Seiner Königlichen Hoheit dem GROSSHERZOG Nicolaus Friedrich Peter von Oldenburg in tiefster Ehrfurcht allerunterthänigst gewidmet.
Der Revolutionssturm, welcher am Ende des vorigen Jahrhunderts in Frankreich losbrach und ganz Europa durchtobte, zerstörte in wenig Jahren manches Werk, woran Jahrhunderte mühsam gearbeitet hatten. So riss er auch die Schulreiterei hinweg und liess von ihr wenig mehr als die Schriften der alten Meister zurück. Der schwache Stamm von Künstlern, welcher den Sturm ab - gewettert und sich in das neue Jahrhundert herüber - gerettet hatte, war nicht mehr triebfähig genug, um im Strahle der Friedenssonne zum kräftigen Baume aufzu - treiben.
Die Schulreiterei an sich, wie viel sie auch zum Pomp der Höfe, zum Glanz der Festzüge, zur Grandezza der Erscheinung der Grossen beitrug, ragte zu wenig in das praktische Leben hinein, als dass ihr Verlust ein sehr fühlbarer geworden wäre, wenn nicht die Campagne - Reiterei, die bisher mit ihr eng verbunden war, dadurch haltungslos zu Boden gefallen wäre. Es waren die nach den Regeln der Schule gebildeten Stallmeister und Bereiter, welche auch diese für das Leben unentbehrliche Kunst ausübten und lehrten. Sie dressirten die Campagnepferde und hielten Bahnen in jeder ansehnlichen Stadt; der Stall - meister war im Gefolge jedes grossen Herrn, er dressirteIVVorwort.bei der Cavallerie die Remonten und leitete den Unterricht. Die Zeit der grossen Herren war vorüber, das Publikum war aus einem reitenden, ein fahrendes geworden. Bei der Cavallerie der meisten Armeen übernahmen die Offiziere sein Amt und der Stallmeister verschwand fast ganz von der Bühne des Lebens. Nur an den Höfen fand er ein Asyl und ein Stallmeister, welcher ein Schulpferd dressiren kann, gehört zu den Seltenheiten der Residenz.
Wenn ausser jenem Reste von Reitern von Fach auch die Cavallerie nach jener Catastrophe so glücklich war, einzelne Männer zu besitzen, welche gründliche und ratio - nelle Kenntnisse der Reitkunst besassen (ich erinnere aus dem preussischen Heere nur an die Generale v. Sohr, v. d. Marwitz, v. Colomb, an Brée, Kaiser etc., derjenigen nicht zu gedenken, welche ihr aus jener Zeit, jetzt in ho - hen Stellungen, noch angehören) und wenn auch alle diese in ihren Kreisen gewiss höchst wohlthätig wirkten: so kam die Dressur und der Unterricht in der Campagne-Reiterei doch zum grössten Theil in die Hände von Empirikern, denen die Dressur mehr ein Balgen und Kämpfen mit dem rohen Thiere, als eine systematische Durchbildung desselben war; denen die kecke Renommage, der wagehalsige Sprung höher stand, als die sichere und graziöse Leistung der Kunst. Wenn die Verbindung der Campagne-Reiterei mit jenen rohen Naturburschen, abgesehen von andern Uebeln, ihr auch die feine, ruhige Grazie der alten Schule nahm, so blieb ihr dennoch ein gewisser kecker, militärisch - strammer Anstand. Es war der Anglomanie vorbehalten, diesen in jene schlotterig-nachlässige Haltungslosigkeit zu verkehren, worin sich selbst Reiteroffiziere gefielen. Wenn unleugbar mit der Passion für Rennen und Jagd sich eine bessere Pferde-Pflege und Zucht Bahn brach, auch der wohlthätige Einfluss derselben der Ueberkünstelung und Unnatur gegenüber nicht zu verkennen war, so zeigte sich doch bald, dass nicht der schnellste und ausdauerndste Läu -VVorwort.fer, der sicherste und ausgezeichnetste Springer zugleich auch ein gutes und zuverlässiges Campagnepferd sei; dass es einer anderen Zusammenstellung des Pferdes bedürfe, um eine Steeple-chase zu gewinnen, eine andere, um ein sicheres Tempo vor der Front zu gehen; dass es eines anderen Sitzes und anderer Hülfen bedürfe, eine Jagd zu reiten, als im Gefecht sein Pferd zu tummeln; abgesehen davon, dass unsere festländischen Mittel zu der consumi - renden Methode Alt-Englands nicht ausreichen. Die Idee, dass eine regelmässige Bearbeitung des Pferdes, Biegen von Hals, Rücken und Hanke nur eine unnütze Thierquälerei sei, welche die Renn - und Sprungfähigkeit untergrabe, dass ein schulgerechter Sitz steif und für einen Gentleman nicht schicklich sei — trat in den Hintergrund und man suchte mit Eifer den richtigen Weg wiederzugewinnen, von dem man so weit verschlagen war. Männer, wie die Herren Seidler und Seeger etc., nützten durch Wort und That, auch Herr Baucher gab durch sein System zu vielen Be - leuchtungen Veranlassung. In neuester Zeit scheint hier und da der Rückschlag zu Gunsten der Solidität und der systematischen Reiterei so mächtig geworden zu sein, dass man vom lustigen Jagen über Berg und Thal nichts mehr wissen will, dass man die Carrière hasst, wie die Barrière und aus jener moussirenden Jugendlichkeit sich in ein schales Greisenthum abschwächt, das sich immer mehr und mehr in die stille Bahn verkriecht. Wie aber alle Neue - rungen sich Anfangs darin gefallen, recht grell dem Alten entgegenzutreten und erst mit der Zeit eine mildere, har - monische Färbung annehmen, so wird sich mit der Zeit auch jener Superfeinheit wieder die nöthige Frische zu - gesellen.
Trotz aller Bestrebungen hat sich aber bisher noch immer kein System irgend einer Allgemeinheit zu er - freuen. Wenn die militärischen Instruktionen und Lehr - anstalten auch eine Einigkeit in der Form aufrecht erhaltenVIVorwort.und die Höhe der Anforderung an die Dressur für die Armee bestimmt haben, so ist doch die Art, wie sie er - reicht wird, sehr verschieden.
Es scheint, als wenn die Uneinigkeit der Meister, ihr öffentliches Turnieren vor dem Publikum mit spitzer Feder und scharfer Zunge, als wenn ihr gegenseitiges Ver - ketzern und Verkleinern den alten Glauben an ihre Autorität vernichtet habe. Wo sich zu Zeiten unserer Grossväter der Schüler vertrauensvoll der Führung des Meisters durch das ganze Gebiet der Kunst auf Jahre hin - gab und seiner Schule bis zum Tode ein treuer Anhänger blieb, so genügte uns die Erlangung der nothdürftigsten mechanischen Fertigkeit, um ihn zu verlassen. Kaum fühlten wir uns sicher im Sattel, so gingen wir, von dem eigenen Talent und hinlänglicher Befähigung bestens über - zeugt, wohlgemuth zum Dressiren über und betraten keck den Weg der Empirie; einen Weg, der mit verlorener Mühe gepflastert, mit verschwendeten Kräften beschüttet und mit weggeworfenem Gelde besäet, gewöhnlich nicht eher verlassen wurde, bis das Erstlingsopfer stetig geritten, jeden Tritt vorwärts hartnäckigst verweigerte, oder körper - lich unfähig geworden war, ihn fortzusetzen. Die heutige Jugend, wenn auch nicht weniger selbstvertrauend, doch praktischer, weniger romantisch und mehr vorsichtig, emanzipirt sich eben so schnell vom Lehrmeister, nimmt aber, um nicht irre zu gehen, gern ein Buch zur Hand, das ihr den Weg weist. Die Auswahl von Büchern ist gross, aber schwierig. Die grosse Verschiedenheit der ein - zelnen Menschen wie Pferde giebt eine unendliche Menge verschiedenartiger Zusammenstellungen. Es wird daher das gegenseitige Verhalten von Mann und Pferd einen so un - ausgesetzten Wechsel in den Erfolgen, so veränderte Er - scheinungen hervorrufen, dass es unmöglich ist, alle da - durch entstehenden Einzelfälle vorherzusehen, viel weniger erschöpfend darzustellen. Der Versuch hierzu wird dahinVIIVorwort.führen, dass von allen gegebenen Varianten manche bei - nahe, keine aber ganz für den vorliegenden Fall passt und mithin alles, was darüber gesagt ist, stets nur halb wahr sein wird. Dennoch aber sehen wir in vielen Büchern hauptsächlich nur diese Erscheinungen durchgehen und Rathschläge geben, wie man sich in diesem oder jenem Falle zu benehmen habe, ohne dass der Verfasser sich je zur Allgemeinheit, welche die Einzelfälle umfasst, erhebt und so geht er in Unklarheit und einem endlosen Detail unter. Soll ein Buch Nutzen gewähren, soll es den Unterricht des Meisters ersetzen und statt seiner die Fragen: „ Womit be - ginnen? “ „ Wie kommt das? “ „ Wie nun weiter? “beant - worten, so muss das Buch eine so umfassende Darstellung der einwirkenden Kräfte und deren Ursache und Wirkung geben; es muss eine so klare Anschauung gewähren dessen, was man erlangen will und wie man es erlangen kann; es muss den Gesichtskreis des Lesers so erweitern, dass er die Ursachen der Erscheinungen erkennen, den Erfolg der Mittel vorhersehen und jene Fragen sich selbst beant - worten kann.
Im vorliegenden Werke habe ich den Versuch zu einer derartigen Klarlegung gemacht. Was manchjährige Er - fahrung mich gelehrt, was mir theoretisch begründet und praktisch bewährt schien, habe ich hier niedergelegt. Ohne zu fragen, ob es dieser und jener Meister bereits gesagt und wie er es gesagt, habe ich mich bemüht, der eigenen Auffassung und Anschauung den klarsten und genauesten Ausdruck zu geben. Weit entfernt, verdienstvolle Männer, wie die vorgenannten, meistern zu wollen, habe ich meine Ansicht mitgetheilt, auch wenn ich wusste, dass sie nicht die ihrige war, denn es lag weder in meiner Absicht aus tausend Büchern das eintausend und erste zusammenzu - schreiben, noch wollte ich jeder mir entgegentretenden Mei - nung die aufgeschlagene Seite eines berühmten Autoren als einen Schild entgegenhalten können.
VIIIVorwort.Das Buch hat seinen Zweck erreicht, wenn der Pfer - debesitzer, der sein Thier dem Bereiter zur Dressur übergab, durch dasselbe sein Urtheil über die Leistungen von Mann und Pferd berichtigt; wenn der Reiter, welcher sein gerittenes Pferd bereits geschickt zu tummeln versteht und nun dressiren möchte, dem es dazu aber an Unter - weisung fehlt, aus demselben den Weg erkennen lernt, den er einzuschlagen hat; wenn der Offizier, dem die Dressur von Remonten in ganzen Abtheilungen anvertraut ist, in demselben hier und da einen Fingerzeig findet, der ihn näher zum Ziele bringt und wenn jeder meiner güti - gen Leser daraus ein erhöhtes Interesse für die edle Reitkunst und ein Paar Gedanken zum eigenen Weiter - spinnen heimträgt.
Münster, im December 1855.
Der Verfaſſer.
Soll ein Thier dem Menschen dienen, so muss es den Willen desselben erkennen, es muss dem Willen gehorchen lernen, und die körperliche Fähigkeit haben, ihn zu erfüllen.
Darnach würde die Dressur in drei Hauptabschnitte zerfallen:
Vielfache Beobachtungen haben mich zu der Ansicht gebracht, dass es namentlich die Unklarheit in diesen Begriffen und die Verwechselung und Verwirrung derselben ist, welche Veranlassung zu falschen Einwirkungen, unrichtigem Dressurgange und dem damit verbundenen Fest - und Ste - tigreiten giebt. Von der richtigen Erkenntniss, ob der Mangel an Erfolg des geäusserten Willens im Nichterkennen, Nicht - gehorchen oder Nichtvermögen begründet ist, wird die Art abhängen, jene Erfolglosigkeit in Folgeleistung zu verwandeln. — Das Nichterkennen verlangt Belehrung; das Nichtge - horchen trotz Erkennen und Vermögen — Strafe; das Nicht - vermögen — Uebung.
Jedes Verkennen der Ursache der Unfolgsamkeit wird auf die Dressur die nachtheiligste Wirkung haben.
Für Nichtvermögen — strafen, wird eine Grausamkeit, bei Ungehorsam — üben, eine Schwäche sein; jene wird Widersetzlich - keit aus Verzweiflung, diese Stetigkeit aus Eigensinn zur noth - wendigen endlichen Folge haben.
Nicht nur die allgemeine Kenntniss des thierischen Körpers, wie der geistigen Befähigungen des Thieres (man verzeihe den Ausdruck, das Wort Instinkt finde ich nicht1*4Einleitung.ganz genügend), nicht nur die Kenntniss der Hülfsmittel und ihrer Einwirkung, welche man zur Erlangung des Erkennens, Gehorchens und Vermögens anwendet, sind erforderlich, um hier nicht fehl zu greifen; es gehört ein genaues Individualisiren des Dressur-Objekts dazu, die Kenntniss der besonderen Stärken und Schwächen seines Gebäudes, die Kenntniss seiner speziellen geistigen Befähigungen und der Mängel seines Tempera - ments und Gemüths. Gute Kenntniss der Anatomie des Thieres, so viel Mechanik, als für die Bewegungslehre nothwendig ist, und endlich eine scharfe Beobachtungsgabe sind unentbehr - liche Hülfsmittel für den Dressirenden. — Es würde die Dressur weniger schwierig sein, wenn man im Stande wäre, erst das Verständniss, dann den Gehorsam und endlich den Körper des Thieres nacheinander auszubilden. Da aber in allen diesen drei Beziehungen gleichzeitig vorgeschritten werden muss, und sie in untrennbarer Wechselwirkung zu einander stehen, so wird es einen ferneren Theil der Belehrung ausmachen, wie Verständniss, Gehorsam und Körperausbildung in systematischer Reihen - folge von Lectionen neben einander ausgebildet werden.
Es wird demnach der erste Theil den Stoff sammelnd, zuerst Einiges aus der Lehre vom Exterieur und dem Gange des Pferdes, dann die Lehre vom Verständnisse, Gehorsam und von der Körperausbildung enthalten, im zweiten Theile aber ihre Anwendung in systematischer Stufenfolge gezeigt wer - den. — Ueberall wird das Verständniss derjenigen Ausdrücke, welche allgemein gebräuchlich sind, wie die Kenntniss der Hülfen und Lectionen etc. vorausgesetzt.
Bei Ausdrücken, welche ungewöhnlich sind, oder einer beson - dern Erklärung bedürfen, sind diese gegeben, eben so oft anato - mische und mechanische Verhältnisse mit einer Weitläufigkeit erklärt, die dem Wissenden ermüdend scheinen mag, dem Nichteingeweihten aber unentbehrlich sein dürfte.
Eingeflochtene Bemerkungen soldatischer Natur, welche weniger zur Sache gehören, bitte ich mit der Wahrheit des Spru - ches: „ Wessen das Herz voll ist, geht der Mund über! “zu entschuldigen.
Ich erlaube mir in Nachfolgendem eine kurze Abhandlung aus der Lehre vom Exterieur des Pferdes und seiner Bewegung vorauszuschicken.
Sie macht auf Vollständigkeit keinen Anspruch und soll nur das enthalten, was zum Verständnisse des Weiteren nöthig wird. Wo Combinationen vorkommen, sind dieselben absichtlich nicht bis zur Erschöpfung verfolgt, sondern es ist deren Ausfüh - rung nur so weit getrieben, dass durch Selbstdenken die fehlenden Varianten leicht hinzugefügt werden können.
Das Pferd nützt uns durch seinen Gang. Rücken und Gliedmassen bilden seinen Bewegungsapparat. Muskeln und ihre strangartigen Verlängerungen, die Sehnen, welche an den Knochen ihre Ansatz - und Wirkungspunkte haben, setzen ihn in Thätigkeit. — Knochen geben dem Bewegungsapparat den Halt, und die Gelenke denselben die Biegsamkeit.
Die Nerven, welche vom Gehirne und dem Rückenmark zu den einzelnen Muskeln gehen, sind die Telegraphendrähte, die nach Willen des Thiers die Muskelthätigkeit hervorrufen.
Das Wie ist uns eben so unbekannt als die Kraft, durch welche die Muskeln zusammengezogen werden. Die Zahl der Muskeln ist erstaunlich gross und muss es sein, um jedem ein - zelnen Gliede die Menge seiner Bewegungen für sich und im Verein6Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.mit andern zu gewähren, und jene unendliche Mannigfaltigkeit nach Richtung und Kraft zu gestatten. Die Mächtigkeit jeder ein - zelnen Muskel wird von der allgemeinen Kräftigkeit des Indivi - duums abhängig sein, kann aber durch Uebung gehoben werden. Es wird indess die Kraft ihrer Wirkung sehr von ihrer Länge und von der Richtung, in welcher sie auf die Knochen wirkt, mithin von der Lage ihrer Ansatzpunkte abhängen. Diese aber werden bei den verschiedenen Individuen sowohl durch die abweichenden Längenverhältnisse der Knochen gegen einander, wie auch durch die verschiedene Winkelstellung, in welcher die Knochen in den Gelenken sich zusammenfügen, bedeutend variiren. Diese Verschiedenheit, welche die eine Verrichtung begünstigen, die andere aber beeinträchtigen muss, wird einen bedeutenden Ein - fluss auf den Gang äussern, und einen um so entschiedeneren, als er nicht durch Uebung etc. verwischt werden kann. Es wird die Aufgabe der Kunst sein, diese Unregelmässigkeit zu erkennen und zu lehren, wie weit man die daraus hervorgehenden Vor - theile benutzen und die Nachtheile vermindern kann.
Hiezu aber ist ein Zurückgehen auf das Skelett nöthig.
Betrachten wir das Skelett, so finden wir als erste Grundlage desselben die Wirbelsäule, an welche sich der Kopf und mit - telbar alle Theile des Körpers anschliessen. Sie besteht aus einer langen Reihe enger oder loser mit einander verbundener Wirbel, die bis auf die Schweifwirbel, deren Zahl zwischen 17 und 19 variirt, hohl sind, und in einem langen, fortlaufenden Kanal das Rückenmark enthalten. Die 7 Halswirbel haben die loseste Verbindung, die Kreuzwirbel, deren es 5 — 7 giebt, eine so dichte, dass sie beim ausgewachsenen Pferde gewöhnlich in eine Knochenmasse sich vereinigen.
Von den 7 Halswirbeln zeichnet sich die Verbindung zwischen dem ersten, der den Kopf trägt, und dem zweiten besonders durch ihre Beweglichkeit aus.
Die 18 folgenden heissen Rückenwirbel. An sie schliesst sich der Brustkorb an, indem jeder Wirbel einer Rippe zum Ansatze dient. Die ersten 9 Paar Rippen sind durch das Brust - bein eng verbunden und heissen die wahren Rippen, die zweiten 9 Paare nur durch Knorpel unter sich und heissen falsche Rippen. 7Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Den Rückenwirbeln schliessen sich die Lendenwirbel und diesen die Kreuz - und Schweifwirbel an.
Die Tragfähigkeit der Rücken -, Lenden - und Kreuzwirbel ist durch Knochensäulchen, Stachelfortsätze genannt, bedeutend verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den Widerriss.
Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (Nacken - band), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt - liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken - band ohne weitere Muskelthätigkeit finden.
Der Rückgrat besteht immer aus einer gleichen Anzahl von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin zwischen der Hüfte und dem Widerrisse möglichst kurz sei, wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen zusammenstehen.
Die Lage des Rückgrats zwischen den Stützen muss fer - nerhin eine wagerechte sein, wenn die daran hangende Last auf die Vorder - und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf Vorder - und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen Rückenwirbel bedeutend überragen.
Eine Abweichung von dieser horizontalen Lage kann nun entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat hinten auf höheren Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses Gebäudes überbaut. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die Vorderstützen höher, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen.
Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier Hinter - und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach oben ge -8Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.krümmt werden, und in den Fällen, in welchen es Hinter - und Vorderbeine möglichst weit auseinander bringt, am stärksten nach unten gebogen erscheinen.
Das Pferd wird mithin beim vollen Laufe bald den Rücken nach oben anspannen, bald nach unten abspannen müssen. Es wird daher jede ursprünglich von der wagerechten abweichende Stellung des Rückens bei gleichhohen Stützpunkten die Kraft des Pferdes zum An - oder Abspannen schwächen.
Die An - und Abspannung des Rückens wird seine grösste Thätigkeit in den 6 Lendenwirbeln finden, indem diese die grösste Beweglichkeit zulassen. Die Länge dieser Parthie wird die Beweglichkeit auf Kosten der Kraft begünstigen. Ein zu weites Zurücksatteln wird die Bewegung stören und ist aus diesem Grunde, wie aus Gesundheitsrücksichten zu verwerfen. Eine hohe, kurze Niere wird stets das Zeichen grosser Tragfähigkeit, indess, wie überhaupt der kurze Rücken, wenn er nicht eine besondere Elastizität besitzt, für die Conservirung der Beine kein Vortheil sein. Der Stoss der Last des Reiters wird durch den festen Rücken zu wenig gebrochen, und wirkt zu unmittelbar auf die Beine. Wir sehen es namentlich bei bockenden Pferden, wo allerdings zur An - spannung des Rückens das Festhalten aller Gelenke kommt.
Einen Rücken, der zwischen den gleichhohen Stützpunkten sich von Natur nach oben wölbt, nennt man Karpfenrücken. Er wird die Abspannung unter die Horizontale nicht erlauben, und desshalb werden Pferde dieses Gebäudes keine Streckung in stärkeren Gängen geben können. Man muss den Karpfen - rücken nicht mit dem angespannten Rücken verwechseln. Pferde von kräftigem, kurzem Rücken und hoher, schwellender Niere pflegen oft den Rücken, sowohl an der Hand, wie auch unter dem Reiter nach oben zu wölben, und ihn erst nach längerer Zeit willig herzugeben.
Der entgegengesetzte Fehler ist die Tiefrückigkeit. Pferde dieses Gebäudes werden der Kraft des Anspannens des Rückens ermangeln. Ist sie mit einem langen Rücken gepaart, so ist sie ein unbedingtes Zeichen der Schwäche und macht das Thier für schweres Gewicht ungeeignet.
9Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.I. Halswirbel. II. Rückenwirbel. II a. Stachelfortsätze des Widerrisses. III. Wahre Rippen. IV. Brustbein. 1. Schulterblatt. 1 a. Gräthe desselben. 2. Armbein. 3. Vorarm. 3 a. Ellenbogenhöcker. 4. Knochen des Knie’s. 5. Schienbein. 5 a. Griffelbein. 5 b. Sesambein. 6. Fesselbein. 7. Kronbein. 8. Knochen des Hufs. 8 a. Hufbein. 8 b. Strahlbein.
Beleuchten wir nunmehr den Bau der Vordergliedmas - sen. — Die Schulterblätter schliessen die vorderen Seiten des Brustkorbes, an dem sie nur durch Muskeln und die Deckhaut befestigt sind, auf beiden Seiten tragend ein.
Sie haben eine auf - und abwärtsgehende Bewegung um einen Drehpunkt, der etwa vier Finger breit von der oberen Spitze der - selben abwärts liegt. Hiedurch wird sich der Theil der Schulter, welcher oberhalb des Drehpunktes liegt, abwärts bewegen, wenn sich der Theil, welcher unterhalb des Drehpunktes liegt, aufwärts bewegt, und umgekehrt. Diese Bewegung des oberen Randes der Schulter wird durch ein weites Vorrutschen von Sattel und Vordergepäck gestört.
Ein hoher und scharfer Widerriss ist, weil er dies Vor - rutschen verhindert, beim Reitpferde eine bemerkenswerthe Eigen - schaft. Die Bewegung der Schulter ist Ursache, dass das Pferd seine Vordergliedmassen bedeutend heben kann, ohne dass der10Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Rückgrat die wagerechte Stellung verlässt, mithin ohne dass der Hinterhand das Gewicht der Vorhand zugeführt, und dadurch die abstossende Kraft derselben vermindert wird. An den unteren Theil der Schulter ist im Bug oder Schultergelenk das Arm - bein unter einem Winkel von 80 bis 100 Grad angesetzt.
Die Zusammenfügung unter einem Winkel von 90 Grad ist desshalb die vorzüglichste, weil durch sie die Nachgiebigkeit der Schulter bei der Rückdröhnung (von der weiter unten die Rede) am grössten sein wird. Ueber die schräge Stellung der Schul - ter sind alle Schriftsteller einig, es sind indessen mehrere, welche das Armbein nicht kurz genug haben können, damit es ja nicht mit seinem unteren Ende, woran das ganze Vorderbein gehängt ist, zu tief unter den Leib des Pferdes zu stehen komme, wodurch der grosse Fehler des Ueberhangens der Last über die Stütze entstehen würde. Nun aber ist das Armbein derjenige Theil, welcher durch seine Schwingungen das ganze an ihn angehängte Vorderbein vorwärts und rückwärts bewegt. Je länger der Radius, um so grösser der Kreisbogen, je länger mithin das Armbein, um so weiter die Bewegung.
Nur bei einer zu bedeutenden Länge des Schulterblatts wird ein verhältnissmässig langes Armbein die Vordergliedmassen zu weit unter den Leib bringen. Es zeigt die Prüfung derjenigen Pferde, welche sich durch grosse Schulterfreiheit auszeichnen, (ein Ausdruck, unter dem man in der Reitersprache eine leichte und weite Bewegung des Schulter - und Armbeins versteht), dass sie sehr schrägliegende, keineswegs aber sehr lange Schultern, wohl aber verhältnissmässig lange Armbeine haben. Die Bugspitze ist bei ihnen in Folge dessen ziemlich hoch gestellt. Diesen Bau finden wir ebenfalls bei allen denjenigen Thieren, die sich durch eine besondere Lauffähigkeit auszeichnen, Windhunde, Hirsche etc.
Der obere Schulterrand giebt ferner auch die Basis für den Hals ab, der sich um so höher stellt, je schräger die Schultern sind, und um so mehr vorhangend erscheint, je steiler sie stehen. Je weiter aber Kopf und Hals vorhangen, um so weiter muss der Vorderfuss vortreten, um die Last aufzu - fangen; er kann dies aber bei steiler Schulter um so weniger, wie - wohl er dessen um so mehr bedürfte. Mit der Länge der Schulter11Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.wird die Basis des Halses breiter, welcher Vortheil in der wach - senden Schwere seine Grenze hat.
Die schnellen und so sehr schulterfreien Racepferde sind die schmalhalsigsten.
An das Armbein ist der Vorarm vermittelst des Ellen - bogengelenks angesetzt. Der Vorarm besteht aus dem Vor - armbeine und dem Ellenbogenbeine. Dieses ragt mit einer Verlängerung, dem Ellenbogenhöcker, hinten weit über das Gelenk hinaus. Einige Schriftsteller legen auf die Länge dieses überragenden Theiles einen sehr bedeutenden Werth. Sie wollen den ganzen Vorarm als einen ungleicharmigen Hebel, das Schien - bein als die Last, den Vorarm als den langen, den Ellenbogen als den kurzen Arm, das Gelenk aber als Stützpunkt betrachtet wissen, und stellen die Behauptung auf, dass, da die Last um so leichter gehoben wird, je weiter die Kraft vom Stützpunkt entfernt ist, die Länge des Ellenbogenhöckers über die Leichtigkeit der Erhe - bung des Beines entscheiden müsse. Diese Behauptung würde richtig sein, wenn nicht die Heraufzieher des Vorarms (Beuger) vorn, die Herabzieher (Strecker) hingegen hinten (den Ellenbogen zu ihrem Hauptansatzpunkte) ihren Sitz hätten. Die Länge dieses Höckers wird mithin wohl einen Einfluss auf das feste Niedersetzen des Beines haben, die Stärke der Muskelbündel des Vorarms hin - gegen mehr das Zeichen für die kräftige Hebung sein.
Die Länge des Vorarms im Verhältniss zum vorderen Schien - beine, mit dem es durch das Knie in fortlaufender Richtung verbunden ist, gestaltet sich in demselben Verhältnisse, wie das Schenkelbein zu dem hinteren Schienbeine. Die grössere Länge wird vortheilhaft auf die Weite der Bewegung wirken. Der Vor - arm wird aber mit der wachsenden Länge einer stärkeren Mus - kulatur bedürfen, weil Länge und Stärke in umgekehrtem Ver - hältnisse stehen.
Ueber das vordere Kniegelenk (Hufwurzelgelenk), Schienbein etc. gehen wir hinweg, weil diese Theile durch ihre freie Lage und die Menge der daran vorkommenden Fehler u. s. w. gewiss schon jedem hinreichenden Stoff zum Nachdenken und Ver - anlassung gegeben haben, ihre Verhältnisse näher zu prüfen. Da - gegen erlaube ich mir einige Worte über die Fessel hinzuzufügen. Sie entscheidet bedeutend über Schnelligkeit, Räumigkeit und12Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Sicherheit des Ganges, wie über die Konservirung der Gliedmassen. Wie eine lange Feder eine grössere Schnellkraft besitzt, als eine kürzere, diese dagegen einen grösseren Druck erträgt, so hat auch die lange Fessel die grosse Schnellkraft für sich, die kurze aber trägt ein grösseres Gewicht, ohne darunter einzusinken. Je nach der Anforderung, die man an die Schnelligkeit oder Tragkraft des Pferdes stellt, muss die Fessel beschaffen sein, nur muss ihre Nach - giebigkeit zu ihrer Länge in richtigem Verhältnisse stehen. Die lange, elastische Fessel des Rennpferdes und die kurze harte Fessel des Karrengauls sind beide gut zur richtigen Stelle. Die lange, schlaffe, durchtretende Fessel ist schlecht an jedem Thiere; sie erliegt unter der Last, ohne Schwung zu geben. Die kurze, steife Fessel, der die Biegsamkeit ganz abgeht, ruinirt Bänder und Sehnen.
I. Lendenwirbel. I a. Stachelfortsätze derselben. II. Kreuzwirbel. II a. Stachelfortsätze derselben. III. Schweifwirbel. 1. Becken. 1 a. Hüftbein. 1 b. Darmbein. 1 c. Sitzbein. 2. Backbein. 2 a. Kniescheibe. 3. Schenkelbein. 3 a. Schenkelbeindorn. 4. Knochen des Sprunggelenks. 4 a. Hackenbein. 5. Schienbein. 5 a. Griffelbein. 5 b. Sesambein. 6. Fesselbein. 7. Kronbein. 8. Knochen des Hufs. 8 a. Hufbein. 8 b. Strahlbein.
Die Hintergliedmassen sind, wie folgt, zusammengesetzt. Der Rückgrad ruht in fester unbeweglicher Verbindung auf dem13Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Becken, dessen vorderster Theil in den hervorstehenden Hüft - beinen sichtbar wird, und das in den Sitzbeinen, welche die letzten Spitzen der Hinterbacken bilden, endet. Zwischen dem Hüftbeine und dem Sitzbeine liegt das Darmbein. Dort hat das Becken eine Pfanne, worein der Kopf des Backbeins eingefugt ist. Dies Backbein ist es, welches das ganze Hinterbein, das an demselben hängt, vorwärts und rückwärts bewegt. Je weiter der Kreis ist, in welchem sich das Backbein um seinen Drehpunkt schwingt, um so weiter wird der Huf vorwärts unter und rückwärts hinter den Leib gebracht. Je horizontaler die Lage des Beckens und je länger dasselbe ist, um so länger wird das Backbein sein können. Die Grenze für die Ausdehnung desselben nach vorn ist (bei einer Verbindung zwischen ihm und dem Darmbein unter 80 bis 100 Grad) das Loth, welches vom Stützpunkte des Rückgrats zur Erde fällt.
Die Länge des Beckens, welche die der Kruppe bestimmt, kann nicht gross genug sein; denn mit ihr wächst nicht nur gleichfalls die Länge des Backbeins, sondern es wächst mit ihr auch die Entfernung vom Hüftgelenke zur Spitze des Sitzbeins und zum Hüftbein, welche letztgenannten Punkte den vor - und rückwärts ziehenden Muskeln des Backbeins zu Ansatzpunkten dienen, welche um so kräftiger wirken, je weniger steil sie liegen.
Das Backbein ist im hinteren Knie unter einem Winkel von 130 Grad mit dem Schenkelbeine eingelenkt. Kniegelenk und Hüftgelenk werden in der Reitersprache gewöhnlich gemeinsam mit Hanken bezeichnet, und die Biegsamkeit dieser beiden Ge - lenke Hankenbiegung genannt. Das Becken sowohl, wie das Backbein sind äusserlich von so vielen und starken Muskeln um - kleidet, dass ihr Bau und ihre Zusammenfügung nur durch die Länge der Kruppe, wie durch die Lage des Hüftbeins, des Sitz - beins und des Knie’s beurtheilt werden kann. Anders ist es mit den Theilen der Gliedmassen, welche unterhalb des Kniegelenkes sich befinden. Diese, so leicht in ihrer Konstruktion zu verfolgen, sind deshalb fast nur allein zur Beurteilung gezogen worden, wie wichtig auch jene für die Bewegung sind.
Das Schenkelbein ist durch das Sprunggelenk mit dem hinteren Schienbeine unter einem Winkel von 150 Grad ver - bunden. Je länger das erstere gegen das letztere ist, um so gün -14Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.stiger ist es für die Räumigkeit des Ganges; nur muss die Mus - kulatur der Hose, wie man das untere Schenkelbein mit seiner Umgebung nennt, mit ihrer Länge im richtigen Verhältnisse stehen, da, wie gesagt, die Länge der Muskeln mit ihrer Kraft ein umge - kehrtes Verhältniss bilden.
Das Sprunggelenk ist aus mehreren Schichten Knochen zusam - mengesetzt, welche, durch Bänder verbunden, ihm die Elastizität geben, der es so sehr bedarf. Das Schienbein ist mit der Fessel unter einem Winkel von 150 Grad verbunden. Das Kronbein und Hufbein folgen in derselben Richtung, durch gleichnamige Gelenke verbunden.
Die Gliedmassen des Pferdes haben mit denen der Men - schen einen viel ähnlicheren Bau, als man auf den ersten Blick glauben sollte. Es ist dieselbe Zahl der Gelenke vorhanden, und die Biegungen zeigen nach derselben Richtung. Nur sind allerdings die obersten Theile der Gliedmassen, das Armbein vorn und das Backbein hinten, mit in die Deckhaut des Leibes eingeschlagen.
Wir finden bei der Vorhand:
Das Pferd geht demnach, mit dem Menschen verglichen, auf der äussersten Spitze der Finger und Zehen. Der Hund auf den ganzen Fingern und Zehen. Der Mensch aber, mit dem Pferde verglichen, ist so auf die Hinterhand aufgerichtet, dass noch das Sprunggelenk auf der Erde ruht. Mithin würde die Hacke des Pferdes bei ähnlichem Gange da zu stehen kommen, wo die Hacke des Menschen steht.
Betrachten wir nun die Thätigkeit der einzelnen Beine und zwar im Trabe, weil beim Schritt der Moment des Abschwin - gens fehlt, und der Trab uns als diejenige Gangart erscheint, welche der Beobachtung am günstigsten ist.
Wir beginnen mit dem Vorderbeine.
Erster Moment. Der gehobene Fuss geht beim stehenden Beine vorbei, greift vor.
Zweiter Moment. Er fusst und nimmt die Last auf, die ohne ihn zur Erde gefallen wäre.
Dritter Moment. Der Pferdekörper geht über ihn hinweg, der Huf steht unbeweglich fest, aber das ganze Bein nimmt an der Bewegung Theil, indem es natürlich dem Leibe folgt. Sobald der Leib so weit vorgegangen ist, dass ein Loth aus dem Ellenbogen - gelenk vor den Huf fällt, wird das Bein beginnen, schiebend zu wirken, um so kräftiger in horizontaler Richtung, mithin för - dernder, je weiter das Bein hinter jene Vertikale kommt.
Vierter Moment. Ist der Punkt der grössten Streckung des Beines rückwärts erreicht, so wird das Bein sich kräftig von der Erde abschwingen, und dieser Abstoss des Hufes vom Boden ebenfalls wieder um so mehr fördernd in horizontaler Richtung wirken, je mehr der Huf hinter der Senkrechten liegt; um so mehr den Leib hebend, vertikal wirken, je näher der Senkrechten.
Als allgemeine Regel für den schönen Vortritt im Trabe, der Gangart, worin man das Vermögen jedes einzelnen Beines am leichtesten beurtheilen kann, gilt Folgendes:
Alle diese Bewegungs-Momente müssen leicht in einander laufen und kein Stocken gewahren lassen, federkräftig sein, ohne die Idee von Anstrengung und krampfhafter Muskel - anspannung aufkommen zu lassen.
Betrachten wir nun die Verrichtungen der Hinter - gliedmassen beim Gange, so glaube ich ihre Thätigkeit am besten verdeutlichen zu können, wenn ich sie Federn nenne, worauf die Last des Rumpfes hinten ruht. Neigt diese Last sich fortbewegend nach vorn, so wird im:
Ersten Moment der untere Theil der Feder, der Huf, unter den Schwerpunkt der Last gebracht; der Huf macht einen Pendelschlag um das Hüftgelenk vorwärts.
Zweiter Moment. Die Feder fällt mit ihrem unteren Ende auf den Boden und nimmt die Last auf.
Dritter Moment. Die Last bewegt sich über den auf dem Boden ruhenden, sie tragenden Huf hinweg, der obere Theil des Beines bewegt sich um den untern. Die Feder wirkt schiebend, je mehr sie von der Last befreit ist; drängt um so kräftiger vor - wärts, je weiter sie hinter der Last zu stehen kommt, und so hori - zontal auf dieselbe wirkt.
Vierter Moment. Das untere Ende der Feder (der Huf) ver - lässt den Boden und schwingt sich von diesem federnd ab, und zwar wiederum je weiter hinterwärts, um so kräftiger nach vorn schiebend; je weiter unter der Last, um so hebender wirkend. Alsdann tritt wieder der erste Moment des Vortretens ein.
Die Bewegung der Hinterbeine soll im Trabe folgen - dermassen erscheinen:
Alle diese Bewegungen müssen leicht in einander übergehen, ohne Muskelanspannung und Exaltation. Wir unter - scheiden mithin bei Vor - wie Hinterhand die Momente des Vor - tretens, des Auftretens, des Abschiebens und des Ab - schwingens. Es geht hieraus klar hervor, dass die weiteste Streckung des Beins hinter der Senkrechten den weitesten Ab - schwung, wie das weiteste Vorgehen vor die Senkrechte — die meiste Tragkraft geben muss. Je weiter also die Bewegung des Hufes sowohl vorwärts als rückwärts, um so sicherer und räumiger, mithin vollkommener ist der Gang.
Erforschen wir nun, wie die Vor - und Hinterhand in Uebereinstimmung tretend den Gang hervorbringen. Wir nehmen dabei den Trab wiederum zum Gegenstande unserer Betrachtung, und werden erst später im zweiten Theile in derselben Absicht unser Augenmerk auf den Schritt und den Galopp lenken, um dort nicht wiederholen zu müssen, was hier bereits gesagt wurde. Beginnen wir unsere Beobachtung mit dem Moment, wo zwei der diagonalen Füsse den Körper senkrecht stützen, und die beiden andern auf ihrem Wege nach vorwärts an ihnen vorbeigehen. Die Last des Körpers bewegt sich über die stützenden Beine hinweg. Schulter und Hüfte drängen immer weiter und weiter über den Huf vor. Die stehenden Beine erhalten eine immer schrägere Stellung hinter den Vertikalen aus den Ansatzpunkten der Glied - massen. Die Ballen der Hufe lüften sich mehr und mehr. In dem Moment, wo die stehenden Beine die grösste Streckung nach rück - wärts gefunden haben, schwingen sie sich federnd vom Boden ab. Die schwebenden Beine sind indess dem Boden nahe gekommen, das Vorderbein weit vor, das Hinterbein unter den Leib.
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 218Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Der freie Abschwung der bisher stehenden Beine führt den ganzen Pferdekörper fliegend durch die Luft, und dies ist der Mo - ment, welchen die Zeichner unserer Zeit so gern wählen, um den Moment des Trabes zur Anschauung zu bringen, in welchem sich alle 4 Beine in der Luft befinden. Die Kraft des Abschwungs und der Ort, von wo er erfolgte, wird über die Weite entscheiden, welche der Pferdekörper, die Luft durchfliegend, zurücklegt. Der nächste Moment wird die bisher schwebenden Füsse zur Erde kommen lassen, die nunmehr die stützenden werden, während die andern vorgehen. So ist die Anfangsstellung wieder gewonnen, nur haben die Funktionen der diagonalen Beinpaare gewechselt.
Die Uebereinstimmung der Action bei Vor - und Hinter - hand, sowohl der Zeit wie der Kraft nach, wird über die Rich - tigkeit des Ganges entscheiden. Fällt der Vorderhuf eher zur Erde, wie der Hinterhuf, so wird er einen Moment die ganze Last zu tragen haben, umgekehrt der Hinterhuf. Es wird dadurch nicht nur eine fortwährende Verlegung des Schwerpunktes, sondern auch eine vermehrte Anstrengung des verfrüht niederkom - menden Fusses entstehen. Schwingt das eine Bein eher ab, als das andere, so werden sie wie Ruderer arbeiten, welche keinen Takt halten, und können den Körper nicht schwunghaft fort - bewegen. Ist es der Vorderhuf, der zu lange an der Erde19Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.klebt, so wird der Hinterhuf durch ihn seinen Platz besetzt finden und in die Eisen klappen. Ist der Abschwung nicht im rich - tigen Verhältnisse der Kraft, stösst z. B. die Hinterhand nicht kräftig genug ab, so wird, wie beim Stehen, ein Mo - ment des Stillstandes einzutreten scheinen, und das vorgescho - bene Vorderbein, statt dahin zu treten, wohin es zeigte, zurück - gezogen werden müssen.
Wir haben bisher diejenigen Eigenschaften des Pferdegebäudes aufgesucht, von denen namentlich die Räumigkeit und Sicher - heit der Bewegung abhängt. Wir gehen jetzt zu denjenigen Eigenschaften über, welche die Erhaltung der Gliedmassen bedingen. Die Gliedmassen sind den heftigsten Erschütterungen unterworfen. Nicht nur die Wucht der Last des eigenen Ober - körpers, sondern die des Reiters und Gepäcks fällt auf sie bei jedem Tritte, und mit welcher vermehrten Kraft in scharfen Gangarten und Sprüngen! Nicht minder verderblich ist die Er - schütterung durch den dröhnenden Rückprall der Hufe vom Boden. Es ist um so gefährlicher, als die harten Wege, welche die Kultur geschaffen hat, den Hufbeschlag nothwendig gemacht, der das gummiartige Polster, womit die Natur den Huf im Strahl beschenkte, vom Boden entfernt hält. Die Kraft der Er - schütterungen und Stösse wird durch die Winkel gebrochen, unter denen die verschiedenen Theile der Gliedmassen zusammen - gefügt sind.
Betrachten wir das Skelett, so finden wir, dass die Glied - massen sich wie zwei Paar C-Federn, den Körper tragend, gegenüberstehen. Wo die Knochen am längsten, wie in den oberen Theilen, finden wir die Winkel am engsten und die Gelenke am stärksten. Wo die Zusammenfügung am steilsten, wie in den unteren Theilen, die obendrein der Rück - prall am heftigsten drückt, finden wir drei Gelenke in der Ent - fernung von einer Spanne. Es ist klar, dass die Kraft des Stosses um so mehr gebrochen wird, je mehr die Winkel von der geraden Linie abführen. Wir haben aber in unsern vorigen Be - trachtungen gesehen, dass dem edlen Gebäude des Race - pferdes die lange Fessel, das schräge Backbein und Becken, wie Armbein und Schulter, die es ihm möglich machen, so viel Terrain zu nehmen, eigen sind, während das gemeine Pferd2*20Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.mit seinem steilen Bau der Gliedmassen durch gebundene und schwunglose Gänge charakterisirt wird. Jene schrägen Stellungen, welche zu so grossen Kraftäusserungen befähigen, haben aber auch andererseits wiederum das grösste Vermögen, die damit verbundene Erschütterung zu ertragen, und erscheinen auch in dieser Beziehung vor dem steilen Bau der gemeinen Race bedeutend bevorzugt. Die Grenze dieser schrägen Stellung findet sich in der vermin - derten Tragfähigkeit. Die vermehrte Tragfähigkeit und harte Unbiegsamkeit der steilen Stellungen halten Empiriker in der Reitkunst häufig für Kraft, und wüthen auf die Gelenke los, die sie dann baldigst ruiniren. Eben so oft halten sie die Biegsamkeit der günstigen Stellungen, trotz der trefflichsten Elastizität, für Schwäche und fürchten sich, das Thier anzufassen.
Finden wir eine fehlerhafte Abweichung von der Nor - malen, ein Gelenk steiler, ein anderes dafür schräger gestellt, so wird das schräger gestellte Gelenk den Stoss für das steilere mitzutragen haben. Bei einem im Sprunggelenk steil gestellten Pferde werden die Fesseln den von oben kommenden Stoss der Last vermehrt erhalten, wie ein Pferd mit steilem Hankenbau, das zu schräg im Sprunggelenk gestellt ist, den von oben kom - menden Stoss gleichfalls doppelt empfinden wird. Die Vorhand ist gegen die Hinterhand durch den Umstand, dass der Vorarm gleichlaufend mit dem Schienbein gestellt ist, im wesentlichen Nachtheile, bei welcher diese Zusammenstellung im Sprunggelenk winklich gestaltet ist. Obschon der Rückprall durch die Be - weglichkeit der Schulter gebrochen wird, welches im Becken nicht stattfindet, so wirkt der Stoss von oben demnach weit verderblicher auf die Vorhand, als auf die Hinterhand, und die Reitkunst ist deshalb einzig bemüht, ihn von der Vorhand abzuwenden. Es ist ein wichtiger Theil der Beobachtung, ob die Gliedmassen richtig in sich verbunden sind, und ob bei Abweichungen von der normalen Stellung diejenigen Gelenke, welche mehr beansprucht werden, hin - reichend stark gebaut sind, die vermehrte Erschütterung oder die grössere Last zu tragen.
Wie aber die eben genannten Unregelmässigkeiten eines Gelenkes zerstörend auf das Nachbargelenk wirken, so findet dieselbe Wechselwirkung bei allen Unregelmässigkeiten im Gebäude statt. Völlig regelmässig gebaute Thiere giebt es21Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.nicht. Es ist ein weites und interessantes Feld der Beobachtung, wie Unregelmässigkeiten sich durch andere vermehren oder aus - gleichen. Die Kombinationen in dieser Art sind unzählig. Wir wollen einige derselben näher betrachten.
Obschon die Abweichungen in den Längeverhält - nissen der Knochen zu ähnlichen Resultaten führen, wie die Abweichungen in den Gelenksstellungen, so ist im Nach - stehenden auf dieselben doch weniger Rücksicht genommen, einmal weil sie in der Natur weit stärker ins Auge fallen, wie die Winkel, und jeder, welcher sich einigermassen mit der Beobachtung der Proportionen beschäftigt hat, sie leicht herauserkennt; dann aber, weil die Winkel von noch grösserer Erheblichkeit sind. Nicht nur bestimmen sie die Lage der Muskeln zum Gliedmasse, und damit den grösseren oder geringeren Kraftaufwand, den die Muskel braucht, um das Glied zu heben, sondern auch die Nachgiebig - keit der Gelenke sowohl gegen den Druck der Last von oben wie gegen den Rückprall von unten.
Bei normaler Stellung der Hinterhand soll ein Loth, welches aus dem Punkte, wo Rücken und Becken verbunden sind,22Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.zur Erde fällt, die Kniescheibe und ein Loth vom hintersten Punkte des Sitzbeins die Hacke treffen, und nur wenig mit der Richtung des Schienbeins differiren. (Fig. 1.) *Die in den Text eingedruckten Zeichnungen sollen die fehlerhaften Stellungen veranschaulichen, ohne auf mathematische Genauigkeit Anspruch zu machen. Die fehlerhaften Winkel sind mit der Zahl der Grade, welche sie in der Zeichnung haben sollen, verschen.
Es kommen indess Abweichungen nach zweien Richtungen vor. Es kann
A. das Hinterbein zu weit unter den Leib geschoben erscheinen:
In allen diesen Fällen wird das Hinterbein weit unter die Last gebracht. Das Pferd ist mithin leicht disponirt, die Last auf die Hinterbeine aufzunehmen, und es werden ihm die versammelten Gänge und die Paraden leicht werden, da die Natur die Beine schon in die Richtung gebracht hat, wo sie hingehören, um zu23Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.tragen. Sie sind indess darum nicht mehr dazu geeignet, eine erhöhte Last aufzunehmen, und soll der Ausdruck „ Tragfertigkeit “nicht sowohl auf ihr Vermögen eine grössere Last zu tragen, als auf ihre Bereitschaft die Last aufzunehmen, hindeuten. Es leidet indess das Ausharren hinter der Senkrechten — also Abschub und Abschwung — die Räumigkeit zu Gunsten der Tragfertigkeit. Das Pferd wird weder im langen Trabe noch im Laufe glänzen und als Zugpferd geringen Druck ins Ge - schirr bringen. Der zu schräge Stand ist, was den Bruch des Stosses betrifft, im ersten Falle am wenigsten schädlich, weil das Hüftgelenk nicht leicht verletzlich ist. Uebler ist der steile Stand des Schenkelbeins, weil die Biegsamkeit des Kniegelenks dadurch beeinträchtigt, und der Stoss vermehrt dem schwächeren Sprung - gelenke zugeführt wird, dessen säbelbeiniger Stand ihm gleichfalls leicht Verletzungen bringt.
Der zu schräge Stand der Fessel ist gewöhnlich mit zu grosser Länge derselben gepaart und wird auf die Vermehrung der Trag - fertigkeit nur wenig wirken.
B. Es kann andererseits das Hinterbein nach hinten herausgeschoben erscheinen:
Dieser letztere Fall hat allein Nachtheile. In den übrigen drei Fällen werden die Pferde hinter der Senkrechten lange aus - harren, stark schieben und abschwingen, mithin schnell sein, und viel Druck ins Geschirr bringen. In allen vier Fällen treten die Beine nicht genug unter die Last, und werden in gesammelten Gängen und den Paraden nicht die nöthige Stütze geben.
Was den Bruch des Stosses betrifft, so giebt die spanische Hose dem hintern Kniegelenke vermehrte Biegung; doch ist dies dem kräftigen Gelenke wenig schädlich. Der gerade Stand im Sprunggelenke gefährdet die Fesseln. Am unangenehmsten ist das steile Backbein, weil dadurch beide Hankengelenke unbiegsam, und die leicht verletzbaren unteren Gelenke erhöht in Anspruch genom - men werden.
Kombinationen der angeführten Unregelmässig - keiten werden folgende Resultate geben:
25Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Ein zu steiler Stand des Backbeins mit einer spanischen Hose würde die Hankenbiegung ausgleichen, aber das Unterbringen noch mehr erschweren. (Fig. 1.)
Kombinirt mit einem steilen Stand im Sprunggelenke würde der Fehler vermehrt; (Fig. 1 a.) mit Säbelbeinigkeit derselbe vermindert werden; (Fig. 1 b.)
u. 6.)
Steiles Backbein und steiles Schenkelbein gleichen die Fähigkeit zum Untersetzen und Abschieben aus, verlangen26Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.aber riesige Untergelenke und geben, wegen Mangel der Hankenbiegung, difficile Reitpferde. (Fig. 2.)
Kombinirt mit steilem Stand im Sprungge - lenke erzeugt Unbiegsamkeit bis zur Un - brauchbar - keit zum Reit - pferde und der Ruin der Fes - sel ist gewiss; (Fig. 2 a.) mit Säbelbei - nigkeit giebt es diejenigen Pferde, welche, vom Reiter irgend angefasst, in den Sprunggelenken zusammensinken, und den Schmerz, bei dem Uebermass der Biegung dieser Gelenke, durch zuckende Bewegung zu erkennen geben. (Fig. 2 b.)
Schräg gestelltes Backbein mit spanischer Hose gleicht die Fähigkeit zum Untersetzen und Abschieben aus, und giebt eine höchst biegsame Hanke. (Fig. 3.)
27Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Kombinirt mit steilem Stand im Sprunggelenke kommt das Bein zu weit hinten herauszustehen; (Fig. 3 a.) mit Säbelbeinigkeit erhöht die Biegsamkeit aller Gelenke bis zur Schwäche. (Fig. 3 b.)
Schräges Backbein mit steilem Schenkelbeine giebt mangelhaften Abschub und unbiegsames Kniegelenk. (Fig. 4.)
Kombinirt mit steilem Stand im Sprunggelenk wird der Abschub verbessert, aber die Unbiegsamkeit des Knie - und Sprung - gelenks der Fessel gefährlich; (Fig. 4 a) mit Säbelbeinigkeit wird der Abschub am schwächsten von allen bisher erwähnten Stellungen. (Fig. 4 b)
Man könnte nun diese Kombination noch weiter zur Fessel hinausdehnen, doch stellt sich die Sache nach dem Gesagten so deutlich heraus, dass Ferneres überflüssig erscheint.
Gehen wir zur Vorhand über, so trifft beim normalen Stand ein Perpendi - kel, der von der Bug - spitze zur Erde fällt, beinahe die Zehe des Vorderhufes. (F. 1.)
Das Vorderbein steht zu weit unter dem Leibe, wenn bei kurzer und steiler Schulter das Armbein zu lang ist; (F. 2.)
wenn bei langer und steiler Schulter das Armbein zu schräg steht; (Fig. 3.) wenn das Pferd mit den Knieen vorgebogen (bockbeinig), auch, wenn es in der Fessel zu steil steht. (Fig. 4.)
In allen diesen Fällen wird die Last schon im Stillestehen überhangend erscheinen. Es wird im Allge - meinen das Unvermögen daraus hervorgehen, hinreichend weit vor -29Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.zutreten, um die Last aufzufangen; dagegen wird Abschub und Abschwung keineswegs vermindert werden. Die Pferde können desshalb geschwind, sie werden aber unsicher sein.
Angeborne Bockbeinigkeit ist bei leichter, freier Schul - ter wenig nachtheilig. Es giebt Racen, welche durch vorgebaute, runde Knie bockbeinig erscheinen, wie z. B. die Ivenaker. Wenn die Bänder dicht unter dem Knie sehr fest angezogen sind, so ist die Sache schon bedenklich, weil dann die sichere Voraussicht da ist, dass der geringste Gebrauch die natürliche Bockbeinigkeit bal - digst vermehren wird. Stehen die Thiere bereits lose oder zitterig, so ist die Erziehung mehr schuld, als die Geburt und möchte ich nicht zum Ankauf rathen. Ich habe sehr selten Pferde, auch wenn sie nicht durch Anstrengungen, sondern erweislich durch Mangel an Bewegung als Fohlen krumm geworden waren, besser werden sehen, so häufig vom „ Wiedergeradereiten “gesprochen wird.
Der zweite Fall bringt gewöhnlich den dritten und vierten bald hervor, und sind Pferde dieses Baues nur als schwere Arbeitspferde zu benutzen.
Das Vorderbein steht zu weit vor, wenn die kurze schräge Schulter ein zu steiles Arm - bein hat; (Fig. 1.) 30Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.wenn die lange schräge Schulter ein zu kurzes Arm - bein hat; (Fig. 2.) wenn das Pferd im Hufwurzelgelenk rückbiegig steht, auch, wenn die Fessel zu schräg gestellt ist. (Fig. 3.)
Letztere Eigenschaft gewährt keinen Vortheil, sondern hat nur den Nachtheil der Schwäche. Die Rückbeinigkeit zeugt von Schwäche des Kniegelenks und wird, wie die unter 1 und 2 ge - nannten Eigenschaften, die Pferde weniger abschiebend machen, ohne den Vortheil des weiten Vorschreitens zu geben, den jene haben. Für den Reitgebrauch würden die ersteren Eigenschaften sich weniger unangenehm geltend machen, an Zugpferden aber würden es beträchtliche Fehler sein. Die Kombinationen der ver - schiedenen Fehler gestalten sich hier so einfach, dass derselben weiter keine Erwähnung geschehen soll.
Um ein regelmässiges Fortschreiten in Vor - und Hinter - hand und die richtige Wechselwirkung der Kräfte hervorzubringen, ist es nothwendig, dass die Fähigkeit derselben zum Vorgreifen, Abschieben und Abschwingen gleich sei. Nur die Har - monie der Bewegung kann Ausdauer geben.
Es ist besser, dass Vor - und Hinterhand eine gleiche Räu - migkeit der Bewegung haben, wenn sie auch noch so gering ist, als wenn diese Uebereinstimmung fehlt. Nicht zu jedem Zwecke braucht man schnelle Pferde oder solche, die zu einer hohen Kraftentwickelung fähig sind. Es ist ein Erfahrungssatz, dass der Bau der Vorhand des Vaters und der Hinterhand31Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.der Mutter sich vorzugsweise auf das Fohlen vererbt. Ein hochedler Hengst mit einer Vorhand von ungemein räumigem Gange und eine gemeine Stute mit langem Rücken, steiler, kurzer Kruppe werden ein Fohlen erzeugen, das vorn hinrei - chend viel vom Gange und der Form des Vaters hat, und hinten genug von der Unvermögenheit der Mutter, um ein Thier zu geben, das vorn spielt und hinten passt. Vorn ein Löwe und hinten ein Hundsfott, hat es keinen Drang nach vorwärts, bringt keinen Druck ins Geschirr, und wird als kaltbrüstig von den Bauern bezeichnet, der das allein in der Haut sucht, was in seinem ganzen Bau begründet liegt. Die Pferdekenner von einer Stufe höher hinauf schieben Alles, was der Bauer im Felle findet, auf das Temperament. Durch diese Produkte ist das Publikum ungerecht gegen die Landbeschäler geworden. Ich wage nicht zu beurtheilen, ob man nicht im Allge - meinen zu weit in Vermischung hochedlen und ganz gemeinen Bluts gegangen ist und ob nicht die Liberalität der Regierung, indem sie jede Stute ohne Auswahl von den königl. Beschälern decken liess, eher nachtheilig, als vortheilhaft gewirkt hat. Jene Bastarde bilden allerdings eine Spielart, die sich zu keiner Art der Dienstleistung qualifizirt.
Umgekehrt hat man häufig in neuerer Zeit, um einer zu kleinen und feinbeinig gewordenen Race mehr Volumen zu geben, zu gemeine und schwere Hengste auf hochedle, zu feine Stuten gesetzt, und durch diesen entgegengesetzten Fehler auch das entgegengesetzte Produkt, ein Fohlen erhalten, dessen Hinterhand kräftige und räumige Bewegungen zeigt, zu der die beladene Vorhand im schlimmsten Kontraste steht und bald vernichtet wird.
Dass ein geringes Ueberwiegen der Räumigkeit des Ganges der Hinterhand beim Wagenpferde, wo es auf den Drang nach vorn ankommt, und das umgekehrte Verhältniss beim Reitpferde weniger schadet, ist leicht einzusehen.
Es kombiniren sich die unrichtigen Stellungen der Beine, wie wir sie bereits bei Vor - und Hinterhand durch - genommen haben, in ihrer Beziehung auf einander, wie folgt:
32Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Wählten wir bisher unsern Standpunkt auf der Seite, so neh - men wir ihn jetzt vor oder hinter dem Pferde und fassen nunmehr seine Breiten-Dimensionen ins Auge. Wie es im Allgemeinen schwer ist, die Verhältnisse des Pferdes in Zahlen auszu - drücken, so ist es auch schwer zu bestimmen, welche Breite das Pferd, von vorn gesehen, von einer Bugspitze zur andern3*36Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.und von einer Hüfte zur andern im Vergleich zu seiner Höhe haben muss. Die Grenzen liegen für die grössere Breite in der wachsenden Schwere des Rumpfes und in den Nachtheilen, welche sie, wie wir weiter unten sehen werden, für den Gang hat. Die Grenze für das Schmale liegt in der mit ihr verbundenen Beengung des Brustkorbes und in der zu geringen Ausdehnung von Hüfte zu Hüfte, welche der Muskulatur der Hinterhand nicht den nöthigen Raum bietet, und gleichfalls wieder ihre besonderen Nachtheile für den Gang zeigen wird.
Es ist unter allen Umständen nothwendig, dass die vor - dere und hintere Breite des Pferdes übereinstimmt, und Vorder - und Hinterhufe in gleicher Entfernung von einander stehen. Die Beine müssen im Fortschreiten einander decken, sie müssen sich mit einer zwischen ihnen mitten hindurchgezogenen, mit dem Rückgrat des Pferdes gleichlaufenden Linie parallel fort - bewegen, wenn der Pferdekörper nicht im Gange fortwährend hin - und herschwanken soll. Im Trabe schiebt das Pferd z. B. mit dem rechten Hinterbeine die Last ab. Der Pferdekörper wird dadurch so weit nach links geschoben, als der rechte Hinterfuss von der Mittellinie abstand. Soll das linke Vorderbein nun die Last richtig stützen, so muss es eben so weit links von der Mittellinie fussen, als das Hinterbein rechts von derselben die Last abschob. Je weiter aber die Hinterbeine auseinander stehen, um so weiter werden sie die Last seitwärts schieben, so dass bei grosser Breite des Gebäudes, und mithin grossem Abstande der Beine von der Mittellinie die Bewegung des ganzen Thieres eine bald rechts, bald links schwankende werden muss, wodurch sie an Räumigkeit nach vorwärts verliert. Der breite Stand giebt indess andererseits wieder eine sichere Basis, lässt den Körper schwer rechts und links aus dem Gleichgewicht kommen und giebt Sicherheit in Wendungen. Es wird den Thieren ferner leicht werden, ihr Gewicht und das des Reiters in den Paraden und im Galopp auf den weit auseinander stehenden Hinterfüssen zu balanciren.
Beim schmalen Gebäude wird die Abweichung rechts und links im Gange geringer, und die Räumigkeit ver - mehrt. Dadurch, dass sie leichter seitwärts aus dem Gleichgewicht gebracht werden können, werden die Pferde37Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.zwar geringere Sicherheit in den Wendungen haben, sich aber leichter (durch die überhängende Last des Reiters) wenden lassen. Im Galopp und in den Paraden würden sie indess die Last auf den enger stehenden Beinen schwer balanciren.
Abweichungen von dieser gleichmässigen Breite würden folgende sein:
Man bemerkt bisweilen, dass Pferde, welche in dieser Be - ziehung richtig gebaute Verhältnisse haben, mit der Hinterhand nicht dem Hufschlag der Vorhand folgen, sondern mit derselben nach gleicher Seite abweichen und gehen, wie der Hund trabt. Dies ist ein Zeichen von grosser Schwäche oder von Schmerz im Rückgrat. Man darf sich indess nicht täuschen las - sen, indem viele Pferde aus Ganaschenzwang etc. in diese Eigen - thümlichkeit verfallen. Es bedarf einer genauen Beobachtung an der Hand. Abweichungen mit einem Hinterbein nach auswärts zeigen gemeiniglich ein krankhaftes Schonen.
Betrachten wir nunmehr die Stellung der Beine von vorn oder hinten gesehen, so sollen sie in ihrem Normal - stand senkrecht abwärts führen. Es finden indess eine grosse Menge Abweichungen statt. Die häufigsten sind folgende:
Endlich können senkrecht herablaufende Glied - massen nach innen oder nach aussen gedreht erscheinen. Wir sahen bereits, wie mit dem kuhhessigen Stande gewöhnlich die Drehung nach aussen, mit dem unten engen die Drehung nach einwärts verbunden ist. Diese letzte Kategorie streicht sich fast immer. Der eigentliche Sitz dieser Verdrehungen ist sehr ver - schieden und kann sowohl in den obern als untern Gelenken liegen. Bei den Vorderbeinen nennt man die nach aussen gekehrten fran - zösisch gestellte. Sie machen bei ihrem Vorschreiten häufig einen Bogen nach innen und streichen sich. Pferde mit nach innen gedrehten Vorderbeinen nennt man Zehentritter. Sie machen häufig eine bügelnde Bewegung nach aussen, die den Gang er - schwert.
Ich erlaube mir noch einige allgemeine Betrachtungen hinzu zu fügen. Ein vollkommen proportionirt gebautes Pferd wird, allein betrachtet, niemals auffallend gross noch klein erscheinen. Es ist kein gutes Zeichen für die Verhältnisse, wenn sie in Bezug auf die Grösse täuschen. Das Zugrosserscheinen ist gewöhnlich durch Hochbeinigkeit und zu geringe Breite hervorgebracht, das39Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.Zukleinerscheinen durch die entgegengesetzten Eigenschaften. Die Tiefe des Rumpfes giebt das Mass der Ausdehnung des Brust - korbes vom Rückgrat zum Brustbein. Wie diese Dimension der Brust beim Menschen für die freie Bewegung der Lungen den Ausschlag giebt, und nicht die von Schulter zu Schulter, so ist es auch beim Pferde der Fall. Zugleich aber kann ohne diese Tiefe nicht jene Lage der oberen Theile der Gliedmassen stattfinden, welche wir für vortheilhaft erkannt haben. Dieser Gestaltungen wegen, können ferner die Theile des Pferdes von der Bugspitze bis zum hinteren Theile des Schulterblattes und von der Hüfte bis zum Sitzbeine nicht lang genug sein, wogegen die dazwischen liegenden Theile möglichst kurz sein müssen. Je länger das Pferd von Huf zu Huf, um so besser ist es gebaut, wenn Rücken und Lenden dabei kurz und gedrungen sind. Die Form und Grösse des Kopfes ist an und für sich etwas sehr Gleichgültiges, und nur für die Beurtheilung des Cha - rakters und der Race von Bedeutung. Der Ungeschmack, der den kleinsten Kopf für den schönsten hielt, ist fast ganz ver - schwunden, eben so die Idee, dass ein schwerer Kopf nothwendig schwer auf die Hand fallen müsse. Wir werden später sehen, wie es von der Stellung, Länge etc. des Halses mehr abhängt, wie von der absoluten Schwere, und wir sehen es ja täglich bei den Menschen, wie mancher Dickkopf hoch getragen wird und manches kleine Köpfchen auf die Brust herabsinkt. Ueber den Hals be - halte ich mir das Nähere bei der Halsarbeit zu sagen vor.
Verständniss ist die richtige Auffassung des durch gewisse Zeichen kundgegebenen Gedankens oder Willens eines an - dern. Die Fähigkeit, den Willen des Menschen zu verstehen, ist bei den verschiedenen Thierklassen sehr ungleich, und eben so den einzelnen Wesen derselben Klasse mehr oder minder eigenthümlich.
Das Pferd nimmt eine der höchsten Stufen ein. Doch ist seine Intelligenz, je nach seiner Lebensweise, wiederum höchst un - gleichmässig entwickelt.
Wir unterscheiden 1. wilde Pferde, solche die in gänz - licher Unabhängigkeit von Menschen bleiben, wie das südamerika - nische Pferd, der Pampa’s etc. 2. Halbwilde, denen der Mensch wie gehegtem Wilde mit Futter und Wetterschuppen gegen Hunger und Kälte zu Hülfe kommt, die jedoeh auch Jahr ein Jahr aus im Freien bleiben, wie z. B. die Senner. Ihnen ist der Mensch fremd, sie werden ihn fürchten aber nicht hassen. Ich möchte sie gehegte Pferde, zum Unterschiede von Heerdenpferden nennen, welche in grosser Zahl zu Heerden vereint und von Rei - tern beaufsichtigt, von Weideplatz zu Weideplatz getrieben wer - den. Sie finden sich in den süd-östlichen Ebenen Europas, den ungarischen Pussten, den russischen und moldauischen Steppen etc. Sie kennen den Menschen nur als Zuchtmeister mit der Peitsche41Einleitung.und dem Arkan, werden Scheu und Argwohn, oft auch Hass gegen ihn hegen, und von den uns in die Hände kommenden am schwer - sten zu behandeln sein. So interessant auch ihre Zähmungsdressur ist, so werden wir von derselben Abstand nehmen. Das Werk des k. k. Rittmeister Balassa: „ Die Zähmung des Pferdes “(Wien, Carl Gerold, 1835) giebt darüber sehr gediegene Unterweisung. 3. Weidepferde, welche die grössere Hälfte des Jahres auf der Weide zubringen. 4. Stallpferde, welche nur ausnahmsweise aufs Gras kommen.
Je näher der Umgang der Thiere von Geburt an mit dem Menschen war, um so mehr wird das Verständnissvermögen sich aus - gebildet haben. Die Pferde der Nomadenstämme, bei welchen sie als Familienglieder betrachtet werden, unterscheiden die einzelnen Personen, hören auf ihren Namen, kennen die Bedeutung vieler Wörter, lassen sich leicht handhaben und geben sich vertraulich dem Menschen hin. Das wilde und halbwilde Pferd sieht in ihm seinen Zwingherrn, der es seinem Stamme, der unbeschränkten Freiheit entriss, es im dumpfen Stalle anfesselt und zum Dienste zwingt. Voller Misstrauen und Scheu kann es trotz Hunger und Durst sich kaum entschliessen, den Hafer, das Wasser zu berühren, welches dessen Hand ihm reicht. Wie viel Zeit und Mühe kostet es, mit diesen Thieren durch Dressur zu dem Grade von Ver - ständniss zu kommen, in dem wir das Stallpferd finden.
Durch die Sinne nimmt das Thier die Zeichen wahr, wo - durch der Mensch ihm seinen Willen kund thut. Das Auf - merken, das Erstaunen ist der erste Moment des Wahr - nehmens. Die grössere oder geringere Empfänglichkeit der Sinne für äussere Eindrücke wird für die Stärke der Zeichen massgebend sein, die Schnelligkeit und Schärfe des Ver - standes aber die Schnelligkeit und Schärfe des Erkennens bestim - men. Phlegma und Flatterhaftigkeit sind die Feinde des Aufmerkens. Das Phlegma, das sich in dumpfer Trägheit, in träumerischem Hinbrüten und in Gefühllosigkeit bemerkbar macht, ist theils eine Eigenschaft der gemeineren Racen, theils aber eine Krankheitserscheinung, die in der Leber, den Verdauungs - und Hirnorganen ihren Sitz hat und im Dummkoller ihre Spitze findet, endlich aber, wie bei rossigen Stuten etc., geschlechtlicher Natur. Wo Krankheit der Grund ist, muss der42I. Abschnitt. Erstes Kapitel.Arzt helfen, sonst bedarf es anfangs oft des lauten Anschreiens und des Schlagens, um das Thier zu erwecken. Man verfalle dabei nicht in den Fehler andauernden Gebrauchs unzurei - chender Mittel, welche die Theilnahmlosigkeit und Harthörigkeit nur steigern, und lasse sich nicht zur Grausamkeit hinreissen, die Misstrauen und Furcht erweckt, und wohl Aufmerksamkeit, doch statt des Erkennens — Verkennen hervorbringt. Man wähle bei ihnen stets kurze Reprisen, die ein nicht zu langes An - spannen der Aufmerksamkeit verlangen. Die Flatterhaftigkeit, das nicht Ausharren, sondern Abschweifen der Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände, ist theils eine Folge lebhafter Empfäng - lichkeit für fremde Eindrücke, welche im Allgemeinen Eigen - thum der Jugend und der höheren Racen ist, und sich bei reizbaren Nerven bis zur fieberhaften Aufregung steigert, theils Folge von Stallmuth, dem Gefühle der Kraft, und entspringt endlich aus geschlechtlichen Ursachen. Entfernen aller Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ablenken können, nament - lich solcher, die dem Thiere, wie pressende oder verletzende Theile des Ajustements, Schmerz oder Unbequemlichkeit verursachen, längere Reprisen und Rücksichtsnahme auf geschlechtliches Begehr, nebst ernster und ruhiger Behandlung sind die Mittel dagegen.
Es scheint mir hier der geeignete Ort, einige Worte über das Temperament zu sagen. Man hat darunter die aus dem eigen - thümlichen körperlichen Organismus hervorgehende geistige Thätigkeit in Bezug auf Gefühl, Leidenschaften etc. zu verstehen. Bei den Pferden pflegt man von heftigem (reizba - rem), lebhaftem und ruhigem Temperamente zu sprechen, was mit dem cholerischen, sanguinischen und phlegmatischen über - einkommt. Vom melancholischen ist dagegen weniger die Rede. Im Allgemeinen pflegt man die grössere und geringere Gehlust höchst willkürlich mit dem Ausdrucke Temperament zu bezeichnen, und diese Naturanlage zum Deckmantel von Dressur - mängeln zu benutzen. Da bei gerittenen Pferden der grössere oder geringere Drang nach vorwärts mehr von der Zusam - menstellung, und die leichtere oder schwerere Folgsamkeit auf die Hülfen mehr von der Abrichtung, als von der gei - stigen Thätigkeit abhängt, so wird, aus beiden Eigenschaften die Temperamentsbestimmung herzuleiten, meist unrichtig43Einleitung.sein. Beim alten Pferde ist das natürliche Temperament sehr schwer zu erkennen. Eine Beobachtung von längerer Zeit im Stalle und wo das Thier sich selbst überlassen ist, kann am ersten Aufschluss darüber geben. Wie es sich an der Hand und unter dem Reiter gebehrdet, ist meist zu sehr Folge des Anerzo - genen, der Dressur, um ein sicheres Urtheil zu geben. Namentlich beim rohen Pferde bringen die Hülfen oft eine ganz andere Wir - kung hervor, als der Reiter erwartet hat, und er schreibt dann diese Abweisung von der ihm natürlich scheinenden Folge seiner Hülfe der besonderen Temperamentsbeschaffenheit zu. Soll z. B. ein rohes Pferd antraben, und es folgt dem Schenkel nicht, schlägt wohl gar aus, wenn es den Sporn bekommt, so ist es dem Laien ein träges Thier, das nicht laufen will. Umgekehrt stürzt das Thier, weil es ausser Gleichgewicht ist, gegen das Gebiss unauf - haltsam fort, so ist es eine heftige Canaille, die immer laufen will. Und doch stellt sich nachher heraus, dass Nr. 1 das Thier ist, was gern läuft, wozu Nr. 2 gar keine Neigung hat.
Aehnlich geht es mit der Frömmigkeit und der Bosheit. Wo nicht geschlechtliche Ursachen da sind, die meist aus Nicht - befriedigung des Geschlechtstriebes hervorgehen, die der Mensch ja wiederum selbst verschuldet, giebt es kaum ein böses Pferd. Durch schlechte Behandlung der Fohlen, wie der wilden und halbwilden Pferde sind allerdings schon viele Thiere unverbesserlich stallbös gemacht, und ebenso hat die unrich - tige Behandlung unter dem Reiter oft einen solchen Grad von Widersetzlichkeit und Bosheit hervorgerufen, dass manches Thier nur mit Lebensgefahr bestiegen werden kann. Es ist indess nicht dem Temperamente zuzuschreiben, was die Dressur verdarb. Im Allgemeinen werden die Racepferde, weil sie für die äusseren Eindrücke empfänglicher sind wie der Landschlag, mehr Temperament zeigen, wie sehr der stallmuthige Bauer auch schnarcht, tritt und trägt; aber jene werden eben darum reizbarer sein, und eher böse gemacht werden können. Der Training bringt viel nervöse Reizbarkeit und damit Heftig - keit und Bössein im Stalle hervor.
So angenehm auch Pferde von hoher Race für den Cavallerie - dienst und namentlich für den Offizier sind, so kann ich doch nicht genug vor den Racekrüppeln warnen, namentlich vor solchen,44I. Abschnitt. Zweites Kapitel.die seit ihrem zweiten Jahre trainirt, auf der Rennbahn nichts leisteten und von dort nur ein verwöhntes Fell, aufgeregte Nerven, verdorbenen Magen und zu Grunde gerichtete Beine mitbringen. Es lohnt sich wahrlich nicht der grossen Mühe und Geduld, welche erforderlich sind, bei so reizbaren Thieren eine gänzliche Umgestaltung ihrer Haltung vorzunehmen. Beim Tumult des Manövers werden sie, in fieberhafte Aufregung gerathend, Ströme von Schweiss vergiessen, Stunden lang nachher im Stalle in ihrem Nachschweisse zitternd, die Ohren nach neuen Schreck - nissen spitzen, und das Futter verachtend und schlecht verdauend, bald zum Skelett abmagern, und eher verenden, als durch Ermü - dung sich beruhigen. — Nur keine reizbare Nerven, weder bei — Frauen, noch Pferden.
Missverstehen ist die unrichtige Auffassung, — das Verkennen des gegebenen Zeichens. Dasselbe ist theilweise in dem noch nicht genügend entwickelten Erkennungs - vermögen, theilweise in Scheu und Misstrauen von Seiten des Thieres; von Seiten des Menschen aber in dem unrichtigen An - passen der Zeichen in Beziehung ihrer Wirkung an sich, oder auf das Auffassungsvermögen des Pferdes begründet.
Was die Zeichen selbst betrifft, durch welche der Mensch dem Thiere seinen Willen mittheilt, so sind dieselben, ihrer Ver - ständlichkeit nach, sehr verschiedener Natur.
Als die verständlichsten erscheinen die, welche auf jeden, selbst leblosen Körper, unmittelbar die Wirkung dessen, was verlangt wird, hervorbringen. Man würde sie mechanische nennen können. Fasst man z. B. das Thier an den Kopf und zieht es fort, so wird es nicht im Zweifel sein, was man fordert. Andere werden dem Thiere durch den Instinkt verständlich, welcher es lehrt, das Angenehme zu suchen und den Schmerz zu fliehen. Es läuft vor45Von den Zeichen im Allgemeinen.der Peitsche. Bei dem auf dem Stalle gezogenen Pferde kommen dem Dressirenden eine Menge Zeichen zu Gute, deren Bedeutung es von Jugend auf kennen lernte, und namentlich das angewöhnte Verständniss sowohl des Lautes einzelner Wörter als des eigen - thümlichen Ausdrucks derselben.
Aber diese Zeichen allein reichen nicht aus. Man ist genö - thigt, eine Menge selbstgewählter Zeichen hinzuzufügen, die zum Theil nicht in eine der drei vorigen Kategorien gehören, mithin dem Pferde an sich ganz unverständlich sein müssen, deren Verständniss man ihnen indess mit Hülfe der vorigen erschliesst, und durch Wiederholung dem Gedächtnisse einprägt. Diese Zeichen müssen, wenn sie gut gewählt sein sollen, in einer oder der andern Weise jenen dreien nahe stehen, und den Ein - druck dessen hervorbringen, was sie veranlassen sollen. Es würde ein Fehler sein, sich des Sporns bedienen zu wollen, um das Pferd zum langsamen Gang zu bewegen. Obschon hier nicht im eigentlichen Sinne vom Fliehen vor dem Schmerz - bringenden die Rede sein kann, so liegt doch eine Analogie darin, dass das Thier vor dem Sporn läuft.
Sie müssen aber ferner mit der grössten Consequenz ange - wendet werden, damit sie sich durch die Wiederholung dem Ge - dächtniss einprägen. Braucht man bald dieses, bald jenes Zeichen für dieselbe Anforderung, oder eines für verschiedene, so wird man das Pferd verwirren. Was die Consequenz vermag, sehen wir aus der Erfahrung, dass die Pferde der Kunstreiter auf die ihnen um die Ohren knallende, so gefürchtete Peitsche zulaufen.
Die Abrichtung zu den selbstgewählten Zeichen beruht darauf, dass man sie den bekannten Zeichen anfangs hinzu - fügt, nach und nach die bekannten fortlässt und die neuen allein braucht, beim Nichterkennen aber die alten corrigirend mitge - braucht, bis sie allein verstanden werden, und das Gedächtniss sie bewahrt. Nur hüte man sich, ein Glied in der Kette fehlen zu lassen.
Der Reiter z. B. kann keinen Menschen neben sich haben, der ihm das Pferd mit der grossen Peitsche, vor der es zu laufen gewohnt ist, treibt. Er braucht die Gerte zuerst mit der Peitsche zugleich, dann allein, wenn das Thier stärker laufen soll, und später nur46I. Abschnitt. Zweites Kapitel.dann die Peitsche zur Nachhülfe, wenn das Pferd der Gerte nicht achtete. Aber wenn der Reiter Soldat ist, so kann er nicht immer eine Gerte führen, und muss statt dessen der Schenkel allein hin - reichen. Die Peitsche giebt dem Thiere ein direkt auf die Natur begründetes Zeichen zu fliehen; die Gerte macht ihm Schmerz, der Begriff des Entfliehens fehlt indess. Der Schenkel aber macht dem Thiere kaum eine Unbequemlichkeit, und bringt, jener substituirt, doch denselben Erfolg. Der Uebergang von der Peitsche direkt zum Schenkel würde aber fehlerhaft sein und länger aufhalten, wie das Einlegen jener Uebergangsperiode. Noch deutlicher würde bei der Abrichtung eines Wildfangs, dem ich, da er schon Heu aus der Hand frisst, nun auch sofort Zucker aus der blossen Hand reichen wollte, sich der Fehler, Zwischenglieder auszulassen, be - merkbar machen. Er würde nach dem Abrichter hauen und beissen. Heu, dann Zucker im Heu versteckt, später Zucker auf dem Heu und endlich Zucker würde die richtige Reihenfolge sein.
Ich habe bisher gezögert, mich statt Zeichen des Wortes Hülfen zu bedienen. Es sind sehr viele Reiter, welche einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen Hülfen und Strafen aufrecht halten wollen. Zeichen passt für beide. Es dürfte äusserst schwer sein, die Grenze festzustellen. Das Wort Strafe erinnert immer an Schläge und Schmerz, was durchaus unrichtig ist. Allerdings ist Strafe ein Zeichen der Unzufriedenheit, aber sie kann eben so gut im ruhigen, allerdings unbequemen, aber nicht schmer - zenden Abstehenlassen eines Zügels, als in einem Spornstiche be - stehen. In Hülfe klingt das Helfen vor und wird meist so zart aufgefasst, dass Sporn - und Gertenhülfen zu sagen verpönt wird, und doch sind beide oft nöthig, wo von keinem Zeichen der Unzufriedenheit die Rede ist, mithin der Ausdruck Strafe nicht an seinem Ort wäre. Endlich aber ist die mehr oder minder grosse Wirkung der Werkzeuge auf das Thier mehr von der grösseren oder geringeren Kraft beim Gebrauche derselben und von der Empfindlichkeit des Pferdes, als vom Instrumente selbst abhängig.
Nachdem ich nunmehr glaube, allen Missverständnissen zuvor - gekommen zu sein, erlaube ich mir die einzelnen Arten der Zeichen, respective Hülfen und Strafen, welche die Reiterei in Anwendung bringt, nach den Werkzeugen durchzugehen.
47Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.Diese sind:
Die vier ersten finden für den Soldaten nur als Dressurmittel Anwendung; zu seinen Dienstverrichtungen bleiben ihm nur die vier letzteren.
Von ihnen wirken mechanisch am stärksten das Körperge - wicht des Reiters, der Kappzaum, wenn er zum Vorziehen ge - braucht wird und das Gebiss durch seine zurückwirkende Kraft, die den Hals unter günstig gestellten Voraussetzungen in eine solche Form zusammenbiegt, dass durch denselben und den Rück - grat eine starke Wirkung auf die Gelenke der Hinterhand herbei - geführt wird.
Deutlich durch den Instinkt die Peitsche, durch die Erziehung die menschliche Stimme, auch wohl die Gerte.
Selbstgewählte Hülfen und Strafen werden durch Gerte, Sporn und Schenkel gegebene sein. — Die Paraden mit dem Kappzaum, wie die wendende Wirkung des inwendigen Kandaren - zügels etc werden gleichfalls dieser Kategorie fast ganz angehören, und keine unmittelbare Erkennung finden.
