es möglich geweſen, daß die entblößte Stelle ganz wieder überkleidet worden wäre.

Es fragt ſich nun, was mit der Zeit mit dieſem Zweige geworden ſein würde. Offenbar liegt das Heilungsbeſtreben vor, von oben herab die entrindete Stelle wieder auszufüllen und wenn wir nur einen ſehr ſchmalen Rindenring abgeſchält haben würden, ſo wäre dies auch gelungen und der oberhalb liegende Zweigtheil wäre vielleicht am Leben geblieben. Viel - leicht, denn zwiſchen dem zuletzt an die untere Wundlippe herangerückten Vernarbungsgewebe und jener findet niemals eine organiſche lebendige Verwachſung, ſondern zuletzt höchſtens eine Ueberwachſung ſtatt. Daher hier immer eine Stelle bleibt, wo durch einen Windſtoß der Zweig leicht abgeknickt werden kann. An dem abgebildeten Zweige würde dies um ſo gewiſſer der Fall geweſen ſein, als das entrindete Holz allmälig immer tiefer abgeſtorben und am Ende ſelbſt für die Leitung des rohen Nahrungs - ſaftes nicht mehr geeignet geblieben ſein würde.

Nachdem wir nun die große Bedeutung für das Stammwachsthum und die Beſchaffenheit des Bildungsſaftes und dieſen ſelbſt vielmehr als ein zartes Gewebe kennen gelernt haben, ſo bezeichnen wir nun dieſes mit dem ſchon mehrmals erwähnten Namen Cambium oder Bildungs - gewebe. Es bildet ſich aus dem in den Baſtzellen abwärts ſtrömenden Bildungsſafte und beſteht aus ſehr zarthäutigen langgeſtreckten Zellen, die mit beinahe horizontalen Böden der Länge nach an einander ſtoßen. 175Durch Theilung, Streckung und ſonſtige Umbildung bilden ſich nun aus dieſen Cambiumzellen einerſeits Rinden -, anderſeits Holzzellen, da ſich das Cambium buchſtäblich zwiſchen Rinde und Holz eindrängt.

Wir ſchließen am paſſendſten an dieſer Stelle eine bisher noch nicht berührte Auffaſſung der Gliederung des Holzkörpers an. Gewöhnlich iſt man geneigt, ſich den Holzkörper und die Rinde als zwei für ſich getrennt beſtehende Gewebemaſſen zu denken, wenn man auch nicht vergißt und von uns eben recht eindringlich erkannt worden iſt, daß das Holz ohne Rinde weder leben noch zunehmen kann. Beide aber gehören auf das innigſte zuſammen und bilden ein Ganzes. Sehen wir mit einer ſcharfen Lupe den recht glatt geſchnittenen Querſchnitt eines Zweiges an, ſo ſehen wir das Holz durch die Markſtrahlen in keilförmige Partien ab - getheilt. Dies ſind die Holzbündel, zu deren jedem das anſtoßende Rindenſtück gehört, beide während der Vegetationszeit durch einen Cambium - antheil verbunden, der nur deshalb während des Winters nicht ſichtbar iſt, weil er dann vollſtändig einerſeits in Rinden -, anderſeits in Holz - Gewebe verwandelt iſt.

Demnach beſteht ein Stamm aus zahlloſen platt keilförmigen Holz - bündeln zu äußerſt mit einem zugehörigen Rindenantheil.

Solche Hölzer, welche recht glatt und gerade ſpalten, wie Tannen - und Fichtenholz, bedingen mit Nothwendigkeit die Annahme, daß der Strom des Bildungsſaftes und die Längsanordnung und Geſtaltung der Cambiumzellen geradlinig erfolgt. Dies iſt aber keineswegs eine aus - nahmsloſe Regel. Es kommen vielmehr Erſcheinungen vor, bei denen man ſich nicht wundern kann, daß man bei oberflächlicher Betrachtung den Bildungsſaft lange Zeit für eine zwiſchen Rinde und Holz frei ſtrömende Flüſſigkeit gehalten hat.

Figur XXVII. zeigt uns ein Gebilde dieſer Art. Es iſt ein ent - rindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche, der mit mehreren anderen gleicher Art auf der Verſammlung der deutſchen Naturforſcher und Aerzte in Carlsruhe vorgezeigt und mir ſpäter zur Benutzung über - laſſen wurde. Obgleich damals über die Entſtehungsweiſe und die Oert - lichkeit des Vorkommens an der Eiche nichts mitgetheilt worden zu ſein ſcheint, ſo glaube ich doch durch folgende Worte a. a. O. dieſes eigen - thümliche Gebilde richtig gedeutet zu haben:

176

Im Mai, wo die Bäume im vollſten Safte ſtehen und namentlich der von den jungen Blättern bereits in reicher Fülle bereitete Bildungsſaft in der Rinde abwärts ſteigt, wurde der Eiche durch einen Gewitter -

XXVII.

Ein entrindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche*)Entlehnt aus des Verfaſſers naturwiſſeuſchaftlichem Volksblatte Aus der Hei - math. 1861. Nr. 2..

177 ſturm ein ſtarker Aſt abgeriſſen, ſo daß ein tiefes Loch im Stamme entſtand.

Der abwärts kommende Bildungsſaft trat an dem oberen Wund - rande unter der Rinde hervor und bildete Anfangs kleine aber ſchnell größer werdende berindete Holzwarzen wie ich dies en miniature im vorigen Herbſte nach dem Leipziger Hagelwetter an mehreren Baumarten gefunden habe welche über die Oeffnung der tiefen Stammwunde frei herabhingen; frei unzweifelhaft, denn der Zapfen zeigt ringsum die ganz gleiche Bildung.

Solche pathologiſche Gebilde werfen oft ein helles Licht auf den normalen Lebensvorgang. Die bunt durch einander gewundenen Ver - ſchlingungen der Holzmaſſe, die an vielen Stellen unregelmäßige ge - ſchloſſene, einander vielfach umſchließende Kreiſe bilden, deuten unwider - leglich auf ein Stauchen und Zertheilen des Cambiumſtromes, auf ein Ablenken von dem regelmäßigen geraden Verlaufe, der am geſunden Holze der Eiche zukommt. Dieſes Stauchen des Saftſtromes war bedingt durch die Aufhebung des ungeſtörten Verlaufs nach abwärts. Die an der frei hängenden noch kleinen Wulſt, die nur an der in der Figur ſichtbaren Stelle feſthing, rings herum ſich bildende Rinde bildete gewiſſermaßen einen Sack, der eben den zuſtrömenden Bildungsſaft zu dieſen Ver - krümmungen nöthigte, wie entgegenſtehende Klippen es mit einem Bache thun. Freilich war dies mit einer augenblicklichen Geſtaltung, Zellen - werdung, des Saftes verbunden. Die Cambiumbildung hat ſich nach der Decke geſtreckt , der Decke, welche die Rinde war.

Eiche, Rüſter und Eſche, die drei deutſchen Holzarten mit den größten Gefäßen (S. 104) geben überhaupt den beſten Aufſchuß über die Richtung der aus dem Bildungsſaft ſich geſtaltenden Holzelemente. Namentlich die Winkel, wo von etwa armsdicken Aeſten Zweige abgehen an alljährlich ausſchlagenden Stummeln abgeſchnittener Aeſte kann man die Folgen eines Stauchens des Saftſtroms ſehr ſchön beobachten, wenn man ſie bald nach Entfaltung des Laubes ſchält. Um dieſe Zeit iſt bei der Eiche von dem Frühjahrsholz (S. 105) gerade erſt der Kreis großer Gefäße fertig, welche auf dem geſchälten Holze wie dicke Adern auf dem Arm eines Alten verlaufen.

Roßmäßler, der Wald. 12178

Dies zeigt Fig. XXVIII., ein Stück von der Oberfläche eines 2 Zoll dicken Eichenaſtes wo 2 dicht an der Baſis abgeſchnittene Zweige abgingen. Dieſe traten dem Herabwachſen des Cambiums, denn ſo muß man es doch nennen, entgegen und wir ſehen, daß hier, namentlich zwiſchen den

XXVIII.

Verlauf der großen Gefäße auf der Oberfläche eines im Mai geſchälten Eichen-Aſtes.

beiden Zweigen mehrere Gefäße im Zickzack geſtaucht ſind und eins einen geſchloſſenen ovalen Ring bildet, eins ſogar von rechts nach links zwiſchen beiden Zweigen herübergeht. Oben links weichen die Gefäße einer Adven - tivknospe*)Von den Adventivknospen wird ſpäter die Rede ſein. aus. Daß beide Aeſte bereits todt waren, ſehen wir an unſrer Figur deutlich daraus, daß keines der Gefäße von ihnen herab - kommt. Endlich ſei hier noch bemerkt, daß dieſe weiten Gefäße, ohne ſich jemals zu verzweigen, in dieſer Zeit, wo ſie eben allein erſt fertig ſind, viele Zoll weit einzeln neben einander verfolgt werden können.

Wir werden ſpäter bei Betrachtung der einzelnen Baumarten, z. B. bei der Eiche, Veranlaſſung finden, in anderer Abſicht auf dieſe intereſſante Erſcheinung zurückzukommen, namentlich bei der ſogenannten Ueberwallung und bei der Ausheilung von Stammwunden.

Wir erinnern uns, daß wir in Gedanken vor einer Buche ſtehen, um die Erſcheinungen ihres Lebens während einer Vegetationsperiode zu verfolgen. Sie öffnete ihre Knospen nicht eher, als bis ein höherer179 Wärmegrad der Luft ſtändig geworden iſt, obgleich ihr junges zartes Laub oft genug durch einen Spätfroſt vollſtändig vernichtet wird, ſo daß als - dann nach wenigen Stunden der grüne Laubſchmuck als häßliche oliven - braune Leichen an den Trieben hängt, welche bis zu dem ſchnell er - folgenden Verdorren einen ſehr merkbaren Fäulnißgeruch verbreiten.

Die jungen Triebe der Buche ſind in einer auffallend kurzen Zeit vollendet und zwar in ſo ſaftiger Fülle, daß ſie einige Tage ſchlaff über - hängen. Indem der Trieb ſchnell erſtarkt, verholzt und ſich ſtreckt, be - ſchreibt er von Blatt zu Blatt immer eine merkliche knieförmige Knickung (oft noch ſtärker als an Fig. IX. auf S. 60). Aus der Anfangs meiſt horizontalen Richtung erheben ſich die Triebe allmälig zu einer mehr aufrechten. Die hinfälligen Nebenblättchen, die zum Theil die Rolle von Knospenſchuppen geſpielt hatten, fallen ſofort nach Erſtarkung der Blätter ab es iſt bei vielen Bäumen (Linde, Rüſter, Hornbaum, Erle) das - ſelbe und im Innern des Baumes vollzieht ſich ungeſehen der rege Geſtaltungsproceß der Holzbildung, ſo daß wir an einem jungen vollkommen runden wüchſigen Stämmchen vor dem Winter eine vorher im März genau gemeſſene Stelle merklich dicker finden.

Wir haben jetzt in den Blättern die weſentlichen Ernährer der Pflanze oder wenigſtens die Zubereiter der Nahrung kennen gelernt, der Nahrung, durch welche der Baum wie jede Pflanze ſich lebendig erhält. Dabei denken wir unwillkürlich an denſelben Vorgang im thieriſchen Körper. Ich benutze dieſen Gedanken, um auf einen ſehr bedeutenden Unterſchied aufmerkſam zu machen, der im Produkt zwiſchen der Ernährung eines Baumes und eines höheren Thieres beſteht. Die im Magen eines Pferdes verdaute, in den blutbereitenden Organen in Blut verwandelte Nahrung gelangt als ſolches in den kleinen und großen Kreislauf und durch letzteren in jeden Körpertheil, welcher daraus ebenſowohl bis zur Vollendung des Wachsthums den Stoff zu ſeiner Vergrößerung als nachher zu ſeiner fortwährenden Erneuerung und Verjüngung nimmt, was wir den Stoff - wechſel nennen. Noch lange bevor das Pferd erwachſen war, wurde ſeinem Körper kein neues Glied hinzugefügt, ſondern die gleich bei der Geburt vorhandenen Körpertheile wachſen nur allmälig immer größer und zwar nicht in der Weiſe wie ein Schneeball größer wird, ſondern ſo zu ſagen von innen heraus, innen, außen, überall. Iſt dann das Wachsthum voll -12*180endet, ſo wird nur inſofern der Körpermaſſe noch Weiteres hinzugefügt, als z. B. durch beſondere Muskelübung, durch reichliches Futter und der - gleichen die bereits vorhandenen Gewebekörper (Muskeln, Fettmaſſen) in derſelben Weiſe wie eben angegeben größer werden, es wächſt kein Muskel, kein Knochen neu hinzu. Der Thier-Körper lebt eben als ein Ganzes in allen ſeinen Theilen zugleich; der Kopf des Pferdes hat noch dieſelben Theile die er am Füllen hatte, nur iſt er in allen ſeinen Geweben in dieſer Zeit durch den Stoffwechſel vielmal erneuert worden. (Der Zahn - und Haarwechſel widerlegt natürlich dieſe Regel nicht.)

Anders bei dem Baume. Wir haben geſehen, daß der durch Ver - mittlung der Blätter zubereitete Bildungsſaft nicht in den Baumleib, wie er eben augenblicklich iſt, eindringt und alle deſſen vorhandene Theile und Gewebe theils von innen heraus, nennen wir es durch Ausdehnung, ver - größert, theils durch den Stoffwechſel verjüngt, ſondern immer zu Neu - bildungen verwendet wird, entweder zu Hervorbringung von neuen Gewebemaſſen, die ſich an die früheren, gleichen, anfügen und dann durch eine Grenze davon unterſchieden ſind, wie z. B. bei Holz und Rinde und den Jahresſproſſen; oder zur periodiſchen Wiedererſetzung verlorener Theile, z. B. der Blätter und Blüthen. Alle dieſe Neubildungen ſind aber nichts weiter als Zuſätze und Wiederholungen. Es iſt ſehr fraglich, ob ein Stoffwechſel im Baume wie überhaupt in der Pflanze in demſelben Sinne wie im Thierleibe beſteht, d. h. ob z. B. der Stamm in ſeinen älteren Holzmaſſen mit Beibehaltung der Formelemente durch fortwährenden Umtauſch des Stoffs gegen neuen ſich verjüngt, ſo daß in einem alten Baume das hundertjährige Holz hundertmal ſeinen Stoff ge - wechſelt, ſich verjüngt, erneut hat, wie dies bei den Thieren der Fall iſt; ſo daß z. B. die arbeitende Hand eines alten Mannes zwar immer noch dieſelbe Hand iſt, die ſie vor funfzig Jahren war, aber in ihrem Stoff - beſtande ſeitdem vielmal durch den Stoffwechſel erneut worden iſt. Viele Erſcheinungen ſprechen dafür, daß die Zellenwände der älteren Baum - theile wohl eine Verdickung durch innere Anlagerung von Holzſtoff und eine Durchtränkung mit zugeführten Löſungen erfahren hat, aber eine eigent - liche Stofferneuerung nicht ſtattfindet.

Während dieſer vergleichenden Betrachtung des Lebens eines Baumes und eines Thieres haben uns einige Bedenken gegen die Stichhaltigkeit181 des behaupteten Unterſchiedes darin beſchlichen. Wächſt denn ein Blatt, welches in der werdenden Knospe als höchſt einfache Anlage ſich bildete, bis zu ſeiner vollendeten Entfaltung nicht ebenſo wie das Thier, d. h. in allen ſeinen Theilen ſo zu ſagen von innen heraus, innen, außen, überall , (wie wir es vorhin bezeichneten)? Wenigſtens ſehr ähnlich. Aber das gilt eben allerdings zwar von den Blattgebilden, aber nicht von dem ganzen Baume. Und nun fällt uns ein, was wir im 3. Abſchnitt von der Individualität im Pflanzenreiche urtheilten. Das Pferd iſt ein Individuum und hat darum auch ein ungetrenntes in ſich abgeſchloſſenes, den ganzen Leib ſo zu ſagen durchdringendes Wachsthum und da es lange Zeit lebt und dabei alle ſeine Organe als eine bis auf den einzelſten Geweb - theil derſelben innig geſchloſſene Lebenserſcheinung wirken, ſo ſetzt dies den Stoffwechſel mit Nothwendigkeit voraus. Wenn nun der Baum dieſe Erſcheinungen nicht zeigt, im Gegentheil die aufgenommenen Nahrungs - ſtoffe nur Wiederholungen von periodiſch Verlorenem (Blätter) und Zu - ſätze zu bereits vorhandenem Bleibendem (Stamm - und Wurzelgebilde) hervorbringen, ſo finden wir hierin nur eine phyſiologiſche Begründung unſerer damals gewonnenen Anſicht, daß der Baum eben kein Individuum iſt. Wenn meine Leſer dieſe Andeutungen im Auge behalten, ſo werden ſie auf ihren Waldgängen das Baumleben immer richtiger verſtehen und eine Menge einzelne Erſcheinungen an den Bäumen richtig würdigen lernen, die ihnen bisher vielleicht entgingen.

So ſteht z. B. die Wiedererzeugung, Reproduktion auf normalem Wege (Laubfall) oder gewaltſamer Weiſe verlorener Theile eines Baumes mit dieſem Umſtande, daß der Baum kein Individuum iſt, in vollſtändigem Einklange und iſt in dieſem Sinne deshalb von der thieriſchen Reproduktion weſentlich verſchieden. Der von Spallanzani an vielfach gemarterte Salamander reproducirt den abgeſchnittenen Schwanz an derſelben Stelle, aus der Wundfläche des ſtehen gebliebenen Schwanzſtummels, weil eben das bildende Leben ſich in allen Theilen, in jeder Gewebsmaſſe vertheilt findet. Ein durch Raupenfraß entlaubter Zweig reproducirt zwar auch neue Blätter, aber niemals an denſelben Stellen, wo die alten ſtanden, und wenn die Raupen Blattſtielſtummel ſtehen ließen, ſo wächſt aus dieſen kein neues Blatt heraus, ſondern dies geſchieht daneben entweder aus der bereits vorhandenen Knospe oder durch182 eine Adventivknospe, immer aber an einer anderen Stelle. Der reproducirte Salamanderſchwanz iſt gewiſſermaßen derſelbe wie der verlorene, das reproducirte Blatt iſt ein anderes. Jener iſt der repro - ducirte Theil, dieſes iſt ein nicht reproducirtes, ſondern einfach ein producirtes neues Individuum; ja eine eigentliche Reproduktion kommt im Pflanzenreiche vielleicht gar nicht oder nur ſehr beſchränkt vor. Die Ausheilung einer Stammwunde durch Ueberwallung der Stelle, wo wir einen Zweig abgeſchnitten hatten, iſt keine echte Rinden - und Holz-Repro - dutkion; ſie iſt nichts weiter als die Benutzung der ſich darbietenden neuen Fläche für den in der Rinde herabkommenden Bildungsſaft und hat mit dem abgeſchnittenen Zweige gar nichts zu thun. Wenn wir einem noch in kräftiger Entwicklung ſtehenden Blatte, einem pflanzlichen Indi - viduum, ein Stück abſchneiden, ſo wird dieſes niemals reproducirt.

Indem wir nach dieſer Vergleichung zwiſchen Thier und Pflanze nochmals zu der Bedeutung der Blätter für das Pflanzenleben zurück - kehren, ſo iſt hier noch hervorzuheben, daß bei einigen unſerer Waldbäume, wie überhaupt bei vielen Pflanzen, die Blätter wenigſtens für das Blühen im engern Sinne, d. h. für die Ernährung der Blüthen bis zu dem Zeit - punkte, wo ſich meiſt nach dem Abſterben der Kronenblätter und der Staubgefäße die Samen ausbilden, nichts beitragen. Dies iſt bei den vor dem Ausbruch des Laubes blühenden Arten der Fall, z. B. Schwarz - oder Schlehdorn, Pappeln, Eſche, Rüſter, Erle, Haſel und einigen Weiden - arten, denn bei dieſen ſind eben die Blätter gar nicht da und kommen ſogar bei manchen ziemlich ſpät nach den Blüthen und nachdem die Be - fruchtung in dieſen längſt ſtattgefunden hat, ſo daß z. B. die männlichen Kätzchen der Espe längſt abgefallen ſind, wenn die Laubknospen erſt ſich öffnen. Dagegen iſt die Ausbildung der Früchte und das Reifen der Samen, ſo daß dieſe auch keimfähig ſind, ohne Ernährung durch die Blätter unmöglich.

Die Buche, die wir jetzt zunächſt immer im Auge haben, iſt einer von den mit dem Laube blühenden Bäumen, worin ihr der Hornbaum, die Eiche, die Birke, unſere drei Ahorn -, viele Weidenarten gleich ſind. Nur wenige Bäume blühen nach den Blättern, ſo daß zwiſchen dem Ab - ſchluß der vollkommenen Belaubung und der Entwicklung der Blüthen eine Zeit des Stillſtands mitten innen liegt. Dies iſt eigentlich blos bei183 den Lindenarten der Fall und ſpäter werden wir bei dieſen erfahren, daß dies durch eine Anticipation (S. 81) bedingt iſt.

Abgeſehen von dieſen Zeitverſchiedenheiten des Blühens im Ver - hältniß zu der Belaubung ſo fällt die Blüthezeit der Bäume und Sträucher in verſchiedene Zeiten. Am früheſten blühen die Erle und Haſel, am ſpäteſten, gegen Anfang Juli, die Linden.

Die große Mehrzahl unſrer eigentlichen Waldbäume iſt getrennten Geſchlechts und zwar nach der Bezeichnung des Linné’ſchen Syſtems entweder monöciſch oder diöciſch, d. h. es finden ſich männliche Blüthen und weibliche Blüthen auf einem Baume nebeneinander (Monöcie), wie bei der Buche; oder der eine Baum trägt blos männliche, ein anderer blos weibliche Blüthen (Diöcie) wie die Espe. Die Ahorne und Linden gehören zu den wenigen Waldbäumen mit Zwitterblüthen. Bei den monöciſchen Arten iſt es daher erforderlich, daß neben Bäumen mit weib - lichen Blüthen auch ſolche mit männlichen in der Nähe ſeien, damit die Befruchtung erfolgen könne. Es iſt jedoch nicht nothwendig, daß beide in unmittelbarer Nachbarſchaft ſtehen, da der Blüthenſtaub (Pollen) durch die Luftbewegungen weit verbreitet wird.

Die beſonderen ſich durch das Blühen und Fruchtreifen ausdrückenden Lebenserſcheinungen werden bei den einzelnen Baumarten zu beſprechen ſein und es ſei hierüber nur die im ganzen Pflanzenreiche ſelten vor - kommende Erſcheinung hervorgehoben, daß die Kiefern ihren Samen erſt im Spätherbſt des folgenden Jahres reifen und daß das Ausfliegen des - ſelben aus den ſich öffnenden Zapfen gar erſt im Frühjahr des zweit - folgenden Jahres erfolgt. Als ſchroffer Gegenſatz zu dieſer Langſamkeit der Samenreife gilt die Anfang April blühende Rüſter, deren Same ſchon Ende Mai reift.

Da der Baum kein abgeſchloſſenes Individuum und demzufolge ſeine Entwicklung auch nicht an ſo beſtimmte Zeitgrenzen gebunden iſt, wie bei den Thieren, welche hierin feſte Regeln befolgen, ſo iſt es auch natürlich, daß der Eintritt des Fruchtbarkeitsalters bei den Bäumen ganz anders als bei den Thieren bedingt iſt. Bei keiner Baumart läßt ſich mit der Beſtimmtheit wie bei einem Thiere angeben, in welchem Alter ſie tragbar wird. Nur allgemein und ungefähr läßt ſich angeben, in welchem Lebensalter dies eintritt und es hat dabei faſt ebenſoſehr wie das innere184 Geſetz die Macht der äußeren Einflüſſe ein entſcheidendes Wort mit zu reden, ebenſo wie es bekannt iſt, daß bei den Obſtbäumen die kundige Uebung des Beſchneidens es vermag, einen Baum früher als gewöhnlich tragbar zu machen.

Die Tragbarkeit tritt wie leicht begreiflich bei denjenigen Holzarten früher ein, welchen im allgemeinen eine kürzere Lebensdauer eigen iſt, bei den ſehr alt werdenden ſpäter. Am früheſten wird wohl die Lärche trag - bar oder vielmehr wie der Gärtner ſagt blühbar, denn die Blüthen, die man zuweilen ſchon an 10 12 jährigen Lärchenbäumchen findet, ent - wickeln in der Regel keinen keimfähigen Samen. Wenn die Buche im Schluß erwachſen iſt, ſo trägt ſie ſelten vor 70 Jahren Samen und in höheren rauheren Lagen noch ſpäter. Da es der Nachzucht wegen wichtig iſt, das durchſchnittliche Tragbarkeitsalter zu kennen, ſo muß für jedes Waldrevier ermittelt werden, wann nach Maßgabe des Klimas, der Lage und des Bodens bei den herrſchenden Holzarten das Alter der Fruchtbar - keit eintritt, welches alsdann zugleich die unterſte Grenze des Haubarkeits - alters iſt.

Warmer und mehr trockner Boden iſt dem früheren Eintritt und der häufigern Wiederkehr des Samentragens mehr günſtig als kalter und naſſer. Dieſe Wiederkehr anlangend ſo iſt es zwar ſchon vom Obſtbaue her eine allbekannte aber deshalb nicht minder bemerkenswerthe Thatſache, daß die Bäume nicht nur nicht alljährlich gleich reichlich, ſondern in manchen Jahren gar nicht blühen, ſo daß der Forſtmann geradezu Samen - jahre unterſcheidet, auf deren Eintritt er manchmal längere Zeit ver - geblich hofft.

