PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II][III]
Die Elektricität im Dienſte der Menſchheit.
Eine populäre Darſtellung der magnetiſchen und elektriſchen Naturkräfte und ihrer praktiſchen Anwendungen.
Mit 830 Illuſtrationen.
[IV][V]
[figure]

Vorwort.

Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik ein ſo allgemeines und reges Intereſſe auch von Seite der Laien - welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das, was durch ſie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche, an’s Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren den Gedanken: die menſchliche Sprache mit Blitzesſchnelle einige hundert Meilen weit zu übertragen , d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee eines Wahnſinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechaniſcher Kraft durch den elektriſchen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon für amerikaniſchen Humbug? Mit unwiderſtehlicher Gewalt drehen die herabſtürzenden Waſſermaſſen mächtige Räder oder Turbinen; dieſe ſetzen unſere elektriſchen Maſchinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Waſſer - falles in Elektricität umgewandelt wird. Um dieſe weiter zu leiten, bedarf man keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen ein einfacher Draht genügt. Und ſo fließt unmerkbar und doch blitzſchnell die rohe Waſſerkraft, gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis ſie an jenem Orte angelangt iſt, wo man ihrer bedarf. Hier giebt ſie ihre Bändigerin wieder frei und nun treibt ſie die Maſchinen einer ganzen Fabrik. Und iſt ſie dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maſchine zu drehen, wie der Waſſerfall, dem ſie ihr Entſtehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen nur das entſprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabſtürzenden Waſſers leuchtet ſonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zerſetzungs - zelle die Arbeit des Chemikers oder Hüttenmannes. Der, einem Irrlichte gleich, geiſterhaft ſich bewegende Lichtſchein in der Kabelſtation kündet der alten Welt,VI was die neue erregt: die von Hemiſphäre zu Hemiſphäre eilende Botin iſt wieder die Elektricität; ſie warnt uns vor Feuer - und Waſſernoth, ſie lenkt die ſturmſchnell dahinbrauſende Locomotive in ſichere Bahnen, ſie verräth dem Schiffer in dunkler Nacht den bergenden Hafen, ſie mißt die Kugel im Fluge wie die Geſchwindigkeit des Schalles.

In dieſer wunderbaren Gefügigkeit, immer jene Kraftform annehmen zu können, die gerade die zweckmäßigſte iſt, liegt die große Bedeutung der Elektricität, eine Bedeutung, die in ihrem vollen Umfange durch die in den letzten Jahren veranſtalteten Ausſtellungen auch dem großen Publicum klar vor Augen trat. Das Intereſſe war geweckt und nun wurde der Wunſch nach Aufklärung laut, nach einem Führer durch dieſes geheimnißvolle, weit ausgedehnte Gebiet. Gegen - wärtig herrſcht nun zwar allerdings kein Mangel an fachwiſſenſchaftlichen Specialwerken und Fachzeitſchriften mehr; doch iſt es nicht Jedermanns Sache, aus Brauchbarem und Unbrauchbarem das Praktiſche herauszuſuchen, fünfzig Bände durchzuſtudiren, um ſchließlich ſo viel zu behalten, als in einen Band zuſammengefaßt werden könnte und ſich hierbei überdies noch durch langathmige mathematiſche Entwicklungen hindurchzuarbeiten. Den Leſer dieſer Mühe zu überheben, ſtellte ich mir zur Aufgabe. Dem Leſer ſoll hiermit ein klarer Ueberblick über das Geſammtgebiet der modernen Elektrotechnik ermöglicht werden, und zwar unter der Vorausſetzung, daß derſelbe über kein fachliches Wiſſen verfügt, ſondern nur allgemeine Bildung beſitzt. Ferner ſoll das ſehr ausgedehnte Regiſter auch die Verwendung des Werkes als bequemes Nach - ſchlagebuch ermöglichen. Obwohl ich mir keineswegs die Größe und Schwierigkeit des Unternehmens verhehlte, ſchreckte ich doch nicht vor der Ausführung des - ſelben zurück, da ich bei dem Umſtande, daß es ſich um ein erſtes Unternehmen dieſer Art handelte, auf die Nachſicht der Leſer rechnen zu dürfen glaube. Auch war ich der ausgiebigen und thatkräftigen Unterſtützung der rühmlichſt bekannten Verlagsbuchhandlung A. Hartleben und der Mitwirkung der kunſtgeübten Xylographen Günther und Rücker ſicher; ich erfülle eine angenehme Pflicht, an dieſer Stelle den genannten Firmen meinen wärmſten Dank auszuſprechen. Selbſt weder Mühe noch Arbeit ſcheuend, iſt durch unſer Zuſammenwirken vorliegendes Werk entſtanden, welches ich, um wohlwollende Aufnahme bittend, hiermit der Oeffentlichkeit übergebe.

Dr. A. Ritter v. Urbanitzky.

[VII]

Inhalt.

  • Erſte Abtheilung. Die moderne Elektrotechnik.
  • Seite
  • Einleitung3
  • I Geſchichte des Magnetismus und der Elektricität4
  • II. Magnetismus.
  • Grunderſcheinungen37
  • Wirkungen zweier Magnete aufeinander40
  • Magnetiſche Vertheilung oder Influenz41
  • Conſtitution der Magnete44
  • Erzeugung von Magneten46
  • Tragkraft der Magnete49
  • Magnetiſche Fernwirkung51
  • Magnetiſche Intenſität52
  • Erdmagnetismus53
  • III. Elektricität.
  • 1. Elektricität durch Reibung und durch Influenz.
  • Grunderſcheinungen62
  • Quellen der Elektricität72
  • Geſetze der elektriſchen Anziehung und Abſtoßung73
  • Elektricitätsverluſt mit der Zeit80
  • Elektricität durch Influenz oder Vertheilung81
  • Theorie der Influenz und daraus gezogene Folgerungen85
  • Potentialtheorie88
  • Sitz und Vertheilung der Elektricität90
  • Die Spitzenwirkung95
  • Apparate zur Erregung der Elektricität99
  • Scheibenelektriſirmaſchine 99, Dampfelektriſirmaſchine 102, Elektrophor 103, In - fluenzmaſchinen105
  • Apparate zur Anſammlung der Elektricität112
  • Condenſator 115, Kleiſt’ſche Flaſche 117, Franklin’ſche Tafel119
  • Die elektriſche Entladung und ihre Wirkungen123
  • Partialentladungen 128, Reſiduum 132, Fortpflanzungsgeſchwindigkeit 134, Wärme - wirkung 137, Lichtwirkungen 141, mechaniſche Wirkungen 147, phyſiologiſche Wirkungen 153, chemiſche Wirkungen 153, elektriſche Wirkungen 154, magnetiſche Wirkungen154
  • 2. Die atmoſphäriſche Elektricität.
  • Elektricität der Luft155
  • Das Gewitter156
  • Das Nordlicht158
  • 3. Der galvaniſche Strom.
  • Entſtehung des Stromes160
  • Elektricitätserregung bei Berührung von Metallen untereinander oder mit Flüſſig - keiten 160, Theorien der Elektricitätserregung 162, Spannungsreihen 167, Elek - tricitätserregung bei Berührung zweier Flüſſigkeiten 173, galvaniſche Batterien 176, conſtante Batterien 183, Stromerregung durch Temperatur-Unterſchiede oder Thermo - elektricität188
  • Die Geſetze des galvaniſchen Stromes192
  • Ohm’ſches Geſetz 194, Schaltungen im inneren Stromkreiſe 195, Schaltungen im äußeren Stromkreiſe 199, Meſſung des Widerſtandes 207, Meſſung der elek - tromotoriſchen Kraft 214, abſolutes Maß-Syſtem 214, Meſſung der Stromſtärke216
  • Die Wirkungen des galvaniſchen Stromes im Schließungsbogen227
  • Wärmewirkung 227, Lichtwirkungen 235, chemiſche Wirkungen 241, elektrolytiſches Grundgeſetz 250, Polariſation 250, Erklärung der Elektrolyſe251
  • VIII
  • Seite
  • Die Wirkungen des galvaniſchen Stromes außerhalb des Schließungsbogens254
  • Elektrodynamik 254, Ampère’s Theorie des Magnetismus 269, Wechſelwirkungen zwiſchen Strömen und Magneten 272, Elektromagnetismus 275, Diamagnetis - mus 279, Drehung der Polariſationsebene283
  • Die Induction.
  • Arten der Induction285
  • Einwirkung ſtromdurchfloſſener Spiralen auf Eiſenſtäbe 285, elektriſche und Magneto - Induction 288, Extraſtröme 292, Inductionsſtröme höherer Ordnung 294, In - ductionsſtröme durch Erdmagnetismus 295, Rotationsmagnetismus 295, unipolare Induction297
  • Geſetze der Induction298
  • Inductionsapparate301
  • Die Wirkungen der Inductionsſtröme306
  • Geißler’ſche Röhren 310, Schichtung des elektriſchen Lichtes 311, magnetiſche Einwirkung auf das elektriſche Licht 313, ſtrahlende Materie 317, Elektrorepulſion325
  • 5. Thieriſche Elektricität330
  • Zweite Abtheilung. Magnetismus und Elektricität.
  • I. Die Elektricitätsgeneratoren339
  • 1. Geſchichte der elektriſchen Maſchinen340
  • 2. Die elektriſchen Maſchinen360
  • Alliance-Maſchine 360, Maſchinen von Méritens 361, Gramme 362, Schuckert 373, Gülcher 375, Fein 376, Bruſh 378, Bürgin 381, Schwerd-Scharnweber 382, Siemens & Halske 383, Ediſon 390, Weſton 394, Elphinſtone 399; Wechſelſtrom - Maſchine von: Gramme 404, Ganz & Comp. 408, Siemens & Halske 409, Ferranti-Thomſon 417; Maſchine von Gérard 423; Wechſelſtrom-Maſchine von: Gordon 429, Ganz & Comp. 432; Unipolar-Maſchine von: Ball 437, Siemens 439, Ferraris 439439
  • 3. Conſtructions - und Betriebsverhältniſſe der elektriſchen Maſchinen443
  • Gegenkraft 445, Stromſtärke 446, internationales elektriſches Maß-Syſtem 451, Conſtruction einzelner Maſchinentheile 454, Verbindung mehrerer Maſchinen457
  • 4. Die galvaniſchen Batterien, Secundärelemente und Thermoſäulen461
  • Elemente mit einer Flüſſigkeit und Polariſation462
  • Element von: Volta 462, Pulvermacher 462, Fechner 464, Blanc-Filipo 464, Stöhrer 465, Halm 465, Walker 465, Tyer 466, Maiſtre467
  • Elemente mit einer Flüſſigkeit ohne Polariſation467
  • Element von: Warren de la Rue & Müller 468, Gaiffe 470, Leclanché 470, Lalande & Chaperon 474, Grenet 479, Bunſen 480, Hauck 481, Trouvé 482, Maiche484
  • Elemente mit zwei Flüſſigkeiten unveränderlicher chemiſcher Zuſammenſetzung486
  • Element von: Daniell 486, Kramer 486, Muirhead 487, Siemens & Halske 488, Trouvé 489, Minotto 490, Meidinger 491, Kohlfürſt 492, Callaud 493, Reynier496
  • Elemente mit zwei Flüſſigkeiten veränderlicher chemiſcher Zuſammenſetzung496
  • Element von: Bunſen 497, Callan 499, Howell 500, Scrivanow 500, Marié - Davy 501, Fuller501
  • Batt riebeſtandtheile502
  • Verbindung der Elemente zu Batterien507
  • Batterien für: elektriſche Beleuchtung 509, mediciniſche Zwecke 515, elektriſche Zündung524
  • Secundärelemente527
  • Secundärelemente von: Planté 529, Méritens 540, Kabath 541, Faure 541, Schulze 543, Böttcher543
  • Das Laden der Secundärelemente545
  • Die Thermoſäulen551
  • Thermoſäulen von: Bunſen 551, Markus 551, Clamond und Mure 652, Noe 554, Hauck555
  • IX
  • Seite
  • II. Der elektriſche Strom vom Generator bis zur Verbrauchsſtelle556
  • 1. Stromregulirung und Vertheilung557
  • Magnetſchaltung nach Wheatſtone 558, Schaltung von Deprez 559, Compound - Maſchinen 563, Stromregulatoren von: Maxim 565, Křižik 567, Bruſh 569, Siemens 570, Ediſon 571, Gravier 576; Secundärgeneratoren von Gaulard & Gibbs578
  • 2. Stromleitung und Regiſtrirung580
  • Stromleitung 580, Elektricitätsmeſſer588
  • III. Die praktiſchen Anwendungen der Elektricität596
  • 1. Das elektriſche Licht596
  • Das elektriſche Licht in ſeiner hiſtoriſchen Entwicklung596
  • Lampen für elektriſches Licht613
  • I. Gruppe. Glühlicht oder Incandescenzlampen614
  • Lampe von: Ediſon 614, Swan 619, Maxim 621, Lane-Fox 624, Siemens 625 Cruto 626, Bernſtein 626, Böhm 627, Diehl 628; Herſtellung der Lampen 628, Vergleichung der Lampen638
  • II. Gruppe. Halbglühlicht oder Halb-Incandescenzlampen642
  • Lampe von: Reynier 642, Werdermann 645, Brougham 646, Ducretet 647, Hauck 647, Joël649
  • III. Gruppe. Regulatorlampen650
  • Lampe von: Foucault-Duboscq 650, Merſanne 652, Gaiffe 654, Jaſpar 655, Piette & Křižik 657 Siemens & Halske 662, Zipernowsky 664, Schwerd & Scharn - weber 665, Bruſh 566, Gérard 669, Cance 671, Weſton-Möhring 671, Serrin 672, Gramme 674, Crompton 675, Gülcher 677, Tſchikoleff 680, Sedlaczek & Wikulill 681, Solignac 684, Schmidt685
  • IV. Gruppe. Elektriſche Kerzen686
  • Kerze von: Jablochkoff 686, Wilde 689, Morin 689, Jamin690
  • V. Gruppe. Lampen mit gegeneinander geneigten Kohlen692
  • Lampe von: Staite 692, Rapieff 692, Gérard 693, Clerc (Soleil-Lampe) 694, Heinrichs697
  • Die Kohlen für Bogenlampen und deren Erzeugung699
  • Elektriſche Beleuchtungsanlagen701
  • Lichtmaſchinen 706, Lampen 707, Meſſen der Lichtſtärke 711, Vergleichung des elektriſchen Lichtes mit dem Gaslichte 717, elektriſche Beleuchtung von: Theatern 725, Fabriken und Werkſtätten 734; Centralſtationen 738, elektriſche Beleuchtung im Berg - und Tunnelbau 740, elektriſches Licht im: Eiſenbahnweſen 745, Seeweſen 749, auf Straßen und öffentlichen Plätzen 782; transportable Beleuchtungsanlagen 766, elektriſches Licht in der Heilkunde770
  • 2. Elektrochemie, Metallurgie und Galvanoplaſtik774
  • Elektrochemie776
  • Elektriſche Färberei 776, elektriſche Bleiche 778, Rectification des Alkohols 779, elektrolytiſche Analyſe782
  • Elektrometallurgie784
  • Erzſcheider von: Siemens 784, Vavin 786, Ediſon 787; magnetiſche Reinigung der Porzellanmaſſe 787, elektriſches Verfahren zur Gewinnung von Gold und Silber 788, Schmelzen ſchwerflüſſiger Stoffe durch den Voltabogen 789, Reinmetall - gewinnung791
  • Galvanoplaſtik794
  • Gramme’ſche Maſchine 796, Weſton’s Maſchine798
  • Galvanoſtegie802
  • Decapiren 802, Verkupferung 804, Vermeſſingen u. Bronziren 805, Vergoldung 805, Verſilberung 806, Vernickeln 807, Ueberziehen von Metallröhren im Innern 809, Verkupferung von Stahldraht 809, Befreiung von galvanoplaſtiſchen Nieder - ſchlägen 810, Juſtiren der Münzplättchen810
  • X
  • Seite
  • Die eigentliche Galvanoplaſtik811
  • Herſtellung der Formen 812, Vorbereitung der Formen 815, Reproduction von Münzen und Medaillen 817, Reproduction von Büſten, Statuen 818, Herſtellung von Koloſſalfiguren 819, Galvanoplaſtik in den graphiſchen Künſten 821, Correc - turen der Druckplatten 822, Reproduction von Kupferſtichplatten 823, Galvano - graphie 823, Glyphographie 823, Copiren der Holzſchnitte 823, Sterotyp - platten 824, Naturſelbſtdruck 824, galvaniſches Aetzen825
  • 3. Die Elektricität als bewegende Kraft825
  • Aeltere Elektromotoren826
  • Motor von: Dal Negro 828, Jacobi 827, Elias 828, Froment 830, Hjorth 831, Page833
  • Umkehrbarkeit elektriſcher Maſchinen834
  • Vorgänge bei der elektriſchen Uebertragung der Kraft837
  • Einfluß der Entfernung 840, Vergleichung der älteren Elektromotoren mit den modernen Maſchinen842
  • Praktiſche Anwendungen der elektriſchen Uebertragung der Kraft843
  • Elektriſche Bahnen: Berliner Gewerbe-Ausſtellung 845, Bleicherei zu Breuil-en - Auge 846, Lichterfelde 848, Mödling-Brühl 850, Portruſh 853, Zaukerode 855, Hohenzollerngrube 856; elektriſche Förderung 856, Geſteinsbohrer 857, Hammer 860, elektriſche Aufzüge und Krahne 860, elektriſches Pflugſyſtem 864, elektriſche Bremſen865
  • Neuere kleine Elektromotoren und deren Anwendungen867
  • Motor von: Deprez 867, Trouvé 867, Griscom 869, Borel 871, Bürgin 871, Jablochkoff 872; elektriſche Briefpoſt 872, elektriſche Feder 872, phoniſches Rad874
  • 4. Die Telephonie875
  • Hiſtoriſche Entwicklung der Telephonie876
  • Das Bell’ſche Telephon und ſeine Modificationen894
  • Telephon von: Bell 894, Siemens 897, Gower 898, Fein 899, Ader 900, Arſonval 902, Böttcher 902, Gray 903, Phelps903
  • Batterietelephone und Mikrophone904
  • Telephon von Ediſon 904, Mikrophon von: Berliner 906, Heller 908, Blake 909, Heller 908, Blake 909, Locht-Labye 909, Wreden 910, Croßley, Ader, Gower 910, Boudet912
  • Telephone und Mikrophone beſonderer Conſtruction913
  • Eiſendraht-Telephon 913, Queckſilber-Telephon 914, chemiſches Telephon 915, Dolbear’s Telephon 916, Torſions-Mikrophon 917, Thermophon918
  • Die Telephon-Anlagen (A. Doppelſtationen) 918
  • Ruf-Apparat (Wecker) 921, deutſche Telephonſtation 923, Telephonſtation Böttcher 927, Telephonſtation Ader 928, Telephonſtation Locht-Labye928
  • B. Centralſtationen929
  • Schweizer-Umſchalter 929, Klinkenumſchalter 932, Telephonleitungen 938, Fern - ſprechen auf langen Linien947
  • C. Telephoniſche Muſikübertragung956
  • D. Specielle Anwendungen des Telephones und Mikrophones960
  • Radiophon, Telephot und Phonograph971
  • Photophon 971, Radiophon 976, Telephot 978, Phonograph980
  • 5. Die elektriſche Telegraphie981
  • Geſchichte der Telegraphie981
  • Die moderne Telegraphie1002
  • Der Morſe-Apparat1002
  • Stift - oder Reliefſchreiber 1002, Farbſchreiber 1005, Arbeits - und Ruheſtrom 1006, Normalfarbſchreiber 1008, polariſirter Farbſchreiber 1009, Taſter oder Morſeſchlüſſel 1011, Relais 1012, Blitzſchutz-Vorrichtungen1014
  • Der Hughes-Apparat1017
  • Die Wecker und Uebertragungs-Vorrichtungen1020
  • Die automatiſchen Telegraphen-Apparate1024
  • Die Duplex - und Multiplex-Telegraphie1026
  • Telegraphen-Apparate für beſondere Zwecke1041
  • Kabeltelegraphie 1041, Haus - und Hotel-Telegraphie 1048, automatiſche Melde-Apparate 1053, automatiſche Feuermelder 1054, die Zeittelegraphie 1059, Eiſenbahn-Signalweſen1067
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Erſte Abtheilung.