Die menschliche Stimme ist in ihren vielfachen Nüançen den Pferden von Jugend auf bekannt, und sie werden leicht dahin ge - bracht, darauf zu achten. Es kommt bei derselben im Allgemeinen mehr auf den Ton, wie auf das Wort an. Obschon sie sich auch dieses leicht merken, so hat es doch mit der naiven Bemerkung Riedinger’s unter einem seiner berühmten Jagdstücke seine Rich - tigkeit, in welcher er sagt: „ Hat er seine Sache gut gemacht, so48I. Abschnitt. Drittes Kapitel.sage dem Hündlein: „ „ bel, bellement, mon chien! “ “oder: „ „ schön, sehr schön, mein Thierchen! “ “das ist dem Vieh all’ eins! “
Das fortwährende Anschreien, wie man es auch leider in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde, und stumpft die träumerischen noch mehr ab. Eine vernünf - tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe zur Dressur, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf - wörter den Begriff der Werthlosigkeit und Verächtlichkeit so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: „ ver - fluchtes Aas und verdammte Schindmähre! “viel eher ein Stoss oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man - chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist.
Der Zungenschlag als ein Anfeurungsmittel ist von we - sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur bescheiden angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert, denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist, geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat, indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge - lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche über die Reitkunst sagt: „ Ferner muss man wissen, dass nach der Regel mit dem Lippenton (der wie beim Küssen durch die Lip - pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem Zun - genton aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun - ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip - penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu lassen. “ Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge - blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein, den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver - wenden — was zu wünschen wäre.
Die Peitsche wird meist nur bei der Longendressur ange - wendet. In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr geräuschvoller Gebrauch vermieden werden. Das49Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.Knallen darf dem Peitschenführer kein bedeutungsloses, fortlaufendes Spiel, sondern muss dem Pferde eine gefürch - tete Drohung vor dem Schlage sein, dessen Nichtbeachtung sofort den Schlag nach sich zieht. Jenes unablässige Knallen wirkt abstumpfend. Bei lebhaften Pferden wird eine richtige Anwendung von Knall und Schlag bald nur noch ein Aufheben der Peitsche nöthig machen. Der Peitschenführer muss nicht nur stets des Fleckens sicher sein, wo er treffen will, er muss die Gra - dation vom Heben der Peitsche, dem Knalle, dem leisen Berühren, dem scharfen Schlage bis zum mächtigen Doppel - streiche nach dem Vergehen und der Empfindlichkeit abzumessen verstehen, und stets im richtigen Moment einwir - ken. Es gehört somit nicht nur gut knallen und hauen können zu einem guten Peitschenführer, es gehört dazu ein Mann, der Auge, Ohrenspiel, Haltung und Gang des Thieres, wie den Willen des Longenführers genau und unablässig beachtet, die Gedanken erräth, und im Augenblick, wo der Fehler beginnen soll, ihm zuvorkommt.
Die Gerte braucht der Reiter zum Antreiben des Pferdes. Sie wird durch die Peitsche unterstützt eingeführt, und derselben später Sporn und Schenkel substituirt. Sie muss so gebraucht werden, dass sie nicht zum Ausschlagen reizt, zum Antreiben in kleinen, schnellen, in der Stärke wachsenden Streichen auf die Schulter; zum Uebertreten der Hinterhand in derselben Art auf die Hinterbacken; zur Strafe kräftig unter den Leib. Sollte ein Schlagen oder Zusammenziehen danach erfolgen, so muss der Streich mit gesteigerter Kraft wiederholt und darin fortgefahren werden, bis ein Sprung vorwärts zeigt, dass man ihr Gehorsam verschafft hat. Auf der Trense reitend sollte man niemals nur eine Gerte brauchen. Ist man zur Anwendung derselben auf der Seite genöthigt, wo sie sich den Augenblick nicht befindet, so kommt man allemal zu spät, oder irritirt das Pferd im Maul. Es haben bereits einige Reiter die beiden Gerten in Anwendung ge - bracht, und es würde der Schein des Seltsamen, den es dem ungewohnten Auge giebt, bald verwischt sein, wenn mehrere diesem guten Beispiele folgten. Der zu lange Gebrauch der Gerte ist nicht anzurathen, weil er viel Gewandtheit erfordert, wenn er beiv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 450I. Abschnitt. Drittes Kapitel.der Trensenführung nicht unbeabsichtigte Einwirkungen auf das Gebiss mit sich führen soll, auch den Cavalleristen, der sie doch bald ablegen muss, verwöhnt, indem er bei der Dressur dadurch oft zu spät zum Gebrauch des Sporns übergeht. Kitzliche Stuten und Pferde, die leicht nach dem Sporn schlagen, machen hievon eine Ausnahme; doch muss die Gerte bei ihnen immer erst in 3. Potenz (Schenkel, Sporn, Gerte) zur Anwendung kommen, und nur zum Corrigiren dieser Untugend verwendet werden. Es versteht sich von selbst, dass sofort, wenn auch sie keinen Respekt mehr findet, zum Kappzaum und der Peitsche zurückgegangen werden muss.
Der Kappzaum ist in früherer Zeit allgemein und jetzt noch auf einigen Bahnen zum Anreiten roher Pferde, wie wir die grosse Trense brauchen, verwendet worden. Man glaubte dadurch das Pferdemaul vor den anfänglichen, oft unvermeidlichen starken Einwirkungen zu bewahren und gleichsam frisch zu erhalten. Beim Gebiss werde ich mir erlauben, meine Ansicht über jenes Frischhalten des Mauls näher zu erläutern. Hier nur so viel, dass ich die Trensenarbeit vorziehe, weil nicht allein der Hals bear - beitet sein will, sondern auch die Kiefermuskeln, die der Wir - kung des Gebisses oft einen bedeutenden Widerstand entgegen - stellen. Dieser Widerstand wird bei der Kappzaumdressur erst nach der Halsarbeit mit der Kandare überwunden, nach meiner Meinung aber besser gleich anfangs vor der Halsarbeit durch die Trense beseitigt. Die Duldung und Annahme des im Vergleich zur Kandare weniger lästigen Trensengebisses giebt ferner eine Vorbereitung zu dem unbequemeren und viel heftiger wirkenden Stangengebiss.
Hochwichtig ist indess der Kappzaum als einziges Instru - ment, welches eine mechanische, vorziehende Wirkung zulässt, mithin unentbehrlich bei solchen Pferden ist, bei denen Steigen, Rückwärtslaufen etc. diese Wirkung beansprucht. Seine rückwärtswirkende Kraft, durch Rucke auf die Nase des Pferdes, verursacht in starker Anwendung allerdings bedeu - tenden Schmerz, ist aber dem Pferde erst durch Unterweisung verständlich.
51Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.Man bedient sich des Kappzaums gewöhnlich in Verbindung mit dem spanischen Reiter, immer mit der Peitsche, um böse Pferde, namentlich solche, welche dem Reiter durch Steigen, Andrücken an die Wand etc. gefährlich werden, und solche, die das Vorwärtsgehen verweigern, zum Ge - horsam zurückzuführen; ferner, um Pferde mit besonderer Schwierigkeit im Halse vorzubereiten, damit dieselben vor dem Besteigen so weit zusammengestellt sind, dass bereits einiger Einfluss auf das Gebäude erzielt, und dadurch einer zu befürchtenden Opposition oder einem nachtheiligen Einfluss auf die Conservirung des Pferdes vorgebeugt wird. Endlich bedient man sich desselben, um junge Pferde, denen man der Schonung wegen noch keinen Reiter geben will, durch Bearbeitung des Halses etc. für die Reiterei vorzubereiten. Es wird aber auch der Kappzaum mit Nutzen bei jedem rohen Pferde angewendet, um ihm die vor - treibenden Hülfen zu lehren, und das erste Besteigen durch den Reiter zu vermitteln und zu sichern. Hiebei würde von einem spe - ziellen Einwirken auf den Hals nicht die Rede sein, und wird das Verfahren dabei seines Orts näher erläutert werden.
Jene Halsarbeit an der Leine, wozu Seidler’s Leitfaden, Th. I. S. 374 treffliche Anweisung giebt, ist kein so leichtes Ge - schäft, wie manche sich einbilden, die es kopflos unternehmen, aber statt schonend dem Reiter vorzuarbeiten, das Thier an Kör - per und Geist verderben. Wir haben gesehen, dass schon der Peitschenführer eine schwierigere Aufgabe hat, aber die des Lei - nenführers ist nicht minder schwierig. Er muss nicht nur die Kraft seines Instruments abzumessen und sie dem Falle, wie der Empfindlichkeit des Pferdes anzupassen; nicht nur die Gradation der Aufrichtung, Beizäumung und Seitwärtsbiegung in wachsender Potenz nach dem Gebäude und den Fortschritten anzuwenden ver - stehen; er muss auch die Dauer der Lection und der Ruhe - Momente richtig abmessen, damit die Muskeln sich üben, ohne zu ermüden. Dies ist schwierig. Der Reiter wird am todten Ge - wicht, das in seine Hand fällt, jene Ermüdung gewahr; der spa - nische Reiter ist stumm und gefühllos. — Es sind namentlich die auswendigen Hinterfesseln, die ungeschicktes Corrigiren der schleudernden Hinterhand wegen, ruinirt, besonders wenn die Leine4*52I. Abschnitt. Viertes Kapitel.statt in den Kappzaum oder Laufhalfter (Halfter mit einem Ring in der Mitte des Nasriemens) in den inwendigen Trensenring ge - schnallt wird, wie mir selbst bei Züchtern schon vorgekommen ist.
Es kann hier nicht Absicht sein, alles das über Zäumung und Wirkung des Gebisses zu sagen, was allen Anfängern in der Reitkunst bekannt ist, um so unnützerweise Bogen zu füllen. Ich werde mich auf das beschränken, was entweder ein Gegenstand der Meinungsverschiedenheit oder Dinge sind, wogegen vielfach gesündigt wird. Das Werk des Generals v. d. Marwitz über die Zäumung, des Gen. -Lieut. v. Schreckenstein über Reiterei, und Kaiser’s Zügelwirkung geben viel Stoff zum Nachdenken.
Es kommt hauptsächlich darauf an, dass das Gebiss weder durch Form noch Lage das Maul etc. verletzt, weil dann die Aufmerksamkeit des Pferdes nur auf seinen Schmerz gerichtet ist, noch zu Untugenden und Spielereien Veranlssung giebt. Auf die Zunge drückende Mundstücke veranlassen, wenn sie obendarein zu tief liegen, ein Heraufziehen der Zunge und Strecken derselben über das Gebiss, wodurch nicht nur eine Störung der Wirkung des Gebisses eintritt, sondern auch namentlich die Aufmerksamkeit gestört wird. Ich habe bisweilen gefunden, dass ein Pferd in Folge dieses Heraufziehens der Zunge ein Athmungsgeräusch ähnlich dem des Rohrens (Kehlkopfpfeifens) hervorbrachte, und dies um so leichter dafür angesehen wurde, als es bei engerer Versammlung, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen, stärker hervortrat: beim Rohrer des zusammenge - drückten Kehlkopfes, beim Zungenzieher der vermehrten Wirkung des Gebisses auf die Zunge wegen, die das Herauf -53Vom Gebisse.ziehen derselben zur Folge hatte. Ein Laufenlassen am Kappzaum ohne Mundstück wird bald zeigen, wen man vor sich hat. Bessere Zäumung und Biegung, welche geringerer Einwirkung bedarf, wird des Uebels mit der Zeit Herr werden. Viel liegt in dem Aus - druck Zungenfreiheit, welche nur beim Durchfallen der Kan - dare als solche erscheint, indem man glaubt, beim Auflegen einer Kandare, die einen weitgeschweiften Bogen im Mundstücke (viel Zungenfreiheit) hat, eine dicke Zunge zu schonen. Seit wir die Pferde so zäumen, dass die Kandaren nicht mehr durchfallen und im Anzuge nur wenig nachgeben, reicht die Zungenfreiheit nicht mehr aus. Die grössere Wölbung des Mundstücks nach vorn ist bei dicken Zungen durchaus nöthig, auch beim Tren - sengebisse. Ein solches Gebiss nebst Höherlegen der kleinen Trense hilft oft im Beginnen. Das Anbinden der Zunge, wozu Herr Seidler räth, nützt allerdings, doch hat sich mir der Uebelstand gezeigt, dass es leicht ein todtes Maul macht und das Abkauen vermindert. Auch ist der richtige Grad der Festigkeit nicht leicht zu treffen, und man ist stets in Furcht, dass die Zunge entweder der Schlinge entschlüpft oder blau wird.
Die nebenstehende Vorkehrung hat mir recht gute Dienste geleistet. A ist eine Eisenplatte, welche in b an die Zungen - freiheit beweglich befestigt ist. Sie wird durch 2 Kettchen dd, die am Auge einge - hakt sind, gehalten, so dass sie sich nur bis zum Gaumen vorbewegen kann. c c sind Walzen, die sehr beweglich, jede Verletzung verhüten.
Ein anderes unangenehmes Spielwerk machen sich die Pferde, meist durch zu enge Kandaren mit geraden Anzügen verleitet, indem sie mit den Lefzen nach den Scheren greifen, auch wohl gar bei beweglichem Mundstück sie zwischen die Zähne fas - sen und die Wirkung beeinträchtigen oder ganz hemmen. Zweck - mässig gebogene Scheren, Kreuzriemchen oder Kettchen, oder ein54I. Abschnitt. Viertes Kapitel.rückwärts führender Stachel an der geraden Schere machen diesem Spielwerk ein Ende.
Häufig sieht man auch das dem Pferde schmerzliche An - klappen des Gebisses an den obern Haken nicht sorg - fältig genug vermieden. Festgezogene Kehlriemen und pressende Nasriemen sind eine unnütze Qual, wie zu kurze Stirnriemen wund scheuern, an den Ohren das Klappern der Pan - zerkette aber Kopfschütteln veranlasst. Alles dies lenkt die Auf - merksamkeit mehr ab, als man glauben sollte, und muss in der Dressur auf das Sorgfältigste vermieden werden.
Die aus der Jagdreiterei herübergenommenen Knebeltren - sen thut man wohl, bei der Cavallerie nicht einzuführen. Der Knebel ist ein fauler Knecht, der das Durchziehen der Trense durch das Maul verhindern soll, was Sache des auswendigen Zü - gels ist, dessen anderweitige Funktionen der Knebel aber nicht mit übernimmt. Er erschwert also nur die Controlle über den Gebrauch der Zügel. Es scheint mir ferner nicht gut, dass man von der Art, die Kinnkette in besondere Löcher unter - halb des Auges einzulegen, wie es unsere Vorfahren machten, (ich glaube aus keinem andern Grunde, als wegen der Trägheit der Spornmacher) abgewichen ist. Man giebt dadurch bei hohem Balken der Kinnkette eine zu grosse Länge. Wenn die lange, en feston herabhängende Kinnkette auch bei nicht angenommener Kandare eine richtige Lage in der Kinnkettengrube hat, so wird sie beim Annehmen der Kandare zuerst gar keine Wirkung haben, sondern nur emporsteigen. Dann aber wird sie statt auf die breite Grubenfläche zu wirken, die scharfen Kieferkanten fassen und einen so heftigen Schmerz verursachen, dass durch ihn die Wirkung des Gebisses auf die Laden vollständig übertäubt wird. Endlich wird die Kinnkette, indem sie fast parallel mit dem Balken hängt, leicht die Veranlassung werden, dass sich die Lefze zwischen Balken und Langglied oder Haken einklemmt und scheuert. Die Kinnkette wird nur dann richtig wirken, wenn sie durch ihr Gegenhalten den Druck des Mundstückes verstärkt, indem alsdann nicht bloss ein Schmerz gemacht wird, sondern der nach rückwärts geführte Druck mechanisch und mithin verständlich wirkt, wäh - rend jene vorherrschende Kinnkettenwirkung von hinten nach vorn gehend, jede mechanische Wirkung annullirt.
55Vom Gebisse.Eine Kandare von der Construction des Gen. -Lieut. Frhrn. v. Schreckenstein, welche hier durch Zeichnung erläutert ist, bietet diesen Vortheil, hat aber durch das freie Einhängen der Balken in einen eisernen Ring noch den Vor - zug ungemeiner Elastizität, die durch das Klemmen des Leders oftmals bei den alten Constructionen gestört wird. Da durch Einfachheit des Mittels zur Erreichung des Zweckes der Kosten - punkt und die Haltbarkeit nicht gefähr - det ist, so wäre sie unsern Leuten zur Verbesserung ihrer schweren Hände höchst wünschenswerth.
Man hat so sehr viel gesagt und geschrieben über die Wir - kung, welche die verschiedenen Arten von Gebissen auf das Pferde - maul hervorbringen, dass darüber wohl nichts hinzuzufügen bleibt; viel weniger indess über die Wirkung des Anzugs durch die Lade auf den Körper. Durch den Druck auf die Lade soll ein Zurück - nehmen des Kopfes, und durch seinen Druck auf die Halswirbel die Zusammenbiegung des Halses erfolgen.
Durch Hintenüberfallen und Vornüberfallen (Zäumung im Ex - cess und Defect), und durch Seitwärtsbiegen kann der Hals solche Form annehmen, dass die mechanische Einwirkung sich nicht fort - setzt, sondern schon im Hals ihre Endschaft findet, und nur der richtig gebogene Hals kann die Wirkung des Anzugs fortführen, und sie von Rückenwirbel zu Rückenwirbel fortpflanzend dem gan - zen Rumpfe mittheilen, so dass eine Zurücknahme desselben über die Stützen hinweg, nach rückwärts erfolgt. Aber damit ist noch immer keine dauernde Rückführung des Schwerpunktes erwirkt, welche Verminderung der Bewegung, Beendi - gung derselben oder Rückschreiten erzeugen soll.
Der Anzug muss die Hinterstützen so finden, dass sie zur Aufnahme des zurückgeführten Gewichts dis - ponirt sind, dass sie unter der Last stehen und nicht56I. Abschnitt. Viertes Kapitel.der Rückführung entgegenstrebend, dahinter ge - stemmt sind. Soll mithin der Anzug zum Zwecke führen und eine mechanische Einwirkung auf das Thier haben, so muss die Zusammenfügung des Halses und die Stellung der Hinterbeine ihm günstig sein. Man muss mithin über beides disponiren können, um der verlangten Wirkung sicher zu sein. Ehe man dieses kann, wird der Zügel dem Pferde wohl ein Zeichen geben können, man wird aber ausser Stande sein, seine mechanische Wirkung zur Geltung zu bringen und durch denselben etwas zu erzwingen. Rohes Reissen wird von keinem andern Einfluss sein, als das Maul schmerzhaft zu verletzen und das Thier schreckhaft und miss - trauisch zu machen.
Um die Wirkung des Gebisses auf eine Lade, wie man sie zur Wendung anwendet, bei der Kandare zu erleichtern, hat man viel geschrieben, und noch mehr um nachzuweisen, wie das Thier so unvernünftig sein kann, auf den auswendigen Zügel eben so gern zu wenden, wie auf den inwendigen, und man hat sehr künstliche Wendungen und Drehungen der Hand erfunden, um beiden Laden ihr Recht angedeihen zu lassen. Ob - schon sie jeder lehrt, braucht sie niemand.
Die Kandarenzügel wie Gebiss geben dem Pferde nur ein Zeichen zur Wendung, fast ohne alle mechanische Einwirkung. Die mechanisch wirksamste Hülfe giebt das Gewicht des Reiters. Legt er dem Thiere sein Gewicht im Gange auf die eine Seite, so wird er es nach dieser Seite hin aus dem Gleichgewicht bringen, und da der Instinkt das Thier lehrt, dasselbe herzustellen, so wird es seine Beine dahin stellen, wo es die überhangende Last stützend, das Gleich - gewicht herstellt, seitwärts nämlich und so wenden. — Je mehr die Zügelhülfe Theile des Thieres nach der Seite, wohin es treten soll, hinbringt, um so mehr wird es dahin aus dem Gleichgewicht gebracht, mechanisch zur Wendung disponirt werden. Es ist aber das Uebergewicht von Kopf und Hals seit - wärts, worauf sich die mechanische Wirkung des Zügels beschränkt, viel zu unbedeutend, um den wohl gestützten Körper aus dem Gleichgewicht zu bringen (wie wir so oft bei rohen Pferden sehen, die den Kopf am Knie des Reiters, doch nicht wenden, sondern nach der entgegengesetzten Seite hinsteuern), ist mithin auch mecha -57Vom Gebisse.nisch nicht gross genug, die Wirkung hervorzubringen. Der vom Hals geführte inwendige Zügel ist der mechanisch wirksamste, und der an den Hals gedrückte auswendige selbst noch grösser in seiner Wirkung, als der den Kopf bloss in der Genasche bie - gende an dem Hals gebrauchte inwendige. Eben so wenig, wie eine blosse Drehung des Kopfes den dahinschreitenden Menschen zur Wendung zwingt, eben so wenig ist es beim Pferde der Fall.
Der Anzug auf die inwendige Lade, mit an dem Hals geführtem Zügel ist indess, trotzdem dass er me - chanisch am schwächsten wirkt und gänzlich unzureichend ist, die Wendung hervorzubringen, derjenige, dessen wir uns bedie - nen müssen, weil er der einzige ist, der nicht die Ver - biegung des Halses an der Basis, deren Gefahr wir in Zukunft kennen lernen werden, zur Folge hat. Aber im näch - sten Kapitel werden wir auch die mechanisch die Wendung her - beiführende Hülfe zeigen und lernen, dass wir uns mit gedachtem Zügelanzuge als Beihülfe völlig begnügen können.
Wie man sich von der Idee nicht losmachen konnte, dass mit der Richtung, die man der Nase des Pferdes gäbe, auch dem Körper der Weg gegeben sei, so hat man alle Empfindung von Widerstand, den die Hand bei der rückführenden oder wendenden Hülfe erhielt, ob diese nun von den Kiefermuskeln, den Hals - muskeln oder dem mangelnden Gleichgewicht ausging, stets der weicheren oder härteren Beschaffenheit des Mauls zugeschrieben, und von jeher geglaubt, dass die Scho - nung des Mauls (wie die Arbeitslosigkeit die Hand einer Dame weich erhält) das Wesentlichste zu seiner Empfindlichkeit beitrage. Nicht nur zeigen dies die Gründe für die Kappzaum - dressur. Der alte Meister Xenophon schreibt hierüber weniger wahr, als über die Lippentöne: „ dem Reitknecht muss man aber Folgendes lehren: erstens das Pferd nie am Zügel zu führen, denn dies macht auf einer Seite hartmäulig; dann aber den Zaum, so weit es nöthig ist, von den Kinnladen entfernt zu halten, denn wenn er ganz nahe an ihnen ist, so macht er das Maul dick und hart, so dass es unempfindlich wird. “ Der alte Herr thut, als wenn das Thier Schwielen im Maule bekäme. Andere suchen es nicht in der Schwiele, sondern alles in der Form; fleischige, flache58I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.Laden, dicke Zunge und Lefzen machen hart; hohe scharfe La - den, feine Zunge und Lefzen weich.
Pferde mit den zuletzt beschriebenen Mäulern gehören fast immer den besseren, jene den gemeineren Racen an, woraus für ihre grössere Empfindlichkeit eben so viel, wie aus der Form her - vorgeht. Sind die Widerstrebungen der Muskeln über - wunden und die Thiere im Gleichgewicht, so sind alle Pferde weichmäulich, wie es die Schulpferde oft mit sehr flachen Laden beweisen; widerstreben die Muskeln in ganzer Stärke, schiebt die Hinterhand mehr, als die Vorhand stützt u. s. w., so wird das Pferd immer sein ver - lorenes Gleichgewicht auf der Hand suchen und dann sind alle hartmäulig, wie die Rennpferde, welche bei schärfsten Laden, trotz schärfstem Gebiss eine armtödtende Anlehnung nehmen.
So wird denn auch das hartmäulige Pferd mit der Kraft, den Hals selbst zu tragen etc. weichmäulig, und das weich - mäulige unter dem schwachen Reiter hartmäulig. Unver - ständige, falsch gewählte Ausdrücke geben falsche Vorstellungen, und diese verleiten zu verkehrten Handlungen. So hat der Ausdruck „ Hartmäuligkeit “stets als ein fauler Knecht gedient, wohinter sich Trägheit und Unwissen - heit verbargen.
Wohl werde ich mit Rücksichtnahme auf den Bau des Mauls mich eines passend geformten Werkzeugs bedienen, aber statt mich bei der Idee des harten Mauls zu beruhi - gen, forschen, wo der Widerstand liegt, der mir geleistet wird, und am allerwenigsten von der Idee ausgehen, dass es die natürliche Gefühllosigkeit des Maules sei, die den Druck auf die Hand verursacht.
Der Schenkel ist eins der wichtigsten Werkzeuge. Ihm fällt die Funktion zu, die treibende Kraft der Maschine mit Bei -59Vom Schenkel und Sporn.hülfe des Sporns abzugeben, mit der Nebenfunktion des Seit - wärtstreibens der Hinterhand. Selbst ohne mechanische Einwirkung muss er durch die Gerte zur Anerkennung gebracht und ohne Strafgewalt die Achtung vor ihm vom Sporn unter - halten werden. — Die beiden Oberschenkel bilden die Gabel, welche den Sitz des Reiters sichert. Das Knie muss unverändert seinen Platz behaupten und, wohl an den Sattel gedrückt, dennoch jede Bewegung des Unterschenkels nach vor -, rückwärts und ein - wärts zulassen.
Mit möglichst vielen Punkten an dem Pferdekörper lie - gend, befestigt der Unterschenkel den Sitz und ist zugleich im Stande, schnell und weich auf das Pferd zu wirken. Abgesperrt wird er immer erst Zeit verlieren und den Pferdekörper erst auf - suchen müssen. Wenn dies eilig geschieht, wird er stossend wirken. Liegt er todt und stets mit gleicher Kraft angepresst, so wird er wie ein festgeschnürtes Band gar keinen Einfluss auf das Pferd äussern. — Leicht angelegt muss er im Zustand der Ruhe den Gurt berühren, in Wirkung tretend kurz hinter demselben ge - braucht werden. Auf dem Gurt gebraucht wird er wenig gefühlt, zu weit nach hinten gebraucht das Knie aus seiner ruhigen Lage bringend, den Sitz stören. — Je mehr er befähigt ist, die Skala der Kraft vom leisen Berühren bis zum mächtigen Druck ohne Stocken und Stossen auf - und abwärts zu durchlaufen, um so richtiger wird er wirken können. — Es liegt andererseits aber ganz in der Willkür des Reiters, welchen Druck er als Schluss aufwärts bezeichnen will, auf den er, wenn er ihn erreicht hat, consequent den Zuchtmeister, den Sporn, als Strafer der Un - aufmerksamkeit und Unfolgsamkeit folgen lässt. Die Modulation der Hülfe wird mithin in den abwärtsbiegenden Stärkegraden lie - gen müssen. Dass ein unempfindliches Pferd den Zuchtmeister, den Sporn lange Zeit hindurch sehr häufig wird fühlen müssen, während ein empfindliches seiner sehr selten bedarf, ist einleuchtend. Es wird aber das unempfindliche, bei richtiger Wahl jeder Grenze, endlich doch den Grad von Lebhaftigkeit erreichen, dass die ange - nommene Skala auslangt. Wenn man mit Lothen ausreicht, warum mit Centnern arbeiten?
Das Herausdrücken eines jeden Trittes mit voller Muskel - anstrengung der Beine ist eben so ermüdend, wie unnütz. Ande -60I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.rerseits hat man sich zu hüten, dass man die Pferde nicht, wie es beim stossenden Schenkel (eine Folge des Absperrens desselben, des unbiegsamen Knies und des Bügelstehens) geschieht, schen - kelscheu und flüchtig macht. Vor jeder Berührung erschreckend, ist die Empfindlichkeit übertrieben, und der Schreck lässt die Hülfen nicht mehr verstehen. Es ist viel leichter, ein schenkel - hart gerittenes Pferd achtsam, als ein schenkelscheues vertrauensvoll zu machen.
Wir werden später sehen, wie das Gehorchen vor den trei - benden Schenkeln und Weichen vor dem einseitigen Schenkel die Basis der Dressur ist, und von keinem Fortschreiten die Rede sein kann, so lange wir dieses nicht sicher haben.
Der Sporn ist die Verstärkung des Schenkels. Es ist eben so thöricht, lieber das Pferd vor dem Schenkel träg zu lassen, um nur nicht den Sporn zu brauchen, weil etwa das Pferd mit dem Schweife schlagen lernt, als unrichtig, ihn ohne vorherge - henden Schenkel in Anwendung zu bringen; ungeschickt, das Pferd unwillkürlich damit zu belästigen; roh und falsch, ihn mit schonungsloser Härte stärker zu gebrauchen, als es die Noth - wendigkeit gebietet.
Man hat vielfach der preussischen Reitmethode zum Vorwurf gemacht, dass sie der Feinheit ermangele, sich nament - lich des Sporns mehr als nöthig bediene und hat im Ge - brauch desselben eine Art Rohheit der Einwirkung finden wollen. Man ist ferner der Ansicht, dass das gebogene Knie und der stets am Gurt liegende Unterschenkel nothwendig einen todten Schenkel geben müsse, dessen unausgesetzter Druck das Schenkelgefühl untergrabe und so jene gewaltsame Einwirkung nöthig mache. Man legt endlich einen grossen Werth auf die ruhige Haltung der Schweife beim Anreiten, als einen Be - weis, dass die Pferde nicht mit dem Sporn dressirt sind, und will einen Vorzug der Reitmethode der einen Cavallerie vor der andern aus dem Unterlassen des Schwanzschlagens herleiten. Wenn von Kopfschlagen der Pferde die Rede wäre, so würde das allerdings eine Sache von grösserem Belang sein.
Meiner Ansicht nach kann der leicht am Gurt liegende Schenkel eben so wenig das Schenkelgefühl vernichten, wie die leichte Anlehnung aus Gebiss die Empfindlichkeit61Vom Schenkel und Sporn.des Maules stört. Man behält bei einigen Cavallerien die Gerte sehr lange bei und schlägt, wenn der Schenkel nicht auslangt, wo wir uns des Sporns bedienen. Bei einer dreijährigen Dienstzeit kann man keine lange Zeit mit Hülfen verschwenden, die im Glied keine Anwendung finden können, und es scheint mir das viel geta - delte Schweifwedeln kein susreichender Grund, um das Schenkel - gefühl statt durch den Sporn durch die Gerte zuzuspitzen. Ob Stechen, ob Schlagen bleibt sich gleich, es wird auf den richtigen Grad und Augenblick ankommen, und beides glaube ich eben so wohl mit dem Sporn, wie mit der Gerte abmessen zu können. Was thut aber nicht die Gewohnheit! Für das Soldaten - pferd scheint es mir aber eben wegen der Gewohnheit wichtig, dass es den Sporn als den Corrector anerkennt. Es ist sehr schwer, den Sporn in angemessener Kraft zu gebrauchen, obschon er gewiss schneller bereit ist, wie eine aufwärts geführte Gerte oder wenn bei abwärts geführter Gerte der Schlag auf der entgegengesetzten Seite Noth thut, und eben weil es schwer soll man den Soldaten darin recht üben, und nicht durch längeres Beibehalten der Gerte, als es die Dressur durchaus verlangt, den Gebrauch des Sporns unnöthig machen, sich auch der Gerte nie bei gerittenen Pferden bedienen.
Es ist, wie gesagt, schwer den Sporn gut zu geben, zur rechten Zeit, am rechten Ort, kurz hinter dem Gurte, in richtiger Kraft und ohne dass der Sitz des Reiters oder die Faust dadurch beunruhigt würde. Viele brauchen ihn schabend, er kitzelt dann und macht danach schlagen. So nothwendig es namentlich bei der Cavallerie ist, darauf zu halten, dass die Fuss - spitzen einwärts gekehrt werden, so hat man in ängstlicher Ueber - treibung manchen Leuten eine Haltung des Fusses angewöhnt, welche zu vielen Nachtheilen führt. Man hat ihnen beigebracht, mit der kleinen Zehe fester auf den Bügel zu treten, als mit dem Ballen des Fusses und dadurch bewirkt, dass sie das Knie vom Sattelblatt entfernen und das Knöchelgelenk einwärts biegend sich mit dem Fusse dem Pferdekörper nähern. Nicht nur ist dadurch der Sitz bedroht, bei dem das feste, anliegende Knie unentbehrlich ist, son - dern man hat ihnen jede Kraft des Unterschenkels genommen. Man sieht diese Leute das Bein mit hängender Fussspitze erfolglos bis an den Schlauch zurückziehen und jenes Spornschaben voll -62I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.führen. Man opferte den festen Sitz und den wirksamen Schenkel der einwärts gekehrten Fussspitze.
Der Sporn muss wie der Finger eines Klavierspielers, der einen kurz abgebrochenen Ton anschlagen will, kurz und elas - tisch gebraucht werden. Es wird häufig bei der Cavallerie darin gefehlt, dass man den Mannschaften den Ge - brauch desselben nicht genügend lehrt, weil es grausam scheint, ein Thier ohne Grund sporniren zu lassen, aber man erspart den rohen, mit Reissen im Zügel verknüpften Gebrauch für die Zukunft, und wird ohne ihn nie einen guten Reiter aus - bilden. Es kann ohne den Gebrauch desselben wohl kaum ein Pferd von höchster Empfindlichkeit ausgebildet und sogar fast keins den Tag über geritten werden, wo der Sporn nicht einmal nöthig würde.
Aber man verzeihe mir hier noch einige allerdings abschwei - fende Bemerkungen. Während man in der Neuzeit bestrebt ist, alles was auf den Sport sich bezieht, in höchster praktischer Vol - lendung zu führen, und gewiss jeder Modemann sich hüten würde, irgend ein Jagdutensil zu zeigen, das an sich unpraktisch ihm noch den Stempel persönlichen Ungeschicks ausdrückte: folgen selbst Leute von Fach allen Experimenten, welche die Mode sich ohne alle Rücksicht auf seinen Gebrauch, am Sporne, dem Zeichen ihres Standes, erlaubt. Die tollsten, unzweckmässigsten Formen von ellenlangen Pfundsporen bis zum dünnen Draht werden an die Absätze geschraubt, genagelt und gesteckt. Aber so seltsam wie jetzt, wurden sie nie getragen. Der Sporn, den der gute Reiter möglichst nahe am Haare wünscht, um stets damit zur Hand zu sein und möglichst entfernt vom Strassen - pflaster, welches das Rad abschleift, ist jetzt so gebogen, dass er möglichst weit vom Pferde und möglichst nahe den Steinen ist. Der Vortheil, dass man so dem Thiere nicht so leicht unwillkür - lich ankomme und zu Pferde durch ihn den Anschein gewinne, den Absatz gut herunter gedrückt zu halten, sollte nicht vor Leuten von Fach dafür gelten.
Der dicht an der Ferse aufwärts gebogene Schwanenhals ist der beste, so lange man den Sporn an den Absatz befestigt. Ueber der Ferse ist sein rechter Ort und dann mag er gerade sein. Der leichte, hohe, aber schlaffe Stiefel, wie man ihn63Vom Körpergewicht des Reiters.jetzt noch wohl auf der Entenjagd trägt, der mit ausgepressten Knien bis oben auf die Lende reicht, wie ihn der 30-jährige Krieg bewährt fand, ist der wahre Reiterstiefel. Unsere Reithosen halten nicht, doch Gott behüte uns vor der steifen Kanone, die mit ihrer Stulpe den Regen fängt und welche die weisse Leder - hose prallen und springseligen Andenkens in ihrem Gefolge hat, und gebe uns den Reiterstiefel, der hält, der sich leicht reinigt, der vor dem Wetter schützt und einmal beschafft, billiger ist, wie unsere hässliche, ewig an den Knien zerrissene Reithose, die zuletzt ein wunderbares Conglomerat von Tuch und Leder wird. Mit ihm würde eine dunkle, enge Lederhose das ewige Durchreiten unserer Rekruten und Wehrreiter um ein Bedeu - tendes verringern, der Sporn wieder an die rechte Stelle gebracht werden und derselbe ein Costüm vollenden, das jetzt oben eben so schön, wie unten hässlich genannt werden muss. So würden auch endlich der weisse Rock und der braune Sattel der Wichse los, mit der sie schon so lange eng verbunden, sich nie befreunden werden. Der Einwurf, dass alle Armeen dieses Reitbeinkleid tragen und es mithin so unpraktisch nicht sein könne, zerfällt von selbst, wenn wir uns das Costüm des 7-jährigen Kriegs ins Gedächtniss zurückrufen und bedenken, wie lange sich dasselbe trotz seiner unläugbaren Unzweckmässigkeit erhalten hat.
So manche Erscheinungen im Leben lassen wir theils ihrer Alltäglichkeit, theils unserer Geistesträgheit wegen vorübergehen, ohne uns über die Ursache, welche sie hervorrief und modifizirte, Rechenschaft zu geben. Wir verlieren aber da - durch nicht nur die Fähigkeit, die Gründe für ähnliche Erschei - nungen sofort zu erfassen, sondern auch die Prinzipien für unsere Handlungsweise, um sie in dieser oder jener Gestaltung hervorzu - rufen. Solche alltägliche Erscheinungen wollen wir jetzt vornehmen64I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.und ihre Ursachen zu ergründen suchen, auf die Befürchtung hin, manchen unserer Leser nur eine Repetition des schon Bekannten zu geben. Sie dürften indess für andere zum ferneren Verständ - nisse nothwendig werden.
Bei jedem Körper lässt sich ein Punkt auffinden, bei dessen Unterstützung der ganze Körper unterstützt ist, und dieser Punkt heisst der Schwerpunkt seines Gewichts. Eine Stütze von hinreichender Stärke, aber der feinsten Spitze, wird, senkrecht unter den Schwerpunkt gebracht, den Körper im Gleichgewicht halten. Die geringste zufällige Einwirkung wird aber einen so gestützten Körper aus dem Gleichgewicht — zum Fallen bringen. Um dies zu verhindern, wird man den Körper auf mehreren Punkten rund um den Schwerpunkt unterstützen. Je grösser die Fläche innerhalb der Unterstützungspunkte ist, um so sicherer wird der Körper gestützt sein. Je näher der Schwerpunkt der Unterstützungsfläche, um so sicherer wiederum. Es wird ein Körper so lange als sicher gestützt zu betrachten sein, als ein Pendel aus dem Schwerpunkt fallend, die zwischen den Stützen liegende Fläche trifft.
Je länger, breiter und niedriger ein Pferd, um so besser ist es gestützt, aber auch um so unbeweglicher wird es sein. Die kurzen, schmalen, hochbeinigen sind darum die beweglichsten. Wenn das Pferd seinen Oberkörper so weit über die stehenden Beine vorwärts bewegt, dass sein Schwerpunkt vor die Vorderbeine fällt, so ist es nicht mehr gestützt und fällt. Eine Veränderung des Schwerpunktes des Körpers kann eintreten, wenn ein - zelne Theile desselben in eine andere Lage gebracht werden. Der herunterhangende Hals wird einen mehr vorwärts, der aufge - richtete einen mehr rückwärts fallenden Schwerpunkt bedingen.
Ferner eine veränderte Neigung des ganzen Körpers wird eine Veränderung des Schwerpunktes zur Folge haben. Diese kann sowohl durch die Veränderung in der Höhe der Stüz - zen, als in der Neigung der Fläche stattfinden, worauf die Stützen ruhen. Das überbaute Pferd wird einen mehr vorgeneigten Schwerpunkt, das hinten tiefe einen mehr zurückgeneigten, als das auf gleichhohen Stützen ruhende Thier haben. Das Pferd, welches auf einer aufsteigenden Fläche steht, wird die Verlegung seines Schwerpunktes nach rückwärts unangenehm empfinden. Es wird65Vom Körpergewicht des Reiters.durch Strecken der Hinterbeine die Hinterhand sicherer stützen können, dann aber noch mehr Last derselben zulegen und nicht lange in dieser Stellung verharren können. Oder es wird durch Zurückziehen der Vorderbeine den Schwerpunkt weiter nach vor - wärts bringen. Dies ist die Stellung, welche die Pferde in ab - schüssigen Ständen anzunehmen pflegen. Sie wird die Beuge - sehnen andauerd gebeugt, die Strecksehnen angestrammt erhalten und so die Vorderbeine ruiniren. Nur bei senkrechter Beinstellung wird keine Muskelthätigkeit nothwendig und dies der Stand sein, der dem Thiere die meiste Ruhe gewährt.
Die veränderte Stellung eines der senkrecht stützen - den Beine bei unveränderter Stellung der andern drei wird eine Er - niedrigung des Leibes nach dieser Seite hin zur Folge haben, und damit eine Verlegung des Schwerpunktes in derselben Richtung. Der Körper wird durch das Nachaussensetzen des Beines sicherer, durch Nachinnensetzen weniger gestützt sein. Umgekehrt wird die Bewegung des Leibes nach der Richtung, wohin das Thier sich neigt, eine Veränderung seines Schwerpunktes und somit eine veränderte Belastung in Bezug auf die Stützen — die Beine — hervorbringen, und soll der Körper gleich sicher gestützt bleiben, eine Versetzung derselben nach aus - sen in derselben Richtung zur Folge haben müssen.
Das Vorsetzen beider Vorderbeine wird den Schwer - punkt, erhöht gestützt, nach vorn neigen. Diese Stellung wird zum Anreiten desshalb sehr ungeeignet sein.
Das Vorsetzen beider Hinterbeine den Schwerpunkt, vermindert gestützt, nach hinten bringen; desshalb zum Zurück - treten geeignet sein.
Das Vorder - und Hinterbein einer Seite vorge - setzt, wird den Schwerpunkt lediglich seitwärts neigen; daher der schwankende Gang der Passgänger.
Die diagonalen Beine vorwärts gesetzt, wird den Schwerpunkt z. B. beim rechten Vorderfuss — rechts vorwärts, beim linken Hinterfuss — links rückwärts bringen; mithin völlig unverändert lassen. — Bewegung im Trabe.
Das Heben eines Beines wird zur Dauer der Sicherung der Stellung die Verlegung des Schwerpunktes bis senkrecht über die Mitte des Dreiecks, welches zwischen den stehenden Beinenv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 566I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.liegt, zur Folge haben müssen; das Heben zweiter die Verlegung des Schwerpunktes bis senkrecht über die Mitte der beiden ste - henden Beine.
Will ein Pferd im Gleichgewicht seine Stellung auf die beiden Hinterbeine nehmen, so muss es den Körper so hoch heben, dass der Schwerpunkt desselben senkrecht über die Mitte der Hinterbeine fällt. Sind diese bereits unter den Leib gestellt, wird diese Erhebung gering, weit zurückgestellt sehr bedeutend sein müssen. Das Ueberschreiten des bestimmten Punktes wird ein Ueberschlagen zur Folge haben, wenn nicht Vorneigen von Kopf, Hals und Vorderbeine den Schwerpunkt verändern, oder Zurücktreten der Hinterbeine jenen Punkt verle - gen, oder eine Muskelschnellung — wie im Vorgehen vermittelst Lançade — es verhindert. Diese Muskelschnellung ist bei auf - rechtstehenden Hinterbeinen unmöglich, aber um so leichter, je mehr die Beine in den Gelenken gebogen waren.
Ist der Abschwung der Vorhand zu gering gewesen, um die nö - thige Höhe zu erreichen, so wird das Pferd durch Zurückneigen von Kopf und Hals, Schlagen der Vorderbeine denselben zu vermehren, und durch Vortreten der Hinterbeine das Gleichgewicht zu erreichen su - chen. Nur wenn dasselbe erlangt ist, kann ein ruhiges Stehen eintreten, wie bei der Levade und Pesade mit unbeweglichen, herangezogenen Vorderbeinen, wesshalb die Schule auf diese Haltung der Vorder - beine, als Zeichen des völligen Gleichgewichts, besteht. Das Steigen, wie es die Kunstreiter zu produziren pflegen, zählt nicht in die Reihe der regelrechten Lectionen, und es ist ein trauriges Zeichen von Unkenntniss, wenn Leute, die es besser verstehen sollten, in den Beifalljubel der Menge einstimmen, wenn ein sogenanntes Schulpferd zu halsbrechendem Steigen angestachelt und gerissen, durch Kopf - und Beinschlagen den Beweis liefert, wie wenig es gelernt hat, sein Gleichgewicht zu finden.
Die Gelenkverbindungen der Vorderbeine erlauben ein län - geres Balanciren der Hinterhand auf denselben nicht. Beim Schla - gen werden indess die weit vorgesetzten Vorderbeine den höchsten Schwung gestatten.
Das Heben der diagonalen Beine wird den Pferdekörper nicht aus dem Gleichgewicht bringen, wenn der Schwerpunkt über dem Durchschnittspunkte der Diagonale seiner67Vom Körpergewicht des Reiters.Beine liegt, und mithin keine Veränderung der Körperhaltung nöthig machen. Liegt der Schwerpunkt aber nicht da, sondern weiter vor - oder rückwärts, so wird eine Neigung des Körpers, die mit jener Differenz wächst, nach rechts und links den Schwerpunkt in die Verbindungslinie der stehenden Beine bringen müssen. Hieraus erklärt sich die schwankende Bewegung vieler Pferde im Trabe, welche mit der bessern Haltung verschwindet.
Es ist aber das Fernere sehr wichtig, dass die gehobenen, diagonalen Beine gleichzeitig zur Erde fallen. Geschieht dieses nicht, so wird die ganze Last für einen Moment auf den zuerst den Boden berührenden Fuss fallen und erst, wenn der andere zur Erde kommt, der vorige Schwerpunkt wieder gewonnen werden. Man fühlt diese, die Beine des Thieres bedrohende Unregelmässigkeit an einem Brechen des Stosses beim Niederkommen in den Sattel. Ge - schieht der Abschwung und das Fussen genau gleichzeitig, so hat der Reiter die Empfindung des federnden, schwunghaften Ge - worfenwerdens, ohne welches dem Kenner kein Trab angenehm sein wird. Dies ist das Werfen im Trabe, das Noth thut. Halb - wissende freuen sich über das Stupsen ihres Thieres mit unelas - tischen Gelenken und beehren es mit der Bezeichnung: „ determi - nirter Trab “. Dem gänzlichen Laien dünkt jeder Trab herrlich, der seinen Sitz möglichst wenig stört.
Das Aufheben zweier Beine derselben Seite macht eine gänzliche Verlegung des Schwerpunktes seitwärts bis über die ste - henden Beine nöthig, wodurch das Schwanken des Passgängers im Trabe noch vermehrt wird.
Aufheben beider Vorderbeine und eines Hinter - beins zeigt bei dem en Pirouette — Kehrt in der schwierigsten Combination — die Balance des Pferdes auf einem Hinterfuss.
Es zeigen sich in einem Moment des Laufens die Hinter - beine über die Vorderbeine hinweggreifend und somit gekreuzigt. Da aber die Vorderhufe bei dieser Gelegenheit bereits hinter der Vertikalen und dem Schwerpunkte standen, ehe die Hinterbeine vor demselben fussten, so muss ein Moment des Nicht - gestütztseins dagewesen sein, dessen Unschädlichkeit sich nur durch die Geschwindigkeit erklären lässt, mit der die Hinterbeine zur Unterstützung herbeieilten, wie durch die feste Anlehnung des5*68I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.Rennpferdes an das Gebiss, wodurch der Reiter ihm gleichsam in seiner Hand ein fünftes Bein giebt.
Beim Seitengang wird ein Kreuzen der Beine gleichfalls stattfinden. Es werden indess die stehenden Beine so lange aus - harren können, bis der Schwerpunkt noch nicht über sie hinweg - ging, und bis die nach vorwärts übertretenden Beine zur Erde kommen. Ist dies nicht der Fall, so entsteht jene fallende Bewe - gung, die falsch und den Beinen schädlich ist.
Der Rumpf des Pferdes, welcher zwischen den Stützen liegt, ist es aber nicht allein, der den Schwerpunkt bestimmen wird. Hals und Kopf, welche vor die Vorderbeine fallen, und Kruppe und Schweif, welche hinter den Punkt fallen, wo die Kruppe auf dem Becken liegt, sind mit in Betracht zu ziehen. Was die Belastung der Beine betrifft, so wird diese im Zustande der Ruhe ziemlich gleichmässig sein. Denn obschon das Vorderge - wicht — Kopf und Hals — vom Hintergewicht — Kruppe und Schweif — viel überragt wird, so ist die grosse Schwere, welche die fleischige Muskulatur der Hinterbacken be - sitzt, den letztern hinzuzurechnen. Dies ändert sich im Gange, indem dieses Mehrgewicht dann mit den Beinen mit jedem Tritte verlegt wird und auf den Schwerpunkt des Rumpfes keinen Ein - fluss hat. Anders ist es mit Kopf und Hals. Sie werden nicht nur nach ihrer absoluten Schwere, der Proportion ihrer Theile, der Art, wie der Hals mit dem Rumpfe verbunden, und wie sie getragen werden, wesentlich auf die Belastung der Vorhand, son - dern auch in doppelter Beziehung auf Verlegung des Schwerpunktes einwirken; einmal durch die wechselnde Lage ihres Gewichts, und dann als Leiter des Druckes des Gebisses.
Die Kruppe hat durch willkürliche Veränderung ihrer Lage keinen Einfluss auf den Schwerpunkt, es wird indess bei wachsen - der Länge derselben sich ihr absolutes Gewicht vermehren und so ein Gegengewicht des vorragenden Halses bilden. Ein neuer Vor - theil der langen Kruppe.
Die Bewegung des Schweifes wird auf die Veränderung des Schwerpunktes nur höchstens in den kritischen Momenten von schwierigen Balancen und kurzen Wendungen influiren. Ich möchte aber doch glauben, dass dann, wo oft schon ein Atom den Ausschlag giebt, seine Bewegung nicht ganz wirkungslos ist. Wissen wir doch,69Vom Körpergewicht des Reiters.dass Windhunde, deren Schwänze man verstümmelte, bei jeder engen Wendung fallen, und das Kängaru sich desselben vollkom - men als Balancirstange bedient.
Wir haben gesehen, welch’ mächtiges Mittel das Pferd durch die Beweglichkeit seines Halses zur freiwilligen Verlegung des Schwerpunktes hat. Den Hals in die Gewalt zu bekommen, dem Pferde diese eigenmächtige Verlegung zu neh - men, sie aber dem Reiter zu geben, wird eine wichtige Aufgabe der Reiterei sein. Andererseits wird uns aber auch die Gefahr sichtbar, welche ein gewaltsames Einschnüren des Halses, sei es durch feste Hülfszügel oder durch die unnach - giebige Hand des Reiters, in Augenblicken herbeiführen muss, wo die Beweglichkeit desselben oft allein im Stande ist, das Thier vor dem Fallen zu schützen, oder dem gestürzten Pferde wieder auf die Beine zu helfen.
Das Pferd vermag durch die Veränderung der einzelnen Theile seines Rumpfes denselben nach jeder beliebigen Rich - tung zu bewegen, ohne dass diese Bewegung durch die Beine un - terstützt würde. Es wird diese Bewegung jedoch ihre Grenze in dem verlorenen Gleichgewicht finden, und wird zu dessen Wieder - herstellung eine Bewegung der Beine, eine Unterbringung der Stützen nach der Seite nothwendig, wohin die Neigung des Rumpfes stattfand. Eine Fortwirkung dieser Neigung wird auch eine fortlaufende Bewegung der Stützen zur Folge haben müssen und so den Gang herbeiführen. Dies ist indess ein fal - lender Gang, der des Schwunges entbehrt. Zum richtigen Gange gehört nebst der nach dem Willen des Reiters regulirten Neigung des Körpers die schiebende und abschwingende Thätigkeit der Beine, worauf derselbe wiederum einwirkt. Das Verlegen des Schwerpunktes aber in eine Lage, wo der Körper vollkommen ge - stützt ist, wird den Zustand der Ruhe zurückführen.
Eine wesentliche Veränderung wird der Schwerpunkt durch die Belastung des Rückens, durch Sattel und Reiter erleiden. Nicht nur wird es von bedeutendem Einflusse sein, ob er seinen Sitz mehr vor - oder rückwärts wählt; ob er seinen Körper in fester Haltung trägt oder durch schlotternde Glieder das Thier belästigt; ob er ferner dauernd vor -, rück - oder seit - wärts geneigt, oder senkrecht im Sattel sitzt; ob er end -70I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.lich sein Gewicht dadurch auf die ganze Sattelfläche vertheilt, dass er auf den Bügeln steht, oder seine Last auf einen Punkt con - zentrirt: sondern er wird durch die Haltung seines Körpers mit - gehend, sowohl den Schwung der Bewegung des Thieres ver - mehren, als widerstrebend ihn vermindern, und schliesslich durch Seitwärtsneigung seiner Last das Gleichgewicht stören und dadurch Bewegungen und Wendungen veranlassen können.
Es wird in den wenigsten Fällen von uns abhängen, uns eini - germassen den Ort zu bestimmen, wo wir auf dem Pferde - rücken sitzen wollen. Das Gebäude des Thieres weist uns denselben bestimmter an, wie die meisten Reitkünstler zugeben möchten, und alle Versuche, die natürliche Sattellage zu ändern, haben kein unangefochtenes Resultat geben wollen. Wie wünschenswerth es wäre, mit dem Gewichte mehr zurück zu kommen, zeigen deutlich die höchstinteressanten Ver - suche, welche die Herren Baucher und Morries in Paris angestellt haben, und welche, meinen verehrten Lesern mitzutheilen, ich mich nicht enthalten kann. Ich entnehme in veränderter Zusammenstel - lung sie aus dem schätzenswerthen Baumeister’schen Werke: „ An - leitung zur Kenntniss des Aeussern des Pferdes “, Stuttgart 1852, und habe die Kilogramme auf Pfunde reduzirt à 2 Pf. 6 Quentchen.
Sie stellten ein gutgebautes Pferd mit Vor - und Hinterhand auf je eine Brückenwage, um zu prüfen, wie viel Gewicht auf Vor - und Hinterhand kam. Die Bewegung der Gedärme, das Athmen liessen eine Veränderung von 7 — 11 Pfund zu. (Sollte nicht auch eine geringe dem Auge unbemerkbare veränderte Kör - perhaltung jene Differenzen vermehrt haben?)
Wir erhalten eine Mehrbelastung für den Zustand der Ruhe von 74, für die erniedrigte Stellung von 106, für die erhöhte von 34; mithin zwischen den Extremen die bedeutende Differenz von 72 Pfund, woraus die grosse Einwirkung der Halsstel - lung auf die Verlegung des Schwerpunktes unläugbar hervorgeht.
Nun bestieg Herr Baucher das Pferd. Er nahm einen schul - gerechten Sitz an, und es ergaben sich bei der gewöhnlichen, mittleren Haltung des Pferdes folgende Gewichtsverhältnisse:
Durch Zurücknahme seines Körpers brachte Herr Baucher (der, wie gesagt, vorhin schon einen schulmässigen Sitz angenommen hatte) 20 ½ Pfund und durch Beizäumen 16 ½ Pfund, mithin Summa 37 Pfund zurück. Es scheint hiernach, als wenn Herr Baucher das Thier aus jener eher tiefen Haltung blos beigezäumt, nicht aber aufgerichtet habe. Es würde das Resultat der Mehrbelastung der Vorhand unter dem Reiter unter den gün - stigsten Verhältnissen, die Herr Baucher gab, doch noch die be - deutende Summe von 76, mithin über 1 / 11 des Gesammtgewichtes betragen.
Das Selbsttragen des Körpers ist beim Reiter nicht blos nothwendig, um das Thier nicht unnütz zu ermüden, sondern um schnell in diejenige Haltung des Körpers übergehen zu können, welche der Situation entspricht. Das Bummelnlassen des Lei - bes war leider auch einmal Mode geworden. Zu der Zeit, als man sein Zuhausesein in den Salon’s und den Boudoirs der Damen durch Annahme nachlässiger, zum Theil ungeziemender Stellungen glaubte72I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.an den Tag legen zu müssen, wollte die Mode auch durch Bum - meln auf dem Pferderücken dieses Sichheimischfühlen gezeigt ha - ben. Eine gewisse Nachlässigkeit der Gewohnheit hält man einem alten Manne gern zu gut, sie kleidet ihn, wenn er sonst darnach ist, oft nicht einmal übel; aber wenn ein junger Mann bummeln will, ehe er gerade sitzen lernte, so ist dies Nachäffen der Nonchalance der Virtuosität eben so lächerlich, als schädlich. Aefft er aber nicht nach, hat er seine Gliedmassen wirklich nicht in der Gewalt, so lasse er sich nicht einfallen zu dressiren, und wenn er auch noch so fest sitzt und es ihm sonst auch weder an Einsicht noch Ener - gie fehlt, so wird er es nie zu einem ruhigen und wohlgerit - tenen Pferde bringen; das Thier muss unter ihm ewig auf der Lauer liegen, seinen wackelnden Leib zu balanciren und kommt nie zum ruhigen Gleichgewicht.
Ein guter Reiter muss dauernd je nach dem Pferde und den Umständen eine mehr vor - oder zurückgeneigte Hal - tung annehmen, und in ihr, wie in der senkrechten völlig fest - sitzen und Herr seiner Bewegungen bleiben. Das normale Pferd verlangt den normalen — den senkrechten Sitz. Ab - weichungen im Gebäude machen Abweichungen im Sitze nöthig. Sind letztere nicht durch das Pferd motivirt, so sind sie schlecht, ob vor - oder zurück - lehnend. Andauerndes Schiefsitzen ist ganz fehlerhaft, doch im Vergleich zum unbestimmten Sitze noch immer vortreff - lich. Das Thier gewöhnt sich daran, oft allerdings schwer und auf Kosten des Ganges und der Beine, aber es kommt zu einer bestimmten Haltung. Die grösste Erleichterung des Ge - wichtes giebt der Reiter, wenn er auf dem Bügel steht, ohne den Pferdekörper mit dem Gesäss zu berühren. Dies ist der Sitz des Jokey. Die Kürze des nur einige Minuten dauernden Laufs erlaubt diese Anstrengung, die der Campagnereiter nicht ertragen kann. Ein Bügelstehen, bei welchem das Zurückfallen in den Sattel nicht vermieden wird, wird zur Erleichterung des Pferdes nur wenig beitragen, aber das Knie des Reiters ansteifen und so den Schenkel zum feinen Nüanciren der Hülfen unfähig machen, auch meist mit schwankendem Oberleibe verbunden sein.
73Vom Körpergewicht des Reiters.Die Vorderbeine des Thieres sind im Zustande der Ruhe zu weit von den Hinterfüssen entfernt und die Unterstützungsfläche zu gross, als dass des Reiters Gewicht durch veränderte Neigung seines Körpers leicht im Stande wäre das Gleichgewicht des Thieres zu stören. Wenn indess durch Unterbringung der Vorder - oder Hinterbeine unter den Leib die Unterstützungsfläche sich verklei - nert, so wird sich die Wirkung schon bedeutender äussern. Wenn das Pferd im Gange seinen Schwerpunkt weiter vorlegt, und wird das Gewicht des Reiters gleichfalls vorwärts geneigt, so wird er den Drang nach vorwärts verstärken, rückwärts geneigt, vermin - dern. Mithin wird der Reiter sich seines Gewichts als Regulator für den Drang, für die Neigung des Rumpfes des Pferdes nach vorwärts, des einen Faktors für den Gang, der namentlich die Anlehnung bestimmt, bedienen können. Pferde, welche die Thä - tigkeit der Beine durch zu starke Neigung nach vorwärts ihres Rumpfes unterstützen, sind auf dem Zügel; Pferde, welche diese Neigung gar nicht annehmen, hinter dem Zügel. Ein Ueberneigen der Schwere des Rumpfes der Schnelligkeit des Ganges angemessen und in dem Maasse, dass sie mit Leichtigkeit wieder zurückgelegt werden kann, wird die richtige Anlehnung geben. Ein fortwäh - render Wechsel in der Neigung des Rumpfes wird das Stossen auf den Zügel und das Prallen hinter den Zügel veranlassen. Wie genau die Gewichtsvertheilung des Reiters mit der Anlehnung zusammenhängt, werden wir aus dem Erfahrungssatz sehen können, dass die Pferde von Leuten, welche sich einen vorgeneigten Sitz bleibend angewöhnt haben, meist fest auf die Hand gehen, von Leuten, welche einen zurückgeneigten Sitz haben, oft zu wenig an der Hand sind, von Leuten, die einen bummeligen Sitz haben, aber eine ganz unbestimmte Anlehnung haben.
Vermehrt wird die Haltung des Reiters im Galopp, im Laufe und Sprung wirksam werden, wo sich die Last bald auf die Vor - derbeine, bald auf die Hinterbeine stützt. Namentlich fällt die Gewichtseinwirkung des Reiters beim Barrièresprung deutlich ins Auge. Hebt sich das Pferd zum Absprunge auf den Hanken, so wird der Reiter diese Erhebung durch Einsitzen in den Sattel unterstützen; sein Vorfallen wird es hemmen. Schwingt es sich alsdann mit den Hinterbeinen ab, so wird die Neigung vorwärts die Kraft des Schwunges unterstützen, sein Rücklehnen sie ersticken. 74I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.Kommt das Pferd fussend vielleicht mit den Vorderbeinen zuerst zur Erde, so wird sein Zurücklehnen die Vorhand erleichtern, sein Vorfallen oft den Sturz des Pferdes herbeiführen. Es war mithin ein dreifacher Wechsel des Körpergewichts nöthig.
In weit höherem Grade tritt die Einwirkung des Köper - gewichts nach seitwärts an den Tag. Diese darf nicht durch stärkeres Austreten eines Bügels verursacht werden, weil ausser der Gefahr des Sattelrutschens der Sitz des Reiters dadurch schwan - kend und die Thätigkeit seines Unterschenkels gelähmt wird. Es muss vielmehr durch eine grössere Belastung des einen Gesäss - knochens ohne Veränderung der Neigung des Körpers in der Ver - tikalrichtung des Reiters geschehen und mit unveränderter Haltung seiner Oberschenkel. Der geringe Raum von Hinterfuss zu Hin - terfuss und Vorderfuss zu Vorderfuss wird leicht eine Veränderung des Schwerpunktes herbeiführen, mit andern Worten: die Unter - stützungsfläche des Pferdekörpers ist lang, aber sehr schmal und es wird das Gleichgewicht des Pfer - des nach seitwärts leicht zu stören sein, um so leichter, je enger das Pferd geht und je höher Reiter und Pferd sind. Im Trabe wird dies am meisten der Fall sein, weil da das Thier seine Balance lediglich auf die in der Diagonale stehenden Füsse genommen hat. Eine geringe Neigung des Reiters seit - wärts wird das Thier dorthin aus dem Gleichgewichte bringen. Es wird naturgemäss bemüht sein, sein Gleichgewicht herzu - stellen und zu diesem Zwecke seine Stütze, sein Vorderbein unter die überhangende Last bringend, dahin treten, wohin der Körper neigt und so wenden. Die mechanische Kraft dieser Hülfe zeigt sich besonders stark beim Eingehen in die Lection-Schulter hinein, namentlich im Trabe. Der Reiter z. B. auf der rechten Hand trabend, lehnt sein Gewicht nach der inwen - digen Seite, so wird das Pferd den rechten Vorderfuss rechts unter den neuen Schwerpunkt bringen. Im Moment des Nieder - setzens wechselt aber der Reiter sein Gewicht von rechts nach links. Das Pferd wird den bereits gehobenen linken Vorderfuss kurz zur Erde bringen, und um sein Gleichgewicht herzustellen, mit dem rechten Vorderfuss über den linken treten.
Natürlich bedarf es von Seiten des Reiters des genauesten Maasses in Stärke und Dauer dieser Hülfe, und ist die Unterhal -75Vom Körpergewicht des Reiters.tung des Ganges nöthig. Mir scheint Neigung des Körper - gewichts ein so überragendes Motiv für die Wendung, dass mir die Anwendung des Druckes auf die inwen - dige oder auswendige Lade oder des Zügels an dem Halse zur Wendung nur als ein beihelfendes, willkür - lich gewähltes, mechanisch machtloses Zeichen ganz untergeordnet, und der Streit über horizontale oder vertikale Zügelfaust unfruchtbar dünkt.
Bin ich im Stande vermittelst des vortreibenden Schenkels die Hinterbeine unter den Leib zu bringen, so bedarf es nur der ver - mehrten Belastung der Hinterhand und einer sehr geringen Zügel - hülfe, um das stehende Pferd zurücktreten zu lassen, das gehende zu pariren. Wenn der Schenkel so weit respektirt wird, den Gang zu unterhalten und das Ausfallen der Kruppe zu verhindern, so sind die Wendungen im Gange durch die Anwendung des Körper - gewichts gesichert. Das Ausfallen der Kruppe ist aber nichts, wie das andere Mittel, welches dem Pferde bleibt, sein Gleichge - wicht wieder zu gewinnen. Statt durch Unterbringung der Stütze es zu bewirken, sucht es durch die Neigung seines Leibes nach der entgegengesetzten Seite, die Neigung des Reiters aufzuheben. Der Zügel verhindert dies bei der Vor - hand, der Schenkel muss es bei der Hinterhand unmöglich machen. Am deutlichsten sieht man diese Wirkung bei ungeschickter und zu plötzlicher Einwirkung des Gewichts zur Wendung, wenn Zügel und Schenkel nicht ihre Unterstützung gewähren. In diesem Falle wird ein schnelles, lebhaftes und bewegliches Pferd leicht statt der gewünschten Wendung die entgegengesetzte machen und seine Neigung so weit links nehmend, als sie der Reiter rechts nahm, sein Gleichgewicht dennoch erhalten.
Es ist mir unbegreiflich, warum auf die Anwendung dieser mechanisch so kräftig wirkenden Hülfe im Allgemeinen in der Rei - terei so wenig Werth gelegt wird, dass von Seiten der besten Lehrer und Autoren ihrer stets nur beiläufig Erwähnung ge - schieht. Herr von Hochstetter, dessen Schrift allerdings wenig Gründlichkeit zeigt, fällt förmlich über Herrn von Bailly her, weil er die Hülfen mit dem Gesäss aufzuzählen wagt. Ich habe sie noch bei allen guten Reitern in schnellen Wendungen und Paraden anwenden sehen. Weil sie aber in so hohem Grade naturgemäss,76I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.und fertige Reiter, welche von der Bewegung des Pferdes eman - zipirt sind, sie ganz unwillkürlich anwenden, so achten sie ihrer nicht. Vielleicht auch geht es damit ähnlich, wie mit vielen Hand - werkskünsten, die der Meister sich reservirt. Er wartet, bis die Erfahrung den Gesellen das Geheimniss lehrt, durch welches dieser erst es ihm gleich zu thun vermag. Wie die sehr künstli - chen Faustdrehungen zum Wenden jeder lehrt, und doch keiner braucht, so braucht das Körpergewicht jeder zum Wenden, und keiner lehrt’s.
Viele, die es stets selbst — bald bewusst, bald unbewusst — brauchen, fürchten sich, die Anwendung des Körpergewichts zu lehren und in ihre Theorie aufzunehmen, weil es einen unruhigen Sitz gebe und die Festigkeit des Sitzes bedrohe. Wenn ein Bügel - stemmen von einer zur andern Seite darunter verstanden werden soll, so stimme ich dieser Ansicht aus voller Seele bei. Wird aber die Hülfe bloss dadurch gegeben, dass die Schwere des Oberleibes, ohne die Lage der Schenkel zu ändern, sich erhöht auf einen oder den andern Gesässknochen legt, so wird dadurch weder die Ruhe, noch der Sitz gestört. Aber es ist zur richtigen Anwendung aller - dings nothwendig, dass der Reiter, trotz der Bewegung des Pfer - des, seinen Körper in der Gewalt habe — es bedarf mithin eines ruhigen und sicheren Sitzes. Bügelsteher und Wackeler können von dieser Hülfe keinen Gebrauch machen, weil sie aus dem Missbrauche derselben nicht heraus - zukommen vermögen.
Unter Gehorsam versteht man die Unterwerfung des Willens eines Wesens unter den eines andern und somit die Erfüllung der Anforderung, welche dieser Wille erheischt. So lange, in unserm Falle, das Verlangte dem Thiere angenehm ist, wird es instinktgemäss ihn erfüllen, wo nicht, den Gehorsam ver - weigern. Wir werden häufig gegen die instinktgemässe natürliche Neigung des Thieres anzukämpfen haben, indem wir ihm zumuthen, etwas zu dulden oder zu thun, was ihm unbequem, lästig, oft gar schmerzlich ist. Je weniger die Zumuthung dem Thiere wider - wärtig ist, um so leichter werden wir seinem Widerstreben entge - gentreten können.
Wir fordern vom Thiere, entweder Handlungen, die wir mit ihm vornehmen, zu dulden, oder Handlungen zu voll - bringen. Im erstern Falle setzen wir dem Nichtduldenwollen, welches sich in activer Widersetzlichkeit ausdrückt, pas - sives Verharren, so weit es irgend angeht, entgegen. Es will z. B. das Pferd den Sattel nicht dulden, dessen Bewegung ihn im Trabe an der Leine belästigt. Es springt, schlägt und tobt. Der Dressirende duldet alles, nur nicht dass es stehen bleibe oder Schritt gehe. Das Toben wird dem Thiere mit der Zeit lästiger als der Sattel. Es findet keine Mittel, sich zu entziehen und duldet ihn. Es hat durch jenes Toben sich selbst bestraft. Diese passive Art, das Thier zur Duldung zu bringen, nennt man: es gewöhnen. Natürlich muss man vom Leichteren zum Schwereren übergehen und genau beachten, dass möglichst wenig Activität an - zuwenden ist.
78II. Abschnitt.Eine zweite Art der Anforderung besteht in dem Begehren, dass das Thier eine Handlung vollbringe. Beim Verweigern des Gehorsams kann es der Anforderung entweder einen thätigen, oder einen passiven Widerstand entgegensetzen. Die active Widersetzlichkeit verlangt fürs erste das Zurück - führen in die ursprüngliche Situation und aus der - selben das Wiederholen der Anforderung. Man will z. B. das Pferd bewegen, dem Drucke des Gebisses auf die Lade nachzugeben. Statt dessen aber dehnt es mit den Muskeln des Kiefers gegen das Gebiss. Dieser activen Widersetzlichkeit stellt der Dressirende einen Druck auf die Lade entgegen, der sich um so viel steigert, als der Grad der Muskeldehnung nöthig macht, die Hand in ihrer ursprünglichen Stellung zu lassen. Mit dem Nachlassen von Seiten des Pferdes lässt auch die Hand nach, bis die Muskeldehnung überwunden, und die ursprüngliche Situation wieder erreicht ist. Nun beginnt der auffordernde Anzug von Neuem, welcher wahrscheinlieh ein neues Dehnen nach anderer Richtung zur Folge haben wird, das in gleicher Art zu überwinden ist. Vielleicht erst wenn das Thier alle Richtungen durchprobirt hat und in keiner ein Entkommen gefunden, wird es sich geneigt zeigen, der Anforderung zu genügen und muss dann Ruhe und Lob, Belohnung für seinen Gehorsam finden, und so die Erfahrung machen, dass Gehorsam ihm weniger Unbequemlichkeit und Schmerz bringt, als Widerstreben.
Schlimmer ist es, wenn das Thier einen passiven Widerstand der Aufforderng zur Thätigkeit entge - gensetzt. Dies macht eine Activität von Seiten des Dres - sirenden nöthig, wobei derselbe sich zuerst die Frage zu stellen hat, ob das Thier die Aufforderung versteht und zu leisten vermag. Ist beides der Fall, so ist eine Opposition vorhanden, welche besiegt werden muss. Diese zu überwinden, stellt der Mensch dem Thiere die Wahl, entweder seinem Willen zu gehor - chen oder etwas zu erdulden, welches ihm grössere Unbequemlichkeit bringt, als die, welche mit der Aus - führung des Willens verbunden ist. Dieser ihm angedrohte Gegenschmerz ist die Strafe. Je allmäliger in der Dressur die Steigerung der Anforderungen gestellt wird, um so geringer werden dem Thiere die Unbequemlichkeiten erscheinen, welche ihre79Vom Gehorsam.Erfüllung mit sich bringt, und um so geringer können die Strafen sein. Sind die Strafen zu niedrig gestellt, so wird das Thier es vorziehen, sie zu ertragen, weil dies ihm leichter ist, als die Folgen des Gehorsams. Sind sie zu hart gestellt, so werden die Folgen der Strafen eine höhere, als die abverlangte Thätigkeit hervorbringen. Soll das rohe Thier gehen und folgt selbst dann nicht, wenn es der Führer am Kopfe fortzieht, so wird die Peitsche wirken müssen; aber ein plötzliches Drauflosschlagen wird kein Antreten, sondern einen Sprung zur Folge haben. Ich werde mithin meinen Zweck nicht in der erwünschten Art erreichen und das Thier schreckhaft machen. Habe ich aber versucht, das Thier mit einem Knall der Peitsche anzutreiben, und das Pferd folgte ihm nicht, und fahre ich gleichwohl fort zu knallen, statt meine Strafe zu steigern, so würde ich für immer die Achtung vor dem Knall untergraben.
Wir sehen hieraus, dass ein richtiges Verhältniss des Grades der Strafe zum Widerstande und eine allmä - lige Steigerung darin stattfinden muss. Jedenfalls aber will der Gehorsam erkämpft sein. Das Vermeiden und Umgehen des Entgegentretens, was so viele Dres - sirende als den höchsten Triumph der Kunst darstellen wollen, kann ich als solchen nicht anerkennen. Es ist vielmehr die Aufgabe der Kunst, durch allmälige Steigerung der Anforderungen diese Kämpfe fort - dauernd im Kleinen zu halten. Der Kampf darf nie eine solche Höhe erreichen, der nöthige Gegenschmerz, die Strafe, nie so scharf werden, dass sie Handlungen nach sich ziehen, deren Heftigkeit den Sitz des Reiters bedrohen und fürchten lassen müs - sen, dass derselbe einmal unterliege, und so das Thier die Grenzmarke der Kraft und Ausdauer seines Herrn kennen lerne. Dann wird es allerdings diesen Kampf immer von Neuem aufnehmen, hoffend, abermals obzusiegen. Darum ist es auch so gefährlich, sich vorzeitig in Situationen zu begeben, wo man den Kampf nicht auszukämpfen vermag, z. B. mit rohen Pfer - den ins Freie zu reiten. Sie merken sich Orte und Situationen, wo der Reiter nicht im Siege blieb und wissen mit überraschender Klugheit ähnliche Gelegenheiten zu benutzen. Andererseits aber würde man durch derartige Kämpfe die Kraft des Thieres un -80II. Abschnitt.nütz in Anspruch nehmen und die Gesundheit seiner Gliedmassen bedrohen. Die Menge von leichten Siegen muss das Thier zur Gewohnheit des Gehorchens bringen, die sich zur vertrauensvollen, unbedingten Unterwerfung steigert.
Die Strafe muss nie als eine nachträgliche Rache - ausübung erscheinen. Hat das Pferd gescheut, so kommt die Strafe hinterher, weil es dem Reiter unbequem geworden, zu spät. Es hat vielleicht sogar Lob verdient, indem es trotz seiner Angst aus Gehorsam, statt Kehrt zu machen, dennoch am Gegen - stand seiner Furcht vorüberging, wenn auch etwas eiliger. Wir können das Thier nicht wie einen Menschen lange Zeit nach dem begangenen Fehler züchtigen, weil bei der Unmöglichkeit, ihm den Grund der Strafe mitzutheilen, deren Anwendung ihren Zweck verfehlen wird.
Es ist ferner eben so unrichtig, ein Thier muthwillig zum Ungehorsam zu reizen, um es dann zu unterwerfen, als da, wo der Ungehorsam entgegentritt, denselben zu umgehen, und durch andere Mittel unsern Zweck zu erreichen suchen, wenn die ersteren eine Opposition hervorriefen. Es hat z. B. ein Mann vielleicht unrichtigerweise sich des auswendigen Sporns zum Ansprengen bedient, das Pferd schlägt nach dem Sporn, man erlaubt, dass der Mann, diese Unart unberücksichtigt lassend, in besserer Art in den Galopp eingehe, so wird das Thier gewiss beim nächsten Gebrauch des Sporns wiederum darnach schlagen. Es würde nothwendig sein, dass der Mann sofort parirte, den Schenkel weichen liesse, beim nicht sofort geleisteten Gehor - sam sich wiederum des Sporns bediente, dessen Wirkung beim abermaligen Schlagen verstärkte, bis ein Aufgeben des Widersez - zens den Gehorsam bewiese. Dringt er nicht durch, muss zur Gerte, dann aber zur Peitsche und zum Kappzaum zurückgegangen werden. Gegen dieses consequente Nichtaufkommen - lassen der sich zeigenden Unarten, und dieses Zurück - gehen zu den Vorlectionen sieht man häufig einzelne Reiter, noch mehr aber bei der Dressur in grösseren Abtheilungen fehlen. Man vermeidet den Kampf gegen die hervortretende Unart, sucht durch Wahl anderer Mittel die Ein - wirkungen zu vermeiden, bei denen sie sich zeigt, und lavirt sich so ewig ausweichend durch. Als Entschuldigung dient der Mangel81Vom Gehorsam.an Zeit, sich bei so vielen Pferden lange mit einem zu beschäftigen; und man bringt es so dahin, dass, indem heute die Unart des einen, morgen die des andern unbeachtet bleibt, sie ihnen zur später schwer zu bekämpfenden Gewohnheit werden, und so mehr oder weniger alle nichts lernen, und die Zeit an allen ver - schwendet ist. Daher der grosse Einfluss, den der Tausch der Reiter auf das Gehen der Pferde hat, daher die Noth - wendigkeit des wochenlangen Einreitens, damit der Reiter lerne, welche Hülfe das Thier duldet, und welche er zu vermeiden hat, damit die Unart nicht hervortrete. Obschon jedes Thier seinem Gebäude und Temperamente nach einer anderen Zusammenstellung und es auch einiger Zeit bedarf, um die Stärke der Zeichen kennen zu lernen, an die das Pferd gewöhnt worden, so wird es bei eini - ger Reitfertigkeit doch nur einer Viertelstunde bedürfen, um den Reiter hierüber ins Klare zu bringen.
Es giebt aber eine Menge Reitlehrer, denen jede Uebungs - stunde eine Productionsstunde ist, eine Stunde, in der sie zeigen, was die Pferde können, und nicht eine Stunde, ihnen etwas zu lehren; Lehrer, die sich selbst bei zu dressirenden Pferden freuen, wenn nichts den gewöhnlichen Verlauf Störendes vorfiel, und das Zutagekommen jeder Unart und jedes Ungehorsams sorgfältigst vermieden wurde, statt sich zu freuen, wenn diese sich entdeckten und so Gelegenheit gaben, rechtzeitig und mit den geeigneten Mitteln ihnen entgegenzutreten. Andere begnügen sich mit dem Scheine, ihren Willen erreicht zu haben. Will z. B. ein Pferd nicht zurücktreten, weigert es, obschon durch die Dressur bereits dahin belehrt, die Verlegung des Schwerpunktes, stemmt es die gestreckten Hinterfüsse der Verlegung des Schwerpunktes entgegen, so scheint es zu weitläufig, Untertreten, Zusammenstellung des Halses etc. zu prüfen und nöthigenfalls zu erzielen. Man begnügt sich durch einen Schlag auf Beine oder Nase, das Thier zurückzubringen. Ob aber das Thier dennoch seinen Willen durchgesetzt, ob auch weder Hals noch Hanke gebogen, ist ihnen gleichgültig; sie glauben als Sieger davon zu gehen, obschon dem Thiere der Sieg geblieben, und der Unge - horsam bestens angebahnt ist.
Ein anderer Fehler ist dem Zuhochspannen der Anfor - derung nahe verwandt. Es ist das zulange Andauern vonv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 682II. Abschnitt.Reprisen, wo Muskelanspannung, scharfe Stellung etc. entweder gänzliche Ermüdung der Muskeln oder Schmerz herbeiführten, und dem erschöpften oder gequälten Thiere der Gehorsam unmöglich gemacht, es dann aber durch harte Strafen zur Verzweiflung ge - trieben wird, die oft Mann und Pferd in Gefahr bringt. Es müssen dem Thiere durchaus die nöthigen Ruhemomente gegönnt wer - den. Sie müssen indess stets dann eintreten, wenn man Ursache hat, mit demselben zufrieden zu sein; nie aber einen Kampf unterbrechen. Viel weniger darf man in solchen Augenblicken des Zerwürfnisses die Lection beenden und das Pferd zu Hause führen lassen. Der Reiter, welcher das Thier mit der Idee: „ Wart’, ich werde dich! “besteigt und mit dem Gedanken: „ Geh’ zum Teufel, du eigensinnige Canaille! “fortführen sieht, wird es in der Dressur nicht weit bringen. Reiter und Pferd müssen sich mit Freude sehen, als Freunde scheiden. Der freundliche Gruss, die klopfende Hand beim Auf - und Absteigen sollten nie fehlen.
Wir sind in unserer Campagnedressur im Allge - meinen viel zu sehr geneigt, alles durch Strafe, zu wenig bedacht, manches durch Belohnung zu erringen. Mit welchem guten Beispiele gehen uns die Kunstreiter voran, und wie manches erreichen sie nicht durch ein Stückchen Brod, Zucker oder ein Mohrrübenscheibchen, was uns und unseren Thieren viele Schweisstropfen kostet. Wir sollten uns nie zu Pferd setzen, um zu dressiren, ohne solche kleine Näschereien, die dem Pferde unsere Zufriedenheit nach Erfüllung unserer Forderung zeigen, mit uns zu führen. Bei einem Thiere von solcher Klugheit und solchem Gedächt - nisse, wie das Pferd, wird die Freundlichkeit nicht verschwendet sein.
Eine eigenthümliche Art, den Gehorsam zu erzwingen, haben die Gaucho’s. Nachdem sie ein ihnen zusagendes Exemplar aus der wilden Heerde, welche in ungetrübter Freiheit die Pampa’s durchstreift, mit dem nie fehlenden Lasso zu Boden geworfen ha - ben, zwängen sie ihm den Sattel auf und eine gewaltige Kandare ins Maul, und springen im Moment seiner Erhebung in den Sattel. Das rasende Thier sucht sich durch alle denkbaren Sätze des Rei - ters zu entledigen, der es mit riesigem Sporne und mit der Peitsche so lange bearbeitet, bis es wie ein Pfeil in die endlose Steppe dahin - fliegt. Nach einigen Stunden erscheint der Reiter wieder, das83Vom Gehorsam.blutende, schweisstriefende Pferd folgt zitternd, wohin er es führt. Er steigt ab, giebt ihm sein Zeichen, reiht es in seine Heerde ein, aus der er es zu seinem Gebrauche wieder einfängt, ohne dass es je wieder ein Zeichen des Ungehorsams gäbe. Dies ist die Be - schreibung der Schriftsteller und Augenzeugen in solcher Ueberein - stimmung, dass an der Wahrheit nicht zu zweifeln ist. Nur bei der Werthlosigkeit der Thiere und der Unendlichkeit der baum - losen Steppe kann ein solches Verfahren Anwendung finden; merk - würdig aber bleibt es, dass dieser eine Ritt den Willen eines so unbändigen Thieres für immer gebrochen, und es dem Menschen unterthänig gemacht hat.
Eine andere Art des Unterwerfens ist die seltsame Procedur der „ Flüsterer “, die ihr geheimnissvolles Wesen in Schottland und Irland treiben sollen. Ein dem Pferde in das Ohr geflüstertes Wort soll es an allen Gliedern zittern machen; das böseste Thier soll zum Lamme umgewandelt und dem Willen des Flüsterers un - terworfen sein. Reisebeschreibungen erzählen Wunderdinge von dieser Kunst, die indess zu mysteriös klingt, um Glauben zu verdienen.
Eine genaue Kenntniss des Pferdes, um beurtheilen zu können, was ihm leicht und schwer wird, eine grosse Aufmerksamkeit auf die Quelle des mangelnden Erfolgs, ein ruhiges Temperament des Reiters und ein wohlwollendes Herz, richtige Anwendung von Lohn und Strafe, Muth, der den Kampf nicht scheut, Vermeidung von Uebermuth, der ihn sucht, nebst Kenntniss und Anwendung der geeigneten Hülfen und Lectionen werden uns auch ohne die ge - heimnissvolle Kunst der Flüsterer die Mittel geben, uns Gehorsam zu verschaffen.