Aus allen das Baumleben ausmachenden Erſcheinungen ſcheint her - vorzugehen, daß der Baum erſt eine gewiſſe Sicherſtellung ſeiner ſelbſt hergeſtellt haben muß, ehe er daran denkt, auch den Fortbeſtand ſeiner Art durch Samenerzeugung zu ſichern. Da in der Mehrheit die Blüthen mehr an den Kurztrieben (S. 74) als an den Langtrieben auftreten und alte Bäume in der Krone viel mehr Kurz - als Langtriebe machen, ſo ſteht hiermit das ſpäte Fruchtbarwerden der Bäume in organiſchem Zu - ſammenhang.

Hinſichtlich der Stellung der Blüthen am Baume beſteht auch noch die bemerkbare Verſchiedenheit, daß bei den einen dieſelben am alten,185 den vorjährigen Trieben, bei andern am jungen Holze, den neuen Trieben, ſtehen. Am alten Holze ſtehen die Blüthen bei allen vor den Blättern blühenden Arten (S. 182). Die ſpeciellen Beſonderheiten hierin der Beſchreibung der einzelnen Baumarten vorbehaltend ſei hier nur noch des eigenthümlichen Falles gedacht, daß bei den Birken die männlichen Blüthen am alten (an den vorjährigen Triebſpitzen), die weiblichen da - gegen am jungen Holze ſtehen.

Auch in der weiteren örtlichen Vertheilung der Blüthen in der Baumkrone finden zuweilen beſtimmte Regeln ſtatt. Bald ſind ſie ziemlich gleichmäßig in der Krone vertheilt, wenn der Baum in dem vollen Frucht - barkeitsalter ſteht, wie bei Buche und Eiche; bald ſind ſie mehr auf ge - wiſſe Theile der Krone beſchränkt, wie z. B. bei Fichte und Tanne mehr an den höchſten Stellen als weiter unten, während ſie bei der verwandten Kiefer gleichmäßig vertheilt ſind.

Wir nähern uns dem Ende des Jahreslaufs, zu deſſen Betrachtung wir eine Buche als leitendes Beiſpiel wählten. Der Herbſt kommt mit ſeinem Laubfall.

Dieſem geht aber die Verfärbung des Laubes voraus, welche unſeren Laubwäldern einen neuen vorübergehenden zu Wehmuth ſtimmen - den Schmuck verleiht. Auch hierin zeigen die Bäume ihre verſchiedenen Beſonderheiten. Die Erle wechſelt ihre Farbe nicht, ſondern läßt das Laub grün fallen, während die Birkenblätter vor dem Abfallen ein lichtes Ockergelb annehmen, wie überhaupt die gelbe Farbe das bekannte herrſchende Herbſtkleid des Waldes iſt. Am lebhafteſten, faſt pommeranzen - gelb iſt es bei der Buche, ſo daß ein herbſtlicher Buchenwald von einem leuchtenden Schimmer durchſtrahlt iſt. Der wilde Kirſchbaum färbt ſich im Herbſt ziemlich rein und lebhaft karminroth. Am düſterſten ſieht die Eiche in ihrer ſchon am Baume aus Gelb in Braun übergehenden Belaubung aus.

Der Gang der Umwandlung des Grün in die Herbſtfarbe iſt ent - weder eine allmälige über die ganze Blattfläche gleichmäßig ſich erſtreckende Umſtimmung des Tones, ſo daß ein grünes Blatt allmälig im Ganzen gelblich und immer gelber wird; oder es iſt ein örtlich ſchrittweiſes Ver - drängen der grünen durch die Herbſtfarbe, etwa ähnlich wie mit blauer Pflanzenfarbe gefärbtes Fließpapier mit den Rande in Säure gehalten durch die vordringende Säure ſtreifenweiſe roth wird.

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Dadurch entſtehen auf den ſich verfärbenden Blättern nicht ſelten zierliche Zeichnungen und Muſter, z. B. von der Birke und Spitzahorn, bei deren Umgrenzung die Hauptſeitenrippen maßgebend ſind.

Der Farbenwechſel beruht auf einer Veränderung des Blattgrün, Chlorophyll, in Blattgelb, Xanthophyll und Blattroth, Erythrophyll. Das Blattgrün, überall im ganzen Pflanzenreiche die Urſache der grünen Farbe, erſcheint unter dem Mikroſkop in Form von kleinen, meiſt der inneren Zellenwand angelagerten oft aber auch die ganze Zelle erfüllenden Kügelchen, welche jedoch nicht durchaus von dem Farb - ſtoff gebildet werden, ſondern kleine farbloſe mit dem wachsartigen Chlo - rophyll überzogene Körnchen ſind. Die näheren Urſachen dieſer Um - änderung des Blattgrün, die nur chemiſcher und phyſikaliſcher Natur ſein können, ſind noch nicht vollkommen feſtgeſtellt. Sie können aber nicht lediglich äußere ſein, da man den ganzen Sommer hindurch nicht ſelten unter grünen Blättern einzelne mit Herbſtfärbung findet.

Bei den immergrünen Bäumen iſt die Herbſtfärbung der Blätter bekanntlich nicht vorhanden, denn es iſt wohl nur eine Täuſchung, her - vorgerufen durch das lichtzerſtreuende blendende Weiß des Schnees, wenn uns im Winter die Nadelwälder dunkler und weniger rein grün erſcheinen. Einige Ausnahmen von dieſer Regel ſind um ſo bemerkenswerther, als ſie eine Herbſtveränderung und eine im Frühjahr ſtattfindende Wieder - herſtellung der reinen Blattgrünfarbe beweiſen. Die Blätter der Stech - palme, Ilex aquifolium ein Baum übrigens, der ſehr mit Unrecht den Palmennamen trägt und darum auch Hülſe (in anderer Richtung nicht weniger unpaſſend) genannt wird ſind während des Winters ſo mißfarbig, daß man ſie leicht für erfroren halten kann. Es bekommen jedoch dieſelben Blätter im Sommer ihre, gerade bei dieſer Pflanze be - ſonders tiefe und reine, grüne Farbe wieder. Daſſelbe iſt es bei dem Epheu und bei dem Lebensbaum, Thuja.

Ueber die Urſachen des Laubfalls iſt man lange im Unklaren ge - weſen und ſind darüber die verſchiedenſten Meinungen geltend gemacht worden, unter denen wohl die unhaltbarſte die iſt, daß die bis zum Herbſt ſich vollkommen ausbildende Knospe das dicht neben ihr ſtehende Blatt wegſtoßen ſoll.

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Wenn wir an einem recht ruhigen warmen Herbſttage darauf achten wollen, ſo können wir, unter einem Ahorn oder einer Schwarzpappel ſtehend, obgleich kein Lüftchen die Blätter bewegt bald hier bald da über uns ein leiſes Knacken hören. Es iſt hervorgebracht durch das Abſpringen eines Blattes, welches gleich darauf zu uns nieder ſchwebt. Schneiden wir namentlich von einem der eben genannten Bäume einen mit zum Abfallen bereiten Blättern verſehenen Zweig behutſam ab, ſo können wir dann die mit breiter Baſis anſitzenden Blätter durch die leiſeſte Be - rührung abſtoßen. Schon in den Wochen vorher nimmt die Leichtigkeit immer mehr zu, mit der man das Blatt abbrechen kann, ohne eine eigent - liche Rißwunde zu machen, während man im Sommer ein Baumblatt nur gewaltſam abreißen kann, wobei die uns ſchon bekannte Blattſtielnarbe (S. 59) keineswegs die vorgeſchriebene Fläche, iſt, in welcher die Trennung ſtattfindet, was ſie, die Blattſtielnarbe, eben bei dem herbſtlichen Laubfalle iſt. Daraus geht hervor, daß die nach dem Abfallen des Blattes zurückbleibende Blattſtielnarbe die Fläche iſt, in welcher ſich vorher all - mälig eine Trennung des Gewebes vorbereitet und ausbildet, während bis dahin wenigſtens ein Theil davon ununterbrochen aus dem Triebe in die Blattſtielbaſis überging, was wir durch die Gefäßbündelſpuren (S. 59) angedeutet finden.

Dieſe Trennung wird durch Bildung einer dünnen Korkſchicht bewerk - ſtelligt, was ich bereits in der Anmerkung auf S. 117 im voraus an - deutete. Wir lernten dort die Korkzellenbildung in ihrer doppelten Eigen - ſchaft kennen als Mittel dem Abſterben anheim gegebene Gewebsmaſſen gegen die lebend bleibenden Theile abzuſperren und dadurch oder in anderer Weiſe hervorgebrachte Wunden durch Abſchluß von äußeren Einflüſſen zu heilen. Bei der Bildung der Borke lernten wir und hier ſehen wir wiederholt eine Gleichzeitigkeit dieſer beiden Funktionen der Korkbildung: die Korkſchicht löſt das abgelebte Blatt vom Triebe ab und heilt auch im voraus die dadurch entſtehende Wunde. Die auf der Blattſtielnarbe ſitzende und deren Maſſe bildende Korkſchicht ſehen wir an dem geſpaltenen Eſchenzweige an Fig. III. 2 auf S. 60 durch n bezeichnet.

Es iſt bekannt, daß lange anhaltende Dürre mitten im Sommer einen wenigſtens theilweiſen unzeitigen Laubfall bewerkſtelligen und daß der erſte Nachtfroſt denſelben weſentlich beſchleunigen kann.

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Nicht alle Baumarten und ebenſo nicht alle Bäume einer Art werfen ihr Laub vollſtändig ab. An Eſchen, Ahornen, Erlen, Pappeln bleibt kein Blatt am Baume, während in den Kronen ſelbſt alter Eichen und Hornbäume faſt immer noch ein kleiner Theil derſelben hängen bleibt. Beſonders halten junge Eichen, Buchen und Hornbäume ihr todtes Laub über den Winter oft ſo feſt, daß es erſt im Frühjahre kurz vor dem Auf - brechen der Knospen abfällt und man kann dann belaubte Traubenkirſchen, der ſich am zeitigſten belaubende Baum, und mit dürrem Laub bedeckte Eichenſtämmchen neben einander ſehen.

Nicht zu verwechſeln iſt mit dieſem vollſtändigen Verbleiben der todten Blätter an den Bäumen, die namentlich an Eichen vorkommende Erſcheinung, daß vereinzelte dürre Blattbüſchel, oft in Mehrzahl, über Winter am Baume bleiben. Dies ſind die ſogenannten großen Raupen - neſter von dem Goldafter, Liparis chrysorrhoea, deren im Herbſt noch unausgewachſene Raupen, Schwammraupen genannt, in ſolchen Blätterbüſcheln überwintern, die ſie dadurch vom Abfallen hindern, daß ſie die Blattſtiele an den Trieb feſt ſpinnen. Eine ähnliche Erſcheinung ſind die von den Raupen des Baumweißlings, Pontia Crataegi, herrührenden und mehr aus einzelnen Blättern beſtehenden kleinen Raupenneſter.

Die Lärche macht durch ihren regelmäßigen Nadelfall, worin ſie den Laubhölzern gleich iſt, den Uebergang von dieſen zu den immergrünen Nadelhölzern. Die Nadeln derſelben hinterlaſſen am Triebe eben ſolche genau umſchriebene Narben, wie die Blattſtielnarben der Laubhölzer ſind.

Die Nadeln der übrigen wintergrünem Nadelhölzer ſind übrigens auch nicht unbegrenzt bleibend, ſondern fallen endlich auch ab, nur bei der einen Art früher als bei der andern und ſelbſt nach dem Alter des Baumes findet hierin ein Unterſchied ſtatt. Bei der Leichtigkeit, das Alter der Triebe an einem Nadelholzbäumchen oder am Wipfel eines älteren Baumes abzuleſen (S. 69) kann man leicht ſehen, wie viele Jahre die Nadeln ſtehen, ehe ſie abfallen.

Am längſten bleiben die Nadeln bei der Tanne ſtehen, indem man namentlich an der Hauptaxe, am Stamme, oft acht - ja zuweilen ſogar neunjährige Nadeln ſieht, deren weite Auseinanderſtellung im Vergleich zu den jüngeren Trieben, zugleich lehrt, daß die Axenglieder auch189 nach der Verholzung ſich in der Länge noch etwas ausdehnen. Die Kiefernnadeln fallen gewöhnlich im dritten Jahre ab. Doch iſt dieſes theils nach dem Boden, nach dem dichteren oder räumlicheren Stande und nach dem Alter des Baumes verſchieden. Es iſt daher das Wort immergrün einfach wörtlich zu nehmen, d. h. daß die Nadelhölzer, mit Ausnahme der Lärche, immer grün ſind, nicht ſo als verlieren ſie gar niemals ihre Nadeln. Es iſt daſſelbe wie mit dem ewigen Schnee , was auch nur heißen ſoll: von einer gewiſſen Sehhöhe an liegt ewig (immer) Schnee, aber niemals unveränderlich derſelbe.

Was nun das Winterleben der Bäume betrifft, ſo bietet daſſelbe, wenn wir uns nicht in die Feinheiten des noch ſehr mangelhaft bekannten unmittelbaren Einfluſſes der Wärme auf das Zellenleben einlaſſen wollen was hier nicht am Orte ſein würde für unſere Betrachtung des Waldes wenig Berührungspunkte. In der Hauptſache ruht, wie der Augenſchein lehrt, während des Froſtes das Leben des Baumes; es iſt jedoch ſehr wahrſcheinlich und zum Theil durch Beobachtungen auch nachgewieſen, daß mitten in den Wintermonaten bei zeitweilig eintretenden Wärme - graden das innere Leben erwacht. Es iſt alſo der Winterſchlaf der Bäume nicht an die Zeit gebunden, ſondern durch chemiſche und phyſikaliſche Faktoren bedingt, unter denen die Wärme einer der einflußreichſten iſt.

Wir ſehen zwar in unſeren Waldungen im Ganzen wenig von Froſt - ſchäden, jedoch kommen deren in jedem ſtrengeren Winter eine Menge geringfügiger und daher meiſt überſehener vor und es hat ſchon Winter gegeben, unter denen der von 1788 auf 1789 der verrufenſte iſt, wo viele alte Bäume, namentlich Tannen, Buchen und Eichen ganz erfroren ſind.

Daß bei ſtarker Kälte und zwar ſehr oft ohne den Tod herbeizu - führen der Saft der Bäume gefriert und durch Zuſammenziehen des Holzes an ſtarken Stämmen, namentlich an Laubholzbäumen Froſtriſſe entſtehen iſt eine jetzt nicht mehr in Zweifel zu ziehende Thatſache. Noch vollkommen ruhende Knospen ſcheinen ſelbſt von ſtarkem Froſte oft nicht zu leiden. Den auch im Winter belaubten Nadelhölzern iſt ſtarker Froſt nicht ganz unſchädlich, was das Gelbwerden der Nadeln junger Fichten beweiſt. Dabei ſind ſie dann wie andere Bäume vor dem Nachtheile der Kälte mehr geſchützt, wenn ſie während des Winters nicht von der Sonne beſchienen werden können.

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Einen großen Nachtheil ſchreibt man dem Schmelzwaſſer des Rauch - froſtes zu, wenn während der warmen ſonnigen Tagesſtunden dabei zu - gleich die beſonnte Seite des Stammes und der Zweige plötzlich ſtark erwärmt wird, nachdem ſie vorher ſtark erkältet geweſen war.

Am nachtheiligſten iſt die Winterkälte den Waldbäumen durch Er - frieren der wegen zu ſchnellen Eintrittes des Winters nicht vollkommen verholzten diesjährigen Triebe, und durch Erfrieren des noch nicht ganz aus - gereiften Herbſtholzes des neuen Jahresringes (S. 105).

Ehe wir nun noch Einiges über die Lebensdauer und den natürlichen Tod der Bäume hinzufügen, haben wir noch als zu dem Leben des Baumes gehörend das Ausſchlagsvermögen des Baumes kennen zu lernen.

Es iſt bekannt, daß viele Baumarten, wenn ſie, wie es bei den Laubhölzern faſt immer geſchieht, dicht über dem Boden abgehauen worden ſind aus dem Stocke wieder ausſchlagen, auch wenn der Baum ſchon ſehr alt geweſen war. Daß dies keine Reproduktion im Sinne des thieriſchen Bildungslebens genannt werden kann iſt uns nach dem auf S. 180 hier - über Geſagten ſelbſtverſtändlich.

Das Ausſchlagsvermögen beruht lediglich auf der Bildung von ſoge - nannten Adventiv - oder Nebenknospen, d. h. ſolchen, welche nicht aus der Achſel eines Blattes wir wiſſen, daß das der obere Winkel iſt, den ein Blatt mit dem Triebe macht entſpringen, ſondern aus irgend einer Stelle der Oberfläche von älteren Axengebilden. Wir nennen daher nun die echten in den Blattachſeln gebildeten Knospen Achſel - oder Axillarknospen, zu denen die am Trieb zwiſchen zwei Axillar - knospen ſtehende End - oder Terminalknospe kommt. Von letzteren beiden handelten wir auf S. 51 ff., wo wir die Achſelknospen Seiten - knospen nannten (S. 62).

Die Bildung der Adventivknospen iſt ſozuſagen keine ſo planmäßige wie die der Achſelknospen, welche ſchon bald nach der erſten Anlage des Blattes, in deſſen Achſel ſie ſtehen ſollen, mit angelegt werden. Es kann daher eine Adventivknospe an ſolchen Stellen der Axenglieder entſtehen, wo urſprünglich keine Anlage dazu vorhanden war.

Doch müſſen wir hierbei zwiſchen echten Nebenknospen und ſo - genannten ſchlafenden Knospen noch den Unterſchied machen, daß letztere ſolche Knospen ſind, die bereits viele Jahre lang vorgebildet191 aber unbemerkbar vorhanden geweſen waren und bis zu ihrer plötz - lichen Auferweckung durch beſonders dazu geeignete Umſtände geruht hatten. Auf ſolchen ſchlafenden Knospen allein ſoll das ſo oft wahrzunehmende Ausſchlagen ſtark beſchnittener Bäume aus der alten Rinde beruhen.

Folgender Fall iſt vielleicht geeignet, die Abſtammung der Adventiv - knospen und ihr Auftreten ohne bereits vorgebildet geweſen zu ſein darzuthun.

Im Mai 1840 ließ ich mir ein fußlanges etwa 4 Zoll ſtarkes Klötzchen von einer eben, alſo mit dem noch ganz jungen Laube gefällten jungen Silberpappel (Populus alba) ſchneiden und ſtellte daſſelbe neben meinem Arbeitstiſche dicht an der Wand auf die Diele, alſo an einen kühlen, ſchattigen und trockenen Ort. Hier wurde es von mir vergeſſen

XXIX.

Ein geſpaltenes Klötzchen einer etwa 10 Jahre alten Silberpappel. r r r r Rinde; k k k k k fünf Adventivknospen; w w w w Ueberwallungsring; n k der Nullpunkt der Holzbildung, zu welcher der Ueberwallungsring gehört; m Mark.

und als es nach vielleicht drei Wochen mir wieder in die Augen fiel, fand ich daran eine Menge bereits wieder vertrockneter Blätter, welche durch Adventivknospen aus der etwa ½ Zoll dicken Rinde (r) hervor -192 getrieben waren. Auf dem oberen und unteren Abſchnitte hatte ſich aus dem in dem Augenblick der Fällung des Baumes in deſſen Rinde vor - räthigen Bildungsſafte und wahrſcheinlich unter Betheiligung der aus den Adventivknospen hervorgeſproßten Blätter ein gegen Linie dicker ring - förmiger Wulſt (w) berindeten jungen Holzes gebildet, welcher auf der unteren Abſchnittsfläche, d. h. auf derjenigen, auf welcher das Klötzchen geſtanden hatte, durch den Widerſtand der Diele etwas breit gedrückt war. Der oben und unten hervorgequollene Holzring, eine beginnende ſogenannte Ueberwallung, nahm nach der Längs-Mitte des Klötzchens, wie an einem Nullpunkte der Holzbildung (n k), ſchnell ab und war an dieſem kaum noch zu erkennen.

Auf der Fläche des mitten durchgeſpaltenen Klötzchens zeigte ſich das, was die vorſtehende ſchematiſirte Figur XXIX. veranſchaulicht. Es ſcheint daraus beſtimmt hervorzugehen, daß die Adventivknospen aus metamorphoſirten Markſtrahlen hervorgegangen ſind, deren 5 auf unſere Figur fallen. Die ſchnurgeraden auf je eine Adventivknospe gerichteten Markſtrahlen waren um das Vielfache breiter und dicker als die übrigen, bräunlich gefärbt (vielleicht nur in Folge der Vertrocknung) und endeten auf der Oberfläche des Holzes mit einem Höckerchen, welchem eine Ver - tiefung auf der Innenſeite der Rinde entſprach. Dieſe Markſtrahlen hatten eine auffallende Wirkung auf die vorbeiſtreichenden, ſehr lang ge - ſtreckten Zellen und Gefäße des Holzes ausgeübt. Dieſe waren nämlich in der nächſten Nachbarſchaft der Markſtrahlen oben und unten eine kleine Strecke weit von ihrem geraden Verlauf nach auswärts abgelenkt, gewiſſer - maßen als wären ſie von den Markſtrahlen oder vielmehr von den in ihnen in dieſer Richtung ſtrömenden Safte mit fortgeriſſen worden, wie es ein in einen Baum geſchlagener ſtumpfer Nagel thun mag. Dieſe Erſcheinung kommt ſonſt bei den Holzzellen, wo ſie am Markſtrahle vorbeiſtreichen nicht vor.

Wir haben in dieſem Falle, wenn wir ihn nach den ſichtbaren Er - folgen beurtheilen, eine Verwerthung des in dem Klötzchen enthaltenen Bildungsſaftes vor uns, theils zur Bildung von Adventivknospen, theils zur Bildung eines neuen Holzringes, der als ein Ueberwallungsring an beiden Schnittflächen zwiſchen Holz und Rinde hervorquoll.

Ob dieſe Adventivknospen vielleicht die vorhin bezeichneten ſchlafenden, alſo vorgebildet ſchon vorhanden geweſene Knospen waren, iſt nicht zu193 entſcheiden, da ich das Klötzchen nicht vorher unterſucht hatte. Es iſt aber ſchwer anzunehmen, ſondern wir haben hier wahrſcheinlich echte von der gebotenen Gelegenheit urſprünglich gebildete Adventivknospen vor uns. Es iſt hierbei noch daran zu erinnern, daß die Pappelarten das Aus - ſchlagsvermögen in hohem Grade beſitzen.

Was die Stellen betrifft, wo die Adventivknospen, die Ausſchläge , am Baume erſcheinen, ſo kann ſich Jedermann durch ſeine eigene Erinnerung an Kopfweiden und an ſeine Spaziergänge in Buſchhölzern hierauf von ſelbſt einige Antwort geben. Forſtlich unterſcheidet man gewöhnlich 4 Aus - ſchlagsſtellen: am Stamm, am Abhiebe, am Wurzelſtocke, an den Wurzeln ſelbſt.

Das Heraustreiben von Nebenknospen, was man ſo häufig am Stamme von Alleebäumen, namentlich an Pappeln und Linden, ſieht, an denen ſich dadurch nach und nach oft große Maſerknoten bilden, ſteht meiſt in Verbindung mit einer verſchiedentlich bedingten Beein - trächtigung und Verſtümmelung der Krone, ſo daß man zu der Auffaſſung gedrängt wird, die Bildung von Neben - oder Adventivknospen beruhe auf dem Drange, durch ſie die von der unverletzt gebliebenen Wurzel nach wie vor in unverändertem Maaße aufgenommene Nahrung zu verwerthen. Auf der Adventivknospenbildung beruht die Schneidel - und Kopfholz - Wirthſchaft der Landwirthe und die Mittel - und Niederwald - Wirthſchaft in den Waldungen, auf ihr beruht die Baumerziehung durch Setzreiſer oder Stecklinge, bei welchen letzteren mit der Bil - dung von Adventivknospen die von Adventivwurzeln Hand in Hand geht (S. 119).