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Magnetismus und Elektricität.

Einleitung.

Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes gewann die Dampfmaſchine durch die Erfindungen von Humphry Potter, James Watt und Anderen eine Vollendung, welche der Anwendung der Dampfkraft eine ungeahnte Verbreitung und Bedeutung verlieh. Im Jahre 1807 benützte ſie bereits Fulton zum Betriebe eines Schiffes, welches den Verkehr zwiſchen New-York und Albany vermittelte; im Jahre 1814 baute Robert Stephenſon ſeine erſte, für das Kohlenwerk Killingworth beſtimmte Locomotive und 1829 wurde die erſte Dampfeiſenbahn (von Liverpool nach Mancheſter) in Betrieb geſetzt. Das Zeitalter des Dampfes war angebrochen. Nun iſt kaum mehr als ein halbes Jahrhundert verfloſſen und ſchon gewinnt es den Anſchein, als ob ein neues Zeitalter, eine neue Epoche in der Culturgeſchichte der Menſchheit beginnen ſollte. Die beiden geheimnißvollen Naturkräfte, Elektricität und Magnetismus, deren Weſen zu enträthſeln bisher noch nicht gelungen iſt, erringen ſich mit jedem Tage eine größere Bedeutung. Nicht ſtreng wiſſenſchaftliche Forſchungen, Laboratoriums - Experimente oder gelehrte Hypotheſen und Theorien ſind es, die gegenwärtig das allgemeine Intereſſe in ſo hohem Maße beanſpruchen, ſondern praktiſch verwerthbare Erfindungen; weder dem Fachmanne noch dem Laien können ſie unbemerkt bleiben, da ſie auf Schritt und Tritt, wohin wir auch unſere Blicke wenden mögen, uns entgegentreten.

Fragen wir nach der Urſache, welcher die Elektricität ihre Macht, ihre Be - deutung verdankt, ſo wird uns dieſe Frage dadurch beantwortet, daß wohl keine andere Naturkraft ſich ſo leicht in jede gewünſchte Form der Kraft verwandeln läßt, als eben die Elektricität. Sie verläßt ihre Geburtsſtätte und eilt am tiefen Meeresgrunde von Continent zu Continent, erzählt dort, was die Menſchen drüben und herüben treiben; ſie fliegt durch die Lüfte und flüſtert uns die Worte ins Ohr, wie der weit entfernte liebe Freund ſie geſprochen hat auch nicht eine Silbe iſt auf dem weiten Wege aus dem dünnen Eiſenfaden verloren gegangen. 1*4Die Elektricität iſt auch muſikaliſch geworden; und wie richtig, wie ſicher nimmt ſie die leiſeſten wie die kräftigſten Töne auf, die Triller der ſterbenden Primadonna, wie den Triumphgeſang der ſiegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß ſie in den engen Draht und durcheilt in dieſem mit Blitzesſchnelle viele, viele Meilen; am Beſtimmungsorte angelangt, jubelt ſie wieder laut auf im Triumphgeſange des Helden, haucht ſie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes - ſchatten, zwiſchen hohen Felſenklippen ſtürzt brauſend und tobend ein Waſſerfall ins Thal hinab. Weitab von menſchlicher Behauſung, beſuchte ihn früher nur ſelten ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche mit Hilfe unſerer Maſchinen ſeine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln. In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt dieſe ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch Thäler, weder Flüſſe noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnſtätten der Menſchen angelangt, verwandelt ſie ſich wieder in Wärme und Licht, in mechaniſche Kraft oder leiſtet chemiſche Arbeit. Der weit entfernte Waſſerfall muß unſere Straßen und Plätze, unſere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit hellem Tageslichte verſehen, muß unſere Maſchinen treiben, die Arbeit des Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin’s Wunderlampe mehr geleiſtet? Iſt wirklich die moderne techniſche Wiſſenſchaft proſaiſch oder fehlt nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität verrichtet, in begeiſterten Geſängen zu verherrlichen?

I. Geſchichte des Magnetismus und der Elektricität.

Wie unſcheinbar waren die erſten Erſcheinungen, in welchen das Zwillings - paar, Magnetismus und Elektricität, zuerſt beobachtet wurde! Und in der That legte man dieſen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenſchaft des geriebenen Bernſteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge griechiſcher Frauen. Ueber den Magnetſtein herrſchten die kindlichſten Anſchauungen. Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetſtein. Plinius ſchreibt deſſen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derſelbe ſollte einmal beim Hüten ſeiner[Herde] auf eine Stelle gekommen ſein, an welcher die Nägel ſeiner Schuhe und die Eiſenſpitze ſeines Stabes nur mit Mühe vom Boden losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetſtein. Nach Anderen ſoll der Stein den Namen Lithos herakleia geführt haben, was ſo viel als Herkulesſtein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt Heraklea ſcheint ſpäter den Namen Magneſia bekommen zu haben und dann wäre das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez (geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetſtein auch Eiſen abſtoßen könne und durch andere Körper durchwirke, ſo waren doch die Vor - ſtellungen der Alten über den Magnetismus äußerſt unklare. Sie wußten nichts über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt ſogar an, daß der Diamant im Stande ſei, dem Magnete ſeine ganze Kraft zu rauben.

Faſt ebenſo unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt iſt auch jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth ſchreibt ſie den Chineſen zu. Er fand in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tſchin aus dem Jahre 121 n. Chr. für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chineſiſchen Wörterbuche aus dem5 elften Jahrhunderte wird angegeben, daß ſich die Schiffer bereits unter der Dynaſtie der Tſin (265 419) der Magnetnadel bedienten. Sie ließen dieſelbe nach Süden zeigen und kannten auch bereits ihre Abweichung (Declination) von der genauen Richtung. Die erſte Anwendung der Magnetnadel erfolgte jedoch nicht in der Schiff - fahrt, ſondern bei Landreiſen mittelſt des magnetiſchen Karrens oder Tſchi-nan-tſchin. Poggendorff beſchreibt dieſen in ſeiner Geſchichte der Phyſik in folgender Weiſe: Dieſe Karren waren zweiräderige Fuhrwerke, auf welchen ſich vor dem Sitze eine kleine Figur mit ausgeſtrecktem Arme auf einem Stift beweglich befand. In dem ausgeſtreckten Arme war ein kleiner Magnetſtab, durch welchen dieſer Arm immer nach Süden gerichtet wurde. Solcher Karren bedienten ſich die chineſiſchen Kaiſer, wenn ſie große Reiſen oder Kriegszüge durch unbebaute oder wüſte Gegenden ihres weitläufigen Reiches unternahmen. Zuweilen hatten dieſe Karren oder Wagen zwei Stockwerke und neben der magnetiſchen Figur, welche die Richtung des Weges angab, befanden ſich noch zwei andere, welche die Länge desſelben anzeigten, vermuthlich durch einen Mechanismus wie er in den Wegmeſſern angewandt wird. Nach der mythologiſchen Geſchichte der Chineſen ſoll der Kaiſer Huang-ti der Erfinder dieſer Wagen geweſen ſein, wornach die Erfindung in das Jahr 2364 v. Chr. zu ſetzen wäre. Jedenfalls iſt aber die Anwendung der Magnetnadel zu Landreiſen älteren Datums als jene zu Seefahrten. Die älteſten verläßlichen Nachrichten hierüber finden ſich in der etwa im Jahre 1111 oder 1117 verfaßten Naturgeſchichte des Ke-u - tſung-ſchy. In dieſer wird mitgetheilt, daß man die Magnetnadel mittelſt Wachs an einem Faden aufhängen oder auch auf einem Schilfhalm in einem Gefäße mit Waſſer ſchwimmen laſſen könne; auch wird erwähnt, daß die Nadel etwas von der Südrichtung abweicht.

Auch die Zeit, zu welcher die Buſſole in Europa eingeführt wurde, iſt nicht mit Sicherheit anzugeben. Es wird häufig angenommen, daß der aus Paſitano bei Almafi gebürtige Seefahrer Flavio Gioja etwa um das Jahr 1302 den Compaß erfunden habe; es iſt wohl möglich, daß dieſem Manne die Einführung des Compaß in der Schifffahrt am mittelländiſchen Meere zu verdanken iſt, aber bekannt war derſelbe jedenfalls ſchon bedeutend früher. So findet man in dem von Guyot de Provins beiläufig im Jahre 1190 verfaßten Gedichte La Bible die Angabe, daß die Schiffer bei trübem Himmel die Magnetnadel zu Rathe ziehen. Auch Jacques de Vitry gedenkt in ſeiner Historia naturalis (1215 bis 1220) der Magnetnadel als einer nicht mehr neuen Sache. Der erſte Europäer, welcher die Declination der Magnetnadel genauer beobachtete und auch derſelben ausdrücklich Erwähnung that, war wahrſcheinlich Chriſtoph Columbus. Dieſe Thatſache wurde lange Zeit gar nicht anerkannt, indem man die Abweichung der Nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung einer ungenauen oder fehlerhaften Conſtruction der Nadel zuſchrieb. Die Variationen in der Nadelrichtung an einem und demſelben Orte wurden zuerſt von Henry Gellibrand im Jahre 1634 beobachtet.

Im Jahre 1544 folgte die Entdeckung der Inclination, d. h. der Neigung, der um eine horizontale Axe drehbaren Nadel gegen den Horizont durch Hart - mann; dieſer erwähnt derſelben in einem an den Herzog Albrecht von Preußen gerichteten Schreiben. Robert Normann (1576) unterſuchte dieſe Erſcheinung genauer und fand auch, daß der Magnetismus das Gewicht der Eiſenſtücke nicht verändere. Die Urſache, welcher die Magnetnadel ihre Eigenſchaft, ſtets nach einer beſtimmten Richtung zu zeigen, verdankt, war bisher unbekannt geblieben. Erſt6 William Gilbert, deſſen wir in der Geſchichte der Elektricität noch ausführlicher gedenken müſſen, gab die Erklärung hiefür, indem er die Erde ſelbſt als einen großen Magnet betrachtete. Ihm iſt daher auch die Entdeckung des Erdmagnetismus zuzuſchreiben. Aus ſeiner Annahme erklärte ſich auch leicht und ungezwungen die Zunahme der Inclination in der Richtung vom Aequator gegen die Pole zu. Die Beſtätigung der Theorie Gilbert’s durch das Experiment brachte Hudſon, der Entdecker der Hudſonsbai, auf einer im Jahre 1608 unternommenen Reiſe in die nördlichen Breiten bei. Gilbert und Hartmann wußten auch bereits, daß Süd - und Südpol, Nord - und Nordpol ſich abſtoßen, daß alſo der Nordpol der Magnet - nadel nach dem magnetiſchen Südpole der Erde zeige. Gilbert beobachtete auch ſchon das Magnetiſchwerden vertical ſtehender Eiſenſtangen und bemerkte hierbei, daß ſie an ihrem unteren Ende einen Nordpol zeigen und daß dieſe Erſcheinung noch kräftiger hervortritt, wenn der Eiſenſtab die Richtung der Inclinationsnadel ein - nimmt. Er wußte auch, daß ein in der Richtung der Magnetnadel liegender Eiſenſtab durch Hämmern magnetiſch werden könne, und daß durch Glühen der Magnetismus zerſtört werde, beim Abkühlen jedoch wieder zum Vorſchein kommt, ſobald hierbei das Eiſenſtück in die Richtung der Magnetnadel gelegt wird. Auch die magnetiſche Fernwirkung durch die Luft und andere Körper war ihm nicht unbekannt geblieben. Eine weitere Vermehrung unſerer Kenntniſſe über den Magnetismus haben wir Halley, Johann Karl Wilke, Graham und Canton zu verdanken. Die Arbeiten und Forſchungen dieſer Männer fallen in das achtzehnte Jahrhundert. Zu Ende dieſes Jahrhundertes beobachtete Coulomb das Verhalten eines Magnetes bei ſeiner Theilung. Er fand, daß ein Magnet, in zwei, drei und mehr Theile getheilt, Bruchſtücke giebt, von welchen jedes wieder einen Nord - und einen Südpol zeigt; dieſes Verhalten führte ihn zur Aufſtellung einer Theorie über die Conſti - tution der Magnete, mit welcher wir uns ſpäter noch zu beſchäftigen haben werden. Die berühmten Unterſuchungen von Gauß und ebenſo die Verſuche von Jamin gehören bereits dem gegenwärtigen Jahrhunderte an.