Wir haben in neuerer Zeit eine so grosse Verwirrung in den verschiedenen Gebrauchszwecken des Pferdes, dass es nicht als unnütz erscheint zu erklären, was wir unter Renn -, Jagd -, Campagne - und Schulpferd zu verstehen haben. Es machen oft Leute von Fach an Campagnepferde die Anforderung, dass der Galoppsprung in der Art bei ihnen entwickelt sei, wie es beim Rennpferde der Fall ist, oder andere, dass jedes derselben ohne Unterschied des Gebäudes eine Aufrichtung habe, wie ein Schul - pferd. Jener verlangt von seinem Jagdpferde dagegen eine leichte Anlehnung im vollen Laufe und beansprucht die Wendbarkeit des Soldatenpferdes. Nur die Renn - und Schulpferde sind fast stets in Händen von Männern, die von ihnen nur das verlangen, was sie leisten sollen.
I. Rennpferde sind solche, welche zur Entwickelung der möglichst grössten Geschwindigkeit auf ebener und freier Bahn in dauerndem Laufe durch Uebung und künstliche, diätische Vorbe - reitung erzogen werden. Der Anspruch auf Wendbarkeit und Ver - sammlung ist auf das Minimum beschränkt, ebenso die Gewöhnung an starke Belastung und Körperabhärtung. Der Schwerpunkt ist bei ihnen im Laufe so weit vorgelegt, wie es sich irgend mit der Sicherheit vereinen lässt. Der auf den Bügeln schwebende Jokey85Einleitung.giebt, weit vorgebeugt, dem vorgestreckten Kopf und Hals eine eiserne Stütze auf die Faust. Der befreite Rücken spannt unge - hindert an und ab. Die Beine arbeiten bald weitgestreckt hinter der Vertikalen, bald streben sie so mächtig vorwärts, dass die Hin - terbeine bei den Vorderbeinen vorbeigreifen. Bei dicht über den Boden gestrecktem Leibe sind die Sprünge mehr lang, als schnell auf einander folgend. Der Trainer stählt durch Uebung Muskeln und Athmungsorgane, sorgt durch reichlichstes Futter und pünkt - lichste Pflege für die Ernährung; arbeitet aber durch Abschwitzen und Purgiren der Fettbildung entgegen, unbekümmert, ob seine Erziehungsmethode die Haut verweichlicht und durch Isolirung in dunklen Räumen die Nerven reizbar und das Thier unverträg - lich macht.
II. Das Jagdpferd. An dasselbe wird nicht der Anspruch so bedeutender Geschwindigkeit, wohl aber der einer grossen Dauer im Laufe, mithin gestählter Muskeln und trefflich geübter Lungen, und des sicheren und unverzagten Nehmens vorkommender Hinder - nisse jeder Art gemacht. Hiezu bedarf es schon der schnelleren Verlegung seines Schwerpunktes. Der Reiter muss es auch so weit in der Hand haben, als es die Fähigkeit, unnehmbare Hinder - nisse zu umgehen oder weislich vor ihnen zu stopfen, nöthig macht, obschon die Räumigkeit des Sprunges keine engere Zusammenstel - lung des Halses gestattet. Auch bei ihm wird eine so künstliche Stallpflege meist mit Abschwitzen und Purgiren angewendet, dass die Haut für Campagnegebrauch zu reizbar wird. Es erhält be - reits ein vermehrtes Gewicht.
III. Das Campagnepferd (Soldatenpferd). Von ihm ver - langt man die Fähigkeit unter bedeutendem Gewichte, bei jedem Wetter, bei mässigem Futter und mässiger Pflege andauernd in einer Haltung zu gehen, welche ihm jede Gangart, Wendung und Parade gestattet. Es soll sicher und furchtlos mässige Hindernisse nehmen und vertrauensvoll dahin gehen, wohin der Reiter es immer führen mag; dann aber auch fromm und verträglich gegen Men - schen und Pferde sein. Gewandtheit ist ihm eben so nöthig, wie Schnelligkeit und Dauer.
IV. Das Schulpferd. Es ist bestimmt zu zeigen, bis zu welchem Grade die Dressur Verständniss, Gehorsam und Körper - ausbildung in Rücksicht auf Gewandtheit, Leichtigkeit und Grazie86III. Abschnitt. Erstes Kapitel.zu bringen vermag. Der Hals möglichst aufgerichtet, die Hanke bis zur vollendeten Elastizität gebogen, ist der Schwerpunkt fast immer der Hinterhand zugeneigt. Nicht nur vollendet in den Gang - arten auf einem und zwei Hufschlägen, ist es häufig zu künstlichen Sprüngen dressirt. Von den Diensten des gemeinen Lebens befreit, ist Dauer, Schnelligkeit und Tragen grossen Gewichtes nicht seine Aufgabe. Es soll hauptsächlich dem Reiter das Gefühl vollkom - mener Haltung und richtig einwirkender Hülfen geben.
Nach dem Aufhören von Turnieren, Carroussels und Festzügen hatte der praktische Gebrauch des Schulpferdes seine Endschaft gefunden. Die grosse Vollkommenheit des Gebäudes und die lange Dauer der Dressur macht sie so kostspielig, dass nur auf wenigen grossen Bahnen deren gehalten werden, und die Mittel reichen nicht hin, um den ganzen Cyklus der höheren Schule auf einer Bahn vertreten zu sehen, indem nicht jedem Schulpferde alle Sprünge beizubringen sind, sondern das Thier nur in denen, zu welchen es Neigung zeigt, fest gemacht werden kann. Es ist für jeden Reiter gewiss eine grosse Freude, die schulgerechten Leistungen zu sehen, wie die Hannöversche Manège sie aufzuweisen hat. Eben so wird der Stallmeister Seidler, welcher nur aus den Pferden der Reit - schule zu Schwedt sich das Material zu seinen Schulpferden aus - suchen konnte, jedem Hochachtung und Bewunderung einflössen. Die Bemühungen der Kunstreiter, wie Loisset, Renz, Wollschläger etc., um die Dressur von Schulpferden, so anerkennenswerth sie auch sind, zeigen indess zu sehr die Absicht, dem grossen Pu - blikum durch halsbrechendes Steigen und kecke Sprünge eine Au - genweide zu geben, als dass nicht jener ruhigen Haltung, die aus dem nie aufgegebenen Gleichgewichte entspringt, und welche die vornehme und edele Eleganz der alten Schule bildet, Abbruch geschähe. Im Allgemeinen findet der Liebhaber so wenig Ge - legenheit, jene Lectionen ausführen zu sehen, und die Werke, in denen sie beschrieben werden, sind so selten geworden, dass ich meinem Leser glaube angenehm zu sein, wenn ich sie in der Kürze durchgehe und durch Zeichnungen zu erläutern suche. Ich gebe dieselben meist nach der grossen Ausgabe des Marquis v. Newcastle, Anvers 1663.
Es stehen sich Renn - und Schulpferd vollkommen gegenüber. Dem einen ist die höchste Entwickelung der fördernden Kraft, Schnelligkeit, dem andern die höchste Gewandtheit mit Entwicke - lung der Balance gegeben worden.
Jagd - und Campagnepferd stehen mitten inne, jenes dem Renn - pferde, dieses dem Schulpferde näher verwandt. Beide bedürfen des kühnen Herzens, des unbedingten Vertrauens auf die Führung des95Einleitung.Reiters, soll dieses den Satz in die Bajonnette, jenes den über die Stachelzäune wagen.
Es ist die ganze Körperhaltung des Pferdes, welche über die Lage seines Schwerpunktes und über die grössere oder geringere Fähigkeit derselben, schnell vorwärts, rückwärts oder seitwärts zu verlegen, bestimmt. Die angeübte, zur Gewohnheit gewordene Zusammenhaltung des Halses, die Haltung der Rückenwirbelsäule und erworbene Biegsamkeit der Gelenke, namentlich der Hinter - hand, wird wesentlich auf die Räumigkeit des Ganges, wie auf jene Fähigkeit der Verlegung des Schwerpunktes, mithin auf Schnellig - keit und Gewandtheit, influiren, indem sie über die grössere oder geringere Fähigkeit der Hinterhand zum Aufnehmen und Balan - ciren der Last einerseits, der Fähigkeit derselben zum Abschieben und Abschwingen andererseits, entscheidet. Die grösste Schnellig - keit verlangt eine Körperhaltung, bei welcher der Schwerpunkt des Thieres möglichst weit vorfällt — die grösste Gewandtheit eine Haltung, bei welcher derselbe möglichst weit und schnell zurück - gelegt werden kann. Mit der vorwärtsstrebenden, gestreckten, un - gebogenen Haltung des Rennpferdes werde ich keinen spanischen Tritt und keine Pirouette erzielen — mit der hohen Aufrichtung, gebogenem Rücken und Hanken des Rennpferdes keinen Preis im Derbi-Rennen erringen. Es lassen sich Schnelligkeit und Gewandtheit in ihren höchsten Spitzen nicht vereinigen. Um zu guten Resultaten zu kommen, darf bei möglichster Ver - einigung jener extremen Eigenschaften nur das Mittelmässige ver - langt werden, dasselbe Thier kann unmöglich nach beiden Rich - tungen vollkommen sein. Das Campagnepferd wird deshalb, weder der Sieger der Rennbahn, noch der Stolz der Manège sein können. Nach richtiger Auswahl der Gebäude zum bestimmten Zweck wird es mithin nöthig, dass der Dressirende das Thier in der diesem Zweck entsprechenden Haltung so fest zu machen sucht, dass sie ihm endlich zur Gewohnheit, zur andern Natur werde. Aus Allem — Alles machen wollen, ist ein Bestreben, das eben so viel An - massung, wie Unwissenheit verräth.
Es wird mithin jede dieser Pferdeklassen in der Dressur eine besondere Haltung bekommen müssen, und diese Haltung wird mit der Zeit dem Pferde so zur Gewohnheit werden, dass es in einem ganz sich selbst überlassenen Zustande doch derselben96III. Abschnitt. Zweites Kapitel.treu bleibt. Ein altes Rennpferd auf der Weide wird sich von einem alten Campagnepferde gewiss so wesentlich unterscheiden, wie ein Gelehrter von einem alten Soldaten. Es dürfte sogar frag - lich sein, ob nicht die durch Ausbildung gewisser Körperfertig - keiten hervorgebrachte Umgestaltung einzelner Körpertheile einen erblichen Einfluss auszuüben vermocht, und ob nicht die conse - quente Ausbildung der englischen Vollblutpferde für das Rennen endlich einen Einfluss auf die Nachzucht erhalten und dem Thiere schon von Geburt eine vorzugsweise kräftige Ausbildung derjenigen Muskeln verliehen habe, die durch das Rennen viele Generationen hindurch sich vorzüglich ausgebildet hatten? Ob nicht diejenige Haltung des Körpers, welche das Rennen Generationen hindurch den Pferden gegeben hatte, endlich durch Erbschaft stereotyp geworden ist? Ob mithin die jetzigen Formen der Vollblut - pferde nicht nur ein Resultat der Paarung von Orientalen und englischen Landpferden, durch klimatische und diätische Einwir - kungen bedingt, sondern auch namentlich in Vererbung angeübter Haltung und Ausbildung begründet sind.
Der Kopf ist am Halse in einer nach allen Richtungen beweg - lichen Art befestigt. Dem Halse geben sieben eben so bewegliche Wirbel eine feste Grundlage. Diese bilden mit der Rückenwirbel - säule eine fortlaufende Kette. Es wird deshalb die Stellung der Halswirbel nicht ohne Einfluss auf die Haltung der Rückenwirbel - säule sein, welche Wirkung durch das An - und Abspannen des Nackenbandes, des sehnigen Bandes, welches die ganze Wirbelsäule begleitet, vermehrt wird. Die höchste Aufwölbung des Rückens,97Von der Halsarbeit.wie das bockende Pferd sie zeigt, ist nur bei heruntergedrücktem Kopf und Hals möglich. Aufrichtung spannt das Nackenband ab, Beizäumung spannt es an. Tiefrückige Pferde gehen mit hohem Halse und hoher Nase; hochrückige widersetzen sich gern der Erhebung des Halses am Widerriss. Ausserdem findet der Hals auf der geneigten Fläche, die der Rumpf an der Schulter bildet, seine Stütze. Je grösser und horizontaler sie ist, um so sicherer wird sie den Hals tragen. Man pflegt in der Reiter - sprache diese Fläche die Aufsatzfläche zu nennen, während man die Verbindung zwischen Kopf und Hals den Ansatz nennt.
Mit der Grösse der Aufsatzfläche werden Breite und Dicke des Halses und mithin auch das Gewicht desselben wachsen. Ein sich nach oben verdünnender Hals wird leichter zu tragen sein, als ein eben so schwerer, der in gleichen Dimensionen bis oben fortläuft. Ferner wird ein kürzerer Hals leichter zu tragen sein, wie ein längerer, und namentlich wird der Kopf einen längeren Hals mehr belasten, wie einen kürzeren.
Es ist wichtig, dass der Hals sich selbst trage. Wie ein ohnmächtiger Mensch, dessen bummelnde Glieder den Schwerpunkt des Körpers fortwährend ändern, eine viel grössere Last sein wird, als ein Mensch von fester und gleichmässiger Haltung, so wird ein Hals, der durch seine schlaffe Muskulatur bei jeder Körperbe - wegung ein Verändern seiner Stellung erleidet, sich viel schwerer tragen lassen, als ein Hals, der in den einzelnen Theilen sich unver - ändert selbst trägt. Jeder Wechsel in der Stellung des Halses wird ein Wechseln des Schwerpunktes desselben zur Folge haben, der wiederum die Veränderung des Schwerpunktes des ganzen Pferdekörpers nach sich ziehen muss. Wenn dieser aber trotz der veränderten Haltung des Halses keine Veränderung erleiden soll, so wird von Seiten des Pferdekörpers eine Gegenwirkung noth - wendig, welche neue Muskelthätigkeit verlangt.
Vor allem aber kommt es auf die Stellung des Halses zur Aufsatzfläche an. Von deren grösserer oder geringerer Tragfähigkeit wir nur dann ein richtiges Bild bekommen, wenn wir sie auf die Horizontalfläche reduziren, indem wir senkrechte Linien von jedem Punkt der Ansatzfläche zur Erde fallen lassen.
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 798III. Abschnitt. Zweites Kapitel.So ist die Länge der Aufsatzflächen der Pferde, welche uns vorstehende Figur zeigt, A B und C D, und zwar C D fast um ¼ grösser als A B. Beide auf die Horizontale reduzirt, giebt a b und c d, und wir finden, dass c d nun kleiner ist als a b. Es wird mithin die kleinere Aufsatzfläche, der günstigeren Lage wegen, hier den Hals sicherer stützen, wie die grössere.
Fällt die Senkrechte vom Schwerpunkte des Halses noch in diese Fläche, so ist er als gestützt anzusehen, vor dieselbe, so wird der Kopf zu Boden sinken. Trägt die Faust des Rei - ters einen Theil des Gewichts von Kopf und Hals, so wird dieser Theil des Gewichts dem Gewichte des Reiters zuwachsen, mithin auf den Rücken des Pferdes in der Unterstützungsfläche des Reiter - körpers fallen. Durch das Tragen von Kopf und Hals des Pferdes auf seiner Hand wird der Reiter mithin im Stande sein, einen bedeutenden Theil der Last der Vorhand der Hinterhand zu über - weisen. Der Jokey braucht beim Rennen diese Gewichtsverlegung mit grosser Umsicht. Nicht nur dass er Kopf und Hals während99Von der Halsarbeit.des Laufes festhaltend und tragend, unaufgerichtet lassen kann und so die Aufwölbung des Rückens begünstigt, und dennoch nicht zu viel Vordergewicht giebt, bringt er durch das Drehen beim End - kampf, welches in einem Annehmen und Nachgeben der Zügel bei jedem einzelnen Sprunge, in einem Tragen und Loslassen des Vor - gewichts, mithin in einem wechselnden Beschweren von Vor - und Hinterhand besteht, durch den Wechsel der Belastung eine über - raschende Steigerung der Geschwindigkeit hervor. Er scheint mit seiner Hand das Thier fortzuwerfen. Es gehört indess eine grosse Uebung hiezu. Unterstützt das Vorlegen des Gewichts nicht den Sprung vorwärts — die Abschnellung der Hinterhand — und das Zurücklegen nicht die Erhebung der Vorhand auf das Genaueste, so stört das Drehen, statt zu nutzen. Aehnlich ist es mit dem Peitschenschlag, bei dem der Moment ebenfalls wichtig ist.
Je weiter rückwärts die Senkrechte aus dem Schwerpunkte des Halses die Unterstützungsfläche trifft, um so weiter wird er den ganzen Schwerpunkt des Thieres zurückbringen und umgekehrt. Aus dem Gesagten geht hervor, dass ein grosser Kopf an einem langen schweren Halse von wenig sich nach oben verjüngender Di - mension, der bei schlaffer Muskulatur sich nicht selbst trägt und an steiler Schulter herabhängt — der schwerst zu tragende ist. Dagegen wird ein kurzer, möglichst pyramidal und senkrecht auf - steigender Hals, der ruhig auf breiter, möglichst horizontaler Basis gestellt ist und einen kleinen Kopf trägt, der leichteste sein und das Gewicht weit zurückbringen.
Wir haben gesehen, dass der Hals ohne besondere Muskel - thätigkeit nur dann sich selbst trägt, wenn die Senkrechte aus dem Schwerpunkte seines Gewichts die Unterstützungsfläche trifft. Von einem gänzlichen Herabfallen des Halses wird indess nicht die Rede sein. Das lebendige Thier wird den Kopf immer so tragen, dass er nicht auf die Erde fällt. Es wird aber mit dem Grade der Abweichung auch der Grad der Muskelanstrengung, ihn zu tragen, wachsen, und in demselben Masse die Verlegung des Schwer - punktes des ganzen Pferdekörpers nach vorwärts bewirkt werden. Der Reiter könnte von dem Thiere einen Theil der Last von Hals und Kopf übernehmen, indem er sie auf dem Zügel trüge und so dem Rücken zuführte. Abgesehen aber von der Unbequemlichkeit würde ein derartiges Tragen der vor -7*100III. Abschnitt. Zweites Kapitel.hangenden Last auf lange Zeit wegen Unzulänglichkeit der eigenen Kräfte und Verletzung des Pferdemauls eine Unmöglichkeit werden. Oder der Reiter könnte es dem Willen des Thieres überlassen, Kopf und Hals nach Belieben zu tragen und den Zügel je nach Bedarf verlängern, wie es denn so manche Anglomanen thun, die es für unanständig halten, auf die Erhebung des Halses zu arbeiten und bemüht sind, ihrem Thiere, was vielleicht keinen Tropfen englisch Blut hat, wenigstens im vorhängenden Kopfe etwas an das Rennpferd Erinnerndes zu geben. Nur wenige Pferde werden durch Gebäude und Erziehung ohne die Reitkunst eine solche Stellung des Halses haben, dass der Schwerpunkt des Pferdes nicht durch sein vorhangendes Gewicht zu weit vorwärts läge, und selbst wenn dieses nicht der Fall wäre, müsste der Hals von so grosser natürlicher Nachgiebigkeit und glücklicher Stellung sein, dass der Anzug nicht allein kein Gegenspiel der Muskeln fände, sondern sich in jene besondere Form böge, welche die Fortpflanzung des Druckes des Gebisses auf die Lade allein begün - stigt. Wenn man Zeit genug hat zum Einfangen und Wenden, dann braucht man die Kunst nicht. Eben so wenig bedarf man ihrer, wenn man Geld genug hat, das struppirte Thier stets mit einem frischen zu vertauschen und Leichtsinn oder Elastizität der Knochen genug, um häufig mit dem Thiere über Kopf zu gehen. Die Nachahmung der Jokey-Reiterei ist wie gemacht für einen grossen Theil der jungen Herren. Es reicht die pure Natur, wie bei der jetzigen Art des Tanzes, vollkommen aus. Reit - und Tanzlehrer werden überflüssig, das angeborne Talent genügt vollkommen, allerdings auch dazu, Pferde zu Schande zu reiten und die eignen Beine zu brechen.
Beim Campagnepferd müssen wir die Verlegung des Schwerpunktes ungesäumt bewirken können, und wenn auch das weite Vorliegen des Schwerpunktes für die Sicherheit des Gan - ges bei guten Vorderbeinen oft kein Zurücknehmen des Halses nöthig machte, so würde es der Zeitverlust verlangen, den die weite Verlegung des Schwerpunktes bei Paraden und Wendungen herbeiführen muss. Wenn so die Grenze für das Vorstrecken des Kopfes und Halses sich durch die Sicherheit des101Von der Halsarbeit.Ganges, durch die Conservirung der Vorderbeine, endlich aber durch die Zeit sich bestimmt, in welcher die Zurücklegung des Schwerpunktes bewirkt werden kann, so bestimmt sich die Grenze für das Zurücknehmen von Hals und Kopf durch die Möglichkeit des Verharrens darin bei langer Dauer und durch die Verminderung der fördernden Kraft der Hinterhand, welche die vermehrte Belastung derselben mit sich bringt — mithin durch die verminderte Geschwindigkeit. Es würde sich leicht eine normale Haltung bezeichnen lassen, wenn nicht so unendlich viele Eventualitäten auf dieselbe einwirkten.
Wir haben beim Kapitel vom Schwerpunkte gesehen, dass mancherlei Aenderungen in Gestaltung des Halses und Halsansatzes auf die Belastung der Vorhand gar verschieden wirken. Sie sind es aber nicht allein, die auf sie wirken. Es ist die mehr oder minder grosse Befähigung des ganzen Thieres, seinen Schwerpunkt zu verlegen, und die Rücksichtnahme auf Wechselwirkung der abschie - benden und tragenden Kraft, welche demnächst hinzutreten. Ebenso wird der Grad der natürlichen Biegsamkeit der Gelenke der Hinterhand sehr berücksichtigt werden müssen. Wie sehr die Gestaltung des Rückens unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, sahen wir schon früher. Ein hohes, kurzes, schmales Pferd mit nachgiebigem Rücken und Beinen, welche, weit unter den Leib gerückt, mehr tragen als schieben, wird im Stande sein, schnell seinen Schwerpunkt so weit nach rückwärts zu ver - legen, dass die Hinterbeine senkrecht unter denselben fallen, und so die Last stützen und aufnehmen, mithin wird es kein bedeuten - des Zurücknehmen des Halses nöthig machen. Jede zu bedeutende Erhebung desselben würde die Räumigkeit des Ganges unter das Niveau herabbringen. Umgekehrt ein niederbeiniges, breites, langes Pferd mit straffem Rücken, dessen Beine so gestellt sind, dass sie lieber fördern als stützen, wird einer hohen Stellung bedürfen, bei welcher das Loth aus dem Schwerpunkte des Halses die Unter - stützungsfläche möglichst weit nach rückwärts trifft, damit die Ver - legung des Schwerpunktes nicht weit zu sein braucht, und die schwer untertretenden Gliedmassen den weiter zurückliegenden Schwerpunkt leichter erreichen können, und so nicht eines zu weiten Weges bedürfen.
102III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Beim Rennpferde und Schulpferde wird die Hal - tung fast stets sichgleich bleiben können. Es ist eine zu bestimmte, gleichartige Anforderung, und die Zeit der Kraftanstren - gung ist zu kurz, als dass ein häufiger oder weiter Wechsel des Schwerpunktes, entweder der Arbeit selbst, oder der Dauer der Arbeit wegen, nöthig würde. Beim Campagnepferd ist es anders. Obschon viele Reitkünstler dem widersprechen, so erleidet es doch wohl keinen Zweifel, dass die versammelten Gänge, die Zusammenstellung, um zu engen Wendungen und Paraden bereit zu sein, eine andere Lage des Schwerpunktes und mithin eine andere Halsstellung nöthig machen, wie der Sprung, die Carrière, das Reiten auf sehr geneigten Flächen etc. Es wird die Haltung des Pferdes in den Mittelgängen sich im Laufe der Zeit so befestigen, dass sie dem Thiere zur Gewohn - heit wird, und aus dieser Haltung wird der Reiter je nach Be - dürfniss für Momente in die der grösseren Freiheit oder engeren Versammlung eingehen. Es ist eine der schwierigsten Aufgaben der Reiterei, dieses Haltung für die Mittelgänge, die gewöhnliche Gebrauchshaltung, je dem Gebäude nach, zweckmässig zu wählen und das Thier durch die Consequenz der Gewohnheit darin zu befestigen.
Das Thier muss in jeder Haltung gehorsam sein und sich willig und schnell aus der einen in die andere hinüberführen lassen. Dazu gehört aber, dass der Reiter den hals durch eine Reihe von Stellungen hindurch - führen könne, welche jenen Haltungen angemessen sind, und mit ihnen übereinstimmen, dass er nirgend innerhalb seines Cyklus von weiterer und engerer Stellung auf einen Muskelwiderstand oder auf ein Ausweichen stosse, welche erst zu verbessern oder zu überwinden wäre, und somit Zeit kostet.
Je regelmässiger das Gebäude ist, je mehr fördernde und stützende Kraft im richtigen Verhältniss zu einander stehen, um so weiter wird die Grenze nach beiden Richtungen gesteckt werden können, vom freiesten Auseinandergehen bis zur höchsten Versammlung. Je mehr das Gebäude nach einer Richtung inclinirt, um so mehr muss die Hal - tung der andern Seite zufallen. Ein Thier, das von Natur ganz vorn überfällt, muss stets in einigem Zwang gehalten werden,103Von der Halsarbeit.und wird stets einer hohen Aufrichtung bedürfen; dagegen wird ein Pferd, welches seinem Gebäude nach stets zum Zurückneigen seines Schwerpunktes inclinirt, auseinander geritten und in der Auf - richtung höchst vorsichtig vorgegangen werden müssen.
Nun aber soll der Hals nicht nur durch seine Stellung ver - mittelst seines Gewichts eine Verlegung des Schwerpunktes beim ganzen Pferdekörper bewirken, ich will ferner mich seiner als eines Leiters bedienen, der den Anzug auf die Lade und die dadurch erfolgte Zurücknahme des Pferde - kopfes auf das ganze Pferd fortpflanzt, indem er eine solche Form annimmt, dass der Druck des Kopfes auf den ersten Halswirbel den zweiten trifft, dieser den dritten und so durch alle Hals -, Rücken - und Lendenwirbel durch, bis in den letzten Schweifwirbel rückwärts wirkend sich fortpflanzt. Dann wird durch diesen Druck eine Nei - gung des ganzen Pferderumpfes über die Beine hinweg nach rückwärts hervorgebracht. Es hängt dann von der Stellung der Hintergliedmassen ab, ob diese Rücknei - gung eine mehr dauernde Verlegung des Schwerpunktes bewirkt, oder den Körper rückwärts so sicher gestützt findet, dass keine Aenderung desselben Statt finden kann. Der Leib ist rückwärts um so sicherer gestützt, je weiter die Beine hinten herausstehen, um so weniger, je weiter sie unter den Leib gebracht wurden. Findet mithin der Anzug die Hinterbeine hinter dem Leibe, so wird er trotz der kräftigsten Wirkung keine dauernde Ver - legung des Schwerpunktes hervorbringen können. Es wird die Rückwärtsbewegung des Rumpfes an den hinterwärts entgegen - gestemmten Hinterbeinen scheitern und eine gegenwogende Bewegung gleichfalls wieder durch alle Wirbel hindurch bis zum Maul und zur Hand des Reiters zur Folge haben. Findet aber der Anzug die Hinterbeine bereits unter dem Leibe, so wird der sich zurückneigende Körper auf ihnen seine Stütze neh - men können, der zurückgeschobene Leib ins Gleichgewicht und dann zur Ruhe kommen, und die Verlegung des Schwerpunktes eine mehr dauernde werden können. Wenn der ursprüngliche Druck auf eine solche Zusammenfügung der einzelnen Glieder der beweglichen Kette der Hals - und Rückenwirbel trifft, dass jede einzelne Berührungsfläche in allen ihren Theilen vollständig auf die104III. Abschnitt. Zweites Kapitel.nächstfolgende wirkt, Fläche auf Fläche liegt, so wird die grösste Mittheilung und Fortpflanzung des Druckes stattfinden, und die Wirkung sich wie bei einem Stabe von fortlaufend gleicher Dich - tigkeit gestalten. Stehen indess zwei Glieder dieser Kette so gegen einander, dass ihre Längenachsen einen Winkel gegen einander bilden, mithin ihre Reibungsflächen sich nur zum Theil berühren, so wird die Mittheilung der Wirkung um so mehr geschwächt, je kleiner dieser Winkel, respective die Berührungs - fläche wird, und mit dem Fallen unter einen rechten Winkel ganz aufhören, indem der Druck dann nur tangirt. Bei einer ganzen Reihe von Gliedern, welche so zu einander gestellt sind, dass ihre Längenachsen einen Winkel nach derselben Richtung bilden, wird ein Druck, der das erste Glied trifft, bei jedem folgenden Gliede stets durch einen geringeren Abschnitt führen, bis er zuletzt kein Glied mehr berührt, und so seine Wirkung ganz aufhört. Hierauf gründet sich das sogenannte „ Steckenbleiben des Anzugs “im Halse des Pferdes bei allen Halsstellungen, bei denen zu viel Hals - wirbel, in derselben Richtung gestellt, einen Bogen bilden, mag sich nun dieser Bogen vorwärts-abwärts oder rückwärts-aufwärts öffnen.
Aehnlich ist die Wirkung nach der Art, wie der Druck von Haus aus auf die Halswirbelsäule geführt wird. Trifft der Druck nicht die volle Fläche des ersten Gliedes, sondern nur die obere hintere Kante (wie es bei einer Erhebung des Halses durch den Pferdekopf statt haben wird, bei welcher die Stirn in eine hori - zontale Lage gebracht war), so wird er, den Hals rückwärts überbiegend, sich nicht weit fortsetzen können, selbst wenn Wirbelfläche an Wirbelfläche für die Fortpflanzung am güns - tigsten steht. Trifft der Druck die untere Kante, wie es bei einer Stellung des Kopfes der Fall sein wird, bei der die Ge - sichtslinie unten hinter der Senkrechten steht, so wird eine Ab - wärtsbiegung statt haben, der Druck aber gleichfalls nur partiell fortgepflanzt werden.
Auf unsern Fall angewendet, haben wir gesehen, dass wir den Hals, des Schwerpunktes wegen, nicht mit dem Rückgrad in fort - laufende Richtung stellen können, obschon dann die ganzen Reibe - flächen der Wirbel gegen einander liegen und so den Druck am unmittelbarsten fortpflanzen würden. Wir müssen den Hals erheben, und zwar nach Massgabe der vorbeschriebenen Verhält -105Von der Halsarbeit.nisse. Es ist aber die Form, in welcher es geschieht so zu wählen, dass die Stellung der Halswirbel zu einander den Druck fortpflanzen können. Dazu ist mithin nöthig, dass der Kopf, durch den man auf den Hals wirkt, zu diesem richtig gestellt sei, dass keine Achse der Wirbel einen zu kleinen Winkel zu der nächstfolgenden bilde und bei hinreichend grossem Winkel nicht zu viel Glieder in der - selben Richtung sich zu einem gleichlaufenden Bogen vereinen.
Die vollkommenste Form für die Fortsetzung des Druckes ist erfahrungsgemäss die, bei welcher die 3 untersten Halswirbel einen solchen Bogen rückwärts-aufwärts bilden, dass der 4. senkrecht steht und die 3 obersten einen solchen Bogen vor - wärts-abwärts bilden, dass die Ge - sichtslinie des Kopfes fast senk - recht zur Erde steht. Bei dieser Hals - und Kopfstellung wird der Anzug der Faust, wenn sie ihre bequemste Stellung eine Hand breit über dem Sattelknopf einnimmt, senkrecht auf die Lade wir - ken, und es wird die Halswirbelsäule eine solche Stellung haben, dass die einzelnen Wirbel hinreichend auf einander und auf die Rückenwirbelsäule wirken. Hiebei ist zu bemerken, dass die Bie - gung in den drei obern Wirbeln keine gleichmässige sein kann. Die Construktion des zweiten Wirbels macht die Biegung zwischen dem ersten und zweiten Wirbel so viel leichter, als zwischen den andern, dass dorthin immer die stärkste Biegung fallen wird. Ist sie übertrieben und nehmen die anderen Wirbel daran keinen Theil, so entsteht eine Knickung, welche die Fortpflanzung des Anzugs verhindert. Obige Halsstellung ist die des Ideal-Schulpferdes, bei ihr wird der Schwerpunkt des Halses sehr weit rückwärts die Un - terstützungsfläche treffen, mithin der Hals nicht nur sich völlig selbst tragen, sondern derselbe auch die Vorhand am geringsten belästigen.
Der sich nach rückwärts öffnende Bogen, welchen die untern Halswirbel machen, wird nicht zur Anschauung kommen, weil die106III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Muskellage und der Fettkamm denselben so ausfüllen, dass der Hals in der gedachten Stellung sich vom Widerrisse senkrecht zu erheben scheint. Wir wissen bereits, dass wir dem Campagne - pferde nicht dauernd eine solche Haltung geben dürfen.
Zur bleibenden Hal - tung giebt der Stall - meister Seidler für das Campagnepferd als Normal diejenige Halsstellung an, welche die Nase bei senkrech - ter Kopfstellung in die Höhe der Hüfte bringt; bei Abwärts - biegung in den 3 obern Hals - wirbeln. Hiebei wird kein Halswirbel senkrecht zu stehn kommen, die obere Biegung aber stärker als die untere sein.
Die preussische Reitinstruktion stimmt, in Rücksicht auf die Erhebung des Halses, damit ziemlich überein, und giebt als Normalstellung, bei ei - ner Neigung des Kopfes von 45° zur Horizonta - len, die Höhe der Nase in der Linie des Wi - derrisses an. Bei dieser Stellung wird ebenfalls kein Halswirbel senk - recht stehen können, jedoch die Vorwärts - Abwärts-Neigung im oberen Theile des Halses geringer sein, wie die untere rückwärtsleitende Biegung der Halswirbelsäule.
107Von der Halsarbeit.Herr Baucher theilt den Weg, der nach seiner Methode den Pferdekopf je nach grösserer oder geringerer Versammlung zu durchlaufen hat, in 10 Theile. Hier zeigt sich nach seinem Werke: „ Methode d’equitation “Paris 1843, die höchste und tiefste Stellung. Letztere weicht im Prinzip bedeutend von den anderen Systemen ab, indem in derselben fast alle Halswirbel an der Beizäumung Theil nehmen und die Stirnlinie fast 25° hinter die Vertikale reicht.
Wenn überhaupt die Auf - stellung einer Norm Nutzen schaffen könnte, so würde ich mich zwischen der Nor - malstellung des Hrn. Seidler und jener der Reitinstruktion mitten inne stellen und eine gleichmässige Biegung der Wirbel in beiden Richtungen für das Beste halten, ohne senkrechte Stellung der Ge - sichtslinie. Da hier das Ab - norme die Regel, das Nor -108III. Abschnitt. Zweites Kapitel.male aber so sehr die Ausnahme ist, dass sie fast nie gefunden wird, so ist mit deren Aufstellung wenig genutzt, mehr mit der Angabe dessen, was durchaus zu vermeiden ist.
Prüfung und Beurtheilung des ganzen Gebäudes nebst Beobachtung derjenigen Haltung, in welcher sich das Pferd leicht und schwunghaft bewegt und die Anzüge gut wirken, wird die beste Führerin sein. Mit aller Theorie und dem genauesten Studium und Vergleiche der ein - wirkenden Kräfte werden wir nicht ausreichen. Es wirken zu viele Dinge mit, welehe den Grad der Aufrichtung und Bezäumung be - stimmen, als dass die genaueste Abwägung zu einem sicheren Re - sultate führen könnte. Die Einsicht in das Gebäude wird den Beobachter warnen, nicht in Stellungen dauernd einzugehen, die — das Resultat eines glücklichen, aufgeregten Moments — das Thier ruiniren würden.
Bei keiner Gelegenheit schäme man sich, dem Ge - fühle, welches das Pferd dem Reiter giebt, sein Recht zu gewähren, und glaube nicht dadurch zu glänzen, dass man aus dem lebenden Wesen ein Rechenexempel macht. Man kann sicher sein, dann recht oft sich zu verrechnen. Die Energie, der Nerv, jene Eigenschaften der Dienstfreudigkeit, der Gehlust, der Furchtlosigkeit und des zähen Ausharrens bis zum letzten Athemzuge, die wir so häufig bei edlen Racen finden, lassen sich nicht anatomisch nachweisen und finden sich oft bei Pferden, deren Körperbau ihre Leistungsfähigkeit sehr niedrig schätzen lässt.
Umgekehrt geben oft sehr normal gebaute Pferde uns recht deutlich die Lehre, dass wir bei aller Kenntniss der einzelnen Theile der Maschine und der Art, wie sie sich zu einander verhalten sollen, noch immer mit sehr geringer Sicher - heit auf die Leistung schliessen können. Sei es die Beschaf - fenheit der inneren Organe, des Verdauungs -, Athmungs-Apparats, seien es jene mehr geistige Eigenschaften; es wirken Kräfte mit, die unserm Auge entgehen, über die dem erfahrnen Reiter aber meist schon ein kurzer Ritt Aufschluss giebt, bei dem einen Pferde vielleicht trotz mangelhaften Baues, das Gefühl von Zuver -109Von der Halsarbeit.sicht und Freudigkeit; bei dem andern, oft von normalem Gebäude, das Gefühl von Unsicherheit und Unlust.
Wenn ich auch meist dem Gefühle nach die Pferde so gefun - den habe, wie ich sie mir nach längerer Beobachtung gedacht hatte, so bin ich doch oft freudig überrascht, oft bitter getäuscht worden und muss als Erfahrungssatz hinstellen: Nur wenn Ge - fühl und Auge zu demselben Resultate kommen, so glaube man sich sicher.
Eine Kopfhaltung über 45° wird die Wirkung des Gebisses auf die Lade vermindern, indem die Faust in keine Stellung ge - bracht werden kann, aus welcher eine senkrechte Wirkung auf die Laden ermöglicht ist; man nennt diese Stellung die im Ex - zess. Eine Kopfhaltung, bei der die Stirnlinie unten nach rückwärts von der Senkrechten abweicht, würde eine Stellung im Defect genannt werden und dieselben Folgen haben.
Bei beiden Stellungen würde es in Bezug auf die Fortpflan - zung des Druckes noch darauf ankommen, wie viel Wirbel Theil nehmen, um sie hervorzurufen. Nehmen wenig Wirbel Theil, um so schärfer wird der Druck nur eine Kante treffen, mit - hin um so schärfer auf diesen Wirbel rückwärts oder abwärts wirken und um so weniger weit sich fortpflanzen.
Seitwärtsabweichungen in der Halswirbelsäule werden eine Fortführung des Druckes auf die Lade gleichfalls annul - liren und um so mehr, je näher sie der Schulter liegen. Es wird mithin keine Hülfe auf eine Biegung des Halses nach seitwärts abgezielt sein dürfen, und sich das Beweglichmachen des Halses nach seitwärts durch die erhöhte Fähigkeit, dem rückwärtswirkenden Anzug auszuweichen, bestrafen. Nur der Kopf wird sich seitwärts wenden dürfen (die Stellung der Ohren zeigt, ob der Hals Theil daran nimmt). Wir wollen diese fehlerhafte Stellung Verwerfen nennen.
Es wird aber ferner die Halswirbelsäule den Druck nicht weiter fördern, wenn zu viele Halswirbel in einer und dersel - ben Richtung vorwärts oder rückwärts gebogen sind.
110III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Nehmen zu viele Halswirbel an der Vor - wärts-Abwärts - Biegung Theil, wobei der Kopf im Defect steht, so wird der Druck über den ersten Rük - kenwirbel hinweggehen, und der Anzug den Hals gleichsam zusam - menrollend, in demsel - ben stecken bleiben. Es würde die vermehrte Wirkung des Gebisses das Kinn des Pferdes bis an seine Brust ziehen, ohne dass der Anzug auf die Rückenwirbelsäule sich fortpflanzte.
Nehmen andererseits zu viele Halswirbel an der Rückwärts - Aufwärts-Biegung Theil, bil - det fast die ganze Halswirbelsäule einen sich nach hinten öffnenden Bogen, wobei der Kopf im Exzess steht, so wird der Anzug zwar den Kopf und Hals in seinen oberen Theilen mehr zurückbringen, aber keinen Druck bis auf die Rücken - wirbel fortpflanzen und würde der Kopf des Thieres bis an die Brust des Reiters zurückgenommen.
111Von der Halsarbeit.Ein fernerer Fehler würde die übermässig verän - derte Stellung der Achse eines Wirbels gegen die des folgenden hervorbringen. Es würde zur Unterscheidung vom vo - rigen Ueberbiegen, dies ein Ueberknicken genannt werden können und würde im Gegensatz zum vorigen Fehler auch dann die Wir - kung aufheben, wenn er nach vorwärts-abwärts in den drei oberen und rückwärts aufwärts in den drei unteren sich vorfände. Er würde die Wirkung unter - brechen, mindestens schwächen und Defect - oder Exzessstellung herbeiführen. Zu schnelles und gewaltsames Biegen, wie es bei der Beizäumung häufig vorkommt, namentlich mit Hülfszügeln, bringen das Knicken zu Wege. Ein Fehler, der kaum wieder zu heben ist. Rückwärts geknickte Hälse kommen selten vor. Hälse mit falscher Rückwärtsbiegung werden Hirschhälse genannt.
Es giebt Pferde mit schwerem Kopfe und langem Halse von ungünstigem Halsansatz mit kurzem Genick, welche durch diese Rückwärtsbiegung die vorhangende Last des Halses, wie der Hirsch in stärkeren Gängen, zurückzubringen suchen. Sind sie dazu lang, überbaut und steil in der Hinterhand gestellt, so werden sie stol - perig und im höchsten Grade unsicher werden, wenn man sie in dieser Haltung stört und durch Beizäumen dieselben verbessern wollte. Es werden allerdings immer sehr wenig gewandte Pferde bleiben und man ihrer, weder zu den kurzen Paraden, noch Wen - dungen je ganz Herr werden; man wird es aber in den Gängen zu einer bestimmten und sicheren Haltung bringen können, wenn man ihnen diese Stellung gönnt. Hülfszügel, durch welche man solche Thiere herabzwingt, werden die Vorderbeine ruiniren und zur Sicherheit nichts beitragen. Stolperten sie vorher, weil sie nicht sahen, wohin sie traten, so fallen sie jetzt, wo sie stets nach112III. Abschnitt. Zweites Kapitel.vorwärts aus dem Gleichgewicht, sich des Halses zum Zurück - bringen ihres Schwerpunktes nicht mehr bedienen können.
Namentlich sind es russische Pferde, welche mir diese Erfah - rung aufgedrungen haben, die ich später bei einigen ungünstigen preussischen Gebäuden wiederholt fand.
Oft kommen Pferde vor, welche sehr rasch ihre Halsbiegung vom vollkommen zurückgebogenen Hirschhalse in die überzäumte tiefe Stellung zu verändern wissen, aber nie in die regelmässige zu bringen sind. Man pflegt sie Wendehälse zu nennen. Meist Opfer unrichtiger Dressur, sind sie schwer zu heilen. Sie sind es namentlich, welche mit der Trense unendlich hoch aufgerichtet wurden, und bei denen die Kandare das Geschäft der Beizäumung allein hat besorgen müssen. Ein Eingreifen in die Trense bringt sie in den Exzess, das Anstehen der Kandare in den Defect.
Pferde, welche sich so tief abwärts beigeben, dass der Anzug im Halse stecken bleibt, sind bei steilem Halsansatze und schwerem Hals und Kopf, schlaffer Muskulatur, langem, wei - chem Rücken und steiler Hinterhand ebenfalls sehr schwer zu bes - sern, doch muss die Erhebung durchaus erfolgen, weil nicht nur die Verlegung des Schwerpunktes bei ihnen unmöglich wird, und keine mechanische Fortpflanzung des Druckes erzielt werden kann, sondern, weil im Gegensatz zu den vorigen, kein Selbsttragen des Halses, und somit in den Gängen keine richtige Gewichtsverthei - lung zu erzielen ist. Bei ihnen ist ein Aufsatzzügel oft das einzige Hülfsmittel, indem er den Hals trägt, was des Reiters Hand auf die Dauer nicht zu leisten vermöchte. Für den Dienstgebrauch ist es allerdings nicht rathsam, sich dauernd dieses Hülfszügels zu bedienen, indem die Sicherheit des Thieres in schwierigem Terrain wesentlich durch seine Anwendung leidet. Longiren und Dressur unter dem spanischen Reiter sind in diesem Falle oft von grossem Nutzen. Beim spanischen Reiter geht der Stetigkeit des Zügels ein Anspannen der Feder voran. Das Nachgeben der Feder zeigt dem Longirenden, dass das Thier sich selbst trägt, was er beim Longiren beim blossen Gebrauch des Aufsatzzügels sehr schwer gewahr wird.
Wir finden beim rohen Pferde den Hals in einer be - stimmten, ihm zur Gewohnheit gewordenen Form, die sich theils aus körperlichen Verhältnissen, theils durch Erziehung113Von der Halsarbeit.herausgebildet hat. Das grasende Weidepferd wird den Hals viel abwärts getragen haben. Hat es in Heerden in der Wild - niss gelebt, so werden körperliche Uebung, Lauf und Sprung es indess dahin gebracht haben, den Hals so zu tragen, dass es sich dessen zur Gewichtsvertheilung bedienen kann. Das Grasen hat die Halswirbelsäule an eine Haltung gewöhnt, dass der Hals, wenn er sich hebt, einen nach hinten geöffneten Bogen bildet. Das Thier wird den Hals, wenn es gilt sich zu tummeln, so tragen, dass es mit dessen Schwere den Schwerpunkt seines Körpers mehr nach rückwärts verlegt, indess zu diesem Zwecke ihn nicht aus der gewohnten Form bringen, und es wird sich so mit der Erhebung der Hirschhals bilden, der jenen Thieren so vielfach eigen ist.
Eine ähnliche Halsstellung wird das zahme Weidepferd anneh - men, doch in geringerem Masse. Es wird der Winter durch die Fütterung an Krippe und Raufe das wieder gut machen, was der Sommer durch den Weidegang verdirbt, und jene Anlage zum Hirschhalse weniger ausbilden, da der enge Weideraum nicht die Gelegenheit zum Tummeln giebt.
Das Stallpferd wird durch Fressen aus Raufe und Krippe etc. eine ganz andere, mehr aufgerichtete und beigezäumte Haltung des Halses gewinnen.
Bekommen wir nun das rohe Pferd in die Hände, so werden wir seinem Halse nach und nach diejenige Gestaltung geben müs - sen, welche einmal die Gewichtsvertheilung uns vorschreibt, welche andererseits aber die Wirkung des Anzugs sichert. Gleichzeitig den drei oberen Wirbeln die Richtung vorwärts - abwärts und den drei unteren die Richtung rückwärts - aufwärts zu geben ist unmöglich. Ich werde die Halswir - belsäule, indem ich mit dem Kopf entweder mehr auf die untere oder obere Kante des Wirbels wirke, entweder erst abwärts oder aufwärts richten, entweder — um in der Kunstsprache zu reden — zuerst beizäumen oder aufrichten müssen.
Es stehen sich in der Frage: Womit beginnen? die Mei - nungen ziemlich schroff entgegen. Während die alten Lehrer der Reitkunst fast ohne Ausnahme zuerst die Aufrichtung anempfehlen, wollen viele neuere, namentlich der treffliche Seidler, in den meisten Fällen mit der Beizäumung beginnen. Es kommt hauptsächlich darauf an, bei diesem Geschäfte die falschenv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 8114III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Biegungen zu vermeiden. Stellt sich beim Aufrichten die Befürch - tung heraus, dass mir nur eine theilweise Erhebung des Halses gelingen, dass ich, statt die ganze Säule zu erheben, nur die oberen Wirbel aufwärts stellen und nicht zu den unteren ge - langen werde, ohne die obere zu überbiegen (ohne einen Hirsch - hals herauszureiten), so beginne ich mit der Beizäumung und biege den beigezäumten Hals zurück, was man aus der Tiefe aufrichten nennen könnte. Zeigt das Thier umgekehrt Nei - gung zur Ueberzäumung, so werde ich mit der Aufrich - tung zu beginnen haben. Es liegt sicher im Unterschiede des Materials, das jetzt dem Bereiter in die Hände kommt, gegen jenes, welches unsere Vorfahren dressirten, dass diese unbedingt mit dem Aufrichten begannen, während wir oft mit der Beizäu - mung anfangen müssen. Jene langen, schweren Thiere mit breiten, festen Hälsen, wie sie die Abbildungen im Werke des Marquis v. Newcastle, de la Guernière etc., die Bilder Wouvermann’s und Rie - dinger’s zeigen, und heute noch die niederdeutsche Race aufzu - weisen hat, incliniren nicht zu jenem Hintenüberfallen des Halses und vertragen ein festes Anfassen. Andererseits aber macht die Länge dieser Thiere eine bedeutende Hankenbiegung nöthig, welche wiederum nicht ohne Aufrichtung zu erzielen ist. Anders ist es mit den veredelten Pferden der Neuzeit, die lange, dünne, unstete Hälse haben und meist feste Rücken bei biegsamen untern Gelenken der Hinterhand. Deren Hälse werden leicht eine falsche Biegung be - kommen, und die Conservirung der Hinterbeine macht die grösste Vorsicht nöthig. Sie hat Herr Seidler gewiss in grosser Menge in Dressur gehabt, und durch sie hat sich seine Ansicht gebildet, die sich rechtfertigt.
Wesshalb die preussische Reitinstruction die Aufrichtung in den Vordergrund stellt, lässt sich aus dem Material nicht wohl ersehen. Die leichte Cavallerie remontirte sich damals, als jenes Buch erschien, noch vielfach mit Moldauern etc., die zu Hirsch - hälsen inclinirten, und nur die schwere Cavallerie war zum Theil mit deutschen Pferden beritten, welche einer vorangehenden Auf - richtung eher bedurften. Es mag wohl sein, dass man theils aus den ältern Reitschulen diese Maxime mit herüber gebracht hatte; andererseits glaubte man vielleicht, dem Bocken der Wildfänger hiedurch zu begegnen.
115Von der Halsarbeit.So viel steht fest, dass früher vor 20 — 30 Jahren eben so viel durch übermässiges und unzeitiges Aufrichten gescha - det wurde, indem dadurch viele Thiere um allen Gang gebracht wurden, als später durch übermässiges und unzeitiges Bei - zäumen, wozu Herr Baucher allerdings das Seinige beigetragen haben mag. Wie damals gegen jede Untugend und jede Schwierigkeit eine vermehrte Aufrichtung dienen sollte, wurde später das Beizäumen als Universal-Recept verschrieben. Erst in neuester Zeit richtet man auf, zäumt man bei und biegt ab, bearbeitet den Hals in allen Richtungen, aber es scheint mir, man zieht aus seiner Bearbeitung nicht den gehörigen Nuz - zen für die Biegung der Hinterhand, und ist somit noch nicht am Ziele.
Ehe wir uns mit dem Halse beschäftigen können, werden wir das Widerstreben der Kiefermuskeln, welches gegen den Druck des Gebisses auf den Laden ankämpft, beseitigt und es dahin gebracht haben müssen, dass der Druck des Gebisses eine Zurück - nahme des Kopfes zur Folge hat, und man durch diese auf die Halswirbelsäule wirken kann. Gegendehnen mit beiden Laden oder mit einer Lade bei Vorschieben des Unterkiefers werden sehr häufig fälschlich als Widerstrebungen der Halsmuskeln angesehen, sind jedoch von diesen sehr wohl zu unterscheiden. Die Baucher’sche Methode, diese Widerstrebungen an der Hand zu überwinden, ist höcht zweckmässig. Wir werden im 2. Theile das Fernere darüber sagen.
Gehen wir nun näher auf die Beizäumung über. Wir ver - stehen unter Beizäumung die allmälige Abwärtsbiegung des Halses in den drei oberen Halswirbeln. Es wird vermöge der eigenthüm - lichen Construction die stärkste Biegung zwischen dem 1. und 2. Halswirbel stattfinden, es müssen indess, wenn keine Knickung vor - kommen soll, die beiden anderen an der Biegung Theil nehmen.
Die Hindernisse liegen theils in einer engen Verbindung dieser Wirbel und einem straff gezogenen Nackenbande, theils in der geringen Dehnbarkeit der Ohrendrüsen. Um das Wesen der letzteren genauer beurtheilen zu können, müssen wir die anatomischen Verhältnisse näher ins Auge fassen.
8*116III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Man pflegt den hinteren oberen Rand des Unterkiefers die Ganasche zu nennen. Die Ausdehnung des obersten Hals - wirbels (3) nach der Ganasche (6) zu ist durch einen Flügel - ansatz vergrössert. Wenn nun Ganasche oder Flügelansatz, oder beide gross sind, so bleibt zwischen beiden ein nur geringer Raum, der sich um so mehr verengt, je mehr das Thier sich beizäumt, am meisten aber, wenn das beigezäumte Thier eine Drehung des Kopfes nach der einen oder der anderen Seite hin vornimmt. Es liegen aber zwischen beiden die Ohrenmuskeln (1), und die Ohrenspeicheldrüsen (2). Letztere sind strangartige Gebilde, die an den Ohren beginnen und an dem Ganaschenrande sich bis zur Kehle hinziehen. Je mehr Ganasche und Flügelansatz von Natur einander durch ihre Ausdehnung näher gebracht sind, und je mehr Ausdehnung ferner die dazwischenliegenden Gebilde haben, um so mehr werden die letzteren durch Beizäumung und Drehung des Kopfes in das Gedränge kommen und gequetscht werden, wozu nach der Behauptung einiger auch noch ein stachelartiges Gebilde des 2. Halswirbels (4) in einzelnen Fällen mitwirken soll. So lange eine derartige schmerzliche Quetschung stattfindet, wird das Pferd ungern in Stellungen eingehen, welche sie herbei - führen. Es werden mithin diese Gebilde in eine Lage gebracht werden müssen, welche sie dieser Quetschung117Von der Halsarbeit.entziehen. Hiezu giebt es zwei Wege. Entweder sind die beiden Ganaschen so nahe an einander gestellt, — der gewöhnliche Fall — dass die Ohrendrüsen sich bei etwas vermehrter Dehnung über sie hinwegschieben, oder sie stehen so weit von einander, dass die Ohrendrüsen sich unter dieselben legen — der bei weitem seltnere Fall. — Je massiger die Gebilde sind, um so eher werden sie gequetscht, je fester, kleiner und straffer, um so weniger werden sie gequetscht, um so empfindlicher aber häufig und um so schwerer dehnbar sein. Die Operation, diese Ohrendrüsen in eine Lage zu bringen, dass sie nicht gequetscht werden: für den ersteren Fall ihre allmälige Dehnung herbeizuführen, damit sie sich bei der Bei - zäumung und Drehung des Kopfes über den Ganaschenrand legen, für den zweiten, sie zu gewöhnen, dass sie sich stets unterschieben, nennen wir Ganaschenbiegen, Abbiegen, Abbrechen; das Unvermögen, ohne Schmerz die vorhin bezeichneten Stellungen des Kopfes anzunehmen, Ganaschenzwang. Es wird die Schwie - rigkeit, den Ganaschenzwang zu beseitigen, mithin einerseits in der Construction der betreffenden Theile, andererseits aber in der grös - seren oder geringeren Empfindlichkeit begründet sein. Da Pferde von höheren Racen bei festerer Textur aller Gebilde eine grössere Empfindlichkeit zeigen, so wird die kleine, straffe Ohren - drüse des Racepferdes um ein Weniges zu dehnen, oft schwieriger sein, als eine bei weitem grössere Erweiterung, welche die massigen Ohrendrüsen von Thieren gemeiner Race zu erleiden haben. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Dehnung nur das Produkt sehr allmä - liger Uebung sein kann, und das Thier erst dann, wenn keine Stellung mehr diesen Schmerz ihm verursacht, willig in jede vom Reiter begehrte Stellung eingehen wird. Da man aber nicht wohl im Stande ist, an der Hand diesen Zweck durch alle Stellungen zu verfolgen, so wird man mit dem Biegen an der Hand nicht ausreichen. Es ist ferner schwierig, im Stillehalten zu beobachten, wie weit man dem Thiere durch dies Biegen Schmerzen macht. Im Gange wird dies dem Reiter durch Verhalten, Aus - weichen etc. viel eher bemerkbar. Er hat im Gange den Vortheil, bei passivem Ausharren im Anzuge und durch Nachtreiben mit dem Schenkel das Pferd zum Selbstcorrigiren einer falschen Stellung zu nöthigen und es so gleichsam in die Stellung, in die118III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Biegung zu treiben, wogegen er es im Stillehalten mehr mit dem Zügel ziehen, und so activ gegen einen activen Ungehorsam auf - treten muss. Es scheint mir ferner im Gange das Pferd mehr selbstthätig und so im Stande, sich in die gewünschte Biegung in einer mehr selbstgewählten und schmerzloseren Art hineinzuarbeiten.
Mit der Art vieler Reiter, anfangs sehr viele Hals - biegungen zu gestatten und den stark nach einer Seitc gebo - genen Hals allmälig mit dem auswendigen Zügel gerade zu spannen, um so auf dem anderen Wege die absolute Biegung in die Ga - nasche zu erreichen, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Nur bei Pferden von kurzen, dicken Hälsen, bei denen die Gefahr eines Verwerfens am wenigsten zu befürchten ist, mag es ausnahmsweise von Nutzen sein. Sonst scheint mir dies nur ein auf Selbsttäuschung beruhender Vortheil zu sein. Es ist ein dem Verlangten Aehnliches erreicht, das den Anschein eines Fortschrittes hat, aber in der Wirklichkeit nur zu dem später so höchst schwierig zu beseitigenden Fehler des Seitwärtsausweichens an einer oder der anderen Stelle des Halses zu führen scheint. Will man dem Thiere anfangs nur lehren, eine Drehung des Kopfes nach einer Seite in Folge des Druckes des Gebisses auf eine Lade vorzunehmen, so braucht man es ihm nur in der von Herrn Baucher empfohlenen Art an der Hand zu lehren, und würde damit weiter kommen, als ihm unter dem Reiter den Hals herumzuziehen. Die einzelnen Fälle von Gestal - tungen dieser Schwierigkeit durchzugehen, wage ich nicht, nach der trefflichen Belehrung des Hrn. Seidler über diesen Gegenstand. Ich müsste ihm wörtlich nach - schreiben, denn ich weiss nichts hinzuzufügen, geschweige etwas Besseres, und verweise meine verehrten Leser auf ihn.
Wir sehen aus dem Gesagten, dass der Ganaschenzwang sehr häufig ein grosses Hemmniss für die richtige Bei - zäumung ist, und diese erst nach einiger Beseitigung desselben vorschreiten kann, obschon erst die absolute Kopfstellung in der beigenommenen Stellung deren gänzliche Beseitigung verlangt. Ein übereiltes und gewaltsames Verfahren in der Beizäumung sowohl bei diesem Hemmnisse, wie bei kurzem, festem Genicke wird das Pferd veranlassen, die Biegung entweder zwischen weiter abwärts gelegenen Wirbeln zu geben, oder durch eine zu gewaltsame Bie -119Von der Halsarbeit.gung zwischen zwei Wirbeln, den Hals zu knicken. Beides ist auf das sorgfältigste zu vermeiden. Hat man dem Thiere einmal den falschen Weg gezeigt, dann ist es schwer, ihn wieder vergessen zu machen. Hat man ihn auf der Trense mühselig beseitigt, auf der Kandare wird er sicher wieder zum Vorschein kommen, und sei es auch erst, wenn die Reiterei im Freien nicht mehr das Eingreifen in die Trense zum momentanen Corrigiren erlaubt, und beim Exerziren mancher harte Anzug vor - kommt. Namentlich sind es die Hülfszügel, welche in Händen nicht ganz Geübter diesen Uebelstand so leicht herbeiführen. Sie geben so leicht den Anstrich eines Fortschrittes und sind desshalb bei den Leuten, denen es nicht um das Sein, son - dern um den Schein zu thun ist, so beliebt.
Der Fehler des Herabklatschens des Halses, wie ich die zu weit unten beginnende Biegung des Halses nennen möchte, war es namentlich, welcher jenen Herren die Früchte aller ihrer Arbeit nahm, die auf der Trense gar nicht beizäumten, die nur aufrichteten und immer höher aufrichteten, weil die Kandare nachher doch beizäume, und zwar immer mehr, als ihnen lieb sei. Das war eine Angst, wenn die Thiere auf Kandare gesetzt wurden. Trotz der vortrefflichen Aufrich - tung hatten sich so und so viele verworfen und wollten ungeachtet alles Zerrens mit der kleinen Trense sich nicht richtig zäumen, entweder ging’s, wie sie es auf Trensen gelernt, himmelhoch, oder wie die Kandare es ihnen gestattete, unendlich tief. Man hatte ihnen nicht gelehrt, sich richtig beizuzäumen und die in den Weg tretenden Hemmnisse nicht beseitigt.
Es ist mit der Zeit, welche der Offizier jetzt zur Dressur zu verwenden pflegt, gegen die, welche man sich früher nahm, eine bedeutende Veränderung vorgegangen. Früher ritt fast Niemand ein Thier im Dienst, dass nicht 2 Jahre dressirt worden war, trotz - dem es erst volljährig unter den Sattel kam. Aber damals war die Zeit der vielen Rationen und des billigen Futters. Jetzt wird der Offizier nur selten ein Thier ohne Unterbrechung so weit dressiren können, dass es diejenige Stellung erlangt hat, die seinem Gebäude erlaubt, und der Dienst wünschenswerth macht. Es wird das im Herbst angerittene Pferd, bereits im Sommer auf Kandare gezäumt, einigen Dienst thun, und seine Zusammenstel -120III. Abschnitt. Zweites Kapitel.lung schon so weit vorgeschritten sein müssen, dass es in einiger Haltung mitgehen kann. Der nächste Winter muss Zeit zur weiteren Ausbildung geben und zur Vervollkommnung seiner Hals - stellung. Es ist vielleicht dadurch mehr, als durch alle theore - tische Gründe ein möglichst gleichzeitiges Streben nach Aufrichtung, Beizäumung und Abbiegung durch die verschiedenen Grade der Zusammenstellung in Aufnahme gekommen. Ich glaube, dass diese Nothwendigkeit vielfach zum Vortheil gereicht. Ich habe von ein - seitigem Vorgehen stets nur Nachtheile erlebt, und habe von der Manie zum Aufrichten nicht schlechtere Resultate gesehen, wie von der Manie zum Beizäumen. Es hatte Baucher und das Missver - stehen Seidler’s viel dazu beigetragen, dass im Gegensatz zu jenen Aufrichtern eine Menge von Reitern die senkrechte Kopf - stellung als einziges Criterium für die Dressur eines Pferdes angesehen haben wollten, dass sie bei Gebäuden und Hülfen, denen das Beizäumen nicht eben sehr Noth that, jeden Fehler in mangelnder Beizäumung suchten, das Genick immer wieder in Angriff nahmen, und doch nur Krummbeinigkeit und Durchgehen erzielten. Bei ihnen bildete sich namentlich die Ungezogenheit des auf die Zügel Stossens im höchsten Grade aus.
Die nicht aufgerichteten Thiere mit ungebogener Hanke, welche nicht gelernt haben, auf den Schenkeln vorwärts zu gehen, und statt mit den Hinterbeinen unterzutreten, mit hoher Hinterhand nach hinten herausarbeiten, werden es endlich müde, sich durch die ewigen Anzüge quälen zu lassen. Diese Anzüge finden ihre Beine stets hinter dem Leib, also ganz in der Stellung, dem An - zuge einen vollen Widerstand zu leisten. Sie benutzen dies endlich bestens. Im Moment, da der durch die Zügelhülfe zurückgebrachte Rumpf an den Hinterbeinen scheitert und wieder vorwärts schiesst, dehnen sie mit voller Gewalt die Halsmuskeln gegen die Hand und schwingen sich hinten ab, und so vorn tief — hinten hoch, in der Stellung in den Boden zu beissen, ziehen und werfen sie gleichzeitig den Reiter nach vorn, der mit seinem Sitze kämpfend nichts dagegen zu thun vermag.
Gutes Aufrichten - und Unterschiebenlehren wird das Uebel in der Wurzel erfassen. Um aber dieser zur Gewohnheit gewordenen Unart zu begegnen, die jedes Anstehenlassen des Zügels zu ergreifen weiss, um jenen Grasbiss zur Ausführung121Von der Halsarbeit.zu bringen, lasse man den Zügel, sobald man das Gegendehnen bemerkt, völlig nach und treibe das Thier durch Sporn oder Gerte kräftig vorwärts. Vollkommen nach vorn aus dem Gleichgewicht gekommen (da es die gewohnte, stützende Hand nicht findet), wird es sich beeilen, die Hinterhand unter zu bringen. Diesen Moment benutze man, den Hals anzufassen und zur Strafe das Thier ein Paar Tritt zurückthun zu lassen. Es wird bei gehöriger Aufmerksamkeit dies Manöver leicht gelingen und so das Pferd bald zu corrigiren sein.
Auch ohne jenes Stossen sieht man viele Pferde in Folge einer verfrühten, oder im Verhältnisse zur Aufrichtung zu weit getriebenen Beizäumung durch eine plötzliche Dehnung der Halsmuskeln, Anstuhrung des Rückens und Steifung der Hin - terhand wie in Verzweiflung auf das Gebiss gehen und mit riesiger Anlehnung auf die Faust den Reiter vorziehen, während sie hal - tungslos daherstürmen. Auch sie bedienen sich dieses Manövers als Gegenmittel, jedes Anfassen zu vereiteln. Ihre Correctur wird in ganz ähnlicher Art zu bewirken, doch besseres Aufrichten und Hankenbiegen das wahre Mittel sein, dem Thiere beizukommen.
Wir haben vor 25 Jahren nur aufgerichtet und abgebogen; vor 10 Jahren nur beigezäumt und abgebogen; nun zäumen wir bei, richten auf und biegen ab, bearbeiten den Hals nach allen Richtungen. Wenn wir den haben, so sind wir froh, und da das Thier dessenungeachtet noch immer nicht recht geht, so liegt es in Rückenanspannung und in der Rippenbiegung und dann wieder im Halse. Von der Hanke, die unsere Vorfahren so fleissig bearbeiteten, spricht man kaum noch, und doch ist der Hals nur das Werkzeug, um diese Feder in Thätigkeit zu setzen, und ohne der Hanke Herr zu sein, ist keine Dressur vollendet.
Wenn es beim Abbiegen auf die allmälige Dehnung der Ohrendrüsen und bei Beizäumung auf die der Muskeln und des Nackenbandes ankam, so verlangt das Aufrichten neben der richtigen Erhebung der Halswirbelsäule eine Stärkung der heraufziehenden Muskeln, um den Kopf und Hals bleibend in dieser Form zu tragen. Diese Stärke muss durch die Uebung ausgebildet werden. Es kommt darauf an, dass das Pferd den Kopf und Hals zuerst auf kurze Zeit, dann immer länger und länger in einer Haltung122III. Abschnitt. Zweites Kapitel.selbst tragen lernt, welche zu der erwünschten all - mälig hinleitet. Es wird indess keine Uebung statt - finden, wenn der Reiter den Kopf und Hals auf der eigenen Faust trägt, weil dann dem Thiere die übende Mus - kelthätigkeit fehlt. Es kommt nicht nur darauf an, dass das Pferd den Kopf und Hals erhebt, es kommt vor allem darauf an, dass diese Erhebung die Folge der eigenen Muskelthä - tigkeit ist.
Behutsames Vorgeben der Hände, ohne den Sitz noch die Wirkung des Schenkels zu verändern, giebt Gelegenheit die Arbeit, oder besser gesagt, die Haltung zu erproben. Geht der Kopf vor, fällt das Pferd sofort auseinander etc., so lag das Pferd nothwendig auf der Hand. Dessenungeachtet ist es für den Reitlehrer, der eine Abtheilung reiten lässt, häufig sehr schwer, zu sehen, ob der Dressirende den Hals des Thieres durch Heraufziehen und Tragen des Kopfes auf der Faust aufrichtet, oder das Pferd durch leb - haftes Vortreiben mit dem Schenkel und leichte Einwirkung des Zügels bewegt, durch die eigene Kraft den Hals zu erheben, und so dessen Muskeln stärkt, bis es endlich die dauernde Kraft, den Hals zu tragen, gewinnt.
Es haben sehr viele Remontereiter der Cavallerie eine unge - meine Fertigkeit zu täuschen, und geben selbst dem erfah - renen Beobachter durch ihre und des Pferdes Haltung, wie durch die genaue Ausführung der Lectionen lange Zeit die Ueberzeugung, dass der Mann seine Sache gut mache, und das Pferd bestens aus - gebildet werde. Plötzlich tritt bei einer neuen Lection, welche sich bei richtiger Aneignung des Vorhergegangenen ohne Weiteres erge - ben müsste, eine überraschende Opposition oder eine völlige Hal - tungslosigkeit hervor. Man thut dies und das erfolglos. Endlich besteigt der erstaunte Lehrer das Thier und wird nun plötzlich gewahr, dass jenes leicht und biegsam scheinende Pferd ein völlig gefühlloser Stock ist, den der Reiter auf der Faust herumträgt, dem Aufrichten — ein Emporziehen, Kopfstellung — ein Herumziehen war.
Die Lectionen ging das Thier durch die Macht der Ge - wohnheit. Es trabt eher auf das Commando: Trab! als auf den Schenkel an. Hätte der Offizier das Thier eher be - stiegen, so wäre nicht so viel Zeit unbenutzt vorüber123Von der Halsarbeit.gegangen. Ich habe häufig von Offizieren, welche die Nothwen - digkeit anerkannten, sich durch Selbstbesteigen von der Aus - bildung etc. zu überzeugen, als Grund, dass sie es nicht thaten, aussprechen hören, wie sie sich der Mannschaft gegenüber ein De - menti zu geben glaubten, wenn unter ihnen das Thier weniger gut gehe, als unter dem gemeinen Reiter. Der Offizier braucht dem Mann nicht zu sagen, er wolle ihm dies oder jenes vorrei - ten, wenn er seiner Sache nicht gewiss ist. Es kann Niemand erwarten, dass der Offizier eine Unart in 5 Minuten corrigirt, zu deren Beseitigung vielleicht eine ganz andere Zusammenstellung nöthig wird, die möglicherweise monatlanger Arbeit bedarf. Er will die Ursache erforschen, in welcher die Unart, die Wei - gerung etc. begründet liegt; aber er besteigt das Thier nicht, um mit ihm einen Kampf zu kämpfen. Besser ist es allerdings, dass der Offizier jene kritischen Momente des Ungehorsams nicht zu seinen Versuchen wählt, wenn er kein Vertrauen in die Festigkeit seines Sitzes und seine Reitfertigkeit hat. Aber ich glaube nicht, dass Jemand im Stande ist, ein genaues Urtheil über das Kraftverhältniss des Pferdes, namentlich des rohen, das noch nicht zur freien Anwendung seiner Gliedmassen kam, und dessen natürlicher Gang durch vielfachen Zwang verän - dert wird, abzugeben, zumal bei unregelmässigem und schwie - rigem Gebäude, ohne es je bestiegen zu haben. Er wird aber ohne dies Urtheil ausser Stande sein, die Grundzüge der Dressur, z. B. Höhe der Aufrichtung etc. dem Manne anzugeben und sich eine Menge von Erscheinungen klar zu machen, zu deren Benutzung oder Vermeidung er dem Manne die Mittel anzuzeigen hat. Wie sehr hat sich bei mir oft das ganze Bild meines Pferdes, das ich bereits Monate kannte, nachdem ich es bestiegen hatte, geändert, und wie oft habe ich mich geärgert, die Schuld von schlechten Resultaten dem Unrechten zugeschoben zu haben — dem Reiter, wo das Pferd die Schuld trug — dem Pferde, wo sie ledig - lich den Reiter treffen musste!
Ein noch junges Pferd von einem Baue, der auf eine besondere Schwäche der Hinterhand schliessen liess, und welches elend im Futter war, galt, als ich die Escadron übernahm, als ein Straf - pferd, da niemand es im Fanfaro-Galopp zu halten vermochte. Mir schien der Grund in der Unmöglichkeit zu liegen, dass das124III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Thier sich halten könne, und war überzeugt, dass eine höhere Auf - richtung das Uebel vergrössern würde. Der Zufall wollte, dass ich es ritt, und ich fand eine so kräftige Hinterhand, als ein Ca - vallerist sie sich nur wünschen kann; jedoch war dieselbe völlig ungebogen und die Aufrichtung zu gering, um auf sie wirken zu können. Das Pferd wurde aufs Neue in Dressur genommen und dient noch heute als Zugführerpferd. Ebenso habe ich Pferde für Riesen ihrem Baue nach halten müssen, die ich durch Selbstbestei - gen als Schwächlinge kennen lernte.
Wenn es die Aufgabe des remonte-dressirenden Offiziers wäre, dafür zu sorgen, dass ein bestimmter Mann auf dem be - stimmten Pferde bei der Frühjahrsbesichtigung einen bestimmten Cyklus von Lectionen producire, so würde es dem Manne über - lassen bleiben können, zu sehen, wie er sich mit dem Thiere einigte. So aber, wo die Pferde für jeden Reiter brauchbar sein sollen, nutzt eine derartige Pudeldressur, die auf gegenseitigem, durch die Trägheit geschlossenem Kartell beruht, nicht, und es ist schlimm für den Dienst, wenn erst dann die Glorie der guten Dressur fällt, wenn die Thiere in das Glied eingestellt sind, und dann eins nach dem anderen nicht mehr geht, oder zu weit geht.
Nicht Mangel an Fleiss und Lust ist es, was derartige Resul - tate zum Vorschein bringt. Es liegt eine Täuschung zum Grunde, die hervorgebracht wird durch die Trägheit der Reiter und die Klugheit der Pferde, und unaufgeklärt bleibt durch die Furcht des Offiziers, sich ein Dementi zu geben, wenn er das Pferd selbst besteigt.
Man steige vorsichtig von einem Grade der Zusammenstel - lung des Halses zum anderen empor und mache das Pferd erst in verschiedenen Gängen in dem geringeren sicher, ehe man zum höheren aufsteigt; prüfe immer zuvor, ob nicht eine falsche Bie - gung droht, die nunmehr das Beginnen mit der Beizäumung resp. mit der Aufrichtung oder die Steigerung derselben nöthig macht. Kommt man dann zu dem Punkte, bei welchem man stehen zu bleiben gedenkt, hat auch durch Aufwärts -, Abwärts - und Seit - wärtsbiegen den ganzen Hals nach Wunsch geformt und in die für das Thier gewünschte Gebrauchshaltung gebracht, mit welcher man, dem Gebäude nach, ausreicht, um dem Schwerpunkte die angemessene Lage zu geben, und durch welche man den Anzug125Von der Halsarbeit.sicher fortpflanzt, so hüte man sich vor zwei Dingen. Man hüte sich aus Trägheit zu versäumen, die Aufrichtung und Beizäumung und Abbiegung so lange zu vervoll - kommnen, bis man zu der Haltung und Stellung kommt, welche der Hals in der engsten Versammlung und Wendung erreicht, und räume auf, was man auf dem Wege dorthin an Schwierigkeit findet. Man hüte sich aber zweitens aus Eitelkeit, aus dieser Ausnahmestellung die Ge - brauchsstellung machen zu wollen, und nicht aufzuhören mit Verengung der Stellung, bis Lust am Gange und die Räumig - keit sich so verloren habe, dass das Thier einem Automaten gleicht, der ohne selbstständige, freiwillige Thätigkeit nur so lange arbeitet, als eine fremde Kraft auf ihn wirkt, und bis jede Muskel den Federn eines derartigen Kunstwerkes gleicht, die nur dann wirken, wenn der Stift der Walze sie trifft. Es muss nicht jeder Tritt aus dem Pferde herausgequetscht zu werden brauchen. Es muss in das Tempo gebracht, freudig darin fort - gehen. Wie ein junger Soldat, der exerziren lernte, unter Sack und Pack etwas Gezwungenes, Steifes haben wird, doch mit der Zeit, trotz seiner Last und der strengen Anforderung an die Regel - mässigkeit seiner Bewegung, wieder zur Freiheit kommt in Haltung und Bewegung, so muss auch ein vollkommen durchgerittenes Pferd die Freiheit der Haltung und Bewegung wieder erlangen, die das vollkommen gebaute Pferd ohne den Reiter besitzt. Diese ist aber nur durch Festmachen und Gewohntwerden einer Haltung zu erreichen, welche mit den Körperverhältnissen und Leistungs - ansprüchen gleich sehr übereinstimmt. Man wolle vor allem nicht aus jedem Halse den hohen, schön geneigten Schwanenhals eines idealen Schulpferdes biegen wol - len. Die Hälse, welche lang und schmal am leichtesten diese Form für Augenblicke gewinnen, sind es besonders, die, eben der Leich - tigkeit wegen, mit der sie auszubiegen vermögen, eben so viel Ge - schicklichkeit als Aufmerksamkeit verlangen, wenn sonst der Anzug seine mechanische Wirkung nicht verfehlen soll. Es ist aber jene Feinheit der Hülfen und jene Aufmerksamkeit oft im Drange des Augenblicks dem Soldaten unmöglich, und dann werden jene Hälse unbequem. Ein mässig langer, muskelstarker Hals an breiter, schräger Basis, hat sich, selbst wenn das Genick nicht eben fein126III. Abschnitt. Zweites Kapitel.erschien, und die Ganasche nicht ohne Schwierigkeit, nach meiner Erfahrung für das Soldatenpferd immer besser gestaltet, wie jene für das Auge so reizenden hohen, schlanken, schön gebogenen Schwanenhälse der englischen Nachzucht, welche mit so grossem Geschicke sich nach jeder Richtung biegen, aber auch verbiegen. Zäumt man unvorsichtig bei, biegt er in der Mitte, richtet man auf, klappt er um. Ist er tief angesetzt an einem Thiere von Temperament und übermässig biegsamen Gelenken der Hinterglied - massen, so wird nur durch vorsichtige Arbeit unter dem spanischen Reiter eine leidliche Halsstellung sich herstellen lassen. Den schwe - ren, unbiegsamen Hals eines phlegmatischen Thieres zu bearbeiten, kostet viel Ausdauer und Anstrengung, es ist aber gegen das Fest - stellen eines wackeligen und answeichenden Halses ein leichtes Ge - schäft. Wie es überhaupt leichter und angenehmer ist, gleichsam aus dem Vollen greifend die Kraft zu mässigen und sich unterthan zu machen, als die Schwächen zu schonen und zu stärken, so ist Biegen leichter als Feststellen.
Es scheint mir hier der geeignete Ort, einiges über Hülfszügel zu sagen. Wir zählen deren zehn.
1. Der Aufsatzzügel. Sehr allmälig gebraucht, wird er die Aufrichtung nicht schneller bewirken, wie die blosse Hand. Er wird aber nicht nachgeben, wenn die ermüdeten Muskeln des Aus - ruhens bedürfen. Das Gewicht des nicht mehr getragenen Kopfes und Halses wird schlaff herunter sinken; durch dies Herabfallen des Kopfes auf das Trensengebiss aber die Maulspalte in die Höhe gezerrt werden bis zur Verwundung, und das Thier alsdann mit seinem Schmerz beschäftigt, wenig auf die Hülfen achten und schlechte Fortschritte in der Dressur machen. Von Anfang an zu straff angezogen, wird er den Gang beeinträchtigen und das Thier durch den Schmerz zu Widersetzlichkeiten reizen. In höchst ver - einzelten Fällen mag bei einem Halse von schlaffer Muskulatur und bei schlechter Hinterhand derselbe beim Dienstgebrauche Anwen - dung finden, doch scheint es mir stets gefährlich, weil er die Be - weglichkeit des Halses, deren das Thier in manchen Fällen, z. B. beim Klettern, zum Aufkommen nach dem Sturz etc. bedarf, zu sehr beengt. Dem Pferde, bei welchem man dieses Instrument in bezeichneter Art braucht, scheint man das Zeichen seiner eigent - lichen Bestimmung für den Wagen zugleich mit anzulegen.
127Von der Halsarbeit.2. Die Bocktrense, ein Flaschenzug, dessen man sich be - dient, um durch Heraufziehen der Maulspalte dem Thiere das Herunterbohren des Kopfes zu wehren, und denselben in die Höhe zu ziehen, um dadurch, auf den Rücken einwirkend, das Bocken zu verhindern. Da dieser Zügel in die Hand zurückführt, also beliebig angenommen werden kann, so ist sein Gebrauch zu modifiziren. Die Bocktrense hat jedenfalls den Nutzen, in jener argen Wider - setzlichkeit dem Reiter zu Hülfe zu kommen, obschon dieselbe gänzlich zu beseitigen, erst die vertreibenden Hülfen zur Anerken - nung gebracht werden müssen.
3. Der einfache Sprungzügel im Gurt und Nasrie - men befestigt, gewährt den Nutzen, dass er die Nase des Reiters vor dem Zurückschnellen des Pferdekopfes sicherstellt, und ist, lang geschnallt, zu diesem Zweck ein treffliches Instrument. Wer es in der Dressur zum Beizäumen braucht, wird das Thier dahin bringen, sich todt hineinzulegen, und seinen Hals da zu biegen, wo es ihm bequem ist. Die Pferde, welche die Beizäumung verweigern, haben aber fast immer ein kurzes Genick und werden sich ungern oben biegen, sie thun es, durch den Sprungzügel eingezwängt, desshalb unten. Es ist durch diese Art der Beizäumung in keiner Art etwas gewonnen, nur hat das Thier den Anschein sich beizuzäu - men, und damit ist schon manches Herz beruhigt. Bei den Mannschaften der Cavallerie war es eine Zeit lang zur Manie geworden, sich dieses Hülfszügels zu bedienen. Viele krumme Vorderbeine waren nebst manchem Sturz das einzige Resultat dieser schlechten Verzierung.
4. Der einfache Sprungzügel in Gurt und Kinnstück des Trensengebisses. Das Pferd wird sich zwar nicht so leicht mit todtem Maul hineinlegen, wie in den vorigen, aber sonst übertrifft er denselben an schlechter Wirkung, indem die Rucke, welche das Thier erhält, es hinter die Zügel bringen.
5. Der einfache Seidler’sche Sprungzügel ist im Gurt eingeschnallt, wird zwischen den Vorderbeinen durch zum Kinnstück der Trense geführt und geht von dort zur Hand. Er nimmt bei und seine Wirkung kann durch die Hand modifizirt werden. Er hat indess den Nachtheil, dass er in die rechte Hand genommen, vermehrt auf die rechte, und in die linke genommen, vermehrt auf die linke Lade wirkt. Er bringt dadurch leicht ein Verbiegen im128III. Abschnitt. Zweites Kapitel.Genick hervor, wobei ein Ohr tiefer wie das andere steht. Bei halbrohen Pferden als Hülfsmittel zum Pariren und Wenden ist er vortrefflich. Man schlauft ihn zu diesem Zwecke lang in die Sattelkrampe ein, und greift hinein, wenn man seiner bedarf. Beim Dressiren ist die Hand besser.
6. Der verbesserte Seidler’sche Sprungzügel. Er geht vom Gurt zum Kinnstück der kleinen Trense, dann abwärts zurück durch einen Walzring und demnächst zur Hand. Er ver - meidet die Seitwärtswirkung des vorigen, und flaschenzugartig wir - kend, zäumt er direkt abwärts. Aber darin, dass er mit doppelter Kraft auf das Pferd wirkt, und der Reiter nicht in gleichem Masse das Gefühl des Widerstandes, den er überwindet, in der Faust hat, liegt das Gefährliche in seiner Anwendung bei der Dressur. Da - durch wird der Reiter verführt, nicht in gleichem Masse mit dem Schenkel zu wirken, wie es die Verdoppelung der Zügelhülfe ver - langte, und leicht durch den scheinbar günstigen und mühelosen Erfolg veranlasst, seine Anforderung zu übertreiben und bis zu einer Höhe zu schrauben, wo die Empörung des gequälten Thieres unvermeidlich wird. In der Hand des Geübten und Feinfühlenden ist er gewiss eine schätzbare Erleichterung, in schlechter Hand aber wird jenes „ Festziehen “nur zu leicht hervortreten. Zum Gebrauch als Hemmschuh bei halbrohen Pferden ist er vortrefflich.
