regierender Graf von Moor.
ſeine Soͤhne.
Libertiner, nachher Banditen.
Baſtard von einem Edelmann.
Hausknecht des Grafen von Moor.
(Der Ort der Geſchichte iſt Teutſchland, die Zeit ohngefehr zwei Jahre.)
Man nehme dieſes Schauſpiel fuͤr nichts anders, als eine dramatiſche Ge - ſchichte, die die Vortheile der dramatiſchen Methode, die Seele gleichſam bei ihren ge - heimſten Operationen zu ertappen, benuzt, ohne ſich uͤbrigens in die Schranken eines Theaterſtuͤcks einzuzaͤunen, oder nach dem ſo zweifelhaften Gewinn bei theatraliſcher Ver - koͤrperung zu geizen. Man wird mir einraͤu - men, daß es eine widerſinnige Zumuthung iſt, binnen drei Stunden drei auſſerordentliche* 3Men -Vorrede.Menſchen zu erſchoͤpfen, deren Thaͤtigkeit von vielleicht tauſend Raͤderchen abhaͤnget, ſo wie es in der Natur der Dinge unmoͤglich kann gegruͤndet ſeyn, daß ſich drei auſſerordentliche Menſchen auch dem durchdringendſten Geiſter - kenner innerhalb vier und zwanzig Stunden entbloͤſſen. Hier war Fuͤlle ineinandergedrun - gener Realitaͤten vorhanden, die ich unmoͤglich in die allzuenge Palliſaden des Ariſtoteles und Batteux einkeilen konnte.
Man iſt es aber nicht ſowohl die Maſſe meines Schauſpiels, als vielmehr ſein Jnn - halt, der es von der Buͤhne verbannet. Die Oekonomie deſſelben machte es nothwendig, daß mancher Karakter auftreten mußte, der das feinere Gefuͤhl der Tugend beleidigt, und die Zaͤrtlichkeit unſerer Sitten empoͤrt. Jeder Menſchenmaler iſt in dieſe Nothwendigkeit ge - ſezt, wenn er anders eine Kopie der wirklichenWelt,Vorrede.Welt, und keine idealiſche Affektationen, keine Kompendienmenſchen will geliefert haben. Es iſt einmal ſo die Mode in der Welt, daß die Guten durch die Boͤſen ſchattiert werden, und die Tugend im Kontraſt mit dem Laſter das lebendigſte Kolorit erhaͤlt. Wer ſich den Zweck vorgezeichnet hat, das Laſter zu ſtuͤrzen, und Religion, Moral und buͤrgerliche Geſeze an ihren Feinden zu raͤchen, ein ſolcher muß das Laſter in ſeiner nakten Abſcheulichkeit enthuͤllen, und in ſeiner koloſſaliſchen Groͤſſe vor das Auge der Menſchheit ſtellen — er ſelbſt muß augenbliklich ſeine naͤchtlichen Laby - rinthe durchwandern, — er muß ſich in Empfindungen hineinzuzwingen wiſſen, unter deren Widernatuͤrlichkeit ſich ſeine Seele ſtraͤubt.
Das Laſter wird hier mit ſamt ſeinem gan - zen innern Raͤderwerk entfaltet. Es loͤßt in* 4Fran -Vorrede.Franzen all die verworrenen Schauer des Ge - wiſſens in ohnmaͤchtige Abſtraktionen auf, ſkeletiſirt die richtende Empfindung, und ſcherzt die ernſthafte Stimme der Religion hinweg. Wer es einmal ſo weit gebracht hat, (ein Ruhm, den wir ihm nicht beneiden) ſeinen Verſtand auf Unkoſten ſeines Herzens zu verfeinern, dem iſt das Heiligſte nicht heilig mehr — dem iſt die Menſchheit, die Gottheit nichts — Beide Welten ſind nichts in ſeinen Augen. Jch habe verſucht, von einem Mißmenſchen dieſer Art ein treffendes lebendiges Konterfey hinzuwerffen, die voll - ſtaͤndige Mechanik ſeines Laſterſyſtems ausein - ander zu gliedern — und ihre Kraft an der Wahrheit zu pruͤfen. Man unterrichte ſich demnach im Verfolg dieſer Geſchichte, wie weit ihr's gelungen hat — Jch denke, ich habe die Natur getroffen.
NaͤchſtVorrede.Naͤchſt an dieſem ſtehet ein anderer, der vielleicht nicht wenige meiner Leſer in Verle - genheit ſezen moͤchte. Ein Geiſt, den das aͤuſſerſte Laſter nur reizet um der Groͤſſe willen, die ihm anhaͤnget, um der Kraft willen, die es erheiſchet, um der Gefahren willen, die es begleiten. Ein merkwuͤrdiger wichtiger Menſch, ausgeſtattet mit aller Kraft, nach der Richtung, die dieſe bekoͤmmt, nothwendig entweder ein Brutus oder ein Katilina zu werden. Ungluͤkliche Konjunkturen entſcheiden fuͤr das zweyte und erſt am Ende einer unge - heuren Verirrung gelangt er zu dem erſten. Falſche Begriffe von Thaͤtigkeit und Einfluß, Fuͤlle von Kraft, die alle Geſeze uͤberſprudelt, mußten ſich natuͤrlicher Weiſe an buͤrgerlichen Verhaͤltniſſen zerſchlagen, und zu dieſen en - thouſiaſtiſchen Traͤumen von Groͤſſe und Wirkſamkeit durfte ſich nur eine Bitterkeit gegen die unidealiſche Welt geſellen, ſo war* 5derVorrede.der ſeltſame Donquixote fertig, den wir im Raͤuber Moor verabſcheuen und lieben, be - wundern und bedauern. Jch werde es hof - fentlich nicht erſt anmerken doͤrfen, daß ich dieſes Gemaͤhlde ſo wenig nur allein Raͤu - bern vorhalte, als die Satyre des Spaniers nur allein Ritter geiſſelt.
Auch iſt izo der groſſe Geſchmak, ſeinen Wiz auf Koſten der Religion ſpielen zu laſ - ſen, daß man beinahe fuͤr kein Genie mehr paßirt, wenn man nicht ſeinen gottloſen Sa - tyr auf ihren heiligſten Wahrheiten ſich her - umtummeln laͤßt. Die edle Einfalt der Schrift muß ſich in alltaͤglichen Aſſembleen von den ſogenannten wizigen Koͤpfen mißhan - deln, und ins Laͤcherliche verzerren laſſen; denn was iſt ſo heilig und ernſthaft, das, wenn man es falſch verdreht, nicht belacht werden kann? — Jch kann hoffen, daß ichderVorrede.der Religion und der wahren Moral keine gemeine Rache verſchafft habe, wenn ich dieſe muthwillige Schriftveraͤchter in der Perſon meiner ſchaͤndlichſten Raͤuber dem Abſcheu der Welt uͤberliefere.
Aber noch mehr. Dieſe unmoraliſche Karaktere, von denen vorhin geſprochen wurde, mußten von gewiſſen Seiten glaͤnzen, ja oft von Seiten des Geiſtes gewinnen, was ſie von Seiten des Herzens verlieren. Hierinn habe ich nur die Natur gleichſam woͤrtlich abge - ſchrieben. Jedem, auch dem Laſterhafteſten iſt gewiſſermaſſen der Stempel des goͤttlichen Ebenbilds aufgedruͤkt, und vielleicht hat der groſſe Boͤſewicht keinen ſo weiten Weg zum groſſen Rechtſchaffenen, als der kleine; denn die Moralitaͤt haͤlt gleichen Gang mit den Kraͤften, und je weiter die Faͤhigkeit, deſtoweiterVorrede.weiter und ungeheurer ihre Verirrung, deſto imputabler ihre Verfaͤlſchung.
Klopſtoks Adramelech wekt in uns eine Empfindung, worinn Bewunderung in Ab - ſcheu ſchmilzt. Miltons Satan folgen wir mit ſchauderndem Erſtaunen durch das unweg - ſame Chaos. Die Medea der alten Drama - tiker bleibt bei all ihren Greueln noch ein groſſes ſtaunenswuͤrdiges Weib, und Shake - ſpears Richard hat ſo gewiß am Leſer einen Bewunderer, als er auch ihn haſſen wuͤrde, wenn er ihm vor der Sonne ſtuͤnde. Wenn es mir darum zu thun iſt, ganze Menſchen hinzuſtellen, ſo muß ich auch ihre Vollkom - menheiten mitnehmen, die auch dem boͤſeſten nie ganz fehlen. Wenn ich vor dem Tyger gewarnt haben will, ſo darf ich ſeine ſchoͤneblen -Vorrede.blendende Flekenhaut nicht uͤbergehen, damit man nicht den Tyger beym Tyger vermiſſe. Auch iſt ein Menſch, der ganz Bosheit iſt, ſchlechterdings kein Gegenſtand der Kunſt, und aͤuſſert eine zuruͤkſtoſſende Kraft, ſtatt daß er die Aufmerkſamkeit der Leſer feſſeln ſollte. Man wuͤrde umblaͤttern, wenn er redet. Eine edle Seele ertraͤgt ſo wenig anhaltende mora - liſche Diſſonanzen, als das Ohr das Gekrizel eines Meſſers auf Glas.
Aber eben darum will ich ſelbſt mißra - then haben, dieſes mein Schauſpiel auf der Buͤhne zu wagen. Es gehoͤrt beiderſeits, beim Dichter und ſeinem Leſer, ſchon ein ge - wiſſer Gehalt von Geiſteskraft dazu; bei je - nem, daß er das Laſter nicht ziere, bei die - ſem, daß er ſich nicht von einer ſchoͤnen Seitebeſte -Vorrede.beſtechen laſſe, auch den haͤßlichen Grund zu ſchaͤzen. Meiner Seits entſcheide ein Drit - ter — aber von meinen Leſern bin ich es nicht ganz verſichert. Der Poͤbel, worunter ich keineswegs die Gaſſenkehrer allein will ver - ſtanden wiſſen, der Poͤbel wurzelt, (unter uns geſagt) weit um, und gibt zum Ungluͤk — den Ton an. Zu kurzſichtig mein Ganzes auszureichen, zu kleingeiſtiſch mein Groſſes zu begreifen, zu boshaft mein Gutes wiſſen zu wollen, wird er, fuͤrcht 'ich, faſt meine Abſicht vereiteln, wird vielleicht eine Apologie des Laſters, das ich ſtuͤrze, darinn zu finden meynen, und ſeine eigene Einfalt den armen Dichter entgelten laſſen, dem man gemeiniglich alles, nur nicht Gerechtigkeit wiederfahren laͤßt.
EsVorrede.Es iſt das ewige Dacapo mit Abdera und Demokrit, und unſre gute Hippokrate muͤßten ganze Plantagen Nießwurz erſchoͤpfen, wenn ſie dem Unweſen durch ein heilſames Dekokt abhelfen wollten. Noch ſo viele Freunde der Wahrheit moͤgen zuſammenſtehen, ihren Mit - buͤrgern auf Kanzel und Schaubuͤhne Schule zu halten, der Poͤbel hoͤrt nie auf, Poͤbel zu ſeyn, und wenn Sonne und Mond ſich wandeln, und Himmel und Erde veralten wie ein Kleid. Vielleicht haͤtt 'ich den ſchwachherzigen zu from - men der Natur minder getreu ſeyn ſollen; aber wenn jener Kaͤfer, den wir alle kennen, auch den Miſt aus den Perlen ſtoͤrt, wenn man Exempel hat, daß Feuer verbrannt, und Waſſer erſaͤuft habe, ſoll darum Perle — Feuer — und Waſſer konfiſcirt werden?
JchVorrede.Jch darf meiner Schrift, zufolge ihrer merkwuͤrdigen Kataſtrophe mit Recht einen Plaz unter den moraliſchen Buͤchern verſpre - chen; das Laſter nimmt den Ausgang, der ſei - ner wuͤrdig iſt. Der Verirrte tritt wieder in das Gelaiſe der Geſeze. Die Tugend geht ſiegend davon. Wer nur ſo billig gegen mich handelt, mich ganz zu leſen, mich verſtehen zu wollen, von dem kann ich erwarten, daß er — nicht den Dichter bewundere, aber den recht - ſchaffenen Mann in mir hochſchaͤze.
Er -[1]Der Herausgeber.
Aber iſt euch auch wohl, Vater? Jhr ſeht ſo blaß.
Ganz wol, mein Sohn — was hatteſt du mir zu ſagen?
Die Poſt iſt angekommen — ein Brief von unſerm Korreſpondenten in Leipzig —
Nachrichten von mei - nem Sohne Karl?
Hm! hm! — So iſt es. Aber ich fuͤrchte — ich weiß nicht — ob ich — eurer Ge - ſundheit? — Jſt euch wirklich ganz wol, mein Va - ter?
Wie dem Fiſch im Waſſer! VonAmei -2Die Raͤuber,meinem Sohne ſchreibt er? — wie kommſt du zu dieſer Beſorgniß? Du haſt mich zweymal gefragt.
Wenn ihr krank ſeyd — nur die leiſe - ſte Ahndung habt es zu werden, ſo laßt mich — ich will zu gelegnerer Zeit zu euch reden,
Dieſe Zeitung iſt nicht fuͤr einen zerbrechlichen Koͤrper.
Gott! Gott! was werd ich hoͤ - ren?
Laßt mich vorerſt auf die Seite gehn, und eine Traͤne des Mitleids vergießen um meinen verlornen Bruder — ich ſollte ſchweigen auf ewig — denn er iſt euer Sohn: Jch ſollte ſeine Schan - de verhuͤllen auf ewig — denn er iſt mein Bruder. — Aber euch gehorchen iſt meine erſte traurige Pflicht — darum vergebt mir.
O Karl! Karl! wuͤßteſt du wie deine Auffuͤhrung das Vaterherz foltert! Wie eine einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben ze - hen Jahre zuſetzen wuͤrde — mich zum Juͤngling machen wuͤrde — da mich nun jede, ach! — ei - nen Schritt naͤher ans Grab ruͤckt!
Jſt es das, alter Mann ſo lebt wol — wir alle wuͤrden noch heute die Haare ausraufen uͤber eurem Sarge.
Bleib! — Es iſt noch um den kleinen kurzen Schritt zu thun — laß ihm ſeinen Willen,
Die Suͤnden ſeinerVaͤter3ein Schauſpiel.Vaͤter werden heimgeſucht im Dritten und vierten Glied — laß ihns vollenden.
Jhr kennt unſern Korreſpondenten! Seht! Den Finger mei - ner rechten Hand wollt ich drum geben, duͤrft ich ſagen, er iſt ein Luͤgner, ein ſchwarzer giftiger Luͤgner — — Faßt euch! Jhr vergebt mir, wenn ich euch den Brief nicht ſelbſt leſen laſſe — Noch doͤrft ihr nicht alles hoͤren.
Alles, alles — mein Sohn, du erſparſt mir die Kruͤcke.
„ Leipzig vom I. May. — Verbaͤn - de mich nicht eine unverbruͤchliche Zuſage dir auch nicht das geringſte zu verhelen, was ich von den Schickſalen deines Bruders auffangen kann, lieb - ſter Freund, nimmermehr wuͤrde meine unſchuldige Feder an dir zur Tyranninn geworden ſeyn. Jch kann aus hundert Briefen von dir abnehmen, wie Nachrichten dieſer Art dein bruͤderliches Herz durch - bohren muͤßen, mir iſts als ſaͤh ich dich ſchon um den Nichtswuͤrdigen, den Abſcheulichen″ — —
Seht Vater! ich leſe euch nur das glimpflichſte — „ den Abſcheuli - chen in tauſend Thraͤnen ergoſſen, ″ ach ſie floßen — ſtuͤrzten ſtromweis von dieſer mitleidigen Wan - ge — „ mir iſts, als ſaͤh ich ſchon deinen alten, frommen Vater Todtenbleich″ — Jeſus Maria! ihr ſeyds, eh ihr noch das mindeſte wiſſet?
Weiter! Weiter!
„ Todtenbleich in ſeinen Stuhl zuruͤck - taumeln, und dem Tage fluchen an dem ihm zum erſtenmal Vater entgegengeſtammelt ward. Man hat mir nicht alles entdecken moͤgen, und von dem wenigen das ich weis erfaͤhrſt du nur weniges. Dein Bruder ſcheint nun das Maas ſeiner Schan - de gefuͤllt zu haben; ich wenigſtens kenne nichts uͤber dem was er wirklich erreicht hat, wenn nicht ſein Genie das meinige hierinn uͤberſteigt. Geſtern um Mitternacht hatte er den großen Entſchluß, nach vierzig tauſend Dukaten Schulden — ein huͤbſches Taſchengeld Vater — nachdem er zuvor die Tochter eines reichen Banquiers allhier entjung - fert, und ihren Galan einen braven Jungen von Stand im Duell auf den Tod verwundet mit ſie - ben andern, die er mit in ſein Luderleben gezogen dem Arm der Juſtiz zu entlauffen″ — Vater! Um Gotteswillen Vater! wie wird euch?
Es iſt genug. Laß ab mein Sohn!
Jch ſchone eurer — „ man hat ihm Steckbriefe nachgeſchickt, die Beleidigte ſchreyen laut um Genugthuung, ein Preiß iſt auf ſeinen Kopf geſetzt — der Name Moor″ — Nein! Mei - ne arme Lippen ſollen nimmermehr einen Vater ermorden!
Glaubt es nicht Vater! glaubt ihm keine Silbe!
Mein Nahme! Mein ehrlicher Name!
Schaͤndlicher, drei - mal ſchaͤndlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er noch ein Knabe den Maͤdels ſo nachſchleuderte mit Gaßenjungen und elendem Geſindel auf Wieſen und Bergen ſich herumhezte, den Anblick der Kir - che, wie ein Miſſethaͤter das Gefaͤngniß, floh, und die Pfennige, die er euch abquaͤlte dem erſten dem beſten Bettler in den Hut warf, waͤhrend daß wir daheim mit frommen Gebeten, und heiligen Predigtbuͤchern uns erbauten? — Ahndete mirs nicht da er die Abendtheuer des Julius Caͤſar und Alexander Magnus und anderer ſtockfinſterer Hey - den lieber las als die Geſchichte des bußfertigen Tobias? — Hundertmal hab ichs euch geweiſſagt, denn meine Liebe zu ihm war immer in den Schran - ken der kindlichen Pflicht, — der Junge wird uns alle noch in Elend und Schande ſtuͤrzen! — O daß er Moors Nahmen nicht truͤge! daß mein Herz nicht ſo warm fuͤr ihn ſchluͤge! Die gottloſe Liebe, die ich nicht vertilgen kann, wird mich noch einmal vor Gottes Richterſtuhl anklagen.
Oh — meine Auſſichten! Mei - ne goldenen Traͤume!
