Dem guͤtigen vaterlaͤndiſchen Fuͤrſten Friedrich Karl zu LeiningenA 2[4]Im Gefuͤhl der waͤrmſten Hochachtung Dankbarkeit und Liebe gewidmet von dem Verfaſſer.
Es iſt mein Vorſaz, buͤrgerliche Verhaͤltniſſe dramatiſch zu behandeln. Ich machte auch dieſes Stuͤck in der Abſicht, und erwarte nun das Urtheil des Publikums. Der Herr Hofgerichtsaſſeſſor Schuͤßler, aus Hannover, hat durch einen guͤtig mitgetheilten Auszug aͤlterer Akten, mir einen Theil der Handlung gegeben. Ich bitte jeden, der in einem oͤffentlichen Amte den eignen Gang der Bege - benheiten, ihre ſonderbare Entſtehung und Ent - wickelung, die Verſchiedenheit, die harten Ecken der Karaktere, zu beobachten Gelegenheit hat, mich mit Auszuͤgen von ſolchen Gerichtsverhand - lungen, wo Leidenſchaft die Triebfeder von Gluͤck oder Ungluͤck war, zu beſchenken.
Mich duͤnkt, die Buͤhne ſei dann dem Staate von weſentlichem Nuzzen, wenn ſie zeigt, wie gute Menſchen, durch Schwaͤchen und Vorur - theil ſich das Leben verderben. Darſtellung des richtigen Ganges buͤrgerlicher Bege - benheiten, Beruͤhrung der Punkte, wo ſich die beſten Menſchen trennen, war mein Zweck; und ich wuͤnſche, daß Leſer und Zuſchauer mein Stuͤck mit gutmuͤthigem Gefuͤhle, mit dem Drange, etwas Nuͤzliches zu thun, verlaſſen moͤgen. Nach dieſem Zweck, muß ich von ſolchen Leuten beurtheilt werden. — Binnen Jahr und Tag hoffe ich manchen Beitrag erhalten zu haben — wenn anders meine gegenwaͤrtige Arbeit nicht mißfaͤllt. Iffland.
Jaͤger bei dem Oberfoͤrſter
Bauern von Leuthal.
Rudolph — Rudolph! der Kerl iſt taub. He Ru - dolph! —
Was giebts?
Ich will Dir was ſagen.
Ich habe keine Zeit — der Alte iſt graͤmlich, daß wir noch nicht fort ſind. — Da — halt einmal, ich will —
Eure Gewehre? Ich bin ein ſchlechter Kerl, wenn ich eins anruͤhre!
Hoho! das wird Dir der Alte ſchon weiſen.
Mit dem Weiſen hat es ſich wohl. Meine Zeit iſt um. — Heute Mittag trag ich die Amtslivree.
Du? — Ziehſt zum Amtmann?
Ja.
Haſt Du doch nicht eher geruht, bis Du den ehrlichen alten Friz dort weggelogen haſt? Was will der Alte nun anfangen? der muß betteln mit Weib und Kindern!
Hm — Iſt mir der junge Herr vom Amte doch recht nachgelaufen.
Zum Amtmann? — zu dem? — — — Pfui! das ſieht Dir aͤhnlich.
Haͤngt das Maul, ſo tief Ihr wollt — Hier kann ich es nicht aushalten.
Weil es hier arbeitſam, ehrlich und ſtill zugeht?
Sapperment! — mein Vater war hier Oberfoͤrſter; in den Stuben hier bin ich groß gezogen — nun ſoll ich gemeiner Jaͤger bei Euch ſein! Meint ihr —
Haͤtteſt Du was gelernt — wer weiß — ſo wohnteſt Du wohl jezt hier.
Nun, nun — es iſt nicht aller Tage Abend — Ich kann noch — wer weiß? Was ſein ſoll, ſchickt ſich wohl. Aber was ich ſagen wollte — — — Ich hoͤre ja, die Jungfer Baſe vom jungen Herrn Foͤrſter, Mamſell Friederikchen, koͤmmt heute aus der Stadt wieder.
Nun und wenn?
Da wird es ein Aufhebens geben, wenn der Tugendſpiegel wieder da iſt. Sie iſt zwar die Herz - allerliebſte vom Herrn Foͤrſter — aber —
Ei laß mich ungeſchoren. Schickſt Dich brav zum Amtslakaien; kannſt ſpioniren, laͤſtern, ſaufen und Dir Geld in die Hand druͤcken laſſen — Mir iſts recht, daß es mit der Kammeradſchaft ein Ende hat. — Ich habe zu thun — leb 'Er wohl. — Hoͤr' Er — das muß ich Ihm noch ſagen — nehm Er's krumm oder grade — ich halte nichts auf den Kerl, dem der ſchlichte gruͤne Rock, in Ehren, nicht lieber iſt, als der beblechte Rock vom Amte, in Unehren.
Empfehle mich, Herr Geheimerath!
Dir brech ich auch noch einmal den Hals, Kanaille!
Wo iſt Rudolph?
Da drinn.
Mich laſſen ſie wieder zu Hauſe?
Was ſoll man mit Euch? Man kann Euch ja zu nichts brauchen; Ihr verſteht keine Faͤhrt.
Schon Recht. — Herr Foͤrſter!
Was giebts?
Heute zieh ich ab.
Mir recht.
Glaubs wohl! Ich ziehe aufs Amt.
Hm — meintwegen.
Empfehle mich zu geneigtem Andenken.
Schon gut.
Wart, geſtrenger Herr Foͤrſter — und Ober - foͤrſter Adjunctus in Gedanken — ich will es Dir noch beſſer muͤnzen.
— Herr Foͤrſter —
— Herr Foͤrſter, noch auf ein Wort.
Schleicht der Kerl den Leuten immer nach, wie ein Zollviſitator! Was ſoll werden?
Koͤmmt denn das Wunderthier heute noch an?
Was fuͤr ein Wunderthier?
Die Stadtmamſell.
Wen meint Ihr?
Je nun — Ihre Jungfer Friedrike.
Burſche, ſpreche er den Namen mit Reſpekt aus!
Nun nun, nur ſachte! Wuͤßten Sie, was ich weiß! — Sie haͤtten mir die Ohrfeige nicht gegeben.
Was wißt Ihr? Von wem? was?
Ich habe Ihre Ohrfeige — aber auch meine Nachricht,
und damit gehn Sie Ihrer Wege, ich meiner.
Kerl, ich pruͤgle Euch, daß Ihr liegen bleibt, wenn Ihr nicht ſprecht!
Wenn ich nicht ſprechen will, ſo thu ich es nicht, und wenn ich todt geſchlagen wuͤrde.
Und nun bleibe ich da und ſpreche nicht.
Das will ich ſehen.
Und wenn das ganze Haus wach wuͤrde — was wißt Ihr? — — Ich habe das Maͤdchen lieb; es iſt meine Baſe; ich will ſie heiraten. Was wißt Ihr?
Lahm pruͤgle ich Euch — was wißt ihr?
Hoͤren Sie mich doch!
Nichts, kein Wort — was wißt Ihr?
Pruͤglen Sie mich hernach; aber hoͤren Sie mich erſt!
Hurtig.
Sie wollen mich pruͤglen — aber ich leide es nicht, ich ſezze mich zur Wehre. — Sie pruͤglen mich — ich ſchlage Ihnen ins Geſicht — Sie treten mich mit Fuͤßen, ich jage Ihnen den Hirſchfaͤnger durch den Leib. Dabei kommt nichts heraus. Ich brauchte Ihnen nichts zu ſagen; weil Sie aber das Maͤdchen heiraten wollen, mag es drum ſein! — Hier — ſind zwei Stuͤck Papier.
Was ſollen die?
Geduld. Die fand ich auf dem Amte, vor der Stube des jungen Herrn, im Kehricht.
Gebt her.
Geduld — Das hier — iſt ein Konzept — verſtehen Sie mich — der rechte Brief an Jungfer Friedriken naͤmlich iſt fortgeſchickt. — Da.
Hat Friedrike geant - wortet?
Nun — ſie iſt ein Maͤdchen —
Hat ſie geantwortet?
Nicht geantwortet, alſo eingewilligt und koͤmmt —
Matthes —
Er iſt ihr in dem neuen Wagen mit den Fuͤchſen entgegen gefahren —
Wenn ſie geantwortet hat —
Er iſt ſo recht darnach angezogen. Den ſeegruͤnen Frack — offnes Haar —
Matthes — ich weiß, Ihr koͤnnt mich nicht ausſtehen, Ihr luͤgt oft — aber ich will es Euch vergeben, wenn Ihrs geſteht. Ihr habt meine Engliſchen Sporn gern haben wollen: Ihr ſollt ſie haben — gleich haben — wenn Ihr es mir ſagt.
Hm — ich habe Schnallen.
Da iſt Geld.
„ Der Bube kann nichts verſchenken, “ſagt der Herr Oberfoͤrſter.
Schurke! — es iſt Alles erlogen.
Er reiſt ihr oben entgegen.
Kerl! Nein! ſie hat nicht eingewilligt!
Sie ſind aͤrgerlich. Ja, wer laͤßt ſich auch gern betriegen! In Heirathsſachen iſt das ſo, ſo — Aber hohls dieſer und iener! Sie muͤſſen ihr auch was zu Gute halten — es iſt ein junges, einfaͤltiges Ding.
Kerl, Du biſt ein Schurke und ſie hat nicht eingewilligt.
Sie hat. — Mit dem Schurken waͤhrt es uͤbrigens nur noch 3 Stunden — Schlag 9 Uhr kann ich darauf dienen.
Es iſt nicht moͤglich — nein, warlich nicht. Matthes war immer ein ſchlechter Kerl — Die Hand? die Hand iſt es freilich — daß er ihr immer nachſchlich, iſt auch wahr. Dazu bin ich ſchlichtweg — habe wenig. — Sie war in der Stadt, hat ſeitdem das praͤchtige Leben kennen gelernt — Der Kerl iſt reich und — Maͤdchen, Maͤdchen! wenn Du mich betruͤgſt —
Da. Der Garten iſt nicht offen, wir muͤſſen durchs Dorf gehen. — Pul - ver haben Sie, glaube ich, noch.
Genug.
Aber keine Kugeln? — Da, hier ſind welche.
Her damit! Gut ſo. — Zwar — — — nein. Nimm die Kugeln wieder. — Hier. Gieb mir Schroot.
Nr. 1?
Nr. 3.
Nr. 3? Und groß Wildpret?
Her! Komm mir in den Weg, Spizbube! Komm mir in den Weg! — ich will Dir Antwort bringen, daß Dir Hoͤren und Sehen vergehen ſoll.
Es liegt Ihnen was im Kopfe — mein 'ich.
Halts Maul.
Leicht gerathen und bald gethan. Vorwiz plagt mich nicht — aber ich habe Ihrentwegen manches Ungewitter von dem alten Herrn auf mich genommen, werde es wohl auch ferner noch; darum denke ich —
Rudolph — der Schuß hier — der iſt fuͤr den Amtmannsbuben.
Aber —
Geh, wohin Du willſt — ſchieß, was Du willſt — ich geh auf die Straße nach Waldau. Komm!
Nicht von der Stelle, bis ich weiß, was Sie gegen den Kerl haben.
Der Junge, der Bube! hat wieder an Friedriken geſchrieben — einen Liebesbrief, eine Schandbeſtellung!
„ Liebes Friedrikchen! Sie werden nun dem Vor - „ ſchlage meiner Eltern nachgedacht und fuͤr mich „ entſchieden haben. Meine Perſon duͤrfte leicht ſo „ viel Intreſſe einfloͤßen, wie der abgeſchmackte16 „ Jaͤgersburſche, der bei allen Dirnen zu finden iſt. „ Koͤmmt hierauf keine Antwort: ſo ſehe ich mei - „ nen alten Vorſchlag als von Ihnen eingewilligt „ an, und reiſe Ihnen morgen fruͤh nach Wal - „ dau heimlich entgegen. In jedem Fall wird die - „ ſes Rendezvous eine gluͤckliche Stunde gewaͤhren „ Ihrem ewig treuen — Peter von Zeck. “
Und ſie hat nicht geantwortet, und er reiſet ihr jezt ent - gegen — und — und — — Lahm ſchieße ich den Hund, wo ich ihn finde!
Wer gab Ihnen denn das?
Matthes.
Matthes? Nun ja, —
O, ſieh, es iſt die Hand.
Der Kerl iſt ein Schurke.
Aber der Bube reiſt ihr jezt entgegen, und die Hand iſt es doch beim Teufel!
Kann Alles ſein. — Wiſſen Sie doch, wie Sie mit Friedriken ſtehen.
Ei, was! Die Maͤdchen ſind eitel und falſch. Sie ſchwoͤren und liebaͤugeln und winſeln und puzzen ſich, Jedem zu gefallen. Mag ein ehrlicher Kerl drauf gehen oder nicht, was kuͤmmert ſie das?
Pfui! Friedrike iſt —
Rudolph — Eine betruͤgt weniger; aber ſie betruͤgen alle. Geh hin — ſchieß ihrem Liebhaber vor den Kopf — ſie wird ſchmaͤlen. Aber, wirf ihr den Spiegel herunter, verbrenn ihren Puz; ſie wird ſich die Haare ausraufen.
Ich habe ſie ſo lieb — Ach Rudolph, ich habe ſie ſo lieb!
Und werden ſie brav finden.
Wenn ſie es nicht iſt — ſieh, des Lebens hier bin ich ſatt. Mein Vater behandelt mich wie einen Jungen — ich habe ausgehalten ihr zu Liebe. — Be - triegt ſie mich — ſo gehe ich fort, werde Soldat — und giebts keinen Krieg, ſo mache ich einen dummen Streich. Dann jagen ſie mir eine Kugel durch den Kopf, und es iſt aus. Komm! —
[Ja], ſchoͤnen guten Morgen, Anton — ſchoͤnen guten Morgen.
Danke, liebe Mutter, danke.
Ausgeſchlafen, Anton? Ausgeſchlafen? — Ihr geht heute wieder fruͤh aus. Das iſt ein Leben! — Keine Ruh und keine Raſt.
Je nun, was will das ſagen? Adieu.
Warte doch noch — warte.
Ei, ich wills haben, Du ſollſt warten.
Iſt das nicht ein Wetter! I, Du mein lieber Himmel!
Wird ſchon hell werden. Adieu, Mutter! Es wird wahrhaftig zu ſpaͤt.
Nur einen Augenblick. „ Hell werden? “— Rudolph, treibe, daß der Kaffee koͤmmt —
„ Hell werden “ſagſt Du? der Mond hatte geſtern Abend einen Hof, Anton. Er war nicht ſo viel hell, als ein Speziesthaler groß iſt; dann wird es all' mein Tage den andern Tag kein helles Wetter.
Hier bringe ich den Kaffee ſchon, Madam.
Gut, gut. Nun Anton —
Geſchwind trink ein Schaͤlchen, Anton.
Ich kann nicht. Ach Gott, es iſt mir ohne - hin heiß genug.
Was heiß? Es iſt rauhes Wetter. Der Kaffee waͤrmt den ganzen Menſchen — trink nur!
Haſt Du auch die Bruſt gut verwahrt, Anton?
Ei, ſo laß doch die Knoͤpfe zu,19 Anton! Was das fuͤr eine alberne Mode iſt! Da wird der Magen verkaͤltet, die Geſundheit nicht konſervirt, und das junge Volk ſtirbt hin. Die Bruſt verwahrt, die Bruſt verwahrt! das war eine goldne Regel bei uns Alten! — nun trinkſt Du noch eine.
Mutter, ich muß wahr - haftig fort.
Nun ſo geh. Hoͤre — wenn Riekchen nur ein Paar Tage da iſt; ſo ſoll ſie Dir ein Leibchen naͤhen. Da, nimm das Tuch, halt den Hals huͤbſch warm — hoͤrſt Du?
Noch hier? — Plagt Dich denn —
Eben wollte ich —
Bleib! — Matthes!
Seine Nachtmuͤze.
Wieder ins Bette. Ich will fort.
Ich war ſchon auf dem Wege, aber die Mut - ter —
Ich — — hatte ihm was zu ſagen. Ich habe es ihm befohlen, er ſollte dableiben.
Das iſt ein ander Ding.
So muſteſt Du dableiben.
Geht Eurer Wege!
Faß Dich ein andermal kuͤrzer.
Adieu, Vater.
Aufgepaßt — nicht eingekehrt — Fix! um zehn Uhr wieder hier. Allons, marſch!
Ruf ihm doch nach, ſag ihm, daß er von der Sau wegbleibt. Chriſtian iſt erſt geſtern geſchlagen, und —
Wenn Du ſie anlaufen laſſen willſt: ſo kann er zu Hauſe bleiben.
Ei was! ich muß Dir meine Meinung einmal kurz weg ſagen.
Hahaha! das kannſt Du nicht.
Was? Was kann ich nicht?
Kurz weg ſprechen.
Nun, ſo will ich gar kein Wort ſprechen.
Man moͤchte erſticken!
Wenn Du beim Nachtwaͤchter anfaͤngſt; ſo hoͤrſt Du beim tuͤrkiſchen Kaiſer auf.
Aus dem ewigen Bellen und Laͤrmen koͤmmt nichts heraus. Der Junge iſt ſo uͤbel nicht.
Richtig. Darum ſoll er noch beſſer werden.
Hm — ein Menſch iſt kein Engel, und Anton —
Nun — hat auch noch zu laufen bis dahin.
Das verwuͤnſchte Auffahren — das!
Bilde Dir nicht ein, daß Du ihn lieber haͤt - teſt, als ich. Der Junge iſt wild, wie der Teufel. Wenn ich gut waͤre, wie eine Schlafmuͤze; ich glaube, er ſteckte uns das Haus uͤber dem Kopf an. — He — — Matthes!
Herr Oberfoͤrſter?
Mein Morgenbrod!
Hoͤre einmal — wie ſteht es denn mit Mam - ſell Kordelchen vom Amte?
Iſt ſie krank? Frag den Doktor.
Nicht doch. Ich meine — hm — wunder - lich — ich meine —
Was?
Wenn mein Anton Mamſell Kordelchen heiratete.
Darauf weiß ich Dir nicht zu antworten. — Matthes — iſt dem Schulzen ſein Bauholz angewieſen?
Ja.
Um welche Zeit?
Geſtern Abend um vier Uhr.
Es iſt gut. Ihr habt mich zeither oft be - logen; wenn dies wieder nicht wahr iſt, ſo ſchicke ich Euch fort. Eure Zeit iſt ohnedieß heute ganz um.
Herr Oberfoͤrſter — ich nehme es an und ziehe gleich ab.
So? — Nun — — wenn Ihr wollt, ich kann ſchon wollen. — Da iſt Euer Geld.
Empfehle mich.
Gute Beſſerung. Ich bin froh, daß ich den Menſchen los bin — es iſt ein boͤſer Bube.
Gift und Galle muß man trinken!
Was?
Ich ſage kein Wort, — kein Sterbenswort. Aber — aber — es druͤckt mir das Herz ab, wenn ich ſo ſehen muß, daß —
Es iſt kein Auskommen mit der Frau. — Nun — ich will es einmal aushalten. Sprich — ſag Alles, was Du weißt; aber Alles! denn ſo bald kriegſt Du mich nicht wieder.
Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer muß ich Unrecht haben. Dieß haͤtte ich ſo machen koͤn -23 nen, das wieder anders. Hier habe ich geſuͤndigt; dort habe ich einen Bock geſchoſſen. Bald haͤtte ich reden, bald ſchweigen ſollen. Wenn ich den Mund aufthue, habe ich Unrecht[.]Was ich rede, iſt einfaͤltig. Ei, wozu hat man den Mund, als zum Reden!
Nun, mein Kind — hahaha — dazu brauchſt Du ihn auch.
Ich? Wer — ich? Wenn laͤßt Du mich denn wol zum Worte kommen? Wo darf ich meine Meinung ſagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß ich zuerſt von der Heirath geſprochen habe — da ging das Ungluͤck los. Nun — ich habe geſchwiegen — geſchwie - gen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amt - mann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber, ſo wie ich nur den Mund aufthat — ward ich ja angelaſſen! Jezt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder angefangen: „ Mamſell Kordelchen haͤtte meinen An - „ ton gar zu gern. “ Nun — denke ich, Ehen werden im Himmel geſchloſſen — und wenn es Gottes Wille iſt, daß mein Anton Mamſell Kordelchen heiraten ſoll; ſo werden wir nichts dazu und nichts davon thun koͤn - nen. Ich habe es geſagt. — Du biſt Vater, wie ich Mutter. — Thu nun, was Du willſt — ich ſage kein Wort mehr!
Biſt Du fertig?
Ja.
Nun ſprich nicht eher wieder, bis ich Dich frage.
O ich will nichts — gar kein Wort will ich ſagen.
Noch beſſer. Das Amt hat Dir alſo die Heirath recht nahe gelegt?
Ja. Nahe — ganz nahe.
Nun, eben darum liegt mir die Sache weit, weit — ganz weit.
Nun da haben wirs! Warum denn? Sag, warum?
Sieh, mein Kind, was man ſo unter dem Preiſe weggiebt, pflegt kein gangbarer Artikel mehr zu ſein.
Was? — Mamſell Kordelchen —
Kurz, iſt ein alter Ladenhuͤter.
Wollte nicht der — hm — der — was war er — unter den Kuͤraßierern — — und hernach der Ober - bereiter von — von Dings da! Wollten die ſie nicht alle beide heiraten?
Sie haben es gewollt, als ſie auf dem Amt - hof logirten. Du lieber Himmel! was wollen ſolche25 Herren nicht, wenn ſie freie Tafel ſpuͤren! Hernach ſind ſie weggeritten und haben es vergeſſen. Kurz — es geht ihr mit ihren Liebhabern, wie uns mit unſerm Roͤhrwaſſer — ſie bleiben aus. Zum Nothbedarf iſt mein Sohn uͤberall zu gut. Zum Nothbedarf fuͤr eine Gaunersfamilie nun vollends.
Gott bewahre! was das fuͤr Reden ſind!
Verplaudre ich da wieder meinen Mor - gen mit Dir. — Es iſt uͤberhaupt noch zu fruͤh fuͤr ihn — der Junge ſoll gar noch nicht heiraten. Punctum.
Und die ſchoͤne Doppelmariage, die das gege - ben haͤtte, wenn Monſ. Zeck Riekchen geheiratet haͤtte!
Iſt das nicht ein Kreuz mit den Weibern! Sind ſie iung — ſo laſſen ſie ſich freien; und iſt die Rechnung geſchloſſen, ſo haben ſie die Wuth, andre zu verfreien. Nun nun — nur nicht boͤſe! Du biſt ſonſt ein kreuzbraves Weib, fromm — redlich — — wie ich ſage, kreuzbrav — bis auf den alten Weiberverſtand und die Liebe zu den harten Thalern — kreuzbrav!
Die harten Thaler? Ja wenn ich nicht ge - weſen waͤre! Bei Dir wuͤrde es ja heiſſen:
„ Alles verzehrt vor ſeinem End, „ Macht ein — —
„ Macht ein richtiges Teſtament.
Aber zum guten Gluͤck habe ich meine Paar tauſend —
Thaler zuſammengeſpart. — Ich bitte Dich, ſchweig von dem Geldkapittel, ſonſt —
Ich ſollte nur nicht ſo Acht —
Hoͤre ich will —
Wenn Du nur gekonnt haͤtteſt, wie Du —
So hoͤre doch!
Was?
Wie viel willſt Du haben? Ich kaufe Dir das ab, was Du noch haſt ſprechen wollen! Ja?
Guten Morgen, Herr Oberfoͤrſter, guten Morgen Frau —
Je — guten Morgen.
Guten Morgen, guten Morgen Herr Schulz! Ei, Er iſt ia gar zu rar geworden. Ich glaube, in vier - zehn Tagen iſt Er nicht hier geweſen. Das iſt nicht huͤbſch, weiß Er das wohl? Nicht nachbarlich. Man muß ſeine alten Freunde nicht vergeſſen, man muß —
Seine alten Freunde zum Worte kommen laſſen. Geh in Deine Kuͤche! Wir werden zu ſprechen haben — nicht wahr?
