Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik ein ſo allgemeines und reges Intereſſe auch von Seite der Laien - welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das, was durch ſie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche, an’s Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren den Gedanken: „ die menſchliche Sprache mit Blitzesſchnelle einige hundert Meilen weit zu übertragen “, d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee eines Wahnſinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechaniſcher Kraft durch den elektriſchen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon für amerikaniſchen Humbug? — Mit unwiderſtehlicher Gewalt drehen die herabſtürzenden Waſſermaſſen mächtige Räder oder Turbinen; dieſe ſetzen unſere elektriſchen Maſchinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Waſſer - falles in Elektricität umgewandelt wird. Um dieſe weiter zu leiten, bedarf man keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen — ein einfacher Draht genügt. Und ſo fließt unmerkbar und doch blitzſchnell die rohe Waſſerkraft, gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis ſie an jenem Orte angelangt iſt, wo man ihrer bedarf. Hier giebt ſie ihre Bändigerin wieder frei und nun treibt ſie die Maſchinen einer ganzen Fabrik. Und iſt ſie dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maſchine zu drehen, wie der Waſſerfall, dem ſie ihr Entſtehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen nur das entſprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabſtürzenden Waſſers leuchtet ſonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zerſetzungs - zelle die Arbeit des Chemikers oder Hüttenmannes. Der, einem Irrlichte gleich, geiſterhaft ſich bewegende Lichtſchein in der Kabelſtation kündet der alten Welt,VI was die neue erregt: die von Hemiſphäre zu Hemiſphäre eilende Botin iſt wieder die Elektricität; ſie warnt uns vor Feuer - und Waſſernoth, ſie lenkt die ſturmſchnell dahinbrauſende Locomotive in ſichere Bahnen, ſie verräth dem Schiffer in dunkler Nacht den bergenden Hafen, ſie mißt die Kugel im Fluge wie die Geſchwindigkeit des Schalles.
In dieſer wunderbaren Gefügigkeit, immer jene Kraftform annehmen zu können, die gerade die zweckmäßigſte iſt, liegt die große Bedeutung der Elektricität, eine Bedeutung, die in ihrem vollen Umfange durch die in den letzten Jahren veranſtalteten Ausſtellungen auch dem großen Publicum klar vor Augen trat. Das Intereſſe war geweckt und nun wurde der Wunſch nach Aufklärung laut, nach einem Führer durch dieſes geheimnißvolle, weit ausgedehnte Gebiet. Gegen - wärtig herrſcht nun zwar allerdings kein Mangel an fachwiſſenſchaftlichen Specialwerken und Fachzeitſchriften mehr; doch iſt es nicht Jedermanns Sache, aus Brauchbarem und Unbrauchbarem das Praktiſche herauszuſuchen, fünfzig Bände durchzuſtudiren, um ſchließlich ſo viel zu behalten, als in einen Band zuſammengefaßt werden könnte und ſich hierbei überdies noch durch langathmige mathematiſche Entwicklungen hindurchzuarbeiten. Den Leſer dieſer Mühe zu überheben, ſtellte ich mir zur Aufgabe. Dem Leſer ſoll hiermit ein klarer Ueberblick über das Geſammtgebiet der modernen Elektrotechnik ermöglicht werden, und zwar unter der Vorausſetzung, daß derſelbe über kein fachliches Wiſſen verfügt, ſondern nur allgemeine Bildung beſitzt. Ferner ſoll das ſehr ausgedehnte Regiſter auch die Verwendung des Werkes als bequemes Nach - ſchlagebuch ermöglichen. Obwohl ich mir keineswegs die Größe und Schwierigkeit des Unternehmens verhehlte, ſchreckte ich doch nicht vor der Ausführung des - ſelben zurück, da ich bei dem Umſtande, daß es ſich um ein erſtes Unternehmen dieſer Art handelte, auf die Nachſicht der Leſer rechnen zu dürfen glaube. Auch war ich der ausgiebigen und thatkräftigen Unterſtützung der rühmlichſt bekannten Verlagsbuchhandlung A. Hartleben und der Mitwirkung der kunſtgeübten Xylographen Günther und Rücker ſicher; ich erfülle eine angenehme Pflicht, an dieſer Stelle den genannten Firmen meinen wärmſten Dank auszuſprechen. Selbſt weder Mühe noch Arbeit ſcheuend, iſt durch unſer Zuſammenwirken vorliegendes Werk entſtanden, welches ich, um wohlwollende Aufnahme bittend, hiermit der Oeffentlichkeit übergebe.
Dr. A. Ritter v. Urbanitzky.
Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes gewann die Dampfmaſchine durch die Erfindungen von Humphry Potter, James Watt und Anderen eine Vollendung, welche der Anwendung der Dampfkraft eine ungeahnte Verbreitung und Bedeutung verlieh. Im Jahre 1807 benützte ſie bereits Fulton zum Betriebe eines Schiffes, welches den Verkehr zwiſchen New-York und Albany vermittelte; im Jahre 1814 baute Robert Stephenſon ſeine erſte, für das Kohlenwerk Killingworth beſtimmte Locomotive und 1829 wurde die erſte Dampfeiſenbahn (von Liverpool nach Mancheſter) in Betrieb geſetzt. Das Zeitalter des Dampfes war angebrochen. Nun iſt kaum mehr als ein halbes Jahrhundert verfloſſen und ſchon gewinnt es den Anſchein, als ob ein neues Zeitalter, eine neue Epoche in der Culturgeſchichte der Menſchheit beginnen ſollte. Die beiden geheimnißvollen Naturkräfte, Elektricität und Magnetismus, deren Weſen zu enträthſeln bisher noch nicht gelungen iſt, erringen ſich mit jedem Tage eine größere Bedeutung. Nicht ſtreng wiſſenſchaftliche Forſchungen, Laboratoriums - Experimente oder gelehrte Hypotheſen und Theorien ſind es, die gegenwärtig das allgemeine Intereſſe in ſo hohem Maße beanſpruchen, ſondern praktiſch verwerthbare Erfindungen; weder dem Fachmanne noch dem Laien können ſie unbemerkt bleiben, da ſie auf Schritt und Tritt, wohin wir auch unſere Blicke wenden mögen, uns entgegentreten.
Fragen wir nach der Urſache, welcher die Elektricität ihre Macht, ihre Be - deutung verdankt, ſo wird uns dieſe Frage dadurch beantwortet, daß wohl keine andere Naturkraft ſich ſo leicht in jede gewünſchte Form der Kraft verwandeln läßt, als eben die Elektricität. Sie verläßt ihre Geburtsſtätte und eilt am tiefen Meeresgrunde von Continent zu Continent, erzählt dort, was die Menſchen drüben und herüben treiben; ſie fliegt durch die Lüfte und flüſtert uns die Worte ins Ohr, wie der weit entfernte liebe Freund ſie geſprochen hat — auch nicht eine Silbe iſt auf dem weiten Wege aus dem dünnen Eiſenfaden verloren gegangen. 1*4Die Elektricität iſt auch muſikaliſch geworden; und wie richtig, wie ſicher nimmt ſie die leiſeſten wie die kräftigſten Töne auf, die Triller der ſterbenden Primadonna, wie den Triumphgeſang der ſiegreich zurückkehrenden Helden! Dann muß ſie in den engen Draht und durcheilt in dieſem mit Blitzesſchnelle viele, viele Meilen; am Beſtimmungsorte angelangt, jubelt ſie wieder laut auf im Triumphgeſange des Helden, haucht ſie wieder die Triller der Primadonna aus. Im tiefen Waldes - ſchatten, zwiſchen hohen Felſenklippen ſtürzt brauſend und tobend ein Waſſerfall ins Thal hinab. Weitab von menſchlicher Behauſung, beſuchte ihn früher nur ſelten ein kühner Wanderer. Und jetzt! Jetzt muß er mächtige Turbinen drehen, welche mit Hilfe unſerer Maſchinen ſeine gewaltige Kraft wieder in Elektricität umwandeln. In unfaßbarer Schnelligkeit durcheilt dieſe ihre Leitungsdrähte, weder Berge noch Thäler, weder Flüſſe noch Wälder hemmen ihren Lauf, und bei den Wohnſtätten der Menſchen angelangt, verwandelt ſie ſich wieder in Wärme und Licht, in mechaniſche Kraft oder leiſtet chemiſche Arbeit. Der weit entfernte Waſſerfall muß unſere Straßen und Plätze, unſere Wohnungen und Magazine mit Licht, mit hellem Tageslichte verſehen, muß unſere Maſchinen treiben, die Arbeit des Chemikers und Hüttenmannes übernehmen! Hat etwa Aladdin’s Wunderlampe mehr geleiſtet? Iſt wirklich die moderne techniſche Wiſſenſchaft proſaiſch oder fehlt nicht vielmehr der gottbegnadete Dichter, um die Wunder, welche die Elektricität verrichtet, in begeiſterten Geſängen zu verherrlichen?
Wie unſcheinbar waren die erſten Erſcheinungen, in welchen das Zwillings - paar, Magnetismus und Elektricität, zuerſt beobachtet wurde! Und in der That legte man dieſen auch keinerlei Bedeutung bei. Die Eigenſchaft des geriebenen Bernſteines, leichte Körperchen anzuziehen, machte jenen zu einem beliebten Spielzeuge griechiſcher Frauen. Ueber den Magnetſtein herrſchten die kindlichſten Anſchauungen. Die Alten kannten eben nur den natürlich vorkommenden Magnetſtein. Plinius ſchreibt deſſen Auffindung einem Hirten Namens Magnes zu. Derſelbe ſollte einmal beim Hüten ſeiner[Herde] auf eine Stelle gekommen ſein, an welcher die Nägel ſeiner Schuhe und die Eiſenſpitze ſeines Stabes nur mit Mühe vom Boden losgemacht werden konnten. Er grub nach und fand den natürlichen Magnetſtein. Nach Anderen ſoll der Stein den Namen „ Lithos herakleia “geführt haben, was ſo viel als Herkulesſtein oder Stein von Heraklea bedeuten würde. Die Stadt Heraklea ſcheint ſpäter den Namen Magneſia bekommen zu haben und dann wäre das Wort Magnet aus dem Namen jener Stadt abgeleitet. Wenngleich Lucrez (geb. im Jahre 95 v. Chr.) bereits erwähnt, daß der Magnetſtein auch Eiſen abſtoßen könne und durch andere Körper durchwirke, ſo waren doch die Vor - ſtellungen der Alten über den Magnetismus äußerſt unklare. Sie wußten nichts über die Polarität eines Magnetes, ja Plinius giebt ſogar an, daß der Diamant im Stande ſei, dem Magnete ſeine ganze Kraft zu rauben.
Faſt ebenſo unklar als die Entdeckung des Magnetismus überhaupt iſt auch jene der Magnetnadel geblieben. Klaproth ſchreibt ſie den Chineſen zu. Er fand in dem Wörterbuche Schu-e-wen von Hiu-tſchin aus dem Jahre 121 n. Chr. für das Wort Magnet die Erklärung: Name eines Steines, mit welchem man der Nadel die Richtung gebe. In einem anderen chineſiſchen Wörterbuche aus dem5 elften Jahrhunderte wird angegeben, daß ſich die Schiffer bereits unter der Dynaſtie der Tſin (265 — 419) der Magnetnadel bedienten. Sie ließen dieſelbe nach Süden zeigen und kannten auch bereits ihre Abweichung (Declination) von der genauen Richtung. Die erſte Anwendung der Magnetnadel erfolgte jedoch nicht in der Schiff - fahrt, ſondern bei Landreiſen mittelſt des magnetiſchen Karrens oder Tſchi-nan-tſchin. Poggendorff beſchreibt dieſen in ſeiner Geſchichte der Phyſik in folgender Weiſe: „ Dieſe Karren waren zweiräderige Fuhrwerke, auf welchen ſich vor dem Sitze eine kleine Figur mit ausgeſtrecktem Arme auf einem Stift beweglich befand. In dem ausgeſtreckten Arme war ein kleiner Magnetſtab, durch welchen dieſer Arm immer nach Süden gerichtet wurde. Solcher Karren bedienten ſich die chineſiſchen Kaiſer, wenn ſie große Reiſen oder Kriegszüge durch unbebaute oder wüſte Gegenden ihres weitläufigen Reiches unternahmen. Zuweilen hatten dieſe Karren oder Wagen zwei Stockwerke und neben der magnetiſchen Figur, welche die Richtung des Weges angab, befanden ſich noch zwei andere, welche die Länge desſelben anzeigten, vermuthlich durch einen Mechanismus wie er in den Wegmeſſern angewandt wird. “ Nach der mythologiſchen Geſchichte der Chineſen ſoll der Kaiſer Huang-ti der Erfinder dieſer Wagen geweſen ſein, wornach die Erfindung in das Jahr 2364 v. Chr. zu ſetzen wäre. Jedenfalls iſt aber die Anwendung der Magnetnadel zu Landreiſen älteren Datums als jene zu Seefahrten. Die älteſten verläßlichen Nachrichten hierüber finden ſich in der etwa im Jahre 1111 oder 1117 verfaßten Naturgeſchichte des Ke-u - tſung-ſchy. In dieſer wird mitgetheilt, daß man die Magnetnadel mittelſt Wachs an einem Faden aufhängen oder auch auf einem Schilfhalm in einem Gefäße mit Waſſer ſchwimmen laſſen könne; auch wird erwähnt, daß die Nadel etwas von der Südrichtung abweicht.
Auch die Zeit, zu welcher die Buſſole in Europa eingeführt wurde, iſt nicht mit Sicherheit anzugeben. Es wird häufig angenommen, daß der aus Paſitano bei Almafi gebürtige Seefahrer Flavio Gioja etwa um das Jahr 1302 den Compaß erfunden habe; es iſt wohl möglich, daß dieſem Manne die Einführung des Compaß in der Schifffahrt am mittelländiſchen Meere zu verdanken iſt, aber bekannt war derſelbe jedenfalls ſchon bedeutend früher. So findet man in dem von Guyot de Provins beiläufig im Jahre 1190 verfaßten Gedichte „ La Bible “die Angabe, daß die Schiffer bei trübem Himmel die Magnetnadel zu Rathe ziehen. Auch Jacques de Vitry gedenkt in ſeiner „ Historia naturalis “(1215 bis 1220) der Magnetnadel als einer nicht mehr neuen Sache. Der erſte Europäer, welcher die Declination der Magnetnadel genauer beobachtete und auch derſelben ausdrücklich Erwähnung that, war wahrſcheinlich Chriſtoph Columbus. Dieſe Thatſache wurde lange Zeit gar nicht anerkannt, indem man die Abweichung der Nadel von der genauen Nord-Süd-Richtung einer ungenauen oder fehlerhaften Conſtruction der Nadel zuſchrieb. Die Variationen in der Nadelrichtung an einem und demſelben Orte wurden zuerſt von Henry Gellibrand im Jahre 1634 beobachtet.
Im Jahre 1544 folgte die Entdeckung der Inclination, d. h. der Neigung, der um eine horizontale Axe drehbaren Nadel gegen den Horizont durch Hart - mann; dieſer erwähnt derſelben in einem an den Herzog Albrecht von Preußen gerichteten Schreiben. Robert Normann (1576) unterſuchte dieſe Erſcheinung genauer und fand auch, daß der Magnetismus das Gewicht der Eiſenſtücke nicht verändere. Die Urſache, welcher die Magnetnadel ihre Eigenſchaft, ſtets nach einer beſtimmten Richtung zu zeigen, verdankt, war bisher unbekannt geblieben. Erſt6 William Gilbert, deſſen wir in der Geſchichte der Elektricität noch ausführlicher gedenken müſſen, gab die Erklärung hiefür, indem er die Erde ſelbſt als einen großen Magnet betrachtete. Ihm iſt daher auch die Entdeckung des Erdmagnetismus zuzuſchreiben. Aus ſeiner Annahme erklärte ſich auch leicht und ungezwungen die Zunahme der Inclination in der Richtung vom Aequator gegen die Pole zu. Die Beſtätigung der Theorie Gilbert’s durch das Experiment brachte Hudſon, der Entdecker der Hudſonsbai, auf einer im Jahre 1608 unternommenen Reiſe in die nördlichen Breiten bei. Gilbert und Hartmann wußten auch bereits, daß Süd - und Südpol, Nord - und Nordpol ſich abſtoßen, daß alſo der Nordpol der Magnet - nadel nach dem magnetiſchen Südpole der Erde zeige. Gilbert beobachtete auch ſchon das Magnetiſchwerden vertical ſtehender Eiſenſtangen und bemerkte hierbei, daß ſie an ihrem unteren Ende einen Nordpol zeigen und daß dieſe Erſcheinung noch kräftiger hervortritt, wenn der Eiſenſtab die Richtung der Inclinationsnadel ein - nimmt. Er wußte auch, daß ein in der Richtung der Magnetnadel liegender Eiſenſtab durch Hämmern magnetiſch werden könne, und daß durch Glühen der Magnetismus zerſtört werde, beim Abkühlen jedoch wieder zum Vorſchein kommt, ſobald hierbei das Eiſenſtück in die Richtung der Magnetnadel gelegt wird. Auch die magnetiſche Fernwirkung durch die Luft und andere Körper war ihm nicht unbekannt geblieben. Eine weitere Vermehrung unſerer Kenntniſſe über den Magnetismus haben wir Halley, Johann Karl Wilke, Graham und Canton zu verdanken. Die Arbeiten und Forſchungen dieſer Männer fallen in das achtzehnte Jahrhundert. Zu Ende dieſes Jahrhundertes beobachtete Coulomb das Verhalten eines Magnetes bei ſeiner Theilung. Er fand, daß ein Magnet, in zwei, drei und mehr Theile getheilt, Bruchſtücke giebt, von welchen jedes wieder einen Nord - und einen Südpol zeigt; dieſes Verhalten führte ihn zur Aufſtellung einer Theorie über die Conſti - tution der Magnete, mit welcher wir uns ſpäter noch zu beſchäftigen haben werden. Die berühmten Unterſuchungen von Gauß und ebenſo die Verſuche von Jamin gehören bereits dem gegenwärtigen Jahrhunderte an.
Die erſten Beobachtungen elektriſcher Erſcheinungen ſind ebenſo unſicher nach - zuweiſen, wie die der magnetiſchen; doch reichen auch jene weit ins Alterthum zurück. Es wird ſo ziemlich allgemein angenommen, daß Thales, einer der ſieben Weiſen Griechenlands, der Erſte ſei, welcher die Anziehungskraft des geriebenen Bern - ſteines beobachtete. Thales wurde 640 v. Chr. zu Milet geboren und ſtarb 548 während er den olympiſchen Spielen anwohnte. Der Bernſtein führte den Namen Elektron, zu Deutſch „ Zugſtein “, und von dieſem Worte iſt auch unſer gegen - wärtiger Ausdruck „ Elektricität “abgeleitet. Das deutſche Wort Bernſtein deutet nicht auf die elektriſchen Eigenſchaften dieſes Harzes, ſondern auf ſeine Fähigkeit zu brennen; ſeine Ableitung ergiebt ſich aus dem niederdeutſchen Worte bernen = brennen.
Die Angaben von Theophraſtus und Plinius über Steine, welche durch Reiben die Eigenſchaft erhalten ſollen, leichte Körperchen anzuziehen, haben wenig Bedeutung, da ſie zu unklar ſind. Theophraſtus von Ereſus auf Lesbos, der berühmteſte Mineraloge des Alterthumes, erwähnt nämlich eines Steines mit den erwähnten Eigenſchaften, welchen er Lynkurion nannte; welches Mineral er damit meinte, konnte jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden. Plinius erzählt, daß7 der Carbunculus ſowohl durch Reiben als auch durch Erwärmen von der Sonne die Fähigkeit erhalte, leichte Körperchen anzuziehen; darnach könnte man vermuthen, daß unter dem Carbunculus des Plinius unſer Turmalin zu verſtehen ſei. Dem widerſpricht jedoch die Thatſache, daß der Turmalin den Alten nicht bekannt war, daß dieſen vielmehr die Holländer erſt um das Jahr 1703 aus Indien mitbrachten.
Nicht unbekannt konnten jedoch die Erſcheinungen der atmoſphäriſchen Elek - tricität den Alten geblieben ſein, da Gewitter in dieſen ſüdlichen Gegenden eben nicht gar ſo ſelten waren. Außerdem kannten ſie aber auch das Elmsfeuer, aller - dings ohne deſſen elektriſchen Urſprung zu ahnen. Poggendorff führt diesbezüglich mehrere intereſſante Stellen an; ſo z. B. aus Cäſar’s afrikaniſchem Kriege: „ Plötzlich entſtand ein ungeheurer Sturm mit Steinregen (Hagel?) und in derſelben Nacht glühten von ſelbſt die Spitzen an den Speeren der fünften Legion. “ Ferner: „ In Sicilien wurden den Soldaten die Speere leuchtend, und das Geſtade glänzte von zahlreichen Funken. “ Wie ſehr man über die Natur des Elmsfeuers im Un - klaren war, zeigt Plinius, welcher dieſes zu den Sternen zählte. Er ſagt: Es giebt Sterne auf dem Meere und auf dem Lande. Ich ſelbſt ſah den Speeren der Sol - daten, die Nachts Wache hielten, ein ſternähnliches Licht ſich anhängen. Auch auf die Segelſtangen und andere Theile des Schiffes ſetzten ſie ſich mit eigenthümlichem Geräuſche, wie Vögel hüpfend von einem Orte zum anderen. Wenn ſie einzeln kommen, ſind ſie verderblich, die Schiffe in den Grund bohrend und wenn ſie in den Boden geſunken ſind, die Kiele entzündend. Als Doppelſterne aber ſind ſie heilſam, Vorboten einer glücklichen Fahrt und durch ihre Ankunft wird jene ſchreckliche Helena verſcheucht. Des - halb ſchreibt man dem Pollux und Kaſtor dieſe Erſcheinung zu und ruft ſie an als Götter auf dem Meere. Auch die Häupter der Menſchen umleuchten ſie in den Abendſtunden zu großer Vorbedeutung. Die Urſache aber von Allem iſt unbekannt, verborgen in der Majeſtät der Natur. “
Wie es kam, daß die Schiffer in Kaſtor und Pollux ihre Schutzgötter ver - ehrten, hiefür erzählt Poggendorff folgende Sage: „ Kaſtor und Pollux machten den Argonautenzug mit und wurden einſt auf dieſer Fahrt von einem ſchrecklichen Sturme überfallen. Als alle laut zu den Göttern flehten, erſchienen plötzlich auf den Häuptern von Kaſtor und Pollux zwei ſternähnliche Flämmchen und darauf legte ſich das Ungewitter. Seitdem wurden Kaſtor und Pollux die Schutzgötter der Schiffer und empfingen den Namen der Dioskuren. “ Was unter der ſchrecklichen Helena zu verſtehen ſei, iſt nicht bekannt.
Man wollte den Alten auch die Kenntniß von Blitzſchutzvorrichtungen zuſchreiben, aber ſehr mit Unrecht, wie man leicht erſehen kann aus dem damals verbreiteten Glauben: Zeus ſchone den Lorbeerbaum, Lorbeerzweige ſeien deshalb ein Schutz gegen Gewitter. Wohl aber ſcheint der Orient nicht aller derartigen Kenntniß ent - rathen zu haben. So erzählt Kteſias, der Leibarzt des perſiſchen Königs Artaxerxes Mnemon (circa 400 v. Chr.), daß die Inder Eiſenſtangen in den Boden ſtecken, um Wolken, Hagel und Blitzſtrahlen abzulenken. Zu demſelben Zwecke bedienten ſich die Chineſen langer, oben zugeſpitzter Bambusröhren. Es wurde auch behauptet, daß die vielen hohen Spitzen auf dem Salomoniſchen Tempel Blitzſchutzvorrich - tungen geweſen ſeien, und daß die Ketten auf den Thürmen ruſſiſcher Kirchen urſprünglich dieſem Zwecke dienten, doch beruhen dieſe Annahmen auf ſehr zweifel - haften Nachrichten.
8Alles zuſammengenommen, wußten die Alten über Elektricität eigentlich nichts; ſelbſt die wenigen Erſcheinungen, die ihnen bekannt waren, die elektriſche Eigenſchaft des Bernſteines, der Blitz und das Elmsfeuer, wußten ſie in keinen Zuſammenhang zu bringen. Und ſo blieb es nahezu 2000 Jahre! In dieſem ganzen langen Zeitraume iſt gar kein Fortſchritt in der Erkenntniß der Elektricität zu verzeichnen. William Gilbert war es vorbehalten, durch Auffindung neuer Thatſachen, Anſtellung vieler Verſuche zum eigentlichen Gründer der Elektricitäts - lehre zu werden. Zu Colcheſter im Jahre 1540 geboren, machte er ſeine Studien in Oxford und Cambridge, unternahm Reiſen ins Ausland und ließ ſich endlich als Arzt in London nieder, wo er im Jahre 1603 ſtarb. Sein für die damalige Zeit bedeutendes Wiſſen gewann ihm raſch die Gunſt der Königin Eliſabeth, welche ihn reichlich mit Mitteln zur Ausführung ſeiner wiſſenſchaftlichen Unter - nehmungen unterſtützte und auch zu ihrem Leibarzte erkor. Da um dieſelbe Zeit auch Lord Baco am Hofe der Königin verkehrte, iſt es wohl möglich, daß des Letzteren Schreib - und Denkweiſe auf Gilbert beſtimmend einwirkten. Jedenfalls ſchlug er nicht den Weg gewagter philoſophiſcher Hypotheſen ein, um Naturerſcheinungen zu erklären, ſondern ſtellte, wie es Baco forderte, durch das Experiment directe Fragen an die Natur. Auf dieſe Art gelang es ihm auch, unſer Wiſſen weſentlich zu erweitern. Wußte man bisher nur vom Bernſteine, daß dieſer durch Reiben elektriſch werde, ſo fand Gilbert dieſe Eigenſchaft auch an verſchiedenen Edelſteinen, Glas, Schwefel, Kolophon u. ſ. w.; er zeigte auch, daß Metalle durch Reiben nicht elektriſch werden, daß aber elektriſche Körper dieſelben anziehen, wenn die Metalle leicht beweglich, etwa nach Art der Magnetnadel aufgehängt werden. Dies iſt allerdings nicht ſtrenge richtig, doch wenn man bedenkt, daß damals der Unter - ſchied und die Wirkungsweiſe zwiſchen Leiter und Iſolator noch gänzlich unbekannt waren, iſt dieſer Irrthum leicht zu begreifen. Man kannte auch noch nicht den Unterſchied zwiſchen Glas - und Harz - oder poſitiver und negativer Elektricität, ebenſowenig wie die elektriſche Abſtoßung. Gilbert beobachtete jedoch bereits den Einfluß der Feuchtigkeit auf elektriſche Erſcheinungen, wußte, daß glühende Körper und Flammen nicht elektriſch werden und unterſchied Magnetismus und Elektricität ganz wohl voneinander. Er giebt an, daß Elektricität nur durch Reiben entſtehe, daß feuchte Luft ſie vernichte, ein elektriſcher Körper ſehr viele Körper anziehe, ein Magnet dagegen nur Eiſen und Stahl. Allerdings ſagt er auch, daß bei der magnetiſchen Anziehung ſich beide Körper bewegen, bei der elektriſchen aber nur einer. Er war auch der Erſte, welcher das Wort „ elektriſch “gebrauchte. Ihm iſt es zu verdanken, daß die Aufmerkſamkeit der Gelehrten den elektriſchen Erſcheinungen zugewandt wurde. So fügte der Jeſuit Nicolo Cabeo den elektriſchen Körpern noch Wachs und einige andere zu, fanden die Florentiner Phyſiker, daß durch Annäherung einer Flamme an einen elektriſchen Körper dieſer ſeine elektriſche Kraft verliert. Auch Fracaſtro, Descartes und andere Phyſiker des ſiebzehnten Jahr - hunderts beſchäftigten ſich mit Elektricität, verließen hierbei jedoch den von Gilbert ſo glücklich eingeſchlagenen experimentellen Weg und begnügten ſich damit, gelehrte Hypotheſen aufzuſtellen.
Erſt Otto von Guericke trat wieder in die Fußſtapfen Gilbert’s und erweiterte die Kenntniſſe elektriſcher Erſcheinungen weſentlich. Guericke wurde im Jahre 1602 zu Magdeburg geboren, ſtudirte zunächſt in Leipzig und Jena die Rechte, wandte ſich aber dann in Leyden dem Studium der Mathematik, Geometrie und Mechanik zu. Er machte Reiſen nach Frankreich und England, war einige9 Zeit als Ingenieur in Erfurt thätig, kam darauf nach Magdeburg, wo er Bürgermeiſter wurde und auch ſeine berühmt gewordenen Verſuche anſtellte. Im Jahre 1681 legte er ſeine Aemter und Würden nieder und zog nach Hamburg, wo er 1686 ſtarb.
Abgeſehen von Entdeckungen in anderen Gebieten der Phyſik iſt Guericke dadurch bekannt geworden, daß es ihm gelang, eine Art Elektriſirmaſchine herzu - ſtellen. Bisher hatte man Elektricität nur in der Weiſe erhalten, daß man kleinere oder größere Stücke verſchiedener Körper mit der einen Hand hielt und mit der anderen rieb. Natürlich konnte man in dieſer Weiſe nur ſehr ſchwache Wirkungen erzielen. Guericke füllte einen Glasballon mit geſchmolzenem Schwefel, ließ dieſen erſtarren und zerſchlug dann das Glasgefäß; nach Entfernen der Glas - ſcherben erhielt er hier - durch eine Schwefelkugel, die er an zwei gegen - überliegenden Punkten durchbohrte. In die Bohr - löcher wurden alsdann hölzerne Axen geſteckt und die Kugel mittelſt dieſer in einem hölzernen Ge - ſtelle, a b c, Figur 2, ge - lagert. Hierzu kam noch eine Kurbel an einer Seite der Axe, womit das erſte, allerdings noch ſehr ein - fache Modell einer Elek - triſirmaſchine geſchaffen war. Das Reibzeug während der Rotation der Schwefelkugel blieb nach wie vor noch die Menſchenhand. So ein - fach dieſe Vorrichtung auch war, geſtattet ſie doch bedeutend größere
Otto von Guericke.
Mengen von Elektricität zu erzeugen, als man je zuvor erhalten hatte. Dies ermöglichte auch die Entdeckung neuer Erſcheinungen. So beobachtete Guericke als Erſter das Leuchten der geriebenen Schwefelkugel im verfinſterten Locale und das gleichzeitig auf - tretende, eigenthümlich kniſternde Geräuſch. Den elektriſchen Funken hat er aber noch nicht geſehen; dafür fand er die elektriſche Abſtoßung. Leichte Körperchen wurden von der geriebenen Schwefelkugel angezogen, flogen aber bald wieder weg. Die Urſache dieſer Erſcheinung, nämlich Mittheilung gleichnamiger Elektricität von Seite der Kugel an die Körperchen und dadurch bewirkte Abſtoßung, wurde aber erſt ſpäter gefunden.
Zu Guericke’s Zeit wurde auch zum erſtenmale das elektriſche Leuchten ſtark verdünnter Gaſe, beziehungsweiſe Dämpfe beobachtet. Picard erhielt nämlich dieſe10 Erſcheinung im Vacuum eines ungenügend ausgekochten Barometers, bei deſſen Schütteln durch Reibung des Queckſilbers an der Innenfläche der Glasröhre Elektricität erregt wurde, welche dann die zurückgebliebenen Reſte der Luft und Queckſilberdämpfe zum Leuchten brachte. Picard wußte jedoch nicht, daß die Urſache des Leuchtens in der Elektricitätserregung zu ſuchen ſei.
Eine weitere Bereicherung wurde der Elektricität durch Robert Boyle und Dr. Wall zu Theil. Erſterer fand, daß die elektriſche Anziehung auch in dem durch eine Luftpumpe erzeugten Vacuum ſtattfinde, und Letzterem gelang es, den elektriſchen Funken hervorzurufen. Als er ein großes Stück Bernſtein mit Woll - zeug rieb, ſah er erſteren nicht nur leuchten, ſondern bekam auch bei Annäherung des Fingers an den Bernſtein einen Funken, der mit Kniſtern auf den Finger überſprang. Auch entging ihm nicht das Blaſen der elektriſchen Entladung und das eigenthümliche Gefühl, welches der überſpringende Funke in der Hand verurſachte.
Guericke’s Schwefelkugel.
Beachtenswerth iſt Wall’s Aeußerung, daß der Funke und das Geräuſch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit Blitz und Donner habe. Er veröffentlichte ſeine Experimente im Jahre 1698. Ein ungefähr 20 Jahre vorher von Newton angeſtellter Verſuch, beſtehend in der elektri - ſchen Ladung einer Glasplatte, fand damals keine Beachtung.
Es wurde bereits erwähnt, daß Picard das elektriſche Leuchten in der Barometerleere beobachtet hat, ohne jedoch den Grund dieſer Erſcheinung angeben zu können. Wie weit man in der Erklärung derſelben fehlte, zeigt ſchon der Name, welchen man dieſer Er - ſcheinung beilegte, ſie hieß damals „ mercuria - liſcher Phosphor “. Dufay ſprach ſogar die Anſicht aus, das Leuchten habe darin ſeinen Grund, daß das Queckſilber beim Auskochen Feuertheilchen in ſich aufnehme, welche nach - her wieder langſam in die Barometerleere entweichen. Die richtige Erklärung der in Rede ſtehenden Erſcheinung brachte endlich Hawksbee bei, der zu Beginn des achtzehnten Jahrhundertes lebte. Er erreichte dies, indem er verſchiedene Glas - gefäße, welche Queckſilber enthielten, mit der Luftpumpe auspumpte und dann in Bewegung ſetzte. Durch das auf dieſe Art hervorgerufene lebhafte Leuchten kam er eben zu der Anſicht, das beobachtete Phänomen ſei elektriſcher Natur. Dies ver - anlaßte ihn auch, eine Elektriſirmaſchine nach Art jener von Guericke zu bauen, nur mit dem Unterſchiede, daß er an Stelle der Schwefelkugel eine ſolche aus Glas ſetzte. Hierbei konnte ihm die Thatſache nicht entgehen, daß das Glas zur Elektri - citätserregung vorzüglich geeignet ſei. War die Glaskugel ausgepumpt, ſo leuchtete ſie lebhaft und gab auch Funken bis zu einem Zoll Länge. Hawksbee unterſuchte ferner Kugeln aus anderen Stoffen, wie z. B. aus Siegellack, einem Gemiſche von Harz und Ziegelmehl u. ſ. w., und fand bei dieſen Verſuchen allerdings eine nach den angewandten Stoffen wechſelnde Stärke der erzeugten Elektricität, der Artunterſchied zwiſchen poſitiv und negativ blieb ihm aber verborgen, was bei11 einem ſonſt ſo aufmerkſamen Beobachter auffallen muß. Hawksbee muß aber doch zu jenen Männern gerechnet werden, die ſeit Gilbert’s Tod — alſo in einem Zeitraume von mehr als hundert Jahren — die Lehre von der Elektricität noch verhältnißmäßig am meiſten gefördert haben. Die Fortſchritte, die man ſeit Gilbert machte, waren im Ganzen und Großen ziemlich unbedeutende. Man fand noch einige neue Körper, die durch Reiben elektriſch werden können, fügte zu der elektriſchen Anziehung auch die Abſtoßung und beobachtete den elektriſchen Funken, ſowie deſſen mechaniſche Wirkung auf die Hand und deſſen Geräuſch beim Ueberſpringen. Ferner hatte man das elektriſche Leuchten verdünnter Gaſe geſehen und den erſten, allerdings ſehr primitiven Verſuch zum Baue einer Elektriſirmaſchine gemacht. Obwohl man mit beiderlei Elektricitätsarten experimentirte, war doch deren Unterſchied nicht bekannt, ebenſowenig wie die Elektricitätsleitung, die in der Erſcheinung der elektriſchen Abſtoßung doch auch ſchon beobachtet, aber nicht als ſolche erkannt wurde.
Dieſe beiden im Keime bereits vorhandenen, hochwichtigen Entdeckungen zur Reife gebracht zu haben, iſt das Verdienſt von Gray und Dufay.
Ueber die Lebensverhältniſſe von Stephan Gray iſt wenig bekannt, man weiß nicht einmal ſein Geburtsjahr anzugeben. Sein Tod erfolgte im Jahre 1736 zu London, wiſſenſchaftliche Publicationen von ihm fand man jedoch ſchon aus dem Jahre 1696. Seine Verſuche, die elektriſchen Erſcheinungen betreffend, fallen in den Zeitraum um das Jahr 1729. Seine wichtigſte Entdeckung iſt die der Elektricitäts - mittheilung, welche ihn auf den Unterſchied zwiſchen Elektricitätsleiter und Nicht - leiter brachte.
Gray unterſuchte einſt eine elektriſche Glasröhre auf die Stärke ihrer An - ziehungskraft, einmal mit offenen Enden und einmal auf beiden Seiten mit Kork - ſtöpſeln verſchloſſen. Die Anziehungskraft der Röhre blieb zwar in beiden Fällen dieſelbe, aber er bemerkte, daß nun auch die vorher nicht geriebenen Korkſtöpſel im Stande ſeien, leichte Körperchen anzuziehen und abzuſtoßen, geradeſo wie die geriebene Glasröhre. Nach dieſer Beobachtung konnte Gray nicht zweifeln, daß das Glas ſeine elektriſche Anziehungskraft dem Korke mitgetheilt haben müſſe. Als aufmerkſamer Forſcher verfolgte er dieſe Erſcheinung und ſuchte den Verſuch in verſchiedener Weiſe zu variiren. In den Korkſtöpſel wurden mit Elfenbeinkugeln verſehene Holzſtäbchen geſteckt, die Holzſtäbchen dann durch Metalldrähte erſetzt und immer wieder erhielt die Kugel die Eigenſchaft leichte Körperchen anzuziehen, ſobald die Glasröhre gerieben wurde. Schon bei dieſen Verſuchen zeigte ſich, daß der Draht nicht ſo lebhaft Körperchen anzog wie die Holzſtäbchen — eine Erſcheinung, die bereits auf die verſchiedene Leitungsfähigkeit der Körper für Elektricität hin - deutete. Dies zeigten jedoch die weiteren Verſuche von Gray noch viel deutlicher und führten endlich zur Unterſcheidung von Leiter und Nichtleiter. Der Gang der Verſuche nahm hierbei folgenden Verlauf: Gray nahm nun längere Drähte, aber bald wurde er durch das Schwingen derſelben während des Reibens der Röhre beläſtigt, was ihn veranlaßte, die Drähte durch Bindfaden zu erſetzen. An einem derartigen Bindfaden befeſtigt, ließ er die Kugel über den Balcon ſeines Hauſes hinabhängen, rieb dann die Glasröhre, an welcher das andere Ende des Bindfadens befeſtigt war, und fand zu ſeiner Freude, daß die Elektricität der Glasröhre ſelbſt durch den nun bereits über 20 Fuß langen Faden immer noch bis zur Kugel fortgeleitet wurde. Er wollte nun die Länge des Fadens noch mehr vergrößern und führte denſelben daher zunächſt horizontal weiter und ließ erſt die andere Hälfte12 hinabhängen; hierbei hatte er den Bindfaden an einer Schlinge desſelben Materiales aufgehängt. Als er nun abermals verſuchte, die Kugel am Ende des langen Fadens durch Reiben der Glasröhre zu elektriſiren, mißlang das Experiment. Er erkannte ganz richtig als Urſache des Mißlingens die Ableitung der Elektricität durch die zur Aufhängung dienende Schlinge, gelangte aber zu keiner weiteren Verfolgung der Verſuche.
Im Jahre 1729 ſprach er jedoch darüber mit Granville Wheler, welcher ſich dahin äußerte, es möge wohl zweckmäßiger ſein, ſich der Seidenfäden zur Auf - hängung zu bedienen, da dieſe wegen ihrer bedeutend größeren Feſtigkeit viel dünner ſein könnten als die Hanffäden und daher wegen ihres geringen Querſchnittes vielleicht weniger Elektricität ableiten würden. Gray führte dieſe Abänderung des Verſuches aus und auf dieſe Art gelang abermals die Elektriſirung der Kugel. Ja er konnte den auf Seidenfäden aufgehängten Hanffaden bis gegen 800 Fuß ver - längern und noch immer zog die Kugel leichte Körperchen an. Nun riſſen ihm bei einem dieſer Verſuche die Seidenfäden, was ihn veranlaßte, dieſe durch ebenſo ſtarke Meſſing - drähte zu erſetzen. Bei dieſer Anordnung konnte die Elektriſirung der Kugel abermals nicht erreicht werden. Gray ſetzte ſeine Experimente fort und lernte im Verlaufe derſelben noch verſchiedene andere Stoffe kennen, welche die Elektricität nicht leiten. Er elektriſirte einen Knaben, welcher in horizontaler Lage an Haarſchnüren auf - gehängt war oder auf einem Harzkuchen ſtand, indem er deſſen Körper mit der geriebenen Glasſtange berührte, und erregte namentlich durch dieſes Experiment Auf - ſehen unter ſeinen Zeitgenoſſen. Er elektriſirte Waſſer und fand auch, daß es nicht nöthig ſei, den zu elektriſirenden Körper mit der Glasröhre unmittelbar zu berühren, ſondern daß es ſchon genüge, die Glasſtange in der Nähe zu halten. Auch wußte er, daß die Elektriſirung eines Körpers nicht von deſſen Maſſe, ſondern nur von der Oberfläche abhängt.
Zur ſelben Zeit, wie Gray, beſchäftigte ſich auch Dufay oder wie ſein voller Name lautet: Charles François de Eiſternay du Fay, mit elektriſchen Experimenten. Als Sohn eines Gardelieutenants im Jahre 1698 zu Paris ge - boren, widmete er ſich zunächſt auch dem Kriegsdienſte und machte im ſpaniſchen Erbfolgekriege auch einige Schlachten mit. Er brachte es bis zum Hauptmanne, nahm aber dann ſeine Entlaſſung und warf ſich auf das Studium der Chemie und Phyſik. Im Jahre 1732 wurde er Intendant des botaniſchen Gartens, gab aber deſſenungeachtet neben dem Studium der Botanik ſeine phyſikaliſchen Experi - mente nicht auf. Im Jahre 1739 erlag er den Blattern. Seine elektriſchen Ver - ſuche fallen in die Jahre 1733 bis 1739. Er unterſuchte eine große Anzahl von Körpern auf ihre Eigenſchaft, durch Reibung elektriſch zu werden, und fand, daß alle Körper elektriſch werden können, mit Ausnahme der Metalle und Flüſſigkeiten. Auch gab er als Urſache dieſer Ausnahme an, daß die letzterwähnten Körper die Elektricität gut weiterleiten und eben deshalb nicht elektriſch werden oder den elektriſchen Zuſtand erhalten können. Auch legte er den Grund zur ſpäter erfolgten Erfindung des Elektrometers, indem er Fäden aus verſchiedenen Materialien über eine Eiſenſtange hängen ließ, welche an ſeidenen Schnüren in der Schwebe er - halten wurde. Näherte man nun die geriebene Glasſtange der Eiſenſtange, ſo mußten ſich die einzelnen Fäden abſtoßen, alſo auseinandergehen, und man konnte dabei bemerken, daß die Größe der Abſtoßung je nach der Natur der Fäden eine verſchiedene war. Dufay beobachtete auch, daß die Leitungsfähigkeit eines Fadens durch Naßmachen ſich ſteigern läßt; er konnte durch dieſes Verfahren Elektricität13 durch einen 1256 Fuß langen Faden fortleiten. Beſonderes Aufſehen machte es, als Dufay ſelbſt aus einem lebendigen Körper, dem eines Knaben, Funken zog, die mit kniſterndem Geräuſche überſprangen und jenes eigenthümliche Stechen auf der Haut verurſachten.
Die Reſultate ſeiner Forſchungen faßte er in einigen Sätzen zuſammen, welche die in damaliger Zeit bekannten Thatſachen in eine gewiſſe Ordnung und Ueberſicht - lichkeit brachten; ſie lauten folgendermaßen: Elektriſche Körper ziehen alle unelek - triſchen Körper an, theilen ihnen Elektricität mit und ſtoßen ſie dann ab; ferner, es giebt zwei Arten der Elektricität, nämlich Glaselektricität und Harzelektricität. Dieſe beiden ſind einander entgegengeſetzt.
Die Reſultate, welche Gray und Dufay durch ihre Arbeiten und Forſchungen errungen hatten, erweckten das Intereſſe für die elektriſchen Erſcheinungen nachhaltig und in weiteren Kreiſen. Von nun an treten keine ſo langen Zwiſchenpauſen in der Erweiterung und Ausbildung der Elektricitätslehre mehr ein, ſondern iſt viel - mehr ein ſtetiger Fortſchritt zu verzeichnen.
So hatte man ſich bisher z. B. zur Erregung von Elektricität ſtets der mit der Hand geriebenen Glasſtange bedient, und keiner der Forſcher kam auf den Gedanken, die in ihren Rudimenten von Guericke und Hawksbee angegebene Elektriſirmaſchine weiter auszubilden und zu vervollkommnen. Jetzt war indeſſen das Intereſſe im erhöhten Maße erregt, und dies hatte zur Folge, daß auch in dieſer Richtung Fortſchritte gemacht und Verbeſſerungen erzielt wurden. Litzen - dorf, ein Schüler des Mathematik-Profeſſors Chriſtian Auguſt Hauſen (1693 bis 1743), ſchlug nämlich vor, die Glasröhre durch eine Glaskugel zu erſetzen und dieſe durch ein Rad zum Drehen zu bringen. Der genannte Profeſſor nahm dieſe Idee auf und baute nach dieſem Principe eine Elektriſirmaſchine. Die Zweckmäßigkeit der Anwendung einer rotirenden Glaskugel, welche bereits Hawksbee eingeſehen hatte, wurde alſo zum zweitenmale feſtgeſtellt. Aber auch jetzt behielt man noch die menſchliche Hand als Reibzeug bei. Profeſſor Georg Mathias Boſe fügte nun zu dieſer Elektriſirmaſchine den erſten Conductor; dieſer beſtand aus einem beiderſeits offenen, cylindriſchen Rohre aus Eiſenblech, welches Boſe zuerſt von einer Perſon halten ließ, die er auf einen Harzkuchen ſtellte. Dieſen lebendigen Träger erſetzte er dann durch Seidenſchnüre.
Bei ſeinen Verſuchen mit dieſer Maſchine bemerkte er auch, daß die Perſon, welche die Kugel rieb, ebenſo elektriſch wurde wie ſein Conductor. Er benützte dies zu einer Spielerei, die allgemeines Aufſehen erregte. Die Perſon wurde nämlich auf einen großen Harzkuchen geſtellt und mit einer Art Rüſtung bekleidet. Sobald die Perſon Elektricität empfing, entwickelte ſich an allen Körpertheilen ein elektri - ſcher Schein, der ſchließlich das ganze Haupt umwallte und dieſes wie eine Gloriole umgab; man nannte dieſen Verſuch „ Beatification “.
Außerdem brachte Boſe aber auch die Entzündung von Schießpulver zuwege und conſtatirte ferner, daß die Körper durch Elektriſirung nicht ſchwerer würden. Boſe ſtarb im Jahre 1761 auf der Feſtung Magdeburg, wohin er als Geiſel während des ſiebenjährigen Krieges von den Preußen gebracht worden war.
Aber auch von anderen Seiten ſchenkte man der jetzt in Mode gekommenen Elektriſirmaſchine Aufmerkſamkeit und dachte an deren Verbeſſerung. Andreas Gordon, Profeſſor zu Erfurt, welcher auch mancherlei kleine elektriſche Spielereien erfand, erſetzte die Glaskugel durch einen Glascylinder. Von bedeutend größerer Wichtigkeit war jedoch die Erfindung des Reibzeuges durch den Drechsler14 Gieſſing in Leipzig. Unter Anleitung von Johann Winkler, welcher 1770 als Profeſſor der claſſiſchen Sprachen und der Phyſik in Leipzig ſtarb, verfertigte Gieſſing ein Reibzeug, beſtehend aus einem wollenen Kiſſen, welches durch Metall - federn an den Glascylinder angedrückt wurde. Die Elektriſirmaſchine beſaß nun Reibzeug und Conductor, war alſo dem Principe nach vollendet; die mechaniſche Ausführung ließ allerdings noch viel zu wünſchen übrig.
Weitere Veränderungen, die in England und Deutſchland an der Elektriſir - maſchine gemacht wurden, ſowie auch die verſchiedenen Experimente, wie Ent - zünden von Flüſſigkeiten, Elektriſiren von Waſſer u. ſ. w., brachten keinen weiteren Fortſchritt mit ſich, können daher füglich übergangen werden. Wichtig ſind hin - gegen die Verbeſſerungen, welche Benjamin Wilſon (beiläufig 1746) und John Canton (1762) an der Elektriſirmaſchine anbrachten. Der Erſtere rüſtete nämlich den Conductor mit einem Collector, d. h. einem Kamme von Saugſpitzen aus und der Letztere führte die Belegung des Reibkiſſens mit Zinnamalgam ein. Durch dieſe beiden Verbeſſerungen wurde die Leiſtungsfähigkeit der Elektriſirmaſchine bedeutend erhöht.
Die Ehre, an Stelle des Glascylinders die Glasſcheibe, welche die gegen - wärtig faſt ausſchließlich in Anwendung kommende Form bildet, geſetzt zu haben, legt ſich eine ganze Reihe von Männern bei. Poggendorff hält es aber für er - wieſen, daß Planta aus Süß im Engadin der Erſte geweſen ſei, der ſich der Scheibenmaſchine bediente. Dieſe wurde nun bald in ſehr bedeutenden Dimenſionen ausgeführt, und die mit ihr erhaltenen Reſultate waren auch dem entſprechend. So wurde auf Veranlaſſung des Duc de Chaulnes eine Maſchine gebaut, deren Scheibe einen Durchmeſſer von 5 Fuß beſaß und Funken bis zu 22 Zoll Länge gab. Erwähnt man noch der Angabe eines zweckmäßigen Amalgames für die Reibkiſſen durch Kienmayer in Wien und der Anbringung des nach dem Wiener Elektriker Winter benannten Ringes am Conductor, ſo iſt die Entwicklungs - geſchichte der Reibungs-Elektriſirmaſchine vollendet.
Wenden wir uns nun einer anderen Gruppe von Entdeckungen und Er - findungen zu, welche gleich bei ihrem Bekanntwerden großes Aufſehen erregten; es ſind dies die Entdeckung der elektriſchen Condenſation, die Erfindung der Ver - ſtärkungsflaſche und die hierauf beruhenden Experimente. Unſerem Gewährsmanne, Poggendorff, folgend, haben wir die Erfindung der Verſtärkungsflaſche dem Dechant des Domcapitels zu Kammin in Pommern, von Kleiſt, zuzuſchreiben. Im Jahre 1745 näherte dieſer ein Medicinglas, in deſſen Hals ein Eiſennagel ſteckte, ſeiner Elek - triſirmaſchine. Als er nun zufällig mit einer Hand den Nagel berührte, indeß die andere Hand das Glas hielt, bekam er zu ſeinem größten Schreck einen heftigen Schlag. Nichtsdeſtoweniger verfolgte er dieſes Experiment weiter und theilte es auch verſchiedenen Perſonen mit.
Beinahe zur ſelben Zeit führten die elektriſchen Verſuche, welche Pieter van Musſchenbroek in Holland anſtellte, zu derſelben Entdeckung. Musſchenbroek (zuletzt Profeſſor in Leyden), hatte wiederholt beobachtet, daß elektriſche Körper ihre Elektricität raſch verlieren, wenn ſie von gewöhnlicher Luft umgeben ſind. Um dies zu vermeiden, elektriſirte er Waſſer ſtatt in einer offenen Schale in einer Glasflaſche und führte die Elektricität durch einen hineingeſteckten Metalldraht dem Waſſer zu. Cunaeus aus Leyden, welcher mit Musſchenbroek experimentirte, hielt nun einſt die Flaſche während der Ladung des Waſſers in der Hand und griff dann, um die Flaſche von dem Conductor zu entfernen, mit der anderen Hand nach dem Zuleitungsdrahte. Sofort erhielt er einen ebenſolchen Schlag wie Kleiſt. Eine15 Wiederholung des Verſuches durch Musſchenbroek flößte dieſem ein ſolches Entſetzen ein, daß er an den berühmten Réaumur ſchrieb, „ er möge ſich für die Krone Frankreichs nicht zum zweitenmale den Wirkungen dieſes Verſuches ausſetzen “. Durch Réaumur erfuhr auch der Abt Nollet in Paris die neue Entdeckung, und er war es, welcher die Bezeichnung Leydener Flaſche einführte. Es iſt nicht zu verwundern, daß ein ſo überraſchendes Experiment auch andere Forſcher ver - anlaßte, dasſelbe nachzumachen und zu ſtudiren. Zu dieſen gehören z. B. Winkler, Gralath, Le Monnier, Bevis u. A. Namentlich Winkler in Leipzig ſcheint ſehr kräftige Ladungen verſucht zu haben, denn er erzählt, die Wirkungen des Schlages hätten ihm ſtarke Convulſionen verurſacht und er hätte im Kopfe den Schlag mehrere Tage lang verſpürt. Auch habe ſeine Gattin in Folge zweier Schläge kaum gehen können; die wackere Frau ſcheute ſich nicht, mit ihrem Manne die Gefahren des Experimentes zu theilen. Da aber Winkler fernerhin weder ſeine Frau noch ſich ſelbſt dieſen Gefahren ausſetzen wollte, dachte er daran, die Entladung der Flaſchen durch beſondere Anordnungen, ohne Zuhilfenahme einer Perſon zu bewerkſtelligen. Die diesbezüglichen Verſuche führten ihn zur Conſtruction der elektriſchen Batterie, freilich in einer ſehr primitiven Ausführung und ohne die Urſache ihrer Wirkſamkeit zu kennen.
Gralath ſchaltete in den Entladungskreis einer Kleiſt’ſchen Flaſche 20 Per - ſonen ein, indem er dieſe ſich bei den Händen halten ließ; er fand auch, daß die Flaſche mit einer Entladung nicht ihre ganze Kraft verliert, ſondern nach einiger Zeit einen zweiten Funken geben kann, entdeckte alſo den Ladungsrückſtand. Aehnliche Verſuche, aber im größeren Maßſtabe, führte Abt Nollet in Frankreich aus, tödtete durch den Entladungsſchlag der Flaſche kleine Thiere und ſprach auch bereits die richtige Anſicht aus, daß das Waſſer in der Flaſche nur zur Leitung der Elek - tricität an die Innenwand diene. Auch Le Monnier machte eine Reihe von Ver - ſuchen und veröffentlichte deren Ergebniß im Jahre 1746; er führte z. B. den Entladungsſchlag durch eine Eiſendrahtleitung von 2000 Toiſen Länge, leitete denſelben durch Waſſer und verſuchte auch die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität im Eiſendrahte zu meſſen — allerdings ohne Reſultat. William Watſon führte die Entladung der Flaſche ſogar durch einen Eiſendraht von zwei engliſchen Meilen Länge und eine ebenſo lange Strecke des Erdbodens, alſo im Ganzen durch einen Schließungsbogen von vier engliſchen Meilen Länge; auch er verfolgte hierbei den Zweck, die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität zu meſſen, aber eben - falls ohne Reſultat; er fand, daß ſie eine augenblickliche oder doch zu große ſei, um nach ſeiner Methode gemeſſen werden zu können.
Dr. Bevis kam dann auf den Gedanken, die Flaſche an ihrer Außenſeite mit Zinnfolie zu überkleiden, fand alſo die äußere Belegung. Nicht lange darauf verſuchte er eine auf beiden Seiten belegte Glastafel zu laden und bekam bei ihrer Entladung wirklich auch einen kräftigen Schlag. Dies gab Watſon die Ver - anlaſſung, zum erſtenmale eine vollkommene Kleiſt’ſche Flaſche herzuſtellen. Zu dem Ende überkleidete er thönerne Gefäße bis nahe an ihre obere Oeffnung innen und außen mit Silberfolie. Watſon ſah zwar ein, daß die Kraft der Flaſche von der Größe der Belegungsfläche abhänge, aber über ihre Wirkungsart konnte er keine Rechenſchaft geben.
Hierüber brachte Benjamin Franklin Aufklärung. Er erblickte als ſiebzehntes Kind eines Seifenſieders auf der zu Boſton gehörigen Governorsinſel am 17. Januar 1706 das Licht der Welt. Anfänglich beſtimmte ihn ſein Vater16 zum Studium der Theologie, mußte jedoch wegen Mittelloſigkeit dieſe Abſicht wieder aufgeben, und ſo nahm er den damals zehnjährigen Benjamin zu ſich in ſein Geſchäft. Der Widerwille, den aber Letzterer gegen die Seifenſiederei zeigte, bewog ſeinen Vater bereits nach zwei Jahren, einem älteren Bruder, der eine Buchdruckerei beſaß, den jungen Benjamin in die Lehre zu geben. Hier las er in ſeinen freien Stunden mit einer wahren Leidenſchaft und wurde dadurch angeregt, ſich in der Schriftſtellerei zu verſuchen. Das erſte Reſultat waren einige Balladen, die er ſelbſt zum Verkaufe in der Stadt herumtrug. Später ſchrieb er Artikel für die von ſeinem Bruder herausgegebene Zeitung und übernahm ſchließlich auch die
Benjamin Franklin.
Redaction des Blattes. Im Jahre 1724 machte er ſeine erſte Reiſe nach London, wo er das Nöthige zur Einrichtung einer Druckerei in Philadelphia einkaufen wollte. Er führte jedoch dieſen Plan nicht aus, ſondern trat in die berühmte Palmer’ſche Druckerei ein. Im Jahre 1728 errichtete er endlich eine eigene Druckerei, die er bald zu einer ſehr gedeihlichen Ent - wicklung brachte. Nun heiratete er auch die mit ihm ſchon ſeit 1724 ver - lobte Miß Read. Er ver - größerte ſein Geſchäft, er - richtete eine Buch - und Papier-Handlung, ward Gründer vieler humanitärer Anſtalten und betheiligte ſich überhaupt in hervor - ragender Weiſe am öffent - lichen Leben. Aus dieſer Zeit (um 1740) datiren auch ſeine elektriſchen Ver - ſuche. Im Jahre 1753 wurde er zum Generalpoſtmeiſter aller engliſch - amerikaniſchen Colonien ernannt und nun faßte er den Gedanken einer Bundesver - faſſung und Vereinigung aller Colonien unter einer Centralregierung. Im Jahre 1757 trat er als pennſylvaniſcher Geſchäftsträger ſeine zweite Reiſe nach England an und führte als ſolcher die Regulirung von Steuerangelegenheiten auch zu einem befriedigenden Ende. Im Jahre 1766 brachen in Philadelphia die Unruhen wegen der Stempelacte aus, und Franklin ging neuerdings als Agent Pennſylvaniens und anderer Staaten nach England. Hier vertrat er in energiſcher Weiſe die Rechte der Colonien, wodurch er ſich das Mißtrauen der engliſchen Regierung zuzog und ſeine General - poſtmeiſterſtelle verlor. Im März 1775 finden wir ihn wieder in Philadelphia, wo er, an der Spitze des Sicherheitsausſchuſſes ſtehend, zuerſt für die Unabhängig -17 keit der Colonien ſprach und am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung thatſächlich zu Stande brachte. Im Jahre 1778 ſchloß er in Paris als Bevoll - mächtigter der dreizehn vereinigten Staaten Nordamerikas einen Allianzvertrag ab. Auch der Friedensabſchluß im Jahre 1783 iſt weſentlich ſeinen Bemühungen zu verdanken. Bis zum Jahre 1788 blieb er noch politiſch in hervorragender Weiſe thätig; dann zwang ihn aber das herannahende Alter und ſein Steinleiden, ſich zurückzuziehen. Am 17. April 1790 ſtarb er als Amerikas größter Bürger. Ihm zu Ehren ordnete der Congreß eine Nationaltrauer in der Dauer eines Monates an. Die Inſchrift für ſeinen Grabſtein hatte er ſich ſelbſt verfaßt; ſie lautet: „ Hier liegt der Leib Benjamin Franklin’s, eines Buchdruckers (gleich dem Deckel eines alten Buches, aus welchem der Inhalt herausgenommen und der ſeiner Inſchrift und Vergoldung beraubt iſt), eine Speiſe für die Würmer; doch wird das Werk ſelbſt nicht verloren ſein, ſondern (wie er glaubt) dereinſt erſcheinen in einer neuen, ſchöneren Ausgabe, durchgeſehen und verbeſſert von dem Verfaſſer. “
Treffend faßte d’Alembert die Thaten des großen Mannes zuſammen in dem Hexameter, welchen er auf eine vom Bildhauer Houdon verfertigte Büſte Frank - lin’s ſetzte: Eripuit coelo fulmen, sceptrumque tyrannis. (Er entriß dem Himmel den Blitz und das Scepter den Tyrannen.)
Es wurde bereits angedeutet, daß Franklin es war, der in das bisher un - aufgeklärte Verhalten der Kleiſt’ſchen Flaſche Aufklärung brachte; darin beſtand eben eine ſeiner wichtigſten Entdeckungen. Er fand nämlich, daß eine iſolirt aufgehängte Korkkugel nach ihrer Berührung mit der inneren Belegung einer Flaſche von der äußeren Belegung der letzteren abgeſtoßen wird und umgekehrt; eine Kugel, welche von der äußeren Belegung Elektricität erhielt, wurde von einem mit der inneren Belegung in leitender Verbindung ſtehenden Drahte abgeſtoßen. Auch führte er Drähte von der äußeren und inneren Belegung bis auf eine kleine Entfernung gegeneinander und ließ in den noch übrig bleibenden Zwiſchenraum eine Korkkugel hängen; dann wurde die Korkkugel einmal von dem einen, einmal von dem anderen Drahtende angezogen und pendelte ſo lange zwiſchen beiden hin und her, bis die Flaſche entladen war.
Auf Grund dieſer und noch anderer Experimente gab Franklin eine Er - klärung des Verhaltens einer Kleiſt’ſchen Flaſche und ſtellte zugleich eine Theorie der Elektricität überhaupt auf. Nach ſeiner Anſicht ſollte nur eine einzige elek - triſche Materie exiſtiren, von welcher der eine Körper mehr, der andere weniger beſitzt, je nach ſeiner Natur. Der Zuſtand eines Körpers, den wir elektriſch nennen, ſollte darin beſtehen, daß dieſer Körper einen Ueberſchuß oder einen Mangel an der ihm ſeiner Natur nach zukommenden Elektricitätsmenge aufzuweiſen habe. Im erſteren Falle iſt der Körper poſitiv elektriſch, im letzteren jedoch negativ. Wird alſo z. B. durch Reiben zweier Körper gegeneinander Elektricität erregt, ſo geht bei dieſem Proceſſe ein Theil der Elektricität des einen Körpers in den anderen über und letzterer wird poſitiv elektriſch; der andere Körper hingegen ver - liert elektriſche Materie und erſcheint als negativ elektriſirter Körper. Beide Körper können ihr elektriſches Gleichgewicht wieder herſtellen, d. h. alſo unelektriſch werden, wenn man ſie durch einen Elektricitätsleiter miteinander verbindet.
Dieſe Theorie auf die Erſcheinungen in der Kleiſt’ſchen Flaſche angewandt, giebt für dieſe folgende Erklärung: Führt man der inneren Belegung ElektricitätUrbanitzky: Elektricität. 218zu, ſo wird der äußeren Belegung genau ebenſo viel Elektricität entzogen, welche durch den mit der äußeren Belegung in Verbindung ſtehenden Leiter oder durch die die Flaſche haltende Hand abfließt. Da das Glas für Elektricität undurch - läſſig iſt, kann ſich das elektriſche Gleichgewicht durch dieſes hindurch nicht wieder herſtellen: die Flaſche iſt geladen. Verbindet man nun aber die äußere und innere Belegung der Flaſche durch einen Leiter, ſo ſtrömt der Ueberſchuß elektriſcher Materie von der einen (der poſitiven) Belegung zu der anderen (der negativen) über und der urſprüngliche Gleichgewichtszuſtand wird wieder hergeſtellt, d. h. die Flaſche entladen. Dieſe beſitzt alſo vor und nach der Ladung immer die gleiche Geſammtmenge der elektriſchen Materie und ändert durch die Ladung nicht die Quantität, ſondern nur die Vertheilung.
Unvergänglichen Ruhm als Phyſiker erwarb ſich jedoch Franklin durch die Erfindung des Blitzableiters. Er wurde darauf hingeführt durch die Ueberzeugung, daß der Blitz eigentlich nichts Anderes ſei, als ein ſehr mächtiger elektriſcher Funke. Nicht daß er der Erſte geweſen wäre, welcher dieſe Anſicht ausſprach, denn wie wir wiſſen, dachten ſchon Wall, Nollet und namentlich Winkler ebenſo, aber dieſe Anſicht fand erſt dann die verdiente Beachtung, als Franklin ſie nicht nur klar und deutlich ausſprach, ſondern auch Experimente zu ihrer Prüfung vorſchlug; es geſchah dies im Jahre 1750. Franklin ließ es jedoch vorläufig bei dem bloßen Vor - ſchlage des Experimentes bewenden. Der Ruhm, als Erſte dieſes Experiment wirklich angeſtellt zu haben, gebührt nach Poggendorff den Franzoſen Dalibard und Delor.
„ Dalibard hatte, “erzählt Poggendorff, „ zu Marly-la-ville, ſechs Stunden von Paris, eine 40 Fuß hohe Eiſenſtange mit ſeidenen Schnüren an Pfähle be - feſtigt, die ebenſo wie das untere Ende der Stange nicht vom Regen getroffen werden konnten. Während ſeiner Abweſenheit hatte er einen von ihm für den Ver - ſuch unterrichteten Wächter Namens Coiffier angeſtellt, und dieſer war es, der am 10. Mai 1752 Nachmittags, als ein heftiges Gewitter vorüberzog, mittelſt eines Drahtes die erſten Funken der vom Himmel herabgebrachten Elektricität aus der Eiſenſtange herauszog. Die Funken waren 1½ Zoll lang, rochen nach Schwefel und fuhren unter Kniſtern aus der Stange. Acht Tage darauf machte Delor in ſeinem Hauſe zu Paris denſelben Verſuch mit einer 99 Fuß hohen Eiſenſtange in Gegenwart des Königs Ludwig XV. und zu einer Zeit, wo zwar Gewitter - wolken am Himmel ſtanden, es aber weder blitzte noch donnerte. “
Franklin ging erſt im Juni des Jahres 1752 daran, die Richtigkeit ſeiner Anſicht experimentell zu prüfen, allerdings noch ohne von den in Frankreich unter - nommenen Verſuchen Kenntniß zu haben. Zu ſeinem Verſuche diente ihm ein be - kanntes Kinderſpielzeug, der fliegende Drache. Er verfertigte ſich einen ſolchen aus zwei gekreuzten Holzſtäben, die er mit einem ſeidenen Taſchentuche überkleidete. Der Kopf des Drachen trug eine lange eiſerne Spitze und wurde durch eine Hanf - ſchnur geführt, die unten an einen Schlüſſel geknüpft war. Von letzterem ging eine ſeidene Schnur aus, um ihn von der Hand zu iſoliren. So ausgerüſtet, gelang es ihm auf einem freien Felde bei Philadelphia in Geſellſchaft ſeines Sohnes, dem Schlüſſel Funken zu entlocken, als er den Drachen bei vorüber - ziehenden Gewitterwolken aufſteigen ließ. Im September desſelben Jahres errichtete er dann auf ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange und machte unter Vermittlung derſelben mit atmoſphäriſcher Elektricität die gleichen Experimente wie früher mit Hilfe der Elektriſirmaſchine. Er lud z. B. Kleiſt’ſche Flaſchen oder „ zapfte den Blitz auf Bouteillen “.
19An der Identität des Blitzes mit dem Funken der Elektriſirmaſchine war ſonach nicht mehr zu zweifeln. Franklin dachte aber, wenn man den Blitz aus den Wolken herableiten könne, müſſe es auch möglich ſein, ihm ſeine ſchädliche Wirkung zu be - nehmen. Da aber ein elektriſcher Funke nur dort überſpringt, wo ein Leiter unter - brochen erſcheint oder ſeine Leitungs - fähigkeit nicht aus - reicht, ſo müſſe man ſich vor den Wirkungen des Blitzes dadurch ſchützen können, daß man Metallſtangen von hinreichender Stärke errichtet und für deren gut - leitende Verbin - dung mit der Erde Sorge trägt. Eine ſolche Stange müſſe dann eine vorüber - ziehende Wolke ſuc - ceſſive entladen und ſo das Ueber - ſchlagen eines Blitzes überhaupt hintanhalten oder ſelbſt, wenn er trotz - dem überſchlage, ihn gefahrlos in die Erde ableiten. Dieſe Anſichten ſprach Franklin klar und deutlich aus und gab auch Vor - ſchriften zur Er - richtung von Blitz - ableitern. Und in der That ließen die Amerikaner mit der praktiſchen Aus - führung derſelben nicht lange auf ſich warten.
Franklin’s Drache.
In demſelben Jahre (1753) hatte auch Winkler in Deutſchland unabhängig von Franklin die Aufſtellung von Blitzableitern warm befürwortet und wahr - ſcheinlich war auch er die Veranlaſſung, daß ein aufgeklärter Prämonſtratenſer - Chorherr, der Pfarrer Procopius Diviſch zu Prenditz in Mähren, in der2*20Nähe ſeiner Wohnung den erſten Blitzableiter aufſtellte. Unglücklicherweiſe war der Sommer des Jahres 1756 ein ſehr trockener, was die unwiſſende Land - bevölkerung dieſer Wetterſtange zuſchrieb und weshalb ſie ihre Entfernung erzwang.
Mit dem Studium der atmoſphäriſchen Elektricität, die nun zur Reibungs - Elektricität hinzugekommen war, beſchäftigte ſich eine Reihe von Männern. Leider ſollte es ſich hierbei auch in entſetzlicher Weiſe zeigen, wie gefahrvoll dieſe Experi - mente waren. Profeſſor Nichmann in Petersburg hatte zum Studium der atmoſphä - riſchen Elektricität in ſeinem Hauſe eine iſolirte Eiſenſtange aufgeſtellt, wie ſie
Richmann’s Wetterſtange.
die Figur 5 zeigt. Bei o tritt die Stange S durch eine weite Oeffnung der Zimmerdecke in das Zimmer ein, durchſetzt dasſelbe und wird dann weiter bis in feuchtes Erdreich geleitet. Innerhalb des Zimmers wird die Stange von Holzkugeln h h gefaßt, welche an Glasſtangen g g, die in die Mauer eingelaſſen ſind, befeſtigt werden. Die Oeffnung in der Zimmerdecke iſt, ſoweit ſie nicht von der Stange ausgefüllt wird, durch eine Platte aus Spiegelglas verſchloſſen. Würde die Stange ununterbrochen durch das Zimmer gehen, ſo könnte man ihren elektriſchen Zuſtand höchſtens durch die Ablenkung der Magnetnadel beobachten, nicht aber die Spannung ſtudiren und Funken herausziehen. Aus dieſem Grunde iſt bei e ein Charnier angebracht, welches geſtattet, den Theil c d zu drehen, ſo daß der Zuſammenhang der Stange unterbrochen wird (wie dies der punktirte Theil der Zeichnung erkennen läßt). An der Stelle, wo die Stangen - enden zuſammenſtoßen, ſind dieſe mit Meſſing - kugeln d und e verſehen. Ferner trägt der be - wegliche Arm zwei Hollundermarkkügelchen k; das Auseinandergehen dieſer oder bei ſtarker Spannung die zwiſchen den voneinander ent - fernten Kugeln d e überſpringenden Funken dienten zur Anzeige des elektriſchen Zuſtandes.
Als Richmann nun im Auguſt 1753 während eines aufſteigenden Gewitters ſich der Stange näherte, um ihren elektriſchen Zuſtand zu unterſuchen, fuhr ihm ein Feuerball aus der Stange gegen den Kopf und ſtreckte ihn augenblicklich todt zu Boden. Der gleich - zeitig anweſende Kupferſtecher Sokoloff ſtürzte gleichfalls zuſammen, erholte ſich aber nach einiger Zeit wieder.
Vorſichtiger war De Romas in Nerac (Frankreich) zu Werke gegangen. Er bediente ſich gleich Franklin eines Drachen, gab aber dieſem ſehr bedeutende Dimenſionen. Er ließ ihn wiederholt an einer mit Eiſendraht durchflochtenen Schnur, die in einer Seidenſchnur endigte, ſteigen und erhielt damit koloſſale Wirkungen. So befeſtigte er einſt am unteren Ende der Drahtſchnur einen Cylinder aus Eiſenblech, aus welchem er unter Donnerknall Feuermaſſen hervorbrechen ſah. 21
Richmann’s Tor.
22Im Auguſt 1757 erhielt er bei Anwendung eines entſprechenden Ausladers ſogar Funken von 10 Fuß Länge.
Hatte auch das tragiſche Schickſal Richmann’s bedeutendes Aufſehen erregt und die Gefahren derartiger Experimente in das grellſte Licht geſetzt, ſo ließ man ſich dadurch doch keineswegs von weiteren Experimenten und Studien abſchrecken. Forſcher wie Le Monnier, Beccaria und Cavallo arbeiteten rüſtig weiter. Auch an die Anwendung der Elektricität in der Heilkunde wurde bereits gedacht. Es iſt daher begreiflich, daß man nun auch Mittel und Wege ſuchte, um die Elektricität zu meſſen. Das erſte praktiſch verwendbare Elektrometer conſtruirte John Canton, der von 1718 bis 1772 in England lebte. Es iſt dies das bekannte Hollundermarkkügelchen oder Korkkügelchen-Elektrometer, welches dann das Vorbild für eine Reihe von Elektrometern wurde, welche im Principe von dem Canton’s nicht abweichen.
Zur ſelben Zeit wurden auch Verſuche über die Fernwirkung elektriſcher Körper auf unelektriſche gemacht, oder, wie man ſich damals ausdrückte, man ſtudirte die elektriſche Atmoſphäre eines elektriſchen Körpers. Man hatte beobachtet, daß zwei nebeneinander hängende Korkkügelchen ſich abſtoßen, wenn man denſelben einen elektriſirten Körper auch nur annähert, alſo nicht die Kügelchen mit ihm berührt. Dieſe Erſcheinung ſtudirten namentlich Aepinus und Wilke eingehend und trugen viel zu ihrer Erklärung bei. Auch wurde durch deren Verſuche die Unhaltbarkeit der Anſicht Franklin’s über die Kleiſt’ſche Flaſche dargethan, welcher glaubte, das Verhalten der Flaſche oder Tafel ſei der beſonderen Structur des Glaſes zu verdanken und dieſem ausſchließlich eigenthümlich.
Nun kam die für die Entwicklung der Elektricitätslehre wichtige Periode der ſeidenen Strümpfe. Ein gewiſſer Esquire Robert Symmer in England eröffnete dieſe elektriſche „ Strumpfperiode “im Jahre 1759. Genannter Esquire pflegte nämlich ſeidene Strümpfe zu tragen, und zwar immer zwei Paare, ein weißes unterhalb und ein ſchwarzes darüber. Beim Ausziehen derſelben bemerkte er nun, ſobald nicht beiderlei Strümpfe gleichzeitig herabgezogen wurden, ein Kniſtern, welches er bald der Erzeugung von Elektricität durch Reiben der Strümpfe an - einander zuſchrieb. Ferner bemerkte er, daß die Strümpfe gleicher Farbe ſich gegen - ſeitig abſtoßen, die ungleicher Farbe ſich aber anziehen und mit ſehr erheblicher Kraft aneinander halten. Obwohl dieſe Verſuche an ſich eigentlich nichts Neues lehrten, man kannte ja ſchon eine ganze Reihe von Körpern, die durch Reiben elektriſch werden, ſo erregten Symmer’s Verſuche doch bedeutendes Aufſehen und brachten die ſeidenen Strümpfe bei den Elektrikern ſehr in Mode. Immerhin würden aber dieſe Verſuche für die Erweiterung der Kenntniſſe unſerer Wiſſenſchaft ohne Belang geblieben ſein, wenn nicht Symmer daraus ganz neue Anſichten über das Weſen der Elektricität geſchöpft hätte. Symmer kehrte nämlich wieder zu der ſchon von Dufay ausgeſprochenen, aber damals nicht beachteten Theorie zurück, welche zweierlei Elektricitäten annahm. Im natürlichen Zuſtande ſollten die Körper von den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten gleich viel beſitzen und beide miteinander vereinigt ſein; durch Reiben werden ſie aber getrennt und nun er - ſcheint der eine Körper entgegengeſetzt elektriſirt wie der andere.
Symmer konnte zu Gunſten ſeiner Theorie nur einen einzigen Verſuch an - führen und der beſtand darin, daß er einen Funken durch Papier ſchlagen ließ; dieſes zeigte ſich dann an der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten aufgeworfen. Dieſe Erſcheinung ließ ſich nach Franklin’s Theorie allerdings nicht gut erklären,23 denn da nach dieſer der elektriſche Funke nur der Ausgleich des Ueberſchuſſes der Elektricität auf der einen Seite mit dem Mangel an Elektricität auf der anderen Seite, alſo ein Ueberſtrömen von Elektricität in einer Richtung ſein ſollte, iſt es nicht gut einzuſchen, warum die Ränder der Durchſchlagsſtelle auf beiden Seiten des Papieres aufgebogen ſein ſollten. Symmer hingegen erklärte dies aus dem Gegeneinanderſtrömen beider Elektricitätsarten. Obwohl dies nur ein vereinzelter Verſuch war, wußte doch Symmer ſeiner Theorie bei den Phyſikern raſch Eingang zu verſchaffen. Es verdient bemerkt zu werden, daß Franklin ſelbſt mit größter Bereitwilligkeit an Symmer Inſtrumente und Apparate lieh, die dieſer zur Be - wahrheitung ſeiner Theorie zu bedürfen glaubte. — Gewiß ein Zug eines wahrhaft großen und edlen Geiſtes, der Nachahmung verdiente!
Symmer’s oder, richtiger geſagt, Dufay’s Theorie erhielt eine neue Stütze in der Entdeckung der elektriſchen Staubfiguren durch Lichtenberg im Jahre 1777. Es mag hier nur beiläufig erwähnt werden, daß dieſe Figuren ein von - einander weſentlich verſchiedenes und wohl charakteriſirtes Ausſehen gewinnen, je nachdem ſie durch poſitive oder negative Elektricität erzeugt werden. Eine genauere Beſchreibung derſelben folgt in dem entſprechenden Abſchnitte der Elektricitätslehre ſelbſt. Durch Lichtenberg wurden auch die Bezeichnungen + und — eingeführt.
Die weiteren Fortſchritte, die nun bis zu den epochemachenden Entdeckungen Volta’s und Galvani’s gemacht wurden, laſſen ſich in wenigen Zeilen zuſammen - faſſen. Man ſtudirte die Ladungsverhältniſſe von belegten Iſolatoren und verbeſſerte die Meßinſtrumente. Erſteres führte Volta zur Conſtruction des Elektrophors, letzteres veranlaßte ihn zur Erfindung des Condenſators, d. h. einer Vorrichtung, um ſchwache Elektricität ſo zu verſtärken, daß ſie meßbar wird. Volta gab auch 1781 das Strohhalm-Elektrometer an. Auf die Verbindung des Condenſators mit dem Elektrometer kamen ziemlich gleichzeitig (1787) Volta und Bennet. Mit den Arbeiten Coulomb’s wurde das Capitel der ſtatiſchen Elektricität für lange Zeit zum Abſchluſſe gebracht.
Charles Auguſtin de Coulomb wurde am 14. Juni 1736 zu Angoulême geboren, trat in noch jugendlichem Alter in das Geniecorps ein und wurde dann nach Martinique commandirt, wo er das Fort Bourbon baute. Nach neunjährigem Aufenthalte daſelbſt kehrte er wieder nach Frankreich zurück und erhielt in Rochefort eine Anſtellung; hier widmete er ſich ausſchließlich wiſſenſchaftlichen Arbeiten, welche er in den Schriften der Pariſer Akademie veröffentlichte. Zwei derſelben, nämlich über die Erzeugung von Magnetnadeln und über die Theorie der einfachen Ma - ſchinen, wurden von der Akademie, die ihn im Jahre 1781 auch zu ihrem Mit - gliede wählte, mit Preiſen ausgezeichnet. Im Jahre 1784 veröffentlichte er ſeine berühmten Unterſuchungen über die Torſionskraft und Elaſticität von Metalldrähten, eine Arbeit, die ihn dann auch zur Conſtruction der Torſionswage führte, eines Inſtrumentes, welches ſeit dieſer Zeit bei genauen Meſſungen ſchwacher elektriſcher und magnetiſcher Kräfte nicht mehr außer Gebrauch gekommen iſt. Beim Ausbruche der Revolution nahm er als Oberſtlieutenant ſeinen Abſchied vom Geniecorps und lebte auf einem kleinen Landhauſe bei Blois. Als nach der Revolution die früher aufgelöſte Akademie unter dem Namen des Nationalinſtitutes wieder hergeſtellt wurde, nahm er auch dort abermals ſeinen Platz ein und wurde im Jahre 1806 Generalaufſeher des öffentlichen Unterrichtes; noch im ſelben Jahre, am 23. Auguſt, ereilte den bereits ſiebzigjährigen Greis in Paris der Tod.