7. Die Martignal. Die Anglomanie hat für das Pferd des Civilisten die Martignal so in allgemeine Anwendung gebracht, dass sie ein Uniformstück aller fashionablen Pferde, wie die Man - schette eins der Herren geworden ist. Der steif vorgestreckte englische Hals mit ungebogenem Genick macht einen derartigen Hemmschuh nöthig, der für schlechte Fäuste, vom gut instruirten Stallknecht einmal richtig geschnallt, noch den Vortheil hat, beim Nachgeben des Pferdes auch selbst nachzugeben. Er kann durch Nachlassen der Trense ganz ausser Wirkung gesetzt werden und hindert mithin beim Sprunge u. s. w. nicht die Ausdehnung des Halses. Für die Dressur halte ich ihn nicht rathsam, weil die Hand seine Wirkung nur bis zu einem gewissen Punkte modifiziren kann. Bei halbrohen Pferden ziehe ich ihn für schlechte Fäuste dem Seidler’schen vor, für gute würde ich unbedingt den letzteren wählen. Er ist eigens für schlechte Reiter gemacht. Einmal richtig eingeschnallt, ist der Reiter ausser Stande, von ihm einen übertrie -129Von der Halsarbeitbenen Gebrauch zu machen. Das Hängenbleiben im Anzuge schadet bei ihm nicht, weil die Stellung des Pferdekopfes, nicht aber die Reiterfaust die Wirkung dieses Instrumentes bestimmt.
8. Der Sprungzügel mit einem Ringe, durch welchen beide Trensenzügel gezogen sind, wirkt ähnlich wie die Martignal, und soll nebenbei den wackeligen Hals festeinschliessend, das Ver - werfen desselben vermeiden. Ich habe von ihm keinen Nutzen gesehen. Dicht zusammengestellte Fäuste sind mir für diesen Fall zur Dressur lieber.
9. Der einfache Schlaufzügel ist an Gurt, Sattelkrämpe etc., je nachdem man seiner Wirkung für eine höhere oder niedere Stellung bedarf, festgeschnallt, geht demnächst durch den Trensen - ring und führt in die Hand des Reiters zurück. Er zwingt, flaschen - zugartig wirkend, den Kopf in eine solche Stellung, dass das Ge - biss in die Höhe zwischen der Faust und dem Befestigungspunkte zu stehen kommt und wirkt, des Ferneren angenommen, auf die Seitwärts-Hergabe des Kopfes. Man bedient sich desselben bei der Dressur als Unterstützung der Faust, und zwar je nach den Umständen zur Aufrichtung, zum Beizäumen und Abbiegen. Er hat das Gefährliche des doppelten Seidler’schen Sprungzügels, was das Festziehen betrifft und das Nichtgewahrwerden des Widerstan - des, wodurch übermässige Anforderungen, zu geringes Vortreiben mit dem Schenkel und wiederum Widersetzlichkeit, unterdrückter Gang etc. hervorgerufen werden. Hier wirkt der Anzug der einen Hand, welcher den Schlaufzügel führt, mit noch einmal so grosser Kraft, als der Anzug der anderen Hand. Es dürfte selbst sehr geübten und aufmerksamen Reitern schwer werden, nicht dann und wann unharmonisch einzuwirken.
10. Der doppelte Schlaufzügel ist eine Wiederholung desselben Instrumentes auf beiden Seiten, ist weniger gefährlich wie der einfache, weil bei jenem die Kraft blos auf der einen Seite verdoppelt wurde, und den Reiter so fortwährend verführte, dem - selben zu viel Kraft, dem entgegenstehenden einfachen Zügel aber zu wenig zu geben. Hier würde wenigstens die Zügelwirkung sich egalisiren, und nur der Reiter fortwährend bemüht sein müssen, die Schenkelhülfe der verdoppelten Kraft der Faustwirkung anzu - passen. Es ist indess so leicht, die grosse Kraft, die mit demselbenv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 9130III. Abschnitt. Drittes Kapitel.zu erlangen ist, zu missbrauchen, dass auch ihr Gebrauch nicht angerathen werden kann.
Das Résumé über die Anwendung der Sprungzügel wäre mithin folgendes: Der Meister wird diese Instrumente bei der Dressur nur dann anwenden, wenn die Schonung der eigenen Kräfte sie wünschenswerth machen, und sie dann gewiss mit Vorsicht ge - brauchen. Der Anfänger hüte sich, sie sofort bei der Dressur in Gebrauch zu nehmen und erprobe ihre Wirkung erst an gut gerittenen Pferden, um seine Hülfen mit der veränderten Einwir - kung in Uebereinstimmung zu bringen. Es gefielen sich eine Zeit lang die Dressirenden in einer wahren Anhäufung von Zügeln aller Art, so dass ihr Reiten einem Orgelspiel glich, bei dem bald dies bald jenes Register gezogen wurde. Gewöhnlich waren so viele Ungezogenheiten als Zügel am Pferde die vortreffliche Folge ihrer Kunst! In der Escadron würde ich, selbst zum Dressiren, nur ausnahmsweise einen Hülfszügel gestatten; Hülfszügel sind dort meist faule Knechte, die den Schein geben helfen und andere faule Knechte im Nichtsthun unterstützen. Ein Paar Sprungzügel im Nasriemen, nicht des Beizäumens, sondern des Kopfschleuderns wegen, würde alles sein, was bei Dressur wie Dienstgebrauch bei den Pferden der Escadron an Hülfszügeln zu verwenden wäre.
Bei halbrohen Pferden, die man bisweilen zum Dienst reiten muss, ist für den schwachen Reiter eine richtig eingeschnallte Martignal oft ein nützliches Instrument. Für bessere Reiter zum Einfangen aus der Carrière etc. ist der einfache Seidler’sche recht zweckmässig.
Der Rücken nimmt die Last des Reiters als der unmittelbare Träger desselben auf, ist aber auch durch seine Auf -, Ab - und Seitwärtsbiegung beim Gange unmittelbar betheiligt. Man hat in131Von der Bearbeitung des Rückens.neuerer Zeit viel darüber gestritten, wo der Reiter sitzen, mithin wo der Sattel liegen müsse. Einige hatten eine wahre Manie, ihn auf die Niere zu bringen, mit dem Motto: „ Sattle rückwärts lieber Bruder, dort sitzt du am Steuerruder! “ Andere konnten ihn, jenen zum Trotz, nicht weit genug vorlegen. Wir wissen, dass das Schulterblatt sich um einen Punkt, der etwa eine Hand breit von seinem oberen Rande liegt, bewegt, dass mithin der Theil des Schulterblattes, welcher über dem Drehpunkt liegt, nach rückwärts - abwärts, während der unterhalb gelegene Theil vorwärts-aufwärts sich bewegt. Es wird desshalb der Sattel, wenn er beim stehenden Pferde nicht eine Hand breit von der hin - teren Schulterkante fernbleibt, die Bewegung des Schulterblattes im Gange hemmen. Es ist uns ferner be - reits bekannt, dass ein zu weites Zurücksatteln die Beweglichkeit des Rückens hemmt, und die Belastung der Nierengegend der Ge - sundheit des Thieres nachtheilig ist. Wie sehr auch die Vorhand des Pferdes bereits im Gewichtsverhältnisse benachtheiligt ist, so werden wir aus diesen Gründen dennoch genöthigt sein, den Sattel so zu legen, dass er nur eine Hand breit von der Schulter absteht. Aber auch dort wird bei vielen Pferden der Sattel schwer festzu - halten sein. Pferde, deren Brustkorb hinten breit, vorn schmal ist; Pferde, welche hinten hoch, vorn niedrig sind, bei denen jeder Tritt den Sattel nach vorn bringt; Pferde mit gering aufsteigendem Wi - derrisse — werden stets eine schlechte Sattellage haben und es wird der Sattel vorrutschen. Es ist in keiner Zeit die Wich - tigkeit der Sache übersehen worden, aber die Mittel sind noch immer unzulänglich. Dass das Hinterzeug nichts nutzt, davon ist jetzt, Gottlob! alle Welt überzeugt. Der Vorgurt, ab - gesehen von der Gefahr, mit demselben zu drücken, kann bei guter Construktion wohl den Sattel in richtiger Lage erhalten, dann wird er aber selbst dem Blatte so nahe kommen, dass er hindert. Festes Gurten hilft auch nicht, am wenigsten das anfäng - liche weite Zurücksatteln. Der Sattel geht mit der Zeit vor, und dann schlottern die Gurte, die weiter rückwärts vielleicht bereits übermässig fest waren.
Es wird sich bei vielen Pferden, deren Leib durch voluminöses Futter aufgetrieben war, oder deren Rücken sich anfangs zu straff anspannte, das Sattelrutschen von selbst geben. Bei denjenigen9*132III. Abschnitt. Drittes Kapitel.Thieren aber, deren Knochenbau die Ursache ist, wird nur der Bauchgurt, wie ihn Herr Seidler vorschlägt, helfen können, gegen dessen Benutzung, ich weiss nicht in wiefern mit Recht, man indess aus Gesundheitsrücksichten warnet. Das Auflegen und allmälige Festschnüren eines breiten Bauchgurtes im Stalle, um den Grasbauch eher fortzuschaffen, scheint mir aus gleichen Rücksichten nicht rathsam. Kann man die Gier des Thieres nach der Streu nicht mässigen, so gebe man ihm einen Maulkorb. Es würde derselbe, vernünftig verwendet, bei manchem Thiere das Aufsetzenlernen verhüten, das häufig eine Folge des Hochbindens ist, wodurch man das Streufressen wehren will.
Ich erlaube mir in nebenstehender Zeich - nung beiläufig ein Instrument für Thiere, welche mit dieser Untugend behaftet sind, vorzuschlagen. Diese Art Maulkorb hat den Vortheil, dass das Thier Rauhfutter fressen kann, ohne aufsetzen zu können, und ist dem Würgeapparat, durch den so leicht chronische Kehlkopfentzündungen und demnächst Rohren entsteht, vorzuziehen. Die mit a bezeichneten Theile sind von starkem Eisen, die mit b von Leder. Die mit b′ bezeichneten Backenstücke werden über die Stallhalfter geschnallt und durch eine Schlaufe am Stirnriemen gezogen, so dass das Kopfstück des Maulkorbes auf das Kopfstück des Halfters liegt. Nur zum Haferfuttern braucht derselbe abgenommen zu werden. Für dieses Futter bediene ich mich bei solchen Pfer - den, die beim Haferfressen aufsetzen und Futter streuen, eines Blechgeschirrs, das, dem Kopfe angepasst, mit Löchern versehen ist, und wie der Fressbeutel vorgeschnallt wird. Ich habe, was den Futter - und Gesundheitszustand betrifft, günstige Resultate, und glaube namentlich der Verbreitung des Aufsetzens, in so fern es durch Nachahmung geschieht, dadurch Schranken zu setzen.
Dem Zurückrutschen des Sattels kann man durch ein Vorderzeug, wie es die Engländer zur Jagd reiten, vollkommen beikommen.
133Von der Bearbeitung des Rückens.Mit dem Geschenk, das uns Soldaten diese Herren durch die Pritsche gemacht haben, kann ich nicht so einverstanden sein. Der Sattel soll, bei möglichst geringer Belastung und Gefahr der Verletzung des Pferdes, den Sitz des Reiters sichern und dem Transport der Dinge, welche er mit sich führen muss, behülflich sein. Den Sitz sichert die Pritsche am wenigsten von allen be - kannten Sätteln, und zum Transport von Sachen ist sie der aller - ungeeignetste. Der Ruhm, auf einem Sattel sitzen zu bleiben, der den Sitz, diese erste aller Reitbedingungen, möglichst erschwert, scheint nicht fein. Die Reiternationen, die im Sattel wohnen, haben sich diese Stätte von je her möglichst behaglich eingerichtet. Während die Griechen und anfangs auch die Römer, welches beide eben keine Reiternationen waren, auf der Decke ritten, sass der Parther und Numidier bereits im Sattel.
Erst als die Rennen in den Vordergrund traten, ist dieser Sattel in Aufnahme gekom - men. Der Herzog von Newcastle setzt unter den nebenstehend ab - gebildeten deutschen Sattel in seinem Werke d’A. 1663 noch: „ Voicy la plus excellente selle, qui puisse être. “ Wenn nun auch die Pritsche zum Spazierenreiten ihre Verdienste haben mag, zum Kriegssattel ist sie gewiss nichts nütze, und namentlich scheint es seltsam, dass der Cürassier-Offizier damit bedacht ist, da doch dessen beladener Oberleib eines festen Sitzes beson - ders bedarf, und bei ihm die Geschwindigkeit nicht gerade die hervorleuchtende Seite zu sein braucht. So unangenehm mir nach134III. Abschnitt. Drittes Kapitel.vieljähriger Gewohnheit auch ein anderer Sattel sein würde, so ist die gänzliche Entblössung von allem, was nicht die Rocktaschen aufnehmen, für einen Feldzug doch immerhin schlimm.
Der deutsche Sattel hat auch seine grossen Mängel. Er ist schwer, theuer und sehr schwierig aufzuprobiren, drückt des - halb leicht, ist von der verletzten Stelle schwer abzuhalten und verpackt sich schlecht zum Transport. Es ist nicht allein die Leder - bekleidung des Sattels, welche dem Auge nicht erlaubt, das Auf - liegen des Baumes, wie beim Bock, zu untersuchen. Ausser dem richtigen Aufliegen der Trachten sind es die Vorder - und Hinter - bäume des Sattels, welche ihrer Weite und Form nach so viele Nüançen zulassen, die doch wiederum zu den tausend Verschieden - heiten im Bau des Pferdes passen müssen, dass, wollte man genau zu Werke gehen, fast für jedes Pferd ein eigener Baum gefertigt werden müsste. Es ist ferner das ungleichmässige Zusammendrück - ken des Kissens durch den Gebrauch, das leicht eine veränderte Lage des Sattels herbeiführt. Er wird dadurch namentlich an seinem hinteren Theile niedriger und bäumt sich dann vorn empor, wodurch nicht allein das Vorrutschen begünstigt wird, sondern auch der Reiter mit dem Gesäss zu weit zurück und mit den Beinen vorkommt. Ein Fehler beim deutschen und englischen Sattel, vor dem man nicht genug warnen kann, der aber, wie der zu weite Vorderbaum, immer noch nicht genug beachtet wird.
Ferner bietet der gepackte deutsche Sattel dem Aufsitzenden für die rechte Hand keinen sicheren Halt. Auch sind seiner Grösse und seines Gewichtes wegen nicht so leicht Reservesättel mitzunehmen, obschon man deren mehr bedarf, als bei Truppen, bei denen der Bock eine so leichte Aenderung der Tragfläche durch Strohmatten zulässt. Er hat gegen den ungarischen Bock nur den Vortheil des dichteren Aufliegens auf dem Pferderücken, wodurch der Reiter, näher am Pferde, dieses nicht so leicht durch sein überhängendes Gewicht belästigt, dagegen selbst die Bewegungen des Pferdes besser fühlt. Wenn man bedenkt, dass alle Reitkunst und taktische Uebung vergebens ist, dass der König unnütz Mann und Ross so lange Jahre des Friedens hielt, wenn ein Satteldruck den Reiter vom Pferde wirft, ehe er den Feind erreichte, so möchte man nichts thun, wie sinnen, um jenes ärgste der Uebel135Von der Bearbeitung des Rückens.von seinen Leuten fern zu halten und jeden Sattel, der gegen dieses Uebel eine grössere Garantie ge - währte, freudig begrüssen.
Da das rohe Thier nicht an die Belastung des Rückens ge - wöhnt ist, so muss es mit demselben so lange ohne Reiter bewegt werden, bis es die Unbequemlichkeit nicht mehr achtet und sich mit demselben im Schritt und Trabe ruhig fortbewegt, ohne durch Nachziehen der Hinterhand, Schweifklemmen etc. Unbehaglichkeit zu zeigen. In vielen Ställen giebt ein übermässig festes oder ruck - weises Gurten die erste Veranlassung zum Sattelzwang.
Es ist demnächst durch möglichst passives Verfahren das Pferd an Duldung der Last des Reiters zu gewöhnen. Es soll diese Last ohne Anspannung der Rückenmuskeln tragen und der natürlichen Elastizität des Rückgrats in keiner Art entgegenarbeiten. Das Anspannen und Sträuben kann ver - schiedene Ursachen haben. Geschieht es aus Kitzel, so wird das Thier bei aufgewölbtem Rücken mit dem Schweife bald schlagen, bald klemmen, sich krümmen oder gar ausschlagen. Man sei auf seiner Hut, kehre lieber zur Uebung mit dem blossen Sattel zurück und nehme nöthigenfalls den spanischen Reiter zu Hülfe, ehe man sich abwerfen lässt und so den Gehorsam von Haus aus untergräbt.
Geschieht dies Sträuben ohne jene Symptome des Kitzels von einem schwachrückigen Pferde, oder einem Thiere von sehr weichen Gelenkverbindungen, so lasse man sich dies ein Zeichen sein, dass es, seine Schwäche fühlend, die Last aufzunehmen fürchtet. Man erleichtere sein Gewicht durch Stehen auf den Bügeln mög - lichst, unterhalte aber den Gang, weil das Stehenbleiben und Ver - halten der Anfang aller Widersetzlichkeit ist, und lasse sich nicht zur Unachtsamkeit verleiten. Schwache, aber widersetzliche Pferde sind für den Reiter die gefährlichsten wie die schwierigsten. Im Uebrigen gebe man ihnen einen möglichst leichten Reiter, hüte sich vor gestreckten Stellungen und gedehnten Gängen.
Sind es Pferde von kurzem, straffem Rücken und gerade gestellten, harten Gelenken der Hinterhand, die den Rücken an - spannen, so suche man durch ruhiges und festes Einsitzen in den Sattel bei anhaltenden Reprisen und langen Gängen die Hergabe zu erzielen. Zügelwirkungen, zu denen sich unerfahrene Reiter so leicht von Haus aus hinreissen lassen, können beim Anreiten nur136III. Abschnitt. Drittes Kapitel.das Uebel vermehren. Häufig wird man erst durch die späteren Lectionen, namentlich durch den freien Galopp, dieses Uebels ganz Herr, und Thiere, welche in Folge des Rückenanspannens im Trabe sich fortwährend verhielten, während sie im Schritt frei fortgingen und den Rücken gaben (was sie auch häufig dadurch markiren, dass sie im Schritt den Schweif tragen, während sie im Trabe klemmen), kommen erst nach jenen Uebungen zum reinen und feinen Trabe.
Es ist viel seltener, dass Pferde ihre Unbehaglichkeit oder einen gewissen Rückenkitzel durch ein übermässiges Durch - biegen des Rückens beim ersten Anreiten zeigen, das dann und wann von einigen breiten Tritten der Hinterhand begleitet ist und dem Reiter ein sehr unbehagliches Gefühl des Kraftlosen und Schwankenden giebt. Nach einigen Tritten ist diese Erscheinung vorüber und repetirt selten, selbst wenn man längere Zeit abge - sessen war. Merkwürdigerweise erinnere ich mich keines Thieres dieser Art, das wirklich einen schwachen Rücken gehabt hätte und eben so wenig, dies Manövre bei ganz rohen Pferden beobachtet zu haben.
Die Bewegungen eines Beines oder der diagonalen Beine äussern auf den Rücken keinen Einfluss; dess - halb wird sich die Lage desselben in den schreitenden Gängen nicht ändern.
Das Vorsetzen der beiden Vorderbeine hat eine Senkung des Rückens nach vorwärts zur nothwendigen Folge. Geschieht dies mit aufgerichtetem Halse, so wird eine Biegung gleich hinter dem Widerrisse sichtbar.
Das Zurücksetzen der beiden Vorderbeine führt eine Senkung der Vorhand und Aufwärtskrümmung des Rückens mit sich.
Das Erheben der Vorhand beim Steigen wird bei vorge - streckten Beinen meist ein Durchbiegen des Rückens, mit zurück - gehaltenen Beinen meist eine Aufwärtswölbung zur Folge haben.
Das Untersetzen beider Hinterbeine unter den Leib wird eine Aufwölbung des Rückens veranlassen, woran die Lenden - wirbel namentlich Theil nehmen; das Hintenherausstrecken aber ein Abspannen.
Das Erheben der Hinterhand mit ausgestreck - ten Beinen, wie beim Schlagen, hat eine Abspannung, mit137Von der Bearbeitung des Rückens.untergezogenen Beinen wiederum eine Anspannung zur Folge.
Vorder - und Hinterbeine unter den Leib gebracht werden die grösste Anspannung, ausgestreckt die grösste Ab - spannung geben.
Seitwärtsstellen der Vorder - oder Hinterbeine hat eine Seitwärtskrümmung des Rückgrats zur Folge, welche wir Rippenbiegung zu nennen pflegen. Es dürfte indess von einer Bie - gung in den Rückenwirbeln wenig die Rede sein, weil diese eine Annäherung der einzelnen Rippen an einander mit sich führen würde, die aber durch das Brustbein, welches die wahren Rippen, und durch die Knorpelverbindung, welche die falschen unter ein - ander verbindet, unmöglich scheint. Es bleibt mithin die Rippen - biegung nur eine Seitwärtskrümmung der Lendenwirbel und sollte Lendenbiegung heissen. Pferde mit kurz und festverbundenen Lendenwirbeln werden ungern Rippenbiegung geben; Pferde mit loser verbundenen Lendenwirbeln werden es leichter vermögen.
Das regelmässig gebaute Pferd wird Anspannung und Abspannung mit gleicher Leichtigkeit geben. Dagegen wird den tiefrückigen Pferden die Anspannung, den hochrückigen die Abspannung, und denen mit geraden aber sehr festen, kurzen Rük - ken sowohl die eine wie die andere Bewegung schwer.
In den springenden Gängen wird diese Beweglichkeit des Rückens nothwendig. Um sie vorzubereiten, übt man behufs der Aufwärtswölbung des Rückens das vermehrte Untersetzen der Hinterbeine durch die abgekürzten Tempo’s des Schrittes und des Trabes und durch die Paraden. Pferde mit angespanntem, von Natur hohem Rücken bedürfen dieser Uebung nicht zum Auf - wärtswölben des Rückens, woran es ihnen nicht fehlt, wohl aber zur Biegung der Gelenke der Hinterhand, worüber später das Fer - nere. Es ist bei schwachrückigen Pferden mit aller Vorsicht und Schonung des Rückens durch den Sitz des Reiters zu Werke zu gehen. Namentlich ist bei diesen Uebungen eine zu hohe Aufrich - tung zu vermeiden, um so mehr, als die grössere Zahl der tiefrük - kigen Pferde von Natur einen hohen Hals hat. Viele Reiter lassen sich durch die Eitelkeit verleiten, diese Naturgabe noch immer mehr in ein glänzendes Licht zu stellen. Einige Reiter glauben aber schon dadurch im abgekürzten Tempo zu genügen, dass sie138III. Abschnitt. Drittes Kapitel.das Pferd kurz treten lassen, und achten nicht darauf, dass ein Kurztreten sowohl durch verminderten Abschub, als durch das ver - mehrte Unterbringen der Hinterhand herbeigeführt werden kann, und nur bei letzterem das an Erhabenheit des Ganges gewonnen wird, was an Räumigkeit verloren geht und so allein die beabsich - tigte Wirkung hervorgerufen wird.
Will man pariren, soll ein Pferd aus dem Gange halten, oder von einer stärkeren Gangart in eine kürzere übergehen, oder den Gang mässigen, so wird nebst dem Aufhören oder Vermindern des Abschubs eine Verlegung des Schwerpunktes nöthig, um dem Schwunge, den der Körper durch den Gang nach vorwärts erhalten hat, Einhalt zu thun. Es muss des Dranges nach vorwärts Herr werden. Kann es das nicht, so geht es durch — aus Schwäche. Das Ueberwinden des Schwunges geschieht nun entweder dadurch, dass das Thier (vergleichbar dem Knaben, der einen Handschlitten, mit dem er vom Berge kam, aufhällt, indem er die Füsse vorstemmt) seine Vorderbeine weit vorwärts der Last entgegensetzt und so die Kraft des Stosses an denselben brechen lässt (Parade auf der Vorhand), oder es geschieht durch Verlegung des Schwerpunktes und Aufnahme der ganzen Last auf die Hinterhand, indem das Pferd die Hintergliedmassen bis unter den Schwerpunkt vorschiebt. Wenn die erste Parade nicht ohne eine gefährliche Erschütterung der Vordergliedmassen geschehen kann, die auch zugleich den Sitz des Reiters bedroht, so ist die letztere Art für Reiter und Pferd gleich angenehm und sie zu erzielen, wird unsere Aufgabe sein, zumal sie sofort die fernere Verfügung über das Pferd gestattet, während jene das Thier ganz ausser Gleichgewicht bringt und dessen Regelung Zeit bedarf.
Des Verstehens und Gehorchens des Zügelanzuges zum Halten bedarf es immer als eines Zeichens, dass das Thier im Abschieben nachlasse. Es gehört zur Parade auf der Hinterhand indess ein künstliches Auffangen des Gewichts und zwar bedarf es:
Es ist häufig das Gefühl des Hintentieferwerdens für eine Abwärtswölbung des Rückens angesehen, dagegen die Anstreifung der Gelenke des Beins für ein Festhalten des Rückens, und des - halb die Meinung fast allgemein geworden, dass bei der richtigen Parade eine Hergabe-Abspannung des Rückens stattfinden müsste. Die Hinterbeine können indess unmöglich weit unter den Leib ge - schoben werden, ohne dass eine Aufwärtswölbung eintritt, und die - jenigen Reiter, welche günstig einzuwirken glauben, wenn sie sich rücküber werfen, ehe ihre Schenkel die Hinterbeine untergebracht haben, täuschen sich sehr. Sie werden die Aufwärtswölbung und damit das Unterbringen erschweren. Erst nach dem Schenkel muss das Gewicht des Reiters wirken zur Verlegung des Schwerpunktes mit dem Zügel gemeinschaftlich. Wenn das Pferd wie bei der Pesade sich vorn frei vom Boden erhebt und seinen ganzen Leib auf der Hinterhand balancirt, dann wird ein Durchbiegen des Rückens eintreten, weil dann Vorder - und Hinterhand weit genug auseinander sind.
Es wird aber das Thier bei der Parade und starken Gängen des Schwunges nicht auf einmal Herr werden; es werden mehrere Tritte oder Sprünge nöthig sein, denselben zu überwinden. Es darf indess niemals ein völliges Zurückwogen der Last auf die Vorhand stattfinden, wie das stets Folge der hinten herausste - henden Hinterbeine ist, sondern bei jedem neuen Tritte oder Sprunge muss etwas gewonnen werden. Geschieht dies nicht, so entsteht eine zweite Art der unrichtigen Parade, und zwar meist dadurch, dass die Hinterbeine freilich untergeschoben sind, sich aber nicht biegen, um die Last aufzunehmen, sondern statt sich elastisch unter dieselben zu senken, sie zurück auf die Vorhand werfen. Das Thier stösst dann auf die Zügel und bringt den Reiter in Verlegenheit, bis es, die Last bald vor - bald rückwärts wiegend, endlich zum Stehen kommt.
Der Unterschied zwischen der halben und ganzen Parade liegt darin, dass bei der halben Parade zwar das Gewicht auch momentan auf die Hinterbeine geführt wird, diese aber zur Fort - setzung des Ganges gleich wieder die nöthige Freiheit — das Herauslassen aus der Biegung — erhalten müssen, welche nicht140III. Abschnitt. Drittes Kapitel.nur durch Nachlassen der Zügel, sondern hauptsächlich durch Vor - gehen des Gewichts des Reiters zu bewirken ist. Wenn mithin der Reiter bei der halben Parade gleichsam das Schwanken des Gewichts zum Wiederanreiten benutzt, muss bei der ganzen Parade Zügel und Reitergewicht so lange fortwirken, bis das Schwanken aufgehört hat und Ruhe eingetreten ist.
Bei einem gut gerittenen Pferde kann man die Einwirkung der drei Hauptfaktoren sehr gut prüfen, indem man das Thier im Stillestehen an die Zügel drückt. Bleibt die Hand in ihrer Stellung, während der Schenkel in seiner Funktion fortfährt, so wird der Hals sich enger zusammenstellen und die Hinterhand untertreten. Die blosse Neigung des Reiters nach rückwärts bei momentanem Nachlassen des Schenkeldruckes wird das Pferd zurück - treten lassen. Das Anlegen des Schenkels wird alsdann ein Stehen, das Andrücken des Schenkels und Vorneigung des Oberleibes aber bei geringem Zügelnachlassen das Vortreten bewirken.
Wir werden im zweiten Theile auf die Art, die Aufwärts - biegung des Rückens im Galopp zu erzielen, näher eingehen.
Die Uebung im Abwärtsbiegen des Rückens ist bei Pfer - den von kurzem und hohem Rücken nothwendig, aber doppelt schwierig, wenn sie mit weichen Gelenkverbindungen der Hinter - hand gepaart erscheint. Es ist namentlich eine hässliche Kombi - nation, wenn der hohe Rücken mit unbiegsamen Hanken und Säbel - beinigkeit auftritt. Pferde dieser Art werden sich in den Sprung - gelenken fast immer ruiniren. Wie die kurzen versammelten Gänge als Lectionen für die Aufwärtswölbung benutzt werden, so sind es die weiten, welche zum Abwärtswölben, Abspannen des Rückens dienen. Die[Hauptübung] wird indess der Galopp sein. Wenn es die Stellung der Hinterbeine erlaubt, so wird bei diesen Pferden im Stillehalten die häufige Annahme einer gestreckten Stellung von Nutzen sein.
Wir haben bereits gesehen, wie der Begriff Rippenbiegung mit dem Wortklange in geringer Uebereinstimmung steht. Es ist die Ausbildung dieser Seitwärtskrümmung des Rückgrats höchst wesentlich. Soll das Pferd in seinem Gange einen Kreisbogen beschreiben, so ist zu einer geläufigen Ausführung nothwendig, dass der Körper in der Art gebogen sei, dass er sich der Form141Von der Bearbeitung des Rückens.des Kreisbogens anschliesst. Je kleiner der Bogen sein soll, um so stärker muss die Rippenbiegung sein.
Ein Abweichen der Hinterhand vom Hufschlagen der Vorhand in der Volte, welche ohne die Rippenbiegung erfolgen muss, nennt man Ausfallen der Kruppe, und hat ein Stocken des Ganges zur Folge. Schlecht geschlossene Pferde werden zwar leichter die Rippenbiegung hergeben können, sie werden aber ihrer Länge wegen auf jedem Zirkel auch einer stärkeren Biegung bedürfen. Gut geschlossene Pferde werden sich ungern biegen, und ist namentlich bei ihnen die Uebung von Seitengängen von grösstem Nutzen.
Während man in früherer Zeit sich allgemein der Lection „ Kopf herein und Kruppe heraus “als Vorübung zu den Seiten - gängen bediente, um die Thiere durch dieselben zum Schenkel - weichen zu bringen, hat man in neuerer Zeit statt derselben häufig nach Baucher’s Methode das Herumtreten der Hinterhand um die Vorhand auf der Stelle in Anwendung gebracht, und dadurch den Vortheil gewonnen, bei mittelmässigen Reitern die verderblichen Zügeleinwirkungen zu vermeiden, und dem Pferde auf eine direkte Art seinen Willen klar zu machen.
Wenn das Schenkelweichen auch dem Abbiegen vorangeht, so müssen die eigentlichen Uebungen in den Rippenbiegungen durch Seitengänge erst dann erfolgen, wenn der Hals und die Ganasche so weit gebogen sind, dass die Zügeleinwirkungen sich der Hinter - hand mittheilen, und ein gewaltsames Luftmachen gegen die Hand unmöglich wird. Wir üben mithin zuerst die Seitengänge, um ein Ausweichen der Kruppe bei der Halsarbeit unmöglich zu machen, und werden in dieser Periode von der Rippenbiegung Abstand nehmen und keine Kopfbiegung geben können. Später aber üben wir die Seitengänge, um die Rippenbiegung etc. zu erzielen.
Die grosse Nützlichkeit der Seitengänge ist zu beiden Zwecken unverkennbar, ihre falsche Verwendung indess richtet in neuerer Zeit bei der Cavallerie vielen Scha - den an. Man sieht Mann und Pferd Viertelstunden lang in den verkehrtesten Haltungen auf dem Zirkel im Trabe rechts und links die Quere sich bewegen, ohne dass eine andere Hülfe, als das Hangen im stellenden Zügel angewendet würde. Von Weichen142III. Abschnitt. Drittes Kapitel.des Schenkels, von richtiger Kopfstellung und Regulirung des Schwerpunktes, wie Rippenbiegung ist nicht die Rede; ein Thier läuft nachahmend hinter dem andern her, und Mann und Ross suchen sich diese unnatürliche Stellung möglichst bequem einzu - richten. Mit Ausnahme von „ Schulter herein “im Trabe, wird man sich bei den meisten Pferden mit den Seitengängen im Schritt begnügen können, und würde wohl thun, diese recht häufig durch wieder Geradeausnehmen oder Uebergehen in einen anderen Seiten - gang zu unterbrechen. Man wird dadurch Gefühl und Auf - merksamkeit der Pferde und Reiter auf die Hülfen steigern, anstatt sie durch übermässiges Andauern der Lectionen abzustumpfen und zu vernichten, und wird den Gehorsam der Pferde vor Schen - kel und Zügel prüfen und befestigen.
Uebungen von Volten, mit dem Zirkel und der grossen Volte beginnend, Uebung von kurzen Wendungen, Schlangenlinien und Achten in allen Tempo’s des Trabes, dazu Seitengänge im Schritt, aber mit Haltung und Präcision geritten, werden die nöthige Rip - penbiegung hervorbringen, ohne die Thiere an falsche Kopfstellung zu gewöhnen, und ohne ihre Beine durch die fallende Bewegung beim Trabe im schlechtgerittenen Seitengange zu ruiniren.
Ein renommirter Reitkünstler, dessen Pferde den Winter über sich fast nur in Seitengängen bewegten, dafür aber im Sommer vor der Front auch nicht geradeaus und Tempo gehen wollten, und der einem bekannten, höchst flott reitenden General seine Noth klagte, erhielt zur Antwort: „ Wie können Sie von dem Thiere, das immer die Quere gehen muss, nun auf ein - mal verlangen, dass es geradeaus gehe? “
So geht es mit manchen Remonten, welche in der Bahn durch die Macht der Gewohnheit gehend, ihre Besichtigung bestens be - stehen. Draussen beim Exerciren in der Escadron, wo die rich - tige Zusammenstellung, der frisch entwickelte Gang und der Ge - horsam ihre Rolle spielen, zeigen sie, wie sehr gefehlt wurde.
Seitengänge reiten, zur Vervollkommnung des Schenkelgefühls, zur Biegung der Rippen und Be - freiung der Schulter ist nothwendig und nützlich, es muss aber eine oder die andere Absicht, je nach der Entwickelungsperiode, vorliegen, und sie müssen so ge - ritten werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Aber Seitengänge143Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.reiten, damit das Thier die Quere geht, kann nur auf ganz kurze Strecken zum Schliessen in Anwendung gebracht werden. Sie dürfen nur Mittel zum Zwecke, nicht aber selbst Zweck sein.
Wir haben die Construktion und Thätigkeit der Hinterglied - massen kennen gelernt, wie ihre abschiebenden und tragenden Funk - tionen, und wissen wie an den letzteren alle Gelenke, indem sie sich biegen, gleichmässig Theil nehmen müssen; ferner wie die An - steifung eines Gelenkes eine Unregelmässigkeit im Bruche des Stosses der Last hervorbringt, welche die Nachbargelenke be - droht. Dessenungeachtet sind es doch besonders das Hüft - und Kniegelenk, welche sich durch ihre starke Muskulatur und ihre feste Construktion am meisten zur Aufnahme der Last eignen, die aber eben desshalb am schwersten dafür zu gewinnen sind.
Die meisten Pferde, welche uns jetzt zu Händen kommen, biegen sich leichter in den unteren, wie in den oberen Gelenken, und es sind namentlich die Pferde von guter Race, welche bei kur - zem, festen Rücken die oberen Gelenke ungern hergeben und da - durch, in den unteren sich übermässig biegend, diese ruiniren.
Die Arbeit, diese tragend zu machen, sie zu biegen, nennt man in der Reitersprache: die Hanke biegen. Es wird jedem, der die älteren Autoren gelesen hat, aufgefallen sein, welchen hohen Werth dieselben dieser Arbeit zuerkennen, welche Menge von Lec - tionen sie vornahmen, die Hankenbiegung zu vervollkommnen und wiederum, sie zu produciren. Dies mag theils daran liegen, dass unsere Vorfahren, wie uns die Abbildungen in den Werken de la Guernières, des Herzogs von Newcastle, wie die Bilder Wouver - mann’s und Riedinger’s etc. zeigen, Pferde mit schwerer Vorhand und langem Rücken ritten, welche einer höchst biegsamen Hanke bedurften, wenn sie in Haltung kommen sollten, während unsere144III. Abschnitt. Viertes Kapitel.mehr veredelten Pferde durch biegsamere untere Gelenke und leichte Vorhand von Haus aus mehr Haltung haben. Theils aber war bei den Soldatenpferden der älteren Zeit die Anforderung an Schnel - ligkeit geringer, da bei der unvollkommenen Feuerwaffe es der - selben weniger bedurfte. Der Anspruch auf Gewandtheit war aber trotz der schweren Gebäude höher gestellt; weil der Reiter häufig zum einzelnen Gefechte kam, und die Cavaliere ja selbst oft ihre Duelle zu Pferde ausfochten. So war es z. B. nicht unge - wöhnlich, dass beim Pistolenduell zu Pferde die von vorn kom - mende Kugel durch eine Levade parirt wurde und man so den Pferdekörper zum Schilde machte. So hatte man, abgesehen von den vielen Carroussels, den Nachfolgern der Tourniere, bei denen wohl meist wie bei den Festzügen Schulpferde benutzt wurden, doch damals vielfache Ursache, von Gebrauchspferden eine bedeu - tende Hankenbiegung zu verlangen, die bei uns in weniger hohem Grade beansprucht wird. Der so geringe Werth, den man heute dieser Arbeit zulegt, ist indess keineswegs ge - rechtfertigt, indem es der Vernachlässigung derselben haupt - sächlich zuzuschreiben ist, dass man selbst Pferde, welche gut im Halse gearbeitet sind, Hülfen verstehen und ihnen gehorchen, doch so oft die Haltung in kurzen Paraden und Wendungen ver - lieren sieht.
Die Halsarbeit und der Gehorsam vor dem einseitigen und vortreibenden Schenkel sind nur die Hülfsmittel, um auf die Bie - gung der Hinterhand einzuwirken; und ohne die Hankenbie - gung erlangt zu haben, wird man ausser Stande sein, sein Pferd zu tummeln, und alle Augenblicke auf Momente des Widerstrebens und aus dem Gleichgewichtkommens stossen, die sich durch Vorwerfen im Halse, Stossen auf dem Gebiss etc. äus - sern, aber nicht dort ihren Sitz haben, sondern lediglich Folgen der mangelnden Biegung der Hinterhand und Anstrengungen sind, durch welche das Thier sein verlorenes Gleichgewicht wieder her - zustellen bemüht ist. Statt nun aber das Uebel an seiner Wurzel zu erfassen, sehen wir die Wirkung für die Ursache an und biegen und richten auf, quälen uns in Seitengängen etc. bis wir die Thiere dumm oder stumpf machen, ohne zum Resultat zu kommen. Wir gleichen einem Bauherrn, der, obgleich seine Bau - stätte voll zugerichteten Materials liegt, und er bemüht ist, noch145Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.immer mehr herbeizuschaffen, gleichwohl nicht zum Bauen kommen kann, und so noch immer das interimistische elende Haus bewohnt, während er lange schon im Palast hausen könnte.
Wie oft sehen wir Pferde, die im Halse durchaus nicht kunst - gerecht bearbeitet sind, die kürzesten und engsten[Wendungen] und Paraden ausführen, blos weil ihnen die Natur eine biegsame Hanke gab; und wiederum Pferde, die im Halse auf das sorgfäl - tigste zusammengestellt und im guten Gehorsam gehalten waren, dennoch bei jeder kurzen Wendung und Parade aus der Haltung kommen, weil der Reiter diesen Theil der Ausarbeitung vernach - lässigte! Ich möchte hier wieder die Schuld in die zu ausgedehnte Uebung der Seitengänge setzen und in die Idee, dass sie es na - mentlich seien, welche den Galopp vorbereiten, eine Idee, die man festhält, obwohl bei den zum Seitengange gebogenen Pferden die unmittelbare Wirkung des Anzuges auf die Hanke leicht verloren geht, und es wenige unter unseren Soldaten giebt, welche im Stande wären, diese Seitengänge mit genügend untergescho - bener Hinterhand und einiger Hankenbiegung zu exekutiren.
Ferner scheint mir der Nutzen, den das abgekürzte Trabtempo geben soll, vernachlässigt. Statt dahin zu wirken, dass die Ver - kürzung des Tempos dadurch hervorgebracht wird, dass die weit unter den Leib geschobenen Hinterbeine, wenn auch kräftigst abstossend und schwingend, eben weil sie nicht weit hinter die Vertikale kommen können, ihre Kraft mehr vertikal als horizontal äussern: begnügt man sich mit einem abgekürzten Tempo, das durch geringere Kraftanstrengung des Thieres im För - derungsgeschäft entsteht, mit jenem ledernen, schleichenden, todten Gange, der jeden Kenner zur Verzweiflung bringen muss und das schönste Thier zu einem steilen ungebogenen Bock ver - unstaltet, in dem Reiter aber durch seine ermüdende Langeweile die brausende Lust, die ihn charakterisiren soll, tödtet.
Je länger ein Pferd ist, um so mehr muss es geübt werden die Beine untersetzen und biegen zu lernen, weil eben seine Länge der weiter untergeschobenen Stütze bedarf. Ohne dass das Pferd auf den Schenkeldruck des Reiters lebhaft vortritt, ist das Unter - bringen der Hinterbeine unmöglich. Das gleichzeitige engere Zusam - menstellen des Halses und die dadurch bewirkte Rückführung derv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 10146III. Abschnitt. Viertes Kapitel.Last des Pferdes auf die Hinterhand und das Einwirken der Last des Reiters sind hier allein im Stande, eine derartige Biegung her - vorzubringen, wobei allerdings die Schenkel ein Ausweichen der Kruppe verhindern müssen. Durch das Unterschieben der Hinter - hand werden die Winkel des Hüft - und Kniegelenks namentlich bedeutend verengt und so geneigt gemacht, die Last aufnehmend, sich noch mehr zu biegen.
Die richtige Vollführung des kurzen Trabes, namentlich auf der geraden Linie ohne Kopfstellung ist die wichtigste Lection für die Hankenbiegung. Sie muss jedoch häufig mit frischem Mittel - trabe wechseln.
Hier schliessen sich die halben und ganzen Paraden an, und endlich wird die Uebung im Zurücktreten vorzunehmen sein. Ein richtiger kurzer Galopp wird diese Ausbildung vollenden. Man unterscheide davon wohl den eingeschläferten Galopp, den man so viele Pferde als Folge langgewohnter Einübung auf dem Zirkel vollführen sieht. Dieser Galopp ist der Bruder des oben beschriebenen Trabes im abgekürzten Tempo. Das Thier ist so lange auf dem Zirkel herumgeritten, bis es sich eine Stellung auf - gefunden hat, in der es bei schlaffem Abschub mit todtem Maule, ohne Biegung, von der Faust des Reiters getragen, mit der gewünschten Langsamkeit herumhüpft. Jedes Tempo ausser dem so gelernten bringt es völlig aus dem Gleichgewicht und der Fas - sung, der Exerzirgalopp auf der Haide zum Durchgehen.
Es ist nicht zu läugnen, dass es hin und wieder Pferde giebt, deren Gebäude so durch und durch mangelhaft und schwach ist, dass eine derartige Vereinbarung der einzige Weg ist, sie für den Dienst nur einigermassen brauchbar zu machen. Es sind indessen nur sehr wenige Ausnahmsfälle. Die bei weitem grössere Mehr - zahl der Pferde, die ihre ganze Dienstzeit über todt und ledern bleiben, hätten bei richtiger Dressur und namentlich bei erlangter Hankenbiegung leicht und gefügig werden können.
Die grösste Schwierigkeit macht die Hankenbiegung bei den Pferden, welche durch ungünstigen Bau der oberen Gelenke, steile Winkel in Zusammenfügung von Becken, Backbein und Schenkel - bein, bei weicher Stellung im Sprunggelenk, sich stets nur in die - sem so leicht verletzbaren Gelenke biegen, während sie die oberen festhalten. Es ist bei ihnen selten, dass das Sprunggelenk und147Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.die Fessel nicht ruinirt wird. Bei ihnen ist namentlich durch ein sehr weites Untertreiben der Hinterhand bei möglichst geringer Belastung derselben die grössere Zusammenfügung zu erzielen.
Pferde, welche mit angespanntem Rücken gehen, sind ebenfalls mehr geneigt, sich im Sprunggelenke, als in die Hanken zu biegen. Man hüte sich wohl, diese Biegung anzunehmen; sorge erst für die Abspannung des Rückens, ehe man durch Paraden etc. sich mit Biegsammachen der Hinterhand speziell beschäftigt.
Kombiniren sich die 2 letztgenannten Fälle, tritt vielleicht, wie bei manchem Racekrüppel, noch ein langer, dünner Wackelhals hinzu, so hat häufig das grösste Geschick und die musterhafteste Geduld zu keinem günstigen Resultate führen wollen.
Schliesslich erlaube ich mir die Bemerkung, dass es sehr nütz - lich ist, das Biegen der Hinterhand auf der Stelle zu üben. Man beginnt damit, die Hinterbeine untertreten zu lassen, wie zum Zurück - treten, dann aber statt durch Ueberwiegen der Zügelhülfe ein Zurücktreten zu veranlassen, mit gleichstarken Zügel - und Schenkel - hülfen fortzufahren, die Versammlung zu erhöhen, wobei das Kör - pergewicht die vermehrte Hankenbiegung fordert, bis eine Nei - gung zum Heben der Vorhand und ein Suchen des Gleichgewichts auf die Hinterfüsse erfolgt. Dies Heben der Vorhand kann nur sehr mässig sein, weil die weit untergeschobenen Hinterbeine, wie wir bereits sahen, nur eine sehr geringe Erhebung beanspruchen.
Wir haben gesehen, dass die tragende und fördernde Thätig - keit der Hinterhand in so fern mit einander in Widerspruch stehen, als die höchste Entwickelung der einen mit der höchsten Entwik - kelung der andern sich nicht vollkommen vereinen lässt, indem die ganze Körperhaltung, welche durch die Uebung dem Thiere zur andern Natur wird, stets die eine zum Nachtheile der andern be - günstigen muss. Beim Schulpferde, bei dem es niemals darauf ankommt, einen bestimmten Raum in einer gewissen Zeit zurück - zulegen, wird von der horizontalen Förderung der Last nicht viel die Rede sein; eben so wenig wird man vom Rennpferde eine Haltung auf der Hinterhand verlangen. Der Abschwung bei den Sprüngen des Schulpferdes soll nicht minder kräftig sein, wie beim Rennpferde; aber er wirkt aufwärts, indem er von Füssen gegeben10*148III. Abschnitt. Viertes Kapitel.wird, die von der Vertikalen nur wenig abweichen, wogegen der Abschwung des Rennpferdes bei weit hinter der Vertikalen stehen - den Füssen in sehr horizontaler Richtung wirkt. Die hohe Auf - richtung des ersten wird der grossen Streckung hinderlich sein, wie der vorhangende Hals des Rennpferdes der engen Versammlung.
Beim Campagnepferde, bei dem ich neben der Gewandt - heit, welche ohne Haltung auf der Hinterhand nicht zu erzielen ist, dagegen auch der Räumigkeit bedarf, wird es ein grober Fehler sein, lediglich die Tragfertigkeit der Hinterhand und nicht die fördernde Kraft derselben auszubilden.
Wenn wir wiederum Abschub und Abschwung unterscheiden, so würde die erstere Eigenschaft nur im Schritt ohne die zweite vorgefunden werden. Im Schritt würde sie mithin geübt werden müssen. Das Zackeln der Pferde und demnächst der übereilte Schritt sind diejenigen Gänge, welche durch das Nichtausharren der Hinterbeine hinter der Vertikalen entstehen. Es liegt ihnen allemal ein Verhalten zu Grunde, eine nicht genügende Neigung des Rumpfes in den Gang, durch welche der Körper nicht weit genug über die stützenden Beine hinweggeht, und so die kurzen, raschen Tritte der Hinterhand zur Folge haben muss. Der umge - kehrte Fehler — die zu grosse Neigung des Rumpfes in den Gang — zeigt sich durch zu weites Nachtreten der Hinterhand und Auf - lümmeln auf die Hand, um auf derselben eine Stütze zu finden, ohne die das Thier fortstürzen würde. Eine zu gewaltsame Ein - wirkung durch das Gebiss, eine verfrühte und zu enge Zusammen - stellung des Halses tragen oft beim ersten Anreiten die Schuld jenes Verhaltens, das sich durch mangelnde Anlehnung an die Hand fühlbar macht. Oft ist aber auch eine zu biegsame, weiche Hinter - hand Schuld, die der Reiter Anfangs durch zu starke Belastung der abschiebenden Kraft beraubte. Endlich liegt dies Verhalten oft in dem Anspannen des Rückens. Vorwärtsreiten in starken Gän - gen wird den Rücken abspannen, das Pferd an den Zügel treten lassen und zum Schrittgehn bringen. Alle halben Paraden und versammelnden Hülfen sind beim Zackeln, woraus es auch immer entspringen mag, fehlerhaft.
Bei Uebung des Trabes haben wir nicht nur den Abschub, sondern auch den Abschwung ins Auge zu fassen. Der Abschwung kann und muss kräftig sein, sowohl im kurzen, wie im gedehnten149Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.Trabe. Das schlaffe Tempo im abgekürzten Trabe, das man so häufig auf dem Zirkel reiten sieht, untergräbt die Energie des Abschubs. Hält man durch Anfeuern des Pferdes darauf, dass es in jeder Art des Trabes kräftig abschwingt, und gönnt man durch den Schritt in angemessenen Reprisen dem Thiere wieder Ruhe, so wird man die Muskeln kräftigen und den Abschwung immer mehr und mehr vervollkommnen.
Das lange Ausharren der Hinterbeine hinter der Vertikalen wird auch im Trabe eine Sache der Uebung sein müssen. Wie im Schritt ist eine vorzeitige zu enge Zusammenstellung des Halses zu vermeiden, auf die ruhige Hergabe des Rückens zu achten und dem Pferde eine stärkere Anlehnung auf das Gebiss zu gestatten.
Es ist hier oft schwierig, die richtige Vertheilung der Last für den Reiter zu finden, indem bei Pferden, welche zur Rücken - anspannung vermöge eines kurzen festen Rückens geneigt sind, die Belastung des Rückens zwar die Hergabe desselben befördert, und so das Ausharren hinter der Vertikalen begünstigt, indess den Ab - schwung beeinträchtigt. Im Beginne der Dressur scheint mir die Hergabe des Rückens das zuerst Nothwendige und erst dann, wenn diese gesichert, die Befreiung der Hinterhand durch eine grössere Vorneigung des Reiters an ihrer Stelle. Bei Pferden von schwachem und langem Rücken würde diese Vorneigung beim stärkeren Trabe und den Uebungen im gedehnten Schritt stets an ihrem Orte sein.
Im Galopp hüte man sich, bei verhaltenen Pferden den kurzen Galopp zu frühzeitig anzunehmen, und übe ihn dann erst, wenn das Thier den Rücken und einen längeren Sprung mit guter An - lehnung hergiebt und so zeigt, dass es lange genug hinter der Vertikalen ausharrt. Wenn diese Pferde sich beim Eingehen aus dem kürzeren in den stärkeren Trab vom Zügel losmachen und mit angespanntem Rücken in einen kurzen Galopp setzen, und da - durch ihre Abneigung zum Ausharren zu erkennen geben, so setze man sie niemals in den Schritt, sondern verstärke den Galopp bis zum Herantreten an die Hand, und führe sie alsdann erst in den Trab zurück. Pferde von ganz schwachem Rücken zeigen gleich - falls häufig eine Abneigung zur vermehrten Dehnung desselben, welche mit dem stärkeren Galopp verbunden ist, indem sie die Einwirkung der Last fürchten. Bei ihnen muss der Reiter seine150III. Abschnitt. Viertes Kapitel.Last durch Vorneigen vermindern (während er im vorigen Fall in einer ruhigen Belastung verharrt) und höchst vorsichtig zu Werke gehen.
Man hüte sich ferner, die verhaltenen Pferde, die keinen Schritt und geräumigen Trab haben, als gebessert anzusehen, wenn sie mit der Mehrzahl der Pferde im Schritt und Trabe mitkom - men. Es fragt sich hauptsächlich, wodurch sie an Geschwindigkeit in diesen Gängen gewonnen haben. Ist es ein Resultat der ver - mehrten Geschwindigkeit, und nicht der grösseren Weite des Trittes, so ist nichts gewonnen. Sind aber gar die Gänge, was meist der Fall ist, unrein, so begnüge man sich ja nicht mit dem Resultate. Es wird bald das Thier zu Schanden machen. Ohne Gleichzeitigkeit in den Funktionen der Vor - und Hinterhand ist jeder Trabtritt falsch, ohne Innehaltung der 4 Zeiten — jeder Schritt.
Die Karrière wird sehr viel zur Ausbildung der fördernden Kraft beitragen. Da bei den stärkeren Gängen der Schwerpunkt des Pferdes mehr nach vorn geneigt ist; oder mit anderen Worten, da sie eine vermehrte Neigung des Rumpfes in den Gang nöthig machen, damit das Körpergewicht die Geschwindigkeit vermehren hilft und damit die Hinterbeine, von der Last befreit, um so stär - ker schieben und schwingen können, so muss das Pferd in denselben stärker an die Hand des Reiters gehen.
Die Karrière verlangt mithin die stärkere Anlehnung, nächst ihr der starke Galopp und der gestreckte Trab. Ein Nachgeben der Hand des Reiters in diesen Gängen darf nur so weit erfolgen, als es die weniger enge Zusammenstellung des Halses bedingt.
Dies Nachgeben wird mithin nur beim Eingehen in den Gang erfolgen dürfen. Es würde indess vollkommen verkehrt sein, dem Thiere eine volkommene Zügelfreiheit zu geben. Die Hand darf nicht mehr nachgeben, als die allmälige Dehnung des Halses ver - langt, und die bestimmte Anlehnung in keinem Moment unter - brochen werden. Das plötzliche Nachgeben der Zügel, verbunden mit einem Vorfallen des Reiters, wird oft einen plötzlichen Still - stand des Thieres, statt der erwarteten Schnelligkeit hervorrufen, indem das Thier plötzlich nach vorwärts aus dem Gleichgewicht gebracht, nur dadurch vor dem Sturz sich zu retten weiss, dass es die Vorderbeine vor die Last bringend, auf die Blätter parirt. Die151Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.Faust des Reiters muss in den starken Gängen dem Pferde eine Stütze gewähren, ohne welche ein dreistes Fortgehen in denselben unmöglich wird. Endlich muss der Reiter durch sein Körper - gewicht die fördernde Thätigkeit der Hinterhand begünstigen.
Wenn die Vorderbeine auch mehr zum Stützen als zum Schie - ben und Schwingen bestimmt scheinen, und sie gegen die Hinter - hand, namentlich in Bezug auf die letztere Funktion sehr im Nach - theil stehen, indem sie die Last nie los werden, und diese den freien Abschwung nur in geringem Masse aufkommen lässt, so müssen wir, ausser auf die Entwickelung der Schulter nach vorwärts zur stützenden Thätigkeit, doch auch darauf bedacht sein, ihre fördernde zu cultiviren. Endlich aber wird es nöthig, das Thier zu lehren, durch leichtes und schnelles Seitwärtstreten sein nach der Seite hin verlo - renes Gleichgewicht wieder herzustellen.
Alle Uebungen in diesen Bewegungen nennen wir in der Reiter - sprache: die Schulter entbinden, und ein Pferd, welches durch dieselben die nöthige Leichtigkeit darin erlangt hat, schulterfrei.
Da indess die freie Bewegung der Schulter nicht nur von der Belastung der Vorhand durch den Hals abhängt, und selbst die Muskelstellung beim aufgerichteten Pferde vortheilhafter auf die Bewegung der Schulter einwirkt; da die Lage des Rückens wie - derum auf die Belastung der Vorhand influirt; ferner alle Funk - tionen der Hinterhand, namentlich die Hankenbiegung, die Action der Schulter begünstigen oder beeinträchtigen; endlich aber die Seitenlectionen zur Cultivirung der Schulterfreiheit die Hauptmittel abgeben: so wird erst dann von einer eigentlichen und spe - ziellen Bearbeitung der Schulter die Rede sein können, wenn ich mit Bearbeitung des übrigen Körpers fertig bin, obschon durch die ganze Dressur eine fortwährende Berück -152III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.sichtigung derselben hindurchgehen und alles vermieden werden muss, was ihre natürliche Freiheit beeinträchtigen könnte. Es ist mir desshalb unerklärlich, dass so viele Reiter mit dieser Arbeit fast beginnen wollen.
1. Entbindung der Schulter nach vorwärts. Die Sicherheit des Pferdes hängt hauptsächlich von dem Vermögen ab, das Vorderbein so weit vorzusetzen, dass es die sich vorwärts bewegende Last stützt, und von dem genügenden Heben des Beines auf seinem Wege von hinten nach vorn. Dem Pferde das weite und erhabene Vortreten zu lehren, die heraufziehenden Mus - keln der Schulter und des Oberarms zu üben, hat man hauptsäch - lich die Seitengänge in Anwendung gebracht. Der Marquis von Newcastle, von dem schon vielfach die Rede war, ist auch der - jenige, welcher die Lection „ Schulter herein “zuerst in Anwen - dung brachte.
Es ist ausser allem Zweifel, dass die richtige Anwendung der Seitengänge die Thätigkeit der Vorderbeine ausserordent - lich vermehrt. Beim Schulterherein ist das Pferd genöthigt, mit dem inwendigen Vorderfusse weit und erhaben über den auswen - digen hinweg zu schreiten, und übt sich dadurch in der freien und weiten Erhebung, wogegen der auswendige genöthigt ist, dauernd die Last zu stützen. Hiebei kommt es wiederum darauf an, dass der Reiter mit seiner Last den inwendigen Vorderfuss schont und den auswendigen beladet, vor allem aber nicht duldet, dass das Thier mit den Vorderbeinen weit unter den Leib ar - beitet. Steht der auswendige Vorderfuss weit unter dem Leibe, so bedarf der inwendige keiner hohen und weit nach vorwärts führenden Bewegung, um über ihn hinweg zu schreiten, und von einer Entbindung der Schulter wie von einer Ausbildung der heraufziehenden Muskeln der Schultern und des Oberarms ist nicht die Rede.
Es wird dies Untersichtreten aber auch ein Zeichen von schlechter Gewichtsvertheilung von Reiter und Pferd sein, und der Seitengang im Trabe, in dieser Art geritten, ist ein sicherer Ruin der Beine.
Ist bei Schulter herein im Trabe der Reiter geschickt genug, den Abschwung zu entwickeln, so wird diese Lection von der grössten Wirkung sein. Es ist nur zu bedauern, dass die Mittel153Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.so weniger Reiter zu deren guter Ausübung ausreichen, und die - selbe in ein schonungsloses Seitwärtsfallen der Pferde mit unter dem Leibe arbeitenden Vorderbeinen und verdrehtem Halse aus - artet, welches, statt die Schulter zu erleichtern, bei der Schwierig - keit die Hinterhand gehörig untergebogen zu erhalten, die Schulter belastet. Bei der Cavallerie scheint mir die Entbindung der Schulter durch diese Lection mehr Schaden als Nutzen zu bringen, und zur Entbindung der Schulter scheinen mir die Trabübungen um so ausreichender, als die Mehrzahl der Remonten schon von Haus aus einen genügenden Gang zeigt, und nur selten ein Thier mit beladenen und gebundenen Schultern geliefert wird, bei dem jene Arbeit unerlässlich ist. Zu diesen Wenigen wird man gewiss hinreichend gewandte Reiter haben, und bei ihnen Schulter - herein im Trabe — ausnahmsweise — in Anwendung brin - gen können.
2. Die Uebung des Ausharrens hinter der Vertikalen ist be - sonders bei solchen Pferden zu berücksichtigen, welche sich im Gange übereilen, im Schritt zu zackeln und im Trabe zu haspeln pflegen. Es ist hievon schon bei der Ausbildung der Hinterhand die Rede gewesen. Es muss vor allem darauf gesehen werden, dass diese Thiere an die Zügel kommen, und müssen alle diejenigen Gangarten, welche den noch unbeseitigten Zwang in zu erhöhtem Grade fühlbar machen, so lange gänzlich vermieden werden, bis dieser Zwang durch vorsichtige Arbeit beseitigt ist.
Der Nichtkenner wird stets geneigt sein, die Räu - migkeit des Ganges nach der Action der Vorderbeine zu beurtheilen, und es sind auch Kenner geneigt, dieses Ur - theils wegen mehr Rücksicht auf einen hohen und schwebenden Vortritt zu nehmen, als er verdient. Sie bemühen sich von Anfang an, ihn hervorzurufen, selbst wenn er mit einer unrichtigen Anleh - nung und einer krampfhaften Muskelanspannung erfolgt. Dieses sogenannte Trittherausreiten ist ganz gut für den Pferdehandel, indess schlecht für die Dressur. Nament - lich ist es der sogenannte stehende Tritt, welcher auf eine schädliche Art befördert zu werden pflegt. Es ist derjenige Tritt, welcher mit steifen Knien ausgeführt wird, und bei dem das Bein einen Moment der Ruhe in der Luft zu haben scheint. Dieser Moment der Ruhe, des Schwebens in der Luft entsteht aber dadurch,154III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.dass das Bein weiter zeigt, als der Nachschub den Pferdekörper bringt, und mithin das Bein, statt vorwärts zur Erde zu treten, zurückgezogen werden muss. Daher die Erscheinung, dass dieser Tritt, bei dem das Pferd zu fliegen scheint, so wenig räumt. Wenn nun der Reiter, statt durch weiteres Vorlegen des Schwer - punktes und durch Erleichterung der abschwingenden Hinterhand den Schwung zu vermehren, denselben durch eine höhere Ver - sammlung noch vermindert und erstickt, so wird die Action immer noch erhabener und schwebender, aber auch noch weniger räumend werden, und die Hinterhand endlich erliegen. Man suche ja keinen Ruhm in dem, was Nichtkenner schön nennen, und suche diesen falschen Tritt zu unterdrücken, indem man den Abschub befördert.
Andere Reiter sieht man lange Thiere, welche wegen grosser Belastung der Vorhand das Bein unter dem Leibe nicht vorbringen können, weil die Last den Abschwung der Vorderbeine tödtet, fortwährende Uebungen im langen Trabe vornehmen, um diesen so durch Uebung zu erlangen. Einige leidliche, schwunghafte Tritte, welche in dem Moment möglich werden, wenn der Reiter den Kopf und Hals auf seiner Faust trägt und so die Vorhand für den Augenblick erleichtert hat, lassen ihn glauben, dass er auf dem rechten Wege sei, und er fährt fort so lange im starken Trabe das Pferd auf den Kopf zu reiten, bis die krummen und zitternden Vorderbeine ihm die Resultate seines Verfahrens klar machen. Ist der Körper so zusammengestellt, dass der überhan - gende Hals sich selbst tragen gelernt hat und nicht mehr vorn übersinkend, die freie Schulterbewegung hemmt, so wird das Thier traben und die Vorderbeine heben lernen, wenn auch mit etwas schnelleren Tritten, und das Eisengreifen, welches durch das Un - vermögen, das Bein schnell genug unter so grosser Last zu erhe - ben, entsteht, wird von selbst aufhören.
Eben so ist, wie wir gesehen, dem angespannten Rücken der Widerwille gegen Dehnung der Beine sowohl vorwärts, wie rück - wärts eigen. Bei ihm ist freies Auseinanderreiten und eine Uebung des starken Tempos in langen Reprisen an seiner Stelle, und wird alsdann mit der Hergabe des Rückens, wenn er erst durch alon - girten Galopp gewonnen, der lange Trab sich von selbst ent - wickeln.
155Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.Es scheint hier am Orte zu sein, ein Wort über den starken Trab einzuflechten. Es wird von vielen Reitern die Ausbildung eines sehr starken Trabes als ein Gegenstand der Renom - mage angesehen, und sie suchen diese Eigenschaft ihres Pferdes bei jeder Gelegenheit geltend zu machen. So angenehm es auch ist, im ruhigen Trabe bleiben zu können, wenn alles umher galop - pirt, so muss man sich doch klar sein, dass dieser starke Trab das Pferd bedeutend angreift. Das Pferd muss im Trabe den Körper mit einem Hinterbeine abschwingen, während es denselben im Galopp mit beiden weiter fördert. Denn die Zuhülfnahme des correspondirenden Vorderbeins hat, wie vorhin gesagt, wenig zu bedeuten. Im Galopp wird von den Vorderbeinen Aehnliches geleistet. Es ist aber ferner der Stoss beim Niederfall des Reiters, der den Athemzug des Pferdes unterbricht, während derselbe im Galopp nach dem Sprunge sich regelt. Beim Englischtraben ist dies allerdings weniger der Fall, doch hat dieses Heben und Senken des Körpers auf die Dauer den Nachtheil, dass das Pferd ungleich - mässig tritt, und dadurch dauernd ein Bein mehr als das andere gebraucht und verbraucht. Es wird mithin der starke Trab sowohl Muskeln als Athem mehr angreifen, als ein gleichräumiger Galopp, wie man sich leicht durch Abreiten von bestimmten Distanzen überzeugen kann; wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass das Thier im Galopp eine ruhige Haltung haben muss, nicht mehr stürmt etc. Eine andere Manie, welche den Bahnreitern namentlich anklebt, ist die Erzielung eines überaus kurzen Galopps. Das derselbe zur Regelung des Ganges, zur Erlangung einer sicheren Haltung in kurzen Wendungen etc. nothwendig ist, bedarf keiner Auseinandersetzung; aber man betrachte ihn nur als ein Mittel zum Zweck, nicht aber als den Zweck selbst; namentlich als ein Mittel, um einen geräumigen Galopp in guter Haltung zu erlangen, und glaube nicht die Ausbildung im Galopp eher voll - endet, als bis diese schöne Gangart erzielt ist. Die Bahn ist allerdings nicht der Ort dafür. Man übe ihn mit den Pferden, ehe sie in die Escadron eingestellt werden auf freiem Felde, und halte fest an die 500 Schritt in der Minute, die das Reglement vorschreibt. Wenn die Pferde sich in diesem Tempo mit guter, leichter Anlehnung halten, ohne dass ein Trei - ben, oder alle Augenblick ein Sammeln nöthig wird,156III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.so hat man besser dressirt, als wenn man auf der Stelle zu galoppiren vermag.
Eben so fehlerhaft ist es, dass man die Carrière nicht zu einem Gegenstand besonderer Uebung macht. Sie kommt beim Cavalleristen ja alle Tage vor. Es heisst immer: „ Laufen werden sie schon. “ Aber wie laufen sie, und wie ist es mit dem Halten, von dem wir ja noch immer aus der Carrière bei den Exerzir-Uebungen nicht ablassen können! Ganz abgesehen davon, dass der Lauf für viele Pferde eine treffende Lection in Hergabe des Rückens und Beförderung des Abschubs, und es nicht leicht ist, in einer richtigen Art das Thier zur Hergabe seiner vollen Geschwindigkeit zu veranlassen; wie häufig kommen nicht beim Laufenlassen neue Mängel der Dressur zum Vorschein, die zu bessern in der Exerzirzeit nicht mehr wohl angeht. Der Re - monten dressirende Offizier habe stets den Dienst des Thieres im Gliede vor Augen, und hüte sich vor allem, es durch andauernde Lectionen träumerisch einzu - lullen. Der Lärm des Exerzirens, Attaquen und Schiessen weckt sie doch endlich auf, und dort ist keine Zeit mit dem Pferde zu kämpfen. Der Kampf muss vorüber sein, und das Thier trotz des Temperaments gehorchen gelernt haben.
Nachdem wir nun die Bearbeitung der einzelnen Theile vor - genommen, so sei hiebei schliesslich noch einmal erwähnt, dass man bei allen Uebungen darauf zu halten hat, dass man den Gang des Pferdes nie stört und ihn stets als einen Regulator für die Arbeiten ansehen muss. Sobald man durch Einwirken auf einen oder den andern Theil des Pferdes ein Durcheinander - gehen, eine Taktlosigkeit des Ganges hervorbringt, ist man mit der Anwendung einer Art der Hülfen zu weit vorgegangen und muss eine Ausgleichung hervorbringen. Achtet man nicht hierauf, so wird man den Gang leicht für immer verderben, indem jede Regellosigkeit in der naturgemässen Bewegung eine vermehrte tragende oder fördernde Thätigkeit eines Theiles bedingt, diesen aber auch stärker angreift und mit der Zeit verdirbt. Es ist nicht blos die Macht der Gewohnheit, die den Antritt oder den übereilten Gang her - vorbringt, es ist mit der Zeit die Schwächung von Muskeln und Sehnen, die ihn unverbesserlich macht. Das Zusammen -157Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.fallen der Funktionen der correspondirenden Vorder - und Hinter - beine im Trabe, die taktmässigen 4 Tempos im Schritte dürfen nie gestört werden, ohne dass der Reiter den Grund dieser Störung aufsucht und bessert.
3. Die Entbindung der Schulter seitwärts wird durch die Seitengänge erreicht und ist namentlich das häufige Wechseln derselben zu empfehlen. Demnächst aber sind die raschen Wendungen im Trabe und Galopp sorgfältig zu üben, wozu gleich - falls die Uebungen im Contregalopp gezählt werden müssen, indem das blosse Eckennehmen im Contregalopp schon eine schwierige Uebung ausmacht, da hier nicht das vorgreifende, sondern das zurückstehende Bein, das ja namentlich die Vorhand trägt, die Wendung ausführen muss. Wie sehr bei diesen Uebungen das Körpergewicht des Reiters mitwirkt, wird Jeder erfahren haben, wer sie je benutzte. Wie sie Herr von Hochstetter zu Wege gebracht hat, ist mir unerklärlich.
Nicht alle Pferde der Cavallerie werden sich zu einer weiteren Ausbildung — zum Tummeln — eignen. Man wähle sie aus und mache aus den besseren solche Pferde, worauf angehende Remontereiter ein richtiges Gefühl für die Zusam - menstellung bekommen können, die anderen aber zu brauchbaren Gliederpferden. Wenn man bei den ersteren die Anforderung an Biegsamkeit und Nachgiebigkeit wohl kaum hoch genug spannen kann, weil sie die Lehrmeister der Mann - schaften werden sollen, so kann man meines Erachtens mit unre - gelmässigen Gebäuden nicht schonend genug verfahren. Sind sie so zusammengestellt, dass sie, ihre Gliedmassen conservirend, den Anforderungen der taktischen Bewegungen genügen, so befriedige man sich damit, störe nicht durch engere Zusammenstellung, als ihr Bau erträgt, ihren Gang, bringe sie nicht des Bahngalopps wegen hinter die Hand und habe stets die Tempos von 300 Schritt im Trabe und 500 im Galopp vor Augen, den Marsch und das Exerziren, nicht aber die Bahn und die Frühjahrsbesichtigung. Es wird gewiss jeder Vorgesetzte lieber sehen, dass der Galopp einer Abtheilung der ersten Klasse weniger kurz und versammelt ist, ein oder zwei Pferde der vorletzten Remonte sich weniger vollkommen produziren, als dass die schlecht gebauten Pferde der Escadron vom Exerziren zurückbleiben, weil sie die Tempos nicht158III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.halten können, und wohl hinterm Zügel einen kurzen Galopp machen lernten, aber nicht die Beine brauchen. Die Zahl derjenigen Pferde, die den Anforderungen, welche die Bahnreiterei und die Evolou - tionen stellen, nicht gleichzeitig genügen können, wird, Dank un - serm Remontirungswesen! allerdings nur gering sein, aber auch an diesen unangenehmen Geschöpfen sollte man sich nicht versündigen und sie nicht einem falschen Ehrgeize, der Alles möglich machen will, opfern.
Es hat sich schon vieles in dieser Beziehung gebessert. Die Zeiten, wo der Galopp in der Front kürzer war wie der Trab, sind vorüber und mit dem festen Beharren auf den Galopp zu 500 Schritt seiten der Vorgesetzten, ist bereits eine bessere Dressur eingetreten. Man hat doch mehr Achtung für das Gehvermögen der Thiere be - kommen, während man früher sich mit dem begnügte, was man „ Haltung “nannte; eine Zusammenstellung, welche aber sofort zur Haltungslosigkeit wurde, wenn man zu den starken Gängen kam. Doch es giebt ja noch immer Reitlehrer, deren System sich mit der Carrière durchaus nicht verträgt, und die dennoch in den Augen vieler Cavalleristen nicht weniger hoch stehen.
Nachdem wir im ersten Theil das Gebäude des Pferdes betrachtet haben und die Funktionen der Gliedmassen im Gange; erkannt, wie Verständniss, Gehorsam und Körperausbil - dung die Dressur bedingen; gesehen, welche Dressurmittel wir zur Verwendung haben und wie sie einwirken; erforscht, welche Umgestaltungen oder Befähigungen die einzelnen Theile des Pferdes erlangen müssen, theils unsere Hülfen zur Geltung zu bringen, theils um das Pferd geschickt zu machen unseren Willen zu vollziehen, und so das Material gesammelt haben: wird es die Aufgabe des zweiten Theils sein, zu zeigen, wie wir in einer systematischen Reihenfolge von Lectionen Verständniss, Gehorsam und Körperausbildung gleichzeitig, neben einander zu entwickeln haben, um ein Thier zu gewinnen, das bei möglichster Conservirung seines Körpers unseren Willen auf das gegebene Zeichen schnell und sicher auszuführen vermag.
Die grosse Verschiedenheit in der Befähigung der verschiedenen Reiter zum Lehren, der verschiedenen Pferde zum Lernen, wird die Bestimmung des Zeitmasses für einzelne Lec - tionen natürlicher Weise unmöglich machen. Arbeiten, hier viel - leicht in wenig Zeilen berührt, werden lange Zeit und andere, hier in grosser Ausführlichkeit behandelt, nur wenig Stunden in An - spruch nehmen.
Wir haben zur besseren Uebersicht des Ganzen eine Einthei - lung in Abschnitte und Perioden gewählt, und ist beispielsweise hier und da gezeigt worden, wie man die Lectionen mit einander zu verbinden und die Ruhemomente für den Unterricht auszu - beuten hat. Besprechungen über Gegenstände der Dressur sindv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 11162Vom Gange der Dressur.in die Lectionen eingemischt, wo sie mir hauptsächlich hinzuge - hören schienen, anderseits sind wichtige einzelne Regeln, auf welche es namentlich anzukommen scheint, oder gegen welche vielfach gesündigt wird, mit gutem Bedacht wiederholentlich angeführt. Sollten dann und wann auch hier militärische Seitenwege uns etwas weit fortgeführt haben, so bitte ich meinen vielleicht nicht militärischen Leser nochmals um Geduld.
Wenn endlich meist auch nur von der Dressur eines Pferdes die Rede ist, so ist, wo die Dressur in der Abthei - lung eine Aenderung nöthig macht, deren besonders Erwähnung gethan und in zerstreuten Bemerkungen die Rücksichtsnahme dar - auf festgehalten worden.
Wir sind dem Grundsatze treu geblieben, in unserem Leser einen Mann vorauszusetzen, der sein gerittenes Pferd mit den üblichen Hülfen und in den üblichen Lectionen zu tummeln ver - steht, und haben uns deshalb auf Auseinandersetzungen von der Art, wie die Hülfen zu geben und die Lectionen zu reiten sind, nur da eingelassen, wo besondere Rücksichten oder differirende Ansichten es zu verlangen schienen.
Als Anhang erlaube ich mir eine Besprechung über die ver - schiedenen Ansichten in Rücksicht auf die Pflege und Condition der Cavalleriepferde zu geben, worin vielleicht auch mancher Pferde - liebhaber, der nicht Soldat ist, einiges ihn näher berührende fin - den wird.
Es wird häufig die Frage aufgeworfen: „ Mit welchem Lebensjahre des Pferdes man am zweckmässigsten mit der Dressur beginne? “ Es ist fast allgemein das vollendete 5. Lebensjahr als solches bezeichnet worden und es wird als Grund dafür angegeben, dass unter naturgemässen Verhältnissen alsdann die Körperausbildung des Thieres vollendet sei, wie die Natur durch den vollendeten Zahnwechsel dieses schon anzeige. Es sind aber leider die naturgemässen Verhältnisse nicht immer eingehalten. Das nach englischer Manier aufgezogene, von Jugend auf mit Futter getriebene Pferd wird z. B. seine Körperausbildung bei weitem früher erreichen, als das in seiner Jugend knapp und küm - merlich gehaltene litthauische Pferd. Das Beispiel der Englän - der, ihre Pferde schon 2 - und 3-jährig die Rennbahn betreten zu163Einleitung.lassen, hat manchen Anglomanen veranlasst, auch sein Pferd gar früh unter den Sattel zu bringen. Er hat nicht bedacht, dass sein Thier weder jene treibhausartige Frühreife hatte, noch einen so leichten Reiter wie den abgeschwitzten Jokey, noch endlich die sorgfältige Pflege nach jedem Ritt, welche der englische Stall gewährt, und hat es eher zu Schanden geritten, als es von Rechtswegen den Sattel hätte tragen sollen. Das lit - thauische und manches andere knapp gefütterte Pferd von guter Race ist mit fünf Jahren noch nicht ausgebildet und bedarf, wenn es, vor Fehler bewahrt, eine lange Dienstzeit erreichen soll, einer langen Schonung.
Die vollendete Körperausbildung wird mithin und nicht das Alter den Zeitpunkt der zu beginnenden Dres - sur bestimmen. Das vorherige Gewöhnen an den Rei - ter, das sogenannte „ spielende Anreiten “möchte ich nicht anrathen. Junge Dinger von Race und Temperament bringen den erfahrensten, geschicktesten und geduldigsten Reiter in verlegene Situationen, wo er sie anfassen muss, wenn er nicht befürchten soll, dass sich diese oder jene Unart zur bösen Angewöhnung aus - bilde. Eben so wenig ist das frühe Longiren anzurathen, wenn es nicht von dazu völlig Befähigten geschieht, indem dadurch nicht nur später schwer zu beseitigende Verbiegungen des Halses ange - wöhnt werden, sondern auch leicht die Beine, namentlich die Hin - terfesseln leiden. Jeder Bereiter wird gewiss lieber das ganz rohe, als ein ungeschickt longirtes, oder schlecht ange - rittenes Pferd in Dressur nehmen. Das Gehenlassen im Bewegungsraume (Fohlengarten) viele Stunden des Tages und eine recht gute Behandlung von Seiten der Wärter sind die besten Vorbereitungen zur Dressur. Es wird dadurch die Muskulatur gestärkt und das Thier dem Menschen gegenüber vertrauensvoll und handhabig.
Noch schwieriger ist es, die Dauer der Dressur auch nur annäherungsweise zu bestimmen. Es sind die Gebrauchszwecke so unendlich verschieden, dazu kommen noch die individuellen Anforderungen, die jeder Reiter verschieden stellt, dass hierin allein schon ein grosser Unterschied liegt. Der Gutsbesitzer, der sich auf seinem Terrain umsehn will, bedarf eines Pferdes, das unermüdlich und ruhig durch11*164Vom Gange der Dressur.Hecken, Sumpf und Graben kriegt; der reiche Handelsherr will auf stattlich paradirendem Rosse eine Stunde bequem die ebenen Parkwege durchreiten; dem Infanterieoffizier ist die Ruhe seines Pferdes bei Trommel und Schuss ein Haupterforder - niss; der Cavallerieoffizier verlangt über Gangart und Tempo auf das zuverlässigste verfügen zu können etc. Und doch ist der Kaufmann, der am meisten mit seinem Pferde zu glänzen wünscht, vielleicht ein eben so furchtsamer als schlechter Rei - ter; der Infanterieoffizier, welcher die meiste Abrichtung verlangt, untergräbt den Gehorsam durch Ungeduld und Incon - sequenz der Hülfen; der Tempo verlangende Cavallerist hat einen unruhigen Sitz und der Gutsbesitzer ist roh in sei - nen Hülfen.
Eben so verschieden sind nun auch noch die Dressurob - jekte ihrem Gebäude, Temperament und ihrer Vorbil - dung nach und oft gerade dem Gebrauchszweck wenig angemessen. Jener Gutsbesitzer übergibt dem Bereiter ein schwaches, selbstgezogenes Thier von Race und Temperament, das er selbst angeritten und bereits halb stetig gemacht hat und glaubt dasselbe bei den geringen Dressuranforderungen, die er stellt, baldigst wieder bekommen zu können. Der Banquier hat ein mächtiges englisches Thier vom Prinzen X. gekauft, das zur Jagd vorbereitet ward, und glaubt es binnen 3 Monat völlig für seinen Gebrauch umgeschaffen, obschon er besonders einen recht weichen, kurzen Paradegalopp verlangt. Der Herr Major bringt vielleicht ein völlig rohes Thier von der Weide, das vor - läufig auf Auge und Ohr gleich furchtsam ist. Der Caval - lerist einen Hitzteufel mit wackeligem Halse. Wenn nun der Bereiter in solchen schlagenden Fällen auch von Hause aus wenig Aussicht auf Realisirung der sanguinischen Hoffnungen seiner Klienten hat, so wird auch bei weniger in’s Auge springenden Uebelständen die Körperbeschaffenheit in vielen Fällen die Dressur oft höchst unerwartet schwer und zeitraubend machen. Alle Ab - weichungen von der Regelmässigkeit werden Verände - rungen in der natürlichen Haltung nöthig machen; diese aber Anspannungen und Abspannung von Muskeln, die mit solcher Consequenz der Zeit nach durchgesetzt werden müssen, dass sie eine neue künstliche Haltung zur Gewohnheit machen. Dem Pferde165I. Abschnitt. 1. Periode.lehren, diese künstliche Haltung für Momente anzunehmen, ge - nügt dem Händler — nicht aber dem Besitzer. Schnell sind von geschickten Abrichtern „ Verständniss “und „ Ge - horsam “erweckt, aber die „ Körperausbildung “erfordert Uebung, die Uebung — Zeit. Es dürfte schwer sein ein Pferd von guten Anlagen für den Militairgebrauch unter 6 Monat, von mittelmässigen Anlagen unter 1 Jahr völlig geschickt zu machen. Sehr unregelmässige Gebäude bedürfen oft während ihrer ganzen Dienstzeit häufigen Nacharbeitens und werden deshalb für schwache Reiter niemals dauerd brauchbar. — Eben solche immer wiederkehrende Arbeit bedürfen Pferde von sehr heftigem Temperament, weil deren Gehorsam immer in Uebung erhalten sein will.
Wir nehmen an, dass uns das Pferd roh in die Hände komme, dass es allerdings gewohnt sei an Halfter oder Trense geführt zu werden, aber noch keinen Sattel getragen hat. Dieser Fall ist vortheilhafter, als wenn wir das Thier vom Händler bekommen, wo es bereits die jüdische Musterungsdressur erhalten hat. Die Angst vor der Peitsche hat es dort nur gelehrt, wenn es herausgeführt wird, in höchster Aufregung loszugehen und hat es wohl aufmerksam, aber auch misstrauisch gemacht. Es wird Tage der freundlichsten Behandlung bedürfen, um diese Ein - drücke zu verwischen und es wieder zu der Gemüthlichkeit zu bringen, welche der Dressur so förderlich ist.