Gut, gut. Ich gehe.
Ehe Er weggeht, koͤmmt Er doch einen Au - genblick zu mir herein. Nicht wahr? Ich will Ihm er - zaͤlen, wie —
Tauſend Sapperment!
Nun nun — Herr Iſegrimm, ich gehe ja ſchon.
Nun! Was Neues, Herr Schulz?
Hm! Neues genug; aber — leider Gottes nichts Gutes!
Wie ſo? Was iſt —
Was wirds ſein? die alte Leier. — Unſer Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut uͤber die Ohren.
Was ſolls geben?
Nun — „ die Gemeinde haͤtte ſo ſtarke „ Ausgaben — es ginge dies Jahr ſo viel auf “— Das muß nun freilich der Herr Amtmann am beſten wiſſen, denn er hat die Kaſſe „ Damit er nun28 „ dem allen vorſtehen koͤnnte: ſo ſollte aus dem „ Gemeindewald fuͤr tauſend Thaler Holz gehauen „ werden. “
Es iſt nicht moͤglich!
Was ich Ihnen ſage.
Fuͤr tauſend Thaler?
Je nun — es giebt einen lackirten Wagen.
Je, da ſoll ja den Amtmann das — — — Nun, nun — ich muß doch auch mit dabei ſein, muß doch ſo ein kleines Woͤrtchen mit dazu ſprechen.
Sie ſind brav. Gott vergelt's Ihnen, was Sie ſchon an uns gethan haben! Aber hierin koͤnnen Sie uns nicht helfen. Es geſchieht gewiß, was der Amtmann will.
Nichts. Ich mache meine Vorſtellung da - gegen. Der ganze Wald wuͤrde ja verdorben! — Es iſt nicht moͤglich! Weiß Er was? — Ich gehe ſelbſt in die Stadt — ich uͤbergebe die Vorſtellung den Herren ſelbſt.
In die Stadt? Herr Oberfoͤrſter — Nein!
Warum nicht?
Sehen Sie, wenn wir in der Stadt kla - gen, ſo meint der Herr dies, der andre das. Endlich wird einer ausgeſucht, der ſoll nun daruͤber ſprechen. 29Der Eine? — Gott bewahre uns in Gnaden! der rei - ſet das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. — Nun kriegt auch wohl wieder ein anderer daruͤber zu ſprechen. Wir gehen hin, und wieder her, ſuchen, betteln, es koſtet uns ſchweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. — — Ehe wir es uns verſehen, koͤmmt ein Beſcheid: „ Wegen Widerſpenſtigkeit hiermit ab und zur „ Ruhe verwieſen. “
Der Amtmann laͤßt ihn publiciren — haut uns den Wald vor der Naſe weg — faͤhrt mit Frau und Kindern ins Bad — und am Ende koſtet es zwei tauſend Thaler.
Er thut dem Dinge zu viel. Es giebt red - liche Maͤnner in der Stadt, und ich will ihnen Alles ſo unter die Augen legen, daß ſie ſich der Sache wohl ſol - len annehmen muͤſſen.
Hoho — habe all mein Leben gehoͤrt — „ Keine Kraͤhe hackt der andern die Augen aus. Die Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt ſo gleichſam zum Heiratsgut mitgebracht: der giebt nun am rechten Orte Steuern und Gaben — drum fraͤgt ihn kein Menſch, wie er es mit uns treibt. — Warum wollten Sie Sich Feinde machen? Laſſen Sie es gehen, wies geht!
Ehrlich und grade durch; damit halte ich es.
Ganz gut — aber —
Ueberhaupt ſuche und fordre ich von den Leu - ten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts wegen mein iſt. Wollen ſie mir das nicht geben; ſteh - len ſie mir mein Verdienſt aus der Taſche: Nun — ſie moͤgen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem Wege. Es hat mir denn doch auch ſchon wohlgethan, mich — ſchlecht und recht, vor ſo einem Kerl hinzuſtel - len und ihn ſcharf ins Auge zu faſſen. — Mit dem Rothwerden hatte es ſich nun wohl! Aber, was ihnen auch das Gewiſſen ſagte; ſie machten ſo wunderliche Geberden, und ſahen ſo albern dabei aus — daß ich all ihre Schaͤze fuͤr ſolche Augenblicke nicht haben moͤgte.
Ja — da denk 'ich eben an etwas. Neu - lich — es moͤgen ein acht Tage ſein — begegnete ich dem Amtmann, wie er — es war in aller Fruͤhe — von einer Leiche kam. Da ſah er nun ganz unſcheinbar und graͤm - lich aus. Hm! — dachte ich ſo bei mir ſelbſt — es iſt doch was gar Bedenkliches um das lezte Ende! Man ſei geweſen, wer man wolle — da faͤllt einem alles haarklein bei. — Hm — dachte ich dann ſo weiter — wenn dem Amtmann einmal ſo alles beifaͤllt! — Herr31 Oberfoͤrſter — ich moͤgte dann nicht um und neben ihm ſein — ich denke, es muͤſte nicht gut mit ihm ſtehen —
Herr Schulz — ich hoffe zu Gott, um die Stunde ſolls mir uns beiden einmal ganz ſtill abgehen.
Ich hoffs auch. Adieu!
Es bleibt beim Alten.
Es bleibt beim Alten! Nun will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen.
Da — da bring 'ich Dir Dein Riekchen, mein Goldmaͤdchen.
(ſie umarmen ſich.)
Maͤdchen!
Lieber alter Vater!
Maͤdchen, wo koͤmmſt Du ſo fruͤh her?
Ach — bin ich nun wirklich wieder da?
Gewachſen, einen ganzen Kopf gewachſen. Komm her, Maͤdchen, hier an der Thuͤr.
Hier iſt noch das Zeichen, wie groß Du warſt, als Du fortgingſt. Komm!
Haſt Du denn Deinen Alten wohl nicht vergeſſen?
O Gott! Koͤnnen Sie mich das fragen?
Nun Riekchen, komm! Hier an der Thuͤr ſteht es.
Bleib mit Deinem dummen Zeuge weg.
Ich bin alſo merklich gewachſen?
Ja, komm doch nur hier an die Thuͤr —
Sapperment, ich wollte, Du waͤreſt hinter der Thuͤr.
Denk nur — einen Kopf — einen ganzen Kopf, in vier Jahren!
Sag mir nur, Maͤdchen, wie es zugeht, daß Du ſo fruͤh koͤmmſt? Wir haben Dich alle erſt um Mittag erwartet.
Ich bin nicht uͤber Waldau gereiſt, und die Nacht durch gefahren.
Die Nacht —
Die Nacht? Ei Du armes Maͤdchen, Du armes Maͤdchen! — Willſt Du Kaffee? Wein? Suppe? Was willſt Du haben? Ich will gleich alles beſtellen — Warte — — hm — — wo werde ich nun den Schluͤſſel haben?
Warte nur — — —
O ich verbitte —
Ja warum nicht gar — verbitten? Bewahre! Wenn ich nur den Schluͤſſel — — alles krah - men ſie mir weg!
Es iſt wirklich unnoͤthig.
Da iſt der Schluͤſſel. „ Unnoͤthig? “das weiß ich beſſer. Wenn man ſo faͤhrt — und in der Nacht gar — die Nacht iſt Niemands Freund — man aͤngſtigt ſich — und dann die kalte Luft und nichts Warmes. — Nein, das geht nicht — Gleich ſollſt Du haben, gleich.
Daß Dich das — —
In vier langen Jahren habe ich Sie nicht geſehen und finde Sie Gottlob friſch und geſund. Meine liebe alte Mutter, die — —
Die ſpricht noch immer — die — —
Haben Sie mich noch ſo lieb, wie ſonſt?
Hm!
Wie?
Das war eine rechte — — Stadtfrage — die!
Sie ſind boͤſe und —
Riekchen, frag doch nicht ſo albern —
ſo wunderlich.
Aber —
Wenn ich boͤſe bin, ſo mag ich anders aus - ſehen, wie jezt. Wenn ich boͤſe waͤre, ſo koͤnnte ich Dich nicht leiden — und ich habe mich auf Dich ge - freuet — daß Du es nur weißt.
Haben Sie?
Das hoͤrſt Du ja.
Aber wie kann ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das Weib anfaͤngt zu ſprechen — dann iſt alles aus — dann —
Rechnen Sie ihr das nicht an — ſie liebt mich — ich kam ſo ploͤzlich — es iſt nun einmal ihre Art ſo. —
Wetter noch einmal! — das aͤrgert mich eben — das —! — Wie lange biſt Du gefahren?
Funfzehn Stunden.
Mit Madam Schmidt?
Ja. — Was macht Vetter Anton?
Alles Gutes.
Er iſt auf der Jagd?
Ja.
Wohl ſchon ſeit geſtern?
Haſt Du Schulden gemacht in der Stadt?
Schulden? — Lieber Vater — — ein Maͤdchen — ich?
Nun, nun — wer weiß? das Weſen an Euch koſtet Viel — und — und —
Ich habe mich immer nach meiner Lage gerichtet, und nie vergeſſen, daß ich ohne Ihre Vater - guͤte nicht leben koͤnnte — —
Wie viel hat Dir die Alte monatlich ge - ſchickt?
O lieber Vater, nie kann ich ihr verdan - ken, was ſie mehr als Mutter an mir gethan hat.
Da — nimm das.
Wie? ich —
Nun ſo nimms ins Kuckuks Nahmen!
In dem Augenblick — Kaum ſo viel Gutes emfangen — und nun ſchon — — —
Ich gebe von Herzen, oder ich laß es blei - ben. — Nun zierſt Du Dich doch, als —
O wenn Sie das glaͤuben? So — —
Nein — nun nicht. Es iſt wenig — es iſt, was ich bei mir habe und entbehren kann. Ich dachte Dir Freude zu machen — — —
Beſter Vater!
Nun aber waͤre es grade ſo, als wenn ich einen Konto abfertigte, und Dein Knix ſagte: Zu Danke bezahlt. — Ein andermal — ein andermal.
Eine Freude, die ich mir ausgedacht hatte, iſt mir auch verdorben, weil der Poſtknecht von der lezten Station ſo langſam fuhr. Ich wollte recht fruͤh kommen — ich wollte vor Ihrer Thuͤr warten und wenn Sie „ Matthes! “gerufen haͤtten — ſo waͤre ich gekommen und haͤtte Ihnen das Fruͤhſtuͤck gebracht.
Haſt Du das gewollt? — Laß Dich kuͤſſen, Maͤdchen. — Der dumme Poſtillon! Ja das war huͤbſch ausgedacht. Ich mag ſo was wohl leiden. So was iſt Dir immer recht gut gerathen. — Eſel von einem Fuhrmann — der! — Hm! Du haſt es doch immer recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch auf Dich gefreuet, wie auf meine wirkliche Tochter. — Sieh, ich fange an ſtumpf zu werden — der Junge iſt toll und wild, und macht mich manchmal recht graͤm - lich — meine Alte, die kann auch nicht mehr ſo fort, wiewohl ehedem — — und dann — — Nun — Gott37 ſei Dank, daß Du wieder da biſt! Nun kannſt Du mir wieder was vorleſen, oder wir gehen ſpazieren — Du erzaͤlſt mir was aus der Stadt, ſingſt mir was vor — ſo geht allgemach die Zeit gut hin — bis es einmal bricht.
O das ich es nie erlebte! Nie, nie, niemals —
Haha! biſt nicht klug, Maͤdchen. — Einmal muͤſſen wir alle dran.
Hier iſt Suppe und Kaffee, was Du nun willſt — was Du willſt. Und da — da habe ich ein Jaͤckchen, das Du vor vier Jahren trugſt — daran ſieht man es ganz deutlich, daß Du gewachſen biſt. O ich habe ſo eine Freude, daß Du gewachſen biſt! Ich wollte — ja ich wollte — —
Daß Dir das Maul zuwuͤchſe!
Ja, damit waͤre Dir uͤbel ge - rathen.
Mein liebes Kind, wenn —
Wir wollen ihm nachgehen. Was mei - nen Sie? nicht wahr?
Nicht doch, Kind! Dableiben. Nicht nach - gehen.
Ich moͤgte gern jeden Augenblick unter Ihnen Beiden theilen — —
Das wollen wir hernach. Jezt laß ihn —
Aber —
Ei was. Wer ſich um jedes Geſicht be - kuͤmmern wollte, das einem die Maͤnner machen — und vollends Der! Der iſt noch eben ſo, wie er ſonſt war. Ja, was habe ich mir nicht fuͤr Muͤhe gegeben, den Mann zur Raiſon zu bringen — aber da iſt Hopfen und Malz verlohren. Ja was Haͤnschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Gelaͤrmt gebrummt, geſchimpft, geflucht, turbirt, von fruͤh — bis in die ſinkende Nacht. Da iſt kein Ende und kein Anfang. — Nun — trink ein Taͤßchen, ſchenk Dir ein.
Sorgen Sie nicht — ich werde mich nicht vergeſſen.
Oder nimm Suppe — was Du willſt — wie Du willſt.
Ich will denn doch lieber zuſehen, wo er geblieben iſt, daß er mir nicht etwa gar ausgeht.
Anton — Anton! Du willſt mich lieben, und gehſt fort, da ich komme? Er muß boͤſe auf mich ſein; — gewiß, gewiß! — ſonſt waͤre er hier. Indeß, auf gleich - guͤltige Dinge zuͤrnt man ia nicht — alſo liebt er mich doch! Anton! lieber viel Zorn, als Kaͤlte.
Wo mag er doch ſein? Gewiß trabt er drauſ - ſen im Garten herum und brummt. — Noch nicht ge - trunken? Ja, heutiges Tages hungern ſich die Maͤdchen die Schwindſucht an den Hals, um nur die Taille nicht zu verderben.
Nun Kind, wie ſtehts? Hat der Abſchied von der Stadt Dir viele Thraͤnen gekoſtet?
O nein! mit freudigem Herzen eilte ich hieher.
Kind, Kind verſtelle Dich nicht. Die vie - len huͤbſchen iungen Herren — Vier Jahr in der StadtC 440— ein huͤbſches Maͤdchen — mach mir nicht weiß, daß Du keinen Liebhaber gehabt haͤtteſt, ich bitte Dich; mach mir das nicht weiß.
Nun — wenn auch einige mir verſichert haͤtten, daß — daß — liebe Mutter, ich laſſe keinen Liebhaber zuruͤck.
Dein Herz iſt alſo noch frei?
Ich ſage Ihnen, daß ich die Stadt gern verlaſſen habe.
Brav, brav. Du ſollſt hier ein Partiechen thun — Nun ſeht doch? Feuerroth uͤber und uͤber. Der iunge Musie Zeck — was ſagſt Du dazu? Und Anton — heirathet Mamſell Kordelchen — da iſt Vie - ren geholfen. Gelt? Ja, mein liebes Kind, das habe ich auf dem Amte ſo gut, als richtig gemacht.
So?
Und meinen Alten? Sorge nicht, den bringe ich auch noch herum.
Will der nicht?
Durchaus nicht.
Man muß ihm wohl ſeinen Willen laſ - ſen — das Widerſprechen macht ihn boͤſe.
Das will ich auch nicht. Du ſollſt ihn darauf bringen.
Wie? ich?
Sollſt mir ihn bereden helfen.
Das wird ſich wohl nicht ſchicken —
Und, liebes Kind — wenn Du heiratheſt — nur gleich auf die Autoritaͤt gehalten! Auf die Auto - ritaͤt gehalten! ſonſt geht Dir es ſo, wie mir.
Gott machte mich recht gluͤcklich, wenn ich einſt in ſo einer Ehe lebte, wie Sie —
Hm — mein liebes Kind! Eheſtand iſt Weheſtand —
— indeß —
Sie ſind ſehr gluͤcklich. In der Stadt habe ich ſo wenig gute Ehen geſehen, daß ich nur vor dem Wort „ Heirath “zittre. Der gute Vater! Er liebt Sie ſo herzlich.
Ja ia, das iſt wahr. Das muß man ſagen. Alles was Recht iſt — das thut er.
Er wuͤrde ohne Sie nicht leben koͤnnen.
I nun — ich — wenn ich — es aͤrgert mich nur, daß er ſo ein Brummbaͤr iſt — aber ich halte doch große Stuͤcke auf ihn.
Ja wohl, das weiß ich.
Wenn er mannichmal Abends von der Jagd koͤmmt, und ſeinen Huſten kriegt, ſo wird es mir rechtC 542aͤngſtlich. Er war neulich einmal ein bischen krank — nun, ſo meinte ich doch nicht anders, als das ganze Dorf waͤre mir zu enge! — Wenn er nur ein Paar Tage uͤber Feld muß — und Mittags iſt ſein Plaz leer — oder ich ſeh ihn Abends unter der Linde ſein Pfeifchen nicht rauchen: ſo iſt mir ganz wunderlich zu Muthe. Ich gehe im Dorfe zu dieſem und ienem — die Leute ſind auch alle recht nachbarlich und gut. — Da iſt auch wohl der Schulz gekommen. Nun, lieber Gott — es iſt ein guter Mann, der Schulz, ein braver Mann! Aber es iſt doch mein Alter nicht — nein, es iſt mein Alter nicht.
— Der Herr ſchickt mich aus dem Garten — ich ſollte die Frau fragen, ob ſie nun nach der Thuͤr geſehen haͤtte? ſollte ich ſagen.
Ja, ia — ich haͤtte darnach geſehen.
Nun aber doch zur Kurioſitaͤt, komm einmal her an die Thuͤr.
Richtig, einen Kopf biſt Du gewachſen — einen ganzen Kopf. Aber uͤber den Anton wirſt Du Dich wundern — der iſt lang — maͤchtig in die Hoͤhe geſchoſſen!
Es ſoll ein ſchoͤner Mann geworden ſein.
Kind, ſag das nicht, daß es ſein Vater hoͤrt; denn wenn ich ſage: „ Es iſt ein Mann, er43 „ muß heirathen! “ſo ſagt er: „ Es iſt ein Bube, „ er ſolls bleiben laſſen. “
So — darum —
Nun ſieh, mein Goldmaͤdchen, das iſt es ja eben, was ich ſage. Darum iſt ja alle Tage der ewige Zank. Ich ſage ihm auf die beſte Art von der Welt, daß er Unrecht hat; aber was hilfts? Er glaubt es nicht.
Er wird freilich einwenden —
Wunderliches Zeug: „ das Maͤdchen waͤre ungluͤcklich, die den Jungen jezt kriegte; er muͤſte erſt ausbrauſen; das hieße ein armes Weib betruͤgen und was es mehr iſt. Ei — mit meinem Anton denke ich keine zu betruͤgen. Es verkauft ſich gewiß keine an ihm. Manche Jungfer aus der Stadt wuͤrde zufrieden mit ihm ſein.
Haſt Du nichts in der Kuͤche zu thun?
Ei — Der Bratenwender geht ohne mich.
Aber Deine Toͤpfe, Frau — Deine Toͤpfe?
Haben alle Feuer.
Nun — Du magſt dableiben. Auf Treue und Glauben, daß Du ſtill ſein willſt. Riekchen! — ich habe mir vorgenommen, dieſen Mittag eine kleine froͤhliche Tiſchgeſellſchaft zu bitten. Du ſollſt ſie aus - ſuchen. — Im Hauſe ſind — Du — hier die Stumme, ich und Anton. Wen willſt Du noch haben?
Da ich waͤhlen darf — Erſtlich, Ihr lie - ber Pfarrer —
Gut — brav! der ſizt bei mir. Oder — ja, ſo ſolls ſein. Du in der Mitte, wir beide an Deiner Seite.
Ei, wo denkſt Du hin? — das geht ja nun und nimmermehr an.
Pſt — Oder — — Weiter!
Zwar ja. Der Amtmann kann bei mir ſizzen — und die Amtmannin — —
Was giebts?
Nun?
Was giebts mit dem Amtmann? Was ſoll der hier? —
Nun — ich will doch hoffen, daß Du den mit herbitten laͤßt!
Donner und Wetter! —
O lieber Vater, ſein Sie nicht boͤſe!
Kind, den mußt Du wahrhaftig bitten!
Ich mag nicht.
Aber Kind, bedenk doch —
Ich will nicht.
Warum denn nicht?
Das Eſſen ſchmeckt mir nicht — der Wein widerſteht mir — ich kann nicht froh ſein, wo das Volk iſt!
Ach Du mein Himmel! das giebt einen ſchrecklichen Lerm.
Das ganze Dorf weiß, daß wir uns auf den Tag gefreuet haben, — daß wir Gaͤſte bitten woll - ten. Bitten wir die nicht: ſo iſt ja die pure klare Feind - ſchaft angekuͤndigt — hm — — Riekchen! hm!
Ich bitte niemand zum Eſſen, um ungeſund nach Hauſe zu gehen; noch weniger glaube ich, jemand damit eine Ehre zu erzeigen. Es ſind gute Freunde, denen ich Gelegenheit geben will, mit mir froh zu ſein. Ich bin kein Freund vom Amtmann. Das kann ich ihm nicht bergen, und mag es ihm nicht bergen. Sind wir an einem Tiſch, und ein Glas Wein hat mich froh ge - macht, ſo ſpreche ich, was ich denke — was ich denke. Und der Mann, der nach einem Glaſe Wein noch ver - ſtecken kann, was er denkt — iſt mein Mann nicht.
Ei man muß mit jedermann in Frie - den leben.
Thun Sie es doch nur diesmal.
Das wird ein Aufſehen geben! Und am Ende kaͤme es gar auf das arme Maͤdchen. Dann ſieht es aus, als wenn die Schuld an dem Hader waͤre. — Nun thu es doch — einmal iſt ja nicht immer.
Entſchließen Sie Sich; einmal iſt ja nicht immer.
Hm — ja. Ich wills thun. Aber, wenn ſie mir grade gegenuͤber, oder dicht an der Seite zu ſizzen kommen: ſo gehe ich davon, und eſſe im Hirſch.
Alſo ſollen ſie gebeten werden?
Ja. Aber hahaha! Du wirſt ſehen, es waͤre beſſer, ich haͤtte es bleiben laſſen. — Ich bitte mir nun auch noch einen guten Freund dazu.
Wen denn?
Den Schulzen.
Ei bewahre! das iſt ja gegen den Reſpekt.
Entweder der Amtmann und der Schulz, oder keiner von beiden.
Nun — meinetwegen.
Das waͤre alſo richtig. Jezt tummle Dich. Und Du, Riekchen — da ſind die Schluͤſſel — geh heute zum erſtenmale wieder in den Keller und hole uns einen Trunk.
Ach, das ſind die Schluͤſſel, die — ach —
Maͤdchen, biſt Du naͤrriſch? Ich glaube gar, Du weinſt?
Wie ich die Schluͤſſel wieder ſehe, faͤllt mir ſo manches dabei ein. — Sie gaben ſie mir alle Mittage ſelbſt; der Wein, ſagten Sie, ſchmeckte Ihnen nicht, wenn ich ihn nicht geholt haͤtte. Nur wenn Sie boͤſe waren, bekam ich ſie nicht. Lieber Vater, beſter Vater, ich verſpreche Ihnen, Sie werden ſie mir alle Mittage geben.
Auf die ſchwoͤre ich, die Stadt hat ſie mir nicht verdorben.
Gewiß nicht.
Meinen Hut.
Laß or - dentlich auftragen. Adieu! ich muß ausreiten, Holz48 anweiſen. — Schlag zehn Uhr bin ich wieder da. Sie ſoll nur einerlei Wein hergeben — vom beſten! Hoͤrſt Du? nur einerlei!
Adieu!
Alter?
Was iſt?
Biſt Du noch graͤmlich? Ja?
Ich weiß nicht.
Du ſollſt nicht fort, bis Du gut biſt. Man muß nicht in Groll ſcheiden. Es iſt gar bald um einen Menſchen gethan.
Mit Deinem einfaͤltigen Groll! Auf den Amtmann habe ich Groll. Adieu.
Plaudertaſche.