Die erſten Beobachtungen elektriſcher Erſcheinungen ſind ebenſo unſicher nach - zuweiſen, wie die der magnetiſchen; doch reichen auch jene weit ins Alterthum zurück. Es wird ſo ziemlich allgemein angenommen, daß Thales, einer der ſieben Weiſen Griechenlands, der Erſte ſei, welcher die Anziehungskraft des geriebenen Bern - ſteines beobachtete. Thales wurde 640 v. Chr. zu Milet geboren und ſtarb 548 während er den olympiſchen Spielen anwohnte. Der Bernſtein führte den Namen Elektron, zu Deutſch Zugſtein , und von dieſem Worte iſt auch unſer gegen - wärtiger Ausdruck Elektricität abgeleitet. Das deutſche Wort Bernſtein deutet nicht auf die elektriſchen Eigenſchaften dieſes Harzes, ſondern auf ſeine Fähigkeit zu brennen; ſeine Ableitung ergiebt ſich aus dem niederdeutſchen Worte bernen = brennen.

Die Angaben von Theophraſtus und Plinius über Steine, welche durch Reiben die Eigenſchaft erhalten ſollen, leichte Körperchen anzuziehen, haben wenig Bedeutung, da ſie zu unklar ſind. Theophraſtus von Ereſus auf Lesbos, der berühmteſte Mineraloge des Alterthumes, erwähnt nämlich eines Steines mit den erwähnten Eigenſchaften, welchen er Lynkurion nannte; welches Mineral er damit meinte, konnte jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden. Plinius erzählt, daß7 der Carbunculus ſowohl durch Reiben als auch durch Erwärmen von der Sonne die Fähigkeit erhalte, leichte Körperchen anzuziehen; darnach könnte man vermuthen, daß unter dem Carbunculus des Plinius unſer Turmalin zu verſtehen ſei. Dem widerſpricht jedoch die Thatſache, daß der Turmalin den Alten nicht bekannt war, daß dieſen vielmehr die Holländer erſt um das Jahr 1703 aus Indien mitbrachten.

Nicht unbekannt konnten jedoch die Erſcheinungen der atmoſphäriſchen Elek - tricität den Alten geblieben ſein, da Gewitter in dieſen ſüdlichen Gegenden eben nicht gar ſo ſelten waren. Außerdem kannten ſie aber auch das Elmsfeuer, aller - dings ohne deſſen elektriſchen Urſprung zu ahnen. Poggendorff führt diesbezüglich mehrere intereſſante Stellen an; ſo z. B. aus Cäſar’s afrikaniſchem Kriege: Plötzlich entſtand ein ungeheurer Sturm mit Steinregen (Hagel?) und in derſelben Nacht glühten von ſelbſt die Spitzen an den Speeren der fünften Legion. Ferner: In Sicilien wurden den Soldaten die Speere leuchtend, und das Geſtade glänzte von zahlreichen Funken. Wie ſehr man über die Natur des Elmsfeuers im Un - klaren war, zeigt Plinius, welcher dieſes zu den Sternen zählte. Er ſagt: Es giebt Sterne auf dem Meere und auf dem Lande. Ich ſelbſt ſah den Speeren der Sol - daten, die Nachts Wache hielten, ein ſternähnliches Licht ſich anhängen. Auch auf die Segelſtangen und andere Theile des Schiffes ſetzten ſie ſich mit eigenthümlichem Geräuſche, wie Vögel hüpfend von einem Orte zum anderen. Wenn ſie einzeln kommen, ſind ſie verderblich, die Schiffe in den Grund bohrend und wenn ſie in den Boden geſunken ſind, die Kiele entzündend. Als Doppelſterne aber ſind ſie heilſam, Vorboten einer glücklichen Fahrt und durch ihre Ankunft wird jene ſchreckliche Helena verſcheucht. Des - halb ſchreibt man dem Pollux und Kaſtor dieſe Erſcheinung zu und ruft ſie an als Götter auf dem Meere. Auch die Häupter der Menſchen umleuchten ſie in den Abendſtunden zu großer Vorbedeutung. Die Urſache aber von Allem iſt unbekannt, verborgen in der Majeſtät der Natur.

Wie es kam, daß die Schiffer in Kaſtor und Pollux ihre Schutzgötter ver - ehrten, hiefür erzählt Poggendorff folgende Sage: Kaſtor und Pollux machten den Argonautenzug mit und wurden einſt auf dieſer Fahrt von einem ſchrecklichen Sturme überfallen. Als alle laut zu den Göttern flehten, erſchienen plötzlich auf den Häuptern von Kaſtor und Pollux zwei ſternähnliche Flämmchen und darauf legte ſich das Ungewitter. Seitdem wurden Kaſtor und Pollux die Schutzgötter der Schiffer und empfingen den Namen der Dioskuren. Was unter der ſchrecklichen Helena zu verſtehen ſei, iſt nicht bekannt.

Man wollte den Alten auch die Kenntniß von Blitzſchutzvorrichtungen zuſchreiben, aber ſehr mit Unrecht, wie man leicht erſehen kann aus dem damals verbreiteten Glauben: Zeus ſchone den Lorbeerbaum, Lorbeerzweige ſeien deshalb ein Schutz gegen Gewitter. Wohl aber ſcheint der Orient nicht aller derartigen Kenntniß ent - rathen zu haben. So erzählt Kteſias, der Leibarzt des perſiſchen Königs Artaxerxes Mnemon (circa 400 v. Chr.), daß die Inder Eiſenſtangen in den Boden ſtecken, um Wolken, Hagel und Blitzſtrahlen abzulenken. Zu demſelben Zwecke bedienten ſich die Chineſen langer, oben zugeſpitzter Bambusröhren. Es wurde auch behauptet, daß die vielen hohen Spitzen auf dem Salomoniſchen Tempel Blitzſchutzvorrich - tungen geweſen ſeien, und daß die Ketten auf den Thürmen ruſſiſcher Kirchen urſprünglich dieſem Zwecke dienten, doch beruhen dieſe Annahmen auf ſehr zweifel - haften Nachrichten.

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Alles zuſammengenommen, wußten die Alten über Elektricität eigentlich nichts; ſelbſt die wenigen Erſcheinungen, die ihnen bekannt waren, die elektriſche Eigenſchaft des Bernſteines, der Blitz und das Elmsfeuer, wußten ſie in keinen Zuſammenhang zu bringen. Und ſo blieb es nahezu 2000 Jahre! In dieſem ganzen langen Zeitraume iſt gar kein Fortſchritt in der Erkenntniß der Elektricität zu verzeichnen. William Gilbert war es vorbehalten, durch Auffindung neuer Thatſachen, Anſtellung vieler Verſuche zum eigentlichen Gründer der Elektricitäts - lehre zu werden. Zu Colcheſter im Jahre 1540 geboren, machte er ſeine Studien in Oxford und Cambridge, unternahm Reiſen ins Ausland und ließ ſich endlich als Arzt in London nieder, wo er im Jahre 1603 ſtarb. Sein für die damalige Zeit bedeutendes Wiſſen gewann ihm raſch die Gunſt der Königin Eliſabeth, welche ihn reichlich mit Mitteln zur Ausführung ſeiner wiſſenſchaftlichen Unter - nehmungen unterſtützte und auch zu ihrem Leibarzte erkor. Da um dieſelbe Zeit auch Lord Baco am Hofe der Königin verkehrte, iſt es wohl möglich, daß des Letzteren Schreib - und Denkweiſe auf Gilbert beſtimmend einwirkten. Jedenfalls ſchlug er nicht den Weg gewagter philoſophiſcher Hypotheſen ein, um Naturerſcheinungen zu erklären, ſondern ſtellte, wie es Baco forderte, durch das Experiment directe Fragen an die Natur. Auf dieſe Art gelang es ihm auch, unſer Wiſſen weſentlich zu erweitern. Wußte man bisher nur vom Bernſteine, daß dieſer durch Reiben elektriſch werde, ſo fand Gilbert dieſe Eigenſchaft auch an verſchiedenen Edelſteinen, Glas, Schwefel, Kolophon u. ſ. w.; er zeigte auch, daß Metalle durch Reiben nicht elektriſch werden, daß aber elektriſche Körper dieſelben anziehen, wenn die Metalle leicht beweglich, etwa nach Art der Magnetnadel aufgehängt werden. Dies iſt allerdings nicht ſtrenge richtig, doch wenn man bedenkt, daß damals der Unter - ſchied und die Wirkungsweiſe zwiſchen Leiter und Iſolator noch gänzlich unbekannt waren, iſt dieſer Irrthum leicht zu begreifen. Man kannte auch noch nicht den Unterſchied zwiſchen Glas - und Harz - oder poſitiver und negativer Elektricität, ebenſowenig wie die elektriſche Abſtoßung. Gilbert beobachtete jedoch bereits den Einfluß der Feuchtigkeit auf elektriſche Erſcheinungen, wußte, daß glühende Körper und Flammen nicht elektriſch werden und unterſchied Magnetismus und Elektricität ganz wohl voneinander. Er giebt an, daß Elektricität nur durch Reiben entſtehe, daß feuchte Luft ſie vernichte, ein elektriſcher Körper ſehr viele Körper anziehe, ein Magnet dagegen nur Eiſen und Stahl. Allerdings ſagt er auch, daß bei der magnetiſchen Anziehung ſich beide Körper bewegen, bei der elektriſchen aber nur einer. Er war auch der Erſte, welcher das Wort elektriſch gebrauchte. Ihm iſt es zu verdanken, daß die Aufmerkſamkeit der Gelehrten den elektriſchen Erſcheinungen zugewandt wurde. So fügte der Jeſuit Nicolo Cabeo den elektriſchen Körpern noch Wachs und einige andere zu, fanden die Florentiner Phyſiker, daß durch Annäherung einer Flamme an einen elektriſchen Körper dieſer ſeine elektriſche Kraft verliert. Auch Fracaſtro, Descartes und andere Phyſiker des ſiebzehnten Jahr - hunderts beſchäftigten ſich mit Elektricität, verließen hierbei jedoch den von Gilbert ſo glücklich eingeſchlagenen experimentellen Weg und begnügten ſich damit, gelehrte Hypotheſen aufzuſtellen.

Erſt Otto von Guericke trat wieder in die Fußſtapfen Gilbert’s und erweiterte die Kenntniſſe elektriſcher Erſcheinungen weſentlich. Guericke wurde im Jahre 1602 zu Magdeburg geboren, ſtudirte zunächſt in Leipzig und Jena die Rechte, wandte ſich aber dann in Leyden dem Studium der Mathematik, Geometrie und Mechanik zu. Er machte Reiſen nach Frankreich und England, war einige9 Zeit als Ingenieur in Erfurt thätig, kam darauf nach Magdeburg, wo er Bürgermeiſter wurde und auch ſeine berühmt gewordenen Verſuche anſtellte. Im Jahre 1681 legte er ſeine Aemter und Würden nieder und zog nach Hamburg, wo er 1686 ſtarb.

Abgeſehen von Entdeckungen in anderen Gebieten der Phyſik iſt Guericke dadurch bekannt geworden, daß es ihm gelang, eine Art Elektriſirmaſchine herzu - ſtellen. Bisher hatte man Elektricität nur in der Weiſe erhalten, daß man kleinere oder größere Stücke verſchiedener Körper mit der einen Hand hielt und mit der anderen rieb. Natürlich konnte man in dieſer Weiſe nur ſehr ſchwache Wirkungen erzielen. Guericke füllte einen Glasballon mit geſchmolzenem Schwefel, ließ dieſen erſtarren und zerſchlug dann das Glasgefäß; nach Entfernen der Glas - ſcherben erhielt er hier - durch eine Schwefelkugel, die er an zwei gegen - überliegenden Punkten durchbohrte. In die Bohr - löcher wurden alsdann hölzerne Axen geſteckt und die Kugel mittelſt dieſer in einem hölzernen Ge - ſtelle, a b c, Figur 2, ge - lagert. Hierzu kam noch eine Kurbel an einer Seite der Axe, womit das erſte, allerdings noch ſehr ein - fache Modell einer Elek - triſirmaſchine geſchaffen war. Das Reibzeug während der Rotation der Schwefelkugel blieb nach wie vor noch die Menſchenhand. So ein - fach dieſe Vorrichtung auch war, geſtattet ſie doch bedeutend größere

Fig. 1.

Otto von Guericke.

Mengen von Elektricität zu erzeugen, als man je zuvor erhalten hatte. Dies ermöglichte auch die Entdeckung neuer Erſcheinungen. So beobachtete Guericke als Erſter das Leuchten der geriebenen Schwefelkugel im verfinſterten Locale und das gleichzeitig auf - tretende, eigenthümlich kniſternde Geräuſch. Den elektriſchen Funken hat er aber noch nicht geſehen; dafür fand er die elektriſche Abſtoßung. Leichte Körperchen wurden von der geriebenen Schwefelkugel angezogen, flogen aber bald wieder weg. Die Urſache dieſer Erſcheinung, nämlich Mittheilung gleichnamiger Elektricität von Seite der Kugel an die Körperchen und dadurch bewirkte Abſtoßung, wurde aber erſt ſpäter gefunden.

Zu Guericke’s Zeit wurde auch zum erſtenmale das elektriſche Leuchten ſtark verdünnter Gaſe, beziehungsweiſe Dämpfe beobachtet. Picard erhielt nämlich dieſe10 Erſcheinung im Vacuum eines ungenügend ausgekochten Barometers, bei deſſen Schütteln durch Reibung des Queckſilbers an der Innenfläche der Glasröhre Elektricität erregt wurde, welche dann die zurückgebliebenen Reſte der Luft und Queckſilberdämpfe zum Leuchten brachte. Picard wußte jedoch nicht, daß die Urſache des Leuchtens in der Elektricitätserregung zu ſuchen ſei.

Eine weitere Bereicherung wurde der Elektricität durch Robert Boyle und Dr. Wall zu Theil. Erſterer fand, daß die elektriſche Anziehung auch in dem durch eine Luftpumpe erzeugten Vacuum ſtattfinde, und Letzterem gelang es, den elektriſchen Funken hervorzurufen. Als er ein großes Stück Bernſtein mit Woll - zeug rieb, ſah er erſteren nicht nur leuchten, ſondern bekam auch bei Annäherung des Fingers an den Bernſtein einen Funken, der mit Kniſtern auf den Finger überſprang. Auch entging ihm nicht das Blaſen der elektriſchen Entladung und das eigenthümliche Gefühl, welches der überſpringende Funke in der Hand verurſachte.

Fig. 2.

Guericke’s Schwefelkugel.

Beachtenswerth iſt Wall’s Aeußerung, daß der Funke und das Geräuſch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit Blitz und Donner habe. Er veröffentlichte ſeine Experimente im Jahre 1698. Ein ungefähr 20 Jahre vorher von Newton angeſtellter Verſuch, beſtehend in der elektri - ſchen Ladung einer Glasplatte, fand damals keine Beachtung.