Das erste Auflegen des Sattels muss im Stalle ge - schehen, wenn der Verdauungsprozess des Pferdes beendigt ist und hat man streng darauf zu halten, dass das Pferd so gegurtet werde, dass anfänglich sämmtliche Gurte nur ganz lose anstehen, dann aber vom vordersten Gurt an, dieselben Loch um Loch fester angezogen werden, und namentlich bei Grasbäuchen die hintersten166Vom Gange der Dressur.Gurte nicht zu fest angespannt sind. Das ruckweise Satteln, wobei die Leute die ruckende Faust noch mit den Zähnen, welche in die Sattelstrippen einbeissen, zu unterstützen suchen, muss na - mentlich bei jungen Pferden gänzlich vermieden werden, weil da - durch ein Aufblasen des Leibes, Krippenbeissen etc. dem Pferde angewöhnt wird. Zu festes Anziehen der Gurte verleitet die Thiere zum Rückenanspannen, Sichzusammenziehen und Bocken. Man thut besser, wenn das Thier bereits gegangen, nachzu - gurten. Selbst von denkenden Reitern wird auf die Behandlung der Pferde im Stall noch immer zu wenig Rücksicht genommen, und man hält sich zu wenig im Stalle auf, als dass man des vernunftgemässen Verfahrens der Diener - schaft sicher wäre. Man sollte mindestens die ersten 4 Wochen nie ein rohes Pferd satteln und zur Bahn füh - ren lassen, ohne selbst zugegen zu sein. Was hilft uns die rationellste Behandlung in der einen Dressurstunde, das sanf - teste, schonenste Verfahren, wenn der Bursch im Stalle den Grund zu Misstrauen, Aengstlichkeit und vielen schlimmen Gewöhnungen legt, oder beim Führen vielleicht durch ein Paar Rucke mit dem Zügel es für die ganze Dressurstunde im Voraus verdirbt.
Beim Dressiren eines einzelnen Pferdes wird man sich, um dasselbe an das Satteltragen zu gewöhnen, mit Nutzen des Laufenlassens an der Longe bedienen. Man bedarf dazu eines Mannes, der die in den Kappzaum eingeschnallte Leine führt, eines zweiten, der die Peitsche handhabt und zum Beginne eines dritten, der das Thier führt. Die Trensenzügel wer - den zum Beginne so lose in die Sattelkrampen eingeschlauft, dass keine wesentliche Zusammenstellung des Halses erfolgt. Der aus - wendige Zügel muss indess so viel mehr anstehen, dass die Neigung des Pferdekopfes nach innen, durch das Gewicht der Leine auf der inwendigen Seite hervorgerufen, aufgehoben wird und der Kopf völlig gerade aussteht. Die Kopfstellung nach ein - wärts wird beim rohen Pferde ein Ausfallen der Kruppe hervor - rufen, wodurch die Hinterfesseln leiden.
Es gibt viele Anfänger, welche ihr rohes Pferd in ein mög - lichst günstiges Licht stellen möchten und es von Beginn so hoch und fest aufsetzen, dass es einen schönen Zaum macht. Das arme Thier wird den lebhaftesten Schmerz in den zusammengepressten167I. Abschnitt. 1. Periode.Muskeln fühlen und nicht vorwärts gehen wollen. Nun kommt die Peitsche und treibt es zum Laufe an. Statt willig an das Gebiss zu gehen und in weiten, gleichmässigen Tritten seine Bahn zu durchlaufen, wird es hinter dem Zügel bleiben und sein kurzer übereilter Gang wird zeigen, wie wenig es den Leib in den Gang zu legen wagt; sein Stutzen und Prallen, Schnaufen und Schwitzen, wie viel Schmerz es leidet. „ Es hat sich sehr schön gemacht und sieht brillant aus, “meint jener Unverständige und hat durch ein Paar derartige Lectionen den Grund zu einer Menge von Unarten und Schwierigkeiten gelegt, zu deren Correctur es der vierfachen Zeit bedarf.
Der Führer leite das Pferd auf der auswendigen Seite im Schritt so lange herum, bis das Pferd die Bahn, welche es durch - laufen soll, kennen gelernt hat. Er muss beim Eilen dasselbe mit leichten Anzügen und beruhigendem Zureden zurückhalten, beim Verhalten des Pferdes, dreist vorwärts gehn und durch die Stimme aufmuntern. Man muss sich bemühen für dieselbe An - forderung stets dasselbe Wort und dieselbe Nüançe der Stimme festzuhalten, damit das Thier es sich merke. Man wird bald gewahren, wie ausserordentlich gross das Gedächtniss des Pferdes und seine Gelehrigkeit ist. Es ist ein durchaus thörichter Hochmuth vieler Dressirenden von diesen Eigenschaften so wenig Gebrauch zu machen. Wenn beide auch nicht in so vorherrschendem Masse Anwendung finden dürfen, wie sie von den Kunstreitern ausgebeutet werden und die Körper - haltung des Reitpferdes stets von der richtigen Bearbeitung des - selben durch mechanische Einwirkungen abhängen wird, so beruht doch die Erlernung aller nicht mechanischen und instink - tischen Hülfen lediglich auf diesen Eigenschaften und durch ihre richtige Anwendung bei der Dressur wird dem Thiere eine Willens - thätigkeit bleiben, welche mit der des Reiters in Uebereinstimmung gebracht, die Freudigkeit der Leistung gibt.
Wenn das Zurgeltungbringen von mechanischen Hülfen und die Bearbeitung der einzelnen Körpertheile des Pferdes durch die - selben, den wahren Reiter nach und nach zum Herrn des Gebäu - des macht und er nur so viel Angelerntes, Abgerichtetes hinzu - fügt, als die leichtere Handhabung wünschenswerth macht, so wird dem handwerksmässigen Reiter die Abrichtung mehr durch Ge -168Vom Gange der Dressur.wohnheit vorschweben; wo jener mehr auf den Körper einwirkt, wird dieser mehr auf das Gedächtniss einwirken: jener wird immer wieder zurückgehen auf die mechanische Einwirkung der Hülfen und ihnen trotz Temperament und Schwierigkeit Gehorsam schaffen, dieser auf das Gedächtniss und wird ewig repetiren.
Es wird stets schwierig bleiben, das rechte Mass in der Dauer der Lectionen zu finden. Nicht blos die Körperkräfte von Mann und Pferd ziehen die Grenze. Sobald sie so lange dauern, dass das Interesse und die Aufmerksamkeit des Reiters stumpf wird und das Thier sie mechanisch fortgeht, ohne der Einwirkungen des Reiters zu bedürfen, schaden sie der Dressur. Es gibt indess viele Reiter und Reitlehrer, welche alle Lectionen bis zu diesem träumerischen Dahingehn treiben und erst zufrieden sind, wenn dies erreicht ist, ganz abgesehen wie es erreicht wurde, ob die Lection mit Lebhaftigkeit, Versammlung und den kleinen Ab - weichungen, welche die Individualität der einzelnen Thiere verlangt, vollführt worden, und so den Nutzen für die fernere Dressur sichert — oder ob sie nur der Leistung, wie sie den Kenner be - friedigt, ähnelt; ob sie Folge richtiger Einwirkungen des Reiters, Folge von Verständniss und Gehorsam vor diesen Hülfen ist, oder ob sie Folge der Gewohnheit sind. Es wird z. B. diesen Herren möglich sein in den ersten 6 Wochen der Dressur die Pferde dahin zu bringen, dass sie die 2 Pferdelängen Distance von einander im Trabe inne halten. Sie sind anhaltend im Trabe geübt worden, die Thiere von starkem Gang haben so lange Rucke in das Maul bekommen, die von kurzem Gange so lange Gerten - streiche, bis sie sich gemerkt haben, dass nur beim Abstand von 2 Pferdelängen von ihrem Vorderpferde sie von diesen Schmerzen bewahrt bleiben und sie sind klug genug diese Distance einzuhalten. Der wahre Reiter wird erst mit der gewonnenen Einwirkung auf das Gebäude das Tempo reguliren wollen und duldet bis dahin die Ungleichheit der Distance. Dass durch jenes Verfahren aber der Gang verdorben, der Hals verzerrt und für die Dressur nicht nur nichts gewonnen, sondern viel verloren ist, lassen jene Herren sich nicht träumen. Die Pferde traben mit 2 Pferdelänge Distance und damit sind sie beruhigt, das Wie? liegt ausser ihrer Sphäre. Das Traben mit einer Pferdelänge oder auf Gliederdistance wird natürlich ähnliche weitschichtige Uebungen nöthig machen. Kömmt169I. Abschnitt. 1. Periode.nun die Lection, welche sich bei richtiger Dressur unmittel - bar auf die vorige basirt, so fehlt diese Basis und sie geht so lange nicht, bis durch fortgesetzte Uebung wiederum das Thier erkannt hat, was man nunmehr von ihm verlangt und es sich darin gefunden hat. So besteht denn diese Art der Dressur aus einer Menge neben einander stehenden den Thieren eingewöhnten Lec - tionen, die allerdings durch fortwährende Wiederholung den Pfer - den im Gedächtniss erhalten sein wollen. Die Pferde werden unter gleichbleibenden Umständen, unter dem gewohnten Reiter, in der stillen Bahn ihre Lectionen ganz gut aufsagen, aber ein unruhiger Platz, ein anderer Reiter oder gar ein Paar Carrièren werfen das ganze Gebäude systematischer Pudeldressur über den Haufen, jede Abweichung vom Gewohnten ist die Wurst, welche auf das Hunde - theater fliegt.
Den Herren, welche auf diese Art dressiren, ist natürlich Alles zuwider, was das Temperament des Thieres weckt; sie nen - nen Alles Juxen, was den süssen Schlummer, worin sie die Pferde durch Langeweile einlullen, stört; die Carrière ist ihr Todfeind. Diese Altmeister der Träumerzunft haben Langeweile und Gewohn - heit zu ihren besten Gehülfen; leises Flüstern ist ihre Rede; Hülfs - zügel jeder Art ihr geliebtes Werkzeug; der Zirkel in stiller Bahn ihre Werkstatt; matter Trab und endloser Seitengang ihr täglich endloses Werk; der schwunglose, humpelige kurze Galopp ihr Mei - sterstück. Der Tag der Besichtigung nach tausendmal durchgerit - tenem Küchenzettel ist ihr Triumph, das Einstellen der Remonten in die Schwadron, die grüne Heide, ihr Verdruss, weil nun die wah - ren Resultate ihrer Bemühung an den Tag treten. Es mögen sich recht gute Thiere für ältere Herren, welche sich in der Bahn eine harmlose Verdauungsmotion machen wollen, auf diese Art dressiren lassen — Soldatenpferde nicht. Noch weniger aber werden diese Herren in den Mannschaften den kecken Reitermuth und die brau - sende Lust erwecken, die dem Cavalleristen innewohnen muss. Man sehe wie sie selbst reiten und wird dann ein Urtheil gewinnen, was aus ihren Schülern wird.
Geht das Thier ruhig seinen Weg, so muss der Führer dem - nächst versuchsweise das Thier loslassen, doch vorläufig neben her gehen, bis es das Eingreifen in die Zügel nicht mehr bedarf, und es ungestört seinen Weg fortsetzt. Der Longenführer wird sich170Vom Gange der Dressur.alsdann derselben Zeichen durch die Stimme bedienen, welche jener anwendete. Es ist sehr nützlich, wenn Peitsche - und Longenführer schon in der Zeit, wo das Pferd noch an der Hand geht, ihre zurück - haltenden resp. vortreibenden Hülfen, mit denen des Führers vereinen und es so mit den Wirkungen ihrer Instrumente in einer angemesse - nen Art bekannt machen. Alles Erschrecken und Quälen des Thieres muss auf das Sorgfältigste vermieden werden, und wird hauptsächlich dahin zu wirken sein, die Aufmerksamkeit des Thieres zu fesseln und sich mit ihm zu verständigen. In den Zwischenpausen lasse man das Pferd in den Zirkel treten, und mache es spielend mit der Wirkung des Gebisses bekannt. Man drücke das Gebiss mit leichter Hand gegen die Laden, um dadurch das Pferd zur Zurücknahme des Kopfes zu bewegen. Hiebei gebe man wohl acht, ob das Pferd, wenn es dem Drucke des Gebisses diese Folge nicht gibt, activ oder passiv verfährt. Kommt es passiv widerstre - bend dem Drucke des Gebisses nicht nach, so steigere man all - mählig selbst activ verfahrend den Druck, beim leisesten Nach - geben denselben wiederum vermindernd, bis es gehorcht. Man setze die Wirkung nicht bis zur Einwirkung auf den Hals fort, sondern begnüge sich Anfangs mit der geringsten Zurücknahme des Kopfes und zeige durch Klopfen und Schmeicheln, dass man zufrieden ist.
Ein ruckweises Zurücknehmen des Kopfes, ein Zurückschnap - pen des Kiefers, ein Fliehen der Lade vor dem Gebiss, lasse man sich ein Zeichen zu starker Einwirkung sein, und halte es für eben so fehlerhaft, als das active Widerstreben.
Bei diesem lässt das Pferd der Hand ein mehr oder weniger gewaltsames Gegendehnen gewahren. Dieses überwinde man durch Passivität, indem man die Hand anstehen lässt, aber nie mehr Kraft entgegensetzt, als dass die Hand ihre Stellung trotz des Gegendrucks des Kiefers unverändert einnimmt. Lässt das Pferd mit jenem Gegendehnen nach und ist es in die ursprüngliche An - lehnung zurückgebracht, so gehe man activ vor. Diese activen Anforderungen werden kürzer und in schneller wachsender Stärke zu geben sein, während jenes passive Gegenhalten langsam wach - send und dauernd ist.
Manche Pferde dehnen, den Kiefer vorschiebend, nur mit einer Lade gegen die Hand, dann wird auch der Gegendruck171I. Abschnitt. 2. Periode.einseitig sein und auch die ursprüngliche Anlehnung dann erst wie - der gewonnen werden müssen, ehe man activ anfordernd verfährt. Ein Moment des Innehaltens und Nachgebens, wenn der active Widerstand überwunden, ehe man zur neuen Anforderung übergeht, wird zweckmässig sein.
Bei den ersten Uebungen im Trabe lasse man den Führer mitlaufen, wobei derselbe bestrebt sein muss, mit dem Pferde Tritt zu halten. Beim Widerstreben gegen den Sattel durch Rückenanspannung oder Schlagen sorge man dafür, den Gang des Pferdes zu unterhalten, und fürchte sich nicht, wenn es ein paarmal die Bahn im Galopp durchmisst. Einem wilden Ren - nen muss indess der Longenführer entgegen treten, doch dürfen seine Hülfen mit dem Kappzaum um so weniger in rüdes Reissen ausarten, als die geringe Zusammenstellung des Pferdes und die jugendliche Unbeholfenheit leicht zu einer Beschädigung der Glied - massen führen. Es würde durchaus fehlerhaft sein, das Pferd, wenn es aus Sattelzwang beim Antraben schlägt oder mit der Hinterhand aufwippt, durch Anzüge mit der Leine strafen zu wollen. Bei allen diesen Unarten ist nur ein Mittel: „ Vorwärts - treiben “, denn alle haben im Verhalten ihren Grund. Aber ein warnendes: „ Pfui! “ „ Will er! “leistet oft ganz gute Dienste und man versäume den warnenden Zuruf eben so wenig, wie den an - feuernden.
Die Art der Peitschenführung ist schon früher angedeutet worden. Es wird beim richtigen Gebrauch der angeführten Hülfs - mittel sehr bald das Thier ein Verständniss zeigen, und wenn es auf diese Art den Sattel willig tragen gelernt, so wird man zur
der Dressur, zu der unter dem Reiter, übergehen können. Es ist vortheilhaft, während der ersten Lectionen das Thier an der Longe zu lassen.
Beim Besteigen stellt sich der Longenführer einen Schritt vor das Pferd und sucht dessen Aufmerksamkeit durch Anrufen zu fesseln. Der Reiter darf die Zügel ja nicht in solcher Art nehmen, dass dieselben irgend eine belästigende Wirkung auf den Hals äussern, muss ferner seine Tempos zum Aufsitzen zwar ruhig, doch nicht so langsam vornehmen, dass seine Last nicht zu lange auf172Vom Gange der Dressur.einem Bügel ruht und muss er sich sanft in den Sattel nieder - lassen. Langes Zögern beim Aufsitzen reizt die Unge - duld des Thieres und gefährdet die Sicherheit des Besteigenden unnütz. Eben so fehlerhaft ist das übermässig schnelle Auf - sitzen, selbst wenn es mit Leichtigkeit geschieht und der Reiter nicht plump in den Sattel niederfällt. Es liegt in der Schnellig - keit der Bewegung selbst etwas das Thier Beängstigendes und gleichsam ein Zeichen des mangelnden Vertrauens Seiten des Rei - ters. Das Bügelhalten und Festhalten des Pferdes durch einen Dritten ist ängstlichen Pferden zuwider. Sollte ein sehr dicker Grasbauch das Herumrutschen des Sattels befürchten lassen, so mag ein Dritter den auswendigen Bügel gegenhalten, fasse indess das Hauptgestell nicht an. Dass der Reiter das Thier nicht mit der Fussspitze anstossen darf, versteht sich von selbst. Ich bin bei diesen Vorbereitungen etwas weitläufig gewesen, weil ich ihnen eine grosse Wichtigkeit beilegen muss und namentlich so häufig gesehen habe, dass das erste Besteigen mit einer leichtsinnigen Dreistigkeit betrieben wurde, welches auf lange Zeit verderbliche Folgen hatte. Ist beim ersten Aufsitzen das Thier erschreckt worden, ist es mit dem noch bügellosen und zügellosen Reiter im Moment als dieser mit dem rechten Fuss die Kruppe überschritt, davon gerannt und dann auch mit schlimmen Hülfen endlich wie - der glücklich zum Stehen gebracht, so ist nicht nur für das Auf - sitzen viel verloren gegangen, sondern das Thier wird die Angst vor jenen Einwirkungen gewiss noch lange zeigen.
Hat der Reiter seinen Sitz gewonnen, so nehme er die Zügel so, dass er eine Wirkung von ihnen haben kann, brauche sie aber nur im Nothfalle. Ohne lange stille zu halten, lasse man das Thier anführen und gebe statt des Führers die sprachlichen Zeichen, welche er durch den Gebrauch der Gerte unterstützt. Der Peitschen - führer muss genau auf deren Wirkung achten und rechtzeitig ein - greifen. Von den Zügelhülfen, welche dem Pferde nicht mehr ganz unbekannt sind, mache man nur im dringendsten Fall Ge - brauch, hüte sich namentlich vor allen Versuchen, den Hals zusam - menstellen zu wollen. Der Longenführer unterstützt die zurück - haltenden und wendenden Hülfen. Man hüte sich vor Allem, die Anlehnung des Pferdes auf das Mundstück zu stören, und lasse das Thier sich getrost auf die Zügel legen. Dehnt ein Pferd gegen173I. Abschnitt. 2. Periode.die Hand, oder stösst es gar in die Zügel, wobei man stets vorher ein Verhalten im Gange gewahr wird, so halte man nicht mit den Zügeln gegen, sondern gebe dieselben nach, suche aber durch An - treiben jenem Verhalten und damit dem Dehnen zuvorzukommen. Meist will das Pferd einer unbequemen Einengung der Halsmuskeln dadurch engegenarbeiten, oder sich von der schmerzhaften Wirkung einer todten Faust auf die Laden befreien. Man beachte diesen Fingerzeig, bemühe sich leichter zu sein, oder gebe die vorzeitige Zusammenstellung des Halses auf.
Die Vertheilung des Körpergewichts des Reiters muss dem Gange des Pferdes schon jetzt um so mehr als Regu - lator dienen, als sein grosser Einfluss auf das Gleichgewicht und den Gang sich unmittelbar, ohne ein vorheriges Verständniss nöthig zu machen, geltend macht, weil ihre Wirkung, wie wir bereits sahen, rein mechanischer Natur ist. Der Schenkel wirkt vor der Hand noch gar nicht ein, sondern ruht leicht und unverändert am Pferde. Alle Widerstrebungen des Rückens suche man passiv zu überwinden. Je weniger der Reiter thut, je mehr er nur als Last wirkt, um so besser ist es. Er sitze ruhig im Sattel, was auch geschehen möge, damit sich dem Thiere die Ueberzeu - gung aufdringt, dass es die Last nicht los zu werden vermag und sich am wohlsten befindet, wenn es dieselbe ruhig erträgt. Schlägt das Thier, so denke man stets daran, dass Schlagen ein Ver - halten ist, und dass das so gewöhnliche Indiehöhereissen mit dem Zügel dieses Verhalten ja vermehren muss. Antreiben ist die Hülfe, welche hiebei Noth thut. Aehnlich ist es beim Bocken, nur dass der Reiter hiebei zu beachten hat, dass er den Kopf nicht zu tief herunter lässt, weil er sonst dem Thiere einen solchen Grad von Rückenanspannung gewährt, dass sein Sitz bedroht wird. — Vortreiben zum lebhaften Gang ist auch dagegen das Hauptmittel. Gehen und immer wieder Gehen ist die Hauptsache. Der Reiter und Gehülfe denke bei jeder Unart: „ Vorwärts! “und hierin hat er den Schlüssel sie zu besiegen.
Man sei in dieser Periode vor Allem recht geduldig und lasse es sich nicht verdriessen, geraume Zeit mit derselben zuzubringen. In den Zwischenpausen sitze man ab, wobei man wiederum rasch und ruhig zu verfahren hat, und beschäftige sich mit der Wirkung des Gebisses auf die Lade. Nächstdem aber mache der Reiter das174Vom Gange der Dressur.Pferd möglichst mit seiner Person bekannt und sich geneigt. Es ist von sehr grossem Einfluss auf den ganzen Verlauf der Dressur, dass das Thier in ihm nicht bloss seine Last, seinen Quäler und Aengstiger erkennt, sondern seinen Freund und wohlwollenden Lehrer. Berühren der verschiedenen Theile des Leibes, Aufheben der Hufe, Versetzen der Beine u. s. w. würden in der ersten Zeit vorzunehmen sein. Diesen Uebungen würde das Herumtreten der Hinterhand, das Hinterhergehen, Herumgeben des Kopfes folgen; erst das Dulden, dann das Thun. Endlich muss die Vol - tigirübung vorgenommen werden. Es ist mir in ganzen Abthei - lungen bei vernünftiger Reihenfolge und der sanftesten Behandlung der Pferde sehr leicht gelungen, dass die Mannschaft die Remonten schliesslich ganz frei (allerdings in der Bahn) stehen liess, um das Aufspringen von hinten zu üben, wobei alle Pferde den Sprung duldeten. Es wurde allerdings absichtlich, um die verderbliche Erschütterung zu vermeiden, nicht bis in den Sattel gesprungen. Eine kitzliche Stute quietschte bei jedem Sprunge, ohne je zu schla - gen. Es scheint mir für Soldatenpferde nicht unwichtig, dass das Pferd den Reiter dulde, er mag sich auf die Kruppe oder auf den Hals setzen. Bei Unglücksfällen kann dies für das Leben des Rei - ters entscheidend werden. Wenn z. B. bei Verwundungen etc. der Reiter auf den Hals herabsinkt, so wird das nicht daran gewöhnte Thier sich von der ungewohnten Belastung zu befreien suchen, das geduldige seinen Reiter ruhig aus dem Gefechte tragen.
Necken der Pferde, sie zu Unarten reizen, ist eine Sache, die man auf das Strengste vermeiden muss. So wie ein Necken und Hänseln Erwachsener mit lebhaften Kindern von Seiten der letztern immer seine Endschaft in Unart, dann aber in gegenseitiger Unzu - friedenheit findet, bringt sie bei Mann und Pferd dieselben Früchte. Es gewöhnen sich Pferde Schlagen und Beissen oft auf diesem Wege an, und es ist ihnen um so schwerer abzugewöhnen, als man den Leuten kein Züchtigungsrecht des Missbrauchs wegen einräu - men darf, und nachträgliche Strafen beim Thier nicht angewendet werden können.
wird begonnen werden können, wenn das Thier so weit den Reiter duldet und der Gerte gehorcht, dass der Peitschenführer unnöthig175I. Abschnitt. 3. Periode.wird. Es beginnt alsdann die Substituirung des Schenkels in Stelle der Gerte. Die Stimme kann noch fortwährend zu Hülfe genommen werden, muss indessen hier schon in den Hinter - grund treten. Um das Pferd zum Gang zu animiren, brauchen wir jetzt gleichzeitig mit den erwähnten kleinen Ruthenstreichen auf das Blatt, den Schenkel wiederholt klopfend. Man wechselt recht häufig von Trab zu Schritt und braucht, wenn man glaubt einige Aufmerksamkeit des Thieres bereits auf die Schenkelhülfen gelenkt zu haben, diese allein, sie nur im Fall des Nichtgehorchens durch die Ruthenhülfen unterstützend, und fahre so fort bis man verstanden ist. Auch hier vergesse man nicht die Einwirkung des Gewichts des Reiters zu berücksichtigen. Es ist namentlich beim Anreiten genau die Grenze zwischen Zurücklehnen und Vor - fallenlassen des Reitergewichts im Auge zu behalten. Mitgehenlassen des Körpers ist von beiden gleich weit entfernt. Vorfallen bringt das Thier nach vorwärts aus dem Gleichgewicht und wird ein Fortstürzen zur Folge haben, oder ein Pariren auf die Blätter, um das verlorene Gleichgewicht wieder herzustellen. Zurücklehnen wird dem Gange widerstreben und grobe vor - treibende Hülfen nöthig machen, damit das Thier trotzdem vor - wärts gehe. Geht nun das Pferd auf den Schenkel allein vorwärts, so gebe man ihm seine Zufriedenheit zu erkennen. Beim Stille - halten lasse man das Thier jede beliebige Haltung annehmen und sorge nur dafür, dass es stehe, hüte sich Zügelhülfen anzuwenden, welche einen anderen Zweck hätten, als es stehen zu machen. Dieses Stehenlehren ist sehr wichtig. Ich habe viele Reiter gekannt, welche es niemals übten, wohl aber im Stillehalten nicht aufhörten das Thier mit Geradestellen, Aufrichten, Abbiegen etc. zu quälen. Die Folge davon war, dass ihre Thiere von einer solchen ungemüthlichen Ruhelosigkeit wurden, dass sie nie stille standen und ihrem Reiter später, wenn er einst ein absolutes Stillestehn verlangte, viele Unannehmlichkeiten bereiteten. Man ist noch nicht so weit in der Dressur, auf ein oder das andere Bein durch Schenkel und Zügelhülfen einwirken zu können und muss sich bis zu diesem Punkte ein Ruhen auf ein oder dem anderen Beine gefallen lassen; der Hals ist noch nicht bearbeitet und sein Heruntersinken im Stillehalten ist ganz naturgemäss. Es würde sehr fehlerhaft sein, wollte man jetzt schon eine schulgemässe176Vom Gange der Dressur.Stellung unter dem Reiter anstreben. An der Hand ist es etwas anders, da kann ich das Thier durch Hin - und Herziehen in die begehrte Stellung bringen und diese belobend, es gewöhnen, sie anzunehmen. Vorläufig muss man zufrieden sein, wenn das Thier unter dem Reiter steht, gleichgültig — wie! und wenn es lernt, auf die Schenkelhülfe ruhig antreten.
Für das Pariren ist es wichtig, dass dasselbe vorläufig mit möglichst geringer Zusammenschiebung des Halses geschehe. Das Pferd werde durch Stimme und weiche Einwirkung des Kappzaums wie des Reitergewichts zur Verkürzung des Ganges resp. zum Still - halten gebracht und diesen Hülfen der Zügelanzug hinzugefügt, damit es dessen Bedeutung lerne und gehorche, auch ohne dass der Anzug von mechanisch hinreichendem Einfluss ist, das Thier zur Zurückneigung seines Leibes zu zwingen, welche Wirkung des Anzugs, wie wir wissen, erst nach Bearbeitung des Halses erreicht werden kann. Man wolle niemals eine regelrechte Parade erstreben, sondern begnüge sich die Uebergänge so allmählig wie möglich eintreten zu lassen, ohne dass ein Fallen auf die Blätter vorkömmt.
Aehnlich ist es mit den Wendungen, obschon bei ihnen einmal die hereinziehende Wirkung des Kappzaums, dann das Rei - tergewicht starke, mechanische Hülfsmittel sind, mit deren Hülfe das Thier den Druck auf die inwendige Lade leicht verstehen und folgern lernt. Man begnügt sich natürlich Anfangs mit den weit - läufigsten Wendungen, wird indess bei hinreichender Aufmerksam - keit niemals nöthig haben, jene kutschirenden, weitläufigen Zügel - hülfen vom Halse in Anwendung zu bringen, mit denen man viele Reiter den Pferdekopf vergeblich bis an ihr Knie zerren sieht. Man vermeide die Wendungen so viel wie möglich und mache es sich überhaupt zur dringensten Regel, nichts eher machen zu wollen, als man zu dessen Durchführung die ausreichenden Mittel gewon - nen hat. Es wird gewiss Manchem sehr schwer werden, vor dem zuschauenden Publikum sein Pferd oft ungünstig zu produziren, langsam in der Ausbildung vorzugehen und so für sich und sein Ross wenig Beifall zu gewinnen, weil der Gang der Dressur ihm eine Art des Animirens und Vorschreitens verbietet, welche ihm und seinem Schüler den Beifall aller Nichtkenner sichern würde. Wer aber nicht über diesen Beifall hinweg kann, wird wohl ein Pferd auf den Judenspiess reiten, nie aber durcharbeiten können. 177I. Abschnitt. 4. Periode.Es wird aber der Ruhm des einen von kurzer Dauer, der des an - dern nachhaltig sein; wenn diesen die Kenner schätzen, werden jenen nur die Laien bewundern; wenn jener beim Vorreiten brillirt, wird dieser im Dienste glänzen; dieser stets angenehme, jener oft widersetzliche Pferde haben. Und doch ist es nicht immer Eitel - keit, welches zu stetem Produziren treibt, bei Manchem steckt die Produktionsmanie im Geldbeutel und wenn man bedenkt, wie we - nige Kenner es gibt, wie viele nach dem Schein urtheilen, wie kitzlich endlich das Renommée eines Pferdes ist, so möchte jeder, der ein rohes Pferd in Dressur nimmt, sich so lange von dem zuschauenden Publikum fern halten, bis jene Periode der Unbehol - fenheit und des „ Sichnichtproduzirens “vorüber ist. Ganz eitele Reiter mögen sich ebenfalls so lange unsichtbar machen, auch wenn sie das Thier zu ihrem eigenen Gebrauch dressiren.
Jetzt nehme man statt des Zirkels auch bisweilen die ganze Bahn, runde aber die Ecken weit ab. Wenn man so weit ge - diehen ist, dass man ohne Beihülfe des Longenführers verhalten und wenden kann, das Pferd ferner der Gertenhülfe nur noch wenig bedarf, so geht man zur
der Dressur über, bei welcher der Longenführer fortbleibt. Beim Aufsitzen stelle sich der Pferdehalter, mit beiden Händen das Backenstück ergreifend, aber vor Allem nicht gegenstemmend, vor das Pferd. Späterhin darf er die Backenstücke nicht mehr berüh - ren und nur vor das Pferd treten. Wenn man auch in der ersten Zeit noch die Ecken weit abrundet, so nehme man doch die ganze Bahn zu seiner Uebung. Diese Periode ist bestimmt, das Schenkel - gefühl des Pferdes für die vortreibenden Hülfen auszubilden und den Schenkel vollkommen für die Gerte eintreten zu lassen.
Auch jetzt noch begebe man sich jeder Zusammenstellung des Halses, indem mit derselben leicht ein Ausweichen der Hinterhand eintreten könnte, der zu begegnen uns noch die Mittel fehlen. Man sei sehr geduldig, wenn das Pferd jetzt noch viel Zeit gebraucht zum Verhalten und Pariren, sich schwer auf die Hand legt, unter - stütze die verhaltenden Hülfen mit der Stimme, versuche keine Pa - raden auf der Hinterhand, vermeide alle enge Wendungen und gehe durch die ganze Bahn auf die andere Hand, suche jedoch die Auf -v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 12178Vom Gange der Dressur.merksamkeit auf die vortreibenden Hülfen zu erhöhen und das Pferd für den Schenkeldruck empfänglich zu machen. Häufiges Anreiten aus dem Halten und Antraben aus dem Schritt sind die Hauptlec - tionen. Man trabe aber nie anhaltend. Endlich muss das Pferd jetzt mit dem Sporn bekannt gemacht werden, wobei jedoch alle Vorsicht anzuwenden und hervortretende Ungezogenheiten nach - drücklich zu corrigiren sind. Wir erwähnten schon der Schwierig - keit des richtigen Sporngebrauchs. Weder Hand noch Körperhal - tung des Reiters müssen an dem Gebrauch des Sporns irgend einen Antheil haben. Er muss dicht hinter dem Gurt gebraucht werden und weder ein weites Schenkelausholen vor dem Gebrauch, noch ein Zurückprallen des Schenkels nach demselben Statt finden. Eben so muss der Grad der Kraft des Stosses sich nach dem Gefühl des Pferdes und nach der beabsichtigten Wirkung richten. Er muss kurz und bestimmt applizirt werden, ähnlich wie der Finger des Klavierspielers, der einen kurzen Ton anschlagen will, auf die Taste fällt. Schaben und Kitzeln reizen das Thier zum Ausschlagen.
Wir haben bereits im ersten Theil gesagt, dass man die Auf - merksamkeit des Pferdes auf die Schenkelhülfe kultiviren müsse. Sie wird nach der allgemeinen Empfänglichkeit des Thieres für äussere Einwirkungen von Beginn sehr verschieden sein. Das Schenkelgefühl muss aber bei allen Pferden zu einem Punkte gebracht werden, der dem Dienstzwecke entspricht. Der Eskadronschef, der häufig die Gänge wech - seln muss, bedarf eines Pferdes mit leichterem Schenkelgefühl als der Mann im Gliede. Der Grad von Empfindlichkeit vor dem Schenkel, welcher das Pferd vor der Front angenehm macht, und seine Brauchbarkeit steigert, wird das Pferd in der Front, das vor zufälligen Berührungen nicht zu schützen ist, in einer fortwähren - den Aufregung erhalten und höchst störend für die Ordnung machen. Dieselben Nüançen der Steigerung müssen indess bei beiden möglich sein, es sind Skalen von derselben Menge der Töne. Das eine Instrument spricht schwer, das andere leicht an.
Es wird aber endlich der Grad der Anlehnung mit jener Höhe des Schenkelgefühls in Uebereinstimmung stehen müssen. Sie soll aber nicht in einer anderen Zusammenstellung des Halses, Ver - schiedenheit der Beweglichkeit des Rückens und Biegsamkeit der Hinterhand — mithin nicht in einer anderen Haltung begründet179I. Abschnitt. 4. Periode.liegen, deren es beim Campagnepferde von demselben Gebäude nur eine richtige geben kann, sondern blos in einem erhöhten Aufmer - ken auf die Bewegungen der Hand — wie dort in einem erhöhten Aufmerken auf die Bewegungen des Schenkels. Wenn z. B. eine Berührung in der Kraft von 1 Loth von dem einen Pferde noch als eine zufällige betrachtet wird, die es unbeachtet lässt, und erst auf die von 5 Loth etwas gibt, die dann eine Steigerung bis 10 Loth für die verschiedenen Nüançen erfährt, wird für das andere bereits die Berührung in der Kraft eines Lothes nicht mehr als eine zufällige Einwirkung angesehen werden, sondern eine Hülfe sein, und die Skala bereits bei 5 Loth schliessen. Aehnlich ist es mit der zu kultivirenden Aufmerksamkeit des Thieres auf die Hülfen mit dem Reitergewicht.
Es wird aber ein denkender Reiter nicht nur mit der Ver - feinerung der Aufmerksamkeit zu thun haben, er wird sie häufig in einer oder der anderen Beziehung abstumpfen müssen. Ein Thier, das einen stossenden Schenkel fliehen lernte, wird Anfangs die unbedeutendste Veränderung marquiren; das im Maule verris - sene Pferd, die geringste Zügelannahme; das Thier, welches unend - lich schnell treten musste, weil das schwankende Gewicht des Rei - ters ihm kein Gleichgewicht gestattete, wird auf die geringste Schwankung achten; alle diese müssen in dieser gleichsam lauern - den, ängstlichen Aufmerksamkeit herabgestimmt werden. Die Har - monie im Aufmerken und damit das Uebereinstimmen im Gefühl für die Hülfen muss angestrebt werden, und diese eben nach dem Gebrauch des Thieres ihre besondere Tonart haben. Dann wird jeder geübte Reiter, wenn er eben über die Tasten fuhr, die Ton - art kennen, worauf es gestimmt ist und keines langen Einreitens bedürfen.
Die Ausbildung des Schenkelgefühls geschieht dadurch, dass man auf den Druck, den man als den stärksten betrachtet haben will, die Sporen braucht. Natürlich wird man diesen Grad des stärksten Druckes nur allmälig im Laufe der Dressur können sinken lassen. Geschieht diese Verfeinerung nicht allmälig, so wird man die Thiere verstossen, schenkelscheu, schenkelflüchtig machen. Geschieht sie in zu geringem Grade ohne den Sporn am Ende ihrer Skala, so wird das Thier schenkelträge bleiben und nicht ohne eine bedeutende Kraftäusserung Seiten des Reiters, und endlich gar12*180Vom Gange der Dressur.nicht folgen. Der richtige Grad des Schenkelgefühls ist mehr das Resultat der Dressur, als das des Temperaments, wie häufig es dem letzteren auch lediglich zugeschrieben werden mag. Um aber den Schenkel richtig brauchen zu können, ist die Anlehnung desselben an den Pferdekörper durchaus nöthig. Man bedenke aber wohl, dass nur ein ganz regelmässig gebauter Mann bei regelrechtem Sitz die völlige Freiheit seiner Glieder behalten kann. Abweichungen von der Regelmässigkeit des Körperbaues wird Opfer kosten, entweder nach Seiten der Form, oder nach Seiten der Einwirkung. Man pflegt beim Dressiren deshalb zu Gunsten der Einwirkung von der Form abzusehen und das mit allem Recht, aber man geht häufig darin zu weit. Alle Ab - weichungen, welche unrichtige Gewichtsvertheilungen zur Folge haben, wie das leider so häufige Herabsinken des Kopfes bei rundem Rücken und heraufgezogenen Schultern, solche, die nachtheilig auf die Führung oder auf die Schen - kelthätigkeit wirken, sind keines Falls zu duldende Vernachlässigungen, die später zu unverbesserlichen Gewohn - heiten werden. Man sollte schon bei der Rekrutendressur sich in dieser Beziehung freier bewegen und da, wo eine unregel - mässige Reiterfigur Abweichungen nöthig macht, diese doch nicht so unbedingt zum Nachtheil des festen Sitzes und des Gebrauchs seiner Gliedmassen und zum Vortheil der äusseren Form eintreten lassen, sondern erst Sitz, dann Bewegungsfreiheit berücksichtigen. Bei einem Mann, der zu schmal in den Hüften gebaut ist, oder zu knieeng steht, um Knie und Unterschenkel gleichzeitig an das Pferd zu bringen — nimmt man die Unterschenkel heran, bei ab - stehendem Knie, statt die Knie heranzunehmen und die Unter - schenkel absperren zu lassen, weil seine Figur so der Normalfigur mehr ähnelt, obschon der Mann dann niemals eine gesicherte Hal - tung auf dem Pferde bekommen kann und obschon er erst, wenn diese ihn von der Bewegung des Pferdes freigemacht, richtig ab - gemessene Hülfen geben kann. Mit dem Knie am Sattel kann er ein sehr guter Campagnereiter werden trotz abgesperrten Schen - kels, wiewohl die Nachtheile desselben nicht zu verkennen sind; ohne Knie am Sattel wird er nie fest sitzen, mithin nie determinirt reiten lernen. Noch auffallender wird dies bei sehr dick - und rund - schenkeligen Menschen, die auswärts reiten müssen, wenn sie das181I. Abschnitt. 4. Periode.Bein an das Pferd halten wollen. Wiewohl im Gliede das Ver - drehen der Fussspitzen störend wird und immer schlecht aussieht, so dürfte die Wahl doch unzweifelhaft sein.
Die Sucht aus Allem — Alles zu machen, scheinbar allen Ansprüchen zu genügen, keine Spur von menschlicher Schwäche und Unvollkommenheit sichtbar werden zu lassen, diese heillose Sucht, welche jeden Uebelstand vertuschen möchte und einen gleissenden Schleier der Lüge über Alles breitet, damit es aus einiger Entfernung nur scheint und glänzt; jene Sucht, welche an die Lüge gewöhnt und die Wahrheit als plump, ungeschickt und bäuerisch verspottet: sie ist es, welche jene Uebelstände zu wesentlichen Fehlern macht, wo sie oft nur Unschönheiten sein könnten, und das Auge so verwöhnt hat, dass es über die Ab - weichungen von der Schablone, so sehr sie auch durch die Nütz - lichkeit motivirt sein mögen, nicht mehr hinweg kann.
Allerdings ist die Grenze schwer festzustellen und manche Trägheit und Nachlässigkeit würde darin eine leere Ausrede für die Abweichung finden. Es wird indess gewiss dem Auge des prüfenden Vorgesetzten nicht entgehen, ob das kleinere von zweien Uebeln gewählt, oder ob eine Vernachlässigung vorliegt und dann der eine Fall der verdienten Billigung, wie der andere dem verdienten Tadel nicht entgehen. Wer aber nur Paradiese sehen will, muss sich nicht wundern, gemalte Bäume zu finden.
In den Zwischenzeiten übe man das Pferd im ruhigen Stehen und im Auf - und Absitzen. Wenn man abgesessen ist, so lasse man das Thier mit beiden Händen im Backenstück halten und es wiederholt, indem man sich an das Blatt stellt und dem Thiere „ herum! “zuruft (ein Zeichen, worauf die Pferde im Stalle schon gewöhnt sind, herum zu treten), mit der Hinterhand übertreten, wobei man sich leichter Gertenstreiche auf die Hinterhand, im Fall das Pferd auf die Stimme nicht hören sollte, bedienen kann.
Beim Dressiren roher Pferde in ganzen Abtheilungen lässt sich natürlicherweise von der Longe keinen Gebrauch machen. Die Remonten kommen meist, nachdem sie einen weiten Marsch zurückgelegt haben, auf dem sie bereits lernten, ruhig an der Hand zu gehen und Respekt vor der Gerte bekamen, in einem Zustande der Ermüdung bei den Regimentern an. Aus diesem ziehe man182Vom Gange der Dressur.in so fern Nutzen, als man während der Dauer desselben die Pferde an den Sattel zu gewöhnen sucht. Nachdem dieser in der bereits erwähnten, vorsichtigen Art aufgelegt worden, binde man die Pferde mit der auswendigen Trense aus und gebe sie verständigen, ruhigen Reitern, welche auf älteren, leicht zu regierenden Pferden beritten gemacht sind und Gerten führen, an die Hand. So bewege man die Thiere in einem geschlossenen, stillen Raume, wo man Leute zur Hand hat, die bei etwaigen Vorkommnissen behülflich sind. Man unterweise die Mannschaften dahin, dass sie nur dafür zu sorgen haben, die Thiere im Gang zu halten und sich zu diesem Zwecke nöthigenfalls der Gerte bedienen dürfen. Von einem Ab - strafen des Pferdes, weil es den Rücken anspannt oder schlägt, darf nicht die Rede sein, am allerwenigsten aber ist ein ruckender Gebrauch des Trensengebisses zu dulden Es wird nicht zu viel sein, wenn man die Pferde ein paar Stunden lang in dieser Weise bewegt. Die Thiere sind an Thätigkeit und langen Aufenthalt in der freien Luft gewöhnt und ein plötzlicher Uebergang zu ganz veränderter Lebensweise würde ihnen schädlich sein. Es ist mithin fehlerhaft, dieselben nur durch geringe Thätigkeit kräftigen resp. mästen zu wollen, nur muss die Art der Arbeit ihren Kräften an - gemessen sein. Sind die Pferde im Schritt ruhig geworden, so trabe man in einem kurzen Tempo an und sehe wiederum haupt - sächlich darauf, dass der Gang gut unterhalten werde.
Es ist von grosser Wichtigkeit, für die Remonten geeignete Reiter auszuwählen. Es findet dabei eine doppelte Berücksich - tigung statt. Einmal, dass man den noch unausgebildeten Thieren für das Anreiten nicht zu viel Gewicht zu tragen gebe, dann aber, dass der Reiter sich fürs erste aller falscher Einwir - kungen enthalte. Aus dem letzteren Grunde sind sehr häufig sonst gut reitende Unteroffiziere die allerschlechtesten, weil sie sich nicht entschliessen können, das Thier ruhig gehen zu lassen, son - dern sich wo möglich gleich das Gefühl des Gleichgewichts verschaffen möchten und unsinnig darauf losarbeiten, um zu demselben zu gelangen. Endlich dürfte es auch vortheilhaft sein, die ersten Anfänge der Dressur von den Leuten, welche das Pferd im Stalle verpflegen, vornehmen zu lassen, weil für diese Dressur - periode die gegenseitige Bekanntschaft und Freundschaft in den Vorgrund tritt und wie wir sahen, die Behandlung im Stall gleich -183I. Abschnitt. 4. Periode.sam einen Theil der Dressur ausmacht. Die einzige Bedingung für diese Reiter ist, nebst der Leichtigkeit, Furchtlosigkeit und ein fester Sitz, indem ein Pferd, das bei einem Satz aus jugendlicher Munterkeit sich seines Reiters entledigte, jede Gelegenheit, bei der ihm der Reiter unbequem ist, benutzen wird, um ihn abermals auf diese Art los zu werden. Man hat sich mithin vor derartigen, anfänglichen Unglücksfällen zu hüten. Auf das Wiegen der Mannschaft, um deren absolute Schwere kennen zu lernen, möchte ich keinen zu hohen Werth legen, indem das absolute Gewicht weniger wie die Art des Sitzes etc. über Leicht - und Schwerreiten entscheidet. Es hat die Rennbahn uns gewöhnt, eine grössere Rück - sicht auf das absolute Gewicht zu legen, als dasselbe bedarf. Dass der Gewichtsunterschied für die Rennbahn ausserordentlich ein - flussreich ist, steht durch die schlagendsten Beweise fest und ist leicht erklärlich. Der Lauf macht die grösste Rückenthätigkeit nöthig. Er wölbt sich bei jedem Sprung auf und ab. Er hat beim Aufwölben das Gewicht zu überwinden, beim abgespannten Rücken wird dasselbe um so stärker wirken, je mehr er sich durchbiegt. Dies Steigen und Fallen der Last wird um so mehr Muskelan - strengung kosten, je länger der Sprung ist; mit ihm wächst die Aufwölbung, wie die Abspannung. Das Campagnepferd wird sich meist in den schreitenden Gängen bewegen, wo diese Rücken - thätigkeit ganz fortfällt, oder nur auf kürzere Zeit im Galopp und dann nie in so gedehntem Sprunge, dass Aufwölbung und Abspan - nung derartig einwirkten. Obschon gewiss jeder Reiter von eini - gem Gefühl bemerkt haben wird, wie verschieden der Galopp des ungepackten Pferdes von dem des schwerbelasteten ist, wo der Trab noch keinen Unterschied gewahren lässt, so scheint mir die Differenz einiger Pfund für die Leistungen zu unwesentlich, um ein Motiv für die Pferdevertheilung bei der Cavallerie abzugeben, wo mir die Reitfertigkeit etc. wichtiger scheint.
Bei den Offizieren und vielen Spazierreitern ist eine wahre Gewichts-Hypochondrie ausgebrochen. Leute von 200 Pf. glauben nur Kolosse reiten zu können und meinen, dass nur Thiere vom edelsten Blute ein solch’ schweres Gewicht zu schleppen vermöchten und doch sehen sie täglich die Husarenpferdchen, oft von nicht gar vielem Blut, mit vollem Gepäck und somit unter weit grös - serem Gewicht, gar munter und lustig den ganzen Tag laufen und184Vom Gange der Dressur.Anstrengungen ertragen, welche jene Herren weder sich noch ihren Pferden zumuthen.
Es scheint mir aber andererseits natürlich, dass den Cavallerie - pferden im Laufe des Feldzugs der Galopp unter dem grossen Gepäck schwer wird und die Behauptung alter Offiziere, dass ein Zurücklegen grösserer Strecken im Galopp zu 500 Schritt in der Minute für die Masse im Felde unausführbar sei, wahrscheinlich.
Sind die ersten Perioden, die des Gewöhnens an Sattel und Reiter, welche ein mehr passives Verfahren seiten des Reiters ver - langen, vorüber und soll nun weiter vorgegangen werden, so würde man seine besten Reiter zur Fortsetzung der Dressur benutzen müssen, namentlich von dem Momente an, wo man zur Halsarbeit übergehen will, indem diese schon eine Uebereinstimmung der Hülfen bedingt, zu der eine grössere Fertigkeit und Beurtheilung gehört. Es ist für den Cavalleriedienst kein Zweig so wichtig, wie die Remonte-Dressur. Nicht nur, dass von ihr die Conservi - rung der Pferde bis zu dem Moment, wo sie in die Eskadron ein - gestellt werden, abhängt, sondern ihre längere oder kürzere Dienst - leistung ist meist das Resultat ihrer besseren oder schlechteren Zusammenstellung. Es werden mithin das Alt - oder Jungberitten - sein der Truppe, die Conservirung der Beine und der Kräfte, mit - hin auch Leistungsfähigkeit, wie Futterzustand der Eskadron zum grossen Theil von der Dressur abhängig. Nicht nur, dass ihre Unthätigkeit auf die taktischen Bewegungen nachtheilig einwirken muss; es wird auf ihnen kein Mann zu einem guten Reiter, der das Gefühl richtiger Anlehnung und richtig-wirkender Hülfen hätte. Es wird mithin eine Reihe schlecht dressirter Jahrgänge die Rei - terei in einer Eskadron auf lange Zeit untergraben können.
Bei der grossen Wichtigkeit der Sache scheint es wünschens - werth, durch kleine Belohnungen und Auszeichnungen zu grösserem Wetteifer und regerem Leben anzuspornen. Wenn man bei der Cavallerie Prämien für die besten Schützen gibt, so würde man Orden für die besten Reiter geben müssen, wenn sonst ein richtiges Verhältniss, sowohl was Mühewaltung als Nutzen betrifft, stattfinden soll. Der Remontereiter hat den an - deren Leuten gegenüber gar keinen materiellen Vortheil, wohl aber für den Winter eine grössere Anstrengung und für Frühjahr und Sommer, wenn die Kameraden nach dem Exerziren ausruhen,185I. Abschnitt. 4. Periode.den Vorzug, die Remonten dressiren zu müssen und für Alles die - ses keinen Lohn, als das Bewusstsein, es vielen seiner Kameraden zuvorzuthun. Bei der Schwierigkeit der Sache trifft ihn zu häufi - ger Tadel, als dass er immer einer besonderen Zufriedenheit seines Lehrers gewiss sein könnte und es fehlt von dieser Seite oft die nöthige Geduld und aufmunternde Berücksichtigung. In Braun - schweig tragen die Vorfechter der Cavallerie zwei gekreuzte Säbel auf den Arm gestickt. Ich würde für diejenigen Leute, welche es in der Reiterei zu solcher Fertigkeit gebracht haben, dass sie zur Ausbildung der Remonten benutzt werden können und so der Eskadron einen wesentlichen Nutzen bringen, ein „ Bereiter - Abzeichen “, sei es nur eine schwarz-weisse starke Schnur, wie sie die einjährigen Freiwilligen an der Achselklappe tragen, um den Aufschlag gesetzt, für eine hübsche und wohlverdiente Auszeich - nung erachten. Es würden ferner die Schiessprämien nicht übel in Reitprämien verwandelt und würde dann am Geburts - tage unseres Kriegsherrn der beste Reiter aus der Zahl der drei Jahr Dienenden, der zwei und ein Jahr Dienenden, eine Reit - prämie bekommen.
Endlich wäre in den Reservepässen die Reitfertigkeit des Mannes zu bezeichnen, „ Guter Remontereiter “, „ Mittelmäs - siger Reiter 2. Klasse “, „ Guter Reiter 1. Klasse “, statt wie es jetzt, auch bei der Cavallerie, über seine Schiessfertigkeit geschieht, die so sehr vom Zufall abhängt und von so untergeordneter Wich - tigkeit ist, dass sie füglich fortbleiben könnte und mir dem caval - leristischen Geiste, dem Pferd und Schwert die Waffe sein soll, geradezu zu widerstreben scheint. Jeder Mann, welcher bei der Cavallerie gedient hat, renommirt in seinem Dorfe von seiner unge - meinen Reitfertigkeit, ein jeder will Remontereiter gewesen sein, und es würde ihm ein Gegenstand des Ehrgeizes, ein gutes Reitprädikat in seinem Reservepass zu erhalten, wie ein Ar - muthsattest in dieser, auch seinerseits hochgehaltenen Kunst, ihm nicht geringen Aerger machen würde.
Andererseits wird der Landwehr-Eskadronführer bei Zutheilung von schwierigen Gebäuden, einen festen Anhaltspunkt haben, der jetzt fehlt. Es stellen sich immer nach den ersten Ta - gen bei der Landwehr Uebelstände in der Pferdeverthei - lung heraus, die um so schwerer zu ordnen sind, als der Eska -186Vom Gange der Dressur.dronführer die Leute nicht kennt und deren Reitfertigkeit auf den rohen Pferden auch schwer kennen lernt. Er ist jetzt genöthigt bei den Unteroffizieren nach besseren Reitern Nachfrage anzustellen, die er richtiger und passender durch jene Prädikate beantwortet erhält.
Könnte man aus den Mitteln der Regimenter kleine „ Be - reiter-Zulagen “geben, so würde diese Zulage die trefflichste Rückwirkung auf den Pferdebestand haben und eine ächt cavalleristische Zulage sein.
Es ist das Besteigen des Pferdes in der Abtheilung ganz in ähnlicher Art zu üben, wie bei den einzelnen Pferden. Der Pferde - halter stellt sich vor dasselbe mit beiden Händen in den Backen - stücken, jedoch ohne das Pferd in seiner natürlichen Kopfstellung zu stören. Zur Gewöhnung des Pferdes an das Gewicht des Rei - ters gibt man entweder das Remontepferd, wie beim Gewöhnen an den Sattel, wieder einem Mann an die Hand, der auf einem alten ruhigen Pferde sitzt, oder man lässt es durch einen Mann, der zu Fuss nebenher geht, führen. Diese letztere Methode scheint bei den sehr frommen Pferden, die von der vernünftigen Behandlung der Züchter den besten Beweis liefern, wie sie jetzt meistentheils die Regimenter erhalten, ausreichend, namentlich dadurch, dass die Remonten bereits auf dem Marsche gelernt haben, auf die Gerte vorwärts zu gehen. Bei Pferden, welche sich einigermassen lebhaft und unbändig zeigen, thut man indess doch wohl, sie einem Reiter an die Hand zu geben, so wie wirklich schwierige einzeln am Kappzaum und der Longe vorzunehmen, indem häufig durch fehlerhaftes erstes Anreiten — Pferde für ihre ganze Dienstzeit schwierig bleiben. Im Uebrigen verfahre man ganz in derselben Art, wie es für die Einzeldressur näher erörtert worden ist.
Es macht die Dressur der Remonten in ganzen Abtheilungen unangenehm, dass der eine Theil der Pferde von Natur starke, der andere Theil kurze Gangarten hat, indem dadurch die Di - stancen verloren gehen und leicht eine gänzliche Auflösung der militä - rischen Ordnung entsteht. Durch Vorbeireiten werden noch grös - sere Unannehmlichkeiten herbeigeführt. Heftige Pferde von wenig Gang werden, wenn andere vorbeigehen, unangenehm und setzen sich in Galopp, unverträgliche schlagen nach den Vorbeigehenden und es entsteht endlich ein Durcheinander, dass bei der Unlenk -187I. Abschnitt. 4. Periode.samkeit und Unaufhaltsamkeit der herumspringenden Dinger Nie - mand seines Lebens sicher ist. Es ist deshalb nöthig, nur eine geringe Zahl von Pferden auf einmal reiten zu lassen, damit eine grössere Distance den hinreichenden Spielraum gewährt. Bei den anfänglichen Trabübungen der Remonten wird selten so an - haltend Trab geritten werden, dass auch dann ein Ueberholen statt - finden würde. Am fehlerhaftesten würde es sein, wenn der Reiter jetzt schon daran denken wollte, einen gleichmässigen Abstand zu halten. Ehe nicht die Einwirkung des Gebisses durch richtige Zusammenfü - gung des Halses gesichert ist, kann von einer Regulirung des Tempo’s nicht die Rede sein. Es scheint mir hier der Ort, einige Worte über „ Tempo “einzuschieben. Unter Tempo verstehen wir die Gleichmässigkeit in der Geschwindigkeit einer Gangart. Die Geschwindigkeit ist ein Produkt der Länge der Tritte und der Schnelligkeit derselben. Gleichviel wie die Faktoren sich gegen einander verhalten, wenn sonst jeder Tritt gleich lang und dieselben in gleicher Zeit einander folgen, ob das eine Thier Tritte von 3 Fuss macht und sie zweimal in der Sekunde wiederholt, oder das andere Tritte von 2 Fuss macht und sie dreimal in der Sekunde wiederholt, beide gehen Tempo und da beide gleichmässig 6 Fuss in der Sekunde zurücklegen, so gehen sie ein gleiches Tempo. Das Reglement bestimmt z. B. für den Trab 300 Schritt in einer Minute. Jedes Pferd, welches bei gleichmässig schnellen Tritten in einer Minute diese Distance zurücklegt, wird ein richtiges Tempo gehen. Je nach dem Gebäude wird aber die Länge des Trittes und die Geschwindigkeit der Action bei den Pferden verschieden sein. Diese Verschiedenheit wird sich dahin ausgleichen müssen, dass diejenigen Thiere, welche von Natur einen langsamen geräu - migen Gang haben, schneller, und diejenigen, welche einen kurzen, schnellen Gang haben, länger treten lernen müssen. Diejenigen, denen die Natur einen langen Gang und schnelle Action verlieh, werden beides mässigen; diejenigen, welche von Natur kurz und langsam treten, an Zeit und Länge zugeben müssen, bis das bestimmte Längenmass von allen in der bestimmten Zeit bei gleichmässiger Action durchlaufen wird, gleichgültig wie jedes einzelne Thier die Faktoren seiner Geschwindigkeit — Mass und Zeit — eintheilt. Aber die Tritte jedes einzelnen Pferdes müssen unter sich gleich lang sein und sich in gleichem Zeitmasse einander folgen.
188Vom Gange der Dressur.Wollte man, bevor eine richtige Einwirkung durch das Gebiss erzielt werden kann, auf das Innehalten der Distancen einen Werth legen, so würde man die Reiter veranlassen, durch Hülfen diesen Zweck zu erreichen, welche der Dressur in hohem Grade nach - theilig werden müssen. Pferde, welche von Natur weite und mäch - tige Gänge haben, würden durch Festhalten in falsche Halsbie - gungen gebracht, unstät in der Hand werden, oder gar hinter die Zügel gerissen, von Haus aus zu unregelmässigem Gange und An - tritt verleitet werden; Pferde von kurzen Gängen aber, zu einer Uebereilung kommen, welche später schwer zu bessern ist. Es wird desshalb nothwendig sein, dass sich der Reitlehrer, wenn er zu anhaltenden Trabübungen übergeht, Anfangs zwei Abthei - lungen bildet, eine von solchen Pferden, welche vermöge der Räumigkeit oder Schnelligkeit ihrer Tritte von Haus aus zu einem starken Tempo hinneigen und eine zweite aus solchen, welche aus der einen oder anderen Ursaehe nur wenig fortkommen. Er kann sich leicht, wenn die Zeit es nicht erlaubt, sie nach einander in zwei für sich bestehenden Abtheilungen zu dressiren, dadurch helfen, dass er beim Trabe mit der einen Abtheilung die eine halbe Bahn benutzt und dort auf den Zirkel trabt, während die andere auf der anderen halben Bahn Schritt reitet. Für den Galopp wird eine derartige Eintheilung besonders nöthig sein, indem, wie wir späterhin sehen werden, die eine Art Pferde von Haus aus zu einem langen, die andere zu einem versammelten Sprunge angehalten werden muss.
So sehr es jeder Idee von Dressur in das Gesicht schlägt, so sehen wir doch hin und wieder Reitlehrer, im missverstandenen Sinne für militärische Ordnung, Remonte - Abtheilungen nach der Grösse rangiren und hören sie schon in den ersten Stun - den nach Distance rufen, wohl gar mit dem Zusatz, dass man die Thiere von Haus aus daran gewöhnen müsse. Wir haben vor - stehend uns schon des Weiteren über diese Art der Dressur aus - gelassen. Hierbei möchte ich gegen die Gewohnheit vieler Offiziere durch Zählen: „ eins-zwei! eins-zwei! “das Tempo reguliren zu wollen, die Bemerkung machen, dass, obschon sie nichts beabsichtigen, wie im Allgemeinen zu animiren oder zu beruhigen, dadurch die Mannschaft verleitet wird, das Tempo in einem Gleichmass der Zeit nach, zu suchen, während189I. Abschnitt. 5. Periode.jedes Pferd, wenn es Tempo gehen soll, die Geschwindigkeit nach der Weite des Trittes reguliren und seinen Takt für sich haben muss. Endlich erlaube ich mir noch zu erwähnen, wie der Reit - lehrer den Remontereiter auf die speziellen Eigen - schaften seines Pferdes im Genauesten aufmerksam machen und ihm die Gründe für die besondere Be - handlungsweise, welche das Gebäude verlangt, klar machen muss, indem der Lehrer ausser Stande ist, sämmtliche Eventualitäten in dem Grade zu überwachen, dass nicht die mei - sten speziellen Belehrungen zu spät kämen. Eine Erweiterung des theoretischen Unterrichtes über Reiterei, der sich über das Geben vorschriftsmässiger Hülfen etc. hinaus auf die Grundursachen erstreckte, dürfte von nicht geringem Nutzen und namentlich den Kapitulanten zu ertheilen sein. Man muss allerdings erst sitzen lernen, um zu lernen, wie man Hülfen gibt. Kann der Mann aber die Hülfen richtig und in Uebereinstimmung geben, so scheint es mir nöthig, ihn zu unterrichten, wodurch ihre Wirkung hervorge - bracht und bedingt wird. Es wird dies allerdings einen ähnlichen Vortrag hervorrufen, wie ihn sich dies Werk zur Aufgabe ge - stellt hat, doch dürfte er, mit einiger Beschränkung, nicht ohne Nutzen sein.
Geht das Pferd auf die Schenkelhülfe willig vorwärts und ist im Stillestehen sicher geworden, so gehe man zur Uebung des Weichens vor einem Schenkel über. Man stelle das Pferd mitten in die Bahn, lasse die Zügel, welche in eine Hand zu nehmen sind, leicht anstehen, ohne den Hals im Geringsten zusammen zu pressen, und klopfe das Thier unter dem Zuruf „ Herum! “mit der Gerte in kleinen wiederholten Streichen auf die Hinterbacken, bis es mit der Hinterhand übertritt, wozu es durch die Uebung an der Hand bereits vorbereitet worden ist. Sollte das Pferd vorwärts gehen wollen, so hält es der Zügel leicht zurück. Das Schlagen nach der Gerte muss hier, wie an der Hand durch einen nachdrücklichen Hieb in die Flankenge - gend bestraft werden. Es ist von Wichtigkeit, dass der Reiter seine Ruthenhülfen so abmisst, dass das Thier langsam herum - tritt und nicht ängstlich vor der Gerte flieht. Hat der Reiter auf190Vom Gange der Dressur.seine Aufforderung den Erfolg, so belohne er das Thier, indem er ihm schmeichelt und Ruhe gönnt und gehe dann zu den Uebungen im Gange über. Es müssen im Allgemeinen die Lectionen, welche etwas Neues enthalten, dann begonnen werden, wenn das Thier bereits durch Bewegung den Stall - muth verloren, dasselbe aber noch keineswegs ermüdet, seine Aufmerksamkeit frisch ist und man Ursache hatte, bei Wiederholung des Bekannten mit ihm zufrieden zu sein. Es gibt indess eine Menge von Reitern und Reitlehrern, welche glauben, nothwendig täglich alle ihre Lectionen durcharbeiten zu müssen, wodurch sie ihre Pferde warm gemacht und ermüdet haben, ehe sie etwas Neues beginnen, dann aber ist nicht nur die Aufmerk - samkeit der Thiere bereits abgenutzt, sondern auch eine Hast und Unruhe, der drängenden Zeit wegen, in das neu zu Erlernende gebracht, die der Sache schadet. Endlich aber wird dann häufig die Lection im Kampfe zwischen Reiter und Pferd, im Moment des Ungehorsams abgebrochen, welches gegen die Grundregel der Dressur verstösst, wonach Reiter und Pferd als Freunde scheiden sollen.
Nachdem man durch die Bahn gegangen, begebe man sich wiederum in die Mitte derselben und übe die Lection des Weichens auf die andere Hand. Hat man das Weichen vor der Gerte sicher auch ohne Beihülfe der Stimme, so substituire man ihr, in der bekannten Art, den Schenkel und Sporn. Ist man darin sicher und hat auch den einseitigen Sporn mit Erfolg in Anwendung gebracht, so unterrichte man das Pferd in der Gegenwirkung der auswendigen Hülfen. Man lasse das Pferd vor dem inwendigen Schenkel weichen und beende die Bewegung durch das Gegenlegen des auswendigen.
Dies macht wenig Schwierigkeit, wenn man vorher bereits die Uebung des Weichens vor dem inwendigen und auswendigen Schen - kel schnell hat aufeinander folgen lassen. Gehorcht das Pferd in dieser Art leicht auf beide, sie mögen übertreibend oder stopfend gebraucht werden, so gehe man über zur
In dieser soll man dem Pferde das Wenden sowohl im Gange, wie im Stillehalten lehren und durch Vermittelung191I. Abschnitt. 6. Periode.des mechanisch stark einwirkenden Reitergewichts, die mecha - nisch gering einwirkende Aufforderung zur Wendung durch den Druck des Gebisses auf die inwendige Lade, zur Er - kenntniss des Thieres und durch gemeinschaftliche Anwendung beider (je nach Bedürfniss bald diese, bald jene Hülfe vorherr - schend brauchend) die Wendungen zur Ausführung bringen.
Um das dahinschreitende Pferd zu veranlassen von der Linie, auf welcher es sich fortbewegt, abzuweichen, seine ursprüngliche Direktion zu verlassen, eine neue Richtung einzuschlagen — mit einem Wort zu wenden, braucht man dasselbe nur nach dieser Seite hin aus dem Gleichgewicht zu bringen und es wird bestrebt sein, um sein Gleichgewicht herzustellen, die seitwärts überhängende Last zu stützen, indem es mit den Vorderbeinen dorthin tritt und, im Gang gehalten, mit den Hinterbeinen folgt. Je unsicherer das Pferd nach seitwärts gestützt ist, um so geringer braucht die Einwirkung zu sein, um es dahin aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ihrem Baue nach sind die hohen eng - gestellten Thiere am schlechtesten, die niedrigen breitgestellten am besten seitwärts gestützt, diese werden schwer, jene leicht zu wen - den sein. Aber auch die verschiedene Fusssetzung der verschiede - nen Gangarten bringt einen wesentlichen Unterschied auf das mehr oder weniger sicher Gestütztsein nach seitwärts hervor. Im Schritt ist das Pferd (mit 3 Hufen am Boden) am besten; im Galopp (mit 2 Hinter - oder Vorderhufen, zeitweise mit 3 am Boden) noch ziemlich gut; im Trabe aber (nur mit den beiden diagonalen Hufen am Boden) sehr schlecht gesichert. Sein Schwer - punkt liegt im Trabe, wie wir bereits sahen, in der Diagonale der stützenden Hufe und jede Schwankung rechts oder links muss ihn sofort aus dieser Linie und somit das Thier aus dem Gleichgewicht bringen. Was könnte aber wohl mehr im Stande sein, jenes Ver - legen des Schwerpunktes mechanisch kräftig hervorzubringen, als das Körpergewicht des Reiters? — Nicht nur die grös - sere Schwere, sondern auch die über den Pferdekörper hin - wegragende Höhe seines Oberleibes wird dem Reiterge - wicht eine bei weitem mächtigere Einwirkung auf die Verlegung des Schwerpunktes geben, als der noch so scharf gewendete Kopf und herumgezogene Hals des Pferdes. Mechanisch wird mithin das Reitergewicht die Wendung viel mehr hervorbringen,192Vom Gange der Dressur.als die Wirkung des Gebisses auf der Lade. Wir können indess dieser mehr convenzionellen Hülfe nicht ent - behren, indem das Körpergewicht nur dann das Thier aus dem Gleichgewicht bringen, mithin wenden wird, wenn es nach seit - wärts schlecht gestützt ist, das ist im Allgemeinen im Gange, be - sonders aber im Trabe der Fall. Im Stillehalten wird indess weder das Reitergewicht, noch aber die Kopf - und Halsstellung das Thier aus dem Gleichgewicht zu bringen vermögen. Wir ha - ben mithin keine mechanische Hülfe, das Thier aus dem Stillehalten zu wenden und müssen dies auf dem Wege der Abrichtung erreichen. Auch in dieser Beziehung ist der Trab für die Dressur ein so wichtiger Gang, er gibt uns Gelegenheit durch die mecha - nische Hülfe, durch das Reitergewicht das Pferd zu wenden und durch Mitgebrauch des Zügels die weniger mechanische Zügel - hülfe zu substituiren, zum Verständniss zu bringen und so die Wendung auch aus dem Stillehalten durch den Zügel zu gewinnen. Auf diese Art die Wendung erzielend, wird man auch Anfangs nie - mals einer schmerzlichen Wirkung des Zügels auf die Laden bedürfen, wodurch das Thier das Vertrauen zur Hand ver - liert, und eben so wenig eines Herumziehens des Halses, wodurch derselbe an falsche Bewegungen gewöhnt wird. Man wird die Wendungen aber erst dann in das Bereich der Uebungen ziehen können, wenn man sicher ist, den Gang unterhalten und das Aus - fallen der Kruppe vermeiden zu können. Man muss, wie bemerkt, beim Trabe beginnen, durch weiches Mehrbelasten einer Seite vermittelst des Reitergewichts das Pferd seitwärts aus dem Gleichgewicht bringen und den Gang lebhaft unterhalten. Es darf dabei ein schärferes Austreten eines Bügels nicht statt - finden, die Gabel des Reiters keine Veränderung erleiden und jene allmälige Neigung des Oberkörpers nur eine stärkere Be - lastung des betreffenden Gesässknochens veranlassen. Mit dieser Neigung verbinde man demnächst einen Druck vermittelst des Zü - gels auf die inwendige Lade, wobei der auswendige Zügel so viel anstehen muss, dass weder ein Herumgeben des Kopfes noch Halses nach dieser Seite erfolgt. Der Schmerz, welchen ein derartiges Herumziehen des Kopfes auf die ungebogenen Ganaschen machen muss, würde häufig eine Opposition zur Folge haben. Man wird gewahr werden, dass man der Zügelhülfe zur Wendung im193I. Abschnitt. 6. Periode.Trabe nicht bedarf und das Pferd lediglich dem überhängenden Reitergewicht folgt. Man hüte sich aber Anfangs dieses zu plötzlich und gewaltsam eintreten zu lassen, weil das Thier sonst veranlasst werden kann, dadurch sein Gleichgewicht herzu - stellen, dass es sich mit Gewalt auf die entgegenge - setzte Seite wirft. Das Ausfallen der Kruppe in der Wen - dung hängt genau damit zusammen und muss durch die Wirkung des auswendigen Schenkels vermieden werden.
Nachdem man im Trabe zuerst weite Viertelwendungen, dann eine halbe, endlich eine ganze Volte von bedeutendem Umfange geritten hat, gehe man zu den weiten Wendungen und Volten im Schritt über, dann zu engeren Wendungen im Trabe, endlich im Schritt. Das Combiniren von geraden Linien mit halben Volten, von halben Volten auf der rechten und linken Hand, wodurch Schlangenlinien entstehen, das Uebergehen von ganzen Volten in einander zu Achten u. s. w., ist sehr wichtig. Je mehr man in derlei Dingen erfinderisch ist, um so mehr wird man das Thier achtsam auf Hülfen und gewandt machen. Den Beschluss der Wendeübungen machen die aus dem Stille - halten. Man thut dabei gut, Anfangs das Thier aus dem Stil - lehalten anzureiten und dann, wenn es die Bewegung vorwärts eben begonnen hat, die Wendung zuerst mit Beihülfe des Reiter - gewichts durch den Zügel zu begehren. Ist sie ausgeführt, so parirt man das Pferd sofort wieder. Nach und nach lässt man die Wirkung des Reitergewichts fort und beginnt die Anforderung beim Antreten des Pferdes mit dem Zügel allein. Findet man auch dann Gehorsam, so beginnt man die Wendung auf der Stelle. Natürlich darf auch dann, sobald das Pferd die Wendung beginnt, das Reitergewicht nicht widerstreben, sondern muss die Wen - dung in angemessener Art unterstützen. Man hüte sich An - fangs aus dem Stillehalten genaue Wendungen auf der Hinterhand zu verlangen und begnüge sich, wenn das Pferd dem Zügelanzuge Folge leistet, mit einer unreinen Wendung. Ist man demnächst aber sicher, verstanden zu sein, so übe man zuerst das Schenkel - weichen auf der Stelle, lasse dann aber die Wendung auf der Stelle folgen und bestrafe das Thier beim etwaigen Ausfallen mit der Kruppe durch erneutes Weichenlassen und wird so bald die reine Wendung resp. Pirouette auf der Hinterhand, wie aufv. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 13194Vom Gange der Dressur.der Vorhand erzielen. Eben so leicht wird man, beide combi - nirend, die Wendung auf dem Gurt (der Mittelhand) gewinnen. Diese 3 Lectionen sind für das Soldatenpferd von der grössten Wichtigkeit und man wird bald gewahr, wie es mit dessen Dressur beschaffen ist, wenn man sie ausführen lässt.
Im Allgemeinen wird man wohl thun, sich bei allen Wendun - gen der Zügelhülfen möglichst wenig zu bedienen und das Reitergewicht vorherrschen zu lassen, obschon ein Pferd, auf die angeführte Art dressirt, auch dem Druck auf die Lade gehorchen wird. Man hat bei der Wendung durch das Rei - tergewicht stets den Vortheil, dass man seinen Willen dem Thiere unmittelbar wissen lässt, ihm mechanisch zur Ausführung behüflich ist und nicht wie beim Druck auf die Lade demselben leicht Schmerz, sei es im Maule selbst, in der Ganasche oder dem Halse, macht. Es wird auf diese Hülfe ein in Ganasche und Hals noch wenig bearbeitetes Pferd sich leichter tummeln lassen. Es ist durch vorstehende Betrachtung aber auch leicht erklärlich, warum das Pferd auf den auswendigen Zügel, auf den Druck des Zü - gels an den Hals ebenfalls wendet. Es ist die Zügelwendung eben im Allgemeinen keine mechanische Hülfe und hat man das Thier gewöhnt, die Wendung auf die eine Art des Zügelgebrauchs zu vollziehen, so wird es, wenn der Reiter nur sonst consequent war, gewiss eben so leicht wenden, wie auf die andere Art. Wenn ich nun jene Wendung durch den Zügel an den Hals, durch Schie - ben der Faust nach der Seite, wohin man will, nicht als einen Un - sinn verurtheilen kann, sondern gestehen muss, dass sie sogar den Vortheil der Bequemlichkeit beim Reiten mit einer Hand für sich hat und mechanisch mindestens eben so kräftig wirkt, wie der Druck auf die inwendige Lade; wenn ich ferner den Einwurf, dass dadurch die Nase des Pferdes nach aussen geworfen und somit der Blick des Pferdes von dem Wege abgelenkt wird, den es betreten soll, nicht gelten lassen kann, weil bei der Augenstellung des Pferdes und bei der geringen Wen - dung des Kopfes dieser Uebelstand zu Null herabsinkt, wie denn auch die Contrevolten Wendungen sind, die den Kopf dauernd aus der Volte stellen: so muss ich, auf die Gefahr hin, inconsequent zu erscheinen, doch gestehen, dass ich diese Art der Wendung niemals gut heissen würde, und zwar aus folgenden Grün -195I. Abschnitt. 6. Periode.den. Beim Reiten mit zwei Händen, sowohl auf der Trense als beim Reiten auf der Kandare mit angefasster Trense, wendet Jedermann, weil es dann die Bequemlichkeit für sich hat, auf dem inwendigen Zügel und gewöhnt sein Pferd so an diese Hülfe, und wird dem Pferde etwas Neues, Anfangs Unverständliches geben, wenn er später beim Reiten mit einer Hand diese Hülfe ändert; andererseits artet diese Manier zu wenden sehr leicht zu einer Weitläufigkeit der Führung und einem rohen Reissen aus, welche das Pferdemaul bedroht, und lässt sich endlich mit den eingeführten Lectionen schlecht vereinen.
Schliesslich kann ich der Einwendungen nicht unerwähnt lassen, welche gegen die Wendung durch das Reitergewicht ge - macht werden dürften, selbst von Leuten, welche sie fortwährend selbst anwenden und nur um ihre Theorie aufrecht zu erhalten, sich gegen dieselbe sträuben.
1. Es soll die Anwendung des Reitergewichts zum Wenden den Sitz unruhig machen und der Festigkeit desselben Abbruch thun. Wenn die Hülfe durch Herabsinkenlassen der ganzen Reiterfigur nach einer Seite, wenn ein Stemmen in einen Bügel nothwendig damit verbunden wäre, so würde ich derselben Ansicht sein, eben so wenn ein plötzliches Hin - und Herwerfen erforderlich wäre; beides aber ist, wie wir sahen, auch hier fehler - haft. Jene allmälige Hinneigung des Oberkörpers in die Wen - dung, bei welcher der Schenkelhang völlig unverändert bleibt, ist ja schon immer gelehrt worden, nur nicht als Hülfe, um das Pferd zur Wendung zu disponiren, sondern als Hülfsmittel, um der Wirkung des schwereren Auffallens der inwendigen Füsse des Pferdes bei der Wendung und der damit verbundenen Rück - dröhnung, welche den Reiter nach auswärts wirft, zu begegnen. Man hat die Neigung des Körpers nach rechts und links stets gelehrt und ihre gute Ausführung, ohne den Sitz des Reiters zu bedrohen, immer als ein Zeichen eines guten Schlusses und erlangter Reitfertigkeit gepriesen. Das Aufheben eines Tuches von der Erde, ein scharfer Hieb mit dem Degen durch den Boden, sind immer Aufgaben gewesen, um die Gewandtheit zu prüfen, und beide machen eine so scharfe Neigung nöthig, mit welcher jene gar nicht zu vergleichen ist.
13*196Vom Gange der Dressur.2. Soll die Anwendung des Reitergewichts zum Wenden des - halb nicht anzuwenden sein, weil es bei den eben ange - führten zufälligen Neigungen des Körpers seitwärts, z. B. bei dem Hieb zur Erde, das Pferd unfehlbar zur Wendung veranlassen würde.
Einmal haben wir gesehen, dass in den Gangarten, wo das Pferd am leichtesten seitwärts aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann, die mechanische Einwirkung des Reitergewichts nach seitwärts die grösste sein wird. Im Galopp und in der Carrière, in welcher diese Uebungen meist ausgeführt werden, ist das Thier noch ziemlich gut seitwärts gestützt und deshalb zur Wendung, wie gezeigt, die Zügelhülfe mit in Anspruch zu nehmen. Das Unter - lassen dieser Beihülfe wird indess vielleicht noch nicht aus - reichen, das Thier geradeaus zu halten; es muss dann die entge - gengesetzte Wendung des Zügels zu diesem Zwecke gebraucht werden. Es werden sich dann die Einwirkungen aufheben. Die Praxis zeigt uns für diese Fälle, dass die Thiere bei dem Hieb zur Erde in der Carrière weniger geneigt sind rechts — als links auszubrechen, wodurch scheinbar der Wirkung des Reiter - gewichts auf die Wendung widersprochen wird. Ich finde diese Erscheinung indess völlig erklärlich. Geschieht die Neigung des Reiters rechts herunter zu plötzlich, so wird das Thier, in der Furcht von dem überhängenden Gewicht, wenn es demselben folgt, umge - worfen zu werden, demselben widerstreben und den Schwerpunkt seines Leibes so stark nach der entgegengesetzten Seite neigen, dass es in dieser Direktion, mithin nach links, abweicht.
Es ist keineswegs meine Meinung, dass die vorstehend bezeich - neten Lectionen in dieser Periode hintereinander fort durchgeübt und bis zu einer gewissen Vollkommenheit getrieben werden sollen. Diese Lectionen gehören zu denen, welche, sich auf Verständniss gründend, zu den ersten Elementen der Dressur gehören, dann zu einiger Vollkommenheit gebracht, zur Körperausbildung des Thieres höchst wichtig sind, endlich aber auch beim späteren Dienstge - brauch jeden Augenblick vorkommen. Sie müssen sich mithin durch alle Abschnitte und Perioden der Dressur hin - durchziehen und müssen stets in derjenigen Haltung und Zusammenstellung geübt werden, welche derje - nigen Stufe der Dressur, in welcher man sich befindet,197I. Abschnitt. 7. Periode.eigenthümlich ist. Anfangs wird bei gänzlich unbearbeitetem Hals und ohne Rippenbiegung von keinen engen und präzisen Wendungen die Rede sein, man begnügt sich, verstanden zu sein und Gehorsam zu finden, und erst nachdem man durch Halsarbeit und Rippenbiegung so weit gekommen, dass der Pferde - körper sich leicht in die Form biegt, welche mit der Figur des zu beschreibenden Hufschlags übereinstimmt, wird man zur Ge - nauigkeit und Eleganz kommen. Es ist indess festzuhalten, dass man diese erlangt haben muss, ehe man den Galopp beginnt.
Man verzeihe, wenn bei dieser Gelegenheit manches wieder - holt worden, was bereits im ersten Theil bei der Lehre „ vom Körpergewicht des Reiters “gesagt worden war. Es schien mir indess wichtig und nothwendig, meine Ansicht darüber weit - läufiger zu entwickeln, da sie von der allgemeinen hie und da abzuweichen scheint.
In dieser soll das Pferd in der Bewegung dem einsei - tigen Schenkel weichen lernen. Es gestalten sich hieraus die Lectionen „ Kopf herein und Kruppe heraus “und „ Kruppe herein und Kopf heraus “, bei denen festzuhalten, dass der Hufschlag der Hinterhand von dem der Vorhand nicht weiter als 1½ Schritt abweicht und weder von Kopfstellung noch Rippenbiegung die Rede ist. Die Hinterhand wird, wenn sie den weiteren Bogen hat, in dieser Lection leicht vor dem inwendigen Schenkel schleudern. Man hüte sich, durch zu frühzeitige Ge - genwirkung des auswendigen Schenkels diesem Uebelstand abzu - helfen, indem man das Pferd dadurch leicht verwirren würde. Man beginne die Stunde mit Schritt und Trab auf der geraden Linie, übe dann das Schenkelweichen auf der Stelle und, wenn dieses gut vor sich ging, reite man im Schritt auf dem grossen Zirkel. Hier beginne man, ohne das Pferd mit dem Zügel zu be - lästigen, namentlich aber ohne es mit dem inwendigen stellen zu wollen, durch den inwendigen Schenkel, nöthigenfalls mit Beihülfe der Gerte, die Hinterhand herauszudrücken, gleichzeitig aber unter - halte man den Gang durch Zungenschlag und bringe durch Nei - gung des Körpergewichts nach der auswendigen Seite das Thier zum Uebertreten der Vorhand. Die Uebereinstimmung der198Vom Gange der Dressur.Hülfen, namentlich die Einwirkung des Körpergewichts im Mo - ment, wenn die Hinterhand durch den Schenkel herausgetrieben wird, sichert den Erfolg. Der auswendige Zügel kann, nöthigen - falls in gelinden Anzügen seitwärts führend, mitwirken, muss jedoch mit grösster Vorsicht gebraucht werden. Geht es ohne denselben, so ist es um so besser. Das rechtzeitige Einwirken des Gewichts ist hierbei für ungeübte Reiter das Schwierigste, aber dennoch das Wesentlichste.