Das weis ich wol. Das iſt es ja was ich eben ſagte. Der feurige Geiſt, der in dem Buben lodert, ſagtet ihr immer, der ihn fuͤr jedenA 3Reiz6Die Raͤuber,Reiz von Groͤße und Schoͤnheit ſo empfindlich macht; dieſe Offenheit die ſeine Seele auf dem Auge ſpiegelt, dieſe Weichheit des Gefuͤhls, die ihn bey jedem Leiden in weinende Sympathie da - hinſchmelzt, dieſer maͤnnlichen Muth der ihn auf den Wipfel hundertjaͤhriger Eichen treibet, und uͤber Graͤben und Palliſaden und reißende Fluͤße jagt, dieſer kindiche Ehrgeitz, dieſer unuͤberwindliche Starrſinn, und alle dieſe ſchoͤne glaͤnzende Tugen - den, die im Vaterſoͤhnchen keimten, werden ihn dereinſt zu einem warmen Freund eines Freundes, zu einem treflichen Buͤrger, zu einem Helden, zu einem großen großen Manne machen — ſeht ihrs nun Vater! — der feurige Geiſt hat ſich ent - wickelt, ausgebreitet, herrliche Fruͤchte hat er ge - tragen. Seht dieſe Offenheit, wie huͤbſch ſie ſich zur Frechheit herumgedreht hat, ſeht dieſe Weichheit wie zaͤrtlich ſie fuͤr Koketten girret, wie ſo empfind - ſam fuͤr die Reitze einer Phryne! Seht dieſes feurige Genie, wie es das Oel ſeines Lebens in ſechs Jaͤhrgen ſo rein weggebrannt hat, daß er bei lebendigem Leibe umgeht, und da kommen die Leu - te, und ſind ſo unverſchaͤmt und ſagen: c'eſt l'amour qui a fait ça! Ah! ſeht doch dieſen kuͤhnen unter - nehmenden Kopf, wie er Plane ſchmiedet und aus - fuͤhrt, vor denen die Heldenthaten eines Karton - ches und Howards verſchwinden! — Und wenn erſt dieſe praͤchtigen Keime zur vollen Reife erwachſen,— was7ein Schauſpiel.— was laͤßt ſich auch von einem ſo zarten Alter Vollkommenes erwarten? — Vielleicht Vater erle - bet ihr noch die Freude, ihn an der Fronte eines Heeres zu erblicken, das in der heiligen Stille der Waͤlder reſidiret, und dem muͤden Wanderer ſeine Reiſe um die Haͤlfte der Buͤrde erleichtert — viel - leicht koͤnnt ihr noch, eh ihr zu Grabe geht, eine Wallfarth nach ſeinem Monumente thun, das er ſich zwiſchen Himmel und Erden errichtet — viel - leicht, o Vater, Vater, Vater — ſeht euch nach einem andern Nahmen um, ſonſt deuten Kraͤmer und Gaßenjungen mit Fingern auf euch, die euren Herrn Sohn auf dem Leipziger Marktplaz im Por - trait geſehen haben.
Und auch du mein Franz auch du? O meine Kinder! Wie ſie nach meinem Her - zen zielen!
Jhr ſeht, ich kann auch witzig ſeyn, aber mein Witz iſt Skorpionſtich. — Und dann der trockue Altagsmenſch, der kalte, hoͤlzerne Franz, und wie die Titelgen alle heißen moͤgen, die euch der Contraſt zwiſchen ihm und mir mocht eingege - ben haben, wenn er euch auf dem Schooße ſaß oder in die Backen zwickte — der wird einmal zwiſchen ſeinen Graͤnzſteinen ſterben, und modern und vergeßen werden, wenn der Ruhm dieſes Uni - verſalkopfs von einem Pole zum andern fliegt — Ha! mit gefaltnen Haͤnden dankt dir o Himmel! A 4der8Die Raͤuber,der kalte, trockne, hoͤlzerne Franz — daß er nicht iſt wie dieſer!
Vergib mir mein Kind; zuͤrne nicht auf einen Vater, der ſich in ſeinen Planen betrogen findet. Der Gott der mir durch Karln Traͤnen zuſendet, wird ſie durch dich mein Franz aus meinen Augen wiſchen.
Ja Vater aus euren Augen ſoll er ſie wiſchen. Euer Franz wird ſein Leben dran ſezen das eurige zu verlaͤngern. Euer Leben iſt das Ora - kel, das ich vor allem zu Rathe ziehe, uͤber dem was ich thun will, der Spiegel durch den ich alles betrachte — keine Pflicht iſt mir ſo heilig die ich nicht zu brechen bereit bin, wenn's um euer koſtba - res Leben zu thun iſt. — Jhr glaubt mir das?
Du haſt noch große Pflichten auf dir mein Sohn — Gott ſeegne dich fuͤr das was du mir warſt und ſeyn wirſt!
Nun ſagt mir einmal — Wenn ihr die - ſen Sohn nicht den Euren nennen muͤßter, ihr waͤrt ein gluͤcklicher Mann?
Stille o ſtille! da ihn die Weh - mutter mir brachte hub ich ihn gen Himmel und rief: Bin ich nicht ein gluͤcklicher Mann?
Das ſagtet ihr. Nun habt ihrs gefun - den? Jhr beneidet den ſchlechteſten eurer Banren, daß er nicht Vater iſt zu dieſem — Jhr habt Kum - mer ſo lang ihr dieſen Sohn habt. Dieſer Kum -mer9ein Schauſpiel.mer wird wachſen mit Karln. Dieſer Kummer wird euer Leben untergraben.
Oh! er hat mich zu einem acht - zigjaͤhrigen Manne gemacht.
Nun alſo — wenn ihr dieſes Sohnes euch entaͤuſſertet?
Franz! Franz! was ſagſt du?
Jſt es nicht dieſe Liebe zu ihm die euch all den Gram macht. Ohne dieſe Liebe iſt er fuͤr euch nicht da. Ohne dieſe ſtrafbare dieſe verdamm - liche Liebe iſt er euch geſtorben — iſt er euch nie gebohren. Nicht Fleiſch und Blut, das Herz mache uns zu Vaͤtern und Soͤhnen. Liebt ihr ihn nicht mehr, ſo iſt dieſe Abart auch euer Sohn nicht mehr, und waͤr er aus eurem Fleiſche geſchnitten. Er iſt euer Augapfel geweſen bisher, nun aber, aͤrgert dich dein Auge, ſagt die Schrift, ſo reiß es aus. Es iſt beſſer einaͤugig gen Himmel, als mit zwey Augen in die Hoͤlle. Es iſt beſſer Kinderlos gen Himmel, als wenn beyde Vater und Sohn in die Hoͤlle fahren. So ſpricht die Gottheit!
Du willſt ich ſoll meinen Sohn verfluchen?
Nicht doch! nicht doch! — Euren Sohn ſollt ihr nicht verfluchen. Was heißt ihr euren Sohn? — dem ihr das Leben gegeben habt, wenn er ſich auch alle erſinnliche Muͤhe gibt das eurige zu ver - kuͤrzen?
Oh das iſt allzuwahr! das iſt ein Gericht uͤber mich. Der Herr hats ihm ge - heißen!
Seht ihrs, wie kindlich euer Buſenkind an euch handelt. Durch eure Vaͤterliche Theilneh - mung erwuͤrgt er euch, mordet euch durch eure Liebe, hat euer Vaterherz ſelbſt beſtochen euch den Garaus zu machen. Seyd ihr einmal nicht mehr, ſo iſt er Herr eurer Guͤter, Koͤnig ſeiner Triebe. Der Damm iſt weg, und der Strom ſeiner Luͤſte kann izt freyer dahinbrauſen. Denkt euch einmal an ſeine Stelle! Wie oft muß er den Vater unter die Erde wuͤnſchen — wie oft den Bruder — die ihm im Lauf ſeiner Exceße ſo unbarmhertzig im Weeg ſtehen. Jſt das aber Liebe gegen Liebe? Jſt das kindliche Dankbarkeit gegen vaͤterliche Milde? Wenn er dem geilen Kitzel eines Augenblicks zehn Jahre eures Lebens aufopfert? wenn er den Ruhm ſeiner Vaͤter der ſich ſchon ſieben Jahrhunderte un - befleckt erhalten hat, in Einer wolluͤſtigen Minute aufs Spiel ſetzt? Heißt ihr das euren Sohn? Antwortet? heißt ihr das einen Sohn?
Ein unzaͤrtliches Kind! ach! aber mein Kind doch! mein Kind doch!
Ein allerliebſtes koͤſtliches Kind, deſſen ewiges Studium iſt, keinen Vater zu haben — O daß ihrs begreiffen lerntet! daß euch die Schup - pen fielen vom Auge! aber eure Nachſicht muß ihnin11ein Schauſpiel.in ſeinen Liederlichkeiten beveſtigen; euer Vorſchnb ihnen Rechtmaͤßigkeit geben. Jhr werdet freilich den Fluch von ſeinem Haupte laden, auf euch, Vater, auf euch wird der Fluch der Verdammniß fallen.
Gerecht! ſehr gerecht! — Mein mein iſt alle Schuld!
Wie viele Tauſende, die voll geſoffen haben vom Becher der Wolluſt, ſind durch Leiden gebeſſert worden. Und iſt nicht der koͤrperliche Schmerz, den jedes Uebermaas begleitet, ein Fin - gerzeig des goͤttlichen Willens. Sollte ihn der Menſch durch ſeine grauſame Zaͤrtlichkeit verkehren? Soll der Vater das ihm anvertraute Pfand auf ewig zu Grund richten? — Bedenkt Vater, wenn ihr ihn ſeinem Elend auf einige Zeit preiß geben werdet, wird er nicht entweder umkehren muͤſſen und ſich beſſern? oder er wird auch in der großen Schule des Elends ein Schurke bleiben, und dann — wehe dem Vater der die Rathſchluͤſſe einer hoͤ - heren Weißheit durch Verzaͤrtlung zernichtet! — Nun Vater?
Jch will ihm ſchreiben, daß ich meine Hand von ihm wende.
Da thut ihr recht und klug daran.
Daß er nimmer vor meine Au - gen komme.
Das wird eine heilſame Wirkung thun.
Biß er anders worden!
Schon recht, ſchon recht — Aber, wenn er nun kommt mit der Larve des Heuchlers, euer Mitleid erweint, eure Vergebung ſich erſchmeichelt, und morgen hingeht und eurer Schwachheit ſpot - tet im Arm ſeiner Huren? — Nein Vater! Er wird freywillig wiederkehren, wenn ihn ſein Gewiſ - ſen rein geſprochen hat.
So will ich ihm das auf der Stelle ſchreiben.
Halt! noch ein Wort Vater! Eure Ent - ruͤſtung, fuͤrchte ich, moͤchte euch zu harte Worte in die Feder werffen, die ihm das Herz zerſpalten wuͤrden — und, dann — glaubt ihr nicht daß er das ſchon fuͤr Verzeihung nehmen werde, wenn ihr ihn noch eines eigenhaͤndigen Schreibens werth haltet? Darum wirds beſſer ſeyn! ihr uͤberlaßt das Schreiben mir.
Thu das mein Sohn. — Ach! es haͤtte mir doch das Herz gebrochen! Schreib ihm — —
Dabey bleibts alſo?
Schreib ihm daß ich tauſend bluti - ge Traͤnen, tauſend ſchlafloſe Naͤchte — Aber bring meinen Sohn nicht zur Verzweiflung.
Wollt ihr euch nicht zu Bette legen Vater? Es griff euch hart an,
Schreib ihm daß die Vaͤterliche BruſtJch13ein Schauſpiel.— Jch ſage dir bring meinen Sohn nicht zur Ver - zweiflung.
Troͤſte dich Al - ter, du wirſt ihn nimmer an dieſe Bruſt druͤcken, der Weg dazu iſt ihm verrammelt, wie der Himmel der Hoͤlle — Er war aus deinen Armen geriſſen, ehe du wußteſt daß du es wollen koͤnnteſt — da muͤßt ich ein erbaͤrmlicher Stuͤmper ſeyn, wenn ichs nicht einmal ſo weit gebracht haͤtte einen Sohn vom Herzen des Vaters los zu loͤſen, und wenn er mit ehernen Banden daran geklammert waͤre — Jch hab einen magiſchen Kreis von Fluͤchen um dich gezogen, den er nicht uͤberſpringen ſoll — Gluͤck zu Franz! Weg iſt das Schooskind — Der Wald iſt heller. Jch muß dieſe Papiere vollends aufheben, wie leicht koͤnnte jemand meine Hand - ſchrifft kennen?
— Und Gram wird auch den Alten bald fortſchaf - fen, — und ihr muß ich dieſen Karl, aus dem Herzen reiſſen, wenn auch ihr halbes Leben dran haͤngen bleiben ſollte.
Jch habe groſſe Rechte, uͤber die Natur un - gehalten zu ſeyn, und bey meiner Ehre! ich will ſie geltend machen. — Warum bin ich nicht der erſte aus Mutterleib gekrochen? Warum nicht der Einzige? Warum mußte ſie mir dieſe Buͤrde von Haͤßlichkeit aufladen? gerade mir? Nicht anders als ob ſie bey meiner Geburt einen Reſt geſezthaͤtte?14Die Raͤuber,haͤtte? Wann gerade mir die Lapplaͤnders Naſe? Gerade mir dieſes Mohrenmaul? Dieſe Hottentot - ten Augen? Wirklich ich glaube ſie hat von allen Menſchenſorten das Scheußliche auf einen Hauffen geworffen, und mich daraus gebacken. Mord und Tod! Wer hat ihr die Vollmacht gegeben jenem dieſes zu verleyhen, und mir vorzuenthalten? Koͤnnte ihr jemand darum hofiren, eh er entſtund? Oder ſie beleidigen, eh er ſelbſt wurde? Warum gieng ſie ſo parteylich zu Werke?
Nein! Nein! Jch thu ihr Unrecht. Gab ſie uns doch Erfindungs-Geiſt mit, ſetzte uns nackt and armſelig ans Ufer dieſes groſſen Ozeans Welt — Schwimme, wer ſchwimmen kann, und wer zu plump iſt geh unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das iſt nun mei - ne Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Groͤſten und Kleinſten, Anſpruch wird an Anſpruch, Trieb an Trieb, und Krafft an Krafft zernichtet. Das Recht wohnet beym Ueberwaͤltiger, und die Schranken unſerer Krafft ſind unſere Geſeze.
Wohl gibt es gewiße gemeinſchafftliche Pakta, die man geſchloßen hat, die Pulſe des Weltzirkels zu treiben. Ehrlicher Nahme! — Wahrhaftig ei - ne reichhaltige Muͤnze mit der ſich meiſterlich ſcha - chern laͤßt, wers verſteht, ſie gut auszugeben. Ge - wiſſen, — o ja freilich! ein tuͤchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirſchbaͤumen wegzuſchroͤken! —auch15ein Schauſpiel.auch das ein gut geſchriebener Wechſelbrief mit dem auch der Bankerotirer zur Noth noch hinaus - langt.
Jn der That, ſehr lobenswuͤrdige Anſtalten, die Narren im Reſpekt und den Poͤbel unter dem Pantoffel zu halteu, damit die Geſcheiden es deſto bequemer haben. Ohne Anſtand, recht ſchnakiſche Anſtalten! Kommen wir fuͤr, wie die Hecken die meine Bauren gar ſchlau um ihre Felder herum - fuͤhren. daß ja kein Haaſe druͤber ſezt, ja beileibe kein Haaſe! — Aber der gnaͤdige Herr gibt ſeinem Rappen den Sporn, und galoppirt weich uͤber der Weyland Aerndte.
Armer Haaſe! Es iſt doch eine jaͤmmerliche Rolle, der Haaſe ſeyn muͤßen auf dieſer Welt — Aber der gnaͤdige Herr braucht Haaſen!
Alſo friſch druͤber hinweg! Wer nichts fuͤrchtet iſt nicht weniger maͤchtig als der, den alles fuͤrch - tet. Es iſt itzo die Mode, Schnallen an den Bein - kleidern zu tragen, womit man ſie nach Belieben weiter und enger ſchnuͤrt. Wir wollen uns ein Ge - wiſſen nach der neueſten Facon anmeſſen laſſen, um es huͤbſch weiter aufzuſchnallen wie wir zulegen. Was koͤnnen wir dafuͤr? Geht zum Schneider! Jch habe Langes und Breites von einer ſogenannten Blutliebe ſchwazen gehoͤrt, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen koͤnnte — Das iſt dein Bruder! — das iſt verdollmetſcht; Er iſtaus16Die Raͤuber,aus eben dem Ofen geſchoſſen worden, aus dem du geſchoſſen biſt — alſo ſei er dir heilig! — Merkt doch einmal dieſe verzwickte Conſequenz, dieſen poßierlichen Schluß von der Nachbarſchaft der Leiber auf die Harmonie der Geiſter; von eben derſelben Heimat zu eben derſelben Empfindung; von einerley Koſt zu einerley Neigung. Aber wei - ter — es iſt dein Vater! Er hat dir das Leben ge - geben, du biſt ſein Fleiſch, ſein Blut — alſo ſey er dir heilig. Wiederum eine ſchlaue Konſequenz! Jch moͤchte doch fragen, warum hat er mich ge - macht? doch wol nicht gar aus Liebe zu mir, der erſt ein Jch werden ſollte? Hat er mich gekannt ehe er mich machte? Oder hat er mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich gewuͤnſcht, da er mich machte? Wußte er was ich werden wuͤrde? das wollt ich ihm nicht rathen, ſonſt moͤcht ich ihn dafuͤr ſtrafen, daß er mich doch gemacht hat? Kann ichs ihm Dank wiſſen, daß ich ein Mann wurde? So wenig als ich ihn verklagen koͤnnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht haͤtte. Kann ich eine Liebe erkennen, die ſich nicht auf Achtung gegen mein Selbſt gruͤndet? Konnte Achtung ge - gen mein Selbſt vorhanden ſeyn, das erſt dardurch entſtehen ſollte, davon es die Vorausſetzung ſeyn muß? Wo ſtikt dann nun das Heilige? Etwa im Aktus ſelber durch den ich entſtund? — Als wenn dieſer etwas mehr waͤre als viehiſcher Prozeß zur Stil -lung17ein Schauſpiel.lung viehiſcher Begierden? Oder ſtikt es vielleicht im Reſultat dieſes Aktus, der doch nichts iſt als eiſerne Nothwendigkeit, die man ſo gern wegwuͤnſch - te, wenns nicht auf Unkoſten von Fleiſch und Blut geſchehn muͤßte. Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, daß er mich liebt? das iſt ei - ne Eitelkeit von ihm, die Schoosſuͤnde aller Kuͤnſt - ler, die ſich in ihrem Werk kokettieren, waͤr es auch noch ſo heßlich. — Sehet alſo das iſt die ganze Hexerey, die ihr in einen heiligen Nebel verſchleyert unſre Furchtſamkeit zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gaͤngeln laſſen wie ei - nen Knaben?
Friſch alſo! mutig ans Werk! — Jch will alles um mich her ausrotten, was mich einſchraͤnkt daß ich nicht Herr bin. Herr muß ich ſeyn, daß ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die Liebens - wuͤrdigkeit gebricht
Mir ekelt vor dieſem Tintenklekſenden Sekulum, wenn ich in meinem Plutarch leſe von großen Menſchen.
Den Joſephus muſt du leſen.
Der lohe Lichtfunke Prometheus iſt ausgebrannt, dafuͤr nimmt man izt die Flamme von Berlappenmeel — Theaterfeuer, das keine Pfeiffe Tabak anzuͤndet. Da krabbeln ſie nun, wie die Ratten auf der Keule des Herkules, und ſtudieren ſich das Mark aus dem Schaͤdel was das fuͤr ein Ding ſey, das er in ſeinen Hoden ge - fuͤhrt hat? Ein franzoͤſiſcher Abbe dozirt, Alexan - der ſei ein Haaſenfuß geweſen, ein ſchwindſuͤchti - ger Profeſſor haͤlt ſich bey jedem Wort ein Flaͤſch - gen Salmiakgeiſt vor die Naſe, und ließt ein Kol - legium uͤber die Kraft. Kerls, die in Ohnmacht fallen wenn ſie einen Buben gemacht haben, krit - teln uͤber die Taktik des Hannibals — feuchtohri - ge Buben fiſchen Phraſes aus der Schlacht bey Kannaͤ, und greinen uͤber die Siege des Scipio, weil ſie ſie exponiren muͤßen.