Es wurde bereits erwähnt, daß Picard das elektriſche Leuchten in der Barometerleere beobachtet hat, ohne jedoch den Grund dieſer Erſcheinung angeben zu können. Wie weit man in der Erklärung derſelben fehlte, zeigt ſchon der Name, welchen man dieſer Er - ſcheinung beilegte, ſie hieß damals mercuria - liſcher Phosphor . Dufay ſprach ſogar die Anſicht aus, das Leuchten habe darin ſeinen Grund, daß das Queckſilber beim Auskochen Feuertheilchen in ſich aufnehme, welche nach - her wieder langſam in die Barometerleere entweichen. Die richtige Erklärung der in Rede ſtehenden Erſcheinung brachte endlich Hawksbee bei, der zu Beginn des achtzehnten Jahrhundertes lebte. Er erreichte dies, indem er verſchiedene Glas - gefäße, welche Queckſilber enthielten, mit der Luftpumpe auspumpte und dann in Bewegung ſetzte. Durch das auf dieſe Art hervorgerufene lebhafte Leuchten kam er eben zu der Anſicht, das beobachtete Phänomen ſei elektriſcher Natur. Dies ver - anlaßte ihn auch, eine Elektriſirmaſchine nach Art jener von Guericke zu bauen, nur mit dem Unterſchiede, daß er an Stelle der Schwefelkugel eine ſolche aus Glas ſetzte. Hierbei konnte ihm die Thatſache nicht entgehen, daß das Glas zur Elektri - citätserregung vorzüglich geeignet ſei. War die Glaskugel ausgepumpt, ſo leuchtete ſie lebhaft und gab auch Funken bis zu einem Zoll Länge. Hawksbee unterſuchte ferner Kugeln aus anderen Stoffen, wie z. B. aus Siegellack, einem Gemiſche von Harz und Ziegelmehl u. ſ. w., und fand bei dieſen Verſuchen allerdings eine nach den angewandten Stoffen wechſelnde Stärke der erzeugten Elektricität, der Artunterſchied zwiſchen poſitiv und negativ blieb ihm aber verborgen, was bei11 einem ſonſt ſo aufmerkſamen Beobachter auffallen muß. Hawksbee muß aber doch zu jenen Männern gerechnet werden, die ſeit Gilbert’s Tod alſo in einem Zeitraume von mehr als hundert Jahren die Lehre von der Elektricität noch verhältnißmäßig am meiſten gefördert haben. Die Fortſchritte, die man ſeit Gilbert machte, waren im Ganzen und Großen ziemlich unbedeutende. Man fand noch einige neue Körper, die durch Reiben elektriſch werden können, fügte zu der elektriſchen Anziehung auch die Abſtoßung und beobachtete den elektriſchen Funken, ſowie deſſen mechaniſche Wirkung auf die Hand und deſſen Geräuſch beim Ueberſpringen. Ferner hatte man das elektriſche Leuchten verdünnter Gaſe geſehen und den erſten, allerdings ſehr primitiven Verſuch zum Baue einer Elektriſirmaſchine gemacht. Obwohl man mit beiderlei Elektricitätsarten experimentirte, war doch deren Unterſchied nicht bekannt, ebenſowenig wie die Elektricitätsleitung, die in der Erſcheinung der elektriſchen Abſtoßung doch auch ſchon beobachtet, aber nicht als ſolche erkannt wurde.

Dieſe beiden im Keime bereits vorhandenen, hochwichtigen Entdeckungen zur Reife gebracht zu haben, iſt das Verdienſt von Gray und Dufay.

Ueber die Lebensverhältniſſe von Stephan Gray iſt wenig bekannt, man weiß nicht einmal ſein Geburtsjahr anzugeben. Sein Tod erfolgte im Jahre 1736 zu London, wiſſenſchaftliche Publicationen von ihm fand man jedoch ſchon aus dem Jahre 1696. Seine Verſuche, die elektriſchen Erſcheinungen betreffend, fallen in den Zeitraum um das Jahr 1729. Seine wichtigſte Entdeckung iſt die der Elektricitäts - mittheilung, welche ihn auf den Unterſchied zwiſchen Elektricitätsleiter und Nicht - leiter brachte.

Gray unterſuchte einſt eine elektriſche Glasröhre auf die Stärke ihrer An - ziehungskraft, einmal mit offenen Enden und einmal auf beiden Seiten mit Kork - ſtöpſeln verſchloſſen. Die Anziehungskraft der Röhre blieb zwar in beiden Fällen dieſelbe, aber er bemerkte, daß nun auch die vorher nicht geriebenen Korkſtöpſel im Stande ſeien, leichte Körperchen anzuziehen und abzuſtoßen, geradeſo wie die geriebene Glasröhre. Nach dieſer Beobachtung konnte Gray nicht zweifeln, daß das Glas ſeine elektriſche Anziehungskraft dem Korke mitgetheilt haben müſſe. Als aufmerkſamer Forſcher verfolgte er dieſe Erſcheinung und ſuchte den Verſuch in verſchiedener Weiſe zu variiren. In den Korkſtöpſel wurden mit Elfenbeinkugeln verſehene Holzſtäbchen geſteckt, die Holzſtäbchen dann durch Metalldrähte erſetzt und immer wieder erhielt die Kugel die Eigenſchaft leichte Körperchen anzuziehen, ſobald die Glasröhre gerieben wurde. Schon bei dieſen Verſuchen zeigte ſich, daß der Draht nicht ſo lebhaft Körperchen anzog wie die Holzſtäbchen eine Erſcheinung, die bereits auf die verſchiedene Leitungsfähigkeit der Körper für Elektricität hin - deutete. Dies zeigten jedoch die weiteren Verſuche von Gray noch viel deutlicher und führten endlich zur Unterſcheidung von Leiter und Nichtleiter. Der Gang der Verſuche nahm hierbei folgenden Verlauf: Gray nahm nun längere Drähte, aber bald wurde er durch das Schwingen derſelben während des Reibens der Röhre beläſtigt, was ihn veranlaßte, die Drähte durch Bindfaden zu erſetzen. An einem derartigen Bindfaden befeſtigt, ließ er die Kugel über den Balcon ſeines Hauſes hinabhängen, rieb dann die Glasröhre, an welcher das andere Ende des Bindfadens befeſtigt war, und fand zu ſeiner Freude, daß die Elektricität der Glasröhre ſelbſt durch den nun bereits über 20 Fuß langen Faden immer noch bis zur Kugel fortgeleitet wurde. Er wollte nun die Länge des Fadens noch mehr vergrößern und führte denſelben daher zunächſt horizontal weiter und ließ erſt die andere Hälfte12 hinabhängen; hierbei hatte er den Bindfaden an einer Schlinge desſelben Materiales aufgehängt. Als er nun abermals verſuchte, die Kugel am Ende des langen Fadens durch Reiben der Glasröhre zu elektriſiren, mißlang das Experiment. Er erkannte ganz richtig als Urſache des Mißlingens die Ableitung der Elektricität durch die zur Aufhängung dienende Schlinge, gelangte aber zu keiner weiteren Verfolgung der Verſuche.

Im Jahre 1729 ſprach er jedoch darüber mit Granville Wheler, welcher ſich dahin äußerte, es möge wohl zweckmäßiger ſein, ſich der Seidenfäden zur Auf - hängung zu bedienen, da dieſe wegen ihrer bedeutend größeren Feſtigkeit viel dünner ſein könnten als die Hanffäden und daher wegen ihres geringen Querſchnittes vielleicht weniger Elektricität ableiten würden. Gray führte dieſe Abänderung des Verſuches aus und auf dieſe Art gelang abermals die Elektriſirung der Kugel. Ja er konnte den auf Seidenfäden aufgehängten Hanffaden bis gegen 800 Fuß ver - längern und noch immer zog die Kugel leichte Körperchen an. Nun riſſen ihm bei einem dieſer Verſuche die Seidenfäden, was ihn veranlaßte, dieſe durch ebenſo ſtarke Meſſing - drähte zu erſetzen. Bei dieſer Anordnung konnte die Elektriſirung der Kugel abermals nicht erreicht werden. Gray ſetzte ſeine Experimente fort und lernte im Verlaufe derſelben noch verſchiedene andere Stoffe kennen, welche die Elektricität nicht leiten. Er elektriſirte einen Knaben, welcher in horizontaler Lage an Haarſchnüren auf - gehängt war oder auf einem Harzkuchen ſtand, indem er deſſen Körper mit der geriebenen Glasſtange berührte, und erregte namentlich durch dieſes Experiment Auf - ſehen unter ſeinen Zeitgenoſſen. Er elektriſirte Waſſer und fand auch, daß es nicht nöthig ſei, den zu elektriſirenden Körper mit der Glasröhre unmittelbar zu berühren, ſondern daß es ſchon genüge, die Glasſtange in der Nähe zu halten. Auch wußte er, daß die Elektriſirung eines Körpers nicht von deſſen Maſſe, ſondern nur von der Oberfläche abhängt.

Zur ſelben Zeit, wie Gray, beſchäftigte ſich auch Dufay oder wie ſein voller Name lautet: Charles François de Eiſternay du Fay, mit elektriſchen Experimenten. Als Sohn eines Gardelieutenants im Jahre 1698 zu Paris ge - boren, widmete er ſich zunächſt auch dem Kriegsdienſte und machte im ſpaniſchen Erbfolgekriege auch einige Schlachten mit. Er brachte es bis zum Hauptmanne, nahm aber dann ſeine Entlaſſung und warf ſich auf das Studium der Chemie und Phyſik. Im Jahre 1732 wurde er Intendant des botaniſchen Gartens, gab aber deſſenungeachtet neben dem Studium der Botanik ſeine phyſikaliſchen Experi - mente nicht auf. Im Jahre 1739 erlag er den Blattern. Seine elektriſchen Ver - ſuche fallen in die Jahre 1733 bis 1739. Er unterſuchte eine große Anzahl von Körpern auf ihre Eigenſchaft, durch Reibung elektriſch zu werden, und fand, daß alle Körper elektriſch werden können, mit Ausnahme der Metalle und Flüſſigkeiten. Auch gab er als Urſache dieſer Ausnahme an, daß die letzterwähnten Körper die Elektricität gut weiterleiten und eben deshalb nicht elektriſch werden oder den elektriſchen Zuſtand erhalten können. Auch legte er den Grund zur ſpäter erfolgten Erfindung des Elektrometers, indem er Fäden aus verſchiedenen Materialien über eine Eiſenſtange hängen ließ, welche an ſeidenen Schnüren in der Schwebe er - halten wurde. Näherte man nun die geriebene Glasſtange der Eiſenſtange, ſo mußten ſich die einzelnen Fäden abſtoßen, alſo auseinandergehen, und man konnte dabei bemerken, daß die Größe der Abſtoßung je nach der Natur der Fäden eine verſchiedene war. Dufay beobachtete auch, daß die Leitungsfähigkeit eines Fadens durch Naßmachen ſich ſteigern läßt; er konnte durch dieſes Verfahren Elektricität13 durch einen 1256 Fuß langen Faden fortleiten. Beſonderes Aufſehen machte es, als Dufay ſelbſt aus einem lebendigen Körper, dem eines Knaben, Funken zog, die mit kniſterndem Geräuſche überſprangen und jenes eigenthümliche Stechen auf der Haut verurſachten.

Die Reſultate ſeiner Forſchungen faßte er in einigen Sätzen zuſammen, welche die in damaliger Zeit bekannten Thatſachen in eine gewiſſe Ordnung und Ueberſicht - lichkeit brachten; ſie lauten folgendermaßen: Elektriſche Körper ziehen alle unelek - triſchen Körper an, theilen ihnen Elektricität mit und ſtoßen ſie dann ab; ferner, es giebt zwei Arten der Elektricität, nämlich Glaselektricität und Harzelektricität. Dieſe beiden ſind einander entgegengeſetzt.

Die Reſultate, welche Gray und Dufay durch ihre Arbeiten und Forſchungen errungen hatten, erweckten das Intereſſe für die elektriſchen Erſcheinungen nachhaltig und in weiteren Kreiſen. Von nun an treten keine ſo langen Zwiſchenpauſen in der Erweiterung und Ausbildung der Elektricitätslehre mehr ein, ſondern iſt viel - mehr ein ſtetiger Fortſchritt zu verzeichnen.

So hatte man ſich bisher z. B. zur Erregung von Elektricität ſtets der mit der Hand geriebenen Glasſtange bedient, und keiner der Forſcher kam auf den Gedanken, die in ihren Rudimenten von Guericke und Hawksbee angegebene Elektriſirmaſchine weiter auszubilden und zu vervollkommnen. Jetzt war indeſſen das Intereſſe im erhöhten Maße erregt, und dies hatte zur Folge, daß auch in dieſer Richtung Fortſchritte gemacht und Verbeſſerungen erzielt wurden. Litzen - dorf, ein Schüler des Mathematik-Profeſſors Chriſtian Auguſt Hauſen (1693 bis 1743), ſchlug nämlich vor, die Glasröhre durch eine Glaskugel zu erſetzen und dieſe durch ein Rad zum Drehen zu bringen. Der genannte Profeſſor nahm dieſe Idee auf und baute nach dieſem Principe eine Elektriſirmaſchine. Die Zweckmäßigkeit der Anwendung einer rotirenden Glaskugel, welche bereits Hawksbee eingeſehen hatte, wurde alſo zum zweitenmale feſtgeſtellt. Aber auch jetzt behielt man noch die menſchliche Hand als Reibzeug bei. Profeſſor Georg Mathias Boſe fügte nun zu dieſer Elektriſirmaſchine den erſten Conductor; dieſer beſtand aus einem beiderſeits offenen, cylindriſchen Rohre aus Eiſenblech, welches Boſe zuerſt von einer Perſon halten ließ, die er auf einen Harzkuchen ſtellte. Dieſen lebendigen Träger erſetzte er dann durch Seidenſchnüre.

Bei ſeinen Verſuchen mit dieſer Maſchine bemerkte er auch, daß die Perſon, welche die Kugel rieb, ebenſo elektriſch wurde wie ſein Conductor. Er benützte dies zu einer Spielerei, die allgemeines Aufſehen erregte. Die Perſon wurde nämlich auf einen großen Harzkuchen geſtellt und mit einer Art Rüſtung bekleidet. Sobald die Perſon Elektricität empfing, entwickelte ſich an allen Körpertheilen ein elektri - ſcher Schein, der ſchließlich das ganze Haupt umwallte und dieſes wie eine Gloriole umgab; man nannte dieſen Verſuch Beatification .

Außerdem brachte Boſe aber auch die Entzündung von Schießpulver zuwege und conſtatirte ferner, daß die Körper durch Elektriſirung nicht ſchwerer würden. Boſe ſtarb im Jahre 1761 auf der Feſtung Magdeburg, wohin er als Geiſel während des ſiebenjährigen Krieges von den Preußen gebracht worden war.

Aber auch von anderen Seiten ſchenkte man der jetzt in Mode gekommenen Elektriſirmaſchine Aufmerkſamkeit und dachte an deren Verbeſſerung. Andreas Gordon, Profeſſor zu Erfurt, welcher auch mancherlei kleine elektriſche Spielereien erfand, erſetzte die Glaskugel durch einen Glascylinder. Von bedeutend größerer Wichtigkeit war jedoch die Erfindung des Reibzeuges durch den Drechsler14 Gieſſing in Leipzig. Unter Anleitung von Johann Winkler, welcher 1770 als Profeſſor der claſſiſchen Sprachen und der Phyſik in Leipzig ſtarb, verfertigte Gieſſing ein Reibzeug, beſtehend aus einem wollenen Kiſſen, welches durch Metall - federn an den Glascylinder angedrückt wurde. Die Elektriſirmaſchine beſaß nun Reibzeug und Conductor, war alſo dem Principe nach vollendet; die mechaniſche Ausführung ließ allerdings noch viel zu wünſchen übrig.

Weitere Veränderungen, die in England und Deutſchland an der Elektriſir - maſchine gemacht wurden, ſowie auch die verſchiedenen Experimente, wie Ent - zünden von Flüſſigkeiten, Elektriſiren von Waſſer u. ſ. w., brachten keinen weiteren Fortſchritt mit ſich, können daher füglich übergangen werden. Wichtig ſind hin - gegen die Verbeſſerungen, welche Benjamin Wilſon (beiläufig 1746) und John Canton (1762) an der Elektriſirmaſchine anbrachten. Der Erſtere rüſtete nämlich den Conductor mit einem Collector, d. h. einem Kamme von Saugſpitzen aus und der Letztere führte die Belegung des Reibkiſſens mit Zinnamalgam ein. Durch dieſe beiden Verbeſſerungen wurde die Leiſtungsfähigkeit der Elektriſirmaſchine bedeutend erhöht.