24Coulomb unterſuchte mit der von ihm erfundenen Torſionswage die elektriſche Anziehung, Abſtoßung und Vertheilung mit einer Sorgfalt und Genauigkeit, daß dieſe Arbeiten heute noch als muſtergiltig anerkannt werden müſſen. Er bekannte ſich zur dualiſtiſchen Anſchauungsweiſe, alſo der Theorie Dufay’s, nahm an, daß die Elektricitätstheilchen jeder Art ſich untereinander abſtoßen, Theilchen beiderlei Art ſich aber anziehen; er fand, daß dieſe Anziehungen und Abſtoßungen im um - gekehrten Verhältniſſe des Quadrates der Entfernungen geſchehen, daß die Vertheilung der Elektricität auf einem Körper Folge der gegenſeitigen Abſtoßung der Elektricitäts - theilchen untereinander iſt u. ſ. w.
Bevor wir uns nun den Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zuwenden, welche die ſpäteren Forſcher in ganz neue Bahnen lenkten und zur Grundlage der gegenwärtigen, ſtaunenerregenden Entwicklung der Elektricitätslehre und ihrer prak - tiſchen Anwendungen wurden, müſſen wir noch einen Blick auf jene elektriſchen Erſcheinungen werfen, die in der animaliſchen Welt beobachtet werden können. Es ſind dies die elektriſchen Eigenſchaften des Zitterrochen, Zitteraales und Zitterwels. Zwar erwähnt ſchon Réaumur im Jahre 1714 der Fähigkeit des Zitterrochens, erſchütternde Schläge auszutheilen, ſchrieb aber dieſe nur der Muskelkraft des Schwanzes zu. Später, als Reiſende von den kräftigen Schlägen berichteten, welche der Zitteraal zu führen im Stande ſei, vermuthete man allerdings, dieſe Schläge mögen elektriſcher Natur ſein. Hiefür den experimentellen Nachweis zu bringen, gelang jedoch erſt dem Engländer Dr. John Walſh im Jahre 1772. Er bediente ſich zu ſeinen Experimenten des Zitterrochens und zeigte, daß der Fiſch an der Ober - und Unterſeite gleichzeitig berührt werden müſſe, um von ihm den Schlag zu bekommen. Es wurden nun Verſuche verſchiedener Art ausgeführt, um die elek - triſche Natur der Schläge nachzuweiſen und um dieſe Erſcheinung überhaupt auf - zuklären. Wir müſſen jedoch geſtehen, daß hierüber heute noch große Dunkelheit herrſcht.
Gegen Ende des achtzehnten Jahrhundertes ſchien es faſt, als ob die Kenntniß der elektriſchen Erſcheinungen für lange Zeit abgeſchloſſen ſein ſollte. Nichts deutete auf eine neue Entdeckung hin, nicht einmal die Richtung ließ ſich erkennen, welche weitere Forſchungen etwa verfolgen könnten. Da war es, wie ſo oft bei großen Entdeckungen und Erfindungen, wieder ein glücklicher Zufall, der dem menſchlichen Forſchungsgeiſte neue Bahnen wies. Ein glücklicher Zufall! wie ſehr wird dieſes Wort mißbraucht! Ein zufällig vom Baume fallender Apfel ließ Newton die Gravi - tationsgeſetze entdecken, ein zufälliges Zucken der Froſchſchenkel führte zur Entdeckung des Galvanismus, eine zufällige Verſuchsanordnung ließ Oerſted die Einwirkung des elektriſchen Stromes auf die Magnetnadel erkennen u. ſ. w. Sind aber jene Entdeckungen deshalb wirklich nur glücklichen Zufällen zuzuſchreiben? Und wie kommt es, daß ſolche glückliche Zufälle immer nur großen Männern, hervorragenden Forſchern zuſtoßen? Sollte vor Newton’s Zeiten noch nie vor den Augen eines Menſchen ein Apfel vom Baume gefallen ſein? Oder mußte Galvani im Zucken der Froſchſchenkel in der Nähe einer in Thätigkeit befindlichen Elektriſir - maſchine eine neue Erſcheinung erblicken? So lange die Elektriſirmaſchine zu dem Verſuche angewandt wurde, war der Froſchſchenkel ja doch nichts Anderes als ein Elektroſkop, welches durch ſeine Zuckungen den elektriſchen Zuſtand anzeigte. Newton hatte ſich zur Zeit des berühmten Apfelfalles (1666) vor der Peſt aus Cambridge nach Woolſthorpe geflüchtet und gab ſich dort ernſten und eifrigen Studien hin; lange vorher hatte er ſchon Ideen über die Gravitation gefaßt. Der25 fallende Apfel mag, wenn er nicht überhaupt in das Gebiet der Sage zu verweiſen iſt, vielleicht den äußerlichen Anlaß gegeben haben, bereits vorhandene und viel durchdachte Ideen in einer beſtimmten Richtung zu verfolgen, ihm mehr zuzu - muthen, entbehrt jeder Wahrſcheinlichkeit. Der Arzt Galvani war ſchon jahrelang beſtrebt, das Räthſel der Lebenskraft ſeiner Löſung näher zu bringen, und dies ſowie die geringen phyſikaliſchen Kenntniſſe waren die Urſachen, welche Galvani veranlaßten, den Zuckungen der Froſchſchenkel mehr Aufmerkſamkeit zu ſchenken, als dies ein Phyſiker damaliger Zeit wohl gethan haben würde. Auch Oerſted’s Ent - deckung kam nicht unvermittelt; man hatte vielmehr ſchon früher mehr oder weniger gewagte Anſichten über die Beziehungen zwiſchen Magnetismus und Elektricität ausgeſprochen. Man ſieht alſo, daß in allen dieſen Fällen nicht die zufällige Be - achtung ſelbſt ſchon die Entdeckung bildete, ſondern vielmehr nur den erſten Anſtoß hierzu gab.
„ Dieſe Zufälle, “ſagt Whewell in ſeiner Geſchichte der inductiven Wiſſen - ſchaften, „ wenn ſie ja ſo genannt werden dürfen, ſind viel angemeſſener dem Funken zu vergleichen, der ein geladenes und auf ein beſtimmtes Ziel gerichtetes Feuer - gewehr entladet. Galvani’s Entdeckung mag allerdings mit mehr Recht als gewöhnlich dem Zufalle zugeſchrieben werden, aber ſie enthielt auch in der Form, in welcher ſie zuerſt mitgetheilt wurde, nichts weſentlich Neues. Erſt als Galvani durch die bloße Berührung der beiden Metalle dieſelben Bewegungen hervorbrachte, erſt dann war er im Beſitze einer für die Wiſſenſchaft neuen, wichtigen und fundamentalen Thatſache. “
Luigi Aloiſio Galvani wurde am 9. September 1737 zu Bologna ge - boren, ſtudirte zuerſt Theologie und war nur mit Mühe vor dem Eintritte in ein Kloſter zurückzuhalten. Später wandte er ſich dem Studium der Medicin zu und wurde 1762 für dieſen Wiſſenszweig Profeſſor in Bologna. Aus dieſer Zeit rühren auch einige beifällig aufgenommene Abhandlungen aus der Anatomie der Vögel her. Die Zeit der Revolution brachte für Galvani trübe Tage. Im Jahre 1796 erhielt Bonaparte das Commando der franzöſiſchen Armeen in Italien und zwang den König von Sardinien zum Frieden ſowie zur Abtretung Nizzas und Savoyens an Frankreich; auch Neapel mußte um Frieden bitten; aus Mantua, Mailand, Modena und einem Theile von Parma wurde im Jahre 1797 die cisalpiniſche Republik gebildet. Galvani weigerte ſich nun, der republikaniſchen Regierung den Beamteneid zu leiſten und verlor in Folge deſſen ſeine Stelle. Als ihm dieſe ſpäter von der Republik wieder angetragen wurde, war ſeine Geſundheit bereits ſo zer - rüttet, daß er den Antrag nicht mehr annehmen konnte. Er ſtarb in ſehr dürftigen Verhältniſſen am 4. December 1798 an der Abzehrung.
Obwohl man den Zeitpunkt jener Entdeckung, welche Galvani’s Unſterblich - keit ſicherte, nicht mit abſoluter Beſtimmtheit feſtſtellen kann, nimmt man doch mit ziemlicher Wahrſcheinlichkeit hiefür das Jahr 1790 an. Auch über die Art, wie die Entdeckung gemacht wurde, findet man voneinander abweichende Berichte. Whewell erzählt den Hergang in nachſtehender Weiſe: „ Galvani’s Frau wurde zur Wiederherſtellung ihrer Geſundheit Froſchſuppe verordnet, die Galvani ſelbſt ihr zu bereiten pflegte. Zufällig lagen einige bereits abgehäutete Froſchſchenkel auf einem Tiſche neben einer Elektriſirmaſchine. Ein Gehilfe berührte ebenſo zufällig mit der Meſſerſpitze einen dieſer Schenkel, der ſogleich in lebhafte Zuckungen ge - rieth. Die dabei gegenwärtige kranke Frau glaubte bemerkt zu haben, daß dieſe Zuckungen in demſelben Augenblicke ſtatthatten. als der Funke aus der elektriſchen26 Maſchine ſprang. Sie berichtete es ihrem Manne, der ſogleich den Verſuch wieder - holte und weiter verfolgte. Er fand dieſe Zuckungen immer wiederkehren, ſo oft man der Elektriſirmaſchine Funken entzog und zu gleicher Zeit den Froſch mit einem Leiter der Elektricität, z. B. mit einem Metalldrahte berührte. “ Der Antheil, welchen Galvani’s Gattin, Lucia, an der Entdeckung hatte, begeiſterte ſogar einen ungenannten Poeten zu einem Sonnet, welches Du Bois-Raymond in folgender Weiſe überſetzte:
Allerdings verdient das aufmerkſame Beachten aller, auch ſcheinbar noch ſo unbedeutender Umſtände, wie dies durch Galvani’s Gattin geſchah, alle Anerkennung; iſt dies doch eine unerläßliche Bedingung des Gelingens jeder experimentellen Forſchung! Aber trotzdem hätte dieſe Beobachtung Lucia’s die Wiſſenſchaft ſchwer - lich weſentlich bereichert, da der Verſuch, ſo lange er in der oben angegebenen Weiſe ausgeführt wurde. keine neue Thatſache in ſich ſchloß. So lange die Zuckungen des Froſchſchenkels nur gleichzeitig mit einem in deſſen Nähe über - ſpringenden elektriſchen Funken auftraten, reichten zur Erklärung dieſer Erſcheinung die damals bekannten Thatſachen vollkommen aus. Zum Erfolge einer experimen - tellen Forſchung genügt es eben nicht, blos jeden Umſtand ſorgfältig zu beachten, er muß auch nach allen Richtungen hin weiter verfolgt werden. Und dies hat auch Galvani in der That nicht unterlaſſen. So hing er z. B. einen friſch ent - häuteten Froſchſchenkel mittelſt eines kupfernen Hakens an dem eiſernen Geländer ſeiner Terraſſe auf. Die Zuckungen traten auch bei dieſer Anordnung ein, ſobald die Schenkel mit dem Eiſengitter in Berührung kamen. Dieſer Verſuch verliert dadurch nichts an ſeiner Wichtigkeit, daß bei Anſtellung desſelben von einer falſchen Theorie ausgegangen wurde. Galvani hatte ſich nämlich ſeine Verſuche in der Art aus - gelegt, daß er in den Froſchſchenkeln gewiſſermaßen Kleiſt’ſche Flaſchen ſah; die Muskeln ſollten die äußere, der Nervenſtrang die innere Belegung hierzu bilden. Die Verbindung des Nervs mit den Muskeln durch einen Draht würde dann die Entladung einleiten und ſo die Zuckungen der Schenkel veranlaſſen. Von dieſer Anſicht geleitet, ſtellte er den letzten Verſuch an, um zu erfahren, ob auch die atmoſphäriſche Elektricität im Stande ſei, ſeine Froſchſchenkel-Flaſche zu laden. Wie bereits erwähnt, traten die Zuckungen wirklich ein, und zwar auch dann, wenn kein Gewitter am Himmel ſtand. Galvani’s Verſuche und deren Auslegung erregten27 damals ungeheures Aufſehen, was um ſo begreiflicher iſt, als man zu dieſer Zeit eben bemüht war, die ſogenannte Lebenskraft zu erforſchen. Es entſpann ſich nun ein lebhafter wiſſenſchaftlicher Kampf zwiſchen Galvani und ſeinen An - hängern einerſeits, Volta und deſſen Anhängern andererſeits, ein Streit, der an Fruchtbarkeit für die Entwicklung unſerer Wiſſenſchaft wohl ſeinesgleichen nicht mehr aufzuweiſen hat.
Aleſſandro Volta, der weitaus hervorragendſte Gegner Galvani’s, wurde am 18. Februar 1745 zu Como geboren. Er widmete ſich ſchon von Jugend auf naturwiſſenſchaftlichen Studien und veröffentlichte bereits in den Jahren 1769 bis 1771 Abhandlungen aus dem Gebiete der Elek - tricitätslehre, welche auch ſeinen Forſcherruf begrün - deten. Er wurde im Jahre 1774 Profeſſor der Phyſik und Rector des Gymna - ſiums zu Como. Sein her - vorragendes experimentelles Talent führte ihn, wie be - reits früher erwähnt, zur Erfindung des Elektrophors und des dann ſo wichtig gewordenen Condenſators. Im Jahre 1779 wurde er als Profeſſor an die Uni - verſität in Padua berufen. Studien über die aus Sümpfen ſich entwickeln - den Gasarten gaben den Anlaß zur Conſtruction der elektriſchen Piſtole, des Endiometers und der Lampe mit brennbarer Luft (Gas - lampe). Im Jahre 1790 erhielt auch er Kunde von Galvani’s Verſuchen, wie -
Aloiſio Galvani.
derholte dieſelben mit mannigfachen Abänderungen, gelangte aber zu einer prin - cipiell ganz verſchiedenen Auslegung. Er machte hiervon, zum erſtenmale im Jahre 1792, eine Mittheilung an die Royal Inſtitution in London. Volta ſah bei ſeinen und Galvani’s Verſuchen als Urſache der Elektricitätserregung ausſchließlich die Be - rührung zweier verſchiedenen Metalle an und betrachtete den Froſchſchenkel nur als Leiter, der gleichzeitig als Elektroſkop fungirt. Er nannte daher die auf neue Art erregte Elektricität metalliſche Elektricität, indeß Galvani, wie wir geſehen haben, gerade umgekehrt die Metalle nur als Leiter betrachtete und die Elektricitäts - erregung als eine ausſchließlich animaliſche Function erklärte. Der Streit zwiſchen beiden Parteien wurde äußerſt lebhaft fortgeſetzt und man führte von beiden Seiten immer neue Experimente ins Feld, um die eine oder die andere Anſicht zu begründen. Es iſt leicht zu begreifen, daß der Anatom Galvani und deſſen An -28 hänger ſich für den animaliſchen Urſprung der Elektricität erklärten, umſomehr als man ja auf dieſem Wege die Löſung des Lebensräthſels zu finden hoffte. Selbſt Volta neigte anfänglich zu Galvani’s Anſicht, aber bald führte ihn ſeine tiefere phyſikaliſche Einſicht zu der von ihm darauf verfochtenen Auslegung. Galvani’s Verdienſt wird jedoch dadurch nicht verringert, denn gegenwärtig wiſſen wir ja, daß der Urſprung der Elektricität weder ausſchließlich in den Froſchſchenkeln noch in den Metallen zu ſuchen iſt, ſondern die Quelle der Elektricität in beiden liegt und ſomit die Entdeckung eine doppelte war.
Während aber Galvani, an ſeiner Theorie feſthaltend, zu keinen neuen That - ſachen gelángte, vielmehr in Folge der traurigen Verhältniſſe jener Zeit in Armuth
Alexander Volta.
und geiſtige Schwäche verſank, eilte Volta von Entdeckung zu Ent - deckung und krönte ſchließlich ſeine uner - müdliche Thätigkeit mit der Erfindung der nach ihm benannten Säule. Ungleich glücklicher als Galvani, ſah Volta den hohen Werth ſeiner Ent - deckungen und Erfin - dungen raſch und voll - kommen anerkannt und wurde mit Ehren und Würden überhäuft. Im Jahre 1800 theilte er der Royal Inſtitution in London die Erfindung der Säule mit und im Jahre 1801 wurde er von Bonaparte nach Paris berufen. Hier führte er in Gegenwart des Conſuls ſeine Ex - perimente der Akademie der Wiſſenſchaften vor. Auf Antrag Bonaparte’s wurde zu Ehren Volta’s eine goldene Medaille geprägt und die Stiftung zweier Preiſe beſchloſſen, deren einer im Betrage von 60.000 Francs für Denjenigen beſtimmt war, der Entdeckungen machen würde, die jenen von Franklin oder Volta gleichkämen, deren zweiter im Betrage von 3000 Francs jährlich für die beſte in einem Jahre erſchienene Arbeit aus dem Gebiete des Galvanismus ertheilt werden ſollte. Volta ſelbſt erhielt ein bedeutendes Geſchenk, wurde Deputirter der Univerſität Pavia, Mitglied des franzöſiſchen und italieniſchen Inſtitutes, von Napoleon I. zum Senator Italiens ernannt und in den Grafenſtand erhoben. Im Jahre 1804 legte er ſein Lehramt nieder, nahm aber im Jahre 1815 die Ernennung zum Director der philoſophiſchen Facultät an der Univerſität zu Padua durch Kaiſer Franz an. Seine letzten Lebensjahre brachte er in ſeiner Vaterſtadt Como zu und29 ſtarb dort, 81 Jahre alt, am 6. März 1826. Die Größe und Bedeutung der Entdeckungen Volta’s und Galvani’s zeigen ſich am beſten, wenn man die weitere Entwicklung jenes Theiles der Elektricitätslehre verfolgt, welchen man heute unter dem Worte Galvanismus zuſammenfaßt. Der elektriſche Strom, der ſich Galvani durch Zuckungen der Froſchſchenkel verrieth, jenes ſchwache Kind, welches Volta durch die Erfindung ſeiner Säule zum kräftigen Manne erzog, dient jetzt als Ideenvermittler zwiſchen den Bewohnern beider Hemiſphären; er bewirkt den Ge - dankenaustauſch von Menſchen, und mögen Länder und Meere ſie trennen, Hunderte von Meilen zwiſchen ihnen liegen, in wenigen Augenblicken. Hatten nun hierzu Galvani und Volta allerdings den Grund gelegt, ſo bedurfte es zur Vollendung des Gebäudes doch noch der Entdeckungen und Erfindungen, welche an die Namen Oerſted, Ampère und Faraday für ewige Zeiten geknüpft ſind; es ſind dies die Entdeckung der elektromagnetiſchen Wirkung, die Ampère’ſche Theorie und die Entdeckung der Induction.
Hans Chriſtian Oerſted wurde am 14. Auguſt 1777 zu Rudkjöbing auf der däniſchen Inſel Langeland geboren, wo ſein Vater eine Apotheke hielt Vom Jahre 1794 an widmete ſich Oerſted an der Univerſität zu Kopenhagen dem Studium der Medicin und wurde im Jahre 1799 zum Doctor der Philoſophie promovirt. Nachdem er in den Jahren 1801 bis 1803 Frankreich, Deutſchland und Holland bereiſt hatte, beſchäftigte er ſich eingehend mit chemiſchen und phyſikaliſchen Studien und wurde im Jahre 1806 zum Profeſſor der Phyſik ernannt. In den Jahren 1813 und 1814 treffen wir ihn auf einer zweiten Reiſe nach Deutſchland, auf welcher er während ſeines Aufenthaltes in Berlin eine Arbeit unter dem Titel: „ Anſichten der chemiſchen Naturgeſetze “veröffentlichte. Dieſe Abhandlung wurde ſpäter unter Mithilfe von Marcel de Serres umgearbeitet und unter dem Titel: „ Recherches sur l’identité des forces électriques et ehimiques “(Unterſuchungen über die Identität der elektriſchen und chemiſchen Kräfte) in franzöſiſcher Sprache neuer - dings der Oeffentlichkeit übergeben. Dann beſuchte er England und gründete nach ſeiner Rückkehr im Jahre 1824 in Kopenhagen die Geſellſchaft für Ausbreitung der Naturlehre.
Fünf Jahre darauf übernahm er die Stelle des Directors am polytechniſchen Inſtitute. Seine glänzendſte Entdeckung, nämlich die des Elektromagnetismus, machte er im Jahre 1819. Auch bei dieſem wichtigen Fortſchritte ſpielte der Zufall eine Rolle. Oerſted ſoll mit einer galvaniſchen Batterie gearbeitet haben, während ſich gleichzeitig in der Nähe der Leitungsdrähte eine Magnetnadel befand; ſo oft nun der Stromkreis im Leitungsdrahte geſchloſſen wurde, gerieth die Nadel in lebhafte Bewegung.
War nun auch dieſe Beobachtung eine rein zufällige und dieſer Verſuch nicht mit der Abſicht angeſtellt, den Zuſammenhang zwiſchen Magnetismus und Elektricität zu ergründen, ſo verringert dies jedoch keineswegs Oerſted’s Verdienſt. Oerſted hatte, ſo berichtet Whewell, dieſen Beziehungen eifriger und beharrlicher nachgeſpürt als irgend ein anderer Mann in Europa. Denn ſchon im Jahre 1807 hatte er eine Schrift bekannt gemacht, in welcher er geſtand, „ daß er ſchon ſeit längerer Zeit ſich zu überzeugen ſuche, ob die Elektricität in ihrem verborgenſten Zuſtande irgend eine Wirkung auf den Magnet habe “. Die Entdeckung iſt deshalb nur die natürliche Folge ſeiner Arbeiten und Forſchungen und der Zufall hierbei der Funke, der das geladene und auf das beſtimmte Ziel gerichtete Gewehr in Thätig - keit ſetzte.
30Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über - haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen - ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur - wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge - mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.
Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt. Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That -
Hans Chriſtian Oerſted.
ſachen, die man bereits be - obachtet hatte und entweder gar nicht erklären konnte oder doch nur durch ſehr gewagte Hypotheſen. Zu dieſen Beobachtungen ge - hören z. B. das mag - netiſche Verhalten von Eiſenſtangen, durch welche der Blitz gegangen war, und das Umpolariſiren der Magnetnadel. Die letztere Erſcheinung namentlich hat ein nicht zu unterſchätzen - des praktiſches Intereſſe. Es waren nämlich wieder - holt Schiffe geſcheitert oder doch ganz aus ihren Cours gerathen, einfach dadurch, daß während eines Ge - witters die Polarität ihrer Compaßnadel umgekehrt wurde, ohne daß dies die Schiffsleute während ihres Kampfes mit dem Sturme bemerkten. Das Schiff fuhr dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.
Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm Ampère. André Marie Ampère, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf - jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll -31 kommen lahmlegte und ihn in gänzliche Apathie verſenkte. Die Lektüre von Rouſſeau’s botaniſchen Briefen ſoll ihn endlich aus dieſer Lethargie erweckt haben. Nun warf er ſich, wahrſcheinlich durch Lavoiſier’s Arbeiten angeregt, mit Feuereifer auf das Studium der Chemie und Phyſik und erhielt im Jahre 1801 für eben dieſe Gegenſtände eine Profeſſur in Bourg. Von hier kam er an das Lyceum zu Lyon und dann an die polytechniſche Schule in Paris. Im Jahre 1814 ver - ſchafften ihm ſeine ausgezeichneten Arbeiten mathematiſchen Inhaltes die Mitglied - ſchaft der Pariſer Akademie. Von dieſer Zeit an beſchäftigte ſich Ampère wieder mit Phyſik und lieferte eben jene Arbeiten aus dem Gebiete des Elektromagnetismus, wegen welcher er hier genannt werden muß. Im Jahre 1824 wurde er Profeſſor der Experimentalphyſik am Collége de France und ſtarb auf einer Reiſe begriffen in Marſeille am 10. Juni 1836.
Eine der Folgerungen, welche aus der Oerſted’ſchen Beobachtung von Ampère gezogen wurde, war die, daß auch die Erde wegen ihres magnetiſchen Verhaltens richtend auf einen vom Strome durchfloſſenen Leitungsdraht einwirken müſſe. Nach längeren und anfangs reſultatloſen Verſuchen gelang es Ampère in der That, für dieſe ſeine Behauptung den experimentellen Beweis beizubringen. Sein größtes Verdienſt iſt aber die Aufſtellung der nach ihm benannten Am - père’ſchen Theorie über die elektrodynamiſchen Wirkungen. Als man ſich Mühe gab, die elektromagnetiſchen Erſcheinungen auf einfache Geſetze zurückzuführen, be - merkte man bald, daß die hier in Betracht kommenden Kräfte ſich weſentlich anders verhalten als die bisher bekannten. Man ſah z. B., daß der vom elek - triſchen Strome durchfloſſene Draht nicht ſo ſehr darnach ſtrebe, die Magnetnadel zu ſich heranzuziehen, ſich näher zu bringen, als vielmehr dieſer eine beſtimmte Richtung zu geben; man hat es alſo hier nicht mit einer Kraft zu thun, die ähnlich wirkt wie die Schwerkraft, welche bekanntlich die Körper dem anziehenden Punkte näher zu bringen ſucht, ſondern mit einer nicht den Ort, ſondern nur die Stellung des Körpers richtenden Kraft. Man drückte damals dieſen Unter - ſchied dadurch aus, daß man die Bezeichnung transverſe Kraft einführte.
Hier griff nun Ampère klärend und ſichtend ein, und zwar in einer Weiſe, wie ſie ſelten zu verzeichnen iſt: Nicht eine Erklärung einzelner Thatſachen, eine Theorie, die bei jedem neuen Experimente mannigfach abgeändert und zugefeilt werden mußte, die ſich nach und nach erſt zu einer gewiſſen Vollkommenheit ent - wickelte, gab Ampère, ſondern, die Thatſachen in ihrer Allgemeinheit umfaſſend, vollkommen ausgebildet, wie einſt Pallas Athene dem Haupte des Donnerers, ent - ſprang die Theorie ſeinem Geiſte. Wenn man das Experiment betrachtet, in welchem ſich eine Magnetnadel ſenkrecht zu dem Leitungsdrahte des elektriſchen Stromes ſtellt, ſo könnte man für dieſe Erſcheinung zweierlei Auslegungen annehmen. Die eine beſteht darin, daß man ſich den Draht aus transverſalen Magneten, alſo aus Magneten, die mit ihrer Längsrichtung auf die Längsrichtung des Drahtes ſenk - recht ſtehen, zuſammengeſetzt denkt; die andere Auslegung iſt gewiſſermaßen um - gekehrt: man denkt ſich den Magnet gleichwerthig mit ihn transverſal durch - fließenden elektriſchen Strömen. Die zuletzt angeführte Auslegung gab Ampère den Experimenten und bewies ſogar, daß dies die einzig mögliche Auslegung ſei, wollte man nicht bei Erklärung anderer Erſcheinungen zu neuerlichen Hilfshypotheſen ſeine Zuflucht nehmen. Wie glücklich er in der Aufſtellung ſeiner Theorie war, erhellt daraus, daß dieſe nicht nur allen damals bekannten Thatſachen genügte, ſondern auch zur Erklärung ſpäter angeſtellter Experimente vollkommen ausreichte.
32Ampère’s Theorie der elektrodynamiſchen Kräfte (wie er ſie ſelbſt be - nannte) wird uns ſpäterhin noch eingehender beſchäftigen; an dieſer Stelle ſollen nur noch einige Worte über deren Aufnahme unter den Fachgenoſſen geſagt werden. Die Geſetze der elektrodynamiſchen Kräfte erforderten noch eine genauere Beſtimmung; dieſe war durch nicht ganz einfache Rechnungen unter Anwendung höherer Mathe - matik noch aufzufinden. Auch dies gelang Ampère, und damit hatte ſich wenigſtens für ihn die Berechtigung ſeiner Theorie allerdings ausreichend dargethan. Sollte ſie aber zu allgemeiner Anerkennung kommen, ſo mußten eben auch ſeine Zeitgenoſſen die gründlichen und ſcharfſinnigen Rechnungen nicht nur ſtudiren, ſondern auch
Ampère.
vollkommen verſtehen. Dieſer Umſtand einer - ſeits und andererſeits das Beſtreben, ſelbſt eine Theorie zu finden, die den in Rede ſtehenden Erſcheinungen Genüge leiſten könnte, waren die Urſachen, warum Ampère’s Theorie einige Zeit erforderte, bis ſie zu allgemeiner Anerkennung gelangte. Wir hätten uns nun mit den Folgen zu beſchäftigen, welche die Anerkennung und Ver - breitung der elektro - dynamiſchen Theorie mit ſich brachte, müſſen uns aber hier doch nur mit der Anführung der wichtigſten Thatſachen begnügen. Zu dieſen gehört die Erfindung des Galvanometers — welches wir ſpäter noch kennen lernen werden — durch Schweigger in Halle, und die Entdeckung der Thermo-Elektricität durch Profeſſor Seebeck in Berlin im Jahre 1822. Im Galvanometer bekam man ein Inſtrument, welches nicht nur die ſchwächſten elektrodynamiſchen Wirkungen anzeigte, ſondern auch ge - ſtattete, dieſe durch Ablenkung der Magnetnadel genau zu meſſen. Durch die Ent - deckung der Thermo-Elektricität erhielten wir Kenntniß von einer neuen Elektricitäts - quelle, die in Zukunft vielleicht noch eine bedeutende Rolle zu ſpielen berufen iſt.
Dem Phyſiker Georg Simon Ohm, geboren am 16. März 1787 zu Erlangen, geſtorben als Profeſſor an der Univerſität zu München am 7. Juli 1854, iſt die Aufſtellung der Theorie galvaniſcher Ketten zu verdanken. Die von ihm aufgefundenen Geſetze tragen ſeinen Namen, und an den Arago’s knüpft ſich die Entdeckung des Rotations-Magnetismus.
33Um die Geſchichte der Elektricität zu vollenden, erübrigt uns noch zweier Männer zu gedenken, welche durch ihre Entdeckungen zwei der wichtigſten Grund - ſteine ſpeciell für die techniſche Anwendung der Elektricität lieferten; es ſind dies Faraday und Davy.
Michael Faraday wurde am 22. September 1791 zu Newington Butts bei London geboren. Sein Vater, ein Hufſchmied, gab ihn zu einem Buchbinder in die Lehre, wo Faraday bis zu ſeinem 22. Jahre blieb und mit großem Eifer jene Bücher las, die ihm zufällig in die Hand kamen; hierbei waren es namentlich phyſikaliſche und chemiſche Werke, welche ſein Intereſſe beſonders erregten. Später
Michael Faraday.
hörte er dann einen Cyklus jener öffentlichen Vorleſungen, welche Sir Humphry Davy an der Royal Inſtitution hielt und arbeitete dieſelben ſchriftlich aus. Durch Vorzeigung derſelben zog er Davy’s Aufmerkſamkeit auf ſich und dieſer nahm ihn zunächſt (1813) als Gehilfen in ſein Laboratorium;*)Die Gründe, die ihn zu dieſem Schritte bewogen, ſpricht nach Angabe Whewell’s Faraday ſelbſt mit folgenden Worten aus: „ Mein Wunſch war, den Handelsgeſchäften zu entfliehen, die ich für verdorben und ſelbſtiſch hielt, und mein Verlangen, in den Dienſt der Wiſſenſchaft zu treten, die nach meiner Meinung ihre Verehrer liebenswürdig und edelmüthig macht, bewog mich zu dem kühnen Schritt, ohneweiters an Sir Humphry Davy zu ſchreiben. “hier warf er ſich mit allem Eifer auf das Studium der Chemie und Phyſik und wurde nach einiger Zeit Davy’s Secretär. Im Jahre 1827 erlangte er endlich die Stelle eines Profeſſors derUrbanitzky: Elektricität. 334Chemie an der Royal Inſtitution in London und in den Jahren 1829 bis 1842 war er auch als Lehrer an der Akademie in Woolwich thätig. Er ſtarb am 25. Auguſt 1867 zu Hamtoncourt.
Faraday, dem wir die elektroſtatiſchen Geſetze, die Induction und den Dia - magnetismus verdanken, war überhaupt einer der größten Naturforſcher, die je lebten. Es iſt hier nicht der Ort, auf alle ſeine Entdeckungen und Erfindungen auch nur hinzuweiſen, hier intereſſirt uns nur die Entdeckung der Induction. Welch enorme Tragweite dieſer Entdeckung innewohnte, zeigt uns der gegenwärtige Stand der Elektrotechnik: Die Telegraphie, die Telephonie, die Mehrzahl der Regu - lirungsvorrichtungen unſerer Bogenlampen, die elektriſchen Maſchinen ꝛc. beruhen darauf. Die Entdeckung der Induction war keine zufällige, ſondern von langer Hand vorbereitet. Aus Ampère’s Theorie ſchien bereits zu folgen, daß der Wirkung des elektriſchen Stromes auf den Magnet auch eine Gegenwirkung des Magnetes auf den Leitungsdraht gegenüberſtehen müſſe, und wirklich ſuchte man auch mit allem Eifer dieſe Gegenwirkung zu finden, aber die in dieſer Richtung angeſtellten Experimente blieben erfolglos. Faraday ſelbſt ſuchte bereits im Jahre 1825 dieſe Gegenwirkung zu ergründen, aber auch er erreichte damals nicht das gewünſchte Reſultat. Es wurde bereits früher erwähnt, daß Arago, der ſich gleichfalls mit derlei Experimenten befaßte, den Rotations-Magnetismus entdeckte; er fand, daß eine raſch rotirende Kupferſcheibe eine darüber ſchwebende Magnetnadel veranlaßt, gleichfalls zu rotiren. Aber obgleich in dieſem Experimente bereits die Induction mit eingeſchloſſen war, kam man wegen der Mannigfaltigkeit der hier in Betracht kommenden Thatſachen doch nicht auf die Induction. Im Jahre 1831 nahm endlich Faraday ſeine diesbezüglichen Verſuche wieder auf und da gelang es ihm nach einer Reihe fruchtlos angeſtellter Verſuche, endlich die geſuchte Gegenwirkung zu finden. Die Form war allerdings eine andere, als man erwartet hatte. Er fand, daß in dem Augenblicke, als der Stromkreis in einem Drahte geſchloſſen wurde, in dem benachbarten Drahte ein momentaner Strom auftritt. Doch genügte dieſer Verſuch, um Faraday in kürzeſter Zeit zur Erkennung ſämmtlicher Inductions - Erſcheinungen zu führen. Selbſt die Induction durch den Erdmagnetismus blieb ihm nicht verborgen.
Die Folgen von den Entdeckungen Faraday’s zu beſprechen, würde heißen, ſich mit unſerem gegenwärtigen Wiſſen beſchäftigen; hier endigt alſo die Geſchichte und beginnt die Lehre von der Elektricität nach dem gegenwärtigen Standpunkte unſeres Wiſſens. Doch darf in Verfolgung dieſer einen Richtung nicht die andere gleichfalls hochwichtige überſehen werden, nämlich die chemiſche Wirkung des elektriſchen Stromes. Hierin wirkte Davy bahnbrechend.
Humphry Davy wurde als Sohn eines Xylographen am 17. December 1778 zu Penzance in Cornwall geboren, beſuchte dort die unteren Schulen, ohne in dieſen gerade zu den vorzüglicheren Schülern zu gehören, und kam im Jahre 1795 zu dem Apotheker von Penzance in die Lehre. Hatte Davy frühzeitig große Liebe zur Dichtkunſt gezeigt, ſo ſtrebte er jetzt eifrig danach, durch Selbſtunterricht ſein Wiſſen zu vermehren; auch das Sprachſtudium wurde lebhaft betrieben. Im Jahre 1798 errichtete Dr. Beddoe in Briſtol eine pneumatiſche Curanſtalt, in welcher er das Stickoxydul als Heilmittel benützte. In dieſe Anſtalt kam nun Davy, um Beddoe in ſeinen Arbeiten’ zu unterſtützen; Davy beſchäftigte ſich mit Unter - ſuchungen des Stickoxyduls und fand auch eine bequeme Darſtellung desſelben. Er ſchrieb, erſt zwanzig Jahre alt, bereits einige Aufſätze für ein von Dr. Beddoe35 herausgegebenes Buch, welche günſtige Aufnahme fanden. In Folge einer Empfeh - lung des Grafen Rumford beſtellte man an der eben errichteten Royal Inſtitution Davy als Profeſſor der Chemie und er verſtand es, ſich in dieſer Stellung raſch Anerkennung zu erwerben. Später hielt er auch Vorleſungen über Chemie in ihrer Anwendung auf die Bodencultur, wurde darauf Mitglied, ſpäter Secretär und endlich im Jahre 1820 Präſident der k. Societät. Im Jahre 1812 erhielt er die Ritterwürde, heiratete eine reiche Dame und unternahm dann häufig Reiſen auf
Humphry Davy.
den Continent. Im Jahre 1827 zwang ihn ein Schlaganfall, ſeine Stellen nieder - zulegen, worauf er neuerdings auf den Continent ging, um ſeine angegriffene Geſundheit wieder herzuſtellen. Er hielt ſich hierbei längere Zeit in Laibach auf oblag an den reizend gelegenen, fiſchreichen Weißenfelſer Seen ſeiner Lieblings - beſchäftigung, dem Fiſchfange, und ſchrieb ſeine „ Salmonia “oder „ Angelfiſchtage “, in welchen er eine genaue Anleitung zum Fiſchen mit verſchiedenen künſtlichen Fliegen angab und hierbei häufig philoſophiſche Geſpräche zwiſchen Freunden mit einflocht; auch ſein Buch „ Troſt auf Reiſen “rührt aus der Zeit der Wanderungen Davy’s in Europa her. Auf einer Reiſe nach Italien erkrankte er, fand in Laibach3*36im Gaſthauſe „ zum ſchwarzen Adler “freundliche Pflege durch die Tochter*)Verfaſſer dieſes Buches hat vor einigen Jahren mit der in Krain lebenden Nichte derſelben geſprochen und bei dieſer Gelegenheit einige Reliquien Davy’s geſehen, von welchen namentlich ſein Stammbuch zu erwähnen iſt. des Wirthes und ſtarb auf ſeiner Rückreiſe zu Genf am 30. Mai 1829.
Seine Arbeiten über die Einwirkung des elektriſchen Stromes auf chemiſche Verbindungen begannen im Jahre 1806; es würde zu weit führen, ſie alle hier aufzuzählen. Es ſeien nur erwähnt die Zerlegung der alkaliſchen Erden und ſomit die Entdeckung der Alkalimetalle, der Nachweis, daß Chlor ein einfacher Körper ſei, daß die Zerſetzung der Körper eine polare ſei, d. h. die durch Zerſetzung der Körper erhaltenen Elemente ſich wie poſitive und negative Elektricität ver - halten u. ſ. w. Von beſonderer Wichtigkeit iſt namentlich die zuletzt angeführte Thatſache, da ſie zur Aufſtellung der elektrochemiſchen Theorie führte. Der Aus - gangspunkt zu dieſen Arbeiten war allerdings ſchon gegeben durch die Entdeckung der Waſſerzerlegung mit Hilfe des elektriſchen Stromes durch Nicholſon und Carlisle im Jahre 1800. Die Sache war jedoch noch durchaus nicht vollſtändig geklärt. Man nahm vielmehr an, daß alle jene Körper, welche durch elektrolytiſche Zerlegung des Waſſers entſtehen, durch die Elektricität ſelbſt erzeugt würden, und erſt Davy war es, der durch Anwendung vollkommen reinen Waſſers und goldener Zerſetzungsbecher nachwies, daß das Waſſer nur aus Waſſerſtoff und Sauerſtoff beſtehe, und die bei früheren Verſuchen außerdem noch gefundenen Körper nicht durch den elektriſchen Strom erzeugt werden, ſondern von Unreinigkeiten im Waſſer oder von Beſtandtheilen der angewandten Zerſetzungsgefäße herrühren. Auf dieſe und andere Thatſachen gründete er ſeine Theorie. „ Indem ich mich, “ſchreibt er ſelbſt in der betreffenden Abhandlung, „ auf meine früheren Experimente von 1800, 1801 und 1802 und auf eine Menge von neuen Thatſachen beziehe, aus denen hervorgeht, daß brennbare Subſtanzen und Oxygen (Sauerſtoff), Alkalien und Säuren, oxydirbare und edle Metalle, daß alle dieſe Körper in poſitiven und negativen elektriſchen Relationen gegeneinander ſtehen, ziehe ich den Schluß, daß alle durch Elektricität bewirkten Combinationen und Zerſetzungen ſich auf das Geſetz der elektriſchen Attraction und Repulſion beziehen, und ſo gelangte ich zu der Hypotheſe, daß chemiſche und elektriſche Attraction durch dieſelbe Urſache erzeugt werden, die in dem erſten Falle auf die Elemente, in dem anderen aber auf die ganzen Maſſen der Körper wirkt, und daß überdies dieſelbe Eigenſchaft, unter verſchiedenen Modificationen, auch die Urſache von allen denjenigen Erſcheinungen iſt, die durch verſchiedene Volta’ſche Combinationen hervorgebracht werden. “ Dieſe Theorie erhielt eine bedeutende experimentelle Stütze, als Davy die bereits früher erwähnte Abſcheidung des Kaliums und Natriums aus der Pottaſche und Soda gelang.
So groß aber auch die Verdienſte Davy’s in Bezug auf die Elektrochemie waren, wäre es doch ungerecht, die ſehr zahlreichen und gründlichen Unterſuchungen ſeines Schülers Faraday unerwähnt zu laſſen, da dieſe es waren, welche Davy’s in großen, allgemeinen Zügen gegebene Darſtellung erſt in eine klare, exacte Form brachten. Die Beſtrebungen jener Zeit theilt Whewell treffend in die drei Zweige: Theorie der Volta’ſchen Säule, elektriſche Zerſetzung und Identität der chemiſchen[u] nd elektriſchen Kräfte. Es würde uns zu weit führen, auf alle diesbezüglichen Arbeiten einzugehen und ſo mag nur noch Einiges erwähnt werden. Davy ſah als Urſache der elektrolytiſchen Zerſetzung die Anziehungskraft der Batteriepole an; erſt37 Faraday ſprach die Anſicht aus, daß in dem elektrolytiſchen Körper die Elemente desſelben ſich in einander entgegengeſetzten Richtungen bewegen und daß die Pole nur die Auswege für die verſchiedenen Elemente bilden. Er gab daher auch die Bezeichnung „ Pole “auf und führte dafür den Namen „ Elektroden “ein. Auch die Ausdrücke Kathode für die negative und Annode für die poſitive Elektrode rühren von ihm her. Faraday begnügte ſich aber nicht mit der bloßen Feſtſtellung der Thatſachen, er gab auch die Methode zur genauen Meſſung der elektrolytiſchen Wirkung an. Das Inſtrument, welches er zu dieſem Zwecke erfand, iſt das Volta - elektrometer oder Voltameter, wie es jetzt gewöhnlich kurzweg genannt wird. Die Quantität des zerſetzten Waſſers bildet hierbei den Maßſtab. Durch dieſes Inſtrument gelang ihm auch die Entdeckung des elektrolytiſchen Grundgeſetzes: Die Elektrolyſe eines beſtimmten Stoffes iſt der Stromſtärke proportional und verſchiedene Körper werden durch denſelben Strom im Verhältniſſe ihrer Atomgewichte zerlegt.
Dieſes Geſetz wurde im Jahre 1853 entdeckt und ſomit ſind wir auch mit der Geſchichte der Elektricität bei der Gegenwart angelangt. Die Schilderung des gegenwärtigen Standes unſerer Kenntniſſe aus den Gebieten des Magnetismus und der Elektricität iſt Aufgabe der nächſten Abſchnitte.
In der Natur kommt ein Erz vor, welches den Mineralogen unter dem Namen Magneteiſenſtein bekannt iſt; dieſer beſitzt die Eigenſchaft, Eiſenſtücke an - zuziehen und feſtzuhalten. Der Phyſiker nennt dieſes Erz einen natürlichen Magnet. Läßt man an Stelle eines Eiſenſtückes ein Stück Stahl mit einem ſolchen natürlichen Magnete einige Zeit in Berührung oder, was noch beſſer iſt, ſtreicht man einen Stahlſtab mit einem natürlichen Magnete, ſo bekommt der Stahlſtab dauernd die Eigenſchaft, Eiſen anzuziehen, und man erhält alſo in dieſer Weiſe einen künſtlichen Magnet. Der natürliche Magnet verliert hierbei nichts an ſeiner Kraft. In dieſer Art wurden urſprünglich die Compaßnadeln magnetiſirt; gegen - wärtig beſitzt man aber in der magnetiſirenden Wirkung des elektriſchen Stromes ein bequemeres Mittel zur Herſtellung kräftiger Magnete.
Die magnetiſchen Grunderſcheinungen laſſen ſich durch einige einfache Experi - mente zeigen. Eine an einem ungedrehten Seidenfaden befeſtigte Eiſenkugel (Fig. 13) iſt an einem entſprechenden Geſtelle aufgehängt. Nähert man derſelben einen Magnetſtab, ſo zieht dieſer die Kugel an und hält ſie feſt. Erſetzt man die Eiſen - kugel durch eine aus anderen Stoffen geformte Kugel, ſo übt der Magnet auf dieſe keine Wirkung aus. Wird der Magnetſtab an Stelle der Kugel aufgehängt, und nähert man dieſem ein Stück Eiſen, ſo bewegt ſich der Magnet gegen das Eiſen. Aus dieſen Experimenten folgt alſo, daß Eiſen und Magnet ſich gegenſeitig anziehen, daß aber andere Körper von einem gewöhnlichen Magnete nicht beeinflußt werden und auch jene auf dieſen keine Einwirkung zeigen. Sämmtliche Erſcheinungen bleiben ungeändert, wenn man zwiſchen Magnet und Körper Glas -, Holz - oder Papierſcheiben bringt; ſie werden aber abgeſchwächt durch eine Eiſenplatte.
Nähert man der aufgehängten Eiſenkugel verſchiedene Stellen des Magnetſtabes, ſo findet man bald, daß die Anziehungskraft des Stabes nicht an allen Stellen38 dieſelbe iſt. Während die beiden Enden ſchon in beträchtlicher Entfernung ihre Anziehungskraft auf die Eiſenkugel geltend machen, muß man die gegen die Mitte des Stabes zu liegenden Stellen deſto näher der Kugel bringen, um noch eine Wirkung zu erhalten, je näher dieſe Stellen der Mitte liegen; ja in der Mitte ſelbſt beobachtet man gar keine Anziehung mehr. Dieſe Vertheilung der magne - tiſchen Kraft im Stabe läßt ſich auch in der Weiſe zeigen, daß man den Stab in Eiſenfeile legt; dann häufen ſich an ſeinen beiden Enden die Feilſpäne an, während
Magnetiſches Pendel.
die Mitte frei bleibt und der herausgehobene Stahl ge - winnt das in Fig. 14 ange - deutete Ausſehen. Jene beiden Stellen ſtärkſter Anziehungs - kraft nennt man die Pole des Magnetes, die Stelle mm 'die Indifferenzzone.
Bisher wurde nur da - von geſprochen, ob und in welcher Weiſe Körper durch einen Magnet angezogen wer - den; giebt es nicht vielleicht auch Körper, welche nicht un - beeinflußt von einem Magnete bleiben, gleichwohl aber nicht angezogen, ſondern von beiden Polen abgeſtoßen werden? Die Antwort auf dieſe Frage lautet bejahend. Bei Anwendung ſehr kräftiger Magnete ſtellt ſich ſogar heraus, daß dieſe auf die meiſten Körper einwirken, und zwar entweder in der Weiſe, daß beide Pole eines Magnetes den Körper anziehen oder daß beide Pole den Körper abſtoßen; zu den Körpern der erſten Art, welche man als para -
Magnetiſche Eiſenfeile.
magnetiſch bezeichnet, zählen das Eiſen in ſeinen verſchiedenen Arten (Gußeiſen, Schmiede - eiſen, Stahl), dann Kobalt, Nickel, wahrſcheinlich auch Chrom und Mangan. Körper der zweiten Art werden als diamagnetiſche bezeichnet und unter dieſen zeigt das Wismuth die in Rede ſtehende Eigenſchaft am deutlichſten. Das früher geſchilderte Experiment, in welchem der Magnetſtab aufgehängt war, ermöglicht aber noch andere Beobachtungen. Man bemerkt nämlich, daß jeder in ſeiner Mitte frei beweglich auf - gehängte Stab, ſobald er ausgeſchwungen hat, immer wieder dieſelbe Stellung einnimmt, d. h. daß er ſich mit ſeiner Längsaxe nahezu in die Richtung Süd-Nord einſtellt; jenen Pol, welcher gegen den Nordpol der Erde weiſt, nennt man Nordpol und den nach Süden zeigenden den Südpol des Stabes. Wir ſagten, der Magnetſtab ſtelle ſich nahezu in die Nord-Süd-Richtung; bei genauen Meſſungen fand man39 eben, daß die Richtung, nach welcher der Stab weiſt, von der genauen Nord - Süd-Richtung um eine beſtimmte Anzahl Grade abweicht; man nennt den Winkel, welchen der magnetiſche Meridian (d. h. die durch die Längsaxe des Magnet - ſtabes gelegte Verticalebene) mit dem Erdmeridiane bildet, die Declination. Der frei beweglich aufgehängte Stab ſtellt ſich aber nicht in horizontaler Ebene in die angegebene Richtung, ſondern ſchließt viel - mehr auch mit dieſer einen beſtimmten Winkel ein, den man als die Inclina - tion des Magnetſtabes bezeichnet. In unſeren Gegenden neigt ſich hierbei das Nordende des Stabes nach abwärts. Declination und Inclination ſind mit Ort und Zeit veränderlich. Gegenwärtig be - trägt z. B. für Wien die Declination 10° (weſtlich) und die Inclination 63°, für Berlin hingegen die erſtere 12°, die letztere 67°. Dabei iſt die Declination in ganz Europa, Afrika und dem atlantiſchen Ocean
Declinationsnadel.
eine weſtliche, d. h. der Magnetſtab oder die „ Magnetnadel “weicht von der genauen Nord-Süd-Richtung nach Weſten ab, und in Amerika, dem großen Ocean und Aſien eine öſtliche. Ferner neigt ſich in der nördlichen Erdhälfte der Nordpol nach abwärts, auf der Südhälfte hingegen der Südpol.
Es wurde früher der Ausdruck „ Magnetnadel “gebraucht; dieſe Bezeich - nung wendet man für verſchiedene Formen ſtabförmiger Magnete an, welche um den Mittelpunkt ihrer Längsaxen leicht beweg - lich ſind. Die gewöhnliche Form, die einer ſolchen Nadel gegeben wird, iſt die einer langgezogenen Raute, wie dies die Fig. 15 und 16 zeigen. Die Nordhälfte der Nadel läßt man, um ſie leicht kenntlich zu machen, blau anlaufen. Die Declinationsnadel trägt in ihrer Mitte bei a ein kleines Hütchen, mit welchem ſie ſich auf der am Fußbrette b befeſtigten Stahlſpitze dreht. Die Inclina - tionsnadel dreht ſich in einer Gabel um eine horizontale Axe.
Die wichtigen Anwendungen, welche man von der Richtkraft der Magnetnadel durch die Buſſole*)Buſſole iſt richtiger als Bouſſole, da das Wort nicht franzöſiſchen Urſprunges iſt, ſondern nach Klaproth aus dem arabiſchen Muassala = Pfeil abgeleitet iſt, welches Wort Mo — ussala ausgeſprochen wird. und den Compaß
Inclinationsnadel.
macht, wurden bereits in der geſchichtlichen Einleitung erwähnt. Fig. 17 ſtellt40 eine Buſſole dar. Die Magnetnadel ſchwebt mit ihrem Hütchen auf einer Stahl - ſpitze und iſt zu ihrem Schutze in ein Meſſinggehäuſe mit Glasplatte ein - geſchloſſen. In dieſem Gehäuſe iſt ein getheilter Kreis angebracht und ſind die Weltrichtungen durch die Buchſtaben N S und O W bezeichnet. In die Kapſel ragt ferner ein um c drehbarer Hebel a b hinein, durch deſſen Hinabdrücken bei d die Nadel gegen den Glasdeckel angedrückt und in dieſer Art arretirt werden kann. Der in der Schifffahrt in Verwendung kommende Compaß weicht von der eben angegebenen Einrichtung etwas ab. Er beſitzt an Stelle der Kreistheilung die ſogenannte Windroſe, d. h. es ſind 32 Weltgegenden verzeichnet. Die Windroſe iſt derart befeſtigt, daß ſie an der Drehung der Magnetnadel theilnimmt. Der Steuermann erkennt, ob er die gewünſchte Richtung einhält, daran, daß der betreffende Strahl der Windroſe mit zwei Kreideſtrichen, die er ſich am Compaß - gehäuſe gemacht hat, in eine Gerade fällt. Bei Anwendung des Compaſſes auf Schiffen muß die Einwirkung der Eiſenmaſſen der letzteren entweder durch Rech -
Buſſole.
nung beſtimmt oder durch Anbrin - gung entgegenwirkender Eiſenſtücke beim Compaß aufgehoben werden. Auch muß man wegen der oft be - deutenden Schwankungen des Schiffes für eine Aufhängung der Nadel ſorgen, die dieſer geſtattet, ſtets in einer horizontalen Ebene zu ſchwin - gen. Dies wird durch die ſogenannte Cardan’ſche Aufhängung erreicht, d. h. dadurch, daß man der Compaß - büchſe die Drehung um drei auf - einander ſenkrechte Axen ermöglicht und durch Beſchweren des unteren Theiles der Büchſe mit Blei ſie zwingt, die Drehungen immer ſo auszuführen, daß die Magnetnadel in einer Horizontalebene ſchwingt.
Es wurde geſagt, daß ein Magnet die Eigenſchaft beſitze, Eiſen anzuziehen, und daß die Kraft, mit welcher er letzteres anzieht, am ſtärkſten an beiden Polen iſt, gegen die Indifferenzzone zu fortwährend abnimmt und endlich in dieſer ſelbſt gleich der Null wird. Hierbei ergab ſich kein Unterſchied der Wirkungen des Nord - und Südpoles. Daß ein ſolcher aber vorhanden ſein muß, zeigt ſchon das Ver - halten einer frei beweglichen Magnetnadel; dieſe ſtellt ſich, wie wir bereits wiſſen, nie mit dem Südpole gegen Norden oder mit dem Nordpole gegen Süden, ſondern weiſt, ſich ſelbſt überlaſſen, ſtets mit dem Nordpole nach Norden und mit dem Südpole nach Süden. Daraus folgt einerſeits, daß Nord - und Südpol verſchieden - artig wirken müſſen, und andererſeits, da ſämmtliche Nadeln an allen Punkten der Erde nach einem nördlichen und einem ſüdlichen Punkt der letzteren zeigen, daß auch die Erde einen magnetiſchen Nord - und einen magnetiſchen Südpol beſitzen müſſe. Letzteres wurde auch in der That durch vielfache Beobachtungen an den verſchiedenſten Punkten der Erde nachgewieſen und zugleich fand man, daß die magne - tiſchen Pole der Erde nicht mit ihren geographiſchen Polen zuſammenfallen.
41Die Verſchiedenheit in der Wirkſamkeit der beiden Pole eines Magnetes kann aber auch dadurch gezeigt werden, daß man die Einwirkung zweier Magnete aufeinander unterſucht. Man kann dieſe Unterſuchung in einfachſter Art dadurch ausführen, daß man zwei Declinationsnadeln nebeneinander ſtellt. So oft dieſer Verſuch angeſtellt wird, bemerkt man, daß ſich die beiden Nadeln ſo ſtellen, daß ſie ſich ihre ungleichnamigen Pole zukehren; man ſieht auch, daß der Nordpol der einen Nadel jenen der zweiten Nadel abſtößt und daß der Südpol der einen Nadel ſich ebenſo zu dem Südpole der anderen Nadel verhält. Führt man eine Decli - nationsnadel an einem Magnetſtabe ſeiner Länge nach vorbei, ſo beobachtet man folgendes Verhalten der erſteren: Am Südpole des Stabes ſtellt ſich die Magnet - nadel ſo, daß ihr Nordpol dem Südpole des Stabes ſo nahe als möglich kommt, was ſie durch eine gegen die Axe des Magnetes ſenkrechte Stellung erreicht; der Südpol des Stabes zieht alſo den Nordpol der Nadel an. Dieſes Verhalten ändert ſich, wenn die Nadel gegen die Mitte des Stabes zu bewegt wird, nur inſoferne, als die Kraft der Anziehung abnimmt und die ſenkrechte Stellung der Nadel in eine parallele übergeht. Nähert man die Nadel, über die Mitte des Stabes hinausgehend, dem Nordpole des Stabes, ſo richtet die Nadel ihren Südpol gegen den Nordpol des Magnetes und dieſe Richtungskraft gewinnt deſto mehr an Stärke, je näher die Nadel dem Nordpole des Stabes kommt, wo ſie ſich nun abermals ſenkrecht gegen den Stab ſtellt, aber jetzt dieſem ihr Südende zukehrt.
Aus dem Verſuche mit zwei Magnetnadeln folgt das Grundgeſetz: Gleich - namige Magnetpole ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an, und dieſes lautet auf Grund des Verſuches mit dem Stabe in umfaſſenderer Ausdrucks - weiſe: Gleichnamige Magnetismen ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an.
Dieſes Verhalten der Magnete giebt uns ein Mittel an die Hand, den magnetiſchen Zuſtand eines Eiſenſtückes zu prüfen. Man nähert dasſelbe dem Nordpol und dann dem Südpol eines Magnetes. Zieht das Eiſenſtück beide Pole an, ſo iſt es natürlich unmagnetiſch; zieht es den Nordpol an und ſtößt den Südpol zurück, ſo iſt es an dieſer Stelle ſüdmagnetiſch. Verhält es ſich umgekehrt gegen die beiden Pole, ſo iſt es nordmagnetiſch.
Verfolgt und ergänzt man das anfänglich angegebene Experiment, ein Stück Eiſen einem Magnete zu nähern, ſo gelangt man zu der Ueberzeugung, daß das Eiſenſtück nicht blos angezogen wird, ſondern ſich ſelbſt in einen Magnet verwandelt, denn es iſt nun ſelbſt wieder im Stande, ein zweites Eiſenſtück an - zuziehen, dieſes ein drittes u. ſ. w., nur übt jedes neu hinzugebrachte eine geringere Anziehungskraft aus, als das vorhergehende. Sämmtliche Eiſenſtücke fallen aber ſo - fort auseinander, wenn der Magnet entfernt wird; ſie waren alſo nur ſo lange magnetiſch, als das erſte Stück der Kette mit dem Magnete in Verbindung ſtand. Befeſtigt man einen Eiſenſtab über einer mit Eiſenfeile beſtreuten Fläche, ſo üben Stab und Feile keinerlei Einwirkung aufeinander aus. Nähert man aber dem Eiſen - ſtabe von oben her einen Magnet, ſo werden die Feilſpäne von dem Stabe ſofort angezogen, auch wenn der Magnet denſelben nicht berührt; ja der Eiſenſtab zieht die Späne ſelbſt dann noch an, wenn man zwiſchen Magnet und Stab eine Platte aus Glas, Holz, Pappe oder dergleichen einſchiebt. Die Feilſpäne fallen aber ſofort42 ab, wenn der Magnet vom Eiſenſtabe entfernt wird. Unterſucht man den letzteren, ſo lange der Magnet ſich über ihm befindet, mit Hilfe einer Declinationsnadel auf ſeinen magnetiſchen Zuſtand, ſo findet man, daß jenes Ende des Stabes, welches dem Nordpole des Magnetes, wenn beiſpielsweiſe dieſer dem Stabe genähert wurde, ſich am nächſten befindet, einen Südmagnetismus beſitzt, während das von ihm abgewandte Stabende Nordmagnetismus zeigt. Der Stab iſt alſo durch die bloße Annäherung eines Magnetes gleichfalls zum Magnete geworden und erhält ſich als ſolcher ſo lange, als der urſprüngliche Magnet in ſeiner Nähe bleibt. Bei allen dieſen Verſuchen verliert der letztere nichts an ſeiner Kraft.
Aus dieſen Experimenten folgt, daß das einem Magnete genäherte Eiſenſtück nicht in der Weiſe magnetiſch wird, daß der Magnet einen Theil ſeines Magne - tismus abgiebt oder eine Art magnetiſchen Fluidums in das Eiſenſtück überſtrömt, ſondern daß letzteres durch eine vom Magnete ausgeübte Vertheilungs - oder Influenzwirkung ebenfalls zum Magnete wird. Das Ueberſtrömen eines Fluidums iſt unmöglich, denn dann müßte: 1. die zwiſchen Magnet und Eiſen - ſtab befindliche Platte aus Glas, Holz ꝛc. wenigſtens zur Zeit des Ueber - ſtrömens ſelbſt ein magnetiſches Verhalten zeigen, was thatſächlich nicht der Fall iſt; 2. das Eiſenſtück dürfte nur einerlei Magnetismus zeigen, und zwar derſelben Art als jener Magnetpol, welcher ihm genähert wurde oder ihn be - rührte, was ebenfalls nicht der Fall iſt; 3. der urſprüngliche Magnet müßte bei jedem Verſuche an magnetiſcher Kraft verlieren und andererſeits das Eiſen - ſtück auch dann noch Magnetismus zeigen, wenn es von dem Magnete ent - fernt wird.
Wie hat man ſich alſo die bisher geſchilderten Erſcheinungen zu erklären?
Man denkt ſich in jedem Eiſenkörper beide Arten von Magnetismus vor - handen, und zwar an jeder Stelle des Körpers in gleicher Menge; die beiden gleich großen, aber entgegengeſetzten Magnetismen heben ſich dann in ihren Wir - kungen gegenſeitig auf und der Eiſenkörper erſcheint bei ſeiner Prüfung als unmagnetiſch. *)Daß gleich ſtarke, aber entgegengeſetzte Magnetismen ſich gegenſeitig aufheben, kann leicht durch folgenden Verſuch gezeigt werden: Läßt man durch einen Magnet ein Stück Eiſen anziehen und legt dann auf dieſen Magnet einen genau gleich ſtarken zweiten Magnet, jedoch derart, daß ſich die entgegengeſetzten Pole der beiden Magnete decken, ſo fällt das Eiſenſtück ſofort ab und die Magnete zeigen keine Anziehungskraft mehr, ſo lange man ſie nicht von - einander trennt.Nähert man nun einen ſolchen Eiſenkörper einem Magnet oder bringt dieſen mit erſterem in Berührung, ſo werden die beiden im Eiſenkörper vorhandenen Magnetismen getrennt; hierbei ſucht der dem genäherten Magnetpole entgegengeſetzte Magnetismus dieſem Pole möglichſt nahe zu kommen, der gleiche Magnetismus aber ſich möglichſt weit zu entfernen. Aus dem Eiſenſtücke entſteht daher ein Magnet, der dem genäherten Magnetpole den ungleichnamigen Pol zukehrt und am entfernten Ende einen gleichnamigen Pol beſitzt, wie dies die Fig. 18 für das Zuſammenbringen eines Eiſenſtückes a b mit dem Nordpole eines Magnetes N S zeigt. Werden Magnet und Eiſen wieder auseinandergebracht, ſo vereinigen ſich die beiden Magnetismen im Eiſenſtücke neuerdings and machen ſelbes unmagnetiſch, wie es vor dem Verſuche war. Hiermit iſt nun auch die magnetiſche Anziehung überhaupt erklärt; ſie ſtellt ſich dar als eine Anziehung zweier einander entgegengeſetzter Magnetpole. Aber auch das Anhäufen der Eiſen - feile in voneinander divergirenden Strahlen (Fig. 14) und das Ausſehen der43 magnetiſchen Curven, in welche ein hufeiſenförmig gebogener Eiſenſtab die Eiſen - feile um beide Pole herumlagert, erklärt ſich hieraus. Man erhält dieſe magnetiſchen Curven oder Kraftlinien (Fig. 20), wenn man ein Blatt Papier mit Eiſenfeile beſtreut und über den Polen eines Hufeiſenmagnetes leiſe ſchüttelt. Die Feilſpäne reihen ſich dann in ſolchen Curven an, wie ſie die Figur zeigt. Warum die Bogen hier und die Strahlen beim ſtabförmigen Magnete voneinander divergiren, zeigt nachſtehender Verſuch. In Fig. 19 hängen zwei Eiſenſtäbchen an je einem ſeidenen Faden; nähert man nun dieſen Stäbchen z. B. den
Magnetiſche Induction.
Nordpol eines Magnetes, ſo werden nach Obigem auch die Stäbchen zu Magneten. Beide Stäbchen werden ihre Südpole an den unteren, ihre Nordpole an den oberen Enden haben. Da ſich nun aber gleichnamige Pole abſtoßen, ſo müſſen die an den Seidenfäden hängenden Magnetſtäb - chen divergiren. Die einzelnen Eiſenfeilſpäne in den magnetiſchen Curven ſind aber nichts Anderes als lauter an - einandergereihte kleine Eiſenſtäbchen und dieſe werden durch die Ein - wirkung des Magnetes gleichfalls zu Magneten, gerade ſo wie die Stäb - chen des magnetiſchen Doppelpendels; es müſſen ſich folglich auch die magnetiſchen Curven gerade ſo wie die Stäbchen des Pen - dels abſtoßen, d. h. alſo divergiren, wie es die Fig. 14 und 20 zeigen.
Magnetiſches Doppelpendel.
Auch die Indifferenzzone findet durch das oben angegebene Verhalten beider Magnetismen ihre Erklärung. Nähert man z. B. den Südpol eines Magnetes einem Eiſenſtabe, ſo zieht dieſer Südpol den Nordmagnetismus des Stabes in das dem Südpole zugewandte Ende und ſtößt den Südmagnetismus in das abgewandte, vom Südpole am weiteſten entfernte Ende des Stabes. In der Mitte des letzteren, wo beide Magnetismen zuſammentreffen, ziehen ſie ſich, weil entgegengeſetzt, an und heben ihre Wirkung nach außen hin auf; der Stab erſcheint daher in ſeiner Mitte unmagnetiſch.
In der hiſtoriſchen Einleitung wurde auch mitgetheilt, daß aufrechtſtehende Eiſenſtangen (z. B. eines Eiſengitters) magnetiſch werden, und zwar in unſeren44 Breiten in der Art, daß ihr unteres Ende Nordmagnetismus, ihr oberes Ende Südmagnetismus zeigt. Der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte zieht eben den Nordmagnetismus in der Eiſenſtange an und führt ihn in ihr unteres Ende, während er den Südmagnetismus der Stange in deren oberes Ende treibt. Wir ſagten „ der Südmagnetismus der nördlichen Erdhälfte “; die nördliche Erd - hälfte muß als ſüdmagnetiſch bezeichnet werden, da wir jenen Pol der Decli - nationsnadel Nordpol genannt haben, der nach Norden zeigt. Richtiger wäre es allerdings geweſen, vom Magnetismus der Erde auszugehen und jenen Magnetismus, welcher an der nördlichen Erdhälfte herrſcht, nördlichen Magnetis - mus zu nennen und in Folge deſſen den nach Norden zeigenden Pol der Decli - nationsnadel als Südpol zu bezeichnen. Da nun aber einmal das Umgekehrte gebräuchlich iſt, ſo wollen wir auch fernerhin dieſe Bezeichnung beibehalten.
Es iſt noch die Frage zu beantworten, ob bei Annäherung eines Magnetes an ein Eiſenſtück die vertheilende Einwirkung auf deſſen Magnetismen immer
Magnetiſche Curven.
in derſelben Art erfolgt, gleich - viel von welcher Beſchaffenheit das Eiſen auch ſei. Hierüber ertheilen uns entſprechend an - geſtellte Experimente folgenden Aufſchluß: Im weichen Schmiede - eiſen gelingt die Trennung beider in ihm vorhandenen Magnetis - men leicht und ſchnell; es wird durch Einwirkung eines Magnetes raſch ſelbſt ein Magnet, verliert aber ebenſo ſchnell und vollſtän - dig wieder ſeinen Magnetismus, wenn der die Vertheilung bewir - kende Magnet entfernt wird; die getrennt geweſenen Magnetismen vereinigen ſich eben raſch wieder miteinander. Man ſagt, im Schmiedeeiſen entſteht temporärer Magnetismus. Härteres Eiſen oder Stahl wird ſchwieriger und langſamer zum Magnete. Sind aber einmal die beiden Magnetismen eines Stahlſtückes voneinander getrennt, ſo werden ſie ſich nach Entfernung des urſprünglich wirkenden Magnetes nicht mehr ſo leicht wieder vereinigen, d. h. das Stahlſtück bleibt auch nachher magnetiſch oder iſt permanent magnetiſch. In früherer Zeit war man der Anſicht, daß jener Einwirkung eines Magnetes auf das Eiſen, durch welche letzteres ſelbſt magnetiſch wird, eine beſondere dem Eiſen innewohnende Kraft entgegenwirke, und nannte dieſe Coërcitivkraft. Man ſagte deshalb, das Schmiedeeiſen beſitze eine geringe und der Stahl eine große Coërcitivkraft.
Während die magnetiſche Anziehung und Abſtoßung durch Annahme zweier Fluida noch ganz gut erklärt werden konnten, ergab ſich uns ſchon bei der In - fluenz die Unmöglichkeit dieſer Annahme. Nun aber werden wir eine Thatſache45 kennen lernen, die uns einen Fingerzeig giebt, wie wir über die Conſtitution der Magnete zu denken haben.
Bricht man nämlich einen dünnen, langen Magnetſtab (etwa von der Form einer Stricknadel), der an einem Ende einen Südpol, an dem entgegengeſetzten Ende einen Nordpol beſitzt, in der Mitte, alſo in der Indifferenzzone, entzwei, ſo ent - hält nicht, wie man nach der Annahme zweier magnetiſcher Fluida erwarten müßte, die eine Hälfte des Stabes ausſchließlich Nordmagnetismus und die andere Hälfte Südmagnetismus, ſondern man bekommt zwei Magnete, deren jeder beiderlei Pole beſitzt. Die Vertheilung der letzteren in jedem Bruchſtücke iſt derart, daß die urſprünglichen Enden des Stabes ihre anfängliche Polarität behalten, an der Bruch - ſtelle, der urſprünglichen Indifferenzzone, hingegen neue Pole in der Weiſe ent - ſtehen, daß die Bruchflächen zu einander entgegengeſetzten Polen werden. Man kann nun jedes dieſer Bruchſtücke wieder entzweibrechen und erhält dann vier einzelne Magnete, überhaupt den Magnet in noch ſo viele und daher kleine Stücke zer - theilen, ſo wird doch jedes Stück immer wieder einen vollſtändigen Magnet bilden. Die Anordnung der Pole in dieſen kleinen Elementarmagneten iſt immer derart.
Conſtitution der Magnete.
daß ſämmtliche Nordpole gegen den Nordpol des urſprünglichen ungetheilten Magnetes, ſämmtliche Südpole nach dem Südpole des ungetheilten Magnetes gerichtet ſind. Fig. 21 veranſchaulicht dies. Wir erſehen daraus, daß ein Magnet thatſächlich aus lauter kleinen Theilchen oder Molekülen beſteht, deren jedes einen Nord - und einen Südpol beſitzt, und daß im Magnete alle ſeine magnetiſchen Moleküle derart gerichtet ſind, daß ſie ihre Nordpole nach der einen, ihre Südpole nach der entgegengeſetzten Richtung kehren.
Auf Grund dieſer Conſtitution der Magnete fällt es nicht ſchwer, die ver - ſchiedenen magnetiſchen Erſcheinungen zu erklären. Betrachten wir z. B. die An - ziehung. Nähert man etwa dem Südpole eines Magnetes ein Stück Eiſen, ſo kehren ſämmtliche magnetiſchen Moleküle des Magnetes ihre Südpole dem Eiſen - ſtücke zu; folglich ſind deren Südpole dem Eiſenſtücke näher, als ihre Nordpole und die Einwirkung der Südpole muß überwiegen. Im Eiſenſtücke werden nun die vorher vollkommen durcheinanderliegenden und daher nach außen unwirkſamen magnetiſchen Moleküle derart gerichtet, daß ſie alle ihre Nordpole gegen den Magnet kehren, alſo der Nordmagnetismus überwiegen muß. Und nun haben wir einfach wieder die Anziehung zwiſchen Nord - und Südpol. Demnach iſt auch das46 Magnetiſiren eines Eiſenſtückes nichts Anderes, als eine Drehung ſämmtlichen Molecularmagnete in eine beſtimmte Lage, ſo zwar, daß ſie alle ihre Nordenden nach der einen und ihre Südenden nach der entgegengeſetzten Seite richten. Der unmagnetiſche Zuſtand eines Eiſenſtückes beſteht aber darin, daß die einzelnen magnetiſchen Moleküle ganz verſchiedene Lagen einnehmen, ſich daher in ihren Wirkungen nach außen aufheben. Man kann dieſe Verhältniſſe auch durch ein einfaches Experiment nachweiſen. Man magnetiſirt Eiſenfeile, die man in eine Glasröhre eingeſchloſſen hat; die Röhre verhält ſich dann wie jeder andere Stabmagnet. Sobald man ſie jedoch ſchüttelt, verſchwindet der Magnetismus, da nun die durch das Magnetiſiren gerichteten Eiſentheilchen durch das Schütteln wieder ihre ein - heitliche Richtung verlieren. Ebenſo einfach ergiebt ſich die Erklärung der Indifferenz - zone; wird ein Stück Eiſen der Mitte (m m, Fig. 21) eines Magnetſtabes ge - nähert, ſo befindet es ſich zwiſchen auf beiden Seiten in gleicher Anzahl, aber im entgegengeſetzten Sinne wirkenden Theilchen, kann daher auch keinerlei Einwirkung erfahren. Ferner iſt nach der Annahme der Molecularmagnete die Coërcitivkraft als jener Widerſtand aufzufaſſen, welchem die Molecularmagnete ihrer Drehung entgegenſetzen. Die Conſtitution der Magnete ſtellt ſich noch einfacher dar nach Ampère’s Theorie, daß der Magnetismus der Moleküle durch dieſe umkreiſende elektriſche Ströme hervorgerufen werde; dann iſt unter Magnetiſirung einfach die Gleich - und Parallelrichtung dieſer Ströme zu verſtehen. Doch darauf müſſen wir ſpäter noch zurückkommen.
Stahl und Eiſen können in Magnete verwandelt werden, und zwar erſterer ſowohl in einen temporären als auch in einen permanenten Magnet, letzteres nur in einen temporären. Die Magnetiſirung oder das Richten der Molecularmagnete wird bewirkt durch Streichen des zu magnetiſirenden Stückes mit einem temporären oder permanenten Magnete, durch Berührung oder Annäherung eines derartigen Magnetes an das Eiſenſtück oder endlich durch den elektriſchen Strom. Die letzte Art der Erzeugung von Magneten wird bei der magnetiſchen Wirkung des elektriſchen Stromes beſchrieben werden. Bei der Erzeugung von Magneten durch Streichen unterſcheidet man den einfachen Strich, den Doppelſtrich und den Kreisſtrich.
Der einfache Strich beſteht darin, daß man auf den zu magnetiſirenden Stahlſtab, und zwar in deſſen Mitte, einen Magnet mit einem ſeiner Pole, z. B. dem Nordpole (Fig. 22), aufſetzt, dann gegen das eine Ende des Stabes fährt, den Magnet in der Luft wieder zur Mitte des Stabes zurückführt, abermals dort aufſetzt, wieder gegen dasſelbe Ende des Stabes führt und dieſe Operation öfter wiederholt. Das Ende des Stabes, von welchem bei Vollendung jedes Striches der Nordpol des Magnetes abgezogen wird, erhält auf dieſe Weiſe einen Südpol. Die Wirkung, welche bei dieſem Verfahren erzielt wird, iſt die, daß man vermöge der Anziehungskraft des Nordpoles im Magnete die Molecularmagnete des Stabes alle mit ihrem Südende gegen das eine Ende des Stabes richtet. Dann ſetzt man den Magnet mit ſeinem zweiten Pole, alſo in unſerem Falle mit dem Südpole, neuerdings in der Mitte des zu magnetiſirenden Stabes auf und ſtreicht den Stab ebenſo oft von der Mitte aus gegen ſein zweites Ende. Dieſes wird dadurch in47 derſelben Weiſe wie früher das erſte Ende einen Magnetpol erhalten, aber dieſes - mal einen entgegengeſetzten, nämlich einen Nordpol. In welcher Richtung und mit welchem Pole des Magnetes hierbei zu ſtreichen angefangen wird, iſt gleichgiltig und der zum Streichen angewandte Magnet verliert durch dieſe Operation nichts an ſeiner urſprünglichen Kraft. Man erreicht dasſelbe Reſultat, wenn man ſtatt erſt mit einem Pole nach der einen und dann mit dem zweiten Pole nach der entgegen - geſetzten Richtung zu ſtreichen, gleichzeitig die ungleichnamigen Pole zweier Magnet - ſtäbe in der Mitte des zu magnetiſirenden Stabes aufſetzt, den einen Pol gegen das eine und gleich - zeitig den entgegenge - ſetzten Pol des zweiten Magnetes gegen das zweite Ende des Sta - bes führt, beide Mag - nete durch die Luft wieder in die Mitte des Stabes zurückbringt, abermals gegen die beiden Enden des Stabes zu ſtreicht und dieſes Verfahren mehr - mals wiederholt.
Will man den Doppelſtrich an -
Einfacher Strich.
wenden, ſo ſetzt man die entgegengeſetzten Pole zweier Stabmagnete mit Zwiſchen - ſtellung eines dreiſeitigen Holzprismas (Fig. 23) auf die Mitte des zu magneti - ſirenden Stabes derart auf, daß die Magnetſtäbe mit dem Eiſenſtabe Winkel von beiläufig 20 Grad einſchließen, und fährt dann mit beiden Magneten und dem Holzprisma gegen das eine Ende des Stabes, dann über die Mitte desſelben zurück bis zum zweiten Ende, hierauf wieder zum erſten Ende und ſo oft hin und her, bis der Stab nicht mehr an magnetiſcher Kraft gewinnt, worauf man
Doppelſtrich.
beide Magnetſtäbe in der Mitte des Stahlſtabes abhebt. Die Polarität des Stahlſtabes iſt dann die entgegengeſetzte jenes Magnetpoles, welcher während des Streichens dem betreffenden Stabende zunächſt lag. Die Wirkung dieſes Striches beſteht darin, daß die Moleküle des Stabes, welche ſich jeweilig zwiſchen den Polen der Streichmagnete befinden, in eine derartige Richtung gebracht werden, daß ſie ihr Nordende dem Südpole und ihr Südende dem Nordpole der Streich - magnete zukehren. An Stelle zweier Stabmagnete kann natürlich auch ein Hufeiſen - magnet verwendet werden, bei welchem die entgegengeſetzten Pole ohnehin nahe aneinander liegen und daher auch kräftig wirken.
48Beim Kreisſtrich bildet man aus vier Stäben ein Rechteck oder aus zwei hufeiſenförmigen Stücken ein Oblong, ſetzt einen Magnetſtab an irgend einer Stelle des Rechteckes oder Oblonges auf, führt den Magnet wiederholt am Umfange der Figur herum und hebt ihn ſchließlich an der Stelle wieder ab, wo man ihn anfänglich aufgeſetzt hatte. Dort entſteht dann ein Pol, welcher jenem, mit dem geſtrichen wurde, entgegengeſetzt iſt. Man kann den Kreisſtrich auch bei nur einem Hufeiſen anwenden, indem man die Oeffnung der beiden Schenkel durch einen Anker, d. h. ein Stück weichen Eiſens ſchließt. Man erreicht dabei eine ſehr kräftige Magnetiſirung, da im Anker durch Influenz entgegengeſetzte Pole (wie im Hufeiſen) entſtehen und dieſe dann die Wirkung des zum Streichen angewandten Magnetes unterſtützen.