Das iſt ja recht Alexandriniſch geflaͤnnt.
Schoͤner Preiß fuͤr euren Schweiß in der Feldſchlacht, daß ihr jetzt in Gymnaſien lebet, und eure Unſterblichkeit in einem Buͤcherriemen muͤhſam fortgeſchleppt wird. Koſtbarer Erſaz eu - res verpraßten Blutes, von einem Nuͤrnberger Kraͤ - mer um Lebkuchen gewickelt — oder, wenns gluͤk - lich geht, von einem franzoͤſiſchen Tragoͤdienſchrei -ber19ein Schauſpiel.ber auf Stelzen geſchraubt, und mit Drathfaͤden gezogen zu werden. Hahaha!
Lies den Joſephus, ich bit - te dich drum.
Pfui! Pfui uͤber das ſchlappe Kaſtra - ten-Jahrhundert, zu nichts nuͤze, als die Thaten der Vorzeit wiederzukaͤuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu ſchinden, und zu verhunzen mit Trauerſpielen. Die Kraft ſeiner Lenden iſt verſiegen gegangen, und nun muß Bier - hefe den Menſchen fortpflanzen helfen.
Thee, Bruder, Thee!
Da verrammeln ſie ſich die geſunde Natur mit abgeſchmackten Konvenzionen, haben das Herz nicht ein Glas zu leeren, weil ſie Ge - ſundheit dazu trinken muͤßen — beleken den Schuh - puzer, daß er ſie vertrete bei Jhro Gnaden und hudeln den armen Schelm, den ſie nicht fuͤrchten. Vergoͤttern ſich um ein Mittageſſen, und moͤchten einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufſtreich uͤberboten wird. — Verdammen den Sadduzaͤer, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare — fallen auf die Knie, damit ſie ja ihren Schlamp ausbreiten koͤnnen — wenden kein Aug von dem Pfarrer, damit ſie ſehen, wie ſeine Peruͤcke friſirt iſt. — fallen in Ohnmacht, wenn ſie eine Gans bluten ſehen, und klatſchen in die Haͤnde, wennB 2ihr20Die Raͤuber,ihr Nebenbuhler bankerott von der Boͤrſe geht — — So warm ich ihnen die Hand druͤckte — „ nur noch einen Tag″ — Umſonſt! — Jns Loch mit dem Hund! — Bitten! Schwuͤre! Traͤnen
Hoͤlle und Teufel!
Und um ſo ein paar tauſend lauſige Dukaten —
Nein ich mag nicht daran denken. Jch ſoll meinen Leib preſſen in eine Schnuͤrbruſt, und meinen Willen ſchnuͤren in Geſetze. Das Ge - ſez hat zum Schneckengang verdorben, was Adler - flug geworden waͤre. Das Geſez hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freyheit bruͤtet Koloße und Extremitaͤten aus. Sie verpalliſadiren ſich ins Bauchfell eines Tyrannen, hofiren der Laune ſeines Magens, und laſſen ſich klemmen von ſeinen Winden. — Ah! daß der Geiſt Herr - manns noch in der Aſche glimmte! — Stelle mich vor ein Heer Kerls wie ich, und aus Deutſchland ſoll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenkloͤſter ſeyn ſollen.
Bravo! Braviſſimo! du bringſt mich eben recht auf das Chapitre. Jch will dir was ins Ohr ſagen Moor, das ſchon lang mit mir umgeht, und du biſt der Mann dazu — ſauf Bruder ſauf — wie waͤrs wenn wir Judenwuͤr -21ein Schauſpiel.wuͤrden, und das Koͤnigreich wieder aufs Tapet braͤchten?
Ah! Nun merk ich — nun merk ich — du willſt die Vorhaut aus der Mode bringen, weil der Barbier die deinige ſchon hat?
Daß dich Baͤrenhaͤuter! Jch bin freylich wunderbarerweiß ſchon voraus beſchnitten. Aber ſag, iſt das nicht ein ſchlauer und herzhafter Plan? Wir laſſen ein Manifeſt ausgehen in alle vier Enden der Welt und zitiren nach Palaͤſtina, was kein Schweinefleiſch ißt. Da beweiß ich nun durch trifftige Dokumente, Herodes der Vierfuͤrſt ſei mein Großahnherr geweſen, und ſo ferner. Das wird ein Viktoria abgeben, Kerl, wenn ſie wieder ins Trockene kommen, und Jeruſalem wie - der aufbauen doͤrfen. Jzt friſch mit den Tuͤrken aus Aſien, weil's Eiſen noch warm iſt, und Zedern gehauen aus dem Libanon, und Schiffe gebaut, und geſchachert mit alten Borden und Schnallen das ganze Volk. Mittlerweile —
Kamerad! Mit den Narrenſtreichen iſts nun am Ende.
Pfui, du wirſt doch nicht gar den verlorenen Sohn ſpielen wollen? Ein Kerl wie du der mit dem Degen mehr auf die Geſich - ter gekrizelt hat, als drey Subſtituten in einem Schaltjahr ins Befehlbuch ſchreiben! Soll ich dirB 3von22Die Raͤuber,von der großen Hundsleiche vorerzehlen? ha! ich muß nur dein eigenes Bild wieder vor dich rufen, das wird Feuer in deine Adern blaſen, wenn dich ſonſt nichts mehr begeiſtert. Weißt du noch wie die Herren vom Kollegio deiner Dogge das Bein hatten abſchießen laſſen, und du zur Revange lie - ſeſt ein Faſten ausſchreiben in der ganzen Stadt. Man ſchmollte uͤber dein Reſcript. Aber du nicht faul, laͤßeſt alles Fleiſch aufkauffen in ganz L. daß in acht Stund kein Knoch mehr zu nagen iſt in der ganzen Rundung, und die Fiſche anfangen im Preiße zu ſteigen. Magiſtrat und Buͤrgerſchaft duͤßelten Rache. Wir Purſche friſch heraus zu ſiebzehn hundert, und du an der Spize, und Mez - ger, und Schneider und Kraͤmer hinterher, und Wirth und Barbierer und alle Zuͤnfte, und fluchen, Sturm zu lauffen wider die Stadt wenn man den Purſchen ein Haar kruͤmmen wollte. Da giengs aus, wie's Schießen zu Hornberg, und mußten abziehen mit langer Naſe. Du laͤßeſt Doktores kommen ein ganzes Koncilium, und botſt drey Dukaten wer dem Hund ein Recept ſchreiben wuͤr - de. Wir ſorgten die Herren werden zuviel Ehr im Leib haben und Nein ſagen und hattens ſchon verabredt ſie zu forciren. Aber das war unnoͤtig, die Herren ſchlugen ſich um die drey Dukaten, und kams im Abſtreich herab auf drei Bazen, in einer Stund ſind zwoͤlf Recepte geſchrieben, daß das Thier auch bald drauf verreckte.
Schaͤndliche Kerls!
Der Leichenpomp wird veran - ſtaltet in aller Pracht, Karmina gabs die ſchwere Meng um den Hund, und zogen wir aus des Nachts gegen tauſend, eine Laterne in der einen Hand, unſre Raufdegen in der andern, und ſo fort durch die Stadt mit Glockenſpiel und Geklimper, bis der Hund beigeſezt war. Drauf gabs ein Freſ - ſen, das waͤhrt bis an den lichten Morgen, da bedankteſt du dich bey den Herren fuͤr das herzli - che Beileid, und ließeſt das Fleiſch verkauffen ums halbe Geld. Mort de ma vie, da hatten wir dir Reſpekt, wie eine Garniſon in einer eroberten Ve - ſtung —
Und du ſchaͤmſt dich nicht damit groß zu pralen? Haſt nicht einmal ſo viel Schaam dich dieſer Streiche zu ſchaͤmen?
Geh, geh. Du biſt nicht mehr Moor. Weiſt du noch wie tauſendmal du die Flaſche in der Hand den alten Filzen haſt aufge - zogen, und geſagt: Er ſoll nur drauf los ſchaben und ſcharren, du wolleſt dir dafuͤr die Gurgel ab - ſauffen. — Weiſt du noch? he? weiſt du noch? O du heilloſer, erbaͤrmlicher Pralhanß! das war noch maͤnnlich geſprochen, und edelmaͤnniſch, aber —
Verflucht ſeyſt du, daß du mich dran erinnerſt! Verflucht ich, daß ich es ſagte! Aber esB 4war24Die Raͤuber,war nur im Dampfe des Weins, und mein Herz hoͤrte nicht was meine Zunge pralte.
Nein! nein! nein! das kann nicht ſeyn. Unmoͤglich Bruder, das kann dein Ernſt nicht ſeyn. Sag, Bruͤderchen, iſt es nicht die Noth die dich ſo ſtimmt? Kommt, laß dir ein Stuͤkchen aus meinen Bubenjahren erzaͤh - len. Da hatt ich neben meinem Hauß einen Gra - ben, der, wie wenig, ſeine acht Schuh breit war, wo wir Buben uns in die Wette bemuͤhten hinuͤber zu ſpringen. Aber das war umſonſt. Pflumpf! lagſt du, und ward ein Geziſch und Gelaͤchter uͤber dir, und wurdeſt mit Schneeballen geſchmiſſen uͤber und uͤber. Neben meinem Hauß lag eines Jaͤgers Hund an einer Kette, eine ſo bißige Beſtie, die dir die Maͤdels wie der Blitz am Rockzipfel hatte, wenn ſie ſichs verſahn, und zu nah dran vorbey ſtrichen. Das war nun mein Seelengaudium, den Hund uͤberall zu necken wo ich nur konnte, und wollt halb krepiren vor Lachen wenn mich dann das Luder ſo gifftig anſtierte, und ſo gern auf mich los - gerannt waͤr, wenns nur gekonnt haͤtte. — Was geſchieht? Ein andermal mach ichs ihm auch wie - der ſo, und werf ihn mit einem Stein ſo derb an die Ripp, daß er vor Wuth von der Kette reißt und auf mich dar, und ich wie alle Donnerwetter reißaus und davon — Tauſend Schwerenoth! Da iſt dir juſt der vermaledeyte Graben dazwiſchen. Was25ein Schauſpiel.Was zu thun? Der Hund iſt mir hart an den Fer - ſen und wuͤthig, alſo kurz reſolvirt — ein Anlauf genommen — druͤben bin ich. Dem Sprung hatt ich Leib und Leben zu danken; die Beſtie haͤtte mich zu Schanden geriſſen!
Aber wozu izt das?
Dazu — daß du ſehen ſollſt, wie die Kraͤffte wachſen in der Noth. Darum laß ich mirs auch nicht bange ſeyn, wenns aufs aͤuſſer - ſte kommt. Der Muth waͤchſt mit der Gefahr; Die Kraft erhebt ſich im Drang. Das Schickſal muß einen großen Mann aus mir haben wollen, weil's mir ſo queer durch den Weg ſtreicht.
Jch wuͤßte nicht wozu wir den Muth noch haben ſollten, und noch nicht gehabt haͤtten.
So? — Und du willſt alſo dei - ne Gaben in dir verwittern laſſen? Dein Pfund vergraben? Meynſt du, deine Stinkereyen in Leip - zig machen die Graͤnzen des menſchlichen Witzes aus? Da laß uns erſt in die große Welt kommen. Paris und London! — wo man Ohrfeigen einhan - delt, wenn man einen mit dem Nahmen eines ehr - lichen Mannes gruͤßt. Da iſt es auch ein Seelen - jubilo, wenn man das Handwerk ins große prakti - zirt. — Du wirſt gaffen! Du wirſt Augen machen! B 5Wart,26Die Raͤuber,Wart, und wie man Handſchriften nachmacht, Wuͤrffel verdreht, Schloͤſſer aufbricht, und den Kof - fern das Eingeweid ausſchuͤttet — das ſollſt du noch von Spiegelberg lernen! Die Kanaille ſoll man an den naͤchſten beſten Galgen knuͤpfen, die bei gera - den Fingern verhungern will.
Wie? Du haſt es wol gar noch weiter gebracht?
Jch glaube gar, du ſetzeſt ein Mißtrauen in mich. Wart, laß mich erſt warm werden; du ſollſt Wunder ſehen, dein Gehirnchen ſoll ſich im Schaͤdel umdrehen, wenn mein kreiſen - der Witz in die Wochen kommt. —
Wie es ſich aufhellt in mir! Große Gedanken daͤm - mern auf in meiner Seele! Rieſenplane gaͤhren in meinem ſchoͤpfriſchen Schedel. Verfluchte Schlaf - ſucht!
Die bisher meine Kraͤffte in Ketten ſchlug, meine Auſſichten ſperrte und ſpannte; ich erwache, fuͤhle wer ich bin — wer ich werden muß!
Du biſt ein Narr. Der Wein bramar - baſirt aus deinem Gehirne.
Spiegelberg, wird es hei - ßen, kannſt du hexen Spiegelberg? Es iſt Schade daß du kein General worden biſt, Spiegelberg, wird der Koͤnig ſagen, du haͤtteſt die Oeſtreicher durchein27ein Schauſpiel.ein Knopfloch gejagt. Ja, hoͤr ich die Dokters jammern, es iſt unverantwortlich daß der Mann nicht die Medizin ſtudirt hat, er haͤtte ein neues Kropfpulver erfunden. Ach! und daß er das Ka - merale nicht zum Fach genommen hat, werden die Sullys in ihren Kabinetten ſeufzen, er haͤtte aus Steinen Louisd'ore hervorgezanbert. Und Spiegel - berg wird es heißen in Oſten und Weſten, und in den Koth mit euch ihr Memmen, ihr Kroͤten, in - deß Spiegelberg mit ausgeſpreiteten Fluͤgeln zum Tempel des Nachruhms empor fliegt.
Gluͤck auf den Weeg! Steig du auf Schandſaͤulen zum Gipfel des Ruhms. Jm Schat - ten meiner vaͤterlichen Hayne, in den Armen mei - ner Amalia lockt mich ein edler Vergnuͤgen. Schon die vorige Woche hab ich meinem Vater um Verge - bung geſchrieben, hab ihm nicht den kleinſten Um ſtand verſchwiegen, und wo Aufrichtigkeit iſt, iſt auch Mitleid und Hilfe. Laß uns Abſchied neh - men Moriz. Wir ſehen uns heut, und nie mehr. Die Poſt iſt angelangt. Die Verzeihung meines Vaters iſt ſchon innerhalb dieſer Stadtmauren.
Schwei -28Die Raͤuber.Wißt ihr auch, daß man uns auskund - ſchaftet?
Daß wir keinen Augenblick ſicher ſind aufgehoben zu werden?
Mich wunderts nicht. Es gehe wie es will! ſaht ihr den Schwarz nicht? ſagt er euch von keinem Brief, den er an mich haͤtte?
Schon lang ſucht er dich, ich vermu - the ſo etwas.
Wo iſt er, wo, wo?
Bleib! wir haben ihn hieher beſchieden. Du zitterſt? —
Jch zittre nicht. Warum ſollt ich auch zittern? Kameraden! dieſer Brief — freut euch mit mir! Jch bin der Gluͤcklichſte unter der Son - ne, warum ſollt ich zittern?
Bruder, Bruder, den Brief! den Brief!
Schwarz.Was iſt dir? wirſt du nicht wie die Wand?
Meines Bruders Hand!
Was treibt denn der Spiegelberg?
Der Kerl iſt unſinnig. Er macht Geſtus wie beym ſankt Veits Tanz.
Sein Verſtand geht im Ring her - um. Jch glaub er macht Verſe.
Spiegelberg! He Spiegelberg! — Die Beſtie hoͤrt nicht.
Kerl! traͤumſt du, oder? —
Moor! wonaus, Moor? was beginnſt du?
Was hat er, was hat er? Er iſt bleich wie die Leiche.
Das muͤſſen ſchoͤne Neuigkeiten ſeyn! Laß doch ſehen!
Rol -„ Ungluͤcklicher Bruder! ″ der Anfang klingt luſtig. „ Nur kuͤrzlich mus ich dir melden, daß deine Hoff - nung vereitelt iſt — du ſollſt hingehen, laͤßt dir der Vater ſagen, wohin dich deine Schandthaten fuͤhren. Auch, ſagt er, werdeſt du dir keine Hoff - nung machen, jemals Gnade zu ſeinen Fuͤſſen zu erwimmern, wenn du nicht gewaͤrtig ſeyn wolleſt, im unterſten Gewoͤlb ſeiner Thuͤrme mit Waſſer und Brod ſo lang traktirt zu werden, bis deine Haare wachſen wie Adlers-Federn, und deine Naͤ - gel wie Vogelsklauen werden. Das ſind ſeine eige - ne Worte. Er befiehlt mir den Brief zu ſchlieſſen. Leb wohl auf ewig! Jch bedaure dich —
Franz von Moor. ″
Ein zukerſuͤßes Bruͤdergen! Jn der That! — Franz heißt die Kanaille?
Von Waſſer und Brod iſt die Rede? Ein ſchoͤnes Leben! Da hab ich anders fuͤr euch geſorgt! Sagt 'ichs nicht, ich muͤßt' am Ende fuͤr euch alle denken?
Was ſagt der Schafskopf? der Eſel will fuͤr uns alle denken?
Haaſen, Kruͤppel, lahme Hun -de31ein Schauſpiel.de ſeyd ihr alle, wenn ihr das Herz nicht habt et - was Groſſes zu wagen?
Nun, das waͤren wir freylich, du haſt recht — aber wird es uns anch aus dieſer vermale - deyten Lage reiſſen, was du wagen wirſt? wird es? —
Armer Tropf! aus dieſer Lage reiſſen? hahaha! — ans dieſer Lage reiſſen? — und auf mehr raffinirt dein Fingerhut voll Gehirn nicht? und damit trabt dei - ne Maͤhre zum Stalle? Spiegelberg muͤßte ein Hundsvot ſeyn, wenn er mit dem nur anfangen wollte. Zu Helden, ſag ich dir, zu Freyherrn, zu Fuͤrſten, zu Goͤttern wirds euch machen!
Das iſt viel auf einen Hieb, wahr - lich! Aber es wird wohl eine halsbrechende Arbeit ſeyn, den Kopf wirds wenigſtens koſten.
Es will nichts als Muth, de# was den Wiz betrifft, den nehm ich ganz uͤber mich. Muth, ſag ich, Schweizer! Muth, Roller, Grimm, Razmann, Schufterle! Muth! —
Muth? Wenns nur das iſt —Muth32Die Raͤuber,Muth hab ich genug um baarfus mitten durch die Hoͤlle zu gehn.
Muth genug, mich unterm lich - ten Galgen mit dem leibhaftigen Teufel um einen armen Suͤnder zu balgen.
So gefaͤllt mirs! Wenn ihr Muth habt, tret einer auf, und ſag: Er habe noch etwas zu verlieren, und nicht alles zu gewin - nen! —
Wahrhaftig, da gaͤbs manches zu verlieren, wenn ich das verlieren wollte, was ich noch zu gewinnen habe!
Ja, zum Teufel! und manches zu gewinnen, wenn ich das gewinnen wollte, was ich nicht verlieren kann.