Die Ehre, an Stelle des Glascylinders die Glasſcheibe, welche die gegen - wärtig faſt ausſchließlich in Anwendung kommende Form bildet, geſetzt zu haben, legt ſich eine ganze Reihe von Männern bei. Poggendorff hält es aber für er - wieſen, daß Planta aus Süß im Engadin der Erſte geweſen ſei, der ſich der Scheibenmaſchine bediente. Dieſe wurde nun bald in ſehr bedeutenden Dimenſionen ausgeführt, und die mit ihr erhaltenen Reſultate waren auch dem entſprechend. So wurde auf Veranlaſſung des Duc de Chaulnes eine Maſchine gebaut, deren Scheibe einen Durchmeſſer von 5 Fuß beſaß und Funken bis zu 22 Zoll Länge gab. Erwähnt man noch der Angabe eines zweckmäßigen Amalgames für die Reibkiſſen durch Kienmayer in Wien und der Anbringung des nach dem Wiener Elektriker Winter benannten Ringes am Conductor, ſo iſt die Entwicklungs - geſchichte der Reibungs-Elektriſirmaſchine vollendet.

Wenden wir uns nun einer anderen Gruppe von Entdeckungen und Er - findungen zu, welche gleich bei ihrem Bekanntwerden großes Aufſehen erregten; es ſind dies die Entdeckung der elektriſchen Condenſation, die Erfindung der Ver - ſtärkungsflaſche und die hierauf beruhenden Experimente. Unſerem Gewährsmanne, Poggendorff, folgend, haben wir die Erfindung der Verſtärkungsflaſche dem Dechant des Domcapitels zu Kammin in Pommern, von Kleiſt, zuzuſchreiben. Im Jahre 1745 näherte dieſer ein Medicinglas, in deſſen Hals ein Eiſennagel ſteckte, ſeiner Elek - triſirmaſchine. Als er nun zufällig mit einer Hand den Nagel berührte, indeß die andere Hand das Glas hielt, bekam er zu ſeinem größten Schreck einen heftigen Schlag. Nichtsdeſtoweniger verfolgte er dieſes Experiment weiter und theilte es auch verſchiedenen Perſonen mit.

Beinahe zur ſelben Zeit führten die elektriſchen Verſuche, welche Pieter van Musſchenbroek in Holland anſtellte, zu derſelben Entdeckung. Musſchenbroek (zuletzt Profeſſor in Leyden), hatte wiederholt beobachtet, daß elektriſche Körper ihre Elektricität raſch verlieren, wenn ſie von gewöhnlicher Luft umgeben ſind. Um dies zu vermeiden, elektriſirte er Waſſer ſtatt in einer offenen Schale in einer Glasflaſche und führte die Elektricität durch einen hineingeſteckten Metalldraht dem Waſſer zu. Cunaeus aus Leyden, welcher mit Musſchenbroek experimentirte, hielt nun einſt die Flaſche während der Ladung des Waſſers in der Hand und griff dann, um die Flaſche von dem Conductor zu entfernen, mit der anderen Hand nach dem Zuleitungsdrahte. Sofort erhielt er einen ebenſolchen Schlag wie Kleiſt. Eine15 Wiederholung des Verſuches durch Musſchenbroek flößte dieſem ein ſolches Entſetzen ein, daß er an den berühmten Réaumur ſchrieb, er möge ſich für die Krone Frankreichs nicht zum zweitenmale den Wirkungen dieſes Verſuches ausſetzen . Durch Réaumur erfuhr auch der Abt Nollet in Paris die neue Entdeckung, und er war es, welcher die Bezeichnung Leydener Flaſche einführte. Es iſt nicht zu verwundern, daß ein ſo überraſchendes Experiment auch andere Forſcher ver - anlaßte, dasſelbe nachzumachen und zu ſtudiren. Zu dieſen gehören z. B. Winkler, Gralath, Le Monnier, Bevis u. A. Namentlich Winkler in Leipzig ſcheint ſehr kräftige Ladungen verſucht zu haben, denn er erzählt, die Wirkungen des Schlages hätten ihm ſtarke Convulſionen verurſacht und er hätte im Kopfe den Schlag mehrere Tage lang verſpürt. Auch habe ſeine Gattin in Folge zweier Schläge kaum gehen können; die wackere Frau ſcheute ſich nicht, mit ihrem Manne die Gefahren des Experimentes zu theilen. Da aber Winkler fernerhin weder ſeine Frau noch ſich ſelbſt dieſen Gefahren ausſetzen wollte, dachte er daran, die Entladung der Flaſchen durch beſondere Anordnungen, ohne Zuhilfenahme einer Perſon zu bewerkſtelligen. Die diesbezüglichen Verſuche führten ihn zur Conſtruction der elektriſchen Batterie, freilich in einer ſehr primitiven Ausführung und ohne die Urſache ihrer Wirkſamkeit zu kennen.

Gralath ſchaltete in den Entladungskreis einer Kleiſt’ſchen Flaſche 20 Per - ſonen ein, indem er dieſe ſich bei den Händen halten ließ; er fand auch, daß die Flaſche mit einer Entladung nicht ihre ganze Kraft verliert, ſondern nach einiger Zeit einen zweiten Funken geben kann, entdeckte alſo den Ladungsrückſtand. Aehnliche Verſuche, aber im größeren Maßſtabe, führte Abt Nollet in Frankreich aus, tödtete durch den Entladungsſchlag der Flaſche kleine Thiere und ſprach auch bereits die richtige Anſicht aus, daß das Waſſer in der Flaſche nur zur Leitung der Elek - tricität an die Innenwand diene. Auch Le Monnier machte eine Reihe von Ver - ſuchen und veröffentlichte deren Ergebniß im Jahre 1746; er führte z. B. den Entladungsſchlag durch eine Eiſendrahtleitung von 2000 Toiſen Länge, leitete denſelben durch Waſſer und verſuchte auch die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität im Eiſendrahte zu meſſen allerdings ohne Reſultat. William Watſon führte die Entladung der Flaſche ſogar durch einen Eiſendraht von zwei engliſchen Meilen Länge und eine ebenſo lange Strecke des Erdbodens, alſo im Ganzen durch einen Schließungsbogen von vier engliſchen Meilen Länge; auch er verfolgte hierbei den Zweck, die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität zu meſſen, aber eben - falls ohne Reſultat; er fand, daß ſie eine augenblickliche oder doch zu große ſei, um nach ſeiner Methode gemeſſen werden zu können.

Dr. Bevis kam dann auf den Gedanken, die Flaſche an ihrer Außenſeite mit Zinnfolie zu überkleiden, fand alſo die äußere Belegung. Nicht lange darauf verſuchte er eine auf beiden Seiten belegte Glastafel zu laden und bekam bei ihrer Entladung wirklich auch einen kräftigen Schlag. Dies gab Watſon die Ver - anlaſſung, zum erſtenmale eine vollkommene Kleiſt’ſche Flaſche herzuſtellen. Zu dem Ende überkleidete er thönerne Gefäße bis nahe an ihre obere Oeffnung innen und außen mit Silberfolie. Watſon ſah zwar ein, daß die Kraft der Flaſche von der Größe der Belegungsfläche abhänge, aber über ihre Wirkungsart konnte er keine Rechenſchaft geben.

Hierüber brachte Benjamin Franklin Aufklärung. Er erblickte als ſiebzehntes Kind eines Seifenſieders auf der zu Boſton gehörigen Governorsinſel am 17. Januar 1706 das Licht der Welt. Anfänglich beſtimmte ihn ſein Vater16 zum Studium der Theologie, mußte jedoch wegen Mittelloſigkeit dieſe Abſicht wieder aufgeben, und ſo nahm er den damals zehnjährigen Benjamin zu ſich in ſein Geſchäft. Der Widerwille, den aber Letzterer gegen die Seifenſiederei zeigte, bewog ſeinen Vater bereits nach zwei Jahren, einem älteren Bruder, der eine Buchdruckerei beſaß, den jungen Benjamin in die Lehre zu geben. Hier las er in ſeinen freien Stunden mit einer wahren Leidenſchaft und wurde dadurch angeregt, ſich in der Schriftſtellerei zu verſuchen. Das erſte Reſultat waren einige Balladen, die er ſelbſt zum Verkaufe in der Stadt herumtrug. Später ſchrieb er Artikel für die von ſeinem Bruder herausgegebene Zeitung und übernahm ſchließlich auch die

Fig. 3.

Benjamin Franklin.

Redaction des Blattes. Im Jahre 1724 machte er ſeine erſte Reiſe nach London, wo er das Nöthige zur Einrichtung einer Druckerei in Philadelphia einkaufen wollte. Er führte jedoch dieſen Plan nicht aus, ſondern trat in die berühmte Palmer’ſche Druckerei ein. Im Jahre 1728 errichtete er endlich eine eigene Druckerei, die er bald zu einer ſehr gedeihlichen Ent - wicklung brachte. Nun heiratete er auch die mit ihm ſchon ſeit 1724 ver - lobte Miß Read. Er ver - größerte ſein Geſchäft, er - richtete eine Buch - und Papier-Handlung, ward Gründer vieler humanitärer Anſtalten und betheiligte ſich überhaupt in hervor - ragender Weiſe am öffent - lichen Leben. Aus dieſer Zeit (um 1740) datiren auch ſeine elektriſchen Ver - ſuche. Im Jahre 1753 wurde er zum Generalpoſtmeiſter aller engliſch - amerikaniſchen Colonien ernannt und nun faßte er den Gedanken einer Bundesver - faſſung und Vereinigung aller Colonien unter einer Centralregierung. Im Jahre 1757 trat er als pennſylvaniſcher Geſchäftsträger ſeine zweite Reiſe nach England an und führte als ſolcher die Regulirung von Steuerangelegenheiten auch zu einem befriedigenden Ende. Im Jahre 1766 brachen in Philadelphia die Unruhen wegen der Stempelacte aus, und Franklin ging neuerdings als Agent Pennſylvaniens und anderer Staaten nach England. Hier vertrat er in energiſcher Weiſe die Rechte der Colonien, wodurch er ſich das Mißtrauen der engliſchen Regierung zuzog und ſeine General - poſtmeiſterſtelle verlor. Im März 1775 finden wir ihn wieder in Philadelphia, wo er, an der Spitze des Sicherheitsausſchuſſes ſtehend, zuerſt für die Unabhängig -17 keit der Colonien ſprach und am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung thatſächlich zu Stande brachte. Im Jahre 1778 ſchloß er in Paris als Bevoll - mächtigter der dreizehn vereinigten Staaten Nordamerikas einen Allianzvertrag ab. Auch der Friedensabſchluß im Jahre 1783 iſt weſentlich ſeinen Bemühungen zu verdanken. Bis zum Jahre 1788 blieb er noch politiſch in hervorragender Weiſe thätig; dann zwang ihn aber das herannahende Alter und ſein Steinleiden, ſich zurückzuziehen. Am 17. April 1790 ſtarb er als Amerikas größter Bürger. Ihm zu Ehren ordnete der Congreß eine Nationaltrauer in der Dauer eines Monates an. Die Inſchrift für ſeinen Grabſtein hatte er ſich ſelbſt verfaßt; ſie lautet: Hier liegt der Leib Benjamin Franklin’s, eines Buchdruckers (gleich dem Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen und der ſeiner Inſchrift und Vergoldung beraubt iſt), eine Speiſe für die Würmer; doch wird das Werk ſelbſt nicht verloren ſein, ſondern (wie er glaubt) dereinſt erſcheinen in einer neuen, ſchöneren Ausgabe, durchgeſehen und verbeſſert von dem Verfaſſer.

Treffend faßte d’Alembert die Thaten des großen Mannes zuſammen in dem Hexameter, welchen er auf eine vom Bildhauer Houdon verfertigte Büſte Frank - lin’s ſetzte: Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis. (Er entriß dem Himmel den Blitz und das Scepter den Tyrannen.)

Es wurde bereits angedeutet, daß Franklin es war, der in das bisher un - aufgeklärte Verhalten der Kleiſt’ſchen Flaſche Aufklärung brachte; darin beſtand eben eine ſeiner wichtigſten Entdeckungen. Er fand nämlich, daß eine iſolirt aufgehängte Korkkugel nach ihrer Berührung mit der inneren Belegung einer Flaſche von der äußeren Belegung der letzteren abgeſtoßen wird und umgekehrt; eine Kugel, welche von der äußeren Belegung Elektricität erhielt, wurde von einem mit der inneren Belegung in leitender Verbindung ſtehenden Drahte abgeſtoßen. Auch führte er Drähte von der äußeren und inneren Belegung bis auf eine kleine Entfernung gegeneinander und ließ in den noch übrig bleibenden Zwiſchenraum eine Korkkugel hängen; dann wurde die Korkkugel einmal von dem einen, einmal von dem anderen Drahtende angezogen und pendelte ſo lange zwiſchen beiden hin und her, bis die Flaſche entladen war.

Auf Grund dieſer und noch anderer Experimente gab Franklin eine Er - klärung des Verhaltens einer Kleiſt’ſchen Flaſche und ſtellte zugleich eine Theorie der Elektricität überhaupt auf. Nach ſeiner Anſicht ſollte nur eine einzige elek - triſche Materie exiſtiren, von welcher der eine Körper mehr, der andere weniger beſitzt, je nach ſeiner Natur. Der Zuſtand eines Körpers, den wir elektriſch nennen, ſollte darin beſtehen, daß dieſer Körper einen Ueberſchuß oder einen Mangel an der ihm ſeiner Natur nach zukommenden Elektricitätsmenge aufzuweiſen habe. Im erſteren Falle iſt der Körper poſitiv elektriſch, im letzteren jedoch negativ. Wird alſo z. B. durch Reiben zweier Körper gegeneinander Elektricität erregt, ſo geht bei dieſem Proceſſe ein Theil der Elektricität des einen Körpers in den anderen über und letzterer wird poſitiv elektriſch; der andere Körper hingegen ver - liert elektriſche Materie und erſcheint als negativ elektriſirter Körper. Beide Körper können ihr elektriſches Gleichgewicht wieder herſtellen, d. h. alſo unelektriſch werden, wenn man ſie durch einen Elektricitätsleiter miteinander verbindet.

Dieſe Theorie auf die Erſcheinungen in der Kleiſt’ſchen Flaſche angewandt, giebt für dieſe folgende Erklärung: Führt man der inneren Belegung ElektricitätUrbanitzky: Elektricität. 218zu, ſo wird der äußeren Belegung genau ebenſo viel Elektricität entzogen, welche durch den mit der äußeren Belegung in Verbindung ſtehenden Leiter oder durch die die Flaſche haltende Hand abfließt. Da das Glas für Elektricität undurch - läſſig iſt, kann ſich das elektriſche Gleichgewicht durch dieſes hindurch nicht wieder herſtellen: die Flaſche iſt geladen. Verbindet man nun aber die äußere und innere Belegung der Flaſche durch einen Leiter, ſo ſtrömt der Ueberſchuß elektriſcher Materie von der einen (der poſitiven) Belegung zu der anderen (der negativen) über und der urſprüngliche Gleichgewichtszuſtand wird wieder hergeſtellt, d. h. die Flaſche entladen. Dieſe beſitzt alſo vor und nach der Ladung immer die gleiche Geſammtmenge der elektriſchen Materie und ändert durch die Ladung nicht die Quantität, ſondern nur die Vertheilung.

Unvergänglichen Ruhm als Phyſiker erwarb ſich jedoch Franklin durch die Erfindung des Blitzableiters. Er wurde darauf hingeführt durch die Ueberzeugung, daß der Blitz eigentlich nichts Anderes ſei, als ein ſehr mächtiger elektriſcher Funke. Nicht daß er der Erſte geweſen wäre, welcher dieſe Anſicht ausſprach, denn wie wir wiſſen, dachten ſchon Wall, Nollet und namentlich Winkler ebenſo, aber dieſe Anſicht fand erſt dann die verdiente Beachtung, als Franklin ſie nicht nur klar und deutlich ausſprach, ſondern auch Experimente zu ihrer Prüfung vorſchlug; es geſchah dies im Jahre 1750. Franklin ließ es jedoch vorläufig bei dem bloßen Vor - ſchlage des Experimentes bewenden. Der Ruhm, als Erſte dieſes Experiment wirklich angeſtellt zu haben, gebührt nach Poggendorff den Franzoſen Dalibard und Delor.