Gleichviel, in welcher Art auch der Magnetismus in einem Stabe hervor - gerufen wird, hängt die Stärke ſeiner magnetiſchen Kraft von mancherlei Bedin - gungen ab. Nicht allein die Kraft des zum Magnetiſiren angewandten Magnetes (beziehungsweiſe elektriſchen Stromes) und die Zahl der Striche, ſondern auch die chemiſche Zuſammenſetzung und die Härte des Stabes, ſeine Größendimenſionen, ſeine Geſtalt u. ſ. w. üben hierauf Einfluß. Trotz vieler und eingehender Verſuche iſt der genaue Zuſammenhang dieſer verſchiedenen einflußnehmenden Urſachen noch nicht völlig geklärt. Im Allgemeinen wächſt die magnetiſche Kraft mit der Anzahl der Einwirkungen und der Stärke des zum Magnetiſiren benützten Magnetes. Nach einer beſtimmten Anzahl von Strichen mit einem Magnete von beſtimmter Kraft iſt ein gegebener Stab nicht mehr im Stande, ſeine magnetiſche Kraft zu ver - größern. Es verſchwindet dann nach Beendigung der Operation der temporäre Magnetismus und bleibt der remanente zurück. Man ſagt dann, für dieſen Stahlſtab iſt durch Streichen mit dem gegebenen Magnete die magnetiſche Sättigung erreicht. Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß dieſer Stab noch kräftiger magnetiſch gemacht werden kann, wenn man ihn nun mit einem ſtärkeren Magnete ſtreicht. Doch läßt ſich auch dies nicht beliebig fortſetzen, ſondern die magnetiſche Sättigung erreicht ein gewiſſes Maximum, das auch mit den kräftigſten Magneten nicht geſteigert werden kann. Weſentlichen Einfluß üben die Härte, ja auch die Art des Härtens und der Kohlenſtoffgehalt des Stabes auf deſſen Magnetiſirung aus. Der remanente Magnetismus wird größer, wenn der Stahl kohlenſtoffreicher oder wenn er härter iſt. Enthält der Stahl wenig Kohlenſtoff, ſo übt die Härte einen großen Einfluß aus, iſt jedoch der Kohlenſtoffgehalt ein hoher, ſo wird dadurch die Einwirkung der Härte bedeutend verringert. Dann iſt auch, wie bereits erwähnt, die Art der Härtung und des Anlaſſens von Bedeutung. Aus dieſen Gründen iſt es daher nicht möglich, für die Erzeugung kräftiger permanenter Magnete beſtimmte Vor - ſchriften zu geben. Nach den Verſuchen von Jamin nehmen die kohlenſtoffreichen und mittelreichen, durch jähes Abſchrecken ſtark gehärteten Stäbe am meiſten per - manenten Magnetismus auf.
Stahlſtäbe, welche ſtarken Erſchütterungen ausgeſetzt ſind, z. B. durch Häm - mern, Drehen, Schlagen u. ſ. w., werden gleichfalls magnetiſch, und das Magneti - ſiren durch Streichen wird durch ſolche Erſchütterungen des Stahlſtabes befördert. Die Erſchütterungen unterſtützen eben das Gleichrichten der magnetiſchen Moleküle. Daraus erklärt ſich auch das Magnetiſchwerden verſchiedener Werkzeuge, wie Feilen, Bohrer u. ſ. w. Durch Erwärmen wird der Magnetismus verringert, durch Glühen ganz zerſtört; hingegen kann plötzliche Abkühlung den Magnetismus verſtärken.
49Der Magnetismus hat ſeinen Sitz nicht nur an der Oberfläche des Magnetes, ſondern dringt, je nach der Beſchaffenheit des letzteren, mehr oder weniger tief ein. Dieſes Verhalten hat Jamin durch Aetzungsverſuche experimentell bewieſen. Er zeigte auf dieſe Art auch, daß ein Stab mehrere Schichten verſchiedener Magne - tismen beſitzen könne, und gelangte auf dieſem Wege zur Erzeugung abnormer Magnete, alſo z. B. eines Magnetes mit zwei Nordpolen ohne Südpol. Ein normaler Magnet wurde durch Einwirkung eines zweiten Magnetes in ſeiner oberſten Schicht umgekehrt magnetiſirt und zeigte nun in ſeiner Wirkung nach außen an Stelle des früheren Nordpoles einen Südpol und umgekehrt. Nun wurde der Magnet mit ſeinem Nordpole in die Säure gebracht und dieſe ätzte die obere nordmagnetiſche Schicht ab, worauf die untere ſüdmagnetiſche Schicht an die Oberfläche kam. Die andere Hälfte des Stabes unterzog Jamin nicht der Aetzung, ſie blieb daher ſüdmagnetiſch. Der Stab hatte ſomit zwei Südpole und keinen Nordpol. Abnorme Magnete entſtehen auch durch unregelmäßiges Streichen mit verſchiedenen Polen auf benachbarten Stellen eines Stabes; dieſer zeigt dann mehr als zwei Stellen mit polartigem Verhalten, er iſt dann ein Magnet mit ſogenannten Folgepunkten.
Man verſteht unter Tragkraft eines Magnetpoles die Fähigkeit desſelben, ein beſtimmtes Gewicht Eiſen feſtzuhalten, und beſtimmt dieſelbe dadurch, daß man an den möglichſt ebenen Pol einen ebenſo beſchaffenen Anker bringt, welcher eine Wagſchale trägt; auf letztere werden dann ſo lange Gewichte aufgelegt, bis dieſe den Anker eben abreißen. Die Tragkraft des Poles iſt dann gleich dem auf - gelegten Gewichte plus dem der Schale und des Ankers. Die Tragkraft des ganzen Stabmagnetes iſt doppelt ſo groß. Letzteres gilt für gerade Stäbe, nicht aber für Hufeiſenmagnete. Die Tragkraft eines Hufeiſenmagnetes iſt erheblich größer als die doppelte Tragkraft eines ſeiner Pole. Im Allgemeinen wächſt die Tragkraft aller - dings mit der Stärke der Magnete; ſie kann aber doch nicht als Maß für letztere benützt werden, da ſie nicht im einfachen Verhältniſſe mit der magnetiſchen Kraft wächſt. Man kann die Tragkraft eines Magnetes auch dadurch vermehren, daß man nach und nach größere Gewichte anhängt, bringt ſie aber wieder auf die urſprüngliche Größe herab, ſobald man den Anker abreißt. Die abſolute Tragkraft wächſt mit der Größe des Magnetes, nicht aber die relative, d. h. das Verhältniß zwiſchen Tragkraft und Eigengewicht des Magnetes; letztere iſt im Gegentheile für kleinere Magnete erheblich größer als für große Magnete. Einige Beiſpiele mögen dies erläutern: Häcker, der auch eine Formel für die Tragkraft der Magnete angab, verfertigte einen Magnet, der 1 Loth wog und das 32fache Gewicht trug, einen, der 1 Pfund wog und das zwölffache Gewicht trug, und einen, der 40 Pfund wog und nur das vierfache Gewicht trug. Jamin, welcher auch die Magnete auf ihre Tragkraft unterſuchte, fand, daß die Wirkung des Ankers nicht blos auf der Anziehung durch die Magnetpole beruhe, ſondern daß auch eine Art Con - denſation des Magnetismus durch ihn bewirkt werde; der Anker zieht nämlich den Magnetismus mehr gegen die Pole hin und verleiht dadurch dieſem eine größere Kraft. Dies erklärt auch das Zunehmen der Tragkraft durch Vergrößerung der angehängten Gewichte und die größere Tragkraft zweier nebeneinander befindlicher Pole beim Hufeiſenmagnet, wie auch das Zurückgehen der Tragkraft beim Abreißen des Ankers.
Urbanitzky: Elektricität. 450Da der Magnetismus nur bis zu einer gewiſſen Tiefe in den Magnet ein - dringt, kann man durch Vergrößerung ſeiner Dicke über eine beſtimmte Grenze hinaus die Kraft des Magnetes nicht mehr ſteigern. Man erreicht dies aber dadurch, daß man eine Anzahl von Magneten aufeinanderlegt und auf dieſe Weiſe ein ſogenanntes magnetiſches Magazin bildet, wie ein ſolches die Fig. 24 darſtellt. Hierbei ergiebt ſich aber, daß die Tragkraft des magnetiſchen Magazines allerdings größer iſt als jene eines ſeiner Magnete, aber nicht der Summe der Tragkräfte aller Magnete gleichkommt. Es erklärt ſich dieſes Verhalten aus der gegenſeitigen Einwirkung je zweier benachbarter Magnete oder Lamellen. Betrachten wir z. B. den Nordpol einer Lamelle, ſo wird dieſer die Moleküle des auf ihm liegenden Nordpoles der benachbarten Lamelle anziehen und ſie ſo richten, daß ſie
Magnetiſches Magazin.
Jamin’s Blättermagnet.
ihre Südenden gegen den Nordpol der erſten Lamelle kehren; dieſe Molecular - magnete werden alſo eine Stellung ſenkrecht zur Ebene der Magnetſchenkeln ein - nehmen, ſomit für die Wirkung nach außen verloren gehen. P. Reis erläutert in ſeinem Lehrbuche der Phyſik*)Prof. Dr. Paul Reis’ Lehrbuch der Phyſik für Gymnaſien Realſchulen und andere höhere Lehranſtalten iſt überhaupt in der angegebenen Beſtimmung eines der empfehlens - wertheſten Lehrbücher. Verfaſſer vorliegenden Buches folgt auch wiederholt dem dort ein - geſchlagenen Lehrgange. dieſes Verhalten einzelner Magnete in einem magneti - ſchen Magazine recht gut durch folgendes Beiſpiel: „ Als Jamin ſechs gleiche Magnete von 3 Kilo Gewicht und 18 Kilo Tragkraft aufeinanderlegte, hatte das Magazin nicht die Tragkraft von 6 × 18 = 108 Kilo, ſondern nur von 64 Kilo; nach dem Zerlegen des Magazines hatte jeder Magnet nur noch 9 bis 10 Kilo Trag - kraft. “ Jamin iſt es auch gelungen, durch verſchiedene Anordnungen und Formen der51 Einzelmagnete eines Magazines, ſowie auch des Ankers, ſehr kräftige Wirkungen zu erzielen. Ein derartiges magnetiſches Magazin, gebildet aus lauter einzelnen Stahl - bändern, die an ihren Polenden durch entſprechende Faſſungen zuſammengehalten werden, zeigt Fig. 25. Um die Einwirkung der einzelnen Magnetpole aufeinander möglichſt gering zu machen, ſind die einzelnen Stahlbänder ungleich lang gemacht, derart, daß ihre einzelnen Pole nicht direct aufeinanderfallen. Dies iſt in ähnlicher Weiſe auch bei den Lamellen des magnetiſchen Magazines in Fig. 24 ausgeführt.
Befinden ſich zwei Magnete in geringer Entfernung voneinander, ſo kommt nur die zur Abſtoßung oder Anziehung führende Wirkung der Pole in Betracht. Es gilt dann das Geſetz: Die Abſtoßungen oder Anziehungen verhalten ſich umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen. Dieſes Geſetz kann mit der von Coulomb erfundenen Drehwage nachgewieſen werden. Die Drehwage, Fig. 26, beſteht aus einem weiten Glascylinder c, welcher oben durch einen Deckel d verſchloſſen iſt; in eine mittlere Oeffnung des letzteren iſt eine Glasröhre g eingekittet, die an ihrem oberen Ende eine durch den Knopf k drehbare Scheibe S mit Kreistheilung beſitzt. Der an der Glasröhre un - verrückbar angebrachte Index i ermöglicht die Ab - leſung des Drehungswinkels. Am Knopfe k iſt ein dünner Silberdraht f befeſtigt und hängt durch die Röhre in den Glascylinder hinab; an ſeinem unteren Ende trägt er ein kleines Meſſingſchiffchen, in wel - chem der Magnetſtab n s liegt. In gleicher Höhe mit dem Magnetſtabe iſt der Glascylinder mit einer Theilung T verſehen. Ein zweiter Magnet - ſtab N S kann durch eine Oeffnung des Deckels in den Glascylinder ſo eingeführt werden, daß er mit einem ſeiner Pole gerade dem aufgehängten Magnetſtabe gegenüberſteht.
Magnetiſche Drehwage.
Um mit dieſem Apparate das angegebene Geſetz nachzuweiſen, dreht man zuerſt durch den auf der Scheibe S ſitzenden Kn pf k den Silberdraht ſo lange, bis der daran hängende Magnetſtab ſich in den magnetiſchen Meridian eingeſtellt hat, ohne daß der Metalldraht irgend welche Verdrehung oder Torſion zeigt. Führt man dann den Magnetſtab N S in den Glascylinder ein, ſo wird deſſen Nordpol den Nordpol des ſchwebenden Stabes abſtoßen und dieſen um einen am Kreiſe T T ablesbaren Winkel drehen. Durch dieſe Drehung wird der Silberdraht tordirt und der Stab n s wird dann eine fixe Stellung einnehmen, wenn die Torſionskraft des Drahtes gleich geworden iſt der Abſtoßungskraft zwiſchen beiden Magneten. Man dreht nun am Knopfe k derart, daß der ſchwebende Magnetſtab dem feſtſtehenden genähert wird; dadurch wird die Torſion des Drahtes vermehrt und es tritt ein neuer Gleichgewichtszuſtand zwiſchen Torſionskraft und magnetiſcher Abſtoßungskraft ein. Wird dieſe Operation noch einmal oder mehreremale wiederholt und hat man4*52durch einen früher angeſtellten Verſuch beſtimmt, welche Torſion nöthig iſt, um den ſchwebenden Stab ohne Einwirkung des feſtſtehenden um 1 Grad aus dem magne - tiſchen Meridian herauszudrehen, ſo beſitzt man alle Daten zur Nachweiſung des ausgeſprochenen Geſetzes. Die Entfernung der beiden Magnetpole voneinander kann bei den einzelnen Verſuchen an der Theilung T T abgeleſen werden, die Kraft der Abſtoßung mißt man durch die entgegenwirkende Torſionskraft. Dieſe iſt aber gleich dem jeweilig an der Scheibe S abzuleſenden Torſionswinkel multi - plicirt mit der Entfernung, in welche der ſchwebende Magnetpol vom feſtſtehenden gebracht wurde. Die Zahlen, welche ſich auf dieſe Art ergeben, zeigen dann deut - lich, daß ſich die magnetiſchen Kräfte umgekehrt verhalten wie die Quadrate der Entfernungen.
Für die Einwirkung zweier Magnete aufeinander gilt jedoch nicht mehr dieſes Geſetz, wenn die Entfernung eine bedeutendere wird, wenn die Größe eines Magnetes im Vergleiche zur Entfernung vom zweiten Magnete ſo klein iſt, daß man die von einem Magnetſtabe ausgeübte Anziehung ebenſo wie die Ab - ſtoßung in Betracht ziehen muß. In dieſem Falle ſtehen die magnetiſchen Kräfte im umgekehrten Verhältniſſe des Cubus der Entfernungen.
Unter magnetiſcher Intenſität oder Kraft eines Magnetes verſtehen wir jene Kraft, welche nöthig iſt, um die beiden Magnetismen zu trennen oder die Mole - cularmagnete zu richten. Je größer dieſe Arbeit war, deſto größer muß dann auch die Kraft des Magnetes ſein. Da uns aber das Weſen des Magnetismus un - bekannt iſt, können wir deſſen Intenſität nicht direct meſſen. Ihre Beſtimmung iſt uns nur durch deren Wirkungen ermöglicht. Eine ſolche Wirkung wäre die Tragkraft der Magnete; wir haben aber geſehen, daß dieſe Größe mit dem Magnetismus ſelbſt in keinem einfachen Verhältniſſe ſteht und daher nicht verwendbar iſt. Es wurde deshalb die Richtkraft des Magnetes als Maß für deſſen Stärke vor - geſchlagen. Bringt man eine Declinationsnadel aus ihrer Gleichgewichtslage, ſo wird ſie durch die Wirkung des Erdmagnetismus wieder in den magnetiſchen Meridian zurückgeführt; in dieſem ſelbſt bleibt die Nadel in Ruhe, und am kräftigſten erfolgt die Einwirkung, wenn die Nadel auf den magnetiſchen Meridian ſenkrecht ſteht. Daraus erkennt man, daß die Richtung der drehenden Kraft die des magne - tiſchen Meridians ſein müſſe. Die magnetiſche Kraft der Erde iſt nun allerdings nach Ort und Zeit verſchieden, doch ſind dieſe Verſchiedenheiten nicht ſo groß, daß man die magnetiſche Kraft mehrerer Magnete nicht vergleichen kann. Die Richtkraft, die auf einen Magnet ausgeübt wird, hängt aber nicht nur vom Erdmagnetismus ab, ſondern auch von der Stärke des Magnetismus in der Nadel; je größer jene iſt, deſto raſcher erfolgt die Rückführung der Nadel in den magnetiſchen Meridian. Man hat nun für die Richtkraft nur noch eine Maßeinheit aufzuſtellen; dies hat Gauß durch Ausdrückung derſelben im abſoluten Maße gethan. Hiernach ver - ſteht man unter der Einheit der Kraft jene Kraft, welche der Maſſe von 1 Milli - gramm mit dem Dreharme von 1 Millimeter in 1 Secunde eine Drehbeſchleunigung von 1 Millimeter ertheilt. Zur Ausführung derartiger Meſſungen hat Gauß auch ein Inſtrument, ſein Magnetometer, conſtruirt; man beſtimmt mit dieſem In - ſtrumente die Schwingungszeit in folgender Art: Ein auf Coconfäden hängender Magnet trägt an einem ſeiner Pole einen verticalen Spiegel; dieſer reflectirt das53 Bild einer gegenüberſtehenden Scala in das darüber angebrachte Fernrohr. Durch dieſes beobachtet man nun die Zeiten, in welchen ein beſtimmter Theilſtrich der Scala das Fadenkreuz im Fernrohre paſſirt. Außer der Schwingungszeit hat man auch noch das Trägheitsmoment der Nadel zu beſtimmen, was mit dem angegebenen Inſtrumente ebenfalls leicht bewerkſtelligt werden kann; ſind dieſe Meſſungen aus - geführt, ſo ergiebt ſich die Größe der Richtkraft mit Hilfe einer einfachen Formel.
Es wurde bei Beſprechung der Magnetnadel bereits erwähnt, daß ſie ihre Richtkraft der Einwirkung des Erdmagnetismus verdanke, daß alſo die Erde ſelbſt ſich als großer Magnet verhalten müſſe. Iſt dies wirklich der Fall, ſo muß die Wirkung des Erdmagnetismus auf die Magnetnadel dieſelbe ſein, wie die Wirkung eines großen Stabmagnetes auf eine kleine Magnetnadel. Es muß ſich daher jede Declinationsnadel parallel ſtellen zur Axe des Magnetes und von Pol zu Pol zeigen. Nun beſtimmen wir die Richtung des magnetiſchen Meridians durch den Winkel, welchen dieſer mit dem aſtronomiſchen Meridian einſchließt, folglich muß, da die Erde eine Kugel iſt, die Declination an verſchiedenen Punkten der Erde eine verſchiedene ſein. Ferner muß, wenn die Axe des Magnetes durch den Erd - mittelpunkt geht, alſo ein Durchmeſſer der Erde iſt, auch eine magnetiſche Meri - dianebene vorhanden ſein, welche mit einer aſtronomiſchen Meridianebene über - einſtimmt, d. h. in welcher alſo die Declination gleich Null iſt. Verſuche, an verſchiedenen Punkten der Erde angeſtellt, haben in der That dieſes Verhalten der Declinationsnadel ergeben.
Iſt die Nadel um eine horizontale Axe drehbar, alſo eine Inclinationsnadel, ſo muß dieſe, unter der Vorausſetzung, daß die Erde ein großer Magnet ſei, an verſchiedenen Punkten der Erde gleichfalls verſchiedene Stellungen annehmen, ſobald ſie in den magnetiſchen Meridian geſtellt wird. Da wir dieſe Stellungen durch die Winkel meſſen, welche die Nadel mit der horizontalen Ebene einſchließt ſo muß es Punkte auf der Erde geben, in welchen dieſe Neigung der Nadel, die Inclina - tion, am größten, d. h. gleich 90 Grad wird. Dieſe Punkte der Erde ſind dann ihre Pole, und zwar jener Pol, welchem die Inclinationsnadel ihren Nordpol zuwendet, der magnetiſche Südpol der Erde, und jener, welchem die Nadel ihren Südpol zuwendet, der Nordpol der Erde. Auch muß ſich auf der Erde eine Linie finden, auf welcher die Inclinationsnadel gar keine Neigung zur Horizontalebene zeigt, alſo der Inclinationswinkel gleich Null iſt; auf dieſer Linie befände ſich nämlich die Inclinationsnadel von beiden Magnetpolen der Erde gleichweit entfernt. Auch hier zeigten zahlreiche Verſuche, daß ſich die Inclinationsnadel wirklich ſo verhält.
Es wurde auch bereits mitgetheilt, daß durch Einwirkung eines Magnetes weiches Eiſen vorübergehend, Stahl bleibend magnetiſch wird. Iſt nun die Erde wirklich ein großer Magnet, ſo muß ſie auch dieſe Wirkung zeigen. Stellt man der - artige Verſuche an, alſo z. B. in der Art, daß man einen Stahlſtab in den magnetiſchen Meridian bringt und hierauf ſeinen magnetiſchen Zuſtand unterſucht, ſo findet man dieſen wirklich auch unſerer Vorausſetzung entſprechend.
Nach dieſen Betrachtungen unterliegt es daher keinem Zweifel, daß die Erde ſich thatſächlich wie ein großer Magnet verhält. Ferner folgt daraus, daß die Declinationsnadeln mit ihrem Nordpole nach Norden und ihrem Südpole nach54 Süden zeigen, daß die Inclinationsnadeln auf der nördlichen Hälfte der Erde ihren Nordpol nach abwärts und auf der ſüdlichen Hälfte ihren Südpol nach ab - wärts wenden, ſowie auch aus der Vertheilung der Pole bei Eiſen - und Stahl - ſtäben, die durch den Erdmagnetismus magnetiſch werden, daß der magnetiſche Südpol der Erde ſich auf der nördlichen Erdhälfte und der magnetiſche Nordpol auf der ſüdlichen Erdhälfte befinden muß.
Iſt es an und für ſich wünſchenswerth, den magnetiſchen Zuſtand der Erde zu kennen, ſo intereſſirt uns dieſer auch noch beſonders aus dem Grunde, weil wir nur bei genauer Kenntniß desſelben im Stande ſind, den magnetiſchen Zuſtand
Lamont’s Declinatorium.
der Körper zu unterſuchen. Um den magnetiſchen Zuſtand der Erde für einen beſtimmten Ort kennen zu lernen, iſt es nothwendig, die Inten - ſität und die Richtung der mag - netiſchen Kraft zu meſſen. Die Richtung erhalten wir durch Be - obachtung der Declinations - und der Inclinationsnadel, die Intenſität aber durch Rechnung, wenn uns außer Inclination auch noch die Richtkraft der Erde bekannt iſt; wie man letztere beſtimmt, wurde bereits mitgetheilt.
Die Declination wurde in früherer Zeit einfach durch ein mit einer Buſſole in Verbindung ſtehen - des Fernrohr, deſſen Axe zur Mittel - linie der Buſſole parallel war, ge - meſſen. Man ſtellt das Fernrohr genau nach Norden, was durch Viſiren einer im Obſervatorium ent - ſprechend angebrachten Marke leicht auszuführen iſt, und lieſt dann in dem Winkel, welchen die Mittellinie des Fernrohres mit der Magnet - nadel bildet, unmittelbar die Decli - nation ab. Handelt es ſich um die Erreichung großer Genauigkeit, ſo bedient man ſich des Magnetometers nach Gauß; da dieſes jedoch von dem magnetiſchen Obſervatorium nicht getrennt werden kann, benützt man andere Inſtrumente, wenn es darauf ankommt, die Declination an verſchiedenen Orten zu beſtimmen. Ein derartiges Inſtrument wurde von Lamont conſtruirt. Es beſteht aus einer durch Schrauben horizontal ſtellbaren Grund - platte A aus Meſſing (Fig. 27), auf welcher eine zweite Platte B, die einen auf Silber getheilten Kreis beſitzt, feſt und unverrückbar aufgeſetzt iſt. Genau durch die Mitte dieſer beiden Platten geht ein drehbarer Meſſingzapfen, der an ſeinem oberen Ende mit einer dritten Scheibe verſehen iſt, an welcher das Fernrohr L und zwei einander diametral gegenüberſtehende Nonien N befeſtigt ſind. Iſt das Fernrohr mit ſeiner Axe in den aſtronomiſchen Meridian eingeſtellt, ſo lieſt man die55 Anzeigen der Nonien ab und ſtellt den nun zu beſchreibenden Theil des Apparates auf die oberſte Meſſingplatte. Dieſer Theil beſteht aus einem rechteckigen Meſſing - gehäuſe M, welches oben ein Rohr T trägt, in welchem der Coconfaden herab -
Karte der Iſogonen.
hängt, der zur Aufhängung des Magnetſtabes a b dient. Das Meſſinggehäuſe iſt in der Höhe des Magnetes, um dieſen durchzulaſſen, durchbrochen, und dieſe beiden Oeffnungen ſind durch eingeſetzte Glasröhren v v zum Schutze des Magnetes gegen Luftzug verſchloſſen. Der zum Tragen des Magnetes beſtimmte Träger iſt56 nach abwärts verlängert und beſitzt einen kleinen Spiegel, welcher derart befeſtigt iſt, daß ſeine Ebene auf den Magnetſtab genau ſenkrecht ſteht; in der Höhe dieſes Spiegels iſt das Meſſinggehäuſe gleichfalls durchbrochen und durch eine Glas - platte D verſchloſſen. Der jetzt beſchriebene Theil des Apparates wird derart auf - geſtellt, daß jene Rechteckfläche des Meſſinggehäuſes, auf welcher ſich das Fenſterchen D befindet, ſenkrecht ſteht auf der optiſchen Axe des Fernrohres. Dann dreht man das Fernrohr ſo lange, bis der an dieſer Bewegung theilnehmende Magnetſtab in dem Rohre v v frei ſchwingen kann. Jetzt ſtellt man das Fernrohr genau ſenkrecht auf das Spiegelchen bei D und bekommt dadurch die optiſche Axe des Fernrohres parallel zum Magnetſtabe. Lieſt man hierauf den Winkel, um welchen das Fernrohr aus ſeiner erſten Stellung gedreht wurde, ab, ſo iſt dies die geſuchte Declination. Um ein genaues Senkrechtſtellen der Fernrohraxe auf das Spiegelchen zu ermöglichen, befindet ſich im Fernrohre an Stelle des ſonſt gebräuchlichen Faden - kreuzes eine Spiegelplatte, in welche ein Kreuz eingeritzt iſt. Von letzterem entwirft der Spiegel D ein Bild, welches mit dem Kreuze ſelbſt nur dann genau zu - ſammenfällt, wenn die Fernrohraxe auf den Spiegel vollkommen genau ſenkrecht ſteht, weil nur in dieſer Stellung die vom Kreuze ausgehenden Lichtſtrahlen ſenkrecht auf den Spiegel treffen und in ſich ſelbſt reflectirt werden.
Die Beobachtungen mit dieſem und ähnlichen Inſtrumenten ergaben, daß die Declination ſowohl zu gleicher Zeit an verſchiedenen Orten der Erde, als auch zu verſchiedenen Zeiten an einem und demſelben Orte verſchieden iſt. Hingegen beſitzen immer je eine Anzahl von Orten gleiche Declinationen. Jene Linien, welche Orte gleicher Declination verbinden, nennt man Iſogonen und die Iſogone, auf welcher die Declination gleich Null iſt, heißt Agone. Eine Darſtellung der Iſogonen zeigt die Karte in Fig. 28. Aus dieſer iſt auch der Verlauf der einzelnen Iſogonen zu erſehen.
Man verſteht unter Variationen die Veränderungen der Declination mit der Zeit und unterſcheidet ſäculare, jährliche und tägliche Variationen, ſowie auch Per - turbationen oder unregelmäßige Variationen, die gewöhnlich gleichzeitig mit dem Nordlichte auftreten. Aus der Declinationskarte ergiebt ſich auch, daß nahezu die eine Hälfte der Erde weſtliche, die andere Hälfte öſtliche Declination beſitzt. Beide ſind voneinander getrennt durch die Agone, von welcher man bis jetzt zwei getrennte Theile kennt. Der eine Theil geht von der Hudſonsbai aus über den öſtlichen Theil von Nordamerika in den atlantiſchen Ocean, dann an den weſt - indiſchen Inſeln vorbei über die Oſtſpitze von Südamerika wieder in den Ocean; der zweite Theil geht über den 45. und 50. Grad öſtl. L. durch das aſiatiſche Rußland, dann durch das kaspiſche Meer, den öſtlichen Theil Arabiens und durch - ſchneidet dann die weſtliche Hälfte Auſtraliens. Wahrſcheinlich bilden beide Stücke zuſammen eine geſchloſſene Curve. Auf der europäiſchen Seite derſelben iſt die Declination weſtlich, auf der anderen Hälfte öſtlich. Sämmtliche Iſogonen ſchneiden ſich in zwei Punkten, welche nahe den aſtronomiſchen Polen der Erde liegen, und dieſe nennt man die magnetiſchen Pole derſelben. Sie liegen an der Weſtküſte von Boothia Felix und bei den Vulkanen Erebus und Terror.
In welcher Art die ſäcularen Variationen ſich geltend machen, iſt aus den Beobachtungen mehrerer Jahrhunderte leicht zu erſehen. Es ergiebt ſich hieraus, daß in Europa bis gegen die Mitte des ſiebzehnten Jahrhundertes die Declination eine öſtliche war und dann in eine weſtliche überging. Man fand für Paris folgende Declinationen:
57Gegenwärtig iſt daher die Declination für Europa eine weſtliche, und dieſe iſt in der Abnahme begriffen.
Eine genaue Feſtſtellung der täglichen Variationen iſt den Bemühungen von Gauß und Weber zu verdanken, über deren Anregung an vier beſtimmten Tagen des Jahres auf verſchiedenen Punkten der Erde während voller 24 Stunden das Verhalten des Erdmagnetismus beobachtet wurde. Hieraus ergab ſich für große Ge - biete eine ziemliche Uebereinſtimmung. In Europa iſt die Declination des Morgens am geringſten, wächſt bis kurz nach Mittag zu ihrem Maximum an und ſinkt dann wieder bis gegen Abend. Die Geſammt - differenz iſt zwar nicht zu allen Jahres - zeiten dieſelbe, ſchwankt aber nur beiläufig um neun Minuten.
Die Inclination beſtimmt man mittelſt der Inclinatorien. Hierbei muß die Magnetnadel entweder ganz frei, nur in ihrem Schwerpunkte durch einen Cocon - faden aufgehängt oder doch wenigſtens um eine horizontale Axe beweglich ſein. Im letzteren Falle muß die horizontale Axe genau durch den Schwerpunkt gehen, da ſonſt die Schwerkraft auf die Stellung der Nadel mit einwirkt; auch muß die Reibung der Axe in ihren Lagern mög - lichſt vermindert werden.
Inclinatorium.
Ein derartiges Inclinatorium iſt in Fig. 29 abgebildet. Auf einem maſſiven Dreifuße iſt ein horizontaler getheilter Kreis k1 angebracht, durch deſſen Mittel - punkt die Drehaxe des verticalen Kreiſes K2 geht; die Verbindung des verticalen Kreiſes mit ſeinem Drehzapfen vermittelt das Geſtelle A B C D, welches auf ſeiner Bodenfläche eine Waſſerwage w trägt. Dieſe und die Stellſchrauben s dienen zur genauen Horizontalſtellung des Kreiſes k1 und ſomit auch zur gleichzeitigen Vertical - ſtellung des Kreiſes K2. Zur Ableſung an dem horizontalen Kreiſe dient der mit A B feſtverbundene Nonius n. Im Mittelpunkte des Verticalkreiſes K2 iſt die Magnet - nadel a b gelagert; ihre Drehaxe beſteht aus einem dünnen Stahlſtabe und dieſer dreht ſich auf Achatplatten, welche auf den Meſſingſtücken m m befeſtigt ſind. Die Nadel hat eine Länge von beiläufig 30 Centimeter und muß mit ihren ſpitzen Enden genau auf die Theilung einſpielen, welch letztere Dr. Meyerſtein in Göt - tingen ſpiegelnd machte, um ein ſeitliches Daraufſehen bei der Ableſung hintan -58 zuhalten. Um mit dieſem Apparate die Inclination zu beſtimmen, ſtellt man zunächſt den Kreis k1 durch die Stellſchrauben s genau horizontal, beziehungsweiſe den Kreis K2 vertical. Dann wird der Verticalkreis mit der Nadel in den magnetiſchen
Karte der Iſoctinen.
Meridian gedreht und der Wintel abgeleſen, welchen die magnetiſche Axe mit der Horizontalebene bildet. Um hierbei Fehler zu vermeiden, lieſt man dieſen Winkel an beiden Spitzen der Nadel ab und nimmt aus beiden Ableſungen das Mittel; aus demſelben Grunde bringt man auch die Nadel mehrmals aus der Gleich - gewichtslage und macht, ſobald ſie dieſelbe wieder erlangt hat, jedesmal wieder59 beide Ableſungen. Das Mittel ſämmtlicher Ableſungen wird dann als die richtige Anzeige betrachtet.
Gleichwie die Declination, iſt auch die Inclination ſowohl für ver - ſchiedene Orte zur ſelben Zeit, als auch für dieſelben Orte zu ver - ſchiedenen Zeiten ungleich. Aber auch hier giebt es Orte gleicher Inclination; ihre Verbindungslinien nennt man Iſoclinen, und jene Iſocline, in welcher die Inclination gleich Null iſt, den magnetiſchen Aequator oder die Acline. Von der Acline aus, welche ſich beiläufig am aſtronomiſchen Aequator hinzieht, durch - läuft die Inclination bis zu den magnetiſchen Polen alle Werthe von 0 bis 90 Grad. Die Inclinationsnadel ſtellt ſich daher am magnetiſchen Aequator horizontal, neigt ſich auf der Nordhälfte der Erde mit ihrem Nordende nach unten, auf der ſüdlichen Erdhälfte mit dem Südende, und ſteht auf den magnetiſchen Polen ſenkrecht. Dieſes Verhalten ermöglichte auch die Beſtimmung der magnetiſchen Pole. Der magnetiſche Aequator läuft nicht mit dem aſtronomiſchen Aequator parallel, ſondern ſchneidet dieſen, wie die Karte in Fig. 30 zeigt, zu wiederholtenmalen. Die Iſoclinen umkreiſen die magnetiſchen Pole in ähnlichen Curven wie die Acline.
Die Inclination iſt im Verlaufe der Zeit ähnlichen Veränderungen ausgeſetzt wie die Declination. Seit der Zeit, in welcher man begonnen hatte, ſie zu beob - achten, bis zur Gegenwart, iſt ſie in einer beſtändigen Abnahme begriffen. Dies zeigen z. B. nachſtehende in Paris beobachtete Werthe:
Man kann vorläufig noch nicht angeben, ob die Schwankungen der Incli - nation nach Perioden erfolgen, da z. B. in Paris ſeit dem Jahre 1820 der Werth ſich beiläufig auf 60 Grad erhält, während in München auch von dieſer Zeit an eine ſtändige Abnahme, an anderen Orten aber wieder eine Zunahme beobachtet wurde. Auch die Inclination iſt täglichen periodiſchen Schwankungen ausgeſetzt.
Zur Feſtſtellung des magnetiſchen Zuſtandes der Erde iſt außer der Kenntniß der Declination und Inclination auch noch jene der Intenſität nothwendig. Es wurde bereits früher angedeutet, daß dieſe aus der horizontalen Richtkraft beſtimmt werden kann, und eine Methode angegeben, dieſelbe zu erhalten. Um die Ver - änderungen der Intenſität genau verfolgen zu können, hat Gauß ebenfalls ein Inſtrument, das Bifilarmagnetometer, conſtruirt. Das Princip desſelben iſt folgendes. Wird ein Körper an zwei parallelen Fäden derart aufgehängt, daß er in einer horizontalen Ebene ſchwingen kann, ſo befindet er ſich dann im Gleichgewichte, wenn die beiden Fäden in einer verticalen Ebene liegen und der Schwerpunkt des Körpers ſich in derſelben Ebene befindet. Läßt man dann den Körper ſchwingen, ſo werden die beiden Fäden gegeneinander verdreht und gleichzeitig der Körper abwechſelnd etwas gehoben und geſenkt. Durch das Herausdrehen des Körpers aus ſeiner Gleichgewichtslage entſteht in dieſer Art ein Drehungsmoment, welches den Körper wieder in ſeine urſprüngliche Lage zurückzuführen ſtrebt. Die durch die Verdrehung der Fäden bewirkte Directionskraft iſt leicht zu beſtimmen.
Wird an Stelle des aufgehängten Körpers ein Magnet angewandt, ſo wirken auf deſſen Stellung die Directionskraft der Fäden und überdies noch die Directions -60 kraft des Erdmagnetismus ein. Hierbei ſind drei Fälle denkbar. Die Ebene der Fäden ſteht ſenkrecht auf dem magnetiſchen Meridian und die Magnetnadel befindet ſich im magnetiſchen Meridiane, indem ihr Nordpol nach Norden und ihr Südpol nach Süden zeigt. In dieſem Falle befindet ſich der Magnet natürlich im Gleich - gewichte und die Kraft, mit welcher er in dieſem gehalten wird, iſt gleich der Summe der Directionskräfte des Erdmagnetismus und der Fäden. Im zweiten Falle ſteht die Ebene der Fäden gleichfalls ſenkrecht auf dem magnetiſchen Meridian und befindet ſich die Magnetnadel im Meridiane, aber ſie iſt um 180 Grad gedreht, d. h. ihr Nordpol zeigt nach Süden und ihr Südpol nach Norden. Auch in dieſem Falle kann ſich der Magnet im ſtabilen Gleichgewichte befinden; dann muß
Bifilarmagnetometer.
aber die Directionskraft in Folge der Aufhängungsvorrichtung größer ſein als jene des Erdmagnetismus. Die Kraft, mit welcher jetzt die Nadel in ihrer Lage erhalten wird, iſt aber gleich der Differenz beider Drehkräfte. Iſt jedoch die magnetiſche Directionskraft größer als die durch die Art der Aufhängung hervorgebrachte, ſo kehrt ſich der Mag - net, aus[ſeiner] Lage herausgebracht, um 180 Grad um.
Der letzte mögliche Fall iſt endlich jener, in welchem die Ebene der Fäden mit dem magnetiſchen Meridiane einen Winkel einſchließt, der kleiner iſt als 90 Grad. Nun hängt die Stellung des Magnetes von dem Verhältniſſe beider Directionskräfte und dem Winkel ab, welchen die magnetiſche Axe des Stabes mit der Ebene der Fäden einſchließt. Jede Aenderung der magnetiſchen Richtkraft muß eine Aenderung der Stellung des Stabes bewirken. Nimmt z. B. die magnetiſche Richtkraft zu, ſo wird der Stab ſeine Gleichgewichtslage verlaſſen und einen größeren Winkel mit der urſprüng - lichen Ebene der Fäden einzuſchließen ſtreben. Dadurch wird aber auch die Ver - drehung der Fäden eine größere und in Folge deſſen auch die von dieſen aus - geübte Richtkraft. Der Stab wird neuerdings eine Gleichgewichtslage einnehmen, ſobald der neue Winkel dem geänderten Verhältniſſe beider Richtkräfte entſpricht.
Der zuletzt betrachtete Fall iſt jener, welcher zur Löſung der geſtellten Aufgabe am geeignetſten erſcheint und daher auch von Gauß benützt wurde. Der Magnetſtab iſt in ein Schiffchen s s, Fig. 31, gelagert und dieſes hängt an einem langen oben über zwei Rollen laufenden Drahte, deſſen untere Enden an zwei Schrauben befeſtigt ſind, durch welche der Draht verlängert oder verkürzt werden kann. Die Schrauben ſelbſt drehen ſich in zwei an dem getheilten Kreiſe K angebrachten Meſſinganſätzen. Das Schiffchen mit dem Magnetſtabe kann gegen den Kreis mit den damit ver - bundenen Drähten gedreht werden und dieſe Drehung iſt durch einen Nonius ablesbar. Ferner iſt im Mittelpunkte des Kreiſes ein Säulchen, gleichfalls mit61 Nonius verſehen, angebracht, welches den Spiegel S trägt. Der Spiegel dient dazu, um in ein in einiger Entfernung davon aufgeſtelltes Fernrohr die Theil - ſtriche einer unter demſelben befeſtigten Scala zu reflectiren, ähnlich wie dies weiter oben bereits angegeben wurde. Durch dieſe Einrichtung iſt die Drehung des Kreiſes und ſomit auch der Metalldrähte mit großer Genauigkeit meßbar.
Um mit dieſem Apparate Meſſungen anzuſtellen, erſetzt man zunächſt den Magnet durch einen gleichſchweren nicht magnetiſchen Körper. Man bewirkt dadurch, daß ſich das Schiffchen ausſchließlich der Directionskraft der Metalldrähte ent - ſprechend einſtellt. Jetzt dreht man das Schiffchen genau in den magnetiſchen Meridian, ſtellt den Spiegel ſo, daß er das Bild der Scala in das Fernrohr reflectirt und beobachtet die Schwingungen. Man erhält hierdurch die Directions - kraft der Metalldrähte, die übrigens ſo gewählt werden muß, daß ſie die Richtkraft des Erdmagnetismus übertrifft. Nun legt man den Magnetſtab an Stelle des nicht magnetiſchen Körpers ſo in das Schiffchen, daß ſein Nordpol nach Süden zeigt. Jetzt iſt die Herſtellung des Gleichgewichtes das Reſultat der Differenz - wirkung der magnetiſchen und der Directionskraft durch die Aufhängung. Ebenſo wird dann die Schwingungsdauer für die normale Lage des Magnetes im Schiffchen, wo alſo der Nordpol nach Norden gerichtet iſt und das Gleichgewicht durch die Summe beider Drehungsmomente hergeſtellt wird, beobachtet. In dieſer Weiſe erhält man das Verhältniß der beiden wirkſamen Kräfte. Nun ſucht man dem Magnetſtabe eine ſolche Lage zu geben, daß er bei Herſtellung des Gleichgewichtes ſich ſenkrecht auf den magnetiſchen Meridian ſtellt. Natürlich werden dann die beiden Drähte um einen beſtimmten Winkel gegeneinander verdreht. Das Schiffchen mit dem Magnetſtabe wird dann an den Kreis feſtgeklemmt, und dadurch bewirkt, daß bei jeder Veränderung der magnetiſchen Richtkraft die hierdurch bewirkte Veränderung der Gleichgewichtslage auch den Winkel, um welchen die Drähte verdreht ſind, ändern muß. Der Spiegel wird natürlich ebenfalls ſo gerichtet, daß er die Scala wieder in das Fernrohr reflectirt. In dieſer transverſalen Lage des Apparates beobachtet man mit Hilfe der Scala die Veränderungen der Intenſität.
Die Beobachtungen über die Intenſität ſind bisher noch nicht ſehr zahlreich, weshalb ſich über die Veränderungen derſelben nicht viel Beſtimmtes ſagen läßt. Die wenigen Angaben, welche vorliegen, ſcheinen auf ein Wachsthum der Intenſität hinzuweiſen. In München erhielt man z. B. folgende Intenſitäten für
Die Intenſität zeigt auch tägliche Veränderungen, indem ſie von Früh bis Abend zunimmt und in der Nacht wieder ſinkt. Die Aufſtellung einer Theorie des Erd - magnetismus iſt zur Zeit noch nicht möglich, da hierzu das bis jetzt vorliegende Material ein viel zu geringes iſt. Die unregelmäßigen Störungen, die wiederholt beobachtet werden, treten oft an vielen Orten gleichzeitig auf und müſſen deshalb Urſachen zugeſchrieben werden, die nicht localer Natur ſind, ſondern ſich über einen großen Theil der Erde er - ſtrecken. Zu dieſen Urſachen zählt z. B. das Nordlicht, woraus folgt, daß dieſes mit den magnetiſchen Kräften in irgend einem Zuſammenhange ſteht. Aber auch vul - kaniſche Ausbrüche und Erdbeben haben ſich ſchon auf den magnetiſchen Zuſtand der Erde einflußnehmend herausgeſtellt.
Sehr viele Körper, wie namentlich Harze, Schwefel, Glas u. dgl., zeigen, durch die Hand, durch Fell, Wolle oder Seide gerieben, bemerkenswerthe Veränderungen in ihrem phyſikaliſchen Verhalten, in ihrer Einwirkung auf andere Körper. Der geriebene Körper erhält nämlich die Eigenſchaft, kleine, leichte Körperchen, wie Papier - ſchnitzel, Federchen, Hollundermark u. ſ. w., anzuziehen und kürzere oder längere Zeit feſtzuhalten. Reibt man z. B. einen größeren Glasſtab, ſo beobachtet man, daß er nach dieſer Operation leichte Körperchen anzieht, in kurzer Zeit aber wieder
Goldblatt-Elektroſkop.
abſtößt. Während des Reibens ſelbſt beobachtet man ein eigen - thümliches, kniſterndes Geräuſch und ſieht, wenn man das Ex - periment im Dunkeln ausführt, den Stab leuchten oder zwiſchen ihm und dem Reibzeuge kleine Fünkchen überſpringen. Die Erſcheinung des Abſtoßens der Körperchen kurze Zeit nachdem ſie angezogen wurden, beobachtet man noch beſſer in folgender Weiſe. Man bedient ſich des elektriſchen Pendels — einer Vorrichtung, ganz ähnlich jener, welche auf Seite 38 beſchrieben und abgebildet wurde; die Stelle der Eiſenkugel vertritt aber eine Kugel aus Hollundermark oder ein kleiner Papierballon. Nähert man nun dieſer an einem Seidenfaden hängenden Hollunder - markkugel eine geriebene Glasſtange, ſo fliegt die Kugel gegen dieſelbe bis zur Berührung und fällt dann wieder ab; nähert man neuerdings die Stange der Kugel, ſo flieht letztere.
Man erſieht aus dieſen einfachen Experimenten, daß die erwähnten Körper durch das Reiben in einen Zuſtand verſetzt wurden, in welchem ſie ſich vorher nicht befanden; wir be - zeichnen dieſen Zuſtand als einen elektriſchen und nennen die uns noch unbekannte Urſache desſelben Elektricität.
Charakteriſtiſch für dieſe Kraft iſt die Abſtoßung. Eine Behandlung ge - wiſſer Körper, welche dazu führt, andere Körper anzuziehen, haben wir bereits im Magnetismus kennen gelernt; das mit einem natürlichen Magnete geſtrichene Stahlſtück zieht Eiſentheile an und hält ſie feſt. Ein hinreichend kräftig geriebener Glasſtab jedoch zieht leichte Körperchen zwar auch an, hält ſie aber nicht feſt, ſondern ſtößt ſie mehr oder weniger lebhaft wieder von ſich. Greifen wir nochmals auf das Experiment mit der Hollundermarkkugel — dem elektriſchen Pendel — zurück; wurde die Kugel an und für ſich in ungeändertem Zuſtande erſt angezogen und dann abgeſtoßen oder hat auch die Kugel durch ihre Berührung mit der Glasſtange ihre Eigenſchaften geändert? Die Beantwortung dieſer Frage giebt folgender Verſuch: Man nähert der Hollundermarkkugel, nachdem ſie mit dem Glasſtabe in Berührung geweſen iſt, eine zweite Hollundermarkkugel oder andere leichte Körperchen. Werden dieſe nun gleichfalls von der zuerſt benützten Kugel angezogen, ſo iſt mit letzterer während der Berührung mit dem Glasſtabe offen - bar auch eine Veränderung vorgegangen. Und in der That, das Experiment zeigt,63 daß die anziehende Kraft vom Glasſtabe auf die Kugel übertragen wurde, denn dieſe zieht wirklich leichte Körperchen an: die Kugel wurde durch den Glasſtab elektriſirt. Daraus erſieht man, daß die am Glasſtabe durch Reiben erzeugte Elektricität durch Berührung einem zweiten Körper mitgetheilt werden kann. Die auf die Anziehung folgende Abſtoßung iſt aber nunmehr als Abſtoßung zwiſchen zwei elektriſirten Körpern aufzufaſſen.
Dieſes Verhalten elektriſirter Körper giebt uns ein Mittel an die Hand, die Körper auf ihren elektriſchen Zuſtand zu prüfen. Der einfachſte Apparat hierzu iſt das Goldblatt-Elektroſkop, Fig. 32. Auf einem hölzernen Fuße iſt eine Glas - kugel befeſtigt, deren nach oben gerichteter Hals eine Metallfaſſung beſitzt; in die Mitte der Metallfaſſung iſt ein Glasröhrchen eingekittet. Letzteres enthält einen Metalldraht, welcher nach oben in einer Kugel endigt. Das untere Ende des Drahtes iſt flachgedrückt, ragt beiläufig bis in den Mittelpunkt der Kugel und trägt zwei ſchmale Streifen aus dünnem Goldblatte; letztere hängen im gewöhn - lichen Zuſtande parallel nebeneinander herab. Be - rührt man bei dieſem Elektroſkope die Metallkugel mit der geriebenen Glasſtange, ſo theilt ſich deren Elektricität durch den Draht den beiden Gold - blättchen mit, dieſe ſtoßen einander ab und diver - giren in der durch die Fig. 32 veranſchaulichten Weiſe. Man bemerkt hierbei auch, daß der Winkel, um welchen die beiden Blättchen auseinandergehen, deſto größer wird, je ſtärker man die Glasſtange reibt. Das Elektroſkop geſtattet daher auch, einen beiläufigen Schluß auf die Stärke der Elektriſirung des Glasſtabes zu ziehen.
Ein zweites derartiges Elektroſkop iſt das Henley’ſche Quadranten-Elektrometer, welches in Fig. 33 abgebildet iſt. Man bedient ſich des - ſelben zur annähernden Beurtheilung der Ladung des Conductors einer Elektriſirmaſchine. Es beſteht aus einem Metallſtabe S, welcher an ſeinen beiden Enden mit Metallkugeln verſehen iſt; die obere
Quadranten-Elektrometer.
Kugel trägt ein kleines Gelenk zur Bewegung des Stäbchens A mit der Hollunder - markkugel H, welche in unelektriſchem Zuſtande an der unteren Kugel anliegt. Mit der unteren Kugel des Stabes S ſetzt man das Inſtrument auf den Con - ductor C der Elektriſirmaſchine auf. Die Elektricität ſtrömt vom Conductor C auf die beiden Kugeln bei H und S und dieſe ſtoßen ſich ab, einen deſto größeren Winkel bildend, je ſtärker elektriſch der Conductor iſt. Zur Beſtimmung des Winkels dient der getheilte Viertelkreis Q. Beide Elektroſkope erlauben keine eigentlichen Meſſungen der Elektricität, ſondern können nur den elektriſchen Zuſtand des zu prüfenden Körpers anzeigen und eine oberflächliche Schätzung der Stärke ermög - lichen; hat man es mit ſehr ſchwach elektriſirten Körpern zu thun, ſo iſt ſelbſt dies, der Unempfindlichkeit der Inſtrumente wegen, nicht ausführbar. Apparate, welche wirkliche Meſſungen erlauben, werden wir ſpäter noch kennen lernen. Der elektriſche Zuſtand eines Körpers kann durch Reiben hervorgerufen werden; dies gelingt bei einer großen Anzahl von Körpern. Nicht nur Glas, Harze und Schwefel können in dieſen Zuſtand gebracht werden, ſondern auch trockenes Papier, Kaut -64 ſchuk, Guttapercha, Wachs u. ſ. w. Andere Körper aber, wie z. B. alle feuchten Körper, Metalle, Kohle u. ſ. w., werden durch Reiben nicht elektriſch. Man nennt die erſteren elektriſirbare oder idioelektriſche, die letzteren nicht elektriſirbare oder anelektriſche Körper.
Dies iſt jedoch nicht der einzige Unterſchied, der ſich beim Reiben verſchie - dener Körper ergiebt. Reibt man eine Glasſtange mit Wolle und nähert ſie dem elektriſchen Pendel, ſo wird dieſes angezogen, berührt dieſe Stange und empfängt von dieſer Elektricität; jetzt ſtößt die Glasſtange die Hollundermarkkugel ab. Reibt man nun eine Siegellackſtange mit Wolle und nähert ſie der elektriſchen Hollundermarkkugel, ſo wird dieſe von der Siegellackſtange nicht erſt angezogen und dann abgeſtoßen, ſondern nur angezogen, während die unelektriſche Kugel eines zweiten Pendels von derſelben Siegellackſtange ebenſo wie die erſte von dem Glas - ſtabe elektriſirte zuerſt angezogen und dann aber abgeſtoßen wird. Schon dieſes Experiment zeigt, daß zwiſchen der auf dem Glasſtabe und jener auf der Siegel - lackſtange hervorgerufenen Elektricität ein Unterſchied beſtehen müſſe. Dies wird jedoch noch klarer, wenn man ſich bei obigem Verſuche des Goldblatt-Elektroſkopes an Stelle des Pendels bedient. Man berührt mit dem geriebenen Glasſtabe die Kugel des Elektroſkopes; ſofort werden ſich die beiden Goldblättchen abſtoßen und divergiren. Reibt man den Glasſtab neuerdings, und zwar kräftiger als das erſte - mal und berührt wieder die Kugel des Elektroſkopes, ſo wird die Divergenz der Goldblättchen geſteigert. Das Experiment nimmt denſelben Verlauf, wenn man ſtatt des Glasſtabes eine Siegellackſtange verwendet; es ändert ſich jedoch, wenn man die Anwendung beider combinirt. Zu dem Ende wird vorerſt die Kugel des Elektroſkopes mit dem geriebenen Glasſtabe berührt und dadurch eine Divergenz beider Goldblättchen hervorgerufen. Nun berührt man aber die Kugel des Elektro - ſkopes mit einer geriebenen Siegellackſtange; die Goldblättchen werden jetzt ſofort zuſammenfallen oder doch ihre Divergenz verkleinern. Die Goldblättchen zeigen ein analoges Verhalten, wenn das Experiment in umgekehrter Ordnung ausgeführt wird: die Blättchen des unelektriſirten Elektroſkopes divergiren durch die Berührung mit der geriebenen Siegellackſtange, dieſe Divergenz wird jedoch durch darauf - folgende Berührung mit dem elektriſirten Glasſtabe ganz oder theilweiſe auf - gehoben.
Das Experiment beweiſt alſo, daß ſowohl Glas als auch Siegellack durch Reiben elektriſch wird; es zeigt aber auch, daß die elektriſchen Zuſtände auf dieſen beiden Körpern ſich in einem gewiſſen Gegenſatze befinden, da der eine Körper die Divergenz vernichtet, welche durch den anderen hervorgerufen wird, und umgekehrt. Dies lehrt, daß zweierlei elektriſche Zuſtände angenommen werden müſſen. Um dieſe zu unterſcheiden, hat man jenen Zuſtand, in welchen das Glas durch Reibung gelangt, Glaselektricität, und jenen Zuſtand, in welchen Harze durch dieſelbe Behandlung kommen, Harzelektricität genannt, wobei man von der Anſicht ausging, daß ein beſtimmter Körper durch Reiben immer nur in einen und denſelben elektriſchen Zuſtand verſetzt werden könne. Als man jedoch den Verſuch machte, einen Körper mit verſchiedenen Stoffen zu reiben, erkannte man bald, daß die Art des elektriſchen Zuſtandes ſich nicht nur mit dem geriebenen Körper, ſondern auch mit dem zum Reiben angewandten ändern kann, daß alſo ein und derſelbe Körper ſowohl den einen als auch den entgegengeſetzten elektriſchen Zuſtand annehmen kann, je nachdem man ihn mit dem einen oder anderen Körper reibt. Die Bezeichnungen Glaselektricität und Harzelektricität konnten daher nicht bei -65 behalten werden, da durch dieſe Bezeichnungen der elektriſche Zuſtand eines Körpers nicht genügend beſtimmt erſcheint. Man einigte ſich deshalb dahin, den einen Zuſtand den poſitiv elektriſchen, den anderen den negativ elektriſchen zu benennen. Da man fand, daß Glas ſtets in einen und denſelben elektriſchen Zuſtand geräth, ſobald man es mit einem Lederflecke reibt, auf welchem Amalgam aufgetragen iſt, Harz durch Wolle gerieben aber faſt immer den entgegengeſetzten elektriſchen Zuſtand annimmt, ſo wurden dieſe beiden Erzeugungsarten für die Unterſcheidung beider elektriſchen Zuſtände als maßgebend aufgeſtellt. Poſitiv elektriſch werden daher alle jene Körper genannt, welche denſelben elektriſchen Zuſtand zeigen wie ein mit Amalgam geriebener Glasſtab, negativ elektriſch alle jene Körper, deren Zuſtand dem eben jetzt genannten entgegengeſetzt iſt.
Faſſen wir die bisher be - trachteten Erſcheinungen zuſam - men, ſo ergeben ſich hieraus nachſtehende Grundgeſetze:
Es giebt zwei Arten von Elektricität, poſitive und negative. Die ungleich - namigen Elektricitäten zie - hen einander an, die gleich - förmigen ſtoßen ſich ab; gleiche Mengen ungleich - namiger Elektricitäten in einen Körper vereint neu - traliſiren ſich.
Dieſe Grundſätze geben uns auch den Weg an, welcher ein - zuſchlagen iſt, um den elektriſchen Zuſtand der Körper zu prüfen. Um zu unterſuchen, ob ein Körper überhaupt elektriſch iſt und bei - läufig die Stärke der Elektriſirung zu beſtimmen, ſind die vorhin beſchriebenen Elektroſkope in vielen
Elektroſkop von Behrends.
Fällen ausreichend. Man iſt mit ihrer Hilfe aber häufig auch im Stande, die Art des elektriſchen Zuſtandes zu beſtimmen. Hierzu iſt ſogar oft ſchon das elektriſche Doppelpendel ausreichend, d. h. es genügen zwei an Seidenfäden parallel neben - einander hängende Hollundermarkkügelchen oder Collodiumballons. Man theilt zu dieſem Behufe der einen Kugel Elektricität der einen Art, alſo z. B. poſitive Elektricität mit, und berührt die zweite Kugel mit dem zu prüfenden elektriſchen Körper. Stoßen ſich hierauf beide Kugeln ab, ſo iſt der zu unterſuchende Körper gleichfalls poſitiv elektriſch, ziehen ſie ſich gegenſeitig an, ſo iſt er negativ elektriſch.
Beim Goldblatt-Elektroſkop verfährt man in der Weiſe, daß man die Gold - blättchen zunächſt in einer Art, alſo etwa wieder poſitiv elektriſirt und dadurch eine beſtimmte Divergenz derſelben erzielt; dann berührt man die Kugel des Elektroſkopes mit dem zu prüfenden elektriſchen Körper. Divergiren darauf die Blättchen noch ſtärker, ſo war der zu prüfende Körper poſitiv elektriſch, fallen ſie ganz oder theilweiſe zuſammen, ſo war er negativ elektriſch.
Urbanitzky: Elektricität. 566Ob man nun die eine oder die andere Methode zu einer derartigen Prüfung benutzt, iſt es doch immer erforderlich, ſich zuerſt davon zu überzeugen, ob der Körper überhaupt elektriſch ſei, wenn man ſich nicht der Gefahr ausſetzen will, falſche Reſultate zu erhalten. Dieſe Methoden führen auch dann nicht zum Ziele, wenn man es mit ſehr ſchwach elektriſchen Körpern zu thun hat. Hierzu bedient man ſich des von Behrens angegebenen Elektroſkopes, welches von Rieß in die durch Fig. 3[4]dargeſtellte Form gebracht wurde. In einem vierſeitigen Holzkaſten, der an ſeinen beiden Längsſeiten durch Glasplatten verſchloſſen iſt, befindet ſich eine Art galvaniſcher Batterie, wie wir ſolche ſpäter noch kennen lernen werden. Die ſpeciell hier angewandte führt den Namen Zamboni’ſche Säule. Sie wird in der Art hergeſtellt, daß man kreisrunde Scheiben aus unechtem Gold - und Silberpapier zu je zweien ſo aufeinanderlegt, daß ſich ihre metalliſchen Seiten berühren. Tauſend bis zweitauſend ſolcher Paare werden dann, mit ihren Goldſeiten nach der einen, mit ihren Silberſeiten nach der entgegengeſetzten Seite gerichtet, aufeinandergelegt und in einer Glasröhre durch zwei Metalldeckel zuſammengepreßt. Die Metall - deckel als Pole der Säule erweiſen ſich dann einander entgegengeſetzt elektriſch. Eine ſolche Säule, eingeſchloſſen in der Glasröhre K Z und ausgerüſtet mit den Metall - deckeln, enthält auch das Elektroſkop. An jedem der Metalldeckel iſt bei g ein Gelenk angebracht, in welchem ſich ein S-förmig gebogener Draht d d drehen kann. Die oberen Enden der Drähte ragen durch eine mit Glasröhren ausgekleidete längliche Spalte im Deckel des Holzkaſtens über denſelben heraus und tragen die Metall - ſcheiben k und z; dieſe bilden die Pole der Zamboni’ſchen Säule, und zwar k den poſitiven, z den negativen Pol. Ueber die beiden Metallſcheiben iſt eine Glas - glocke geſtülpt, in deren obere Oeffnung ein Metallſtäbchen durch Schellack ein - gekittet iſt. Dieſes trägt an ſeinem oberen Ende die Kugel r, an ſeinem unteren Ende ein feines Goldblättchen. Die Scheiben k und z ſind ſo geſtellt, daß das Goldblättchen zwiſchen beiden in der Mitte hängt. So lange das Blättchen unelektriſch iſt, wird es von beiden Scheiben k und z gleich ſtark angezogen und bleibt deshalb in der Mitte beider vertical hängen, vorausgeſetzt, daß k und z gleich ſtark elektriſch ſind. Sollte letzteres nicht der Fall ſein, ſo verbindet man für kurze Zeit die beiden Metalldeckel der Zamboni’ſchen Säule durch die Metall - ſtange t t miteinander, indem man letztere gegen die Säule ſchiebt. In jedem Falle iſt es leicht, durch Stellung der Metallſcheiben k z und das eben angegebene Verfahren die durch k und z auf das Goldblättchen ausgeübten Anziehungen ſo zu reguliren, daß das Blättchen von beiden Seiten gleich ſtark angezogen wird und daher in der Mitte vertical herabhängt.
In dieſem Zuſtande genügt jedoch die geringſte Menge Elektricität, welche dem Goldblättchen mitgetheilt wird, um das Gleichgewicht zu ſtören. Denn iſt nun das Goldblättchen elektriſch, ſo wird es allerdings auch jetzt noch von einer der Metallſcheiben, und zwar der entgegengeſetzt elektriſchen, angezogen, aber die gleich - namige Metallſcheibe ſtößt jetzt das Blättchen ab. Die große Empfindlichkeit dieſes Inſtrumentes rührt eben davon her, daß die Anziehung der einen Metallſcheibe und die Abſtoßung der gegenüberſtehenden Scheibe ſich derart unterſtützen, daß ſie das Goldblättchen in derſelben Richtung zu bewegen ſuchen.
Die Prüfung eines Körpers auf ſeinen elektriſchen Zuſtand mit dieſem Inſtrumente bedarf nach Vorſtehendem kaum mehr einer Erklärung. Man berührt die Metallkugel des Elektroſkopes mit dem zu prüfenden Körper und beobachtet das Goldblättchen. Bleibt es ruhig hängen, ſo iſt der Körper unelektriſch; bewegt67 es ſich gegen den poſitiven Pol k der Säule, ſo iſt der Körper negativ elektriſch, und bewegt es ſich gegen den Pol z, ſo iſt der Körper poſitiv elektriſch.
Kehren wir nochmals zum einfachen elektriſchen Pendel zurück, ändern dieſes aber in der Weiſe ab, daß wir an die Hollundermarkkugel noch eine zweite Hol - lundermarkkugel H2 durch einen Metalldraht befeſtigen, in der Weiſe, wie es Fig. 35 zeigt. Berührt man nun wieder die Hollundermarkkugel H1 mit einem geriebenen Glasſtabe, ſo wird ſie poſitiv elektriſch und deshalb von der gleichfalls poſitiv elektriſchen Glasſtange abgeſtoßen; dasſelbe Verhalten zeigt nun aber auch die Kugel H2, ohne daß dieſe vorher von dem Glasſtabe berührt worden iſt. Ferner wird die Kugel H2 von einer geriebenen Siegellackſtange angezogen; auch iſt die Kugel H2 im Stande, leichte, unelektriſirte Körperchen anzuziehen, verhält ſich alſo genau ſo, wie früher die Kugel des einfachen elektriſchen Pendels. Da nun aber der Kugel H2 keine Elektricität mitgetheilt wurde, ſie ſich aber doch elektriſch, und zwar in derſelben Art elektriſch erweiſt, wie die Kugel H1, ſo folgt daraus, daß die der Kugel H1 mitgetheilte Elektricität auf die Kugel H2 übergeſtrömt ſein muß. Das Experiment gelingt nicht, d. h. die Kugel H2 bleibt unelektriſch, wenn die beiden Kugeln nicht durch einen Metalldraht, ſondern durch einen Seidenfaden mit - einander verbunden ſind. Dieſe beiden Verſuche lehren, daß ein Metalldraht die Elektricität leitet, ein Seidenfaden aber nicht. Man nennt deshalb den Metalldraht einen Elektricitätsleiter oder Conductor und den Seiden - faden einen Nichtleiter oder Iſolator.
Bei der Prüfung der Körper auf ihren elektriſchen Zuſtand durch das Goldblatt - oder durch das Qua - dranten-Elektroſkop wurde erwähnt (S. 66), daß es nöthig ſei, um Täuſchungen zu vermeiden, vor der Unter - ſuchung, welche Art Elektricität der Körper beſitze, zu prüfen, ob er überhaupt elektriſch ſei. Es ſoll nun durch Nachſtehendes gezeigt werden, welcher Art dieſe Täuſchungen ſein können. Nehmen wir an, das Goldblatt-Elektroſkop ſei durch einen geriebenen Glasſtab elektriſirt, alſo die beiden Blättchen ſeien durch poſitive Elektricität zur Diver - genz gebracht. Iſt nun der auf ſeinen elektriſchen Zuſtand
Elektriſches Pendel.
zu prüfende Körper ein Metall und beiſpielsweiſe negativ elektriſirt, ſo werden die beiden Blättchen ihre Divergenz verlieren, ſobald die Kugel des Elektroſkopes mit dem Metallſtücke berührt wird. Das Elektroſkop hat alſo den negativ elektri - ſchen Zuſtand des Metalles ganz richtig angezeigt. Iſt aber das Metallſtück gar nicht elektriſch und berührt man nun die Kugel des poſitiv geladenen Elektroſkopes, ſo werden die Blättchen ebenfalls ihre Divergenz ganz oder theilweiſe verlieren. Der Grund dieſes Verhaltens liegt aber jetzt darin, daß durch Berühren der Kugel mit dem Metallſtücke die ganze oder ein Theil der Elektricität aus den Blättchen in das Metallſtück gefloſſen iſt und die Blättchen daher in Folge einer vollkommenen oder theilweiſen Entladung ihre Divergenz ganz oder theilweiſe einbüßen.
Hätte man alſo nicht vorher ſchon geprüft, ob das Metallſtück überhaupt elektriſch iſt, ſo würde das letzte Experiment zu der Anſicht verleiten können, das5*68Metallſtück ſei negativ elektriſch. Bei Anwendung des Elektroſkopes von Behrens iſt ein derartiger Irrthum überhaupt nicht möglich.
Die Divergenz der Blättchen eines Elektroſkopes nimmt ſofort ab, wenn man die Kugel desſelben mit einem Körper berührt, weil auf dieſen Elektricität von den Blättchen übergegangen iſt. Es läßt ſich dieſes Verhalten durch nach - ſtehendes Experiment unzweifelhaft nachweiſen. Man berührt die Kugel eines elektriſirten Elektroſkopes mit der Kugel eines zweiten Elektroſkopes; ſofort ver - mindert ſich die Divergenz der Blättchen im erſten Elektroſkope und gleichzeitig divergiren die früher parallel herabhängenden Blättchen des zweiten Elektroſkopes: das erſte Elektroſkop hat alſo offenbar an das zweite Elektricität abgegeben. Prüft man nun das zweite Elektroſkop auf die Art ſeiner elektriſchen Ladung, z. B. mit Hilfe des Elektroſkopes von Behrens, ſo findet man, daß das zweite Elektroſkop denſelben elektriſchen Zuſtand zeigt, welchen früher das erſte beſaß. Wir können daher allgemein ſagen: Wenn man einen elektriſchen Körper mit einem unelektriſchen Körper berührt, ſo verliert erſterer einen Theil ſeiner Elektricität und der berührende Körper wird in derſelben Art elektriſch wie der berührte.
Wenngleich dieſer Satz über das Verhalten unelektriſcher Körper gegenüber elektriſchen ganz allgemein gilt, ſo iſt hierbei doch bei den einzelnen Körpern ein Unterſchied wahrnehmbar. Berührt man z. B. die Kugel des elektriſirten Elektroſkopes mit einer Siegellackſtange, ſo nimmt die Divergenz der Blättchen etwas ab, und prüft man dann die Siegellackſtange am Behrens’ſchen Elektroſkope, ſo findet man ſie nur an jener Stelle elektriſch, welche mit der Kugel des erſten Elektroſkopes in Berührung geſtanden war; an allen übrigen Stellen iſt die Stange unelektriſch. Andere Körper, wie z. B. Metalle, zeigen ſich hingegen bei derſelben Behandlung an ihrer ganzen Oberfläche elektriſch. Im erſten Falle iſt alſo die Elektricität auf eine Stelle der Siegellackſtange übergegangen und daſelbſt geblieben; im zweiten Falle hat ſich aber die Elektricität über den ganzen Metallkörper ſofort aus - gebreitet. Dieſer Verſuch zeigt alſo noch deutlicher als der vorhin angegebene mit den beiden Kugeln des elektriſchen Pendels, daß man die Körper je nach ihrer Leitungsfähigkeit für Elektricität wohl zu unterſcheiden hat, und zwar, wie bereits angegeben wurde, in leitende und nicht leitende Körper.
Berührt man die Kugel eines geladenen Elektroſkopes mit der Hand, ſo fallen die Goldblättchen ſofort zuſammen, woraus hervorgeht, daß der menſchliche Körper ein Leiter iſt. Die Elektricität gelangt vom Elektroſkope in den Körper und wird von dieſem der Erde mitgetheilt, alſo auf eine ſo große Maſſe vertheilt, daß ſie nicht mehr nachweisbar iſt. Man kann deshalb auch einen Körper prüfen, ob er ein Leiter iſt oder nicht, indem man ihn mit der Hand an ein geladenes Elektroſkop hält. Fallen die Blättchen ganz zuſammen, ſo iſt er ein Leiter, was auch noch dadurch beſtätigt wird, daß der Körper, hierauf an einem zweiten Elektroſkope geprüft, ſich vollkommen unelektriſch erweiſt, da er ſeine Elektricität ſofort unter Vermittlung der Hand und des menſchlichen Körpers an die Erde abgegeben hat.
Unterſucht man in dieſer Art die verſchiedenen Körper, ſo beobachtet man, daß das Zuſammenfallen der Goldblättchen in ſehr verſchieden langen Zeit - räumen eintritt, woraus gefolgert werden muß, daß das Leitungsvermögen der verſchiedenen Körper ein ſehr verſchiedenes iſt. Metalle entladen das Elektroſkop faſt augenblicklich, Harze äußerſt langſam, trockenes Holz in meßbarer Zeit. Es giebt daher keine ſcharf gezogene Grenze zwiſchen Leiter und Nichtleiter. Man kann69 dieſes Verhalten der Körper auch ſo auffaſſen, daß jeder Körper dem Durchgange der Elektricität einen gewiſſen Widerſtand entgegenſetzt, der gute Leiter einen geringen, der ſchlechte Leiter, da ein abſoluter Nichtleiter nicht exiſtirt, einen ſehr bedeutenden. Der Unterſchied zwiſchen leitenden und iſolirenden Körpern iſt kein qualitativer, ſondern nur ein quantitativer, und der Uebergang von Körpern der einen Art zu Körpern der andern Art iſt kein ſprungweiſer, ſondern ein allmäliger. Wenn man daher die Körper in drei Gruppen, nämlich Leiter, Halbleiter und Nichtleiter eintheilt, ſo ſind dieſe voneinander nicht ſcharf abgegrenzt, ſondern man rechnet zu den Leitern ſolche Körper, welche ein Elektroſkop faſt momentan entladen, zu Halbleitern ſolche, welche hierzu eine meßbare Zeit, alſo einige Secunden brauchen, und endlich zu Nichtleitern diejenigen, durch deren Anlegung an das Elektroſkop letzteres ſelbſt nach Verlauf einer Minute noch nicht entladen iſt. Hiernach iſt auch nach - ſtehende Tabelle (nach Rieß) aufzufaſſen.
Leiter:
Halbleiter:
Nichtleiter:
Die Grenzen zwiſchen den einzelnen Gruppen ſind aber auch aus dem Grunde nicht unverrückbare, weil die Leitungsfähigkeit eines und desſelben Materiales auch von der Beſchaffenheit ſeiner Oberfläche abhängt. Ferner ſind alle Körper70 mehr oder weniger hygroſkopiſch, d. h. geneigt, Waſſer an ihrer Oberfläche zu condenſiren, und ändern dann ihre Leitungsfähigkeit auch mit dem Wechſel der Temperatur, ſo daß im Großen und Ganzen Nichtleiter in Folge des letzterwähnten Umſtandes bei niedrigerer Temperatur die Elektricität beſſer leiten als bei höherer, weil ſie bei erſterer mehr Waſſer aufnehmen. Hingegen können ſtarke Temperatur - erhöhungen gerade das Gegentheil bewirken. So werden z. B. glühendes Glas und geſchmolzenes Harz zu guten Leitern der Elektricität.
Bei der Aufſtellung der obigen Tabelle wurde mit dem beſten Leiter begonnen und mit dem ſchlechteſten geſchloſſen. Den Schluß bilden Schellack, Bernſtein, Harze, Schwefel und Glas, während die Metalle an der Spitze ſtehen. Es iſt daher erklärlich, warum man ſchon in früheſter Zeit die Beobachtung machte, daß Bern - ſtein durch Reiben elektriſch werde und daß andererſeits ſelbſt Gilbert noch glaubte, Metalle werden durch Reiben nicht elektriſch. Die ſchlechten Leiter oder Iſolatoren,
Elektricität durch Reibung.
wie Bernſtein, Schwefel und Harze, konnte man beim Reiben in der Hand halten, ohne durch dieſe die Elektricität gleich zur Erde abzuleiten; ſie blieben eben wegen ihrer ſchlechten Leitungs - fähigkeit an der geriebenen Stelle elektriſch. Die Metalle hin - gegen leiten die durch Reiben hervorgerufene Elektricität durch die Hand ſofort zur Erde ab und erſcheinen deshalb unelektriſch. Verſieht man jedoch Metallſtücke mit Glasgriffen und hält ſie beim Reiben nur an dieſen, ſo werden ſie ebenfalls elektriſch.
Sehr merkwürdig iſt eine Beobachtung, welche Sale im Jahre 1873 am Selen gemacht hat. Dieſer entdeckte nämlich, daß das Selen ſeine Leitungsfähigkeit erhöht, wenn es vom Lichte beſtrahlt wird. Dieſe Entdeckung führte, wie wir in der zweiten Abtheilung dieſes Buches ſehen werden, zur Erfindung des Photophons.
Die Gaſe gehören zu den ſchlechten Leitern der Elektricität; wäre dies nicht der Fall, ſo wäre uns die Elektricität wohl unbekannt geblieben, weil dann jeder Körper die auf ihm er - regte Elektricität ſofort an die Luft abgeben würde. Auch der leere Raum oder das Vacuum iſt kein Leiter der Elektricität. Iſt jedoch die Luft feucht, ſo wird ſie ein Halbleiter, und dies iſt der Grund, warum viele elektriſche Experimente bei feuchter Luft nicht gelingen.
Wir unterſchieden weiter oben (S. 64) idioelektriſche oder elektriſirbare und anelektriſche oder nicht elektriſirbare Körper. Sehen wir nun auf die Tabelle der Elektricitätsleiter oder Conductoren und der Nichtleiter oder Iſolatoren, ſo finden wir jene Körper, welche als nicht elektriſirbare angegeben wurden, in der Gruppe der Leiter, jene, welche als elektriſirbare angegeben wurden, in der Gruppe der Nichtleiter. Wir kennen nun bereits auch den Grund dieſes verſchiedenen Verhaltens und ſehen ein, daß es nicht genügt, einen Körper in die Hand zu nehmen und zu reiben, um feſtzuſtellen, ob dieſer Körper elektriſirbar ſei oder nicht. Wir müſſen vielmehr, wenn es ſich um einen Elektricitätsleiter handelt, dieſen ſorgfältig iſoliren, d. h. mit Subſtanzen umgeben, welche die Elektricität nicht leiten; dann erſt können wir unterſuchen, ob er durch Reiben elektriſch wird oder nicht. Dies hat man auch in der That ausgeführt, ſobald man den Unterſchied zwiſchen Leiter und Nichtleiter erkannt hatte, und dabei ſtellte71 es ſich nun heraus, daß durch Reiben unter Beobachtung der in Bezug auf Leiter angegebenen Vorſicht alle Körper ohne Ausnahme elektriſch werden.
Bei dieſer Art der Unterſuchung ergab ſich aber von ſelbſt auch noch die Entdeckung einer ſehr wichtigen Thatſache. Da beim Reiben eines Körpers mit einem zweiten auch der reibende Körper gerieben wird, ſo muß ja auch dieſer elektriſch werden; und als man bei den betreffenden Verſuchen das Reibzeug iſolirte, fand man dieſe Vorausſetzung auch wirklich beſtätigt. Man ſtellt ſolche Verſuche am einfachſten derart an, daß man die zu unterſuchenden Platten A und B (Fig. 36) mit Glasgriffen verſieht. Iſt z. B. A eine Glasplatte, B eine mit amalgamirtem Leder überzogene Platte, und werden beide gegeneinander gerieben, ſo zeigt ein einfacher Verſuch an einem Elektroſkope, daß ſowohl das reibende Amalgam, als auch die geriebene Glasplatte elektriſch geworden ſind; das Elektroſkop zeigt aber auch an, daß hierbei die Glasplatte poſitiv, das Amalgam negativ elektriſch wurde. Nimmt man an Stelle der Glasplatte eine Harzplatte und verſieht die Platte B mit Wolle ſtatt des amalgamirten Leders, ſo wird ſich die Harzplatte nach dem Reiben negativ elektriſch, die Wolle poſitiv elektriſch erweiſen. Reibt man in der - ſelben Weiſe Glas mit Wolle, ſo wird das Glas ſich poſitiv, die Wolle negativ elektriſch erweiſen. Ein ähnliches Verhalten zeigen aber alle Körper, wenn ſie mit - einander gerieben werden.
Aus dieſen Verſuchen ergeben ſich zwei wichtige Grundgeſetze: 1. Sämmt - liche Körper werden durch Reiben elektriſch. 2. Bei der Reibung zweier Körper werden ſtets beide elektriſch, und zwar der eine poſitiv und der andere negativ.
Die Verſuche zeigen aber auch, daß ein und derſelbe Körper einmal poſitiv und ein nächſtesmal negativ elektriſch werden kann, je nachdem er mit verſchiedenen Körpern gerieben wird, wie wir dies an der Wolle beobachteten; dieſe wird, auf Glas gerieben, poſitiv, auf Harz gerieben, negativ elektriſch. Worin dieſes ver - ſchiedene Verhalten ſeinen Grund hat, wurde bis heute noch nicht ermittelt, wohl aber haben verſchiedene Forſcher Reihen aufgeſtellt, in welchen jeder vorhergehende, mit jedem nachfolgenden Körper gerieben, poſitiv elektriſch wird, während jeder nachfolgende, mit jedem vorhergehenden gerieben, negativ elektriſch wird. Eine ſolche Reihe nennt man Spannungsreihe, und nachſtehende Spannungsreihe iſt von Faraday aufgeſtellt worden:
Dieſe Spannungsreihe ſtimmt mit Spannungsreihen, welche von anderen Forſchern aufgeſtellt wurden, im Weſentlichen überein. Sie erleidet aber bedeutende Abänderungen, wenn die einzelnen Körper in verſchiedenen Formen oder Zuſtänden verwendet werden. Reibt man z. B. alte Glasflächen, ſo werden ſie faſt immer poſitiv elektriſch; nur das Reiben mit Raubthierfellen und einigen Kryſtallen bildet72 eine Ausnahme. Matt geſchliffene Glasflächen werden jedoch auch dann negativ elektriſch, wenn man ſie mit Federn, Holz, Wolle, Papier oder mit der Hand reibt. In ähnlicher Art weichen viele Körper der Spannungsreihe von dem durch dieſe ausgedrückten Verhalten ab.