Wie die Adventivknospen nicht in der Achſel eines Blattes ihren Urſprung nehmen ſo haben ſie auch meiſt nicht die regelmäßige Geſtalt und Umhüllung der Achſelknospen, ſondern zeigen gewiſſermaaßen die Merkmale einer mangelhaften Nachahmung. Der Unterſchied der ſchlafenden Knospen von den wahrſcheinlich immer aus metamorphoſirten Markſtrahlen hervorgehenden echten Nebenknospen (für welche letzteren alſo keine vor - gebildete Anlage vorhanden iſt) wird anatomiſch dadurch bedingt und ihre einſtige Erſcheinung oft für lange Zeit hinaus geſichert, daß an unſeren Laub-Bäumen jedes Blatt ohne Ausnahme eine Achſelknospe hinterläßt. Dieſe ſind aber an dem unteren Ende eines Langtriebes wie das jederRoßmäßler, der Wald. 13194belaubte Trieb zeigt faſt immer viel kleiner und kümmerlicher als weiter oben am Triebe und ebenſo ſind es auch die Knospen in ihrer Achſel, wie wir Letzteres an Fig. III. 12 (S. 60) ſehen, wo die unterſte von den 6 Knospen in hohem Grade gegen die höherſtehenden zurückge - blieben iſt und im kommenden Jahre ſicher nicht zur Entfaltung gekommen ſein würde. Da aber auch zu der Baſis ſolcher verkümmerten Knospen ſich von dem Triebe, an dem ſie ſtehen, aus dem Gewebe des Triebes ein zuleitendes Holz - und Markbündel abbiegt, ſo iſt die einſtige Auf - erweckung ſolcher Knospen geſichert, weil dieſes zuleitende Bündel in den allmälig zuwachſenden Jahreslagen immer mit fortwächſt. Man kann daher an der noch nicht zu ſehr riſſig gewordenen Borke ſchon ziemlich ſtarker Aeſte und Stämme die Spuren ſolcher ſeit vielen Jahren ruhenden Knospen auffinden, und von ihrem Vorhandenſein noch leichter ſich über - zeugen, wenn man z. B. einen fünfzehnjährigen Eichenzweig im Safte ſchält, wo man dann auf der Oberfläche des Holzes eine Menge Höckerchen finden wird, welche eben dieſe zuleitenden Bündel, die Nebenaxen ſchlafender Knospen ſind, deren wenn auch noch ſo undeutliche Bezeichnung man an dem entſprechenden Punkte außen an der Rinde auffinden wird. Der am ungeſtört fortwachſenden Baume an den ruhenden Knospen und ihren Axen vorbeiſtrömende Saft, ſucht ſie auf dem Wege dieſer Axen gewiſſer - maaßen auf, wenn durch Schneideln oder Köpfen die kräftig vegetirenden Triebe ganz oder theilweiſe entfernt worden waren, die bisher den Saft für ſich in Anſpruch nahmen. Wenn es erlaubt iſt, hier dieſes Gleichniß anzu - wenden, ſo ſind die ruhenden Knospen entfernte Seitenerben, die erſt dann in ihr Erbrecht eintreten, wenn nächſte Erben, die vollkommenen Achſel - und Endknospen, nicht da ſind. Nebenbei iſt es ſelbſtverſtändlich, daß ſolche ſchlafende Knospen (ſchlafende Augen der Gärtner) nicht eigentlich Adven - tivknospen ſind, weil ſie aus einer Blattachſel hervorgingen, während die wahren Adventivknospen aus metamorphoſirten Markſtrahlen hervorgehen.

Es liegt nun auf der Hand, daß das Ausſchlagen durch ruhende Knospen allen Laubhölzern zukommen muß, weil alle Blätter haben und in jeder Blattachſel ſich eine, wenn auch noch ſo ſehr verkümmert zurück - bleibende Knospe bildet; ferner verſteht es ſich von ſelbſt, daß der am ſogenannten Abhiebe und aus den Wurzeln erfolgende Ausſchlag nicht aus ruhenden Knospen, ſondern nur aus echten Adventivknospen hervor -195 gehen kann. Erſteres (am Abhiebe) nicht, weil an einem vielleicht 2 Ellen dicken Buchenſtock am letzten, vielleicht zweihundertſten, Jahrringe keine Blätter geſtanden haben können und hier doch die Adventivknospen oft in dichter Reihe nebeneinander zwiſchen dieſem und der Rinde aus der jungen Ueberwallungswulſt hervorkommen; Letzteres (aus der Wurzel) deshalb nicht, weil die Wurzel niemals Blätter hat, alſo auch keine Achſel -, mithin auch keine ſchlafenden Knospen haben kann.

Am Stamme und älteren Aeſten und Zweigen ſtehen die Ausſchläge, wenn man ſie auch nicht auf eine noch nachweisbare ſchlafende Knospe die ſozuſagen vielleicht mehrere Jahrzehnte lang vergeſſen worden iſt zurückführen kann, doch ſehr erſichtlich in der Nähe ſolcher Stellen, wo ein früherer Zweig abgeworfen worden iſt, was ſich bekanntlich in der Regel durch Ringwarzen zu erkennen giebt, oder ſie ſtehen am Grunde ſtehen gebliebener Aſtſtummel. Die geringſte Wirkung der Erweckung ſchlafender Knospen iſt die, daß an erfrorenen Langtrieben die unterſten Knospen im nächſten Jahre zur Entwicklung kommen, die außerdem unent - wickelt geblieben, eben ſchlafende Knospen geworden ſein würden. An einem in dem harten Winter 1860 erfrorenem, über 3 Fuß langen Mas - holdertriebe iſt von den 12 Knospenpaaren nur das unterſte, wo das Holz des Triebes am ausgereifteſten und deshalb nicht erfroren war, zur Entwicklung gekommen, was im gewöhnlichen Verlaufe ſicher nicht der Fall geweſen ſein würde.

Wie viel man von der nachträglichen Erweckung ſchlafender Knospen erwarten darf, das ſehen wir an der Kühnheit der Gärtner beim Be - ſchneiden der Kugel-Akazien, wobei man oft kaum begreift, wie aus den allein belaſſenen kurzen dicken Aſtſtummeln neuer Ausſchlag ſoll hervor - kommen können. Jedoch in ſolchen Fällen geht derſelbe gewiß wenigſtens zum Theil aus wirklichen, d. h. aus metamorphoſirten Markſtrahlen kommenden Adventivknospen hervor.

Daß unſere meiſten Laubhölzer aus dem Stocke, dem Fuße des Stammes, reichlich ausſchlagen, iſt allgemein bekannt, obgleich auch hierin die eine Art die andere übertrifft. Hier ſind die Knospen wahrſcheinlich meiſt als echte Adventivknospen zu betrachten. Der Stockausſchlag bedingt die ſonderbare Erſcheinung, daß man von einer Pflanze im Verlaufe vieler Jahrzehnte eine mehrmalige Holznutzung erzielt, indem man nach einer13*196gewiſſen Reihe von Jahren (Umtriebszeit) alle, meiſt ziemlich zahlreichen und nur etwa 8 12 Zoll dicken, ſelten ſtärkeren meiſt noch ſchwächeren Stangen (Reidel, Lohden) immer wieder abhaut und durch neuen Stock - ausſchlag neue erzielt. Die Buche, die überhaupt das geringſte Aus - ſchlagsvermögen hat, kann im höheren Alter nicht mehr auf die Wurzel geſtellt werden, da, wenn eine Buche mehr als 40 50 Jahre alt war, ihr Stock ſelten hinlänglichen Ausſchlag macht. Die Eiche thut dies aber oft im höchſten Alter noch. Wie lange nachher der Stock zur Erzielung von Stockausſchlag (Niederwald-Betrieb) benutzt werden kann, iſt bei den verſchiedenen Holzarten ebenfalls ſehr verſchieden. Je weicher und zur Fäulniß geneigter das Holz iſt, deſto eher fault der Stock aus und theilt ſich zuletzt ſehr oft in mehrere kreisförmig ſtehende Stücke, deren jedes ſeine Lohden treibt.

Das Erſcheinen der Adventivknospen am Abhiebe, wobei im günſtigſten Falle dieſelben, zwiſchen Rinde und Holz hervortretend, einen Kreis bilden können, iſt forſtlich von der geringſten Bedeutung. Es kommt namentlich bei der Buche und Eſche vor.

Wenn man einen jungen Wurzelſchößling einer Zitterpappel (oder Espe, Populus tremula), der ſich immer ſenkrecht aus der wagerecht

XXX.

Urſprungsſtelle eines Wurzelſchößlings. ** Grenzlinie zwiſchen Schößling und Wurzel; r (querſchraffirt) Rinde; w Wurzel aus der der Schößling entſpringt; 1. 2. 3. die 3 ſeit der Bildung des Schößlings zugewachſenen Jahreslagen; a Adventivwurzel des Schößlings. Oben der Quer - ſchnitt des geſpaltenen Schößlings.

im Boden kriechenden Wurzel erhebt, an ſeiner Urſprungsſtelle unterſucht, ſo kann man ſich leicht überzeugen, daß er aus einem metamorphoſirten Markſtrahle hervorgegangen iſt. Man ſchneidet den Schößling einige197 Linien über ſeinem Urſprung ab und ſpaltet dann den Stummel indem man zugleich die Wurzel, aus der er kommt, ſenkrecht quer durchſchneidet. Auf dem Querſchnitte bildet dann der betheiligte Markſtrahl gewiſſer - maßen einen keilförmigen Fuß des Schößlings, welcher manchmal einen großen Theil des Umkreiſes der Wurzel einnimmt. Wir ſehen dieſen Bau in Fig. XXX., an welcher wir die dreijährige Wurzel (w) unter - ſcheiden, von deren Markſtrahlen einer ſehr ſtark keilförmig entwickelt iſt, aus dem oben der Schößling, urſprünglich als förmliche mit Schüppchen bekleidete Knospe, hervortrat. Der Zuwachs (1. 2. 3. ) des dreijährigen Schößlings iſt auch der Wurzel zu Theil geworden. Die Grenzlinie zwiſchen Wurzel und Schößling (**) pflegt immer deutlich bezeichnet zu ſein. An der linken Seite des Schößlings ſehen wir eine Adventiv - wurzel, deren er ſehr bald mehrere treibt und ſich durch ſie ſelbſt - ſtändig macht.

Dieſe Adventivknospen kommen nicht immer wie an dem abge - bildeten Beiſpiele an der oberen Seite der Wurzel hervor, ſondern oft auch ſeitlich oder ſelbſt an der Unterſeite. In dieſen Fällen krümmt ſich der Schößling nach ſeinem Hervortreten ſofort aufwärts.

Bekannt iſt es, daß man die Wurzelſchößlinge, weil ſie oft aus einer ſeicht unter der Oberfläche des Bodens hinkriechenden Wurzel zahlreich hervorkommen Wurzelbrut nennt.

Es iſt eine bemerkenswerthe Seite der Ausſchläge, daß ſie in manchen Beziehungen von den normalen Verhältniſſen abweichende Beſonderheiten an ſich tragen, ſo daß der Ungeübte namentlich Stockausſchlag manchmal nicht auf die ihm vielleicht wohlbekannte richtige Baumart zurückführen kann. Wenn ein Stock, von dem der Stamm oder frühere Stocklohden abgehauen wurden, ſehr lebenskräftig iſt und auf gutem Boden ſteht, ſo treibt er oft ungewöhnlich lange Lohden, wodurch ſich namentlich Eſche, Ahorn und Rüſter auszeichnen. Solche, recht eigentlich, Langtriebe ſind nicht ſelten 6 8 Fuß lang. Die Blätter daran ſind nicht nur viel größer, ſaftiger und dunkler grün als die Stammblätter, ſondern ſie zeigen nicht ſelten in der Geſtalt und in der Zähnelung des Randes bemerkens - werthe Abweichungen. Am weiteſten treiben es geköpfte Linden, deren Ausſchlagblätter oft ſo tief gelappt ſind, daß ſie Weinblättern ſehr ähnlich werden. Bei Birkenſtockausſchlag ſind die viel größeren und faſt drei -198 lappigen Blätter dick behaart und an Wurzelbrut der Espe gleichen ſie den Stammblättern nicht im Entfernteſten.

Aus alledem geht hervor, daß die Erzeugniſſe der Adventivknospen, der echten wie der ſchlafenden Knospen, gewiſſermaaßen aus einem über - eilten Drange des überreichlich aus der Wurzel, die ja die alte geblieben iſt, zuſtrömenden Nahrungsſaftes hervorgehen. Ja es kommt auf ſehr fruchtbarem Boden vor, daß die Stöcke im Safte gehauener Bäume wie man es bezeichnet im Safte erſticken.

Es kommt aber auch das Gegentheil vor. Die zum Unterſchiede von den ſchlafenden hier einmal ſo bezeichneten dämmernden, nicht ſchlafenden, nicht wachenden, Knospen, welche, die Maſerknoten bildend, am Stamme alter Bäume hervorlugen, bringen es in der Regel nicht nur nicht zu eigentlichen Trieben, ſondern die wenigen Blättchen, die ſie ent - wickeln, bleiben auch meiſt klein, kümmerlich und zum Theil mißgeſtaltet.

Wir verſtehen nun vollſtändig, daß, wie bereits einigemal angedeutet, die Maſerbildung nichts weiter iſt, als eine Anhäufung von Adventiv - knospen, welche ohne es zu einer Triebentwicklung bringen zu können gleichwohl Jahrzehnte lang am Leben bleiben und zwiſchen ſich vielfache Stauchungen und Windungen im Verlauf der zuwachſenden Jahreslagen bedingen. Die Maſerknospen haben immer ein centrales Mark und endigen in einen weichen Vegetationskegel, aus dem ſich unter begünſtigen - den Umſtänden einige Blättchen entwickeln. Die Maſerknollen haben meiſt eine ſehr dicke Rinde, nach deren Abſchälung man ſieht, daß jede Maſerknospe die Spitze eines Kegels von breiter Baſis iſt, deren Ver - bindung und Gruppirung namentlich bei entrindeter Eichenmaſer ein wahres Modell eines Alpengebirges bildet. Das centrale Mark jedes Maſerkegels wird, wahrſcheinlich durch Verflüſſigung beſeitigt und dadurch der Kegel hohl, daher man in Maſer-Arbeiten eine Menge Grübchen ſieht. Je nachdem man bei der Verarbeitung der Maſer den Schnitt ſenkrecht oder wagerecht oder ſchräg durch die Kegel führt zeigen ſich auf der Schnittfläche die wunderlichſten Verſchlingungen und Wellenlinien der Holzfaſern.

Wenn man aber eine Maſerknolle in der Richtung der Markſtrahlen durchſägt, ſo kommt ein Holzgefüge zum Vorſchein, für welches der Forſt - mann die beſondere Bezeichnung Wimmer hat. Da die Wachsthums -199 bahn der Adventivknospen immer geſtreckt und rechtwinklich zur Stamm - Axe erfolgt, ſo bilden die Adventivknospen-Axen gerade gleichlaufende Stränge, zwiſchen welchen ſich die Holzfaſern ſenkrecht herabſchlängeln. Dies giebt der Spaltfläche ein gewäſſertes welliges Relief und wenn ſie gehobelt iſt ein moirirtes Ausſehen. Da die Veranlaſſung hierzu Stauchung der ſich nicht ungehindert ausſtrecken könnenden Holzfaſern iſt, ſo kommt der Wimmer auch ohne Adventivknospen in Aſtwinkeln des Stammes und namentlich des Wurzelſtockes vor, auf welche Fälle dieſe Bezeichnung eigentlich zunächſt angewendet wird.

Adventivknospen und alſo Ausſchlagsvermögen kommen den Nadel - hölzern nur in ſehr beſchränktem Maaße zu, wie überhaupt dieſelben in der Knospenbildung bedeutende Abweichungen von den Laubhölzern zeigen. Fichte, Tanne und Lärche bilden an den jungen Trieben außer den end - ſtändigen und, dicht unter dieſen, quirlſtändigen Knospen nur wenige Achſelknospen, die wohl mit nur ſehr ſeltnen Ausnahmen im folgenden Jahre mit jenen ſtets zur Entwicklung kommen, ſo daß ſie alſo nicht zu ſchlafenden Knospen werden können. Wenn bis 8 Zoll dicke Tannen am Stamme in Bruſthöhe junge Triebe machen, ſo ſind dieſe daher wohl aus echten Adventivknospen, d. h. aus metamorphoſirten Markſtrahlen, hervorgegangen. Einiges Weitere hierüber werden wir ſpäter bei der Schil - derung dieſer Nadelbäume erfahren.

Ganz eigenthümlich verhalten ſich die Kiefern, deren Nadeln bei den verſchiedenen Arten bekanntlich zu 2 bis 5, durch eine Scheide am Grunde vereinigt, beiſammen ſtehen. Sie bilden gar keine ſich regelmäßig ent - wickelnde Knospen außer den End - und Quirlknospen, wodurch eben der ſo regelmäßig ſteife Bau der jungen Kiefern bedingt iſt. Dennoch ſind gerade die Kiefern in eigenthümlicher Weiſe mit ſchlafenden Knospen aus - geſtattet und dadurch unter Umſtänden ausſchlagsfähig, worüber wir weiter unten ſprechen werden.

Endlich iſt hier noch eines nur bei manchen Baumarten vorkommen - den unter den Begriff Knospe zu faſſenden Gebildes zu gedenken, deſſen Entſtehung und Wachsthumsweiſe noch manches Räthſelhafe hat. Bei der Ebereſche, Sorbus aucuparia, wo das Gebilde faſt Regel zu ſein ſcheint, bei der Buche und bei noch einigen anderen Bäumen finden ſich in der Rinde alter Stämme eingeſchloſſene und an ihr kropfähnlich her -200 vortretende bis 1 Zoll groß und größer werdende Kugeln, welche, im Mittelpunkte wie die Kirſche den Kern einen Markkörper einſchließend, von concentriſchen Holzlagen gebildet werden. Hartig hat dieſen unvoll - kommenſten Verſuchen der Adventivſproßbildung den Namen Kugelſproß gegeben und läßt ſie hervorgehen aus Adventivknospen, die in dem Rinden - Zellgewebe dieſes ſonderbare Bildungs-Leben fortlebt, nachdem ihr Zu - ſammenhang mit dem Holz - und Markkörper des Triebes durch Abſterben des ſaftzuleitenden Gewebes aufgehoben worden iſt.

Nachdem wir ſo die wichtigſten Bedingungen und Mittel des Baum - lebens und deſſen Gebilde kennen gelernt und gefunden haben, daß in den Neben - oder Adventivknospen die Pflanzen vor den Thieren eine eigenthümliche Verjüngungskraft voraushaben, tritt uns nun die Frage nahe, wie das Lebensende des Baumes bedingt ſei.

Wenn Thiere und Pflanzen ſich als Weſen zweier verſchiedener Reiche von einander unterſcheiden, ſo iſt dies in keiner Hinſicht augen - fälliger als in der des Lebensendes. Schon die Frage, wann tritt dies bei den Pflanzen ein und iſt dieſer Eintritt wie bei den Thieren (wenig - ſtens bei den allermeiſten) an den Ablauf einer gewiſſen Zeitdauer ge - knüpft, erinnert uns, daß wir ſie bei den Pflanzen und zumeiſt bei den Bäumen ſich ganz anders beantworten ſehen. Daß es bei dem Baume keinen Zuſtand des vollendeten Wachsthums, kein einheitliches in allen Theilen zugleich ſich regendes Leben giebt, wiſſen wir ſchon.

Ein Thier, wobei wir natürlich an einige, geſchloſſene Kolonien bildende (wie die Korallenpolypen) nicht denken dürfen, iſt eben noch in allen ſeinen Theilen lebendig und im nächſten Augenblick todt. An einem Baume kann ſchon ſeit Jahrzehnten der Stamm ausgefault ſein, er iſt aber dennoch fähig, vielleicht noch ein Jahrhundert lang fortzugrünen. Durch eine kleine auf einen einzigen Punkt Herz, Lunge, verlängertes Mark gerichtete Verwundung löſchen wir das Thierleben aus wie ein Flämmchen, während wir vom Baume wiſſen, daß er ſelbſt dann nicht ſtirbt, wenn wir ſeinen Stamm von der Wurzel trennen. Todſtechen, erſchießen, überhaupt tödten, wie wir es mit einem Thiere thun, können wir einen Baum nicht. Ueberhaupt der Begriff des gewaltſamen Todes geſtaltet ſich für den Baum anders als für das Thier. Das Gewächs hat keine ſolche eng begrenzten bedingenden Lebensmittelpunkte, von denen201 aus die tödtende Wirkung einer Verwundung ſich auf den ganzen Leib fortpflanzt. Wir wiſſen ja eben, daß der Baum kein Individuum iſt und das erklärt uns alles. Je weiter er fortgeſchritten iſt in ſeinem Aufbau aus zahlreichen um - und übereinander geſchichteten und gethürmten Gebiets - vergrößerungen für die ſich ewig erneuenden Bewohner, die Blätter und Blüthen, deſto mehr iſt das Baumleben einem auf einen Punkt gerichteten Angriff entrückt, wenn wir ihn nicht durch Umhauen und Entwurzeln der Möglichkeit berauben, ſich ernähren zu können; und auch da iſt es noch möglich, daß der entwurzelt umſtürzende Baum mit der Ecke eines Aſtes in den weichen Boden dringt, und ſo der Zufall einen Senker oder Steckling macht und in dieſem Theile das Fortleben des Getödteten ermöglicht. An Saatpflänzchen und ſelbſt an kleinen Bäumchen in der Pflanzſchule ſehen wir freilich durch Sonnenbrand oder durch Verluſt der Wurzel, die ein Engerling abnagte, plötzliche Tödtung; aber ein alter Baum ſtirbt meiſt langſam und allmälig, ſozuſagen ſtückweiſe, bis endlich nach jahre - ja jahrzehntelangem allmäligem Abſterben auch der letzte Zweig keine Blätter mehr treibt. Das Wort abſterben, welches wir nur vom Pflanzentode brauchen, während wir ein Thier ſterben laſſen, drückt den Unterſchied ganz richtig aus: am Baume trennt der Tod das Leben der einzelnen Theile nach einander vom Geſammtleben ab.

Wir lernten aber trotz der tauſendfältigen Gliederung des Baum - lebens dennoch in dem Cambium (S. 174) gewiſſermaaßen einen, wenn auch über das ganze Baumgebäude ſich vertheilenden, Herd der Ver - mittlung aller Neubildungen kennen, weshalb man es mit dem deutſchen Wort Bildungsgewebe bezeichnet. Wir wiſſen ferner, daß in nächſter nachbarlicher und phyſiologiſcher Verknüpfung damit die den Bildungs - ſaft von den Blättern, den Läuterern deſſelben, herableitenden Baſtzellen ſtehen. Es muß alſo eine hier eingreifende Störung das Baumleben am empfindlichſten treffen.

Wir ſehen dies am augenfälligſten an einer von dem Borkenkäfer, Bostrichus typographus, befallenen Fichte. Wenn dieſer furchtbare Feind der Fichtenwaldungen, wie es bei einer Wurmtrockniß vorkommt, ſich in Schwärmen über eine bisher verſchonte Fichte ſtürzt und in der Baſtſchicht der Rinde ſeine Bruten abſetzt, wo dann in kurzer Zeit die auskommenden Larven Tauſende von Gängen nagen, ſo dauert es kaum202 eine Woche und der Baum ſteht anfänglich mit getödteten braunrothen Nadeln und dann mit entnadelten wie krampfhaft verkrümmten Zweigen und aufplatzender und ſich ablöſender Rinde vor uns. Er iſt unwider - ruflich todt. Es iſt dies genau dieſelbe Wirkung wie durch eine ring - förmige Entrindung (S. 172), welche unmittelbar über der Wurzel an - gebracht, den ganzen Baum tödtet, weil die Ernährerin Wurzel mit ſtirbt, da auch ſie nur durch den von oben kommenden Bildungsſaft ihre Neu - bildungen macht.

Der Blätterverluſt beraubt zwar den Baum der wichtigſten Lebens - gehülfen, da ſie die aſſimilirenden Organe ſind; allein wir wiſſen ſchon, daß ſie ſich aus den Achſelknospen und durch Auferweckung ſchlafender Knospen meiſt wieder erſetzen können. Nur Tannen, Lärchen und Fichten, weil ſie keine ſchlafenden Knospen haben, und die End - und Achſel - knospen ſich nur im folgenden Jahre entfalten zu können ſcheinen, über - ſtehen eine vollſtändige Entlaubung niemals, da bis dahin der Nadelverluſt bereits tödtlich gewirkt hat. Die große Kiefernraupe, Gastropacha Pini, die die Nadeln bis auf den Trieb herunter abweidet, tödtet darum die Kiefer ebenfalls, weil ſie die kleine ruhende Knospe mit beſeitigt, welche im Grunde der Nadelſcheide als kleines Wärzchen zwiſchen den Nadeln liegt. Weniger nachtheilig iſt daher der Fraß anderer Kiefernfeinde, welche ein Stümpfchen der Nadel ſtehen laſſen, aus welchem die ruhende Knospe wenigſtens an den oberſten Enden der Triebe hervortreiben kann.

Am Schluſſe dieſes langen und wichtigen Abſchnittes über das Leben des Baumes ſpitzt ſich unſere Betrachtung in der gewonnenen Ueber - zeugung zu, daß eine beſtimmte Lebensdauer für die Bäume nicht geſetzt iſt, wie dies auch Decandolle in dem für unſern 3. Abſchnitt auf S. 12 entlehnten Motto ausſpricht. Innere und äußere Bedingungen geſtatten hier einen außerordentlich weiten Spielraum. Ja durch die Ausſchlagsfähigkeit und durch die Theilbarkeit des Sammelweſens, wie man gegenüber dem Begriff Individuum den Baum nennen könnte, kann man das Leben des Baumes in beſchränkterem Sinne gewiſſermaaßen verewigen. Ein auf die Wurzel geſtellter Baum (S. 196), deſſen Stock alsdann von nachfolgenden Förſtergenerationen mit beſonderer Fürſorge gepflegt wird, kann vielleicht viele Jahrhunderte lang lebendig bleiben.

203

In der Ueberwallung werden wir bei der Tanne, die ſie am häufigſten zeigt, ſogar ein Mittel kennen, wodurch ein an ſich lebens - unfähiger Stock von einem benachbarten Baume gleicher Art, ernährt und in Zuwachs erhalten wird.