Wenn ich das verlieren muͤß - te, was ich auf Borgs auf dem Leibe trage, ſo haͤtt 'ich allenfalls morgen nichts mehr zu verlie - ren.
Alſo denn!
Wenn noch ein Tropfendeut -33ein Schauſpiel.deutſchen Heldenbluts in euren Adern rinnt — kommt! Wir wollen uns in den boͤhmiſchen Waͤl - dern niederlaſſen, dort eine Raͤuberbande zuſammen ziehen, und — Was gafft ihr mich an? — iſt euer bisgen Muth ſchon verdampft?
Du biſt wohl nicht der erſte Gauner, der uͤber den hohen Galgen weggeſehen hat — und doch — Was haͤtten wir ſonſt noch fuͤr eine Wahl uͤbrig?
Wahl? Was? nichts habt ihr zu waͤhlen! Wollt ihr im Schuldthurm ſtecken, und zuſammenſchnurren bis man zum juͤngſten Tag po - ſaunt? Wollt ihr euch mit der Schaufel und Haue um einem Biſſen trocken Brod abquaͤlen? Wollt ihr an der Leute Fenſter mit einem Baͤnkel - ſaͤnger Lied ein mageres Allmoſen erpreſſen? oder wollt ihr zum Kalbsfell ſchwoͤren — und da iſt erſt noch die Frage, ob man euren Geſichtern traut — und dort unter der milzſuͤchtigen Laune eines ge - bieteriſchen Korporals das Fegfeuer zum voraus abverdienen? oder bey klingendem Spiel nach dem Takt der Trommel ſpazieren gehn, oder im Gal - lioten Paradis das ganze Eiſen-Magazin Vulkans hinterſchleifen? Seht, das habt ihr zu waͤhlen, da iſt es beyſamen, was ihr waͤhlen koͤnnt!
So unrecht hat der Spiegelberg eben nicht. Jch hab auch meine Plane ſchon zuſamen - gemacht, aber ſie treffen endlich auf eins. WieCwaͤrs34Die Raͤuber,waͤrs, dacht ich, wenn ihr euch hinſeztet, und ein Taſchenbuch oder einen Almanach, oder ſo was aͤhnlichs zuſamenſudeltet, und um den lieben Groſchen recenſirtet, wie's wirklich Mode iſt?
Zum Henker! ihr rathet nach zu meinen Projekten. Jch dachte bey mir ſelbſt, wie wenn du ein Pietiſt wuͤrdeſt, und woͤchentlich dei - ne Erbauungsſtunden hielteſt?
Getroffen! und wenn das nicht geht, ein Atheiſt! Wir koͤnnten die vier Evangeliſten aufs Maul ſchlagen, lieſſen unſer Buch durch den Schin - der verbrennen, und ſo gieng's reiſſend ab.
Oder zoͤgen wir wieder die Fran - zoſen zu Felde — ich kenne einen Dokter, der ſich ein Haus von purem Quekſilber gebauet hat, wie das Epigramm auf der Hausthuͤre lautet.
Moriz, du biſt ein groſſer Mann! — oder es hat ein blindes Schwein eine Eichel gefunden.
Vortreffliche Plane! honete Gewer - be! Wie doch die groſſen Geiſter ſympathiſiren! Jzt fehlte nur noch, daß wir Weiber und Kupplerinnen wuͤrden, oder gar unſere Jungferſchafr zu Mark - te trieben.
Poſſen, Poſſen! Und was hin - derts, daß ihr nicht das meiſte in einer Perſon ſeyn koͤnnt? Mein Plan wird euch immer am hoͤch - ſteu pouſſiren, und da habt ihr noch Ruhm undUn -35ein Schauſpiel.Unſterblichkeit! Seht arme Schluker! Auch ſo weit mus man hinausdenken! Auch auf den Nachruhm, das ſuͤſſe Gefuͤhl von Unvergeßlichkeit —
U#d oben an in der Liſte der ehrlichen Leute! Du biſt ein Meiſter-Redner, Spiegelberg, Wenns drauf ankommt, aus einem ehrlichen Mann einen Hollunken zu machen — Aber ſag doch einer, wo der Moor bleibt? —
Ehrlich, ſagſt du? Meynſt du, du ſeyſt nachher weniger ehrlich, als du izt biſt? Was heiſt du ehrlich? Reichen Filzen ein Drittheil ihrer Sorgen vom Hals ſchaffen, die ihnen nur den goldnen Schlaf verſcheuchen, das ſtockende Geld in Umlauf bringen, das Gleichgewicht der Guͤter wieder herſtellen, mit einem Wort, das goldne Alter wieder zuruͤkrufen, dem lieben Gott von manchem laͤſtigen Koſtgaͤnger helfen, ihm Krieg, Peſtilenz, theure Zeit und Dokters erſparen — ſiehſt du, das heis ich ehrlich ſeyn, das heis ich ein wuͤrdiges Werkzeug in der Hand der Vorſehung abgeben, — und ſo bey jedem Braten den man ißt, den ſchmeichelhaften Gedanken zu haben; den haben dir deine Finten, dein Loͤwenmuth, deine Nachtwachen erworben — von groß und klein re - ſpektirt zu werden —
Und endlich gar bey lebendigem Leibe gen Himmel fahren, und truz Sturm und Wind, truz dem gefraͤſſigen Magen der alten Urahne ZeitC 2unter36Die Raͤuber,unter Sonn und Mond und allen Fixſternen ſchwe - ben, wo ſelbſt die unvernuͤnftigen Voͤgel des Him - mels, von edler Begierde herbeygelockt, ihr himm - liſches Koncert muſiciren, und die Engel mit Schwaͤnzen ihr hochheiliges Synedrium halten? Nicht wahr? — und wenn Monarchen und Poten - taten von Motten und Wuͤrmern verzehrt werden, die Ehre haben zu duͤrfen, von Jupiters koͤniglichem Vogel Viſiten anzunehmen? — Moriz, Moriz, Moriz! nimm dich in Acht! nimm dich in Acht, vor dem dreybeinigten Thiere!
Und das ſchroͤkt dich, Haſen - herz? iſt doch ſchon manches Univerſal-Genie, das die Welt haͤtte reformiren koͤnnen, auf dem Schind - Anger verfault, und ſpricht man nicht von ſo ei - nem Jahrhunderte, Jahrtauſende lang, da mancher Koͤnig und Curfuͤrſt in der Geſchichte uͤberhuͤpft wuͤrde, wenn ſein Geſchichtſchreiber die Luͤke in der Succeſſions-Leiter nicht ſcheute, und ſein Buch dardurch nicht um ein paar Oktavſeiten gewoͤnne, die ihm der Verleger mit baarem Gelde bezahlt — Und wenn dich der Wanderer ſo hin und her flie - gen ſieht im Winde — der mus auch kein Waſſer im Hirn gehabt haben, brummt er in den Bart, und ſeufzt uͤber die elenden Zeiten.
Meiſterlich, Spiegelberg! Meiſterlich! Was, zum Teufel, ſteht ihr da, und zaubert?
Und laß es auch Proſtitution heiſ - ſen — Was folgt weiter? Kann man nicht auf den Fall immer ein Puͤlvergen mit ſich fuͤhren, das ei - nen ſo im ſtillen uͤbern Acheron foͤrdert, wo kein Hahn darnach kraͤht! Nein, Bruder Moriz! dein Vorſchlag iſt gut. So lautet auch mein Katechismus.
Bliz! Und der meine nicht minder.
du haſt mich geworben!
Du haſt, wie ein anderer Orpheus, die heulende Beſtie, mein Gewiſſen in den Schlaf geſungen. Nimm mich ganz, wie ich da bin.
Si omnes conſentuint ego non diſ - ſentio. Wohlgemerkt ohne Komma. Es iſt ein Aufſtreich in meinem Kopf; Pietiſten — Quak - ſalber — Rezenſenten und Jauner. Wer am meiſten bietet, der hat mich. Nimm dieſe Hand Moriz.
Und auch du Schweizer?
Alſo verpfaͤnd ich meine Seele dem Teufel.
Und deinen Nahmen den Sternen! was liegt daran, wohin auch die Seele faͤhrt? Wenn Schaaren vorausgeſprengter Kuriere unſere Niederfahrt melden, daß ſich die Sataue feſttaͤglich herauspuzen, ſich den tauſendjaͤhrigen Ruß aus den Wimpern ſtaͤuͤben, und myriaden gehoͤrnter Koͤpfe aus der rauchenden Muͤndung ihrer Schwefel-Ka - mine hervorwachſen, unſern Einzug zu ſehen? Kame - raden!
friſch auf! Kameraden! was in derC 3Welt38Die Raͤuber,Welt wiegt dieſen Rauſch des Entzuͤckens auf? Kommt Kameraden!
Sachte nur! Sachte! wohin? das Thier muß auch ſeinen Kopf haben, Kinder.
Was predigt der Zaude - rer? Stand nicht der Kopf ſchon, eh noch ein Glied ſich regte? folgt Kameraden.
Gemach ſag ich. Auch die Freyheit muß ihren Herrn haben. Ohne Oberhaupt gieng Rom und Sparta zu Grunde.
Ja — haltet — Rol - ler ſagt recht. Und das muß ein erleuchteter Kopf ſeyn. Verſteht ihr? Ein feiner politiſcher Kopf muß das ſeyn. Ja! wenn ich mirs denke, was ihr vor einer Stunde waret, was ihr izt ſeyd, — durch Einen gluͤklichen Gedanken ſeyd — Ja freylich, freylich, muͤßt ihr einen Chef haben — Und wer dieſen Gedanken entſponnen, ſagt, muß das nicht ein erleuchteter politiſcher Kopf ſeyn?
Wenn ſichs hoffen lieſſe — traͤumen ließe — Aber ich fuͤrchte er wird es nicht thun.
Warum nicht? Sags kek her - aus, Freund! — So ſchwer es iſt das kaͤmpffende Schiff gegen die Winde zu lenken, ſo ſchwer ſie auch druͤkt die Laſt der Kronen — Sags unver - zagt, Roller, — Vielleicht wird ers doch thun.
Und lek iſt das Ganze wenn ers nicht thut. Ohne den Moor ſind wir Leib ohne Seele.
Stokfiſch!
Menſchen — Menſchen! falſche, heuch - leriſche Krokodilbrut! Jhre Augen ſind Waſſer! Jh - re Herzen ſind Erzt! Kuͤſſe auf den Lippen! Schwer - der im Buſen! Loͤwen und Leoparde fuͤttern ihre Jungen, Raben tiſchen ihren Kleinen auf dem Aas, und Er, Er — Bosheit hab ich dulden gelernt, kann dazu laͤcheln, wenn mein erboster Feind mir mein eigen Herzblut zutrinkt — aber wenn Blut - liebe zur Verraͤtherinn, wenn Vaterliebe zur Me - gaͤre wird; o ſo fange Feuer maͤnnliche Gelaſſen - heit, verwilde zum Tyger ſanftmuͤthiges Lamm, und jede Faſer recke ſich auf zu Grimm und Ver - derben.
Hoͤre Moor! Was denkſt du davon? Ein Raͤuberleben iſt doch auch beſſer, als bey Waſ - ſer und Brod im unterſten Gewoͤlbe der Thuͤrme?
Warum iſt dieſer Geiſt nicht in einem Tyger gefahren, der ſein wuͤtendes Gebiß in Men - ſchenfleiſch haut? Jſt das Vatertreue? Jſt das Liebe fuͤr Liebe? Jch moͤchte ein Baͤr ſeyn, und die Baͤren des Nordlands wider dis moͤrderiſche Geſchlecht anhezen — Reue, und keine Gnade! — Oh ich moͤchte den Ocean vergiften, daß ſieC 4den40Die Raͤuber,den Tod aus allen Quellen ſaufen! vertrauen, un - uͤberwindliche Zuverſicht, und kein Erbarmen!
So hoͤre doch, Moor, was ich dir ſage!
Es iſt unglaublich, es iſt ein Traum eine Taͤuſchung — So eine ruͤhrende Bitte, ſo ei - ne lebendige Schilderung des Elends und der zer - flieſſenden Reue — die wilde Beſtie waͤr in Mit - leid zerſchmolzen! Steine haͤtten Traͤnen vergoſſen, und doch — man wuͤrde es fuͤr ein boshaftes Pasquill aufs Menſchengeſchlecht halten, wenn ichs ausſagen wollte — und doch, doch — oh daß ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blaſen koͤnnte, Luft, Erde und Meer wider das Hyanen-Gezuͤcht ins Treffen zu fuͤhren!
Hoͤre doch, hoͤre! vor Raſen hoͤrſt du ja nicht.
Weg, weg von mir! Jſt dein Name nicht Menſch? Hat dich das Weib nicht geboren? — Aus meinen Augen du mit dem Menſchenge - ſicht! — Jch hab ihn ſo unausſprechlich geliebt! ſo liebte kein Sohn, ich haͤtte tauſend Leben fuͤr ihn —
ha! — wer mir izt ein Schwerd in die Hand gaͤb, dieſer Ot - terbrut eine brennende Wunde zu verſezen! wer mir ſagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen, zermalmen, zernichten — Er ſey mein Freund, mein Engel, mein Gott — ich will ihn anbeten!
Eben dieſe Freunde wollen ja wir ſeyn, laß dich doch weiſen!
Komm mit uns in die boͤhmiſchen Waͤlder! Wir wollen eine Raͤuberbande ſammeln, und du —
Du ſollſt unſer Hauptmann ſeyn! du muſt unſer Hauptmann ſeyn!
Skla - ven und Memmen!
Wer blies dir das Wort ein? Hoͤre, Kerl!
Das haſt du nicht ans deiner Menſchenſeele hervorgeholt! wer blies dir das Wort ein? Ja, bey dem tanſendarmige# Tod! das wollen wir, das muͤſſen wir! der Ge - danke verdient Vergoͤtterung — Raͤuber und Moͤrder! — So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!
Es lebe der Haupt - mann!
Bis ich ihm hinhelfe!
Siehe, da faͤllts wie der Staar von meinen Augen! was fuͤr ein Thor ich war, daß ich ins Keficht zuruͤckwollte! — Mein Geiſt duͤrſtet nach Thaten, mein Athem nach Freyheit, — Moͤr - der, Raͤuber! — mit dieſem Wort war das Ge - ſez unter meine Fuͤſſe gerollt — Menſchen haben Menſchheit vor mir verborgen, da ich an Menſch -C 5heit42Die Raͤuber,heit appellirte, weg dann von mir Symp#thie und menſchliche Schonung! — Jch habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod ſoll mich vergeſſen lehren, daß mir jemals etwas theuer war! Kommt, kommt! — Oh ich will mir eine fuͤrchterliche Zerſtreuung machen — es bleibt dabey, ich bin euer Hauptmann! und Gluͤck zu dem Meiſter unter euch, der am wilde - ſten ſengt, am graͤßlichſten mordet, denn ich ſage euch, er ſoll koͤniglich belohnet werden — tretet her um mich ein jeder, und ſchwoͤret mir Treu und Gehorſam zu bis in den Tod! — ſchwoͤrt mir das bey dieſer maͤnnlichen Rechte.
Wir ſchwoͤren dir Treu und Gehorſam bis in den Tod!
Nun und bey dieſer maͤnnlichen Rech - te! ſchwoͤr ich euch hier, treu und ſtandhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod! Den ſoll dieſer Arm gleich zur Leiche machen, der jemals zagt oder zweifelt, oder zuruͤcktritt! Ein gleiches wiederfahre mir von jedem unter euch, wenn ich meinen Schwur verletze! Seyd ihrs zufrieden?
Wir ſinds zufrieden.
Nun dann, ſo laßt uns gehn! Fuͤrch - tet euch nicht vor Tod und Gefahr, denn uͤber uns waltet ein unbeugſames Fatum! Jeden ereilet endlich ſein Tag, es ſey auf dem weichen Kuͤſſenvon43ein Schauſpiel.von Pflaum, oder im rauhen Gewuͤhl des Ge - fechts, oder auf offenem Galgen und Rad! Eins davon iſt unſer Schickſal!
Dein Regiſter hat ein Loch. Du haſt das Gift wegge - laſſen.
Du ſiehſt weg, Amalia? verdien ich weniger, als der, den der Vater verflucht hat?
Weg! — ha des liebevollen barm - herzigen Vaters, der ſeinen Sohn Woͤlffen und Ungeheuern Preis gibt! daheim labt er ſich mit ſuͤſſem koͤſtlichem Wein, und pflegt ſeiner morſchen Glieder in Kiſſen von Eider, waͤhrend ſein groſſer herrlicher Sohn darbt — ſchaͤmt euch, ihr Unmen - ſchen! ſchaͤmt euch, ihr Drachenſeelen, ihr Schande der Menſchheit! — ſeinen einzigen Sohn!
Jch daͤchte, er haͤtt ihrer zween.
Ja, er verdient ſolche Soͤhne zu ha - ben, wie du biſt. Auf ſeinem Todbett wird er umſonſt die welken Haͤnde ausſtrecken nach ſeinem Karl, und ſchaudernd zuruͤckfahren, wenn er dieeis -44Die Raͤuber,eiskalte Hand ſeines Frauzens faßt — oh es iſt ſuͤß, es iſt koͤſtlich ſuͤß, von deinem Vater verflucht zu werden! Sprich Franz, liebe bruͤderliche Seele! was mus man thun, wenn man von ihm verflucht ſeyn will?
Du ſchwaͤrmſt, meine Liebe, du biſt zu bedauren.
O ich bitte dich — bedauerſt du dei - nen Bruder? — Nein Unmenſch, du haſſeſt ihn! du haſſeſt mich doch auch?
Jch liebe dich wie mich ſelbſt, Amalia.
Wenn du mich liebſt, kannſt du mir wol eine Bitte abſchlagen?
Keine, keine! wenn ſie nicht mehr iſt als mein Leben.
O, wenn das iſt! Eine Bitte, die du ſo leicht, ſo gern erfuͤllen wirſt,
— Haſſe mich! Jch muͤßte feuerroth werden vor Scham, wenn ich an Karln denke, und mir eben einfiel, daß du mich nicht haſſeſt. Du verſprichſt mirs doch? — Jzt geh, und laß mich, ich bin ſo gern allein!
Allerliebſte Traͤumerinn! wie ſehr be - wundere ich dein ſanftes liebevolles Herz.
Hier hier herrſchte Karl wie ein Gott in ſeinem Tempel, Karl ſtand vor dir im Wachen, Karl regierte in deinen Traͤumen, die ganze Schoͤpfung ſchien dir nur in den einzigen zuzer -45ein Schauſpiel.zerflieſſen, den einzigen wiederzuſtralen, den ein - zigen dir entgegen zu toͤnen.
Ja wahrhaftig, ich geſteh es. Euch Barbaren zum Trutz will ichs vor aller Welt geſtehen — ich lieb ihn!
Unmenſchlich, grauſam! Dieſe Liebe ſo zu belohnen! Die zu vergeſſen —
Was, mich vergeſſen?
Hatteſt du ihm nicht einen Ring an den Finger geſtekt? einen Diamantring zum Un - terpfand deiner Treue! — Freylich nun, wie kann auch ein Juͤngling den Reizen einer Meze Wider - ſtand thun? Wer wirds ihm auch verdenken, da ihm ſonſt nichts mehr uͤbrig war wegzugeben, — und bezahlte ſie ihn nicht mit Wucher dafuͤr mit ih - ren Liebkoſungen, ihren Umarmungen?
Meinen Ring einer Meze?