Bislang wurde nur die Reibung als Quelle der Elektricität betrachtet; ſie iſt aber, wenn auch eine hervorragende, ſo doch nicht die einzige Quelle. Es wird uns nicht überraſchen, daß auch Feilen und Schaben, als eine dem Reiben ähnliche Thätigkeit, Elektricität hervorruft. Man weiſt dies am einfachſten dadurch nach, daß man Siegellack oder einen anderen Iſolator feilt und die Späne auf eine Metallſcheibe auffallen läßt, welche man an Stelle der Kugel auf ein Goldblatt - Elektroſkop aufſchraubt.
In wenig verſchiedener Art wirkt auch das Schneiden, Spalten und Zer - brechen der Körper auf dieſe elektriſirend; Elektricität wird ferner durch Druck hervorgerufen, und in dieſer Richtung ſind namentlich gewiſſe Mineralien aus - gezeichnet. So wird z. B. der isländiſche Doppelſpath durch Drücken mit der Hand nicht nur elektriſch, ſondern behält ſeinen elektriſchen Zuſtand lange Zeit bei.
Die mechaniſchen Einwirkungen ſind jedoch nicht die einzigen Mittel, um einen Körper elektriſch zu machen; man erreicht dies vielmehr auch durch Einleitung chemiſcher Proceſſe, und gerade dieſe Art der Elektricitätserregung gehört zu den wichtigſten; ihr ſoll ein ſpäterer Abſchnitt dieſes Buches gewidmet werden.
Elektricität wird ferner durch Erwärmen der Körper hervorgerufen, und zwar ſowohl durch Erwärmen der Löthſtellen gewiſſer Metallcombinationen, worauf wir gleichfalls ſpäter noch zurückkommen werden, als auch durch Erhitzen verſchie - dener Kryſtalle; die letzterwähnten Erſcheinungen an Kryſtallen bezeichnet man mit dem Namen Pyro-Elektricität.
Ein ausgezeichnetes Beiſpiel für Pyro-Elektricität giebt der Turmalin. Der - ſelbe iſt unelektriſch, ſo lange ſich ſeine Temperatur von jener der Umgebung nicht unterſcheidet. Wird er jedoch erwärmt oder abgekühlt, ſo zeigt er zwei einander entgegengeſetzte elektriſche Pole, welche mit Hilfe eines Elektroſkopes leicht nach - gewieſen werden können. Die Pole, welche der Kryſtall beim Erwärmen und beim Abkühlen zeigt, ſind einander entgegengeſetzt, d. h. jener Pol, welcher beim Er - wärmen poſitiv wird, zeigt ſich beim Abkühlen als negativer Pol, und jener Pol, der beim Erwärmen negativ elektriſch erſcheint, wird beim Abkühlen poſitiv.
So verhalten ſich jedoch nicht nur die vollkommenen Turmalinkryſtalle ſondern auch Bruchſtücke derſelben; letztere erhalten dann ihren poſitiven Pol an jener Stelle des Bruchſtückes, welche vor dem Zerbrechen dem poſitiven Pole des ganzen Kryſtalles am nächſten lag. Der Turmalin behält ſeine elektriſchen Eigen - ſchaften ſelbſt dann noch bei, wenn man ihn pulvert. Dieſen Verſuch ſtellt man in der Weiſe an, daß man das Pulver auf einem Bleche erwärmt und dann mit einem Glasſtabe durcheinanderrührt. Das Pulver ballt ſich dann in Folge der Anziehungskraft der elektriſchen Theilchen untereinander zuſammen; ſobald jedoch das Pulver die Temperatur der Umgebung wieder angenommen hat, hört auch das Zuſammenballen auf.
Das eben geſchilderte elektriſche Verhalten des Turmalins iſt jedoch nicht dieſem Minerale ausſchließlich eigenthümlich, ſondern kommt an vielen anderen73 Kryſtallen, wie z. B. am Schwerſpath, Topas, Borazit u. a. in mehr oder weniger deutlich ausgeſprochener Form vor.
Schließlich möge noch eine Art der Elektricitätserregung erwähnt werden, die bei einem beſtimmten chemiſchen Proceſſe, nämlich jenem der Verbrennung, auf - tritt. Es wurde durch verſchiedene Forſcher nachgewieſen, daß die Flammen von Waſſerſtoffgas, Wachs, Alkohol, Oel u. dgl. ſich elektriſch erweiſen; ähnliches Verhalten zeigen glimmende Körper, was z. B. durch ein auf das Elektroſkop aufgeſetztes Räucherkerzchen erſichtlich wird. Das Elektroſkop zeigt hierbei negative Elektricität des Kerzchens an, während ſich der abziehende Rauch als poſitiv elek - triſch erweiſt.
Bereits bei den Verſuchen mit dem Henley’ſchen Quadranten-Elektrometer und dem Goldblatt-Elektroſkope wurde beobachtet, daß ſich die beiden Pendel ſtärker abſtoßen, alſo einen größeren Winkel miteinander einſchließen, wenn die ihnen ertheilte elektriſche Ladung eine größere wird, als bei Mittheilung kleiner Elektricitätsmengen. In welchem Verhältniſſe jedoch die Größe der Abſtoßung zu der Stärke der Ladung ſteht, konnte mit dieſen Inſtrumenten nicht beſtimmt werden; um dies zu erreichen, alſo die Geſetze der elektriſchen Anziehung und Abſtoßung feſtzuſtellen, bedarf es eines Inſtrumentes, deſſen Angaben genauer und verläßlicher ſind. Coulomb, der dieſe Geſetze entdeckte, hat ſie mit der Drehwage nachgewieſen.
Die Drehwage, wie ſie zum Nachweiſe der elektriſchen Anziehungs - und Abſtoßungsgeſetze verwendet wird, iſt in Fig. 37 abgebildet. Sie unterſcheidet ſich von der bereits beſprochenen magnetiſchen Drehwage (S. 51), wie ein Blick auf die beiden Figuren lehrt, nur in einigen Theilen. Zunächſt muß der Aufhängedraht d für den Wagebalken ſehr dünn genommen werden, da es ſich in der Regel um Meſſungen ſehr ſchwacher Kräfte handelt. Der Wagebalken beſteht aus einem Schellack - oder Glasfaden, oder endlich, wie Rieß angiebt, aus einem Schellackcylinderchen, auf welchem an ſeinen beiden Enden Glasfäden befeſtigt ſind; letztere werden über - dies noch mit Schellack überzogen. Der Wagebalken trägt an einem Ende eine ver - goldete Hollundermarkkugel B und an dem gegenüberliegenden Ende eine vertical geſtellte Glimmerſcheibe. Dieſe hat einerſeits den Zweck, der Kugel das Gleich - gewicht zu halten, andererſeits dient ſie als Zeiger, um die Stellung des Wage - balkens an der Cylindertheilung ableſen zu können. Durch die Oeffnung D im Deckel des Glascylinders kann eine der Kugel B an Größe genau gleiche, ver - goldete Hollundermarkkugel eingeführt werden. Dieſe Kugel, welche man die Stand - kugel nennt, iſt an einem Schellackſtäbchen befeſtigt. Die Oeffnung E dient dazu, um der Standkugel und der anliegenden Kugel des Wagebalkens Elektricität mit - theilen zu können.
Die Verſuche werden in folgender Weiſe durchgeführt: Zunächſt ſtellt man den Wagebalken ſo, daß ſeine Kugel die Standkugel berührt, ohne daß der Metall - draht tordirt iſt. Dann theilt man der Standkugel Elektricität mit, indem man eine elektriſirte und an einem iſolirenden Stiele befindliche Metallkugel durch die Oeffnung E in den Glascylinder einführt und die Standkugel mit der Metallkugel einen Augenblick berührt. Die Elektricität ſtrömt dann von der Metallkugel auf die Standkugel über, und da dieſe mit der gleich großen Kugel des Wagebalkens in Berührung iſt, vertheilt ſich die elektriſche Ladung auf beide Kugeln der Tor -74 ſionswage in gleicher Weiſe. Jetzt ſtoßen ſich die Standkugel und die Kugel B wegen ihres gleichnamigen elektriſchen Zuſtandes einander ab und der Wagebalken dreht ſich um einen beſtimmten Winkel aus ſeiner urſprünglichen Gleichgewichtslage. Er erreicht ſeine neue Gleichgewichtslage, wenn die Kraft der Abſtoßung beider Kugeln gleich iſt der ihr entgegenwirkenden Torſionskraft des Metalldrahtes.
Nach dieſem erſten Verſuche dreht man den Torſionskreis derart, daß die Torſion des Drahtes vermehrt wird und bringt dadurch die Kugel des Wagebalkens
Coulomb’s Drehwage.
der Standkugel näher. Auch jetzt wird ſich der Wagebalken im Gleichgewichte befinden, ſobald die abſtoßende Kraft der beiden elektriſchen Kugeln gleich iſt der Torſionskraft des Drahtes. Eine neuerliche Drehung des Torſionskreiſes im vorigen Sinne giebt für eine dritte Stellung der Kugeln gegeneinander die Größe der einander entgegenwirkenden Kräfte. Die Größe der elektriſchen Kräfte in den verſchiedenen Stellungen wird in derſelben Art aus dieſen Ver - ſuchen beſtimmt, wie dies bei der Nach - weiſung der magnetiſchen Kräfte bereits angegeben wurde (S. 51). Die Zahlen, welche man dann erhält, zeigen, daß ſich die abſtoßenden Kräfte umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen verhalten.
In ähnlicher Weiſe kann das Verhalten ungleichnamiger Elektricitäten, alſo die elektriſche Anziehung, unter - ſucht werden; auch aus dieſen Ver - ſuchen reſultirt, daß ſich die anziehen - den Kräfte umgekehrt verhalten wie die Quadrate der Entfernungen.
Bei den vorhergehenden Ver - ſuchsreihen wurde das Verhalten der anziehenden oder abſtoßenden Kräfte nur in Bezug auf die Entfernung beider Kugeln voneinander unter - ſucht. Auf die Größe der abſtoßen - den oder anziehenden Kraft hat aber außerdem die Menge der wirkenden Elektricität Einfluß. In welcher Art dieſe ihre Wirkung geltend macht, kann ebenfalls mit der Torſionswage leicht gezeigt werden. Zu dieſem Behufe elektriſirt man die Standkugel ganz in derſelben Weiſe wie bei unſerem erſten Verſuche; dann dreht man den Torſionskreis, bis der Wagebalken einen beſtimmten Winkel mit ſeiner früheren Ruhelage einſchließt. Hierauf berührt man die Standkugel mit einer ihr ganz gleichen, ebenfalls iſolirten, aber unelek - triſchen Kugel. Nun ſtrömt von der Standkugel auf die ihr genäherte Kugel ſo lange Elektricität über, bis beide Kugeln gleich ſtark elektriſch ſind; in der75 Standkugel bleibt ſomit, nachdem die zweite Kugel entfernt worden iſt, die Hälfte der urſprünglichen Elektricitätsmenge zurück. Dieſe übt auf die Kugel des Wage - balkens eine geringere Abſtoßungskraft aus, und die Kugel des Wagebalkens wird ſich daher der Standkugel nähern; durch Drehung am Torſionskreiſe kann jedoch der Wagebalken wieder in die früher innegehabte Stellung gebracht werden. Man findet dabei, daß die Torſionskraft im letzteren Falle die Hälfte der Torſion beim erſten Verſuche beträgt. Nun berührt man die Standkugel mit einem nicht iſolirten Leiter und entzieht ihr auf dieſe Weiſe die ganze Elektricität. Der Wagebalken dreht ſich dann bis zur Berührung ſeiner Kugel mit der Standkugel zurück und giebt an dieſe die Hälfte ſeiner Elektricität ab; nun ſtoßen ſich die Kugeln neuerdings ab, und der Winkel wird mit Hilfe des Torſionskreiſes wieder auf dieſelbe Größe gebracht. Die Torſionskraft zeigt ſich abermals um die Hälfte verringert. Alſo z. B. in der Art: Die der Standkugel anfänglich mitgetheilte Elektricitätsmenge betrage 4 Einheiten irgend welchen Maßſyſtemes. Durch Berührung mit der Kugel des Wagebalkens vertheilen ſich dieſe 4 Einheiten zu 2 und 2 auf die Standkugel und jene des Wagebalkens. Durch Berühren der Standkugel mit einer ihr gleich großen Kugel giebt ſie die Hälfte ihrer Elektricität ab und ſomit bleiben auf der Standkugel die Elektricitätsmenge 1 und auf der Kugel des Wagebalkens die Menge 2. Dann wird die Standkugel entladen, beide Kugeln zur Berührung gebracht, alſo die Elektricitätsmenge 2 auf der Kugel des Wagebalkens halbirt und man hat jetzt auf jeder Kugel die Menge 1. Die Experimente geben aber, wenn man z. B. den Wagebalken immer auf 30 Grad einſtellt, im erſten Falle eine Torſion von 96 Grad, im zweiten Falle von 38 Grad und im dritten Falle von 4 Grad. Die Torſionskräfte verhalten ſich daher wie 30 + 4 zu 30 + 38 zu 30 + 96 oder 34 zu 68 zu 126.
Die Elektricitätsmengen aber wie 2mal 2 zu 2mal 1 zu 1mal 1 oder 4 zu 2 zu 1, d. h. wird die Elektricitätsmenge halbirt, ſo muß auch die entgegenwirkende Torſionskraft halbirt werden, wenn der Ausſchlagwinkel des Wagebalkens gleich - bleiben ſoll, oder mit anderen Worten: Die elektriſchen Abſtoßungen verhalten ſich gerade ſo wie die Producte aus den aufeinander einwirkenden Elektricitäts - mengen.
Faſſen wir nun die Verſuche mit der Torſionswage, wie ſie jetzt beſchrieben wurden, zuſammen und bedenken wir noch, daß bei einer elektriſirten Kugel die von allen Punkten ihrer Oberfläche gleichförmig ausgeübten Kräfte in ihrem Mittel - punkte vereinigt angenommen werden können, ſo ergiebt ſich folgendes Geſetz: Zwei elektriſirte Punkte ziehen ſich an oder ſtoßen ſich ab, propor - tional dem Producte der auf beiden vorhandenen Elektricitätsmengen und umgekehrt proportional dem Quadrate ihres Abſtandes.
Die Meſſung der Elektricitätsmengen, welche die Körper beſitzen, kann in zweierlei Weiſe erfolgen; entweder man beſtimmt blos das Verhältniß der Elek - tricitätsmengen zweier oder mehrerer Körper zueinander, oder man drückt die Elek -
Torſions-Elektrometer von Kohlrauſch.
tricitätsmenge durch ein abſolutes Maß aus. Zu Meſſungen der erſten Art kann wieder die Torſionswage dienen und hat die Ausführung der Meſſung, nachdem wir das Geſetz über die Ein - wirkung elektriſirter Körper aufeinander kennen, keine Schwierigkeit mehr. Man ladet die Standkugel in zwei auf - einanderfolgenden Verſuchen mit den beiden zu vergleichenden Elektricitäten und bekommt dann aus den Größen für die Torſionskräfte, die in der vorhin angegebenen Weiſe beſtimmt werden, das Verhältniß beider Elektri - citätsmengen zueinander.
Um Elektricitätsmengen im ab - ſoluten Maße zu meſſen, muß man zunächſt eine Einheit feſtſtellen. Solche werden von verſchiedenen Forſchern angegeben. Weber ſchlägt in Ueber - einſtimmung mit dem magnetiſchen Maße jene Elektricitätsmenge als Ein - heit vor, welche, auf einer kleinen Kugel vertheilt, eine andere genau gleiche und mit der gleichnamigen und gleich großen Elektricitätsmenge geladene Kugel, die von der erſten 1 Millimeter entfernt iſt (von Mittelpunkt zu Mittelpunkt gerechnet), mit einer Kraft abſtößt, welche der Maſſe von 1 Milligramm in einer Secunde die Geſchwindigkeit von 1 Millimeter ertheilt.
Die Torſionswage kann nur dann, wenigſtens unmittelbar, zu Meſſungen verwendet werden, wenn es ſich nicht um gar zu geringe Größen handelt. Zur Meſſung dieſer bedient man ſich beſſer der von Dellmann und Kohlrauſch angegebenen empfindlicheren Inſtrumente oder, wenn äußerſte Empfindlichkeit ge - fordert wird, des Quadrauten-Elektrometers von Thomſon.
Dellmann’s Meßapparat iſt der Hauptſache nach eine Torſionswage, die aber durch einige Abänderungen gegenüber der gewöhnlichen Torſionswage bedeutend empfindlicher gemacht wurde. Zunächſt ſind ſchon Wagebalken und Aufhängeart anders; Dellmann verwendet nämlich an Stelle des Wagebalkens aus Schellack77 einen ſolchen aus Metall und an Stelle des Drahtes zu deſſen Aufhängung einen Glasfaden. Die Standkugel wird aber durch eine ganz eigenartige Einrichtung erſetzt. Dieſe beſteht aus einem horizontal aufgeſtellten Metallbügel, gegen welchen ſich der Wagebalken ſo anlegen kann, daß die eine Hälfte desſelben die eine Seite und die andere Hälfte desſelben die andere Seite des Bügels berührt. Daß dieſe Einrichtung die Empfindlichkeit der Torſionswage bedeutend vermehrt, iſt begreiflich, denn wenn man nun Wagebalken und Bügel gleichnamig elektriſirt, ſo ſtoßen ſich beide in ihrer ganzen Länge ab, während bei der gewöhnlichen Torſionswage die Abſtoßung nur zwiſchen zwei Kugeln geringen Durchmeſſers ſtattfindet.
Die Form, welche das Inſtrument von Kohlrauſch bekam, iſt in Fig. 38 abgebildet. Der Bügel a a iſt aus Silber angefertigt und durch Schellackfüßchen b b feſtgekittet. Der Wagebalken, gleichfalls aus Silber, hängt an dem Glasfaden i ſo in den Ausſchnitt von a a hinein, daß er ſich in Folge der Biegungen des Bügels zu beiden Seiten an denſelben anlegen kann. Der Spiraldraht unterhalb des Wagebalkens dient zur Zuleitung der Elektricität. Die Meſſungen ſelbſt werden mit dieſem Inſtrumente in ganz ähnlicher Art ausgeführt wie bei der gewöhnlichen Tor - ſionswage.
Kohlrauſch hat noch ein zweites Elek - trometer (Sinus-Elektrometer) angegeben, bei welchem die der elektriſchen Abſtoßung ent - gegenwirkende Kraft in der Richtkraft des Erdmagnetismus, ausgeübt auf eine Magnet - nadel, beſteht. Wenngleich dieſes und das vorerwähnte Inſtrument bedeutend empfind - licher ſind als die gewöhnliche Torſionswage, und namentlich das Sinus-Elektrometer von Kohlrauſch ganz bequem iſt, ſobald es ſich darum handelt, eine größere Anzahl von Meſſungen raſch hintereinander auszuführen, ſo verſagen doch auch dieſe Apparate bei
Quadranten.
exacten Meſſungen ſehr ſchwacher Elektricitäten ihren Dienſt und dann muß an deren Stelle Thomſon’s Quadranten-[Elektrometer] treten.
Das Quadranten-Elektrometer von Thomſon beruht dem Principe nach darauf, daß ein conſtant elektriſirter Körper auf einen mit der zu unter - ſuchenden Elektricität geladenen zweiten Körper einwirkt und dieſen zu drehen ſucht, oder daß der zweite Körper feſtſteht und den erſten zu drehen ſucht. Auf Grundlage dieſes Principes hat Thomſon eine größere Anzahl von Meßapparaten conſtruirt, deren einer, und zwar jener, welcher die größte Verbreitung erlangte, nachſtehend beſchrieben werden ſoll.
Der charakteriſtiſche Beſtandtheil desſelben, die Quadranten mit der Nadel, ſind in Fig. 39 getrennt abgebildet, während Fig. 40 eine perſpectiviſche Anſicht des ganzen Elektrometers giebt. Die vier Quadranten zuſammengenommen bilden eine flache cylindriſche Büchſe (Fig. 39), die durch zwei aufeinander ſenk - recht geführte Schnitte in die vier Theile oder Quadranten A, B, C, D getheilt iſt. Das Material der Quadranten iſt Meſſingblech. Je zwei einander gegenüberliegende Quadranten ſind durch Drähte leitend miteinander verbunden, und ſämmtliche78 Quadranten nach innen zu ſo ausgeſchnitten, daß ihre inneren Begrenzungen einen zum Umfange des ganzen Cylinders concentriſchen Kreis bilden. Innerhalb der vier Quadranten ſchwebt, an einem feinen Platindrahte aufgehängt, die Nadel C von der aus der Figur erſichtlichen eigenthümlichen (lemniskatiſchen) Form. Dieſe Nadel iſt aus Aluminiumblech gefertigt.
Der Platindraht, an welchem die Nadel hängt, iſt nach unten verlängert und trägt an ſeinem unteren Ende ein kleines Platingewichtchen; oberhalb der Nadel, bei t, ſind an dem Platindrahte ein kleiner Hohlſpiegel und ein Magnetſtäbchen
Quadranten-Elektrometer von Thomſon.
befeſtigt, und das Ganze, nämlich Platindraht, Spiegel, Magnet und Nadel, ſammt dem herab - hängenden Drahte mit dem Ge - wichtchen hängt an einem Cocon - faden. Die ganze Vorrichtung umgiebt ein unten abgerundeter Glascylinder, der in einem feſten Geſtelle ſo gehalten wird, daß ſein oberer Rand in eine hori - zontale Ebene fällt. Der Glas - cylinder ſelbſt iſt außen und innen bis nahe an ſeinen oberen Rand mit Stanniol belegt, ſo daß er, wie wir ſpäter ſehen werden, eine Kleiſt’ſche Flaſche bildet. Er enthält in ſeinem unteren Theile concentrirte Schwefelſäure, welche den dop - pelten Zweck erfüllt, die Luft innerhalb des Elektroſkopes trocken zu erhalten und die Nadel mit der inneren Belegung der Flaſche in leitende Verbindung zu ſetzen. Nach oben zu iſt der Glas - cylinder durch einen Metalldeckel abgeſchloſſen, an welchem durch Glasſtäbe die Quadranten (a b, Fig. 40) befeſtigt ſind. Die Zuleitung der Elektricität zu den Quadranten a und b erfolgt durch die von den übrigen Theilen des Elek - trometers wohl iſolirten Elektroden 1 und m; die Enden der von dieſen Elek - troden zu den beiden Quadranten führenden Drähte ſind in der Figur als zwei Spiralen ſichtbar.
Setzt man die äußere Belegung des Glascylinders mit der Erde in leitende Verbindung und theilt der inneren Belegung Elektricität mit, ſo bleibt die Ladung des Inſtrumentes (der Flaſche) und ſomit auch der Nadel, die durch Vermittlung der Schwefelſäure und des Platindrahtes geladen wird, lange Zeit hindurch con - ſtant. Die Quadranten erhalten ihre elektriſche Ladung, wie bereits angedeutet, durch die Elektroden 1 oder m; gewöhnlich ſetzt man eine der Elektroden mit der79 Erde in leitende Verbindung, die andere mit der zu prüfenden Elektricitätsquelle. In Folge der früher angegebenen Verbindung je zweier einander gegenüberlie - gender Quadranten iſt dann ein Paar geladen, das andere aber unelektriſch.
Die Ruhelage der Nadel, d. h. jene Lage, welche ſie einnimmt, ſo lange ſämmtliche Quadranten unelektriſch ſind, iſt aus Fig. 39 erſichtlich; ſie iſt derart, daß die Nadel durch einen der die Quadranten trennenden Schnitte genau in zwei gleiche Hälften getheilt wird. Die Nadel wird in dieſer Lage gehalten durch Ein - wirkung des außerhalb des Glascylinders angebrachten und am Geſtelle befeſtigten Magnetes (Fig. 40) auf die kleine Magnetnadel bei t.
Die Meſſungen mit dem eben beſchriebenen Elektrometer werden in folgender Art vorgenommen. Zunächſt theilt man der inneren Belegung des Glascylinders eine gewiſſe Menge Elektricität durch die Elektrode p mit, welche mit dieſer Be - legung in leitender Verbindung ſteht. Die Ladung, welche die innere Belegung auf dieſe Weiſe erhält, bleibt längere Zeit conſtant und theilt ſich auch der Aluminium - nadel mit, indem ſie durch die Schwefelſäure und den Platindraht, der bis nahe an die Oberfläche der letzteren durch einen Cylinder W geſchützt iſt, geleitet wird. Die Aluminiumnadel bleibt vorläufig in ihrer Lage unverändert erhalten, da ſie zu den unelektriſchen Quadranten vollkommen ſymmetriſch ſchwebt. Setzt man nun aber eine der Elektroden l oder m mit der zu prüfenden Elektricitätsquelle in Ver - bindung, ſo werden zwei einander gegenüberliegende Quadranten geladen; nehmen wir an, es ſeien dies die Quadranten A und C (Fig. 39), die durch einen Draht untereinander verbunden ſind. Jetzt iſt das Gleichgewicht der Nadel natürlich geſtört und dieſe wird ſich je nach der Art ihrer Ladung drehen. Iſt die Nadel poſitiv elektriſch und ſind auch die beiden Quadranten A und C poſitiv elektriſch, ſo wird der Quadrant A die eine Hälfte (in der Figur die rückwärtige) der Nadel gegen den Quadranten B, die andere (vordere) Hälfte der Nadel gegen den Qua - dranten D zu drehen ſuchen. Ein Blick auf die Figur lehrt, daß dieſe beiden Drehungen ſich unterſtützen und daß ſich daher die Nadel nach einer Richtung (Richtung des Zeigers einer Uhr) drehen wird. Die Stärke der Abſtoßung iſt aber, wie wir gehört haben, direct proportional dem Producte der Elektricitätsmengen der ſich abſtoßenden Körper, ſomit kann ſie durch die Größe der Nadelablenkung be - ſtimmt werden. Dies gilt bei dem Thomſon’ſchen Elektrometer allerdings nur ſo lange, als die Ablenkung eine ſehr geringe iſt, denn bei einer größeren Ablenkung der Nadel wird auch ihre Stellung zu der auf den Quadranten vorhandenen Elektricitätsmenge verändert. Das Inſtrument iſt deshalb nur zur Meſſung ſehr ſchwacher Kräfte geeignet, wird aber deſto genauere Reſultate geben, je kleiner die zu meſſenden Kräfte ſind. Der Ablenkung der Nadel durch die elektriſche Abſtoßungskraft wirkt die Anziehungs - kraft des außerhalb des Elektroſkopes angebrachten Magnetes auf die Magnetnadel bei t entgegen, und das ganze Syſtem iſt dann im Gleichgewichte, wenn die magne - tiſche Richtkraft und die elektriſche Abſtoßungskraft einander gleich groß ſind.
Man beobachtet dieſe Gleichgewichtslage mit Hilfe des bei t angebrachten Spiegels. Dieſer wirft das Bild eines hellen Spaltes, eine feine Lichtlinie, auf eine horizontal aufgeſtellte Scala und das Wandern dieſer Linie auf der Scala ermöglicht die Beſtimmung des Ablenkungswinkels. Das Quadranten-Elektrometer von Thomſon übertrifft an Genauigkeit alle übrigen Inſtrumente, ſo lange es ſich, wie bereits erwähnt, um die Meſſung ſchwacher Kräfte handelt; daraus erſieht man aber auch, daß durch die Anwendung dieſes Elektrometers jene der anderen Inſtrumente durchaus nicht wegfallen kann, daß vielmehr jedes für beſtimmte Meſſung zu benutzen iſt.
Theilt man in der Coulomb’ſchen Drehwage der Kugel des Wagebalkens und der Standkugel eine gewiſſe Menge Elektricität mit, ſo ſtoßen ſich beide Kugeln ab und die neue Gleichgewichtsſtellung des Wagebalkens bildet mit ſeiner urſprüng - lichen Ruhelage einen beſtimmten Winkel. Ueberläßt man in dieſem Zuſtande die Torſionswage ſich ſelbſt, ſo wird der Winkel nach und nach kleiner, was offenbar nur daher rühren kann, daß die abſtoßende Kraft ſich vermindert, da die Torſion des Aufhängedrahtes der Nadel nicht geändert wurde. Die Abnahme der abſtoßenden Kraft kann jedoch nur von einem Verluſte an elektriſcher Ladung herrühren. Wo - durch kann nun dieſer eintreten? Die Kugeln ſind bis auf jene Stellen, an welchen ſie auf ihre Träger befeſtigt ſind, von Luft umgeben, müſſen alſo einen Theil ihrer Elektricität entweder an die Luft oder an den Träger oder endlich an beide ab - geben. Eingehende Unterſuchungen hierüber beſtätigten, daß der letzterwähnte Fall wirklich eintritt. Man nennt jenen Verluſt an Elektricität, welchen ein Körper mit der Zeit durch Abgabe an die Luft verliert, Zerſtreuung, den Verluſt jedoch, der durch die den Körper unterſtützenden Iſolatoren herbeigeführt wird, den Stützenverluſt.
Die Zerſtreuung erklärt man ſich in der Art, daß man annimmt, der elek - triſche Körper ziehe die Lufttheilchen an, theile ihnen Elektricität mit und ſtoße ſie dann wieder ab. Durch dieſe Abgabe von Elektricität an die Lufttheilchen wird natürlich die Menge der auf einem Körper urſprünglich vorhandenen Elektricität vermindert.
Der Stützenverluſt rührt daher, daß es eben, wie auch bei Beſprechung der Leitungsfähigkeit verſchiedener Körper ſchon erwähnt wurde, keine abſoluten Iſolatoren oder Nichtleiter giebt. Die Elektricität breitet ſich eben vom Körper aus auf den ihn ſtützenden Iſolator eine gewiſſe Strecke weit aus. Steht dann der Iſolator innerhalb dieſer Strecke mit einem leitenden Körper in Ver - bindung, ſo findet durch dieſen ein Abfließen von Elektricität ſtatt. Die Größe der Ausbreitung der Elektricität auf dem iſolirenden Träger hängt von der Menge der auf dem elektriſirten Körper angehäuften Elektricität ab, und die Menge der Elektricität auf der iſolirenden Stütze nimmt mit der Entfernung von dem elek - triſchen Körper ab, ſo daß ſie den Iſolator gewiſſermaßen mit einer Schichte über - zieht, die gegen den elektriſchen Körper zu immer dicker wird. Nach der entgegen - geſetzten Richtung hin, alſo vom elektriſchen Körper weg, wird die Schichte immer dünner und in beſtimmter Entfernung gleich Null. *)Es mag bei dieſer Gelegenheit gleich erwähnt werden, daß man die Dicke einer ſolchen Schichte oder die Menge der Elektricität auf der Flächeneinheit die Dichte der Elektricität an jener Stelle des Körpers nennt.Setzt ſich der iſolirende Träger über dieſen Nullpunkt noch hinaus fort, ſo verliert der elektriſirte Körper außer der angegebenen Schichte weiter keine Elektricität. Iſt aber z. B. der Iſolator mit einer Schichte von Staub und Feuchtigkeit bedeckt, ſo daß dieſe Bedeckung in die elektriſche Schichte hineinreicht, ſo findet dann auch noch durch dieſe leitende Be - deckung eine Ableitung ſtatt. Um die Entſtehung einer ſolchen leitenden Bedeckung hintanzuhalten, überzieht man iſolirende Glasfüße mit einem dünnen Schellack - überzuge, der weniger hygroſkopiſch iſt (weniger Feuchtigkeit an ſeiner Oberfläche verdichtet) als das Glas. Der Schellacküberzug hat aber den Uebelſtand, daß Staubtheilchen leichter an ihm haften und dieſe durch Abwiſchen ſchwierig zu ent -81 fernen ſind, ja durch das Abwiſchen ſogar neuerdings Fädchen dazugebracht werden. In dieſem Falle ſchlägt ſich dann die Feuchtigkeit noch mehr nieder und deshalb ſind blanke Glasfüße vorzuziehen, deren Oberfläche man vor dem Gebrauche des betreffenden Apparates gut reinigt.
In neuerer Zeit wird auch Hartgummi häufig zu iſolirenden Stützen oder Theilen verwendet und bewährt ſich wenigſtens anfangs ganz gut. Doch darf auf ſeine Iſolirungsfähigkeit auch nicht gar zu ſicher vertraut werden, da der in ihm enthaltene Schwefel ſich im Verlaufe der Zeit mit Sauerſtoff verbindet und dieſe Säureproducte unter Umſtänden die Iſolationsfähigkeit des Hartgummi ganz erheblich vermindern können.
Bezüglich des Elektricitätsverluſtes durch Zerſtreuung iſt noch zu bemerken, daß die Größe dieſes Verluſtes ſich mit dem Feuchtigkeitsgrade der Luft ändert, und zwar größer wird mit der Zunahme der Feuchtigkeit. Ferner iſt die Zer - ſtreuung auch verſchieden, wenn der elektriſirte Körper ſich in verſchiedenen Gaſen befindet.
Berührt man die Hollundermarkkugeln eines Doppelpendels mit einem elek - triſirten Körper, ſo theilt dieſer den beiden Kugeln gleichnamige Elektricität mit, und die Pendel divergiren in Folge der aufeinander ausgeübten Abſtoßung. Die Kugeln ſtoßen ſich aber auch dann ab, wenn man den Verſuch in der Weiſe abändert, daß man ſie mit dem elektriſirten Körper, alſo z. B. mit einer geriebenen Siegellackſtange nicht berührt, ſondern letztere nur den beiden Kugeln nähert. Dieſe werden alſo ſchon dadurch elektriſch, daß ſie in die Nähe eines elektriſirten Körpers gelangen. Hierbei zeigen ſich die beiden Kugeln poſitiv elektriſch, wenn man ihnen die negativ elektriſche Siegellackſtange nähert, und negativ elektriſch, wenn man eine poſitiv elektriſche Glasſtange in ihre Nähe bringt.
In ebenſo anſchaulicher als bequemer Weiſe laſſen ſich dieſe Erſcheinungen mit dem von Rieß angegebenen Vertheilungs-Apparate (Fig. 41) zeigen. An einem Stativ f ſind drei horizontale Träger, die mit Ausnahme der Anſätze an ihren beiden Enden aus Glasſtäben beſtehen, verſtellbar befeſtigt. Der oberſte Träger hält einen Meſſingſtab oder hohlen, an beiden Enden abgerundeten Meſſingcylinder, welcher an mehreren Stellen mit Hollundermarkkügelchen verſehen iſt, die an feinen Drähten hängen. Die mittlere Kugel iſt am Meſſingſtab verſtellbar und kann dem einen oder dem anderen Ende des Stabes beliebig genähert werden. Der mittlere Arm des Stativs trägt die Glasſcheibe d und der unterſte Arm die Meſſing - kugel e. Gegen den Mittelpunkt dieſer Kugel iſt der Meſſingſtab a b gerichtet.
Die drei Arme werden ſo geſtellt, daß ſich Stab, Glasſcheibe und Kugel übereinander befinden, jedoch zwiſchen Scheibe und Stab einerſeits und Scheibe und Kugel andererſeits ein Zwiſchenraum befindet, d. h. alſo, daß ſich dieſe drei Körper an keiner Stelle berühren. Theilt man nun der Kugel e Elektricität mit, ſo wird im ſelben Augenblicke auch der Stab a b elektriſch. Der elektriſche Zuſtand des Stabes verräth ſich durch Abſtoßen der Hollundermarkkugeln.
Da nun die Kugel e den Stab a b an keiner Stelle berührt, vielmehr noch durch die Glasſcheibe d von ihm getrennt iſt, kann der Stab ſeinen elektriſchen Zuſtand nicht einer Mittheilung von Elektricität durch die Kugel verdanken, ſondern es muß vielmehr die bloße Nähe der elektriſchen Kugel auf den Stab a b gewirktUrbanitzky: Elektricität. 682haben. Dieſe Art der Elektricitätserregung nennt man Erregung durch Influenz oder durch Vertheilung, und die auf dem Stabe erregte Elektricität dementſprechend Influenz - oder Vertheilungs-Elektricität.
Bei obigem Verſuche beobachtet man aber auch, daß der Stab a b nicht an allen Stellen gleich ſtark elektriſch geworden iſt, denn, indes die Pendel bei a und b eine ſtarke Abſtoßung zeigen, wird das Pendel nahe der Mitte des Stabes faſt gar nicht abgeſtoßen. Bewegt man dieſes Pendel dem Stab entlang, ſo kommt man zu einer Stelle, wo die Abſtoßung wirklich gleich Null iſt. Daraus folgt aber, daß der Stab an dieſer Stelle unelektriſch iſt, während die Elektricität an den beiden Enden bei a und b ihre größte Dichte beſitzt. Unterſucht man ferner nach einer der früher angegebenen Methoden die Art der Elektricität auf dem Stabe,
Vertheilungsapparat nach Rieß.
ſo findet man jene bei a der bei b entgegengeſetzt und jene bei a entgegen - geſetzt jener auf der Kugel e.
Man theilt z. B. der Kugel e poſitive Elektricität mit und nähert nun der Hollundermarkkugel bei a eine ge - riebene Siegellackſtange; dieſe wird die Hollundermarkkugel abſtoßen, während eine geriebene Glasſtange dieſelbe an - zieht. Das Ende des Meſſingſtabes bei a iſt deshalb negativ elektriſch. Nähert man jedoch der Hollunder - markkugel bei b eine Siegellackſtange, ſo zieht dieſe die Kugel an, während eine geriebene Glasſtange ſie abſtößt; daher iſt das obere Ende des Meſſing - ſtabes poſitiv elektriſch. Durch Ver - ſchieben der mittleren Hollundermark - kugel erreicht man, wie bereits erwähnt, eine Stelle des Meſſingcylinders, die ſich ganz unelektriſch erweiſt und nahezu in der Mitte des Stabes, jedoch näher der Meſſingkugel e zu liegt. Man nennt dieſe Stelle Mittellinie oder Indifferenzzone.
Ladet man die Kugel e mit negativer Elektricität, ſo treten im Stabe a b ganz gleiche Erſcheinungen auf, nur folgen ſie in umgekehrter Ordnung: das Ende bei a wird poſitiv elektriſch, dann folgt wieder die Indifferenzzone, und das Ende bei b iſt negativ elektriſch. Die Influenz-Elektricität tritt in jedem Körper auf, welcher der Kugel genähert wird, und zwar immer derart, daß an jener Stelle des Körpers, welche ſich der Kugel am nächſten befindet, Elektricität entgegen - geſetzter Art, und an jener Stelle, welche von der Kugel am weiteſten entfernt iſt, Elektricität gleicher Art erſcheint. Die Kugel kann hierbei auch durch irgend einen anderen elektriſirten Körper erſetzt werden.
Entfernt man den influenzirenden Körper von dem influenzirten oder entladet man den influenzirenden Körper, ſo wird jedoch in beiden Fällen der elektriſche Zuſtand des influenzirten Körpers aufgehoben. Daraus ergiebt ſich aber, daß die83 beiden Influenz-Elektricitäten in gleicher Menge entſtehen müſſen, da, ſo lange der influenzirende Körper in der Nähe iſt, beide getrennt erhalten werden; ſobald aber der letztere entfernt wird, ſich beide als gleich groß und entgegengeſetzt vereinigen und gegenſeitig aufheben. Der influenzirende Körper zieht nämlich die ihm ungleich - namige Elektricität des genäherten Leiters an, ſtößt die ihm gleichnamige Elek - tricität ab und trennt in dieſer Weiſe beide Elektricitäten, die ſich aber, ſobald der influenzirende Körper entfernt wird, wieder vereinigen, weil die ſie trennende Kraft zu wirken aufgehört hat. Um die beiden Influenz-Elektricitäten zu unterſcheiden, nennt man die mit der Elektricität des influenzirenden Körpers ungleichnamige (alſo von ihm angezogene) Influenz-Elektricität erſter Art und die gleich - namige (alſo abgeſtoßene) Influenz-Elektricität zweiter Art.
Wenngleich nach Obigem der influenzirte Körper nur ſo lange elektriſch bleibt, als der influenzirende Körper ſich in ſeiner Nähe befindet, ſo giebt es doch ein Mittel, den influenzirten Körper dauernd zu laden; dieſes Mittel beſteht einfach darin, daß man die beiden getrennten Influenz-Elektricitäten verhindert, ſich wieder zu vereinigen. In einfachſter Art läßt ſich dies bewerkſtelligen, wenn man den Stab oder Cylinder a b des Vertheilungs-Apparates aus zwei Theilen zuſammenſetzt. Die Influenz-Elektricität erſter Art befindet ſich dann auf der unteren Hälfte, die Influenz-Elektricität zweiter Art auf der oberen Hälfte des Stabes; trennt man dann beide Hälften voneinander, ſo kann man die influenzirende Metallkugel ent - fernen oder entladen, ohne daß die beiden Stabhälften ihre Elektricität verlieren. Dabei iſt nur vorausgeſetzt, daß die Stabhälften von ihrer Umgebung gut iſolirt ſind. Statt den Stab in zwei Stücke zu theilen, kann man natürlich auch an dem Ende des Stabes bei a oder bei b einen zweiten Stab anbringen, der mit dem erſten in Berührung ſteht und nach der Influenzirung von ihm wieder getrennt wird. In jedem Falle bleibt auf jenem Theile des Geſammtleiters, welcher der Kugel am nächſten ſtand, Influenz-Elektricität erſter Art zurück, während der ent - ferntere Theil Influenz-Elektricität zweiter Art behält.
Die Erhaltung der Influenz-Elektricität nach Entfernung des influenzirenden Körpers gelingt aber auch noch auf eine zweite, ſcheinbar andere Art. Nur erhält man bei dieſem Verfahren blos Influenz-Elektricität erſter Art. Man verbindet zu dieſem Behufe den Meſſingſtab oder Cylinder a b an irgend einer Stelle leitend mit der Erde und hebt nach der Influenzirung die Verbindung wieder auf, noch bevor der influenzirende Körper enfernt wird. Der Vorgang iſt hierbei derſelbe wie früher; die influenzirende Kugel zieht Influenz-Elektricität erſter Art an und hält ſie feſt, während die Influenz-Elektricität zweiter Art ab - geſtoßen und in den entfernteſten Theil des Leiters zurückgedrängt wird. Da nun aber die Erde mit dem Leiter in Verbindung ſteht, ſo gehört ſie zu dieſem und die Wirkung der Influenz muß ſich auch auf ſie erſtrecken. Die Influenz - Elektricität zweiter Art wird daher vom Meſſingcylinder weg auf die Erde gedrängt, wo ſie ſich ausbreitet und natürlich nicht mehr nachweisbar iſt. Wird alsdann die Verbindung zwiſchen Erde und Meſſingcylinder aufgehoben, ſo muß dies dieſelbe Wirkung ergeben, wie im vorhergehenden Verſuche die Trennung beider Meſſing - cylinder oder Cylinderhälften.
Man erhält aber nur eine Art Elektricität, nämlich Influenz-Elektricität erſter Art, weil die Influenz-Elektricität zweiter Art zwar allerdings auch hervor - gerufen wird, ſich aber auf einen ſo großen Leiter, nämlich die Erde, ausbreitet, daß wir ſie nicht mehr nachzuweiſen im Stande ſind.
6*84In welchem Zuſammenhange die Quantität der influenzirten Elektricität zur influenzirenden ſteht, lehrt nachſtehender Verſuch. Man ſtellt zwei gleich große Meſſingkugeln ſo nebeneinander, daß ſie ſich berühren, aber im Uebrigen iſolirt ſind. Nun bringt man eine bedeutend größere elektriſche Kugel ſo in die Nähe der beiden erſten, daß die Mittelpunkte ſämmtlicher Kugeln in einer Geraden liegen. Man erhält dadurch auf der der großen Kugel näher ſtehenden kleinen Kugel Influenz-Elektricität erſter Art, auf der weiter entfernten Influenz-Elektricität zweiter Art. Man bringt nun eine dieſer Kugeln, alſo z. B. die mit Influenz-Elektricität erſter Art geladene, in die Torſionswage und mißt ihre Ladung. Dann bringt man dieſe Kugel wieder an ihren Platz zurück und berührt die große influenzirende Kugel mit einer ihr genau gleich großen Kugel. Dadurch wird die Ladung der influenzirenden Kugel, wie wir bereits wiſſen, auf die Hälfte herabgebracht. Man läßt nun dieſe halbe Ladung influenzirend auf die beiden kleinen Kugeln wirken und bringt die Kugel mit Influenz-Elektricität erſter Art abermals in die Torſionswage; hierbei ergiebt die Meſſung, vorausgeſetzt, daß der Elektricitätsverluſt mit der Zeit mit in Betracht gezogen wurde, die halbe Menge Influenz-Elektricität gegenüber der erſten Meſſung. Ein nochmaliges Berühren der influenzirenden Kugel mit der ihr gleichen bringt dann die elektriſche Ladung der erſteren auf ein Viertel der urſprünglichen herab, und die dann hervorgerufene Influenz-Elektricität iſt gleichfalls ein Viertel der beim erſten Verſuche hervorgerufenen. Hieraus folgt das Geſetz: Unter ſonſt gleichen Umſtänden iſt die Menge der Influenz-Elektri - cität proportional der Menge der erregenden Elektricität.
Aepinus rieb das Ende einer unelektriſchen Glasröhre mit einer elektriſchen und fand dabei, daß jene an der geriebenen Stelle Elektricität derſelben Art an - nahm, wie ſie die elektriſche Glasröhre beſaß. Er beobachtete aber auch, daß ſich neben dieſer durch Mittheilung elektriſirten Stelle eine zweite elektriſche Stelle fand, die Elektricität entgegengeſetzter Art beſaß und nach dieſer noch eine dritte Stelle mit gleichnamiger Elektricität. Die beiden letzten Stellen der Röhre mußten alſo ihre elektriſchen Zuſtände der vertheilenden Wirkung der durch Mittheilung elek - triſirten Stelle verdanken. Es war ſomit ſchon durch dieſen Verſuch nachgewieſen, daß die Influenzwirkung elektriſcher Körper ſich nicht nur auf Leiter erſtreckt, von welchen bisher nur geſprochen wurde, ſondern ſich auch auf Iſolatoren geltend macht.
Die Erregung von Influenz-Elektricität auf Iſolatoren kann auch mit dem Vertheilungs-Apparate von Rieß nachgewieſen werden. Man erſetzt dann zu dieſem Zwecke den Meſſingcylinder a b durch einen ſolchen von Schellack. Läßt man auf dieſen die elektriſirte Kugel e wirken, ſo zeigt das der Kugel zugewandte Ende des Schellack-Cylinders nach einiger Zeit Influenz-Elektricität erſter Art, alſo wenn die Kugel poſitiv elektriſch iſt, negative Influenz-Elektricität. Bei der Influenzirung von Iſolatoren zeigt ſich jedoch gegenüber jener bei Leitern ein Unterſchied, der eben in dem verſchiedenen Leitungsvermögen begründet iſt. Bei Leitern tritt die Influenzwirkung ſofort ein, ſobald die beiden Körper einander nahe kommen; bei Iſolatoren hingegen braucht ſie eine gewiſſe Zeit, um ſich geltend zu machen.
Bei Influenzirung von Leitern hört auch die Wirkung ſofort auf oder ver - einigen ſich die getrennten Elektricitäten wieder augenblicklich, ſobald der influen - zirende Körper entfernt iſt. Iſolatoren bleiben hingegen nach der Influenzirung elektriſch zurück; es hat dieſes Verhalten zweierlei Urſachen. Die durch die Influenz - wirkung getrennten Elektricitäten können ſich der geringen Leitungsfähigkeit des85 Iſolators wegen nicht ſo ſchnell wieder vereinigen und die Influenz-Elektricität zweiter Art wird raſcher zerſtreut, wie die erſte Art, weil letztere durch die Elektricität des influenzirenden Körpers angezogen oder feſtgehalten wird, während ſich auf die Influenz-Elektricität zweiter Art die Abſtoßung geltend macht.
Die Influenz erſtreckt ſich alſo auf alle Körper, Leiter wie auch Iſolatoren, erregt immer beide Arten Elektricität gleichzeitig und in gleicher Menge und auch in proportionaler Menge zu der influenzirenden Elektricität.
Verſuchen wir nun die Erſcheinungen, welche durch die Influenz hervor - gerufen werden, zu erklären und dadurch das Weſen der Influenz ſelbſt kennen zu lernen. Faſſen wir zunächſt das bisher Geſagte kurz zuſammen, ſo beſteht die Wirkung der Influenz darin, daß ein elektriſcher Körper auf jeden ihm genäherten unelektriſchen Körper derart einwirkt, daß dieſer beiderlei Elektricitäten zeigt. Hier - bei werden dieſe in untereinander gleicher Menge und in ihrer Geſammtmenge proportional der Elektricitätsmenge des influenzirenden Körpers erregt und der influenzirende Körper verliert nichts an Elektricität. Werden influenzirender und influenzirter Körper voneinander getrennt, ſo erſcheint letzterer unelektriſch, wenn er ein Leiter, elektriſch, wenn er ein Iſolator iſt.
Aus der Thatſache, daß der Leiter durch bloße Annäherung an einen elek - triſchen Körper gleichfalls elektriſch wird, ohne daß letzterer Elektricität verliert, bei ſeiner Entfernung aber wieder unelektriſch erſcheint, folgt, daß beiderlei Elektricitäten bereits vor der Influenzirung in dem Leiter vorhanden geweſen ſein müſſen. Daß ſie aber vor der Influenzirung nicht beobachtet werden konnten, kann nur davon her - rühren, daß ſie ſich in ihren Wirkungen nach außen gegenſeitig aufgehoben haben. Hierfür ſpricht auch die Thatſache, daß durch Influenzwirkung immer beiderlei Elektri - citäten in gleicher Menge erregt werden. In welcher Art und warum die Influenz - wirkung auf Iſolatoren ſich anders zu äußern ſcheint wie auf Leiter, wurde bereits erörtert.
Man ſtellt ſich daher den natürlichen Zuſtand der Körper ſo vor, daß man annimmt, jeder Körper enthalte in allen ſeinen Theilen beiderlei Elek - tricitäten in gleicher Menge und könne nach außen deshalb keine Wirkung ausüben (ſich elektriſch zeigen), weil gleich ſtarke, aber ungleich - namige Elektricitäten ſich neutraliſiren.
Die Erregung der Elektricität durch Influenz beſteht daher darin, daß der elektriſche Körper die beiden Elektricitäten des ihm genäherten Körpers trennt, die ihm gleichnamige Elektricität abſtößt und die ungleichnamige anzieht; letztere wird daher an jener Stelle des genäherten Körpers auftreten, welche dem influenzirenden Körper am nächſten iſt, erſtere an der entfernteſten Stelle.
Dieſe Erklärung der Influenzwirkung giebt uns auch die Möglichkeit an die Hand, die elektriſchen Grunderſcheinungen überhaupt zu erklären. Betrachten wir zunächſt das Verhalten elektriſcher und unelektriſcher Körper zueinander. Nach obigen Auseinanderſetzungen muß jeder elektriſche Körper auf einen ihm genäherten unelektriſchen Körper influenzirend einwirken, d. h. deſſen beide Elektricitäten trennen, die negative Elektricität anziehen und die poſitive abſtoßen, wenn der elektriſche Körper beiſpielsweiſe poſitiv elektriſch iſt. Nun treten drei Elektricitätsmengen in gegenſeitige Wirkung: die poſitive des influenzirenden Körpers, die negative und86 die poſitive des influenzirten Körpers. Da aber die negative Influenz-Elektricität dem poſitiv elektriſchen Körper näher iſt als die negative Influenz-Elektricität, ſo wird die Anziehung zwiſchen den beiden erſtgenannten entgegengeſetzten Elektrici - täten die Abſtoßung zwiſchen der poſitiven Elektricität des Körpers und der poſi - tiven Influenz-Elektricität überwiegen und iſt der influenzirte Körper leicht genug, ſo wird er von dem influenzirenden Körper angezogen werden.
Nun treten beide Körper miteinander in Berührung; jetzt gleichen ſich die negative Influenz-Elektricität und eine gleich große Menge poſitiver Elektricität des influenzirenden Körpers miteinander aus und es bleibt auf dem influenzirten Körper nur mehr die Influenz-Elektricität zweiter Art, in unſerem Falle alſo die poſitive, zurück. Der influenzirende Körper bleibt poſitiv elektriſch, hat aber an ſeiner Elek - tricitätsmenge ſo viel verloren, als zur Neutraliſirung der negativen Influenz - Elektricität erforderlich war. Es ſind alſo beide Körper poſitiv elektriſch und müſſen ſich deshalb abſtoßen.
Mit dieſer Erklärung der Anziehung und Abſtoßung iſt aber auch gleichzeitig die Mittheilung der Elektricität durch Leitung von einem zum anderen Körper erklärt. Man erſieht daraus, daß auch die Elektricitätsleitung kein einfaches Ueberfließen der Elektricität von einem zum andern Körper iſt, ſondern daß vielmehr auch hier die Influenz zur Geltung kommt. An dem ſchließlichen Reſultate wird dadurch allerdings nichts geändert; ein Theil der Elektricität des einen Körpers neutraliſirt bei ſeiner Berührung mit dem zweiten Körper einen gleich großen Theil entgegengeſetzter Influenz-Elektricität und macht dadurch einen genau gleich großen Theil gleichnamiger Elektricität frei. Der erſte Körper verliert ſomit eine eben ſo große Menge derſelben Art Elektricität als der zweite Körper gewinnt, und dies konnte allerdings zu der Anſchauung Veranlaſſung geben, als würde es ſich hierbei wirklich um ein Ueberfließen von einem zum andern Körper handeln.
Daß ſich dieſe Vorgänge wirklich in der Weiſe abſpielen, kann auch durch Experimente bewieſen werden. Leichte Körperchen, wie Papierſchnitzel, Federn und dergleichen werden von einem elektriſirten Körper leichter angezogen, wenn ſie auf einer leitenden Unterlage ruhen, als wenn ſie auf einem Iſolator liegen. Im erſteren Falle kann nämlich die Influenz-Elektricität zweiter Art durch die Unter - lage abfließen, es bleibt nur die Influenz-Elektricität erſter Art in den Körperchen; dieſe als ungleichnamig mit der Elektricität des genäherten Körpers wird von dieſer angezogen und erfährt keine Abſchwächung durch die gegenwirkende Kraft der Influenz-Elektricität zweiter Art. Auch das Verhalten ſolcher Körper, welche über - wiegende Längsdimenſionen haben, alſo z. B. Strohhalme, Fädchen u. ſ. w., ſpricht für obige Auslegung. Derlei Körper ſtellen ſich nämlich, wenn ſie von einem elek - triſirten Körper angezogen werden, immer derart, daß ihre Längsrichtung gegen den Körper gerichtet iſt. In dieſer Lage kann nämlich die Influenz-Elektricität erſter Art am weiteſten von der Influenz-Elektricität zweiter Art getrennt werden.
Die Behauptung, daß jeder Körper vor ſeiner Anziehung durch einen elek - triſirten Körper gleichfalls elektriſirt wird und wir es daher überhaupt ausſchließlich nur mit der Anziehung ungleichnamiger Elektricitäten zu thun haben, zieht die Folgerung nach ſich, daß ein wirklich neutraler Körper von einem elektriſirten nicht angezogen werden darf. Auch dies läßt ſich durch das Experiment entſcheiden, und die Entſcheidung ſpricht gleichfalls zu Gunſten der Theorie. Das Experiment iſt folgendes: Reibt man zwei Glasſcheiben heftig aneinander, ſo werden beide gleich87 ſtark, aber entgegengeſetzt elektriſch; man kann dies zeigen durch Verſuche mit dem elektriſchen Pendel oder auf irgend eine andere Weiſe. Nun drückt man die beiden Glasplatten mit ihren elektriſchen Flächen aneinander. Da das Glas ein Iſolator iſt und die beiden Flächen ſich doch nur in verhältnißmäßig wenigen Punkten be - rühren, findet kein Ausgleich der Elektricitäten ſtatt. Auch davon kann man ſich überzeugen, indem man ſpäter die beiden Platten wieder trennt und auf ihren elektriſchen Zuſtand neuerdings prüft. Hängt man aber ein Hollundermarkkügelchen nahe an die zuſammengedrückten Glasplatten, und zwar in derſelben Höhe, in welcher ſich ihre elektriſchen Flächen befinden, ſo üben ſie auf das Kügelchen gar keine Wirkung aus. Die Elektricität der einen Platte und die gleich große, aber entgegengeſetzte Elektricität der anderen Platte haben ſich alſo in ihrer Wirkung nach außen wirklich neutraliſirt und zuſammen einen unelektriſchen Körper gegeben.
Auch das Verhalten zweier elektriſirter Körper gegeneinander iſt mit Zuhilfe - nahme der Influenzerſcheinungen leicht einzuſehen. Hier ſind zunächſt zwei Fälle zu unterſcheiden: die beiden Körper ſind gleichnamig elektriſch und die beiden Körper ſind ungleichnamig elektriſch. Der erſte Fall iſt bereits erklärt bei jenem Stadium der Anziehung, wo beide Körper zur Berührung gelangt ſind. 1)Der Fall, daß die gleichnamigen Elektricitäten in ungleicher Menge auf den beiden Körpern vorhanden ſind, bedarf wohl kaum mehr einer Erklärung. Hat der eine Körper, z. B. A, eine bedeutend größere Menge Elektricität wie B, ſo wird die auf B durch A influenzirte Elektricität erſter Art die auf B ſchon früher vorhandene Elektricität vollkommen neutraliſiren; wegen der größeren Menge der Influenz-Elektricität erſter Art wird aber ſolche überdies noch auf B zurückbleiben. B wird gleichfalls auf A influenzirend wirken, wegen ihrer geringeren Menge aber nur einen Theil der urſprünglich auf A vorhandenen Elektricitätsmenge neutraliſiren. Es bleibt alſo auf A urſprüngliche Elektricität und entſteht auf B Influenz-Elektricität erſter Art: Die beiden Körper werden ſich anziehen. Das weitere Verhalten iſt dann aus der Be - ſprechung ungleichnamig elektriſirter Körper gegeneinander zu erſehen.Beim zweiten Falle ſind wieder zwei Möglichkeiten gegeben: die beiden Körper beſitzen gleiche Mengen Elektricität oder ihre Mengen ſind verſchieden.
Bringt man Körper, die ungleichnamige aber gleich große Mengen Elektricität beſitzen, miteinander in Berührung, ſo vereinigen ſich beide Elektricitätsmengen, neutraliſiren ſich und beide Körper werden in kürzerer oder längerer Zeit je nach ihrer Leitungsfähigkeit unelektriſch.
Enthalten die beiden einander genäherten Körper ungleichnamige und ungleich große Elektricitätsmengen, ſo ſind die gegenſeitigen Influenzwirkungen ebenfalls ungleich groß; in Folge der Anziehung zur Berührung gebracht, heben ſich die gleichen Mengen der ungleichnamigen Elektricitäten (ſowohl urſprüngliche als In - fluenz-Elektricität) auf, immerhin bleibt aber noch ein Theil jener Elektricität übrig, welche urſprünglich in größerer Menge vorhanden war, und dieſe Elektricität ver - theilt ſich dann auf beide Körper, die ſich dann als gleichnamig elektriſch abſtoßen werden.
Auch der Verſuch, bei welchem (Fig. 41, Seite 82) der Leiter a b mit der Erde in Verbindung geſetzt wurde, läßt ſich nun einfach erklären. Im Leiter a b wird durch die poſitiv elektriſche Kugel bei a negative und bei b poſitive Elektricität influenzirt. Nähert man nun dem Leiter bei a einen zweiten Leiter, der bedeutend größer iſt als a b, ſo wird die Kugel e natürlich auch auf dieſen zweiten Leiter influenzirend einwirken; das gegen a gerichtete Ende iſt der Kugel e am nächſten und erhält negative Elektricität. Dieſe wird jedoch kräftiger auf - treten als die gleiche bei a, weil der zweite Leiter bedeutend größer iſt, und88 daher geſtattet, die beiden Elektricitäten viel weiter voneinander zu trennen. Nun wirkt das negative Ende des zweiten Leiters influenzirend auf das negative Ende des Leiters a b und erregt bei a poſitive Elektricität. Kommen jetzt beide Leiter bei a zur Berührung, ſo wird dieſe poſitive Influenzelektricität durch einen Theil der negativen Elektricität compenſirt und die negative Elektricität des Leiters a b verſtärkt. Die poſitive Elektricität (Influenzelektricität zweiter Art) wird in das entfernte Ende des zweiten großen Leiters abgeſtoßen. Iſt nun der zweite Leiter unendlich groß, d. h. alſo, iſt der Leiter a b mit der Erde in Verbindung, ſo wird die poſitive Elektricität in dieſe zurückgeſtoßen und verſchwindet für uns wegen der Ausbreitung auf der ganzen Erdfläche. Der Leiter a b muß ſomit ausſchließlich negativ elektriſch zurückbleiben.
Man glaubte früher, aus dem Umſtande, daß die Influenzelektricität erſter Art nicht abgeleitet werden kann, dieſe als eine von der Reibungselektricität ver - ſchiedene Elektricität auffaſſen zu müſſen und drückte dies mit der Bezeichnung gebundene Elektricität aus. Man fand jedoch bald, daß hierfür kein zwin - gender Grund vorliegt, daß vielmehr die Influenzelektricität ſich genau ebenſo verhält, wie die Reibungselektricität. Die Nichtableitbarkeit der Influenzelektricität erſter Art iſt nicht in ihrer eigenartigen Natur begründet, ſondern darin, daß ſie durch eine gleich große, aber ungleichnamige Elektricitätsmenge in Folge der gegen - ſeitigen Anziehung feſtgehalten wird. Sie wird ableitbar, ſobald die ſie feſſelnde Kraft zu wirken aufhört. Die Influenzelektricität zeigt ſich aber auch in ihren übrigen Eigenſchaften von der Reibungselektricität nicht verſchieden. Gleichnamige Influenzelektricitäten ſtoßen ſich ab, ungleichnamige ziehen ſich an, wie ſchon das Verhalten der Pendel am Vertheilungsapparate zeigt, und die Influenzelektricität iſt auch im Stande, neuerdings influenzirend zu wirken, gerade ſo wie die Reibungs - elektricität. Man hat deshalb die Bezeichnung „ gebundene Elektricität “aufgegeben und nach einem Vorſchlage von Rieß die Ausdrücke Influenz-Elektricität erſter und zweiter Art angenommen.
Sowohl Reibungs-Elektricität als auch Influenz-Elektricität werden, wie im Vorhergehenden gezeigt wurde, in der Weiſe hervorgerufen, daß man die gleich großen und gleichmäßig vertheilten Mengen poſitiver und negativer Elektricität eines Körpers räumlich voneinander trennt. Bei der Elektricitäts-Erregung durch Reibung iſt letztere die trennende Kraft, bei jener durch Influenz die Anziehungs - und Abſtoßungskraft der Elektricität ſelbſt. Wir wollen nun die Wirkungsart der letzteren etwas näher betrachten und zu dieſem Behufe den einfachſten Fall annehmen. Es ſei, ohne die übrigen Körper des Weltraumes zu berückſichtigen, ein elektriſirter Körper K und ein unendlich kleines elektriſches Theilchen t gegeben (Fig. 42). Sind Körper und Theilchen gleichnamig elektriſch, ſo werden ſie ſich abſtoßen und das Theilchen t, von welchem wir annehmen, daß es vollkommen frei beweglich ſei, wird ſich von K immer weiter und weiter entfernen, alſo die Diſtanz zwiſchen ſich und dem Körper in’s Unendliche vergrößern. Die Bewegung dieſes Theilchens wird durch die von K ausgeübte Abſtoßungskraft bewirkt und dieſe leiſtet dadurch eine beſtimmte Arbeit. Die Größe der Arbeit iſt hier, wie in jedem Falle, abhängig von der Größe der Kraft, welche in Arbeit umgeſetzt wird, und von der Länge des Weges, welchen das Theilchen t zurücklegt. Sie wird gemeſſen durch das89 Product von Kraft mal Weg, welchen das bewegte Theilchen in der Richtung der Kraft zurückgelegt hat. Offenbar muß aber auch eine Arbeit geleiſtet werden, wenn wir das Theilchen t aus der Unendlichkeit gegen den Körper K zurückführen wollen, da hierbei die Abſtoßungskraft des Körpers K zu überwinden iſt. Dieſe Arbeit hat ſtets eine ganz beſtimmte Größe, welche von der Entfernung des Theilchens t vom Körper K in der Kraftrichtung des letzteren abhängen wird, da die Größe der elektriſchen Kraft von der Entfernung abhängt. Es wird ſich daher die Größe der Arbeit nicht ändern, wenn das Theilchen t ſtatt in der Kraftrichtung A C auf dem Wege über B oder irgend welche andere Punkte nach C gebracht wird, da nicht der Weg des Theilchens, ſondern nur die Entfernung desſelben in der Kraftrichtung die Größe der Arbeit in jedem Momente und jeder Lage während der Bewegung des Theilchens t gegen K beſtimmt. Was für die Bewegung des Theilchens t nach A oder B gilt, hat für jeden beliebigen Punkt des Raumes, welcher K umgiebt, Geltung. Es iſt für jeden dieſer Punkte ſtets eine für dieſen ganz beſtimmte Arbeit nothwendig, um das Theilchen t aus der Unendlichkeit zu dieſem Punkte zu bringen. Dieſe Arbeit, welche die elektriſchen Kräfte von K in einem beſtimmten Punkte des Raumes leiſten, nennt man das Potential der genannten Kräfte in dieſem Punkte oder mit anderen Worten: Man verſteht unter dem Poten - tiale eines beſtimm - ten Punktes jene Arbeit, welche er - forderlich iſt, um die elektriſche Kraftein - heit (ein ſehr kleineselek - triſches Theilchen) aus unendlicher Entfer - nung auf dieſen Punkt zu bringen.
Zur Potentialtheorie.
Da jeder Punkt, der ſich in beſtimmter Entfernung von dem elektriſchen Körper befindet, auch ein beſtimmtes Potential beſitzt, ſo muß der Körper von lauter concentriſchen Flächen gleichen Potentiales eingehüllt ſein, wenn man ſich ſtets durch alle Punkte gleichen Potentiales Flächen gelegt denkt. Dieſe Flächen gleichen Potentiales bezeichnet man mit dem Namen Niveauflächen. Auf dieſen Flächen haben alſo alle Punkte das gleiche Potential, aber in den verſchiedenen Flächen iſt auch das Potential ein verſchiedenes, und dieſes wird deſto kleiner, je weiter die betreffende Niveaufläche von dem elektriſchen Körper abſteht. Die Geſtalt der Niveauflächen iſt für jede Form des elektriſchen Körpers eine andere. Iſt z. B. der Körper nach allen Richtungen ſymmetriſch, alſo beſitzt er die Form der Kugel und befindet er ſich in einem vollkommen homogenen Medium, ſo werden auch die Niveauflächen Kugelflächen ſein.
Von einem elektriſchen Körper werden dann gleichnamig elektriſche Theilchen ſo abgeſtoßen, daß ſie von Niveauflächen hohen Potentiales zu Niveauflächen immer niedriger werdenden Potentiales fortſchreiten. Jedes Theilchen wird unter der ausſchließlichen Wirkung dieſes einen elektriſchen Körpers von einer zur nächſten Niveaufläche auf dem kürzeſten Wege übergehen, alſo eine Bahn einſchlagen, die auf beide Niveauflächen ſenkrecht ſteht, da dies der kürzeſte Weg iſt. Die Linien, welche die abgeſtoßenen Theilchen beſchreiben, nennt man Kraftlinien. Dieſe ſind im90 Allgemeinen Curven, deren Geſtalt von der Form der Niveauflächen, ſomit auch von jener des elektriſchen Körpers bedingt iſt. Folglich werden ſie gerade Linien bilden, wenn der Körper die Kugelform beſitzt, und dann ſtrahlenförmig vom Mittelpunkte der Kugel nach allen Richtungen hin ausgehen. Analoge Kraftlinien haben wir bereits im Abſchnitte über Magnetismus kennen gelernt, für welchen dieſe Betrachtungen eben ſo gut Anwendung finden können, wenn man an Stelle der elektriſchen Kräfte magnetiſche ſetzt. Es ſind dies die Curven, in welchen ſich feine Eiſenfeilſpäne über den Polen eines Hufeiſenmagnetes anordnen (Seite 44, Fig. 20). In dieſem Falle iſt die Geſtalt der Curven oder der Verlauf der Kraftlinien durch die Doppelwirkung zweier entgegengeſetzter magnetiſcher Pole be - dingt. Die an der angegebenen Stelle abgebildeten magnetiſchen Curven zeigen uns die magnetiſchen Kraftlinien natürlich nur in einer Ebene; in Wirklichkeit aber verlaufen die Kraftlinien in ähnlicher Weiſe in allen durch die beiden Magnetpole gelegten Ebenen. Der von dieſen Kraftlinien oder, wenn man will, der von den darauf ſenkrecht ſtehenden Niveauflächen ausgefüllte Raum heißt ein magnetiſches Feld. Kehren wir wieder zur Elektricität zurück, ſo brauchen wir, um ganz ana - loge Verhältniſſe zu finden, blos die beiden Magnetpole durch zwei ungleichnamig elektriſirte Körper zu erſetzen. Der von dieſen beherrſchte Raum heißt dann ein elektriſches Feld. Wie ſich dieſe Verhältniſſe geſtalten, wenn nur ein magnetiſcher Pol, beziehungsweiſe nur ein elektriſirter Körper vorhanden iſt, bedarf wohl keiner beſonderen Erläuterung mehr. Eine Verſinnlichung der Kraftlinien, der Niveau - flächen und des Feldes geſtattet die auf Seite 38 dargeſtellte Fig. 14.
Noch eines gegenwärtig häufig gebrauchten Ausdruckes haben wir zu gedenken, bevor wir dieſe theoretiſchen Betrachtungen abſchließen; es iſt dies die Frage, was man unter dem Potentialgefälle zu verſtehen habe. Zwei verſchiedene Niveau - flächen beſitzen verſchiedene Potentiale; zwiſchen beiden muß daher eine Differenz der Potentiale oder eine Potential-Differenz herrſchen. Betrachtet man nun die Wirkung zwiſchen zwei ſehr nahe aneinander liegenden Niveauflächen oder Potentiale, ſo nennt man dieſe das Potentialgefälle. An Stelle des Ausdruckes Potentialgefälle kann man auch das Wort Spannung ſetzen.
Letzteres dürfte durch folgenden Vergleich vollkommen verſtändlich werden: Von einem hochgelegenen Behälter fließt Waſſer in immer tiefer gelegene. In jedem Behälter repräſentirt das Waſſer eine beſtimmte Arbeitskraft, die beim Ausfließen des Waſſers durch Treiben eines Rades ꝛc. ausgenutzt werden kann. Es iſt an ſich klar, daß das Waſſer des oberſten Behälters den größten, das des unterſten den kleinſten Arbeitswerth darſtellt, da dasſelbe beim Ausfließen aus dem oberſten Behälter die größte, beim Ausfließen aus dem unterſten Behälter die geringſte Höhe durchfallen muß. Dieſe in der Reihe der Waſſerbehälter von oben nach unten ſtets abnehmenden Druckhöhen des Waſſers ſtellen uns die Potentiale vor, der Unterſchied der Höhen zweier Behälter ihre Potential-Differenz und die Aenderung der Höhe während des Ueberfließens von Waſſer aus einem Behälter in den nächſten das Potentialgefälle.
Die Betrachtung der Niveauflächen lehrte, daß jedes frei bewegliche, poſitiv elektriſche Theilchen ſich ſtets von Flächen hohen Potentiales zu ſolchen niedrigeren Potentiales bewegt, und daß es dieſe Bewegung ſo lange fortſetzt, als es das91 Medium, in welchem es ſich bewegt, geſtattet. Aus dieſem theoretiſchen Satze läßt ſich unmittelbar, d. h. ohne Zuhilfenahme eines Experimentes, ein Schluß auf den Sitz der Elektricität in einem elektriſirten Körper ziehen. Theilt man nämlich einem Körper, der ein Elektricitätsleiter iſt, eine gewiſſe Menge Elektricität mit, ſo ſtoßen ſich die elektriſchen Theilchen gegenſeitig ab und müſſen ſich derart bewegen, daß ſie ſtets von Stellen hohen Potentiales zu ſolchen niedrigeren Potentiales kommen. Die Theilchen müſſen ſich daher möglichſt weit voneinander zu entfernen trachten und ſich ſo lange fortbewegen, bis ihrer Fortbewegung ein Hinderniß in den Weg kommt. Im Leiter ſelbſt bewegt ſich aber die Elektricität, wie wir wiſſen, ſehr ſchnell und nach allen Richtungen hin, folglich kann jene Grenze, an welcher die Theilchen auf einen Widerſtand ſtoßen, der ihre Fortbewegung hemmt, nur die Oberfläche des Leiters bilden, weil dieſe von einem ſchlechten Leiter, der Luft, umgeben iſt. Der Sitz der Elektricität auf einem iſolirten Leiter kann alſo nur auf deſſen Oberfläche ſein. Die Oberfläche ſelbſt muß aber dann auch eine Fläche gleichen Potentiales ſein, ſobald Gleichgewicht herrſchen ſoll; wäre dies nicht der Fall, ſo müßte auf der Oberfläche eine Bewegung der Theilchen von Stellen höheren zu Stellen niederen Potentiales eintreten, und dieſe Bewegung müßte doch wieder mit der Herſtellung gleichen Potentiales auf der ganzen Oberfläche enden. Wir haben alſo den Satz: Befindet ſich die Elektricität auf einem Leiter im Gleichgewichte, ſo beſitzt jede Stelle des Leiters das gleiche Poten - tial und der Sitz der Elektricität iſt nur an der Oberfläche des Leiters.
Dieſes auf theoretiſchem Wege erſchloſſene Verhalten der Elektricität auf Leitern läßt ſich aber auch experimentell nachweiſen und der in dieſer Art bei - gebrachte Nachweis bildet gleichzeitig eine Stütze für die Richtigkeit der Theorie. Der einfachſte Apparat, der dem in Rede ſtehenden Zwecke dienen kann, iſt in Fig. 43 dargeſtellt. Eine Meſſingkugel A iſt durch eine Glasſäule und einen hölzernen Fuß iſolirt aufgeſtellt. Ueber die Kugel A können zwei gleichfalls aus Meſſing gefertigte Halbkugeln B und C derart geſtülpt werden, daß ſie die Kugel A genau umſchließen. Die beiden Halbkugeln ſind mit iſolirenden Handgriffen verſehen. Setzt man dieſe beiden Halbkugeln auf die Kugel A auf und elektriſirt das ganze Syſtem, ſo erſcheint nach Wiederentfernung der Halbkugeln die Kugel A ganz unelektriſch, während die Halbkugeln elektriſch bleiben. Der Verſuch kann auch in der Weiſe angeſtellt werden, daß man zuerſt die Kugel A elektriſirt und dann die beiden Halbkugeln aufſetzt: dieſe werden dann alsbald elektriſch und laſſen nach ihrer neuerdings erfolgten Entfernung von der Kugel A letztere abermals unelek - triſch zurück.
Man kann auch mit Hilfe der Torſionswage zeigen, daß der Sitz der Elektricität nur an der Oberfläche der Körper iſt und daß die Maſſe keinen Ein - fluß ausübt. Man bedient ſich hierzu zweier Kugeln von genau gleicher Größe, deren eine maſſiv und in ihrer ganzen Maſſe aus gut leitendem Materiale (z. B. Meſſing) verfertigt iſt, indes die zweite nur eine leitende Oberfläche beſitzt. Die letzterwähnte Kugel kann alſo eine Meſſinghohlkugel oder eine vergoldete Holz - oder Hollundermarkkugel ſein. Beide Kugeln müſſen aber dieſelbe Größe beſitzen, wie die Standkugel der Torſionswage. Wird nun dieſe elektriſirt, während die Kugel des Wagebalkens mit ihr in Berührung ſteht, ſo theilt ſie der letzteren gleichnamige Elektricität mit, die beiden Kugeln ſtoßen ſich ab, und der Wagebalken ſchließt mit ſeiner urſprünglichen Gleichgewichtslage einen gewiſſen Winkel ein. Berührt man92 hierauf die Standkugel mit der maſſiven Hohlkugel, ſo nimmt dieſe der Standkugel die Hälfte ihrer Elektricität weg, und der Ausſchlagwinkel des Wagebalkens ver - mindert ſich dementſprechend. Berührt man die Standkugel nicht mit der maſſiven, ſondern mit der gleich großen Hohlkugel, ſo vermindert ſich der Ausſchlagwinkel genau um denſelben Betrag.
Der experimentelle Nachweis für die Richtigkeit der zwiſchen Elektricität und Körperoberfläche herrſchenden Beziehung wurde noch in mannigfacher Art geführt; eines dieſer Experimente ſoll hier noch gedacht werden. Faraday ließ ſich ein großes Holzgerüſte in Form eines Würfels herſtellen, verband die Kanten desſelben durch Netze aus Kupferdraht und überklebte ſeine Flächen mit Papier und darüber mit Stanniol. Die in ſolcher Weiſe verfertigte Kammer mit gut leitenden Wänden wurde in einen großen Saal geſtellt, und Faraday begab ſich, mit einem empfind - lichen Elektroſkope in der Hand, in das Innere der Kammer. Sodann ließ er letztere ſo ſtark als möglich elektriſiren und unterſuchte mit Hilfe des Elektroſkopes den elektriſchen Zuſtand im Innenraume. Es gelang ihm an keiner Stelle auch
Sitz der Elektricität.
nur eine Spur von Elektrici - tät nachzuweiſen.
Die Potentialtheorie ließ uns erkennen, daß der Sitz der Elektricität an der Oberfläche der Körper ſei und die Experimente beſtätigten die aus der Theorie abgeleitete Folgerung. Die Theorie läßt uns aber auch die Art der Vertheilung der Elektricität auf der Oberfläche ſelbſt er - kennen. Soll ſich die Elek - tricität auf einem Leiter im Gleichgewichte befinden, ſo muß, wie früher gezeigt wurde, an allen Punkten der Oberfläche dasſelbe Potential herrſchen, d. h. die Oberfläche muß eine Niveaufläche ſein. Sämmtliche elektriſche Theilchen haben dann das Beſtreben, in Richtungen, die ſenkrecht auf die Oberfläche des Körpers ſtehen, dieſen zu verlaſſen und werden daran nur durch die ſchlechte Leitungsfähigkeit des umgebenden Mediums, z. B. der Luft, gehindert. Sobald dieſe Gegenkraft (der Leitungswiderſtand des Mediums) kleiner wird als das Potentiale auf der Oberfläche, geht Elektricität in das Medium über. Da das Potentiale einer gegebenen Elektricitätsmenge von der Vertheilung derſelben im Raume abhängt und ſich augenblicklich ändert, wenn die Vertheilung eine andere wird, ſo muß offenbar bei einer gegebenen Niveaufläche, wie dies die Oberfläche eines Leiters iſt, die Vertheilung eine ganz beſtimmte ſein. Im All - gemeinen kann daher die Vertheilung der Elektricität auf einem Leiter von irgend - welcher Oberfläche keine gleichförmige ſein; der Leiter muß an einer Stelle ſeiner Oberfläche eine größere, an der andern Stelle eine geringere Anzahl elektriſcher Theilchen haben, oder, mit anderen Worten, die Dichte der Elektricität muß an verſchiedenen Stellen auch eine verſchiedene ſein. Man kann die Vertheilung der Elektricität auf der Oberfläche eines Körpers ausrechnen, doch gelingt dies ſelbſt93 dann, wenn die Oberfläche die einfachſten geometriſchen Formen beſitzt, nur durch ziemlich ſchwierige Rechnungen, während bei complicirter geformter Oberfläche unſere mathematiſchen Hilfsmittel überhaupt nicht mehr ausreichen. Wir wollen daher verſuchen, dieſe Verhältniſſe auf graphiſchem Wege dem Verſtändniſſe näher - zurücken, und das Streben nach Vereinfachung möge die ſinnliche und rohe Dar - ſtellung entſchuldigen.