Man begnügt sich natürlich Anfangs mit ein Paar Tritten und bediene sich des auswendigen Schenkels, um die gerade Linie wieder zu erreichen. Dann folgen wieder Uebungen mit beiden vortreibenden Schenkeln im Schritt und Trab, Changiren durch die ganze Bahn, Aufstellen in der Mitte und Schenkelweichen auf der Stelle vor dem anderen Schenkel; Anreiten im Schritt auf die andere Hand; Uebung im Weichen vor dem anderen Schenkel im Gange auf dem Zirkel, wie vorher. Beendigung der Uebungsstunde.
Hat man so einige Tritte sicher, so verlängere man die Uebung von Kruppe heraus, und ist das Pferd sicher darin, so gehe man zur Lection Kruppe herein in derselben Art über. Man setze diese Lection auf 2 Hufschlägen fort und suche demnächst die Einwir - kung des nicht übertreibenden Schenkels zur Geltung zu bringen, indem man aus den Seitenlectionen parirt, oder aus denselben geradeaus vorreitet. Diese beiden letzteren Uebungen sind höchst wesentlich und dient namentlich das Geradeaus-Vor - gehen aus dem Seitengange am besten als Beweis, dass das Thier den Unterschied zwischen den seitwärtstreibenden einsei - tigen und den beiden vorwärtstreibenden Schenkeln erkannt hat. Das Eingehen in die Lectionen durch Abwenden mit dem Zügel vom Hufschlag würde, so richtig es für das Schul - terherein ist, hier ganz falsch sein und ist streng darauf zu halten, dass die Hinterhand von Anfang an, der vom Hufschlag weichende Theil sei. Man kann jenes Vorgehen aus Kruppe heraus zweck - mässig benutzen, um auf die andere Hand zu gehen. Es wird immer sehr leicht gelingen, das Uebertreten der Vor - und Hinter - hand, das Weichen vor dem Schenkel zu erzielen, sowohl bei Kruppe herein wie Kruppe heraus, wenn sich die Reiter nur entschliessen können, von den seitwärts stellenden Zügelhülfen, von der Kopf - stellung abzulassen. Diese Stellung zu geben, ist aber den Meisten199I. Abschnitt. 7. Periode.so zur anderen Natur geworden, dass sie nicht davon ablassen können. Die Beengung des Halses, der Schmerz der zusammen - gepressten Ohrdrüsen und Muskeln aber, welche das rohe Pferd dadurch erhält, leitet die Aufmerksamkeit des Thieres von den Schenkeleinwirkungen ab und macht es widersetzlich. Der gera - deausgestellte Kopf ist deshalb ein Haupterforder - niss für das Gelingen dieser Uebung, nebst der richtigen Gewichtsvertheilung des Reiters. Man beachte vor Allem, dass „ Kopf herein und Kruppe heraus “, wie „ Kopf heraus und Kruppe herein “niemals zur Bearbeitung des Pferdekörpers dienen sollen, sondern lediglich dem Thiere das Erkennen und Gehorchen der Hülfe des Weichens vor dem einseitigen Schenkel lehren soll. Sie zählen daher auch nur zu den Vorbereitungslectionen und sind keine Produktions - stücke der Bahnreiterei, indem die anderen Seitengänge den Beweis liefern, dass diese Lectionen verstanden sind. Es ist stets festzu - halten, dass die Uebungen auf der geraden Linie zwischendurch lebhaft fortgesetzt werden und vor Allem darauf zu sehen, dass bei jenen Uebungen die Pferde nicht hinter die Hand kommen.
Hat man das Gehorchen auf beide und auf den einseitigen Schenkel sicher, hat man die Wendungen angebahnt, so ist der erste Abschnitt der Dressur, bei dem auf Verständniss und Ge - horsam vorherrschend zu sehen, beendet. Man hat das nöthige Material für den zweiten Abschnitt, der sich hauptsächlich mit der Körperausbildung beschäftigt, gesammelt und geht nunmehr zu diesem über. Es ist zu wiederholen, dass bei allem Widerstre - ben und Nichtgelingen auf die vorhergehende Uebung zurückge - gangen und Mangel an Verständniss und Ungehorsam genau unter - schieden werden muss. Es würde für den ganzen Cyklus der bisherigen Uebungen fehlerhaft sein, jetzt schon das angenehme Gefühl einer Bewegung des Pferdes im Gleichgewicht erstreben zu wollen und durch Gegenwirkung des Zügels eine verfrühte Zusammenstellung zu erzielen. Wohl aber gönne man dem Thiere die Anlehnung auf die Hand, welche es sich selbst sucht, selbst wenn sie sehr fest wäre und unterscheide stets die Verlegung des Gewichts durch Anlehnung von der durch Zurücknahme des Halses. Es würde indess eben so falsch sein, verkehrte Biegungen des Halses, wenn solche nicht im Bau des Halses liegen, sondern Folge200Vom Gange der Dressur.eines unrichtigen Zügelgebrauchs sind, zu übersehen. Man erforsche, wodurch man sie hervorgerufen hat und vermeide diese Fehler. Jene verfrühten Einwirkungen auf das Gebäude werden unrichtige Halsstellungen, Rücken - und Gelenksanspannungen, Schleudern der Kruppen und Verhalten zur Folge haben und schliesslich zu Wi - dersetzlichkeit führen. Ihnen verdankt man den grössten Theil der verrittenen Pferde und wird die Prüfung derselben zeigen, dass ihre Widersetzlichkeit im mangelnden Respekt vor dem Schenkel ihre erste Begründung findet.
Ehe man zur Bearbeitung des Halses schreitet, muss das Pferd Vertrauen zur Hand des Reiters gewonnen haben. Es muss willig an das Gebiss herangehen. Obschon der Grad des Herantretens, die Anlehnung, oft ungleichmässig und namentlich häufig bis zum Auflegen fest sein wird, so muss sich doch niemals eine Scheu vor dem Mundstück zeigen. Das Pferd muss auf den Schenkeldruck vorwärts gehen und das Gewicht seines Körpers in den Gang legen; es muss das Hinweggehen des Leibes über die Beine mit dem Fortbewegen derselben bereits in so weit in Uebereinstimmung stehen, als der Drang vorwärts vielleicht noch zu stark, niemals aber zu gering sein darf. Es muss ferner die Wirkung des einseitigen Schenkels gesichert sein und durch dieselbe das Ausfallen der Kruppe vermieden werden können. Endlich aber muss das Widerstreben der Kiefer - muskeln gegen die Wirkung des Gebisses beseitigt sein; auf den Druck des Gebisses die Zurücknahme des Kopfes erfolgen und kein Gegendehnen oder Vorschieben der Lade vorkommen. Wenn diesen Anforderungen noch nicht genügt ist, wird die Bearbeitung des Halses verfrüht sein.
Man wird von nun an die Gerte weglassen. Es ist mir die Zäumung auf Doppeltrense deshalb wünschenswerth erschienen,201II. Abschnitt. 1. Periode.weil die höherliegende kleine Trense das Ueberstrecken der Zunge einigermassen verhindert; auch ist eine Kopfhalfter bei den meisten Pferden nützlich, indem durch das Zuziehen des Nasen - riemens dem Maulaufsperren entgegengearbeitet wird.
Man hat durch die bisherige Dressur hinreichend Gelegenheit gehabt zu beurtheilen, mit welcher Art der Halsarbeit man zu beginnen hat, wozu der erste Theil die näheren Motive giebt. Je geringer die ersten Anforderungen sind, je weniger die neue Stellung Anfangs von der natürlichen Haltung abweicht, um so richtiger wird man verfahren. Man mache das Pferd dann aber nach und nach in dieser neuen Stellung fest, bis es sich darin in den verschiedenen Gängen, im Schritt und Trab, dauernd und zwanglos bewegt und sie endlich auch im Stillehalten leicht und willig annimmt.
Es ist das Verfahren für das Aufrichten, Beizäumen, wie Ab - biegen im Gange ein völlig ähnliches. Der Schenkel repräsen - tirt die Activität. Er fordert vordrückend und immer wieder vor - drückend das Pferd auf, an das Gebiss zu treten, während die Stellung der Fäuste die Haltung bestimmt, die der Kopf einnehmen soll, der seinerseits den Druck auf die Halswirbelsäule ausübt und sie in die gewünschte Form biegt. Der Zügel bleibt mithin mehr passiv. Der Schenkel drückt durch das Widerstreben durch und duldet, unausgesetzt thätig, weder Verhalten noch Ausweichen. Die Fäuste sind die Form, die Schenkel die treibende Kraft, welche den Hals in die Form schiebt und mo - delt. Nur beim todten Aufderhandliegen darf die Faust mehr activ wirken und durch leichte kurze Anzüge die Schenkelthätig - keit unterstützen.
Anfangs werden die meisten Pferde, namentlich aber Pferde von Temperament und Race, um sich dem Ungewohnten, Unbe - quemen, vielleicht gar Schmerzlichen der geforderten Stellung zu entziehen, gar vielerlei Biegungen und Wendungen machen. Wenn sie aber allenthalben wieder auf den ruhigen Druck des Gebisses stossen, welcher ihrem Drängen in eine falsche Richtung ein Ziel setzt; wenn sie immer wieder den ruhig vortreibenden Schenkel fühlen, der ihrem Verhalten begegnet, sie beim Weichen mit der Kruppe corrigirt; dann aber mit Annahme der verlangten Stellung der Druck des Schenkels nachlässt, der Druck auf der Lade auf -202Vom Gange der Dressur.hört und der Reiter es durch Wort und Hand belobt; wenn das Pferd so mit der Annahme der Stellung Erleichterung und Beloh - nung, allenthalben ausser ihr aber Unruhe und Unbehagen empfin - det: so wird es sich bald willig in jenes Verlangen fügen und bald der ersten Aufforderung dazu willig Gehör geben. Die Stärke der Hülfen, die Dauer des Festhaltens in der Stel - lung, wie die allmälige Steigerung der Dauer muss der Individualität genau angepasst werden. Wenn das Pferd anfänglich nur ein Paar Tritte in der gewünschten Haltung macht, so muss es, alles Zwanges entledigt, seine natürliche Hal - tung wieder annehmen und seine zur ungewohnten Anstrengung gebrachten Muskeln ausruhen dürfen.
Ist man fest in dieser ersten Arbeit, so nehme man eine geringe Kopfstellung hinzu und übe in der gewonnenen Haltung endlich auch die Lectionen auf 2 Hufschägen. Man be - festigt dadurch den Gehorsam und gewinnt so nach und nach die Seitengänge in derjenigen Haltung, in welcher sie zur Körperaus - bildung des Pferdes so nützlich sind. Man glaube aber nicht, dass die jetzt erlangten, noch so unvollkommenen Seitengänge bereits die Hanke bögen, die Schulter befreiten etc., man mit einem Worte durch sie bereits vortheilhaft auf die Ausbildung des Pferdes ein - wirke, und reite sie deshalb nicht zu andauernd, sondern mache kurze Reprisen, häufig von Schulterherein in Travers, von Travers zum Contre-Schulterherein (wenn man die Gänge jetzt schon so nennen darf) wechselnd, und wird dann die Gefahr vermeiden, durch schlechtgerittene Seitengänge den Körper zu verderben, statt durch gutgerittene denselben zu stählen.
Vorzüglich geduldig sei man mit Thieren, welche noch in der Körperausbildung begriffen sind. In diesem Alter ist die Mehr - zahl der Remonten der preussischen Cavallerie, wenn dieselben aus den Remontedepots den Regimentern überwiesen werden. Ob - schon die Bestimmungen die eigentliche Dressur dieser Pferde noch auf ein Jahr hinausschieben und dieselben im ersten Jahr ihrer Ueberweisung nur angeritten werden sollen, so glaubt man viel - fach recht vortheilhaft für das nächste Jahr vorzuarbeiten und die Thiere bestens zu conserviren, wenn man sie bald möglichst ins Gleichgewicht bringt, und so beeilt man sich denn, recht zeitig zur Halsarbeit zu kommen. Ich bin der Meinung, dass man mit203II. Abschnitt. 1. Periode.den Arbeiten, welche unser erster Abschnitt umfasst, recht füglich die Zeit vom October bis Mai hinbringen kann und dann noch früh genug mit den ersten Graden der Halsarbeit beginnt. Richtig geleitet, werden die Lectionen jenes ersten Abschnitts, ganz ohne die Pferde anzugreifen, durchgeritten werden können. Dieses ist aber, sobald es sich um Bearbeitung und Umgestaltung des Halses handelt, nicht mit solcher Gewissheit vorherzusagen, zumal die Cavallerie nicht lauter vollkommen durchgebildete Reiter zu diesem Dienst verwenden kann. Es dürfte schwerlich das junge Pferd mehr durch das mangelnde Gleichgewicht leiden, wenn es täglich ein Stündchen jene Lectionen im Schritt und Trab in der Bahn geht, als durch zu frühe Zusammenstellung, wenn sie nicht von ganz geschickter Hand geschieht.
Ist das Pferd, bei dem ich mit der Beizäumung begonnen habe, fest in der neuen Haltung geworden, so gehe man je nach Gestaltung des Halses zu einem zweiten Grade ver - mehrter Beizäumung über, oder arbeite den Hals aufwärts - rückwärts, richte ihn in der Beizäumung auf. Das erstere würde bei solchen Thieren angemessen sein, deren untere Halswirbel schon von Hause aus die gewünschte, annähernd senkrechte Richtung hätten; das zweite bei solchen, welche jene natürliche Erhebung des Halses vom Widerriss nicht haben, aber bei denen ohne vor - herige Beizäumung ein falscher Bug der oberen Wirbel nach auf - wärts-rückwärts, mithin ein Hirschhals zu befürchten wäre. Unser erster Theil zeigt uns, was wir zu wünschen haben und was ver - mieden werden muss. Bei der grossen Verschiedenheit der Hälse wird es ohne die Kenntniss jener allgemeinen Grundsätze schwer zu bestimmen sein, wann diese Zurücknahme in der beigezäumten Stellung begonnen werden muss. Es kommt lediglich darauf an, dass durch die Beizäumung die falsche Biegung rückwärts ver - mieden werde. Bei je geringerer Beizäumung man das Geschäft des Aufrichtens beginnen kann, um so vortheilhafter wird es sein, weil die Aufrichtung um so mehr den Hals beengen muss, je stär - ker die Beizäumung ist. Eine Aufrichtung mit hoher Nase wird die Ohrendrüsen nur wenig ins Gedränge bringen, das Zurück - führen des Halses mit beigenommener Nase aber bedeutend auf sie einwirken und einen grossen Fortschritt in der Bearbeitung der Ganasche voraussetzen. — Es ist schon erwähnt worden, wie eine204Vom Gange der Dressur.Zeit hindurch man geneigt war, die Beizäumung als das Universal - mittel zu betrachten und sich nur bemühte, die Nase in senkrechte Stellung zu bringen. Man hatte bald erkannt, dass nur Meister in der Kunst ein günstiges Resultat durch die Hülfszügel erlangten, hatte diese über Bord geworfen und bemühte sich nun durch die Einwirkung der Hand das Genick beizubringen, indem man zu einer tiefen Führung seine Zuflucht nahm und die Fäuste tief abwärts neben den Hals stellte. Nicht allein nahm man dadurch dem vorgestreckten Arm die Anlehnung an den Leib, sondern man veranlasste den Mann zum Vorlehnen seines ganzen Oberleibes, brachte ihn mit dem Gesäss aus dem Sattel, wodurch seine Beine vorgingen und deren Thätigkeit beeinträchtigt wurde. Sehr bald stellte sich das Resultat heraus, dass die Leute nur mit der Faust bemüht waren, die Pferdenase nach abwärts zu ziehen, und bei mangelnder Schenkelthätigkeit die Thiere dahin brachten, mit todtem Maule dieser Anforderung zu widerstreben — für die Mannschaft aber wurde bald der nachtheiligste Einfluss auf den Sitz sichtbar.
Wenn Meister der Kunst bei hinten weichen Thieren aus - nahmsweise einen derartigen Sitz annahmen, so blieben sie, eben durch ihre Meisterschaft, in freier Thätigkeit ihrer Glieder. Es war aber gewiss nicht ihre Absicht, die Ausnahmen von ihren Nachbetern zur Regel erhoben und auf Leute in Anwendung ge - bracht zu sehen, deren Einwirkungen durch diesen Sitz zu Null herabsinken mussten. Auch dieser Abweg ist ziemlich verlassen und wird nur noch von Wenigen, deren Jugend in diese Zeit fällt, aus alter Gewohnheit oder Gedankenlosigkeit betreten.
Ist man mit denjenigen Pferden, bei denen man mit der Aufrichtung begonnen hat, so weit gekommen, dass eine Abwärtsbiegung in der Mitte des Halses nicht mehr zu befürchten steht, so beginne man die Beizäumung, wo nicht, so gehe man zu einem erhöhten Grade der Aufrichtung über. In dieser zweiten verbesserten Stellung fahre man fleissig mit der Ganaschenbiegung fort, und suche das Pferd in derselben wiederum in allen Gangarten auf einem und zwei Huf - schlägen zu befestigen, wobei sich in den Seitengängen die Anfor - derung an Kopfstellung und Rippenbiegung vermehrt.
205II. Abschnitt. 2. Periode.So suche man von Stufe zu Stufe vorzuschreiten, bis man fühlt, dass durch die Zusammenfügung des Halses be - reits auf die Hinterhand eingewirkt werden kann und durch sie im Stande sein wird, die Last der Vorhand der Hinter - hand zuzuführen. Dann gehe man zur
über. In dieser sucht man die Tragfertigkeit der Hinter - hand zu gewinnen. Es ist natürlich, dass schon die Zusammen - fügung des Halses in der ersten Periode, nach ihrem verschiedenen Grade, einen gewissen Einfluss auf den Rücken und die Hinter - hand zeigen musste. Es lag indess nicht in der Absicht, für jene Periode diesen Einfluss zu erweitern und mehr als zufällig geltend zu machen. Die Tragfertigkeit beruht nebst Unterschieben der Hinterhand unter die Last, auf der Biegung der Hinterbeine. Durch jenes Untersetzen der Hinterbeine sowohl, wie durch die Biegung der Gelenke werden die Hinterstützen der Rückenwirbelsäule niedriger, diese erniedrigt sich somit selbst nach hinten und der Schwerpunkt des ganzen Pferdekör - pers wird nach rückwärts gebracht. Endlich aber ist auch die Rippenbiegung für die Tragfertigkeit der Hinterhand von Wichtigkeit, weil ich durch dieselbe im Stande bin, ein Hin - terbein weiter wie das andere unter den Pferdekörper zu bringen, und indem ich demselben ein erhöhtes Gewicht zuführe (einmal durch mein eigenes Körpergewicht, dann aber durch die Einwirkung des Gebisses) im Stande bin, es zu biegen und so wiederum ver - mag, den Schwerpunkt des Pferdekörpers nach rückwärts-seit - wärts zu verlegen.
Diejenigen Lectionen, welche die Verlegung des Schwerpunktes nach rückwärts und nach rückwärts-seitwärts begünstigen, mithin die abgekürzten Gänge im Schritt und Trab, die halben und ganzen Paraden, das Zurücktreten und die Seiten - lection mit Kopfstellung und Rippenbiegung, gehören in das Be - reich dieser Periode.
Bei den Lectionen im abgekürzten Tempo ist die Hauptschwierigkeit, die Hinterhand dauernd unter dem Leibe zu erhalten, so dass der Abschwung möglichst nahe hinter206Vom Gange der Dressur.der Vertikalen erfolgt und dass er, obschon mit voller Federkraft wirkend, doch den Pferdekörper nicht weit vorwärts, sondern aufwärts wirft. Nur eine genaue Uebereinstimmung von Schenkel - und Zügelhülfe und Belastung durch das Reitergewicht, sowohl der Kraft wie der Zeit nach, wird diese Lectionen in einer nutzen - bringenden Art erzielen. Erst wenn die Hinterhand durch den Schenkel beim Beginn der Lection (ähnlich wie bei der Parade) weit unter den Leib gebracht worden ist, dürfen die vermehrten Einwirkungen des Zügels und die Belastung durch den Reiter erfolgen. Eine Belastung der Hinterhand durch das Reitergewicht, ehe sie untergebracht wäre, würde diese Anforderung erschweren, indem das Unterschieben der Hinterhand ein Aufwärtswölben der Rückenwirbelsäule erfordert und die Belastung auf die entgegen - gesetzte Biegung des Rückens hinarbeiten würde. Es wird einer höchst lebhaften, sich fast auf jedem Tritt wiederholenden Schen - keleinwirkung bedürfen, um die Hinterbeine unter dem Leibe, trotz der Belastung, die zu ihrer Biegung nothwendig ist, festzuhalten. Eben so gehört eine immer wieder nachgebende und auf’s Neue anspannende, mit dem Schenkel übereinstimmende Hand dazu, um den richtigen Gang zu unterhalten. Anfänglich können es nur wenige Tritte sein, die man dem Pferde abgewinnt.
Bei Pferden von schwachem Rücken muss man mit dessen Belastung doppelt vorsichtig sein, und ist dieser Fehler mit sehr biegsamen Gelenken der Hinterhand gepaart, so wird auch jedes Einwirken mit dem Gesäss fehlerhaft.
Umgekehrt ist es bei Pferden, welche bei starkem, hohem Rücken sich in dieser Lection leicht hinter den Zügel machen. Wenn bei den vorigen die Biegung der Hinterbeine hauptsächlich durch die auf Zügeleinwirkung beruhende engere Zusammenstellung hervorgebracht wurde, so muss es bei diesen durch die Belastung geschehen. Man gehe bei ihnen indess stets mit der grössten Vor - sicht zu Werke. Sobald man fühlt, dass sie zu lose am Zügel werden, gehe man sofort in flotte Gänge über, bis sie wieder an das Gebiss treten und den Rücken geben, und sehe jedes Vonder - handkommen als ein Zeichen an, dass man zu weit ging.
Der abgekürzte Schritt ist eine weit wichtigere Lection als man im Allgemeinen anzunehmen scheint. Man sieht ihn bei unserer Cavallerie fast gar nicht in Anwendung gebracht, und es207II. Abschnitt. 2. Periode.giebt, so viel ich weiss, nicht einmal ein Commando dafür. Es scheint mir naturgemäss, dass es ausser dem Landschritt und dem versammelten Bahnschritt, noch einen abgekürzten Schritt bei ge - steigerter Versammlung geben müsste, wie dies ja auch beim Trabe der Fall ist. Es scheint mir die Furcht vor einer zu grossen Ver - kürzung und einem schleichenden, träumerischen Schritt obzuwalten, obschon gerade durch das Commando: „ abgekürzter Schritt! “und „ frei weg! “die Differenz um so mehr zur Anschauung käme und die Leute um so eher zu dem Begriff gelangten, dass man keine verminderte Thätigkeit, sondern nur eine andere Art derselben begehrt. Die Schwierigkeit eines völlig richtigen, abgekürzten Schrittes, der ungestört seine 4 Tempo’s zeigt, ist mir keineswegs unbekannt. Ich glaube nicht, dass ihn viele Reiter der Cavallerie ein Paar mal um die Bahn fliessend und gleichmässig vollführen würden, geschweige denn Rekruten. Es scheint mir für diesen Fall indess darauf weniger anzukommen, da die unvollkommene Ausführung dieser Lection dem Material keinen Schaden bringen wird, namentlich wenn der abgekürzte Schritt mehr als Lehrmittel für den Mann, wie als Dressurmittel für das Pferd ange - wendet wird. Für den letzteren Zweck wird es allerdings eines sehr guten und gefühlvollen Reiters bedürfen, um nicht leicht zu Nachtheilen zu führen. Will man aber darin gar zu ängstlich sein, so begreife ich nicht, wie man sich an eine so schwierige Lection wie „ Schulterherein “hat wagen können.
Es ist die Passivität junger Reiter, die Abneigung derselben, auf das Pferd einzuwirken, so vorherrschend, dass, meines Dafürhaltens, keine Gelegenheit versäumt werden darf, derselben entgegen zu arbeiten. Der ver - sammelte Trab macht schon auf eine grössere Reitfertigkeit An - spruch, indem Rekruten etc. oft noch zu sehr von der Bewegung des Pferdes abhängen, um trotz derselben übereinstimmende und richtig-nüançirte Hülfen geben zu können, und diesen jungen Rei - tern würde Mass und Uebereinstimmung zwischen Zügel -, Schenkel - und Gewichtshülfe beim abgekürzten Tempo im Schritt zweck - mässig zuerst beigebracht. Man hört zwar die Lehrer bei diesen Leuten fortwährend von halben Paraden und versammelnden Hülfen sprechen, aber meist erst dann, wenn deren Thier im Trabe oder Galopp bereits haltungslos dahin rollt und sie schon in jenes krampf -208Vom Gange der Dressur.hafte Festhalten verfallen sind, welches dieses Davonlaufen bestens unterstützt; von Versammlung sprechen, ohne dass sie den Leuten klar zu machen versuchen, worin das Wesen der Versammlung und der Parade besteht. Es ist nicht streng genug darauf zu halten, dass der Rekrut, sobald er einigermassen zum freien Gebrauch seiner Gliedmassen trotz der Bewegung des Pferdes gelangt ist, auf alle mögliche Art in Situationen gebracht werde, welche ihn zwingen, auf das Pferd einzuwirken. Es ist namentlich das Einzelnreiten der Leute, während die Abtheilung auf Glieder - distance im Schritt auf dem Hufschlag bleibt, nützlich. Die Pferde werden stets die Neigung zeigen, von der Abtheilung nur zögernd abzugehen und zu eilen, sobald sie dieselbe beinahe erreicht haben; sie werden nur ungern an der Abtheilung vorbeigehen, Miene machen zu kleben etc. Alles dieses bietet Gelegenheit zu Einwirkungen, die das gut geschulte Rekrutenpferd in der Ab - theilung sonst niemals braucht. Aber auch damit begnüge man sich nicht. Wenn man bei den Leuten Sitz erlangt und ihnen die Hülfen auf ruhigen Pferden beigebracht hat, so sorge man für Lectionen, die das Temperament der Thiere erwecken und lasse die Sporen nicht schonen, damit der Mann das erregte Temperament besiegen lernt. Die ewige Wiederholung derselben Lectionen, welche die Thiere träumend auf Commando ablaufen, machen sie stumpf und ledern, so dass man sich entsetzt über das Gefühl, wenn man sie besteigt. Hat man sie kurze Zeit geritten und aufgeweckt, so findet man sie meist viel besser gearbeitet, als es anfangs den Anschein hatte, und es tauchen die Resultate einer guten Dressur nach und nach, wie langvergessene Klänge, unter der Spornarbeit auf.
Es sind nicht die Thiere gemeiner Race und trägen Tem - peraments allein, selbst Pferde edler Abkunft geben dem Reiter dies lederne Gefühl, was mir nicht lediglich eine Folge des im Gliedegehens zu sein scheint, da sonst die Pferde der besseren Reiter auch diesen Zustand theilen müssten, was keineswegs der Fall ist, indem eine Menge Unteroffizierspferde sich vollkommen weich und aufmerksam auf leise Hülfen zeigen. Es ist vielmehr ein Resultat des trägen Sichtragenlassens, des todten Schenkels, schwerer Faust, fortgesetzten Mangels an Versammlung und der steten Wiederholung derselben Lectionen, wodurch das Thier ein -209II. Abschnitt. 2. Periode.geschläfert wird; oft durch eine missverstandene Idee des Reiters von feiner Reiterei, oft durch die Angst, das Temperament des Thieres zu erwecken, hervorgebracht. Man sieht gar häufig den Gebrauch des Sporns vermeiden; man begnügt sich lieber fortwährend mit un - zureichenden Hülfen, als dass man sich eines so rohen Mittels be - dienen möchte. Es ist auch vielen Reitlehrern das Erwecken des Temperaments des Thieres ein Hauptfehler; sie arbeiten in jeder Art darauf hin, dasselbe einzuschläfern und so Ruhe in die Abtheilung zu bringen. Aber sie bedenken nicht, dass dies die Ruhe der Trägheit ist und nicht die Ruhe des Gehor - sams, dass jedes Hinarbeiten auf Gehen durch Gewohnheit das Geben der Hülfen von Seiten des Reiters und das Aufmerken auf Hülfen seitens des Pferdes unnütz macht, dass mit der Zeit die Thiere auf das Commando ihre Lection ablaufen und Ross wie Reiter endlich sich im Halbschlaf bewegen, wie lustig sie auch auf dem gewohnten Viereck sich bald im Trabe, bald im Galopp zu drehen scheinen. Erwacht aber des Thieres Temperament einmal, so fällt der Reiter, der es nicht zügeln lernte, in den Haltkrampf und dahin geht es; oder zwingen die Umstände den Reiter zu einer nicht eingedrillten Forderung, so weiss er weder dem Thiere seinen Willen mitzutheilen, noch sich Gehorsam zu verschaffen. Vom Rekruten in die 2. Reitklasse gebracht, lernt er oft abermals wieder hauptsächlich sein Pferd beruhigen und bestens einschläfern; reitet Seitengänge ¼ Stunde rechts, ¼ Stunde links auf dem Zirkel im schleichenden kurzen Trabe, galoppirt ¼ Stunde rechts, ¼ Stunde links auf dem Zirkel, bis er sich eingaloppirt hat, d. h. bis das kluge Thier nun weiss, dass es durch verminderten Abschub hinter den Zügeln langsam herum - humpelnd seinen Abstand halten soll. Der Sitz des Mannes ist bei alledem untadelhaft und normal und er macht seine Sachen bei der Inspection für’s Auge ausgezeichnet; keine Hülfe ist roh oder stossend und er erscheint mit dem Pferde völlig einig, das die vorgeschriebene Chablone der Lectionen durch tägliche Wieder - holung auf das Genaueste kennt, keiner Hülfe bedarf und nur beim letzten Aufmarsch im Galopp das Commando nicht erwarten kann. Im Frühjahr geht Anfangs das einzelne Abreiten auf der Heide schlecht, durch vieles Ueben findet sich das kluge Thier darin, wie es das Exerzitium in der Masse kennt und bestens ausführt. v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 14210Vom Gange der Dressur.Im Herbst bekömmt er eine Remonte. Er thut ihr nichts, sie thut ihm nichts. Sie richten sich gemüthlichst mit einander ein und es geht, bis die Halsarbeit beginnt, recht gut. Dann aber, wenn er das Thier anfassen und einwirken soll, hört die Sache auf und jedes Pferd läuft ihm davon. Nun erst wird man gewahr, dass der Mann in den 2 Jahren wohl nach der Vorschrift hat auf dem Pferde sitzen lernen, aber gar nicht reiten kann und es muss ein Unteroffizier auf das Thier gesetzt werden, das sich als ein voll - ständig roher Klotz erweist. Könnte man einmal sich in seine Haut stecken, so würde man erfahren, dass er nie das Gefühl der Versammlung bei einem Pferde gehabt und nie zur Einsicht von übereinstimmenden Hülfen kam.
Es werden aber diese Reiter und Pferde der Träumerkaste in den Schwadronen bleiben, so lange jene Pseudo-Feinheit in der Reiterei nicht verschwindet, die nur auf den Schein, nicht aber auf das Sein hinarbeitet. So trefflich das Reiten in der geschlossenen Bahn auch ist, so wird das Gehen aus Gewohnheit und das Ver - nachlässigen der Hülfen in derselben doch sehr befördert. Wir sehen z. B. wie wenig die Leute dort die Ecken richtig nehmen lernen an der Art, wie sie draussen die Vierecke reiten. Gewöhnt, die Thiere nur nach aussen zu treiben, da die Wand das Zuweit - nachaussengehen verhindert, wendet Keiner aus der Ecke heraus, sondern überlässt dies der Klugheit des Thieres. Reitet er nun im Freien ein Viereck, so wird daraus eine präzelartige Figur, indem der Hufschlag von der Mitte jeder Seite nach aussen führt und die Ecke in weitem Bogen bildend, erst wieder auf der Mitte der nächsten Seite das Viereck trifft. Gleich nach den ersten Uebungen der Rekruten in den Hülfen, verlasse man deshalb die Bahn. Es ist ferner fast Erfahrungssatz, dass Pferde mit vorherrschend starker Hinterhand und starkem Rücken bei der Cavallerie kürzere Zeit aushalten und eher als struppirt ausrangirt werden müssen, als Thiere mit langem Rücken und weicher Hinterhand, und es gerade diese sind, welche sich am längsten halten. Daraus würde deutlich genug hervorgehen, worin wir am meisten sündigen. Aus lauter Furcht, roh einzuwirken, wird gar nicht ein - gewirkt und die Schonung der Pferde, welche man beabsich - tigt, wird zur Schonungslosigkeit. Das genaue Ermessen211II. Abschnitt. 2. Periode.des Grades der Hülfen je nach der Empfindlichkeit des Pferdes zur Erlangung des vorgesetzten Zweckes, somit das scharfe Unterscheiden von zu viel und zu wenig und die Ge - schicklichkeit des Körpers, die Hülfen so zu nüançi - ren, wie Verstand und Gefühl sie für nöthig erachten, macht die Feinheit aus, nicht aber das geringe Mass der Hülfen, das vom Pferde resp. dessen Dressur abhängt. Es wird den Leuten so viel von leichter Faust vorgesprochen, ohne ihnen den Sinn klar zu machen, dass sie eine Zügelhülfe bis zum Erfolg häufig gar nicht zu geben wagen, sondern nur zwei Zustände kennen, entweder den Pferdekopf auf der Faust zu tragen, oder die Zügel ganz wegzuwerfen. Fordert man sie auf, das Pferd anzunehmen, so machen sie eine un - wirksame Drehung der Faust und, um ja nicht im Zügel hängen zu bleiben und hart zu werden, wird er schleunigst wieder so weit weggeworfen, dass er gar nicht mehr ansteht. So entsteht bei den Leuten das zupfende Annehmen des Zügels beim Pariren und wirkungslose Drehung der Faust bei der Wen - dung. In ähnlicher Art wird einer jener Reitkünstler dem schen - kelfaulsten Thiere gewiss keinen Sporn geben lassen. Ich habe gesehen, wie ein Mitglied dieser Zunft einem Reiter, der sich ver - geblich bemühte, einen dänischen, temperamentlosen Koloss in den Galopp zu bringen, der haltungslos im langen Trabe fortstürzte, befahl, den einen Bügel etwas schärfer auszutreten, den Galopp zu entwickeln. Der Mann hing sich bis zum Umschlagen mit dem Sattel auf die eine Seite, ohne irgend einen Effect hervorzubringen. Jener Herr stand aber während seiner ganzen Dienstzeit im Geruch eines sehr feinen Reiters.
Mir kommt ein Pferd, welches aus der Hand eines aufge - weckten, es in Versammlung und Aufmerksamkeit haltenden Rei - ters in die eines Mannes der Träumerkaste übergeht, der es schlen - dern und auseinanderfallen lässt, stets vor, wie ein alter Soldat, der, so lange er den Rock des Königs trug, drall und rüstig daher schritt, seitdem er aber das dunkle Kleid anlegte, plötzlich zum alten Manne wurde, körperlich und geistig.
Mit den Uebungen im abgekürzten Schritt und Trabe, bei denen ich auch die Contrestellungen dringend empfehle, nachdem zuerst in der Geradeausstellung und Stellung gründlich geübt14*212Vom Gange der Dressur.worden ist, verbinde man die Uebung der halben Paraden und hat man die Uebergänge so gewonnen, dass das Unterschieben der Hinterhand leicht erfolgt; das Zurückführen des Schwerpunktes auf die Hinterbeine und die zur Aufnahme der Last nöthige Biegung derselben keine Schwierigkeit mehr findet; auch das Thier gelernt hat, den noch nicht völlig überwundenen Schwung der stärkeren Gangart nach vor - wärts zur Annahme der kürzeren zu benutzen und kein Stutzen und Stocken fühlbar wird: so geht man zu den ganzen Paraden über. Bei ihr kommt es wesentlich darauf an, dass das Thier durch die Zurücklegung seines Schwerpunktes und Aufnahme der Last auf die gebogenen Hinterfüsse den Schwung, den der Gang dem Körper nach vorwärts gab, möglichst schnell überwindet und zum Zustand der Ruhe, in welchem der Körper ohne Muskel - thätigkeit senkrecht auf den Stützen ruht, zurückkehrt. Natürlich wird es je nach der Grösse des Schwunges, welcher ein Produkt der Geschwindigkeit und des in den Gang gelegten Gewichtes ist, mehrere Tritte bedürfen, ehe derselbe überwunden ist. Es hängt indess von der Fähigkeit des Thieres, seine Hinterbeine weit unter - zusetzen und sie stark zu biegen, ab, wie weit die Senkung der Rückenwirbelsäule und somit die Verlegung des Schwerpunktes nach rückwärts erfolgt und in dieser ist die Ueberwindung des Schwunges, somit die Parade gegeben. Es unterscheidet sich die ganze Parade von der halben nur lediglich dadurch, dass in der einen jener Schwung nur theilweise überwunden, und seine Fort - wirkung zum ermässigten Weiterschreiten benutzt wird, in der an - deren aber jener Schwung völlig, wenn auch nur nach und nach überwältigt werden muss. Es wird mithin eine Reihe von halben Paraden Anfangs die ganze erzeugen, und die Uebung deren Zahl immer mehr einschränken, bis das Thier endlich lernt, seinen Schwer - punkt so weit zurückzulegen und seine Hinterbeine so zu stellen und zu biegen, dass die Rückwogung nach vorwärts möglichst plötzlich überwunden wird.
Als vorbereitende Lection lehre man das Pferd auf der Stelle auf vortreibende Schenkelhülfen die Hinterbeine unter die Last bringen, belaste dann diese durch das Reitergewicht mittelst Ein - sitzen in den Sattel und führe durch leichtes Annehmen der Zügel den Schwerpunkt des Thieres auf sie zurück, bis man fühlt, dass213II. Abschnitt. 2. Periode.die Zurückneigung der Last, welche sich durch Erleichterung der Anlehnung marquirt, die Biegung der Hinterbeine, ein Tiefwerden unter dem Gesäss des Reiters hervorbringt. Man wird bei fort - gesetztem Gebrauch von Zügel und Schenkel die Neigung des Pfer - des fühlen, sich mit der Vorhand zu heben; bei überwiegender Zügelwirkung, welche schon bei Verminderung des Schenkeldruckes eintreten wird, aber die Neigung des Pferdes zum Zurücktreten. Man nehme weder das eine, noch das andere an, sondern lasse das Pferd durch leichtes Vorneigen des Körpers und Nachlassen des Zügels in seine natürliche Haltung zurückkehren. Bei der Uebung der ganzen Paraden hüte man sich Anfangs vor zu plötzlichen Einwirkungen. Ein Zusammenreissen des Pferdes, ein rüdes und plötzliches Hintenherunterzwingen, wie es ein kräftiger und geübter Reiter auch wohl beim rohen Pferde vermag, wird gewiss nicht zum Zweck führen. Man wird dem Thiere Schmerzen ver - ursachen und ihm Furcht vor der Parade beibringen. Es wird entweder ein zaghaftes Vorwärtsgehen in Erwartung jener harten Einwirkung die Folge sein, oder das Thier wird bei der ersten Andeutung zur Parade davongehen, mindestens aber durch Verwerfen des Halses, Ausfallen der Kruppe etc. sich zu entziehen suchen. Je mehr man dem Thiere das Finden seines Gleichgewichts auf der Hinterhand allmälig beibringt, je schmerzloser die enge Zu - sammenstellung des Halses, das Biegen der Hinterbeine ihm durch Uebung gemacht wird, um so williger wird das Thier gehorchen und um so eher wird man es zu einiger Vollkommenheit bringen. Auch würde es unzweckmässig sein, diese Uebungen mit Kopf - stellungen vorzunehmen, ehe man ihrer bei geradeausgestellten Pferden nicht ganz sicher ist; durch die Kopfstellung wird die Zurücknahme des Kopfes anders auf den ersten Halswirbel wirken und somit auf den Hals, als bei dem geradeausgestellten Pferde und leicht zum Ausfallen der Kruppe veranlassen, weil die Last einem Hinterfuss vermehrt zugeführt wird. Man wird bald gewahr werden, wie bei gut untergeschobener Hinterhand die Zügelein - wirkung nur eine ganz unbedeutende sein darf und bei einem Pferde, welches gelernt hat, hinreichend unter seinen Schwerpunkt zu treten, es endlich nur der leichtesten Hülfen bedarf, um es zu pari - ren. Es dient aber sowohl zur Schonung von Mann wie Pferd, wenn die Hülfen nur eines geringen Kraftaufwandes bedürfen. Wie ist214Vom Gange der Dressur.es anders möglich, als dass ein Pferd, welches den ganzen Tag im Maul herumgerissen worden ist, um es wenden und halten zu kön - nen, dessen Flanken durch Sporenstiche zerfleischt sind, um es zu treiben, auf das der Reiter fortwährend mit allen seinen Kräften einwirken musste, nicht im höchsten Grade fatiguirt sein wird. Es wird Schmerzen in den Kiefermuskeln und Laden empfinden, welche ihm die Fresslust benehmen. Wie frisch und munter wird dagegen ein Thier nach denselben Leistungen in den Stall heimkehren, bei dem ein Anstehen des Zügels, ein Kniedruck genügte, es zu tum - meln. Gehen wir die Schwadronen durch, so sind die schlechtge - rittenen Pferde fast immer die schlechten Fresser. Auch der Reiter ist nicht weniger angestrengt, wenn er aller Muskelkraft der Arme, der Beine bedurfte, um das Thier zu bewegen. Warum mit Zentnern arbeiten, wo man mit Lothen ausreicht. Der gute Reiter wird sein Pferd dahin bringen, dass es auf leichte Zeichen aufmerkt und zur Verlegung seines Schwerpunktes nur geringerer Unterstützung bedarf. Aber der Geschickteste wird ausser Stande sein, ein Pferd, was nur auf schwere Hülfen zu achten gewohnt ist und nur mühsam seinen Schwerpunkt ändert, sofort mit leichten Hülfen zu reiten, selbst wenn er es versteht die richtigen Momente, welche diese oder jene Anforderungen be - günstigen, in denen die Stellung des Halses, der Beine etc. für die mechanische Einwirkung seiner Hülfen für den Augenblick sich am vortheilhaftesten zeigen, zu benutzen. Dieses Erkennen jener Au - genblicke und ungesäumte Benutzen verlangt aber neben der Kennt - niss eine ausserordentliche Uebung; eine Uebung, welche das Er - greifen des Moments hat völlig mechanisch werden lassen.
Man wird durch die vorher beschriebenen Uebungen hinläng - lich Gelegenheit gehabt haben zu erkennen, ob das Pferd im Halse bereits genug zusammengestellt ist, oder ob durch Beinehmen oder Aufrichten eine erhöhte Zusammenstellung erzielt werden muss. Glaubt man auf die Verlegung des Schwer - punktes durch sie sicher und genügend einwirken zu können, so vermehre man sie aus Schönheitsrücksichten nie. Die Zu - sammenstellung des Halses muss stets nur als Mittel zum Zweck angesehen werden. Reicht eine geringere Zusammenstellung des Halses zur schnellen und be - stimmten Verlegung des Schwerpunktes hin, um so215II. Abschnitt. 2. Periode.besser. Darin eben sollte sich die Dressur des Gebrauchspferdes von der des Schulpferdes stets unterscheiden, dass man bei jenem lediglich für die Schönheit nie etwas thue, wenn dadurch der Schnelligkeit der geringste Abbruch geschieht. Für den Gebrauch ist das Nützlichste stets das Schönste. Ist das Thier aber noch geneigt, abwärts zu dehnen und fühlt man noch einen Widerstand gegen die Zurück - nahme des Halses am Widerriss, so ist dies ein Zeichen, dass eine vermehrte Aufrichtung nöthig ist; drückt das Pferd mit der Nase aufwärts bei festgehaltenem Genick, oder kommen leicht Rückbie - gungen in der Mitte des Halses vor, so vermehre man die Bei - zäumung. Ist beides nicht der Fall, so habe man Geduld und fahre fort, die Hanken biegsam zu machen und man wird nach und nach, bei der erlangten scheinbar geringen Zusammenfügung des Halses, die hinreichende Einwirkung auf die Hinterhand erlangen.
Das Zurücktreten als eine Lection, die Vorhand zu er - leichtern und die Hanke zu biegen, finden wir allenthalben empfoh - len, aber wunderbarer Weise in manchen Instruktionen in einen Zeitraum der Dressur versetzt, wo alle Vorbedingungen, sie richtig auszuführen, noch vollkommen fehlen. Ehe man nicht mit dem Schenkel die Hinterhand unterzutreiben vermag; ehe nicht der richtig gebogene Hals den Anzug fortpflanzt und der Respekt vor dem einseitigen Schenkel ein Ausfallen der Kruppe unmöglich macht: kann meines Dafürhaltens niemals von einer Uebung dieser Lection die Rede sein. Sie ist sehr wichtig, um die Hanke zu biegen und das Thier zu lehren, nicht nur die Last seines Leibes rückwärts über die Beine weggehen zu lassen, sondern auch die zurückgeneigte Last wiederum zu stützen. Sie ist gleichsam die fortgesetzte ganze Parade. Als Gang ist der praktische Nutzen ganz unwesentlich, als Lection dann hochwichtig, wenn sie richtig vollführt wird. Geschieht das Zurücktreten ohne ein jedesmaliges weites rückwärts über die Beine Hinweggehen des Oberleibes, ohne hinreichende Verlegung des Schwerpunktes lediglich durch das Zurück - schieben vermittelst der Hufe, so wird sie als Lection höchstens den Gehorsam zeigen, aber für die Körperausbildung ohne Nutzen sein.
Man beginnt mit der Versammlung auf der Stelle, schiebt die Hinterbeine in bekannter Art unter und neigt bei fortgesetzter Schenkelthätigkeit sein Körpergewicht der Hinterhand zu, bis man216Vom Gange der Dressur.die Erniedrigung der Hinterhand, ein Loserwerden am Gebiss, und die Neigung des Pferdekörpers über die Beine hinweg nach rück - wärts fühlt. Dann lasse man durch Verminderung der Schenkel - thätigkeit die Zügelwirkung vorwalten und das Pferd, dessen Hin - terbeine durch den Schenkeldruck nicht mehr unter dem Leibe gehalten werden, wird, die Last rückwärtsstützend, einen Schritt rückwärts machen. Ein leichtes Nachlassen des Zügels, ein geringes Vorneigen des Reitergewichts wird das Thier zum Stehen bringen; das Wiederholen der vorigen Hülfen aber dasselbe Resultat geben. Ein stärkeres Vorneigen des Leibes und etwas vermehrte Zügel - freiheit, vom Schenkel unterstützt, wird eine noch grössere Ver - legung des Schwerpunktes nach vorwärts und aus dem Zurück - treten — Vorwärtsgehen zur Folge haben.
Wenn irgendwie der grosse Einfluss des Reitergewichts auf die Verlegung des Schwerpunktes des Pferdes klar wird, so ist es bei dieser Gelegenheit, wo beim gut versammelten Thiere ein ge - ringes Neigen nach rückwärts — ein Zurücktreten; Senkrechtsitzen — ein Stillestehen; ein geringes Vorneigen — ein Vorschreiten zur Folge hat. Ich habe häufig mit Verwunderung selbst älteren und geübteren Reitern zugesehen, wie sie sich mit voller Wucht in die Zügel hingen und zogen, um ein Thier zurücktreten zu las - sen, das mit hinten herausgestreckten Hinterbeinen die beste Stel - lung gewählt hatte, um der gestellten Forderung zu widerstreben und das Zurückgehen des Leibes über die Beine unmöglich zu machen. Es kommt darauf an, die Hinterbeine so zu stellen, dass die Last gleichsam hinter sie fällt, dass der nach rückwärts aus dem Gleichgewicht gebrachte Pferdekörper genöthigt ist, das Bein zurückzusetzen, um sein Gleichgewicht wieder herzustellen. Es ist mir ferner nicht ganz einleuchtend, wie ein Gertenschlag auf die Vorderbeine eine geeignete Hülfe sein soll, ein Zurücktreten be - hufs Hankenbiegung hervorzubringen. Das Thier wird zwar das geschlagene Bein heben, auch wohl endlich zurückhufen mit steifen Gelenken, aber darum ist es nicht zu thun, ich will haben, dass es mit gebogener Hanke zurücktritt, wozu wohl das Untertreten und die Halsbiegungen vorbereiten können, nicht aber die Schläge auf das Schienbein. Aus jenem Zurückhufen werde ich aber schwerlich ein gebogenes Zurücktreten entwickeln können. Es ist eben wieder das Begnügen mit dem Schein.
217II. Abschnitt. 2. Periode.Findet beim Zurücktreten eine zu schnelle Bewegung des Leibes über die Beine nach rückwärts hinweg statt, so dass diese nicht folgen können, ist der Schwerpunkt zu weit nach rückwärts verlegt, so entsteht ein Zurückstürzen, Zurücktaumeln. Manche Pferde bedienen sich dieses Manövers, um sich jeder Hülfe zu entziehen und gehen bei jeder Gelegenheit, wo ihnen eine lästige Anforderung gestellt wird, auf diese Art gleichsam „ rückwärts durch “. Dass nur das Wiederzurgeltungbringen der vortreibenden Hülfen diesem Fehler beikömmt, ist einleuch - tend. Man beginne bei diesen Thieren ganz von vorn mit Kapp - zaum und Peitsche und verlasse erst dann die Bahn, wenn der Schenkel unter allen Umständen wieder respektirt wird. Ist die Unart eine alte, eingewurzelte; hat das Thier gelernt, aus Ter - rainschwierigkeiten, die den Reiter für den eigenen Körper oder den des Thieres besorgt machen, Nutzen zu ziehen; weiss es dort, in der Bahn und im offenen Terrain ganz gehorsam, seine Unarten loszulassen; so wird man allerdings endlich genöthigt sein, dort den Kampf anzunehmen. Die Schwierigkeit kann sich indess so steigern, dass der Kampf für den Reiter lebensgefährlich würde. Dieser Fall (wie Hinwerfen und Ueberschlagen aus Bosheit) scheinen mir eine derbe Züchtigung durch den abgesessenen Reiter vollkommen zu rechtfertigen und habe ich von ihr schon gute Erfolge erlebt. Ich habe andererseits von einem durch seinen festen Sitz und unglaubliche Körpergewandtheit renommirten Cavallerie - Offizier gesehen, wie er auf einem 30 Fuss hohen Wall ein derar - tiges Thier, das rückwärts den Abhängen zulief, dadurch kurirte, dass er äusserst scharfe Sporen in die Flanken des Thieres, sobald es rückwärts zu laufen begann, begrub und sie nicht eher aus der blutenden Weiche entfernte, bis es vorwärts ging. Allerdings war er sich der Geschicklichkeit gewiss, dass im Fall des Herabstürzens er die Reise abwärts nicht mitmachte. Er riskirte somit das Thier, das ungeheilt, ohnehin ohne Nutzen war, und nicht sein Leben. So nothwendig Muth und Verachtung der Gefahr auch dem Reiter ist, obschon der Muth sonst nicht rechnen darf, ob Risiko und Gewinn sich die Balance halten, so giebt es doch auch gewisse Grenzen, wo die Vermessenheit anfängt und die ohne ein höheres Motiv zu überschreiten, ein Unrecht ist. — Wird das Zurückneigen des Leibes über die Beine hinweg von Seiten des Thieres verwei218Vom Gange der Dressur.gert, obschon Reitergewicht und Zügelwirkung den Schwerpunkt nach rückwärts brachten, so wird das Pferd durch Steigen im Stande sein, die zurückgeneigte Last auf seinen Hinterbeinen zu balanciren und so sein Gleichgewicht herzustellen.
Für den Fall des Zurücktaumelns wird man durch das Reitergewicht und durch verringerte Zügelhülfe den Schwerpunkt mehr nach vorwärts legen müssen. Das Steigen statt des Zurück - tretens kann mehrere Ursachen haben. Eine zu plötzliche und harte Einwirkung wird einmal das Thier fürchten lassen durch Zurücktreten den zu schnell nach rückwärts verlegten Schwerpunkt nicht mehr stützen zu können und wird dies Auskunftsmittel suchen, sein Gleichgewicht herzustellen. Die zu hohe Schenkelthätig - keit kann die Hinterbeine unter dem Leibe festhalten und das Steigern Folge des Verkennens des Willens des Reiters sein. End - lich kann der Schmerz, den der zusammengestellte Hals oder die gebogenen Gelenke dem Thiere machen, das Steigen hervor - bringen, wogegen natürlich Uebung dieser Dressurmängel die ein - zige Hülfe ist. Steigen, als Mittel sich den Anforde - rungen des Reiters zu entziehen, ist, sobald es zur Gewohn - heit geworden ist, eine schlimme Art der Widersetzlichkeit und wird bei Pferden, die schwer ihr Gleichgewicht auf der Hinterhand halten können (was keineswegs immer Schwäche, wie Herumlaufen auf den Hinterbeinen keineswegs eine besondere Stärke der Hinter - hand beweist) des Umschlagens wegen gefährlich. Wenn das Gehorchenmachen auf die vortreibenden Hülfen auch hier die wah - ren und einzigen Mittel sind, so kann, wie bereits angedeutet, bei den in der Bosheit verhärteten Individuen, welche an der Longe gehorsam, ohne diese sich bei jeder ihnen unbequemen Anforderung absichtlich rückwärts überwerfen, das Festhalten an den Boden und ein derbes Abstrafen, als letzter Ver - such sie zu heilen, nicht verworfen werden. Es gehört eine ganze Reihe falscher Einwirkungen und eine fortgesetzte unrichtige Behandlung dazu, um jene anfänglich zufälligen Ausweichungen in Waffen zu verwandeln, welche das Thier gegen den Reiter braucht, und diese bis zu jener Gefährlichkeit zu schärfen.
Es ist im Ganzen ein unbelohnendes und schlimmes Geschäft, sich derartig verdorbene Thiere, wenn auch wohlfeil, zu kaufen. Abgesehen von der Gefahr und dem219II. Abschnitt. 2. Periode.Consum, welche sie den Knochen des Reiters bringen, wird man selten ohne gewaltsame Mittel reüssiren und diese verfehlen auf die Knochen des Thieres nicht ihren Einfluss, so dass der völlig gebesserte, für Jeden brauchbare Gaul auch meist schon hier und da ein verbrauchter ist. Aus diesem Grunde, wie des schlimmen Renommées wegen, wird man selten einen verhältnissmässig lohnen - den Preis erzielen. Der Ruhm des Reiters wird auch nicht sehr gewahrt. Man kann die Erfolge nicht wegläugnen. Die Neider aber werfen rohe Einwirkungen vor, wenn es auch nur starke, ganz angemessene waren und zeigen mit gelehrtem Gesicht auf die Galle, die der Kampf hervorgerufen hat. Kommen die Thiere in die Hände ganz schwacher Reiter, so kann das alte Uebel wieder aus der Erinnerung auftauchen und der Handel wird eine Quelle von Unannehmlichkeiten. Hat man oft dergleichen Subjecte, so ist bald eine gewisse Scheu da und man sieht in der frömmsten Kuh den gebesserten Bösewicht. Nur einen Nutzen geben sie — den der Belehrung und die Freude, den Sitz des Uebels erkannt und es geheilt zu haben.
Es wird nun der Zeitpunkt eintreten, wo die Seitengänge zu einer solchen Höhe der Vervollkommnung gebracht sind, dass man sich ihrer zur Körperausbildung bedienen kann. Wenn man früher sie nur in kurzen Reprisen ritt und nach einigen Tritten in der erwünschten Haltung zu einer anderen Lection überging, so werden sie jetzt anhaltender geritten. Wie die Volten und Wendungen werden auch sie nach Bedürfniss in den folgenden Perioden fortgeübt, um diese oder jene Fähigkeit zu erhöhen. Wir wollen aber hier dasjenige, was uns darüber zu sagen nöthig scheint, zusammenfassen, weil ein Zerreissen viele Wiederholungen nöthig machen würde. Ich setze die Art, wie die Seitenlectionen geritten werden müssen, als bekannt voraus und erlaube mir nur Punkte, gegen die namentlich gefehlt wird, hervorzuheben. Eben so nehme ich die Einwirkungen durch Zügel, Schenkel etc. als bekannt an.
Wir wissen bereits, dass „ Kopf herein “, so wie „ Kruppe herein “nur Vorbereitungen zu den Seitenlectionen sind und nicht in dieses Bereich fallen. Eben so wenig ist das „ Schliessen “, welches der Cavallerist braucht, um sich auf kurze Strecken direkt seitwärts zu schieben, ohne nach vorwärts Terrain220Vom Gange der Dressur.zu verlieren, eine Lection, um die Körperausbildung des Thieres zu begünstigen. Das Schliessen ist als eine leidige Nothwendigkeit zu betrachten, die leicht gefährliche Krontritte bringt und bleibt ausser Betracht.
Es giebt zwei Kopfstellungen, die nach einwärts und die nach auswärts (Stellung und Contrestellung) und zweierlei schräge Stellungen des Pferdekörpers zum Hufschlag, mit der Kruppe nach einwärts und nach auswärts — mithin naturgemäss vier Varianten, von denen Schulterherein und Travers, die älteren — Renvers und Contre-Schulterherein die neueren sind. Namentlich ist Contre-Schulterherein eine erst kürzlich üblich gewordene Lection, gegen die sich manche Reiter sträubten. Da sie aber ihre wesentlichen Vortheile hat, welche wir später be - zeichnen werden, so sehe ich nicht ein, warum sie nicht als ein Mittel mehr zur Ausbildung uns willkommen sein soll. Will man die Lection anders, wie als Mittel zum Zweck betrachten, will man sie als ein Ding mehr, welches das Thier lernen, der Reiter lehren muss, als eine gesteigerte Anforderung an beide ansehen — so muss man mit seinen Ansichten noch tief in den Anfängen und in bedeutender Verfinsterung liegen.
Der allgemeine Nutzen der Seitengänge ist folgender:
Ich bin nicht der Ansicht, dass man geradezu behaupten kann, die eine Lection ist das Rezept für die Schulter - freiheit, die andere für den Galopp etc. Sie werden auf die verschiedenen Gebäude verschieden wirken und es muss die Beobachtung dem Reiter resp. Reitlehrer zeigen, ob er aus der Art, wie das Thier die eine oder andere Lection zu gehen im Stande ist, für dasselbe Nutzen und welchen Nutzen erwar - ten darf.
Die Schulreiterei übt die Lectionen im Schritt, Trab und Galopp. Die Campagne-Reiter begnügen sich mit Schritt, Trab und nehmen nur etwa den Traversgalopp hinzu. Es ist das Schlimme bei den Seitenlectionen im Allgemeinen, dass diejeni - gen Fehler, welche den Nutzen gänzlich annulliren, gerade die am häufigsten vorkommenden sind.
Die gröbsten Fehler aber sind:
I. Wenn das Gleichgewicht
Unter 5 mittelmässigen Reitern sieht man im Schulterherein 2 nach der inwendigen Seite hängen und bei 2 die Hinterbeine hinten heraus arbeiten, also alles thun, um die inwendige Schulter zu beladen. Von ihnen hängen deren 2 im Travers sicher nach aussen und 2 haben in diesem Gange ihre Pferde nicht am Zügel.
II. Der verworfene Hals und das verdrehte Genick.
Das Hängenbleiben und Sichfestziehen in dem stellenden Zügel und die mangelnde Gegenwirkung des entge - gengesetzten bringen diese Fehler zuwege; Fehler, welche nicht nur im Seitengang das Zurückwirken des Druckes auf die Laden stö - ren, sondern dem Pferde für immer einen Ausweg bereiten, sich der Gebisswirkung zu entziehen.
223II. Abschnitt. 2. Periode.Wenn es schon an und für sich schwer ist, einen Seitengang im Schritt so zu reiten, dass er für die Körperausbildung Nutzen schafft; wenn es, wie wir schon früher sahen, ebenfalls nicht leicht ist, einen abgekürzten Trab zu reiten, der dadurch abgekürzt ist, dass der kräftige Abschwung der Hinterbeine aufwärts wirkt, statt vorwärts: so muss die Combination beider Lectionen, die Ausführung der Seitengänge im Trabe ihre be - sondere Schwierigkeit haben, und doch sehen wir von den - selben in neuester Zeit selbst bei der Cavallerie, die zur Dressur nicht lauter Stallmeister haben kann, den ausgedehntesten Gebrauch machen. Ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu können — gewiss nicht zum Nutzen der Pferde.
Es ist vielfach die Frage aufgeworfen, welcher Seitengang den Galopp am meisten vorbereite. Die Einen haben den Travers, die Anderen das Sulterherein dafür am geeignetsten gefunden. Ich möchte im Allgemeinen indess nicht annehmen, dass sie als Vorübung in so hohem Grade nützlich sind, wie Einige zu glauben scheinen. Wenn die Funktionen der Beine in den Seitengängen auch denen, welche der Galopp nöthig macht, nahe kommen, so bleibt doch der wesentliche Unterschied, dass im Galopp stets ein Moment da ist, wo die Last von den Hinterbeinen zu den Vorderbeinen wechselt, also die Last bald von diesen, bald von jenen zu tragen ist, während im Seitengange stets die Last nur von einer Seite zur anderen wechselt, mithin Vor - und Hinterhand immer gemeinschaft - lich sowohl das Geschäft des Tragens wie des Förderns der Last übernehmen. Der Punkt für die Hinterbeine, wo sie die Last stützen müssen, ist für den Galopp und den Seitengang schon aus diesem Grunde ein anderer, abgesehen, dass die Seitwärtsbewegung die Thätigkeit anderer Muskeln bedingt. Das wesentlichste Ele - ment für den Galopp aber ist ferner die an - und abspannende Thätigkeit der Rückenwirbelsäule, das leichte Aufwölben des Rückens beim Untersetzen, das geschmeidige Abspannen beim Abschieben der Hinterbeine, jene wiegenförmige, federnde, kräftig - weiche Bewegung, welche das gutgerittene Pferd vom schlecht - gerittenen oder rohen sofort unterscheidet, und für diese Thä - tigkeit geben die schreitenden Gänge keine Uebung. Im spe - ciellen weicht auch sowohl bei dem einen, wie bei dem anderen224Vom Gange der Dressur.Seitengange die Funktion der Beine wesentlich von der des Ga - lopps ab.
Im Schulterherein arbeitet der inwendige Vorderfuss am freiesten, der auswendige am schwersten, eben so ist der inwendige Hinterfuss am weitesten unter der Last und der auswendige weiter zurück. Aber im Schulterherein fällt das Gewicht auf die aus - wendige Seite, während es im Galopp auf die inwendige fällt. Bei der Erhebung der Vorhand im Galopp ruht die Last auf den Hin - terbeinen; das auswendige Bein steht mehr senkrecht, das inwen - dige ist gebogen und weiter unter den Leib gebracht, deshalb fällt der Schwerpunkt nach inwendig. Im Moment des Galopps, wo die Vorhand die Last von der Hinterhand übernimmt, ist die Stel - lung der Vorderbeine wiederum dieselbe, mithin ist auch dann der Schwerpunkt der inwendigen Seite zugeneigt. Beim Schulterherein machen die auswendigen Beine gleichsam das Pivot der Bewegung, die nach auswendig fallende Last geht über diese Beine hinweg und wird von dem inwendigen übertretenden Beine aufgenommen.
Im Travers arbeiten die auswendigen Füsse am weitesten vor, der Galoppbewegung entgegengesetzt, aber die inwendigen sind die am meisten tragenden, der Galoppbewegung analog.
Ich bin deshalb der Meinung, dass diejenigen Pferde, welche ungern, oder ihres Baues wegen schwer untertreten, durch Schulterherein darin geübt und so wesentlich für den Galopp vor - bereitet werden. Pferde hingegen, welche gern oder vermöge ihres Baues leicht untertreten, denen es aber sauer wird, das unterge - brachte Bein zu biegen und die Last aufzunehmen, hiezu leichter durch den Travers gebracht werden. Bei Gebäuden, denen Unterbringen und Biegen gleich sauer wird, wie lange Thiere mit steiler Stellung der Hinterbeine werde ich mithin sowohl des einen, wie des anderen gleich benöthigt sein. Im Allgemeinen ist wieder festzuhalten, dass die Seitengänge nur in so fern zum Galopp vorbereiten, als sie die Muskelthätigkeit und Balance üben, welche der Galopp besonders in Anspruch nimmt. Wird der Seitengang so geritten, dass diese Muskelthä - tigkeit oder Balance durch ihn nicht in Anspruch genommen wird, so ist in ihm, und wenn jahrelang geübt würde, keine Vorberei - tung zum Galopp.
225II. Abschnitt. 2. Periode.Ich habe die Erfahrung gemacht, dass kurze Pferde mit un - biegsamem Rücken und unbiegsamer Hinterhand lieber Schulter - herein als Travers gingen, und umgekehrt — lange Pferde mit biegsamer Hinterhand leichter Travers wie Schulterherein. Ich glaube nicht, dass der Umstand, dass im Travers die Hinterhand den kleineren, die Vorhand den grösseren Weg beschreibt, die einzige Ursache der vermehrten Biegung der Hinterhand im Travers sein kann, weil auf der geraden Linie ja die Weite des Weges dieselbe bleibt, und dennoch auch auf derselben sich die Abneigung zeigt. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass durch die Belastung der auswendigen Seite im Schulterherein, mithin gegen die Rippenbiegung, die Belastung schwächer auf die Hinterhand wirkt, als beim Travers, wo sie in die Rippenbiegung fällt. Auch mag dadurch, dass beim Travers Kopfstellung und Reitergewicht der - selben Seite zufallen, eine grössere Belastung herbeigeführt werden, als da, wo sie auseinandergehen. Ich möchte hieraus den Schluss ziehen, dass man bei langen biegsamen Pferden mit dem Travers als der leichteren Lection beginne, und bei den kurzen und un - biegsamen mit dem Schulterherein. Contreschulterherein und Renvers sind als Varianten zu betrachten, welche in der Wesentlichkeit nichts ändern, indess je nachdem den Vortheil der Bande resp. der freien Bahn gewähren. Will man nämlich ein Pferd, welches im Schulterherein vorwärts drängt, ohne stärkere Zügeleinwirkung corrigiren, so nehme man es in Contreschul - terherein, und es wird bei gleicher Stellung die Bande ein na - türliches Hinderniss bilden und den Vortheil gewähren, dass das Thier die Verlegung seines Schwerpunktes von selbst mehr nach rückwärts nimmt, wozu ich mich sonst anderer Mittel bedienen musste und mithin den vortreibenden Schenkel kräftig brauchen kann, ohne eine verhältnissmässig starke Gegenwirkung des Zügels nöthig zu haben. Bei Pferden, die man das Untersetzen der Hin - terhand lehren will, bei denen aber z. B. ein übermässig biegsames Sprunggelenk die Zügeleinwirkung nachtheilig macht, ist dieser Vortheil nicht von der Hand zu weisen. Verhält sich andererseits ein Pferd im Travers und man möchte es auf den inwendigen Schenkel vortreten lassen, so nehme man es in Renvers und man gewinnt dadurch bei gleicher Stellung die freie Bahn zu dieser Bewegung. Letzteres Motiv wird mehr in meine Art und Weisev. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 15226Vom Gange der Dressur.passen, als das erstere, welches indess gewiss mit Passion von den Einschläferern gewählt werden dürfte, auch ohne den vorher er - wähnten speziellen Fall.
Contre-Schulterherein hat als Uebung für den Unterricht bei jüngeren Reitern auch noch den Vortheil, die Faulheit des aus - wendigen Schenkels, die den Nutzen von Schulterherein vernichtet, an den Tag zu bringen, da beim Schulterherein die Bande oft der alleinige Grund ist, dass die älteren Thiere nicht bei jedem Tritt zurückkriechen, und sie sollte desshalb fleissig geübt werden. Man kann, nach meinem Dafürhalten, sobald Sitz gewonnen und nun die Einwirkung auf das Pferd gelehrt werden soll, gar nicht Ver - änderungen genug erfinden, um einen Wechsel in den Hülfen nöthig zu machen, damit die Einwirkungen endlich dem Reiter so mecha - nisch werden, dass der Gedanke „ Thun “den Zwischengedanken „ wie thun? “nicht mehr nöthig macht. Nur durch Uebung kann eine solche Fertigkeit erlangt werden, dass Hand, Schenkel und Gewicht sich richtig unterstützen und niemals einander weder der Zeit, noch der Kraft nach widerstreben. Wenn nun Contre-Schul - terherein und Renvers selbst auch nur solche Varianten wären, welche zu neuen Uebergängen führten, so würden sie immer vor - theilhaft sein.
Bei der Dressur von Pferden durch solche Reiter, von denen man sich aus der Uebung von Seitengängen keine genü - gende Resultate versprechen darf, um dem Galopp vorzuarbeiten, ist die Uebung von Volten von doppelter Wichtigkeit. Na - mentlich wird die Uebung derselben im abgekürzten Trabtempo mit guter Kopfstellung die Unterbiegung des inwendigen Hinter - beines bedeutend befördern, und sind bei dieser Uebung die Be - lastung durch das Reitergewicht, Kopfstellung und Rippenbiegung, alle auf derselben inwendigen Seite, vor allem im Stande, die Bie - gung des inwendigen Hinterbeines in hohem Grade hervorzubringen.
In ihr wird namentlich der stärkere Trab in die Reihe der Uebungen treten. Der stärkere Trab, bei dem die Anleh - nung an die Zügel geringer wird, ist immer falsch. Man hat hauptsächlich darauf zu achten, dass die Tritte geräu - miger werden. Dies hängt, wie wir bereits wissen, vom Aus -227II. Abschnitt. 3. Periode.harren der Beine hinter der Vertikalen, mithin davon ab, dass der Abschwung möglichst horizontal wirkt. Es wird nach dem Gebäude äusserst verschieden sein, in welcher Art ich dieses längere Verharren vermittele, und es namentlich von der Haltung des Rückens und somit von der Belastung durch das Reitergewicht abhängen. Wenn das Thier aus dem Mitteltrabe zum stärkeren animirt, in den Galopp fiel, so wird der Grad der Anlehnung leh - ren, ob das Pferd nicht ausharren wollte, weil es seinen Schwer - punkt nicht genug vorlegte, oder weil es seinen Schwerpunkt zu weit nach vorwärts brachte und gleichsam fortrollte. Für den ersten Fall muss der Galopp angenommen und so weit fortgeführt werden, bis das Thier an die Hand tritt und dadurch die grössere Neigung des Körpers in den Gang, die erhöhte Verlegung des Schwerpunktes nach vorwärts zeigt. Für den zweiten Fall hat man bereits gefehlt, indem man die Haltung nicht eher berichtigte, und man muss sie durch ruhige und sanfte Einwirkungen bessern. Man hat geduldet, dass der Schwerpunkt zu viel nach vorn fiel, dass das Hinweggehen des Leibes über die Beine schneller war, wie die Action derselben und dadurch herbeigeführt, dass das Thier, um gleichsam dem fortschiessenden Oberkörper mit den Beinen nachzukommen, galoppiren musste. Ein rohes Pariren und dann von neuem Fortstürzenlassen wird ohne Nutzen sein, ein ruhiges Versammeln und allmäliges Vorneigenlassen des Schwerpunktes bei der erneuten Uebung wird allein zum Resultate führen. Mancher sieht diese Art des in den Galoppfallens für eine Aeusserung des heftigen Temperamentes an, und reisst das Thier zur Strafe nach einer heftigen Parade rückwärts. Ein langsames, weiches Zurück - tretenlassen würde unter Umständen zu rechtfertigen sein, jenes Zurückreissen gehört zu den nutzlosen Rohheiten der gedankenlosen Reiter. Die wesentlichste Aufmerksamkeit hat man auf die Regel - mässigkeit des Ganges zu legen. Geht sie verloren, ist alles ver - loren und eine unnütze Consumtion der Kräfte unvermeidlich. — Kann das Pferd stark traben, sobald man eine unrichtige Hals - oder Kopfstellung duldet, giebt sich aber nicht heraus, sobald man derselben entgegen wirkt, so nehme man den starken Trab vor allem nicht an, sondern corrigire den hervortretenden Fehler. Es ist so schlimm, dass theils Eitelkeit, theils unrichtiges Streben zum Fertigwerden uns so leicht disponirt, jene Auswüchse gleichsam15*228Vom Gange der Dressur.mit in den Kauf zu nehmen und fortzuführen, trotzdem wir sie sehen. Die Strafe wird indess sicher nicht ausbleiben, unsere Eitel - keit hart bestraft und der Dressurgang viel länger unterbrochen werden.
Man übe ferner in dieser Periode die Volten, gehe von den - selben zu den Schlangenlinien über, erst ohne, dann mit wech - selnden Kopfstellungen; übe die Seitengänge mit den Ueber - gängen von Schulterherein zur Volte, von Schulterherein zu Renvers, von Schulterherein zu Travers; ferner von Travers zu Renvers durch die Passade aus der Ecke; ferner das Changiren mittelst des Travers durch die Bahn, Uebergang zum Renvers, vom Renvers in Contre-Schulterherein etc. Dann gehe man zu den Achten über, ohne und mit Wechselung der Stellung und endlich zu den Achten im Schulterherein und Contre-Schulterherein im Travers und Renvers. Es ist zu erwähnen, dass sich die Seiten - gänge und Wendungen vor allem nicht so anhäufen müssen, dass der frische Gang im Schritt und Trab darunter leidet, und müssen die Lectionen auf der geraden Linie ohne Kopfstellung immer wieder zwischen durchgelegt werden. Es ist endlich in dieser Pe - riode das Aufrichten, Beizäumen und Abbiegen auf der Stelle zu üben. Es ist schon im ersten Theile erwähnt worden, wie es uns nicht zweckmässig erscheint, zu früh mit dem Abbiegen auf der Stelle zu beginnen, dass wir vielmehr das Abbiegen im Gange bei weitem für die ersten Uebungen vorziehen. Es ist hier von dieser Arbeit nicht ausführlich mehr die Rede gewesen, einmal weil der erste Theil das Wesentlichste darüber bereits enthält, und dann weil gerade von einer Versäumniss dieser Arbeit mir wenige Beispiele bekannt sind. Im Gegentheil aber habe ich wohl Thiere schon mit Abbrechen quälen sehen, ehe sie vorwärts gingen oder einem Schenkel wichen und dadurch Ausfallen mit der Kruppe, Rückwärtslaufen und Steigen bestens anbahnen, oder ich habe die Arbeit so lange mit Herumnahme des ganzen Halses beginnen sehen, bis dieser an der Basis so wackelig geworden, oder in der Mitte verbogen war, dass der lose und verdrehte Hals mehr Scha - den that, wie die ungebogene Ganasche. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich kein Freund von zu vielen Kopfstellungen bin. Das Cam - pagnepferd muss die Nase geradeaus haben. Es ist gewiss nöthig, die Ganasche so viel zu biegen, als zum Beigeben der Nase erfor -229II. Abschnitt. 4. Periode.derlich ist, und nöthig, um das Verwerfen zu verhüten. Ich habe aber sonst bei unserer Soldatenreiterei vom Kopfstellen so viel Missbrauch machen sehen, so viel Hängen in dem stellenden Zügel ohne alle Gegenwirkung des auswendigen, so viel verdrehte Ge - nicke, dass mir das ewige Schreien nach Abbiegen und nach Kopf - stellung oft zu viel geworden ist und ich mich von den humpeligen Seitengängen im abgekürzten, schlaffen Trabe mit schiefen Köpfen oft nach einem frischen, langen Galopp gesehnt habe, wie der Wanderer der Wüste nach der Oase.
Das Pferd wird ins Freie gebracht, und namentlich im freien Schritt und starken Trabe auf der geraden Linie geübt. Es wird an die verschiedenen Gegenstände gewöhnt und durch längeres Reiten beruhigt und gekräftigt.
Ich halte es für unzweckmässig, Pferde, welche noch nicht in den Gehorsam vor Zügel und Schenkel gebracht sind, vorzeitig heraus zu reiten. Durch Scheuwerden, Nachhausedrängen etc. etc. wird der Reiter oft zu Kämpfen veranlasst, ohne die Waffen zu haben, siegreich daraus hervor zu gehen. Es scheint mir indess, wenn man diese Periode der Ausbildung erreicht hat, nützlich, gleichsam einen Ruhepunkt in der Dressur eintreten zu lassen, in welchem durch anhaltendes Reiten im Freien der Reiter sich über - zeugen kann, ob die Haltung des Pferdes so dauernd befestigt ist, dass es in derselben ausharrt, andererseits, ob die Zusammenstellung genügt, um etwaigen Unarten entgegen - treten zu können. Zwischendurch ist eine Lection in der Bahn nützlich, um die erhöhten Biegungen wieder zu üben und gegen etwaige Mängel einzuschreiten. Man habe beim Scheuen hin - reichende Geduld und gehe stets darauf aus, das Thier zu über - zeugen, dass der Gegenstand seiner Furcht ihm kein Leides thut. Strafe seiner Furcht wegen ist falsch, weil sonst der Angst vor dem Gegenstande die vor der Strafe hinzutritt. Dem Stallmuth begegne man durch Arbeit, Unarten aber strafe man. — Zockeln, übereilter Trab und Galopp hinter dem Zügel, sehe man stets als ein Verhalten an, und bessere sie durch Vortreiben an den Zügel. Die leichtaufdiehand - und auseinander - fallenden Pferde reite man vorherrschend im geschlossenen, die230Vom Gange der Dressur.sich verhaltenden, in räumigen und anhaltenden Gängen. Auf dem Rückwege hüte man sich vor anregenden Lectio - nen und kehre nie auf demselben Punkte nach Hause um, auch wechsele man oft mit dem Heimwege, um das Drängen nach dem Stalle zu vermeiden. Man übe das Thier auch draussen im Stillestehen beim Auf - und Absitzen und ruhigem Stehen unter dem Reiter. Seitengänge reite man nur, um Fehler zu corrigiren, aber Volten und Schlangenlinien an geeig - neten Orten, wo keine Störungen zu befürchten sind.
Im dritten Abschnitt wird man mit dem Galopp beginnen. Es ist der Galopp nicht nur ein Gang, den das Thier seines prak - tischen Nutzens wegen lernen muss, sondern er gewährt auch als Lection zur Ausbildung der Thätigkeit des Rückens und der Hin - terhand grossen Nutzen. Er ist bei manchen Pferden von festen Rücken, welche zum Verhalten geneigt sind, oft das einzige Mittel, sie zur Hergabe desselben und dadurch zum Ausharren der Beine hinter der Vertikalen zu bringen. Es wird daher oft erst durch den Galopp der freie und räumige Trab und Schritt gewonnen.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den springenden und schreitenden Gängen besteht darin, dass in den schreitenden die Rückenwirbelsäule in unveränderter Haltung bleibt. Es wird zwar ein versammelter Gang eine andere Biegung derselben hervorbringen, wie ein gedehnter; aber die Haltung während des Ganges wird unverändert bleiben. Nur die Parade wird durch das Heranbringen beider Hinterbeine unter den Schwerpunkt einige Analogie mit den springenden Gängen bieten. In diesen wechselt der Schwerpunkt von der Vorhand zur Hinterhand. Es wird bald die Vorhand, bald die Hinterhand die ganze Last zu stützen haben, und demgemäss sich bald beide Hinterbeine, bald beide Vorder -231III. Abschnitt. 1. Periode.beine gleichzeitig unter dem Leibe befinden. In dem Moment, wo die Hinterbeine die Vorderbeine ablösen, sind aber alle 4 Beine unter dem Leibe, und eben so wird ein Moment eintreten, wo die Vorderbeine im Begriff zu fussen sind und die Hinterbeine eben abgeschoben haben, in welchem mithin jene mehr oder weniger ausgestreckt vor und diese hinter dem Leibe sich in der Luft befinden. Je geräumiger der springende Gang ist, um so stärker und reiner wird dies Verhältniss hervortreten, je mehr gehalten, um so geringer und um so mehr wird er sich wieder den schrei - tenden nähern. Der räumigste dieser Gänge ist die Carrière. Bei ihr zählen wir nur 2 Tempo’s des Niederfallens der Hufe auf den Boden: das Niederfallen der Vorhand bezeichnet das eine, das Niederfallen der Hinterhand das andere; einmal stützen die Vorderbeine allein die ganze Last, dann die Hinterbeine. Bei den kürzeren Gängen, welche im Bereich der Campagne-Reiterei liegen, zählen wir 3 Tempo’s. Wir unterscheiden „ den stärkeren Galopp “(„ train de chasse “— Jagd-Galopp) und den „ kurzen Galopp “(Bahn-Galopp). Es wird bei beiden schon eine Beihülfe vom auswendigen Vorderbeine bei der Erhe - bung auf der Hinterhand geleistet und der tragenden Vorhand schnell der inwendige Hinterfuss zur Unterstützung eilen. Beim Schulgalopp, der 4 Tempo’s hören lässt, ist dies in noch höherem Grade der Fall.
Je höher die Befähigung der Vor - und Hinterhand zum Ba - lanciren entwickelt ist, je sicherer und je weiter vorwärts die Vor - hand die Last aufzufangen, resp. je mehr die Hinterhand sich gebogen unter die Last zu schieben weiss, je schneller das dritte Bein zu Hülfe eilt, resp. je länger es stützend ausharrt: um so weniger schnell wird der Wechsel nöthig werden, um so ruhiger und cadenzirter werden die einzelnen Sprünge auf einander folgen. Wenn nun auch die Hinterhand die Fähigkeit hat, die ganze Ma - schine auf längere Zeit zu balanciren, so ist dies bei der Vorhand doch keineswegs der Fall. Es wird mithin der Wechsel der Last von Vorhand zur Hinterhand schneller sein müssen, wie umgekehrt. Mit dem längeren Balanciren der Last auf der Hinterhand wird aber die Geschwindigkeit des Ganges nicht nur dadurch beein - trächtigt, dass die Sprünge weniger schnell aufeinander folgen, sondern es wird auch die Streckung der Hinterbeine und dadurch232Vom Gange der Dressur.die Räumigkeit des Sprunges vermindert. Mit der Geschwindig - keit aber leidet der praktische Nutzen und es wird mithin der Campagne-Reiter nicht nur bemüht sein müssen, dem Thiere im Galopp die Haltung auf der Hinterhand zu geben, sondern auch zu sorgen haben, dass es im längeren Sprunge mit den Hinterbei - nen hinreichend hinter der Vertikalen ausharre und mit den Vor - derbeinen weit genug vorgreife, welche Streckung nicht ohne jene vorherbezeichnete Abspannung des Rückgrads ermöglicht wird, die aber wie die Fähigkeit zum Aufwölben geübt sein will.
Das Stützen der Last sowohl durch die Vorderbeine, wie durch die Hinterbeine wird dadurch erleichtert, dass die Beine nicht neben einander zur Erde fallen, sondern das eine mehr vor -, das andere mehr zurückgestellt wird, und zwar geschieht dies bei Vor - wie Hinterhand mit dem Beine derselben Seite. Nach dem am weitesten vorgreifenden Beine wird der Galopp bekanntlich genannt. Da dies Bein aber mehr von der Senkrechten abweicht wie das andere, so ist der Schwer - punkt des Pferdes immer dieser Seite zugeneigt. Das Pferd wird sich mithin im Galopp nur nach dieser Seite mit Leichtigkeit wen - den lassen, weil die Wendung nach der anderen nur durch eine weite Verlegung des Schwerpunktes, oder durch ein überwiegendes Abstossen der inwendigen Beine erfolgen kann. Man macht diese Seite in der Bahn deshalb in der Regel zur inwendigen und stellt auch den Kopf des Pferdes dahin. Macht man die vorgreifende Seite zur auswendigen, so nennt man den Galopp „ Contre-Galopp “, und die Wendungen und Volten „ Contre-Wendungen “, „ Contre - Volten “. Da man beim Angaloppiren nicht vorhersehen kann, ob man nicht gegen die Hand wird wenden müssen und es die Zeit beim Tummeln nicht immer erlaubt, sein Pferd zu changiren, so wird man zur vollkommenen Ausbildung eines Campagnepferdes der Contre-Wendungen und Contre-Volten bedürfen und sie um so fleissiger üben müssen, als diese Wendungen das darin ungeübte Pferd leicht bis zum Stürzen aus dem Gleichgewicht bringen.