Gehab Dich wohl, Alter.
Vergiß nicht zehn Uhr — Schlag zehn Uhr.
Euer Abkehren mag Euch wenig werth ſein, mein guter Freund! da ſieht es noch bunt aus. Geht geſchwind in die große Stube, heizt dort; man friert ſonſt, daß es nicht auszuhalten iſt.
Hoͤrt — nun ſo lauft doch nicht immer fort — wartet, bis man ausgeredet hat. Die Stuͤhle wohl abgekehrt — die Fenſter auch — daß kein Staͤubchen wo zu finden iſt! ich verlaſſe mich darauf.
Liegt doch auch Alles auf mir! — Das iſt eine Laſt! Ich bin recht froh, daß das Maͤdchen endlich einmal wiedergekommen iſt.
Guten Morgen, Frau Ober - foͤrſterin.
Meine wehrteſte Mademoiſell — — ich — ich ſchaͤme mich wahrhaftig, daß ich noch nicht recht angezogen bin.
Laſſen Sie's gut ſein. Sie wiſſen, ich bin nicht von Cerimonien und ſelbſt noch nicht ange - kleidet. — Wo iſt denn Monſieur Anton?
Den hat mir der Alte wieder fortgeſchickt.
Apropos — — Ich muß Ihnen doch ſagen, wenn die Mariage zu Stande koͤmmt, ſo will mein Vater, durch eine ſichre Konnexion in der Stadt, Ihrem Anton einen der erſten Dienſte im Jagddeparte - ment verſchaffen.
Meinem Anton? Was Sie ſagen!
Nur muß Ihr Mann meinen Vater in ſeinem Geſchaͤfte machen laſſen und ihm nicht immer widerſprechen. Sorgen Sie huͤbſch dafuͤr, Mama — hoͤren Sie?
Ja liebes Mamſellchen, dabei kann ich nichts thun. Mein Kommando geht nicht weiter, als von der Kuͤche in den Krautgarten. Wenn ich mannichmal ſo in andre Sachen rede — ſo ſieht er ſich nur um! dann weiß ich gleich, was die Glocke geſchlagen hat. Ei, glauben Sie denn, daß ich nur fuͤr meine Kuͤche51 Wildpret haben koͤnnte, wenn ich wollte? Nichts — es thaͤte oft Noth, ich kaufte welches.
Der Mann thut ſich mit ſeinem rau - hen Weſen vielen Schaden — großen Schaden!
Ich weiß wohl, aber — — Kind! ich darf nur nicht ſprechen. Mein Alter iſt gar zu wun - derlich.
Der Krug geht ſo lange zu Waſſer, bis er bricht — Warlich — es koͤnnte ihm einmal uͤbel bekommen.
Das ſollte ich denn doch nicht meinen. Alle Welt hat ihn lieb. In allen rechten Dingen iſt er Niemanden hinderlich, laͤßt ſichs auch ſauer werden bei ſeiner Arbeit; das werden der Herr Amtmann wohl ſelbſt wiſſen.
Mannichmal aber —
Nun — man muß Geduld haben. Zeit und Stunde iſt bei dem Menſchen nicht gleich; wir wollen ja alle auch alt werden! Wenn Sie ſo was ſehen, Kind, ſo reden Sie doch zum Beſten. Ich thue das auch, ſo viel ich kann — ſchuͤtte Waſſer ins Feuer, wo ich es ſehe. Es iſt beſſer, denke ich, er brummt ſich bei mir aus, als bei andern — Ach — wenn ich ihn nur noch lange brummen hoͤre!
Dieſen Abend iſt Ball bei uns — ich freue mich recht darauf. Ich habe Luſt zu tanzen. Ich bin heute recht dazu aufgelegt. — Daß Herr Anton uns nur nicht wieder ſo fruͤh wegſchleicht. Was giebt es denn ſonſt Neues?
Neues? Apropos — meine Nichte iſt heute aus der Stadt zuruͤckgekommen —
Heute? Iſt denn heute der ſechſte?
Freilich. Heute hat ſie ja kommen ſollen. Sie iſt Gottlob! friſch und geſund.
Das freuet mich — ich bin ihr recht gut.
Es iſt recht ſchlechtes Wetter. Der Herr Foͤrſter werden ſchlechte Jagd haben. Es iſt ſo neblicht, daß man kaum die Hand vor den Augen ſieht.
Das ſagte ich auch; aber wie der Alte nun iſt — Anton mußte mit Tagesanbruch fort.
Iſt ſie huͤbſch?
Friedrikchen?
Ja.
Huͤbſch? Ja, huͤbſch will gar viel ſagen — aber ſie iſt ein artiges Maͤdchen.
Es iſt mir ſehr lieb, daß ſie wieder hier iſt. — Sie hat in der Stadt ſingen gelernt?
Das weiß ich wirklich nicht.
Sie ſingt, ich weiß es gewiß, ganz ge - wiß. Fraͤulein von Rechennauer hat mir davon ge - ſchrieben.
So muß ſie es fuͤr ſich gelernt haben; wir haben nichts dafuͤr bezahlt.
Aber ihr Klavierſpielen ſoll beſſer, viel beſſer ſein, als ihr Geſang.
Noch beſſer? Was Sie ſagen! O erzaͤlen Sie mir doch noch mehr — ich hoͤre gar zu gern Gutes von dem Maͤdchen.
Was iſt denn aus ihrer Figur gewor - den? Sie war ein kleines Ding, als ſie nach der Stadt geſchickt wurde. Iſt ſie gewachſen?
Denken Sie nur — einen ganzen Kopf beinahe.
Nun nun — warum nicht —
Sie werden ſehen.
O ich glaube es gern. Was ich ſagen wollte — — — ſie kann ja dieſen Abend auf unſern Ball geſchickt werden; denn vermutlich wird ſie auch wohl tanzen?
O ja — ſcharmant tanzt ſie — Madam Schmidt hat es geſagt — ſcharmant!
Fuͤr ein Maͤdchen von ſolchem Stande iſt ſie doch faſt zu vornehm erzogen.
Sie verlohr ihre armen Eltern fruͤh. Ich bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war ſie ge - lehrig und brav; mein Mann hatte denn ſo ſeine Freude an ihr — darum haben wir gethan, was wir konnten, ohne uns weh zu thun. Sie iſt uͤbrigens beſcheiden und gut — und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus.
Das iſt auch das Allerbeſte. Daher riethe ich auch — doch ohne Ihnen vorzugreifen — ſie ließe die Stadtkuͤnſte hier weg. Solche Dinge gehoͤren in keine Landhaushaltung. Tan - zen? — Je nun — Sonntags wohl, aber ſonſt wahr - haftig nicht. Das Singen ſollten Sie ihr als unan - ſtaͤndig verbieten —
Ei, das Haus iſt groß — die Kehle iſt ihr. Wird es mir zu viel — ſo ziehe ich die Stubenthuͤr zu. Meine Buchfinken ſchreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht hoͤre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir muͤſſen Menſchen und Vieh luſtig ſein; ſonſt ſind ſie krank, oder haben ein boͤſes Gewiſſen.
Nur alles mit Maaß.
Ja, das verſteht ſich.
Solche Maͤdchen werden oft in der Stadt verdorben, und machen nachher ſich und ihre Maͤnner auf immer ungluͤcklich!
Man hat der Exempel, o ja.
— Wenn unter uns alles richtig iſt — ich glaube, mein Vater ſchaffte dem Matthes einen guten Dienſt — das waͤre keine unebne Parthie fuͤr Friedriken.
Ei, wo denken Sie hin? Nein. Behuͤte uns in Gnaden! Matthes war ſein Lebelang ein ſchlechter Kerl.
Bedenken Sie, was Sie ſagen! Er traͤgt jezt unſre Livree!
Kind — Huͤbſch kann einen ein Rock wohl machen; aber ehrlich nicht.
Mademoiſell — Sie ſind mir zuvorgekommen; ich wuͤrde noch heute die Ehre gehabt haben, Ihnen aufzuwarten.
Jungfer Friedrike — es iſt mir lieb, Sie wohl zu ſehen.
Ich will doch derweile einmal nach meiner Kuͤche ſehen.
Sie hat uns wohl viele neue Moden mitgebracht?
Wenig oder gar nichts.
Sie hat doch das Haubenſtecken in der Stadt gelernt?
Ja.
Nicht wahr? Sie hat bei der la Breuze gelernt?
Ja.
Ich will Ihr einige alte Hauben zum Waſchen ſchicken, wenn Sie die mit Gout wieder arran - girt; ſo ſoll Sie Flor bekommen und Deſſeins von mei - ner Erfindung, die la Breuze ſelbſt approbiren wird.
Ich zweifle nicht.
Ich will Sie honett bezahlen; ich fordre nichts umſonſt. Wie iſt denn der Schnitt vom Kleide bei der lezten Puppe aus Lion?
Ich habe keine geſehen.
Nicht einmal eine Puppe von Lion?
Ich habe keine geſehen.
Nicht einmal eine Puppe von Lion? Ei bei der Frau von Karſthauſen kommen ſie ja jaͤrlich57 zu Duzzenden an; dort haͤtte Sie — — — zwar — — dorthin iſt Sie wohl niemals gekommen.
Niemals.
Ei Kind — Sie iſt ja ſo verlegen — ſo wortkarg, ſo genirt — wie unſres Kirchvorſtehers Tochter.
Ein Gluͤck, daß ich in die Kuͤche kam. Die haͤtte mir alles Eſſen verbrannt.
Ich ſage eben zu Jungfer Friedriken: man muß Leuten von Diſtinktion mit Ehrfurcht begeg - nen — aber ohne ſich wegzuwerfen. — Man muß mit - reden.
Man ſchweigt auch mannichmal aus Ueberdruß und Langeweile.
Langeweile? Frau Oberfoͤrſterin! davon laſſen Sie uns ſprechen.
Hm! bei mir giebt es denn immer etwas zu thun. Iſt es nicht dieß, ſo iſt es das. Da geht denn die Zeit gar bald hin. So in den langen Winteraben - den wohl. Da lieſt der Alte die Zeitung, und ſchlaͤft richtig allemal dabei ein. Nun mag ich ihn denn doch nicht wecken — da ſizze ich nun freilich in meinem Sorgeſtuhl, und kucke Stunden lang den Goliath aufD 558unſerm großen Ofen an — ſonſt aber wuͤßte ich eben nichts davon zu ſagen.
Riekchen! Ach Riekchen, mein Riekchen! biſt Du da? Gott ſei Dank!
Anton, lieber Anton!
Anton! — i Anton! Was iſt das fuͤr Lebensart?
Ach Riekchen — Maͤdchen — ich bin ſo erſchrocken — ich kann — ich kann nicht ſprechen. Ich glaubte dieſen Mittag — aber Du biſt die Nacht gefahren und das freuet mich ſo — ſo!
Junge biſt Du naͤrriſch? Komm doch zu Dir! — Anton, haſt Du denn einen Trunk uͤber den Durſt gethan? Siehſt Du nicht hier, Mamſell Kor - delchen?
Gehorſamer Diener.
Ergebne Dienerin!
Dein Vater hat doch wahrhaftig Recht; je aͤlter Du wirſt, deſto laͤppiſcher wirſt Du auch. Nimms nur nicht uͤbel, Riekchen!
O gar nicht.
Das glaube ich.
Du unmannierlicher Gaſt, mach Deine Grobheit wieder gut. Gleich geh hin und ſprich ordentlich mit ihr. — Die Kinderzeit iſt vorbei. Sie hat Lebensart in der Stadt gelernt. Sei huͤbſch hoͤflich — daß unſer einer nicht mit Schanden beſteht.
Jungfer Muhme, wie befinden Sie Sich?
Recht wohl, Herr Vetter.
Ich habe entſezliche Kopfſchmerzen, Mama. — Gute Jagd gemacht, Herr Foͤrſter?
Der Junge hoͤrt und ſieht nicht. Er muß zu jaͤh aus der Kaͤlte in die Hizze ge - kommen ſein. Anton!
Was iſt, liebe Mutter?
Mamſell haben Dich gefragt, was Du ge - ſchoſſen haſt?
Eine wilde Kaze.
In der That — ich befinde mich gar nicht zum beſten!
Es wird hier zu heiß ſein; das Volk legt immer einen Wald in den Ofen. Ich will die Thuͤr aufmachen.
Gott! Nun zieht es ja, daß man kontrakt werden koͤnnte. Es wird mir immer ſchlim - mer. Herr Foͤrſter, geben Sie mir Ihren Arm — ich will verſuchen, nach Hauſe zu kommen.
Das iſt zum Gehen zu weit — viel zu weit.
I, das arme Kind!
Ich ſchicke hin, und laſſe Ihre Kutſche be - ſtellen. Rudolph! — he! Rudolph! —
Laſſen Sie nur —
Nein, der Weg iſt wahrhaftig zu weit.
Wenn ich doch nur helfen koͤnnte!
Rudolph, Rudolph!
Rudolph, lauf — lauf wie ein Bliz aufs Amt. Die Mamſell waͤre noch nicht fort — wollte fort!
Es iſt nicht noͤthig, ſage ich Ihnen.
Sie waͤre krank, die Kutſche ſollte kommen.
Ganz wohl.
Gleich kommen; gleich den Augenblick kommen.
Will ſchon treiben.
Mein Gott, Sie wer - den das ganze Amt in Aufruhr bringen!
Aber auch ſo eine ploͤzliche Krankheit!
Ich bin nicht krank! Wer ſagt denn, daß ich krank bin? Ich war nur un - paß. In die friſche Luft wollte ich; die friſche Luft haͤtte mir am beſten gethan. Ich kenne mich.
Liebe Mutter, Sie ſollten doch der Mam - ſell von Ihrem Meliſſengeiſt geben.
Mein Gott, den kann ich nicht riechen.
Meliſſengeiſt? Ja, ſo wahr ich lebe, Anton, das iſt ein kluger Einfall, ein ſcharmanter Einfall. Kommen Sie — erſt nehmen Sie von dem Meliſſen - geiſt, und dann fuͤhre ich Sie in unſer Gaͤrtchen an die friſche Luft.
Ums Himmels willen! — ich kann die ſtarken Sachen nicht vertragen.
Ja mein gutes Kind! ſtark oder ſchwach, danach wird bei der Medizin nicht gefragt. O mit dem Meliſſengeiſt habe ich viele Leute kurirt. Unſre Magd, Kathrine —
Ich erſticke vor Wuth!
Sie werden wieder ſchwach? Kommen Sie heraus — Kommen Sie.
Kathrine — Kathrine — he! Meliſ - ſengeiſt, geſchwind Meliſſengeiſt! — Wie gehts, Kind, wie gehts?
Gott Lob, daß ſie fort iſt!
Du biſt etwas rauh mit ihr geweſen.
Ich haͤtte es keine Minute laͤnger mit ihr ausgehalten.
Sie hat mir viel Sorgen um Dich gemacht
Riekchen!
und mir ihr Bru - der um Dich. Er hat Dir wieder geſchrieben?
Woher weißt Du das?
Durch Matthes, der ſeit heute dort dient.
Dient er dort? Nun iſt mir es begreif - lich, warum mich der Menſch immer mit Briefen und Geſchenken von dort her aͤngſtete. Ich nahm keines — aber den lezten Brief hielt er mir offen vors Geſicht Dich wollte ich ſchonen — ich kenne Deinen Argwohn — alſo gab ich gar keine Antwort, und reiſte die Nacht durch, um ihm nicht zu begegnen.
Das dachte ich gleich, wie ich Dich ſo fruͤh fand. Habe Dank. — Alſo Herr Matthes hat Dir die Briefe gebracht?
Der Menſch hat mir manche boͤſe Stunde gemacht mit Nachrichten von Dir. Gott vergebe es ihm!
Was hat er Dir denn von mir geſagt?
Hm! — Es kann nicht wahr ſein. Du liebſt mich — alles iſt vorbei, und ich bin herzlich zu - frieden, da ich wieder bei Dir bin.
Wenn ich den Kerl treffe, ſo iſt er un - gluͤcklich!
Nicht doch. Laß ihn laufen. Ach ich bin ohnehin ſo unruhig — er hat uͤberall in der Stadt ſchreckliche Drohungen gegen Dich ausgeſtoßen! Geh ihm aus dem Wege — geh nicht allein — ich bitte Dich.
Was koͤnnte es denn geben?
Ich bin ſo angſt — ich weiß, der Kerl iſt zu jedem Bubenſtuͤck faͤhig. Der alte Friz, den er vom Amte weggelogen hat, war vorhin bei mir und winſelte ſchrecklich. — Ich gab ihm ein Allmoſen — Er ſagte, ich ſollte Dich ja vor dem boͤſen Matthes warnen.
Nun — laß Matthes, Matthes ſein, und laß uns von unſrer Liebe ſprechen.
Nein, Anton — nicht eher, als bis Du mir verſprichſt, daß Du keine Haͤndel mit ihm anfan - gen willſt. Verſprichſt Du mirs?
Nun ja.
Nicht ſo. — Feſt, gewiß — ernſtlich und —
Auf mein Wort! — Ich will ruhig ſein. Ei Maͤdchen, mein Leben iſt mir zwanzig mahl lieber, als ſonſt, da Du es ſo lieb haſt.
Wirſt Du mich immer lieben?
Warhaftig!
Ich weiß nicht, wie es zugeht, ſonſt war mir leichter zu Muthe; aber jezt bin ich mannichmal ſo traurig, daß ichs nicht genug ſagen kann — Dann fal - len mir Dinge ein! Dinge! O es waͤre hart, wenn etwas davon wahr werden ſollte.
Was iſt es? — ſag es mir. — Wenn Du mir gut biſt: ſo ſagſt Du es.
Es iſt Nichts, wirſt Du ſagen; aber mich quaͤlt es gewaltig. Ich habe Dich nun ſo herzlich lieb — ich denke auf Nichts, als wie ich Dich ſo gluͤcklich machen ſoll, als ich armes Maͤdchen kann. Ich habe deswegen manches in der Stadt gelernt, um Dir nicht langweilig zu ſein — — Ich weiß — das iſt es nicht, was ich ſagen ſollte — aber es gehoͤrt doch dazu — und dann —
Anton.Du weinſt? — iſt es denn ſo traurig, was noch nachkoͤmmt? Weine nicht. Wenn Du weineſt, ſo thut mir es in der Seele weh! Nun ſprich — —
Anton — Deine Eltern ſind dreißig Jahre verheirathet und leben heute noch ſo gluͤcklich, als am erſten Tage ihrer Heirath. So oft ich ſie anſehe, denke ich, ob wir wohl auch ſo gluͤcklich — und ſo lange gluͤcklich ſein werden? Anton — mein ganzes Leben iſt in Dir. Waͤre es moͤglich, daß Du einmal mich weni - ger liebteſt, als heute? — Wenn ich Eltern haͤtte, ſie wuͤrden Dich an meiner Stelle fragen. Nun bin ich eine Waiſe, und mein Leben iſt in Deiner Hand. Waͤre es moͤglich — ſo laß uns gleich abbrechen. Es wird mir das Leben koſten, das weiß ich; aber ich ſterbe doch ſanfter, als wenn — — —
Ach Anton!
Riekchen — Riekchen, ſieh mich an!
Gott weiß, es iſt kein Falſch in mir.
Haſt Du Dich gepruͤft, ob es wirklich Liebe iſt, was — — —
Ich habe mich nicht gepruͤft. Das iſt nicht noͤthig. Als Du nicht hier warſt, da war mir Nichts lieb, immer war ich verdrießlich. Nun Du wieder hierE66biſt, gefaͤllt mir wieder Alles, iſt mirs uͤberall wohl. Das macht, weil ich Dich liebe. Warum ſollte ſich das aber aͤndern? Sieh — ich koͤnnte Dir ja theure Eide ſchwoͤren, aber ich glaube, Dir waͤre dabei nicht beſſer. Einem ehrlichen Mann iſt ſein Wort heilig. Ein Mann, der einem Weibe ſein Wort bricht, iſt doppelt ſchaͤndlich!
Anton! — So — ſo hoͤre ich Dich gern.
Dazu ſind wir auf dem Lande, und koͤnnen eine gottloſe Ehe nicht mit der Mode verbergen. Nein — ich habe wenig, vornehm bin ich nicht, es kann auch ſein, daß ich das Pulver wohl nicht erfaͤnde — aber ſo viel geſunden Sinn, als man fuͤrs Haus braucht, traue ich mir zu — und das hier —
da gebe ich keinem Menſchen auf der Welt etwas nach! — So ſtehts. Nun frage ich Dich ordentlich — Riekchen, willſt Du mich heirathen?
Deine Eltern — —
Die wollen wir heute noch fragen. — Nun und Du?
Frag Deine Eltern!
Dank — Riekchen. Mein kuͤnftiges gutes Weib, der ich treu bin bis in den Tod! Dank, tauſend Dank!
Aber lieber Anton, Du muſt nun auch gut werden. Du biſt ſo wild — — —
Ich wild? — bewahre Gott! Da haben ſie Dir was weiß gemacht.
Wenn ich nur an Deine Briefe denke! ſtand doch faſt in iedem: — wenn das nicht geſchieht, ſo gehe ich fort und werde Soldat. Wenn Du mir das nach zwei Jahren einmal ſagteſt!
O ia — ſo bald Du mir untreu wirſt.
Und dann muſt Du auch nicht ſo auf - fahren. Man lebt dabei in tauſend Aengſten. Die Jaͤger ſind ohnehin ein wildes ungeſtuͤmes Volk.
Riekchen, halt die Jaͤger in Ehren, ſonſt koͤmmſt Du nicht gut weg.
Es iſt wahr, es kann kein gutes Haar an Euch ſein. Alle Tage quaͤlt und mordet Ihr das arme Vieh.
Gelt, das hat Dir ein Stadtpatron geſagt. So ein Kerl, der den ganzen Tag hinter dem Ofen hockt, mit haut gouts und Liqueurs das Blut verbrennt und aus verſchrumpftem Herzen mit dem Gaͤnſekiel die Menſchen quaͤlt? — Nein. Kein ehrlicher Kerl quaͤlt das Vieh. Alle Tage gehen wir hinaus, leben in fri - ſcher Luft. Das giebt friſches Blut und ein geſundesE 268Herz! Wenn ich dann ſo Abends nach Hauſe komme, froͤlich und guter Dinge, und bringe Dir einen Braten in Deine Kuͤche, und fordre einen Kuß — wirſt Du mir ihn verweigern?
Ich kuͤſſe keinen Moͤrder.
Guten Morgen, Kinder.
Guten Morgen, lieber Herr Paſtor.
Herzlich wieder willkommen bei uns, liebe Tochter!
Wie Sie in Ihren Jahren doch noch ſo wohl ausſehen!
Ja? meinen Sie?
So recht heiter.
Je nun — Gott Lob! Sorgen habe ich nicht — uͤberdem bin ich gern an dem Orte —
Jedermann liebt Sie, wie einen Vater —
Nun ſo muß ich ia wohl froh und geſund ſein. Der Herr Oberfoͤrſter — —
Er iſt ausgeritten, Holz anzuweiſen.
Mein Beſuch gilt ihm nicht. Ich bin eigentlich gekommen, Friedrikchen zu ſehen. Liebe Tochter, wir haben die guten Nachrichten von Ihnen allemal zuſammen geleſen, und es freuet mich recht, daß Sie ſo gut geworden ſind.
Wuͤrdiger Mann — Sie nehmen noch ſo vielen Antheil an mir, ungeachtet —
Ungeachtet? Kind — errathe ich, was Sie ſagen wollten — ſo haben Sie mich betruͤbt.
Wie ſo?
Ungeachtet wir verſchiedner Religion ſind; — nicht wahr, das wollten Sie ſagen?
Dann muͤſte ich Sie nicht kennen, wenn ich es auch nur gedacht haͤtte. Ungeachtet meiner langen Entfernung, wollte ich ſagen.
Ich halte mich fuͤr den beſondern Freund eines jeden aus dieſem Orte; der Kummer und die Freude eines jeden gehen mich nahe mit an. Was thut Entfernung zur Sache? Wo mein Rath, meine Huͤlfe nicht hinreichen, hoͤren doch meine guten Wuͤnſche nicht auf.