Denkt man nun vollends an die Theilbarkeit und Vervielfältigung durch Stecklinge und Pfropfreiſer ſo kann man einem einzelnen Baume in gewiſſem Sinne Ewigkeit und Allgegenwart verleihen. Wir erinnern uns hier an unſere ſogenannte italieniſche Pappel, Populus dilatata Aiton (P. Pastigiata foiret). Wir glauben deren viele Tauſende in Europa zu haben und ſeit ihrer Einwanderung aus dem Orient in der erſten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gehabt zu haben. Wir haben aber nie mehr als eine einzige Pappel gehabt und werden vielleicht in den kommenden Jahrhunderten nie mehr als dieſe eine haben. Die Pappelarten ſind getrennten Geſchlechts, und der Zufall wollte es, daß das erſte nach Europa, und zwar nach Italien, eingeführte Exemplar, gleichviel ob ein Bäumchen oder nur ein Setzreiß, ein männliches war. Es konnte alſo kein Same von dieſer erſten Stammpflanze gewonnen, mithin auch keine Nachzucht aus Samen erzielt werden, ſondern man war auf die Vermehrung durch Setzreiſer beſchränkt. Man würde dieſe ſicher auch ohnehin der Fortpflanzung durch Samen vorgezogen haben, da jene viel ſchneller zum Ziele führt und überhaupt Pappeln und Weiden wegen ihrer winzig kleinen Samenkörmer zwar wohl durch frei - willigen Samenanflug ſich leicht fortpflanzen, jedoch die künſtliche Ausſaat Schwierigkeiten hat.

So iſt denn für dieſen langen Zeitraum die ganze Nachkommenſchaft der italieniſchen Pappeln, ſämmtlich männlichen Geſchlechts, in der That nur Ein Exemplar in ununterbrochen fortgeſetzter tauſendfältiger Zer - theilung und man kann es in gewiſſem Sinne wohl ewig und allgegen - wärtig, wenigſtens überall, an keinen Ort beſchränkt, nennen. Wahrlich das direkteſte Gegentheil eines Individuums!

Wir werden hier unwillkürlich noch zu einer kurzen Berückſichtigung der durch ihr Alter und ihren Umfang berühmten Bäume veranlaßt.

Es liegt ohne Zweifel mehr in dem Umſtande, daß Bäume ein nach menſchlichem Maaßſtabe außerordentlich hohes Alter erreichen können, als in deren rieſigen Dimenſionen, daß zum Naturkultus hinneigende Völker204 vielen Bäumen eine religiöſe Verehrung zollen und auch wir ſie wenigſtens nicht ohne ahnungsvolle Schauer anſehen können. Ja wie kaum ein Thier iſt in unſern Augen jeder Baum gefeyet und ſteht unter dem ſittlichen Schutze eines Jeden. Wie ſchon früher daran erinnert wurde, brandmarken wir daher jede muthwillige Verletzung eines Baumes, namentlich eines hoffnungsvollen Bäumchens mit dem ſtarken Worte Frevel.

Eine Menge der verſchiedenſten Baumarten und zwar aus den ver - ſchiedenſten Pflanzenfamilien ſind fähig, ein ungewöhnlich hohes Alter und dann gewöhnlich auch rieſige Größe zu erreichen. Sogar in der in Deutſchland, ja in ganz Europa durch keinen einzigen urſprünglich hei - miſchen Baum vertretenen Abtheilung der Einſamenlappigen Pflanzen (S. 143 Anm.) finden ſich einzelne ſolche Beiſpiele, als welches der Drachenbaum, Dracaena Draco, von Orotava auf der Inſel Teneriffa allgemein bekannt iſt, dem man ein Alter von 5000 Jahren giebt. Berthelot ſagte (1827) von ihm: wenn man die jungen Drachen - bäume, die den alten Rieſen umſtehen, vergleicht, ſo erſchrickt unſre Ein - bildungskraft.

Von unſern deutſchen Waldbäumen, wenn wir dabei den alpinen Süden mitbegreifen, ſind es namentlich Linde, Taxus, Ulme, Eiche, Eſche, Lärche, Bergahorn, Arve, Fichte, Tanne, Buche, welche ein hohes Alter erreichen können aber dabei doch nicht entfernt dem Drachenbaum und dem Affenbrodbaum, Adansonia digitata, nahe kommen.

Wo die Verhältniſſe es beſonders begünſtigen, können jedoch auch noch andere Bäume ein ungewöhnliches Alter erreichen, während die ge - nannten an weniger günſtigen Orten gegen ſie zurückbleiben. Pfeil berichtet von Rieſenespen in Ungarn, welche über 4 Ellen Durchmeſſer und 2900 Kubikfuß Holzinhalt hatten.

Welcher Art dieſe begünſtigenden äußeren Verhältniſſe ſein müſſen, iſt ſchwer in ſeinen Einzelheiten nachzuweiſen. Ohne Zweifel iſt es ein Zuſammenwirken vieler einzelner Umſtände, die eben nicht immer ſich bei - ſammen finden. Sicher aber würde es ſolcher denkwürdiger Bäume mehr geben, wenn nicht die begehrliche Hand des Menſchen ſich danach aus - ſtreckte und der Sturm, der unerbittlichſte aller Holzfäller, ſie ſtürzte.

Viele ſolcher altehrwürdiger Bäume haben ihre Geſchichte und ſind mit denkwürdigen Ereigniſſen verknüpft. Bei der botaniſchen und forſt -205 lichen Beſchreibung der einzelnen Waldbäume werden wir ſolchen leben - digen Geſchichtsdenkmalen unſere Beachtung zuwenden.

So hat denn der Schwede Agardh vielleicht Recht indem er ſagt: wenn in der Pflanze mit jedem Sonnenjahre ſich neue Theile erzeugen, und die älteren, erhärteten durch neue, der Saftführung fähige, erſetzt werden, ſo entſteht das Bild eines Wachsthums, welches nur äußere Urſachen begränzen ; und wenn Derſelbe weiter die kurze Lebensdauer der Kräuter von dem Uebergewicht des Blühens und Fruchtanſetzens über die Blattbildung herleitet, ſo findet dies ſeine Beſtätigung darin, daß man ſchwächliche Kräuter durch fortgeſetztes Hindern am Blühen und Fruchttragen (indem man jede junge Blüthenknospe entfernt) zu mehr - jährigen Bäumchen zwingen kann, wie es z. B. mit der Reſeda geſchehen iſt und wie es Endlicher von einem Luzerneſtock (Medicago sativa var. versicolor) erzählt, der 80 Jahre alt wurde, weil er keine Früchte trug.

Laſſen wir uns nun noch für die Betrachtung der Baum-Architektonik durch die folgende Schilderung eines deutſchen Urwaldes weihen, welche Weſſely in ſeinem lehrreichen Buche über die öſterreichiſchen Alpenwälder*)Die öſterreichiſchen Alpenländer und ihre Forſte. Geſchildert von Joſeph Weſſely. Wien 1853 bei W. Braumüller. mittheilt. Denn es giebt noch Waldorte in Deutſchland, wo noch nie die Axt des Holzfällers ertönte und denen man mit Beſtimmtheit anſieht, daß ſie keines Menſchen Hand ſäete oder pflanzte. Der beſchriebene Urwald liegt im Erzherzogthum Unteröſterreich in den hinterſten Quell - ſchluchten der Mürz und heißt ſeinem Uralter zum Trotz der Neuwald.

Höchſt merkwürdig iſt der große, üppige und wohlgeſchützte Keſſel dieſer unabſehbaren Waldwüſte. Ein Bild großartiger Schöpfung und prachtvoller Wildniß überwältigt er auch das ſtarrſte Gemüth mit ſcheuer Ehrfurcht vor den gewaltigen Werken Gottes. Die Natur, welche hier ſeit den Tagen der jetzigen Weltgeſtaltung allein und ungeſtört waltete, hat da ein Unglaubliches an vegetativer Kraft und Erzeugung zuſammen - gehäuft, ſie hat hier Anfang und Vollendung, pflanzliches Leben und Tod in rieſenhaften Formen überraſchend nebeneinander geordnet.

Die Fichten, die Tannen und ſelbſt die Lärchen dieſes Keſſels er - reichen eine Länge von 150 200, eine untere Stammſtärke von 5 8 und206 einen Maſſengehalt von 1000 2000 Fuß, die Buchen auch 120 bis 150 Fuß Länge, 3 5 Schuh untere Stärke und 300 1000 Fuß Holz - maſſe, und laſſen ſomit all das weit hinter ſich, was wir in unſern modernen Holzbeſtänden zu ſehen gewohnt ſind. An dieſen Baumkoloſſen ſchätzen ſich die geübteſten Maſſenſchätzer des Flachlandes zu Schanden.

Die Majeſtät dieſes gewaltigen Hochholzes iſt aber eine ſchauerliche, denn inmitten der Stämme höchſter Lebenskraft ſtehen allenthalben die abgeſtorbenen Zeugen früherer Jahrhunderte umher, mit gebrochenen Aeſten und Gipfeln, die rindenloſen Schafte geiſterbleich und vielfach durchlöchert von den Inſekten ſuchenden Spechten, öfter auch in lang - geſtreckte Splitter endende Strünke vom Sturm gebrochener Fichten.

Das Rieſenhafte dieſer Vegetation rührt nicht blos daher, daß die Stämme bis zu ihrem natürlichen Ausſterben, alſo über das gewöhnliche Haubarkeitsalter hinaus fortwachſen und ihre Maſſe mehren können, ſon - dern ganz beſonders auch vom Vorhandenſein aller Umſtände, welche eben das Lebensalter der Bäume auf die äußerſte Grenze hinauszurücken ge - eignet ſind. Das rauhere Klima, die mehr gleichmäßig feuchte Atmoſphäre, der äußerſt humoſe Boden, der eigenthümliche gewiſſermaaßen nie unter - brochene Waldesſchluß, welcher das Wachsthum der Stämme in der Jugend zurückhält, und ihren Fuß beſtändig ſchützt, das alles zuſammen - genommen fördert ſo abſonderlich die Lebensdauer, daß dieſe Baumrieſen, wenn ſie nicht etwa früher von Sturm zerriſſen werden, meiſt ein Alter von 300 400, öfter ſogar von 600 Jahren erreichen.

Tauſende von koloſſalen Schäften, wie ſie Alter und Orkane nach und nach übereinander geworfen haben, bedecken kreuz und quer oft als wirrer Verhau den grasloſen Boden. Hier ein friſcher eben vom Sturme in der Fülle ſeiner Kraft zerriſſener Stamm, mit ſeiner ganzen markigen tiefgrünen Benadlung; daneben der rindenloſe bleiche Schaft eines heimgegangenen in ſich zuſammengebrochenen Altvaters aſtlos mit geknicktem Gipfel; wieder daneben und darunter die Ueberreſte früherer Generationen, dicht mit grünem Moosfilze mannigfacher Schattirung über - zogen, in allen Stadien der Verweſung.

Wo Stämme über den einzigen Pfad geworfen wurden, welcher ſich durch dieſe Wildniß windet, hat man Stufen in die Schäfte gehauen, auf daß man ſie überſchreiten könne, denn es hätte eines ungeheuern207 Kraftaufwandes bedurft, ſie aus dem Wege zu räumen. Etwa in der Mitte des Forſtes trafen wir auf einen eben geſtürzten Fichtkoloß. Der ſechsfußige Schaft lag gleich einem Wall quer über den Steig, die Größten unter uns vermochten nicht über ihn herüberzuſchauen; die gewandte Jugend hieb umſonſt ihre Bergſtöcke (Griesbeile) ein, um ſich im kühnen Satze hinaufzuſchwingen, ſie mußte endlich dem beſonnenen Alter folgen und den Baum umgehen.

Merkwürdig iſt die Fülle neuer Vegetation, welche ſich auf den alten Lägerſtämmen entwickelt. Ein dichter Pelz des üppigſten Mooſes überzieht ſie nach allen Seiten; darin finden die fallenden Baumſamen vortreffliches Keimbett und in dem darunter ſich bildenden Humus die jungen Pflänzchen geeigneten Boden. So haben in den Leichen der hingeſchwundenen Baumgenerationen Millionen nachwachſender Pflänzlinge Wurzel geſchlagen und ſtreben nunmehr rüſtig zu den ſpärlichen Licht - löchern hinan, welche dieſe Leichen durch ihren Sturz in das hohe Laub - gewölbe des rieſigen Forſtes ſchlugen. Auf einigen ſolchen Baum - kadavern fanden wir mehrere Hundert neuer Fichten und einzelne davon ſchon zu anſehnlichen 60 70jährigen Reideln erwachſen. Die moos - bedeckten Lagerſchäfte eignen ſich gegenüber dem mit einer dicken Schwarte überzogenen Erdboden ſo vorzüglich für den neuen Nachwuchs, daß dieſer oft auch nur auf dieſen erſcheint. Vielen alten Horſten ſieht man dieſe Entſtehungsweiſe jetzt noch an, denn ſie ſtehen in den geraden Linien des längſt vergangenen Schaftes da, auf welchem ſie urſprünglich gekeimt haben. Nicht ſelten trifft man auch Altſtämme, deren Wurzelknoten mehrere Fuße über dem Boden ſteht. Sie ſind eben auf ſtarken Baum - leichen entſtanden, ihre Wurzeln haben dann über die Seiten dieſer letzteren in den Erdboden hinabgegriffen und weil der von ihnen umfaßte Schaft in der Folge ganz zuſammenfaulte, ſo ſtehen ſie nunmehr mit einem Theile der Wurzeln in der Luft.

Ohne Unterlaß zog es uns vom Steige ab, den wir verfolgen ſollten; dieſes Eindringen in die anſcheinend noch unbetretene Wildniß hatte einen unnennbaren Reiz, dem Keiner zu widerſtehen vermochte, es war das Gefühl, welches die großen Weltumſegler bewegt haben mag, als ſie neue Erdtheile entdeckten.

208

Aber was war im Grunde unſer Vordringen! Wenige Schritte und gewaltige Lagerholzmaſſen traten uns entgegen. Mit ungeheurer An - ſtrengung ſchwangen wir uns über einen oder den andern Schaft hinüber, mühſam durchkrochen wir anderwärts die Gipfel oder zwängten uns zwiſchen dem Boden und dem Schaft durch; öfters ſprangen wir auf ein dichtbemooſtes Stammſtück, aber es brach unter uns ein und wir ver - ſanken bis über die Knie in Holzmoder. Es waren das völlig ver - mooſte Schäfte, welche nur noch durch den dichten Moosfilz zuſammen - gehalten wurden. Kaum war ein Verhau überwunden, ſo ſtellte ſich wieder ein neuer entgegen und nach halbſtündiger Anſtrengung aller Kräfte hatten wir nicht viel über hundert Klafter Wegs zurückgelegt. Gleichwohl befanden wir uns ſchon in einer völlig neuen Gegend, offen - bar, weil uns die überſtiegenen Lagerholzmaſſen den Rückblick auf den Steig abſchloſſen. Noch einige hundert Schritte, und wir waren nicht nur unbewußt von einander abgekommen, ſondern hatten auch ungeachtet der geſpannteſten Aufmerkſamkeit einer wie der andere gänzlich die Orien - tirung verloren.

Zum erſtenmale machte mir der Wald, ſonſt der trauteſte Freund meiner ſchönen wie meiner ſchmerzlichen Stunden wahrhaftig bange. Mit klopfendem Herzen und zurückgehaltenen Athem harrte ich voll Angſt aber vergeblich auf den Ruf unſeres Führers.

Nun erſt begriff ich die ſchauerlichen Geſchichten, welche mein alter Oheim, der ſeine Jugend in hieſiger Gegend verbracht hatte, in der Spinnſtube meines Großvaters öfter zum Beſten gab.

Um nicht vielleicht noch weiter vom Steige abzukommen, ließ ich mich auf einen bemooſten Baumſtamme nieder und beſchloß geduldig das Rufen abzuwarten, das dann doch endlich erfolgen mußte. Ich zog die Uhr, ſie wies auf ein Viertel auf Eins. Draußen ſchien wie ich mich ſpäter überzeugte die Sonne im hellſten Mittagsglanze. Aber nicht ein Strahl dieſer heißen Auguſtſonne drang in das ewige Dunkel, noch ſtörte er die unwandelbare feuchte Kühlung unter dem hohen Laub - gewölbe dieſes Forſtes. Schwermüthig ſtarrte ich in ſeine düſtern, ſchatten - loſen Säulenhallen, welche grau auf grün und wieder grau ſich nach allen Seiten in’s Endloſe zu erſtrecken ſchienen.

209

Alle Bewegung ſchien weit und breit erſtorben, es ſchwirrte kein Vogel, es flatterte kein Schmetterling und ſelbſt die Lüfte, welche hoch oben die Baumgipfel in ſanften Schwingungen wiegten, drangen nicht mehr in den Bereich der Schäfte herab. Lautloſe Stille rings umher, deſtomehr ſchreckte plötzlich der ſchneidende Schrei eines einſamen Spechtes und ein andermal das geiſterhafte Knurren zweier ſich reibender wind - bewegter Schäfte. Keine Spur menſchlichen Waltens milderte den bangen Eindruck dieſer ſchauerlichen Oede.

Ich wußte daß ich nicht ferne ſein könnte von meinen Freunden und gleichwohl übermannte mich das Gefühl drückendſter Einſamkeit, unwider - ſtehliches Bangen.

Dieſen Eindruck machte jener Urwald auf den Erzähler wie er mit - theilt in ſeinen Jugendjahren. 1851 ſtanden davon nur noch etwa 2000 Bäume, deren baldiges Verſchwinden er mit Bedauern vorausſagt. Intereſſant iſt, was Herr Weſſely am Schluſſe noch hinzufügt. Das Kernholz blieb hier 800 1000 Jahre geſund und die gefallenen Bäume brauchten 150 200 Jahre zu ihrer völligen Verweſung.

Roßmäßler, der Wald. 14[210]

7. Architektur der Waldbäume.

Du nennſt die alte Ulme wird und kraus,
Sie reckt, meinſt Du, die Aeſte hinaus
Wie’s grad ihr einfällt, krumm oder eben.
Du irrſt, mein Freund! ſei ihr nur gleich,
Dann biſt Du an innrer Ordnung reich.
Das Krauſe hat ihr das Schickſal gegeben.

Es iſt nicht blos ein ſich tröſtendes Hinnehmen, nicht blos ein ſich Begnügen mit dem was uns nun einmal ſo und nicht anders beſchieden iſt, es iſt nicht blos ein Urtheil des mit Nothwendigkeit an dem Immer - wiederkehrenden ſich bildenden Geſchmackes, wenn wir vom deutſchen Walde rühmen, daß er ſchön und herrlich, daß der Wald vielleicht nirgends ſchöner und herrlicher ſei als in Deutſchland.

Wie unſer Motto ſagt, treu den Vorſchriften einer inneren ordnungs - vollen Geſetzlichkeit, iſt das deutſche Klima dazu geſchaffen, den deutſchen Baum herauszufordern, zum Kampfe mit ihm. Er geht aus dieſem Kampfe hervor wie ein geläuterter Charakter, der treu den ewigen Vor - ſchriften der im Innern geſchriebenen Ordnung das treue Spiegelbild dieſes Kampfes und daher er ſelbſt iſt.

Wir erinnern uns an das, was wir im 5. Abſchnitte über die ord - nungsvolle Bildung und Stellung der Knospen am Triebe, der Triebe am Zweige, kennen gelernt haben.

Wenn dieſe Ordnung, gewiſſermaßen das innere Geſetz des Baumes, ſich unbeſchränkt geltend machen könnte, ſo müßten unſere Bäume anders ausſehen als es der Fall iſt, es müßte namentlich das mathematiſche Geſchlecht der Nadelhölzer, wie wir es nannten, einen hohen Grad von Regelmäßigkeit in der Gliederung der Krone zeigen, die vor dem ge - läutertem Geſchmack nicht würde beſtehen können, da dieſer durchaus nicht überall Regelmäßigkeit duldet.

211

Indem der Baum den zwingenden Nothwendigkeiten der äußeren Verhältniſſe ſich fügt, indem er bei ſeiner Entfaltung Rückſicht auf die ſeiner Nachbarn nimmt, giebt der Baum das Eigenwillige auf, was in ſeiner Anlage liegt, wird er das Erzeugniß des auf ihn wirkenden be - rechtigten Einfluſſes ohne ſich doch ganz aufzugeben, wird er ſo zur charaktervollen Perſönlichkeit.

Vergleichen wir den knospentragenden Trieb eines Ahorn mit dem einer Eiche (S. 63 Fig. 1. 2. ) und erinnern wir uns dabei, daß dieſe Knospenſtellung für dieſe beiden Bäume ein unabänderliches Geſetz iſt, ſo müßten wir erwarten, daß die Architektur eines Ahorn und einer Eiche ſehr von einander verſchieden ſein müßte. Vergleichen wir aber dann eine alte Eiche und einen alten Ahorn mit einander, ſo finden wir das Gegentheil: wir werden zwar beide unterſcheiden können aber keineswegs durch die ſteife Regelmäßigkeit der Aſtſtellung, welche in Folge der Knospen - ſtellung dem Ahorn zukommen müßte. Wir unterlaſſen nicht, uns hier noch einmal daran zu erinnern, daß ſo wie die Blätter ſtehen ſo auch die Knospen am Triebe, an den Knospen die Schuppen und die Triebe an den Zweigen geſtellt ſind, nur ganz beſonders haben wir uns auch daran zu erinnern, daß die Bäume von der Durchführung dieſer Anordnungs - geſetze dadurch befreit werden, daß nicht alle Knospen zur Entfaltung und nicht alle den entfalteten entſprungene Triebe zu gleicher Entwicklung kommen.

Es iſt dieſem hier noch hinzuzufügen, daß zu dieſem Ergebniſſe noch ein eigenthümliches Wechſelſeitigkeits-Verhältniß mitwirkt, welches zwar den einzelnen Baum auf ſeinen Nachbar einen Einfluß ausüben läßt, welches aber nicht immer bis zum unmittelbaren Handgemenge führt.

Könnten wir uns mit Leichtigkeit in die Wipfel eines Hochwaldes erheben, ſo würden wir zwar das Gezweig der benachbarten Bäume ſich vielfach durchſchlingen und berühren ſehn; dieß iſt aber nicht ein Ringen um die Vortheile des Lebens, ſondern ein Theilen derſelben zwiſchen Solchen, welche ſich zu Gleichberechtigten emporgearbeitet haben. Anders iſt es, wenn wir das ſogenannte unterdrückte Unterholz zwiſchen den Stämmen des Hochwaldes anſehen. Die Nachſtrebenden ſind kaum Nachſtrebende zu nennen, ſie bleiben in der Dürftigkeit ihrer niederen Stellung und es kommt in der Regel gar nicht bis zu einer unmittelbaren Berührung14*212zwiſchen ihnen und den Bevorzugten. Nur im Dickicht junger Hölzer (S. 155), wie es der aufſtrebenden Jugend eigen iſt, kommt es zum un - mittelbaren Wettringen, in welchem allmälig die Beſiegten zurückbleiben und entweder ein verkümmertes Daſein lange Zeit fortführen oder zu Grunde gehen.

Dieſes Gegenſeitigkeits-Verhältniß übt einen großen Einfluß auf die Architektur der Bäume aus, und es kann dem aufmerkſamen Freunde der Baumwelt eine überall zu wiederholende Unterhaltung verſchaffen, wenn er ſieht, wie auch dadurch die menſchliche Geſellſchaft dem Walde gleicht, daß ein Baum auf den andern einen beſtimmenden Einfluß ausübt.

Es iſt vor Allem von erheblicher Bedeutung bei der Ausprägung ihrer Architektur, in welcher gegenſeitigen Benachbarung die Bäume ſtehen, ob nur unter ihres Gleichen oder mit fremden gemiſcht, ob weit - läufig oder dicht, oder gar vereinzelt; ob ſie mitten im Beſtande oder am Saume deſſelben, ob ſie in ihrem rechten Boden ſtehen, der ihrer Natur am meiſten zuſagt, oder auf einem ungewöhnlich günſtigen oder auf einem ihnen ſo wenig zuſagenden, daß ſie auf ihn nur gerathen konnten, weil ſie der Zufall oder unpaſſende Wahl ihres Erziehers dahin verſchlug. Die größere oder geringere Meereshöhe ihres Standorts, die Lage des - ſelben gegen die Himmelsgegenden, ſeine größere oder geringere Tief - gründigkeit, alles das und noch Anderes mehr übt einen Einfluß auf den architektoniſchen Charakter der Bäume aus.

Wir können hieraus leicht abnehmen, daß eine Eintheilung der Bäume nach ihrem architektoniſchen Charakter durch eine Menge einfluß - reicher Beſchränkungen erſchwert werden muß. Nichts deſto weniger iſt es für unſern Zweck, der zunächſt eine genaue Kenntniß des Waldes iſt, nothwendig, hier das Beſtändige im Wechſelnden aufzuſuchen.

Wenn wir durch Anwendung des Wortes Architektur den Baum mit einem Gebäude vergleichen, ſo haben wir wie bei einem ſolchen auch am Baume zwiſchen einer Gliederung der Haupttheile und einer Ornamentik zu unterſcheiden.

Stamm und Verzweigung bilden das Erſtere und in dieſer Hinſicht macht ſich zunächſt ein großer Unterſchied zwiſchen den Nadelbäumen und den Laubhölzern darin geltend, daß bei erſteren, mit häufiger Ausnahme der Kiefern, der Stamm ſich ſtrenger durchführt als bei den letzteren, ſo213 daß wir ſehr häufig an den oberſten Triebſpitzen einer alten Fichte die - jenige leicht herausfinden, welche das jeweilige Ende des Stammes iſt. In dieſem Falle bilden die unter ſich meiſt ziemlich übereinſtimmenden Aeſte nur eine Umkleidung des Stammes und ſtehen hinſichtlich ihres Durchmeſſers dem des letzteren bedeutend nach.

Am entſchiedenſten iſt dies bei der Lärche und Fichte der Fall, am wenigſtens bei den Kiefern; die Tanne ſteht zwiſchen beiden.