Wenn das Thier aber nicht mit dem Vorderbein und Hinter - bein derselben Seite vorgreift, sondern wenn es über das Kreuz galoppirend, z. B. vorn mit dem rechten, hinten mit dem linken Bein vorgreift, so wird der Wechsel der Last von Vorhand zu Hinterhand auch einen Wechsel des Schwerpunktes von einer zur233III. Abschnitt. 1. Periode.anderen Seite zur Folge haben; hier wird er beim Niederkommen der Vorhand — rechts, beim Niederkommen der Hinterhand — links fallen, was die Schnelligkeit bedeutend vermindert, die Beine ruinirt und die unangenehme stossende Bewegung erzeugt, die der Reiter im Rücken empfindet. Einen Galopp, bei dem das Pferd nicht nach der Seite hin die Kopfstellung hat, auf welcher die Beine vorgreifen, nennen wir „ falsch “.
Es ist vielfach die Frage gestellt worden, welche Füsse durch den Galopp am meisten angegriffen würden, die inwendigen oder auswendigen? Eine Frage, welche bei Krank - heitserscheinungen an einem oder dem anderen Fusse, da uns die Wahl ihn zum inwendigen oder auswendigen zu machen freisteht, von Wichtigkeit wird. Für die Vorderfüsse sehen wir es deutlich an der Menge krummer linker Vorderfüsse, welche viel rechts galoppirende Pferde zeigen, dass der auswendige Fuss am stärksten angegriffen wird. Es ist das Hinweggehen der Last über diesen Fuss und der Umstand, dass er zuerst zur Erde fällt, wodurch er vorzugsweise leidet. Es wird deshalb ein ledirter Vorderfuss immer zum inwendigen zu machen sein, mit Ausnahme, wenn er an Schul - terlahmheit leidet, ein Uebel, welches namentlich die Erhebung beeinträchtigt. Ob durch den Galopp der inwendige oder aus - wendige Hinterfuss mehr angegriffen wird, dürfte einestheils davon abhängen, ob das Bein günstiger zum Schieben oder Tragen ge - baut ist, resp. ob seine Verletzung die eine oder die andere Funk - tion, das Biegen oder Abschnellen, mehr stört (Spat würde das Biegen schlecht vertragen); anderentheils aber ob das Tempo des Galopp’s mehr die tragende oder schiebende Funktion beansprucht. Hünersdorf und Seidler geben mit Bestimmtheit den auswendigen als den meist leidenden an.
Es ist seltsam, dass von so vielen Nichtkennern ein beson - derer Werth auf den Rechts-Galopp gelegt wird und ihnen ein Ansprengen im Links-Galopp als ein Verstoss erscheint. Ob jenes ihnen als ein Resultat besserer Dressur vorschweben mag, weil die meisten Pferde wirklich lieber links als rechts galoppiren? Manche wollen die leichtere Hergabe der meisten Pferde nach links dem Umstande zuschieben, dass das Fohlen im Mutterleibe so ge - bogen liege; ich möchte den Grund mehr darin suchen, dass die Thiere auf dieser Seite geführt und von dieser Seite mehr gehand -234Vom Gange der Dressur.habt werden. Da der Galopp auf der einen oder der anderen Hand die Beine ungleichmässig angreift, auch die Thiere, wenn man sie anhaltend auf einem Fuss galoppirt, dies dadurch mar - quiren, dass sie gern von selbst changiren, so scheint ein Abwech - seln zweckmässig und muss deshalb die Ausbildung auf beide Hände gleichmässig betrieben werden. Es haben viele sehr tüch - tige Cavallerie-Offiziere vorgeschlagen, die Pferde namentlich der schweren Cavallerie im Galopp nur auf einen Fuss auszubilden. Es ist nicht zu läugnen, dass das Geschlossen - reiten für diese Waffe das Haupterforderniss ist und selten der Galopp so genau auf einem Hufschlag ausgeführt wird, dass nicht beim Rechts-Galopp eine geringe Neigung der Kruppe nach rechts, beim Links-Galopp nach links entstände und es werden somit zwei Pferde, welche nebeneinander im Gliede gehen und nicht auf der - selben Hand galoppiren, dadurch mit der Kruppe gegen einander lehnen, wodurch leicht ein Drängen und somit ein Auseinander - kommen entsteht. Ferner wird der schwere Reiter selten zum Einzelgefecht des Tummelns bedürfen und nicht so häufig galop - piren, dass man den erhöhten Verbrauch eines Beines befürchten müsste. Es würde endlich der Nutzen, welchen die Uebung der springenden Gänge für die schreitenden giebt — der Galopp als Dressurmittel — nur wenig verlieren. Der einzige Nachtheil würde die geringe Reiterausbildung des Mannes sein. Ich wage nicht zu beurtheilen, auf welche Seite diese den Ausschlag giebt.
Nachdem wir nun die Thätigkeit der Beine ins Auge gefasst haben, so wollen wir näher auf die Thätigkeit des Rückens eingehen. Bei jedem Sprunge in der Carrière wird in dem Mo - ment, wo die Hinterbeine an die Vorderbeine herangezogen werden, um die stützende Funktion zu übernehmen, mithin alle 4 Beine am nächsten zusammenkommen — die Aufwölbung am grössten sein. In dem Moment aber, wo die Hinterbeine eben abgeschnellt haben, die Vorderbeine aber im Begriff sind zur Erde zu fallen, wo die Beine also alle 4 in der Luft und die Streckung am wei - testen — wird die Abspannung am grössten sein. Je kürzer die Sprünge, um so geringer wird diese wechselnde Rückenthätig - keit in Anspruch genommen. Ohne dass An - und Abspannen mit Leichtigkeit erfolgt, wird man nie einen angenehmen, weichen und die Beine des Pferdes conservirenden Sprung erlangen. Es wird235III. Abschnitt. 1. Periode.allerdings viel sowohl von der richtigen Funktion der Beine, wie von der Vertheilung des Reitergewichtes abhängen, ob man dem Rücken diese gewünschte Elastizität zu geben ver - mag, die vom harten Widerstreben eben so weit ent - fernt, wie vom schlaffen Durchfallen weich und feder - kräftig reagirt. Es wird aber nur die Uebung im Ga - lopp selbst im Stande sein, die Rückenmuskeln zu stärken und die richtige Andauer der Lectionen, die richtige Wahl des Tempo’s, wie die Zusammenstellung wird über deren Nutzen entscheiden. Es bedarf aus diesem Grunde wirklich eines „ Eingaloppirens “, weil die schreitenden Gänge keine Uebung für diese Thätigkeit haben. Wer aber glaubt, durch „ Eingalop - piren “dem Thiere in diesem Gange eine Haltung zu geben, zu der die Vorarbeit fehlt, irrt sich gewaltig. Man wird es dann wohl dahin bringen, dass die Thiere lernen ein bestimmtes Tempo zu halten, indem sie ihren Abschwung darnach abmessen und so die Distance haltend, vom Reiter getragen, mit Haltung zu galop - piren scheinen, aber jede Veränderung im Tempo wird ihre Hal - tungslosigkeit zeigen.
Es geht aus der Lehre „ vom Reitergewicht “hinreichend her - vor, wie dessen Vertheilung auf den Pferdekörper wirkt. Vielfach verschiedene Unterweisungen über diesen Gegenstand für den Ga - lopp geben mir Veranlassung, meine Meinung darüber näher zu entwickeln. Es wird meines Erachtens keine bestimmte Regel mög - lich sein und das Körpergewicht nach Umständen senkrecht wirken, nach Umständen der inwendigen oder auswendigen Seite vermehrt zugeneigt werden müssen. Eben so wird es bald erhöht der Vor - hand, bald erhöht der Hinterhand zufallen, endlich aber bald durch Vertheilung der Last auf die Bügel möglichst gering, dann durch Conzentrirung auf die Gesässknochen bei lose herunterhängendem Schenkel möglichst stark wirken müssen.
Aehnlich wie die letzteren Neigungen wirkt die Zurück - führung des Pferdekörpers durch die Zügel, sobald der Anzug die Erhebung der Vorhand überdauert. Dient sie nur zur momentanen Erleichterung der Vorhand, wie sie vom Jokey beim Entscheidungsmoment durch das Drehen gebraucht wird, so wird der Zügelanzug unter Umständen die Schnelligkeit erhöhen können. Der vermehrte Gebrauch des inwendigen Zügels wirkt diagonal auf den auswendigen Hinterfuss und erstickend auf den Abschub; der vermehrte Gebrauch des auswendigen vermehrt die Haltung auf dem inwendigen Hinterfusse. Es wird also durch beide Mittel eine Verkürzung des Ganges, aber in ganz verschiedener Art her - vorgerufen.
Zum Ansprengen halte ich die Neigung des Reiters nach einwärts-rückwärts für die vortheilhafteste, weil ich dadurch das Thier disponire, die Vertheilung seines Körpergewichtes, welche der Galopp verlangt, anzunehmen. Es scheint mir dies auch aus der Erfahrung hervorzugehen, weil das ungeübte Pferd auf der Volte237III. Abschnitt. 1. Periode.am meisten richtig anspringt. Vielfach habe ich entgegengesetzt instruiren und dafür den Grund anführen hören, dass die Neigung nach auswärts-rückwärts den inwendigen Vorderfuss befreie. Ich bin indess der Meinung, dass die Disposition zum Rechts - oder Links-Galopp weniger von der Vorhand und mehr von der Bereit - schaft der Hinterbeine, die Vorhand auf die eine oder die andere Art aufzunehmen, abhänge, da die Vorhand noch im Moment der Erhebung über das Vorgreifen mit einem oder dem anderen Beine zu bestimmen vermag. Ist die Last aber einmal unrichtig gestützt, so aufgenommen, dass dieser oder jener Hinterfuss vorsteht, dann bedarf es erst eines förmlichen Wechsels des Schwerpunktes.
Es ist von vielen Reitern eine Traversstellung als be - sonders günstig zum Eingehen in den Galopp bezeichnet worden. In ihr ist allerdings die Belastung des inwendigen Hin - terfusses schon gegeben, durch das Uebertreten aber ist das Vor - streben der auswendigen Füsse bereits vorhanden. Andere Reiter hingegen ziehen die Schulterhereinstellung vor, weil in ihr die inwendigen Beine bereits vorgreifend seien. In Schulterherein aber liegt das Gewicht auf der auswendigen Seite und die Schwie - rigkeit des Wechsels desselben scheint mir jenen Vortheil mehr wie aufzuwiegen. Eben so wollen Einige gleich Anfangs aus dem Schritt ansprengen, Andere den Trab so lange verstär - ken, bis sich der Galopp daraus ergiebt und diesen dann durch allmäliges Versammeln regeln. Die Ersteren werden sich übermässig starker Hülfen bedienen müssen, die Letzteren aber bei vielen Pferden in ein Fortstürzen gerathen, aus dem sie nie eine Haltung entwickeln werden. Mir scheint der schwung - hafte, kurze Trab und zwar auf ziemlich grossem Zirkel, der das Gewicht schon nach einwärts disponirt, zum anfänglichen Anspringen am geeignetsten.
Folgende Methode halte ich zum anfänglichen Ein - gehen in den Galopp für zweckmässig: Man muss das Pferd im abgekürzten Trabe auf dem Zirkel in enge Versammlung nehmen, bei stellendem inwendigen Zügel den auswendigen rück - wärts wirken lassen, und dadurch wie durch die Einwirkung des auswendigen Schenkels die Hinterhand zu einer geringen Bewe - gung nach einwärts disponiren. Sobald dadurch der inwendige Hinterfuss vermehrt untergebracht ist, wird durch Neigung des238Vom Gange der Dressur.Reitergewichtes nach einwärts - rückwärts, leichtes Verhalten der Zügel und durch kräftige Gegenwirkung des inneren Schenkels die Last auf den inwendigen Hinterfuss und die Vorhand zur Erhe - bung gebracht. Leichtes Nachlassen des Zügels und Neigung des Reitergewichtes in den Sprung vermitteln den Wechsel zur Vor - hand, während dessen die Hand leicht stützt und dann das vorige Spiel von Neuem beginnt. Es gehört indess dazu, dass der Reiter seines Gewichtes Herr und fähig ist, den Moment, wo das Pferd die traversartige Bewegung beginnen will, herauszufühlen, um dann, ehe das Pferd zum Uebertreten kömmt, mit dem inwendigen Schen - kel den ansprengenden Druck zu geben. Da bei dieser Hülfe die Thätigkeit beider Zügel und Schenkel in verschiedener Art und zu verschiedenen Zeiten in Anspruch genommen wird, und genau nach der Wirkung modifizirt werden muss, so ist sie gewisser - massen ein Prüfstein für die Reitfertigkeit. Ueberwiegende Zügelhülfe wird einen Stillestand herbeiführen, verfrühte Zügeleinwirkung die Beine hinter dem Leibe finden und keine Erhebung bewirken, zu geringe einen verstärkten Trab bringen. Zu starke Einwirkung des stellenden Zügels wird das Ein - gehen in die traversartige Bewegung hindern, zu starke des auswendigen diese übertreiben und das Gewicht des herüberge - neigten Kopfes und Halses auf den auswendigen Vorderfuss brin - gen, der den Körper vorzüglich erheben muss. Zu starke Ein - wirkung des auswendigen Schenkels wird, die Traversstellung übertreibend, die Erhebung hemmen, zu geringe den inwendigen Hinterfuss nicht unter die Last bringen. Zu starke Einwir - kung des inwendigen Schenkels wird das inwendige Hinter - bein nach aussen werfen, zu schwache zu viel Travers zulassen, verfrühte das inwendige Bein wiederum nach aussen werfen. Vorfallen des Körpers wird die Erhebung hemmen, Nach - aussenfallen die falsche Seite tragend machen, verfrühtes Belasten der Hinterhand das Untertreten hindern; zu plötz - liche Neigung nach einwärts das Gleichgewicht zu gewaltsam stören, um ruhigen Gehorsam hervorrufen zu können.
Es scheint mir ferner nöthig, dass man genau unterscheide, ob das Pferd zum Auseinanderfallen, wie die langen, schwach - rückigen und hinten herausgebauten Thiere etc., oder zum Ver - halten, wie bei festrückigen und Pferden mit unter den Leib239III. Abschnitt. 1. Periode.gestellten Hinterbeinen etc., hinneige. Bei Pferden, die lang und schwachrückig sind, wird man genöthigt sein, sobald man sie in den Galopp gebracht hat, auf eine fortwährende Zu - rückführung in engere Versammlung zu wirken und dessen unge - achtet bemüht sein müssen, nicht durch scharfes Hintenherunter - sitzen die Aufwärtswölbung des Rückens zu unterdrücken. Es wird diesen Pferden Anfangs schwer werden, sich in einiger Versamm - lung zu erhalten und sie stets geneigt sein, in den Trab zurück - zufallen. Nur eine gute Uebereinstimmung der unterscheidenden Schenkelhülfen und zurückführenden Zügelhülfen wird ihnen hin - reichende Haltung geben. Zu einem Tragen der Vorhand lasse man sich nie bestimmen, sondern lasse sie lieber in den Trab zu - rückkehren, versammele den Trab auf’s Neue und galoppire sie aus der erlangten engeren Stellung wiederum an. Auf diese Art werden sie nach und nach sich im Galopp tragen lernen. Ist man nicht im Stande, so auf die Hinterhand einzuwirken, dass man durch Verengung der Versammlung aus dem abgekürzten Trabe den Galopp erreicht, so ist das Pferd noch nicht hinreichend vor - bereitet, und man ist genöthigt, die Vorarbeiten zu verbessern. Wenn man diesen Thieren das Auseinanderfallen lässt und durch Vorwärtstreiben den Galopp unterhält, so wird es schwerlich ge - lingen, sie im Galopp wieder zu versammeln, es wird ein Gehetze auf dem Zirkel, das die Kräfte des Thieres erschöpft und für die Dressur ohne allen Nutzen ist. Es muss natürlich die Freiheit des Thieres von Haus aus nach dem Eingehen in den Galopp nicht so beschränkt werden, dass es ihn fortzusetzen verhindert wird, es muss ihm so viel Freiheit gestattet werden, als es ohne jenes Auseinanderfallen geschehen kann. Aber bei der Wahl, dieses zu dulden, in der Hoffnung, im Galopp die Versammlung wieder zu gewinnen, oder in den Trab zurückzugehen, wähle man unbe - dingt das Letztere. Vor Allem muss man bei diesen Pferden kurze Reprisen machen und ihnen Zeit zur Erholung gönnen. Bei diesen Thieren verfällt man so leicht in ein krampfhaftes Festhalten und Tragen der Vorhand. Es gelingt allerdings mit grossem Kraftauf - wande einem starken Manne, es eine Zeitlang auszuhalten, und dem Pferde einen Anschein von Versammlung zu geben. Man achte indess bei der Dressur in Abtheilungen genau darauf, dass dies nicht vorkomme, indem dadurch in keiner Art für die Ausbildung240Vom Gange der Dressur.des Thieres ein Nutzen geschafft wird. Es soll durch Unterschie - ben der Hinterbeine sich balanciren lernen, und lernt so nur Sich - tragenlassen und durch verringerten Abschub seinen Abstand halten. Es ist nothwendig, dass man die Trensen bisweilen in eine Hand nehmen lässt, oder auch wohl auf ein Paar Sprünge nach - zulassen befiehlt, um Gewissheit zu erlangen, dass kein Tragen mit der Faust stattfindet.
Umgekehrt ist es bei den Pferden, die wegen ihres hohen und kurzen Rückens geneigt sind sich zu verhalten, bei denen die Abwärtskrümmung des Rückens beim Unterschieben vollkom - men vorhanden ist, die aber die Streckung desselben, das Sich - auseinandergeben scheuen. Bei ihnen wird sich ein kurzer Galopp mit steifem Rücken und kurzen Sprüngen hinter der Hand leicht ausbilden, wenn man nicht gleich nach dem Eingehen in den Ga - lopp sie zum Vorwärtsgehen und zur grösseren Streckung animirt. Man nehme sie auf einen grösseren Zirkel, führe sie leicht, ohne beengende Stellung und lasse das Gewicht kräftig einwirken. Bei ihnen wird schon beim starken Trabe ein häufiges und anhaltendes Galoppiren vorgekommen sein, und man scheue nicht längere Re - prisen, bis sie den Rücken hergegeben haben. Nimmt man bei ihnen übereilt den kurzen Galopp an, so wird man sie niemals richtig ausbilden; denn bei ihnen ist der lange Galopp diejenige Lection, durch welche man allein ein Ausharren der abschiebenden Beine hinter der Vertikalen erzielen und dadurch lange Gänge erreichen wird. Wie bei jenen Pferden aus dem gehaltenen Galopp der gedehnte entwickelt werden muss, wird umgekehrt bei diesen aus dem gedehnten der kurze zu entwickeln sein.
Pferde von regelmässigem Gebäude halte man nach dem ersten Ansprengen in einem munteren Mittelgalopp in mässiger Stellung bei mässiger Einwirkung der Körperschwere und mache sie in diesem Tempo fest. Ihnen wird Anspannung und Abspan - nung des Rückens, Tragen und Abschieben gleich leicht. Aus die - sem Mittelgalopp übe man später die engere Versammlung und den gestreckten Galopp.
Es ist aus der Lehre vom Exterieur bekannt, dass sowohl die Winkelstellungen der Gliedmassen, wie deren Län - genverhältnisse auf Tragfertigkeit, wie auf Abschub und Ab - schwung den wesentlichsten Einfluss haben. Es wird mithin das241III. Abschnitt. 1. Periode.Verhalten und Auseinanderfallen sich nicht blos nach dem Bau und der Beschaffenheit des Rückens richten, sondern auch diese Ver - hältnisse werden wesentlich influiren, ihre Combination diese oder jene Eigenschaft vermehren oder vermindern. Eben so haben das Temperament wie der Zwang und endlich die Knochen - fehler wiederum ihre Einwirkung, und es werden sich der Com - binationen so viele ergeben, dass von einer erschöpfenden Abhand - lung derselben nicht die Rede sein kann. Es wird fast jede einzelne Combination eine Modifizirung der Hülfen zur Folge haben müssen, und es wird vom richtigen Erkennen des vorliegenden Falles die Schnelligkeit des Fortschrittes abhängen. Es werden z. B. Pferde mit kurzem Rücken und weit herausgebauter Hinterhand, solche, welche in den Gelenken derselben besonders steil gestellt sind, ferner kurze Pferde mit sehr beladener Vor - hand und steilen Schultern ebenfalls zum Auseinander - fallen geneigt sein. Bei ihnen würde auf eine starke enge Ver - sammlung zu wirken sein, jedoch hiebei das Körpergewicht des Reiters die Hinterhand belasten. Ferner würden Pferde mit langem Rücken, aber Hinterbeinen, welche vorzugs - weise zum Tragen, aber nicht zum Abschieben geneigt sind, im freien Galopp und ohne enge Zusammenstellung galoppirt wer - den müssen, wobei jedoch keine Beschwerung des Rückens durch den Reiter zu gestatten wäre etc. Es werden uns auch diejenigen Pferde, welche besonders eng gehen, namentlich aber solche, bei denen dieser Fehler die Hinterhand trifft, im Galopp viel Last bereiten und gar leicht, trotz der sorgfältigsten Vorarbeit, hal - tungslos dahin rollen, weil die zu eng, oft vor einander gestellten, oder gar sich kreuzenden Vorder - oder Hinterbeine natürlich um die ganze Maschine zu balanciren zu ungünstig placirt sind. Es wird vermehrte Vorarbeit in diesem Falle nichts helfen, das Thier wird zwischen Zügel und Schenkel Anfangs getragen werden müs - sen, bis es durch viele Uebung das equilibristische Kunststück lösen lernt. Ist das Pferd noch dazu hochbeinig und soll es einen langen Reiter tragen, wie sich der Fall so häufig combinirt, so wird das geringe Ueberhängen des Gewichtes seinen Gang stören, es zu fortwährendem Changiren veranlassen und das Thier für höchst heftig und aufgeregt gelten, obschon es nur höchst haltungslos ist.
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 16242Vom Gange der Dressur.Da es sehr weitläufig wäre, jedesmal den ganzen Cyklus mechanisch einwirkender Hülfen anzuwenden, um das Pferd in den Galopp zu setzen, Hülfen die nur ein fertiger Reiter in der nöthigen Uebereinstimmung zu geben vermag, so substituirt man im Laufe der Dressur nach und nach ein einfaches Zeichen für den Galopp, je nach der Be - quemlichkeit des Reiters. Die jetzt meist eingeführte Hülfe ist das kurze, scharfe Anlegen des auswendigen Schenkels bei leicht verhaltendem Zügel. Ehemals pflegte man mit der Fussspitze noch dazu das inwendige Schulterblatt zu berühren; die Damenpferde sprengt man durch einen kleinen Gertenstreich auf der inwendi - gen Schulter an etc. Dass diese Hülfe eine selbstgewählte und von keiner mechanischen Wirkung zur Erzeugung des Galopps ist und somit ein nicht darauf abgerichtetes Pferd auf diese Hülfe nicht galoppiren wird, bedarf wohl keiner Erwähnung. Nachdem man durch mechanisch einwirkende Hülfen das Thier ga - loppiren lehrte, hat man den combinirten Hülfen den Schenkeldruck substituirt und straft endlich das unaufmerksame Thier durch den Spornstich, wenn es auf den Schenkeldruck nicht anspringt. Nun will aber der Nichtdenkende das rohe Thier auch durch einen Druck des Schenkels galoppiren und stösst mit dem Sporn, wenn derselbe erfolglos blieb. Auf diese Art hat sich der Ge - brauch des auswendigen Sporns in den Köpfen der rohen Empiriker als ein Universalrezept zur Erzeu - gung des Galopps festgesetzt, von dem sie selbst beim rohen Pferde in den stärksten Dosen, mit Beimischung kräftiger Rucke der Zügelfaust und einer galoppirenden Bewegung ihres eigenen Leibes, Gebrauch machen. Bei der Cavallerie ist es wichtig, dass man bei einem bestimmten Zeichen für den Galopp bleibt, und ich sehe keinen Fortschritt darin, für die altherkömmlichen auswendigen die inwendigen Schenkel setzen zu wollen. Wenn auch das Stossen mit der Fussspitze an das inwendige Blatt sich mit unserem jetzigen Sitze nicht verträgt, so glaube ich doch, dass es, als Zeichen betrachtet, eben so gut ist, wie der inwendige oder auswendige Schenkel, es kömmt nur auf den consequenten Gebrauch an. Jedenfalls finde ich es für den Dienst nothwendig, sämmtliche Thiere an ein und dasselbe Zeichen zu gewöhnen, damit jedes Pferd jeden Mann verstehe.
243III. Abschnitt. 2. Periode.In dieser Periode übe man neben dem Galopp vorherrschend solche Lectionen, welche das, was man vom Pferde namentlich erzielen will, verbessern; bei denen, welche geübt werden sollen, die Hinterhand vorherrschend tragend zu brauchen, den abge - kürzten Trab und verbessere die Zusammenstellung; bei denen, welche man im freien Galopp reitet, übe man den stärkeren Trab und hüte sich bei ihnen vor Seitengängen in enger Versammlung. Vor Allem bilde man die Pferde auf beiden Händen gleich - mässig aus und werde nicht müde, Fehler in der Biegsamkeit der einen Seite zu beseitigen, und so lange zu üben, bis die Aus - bildung derselben auch auf dieser Hand zu derselben Höhe ge - kommen ist, ehe man mit den Lectionen auf der anderen Seite vorgeht. Hat man das Pferd so weit, dass es sich in der einen, seinem Gebäude angemessenen Cadenz gleichmässig und ruhig trägt, so geht man zur
über. In dieser übt man den Galopp auf der geraden Linie, wobei man vorzüglich darauf zu achten hat, dass kein Ausweichen der Kruppe nach einwärts stattfindet, welches durch kräftiges Ge - genwirken des inwendigen Schenkels bei dem nach rückwärts ge - führten auswendigen Zügel erfolgen muss. Ferner achte man auf ein andauerndes Belasten der inwendigen Seite.
Man beginnt die Uebung auf der geraden Linie, indem man das Pferd, wenn es auf dem Zirkel im ruhigen Galopp ist, auf die lange Wand hinüber führt. Behält es auch auf dieser die Hal - tung, was oft nicht so leicht ist, als man denken sollte, und den sicheren Beweis für den Nutzen des Beginnes der Lection auf dem Zirkel giebt, so benutze man die Ecken zum Ansprengen aus dem Trabe; und wenn das Eingehen in den Galopp auch dann mit Ruhe und Sicherheit erfolgt, sprenge man erst auf der langen Wand an. Ist man auch darin seines Erfolges gewiss, so setze man das Pferd aus dem Schritt in den Trab, und gebe gleich darauf die Hülfen zum Galopp, verkürze die Trabreprise immer mehr und mehr, bis man endlich zum Ansprengen aus dem Schritt übergeht. Bei alledem halte man nur immer das Tempo fest. Umgekehrt gehe man aus dem Galopp zum Trabe, aus diesem in immer kürzeren Reprisen zum Schritt über, bis das Pferd endlich16*244Vom Gange der Dressur.aus dem Galopp, ohne die Haltung zu verlieren, in den Schritt gesetzt werden kann. Stürmt ein Pferd im Galopp auf der gera - den Linie, so kehren wir auf den Zirkel zurück, verbessern seine Haltung und führen es dann abermals auf die gerade Linie.
Wenn das Pferd im Galopp wechselt, so versuche man Anfangs nie diesen Fehler im Galopp zu corrigiren, sondern führe es in den Trab zurück, lasse es vor dem Schenkel im Schulter - herein und Travers weichen und sprenge es, wenn es willig ge - horcht, von Neuem an. Eben so habe man die grösste Geduld und Nachsicht, wenn das Pferd falsch angaloppirt und sei überzeugt, dass meist immer die mangelnde Uebereinstimmung der Hülfen die Schuld trägt. Geschieht es mehrmals hintereinander, so prüfe man in den Seitenlectionen die Biegsamkeit und den Ge - horsam und übereile sich nicht durch Strafen, die man meist mehr selbst, wie das Pferd verdient. Des Ferneren suche man jetzt schon das Pferd daran zu gewöhnen, dass es in guter Versammlung auf die einfache Hülfe durch leichtes Annehmen des Zügels und Anle - gen des auswendigen Schenkels ansprengt. Man mache dies An - sprengen eigens zur Sache der Uebung und lasse nicht ab, bis sich das Thier die Hülfe gemerkt hat. Das Versäumniss des Substi - tuirens jener einfachen Hülfen für die complizirten, mechanisch wirkenden, bestraft sich bei manchem sonst guten Reiter, indem derselbe beim Exerziren oder sonst, wenn Eile Noth thut, niemals des Ansprengens sicher ist. Endlich prüfe man die Haltung des Pferdes, indem man im Galopp die Zügel in eine Hand nimmt und beobachtet, ob es ohne die bisherige Einwirkung sich ruhig und sicher trägt, ohne in eine andere Cadenz überzugehen. Als - dann gehe man zur
über. In dieser lehre man das Pferd die Uebergänge von dem bisherigen Tempo in den stärkeren resp. den kürzeren Galopp. Diejenigen Pferde, welche man von Beginn durch ein kürzeres Mitteltempo in den Galopp einführte, übe man im kur - zen, diejenigen, bei denen man mit längerem Sprung begann, im stärkeren Galopp. Selbst bei regelmässig gebauten Pfer - den, die Anfangs weder zum Verhalten noch Auseinanderfallen inclinirten, werden bei der Galoppübung sich mehr zu der einen245III. Abschnitt. 3. Periode.oder der anderen Seite neigen. Man nehme bei ihnen dieselbe Massregel an. Hiebei ist wiederum darauf aufmerksam zu machen, dass in den stärkeren Tempos eine stärkere Anlehnung an das Gebiss erfolgen muss, in den kürzeren Tempos aber eine feinere Anlehnung, wie dies dem mehr der Vor - hand zugeneigten Schwerpunkt im ersteren Falle, dem mehr der Hinterhand zugeneigten im zweiten Falle entspricht. Wird bei Verstärkung des Galopps der Zügel loser, so muss der Gang fehlerhaft sein. Das richtige Verhältniss zwischen Thätig - keit der Beine und Neigung des Schwerpunktes nach vorwärts, Hinweggehen des Leibes über die Beine, ist gestört. Es werden dann wohl die Sprünge schneller auf einander folgen, aber es wird keine Streckung da sein, durch welche allein der stärkere Galopp bei diesen Thieren eine nützliche Uebung wird, und durch welche dieser Gang trotz seiner vermehrten Räumigkeit keinen grösseren Kraftaufwand erfordert.
Wird zur Verkürzung des Galopps der Zügel straf - fer, so wird dieses die Folge einer unrichtigen Versammlung sein. Es wird der Reiter das Thier tragen und die Verkürzung wird nicht dadurch entstehen, dass das Thier seine Balance auf den stützenden Beinen findet und auf denselben sich länger schwebend halten kann, dass ferner der Abschub mehr aufwärts wie vorwärts wirkt — sondern der kürzere Sprung wird durch den schlafferen Abschwung entstehen, indem die Kraft desselben durch die Zügel - wirkung, welche die Beine trifft, wenn sie hinter der Vertikalen stehen, erstickt wird. Der Nutzen des kurzen Galopps, die Han - kenbiegung zu vermehren und das Thier durch die leichte Anleh - nung, durch den weit zurückliegenden Schwerpunkt für jede kurze Wendung und Wechselung zur Hand zu haben, geht dann gänz - lich verloren.
1. Bei der Uebung des stärkeren Galopps muss sich die Behandlungsart, je nach dem Umstand, welcher das Thier zum Verhalten brachte, modifiziren.
a) Bei denjenigen Pferden, welchen bei regelmässig gestellten Beinen der kurze oder hohe Rücken die Abwärtswölbung desselben beim weiteren Sprunge beschwerlich macht, suchen wir die Streckung dadurch zu erzielen, dass wir dieselben durch kräftige Einwirkung des246Vom Gange der Dressur.inwendigen Schenkels an die Zügel drücken, ihnen durch grös - sere Dehnung des Halses eine vermehrte Freiheit gestatten, dann aber durch ruhiges und festes Einsitzen im Sattel die Abwärtswölbung des Rückens zu gewinnen suchen. Mit einem wilden Losjagen ist nichts gewonnen, ein Wegwerfen des Zü - gels ganz fehlerhaft. Man suche dem Thiere mit der grössten Ruhe Zoll um Zoll abzugewinnen. Es wird eines fortwähren - den ruhigen Herantreibens an die leichte und stete Faust und längerer Reprisen bedürfen, um diese Pferde zur gewünschten Dehnung des Sprunges zu veranlassen. Man hüte sich, schnell aufeinander folgende Sprünge anzunehmen und suche an der kurzen Wand, die sehr abzurunden ist, dieselbe Streckung zu erhalten, als an der langen. Wenn es irgend die Umstände zulassen, so reite man zu dieser Uebung auf einem freien ruhigen Platz und man wird viel schneller den Sprung ge - winnen, wie in der Bahn. Doch denke man beim Beginn der Uebung an den Athem und spare das Futter nicht.
b) Bei Pferden, welche bei schwachem Rücken des - halb sich verhalten, weil ihre Hinterbeine von Natur zu weit unter den Leib gestellt sind, sind im Allgemeinen dieselben Regeln zu beobachten, jedoch muss bei ihnen noch mehr jede Zurückführung der Last durch Zusammenschieben des Halses vermieden werden, und das Gewicht des Reiters sich vollkommen nach vorn neigen, selbst ein Stehen auf den Bügeln nicht gescheut werden, die Last zu verringern. Bei ihnen bedarf es vor Allem der Erleichte - rung durch den Sitz des Reiters und der ruhigen Hand, die ihnen eine Anlehnung in tiefer Stellung gestattet, um ihnen einen ruhigen langen Galopp beizubringen. Es giebt eine Art Pferde, welche die Paarung hochedler Väter und gemei - ner Mütter oft hervorbringt, die jene Fehler des Rückens und der Hinterhand von der Mutter, aber Trieb zum Gehen und Reizbarkeit vom Vater erbten. Wie oft sieht man durch hohe Aufrichtung und schweres Heruntersitzen diese Thiere zur Verzweiflung bringen, und hört dann über das tolle Tem - perament klagen.
c) Solche Pferde, welche bei starkem Rücken weit unter den Leib gestellte Hinterbeine haben, nament -247III. Abschnitt. 3. Periode.lich solche, deren schwache Sprunggelenke übermässig bieg sam erscheinen, sind offenbar die schlimmsten, in deren Ge - bäude das Verhalten am meisten begründet ist. Man wird sie in der Bahn, der ewig störenden kurzen Seite und der dadurch bedingten Wendungen wegen, sehr schwer zu einiger Streckung bringen. Man thut wohl, wenn man bei ihnen die Uebung im Freien vornimmt, wo anhaltendes Galoppiren auf der geraden Linie bei sehr leichter Hand und mässiger Ein - wirkung des Reitergewichtes zum erwünschten Resultate führt.
2. Bei denjenigen Pferden, welche zum Auseinander - fallen incliniren und schon in der Anfangsübung zum versammelten Galopp angehalten wurden und welcher jetzt noch mehr versammelt werden soll, unterscheide man wiederum:
a) solche, welche dazu bei regelmässig gestellten Beinen durch langen, weichen Rücken und schwere Vorhand veranlasst werden. Dies ist meist die Figur des gemeinen niederdeutschen Pferdes. Man übe mit ihnen den abgekürzten Galopp auf dem Zirkel, hüte sich aber durch, schweres Einsitzen in den Sattel die Aufwärtswölbung des Rückens zu hemmen, indem das möglichst weite Unterschieben des inwendigen Hinterbeins allein im Stande ist, dem Thiere Haltung zu geben, und begnüge sich Anfangs mit wenigen Sprüngen in dieser engen Versammlung, die man nach und nach zu vermehren trachtet.
b) Solche Pferde, welche sich vermöge ihrer hinten herausgestellten Hinterhand schwer im versam - melten Galopp halten, aber einen guten Rücken haben. Bei ihnen nehme man auch die Uebung des abgekürz - ten Galopps auf dem Zirkel vor, und suche in längeren Repri - sen, bei wechselndem abgekürzten Mittelgalopp seinen Zweck zu erreichen. Bei ihnen ist ein Annehmen und Nachgeben des Zügels auf jeden Sprung, wie ein ähnlicher Wechsel der Ge - wichtsvertheilung des Reiters wohl angebracht. Es gehört jedoch viel Reitfertigkeit dazu, richtig einzuwirken, Annahme der Zügel beim Erheben der Vorhand, Nachgeben beim Sin - ken derselben, leichtes Vorneigen der Last beim Untersetzen der Hinterbeine, leichtes Zurückneigen, wenn dieselben unter -248Vom Gange der Dressur.gesetzt sind. Von Ungeschickten artet es in ein Reissen der Faust aus und giebt dem Reiter die Bewegung eines Ham - pelmanns, ohne dass eine bessere Haltung erfolgen könnte.
c) Solche Pferde, welche bei langem Rücken, schwe - rer Vorhand und hintenherausgebauter Hinter - hand sich am wenigsten für die enge Versammlung eignen. Bei ihnen unterlasse man lieber alle Versuche für den abgekürzten Galopp, ehe man sie durch denselben hinter den Zügel bringt und ihnen das Wenige vom Gange, was ihnen die Natur verliehen hat, ganz nimmt.
Hat man nun mit den verhaltenen Pferden den stärkeren und mit den auseinandergehenden den verkürzten Galopp geübt, so er - folgt die letzte Galopplection.
Diejenigen Pferde, welche von Haus aus zum Ver - halten geneigt sind, mit denen man jetzt den kurzen Galopp nach dem stärkeren übt, suche man sehr behutsam in denselben einzuführen. Man übe zwischendurch immer wieder diejenigen Gänge, die zur Streckung und zum Herangehen an das Mundstück führen. Bei ihnen wird sich immer wieder die Neigung zum Verhalten hinter der Hand, zu den kurzen Sprüngen mit festem Rücken und steifen Gelenken zeigen. Man bedenke vor Allem, dass man beim Gliederpferde des abgekürzten Galopps nicht dringend bedarf und stehe lieber ganz davon ab, wenn zu befürch - ten ist, dass sich Thiere, die z. B. bei festem Rücken ihre ein - zige Biegsamkeit im Sprunggelenk haben, nothwendig durch diese Uebung die Gelenke ruiniren werden, oder dass durch diesen ab - gekürzten Galopp das Pferd hinter die Hand kommt.
Anders ist es mit dem starken Galopp. Er ist dem Soldatenpferde unentbehrlich. Er ist die Kritik für die ganze Dressur. Geht das Thier den Galopp von 500 Schritt in der Minute nicht ruhig in gleichmässigem, seinem Gebäude ange - messenem Sprunge, mit dauernd guter Anlehnung, so ist seine Dressur nicht vollendet. Ist seine Zusammenstellung so gewählt, dass diese einen derartigen Galopp nicht zulässt, so ist die Dressur verfehlt. Einen Training, wie ihn die Anglomanen träumten, eine Leistung nach Meilen gezählt, und wären es nur englische, im lan - gen Galopp lässt meines Erachtens unser Futter nicht zu. Ein gut gerittenes Soldatenpferd muss indess so zusammengestellt sein,249III. Abschnitt. 3. Periode.dass es denselben würde gehen können, ohne die Haltung zu ver - lieren. Nach anhaltendem, langem Galopp in Zügen muss auf Halt die Parade sichtbar leicht sein und ein unmittelbar darauf statt - findendes „ Rückwärtsrichten “keine Schwierigkeit finden. Die Uebung des gestreckten Galopps mit den zum Auseinanderfallen geneigten Pferden muss gleichfalls mit grosser Vorsicht betrieben werden. Man übe den stärkeren Galopp anfänglich nur an der langen Wand, veranlasse das Pferd mehr zu geschwind aufeinander folgenden, als gedehnten Sprüngen und versammle es an der kur - zen Wand stets aufs Neue, bis man es dahin gebracht hat, dass es sich auch an der kurzen Wand, ohne auseinander zu fallen, halten lernt. Bei ihnen kehre man immer wieder zu den gehaltenen Gän - gen zurück und suche namentlich die Kathegorie c) durch fortge - setzte Uebungen im abgekürzten Trabe, versammelten Galopp und den Paraden zum Balanciren des Körpers auf den Hinterbeinen heranzubilden. Das Wichtigste hiebei ist, dem Reiter die Ueber - zeugung beizubringen, dass ein Tragen von Kopf und Hals des Pferdes, wie es durch ununterbrochenes Festhalten geschieht, dem Thiere nur ein weiteres Vorlegen des Schwerpunktes, ein weiteres Auseinanderfallen gestattet, dass nur das weite Unterbringen der Hinterbeine unter den Leib dies zu vermeiden im Stande ist, dies aber der Schenkel bewirken muss.
Es ist in dieser Periode des Ferneren die ganze Parade aus den verschiedenen Galopp-Tempos zu üben; häu - figer mit dem zu versammelnden, als dem sich verhaltenden. Eben so das Ansprengen aus dem Stillehalten. Hiebei ist die Nothwen - digkeit, dass Pferde erst in den Gang zu setzen sind und dann die Galopphülfe eintreten zu lassen ist, nicht genug einzuschärfen. Die Reitergewichtsvertheilung spielt hiebei wieder eine Hauptrolle. Wenn auch ein sanftes Mitgehen des Körpers nützlich und noth - wendig ist, so sieht man häufig, dass Pferde durch ein haltungs - loses Vorfallen des Reiters beim ersten Antreten so aus dem Gleich - gewicht gebracht werden, dass sie, um dasselbe herzustellen, die Vorderbeine vorstemmend, auf die Blätter pariren, statt lebhafter vorzugehen. Andere verfallen in den entgegengesetzten Fehler, sie werfen sich beim Anreiten hinten über. Sie sind es, welche ihre Pferde leicht zum Kleben bringen, indem dem Thiere das Angehen dadurch verleidet wird.
Sie umfasst die Uebungen der Volten im Galopp, wie das Wechseln durch die Bahn. Bei den Uebungen der Volten im Galopp ist zu erwähnen, wie dieselben nach und nach von einem Durchmesser von etwa 12 Schritt zu den von 6 reduzirt werden müssen. Es ist die Hauptschwierigkeit, den weniger erfah - renen Reitern begreiflich zu machen, wie die Neigung des Reiter - gewichts nach der inwendigen Seite bei hinreichend treibendem Schenkel die Haupthülfe für die Wendung sein dürfte; wie die Wirkung des inwendigen Zügels die Gegenwirkung des auswendi - gen Schenkels und die verhaltende Kraft des auswendigen Zügels die Gegenwirkung des inneren Schenkels erheischt; wie ferner Pferde, welche zum Ausfallen der Kruppe neigen, bei ruhig anstehendem inwendigen Zügel durch die Wirkung des auswendigen Zügels und Schenkels bei einwärtsgeneigtem Reitergewichte gewendet werden können. Mehr bekannnt ist ihnen, dass der auswendige Zügel, führend gebraucht, unter Mitwirkung des inneren Schenkels die Volte erweitert, der auswendige Zügel, verhaltend gebraucht, von dem auswendigen Schenkel unterstützt, aber die Volte verengt. Es wird bei den eng gehenden Pferden sehr schwer sein, ein Wech - seln bei engen Volten zu vermeiden. Dieses ist stets ein Zeichen des verlorenen Gleichgewichtes, welches das Thier durch die schnelle Verlegung des Schwerpunktes nach aussen wieder herzustellen be - müht ist. Mässige Neigung in die Volte und richtiger Gebrauch des auswendigen Zügels müssen das Thier unterstützen.
Das Wechseln des Pferdes im Galopp ist darum nöthig, weil scharfe Wendungen gegen die Hand bei einigermassen ungün - stigem Terrain sehr leicht ein Gleiten und Fallen des Pferdes zur Folge haben, man mithin bei Pferden, welche man tummeln will, der Gewandtheit bedarf, leicht vor der Wendung im Galopp zu wechseln, damit man nie gegen die Hand zu wenden braucht. Ein vorheriges Ueberführen in den Trab würde zu viel Zeit kosten. Man übe indess nur zum Tummeln geeignete Pferde in dieser Lec - tion. Bei den schweren und unregelmässigen Gebäuden wird man sich begnügen, sie aus dem Galopp auf der einen Hand in den Trab über zu führen, in diesem Gange die Stellung zu wechseln und auf der anderen Hand anzusprengen. Hiemit wird man auch251III. Abschnitt. 4. Periode.bei den Pferden, welche a tempo changiren lernen sollen, beginnen und die Zwischenmomente des Trabens immer mehr und mehr ver - kürzen, bis man endlich blos noch der halben Parade zum Wech - seln von Zügel, Schenkel und Gewicht bedarf. Das Letztere giebt für das gewandte Changiren, bei dem es schliesslich keiner halben Parade mehr bedarf, den Ausschlag. Je mehr das Pferd gewöhnt wird, auf den Gewichtswechsel zu gehorchen, je weniger es starker Schenkelhülfen bedarf und je williger es dabei auf eine leise Ver - änderung der Fauststellung die Kopfstellung wechselt, um so ele - ganter und leichter werden die Changements ausgeführt. Die besten Vorbereitungen sind die Schlangenlinien im Trabe, bei denen es schliesslich auch schon auf ein weiteres Untertreten des belasteten Hinterfusses ankommt. Die Schwierigkeit liegt in der genauen Uebereinstimmung des Wechsels der Last mit der Zügelhülfe bei gutem Unterhalten des Ganges. Es scheint mir für die Gewandt - heit des Pferdes zu kurzen Wendungen im Allgemeinen vielmehr auf die Lebhaftigkeit und Aufmerksamkeit desselben anzukommen, als auf grosse Kraft, und namentlich scheint es durchaus keines sehr mächtigen Rückens und starker Hinterhand zu bedürfen, um ein Pferd für dieselben auszubilden. Diejenigen Pferde werden am gewandtesten sein, bei denen von Natur die Tragfertigkeit der Hin - terhand und die abschiebende Kraft in Uebereinstimmung steht, bei denen eine engere Stellung der Beine und eine verhältniss - mässig grössere Höhe der Beine zum Oberkörper das „ seitwärts aus dem Gleichgewicht bringen “erleichtert und mithin die mecha - nische Wirkung des Körpergewichtes des Reiters erhöht. Pferde von ausserordentlicher Muskelkraft, welche eine Länge haben, wie der Kenner sie lobt, die kurzbeinig und breit gestellt sind, werden von Haus aus bei weitem nicht so beweglich und leicht zu tum - meln sein, wie jene, aber einmal durch die Dressur gewöhnt, auf leichte Hülfen zu achten, werden sie es in den Wendungen und Wechselung zu einer Ruhe und Sicherheit bringen, welche jenen stets abgehen wird. Während diese der mittelmässigste Reiter stets gehorsam finden wird, bedarf es bei jenen eines steten genauen Abmessens der Einwirkungen, wenn sie nicht widersetzlich werden sollen. Man wird sehr leicht ein hochbeiniges, eng gehendes Pferd durch die Gewichtsvertheilung so plötzlich aus dem Gleichgewichte bringen können, dass es taumelnd der überhangenden Last folgt,252Vom Gange der Dressur.durch die verschränkte Wendung aber solche Schmerzen der zu scharf gedehnten Muskeln empfindet, dass es für das nächste Mal die abverlangte Wendung aus Furcht vor dem Schmerz refüsirt. Eben so muss man sich hüten, die von Natur unter den Leib ge - bogene Hinterhand zu missbrauchen, weil der Schmerz zur Wider - setzlichkeit und die Ueberlastung zu Knochenfehlern Veranlassung giebt. Vor Allem hüte man sich, solche Pferde, welche sich ihres unregelmässigen Baues wegen nur schwierig im Galopp auf der geraden Linie halten, in diese Lection einzuführen, weil man vor - aussichtlich sie niemals zu einer solchen Gewandtheit bringen wird, dass dem Reiter daraus ein Nutzen erwächst, sondern sie nur ver - letzen, verwirren und die Haltung, die man ihnen mühsam gab, zerstören wird. Nur unter ausgezeichnet vorsichtigen Reitern übe man mit unregelmässig gebauten Pferden diese Lectionen, beschränke sie im Allgemeinen aber auf die regelmässigen Gebäude, und sei überzeugt, dass man mit jenen weiter kommt, wenn man die Wendungen im Trabe ausführt. Aus allen Pferden Alles machen wollen, ist ein Zeichen von mangelhafter Beur - theilung. Es ist ein Verkennen des Materials, ein Unrecht gegen das königliche Eigenthum, ein Nachtheil für Lehrende und Ler - nende, bei der Cavallerie in dieser Beziehung Anforderungen zu stellen, die mit allem Fleiss nicht zu leisten sind. Es ist ein be - trübender Anblick für einen passionirten Cavalleristen, brave Pferde stossen und reissen zu sehen, weil ihr Reiter, ein Rekrut, Dinge ausführen soll, welche, der Natur nach, über dessen Ausbildungs - grad liegen, oder sehen zu müssen, dass schwache, verbaute Pferde, die er mit aller Mühe auf das schonendste dressirte, von besseren Reitern in Stellungen genommen werden, die sie ruiniren müssen, um jenen Anforderungen, die ein müssiger Kopf erfand, von denen aber keine Instruktion etwas weiss, zu genügen. Man besteige die meisten der Pferde, welche 5 Fuss 6 Zoll überragen, und fühle selbst heraus, wie sie sich zu dergleichen Künsteleien eignen und welchen Grad der Einwirkung sie bei Paraden aus dem Galopp und kurzen Wendungen auf der Hinterhand verlangen. Es sind gegenwärtig in den Schwadronen der regelmässigen Gebäude genug vorhanden, um das nöthige Material für die Reiter zu gewinnen, welche zur Remontedressur verwendet werden sollen, und auf diese würde die Ausbildung in den kleinen Volten im Galopp und den253III. Abschnitt. 5. Periode.Changements zu beschränken sein. Die anderen übe man, aus dem Galopp auf der geraden Linie in den Trab einzugehen, die Volten im Trabe auszuführen und sie, auf die gerade Linie zurückgekom - men, von Neuem anzusprengen.
In dieser übe man die Pferde von regelmässigem Gebäude im Contre-Galopp. Hiebei sollen sie lernen, Hal - tung in den Wendungen gegen die Hand gewinnen. Wenn diese Lectionen für den praktischen Nutzen auch geringer sind, so haben sie für die Ausbildung viele Vortheile. Diese Gangart ist darum so schwierig, weil sie in den Wendungen, trotz der grös - seren Belastung, eine grössere abschiebende Thätigkeit der inwen - digen Beine verlangt und die Wendung des Pferdes hier nur sehr vorsichtig durch das Reitergewicht bei sehr stark gegenwirkendem Schenkel veranlasst werden darf, da sonst die Verlegung des Schwer - punktes des Thieres und damit das Changement erfolgen würde. Es müssen mithin die Beine der auswendigen Seite gleichsam den Schwerpunkt überwinden. Die Wendungen in der Contrestellung scheinen mir recht deutlich zu zeigen, dass der mechanische Ein - fluss des inwendigen Zügels, insofern er die Wendung des Kopfes und mit ihm des Leibes veranlassen soll, ein recht geringer ist. Als ein angelerntes Zeichen ist er hiebei unentbehrlich, obschon er den Kopf keineswegs nach der Seite ziehen darf, wohin das Thier sich wenden soll.
Es gehört zu dieser Lection eine sehr feine Nüançirung der Hülfen, und werden wenige Reiter im Stande sein, dieselbe bis zur Ausführung von Volten im Contre-Galopp zu steigern, wenn sie nicht durch ein regelmässiges Gebäude und sehr genaue Zusam - menstellung unterstützt werden. An der langen Wand sind keine Schwierigkeiten vorhanden. Ein haltungsloses Passiren der Ecken, bei denen die Wendung nur deshalb gelingt, weil das Thier sich scheut, die Wand zu berühren, vom inwendigen Schenkel wohl ge - trieben, aber nicht wechseln kann, wird nicht als eine nutzenbrin - gende Lection gelten können. Es bedarf mithin beim Passiren der Ecken der vollen Aufmerksamkeit, und wird zum Beginn eine weite Abrundung derselben nöthig sein, und es ist besser, zu ge - statten, dass das Thier dieselben Anfangs mit Haltung im kurzen254Vom Gange der Dressur.Trabe nimmt, als dass es dieselben in der vorbeschriebenen Art im Galopp ohne Haltung passirt.
Sie umfasst das Changiren aus der halben Volte, die Achten im Galopp und die Kurzkehrt-Wendung. Die erstere Uebung wird gewöhnlich aus der Ecke von der kurzen zur langen Wand gemacht und ist eine nützliche Uebung, indem einmal durch Wechselung von Kopfstellung, Körpergewicht und Schenkel das Changement herbeigeführt, das andere Mal bei Unter - lassung derselben im Contre-Galopp weiter gegangen werden wird.
Eben so thut man wohl, das Pferd bei den Achten nicht alle - mal zu changiren. Pferden, welchen die Contrevolte zu schwer wird, lasse man dieselbe statt im Galopp anfänglich im Trabe aus - führen und sprenge sie nach Vollendung derselben von Neuem an.
Die Kurzkehrt-Wendung besteht in einer ganzen Parade aus dem Galopp, einer Wendung auf der Hinterhand im Schritt - tempo und nach Vollendung derselben in einem Ansprengen auf der anderen Hand. Soll diese Wendung aber en pirouette geschehen, so setzt dies einen sehr gewandten Reiter und ein kräftiges, gut zusammengestelltes und in den Hanken wohl gebogenes Pferd vor - aus, wenn namentlich das Changement unmittelbar darauf erfol - gen soll.
Die Wechselung aus der Volte, bei welcher das Pferd die Volte im Travers-Galopp auszuführen hätte, würde für diese Uebung die vorbereitende Lection sein. Man versäume in dieser Periode, welche nur mit sehr wenigen Pferden durchzumachen ist, vor Allem nicht, durch freien Trab und gedehnten Galopp das Ausharren und Abschwingen hinter der Senkrechten immer von Neuem zu üben, damit das Pferd gut an der Hand bleibe. Macht das Thier diese Lectionen durch vielfache Uebung endlich auch zur Freude der Zuschauer, ist aber in seinen Gängen, was Räumigkeit und Schwung anbe - trifft, zurückgekommen, so hat man keinen Fort - schritt, sondern einen beklagenswerthen Rückschritt gemacht. Fühlt man sich ausser Stande, diese Sachen mit guter Anlehnung und Ruhe zu leisten, liege die Schuld am Menschen oder Pferde, so lasse man sie lieber fort.
255IV. Abschnitt. 1. Periode.Es sei stets das Bestreben, die Trensendressur bei einer guten Anlehnung zu enden, und lege man nicht die Kandare auf, ohne dieselbe erzielt zu haben.
In den letzten Tagen reite man viel mit dem Trensenzügel in einer Hand und lege dem Pferde im Stalle die Kandare auf einige Zeit auf, damit so das Pferd dieselbe kennen lernt. Eine Zeit der Bewegung im Freien wird wiederum von Nutzen sein.
Ueber das Aufpassen der Kandare ist schon früher das Nöthi - gere erwähnt worden. Im Allgemeinen halte der Reiter fest, dass dies Instrument die Wirkung der Hand ver - mehrt, gleichzeitig auch eine verstärkte beizäumende Wirkung hat; dass ferner die Wirkung der kleinen Trense, vermöge ihres dünnen Gebisses eine verschärfte ist und mithin die Kraft des Schenkels zu der der Faust in ein anderes Verhält - niss tritt.
In dieser sorge man durch ein freies und lebhaftes Vortreiben im Schritt und Trab auf der geraden Linie, am besten im Freien, bei einiger Zuhülfenahme der kleinen Trense, dass das Pferd an das Gebiss trete. Man denke stets daran, durch Activität des Schenkels die Fehler zu verbessern und lasse die Faust nur passiv wirken. Am meisten hat man darauf zu achten, ob die beizäu - mende Kraft der Kandare nicht eine falsche Biegung des Halses abwärts in den unteren Halswirbeln herbeiführt. Diese dulde man, wenn sie Anfangs auch sehr unbedeutend scheint und selbst dem Halse eine gefällige Form zu geben verspricht, unter keinen Um - ständen, weil mit diesem Buge die Wirkung des Anzuges auf die Hinterhand verloren gehen muss, selbst wenn es beim Beginne noch nicht wahrnehmbar ist. Hat das Pferd eine sichere Anlehnung an256Vom Gange der Dressur.die Hand genommen, was bei richtiger Trensenarbeit und angemes - sener Zäumung ohne Schwierigkeit ist, so kehrt man in die Bahn zurück und übt in der
die Volten und Wendungen im Schritt und Trabe, die Seitengänge und den Galopp auf der geraden Linie mit angefasster Trense, und Schritt und Trab auf der geraden Linie ohne dieselbe.
Was die Wendungen anbetrifft, so wird es bei denselben nur geringer Zügelhülfen bedürfen. Man unterstütze anfänglich mit der Trense und suche, diese nach und nach weglassend, das Pferd an die blosse Kandarenwirkung zu gewöhnen. Ich habe schon frü - her die Ansicht ausgesprochen, dass der mechanische Einfluss des Druckes des Gebisses auf eine Lade zur Wendung mir nur sehr gering erscheint, nicht aber ist derselbe als Zeichen zur Wendung unwichtig und deshalb die grösste Consequenz, in der einmal ge - brauchten Art dieses Zeichen zur Wendung mittelst der Hand zu geben, unbedingt nothwendig. Wenn die Anlehnung des Armes gesichert und das Faustgelenk so gestellt ist, dass es zu den ver - schiedenen Bewegungen befähigt ist, so scheint es mir unwe - sentlich, ob die Faust vertikal oder horizontal steht, aufrecht oder verdeckt. Die Vertikalstellung der Faust er - leichtert die Bewegungen aus dem Handgelenk nach vorwärts und rückwärts, mithin das Annehmen und Nachgeben; die Horizontal - stellung die Bewegungen nach seitwärts, mithin das Wenden. Da mir die Verrichtungen der Faust zu den Paraden etc. wichtiger scheinen, wie zu den Wendungen, so würde ich unbedingt bei der Vertikalstellung bleiben. Viel wichtiger ist es, dass der Daumen fest auf die Zügel gedrückt wird, dass die Hand ge - schlossen ist und auch der etwas festere Schieber das Durchrutschen des Zügels verhindern helfe. Für den Soldaten, der im Gefecht seine rechte Hand zur Führung der Waffen braucht, ist es ein grosser Uebelstand, wenn er nicht gewohnt, die Zügel in der einmal genommenen Länge zu erhalten und genöthigt ist, hinzugreifen, wenn er ihrer bedarf. Es giebt eine Art der Zügelfassung, durch die, ohne jenes feste Schliessen der Finger (welches leicht das Faustgelenk mit gespannt macht), diesem Uebelstand begegnet wird. Sie würde in der Beschreibung257IV. Abschnitt. 5. Periode.complizirt und doch nicht deutlich erscheinen, weshalb ich nicht näher darauf eingehen will. Es ist schwierig, sie in den alten Ta - gen sich anzugewöhnen, aber im übrigen sehr praktisch, und jungen Reitern zu empfehlen. Die Mode, den Schieber ganz wegzulassen, ist nicht von einem praktischen Campagne-Reiter ausgegangen, und ist es unrecht, dass sie von der Jagdreiterei, welche einen Knoten in die Kandare schlägt und deshalb den Schieber als unnütz weg - lässt, in die Bahn übergegangen ist. Eine Zeit lang suchte man etwas darin, allem Lederzeug an Mann und Pferd eine unendlich plumpe Breite und Dicke zu geben. Bei den Zügeln, auch der Mannschaft, sollte man eine vernünftige Mittelstrasse zwischen dieser Lederverschwendung, welche die Hand übermässig voll und deshalb hart macht, und jenen Bindfäden innehalten, die sich als Rückschlag der Mode zeigten, nie festzuhalten und ewig im Durch - rutschen waren.
Seitengänge und den Galopp auf gerader Linie ohne Trense, mit Verkürzung des stellenden Zügels, Volten im Galopp und Changements mit der angefassten Trense, Paraden und Wendungen ohne Trense.
Beendigung der Dressur mit nicht angefasster Trense.
Das Springen über die Barrière. Der Sprung sowohl in die Höhe, wie in die Breite beruht auf dem freien Ab - schwung mit allen vier Beinen. Je weiter die Hinterbeine beim Abschwung hinter der Vertikalen stehen, um so mehr wird er in die Weite, je mehr an der Vertikalen, um so mehr in die Höhe gerichtet sein. Es ist mithin hiebei vor Allem darauf Rück - sicht zu nehmen, wie im Moment des Abschwunges der Huf zu dem Hüftgelenk steht, indem Pferde wohl mit weit untergebrachten Hinterbeinen an das Hinderniss kommen, dann aber vor dem Ab - schwung bei schon gehobener Vorhand erst mit dem Leibe über die untergesetzten Beine hinweggehen, ehe der Abschwung erfolgt; andere dagegen die Vorhand hoch auf die zurückstehenden Beine, wie steigend, erheben und so, der Vertikalen nahe kommend, ab -v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 17258Vom Gange der Dressur.schwingen, wodurch bei ersteren es oft den Anschein hat, dass der Absprung bei unterstehenden Hinterbeinen, bei letzteren als ob er bei hintenaus stehenden Hinterbeinen gegeben würde, trotzdem dass dieser Sprung hoch, jener breit war.
Es liegt aber ferner in der Art des Barrièresprunges eine wesentliche Verschiedenheit. Einige Pferde vollführen den Sprung, indem sie mit allen 4 Beinen sich gleichzeitig vom Boden abschnellen und bei einer gleichmässig hohen Erhebung von Vor - und Hinterhand, ebenfalls auf allen 4 Beinen gleichzeitig fussen. Diesen Sprung pflegt man gewöhnlich den Campagne-Sprung zu nennen.
Eine andere Art des Sprunges zeigt eine bedeutende Versamm - lung auf die Hinterhand und dann vor dem Hinderniss eine Erhe - bung der Vorhand auf die stark gebogene Hanke. Aus dieser Zusammenziehung geschieht ein kräftiger Abschwung der Hinter - hand, welcher indess die Höhe der Vorhand nicht erreicht, so dass hinter der Barrière die Hinterbeine die Erde wiederum am ersten berühren. Dieser Sprung wird Schulsprung genannt.
Eine dritte Art des Sprunges ist dem Campagne-Sprunge ähnlich. Das Abschnellen der Beine erfolgt gleichfalls fast gleich - zeitig, jedoch werden nach dem Abschwunge die Hinterbeine kurz und scharf nachgezogen, wodurch eine Erhöhung der Hinterhand, ein Aufwippen stattfindet, welches wiederum ein früheres Auffussen der Vorderbeine als der Hinterbeine zur Folge hat. Diesen Sprung pflegt man den Jagdsprung zu nennen. Der Jagd - und Cam - pagne-Sprung machen einen Anlauf vor der Barrière nöthig, aus dem aber der Sprung ohne bedeutende Verkürzung erfolgen kann. Der Schulsprung bedarf indess einer bedeutenden vorherigen Ver - sammlung auf der Hinterhand, die indess selbst aus dem Stille - halten ermöglicht werden kann.
Eine vierte Art zeigt wiederum eine Verkürzung des Ganges vor dem Hinderniss, welche sich bis zu dem plötzlichen Pariren auf die Blätter steigert, dann ein Erheben der Vorhand mit ange - spanntem Rücken, dem das Aufschnellen der Hinterhand folgt. Es standen bei jener Parade auf der Vorhand oder bei jenem prallen - den Verkürzen der Sprünge die Hinterbeine niemals unter dem Leibe, sondern stets hinten heraus. Das Erheben der Vorhand259IV. Abschnitt. 5. Periode.wird, um eine sichere Stütze auf den Hinterhufen zu finden, um so bedeutender sein, je weiter dieselben hinten heraus standen, damit aber um so gefahrvoller werden. Da bei jener Parade oder bei jenen Sprüngen keine hinreichende Biegung der Gelenke statt - fand, so kann das Lançiren des Körpers aus den Gelenken, ich meine das Aufwärtsschnellen durch die vorher zusammengepressten Muskeln, keine Verstärkung des Abschwunges des Hufes vom Bo - den hervorbringen. Wo im Schulsprunge es den Anschein hat, als wenn der ganze Körper wie ein Pfeil vom Bogen flöge, bringt hier der Abschwung nur die Hinterbeine empor. Das Pferd bäumt mehr auf und zieht sich dann, indem es auszuschlagen scheint, mehr über das Hinderniss, als dass es springt. Bei diesem Sprunge kömmt die Vorhand bei weitem eher nieder als die Hinterhand. Der letztere Sprung ist in jeder Art fehlerhaft. Er ist weder geeignet ein hohes, noch breites Hinderniss zu neh - men. Er bringt den Reiter durch jene Mouvements bereits vor der Barrière leicht zum Vorüberfallen, wodurch die Erhebung der Vorhand erschwert werden muss; wird selten mit den Hinterbei - nen die nöthige Höhe, gewiss aber bei einiger Breite des Hinder - nisses nicht die erforderliche Weite erlangen. Er gefährdet im Herunterkommen die Sicherheit, bringt leicht Verletzung der Vor - derbeine hervor und stört beim Fussen das Gleichgewicht der gan - zen Maschine, so dass eine augenblickliche Fortsetzung des Ganges unmöglich wird. Ich habe diesen Sprung wohl mit der hochtra - benden Benennung „ Hirschsprung “bezeichnen hören, welche indess dieser unbeholfenen Kraftäusserung nicht wohl zukommen kann. Er ist indess ein wahrer Prüfstein für die Körpergewandt - heit des Reiters. Auf die Vorhand prallen, Steigen und auf den Kopf herunterkommen folgen oft unmittelbar und mit grosser Heftigkeit und machen Zurücksitzen, Vorlehnen und weites Zurück - lehnen im leichten und richtigen Wechsel nöthig, wenn nicht Ueber - kopfgehen, Unmöglichkeit der Erhebung, Sitzenbleiben auf der Barrière oder Zusammenbrechen beim Fussen erfolgen soll.
Der Jagdsprung lässt allerdings beim Fussen einige Gefahr für die Sicherheit des Reiters und Conservirung der Vorderbeine zu, hat aber den Vorzug, dass Vor - und Hinterhand gleichzeitig den Körper abschnellen, die Hinterhand sicher über die Barrière nachbringt und die Geschwindigkeit nicht beeinträchtigt.
17*260Vom Gange der Dressur.Der Schulsprung hat den Vortheil der Eleganz, der grösseren Sicherheit des Sprunges bei geringeren Hindernissen und der Sicher - heit beim Auffussen für Reiter und Pferd, ist indessen zeitraubend und lässt ein Hängenbleiben der Hinterbeine bei hohen Barrièren befürchten. Er wird ferner für den Sprung, welcher zugleich einige Weite verlangt, ebenfalls nicht zweckmässig sein.
Der Campagne-Sprung hat, der Gleichzeitigkeit des Abschwin - gens und Fussens von Hinterhand und Vorhand wegen, den Vor - theil der fortgesetzten Bewegung und der Sicherheit beim Auf - fussen. Er wird indessen für bedeutende Höhe dem Jagdsprunge nachstehen.
Das rohe Pferd und das ganz auf die Hand gerittene Renn - pferd wird seines vorliegenden Schwerpunktes wegen zu dem unter 4 bezeichneten fehlerhaften Sprunge incliniren.
Das Schulpferd wird vermöge des weiter rückwärts gelegenen Schwerpunktes, der Kunst, seine Balance auf den Hinterbeinen zu finden und seiner Hankenbiegung wegen, zur Ausführung des Schulsprunges geneigt sein. Das Jagdpferd wird, vermöge seiner mehr frei gegebenen Hinterhand, dieselbe erhaben nachziehen kön - nen; das Campagnepferd aber, im Gleichgewichte auf allen vier Beinen, mit denselben gleichzeitig abschwingen und auffussen.
Es ist klar, dass diese verschiedenen Arten der Sprünge nicht unbedingt den verschiedenen Kathego - rien der Pferde nothwendig eigen sein müssen, dass die augenblickliche Art der Haltung vor dem Hinder - nisse, wie die grössere oder geringere Biegsamkeit oder Schubfähigkeit der Hinterhand den Sprung stets motiviren wird. Der Reiter kann durch die Art, wie er sein Pferd an das Hinderniss bringt, so wie durch die Einwirkungen unmittelbar vor dem Sprunge, wohl einigermassen auf die Art des Sprunges influiren und gewiss das Pferd unterstützen, es wird ihm indess selten gelingen, eine andere Art des Sprunges zu erzie - len, als die, welche dem Körperbau resp. der gewohnten Haltung des Pferdes entspricht. Es wird aber ein gewandter Reiter stets bemüht sein, die Stärke seines Pferdes zu benutzen und der Schwäche zu Hülfe zu kommen.
So wird ein guter Jagdreiter, der ein Pferd mit biegsamer Hinterhand reitet, das vorn bereits gelitten hat, bemüht sein, die261IV. Abschnitt. 5. Periode.Versammlung seines Pferdes vor dem Hindernisse zu erhöhen und das zu starke Erheben der Hinterhand zu modifiziren, so dass der Jagdsprung seines Pferdes sich dem Campagne-Sprunge nähert. Für nicht ganz fertige Reiter sind indess alle künsteln - den Einwirkungen auf das Pferd gefährlich, indem die - selben, nicht ganz im richtigen Moment gegeben, stören und ver - wirren müssen. Dreistes Heranreiten, gleichmässige Anlehnung und Festsitzen — dann aber das Thier ge - währen lassen, ist für mittelmässige Reiter das Beste, ist besser als sie instruiren, wann sie hebende Zügelhülfen geben sollen, wann sie nachgeben und wieder auffangen sollen.
Es kann bei der Dressur des Campagnepferdes nicht von Er - zielung des Schulsprunges die Rede sein, weil bei demselben der Reiter den Moment des Absprunges bestimmt, jedoch hiezu ein feineres Gefühl und eine genauere Zusammenwirkung der Hülfen gehört, als von den meisten Reitern dieser Klasse verlangt werden kann, auch Hindernisse bisweilen unter Umständen zu nehmen sind, bei denen von vielen Hülfen und zeitraubendem Verhalten nicht die Rede sein kann. Andererseits ist aber dafür zu sorgen, dass jener fehlerhafte Sprung vermieden wird. Ob das Campagnepferd im Jagdsprunge oder Campagne-Sprunge das Hinderniss nimmt, überlasse man der Eigenthümlichkeit des Pferdes und seiner augen - blicklichen Disposition. Bei beiden Arten des Sprunges kömmt es darauf an, dass das Pferd die Zeit seines Absprunges freiwillig wählt, und der Reiter nichts zu thun hat, als das Pferd senkrecht und entschlossen gegen das Hinderniss zu führen, mit seinem Ge - wicht und seiner Hand aber Absprung und Auffussen zu begün - stigen. Es wird mithin die Hauptaufgabe der Dressur sein, dem Pferde Lust und Muth zum Sprunge zu geben und es zu lehren, das Hinderniss zu beurtheilen, die Entfernung des Absprunges und die Kraft des Ab - schwunges aber zu messen. Dieses kann allein durch die Uebung geschehen, die mit dem Leichten beginnt und seine Kraft und erlangte Fähigkeit nicht übersteigt. Je fliessender der Gang vor und nach dem Hinderniss bleibt, je genauer die Kraftanstren - gung, mithin Weite und Höhe des Sprunges mit dem Hinderniss übereinstimmt, um so schöner wird der Sprung sein. Es ist eine unzeitige und lächerliche Eitelkeit, die den Reiter262Vom Gange der Dressur.treibt, sein Pferd zu einem himmelhohen Luftsatze über einen Rinnstein zu forciren. Eine Eitelkeit, welche der Strafe nicht entgeht. Sie ist es, welche den Pferden von sonst guten Reitern Furcht für das Springen beibringt und sie schliess - lich refüsiren macht.
Zum Einspringen beginne man damit, zu Ende der Lection eine feste und schwere Stange auf der Mitte der langen Wand der Bahn auf die Erde zu legen und im Schritt überschreiten zu lassen. Man setzt die Uebung fort, bis das Pferd ruhig und ohne zu stutzen darüber weggeht, und demnächst im Trabe und Galopp ohne vorheriges Stutzen oder Verkürzen des Ganges darüber hin - schreitet. Dann lasse man dieselbe etwas erheben, doch so, dass noch kein Sprung nöthig wird. Wenn sie auch dann in allen Gängen ohne Verhalten überschritten wird, so geht man zum Sprunge über. Ich habe es nützlich gefunden, Anfangs an jedem folgenden Tage wieder mit dem Ueberschreiten zu beginnen und dann wiederum einen ganz kleinen Sprung folgen zu lassen, ehe man die Stange höher legt. Es ist nothwendig, dass die Stange stark und glatt ist, auch dass der Mann, der dieselbe hält, seiner Sicherheit wegen, die offene Hand vom Anreitenden abgewendet hält. Ein Umwickeln der Stange mit Stroh und ein zu loses Halten lehrt indessen das träge Pferd, dass es dieses Hinderniss bequemer fortstösst als überspringt. Man umwickele desshalb nicht und lasse nicht lose halten, damit das Pferd Schmerz am Bein beim Gegen - stossen empfinde und so, für seine Trägheit sich selbst strafend, sich in Acht nehmen lernt. Eine Scheu des Pferdes beim Ueber - schreiten strafe man nicht, sondern überwinde sie mit Geduld. Ein Loseilen auf dasselbe mässige man durch Paraden und Zurücktreten, weil dasselbe später beim Sprunge den Absprung nicht richtig taxiren lässt.
Nun lege man die Stange so hoch, dass ein geringerer Sprung nothwendig wird. Man reite im abgekürzten Trabe darauf los, gestatte dem Pferde einige Schritte vorher ein Eingehen in den Galopp, sorge für ein gleichmässiges Anstehen an das Gebiss und vermeide jede Zügelhülfe. Es werden fast alle Pferde den Sprung vollführen. In diesem Falle belobe man sie, hüte sich, sie gleich nach dem Hindernisse fortstürmen zu lassen, leide eben so wenig ein Pariren und begnüge sich mit höchstens zwei Sprüngen. Sollte263IV. Abschnitt. 5. Periode.das Pferd indess die Neigung zeigen, vor dem Hindernisse zu stutzen, so forcire man den Sprung nicht durch harte Hülfen, sondern pa - rire, lasse das Pferd ruhig und ohne Uebereilung zurücktreten und reite von Neuem in abgekürztem Trabe an. Stutzt das Pferd aber - mals, so wiederhole man das Zurücktreten, lasse die Stange etwas niedriger legen und kehre zur Lection des Ueberschreitens im Trabe und Galopp zurück. Es ist mir in allen diesen Fällen ge - lungen, ohne Beihülfe von Peitsche und ohne Forciren des Sprun - ges aus dem Stillehalten, die Pferde, selbst die schwächsten von schwierigem Gebäude, endlich aus dem Gange zum Springen zu bringen.
Ein Ausweichen corrigire man in derselben Art, indem man parirt und zurücktreten lässt, auch wohl bei grosser Hart - näckigkeit das Pferd auf der Volte vor der Barrière in Seitengänge nimmt, um es geschmeidig zu machen und sich des Gehorsams vor den Hülfen aufs Neue zu versichern. Man darf auch in diesen Fällen die Lection nicht eher abbrechen, bis das Pferd das Hin - derniss genommen hat, dann aber hüte man sich, gleich von Neuem nochmals den Sprung zu verlangen, sondern beende, es belobend, die Lection.
Man steige nun allmälig mit der Anforderung, vergesse indess nicht, dass bei höheren Sprüngen, wiewohl dem Pferde die Wahl des Absprunges überlassen bleibt, der Reiter durch sein Körpergewicht das Thier nicht belästigen, sondern die Kraft - anstrengung desselben begünstigen und zur Wiedererlangung seines Gleichgewichtes behülflich sein muss. Man verhüte das Stutzen und das Fortstürmen vor wie nach dem Sprunge, doch sei man fein im Abmessen der Hülfen, bringe das Thier nicht in Verwir - rung an das Hinderniss und lohne seine Kraftanstrengung und seinen Gehorsam nach dem Sprunge nicht mit Schmerzen, wie sie die gewaltsamen Einwirkungen hervorrufen. Zwei bis drei Sprünge hinter einander müssen für eine Lection genügen.
Das Ermüden wird oft eine schwer zu besiegende Opposition herbeiführen. Eben so ist eine zu grosse, die Kraft des Pferdes übersteigende Anforderung zu vermeiden, weil der Fehlsprung, der dadurch herbeigeführt wird, stets ein schmerzliches Gegenschlagen der Beine an das Hin - derniss mit sich bringt, ganz abgesehen von der Gefahr des Sturzes264Vom Gange der Dressur.und den harten Zügeleinwirkungen, welche das Thier, die Stange zwischen den Füssen, wenn es halb stürzend zur Erde kömmt, oft vom geschicktesten Reiter erhalten muss, um es vor dem Fall zu bewahren. Das Thier wird somit im nächsten Moment sich vor der Wiederholung fürchten und man wird wohl thun, den Sprung nicht sogleich zu wiederholen, oder doch durch einen geringeren das Selbstvertrauen wieder zu heben. Es ist roh und thöricht, vom Fehlsprunge geärgert, oder erschreckt, oder beschämt, weil man aus dem Sitz kam, oder wohl selbst schlecht einwirkte, mit Sporn oder Peitsche auf das Thier loszuarbeiten, und es so von Neuem auf das Hinderniss loszujagen. Es wird so selten gelingen, das Misslungene zu bessern und wenn man sich auch selbst durch einen besseren Sprung dem Publikum gegenüber herausbeisst, sei - nem Schüler, dem Pferde, gegenüber hat man sich eine Blösse gegeben, die es nicht leicht vergessen wird. Ungerechtigkeit ist der grösste Fehler, den der Vorgesetzte seinem Untergebenen, der Lehrer seinem Schüler, somit der Reiter seinem Pferde gegenüber begehen kann.
Ist man so unglücklich gewesen, durch zu grosse Anforderung oder durch eine ungeschickte Hülfe, die dem Pferde Schmerz und Scheu vor dem Sprunge machte, auf hartnäckige Weigerung zu stossen, so breche man für den Augenblick die Lection ab, lasse die Barrière entfernen und reite andere Touren, welche den Ge - horsam des Thieres prüfen, ohne dasselbe aufzuregen. Ist das Thier wieder ruhig, zutrauensvoll, weich und aufmerksam vor den Hülfen (und dies muss erreicht werden und sollte es Stunden kosten), so lasse man die Stange an die Erde legen, überschreite dieselbe in den verschiedenen Gangarten, lasse sie um ein Geringes erheben und begnüge sich für diesen Tag mit der geringsten Leistung, lasse einige Tage ohne diese Uebung hingehen und beginne wie - derum mit dem Leichtesten.
In der Bahn ist es nicht zweckmässig, anders wie aus gehaltenen Gängen zu springen, weil der beschränkte Raum in den stärkeren Gängen störend wirkt.
Da der Offizier meist denselben Weg zu nehmen hat, den die ganze Truppe passirt, diese aber schwer bepackt, zum Theil auf mittelmässigen Pferden, niemals sehr bedeutende Hindernisse zu nehmen im Stande sein wird, so kann es beim Soldatenpferde nicht265IV. Abschnitt. 5. Periode.wohl darauf ankommen, dass es ein ungewöhnliches Hinderniss überspringen lernt, wohl aber bedarf es eines sicheren Springens. Es liegt allerdings viel daran, ob ein Pferd Herz hat, und es hat wohl Jeder, der viel Pferde geritten hat, die Erfahrung gemacht, dass manche Pferde wirklich von Natur feig sind, und bei gutem Gehorsam, Vertrauen zum Reiter und guter Folgsamkeit vor jedem ihnen fremden Gegenstand sich dermassen entsetzen, dass es stets eines Kampfes bedarf, das zitternde Thier an den Gegenstand seiner Angst heran oder gar hinüber zu bringen; wogegen andere sich von Haus aus vor nichts scheuen, dreist an Alles heran und herüber gehen. Dennoch ist diese Zahl der Feigen gering; die meisten, die nicht sicher springen, sind beim Einspringen verdorben. Wie leicht dies geschieht, zeigt uns der Umstand, dass so viele Reiter zum Einspringen die grosse Peitsche nicht glauben entbehren zu können und etwas gewonnen zu haben meinen, wenn sie mit Hülfe derselben das Thier nach vielem Spreitzen hinüber geprügelt haben. Wir wissen alle noch aus unserer Kna - benzeit, wie die Uebung allein das richtige Augenmass zum Absprunge und dies erst das Vertrauen zum Sprunge giebt. Wenn wir uns damals, was gewiss ziemlich oft vorkam, verliefen und den richtigen Absprung verfehlten, so kehrten wir um und versuchten es noch einmal. Hätte man uns, wenn wir so refü - sirten, mit der Peitsche regalirt, würden wir dadurch den Absprung besser erfasst haben? Würde es uns ein Vergnügen geworden sein, zu springen und wir es zu jenen mächtigen Sätzen gebracht haben, die wir bedauern, jetzt nicht mehr machen zu können?
Man verzeihe mir, wenn ich in dieser Erinnerung an meine jüngeren Herren Kammeraden die Warnung vor dem Entwöhnen anhaltender Bewegung zu Fuss ergehen lasse. Der Cavallerie - Offizier, namentlich in den kleinen Garnisonen, wo er auch um seinem Vergnügen in der Nachbarschaft nachzuleben, reitet und nicht wie in den grossen Städten viel Pflaster tritt, findet oft we - nig Veranlassung zum Gehen, braucht die Herauf - und Herunter - zieher seiner Beine zu wenig, dagegen die Seitwärtszieher zu viel. Es entsteht dadurch eine Steifigkeit seines Pedals, die anfänglich unbeachtet bleibt, bis sie ihm endlich lästig wird. Hat er früher aus Mangel an Zeit, oder aus Trägheit den Spaziergang gescheut, so geht er jetzt möglichst wenig, weil es ihm schwer wird und266Vom Gange der Dressur.leidet bald an allen den Uebeln, die aus zu geringer Bewegung entstehen. Bringen ihn diese in den endlichen Pensionsstand und von den vier Beinen auf die steifen eigenen, so ist der Hypochonder fertig. Der Cavallerist, welcher von der Anstrengung des Reitens, wenn er absitzt, eine Ermüdung seiner Beine fühlt, hüte sich, sofort sitzend oder liegend auszuruhen. Er mache stets vorher einen kleinen Gang, bis er fühlt, dass die Gespanntheit der Muskeln nachlässt und pflege erst dann der Ruhe. Er wird so dem Steif - werden und dem Rheumatismus, den Hauptfeinden seiner Gesund - heit, entgegenarbeiten.
Es giebt wohl kaum eine Situation, in der sich so deutlich die Uebertragung des Willens des Reiters auf den des Pferdes zeigt, wie im Sprunge. Die Zuversicht hebt das Thier hinüber, der Zweifel fesselt es an den Boden. Heute in guter Rei - terstimmung refüsirte das Pferd nie, morgen ist der Reiter ohne Impuls und nicht in Laune, und das Thier stutzt jedesmal. Es will mir immer scheinen, als wenn nur eine dauernde Gewohnheit dem Manne und dem Pferde die nöthige Zuversicht geben könnte. Seien wir offen! Wird nicht den Meisten von uns, wenn sie die winterliche Reitbahn verlassen und der erwachende Frühling sie ins Freie ruft, ein lumpiger Graben als ein hässliches Hinderniss erscheinen, obschon wir ihn im Herbste kaum beachteten und mit der gleichgültigsten Zuversicht auf ihn losritten? Wird nicht dies minder zuversichtliche Anreiten sich dem Pferde mittheilen, obschon wir den Willen zum Sprunge haben und bemüht sind, ihn durch unsere Hülfen auszudrücken? Darum über und wieder üben, nicht nur des Pferdes wegen, sondern auch des Reiters wegen; aber mit Vernunft üben, kein Juchsen und renommirendes Forciren. Wenn man bedenkt, wie die Ehre des Offiziers oft an einem Sprunge seines Pferdes hängt, so wird man zuge - ben, dass dieser Gegenstand die vollkommenste Aufmerksamkeit verdient. Zur Zeit des siebenjährigen Krieges war es den mit schwarzen spanischen Hengsten berittenen Bückeburgischen Cara - biniers bei Strafe untersagt, sich ein Heck*)Bezeichnung der hölzernen, etwa 3 Fuss hohen Thore, wodurch die Wege in Westfalen und Niedersachsen, wo sie durch die mit Wallhecken umschlossenen Felder (Kämpe) führen, versperrt sind. öffnen zu lassen. Sie267IV. Abschnitt. 5. Periode.waren verpflichtet, es zu überspringen. Ein ähnliches erzählt man von den Seydlitz’schen Kürassieren. Wenn unsere kurze Dienst - zeit eine derartige Ausbildung des gemeinen Mannes auch keines - wegs gestatten würde, so sollten die Offiziere doch sich diese Reit - fertigkeit und Sicherheit aneignen und erhalten.