Das iſt gewiß, das weiß ich. Aber den Dank, den Sie dafuͤr verdienen — —
Wollte ich meine Pflicht bloß auf die Zeit meines unmittelbaren Unterrichts, meine Liebe allein auf meine Gemeinde einſchraͤnken — O Kind — ſo waͤre ich ein armer Mann — mit einem engen, engen Herzen.
Ja, Sie nehmen Antheil an uns — wir erkennen es. Es iſt Niemand unter uns, deſſen Herz Ihnen nicht offen ſtuͤnde, der Sie nicht wie einen Vater liebte! Ach, ich bin nicht der Lezte unter dieſen, Sie wiſſen es.
Ja, mein Sohn.
Ich hatte ein Geheimniß vor Ihnen — aber jezt will ich mich Ihnen anvertrauen. Es iſt die wich - tigſte Angelegenheit meines Lebens — Sie werden mir helfen. Ich liebe Friedriken — ſie liebt mich. Meine Eltern ſind gut; aber ſie koͤnnten dagegen ſein, andre Abſichten haben — und ich kann, ich kann keine an - dere lieben; und Riekchen niemanden, als mich — ſie hat es geſagt. Wir waͤren Beide ungluͤcklich! Sprechen Sie fuͤr uns — ſagen Sie ihnen das, und machen Sie ein gluͤckliches Paar!
Ihr liebt Euch?
Ja.
Und Sie, liebes Kind?
Ich vereinige meine Bitten mit den ſei - nigen.
Sollte aber das Zutrauen des Sohnes nicht zuerſt den Eltern gebuͤhren?
Nun, ich habe ja dieſes Zutrauen auch.
Iſt das gut, wenn der Vater in dem wich - tigſten Vorfall des Lebens die Wuͤnſche und den Gehor - ſam des Sohnes durch einen Fremden erfaͤhrt?
Iſt es denn ein Fremder, den ich darum bitte?
Nun ich will davon ſprechen — ſo bald ich Ihren Vater ſehe — heute noch.
Das iſt mein Vater — ich kenne ihn am Gange. Reden Sie jezt mit ihm. Ob Du dableibſt? — Nein — geh mit — Komm! Oder — doch ja, geh mit.
Nun, vergeſſen Sie es nicht — ich kann nicht leben ohne das Maͤdchen. Sehen Sie, die Thraͤnen kommen mir aus den Augen — es iſt wahrhaftig wahr. Komm, Riekchen.
Guter, ehrlicher Anton!
Nur gleich beſorgt! —
Ich will denn ſchon weiter ſorgen, wie — — Ei, ſieh da! Willkommen Herr Paſtor! Sie haben gewiß das Maͤdchen beſucht?
Ja. Freude, innige Freude habe ich an Ihrer guten Bildung.
Nicht wahr? Ja das Maͤdchen iſt brav!
Nun meine Frau wird Ihnen ja wohl geſagt haben — — Sie ſind unſer Gaſt dieſen Mittag.
Noch hat ſie mich nicht geſehen. Ich danke indeß fuͤr die Einladung.
Alſo Sie kommen?
Ja.
Brav, brav ſo! Wir wollen recht vergnuͤgt ſein, denke ich.
Es iſt mir lieb, Sie bei ſo guter Laune zu finden. Ich habe denn wieder ſo dieſes und jenes Anliegen an Sie.
An mich? Wie — warum — wie? —
Sie ſollten es doch ſchon gewohnt ſein, daß ich immer fuͤr jemanden bettle, wenn ich komme —
Nun was iſt es? — Was ich helfen kann —
Der alte Friz, der ſchon bei dem vorigen Amtmann — — — der ſchon dreißig Jahre auf dem Amte iſt, hat geſtern ſeinen Abſchied bekommen.
Das iſt ſchlecht vom Amtmann. Einen Hund ſchaffe ich nicht ab, wenn er auch noch ſo alt iſt, wenn er auch kein Glied mehr ruͤhren kann; und der Amt - mann — Pfui!
Was mir leid thut: man iſt von allem Ihrem Geſinde des Guten ſo gewohnt, und Ihr Mat - thes hat durch boshafte, tuͤckiſche Streiche den Mann vom Amte weggebracht.
Nun, der Matthes entlaͤuft ſeinem Galgen nicht. Da hat es —
Der arme alte Mann hat die kranke Frau — die vielen Kinder! Es iſt denn doch ein ſchreckliches Schickſal — In ſeiner Jugend — Huſar, faſt zum Kruͤppel gehauen und keine Penſion — auf ſeine alten Tage auch aus dem Dienſte noch verabſchiedet! Er ſoll wie verzweifelnd im Orte herumgehen.
Armer, armer Teufel!
Wenn man ihn nur erſt den Winter durch - braͤchte. — Ich habe darum eine kleine Kollekte ver - anſtaltet — —
Das lohne Ihnen Gott! Ich will denn das Meinige auch dazu geben. — Hm — Wer bald giebt, giebt doppelt. Das hier — habe ich Riekchen geben wollen, dort waͤre es auch gut geweſen; aber hier thut es Noth! Da —
Das iſt viel.
Der Winter iſt hart.
Es iſt wirklich viel. Lieber weniger Geld und etwas Holz.
Das Holz gehoͤrt dem Fuͤrſten; das Geld iſt mein. — Nun — was giebt es denn ſonſt Neues?
Neues? Je nun — noch eine Bittſchrift an Sie.
Bittſchrift?
Muͤndliche Vorſtellung durch mich.
Von wem?
Von Ihrem Sohn.
Was will er?
— Heirathen. —
Hoho!
Ein Maͤdchen, das er herzlich liebt, und die ihn wieder liebt.
Herr Pfarrer — wen er will — wer es ſei — nur Mamſell Kordel vom Amte nicht. Wenn es die iſt — ſo —
Nein — es iſt Riekchen.
Ja? warhaftig? Es iſt nicht moͤglich! Hat der Junge das Maͤdchen lieb? Und ſie —
Sie ihn nicht minder.
Topp! die ſoll er haben — nur verſteht ſich — noch nicht. Aber die ſoll er haben. Ei — wenn hat er Ihnen denn das geſagt?
Vor wenig Minuten.
Da wollen wir ihn gleich rufen.
Zwar nein, — das geht nicht ſo. — Hol - laho! da haͤtte ich was Schoͤnes angeſtellt!
Wie ſo?
Ei — hahaha, ich muß doch meine Haus - ehre mit in den Rath ziehen.
Jawohl, iawohl.
Heda — Rudolph! — he!
Herr Oberfoͤrſter!
Meine Frau ſoll kommen.
Ja wenn wir das vergeſſen haͤtten, Herr Pfarrer — der offenbare Krieg waͤre angegangen. Und beim Licht beſe - hen — gilt ia ihr Wort dabei ſo viel, als meines.
Richtig.
Ueber den Blizjungen! Nun das iſt noch der geſcheuteſte Streich, den er in ſeinem Leben gemacht hat. — Dafuͤr hat er Kredit bei mir.
Anton iſt gut.
Aber wild — wild wie der Teufel. Zwei runde Jahre muß es mit der Heirath doch noch anſte - hen, wenn es gut gehen ſoll.
Dazu rathe ich nicht, denn — — —
Was giebts? doch kein Schaden, kein Ungluͤck? Dienerinn von Ihnen — Eben habe ich hingeſchickt, habe mir die Ehre ausbitten laſſen, auf dieſ — — —
Beſtellt und angenommen.
Danke vielmals. Nun was ſoll ich — warum bin ich gerufen?
Du kannſt Dir was zu Gute thun: Du biſt gerufen, um Rath zu geben — das iſt Dir denn doch lange nicht begegnet.
Nun warlich, dann muß guter Rath theuer ſein!
Richtig. Darum ſuchen wir ihn wohl - feiler.
Nur geſchwind, denn ich muß in meine Kuͤche — was ſolls geben?
Sieh, Du biſt eine kluge Frau, aber mit Antonen — haſt Du Dich gewaltig verrechnet.
Verrechnet? — Mit Antonen? Wie ſo? worinn? Wenn ich mich in dem irre: ſo ſind alle Menſchen falſch.
Der Irrthum entſteht oft durch unſer Ver - ſchulden.
Nein — fuͤr meinen Anton ſtehe ich; der denkt nichts, was ich nicht wuͤßte. Fuͤr den ſtehe ich.
Man kann fuͤr Niemand ſtehen und —
in gewiſſen Faͤllen gar nicht.
Laſſen Sie mich. Ich habe es ſo in der Art, ihr Fragartikel aufzuſezzen. Die beantwortet ſie ſchar - mant. Am Ende ſind wir immer Beide einig. — „ Nicht „ wahr — wenn Anton ein Maͤdchen liebte; ſo muͤßteſt „ Du es gemerkt haben?
Richtig. Das behaupte ich.
Nun — das behaupte ich auch. „ Wenn er „ heirathen wollte: ſo muͤſte er es Dir am erſten ſagen —
Dabei bleibe ich noch.
Gut. „ Er wird Dir es auch am „ erſten ſagen?
O das — das behaupte ich.
Das behaupte ich nicht! Der Junge ſoll heirathen; das will er auch. So weit iſt die Sache richtig. Er ſoll Mamſell Kordelchen heirathen? die will er nicht — er will eine andre heirathen. Sieh, da haſt Du Dich verrechnet, darum zerreiß Dein Exempel — es iſt falſch. Hahaha!
— Was? —
Ja, ja.
Anton heirathen! Nun warhaftig das muß er klug gemacht haben —
Weil Du es nicht gemerkt haſt? Ja, der Kluͤgſte kann ſich irren.
Nun nun — erlebt man nicht Dinge! Je — wen denn?
Ihre Friedrike.
Was?
Nein!
Aber nun geht mir erſt ein Licht auf! Vorhin wie — und da —! Aber wo habe ich denn die Augen gehabt? Nein, das iſt zu toll! So was iſt mir all mein Tage nicht begegnet!
Was denn?
Denken Sie nur — — — nein, es iſt wirklich zu arg.
Was war es denn?
Es iſt noch nicht lange her — Mamſell Kor - delchen war da — Koͤmmt der Junge von der Jagd — — da ſtand ich; hier wo Du ſtehſt, Mamſell Kor - delchen; und dort, wo der Herr Paſtor ſteht, ſtand Riekchen.
Und — wo ſtandeſt Du?
Hier — —
Nun nur weiter.
Koͤmmt er von der Jagd — rennt auf das Maͤdchen zu, grade zu, grade zu. Ich alterire mich, daß der Junge ſo grob iſt, ſage, er ſoll doch huͤbſch ſein Kom - pliment machen und manierlich ſein — nun, ſo ſteht er doch leibhaftig da, wie ein Stock! Ja — nun, auf die Art — —
Biſt Du alſo nun dahinter gekommen? Nun ſag uns Deine Meinung von der Sache.
Meine Meinung?
Ja, — — Riekchen iſt ein gutes Kind, ein braves Maͤdchen, das ich wie meine Tochter liebe, die uns keine Schande machen wuͤrde, die —
„ Aber “— Spann den Hahn nicht ſo lange, ſchieß ab!
Aber ſie hat denn doch auch gar nichts. — — Erſtlich: Man muß bedenken —
Weib! Zaͤhle doch die Gluͤckſeligkeit nicht immer nach harten Thalern.
Aber ohne Geld lebt es ſich doch einmal nicht.
Tauſend Sapperment!
Liebe Frau, in Heirathsſachen iſt ſchwer zu rathen. Ich vermeide es ſo gar, darum befragt zu wer - den. Aber wenn der Fall ſo klar iſt, wie hier — kann man es ohne Anſtand. Wenn Sie daher ſonſt kein Hinderniß wiſſen — —
Als wir uns heiratheten, waren wir arm — nun, wir ſind noch nicht reich — aber wenn uns nun jemand, der harten Thaler wegen haͤtte von einander jagen wollen? he?
Das mag alles gut ſein. Aber — ich muß mich uͤber Dich wundern, daß Du an Nichts denkſt. — Verſtehſt Du mich?
Nein.
Wir koͤnnen dieſe Heirath vor unſerm Gewiſſen nicht verantworten.
Ober.Weswegen nicht?
Da Riekchen andrer Religion iſt, als An - ton; ſo duͤrfen die Beiden nimmermehr —
O Weib, Du — das haͤtte ich — Weib! — Herr — jezt iſt die Reihe an Ihnen.
Nein, das geht nicht. Alles Liebes und Gu - tes; aber das — Nun und nimmer nicht!
Haben Sie keine Einwendung gegen dieſe Heirath, als daß Riekchen nicht unſerer Religion iſt?
Nein. Sonſt keine.
Auch keinen Widerwillen, keine Abneigung irgend einer Art?
Nein.
So ſind Sie verbunden, dieſe Heirath zu - zugeben.
Was? Das ſagen Sie mir?
Ich. Es iſt Ihre Pflicht.
Sie ſind unſer Herr Paſtor, und ſollten ſich dawider ſezzen; Ihre Pflicht fordert —
Meine Pflicht iſt, Gluͤkſeligkeit befoͤrdern, Duldung verbreiten — nicht verfolgen.
Verfolgen? Ei behuͤte Gott, das ſage ich nicht, das denke ich nicht einmal. Machen Sie mich doch nicht zu ſo einem gottloſen Weibe! Ich wuͤnſche aller Welt Gutes — ich verfolge ſie ja nicht.
Menſchengluͤck hindern — iſt das nicht verfolgen?
Ach, Herr Paſtor — ich waͤre ja recht gluͤcklich, wenn ich es zugeben koͤnnte. Aber mein Ge - wiſſen — mein Gewiſſen darf ich doch auch nicht verlezzen.
Sie glauben, dieſe andre Religion wuͤrde Ihren Kindern ein ungluͤckliches Leben machen?
Ja, das glaube ich. Das glaube ich und dabei bleibe ich.
Hat Friedrike Sie geehrt, geliebt wie eine Mutter?
Ja, das muß ich bezeugen. — Sie iſt ein dankbares Kind.
Iſt ſie ſanft, gut — wohlthaͤtig?
O ja. Ja, das iſt ſie.
Iſt ſie aufrichtig — fromm — ſittſam?
Das iſt ſie warhaftig. Aber — —
Nun, dann beruhigen Sie Ihr Gewiſſen. Eine Religion, die dieſe Tugenden lehrt, macht auch das Leben nicht ungluͤcklich — Geben Sie die Heirath zu.
Wenn ich auch wollte — nein, ich kann es wahrhaftig nicht zugeben — ich kann nicht.
Gute Frau — veraltetes Vorurtheil iſt nicht Gewiſſen. Wer Eigenſinn Religion nennt, ver - ſuͤndigt ſich.
Verſuͤndigen —
Auf Alles, was Elternliebe thun kann, haben Sie ihr einmal Anſpruch gegeben. Sie koͤnnen ſie jezt ganz gluͤcklich machen — und wollen es nicht. Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirath — ſo muß Friedrike aus dem Hauſe.
Wenn es dahin kommen ſollte — ſo ſoll es ihr doch an nichts fehlen.
An nichts fehlen? — O wir ſind arme Menſchen, wenn man uns das Beduͤrfnis unſres Her - zens nimmt! Ihr Sohn? — der junge Menſch iſt hef - tig, — Sie entreiſſen ihm ein tugendhaftes Maͤdchen, das er innig liebt. Sie ſind eine gute Mutter. Woll - ten Sie alles das auf Ihr Gewiſſen nehmen, wozu hef - tiger Schmerz den Juͤngling verleiten koͤnnte?
Ach Gott, wie quaͤlen Sie mich!
Nun, muthig im Guten — Ihr Herz be - halte die Oberhand, da die Vernunft ihm ſagt, daß man Gott nicht ehrt, wenn man Menſchengluͤck vernichtet.
Es thut mir leid — es zerreißt mir das Herz, ich weine vor Angſt. Aber man muß ſeine Schul - digkeit thun, ohne Menſchenfurcht, Herr Paſtor — ohne Menſchenfurcht. Sie aber haͤtte ich fuͤr viel zu brav ge - halten, als daß Sie ſich von dem neumodiſchen Leicht - ſin haͤtten hinreiſſen laſſen.
Neumodiſch? — Menſchenliebe iſt ſo alt, als die Religion. — Nun meine lezte Vorſtellung. Sie ſind alt — Ihr Sohn kann dieſe Heirath verſchie - ben — wollen Sie ihn zwingen, von dem Tage Ihres Todes an ſein Gluͤck zu rechnen?
Will er ſo gottlos ſein — Gott mag es ihm vergeben! — ich kann nicht anders.
O Vorurtheil! ſtaͤrker als Mutterliebe fuͤr den einzigen Sohn — biſt du ſo Herr uͤber die beſſeren Menſchen? Was kann man vom Haufen erwarten! Sie laſſen mich bekuͤmmert von hier gehen. — Nur das ſage ich Ihnen noch — ehren Sie dieſe verderbliche Beharrlichkeit nicht mit dem Na - men: Religionseifer. Jener iſt erhaben und mild; was Sie aͤußern, iſt Groll gegen Menſchen, die — —85 nicht glauben, wie wir glauben. Meiner Vernunft und meinem Herzen bleibt hier nichts uͤbrig, als der Wunſch — Beſſerung.
Iſt ſie zur Vernunft ge - kommen?
Sie wird ſich beſinnen — ich hoffe es.
Ich will keine Friedensſtoͤrerin ſein — in Gottes Namen — thue was Du willſt; aber laß mich bei meiner Meinung.
Nein. Du ſollſt was beſſers meinen. Das iſt unchriſtlich, gottlos — heidniſch!
Gelaſſen, lieber Mann, gelaſſen!
Nein — dabei bin ich nicht gelaſſen. Waͤre ich es, ſo ſollten Sie keinen Schuß Pulver auf mich geben!
Ihr weiches Herz wird die Oberhand be - halten.
Ihre geſunde Vernunft ſoll die Oberhand behalten. Duldung iſt Religion; die bitte ich nicht von ihr, die fordre ich. Die mehrſten Weiber, die inF 386den Kirchen viel heulen, ſind boshaft auſſer der Kirche. Treibſt Du mich ſo weit, daß ich Dich dafuͤr halte: — ſieh — ſo lange wir auch zuſammen gelebt haben — ich — — — ſcheiden laß ich mich! Jezt geh hinaus und beſinne Dich eines beßeren!
Gott weiß — ich bin nicht boshaft! Ich wuͤnſche aller Welt Gutes; aber ich kann mich nicht uͤberzeugen, daß das ſein darf. Warum werde ich nun daruͤber ſo gequaͤlt? Ach wer mir das vor einer Stunde geſagt haͤtte —
Jezt geh — laͤnger taugen wir nichts zu - ſammen. Geh fort.
Ach ich ungluͤckliches Weib.
Nun — was ſagen Sie? Wie gefaͤllt Ihnen das?
Ich gebe noch nichts auf — und wenn ſie erſt die Kinder ſelbſt ſpricht —
Sie ſoll ſie nicht ſehen — ſie ſoll nicht aus Mitleiden gut ſein; gut, weil es gut iſt: oder ich habe keinen Reſpekt vor ihr. Solchen boshaften Un - verſtand leide ich nicht! — Wenn ich nur die beiden87 jungen Leute aus dem Hauſe haͤtte! Ich ſchaͤme mich, wenn ſie es merken: denn — —
Nun, Vater?
Wer hat Dich gerufen?
O ſagen Sie mir nur mit einem Worte.
Geh an Deine Arbeit, es iſt hier nichts fuͤr Dich zu thun.
Nichts zu thun? — Vater: Um Gottes willen.
Geh Deiner Wege.
Die Mutter weint und antwortet nicht. — Nichts zu thun? — O Herr Paſtor, Sie — —
Nur ruhig — es kann vielleicht noch werden.
Ich ungluͤcklicher Menſch! — O Du armes Maͤdchen!
Geh hin auf das Amt und bitte den Amt - mann, die Amtmannin, die Tochter und den Sohn zum Mittagseſſen. Dann geh und — —
Vater, das kann ich nicht.
Warum nicht?
Vater, ich kanns wahrhaftig nicht!
Du gehſt gleich hin.
Alles in der Welt, nur nicht aufs Amt, nur jezt nicht aufs Amt.
Schicken Sie Rudolfen hin.
Er ſoll hin.
Mit rothen Augen? Dem Jungen zum Spott? Nein — und ſollte ich niemals wieder ins Haus kommen und ſollte es mein groͤßtes Ungluͤck wer - den, und ſollte mein Leben darauf ſtehen! Aufs Amt kann ich nicht gehen und Riekchen laſſe ich nicht — Vater! Ich laſſe ſie wahrhaftig nicht.
Junge, laß Dich nicht wieder vor mir ſehen.
Gut, ich wills. Es ſoll geſchehen. Sie machen mich ungluͤcklich, Riekchen dazu, verſtoßen uns — gut ich gehe — Adieu Vater — ich gehe.
Beßter Mann! Sie waren zu hart.
Ich weiß nicht, was ich thue; ſolcher Dinge bin ich nicht gewohnt. Uebrigens mag er aufs Amt gehen — er mag es bleiben laſſen; nur fort ſoll er. 89Ich kann es nicht leiden, wenn Kinder die Fehler ihrer Eltern ſehen — und vollends ſolche Fehler. —
O lieber Vater, was iſt das?
Was?
Anton kam heraus, kuͤßte mich dreimal, die Thraͤnen ſtuͤrzten ihm aus den Augen, er riß den Hut von der Wand, und ſtuͤrzte zum Hauſe hinaus.
Teufelskind! — Riekchen geh oben hinauf, bis ich Dich rufe, und ſei ganz ruhig. — Hoͤrſt Du? — ganz ruhig.
Aber —
Ganz ruhig. Es wird ſchon werden.
Mir iſt wunderlich zu Sinne!
Freund! Ich will mit Eifer arbeiten.
Bringen Sie alles wieder ins Gleiſe. Aber bald — Mir iſt bange ums Herz. Das ertrage ich nicht lange — Ich greife durch — da geht mirs dennF 590mannichmal zu geſchwinde von der Hand. Ich haͤtte es denn gern ſo mit Ehre und Frieden — Nun — Sie thun nichts halb. — Sie werden es ſchon machen mit dem Weibe — Ich gehe aus dem Hauſe.
Laß uns den Irrenden ſanft zurecht weiſen.
Adieu.
Gott befohlen.
Baͤrbel, Baͤrbel!
Ja, Mutter, gleich.
Tummle Dich, ſage ich.
Da bin ich — was wollt Ihr?
Schwenk die Glaͤſer; ſie kommen bald. — Ruͤhr Dich!
Nun — wer wird denn kommen, als der alte lahme Gerichtsſchreiber?
Nein, die Bauern kommen auch.
Guten Tag, Frau Wirthin!
Guten Tag, Herr Gerichts - ſchreiber.
Es iſt moͤrderlich kalt. Einen Trunk, Jungfer Baͤrbel.
Was giebts denn heute? He?
Ich will in Sachen des Kappe contra Romann erkennen.
Recht lieblich — in der ſchweren Kaͤlte recht erſprießlich.
In der Kam - pagne von Anno 45 am Rheine, wo ich bei Dettingen ſo ſchwer am Fuß bleſſirt ward — —
Hahaha.
Was lacht Sie?
Der alte Quartiermeiſter von Remrein, war neulich hier bei uns, und — hahaha.
Lebt er noch, der ehrliche Schlag? Kenne ihn genau, iſt mein alter Special, habe neben ihm manche Kugel ſauſen hoͤren — ich!
Nun ja — Da kamen wir auf Ihn zu ſprechen. „ Iſt der Kerl bei Euch Gerichtsſchreiber “? ſagte er — „ Nun, ſagte er — aber lieber Herr Ge - richtsſchreiber, Er muß nicht boͤſe werden, denn ich ſage es in allen Ehren — ja, ſagte er, — „ das war ein durchtriebner Spizbube “.
Wie — da? hm brr — hm.