Dalibard hatte, erzählt Poggendorff, zu Marly-la-ville, ſechs Stunden von Paris, eine 40 Fuß hohe Eiſenſtange mit ſeidenen Schnüren an Pfähle be - feſtigt, die ebenſo wie das untere Ende der Stange nicht vom Regen getroffen werden konnten. Während ſeiner Abweſenheit hatte er einen von ihm für den Ver - ſuch unterrichteten Wächter Namens Coiffier angeſtellt, und dieſer war es, der am 10. Mai 1752 Nachmittags, als ein heftiges Gewitter vorüberzog, mittelſt eines Drahtes die erſten Funken der vom Himmel herabgebrachten Elektricität aus der Eiſenſtange herauszog. Die Funken waren Zoll lang, rochen nach Schwefel und fuhren unter Kniſtern aus der Stange. Acht Tage darauf machte Delor in ſeinem Hauſe zu Paris denſelben Verſuch mit einer 99 Fuß hohen Eiſenſtange in Gegenwart des Königs Ludwig XV. und zu einer Zeit, wo zwar Gewitter - wolken am Himmel ſtanden, es aber weder blitzte noch donnerte.

Franklin ging erſt im Juni des Jahres 1752 daran, die Richtigkeit ſeiner Anſicht experimentell zu prüfen, allerdings noch ohne von den in Frankreich unter - nommenen Verſuchen Kenntniß zu haben. Zu ſeinem Verſuche diente ihm ein be - kanntes Kinderſpielzeug, der fliegende Drache. Er verfertigte ſich einen ſolchen aus zwei gekreuzten Holzſtäben, die er mit einem ſeidenen Taſchentuche überkleidete. Der Kopf des Drachen trug eine lange eiſerne Spitze und wurde durch eine Hanf - ſchnur geführt, die unten an einen Schlüſſel geknüpft war. Von letzterem ging eine ſeidene Schnur aus, um ihn von der Hand zu iſoliren. So ausgerüſtet, gelang es ihm auf einem freien Felde bei Philadelphia in Geſellſchaft ſeines Sohnes, dem Schlüſſel Funken zu entlocken, als er den Drachen bei vorüber - ziehenden Gewitterwolken aufſteigen ließ. Im September desſelben Jahres errichtete er dann auf ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange und machte unter Vermittlung derſelben mit atmoſphäriſcher Elektricität die gleichen Experimente wie früher mit Hilfe der Elektriſirmaſchine. Er lud z. B. Kleiſt’ſche Flaſchen oder zapfte den Blitz auf Bouteillen .

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An der Identität des Blitzes mit dem Funken der Elektriſirmaſchine war ſonach nicht mehr zu zweifeln. Franklin dachte aber, wenn man den Blitz aus den Wolken herableiten könne, müſſe es auch möglich ſein, ihm ſeine ſchädliche Wirkung zu be - nehmen. Da aber ein elektriſcher Funke nur dort überſpringt, wo ein Leiter unter - brochen erſcheint oder ſeine Leitungs - fähigkeit nicht aus - reicht, ſo müſſe man ſich vor den Wirkungen des Blitzes dadurch ſchützen können, daß man Metallſtangen von hinreichender Stärke errichtet und für deren gut - leitende Verbin - dung mit der Erde Sorge trägt. Eine ſolche Stange müſſe dann eine vorüber - ziehende Wolke ſuc - ceſſive entladen und ſo das Ueber - ſchlagen eines Blitzes überhaupt hintanhalten oder ſelbſt, wenn er trotz - dem überſchlage, ihn gefahrlos in die Erde ableiten. Dieſe Anſichten ſprach Franklin klar und deutlich aus und gab auch Vor - ſchriften zur Er - richtung von Blitz - ableitern. Und in der That ließen die Amerikaner mit der praktiſchen Aus - führung derſelben nicht lange auf ſich warten.

Fig. 4.

Franklin’s Drache.

In demſelben Jahre (1753) hatte auch Winkler in Deutſchland unabhängig von Franklin die Aufſtellung von Blitzableitern warm befürwortet und wahr - ſcheinlich war auch er die Veranlaſſung, daß ein aufgeklärter Prämonſtratenſer - Chorherr, der Pfarrer Procopius Diviſch zu Prenditz in Mähren, in der2*20Nähe ſeiner Wohnung den erſten Blitzableiter aufſtellte. Unglücklicherweiſe war der Sommer des Jahres 1756 ein ſehr trockener, was die unwiſſende Land - bevölkerung dieſer Wetterſtange zuſchrieb und weshalb ſie ihre Entfernung erzwang.

Mit dem Studium der atmoſphäriſchen Elektricität, die nun zur Reibungs - Elektricität hinzugekommen war, beſchäftigte ſich eine Reihe von Männern. Leider ſollte es ſich hierbei auch in entſetzlicher Weiſe zeigen, wie gefahrvoll dieſe Experi - mente waren. Profeſſor Nichmann in Petersburg hatte zum Studium der atmoſphä - riſchen Elektricität in ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange aufgeſtellt, wie ſie

Fig. 5.

Richmann’s Wetterſtange.

die Figur 5 zeigt. Bei o tritt die Stange S durch eine weite Oeffnung der Zimmerdecke in das Zimmer ein, durchſetzt dasſelbe und wird dann weiter bis in feuchtes Erdreich geleitet. Innerhalb des Zimmers wird die Stange von Holzkugeln h h gefaßt, welche an Glasſtangen g g, die in die Mauer eingelaſſen ſind, befeſtigt werden. Die Oeffnung in der Zimmerdecke iſt, ſoweit ſie nicht von der Stange ausgefüllt wird, durch eine Platte aus Spiegelglas verſchloſſen. Würde die Stange ununterbrochen durch das Zimmer gehen, ſo könnte man ihren elektriſchen Zuſtand höchſtens durch die Ablenkung der Magnetnadel beobachten, nicht aber die Spannung ſtudiren und Funken herausziehen. Aus dieſem Grunde iſt bei e ein Charnier angebracht, welches geſtattet, den Theil c d zu drehen, ſo daß der Zuſammenhang der Stange unterbrochen wird (wie dies der punktirte Theil der Zeichnung erkennen läßt). An der Stelle, wo die Stangen - enden zuſammenſtoßen, ſind dieſe mit Meſſing - kugeln d und e verſehen. Ferner trägt der be - wegliche Arm zwei Hollundermarkkügelchen k; das Auseinandergehen dieſer oder bei ſtarker Spannung die zwiſchen den voneinander ent - fernten Kugeln d e überſpringenden Funken dienten zur Anzeige des elektriſchen Zuſtandes.

Als Richmann nun im Auguſt 1753 während eines aufſteigenden Gewitters ſich der Stange näherte, um ihren elektriſchen Zuſtand zu unterſuchen, fuhr ihm ein Feuerball aus der Stange gegen den Kopf und ſtreckte ihn augenblicklich todt zu Boden. Der gleich - zeitig anweſende Kupferſtecher Sokoloff ſtürzte gleichfalls zuſammen, erholte ſich aber nach einiger Zeit wieder.

Vorſichtiger war De Romas in Nerac (Frankreich) zu Werke gegangen. Er bediente ſich gleich Franklin eines Drachen, gab aber dieſem ſehr bedeutende Dimenſionen. Er ließ ihn wiederholt an einer mit Eiſendraht durchflochtenen Schnur, die in einer Seidenſchnur endigte, ſteigen und erhielt damit koloſſale Wirkungen. So befeſtigte er einſt am unteren Ende der Drahtſchnur einen Cylinder aus Eiſenblech, aus welchem er unter Donnerknall Feuermaſſen hervorbrechen ſah. 21

Fig. 6.

Richmann’s Tor.

22Im Auguſt 1757 erhielt er bei Anwendung eines entſprechenden Ausladers ſogar Funken von 10 Fuß Länge.

Hatte auch das tragiſche Schickſal Richmann’s bedeutendes Aufſehen erregt und die Gefahren derartiger Experimente in das grellſte Licht geſetzt, ſo ließ man ſich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abſchrecken. Forſcher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüſtig weiter. Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht. Es iſt daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege ſuchte, um die Elektricität zu meſſen. Das erſte praktiſch verwendbare Elektrometer conſtruirte John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es iſt dies das bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem Canton’s nicht abweichen.

Zur ſelben Zeit wurden auch Verſuche über die Fernwirkung elektriſcher Körper auf unelektriſche gemacht, oder, wie man ſich damals ausdrückte, man ſtudirte die elektriſche Atmoſphäre eines elektriſchen Körpers. Man hatte beobachtet, daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen ſich abſtoßen, wenn man denſelben einen elektriſirten Körper auch nur annähert, alſo nicht die Kügelchen mit ihm berührt. Dieſe Erſcheinung ſtudirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Verſuche die Unhaltbarkeit der Anſicht Franklin’s über die Kleiſt’ſche Flaſche dargethan, welcher glaubte, das Verhalten der Flaſche oder Tafel ſei der beſonderen Structur des Glaſes zu verdanken und dieſem ausſchließlich eigenthümlich.

Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der ſeidenen Strümpfe. Ein gewiſſer Esquire Robert Symmer in England eröffnete dieſe elektriſche Strumpfperiode im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte nämlich ſeidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes unterhalb und ein ſchwarzes darüber. Beim Ausziehen derſelben bemerkte er nun, ſobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Kniſtern, welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an - einander zuſchrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe ſich gegen - ſeitig abſtoßen, die ungleicher Farbe ſich aber anziehen und mit ſehr erheblicher Kraft aneinander halten. Obwohl dieſe Verſuche an ſich eigentlich nichts Neues lehrten, man kannte ja ſchon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben elektriſch werden, ſo erregten Symmer’s Verſuche doch bedeutendes Aufſehen und brachten die ſeidenen Strümpfe bei den Elektrikern ſehr in Mode. Immerhin würden aber dieſe Verſuche für die Erweiterung der Kenntniſſe unſerer Wiſſenſchaft ohne Belang geblieben ſein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Anſichten über das Weſen der Elektricität geſchöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der ſchon von Dufay ausgeſprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zuſtande ſollten die Körper von den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten gleich viel beſitzen und beide miteinander vereinigt ſein; durch Reiben werden ſie aber getrennt und nun er - ſcheint der eine Körper entgegengeſetzt elektriſirt wie der andere.

Symmer konnte zu Gunſten ſeiner Theorie nur einen einzigen Verſuch an - führen und der beſtand darin, daß er einen Funken durch Papier ſchlagen ließ; dieſes zeigte ſich dann an der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten aufgeworfen. Dieſe Erſcheinung ließ ſich nach Franklin’s Theorie allerdings nicht gut erklären,23 denn da nach dieſer der elektriſche Funke nur der Ausgleich des Ueberſchuſſes der Elektricität auf der einen Seite mit dem Mangel an Elektricität auf der anderen Seite, alſo ein Ueberſtrömen von Elektricität in einer Richtung ſein ſollte, iſt es nicht gut einzuſchen, warum die Ränder der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten des Papieres aufgebogen ſein ſollten. Symmer hingegen erklärte dies aus dem Gegeneinanderſtrömen beider Elektricitätsarten. Obwohl dies nur ein vereinzelter Verſuch war, wußte doch Symmer ſeiner Theorie bei den Phyſikern raſch Eingang zu verſchaffen. Es verdient bemerkt zu werden, daß Franklin ſelbſt mit größter Bereitwilligkeit an Symmer Inſtrumente und Apparate lieh, die dieſer zur Be - wahrheitung ſeiner Theorie zu bedürfen glaubte. Gewiß ein Zug eines wahrhaft großen und edlen Geiſtes, der Nachahmung verdiente!

Symmer’s oder, richtiger geſagt, Dufay’s Theorie erhielt eine neue Stütze in der Entdeckung der elektriſchen Staubfiguren durch Lichtenberg im Jahre 1777. Es mag hier nur beiläufig erwähnt werden, daß dieſe Figuren ein von - einander weſentlich verſchiedenes und wohl charakteriſirtes Ausſehen gewinnen, je nachdem ſie durch poſitive oder negative Elektricität erzeugt werden. Eine genauere Beſchreibung derſelben folgt in dem entſprechenden Abſchnitte der Elektricitätslehre ſelbſt. Durch Lichtenberg wurden auch die Bezeichnungen + und eingeführt.

Die weiteren Fortſchritte, die nun bis zu den epochemachenden Entdeckungen Volta’s und Galvani’s gemacht wurden, laſſen ſich in wenigen Zeilen zuſammen - faſſen. Man ſtudirte die Ladungsverhältniſſe von belegten Iſolatoren und verbeſſerte die Meßinſtrumente. Erſteres führte Volta zur Conſtruction des Elektrophors, letzteres veranlaßte ihn zur Erfindung des Condenſators, d. h. einer Vorrichtung, um ſchwache Elektricität ſo zu verſtärken, daß ſie meßbar wird. Volta gab auch 1781 das Strohhalm-Elektrometer an. Auf die Verbindung des Condenſators mit dem Elektrometer kamen ziemlich gleichzeitig (1787) Volta und Bennet. Mit den Arbeiten Coulomb’s wurde das Capitel der ſtatiſchen Elektricität für lange Zeit zum Abſchluſſe gebracht.

Charles Auguſtin de Coulomb wurde am 14. Juni 1736 zu Angoulême geboren, trat in noch jugendlichem Alter in das Geniecorps ein und wurde dann nach Martinique commandirt, wo er das Fort Bourbon baute. Nach neunjährigem Aufenthalte daſelbſt kehrte er wieder nach Frankreich zurück und erhielt in Rochefort eine Anſtellung; hier widmete er ſich ausſchließlich wiſſenſchaftlichen Arbeiten, welche er in den Schriften der Pariſer Akademie veröffentlichte. Zwei derſelben, nämlich über die Erzeugung von Magnetnadeln und über die Theorie der einfachen Ma - ſchinen, wurden von der Akademie, die ihn im Jahre 1781 auch zu ihrem Mit - gliede wählte, mit Preiſen ausgezeichnet. Im Jahre 1784 veröffentlichte er ſeine berühmten Unterſuchungen über die Torſionskraft und Elaſticität von Metalldrähten, eine Arbeit, die ihn dann auch zur Conſtruction der Torſionswage führte, eines Inſtrumentes, welches ſeit dieſer Zeit bei genauen Meſſungen ſchwacher elektriſcher und magnetiſcher Kräfte nicht mehr außer Gebrauch gekommen iſt. Beim Ausbruche der Revolution nahm er als Oberſtlieutenant ſeinen Abſchied vom Geniecorps und lebte auf einem kleinen Landhauſe bei Blois. Als nach der Revolution die früher aufgelöſte Akademie unter dem Namen des Nationalinſtitutes wieder hergeſtellt wurde, nahm er auch dort abermals ſeinen Platz ein und wurde im Jahre 1806 Generalaufſeher des öffentlichen Unterrichtes; noch im ſelben Jahre, am 23. Auguſt, ereilte den bereits ſiebzigjährigen Greis in Paris der Tod.

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Coulomb unterſuchte mit der von ihm erfundenen Torſionswage die elektriſche Anziehung, Abſtoßung und Vertheilung mit einer Sorgfalt und Genauigkeit, daß dieſe Arbeiten heute noch als muſtergiltig anerkannt werden müſſen. Er bekannte ſich zur dualiſtiſchen Anſchauungsweiſe, alſo der Theorie Dufay’s, nahm an, daß die Elektricitätstheilchen jeder Art ſich untereinander abſtoßen, Theilchen beiderlei Art ſich aber anziehen; er fand, daß dieſe Anziehungen und Abſtoßungen im um - gekehrten Verhältniſſe des Quadrates der Entfernungen geſchehen, daß die Vertheilung der Elektricität auf einem Körper Folge der gegenſeitigen Abſtoßung der Elektricitäts - theilchen untereinander iſt u. ſ. w.