Fig. 44 ſtellt einen Leiter dar, deſſen Oberfläche im Raume A B C D cylindriſch, im Raume B a D coniſch geformt iſt. Die oberſte Schichte elektriſcher Theilchen iſt durch a b c d .... angedeutet. Nehmen wir zunächſt an, die Ver - theilung der Elektricität wäre auf der ganzen Oberfläche des Leiters eine gleich - förmige, wie dies auch durch die gleich weit voneinander abſtehenden elektriſchen Theilchen dargeſtellt iſt, und betrachten wir nun das Verhalten irgend eines Theilchens gegen ſeine Nachbartheilchen. Das Theilchen a wird von dem Theilchen b in der Richtung b f abgeſtoßen, vom Theilchen c in der Richtung c e; die Wirkungen der Theilchen d und e auf a können wegen ihrer großen Entfernung
Elektricitätsvertheilung auf der Körperoberfläche.
vernachläſſigt werden. Stellen a e und a f die Größen und Richtungen der von c und b auf a ausgeübten Kräfte dar, ſo kann die Reſultirende dieſer beiden Kräfte bekanntlich leicht gefunden werden, indem man das Kräfteparallelogramm a e r1 f conſtruirt; die Diagonale a r1 iſt dann die geſuchte Reſultirende. Sucht man dann in derſelben Weiſe für das Theilchen c, das nächſte an a, die Reſultirende der beiden Kräfte, welche a und d auf c geltend machen, ſo erhält man die Linie c r2; die Reſultirende für das Theilchen d iſt d r3 u. ſ. w. Man erſieht hieraus, daß die Reſultirenden immer kleiner werden, je weiter man ſich von a in der Richtung über c und d nach C D entfernt. Die Theilchen auf der Strecke D C haben dann Reſultirende gleich Null, d. h. die gegenſeitigen Wirkungen der Theilchen aufeinander heben ſich auf; derſelbe Verlauf ergiebt ſich auch für den oberen Theil der Begrenzung a b B A.
Es werden daher alle Theilchen auf A B oder C D ſich im Gleichgewichte befinden, wenn ſie nach der urſprünglichen Vorausſetzung in gleicher Entfernung voneinander angeordnet ſind. Die Theilchen auf der Curve B a D ſind jedoch nicht im Gleichgewichte und die ſie zu bewegen ſuchenden Reſultirenden werden deſto größer, je näher die Theilchen an a liegen. Der Grund für dieſes Anwachſen94 der Reſultirenden iſt aus der Zeichnung leicht zu erkennen, er liegt offenbar in der immer mehr zunehmenden Krümmung der Curve, denn hierdurch wird der Winkel, den je zwei auf ein Theilchen einwirkende Kräfte einſchließen, immer kleiner, folglich die Diagonale des betreffenden Kräfteparallelogrammes immer größer.
Wir erſehen daraus, daß auf einem Leiter von der Form, wie ihn die Fig. 44 darſtellt, die elektriſchen Theilchen ſich nicht überall im Gleichgewichte befinden können, wenn ſie, wie anfangs vorausgeſetzt wurde, über den ganzen Leiter ohne Berückſichtigung ſeiner Form gleichmäßig vertheilt ſind. Wir haben auch früher bereits gehört, daß allen Theilchen das Beſtreben innewohnt, ſich in Richtungen, die ſenkrecht auf die betreffenden Stellen der Leiterfläche ſtehen, von dieſer zu entfernen. Nun ſehen wir, daß ohne Berückſichtigung des letzterwähnten Beſtrebens der Theilchen für dieſe an vielen Stellen unſeres Leiters noch auf eine zweite Art Reſultirende zu Stande kommen, die gleichfalls das Beſtreben haben, die Theilchen von der Oberfläche zu entfernen. Daraus folgt, daß die Theilchen deſto eher ſich vom Leiter entfernen werden, je ſtärker die Krümmung jener Stelle des Leiters iſt, an welcher ſie ſich befinden. Bei einer beſtimmten Ladung des Leiters wird daher ein Theilchen in a den Widerſtand des um - gebenden Mediums überwinden können und ſich von ihm entfernen, während ein Theilchen bei A noch feſtgehalten wird; das von a entwichene Theilchen wird durch ein anderes erſetzt werden, da ſich die Elektricität auf einem guten Leiter ſtets über die ganze Oberfläche verbreitet. Dieſe iſt alſo bei der angenommenen Vertheilung der Elektricität keine Fläche gleichen Potentiales, keine Niveaufläche. Wir erſehen aus dem eben auseinandergeſetzten Verhalten der Theilchen vielmehr, daß auf einem Leiter mit einer Oberfläche verſchiedener Krümmung die elektriſchen Theilchen ſich von den Stellen geringer zu jener ſtarker Krümmung bewegen und daher, ſo lange ſie nicht den Widerſtand des umgebenden Mittels (z. B. der Luft) überwinden können, ſich an dieſen Stellen anhäufen müſſen. Die Dichte der Elektricität — denn darunter verſtehen wir ja die Menge auf der Flächeneinheit — wird alſo deſto größer ſein, je ſtärker die betreffende Stelle des Leiters ge - krümmt iſt.
In welcher Weiſe die Dichte der Elektricität mit der Krümmung des Leiters zunimmt, wird in Fig. 44 durch die Curve r1 r2 r3 ..... angedeutet. Aus dieſer erſieht man auch, daß im cylindriſchen Theile des Leiters bei A B und C D überall dieſelbe Dichte herrſcht. Die Figur ſtellt in ihrem mittleren Theile aber nur die Vertheilung der Elektricität in der Längsrichtung des Leiters dar. Daß ſich die Vertheilung in einem Querſchnitte von Punkt zu Punkt gleich bleibt, iſt leicht einzuſehen, da die Querſchnitte als Kreiſe Curven ſind, die an jeder Stelle dieſelbe Krümmung beſitzen. Die Schnitte nach X Y und x y zeigen auch durch die Kreiſe R R und r3 r5 beiläufig die Dichte der Elektricität; an einem und demſelben Querſchnitte bleibt ſie gleich, von Querſchnitt zu Querſchnitt wächſt ſie aber deſto mehr, je größer die Krümmung jenes Theiles des Leiters iſt, welchem der Quer - ſchnitt entnommen wurde.
Wir kennen nur einen Körper, welcher nach allen Richtungen hin gleiche Krümmungen beſitzt, bei welchem jeder Schnitt eine Kreisfläche iſt, nämlich die Kugel; auf dieſer wird daher die Vertheilung der Elektricität eine vollkommen gleichmäßige oder die Dichte an allen Stellen dieſelbe ſein. Auf allen übrigen Körpern aber vertheilt ſich die Elektricität ungleichmäßig; bei einem Ellipſoide95 beſitzt ſie ihre größte Dichte an den Scheiteln, bei Cylindern, die durch Halb - kugeln abgeſchloſſen ſind, an dieſen u. ſ. w.
Die Vertheilung der Elektricität kann auch experimentell beſtimmt werden; man bedient ſich hierzu der Prüfungskörper. Dieſe ſind kleine Kugeln oder Scheibchen aus Goldpapier, welche an iſolirenden Stielen befeſtigt ſind. Berührt man nämlich einen elektriſirten Körper an einer Stelle mit einem ſolchen Prü - fungskörper, der im Verhältniſſe zum elektriſirten Körper ſehr klein iſt, ſo nimmt der Prüfungskörper gleichnamige Elektricität von dem elektriſirten Körper auf, ohne deſſen elektriſchen Zuſtand wahrnehmbar zu verändern. Hierbei erfolgt die Aufnahme der Elektricität durch den Prüfungskörper genau in demſelben Ver - hältniſſe als die Dichte der Elektricität an den berührten Stellen zunimmt; man kann ſich davon durch Verſuche leicht überzeugen. Unterſucht man nun mit dieſen Prüfungskörpern, die man nach jeder Berührung mit dem zu prüfenden Körper in die Torſionswage an Stelle der Standkugel bringt, die Körper an verſchie - denen Stellen, ſo findet man in der That jene Vertheilung der Elektricität, welche uns die theoretiſche Betrachtung gelehrt hat.
Die Theorie giebt aber auch noch nach anderen Richtungen hin intereſſante Aufſchlüſſe. Wir haben geſehen, daß die Dichte der Elektricität bei einer beſtimmten Ladung eines Leiters von der Krümmung der Oberfläche abhängt und dort am größten iſt, wo die Krümmung am ſtärkſten wird, oder, wie man ſich gewöhnlich aus - zudrücken pflegt, wo der Krümmungsradius am kleinſten iſt. Man kann ſich nämlich jede gekrümmte Oberfläche aus Flächenelementen zuſammengeſetzt denken, welche je nach ihrer ſtärkeren oder ſchwächeren Krümmung Kugeln von kleineren oder größeren Radien entnommen ſind. Man kann deshalb auch ſagen, eine ebene Fläche iſt ein Stück der Oberfläche einer Kugel, deren Halbmeſſer unendlich groß iſt, und eine Spitze iſt die Oberfläche einer Kugel, deren Halb - meſſer unendlich klein iſt. Zwiſchen dieſen beiden Werthen liegen die Krüm - mungsradien ſämmtlicher Flächen. Verbindet man daher irgend einen Leiter mit der Erde und ertheilt dem Leiter eine beliebige elektriſche Ladung, ſo kann dieſer Leiter, wie wir ſchon früher aus anderen Gründen erkannt haben, nie elektriſch bleiben. Die Erde hat im Vergleiche zu jedem herſtellbaren Leiter immer eine Oberfläche, deren Krümmungsradius als unendlich groß angenommen werden muß; dieſem unendlich großen Krümmungsradius entſpricht aber eine unendlich kleine Dichte, d. h. die Erde iſt unelektriſch, und da der Körper mit ihr in leitender Ver - bindung ſteht, kann auch dieſer keine freie Elektricität bewahren, wie viel Elek - tricität ihm auch immer mitgetheilt werden mag.
Bringt man an einem Leiter eine Spitze an, ſo entſpricht dieſem Theile der Leiteroberfläche ein unendlich kleiner Krümmungsradius, oder, da wir doch keine mathematiſchen Spitzen anfertigen können, ein ſehr kleiner Krümmungsradius. Die Dichte der Elektricität an ſolchen Spitzen muß daher immer, wie groß oder klein auch die elektriſche Ladung des Leiters ſei, immer außerordentlich groß ſein. Dieſem Verhalten der Spitzen ſind die Erſcheinungen zuzuſchreiben, welche man unter der Bezeichnung Spitzenwirkungen zuſammenfaßt.
Jeder elektriſirte Körper verliert, wenn er ſich ſelbſt überlaſſen bleibt, nach kürzerer oder längerer Zeit ſeine Ladung. Die Verluſte ſetzen ſich aus der bereits96 beſprochenen Zerſtreuung und dem Stützenverluſte zuſammen. Hierzu kommt jedoch noch eine andere Art des Verluſtes. Wir haben oben (S. 92 u. f.) geſehen, daß alle elektriſchen Theilchen an der Oberfläche eines Leiters das Beſtreben zeigen, ſich von dem Leiter zu entfernen, und daß ſie daran nur durch den Widerſtand, welchen das umgebende Medium, alſo gewöhnlich die Luft, ihrer Entfernung vom Leiter entgegenſetzt, auf dieſem zurückgehalten werden. Wird jedoch die Dichte der Elektricität auf dem Leiter ſo groß, daß ſie den Widerſtand der Luft überwinden kann, ſo iſt der Leiter nicht mehr im Stande, weiterhin Elektricität aufzunehmen, ſondern die ihm dann noch zugeführte Elektricität ſtrömt in die Luft aus. Im Dunkeln beobachtet man hierbei, daß der Uebertritt der Elektricität von dem Leiter in die Luft unter Lichtentwicklung ſtattfindet. Die auf die Elektricität wirkende Kraft, welche ſie vom Leiter zu entfernen ſtrebt, nennt man die Spannung. Die Spannung wächſt aber mit der Dichte der Elektricität (im quadratiſchen Verhältniſſe) und dieſe iſt deſto größer, je kleiner der Krümmungsradius der be - treffenden Stelle der Leiteroberfläche iſt (vergl. Fig. 44). Die Spannung wird
Elektriſches Flugrädchen.
deshalb an jenen Stellen eines Leiters am leichteſten den Widerſtand durch die Luft überwinden können, welche am ſtärkſten gekrümmt ſind. Die Krüm - mung einer Spitze entſpricht aber einem außerordentlich kleinen Krümmungs - radius, weshalb die Dichte der Elek - tricität und mit ihr die Spannung außer - ordentlich groß ſein muß. Dies hat zur Folge, daß bei einem elektriſirten Körper, der mit einer Spitze verſehen iſt, durch dieſe die Elektricität aus - ſtrömen muß, ſelbſt auch dann, wenn die dem Körper mitgetheilte Elektricitäts - menge eine ſehr kleine iſt. Könnten wir einen Körper mit einer mathematiſchen Spitze verſehen, ſo müßte es ganz un - möglich ſein, auf dem Körper irgendwelche Elektricitätsmenge zu erhalten. Bei der Anwendung ſolcher Spitzen, wie wir ſie herzuſtellen im Stande ſind, wird aber der damit verſehene Körper ſo viel Elektricität behalten können, daß die Span - nung an der Spitze noch nicht im Stande iſt, Elektricität an die Luft abzugeben. Natürlich wird dieſe zurückbleibende Elektricität bei einer ſehr ſcharfen Spitze eine ſo geringe ſein, daß man ſie in der Regel vernachläſſigen kann.
Die Ausſtrömung der Elektricität in Folge ihrer Spannung iſt ſtets mit dem Auftreten eines Luftſtromes, des elektriſchen Windes, verbunden, der in der Richtung von der Ausſtrömungsſtelle weg bläſt; bei entſprechender Spannung kann der elektriſche Wind ſo ſtark werden, daß er Lichtflammen auszulöſchen im Stande iſt. Das Auftreten des elektriſchen Windes, alſo das Wegſchleudern der elektriſirten Lufttheilchen, kann auch durch das elektriſche Flugrädchen (Fig. 45) gezeigt werden. Dasſelbe beſteht aus S-förmig gekrümmten Metallblättchen oder Drähten, die an ihren Enden zugeſpitzt ſind und ſich auf einer verticalen Axe leicht drehen können. Mit letzterer ſetzt man das Flugrädchen auf den Conductor einer Elektriſirmaſchine auf. Sobald die Elektricität auf dem Conductor und ſomit auch auf dem mit ihm in leitender Verbindung ſtehenden Flugrädchen eine gewiſſe97 Spannung erreicht hat, ſtrömt die Elektricität aus den Spitzen heftig aus und ſtößt die Lufttheilchen in der Richtung der Spitzen zurück. Das Rädchen ſelbſt bewegt ſich dann in Folge der Reactionswirkung in entgegengeſetzter Richtung, was durch die Pfeile angedeutet iſt.
Für die Wirkung einer Spitze iſt es nicht gleichgiltig, an welcher Stelle des Leiters ſie angeſetzt wird. Sie wird z. B. kräftiger wirken, wenn man ſie bei a (Fig. 44, S. 93) anſetzt, als wenn ſie auf der Strecke A B ihre Baſis hat, weil an der erſterwähnten Stelle des Leiters die Dichte ſchon an und für ſich eine größere iſt, als an der letzterwähnten. Im erhöhten Maße macht ſich aber der Einfluß der Stellung geltend, wenn Influenzerſcheinungen auftreten.
In Fig. 46 ſtellt K eine elektriſirte Kugel dar, welche iſolirt aufgeſtellt iſt; bringt man in ihre Nähe den gleichfalls iſolirten Meſſingcylinder a b, ſo wird auf dieſem bekanntlich bei a Influenzelektricität erſter Art, bei b Influenzelektricität
Wirkung der Spitze bei Influenz-Erſcheinungen.
zweiter Art influenzirt. Setzt man nun auf das Ende bei b eine Spitze, ſo erhält auch dieſe Influenzelektricität zweiter Art; dieſe Influenzelektricität wird daher durch die Spitze ausſtrömen und hierin noch durch die von der Elektricität auf die Kugel ausgeübte Abſtoßung unterſtützt werden. Entfernt man dann die Kugel K von dem Cylinder a b, ſo bleibt letzterer mit Influenzelektricität erſter Art geladen zurück. Die Spitze bewirkt alſo bei dieſer Anordnung des Verſuches eine Ladung des genäherten Leiters mit Influenzelektricität erſter Art.
Aendert man aber den Verſuch derart ab, daß man die Spitze nicht bei b, ſondern an dem der Kugel zugewandten Ende a des Cylinders anſetzt, ſo treten folgende Erſcheinungen auf: Die (z. B. +) elektriſche Kugel erregt wieder bei a Influenzelektricität erſter Art (—) und bei b Influenzelektricität zweiter Art (+). Die Spitze bei a erhält Influenzelektricität erſter Art (—) und veranlaßt das Ausſtrömen dieſer (—) Elektricität. Nach Entfernung der Kugel K bleibt der Cylinder mit Influenzelektricität zweiter Art (+) geladen zurück. Dabei zeigt ſich aber die merkwürdige Thatſache, daß die Kugel K in ihrer (+) Elektricitäts -Urbanitzky: Elektricität. 798menge eine Verminderung erlitten hat, und zwar beiläufig um denſelben Be - trag, welchen die Influenzelektricität zweiter Art (+) auf dem Cylinder aus - macht. Wir wiſſen, daß unter gewiſſen Verhältniſſen ein Körper durch Ausübung einer Influenzwirkung an ſeiner Elektricitätsmenge nichts verliert. Wie haben wir uns daher in dieſem Falle den Elektricitätsverluſt zu erklären? In Folge der großen Dichte der Influenzelektricität erſter Art (—) auf der Spitze bei a ſtrömt dieſe Elektricität hier aus, bewirkt aber hierdurch auch eine andere Ver - theilung der (+) Elektricität auf der Kugel. Auf dem der Spitze gegenüberliegen - den Punkte der Kugel wird nämlich die Dichte der (+) Elektricität ſo geſteigert, daß auch hier ein Ausſtrömen eintritt. Dazu kommt noch folgender Umſtand: das Ausſtrömen der (—) Elektricität aus der Spitze iſt von dem elektriſchen Winde begleitet, d. h. die (—) elektriſchen Lufttheilchen werden von der Spitze weg gegen die Kugel getrieben. Auf dieſer geben ſie natürlich ihre (—) Influenzelektricität erſter Art ab und neutraliſiren dadurch einen Theil der auf der Kugel vorhandenen (+) Elektricität.
Ohne dieſe internen Vorgänge zu kennen, würde man zu der Meinung gelangen müſſen, daß die bei a angebrachte Spitze die Elektricität aus der Kugel in den Cylinder hinübergeſaugt habe. Man bezeichnet daher dieſe Erſcheinung als Saugwirkung der Spitzen. Aus der obigen Erklärung der Spitzenwirkung ergiebt ſich auch, daß dieſe ſcheinbare Saugwirkung ſo lange ſtattfinden wird, als die Dichte des ihr gegenüber befindlichen elektriſchen Körpers groß genug bleibt, um ein Ausſtrömen von Elektricität an der Spitze hervorzurufen.
Die Saugwirkung zeigt ſich in eclatanter Weiſe, wenn man eine im Uebrigen iſolirt aufgeſtellte Spitze mit der Erde in leitende Verbindung ſetzt und der Spitze einen elektriſirten Körper nahe bringt; es ſinkt dann die Dichte auf dem elektriſirten Körper augenblicklich auf eine ganz minimale Größe herab und läßt ſich nicht mehr vergrößern, wie viel Elektricität man auch dem Körper neuerdings zuführen will.
Wird der (z. B. +) elektriſche Körper mit einer Spitze verſehen, und nähert man ihm nun in der Richtung gegen die Spitze einen unelektriſchen Körper, ſo wird letzterer mit Influenzelektricität zweiter Art (+) geladen; es ſtrömt nämlich, durch die große Dichte der (+) Elektricität auf der Spitze bewirkt, Influenz - elektricität erſter Art (—) von dem genäherten Körper aus, und außerdem neu - traliſiren die von der Spitze auf den Körper geſchleuderten (+) elektriſchen Luft - theilchen einen entſprechenden Theil der Influenzelektricität erſter Art (—) auf dem genäherten Körper.
Die Spitzenwirkung iſt eine ſehr wichtige Erſcheinung und daher bei Conſtruction von Apparaten zu elektriſchen Verſuchen wohl zu beachten. Dieſe Wirkungen treten aber nicht nur bei Spitzen auf, ſondern auch, wenngleich in geringerem Maße, bei ſcharfen Kanten. Dieſe können wir nämlich, wenn wir die für die Spitzen angenommene Auffaſſung beibehalten, als Flächen bezeichnen, deren Krümmungsradius nach einer Richtung hin außerordentlich klein iſt.
Auch glimmende oder brennende Körper zeigen, wenn ſie aus leitenden Sub - ſtanzen beſtehen oder wenn die Flamme durch leitende Gaſe erhalten wird, die an Spitzen beobachteten Erſcheinungen. Ihre Wirkung iſt den beim Glimmen ſich bildenden Spitzen oder der Flammenſpitze und dem[aufſteigenden] Gasſtrome zu - zuſchreiben. Die Bildung dieſer Spitzen ſcheint ſogar viel vollkommener vor ſich zu gehen, als die der künſtlich verfertigten Spitzen, da ihre Wirkung eine kräftigere99 iſt. Es iſt daher auch ein häufig angewandtes Mittel, Körper, namentlich wenn ſie nicht leitend ſind, dadurch unelektriſch zu machen, daß man ſie einigemale durch eine Gasflamme führt.
Um größere Mengen von Elektricität zu erhalten, bedient man ſich natürlich nicht der Glas - oder Siegellackſtangen, ſondern verwendet hierzu die Elektriſir - maſchinen; wir wollen von dieſen im Nachſtehenden die Scheiben-Elektriſirmaſchine, die Dampf-Elektriſirmaſchine, den Elektrophor und die ſogenannte Influenzmaſchine betrachten.
Die Scheiben-Eſektriſtrmaſchine hat im Laufe der Zeit äußerlich zwar manche Veränderungen erfahren, aber ihre Hauptbeſtandtheile ſind im Weſentlichen unverändert geblieben. Auch jetzt noch drückt der jeweilige Fabrikant ſeiner Maſchine in einigen Details gewiſſermaßen ſeinen Stempel auf, aber im Großen und Ganzen haben dieſe Conſtructionsdifferenzen keine Bedeutung; es genügt daher, eine dieſer Formen zu betrachten. Fig. 47 ſtellt eine Scheiben-Elektriſirmaſchine in der Geſtalt dar, welche ihr der Wiener Elektriker Winter gegeben hat. Ihre Hauptbeſtand - theile ſind die Glasſcheibe S, das Reibzeug R und die beiden Conductoren C und C. Die Glasſcheibe S beſitzt in der Mitte eine kreisrunde Oeffnung, durch welche ein mit Schraubengewinde verſehener Holzzapfen geſteckt iſt, der mit einem zweiten die Schraubenmutter enthaltenden Holzzapfen auf der andern Seite der Glasſcheibe verſchraubt wird. Durch das Anziehen der Schraube erfolgt die Ein - klemmung der Glasſcheibe zwiſchen beiden Holzzapfen. Der eine Holzzapfen dreht ſich in einem hölzernen Lager, welches durch die Glasſäule G1 an dem Grund - brette der ganzen Elektriſirmaſchine befeſtigt iſt. Der zweite Zapfen iſt durch die Glasſäule G2 verlängert und dieſe dreht ſich in der Durchbohrung eines hölzernen Fußes. Die Kurbel K dient dazu, die Scheibe S in Umdrehung zu ſetzen.
Der Glasfuß G3 trägt ein gabelförmig geſtaltetes Holzſtück, welches die Scheibe derart umfaßt, daß zwiſchen je einer Gabelzinke und der Scheibe ein Reib - kiſſen R eingeſchoben werden kann. Jedes dieſer zu beiden Seiten der Scheibe an - gebrachten Reibkiſſen beſteht aus einem Brette, welches auf der der Scheibe zu - gewandten Fläche mit einigen Lagen Tuch belegt und darüber mit Leder überſpannt iſt. Das Leder verſieht man mit einem Ueberzuge von Amalgam, welches man ſich aus Zinn, Zink und Queckſilber bereitet, auf die mit etwas Knochenöl eingefettete Lederfläche ſtreut und leicht verreibt. An der Außenſeite der Reibkiſſenbretter befindet ſich eine Feder, welche ſich gegen die betreffende Zinke der Holzgabel ſtemmt und hierdurch das Reibkiſſen an die Glasſcheibe mäßig andrückt. Man hat es vortheil - haft gefunden, die Scheibenfläche zwiſchen den Reibkiſſen und dem poſitiven Con - ductor mit Wachstaffet zu bedecken (wie dies die Figur auch erkennen läßt). Die beiden Reibkiſſen ſtehen mit dem negativen Conductor C, einem durch Halb - kugeln beiderſeits abgeſchloſſenen Meſſingcylinder, in leitender Verbindung.
Der poſitive Conductor C, eine Meſſinghohlkugel, wird durch die Glasſäule G4 getragen. An der Kugel ſind zwei zu einander und zur Glasſcheibe parallele Holz - ringe r derart befeſtigt, daß ſich die Scheibe zwiſchen beiden Ringen in geringer Entfernung durchdreht. Die Holzringe ſind an ihren der Glasſcheibe zugewandten Seiten mit Stanniol bekleidet, und dieſes ſteht mit dem Conductor in leitender Verbindung. Aus den Stanniolbelegen ſelbſt ragt eine Anzahl feiner Metallſpitzen7*100heraus, welche ſenkrecht zur Scheibe geſtellt ſind und ohne dieſe zu berühren möglichſt nahe an ſie heranreichen. Winter fügte dem Conductor noch gewöhnlich einen Holzring W bei, der im Innern eine Drahtſpirale trägt. Verſuche haben ihm gezeigt, daß dieſer Ring, der gleichſam einen Meridian einer Kugel von
Scheiben-Elektriſirmaſchine.
gleichem Durchmeſſer darſtellt, gerade ſo wirkt, als ob die ganze Kugel vorhanden wäre, alſo die - ſelbe Menge Elektricität auf - zuſpeichern geſtattet, als wenn eine Kugel von gleichem Radius als der des Ringes als Con - ductor in Verwendung kommen würde. Auf dem Conductor iſt häufig auch noch an der den Holzringen gegenüberliegenden Seite eine kleine Meſſingkugel angebracht, auf welcher dann die Dichte der Elektricität ſtets bedeutend größer wird, als auf der übrigen Conductoroberfläche; man erreicht hierdurch, daß der Funke nur von einer und immer von derſelben Stelle auf einen etwa genäherten Entlader E überſpringt.
Mit Hilfe dieſer Beſchrei - bung und der früher gegebenen Erklärung der Spitzenwirkung iſt der Proceß der Elektricitäts - erregung mittelſt der Scheiben - maſchine leicht einzuſehen. Die Glasſcheibe wird durch die Kurbel in der Richtung des Pfeiles ge - dreht, reibt ſich an den amal - gamirten Lederkiſſen und erhält dadurch an den geriebenen Flächen poſitive Elektricität. Da das Glas ein Iſolator iſt, verbreitet ſich die poſitive Elektricität nicht über die ganze Scheibe, ſondern bleibt auf jenen Flächen, auf welchen die Elektricität erregt wurde. Bei fortgeſetzter Drehung gelangen dann die poſitiv-elektriſchen Flächen unter die Saugſpitzen der Holzringe r. Die poſitive Elektricität der Scheibe wirkt nun influenzirend auf den poſitiven Conductor C, ſtößt die Influenzelektricität zweiter Art (poſitive Elektricität) in die Meſſingkugel C als den entfernteſten Theil und bringt die Influenzelektricität erſter Art (negative Elektricität) an den am nächſten gelegenen Spitzen der Holzringe r zum Ausſtrömen. Dieſe (—) Influenz -101 elektricität erſter Art neutraliſirt die poſitive Elektricität der Glasſcheibe und dieſe verläßt bei Fortſetzung ihrer Drehung wieder unelektriſch den Raum zwiſchen beiden Saugringen. Inzwiſchen ſind jedoch neue durch die Reibung zwiſchen den beiden Reibkiſſen poſitiv elektriſirte Flächentheile der Scheibe zu den Saugſpitzen gelangt und geht neuerdings der oben angegebene Proceß vor ſich. Es braucht wohl kaum hinzugefügt zu werden, daß durch fortgeſetzte Drehung der Scheibe die Ladung des Conductors C mit poſitiver Elektricität immer ſtärker wird.
Wir wiſſen aber, daß durch Reibung immer gleichzeitig und in gleicher Menge poſitive und negative Elektricität erregt wird; was iſt alſo inzwiſchen mit letzterer geſchehen? Die negative Elektricität wird bei der Reibung auf dem Amalgam des Reibzeuges hervorgerufen, welches, wie früher angegeben wurde, mit dem negativen Conductor C in leitender Verbindung ſteht. Die bei der Reibung erregte negative Elektricität ſtrömt daher direct auf dieſen Conductor C über und häuft ſich dort bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe an. Die Anſammlung der negativen Elektricität iſt alſo keine Influenzwirkung, ſondern die Maſchinentheile (Reibzeuge), auf welchen die Elektricität hervorgerufen wird, ſind gleichzeitig Theile des negativen Conductors.
Dreht man die Glasſcheibe fortgeſetzt, ſo wird die Wirkung der Maſchine in kurzer Zeit zu Ende ſein, denn die negative Elektricität, welche ſich auf dem negativen Conductor und dem Reibzeuge anſammelt, wird alsbald eine hinlängliche Dichte erhalten, um ſich mit der auf der Glasſcheibe erregten poſitiven Elektricität vermöge der gegenſeitigen Anziehung vereinigen zu können; dann neutraliſiren ſich gleiche Mengen poſitiver und negativer Elektricität an ihrer Erregungsſtelle und verhindern ſo die Wirkſamkeit der Maſchine. Um dies zu verhindern, leitet man die negative Elektricität ſtets zur Erde ab, indem man vom negativen Conductor aus eine Metallkette auf die Erde herabhängen läßt. Jetzt kann natürlich der vor - erwähnte Fall nicht mehr eintreten und die Ladung des poſitiven Conductors wird bei fortgeſetztem Drehen der Scheibe immer zunehmen. Doch läßt ſich auch dieſer Proceß nicht unbegrenzt fortſetzen, da ſchließlich die Dichte der Elektricität am poſitiven Conductor ebenfalls ſo groß wird, daß beim unelektriſchen Zuſtande der Glasſcheibe ein Ausſtrömen poſitiver Elektricität durch die Spitzen gegen die Scheibe eintreten würde; hat der Conductor dieſe Spannung der Elektricität erreicht, ſo iſt eben die poſitive Elektricität auf der Scheibe nicht mehr kräftig genug, um das Ausſtrömen von Influenzelektricität erſter Art (—) aus den Spitzen zu bewirken. Wird jedoch auch die poſitive Elektricität von dem Conductor abgeleitet, ſo bildet die Maſchine eine ununterbrochen ſtrömende Elektricitätsquelle, ſo lange die Scheibe gedreht wird. Will man nur Funken überſchlagen laſſen, ſo verbindet man die vom negativen Conductor herabhängende Metallkette mit dem dem poſitiven Conductor gegenübergeſtellten Entlader (wie dies die Figur anzeigt).
Will man von der Maſchine nicht poſitive, ſondern negative Elektricität erhalten, ſo nimmt man die Kette von dem negativen Conductor ab und verbindet durch ſie den poſitiven Conductor leitend mit der Erde. Man erhält dann natürlich am negativen Conductor eine entſprechende Ladung mit negativer Elektricität. Dieſe iſt aber nicht durch Influenz auf dem negativen Conductor erregt worden, ſondern einfach von ihrer Erregungsſtelle, den beiden Reibkiſſen, auf den Conductor über - geſtrömt.
Im Jahre 1840 machte der Maſchinenwärter Seghill die Beobachtung, daß beim Ausſtrömen des Dampfes aus dem Sicherheitsventil eines Keſſels102 ſowohl dieſer, als auch der Dampf elektriſch werde. Armſtrong und Pattinſon ſtellten dem ausſtrömenden Dampfe Metallſpitzen gegenüber, welche mit einem Conductor in Verbindung ſtanden, und iſolirten den Dampfkeſſel von ſeiner Umgebung; bei dieſen Experimenten fanden ſie, daß der Dampf poſitiv, der Keſſel negativ elektriſch wird. Die Erſcheinung tritt jedoch nicht immer ein, ſobald Dampf ausſtrömt, ſondern iſt an die Bedingung geknüpft, daß der Dampf „ naß “austritt, d. h. daß er Waſſertröpfchen mit ſich führt. Armſtrong und ebenſo Faraday haben
Dampf-Elektriſirmaſchine.
alle dieſe Umſtände einer genauen Unterſuchung unterworfen und Arm - ſtrong conſtruirte auf Grund der hierbei ge - wonnenen Erfahrungen die
Hydro - oder Dampf - Elektriſirmaſchine. Auf einem viereckigen Rahmen, Fig. 48, ſind vier ſtarke Glasſäulen befeſtigt, welche den Keſſel zur Dampf - erzeugung tragen. Derſelbe iſt mit einem Sicherheits - ventile und einem Mano - meter ausgerüſtet. In der Mitte des Dampfkeſſels iſt ein Dampfdom, als Reſervoir für den im Keſſel erzeugten Dampf, auf - geſetzt und von dieſem aus geht der Dampf durch ein mit Hahn verſehenes Rohr zu den Ausſtrömöffnungen. Er gelangt jedoch nicht unmittelbar in dieſe, ſon - dern muß zuerſt noch eine flache eiſerne Büchſe paſſiren, in welcher er ſich zum Theile condenſirt. Es hat dies den ſchon früher erwähnten Zweck, an den Ausflußröhren ſtets naſſen Dampf zu erhalten. Den Ausflußöffnungen ſelbſt giebt man verſchiedene Formen, die aber immer den Zweck haben, die Reibung beim Ausſtrömen des Dampfes zu vermehren. So ſtellte Faraday der Ausflußöffnung einen Conus mit der Spitze gegen die Oeffnung gerichtet entgegen, während Armſtrong vor der Mündung der Röhre eine Platte anbringt, die der Dampf umſtrömen muß.
Die aus den Röhren kommenden Dampfſtrahlen treffen dann auf einen mit Spitzen verſehenen Metallrahmen, welcher mit einem Conductor in Verbindung ſteht. Letzterer iſt entweder auf dem Dampfkeſſel ſelbſt iſolirt befeſtigt, wie dies103 unſere Abbildung zeigt, oder er ſteht auf einem eigenen vom Keſſel unabhängigen Geſtelle. Auf dieſem Conductor ſammelt ſich dann die poſitive Elektricität, während ſich die negative auf dem Keſſel vertheilt.
Die Maſchine der Royal polytechnie institution in London beſitzt nach Wüllner’s Angabe 46 Ausflußöffnungen und iſt eine der wirkſamſten Elektriſir - maſchinen, die es überhaupt giebt. Die größte Maſchine, welche gebaut wurde, ſoll nach Cazin jene der Faculté des sciences von Paris ſein. Dieſe hat 80 Aus - flußröhren und giebt Funken von mehreren Decimetern Länge. Sie befindet ſich in der Maſchinengallerie des Conservatoire des arts et métiers.
Schon im Jahre 1762 hatte Wilke eine elektriſirte Glasplatte auf alle ihre Eigenſchaften ſorgfältig unterſucht, aber allerdings nicht daran gedacht, einen eigenen darauf gegründeten Apparat zu conſtruiren. Dies führte erſt Volta aus, indem er den Elektrophor erfand (1775).
In einer flachen, tellerartigen Metallform, Fig. 49, befindet ſich ein bei - läufig 1 Centimeter ſtarker Harzkuchen A, welchem man eine möglichſt ebene und blaſenfreie Oberfläche zu geben ſucht. Auf dieſer ruht ein einfacher oder aus zwei Metall - platten B und C beſtehender Deckel, welcher iſolirt abgehoben werden kann. Zu dieſem Zwecke zeigt die obere Platte des Doppel - deckels eine Handhabe i aus Glas; die beiden Metallplatten ſind durch Seidenſchnüre miteinander verbunden. Zur Erklärung der Wirkungsweiſe dieſes Apparates möge die ſchematiſche Zeich - nung, Fig. 50, dienen; M bezeichnet in dieſer die metalliſche Form, H den Harzkuchen, D den metalliſchen Deckel und G den iſolirenden Glasgriff.
Man macht zunächſt den Harzkuchen durch Reiben negativ elektriſch, indem man den Kuchen mit einem Fuchsſchwanze peitſcht. Wird dann der
Elektrophor.
Deckel aufgeſetzt, ſo wirkt die negative Elektricität des Kuchens influenzirend auf den Deckel; die poſitive Elektricität, Influenzelektricität erſter Art, wird durch die negative Elektricität des Harzkuchens an der unteren Fläche des Deckels feſtgehalten, die negative Elektricität, Influenzelektricität zweiter Art, gegen die obere Fläche des Deckels zurückgeſtoßen. Berührt man jetzt die obere Seite des Deckels ableitend, ſo fließt die negative Elektricität zur Erde ab, während die poſitive noch durch die negative Elektricität des Kuchens im Deckel feſtgehalten wird. Hebt man den Deckel an dem iſolirenden Glasgriffe ab, ſo erſcheint erſterer poſitiv elektriſch. Die poſitive Elektricität des Deckels kann dann beliebig verwendet werden; der Harz - kuchen hat hierbei an ſeiner Ladung nichts verloren. Man kann den Deckel nach ſeiner Entladung neuerdings auf den Harzkuchen bringen, wieder ableitend berühren und erhält ihn dann nach dem Abheben abermals poſitiv elektriſch. Daß im Metall - deckel ſich wirklich dieſe Vorgänge abſpielen, kann durch den in Fig. 49 abgebildeten Elektrophor gezeigt werden. Man ſetzt nämlich, nachdem der Harzkuchen gepeitſcht wurde, den Doppeldeckel B C auf, wobei die beiden Platten, welche durch die Seidenſchnüre i miteinander verbunden ſind, aufeinander zu liegen kommen und daher in metalliſcher Berührung ſtehen. Durch die Influenzwirkung der negativen104 Elektricität des Kuchens wird alsdann die untere Platte (B) poſitiv, die obere Platte (C) negativ elektriſch. Zieht man nun ohne vorhergegangener ableitender Berührung den Deckel an dem Griffe ab, ſo entfernt man zuerſt die obere Metall - platte, auf welcher ſich die negative Influenzelektricität befindet, von dem Harz - kuchen, und ſobald die Seidenſchnüre ſich geſpannt haben, folgt die untere poſitiv elektriſche Platte nach. Man erhält alſo beide Influenzelektricitäten in der Art, daß man den Leiter, auf welchen die Influenz ausgeübt wurde, in zwei Theile theilt. Auch der Elektrophor mit einfachem Deckel giebt für obige Erklärung der Wirkungsweiſe einen Beweis. Der Deckel erſcheint nämlich nach dem Abheben nur dann elektriſch, wenn er zuvor ableitend berührt wurde, und zwar zeigt er Influenz - elektricität erſter Art. Hat man ihn jedoch nicht ableitend berührt, ſo vereinigen ſich nach dem Abheben wieder die beiden Influenzelektricitäten und der Deckel erſcheint unelektriſch.
Es iſt wohl leicht begreiflich, daß ſich die Influenzwirkung des auf ſeiner Oberfläche negativ elektriſchen Harzkuchens nicht blos auf den Deckel beſchränken wird, ſondern ſich auch auf die unteren Schichten des Harzkuchens und auf die metalliſche Form erſtrecken muß. Die in dieſer Richtung eintretenden Erſcheinungen
Elektrophor.
wurden namentlich von Rieß und Bezold einem eingehenden Studium unterworfen, deſſen Reſultat die Aufſtellung zweier nicht völlig übereinſtim - mender Theorien war. Rieß ſchreibt die Haupt - wirkung der Influenz der negativen Elektricität zu, welche auf der Oberfläche des Kuchens durch Reiben erregt wird und dann ihre Wirkung auf die Maſſe des Kuchens äußert. Die In - fluenzelektricität erſter Art, alſo die poſitive Elektricität, müßte darnach die mittlere Schicht des Kuchens einnehmen, die Influenzelektricität zweiter Art, alſo die negative, ſich an die untere Fläche des Kuchens begeben. Dieſe Ver - theilung der Elektricität im Kuchen wirkt dann natürlich auch auf jene in der Metallform.
Bezold iſt jedoch der Anſicht, daß die Influenzwirkung der negativen Elek - tricität an der Oberfläche des Kuchens auf deſſen Maſſe nur von untergeordneter Bedeutung ſei, daß hingegen das elektriſche Verhalten der Metallform hauptſächlich von der directen Einwirkung der negativen Elektricität auf der Kuchenoberfläche herrühre. Die negative Elektricität des Kuchens wirkt vertheilend auf die Form, indem ſie die poſitive Influenzelektricität an die obere Seite derſelben zieht und dort feſthält, während die negative Influenzelektricität in die untere Fläche der Form zurückgedrängt wird und von dieſer abfließt, wenn die Form nicht iſolirt aufgeſtellt iſt. Daraus erklärt ſich auch, daß die Form negativ elektriſch erſcheint, ſobald nach Elektriſirung des Kuchens der Deckel aufgeſetzt wird. Wurde die negative Elektricität der Form abgeleitet, ſo iſt dieſe unelektriſch, da nun die poſitive Elektricität der Anziehung durch die negative an der Oberfläche des Kuchens folgt und aus der Form in die untere Seite des Kuchens eintritt. Bezold ſchreibt alſo den negativelektriſchen Zuſtand der Form der directen Influenzwirkung der negativen Harzoberfläche auf die Form zu, während Rieß annimmt, die negative Elektricität der Form ſei im Harzkuchen erzeugte und dann erſt auf die Form übergeſtrömte Influenzelektricität.
105Ob man ſich nun für die eine oder die andere Erklärung entſcheidet, in jedem Falle wird man ſich über nachſtehendes Verhalten leicht Rechenſchaft geben können. Legt man auf irgend eine Stelle der Kuchenoberfläche einen etwa Centimeter breiten Stanniolſtreifen, welcher mit der nicht iſolirt aufgeſtellten Form in leitender Ver - bindung ſteht, ſo iſt der Deckel, ohne daß man ihn vorher ableitend berührt, nach dem Abheben poſitiv elektriſch. Der[Stanniolſtreifen] ſtellt eine leitende Verbindung zwiſchen der Erde einerſeits, der Form und der Harzkuchenoberfläche andererſeits her. Der Harzkuchenoberfläche wird dadurch negative Elektricität an jener Stelle entzogen, welche der Stanniolſtreifen berührt; die Elektricität auf der übrigen Fläche des Kuchens wird nahezu nicht beeinflußt, da, wie wir bereits wiſſen, Harze der Bewegung der Elektricität einen ſehr großen Widerſtand entgegenſetzen oder, mit anderen Worten, Iſolatoren ſind. Ferner wird durch den Stanniolſtreifen auch die negative Elektricität der Form zur Erde abfließen, während die poſitive feſtgehalten wird, beziehungsweiſe auf die untere Fläche des Harzkuchens übergeht. Setzt man nun den Deckel auf den Kuchen, ſo wird auf dieſen poſitive und negative Elek - tricität influenzirt. Die poſitive wird durch die Anziehungskraft der negativen der Harzfläche feſtgehalten, die negative Influenzelektricität hingegen in den ent - fernteſten Theil des Deckels abgeſtoßen. Dieſer liegt nun aber auf dem Stanniol - ſtreifen, welcher mit der Erde in Verbindung ſteht, folglich muß die negative Influenzelektricität des Deckels durch den Stanniolſtreifen zur Erde abfließen. Hebt man jetzt den Deckel ab, ſo verbreitet ſich natürlich die poſitive Influenzelektricität über den ganzen Deckel und dieſer erſcheint alſo poſitiv elektriſch. Die Anbringung des Stanniolſtreifens erſpart daher das läſtige ableitende Berühren des Deckels, welches ſonſt vor jedem Abheben erfolgen muß.
Wir haben noch jener Eigenſchaft des Elektrophors zu gedenken, welcher er ſeinen Namen verdankt, der ſo viel wie Elektricitätsträger bedeutet. Läßt man nämlich den Elektrophor, nachdem man ihn elektriſirt und wieder mit einem Deckel verſehen hat, ſtehen, ohne daß man ſeine Form iſolirt, ſo behält er monatelang ſeinen elektriſchen Zuſtand bei. Die Erklärung für dieſes Verhalten iſt darin zu ſuchen, daß die negative Elektricität der Kuchenoberfläche einerſeits und die poſitive Elektricität am Deckel und an der Unterfläche des Kuchens andererſeits ſich gegenſeitig binden, daher die Zerſtreuung erſchweren; ferner iſt die Berührung der Luft mit der Harzoberfläche durch den aufgeſetzten Deckel ſehr vermindert und wird überdies noch jene Luftſchicht, welche ſich zwiſchen Deckel und Harzoberfläche befindet, von den einander entgegengeſetzten Elektricitäten dieſer beiden auch entgegengeſetzt influenzirt, weshalb ſich hier eine gewiſſermaßen ſtagnirende Luftſchicht bildet, die ebenfalls der Zerſtreuung der Harzelektricität entgegenwirkt. Die Eigenſchaft ſelbſt, den elektriſchen Zuſtand lange Zeit hindurch zu erhalten, nennt man Tenacität.
Gleichwie man ſich bei der Elektricitätserregung durch Reibung nicht damit begnügte, blos Glas - oder Harzſtangen mit der Hand zu reiben, ſondern eine Maſchine conſtruirte, die geſtattet, die Elektricitätserregung zu einem continuirlichen Proceſſe zu geſtalten, ebenſo verſuchte man auch den Elektrophor in ähnlicher Weiſe umzuformen. Die Maſchinen, die in ſolcher Art entſtanden, nennt man Infſuenz - maſchinen oder nach Rieß Elektrophormaſchinen. Holtz und Töpler gelangten beinahe gleichzeitig zur praktiſchen Ausführung dieſes Gedankens. Wie beim Elek - trophor wird auch bei dieſen Maſchinen zuerſt ein Beſtandtheil derſelben durch Reiben elektriſirt; dieſer elektriſirt durch Influenz andere Theile der Maſchine, die abwechſelnd mit ihnen zuſammengebracht und dann wieder voneinander entfernt106 werden. Die Influenzmaſchinen unterſcheiden ſich aber dadurch vortheilhaft von dem Elektrophor, daß die influenzirte Elektricität nicht blos zu den gewünſchten Zwecken verwendet werden kann, ſondern überdies auch noch die dem andern Maſchinen - theile urſprünglich ertheilte Elektricität vermehrt. Durch dieſes gegenſeitige Aufein - anderwirken der influenzirenden und der influenzirten Elektricität wird die Wirkſamkeit der Maſchine natürlich bedeutend geſteigert. Es mag hier ſchon darauf hingewieſen werden, daß wir bei der Beſprechung der dynamoelektriſchen Maſchinen einen ähn - lichen Proceß kennen lernen werden.
Influenzmaſchine von Holtz.
In Deutſchland hat jene Form der Influenzmaſchine die größte Verbreitung gefunden, welche Holtz ihr gegeben hat. Sie iſt in Fig. 51 in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt. Als Baſis dient ihr ein ſolider, vierſeitiger Rahmen A B aus Holz. Die beiden gut gefirnißten Glasſcheiben E F und C D ſind mit dieſem Rahmen in folgender Weiſe verbunden. Die Glasſcheibe E F (die rückwärtige in der Figur) wird an den drei Stellen d d e durch horizontale Arme feſtgehalten, kann aber in ihrer Stellung zur Scheibe C D regulirt werden. Die horizontalen Arme enden nämlich in Schrauben, deren Muttern d d e von mit Kerben verſehenen kreisrunden Holz - ſcheibchen gebildet werden; in den Kerben dieſer Muttern iſt nun die Scheibe E F107 gelagert. Dreht man dieſe Muttern in dem einen oder andern Sinne, ſo muß daher die Scheibe E F dementſprechend ihre Stellung gegen die Scheibe C D ändern; dieſe Einrichtung ermöglicht alſo, die beiden Scheiben ſtets einander parallel zu ſtellen. Einmal in dieſe Stellung gebracht, bleibt dann die Scheibe E F immer in derſelben. E F iſt mit drei Ausſchnitten verſehen; der eine kreisrunde Ausſchnitt in der Mitte dient dazu, um die Axe a b der Scheibe C D durchzulaſſen; die beiden anderen Ausſchnitte, welche an den Enden eines Scheibendurchmeſſers liegen, befinden ſich bei n und n'. Unterhalb n und oberhalb n' ſind die ſogenannten Belege m' und m angebracht, beſtehend aus ovalen Papierſtücken, welche je einen in einer Spitze endigenden Streifen aus demſelben Materiale tragen. Dieſe Spitzen ragen in die Oeffnungen n n' der Scheibe E F hinein und ſind durch dieſe gegen die Scheibe C D gerichtet. Die Scheibe C D (vordere in der Figur) ſitzt auf der horizon - talen Axe a b und kann um dieſe in raſche Rotation gebracht werden. Hierzu dienen die Rollen r, r 'und r″ mit den dazu gehörigen Schnurläufen. Das letzte Rad r trägt an einem Ende ſeiner Welle w w' die Kurbel k. Die rotirende Scheibe C D beſitzt keine Ausſchnitte.
Den beiden Belegen m m' ſind Saugkämme, beſtehend aus einer größeren Anzahl feiner Metallſpitzen, derart gegenübergeſtellt, daß die rotirende Glasſcheibe C D mit geringem Spielraume zwiſchen dieſen Kämmen einerſeits und der feſtſtehenden Glasſcheibe E F andererſeits durchrotiren kann. Die Saugkämme werden von den Metallſtäben p g o und q g' o' gehalten, welche bei o und o' in horizontal durch - bohrten Kugeln endigen. In dieſe Durchbohrungen ſind Metallſtäbe geſteckt, die bei i i' Kugeln tragen, zur Befeſtigung von Leitungsdrähten wohl auch Klemmen beſitzen, und an den nach außen gekehrten Enden mit iſolirenden Griffen h h' verſehen ſind. Mit Hilfe dieſer kann man die beiden Stäbe in den horizontalen Durchbohrungen der Kugeln o o' verſchieben und ſo die Kugeln i i', welche man die Pole der Maſchine nennt, voneinander entfernen oder einander, auch bis zur Berührung, nähern. Die Saugkämme ſammt dieſen Metallſtäben und Kugeln ſind an dem Geſtelle H H' voneinander wohl iſolirt befeſtigt.
Um die Maſchine in Gang zu ſetzen, bringt man die beiden Kugeln i i' zunächſt zur Berührung und theilt dann einer der beiden Belegungen m oder m' eine gewiſſe elektriſche Ladung mit, indem man ſie mit einer vorher geriebenen Hart - gummiplatte berührt. Gleichzeitig ſetzt man mit Hilfe der Kurbel k die Glasſcheibe C D derart in raſche Rotation, daß die Drehung gegen die Spitzen der Papier - belegung auf der feſtſtehenden Platte gerichtet iſt. Entfernt man dann durch Vermittlung der iſolirenden Griffe h h' die beiden Pole i i' voneinander, ſo ſchlagen zwiſchen dieſen beiden Funken über. Letztere kann man noch dadurch verſtärken, daß man eine Kleiſt’ſche Flaſche mit den Metallſtäben q g' und p g in Verbindung ſetzt.
Die Vorgänge, welche ſich während der Thätigkeit der Maſchine in dieſer abſpielen, ſind keineswegs ſehr einfacher Natur, und deshalb auch noch nicht ganz vollkommen ergründet. Um eine Vorſtellung hierüber zu gewinnen, wollen wir an der Hand der ſchematiſchen Zeichnung in Fig. 52 im Weſentlichen der von Rieß gegebenen Erklärung folgen. Die beiden Kugeln i und i' ſtehen miteinander in Berührung; der Belegung — m auf der feſtſtehenden Glasſcheibe E F wird negative Elektricität mitgetheilt. Dieſe wirkt nun durch Influenz auf die drehbare Scheibe C D und auf den Metallkamm p. Die Scheibe C D wird auf jener Seite, welche der Belegung m zugekehrt iſt, poſitiv elektriſch, auf jener Seite, welche dem Saug - kamm zugewandt iſt, negativ elektriſch. Die negative Elektricität auf m wirkt aber108 auch influenzirend auf das Leiterſyſtem p g i i' g' q, und zwar in der Art, daß die poſitive Influenzelektricität in die Spitzen bei p gezogen, die negative jedoch durch g g' in die Spitzen bei q zurückgeſtoßen wird. Die poſitive Influenzelektricität kommt dann an den Spitzen p zum Ausſtrömen und tritt auf die Scheibe C D über. Dort trifft ſie mit der durch die Belegung m auf der Scheibe C D erregten negativen Influenzelektricität zuſammen und beide neutraliſiren ſich zum Theile. Der Ueberſchuß der auf die Scheibe C D aus den Spitzen p übergeſtrömten poſitiven Elektricität macht die Scheibe poſitiv elektriſch. Es ergiebt ſich alſo als Wirkung der negativen Elektricität in m und der gegenüberſtehenden Spitzen bei p auf die Scheibe C D das Reſultat, daß dieſe zwiſchen p und m auf beiden Seiten poſitiv elektriſch wird.
Wird nun die Scheibe C D in der Richtung des Pfeiles um ihre horizontale Axe gedreht, ſo gelangen jene poſitiv elektriſchen Flächen zwiſchen den Kamm q und die Belegung + m. In den Kamm g' wird aber, wie früher angegeben wurde, negative Influenzelektricität gedrängt; dieſe ſtrömt von den Spitzen des Kammes auf die Scheibe C D über, wird alſo, wenn durch die Drehung die poſitiv elektriſche Fläche nach g gekommen iſt, dieſe poſitive Elektricität neutraliſiren und dann dieſelbe Fläche
Schema der Influenzmaſchine.
negativ laden. Gleichzeitig iſt aber auch die poſitiv elektriſche Fläche auf der andern Seite der Scheibe, nämlich jener, welche der feſtſtehenden Scheibe E F zugewandt iſt, + m gegenüber gekommen. Hier findet ſie die unelektriſche mit einer Spitze verſehene Belegung + m und wirkt auf dieſe in folgender Weiſe. Sie erregt auf der Belegung poſitive und negative Influenzelektricität; die erſtere wird als gleichnamig in die Be - legung zurückgeſtoßen, die letztere aber, weil ungleichnamig, nach der Spitze der Belegung gezogen. Hier kommt ſie zum Ausſtrömen, geht auf die Scheibe C D über, neutraliſirt hier die poſitive Elektricität und ladet die vorhin poſitiv elektriſche Fläche nun negativ. Das Reſultat der Ein - wirkungen von der Belegung + m und dem Saugkamme q auf die Scheibe C D iſt daher, daß die Scheibe C D auf beiden Seiten negativ elektriſch wird; gleichzeitig hat die Belegung m' eine poſitive Ladung erhalten.
Es iſt einleuchtend, daß bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe C D nach und nach ſämmtliche Stellen der Scheibe die eben geſchilderten Einwirkungen erfahren müſſen. Die eben betrachteten Flächenſtücke der Scheibe C D, welche ſich anfänglich zwiſchen m und p befanden, erhielten dort poſitive Elektricität und behielten dieſelbe bei, bis ſie zwiſchen + m und q angelangt waren. Da ſich dieſer Vorgang auf jedem Theile der Scheibe abſpielen wird, welcher den Weg von m p nach m' q zurücklegt, ſo muß offenbar die ganze obere Hälfte der Scheibe fortwährend poſitiv elektriſch ſein. Setzt die Scheibe die Drehung in derſelben Richtung fort, ſo gelangen die in Rede ſtehenden Flächentheile von + m q wieder nach m p; in + m q wurden ſie aber negativ elektriſirt, folglich muß die ganze untere Hälfte der Scheibe, ſo lange die Rotation dauert, negativ elektriſch ſein.
Was geſchieht nun, wenn die auf beiden Flächen negativ elektriſirte Scheibe wieder zwiſchen m und p angelangt iſt? Die negative Elektricität auf der der feſt -109 ſtehenden Scheibe E F zugewandten Fläche tritt in Folge der Spitzenwirkung der letzteren in die Belegung m über1)Wie dieſes Uebertreten aufzufaſſen iſt, wurde bereits bei der Erklärung der Spitzen - wirkung angegeben; wir bedienen uns nur der Kürze und Deutlichkeit wegen der nicht ganz richtigen Sprechweiſe. und verſtärkt die negative Ladung der Belegung m. Die negative Elektricität auf der dem Metallkamme p zugewandten Fläche der Scheibe C F wird durch die aus p ausſtrömende poſitive Elektricität neutraliſirt und die vorhin negativ elektriſche Scheibenfläche poſitiv elektriſirt. Die verſtärkte negative Ladung von m wirkt nun abermals influenzirend auf die Scheibe C D und den Kamm m. Der Vorgang hierbei iſt wieder derſelbe wie zu Beginn der Scheiben - drehung, aber die Wirkung wird eine bedeutend ſtärkere ſein. Die Scheibe C D wird alſo zwiſchen m und p abermals auf beiden Flächen poſitiv elektriſch, und zwar ſtärker als bei der erſten Drehung, und dieſe poſitiv geladenen Flächen gelangen dann neuerdings zwiſchen + m und q, wo wieder der vorhin angegebene Vorgang ſtatt hat, aber ebenfalls in erhöhter Kraft.
Bei fortgeſetzter Drehung der Scheibe verſtärken ſich Urſache und Wirkung gegenſeitig immer mehr und die Maſchine wird in kurzer Zeit zur vollen Wirkungs - fähigkeit gebracht. Entfernt man nun die beiden Kugeln i und i' voneinander, ſo geht zwiſchen beiden ein für das Auge faſt ununterbrochenes Funkenbüſchel über; in Wirklichkeit tritt immer dann ein Funke auf, wenn die Dichte der poſitiven Elek - tricität auf der Kugel i' und jene der negativen Elektricität auf i groß genug ge - worden iſt, um den Widerſtand der zwiſchen beiden Kugeln befindlichen Luftſchichte überwinden zu können. Bleiben hingegen beide Kugeln miteinander in Berührung, ſo gleichen ſich beide Elektricitäten in dem Maße als ſie erregt werden in dem dann ununterbrochenen Leiter g g' aus. Schaltet man bei auseinandergerückten Kugeln eine Kleiſt’ſche Flaſche ein, ſo ſchlägt, je nach der Wirkſamkeit der Maſchine, in größeren oder kleineren Zeitpauſen ein hell leuchtender Funke zwiſchen beiden Kugeln über und verurſacht dabei einen Knall, der jenen einer Piſtole an Stärke übertreffen kann.
Die Influenzmaſchine iſt alſo an Wirkſamkeit dem Elektrophor beiweitem überlegen, da letzterer, auch in großen Dimenſionen ausgeführt, doch nur bedeu - tend ſchwächere und kürzere Funken giebt. Wir werden ſpäter, nämlich bei Be - ſprechung der in galvaniſchen Batterien erregten Elektricität, erfahren, daß, um ganz kleine Funken an den Enden der Poldrähte zu erhalten, ſchon eine ſehr bedeutende Elementenanzahl erfordert wird. Andererſeits iſt aber die in dieſer Weiſe erregte Elektricität, auch wenn nur wenige Elemente angewandt werden, im Stande, gewiſſe Arbeiten zu leiſten, welche eine ganze Reihe von Influenz - maſchinen zuſammengeſpannt nicht zu leiſten im Stande iſt. Des beſſeren Ver - ſtändniſſes wegen dürfte es ſchon hier am Platze ſein, zu erklären, warum der anſcheinend mächtige, mit Piſtolenknall überſpringende Funke der Influenzmaſchine nicht im Stande iſt, eine Arbeit zu leiſten, welche wenige galvaniſche Elemente, die an ihren Polenden nicht das geringſte Fünkchen überſpringen machen können, ſehr leicht leiſten. Sind die beiden Pole i i' der Influenzmaſchine miteinander in Be - rührung, ſo gleichen ſich, wurde früher geſagt, die durch Influenz erregten poſi - tiven und negativen Elektricitäten im Leiter g g' aus; man ſagt dann, der Leiter g g' iſt von einem elektriſchen Strome durchfloſſen. Verbindet man die Pol - enden einiger galvaniſcher Elemente entſprechend miteinander, ſo fließt in dem Verbindungsdrahte ebenfalls ein elektriſcher Strom. Unterbricht man im erſten Falle den Leiter an irgend einer Stelle, ſo ſchlägt an dieſer ein mächtiger Funke110 über; unterbricht man den Leiter, der die Pole der galvaniſchen Elemente ver - bindet, ſo tritt kein Funkenüberſchlagen ein. Die Urſache dieſes verſchiedenen Ver - haltens liegt darin, daß im erſten Falle, alſo bei der Influenzmaſchine, ein äußerſt ſchwacher elektriſcher Strom erregt wird, die erregte Elektricität aber eine bedeutende Spannung hat, während im letzterwähnten Falle ein kräftiger Strom entſteht, der aber eine ſo geringe Spannung beſitzt, daß er den Widerſtand auch der dünnſten Luftſchichte nicht zu überwinden im Stande iſt.
Die Elektricität verhält ſich in beiden Fällen ähnlich wie das Waſſer in nachſtehendem Beiſpiele. Ein ſehr dünner Waſſerſtrahl, etwa im Durchmeſſer von 1 Millimeter, ſchießt aus ſeiner engen Ausflußöffnung zu ſehr bedeutender Höhe, etwa 10 Meter hoch, empor und fällt dann in ein weites Becken. Es iſt ein - leuchtend, daß in dieſem Falle geraume Zeit verſtreichen wird, bis ſich das Becken füllt. Nun nehmen wir aber eine ſehr weite Ausflußöffnung; jetzt wird das Waſſer ſich kaum über ſeine Ausflußöffnung erheben, aber in kürzeſter Zeit das Becken füllen. Die Anwendung dieſes Veiſpieles auf unſere beiden Elektricitätserreger iſt nun einfach: der hoch aufſchießende Waſſerſtrahl aus der engen Oeffnung iſt der kräftige Funke der Influenzmaſchine, der das Becken raſch füllende Waſſerſchwall aus der weiten Oeffnung iſt der Strom der galvaniſchen Batterie.
Eine Holtz’ſche Influenzmaſchine kann Funken von der Länge des Drittels oder der Hälfte des Scheibendurchmeſſers geben, entwickelt aber in einem Waſſer - zerſetzungsapparate erſt in etwa 40 Stunden einen Cubikcentimeter Knallgas. Um letzteres durch galvaniſche Elemente zu bewirken, bedarf es nur einer ſehr kurzen Zeit und weniger Elemente. Hingegen geben 11.000 Chlorſilber-Elemente Funken von nur 15 Millimeter Länge.
In neuerer Zeit hat A. Toepler Influenzmaſchinen conſtruirt, die an Wirkſamkeit die Holtz’ſche Influenzmaſchine weit übertreffen. Er beſchrieb ſie ſelbſt mit folgenden Worten: „ Man ſtelle ſich vor, daß auf einer horizontalen Rotationsaxe ſehr viele kleine Kreisſcheiben von Glas in kleinen Abſtänden voneinander befeſtigt ſeien. In die engen Zwiſchenräume derſelben rage zu beiden Seiten der Maſchine ein Syſtem wohl iſolirter Inductorenplatten (d. h. feſtſtehende Platten mit Belegungen) hinein, jedoch ſo, daß dabei je ein Zwiſchenraum überſprungen wird. Es ſind alſo auf jeder Seite nur halb ſo viel Inductoren, als die Anzahl der Kreisſcheiben beträgt. In die noch unbeſetzten Zwiſchenräume greift rechts und links je ein Syſtem horizontaler Spitzenkämme, mit den Spitzen gegen die Rotationsrichtung gekehrt. Denkt man ſich die Inductoren rechts mit poſitiver, links mit negativer Elektricität geladen, ſo wirkt jeder Inductor durch Influenz auf ſeine beiden Nachbarſcheiben; ebenſo wirkt jeder Kamm doppelt. Verbindet man die Kammſyſteme durch einen Draht, ſo muß in dieſem, entſprechend der wirkſamen Oberfläche, ein ſtarker Strom entſtehen. Ich habe die Maſchine mit 20 kleinen Scheiben von nur 13 Centimeter Radius ausführen laſſen, ſo daß ein Apparat entſtand, deſſen wirkſame Theile, abge - ſehen vom Rotationsmechanismus, nur etwa 0·05 Kubikmeter Raum einnehmen. Kleine Scheiben mit großer Rotationsgeſchwindigkeit halte ich für vortheilhaft, theils aus techniſchen Gründen, hauptſächlich aber, damit die Spannung nicht größer werde, als man ſie bei den meiſten Experimenten braucht. “
Toepler kuppelte einſt drei ſolche Maſchinen zuſammen und ließ ſie durch einen Arbeiter in Bewegung ſetzen. Der Strom, welchen er hierbei bekam, erhielt bereits einen 0·2 Millimeter dicken Platindraht beſtändig glühend und veranlaßte eine bereits ſichtbare Waſſerzerſetzung. Allerdings würde zur Erzeugung von einem111 Cubikcentimeter Knallgas immerhin noch ein Zeitraum von beiläufig 38 Minuten nöthig ſein. „ Und doch, ſo geringfügig dieſe galvaniſchen Wirkungen auch ſein mögen, “ſagt Toepler, „ vor zwanzig Jahren hätte man, um ſie zu erhalten, einige hundert gute Reibungs-Elektriſirmaſchinen zuſammen in Thätigkeit ſetzen müſſen. “
In Frankreich hat die Influenzmaſchine von Carré (Fig. 53) große Verbreitung erlangt. Bei dieſer werden beide Scheiben, die influenzirende (der Inductor) ſowohl, als auch die influenzirte, in Rotation verſetzt. Die Inductorſcheibe wird durch die Reibung zwiſchen den beiden Reibkiſſen F F1 ſtets elektriſch erhalten und rotirt in ent - gegengeſetzter Richtung und bedeutend langſamer wie die große Scheibe B. Der Antrieb beider Scheiben erfolgt gemein - ſchaftlich durch die Kurbel M, den Schnurlauf und die dazu - gehörigen Rollen. Die Axen der beiden Scheiben ſind in den Ständern a und b gelagert, welche an ihren oberen Enden den Conductor C tragen, mit dem ein Saugkamm in Ver - bindung ſteht; der zweite Saug - kamm beſitzt eine beweglichen Arm e d, welcher an dem oberen Conductor angelegt oder von ihm weggedreht werden kann. Die Wirkungsweiſe dieſer Ma - ſchine bedarf nach der vorhin für die Holtz’ſche Maſchine ge - gebenen keiner weiteren Er - klärung.
So ſehr die Influenz - maſchinen in ihrer Wirkſamkeit den Reibungs-Elektriſirmaſchinen überlegen ſind, theilen ſie mit dieſen doch auch einige Nach - theile. So wirkt z. B. namentlich die Luftfeuchtigkeit ſehr ſtörend, ſo zwar, daß die Maſchinen
Carré’s Maſchine.
häufig gar nicht in Thätigkeit zu bringen ſind. Dies iſt auch die Urſache, warum Experimente vor einem großen Auditorium häufig mißlingen, da durch den Athmungs - proceß ſo vieler Menſchen die Luft eines geſchloſſenen Raumes ſtark mit Feuchtigkeit geſättigt wird. Toepler ſucht dieſen Uebelſtand dadurch zu beſeitigen, daß er die ganze Maſchine auf einen Heizapparat ſtellt. Dieſer beſteht im Weſentlichen aus einem doppelwandigen Blechkaſten, in deſſen Innerem einige Gasflämmchen brennen. Der äußere Blechmantel iſt durchbrochen und ebenſo die Geſtellplatte der Influenzmaſchine, ſo daß ein mäßig warmer Luftſtrom die Maſchine von unten umſtrömt, und alle Theile derſelben gleichförmig umſpült. Dr. S. Th. Stein ſchließt zur Erreichung desſelben Zweckes die ganze Influenzmaſchine in einen Glaskaſten ein und ſtellt in deſſen Innerem einen kleinen Ventilator auf; dieſer ſaugt auf einer Seite die Luft112 aus dem Kaſten ein, zwingt ſie, durch eine Trockenröhre, d. h. eine Röhre gefüllt mit Subſtanzen, welche begierig Waſſer anziehen, zu gehen und treibt die ſo ge - trocknete Luft wieder in den Kaſten zurück. Die Bewegung der Influenzmaſchine und des Ventilators wird durch einen kleinen, ebenfalls im Glaskaſten befindlichen Motor bewirkt, deſſen Triebkraft ein elektriſcher Strom iſt. Hiermit iſt das Durch - führen der Rotationswellen durch die Glaswand vermieden und dadurch der Eintritt der äußeren Luft in den Glaskaſten ausgeſchloſſen.
Influenzmaſchinen, welche längere Zeit hindurch in Gebrauch waren, werden aber auch noch durch eine andere Urſache unwirkſam. Die Scheiben belegen ſich nämlich mit einer Staubſchicht, die nicht mehr durch einfaches Abwiſchen zu beſeitigen iſt. Dann bleibt nichts Anderes übrig, als die Maſchine zu zerlegen, die Scheiben gründlich zu reinigen und mit einem neuen Firnißüberzuge zu verſehen.
Reibungs-Elektriſirmaſchine und Influenzmaſchine geſtatten Elektricität in größerer Menge zu erregen, und beide ſind auch mit Apparaten ausgerüſtet, welche erlauben, die erregte Elektricität anzuſammeln. Es ſind dies die Conductoren. Wir haben aber auch bei der Beſprechung der Reibungs-Elektriſirmaſchine erfahren, daß die Anſammlung von Elektricität auf den Conductoren nur bis zu einem beſtimmten Grade möglich iſt, und daß dann der Conductor ſeine Ladung nicht mehr zu verſtärken vermag, wie viel Elektricität ihm von der Maſchine auch noch zugeführt werden mag. Es wurde dort geſagt, daß der Zeitpunkt, von welchem an die Ladung des Conductors nicht mehr zunehmen kann, dann eintritt, wenn das Potentialniveau des Conductors ſo groß geworden iſt, daß die Saugſpitzen nicht mehr wirken können. Ueberdies ſetzt auch noch die Zerſtreuung der Elektricität durch die den Conductor umgebende Luft eine beſtimmte Grenze.
Hier giebt jedoch die Influenz ein Mittel an die Hand, größere Mengen von Elektricität anzuſammeln oder aufzuſpeichern. Die Apparate, welche unter Anwendung der Influenz eine ſolche Aufſpeicherung geſtatten, ſind der Condenſator, die Kleiſt’ſche oder Leydener Flaſche und die Franklin’ſche Tafel; alle beruhen darauf, daß zwei leitende Flächen einander parallel gegenübergeſtellt und vonein - ander durch eine iſolirende Schicht getrennt werden. Bei der Ladung dieſer Apparate wird ſtets die eine Fläche mit der Elektricitätsquelle, die andere mit der Erde leitend verbunden; man nennt die erſte den Collector, die letztere den Con - denſator.
Rieß hat dem Anſammlungsapparate eine ſehr einfache und namentlich zum Studium der bei der Anſammlung ſtattfindenden Vorgänge geeignete Form gegeben; ſie iſt in Fig. 54 in perſpectiviſcher Anſicht dargeſtellt. A iſt die durch eine Glas - ſäule s iſolirt aufgeſtellte Collectorplatte, B die Condenſatorplatte. Die letztere iſt am Fuße ihres gläſernen Trägers mit einem Gelenke g verſehen, welches geſtattet, die Platte B von A weg und nach abwärts zu drehen. Der Träger der Platte A ſitzt auf einem Rahmen r und kann mit dieſem auf der Theilung T verſchoben werden. k iſt eine Klemmſchraube zur Aufnahme eines zuleitungsdrahtes für die Elektricität. Die iſolirende Zwiſchenſchicht zwiſchen den beiden Platten bildet die Luft.
Man dreht die Scheibe B nach abwärts und ſetzt die Platte A mit Hilfe eines bei k befeſtigten Leitungsdrahtes mit einer Elektricitätsquelle in Verbindung. 113Von dieſer ſtrömt dann ſo lange Elektricität auf die Platte A, bis die Dichte der Elektricität auf dem Leitungsdrahte jener der Elektricitätsquelle gleich geworden iſt; dann hört jede weitere Zuſtrömung auf. Nun dreht man die Platte B wieder nach aufwärts, ſo daß ſie in geringer Entfernung von der Platte A und parallel zu ihr zu ſtehen kommt. Die Elektricität auf der Platte A wirkt jetzt influenzirend auf die Platte B; ſie zieht die Influenzelektricität erſter Art auf jene Fläche der Scheibe B, welche der Scheibe A zugewandt iſt, und ſtößt die Influenzelektricität zweiter Art auf die andere Fläche, oder wenn die Platte B mit der Erde in leitender Verbindung ſteht, in dieſe. Die Platte B beſitzt dann eine gewiſſe Menge Influenzelektricität erſter Art; dieſe wirkt nun natürlich auch verändernd auf die Vertheilung der Elektricität in der Platte A ein, und zwar in der Art, daß die Elektricität der Platte A ſich mehr auf der der Scheibe B zugewandten Fläche ausbreitet. Hierdurch wird aber die Dichte auf der andern Fläche der Scheibe und auch auf dem Zuleitungsdrahte vermindert; die Dichte auf letzterem iſt alſo wieder geringer geworden, als die Dichte der Elektricitätsquelle, ſomit kann von letzterer neuer - dings Elektricität durch den Draht auf die Scheibe A überfließen. Dieſer ſtärkeren Ladung der Scheibe A entſpricht auch eine kräftigere Influenzwirkung auf B und daher muß auch hier die Ladung durch Influenzelektricität erſter Art zunehmen. Die Zu - nahme der Influenzelektricität hat aber neuerdings auf die Vertheilung der Elektricität von A Einfluß und wirkt abermals verminderud auf die Dichte der Elektricität des Zuleitungs - drahtes, welcher hierdurch neuer -
Anſammlungs-Apparat nach Rieß.
dings in den Stand geſetzt wird, Elektricität von der Elektricitätsquelle der Collec - torplatte A zuzuführen.
In dieſer Art findet eine immer ſtärkere Anhäufung von Elektricität auf dem Collector und ſomit auch auf dem Condenſator ſtatt. Der Proceß läßt ſich jedoch keineswegs beliebig lange fortſetzen, da ſchließlich, trotz der Anziehungskraft der Influenzelektricität erſter Art auf der Condenſatorplatte, die Elektricität auf dem Collector eine derartige Dichte erreicht, daß auch der mit dem Collector in Ver - bindung ſtehende Leitungsdraht ſeine Dichte bis zu jener der Elektricitätsquelle erhöhen muß; hiermit iſt dann der Anſammlung der Elektricität natürlich eine Grenze geſetzt.
Das Ladungsvermögen eines derartigen Condenſators drückt man durch die ſogenannte Verſtärkungszahl aus; man verſteht darunter jene Zahl, welche angiebt, um wie vielmal mehr Elektricität die Collectorplatte aufnehmen kann,Urbanitzky: Elektricität. 8114wenn ihr die Condenſatorplatte gegenüberſteht, als wenn letzteres nicht der Fall iſt, die Collectorplatte alſo als einfacher Leiter benützt wird. Die Verſtärkungs - zahl iſt hiernach der Quotient der Potentialwerthe der betreffenden Metallplatte vor und während der Gegenüberſtellung einer Condenſatorplatte. Die Größe der Verſtärkungszahl verſchiedener Condenſatoren hängt von verſchiedenen Umſtänden ab; ſie wird geringer, wenn die Entfernung zwiſchen den beiden Platten vergrößert wird, ſie wird größer, wenn man den Zuleitungsdraht zur Collectorplatte erheblich verkürzt; ebenſo wirkt die Vergrößerung der Platten. Man erhält auch eine ſtärkere Ladung, wenn man die Elektricität auf die Mitte der Platte leitet, als wenn der Zuleitungsdraht an ihrem Rande befeſtigt wird. Ferner iſt auch die iſolirende Zwiſchenſchicht von Einfluß. Erſetzt man die Luftſchicht zwiſchen beiden Platten durch einen feſten Iſolator, ſo bekommt man eine ſtärkere Ladung der Platten, weil ſowohl die Zerſtreuung durch die Luft entfällt, als auch dem Ueberſchlagen eines Funkens durch einen ſtarren Iſolator ein größerer Widerſtand entgegengeſetzt wird wie durch die Luftſchicht. Bei Anwendung eines ſtarren Iſolators ziehen ſich die beiden Elektricitäten von den Metallplatten auf die oberſten Schichten des Iſolators und kommen dadurch einander näher.
Wendet man als Schicht zwiſchen den beiden Platten des Condenſators ſtarre Iſolatoren an, ſo äußert auch die Verſchiedenheit der Subſtanz der letzteren eine Einwirkung auf die Ladung des Condenſators; dieſe Thatſache wurde zuerſt von Faraday beobachtet, und dieſer nannte die Eigenſchaft eines Iſolators, unter ſonſt gleichen Umſtänden in Folge ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung auf die Ladung der Platten verändernd einzuwirken, die Dielektricität. Unter Dielektricitäts - conſtante eines Iſolators verſteht man die Zahl, welche angiebt, um wie viel - mal größer die Ladung der Platten wird, wenn als Zwiſchenſchicht an Stelle der Luft dieſer Iſolator zur Anwendung kommt; hierbei iſt natürlich vorausgeſetzt, daß die übrigen Umſtände, welche auf die Ladung der Platten Einfluß ausüben können, nicht geändert werden.
Boltzmann hat dieſe Verhältniſſe eingehend unterſucht und hierbei als Dielektricitätsconſtante folgende Zahlen gefunden:
Die Dielektricitätsconſtante z. B. für Ebonit beträgt 3·15, heißt alſo, wenn zwiſchen den beiden Platten des Condenſators eine Ebonitſcheibe an Stelle der Luftſchicht angewandt wird, ſo kann man die Ladung des Condenſators im erſten Falle 3·15 mal ſtärker erhalten als im letzten. Da Schwefel, Paraffin u. ſ. w. verſchieden auf die Ladung der Platten einwirken, muß offenbar in dieſen Körpern ſelbſt ein elektriſcher Vorgang ſtattfinden. Als Träger dieſes Vorganges betrachtet man die Moleküle des Iſolators und nimmt an, daß durch die Einwirkung der elektriſchen Platten die Elektricität jedes Moleküles ſo vertheilt wird, daß ſeine poſitive Elektricität ſich an das Ende des Moleküles begebe, welches der negativ elektriſchen Platte zugewandt iſt, und die negative Elektricität des Moleküles ſich an jenem Ende anſammle, welches der negativ elektriſchen Platte am nächſten ſteht. Es werden dann alſo alle Moleküle des Iſolators ihre poſitiv elektriſchen Enden der negativ elektriſchen Platte, ihre negativ elektriſchen Enden der poſitiv elektriſchen115 Platte zuwenden. Man nennt dieſen Zuſtand die dielektriſche Polariſation. Boltzmann hebt hervor, daß ſich dieſe von den durch Leitung hervorgerufenen Er - ſcheinungen weſentlich unterſcheide, da durch die Polariſation nie ein Strom entſtehe, vielmehr die Bewegung der Elektricität mit der Herſtellung der Polariſation auch zu Ende ſei; hierzu, alſo zum Richten der Moleküle, genüge aber eine unmeßbar kurze Zeit.
Wir hätten dieſe doch ſchon etwas ſubtileren Erſcheinungen nicht in den Kreis unſerer Betrachtungen einbezogen, wenn es nicht Boltzmann gelungen wäre, zwiſchen den Dielektricitätsconſtanten und der Lichtbrechung (richtiger dem Brechungsexponenten und dem Coëfficienten der magnetiſchen Induction) eine äußerſt intereſſante Beziehung aufzufinden. Allerdings können wir auf dieſe Beziehung nicht näher eingehen, wollen aber doch darauf hinweiſen, daß dieſe wichtige Entdeckung einen inneren Zuſammenhang zwiſchen dem Weſen des Lichtes und der Elektricität erkennen läßt und ſomit geeignet iſt, uns der Erkenntniß der Elektricität ſelbſt näher zu bringen. Dieſe Beziehungen machen es wahrſcheinlich, daß die Elektricität eine Bewegung des Aethers oder dieſer ſelbſt ſei.
Die Anwendung des Condenſators iſt eine zweifache: man benützt ihn entweder dazu, Ekektricität von äußerſt ge - ringer Dichtigkeit ſo weit zu verdichten, daß ſie bequem und ſicher meßbar wird, oder zur Anſammlung von Elektricität, welche eine kräftige Quelle liefert, und wozu ein gewöhnlicher Leiter nicht mehr ausreicht. Apparate letzterer Art ſind die Franklin’ſche Tafel und die Kleiſt’ſche Flaſche.