Pfui, pfui! das iſt ſchaͤndlich. Wol aber, wenns nur das waͤre! — Ein Ring, ſo koſt - bar er auch iſt, iſt im Grunde bey jedem Juden wieder zu haben — vielleicht mag ihm die Arbeit daran nicht gefallen haben, vielleicht hat er einen ſchoͤnern dafuͤr eingehandelt.
Aber meinen Ring — ich ſage meinen Ring?
Keinen andern, Amalia — ha! ſolch ein Kleinod, und an meinem Finger — und von Amalia! — von hier ſollt ihn der Tod nicht ge -riſ -46Die Raͤuber,riſſen haben — nicht wahr, Amalia? nicht die Koſt - barkeit des Diamants, nicht die Kunſt des Gepraͤ - ges — die Liebe macht ſeinen Werth aus — Lieb - ſtes Kind, du weineſt? wehe uͤber den, der dieſe koͤſtliche Tropfen aus ſo himmliſchen Augen preßt — ach, und wenn du erſt alles wuͤßteſt, ihn ſelbſt ſaͤheſt, ihn unter der Geſtalt ſaͤheſt? —
Ungeheuer! wie, unter welcher Ge - ſtalt?
Stille, ſtille, gute Seele, frage mich nicht aus!
Wenn es doch wenigſtens nur einen Schleyer haͤtte, das garſtige Laſter, ſich dem Auge der Welt zu entſtehlen! aber da blickts ſchrecklich durch den gelben bley - farbenen Augenring; — da verraͤth ſichs im toden - blaſſen eingefallenen Geſicht, und dreht die Kno - chen heßlich hervor — da ſtammelts in der halben verſtuͤmmelten Stimme — da predigts fuͤrchterlich laut vom zitternden hinſchwankenden Gerippe — da durchwuͤhlt es der Knochen innerſtes Mark, und bricht die mannhafte Staͤrke der Jugend — da, da ſprizt es den eitrichten freſſenden Schaum aus Stirn und Wangen und Mund, und #der gan - zen Flaͤche des Leibes zum ſcheußlichen Au#fſaz her - vor, und niſtet abſcheulich in den Gruben der vie - hiſchen Schande — pfui, pfui! mir eckelt. Naſen, Augen, Ohren ſchuͤtteln ſich — du haſt jenen Elen - den geſehen, Amalia, der in unſerem Siec#henhau -ſe47ein Schauſpiel.ſe ſeinen Geiſt auskeuchte, die Schaam ſchien ihr ſcheues Auge vor ihm zuzublinzen — du rufteſt Wehe uͤber ihn aus. Ruf dis Bild noch einmal ganz in deine Seele zuruͤck, und Karl ſteht vor dir! — Seine Kuͤſſe ſind Peſt, ſeine Lippen ver - giften die deinen!
Schaamloſer Laͤſterer!
Graut dir vor dieſem Karl? Eckelt dir ſchon von dem matten Gemaͤlde? Geh, gaff ihn ſelbſt an, deinen ſchoͤnen, engliſchen goͤttlichen Karl! Geh, ſauge ſeinen balſamiſchen Athem ein, und laß dich von den Ambroſia-Duͤften begraben, die aus ſeinem Rachen dampfen! der bloſe Hauch ſeines Mundes wird dich in jenen ſchwarzen tod - aͤhnlichen Schwindel hauchen, der den Geruch ei - nes berſtenden Aaaſes und den A#blick eines Lei - chenvollen Wahlplatzes begleitet.
Welches Aufwallen der Liebe! Welche Wolluſt in der Umarmung — aber iſt es nicht ungerecht einen Menſchen um ſeiner ſiechen Auſ - ſenſeite willen zu verdammen? Auch im elendeſten Aeſopiſchen Kruͤppel kann eine groſe liebenswuͤrdi - ge Seele, wie ein Rubin aus dem Schlamme glaͤnzen,
Auch aus blattrichten Lip - pen kann ja die Liebe —
Freylich, wenn das Laſter auch die Feſten des Karakters erſchuͤttert, wenn mit der Keuſchheit auchdie48Die Raͤuber,die Tugend davon fliegt, wie der Duft aus der welken Roſe verdampft — wenn mit dem Koͤrper auch der Geiſt zum Kruͤppel verdirbt —
Ha! Karl! Nun er - kenn ich dich wieder! du biſt noch ganz! ganz! alles war Luͤge! — weiſt du nicht, Boͤſewicht, daß Karl unmoͤglich das werden kann?
Wohin ſo eilig, fliehſt du vor deiner eigenen Schande?
Laß mich, laß mich! — meinen Traͤnen den Lauf laſſen — tyranni#cher Vater! den beſten deiner Soͤhne ſo hinzugeben dem Elend — der ringsumgebenden Schande — laß mich, Amalia! ich will ihm zun Fuͤſſen fallen, auf den Knien will ich ihn beſchwoͤren, den aus - geſprochenen Fluch auf mich, auf mich zu laden — mich zu enterben — mich — mein Blut — mein Leben — alles —
Bruder meines Karls, beſter, liebſter Franz!
O Amalia! wie lieb ich dich um dieſer unerſchuͤtterten Treue gegen meinen Bruder — ver - zeih, daß ich es wagte, deine Liebe auf dieſe har - te Probe zu ſetzen! — Wie ſchoͤn haſt du meine Wuͤnſche gerechtfertigt! — Mit dieſen Thraͤnen, dieſen Seufzern, dieſem himmliſchen Unwillen — auch fuͤr mich, fuͤr mich — unſere Seelen ſtimm - ten ſo zuſammen.
O nein, das thaten ſie nie!
Ach ſie ſtimmten ſo harmoniſch zuſam - men, ich meynte immer, wir muͤßten Zwillinge ſeyn! und waͤr der leidige Unterſchied von auſſen nicht, wobey leider freylich Karl verlieren mus, wir wuͤrden zehnmal verwechſelt. Du biſt, ſagt 'ich oft zu mir ſelbſt, ja du biſt der ganze Karl, ſein Echo, ſein Ebenbild!
Nein, nein, bey jenem keuſchen Lichte des Himmels! kein Aederchen von ihm, kein Fuͤnkchen von ſeinem Gefuͤhle —
So ganz gleich in unſern Neigungen — die Roſe war ſeine liebſte Blume — welche Blume war mir uͤber die Roſe? Er liebte die Muſik unaus - ſprechlich, und ihr ſeyd Zeugen, ihr Sterne! ihr habt mich ſo oft in der Todenſtille der Nacht beym Klaviere belauſcht, wenn alles um mich begraben lag in Schatten und Schlummer — und wie kannſt du noch zweiffeln, Amalia, wenn unſere Liebe in einer Vollkommenheit zuſammentraf, und wenn die Liebe die nemliche iſt, wie koͤnnten ihre Kinder entarten?
Es war ein ſtiller heiterer Abend, der lezte, eh er nach Leipzig abreißte, da er mich mit ſich in jene Laube nahm, wo ihr ſo oft zuſammenſa - ſet in Traͤumen der Liebe — ſtumm blieben wir lang — zulezt ergrif er meine Hand und ſprachDlei -50Die Raͤuber,leiſe mit Traͤnen: ich verlaſſe Amalia, ich weis nicht — mir ahndets, als hies es auf ewig — verlaß ſie nicht, Bruder! — ſey ihr Freund — ihr Karl — wenn Karl — nimmer — wiederkehrt —
Nimmer, nimmer, nimmer wird er wiederkehren, und ich habs ihm zugeſagt mit einem heiligen Eide!
Verraͤther, wie ich dich ertappe! Jn eben dieſer Lanbe beſchwur er mich, keiner andern Liebe — wenn er ſterben ſollte — ſiehſt du, wie gottlos, wie abſcheulich du — geh aus meinen Augen,
Du kennſt mich nicht, Amalia, du kennſt mich gar nicht!
O ich kenne dich, von izt an kenn ich dich — und du wollteſt ihm gleich ſeyn? Vor dir ſollt er um mich geweint haben? Vor dir? Ehe haͤtt 'er meinen Namen auf den Prauger ge - ſchrieben! Geh den Angenblick!
Du beleidigſt mich!
Geh, ſag ich. Du haſt mir eine koſtbare Stunde geſtohlen, ſie werde dir an dei - nem Leben abgezogen.
Du haſſeſt mich.
Jch verachte dich, geh!
Wart! ſo ſollſt du vor mir zittern! mich einem Bettler aufopfern?
Geh Lotterbube — izt bin ich wieder bey Karln — Bettler, ſagt er? ſo hat die Welt ſich umge - dreht, Bettler ſind Koͤnige, und Koͤnige ſind Bett - ler! — Jch moͤchte die Lumpen, die er anhat, nicht mit dem Purpur der Geſalbten vertauſchen — der Blick mit dem er bettelt, das mus ein groſer, ein koͤniglicher Blick ſeyn — ein Blick, der die Herrlichkeit, den Pomp, die Triumpfe der Groſſen und Reichen zernichtet! Jn den Staub mit dir, du prangendes Geſchmeide!
Seyd verdammt, Gold und Silber und Juwelen zu tragen, ihr Groſen und Reichen! Seyd verdammt, an uͤppigen Maalen zu zechen! Verdammt euren Gliedern wol zu thun auf weichen Polſtern der Wolluſt! Karl! Karl! ſo bin ich dein werth —
Es dauert mir zu lange — der Doktor will, er ſei im Umkehren — das Leben eines Alten iſt doch eine Ewigkeit! — Und nun waͤr freye, ebene Bahn bis auf dieſen aͤrgerlichen zaͤhen Klumpen Fleiſch, der mir, gleich dem unterirrdiſchen Zau - berhund in den Geiſtermaͤhrchen, den Weg zu mei - nen Schaͤzen verrammelt.
Muͤßen denn aber meine Entwuͤrffe ſich un - ter das eiſerne Joch des Mechaniſmus beugen? — Soll ſich mein hochfliegender Geiſt an den Schne - ckengang der Materie ketten laſſen? — Ein Licht ausgeblaſen, das ohnehin nur mit den lezten Oel - tropfen noch wuchert — mehr iſts nicht — Und doch moͤcht ich das nicht gern ſelbſt gethan haben um der Leute willen. Jch moͤcht ihn nicht gern getoͤdtet, aber abgelebt. Jch moͤcht es machen wie der geſche#ide Arzt. (nur umgekehrt. ) — Nicht der Na - tur durch einen Queerſtreich den Weg verra#nt, ſondern ſie in ihrem eigenen Gange befoͤrdert. Undwir53ein Schauſpiel.wir vermoͤgen doch wirklich die Bedingungen des Lebens zu verlaͤngern, warum ſollten wir ſie nicht auch verkuͤrzen koͤnnen?
Philoſophen und Mediziner lehren mich, wie treffend die Stimmungen des Geiſts mit den Be - wegungen der Maſchine zuſammen lauten. Gicht - riſche Empfindungen werden jederzeit von einer Diſſonanz der mechaniſcheu Schwingungen beglei - tet — Leidenſchaften mißhandeln die Lebenskraft — der uͤberladene Geiſt druͤckt ſein Gehaͤuſe zu Boden — Wie denn nun? — Wer es verſtuͤnde, dem Tod dieſen ungebahnten Weg in das Schloß des Lebens zu ebenen? — den Koͤrper vom Geiſt aus zu verderben — ha! ein Originalwerk! — wer das zu Stand braͤchte? — Ein Werk ohne gleichen! — Sinne nach Moor! — das waͤr ei - ue Kunſt dies verdiente dich zum Erfinder zu ha - ben. Hat man doch die Giftmiſcherey beinahe in den Rang einer ordentlichen Wiſſenſchaft erhoben, und die Natur durch Experimente gezwungen, ihre Schranken anzugeben, daß man nunmehr des Her - zens Schlaͤge Jahr lang vorausrechnet, und zu dem Pulſe ſpricht, bis hieher, und nicht weiter! *)Eine Frau in Paris ſoll es durch ordentlich angeſtellte Verſuche mit Giftpulvern ſo weit gebracht haben, daß ſie den entfernten Todestag mit zimlicher Zuverlaͤßigkeit voraus beſtimmen konnte. Pfui uͤber unſere Aerzte die dieſe Frau im Prognoſtiziren beſchaͤmt!D 3—54Die Raͤuber,— Wer ſollte nicht auch hier ſeine Fluͤgel verſu - chen?
Und wie ich nun werde zu Werk gehen muͤſ - ſen, dieſe ſuͤſſe friedliche Eintracht der Seele mit ihrem Leibe zu ſtoͤren? Welche Gattung von Em - pfindniſſen ich werde waͤhlen muͤſſen? Welche wohl den Flor des Lebens am grimmigſten anfeinden? Zorn — dieſer heißhungrige Wolf frißt ſich zu ſchnell ſatt — Sorge? — Dieſer Wurm nagt mir zu lang - ſam — Gram? — dieſe Natter ſchleicht mir zu traͤge — Furcht? — die Hofnung laͤßt ſie nicht umgreiffen — was? Sind das all die Henker des Menſchen? — Jſt das Arſenal des Todes ſo bald erſchoͤft? —
Wie? — Nun? — Was? Nein! — Ha!
Schrek! — Was kann der Schreck nicht? — Was kann Vernunft, Re - ligion wider dieſes Giganten eißkalte Umarmung? — Und doch? — Wenn er auch dieſem Sturm ſtuͤnde? — Wenn er? — O ſo komme du mir zu Huͤlffe Jammer, und du Reue, hoͤlliſche Eu - menide, grabende Schlange, die ihren Fraß wie - derkaͤut, und ihren eigenen Koth wiederfrißt; ewige Zerſtoͤrinnen und ewige Schoͤpferinnen eures Giftes, und du heulende Selbſtverklagung die du dein eigen Hauß verwuͤſteſt, und deine eigene Mutter ver - wundeſt — Und kommt auch ihr mir zu Huͤlffe wohlthaͤt ge Grazien ſelbſt, ſanftlaͤchelnde Vergan - genheit, und du mit #em uͤberquellenden Fuͤllhornbluͤ -55ein Schauſpiel.bluͤhende Zukunft, haltet ihm in euren Spiegeln die Freuden des Himmels vor, wenn euer fliehen - der Fuß ſeinen geizigen Armen entgleitet — So fall ich Streich auf Streich, Sturm auf Sturm dieſes zerbrechliche Leben an, bis den Fnrientrupp zulezt ſchließt — die Verzweiflung! Triumf! Tri - umf! — Der Plan iſt fertig — Schwer und Kunſtvoll wie keiner — zuverlaͤßig — ſicher — denn
des Zergliederers Meſſer fin - det ja keine Spuren von Wunde oder korroſivi - ſchen Gift.
Wolan denn,
Ha! Deuſ ex machina! Herrmann!
Zu euren Dienſten, gnaͤdiger Jun - ker!
Die du keinem Undank - baren erweiſeſt.
Jch hab Proben davon.
Du ſollſt mehr haben mit naͤchſtem — mit naͤchſtem, Herrmann! — Jch habe dir etwas zu ſagen, Herrmann.
Jch hoͤre mit tauſend Ohren.
Jch kenne dich, du biſt ein entſchloßner Kerl — Soldaten Herz — Haar auf der Zunge! — Mein Vater hat dich ſehr beleidigt, Herrmann!
Der Teufel hole mich, wenn ichs vergeſſe!
Das iſt der Ton eines Manns! RacheD 4ge -56Die Raͤuber,geziemt einer maͤnnlichen Bruſt. Dn gefaͤllſt mir, Herrmann. Nimm dieſen Beutel, Herrmann. Er ſollte ſchwerer ſeyn, wenn ich erſt Herr waͤre.
Das iſt ja mein ewiger Wunſch, gnaͤdiger Junker, ich dank euch.
Wirklich, Herrmann? wuͤnſcheſt du wirk - lich, ich waͤre Herr? — aber mein Vater hat das Mark eines Loͤwen, und ich bin der juͤngere Sohn.
Jch wollt ', ihr waͤrt der aͤltere Sohn, und euer Vater haͤtte das Mark eines ſchwindſuͤchtigen Maͤdgens.
Ha! wie dich der aͤltere Sohn dann be - lohnen wollte! wie er dich aus dieſem unedlen Staub, der ſich ſo wenig mit deinem Geiſt und Adel vertraͤgt, ans Licht emporheben wollte! — Dann ſollteſt du, ganz wie du da biſt, mit Gold uͤberzogen werden, und mit vier Pferden durch die Straſen dahinraſſeln, wahrhaftig das ſollteſt du! — aber ich vergeſſe wovon ich dir ſagen wollte — haſt du das Fraͤulein von Edelreich ſchon vergeſſen, Herrmann?
Wetter Element! was erinnert ihr mich an das?
Mein Bruder hat ſie dir weggefiſcht.
Er ſoll dafuͤr buͤſſen!
Sie gab dir einen Korb. Jch glaube gar, er warf dich die Treppen hinunter.
Jch will ihn dafuͤr i# die Hoͤlle ſtoſen.
Er ſagte: man raune ſich einander in's Ohr, du ſeyſt zwiſchen dem Rindfleiſch und Meer - rettig gemacht worden, und dein Vater habe dich nie anſehen koͤnnen, ohne an die Bruſt zu ſchlagen und zu ſeufzen; Gott ſey mir Suͤnder gnaͤdig!
Blitz, Donner und Hagel, ſeyd ſtill!
Er rieth dir, deinen Adelbrief im Auf - ſtreich zu verkaufen, und deine Struͤmpfe damit flicken zu laſſen.
Alle Teufel! ich will ihm die Au - gen mit den Naͤgeln auskratzen.
Was? du wirſt boͤſe? was kannſt du boͤſe auf ihn ſeyn? Was kannſt du ihm boͤſes thun? was kann ſo eine Raze gegen einen Loͤwen? Dein Zorn verſuͤßt ihm ſeinen Triumpf nur. Du kannſt nichts thun, als deine Zaͤhne zuſammenſchlagen, und deine Wut an trocknem Brode auslaſſen.
Jch will ihn zu Staub zerreiben.
Pfui Herrmann du biſt ein Kavalier. Du muſt den Schimpf nicht auf dir ſitzen laſſen. Du muſt das Fraͤulein nicht fahren laſſen, nein das muſt du um alle Welt nicht thun, Herrmann! Hagel und Wetter! ich wuͤrde das aͤuſſerſte verſuchen, wenn ich an deiner Stelle waͤre.
Jch ruhe nicht, bis ich Jhn und Jhn unterm Boden hab.
Nicht ſo ſtuͤrmiſch, Herrmann! komm naͤher — du ſollſt Amalia haben!
Das muß ich, truz dem Teufel! das muß ich!
Du ſollſt ſie haben, ſag ich dir, und das von meiner Hand. Komm naͤher, ſag ich — du weiſt vielleicht nicht, daß Karl ſo gut als ent - erbt iſt?
Unbegreiflich, das er - ſte Wort, das ich hoͤre.
Sey ruhig, und hoͤre weiter! du ſollſt ein andermal mehr davon hoͤren — ja, ich ſage dir, ſeit eilf Monathen ſo gut als verbannt. Aber ſchon bereut der alte den voreiligen Schritt, den er doch,
will ich hoffen, nicht ſelbſt gethan hat. Auch liegt ihm die Edelreich taͤglich hart an mit ihren Vorwuͤrfen und Klagen. Ueber kurz oder lang wird er ihn in allen vier Enden der Welt aufſuchen laſſen, und gute Nacht, Herrmann! wenn er ihn findet. Du kannſt ihm ganz demuͤthig die Kutſche halten, wenn er mit ihr in die Kirche zur Trauung faͤhrt.