Bevor wir uns nun den Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zuwenden, welche die ſpäteren Forſcher in ganz neue Bahnen lenkten und zur Grundlage der gegenwärtigen, ſtaunenerregenden Entwicklung der Elektricitätslehre und ihrer prak - tiſchen Anwendungen wurden, müſſen wir noch einen Blick auf jene elektriſchen Erſcheinungen werfen, die in der animaliſchen Welt beobachtet werden können. Es ſind dies die elektriſchen Eigenſchaften des Zitterrochen, Zitteraales und Zitterwels. Zwar erwähnt ſchon Réaumur im Jahre 1714 der Fähigkeit des Zitterrochens, erſchütternde Schläge auszutheilen, ſchrieb aber dieſe nur der Muskelkraft des Schwanzes zu. Später, als Reiſende von den kräftigen Schlägen berichteten, welche der Zitteraal zu führen im Stande ſei, vermuthete man allerdings, dieſe Schläge mögen elektriſcher Natur ſein. Hiefür den experimentellen Nachweis zu bringen, gelang jedoch erſt dem Engländer Dr. John Walſh im Jahre 1772. Er bediente ſich zu ſeinen Experimenten des Zitterrochens und zeigte, daß der Fiſch an der Ober - und Unterſeite gleichzeitig berührt werden müſſe, um von ihm den Schlag zu bekommen. Es wurden nun Verſuche verſchiedener Art ausgeführt, um die elek - triſche Natur der Schläge nachzuweiſen und um dieſe Erſcheinung überhaupt auf - zuklären. Wir müſſen jedoch geſtehen, daß hierüber heute noch große Dunkelheit herrſcht.

Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes ſchien es faſt, als ob die Kenntniß der elektriſchen Erſcheinungen für lange Zeit abgeſchloſſen ſein ſollte. Nichts deutete auf eine neue Entdeckung hin, nicht einmal die Richtung ließ ſich erkennen, welche weitere Forſchungen etwa verfolgen könnten. Da war es, wie ſo oft bei großen Entdeckungen und Erfindungen, wieder ein glücklicher Zufall, der dem menſchlichen Forſchungsgeiſte neue Bahnen wies. Ein glücklicher Zufall! wie ſehr wird dieſes Wort mißbraucht! Ein zufällig vom Baume fallender Apfel ließ Newton die Gravi - tationsgeſetze entdecken, ein zufälliges Zucken der Froſchſchenkel führte zur Entdeckung des Galvanismus, eine zufällige Verſuchsanordnung ließ Oerſted die Einwirkung des elektriſchen Stromes auf die Magnetnadel erkennen u. ſ. w. Sind aber jene Entdeckungen deshalb wirklich nur glücklichen Zufällen zuzuſchreiben? Und wie kommt es, daß ſolche glückliche Zufälle immer nur großen Männern, hervorragenden Forſchern zuſtoßen? Sollte vor Newton’s Zeiten noch nie vor den Augen eines Menſchen ein Apfel vom Baume gefallen ſein? Oder mußte Galvani im Zucken der Froſchſchenkel in der Nähe einer in Thätigkeit befindlichen Elektriſir - maſchine eine neue Erſcheinung erblicken? So lange die Elektriſirmaſchine zu dem Verſuche angewandt wurde, war der Froſchſchenkel ja doch nichts Anderes als ein Elektroſkop, welches durch ſeine Zuckungen den elektriſchen Zuſtand anzeigte. Newton hatte ſich zur Zeit des berühmten Apfelfalles (1666) vor der Peſt aus Cambridge nach Woolſthorpe geflüchtet und gab ſich dort ernſten und eifrigen Studien hin; lange vorher hatte er ſchon Ideen über die Gravitation gefaßt. Der25 fallende Apfel mag, wenn er nicht überhaupt in das Gebiet der Sage zu verweiſen iſt, vielleicht den äußerlichen Anlaß gegeben haben, bereits vorhandene und viel durchdachte Ideen in einer beſtimmten Richtung zu verfolgen, ihm mehr zuzu - muthen, entbehrt jeder Wahrſcheinlichkeit. Der Arzt Galvani war ſchon jahrelang beſtrebt, das Räthſel der Lebenskraft ſeiner Löſung näher zu bringen, und dies ſowie die geringen phyſikaliſchen Kenntniſſe waren die Urſachen, welche Galvani veranlaßten, den Zuckungen der Froſchſchenkel mehr Aufmerkſamkeit zu ſchenken, als dies ein Phyſiker damaliger Zeit wohl gethan haben würde. Auch Oerſted’s Ent - deckung kam nicht unvermittelt; man hatte vielmehr ſchon früher mehr oder weniger gewagte Anſichten über die Beziehungen zwiſchen Magnetismus und Elektricität ausgeſprochen. Man ſieht alſo, daß in allen dieſen Fällen nicht die zufällige Be - achtung ſelbſt ſchon die Entdeckung bildete, ſondern vielmehr nur den erſten Anſtoß hierzu gab.

Dieſe Zufälle, ſagt Whewell in ſeiner Geſchichte der inductiven Wiſſen - ſchaften, wenn ſie ja ſo genannt werden dürfen, ſind viel angemeſſener dem Funken zu vergleichen, der ein geladenes und auf ein beſtimmtes Ziel gerichtetes Feuer - gewehr entladet. Galvani’s Entdeckung mag allerdings mit mehr Recht als gewöhnlich dem Zufalle zugeſchrieben werden, aber ſie enthielt auch in der Form, in welcher ſie zuerſt mitgetheilt wurde, nichts weſentlich Neues. Erſt als Galvani durch die bloße Berührung der beiden Metalle dieſelben Bewegungen hervorbrachte, erſt dann war er im Beſitze einer für die Wiſſenſchaft neuen, wichtigen und fundamentalen Thatſache.

Luigi Aloiſio Galvani wurde am 9. September 1737 zu Bologna ge - boren, ſtudirte zuerſt Theologie und war nur mit Mühe vor dem Eintritte in ein Kloſter zurückzuhalten. Später wandte er ſich dem Studium der Medicin zu und wurde 1762 für dieſen Wiſſenszweig Profeſſor in Bologna. Aus dieſer Zeit rühren auch einige beifällig aufgenommene Abhandlungen aus der Anatomie der Vögel her. Die Zeit der Revolution brachte für Galvani trübe Tage. Im Jahre 1796 erhielt Bonaparte das Commando der franzöſiſchen Armeen in Italien und zwang den König von Sardinien zum Frieden ſowie zur Abtretung Nizzas und Savoyens an Frankreich; auch Neapel mußte um Frieden bitten; aus Mantua, Mailand, Modena und einem Theile von Parma wurde im Jahre 1797 die cisalpiniſche Republik gebildet. Galvani weigerte ſich nun, der republikaniſchen Regierung den Beamteneid zu leiſten und verlor in Folge deſſen ſeine Stelle. Als ihm dieſe ſpäter von der Republik wieder angetragen wurde, war ſeine Geſundheit bereits ſo zer - rüttet, daß er den Antrag nicht mehr annehmen konnte. Er ſtarb in ſehr dürftigen Verhältniſſen am 4. December 1798 an der Abzehrung.

Obwohl man den Zeitpunkt jener Entdeckung, welche Galvani’s Unſterblich - keit ſicherte, nicht mit abſoluter Beſtimmtheit feſtſtellen kann, nimmt man doch mit ziemlicher Wahrſcheinlichkeit hiefür das Jahr 1790 an. Auch über die Art, wie die Entdeckung gemacht wurde, findet man voneinander abweichende Berichte. Whewell erzählt den Hergang in nachſtehender Weiſe: Galvani’s Frau wurde zur Wiederherſtellung ihrer Geſundheit Froſchſuppe verordnet, die Galvani ſelbſt ihr zu bereiten pflegte. Zufällig lagen einige bereits abgehäutete Froſchſchenkel auf einem Tiſche neben einer Elektriſirmaſchine. Ein Gehilfe berührte ebenſo zufällig mit der Meſſerſpitze einen dieſer Schenkel, der ſogleich in lebhafte Zuckungen ge - rieth. Die dabei gegenwärtige kranke Frau glaubte bemerkt zu haben, daß dieſe Zuckungen in demſelben Augenblicke ſtatthatten. als der Funke aus der elektriſchen26 Maſchine ſprang. Sie berichtete es ihrem Manne, der ſogleich den Verſuch wieder - holte und weiter verfolgte. Er fand dieſe Zuckungen immer wiederkehren, ſo oft man der Elektriſirmaſchine Funken entzog und zu gleicher Zeit den Froſch mit einem Leiter der Elektricität, z. B. mit einem Metalldrahte berührte. Der Antheil, welchen Galvani’s Gattin, Lucia, an der Entdeckung hatte, begeiſterte ſogar einen ungenannten Poeten zu einem Sonnet, welches Du Bois-Raymond in folgender Weiſe überſetzte:

An Signor Luigi Galvani.
Das holde Weib, das dir die Macht der Liebe,
Ihr Herz beſiegt mit gold’nem Pfeil, verband,
Dann Tod mit ſeiner Sichel grauſem Hiebe
Als Blume für des Himmels Zier entwandt;
Sie war’s, nicht du, die neue Lebenstriebe
In hautentblößter Fröſche Glieder fand,
Wenn hier der Nerven wunderbar Getriebe,
Dort funkenſprüh’nden Leiter traf die Hand.
Wie flog die Treue einſt, dir’s zu vertrauen,
Das Zauberwort, auf deſſen Fittig nun
Dein Name Meer und Alpen überſchreitet!
Jetzt blickt ſie nieder auf dein rühmlich Thun,
Des Glückes froh, das deinen Schritt geleitet.
O wär’s auch uns vergönnt, ſie ſo zu ſchauen

Allerdings verdient das aufmerkſame Beachten aller, auch ſcheinbar noch ſo unbedeutender Umſtände, wie dies durch Galvani’s Gattin geſchah, alle Anerkennung; iſt dies doch eine unerläßliche Bedingung des Gelingens jeder experimentellen Forſchung! Aber trotzdem hätte dieſe Beobachtung Lucia’s die Wiſſenſchaft ſchwer - lich weſentlich bereichert, da der Verſuch, ſo lange er in der oben angegebenen Weiſe ausgeführt wurde. keine neue Thatſache in ſich ſchloß. So lange die Zuckungen des Froſchſchenkels nur gleichzeitig mit einem in deſſen Nähe über - ſpringenden elektriſchen Funken auftraten, reichten zur Erklärung dieſer Erſcheinung die damals bekannten Thatſachen vollkommen aus. Zum Erfolge einer experimen - tellen Forſchung genügt es eben nicht, blos jeden Umſtand ſorgfältig zu beachten, er muß auch nach allen Richtungen hin weiter verfolgt werden. Und dies hat auch Galvani in der That nicht unterlaſſen. So hing er z. B. einen friſch ent - häuteten Froſchſchenkel mittelſt eines kupfernen Hakens an dem eiſernen Geländer ſeiner Terraſſe auf. Die Zuckungen traten auch bei dieſer Anordnung ein, ſobald die Schenkel mit dem Eiſengitter in Berührung kamen. Dieſer Verſuch verliert dadurch nichts an ſeiner Wichtigkeit, daß bei Anſtellung desſelben von einer falſchen Theorie ausgegangen wurde. Galvani hatte ſich nämlich ſeine Verſuche in der Art aus - gelegt, daß er in den Froſchſchenkeln gewiſſermaßen Kleiſt’ſche Flaſchen ſah; die Muskeln ſollten die äußere, der Nervenſtrang die innere Belegung hierzu bilden. Die Verbindung des Nervs mit den Muskeln durch einen Draht würde dann die Entladung einleiten und ſo die Zuckungen der Schenkel veranlaſſen. Von dieſer Anſicht geleitet, ſtellte er den letzten Verſuch an, um zu erfahren, ob auch die atmoſphäriſche Elektricität im Stande ſei, ſeine Froſchſchenkel-Flaſche zu laden. Wie bereits erwähnt, traten die Zuckungen wirklich ein, und zwar auch dann, wenn kein Gewitter am Himmel ſtand. Galvani’s Verſuche und deren Auslegung erregten27 damals ungeheures Aufſehen, was um ſo begreiflicher iſt, als man zu dieſer Zeit eben bemüht war, die ſogenannte Lebenskraft zu erforſchen. Es entſpann ſich nun ein lebhafter wiſſenſchaftlicher Kampf zwiſchen Galvani und ſeinen An - hängern einerſeits, Volta und deſſen Anhängern andererſeits, ein Streit, der an Fruchtbarkeit für die Entwicklung unſerer Wiſſenſchaft wohl ſeinesgleichen nicht mehr aufzuweiſen hat.

Aleſſandro Volta, der weitaus hervorragendſte Gegner Galvani’s, wurde am 18. Februar 1745 zu Como geboren. Er widmete ſich ſchon von Jugend auf naturwiſſenſchaftlichen Studien und veröffentlichte bereits in den Jahren 1769 bis 1771 Abhandlungen aus dem Gebiete der Elek - tricitätslehre, welche auch ſeinen Forſcherruf begrün - deten. Er wurde im Jahre 1774 Profeſſor der Phyſik und Rector des Gymna - ſiums zu Como. Sein her - vorragendes experimentelles Talent führte ihn, wie be - reits früher erwähnt, zur Erfindung des Elektrophors und des dann ſo wichtig gewordenen Condenſators. Im Jahre 1779 wurde er als Profeſſor an die Uni - verſität in Padua berufen. Studien über die aus Sümpfen ſich entwickeln - den Gasarten gaben den Anlaß zur Conſtruction der elektriſchen Piſtole, des Endiometers und der Lampe mit brennbarer Luft (Gas - lampe). Im Jahre 1790 erhielt auch er Kunde von Galvani’s Verſuchen, wie -

Fig. 7.

Aloiſio Galvani.

derholte dieſelben mit mannigfachen Abänderungen, gelangte aber zu einer prin - cipiell ganz verſchiedenen Auslegung. Er machte hiervon, zum erſtenmale im Jahre 1792, eine Mittheilung an die Royal Inſtitution in London. Volta ſah bei ſeinen und Galvani’s Verſuchen als Urſache der Elektricitätserregung ausſchließlich die Be - rührung zweier verſchiedenen Metalle an und betrachtete den Froſchſchenkel nur als Leiter, der gleichzeitig als Elektroſkop fungirt. Er nannte daher die auf neue Art erregte Elektricität metalliſche Elektricität, indeß Galvani, wie wir geſehen haben, gerade umgekehrt die Metalle nur als Leiter betrachtete und die Elektricitäts - erregung als eine ausſchließlich animaliſche Function erklärte. Der Streit zwiſchen beiden Parteien wurde äußerſt lebhaft fortgeſetzt und man führte von beiden Seiten immer neue Experimente ins Feld, um die eine oder die andere Anſicht zu begründen. Es iſt leicht zu begreifen, daß der Anatom Galvani und deſſen An -28 hänger ſich für den animaliſchen Urſprung der Elektricität erklärten, umſomehr als man ja auf dieſem Wege die Löſung des Lebensräthſels zu finden hoffte. Selbſt Volta neigte anfänglich zu Galvani’s Anſicht, aber bald führte ihn ſeine tiefere phyſikaliſche Einſicht zu der von ihm darauf verfochtenen Auslegung. Galvani’s Verdienſt wird jedoch dadurch nicht verringert, denn gegenwärtig wiſſen wir ja, daß der Urſprung der Elektricität weder ausſchließlich in den Froſchſchenkeln noch in den Metallen zu ſuchen iſt, ſondern die Quelle der Elektricität in beiden liegt und ſomit die Entdeckung eine doppelte war.

Während aber Galvani, an ſeiner Theorie feſthaltend, zu keinen neuen That - ſachen gelángte, vielmehr in Folge der traurigen Verhältniſſe jener Zeit in Armuth

Fig. 8.