Zum Nachweiſe von Elektricitäten geringer Dichtigkeit wurde der Condenſator zuerſt von Volta angewandt. Er beſteht aus zwei gleich großen Metallplatten, welche an je einer Fläche mit einem iſolirenden Firniß überzogen ſind. Mit dieſen Flächen werden ſie aufeinander gelegt und dann bilden die beiden Firnißüberzüge die iſolirende Zwiſchenſchicht. Gewöhnlich wird eine der Metallplatten gleich auf den Zuleitungsſtift eines Elektroſkopes aufgeſchraubt, während die zweite Platte mit einem iſolirenden Glasgriffe verſehen iſt (Fig. 55). Hat man einen Körper, deſſen elektriſche Dichte ſo gering iſt, daß ſie mit Hilfe eines Elektroſkopes ſich nicht mehr direct nachweiſen läßt, zu prüfen, ſo bedient man ſich des Condenſators in
Volta’s Condenſator.
folgender Weiſe: Man bringt die abhebbare Platte auf die an dem Elektroſkope befeſtigte, wobei man die Vorſicht beobachten muß, jede Reibung zu vermeiden, da ſonſt hierdurch die Firnißſchicht der Platte ſelbſt elektriſch würde; dann legt man den zu prüfenden Körper an die untere Platte an, während man gleichzeitig die obere Platte ableitend berührt. Erſtere erhält hierdurch Elektricität, welche gleichnamig iſt mit jener des zu prüfenden Körpers, letztere wird durch Influenz entgegengeſetzt elektriſch. Man hat alſo die untere Platte als Collector, die obere als Condenſator benützt; man kann jedoch ebenſo gut die untere als Condenſator und die obere als Collector verwenden, nur darf dann nicht vergeſſen werden, daß das Elektroſkop entgegengeſetzte Elektricität anzeigt als der Körper beſitzt. In jedem Falle hebt man nach der Ladung die obere Platte an dem iſolirenden Griffe ab, worauf ſich die Elektricität der unteren Platte auf dieſer und den damit in Verbindung ſtehenden Goldblättchen ausbreitet.
8*116Dieſes Verfahren erlaubt, nicht nur ſehr geringe Elektricitätsmengen überhaupt nachzuweiſen, ſondern es geſtattet auch, mit Hilfe eines zweiten Verſuches die Art des elektriſchen Zuſtandes zu beſtimmen. Wie wir bereits erfahren haben, genügt hierzu die Annäherung einer geriebenen Glas - oder Harzſtange an das Elektroſkop. Hat man jedoch Meſſungen auszuführen, ſo genügt hierzu der eben beſchriebene Apparat keineswegs. Dazu bedient man ſich des von Kohlrauſch angegebenen Inſtrumentes, deſſen Abbildung wir in Fig. 56 vorführen. Zwei Meſſingſcheiben t t im Durch - meſſer von beiläufig 15 Centimeter ſind an horizontalen Stäben befeſtigt und dieſe durch Schellack in die aus gut ausgetrocknetem Holze verfertigten Träger b und c eingekittet. Die Scheiben ſind auf den einander zugewandten Flächen ver - goldet, die Enden der Stäbe mit Klemmſchrauben zur Aufnahme der Leitungsdrähte verſehen. Die Träger mit ihren Fußplatten ruhen auf der Grundplatte a des ganzen Apparates, welche durch Stellſchrauben horizontal geſtellt werden kann. Der Träger b läßt ſich gegen den Träger c verſchieben, zu welchem Behufe er
Condenſator nach Kohlrauſch.
an der Unterſeite ſeiner Fußplatte zwei Gabeln trägt, welche ein dreiſeitiges, auf a befeſtigtes Stahlprisma umfaſſen; außerdem, um ein Umkippen auszuſchließen, ſchleifen zwei in der Fußplatte angebrachte Stellſchrauben noch auf zwei Meſſing - ſtreifen, die an der Grundplatte a angebracht ſind. Eine ſeidene Schnur, mit ihrem einen Ende an b befeſtigt, dann über zwei Rollen laufend, trägt am anderen Ende ein Gewicht und ſtrebt durch dieſes den Träger b gegen c zu bewegen. Die Aus - führung dieſer Bewegung wird durch eine bei d angebrachte Feder ſo lange ge - hindert, als dieſe nicht gehoben wird. Der Hangriff e dient dann dazu, die Bewegung zu mäßigen oder auch, um b von c zu entfernen.
Der Träger c geſtattet keine fortſchreitende Bewegung gegen b, ſondern beſitzt nur Vorrichtungen, um die an ihn befeſtigte Condenſatorplatte parallel zur Con - denſatorplatte des Trägers b ſtellen zu können. Zu dieſem Zwecke iſt der Träger c durch Schraube und Mutter bei f ſo befeſtigt, daß er ſich um dieſe drehen und auch ein klein wenig neigen kann. Die Drehung, alſo die Bewegung der Fußplatte in einer horizontalen Ebene, wird durch die Druckſchraube k und die ihr entgegenwirkende Feder i bewirkt; die Neigung kann durch eine bei g befindliche Druckſchraube und die dieſer entgegenwirkende Feder bei h verändert werden. Eine ſeitliche Neigung117 wird durch die Stellſchrauben beſeitigt, welche auf den Meſſingſtreifen der Grund - platte a befeſtigt ſind.
Um die Condenſatorplatten ſtets genau auf dieſelbe Diſtanz einander nähern zu können, iſt an dem Träger b ein Anſchlag m angebracht, während der Träger c die Schraube n beſitzt. Man ſchiebt dann den Träger b ſo lange gegen c, bis der Anſchlag m den Kopf der Schraube n berührt. Durch Drehen der Schraube n kann dann natürlich im Vorhinein die Entfernung der Condenſatorplatten nach Belieben beſtimmt werden.
Zu Meſſungen bedient man ſich des Apparates in folgender Weiſe: Man führt die Condenſatorplatten gegeneinander, verbindet die eine durch den Zuleitungs - draht mit der Elektricitätsquelle, welche zu prüfen iſt, die andere mit der Erde; hierbei ſind die beiden Platten einander genähert. Dann entfernt man ſie von - einander, wobei ſie in einen Abſtand von beiläufig 0·1 Meter kommen, und entladet die Condenſatorplatte. Dieſe Entfernung von 0·1 Meter iſt hinreichend groß, um eine Einwirkung beider Platten aufeinander auszuſchließen. Die Collectorplatte wird dann in der Weiſe auf ihre Elektricität unterſucht, wie dies bereits früher bei der Meſſung elektriſcher Ladungen angegeben wurde.
Als zweite Verwendungsart des Condenſators wurde ſeine Benützung zur Anſammlung einer größeren Elektricitätsmenge, als ein Leiter an und für ſich aufzunehmen im Stande iſt, bezeichnet. Hierzu dienen die Kleiſt’ſche Flaſche (Leydener Flaſche) und die Franklin’ſche Tafel. Letztere kommt ihrer unbequemen Form und leichten Zerbrechlichkeit wegen nur mehr wenig in Anwendung. Die Er - findung der Verſtärkungsflaſche durch den Prälaten v. Kleiſt in Kammin wurde bereits mitgetheilt (S. 14); dem können wir jetzt beifügen, daß Kleiſt noch nicht wußte, worauf es bei der Wirkung der Flaſche ankommt. Wohl aber erkannte Musſchenbroek, daß die Leiter (Waſſer oder Queckſilber in der Flaſche und die Hand auf ihrer äußeren Fläche) auf den beiden Seiten des Iſolators (Glaſes) Beſtandtheile ſind, die nicht fehlen dürfen. Nollet ſtudirte dann eingehend das Verhalten der Flaſche und nannte ſie, wie wir wiſſen, Leydener Flaſche.
Die elektriſche Flaſche hat ſeit dieſer Zeit die verſchiedenſten Geſtalten be - kommen. Eine recht zweckmäßige und gegenwärtig gebräuchliche Form iſt in Fig. 57 abgebildet. Ein cylindriſches, ſtarkwandiges Glas iſt an ſeiner Innen - und Außen - fläche mit Stanniol überklebt, ſo zwar, daß am oberen Rande ein mäßig breiter Streifen des Cylinders frei bleibt. Dieſen läßt man dann entweder ſo wie er iſt oder man verſieht ihn wohl auch mit einem Siegellackfirniſſe. In den Cylinder hinein ſtellt man einen Dreifuß aus Meſſingdraht, deſſen untere Enden zweckmäßig mit Metalllitzen verſehen werden, um einen guten Contact zwiſchen dem Dreifuße einerſeits und der Belegung im Inneren des Cylinders andererſeits zu ſichern. Oben vereinigen ſich die horizontalen Theile des Dreifußes in einer Meſſingkugel, die ihrerſeits einen abermals mit einer Meſſingkugel verſehenen Meſſingſtab trägt. Dieſe Vorrichtung iſt auf der linken Seite der Figur getrennt von der Flaſche gezeichnet.
Eine Kleiſt’ſche Flaſche kann man ſich ſelbſt ſehr leicht herſtellen in der Form, wie ſie die Fig. 58 zeigt. Man benützt dazu eine gewöhnliche Medicinflaſche, über - zieht dieſe an der Außenfläche mit Stanniol, ſo daß der Hals und das obere Stück des cylindriſchen Theiles frei bleiben und verſieht die Innenſeite bis zur ſelben Höhe mit irgend einem Metallpulverüberzuge, alſo z. B. mit Eiſenfeile. Man bewirkt letzteres, indem man in die Flaſche eine hinreichende Menge aufgelöſtes118 arabiſches Gummi bringt und durch entſprechendes Drehen der Flaſche ihre ganze Innenfläche, mit Ausnahme des oben freizulaſſenden Raumes, benetzt. Dann ſchüttet man Metallpulver hinein, dreht die Flaſche neuerdings und läßt den Ueberſchuß des Pulvers wieder herausfallen. Die Innenfläche erſcheint dann an allen Stellen, welche durch die Gummilöſung benetzt wurden, mit dem Metallpulver überzogen. Iſt der Ueberzug getrocknet, ſo verſchließt man die Flaſche durch einen Korkſtöpſel, welchen man in der Mitte durchbohrt hat. In dieſe Durchbohrung wird dann ein Metalldraht geſteckt, der oben eine Kugel trägt und mit ſeinem unteren Ende das Metallpulver entweder direct oder durch Vermittlung angeknüpfter Metalllitzen berührt. Der Glasrand ohne Belegung kann ebenfalls mit einer Löſung von Siegellack in ſtarkem Weingeiſte überſtrichen werden.
Kleiſt’ſche oder Leydener Flaſchen.
Die Ladung einer Flaſche wird gewöhnlich in der Weiſe bewerkſtelligt, daß man ſie bei der äußeren Belegung in die Hand nimmt und die Kugel an den Conductor der Elektriſirmaſchine anlegt. Die Elektricität des Conductors ſtrömt dann auf die Kugel der Flaſche und gelangt durch den die Kugel tragenden Metallſtab auf die innere Belegung. Hier wirkt die Elektricität influenzirend auf die äußere Belegung, zieht die Influenz-Elektricität erſter Art an und hält ſie feſt, während die Influenz-Elektricität zweiter Art durch die Hand und den menſchlichen Körper in die Erde zurückgeſtoßen wird. Natürlich kann man auch die äußere Belegung durch einen Draht mit der Erde in leitende Verbindung ſetzen, ſtatt ſie mit der Hand zu halten. In beiden Fällen bildet die innere Belegung die Collector - platte und die äußere die Condenſatorplatte. Man ſagt, die Flaſche iſt poſitiv geladen, wenn man der inneren Belegung poſitive Elektricität zugeführt hat, wenn alſo die Kugel der Flaſche mit dem poſitiven Conductor einer Elektriſirmaſchine in Verbindung ſtand. Selbſtverſtändlich kann aber auch der negative Conductor zur Ladung benützt werden; dann iſt die Flaſche negativ geladen.
119Die Franklin’ſche Tafel iſt in Fig. 59 abgebildet. Das hölzerne Geſtell h trägt eine Glastafel g, welche bis auf einen einige Centimeter breiten Rand beider - ſeits mit Stanniol s s belegt iſt. Der Rand kann blank gelaſſen oder mit einem Firnißüberzuge verſehen werden. Um die Tafel zu laden, wird die Belegung der einen Fläche mit der Elektricitätsquelle in Verbindung geſetzt, während man von der andern Belegung einen Draht zur Erde führt. Um letzteres bequem in der Hand zu haben, iſt an dem Holzrahmen bei l ein Charnier angebracht, in welchem ſich der mit einer Kugel verſehene Meſſingarm k l dreht; nach unten trägt das Charnier ein Häkchen zur Aufnahme des Leitungsdrahtes. Wird die Kugel k in die punktirt gezeichnete Stellung gedreht, ſo berührt ſie die Stanniolbelegung und vermittelt dadurch die Ableitung der Elektricität zur Erde. In dem Verhalten bei der Ladung und Entladung zeigt ſich zwiſchen der Franklin’ſchen Tafel und der Kleiſt’ſchen Flaſche kein Unterſchied.
Um ſehr kräftige Ladungen zu erhalten, kann man ſich natürlich auch ſehr großer Tafeln oder Flaſchen bedienen, da, wie bei Erklärung des Condenſators geſagt wurde, die Verſtärkungszahl mit der Größe der Metallplatten, alſo hier der Belegungen, zunimmt. Es wurden auch in der That ſchon Flaſchen von ganz be - deutender Größe hergeſtellt; doch iſt nicht nur deren Handhabung eine unbequeme, ſondern die Vergröße - rung kann auch begreiflicherweiſe nicht beliebig weit getrieben werden. Es wird daher, wenn man ſehr kräftiger Ladungen bedarf, ein anderer Weg ein - geſchlagen. Dieſer beſteht darin, daß man an Stelle einer Flaſche deren mehrere nimmt und ihre Belegun - gen untereinander verbindet. In dieſem Falle wird eine größere Anzahl von Flächen geladen und folglich muß man auch eine größere Wirkung erhalten. Dabei darf man aber nicht außer Acht laſſen, daß die Ver - ſtärkungszahl mit der Größe der wirkſamen Fläche wächſt, daß es alſo für die Wirkung nicht gleich -
Franklin’ſche Tafel.
giltig ſein kann, ob man eine große oder viele kleine Flächen anwendet. Es wird vielmehr eine beſtimmte Anzahl kleiner Flaſchen, deren innere Belegungen ebenſo untereinander leitend verbunden ſind wie deren äußere, ſchwächer wirken wie eine große Flaſche, deren wirkſame Fläche gleich iſt der Summe der wirkſamen Flächen aller kleinen Flaſchen. Dabei verſteht man unter der wirkſamen Fläche die innere Belegung einer Flaſche. Eine ſolche Zuſammen - ſtellung von Flaſchen — elektriſche Batterie — wird alſo, gleiche wirkſame Fläche vorausgeſetzt, eine deſto kräftigere Ladung geſtatten, je geringer die Anzahl der Flaſchen iſt, oder, was hier dasſelbe bedeutet, je größer die einzelnen Flaſchen ſind. Ferner kann man beiläufig annehmen, daß bei gleich großen Flaſchen die Ladungsfähigkeit der Batterie im geraden Verhältniſſe mit der Zahl der Flaſchen wächſt, daß alſo z. B. acht Flaſchen eine viermal ſo große Ladung ermöglichen als zwei Flaſchen.
Eine zweckmäßige und bequem zu handhabende Zuſammenſtellung von Flaſchen zu einer Batterie zeigt Fig. 60. Ein auf Glasfüßen ruhender Tiſch iſt auf der Oberſeite ſeiner Platte mit Meſſingſtreifen derart belegt, daß dieſe die äußeren120 Belegungen der darauf geſtellten Flaſchen ſämmtlich leitend untereinander verbinden. Die Kugeln der Flaſchen ſelbſt tragen Bügel aus Meſſing, die gleichfalls in Kugeln endigen und an den Kugeln der Flaſchen drehbar befeſtigt ſind. Die in der Mitte des Tiſches ſtehende Flaſche beſitzt eine bedeutend größere Kugel (B) wie die übrigen, und an dieſe werden die vorhin erwähnten Bügel der im Kreiſe ſtehenden Flaſchen angelegt. Hierdurch iſt auch die Verbindung der inneren Belegungen ſämmtlicher Flaſchen untereinander hergeſtellt. Will man eine geringere Flaſchenzahl benützen, ſo hat man blos die Metallbügel der überzähligen Flaſchen ſo weit zu drehen, daß ſie von der mittleren Kugel hinlänglich weit entfernt ſind, um ein Funkenüberſchlagen hintanzuhalten.
Flaſchen-Batterie.
Um die Batterie zu laden, legt man den auf der Kugel B angebrachten, in einer kleinen Meſſingkugel endigenden Arm an den Conductor A einer Elektriſir - maſchine und verbindet die äußeren Belegungen der Flaſchen leitend mit der Erde. Zu dieſem Behufe geht einer der Meſſingſtreifen auf der Oberfläche des Tiſches bis an den Rand desſelben und trägt dort ein Häkchen, in welches der ableitende Draht eingehängt wird (auf der linken Seite der Zeichnung ſichtbar).
Die Batterie iſt dann vollſtändig geladen, wenn ihr ſo viel Elektricität zugeführt worden iſt, als alle Flaſchen zuſammengenommen faſſen können. Braucht alſo eine Flaſche zu ihrer Ladung mit einer beſtimmten Elektricitätsquelle eine beſtimmte Anzahl von Secunden, ſo brauchen alle Flaſchen zuſammen eben ſo oft -121 mal dieſe Anzahl Secunden, als die Batterie Flaſchen beſitzt. Man kann jedoch auch die ganze Batterie in der Anzahl von Secunden, welche nur eine Flaſche braucht, laden, alſo die Ladungszeit erheblich abkürzen, wenn man die Flaſchen in einer andern als der angegebenen Weiſe miteinander verbindet. Man ſtellt ſie nämlich iſolirt voneinander und von der Erde auf, führt dann einen Leitungsdraht von der äußeren Belegung der erſten Flaſche zu der inneren der zweiten Flaſche, einen Leitungsdraht von der äußeren Belegung der zweiten Flaſche zur inneren Belegung der dritten Flaſche u. ſ. w. bis zur letzten Flaſche, deren äußere Be - legung mit der Erde in leitende Verbindung geſetzt wird. Der inneren Belegung der erſten Flaſche führt man dann die Elektricität, welche von der Elektriſirmaſchine geliefert wird, zu. Eine derartig angeordnete Flaſchenbatterie nennt man Cascaden - batterie.
Führt man bei der Cascadenanordnung der inneren Belegung der erſten Flaſche Elektricität zu, z. B. poſitive, ſo wirkt dieſe bekanntlich influenzirend auf die äußere Belegung; letztere wird negativ elektriſch werden und die poſitive Influenzelektricität fließt durch den Verbindungsdraht auf die innere Belegung der zweiten Flaſche ab. Die poſitive Elektricität auf der inneren Belegung der zweiten Flaſche wirkt nun abermals vertheilend auf die äußere Belegung dieſer Flaſche, bindet dort die negative Elektricität und treibt die poſitive auf die innere Belegung der dritten Flaſche u. ſ. w.; die poſitive Influenzelektricität der äußeren Belegung der letzten Flaſche fließt endlich zur Ende ab. Da auf guten Leitern die Influenz - wirkung in unmeßbar kurzer Zeit erfolgt, werden daher alle Flaſchen, alſo die ganze Batterie, in jener Zeit ihre volle Ladung erreicht haben, in welcher die erſte Flaſche vollſtändig geladen iſt.
Vergleicht man jedoch die Stärke der Geſammtladungen der Batterien in der einen mit jener in der andern Verbindungsweiſe der Flaſchen, ſo findet man, daß die Geſammtladung in der Cascadenbatterie eine geringere Stärke beſitzt, als jene der gewöhnlichen. Es hat dies darin ſeinen Grund, daß mit Ausnahme der erſten alle übrigen Flaſchen nur durch Influenzwirkung geladen werden.
Die Ladungsfähigkeit einer Batterie, beziehungsweiſe einer Flaſche hängt aber nicht blos von den eben erörterten Bedingungen ab, ſondern ſie wird auch noch durch die Dicke des Glaſes beeinflußt. Eine Flaſche wird unter ſonſt gleichen Umſtänden eine deſto ſtärkere Ladung annehmen können, je dünner das Glas iſt. Man darf jedoch, in der Abſicht die Flaſche wirkſamer zu machen, keine allzu dünnen Gläſer nehmen, da ſonſt die Anziehung zwiſchen den beiden entgegengeſetzten Elektricitäten beider Belegungen ſo kräftig wird, daß ſie den Widerſtand des Iſolators überwindet und beide Elektricitäten ſich durch das Glas hindurch aus - gleichen. An der Stelle, an welcher der Ausgleich erfolgt, erſcheint dann das Glas durchbohrt und die Flaſche iſt in dieſem Zuſtande unbrauchbar. Sie kann wieder verwendet werden, wenn man die beiderſeitige Stanniolbelegung im Umkreiſe der Durchſchlagſtelle entfernt.
In Fig. 60 iſt links unten ein kleiner Apparat abgebildet, deſſen Zweck noch zu erklären iſt. Er führt den Namen Lane’ſche Maßflaſche und dient zur Beſtimmung der mittleren Dichtigkeit der in der Batterie angeſammelten Elektricität. Jeder Dichte, alſo auch jedem beſtimmten Potentialwerthe der Elektricität auf einem Körper entſpricht eine beſtimmte Schlagweite des auf einen genäherten Leiter über - ſpringenden Funkens. Sonach kann, wenn die Schlagweite unverändert bleibt, die Zahl der überſchlagenden Funken zur Meſſung der mittleren Dichtigkeit verwendet122 werden. Dieſe Art der Meſſung hat jedoch den Uebelſtand, daß hierbei gleichzeitig auch die Batterie entladen wird. Dieſer Mangel kann aber in nachſtehender Weiſe beſeitigt werden. Bekanntlich iſt die Menge der Influenzelektricität unter ſonſt gleichen Umſtänden der erregenden Elektricität proportional. Benützt man daher zur Meſſung einer Ladung die Influenzelektricität zweiter Art, welche gewöhnlich in die Erde abgeleitet wird, ſo kann man die Dichte beſtimmen, ohne die Batterie gleichzeitig zu entladen. Dies iſt nun auch der Zweck der Lane’ſchen Maßflaſche. Sie beſteht aus einer Kleiſt’ſchen Flaſche E (Fig. 60), welche auf einer leitenden Unterlage aufgeſtellt wird. In ihrer unmittelbaren Nähe iſt ein Glasſtab befeſtigt, der die Meſſinghülſe D trägt. In dieſer läßt ſich ein Meſſingſtab horizontal verſchieben, ſo daß die an einem Ende des Stabes befindliche Kugel der Kugel der Kleiſt’ſchen Flaſche mehr oder weniger genähert werden kann. Das andere Ende des Stabes iſt mit einem Häkchen oder beſſer mit einem Ringe verſehen, an welchem ein dünner Draht F befeſtigt iſt, welcher zu einem Ringe an der Metall - platte führt, die der Flaſche als Unterlage dient. Die Kugel der Flaſche, alſo deren innere Belegung, iſt durch den Draht C mit der äußeren Belegung der Batterie leitend verbunden. Letztere ſteht in dieſem Falle mit der Erde in keiner leitenden Verbindung.
Führt man der inneren Belegung der Batterie durch die Kugel B die poſitive Elektricität des Conductors A der Elektriſirmaſchine zu, ſo erregt dieſe beiderlei Influenzelektricitäten auf den äußeren Belegungen der Flaſchenbatterie. Die Influenz - elektricität erſter Art, in unſerem Falle negative Elektricität, wird an der äußeren Belegung feſtgehalten, die Influenzelektricität zweiter Art, alſo die poſitive, fließt durch den Draht C zur inneren Belegung der Maßflaſche E. Dort erregt ſie auf der äußeren Belegung abermals Influenzelektricität, welche ſich durch den Draht F auch auf den horizontalen Meſſingſtab und ſeine Kugel ausbreiten muß. Iſt die Entfernung der beiden Kugeln der Maßflaſche voneinander feſtgeſtellt, ſo wird bei einer beſtimmten Ladung der Maßflaſche dieſe ſich entladen. Im überſpringenden Funken gleichen ſich nun die beiden entgegengeſetzten Ladungen auf den Belegungen der Maßflaſche aus; dadurch wird aber auch die in der Batterie erregte Influenz - elektricität zweiter Art vernichtet und deshalb wird auch die Batterie bei An - wendung der Maßflaſche nicht mit der Erde leitend verbunden. Behält man die Stellung beider Kugeln der Lane’ſchen Flaſche bei, ſo wird deren Selbſtentladung immer bei derſelben Stärke ihrer Ladung eintreten. Die Zahl der überſchlagenden Funken kann daher als Maß der mittleren Dichte in der Batterie benützt werden, indem man die Zahl der überſpringenden Funken durch die Anzahl der Flaſchen in der Batterie dividirt. Die Einheit bei dieſer Maßbeſtimmung bildet hierbei natürlich jene Elektricitätsmenge, welche zugeführt werden muß, um ein einmaliges Ueberſchlagen des Funkens zu bewirken.
Bei dieſer Art Meſſung ſind jedoch einige Vorſichten zu beobachten. So darf die Batterie nicht in der Weiſe geladen werden, daß man vom Conductor der Elektriſirmaſchine Funken überſchlagen läßt, ſondern die Zuleitung muß mit dem Conductor einerſeits und der Batterie andererſeits in ununterbrochener leitender Berührung ſein. Iſt dies nicht der Fall, ſo kann es geſchehen, daß nach dem Ueberſchlagen einer gewiſſen Anzahl von Funken aus dem Conductor in die Batterie die Lane’ſche Flaſche ſoweit geladen wird, daß nur mehr eine äußerſt geringe Menge Elektricität nothwendig iſt, um die Selbſtentladung der Flaſche herbei - zuführen. Nun ſchlägt aber neuerdings ein kräftiger Funke vom Conductor auf123 die Batterie über und führt dieſer eine viel größere Menge Elektricität zu, als zur Vollendung der Ladung in der Lane’ſchen Flaſche erforderlich iſt. In dieſer wird nun natürlich die Selbſtentladung eintreten, aber bei dieſer die geſammte aus der Batterie abgefloſſene Influenzelektricität zweiter Art vernichtet werden. Die Lane’ſche Flaſche würde daher nicht die Vorausſetzung erfüllen, daß ſie ſich immer bei derſelben Ladung ſelbſt entladet, und die Meſſung muß deshalb unbrauchbar werden.
Ein anderer Umſtand, der noch in Betracht kommt, iſt der, daß ſich eine Kleiſt’ſche Flaſche durch einen Funken nicht vollſtändig entladet, ſondern noch Elektricität zurückbehält. Es muß daher auch zwiſchen der Ladung der Lane’ſchen Flaſche bei ihrer erſten Selbſtentladung und bei der darauffolgenden eine Differenz beſtehen. Um die erſte Selbſtentladung herbeizuführen, muß offenbar eine größere Menge Elektricität zugeführt werden, als bei der darauffolgenden. Dieſe Ungenauigkeit beſeitigt man dadurch, daß man die Lane’ſche Flaſche vor ihrer Benützung zur Meſſung einmal bis zur Selbſtentladung ladet.
Es wurde ſchon wiederholt das Wort Entladung gebraucht, vom Entladen elektriſirter Körper und vom Ableiten der Elektricität geſprochen. Wir haben nun die Entladung ſelbſt zu betrachten und uns mit deren Wirkungen bekannt zu machen.
Setzt man einen elektriſirten Körper durch einen Draht mit der Erde in leitende Verbindung, ſo wird ihm ſeine ganze Elektricität entzogen. Der Vorgang hierbei iſt in der Art aufzufaſſen, daß die Elektricität des Körpers durch den Draht zur Erde abfließt und ſich auf dieſer ausbreitet. Da jeder Körper, ſo groß wir ihn auch herſtellen mögen, im Verhältniß zur Erde doch verſchwindend klein, alſo die Erde unendlich groß genannt werden muß, ſo iſt begreiflich, daß der elektriſche Zuſtand der letzteren keine Aenderung erfährt, wie viel Elektricität ihr auch zugeführt werden mag. Wir ſagten daher, das elektriſche Potential der Erde ſei ſtets gleich Null. Das Entladen eines elektriſirten Körpers in der Weiſe, daß man dieſen mit der Erde in leitende Verbindung ſetzt, beſteht ſonach darin, daß Elektricität von einem Körper, deſſen Potentialniveau eine beſtimmte Größe hat, zu der Erde, deren Potentialniveau gleich Null iſt, abfließt. Während der Ent - ladung bewegt ſich daher die Elektricität durch den Leiter zur Erde; dieſe Bewegung nennt man einen elektriſchen Strom, oder, da hierbei der elektriſirte Körper ſeiner Elektricität beraubt wird, einen Entladungsſtrom.
Wir haben aber auch einem unelektriſchen Körper wiederholt Elektricität zugeführt, indem wir ihn mit einem elektriſchen Körper, z. B. dem Conductor einer Elektriſirmaſchine, in leitende Verbindung ſetzten. In dieſem Falle ſtrömt ſo lange Elektricität vom Conductor auf den Körper, bis beide dasſelbe Potential - niveau beſitzen. Ein ſolcher Strom muß alſo jedesmal auftreten, wenn ein Körper, deſſen Potentialniveau höher iſt, mit einem Körper niedrigeren Potentialniveaus leitend verbunden wird. Auch in dieſem Falle herrſcht während der Ausgleichung beider Potentialniveaus eine Bewegung der Elektricität durch den verbindenden Leitungsdraht und iſt hierbei die Bewegung von dem Körper höheren zu dem niederen Potentialniveaus gerichtet.
124Aus dieſem Verhalten folgt, daß ein Körper durch Ableitung der Elektricität nur dann vollkommen entladen werden kann, wenn man ihn mit der Erde in leitende Verbindung ſetzt; der Strom, der hierbei in dem ableitenden Drahte auf - tritt, währt ſo lange, als noch irgend welche Menge der Elektricität auf dem Körper vorhanden iſt.
Auch noch einer zweiten Art der Entladung wurde bereits Erwähnung gethan, namentlich bei der Selbſtentladung einer Kleiſt’ſchen Flaſche. Hier iſt jedoch der Vorgang ein anderer; es wird nicht ein elektriſirter Körper mit einem unelektriſchen in leitende Verbindung gebracht, ſondern man verbindet zwei einander entgegen - geſetzt elektriſche Flächen, nämlich die äußere und die innere Belegung der Flaſche, miteinander. Bei der Lane’ſchen Flaſche ſteht, wenn dieſe Ausdrucksweiſe der Kürze wegen geſtattet wird, das Ende der äußeren Belegung in Form einer Kugel der
Entladung einer Leydener Flaſche durch den gewöhnlichen Auslader.
Kugel der inneren Belegung in geringer Entfernung gegen - über. Die Flaſche wird ent - laden, d. h. unelektriſch, indem ſich die beiden ent - gegengeſetzten Elektricitäten der Belegungen durch die Luft hindurch in Form eines hellleuchtenden Funkens neu - traliſiren. Der Ausgleich beider Elektricitäten wird durch die gegenſeitige Anziehung be - wirkt. Durch den Verbin - dungsdraht beider Belegungen ſtrömt daher während der Ent - ladung ſowohl Elektricität von der äußeren zur inneren Be - legung, als auch Elektricität entgegengeſetzter Art in der umgekehrten Richtung. Bei - dieſer Art der Entladung tritt alſo ein Doppelſtrom auf.
Ein Doppelſtrom muß aber auch dann erfolgen, wenn ein elektriſirter Körper einem nicht elektriſirten Körper genähert wird, was jedesmal geſchehen muß, bevor man den elektriſchen Körper mit dem un - elektriſchen leitend verbindet. In dem Momente, in welchem man mit dem Drahte, welcher die Verbindung herſtellen ſoll, dem elektriſchen Körper nahe kommt, wird ja, wie wir wiſſen, auf dem nicht elektriſchen Drahte Influenzelektricität er - regt; die ungleichnamige Influenzelektricität tritt dann an das dem elektriſchen Körper nächſte Ende des Drahtes und bevor dieſes noch mit dem elektriſchen Körper in Verbindung gebracht wird, ſieht man den Funken überſpringen. Es iſt deshalb auch in dieſem Falle und daher in allen Fällen angezeigter, die Ent - ladung als einen Doppelſtrom ſich zu denken. Unter der Stromrichtung bei einem ſolchen Doppelſtrome hat man dann die Richtung des poſitiven Stromes zu verſtehen.
125Aus obigen Auseinanderſetzungen erſieht man, daß bei jeder Art der Entladung ein Funke auftritt: bei der Selbſtentladung dann, wenn die Spannung zwiſchen den beiden Kugeln, welche mit den Belegungen der Flaſche in Verbindung ſtehen, hinlänglich groß geworden iſt, um den Luftwiderſtand zu überwinden, bei der Ableitung von Elektricität durch einen Leitungsdraht vor der Berührung des letzteren mit dem elektriſchen Körper. Man nennt dieſen Funken den Entladungs - ſchlag und die Entfernung, welche der Funke hierbei überſpringt, die Schlag - weite. Daß letztere eine ſehr verſchiedene ſein kann, iſt wohl ſelbſtverſtändlich; ſie wird größer ſein, wenn dem Körper eine größere Menge Elektricität mitgetheilt wurde, alſo ſeine Dichte eine größere iſt, kleiner, wenn nur geringe Elektricitäts - mengen vorhanden ſind.
Um Entladungsſchläge bequem herbeiführen zu können, bedient man ſich verſchiedener Apparate: einen derſelben haben wir bereits kennen gelernt. Es iſt dies der Entlader, welcher den Reibungs-Elektriſirmaſchinen gewöhnlich beigegeben
Henley’s allgemeiner Auslader.
wird. (Siehe S. 100, Fig. 47 E.) Um eine Kleiſt’ſche Flaſche zu entladen, benützt man die in Fig. 61 abgebildete Vorrichtung. Dieſer einfache Entlader beſteht aus zwei miteinander drehbar verbundenen Metallſtäben, welche an ihren freien Enden kleine Meſſingkugeln tragen. Ueberdies beſitzt dieſe Metallgabel entweder an ihrem Gelenke eine Handhabe oder es iſt an jedem Schenkel ein gläſerner Griff angebracht. Will man mit dieſem Entlader eine Flaſche entladen, ſo legt man, wie dies die Figur zeigt, die Kugel des einen Schenkels an die äußere Belegung der Flaſche an und bringt durch Drehung die Kugel des zweiten Schenkels der Kugel der Flaſche ſo nahe, bis der Funke überſchlägt.
Will man jedoch die Entladungsſchläge und deren Wirkungen auf etwa dazwiſchen geſchaltete Körper ſtudiren, ſo würde die Manipulation mit dem ein - fachen Auslader zu umſtändlich ausfallen. In dieſem Falle verwendet man den Henley’ſchen oder allgemeinen Auslader, wie er in Fig. 62 dargeſtellt iſt. Auf einem Holzbrette ſind drei Glasröhren a, b und c vertical befeſtigt. Die Glasröhren a und c tragen die Arme des Entladers, b ein Tiſchchen, auf welches man jene Körper legen kann, durch welche die Entladungsſchläge gehen ſollen. 126Das Tiſchchen, ſowie auch die Arme können höher oder tiefer geſtellt werden, indem ſowohl erſteres, als auch letztere nicht unmittelbar an den betreffenden Glasröhren, ſondern an Metallſtäben befeſtigt ſind, welche in die Röhren ein - geſchoben und durch die Klemmſchrauben s in der gewünſchten Höhe feſtgehalten werden. Die Metallſtäbchen in den Röhren a und c beſitzen an ihren oberen Enden Gelenke, um welche ſich die Hülſen h und mit ihnen die durchgeſchobenen Arme in verticaler Ebene drehen können. Die Arme des Entladers können durch Verſchieben in den Hülſen h einander genähert oder voneinander entfernt werden, und haben an den einander zugekehrten Enden Schraubengewinde eingeſchnitten, mittelſt welcher Kugeln k oder auch Spitzen oder Scheiben befeſtigt werden können. Die anderen Enden der Entladerarme tragen Ringe oder Klemmſchrauben S zur Aufnahme der Zuleitungsdrähte.
Zur Beſtimmung und Unterſuchung der Schlagweite oder überhaupt zu meſſenden Verſuchen verwendet man das Funkenmikrometer von Rieß. Dieſes
Funkenmikrometer von Rieß.
beſteht aus einem ſchweren Metallfuße A, Fig. 63, auf welchem eine Metallplatte horizontal befeſtigt iſt. Letztere trägt einerſeits eine verticale Glasſäule, die an ihrem oberen Ende mit einem verticalen Metallzapfen und einer horizontalen Klemmſchraube zur Aufnahme eines Zu - leitungsdrahtes verſehen iſt, andererſeits einen auf der Platte verſchiebbaren Schlitten. Die zweite verticale Glas - ſäule, an ihrem oberen Ende ebenſo wie die erſte be - ſchaffen, iſt auf dem Schlitten befeſtigt. Die verticalen Zapfen an den oberen Enden der Säulen dienen zum Aufſtecken von Kugeln u. dergl. Die Bewegung des Schlittens wird durch eine ſehr feine Schraube (Mikro - meterſchraube) bewirkt und die Größe der Verſchiebung an der Theilung abgeleſen.
Rieß hat mit ſeinem Funkenmikrometer eine große Anzahl von Verſuchen durchgeführt und die geſetzmäßigen Beziehungen zwiſchen Schlagweite und Dichtigkeit beſtimmt. So unterſuchte er die Schlagweiten bei dem früher beſchriebenen Anſammlungs-Apparate, ſowohl wenn Collec - tor - und Condenſatorſcheibe einander gegenübergeſtellt waren, als auch mit der Collectorſcheibe allein. Die Schlagweite wurde hierbei beſtimmt, indem man die bewegliche Kugel der feſtſtehenden durch Vermittlung der Mikrometerſchraube ſo lange näherte, bis der Funke überſprang; die Ableſung an der Theilung gab dann die Entfernung der beiden Kugeln voneinander, alſo die Schlagweite. Rieß ſchloß aus ſeinen Verſuchen, daß die Schlagweiten an einem Punkte der inneren Belegung eines Anſammlungs-Apparates der elektriſchen Dichtigkeit in dieſem Punkte pro - portional ſeien. Wird alſo eine Batterie immer an derſelben Stelle ihrer inneren Belegung entladen, ſo iſt ihre Schlagweite der mittleren Dichtigkeit der Elektrici - tät in der Batterie proportional.
Rijke, der ſich mit demſelben Gegenſtande befaßte, fand jedoch, daß das von Rieß aufgeſtellte Geſetz nur annäherungsweiſe Geltung beſitze und daß die Schlagweite etwas ſchneller wachſe wie die Dichtigkeit. Rijke hat auch zur Berechnung der Schlagweite aus der Dichtigkeit eine Formel aufgeſtellt, und die nach dieſer Formel berechneten Schlagweiten ſtimmen mit den wirklich beobachteten127 beſſer überein, als die nach dem Rieß’ſchen Geſetze berechneten. Nachſtehende Tabelle (aus Wüllner’s Exp. Phyſ. ) läßt dies deutlich erkennen:
Es iſt bei dieſen Verſuchen von Rijke jedoch nicht zu überſehen, daß die Uebereinſtimmung zwiſchen berechneten und beobachteten Schlagweiten hauptſächlich bei ſehr kleinen Schlagweiten zu Gunſten der Anſicht von Rijke ſpricht, während bei größeren Schlagweiten die nach dem Geſetze von Rieß berechneten Werthe eben ſo gut mit den Beobachtungen übereinſtimmen. Für die Entladungen von Bat - terien kann man daher das Geſetz von Rieß um ſo eher gelten laſſen, je größer die Schlagweiten werden, denn dann ſind ſie wirklich der mittleren Dichtigkeit proportional.
Aus dieſem Satze folgt, daß die Schlagweite unabhängig ſein muß von der Beſchaffenheit des Schließungsbogens, d. h. der Mikrometerkugeln und Zuleitungs - drähte. Die Richtigkeit dieſes Satzes wurde auch in der That durch das Experi - ment beſtätigt. Wohl aber zeigt ſich eine Verſchiedenheit der Luftſchichte, welche der Funke durchſchlagen muß, von Einfluß auf die Schlagweite; letztere wird kleiner, wenn die Dichte der Luft eine größere wird. Aber nicht nur dieſe phyſi - kaliſche Beſchaffenheit der Gasſchichte übt auf die Schlagweite Einfluß aus, ſondern auch die chemiſche Zuſammenſetzung. Nach Verſuchen von Faraday iſt die Schlag - weite in gasförmiger Salzſäure (Chlorwaſſerſtoff) bedeutend kleiner, im Waſſer - ſtoffgaſe größer als in Luft.
Der elektriſche Funke tritt aber nicht blos dann auf, wenn zwei entgegen - geſetzt elektriſche Körper einander genähert werden, ſondern auch dann, wenn man einem elektriſchen Körper die Hand oder irgend einen Leiter nahe genug bringt. Was iſt nun eigentlich der elektriſche Funke? Man denke ſich zwei entgegengeſetzt elektriſche Körper, z. B. Meſſingkugeln mit elektriſchen Pendeln verſehen und ein - ander genähert; ſobald die Entfernung der Kugeln bis zu einer beſtimmten, von der Stärke der Ladung abhängigen Größe abgenommen hat, leuchtet der elektriſche Funke zwiſchen beiden Kugeln auf. Gleichzeitig fallen die Kugeln der elektriſchen Pendel zuſammen und zeigen hierdurch an, daß die beiden Leiter entladen ſind. Hiernach iſt alſo der elektriſche Funke als ein Ausgleich beider Elektricitäten durch die Luft hindurch aufzufaſſen; er entſteht, ſobald die beiden einander gegenüber - ſtehenden Elektricitäten ſtark genug ſind, den Widerſtand der ſchlecht leitenden Luft zu überwinden. Die heftige Erſchütterung, welche hierbei die Luft und die Aether - theilchen erfahren, iſt dann die Urſache der Schall -, Licht - und Wärmewirkung des Funkens.
Das Ueberſchlagen eines Funkens bei Annäherung eines nicht elektriſchen Leiters an einen elektriſchen Körper erklärt ſich aus der Influenzwirkung. Der128 genäherte Leiter erhält nämlich Influenzelektricität erſter und zweiter Art; die erſtere, als die ungleichnamige mit der Elektricität des Körpers, wird von dieſer angezogen, und der bei weiterer Annäherung des influenzirten Leiters an den elek - triſchen Körper auftretende Funke iſt wieder nur der Ausgleich entgegengeſetzter Elektricitäten, nämlich der Elektricität des Körpers und der ihr entgegengeſetzten Influenzelektricität.
Entladet man in dieſer Weiſe, alſo durch Herbeiführen eines Entladungs - funkens oder - Schlages, eine Kleiſt’ſche Flaſche oder Batterie, ſo verliert dieſe hierdurch nicht die geſammte Elektricität. Man kann ſich davon überzeugen, indem man z. B. den Entladungsſchlag durch ein Funkenmikrometer herbeiführt und nach dieſer Entladung die Kugeln einander näher bringt. Sind die Kugeln einander ziemlich weit entgegengerückt, ſo daß alſo jetzt ihre Entfernung voneinander bedeu - tend geringer iſt, als ſie beim erſten Entladungsſchlage war, ſo erhält man einen zweiten Entladungsſchlag, ja bei weiterem Zuſammenſchieben der Kugeln gelingt es nicht ſelten, ſogar noch einen dritten, jedoch abermals bedeutend ſchwächeren Ent - ladungsſchlag zu erhalten. Rieß hat dieſes Verhalten auch in der Weiſe nach - gewieſen, daß er eine Batterie unter Benützung der Lane’ſchen Maßflaſche lud und dann bei einer beſtimmten Schlagweite die Entladung herbeiführte. Dann wurde die Batterie neuerdings geladen, bis wieder bei derſelben Schlagweite die Entladung eintrat. Da zeigte ſich nun, daß zur zweiten Ladung der Batterie eine viel geringere Elektricitätsmenge erforderlich war wie zu ihrer erſten Ladung. Die Meſſungen ergaben, daß zur zweiten Ladung beiläufig 0·8 jener Elektricitäts - menge gebraucht wurden, welche zur erſten Ladung erforderlich war. Dieſes Verhalten der Batterie kann nur ſo erklärt werden, daß bei der Entladung nicht die geſammte Ladung vernichtet wurde, ſondern beiläufig 0·2 derſelben zurückblieben.
Dieſe Experimente zeigen alſo, daß wir die Entladung einer Batterie durch Verbindung ihrer äußeren mit der inneren Belegung nicht als eine momentane aufzufaſſen haben, ſondern daß zur vollſtändigen Entladung der Batterie eine gewiſſe, meßbare Zeit erforderlich iſt, und daß die Batterie nicht ſchon durch die erſte Entladung, ſondern erſt durch eine Reihe von Partial-Entladungen ihre Elektricität verliert.
Rieß, Fedderſen und Andere haben dieſe Erſcheinungen eingehenden Studien unterzogen und ſind dabei zu ſehr intereſſanten Reſultaten gelangt. So ergab ſich zunächſt, daß ſelbſt der erſte Entladungsſchlag, der dem Auge doch als einfacher Funke erſcheint, keineswegs eine momentane Ausgleichung beider Elektricitäten dar - ſtellt, ſondern ſelbſt wieder durch eine Reihe von Partial-Entladungen gebildet wird. Es zeigte ſich nämlich, daß der Rückſtand, welcher in der Batterie nach dem erſten Entladungsſchlage zurückbleibt, eine verſchiedene Größe erlangt, je nach dem Widerſtande im Schließungsbogen. Nun iſt aber die Schlagweite von der Natur des Schließungsbogens vollkommen unabhängig; folglich dürfte auch die Größe des Rückſtandes nicht von der Natur des Schließungsbogens abhängen, wenn bei dem Entladungsſchlage beide Elektricitäten ſich momentan ausgleichen würden. Da jedoch, wie durch vielfache Experimente nachgewieſen wurde, die Größe des Rückſtandes thatſächlich von dem Widerſtande des Schließungsbogens abhängt, ſo iſt auch der erſte Entladungsſchlag als eine Reihe von Partial - Entladungen aufzufaſſen, da nur durch dieſe Annahme das in Rede ſtehende Ver - halten erklärbar iſt.
129Die Wirkung des Widerſtandes im Schließungsbogen auf die Entladung iſt nämlich eine zweifache; die eine beſteht darin, daß die Zeit, welche zwiſchen zwei Partial-Entladungen verſtreicht, eine längere wird, wenn der Widerſtand wächſt; die andere wird ein ſchnelleres Aufhören der Partial-Entladungen eines Entladungsſchlages herbeiführen müſſen. Betrachten wir zunächſt die erſterwähnte Wirkung. Die erſte Partial-Entladung iſt erfolgt und dadurch der Schließungs - bogen entladen; eine zweite Partial-Entladung kann nun offenbar erſt dann ein - treten, wenn durch Nachſtrömen der Elektricität an der Unterbrechungsſtelle des Schließungsbogens die Dichtigkeit der Elektricitäten wieder eine ſo große geworden iſt, daß ſie den Widerſtand der Luft überwinden kann. Nun iſt einleuchtend, daß dieſes Nachfließen der Elektricitäten, dieſe Herſtellung der erforderlichen Dichtigkeit um ſo langſamer erfolgen muß, je größer der Widerſtand iſt, welchen die nach - ſtrömenden Elektricitäten im Schließungsbogen zu überwinden haben. Gegen dieſe Erklärung könnte eingewendet werden, daß ja nach der erſten Partial-Entladung jedenfalls ein Theil der Batterieladung vernichtet ſein muß, daß alſo an der Unter - brechungsſtelle des Schließungsbogens durch Nachfließen der Elektricitäten ſich nie - mals jene Dichtigkeit wieder herſtellen könne, welche genügt, um bei der unver - änderten Schlagweite eine zweite Partial-Entladung zu ermöglichen. Dieſer Einwand wird jedoch dadurch unhaltbar, daß bei jeder Entladung durch eine Luftſtrecke die Lufttheilchen mit großer Heftigkeit ſeitwärts geſchleudert werden und daher in der Bahn, welche der erſte Funke durchlaufen hat, gewiſſermaßen ein Canal, gefüllt mit verdünnter Luft, entſtehen muß. Nun wiſſen wir aber, daß die Schlagweite einer Batterie größer wird, wenn die Anzahl der Lufttheilchen, durch welche der Entladungsſchlag geht, ſich vermindert. Iſt daher der Widerſtand im Schließungs - bogen nicht ein ſehr großer, ſo wird das Nachſtrömen der Elektricitäten raſcher erfolgen als der Zutritt neuer Lufttheilchen in den Canal mit verdünnter Luft und eine zweite Partial-Entladung wird eintreten müſſen. So lange ſich der Wider - ſtand des Schließungsbogens innerhalb gewiſſer Grenzen hält, wird daher die Zeitdauer zwiſchen je zwei aufeinanderfolgenden Partial-Entladungen vergrößert und ſomit die Dauer der Geſammtentladungen des erſten Entladungsſchlages ver - längert.
Wird jedoch der Widerſtand des Schließungsbogens ein bedeutender, ſo können die eben geſchilderten Wirkungen des Widerſtandes gerade das entgegen - geſetzte Endreſultat bewirken, und dann haben wir es mit der andern der früher angegebenen beiden Wirkungen des Widerſtandes zu thun. Die Erklärung für dieſen Fall iſt eigentlich ſchon in der Erläuterung des erſten Falles gegeben und es bedarf daher nur noch einer überſichtlichen Zuſammenfaſſung. Der zweite Fall ſetzt alſo einen großen Widerſtand im Schließungsbogen voraus; es wird daher die Zeitdauer, welche zwiſchen je zwei Partial-Entladungen verſtreichen muß, damit die erforderliche Dichtigkeit an der Unterbrechungsſtelle des Schließungsbogens wieder hergeſtellt wird, eine größere werden. Sie wird aber auch weiter wachſen, je mehr Partial-Entladungen eingetreten ſind, da mit jeder Entladung die Elek - tricitätsmenge in der Batterie geringer wird. Dadurch wird aber der die Unter - brechungsſtelle umgebenden Luft immer mehr Zeit gelaſſen, in jenen Canal einzu - ſtrömen, in welchem die Luft durch den überſchlagenden Funken verdünnt wurde. Nimmt nun die Dichte der Luft in dem Canale ſchneller zu als das Nachfließen der beiden Elektricitäten, ſo kann keine Partial-entladung mehr eintreten. Mit anderen Worten heißt dies, je längere Zeiten die Elektricitäten zum NachſtrömenUrbanitzky: Elektricität. 9130brauchen, oder je größer alſo der Widerſtand des Schließungsbogens iſt, deſto eher müſſen die Partial-Entladungen aufhören, deſto geringer wird alſo die Anzahl der Partial-Entladungen. Bei einer gewiſſen Größe des Widerſtandes kann daher die Anzahl der Partial-Entladungen ſo weit vermindert werden, daß in Folge deſſen auch die Dauer der Geſammtentladungen eines Entladungsſchlages kürzer wird, als bei Einſchaltung kleinerer Widerſtände in den Schließungsbogen.
Die Zeitdauer eines Entladungsſchlages iſt daher als eine Wechſelwirkung aufzufaſſen zwiſchen der Schnelligkeit, mit welcher einerſeits die Elektricitäten im Schließungsbogen nachſtrömen, und andererſeits der Zeit, welche den umgebenden Lufttheilchen gelaſſen wird, um in den durch das Ueberſchlagen des Funkens er - zeugten luftverdünnten Raum einzutreten. Ueberwiegt die erſte Wirkung, ſo wird durch wachſenden Widerſtand im Schließungsbogen die Zeitdauer eines Entladungs - ſchlages verlängert; überwiegt jedoch die zweite Wirkung, nimmt alſo der Wider - ſtand noch weiter zu, ſo wird die Dauer des Entladungsſchlages verkürzt. Hierbei erfolgt die Verlängerung der Entladungszeit durch zeitliche Auseinanderrückung der Partial-Entladungen, die Verkürzung aber durch Verminderung der Anzahl der Partial-Entladungen bei gleichzeitiger zeitlicher Auseinanderrückung der Partial - Entladungen.
Es erübrigt uns noch, die experimentellen Nachweiſe für die Richtigkeit obiger Erklärungen beizubringen. Sowohl Fedderſen als auch Wheatſtone bedienten ſich hierzu principiell derſelben Methode. Dieſe beſteht in der Anwendung der optiſchen Analyſe des Funkens. Läßt man nämlich vor einem leuchtenden Punkte einen ebenen Spiegel rotiren, ſo reflectirt dieſer das Bild des Punktes in jedem Momente ſeiner Drehung nach einer andern Richtung in unſer Auge; das Bild des Punktes erſcheint daher der Reihe nach auf verſchiedenen Stellen der Netzhaut unſeres Auges. Da aber jeder Lichteindruck in unſerem Auge eine beſtimmte Zeit andauert, ſo müſſen bei hinlänglich ſchneller Rotation des Spiegels die einzelnen Funken - bilder ſo nahe nebeneinander erſcheinen, daß wir ſie nicht mehr voneinander getrennt wahrnehmen können, d. h. wir ſehen eine Lichtlinie. Der Lichtpunkt im Spiegel verhält ſich gerade ſo wie eine raſch im Kreiſe geſchwungene, glühende Kohle; auch bei letzterer können wir das Kohlenſtück nicht mehr in ſeinen aufeinander - folgenden Stellungen unterſcheiden, ſondern erblicken einen feurigen Kreis.
Die beiden obengenannten Forſcher ließen nun einen ebenen Spiegel vor dem überſchlagenden Funken rotiren und beobachteten die auf dieſe Art durch den Funken erzeugte Lichtlinie. Es iſt leicht einzuſehen, daß letztere um ſo länger erſcheinen mußte, je längere Zeit der Funke andauerte, vorausgeſetzt, daß hierbei die Rotationsgeſchwindigkeit des Spiegels nicht geändert wurde. Die Leuchtdauer des Funkens, oder, was dasſelbe iſt, die Zeitdauer des Entladungsſchlages, iſt unter Anwendung einer einfachen Formel aus der Länge der Lichtlinie und aus der Rotationsgeſchwindigkeit des Spiegels leicht zu berechnen. Die in dieſer Weiſe angeſtellten Experimente zeigten nun in der That die Abhängigkeit der Entladungs - dauer von der Größe des im Schließungsbogen vorhandenen Widerſtandes in der Art, wie ſie oben angegeben wurde.
Der rotirende Spiegel zeigte aber auch, daß ein Entladungsſchlag, den man ohne Anwendung der optiſchen Analyſe als einen einzigen Funken ſieht, that - ſächlich aus einer Reihe raſch aufeinanderfolgender Funken beſteht, indem das Spiegelbild des Entladungsfunkens nicht als eine, ſondern eine Reihe aufeinander - folgender Lichtlinien geſehen wird. Somit iſt auch die Zuſammenſetzung eines131 Entladungsſchlages aus einer Reihe von Partial-Entladungen experimentell nach - gewieſen.
Fedderſen gelangte bei ſeinen Unterſuchungen aber auch zur Wahrnehmung von Entladungsvorgängen, die ſich in der obigen Weiſe nicht erklären laſſen. Er fand nämlich, daß bei Herabminderung des Widerſtandes im Schließungsbogen unter eine gewiſſe Größe die Entladungsdauer nicht mehr ab -, ſondern im Gegen - theile wieder zunimmt. Fedderſen nennt jenen Widerſtand, von welchem an die Entladungszeit wieder wächſt, den Grenzwiderſtand und erklärt dieſe Entladungs - art, welcher er den Namen oſcillirende Entladung gab, in nachſtehender Weiſe: Sinkt der Widerſtand im Schließungsbogen unterhalb des Grenzwider - ſtandes, ſo beſteht die Bewegung der Elektricitäten während der Entladung nicht blos darin, daß ſie ſich zur Unterbrechungsſtelle bewegen und dort ausgleichen, ſondern die Bewegung ſetzt ſich eben des geringen Widerſtandes wegen noch über die Unterbrechungsſtelle hinaus fort, gleichwie ein aus ſeiner Gleichgewichtslage gebrachtes Pendel nicht ſofort wieder in dieſe zurückkehrt und darin verharrt, ſondern darüber hinausſchwingt und erſt nach einer größeren oder geringeren Anzahl von Schwingungen ſeine Ruhelage wieder einnimmt. Ein Pendel wird deſto länger ſchwingen, je geringer der Widerſtand iſt, welchen es bei ſeiner Bewegung zu überwinden hat; könnte man dieſen gleich Null machen, ſo würde das Pendel gar nie mehr zur Ruhe kommen. In gleicher Weiſe verhält es ſich mit der Bewegung der Elektricitäten; ihre Bewegung gegeneinander wird um ſo länger andauern, je geringer der Widerſtand im Schließungsbogen iſt; ſie würde immer fortdauern, wenn man einen Schließungsbogen ohne irgend einen Wider - ſtand herſtellen könnte. Da aber jeder Leiter dem Durchgange der Elektricität einen Widerſtand entgegenſetzt, muß die Dauer der Oſcillationen eine beſchränkte ſein. Die Zahl der Oſcillationen muß deshalb abnehmen, wenn der Widerſtand im Schließungsbogen zunimmt; es treten gar keine Oſcillationen ein, wenn der Wider - ſtand über den Grenzwiderſtand hinaus wächſt, wobei dann der früher geſchilderte Entladungsvorgang ſtattfindet.
Die Oſcillationen gehen in folgender Weiſe vor ſich: Bei einer poſitiv geladenen Flaſche oder Batterie fließt die poſitive Elektricität auf die äußere Be - legung, die negative auf die innere Belegung und die Flaſche iſt nach dieſer erſten Entladung umgekehrt, alſo negativ geladen. Das weitere Nachſtrömen der Elek - tricitäten wird dann durch die Abſtoßung gleichnamiger Elektricitäten verhindert und es tritt eine kurze Bewegungspauſe ein. Hierauf bewegen ſich wieder beide Elektricitäten in der entgegengeſetzten Richtung, d. h. die poſitive ſtrömt auf die innere, die negative auf die äußere Belegung über und es erfolgt die zweite Oſcillation oder Entladung u. ſ. w., bis die Flaſche entladen iſt. Der Entladungs - vorgang iſt alſo in dem jetzt betrachteten Falle ein Hin - und Herſtrömen der Elektricitäten. Daß dieſe Oſcillationen thatſächlich ſtattfinden, folgt nicht nur aus theoretiſchen Unterſuchungen von Helmholtz, Kirchhoff und Thomſon, ſondern wird auch durch einen Verſuch von Oettingen gezeigt. Wüllner beſchreibt dieſen Verſuch in nachſtehender Weiſe: „ Durch den mit dem Conductor der Elektriſirmaſchine in Verbindung ſtehenden Draht C K, Fig. 64, an welchem bei der Ladung die Kugel A anlag, wurde die Batterie B geladen, bis in dem Schließungsbogen B F S J, welcher bei F ein Funkenmikrometer enthielt, das für eine beliebige Schlagweite geſtellt werden konnte, die Entladung eintrat. In dem Momente der Entladung wurde dann die Kugel A, welche an dem Drahte l A befeſtigt war, herabgedrückt,9*132ſo daß der Schließungsbogen B l G ohne Funkenſtrecke geſchloſſen war. In dieſem Schließungsbogen trat dann die Entladung des nach der erſten Entladung in der Flaſche enthaltenen Rückſtandes ein. Die Richtung des Stromes der poſitiven Elek - tricitäten in dieſem Schließungsbogen gab dann die Art der Ladung der Batterie nach der erſten Entladung an. Die Richtung des Stromes erkannte man an der Bewegung der Nadel des bei G in den Stromkreis eingeſchalteten Galvanometers und die Menge der entladenen Elektricität an der Größe des Ausſchlages, welchen die Nadel des Galvanometers erhielt.
Auf dieſe Weiſe gelang es Oettingen, die Exiſtenz negativer Rückſtände nach - zuweiſen und ſo einen neuen Beweis dafür zu liefern, daß, entſprechend den theo - retiſchen Unterſuchungen von Kirchhoff, bei nicht zu großen Widerſtänden und nicht zu kleiner Schlagweite die Entladungen im Allgemeinen oſcillirende ſind. Schließ - lich möge noch erwähnt werden, daß Paalzow die oſcillirende Entladung mit
Verſuch von Oettingen.
Hilfe Geißler’ſcher Röhren, die wir ſpäter kennen lernen werden, direct ſichtbar gemacht hat.
Verbindet man die innere und äußere Be - legung einer geladenen Flaſche oder Batterie leitend miteinander, ſo tritt alſo, je nach den Widerſtands - verhältniſſen des Schließungsbogens, die eine oder die andere Art der Entladung ein. Doch gelingt es in keinem Falle, gleich die vollſtändige Entladung herbeizuführen, ſobald die beiden Belegungen in leitende Verbindung geſetzt ſind. Es zeigt ſich viel - mehr, daß, wenn man dieſe Verbindung wieder aufhebt und dann abermals herſtellt, neuerdings eine, wenn auch bedeutend ſchwächere Entladung eintritt, und daß dieſer Vorgang auch drei bis viermal wiederholt werden kann. Man nennt die bei der Entladung einer Flaſche oder Batterie immer noch zurückbleibende Ladung den elektriſchen Rückſtand oder das Reſiduum.
Man hat beobachtet, daß die Bildung eines elektriſchen Rückſtandes nur dann eintritt, wenn der Iſolator, welcher die beiden Belegungen voneinander trennt, ein feſter Körper iſt, und daß die Größe des Rückſtandes von der Be - ſchaffenheit dieſes feſten Iſolators abhänge. Ferner fand man, daß der Rückſtand mit der Dicke des Iſolators und mit der Stärke der den Belegungen mitgetheilten Ladungen wachſe. Aus allen dieſen Beobachtungen muß der Schluß gezogen werden, daß die Urſache der Erſcheinung im Verhalten des Iſolators zu ſuchen ſei. Hierzu kommt noch die bereits von Franklin gemachte Wahrnehmung, daß die einem Leiter mitgetheilte Elektricität nicht auf dieſem bleibt, ſondern ſich zum größten Theile auf den Iſolator begiebt, wenn ein ſolcher mit dem Leiter in unmittelbarer Be - rührung ſteht.
Geſtützt auf dieſe Erfahrungen erklärte Faraday die Erſcheinung des elek - triſchen Rückſtandes in nachſtehender Weiſe: Wird z. B. eine Flaſche oder Tafel poſitiv geladen, ſo tritt poſitive Elektricität von der inneren Belegung auf die dieſer zugewandte Fläche des Iſolators über, negative Elektricität von der äußeren Belegung auf die dieſer zugewandte Fläche. Bei der Entladung gleichen ſich nun die auf den Belegungen zurückbleibenden Elektricitäten ſofort aus. Jene133 auf den beiden Flächen des Iſolators können aber der ſchlechten Leitungsfähigkeit des letzteren wegen nicht ſo ſchnell wieder auf die Belegungen zurückfließen und bleiben daher bei der erſten Entladung zurück. Verbindet man nun nach einiger Zeit wieder beide Belegungen leitend miteinander, ſo haben die zurückgebliebenen Elektricitäten Zeit gehabt, ſich wieder auf die Belegungen zurückzubegeben, und es kann neuerlich eine Entladung eintreten.
Als Stütze für dieſe Erklärung wird das Verhalten einer zerlegbaren Flaſche oder Tafel angeführt. Eine derartige Zerlegtafel iſt in Fig. 65 ab - gebildet; a und b ſind die beiden Belegungen, aus Meſſingblech gebildet und auf Glasfüßen verſchiebbar befeſtigt. Den Iſolator bildet die Glastafel c. Schiebt man die Meſſingplatten a und b bis zu ihrer Berührung mit der Glastafel c zuſammen,
Zerlegtafel.
ſo bildet der ganze Apparat eine Franklin’ſche Tafel In dieſem Zuſtande wird nun die Tafel geladen. Entfernt man nach der Ladung die Platten a und b wieder von c, ſo erſcheinen ſie natürlich beide elektriſch, wenngleich ſehr ſchwach, und zwar die eine poſitiv, die andere negativ. Entladet man nun die beiden Metallplatten und führt ſie dann neuerdings bis zur Berührung mit der Glas - platte c zurück, ſo erſcheint die wiederhergeſtellte Franklin’ſche Tafel neuerdings geladen, und zwar in derſelben Art und nur unbedeutend ſchwächer als vorher. Es muß alſo wirklich der größte Theil der Ladung von den Metallbelegen auf die Glasplatte übergegangen ſein.
Kohlrauſch macht gegen dieſe Erklärung die Einwendung, daß, wenn die beiden Elektricitäten wirklich auf den Iſolator übergehen, für ſie kein Grund vor - handen ſei, wieder auf die Belegungen zurückzufließen und eine neuerliche Ladung134 herbeizuführen. Kohlrauſch ſucht daher den elektriſchen Rückſtand als eine Influenz - erſcheinung zu erklären. Er denkt ſich die Einwirkung der Elektricitäten der Be - legungen auf den Zuſtand des Iſolators in ähnlicher Weiſe wie die Wirkung eines Magnetes auf ein Stück weichen Eiſens. In den Molekülen des Iſolators ſeien bereits im unelektriſchen Zuſtande die beiden Elektricitäten voneinander getrennt, in der Weiſe, daß jedes Molekül einen poſitiv und einen negativ elektriſchen Pol beſitze. Da aber die einzelnen Moleküle des Iſolators ſich in allen möglichen Stellungen befinden, erſcheint derſelbe nach außen hin unelektriſch. Sobald jedoch der Iſolator mit metalliſchen Belegungen verſehen und dieſen Elektricität mitgetheilt wird, ſo wirkt letztere richtend auf die polariſirten Moleküle des Iſolators. Dann kehren ſämmtliche Moleküle ihre poſitiv elektriſchen Pole der negativ elektriſirten Platte zu, während ihre negativen Pole der poſitiv elektriſirten Platte zugewandt werden. Die Geſammtwirkung des Iſolators nach außen muß daher die ſein, daß die eine Fläche desſelben poſitiv, die andere aber negativ elektriſch erſcheint. Werden jetzt die Metallplatten entladen, ſo verſchwindet die richtende Kraft und die Moleküle des Iſolators kehren wieder in ihre urſprünglichen Stellungen zurück. Die Rückkehr erfolgt jedoch nicht augenblicklich, ſondern braucht eine gewiſſe Zeit. Während dieſer können die Moleküle influenzirend auf die Belegungen wirken und dieſe neuerdings in derſelben Art wie zu Beginn des Verſuches, wenn auch ſchwächer, laden. Dieſe Ladung bildet dann den elektriſchen Rückſtand.
Der von Kohlrauſch gegebenen Erklärung ſchloß ſich auch Clauſius an, während Bezold die Faraday’ſche Auslegung der Erſcheinung aufrecht erhält und unterſtützt. Wüllner ſuchte durch eine Reihe von Experimenten zwiſchen beiden Erklärungen eine Entſcheidung herbeizuführen, gelangte aber zu keinem definitiven Reſultate; die Hauptwirkung ſchreibt er jedoch der Influenz zu.
Die Experimente, welche Wheatſtone durchführte, um die Dauer des Ent - ladungsſchlages zu beſtimmen, veranlaßten ihn auch, die Fortpflanzungsgeſchwin - digkeit der Elektricität überhaupt zu unterſuchen. Zwar hatten ſchon Le Monnier und auch Watſon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes dieſe zu meſſen verſucht, erzielten aber beide, wie wir in der Geſchichte der Elektricität erfahren haben, kein Reſultat.
Die Methode, deren ſich Wheatſtone zur Unterſuchung der Fortpflanzungs - geſchwindigkeit bediente, iſt im Weſentlichen dieſelbe, die wir bei der Beſtimmung der Entladungsdauer kennen gelernt haben; ſie beruht alſo auf der Anwendung eines rotirenden Spiegels. Die Geſammtanordnung iſt aus der ſchematiſchen Zeich - nung in Fig. 66 erſichtlich. K iſt eine Kleiſt’ſche Flaſche, deren Kugel a eine zweite gleich große Kugel b gegenübergeſtellt iſt. Letztere ſteht mit der äußeren Belegung der Flaſche in Verbindung. Damit ſich die beiden Elektricitäten der Flaſche K vereinigen können, alſo ein Funke zwiſchen a und b überſpringt, müſſen ſie jedoch die Leitungen L L1 und das Funkenbrett F durchlaufen. Wenn wir den Weg, welchen die Elektricität zu durchlaufen hat, von der äußeren Belegung der Flaſche aus verfolgen, ſo ſehen wir, daß die Elektricität zunächſt auf die Kugel 6 des Funkenbrettes gelangt, dann auf die Kugel 5 überſpringt, die Leitungen L durchläuft, zur Kugel 4 kommt, von da auf die Kugel 3 überſpringt, die Leitungen L1 paſſirt, dann von der Kugel 2 auf die Kugel 1 überſpringt und endlich durch den Draht und die Kugel b wieder auf die Flaſche zurück nach a gelangt. Der Weg, welchen die Elektricität der inneren Belegung bei der Entladung zurückzulegen hat iſt derſelbe, nur wird er in umgekehrter Richtung gemacht.
135Wheatſtone gab nun jeder der iſolirten Leitungen L und L1 eine Länge von 402 Meter, ſo daß alſo der Entladungsſtrom einen Geſammtweg von 804 Meter zurückzulegen hatte. Hierbei treten zwiſchen 5 und 6, 4 und 3, ſowie auch 1 und 2 Funken auf. Dieſe drei Funken liegen in einer geraden Linie, da die Kugeln 1 bis 6 ebenfalls in einer ſolchen liegen. Hinter dieſen Kugeln am Funkenbrette iſt der Spiegel angebracht (in der Zeichnung der Deutlichkeit wegen weggelaſſen), deſſen Rotationsaxe zur Funkenlinie parallel liegt. So lange der Spiegel ruhig ſteht, erſcheinen die Spiegelbilder der drei Funken natürlich auch als einfache Funken; wird aber der Spiegel in raſche Rotation verſetzt, ſo erſcheinen die drei Funkenbilder als drei parallele Linien, da, wie wir früher ſchon geſehen haben, die einzelnen Bilder jedes Funkens ſo raſch aufeinanderfolgen, das wir ſie nicht mehr getrennt wahrnehmen können.
Würden nun die Funken in den drei Kugelpaaren des Funken - brettes gleichzeitig überſpringen, d. h. würde die Elektricität zum Durch - laufen der Leitungen L und L1 gar keine Zeit brauchen, ſo müßten die drei Funkenlinien im rotirenden Spiegel zur ſelben Zeit beginnen und zur ſelben Zeit enden; das Bild müßte die in B1 dargeſtellte Form zeigen. Der Verſuch ergab jedoch das Bild B2. Dieſes Bild lehrt, daß der Funke, welcher im mittleren Kugelpaare (4, 3) über - ſprang, ſpäter aufgetreten ſein muß, als die beiden ſeitlichen Funken, da die von ihm als Spiegelbild erzeugte Lichtlinie ſpäter begonnen und früher aufgehört hat als die Lichtlinien der beiden anderen Funken. Die beiden
Meſſung der Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität.
äußeren Lichtlinien begannen und endeten gleichzeitig, folglich ſind die beiden äußeren Funken gleichzeitig aufgetreten. Aus dieſem Verhalten folgt zweierlei: 1. Die Elektricität pflanzt ſich nicht momentan fort, ſondern braucht zur Zurücklegung des Weges von der Kugel 5 durch den 402 Meter langen Leitungsdraht L zur Kugel 4 einerſeits und zur Zurücklegung des Weges von der Kugel 1 durch die gleichfalls 402 Meter lange Leitung L1 zur Kugel 3 andererſeits eine gewiſſe Zeit. 2. Die Entladung der Flaſche erfolgt nicht in der Weiſe, daß nur ein Strom auftritt, der etwa von der inneren zur äußeren Belegung oder umgekehrt gerichtet iſt, ſondern daß zwei gegeneinander gerichtete136 Ströme gleichzeitig in der Art entſtehen, daß einer von der inneren zur äußeren Belegung, der andere in der entgegengeſetzten Richtung ſich bewegt.
Die erſte Folgerung aus dem Verſuche und das bei dem Verſuche erhaltene Funkenbild B2 geſtattet uns einen Schluß auf die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität in den Kupferdrähten L zu ziehen. Der Strom hat, um den Weg von der Kugel 5 durch die Leitungen L zur Kugel 4 zurückzulegen, offenbar die Zeit gebraucht, welche zwiſchen dem Beginne der erſten und der zweiten Funkenlinie verſtrichen iſt. Dieſe Zeit können wir aber beſtimmen, wenn uns die Rotations - geſchwindigkeit des Spiegels und die Länge des Stückes d e bekannt iſt, um welches die mittlere Funkenlinie gegen die erſte zurückgeblieben iſt.
Bevor wir die Zeitbeſtimmung ſelbſt erklären, wollen wir nur noch bemerken, daß während der Bildung der Funkenlinien das Spiegelbild immer den doppelten Weg zurücklegt als der Spiegel bei ſeiner Drehung. Dieſes Verhalten folgt einfach
Bilder eines rotirenden Spiegels.
aus dem für Planſpiegel geltenden Geſetze: Der Winkel, welchen der einfallende Lichtſtrahl mit ſeinem Lothe einſchließt, iſt immer gleich jenem Winkel, welchen der reflectirte Strahl mit einem Lothe bildet. Obwohl die Begrün - dung dieſes Geſetzes nicht hierher gehört, wurde doch nebenſtehende Figur (67) auf - genommen, um im Verſtändiſſe des Nach - folgenden keine Lücke zu laſſen. S S' ſtellt einen Planſpiegel dar, F den Funken, der einen Lichtſtrahl in der Richtung F O auf den Spiegel ſendet; O N iſt das Loth auf die Ebene des Spiegels, im Punkte O und O b der reflectirte Strahl oder die Richtung, in welcher das Spiegelbild geſehen wird, da der Winkel b O N gleich iſt F O N. Dreht man nun den Spiegel in die Stellung S1 S1 ', ſo iſt O N1 die Normale und der Winkel F O N1 der Einfallwinkel; der reflectirte Strahl muß nun einen gleich großen Winkel einſchließen, alſo in die Richtung O b1 fallen. Hierbei hat ſich der Spiegel um den Winkel S S1, das Bild aber um den Winkel W W1 gedreht. Vergleicht man dieſe beiden Winkel miteinander, ſo er - kennt man ſofort, daß der vom Funkenbilde zurückgelegte Winkel (W W1) doppelt ſo groß iſt als jener (S S1), um welchen ſich der Spiegel gedreht hat.
Wie bereits wiederholt erwähnt wurde, ſieht man bei raſcher Rotation des Spiegels nicht die einzelnen Funkenbilder in b b1 (Fig. 67) u. ſ. w., ſondern der ganze Weg, welchen der Funke zurücklegt, erſcheint als heller Streifen oder als Lichtlinie. Die Länge dieſer Lichtlinie muß nun offenbar von der Dauer des Funkens und von der Schnelligkeit der Spiegeldrehung abhängen und mit dem Zunehmen dieſer Factoren wachſen; in Bezug auf die Spiegeldrehung erſtreckt ſich hierbei die Lichtlinie nach obiger Erklärung immer über einen doppelt ſo großen Bogen (W W1) als jener (S S1) iſt, um welchen ſich der Spiegel gedreht hat.
Dasſelbe gilt nun auch für das Stück d e (Fig. 66), um welches die mittlere Lichtlinie zurückgeblieben iſt und welches wir zu beſtimmen haben.
137Kennt man nun die Schnelligkeit der Spiegeldrehung, d. h. die Zeit, welche der Spiegel braucht, um ſich um einen vollen Winkel (360 Grad) zu drehen, und kennt man ferner die Dauer des Funkens, ſo kann man die Länge dieſes Stückes berechnen. Macht der Spiegel z. B. 800 Umdrehungen in der Secunde, ſo legt er in dieſer Zeit einen Weg zurück, welcher gleich iſt 800mal 360 Grad, d. i. 288.000 Grad; dauert die Zeit zwiſchen dem Beginne der erſten und der zweiten Lichtlinie x Secunden, ſo wird der Spiegel x mal 288.000 Grade durchlaufen. Das Spiegelbild legt aber in derſelben Zeit den doppelten Weg zurück, alſo zweimal 288.000 mal x, d. i. 576.000 x Grade. Dieſes Product iſt alſo die Länge des Stückes, um welches das Spiegelbild des zweiten Funkens gegen dem des erſten zurückgeblieben iſt. Mißt man die Länge dieſes Stückes und nehmen wir an, ſie würde 0·5 Grade betragen, ſo erhalten wir die Gleichung 0·5 = 576.000 x. Aus dieſer kann x, d. i. die Zeitdauer des Funkens leicht berechnet werden; ſie iſt gleich 〈…〉 . Führt man dieſe Diviſion aus, ſo ergibt ſich x = 0·000,000. 868 Secunden.
Die Zahlen, welche hier gewählt wurden, ſind diejenigen, welche Wheatſtone bei ſeinem Experimente wirklich erhalten hat. Aus dieſen Zahlen iſt es aber ein Leichtes, die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität zu berechnen. Braucht nämlich der Strom zum Durchlaufen der 402 Meter langen Leitung L 0·000,000. 868 Secunden, ſo durchläuft er in eine Secunde einen Kupferdraht, deſſen Länge gleich iſt 〈…〉
Nach Wheatſtone würde alſo die Elektricität in einer Secunde einen Weg von 463.133 Kilometer oder beiläufig 62.500 Meilen zurücklegen, wenn ſie durch Kupferdrähte geleitet wird. Natürlich kann das ſo gewonnene Reſultat nicht als exacte Meſſung, ſondern nur als annähernde Schätzung der Fortpflanzungs - geſchwindigkeit der Elektricität betrachtet werden. Daß auch die Natur des Leitungs - drahtes auf die Geſchwindigkeit Einfluß nehmen muß, erhellt ſchon aus unſeren früheren Betrachtungen über das Leitungsvermögen der Körper. In der That fanden auch andere Forſcher abweichende Zahlen für die Fortpflanzungsgeſchwin - digkeit. Aus den Verſuchen, welche Walker anſtellte, ergab ſich als Fort - pflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität in Eiſendraht nur 4000 Meilen per Secunde, aus jenen von Fizeau und Gounelle 24.200 Meilen für Kupfer und 13.500 für Eiſen. Nach theoretiſchen Betrachtungen, welche Kirchhoff anſtellte, müßte ſich die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Elektricität in einem widerſtands - loſen Drahte zu 41.950 Meilen per Secunde, alſo gleich jener des Lichtes ergeben.
Wenden wir uns nunmehr den Wirkungen der elektriſchen Entladung zu; als ſolche haben wir zu betrachten die Wärme - und Lichtwirkungen, ſowie die mechaniſchen, chemiſchen, magnetiſchen und phyſiologiſchen Wirkungen. Was zu - nächſt die erſte, nämlich die Wärmewirkung anbelangt, ſo kann dieſe ſowohl im ununterbrochenen Schließungsbogen, als auch in dem an der Unterbrechungs - ſtelle überſpringenden Funken beobachtet werden. Die Wärmewirkung des elektri - ſchen Funkens kann man durch Entzünden leicht brennbarer Körper zeigen. Hierzu dient der kleine in Fig. 68 abgebildete Apparat. Ein Meſſingſchälchen M iſt auf138 einer Glasſäule iſolirt aufgeſtellt; in dieſes ragt, ohne es zu berühren, die Spitze S hinein, welche das eine Ende eines gleichfalls iſolirt aufgeſtellten Meſſing - ſtabes bildet. Sein anderes Ende wird durch eine kleine Kugel begrenzt. In das Schälchen, welches man durch einen Draht zur Erde ableitet, bringt man leicht entzündliche Körper, wie z. B. Schwefeläther, Schwefelkohlenſtoff, erwärmten Al - kohol ꝛc. und läßt auf die Kugel des horizontalen Meſſingſtabes den Funken einer Elektriſirmaſchine oder Kleiſt’ſchen Flaſche überſpringen. Der Funke muß dann von der Spitze S auf die in dem Schälchen M befindliche Flüſſigkeit über - ſchlagen, die hierdurch entzündet wird.
Um die Entzündung feſter Körper, wie z. B. Pulver, zu zeigen, verwendet man gewöhnlich den früher beſchriebenen allgemeinen Auslader nach Henley. Das Pulver wird dann zwiſchen die beiden Kugeln k k (Fig. 62) gebracht. Bei dieſem Experimente erſcheint es jedoch als zweckwäßig, in den Schließungsbogen noch eine naſſe Schnur einzuſchalten, um durch die hierdurch erzielte Vermehrung des
Elektriſcher Zünd-Apparat.
Elektriſcher Mörſer.