Vergleichen wir eine junge Kiefer mit einer jungen Fichte, Tanne oder Lärche und thun wir daſſelbe bis in das Stangenholzalter (S. 156), ſo ſollte eigentlich das Gegentheil ſtattfinden: der gänzliche Mangel zu regelmäßiger Entwickelung kommender Blattachſelknospen bei den Kiefern, welche im Gegentheil nur End - oder Quirlknospen haben, müßte eigentlich die Kiefernarchitektur zu einer rein pyramidalen machen, während die zwar ebenfalls pyramidal angelegten andern Nadelhölzer deswegen am meiſten angethan ſein müßten, dieſe Anlage zu verlaſſen, weil ſie eine Menge unregelmäßig geſtellter Blattachſelknospen beſitzen. Gleichwohl iſt es umgekehrt: nehmen gerade die Kiefern im Alter, wenn ſie nicht ganz im dichten Schluſſe ſtehen, eine weitäſtige, die Durchführung des Stammes aufgebende Architektonik an, ſo daß man aus der Ferne den Rand eines alten Kiefernbeſtandes leicht für Laubholz nehmen könnte, wenn dem nicht die dunkle Farbe der Benadelung und die braungelbe Rinde der Aeſte widerſpräche.

Wodurch dieſes Aufgeben der urſprünglichen pyramidal angelegten Architektonik der Kiefern bedingt ſei, werden wir ſpäter kennen lernen.

Die Tanne iſt zwar, wie angedeutet, geneigt es den Kiefern gleich zu thun, aber es gelingt ihr niemals, die ſtrenge Durchführung des ſenk - rechten Stammes los zu werden; wenigſtens die ſenkrechte Richtung des - ſelben nicht, denn wenn auch zuweilen der Stamm ſich theilt, ſo ſtreben doch unabänderlich die Theile in ſenkrechter Richtung nach oben. Da die Tanne unter allen Nadelhölzern die größte Lebensfähigkeit und das größte Vermögen beſitzt, Verletzungen auszuheilen und zu überwinden, ſo liegt auch hierin ein Grund zu mancherlei oft bizarren Abweichungen von dem pyramidalen Bau.

Wenn auch alle Nadelhölzer, wenigſtens bis zu einem gewiſſen Alter, den verlorenen, den Stamm fortſetzenden Herztrieb dadurch erſetzen können,214 daß ſich einer der nächſt unteren Quirltriebe aus ſeiner ſchrägen Stellung emporrichtet und die Stelle des verlorenen einnimmt, ſo iſt dies doch bei der Tanne am meiſten der Fall und ſelbſt noch in höherem Alter, wo - durch bei den Tannen oft abenteuerliche Geſtalten zu Tage kommen.

Die bekannte Pyramidengeſtalt der Fichte und Lärche erleidet in der Ebene und im Mittelgebirge faſt nie eine erhebliche Störung, wohl aber namentlich die erſtere in der Alpenregion, wo namentlich die ſogenannten Wettertannen, um den Schaft herum mehrere Aeſte in weitausgreifen - dem Bogen, zuletzt ſich ſenkrecht emporrichtend einen gewaltigen Baum mit vier, fünf dem mittelſten nachſtrebenden Wipfeln bilden, unter welchem die Alpenhirten mit ihrem Vieh gegen Unwetter Schutz finden.

Wie der Wachholder (Juniperus communis) und der Taxus (Taxus baccata) von den echten Zapfenbäumen (Strobilaceen oder Coniferen) botaniſch abweichen und letzterer eine kleine natürliche Familie für ſich bildet, ſo weichen ſie auch in der Architektur von dieſen ab, hierin ge - wiſſermaaßen einen Uebergang zu den Laubhölzern bildend. Beide bleiben meiſt ſtrauchartig, der Taxus, die am langſamſten wachſende deutſche Holzpflanze, namentlich ſchon vom Stocke an vieläſtig. Der Taxus kann recht eigentlich ein Architekturbaum genannt werden, indem er von der altfranzöſiſchen und holländiſchen Gartenkunſt, traurigen Andenkens, durch Halten unter dem Schnitt zu den monſtröſeſten Figuren, Thiergeſtalten nicht ausgenommen, gezwungen wurde. Wir werden ſpäter ſehen, daß der Taxus auch in andern Beziehungen einen eigenthümlichen Zug in dem Charakter unſerer deutſchen Baumflora bildet.

Wir können nun, zu der Belaubung übergehend, dieſe eine Orna - mentik des Baumgebäudes nennen, wie ja bekanntlich Laubwerk zu allen Zeiten der fortgeſchrittenen Baukunſt Vorbilder für architektoniſche Ornamente dargeboten hat.

Geſtalt, Farbe und Anordnung der Nadeln, obgleich durchaus keine erheblichen Manchfaltigkeiten zeigend, vermögen dennoch den verſchiedenen Nadelholzarten verſchiedene Charaktere aufzuprägen. Dies iſt namentlich um ſo mehr der Fall, wenn wir die benadelten Triebe noch mit zur Ornamentik ziehen und wir zugleich, in Samenjahren, auf die Zapfen achten.

Unleugbar werden Fichte und Lärche, neben ihrem ſtrengdurchge - führten Pyramidenbaue, durch ihre Benadelung am weiteſten von den215 Laubhölzern entfernt, während Tanne und Kiefern dieſen hierin etwas näher ſtehen.

Schon im Stangenholzalter iſt die Tanne durch ihre Nadelgruppirung, die mehr ſelbſtſtändige buſchige Maſſen bildet, von der Fichte, bei der linienförmige Gruppirung vorſticht, ſehr verſchieden, was durch das Auf - ſtreben der Aeſte weſentlich erhöht wird, indem dadurch der Contraſt der tiefgrünen Oberſeite von der hellblaugrünen Unterſeite der Nadeln mehr hervortritt und dieſe contraſtirenden Farbentöne die Tanne noch mehr vor dem Melancholiſchen der Fichte bewahren. Da die Kiefer im Alter ihre Nadeln nicht leicht länger als 3 4 Jahre behält, alſo alle älteren Triebe kahl ſind, ſo giebt dies bei der Länge und einiger Einwärts - krümmung der Nadeln der Benadelung derſelben etwas Lockeres, Sträußchen - artiges, worauf noch ganz beſonders die Stellung der männlichen Blüthen - kätzchen nach deren Abfallen einen eigenthümlichen Einfluß ausübt.

Wenn in reichen Samenjahren die Fichte blüht und eben im Begriff ſteht, ihre kugelrunden männlichen Blüthenkätzchen zu öffnen, dann erfreut ſie ſich vor allen andern Waldbäumen eines reizenden Schmuckes, denn dann ſehen dieſe an Geſtalt und Farbe Erdbeeren täuſchend ähnlich, ſo daß es leicht ſein würde, einen Urkundigen mit einer Schale voll davon bis zum Zulangen zu täuſchen. Dieſe prachtvoll purpurrothen Blüthen - kugeln ſind über den ganzen Baum ausgebreitet, während die unſchein - bareren weiblichen Blüthenzäpfchen mehr im Wipfel ſtehen.

Die Tanne trägt beiderlei Blüthen blos im oberſten Wipfel und nur in reichen Samenjahren fallen ungeſucht die aufrechten fingerlangen hellgrünen, igelartig mit langen Deckblättchen beſetzten weiblichen Blüthen - zapfen in das Auge, während die männlichen weniger hervortreten.

Die Kiefern ſind von allen Nadelhölzern die blüthebefliſſenſten und während die kleinen erbſengroßen weiblichen Blüthenzäpfchen (S. 124 Fig. 1.), obgleich an der Spitze der jungen Triebe ſtehend, nichts zum Charakter des Baumes beitragen, ſo verleihen die in Menge um das untere Ende des jungen Triebes gruppirten ſchwefelgelben eirunden männ - lichen Blüthenkätzchen (S. 124 Fig. 13.) der blühenden Kiefer einen allerdings kaum länger als eine Woche währenden Schmuck, der den nichts weniger als zierenden Aberglauben des Schwefelregens veran - laßt hat.

216

Bei der Lärche ſind es mehr die purpurrothen weiblichen Blüthen - zäpfchen als die viel kleineren gelben männlichen, was die herabhängenden peitſchenförmigen Triebe ſchmückt und wir wiſſen ſchon, daß dieſer Schmuck bei der Lärche im früheſten Alter und oft ſchon an ſehr jungen Bäumen erſcheint.

Einen nicht minder von einander abweichenden Schmuck verleihen in Samenjahren die Zapfen der Fichte und der Tanne. Da dieſe bei der Fichte an den Spitzen der Triebe und vorwaltend im Wipfel und zwar abwärts hängend ſtehen, ſo ziehen ſie durch ihre Schwere die ohnehin abwärts ſtrebenden Zweige noch mehr nieder und ſteigern das melancho - liſche Anſehen des Baumes. In beſonders reichen Samenjahren ver - mögen die hellkaffeebraunen Zapfen nicht nur die Farbe der Fichten weſentlich zu beeinträchtigen, ſondern die Wipfel zu beugen und ſogar abzubrechen, was z. B. in dem reichen Samenjahre 1859 der Fall war.

Die Tanne trägt ihre ſchönen faſt walzenrunden dunkeln Zapfen aufrechtſtehend auf den für deren Laſt hinlänglich erſtarkten Zweigen des oberſten Wipfels, ſo daß ſie, da nur hohe alte Tannen fruchttragend zu ſein pflegen, nur in reichen Samenjahren in das Auge fallen, dann aber auch dem Baume zu einer wahren Zierde gereichen. Nach einem Samen - jahre bleibt in den Zapfenſpindeln der Tanne für einige Jahre ein ſonder - barer Anputz. Es fallen nämlich nicht die ganzen Zapfen vom Baume wie bei Fichte und Kiefer, ſondern beim Samenfall löſen ſich vom Zapfen alle Schuppen und fallen mit den Samen zugleich ab und es bleiben die federkieldicken ſteifen Spindeln allein ſtehen.

Die zwiſchen den Nadeln ziemlich verſteckten Zapfen der Kiefer tragen wenig zur Ornamentirung des Baumes bei. Am meiſten noch, wenn im Frühjahr nach dem Abfliegen des Samens die Zapfenſchuppen ſich ſo ſtark öffnen und auswärts biegen, daß die Zapfen faſt kugelich werden. Dieſer Schmuck iſt aber von kurzer Dauer, weil alsdann die Zapfen bald abfallen.

Daß und wie ſelbſt einige Inſektenarten einen theils vorübergehenden theils dauernden Einfluß auf Ornamentik und, bei der Kiefer, ſelbſt auf die Architektur der Nadelhölzer äußern können, werden wir ſpäter kennen lernen.

217

Bei der viel größern Manchfaltigkeit in der Stellung der Knospen und Triebe verſteht es ſich nun leicht von ſelbſt, daß uns die Architektur der Laubhölzer weit mehr Abwechſelung bietet.

Schon der Unterſchied zwiſchen Baum und Strauch tritt bei den Laubhölzern viel beſtimmter auf, als bei den Nadelhölzern.

Dieſer Unterſchied iſt nicht mit einer vollſtändigen Schärfe feſtzu - ſtellen, indem einige Holzgewächſe vorkommen, bei denen es fraglich ſein könnte, ob wir ſie Bäume oder Sträucher nennen ſollen. Jedermann weiß, daß ein Baum ſich dadurch von einem Strauch unterſcheidet, daß ſich aus ſeiner Wurzel nur ein Stamm erhebt, während ſich aus der Wurzel des Strauches mehrere Stämme, meiſt unmittelbar aus dem Stocke, bilden.

Dieſe allgemein bekannte Unterſcheidung unterliegt allerdings mancherlei Beſchränkungen und es kommt vor, daß eine Holzart ebenſowohl als Baum, wie als Strauch angetroffen wird. Dieſe Erſcheinung wird am meiſten durch die Verſchiedenheit des Standorts bedingt. Holzgewächſe, die in der Ebene oder in ſüdlicheren Lagen regelrechte Bäume ſind, werden in höheren Berglagen oder in nördlicheren Breiten, welches Beides in dieſer Wirkung nahe zuſammenfällt, zu vielſtämmigen Sträuchern, bis ſie endlich zuletzt zu niedrigen Gebüſchen verkümmern.

Ein Beſuch der Alpen giebt Gelegenheit, ſich hiervon zu überzeugen, wobei man namentlich finden würde, das Fichte und Buche dieſem Einfluß unterliegen. Auch die forſtliche Behandlung der Holzarten, wie uns bereits bekannt iſt, übt bei den Laubhölzern einen großen Einfluß auf die Architektur aus. Selbſt die majeſtätiſche Eiche wird in der Niederwald - wirthſchaft zu einem buſchigen Strauche, wie wir wiſſen dadurch, daß man, bevor die Eiche ſich zu einem kräftigen Baum zu entwickeln be - gonnen hat, ſie am Stocke abhaut und dann durch Adventivknospen eine Menge Stämmchen ſich bilden.

Es iſt uns bereits bekannt, daß die faſt bei allen Bäumen ſehr regel - mäßig geſtellten Knospen eigentlich einen durchgreifenden Einfluß auf die Architektur der Bäume ausüben müßten und daß z. B. bei Eſche und Ahorn die Knospen regelmäßig kreuzweiſe gegenſtändig geſtellt ſind, und daher dieſe Bäume eine vollkommen regelmäßige Anordnung ihrer Aeſte und Zweige bemerken laſſen müßten. Wir wiſſen aber, daß dies nicht218 der Fall iſt, ebenſo wodurch dies Aufgeben der Regelmäßigkeit bedingt iſt, nämlich dadurch, daß eine Menge Knospen nicht zur Entfaltung kommen und durch die dabei entſtehenden Lücken der regelmäßige Kronenbau ver - loren gehen muß. Immerhin aber bleibt bei den genannten und noch einigen andern Bäumen dieſe Regelmäßigkeit des Baumes bis zu einem gewiſſen Alter erkennbar. Dies iſt namentlich der Fall, wenn die Er - nährungs-Verhältniſſe des jungen Baumes beſonders günſtig ſind, ſo daß nahezu alle Knospen zur Entfaltung gelangen können.

Wir unterſcheiden am Laubholzbaume ebenſogut, wie am Nadelholz - baume, Stamm und Krone, ja ſogar mit noch größerer Beſtimmtheit, weil zwiſchen ihnen bei jenen eine ſchärfere Scheidung beſteht.

Der Stamm, wenn er beſonders regelmäßig und lang ausgebildet iſt vom Forſtmann Schaft genannt, iſt hinſichtlich der Vollkommenheit ſeiner Ausprägung an einer und derſelben Baumart von verſchiedenen Bedingungen abhängig. Wir haben ſchon erfahren, daß es hierbei ſehr darauf ankommt, ob der Baum frei oder im dichten Schluſſe erwachſen iſt, indem letzteres ſehr viel dazu beiträgt, daß ſich der Stamm ſehr voll - ſtändig entwickelt. Es iſt daher nicht möglich anzugeben, wie lang bei einer Baumart an ausgewachſenen Exemplaren der Stamm durchſchnittlich zu ſein pflegt, wobei es außerdem noch fraglich iſt, die obere Grenze des Stammes anzugeben, ob man dieſe da ſetzen ſoll, wo der erſte ſtarke Aſt von ihm abgeht, oder da, wo er erſt beginnt, mit vollſtändiger Aufgebung der ſenkrechten Richtung, ſich vollſtändig in Aeſte aufzulöſen. Nichts - deſtoweniger kann man bei den verſchiedenen Laubholzbäumen in der Stammgeſtaltung mancherlei Geſetze nachweiſen. Unter allen unſern Laub - holzbäumen führt die Erle ihren Stamm am regelmäßigſten bis zur Spitze durch, während das Gegentheil davon der Hornbaum iſt, deſſen kurzer Stamm ſich vollſtändig in ziemlich gleich ſtarke zahlreiche Aeſte auflöſt, wodurch der Baum ein beſenartiges Anſehen bekommt.

Einen erheblichen Einfluß auf das Anſehen der Bäume übt das Dickenverhältniß zwiſchen Stamm und Aeſten aus und ein Blick auf eine alte Eiche überzeugt uns, daß ſie uns deswegen ein Bild der gewaltigen Kraft iſt, weil ihre Aeſte im Vergleich zum Stamm eine ſehr bedeutende Stärke zeigen, während hierin der Hornbaum ihr gerades Gegentheil iſt.

219

Was die Geſtalt des Laubholzſtammes und deſſen allmäliges Abfallen nach oben hin betrifft, ſo kann man in dieſer Hinſicht zweierlei Grund - formen unterſcheiden. Die eine kommt mehr der Walzen - oder richtiger Säulenform, die andere dem langen ſchmächtigen Kegel nahe. Die erſtere iſt ganz vorzüglich der Buche eigen, die andere in auffallendſtem Grade der Birke.

Wenn ein Baum unter ganz normalen Verhältniſſen erwachſen iſt, ſo ſollte eigentlich ſein Stamm einen kreisrunden, ſcheibenförmigen Quer - durchſchnitt zeigen. Dies iſt aber bekanntlich nur ſelten der Fall, indem verſchiedene Veranlaſſungen dieſe Regel ſtörten.

Die Geſtalt des Querdurchſchnittes eines Stammes hängt theils von der Wurzel, theils von der Krone ab, indem einem beſonders ſtarken Wurzelaſte und einem beſonders vorwaltenden Kronenaſte am Stamme gewöhnlich eine an ihm längs herablaufende Ausbauchung oder Kante entſpricht. Es iſt mit dieſer Berückſichtigung daher ſelbſtverſtändlich, daß der Querdurchſchnitt der Stämme dann der Scheibengeſtalt am nächſten kommen muß, wenn der Baum im vollkommen gleichmäßigen Schluſſe erwachſen iſt. Die Benachbarung eines Baumes mit einem andern dicht neben ihm ſtehenden, oder mit einer ſenkrechten Felſenwand, üben natürlich ebenfalls einen ſtörenden Einfluß in dieſer Beziehung aus.

Ebenſo wie der kreisrunde Durchſchnitt eines Stammes ſich eigentlich von ſelbſt verſtehen ſollte, ſo iſt dies auch der Fall hinſichtlich der äußern Erſcheinungen in ſeinem Verlaufe, d. h. es ſollten, wenn der Stamm voll - ſtändig rund iſt, alle an ihm ſichtbaren Längslinien einen ſenkrechten Verlauf zeigen. Dies iſt aber nur äußerſt ſelten der Fall und was man in dieſer Beziehung lange Zeit bei gewiſſen Baumarten als eine ihnen eigene Ausnahme von der Regel angeſehen hatte, iſt in neuerer Zeit namentlich durch Alexander Braun, als die Regel erkannt worden. Faſt alle Bäume zeigen nämlich eine mehr oder weniger ſtark ausgeprägte Spiral - windung ihres Stammes, die ſich nicht blos äußerlich, ſondern auch im innern Gefüge ausſpricht, ſo daß es daher nur ſelten möglich iſt, einen Stamm der Länge nach ſo durchzuſpalten, daß die Spaltflächen vollkommen eben ſind. Vielmehr zeigt oft ſchon auf 3 4 Fuß Länge der Stamm in ſeinem Gefüge eine halbe Umdrehung.

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Am ſtärkſten gedreht zeigt ſich, namentlich auch an der Oberfläche, der Stamm des Hornbaumes, am wenigſten der der Buche. Dieſe Drehung iſt bei dem Hornbaum zuweilen ſo bedeutend, daß ein Stamm einem rieſenmäßigen wenig gedrehten Tau ähnlich wird, wobei die Um - gänge ſich durch abwechſelnde Erhöhungen und flache Rinnen zu erkennen geben. Der Forſtmann nennt dieſe Erſcheinung am Hornbaum an manchen Orten ſpannrückig an andern kluftig.

Mögen wir nun einen Baumſtamm mehr mit einer Walze oder einem Kegel vergleichen, ſo denken wir dabei unwillkürlich an eine im mathematiſchen Mittelpunkt liegende Axe. Wir wiſſen bereits, daß das Mark dieſe Axe bildet, wir wiſſen aber auch ſchon, das dieſe Axe faſt nur dann im mathematiſchen Mittelpunkt liegt, wenn der Baum im gleichmäßig dichten Schluß erwachſen iſt. Da aber kein einziger Laub - holzbaum einen ſo dichten Schluß verträgt, wie Fichte und Tanne, ſo kommen auch äußerſt ſelten Laubholzbäume mit vollkommen centraler Markaxe vor, während jede Brunnenröhre uns ein Beiſpiel davon giebt, daß dies bei den Nadelhölzern ſehr häufig der Fall iſt.

Wir haben ſchon früher einmal erfahren, daß der Forſtmann ſagt: der Baum reinigt ſich, wenn er ausdrücken will, daß derſelbe die unteren Aeſte allmälig abſterben läßt, ſo daß ſie abbrechen. Dieſes ſich Reinigen iſt die Bedingung, durch welche der Stamm ſich der Krone geſtaltlich entgegen ſtellt. Die Gründe, warum die eine Baumart ihren Stamm früher reinigt, eine zweite ihn weiter hinauf reinigt, als eine andere, beruhen zwar größtentheils in dem Grade des Schluſſes; allein eine Baumart, die von Natur zu einer regelmäßigen Schaftbildung geneigt iſt, reinigt ihren Stamm auch dann, wenn ſie vollkommen frei ſteht. Wir müſſen alſo vermuthen, was wir freilich dem bedingenden Weſen nach wenig zu erklären vermögen, daß dieſe Erſcheinung auf einem Lebens - geſetz beruht, daß in demſelben Maßſtab, als oben neue Aeſte nachwachſen, die untern abſterben und allmälig abgeworfen werden.

Wenn wir einen vielleicht 30 Fuß hohen aſtfreien Buchenſchaft vor uns ſtehen ſehen, ſo dürfen wir nicht vergeſſen, daß in dieſer ganzen Er - ſtreckung in früheren Lebensperioden des Baumes eine große Anzahl Aeſte geſtanden haben, von denen wir gleichwohl jetzt äußerlich keine Spur, nicht einmal Rindennarben mehr wahrnehmen.

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Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ein Stamm um ſo mehr einer der beiden genannten mathematiſchen Grundformen gleicht, je vollſtändiger er das Reinigungsgeſchäft an ſich vollzogen hat. Indem dieſes im hohen Grade bei der Buche ſtattfindet, ſo gewinnt dadurch ein alter, im guten Schluß ſtehender Buchenhochwald den impoſanten ſäulenhallenartigen Charakter, was einen durchaus andern Eindruck auf unſere Phantaſie macht, als ein in allen übrigen Beziehungen gleicher Eichenwald, in welchem die Stämme, abgeſehen davon, daß ſie nicht ſo ſchlankſchaftig ſind, faſt immer ſtehen gebliebene Aſtſtummel zeigen.

Indem wir zur Betrachtung der Krone übergehen, ſo zeigen in dieſer Hinſicht unſere deutſchen Laubholzarten keine große Manchfaltigkeit, ob - gleich darin doch nicht eine ſo vollſtändige Uebereinſtimmung herrſcht, daß dadurch ein Laubwald langweilig würde.

Es gewährt für das fein blickende, künſtleriſch gebildete Auge eine angenehme Unterhaltung und würzt die Spaziergänge im Walde, wenn man ſich bei der Betrachtung der Baumkronen der feinen Unterſchiede bewußt zu werden verſteht, welche durch die Art der Gliederung derſelben bedingt ſind. Wir haben zunächſt die Geſammtformen der Kronen in’s Auge zu faſſen. Wenn auch in dieſer Hinſicht bei manchen Baumarten ein ſtark ausgeſprochener Charakter bemerkbar iſt, ſo übt dennoch die Benachbarung und Stellung des Baumes hierauf einen nicht unweſent - lichen Einfluß aus. Ob eine Buche z. B. im Schluſſe oder frei ſteht, ob ſie am Rande oder in der Mitte eines Beſtandes, ob dicht neben ihr, kaum einen Fuß weit getrennt eine andere Buche ſteht, ob ſie nach der Eigenthümlichkeit des Bodens eine ſtarke Bewurzelung hat oder nicht, alles dies übt einen bedeutenden Einfluß auf die Geſtaltung der Krone aus. Dieſer Einfluß kann ſo mächtig ſein, daß zwei Bäume derſelben Art einander in der Kronengeſtaltung nicht im Mindeſten gleichen. Dies zeigt ſich in auffallender Weiſe, wenn ein geſchloſſener Hochwaldbeſtand abgetrieben wird und man nur einzelne Bäume ſtehen läßt (überhält) um durch ſie die Beſamung der abgetriebenen Fläche bewirken zu laſſen. Solche Samenbäume ſehen meiſt ganz anders aus, als frei erwachſene.

Hiernächſt müſſen wir uns auch daran erinnern, daß die Kronen je nach dem Alter des Baumes weſentliche Verſchiedenheiten erkennen laſſen. 222Eine alte haubare Buche, mag ſie frei oder im Schluſſe erwachſen ſein, hat eine gerundete Abwölbung der Krone, während ein jüngerer etwa 4 Fuß hoher Baum, frei oder im Schluſſe erwachſen, eine mit zahl - reichen hervorſtechenden Zweigſpitzen verſehene Krone ohne Spur von Abwölbung zeigt.

Bei der folgenden Betrachtung der verſchiedenen Gattungseigen - thümlichkeiten der Laubholzkronen müſſen wir uns alſo an ſolche Einflüſſe erinnern, wenn wir nicht in den Fall kommen wollen, bei der Anwendung derſelben die Schilderung entweder falſch zu finden oder uns irre führen zu laſſen.