Alexander Volta.

und geiſtige Schwäche verſank, eilte Volta von Entdeckung zu Ent - deckung und krönte ſchließlich ſeine uner - müdliche Thätigkeit mit der Erfindung der nach ihm benannten Säule. Ungleich glücklicher als Galvani, ſah Volta den hohen Werth ſeiner Ent - deckungen und Erfin - dungen raſch und voll - kommen anerkannt und wurde mit Ehren und Würden überhäuft. Im Jahre 1800 theilte er der Royal Inſtitution in London die Erfindung der Säule mit und im Jahre 1801 wurde er von Bonaparte nach Paris berufen. Hier führte er in Gegenwart des Conſuls ſeine Ex - perimente der Akademie der Wiſſenſchaften vor. Auf Antrag Bonaparte’s wurde zu Ehren Volta’s eine goldene Medaille geprägt und die Stiftung zweier Preiſe beſchloſſen, deren einer im Betrage von 60.000 Francs für Denjenigen beſtimmt war, der Entdeckungen machen würde, die jenen von Franklin oder Volta gleichkämen, deren zweiter im Betrage von 3000 Francs jährlich für die beſte in einem Jahre erſchienene Arbeit aus dem Gebiete des Galvanismus ertheilt werden ſollte. Volta ſelbſt erhielt ein bedeutendes Geſchenk, wurde Deputirter der Univerſität Pavia, Mitglied des franzöſiſchen und italieniſchen Inſtitutes, von Napoleon I. zum Senator Italiens ernannt und in den Grafenſtand erhoben. Im Jahre 1804 legte er ſein Lehramt nieder, nahm aber im Jahre 1815 die Ernennung zum Director der philoſophiſchen Facultät an der Univerſität zu Padua durch Kaiſer Franz an. Seine letzten Lebensjahre brachte er in ſeiner Vaterſtadt Como zu und29 ſtarb dort, 81 Jahre alt, am 6. März 1826. Die Größe und Bedeutung der Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zeigen ſich am beſten, wenn man die weitere Entwicklung jenes Theiles der Elektricitätslehre verfolgt, welchen man heute unter dem Worte Galvanismus zuſammenfaßt. Der elektriſche Strom, der ſich Galvani durch Zuckungen der Froſchſchenkel verrieth, jenes ſchwache Kind, welches Volta durch die Erfindung ſeiner Säule zum kräftigen Manne erzog, dient jetzt als Ideenvermittler zwiſchen den Bewohnern beider Hemiſphären; er bewirkt den Ge - dankenaustauſch von Menſchen, und mögen Länder und Meere ſie trennen, Hunderte von Meilen zwiſchen ihnen liegen, in wenigen Augenblicken. Hatten nun hierzu Galvani und Volta allerdings den Grund gelegt, ſo bedurfte es zur Vollendung des Gebäudes doch noch der Entdeckungen und Erfindungen, welche an die Namen Oerſted, Ampère und Faraday für ewige Zeiten geknüpft ſind; es ſind dies die Entdeckung der elektromagnetiſchen Wirkung, die Ampère’ſche Theorie und die Entdeckung der Induction.

Hans Chriſtian Oerſted wurde am 14. Auguſt 1777 zu Rudkjöbing auf der däniſchen Inſel Langeland geboren, wo ſein Vater eine Apotheke hielt Vom Jahre 1794 an widmete ſich Oerſted an der Univerſität zu Kopenhagen dem Studium der Medicin und wurde im Jahre 1799 zum Doctor der Philoſophie promovirt. Nachdem er in den Jahren 1801 bis 1803 Frankreich, Deutſchland und Holland bereiſt hatte, beſchäftigte er ſich eingehend mit chemiſchen und phyſikaliſchen Studien und wurde im Jahre 1806 zum Profeſſor der Phyſik ernannt. In den Jahren 1813 und 1814 treffen wir ihn auf einer zweiten Reiſe nach Deutſchland, auf welcher er während ſeines Aufenthaltes in Berlin eine Arbeit unter dem Titel: Anſichten der chemiſchen Naturgeſetze veröffentlichte. Dieſe Abhandlung wurde ſpäter unter Mithilfe von Marcel de Serres umgearbeitet und unter dem Titel: Recherches sur l’identité des forces électriques et ehimiques (Unterſuchungen über die Identität der elektriſchen und chemiſchen Kräfte) in franzöſiſcher Sprache neuer - dings der Oeffentlichkeit übergeben. Dann beſuchte er England und gründete nach ſeiner Rückkehr im Jahre 1824 in Kopenhagen die Geſellſchaft für Ausbreitung der Naturlehre.

Fünf Jahre darauf übernahm er die Stelle des Directors am polytechniſchen Inſtitute. Seine glänzendſte Entdeckung, nämlich die des Elektromagnetismus, machte er im Jahre 1819. Auch bei dieſem wichtigen Fortſchritte ſpielte der Zufall eine Rolle. Oerſted ſoll mit einer galvaniſchen Batterie gearbeitet haben, während ſich gleichzeitig in der Nähe der Leitungsdrähte eine Magnetnadel befand; ſo oft nun der Stromkreis im Leitungsdrahte geſchloſſen wurde, gerieth die Nadel in lebhafte Bewegung.

War nun auch dieſe Beobachtung eine rein zufällige und dieſer Verſuch nicht mit der Abſicht angeſtellt, den Zuſammenhang zwiſchen Magnetismus und Elektricität zu ergründen, ſo verringert dies jedoch keineswegs Oerſted’s Verdienſt. Oerſted hatte, ſo berichtet Whewell, dieſen Beziehungen eifriger und beharrlicher nachgeſpürt als irgend ein anderer Mann in Europa. Denn ſchon im Jahre 1807 hatte er eine Schrift bekannt gemacht, in welcher er geſtand, daß er ſchon ſeit längerer Zeit ſich zu überzeugen ſuche, ob die Elektricität in ihrem verborgenſten Zuſtande irgend eine Wirkung auf den Magnet habe . Die Entdeckung iſt deshalb nur die natürliche Folge ſeiner Arbeiten und Forſchungen und der Zufall hierbei der Funke, der das geladene und auf das beſtimmte Ziel gerichtete Gewehr in Thätig - keit ſetzte.

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Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über - haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen - ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur - wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge - mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.

Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt. Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That -

Fig. 9.

Hans Chriſtian Oerſted.

ſachen, die man bereits be - obachtet hatte und entweder gar nicht erklären konnte oder doch nur durch ſehr gewagte Hypotheſen. Zu dieſen Beobachtungen ge - hören z. B. das mag - netiſche Verhalten von Eiſenſtangen, durch welche der Blitz gegangen war, und das Umpolariſiren der Magnetnadel. Die letztere Erſcheinung namentlich hat ein nicht zu unterſchätzen - des praktiſches Intereſſe. Es waren nämlich wieder - holt Schiffe geſcheitert oder doch ganz aus ihren Cours gerathen, einfach dadurch, daß während eines Ge - witters die Polarität ihrer Compaßnadel umgekehrt wurde, ohne daß dies die Schiffsleute während ihres Kampfes mit dem Sturme bemerkten. Das Schiff fuhr dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.

Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm Ampère. André Marie Ampère, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf - jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll -31 kommen lahmlegte und ihn in gänzliche Apathie verſenkte. Die Lektüre von Rouſſeau’s botaniſchen Briefen ſoll ihn endlich aus dieſer Lethargie erweckt haben. Nun warf er ſich, wahrſcheinlich durch Lavoiſier’s Arbeiten angeregt, mit Feuereifer auf das Studium der Chemie und Phyſik und erhielt im Jahre 1801 für eben dieſe Gegenſtände eine Profeſſur in Bourg. Von hier kam er an das Lyceum zu Lyon und dann an die polytechniſche Schule in Paris. Im Jahre 1814 ver - ſchafften ihm ſeine ausgezeichneten Arbeiten mathematiſchen Inhaltes die Mitglied - ſchaft der Pariſer Akademie. Von dieſer Zeit an beſchäftigte ſich Ampère wieder mit Phyſik und lieferte eben jene Arbeiten aus dem Gebiete des Elektromagnetismus, wegen welcher er hier genannt werden muß. Im Jahre 1824 wurde er Profeſſor der Experimentalphyſik am Collége de France und ſtarb auf einer Reiſe begriffen in Marſeille am 10. Juni 1836.

Eine der Folgerungen, welche aus der Oerſted’ſchen Beobachtung von Ampère gezogen wurde, war die, daß auch die Erde wegen ihres magnetiſchen Verhaltens richtend auf einen vom Strome durchfloſſenen Leitungsdraht einwirken müſſe. Nach längeren und anfangs reſultatloſen Verſuchen gelang es Ampère in der That, für dieſe ſeine Behauptung den experimentellen Beweis beizubringen. Sein größtes Verdienſt iſt aber die Aufſtellung der nach ihm benannten Am - père’ſchen Theorie über die elektrodynamiſchen Wirkungen. Als man ſich Mühe gab, die elektromagnetiſchen Erſcheinungen auf einfache Geſetze zurückzuführen, be - merkte man bald, daß die hier in Betracht kommenden Kräfte ſich weſentlich anders verhalten als die bisher bekannten. Man ſah z. B., daß der vom elek - triſchen Strome durchfloſſene Draht nicht ſo ſehr darnach ſtrebe, die Magnetnadel zu ſich heranzuziehen, ſich näher zu bringen, als vielmehr dieſer eine beſtimmte Richtung zu geben; man hat es alſo hier nicht mit einer Kraft zu thun, die ähnlich wirkt wie die Schwerkraft, welche bekanntlich die Körper dem anziehenden Punkte näher zu bringen ſucht, ſondern mit einer nicht den Ort, ſondern nur die Stellung des Körpers richtenden Kraft. Man drückte damals dieſen Unter - ſchied dadurch aus, daß man die Bezeichnung transverſe Kraft einführte.

Hier griff nun Ampère klärend und ſichtend ein, und zwar in einer Weiſe, wie ſie ſelten zu verzeichnen iſt: Nicht eine Erklärung einzelner Thatſachen, eine Theorie, die bei jedem neuen Experimente mannigfach abgeändert und zugefeilt werden mußte, die ſich nach und nach erſt zu einer gewiſſen Vollkommenheit ent - wickelte, gab Ampère, ſondern, die Thatſachen in ihrer Allgemeinheit umfaſſend, vollkommen ausgebildet, wie einſt Pallas Athene dem Haupte des Donnerers, ent - ſprang die Theorie ſeinem Geiſte. Wenn man das Experiment betrachtet, in welchem ſich eine Magnetnadel ſenkrecht zu dem Leitungsdrahte des elektriſchen Stromes ſtellt, ſo könnte man für dieſe Erſcheinung zweierlei Auslegungen annehmen. Die eine beſteht darin, daß man ſich den Draht aus transverſalen Magneten, alſo aus Magneten, die mit ihrer Längsrichtung auf die Längsrichtung des Drahtes ſenk - recht ſtehen, zuſammengeſetzt denkt; die andere Auslegung iſt gewiſſermaßen um - gekehrt: man denkt ſich den Magnet gleichwerthig mit ihn transverſal durch - fließenden elektriſchen Strömen. Die zuletzt angeführte Auslegung gab Ampère den Experimenten und bewies ſogar, daß dies die einzig mögliche Auslegung ſei, wollte man nicht bei Erklärung anderer Erſcheinungen zu neuerlichen Hilfshypotheſen ſeine Zuflucht nehmen. Wie glücklich er in der Aufſtellung ſeiner Theorie war, erhellt daraus, daß dieſe nicht nur allen damals bekannten Thatſachen genügte, ſondern auch zur Erklärung ſpäter angeſtellter Experimente vollkommen ausreichte.

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Ampère’s Theorie der elektrodynamiſchen Kräfte (wie er ſie ſelbſt be - nannte) wird uns ſpäterhin noch eingehender beſchäftigen; an dieſer Stelle ſollen nur noch einige Worte über deren Aufnahme unter den Fachgenoſſen geſagt werden. Die Geſetze der elektrodynamiſchen Kräfte erforderten noch eine genauere Beſtimmung; dieſe war durch nicht ganz einfache Rechnungen unter Anwendung höherer Mathe - matik noch aufzufinden. Auch dies gelang Ampère, und damit hatte ſich wenigſtens für ihn die Berechtigung ſeiner Theorie allerdings ausreichend dargethan. Sollte ſie aber zu allgemeiner Anerkennung kommen, ſo mußten eben auch ſeine Zeitgenoſſen die gründlichen und ſcharfſinnigen Rechnungen nicht nur ſtudiren, ſondern auch

Fig. 10.

Ampère.

vollkommen verſtehen. Dieſer Umſtand einer - ſeits und andererſeits das Beſtreben, ſelbſt eine Theorie zu finden, die den in Rede ſtehenden Erſcheinungen Genüge leiſten könnte, waren die Urſachen, warum Ampère’s Theorie einige Zeit erforderte, bis ſie zu allgemeiner Anerkennung gelangte. Wir hätten uns nun mit den Folgen zu beſchäftigen, welche die Anerkennung und Ver - breitung der elektro - dynamiſchen Theorie mit ſich brachte, müſſen uns aber hier doch nur mit der Anführung der wichtigſten Thatſachen begnügen. Zu dieſen gehört die Erfindung des Galvanometers welches wir ſpäter noch kennen lernen werden durch Schweigger in Halle, und die Entdeckung der Thermo-Elektricität durch Profeſſor Seebeck in Berlin im Jahre 1822. Im Galvanometer bekam man ein Inſtrument, welches nicht nur die ſchwächſten elektrodynamiſchen Wirkungen anzeigte, ſondern auch ge - ſtattete, dieſe durch Ablenkung der Magnetnadel genau zu meſſen. Durch die Ent - deckung der Thermo-Elektricität erhielten wir Kenntniß von einer neuen Elektricitäts - quelle, die in Zukunft vielleicht noch eine bedeutende Rolle zu ſpielen berufen iſt.

Dem Phyſiker Georg Simon Ohm, geboren am 16. März 1787 zu Erlangen, geſtorben als Profeſſor an der Univerſität zu München am 7. Juli 1854, iſt die Aufſtellung der Theorie galvaniſcher Ketten zu verdanken. Die von ihm aufgefundenen Geſetze tragen ſeinen Namen, und an den Arago’s knüpft ſich die Entdeckung des Rotations-Magnetismus.

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Um die Geſchichte der Elektricität zu vollenden, erübrigt uns noch zweier Männer zu gedenken, welche durch ihre Entdeckungen zwei der wichtigſten Grund - ſteine ſpeciell für die techniſche Anwendung der Elektricität lieferten; es ſind dies Faraday und Davy.

Michael Faraday wurde am 22. September 1791 zu Newington Butts bei London geboren. Sein Vater, ein Hufſchmied, gab ihn zu einem Buchbinder in die Lehre, wo Faraday bis zu ſeinem 22. Jahre blieb und mit großem Eifer jene Bücher las, die ihm zufällig in die Hand kamen; hierbei waren es namentlich phyſikaliſche und chemiſche Werke, welche ſein Intereſſe beſonders erregten. Später

Fig. 11.

Michael Faraday.

hörte er dann einen Cyklus jener öffentlichen Vorleſungen, welche Sir Humphry Davy an der Royal Inſtitution hielt und arbeitete dieſelben ſchriftlich aus. Durch Vorzeigung derſelben zog er Davy’s Aufmerkſamkeit auf ſich und dieſer nahm ihn zunächſt (1813) als Gehilfen in ſein Laboratorium;*)Die Gründe, die ihn zu dieſem Schritte bewogen, ſpricht nach Angabe Whewell’s Faraday ſelbſt mit folgenden Worten aus: Mein Wunſch war, den Handelsgeſchäften zu entfliehen, die ich für verdorben und ſelbſtiſch hielt, und mein Verlangen, in den Dienſt der Wiſſenſchaft zu treten, die nach meiner Meinung ihre Verehrer liebenswürdig und edelmüthig macht, bewog mich zu dem kühnen Schritt, ohneweiters an Sir Humphry Davy zu ſchreiben. hier warf er ſich mit allem Eifer auf das Studium der Chemie und Phyſik und wurde nach einiger Zeit Davy’s Secretär. Im Jahre 1827 erlangte er endlich die Stelle eines Profeſſors derUrbanitzky: Elektricität. 334Chemie an der Royal Inſtitution in London und in den Jahren 1829 bis 1842 war er auch als Lehrer an der Akademie in Woolwich thätig. Er ſtarb am 25. Auguſt 1867 zu Hamtoncourt.

Faraday, dem wir die elektroſtatiſchen Geſetze, die Induction und den Dia - magnetismus verdanken, war überhaupt einer der größten Naturforſcher, die je lebten. Es iſt hier nicht der Ort, auf alle ſeine Entdeckungen und Erfindungen auch nur hinzuweiſen, hier intereſſirt uns nur die Entdeckung der Induction. Welch enorme Tragweite dieſer Entdeckung innewohnte, zeigt uns der gegenwärtige Stand der Elektrotechnik: Die Telegraphie, die Telephonie, die Mehrzahl der Regu - lirungsvorrichtungen unſerer Bogenlampen, die elektriſchen Maſ