Ein durchtriebner Spizbube. Da wollte ich Ihn verdefendiren und auf Seine Kampagne kom - men — ſo ſagte er — „ Er waͤre allemal zuerſt ausge riſſen “. Wie ich nun von der Bleſſur ſprach, wovon Er uns alle Abend erzaͤhlt; ſagte der Quartiermeiſter — „ Er haͤtte den Bauern Huͤhner ſtehlen wollen, und „ waͤre erwiſcht. Auf der Flucht waͤre Er in eine Senſe „ gefallen, davon kaͤme das kurze Bein. “
Hoͤre man doch ums Himmels willen die Schwaͤnke an! Das will Sie gehoͤrt haben?
Ja, ja.
Der Quartiermeiſter iſt — — Apro - pos! Iſt er noch hier?
Nein, er iſt fort.
Der iſt recht ſchlecht. Das ſage ich. Die Bleſſur habe ich bekommen in der Bataille bei Dettingen. Wie der Feind auf uns anruͤckte; ſo — —
— Stand Er auf der Batterie mit funf - zig andern. Da kam der Herzog von Kumberland auf dem Schimmel geritten. Ihr Kinder, ſchrie der Her - zog, deckt die Bataille! da liefen ihrer neun und vier - zig fort, aber Er blieb ſtehen, und ſo kam eine Kugel und ſtreifte Ihn; aber Er blieb nun noch acht Tage liegen —
Alles richtig.
Nun man wirds denn am Ende doch wiſſen; Er erzaͤlts ja alle Abend.
Nun — alſo bin ich nicht in die Senſe gefallen.
Und alſo hat Er keine Huͤhner geſtohlen.
Eine Lehre kann ich Ihr doch bei der Gelegenheit geben — Bei Leib und Leben erzaͤhle Sie ſo was Ehrenruͤhriges nicht, wenn einer Wein trinkt. Ich bin ſonſt ein moderater Mann, aber hieruͤber habe ich mich gealterirt — und wenn der Quartiermeiſter hier waͤre — ſo koͤnnte ich ihn in der Hizze und durch das Weintrinken — ich koͤnnte ihn zu Granatbißchen hauen.
Kommen heute ſpaͤt, die Bauern.
Was ſollen ſie denn auch hier thun?
Hm br hm! Haus und Hof kaufen.
Und in drei Wochen wieder verkaufen, ſo faͤllt es in Euren Beutel.
Noch eine Bouteille!
Steht ſchon zu viel angeſchrieben.
Laßt es ſtehn. Die Gemeinde muß zalen.
Das iſt nicht fein — das werde ich melden.
Frau Wirthin!
Ei was, es iſt wahr — was zu arg iſt, iſt zu arg. Man muß leben und leben laſſen. Er will die geordinirte Obrigkeit ſein — —
Nun ja.
So ſollte Er es auch huͤbſch darnach machen. Aber erſt beſchwazt und berauſcht Er die armen Leute, daß Sie ins Tages Licht hinein kaufen. Vier Wochen danach ſizt Er ihnen auf dem Halſe. Nun heißt es: Geld her! Da wird wieder gerequirirt, ver - kauft und genommen, bis ſie fort von Haus und Hof einer nach dem andern in die neue Welt ziehen.
Laß ſie ziehen — ſo giebt es Plaz.
Wenn ſie alle nach der neuen Welt gezo - gen ſind, dann kann ich mein weiſſes Roß zuſperren — gelt? Nein — bleib Er mir zu Liebe weg. Der Ge - winn iſt Suͤndengeld, ich mag ihn nicht. Wer weiß, wer weiß, warum mir mein Sohn ſo ploͤzlich geſtorben und mein Vieh ſo gefallen iſt.
Hat Euch denn der Tiſchler bezahlt? He?
Der Herr Amtmann, ſollte ein Einſe - hens haben — — aber der — —
Sagt doch, hat Euch der Tiſchler bezahlt?
Nein. Woher auch nehmen? Es giebt keine Arbeit.
Ihr ſollt Euer Geld bald kriegen.
Wovon denn?
Es iſt doch jezt eine ungeſunde Zeit — nicht wahr?
Nun ja.
Es ſterben viele Menſchen?
Ja. Aber — — —
Nun ſeht, wie ich das ausgeſtudirt habe. Da fallen wir dem Tiſchler in die Flanque — und legen Arreſt auf die Saͤrge, oder Todtenladen.
Was?
Nun und ich weiß ihrer ... drei, die alle bei ihm arbeiten laſſen, fuͤr die wird ſchon in den Kirchen gebetet. Wenn die dran glauben muͤſſen: ſo ſeid Ihr auch bezahlt.
Er will gar geſcheut ſein, aber ſein aus - geſtudirtes Weſen koͤmmt manchmal recht albern her - aus. Fuͤr unſer Dorf waͤre es recht gut, wenn Er mit dem andern Beine auch nicht gehen koͤnnte. Wenn Ihm etwa einmal nach meinen Huͤhnern geluͤſtet, ich will Ihm die Senſe zurecht legen. Und nun, Herr Gerichtsſchreiber, wenn Er noch ein bischen geſcheid iſt:ſo97ſo koͤmmt Er hier nicht wieder her, oder ich packe Ihn auf, und ſeze Ihn vor die Thuͤre.
Frau Wirthin! — Nun ich will dies - mal nichts daraus machen, weil — — wenn aber meine Herren Kollegen hier waͤren; ſo ſo — —
Guten Tag, Herr Gerichtsſchreiber!
Guten Tag, Herr Gerichtsſchreiber!
Guten Tag, Herr Gerichtsſchreiber.
Willkommen, Ihr Herren!
Er ſolls nun einmal ausmachen mit dem Handel.
Es koſtet einem jeden ſchon acht Thaler.
Wir wollen nun nicht mehr kommen.
Silentium! Ihr ſeid der Peter Kappe?
Ja.
Und Ihr?
Hans Romann.
Nachdem ſich neulich unter Euch, dem mehrbemeldeten Peter Kappe, und Euch — wie heißt Ihr?
Hans Romann. Mein Vater iſt der Kaspar Romann an der ſtumpfen Ecke.
„ Und Euch Hans Romann, ein Ha - der hat ergeben wollen —
Nein — er hat ſich nicht drein ergeben wollen, darum habe ich ihn geklopft.
Nun hoͤrt Ers doch, daß ich Recht habe?
Ihr habt nicht Recht, denn —
Herr Gerichtsſchreiber! Mit der geballten Fauſt hat er mich hier auf die Naſe geſchlagen —
Ihr wollt Euch verdeffendiren, aber —
Ihr luͤgt einmal aͤrger, als das andre.
Kappe hat Recht.
Nein, er hat nicht Recht.
Halt! — Silentium!
Ich laß mich nicht betoͤlpeln — —
Ich will Euch weiſen — —
Halt — Im Namen des hochloͤblichen Amts.
Oder ich lege Euch das Handwerk. Million Bomben Sapperment! — ich99 weiß, was Rechtens iſt!
Ich bin dabei geweſen, war vier Jahre lang Feldwebel, habe ſchwere Campagnen ge - macht, habe mir laſſen Wind um die Naſe wehen — daß Ihrs wißt! he!
Nun ja.
Ich glaubs.
Was?
Nun, Er iſt Feldwebel geweſen.
Ja der Wind hat ihm an die Naſe geweht, lieber Herr Ge - richtsſchreiber!
Als ich Anno 54 die große Glocke konvoirt habe, ſo habe ich 9 Mann gekommandirt und will Euch ſchon zur Raiſon bringen.
„ Und es hat verlauten wollen, als ob mehr gedach - „ ter Romann dem Peter Kappe die Naſe im Ge - „ ſicht habe verlaͤdiren wollen —
Kucke Er hier —
Ich habe ihn nicht geſchlagen. Ich fiel, und wollte mich halten, damit kriegte ich ſeine Naſe zu packen.
„ Und nunmehr nach genugſamer Un - „ terſuchung — —
Sein Diener, Herr Gerichtsſchreiber.
Ei — Sein Diener. Nun — auch bei dem hochloͤblichen Amt in Dienſten? Nun — gute Freundſchaft!
Topp — gute Freundſchaft! Ein Glaͤschen darauf?
Je nun — Ihm zu Liebe. Geht in Gottes Namen nach Hauſe, Ihr Leute.
Aber mein Prozeß?
Vergleicht Euch.
Wir koͤnnen uns nicht vergleichen, darum klagen wir ja.
Ihr ſollt Euch vergleichen.
Ich habe in vier Verhoͤren fuͤr einen Tha - ler Wein getrunken.
Trinkt Sonntags keinen.
In dem lezten Verhoͤr hat er allein fuͤr einen halben Thaler auf meine Rechnung geſoffen.
Da iſt der Beſcheid.
Ich will keinen.
Wenn wir uns vergleichen wollen: ſo thun wirs ohne ſeinen Beſcheid, damit kriegt Er keinen Heller.
Vergleicht Euch, oder laßt es bleiben — nehmt den Beſcheid oder laßt ihn liegen; nur zahlt die Unkoſten — 4 Reichsthaler.
Ei Gott!
Das iſt zu toll.
Darnach werden wir uns weiter umſehen.
Das hochloͤbliche Amt hat es befohlen. Wer nun noch ein Wort ſagt, koͤmmt in den Thurm!
Spizbube, Du machſt unſer Dorf ungluͤcklich.
Nun, nun — Herr — —
Spizbube noch einmal! Wenn Du was dagegen haſt — ich bin auch Soldat geweſen, und ſo alt ich bin, ſo —
Ei, lieber Herr Reinhard.
Das nehme ich nur von einem ehrlichen Kerl an.
Leidet Er das?
Und wohl noch mehr. Denn ich muß ein Beiſpiel geben. Hintennach weiß ich ſie doch ſchon wieder zu — —
Nun ſo laß ichs gelten.
An allem dem Unheil, iſt der Herr Pfarrer aus Eurem Ort ſchuld. Der macht die Leute ſo uͤberverſtaͤndig. Der Herr Oberfoͤrſter, macht es denn auch nicht beſſer —
Nun mit dem kann es ſich legen. Wenn der junge Foͤrſter Mamſell Kordel nicht nimmt: ſo kann es ihm noch wunderlich gehen. Der Amtmann hat einen langen Arm in der Stadt, und der hats ihm ge - ſchworen. Brichts da — ſo hat Er auch einen freien Ruͤcken.
Der Herr Amtmann — — die Kerls hoͤren uns doch nicht —
Bewahre, die ſind in ihrem Prozeß — —
Der Herr Amtmann laſſen mich nicht im Stich, da hats gute Wege! Nun — Sie wiſſen auch ſchon, warum. — Jezt bin ich ihm darin ſehr noͤthig.
Warum?
O jezt bluͤhet mein Weizen. Der Herr Amtmann verhaͤngt denn ſo ein Schuldenweſen103 nach dem andern — Verſteht Er? So was wird gar klug gemacht. Das Eſelsvolk zieht in die neue Welt, und — — Er verſteht ſchon —?
Nun — es leben die Landdienſte!
Wo gehts denn mit Ihm hin?
Meine erſte Arbeit. Geld in die Stadt bringen.
Ach du lieber Gott!
Was iſt — was giebts, Frau Wirthin?
Die ſprechen von uns — ſie werden doch nichts gehoͤrt haben.
Sollt's nicht meinen. Nun, Frau Wirthin, was Neues?
Armer Teufel!
Ja wohl.
Herr Matthes — Sein Dienſt mag recht gut ſein, ich will auch glauben, daß Er ihn in allen Ehren gekriegt hat; aber es iſt doch hart!
Was? Ich verſtehe Euch nicht.
Der alte Friz vom Amte war da. Du lieber Himmel, wie ſieht der Mann aus! Herr Mat - thes — nehme Ers uͤbel oder nicht — ich koͤnnte nicht in dem Rock ſtecken, den ich einem mit Gewalt vom Leibe geriſſen haͤtte.
Haltet das Maul, alte —
Nun, lieber Gott! Ich werd's nicht aͤndern. Aber man hat denn doch ein Herz. Es iſt Winterszeit — der Mann ſah ganz verkehrt aus — Er trank ein Glaͤschen, und ſuchte in den Taſchen. Ja, daß ich was von ihm genommen haͤtte! behuͤte! — ich ſchaͤmte mich der Suͤnde!
Guten Tag.
Nun, Plaz da!
Ei warum?
Ich ſizze gut.
Plaz! daß ich auch zum Feuer kann.
Wer zuerſt koͤmmt, mahlt zuerſt.
Wißt Ihr, wen Ihr vor Euch habt?
Was dem Einen recht iſt; iſt dem An - dern billig.
Schurke, nun iſt es genug.
Herr Foͤrſter!
Was er denn wohl will, ins Kuckuks Namen!
Kerl, geh aus der Stube, oder Du biſt des Todes.
Ah —
Noch ein Glas, Herr Gerichtsſchreiber!
Ich wills holen.
Laßt mich los.
Um Gottes willen, haltet ihn ab!
Laßt mich los ins Teufels Namen! Ich haue ihn zuſammen, den Hund —
Gemach — Herr Foͤrſter, beden - ken Sie, Ihr alter Vater!
Und Riekchen — und mein Verſprechen. Alter, ich will ruhig ſein. Aber ſchafft den Kerl fort. Wein, Frau Wirthin!
Lieber Herr! Sie ſind feuerroth — ſo ſchnell in die Hizze —
Wein, ſage ich —!
Aber, lieber Herr Foͤrſter —
Macht nicht ſo viel Weſens.
Nun, auf Ihre Gefahr!
Und iezt, Herr Matthes — zieh Er die Pfeife ein, und geh Er.
So bald mirs beliebt.
Ach Gott, Ihr Leute!
Elender Spizbube.
Jezt iſt mirs gele - gen. Nun waͤrme Er ſich, Monſieur.
Schurke! Ich habe Dirs lange gedacht. Aber wart, ich treffe Dich ſchon noch.
Schlechter Kerl! — Noch ein Glas!
Lieber Herr Foͤrſter, in der Hizze, auf den Aerger — es geht ia warhaftig nicht.
Gebt es doch! Wer weiß. Ihr gebt mir wohl ſo bald keines wieder —
Was ſind das fuͤr Reden?
Nun gebt her.
Fuͤr wen tragt Ihr Schwarz?
Fuͤr meinen Anton. Vorige Woche iſt er geſtorben.
Du lieber Gott!
Ich habe nur den einzigen Sohn gehabt, und er hat fort gemußt — Der Junge fehlt mir in allen Winkeln. Was hilfts? — man weint ihm nach — aber — Hin iſt hin.
Hin iſt hin!
Ob ſie mir auch wohl eine Thraͤne nachweint —
Was meinen Sie?
Hin iſt hin! — Gebt mir Papier und Feder.
Hier, da iſt — —
Mutter — ich wollte, ich laͤge ſo tief, wie Euer Anton.
Gott ſoll Sie bewahren! — So ein lieber junger Herr — haben ſo liebe Eltern; warum wollten Sie ſterben?
Nun, was giebts denn Neues bei Euch? — Die Werber ſind ja von Euch gezogen — wohin denn?
Eine kleine halbe Stunde von hier nach Graurode.
Nun, in Gottes Namen! — Noch ein Glas.
Nichts — und wenn Sie es mit Golde bezahlen wollten.
Nun, ſo lebt wohl. Adieu, Alte — Gott troͤſte Euch! — Noch eins — ſchickt doch in meinen Ort nach Weißenbach — da iſt die Fridrike wieder in unſerm Hauſe.
Ich weiß, das liebe Maͤdchen iſt dieſen Morgen hier durchgekommen — es iſt ein herzlich Ding.
Nicht wahr? Nicht wahr, Riekchen iſt gut? Nicht wahr, ihrer giebts wenige?
So ehrlich — ſo huͤbſch — ſo brav —
Das iſt gewiß.
Nun, ſo thut mir den Gefallen geht hin — ich muß uͤber Feld — und das Schreiben109 will mir nicht von der Hand — ich — ich kanns Euch ſagen, ich habe das Maͤdchen gern. Sagt ihr, ich wollte ihr bald ſchreiben — bald! — Ich —
Ach, lieber Gott!
Herr Foͤrſter, wie wird Ihnen?
Es iſt mir ſo heiß — ſo aͤngſtlich, ſo bange. Ich haͤtte doch den Wein nicht trinken ſollen.
Liebes Kind! Sie ſind doch da nicht auf uͤblem Wege?
Ich wollte bald ſchreiben — und ich wollte ſie in alle Ewigkeit nicht vergeſſen — Sie moͤgte nur nicht meinen, es gienge mir gut, recht gut.
Aber Sie kommen ja bald wieder; warum ſoll ich —
Nicht ſo bald — damit ſie ruhig iſt — thut mir die Liebe! denkt, es waͤre Euer Anton, der Euch ſo baͤte — —
Ja lieber Gott, dann wollte ich — Ja ich will es beſtellen! Und an Ihre Eltern?
Einen Gruß — ich waͤre hier durchgereiſt — ich ließe ihnen noch einmal Adieu ſagen. Hoͤrt Ihr? — Adieu an Vater und Mutter!
Mein Gott! Was iſt Ihnen? — Sie blu - ten ja aus der Naſe, Herr Foͤrſter!
Sie ſollten Riekchen gut halten — ich wollt es ihnen ewig — ewig danken — und ich wollte mich gut halten und brav werden —
und wenn ich zu ſterben kaͤme — ſo ſollten ſie Riekchen zur Erbin einſezzen, und — Mutter, Gott troͤſt Euch!
Je, wie iſt denn das? Gelaufen — gluͤht wie ein Ofen — den Wein hineingeſtuͤrzt — nach den Werbern gefragt — ich ſoll den Eltern Adieu ſagen — und ſo fort! der Teufel wird ihn doch nicht geblendet haben, daß er unter die Reuter gehen will — was? He, Baͤrbel — Baͤrbel! — Zwar, das geht nicht; er iſt ja Foͤrſter! — Indeß es iſt ein junges Blut, und wenn denen die Ratte durch den Kopf laͤuft — Freilich duͤrfen ſie ihn auch nicht annehmen — aber ſei Du Herr Foͤr - ſter, oder nicht; was das Volk einmal in den Klauen hat, giebt es nicht wieder heraus. Baͤrbel, he!
Nun, was iſt?
Geſchwind, geſchwind! Ich muß nach Weiſſenberg. Stell den Regenſchirm parat — bring mir meine ſchwarze Sammtkappe, meinen Sontagsmantel und die Klapphandſchuh. Ruͤhre Dich.
Das arme Weib!
und der gute Alte, ſie graͤmten ſich zu Tode. Gleich will ich hin — alles zugeſchloſ - ſen — bei dem Wetter wird ſo niemand ſonderlich kommen. Das Maͤdchen mag einmal haushalten.
Nun Du! Mach Deine Sachen geſcheut, hoͤrſt Du? Jedermann richtig Maaß — Niemand auf - gehalten!
Es iſt uͤber eine Stunde Weges, es iſt Winterszeit — ſchlechtes Wetter, Ihr ſolltet doch da - bleiben. —
Was Winterszeit, was ſchlechtes Wetter! die Leute haben nur den einzigen Sohn. Ach, koͤnnt ich meinen Anton wieder holen, ans Ende der Welt wollte ich laufen.
Es hat ja Zeit bis morgen.
Wie Du es verſtehſt! Man ſoll nicht war - ten bis morgen, wenn man einem Menſchen eine gute Stunde machen kann.
Aber was geht es denn Sie an?
Hoͤre, ich habe Dirs lange angemerkt, wenn Du nur einem Menſchen ein Stuͤck Brod abſchnei - den ſollſt, ſo laͤſt Du das Maul haͤngen; keinem Men - ſchen goͤnnſt Du was Gutes: aber den heimlichen Neid - hart ſollſt Du abſchaffen, oder ich will nicht geſund von der Stelle gehen! daß Du's weißt!
Sind ſie fort?
Ja. Er kann gehen.
Hats denn nichts gegeben?
Was?
So — von Stulbeinen — und blu - tigen Koͤpfen!
Bewahre uns Gott!
Nicht einmal? — O ſo habe ich die liebe Zeit davon. Wo iſt mein Glas? — ich hatte noch nicht ausgetrunken, als der Rumor angieng.
Da ſtehts.
GeDas iſt ein Kreuz! Nichts wird Inquiſitionsmaͤßig, und wenn die Karten noch ſo gut fallen. Da haͤtte ich das Leben verwettet, es wuͤrde wenigſtens ein halber Schaͤdel in Unterſuchung kommen — Nichts! Seit neun Jahren keinen erheblichen galgenmaͤßigen Malefikanten und ſeit achtzehn Jahren keine Tortur — es iſt zum Gotterbarmen! das —
Rudolph — ſeid Ihr auf dem Amte geweſen — ich weiß nicht, eſſen wir allein, oder — —
Ja. Sie kommen, nur die Frau Amt - maͤnnin nicht.
Auch gut.
Sie ſagte, unſere Hunde machten zu viel Laͤrm, ſie kriegte Kopfweh davon.
Der Herr Paſtor, wird wohl noch da ſein?
Nein. Vor einer halben Stunde iſt er weggegangen.
So?
War der junge Herr Foͤrſter nicht bei Ihnen?
Nein. — Iſt er auch in der Zeit noch nicht nach Hauſe gekommen?
Ich habe ihn mit keinem Auge geſehen.
Schickt einmal nach der fahlen Eiche. Vielleicht iſt er da. Er ſoll hereinkommen.
Ganz wohl.
Wundern ſoll mich's doch, woran ich mit der Frau ſein werde? Ob — —
Nun?
Was giebts?
Ei fahr mich nur nicht ſo an!
Sprich vernuͤnftig, oder ſchweig.
Meinetwegen — ich ſchweige.
Alter —
Hm?
Wenn ſoll denn die Hochzeit ſein?
Welche Hochzeit?
Mit Anton und Friedriken —
Biſt doch ein gutes Weib! habe Dank.
Nun nun — mach nur nicht ſo viel Aufhe - bens davon! — Ich denke, in der andern Woche wuͤrde ſichs am beſten ſchicken —
Ich habe es zwar noch verſchieben wollen — aber wenn es Dir Freude macht: lieber in dieſer Woche, als in der kuͤnftigen. — Sei nun auch wieder freundlich.
Eile mit Weile! So einen Morgen habe ich lange nicht gehabt, und ſolche Sachen haſt Du mir in Deinem Leben noch nicht geſagt.
Aber herzensgutes Weib, ſo aͤrgerlich haſt Du auch in Deinem Leben noch nicht geſprochen.
Ich heulte in der Kirche, und waͤre bos - haft zu Hauſe!
Nun, nun — was iſt denn —
Nein, nein — aus allem Auffahren mache ich mir Nichts; aber ſo was? — dann laͤuft es uͤber. Wir leben dreiſ - ſig Jahre zuſammen. Habe ich Dich in der Zeit boshaft be - truͤbt? Man muß ſeine Worte huͤbſch bedenken.
Es thut mir leid —
Und dann — von Scheidung? So gottlos haſt Du noch nie geſprochen. Unter chriſtlichen Ehe - leuten iſt ſo was nicht erhoͤrt.
Ich wollte, es waͤre nicht geſchehen; aber uͤber das Kapittel — — — ich ſehe denn ſchon, wie ich es bei Gelegenheit wieder gut mache. Nun — iſt denn nun wieder Friede?
Hm!
Deine Hand!
Du mußt mich auch dazu anſehen. So — und einen Kuß — denk, ich waͤre noch Dein Braͤuti - gam.
Es hat Dich denn doch nicht gereuet, daß Du es mit mir gewagt haſt?
Nun —
Jezt wollen wir darauf denken, den Leuten eine kleine ſtille Hochzeit zu geben.
Was? Kleine ſtille Hochzeit?
Ich denke, es iſt Dir ſo am liebſten.
Daß ich fuͤr einen Geizteufel ausgeſchrien wuͤrde! daß es hieſſe: meine Kinder waͤren mir nicht einmal ſo viel werth!
Nun, wie Du willſt.