Jch will ihn am Krucifix erwuͤr - gen!
Der Vater wird ihm bald die Herr - ſchaft abtreten, und in Ruhe auf ſeinen Schloͤſſernleben.59ein Schauſpiel.leben. Jzt hat der ſtolze Strudelkopf den Zuͤgel in Haͤnden, izt lacht er ſeiner Haſſer und Neider — und ich, der ich dich zu einem wichtigen groſen Manne machen wollte, ich ſelbſt, Herrmann, wer - de tiefgebuͤckt vor ſeiner Thuͤrſchwelle —
Nein! ſo wahr ich Herr - mann heiſſe, das ſollt ihr nicht! wenn noch ein Fuͤnkchen Verſtand in dieſem Gehirne gloſtet! das ſollt ihr nicht!
Wirſt du es hindern? auch dich, mein lieber Herrmann, wird er ſeine Geiſſel fuͤhlen laſ - ſen, wird dir ins Angeſicht ſpeyen, wenn du ihm auf der Straſe begegneſt, und wehe dir dann, wenn du die Achſel zuckſt oder das Maul kruͤmmſt — ſiehe, ſo ſtehts mit deiner Anwerbung ums Fraͤulein, mit deinen Auſſichten, mit deinen Ent - wuͤrffen.
Sagt mir! was ſoll ich thun?
Hoͤre dann, Herrmann! daß du ſiehſt, wie ich mir dein Schickſal zu Herzen nehme als ein redlicher Freund — geh — kleide dich um — mach dich ganz unkenntlich, laß dich beym Alten melden, gib vor, du kaͤmeſt geraden Wegs aus Boͤhmen, haͤtteſt mit meinem Bruder dem Treffen bey Prag beygewohnt — haͤtteſt ihn auf der Wahlſtatt den Geiſt aufgeben ſehen —
Wird man mir glauben?
Hoho! dafuͤr laß mich ſorgen! Nimmdie -60Die Raͤuber,dieſes Paket. Hier findeſt du deine Kommiſſion aus - fuͤhrlich. Und Dokumente darzu, die den Zweifel ſelbſt glaubig machen ſollen — mach izt nur, daß du fortkommſt, und ungeſehen! ſpring durch die Hinterthuͤre in den Hof, von da uͤber die Garten - mauer — die Kataſtrophe dieſer Tragi-Komoͤdie uͤber - laß mir!
Und die wird ſeyn: Vivat der neue Herr, Franciskus von Moor!
Wie ſchlau du biſt? — denn ſiehſt du, auf dieſe Art erreichen wir alle Zwecke zumal und bald. Amalia gibt ihre Hoff - nung anf ihn auf. Der Alte mißt ſich den Tod ſei - nes Sohnes bey, und — er kraͤnkelt — ein ſchwan - kendes Gebaͤude braucht des Erdbebens nicht, um uͤber'n Haufen zu fallen — er wird die Nachricht nicht uͤberleben — dann bin ich ſein einiger Sohn — Amalia hat ihre Stuͤzen verloren, und iſt ein Spiel meines Willens, da kannſt du leicht denken — kurz, alles geht nach Wunſch — aber du muſt dein Wort nicht zuruͤknehmen.
Was ſagt ihr?
Eh ſoll die Kugel in ihren Lauf zuruͤckkehren, und in dem Eingeweid ihres Schuͤzen wuͤten — rechnet auf mich! Laßt nur mich machen — Adieu!
Die Erudte iſt dein, lie - ber Herrmann! — Wenn der Ochſe den Kornwa - gen in die Scheune gezogen hat, ſo mus er mitHen61ein Schauſpiel.Heu vorlieb nehmen. Dir eine Stallmagd, und keine Amalia!
Leiſe, leiſe! er ſchlummert.
Wie ſchoͤn, wie ehrwuͤrdig! — ehrwuͤrdig, wie man die Heiligen malt — nein, ich kann dir nicht zuͤr - nen! Weislockigtes Haupt, dir kann ich nicht zuͤr - nen! Schlummre ſanft, wache froh auf, ich allein will hingehn und leiden.
Mein Sohn! mein Sohn! mein Sohn!
Horch, horch! ſein Sohn iſt in ſeinen Traͤumen.
Biſt du da? biſt du wirklich? ach! wie ſiehſt du ſo elend? Sieh mich nicht an mit dieſem kummervollen Blick! ich bin elend ge - nug.
Seht auf, lieber Greis! ihr traͤumtet nur. Faßt euch!
Er war nicht da? druͤkt ich nicht ſeine Haͤnde? Garſtiger Franz! willſt du ihn auch meinen Traͤumen entreiſſen?
Merkſt dus, Amalia?
Wo iſt er? wo? wo bin ich? du da, Amalia?
Wie iſt euch? Jhr ſchlieft einen er - quikenden Schlummer.
Mir traͤumte von meinem Sohn. Warum hab ich nicht fortgetraͤumt? vielleicht haͤtt 'ich Verzeihung erhalten aus ſeinem Munde.
Engel grollen nicht — er verzeiht euch
Vater meines Karls! ich verzeih euch.
Nein meine Tochter! dieſe To - den-Farbe deines Angeſichts verdammet den Va - ter. Armes Maͤdgen! Jch brachte dich um die Freuden deiner Jugend — o fluche mir nicht!
Euch?
Kennſt du dieſes Bild, meine Tochter?
Karls! —
So ſah er, als er ins ſechsze - hende Jahr gieng. Jtzt iſt er anders — Oh es wuͤtet in meinem Jnnern — dieſe Milde iſt Un - willen, dieſes Laͤcheln Verzweiflung — Nicht wahr, Amalia? Es war an ſeinem Geburtstage in der Jasminlaube, als du ihn malteſt? — Oh meine Tochter! Eure Liebe machte mich ſo gluͤcklich.
Nein, nein! er iſts nicht. Bey Gott! das iſt Karl nicht— Hier,63ein Schauſpiel.— Hier, hier
So ganz, ſo anders. Die traͤge Farbe reicht nicht den himm - liſchen Geiſt nachzuſpiegeln, der in ſeinem feuri - gen Auge herrſchte. Weg damit! dis iſt ſo menſchlich! Jch war eine Stuͤmperinn.
Dieſer huldreiche erwaͤrmende Blick — waͤr er vor meinem Bette geſtanden, ich haͤtte gelebt mitten im Tode! Nie, nie waͤr ich ge - ſtorben!
Nie, nie waͤrt ihr geſtorben! Es waͤr ein Sprung geweſen, wie man von einem Gedan - ken auf einen andern und ſchoͤnern huͤpft — dieſer Blik haͤtt euch uͤbers Grab hinuͤbergeleuchtet. Die - ſer Blick haͤtt 'euch uͤber die Sterne getragen!
Es iſt ſchwer, es iſt traurig! Jch ſterbe, und mein Sohn Karl iſt nicht hier — ich werde zu Grabe getragen, und er weint nicht an meinem Grabe — wie ſuͤs iſts, einge - wiegt zu werden in den Schlaf des Todes von den Gebet eines Sohns — das iſt Wiegengeſang.
Ja ſuͤß, himmliſch ſuͤß iſts, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Geſang des Geliebten — vielleicht traͤumt man auch im Grabe noch fort — ein langer, ewiger unendlicher Traum, von Karln bis man die Glocke der Auferſtehung laͤutet —
und von izt an in ſeinen Armen auf ewig,
Ein ſchoͤnes Lied, meine Toch - ter. Das mußt du mir vorſpielen, eh ich ſterbe.
Es iſt der Abſchied Andromachas und Hektors — Karl und ich habens oft zuſammen zu der Laute geſungen.
Es wartet drauſſen ein Mann auf euch. Er bittet vorgelaſſen zu werden, er hab euch eine wichtige Zeitnng.
Mir iſt auf der Welt nur et - was wichtig, du weiſts Amalia — iſts ein Un - gluͤcklicher, der meiner Huͤlfe bedarf? Er ſoll nicht mit Seufzen von hinnen gehn.
Jſts ein Bettler, er ſoll eilig herauf - kommen.
Amalia, Amalia! ſchone mei - ner!
Hier iſt der Mann. Schroͤkliche Bot - ſchaften, ſagt er, warten auf euch. Koͤnnt ihr ſie hoͤren?
Jch kenne nur eine. Tritt her mein Freund, und ſchone mein nicht! Reicht ihm einen Becher Wein.
Gnaͤdiger Herr! Elaßt66Die Raͤuber,laßt es einen armen Mann nicht entgelten, wenn er wider Willen euer Herz durchbort. Jch bin ein Fremdling in dieſem Lande, aber euch kenn ich ſehr gut, ihr ſeyd der Vater Karls von Moor.
Woher weiſt du das
Jch kannte euren Sohn —
Er lebt? lebt? Du kennſt ihn? wo iſt er, wo, wo?
Du weiſt von meinem Sohn?
Er ſtudierte in Leipzig. Von da zog er, ich weis nicht wie weit, herum. Er durch - ſchwaͤrmte Deutſchland in die Runde, und, wie er mir ſagte, mit unbedecktem Haupt, barfus, und erbettelte ſein Brod vor den Thuͤren. Fuͤnf Mo - nathe drauf brach der leidige Krieg zwiſchen Preuſ - ſen und Oeſterreich wieder aus, und da er auf der Welt nichts mehr zu hoffen hatte, zog ihn der Hall von Friderichs ſiegreicher Trommel nach Boͤh - men. Erlaubt mir, ſagte er, zum groſſen Schwe - rin, daß ich den Tod ſterbe auf dem Bette der Hel - den, ich hab keinen Vater mehr! —
Sieh mich nicht an, Amalia!
Man gab ihm eine Fahne. Er flog den preuſſiſchen Siegesflug mit. Wir kamen zuſammen unter ein Zelt zu liegen. Er ſprach viel von ſeinem alten Vater und von beſſern ver - gangenen Tagen — und von vereitelten Hoffnun - gen — uns ſtanden die Traͤnen in den Augen.
Stil - le, o ſtille!
Acht Tage drauf war das heiſſe Treffen bey Prag — ich darf euch ſagen, euer Sohn hat ſich gehalten wie ein wackerer Kriegs - mann. Er that Wunder vor den Augen der Armee. Fuͤnf Regimenter mußten neben ihm wechſeln, er ſtand. Feuerkugeln fielen rechts und links, euer Sohn ſtand. Eine Kugel zerſchmetterte ihm die rechte Hand, euer Sohn nahm die Fahne in die Linke, und ſtand —
Hektor, Hektor! hort ihrs? er ſtand —
Jch traf ihn am Abend der Schlacht niedergeſunken unter Kugel-Gepfeiffe, mit der lin - ken hielt er das ſtuͤrzende Blut, die rechte hatte er in die Erde gegraben. Bruder! rief er mir ent - gegen, es lief ein Gemurmel durch die Glieder: der General ſey vor einer Stunde gefallen — er iſt gefallen, ſagt ich, und du? — Nun, wer ein braver Soldat iſt, rief er, und lies die linke Hand los, der folge ſeinem General wie ich! Bald dar - auf hauchte er ſeine groſe Seele dem Helden zu.
Daß der Tod deine verfluchte Zunge verſiegle! Biſt du hieher kommen unſerem Vater den Todesſtos zu geben? — Vater! Amalia! Vater!
Es war der lezte Wille meinesE 2ſter -68Die Raͤuber,ſterbenden Kameraden. Nimm dis Schwerd, roͤ - chelte er, du wirſts meinem alten Vater uͤberlie - fern, das Blut ſeines Sohnes klebt daran, er iſt gerochen, er mag ſich weiden. Sag ihm ſein Fluch haͤtte mich gejagt in Kampf und Tod, ich ſey ge - fallen in Verzweiflung! Sein lezter Seufzer war Amalia.
Sein lezter Seufzer, Amalia!
Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!
Oh! Was habt ihr gemacht, Vater? Mein Karl, mein Bruder!
Hier iſt das Schwerd, und hier iſt auch ein Portrait, daß er zu gleicher Zeit aus dem Buſen zog! Es gleicht dieſem Fraͤulein auf ein Haar. Dis ſoll meinem Bruder Franz, ſagte er, — ich weis nicht was er damit ſagen wollte.
Mir? Amalias Portrait? Mir, Karl, Amalia? Mir?
Feiler, Be - ſtochener Betruͤger!
Das bin ich nicht, gnaͤdiges Fraͤu - lein. Sehet ſelbſt, obs nicht euer Bild iſt — ihr moͤgts ihm wohl ſelb# gegeben haben.
Bey Gott! Amalia, das deine! Es iſt wahrlich das deine!
Mein, mein! O Himmel und Erde!
We - he, Wehe! mein Fluch ihn gejagt in den Tod! ge - fallen in Verzweifflung!
Und er gedachte meiner in der lezten ſchweren Stunde des Scheidens, meiner! Engliſche Seele — da ſchon das ſchwarze Panier des Todes uͤber ihm rauſchte — meiner! —
Mein Fluch ihn gejagt, in den Tod, gefallen mein Sohn in Verzweifflung! —
Den Jammer ſteh ich nicht aus. Lebt wohl, alter Herr!
Warum habt ihr auch das gemacht, Junker?
Bleib, bleib! Was waren ſeine lezte Worte?
Sein lezter Seufzer war Amalia.
Sein lezter Seufzer war Amalia! — Nein, du biſt kein Betruͤger! So iſt es wahr — wahr — er iſt tod! — tod! —
tod — Carl iſt tod —
Was ſeh ich? Was ſteht da auf dem Schwerd? geſchrieben mit Blut — Amalia!
Von ihm?
Seh ich recht, oder traͤum ich? Siehe da mit blutiger Schrifft:
Franz, verlaß meine Amalia nicht! Sieh doch,E 3ſieh70Die Raͤuber,ſieh doch! und auf der andern Seite: Amalia! deinen Eid zerbrach der allgewaltige Tod. — Siehſt du nun, ſiehſt du nun? Er ſchriebs mit erſtarrender Hand, ſchriebs mit dem warmen Blut ſeines Herzens, ſchriebs an der Ewigkeit feyerli - chem Rande! ſein fliehender Geiſt verzog, Franz und Amalia noch zuſammen zu knuͤpfen.
Heiliger Gott! es iſt ſeine Hand. — Er hat mich nie geliebt!
Verzweifelt! mei - ne ganze Kunſt erligt an dem Starrkopf.
Wehe, Wehe! Verlaß mich nicht, meine Tochter! — Franz, Franz! gib mir meinen Sohn wieder!
Wer wars, der ihm den Fluch gab? Wer wars, der ſeinen Sohn jagte in Kampf und Tod und Verzweifflung? — oh! er war ein En - gel! ein Klei#od des Himmels. Fluch # uͤber ſeine Henker! Fluch, Fluch uͤber euch ſelber! —
Er war ein Engel, war Kleinod des Him - mels! Fluch, Fluch, Verderben, Fluch uͤber #mich ſelber! Jch bin der Vater, der ſeinen groſſen Sohn erſchlug. Mich liebt 'er bis in den Tod! mich zu raͤchen rannte er in Kampf und Tod! Ungeheuer, Ungeheuer!
Er iſt dahin, was helfen ſpaͤte Klagen?
Es iſt leichter worden, als lebendigma -71ein Schauſpiel.machen. Jhr werdet ihn nimmer aus ſeinem Grabe zuruͤkholen.
Nimmer, nimmer, nimmer aus dem Grabe zuruͤkholen! Hin, verloren auf ewig! — Und du haſt mir den Fluch aus dem Herzen ge - ſchwaͤzt, du — du — Meinen Sohn mir wieder!
Reizt meinen Grimm nicht. Jch ver - laß euch im Tode! —
Scheuſal! Scheuſal! ſchaff mir meinen Sohn wieder!
Krafftloſe Knochen! ihr wagt es — ſterbt! verzweiffelt!
Tauſend Fluͤche donnern dir nach! Du haſt mir meinen Sohn aus den Armen geſtolen
Wehe, Wehe! Ver - zweiffeln, aber nicht ſterben! — Sie fliehen, ver - laſſen mich im Tode — meine gute Engel fliehen von mir, weichen alle die Heilige vom eisgrauen Moͤrder — Wehe! Wehe! will mir keiner das Haupt halten, will keiner die ringende Seele ent - binden? Keine Soͤhne! keine Toͤchter! keine Freun - de! — Menſchen nur — will keiner, allein — verlaſſen — Wehe! Wehe! — Verzweiffeln aber nicht ſterben!
E 4Ama -72Die Raͤuber,Amalia! Botte des Himmels! Kommſt du, meine Seele zu loͤſen?
Jhr habt einen herr - lichen Sohn verloren.
Ermordet willſt du ſagen. Mit dieſem Zeugnis belaſtet tret ich vor den Rich - terſtuhl Gottes.
Nicht alſo, jammervoller Greis! der himmliſche Vater ruͤkt 'ihn zu ſich. Wir waͤren zu gluͤcklich geweſen auf dieſer Welt. — Droben, droben uͤber den Sonnen — Wir ſehn ihn wieder.
Wiederſehen, wiederſehen! Oh es wird mir durch die Seele ſchneiden ein Schwerd — Wenn ich ein Heiliger ih# unter den Heiligen fin - de — mitten im Himmel werden durch mich ſchauern Schaner der Hoͤlle! Jm Anſcha#en des Unendlichen mich zermalmen die Erinnerung: Jch hab meinen Sohn ermordet!
Oh, er wird euch die Schmerz-Erin - nerung aus der Seele laͤcheln, ſeyd doch heiter, lieber Vater! ich bins ſo ganz. Hat er nicht ſchon den himmliſchen Hoͤrern den Namen Amalia vor - geſungen auf der ſeraphiſchen Harfe, und die himm - liſchen Hoͤrer lispelten leiſe ihn nach? Sein lezter Seufzer war ja, Amalia! wird nicht ſein erſter Jubel, Amalia! ſeyn?
Himmliſcher Troſt quillt von dei -nen73ein Schauſpiel.nen Lippen! Er wird mir laͤcheln, ſagſt du? Ver - geben? du muſt bey mir bleiben, Geliebte meines Karls, wenn ich ſterbe.
Sterben iſt Flug in ſeine Arme. Wohl euch! Jhr ſeyd zu beneiden. Warum ſind dieſe Gebeine nicht muͤrb? Warum dieſe Haare nicht grau? Wehe uͤber die Kraͤffte der Jugend! Willkommen, du markloſes Alter! naͤher gelegen dem Himmel und meinem Karl.
Trit her, mein Sohn! Vergib mir, wenn ich vorhin zu hart gegen dich war! ich vergebe dir alles. Jch moͤchte ſo gern im Frieden den Geiſt aufgeben.
Habt ihr genug um euren Sohn ge - weint? ſo viel ich ſehe, habt ihr nur einen.
Jakob hatte der Soͤhne zwoͤlf, aber um ſeinen Joſeph hat er blutige Thraͤnen ge - weint.
Hum!
Geh, nimm die Bibel, meine Tochter, und lies mir die Geſchichte Jakobs und Joſephs! Sie hat mich immer ſo geruͤhrt, und da - mals bin ich noch nicht Jakob geweſen.
Welches ſoll ich euch leſen?