Widerſtandes die Entladung zu verlangſamen. Das Pulver bedarf eben einer ge - wiſſen Zeit, bevor es hinlänglich erwärmt iſt, um ſich zu entzünden. Läßt man daher den Funken im metalliſchen Schließungsbogen überſpringen, ſo iſt die Dauer der Entladung ſehr kurz und der Funke ſchleudert das Pulver häufig nur zur Seite, ohne es zu entzünden.
Die Wärme des elektriſchen Funkens kann auch in der Weiſe gezeigt werden, daß man ihn durch exploſible Gaſe ſchlagen läßt, die er dann natürlich entzündet.
Hierauf beruht die elektriſche Piſtole oder der elektriſche Mörſer (Fig. 69). In das Innere des Mörſers ſind zwei in einer Geraden liegende Metalldrähte ein - geführt und ſtehen einander mit ihren kugelförmig verdickten Enden nahe gegenüber. Man leitet in den Mörſer Waſſerſtoff - oder Leuchtgas, welches ſich mit der Luft miſcht und ein exploſibles Gasgemenge bildet; derſelbe Zweck wird auch durch einen Tropfen Aether oder Schwefelkohlenſtoff erreicht. Dann verſchließt man die Mündung des Mörſers durch eine Kugel oder einen Pfropfen und läßt den Funken überſchlagen; dieſer entzündet das Gasgemiſch und der Pfropfen wird durch die Exploſion der Gaſe mit ſtarkem Knalle hinausgeſchlendert.
139Wenn auch dieſe kleinen Apparate ganz gut geeignet ſind, die Wärme - wirkung des elektriſchen Funkens überhaupt zu zeigen, ſo geſtatten ſie natürlich doch nicht, dieſelben meſſend zu verfolgen und ihre geſetzmäßigen Beziehungen feſt - zuſtellen. Um dieſen Zweck zu erreichen, haben Kinnersley und Rieß Inſtru - mente erdacht. Das Inſtrument des Letzteren, das Rieß’ſche elektriſche Luft - thermometer, welches auch das beſſere iſt, zeigt Fig. 70 in perſpectiviſcher Anſicht.
In der Glaskugel k, welche einen Durchmeſſer von beiläufig 9 Centimeter beſitzt, iſt quer durch ihren Mittelpunkt eine Spirale aus Platindraht geſpannt.
Elektriſches Luftthermometer von Rieß.
Ihre Enden ſind an zwei Klemmſchrauben s s1, befeſtigt, welche in einander dia - metral gegenüberliegenden Oeffnungen der Kugel eingekittet ſind. Unten ruht die Kugel auf einem Metallringe r, der mit ſeinen Füßen auf dem Brette feſtgeſchraubt iſt. Ferner geht von der unteren Seite der Kugel eine Glasröhre aus, deren zweites Ende ſich zu einem auf der Röhre ſenkrecht ſtehenden Glasgefäße g er - weitert. Die Glasröhre beſitzt einen ſehr geringen inneren Durchmeſſer und ruht nicht unmittelbar auf dem Brette B auf, ſondern iſt an einer Scala feſtgemacht, und erſt dieſe iſt mit dem Brette verbunden. Letzteres iſt durch ein Gelenk mit dem Grundbrette G vereinigt und läßt ſich mit Hilfe des Metallbogens b und der dort angebrachten Schraube in verſchiedenen Neigungen gegen die Horizontalebene140 feſtſtellen. Die Platinſpirale iſt durch dicke Drähte mit den iſolirt aufgeſtellten Drahtklemmen D D in leitender Verbindung, um durch letztere das ganze Inſtru - ment bequem in den Schließungsbogen einer Batterie ꝛc. einſchalten zu können. Bei o beſitzt die Glaskugel eine durch einen eingeſchliffenen Stöpſel verſchließbare Oeffnung, um den Luftdruck im Inneren der Kugel mit jenem der äußeren Luft übereinſtimmen machen zu können.
Zum Studium der Wärmeverhältniſſe im Schließungsbogen einer Elektrici - tätsquelle muß man bei Anwendung des eben beſchriebenen Luftthermometers den Rauminhalt der Kugel genau kennen. Beim Gebrauche wird die Glasröhre mit einer Flüſſigkeit gefüllt, welche die Communication der Luft in der Kugel mit jener außerhalb abſperrt. Bei der Füllung der Röhre mit Flüſſigkeit läßt man die Oeffnung bei o offen, damit in der Glaskugel kein von dem äußeren Luft - drucke verſchiedener Luftdruck entſteht. Während des Experimentes iſt jedoch auch dieſe Oeffnung geſchloſſen, ſo daß die Luft in der Kugel nach allen Seiten hin vollkommen abgeſperrt iſt. Führt man nun durch die Platinſpirale den Entladungsſchlag einer Batterie, indem man das elektriſche Thermometer unter Vermittlung der Draht - klemmen D D1 in den Schließungsbogen einſchaltet, ſo wird die Platinſpirale erhitzt. Dieſe giebt dann Wärme an die in der Kugel eingeſchloſſene Luft ab, welche in Folge der Erwärmung ihr Volumen vergrößern muß. Die Vergrößerung des Volumens iſt dadurch möglich, daß die Flüſſigkeit in der Glasröhre zurück - gedrängt, d. h. nach g gedrückt wird.
Die Sperrflüſſigkeit weicht deſto mehr gegen das Gefäß zurück, je mehr ſich die Luft in der Kugel ausdehnt oder, mit anderen Worten, je mehr Wärme die Platinſpirale an die Luft abgiebt. Wir ſind daher im Stande, durch die Depreſſion der Sperrflüſſigkeit die Wärmewirkungen elektriſcher Entladungen einer Batterie zu unterſuchen. Nachſtehende Tabelle (aus Wüllner’s „ Exp. Phyſ. “), welche die Verſuchsreſultate einer Reihe von Rieß durchgeführter Experimente enthält, giebt zunächſt Aufſchluß über den Zuſammenhang zwiſchen der Menge q der ent - ladenen Elektricität, ſowie auch der Größe der Batterie (Flaſchenzahl s) und der hierdurch bewirkten Erwärmung im Luftthermometer, ausgedrückt durch die Depreſ - ſionen δ der Sperrflüſſigkeit.
Dieſe Tabelle lehrt uns, wenn wir die in den einzelnen Verticalreihen befindlichen Zahlen betrachten, daß die Erwärmung des Platindrahtes zunimmt, wenn, natürlich unter ſonſt gleichen Umſtänden, die Mengen der Elektricität141 wachſen; hierbei erfolgt die Zunahme der Wärmemenge proportional dem Quadrate der Elektricitätsmenge, denn vergleichen wir z. B. bei Anwendung von zwei Flaſchen die für die Depreſſionen und die Elektricitätsmengen erhaltenen Zahlen, ſo bekommen wir für die Elektricitätsmengen 2 und 6 die Proportion:
Daß die Producte je zweier Glieder dieſer Proportion nicht vollkommen gleich ſind, liegt natürlich in den nie auszuſchließenden Beobachtungsfehlern. Die Uebereinſtimmung beider Werthe iſt aber hinlänglich genau, um das oben aus - geſprochene Geſetz der Wärmewirkung als giltig anſehen zu dürfen, da bei einer ſehr großen Anzahl von Verſuchen ſich ſtets ſo nahe übereinſtimmende Werthe ergeben haben.
Vergleichen wir nun die Zahlen untereinander, die in einer horizontalen Reihe ſtehen, ſo erkennen wir die Beziehungen, welche bei gleichbleibender Elektricitätsmenge zwiſchen der Wärme-Erzeugung und der Zahl der Flaſchen beſtehen. Man erſieht hieraus, daß bei Entladung derſelben Elektricitätsmenge die Depreſſionen d der Flaſchenzahl umgekehrt proportional werden, daß alſo die Wärmemenge deſto geringer wird, je größer die Anzahl der Flaſchen iſt, oder mit anderen Worten, auf eine je größere Oberfläche eine und dieſelbe Elektricitätsmenge vor ihrer Entladung ver - theilt war.
In ähnlicher Weiſe unterſuchte Rieß auch den Einfluß von Veränderungen im Schließungsbogen auf die Wärme-Entwicklung in der Drahtſpirale, indem er mit Hilfe des Henley’ſchen Ausladers feuchte Schnüre oder kürzere oder längere Metalldrähte in den Bogen einſchaltete. Die Erwärmung der Spirale nahm ab, wenn feuchte Schnüre, Waſſerſäulen oder auch Metalldrähte von bedeutender Länge eingeſchaltet wurden; ſie nahm zu, wenn bei gleicher Länge der Metalldrähte ihr Durchmeſſer zunahm. Ferner zeigte ſich die Erwärmung unter ſonſt gleichen Umſtänden auch verſchieden je nach der verſchiedenen Natur der eingeſchalteten Drähte. Rieß beobachtete auch, daß die Dauer der Entladung zunimmt mit der Abnahme der Leitungsfähigkeit eines Drahtes, und daß das Erwärmungsvermögen des letzteren der verzögernden Kraft des Metalles direct proportional ſei. Vorſſel - mann de Heer ſprach dann den Satz aus, daß die Entladung einer mit derſelben Elektricität geladenen Batterie in jedem Schließungsbogen dieſelbe Geſammtwärme - menge erzeuge. Mit der Veränderung des Schließungsbogens wird nur die Vertheilung der an den einzelnen Partien des Bogens erzeugten Wärmemengen geändert, die Summe aller bleibt aber ſtets conſtant. Dieſes Verhalten zeigt, daß das Princip der Erhaltung der Kraft auch für die Elektricität Geltung beſitzt: eine beſtimmte Arbeitsmenge in der Form elektriſcher Spannung giebt bei Um - wandlung in eine andere Form, nämlich in Wärme, immer dieſelbe Wärmemenge, nie mehr und nie weniger.
In inniger Beziehung zu den Wärmewirkungen ſtehen die Lichtwirkungen, welche durch elektriſche Entladungen hervorgerufen werden. Es iſt wohl Jedermann bekannt, daß dieſe dazu benützt werden können, die mannigfachſten und prächtigſten Lichteffecte hervorzurufen. Die Lichteffecte ſind ſehr mannigfacher Art und ändern ſich mit Veränderung der Umſtände, unter welchen die Entladung ſtattfindet. Sie ſind ſehr ſchwach, wenn die Entladung eines Conductors nur durch Ausſtrömen142 in Folge hoher Dichtigkeit der Elektricität ſtattfindet, ſie ſind brillant und blendend, wenn große Mengen von Elektricität ſich raſch ausgleichen, d. h. wenn die Ent - ladung durch Funkenüberſchlagen vor ſich geht, ſie ſind farbenprächtig, wenn die Entladung in verdünnten Gaſen verſchiedener Natur erfolgt.
Wir wollen nun dieſe verſchiedenartigen Lichterſcheinungen in einigen Bei - ſpielen näher kennen lernen. Führen wir zunächſt dem poſitiven Conductor einer Elektriſirmaſchine durch Drehen der Scheibe fort und fort Elektricität zu, ſo wird dieſe nach einiger Zeit auf dem Conductor eine ſolche Dichtigkeit erlangen, daß ſie auszuſtrömen beginnt. Dieſes Ausſtrömen bringt eine Lichterſcheinung mit ſich, die dadurch geſteigert werden kann, daß man auf den Conductor eine Spitze aufſetzt. Von dieſer geht dann ein bläulicher Lichtkegel aus, deſſen Spitze an der auf dem Conductor aufgeſetzten Spitze ſich befindet. Das kegelförmige Ausbreiten
Ausſtrömen von Elektricität.
Poſitiv elektriſches Lichtbüſchel.
der von der Spitze ausgehenden Strahlen findet darin ſeine Erklärung, daß ſich die einzelnen Strahlen, als gleichnamig elektriſch, voneinander abſtoßen. Das Strahlenbüſchel, welches beiläufig die in Fig. 71 angedeutete Form beſitzt, iſt jedoch ſo lichtſchwach, daß es nur im verdunkelten Raume wahrgenommen werden kann. Die Farbe des Büſchels ändert ſich, wenn es in verſchiedenen Gaſen erzeugt wird. Die Farben treten namentlich ſchön und deutlich bei Entladungen im gas - verdünnten Raume auf und ſollen daher auch bei Beſprechung dieſer angegeben werden.
Bei Anwendung ſehr kräftiger Elektriſirmaſchinen gewinnt das Büſchel das Anſehen einer Fächerpalme, wie dies Fig. 72 (nach einer Abbildung in Cazin’s „ L’étincelle électrique “) darſtellt.
Die Lichterſcheinungen erfahren eine Aenderung, wenn man dem Conductor einen Leiter nähert. Wird derſelbe nur ſo weit genähert, daß noch keine Funken -143 entladung eintreten kann, ſo ſicht man vom poſitiven Conductor ein Lichtbüſchel aus - gehen, deſſen Strahlen zunächſt auseinanderweichen, dann ſich aber wieder einander nähern; auf dem gegenüber befindlichen Leiter, welcher durch Influenz gleichfalls elektriſch werden muß, ſtrömt die negative Elektricität in der Richtung gegen den Conductor aus. Dieſe Ausſtrömung negativer Elektricität zeigt ſich aber von dem Ausſehen des poſitiven Büſchels verſchieden. Man ſieht nämlich an der Aus - ſtrömungsſtelle kein ſtrahlenförmiges Lichtbüſchel, ſondern nur einen Lichtſchein, eine Lichtwolke, die auf dem Leiter aufſitzt und keine einzelnen Strahlen erkennen läßt. Dieſer Lichtſchein iſt auch in der Regel anders gefärbt, als das Lichtbüſchel. Man nennt dieſe Form des elektriſchen Lichtes das Glimmlicht im Gegenſatze zu dem Büſchel - lichte, welches die poſitive Elektricität bewirkt. Wir werden die Unterſchiede dieſer beiden ſpäter noch genauer kennen lernen. Eine Verſinnlichung der ganzen Er - ſcheinung iſt in Fig. 73 verſucht.
Die Lichterſcheinungen, hervor - gerufen durch elektriſche Entladungen, werden auch im Tageslichte ſichtbar, wenn die Entladungen unter Funken - überſchlagen vor ſich gehen. Auch hier zeigen ſich Verſchiedenheiten, je nach der Art, in welcher der Funke hervor - gerufen wird. Er wird länger oder kürzer, je nachdem die Dichtigkeit der Elektricität größer oder geringer iſt. Die Intenſität des Funkens iſt mit der durch denſelben Entladungsſtrom an derſelben Stelle entwickelten Wärme auf das innigſte verknüpft.
Maſſon fand durch meſſende Verſuche, daß dieſe Lichtſtärke der er - regten Wärmemenge proportional iſt. Dieſes Verhalten giebt einen Finger - zeig, daß die Lichterſcheinung nicht eine directe Wirkung der Elektricität, ſondern nur eine ſecundäre, eine durch die gleichzeitig auftretende Temperatur - erhöhung hervorgerufene Wirkung iſt.
Glimm - und Büſchellicht.
Brillantröhre.
Die Betrachtung der Farben des elektriſchen Funkens wird uns dieſe Erklärung ebenfalls beſtätigen.
Ueberſpringt ein kräftiger Funke nur einen kleinen Zwiſchenraum, ſo erſcheint er in ſeiner ganzen Länge gleich hell und bewegt ſich während ſeines Ueber - ſpringens in einer geraden Linie. Man kann auch in einem Schließungsbogen mehrere Unterbrechungsſtellen anordnen, welche dann der Funke gleichzeitig über - ſpringt, ſo lange die Summe aller Unterbrechungsſtellen keine größere Unterbrechung des Schließungsbogens darſtellt, als der Funke zu überſchlagen überhaupt im Stande iſt. Eine entſprechende Anordnung dieſer Unterbrechungsſtellen geſtattet natürlich auch, Schriftzüge, Figuren ꝛc. zuſammenzuſetzen. In einfacher Weiſe können dieſe144 mehrfachen Funken durch die ſogenannte Brillantſäule gezeigt werden (Fig. 74). Sie beſteht aus einer Glasröhre, die an ihrem Umfange mit einem Stanniol - ſtreifen ſpiralförmig umklebt iſt. An beiden Enden der Röhre ſteht dieſer Stanniol - ſtreifen mit Metallfaſſungen in leitender Verbindung, deren eine mit der Elektricitäts - quelle, die andere mit der Erde in leitende Verbindung geſetzt iſt. Der Stanniol - ſtreifen ſelbſt iſt an vielen Stellen durchſchnitten, ſo daß ſich die ganze Stanniolſpirale
Elektriſcher Funke.
eigentlich aus lauter Leiterſtückchen zuſammenſetzt. An jeder Unterbrechungsſtelle muß dann, ſobald eine Entladung bewirkt wird, ein Funke auftreten. Anſtatt auf einer Röhre kann ein ſolcher häufig unterbrochener Leiter ſelbſtverſtändlich auch auf einer Tafel angebracht werden und dann erhält man die ſo - genannte Brillant - oder Blitztafel.
Das gleichförmige Leuchten des ganzen Funkens und das Ueberſpringen desſelben in einer geraden Linie hört jedoch ſofort auf, wenn die Unterbrechungsſtrecke des Schließungs - bogens eine größere wird. Dann iſt der durchlaufene Weg nicht mehr geradlinig, ſondern zickzackförmig, ähnlich dem des Blitzſtrahles, und bei ſehr kräftigen Entladungen auf große Schlagweiten gewinnt der Funke die in Fig. 75 ab - gebildete Form. Er iſt dann mannigfach gekrümmt und zeigt an ſeinen Ecken häufig Veräſtelungen. Die Zickzackform des Funkens will man in der Weiſe erklären, daß derſelbe die Luft vor ſich her verdichte, daher dann ſeitwärts in weniger dichte Luft ausweiche, in dieſer Richtung verharre, bis die Verdichtung abermals eine gewiſſe Größe erreicht hat, dann neuerdings die Richtung verlaſſe u. ſ. w. Die Figur läßt auch erkennen, daß die Leuchtkraft des Funkens durchaus nicht an allen Stellen dieſelbe iſt, indem derſelbe nahe am poſitiven Conductor in Folge der bedeutend größeren Helligkeit erheb - lich breiter erſcheint als in ſeinem weiteren Verlaufe gegen den negativen Conductor hin. Ja, kurz vor dieſem ſelbſt iſt ſogar gewöhnlich ein dunkler Zwiſchenraum bemerkbar.
Auch die Farbe des Funkens iſt dann in jenem Theile, welcher zwiſchen dem poſitiven Conductor und der dunklen Stelle liegt, verſchieden von jenem Theile, welcher auf dem negativen Conductor aufruht. Die Farben beider ändern ſich mit der Natur des Gaſes, durch welches der Funke überſchlägt, und mit der Wahl des Metalles an der Unterbrechungs - ſtelle des Schließungsbogens. Der elektriſche Funke, welcher zwiſchen Metallen überſpringt, iſt in Bezug auf ſeine Farbe mit Hilfe des Spectralapparates unterſucht worden und dabei hat ſich herausgeſtellt, daß die Farbe des Funkens nur von der Natur des angewandten Metalles und der des Gaſes, durch welches ſich der Funke Bahn bricht, ab - hängt. Wir werden ſpäter noch Gelegenheit haben, auf dieſes Verhalten aus - führlicher zurückzukommen. An dieſer Stelle ſoll blos darauf hingewieſen werden, daß dieſe Beobachtungen die ſchon früher mitgetheilte Annahme, das Leuchten des elektriſchen Funkens ſei nur eine ſecundäre Wirkung der Elektricität, neuerdings beſtätigen.
145Das Licht iſt alſo ſtreng genommen kein elektriſches, ſondern durch die in Folge der gleichzeitig auftretenden Wärme zum Glühen gebrachten Metall - und Gastheilchen hervorgebrachtes. Daß es wirklich Metalltheilchen ſind, die durch die elektriſche Entladung losgeriſſen und fortgeführt werden, während ſie gleichzeitig durch die Erwärmung zum Glühen kommen, erkennt man auch daraus, daß Metalle, von welchen aus längere Zeit Funken übergeſprungen ſind, ſich an ihrer Oberfläche rauh und aufgeriſſen zeigen; umgekehrt kann an dem Metalle, auf welches der Funke überſchlägt, Auflagerung von Metalltheilchen beobachtet werden. Dieſer Vorgang läßt ſich ſehr deutlich zeigen, wenn man den Funken zwiſchen zwei verſchiedenen Metallen, z. B. zwiſchen Silber und Kupfer, überſchlagen läßt; in dieſem Falle kann man auf dem Kupfer nach einiger Zeit einen feinen Silber - niederſchlag nachweiſen.
Leitet man die elektriſchen Entladungen in luftverdünnten Räumen ein, ſo gewinnen ſie ein von dem eben betrachteten ganz verſchiedenes Ausſehen und gewähren durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen und die Schönheit der Farben häufig einen ſehr hübſchen, ja überraſchenden Anblick. Das Ausſehen, welches dieſe Lichterſcheinungen zeigen, iſt von vielerlei Umſtänden abhängig. Die Form des Gefäßes, in welchem das verdünnte Gas eingeſchloſſen iſt, die Form und gegen - ſeitige Lage jener Drahtenden (Elektroden), von welchen die Entladungen ausgehen, der Grad der Verdünnung, die chemiſche Beſchaffenheit des Gaſes, der Widerſtand im Schließungsbogen u. ſ. w., jeder Umſtand für ſich und alle zuſammen bewirken die mannigfachſten Veränderungen. Es würde umſomehr zu weit führen, hier alle dieſe Erſcheinungen zu beſprechen, als wir uns mit denſelben ohnehin noch ſpäter (bei Schilderung der durch die Inductionsſtröme hervorgerufenen Erſcheinungen) damit zu befaſſen haben. Es wird daher hier eine kurze Angabe genügen.
Um die Entladungserſcheinungen in verſchiedenen Gaſen und bei verſchiedener Verdünnung zu zeigen, benützt man das ſogenannte elektriſche Ei, Fig. 76. Dasſelbe beſteht aus einem Glasballon, welcher oben und unten mit Meſſing - faſſungen verſehen iſt. Die obere Faſſung trägt eine Stopfbüchſe, d. h. eine mit eingefetteten Lederſcheiben gefüllte Büchſe, durch deren Mitte die eine Elektrode geſteckt iſt. Die Stopfbüchſe hat den Zweck, die Elektrode verſchiebbar in das Glasgeſäß einführen zu können, ohne daß hierdurch der luftdichte Verſchluß leidet. Die einzelnen Lederſcheiben werden nämlich durch einen Schraubenkopf feſt aneinander gepreßt und legen ſich dadurch dicht an die Elektrode an. Letztere beſteht aus einem Meſſingſtabe, welcher an ſeinem oberen Ende mit einer Drahtklemme zur Aufnahme des Zuleitungsdrahtes verſehen iſt und an ſeinem unteren Ende eine kleine Meſſing - kugel trägt.
An die untere Metallfaſſung des elektriſchen Eies iſt die zweite Elektrode, gewöhnlich unverſtellbar, befeſtigt. Nach unten zu ſchließt ſich an dieſe Faſſung zunächſt ein Hahn, welcher durch entſprechende Drehungen geſtattet, den Innenraum des Eies mit der äußeren Luft in Verbindung zu ſetzen oder von ihr abzuſperren. Unterhalb des Hahnes iſt ein hohler Metallfuß befeſtigt, welcher an ſeiner Unter - fläche vollkommen eben abgeſchliffen iſt. Mittelſt dieſes Fußes kann das Ei auf den Teller einer Luftpumpe geſetzt werden; man kann dann durch die durchbohrte Metallfaſſung, den geöffneten Hahn und den Fuß die Luft aus dem Ei ausſaugen, andere Gaſe einſtrömen laſſen und dieſe beliebig verdünnen.
Um an einem Beiſpiele den Verlauf der Erſcheinungen kennen zu lernen, wollen wir annehmen, das Ei ſei mit gewöhnlicher, trockener Luft gefüllt undUrbanitzky: Elektricität. 10146gleich bemerken, daß die Lichterſcheinungen, welche in dieſem Medium auftreten, ſich nicht weſentlich von jenen unterſcheiden, welche man bei Anwendung reinen Stickſtoffes (Stickgas) beobachtet. Die beiden Elektroden ſind ſo weit voneinander entfernt, daß in gewöhnlicher Luft kein Funkenüberſchlagen eintreten kann. Hat nun die Verdünnung der Luft einen gewiſſen Grad erreicht, ſo ſieht man von der poſitiven Elektrode aus feine, lebhaft züngelnde, rothe Lichtfäden ausgehen,
Elektriſches Ei.
die gegen die negative Elektrode gerichtet ſind. Hierbei ſind dieſe Lichtfäden häufig nicht in ihrer ganzen Länge gleich hell, ſondern in regel - mäßigen, ſehr kleinen Abſtänden von licht - ſchwächeren Stellen unterbrochen, ſo daß jeder einzelne Lichtfaden das Anſehen einer Reihe leuchtender Perlen gewährt. In dem Maße, als die Verdünnung fortſchreitet, mehrt ſich die Zahl dieſer Fäden, dann werden dieſe ſelbſt immer breiter, verſchmelzen miteinander und bilden endlich einen röthlichen Lichtſchwall, der zunächſt der poſitiven Elektrode am hellſten leuchtet, gegen die negative Elektrode an Lichtſtärke ſtetig ab - nimmt und in einer größeren oder geringeren Entfernung von dieſer endet. Auch dieſes poſi - tive Lichtbüſchel zeigt häufig abwechſelnd helle und dunkle Schichten, die mit ihrer concaven (hohlen) Fläche gegen die poſitive Elektrode ge - kehrt ſind, wie dies Fig. 76 erkennen läßt.
An der negativen Elektrode haben ſich inzwiſchen die Erſcheinungen in folgender Weiſe entwickelt: Während des Auftretens der leuch - tenden Fäden an der poſitiven Elektrode zeigt ſich an der dieſer zugewandten Seite der nega - tiven Elektrode ein ſchwacher bläulicher Licht - ſchein — ein Lichtſcheibchen. Dieſes gewinnt bei fortſchreitender Verdünnung der Luft im Ei eine immer größer werdende Ausdehnung und über - zieht immer größer werdende Flächen der Elektrode mit einer blauen Lichthülle. Dieſe Lichthülle nimmt dann auch an Dicke zu und erſcheint kornblumen - blau gefärbt. Sie iſt am hellſten unmittelbar um die Elektrode herum und nimmt mit der Ent - fernung von ihr allmählich an Leuchtkraft ab. Dieſes negative Glimmlicht zeigt gar nie Schichten, wie ſie beim poſitiven Lichtbüſchel ſehr häufig zu beobachten ſind, nämlich Schichten, deren Flächen auf der Axe des Lichtbüſchels ſenkrecht ſtehen; wohl aber bemerkt man, namentlich bei ſtarken Verdünnungen der Luft im Ei, daß das elektriſche Glimmlicht häufig aus mehreren Lichthüllen ſich zuſammenſetzt, die concentriſch die negative Elektrode umſchließen und verſchiedene Helligkeiten zeigen. In unſerer Figur ſchließt ſich eine hellleuchtende Hülle enge an die Elektrode an, hierauf folgt eine dunklere Hülle und auf dieſe wieder eine helle Hülle; die Helligkeit der letzteren nimmt nach außen zu allmählich147 ab. Zwiſchen dieſer Hülle und dem poſitiven Lichtbüſchel iſt kein Licht zu ſehen; es iſt dies der ſogenannte dunkle Raum.
Enthält das Ei andere Gaſe im verdünnten Zuſtande, ſo bekommen die Lichterſcheinungen andere Farben. Bei Anwendung von Kohlenſäure iſt das poſitive Büſchellicht grün oder blaugrün gefärbt, indeß das Glimmlicht, welches ſich in dieſem Gaſe beſonders ſchön entwickelt, eine prachtvoll lavendelblaue Färbung annimmt. Waſſerſtoffgas wird im Büſchellichte roſa, feurigroth, wenn es enge Röhren durchſetzen muß, im Glimmlichte röthlich. Bei Sauerſtoff beobachtete der Verfaſſer in der Regel rauchgraues oder gelblichgraues, wolkenförmiges Büſchel - licht bei Anwendung verhältnißmäßig weiter Röhren und gleichzeitig röthliches bis roſafarbenes Glimmlicht. Bei ſehr raſchem Uebergange von großen zu geringen Röhrendurchmeſſern, alſo trichterförmiger Geſtaltung der Röhre wurde häufig auch prächtig ſmaragdgrünes Licht beobachtet. Noch mannigfaltiger werden die Licht - erſcheinungen bei mehrfach zuſammengeſetzten Gaſen.
Die mechaniſchen Wirkungen elektriſcher Entladungen laſſen ſich zum Theile ſchon durch den Elektrophor oder die Reibungs-Elektriſirmaſchine zeigen, treten aber bedeutend kräftiger auf, wenn man die Entladungsſchläge von Batterien benützt. Zu den einfachſten dieſer Erſcheinungen gehören jene, welche auf der An - ziehung und Abſtoßung der Elektricitäten beruhen. Hier haben wir zunächſt des elektriſchen Windes zu gedenken. Wieſo dieſer entſteht, wurde bereits früher gelegentlich der Spitzenwirkung erörtert. Dort wurde auch angegeben, daß durch den elektriſchen Wind eine Kerzenflamme ausgeblaſen werden könne, daß auch entſprechend geformte und befeſtigte Körper in Bewegung verſetzt werden können (elektriſches Flugrad). Es wurde dort auch geſagt, daß die Bewegung des Flug - rades eine Folge der zwiſchen den Lufttheilchen und der Spitze thätigen Abſtoßungs - kraft ſei. Wir fügen dem noch bei, in welcher Art man ſich von der Richtigkeit dieſer Erklärung überzeugen kann. Man ſetzt das Flugrädchen unter die Glocke einer Luftpumpe und elektriſirt es, nachdem die Luft ausgepumpt iſt. Das Flug - rädchen rotirt dann in der verdünnten Luft viel langſamer, weil jetzt bedeutend weniger Lufttheilchen vorhanden ſind, daher auch weniger Lufttheilchen von den Spitzen abgeſtoßen werden können, was ſchließlich zur Folge hat, daß die Reactionswirkung eine ſchwächere werden muß.
Die elektriſchen Anziehungs - und Abſtoßungserſcheinungen ſind auch zu einer Reihe elektriſcher Spielereien benützt worden. Hierher gehören der elektriſche Schmetterling, das elektriſche Glockenſpiel, das elektriſche Kugelſpiel, der elektriſche Hammer, die elektriſchen Tänzer, Blumen, Papierbüſchel, die unter dem Namen Ano-Katho neuerdings wieder mehrfach aufgetauchte elektriſche Caſſette u. ſ. w. Es iſt wohl überflüſſig, alle dieſe Spielereien zu erklären und dürfte daher die Vorführung einiger derſelben genügen. Das elektriſche Kugelſpiel kann z. B. in der Weiſe gezeigt werden, daß man auf eine Metallplatte, welche zur Erde abgeleitet iſt, eine größere Anzahl von kleinen Kork - oder Hollundermarkkugeln bringt und dann eine Glasglocke darüberſtülpt, wie dies Fig. 77 zeigt. In die Glocke ragt ein Metallſtab hinein, der an ſeinen beiden Enden mit Kugeln verſehen iſt. Theilt man dann der oberen Kugel Elektricität mit, ſo wird auch die Kugel innerhalb der Glasglocke elektriſch, zieht die Korkkugeln an, elektriſirt ſie und ſtößt ſie dann wieder ab. Hierauf fallen die elektriſirten Kugeln auf die zur Erde abgeleitete Metallplatte, geben dort ihre elektriſche Ladung ab und können nun ueuerdings wieder von der Kugel des Zuleitungsſtabes angezogen werden. Das10*148Herumhüpfen der Korkkugeln dauert natürlich ſo lange an, als die Metallkugel hinlänglich ſtark geladen iſt, um die Korkkugeln anzuziehen. Das Ano-Katho iſt eine Caſſette, deren Innenflächen mit Silberpapier oder Stanniol ausgekleidet ſind und deren Deckel eine Glasplatte bildet. In der Caſſette befinden ſich beliebig geformte Figürchen aus Hollundermark. Reibt man nun die Glasplatte an ihrer Oberſeite, ſo wird ſie elektriſch und wirkt durch Influenz auf die Hollundermark - figürchen, die dann in gleicher Weiſe, wie im früher angeführten Beiſpiele die Korkkugeln, auf und ab hüpfen.
Die elektriſchen Tänzer ſind leichte Hollundermarkfigürchen, die man auf eine zur Erde abgeleitete Metallplatte ſtellt, während man über dieſe und parallel zu ihr eine Metallplatte hängt, welcher man Elektricität zuführt; die Figürchen ſpringen dann zwiſchen beiden Platten luſtig auf und nieder. Alle dieſe Spielereien
Elektriſches Kugelſpiel.
ſind, wie man leicht einſieht, ſucceſſive Entladungen eines elektriſirten Körpers durch Berührung mit unelektriſchen Körpern und hierdurch hervorgerufene Anziehungs - und Abſtoßungserſcheinungen.
Von größerem Intereſſe iſt jedoch der elek - triſche Springbrunnen. Nähert man einem kleinen Springbrunnen, wie ſolche gegenwärtig häufig als Zierde unſerer Blumentiſche zu finden ſind, einen elektriſirten Körper, etwa eine geriebene Glas - oder Siegellackſtange, ſo wird das Ausſehen des Spring - brunnens ſofort geändert. Während ſich früher der Waſſerſtrahl knapp oberhalb der Ausflußöffnung in Tropfen auflöſte, bleibt er jetzt ungetheilt; auch fällt das Waſſer nicht mehr in ganz zerſtäubtem Zuſtande, ſondern in größeren Tropfen wieder herab. Dieſer Verſuch wurde zuerſt von Fuchs gemacht, dann aber mit mannigfachen Abände - rungen von Reitlinger und Anderen wiederholt; Herwig und Lippmann unterſuchten den Einfluß der Elektriſirung auf das Ausfließen aus engen Röhrchen (Capillarröhren) überhaupt, und Zöllner verſuchte, den Einfluß der Elektricität auf die Größe der Tropfen zu beſtimmen. Nach Reitlinger ſoll die Einwirkung der Elektricität auf die Form des aus dem Springbrunnen fließenden Waſſers darin beſtehen, daß die Adhäſion zwiſchen Waſſer und Mündung des Ausfluß - rohres aufgehoben wird, während die Cohäſion (Zuſammenhang der Waſſertheilchen untereinander) durch die Elektricität unbeeinflußt bleibt. Es muß hierzu bemerkt werden, daß durch anderweitige Verſuche als Urſache der Auflöſung eines feinen unelektriſchen Waſſerſtrahles in Tropfen die Adhäſion erkannt wurde. Ob nun obige Erklärung die richtige iſt oder nicht, intereſſant bleibt es immerhin, daß ſich zwiſchen dem in Rede ſtehenden Experimente und gewiſſen Erſcheinungen in der Natur gemeinſchaftliche Beziehungen zeigen. Beim Springbrunnen werden nämlich durch Elektriſirung die Waſſertröpfchen vergrößert, und hat nicht ſchon Jedermann beobachtet, daß vor Ausbruch eines Gewitters zumeiſt große, ſchwere Tropfen zur Erde fallen? Häufig tritt auch unmittelbar nach einem Blitzſchlage eine bedeutende Verſtärkung des Regens ein, der dann oft in förmlichen Strahlen zur Erde fließt. 149Der engere Zuſammenhang zwiſchen der Größe der Regentropfen und dem elek - triſchen Zuſtande der Atmoſphäre iſt zwar noch nicht erkannt, bildet aber gewiß ein intereſſantes Forſchungsthema.
In der Geſchichte der Elektricität wurde ein Verſuch angegeben, welcher ſeiner - zeit als Stütze für die von Dufay aufgeſtellte Symmer’ſche Theorie der Elektricität galt; wir meinen die Durchbohrung eines Kartenblattes durch den elektriſchen Funken. Dort wurde geſagt, daß die Ränder der Oeffnung, welche durch den Funken gebildet wird, auf beiden Flächen des Kartenblattes oder der Pappeſcheibe aufgeworfen erſcheinen; das Aufwerfen der Ränder auf beiden Flächen müſſe in der Art erklärt werden, daß die elektriſche Entladung ein Gegeneinanderſtrömen zweier elektriſcher Ströme ſei, was eben Dufay und Symmer behaupteten. Rieß machte jedoch darauf aufmerkſam, daß die aus dem Experimente gezogene Folgerung eine unrichtige iſt. Aus dieſem Verſuche folgt nur, daß die durch den Strom her - vorgerufene mechaniſche Wirkung ſich nach allen Seiten hin gleichförmig fort - pflanzt und die Faſern des Kartenblattes daher dorthin ausweichen, wo ſie nahezu keinen Widerſtand finden, nämlich gegen die das Kartenblatt auf ſeinen beiden Flächen bedeckende Luft. Der Verſuch kann aber keineswegs über den Strom ſelbſt Aufſchluß geben.
Iſt der elektriſche Entladungsſchlag hinlänglich ſtark, ſo kann er auch mehr oder weniger dicke Glasplatten durchſchlagen. Man kann ſich hierzu des in Fig. 78 abgebildeten Apparates bedienen. In der Mitte eines cylindriſchen Glasgefäßes iſt eine verticale Metallſpitze a befeſtigt, welche mit der Klemmſchraube k in leitender Verbindung ſteht; der Spitze a gegen - über wird gleichfalls vertical an einem
Apparat zum Durchſchlagen von Glasplatten.
Träger die Spitze b befeſtigt. Die zu durchbohrende Glasſcheibe S S bringt man zwiſchen beide Spitzen, indem man ſie auf den oberen Rand des Glascylinders legt. Zur Ausführung des Verſuches verbindet man die Klemmſchraube k und ſomit die untere Metallſpitze mit der Erde und leitet den Entladungsſchlag einer kräftigen Flaſche oder Batterie durch die obere Spitze ein. Soll das Experiment gelingen, ſo muß die Glasplatte vorher warm gut abgerieben werden, damit ſie keine leitende Oberflächenſchicht beſitzt. Sie darf auch nicht zu klein ſein, da ſonſt der Funke um die Platte herum zwiſchen beiden Spitzen überſchlägt. Um dies zu verhindern, thut man auch gut daran, auf die Durchſchlagsſtelle einen Tropfen Terpentinöl zu bringen. — Eine elektriſche Entladung unter Auftreten eines Funkens kann auch in nicht leitenden Flüſſigkeiten bewirkt werden. Sind hierbei die Gefäße, z. B. Röhren, welche die Flüſſigkeit enthalten, vollkommen verſchloſſen, ſo werden die Wände durch die Gewalt des Entladungsſchlages häufig zerſprengt. In leitenden Flüſſigkeiten kann natürlich kein Funke zu Stande kommen.
150Bei hinlänglicher Stärke der elektriſchen Entladungen bringen dieſe auch im ununterbrochenen Schließungsbogen mechaniſche Wirkungen hervor. Schaltet man nämlich in den Schließungsbogen einer kräftig geladenen Batterie dünne Metall - drähte ein, ſo werden dieſe durch den Entladungsſchlag zunächſt an verſchiedenen Stellen eingeknickt; gleichzeitig beobachtet man an den Verbindungsſtellen des dünnen Drahtes mit dem Schließungsbogen ein lebhaftes Funkenſprühen. Vom Drahte ſelbſt werden Theilchen losgeriſſen, die in Form einer grauen Dampf - wolke aufſteigen. Die Einknickungen des Drahtes werden zahlreicher und ſchärfer, je ſtärker der Entladungsſchlag war, der durch den Draht gegangen iſt.
Wird die Ladung der Batterie weiter vergrößert, ſo kommt der Draht durch die Entladung zum Roth - oder auch Weißglühen. Bei derſelben Menge der durch - geleiteten Elektricität iſt die Intenſität des Glühens von der Dicke des Drahtes abhängig und ſteigt, wenn der Querſchnitt abnimmt. Drähte aus verſchiedenen Metallen verhalten ſich auch verſchieden. Die nächſte Wirkung, welche bei weiterer Verſtärkung der Batterieladung eintritt, iſt die, daß der Draht in Stücke zerriſſen wird und dieſe theilweiſe ſchmelzen. Die ſtärkſte Wirkung endlich, welche durch einen Entladungsſchlag erzielt werden kann, iſt die Zerſtäubung des Drahtes; dieſe tritt unter Entwicklung einer glänzenden Lichterſcheinung ein und iſt von einem ſtarken Knalle begleitet.
Rieß hält dafür, daß auch beim Glühen der Drähte mechaniſche Wirkungen zur Geltung kommen; er glaubt, der Entladungsſchlag bewirke eine Auflockerung des Drahtes und verändere dadurch das Leitungsvermögen ſo, daß durch dieſe mechaniſche Einwirkung der Draht viel eher zum Glühen gebracht wird, als der bloßen Temperaturerhöhung durch die elektriſche Entladung entſprechen würde. Beim Glühen und Schmelzen machen ſich übrigens noch ſecundäre Wirkungen geltend, ſobald der Draht aus einem leicht oxydirbaren Metalle beſteht. Bei einem Eiſen - drahte wird z. B. durch die Entladung eine oberflächliche Verbrennung des Eiſens eingeleitet. Dieſe erzeugt dann eine ſo hohe Temperatur, daß der Draht fortglüht oder ſogar abſchmilzt.
Zu den mechaniſchen Wirkungen der elektriſchen Entladung iſt ferner noch die Bildung der Lichtenberg’ſchen Figuren zu zählen. Man erhält ſolche am einfachſten in der Weiſe, daß man einer ebenen Harzplatte eine Metallſpitze ſenk - recht gegenüberſtellt und durch letztere eine Entladung auf die erſtere übergehen läßt. Nachdem man die Spitze entfernt hat, wird hierauf die Platte mit einem feinen Pulver beſtreut; dieſes ordnet ſich hierbei in ganz beſtimmten Figuren an, ſo zwar, daß dieſe als eines der ſicherſten Erkennungsmittel der Art der Ent - ladung (ob poſitiv oder negativ) bilden. Als Beſtreuungspulver verwendet man in der Regel das von Villarſy angegebene Gemenge, beſtehend aus Mennige und Schwefel. Man ſtreut dieſes Gemenge in der Weiſe auf die elektriſirte Harzplatte, daß man es aus einer mit mehreren Lagen Mouſſelin verſchloſſenen Büchſe aus - beutelt. Die Theilchen des Pulvers reiben ſich an dem Mouſſelin und werden elektriſch; die Schwefeltheilchen negativ und die Mennigetheilchen poſitiv. Erſtere werden daher von den poſitiv elektriſirten Theilen der Harzfläche, letztere von den negativen angezogen. Es werden alſo alle negativ elektriſchen Stellen roth, alle poſitiven gelb erſcheinen.
Wichtiger als dieſer Farbenunterſchied, welcher durch Veränderung der Be - ſtäubungsvorrichtung ſogar umgekehrt werden kann, iſt der Unterſchied der Formen. Fig. 79 zeigt die charakteriſtiſche Form für eine poſitive Ladung der Harzplatte,151 ſtellt alſo eine poſitive Lichtenberg’ſche Figur dar. Man erſieht aus dieſer, daß die von der Metallſpitze auf die Platte übergegangene Elektricität ſich vom Fuß - punkte der Spitzen nach allen Richtungen hin ſtrahlenförmig ausgebreitet hat, und daß die einzelnen Strahlen ſich mannigfach veräſteln. Betrachten wir hingegen die negative Figur (Fig. 80), ſo ſehen wir eine kreisförmig begrenzte Fläche gleich - mäßig mit Pulver beſtreut. Strahlen oder Veräſtelungen ſind keine wahrnehmbar, die ganze negative Figur beſteht vielmehr nur aus einer rothen Scheibe. Ertheilt man der Harzplatte eine gemiſchte Ladung, ſo zeigt ſich auch nach der Beſtreuung eine gemiſchte Figur, wie eine ſolche in Fig. 81 dargeſtellt iſt. Bei dieſer ſehen wir innen eine (rothe) Scheibe, entſprechend der negativen Elektriſirung, umgeben von einem (gelben) Strahlenkranze, welcher durch die poſitive Entladung hervor - gerufen wurde. Eine derartige Figur kann am bequemſten mit Hilfe eines Ruhm - korff’ſchen Inductoriums (welches wir ſpäter noch kennen lernen werden) hervorgerufen werden.
Poſitive Lichtenberg’ſche Figur.
Negative Lichtenberg’ſche Figur.
Mit der Erklärung und der Erforſchung der geſetzmäßigen Beziehungen der Lichtenberg’ſchen Figuren haben ſich namentlich Bezold, Reitlinger, Rieß und Wächter beſchäftigt. Wir folgen im Nachſtehenden einer diesbezüglichen, von Reitlinger und Wächter in der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften veröffentlichten Abhandlung. Erſterer hatte ſchon vorher nachſtehende Erklärung gegeben: Poſitiv elektriſirten Theilchen, welche ſich von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der Richtung ihrer Elektricitätsübertragung zuzuſchreiben; indem ſie in ſolcher Weiſe ſchief von der Spitze nach der Platte fahren, ſtreifen ſie vermöge Zerlegung ihrer Bewegung noch ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fußpunkte der Spitze ausgehend, nach außen fort; dieſe Bahnen erzeugen poſitiv elektriſirte Striche auf dem Harze, welche, durch Beſtäubung ſichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur bilden. Dagegen fehle den negativ elektriſirten Theilchen ein ſolcher Impuls und finde die Ausbreitung der negativen Elektricität unter der Spitze in ſolcher Gleich - förmigkeit rund um dieſelbe ſtatt, daß der Schnitt zwiſchen ihr und der Harzfläche eine Kreisſcheibe bilde. Dieſe wird nachher durch Beſtäubung als negative, rothe152 Kreisſcheibe ſichtbar. Demnach iſt die verſchiedene Bewegung der elektriſirten Theil - chen zwiſchen Spitze und Platte die Urſache für die Formverſchiedenheit der beiderlei Figuren. Was nun ſchließlich die nähere Bezeichnung der dabei thätigen elektriſirten Theilchen ſelbſt betrifft, ſo bot ſich wohl am leichteſten die Annahme dar, den Luft - oder Gastheilchen die geſchilderte Rolle zuzuſchreiben.
Eine von Wächter in umfaſſender Weiſe durchgeführte experimentelle Unter - ſuchung führte in Bezug auf die Natur der elektriſirten Theilchen zu einer Ab - änderung und Ergänzung obiger Erklärung. Durch mannigfaltige Variirung des Materiales und der Geſtalt jener Spitzen, von welchen aus die Elektricität auf die Platten geleitet wurde, gelang es nämlich, auch poſitive Figuren zu erhalten, die das Ausſehen der negativen bekamen, alſo keine ſtrahlenförmigen Verzweigungen zeigten. Dieſer Fall trat aber nur dann ein, wenn das Materiale der Spitze aus einem ſchlechten Leiter beſtand und dieſer an ſeiner Oberfläche vollkommen ſtaubfrei
Gemiſchte Lichtenberg’ſche Figur.
war. Es gelang jedoch gar nie, eine negative ſtrahlenförmige Figur zu be - kommen. Beſtand die zur Verwendung kommende Spitze aus einem guten Leiter oder aus einem ſchlechten Leiter, der aber vor der Entladung beſtäubt wurde, ſo zeigte die poſitive Figur immer die charakteriſtiſchen Strahlen. Daraus folgerten nun Reitlinger und Wächter, daß bei Erzeugung der poſitiven Strahlenfigur feſte Theilchen die Träger der Elektricität bilden, indem ſie von der Spitze weg gegen die Platte ge - ſchleudert werden und auf dieſer ſich noch eine größere oder kleinere Strecke weit fortbewegen, während ſie gleich - zeitig ihre Elertricität an die Platte abgeben. Wenn ein Entladungsfunke zwiſchen Metallen überſchlägt, ſo werden von dieſen Metallen ſtets Theilchen abgeriſſen und fortgeſchleudert; dies haben wir bereits früher erfahren. Dieſe Theilchen verurſachen dann die Strahlen - figur. Wendet man hingegen einen Nichtleiter, alſo z. B. eine Spitze aus trockenem Holze an, ſo findet dieſes Losreißen feſter Theilchen nicht ſtatt und man erhält auch die poſitive Figur in Geſtalt einer ſtrahlenloſen runden Scheibe; die Elek - triſirung der Platte erfolgt dann durch Vermittlung der Lufttheilchen, welche die Platte nach allen Richtungen hin vollkommen gleichmäßig elektriſiren. Iſt jedoch die Oberfläche des ſchlechten Leiters mit Staub irgend welcher Art bedeckt, ſo wird dieſer durch eine poſitive Entladung weggeſchleudert und dann erhält die poſitive Figur auch trotz der Anwendung eines ſchlechten Leiters wieder ihr ſtrahlenförmiges Ausſehen.
Die Reſultate der in Rede ſtehenden Arbeit wurden in nachſtehenden Sätzen zuſammengefaßt: Wo und wie immer negative Elektricität an die Harzfläche über - geht, hinterläßt ſie Spuren kreisförmiger Ausbreitung, während die Uebertragung poſitiver Elektricität je nach den Umſtänden in radialen Strichen oder auch in153 kreisförmigen Scheiben und Ringen geſchehen kann. Eine Umkehrung des Art - unterſchiedes Lichtenberg’ſcher Figuren, mittelſt deren negative Elektricität eine Strahlenfigur gäbe, iſt bis zum kleinſten Strahle herab unmöglich. Die poſitive Strahlenfigur wird durch einzelne von der Elektrode losgeriſſene oder fort - geführte Staubpartikel erzeugt, die poſitive ſowie auch die negative Scheibenfigur werden dagegen durch Gasentladungen hervorgebracht.
Zur Erzeugung der Lichtenberg’ſchen Figuren ſind nicht Harzplatten aus - ſchließlich geeignet, ſondern man kann dazu vielmehr auch Scheiben aus Glas, Ebonit, Wachs und dergleichen verwenden. Ebenſo kann auch das Villarſy’ſche Ge - menge durch andere Pulver erſetzt werden, wenn hierbei nur der Umſtand im Auge behalten wird, daß der eine Theil des Pulvers durch die Reibung am Mouſſelin poſitiv, der andere aber negativ elektriſch werden muß.
Reitlinger fand, daß die Staubfiguren verſchiedene Größen erhalten, wenn ſie in verſchiedenen Gaſen erzeugt werden, und daß ſie hierin mit dem von Faraday beobachteten Verhalten des elektriſchen Büſchels übereinſtimmen. Werden die Figuren im luftverdünnten Raume erzeugt, ſo ändert ſich deren Größe im umgekehrten Verhältniſſe zum Luftdrucke, welcher in dem Raume herrſcht. Dieſes Geſetz wurde von Reitlinger durch annähernde Verſuche gefunden und von Bezold durch exacte Meſſungen feſtgeſtellt.
Die Lichtenberg’ſchen Figuren wurden abſichtlich ausführlicher beſprochen, als es eigentlich dem Zwecke dieſer Blätter entſpricht, weil ſie in die Gruppe jener Erſcheinungen gehören, die man unter dem Namen der Artunterſchiede zuſammen - faßt. Die Verfolgung und das eingehende Studium dieſer dürfte aber in theo - retiſcher Hinſicht noch große Wichtigkeit erlangen. Wir werden auch noch fernerhin wiederholt Gelegenheit haben, auf derlei Erſcheinungen hinzuweiſen.
Die elektriſchen Entladungen ſind auch im Stande, phyſiologiſche Wir - kungen auszuüben. Läßt man den elektriſchen Funken auf die Hand oder über - haupt eine unbekleidete Körperſtelle überſpringen, ſo fühlt man eine Art ſtechenden Schmerzes. Iſt der Funke kräftig, z. B. der einer Kleiſt’ſchen Flaſche, welche man bei ihrer äußeren Belegung mit der einen Hand hält, während die andere Hand der mit der inneren Belegung in Verbindung ſtehenden Kugel genähert wird, ſo verſpürt man je nach der Stärke der Ladung einen mehr oder minder heftigen Schlag. Zu heftige Schläge, die ſich bis zur Bruſt fühlbar machen, können auch theilweiſe Lähmung bewirken. Den Entladungsſchlag kann eine größere Anzahl von Perſonen gleichzeitig fühlen, wenn ſie, ſich bei den Händen haltend, eine Kette bilden, deren erſtes Glied die Flaſche in der Hand hält, während deren letztes Glied die freie Hand dem Knopfe der Flaſche nähert. Der Entladungsſchlag einer Flaſche kann kleine Thiere, jener kräftiger Batterien auch große Thiere tödten. Innere Verletzung iſt hierbei keine wahrzunehmen.
Leitet man die Entladung einer Batterie durch chemiſch zuſammengeſetzte Flüſſigkeiten, ſo werden dieſe in ihre Beſtandtheile zerlegt; wir haben es alſo hier mit einer chemiſchen Wirkung der elektriſchen Entladungen zu thun. Wir hatten ſchon einmal, nämlich bei Beſprechung der Influenzmaſchinen und ihrer Wirkungen, Gelegenheit, der chemiſchen Wirkung elektriſcher Entladungen zu gedenken. An dieſer Stelle wurde die Zeſetzung des Waſſers in ſeine beiden Beſtandtheile, Waſſer - ſtoff und Sauerſtoff, erwähnt. Man kann die chemiſche Wirkung elektriſcher Entladungen einfach dadurch zeigen, daß man die vom negativen und poſitiven Conductor ausgehenden Drähte bis auf ihre Enden wohl iſolirt in eine Kupfer -154 vitriollöſung tauchen läßt. Sind auch die durch eine Elektriſirmaſchine hervorgerufenen chemiſchen Wirkungen ſehr ſchwach, ſo zeigt ſich doch nach länger fortgeſetzter Thätigkeit der Maſchine jenes Drahtende, welches mit dem negativen Conductor in Verbindung ſteht, mit Kupfer überzogen. Vertauſcht man hierauf beide Drähte, ſo löſt ſich der vorhin gebildete Kupferniederſchlag wieder auf. Aus dieſen beiden Verſuchen folgt, daß die Kupfervitriollöſung durch die elektriſchen Entladungen zerſetzt und bei dieſer Zerſetzung das Kupfer an jenem Drahtende abgeſchieden wird, welches mit dem negativen Conductor in Verbindung ſteht, die Säure hingegen an dem mit dem poſitiven Conductor in Verbindung geweſenen Drahtende.
Durch chemiſche Wirkung der elektriſchen Entladungen in der Luft wird auch der gleichzeitig auftretende elektriſche Geruch bewirkt. Der elektriſche Funke wirkt nämlich auf den Sauerſtoff der Luft in der Weiſe ein, daß er ihn in eine andere Modification, in welcher wir ihn als Ozon bezeichnen, überführt. Ferner werden auch immer kleine Mengen von Salpeterſäure gebildet.
Die elektriſche Piſtole beruht zum Theile ebenfalls auf der chemiſchen Wirkung des elektriſchen Funkens. Durch ihn werden nämlich exploſible Gasgemenge entzündet und in gewiſſe Gasverbindungen übergeführt. Umgekehrt können aber auch gasförmige Verbindungen durch den elektriſchen Funken wieder zerlegt werden.
Sämmtliche Wirkungen, die wir bis jetzt kennen gelernt haben, treten innerhalb des Schließungsbogens auf. Die elektriſchen Entladungen rufen aber auch außerhalb desſelben Erſcheinungen hervor. Als ſolche kennen wir die elektriſchen und magnetiſchen Wirkungen.
Die magnetiſchen Wirkungen elektriſcher Entladungen zeigen ſich in zweierlei Art. Eine freibewegliche Magnetnadel wird, in die Nähe eines Schließungsbogens gebracht, aus ihrer Richtung abgelenkt, ſobald eine Entladung ſtattfindet. Führt man elektriſche Entladungen durch eine Drahtſpirale, in deren Innerem ſich eine Stahlnadel befindet, ſo wird letztere dauernd magnetiſch.
Die elektriſchen Wirkungen der Entladungen erklären ſich aus der Influenz - wirkung. Man kann ſie etwa in der Weiſe zeigen, daß man in der Richtung ſenkrecht auf den Schließungsbogen zwei Leiter nahe aneinanderſtellt und den von dem Schließungsbogen weiter abſtehenden Leiter mit der Erde in Verbindung ſetzt. Bevor nun im Schließungsbogen der Ausgleich der beiden Elektricitäten erfolgt, wirken dieſe influenzirend auf die beiden Leiter. Die Influenzelektricitäten erſter und zweiter Art werden voneinander getrennt und bleiben getrennt, bis im Schließungs - bogen die Entladung eintritt. Dann hört die Wirkung der trennenden Kraft auf und die beiden Influenzelektricitäten vereinigen ſich wieder; es findet alſo auch zwiſchen den beiden Leitern eine elektriſche Entladung ſtatt. Man nennt dieſe Erſcheinung den Rückſchlag und dieſer iſt auch die Urſache der Zuckungen eines Froſchſchenkels, welcher während des Funkenüberſpringens ſich in der Nähe einer Elektriſirmaſchine befindet. (Vergl. S. 24.) Derſelben Urſache iſt es ferner zuzuſchreiben, daß Perſonen, die ſich nahe bei einem Schließungsbogen befinden, durch welchen kräftige Ent - ladungen erfolgen, einen ſchwachen Schlag empfinden, auch wenn ſie mit dem Bogen in gar keiner Berührung ſtehen. Die beiden Influenzelektricitäten werden eben bevor der Entladungsſchlag erfolgt, im menſchlichen Körper voneinander getrennt und vereinigen ſich wieder, ſobald die Entladung erfolgt iſt.
In Obigem ſind die Wirkungen elektriſcher Entladungen keineswegs erſchöpfend behandelt; doch da ein großer Theil derſelben bei Anwendung des galvaniſchen155 Stromes in viel höherem Maße zur Geltung kommt, ſo ſollen ſie auch dort ein - gehender gewürdigt werden. Hier hatten wir daher hauptſächlich nur jene Wirkungen in’s Auge zu faſſen, die durch die plötzliche Ausgleichung kräftiger Ladungen hervor - gerufen werden.
Die oberen Schichten der Luft zeigen ſich ſtets, bald mehr, bald weniger, elektriſch. Wodurch ihr elektriſcher Zuſtand hervorgerufen wird, iſt gegenwärtig noch nicht bekannt. Man glaubte früher, der Verdunſtungs - und Vegetationsproceß errege Elektricität. Rieß und Reich konnten jedoch bei diesbezüglichen Verſuchen das Auftreten elektriſcher Zuſtände nicht nachweiſen. Man neigt ſich daher gegen - wärtig mehr der Anſicht zu, daß die Condenſation der Waſſerdämpfe Elektricität errege, und ſtützt dieſe Anſicht darauf, daß bei Nebel größere Elektricitätsmengen nachweisbar ſind, als bei klarem Himmel, und auf das Entſtehen des Blitzes bei bewölktem Firmamente. Experimentelle Beweiſe für dieſe Anſicht wurden jedoch keine beigebracht. Lamont hält hingegen die atmoſphäriſche Elektricität nur für eine Folge der Elektricität der Erde.
Die atmoſphäriſche Elektricität iſt bei heiterem Himmel gewöhnlich poſitiv und gleichzeitig die der Erde negativ. In ihrer Stärke zeigt ſie tägliche und jährliche Schwankungen. Ihre Stärke wächſt von Sonnenaufgang an einige Stunden, nimmt dann ab, beginnt einige Stunden nach Mittag neuerdings zu wachſen und nimmt etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang abermals ab; es treten alſo täglich zwei Maxima und zwei Minima ein. Die jährlichen Schwankungen vollziehen ſich in der Art, daß die Stärke im Januar ihr Maximum erreicht, von da an bis zum Mai abnimmt, wo ſie alſo ihr Minimum erreicht, und dann abermals bis zum Januar wächſt. Nahe der Erde beſitzt die Luft keine nachweis - bare elektriſche Ladung; dieſe tritt erſt oberhalb auf und nimmt dann mit der Entfernung von der Erde zu. Die Luft zeigt ſich, wie bereits erwähnt wurde, ſtärker, und zwar poſitiv elektriſch bei nebeligem Wetter als bei reiner Luft, wird jedoch bald poſitiv, bald negativ, ſobald Niederſchläge eintreten. Zur Unterſuchung der Luftelektricität kommen hauptſächlich zweierlei Methoden in Verwendung. Nach der erſten Methode ſtellt man in hinreichender, freier Höhe eine iſolirte Spitze auf, welche mit einem empfindlichen Elektrometer in Verbindung geſetzt wird. Hierbei bekommt das Elektrometer eine elektriſche Ladung, welche gleichnamig mit jener der Luftelektricität iſt (ſiehe Spitzenwirkung). Nach der zweiten Methode wird am oberen Ende der Zuleitſtange eine Kugel angebracht. Zum Zwecke der Beobachtung ſetzt man dann dieſe für kurze Zeit mit der Erde in leitende Ver - bindung.
Die Luftelektricität wirkt influenzirend, indem ſie die Influenzelektricität erſter Art in die Kugel zieht, während die Influenzelektricität zweiter Art zur Erde abfließt. Hebt man dann die Verbindung zwiſchen Erde und Kugel auf, ſo verbreitet ſich die Influenzelektricität erſter Art über den ganzen Leiter, gelangt alſo auch in das Elektrometer und dieſes wird daher mit entgegengeſetzter Elektricität (Influenzelektricität erſter Art) geladen erſcheinen.
Das Gewitter iſt der Ausgleich hoher elektriſcher Spannungen in der Luft, beziehungsweiſe in den Wolken, wobei der elektriſche Funke als Blitz, der Schall als Donner auftritt. In welcher Art die Identität des Blitzes mit dem elektriſchen Funken nachgewieſen wurde, braucht hier nicht mehr erörtert zu werden, da hierüber bereits in der Geſchichte der Elektricität berichtet wurde. Es mag nur noch erwähnt werden, daß ſich der Blitz ſtets die beſten Leiter ausſucht, daß er brennbare Körper entzündet, Metalle zum Schmelzen bringt oder auch zerſtäubt, lebende Weſen tödtet, Eiſen magnetiſch machen und Magnete zerſtören kann, Ozongeruch ver - breitet — kurz in ſeinem ganzen Verhalten von jenem elektriſcher Entladungs - ſchläge nicht abweicht.
Man unterſcheidet verſchiedene Formen der Blitze, nämlich Zickzack -, Flächen -, Kugel - und Schlangenblitze. Am häufigſten ſind die Flächenblitze zu beobachten. Nach Kundt verhält ſich die Zahl der Flächenblitze zu jener der Zickzackblitze wie 11 zu 6. Die Flächenblitze ſind büſchelförmige elektriſche Entladungen von Wolke zu Wolke. Auch der Zickzackblitz kann von Wolke zu Wolke überſchlagen. Es iſt hierbei nicht nothwendig, daß die eine Wolke poſitiv, die andere negativ elektriſch ſein muß. Die Elektricität einer Wolke kann auch auf eine unelektriſche Wolke übergehen, gleichwie man aus einem elektriſirten Körper durch Annäherung eines nicht elektriſchen Leiters Funken ziehen kann. Natürlich kommt hierbei die Influenz - wirkung in der Weiſe zur Geltung, wie dies früher dargeſtellt wurde. Auch die Zickzackform des Blitzes wird in der Weiſe erklärt, wie jene des Funkens bei Entladung kräftiger Batterien durch größere Luftſtrecken. Der Blitz verdichtet vor ſich her die Luft und weicht dann dieſer verdichteten und daher ſchlechter leitenden Schicht aus.
Wenn der Blitz vom Himmel zur Erde niederzuckt, ſo ſagt man, es hat eingeſchlagen. Der Blitzſtrahl hat hierbei oft eine Länge von mehr als 1000 Meter. Ob wir in dieſem Falle nur in Folge der Lichtnachwirkung im Auge die ganze Bahn der Entladung leuchtend ſehen und daher der Blitz nur ein Funke in den aufeinanderfolgenden Stellen der Bahn iſt, oder ob die Linien - form dem Blitze eigenthümlich ſei, darüber iſt die Entſcheidung noch ausſtändig. Der Zickzackblitz verbreitet ein weißes, grelles Licht und giebt im Spectralapparate dasſelbe Spectrum wie der elektriſche Funke. Die Flächenblitze ſind hingegen etwas röthlich gefärbt. Wenn der Blitz gegen die Erde gerichtet iſt, ſo fährt er gewöhnlich auf die höchſten Gegenſtände, wie Thürme, Bäume und dergleichen los und verfolgt dann jenen Weg zur Erde, der ihm am wenigſten Widerſtände darbietet. Sind die Gegenſtände, die er auf ſeiner Bahn antrifft, Nichtleiter, ſo werden ſie häufig zerriſſen oder zertrümmert; ſind es hingegen Leiter, ſo werden ſie, je nach der Stärke des Schlages, mehr oder weniger glühend oder auch abgeſchmolzen. Muß der Blitz auf ſeinem Wege zur Erde trockenen Sand paſſiren, ſo ſchmilzt er dieſen zuſammen und bildet die ſogenannten Blitzröhren. Dem Einſchlagen des Blitzes folgt gewöhnlich ein raſcher, kräftiger Donnerſchlag nach, der dann praſſelnd endet. Bei Flächenblitzen hört man meiſt ein mehr oder minder ſtarkes, grollendes Donnern. Menſchen und Thiere werden durch den Blitz betäubt oder auch getödtet. Die Betäubung beſteht in einer momentan eintretenden Bewußtloſigkeit in der Art, daß der Wiedererwachte keine Rechenſchaft darüber zu geben im Stande iſt, was mit ihm vorgegangen. Der Tod in Folge eines Blitzes tritt ebenfalls augenblicklich157 ein; in dieſer Weiſe Getödtete findet man in derſelben Stellung, die ſie im Momente des Schlages eingenommen hatten, und mit geöffneten Augen. An dem Körper zeigen ſich keine inneren Verletzungen, aber auf der Haut finden ſich häufig Spuren des Weges, welchen der Blitzſtrahl genommen hat. Es ſind dies blutunterlaufene Stellen, die mitunter Veräſtelungen zeigen, ähnlich jenen der poſitiven Lichtenberg - ſchen Figur. Nach Boudin werden in Frankreich alljährlich beiläufig 100 Perſonen durch den Blitz getödtet.
Es ereignet ſich auch, daß Menſchen oder Thiere während eines Blitzſchlages, ohne von dieſem getroffen zu ſein, doch eine Erſchütterung verſpüren, ja ſogar getödtet werden. Es iſt dies die Wirkung des Rückſchlages, welche durch den Blitz ebenſo hervorgerufen werden kann, wie durch die Entladungen einer elektriſchen Batterie.
Zu den ſeltenen Erſcheinungen gehören die Schlangen - und die Kugelblitze; durch einen Blitz letzterer Art wurde bekanntlich Richmann erſchlagen. Es ſind dies Feuerkugeln, die bis zu 10 Secunden ſichtbar bleiben und dann mit heftigem Knalle zerplatzen. Eine blitzartige Entladung ohne Donner iſt das Wetter - leuchten. Dieſe Erſcheinung kann durch zweierlei Urſachen hervorgerufen ſein: entweder iſt ſie nur der Widerſchein eines weit entfernten Gewitters und kann daher auch bei wolkenloſem Himmel wahrgenommen werden, oder es iſt das ruhige, büſchelartige Ausſtrömen von Elektricität aus Wolken.
Auch das Elmsfeuer (Hermesfeuer, auch Kaſtor und Pollux genannt) iſt ebenfalls eine elektriſche Lichterſcheinung. Es beſteht aus kleinen, büſchelförmigen Flämmchen, die ſich bei ſtark elektriſchem Zuſtande der Luft namentlich an ſpitzigen oder kantigen Körpern aufſetzen. Gleichzeitig vernimmt man hierbei manchmal ein Geräuſch, wie ſolches das Ausſtrömen der Elektricität aus Spitzen hervorbringt.
Der Blitz iſt gewöhnlich vom Donner begleitet; dieſer verdankt ſein Ent - ſtehen dem gewaltſamen Zurückſchleudern der Luft durch den Blitzſtrahl. Die längere Dauer des Donners ſchreibt man verſchiedenen Urſachen zu. Wie bereits erwähnt, legt der Blitz oft einen Weg von mehr als 1000 Meter Länge zurück. In Folge der Geſchwindigkeit des elektriſchen Funkens und der Fortpflanzung des Lichtes ſehen wir den ganzen Weg gleichzeitig beleuchtet. Der Blitz wirft hierbei auf allen Stellen ſeines Weges die Luft zurück und erregt daher überall Schallerſcheinungen; dieſe pflanzen ſich aber bedeutend langſamer fort als das Licht, und daher gelangen die von den einzelnen Punkten der Blitzbahn ausgehenden Schallwellen auch erſt nacheinander in unſer Ohr, müſſen alſo eine länger andauernde Schallwirkung hervorrufen. Die auf dieſer Grundlage berechnete Schalldauer iſt jedoch für die Dauer des Donners in der Regel nicht ausreichend. Man nimmt daher an, daß länger andauernde Donner durch Reflexionen der Schallwellen an Wolken, Fels - wänden u. dergl. zu Stande kommen. Es kann aber auch ſein, daß das Zurück - werfen der Luftmaſſen allein zur Erklärung des andauernden Donners ausreicht. Die Luftmaſſen, welche durch den Blitz weggeſchleudert werden und dann wieder zurückkehren, können nämlich nicht ſofort zur Ruhe kommen, ſondern werden viel - mehr über die Stelle des Zuſammenſchlagens hinausgehen, wieder auseinander - weichen und abermals zuſammenſchlagen, bis ſie endlich nach mehrmaligem Hin - und Herſchwingen zur Ruhe kommen. Es iſt daher wohl möglich, daß die Dauer des Donners nur auf dieſem Verhalten beruht.
Befindet ſich der Beobachter von allen Stellen der Blitzbahn ziemlich gleich weit entfernt, ſo tritt der Donner als einfacher, ſcharfer Knall auf. Die Zeit,158 welche zwiſchen Blitz und Donner verfließt, kann zur Schätzung der Entfernung eines Gewitters benützt werden. Das Licht pflanzt ſich bei den Entfernungen, welche hier in Betracht kommen, faſt augenblicklich fort, während der Schall in einer Secunde nur 333 Meter zurücklegt. Das Gewitter iſt daher ſo oftmal 333 Meter weit entfernt, als Secunden verſtreichen zwiſchen der Wahrnehmung des Blitzes und jener des Donners. Die Fortpflanzung des Schalles findet aber auch in der Luft ein Hinderniß, da dieſe den Schall viel ſchlechter leitet, als wie dies feſte Leiter vermögen. Iſt deshalb der Blitz über drei Meilen von uns entfernt, ſo nehmen wir dieſen allerdings noch wahr, aber ohne den Donner zu hören; es iſt ein Blitz ohne Donner.
In welcher Weiſe die großen Mengen Elektricität erregt werden, welche bei Gewittern zur Geltung kommen, iſt noch nicht genügend aufgeklärt. Man könnte annehmen, daß die in der Atmoſphäre vorhandene Elektricität durch die Wolken, als gute Leiter, aufgenommen und geſammelt wird; dann müßte aber der elektriſche Zuſtand der Luft vor einem Gewitter zunehmen, wofür keine ausreichenden Beob - achtungen vorliegen. Nimmt man jedoch an, daß die elektriſchen Spannungen in der Wolke ſelbſt, etwa durch plötzliche Condenſation, hervorgerufen werden, ſo iſt hiermit die Thatſache nicht in Uebereinſtimmung zu bringen, daß die Gewitter ſich nicht gar zu ſelten in entgegengeſetzter Richtung fortbewegen wie die Wolken. Gewitter legen oft mehrere Hunderte von Meilen zurück, treten auf ihrem Wege in ganz verſchiedener Stärke auf und kehren auch zuweilen zurück. Es iſt daher wohl anzunehmen, daß der elektriſche Zuſtand ſeinen Sitz nicht in den Wolken hat, ſondern ſich vielmehr von Wolke zu Wolke fortpflanzt.
Was die Häufigkeit der Gewitter anbelangt, ſo iſt dieſe für verſchiedene Gegenden der Erde verſchieden; in den Aequatorialzonen ſind ſie ſehr häufig, treten oft ſogar täglich auf, während in den Polargegenden ganze Jahre ohne Gewitter verſtreichen. Die Zahl der Gewitter nimmt ab mit der Zunahme der geographiſchen Breite, wird jedoch auch durch die Niederſchlagsverhältniſſe beeinflußt. Im Inneren der Continente ſind ſie ſeltener als in den Küſtenländern, in der warmen Jahreszeit häufiger als in der kalten. Sie treten öfter in den Nachmittags - und Abendſtunden ein als zeitlich Morgens.
Mittel, welche als Schutz gegen die Wirkungen des Blitzes dienen, ſind verſchieden je nach dem zu ſchützenden Objecte. Als Schutz für Gebäude und Schiffe verwendet man bekanntlich die Franklin’ſche Stange oder den Blitzableiter. Seine Anwendung, Conſtruction und Wirkung iſt Gegenſtand der zweiten Ab - theilung vorliegenden Buches. Zum Schutze für Perſonen empfiehlt man folgende Vorſichtsmaßregeln: In Zimmern ſorge man dafür, daß keine Zugluft herrſche, halte ſich entfernt von jeder Art metalliſcher Leitungen, ebenſo von Kaminen und bewege ſich überhaupt mehr in der Mitte des Zimmers. Auf Straßen geht man am beſten in deren Mitte und ebenſo in Alleen. In freier Ebene wird durch das Laufen einzelner Perſonen die Gefahr nicht weſentlich erhöht, wohl aber durch das Laufen vieler Perſonen. Das Unterſtellen unter Bäume iſt nicht rathſam.
Zu den elektriſchen Erſcheinungen in der Atmoſphäre gehört auch das Nord - licht. In den Polargegenden faſt jede Nacht ſichtbar, iſt es in den mittleren Breiten ſelten, in den Aequatorialgegenden gar nie zu beobachten. In den mittleren159 Breiten ſieht man kaum mehr als eine Röthung des nördlichen Abendhimmels, in der Art, wie ſie von großen Bränden bewirkt wird. Das Nordlicht verräth ſich in dieſen Gegenden jedoch durch Störungen der Magnetnadel, die oft bis um 5 Grade ſchwankt. In den Polargegenden bildet es eine prächtige, häufig die Form wechſelnde Lichterſcheinung, welche die langen Nächte theilweiſe erhellt. Am nördlichen Himmel zeigt ſich zunächſt ein durch einen hellen Saum eingefaßtes Segment; dann nimmt der Saum an Breite zu, wird glänzender und nach einiger Zeit tauchen aus demſelben hellleuchtende Strahlen auf. Länge, Glanz und Form dieſer Strahlen ſind ſehr wandelbar; in den höchſten Breiten, wo ſich die Er - ſcheinung in ihrer ſchönſten Form zeigt, vereinigen ſich dieſe Strahlen nach oben zu und bilden die ſogenannte Corona. Gerland macht darauf aufmerkſam, daß dieſe Nordlichterſcheinungen häufig von Blitzen begleitet werden, welche den Cha -
Das Nordlicht.
rakter der Flächenblitze haben und oft eine und dieſelbe ſcharf begrenzte Stelle des Himmels innerhalb des Nordlichtes momentan erleuchten. Ebenſo beobachtete er ein regelmäßig pulſirendes Aufleuchten einer der Corona benachbarten Stelle. Die Corona erſcheint an jener Stelle des Himmels, nach welcher der Südpol einer Inclinationsnadel zeigt.
Das Nordlicht gehört der Atmoſphäre an; hiefür ſpricht ſowohl der Um - ſtand, daß es an der Bewegung der Sternenwelt keinen Antheil nimmt, ſowie auch zum Theile die ſpectroſkopiſche Unterſuchung desſelben. Dieſe ergab nämlich der Hauptſache nach Anzeigen, welche gleich ſind jenen, die glühendes und leuch - tendes Stickgas giebt. Die Angaben über die Höhe des Nordlichtes ſind äußerſt ſchwankend; ſie variiren zwiſchen 20 und 100 Meilen.
Iſt auch die Natur und die Entſtehung des Nordlichtes noch ziemlich unerforſcht, ſo ſteht doch deſſen Zuſammenhang mit dem Erdmagnetismus außer160 jedem Zweifel. Das Nordlicht lenkt nicht nur die Declinationsnadel ab, ſondern es zeigt ſich auch, daß ſeine Strahlen die Richtung der Inclinationsnadel einnehmen. Man hält das Nordlicht gewöhnlich für elektriſche Ausſtrömungen; nach Ampère iſt der Erdmagnetismus durch elektriſche Ströme hervorgerufen, welche die Erde beiläufig in der Oſt-Weſt-Richtung umkreiſen. Dieſe Stromkreiſe müſſen gegen die Pole zu immer enger werden und ſomit gewiſſermaßen in eine Spitze zu auslaufen. Da die Erde negativ elektriſch iſt, tritt an dieſer Spitze ein Ausſtrömen der negativen Elektricität ein; die Ausſtrömung iſt dann gegen die poſitiv elektriſchen oberen Luftſchichten gerichtet.
Die Nordlichter treten nicht während des ganzen Jahres in gleicher Anzahl auf, ſondern die Häufigkeit ihrer Erſcheinung erreicht während der Tag - und Nacht - gleichen ihr Maximum und nimmt dann wieder ab, bis ſie zur Zeit der Solſtitien ihr Minimum erreicht hat. Die Zahl der Nordlichter zeigt aber auch eine perio - diſche Schwankung in der Art, daß nach ungefähr 11 Jahren ſtets ein Maximum eintritt, welches mit dem Erſcheinen der Sonnenflecken in einem noch ganz unbe - kannten Zuſammenhange ſteht; es zeigt, wie dieſe, in dem Zeitraume von fünf Perioden (alſo etwa 56 Jahren) wieder eine Ab - und Zunahme.
Elektricitätserregung bei Berührung von Metallen untereinander oder mit Flüſſigkeiten. Bei der Lane’ſchen Maßflaſche führt von der äußeren Belegung ein Draht zu einer Meſſingkugel, welche in entſprechender Entfernung von der mit der inneren Belegung in Verbindung ſtehenden Kugel angebracht iſt. Je nach der Entfernung der beiden Kugeln voneinander tritt bei einer beſtimmten Ladung der Flaſche der Ausgleich beider Elektricitäten in den zwiſchen beiden Kugeln auftretenden Funken ein. Um das Zuſtandekommen dieſes Ausgleichsfunkens zu ermöglichen, mußte ſich die Elektricität offenbar einerſeits von der inneren Belegung zu der mit ihr in leitender Verbindung ſtehenden Kugel begeben, anderer - ſeits mußte ſich die entgegengeſetzte Elektricität von der äußeren Belegung durch den Draht zu der zweiten Kugel bewegen.
Die beiden Elektricitäten befinden ſich alſo gegeneinander in Bewegung. Wie wir gehört haben, iſt auch die Bewegung der Elektricitäten im Schließungsbogen damit, daß ſie bis zur Unterbrechungsſtelle ſtrömen, noch nicht zu Ende. Die Elektricität der äußeren Belegung bewegt ſich vielmehr bis zur inneren Belegung und umgekehrt (ſiehe oſcillirende Entladung). Wir betrachteten ferner die chemiſchen, mechaniſchen, phyſiologiſchen und Wärmewirkungen elektriſcher Entladungen, und in jedem Falle mußte zur Hervorrufung dieſer Wirkungen die Elektricität in Bewegung kommen, Drähte durchſtrömen. Wenn wir trotzdem nicht von einem elektriſchen Strome ſprachen, ſondern die Bezeichnung Entladungsſchlag beibehielten, ſo hat dies darin ſeinen Grund, daß die Ströme, welche wir bisher kennen lernten, nur von äußerſt kurzer Dauer ſind, und weil wir jetzt eine Art der Elektricitäts - erregung betrachten wollen, durch welche es ermöglicht wird, ein ununterbrochenes gleichförmiges Fließen der Elektricitäten zu bewirken.
161Taucht man zwei Metalle in eine Flüſſigkeit, z. B. Kupfer und Zink in verdünnte Schwefelſäure, und verbindet die aus der Flüſſigkeit herausragenden Enden beider Metalle durch einen Draht, ſo tritt alsbald in dieſem ein ſtetiges Gegen - einanderfließen beider Elektricitäten ein. Man nennt eine derartige Vorrichtung ein galvaniſches Element oder eine galvaniſche Kette, die beiden aus der Flüſſigkeit herausragenden Metallenden die beiden Pole und das Gegeneinander - ſtrömen beider Elektricitäten den galvaniſchen Strom. Man ſagt, der Strom iſt geſchloſſen, wenn die Verbindung der beiden Metalle durch den Draht her - geſtellt iſt, er iſt geöffnet, wenn dies nicht der Fall iſt.