Nein. So einen Tag erlebt man nur ein - mal, und den muß man in Ehren und Freuden zu - bringen. Alles ſoll dazu gebeten werden. Das habe ich mir ſo ausgedacht: — —
Laß hoͤren.
Hier oben ſollen des Morgens die Gaͤſte zu - ſammen kommen. Mittags iſt die Trauung, auf die Stunde, wie unſre. Nachher eſſen wir hier. Den Jaͤ - gern geben wir ein Faͤßchen Wein, Du weißt, von dem rechter Hand im Keller. Er iſt vier Jahre alt, und es iſt ein guter Wein — damit ſollen ſie unten ſein. Abends wird hier oben getanzt — und dazu ſollſt Du die beſten Muſikanten aus der Stadt kommen laſſen, die beſten! das ſage ich Dir.
Das will ich.
Unten kann ſich das Volk luſtig machen. Singen, tanzen, eſſen, was ſie wollen, wie ſie wollen. Um zehn Uhr geht Alles hinunter — bunt durch einan - der. Riekchen darf keinem den Ehrentanz abſchlagen — Keinem Bauer, keinem. Wenn ich tanze; ſo gebe ich —
Das geht ja, wie am Schnuͤrchen!
Ja. So ſoll Alles gehalten werden.
Ich glaube, Du giebſt die Heirath zu, damit Du nur Hochzeitsanſtalten machen darfſt?
Wenn ich bei ſo was nicht waͤre — Du ver - gißt Alles. Du denkſt an Nichts. Und die Kuchen, die ſollen hier im Hauſe gebacken werden, nicht etwa —
Ach jemine! Unſer Herr Amtmann und Mamſell Kordelchen.
Es ward mir wahrlich ſehr ſauer, mich loszureiſſen — aber auf Ihr Begehren habe ich denn doch nicht ermangeln wollen —
Ja meine Frau, die — — meine Frau hat
— „ Sehr ſauer? “ Sapperment!
Kommen Sie, Mama! wir gehen vor - her noch auf Ihr Zimmer.
Wie Mamſell befehlen.
Ich muß wegen der Graͤnzſtreitigkeiten mit Oberhauſen noch arbeiten, ehe ich dort hingehe —119 die Prozeßſachen hier im Ort wollen denn doch auch gefoͤrdert ſein — wie geſagt — ich muſte mich mit Muͤhe losreiſſen.
Prozeßſachen? O Herr Amtmann, kehren Sie zuruͤck, achten Sie nicht auf die Einladung — in unſerm Ort ſind viel Bettelleute durch langſame Juſtiz. Wollten Sie ihnen heute helfen? O, ſo wahr Gott iſt! dann thun Sie was Beſſers, als Braten eſſen und Wein trinken — kehren Sie zuruͤck!
Nicht doch — es kann Anſtand haben. Es hat damit nicht ſo viel Eile.
Nicht Eile? — Mordtauſend Sapperment!
Was iſt Ihnen?
Herr! dem Ludwig Grothal koſtet der Pro - zeß — der Bettel, uͤber den er herkoͤmmt, iſt 5 Tha - ler werth — koſtet ihm hundert. Das Haus iſt fuͤr die Gerichtskoſten verkauft — das Vieh wurde heraus - getrieben, indeß er auf dem Felde war. — Es war nur Vieh, aber wie ich es ſo in der Irre bruͤllen hoͤrte, ſchnitt mirs durchs Herz. Die Kinder ſind von der Gemeinde barmherzig aufgenommen. Er iſt nach Ame - rika. Um Papiere, um elende Rechtsverdrehungen iſt ein fleißiger Hausvater aus dem Vaterlande gejagt worden! Herr — wenn zu Ihren Treffen da — auchH 4120nur etliche Groſchen von jenem Vermoͤgen verwandt ſind: ſo druͤcken ſie ſchwer.
Lieber, heftiger Mann — was kann ich dabei thun? Der Schlendrian iſt alt — ich kann ihn nicht heben — man muß Geduld haben!
Wie zum Teufel! ſoll es ein ehrlicher Mann mit ſeinem Gewiſſen machen? Warheit iſt nicht War - heit. Wer klagt, wird ausgelacht. Wem der Kopf brennt uͤber einen Schurkenſtreich, iſt ein Tollkopf. Drinn hauen, ſoll man nicht. Was denn? Schwei - gen, luͤgen, unbarmherzig, feig ſein — oder mit ſtehlen und rauben, druͤber und drunter.
Mein guter Mann — das war der Welt Lauf von Anbeginn, und wirds auch wohl blei - ben bis ans Ende.
— Herr — ich glaube, Sie haben Recht.
O gewiß!
Wenn ich nicht gewiß glaubte, daß ich zu wichtigerer Urſach auf der Welt bin, als mich zu plagen und zu verweſen; daß einmal an einem andern Orte gleich gemacht wird, was hier ungleich bleibt — wenn ich das nicht mit froͤhlichem Muthe glaubte: ſo koͤnnte ich mit einem Schurken nicht drei Minuten allein ſein,121 ohne ihm eine Kugel durchs Herz zu brennen. — Wie befinden ſich der Herr Sohn und die Frau Gemahlin?
Gott ſei Dank! Recht wohl. — Wen treffe ich denn bei Ihnen dieſen Mittag — Vermuth - lich unſern Herrn Paſtor —
Ja.
Ein grundbraver Mann — er predigt die lautere Moral.
Und was er uns predigt, thut er.
Wenn er nur nicht die Grille haͤtte, ſich um das Hausweſen der Leute im Ort zu bekuͤmmern.
Warum nicht? Der Paſtor hat ſeit zwanzig Jahren mehr fuͤr uns gethan, als das Amt in dreißig.
Wie ſo?
Bei dem hochloͤblichen Amte muß man kla - gen, wenn man Huͤlfe haben will, und es hilft nicht: der gute Paſtor hilft, ehe man klagt.
Das iſt viel geſagt.
Gar nicht. Es koſtet ihm ſein Vermoͤgen. Und muß es denn immer Geld ſein, was hilft? Ich habe es all mein Tage geſehn, mit Geld iſt oft den Leuten am wenigſten gedient. Das Herz auf dem rech - ten Fleck, Vertrauen — Zuſprache, Geduld — einH 5122freundliches Geſicht — Herr! Damit kann man viel Elend geringer machen.
Ich habe wirklich in der Stadt um Zulage fuͤr den guten Pfarrer gebeten.
Das iſt brav! Er braucht ſie. Sagen Sie ihm das bei Tiſche, es wird ihm einen guten Tag machen. Nun will ich gehen, und Ihnen mein Riek - chen vorſtellen.
Der Kerl iſt mir ſo uͤberlaͤſtig an dem Orte — reif waͤre er zum Fallen, wenn nur erſt — —
Herr Amtmann —
Ah — bon jour, mein lieber Paſtor —
Weil ich Sie doch grade allein finde —
Was waͤre —
Ich habe Ihnen etwas zu ſagen, womit ich zwar bis nach Tiſche warten wollte — aber wer weiß — faͤnde der Augenblick ſich ſo — und dann mag ich auch ungern etwas, das mich druͤckt, lange gegen jemand auf dem Herzen behalten.
Ich bin ganz Ohr, mein lieber —
Eben erhalte ich aus dem Konſiſtorium den Befehl, mich zu vertheidigen — uͤber zehn Punkte zu vertheidigen, deren Sie mich angeklagt und deshalb auf meine Entfernung gedrungen haben.
Wie? — das iſt ein Irrthum!
Das iſt Ihre Unterſchrift.
Lieber Paſtor — ich — es iſt —
Habe ich Sie jemals beleidigt?
Nein — o nein — ich — die Sorge fuͤr — ich dachte —
Ich kann mich vertheidigen, und werde Ihnen meine Antwort zuſchicken. Um mich ganz wehr - loß gegen Sie zu machen — da iſt ein Billet an mich von Ihrer Gemalin, worin ſie mir 100 Rthlr. anbietet, wenn ich, im Namen der Religion, die Heirath des jungen Foͤrſters mit Friedriken hindern wollte. — Geben Sie es ihr zuruͤck.
Die gute Frau — Mißdeuten Sie das nicht — es iſt Bigotterie —
Was es ſei — es iſt wieder in Ihren Haͤnden.
Sein ſie verſichert, ich ſchaͤzze Sie — und wenn —
Das Geſpraͤch kann Ihnen nicht angenehm ſein — Laſſen Sie uns abbrechen. Nur — Sie ſagen, ich handle offen und ehrlich; vergelten Sie mir das nicht mit Boͤſem! Ich bin ein armer Mann, mit nothduͤrftigem Auskommen, gehe jedem gerne aus dem Wege und trachte nach nichts als Ruhe. Laſſen Sie mich in Friede leben — ſonſt verſuͤndigen Sie ſich.
Wenn es nun gefaͤllig waͤre — an - gerichtet iſt ſchon.
Sogleich.
Herr Amtmann, das iſt unſere Nichte Friedrike.
Ein recht artiges Kind.
Kommen Sie — am Tiſch finden Sie noch unſern Schulz. — Es kann Ihnen nicht unangenehm ſein, mit dem ehrlichen Mann ein Stuͤndchen zuzu - bringen.
Ein recht braver Mann, der Schulz! Ei, Sie haben es wohl darauf angelegt, uns ein Feſtin zu geben.
Guten Willen — froͤliche Geſichter — be - zahlte Gerichte, und im ganzen Hauſe nichts, das irgend einem Menſchen Thraͤnen gekoſtet haͤtte.
Nun — uns wohl! Niemand uͤbel!
Ge - mach, guter Freund — gemach! Wie oft ſoll man Euch das noch ſagen? Nun, gafft mich nicht an! Weiter — wie ich geſagt habe — ihr wißt ſchon. Was iſt das? — Warum bringt Ihr denn die Aepfel ſchon? Die ſollten ja hernach erſt kommen und dort hingeſtellt werden.
Das iſt ein Kreuz und ein Elend mit den Leuten!
Wir verurſachen der Frau Oberfoͤrſterin gar zu viel Muͤhe —
Gewiß nicht. Sie hat ihre Freude daran, puͤnktlich und fuͤr ihre Gaͤſte beſorgt zu ſein.
Wenn nur nicht etwa eine Birn anders liegt, als ſie ſie gelegt hat; denn ſonſt kriegen wir ſie, mit ſamt den Birnen, vor einer Stunde nicht wieder zu ſehen.
Ein herrliches ſchoͤnes Obſt hat es gegeben vorigen Herbſt! Auf dem Amthofe haben ſie auch viel Obſt gehabt — nicht wahr, Mamſell?
Papa, ſchicken Sie mir ihre Doſe, ich habe meine vergeſſen.
Dummes, einfaͤltiges Zeug! Ja wenn man nicht die Augen uͤberall ſelbſt hat, ſo — —
Nun was giebts?
Da komme ich her - unter, ſo hat der große Kerl die ſchoͤne Torte in den Sand geworfen —
Sonſt nichts?
Nun, ich denke doch —
So ſez Dich und laß es gut ſein.
Der Herr Amtmann und Mamſell werden doch ja nicht ungehalten — Auf den leeren Plaz hier — hat meine Torte kommen ſollen — aber — aber —
Die Torte iſt verungluͤckt.
Verungluͤckt?
Aber, liebes Kind! durch mich nicht; denn fertig war ſie. Aber —
Der Kerl hat ſie die Treppe herunter fallen laſſen. So — nun iſt Dein Gewiſſen befreiet.
Sie koͤnnten etwa denken, daß — —
Du nicht die beſte Koͤchin im Lande waͤ - reſt — Ja, das waͤre freilich ein Ungluͤck!
Der Herr Amtmann eſſen auch gar nicht —
O ich habe mit großem Appetit gegeſſen.
Es iſt alles recht delizieux.
Scharmant, wahrhaftig.
Frau Oberfoͤrſterin haben ſehr guten Geſchmack, eine Tafel zu arrangiren.
Ich bitte —
So ein herrlicher Tiſch und die ange - nehme Geſellſchaft —
Mein werther Herr Amtmann — eſſen Sie doch noch etwas Kuchen — ich bitte!
Bin nicht im Stande.
Ei, nur Etwas noch — ich bitte recht ſehr.
Ganz unmoͤglich, liebe Frau —
Obfſtn.Nur die Haͤlfte — ich bitte.
Alle dergleichen iſt mir zu ſchwer.
Zu ſchwer? Erlauben Sie mir, hochgeehr - teſter Herr Amtmann, der Kuchen iſt ſehr gut aufge - gangen — dafuͤr ſtehe ich. — Ohne mich zu ruͤhmen, aber gut iſt er, beſonders gut — und leicht: Sehen Sie, man koͤnnte ihn wegblaſen — er ſchmilzt auf der Zunge. Nun ich bitte —
Ei, ſo noͤthige Du und —
Nun, ich ſage kein Wort mehr.
Eſſen Sie Sich doch Ihrer Kochkunſt zu Ehren ein Fieber.
Hahaha.
Hahaha.
Gutes weiſſes Mehl haben die Frau Ober - foͤrſtern, das muß wahr ſein!
Befehlen der Herr Amtmann — —
Iſt das Glace, was —
Glas? — Glaßſcherben? Glas im Eſſen? Ei um Gottes willen! Einen andern Teller.
Nicht doch!
Peter! He, Peter! einen andern Teller.
Einen andern Teller fuͤr den Herrn Amtmann.
Sie mißver — —
Tauſend Element! da iſt nichts zu lachen! Von Glasſcherben kann man des Todes ſein auf der Stelle.
Nein, ich frage: ob das dort vor dem Schulzen Glace iſt?
Meines iſt ganz.
Ob das Gefrornes iſt, was dort vor Ihm ſteht?
Zu dienen unterthaͤnig, das iſt Kaͤſe.
So — Kaͤſe —
Iſt gefaͤllig?
Nein. Stell Er nur wieder hin. Sezze Er Sich, Schulz, Kaͤſe eſſe ich nicht.
Ich kann ihn gar nicht leiden, ich bitte, ſchicken Sie ihn fort.
Peter, nehmt weg.
Nun, munter Riekchen! munter! Du biſt ja ganz ſtumm —
Nicht doch, lieber Vater — ich bin recht munter.
Nun ja, das ſieht man.
Er wird ſchon wiederkommen.
Wo er nur ſein mag!
Wer? — Anton?
Ja.
Apropos — darauf waͤre ich denn doch auch neugierig.
Hm — wo wird er ſein —
Sie wiſſen es alſo?
Ich weiß es nicht, aber das laͤßt ſich rathen.
Nun?
Vormittags iſt ihm etwas im Kopfe herum - gegangen, daruͤber lief er fort — und nun — wird er ſeinen Zorn an einem Stuͤck Wildpret auslaſſen.
Ja ja.
Mag austoben. Ich will ihn ſchon wieder zurecht bringen, wenn er nach Hauſe koͤmmt. — Nun, Riekchen — ohne Sorgen. Es war ſo boͤſe nicht gemeint. Wunderliches Ding! Ich bringe Dir es zu auf ſeine Geſundheit.
Ja, das trinke ich mit. Er ſoll leben und ſo brav und ſo alt werden, wie ſein guter Vater!
Das ſoll er!
Dieſes Prognoſticon ſtelle ich ihm gleichfalls.
Das gebe Gott: ſo erleben wir Freude!
Was fehlt der Jungfer?
Hm — laſſen Sie ſie nur — ſie iſt ein braves Maͤdchen, aber gewaltig weich.
Gewaltig! Ja ſo ſcheint es.
Gleich kommen ihr die Thraͤnen in die Au - gen, wenn —
Sie mag wohl auch eben keinen Haß auf ihn haben, auf Mr. Anton — —
— Ich denke, die beiden ſehen ſich recht gern.
Wenns gefaͤllig waͤre — —
Herr Oberfoͤrſter —
Mit Erlaubniß — —
Ich werde nun auch wohl bald nach Hauſe muͤſſen. Meine Mutter iſt doch nicht ganz wohl —
Bedaure von Herzen, daß wir von der Ehre —
Nun, Mama! — Ich glaubte, Sie wuͤr - den mir Antwort ſagen. Wie iſt es denn?
Gleich werden wir zum Kaffee gehen, dann —
Hm — Er wird ſchon kommen!
Herr Oberfoͤrſter, mir iſt nicht gut dabei.
Ihr ſeid nicht klug.
So viel iſt ſicher, wenn es wahr iſt, daß er nach Graurode zu iſt — ſo traue ich nicht.
Was iſt von Anton? Wo iſt er?
Ich habe Rudolphen nach der fahlen Eiche ge - ſchickt; ich dachte Anton waͤre da — er iſt es aber nicht.
Nun — das hat ja nichts auf ſich.
Der Junge wird doch nicht etwa ins Un - gluͤck —
Iſt das nicht ein Geſchwaͤz!
Der Schaͤfer von Leuthal meinte, er haͤtte ihn haſtig nach Graurode zu gehen ſehen.
Nun richtig. Er wird ſich verſpaͤtet, und dort zu Mittage gegeſſen haben. — Und jezt eßt IhrJ 3134— es iſt ſchon drei Uhr — ich kann die Unordnung nicht leiden.
Ich traue nicht, und traue nicht.
Es iſt ja eine Schande, einem drei und zwan - zigjaͤhrigen Kerl ſo nachzulaufen. — Beſorge den Kaffee.
Ach Gott! Ich bin wahrhaftig recht aͤngſtlich.
Nun ja — wie gewoͤhnlich. Jezt Lied am Ende! Mach Kaffee.
Trinkſt Du auch?
Wir trinken hernach noch ein Glas Wein — wie iſts, Herr Schulz?
Je nun — gut iſt er und er ſchmeckt mir heute.
Ein Schaͤlchen Kaffee gefaͤl - lig, Herr Amtmann und Mamſell?
Ich bitte darum.
Ich auch — ich trinke ihn ſtark.
Sie befehlen — Herr Paſtor?
Befehlen Sie, oben oder unten zu trinken?
Wir kommen herunter, laß nur die Zeremo - nien weg.
Wenns der Herr Amtmann nicht unguͤtig nehmen, ſo will ich jezt —
Hinausgehen.
So wollt 'ich doch auch, daß —
Herr Paſtor begleiten Sie mich.
Wenn Sie befehlen —
Er wird ſich nun wohl nach Hauſe machen, Schulz? Alſo Adieu.
Er wird ſo gut ſein, unten zu warten, Herr Schulz; wir ſprechen hernach einander noch.
Ganz wohl, ganz wohl.
Nun, Herr Amtmann, jezt ſind wir allein. Sie wollten mir ja nach Tiſch etwas anver - trauen —
Das wollte ich. Allein dem Anſchein nach iſt meine gute Meinung uͤberfluͤßig. — — Die Frau Oberfoͤrſterin hat eine gewiſſe Idee gehabt, und nach Zuredung von meiner Seite hat meine Frau es ſich gefallen laſſen wollen, daß Ihr Anton meine Tochter heirathet.
Wenn Ihnen das Zureden ſauer geworden iſt; ſo thut mir es leid, denn aus der Heirath kann nichts werden, weil mein Sohn Friedriken zur Frau nehmen wird.
So? Alſo hat meine Tochter recht ge - ſehen? Die Frau Oberfoͤrſterin dachte vermuthlich — —
Links und ihr Sohn rechts.
Hm! Was ſo ein junger Menſch will oder nicht, darauf koͤmmt es nicht allemal an.
Aber hierbei denn doch warlich! Wenn er heirathen ſoll, ſo muß er beim Bliz, doch dabei ſein!
Wenn die Vaͤter uͤber die Zahl einig ſind, welche den drei Nullen vorgeſezt werden ſoll: ſo giebt ſich das Uebrige von ſelbſt. Ich haͤtte ihm gewiß in Anſehung ſeines Dienſtes anſehnliche Verbeſſerung verſchafft, und —
Wenn Sie meinen Sohn gluͤcklich machen koͤnnen, ſo werden Sie es, auch wenn er Ihre Tochter nicht heirathet.
Ja, o ja. — Nur —
Dem Geſchickten ſteht der Ungeſchicktere nach. Das verſteht ſich. Zu leben hat mein Sohn. Um Reichthum habe ich Gott noch nie gebeten. — Indeß —
Gutes Wohlſein!
Hoͤflichen Dank.
Apropos — Bei den Diaͤten haben ſie mir 50 Thaler zu viel geſchickt. Ihr Schreiber hat ſie zuruͤck bekommen.
Das muß ein Irr - thum von dem Menſchen geweſen ſein, denn ich — —
Freilich ein Irrthum. Das ſagte ich gleich —
Daß ſie nicht denken, als —
Ich ſchickte es fort, ehe ich daruͤber dachte.
Die Gedanken ſind oft mancherlei — man laͤſtert mich immer — Sie koͤnnten glauben — als ob Sie Sie — als ob ich den Weg der Erkaufung —
Bewahre! Etwas kaufen zu wollen, das kei - nen Preis hat, dazu ſind Sie zu vernuͤnftig, und zu ſparſam, um 50 Thaler wegzuwerfen.
O ich habe ſo viele Feinde, nicht einen Freund, der es redlich mit mir meinte —
Das iſt Ihre eigne Schuld. Das macht — — Nun ein Glas! Es iſt ein reiner Wein, ein guter Wein, macht froͤlich und oͤffnet das Herz. Mir iſt ſo zu Sinne. — Iſt Ihnen auch ſo — ſo ſprechen wir jezt wohl ein Wort mehr, als ſonſt!
Ja — wie ſo?
Sehen Sie — was wir einer von dem an - dern halten, wiſſen wir. Aber wes das Herz voll iſt — Sie kennen das Sprichwort — nun und ein Glas Wein loͤſet die Zunge. Allein ſind wir jezt — ſagen Sie, was Sie gegen mich auf dem Herzen haben; ich wills auch ſo machen. Wer weiß? Kommen wir nicht naͤher zu - ſammen! Die Geſchaͤfte gehen denn doch beſſer, wenn wir einig ſind, und das ſind wir dem Fuͤrſten und den Unterthanen ſchuldig.
Lieber Mann! Einigkeit iſt ja mein taͤg - licher Wunſch. Ich biete hiermit die erſte Hand zur Freundſchaft.
Wollen Sie, wie ich will? — Hand in Hand! — alte deutſche Treue!
Und reciprokes Verſtaͤnd - niß, amicable Behandlung.
Ich hoffe ja, wir werden uns noch mit ein - ander verſtehen!
Es iſt Ihnen alſo Ernſt darum?
So denke ich.
Nun gut. Wenn Sie denn nur einiger - maßen von Ihren Grillen abgehen, ſo ſollen Sie einen dankbaren Mann an mir finden. Ich kann mich Ihnen alſo ohne Ruͤckhalt anvertrauen?
Voͤllig!
Mein guter Freund! Luxus — Beduͤrf - niſſe aller Art ſind geſtiegen. Verdienſt allein wird nachgrade eine magre Empfehlung zu einer Stelle.
Leider! —
Bis man zu einem eintraͤglichen Poſten gelangt, koſtet es Aufwand von aller Art. Will man feſt im Sattel bleiben, ſo koſtet es noch mehr. Das muß wieder herausgebracht werden. Mit den Herren in der Stadt iſt das eine eigne Sache; wer nicht helfen kann, kann ſchaden. Die Helfer koſten weniger, ſie krie - gen von allen Ecken; daher fordern ſie weniger. Aber, die ſchaden koͤnnen, die Muͤßiggaͤnger, arme Teufel aus der Antichambre, die, ſo zu ſagen, vom Schadenthun leben, die koſten mir ſchrecklich viel.
So?
Schrecklich viel. Denn wenn Seine Durchlaucht in langweiligen Stunden ſich nach Neuig -140 keiten erkundigen, ſo kann mir ein einziges bedeutendes Laͤcheln von ſo einem Menſchen viel ſchaden. Darum muß den Herren alles zu Gebote ſtehen. Spielparthie — Schlittenfarth, Ball — Logis auf ganze Monathe fuͤr Herrn, Bediente, Jaͤger, Poſtzug und Hunde. Woher nehmen? Da langt die Beſoldung warlich nicht zu.
Das iſt begreiflich.