Wir haben zunächſt unter den Formen der Krone zu unterſcheiden, ob dieſelben einen abgeſchloſſenen, mehr oder weniger regelmäßigen Umfang, oder mehr eine unterbrochene Gliederung deſſelben zeigen. Im erſteren Falle kann man hauptſächlich drei Formen unterſcheiden: die mehr oder weniger vollkommen gerundete, die kuppelförmige und die längliche, durch ſpitze Wipfelendigung nicht ſelten kegelförmig werdende. Namentlich in dieſen drei Beziehungen iſt es von Einfluß, ob ein Baum frei oder im Schluſſe erwachſen iſt, indem die frei erwachſenden Bäume zuletzt geneigt ſind, eine abgeſchloſſene Kronenform anzunehmen, weil nichts ſie hindert nach allen Seiten hin ihre Zweige gleichmäßig auszubreiten. Daher kommt es, daß in den meiſten Fällen frei erwachſene Bäume keine maleriſch ſchöne Form haben. Die kuppelförmige Kronengeſtalt iſt vor - züglich der Eſche eigen, die wir auch in anderer Beziehung als einen ſchönen maleriſchen Baum kennen lernen werden. Die Erle, welche, wie wir ſchon wiſſen, ihren Stamm ſehr gerade durch die ganze Krone hin - durchführt und dabei eine ziemlich gleiche Länge aller ihrer Aeſte zeigt, hat am meiſten eine längliche, der Walzenform nahe kommende, oben ab - geſtumpfte Krone, während in weitläufigem Schluſſe ſtehende Hornbäume meiſt eine kegelförmige Krone bekommen.

Maleriſch ſind unter allen Verhältniſſen diejenigen Bäume, bei denen die Krone einen mehr unterbrochenen Umriß zeigt, welcher zuweilen an die Umriſſe der Haufwolken erinnert. Solche Geſtalten zeigen namentlich die Eichen, Ahorne, Linden und Ulmen und die ſehr oft unverſtändlichen Baumgeſtalten unſerer Landſchaftsbilder laſſen ſich gewöhnlich am leichteſten noch auf eine von dieſen Baumarten zurückführen.

223

Da die Krone ein aus zahlreichen Aeſten und Zweigen zuſammen - geſetzter Körper iſt, ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß ihre Geſtalt ab - hängig iſt von den Beziehungen, die ſich an dieſen ihren Gliedern finden und wenn wir bei der Betrachtung dieſer Beziehungen von den Aeſten zu den immer feiner werdenden Verzweigungen übergehen, ſo iſt zunächſt Rückſicht zu nehmen auf die Richtung der Aeſte. Dieſe iſt in der Haupt - ſache entweder mehr aufrecht, oder mehr wagerecht, oder ſelbſt hängend. Unter allen unſern Waldbäumen hat der Hornbaum die am meiſten auf - wärts gerichteten Aeſte, wodurch eben, wie wir ſchon vorhin ſahen, namentlich die im lichten Schluſſe ſtehenden Hornbäume, die beſenähnliche Geſtalt bekommen. Auch die Ulme iſt zu dieſer Richtung ihrer Aeſte geneigt und es liegt hierin hauptſächlich ein Kennzeichen, wodurch von Weitem die Ulmen von den Eichen unterſchieden werden können, zwiſchen welchen zuweilen große Aehnlichkeiten ſtattfinden. Die Eiche iſt am meiſten geneigt, ihre kräftigen Aeſte, namentlich die untern, wagerecht nach allen Seiten auszudehnen, wodurch es bedingt iſt, daß die Eichen unter allen Bäumen die größte Bodenfläche beſchirmen. Bei der Eſche ſehen wir in dieſer Beziehung ganz vorzüglich den Einfluß, den das Baumalter auf die geſtaltlichen Merkmale der Krone ausübt. Während nähmlich jüngere Eſchen aufwärts ſtrebende Aeſte zeigen, ſo verwandelt ſich dieſe Richtung an ſehr alten Bäumen durch die vorwaltende Ver - längerung der Haupttriebe in eine waagerechte und zuletzt ſogar hängende. Dieſe letztere Erſcheinung kommt bekanntlich bei keinem Baume ausge - ſprochener vor, als bei der Birke, deren Krone man daher, wenn es nicht unſchön klingen würde, geradehin perückenförmig nennen könnte.

In dieſer Richtung der Zweige liegt ein ganz beſonders brauchbares Kennzeichen bei den Linden, welche bekanntlich ein ſehr hohes Alter und eine ſehr bedeutende Größe erreichen und dadurch von Weitem gar leicht mit der Eiche und mit ſehr großen Rüſtern verwechſelt werden können. Immer aber ſind ihre Aeſte bogenförmig aus - und abwärts gebogen, ohne jedoch dadurch jemals eine eigentlich hängende Richtung anzunehmen. Gerade durch dieſe Eigenthümlichkeit gewinnt eine alte einſam ſtehende Kirchhofslinde den ſo eigenthümlichen ſchönen Charakter, wodurch ſich die Linden vor allen übrigen Bäumen auszeichnen.

224

Gehen wir in der feinern Zuſammenſetzung der Laubkronen um einen Schritt weiter, ſo müſſen wir nun unterſuchen, wie an den Zweigen die Triebe angeordnet ſind und kommen ſo allmälig in das Gebiet der Ornamentik.

Wir haben uns hier daran zu erinnern, daß wir in der Hauptſache die kreuzweis gegenſtändige, die ſpirale und allenfalls noch die zweizeilige Triebſtellung zu unterſcheiden haben und in dieſen Stellungsverſchieden - heiten müßte demnach ein weſentlicher Grund dazu liegen, welchen Charakter eine Baumkrone in ihrer feinen Gliederung haben müßte. Allein dies iſt weniger häufig der Fall, als man glauben ſollte und zwar aus dem Grunde, den wir oben wiederholt berührten, daß eine Menge Triebe nicht zur Entfaltung kommen, weil die Knospen, von denen die - ſelben auszugehen gehabt hätten, abſtarben.

Wir können in der Hauptſache dreierlei Arten der Triebſtellung am Zweige unterſcheiden, die büſchelige, die fächerförmige und die ſpitz kegel - förmige, oder vielmehr durch die verſchiedene Anordnung der Triebe be - kommt ein einzelner Zweig entweder eine büſchelige, eine fächerförmige oder eine ſpitz kegelförmige Geſtalt und es iſt dann aus ſolchen Geſtalten die Krone zuſammengeſetzt. Wir haben früher (S. 74) die Triebe als Langtriebe und als Kurztriebe unterſchieden, woran wir uns jetzt wieder erinnern müſſen, weil es einen großen Einfluß auf die feinere Gliederung einer Laubholzkrone ausübt, ob ein Baum mehr Langtriebe oder mehr Kurztriebe bildet. Die vorhin hervorgehobene Verſchiedenheit der Kronen - bildung je nach dem Alter des Baumes beruht großentheils darauf, daß junge, auf gutem Boden und in kräftigem Wuchs ſtehende Bäume mehr Langtriebe, als Kurztriebe machen, während an ſehr alten Bäumen faſt gar keine Langtriebe mehr vorkommen, ſondern die Krone an ihrem ganzen Umfange nur ſehr ſpärlich ſich vergrößert durch Hinzuwachs von zahlloſen außerordentlich geringfügigen Kurztrieben. Die Buche und die Ulme macht namentlich bis in ein ziemlich hohes Alter ſehr viele Langtriebe, wodurch es bedingt wird, daß die Krone dieſer Bäume eine mehr oder weniger große Zahl heraustretender Spitzen zeigen. Am grellſten zeigt ſich der Einfluß des Gegenſatzes zwiſchen Kurztrieben und Langtrieben bei der Birke, wozu noch kommt, daß die Zweige und ſelbſt die Aeſte der - ſelben außerordentlich viel geringer in der Dicke als in der Länge225 zunehmen, ſo daß die immer länger werdenden Zweige ſich nicht mehr aufrecht erhalten können und eben die lange peitſchenförmige Geſtalt und herabhängende Richtung annehmen.

Indem wir nun zur Ornamentik der Laubholzbäume übergehen, d. h. zu denjenigen Charakteren der Krone, welche von den Blättern, Blüthen und Früchten abhängig ſind, ſo iſt um zuerſt von den Blättern zu ſprechen zunächſt deren Anordnung und Stellung an den Trieben in’s Auge zu faſſen. Wenn wir den Holzſchnitt auf S. 63 betrachten und z. B. den Eichentrieb Fig. 2. und den Trieb der Traubenkirſche Fig. 6. vergleichen, ſo errathen wir leicht, daß die Blätter an dieſen beiden Bäumen eine ganz verſchiedene Stellung und Anordnung haben, was auf die Belaubungsverhältniſſe einen ſehr bedeutenden Einfluß ausüben muß. Bei der Eiche ſtehen die Blätter immer an den Spitzen der Triebe in Mehrzahl gehäuft dicht beiſammen, ſo daß die Belaubung der Eiche zuletzt aus lauter einzelnen Blätterſträußchen zuſammengeſetzt iſt, wodurch die Sitte weſentlich bedingt iſt, den Hut mit einem Eichenbruch zu ſchmücken, was z. B. die Rüſter oder die Buche nicht leiſten könnten, weil bei ihnen die Blätter durchaus nicht ſo maleriſch gruppirt ſind wie bei der Eiche.

Vollkommen gleich thun es hierin der Eiche die Eſchen - und die Ahornarten, freilich nur, wenn ſie bereits alte Bäume geworden ſind. Junge Ahorne und Eſchen haben vorwaltend Langtriebe, an welchen die kreuzweis gegenſtändigen Blätterpaare ſehr weit auseinander geſtellt ſind, während wir von Fig. III. 4. S. 60 wiſſen, daß alte Eſchen faſt nur aus Kurztrieben beſtehen, an welchen der gedrängte Blätterbüſchel ſteht, was genau ebenſo bei den Ahorn-Arten der Fall iſt.

Nicht blos bei den zuletzt genannten Bäumen, ſondern auch bei andern, wo ſich eine ganz andere Blattſtellung findet, ſehen wir den großen Einfluß dieſer auf das Anſehen der Kronen. Eben weil bei den Eichen, Ahorn und Eſchen die Blätter alter Bäume immer nur an den Spitzen der Kurztriebe büſchelförmig beiſammen ſtehen und zwar in jedem einzelnen Büſchel nach allen Richtungen, ſo erhalten dadurch deren Kronen die fein büſchelige Zuſammenſetzung. Bei der Buche, Linde, Rüſter, dem Hornbaume und noch einigen andern ſtehen die Blätter am Triebe mehr oder weniger entſchieden nur noch zwei gegenüberliegenden Seiten ge -Roßmäßler, der Wald. 15226richtet und da wir wiſſen, daß wie die Blätter ſtehen ſo auch die Triebe geſtellt ſind, ſo muß davon die nothwendige Folge eine flache, fächer - förmige Geſtaltung der Zweige dieſer Bäume ſein.

Wer je einmal die Aufgabe zu löſen gehabt hat, aus friſchen Baum - zweigen eine Decoration zuſammen zu ſtellen, der wird ſich erinnern, wie leicht dies mit Eichenzweigen bewerkſtelligt werden kann, weil eben jeder Eichenzweig gewiſſermaaßen ein kleines Bäumchen für ſich und alſo nach allen Seiten hin gleich beſchaffen iſt. Brechen wir aber von einem der andern eben genannten Bäume einen Zweig ab, ſo zeigt derſelbe eine flache, zuſammengedrückte fächerförmige Geſtalt, bedingt durch die uns be - kannte Stellung der Knospen, Blätter und Triebe. Dieſe Beiſpiele mögen hinreichen uns davon zu überzeugen, daß in der Hauptſache die Blattſtellung es iſt, worauf die Verſchiedenheiten der Ornamentik der Bäume beruhen. Ein aufmerkſamer Blick auf eine noch ſo eichenähnliche Linde läßt uns dieſelbe doch ſofort erkennen, weil ihre Krone aus lauter flachen Partien zuſammengeſetzt iſt, während die Eiche eine feine, faſt moosähnliche, büſchelige Zuſammenſetzung zeigt.

Nächſt der Stellung und Anordnung der Blätter übt auf die Orna - mentik der Laubhölzer die Geſtalt und einigermaaßen auch die Farbe der Blätter einen Einfluß aus. Unſere meiſten Laubhölzer zeigen an ihren Blättern mehr oder weniger eiförmige oder gerundete Formen, deren Verſchiedenheiten ſich im großen Ganzen wenig geltend machen. Dies gilt namentlich von der Buche, vom Hornbaume, von der Linde, von der Erle, von der Traubenkirſche und noch von einigen anderen. Eine geringe aber doch ſchon bemerkenswerthe Verſchiedenheit von dieſer einfachen Grundform und daher auch ſchon einen Einfluß auf den Aus - druck der Belaubung ausübend zeigt das Eichenblatt, deſſen im allge - meinen ebenfalls eirunde Geſtalt durch die tiefe Einbuchtung des Randes dennoch nicht unerheblich modificirt iſt. Dieſe eigenthümliche Geſtalt der Eichenblätter bringt es mit ſich, daß wir ſchon in geringer Höhe am Baume die einzelnen Blätter von einander nicht mehr gut unterſcheiden können, was dazu beitragen hilft, daß die Eichenbelaubung eben das zier - liche, moosartige Anſehen hat.

Noch etwas weiter in der Charakterausprägung der Blätter gehen die Ahornarten, welche bekanntlich tief gelappt ſind und auf langen Stielen227 ſtehen. Dadurch wird zwar die Belaubung dieſer Bäume der Eiche einigermaaßen ähnlich, ſie erſcheint aber ſozuſagen gröber und maſſiger und nur der Feldahorn mit dem kleinſten Blatte ſteht hierin der Eiche ſehr nahe, iſt aber von ihr doch dadurch verſchieden, daß er eine dichtere Belaubung hat, wodurch er alle unſere übrigen Laubholzbäume durch eine außerordentlich volle, zierlich moosartige Belaubung übertrifft.

Man hört und lieſt oft von dem eigenthümlich fremdartigen Baum - charakter tropiſcher Länder. Wir wiſſen, daß derſelbe einigermaaßen ſchon dadurch bedingt iſt, daß dort weniger als bei uns die untern Triebknospen unentwickelt bleiben und dadurch eine größere Fülle und Regelmäßigkeit der Belaubung bedingt wird. Allein mehr noch iſt jener abweichende Charakter darin begründet, daß in den Tropenländern außerordentlich viel Bäume mit gefiederten Blättern vorkommen, an denen die einzelnen Fiedern oft eine bedeutendere Größe erreichen, als die größten ganzen Blätter unſerer Bäume.

Unſere Waldflora hat indem wir einige ſeltener vorkommende unberückſichtigt laſſen nur zwei Bäume mit gefiederten Blättern, die Eſche und die wahrſcheinlich dieſer Uebereinſtimmung wegen ſogenannte Ebereſche (Sorbus aucuparia). Dieſe Fiederung der Blätter giebt dieſen Bäumen und durch ſie unſerer ganzen Baumwelt gewiſſermaaßen einen eigenthümlichen fremdländiſchen Zug und ich habe mehrmals erlebt, daß, wenn es Jemand zum erſtenmal einfiel, unſern Bäumen Aufmerkſamkeit zu ſchenken, er mit einer gewiſſen Verwunderung eine Eſche anſah und wohl gar geneigt war, ſie ihrer Blattbildung wegen für einen fremden Baum zu halten.

Die Belaubung der Ebereſche und einer ihr naheſtehenden Gattungs - verwandten weicht von der der Eſche nur durch kleinere Fiedern und daraus folgende größere Dichtigkeit und Zierlichkeit ab.

Einen beſonderen Laubcharakter zeigen unſere drei wichtigſten Pappel - arten und zwar theils durch ihre langen Blattſtiele und daraus folgende große Beweglichkeit der Blätter, theils, was die Silberpappel betrifft, wegen der auffallenden Farbenverſchiedenheit der obern und untern Blatt - ſeite. Durch letzteres Merkmal ſteht die Silberpappel mit dem Mehl - beerbaum, Sorbus Aria, einzig unter unſern deutſchen Bäumen da.

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Was überhaupt die Farbe des Laubwerks betrifft, die wir doch auch zur Ornamentik des Baumes ziehen müſſen, ſo finden ſich darin nicht unerhebliche Verſchiedenheiten und iſt dabei außerdem noch darauf zu achten, daß die Färbung der Blätter nach dem Alter derſelben ſich ſehr häufig einem Wechſel unterworfen zeigt. Manche Bäume haben, wie z. B. die Eiche, die Espe und der Spitzahorn einige Zeit nach dem Ausbrechen eine andre Farbe als ſpäter, ja nur wenige haben, wie z. B. die Traubenkirſche, ſogleich ihr volles Saftgrün. Bedeutender iſt der Farbenwechſel im Herbſt, wodurch der Wald einige Zeit lang einen ganz neuen Schmuck trägt, der geeignet iſt in uns wehmüthige Empfindungen zu erwecken. Wir haben jedoch hierüber ſchon früher (S. 185) Einiges berührt, und werden ſpäter bei der Betrachtung der einzelnen Baum - arten zuweilen darauf zurückkommen.

Wir gehen zu dem Einfluß der Blüthen und Früchte auf die Ornamentik der Laubhölzer über und haben, die Blüthen zunächſt ins Auge faſſend, dabei zu unterſcheiden zwiſchen denjenigen Bäumen, welche vor dem Laube blühen und jenen, bei welchen Blätter und Blüthen zugleich, oder die Blüthen ſelbſt viel ſpäter als die Blätter erſcheinen.

Faſt ausnahmslos tragen bei denjenigen Bäumen, welche vor den Blättern blühen, die Blüthen nicht viel dazu bei, den Baumkronen ein eigenthümliches Gepräge zu geben, indem dieſe Blüthen ſehr unvoll - kommen ſind, am allerwenigſten in das Auge fallende Blumenkronen haben. In beſonders reichen Samenjahren jedoch, die wir bereits mit dieſem Namen bezeichnen gelernt haben, ſind ſelbſt dieſe unvollſtändigen, dazu meiſt ſehr kleinen Blüthen doch geeignet, den wieder erwachten Bäumen einen Charakter zu geben. Wer kennt nicht, um mit einem unſrer größten Sträucher zu beginnen, die hängenden, ſchwefelgelben männlichen Kätzchen der Haſel, welche faſt zuerſt im Frühjahr das wieder erwachte Baumleben ankündigen und um deswillen von Jedermann mit Freude begrüßt werden. Daſſelbe läßt ſich von den Weiden ganz beſonders rühmen, welche, wie die Sahlweide, ihre anfangs ſilberglänzend behaarten Blüthenkätzchen lange vor den Blättern hervortreten laſſen. Solche vor den Blättern erblühenden Bäume ſind ferner: die Rüſtern, Erlen, Eſchen, Pappeln, die Kornelkirſche, der Zürgelbaum und der Schwarzdorn, welche letzteren von allen genannten allein anſehnliche, vollſtändige Blüthen haben. 229Mancher von dieſen Bäumen wird vielen meiner Leſer hinſichtlich ihrer Blüthe noch ganz unbekannt ſein und es gehört ein unterrichtetes Auge dazu, um dieſelben zu bemerken, was namentlich von den Erlen und Rüſtern gilt, bei denen die unſcheinbaren Blüthen noch obendrein ſich faſt nur in den obern Partien der Krone finden. Sie und noch mehr die Pappelarten gewinnen in ſehr reichen Samenjahren durch die Blüthen eine merkliche Fülle ihrer noch winterlich laubloſen Kronen.

Wenn wir vorderhand von andern Sträuchern abſehen, ſo bleiben uns als mit und nach dem Laube blühende Bäume allein noch folgende Arten übrig: Ahorne, Birken, Eichen, Hornbaum, Buche, Ebereſche, Apfel - und Birnbaum, einige Weiden und die Linden. Nicht bei allen dieſen Bäumen ſind die Blüthen gleich ſehr im Stande, der Krone einen ſehr bemerkenswerthen Charakter aufzuprägen und zwar aus demſelben Grunde, wie bei den vor dem Laub blühenden Bäumen, indem nehmlich ihre Blüthen unſcheinbar ſind. Dadurch können ſogar die Blüthen den einheitlich beſtimmten Ausdruck, den nicht blühende Waldbäume haben, beeinträchtigen, indem z. B. reich blühende Buchen und Eichen weniger ſchön ausſehen, als nicht blühende aber um ſo reicher belaubte. Der Spitzahorn tritt gewiſſermaaßen vermittelnd zwiſchen dieſe beiden Blüthen - zeitklaſſen der Bäume, indem bei ihm die anſehnlichen grüngelben Blüthen - ſträußchen ganz gleichen Schritt mit den Blättern halten und faſt noch ein wenig vor ihnen ſich erſchließen.

Da die genannten Bäume allgemein bekannt ſind, ſo iſt es hier nicht nöthig, diejenigen von ihnen hervorzuheben, bei welchen die Blüthen weſentlich zum Schmuck beitragen und wir haben nur noch einige Worte über den gleichen Einfluß der Früchte hinzuzufügen. Obgleich bei den meiſten Waldbäumen die Früchte zu unanſehnlich und zu klein ſind, um ihrer Geſtalt nach ſehr in das Auge fallen zu können, ſo üben ſie dennoch in reichen Samenjahren, namentlich bei einigen Baumarten, durch ihr Gewicht einen ſehr bedeutenden Einfluß auf den Kronencharakter aus. Dies iſt namentlich der Fall bei der Buche und beim Hornbaum, deren Triebe und ſogar die ganzen Aeſte davon niedergezogen werden, was den Bäumen ein ganz verändertes Ausſehen giebt. Die großen auf kurzen Stielchen dicht gedrängt beiſammenſtehenden blattähnlichen Früchte der230 Feldrüſter tragen zuweilen vieles dazu bei, den ſich belaubenden Zweigen ein eigenthümliches wie bemoostes Anſehen zu verleihen.

Da wir bereits bei der Beantwortung der Frage: Woraus beſteht der Wald? uns daran erinnern mußten, daß der Waldboden einen weſent - lichen Theil des Waldcharakters abgiebt, ſo haben wir jetzt gewiſſer - maaßen von der Ornamentik des Baumes zu einer allgemeinen Orna - mentik des Waldes überzugehen, zu welcher weſentlich die zahlreichen Sträucher beitragen, welche zu den Füßen unſerer Waldbäume in größerer oder geringerer Zahl und Manchfaltigkeit den Waldboden bedecken. Dieſe Sträucher ſind namentlich zum Theil durch ihre Frucht - und Blüthen - bildung geeignet, dem Wald einen großen Schmuck zu verleihen, alſo zur Ornamentik des Waldes im eigentlichſten Sinne des Worts bei - zutragen.

Diejenigen, welche dies am meiſten zu thun vermögen, ſind etwa folgende: der Traubenhollunder, der Seidelbaſt, der Liguſter, das Geis - blatt, der Schneeball, der rothe Hartriegel, die Miſpel, die wilden Roſen, die Brombeeren, der Weiß - und der Schwarzdorn, die Berberitze, die Spierſtauden, die Beſenpfrieme, die Ginſterarten, Heidel - und Preiſel - beeren, die Haidenarten und die Waldrebe. Namentlich in den Wal - dungen der Vorberge Süddeutſchlands und überhaupt ſehr abhängig von klimatiſchen Verhältniſſen, finden ſich mehr oder wenigere von dieſen Straucharten in den Waldungen oft in ſolcher Menge ein, daß der Be - wohner des nördlichen Haidelandes durch die Farben - und Formenfülle derſelben überraſcht wird.

Es hat genügt, diejenigen Sträucher zu nennen, welche allgemein bekannt ſind, um daran zu erinnern, welchen Einfluß dieſelben auf die Ausſchmückung des Waldes ausüben, was beſonders im Mittel - und Niederwald und im Hochwald meiſt nur dann der Fall iſt, wenn derſelbe auf Gebirgsboden ſteht, deſſen Schluchten und Abhänge Gelegenheit zur Anſiedelung dieſer Sträucher geben. Wir gehen daher auf eine genauere Schilderung dieſer Seite der Waldornamentik jetzt nicht ein, indem wir uns eine weitere Beſprechung derſelben für eine Schilderung der Formen des Waldes im Ganzen vorbehalten.

Aus dieſer Skizze der Architektur und Ornamentik der Bäume geht hervor, daß dadurch für den aufmerkſamen Freund des Waldes eine un -231 aufhörliche, höchſt manchfaltige Gelegenheit gegeben iſt, ſeiner Liebe zum Wald ununterbrochen Nahrung und Beſchäftigung zu geben.

Dieſe Andeutungen über die Verſchiedenheiten im Bau und der Be - laubung der Bäume, welche eben nur Andeutungen ſein und zu ver - gleichender Betrachtung auffordern wollten, finden nun ihre Nutzanwendung im Großen an dem Walde als einem Ganzen.

Hierüber müſſen wir uns jetzt blos auf Weniges beſchränken, weil wir ſpäter, nachdem wir die einzelnen Baumarten genau unterſcheiden und kennen gelernt haben werden, Geſammterſcheinungs-Formen des Waldes ins Auge zu faſſen haben.

Der Nadelwald und der Laubwald ſcheiden auf Grund der Architektur ihrer Angehörigen unſern deutſchen Waldbegriff ſo ſcharf in zwei Hälften, daß es tief in die Auffaſſung des Volks eingedrungen iſt, wobei man vom Nadelwald den Kiefernwald noch beſonders als Haide trennt und an die unterſte Stufe der Wald-Rangordnung ſtellt. Es iſt neben dieſem geſtaltreichen Charakter beſonders der Umſtand, daß die Nadel - hölzer weit mehr als die Laubhölzer ein ausſchließendes Gleich und Gleich lieben und dabei im dichteſten Schluß beiſammen ſtehen, was den Nadel - waldungen einen ſo durchaus eigenthümlichen Stempel aufprägt. Die Nadelhölzer ſind in ihren Anſprüchen weit ſchmiegſamer als die Laubhölzer und es giebt beinahe keine Oertlichkeit, wo man ſie nicht mit mehr oder weniger Erfolg in die Geſellſchaft der letzteren bringen könnte, was um - gekehrt weit weniger ausführbar iſt.