Lis mir den Jammer des verlaſ - ſenen, als er ihn nimmer unter ſeinen KindernE 5fand74Die Raͤuber,fand — und vergebens ſein harrte im Kreis ſeiner eilfe — und ſein Klage-Lied, als er vernahm; ſein Joſeph ſey ihm genommen auf ewig —
″Da nahmen ſie Joſephs Rock, ″und ſchlachteten einen Ziegenbock, und tauchten „ den Rok in das Blut, und ſchikten den bunten „ Rok hin, und lieſſen ihn ihren Vater bringen, und „ ſagen: Dieſen haben wir funden, ſiehe, obs dei - „ nes Sohnes Rock ſey, oder nicht?
Er kannte ihn aber und ſprach: Es „ iſt meines Sohnes Rock, ein boͤſes Thier hat ihn „ gefreſſen, ein reiſſend Thier hat Joſeph zerriſſen! —
Ein reiſſend Thier hat Joſeph zerriſſen!
″Und Jacob zerris ſeine „ Kleider, und legte einen Sack um ſeine Lenden, „ und trug Leide um ſeinen Sohn lange Zeit, und „ all ſeine Soͤhne und Toͤchter traten auf, daß ſie „ ihn troͤſteten, aber er wollte ſich nicht troͤſten laſ - „ ſen und ſprach: Jch werde mit Leid hinunterfah - „ ren —
Hoͤr auf, hoͤr auf! Mir wird ſehr uͤbel.
Hilf Himmel! Was iſt das?
Das iſt der Tod! — Schwarz — ſchwimmt — vor meinen — Augen — ich bitt dich — ruf dem Paſtor — daß er mir — dasAbend -75ein Schauſpiel.Abendmal reiche — Wo iſt — mein Sohn Franz?
Er iſt geflohen! Gott erbarme ſich unſer!
Geflohen — geflohen von des ſterbenden Bett? — — Und das all — all — von zwey Kindern voll Hofnung — du haſt ſie — ge - geben — haſt ſie — genommen — — dein Na - me ſey — —
Tod! alles Tod!
Tod! ſchreyen ſie, tod! Jzt bin ich Herr. Jm gan - zen Schloſſe zettert es, tod! — Wie aber ſchlaͤft er vielleicht nur? — freylich, ach freylich! das iſt nun freylich ein Schlaf, wo es ewig niemals, Gu - ten Morgen, heißt — Schlaf und Tod ſind nur Zwillinge. Wir wollen einmal die Namen wechſeln! Wakerer, willkommener Schlaf! Wir wollen dich Tod heiſſen!
Wer wird nun kommen, und es wagen, mich vor Gericht zu fordern? oder mir ins A#geſicht zu ſagen: du biſt ein Schurke! Weg dann mit dieſer laͤſtigen Larve von Sanfmuth und Tugend! Nun ſollt ihr den nakten Franz ſehen, und euch entſezen! Mein Vater uͤberzuckerte ſeine Forderungen, ſchuf ſein Gebieth zu einem Familienzirkel um, ſas liebreich laͤchelnd am Thor, und gruͤßte ſie Bruͤder und Kinder. —Mei -76Die Raͤuber,Meine Aug-Braunen ſollen uͤber euch herhangen wie Gewitter-Wolken, mein herriſcher Name ſchwe - ben wie ein drohender Komet uͤber dieſen Gebir - gen, meine Stirne ſoll euer Wetterglas ſeyn! Er ſtreichelte und koßte den Naken, der gegen ihn ſtoͤr - rig zuruͤk ſchlug. Streicheln und Koſen iſt meine Sache nicht. Jch will euch die zakichte Sporen ins Fleiſch hauen, und die ſcharfe Geißel verſu - chen. — Jn meinem Gebiet ſolls ſo weit kom - men, daß Kartoffeln und duͤnn Bier ein Trakta - ment fuͤr Feſttage werden, und wehe dem, der mir mit vollen feurigen Backen unter die Augen trit! Blaͤſſe der Armuth und ſclaviſchen Furcht ſind meine Leibfarbe: in dieſe Liverey will ich euch klei - den!
Biſt da? biſts wirklich? So laß dich doch zu Brey zuſammen drucken, lieber Her - zens-Bruder Moriz! Willkommen in den Boͤhmi - ſchen Waͤldern! Biſt ja gros worden und ſtark. Stern-Kreuz-Bataillon! Bringſt ja Rekruten mit einen ganzen Trieb, du trefflicher Werber!
Gelt Bruder? Gelt? Und dasgan -77ein Schauſpiel.ganze Kerl darzu! — du glaubſt nicht, Gottes ſichtbarer Seegen iſt bey mir, war dir ein armer hungriger Tropf, hatte nichts als dieſen Stab, da ich uͤber den Jordan gieng, und itzt ſind unſe - rer acht und ſiebenzig, meiſtens ruinirte Kraͤmer, rejicirte Magiſter und Schreiber aus den ſchwaͤ - biſchen Provinzen, das iſt dir ein Korps Kerles, Bruder, del#cioͤſe Burſche, ſag ich dir, wo als ei - ner dem andern die Knoͤpfe von den Hoſen ſtihlt, und mit geladener Flinte neben ihm ſicher iſt — nnd haben voll auf, und ſtehen dir in einem Re - nomee vierzig Meilen weit, das nicht zu begreif - fen iſt. Da iſt dir keine Zeitung, wo du nicht ein Artikelchen von dem Schlaukopf Spiegelberg wirſt getroffen haben, ich halte ſie mir auch pur deswegen — vom Kopf bis zun Fuͤſſen haben ſie mich dir hingeſtellt, dn meynſt du ſehſt mich, — ſo gar meine Rokknoͤpfe haben ſie nicht vergeſſen. Aber wir fuͤhren ſie erbaͤrmlich am Narrenſeil her - um. Jch geh lezthin in die Druckerey, geb vor, ich haͤtte den beruͤchtigten Spiegelberg geſehn, und diktir einem Skrizler, der dort ſas, das leibhafte Bild von einem dortigen Wurmdoktor in die Feder, das Ding kommt um, der Kerl wird eingezogen, par force inquirirt, und in der Angſt und in der Dummheit geſteht er dir, hol mich der Teufel! geſteht dir, er ſey der Spiegelberg — Donner und Wetter! ich war eben auf dem Sprung, michbeym78Die Raͤuber,beym Magiſtrat anzugeben, daß die Kanaille mir meinen Namen ſo verhunzen ſoll — wie ich ſage, drey Monath drauf hangt er. Jch mußte nach - her eine derbe Priſe Tobak in die Naſe reiben, als ich am Galgen vorbeyſpazierte, und den Pſev - do-Spiegelberg in ſeiner Glorie da paradiren ſah — und unterdeſſen daß Spiegelberg hangt, ſchleicht ſich Spiegelberg ganz ſachte aus den Schlingen, und deutet der ſuperklugen Gerechtigkeit hinterruks Eſelsohren, daß's zum Erbarmen iſt.
Du biſt eben noch immer der alte.
Das bin ich, wie du ſiehſt, an Leib und Seel. Narr! einen Spaß mus ich dir doch erzaͤhlen, den ich neulich im Caͤcilien-Kloſter angerichtet habe. Jch treffe das Kloſter auf mei - ner Wanderſchaft ſo gegen die Daͤmmerung, und da ich eben den Tag noch keine Patrone verſchoſ - ſen hatte, du weiſt, ich haſſe das diem perdidi auf den Tod, ſo mußte die Nacht noch durch ei - nen Streich verherrlicht werden, und ſollts dem Teufel um ein Ohr gelten! Wir halten uns ru - hig bis in die ſpaͤte Nacht. Es wird mausſtill. Die Lichter gehen aus. Wir denken die Nonnen koͤnnten izt in den Federn ſeyn. Nun nehm ich meinen Kameraden Grimm mit mir, heis die an - dern warten vorm Thor, bis ſie mein Pfeifchen hoͤren wuͤrden, — verſichere mich des Kloſterwaͤch -ters,79ein Schauſpiel.ters, nehm ihm die Schluͤſſel ab, ſchleich mich hinein, wo die Maͤgde ſchliefen, praktizier ihnen die Kleider weg, und heraus mit dem Pak zum Thor. Wir gehn weiter von Zelle zu Zelle, neh - meu einer Schweſter nach der andern die Kleider, endlich auch der Aebtiſſinn — Jtzt pfeif ich, und meine Kerls drauſſen fangen an zu ſtuͤrmen und zu haſſeliren als kaͤm der juͤngſte Tag, und hin - ein mit beſtialiſchem Gepolter in die Zellen der Schweſtern! — hahaha! — da haͤtteſt du die Haz ſehen ſollen, wie die armen Thiergen in der Fin - ſtere nach ihren Roͤcken tappten, und ſich jaͤmmer - lich geberdeten, wie ſie zum Teufel waren, und wir indeß wie alle Donnerwetter zugeſetzt, und wie ſie ſich vor Schrek und Beſtuͤrzung in Bettlacken wi - kelten, oder unter dem Ofen zuſammenkrochen wie Kazen, andere in der Angſt ihres Herzens die Stube ſo beſprenzten, daß du haͤtteſt das Schwim - men drinn lernen koͤnnen, und das erbaͤrmliche Gezetter und Lamento, und endlich gar die alte Schnurre die Aebtiſſinn, angezogen wie Eva vor dem Fall — du weiſt, Bruder, daß mir auf die - ſem weiten Erdenrund kein Geſchoͤpf ſo zuwider iſt, als eine Spinne und ein altes Weib, und nun denk dir einmal die ſchwarzbraune, runzlichte, zottigte Vettel vor mir herumtanzen, und mich bey ihrer jungfraͤulichen Sittſamkeit beſchwoͤren — alle Teufel! ich hatte ſchon den Ellbogen ange -ſetzt80Die Raͤuber,ſetzt ihr die uͤbriggebliebenen wenigen edlen vol - lends in den Maſtdarm zu ſtoſſen — kurz reſol - virt! entweder heraus mit dem Silbergeſchirr mit dem Kloſterſchaz und allen den blanken Thaͤlerchen, oder — meine Kerls verſtanden mich ſchon — ich ſage dir, ich hab aus dem Kloſter mehr dann tau - ſend Thaler Werths geſchleift, und den Spaß obendrein, und meine Kerls haben ihnen ein Anden - ken hinterlaſſen, ſie werden ihre neun Monathe dran zu ſchleppen haben.
Daß mich der Donner da weg hatte.
Siehſt du? Sag dn mehr, ob das kein Luder-Leben iſt? und dabey bleibt man friſch und ſtark, und das Korpus iſt noch beyſa - men, und ſchwillt dir ſtuͤndlich wie ein Praͤlats - Bauch — ich weis nicht, ich mus was magneti - ſches an mir haben, daß dir alles Lumpen-Geſin - del auf Gottes Erdboden anzieht wie Stahl und Eiſen.
Schoͤner Magnet du! Aber ſo moͤcht ich Henkers doch wiſſen, was fuͤr Hexereyen du brauchſt —
Hexereyen? Braucht keiner Hexe - reyen — Kopf muſt du haben! Ein gewiſes prak - tiſches Judicium, das man freylich nicht in der Gerſte frißt — denn ſiehſt du, ich pfleg immer zu ſagen: einen honneten Mann kann man aus je -dem81ein Schauſpiel.dem Weidenſtozen formen, aber zu einem Spizbu - ben wills Gruͤz — auch gehoͤrt darzu ein eigenes National-Genie, ein gewiſes, daß ich ſo ſage, Spizbuben Klima, und da rath ich dir, reis du ins Graubuͤnder Land, das iſt das Athen der heutigen Gauner.
Bruder! man hat mir uͤberhaupt das ganze Jtalien geruͤhmt.
Ja ja! man mus niemand ſein Recht vorenthalten, Jtalien weist auch ſeine Maͤn - ner auf, und wenn Deutſchland ſo fortmacht, wie es bereits auf dem Weg iſt, und die Bibel vol - lends hinaus votirt, wie es die glaͤnzendſten Aſpek - ten hat, ſo kann mit der Zeit auch noch aus Deutſch - land was Gutes kommen, — uͤberhaupt aber, mus ich dir ſagen, macht das Klima nicht ſonder - lich viel, das Genie kommt uͤberall fort, und das uͤbrige, Bruder — ein Holzapfel weiſt du wohl wird im Paradies-Gaͤrtlein ſelber ewig keine Ananas — aber daß ich dir weiter ſage, — wo bin ich ſtehen geblieben?
Bey den Kunſtgriffen!
Ja recht, bey den Kunſtgriffen. So iſt dein erſtes, wenn du in die Stadt kommſt, du ziehſt bey den Bettelvoͤgten, Stadt-Patrollan - ten und Zuchtknechten Kundſchaft ein, wer ſo am fleiſſigſten bey ihnen einſpreche, die Ehre gebe, und dieſe Kunden ſuchſt du auf — ferner niſteſtFdu82Die Raͤuber,du dich in die Kaffeehaͤuſer, Bordelle, Wirthshaͤu - ſer ein, ſpaͤhſt, ſondirſt, wer am meiſten uͤber die wolfeile Zeit, die fuͤnf pro cent, uͤber die einreiſ - ſende Peſt der Policeyverbeſſerungen ſchreyt, wer am meiſten uͤber die Regierung ſchimpft, oder wieder die Phyſiognomik eifert und dergl: Bruder! das iſt die rechte Hoͤhe! die Ehrlichkeit wakelt wie ein holer Zahn, du darfſt nur den Pelikan anſe - zen, — oder beſſer und kuͤrzer: du gehſt und wirfſt einen vollen Beutel auf die offene Straſe, verſtekſt dich irgendwo, und merkſt dir wol, wer ihn auf - hebt — eine Weile drauf jagſt du hinterher, ſuchſt, ſchreyſt, und fragſt nur ſo im Vorbeygehen, ha - ben der Herr nicht etwa einen Geldbeutel gefun - den? Sagt er, ja? — nun ſo hats der Teufel geſehen; leugnet ers aber? der Herr verzeihen — ich wuͤßte mich nicht zu entſinnen, — ich bedau - re,
Bruder! Triumf Bruder! Loͤſch deine Laterne aus, ſchlauer Diogenes! — du haſt deinen Mann gefunden.
Du biſt ein ausgelernter Prakticus.
Mein Gott! als ob ich noch je - mals dran gezweiffelt haͤtte — Nun du deinen Mann in dem Hamen haſt, muſt dus auch fein ſchlau angreiffen, daß du ihn hebſt! — Siehſt du, mein Sohn? das hab ich ſo gemacht: — So bald ich einmal die Faͤrthe hatte, haͤngt 'ich mich mei - nem Kandidaten an wie eine Klette, ſaufte Bruͤ -der -83ein Schauſpiel.derſchaft mit ihm, und Notabene! Zechfrey muſt du ihn halten! da geht freylich ein ſchoͤnes drauf, aber das achteſt du nicht — — du gehſt weiter, du fuͤhrſt ihn in Spiel-Kompagnien und bey lieder - lichen Menſchern ein, verwickelſt ihn in Schlaͤge - reyen, und ſchelmiſche Streiche, bis er an Saft und Kraft und Geld und Gewiſſen, und gutem Namen bankrut wird, denn incidenter muß ich dir ſagen, dn richteſt nichts aus, wenn du nicht Leib und Seele verderbſt — Glaube mir Bruder! das hab ich aus meiner ſtarken Praxi wol fuͤnfzigmal abſtrahirt, wenn der ehrliche Mann einmal aus dem Neſt gejagt iſt, ſo iſt der Teufel Meiſter — Der Schritt iſt dann ſo leicht — o ſo leicht, als der Sprung von einer Hure zu einer Betſchweſter. — Horch doch! was fuͤr ein Knall war das?
Es war gedonnert, nur fortgemacht!
Noch ein kuͤrzerer beſſerer Weg iſt der, du pluͤnderſt deinem Mann Hauß und Hof ab, bis ihm kein Hemd mehr am Leibe hebt, alsdann kommt er dir von ſelber — lern mich die Pfiffe nicht Bruder — frag einmal das Kupferge - ſicht dort — Schwere Noth! den hab ich ſchoͤn ins Garn gekriegt — ich hielt ihm vierzig Dukaten hin, die ſollt er haben, wenn er mir ſeines Herrn Schluͤſſel in Wachs druͤcken wollte — denk einmal! die dumme Beſtie thuts, bringt mir, hol mich der Teufel! die Schluͤſſel, und will izt das Geld ha -F 2ben84Die Raͤuber,ben — Monſieur, ſagt ich, weis er auch, daß ich izt dieſe Schluͤſſel gerades Wegs zum Policey - Lieutenant trage, und ihm ein Logis am lichten Galgen miethe? — tauſend Sakerment! da haͤt - teſt du den Kerl ſehen ſollen die Augen aufreiſſen, und anfangen zu zappelu wie ein naſſer Budel — — „ Ums Himmels willen, hab der Herr doch Einſicht! ich will — will — ″ was will er? will er itzt gleich den Zopf hinaufſchlagen und mit mir zum Teufel gehn? — „ o von Herzen gern, mit Freuden „ — hahaha! guter Schlucker, mit Spek fangt man Maͤuſe — lach ihn doch aus Razmann! hahaha!
Ja, ja, ich mus geſtehen. Jch will mir dieſe Lection mit goldnen Ziffern auf mei - ne Hirntafel ſchreiben. Der Satan mag ſeine Leu - te kennen, daß er dich zu ſeinem Maͤckler gemacht hat.
Gelt, Bruder? und ich denke, wenn ich ihm zehen ſtelle, laͤßt er mich frey aus - gehen — gibt ja jeder Verleger ſeinem Sammler das zehente Exemplar gratis, warum ſoll der Teu - fel ſo juͤdiſch zu Werk gehn? — Razmann! ich rieche Pulver —
Sapperment! ich riechs auch ſchon lang. — Gib Acht, es wird in der Naͤh was ge - ſetzt haben! — Ja ja! wie ich dir ſage, Moriz — du wirſt dem Hauptmann mit deinen Rekrutenwill -85ein Schauſpiel.willkommen ſeyn — er hat auch ſchon brave Kerl angelockt.
Aber die meinen! die meinen — Pah —
Nun ja! ſie moͤgen huͤbſche Fin - gerchen haben — aber ich ſage dir, der Ruf un - ſers Hauptmanns hat auch ſchon ehrliche Kerl in Verſuchung gefuͤhrt.
Jch will nicht hoffen.
Sans Spaß! und ſie ſchaͤmen ſich nicht unter ihm zu dienen. Er mordet nicht um des Raubes willen wie wir — nach dem Geld ſchien er nicht mehr zu fragen, ſo bald ers vollauf haben konnte, und ſelbſt ſein Dritteil an der Beu - te, das ihn von Rechtswegen trifft, verſchenkt er an Wayſenkinder, oder laͤßt damit arme Jungen von Hoffnung ſtudiren. Aber ſoll er dir einen Landjunker ſchroͤpffen, der ſeine Bauren wie das Vieh abſchindet, oder einen Schurken mit goldnen Borden unter den Hammer kriegen, der die Geſe - ze falſchmuͤnzt, und das Auge der Gerechtigkeit uͤberſilbert, oder ſonſt ein Herrchen von dem Ge - lichter — Kerl! da iſt er dir in ſeinem Element, und haußt teufelmaͤßig, als wenn jede Faſer an ihm eine Furie waͤre.
Hum! hum!