Von dem Vorhandenſein des Stromes kann man ſich in verſchiedener Weiſe überzeugen. Führt man den Verbindungsdraht über eine frei bewegliche Magnet - nadel, ſo wird dieſe abgelenkt; legt man die von den beiden Polen ausgehenden Drähte auf feuchtes Papier, welches mit Jodkaliumlöſung und Kleiſter getränkt wurde, ſo färbt ſich dieſes blau, was von der Ausſcheidung des Jodes aus dem Jodkalium herrührt, da freies Jod den Kleiſter blau färbt; legt man die beiden Drahtenden auf die Zunge, ſo verſpürt man einen metalliſchen Geſchmack; ſchaltet man zwiſchen die Enden des Verbindungsdrahtes einen ſehr dünnen Draht ein, ſo wird dieſer merklich erwärmt.
Der Draht bringt alſo magnetiſche, chemiſche, phyſiologiſche und Wärmewirkungen hervor, gerade ſo, wie wir ſie oben bei einem von Elektricität durchſtrömten Leiter kennen gelernt haben. Wir müſſen es ſomit auch hier mit einer elektriſchen Erſcheinung zu thun haben.
Prüft man das elektriſche Verhalten der beiden Metalle näher, ſo findet man das herausragende Zink - ende negativ, das herausragende Kupferende poſitiv elek - triſch. Es ſtrömt alſo vom Zinkende ſtets negative Elek - tricität zum Kupfer und vom freien Kupferende immer poſitive Elektricität zum Zink. Schon aus dieſer That - ſache folgt, daß auch an den eingetauchten Enden beider Metalle und in der Flüſſigkeit die Elektricitäten in Be - wegung kommen müſſen. Betrachten wir z. B. den Vor -
Galvaniſches Element.
gang an der Zinkplatte. Bevor ſie eingetaucht wurde, waren beide Elektricitäten gleichmäßig auf ihr vertheilt; in die Flüſſigkeit eingetaucht und mit dem Kupfer verbunden, verliert ſie ihren elektriſchen Gleichgewichtszuſtand, indem beiderlei Elektricitäten voneinander getrennt werden. Die negative Elektricität fließt, wie die Verſuche lehren, von dem freien Zinkende durch den Verbindungsdraht zum Kupfer ab; folglich muß die poſitive Elektricität vom eingetauchten Zinkende durch die Flüſſigkeit zum Kupfer ſich begeben.
Derſelbe Vorgang ſpielt ſich an der Kupferplatte ab, nur müſſen hier poſitiv und negativ verwechſelt werden, d. h., da das freie Kupferende poſitiv elektriſch iſt, muß von dieſem poſitive Elektricität durch den Verbindungsdraht zum Zink fließen, während ſich vom eingetauchten Kupferende negative Elektricität durch die Flüſſigkeit zum Zink begeben muß. Die poſitive Elektricität geht alſo außerhalb der Flüſſigkeit vom Kupfer zum Zink, in der Flüſſigkeit vom Zink zum Kupfer. Daraus iſt zu erſehen, daß der elektriſche Strom eigentlich ein Kreisſtrom iſt, für welchen die beiden Metalle, der Verbindungsdraht und die Flüſſigkeit, zuſammenUrbanitzky: Elektricität. 11162einen ununterbrochenen, in ſich ſelbſt geſchloſſenen Leiter bilden (ſiehe Fig. 83). Die negative Elektricität durchfließt dieſen Leiter natürlich in entgegengeſetzter Richtung. Wenn man von der Stromrichtung in einem derartigen galvaniſchen Elemente ohne nähere Bezeichnung ſpricht, meint man ſtets die Richtung des poſitiven Stromes.
Aber nicht nur aus dem eben angegebenen Verhalten müſſen wir auf elek - triſche Vorgänge in der Flüſſigkeit ſchließen, ſondern auch noch daraus, daß in derſelben chemiſche und phyſikaliſche Veränderungen eintreten. Die Flüſſigkeit erwärmt ſich und wird gleichzeitig zerſetzt; das ſind aber gleichfalls Erſcheinungen, die wir bereits als Folgen des Durchſtrömens von Elektricität durch Flüſſigkeiten kennen gelernt haben, beweiſen ſomit ebenfalls das Durchſtrömen von Elektricität durch die Flüſſigkeit.
Theorien der Elektricitätserregung. Fragen wir nach der Urſache dieſer Erſcheinungen, ſo müſſen wir leider geſtehen, daß uns dieſelbe nicht mit Sicherheit bekannt iſt. Es herrſchen gegenwärtig vielmehr zweierlei Anſichten. Nach der einen, und zwar der älteren, wäre die Elektricitätserregung in der bloßen Berührung der Körper zu ſuchen, während die andere chemiſche Proceſſe als die Urheber des elektriſchen Stromes angiebt; man nennt die erſtere die Contacttheorie (daher auch die in vielen Büchern vorkommenden Bezeichnungen: Contactelektricität oder Berührungselektricität), die letztere die chemiſche Theorie.
Die Contacttheorie entſtand auf Grund des Volta’ſchen Fundamental - verſuches und war das Reſultat jenes berühmten wiſſenſchaftlichen Streites, welcher zu Ende des 18. Jahrhundertes zwiſchen Volta und Galvani geführt wurde. Wir haben in der Geſchichte der Elektricität erfahren, daß Galvani die Zuckungen des Froſchſchenkels der thieriſchen Elektricität, Volta hingegen der metalliſchen Elek - tricität zuſchrieb. Volta beobachtete nämlich, daß die Zuckungen des Froſchſchenkels ſchwach oder gar nicht eintreten, wenn der den Muskel und Nerv verbindende Bogen nur aus einem Metalle beſtand, daß dieſe Zuckungen aber regelmäßig erhalten werden, wenn zweierlei Metalle zur Verwendung kommen. Dieſer Umſtand veranlaßte ihn eben, nicht in der thieriſchen Elektricität, ſondern in der durch Berührung zweier heterogener Metalle erregten Elektricität die Urſache der Froſch - ſchenkelzuckungen zu ſuchen. Er leugnete daher das Vorhandenſein einer thieriſchen Elektricität und nahm eine metalliſche, d. h. eine durch Berührung zweier Metalle erregte Elektricität an; der Froſchſchenkel ſpielt nach dieſer Anſicht nur die Rolle eines ſehr empfindlichen Elektroſkopes.
In Verfolgung dieſer Anſicht gab dann Volta die Verſuche mit dem Froſch - ſchenkel ganz auf und experimentirte nur mit Metallen oder mit ſolchen unter Zwiſchenſchaltung feuchter Körper. Volta’s ſogenannter Fundamentalverſuch kann in folgender Weiſe ausgeführt werden: Man ſetzt auf eine an ihrer Ober - fläche vollkommen eben abgeſchliffene Zinkplatte eine eben ſolche Platte aus Kupfer auf und trennt hierauf wieder beide Platten, indem man ſie mit den Glasgriffen, welche an ihnen befeſtigt ſind, voneinander abhebt. Die beiden Platten erſcheinen dann entgegengeſetzt elektriſch, was mit Zuhilfenahme ſehr empfindlicher Elektroſkope nachgewieſen werden kann. Es kann hierzu etwa das Elektroſkop von Behrens oder das Thomſon’ſche Quadranten-Elektrometer angewandt werden. Auf das Elektroſkop wird zu dem Ende eine Platte an Stelle der Kugel aufgeſchraubt und dieſe mit einer Condenſatorplatte verſehen; die erſtere dient dann als Collector. Berührt man bei dieſem Inſtrumente die Collectorplatte mit der Zinkplatte, während man163 gleichzeitig die Condenſatorplatte ableitend berührt, und wiederholt nach jedes - maligem Zuſammenbringen der Kupfer - mit der Zinkplatte dieſes Verfahren mehrere - male, ſo zeigt das Elektroſkop ſchließlich poſitive Elektricität an.
Würde man in gleicher Weiſe mit der Kupferplatte verfahren ſein, ſo hätte das Elektroſkop negative Elektricität angezeigt. Der Verſuch lehrt daher, daß, wenn man Kupfer und Zink miteinander in Berührung bringt, das Zink poſitiv und das Kupfer negativ elektriſch wird.
Das Experiment kann auch in der Weiſe ausgeführt werden, daß man gleich auf das Elektroſkop eine Kupfer - oder eine Zinkplatte aufſchraubt und dieſe dann mit einer Zink - oder einer Kupferplatte zur Berührung bringt. Auch hierbei wird wieder das Zink poſitiv und das Kupfer negativ elektriſch. Das Kupfer wird aber auch dann negativ elektriſch, wenn man es mit einer Zinn - oder Eiſen - platte berührt; es wird aber poſitiv elektriſch, wenn es mit Silber oder Platin in Contact gebracht wird. Unterſucht man die verſchiedenen Metalle auf ihr elek - triſches Verhalten, wenn ſie miteinander zur Berührung gebracht werden, ſo findet man nach der wiedererfolgten Trennung immer beide Platten einander entgegen - geſetzt elektriſch. Es muß alſo während der Berührung zweier Metalle eine Kraft auftreten, welche beiderlei auf den beiden neutralen Platten vorhandenen Elektrici - täten trennt und veranlaßt, daß ein Theil der einen Elektricitätsart auf die eine, ein Theil der entgegengeſetzten Elektricität auf die andere Platte übergeht. Die Kraft, welche dieſen Vorgang oder den elektriſchen Strom — denn das iſt ja ein ſolcher — bewirkt, nennt man elektromotoriſche Kraft. Die Metalle ſelbſt heißen Elektromotoren.
Die Urſache des Auftretens dieſer elektromotoriſchen Kraft erblickt Helmholtz in der verſchieden ſtarken Anziehung, welche die verſchiedenen Metalle auf die beiden Elektricitäten ausüben. „ Die Materie der Metalle übt eine Anziehung auf die beiden Elektricitäten aus, und dieſe Anziehung hat eine verſchiedene Größe je nach der Art der Elektricität. Sie wirkt nach Art der Molecularkräfte nur in unmeßbar kleinen Entfernungen, während die Elektricitäten aufeinander aus endlichen Ent - fernungen wirken. “
In welcher Weiſe durch die verſchiedene Anziehungskraft verſchiedener Metalle auf die beiden Elektricitäten dieſe voneinander getrennt werden können, wird folgendes Beiſpiel lehren, in welchem wir annehmen, daß eine Kupfer - und eine Zinkplatte miteinander in Berührung gebracht werden. Setzen wir voraus, daß Kupfer die negative Elektricität ſtärker anziehe und Zink die poſitive. So lange die beiden Platten ſich nicht berühren, kann dieſe Anziehungskraft natürlich nicht zur Geltung gelangen, denn in jeder der Platten iſt im unelektriſchen Zuſtande die poſitive und negative Elektricität in gleicher Menge und in gleicher Vertheilung vorhanden. In dieſer Art haben wir uns ja von jeher den unelektriſchen Zuſtand der Körper vorgeſtellt. Derſelbe wird, ſo lange keine neue Kraft ſich geltend macht, dadurch erhalten, daß ſich die beiden entgegengeſetzten Elektricitäten in jeder Platte anziehen, dadurch binden und jede Bewegung hintanhalten.
Bringt man aber zwei ſolcher Metallplatten, alſo z. B. Kupfer und Zink, miteinander in Berührung, ſo muß wegen der verſchiedenen Anziehungskraft der zwei Metalle auf beiderlei Elektricitäten das Gleichgewicht zwiſchen dieſen offenbar geſtört werden. Da die Anziehungskräfte der Metalle nur auf ſehr kleine Entfernungen ſich geltend machen können, wird dieſe Störung des elektriſchen Gleichgewichtes auch nur in der Grenzſchicht zwiſchen beiden Metallen eintreten, alſo an den ſich11*164berührenden Kupfer - und Zinkflächen. In den von den Berührungsflächen weiter entfernten Theilen der Platten bleibt der elektriſche Zuſtand ungeändert. In der Grenzfläche wirken aber jetzt zweierlei Kräfte, nämlich die Anziehungskraft zwiſchen den beiden einander entgegengeſetzten Elektricitäten und die verſchiedenen Anziehungs - kräfte der beiden Metalle auf die beiden Elektricitäten. Ein elektriſcher Gleichgewichts - zuſtand kann jetzt nur dann eintreten, wenn er der Reſultirenden aus dieſen beiden Kräften entſpricht.
Betrachten wir zunächſt die Vorgänge, welche ſich auf der Zinkplatte abſpielen müſſen. Auf dieſer befinden ſich gleich große und gleichmäßig vertheilte Mengen poſitiver und negativer Elektricität, d. h. alſo die Platte iſt unelektriſch. Jetzt bringen wir die Zinkplatte mit der Kupferplatte in Berührung. Nun wird allerdings die negative Elektricität wie früher von der poſitiven Elektricität angezogen; die negative Elektricität wird aber auch von der Zink - und von der Kupferplatte angezogen, jedoch von der erſteren weniger ſtark als von der letzteren; folglich muß negative Elektricität von der Zinkplatte auf die Kupferplatte überfließen, wenn das Gleich - gewicht wieder hergeſtellt werden ſoll.
Die beiden Elektricitäten der Kupferplatte haben ſich vor der Berührung der letzteren mit der Zinkplatte ebenfalls gegenſeitig neutraliſirt. Nachdem aber beide Platten zur Berührung gebracht worden ſind, wird in Folge der ſtärkeren Anziehungskraft der Zinkplatte für die poſitive Elektricität ein Theil dieſer auf die Zinkplatte überſtrömen müſſen.
Es ergiebt ſich daher als Reſultat der Berührung beider Platten ein Ueber - ſtrömen poſitiver Elektricität vom Kupfer zum Zink und ein Ueberſtrömen negativer Elektricität vom Zink zum Kupfer, d. h. ein galvaniſcher Strom. Derſelbe iſt jedoch nur von kurzer Dauer und hört ſofort auf, ſobald das Gleichgewicht zwiſchen den wirkſamen Kräften hergeſtellt iſt. Trennt man beide Platten, ſo muß offenbar in Folge des Ueberſtrömens die Kupferplatte eine negative, die Zinkplatte aber eine poſitive elektriſche Ladung zeigen.
Dieſe Erklärung ſtützt Sir W. Thomſon durch folgendes Experiment. (Ferrini, Technologie der Elektricität): An einem elaſtiſchen Drahte (Fig. 84) iſt ein horizontaler Aluminiumſtreifen a aufgehängt. Der Draht ſelbſt ſteht mit der inneren Belegung einer Kleiſt’ſchen Flaſche K in leitender Verbindung. Unterhalb des Aluminiumſtreifens befinden ſich zwei gleichfalls horizontale Platten aus Kupfer Cu und Zink Zn, welche iſolirt aufgeſtellt und bis auf eine geringe Diſtanz einander genähert ſind. Der Trennungsſpalt beider Platten iſt ſo angeordnet, daß er bei normaler Lage des Aluminiumſtreifens genau unterhalb der Mittellinie desſelben zu ſtehen kommt und mit dieſer parallel ſteht. Der Aluminiumſtreifen nimmt alſo zu beiden Platten eine vollkommen ſymmetriſche Stellung ein.
Bei ſtarker Ladung der Flaſche wird bei dieſer Anordnung der Aluminium - ſtreifen ein hohes Potential erhalten müſſen und daher auch influenzirend auf beide Platten wirken. Iſt z. B. der Aluminiumſtreifen poſitiv elektriſch, ſo wird ſich die negative Influenzelektricität an die Oberfläche der beiden Platten begeben. Da aber wegen der ſymmetriſchen Stellung des Aluminiumſtreifens auf beiden Platten gleich hohe Potentiale hervorgerufen werden, ſo wird auch der Aluminiumſtreifen von beiden Seiten gleich ſtark angezogen, d. h. er bleibt unverändert zwiſchen beiden in der Mitte ſtehen.
Verbindet man nun aber die Kupfer - mit der Zinkplatte durch einen Draht D, ſo kann ſich jetzt die verſchiedene Anziehungskraft der zwei Metalle auf die beiderlei165 Influenzelektricitäten geltend machen. Es wurden auf der Zink - und auf der Kupfer - platte gleiche Mengen poſitiver und negativer Influenzelektricitäten erzeugt, die ſich durch ihre gegenſeitige Anziehungskraft in jeder Platte das Gleichgewicht hielten. Nun beſitzt aber das Kupfer eine ſtärkere Anziehungskraft für die negative Elektricität, das Zink eine geringere; folglich ſtrömt negative Elektricität von der Zinkplatte auf die Kupferplatte. Ferner beſitzt die Zinkplatte eine größere Anziehungskraft für die poſitive Elektricität als die Kupferplatte; folglich ſtrömt poſitive Elektricität von der Kupferplatte durch den Draht D zur Zinkplatte. Das durch die Verbindung beider Platten mit Hilfe des Drahtes D erreichte Reſultat wird daher das ſein, daß die Kupferplatte ſtärker negativ elektriſch und ſchwächer poſitiv elektriſch wird als die Zinkplatte. Auf die Stellung des Aluminiumzeigers werden nun die Kraft - überſchüſſe beſtimmend einwirken. Das Zink iſt ſtärker poſitiv elektriſch, das Kupfer ſtärker negativ elektriſch, folglich wird, da der Aluminiumſtreifen poſitiv elektriſch iſt,
Experiment von Thomſon.
dieſer von der Zinkplatte ſtärker abgeſtoßen und von der Kupferplatte ſtärker angezogen werden müſſen. Er verläßt alſo ſeine Mittelſtellung und dreht ſich der Kupferplatte zu. Wird dieſes Experiment mit genügender Sorgfalt ausgeführt, ſo tritt in der That der eben geſchilderte Verlauf ein und beſtätigt die oben gegebene Erklärung.
Kurze Zeit nach dem Bekanntwerden von Volta’s Verſuchen tauchte eine andere Erklärung für die Erregung der galvaniſchen Elektricität auf. Nach dieſer ſoll die galvaniſche Elektricität nur durch chemiſche Proceſſe hervorgerufen werden können. Beide, ſowohl die chemiſche als auch die Contacttheorie, fanden Anhänger und ſelbſt heute hat es noch keine zur allgemeinen Anerkennung gebracht. Für die Contacttheorie traten namentlich außer Volta noch Péclet, Gaſſiot, Thomſon, Hankel, Kohlrauſch und Andere ein, während Faraday und De la Rive hingegen die chemiſche Theorie annahmen.
Es kann hier nicht unſere Aufgabe bilden, alle Experimente, Abhandlungen ꝛc. zu beſprechen, welche die eine oder die andere Theorie ſtützen ſollen, und deshalb166 wollen wir im Nachſtehenden der chemiſchen Theorie nur noch einige Zeilen widmen.
Taucht man ein Stück Zink in verdünnte Schwefelſäure, ſo bemerkt man alsbald, daß ſich aus der Flüſſigkeit Gasblaſen entwickeln. Die nähere Unter - ſuchung zeigt, daß dieſe Gasblaſen Waſſerſtoffgas ſind, und daß gleichzeitig mit der Gasentwicklung die Flüſſigkeit ſich ändert und das Zink an Gewicht verliert. Die Flüſſigkeit beſteht nicht mehr allein aus verdünnter Schwefelſäure, ſondern ſie enthält auch ſchwefelſaures Zink (Zinkvitriol). Es iſt alſo, veranlaßt durch die chemiſchen Spannkräfte im Zink und in der Schwefelſäure, ein chemiſcher Proceß vor ſich gegangen, als deſſen Reſultat die Bildung von Zinkvitriol erfolgte. Die chemiſche Energie im Zink und in der Schwefelſäure iſt als ſolche verſchwunden; da aber nach dem Geſetze der Erhaltung der Kraft keine Energie verloren gehen oder vernichtet werden kann, muß die chemiſche Energie blos in eine andere Form der Energie übergegangen ſein. Wir finden dieſe Umwandlungsform bei unſerem Experimente im Auftreten der Wärme. Die Flüſſigkeit hat ſich während der Bildung von Zink - vitriol erwärmt.
Unterſucht man das Metall und die Flüſſigkeit in zweckentſprechender Weiſe auf das elektriſche Verhalten, ſo findet man beide einander entgegengeſetzt elektriſch; auch die Entſtehung dieſes Zuſtandes iſt als eine Umwandlung der früher vor - handenen chemiſchen Energie aufzufaſſen. Bei dieſer Erklärung für die Entſtehung der galvaniſchen Elektricität, wonach alſo letztere nur als ein Umwandlungsproduct aus der chemiſchen Energie erſcheint, iſt ein etwaiger Widerſpruch mit dem allgemein giltigen Geſetze der Erhaltung der Kraft vollkommen ausgeſchloſſen. Dies iſt eben ein Vorwurf, welchen die Anhänger der chemiſchen Theorie den Contacttheoretikern machen, indem ſie ſagen, daß durch die bloße Berührung zweier Metalle keine Arbeit geleiſtet würde, die bei ihrem Verſchwinden als ſolche in der Form des elektriſchen Stromes wieder auftreten könnte. Man müßte deshalb das Entſtehen einer Energie (nämlich des elektriſchen Stromes) aus Nichts annehmen, was nicht möglich iſt.
Wird der galvaniſche Strom in der Weiſe erregt, daß man Metalle mit Flüſſigkeiten in Berührung bringt, ſo treten jederzeit ſo augenfällige chemiſche Proceſſe ein und verlaufen, was ihre Intenſität betrifft, ſo genau parallel mit der Stromſtärke, daß man hierin wohl eine weſentliche Stütze der chemiſchen Theorie zu erblicken hat. Wie aber läßt ſich Volta’s Fundamentalverſuch mit der chemiſchen Theorie vereinigen? Zunächſt darf nicht überſehen werden, daß die empfindlichſten Inſtrumente zur Verwendung kommen müſſen, wenn der Verſuch überhaupt gelingen ſoll. Es entſtehen eben ſo minimale elektriſche Differenzen, daß ſie ſonſt nicht nachweisbar ſind. Ferner muß man ſich daran erinnern, daß ſich auf der Oberfläche jedes Körpers ſtets Gaſe condenſiren, die den Körper mit einer Gas - ſchicht, der ſogenannten Oberflächenſchicht, überziehen. Es iſt auch bekannt, daß dieſe Oberflächenſchicht äußerſt ſchwierig vollkommen zu beſeitigen iſt. Daher, ſagen die Anhänger der chemiſchen Theorie, hat man es auch beim Volta’ſchen Fundamental - verſuche nicht mit der Berührung zweier Metalle zu thun, ſondern mit zwei Metallen, die durch eine Flüſſigkeitsſchichte voneinander getrennt ſind. Iſt auch dieſe Schichte außerordentlich dünn, ſo kann ſie doch immerhin ausreichen, einen chemiſchen Proceß einzuleiten, der dann Urſache der hierbei auftretenden geringen Elektricitätsmengen iſt. Den chemiſchen Proceß als Urſache der Elektricitäts - erregung anzuſehen, hat umſomehr Berechtigung, als irgendwie erhebliche Mengen167 von Elektricität immer nur bei Berührung von Metallen mit Flüſſigkeiten auf - treten. *)In jüngſter Zeit fand die chemiſche Erklärung des Volta’ſchen Fundamentalverſuches namentlich durch Franz Exner in Wien einen warmen Vertheidiger. Auf zahlreiche meſſende Verſuche geſtützt, glaubt dieſer die Erregung der Elektricität bei Berührung zweier Metall - platten einer oberflächlichen Oxydation der Metalle zuſchreiben zu müſſen. Bei dieſem chemiſchen Proceſſe wird das Metall negativ, die Oxydſchicht poſitiv elektriſch. Letztere iſt aber ein Iſolator und behält daher ihre Elektricität bei. Wird hierauf dieſe oxydirte Platte mit einer rein metalliſchen Platte berührt, ſo wirkt die poſitive Elektricität der Oxydſchicht influenzirend auf die Metallplatte. Das weitere Verhalten iſt dann dasſelbe wie jenes, welches bei der Influenzwirkung eines Leiters auf einen zweiten Leiter, der vom erſten durch einen Iſolator getrennt iſt, bereits erklärt wurde. Volta’s Fundamentalverſuch würde hiernach als eine Influenzerſcheinung aufzufaſſen ſein.
Es iſt übrigens die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen, daß beide Parteien bis zu einem beſtimmten Punkte Recht haben. Der Vorgang kann ſich nämlich in der Weiſe abſpielen. Bringt man die Metalle zur Berührung, ſo werden ihre elek - triſchen Potentiale geändert, d. h. ein beſtimmter ſtatiſcher Zuſtand hervorgerufen; hierdurch tritt alſo keinerlei Bewegung ein und die Arbeit, welche erforderlich war, um die beiden Körper zur Berührung zu bringen, iſt hinreichend, um die Entſtehung dieſes ſtatiſchen Zuſtandes zu bewirken. Dieſe Erklärung ſteht ſomit nicht mit dem Principe der Erhaltung der Kraft im Widerſpruche. Die Spannungs - differenz der Körper wird dann die Urſache eines chemiſchen Proceſſes, und da dieſer fortdauert, ſo kann auch ein dauernder galvaniſcher Strom entſtehen. Urſache und Wirkung verſtärken ſich jetzt gegenſeitig, gleichwie bei der Verbrennung die Temperatur durch die Oxydation erhöht wird und die Temperaturerhöhung die Oxydation befördert. Die Bewegung der Elektricität, alſo der galvaniſche Strom, wäre ſomit allerdings dem chemiſchen Proceſſe zuzuſchreiben, aber die urſprüngliche Erweckung der Spannungsdifferenz, die Einleitung des chemiſchen Proceſſes, bliebe in der Berührung der Körper begründet.
Die Spannungsreihen. Bringt man Metallplatten verſchiedener Natur miteinander in Berührung, ſo ergiebt ſich ein verſchiedenes Verhalten ſowohl in Bezug auf die Art der erregten Elektricität, als auch in Bezug auf die Größe der Differenz der Potentialwerthe. Volta fand bereits, daß das Eiſen, mit Zink berührt, negativ elektriſch wird und ebenſo, wenngleich ſchwächer, durch die Berührung mit Blei oder Zinn. Wird jedoch das Eiſen mit Kupfer oder Silber berührt, ſo erſcheint es poſitiv elektriſch. Volta, Seebeck, Pfaff und Andere haben das Verhalten vieler Metalle und metalliſcher Verbindungen bei ihrer gegenſeitigen Berührung geprüft und gelangten dadurch zur Aufſtellung ſogenannter Spannungs - reihen. In dieſen Spannungsreihen ſind die Metalle derart angeordnet, daß jedes vorhergehende mit jedem nachfolgenden Metalle zur Berührung gebracht poſitiv elektriſch wird; wir geben nachſtehend zwei Beiſpiele ſolcher Spannungsreihen:
Spannungsreihe der Metalle
Spannungsreihe der Metalle
Dieſe Reihen ſtimmen untereinander und mit jenen anderer Forſcher ziemlich genau überein. Etwaige Abweichungen können auch darin ihre Erklärung finden, daß bei den verſchiedenen Unterſuchungen die Reinheit der Metalle eine ver - ſchiedene war.
Dieſe Reihen geben jedoch nicht nur für jede Gruppirung je zweier Elemente die Elektricitätsart an, ſondern ſie geſtatten auch eine relative Beſtimmung der Größe der erregten Elektricitäten. Volta bewies nämlich für dieſe Reihen experi - mentell den Satz: Je größer der Abſtand der Metalle in der Spannungs - reihe iſt, deſto größer iſt ihre elektriſche Differenz; die elektriſche Differenz zweier Metalle in der Spannungsreihe iſt gleich der Summe der elektriſchen Differenzen aller zwiſchenliegenden.
Als Volta die verſchiedenen elektriſchen Differenzen zwiſchen den einzelnen Metallen maß, fand er nämlich:
Man erſieht hieraus, daß wirklich der Differenzwerth zwiſchen Zink und Silber gleich iſt der Summe der Differenzwerthe zwiſchen Zink und Blei, Blei und Zinn, Zinn und Eiſen, Eiſen und Kupfer, Kupfer und Silber; ferner jener zwiſchen Zink und Eiſen gleich der Summe der Werthe zwiſchen Zink und Blei, Blei und Zinn, Zinn und Eiſen u. ſ. w., alſo ganz entſprechend dem oben an - gegebenen Geſetze.
Sind auch Volta’s Meſſungen keine ganz genauen, ſo beeinflußt dies doch nicht die Richtigkeit des Geſetzes, da dieſes ſich auch noch in anderer Art nachweiſen läßt. Ferner wurde es auch durch exacte Meſſungen, welche ſpäter Kohlrauſch mit Hilfe ſeines (auf Seite 116 beſchriebenen) Condenſators durch - geführt hat, beſtätigt.
169Kohlrauſch ſetzte die Spannungsdifferenz zwiſchen Zink und Kupfer gleich 100 und erhielt dann für die übrigen Metalle nachſtehende Werthe (Wüllner, Exp. Phyſ. ):
Jene Werthe, welche als berechnet angegeben wurden, ſind auf Grundlage des Spannungsgeſetzes gefunden worden. Das Spannungsgeſetz iſt auch noch von Anderen, z. B. Hankel, experimentell geprüft worden und hat ſich ſtets als voll - kommen richtig herausgeſtellt. Bei dieſen Prüfungen zeigte ſich aber auch, daß die Oberflächenbeſchaffenheit der zur Berührung gebrachten Metalle von Einfluß auf die hierdurch bewirkte Differenz iſt. Dies iſt wohl auch ein Grund, warum die Spannungsreihen verſchiedener Forſcher nicht vollkommen miteinander überein - ſtimmen.
Aus dem Spannungsgeſetze laſſen ſich einige wichtige Folgerungen ziehen. Da nach dem Spannungsgeſetze die Differenz zweier Metalle gleich iſt der Summe der Differenzen aller zwiſchenliegenden Glieder der Reihe, ſo muß es für die Geſammtwirkung ganz gleichgiltig ſein, ob nur die beiden Endglieder allein oder dieſe mit ſämmtlichen Zwiſchengliedern zur Berührung gebracht werden. Man erſieht dies ſehr leicht aus den von Volta gefundenen Werthen. Bringen wir nämlich Zink und Silber zur Berührung, ſo erhalten wir für die Differenz den Werth 12. Legen wir auf die Zinkplatte eine Bleiplatte, auf dieſe eine Zinnplatte, hierauf eine Eiſenplatte, dann eine Kupferplatte und ſchließlich die Silberplatte, ſo erhalten wir für die Differenzen die Werthe 5, 1, 3, 2 und 1, welche ſummirt wieder den Werth 12 ergeben.
Aus dem Spannungsgeſetze ergiebt ſich auch, daß, wenn man eine beliebige Anzahl von Metallen zur Berührung bringt, jedoch mit demſelben Metalle ſchließt als begonnen wurde, die Differenz gleich Null ſein muß. Man erhält nämlich, z. B. für Zink, Blei, Zinn, Eiſen und ſchließlich wieder Zink, die Werthe:
Die Summe der Werthe für die drei erſten Berührungen iſt gleich + 9, die letzte Berührung giebt den Werth von — 9, folglich alle Berührungen zu - ſammen Null. *)Das Vorzeichen + oder — hängt natürlich von der Reihenfolge der ſich berührenden Metalle ab, da nach dem Spannungsgeſetze ein Metall mit jedem in der Spannungsreihe folgenden Metalle poſitiv, mit jedem vorhergehenden negativ elektriſch wird.
170Die Verſuche zeigten ferner, daß die Berührungsdauer der Platten keinen Einfluß auf den Differenzwerth ausübt, was leicht erklärlich, wenn man bedenkt, daß durch die Berührung eben nur ein ſtatiſcher Zuſtand bewirkt wird, der ähnlich der Influenz zwiſchen Leitern momentan eintritt und ſich nicht ändert, wie lange auch der influenzirte und der influenzirende Körper einander gegenüberſtehen (na - türlich abgeſehen von Verluſten durch Zerſtreuung u. ſ. w.). Die Differenzwerthe werden auch nicht geändert, wenn die Zahl der Berührungspunkte zwiſchen beiden Platten geändert wird; es iſt deshalb auch gar nicht nöthig, die Platten wirklich zur Berührung zu bringen, ſondern es genügt bereits, ſie metalliſch miteinander zu verbinden. Auch dieſes Verhalten iſt nach obigen Auseinanderſetzungen ſelbſt - verſtändlich.
Volta hielt anfänglich dafür, daß nur durch Berührung zweier Metalle Elektricität erregt werden könne, mußte jedoch dieſe Anſicht fallen laſſen, als Gal - vani nachwies, daß die Froſchſchenkelzuckungen auch bei Anwendung eines Schließungs - bogens, der nur aus einem Metalle beſteht, eintreten. Volta brachte die Metalle nun auch mit Flüſſigkeiten in Berührung und es gelang ihm zu finden, daß die Metalle, mit Waſſer in Berührung gebracht, negativ elektriſch werden. Später wurde das elektriſche Verhalten der Metalle beim Zuſammenbringen derſelben mit Flüſſig - keiten von verſchiedenen Forſchern unterſucht. Man kann derartige Verſuche etwa in der Weiſe ausführen, daß man auf die Condenſatorplatte eines empfindlichen Elektroſkopes eine Glasplatte legt, welche an ihrer unteren Seite und ihren Rändern mit Firniß überzogen iſt (um Leitung durch die Oberflächenſchicht des Glaſes aus - zuſchließen). Auf die Glasplatte trägt man dann mit Hilfe eines Pinſels eine dünne Flüſſigkeitsſchicht auf oder legt ein mit der Flüſſigkeit getränktes Papier - ſcheibchen darauf. Dann verbindet man durch einen Draht von demſelben Metalle, aus welchem die Condenſatorplatte gefertigt, dieſe mit der Flüſſigkeit. Die Flüſſig - keit wird hierbei in der einen, das Metall in der anderen Art elektriſch. Hebt man hierauf die Verbindung zwiſchen beiden auf und die Glasplatte mit der Flüſſigkeit von der Condenſatorplatte ab, ſo verbreitet ſich die Elektricität, welche früher an der Oberfläche der Condenſatorplatte ſich befand, über das Elektroſkop und zeigt den elektriſchen Zuſtand durch die Bewegung des Goldblättchens an.
Nach dieſem oder einem ähnlichen Verfahren wurden von verſchiedenen For - ſchern zahlreiche Unterſuchungen angeſtellt und ergaben folgende Reſultate: Sämmt - liche Metalle werden bei Berührung mit alkaliſchen Flüſſigkeiten negativ elektriſch; beim Zuſammenbringen mit Säuren verhalten ſich jedoch die verſchiedenen Metalle verſchieden; ein Theil derſelben wird poſitiv, der andere Theil jedoch negativ elek - triſch. Gold, Platin, Silber werden z. B. mit concentrirter Schwefelſäure, Sal - peterſäure und Salzſäure poſitiv elektriſch, Zink hingegen negativ elektriſch.
Aus dieſem Verhalten der Metalle gegen Flüſſigkeiten ergiebt ſich bereits, daß die Flüſſigkeiten mit den Metallen nicht in eine Spannungsreihe geſtellt werden können. Sollte dies möglich ſein, ſo müßten alle Metalle, mit Säuren zuſammen - gebracht, negativ elektriſch werden, da Zink mit ihnen negativ elektriſch wird, und dieſes an der Spitze der Spannungsreihe ſteht; da aber Gold, Platin, Silber poſitiv elektriſch werden, kann man alſo die Säuren nicht in die Spannungsreihe einreihen.
Deshalb unterſcheidet man auch die Metalle und die Flüſſigkeiten in zwei Claſſen, nämlich in Leiter erſter und zweiter Claſſe. Man nennt dann Leiter erſter Claſſe alle jene Körper, welche ſich dem Geſetze der Spannungs -171 reihe unterordnen, Leiter zweiter Claſſe alle jene Körper, welche die Elektricität zwar leiten, ſich aber nicht in die Spannungsreihe einreihen laſſen.
Die Größe der Differenzen, welche beim Zuſammenbringen von Metallen mit Flüſſigkeiten entſtehen, iſt auch wieder verſchieden, je nach der Natur der Flüſſigkeiten ſowohl, als auch nach jener der Metalle. Hier verläßliche Zahlen zu erhalten, iſt ſehr ſchwierig, da die Flüſſigkeiten häufig chemiſch verändernd einwirken und je nach der Dauer ihrer Einwirkung auch ein verſchiedenes Reſultat bewirken müſſen. Wir geben in nachſtehender Tabelle Werthe, wie ſie Péclet bei ſeinen Unterſuchungen fand. Hierbei enthält die oberſte Reihe die Flüſſigkeiten und die erſte Verticalreihe links die Metalle, welche mit den Flüſſigkeiten in Berührung gebracht wurden.
Aus dieſer Tabelle iſt erſichtlich, daß jene Metalle, welche an der Spitze der Spannungsreihe ſtehen, am ſtärkſten elektriſch werden, und zwar negativ; die vom Zink weiter abſtehenden Metalle werden entweder nicht oder ſogar poſitiv elektriſch.
Auch über die wahren Werthe, welche für die Erregung gelten, wenn Metalle mit Waſſer zuſammengebracht werden, ſind noch keine ſicheren Zahlen anzugeben. Nachſtehend ſind Werthe zuſammengeſtellt, wie ſie Gerland gefunden hat, indem er für Kupfer mit Zink 100 ſetzte.
Der Umſtand, daß ſich die Flüſſigkeiten nicht in die Spannungsreihe ein - ordnen laſſen, hat aber ſehr wichtige Folgen; er ermöglicht uns, freie Elektricität auch in geſchloſſenen Kreiſen zu erhalten, was bekanntlich bei einem geſchloſſenen Kreiſe von Leitern erſter Claſſe nicht möglich iſt, da eine Reihe von Leitern, welche mit demſelben Metalle endet, mit welchem ſie beginnt, einen Differenzwerth gleich Null beſitzt; jede ſolche Reihe ſtellt aber einen geſchloſſenen Kreis dar, da man mit dem Endgliede wieder das Anfangsglied erreicht hat. Um dies vollkommen klar einzuſehen, braucht man blos die im Beiſpiele auf Seite 169 angegebenen Leiter im Kreiſe zu gruppiren, wie dies Fig. 85 darſtellt. Aus dieſer erſieht man, daß jedes Glied als Anfangs - und Endglied der Reihe betrachtet werden kann, daß alſo der Leiterkreis ein geſchloſſener iſt.
Stellt man jedoch einen ſolchen geſchloſſenen Leiterkreis aus Leitern erſter und zweiter Claſſe zuſammen, wie dies Fig. 86 in einem Beiſpiele zeigt, ſo wird das172 Reſultat ein anderes. Nach den auf Seite 171 und 169 angegebenen Werthen er - halten wir nämlich Differenzwerthe für:
alſo als ſchießlichen Differenzwerth + 131·4.
Daraus ergiebt ſich das Geſetz: Beſteht ein vollkommen geſchloſſener Kreis aus Leitern erſter und zweiter Claſſe, ſo iſt der aus allen Glie - dern des Kreiſes reſultirende Differenzwerth von Null verſchieden.
Leiterkreiſe.
Aus dieſem Verhalten reſultirt eine weitere für die Wirkungsweiſe galvaniſcher Elemente ſehr wichtige Folgerung. Mit dem Waſſer ſtehen nur die beiden Metalle Kupfer und Zink in Berührung; die anderen Metalle hingegen berühren ſich nur untereinander. Für dieſe Reihe von Metallen hat aber das früher angegebene Geſetz der Spannungsreihe Geltung, d. h. es iſt einerlei, ob wir der Reihe nach die Metalle Zink, Silber, Eiſen, Gold und Kupfer ſich berühren laſſen, oder ob wir nur Zink und Kupfer zur Berührung bringen. Hiernach haben wir alſo in unſerem Kreiſe folgende Differenzwerthe:
Dieſe Werthe geben eine Geſammtdifferenz von 128·6, während wir früher 131·4 erhielten; dieſe beiden Werthe ſtimmen mit Berückſichtigung der Ungenauig -173 keiten der experimentellen Methoden ſo gut überein, daß wir hieraus (und aus vielen ähnlichen Beiſpielen) das Geſetz ableiten können:
Taucht man zwei verſchiedene Metalle in eine Flüſſigkeit und verbindet man ſie auf einer Seite durch eine willkürliche Reihe von Metallen zu einem geſchloſſenen Kreiſe, ſo iſt der Differenzwerth dieſes Kreiſes nur von den Differenzwerthen der beiden eingetauchten Metalle untereinander und mit der Flüſſigkeit abhängig; die zwiſchen - geſchalteten Metalle haben auf das Endreſultat gar keinen Einfluß.
Man erhält alſo bei einem galvaniſchen Elemente immer denſelben Differenzwerth, welche oder wie vielerlei Metalle man auch zur Herſtellung des äußeren Schließungs - bogens benützen mag; der Differenzwerth iſt nur von der Natur der eingetauchten Metalle und jener der Flüſſigkeit abhängig. Aus dieſem Verhalten erklärt es ſich auch, daß die Reſultate, welche man unmittelbar während des Eintauchens von Metallen in Flüſſigkeiten erhält, nicht immer dieſelben ſind als einige Zeit nachher. Im letzteren Falle haben die Flüſſigkeiten eben bereits chemiſch verändernd auf das Metall eingewirkt.
Für die erſte Berührung der Metalle mit Flüſſigkeiten hat Wüllner folgende von verſchiedenen Forſchern gefundene Spannungsreihen zuſammengeſtellt:
Nobili war der erſte, welcher zeigte, daß auch die Berührung zweier Flüſſigkeiten elektromotoriſch wirke. Ausführlichere Unterſuchungen hierüber ſtellten Fechner, Wild und Andere an. Aus Fechner’s Arbeiten ergab ſich, daß ſich die von ihm unterſuchten Flüſſigkeiten nicht in eine Spannungsreihe bringen laſſen. Wild beſtätigte im Allgemeinen dieſes Reſultat, ergänzte es aber dahin, daß innerhalb beſtimmter Flüſſigkeitsgruppen die betreffenden Flüſſigkeiten doch in eine Spannungsreihe gebracht werden können.
Er bediente ſich zu ſeinen Verſuchen eines kleinen Holzkäſtchens, in deſſen Boden B D, Fig. 87, zwei Glasröhren eingeſetzt waren. Den Boden der Glas - röhren bildeten verkupferte Metallkapſeln, welche mit den zum Galvanometer174 führenden Drähten in Verbindung ſtanden. Vor Ausführung jedes Verſuches mußten natürlich die Kupferböden beider Röhren geprüft werden, ob ſie nicht ſchon bei Berührung mit einer Flüſſigkeit einen Strom geben; man mußte ſich alſo ſorgfältig von ihrer Homogenität überzeugen. Iſt dies geſchehen, ſo wurde in die beiden Glasröhren die Flüſſigkeit f1 gebracht, dann eine der Röhren mit der Flüſſigkeit f2 bis nahe an den Boden des Holzkäſtchens ſo gefüllt, daß die Flüſſigkeiten f1 und f2 ſich nicht miſchten, und hierauf kam wieder unter Beobachtung derſelben Vorſicht die Flüſſigkeit f3.
Das Hauptreſultat der in dieſer Art ausgeführten Unterſuchungen wurde bereits angegeben; Wild fand außerdem noch, daß die elektriſchen Differenzen ſich mit der Concentration der Flüſſigkeiten ändern u. ſ. w. Ein praktiſch verwerth - bares Reſultat ergab ſich jedoch hieraus nicht.
Elektricitätserregung bei Berührung von Flüſſigkeiten.
Grove’s Gaselement.
Elektriſche Differenzen treten ferner auch dann auf, wenn Metalle mit Gaſen in Berührung kommen. Die Kenntniß dieſer Thatſache iſt ſchon älteren Datums, doch ausführliche Verſuche wurden erſt von Grove (1839) ausgeführt. Dieſer bediente ſich hierzu des in der Fig. 88 abgebildeten Apparates. In die beiden ſeitlichen Oeffnungen oder Tubuli der Flaſche ſind mit Hilfe von Kautſchuk - pfropfen Glasröhren O und H eingeſetzt; der mittlere Tubulus iſt durch einen Glasſtöpfel verſchloſſen. Die Röhren O und H ſind an ihren unteren Enden offen, oben jedoch rund zugeſchmolzen. Beim Zublaſen der Röhren an ihren oberen Enden wurde je ein Platindraht mit eingeſchmolzen, der nach außen zu ein kleines Platinnäpfchen trägt, während an das in die Röhre hineinragende Ende ein Platinſtreifen befeſtigt iſt. Dieſe Platinſtreifen ſind platinirt, d. h. mit Platin - ſchwamm überzogen.
Zur Ausführung der Verſuche füllt man zunächſt die Flaſche durch die mittlere Oeffnung mit Waſſer, welches mit Schwefelſäure angeſäuert wurde; es175 werden hiermit etwa zwei Drittel der Flaſche gefüllt. Stürzt man nach Verſchließung der mittleren Oeffnung die Flaſche um, ſo füllen ſich natürlich auch die beiden Röhren mit Flüſſigkeit, und dieſe bleibt in den Röhren, auch wenn die Flaſche wieder aufrecht geſtellt wird, weil die unteren offenen Enden der Röhren in die Flüſſigkeit eintauchen. In die beiden Platinnäpfchen bringt man dann Queckſilber und hängt in dieſes die beiden Leitungsdrähte ein, welche zum Galvanometer führen. Wird hernach durch die mittlere Oeffnung Sauerſtoffgas in die Röhre O und Waſſerſtoffgas in die Röhre H eingeleitet, ſo zeigt die Magnetnadel des Galvanometers einen Ausſchlag. Die Richtung des Ausſchlages läßt erkennen, daß durch den Schließungsbogen ein Strom circulirt, welcher von der Sauerſtoffröhre zu der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre verläuft. (Es iſt hierbei die Bewegungsrichtung der poſitiven Elektricität gemeint.) Gleichzeitig beobachtet man ein Aufſteigen der Flüſſigkeit in beiden Röhren. Die Flüſſigkeit ſteigt jedoch nicht in beiden Röhren gleich ſchnell auf, ſondern in der Röhre H beiläufig doppelt ſo raſch als in der Röhre O.
Da die beiden Röhren O und H vollkommen gleich gemacht wurden und ſich nur dadurch unterſcheiden, daß in der einen Waſſerſtoffgas das Platinblech umgiebt, in der anderen Sauerſtoff, ſo folgt daraus, daß auch nur dieſe Gaſe die Urſache der Elektricitätserregung ſein können. Die Stromrichtung lehrt, daß das Platinblech, welches mit Waſſerſtoffgas in Berührung ſteht, negativ elektriſch wird, während dieſes ſelbſt ſich als poſitiv elektriſch erweiſt. Das Aufſteigen der Flüſſigkeit in den beiden Röhren findet darin ſeine Erklärung, daß der elektriſche Strom bei ſeinem Durchgange durch die Flüſſigkeit dieſe in Waſſerſtoff und Sauerſtoff zerlegt. Der Sauerſtoff ſcheidet ſich hierbei in der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre, der Waſſerſtoff in der mit Sauerſtoff gefüllten Röhre aus. Sonach ſtehen in beiden Röhren Waſſerſtoff und Sauerſtoff mit dem Platinſchwamm auf den Platin - blechen in Berührung. Der Platinſchwamm bringt in Folge ſeiner Eigenſchaft, Gaſe in ſehr großer Menge zu abſorbiren, dieſe ſo nahe aneinander, daß ſie ſich chemiſch verbinden. Waſſerſtoff und Sauerſtoff bilden dann in Folge dieſer „ katalytiſchen “oder Contactwirkung des Platinſchwammes Waſſer. Da ſich aber ſtets zwei Volumina Waſſerſtoff mit einem Volumen Sauerſtoff verbinden, ſo muß in der mit Waſſerſtoff gefüllten Röhre auch die Flüſſigkeit doppelt ſo ſchnell ſteigen als in der mit Sauerſtoff gefüllten.
Der Verſuch ergab, daß der Waſſerſtoff bei der Berührung mit dem Platin - bleche poſitiv elektriſch wird, indeß das Blech negative Elektricität zeigt; wie verhält ſich nun der Sauerſtoff gegen das Platin? Dies erfahren wir aus nachſtehenden zwei Experimenten. Man füllt die eine Röhre mit Waſſerſtoffgas und läßt die andere ganz mit Flüſſigkeit gefüllt. Verbindet man nun die beiden Platinbleche mit den Galvanometerdrähten, ſo zeigt die Nadel in Größe und Richtung faſt denſelben Ausſchlag wie bei unſerem erſten Experimente. Erſt nach und nach nimmt dieſer Ausſchlag an Stärke ab. Die Stromerregung iſt ſomit blos der gegenſeitigen Einwirkung des Platins und des Waſſerſtoffes zuzuſchreiben, da, wenn auch der Sauerſtoff elektromotoriſch wirken ſollte, gleich der anfängliche Nadelausſchlag bei Hinweg - laſſung des Sauerſtoffes geringer ſein müßte als bei Anwendung desſelben. Die nachher eintretende Verminderung des Ausſchlages iſt wieder Folge der Waſſer - zerlegung durch den Strom; durch dieſen wird nämlich in der Waſſerſtoffröhre Sauerſtoff und in der mit Flüſſigkeit gefüllten Röhre Waſſerſtoff ausgeſchieden; folglich wird das Platinblech in der letzterwähnten Röhre immer mehr mit Waſſerſtoff176 umgeben, während das Platinblech in der anderen Röhre von Anbeginn des Ex - perimentes aus mit Waſſerſtoff in Berührung ſtand. Somit kommen nach und nach beide Platinbleche mit demſelben Gaſe in Berührung und die Erregung elektriſcher Differenzen muß ihr Ende finden.
Das zweite Experiment, welches gleichfalls zeigt, daß die Berührung von Sauerſtoff mit Platin nahezu gar nicht elektromotoriſch wirkt, beſteht in Folgendem: Man leitet in eine Röhre Sauerſtoff und läßt die andere mit Flüſſigkeit gefüllt. Verbindet man jetzt die beiden Bleche mit den Galvanometerdrähten, ſo zeigt die Nadel durch einen kaum merkbaren Ausſchlag einen ſehr ſchwachen Strom an, deſſen Richtung erkennen läßt, daß der Sauerſtoff bei ſeiner Berührung mit dem Platin - bleche letzteres ſehr ſchwach poſitiv erregt.
Durch Grove wurde eine große Anzahl von Gaſen und Dämpfen unterſucht und dieſe Unterſuchung gab das intereſſante Reſultat, daß die Gaſe ſich mit den Metallen in eine Spannungsreihe ordnen laſſen. Wenn man, wie früher bei der Spannungsreihe der Metalle, mit dem elektropoſitivſten Körper beginnt, erhält man folgende Reihenfolge:
Bringt man alſo eines jener Metalle, welche das Waſſer nicht zerſetzen, mit einem in der Reihe unterhalb ſtehenden Gaſe zuſammen, ſo wird das Metall poſitiv elektriſch, und zwar um ſo ſtärker, je weiter Metall und Gas in der Reihe von - einander abſtehen. Metalle, welche das Waſſer nicht zerſetzen, ſind z. B. Gold, Silber, Platin u. ſ. w.
Galvaniſche Batterien. Unter galvaniſcher Batterie verſteht man die Verbindung mehrerer oder vieler galvaniſcher Elemente zu einer geſchloſſenen Reihe in der Art, daß nur je eine Metallplatte der einen und eine Metallplatte der zweiten Art unverbunden bleibt. Fig. 89 ſtellt eine derartige Batterie, beſtehend aus Kupfer-Zinkelementen, dar. Hierbei iſt das Zink des erſten Elementes frei, das Kupfer des erſten mit dem Zinke des zweiten, das Kupfer des zweiten mit dem Zinke des dritten Elementes u. ſ. w. verbunden und das Kupfer des letzten Elementes bleibt ſchließlich frei. Die Wirkungsweiſe dieſer Batterie können wir in nachſtehender Weiſe erklären. Wie bereits früher (S. 161) mitgetheilt wurde, wird das Zink beim Eintauchen in verdünnte Schwefelſäure an ſeinem freien Ende negativ elektriſch und ſtößt die poſitive Elektricität in das äußere Kupferende. Dieſer Vorgang tritt nun bei unſerer Batterie gleichfalls in jedem Elemente auf. Da aber die einzelnen Elemente leitend untereinander verbunden ſind, ſo muß der Vorgang eine gewiſſe Aenderung erfahren. Die vom Zinke des erſten Elementes abgeſtoßene poſitive177 Elektricität gelangt in das Kupfer des erſten Elementes, und da dieſes mit dem Zinke des zweiten Elementes in leitender Verbindung ſteht, in dieſes; dieſes Zink des zweiten Elementes ſtößt aber an und für ſich ſchon eine ebenſo große Menge poſitiver Elektricität in das Kupfer des zweiten Elementes wie das Zink des erſten Elementes in das Kupfer des erſten Elementes. In das Kupfer des zweiten Elementes gelangt alſo die vom Zinke des erſten und die gleich große Menge poſitiver Elektricität, welche vom Zink des zweiten Elementes abgeſtoßen wird, alſo die doppelte Menge poſitiver Elektricität als in das Kupfer des erſten Elementes. Dieſe jetzt bereits doppelt ſo große Menge poſitiver Elektricität gelangt nun auf das Zink des dritten Elementes, vereinigt ſich mit der von dieſem abgeſtoßenen Menge poſitiver Elektricität und geht jetzt dreifach ſo groß zum vierten Element u. ſ. w. Die poſitive Elektricität nimmt alſo in demſelben Maße zu als die Anzahl der Elemente, wird daher bei unſerer aus fünf Elementen beſtehenden Batterie fünfmal ſo groß ſein als bei einem Elemente. Den umgekehrten Weg ſchlägt die negative Elektricität ein. Jedes eingetauchte Kupfer ſtoßt die negative Elektricität in das
Galvaniſche Batterie.
benachtbarte Zink und alle dieſe Mengen negativer Elektricität treten dann an das freie Zinkende des erſten Elementes.
Vereinigt man das freie Zinkende des erſten Elementes mit dem freien Kupfer - ende des letzten Elementes durch einen Draht, ſo iſt die Batterie geſchloſſen. Es ſtrömt dann in dieſem Drahte, oder dem äußeren Schließungsbogen, ſtets negative Elektricität vom Zink zum Kupfer und poſitive Elektricität vom Kupfer zum Zink, während im inneren Schließungsbogen, in den Flüſſigkeiten, die beiden Elektricitäten in der entgegengeſetzten Richtung fließen. Galvaniſche Batterien ſind in der mannig - fachſten Zuſammenſtellung und Form conſtruirt worden; wir führen im Nachſtehenden nur einige Beiſpiele vor, da die Beſprechung techniſch verwertheter Elemente Auf - gabe des zweiten Abſchnittes dieſes Buches bildet.
Die erſte Batterie oder Säule wurde, wie bereits mitgetheilt, von Volta conſtruirt; es war dies die ſogenannte Becherſäule. Sie beſtand aus bügelartig zuſammengelötheten Zink - und Kupferſtreifen, die derartig in je zwei einander benachbarte, mit verdünnter Schwefelſäure gefüllte Gefäße tauchten, daß in jedem derſelben ein Zink einem Kupfer gegenüberſtand. Sie hatte alſo beiläufig das Aus - ſehen der in Fig. 89 dargeſtellten Batterie.
Urbanitzky: Elektricität. 12178Jene Form der Batterie, von welcher eigentlich die Bezeichnung Säule abgeleitet iſt, hat Volta erſt ſpäter erſonnen. Dieſe Volta-Säule beſteht aus wiederholter Combination von Kupfer, Zink und mit verdünnter Schwefelſäure getränkten Tuchſcheiben. Auf einer Grundplatte ſind drei oder vier Glasſäulen vertical befeſtigt. Zwiſchen dieſe legt man kreisrunde Scheiben von Zink und Kupfer, darauf einen kreisförmigen, mit verdünnter Schwefelſäure getränkten Tuch - lappen, dann abermals eine Zink - und eine Kupferplatte, wieder einen Tuchlappen u. ſ. w. Hierbei muß natürlich ſtets dieſelbe Ordnung eingehalten werden; dann erhält man als unterſte Platte Zink, als oberſte Kupfer. Auf letztere kann dann ein Metalldeckel aufgeſetzt und leicht angedrückt werden. Ein Element dieſer Säule
Volta-Säule.
beſteht aus der Combination Kupfer, verdünnte Schwefel - ſäure und Zink; die unterhalb des erſten Elementes liegende Zinkplatte und die oberhalb des letzten Elementes liegende Kupferplatte haben für die Stromerzeugung keine Bedeutung und können daher weggelaſſen werden.
Da die Metalle an ihrer Berührungsfläche ſich leicht oxydiren und durch dieſe Oxydſchicht dann einen ſchädlichen Widerſtand in der Säule erzeugen, löthet man häufig die Kupfer - und Zinkplatten paarweiſe zuſammen. Durch den Druck, welchen das Gewicht der Metallplatten ausübt, können leicht Störungen in der Stromerregung der Säule hervorgerufen werden, indem nämlich die ver - dünnte Schwefelſäure aus den Tuchſcheiben ausgepreßt wird, über die Platten herunterläuft und ſo dieſe in leitende Verbindung ſetzt. Um dieſen Uebelſtand zu ver - meiden, ordnet Haldan die Säule horizontal an; Andere geben hingegen den Kupferſcheiben die Form von flachen Schalen. Eine in dieſer Weiſe aufgebaute Säule iſt in Fig. 90 abgebildet.
Die unterſte Kupferplatte bildet hierbei den poſitiven, die oberſte Zinkplatte den negativen Pol; verbindet man beide durch einen Metalldraht, ſo iſt die Säule geſchloſſen und der poſitive Strom geht im Drahte vom Kupfer zum Zink, in der Säule vom Zink zum Kupfer. Durch ein Elektroſkop kann man auf der oberſten Zinkplatte freie negative, auf der unterſten Kupferplatte poſitive Elektricität nachweiſen. Leitet man den nicht mit dem Elektroſkope in Verbindung ſtehenden Pol zur Erde ab, ſo wird die Elektricitätsanzeige im Elektroſkope bedeutend verſtärkt.
Die Volta-Säule wurde im Laufe der Zeit mannigfach abgeändert; ſo erhielt ſie z. B. durch Cruikshank die in Fig. 91 dargeſtellte Form. Hier ſind vier - eckige Kupfer - und Zinkplatten zuſammengelöthet und in einem Holztroge derart befeſtigt, daß ſie dieſen in eine Reihe von Zellen theilen. Letztere werden mit ver - dünnter Schwefelſäure gefüllt. Das Auswechſeln ſchadhafter Platten iſt bei dieſer Anordnung umſtändlich und die Säule hat deshalb auch keine praktiſche Ver - wendung.
Wollaſton hat, um die Oberfläche der Platten zu vergrößern, die Kupfer - bleche derart gebogen, daß ſie die Zinkplatten beiderſeits umſchließen (Fig. 92). 179Sämmtliche Platten ſind an einem viereckigen hölzernen Rahmen befeſtigt und laſſen ſich mit Hilfe dieſes aus den mit verdünnter Schwefelſäure gefüllten Glasgefäßen ausheben, wenn die Batterie nicht gebraucht wird. Aehnliche Anordnungen wurden den Säulen von Faraday, Münch, Schmidt und Young gegeben.
Fig. 93 zeigt Hare’s ſogenannten Calorimotor. Hare hat, um die Wirk - ſamkeit des Elementes möglichſt zu erhöhen, den beiden Platten eine ſehr große Oberfläche gegeben. Er erreichte dies, indem er lange Zink - und Kupferbleche mit Zwiſchenlegung von Holzſtäben aufeinander brachte und dann zu einer gemein -
Säule von Cruikshank.
Säule von Wollaſton.
ſchaftlichen Spirale zuſammenrollte; die Holzſtäbe haben den Zweck, die Berührung der beiden Platten hintanzuhalten. Auf dieſe Weiſe werden auch beide Seiten der Platten nahezu vollkommen ausgenützt, da der Zinkfläche faſt überall eine Kupfer - fläche gegenüberſteht. Die verdünnte Schwefelſäure befindet ſich in einem Holzbottich, der auch mit einem Geſtelle verſehen iſt, um das Element je nach Bedürfniß aus - heben und einſenken zu können. Das Element giebt in der That, namentlich im Anfange, einen ſehr kräftigen Strom, der Metalldrähte zum Glühen und auch zum Schmelzen bringen kann. Auch dieſes Element erfreut ſich heute keiner praktiſchen Verwerthung mehr.
12*180Trockene Säulen, d. h. Batterien ohne Anwendung einer Flüſſigkeit, wurden zuerſt von Behrens conſtruirt (1806). Ferner verfertigten ſolche de Luc und Zamboni (1812); von Letzterem erhielt ſie auch den Namen Zamboni - Säule. Dieſe Säulen wurden zunächſt in der Weiſe verfertigt, daß man unechtes Gold - und Silberpapier mit den Rückſeiten aufeinanderklebte und aus den in dieſer Art erhaltenen Doppelbogen, deren eine Seite Gold, deren andere Silber war, eine große Anzahl kreisförmiger Scheiben ausſtanzte. Letztere wurden dann ſo aufeinandergelegt, daß ſämmtliche Goldſeiten nach der einen, ſämmtliche Silberſeiten nach der entgegengeſetzten Richtung zeigten. Da das unechte Goldpapier durch Ueberziehen mit einer dünnen Kupferſchicht, das Silberpapier durch Ueberziehen mit einer Zinnſchicht hergeſtellt wird, ſo erhält man durch das oben angegebene
Hare’s Calorimotor.
Verfahren eine Säule, welche ganz ähnlich der Voltaſäule aufgebaut iſt. Die Zinn - und Kupferſchichten ſind in jedem Plattenpaare durch Papier und Kleiſter, alſo einer ſehr hygroſkopiſchen Zwiſchenſchicht, voneinander getrennt. Es mag gleich an dieſer Stelle bemerkt werden, daß die Feuchtigkeit dieſer Zwiſchenſchicht eine weſentliche Bedin - gung für die Wirkſamkeit der Säule bildet. Trocknet man die Säule ſorgfältig, z. B. durch Aufbewahren in einem Raume, in welchem ſich Chlorcalcium befindet, ſo wird ſie völlig unwirkſam. Es iſt daher ganz unrichtig, dieſe ſogenannte trockene Säule als einen Beweis für die Richtigkeit der Contacttheorie anzuſehen.
Da man bei einer ſolchen Säule gewöhnlich eine ſehr bedeutende Anzahl von Elementen, 3000 bis 4000, aufeinanderſchichtet, ſo erlangen die beiden Endſcheiben oder Pole der Säule ziemlich ſtarke elektriſche Spannun - gen, und zwar wird hierbei die letzte Zinnſcheibe negativ, die letzte Kupferſcheibe poſitiv elektriſch. Die Pole der Säule zeigen daher Anziehungs - und Abſtoßungserſchei - nungen, wie geriebene Glas - oder Harzſtangen, ja man kann im Dunkeln ſelbſt das Ueberſpringen kleiner Fünkchen beobachten. Gleichwohl iſt aber der Strom, welchen ſie liefert, äußerſt ſchwach; es rührt dies daher, daß, ſobald die Pole einmal entladen ſind, es immer geraume Zeit dauert, bevor ſie wieder ihre urſprüngliche Ladung er - halten können, weil das Nachſtrömen der Elektricität wegen der außerordentlich ſchlechten Leitungsfähigkeit der Säule ſehr langſam erfolgt. Dagegen erhält ſich die elektriſche Differenz an den beiden Polen jahrelang und dieſer Umſtand veran - laßte auch die verſchiedenen Anwendungen der Säule. Eine lernten wir bereits kennen bei Beſprechung des Elektroſkopes von Behrens.
Behrens benützte die Säule auch zur Conſtruction eines elektriſchen perpetuum mobile (Fig. 94). Dieſes beſteht aus zwei vertical nebeneinandergeſtellten trockenen Säulen S S', deren eine den poſitiven, deren andere den negativen Pol nach oben kehrt. Dieſe beiden einander entgegengeſetzten Pole tragen Metallanſätze, die in gegen - einandergeſtellten Kugeln n p enden. In den Raum zwiſchen dieſen beiden Kugeln hängt ein leichtes Pendel a b hinein. Dieſes wird nun bei entſprechender Stellung von einem Säulenpole angezogen, wird gleichnamig elektriſch, dann von dieſem Pole abgeſtoßen181 und von dem entgegengeſetzten Pole der zweiten Säule angezogen, gleicht dort ſeine Elektricität mit der entgegengeſetzten des Poles aus, empfängt von dieſem Elektricität und pendelt wieder zum erſten Säulenpole zurück u. ſ. w., ſo lange die beiden Säulen ihre Wirkſamkeit beibehalten. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß dieſes perpetuum mobile mit dem Geſetze der Erhaltung der Kraft in keinem Widerſpruche ſteht. Das einmal in Bewegung geſetzte Pendel ſetzt allerdings unter Umſtänden jahrelang ſeine Bewegung fort, aber dieſe Bewegung wird nur mit Hilfe der ſtets zu den Polen der Säule ſtrömenden Elektricität bewirkt; die Erregung dieſer iſt aber dem langſam fortſchreitenden chemiſchen Proceſſe in der Säule zuzuſchreiben. Es wird alſo chemiſche Spannkraft auf - gezehrt, in Elektricität verwandelt und dieſe in mechaniſche Bewegung umgeſetzt.
Rouſſeau hat die trockene Säule zur Conſtruction ſeines Diagometers benützt, d. h. eines Inſtrumentes, welches die verſchiedene Leitungsfähig - keit der Körper benützt, um ihre chemiſche Zuſammenſetzung zu prüfen. Der untere Pol m' der Säule A, Fig. 95, iſt zur Erde abgeleitet, vom oberen Pole m führt ein Draht zu der iſolirt unter der Glasglocke auf - geſtellten und in einer horizontalen Ebene frei beweglichen Nadel M. Die letztere iſt ſchwach magnetiſirt und trägt an einem Ende eine Scheibe. In derſelben Höhe wie dieſe iſt eine zweite eben ſo große Scheibe L iſolirt aufgeſtellt. Bringt man das Inſtrument mit ſeiner Längsaxe in den magnetiſchen Meridian, ſo kommen beide Scheiben zur Berührung. Wird nun der obere Pol der Säule direct durch einen Draht mit der Nadel verbunden, ſo werden beide Scheiben gleichnamig elektriſch und ſtoßen ſich ab; die Nadel kommt zur
Elektriſches perpetuum mobile.
Ruhe, ſobald die elektriſche Abſtoßungskraft und der auf den ſchwachen Magnetis - mus der Nadel wirkende Erdmagnetismus ſich das Gleichgewicht halten. Letzteres tritt ſehr raſch ein, wenn die Verbindung der Nadel mit dem Säulenpole durch einen guten Leiter hergeſtellt wird. Anders verhält es ſich aber, wenn man zwiſchen der Säule und der Nadel einen ſchlechten Leiter einſchaltet; es wird dann eine von der Leitungsfähigkeit dieſes ſchlechten Leiters abhängende Zeitdauer erforderlich ſein, bis die beiden Scheiben ihre volle oder Maximalladung haben und erſt dann die Nadel eine fixe Stellung einnehmen können. Dieſe Zeitdauer iſt daher ein Maß für die Leitungsfähigkeit der eingeſchalteten Subſtanz und wurde von Rouſſeau zur Prüfung der Körper auf ihre chemiſche Reinheit benützt.
182Um die Körper bequem einſchalten zu können, iſt der Poldraht der Säule zu einem Metallbügel geführt, deſſen ein Ende in ein Metallſchälchen G reicht, welches mit der Nadel durch den Träger L' in leitender Verbindung ſteht, im Uebrigen aber iſolirt aufgeſtellt iſt. Das Drahtende wird dann in geeigneter Ent - fernung über den Boden des Schälchens befeſtigt und in dieſes die zu unter - ſuchende Subſtanz gebracht. Dadurch wird die Elektricität des Säulenpoles ge - zwungen, durch eine Schicht dieſer Subſtanz zu gehen, bevor ſie zur Nadel gelangt.
Mit Hilfe des Diagometers unterſuchte Rouſſeau namentlich Fette und Oele, deren Prüfung auf ihre Reinheit durch chemiſche, beziehungsweiſe andere phyſikaliſche Methoden bekanntlich keine ſehr genauen Reſultate giebt, und fand dabei, daß z. B. Olivenöl ein viel geringeres Leitungsvermögen beſitzt, als die übrigen fetten Oele; er konnte eine Beimiſchung von 1 / 100 Gewichtstheil der letzteren zu erſterem noch beſtimmt
Rouſſeau’s Diagometer.
nachweiſen. Dieſer geringe Bruchtheil eines anderen zum Olivenöl hat alſo genügt, um des letzteren Leitungsfähigkeit ſo zu vermindern, daß ſie durch Beobachtung der Ladungszeit der Scheiben erkannt werden konnte.
Ein anderes Beiſpiel iſt die Unterſuchung des Kaffees auf deſſen Reinheit. Geröſtete und gepulverte Kaffeebohnen leiten die Elektricität nicht; enthalten ſie aber eine Beimiſchung von Cichorien (ein häufig benütztes Verfälſchungsmittel), ſo werden ſie leitend. Aehnlich verhält ſich die Chocolade: iſt ſie aus reinem Cacao bereitet, ſo leitet ſie nicht, enthält ſie eine Beimiſchung von Mehl, ſo leitet ſie die Elektricität.
Zamboni’s Säule, wie ſie gegenwärtig bei Elektroſkopen angewandt wird, verfertigt man gewöhnlich nicht mehr aus Gold - und Silberpapier, ſondern hat es vortheilhafter gefunden, ſie in nachſtehender Weiſe anzufertigen: Das Silber - papier wird auf ſeiner Rückſeite mit einer dünnen Schicht von Braunſtein (Man - ganhyperoxyd) überzogen, indem man ſehr feines, durch Schlämmen erhaltenes183 Pulver des Minerales in Honig, Gummi oder Leimwaſſer einrührt und dann auf das Silberpapier aufträgt. Aus den ſo vorbereiteten Bogen ſchlägt man dann mit Hilfe eines Locheiſens Scheiben aus von zwei bis drei Centimeter Durchmeſſer. In ein Geſtelle ähnlich jenem, welches wir bei der Volta-Säule kennen lernten, legt man hierauf eine Metallſcheibe, an welcher auf drei Stellen des Umfanges Seidenfäden befeſtigt ſind. Auf die Metallſcheibe werden die Zinn-Braunſteinſcheiben ſo geſchichtet, daß alle Scheiben ihre Zinnſeite nach der einen, ihre Braunſteinſeite nach der anderen Richtung kehren. Auf die letzte Scheibe kommt wieder eine Metallſcheibe, welche mit drei Löchern zur Aufnahme der Seidenfäden verſehen iſt. Mit Hilfe dieſer und der beiden Metallſcheiben wird die Säule etwas zuſammengedrückt und in dieſer Stellung durch Zuſammenbinden der Seidenfäden erhalten. Die Säule kann nun als Ganzes aus dem Geſtelle herausgenommen werden und kommt ge - wöhnlich in eine innen mit Harz gut überzogene Glasröhre, die an ihren Stirn - ſeiten mit Metallkapſeln verſehen iſt. Jene Metallkapſel, welche an der Zinnfläche anliegt, bildet dann den negativen Pol der Säule, die andere den poſitiven. Das Einſchließen der Säule in eine Glasröhre hat den Zweck, die Feuchtigkeit des Papieres am Entweichen zu verhindern.
Die bisher beſchriebenen Batterien und überhaupt alle Elemente, welche aus zwei Metallen und nur einer Flüſſigkeit gebildet werden, leiden an dem Uebel - ſtande, daß ihre Kraft kurze Zeit nach ihrer Inbetriebſetzung eine ſtarke Abnahme zeigt. Die Urſache hiervon liegt in der chemiſchen Zerſetzung der Flüſſigkeit, welche durch den elektriſchen Strom bewirkt wird. Letzterer zerſetzt nämlich das Waſſer in Waſſerſtoff und Sauerſtoff; erſterer ſcheidet ſich am Kupfer aus, da, wie wir aus dem Vorhergehenden wiſſen, dieſer in der Flüſſigkeit elektropoſitiv wird, und der Sauerſtoff geht zur Zinkplatte. Letztere wird durch den Sauerſtoff an ihrer Ober - fläche zu Zinkoxyd oxydirt und dieſes löſt ſich in der Schwefelſäure zu Zinkſulfat. Die Zinkplatte bleibt alſo ſtets rein erhalten. Anders verhält es ſich aber mit der Kupferplatte; an dieſer ſcheidet ſich der Waſſerſtoff aus und überzieht nach und nach die Kupferplatte mit einer Schicht Waſſerſtoffgas. Letzteres wird aber hierbei poſitiv elektriſch und veranlaßt dadurch in der Flüſſigkeit einen Strom poſitiver Elektricität vom Kupfer zum Zink, alſo in der entgegengeſetzten Richtung als jener Strom, welcher durch die beiden Metalle und die Flüſſigkeit hervorgerufen wird (vergl. Abbildung Seite 161). Dieſer durch die chemiſche Zerſetzung hervor - gerufene Gegenſtrom iſt nun eben die Urſache der raſch abnehmenden Kraft des Elementes.
Dieſe Uebelſtände zu beſeitigen, hat man verſchiedene chemiſche und mecha - niſche Mittel angewandt; ſie beſtehen häufig darin, daß man in die Batterie Stoffe bringt, welche leicht Sauerſtoff abgeben. Der Sauerſtoff verbindet ſich dann mit dem Waſſerſtoffe zu Waſſer und macht dieſen dadurch unſchädlich. Um zu verhindern, daß ſich die Sauerſtoff abgebende Subſtanz mit der übrigen Batterie - flüſſigkeit miſche, wird erſtere gewöhnlich in geſonderte, poröſe Gefäße gebracht. Dieſe geſtatten wohl den Gaſen, nicht aber den Flüſſigkeiten den Durchgang und werden dadurch leitend für die Elektricität, daß ſie ſich mit Flüſſigkeit an - ſaugen.
Die Anwendung obiger Hifsmittel führt zur Conſtruction der conſtanten Batterien, deren erſte von Daniell (1837) angegeben wurde. Die urſprüngliche Form derſelben iſt in Fig. 96 abgebildet. Ein Becher aus Kupferblech iſt in ſeinem Boden kreisförmig ausgeſchnitten und dieſer Ausſchnitt durch einen Kork -184 pfropfen verſchloſſen. An dem Pfropfen befeſtigt und zum Kupferbecher concentriſch geſtellt ragt ein Stück Ochſengurgel o o bis nahe an den Rand des Bechers. Oben iſt dieſe Ochſengurgel durch einen gleichweiten Kupfercylinder c c fortgeſetzt, welcher mit der Kupferſchale b b verbunden iſt. Letztere beſitzt einen ſiebartigen Boden und ruht mit ihren Rändern auf dem Rande des äußeren Kupferbechers auf. Der Zinkcylinder befindet ſich innerhalb der Ochſengurgel und wird oben durch einen Pfropf gehalten. Der übrige von der Ochſengurgel umſchloßene Raum iſt mit verdünnter Schwefelſäure gefüllt, während in den Raum zwiſchen der Ochſengurgel und dem äußeren Kupferbecher eine concentrirte Löſung von Kupfer - vitriol (Kupferſulfat) gebracht wird. Auf den ſiebartigen Boden der Schale b b kommen Kupfervitriolkryſtalle, deren Zweck darin beſteht, die Löſung ſtets concen - trirt zu erhalten.
Daniell-Element.
Iſt das Element einige Zeit in Gebrauch, ſo löſt ſich Zink in der Schwefelſäure unter Bildung von Zinkvitriol auf, welche Löſung ſich zu Boden ſenkt, da ſie ſpecifiſch ſchwerer iſt als die verdünnte Schwefelſäure. Man kann ſie, ohne den Betrieb des Elementes unterbrechen zu müſſen, entfernen, indem man durch den Trichter verdünnte Schwefelſäure nachfüllt, wodurch die Zinkvitriollöſung durch das Rohr g zum Ausfließen gebracht wird. Zur Ab - leitung des Stromes verſicht man den Kupfer - und den Zinkcylinder an ihren oberen Enden entweder mit Blechſtreifen oder mit Queckſilber - näpfchen, in welche dann die Leitungsdrähte ein - gehängt werden.
Um einzuſehen, wodurch ein ſolches Element befähigt wird, einen conſtanten Strom zu liefern, müſſen die chemiſchen Proceſſe, welche ſich in den Flüſſigkeiten abſpielen, in Betracht gezogen werden. Wir wiſſen bereits, daß das Waſſer durch den Strom in Waſſerſtoff und Sauerſtoff zerlegt wird und daß der Sauerſtoff das Zink oxydirt; das Zinkoxyd löſt ſich dann in der Schwefelſäure und bildet Zinkvitriol. Durch dieſen Proceß wird alſo die Schwefelſäure in der Ochſengurgel vermindert.
Der elektriſche Strom zerſetzt aber auch die Kupfervitriollöſung und ſcheidet aus dieſer das Kupfer aus, welches ſich am Kupfercylinder niederſchlägt. Der zweite Beſtandtheil des Kupfervitriols, die Schwefelſäure, nimmt den in der Ochſen - gurgel ausgeſchiedenen und durch dieſe in die Kupfervitriollöſung übergeführten Waſſerſtoff auf und erſetzt in dieſer Weiſe die durch die Bildung von Zinkvitriol dem Elemente entzogene Schwefelſäure. Der Verluſt an Kupfervitriol durch die Zerſetzung der Löſung wird durch die Kryſtalle, welche auf dem ſiebartigen Boden der Schale b b liegen, erſetzt. In dem Elemente wird alſo Zink, Kupfervitriol und Schwefelſäure verbraucht und dafür Zinkvitriol, Kupfer und Schwefelſäure erzeugt. Somit braucht einerſeits die Schwefelſäure beim Zinkcylinder nicht erſetzt zu werden (weshalb auch das Rohr g wegbleiben kann), und andererſeits iſt die Anlagerung von Waſſerſtoff an den Kupfercylinder vermieden; das Element wird185 folglich ſo lange einen conſtanten Strom liefern, ſo lange Kupfervitriolkryſtalle in der Schale ſich befinden, und ſo lange der Zinkcylinder nicht verzehrt iſt.
Das Element hat im Laufe der Zeit mannigfache Abänderungen erfahren, deren eine in Fig. 97 dargeſtellt iſt. In einem Glasbecher befindet ſich der Zink - cylinder Zn und die Ochſengurgel iſt durch den poröſen Thoncylinder (das Dia - phragma) t erſetzt. In dieſes ragt der Kupferſtab C hinein, welcher bei D ein Sieb zur Aufnahme der Kupfervitriolkryſtalle trägt. Der Kupferſtab taucht in eine Löſung von Kupfervitriol, der Raum zwiſchen dem Diaphragma und dem Glas - becher iſt mit verdünnter Schwefelſäure ausgefüllt. Jeder Kupferſtab iſt mit dem Zinkcylinder des nachfolgenden Elementes durch einen Draht a verbunden.
Die ſchädliche Wirkung des Waſſerſtoffgaſes auf mechaniſche Weiſe zu be - ſeitigen, iſt Smee (1840) gelungen. Das von ihm conſtruirte Element iſt in Fig. 98 abgebildet. In einem ſehr hohen, gewöhnlich vierſeitigen Glasgefäße ſind
Daniell-Elemente.
Smee-Element.
zwei Zinkplatten Zn eingehängt und oben durch eine Schraubenzwinge zuſammen - gehalten. Zwiſchen beiden Zinkplatten, und wohl iſolirt von dieſen, befindet ſich die Platin - oder Silberplatte Ag. Letztere beſteht jedoch nicht aus blankem Metallbleche, ſondern ſie iſt mit einem Ueberzuge von Platinmoor, d. h. fein vertheiltem Platin, verſehen. Letzteres wird auf galvaniſchem Wege auf der Platte niedergeſchlagen. Das Glasgefäß erhält eine Füllung von verdünnter Schwefelſäure. Es wird des - halb verhältnißmäßig groß gemacht, damit ſich der Zinkvitriol, welcher durch den Betrieb des Elementes gebildet wird, unterhalb der Metallplatten anſammeln kann. Die Platten bleiben hierdurch lange Zeit nur mit verdünnter Schwefelſäure in Berührung, und ſomit braucht die Flüſſigkeit nur ſelten erneuert zu werden.
Die ſchädliche Wirkung des Waſſerſtoffgaſes wird durch den Platinmoor - überzug auf der Silberplatte zum größten Theile vermieden oder doch bedeutend vermindert. Vermöge der rauhen Beſchaffenheit dieſes Ueberzuges ſammelt ſich nämlich das Waſſerſtoffgas nur ſo lange an, bis die Gasblaſen eine gewiſſe Größe erreicht haben und dann löſen ſie ſich ab und entweichen durch die Flüſſigkeit. 186Der Waſſerſtoff ſchwächt daher den Batterieſtrom nur bis zu einer beſtimmten