Es giebt in der geeigneten Höhenlage zahlloſe reine Fichten - und Kiefernbeſtände, aber nur äußerſt ſelten giebt es Beſtände, welche von einer oder der andern Laubholzart ganz allein gebildet werden. Die dadurch hervorgehenden Erſcheinungsformen des Waldes ſind allerdings großentheils abhängig von den Eingriffen des Waldbaues, welche, da die künſtliche Walderziehung dazu bereits alt genug iſt, einen großen Einfluß auf das Waldbild haben. Es iſt allerdings ſchwer zu ſagen, ob mehr die reinen oder mehr die gemiſchten Beſtände aus der Hand der Natur hervorgegangen ſind. Der Waldbau ſchafft eben ſo ſehr das eine wie das andere, in Gebirgslagen mehr die reinen als die gemiſchten Beſtände. Hier ſcheint jedoch auch die Natur mehr die Einheit als die Manchfaltig -232 keit zu lieben und je mehr wir uns der Ebene nähern, deſto bunter zeigt ſich meiſt das Waldbild zuſammengeſetzt.

Da die immergrünen, den dichteſten Schluß vertragenden Nadelhölzer ihren Boden weit vollſtändiger beherrſchen, und ſie dazu in der Regel auf dem weniger fruchtbaren Boden ſtehen, ſo iſt hierdurch zweierlei be - dingt: die Eintönigkeit des Nadelwaldes und die große Uebereinſtimmung des Bildes durch alle Altersſtufen hindurch. Daß in letzterer Beziehung die Kiefer ſich abweichend verhält, haben wir bereits vorläufig erfahren (S. 213). Wir ſehen den Nadelwald von dem Zuſtande der Schonung (S. 155) bis zu ſeiner Haubarkeit in einer innig zuſammenhängenden Stufenfolge heranwachſen; während ein ſelbſt rein angebauter Laubholz - beſtand lange Zeit bis zu ſeinem ausgeſprochenen Stangenholzalter meiſt noch ſo wenig geſchloſſen und daher oft ſo ſehr von Waldkräutern und Geſträuchern durchwuchert iſt, daß er von dem Unkundigen kaum in Zuſammenhang zu bringen iſt mit ſeinem dereinſtigen Haubarkeitsalter.

Ich wende mich nun noch an diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welchen der Wald nicht blos ein Freund und Pflegling, ſondern auch ein Gegenſtand der künſtleriſchen Darſtellung iſt, ſei es berufsmäßig, ſei es nur aus Liebhaberei.

Wenn man ſich jetzt auf Kunſtausſtellungen umſieht, ſo muß es ſofort auffallen, daß die Landſchaftsmalerei mit beſonderer Vorliebe ge - pflegt wird, während andere Klaſſen von Bildern z. B. das Stillleben , beinahe ganz verſchwunden ſind. Mit dieſer vorherrſchenden Uebung der Landſchaftsmalerei iſt jedoch leider ein tiefer eingehendes Studium des Baumes nicht überall, ja ſogar im Ganzen nur wenig gleichen Schritt gegangen; man ſieht ſehr häufig Landſchaften, welche zwar einen ange - nehmen, künſtleriſch befriedigenden Geſammteindruck machen, bei denen man aber vergeblich bemüht iſt, zu enträthſeln, was das wohl für Bäume ſein mögen, welche da gemalt ſind. Wir haben zwar ſchon auf Seite 50 und den folgenden dieſer Auffaſſung des Waldes einige Aufmerkſamkeit geſchenkt, es dürfte aber nicht überflüſſig ſein, hier noch etwas ausführ - licher darauf einzugehen und indem ich dies thue, finde ich einige Be - rechtigung dazu in der Erfahrung, welche ich dadurch gemacht habe, daß mir mehrere tüchtige Landſchaftsmaler zugeſtanden haben, es ſei ihnen wie Schuppen von den Augen gefallen, nachdem ſie mit mir längere Zeit,233 ſelbſt einen Winter hindurch, die ſchönen Baumwaldungen Leipzigs durch - wandert und dabei ein Verſtändniß der unterſcheidenden Baumcharaktere gewonnen hatten.

Ich will nicht in Abrede ſtellen und muß dies hier ausdrücklich hervorheben, um nicht die Kunſtkritiker gegen mich aufzubringen, daß es nicht die Aufgabe des Landſchafters iſt, in den Landſchaften mit botaniſcher Genauigkeit aufgefaßte Baumbilder zu malen, aber eben ſo wenig wird man mir beſtreiten können, daß ſolche Baumarten, welche einen beſtimmten architektoniſchen Charakter zu haben pflegen, mit Wiedergabe dieſes dar - geſtellt werden müſſen; und man wird mir dies um ſo weniger beſtreiten wollen, weil bei einigen Baumarten, Eiche, Kiefer, Birke, man dies ohnehin jetzt ſchon thut.

Will man ſich eine derartige größere Baumkenntniß verſchaffen, ſo thut man wohl, damit im Winter zu beginnen, weil man da die Archi - tektur der Bäume, wegen der mangelnden Belaubung klar und deutlich vor ſich ſieht. Ich habe mich mehrmals überzeugt, daß auf einem winter - lichen Spaziergange geſchickte Landſchaftsmaler wohl Eichen und Birken, von Nadelhölzern natürlich nicht zu reden, zu unterſcheiden vermochten, allein die übrigen Laubhölzer waren ihnen meiſtentheils unverſtändliches Sparrwerk, wenn es ſich dabei nicht um beſtimmte Bäume handelte, die ſie von der Belaubungszeit her kannten. Die verſtändnißvoll aufgefaßten Baumbilder unſeres Buches ſind das Ergebniß ſolcher Wanderungen, wobei es allerdings zuweilen ſeine Schwierigkeiten hatte, ein paſſendes Baumbeiſpiel ausfindig zu machen.

Bei dieſer Gelegenheit mag es nicht überflüſſig ſein, darauf auf - merkſam zu machen, daß es wohl überlegt ſein will, einen Baum für ſeine Darſtellung auszuheben, wenn es darauf ankommt, dadurch ein charakteriſtiſches Bild ſeiner Art zu geben. Nicht nur, daß man ſich dabei davor hüten muß, zu ſehr die Rückſicht des Maleriſchen zu nehmen, ſondern man muß auch wohl berückſichtigen, unter welchen Verhältniſſen ein zu wählender Baum aufgewachſen iſt.

Die Waldbäume ſind meiſt geſellige Weſen und wie bei Menſchen ſo macht ſich auch bei den Bäumen der Einfluß der Geſellſchaft geltend.

Man ſtößt zunächſt ſehr häufig auf die große Schwierigkeit, daß ein treu darzuſtellender Baum zu wenig frei ſteht, um ſein Bild in ſeinem234 ganzen Umriſſe darſtellen zu können, namentlich wenn die umſtehenden Bäume derſelben Art ſind; findet man dagegen einen ganz frei ſtehenden Baum, ſo iſt man wieder in einer andern Gefahr, nämlich in der, daß der Baum durch ſeine Erwachſung im vollkommen freien Stande einen ungewöhnlichen Charakter angenommen hat und daher keineswegs als Muſterbild ſeiner Art gelten kann.

Es war bei der Auswahl unſrer Bilder ſehr ſchwer, dieſen von beiden Seiten drohenden Klippen auszuweichen. Es war unerläßlich nothwendig, wenigſtens ziemlich frei ſtehende Bäume zu wählen und dabei doch ſolche zu vermeiden, welche dieſe ihre freie Stellung zu ſehr benutzt hatten zu einer ungewöhnlichen ſchrankenloſen Geſtaltung. Es iſt daher bei der Beurtheilung unſrer Bilder hierauf Rückſicht zu nehmen. Wir haben eben ſo oft uns mit Gewalt zu halten gehabt, einen höchſt maleriſchen Baum nicht zu wählen, als neben zahllos in dichtem Schluſſe erwachſenen einen ſolchen zu finden, der ſeinen ruhigen, ihm ſeiner Art nach zukommenden, Entwicklungsdrang hinlänglich hatte geltend machen können.

Diejenigen meiner Leſer und Leſerinnen, welche ſich in der ange - deutenden Weiſe in den Waldgenuß vertiefen wollen, werden, wenn ſie nicht bereits eine vollſtändige Baumkenntniß beſitzen, wahrſcheinlich immer in der Lage ſein, einen kundigen Freund zu finden, der ihre Baumſtudien leitet, und wie ich ausdrücklich wiederhole, im Winter, oder wenigſtens vor dem Ausſchlag der Knospen beginnen.

Man thut wohl, wenn man dieſe Studien mit der genauen Unter - ſcheidung der Knospen und was damit zuſammenhängt beginnt, wozu die bereits vorſtehenden und die nachfolgenden Abbildungen hinreichende An - leitung geben werden. Man lernt alsdann ſehr leicht die Knospen als die Grundlage der Baumarchitektur kennen. Hat man anſtatt im erſten Frühjahr bald nach dem Laubfall dieſe Knospenſtudien begonnen, wie ſehr anzurathen iſt, ſo hat man bis zum nächſten Ausbrechen des Laubes nicht blos hinlänglich Zeit zu dieſen Knospenſtudien, ſondern da die durch größere Schönheit abziehenden Blätter und Blüthen nicht da ſind, auch die Rothwendigkeit, auf jene immer und immer wieder zurückzu - kommen und ſich dieſelben zuletzt vollſtändig zu eigen zu machen.

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Es dauert alsdann nicht lange, daß man von den Knospen einen Schritt weiter geht. Mit der Berückſichtigung ihrer Stellung muß man nothwendig die Stellung der Triebe am Zweige, weiter gehend die der Zweige an den Aeſten, der Aeſte am Stamme beachten und ſo wird man ganz unwillkürlich von den feinern, geſucht ſein wollenden, immer mehr und mehr zu den mehr in das Auge fallenden, ſich von ſelbſt darbietenden Unterſcheidungscharakteren geleitet. Es iſt dabei ein unerwartetes Er - gebniß, daß man zuletzt oft weniger Mühe hat, einen winterlichen Baum ſicher zu unterſcheiden, als einen im Laubſchmuck vor uns ſtehenden. Die verhüllende Laubornamentik verbirgt uns zuweilen, wegen ihrer großen Aehnlichkeit bei verſchiedenen Baumarten, die mehr in das Auge fallenden architektoniſchen Merkmale.

Ich kann nach den vorhin angedeuteten Erfolgen verſichern, daß unſre Landſchaften ſicher gewinnen werden, wenn die Künſtler mit größerer Aufmerkſamkeit auf die charakteriſtiſchen Merkmale der verſchiedenen Baumarten mehr achten werden, als es bisher geſchehen. Dabei iſt allerdings nicht zu leugnen, daß die zu löſende Aufgabe eine ſehr ſchwierige iſt. Wir wiſſen, daß der Baum kein in ſich abgeſchloſſenes, jemals fertig werdendes Individuum iſt, deſſen Geſtalt, um ſeine Art wieder zu geben, wir einfach blos nachzubilden brauchten. Eine vor uns ſtehende Eiche könnte recht füglich zwei oder drei ſtarke Aeſte mehr oder weniger haben, als ſie eben hat, oder dieſe könnten anders gebogen und ge - ſchwungen ſein, als ſie es ſind, ſie würde nicht weniger eine Eiche bleiben. Es liegt alſo der Charakter der Eiche nicht in den angedeuteten Verhältniſſen allein, er liegt eben in einem charakteriſtiſchen Enſemble, welches mit fein auswählendem Blick erkannt ſein will.

Für angehende Landſchafter möchte es eine ſehr zu empfehlende Uebung ſein, bei ihren Baumſtudien ſo zu verfahren, daß ſie zunächſt ausgewählte und leicht wieder zu findende Bäume vor der Belaubung treu abzeichnen und im hohen Sommer bei voller Belaubung dieſe gewiſſermaaßen nachträglich hinzufügen. Die Studien des Hiſtorien - malers werden ja eben ſo gemacht; eine bekleidete Figur wird erſt unbe - kleidet ſkizzirt und erſt nachher die Gewandung hinzugefügt.

Wenn an der vorhin angezogenen Stelle beſonders hervorgehoben wurde, daß man jetzt auf den Landſchaftsbildern nur zu häufig mehr236 einem ſchablonenmäßigen Baumſchlag, als erkennbaren Bäumen begegnet, ſo genügt ein Blick auf ſehr viele Landſchaften, namentlich auch auf Radirungen, um zuzugeben, daß dieſer Vorwurf nicht ungerechtfertigt iſt. Die Technik der Landſchafterei charakteriſirt nicht ſowohl ver - ſchiedene Baumarten, als verſchiedene Künſtler, indem meiſtentheils die Maler ihre ganz beſtimmte Baumſchlagtechnik haben, die ſie über alles, was Baum und Buſch heißt, ausgießen und die Abwechslung ihrer Baumbilder auf Größe und Umriß und, oft ungerechtfertigt genug, auf die Färbung beſchränken.

Ich kann nicht vergeſſen wollen, daß auch hierin in neuerer Zeit Anerkennenswerthes geleiſtet wird, daß man nicht blos Eichen, Kiefern und Birken, ſondern daß man auch Buchen und Linden von einander auf den radirten Blättern unterſcheiden könnte, aber ſicher ließe ſich in dieſer Beziehung noch weit mehr leiſten, ohne dadurch der künſtleriſchen Einheit des Bildes Eintrag zu thun.

Die Geſtalt und Stellung der Blätter iſt ganz entſchieden von großem Einfluß auf die Technik des Baumſchlags. Man vergleiche, um ſich davon zu überzeugen, unſer Eichenbild mit dem, welches den Bergahorn darſtellt. Das große, tief gelappte, zackige Ahornblatt kann unmöglich von dem Künſtler ebenſo behandelt werden, wie das kleinere ganz anders geſtaltete Eichenblatt.

Von jedenfalls nicht unbedeutendem Einfluß auf das Verſtändniß und die Verſtändigkeit der Landſchaften ſind die Dimenſionsverhältniſſe der Technik, d. h. daß die Technik bei demjenigen von zwei gleichen Bäumen, welcher im Vordergrund ſteht, viel größer ſein muß, als bei dem, welcher im hintern Mittelgrund ſteht. Hiergegen ſieht man ſehr häufig gefehlt, was nicht anders als die Perſpektive der Landſchaft be - einträchtigen kann.

Dieſe wenigen Andeutungen, die nichts mehr als ſolche ſein wollen, ſind vielleicht geeignet, den Landſchaftsmalern ein noch größeres und ein - gehenderes Studium der Bäume zu empfehlen.

[237]

Zweites Buch. Naturgeſchichte der Waldbäume.

[238][239]

8. Die Nadelbäume.

Was iſt’s, das mich im ſtillen Nadelwalde
So ernſt und gleich zu ſeiner Stille ſtimmt,
So daß ich kaum die Welt im Sinn behalte,
Die Welt, die draußen mich gefangen nimmt?
Es iſt der ſtille Ruf aus frühen Zeiten,
Der aus den Tannen an das Herz mir dringt;
Das ferne Einſt kann ſich vom Jetzt nicht ſcheiden,
Das in dem Nadelwalde in einander klingt.

Ja, der beſondere Reiz, den der Nadelwald vor dem Laubwalde voraus hat und der eine ganz beſondere Macht auf Gemüth und Phantaſie ausübt, er gewinnt für den, der die Erdgeſchichte wenigſtens in ihren Hauptzügen kennt, eine ahnungsvolle Färbung.

Der Nadelwald iſt wie ein uraltes Geſchlecht, das ſeine Ahnen in ungetrennter Reihe bis in ferne Jahrhunderte zurückzählen kann, ein fortlebender Ueberreſt der Pflanzenwelt grauer Vergangenheit. Wie die verkohlten Papyrusrollen aus dem vulkaniſchen Schutte Pompeji’s uns ein mühſelig zu leſendes Archiv ſind, ſo ſind es die Steinkohlenlager, welche uns Kunde geben von den Geſtalten, welche Flora vor Millionen von Jahren aus dem jungfräulichen Boden der Erde hervorſprießen ließ.

Die neuere Zeit hat gelernt, in dieſem Archive der Urzeit zu leſen, wir finden in ihm Schilderungen vom Walde wie er einſt war, während wir hier es verſuchen, ihn zu ſchildern wie er jetzt iſt. Wir begegnen in ſeiner Schilderung vertrauten und fremdartigen Formen, wenn wir dieſe Worte mit der Gegenwart unſerer Pflanzenwelt zuſammenhalten.

Wo wir jetzt aus großer Tiefe die Steinkohle heraufholen, die Grundſäule unſeres mächtigen Gewerbfleißes, da ſtanden einſt ſchattige Wälder, halb verwandt, halb unverwandt den unſrigen; unverwandt namentlich auch darin, daß ſie nicht durchtönt waren vom Morgengeſang240 der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern, welche jetzt unſern Waldboden durchwirken.

Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und weißſchaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im leiſen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattſchaftige Eſche, überhaupt kein Baum wie ſie jetzt unſre Laubwälder bilden. Und dennoch iſt uns in unſern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen geblieben, welche einſt unſer ganz anders geſtaltetes Deutſchland begrünten.

Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über Deutſchland ruhte, ſo waren doch ſchon damals Nadelhölzer unter den Herrſchern des Waldes, die jetzt unter unſerem kühleren Himmel ſogar noch die rauhe Gebirgshöhe ſuchen.

Auch jetzt noch liebt das räthſelhafte Geſchlecht der Farren, die am Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geäſtete Schachtelhalm in der Geſellſchaft der Nadelbäume ſich anzuſiedeln. So war es auch damals. Aber während unſere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben ſind, ſo ſanken die drei genannten Pflanzengeſchlechter zu ſchwächlichen Geſtalten herab, nur ein ſchwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel - halme, welche als ſtattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal - dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erſt noch zu ſchaffende Menſchengeſchlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.

Die Nadelbäume gewöhnten ſich an die abnehmende Wärme, während die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels - ſtrichen gedeihen.

Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge - birges beſucht, ſo gewinnt derſelbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm vorhin nachrühmte. Vereinſamt und wie trauernde Fremdlinge ſtehen die Bäume dichtgeſchaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einſtigen Genoſſen, aus jenen anderen Pflanzengeſchlechtern, die ihre Wipfel unter die ihrigen miſchten, haben ſie verlaſſen, ſie fühlen es faſt wie ein trauriges Vorrecht, nur allein zu herrſchen, wo ſie früher mit Unver - wandtem gern die Herrſchaft theilten.

Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel ſehen es blos nicht, daß ſich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender241 Genoſſen der Vorzeit drängt. Aus den Spalten zerklüfteter Felſen - wände ſprießen die zierlichen Wedel des Haarfarrens hervor; faſt wie ſtammloſe Palmenkronen bilden die eleganten Wedelbüſche der Schild - farren und anderer die Waldquellen entlang oder auf ſteinigen Blößen eine faſt tropiſch zu nennende Scenerie.

Aus von Feuchtigkeit ſtrotzenden Moospolſtern ragen die Wäldchen des zierlichen Waldſchachtelhalmes hervor, während dort die ſelbſt moosähnliche Bärlappranke über den Moosteppich hinkriecht.

Dazu iſt es faſt ſo ſtill wie es in jenen urzeitlichen Wäldern war; die lauten Schläger lieben ſich den rauſchenden Laubwald; faſt nur die Goldhähnchen und Meiſen miſchen ihre zarten Stimmchen mit dem ſüßen Geflüſter der Nadelkronen, welches wie weitherdringende Kunde aus grauer Vorzeit klingt. Abends kommt aber die Waldnachtigall, die klangreiche Singdroſſel, und ſingt auf der Spitze einer Fichte ihr weithinſchallendes Abendlied, als wolle ſie den träumeriſchen Nadelwald aus ſeinen Vorzeit - gedanken wecken.

So gewinnt der ganz eigenthümliche, zur Melancholie einladende Eindruck des Nadelwaldes eine tiefe geſchichtliche Bedeutung und indem wir uns bewußt werden der ſo tief greifenden geſtaltlichen Verſchiedenheit ſeiner Bäume von denen des Laubwaldes, ſo bringen wir unvermerkt dieſe Verſchiedenheit in Einklang mit der Zeit. Im Laubwalde befinden wir uns in der friſchen lebendigen Gegenwart, im Nadelwalde umfangen uns die Schauer einer fernen Vergangenheit.

Wenn wir bei einer botaniſchen Betrachtung der Nadelbäume uns auf die deutſchen Arten beſchränken, ſo finden wir unter ihnen eine große Einförmigkeit und Uebereinſtimmung aller ihrer Theile und im Vergleich zu den Laubhölzern hinſichtlich ihrer Organiſation eine tiefere Stellung im Syſtem; man glaubt ihnen anſehen zu müſſen, daß ſie Schöpfungen einer noch nicht das Höchſte vermögenden Natur ſind. Dieſe Auffaſſung der Nadelhölzer ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſelben in ihrer äußeren Erſcheinung keineswegs als ſchwächliche Weſen, ſondern als mächtige Beherrſcher ganzer Länderflächen erſcheinen. Es ſpricht ſich vielmehr die tiefe Stellung auf der Stufenleiter des Pflanzenſyſtems bei den Nadel - hölzern dadurch aus, daß ſowohl ihr innerer anatomiſcher Bau, als dieRoßmäßler, der Wald. 16242Beſchaffenheit und Organiſation ihrer Blätter, Blüthen und Früchte auf einer tieferen Stufe der Ausbildung ſtehen.

In den älteſten, Pflanzenverſteinerungen führenden Erdſchichten finden wir den Beweis geliefert, daß die Nadelhölzer viel früher auf der Schau - bühne des Lebens erſchienen, als die Laubhölzer. Dieſe ihre frühere Herrſchaft hatten ſie nicht blos in den früheren, bis zur Kreideformation und den tertiären Schichten heraufreichenden Perioden des Erdlebens ver - loren, ſondern auch in unſerer gegenwärtigen Periode und auf deutſchem Boden haben ſie in früheren Jahrtauſenden an Ausbreitung oft unter den Laubhölzern geſtanden. Viele Anzeigen ſprechen dafür, daß Eichen - und Buchenwaldungen in früheren Jahrhunderten in Deutſchland vor - herrſchend, wenigſtens viel ausgedehnter waren als gegenwärtig. Es iſt ſchon mehrmals vorgekommen, daß auf der Stelle, an der ein alter Fichtenhochwaldbeſtand abgetrieben worden war, ein Buchenaufſchlag er - ſchien, der nur aus Bucheckern hervorgegangen ſein konnte, welche ſo lange im Boden geruht hatten, bis durch die Schlagräumung die Be - dingungen des Keimens für ſie gegeben waren. In ſolchen Fällen waren offenbar Buchen von Fichten verdrängt worden. Gegenüber der Schwierig - keit, die es iſt, Bucheckern auch nur ein Jahr lang keimfähig zu erhalten, iſt dieſe Erſcheinung doppelt intereſſant.

Dieſes lange Zeiträume hindurch währende Zurückweichen der Nadel - hölzer vor den Laubhölzern hat ſich in neuerer Zeit in das Gegentheil verkehrt, indem die Laubhölzer mehr und mehr an Terrain verlieren, welches zum Theil vom Walde unbeſetzt bleibt, zum großen Theil aber von den Nadelhölzern erobert wird. Es iſt daher nicht zu verkennen, daß die Freunde der Laubhölzer in der Lage ſind, ihre Lieblinge mehr und mehr zu verlieren und an deren Stelle die Nadelbäume treten zu ſehen. Der Grund zu dieſer wichtigen Erſcheinung liegt in mehreren ſehr verſchiedenen Umſtänden, unter denen ſelbſt Folgeerſcheinungen zu neuen Urſachen werden. Die mehr und mehr ſteigende Bevölkerung erheiſcht nicht nur mehr Bodenraum, ſondern auch mehr Kulturfläche für Feld - und Gartenbau. Dieſe Fläche kann man der Natur der Sache nach nur in der Ebene ſuchen und im Gebirge nur bis zu einer be - ſchränkten Höhe, über welche hinaus aus verſchiedenen Gründen der Feldbau gar nicht mehr oder nur mit großer Schwierigkeit zu betreiben243 iſt. Dadurch wird der Waldboden immer mehr beſchränkt und da er am meiſten in den fruchtbaren Lagen an Umfang verliert, die Laubhölzer aber im Allgemeinen mehr einen fruchtbaren Ebenen-Boden bedürfen als Nadethölzer, ſo iſt die nothwendige Folge, daß die Laubhölzer in dem - ſelben Verhältniß in Abnahme, wie die Nadelhölzer in Zunahme begriffen ſind. Die Verminderung der Waldfläche in Folge der Ausbreitung des Feldbaues hat aber offenbar ſchon jetzt einen Einfluß gezeigt auf das Klima Deutſchlands und namentlich auf den Reichthum der Regennieder - ſchläge und ſomit der Quellen und der Feuchtigkeit des Bodens. Dieſe Thatſache, eine Folge der Waldverminderung, wird eben zu einer Folge - urſache für die Verminderung oder wenigſtens Verſchlechterung des Waldes, der nun an vielen Orten einen weniger fruchtbaren Boden findet, als früher, und wir dürfen dieſen Moment nicht vorüber gehen laſſen, ohne uns wiederholt daran zu erinnern, daß der Beruf des Forſtmannes, deſſen hohe Aufgabe es iſt, nicht blos Wälder zu benutzen, ſondern auch Wälder zu erziehen, ein ſchwieriger iſt und im Durchſchnitt mit jedem Jahrzehnt ein ſchwierigerer wird.