Die Ordnung der Natur hat den Bauer zum Laſttragen auserſehen. Rechte er daruͤber mit ihr. Genuß der Welt iſt nur fuͤr die feinern Geſchoͤpfe. — Ob eine Kreatur, die nichts bedarf, als Eſſen und Schlaf, etwas mehr oder weniger traͤgt, iſt gleichguͤltig, wenn nur dadurch denen geholfen wird, die Mangel oder Ge - nuß fuͤhlen. Mit Unrecht verſagen Sie alſo ihrer Fa - milie Gluͤcksguͤter, welche Sie ihr erwerben koͤnnten. Sein Sie in Zukunft weniger ſcrupuloͤs, ſo ſoll von jedem Gewinn, wo das Forſtweſen und das Amt zu - ſammen treffen, die Haͤlfte Ihre ſein. Das iſt hiemit ſo gut, wie akkordirt. Dagegen bekomme ich, erforder - lichen Falls, Ihr Zeugniß, wie ich es jedesmal vor - ſchreibe.
Daß Dich alle Wetter! Den Teufel auf Ihren Kopf ſollen Sie bekommen! Was unterſtehen Sie Sich? Mir das zu ſagen — in meinem Hauſe? Mir?
Nun, Herr Oberfoͤrſter!
Tauſend Sapperment! In Ihrer Amtsſtu - be, wo die heilige Gerechtigkeit blinde Kuh ſpielt, moͤ - gen Sie Ihren Bauern ſo Rechts, Links machen: aber wenn Sie einen alten treuen Diener des Fuͤrſten zum Schurken machen wollen; ſo ſoll Ihnen — Herr! Wenn Gaſtrecht nicht waͤre: ſo laͤgen Sie jezt Hals uͤber Kopf auf der Treppe.
Ich habe geſagt, was ich wolle; ſo wa - ren wir ohne Zeugen, und ſolche Grobheit kann ich vergelten.
Herr, ich halte mich nicht an Seine Papiere, ſondern an Seine Perſon, habe noch feſte Knochen, be - kuͤmmre mich nicht um das bedeutende Laͤcheln bei Sei - ner Durchlaucht, ſondern gehe grade zum Fuͤrſten, und ſage: Ich habe Ihre Durchlaucht ſchlechten Amtmann gepruͤgelt, weil er es verdiente. Rudolph! — he Ru - dolph!
Herr Oberfoͤrſter!
Der Schulz ſoll herauf kommen.
Mir ſo zu begegnen! Aber —
Halt! — Wir haben von Dienſtſachen zu reden. Sie wollen fuͤr tauſend Thaler Holz aus dem Gemeindewald hauen laſſen?
Ja.
Das kann nicht ſein, und ſoll nicht ſein.
Die Gemeinde hat Schulden, es muß ſein.
Schulden?
Ja. Und anſehnliche Schulden!
Wie ſind die Schulden gemacht? Wer hat ſie gemacht? Das iſt ein Artikel, wobei uns die Haare zu Berge ſtehen.
Herr! Wem ſoll das gelten?
Den es trift!
Ich werde mich beſchweren — und man wird Ihr unnuͤzzes Geſchrei verbieten.
Wer mir verbietet, die Wahrheit zu ſagen, hat Theil am Raube!
Sie ſprechen von dem Holz? Nehmen mir der Herr Amtmann nicht zur Ungnade — es geht war - haftig nicht an.
Wird Er gefragt?
Leider Gottes! Nein. Aber es geht gegen mein Gewiſſen, und diesmal, Herr Amtmann, ſchweige143 ich nicht, und wenn der Kopf drauf ſtaͤnde! Schulden bezahlen: Verantworte es vor Gott, wer ſie gemacht hat! Aber, daß wir die naͤmliche Schuld zum zweiten male bezahlen ſollen, das iſt denn doch wahrhaftig zu toll!
Und kurz und gut, ich leide es nicht. Der Wald iſt ja ſo ausgehauen, daß es eine Schande iſt. Die nach uns kommen, brauchen auch Holz.
Wenn der Herr Oberfoͤrſter nicht die ſchoͤne Baumpflanzung gemacht haͤtte; unſre Kindeskinder muͤß - ten uns ja verfluchen!
Hahaha! Mit den ſechs Baͤumen — mit der miſerablen Baumpflanzung!
Sechs Baͤume? Miſerable Baumpflanzung? das aͤrgert mich nicht, daruͤber lache ich. Sie ſind nun zwanzig Jahre hier Amtmann, eben ſo lange bin ich Oberfoͤrſter — Sie ſagen: ich habe nichts gethan, als Zweige in die Erde geſteckt — hingegen haben Sie viel Prozeſſe und große maͤchtige Dinge vorgenommen — Sie haben ganze Berge geſchrieben und ſchreiben laſſen. Indeß ſind meine Zweige Staͤmme geworden. Nun ſehn Sie — wenn Sie auch gleich Ihre ganze Amts - regiſtratur an den Ort fahren laſſen, wo mein Wald ſteht; ſo liefre ich Ihnen — darauf haben Sie mein144 Wort — fuͤr jede Rechtsverdrehung, fuͤr jedes umge - ſtoßne Teſtament, jede gepluͤnderte Stiftung, oder fuͤr jedes bezahlte Urtheil, — liefre ich Ihnen zehn gute, grade, geſunde Staͤmme. Nun wiſſen Sie wohl ſelbſt, daß ich dazu vielmal zehn Staͤmme brauchte: alſo iſt es keine miſerable Baumpflanzung!!
Ich ſehe wohl, es ſcheint eine abgeredete Karte, mich hierher zu bitten, um mir die ſchaͤndlich - ſten Grobheiten zu ſagen.
Schlechte Zumuthung verdient Wahrheit ohne Mantel.
Ganz gut. Aber den Tag werd ich Ihm gedenken.
Nur wie bisher.
Ei, lieber Herr Oberfoͤrſter, denken Sie an Ihr Alter und Ihre Geſundheit! Sie haben Sich da ereifert —
Anfangs wohl — Zulezt habe ich ihm die Wahrheit geſagt, und darauf iſt es mir recht wohl. Aber wenn ich daran denke — mein Anton die Hexe heira -[then] —?145then —? Wo das Weib nur den Kopf gehabt haben mag! Aber mit dem Gemeindewald ſoll es ihm nicht durchgehen, und bezahlte er die Leute ſo blind, daß ſie den Wald nicht ſaͤhen. Heute Abend noch mache ich meinen Bericht, und wenn er mir den ad Acta legt — ſieht Er, Schulz, ſo wahr ich Gottfried War - bergen heiße: ſo ſollen ſeine Knochen auch ad Acta gelegt werden!
Nun? Wer hatte denn Recht? Sagte ich es nicht meiner Frau gleich, es thaͤte nicht gut mit dem Amtmann und mir.
Sie haben alſo wohl auch eine unange - nehme Unterredung mit ihm gehabt?
Je nun — angenehm mag ſie ihm nicht ge - weſen ſein — Wenn ich ſtill bin, wie der dumme Juͤr - ge, ſo nennt er mich cher ami; ſage ich Wahrheit, ſo bin ich ein Jagdbauer. Daß er mich jezt zu Hauſe ſo nennt, dafuͤr ſtehe ich. — Was hat denn unten meine Alte mit dem Erbfraͤulein angefangen?
Mamſell Zeck mogte laͤngſt das Verſtaͤnd - niß der jungen Leute bemerkt haben, ohne deswegenK146auf eine Heirath zu fallen. Die Nachricht davon wirkte uͤbel auf ſie. Die gute Frau Oberfoͤrſterin, die nun Niemanden etwas Unangenehmes ſagen kann, war da - bei ſehr in Verlegenheit, und wollte immer uͤberall gut machen.
Hm, als wenn ich ſie ſaͤhe. — Und Friedrike? —
Iſt auf ihrem Zimmer. Den Amtmann habe ich zwar nicht geſprochen, er ließ ſeine Tochter unten abrufen; aber aus der Art, wie er ſie uͤber den Hof mit ſich fortriß, vermuthete ich, was hier vor - gegangen iſt.
— Nehmen Sie mir es nicht fuͤr ungut — ich meine, nun muͤßte es doch wegen des Herrn Amtmanns mit uns bald ein andres Anſehn gewinnen.
Wie ſo?
Ei — es muͤßte beſſer mit uns werden. Die Herren in der Stadt — ſagt mein Sohn — der Geſtudierte! — ſchreiben friſch darauf los fuͤr die Landwirtſchaft.
Neue, gute Grundſaͤzze gewinnen nicht ſo ſchnell die Oberhand. Das Vorurtheil druͤckt den Keim des Guten wieder unter den Boden. Indeß hat er ſelbſt mir geſagt, das Gutachten dieſer Herren habe ſeine Aecker um die Haͤlfte verbeſſert.
Ja, das iſt wahr.
Wahr! — Gott ſegne unſern guten Fuͤrſten! — wahr. Aber Herr Paſtor — ſo ein Thier mit lan - gen Klauen, wie den Amtmann, ſollte man einſperren. Der Fuͤrſt und wir waͤren wirklich um ein Großes ge - beſſert! Und — die Summe zu gewinnen — bedarf es keiner Preisfrage —! Ein zerriſſenes Patent und eine feſte Thuͤr. Die Wache geben die Unterthanen gratis.
Nun — ſo wollte ich auch, daß die Hoch - zeit ſchon vorbei waͤre! Unten — habe ich meine liebe Noth mit Mamſel Kordeln gehabt. Kaum iſt das vorbei, ſo komme ich oben hinauf zu Riekchen — die ſteht am Fenſter, und hat ſich ein Paar Augen geweint, feuerroth! Warum? „ Ich weiß nicht. “ Fehlt Dir was, hat Dir jemand etwas zu Leide gethan? — „ Nein, aber ich weiß mich nicht zu laſſen vor Angſt. — Und nun wird in der andern Woche die Hochzeit ſein, darauf muß ich noch dieß beſorgen und das beſor - gen — ich weiß nicht, wo mir der Kopf ſteht, ich bin ganz conſternirt.
Laß gut ſein. Wenn Deine Hochzeits - kuchen gelobt werden, ſo haſt Du alles Leid vergeſſen. Jezt geh und hole Friedriken.
Ja ja.
Nun iſt mir erſt wohl, da wir ſo unter uns ſind. Nun wollen wir bei dem Reſt da noch ein halbes Stuͤndchen verplaudern.
Wenn die Zeit —
Lieber Paſtor — laſſen Sie mir meinen Willen! Freude laͤßt ſich nicht rufen. Wenn ſie da iſt — wer wird ſie fortſchicken!
Komm her — bleib bei uns. Du faͤngſt gar nicht gut an in meinem Hauſe — und doch ſollſt Du laͤnger drinn bleiben, als heute.
Sie haben Recht, ich ſchaͤme mich mei - nes Betragens. Eine druͤckende Angſt quaͤlt mich. Ich haͤtte ſie verbergen moͤgen — aber das waͤre Ih - nen vielleicht noch auffallender geweſen.
Iſt denn was vorgefallen —?
Ich weiß von Nichts. Aber meine Angſt war un - beſchreiblich — In meinem Leben habe ich ſo was nicht gefuͤhlt. Jezt bin ich ruhiger.
Das freuet mich; denn ich moͤgte von Din - gen mit Dir ſprechen, die mir angenehm ſind. Nun ſag mir — haſt Du was dagegen, wenn Du in der andern Woche Frau Foͤrſtern heiſſeſt?
Mein Vater, liebe Mutter — ich — die Worte — ich kann nicht danken, aber hier, hier —
Gott laſſe Sie alt werden und ſeegne Sie und gebe Ihnen Freude an Ih - ren Kindern!
Ja es iſt wahr — das iſt das beſte Weib fuͤr meinen Anton! — Gott erhalte ſie! — das beſte Weib.
Das iſt ſie.
Ja, warhaftig!
Kind — ſehen Sie in dieſen lieben alten Leuten die Belohnung der Tugend. Gute Kinder und ein froͤhliches Alter. —
Leute — Herr Paſtor — Alte — lieber Schulz; ich bin ſo froh, ſo dankbar gegen Gott — ſo — ach wenn doch jezt recht vielen Leuten ſo zu MutheK 3150waͤre, wie mir! Wenn er doch nun hier waͤre, der Junge! ich moͤchte ihm um den Hals fallen und mich bedanken, daß er das Weib will.
Sie haben Recht.
Ja es iſt mir oft heiß vor der Stirn ge - worden, wenn ich an die Zeit dachte, wo der Junge heirathen wuͤrde. Widerſprochen haͤtte ich keiner Hei - rath, um die es ihm Ernſt geweſen waͤre. Wenn er mir nun aber ſo eine Schwiegertochter gegeben haͤtte, die ſich um nichts bekuͤmmert, auf unſern lezten Athem gelauert haͤtte — aus dem Hauſe waͤre ich gezogen auf meine alten Tage.
Ja wohl. Ach Gott, das waͤre ſchrecklich geweſen!
Dazu — das Alter hat Schwachheiten, man wird vergeßlich, eigenſinnig, graͤmlich und — wie es denn zu gehen pflegt, wenn nach ſechzig Jahren un - ſre Huͤtte verwittert iſt. — So was muß mit Liebe ge - tragen werden. Erkaufen laͤßt ſich die Pflege nicht, auch nicht vergelten; wem ſie aber Gott giebt, den macht er jung im hohen Alter. Das wirſt Du uns ſein, Toch - ter! dafuͤr haſt Du unſere Liebe, unſern Segen, und ein kleines Vermoͤgen, worauf kein Fluch und keine Thraͤne ruht. — Leute! das machte mir immer ein gu -151[t]es Bette, ich mogte ſchlafen, wo ich wollte — Die Braut ſoll leben!
Soll leben!
Ach Gott — wie gluͤcklich machſt Du mich!
Und der Braͤutigam — er iſt brav.
Soll auch leben!
Noch Eins — weil wir denn doch einmal darauf zu ſprechen gekommen ſind: Anton iſt ein wilder Burſche. Ihr Weiber ſeid denn auch obenhinaus und fluͤchtig; ſo geſchiehts nun gar leicht, daß Eheleute durch Ungeduld einander uͤberdruͤßig werden. Tochter — ich bitte Dich — trag geduldig! Du kaufſt Dir gute Tage damit. Sieh — als ich mein Weib nahm — war ich auch ein toller Kerl; aber das muß ich der Alten nach - ſagen, ſie hat viel Geduld gehabt — doch ich habe es erkannt.
Gott hat uns mit mancher frohen Stunde geſegnet; wir rechneten das Uebel gegen das Gute auf, waren arbeitſam, theilten mit, waren zufrieden, nicht begehrlich, lebten ſtill und gut in unſrer Huͤtte fort: ſo kam denn ein Jahr nach dem andern herbei. Nun ſind wir ſchon dreißig Jahre zuſammen gegangen; aberK 4152wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh - men wollte; ſo traͤfe es mich ſo hart, als wenn er ſie mir am Brauttage genommen haͤtte.
Nun nun — laß doch — ſprich doch nicht von ſo was.
So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch ſtaͤnde! Wenn wir Alten denn einmal fort ſollen — ſo will ich meine Augen ſo ruhig ſchlieſſen, als heute, wenn ich ſchlafen gehe.
Nun — davon ſind wir, wills Gott! noch weit!
So denke ich auch. Aber warum deswegen nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt haben, und es muß eine edle Freude ſein, die der Ge - danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben nicht minder Werth?
Gewiß nicht!
Es verdrießt mich allemal in der Seele, wenn man ſich ſo viel Muͤhe giebt, das Leben und die Welt ſo hart und ſchwarz zu malen. Das iſt unwahr und ſchaͤdlich zugleich.
Ja wohl.
Das Leben des Menſchen enthaͤlt viel Gluͤckſeeligkeit. Man ſollte uns nur fruͤh lehren, ſie153 nicht glaͤnzend, auch nicht ununterbrochen zu denken. Im Zirkel einer guten Haushaltung iſt tauſendfache Freude, und gut getragne Widerwaͤrtigkeit iſt auch Gluͤck. Hausvaterwuͤrde iſt die erſte und edelſte, die ich kenne. Ein Menſchenfreund, ein guter Buͤrger, ein liebevoller Gatte und Vater, in der Mitte ſeiner Hausgenoſſen — wie alle auf ihn ſehen — wie alle von ihm empfangen, und er, im Gedeien des Guten, wieder von allen empfaͤngt — O das iſt ein Bild, welches ich mit frommer Ruͤrung, mit Entzuͤcken ehre!
Und in einer Landhaushaltung, meine ich, koͤnnte das am beſten ſo ſein. Eine Landhaushaltung, hat beſonders viel froͤhliche Tage! Ausſaat, Erndtefeſt, Weinleſe. — — Wenn man ſo ein Glas ſelbſt gezog - nen Wein an einem froͤlichen Tage trinkt — o, das geht uͤber Alles!
Nun, Herr Oberfoͤrſter, zwanzig Jahr wie heute!
Zwanzig Jahr, wie heute!
Danke — danke. Nun, Maͤdchen, nun ſing mir einmal das Weinlied, das Du mir neulich ſchickteſt. — Wie hieß es doch — —? Hm hm — Am Rhein — — hm!
Am Rhein, am Rhein da wachſen unſre Reben.
Hoͤre — ſing uns einen Vers vor — wir ſingen ihn nach, und ſo — — — wenn Sie es naͤm - lich erlauben, Herr Paſtor?
Ei ei — ſeit wann duͤrfen die Menſchen in meiner Gegenwart nicht froh ſein? Weil mein Amt mich oft zum Zeugen der ernſten, betruͤbten Begebenheiten meiner Freunde macht, muß ich deswe - gen von ihren muntern froͤhlichen Stunden ausge - ſchloſſen ſein? Verbietet mir auch die Sitte, an ihrer Freude laut Theil zu nehmen: ſo lehrt mich doch mein Gefuͤhl, ihre Freude ſtill zu ehren.
Nun — alſo — fang an. Und Du, Alte! Du mußt mit ſingen.
Wer? Ich? Ei ich ſchreie ja wie ein Rabe!
Du ſollſt mitſingen, er auch, Herr Schulz. Nun — ſtill! — Fang an. Es iſt doch wohl nicht zu ſchwer?
Eine ſimple Melodie.
Nun ſo fang an?
Am Rhein, am Rhein da wachſen unſre Reben, Geſegnet ſei der Rhein!
Am Rhein, am Rhein da wachſen unſre Reben. Geſegnet ſei der Rhein!
Da wachſen ſie am Ufer hin, und geben Uns dieſen Labewein!
So trinkt, ſo trinkt! Und laßt uns allewege Uns freun und froͤlich ſein!
Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge — Wir gaͤben ihm den Wein!
Und wuͤßten wir —
Wo jemand traurig laͤge —
Was iſt das?
Was giebts?
Was ſoll das?
Nur zu Athem, Frau!
Ach — Ihr Anton!
Gott —
Was iſt mit Anton?
War bei uns — ich wollte — Ach Gott! Eben bringen ſie ihn auf einen Wagen — geſchloſſen — voll Blut — er hat den Mathes erſtochen —
Anton — ach großer Gott! — meine Angſt — ach Anton! — Das einzige Kind — Gott! erbarme dich unſer!
Mann, Mann! Um Gottes willen, wie iſt Ihnen?
Ich will aufs Amt.
Ich will hin. Bleiben Sie — Sie ſind außer ſich. — Schulz gebe er auf ihn Achtung.
Gehn Sie nur.
Ich bleibe bei der Frau.
Ich kann nicht fort — meine Beine — gehn Sie erſt — bringen Sie bald Antwort.
Gott ſei Ihr Troſt! — ich komme gleich wieder.
Anton! — ach Anton! — —
Großer Gott! Das halte ich nicht aus.
O mein Kind, mein Kind, mein einzi - ges Kind!
Herr Oberfoͤrſter —
Lieber Mann — bei der alten Freundſchaft!
Gleich — ſo bald er koͤmmt —
Suchen Sie Sich zu faſſen.
Iſt der Paſtor wieder da?
Wir warten auf ihn. — Man muß nicht an aller Huͤlfe verzweifeln.
Nein — o nein! Was macht meine Frau?
Lieber Gott! — tragen Sie, was Sie koͤnnen. Wenn Sie alles verloren geben, was ſoll erſt die Frau anfangen und das arme Maͤdchen?
Es iſt wahr.
Da iſt er! Ach Gott — Nun? Sie kom - men von Anton?
Ja.
Haben Sie ihn geſehen?
Geſprochen.
Geſprochen? Nun, was geben Sie mir fuͤr Hoffnung?
Auf die Gnade Gottes!
O mein Sohn, mein Anton! — Anton! Anton! Anton, mein einziger Sohn!
Iſt denn gar keine Hoffnung? Gar keine?
Alle Beweiſe ſind gegen ihn.
Großer Gott —
Mir hat das ploͤzliche ſchreckliche Ungluͤck ſo zugeſezt, daß ich wenig Troſt zu geben weiß, auſſer den, er wird ihn nicht lange uͤberleben.
Alſo Du muſt fort, Anton —
Waͤre Huͤlfe mir gut — mir wuͤrde geholfen! Solls160 nicht ſein? nun, Gott will Dich! — Geh voraus. Ich rechte nicht, ich murre nicht, ich frage auch nicht — aber die Thraͤne, die ich um Dich weine, wird Gott nicht verwerfen.
Weine, ungluͤcklicher Vater! Wir weinen mit Dir.
Ja — die Zeit geht hin. Sagen Sie mir, was ich nun noch fuͤr ihn thun kann. Wie iſt es zuge - gangen, daß — — — Erzaͤlen Sie mir alles.
Sollte Ihnen das nicht zu hart fallen, wenn Sie es hoͤren?
Ich hoffe, ich werde es ertragen.
Anton und Matthes trafen zu Leuthal im Gaſthofe zuſammen. Sie geriethen heftig an einander. Anton zog; allein die Anweſenden trennten ſie gluͤck - lich. Matthes ging fort. „ Kerl! ich treffe Dich wohl „ anders wo! “rief Anton in voller Hizze, und verließ bald darauf das Haus. Kurz hierauf findet man Matthes, auf dem Wege nach Graurode, blutend — ohne Zeichen des Lebens. Anton koͤmmt dazu, erhizzt, verſtoͤrt — ſeine Haͤnde und Kleider voll Blut — „ Der iſt der Moͤrder “ſchrieen alle Bauern, „ der iſts! “ Matthes, mit dem Tode ringend, hebt ſein brechendes Auge auf Anton und ſeufzt — „ Ja der iſts! “— „ Ich„ habe161„ habe mich mit ihm geſtritten, aber ich bin unſchuldig “, — ſagt Anton — „ Du biſt der Moͤrder, ja Du biſts “— ſchrieen alle. Nun fuͤhren ſie ihn mit ſich hieher, und den halbtodten Matthes langſam ihm nach.
O Gott! Gott!
Alle, die im Felde und in der Schenke zuge - gen geweſen ſind, zeugen einſtimmig gegen ihn. Nichts ſpricht fuͤr ſeine Unſchuld, als das Gewiſſen des Ange - klagten, das aber der Richter auf Erden nicht hoͤrt.
Herr Schulz — Er ſoll den Augenblick aufs Amt kommen.
Gleich.
Herr Paſtor, ver - laſſen Sie die Leute nicht. Ach Gott! Ich weiß vor Angſt und Wehmuth nicht, was ich thue.
Was ſagt mein Sohn?
Er betheuert laut ſeine Unſchuld — allein
Ich auch — ich auch. Mein Sohn iſt kein Boͤſewicht, kein Moͤrder. Ja er iſt unſchuldig.
Seine Heftigkeit —
Iſt nicht ſo arg, wie ſein Herz gut iſt. Ich ſterbe darauf, mein Sohn iſt unſchuldig.
Sein Haß gegen Matthes — alle Umſtaͤnde — ich fuͤrchte, er iſt ſchuldig. Er erkennt indeß die Gefahr, in die ihn ſein Verhaͤngniß geſtuͤrzt hat, und wuͤnſcht, Sie zu ſprechen.
Ich will hin. Ja. Ich will gleich hin.