Man hat allerdings in neuerer Zeit wiederum einen höheren Werth auf ein determinirtes Reiten vor der Front gelegt und mit vollem Recht, nicht der Kunst wegen, die ist gering und oft bei langsamen Gängen grösser, und nicht des hübschen Aussehens vor dem Publikum wegen, das kömmt zuletzt, aber des Geistes wegen, der in allem Aeusserlichen sich ausdrückt und abspiegelt, von diesem aber wieder nach Innen wirkt. Sieht der Mann in der Front, wie der Offizier mit Freudigkeit und Reiterlust daher sprengt, so wird er einen anderen Begriff vom Geiste seiner Waffe bekommen, als wenn er in seinen Vorgesetzten keine Spur von Jugendlichkeit und Keckheit gewahrt.
Wohl hat auch die Rennbahn und die Jagd ausserordentlich viel beigetragen, ein rasches, dreistes Reiten in Aufschwung zu bringen. Es ist indess leider nur ein sehr kleiner Theil von Offi - zieren, die, der Kostspieligkeit wegen, sich so weit daran betheiligen könnten, dass ihnen ein wesentlicher Nutzen daraus erwüchse. Noch mehr aber ist zu beklagen, wenn manche von ihnen diesen Zweig der Reiterei mit solchem Eifer ergreifen, dass sie die ihres Standes darüber vernachlässigen und einige diese Vorliebe bis zur Abge - schmacktheit treiben. Ihnen ist jedes Thier, dass sich nicht für die Rennbahn oder die Jagd eignet, ein Greuel, Dressur ein zeit - raubendes Verderben der Renn - und Sprungfähigkeit des Thieres und das Pferd, dessen sie sich vor der Front bedienen, der Tempo - ochse, eine verachtete und vernachlässigte Kreatur. Die Unge - rechtigkeit ist diesem Thiere gegenüber meist um so grösser, je schwerer sie es ihm durch ihren Sitz und Führung machen, seinen Berufspflichten vor der Front nachzukommen und sie vor dienst - lichen Unannehmlichkeiten zu bewahren. Nur wenige finden in dieser Jagdreiterei eine Erweiterung des Gebietes ihrer standesgemässen Reitkunst in Richtung der Geschwindigkeit, wie sie die Erlernung der Schulreiterei in Richtung der Gewandtheit ist, und sind nicht geneigt, die Vortheile der Frische, Dreistigkeit und Gegenwart des Geistes, welche sie giebt, der Campagne-Reiterei zuzuführen, son -268Vom Gange der Dressur.dern sind geneigt, diese als etwas Gemeineres, Untergeordneteres zu verachten. Dass Schulreiterei und Jagdreiterei der Campagne-Reiterei von grossem Nutzen sind, ist wohl zu allen Zeiten anerkannt worden. Deshalb hat man in unserem Reitinstitut in Schwedt begonnen, durch Aufstellung einiger Schulpferde die Ausbildung der Schüler in der Richtung der Gewandtheit zu erweitern, und hält das französische, mit grosser Munificenz ausgezeichnete Institut zu Saumur nicht nur Schul - pferde, sondern auch nach allen Regeln der Kunst trainirte Jagd - pferde. Es ist so im Stande, nicht nur seinen Schülern die Grenze dieser verschiedenen Zweige der Kunst zu zeigen, sondern führt von diesen Frische und Dreistigkeit, von jenen erhöhtes Gefühl und feine Nüançirung der Hülfen in die Campagne-Reiterei hinüber. Ein Cursus in der Thierarzenei, dem ein anatomisches Museum Vorschub leistet, und in der Pferdezucht, die durch ein englisches und arabisches Gestüt anschaulich gemacht wird, kommen der Aus - bildung in diesem Institute wesentlich zu Hülfe, dessen Einfluss auf die französische Armee bereits von Leuten vom Fach als ein höchst bedeutender bezeichnet wird. Jenes Institut dürfte in die - sem Augenblicke das vollkommenste der Art in der Welt sein. Die Militär-Reitinstitute Süd-Deutschlands sollen dem Vernehmen nach noch keine Ueberragung unserer vaterländischen Anstalt be - fürchten lassen, obschon z. B. die Wiener mit der grössten kaiser - lichen Freigebigkeit dotirt ist.
Reiten auf der Kandare im Freien. Springen von Bar - rièren und Gräben. Klettern durch Gräben und Neh - men von Kegelgräben (Wallhecken). Es ist schon über das Reiten im Freien bei Gelegenheit der Trensendressur das We - sentlichste gesagt worden. Zum Springen von Barrièren suche man sich draussen Anfangs ein für die Fähigkeit des Thieres geringes,269V. Abschnitt. 1. Periode.festes Hinderniss mit gutem Boden für Absprung und Fussen und von möglichster Breite, am besten einen starken Baumklotz. Dieser gewährt den Vortheil, dass man sein Gipfelende Anfangs zum Ueberschreiten benutzen kann und an ihm eine gute Grada - tion der Höhe hat, welche bei der ganzen Uebung inne zu halten nothwendig ist. Es wird ganz wie in der Bahn verfahren. Zuletzt übt man den Sprung aus dem langen Galopp, wobei zu bemerken, dass man bei trägen Pferden ein Vermindern der Geschwindigkeit, bei heftigen ein Vermehren derselben meist als Vorboten — bei diesen des Ausbrechens, bei jenen des Stehenbleibens vor den Bar - rièren betrachten muss, und das Einwirken auf Beibehalten des Tempo’s für den Erfolg wesentlich ist. Hat man den Baum sicher, so wähle man einen mässigen, festen Plankenzaum oder der - gleichen, sehe aber bei der Wahl namentlich darauf, dass das Hin - derniss breit genug sei, damit ein Ausbrechen dem Thiere nicht gar zu nahe liege, dass es fest sei und ungefährlich. Man habe für das Campagnepferd stets im Auge, dass es wichtiger ist sicher, als sehr hoch zu springen.
Das Durchschreiten von Gräben ist für Pferde von Temperament und für solche, die etwas ängstlicher Natur sind, oft eine schwierige Lection. Man beginnt natürlich mit recht seichten und trockenen Gräben die Uebung im Schritt, und gewöhne sie an recht grosse Zügelfreiheit. Man ist beim Durchkriechen viel sicherer, bei bereit gehaltenem Schenkel und Zügel, wenn dem Pferde gestattet ist, den Hals dehnend, zu sehen, wohin es tritt, als wenn es in Versammlung gehalten, nicht weiss, wo sein Fuss niederkommt, auch wohl durch den Reiter im Abmessen des Trittes gestört wird. Oft macht auch ein plötzliches Sinken des Thieres auf der durchfälligen Grabensohle einen Satz nöthig, den der Rei - ter unmöglich vorhersehen konnte, zu dessen Ausführung aber das Thier der Zügelfreiheit bedarf. Am meisten aber macht sich die Nothwendigkeit des Selbstüberlassens bei derartigen Hindernissen des Nachts geltend. Da heisst es mit Zügel und Schenkel bei der Hand sein, aber nur nicht stören. Dass beim Niedersteigen der Reiter sich zurück -, beim Heraufsteigen vorlegt, ist bekannt genug; aber das Mähnennehmen beim Klettern sieht man häufig versäu - men, indem Manche fürchten, dadurch eine Aengstlichkeit an den Tag zu legen, und doch wird das Pferd dadurch wesentlich erleich -270Vom Gange der Dressur.tert und vor falschen Zügelhülfen bewahrt, die unvermeidlich werden und das Thier hinten-über reissen, wenn beim plötzlichen Rucken der Reiter hinter den Sattel gleitet. Es ist durch Unterlassen dieser Vorsichtsmassregel schon manches Unheil entstanden. Für ein Campagnepferd ist ein sicheres Durchkriechen von Gräben eine sehr wünschenswerthe Eigenschaft. Des Nachts ist ein Darauflos - springen ein gefährlich Ding, und mit schwerem Gepäck und bei ermüdeten Knochen ein breiter Graben, wenn es Zeit und Um - stände irgend erlauben, vortheilhafter zu durchkriechen als zu über - springen. Es scheint mir ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Schul - und Campagnepferde darin begründet, dass die Um - stände dem Schulreiter gestatten, seinem Thiere jeden Tritt vorzu - schreiben, der Campagne-Reiter aber bei tausend Gelegenheiten genöthigt ist, sich einer so genauen Leitung zu begeben und oft sogar sich dem guten Willen seines Pferdes völlig anzuvertrauen. Es muss deshalb dem letzteren eine gewisse Selbst - ständigkeit gelassen und es bei Zeiten daran gewöhnt werden, von seinem scharfen Sinne und seinen Kräften Gebrauch zum Vortheil des Reiters zu machen. Ein stets in enger Versammlung gehaltenes Pferd, dem der Reiter Jahre lang jeden Schritt abverlangte, wird bei dunkler Nacht im schwie - rigen Terrain ein unsicherer Geselle sein.
Zur Uebung des Springens über Gräben sei man vorsichtig in der Wahl des Hindernisses in Rücksicht auf die Halt - barkeit seiner Uferränder und der Beschaffenheit des vorliegenden, wie jenseitigen Terrains. Manches Pferd ist durch Einbrechen des Ufers oder durch Einfallen in einen tiefen Boden bei seinen ersten Versuchen auf lange Zeit, oft auf immer, ein unzuverlässiger Sprin - ger geworden. Man wird dem Pferde leicht marquiren, ob man springen, oder ob man kriechen will, nur muss man sowohl in den aufmunternden Hülfen, wenn man auf den Graben losreitet, um zu springen, wie in denen, womit man das Thier zum Durchschreiten auffordert, consequent sein. Ein tiefeingeschnittener Graben ist zu den Anfangsübungen vortheilhaft. Auch beim Grabenspringen habe ich es für höchst zweckmässig gefunden, dem Thier den Absprung selbst zu überlassen und durch zweckmässig gesteigerte Uebung das Augenmass und die Dreistigkeit des Thieres zu vervollkomm - nen. Erst wenn man sieht, wie geübte Pferde sich freuen, wenn271V. Abschnitt. 1. Periode.sie gegen ein Hinderniss geführt werden, und man fühlt, mit welcher Leichtigkeit selbst schwächere, gut eingesprungene Pferde Gräben nehmen, vor denen weit stärkere erschreckt pariren, erst dann wird der Vortheil einer systematischen Uebung und die Noth - wendigkeit, sie unausgesetzt durchzuführen, klar. Welchen Raum deckt nicht jedes mittelmässige Pferd bei seiner grössten Streckung im Carrièresprung und wie gering ist dagegen die Breite des Grabens, den der Reiter mit ihm zu überspringen wagt, und doch liegt es nur am richtigen Absprunge und dem Muth dazu, mithin an der Uebung, dass jenes Thier nicht einen Graben nimmt, welcher dem Carrièresprung angemessen, mithin doppelt so breit ist.
In Gegenden, wo es viele Wallhecken und Kegelgräben giebt, bedarf es einer besonderen Uebung, den Pferden das Neh - men derselben beizubringen. Zu diesem Zwecke übe man das Pferd, im Schritt einen Graben zu nehmen und gleich hinter demselben zu pariren, auch aus dem Stillehalten kleine Gräben zu nehmen. Ist man darin sicher, so wähle man einen Graben, dessen jensei - tiges Ufer viel höher ist, wie das diesseitige, nehme ihn springend aus dem Schritt und parire auf dem jenseitigen Ufer. Den Sprung wiederum abwärts übe man ebenfalls aus dem Stillehalten, doch mache man nie kehrt, unmittelbar nach dem Sprunge aufwärts. Hat man diese Sprünge sicher, so suche man einen mässigen Kegel - graben auf. Ist einer vorhanden, der sich von der einen Seite durch Klettern nehmen lässt, so wähle man Anfangs einen solchen, reite durch, erklettere den Rand und springe, nachdem das Thier oben ruhig einige Zeit gestanden, abwärts. Das ruhige Stehen auf dem Walle, oft in beengter Stellung, ist lebhaften Pferden sehr widerwärtig, und sie pflegen den Reiter, wenn er sie nicht zuerst auf Wälle bringt, die oben breit sind, oft dadurch in Verlegenheit zu setzen, dass sie auf demselben entlang gehen und so den Sprung verweigern, der sich dann nur unter schlimmen Umständen er - zwingen lässt.
Bei den Kegelgräben wird die Gewichtsvertheilung des Reiters wieder recht mitsprechen. Schliesst sich das Reitergewicht der Bewegung des Thieres nicht richtig an, dient es nicht als Regu - lator der ganzen Last, wozu so viele Reiter lediglich den Zügel machen möchten, so wird es stets die besten Leistungen hemmen. Der Reiter wird zur Erreichung des höheren Walles, aufwärts -272Vom Gange der Dressur.springend, ganz vorliegen müssen. Das Fussen und gleichzeitige Pariren wird ein Zurücksitzen nöthig machen; der Absprung bei oft, des Raumes wegen, ganz unterstehenden Hinterbeinen ein mo - mentanes Vorneigen, und das Fussen bei so spät und hoch nach - kommender Hinterhand ein vollkommenes Hintenüberlehnen nöthig machen. Wie Herr v. Hochstetter bei dieser Gelegenheit verfahren würde, ist mir unklar, da er die Hülfen mit dem Gesäss in der Reitkunst nicht duldet. Bei einer Häufung von Schwierigkeiten, wie man sie beim Passiren derartiger Hindernisse trifft, die durch Anpflanzungen von dornigen Gestrüppen dem Pferde oft noch wi - derwärtiger werden, wird selbst der geschickteste Reiter genug zu thun haben, wenn er das willig springende Thier nicht durch Zügel und Gewicht behindern will, und ausser Stande sein, die Menge hebender und auffordernder Hülfen, wie sie manche Lehrbücher vorschreiben, um Hindernisse zu nehmen, rechtzeitig hinzuzufügen. Diese Hindernisse werden den Unterschied zeigen zwischen Thieren, welche durch eine falsche Reitkunst zu Automaten verdummt wur - den, und solchen, denen trotz Gehorsam und Körperausbildung eine gewisse Selbstständigkeit geblieben ist, die gelernt haben, vor sich zu sehen und Absprung etc. zu taxiren. Ferner sind sie sehr lehrreich in Bezug auf Zügelfreiheit und Beobachtung der Art und Weise, in welcher das Thier sich seines Halses sehr wohl zur Be - hauptung seines Gleichgewichtes zu bedienen weiss. Es ist natür - lich unter Zügelfreiheit niemals ein Wegwerfen des Zügels zu ver - stehen, sondern nur eine Nachgiebigkeit der Hand, welche dem Pferde die Dehnung des Halses gestattet, ohne der Anlehnung, welche das Thier selbst sucht, Abbruch zu thun.
Die Karrière ist die schnellste Gangart des Pferdes. Es gehört von Seiten des Reiters eine nicht geringere Kunst dazu, sie dem Pferde zu lehren, als bei den übrigen Gangarten, und es ist ein grosser Irrthum, wenn man meint, dass unbedingte Zügelfrei heit und ein gutes Nachtreiben das Pferd zu einem Laufe bringen könnte, der bei möglichster Geschwindigkeit Sicherheit und die Fähigkeit schneller Versammlung zur Wendung und Parade ge währte. Es kömmt beim Campagnepferde namentlich diese letzte Eigenschaft mit in Betracht, indem der Reiterdienst nicht viele273V. Abschnitt. 2. Periode.hundert Schritt zum mühsamen Einfangen gestattet, daher die Haltung des Pferdes noch immer eine solche Versammlung bewah - ren muss, dass die Wirkung des Gebisses auf die Hinterhand bald hergestellt ist. Dadurch aber wird ein wesentlicher Unterschied im Laufe eines Rennpferdes und eines Campagnepferdes begründet.
Betrachten wir die Thätigkeit des Pferdes im Laufe und wäh - len dazu das Rennpferd, weil bei ihm diese Thätigkeit am vollkom - mensten ausgebildet ist und sie sich bei diesem am leichtesten der langen Sprünge wegen verfolgen lässt. Wir beginnen bei dem Momente, in welchem er mit vorn und hinten weit herausgereckten Beinen in der Luft schwebt, und sehen, dass beim Herunterkom - men zur Erde die Vorderbeine zuerst fussen. Sie fallen nicht neben einander zur Erde, sondern ein Bein ist vorgreifend. Hiedurch ist die stützende Fähigkeit erhöht, das Körpergewicht des Thieres aber der vorgreifenden Seite zugeneigt, wodurch allein das gleich - zeitige Niederfallen möglich wird. Es werden die Vorderbeine und der ganze Pferdekörper sich nun über die Hufe hinwegbewegen. In dem Moment, wo die Vorderbeine senkrecht zu stehen kommen und somit die Vorhand ihre grösste Erhebung über den Boden erreicht, gehen die Hinterbeine bei ihnen vorbei und fussen vor ihnen. Bis sie die Erde berührt haben und nun dem Pferdekörper zur Stütze dienen, ist derselbe so weit vorgedrungen, dass die Vor - derbeine weit hinter der Senkrechten stehen. Diese verlassen nun abschwingend den Boden, der Pferdekörper bewegt sich über die Hinterbeine hinweg, welche dann endlich wiederum weit hinter der Vertikalen abschwingen und das Thier in die Stellung bringen, mit welcher wir begannen. Auch die Hinterbeine fielen nicht neben einander zur Erde, sondern das eine vorgreifend. Das Ohr hört in Folge dieser Action zwei Schläge, das Zubodenfallen der Vor - derbeine und demnächst der Hinterbeine. Es ist ferner klar, dass das lange Ausharren hinter der Vertikalen und das Niederfallen der Vorderbeine bei so weiter Streckung nach vorwärts eine grosse Weite des Sprunges und eine Stellung geben wird, bei der das Pferd mit dem Leibe sehr dicht über den Boden geht. Es wird ferner die grosse Geschwindigkeit noch bedeutend auf den Körper nachwirken, wenn auch die abschwingende Thätigkeit der Beine aufhört. Es wird ferner der Hals zur möglichsten Verlegung des Schwerpunktes nach vorwärts ausgestreckt sein müssen, auch diev. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 18274Vom Gange der Dressur.grosse Aufwölbung des Rückens keine andere Halsstellung erlauben. Das Pferd ist mithin in dieser Thätigkeit und Körperhaltung am wenigsten geeignet, schnell zu pariren, indem der Schwerpunkt der weitesten Verlegung bedarf, der Hals sich in ungeeigneter Hal - tung befindet und der grosse Schwung vorwärts ebenfalls zu über - winden ist.
Die Weite des Sprunges und die Schnelligkeit in Wiederho - lung der Action sind die Factoren für Geschwindigkeit des Laufes. Je weiter der Sprung, je weniger oft wird er in demselben Zeit - masse mit demselben Kraftaufwande wiederholt werden können. Die Weite des Sprunges wird aber durch die Streckung, die Weite des Uebergreifens und das damit verbundene Ausharren und Ab - schwingen hinter der Vertikalen begründet, in ihm aber zugleich die Schwierigkeit zur Wiederversammlung beruhen. Diese Wie - derversammlung aus dem vollen Laufe muss aber dem Campagnepferde leicht werden. Wir müssen mithin die Länge des Sprunges mässigen und dafür die Geschwindigkeit der Action vermehren. Wir bekommen dadurch eine Carrière mit hö - herer Action und schnellerem Tempo, die eben so angreifend, aber weniger fördernd ist, da die Kraft, welche hiebei aufwärts wirkt, der Räumigkeit verloren geht. Die schnell auf einander folgenden Sprünge werden ausserdem ein rascheres Athmen nöthig machen, welches die Lunge mehr angreift, wie der lange Athemzug, der dem langen Sprunge sich anschliesst. Wenn nun der Sitz des Jokey weit vorliegend, in den Bügeln schwebend und der gänzliche Mangel an Zusammenstellung des Halses den Schwerpunkt beim Renner möglichst weit vorlegt, so muss der Campagne Reiter durch seinen Sitz und die Zusammenstellung des Halses den Schwerpunkt nicht weiter vorwärts bringen, als die Fähigkeit zum leichten Zurück - legen desselben je nach dem Gebäude des Pferdes es gestattet. Wenn der weiter vorgelegte Schwerpunkt auch die Anlehnung des Campagnepferdes an das Gebiss erhöht, so darf sie doch nie den Grad des Auflegens erreichen, den der Jokey seinem Pferde giebt. Je mehr das Pferd zum Auseinanderfallen geneigt ist, um so mehr hat der Campagnereiter Veranlassung bei der Ausbildung seines Pferdes zur Carrière auf die Beschleunigung der Action zu achten; je mehr das Pferd geneigt ist, sich zu verhalten, um so mehr auf eine Verlängerung des Sprunges.
275V. Abschnitt. 2. Periode.Die hochmüthige Verachtung der Anglomanen über die ver - minderte Schnelligkeit und Dauer der Campagne-Carrière mit ihren kurzen Sprüngen zeigt von mangelnder Erkenntniss des Wesens der Campagne-Reiterei. Es würde andererseits eben so thöricht sein, bei Pferden, deren günstiges Gebäude die schnelle Versamm - lung aus dem langen Sprunge gestattet, auf eine rollende Carrière mit kurzen Sprüngen hinzuarbeiten und so die wahre Geschwin - digkeit der scheinbaren zu opfern.
Es ist zu verwundern, dass die Uebung der Carrière so wenig getrieben wird, trotz dem der Soldat ihrer so sehr bedarf, das Pferd in derselben so wesentlich vervollkommnet werden kann und die Art des Laufes, wie wir bereits sahen, bei jedem einzelnen Pferde, je nach seiner Individualität, geregelt werden muss. Noch mehr aber ist zu verwundern, dass man vergisst, wie sie eine wichtige Lection für die Schulterfreiheit, aber die wichtigste für die abspannende Bewegung des Rückens und das Ausharren hinter der Vertikalen ist. Manche Pferde kommen erst, nachdem sie laufen lernten, zur vollen Hergabe und Elastizität des Rückens, gehen erst dann gut an die Hand und lernen stark traben.
Was in Rücksicht der Hülfen für die Verstärkung des Ga - lopps galt, gilt auch hier, nur wird man gut thun, sich bei trägen Pferden zum Nachtreiben der Gerte zu bedienen. Es ist unzweckmässig, den Sporn hart stossend zu gebrauchen, indem man damit nachtheilig auf den Athem wirkt. Es scheint mir ferner, als läge im Gebrauch des Sporns etwas, wodurch das Pferd veranlasst wird, sich zusammen zu ziehen, während ein Ger - tenstreich das Pferd treibt, ohne auf diese beiden Arten nachtheilig einzuwirken. Bei alledem ist der Soldat schliesslich auf den Sporn angewiesen und er muss ihm mit der Zeit auch zu diesem Zweck ausreichen.
Die meisten Pferde, bei denen der lange Galopp vorher nicht richtig entwickelt ist, die nicht gelernt haben, eine grössere Strek - kung herzugeben, und bei demselben nicht vermehrt an die Zügel gehen, werden in der Carrière ungern geradeaus laufen; man sei deshalb bedacht, diesem Uebelstande von Haus aus zu begegnen, indem man einen richtigen langen Galopp hereinbringt und erst dann zur Carrière übergeht. Bei allen Pferden, welche sich gern verhalten, hüte man sich, zu frühzeitig in die Carrière aus kurzen18*276Vom Gange der Dressur.Gängen oder aus dem Stillehalten einzugehen, man lasse sie erst dann laufen, wenn sie im langen Galopp gut an die Hand herangehen.
Wir haben gesehen, worauf es bei der Campagne-Carrière an - kommt, haben gesagt, bei welchen Individuen wir die längeren lang - sameren, und bei welchen die kürzeren schnelleren Sprünge zu erstre - ben haben; wir haben die Hülfen beim stärkeren Galopp kennen ge - lernt, den Sprung zu beschleunigen, resp. zu verlängern, und brauchen nur noch über die Oekonomie des Athems einiges hinzuzufügen. Wir wissen bereits, dass der Athemzug sich dem Sprunge an - schliesst, dass der lange Sprung langen Athemzug, der kurze, schnelle Sprung auch schnell auf einander folgende, aber kürzere Athem - züge bedingt, mithin der letztere mehr die Lungenthätigkeit in Anspruch nimmt, als der erstere. Wir müssen hierauf in der Länge der Reprisen besonders Rücksicht nehmen, und obschon ich sehr für die Wiederholung der Carrière an einem Tage bin, so gehe man jedoch nur in dieselbe bei vollem Athem ein und treibe sie nie bis zur Athemlosigkeit. Es wird sich die Lunge nach und nach bei gesteigerter Länge der Uebung stärken.
Das Pariren aus der Carrière ist eine Uebung, bei der man um so vorsichtiger zu Werke gehen muss, als das aufgeregte Blut vom Reiter und Pferd oft zu harten Hülfen einerseits, zur verminderten Aufmerksamkeit aber andererseits Veranlassung giebt, und dennoch ungeschickt ausgeführt, ein solches Pariren dem Pferde, eben so nachtheilich für die Gesundheit seiner Gliedmassen, wie für die Dressur ist.
Dass an ein sofortiges Stillhalten nicht zu denken ist, selbst wenn das Pferd auf das Zeichen des Reiters gewillt ist, zu pariren und mit dem Abschub innehält, wird um so begreiflicher, als wir wissen, dass das Thier den durch die Bewegung erzeugten Schwung nach vorwärts noch überwinden muss. Wir haben die Gefahr für Mann und Pferd bereits kennen gelernt, wenn dies durch Vor - stemmen der Vorderbeine geschieht, und die Art wie es durch Verlegung des Schwerpunktes nach rückwärts überwunden werden muss, und wissen, dass ein Reissen an die Zügel wohl dem Pferde den Willen zum Pariren energischer kund geben kann, aber keines - wegs eine mechanisch einwirkende Hülfe ist, mithin keine Unter - stützung zur Verlegung des Schwerpunktes sein kann. Eben so wenig wird eine schärfere Zäumung an und für sich durch den277V. Abschnitt. 2. Periode.erhöhten Schmerz die Parade herbeiführen können. Wohl aber wird eine Kandare, welche vermöge ihrer Construction dahin wirkt, den Hals in die für die Rückwirkung günstige Stellung zu bringen, die Parade erleichtern; hingegen eine solche, welche eine fehlerhafte Halsstellung vermehrt, die Parade erschweren, resp. unmöglich machen. Es bedarf der richtigen Zusammenfügung des Halses, ehe das Gebiss eine mechanische Einwirkung auf Belastung der Hinterbeine haben kann, es muss mithin jedes etwaige Ausbiegen desselben nach aufwärts, abwärts, seitwärts, wozu die gestattete Dehnung des Halses die Freiheit gab, erst überwunden, der Hals richtig zusammengestellt sein, ehe man die eigentliche Parade be - ginnt, bei der es dann allerdings noch einiger, sich immer mehr und mehr verkürzender Sprünge bedarf, ehe das Thier des Dranges nach vorwärts Herr wird. Es braucht hier wohl kaum wiederholt zu werden, dass die Anzüge die Hinterbeine unter dem Leibe finden müssen, und in welcher Art Schenkel, Gewicht und Gebiss zu wir - ken haben.
Ein Nichtgehorchen auf die den Hals in Stellung bringenden Hülfen, ein Ausweichen, Gegendrücken, Seitwärtsverwerfen dessel - ben etc. und Anulliren der versammelnden Hülfen bei unterhalte - nem vollem Abschub möchte ich ein rapides Durchgehen nennen, zum Unterschiede von der Unfähigkeit des Thieres, des Dranges seines Körpers nach vorwärts durch Verlegung seines Schwerpunktes nach rückwärts Herr zu werden, welches ich nach dem Gefühle, das es dem Reiter macht, ein ledernes Durch - gehen nennen möchte. Das Letztere ist das Gefährlichste, weil nicht nur der Reiter bei demselben nicht Herr des Thieres, sondern das Thier nicht Herr seiner selbst ist und sich in dem Zustande eines Menschen befindet, der, einen Berg herablau - fend, sich nicht wieder zu halten vermag, mit dem gleichsam die eigenen Beine durchgehen. Das so durchgehende Pferd wird vor keinem Hinderniss zu halten vermögen, und Sturz und gefährliche Beschädigungen sind die häufigsten Folgen desselben. Das rapide durchgehende Pferd will nicht gehorchen, weil es entweder Freude am Laufen hat, vor einem Gegenstand der Furcht entflieht, oder die Parade scheut, die ihm Schmerzen macht. Es wird die Fähig - keit haben, sich vor einem gefährlichen Gegenstande zu halten oder auszuweichen, zu stehen, wenn seine Furcht besiegt, seine Lust278Vom Gange der Dressur.gebüsst ist oder die Geschicklichkeit des Reiters die Zusammen - stellung erzwungen hat. Das lederne Durchgehen entsteht durch eine für das Gebäude unverhältnissmässige Dehnung des Sprunges und zu weites Vorlegen des Schwerpunktes, bei dem das Gleichge - wicht nach vorn so verloren ging, dass nur die Wiederholung des schnellen Vorschiebens der Vorderbeine den Sturz vermeiden lässt, ohne dass diese fähig wären, so weit vorzukommen, um sich der Last vorwärts, zur Parade auf die Vorhand, entgegenzustemmen, und die Hinterbeine so weit unter den Leib gebracht würden, dass sie der Last als Stütze dienten, zur Parade auf der Hinter - hand. Es ist klar, dass nur eine sehr allmälige Regelung des Schwerpunktes durch vorsichtiges Erheben der Vorhand und Be - lastung der Hinterhand das verlorene Gleichgewicht herstellen kann, wozu die Beschreibung eines weiten sich nach und nach verengen - den Bogens, wenn es das Terrain erlaubt, oft mit Nutzen verwendet wird, was auch aus Sicherheitsgründen anzurathen ist. Rohe Ein - wirkungen, Reissen am Gebiss etc., die dem Thiere Schmerzen verursachen, wohl gar seinen Körper verletzen, können zu nichts helfen. Sie sind in diesem Falle namentlich eine ganz nutzlose Grausamkeit, indem das Thier, wenn es nach seinem Willen ging, gewiss sein Gleichgewicht herstellen und halten würde. Das gänz - liche und plötzliche Nachlassen des Gebisses wird das Thier seiner letzten Stütze berauben und es stürzen machen, dies ist mithin nicht zu rathen; eben so wenig aber darf die Hand des Reiters todt gegenstehen, eine riegelnde Bewegung, welche auf eine allmälige Erhebung des weitvorgestreckten oder herabgedrückten Halses hinarbeitet, dürfte in diesem Falle erlaubt sein. Es zeugt von einem gänzlichen Misskennen des Falles und von sehr geringer Einsicht in das Wesen der Reitkunst, das Thier, wenn es endlich mühsam sein verlorenes Gleichgewicht wieder fand, zu neuem Laufe durch Spornstiche und Ruthenstreiche und somit zu neuem Durch - gehen zu bringen, unter banaler Floskel: „ Hast du zu deinem Spass gelaufen, so laufe jetzt zu meinem! “ Dies liesse sich mit Recht auf ein Thier anwenden, das aus Lust zum Laufen davon geht, das die Eile zum Stalle, das Drängen nach anderen Pferden zu dieser Unart treibt; und selbst bei diesem ist es ge - wagt und nicht verständig, indem ja das Thier durch sein Davongehen den Beweis geführt hat, dass es Stel -279V. Abschnitt. 2. Periode.lungen anzunehmen und in denselben zu verharren im Stande ist, in denen es sich dem mechanischen Ein - fluss der Hülfen zu entziehen vermag. Viel verständiger ist es, den Feind erst aus dieser Stellung zu vertreiben und so das Uebel an der Wurzel anzufassen.
Ich kann mich überhaupt nicht mit der Maxime „ durch Uebermass zu verleiden “bei der Dressur befreunden. Einmal scheint mir eine gewisse Unehrlichkeit und Tücke dem Thiere ge - genüber darin zu liegen, die sich nur durch die Hoffnungslosigkeit, auf andere Art zum Ziele zu kommen, entschuldigen liesse. Dann ist das Uebermass fast in allen Fällen nicht ohne Risiko aus ge - sundheitlichen Rücksichten. Endlich aber habe ich von diesem System des Verleidens nur bei stetigen Pferden Nutzen ge - sehen; bei der Dressur unverdorbener angewendet, sind mir nur schlechte Folgen bekannt geworden.
Bei stetigen Pferden, welche nicht aus Furcht vor einem fremden Gegenstande, sondern um das Weitergehen zu refüsiren, auf der Stelle Kehrt machen, ist die schnelle Wiederholung dieser Wendung nach derselben Seite herum, ein längeres, rasches Kreiseln auf der Stelle eine derartige Strafe. Es gehört ein fester Sitz dazu. Dann aber vermag die hinter das Knie festge - stellte Hand und die fleissige Arbeit des Sporns derselben Seite eine so anhaltend schnelle Kreisbewegung hervorzubringen, dass das Thier sich freut, aus derselben erlös’t zu werden und gerne die Richtung einschlagen wird, welche es vorher verweigerte. Mit Consequenz fortgesetzt, sind mir recht gute Erfolge bei vorher hoffnungslos stetigen Pferden, welche sonst richtig zusammenge - stellt und gebogen, aber durch schwache Reiter verdorben und eigensinnig gemacht waren, bekannt. Dass sie nur ein äusserstes Hülfsmittel ist, indem die Beine, namentlich die Fesseln sehr lei - den, braucht kaum hinzugefügt zu werden. Es ist aber ein grosser Vortheil, dass diese Correctur wenig Raum erfordert und die Sicherheit des Reiters gegen Andrücken, Gegenlaufen etc. bei Ver - hindern des Steigens bewahrt wird, während Züchtigungen durch Peitsche und Prügel Sprünge in jeder Richtung herbeiführen und auf Strassen etc. der öffentlichen Sicherheit wegen, nicht anzuwen - den sind, diese Sorte Pferde aber hinreichend gewitzigt ist, diese280Vom Gange der Dressur.besonders zum Tummelplatz bei Ausübung ihrer Ungezogenheiten zu machen.
Bei allem rapiden Durchgehen wird das Pferd eine solche Hal - tung annehmen, respective der Faust des Reiters einen solchen Muskelwiderstand entgegensetzen, dass die mechanische Wirkung des Gebisses auf den Körper aufhört. Die Widerstrebungen aber können unendliche sein, so dass von einem Durchnehmen derselben nicht die Rede sein kann. Die Anstrengung der sich der Zusam - menfügung des Halses widersetzenden Muskeln muss erkannt und überwunden werden. Dies kann nicht durch ein todtes Gegen - halten des Gebisses geschehen, welches vermöge seiner stüz - zenden Kraft den Lauf befördernd wirkt. Gedehnte, ziehende Zügelhülfen verfehlen fast immer ihre Wirkung. Rucke wer - den gleichfalls nur selten Gehör finden, und sind ihrer verletzenden Wirkung wegen gefährlich. Am meisten wirken die hin und her biegenden, vom Schenkel resp. Sporn unterstützten, lebhaften, aber nicht ruckenden Zügelannahmen. Hat man die Anstuhrung über - wunden, so suche man vorsichtig die richtige Halsstellung zu ge - winnen und parire nach den bekannten Regeln.
Ist das Widerstreben nicht im Halse, sondern z. B. bei langen Pferden mit unbiegsamer Hinterhand im mangelnden Unter - schieben begründet, so verdoppele man die Schenkelhülfen, um das Thier zum Untersetzen zu bewegen und steigere die Hülfen nöthigenfalls bis zum Gebrauch der Sporen. Es wird alsdann ein leichter Anzug im richtigen Moment die Parade herbeiführen. Oft bedarf es dessen nicht einmal. Das blosse Herantreiben an die fest hingestellte Faust reicht bei empfindlichen Pferden bereits aus. Dies „ zwischen den Sporen pariren “hat allerdings manchen Durchgänger zum Stehen gebracht, aber ohne Noth und zum Uebermass angewendet, um ganz kurz aus der Carrière zu pariren, hat es manchen Pferden mit schwacher oder sehr biegsamer Hin - terhand einen solchen Schmerz verursacht, dass sie theils aus Furcht vor der Parade nicht mehr in die Carrière einzugehen wag - ten und den Lauf durch Kehrtmachen und Pariren verweigerten, theils zu solchen Durchgängern sich ausbildeten, die aus Angst vor der Parade davongehen. Es ist deshalb namentlich mit Pferden von weichen Gelenksverbindungen alle Sorgfalt zu empfeh - len, ihre Hinterhand nicht schmerzlich zu überbürden.
281V. Abschnitt. 2. Periode.Ein Durchgehen aus Furcht vor der Parade zeigt sich dadurch, dass das Thier erst dann sich anstuhrt, wenn die Einwirkung auf die Hinterhand beginnt, und sich dann meist in Bo - gensätzen Luft macht. Höchst sanfte Behandlung, es ruhig auf den Zirkel nehmen, wird das Thier bald beruhigen und bei vorge - legtem Gewicht pariren lassen. Da der Cavallerie-Offizier leicht in die Lage kömmt, noch nicht ganz durchgerittene Pferde vor die Front zu bringen, denen er Hülfszügel anlegen muss, um die noch nicht beseitigten Schwierigkeiten, namentlich bei den so oft vor - kommenden kurzen Paraden zu überwinden, so erlaube ich mir noch folgendes über deren Gebrauch zu bemerken. Ein anderer Hülfszügel, wie dessen Verkürzung oder Verlängerung in die Hand des Reiters gegeben ist, wird stets unzweckmässig und gefährlich sein. Je weniger aber der bewegliche für gewöhnlich dem Thiere fühlbar wird, je weniger er die noch ungebogenen Muskeln belä - stigt, um so sicherer wird dann seine Wirkung im Moment der Unzulänglichkeit der anderen Mittel, im Moment der Noth sein. Man wird aber bei den meisten halbrohen Pferden für das Pariren den sichersten Erfolg durch vermehrte Activität der Schenkel und blosses Anstehenlassen der Zügel erzielen, namentlich ist vor der vorherrschenden und verfrühten Wirkung des Hülfszügels zu warnen. Natürlich darf jenes Heranbringen der Hinterhand nicht mit dem „ Heranprallen “, dem steten „ zwischen den Sporen pariren “verwechselt werden, worin junge Reiter, die eben Herren des richtigen Moments zur Einwirkung geworden sind und sich nun in ihrer Herrschaft gefallen, so gern verfallen.
Da man jedes Weitergehen des Pferdes nach dem Zeichen zum Pariren, als zum Ueberwinden seines Dranges nach vorwärts durchaus nöthig ist, ein Durchgehen nennen muss, so kommt es vor, dass Pferde in allen Gangarten, den Schritt nicht ausgenommen, durchgehen und werden die Arten desselben von den angeführten in der Carrière nicht abweichen, mit Aus - nahme des Durchgehens im Schritt, wo der durch die Schnelligkeit des Ganges hervorgebrachte Drang nach vorwärts als null anzu - nehmen, mithin eine Böswilligkeit des Pferdes, ein Ungehorsam der Aufforderung zur Parade nachzukommen, vorliegen muss. Dies würde auch der einzige Fall sein, wo ich es angemessen finden würde, das Thier direkt gegen die Mauer gehen zu lassen, bei282Vom Gange der Dressur.allem übrigen Durchgehen aber dies deshalb nicht rathsam finden, weil Risiko und Vortheil nicht in gleichem Verhältniss stehen, und ein wirkliches Gegenrennen, was bei nicht oder zu spät Ueberwin - den des Dranges nach vorwärts erfolgen muss, einen das Leben von Ross und Reiter bedrohenden Stoss geben kann.
Ueber das „ rückwärts Durchgehen “haben wir bereits anderwärts abgehandelt.
Gewöhnen an das Seitengewehr und an den Schuss. Das Gewöhnen an das Seitengewehr ist im Allgemeinen eine viel geringere Aufgabe, als man glauben sollte. Die Erfahrung lehrt, dass ein bereits gerittenes Pferd sehr wenig durch die Schläge desselben in den stärkeren Gangarten gestört wird, welches wie - derum nur ein Beweis zu sein scheint, wie sehr die Wirkung des Schenkels durch die Dressur gegeben und wie wenig sie mecha - nisch wirkt. Nur wenige kitzliche Stuten bedürfen einer längeren Uebung, das Seitengewehr zu ertragen. Das Aufnehmen desselben übe man mit Vorsicht und ebenso das Hiebehauen. Bei dem Letz - teren bedarf es einer besonderen Uebung, das Pferd daran zu ge - wöhnen, dass der Reiter sich in die Bügel stellt, ohne dass das Pferd sein Tempo verändert. Am schwierigsten ist, das Pferd dahin zu dressiren, dass es beim Herabneigen des Reiters zum Hieb zur Erde weder sein Tempo verändert noch die gerade Linie verliert, wozu die Gewichtsvertheilung nach vorwärts und rechts es aufzufordern scheint. Diese Neigung muss Anfangs mit sehr grosser Ruhe und Vorsicht ausgeführt, die Zügelfaust nicht beun - ruhigt werden, dagegen der inwendige Schenkel fest am Pferde bleiben. Dieser wird mit Hülfe des linksführenden Zügels das Pferd geradeaus halten. Die Erhebung des Reiters muss dem - nächst mit derselben Leichtigkeit geschehen. Erst wenn das Pferd die verschiedenen Sitzveränderungen duldet, werden dieselben mit dem Hiebe combinirt werden dürfen, der erst leicht und spie - lend ausgeführt, dann scharf und pfeifend wird, wenn das Pferd jenen duldet. Je nach dem Temperament des Pferdes beginnt man im Stillehalten oder im Schritt und geht alsdann zu den lebhaf - teren Gängen über. Bei sehr scheuen Pferden beginne man die Uebung bei verdeckter Sonne, weil die plötzlichen Lichtstrahlen,283V. Abschnitt. 3. Periode.welche der Stahl in das Auge wirft, sie erschreckt. Diese Dressur pflegt ebenfalls keine grosse Schwierigkeiten zu machen.
Anders ist es, sie an solche Vorgänge zu gewöhnen, bei denen ein heftiges Geräusch vorkommt. Wie es Pferde giebt, die vor stark ins Auge fallenden Gegenständen scheu sind und selbst bei guter Dressur es bleiben, wenn diese Gegenstände ihnen uner - wartet entgegentreten, so giebt es auch Pferde, welche vor starkem Geräusch besonders schreckhaft sind und trotz vielfacher Gewöh - nung diesen Fehler nicht ablegen. Ich halte es nicht für rathsam, Versuche, sie an dergleichen, ihnen schrecklich scheinende Gegen - stände zu gewöhnen, eher anzustellen, bis man sie völlig durch die Dressur in die Hand bekommen hat. Die Art und Weise, wie diese Gewöhnung geschieht, liegt zu sehr in allem Vorhergesagten, als dass demselben noch etwas hinzuzufügen wäre.
Allmäliges Steigern der Anforderung, genaues Bekanntmachen mit dem Gegenstande der Furcht und eine nicht zu ermüdende Geduld und Ruhe bilden die Grundzüge. Bei alledem wird es oft nicht gelingen, Pferden, welche vor dem Schuss scheuen, das Er - schrecken zu nehmen, aber dahin werden sie gebracht werden kön - nen, dass sie trotz des Erschreckens, folgsam und gehorsam bleiben und bei fortgesetztem Schiessen, wie es bei den Manövern der Fall ist, wie sehr sie auch täglich von neuem bei beginnendem Schiessen erschrecken, sich doch endlich daran gewöhnen und wieder ruhig werden. Es ist eine auffallende Erscheinung bei der Cavallerie, dass die meisten Pferde, wenn sie auch in vernünftiger Art nach und nach daran gewöhnt werden, zu dulden, dass von ihnen geschossen wird, doch bei fortgesetzter Uebung statt ruhiger zu werden, end - lich Ungeduld zeigen und nicht mehr stehen wollen, so dass beim Beginne der Schiessübung viele Pferde sehr gut stehen, die sich später schreckhaft und unbändig zeigen. Ich glaube dieses ledig - lich dem zu eiligen Fortreiten nach dem abgegebenen Schusse und dem unwillkührlichen Rucken in den Zügel der ungeübten Reiter zuschreiben zu müssen. Im Allgemeinen bin ich nicht der Ansicht, einen hohen Werth auf diese Uebung zu legen und der Ueberzeugung, dass die Gewohnheit und der Grad von Müdigkeit, den der Feldzug den Pferden geben wird, wie die vermehrte Uebung des Reiters, diesen Uebelstand von selbst beseitigen werden, an dem der Stallmuth gewiss einen grossen Theil der Schuld trägt.
284Vom Gange der Dressur.Ein Pferd, wenn es durch die Dressur auch gelernt hat, gehorsam zu sein und seinem Reiter zu vertrauen, wird dennoch stets marquiren, wenn seine Sinne durch irgend etwas mächtig oder gar überraschend getroffen werden. Lebhafte Pferde werden schneller von äussern Eindrücken ergriffen und dies eher im Gange zeigen, als phlegmatische. Eben so ist es ausser allem Zweifel, dass Thiere, welche vor ihrer Dressur träumerisch daher gingen, ohne auf irgend etwas zu reflectiren, oder doch in ihrem schwer - fälligen Gange durch kein Vorkommniss gestört wurden, nach der Dressur, die sie aufmerksam sein und sich mit Leichtigkeit bewegen lehrte, nicht mehr für die Aussenwelt so gleichgültig erscheinen als vorher, dass sie wohl stutzen, eilen oder einen Sprung seit - wärts machen. Aber diese Theilnahme für das, was rund umher vorgeht, scheint mir keineswegs unangenehm oder fehlerhaft, wenn das Thier nur trotzdem sofort wieder meinem Willen folgt. Sie erscheint mir als eine nothwendige Folge der erhöhten Intelligenz und vermehrter Beweglichkeit. Die Erfahrung wird täglich den Eindrücken mehr das überraschende nehmen und das Alter wird von selbst jene angenehme Lebhaftigkeit entwickeln, die Alles sieht und beachtet, aber auch kennt und verachtet. Leute, welche einen kleinen Luftsprung nicht vertragen können, müssen keine jungen Pferde reiten und sich mit Thieren begnügen, denen die erste Frische der Jugend entfloh.
Anders aber ist die Sache, wenn die Dressur nur aufregte, und die Lebhaftigkeit zur Reizbarkeit steigerte, ohne den Ge - horsam und das Vertrauen als Gegenmittel dem Reiter in die Hände zu geben. Es ist ein schlimmes Zeichen, wenn die Dres - sur das Pferd im Stalle böse und draussen scheu und reizbar machte, wenn ein vorher frommes Thier nunmehr die Gelegenheit mit Freuden wahrzunehmen scheint, um auf Veranlassung einer äusseren Erscheinung eine Ungezogenheit zu begehen und dann dem Reiter trotzend darin verharrt. Es ist die gezähmte Bestie, welche an der Kette zerrt und wehe dem Herrn, wenn sie bricht, der mürrische Gehorsam wird sich in racheschnaubende Empörung verwandeln.
Aber die Reitkunst soll keinen Sklaven erziehen, es sollen die Dressurmittel nicht zur Kette werden, die zu sprengen das Thier seine besten Kräfte verschwendet. Eben so wenig soll die285V. Abschnitt. 3. Periode.Dressur einschläfernd wirken und das Thier zur Maschine machen. Was kann der Reiter denn von einem solchen Leierkasten mehr verlangen, als dass er die Weisen spielt, welche auf der Walze stehen. Er darf sich nicht wundern, dass die Orgel schweigt, wenn er zu drehen aufhört und dass die ganze Harmonie sich in Misstöne verwandelt, wenn ein Stiftchen fehlt.
Noch einmal: der Reiter habe bei der Dressur stets vor Au - gen, sich einen Gefährten zu bilden und soll das edelste Thier der Schöpfung weder zum Sklaven, noch zur Maschine herabwürdigen.
Es scheinen für die Pferdepflege bei der Cavallerie zwei ganz verschiedene, weit von einander abweichende Gesichts - punkte vorzuherrschen. Der Eine ist mehr den Herren der älteren Schule eigen, deren Ideal in der Reiterei dem Schul - reiter sehr nahe tritt; der Andere findet sich vorzugsweise bei den Herren, welche durch Rennbahn und Jagdreiterei einen mehr praktischen Standpunkt errungen zu haben glauben.
Das Bestreben der Ersteren geht dahin, den Pferden ein möglichst günstiges und gleichmässiges Aeussere zu ge - ben, ein Aeusseres, das Zeugniss ablegt von der Schonung, Sorg - falt und Liebe, womit das Pferd behandelt wird, deren Resultat ein glänzendes Haar ist, gerundete Form, künstlich verdünnte, gleich - mässige Mähnen und Stirnschopf, verschorene Beine und Mäuler; das Ganze gewahre den Eindruck wohlbehäbiger Gesundheit, der Gleichmässigkeit und Eleganz. Sie wünschen die Einrichtung der Ställe dieser Verfassung angemessen, marstallartig, für mindestens eine Eskadron gemeinschaftlich, mit jeder Bequemlich - keit und so viel Luxus, als die Umstände zulassen, ausgestattet; die Pferde in sorgfältig von einander getrennten Ständen unter Decken gehalten; die Fütterung lediglich auf Hervor - bringen jener runden Form abzielend (Fettbildung giebt ihnen keinen Anstoss), und sollte diese Form gewonnen wer - den durch langes Stehen im Stalle und bis zum Aeussersten zu verringernde Arbeit. Die Herren, welche diesen Gesichtspunkt festhalten, sind der Meinung, dass es nöthig sei, den Thieren für die grösseren Anstrengungen gleichsam ein Kapital von Kräften zu geben, damit sie, wie ein reicher Mann, im Falle der Noth etwas zuzusetzen haben. Durch jenen Luxus wollen sie den ge - meinen Mann dahin bringen, sein Pferd als ein Kleinod zu betrach - ten, das seiner regsten Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Liebe würdig287Anhang.sei, und glauben, dass ein Thier, welches in dieser Art gepflegt und geschont zum Marsche komme, durch den Marsch selbst, bei richtiger und sorgfältiger Behandlung hinreichend für die Strapatzen des Krieges vorbereitet würde.
Die Herren vom anderen Standpunkte sagen dagegen, wir wollen das Thier so erziehen, dass es für seine Bestim - mung tüchtig wird. Wir wollen es im Stalle so gewöhnen, dass es sich mit seinen Nachbarn im Bivouak verträgt, darum fort mit den Latirbäumen und es trete ein fortwährender Wechsel der nebeneinanderstehenden Pferde ein. Wir wollen jeden einzelnen Mann gewöhnen, sein Pferd selbstständig zu ver - pflegen, ohne dass jene Verrichtung, wie sie in den grossen Ställen zu geschehen pflegt, der Zeit und Reihenfolge nach kom - mandirt wird. Es stumpft die Mannschaft ab und macht sie träge, stundenlang putzen zu müssen, wenn sie bei reger Thätigkeit die Thiere in der Hälfte der Zeit zu reinigen vermögen. Man sehe lediglich darauf, dass sie rein putzen, nicht aber wie lange sie putzen. Darum fort mit den grossen Ställen. Die Pferde stehen gesunder und ruhiger in klei - nen Bürgerställen, wo jeder Mann das Pferd füttert und pflegt, welches er reitet, dasselbe mit der nöthigen Selbstständigkeit nach seiner Eigenthümlichkeit behandeln lernt, und so ein gewisses Eigenthumsgefühl und persönliche Anhänglichkeit an dasselbe gewinnt, welche der Mann im grossen Stalle nie gewinnen wird, der es mehr als ein Object für die Thätigkeit seines Strie - gels und seiner Kartätsche ansieht. Auf dem Marsche wird jener Cavallerist sich leicht zurecht finden, der an ewige Bevormun - dung Gewöhnte aber tausend Verkehrtheiten, aller theoretischen Unterweisung zum Trotz, sich zu Schul - den kommen lassen.
Es ist unvernünftig, dem Soldatenpferde im Stalle Decken aufzulegen, im Stalle, wo meist 10 bis 12 Grad Wärme herrschen, und es dann vielleicht bei 12 Grad Kälte ohne Decke und mit der verweichlichtsten Haut herauszubringen. Es ist ferner aus Gesundheitsrücksichten unvernünftig, das Pferd des schützenden Haarwuchses an Füssen, Maul und Ohren zu berauben, unnütz, ihnen Mähne und Stirn - schopf zu verdünnen und zu verkürzen. Am fehlerhaftesten aber ist es, durch Arbeitsentziehung den Futterzustand heben zu wollen und Fettbildung zu begünstigen, wodurch die Pferde leistungsunfähig, zu Krankheiten disponirt werden und in288Anhang.solche verfallen, deren Heilung erschwert wird. Kraft und Athem sind die wahren Kriterien für die Condition des Ge - brauchspferdes, ob rund ob eckig, ob kurz - ob lang - haarig, es gilt uns gleich, wir verlangen Leistungen. Tägliche anhaltende Bewegungen, im Frühjahr so weit gesteigert, dass die ausgebildete Eskadron im Galopp, zu 500 Schritt in der Minute, eine englische Meile zurücklegen kann, und dann noch Athem zu einem kräftigen Choc hat, ist das vor - gesteckte Ziel der Ausbildung.
Die Pferde müssen ferner so gewöhnt werden, dass sie sich mit einem Morgen - und Abendfutter begnügen, indem weder der Marsch noch die Campagne zum Mittagsfutter Zeit lässt.
Das Füttern von Häcksel ist nicht zu dulden. Wer kann in der Campagne die Häcksellade mit sich führen? Ohne einen natürlichen Training, der durch Uebungs - märsche vorbereitet, durch anhaltend starke Gänge gegeben wird, der die Muskeln stählt, dem Thiere den unnützen Ballast von Fett nimmt, die Lungen übt und stärkt, ist das Ca - valleriepferd weder zu Märschen noch zu den Fati - guen des Feldzuges vorbereitet und ausser Stande, dieselben zu ertragen.
Beide, sich so scharf entgegenstehende Ansichten haben ihre schönen Seiten, doch, wie wenig auch sonst Freund von Halb - heiten, muss ich mich zwischen beide Parteien stellen und glaube, dass weder die Einen, noch die Anderen den Umstän - den in vollem Masse Rechnung getragen haben. Ich erlaube mir über diejenigen Punkte, welche mir zweifelhaft scheinen, eine nähere Betrachtung anzustellen.
Anstrengungen, bis zu einem gewissen Grade getrieben, stählen und kräftigen den Körper. Dieser ist ferner bis zu einem gewissen Grade gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten; über diesen Grad hinaus consumirt die Anstrengung den Körper, und ruinirt ihn der Witterungseinfluss. Dieser Grad ist aber nicht nur bei jedem einzelnen Thiere ein an - derer, sondern hängt ausserdem auch bei jedem einzelnen Indivi - duum von der augenblicklichen Disposition ab. Es ist darum äusserst schwer zu beurtheilen, wie weit man bei beiden gehen kann, und es gehört ein sorgfältigeres Indi - vidualisiren und demgemässes Modifiziren dazu, als es die gemeinschaftlichen Uebungen einer Menge von 140 Pferden, wie sie unter ein einheitliches Commando gestellt289Anhang.sind, zulassen. Deshalb ist das System der Abhärtung und des natürlichen Trainings bei einer Eskadron schwer bis zu der erwünschten Höhe durchzuführen, ohne dass durch Consumtion und Krankheit ein grösserer Ab - gang an Pferden hervorgerufen würde. Es ist aber der Zuwachs ein ganz bestimmter und wie wir wissen, nicht überreicher, so dass derselbe eine vermehrte Consumtion nicht erträgt. Abge - sehen hievon würden sich durch zweckmässige Uebungen die ver - langten Leistungen wohl erzielen lassen und ganz vortrefflich sein, (obschon die für den Campagne-Gebrauch eingestellten Augmenta - tions Pferde denn doch noch immer an jenem Rennen sich schwer - lich betheiligen könnten) wenn nicht mit den gesteigerten Leistungen die Menge des Futters ebenfalls gesteigert werden müsste. Bei 9 Pf. Hafer, 5 Pf. Heu und 8 Pf. Stroh wird man nicht wohl im Stande sein, die Pferde zu einem Galopp von 500 Schritt in der Minute, bei einem Gewicht von circa 305 bis 350 Pf., auf eine englische Meile vorzubereiten, ohne mit dem Fett auch das Fleisch von manchem der Thiere zu bringen, weil der Kräfteverlust nicht durch die Futtermasse ersetzt würde, und wir würden so, statt durch Arbeit gestählte, abgearbeitete, heruntergerittene Pferde erhalten. Von ganzem Herzen stimme ich für die Arbeit, aber für eine Arbeit, welche dem Futter angemessen ist.
Die Menge des Futters, deren ein Pferd bedarf, hängt einmal von der Individualität des Thieres ab. Es wird theils die Grösse des Thieres, theils das Verhältniss der verschie - denen Körpergebilde, z. B. der Knochenmasse zum Fleisch, theils die Festigkeit der Textur der einzelnen Gebilde, mithin das Ge - wicht massgebend sein, wie viel zur Bestreitung der Ausgaben, welche die Lebensfunktionen mit sich bringen, nothwendig wird. Diese nöthige Netto-Einnahme ist aber nicht die Futtermasse, son - dern sind die bereits aus dem Futter gewonnenen Säfte. Ob aus derselben Futterquantität, aus derselben Brutto-Einnahme viel oder wenig Säfte zur Ernährung gewonnen werden, hängt von der Güte des Verdauungsapparats ab, die bei den Individuen sehr verschieden ist. Ausser dieser laufenden Ausgabe ist für die zufällige, welche die Arbeit bringt, Ersatz nöthig. Es hängt die Menge des Futters von der Arbeit ab. Es bringt jede Muskelthätigkeit eine Consumtion von Säften hervor, welche durch Nahrungsstoff ergänzt werden muss. Dasselbe Quantum Ar - beit wird oft bei zwei verschiedenen Thieren, je nach Fähig -v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 19290Anhang.keit und Gewöhnung einen verschiedenen Grad von Anstrengung, mithin eine verschiedene Consumtion der Kräfte hervor - rufen, die wiederum ein verschiedenes Mass der Ergänzung, mithin ungleiche Quantitäten Nahrungsstoff bedingen.
Es wird aber auch ferner das Futter ein bestimmtes Volumen haben müssen, um den Verdauungsapparat angemessen zu füllen und zu beschäftigen. Man würde sehr viel gewinnen, wenn es blos darauf ankäme, dem Pferde ein bestimmtes Quantum von Nahrungsstoff zuzuführen und das Volu - men desselben gleichgültig wäre, indem man dann die Belastung des Thieres, das sein Futter selbst tragen muss, verringern könnte. Sehr interessante grössere Versuche, welche man gemacht hat, Cavalleriepferde mit Broden zu ernähren, die in kleinster Form den benöthigten Nahrungsstoff enthielten, haben die Ueberzeugung gege - ben, dass auch das Volumen von der grössten Wichtigkeit ist. Das Resultat war ein sehr ungünstiges. Es trat eine solche Schwächung der Verdauungswerkzeuge und in Folge deren solche Kraftlosigkeit und Abmagerung ein, dass man von Fortführung des Experimentes abstehen musste. Im Allgemeinen scheint der Grundsatz: „ Masse giebt Masse “, ein richtiger. Je substanziöser das Futter, um so fester, enger erscheinen die Texturen, und dem Raume nach um so gedrängter die Gebilde des thierischen Körpers; je voluminöser das Futter, um so schlaffer, weicher, dem Raume nach massiger treten sie auf. Das zarte, feinknochige Skelett des mit Gerste ge - nährten Arabers wiegt eben so viel, als das Riesengerippe des breit - knochigen Niederungspferdes, das der üppige Graswuchs nährte. Thiere, von denen wir schnelle, schwunghafte und energische Dienste verlangen, zu denen die Massenhaftigkeit des Leibes ihnen hinderlich würde, werden wir deshalb vor - herrschend mit Körnern füttern müssen. Haben wir aber deren nicht genug, um das nöthige Volumen zu erreichen, so werden wir so viel an Heu und Stroh zusetzen müssen, um dies Volumen zu erreichen. Ich würde gewiss keinen Häcksel füt - tern, wenn mir das Haferquantum sammt den 5 Pf. Heu für ein Cürassierpferd, oft gemeiner Race, dem Volumen nach ausreichend, und Langstroh in der Raufe Ersatz dafür zu gewähren schien. Es macht aber auch der Nebenzweck, durch den Häcksel den Hafer besser auszunützen, jenen wünschenswerth. Gierige Fresser, und man komme in Cavallerieställe, um sich von deren Vorhandensein zu überzeugen, käuen den Hafer mit Häcksel länger und schärfer. Durch das Kauen aber werden die Speichel -291Anhang.drüsen gedrückt und zur Absonderung des Speichels ge - reizt, der zur Verdauung höchst wichtig ist. Hafer wird mithin mit Häcksel besser verdaut. Das Pferd aber frisst den Hafer lieber ohne — als mit demselben. Die Gewöhnung an blossen Hafer auf dem Marsche wird mithin für das Fressen des Thieres, wenn es den Häcksel entbehren muss, kein Hinder - niss sein. Ich ernähre dadurch das Thier besser, so lange ich es kann. Hab’ ich keinen, geb’ ich keinen. Es kommen im Felde Tage, wo ich keinen Hafer habe, soll ich deshalb mein Thier auch im Frieden bisweilen hungern lassen?
Wichtig ist indess, dass man das Thier bei Arbeit im Futterstand zu heben sucht, wegen der verschiedenen Art der Säfteverwandelung, welche durch Arbeit oder Ruhe hervor - gerufen wird. Arbeit setzt die Muskeln in Thätigkeit. Der Nah - rungsstoff, in Säfte verwandelt, wird den dort hervorgerufenen Sub - stanzverlust nicht nur decken, sondern die Dichtigkeit und Massen - haftigkeit der Muskeln vermehren, sie hart und schwellend machen. Dagegen wird die Säftemasse bei Ruhe und Unthätigkeit der Mus - keln nicht dorthin geleitet werden, sondern sich zu Fettbildungen gestalten, welche nicht nur die Muskeln durchziehen und umlagern, sondern auch die Lungen und die inneren Organe überwuchern und ihre freie Bewegung hemmen. Die Fettbildung steht der Mus - kelausbildung wiederum wie „ Sein “und „ Schein “entgegen. Sie wird auch wohl die Masse mehren, doch ist diese Masse nicht ein Zeichen der Kraft, sondern nur eine neue Last für die schlaffe Muskel, welche unfähiger zur Arbeit macht und dem athemlosen, schweisstriefenden Pferde bald Ermüdung und Krankheit bringt. Jene Herren, die runde Formen fordern, woher sie auch immer kommen mögen und meinen, ein Kapital von Kraft zu haben, wäh - rend sie ein Kapital von Fett haben, werden das Fett mit sammt manchen Pferden unterwegs lassen, ehe sie an den Feind kommen. Bei jungen Pferden ist nicht genug dahin zu streben, dass sie durch Bewegung ihre Muskeln stärken. Es muss indess reich - liches Futter nicht nur den Verlust der Säfte in den beiden gedachten Richtungen decken, sondern es muss genug übrig bleiben, um zur weiteren Ausbildung des wach - senden Körpers verwendet zu werden. Eben so ist beim Anreiten und Dressiren in Anschlag zu bringen, dass dem ungeübten Thiere jeder Tritt etwas Neues, Ungewohntes und Schweres ist, und deshalb eine ganz besondere Consumtion der Kräfte mit sich bringt. Meines Dafürhaltens sollte man einem 4 — 5jährigen, mit -19*292Anhang.telgrossen, in die Dressur genommenen Pferde nicht unter 12 Pf. Hafer und 8 Pf. Heu reichen. Erhält man ein Thier von der Weide mit einem dicken Grasbauch, so entziehe man ihm die grosse Futterquantität, woran seine Eingeweide gewöhnt sind, nicht plötzlich, und lege ihm erst allmälig an Körner - futter zu, was man ihm an Rauhfutter nimmt. Bei den Remonten wird bei ihrem Transport zu den Regimentern von dem üblichen Rationssatz abgewichen und ihnen ein grösseres Heuquantum gege - ben. Aehnlich würde man vielleicht zweckmässig bei Land - wehr-Cavalleriepferden, und bei den vom Lande gestellten Mobilmachungspferden verfahren. Diese an grosse, bäuerische Futtermassen gewöhnten Thiere kommen bei dem geringen Volumen sichtbar herunter und Anfangs zu einem Schwächezustand, der sie, bei der gänzlich veränderten Lebensweise, gewiss zur Druse etc. besonders empfänglich macht. So lange indess das Rauhfutter vor - herrscht, vermeide man anhaltend-schnelle Bewegungen.
Will man das bereits gerittene Pferd zu andauernd raschen Bewegungen vorbereiten, es in Athem setzen, so würde ich niemals für das Campagnepferd zur Anwendung künst - licher Hülfsmittel, wie Abschwitzen unter einer Menge von Decken, Purgiren durch Aloëpillen etc. anrathen. Diese Mittel bringen theils eine Verweichlichung der Haut hervor, welche mehr zur Erkältung disponirt, wie es der Gebrauch des Soldatenpferdes erlaubt, theils möchte ich ihnen die nervöse Reizbarkeit zuschreiben, welche jene Pferde so häufig zeigen. Anhaltende Bewegung bei reichlichem Futter bringt einen natürlichen Training hervor, welcher für militärische Zwecke völlig ausreicht. Die Geduld, womit der Engländer stun - denlang sein Pferd erst im Schritt, dann im Schritt und kurzem Trab übt, ehe er zum Galopp übergeht und diesen sofort wieder abbricht, sobald die sorgfältige Beobachtung im Stall zeigt, dass sich die Fresslust verringert, und zur niedern Periode zurückkehrt; die Vorsicht, mit der er die Galoppübung steigert; die Sorgfalt in Wahl des Weges und der Stunde: sie müssen zum nachahmungs - würdigen Beispiele dienen, und weichen so unendlich von der un - klugen Art vieler jüngerer Herren ab, die glauben, ihr Pferd in Athem zu bringen, während sie es von Kräften bringen, glauben es an die Hand zu reiten, während sie es auf den Kopf reiten und es für Leistungen vorzubereiten, während sie ihm die Kraft und Hal - tung dazu mit Gewalt nehmen. Wenn diese Herren sich nach ihren Ritten in den Stall begeben und ihre Pferde beobachten möchten, so würden sie sich eher überzeugen, dass ihr Verfahren ein unrich -293Anhang.tiges ist. Wir holen uns fast alle zu wenig Schlüsse für unsere Dressur aus dem Stalle.
Bei den Eskadronen wird ebenfalls eine gewisse Steigerung in Dauer und Schnelligkeit der Evolutionen bei ihrer Ausbildung nothwendig, und die richtige Steigerung bis zu dem Herbst - manöver hin wird meist den Grund für das bessere oder schlechtere Ertragen der Fatiguen des Sommerhalbjahrs und für das „ in den Winter kommen “abgeben. Mehr wie gegen diese Steigerung wird meines Ermessens gegen das allmälige Fallen der Thätigkeit zum Winter hin gefehlt. Man will die mager gewordenen gar zu bald wieder heraufbringen und ist zu eilig damit. Man beschränkt die Bewegung der Thiere, die beim Manöver wohl 8 Stunden täg - lich unter dem gepackten Sattel waren, plötzlich auf eine Stunde Spaziergang an der Hand und legt dadurch gewiss den Keim zu manchen Krankheiten. Die Natur erträgt keine Sprünge, weder aufwärts noch abwärts.
Es ist für die Fütterung noch endlich die Zeitbestim - mung wichtig. Vor Allem hat man sich zu hüten, sie so zu legen, dass der Verdauungsprozess durch Arbeit unterbrochen wird. Man war in früheren Zeiten der Meinung, dass eine mässige Bewegung diesen Prozess befördere, und glaubte der alten sprüchwörtlichen Tradition mehr wie der Natur, wie sehr sie auch nach dem Mahle zur Ruhe mahnt, und wie deutlich das Verdauungsfrösteln auch zeigt, dass die Natur das Blut aus der Oberfläche in die Tiefe führt, wo - gegen die Bewegung es nach der entgegengesetzten Richtung zwingt. Man hat indess in neuerer Zeit, um den klassischen Stehern und Gehern ihren Irrthum klar zu machen, bei Thieren, welche man nach dem Futtern theils ruhen liess, theils in eine gelinde, theils in eine heftige Bewegung setzte und dann tödtete, die Verdauung in ihren verschiedenen Stadien beobachtet, und ist dadurch zu dem sicheren Resultate gekommen, dass die gänzliche Ruhe die Verdauung am meisten befördere, heftige Bewegung sie aber wesentlich störe. Vor 1½ — 2 Stunden nach der ein - genommenen Mahlzeit soll man das Pferd nicht reiten, am wenigsten aber heftig anstrengen oder dressiren. Hieraus ergiebt sich auch der Nachtheil des zu frühen Aus - rückens der Cavallerie aus den Nachtquartieren. Es ist all - gemein anerkannt, wie nachtheilig es ist, die nächtliche Ruhe der Pferde zu stören, die einzige Zeit, wo sie nicht vom Ungeziefer zu leiden haben, weshalb auch erfahrungsgemäss die drückendste Hitze für den Marsch am Tage den Nachtmärschen vorzuziehen ist. 294Anhang.Beginnt man Morgens 4 Uhr zu füttern, so würde man nicht vor 6 ½ — 7 Uhr ausrücken dürfen.
Ob 2mal oder 3mal den Tag füttern, ist eine Frage, worüber gleichfalls viel debattirt worden ist. Menschen und Thiere sind in Befriedigung ihrer Bedürfnisse äusserst von der Gewohnheit abhängig. Naht die gewohnte Zeit, so stellt sich Bedürfniss nach Speise, Trank, Schlaf etc. völlig unwillkührlich ein. Wie sehr dies auch bei den Pferden der Fall ist, zeigt uns die Beobachtung derselben namentlich in grossen Ställen sehr deutlich. Eine Viertelstunde vor dem Abfüttern, ehe seitens eines Menschen die geringsten Vorbereitungen dazu getroffen werden, wird es im Stalle lebendig, die Ketten klirren, die Hufe scharren, die Pferde wenden sich mit aufgeregt leuchtendem Auge nach der Seite hin, von welcher der Futtermeister einzutreten pflegt, und die Ungeduld steigert sich von Moment zu Moment, bis die gefüllte Schwinge erscheint. Es ist mithin gewiss, dass die Thiere hungern, wenn die gewohnte Stunde schlägt. Weder beim Manöver aber, noch im Felde wird man die Mittagsfutterstunde einhalten können, und man legt den Thieren nicht nur eine ungewohnte Entbehrung auf, son - dern ist dann gezwungen, das Mittags - und Abendfutter so bald auf einander folgen zu lassen, dass Magen und Eingeweide, unge - wohnt so grosse Massen aufzunehmen, unnatürlich überfüllt sein werden. Es würde deshalb zweckmässig sein, das Mit - tagsfutter schon im Frieden wegfallen zu lassen und die Thiere an nur 2 Mahlzeiten zu gewöhnen; zu Mittag aber nur etwa Heu und im Sommer Wasser zu geben. Man hat eine schlechtere Verdauung gegen dies Verfahren angeführt. Ein hochgestellter Offizier hat, um sich mit Bestimmtheit von der Un - schädlichkeit des Verfahrens zu überzeugen, seine eigenen Pferde jahrelang nach dieser Methode füttern und ihnen nur die leichte Ration ohne allen Zuschuss verabreichen lassen. Das Resultat war vortrefflich und zeigten sich durchaus keine Nachtheile.
Das Tränken hat in so fern einen Gegenstand der Uneinig - keit abgegeben, als die Einen tränken wollen mit frischem, har - tem Wasser, wie es aus der Pumpe kommt, die Andern dasselbe aber verschlagen verabreichen wollen. Ich bin für die letztere Art. Gehen wir auf den Naturzustand zurück, so sehen wir die Thiere in der Wildniss das Wasser der Bäche und See’s saufen, welchem das Verschlagene gewiss näher kommt. Es scheint eine so grosse Masse von Wasser, wie sie das Thier einnimmt, bei der Kälte frischen Brunnenwassers zu lange einer Erwärmung zu wider -295Anhang.stehen, als dass sie auf die Verdauung nicht nachtheilig einwirken sollte. Ein zu oftmaliges Tränken würde ein schädliches Ver - wöhnen und das Thier gewiss von Durst geplagt sein, wenn die gewohnte Zeit übergangen werden müsste. Stehen die Gefässe zur Aufbewahrung des Wassers im Stalle selbst, so würden sie sorg - fältig zu bedecken sein, indem die Ausdünstungen im Stalle, na - mentlich der Amoniak, sonst auf der freien Wasserfläche nieder - schlagen und den Thieren schädlich werden. Eben so ist die grösste Reinlichkeit und häufiges Ablassen des Wassers bis auf den Grund, um dorthin gelangen zu können, dringend anzuempfehlen.
Dauernd Sauerstoffe etc. im Getränke zu geben, ist nicht rathsam. Es sind Reizmittel, welche zwar Anfangs wohlthätig wir - ken, dann aber zur Gewohnheit werden. Es folgt, wie bei jedem dauernden Gebrauch von Reizmitteln eine Schlaffheit, welche immer stärkerer Reizmittel bedarf und allmälig den Ruin der Organe herbeiführt.
Man ist fast allgemein darüber einig geworden, dass es gut ist, die Thiere auch den Tag über möglichst auf Streu stehen zu lassen. In Privatställen, wo man es mit der Stroh - consumtion nicht so genau nimmt, wird man für die nöthige Trok - kenhaltung derselben leicht dadurch sorgen können, dass man eine doppelte Garnitur hat, wovon die eine unter den Pferden liegt, während die andere trocknet. Dennoch aber sieht man noch oft Pferde auf glattem Bohlenbeschusse, worauf die Pferde leicht aus - gleiten und lahm werden, oder auf kalten Steinen stehen. Lächer - lich scheint das Verfahren mancher, die mit Strenge darauf halten, dass ihren Pferden nach dem Reiten die Beine auf das Sorgfältigste frottirt und dann mit Flanellbinden umwickelt werden, um sie, wie recht, vor Erkältung zu schützen, welche sie aber nichtsdestowe - niger auf den kalten Steinen stehen lassen, die vielmehr durch Mit - theilung der Kälte die Stockung der Säfte, welche durch den Gang in den Extremen mit erhöhter Thätigkeit cirkuliren, bewirken, wie die äussere Luft. In den Cavallerieställen reichen die Strohrationen nicht zu einer doppelten Streu hin, und ist das Verfahren, um den Thieren ein angemessenes Lager zu sichern, sehr verschieden. In einigen Ställen wird die Streu des Morgens früh fortgeräumt, auf geeigneten Plätzen resp. in Streuschuppen ausgebreitet und getrock - net, und dient nur des Nachts zum Lager. Den Pferden wird dies für die Zeit des guten Wetters allerdings trocken und weich her - gestellt, sie entbehren aber im Laufe des Tages des Lagers, ferner des schlechten Wärmeleiters, der ihnen die Hufe und Beine, nament -296Anhang.lich nach starken Bewegungen, vor dem erkältenden Fussboden wie ein Teppich schützt, und es fehlt ihnen der Zeitvertreib, den sie im Aufsuchen und Beknabbern der süssen Strohknoten finden. Es ist, meines Erachtens, auch kein kleiner Vortheil der Streu, dass sie die schräge Fläche, worauf die Thiere meist zu stehen verdammt sind und auf der sie keine Ruhe finden können bei naturgemässer Stellung ihrer Beine, in eine horizontale verwandelt. Ob die klu - gen Thiere vielleicht auch deshalb die Streu so gern nach hinten kratzen? Viel schlimmer aber gestaltet es sich mit der Streu in der Regenzeit, oder gar im Winter bei Frost. In jener Zeit trocknet sie nicht, wandert massenweise zur Düngergrube, und selbst das nächtliche Lager wird dürftig, hart und nass. Der Frost trocknet gar nicht, die Feuchtigkeit friert an das Stroh an. Beine und Un - terleib werden durch die gefrorene, kalte Streu erkältet und es er - zeugen sich alle Arten der Erkältungskrankheiten, Druse, Rheu - matismus, Kolik, Mauke etc. und die Hufe werden brockelig und spröde. Hat endlich die animalische Wärme die an den Halm ge - frorene Feuchtigkeit aufgethaut, so ist das Lager wiederum nass, die Luft aber wird mit der Ausdünstung verpestet. Andere werfen die Streu nur bei gutem Wetter heraus, bei schlechtem thürmen sie dieselbe den Tag über in einzelne Haufen in der Stallgasse auf. Hiedurch geht ein Verdünstungsprozess des Harns vor sich, der die Luft mit Amoniakdünsten schwängert und Jedem, der von aussen hereintritt, schmerzlich auf Augen und Lunge fällt, und die Wahr - heit des Sprüchwortes anschaulich macht: „ Wenn man im D .... rührt “u. s. w. Mir scheint die bäuerische Behandlung der Streu am zweckmässigsten. Man vermeide jedes Rühren sorgfältigst, lasse sie Tag und Nacht liegen, sorge dafür, dass die Stallwachten den Mist wegnehmen, ehe ihn die Thiere in das Stroh treten und streue seine 5 Pf. täglich oben auf. Es wird sich so eine Schicht bilden, dick genug, um ein weiches, elastisches Lager zu geben; der Harn wird in die Unterschicht dringen, ohne dass die Nässe bis oben durchschlägt; der Amoniak und die Dünste bleiben dort gebunden und gebannt; die Thiere stehen horizontal, gleiten nicht und die Kälte des Fussbodens ist von den Beinen abgehalten. Man mache den Versuch und man wird finden, dass die Luft reiner bleibt, wie bei anderem Verfahren. Um die Ueberhäufung zu vermeiden, lasse ich in einem Stalle von 140 Pferden alle Tage 10 Stände misten. Wenn die Thiere so im Stalle stehen, wie sie in den Abtheilungen gehen, so kann auch im Winter die Störung nur gering sein, wenn während der Zeit, in welcher die Pferde in der Bahn sind, dies297Anhang.Geschäft bei geöffneten Fenstern vorgenommen wird Der hiedurch entstehende üble Geruch ist sehr bald beseitigt und erscheint mir als eine geringe Belästigung im Verhältniss zu den Vortheilen.
Das Auflegen von Decken im Stall, mit Ausnahme des Zudeckens nach dem Reiten, ist für Cavalleriepferde eine Ver - weichlichung und würde streng zu wehren sein.
Eben so sollte das Verscheeren der Mäuler und Beine nicht gelitten werden. Die Haare am Maul sind die Fühl - hörner des Pferdes bei Nacht; der Behang der Beine der natürliche Schutz der Thiere vor Erkältung. Diese Beeinträchtigungen sind, wie die allerdings gleichgültigeren Verdünnungen und Verkürzungen von Schopf und Mähnen, und wie die Erzielung eines kurzen Deck - haars, die nur zur Krankheit führen kann, unnütze Vorspiegelungen des Racetypus, den das Thier nicht hat und welchen zu erheucheln beim Gebrauchspferde, wo die Rücksichten auf Handel wegfallen, am unrechten Orte sind. Ich finde aber auch, dass weder das Ge - fühl für sorgfältige Pflege, noch für das Schöne darunter leidet. Trägt das Thier den Stempel der Gesundheit beim langen, doch glänzenden Haar, ist die lange, dicke Mähne rein und geordnet, der Beinbehang trocken und sauber, so scheint mir, dass keine Idee der Vernachlässigung durch sie hervorgerufen wird, wenn sie nicht in der Mode-Idee liegt, die ja auch zur Zeit den vollen Bart des Mannes eine honette Schweinerei nannte. Vom malerischen Stand - punkte scheint mir ein Thier, das durch Form, Gang und Bewe - gung die gemeine Abkunft verräth, mit jener üppigen Haarfülle seiner Race viel harmonischer in seiner Erscheinung, als wenn es verschoren und verputzt ist, und dennoch wieder das dicke Haar der Mähne aufbäumend und vorstachelnd, mit zierlich verschnitte - nem Schwanz daher tölpelt, wie ein Bauer, der mit Manschetten und Glaçéehandschuhen im Frack den Gentlemen spielt. Aber unser verbildetes Bestreben nach Gleichmachen in der Form, wo kein Gleichsein im Wesen ist (welches nebst Nachtheilen höherer Art, die Harmonie und Originalität des Einzelwesens stört und unbe - friedigende Eintönigkeit statt Harmonie erzeugt, und so das Male - rische so gewaltig untergräbt), hat unser Auge so verwöhnt, dass wir nicht davon abzulassen vermögen, und dem Bauer unmöglich erlauben können, in seinem Kittel zu erscheinen.
Dann aber ist endlich die übertriebene Vorstellung von den Vorzügen, die wir den hochedlen Racen einzuräumen uns gewöhnt haben, viel Schuld daran, dass wir uns gleichsam schämen, nicht lauter Vollblutpferde in unseren Gliedern zu haben. Schnelligkeit298Anhang.und Energie sind höchst anerkennenswerthe Eigenschaften, aber Genügsamkeit, ein dickes Fell, gute Nerven und ein gesunder Magen sind gleichfalls Dinge, die zwar nicht Mode, aber wohl zu beachten sind. Unsere deutschen Halb - schläge haben sich in den Feldzügen wohl bewährt. Den vielge - priesenen englischen Pferden soll häufig die zähe Ausdauer geman - gelt haben, was zum Theil vielleicht in ihrer Erziehung liegt. Die Gleichmässigkeit des Pferdeschlags scheint indess für eine Truppe von grosser Wichtigkeit.
Was die Einrichtung der Ställe anbetrifft, so sind wohl alle Pferdefreunde darüber einig, dass dem Thiere das freie Herum - gehen im Box am gesundesten und besten ist, und beklagt man gewiss mit mir, dass diese so wesentlich zur Conservirung der Thiere beitra - gende Methode nur so wenigen bevorzugten Individuen werden kann, und ihre Brüder noch immer wie Sklaven angefesselt stehen müssen.
Die Frage, ob grosse, ob kleine Ställe für die Caval - lerie, würde ich unbedingt zu Gunsten der kleinen beantworten, wiewohl die Aufsicht durch die grossen sehr erleichtert wird, und in solchen Armeen, wo die Ausbildung rasch betrieben werden muss, für dieselbe grosse Vortheile hat. Das Gewöhnen der Thiere an fremde Nachbarn durch Entfernung von Lattirbäumen und Um - ziehen, scheint mir unnütz. Die in Folge guter Behandlung from - men Pferde werden sich, namentlich nach Anstrengungen, ohne dies vertragen, wie es die Friedensbivouaks zeigen, obschon die Lange - weile und der Stallmuth in der Garnison, trotz den Lattirbäumen und Stallwachen, doch bisweilen Unfrieden unter den Nachbarn und Verletzungen hervorbringt. Vieles Umziehen scheint aber nicht rathsam, indem ansteckende Krankheiten, die im Körper liegen und bereits ansteckungsfähig sein können, ehe irgend ein Symptom sie dem aufmerksamsten Beobachter verräth, dadurch eine unheilbrin - gende Verbreitung finden dürften. Es wäre auch wirklich hart, das meist so gemüthliche, kammeradschaftliche Verhältniss, das die Nach - barn im Stalle mit einander verbindet und sich durch kleine Liebes - dienste zeigt, ohne Noth zu stören und sie immer wieder auseinan - der zu reissen, ehe sie sich einmal ordentlich kennen gelernt haben.
Münster, Coppenrath’sche Buchdruckerei.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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