Wenn man die vielerlei Maßregeln des deutſchen Waldbaues über - blickt, welcher durch die Zerriſſenheit des deutſchen Vaterlandes eben in ſeinen Maßregeln ein höchſt ungleicher und oft nach entgegengeſetzten Grundſätzen verfahrender iſt, ſo muß man ſagen, daß ein fortwährender Kampf zwiſchen Laubhölzern und Nadelhölzern um den Beſitz der Boden - fläche ſtattfindet. Hier findet man es für nothwendig und am meiſten Vortheil verſprechend, Nadelwaldungen in Laubholzwaldungen umzu - wandeln, anderwärts verfährt man gerade umgekehrt.

Vergleicht man diejenige Bodenfläche Deutſchlands und der nördlicher liegenden Theile Europas, welche die Nadelhölzer einnehmen, mit der - jenigen, wo die Laubhölzer herrſchen, ſo ergiebt ſich, daß die wenigen Nadelholzarten einen viel größeren Flächenraum behaupten, als die viel zahlreicheren Laubholzarten zuſammengenommen.

Wie überhaupt hinſichtlich des Einfluſſes auf die Vertheilung der Pflanzen auf der Erdoberfläche Seehöhe und geographiſche Breite oft vollſtändig gleichbedeutend ſind, d. h. dieſelben Pflanzen in einer gewiſſen Seehöhe wachſen, welche in einer gewiſſen Breite vorkommen, ſo iſt dies derſelbe Fall auch bei den Bäumen. Die Laubhölzer lieben das Tiefland16*244und die mehr ſüdlich gelegenen Gebiete; die Nadelhölzer dagegen ziehen hohe Lage und eine höhere nördliche Breite vor, obgleich auch dieſe Regel, wie jede, nicht ohne ihre Ausnahmen iſt. Steigen wir auf unſeren deutſchen Hochgebirgen immer höher hinauf, ſo verlaſſen uns die Laubhölzer ziemlich bald und wir finden auf den höchſten Höhen, auf welchen überhaupt noch Baumleben möglich iſt, nur noch Nadelbäume. Derſelbe Fall iſt es im großen Ganzen, wenn wir eine Reiſe nach dem Norden unternehmen, wo uns zuletzt auch nur noch einige Nadelbäume treu bleiben. Daß allerdings zuletzt die Zwergbirke, Betula nana, dort den Plan behauptet, iſt deshalb hier nicht ſehr maßgebend, weil dieſe Birkenart nichts weniger als ein Baum, ſondern ein niedriger kriechender Strauch iſt.

Dieſe Erſcheinung kann ihren Grund nur darin haben, daß die Nadelhölzer in verſchiedenen Beziehungen geringere Anſprüche an ihren Wohnplatz machen, namentlich weniger empfindlich ſind gegen Kälte und gegen ſchroffen Wechſel zwiſchen Wärme und Kälte. Auch hinſichtlich der Boden-Beſtandtheile haben wenigſtens einige Nadelhölzer entſchieden ein geringeres Maß von Bedürfniſſen, als die Laubhölzer, vielleicht die Birke allein ausgenommen, welche hierin den Nadelhölzern gleichkommt. Mit dieſer Rückſicht hat man die Bäume in genügſame und weniger genüg - ſame getheilt und kann im Allgemeinen die Nadelhölzer, zum Gegenſatz von den Laubhölzern, genügſame nennen.

Es beſteht aber in dieſer Hinſicht zwiſchen den Baumarten ein ähn - liches Gegenſeitigkeits-Verhältniß, eine ähnliche wechſelsweiſe Dienſt - leiſtung, wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Wo gegenwärtig eine Baumart noch nicht gedeihen könnte, würde ſie es können, wenn ihr vorher von einer andern, genügſameren, die Wohnſtätte bereitet worden ſein würde. Wenn auf den Hochgebirgen die Knieholzkiefer lange Zeit den Boden bekleidet und durch ihren Nadelfall den Boden mit Humus bereichert hatte, da wird es hierdurch nachher der Fichte und der Lärche möglich, ſich anfänglich nur einzeln zwiſchen jener einzufinden und allmälig ſo ſehr überhand zu nehmen, daß ſie die dienſtfertige Vorbereiterin ihres Bodens ganz verdrängt. Auf einer tieferen Höhenſtufe leiſtet wiederum die Fichte denſelben Dienſt dem Bergahorn und ſelbſt der Buche.

Wir erhalten durch dieſe Thatſache eine Gelegenheit, die wir nicht verabſäumen dürfen, um die Weitſichtigkeit und großartige Planmäßigkeit245 der Forſtwirthſchaft würdigen zu lernen. Wenn überhaupt der Waldes - unkundige jemals daran denkt, den Maßregeln des Forſtmannes Aufmerk - ſamkeit zu ſchenken und wenn er noch weiter gehend ſogar es wagt, dieſe Maßregeln zu kritiſiren, ſo kommt er oft in die Gefahr, entweder die Möglichkeit eines Urtheils ſich verſagt zu ſehen, oder ein ſchiefes Urtheil zu fällen. In ſolchen Fällen kann man in die Lage kommen, ſich höchlich darüber zu wundern, warum der Forſtmann in einer gegebenen Lage dieſe Holzart und nicht lieber eine andere, nutzbringendere erziehe. Würde man in ſolchen Fällen den vorſorglichen Walderzieher nach den Gründen dieſer Wahl fragen, ſo würde man hören, daß er die Saat, die er eben ausſtreut oder die Bäumchen, die er pflanzt, nicht ſowohl in der Abſicht ausſtreut und pflanzt, um einen Wald zu erziehen, als vielmehr um durch dieſe Maßregel für eine ſpäter zu kultivirende edle Holzart den Boden vorzubereiten. Die Folge dieſer Vorbereitung erlebt freilich in ſehr vielen Fällen derjenige nicht, der ſie anordnet und der ſie ausführt, ſie treten nicht ſelten erſt nach mehreren Jahrzehnten ein. Müſſen wir hier nicht recht lebhaft inne werden, welch großartig weitgreifendes Ge - werbe das des Forſtmanns iſt? Wir begreifen, wie groß der Unterſchied iſt zwiſchen Waldbau und Feldbau, wir begreifen aber auch bei dieſer Gelegenheit, wie nothwendig es ſei, daß in der Waldbewirth - ſchaftung einer großen Länderfläche nur dann das Höchſte er - zielt werden kann, wenn Einheit im Plane ſtattfindet.

Wir bedienten uns jetzt gelegentlich der Bezeichnung edlere Holz - arten und es veranlaßt uns dies, daran zu denken, ob wir vielleicht die Laubhölzer edler nennen ſollen als die Nadelhölzer, oder umgekehrt, oder ob und wie überhaupt eine derartige Rangordnung unter den ver - ſchiedenen Holzarten zuläſſig und ausführbar ſei.

Man hört jetzt zwar nicht mehr ſo häufig wie früher, aber man hört doch noch zuweilen von edlen Holzarten ſprechen und man meint damit in der Regel einige Laubholzarten, beſonders die Buche und die Eiche. Allein dieſe Klaſſifikation, die niemals vollkommen berechtigt war, iſt es jetzt weniger als je. Die ſogenannten edlen Holzarten haben viel von ihrem Ruhm eingebüßt, ja man kann ſagen, daß die ſogenannten unedlen Holzarten, zu denen man vorzüglich auch die Nadelhölzer rechnete, weniger an ihrem Werth und ihrer Bedeutung verloren haben, als die246 edleren. Der Grund davon liegt in den großen Fortſchritten, welche die Benutzung der Metalle, namentlich des Eiſens und mancher Steine gemacht haben, wodurch zu vielen Verwendungen, zu denen man ſonſt nur edle, harte Holzarten zu benutzen pflegte, dieſe zu einem großen Theil außer Gebrauch gekommen ſind. Hiervon ſind namentlich die ſämmtlichen Nadelholzarten viel weniger betroffen worden. Die bekannte anatomiſche Beſchaffenheit des Nadelholzes wird dieſes zur Herſtellung von Brettern, Balken und Latten niemals entbehrlich werden laſſen. Die jetzt viel ſorgſamere Wahl und Verwendung eines Stoffes für be - ſtimmte Zwecke hat es mit ſich gebracht, daß unter andern Stoffen auch jede einzelne Holzart ihre zweckmäßigſte Verwendung gefunden hat und wenn wir in unſerer gegenwärtigen Auffaſſung edel das nennen, was für einen beſtimmten Zweck am beſten dient, ſo können wir unmöglich noch von edlen und unedlen Holzarten ſprechen.

Hinſichtlich der Nadelhölzer kommt hierzu noch der Umſtand, daß ſie ſich durchaus leichter in reinen Beſtänden, ja überhaupt in jeder andern Hinſicht ſicherer erziehen laſſen, als Laubhölzer, von denen die meiſten der Erziehung in reinen Beſtänden durchaus widerſtreben.

Wir wiſſen, daß wir unter einem reinen Beſtand einen ſolchen ver - ſtehen, der, ſo groß er auch iſt, durchaus nur aus einer Holzart beſteht, in der höchſtens nur ſehr ausnahmsweiſe Bäume anderer Holzarten ein - geſtreut ſind.

Durch dieſe große Geneigtheit zum geſelligen Beiſammenleben ge - währen die Nadelhölzer auch einen viel größeren Einfluß auf den land - ſchaftlichen Charakter einer Gegend, als die Laubhölzer. Hierzu kommt noch, daß jene einen viel dichteren Schluß vertragen als die letzteren und dadurch eine mit Nadelwald bedeckte Gegend, welche obendrein meiſten - theils Berggegenden ſind, viel entſchiedener den Wald-Charakter aus - prägen, wenn es ſich namentlich um ein Hügelgelände handelt, welches man von einem hochgelegenen Punkte überblickt.

Durch dieſe Eigenſchaft, ſehr häufig im dichteſten Schluß und in großer Ausdehnung zu erwachſen, ſind aber die Nadelhölzer mehr als Laubhölzer den verſchiedenſten Gefahren ausgeſetzt. Sturm, Inſekten, Feuer, Schnee - und Duftbruch wüſten weit ſchlimmer im Nadelwald, als im Laubwald. In den meiſten Fällen handelt es ſich allerdings nicht247 darum, daß der Wald durch dieſe Einflüſſe ſo vollſtändig vernichtet wird, daß ſein Holzvorrath völlig verloren geht, was ſelbſt durch Waldbrände nur ſelten vollſtändig geſchieht, indem auch in ihnen wenigſtens ein großer Theil der angekohlten Stämme bleibt. Im Gegentheil ſpricht ſich die Benachtheiligung der Waldungen durch die genannten Einflüſſe mehr durch eine Störung in der Waldbenutzung und durch eine Verſchlechterung der Güte und Benutzbarkeit des Holzes aus.

Wir wollen den Umſtand, daß alle Benachtheiligungen des Waldes ſich am ſtärkſten in den Nadelwaldungen ausſprechen, dazu benutzen, dieſe ſchädlichen Einflüſſe auf die Waldungen überhaupt an dieſer Stelle kurz zu beſprechen und uns dabei beſonders auch klar werden, warum die - ſelben ſich im Nadelholz einflußreicher zeigen, als in Laubwaldungen.

Was zuerſt den Einfluß der Stürme betrifft, ſo zeigt ſich derſelbe bekanntlich im Durchſchnitt am häufigſten im Spätherbſt und im erſten Frühjahr. Um dieſe Zeit ſtehen die Laubwaldungen ohne Laub da und bieten darum dem Anprall des Sturmwindes eine geringere Fläche dar, können daher auch weniger leicht vom Sturm gepackt und geworfen werden. Die Nadelwaldungen dagegen haben zu allen Zeiten ihre volle Benadlung und ſind alſo auch zu allen Zeiten gleich angreifbar für die Gewalt der Winde. Hierzu kommt noch, daß die Nadelbäume im Allge - meinen nicht ſo tief wurzeln, als es bei den meiſten Laubhölzern der Fall iſt, ja die Fichte, der am häufigſten dichtgeſchloſſene, beſtändebildende Nadelbaum, ſo ſeicht im Boden ſtreichende Wurzeln hat, daß ſie gewiſſer - maßen mehr blos mit einem breiten, weitausgreifenden Wurzelgeſtell auf dem Boden ſteht, als mit ihm verflochten iſt. Daher kommt es, daß ein Sturm ganze Fichtenſtämme wie Kartenhäuſer umwirft und von jedem Baum die Bodenfläche, in der er wurzelt, mit losgeriſſen wird und ein einzelner ſolcher Baum an einen umgeſtürzten Leuchter erinnert.

Was den Inſektenſchaden in den Waldungen betrifft, ſo ſind nicht nur die Nadelhölzer einer größeren Anzahl ſchädlicher Inſekten preis - gegeben, ſondern ſoweit dieſe nadelfreſſende ſind, benachtheiligen ſie dieſe auch dadurch mehr, daß die Nadelhölzer mit wenigen Ausnahmen und nur theilweiſe ihre Nadeln, die ſie verloren haben, wieder erſetzen können, während ein entlaubter Laubholzbaum bekanntermaßen im folgenden, oft ſchon in demſelben Jahre, das verlorene Laub durch Neues wieder erſetzt.

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Am wenigſten bekannt iſt der verwüſtende Einfluß, den Schneedruck und Duftdruck oder Eisanhang auf Nadelwaldungen ausübt, und welcher um ſo weniger nachtheilig, obgleich nicht ganz einflußlos, auf Laubhölzer iſt, weil dieſe zur Winterszeit ebenfalls keine große Fläche dar - bieten, auf welchen ſich große Schneemaſſen anhäufen können, um Aeſte und Zweige oder ganze Bäume nieder zu ziehen und umzubrechen; es iſt daher eigentlich nur der Duftdruck oder Eisanhang eben an den Laub - hölzern von erheblichem Nachtheil. In den Nadelwaldungen hingegen iſt der Einfluß großer Schneemaſſen, namentlich wenn ſie bei abwechſelndem Thau - und Froſtwetter fallen, außerordentlich bedeutend und man kann ſich kein traurigeres Bild vorſtellen, als ein junges, kräftiges Fichten - oder Kiefernſtangenholz auf deſſen Zweigen und Wipfeln feſtgefrorne Schneemaſſen laſten. Während man, ſo lange der Schnee noch auf den Bäumchen laſtet, zuweilen die Verwüſtung nicht ſehr augenfällig findet, weil der Schnee dieſe verhüllt, ſo entfaltet ſich ein höchſt betrübendes Bild, nachdem der Schnee hinweggeſchmolzen iſt. Der Unkundige fragt ſich dann nach dem Grund, wodurch die doch ſonſt geſunde und kräftige junge Baumwelt vor ihm in einem Zuſtande ſteht, als habe ein furcht - barer Wirbelwind in ihr gehauſt, welchem er auch ohne Bedenken dieſe Wirkung zuſchreiben wird. Man ſieht nach allen Richtungen die Bäumchen gekrümmt und verdrückt, niedergezogene Wipfel förmlich gegenſeitig ver - ſchlungen, andere abgebrochen oder geknickt, ſo daß es eine Unmöglichkeit iſt, in dieſem Chaos hindurch zu kommen. Diejenigen Stämmchen, welche durch den Schneedruck nur wenig aus ihrer geraden Richtung gedrückt worden ſind, richten ſich zwar zum Theil allmälig wieder auf, der abgebrochene Herztrieb anderer wird durch einen Seitentrieb, der ſich aufrichtet, jedoch nicht ohne Nachtheil für die Regelmäßigkeit des Stammes, erſetzt; aber deren ſind ſehr häufig doch nur ſo wenig, daß man ſich dadurch nicht beſtimmen laſſen kann, auf eine Ausheilung des Beſtandes zu hoffen, ſondern ſich genöthigt ſieht, denſelben abzutreiben und dadurch der ſo lachenden Hoffnung auf den Beſtand für die Zukunft verluſtig zu werden.

Daß Waldbrände in Nadelwaldungen leichter verheerend werden können als in Laubwaldungen, ergiebt ſich leicht von ſelbſt aus der harzigen Beſchaffenheit der Nadeln und Triebe der Nadelbäume.

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Aus dieſen Andeutungen geht hervor, daß die Benachtheiligung des Waldes durch ſolche Unfälle meiſt nicht ſowohl ein völliges Berauben der Forſtwirthſchaft iſt, ſondern vielmehr eine Störung in der geregelten Forſtbenutzung. Wenn man einen durch ſchädliche Inſekten getödteten Nadelholzbeſtand ſofort niederhauen kann, ſo hat das Holz noch keine ſehr viel geringere Güte, als es hat, wenn man die Bäume im geſunden Zuſtand und im regelmäßigen Umtriebe gehauen hat, obgleich ein durch Inſekten getödteter Baum, namentlich ein Nadelbaum, ſehr ſchnell an Güte ſeines Holzes verliert. Iſt aber eine Inſektenvermehrung eine ſehr ausgebreitete geweſen, ſo kann der Fall eintreten, daß nicht Menſchen - hände genug geſchafft werden können, um die getödteten Bäume in Schnelligkeit zu fällen, ſo daß die Verderbniß des Holzes ſo ſchnell um ſich greift, daß daſſelbe an Güte bedeutend verliert. Dies iſt namentlich der Fall bei der Fichte durch den Borkenkäfer und bei der Kiefer durch die große Kiefernraupe.

Wenn man nun erwägt, wie vorſichtig die Waldbenutzung geregelt iſt, wie auf Jahrzehnte hinaus berechnet wird, wie viel in einem Wald - reviere hier und dort alljährlich herausgenommen werden ſoll und darf, um die Leiſtungsfähigkeit des Waldes aufrecht zu erhalten, ſo begreift man leicht, wie ſolche Verheerungen durch Inſekten, Stürme und dergl. eine heilloſe Verwirrung in die Waldbenutzung bringen können. Mit der geregelten Holzernte regelt ſich ſelbſtverſtändlich gewiſſermaßen auch der Holzbedarf und die Nachfrage des Marktes, wodurch wieder der Holzpreis ſich feſtſtellt.

Jetzt tritt aber plötzlich der Fall ein, daß in einem großen Wald - komplexe durch einen ausgedehnten Windbruch viele Tauſende von Klaftern zur Verfügung geſtellt werden, welche obendrein, wenn ſie z. B. Fichten ſind, ſo ſchnell als möglich beſeitigt werden müſſen, damit nicht der Borkenkäfer hineinkomme und obendrein den Werth des zur Unzeit verfügbar werdenden Holzes beeinträchtige. In ſolchen Fällen hat die Forſtverwaltung die ſchwere Aufgabe zu löſen, über Hals und Kopf die unvorhergeſehenen Holzvorräthe zu verkaufen, um ſo wenig als möglich am Preis zu verlieren. Allein dies iſt nicht der einzige Nachtheil eines ſolchen Waldunglücks. Das, was man augenblicklich viel zu viel hat, fehlt in den nachfolgenden Benutzungsperioden und was von nicht minderem,250 oft ſehr großem Nachtheil iſt: die Schlagſtellung iſt vielleicht in großer Ausdehnung geſtört. Es gehört nämlich zu den Aufgaben der geregelten Forſtverwaltung, daß die Holzſchläge mit Berückſichtigung der herrſchenden Winde und anderer klimatiſchen Erſcheinungen ſo geführt werden, daß dadurch gewiſſermaaßen ein gegenſeitiger Schutzverband erhalten bleibt.

In Deutſchland ſind bekanntlich die herrſchenden Luftſtrömungen weſtliche und mithin kommen am häufigſten auch die Stürme in dieſer Richtung an. Man ſucht daher auf einer großen Waldfläche beſonders an der weſtlichen Seite eine breite Wand von hohem Holz zu erhalten, um durch ſie die inneren, und die weiter öſtlich liegenden Waldtheile zu ſchützen. Iſt nun dieſe Schutzmauer durchbrochen, ſei es durch die furchtbar ſchnell wirkende Macht des Sturmes, ſei es durch nagende Inſekten, ſo kann es kommen, daß ein großer Waldkomplex auf viele Jahrzehnte den klimatiſchen Einflüſſen in nachtheiliger Weiſe ausgeſetzt iſt, vor welchen ihn eine weiſe Schlagſtellung lange Zeit hindurch zu ſchützen gewußt hatte. Ein ähnliches Verhältniß beſteht hinſichtlich der Einwirkung der Sommerhitze und zu vielen Lichtes und man iſt immer bemüht, bei gewiſſen Holzarten die Schläge ſo zu ſtellen, daß die Kulturen hiergegen und gegen das Austrocknen des Bodens geſchützt ſind.

Unter allen dieſen Unglücksfällen leiden aus Gründen, die uns klar geworden ſind, die Nadelbeſtände viel mehr, als die Laubwaldungen und wie überhaupt die erſteren eine größere Solidarität zeigen, man möchte ſagen, eine innigere Gemeinſamkeit, ſo iſt dies, wie wir ſahen, ebenſo der Fall hinſichtlich der Unglücksfälle, welchen der Wald ausgeſetzt iſt.

Wie wir eben geſehen haben, daß die Nadelwaldungen einen größern Einfluß auf den landſchaftlichen Charakter einer Gegend ausüben, daß ſie verſchiedenartigen Unfällen mehr ausgeſetzt ſind und dieſen gegenüber eine größere gegenſeitige Mitleidenheit zeigen, ſo üben ſie auch mehr, als die Laubholzwaldungen einen entſchiedenen Einfluß auf den Volks - charakter und auf die Gewerbsthätigkeit aus. Wie ſchon früher ein - mal angedeutet wurde, daß die Nadelwaldungen mehr zur Stille und Melan - cholie einladen, als die Laubwaldungen, ſo finden wir auch eine Be - ſtätigung hierfür darin, daß die Bewohner unſerer nadelholzgekrönten Gebirge mehr als die Ebenen-Bewohner ein Inſichgekehrtſein, eine ruhige feſte Beſtimmtheit zeigen und wenn wir vorhin im Vergleich zu251 den Laubhölzern die Nadelhölzer genügſame Bäume nannten, ſo ſind ihnen auch hierin die Menſchen gleich, welche in ihrem Schooße ihren Wohnſitz aufgeſchlagen haben. Aber ganz beſonders kann man den Nadelwald den Schooß nennen, welcher viele menſchliche Gewerbsthätig - keitsformen hegt und birgt und man kann gewiſſermaaßen von einer Nadelholzinduſtrie ſprechen. Wenn wir den Schwarzwald, den Harz oder das ſächſiſche Erzgebirge durchſtreifen, ſo finden wir an vielen Stellen die unmittelbaren Beweiſe, daß der Wald hier für den Menſchen nicht blos Wohnplatz, ſondern auch die Stätte iſt, welche ihm den Stoff zu ſeiner Thätigkeit liefert. Tief im Hintergrunde der Schluchten, durch welche luſtige Waldbäche fließen, ſiedelt ſich die Schneidemühle an, welche die ſchlanken Stämme zu reinlichen Bretern theilt und ein oft mühſam unterhaltener Weg führt dieſe zu den fernen Städten des Marktes; anderwärts finden wir das ſchwarze Völkchen der Köhler, denn es iſt vorwaltend Nadelholz, was zu Kohle verwandelt wird. Weniger als ſonſt, aber doch und häufiger als es ſein ſollte treffen wir anderwärts Theerſchwelereien an, ein Waldgewerbe, welches man faſt auf gleiche Stufe mit der Thätigkeit ſchädlicher Inſekten ſtellen ſollte, weil es den Verbrauchswerth der Stämme ſehr weſentlich beeinträchtigt. Sobald ein Bach waſſerreich genug wird, um als Floßbach dienen zu können, ſehen wir zu Klötzen geſchnitten oder ſelbſt als Langholz von dem kräftigen Volk der Flößer die Stämme aus dem Innern des Waldes hinausführen. Im Hochgebirge wagt der Holzfäller ſein Leben daran, auf ſchlittenartigen Gefährten die geſpaltenen Scheite die jähen Abhänge herunter zu führen oder auf ſchwindligen Rieſen ſie über Thäler und Abgründe in tiefere Lagen hinabgleiten zu laſſen. Jede Hütte iſt mindeſtens am Dache, oft auch an den Wänden, mit den bald ergrauenden Nadelholz-Schindeln bekleidet, deren der Waldbewohner Millionen an die Niederungen abgiebt. Die umfangreiche Schachtelinduſtrie hat ihren Sitz faſt lediglich im Schooße des Nadelwaldes und zu dieſen und vielen anderen Nadelwald - Gewerben kommt in neuerer Zeit ein neues, welches mehr und mehr in Aufſchwung kommt, es iſt die Waldwollinduſtrie, eine Schöpfung des auch hierdurch verdienſtvollen preußiſchen Oberforſtmeiſters von Pannewitz. Ja ſelbſt die Kunſt hat ſich in den Nadelwaldungen eine Stätte bereitet. Wer kennt nicht die künſtlichen, zuweilen gar nicht werthloſen Schnitzereien252 der Tyroler, der Schwarzwälder und der Bewohner des Rieſengebirges? Es iſt namentlich der Arve und das Knieholz, welche den Stoff dazu liefern. So übt denn auch in dieſer Hinſicht der Nadelwald einen mäch - tigen Einfluß auf die Gewerbthätigkeit des Menſchen.

Wenn wir vorhin ſahen, daß die Nadelhölzer einen größeren Einfluß auf den Volkscharakter ausüben, als die Laubhölzer, ſo liegt der