Einen Augenblick nur —
Er verlangt nach mir, wie kann ich noch daſtehen —
Wird er nicht auch ſeine Mutter und die un - gluͤckliche Friedrike ſehen wollen? Wollen Sie Sich und dieſe in den fuͤrchterlichen Aufenthalt bringen? Die blutigen Kleider, der Zulauf von Menſchen — Sie wuͤrden das nicht aushalten, und jene Ungluͤcklichen noch weniger.
Ich ſollte ihn alſo gar nicht —
Sie muͤſſen ihn ſprechen. Ich will bei dem Amtmann alles verſuchen, daß er hieher gebracht wer - den darf.
Der Amtmann — ach daran denke ich jezt erſt. Armer Anton, Du wirſt es buͤßen muͤſſen, daß Dein Vater Wahrheit ſagte.
Ungluͤck macht mild, ſoͤhnt unſre bitterſten Feinde mit uns aus. Ich denke, es ſoll gehen. Er kann oben herum durch den Garten kommen. Es faͤngt163 an dunkel zu werden — man ſieht ihn nicht, ich will bitten, daß man ihn ohne Ketten —
Ketten? Mein Gott! — in Ketten —
Wie ſagten Sie vor - hin? „ Gott will ihn! “ Bleiben Sie bei dem Ge - danken.
Ja, ja das will ich. Aber — denken Sie — in acht Tagen ſollte die Hochzeit ſein; wie haben wir nicht ſo vergnuͤgt da geſeſſen! — und nun, vielleicht in vier Wochen —? Und ſeine Mutter — das ungluͤckliche Maͤdchen und ich! — O Anton, Anton! mein einziger Sohn!
Geht denn niemand aufs Amt?
Er hat ſchon dreimal geſchickt.
Sehn Sie nun — Meinen Hut!
Geduld!
Meinen Hut!
Herr Oberfoͤrſter — Herr Paſtor! Einer von Ihnen muß gleich hin aufs Amt. Ich ſoll einen WagenL2164beſtellen — der Amtmann hat einen Bericht gemacht, ſo boshaft, als er gekonnt hat — er will ihn gleich nach der Stadt ſchicken.
Laſſen Sie mich fort.
Um Gottes willen nicht!
Ich will den Amtmann ſprechen. Ich will den Bericht leſen.
Beſter Mann.
Iſt er falſch, ſo ſchieße ich ihm eine Kugel vor den Kopf. Was liegt mir an meinem Leben!
Wollen Sie das Schickſal Ihres Sohnes verſchlimmern?
Herr, ich bin Vater! Wie meinen Sie, daß mir ums Herz iſt! Und ich ſoll dableiben? Ich kanns nicht, und wenn — meinen Hut! — Rudolph, meinen Hut!
Ihr Schmerz macht Sie unfaͤhig, etwas zu unternehmen. Sie ſchaden Ihrem Sohn.
Schaden?
Herr Paſtor, es iſt die hoͤchſte Zeit.
Herr Schulz, der Oberfoͤrſter bleibt bei ihm.
Ich will aushalten. Aber bald muͤſſen Sie kommen, ſonſt —
Gleich. Beſorgen Sie, daß mir fuͤr Anto - nen andre Kleider nachgeſchickt werden.
Rudolph — he! Rudolph. Nun mein gu - ter Schulz; — er ſieht ja wohl, wo das hinaus geht. — Bete Er fuͤr mich, daß ſie mich bald aus dem Hauſe tragen.
Nun, wo bleibſt Du denn? Ich habe Dir ja ſchon zweimal ſagen laſſen, Du moͤgteſt herunter kommen. — Hier ſteht auch noch alles —
Laß ſtehen — Wie geht Dirs? Wie iſt Dir?
Gott giebt mir viel Staͤrke!
Geh gleich — ſchicke Kleider fuͤr Antonen aufs Amt, einen Ueberrock, eine andre Weſte.
Warum denn?
Er wird hieher kommen.
Hieher kommen?
Ach Gott!
Beſinne Dich nicht lange, mach fort!
Kind! — das ſollte nicht ſein — Er ſollte nicht herkommen.
Um Gottes willen! Mach fort.
Frau — es iſt die hoͤchſte Zeit.
Ihr lieben Leute! Scheltet mich nicht — ich bin krank — recht krank! Es iſt mein Sohn — ich habe ihn geboren — ich muß ihn ja auch vom Herzen reiſſen. Ich habe mich aus - geweint, daß ich nicht mehr kann — Aber nun iſt mein Anton bei Gott! Habe ich ihn verloren, ſo will ich ihn auch nicht mehr ſehen. Du kannſt ohne mich nicht fort — es kennt Dich niemand ſo, wie ich; Dir will ich beiſtehen bis an mein Ende — und das iſt bald! dann ſehe ich ja meinen Anton wieder. Dann nimmt ihn niemand mehr von mir. — Ich will die Kleider hinſchicken.
Armes Weib! — Das Herz bricht mir.
Eben iſt auch Matthes hereingebracht worden.
Lebt er noch?
Ja. Ich habe ihn geſehen. Es iſt ein Bote nach dem Doktor von Hockſalden geſchickt —167 aber — lieber Gott! Ich glaube nicht, daß er den Abend erlebt.
Das war noch meine lezte Hoffnung! — Nun — es ſoll ſein!
Wie geht Dirs? — ich wollte, Du koͤnnteſt eines von den niederſchlagenden Pulvern einnehmen.
Ja — das waͤre wohl recht gut.
Nimm es, lieber Mann.
Ach — laß mich.
Es that Dir doch ſonſt immer recht wohl.
Wozu brauche ich nun noch Leben und Geſundheit auf der Welt!
Fuͤr mich — ſo wie ich fuͤr Dich. Wir muͤſſen einander tragen helfen.
Lieben Leute — unſere Zeit iſt kurz, fragt mich nicht, laßt mich einen Augenblick allein in dem Zimmer.
Iſt er da?
Anton —
Nein — aber er wird kommen. Der Amt - mann, den ich unter dem Gewuͤhl von Menſchen nicht recht ſprechen konnte, hat mir verſprochen, augenblicklich hieher zu kommen. — Wie? — Still! Ich hoͤre gehen. Herr Schulz, ſehe er zu, ob es der Amtmann iſt —
Aber allein moͤgte ich gern mit ihm ſein.
Nein. Ich will bleiben. Ich muß ihn fragen —
Er koͤmmt ſchon die Treppe herauf.
Alſo —
Komm! Du taugſt nicht zum Amtmann, und jezt gar nicht.
Meinen beſten herzlichſten Dank dafuͤr, daß Sie kom - men und ſo bald kommen.
Ganz wohl. Nur zur Sache.
Herr Amtmann! Ich denke, Sie werden zufrieden mit ſich und mir von hier weggehen.
Das ſoll mir lieb ſein. Nun? —
Ich will Ihr Verſtaͤndniß mit einem Freunde wieder erneuern, der ſeine alten, heiligen Rechte auf Sie geltend — und uns minder elend machen wird.
Der waͤre?
Ihr Herz — dem Sie Gehoͤr geben werden.
Hm! Zur Sache und kurz. Die Um - ſtaͤnde eilen; eilen Sie auch!
Eilen? — Es gilt ein Menſchenleben.
Warum zogen Sie mich hieher? Wollen Sie mich dem Geheul der Leute ausſezzen.
Sie ſollen Niemanden ſehen. Das ver - ſprach ich, dabei bleibts!
Nun, warum bin ich alſo hier?
Vergoͤnnen Sie mir eine Vorſtellung. — Der Anblick des Volks, die Schande, die den Un - gluͤcklichen ſogleich von allen Rechten der Geſellſchaft ausſchließt, ſcheinen nicht nur eben ſo viele Anklaͤger des Verbrechers zu ſein, ſondern ſie werden auch faſt Be - weiſe gegen ihn.
Das iſt ungemein ſonderbar geſchloſſen.
Hoͤren Sie mich. — Die ganze Menſchheit ſteht gegen den Ungluͤcklichen auf. „ Rache, Strafe! “L 5170— iſt die allgemeine Empfindung. Der Richter iſt Menſch — Dieſe Stimmung theilt ſich ihm mit, laͤßt Handlungen beſchlieſſen, gegen welche das ſpaͤtere Mit - leid kraftlos iſt! — In dieſem Fall waren Sie, als Sie den Bericht gegen den Ungluͤcklichen machten. — Hier wo Sie ſtehen — an dieſem Tiſche, wo Sie vor wenig Minuten von der liebenswuͤrdigen Familie um - geben waren — hier muͤſſen gewiſſe Erinnerungen eine ſanftere Stimmung bewirken. — — Hier — hier leſen Sie Ihren Bericht noch einmal, und ſagt Ihr Herz Ihnen hier nichts — — ſo ſchicken Sie ihn fort und beten fuͤr die Ungluͤcklichen um Troſt!
Sie irren ſich, mein Herr, Sie irren ſich. Dies empfindſam ausgeſonnene Stuͤckchen darf den Richter nicht beugen.
Sein Sie immer rauh und hart — mich beleidiget nichts — es gilt ein Menſchenleben!
Habe ich nicht genug gethan, da ich verſtatte, daß er hieher koͤmmt?
Viel — darum erwarte ich Alles.
Schreien nicht alle Beweiſe laut ge - gen ihn?
Die Beweiſe ſind Geſchrei; eben darum ſind ſie mir verdaͤchtig.
Nun — Sie haben alles gehoͤrt und geleſen; was iſt denn Ihre Meinung?
Es iſt viel, faſt aller Anſchein gegen den jungen Menſchen; aber um ſo weniger Beweiſe.
Das Zeugniß des Sterbenden —
Nun?
Daruͤber richte Gott!
Alſo ſind wir fertig. Und ich gehe ſehr unzufrieden von Ihnen weg. In alles miſchen Sie ſich, und uͤberall wollen Sie die Hand im Spiel haben.
Mein Herr, Ihre Art iſt — — doch — weg mit dieſer Aufwallung — es gilt ein Menſchen - leben!
Vergoͤnnen Sie mir noch eine Frage.
Nun?
Sie haben Streit mit dem Vater des Un - gluͤcklichen gehabt — Sie handeln doch wohl ohne Rache?
Herr — wofuͤr halten Sie mich?
Fuͤr einen Menſchen.
Glauben Sie, daß ich Gedaͤchtniß fuͤr poͤbelhafte Beleidigungen habe?
Sind Sie von den Beweiſen uͤberzeugt, wonach Sie handeln?
Was kann mich verbinden, ſolche Fra - gen zu beantworten!
Getrauen Sie ſich, auf den Bericht, wel - chen Sie von der Sache gemacht haben, ploͤzlich vor Gott zu erſcheinen?
Sie nehmen ſich heraus, mir Dinge zu —
Mann! Das Sterben des ungerechten Richters iſt ſchrecklich. Nicht der Prunk frommer Stiftungen, nicht bezahlte Fuͤrbitten mildern die Angſt der Seele — Zagen der Verzweiflung macht die Leiden des Koͤrpers entſezlicher. Niemand — nimmt An - theil; ſelbſt die nicht, die er bereichert hat. Die Um - ſtehenden beten und zweifeln. Mit Schauer ſehen ſie der abgeforderten Seele in das ewige Dunkel nach — und verlaſſen die Huͤlle mit Grauſen.
Wozu ſoll denn der Galimathias am Ende?
Weg mit dem Ausdruck; er iſt unter Ih - nen, wenn ich ihn auch verzeihe. — Sie ſind kraͤnklich;173 daß Sie mich jezt werfen, koͤnnte Ihnen einſt ſchrecklich beifallen, zu einer Zeit, wo Sie Troſt auf meinem Geſicht wollen.
Da der junge Menſch ſo auſſerordentlich hartnaͤckig auf ſeiner Unſchuld beſteht; ſo will ich, um allen Zweifel zu heben und auf den wahren Grund zu kommen — ich will darauf antragen, daß man ihm die Tortur giebt. Bleibt er ſtandhaft: ſo iſt es eine offenbare Fuͤgung des Himmels, der ſeine Unſchuld an den Tag legt und mein Gewiſſen befreiet.
Unmenſch! Sie haͤufen auf boͤſe Thaten verdammenden Spott. Ich laſſe ab von Ihrem Her - zen. Gott fuͤhrt die Sache dieſer Ungluͤcklichen — Er wird ſie retten, oder ihnen Kraft zu tragen geben. Hat dieſer Juͤngling in gereiztem Zorn gemordet — er buͤßt. — Ihm wird verziehen. Aber Ihre Gemorde - ten, Ihre langſam Gemordeten, werden einſt in leben - digen Geſtalten die Anklaͤger Ihrer Unthaten ſein! Sie denken an den Augenblick, Sie fuͤrchten ihn — Prahlen Sie immer mit Starkgeiſterei! Sie glauben Gott und Zukunft, das weiß ich. Sie glauben und zittern! — Gott vergebe Ihnen!
Recht ſo! Mit dem Himmel ge - drohet, wenn wir auf Erden nicht weiter koͤnnen.
Herr Amtmann — werther Herr Amtmann!
Was giebts?
Verſchwenden Sie kein Wort an die - ſen Unmenſchen. — Kommen Sie.
Herr Amtmann, gehen Sie nicht, ich muß Sie ſprechen.
Schonen Sie der leidenden Mutter, ſo will ich gern geduldet haben.
Ich bin bald wieder hier.
Ach Herr Amtmann —
Nun, was ſolls werden?
Laſſen Sie mir nur Zeit — haben Sie nur ein wenig Geduld, Gott hat Sie ja mit uns.
Zur Sache, zur Sache!
Ja, ja — gern. Von Herzen gern. Wenn Sie mich — — aber — erlauben Sie, ich muß mich ſezzen.
Was wird das?
O Herr! Ich bin alt — habe manches Kreuz auf der Welt getragen — habe viel ausgeſtanden — aber heute hat es mich zuſammen geworfen. — Nun kann ich nicht weiter. Meinem Manne verberge ich es, ſo viel ich kann. Aber Herr Amtmann! Mutterherz geht uͤber alles, und der Sohn ſollte der Troſt meiner alten Tage ſein! In acht Tagen ſollte er heirathen. Und haͤtte Gott meinen alten Mann zu ſich genommen, ſo haͤtte der mich pflegen ſollen; und nun — der Athem vergeht mir. — Oh — Oh! Laſſen Sie mich ausweinen.
Das Herz will mir zerſpringen.
Lieber Gott, es thut mir leid — es iſt Schade um ſein junges Leben. Indeß alles, was Sie mir geſagt haben, hat mir der Herr Paſtor ſchon geſagt.
Nein, nein, das hat er nicht. O das kann er nicht. Er iſt ein gelehrter Mann, ein guter Mann, er meint es gut mit uns, er hat Anto - nen lieb — aber ich habe ihn geboren! Drei und zwan - zig Jahre lang habe ich ihn mit Angſt und Freude her -176 anwachſen ſehen — drei und zwanzig Jahre habe ich meine Hoffnung auf ihn geſezt. Was ich fuͤr ihn ſagen kann, das kann kein Menſch ſagen! Kein Menſch — und auch ſein Vater nicht — ich habe ihn geboren! Mutterliebe geht uͤber alles. Ich weiß, wie ich gebetet habe, in der Stunde als er zur Welt kam, daß ihn Gott gut und fromm werden laſſen moͤchte; und er iſt brav geworden und kann kein Moͤr - der ſein. Ich weiß, wie er erzogen iſt, ich muß es vor Gott verantworten, und ich habe keinen boshaften Moͤrder an ihm erzogen!
Sagen Sie mir nur, was Sie jezt von mir wollen?
Was ich will? Herr Amtmann! Sie ha - ben ja auch zwei Kinder. Sie wiſſen warhaftig, was ich will.
Das Geſchehene kann ich nicht unge - ſchehen machen.
Kann Geld meinem Anton helfen? Neh - men Sie unſer halbes Vermoͤgen, nehmen Sie es ganz — wenn wir ihm nur das Leben retten. Wir wollen uns verſchreiben, mein Mann und ich, alles was wir noch erwerben, wollen wir gern hergeben, wenn er nur das Leben behaͤlt. O ich will arbeitenTag177Tag und Nacht, ich will fuͤr Ihre Kinder arbeiten, ich will nur trocknes Brod und Waſſer haben, wenn ich meinem Anton das Leben erhalte.
Ich wills wuͤnſchen! Aber — —
Herr Amtmann, ſein Sie barmherzig! Sie werden Segen an Ihren Kindern haben.
Ich kann nichts bei der Sache thun.
Herr Amtmann, ſein Sie barm - herzig, laſſen Sie mich nicht in Verzweiflung weggehen!
Was der Hof beſchließt. Ich uͤbergebe die Sache dem Hof.
Nun, lieber Gott! So uͤber - gebe ich ihn Dir! Wenn du ihn retten willſt, du kannſt es. Thun Sie nach Ihrem Gewiſſen. Das Leben geht mir aus — beten kann ich nicht — Du haſt mir ihn gegeben, du ſiehſt meine Angſt. Du wirſt ihn erhalten — oder mein Leben barmherzig enden.
Bleib! — O Herr — ich will Ihnen war - lich nicht laͤſtig werden. — Iſt mein Sohn ein Moͤrder: ſo muß er ſterben. Aber, wenn er es nicht ganz ge -M178wiß iſt; — ſo ein Prozeß dauert bei uns nur vier Wochen. Auf Bericht und Art koͤmmt viel an. — Sein Sie menſchlich. Ich will nur genaue, gewiſ - ſenhafte Gerechtigkeit. Wenn Sie meinem Sohn das Leben retten koͤnnen, hier iſt eine Schenkung mei - nes Vermoͤgens: gebrauchen Sie es, wozu Sie wollen.
Der Bericht iſt genau und gewiſſenhaft, das Zeugenverhoͤr liegt dabei, es koͤmmt nun auf den Hof an. —
— Gedulden Sie Sich einen Augenblick.
Mein Vater, o mein Vater!
— Das iſt die Mutter des Ungluͤcklichen, ich bin der Vater, das iſt die Braut — ſehn Sie uns an — ich frage Sie — Iſt der Bericht gewiſſenhaft?
— — Ja — —
Gut. In vier Wochen wird meinem Sohn der Kopf abgeſchlagen.
Ach Gott, erbarme dich!
Hier habe ich Ihnen nichts mehr zu ſagen; aber vor Gottes Richterſtuhl werde ich Sie wieder fra - gen: War der Bericht gewiſſenhaft? Nun iſts gut. Schicken Sie den Bericht und das Zeugenverhoͤr fort — aber ſagen Sie dabei — was Sie jezt ſehen und was ich Sie gefragt habe.
Was iſt das? Still!
Ihr Sohn wird gebracht ſein —
Ach Gott, mein Anton —
Mutter, Mutter! Gott ſteh mir bei.
Friedrike! — ſie iſt ohne Sinne! ſie wird mir unter den Haͤnden wegſterben.
Dann iſt ihr wohl.
Ich bedaure ſehr, daß ich Sie nicht un - geſtoͤrt laſſen kann; aber die Pflicht will, daß dieſe Un - terredung nicht ohne Zeugen ſei.
Wenn Sie es aushalten koͤnnen, wir ha - ben keine Geheimniſſe.
Vater — Mutter.
Ach Gott! Was haſt Du gethan?
Friedrike! —
Friedrike, ach Gott! Nur ein Wort, nur noch einmal ſprich mit mir, ehe ich ſterbe. Friedrike — Friedrike! nur einen einzigen Laut! O Vater, ſie iſt todt, ſie iſt wahrhaftig todt! Mich verſtoſſen, das Maͤdchen ge - toͤdtet! — Vater, Sie haben viel auf der Seele.
Alles war einig. Deine Hochzeit ſollte in acht Tagen ſein, aber Du hoͤrteſt nicht, liefſt wie ein un - ſinniger Menſch von Deinen Eltern weg. Nun ſtehen wir da und raufen uns die Haare aus. — Sieh Deine Mutter, Deine Braut, mich — Das iſt der Lohn fuͤr Ungehorſam eines Kindes!
Vergebung mein Vater! — liebe Mutter! — ach Gott! bin ich denn zum Ungluͤck geboren? O ich bin unſchuldig, ich bin warhaftig unſchuldig! — Es wird an den Tag kommen, wenn ich todt bin — Friedrike, Friedrike! — ſchlag Deine Augen nur noch einmal auf — o ruft ſie doch — ruft! Man kann ſie181 noch einmal aufſchreien — Friedrike!!! Nur ein einzi - ges mal noch — ſieh mich an —
Sie lebt — Friedrike, kennſt Du mich nicht? Kennſt Du Deinen Anton nicht? Nein ich kann nicht ſter - ben — ich bin wahrhaftig unſchuldig.
Sohn — ſie iſt hin! Stoͤre ſie laͤnger nicht. — Ich kann nicht mehr — wir muͤſſen ſcheiden.
Anton! —
O Gott! — Du haſt mich genannt — nun iſt es gut, Du haſt Abſchied von mir genommen. Du ſtirbſt, ich auch — wir ſehen uns bald wieder! Vater — Mutter! — Segnet uns.
Herr Oberfoͤrſter, um Gottes willen.
Matthes koͤmmt da von; der Doctor ſagt es, und —
Der alte Friz hat Matthes verwundet. Anton iſt unſchuldig.
Anton?
Ach mein Sohn, mein Sohn!
— O Gott!
Friedrike — Vater! Mutter — wie iſt Euch?
Gott ich danke Dir — ich danke Dir.
Wir alle — Alle!
Seht Ihrs nun? — ich bin unſchuldig — ſeht Ihrs?
O Junge, Junge!
Wenn es nur wahr iſt!
Man wird Sie gleich abrufen. Wie der alte Friz hoͤrte, daß man Antonen beſchuldigte, kam er nach, lieferte ſich ſelbſt ein. Matthes iſt ihm unter - wegs begegnet, hat ihn gereizt; darauf hat er ihn ver - wundet. — Matthes hat ſich von der ſtarken Verblu - tung erholt, die Wunde iſt nicht toͤdtlich und ſein eig - nes Geſtaͤndniß beſtaͤtigt alles.
Gott ſei gelobt!
O mein Sohn — Anton, Anton, Anton! Mein einziger Sohn.
Da, Herr, iſt meine Habſchaft,
da nehme Er Haus und Hof,
nehme Er alles, ich behalte doch mehr, als Er — ich habe mei - nen Sohn wieder. O Anton, Anton, mein einziger183 Sohn! Matthes laſſe ich kuriren, den alten Friz ver - trete ich vor unſerm Fuͤrſten ſelbſt.
O Anton, Du lebſt!
Er lebt und iſt unſchuldig und wird Dein Mann, Du wirſt meine Tochter!
Gott ſegne uns und Euch und alle Welt! —
Herr Amtmann! Gott beßre Sie, und ſegne Sie auch! So wahr Gott lebt, es koͤmmt vom Herzen.
Gott! Wie iſt mir zu Muthe! — ich zittre vor Freude und Mattigkeit.
Da — da iſt ein Glas Wein, ſtaͤrke Dich! — Schulz trinke Er auch! Sie auch, Herr Paſtor! — Rudolph, das ganze Haus ſoll froh ſein. — Alte, mach Deinen Keller auf! gieb alles her, was Du haſt, Alles! Wie hieß es vorhin: „ Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge “— Wir ſind haͤßlich geſtoͤrt.
— Jezt Kinder — Jezt, zwanzig Jahr wie heute!
Zwanzig Jahr wie heute!
Kinder — Gott mache alle Welt gluͤcklich! Uebrigens — das Leiden vergeſſen — mit Froͤlichkeit lobt man Gott am beſten — wir wollen nicht ſtumm184 ſein, wir wollen Gott laut loben, und danken mit guten
Hand - lungen, ſo lange wir auf der Welt ſind. Jezt froͤhlich und guter Dinge! — Wer's gut meint, folgt mir nach.
So trinkt, ſo trinkt! —
Und laßt uns allewege
Uns freun und froͤlich ſein!
Und wuͤßten wir, wo jemand traurig laͤge — Wir gaͤben ihm den Wein!
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.