Neulich erfuhren wir im Wirths - haus, daß ein reicher Graf von Regensburg durch -F 3kom -86Die Raͤuber,kommen wuͤrde, der einen Proceß von einer Million durch die Pfiffe ſeines Advokaten durchgeſetzt haͤtte, er ſas eben am Tiſch und brettelte, — wie viel ſind unſerer? frug er mich, indem er haſtig auf - ſtand, ich ſah ihn die Unterlippe zwiſchen die Zaͤh - ne klemmen, welches er nur thut, wenn er am grimmigſten iſt — nicht mehr als fuͤnf! ſagt ich — es iſt genug! ſagt er, warf der Wirthin das Geld auf den Tiſch, lies den Wein, den er ſich hatte reichen laſſen unberuͤhrt ſtehen — wir machten uns auf den Weg. Die ganze Zeit uͤber ſprach er kein Wort, lief abſeitwaͤrts und allein, nur daß er uns von Zeit zu Zeit fragte, ob wir noch nichts gewahr worden waͤren, und uns befahl das Ohr an die Erde zu legen. Endlich ſo kommt der Graf herge - fahren, der Wagen ſchwer bepakt, der Advokat ſas bey ihm drinn, voraus ein Reuter, nebenher ritten zwey Knechte — da haͤtteſt du den Mann ſehen ſollen, wie er, zwey Terzerolen in der Hand, vor uns her auf den Wagen zuſprang! und die Stim - me, mit der er rief: Halt! — der Kutſcher, der nicht Halt machen wollte, mußte vom Bok herab - tanzen, der Graf ſchos aus dem Wagen in den Wind, die Reuter flohen — dein Geld, Kanaille! rief er donnernd — er lag wie ein Stier unter dem Beil — und biſt du der Schelm, der die Ge - rechtigkeit zur feilen Hure macht? der Advokat zitterte, daß ihm die Zaͤhne klapperten, — derDolch87ein Schauſpiel.Dolch ſtak in ſeinem Bauch wie ein Pfahl in dem Weinberg — ich habe das meine gethan! rief er, und wandte ſich ſtolz von uns weg, das Pluͤndern iſt eure Sache. Und ſo mit verſchwand er in den Wald —
Hum, hum! Bruder, was ich dir vorhin erzaͤhlt habe, bleibt unter uns, er brauchts nicht zu wiſſen. Verſtehſt du?
Recht, recht! ich verſteh.
Du kennſt ihn ja? Er hat ſo ſeine Grillen. Du verſtehſt mich.
Jch verſteh, ich verſteh.
Wer da? was gibts da? Paſſa - giers im Wald?
Hurtig, hurtig! wo ſind die andern? — tauſendſakerment! ihr ſteht da, und plaudert! Wißt ihr denn nicht — wißt ihr denn gar nicht? — und Roller —
Was dann, was dann?
Roller iſt gehangen, noch vier an - dere mit, —
Roller? Schwere Noth! ſeit wenn — woher weiſt dus?
Schon uͤber drey Wochen ſitzt er, und wir erfahren nichts, ſchon drey Rechtstaͤge ſind uͤber ihn gehalten worden, und wir hoͤrenF 4nichts,88Die Raͤuber,nichts, man hat ihn auf der Tortur examinirt, wo der Hauptmann ſey? — der wackere Burſche hat nichts bekannt, geſtern iſt ihm der Proceß ge - macht worden, dieſen Morgen iſt er dem Teufel extra Poſt zugefahren.
Vermaledeyt! weis es der Haupt - mann?
Erſt geſtern erfaͤhrt ers. Er ſchaͤumt wie ein Eber. Du weiſts, er hat immer am mei - ſten gehalten auf Roller, und nun die Tortur erſt — Strick und Leiter ſind ſchon an den Thurm gebracht worden, es half nichts, er ſelbſt hat ſich ſchon in Kapuciners-Kutte zu ihm geſchlichen, und die Perſon mit ihm wechſeln wollen, Roller ſchlugs hartnaͤckig ab, itzt hat er einen Eid geſchworen, daß es uns eißkalt uͤber die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzuͤnden, wie ſie noch kei - nem Koͤnig geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen ſoll. Mir iſt bang fuͤr die Stadt. Er hat ſchon lang eine Pique auf ſie, weil ſie ſo ſchaͤndlich bigott iſt, und dn weiſt, wenn er ſagt: ich wills thun! ſo iſts ſo viel, als wenns unſer einer gethan hat.
Das iſt wahr! ich kenne den Haupt - mann. Wenner dem Teufel ſein Wort drauf gege - ben haͤtte in die Hoͤlle zu fahren, er wuͤrde nie be - ten, wenn er mit einem halben Vater Unſer ſee - lig werden koͤnnte; — Aber ach! der arme Roller! der89ein Schauſpiel.der arme Roller! —
Memento mori! Aber das regt mich nicht an.
Horch! ein Schuß.
Noch einer!
Wieder einer! der Hauptmann!
Holla ho! Holla ho!
Roller! Roller! Holen mich zehn Teufel!
Razmann! Schwarz! Spiegelberg! Razmann!
Roller! Schweizer! Bliz, Donner, Hagel und Wetter!
Freyheit! Freyheit! — — du biſt im trocknen, Roller! — Fuͤhr meinen Rappen ab, Schweizer, und waſch ihn mit Wein.
Das hat ge - golten!
Nun bey der Feuereſſe des Plutos! biſt du vom Rad auferſtanden?
Biſt du ſein Geiſt? oder bin ich ein Narr? oder biſt dus wirklich?
Jch bins. Leibhaftig. Ganz. Wo glaubſt du, daß ich herkomme?
Da frag die Hexe! der Stab war ſchon uͤber dich gebrochen!
Das war er freylich, und noch mehr. Jch komme recta vom Galgen her. Laß mich nur erſt zu Athem kommen. Der Schweizer wird dir erzaͤhlen. Gebt mir ein Glas Brandtenwein! — du auch wieder da, Moriz? Jch dachte dich wo anders wieder zu ſehen — gebt mir doch ein Glas Brandtenwein! meine Knochen fallen auseinander — o mein Hauptmann! wo iſt mein Hauptmann!
Gleich, gleich! — ſo ſag doch, ſo ſchwaͤz doch! wie biſt du davon kommmen? wie haben wir dich wieder? der Kopf geht mir um. Vom Galgen her, ſagſt du?
Ah, das ſchmeckt, das brennt ein! — gerades Wegs vom Galgen her! ſag ich. Jhr ſteht da, und gafft, und koͤnnts nicht traͤumen — ich war auch nur drey Schritte von der Sakerments-Leiter, auf der ich in den Schoos Abrahams ſteigen ſollte — ſo nah, ſo nah — war dir ſchon mit Haut und Haar auf die Anatomie verhandelt! haͤtteſt mein Leben um'n Priſe Schnupftabak haben koͤnnen, dem Hauptmann dank ich Luft, Freyheit und Le - ben.
Es war ein Spaß, der ſich hoͤren laͤßt. Wir hatten den Tag vorher durch unſre Spionen Wind gekriegt, der Roller liege tuͤchtig im Salz, und wenn der Himmel nicht bey Zeit noch einfallen wollte, ſo werde er morgen am Tag — das war als heut — den Weg alles Fleiſches gehen muͤſſen — Auf! ſagt der Hauptmann, was wiegt ein Freund nicht. — Wir retten ihn, oder retten ihn nicht, ſo wollen wir ihm wenigſtens doch eine Todesfakel anzuͤnden, wie ſie noch kei - nem Koͤnig geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen ſoll. Die ganze Bande wird aufgeboten. Wir ſchiken einen Expreſſen an ihn, der's ihm in einem Zettelgen beybrachte, das er ihm in die Suppe warf.
Jch verzweiffelte an dem Erfolg.
Wir paßten die Zeit ab, bis diePaſſa -92Die Raͤuber,Paſſagen leer waren. Die ganze Stadt zog dem Spektakel nach, Reuter und Fußgaͤnger durch ein - ander und Wagen, der Lerm und der Galgen - Pſalm jolten weit. Jzt, ſagt der Hauptmann, brennt an, brennt an! Die Kerl flogen wie Pfeile, ſteckten die Stadt a# drey und dreyſig Eken zu - mal in Brand, werfen feurige Lunden in die Naͤhe des Pulverthurms, in Kirchen und Scheunen — Mordbleu es war keine Viertelſtunde vergangen, der Nord-Oſt-Wind, der auch ſeinen Zah# auf die Stadt haben muß, kam uns trefflich zu ſtatten, und half die Flamme bis hinauf in die oberſten Gibel jagen. Wir indeß Gaſſe auf Gaſſe nieder, wie Furien — Feuerjo! Feurjo! durch die ganze Stadt — Geheul, — Geſchrey — Gepolter — fangen an die Brandglocken zu brummen, knallt der Pulverthurm in die Luft, als waͤr die Erde mitten entzwey geborſten, und der Himmel zerplazt, und die Hoͤlle zehntauſend Klafter tiefer verſunken
Und izt ſah mein Gefolge zuruͤck — da lag die Stadt wie Gomorrha und Sodom, der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Rauch, vierzig Gebuͤrge bruͤllen den infernaliſchen Schwank in die Rund herum nach, ein paniſcher Schreck ſchmeißt alle zu Boden — itzt nuz ich den Zeit - punkt, und riſch, wie der Wind! — ich war los - gebunden, ſo nah wars dabey — da meine Be - gleiter verſteinert wie Loths Weib zuruͤckſchaun,Reiß -93ein Schauſpiel.Reißaus! zerriſſen die Haufen! davon! Sechzig Schritte weg werf ich die Kleider ab, ſtuͤrze mich in den Fluß, ſchwimm unterm Waſſer fort, bis ich glaubte ihnen aus dem Geſichte zu ſeyn. Mein Hauptmann ſchon parat mit Pferden und Kleidern — ſo bin ich entkommen. Moor! Moor! moͤchteſt du bald auch in den Pfeffer gerathen, daß ich dir gleiches mit gleichem vergelten kann!
Ein beſtialiſcher Wunſch, fuͤr den man dich haͤngen ſollte — aber es war ein Streich zum zerplazen.
Es war Huͤlfe in der Noth, ihr koͤnnts nicht ſchaͤzen. Jhr haͤttet ſollen — den Strik um den Hals — mit lebendigem Leib zu Grabe mar - ſchiren wie ich, und die ſakermentaliſchen Anſtal - ten und Schinders Ceremonien, und mit jedem Schritt, den der ſcheue Fus vorwaͤrts wankte, naͤ - her und fuͤrchterlich naͤher die verfluchte Maſchine, wo ich einlogirt werden ſollte, im Glanz der ſchroͤkli - chen Morgenſonne ſteigend, und die laurenden Schin - ders-Knechte, und die graͤßliche Muſik — noch raunt ſie in meinen Ohren — und das Gekraͤchz hungriger Raben, die an meinem halbfaulen An - tezeſſor zu dreyſigen hiengen, und das alles, al - les — und obendrein noch der Vorſchmack der Seeligkeit, die mir bluͤhete! — Bruder, Bruder! und auf einmal die Loſung zur Freyheit — Es war ein Knall, als ob dem Himmelfaß ein Raifge -94Die Raͤuber,geſprungen waͤre — hoͤrt Kanaillen! ich ſag euch, wenn man aus dem gluͤhenden Ofen ins Eiswaſ - ſer ſpringt, kann man den Abfall nicht ſo ſtark fuͤhlen als ich, da ich am andern Ufer war.
Armer Schlucker! nun iſts ja verſchwizt.
Zur gluͤklichen Wieder - geburt!
Nein, bey allen Schaͤzen des Mammons! ich moͤchte das nicht zum zweytenmal erleben. Sterben iſt etwas mehr als Harlequins Sprung, und Todes-Angſt iſt aͤrger als Sterben.
Und der huͤpfende Pulverthurm — merkſt dus izt, Razmann? — drum ſtank auch die Luft ſo nach Schwefel, ſtundenweit, als wuͤr - de die ganze Garderobe des Molochs unter dem Firmament ausgeluͤftet — es war ein Meiſter - ſtreich, Hauptmann! ich beneide dich drum.
Macht ſich die Stadt eine Freude daraus, meinen Kameraden wie ein verheztes Schwein abthun zu ſehen, was, zum Henker! ſol - len wir uns ein Gewiſſen daraus machen, unſe - rem Kameraden zulieb die Stadt drauf gehen zu laſſen? Und neben her hatten unſere Kerls noch das gefundene Freſſen, uͤber den alten Kayſer zu pluͤndern. — Sagt einmal! Was habt ihr weg - gekapert.
Jch hab mich waͤhrenddes95ein Schauſpiel.des durch einanders in die Stephans-Kirche ge - ſchlichen und die Borden vom Altar-Tuch abge - trennt, der liebe Gott da, ſagt ich, iſt ein reicher Mann, und kann ja Goldfaͤden aus einem Ba - zenſtrick machen.
Du haſt wohl gethan — was ſoll auch der Plunder in einer Kirche? Sie tragens dem Schoͤpffer zu, der uͤber den Troͤdelkram la - chet, und ſeine Geſchoͤpffe doͤrfen verhungern. — Und du Spangeler — wo haſt du dein Nez aus - geworffen?
Jch und Buͤgel haben einen Kaufla - den gepluͤndert und bringen Zeug fuͤr unſer funfzig mit.
Zwey goldne Sakuhren hab ich weggebixt, und ein Duzend ſilberne Loͤffel darzu.
Gut, gut. Und wir haben ihnen eins angerichtet, dran ſie vierzehn Tage werden zu loͤſchen haben. Wenn ſie dem Feuer wehren wol - len, ſo muͤſſen ſie die Stadt durch Waſſer ruini - ren — Weiſt du nicht, Schufterle, wie viel es Tode geſezt hat?
Drey und achtzig ſagt man. Der Thurm allein hat ihrer ſechszig zu Staub zer - ſchmettert.
Roller, du biſt theuer bezahlt.
Pah! pah! was heißt aber das? — ja, wenns Maͤnner geweſen waͤren — aber dawa -96Die Raͤuber,warens Wikelkiuder, die ihre Lacken vergolden, eingeſchnurrte Muͤttergen, die ihnen die Muͤken wehrten, ausgedoͤrrte Ofenhoker, die keine Thuͤre mehr finden konnten — Patienten, die nach dem Dokter winſelten, der in ſeinem gravitaͤtiſchen Trab der Haz nachgezogen war — Was leichte Beine hatte, war ausgeflogen der Komoͤdie nach, und nur der Bodenſaz der Stadt blieb zuruͤk, die Haͤuſ - ſer zu huͤten.
Oh der armen Gewuͤrme! Kranke, ſagſt du, Greiſe und Kinder? —
Ja zum Teufel! und Kindbette - rinnen darzu, und hochſchwangere Weiber, die be - fuͤrchteten, unterm lichten Galgen zu abortiren, junge Frauen, die beſorgten ſich an den Schinders - Stuͤkchen zu verſehen, und ihrem Kind in Mut - terleib den Galgen auf den Buckel zu brennen — Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil ſie ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgeſindel mehr iſt, es lohnt ſich der Muͤhe nicht, daß man davon redt. Wie ich von ungefehr ſo an einer Barake vorbeygehe hoͤr ich drinnen ein Gezetter, ich guk hinein, und wie ichs beym Licht beſehe, was wars? Ein Kind wars noch friſch und geſund, das lag auf dem Boden unterm Tiſch, und der Tiſch wollte eben angehen, — Armes Thiergen! ſagt 'ich, du verfrieſt ja hier, und warfs in die Flamme —
Wirklich, Schufterle? — Und dieſe Flamme brenne in deinem Buſen, bis die Ewigkeit grau wird! — Fort Ungeheuer! Laß dich nimmer unter meiner Bande ſehen! Murrt ihr? — Ueberlegt ihr? — Wer uͤberlegt, wann Jch befehle? — Fort mit ihm, ſag ich, — es ſind noch mehr unter euch, die meinem Grimm reif ſind. Jch kenne dich, Spiegelberg. Aber ich will naͤchſtens unter euch treten, und fuͤrchterlich Muſterung halten.
Hoͤre ſie nicht, Raͤcher im Himmel! — Was kann ich dafuͤr? Was kannſt du dafuͤr, wenn deine Pe - ſtilenz, deine Theurung, deine Waſſerfluten, den Gerechten mit dem Boͤſewicht auffreſſen? Wer kann der Flamme befehlen, daß ſie nicht auch durch die geſegneten Saaten wuͤte, wenn ſie das Geniſt der Horniſſel zerſtoͤren ſoll? — O pfui, uͤber den Kinder-Mord! den Weiber-Mord — den Kran - ken-Mord! Wie beugt mich dieſe That! Sie hat meine ſchoͤnſten Werke vergiftet — da ſteht der Knabe, ſchaamroth und ausgehoͤnt vor dem Auge des Himmels, der ſich anmaßte mit Jupiters Keu - le zu ſpielen, und Pygmeen niederwarf, da er Ti - tanen zerſchmettern ſollte — geh, geh! du biſt der Mann nicht, das Rachſchwerdt der obern Tribunal zu regieren, du erlagſt bey dem erſtenGGriff98Die Raͤuber,Griff — hier entſag ich dem frechen Plan, gehe, mich in irgend eine Klufft der Erde zu verkriechen, wo der Tag vor meiner Schande zuruͤktrit.
Sieh dich vor, Hauptmann! Es ſpukt! Ganze Haufen boͤhmiſcher Reuter ſchwadroniren im Holz herum — der hoͤlliſche Blauſtrumpf mus ihnen ver - traͤtſcht haben —
Hauptmann, Hauptmann! Sie haben uns die Spur abgelauert — rings ziehen ihrer etliche Tau - ſend einen Kordon um den mittlern Wald.
Weh, weh, weh! Wir ſind gefangen geraͤdert, wir ſind geviertheilt! Viele tauſend Huſaren, Drago - ner und Jaͤger ſprengen um die Anhoͤhe, und hal - ten die Luft-Loͤcher beſezt.
Haben wir ſie aus den Federn ge - ſchuͤttelt? Freu dich doch, Roller! Das hab ich mir lange gewuͤnſcht, mich mit ſo Kommis-Brod Rittern herumzuhauen — wo iſt der Hauptmann? Jſt diegan -99ein Schauſpiel.ganze Bande beyſammen? Wir haben doch Pulver genug?
Pulver die ſchwere Meng. Aber unſer ſind achzig in allem, und ſo immer kaum einer gegen ihrer zwanzig.
Deſto beſſer! und laß es fuͤnfzig gegen meinen groſſen Nagel ſeyn — Haben ſie ſo lang gewartet, bis wir ihnen die Streu unterm Arſch angezuͤndt haben — Bruͤder, Bruͤder! ſo hats keine Noth. Sie ſezen ihr Leben an zehen Kreuzer, fechten wir nicht fuͤr Hals und Frey - heit? — Wir wollen uͤber ſie her wie die Suͤnd - flut und auf ihre Koͤpfe herabfeuren wie Wetter - leuchten — Wo zum Teufel! iſt dann der Haupt - mann?
Er verlaͤßt uns in dieſer Noth. Koͤnnen wir denn nicht mehr entwiſchen?
Entwiſchen?
Oh! Warum bin ich nicht ge - blieben in Jeruſalem.
So wollt 'ich doch, daß du im Kloak erſtikteſt, Drekſeele du! Bey nakten Nonnen haſt du ein groſſes Maul, aber wenn du zwey Faͤuſte ſiehſt, — Memme, zeige dich izt, oder man ſoll dich in eine Sauhaut naͤhen, und durch Hunde verhezen laſſen.
Der Hauptmann, Der Hauptmann!
G 2Moor. 100Die Raͤuber,Jch habe ſie vollends ganz einſchlieſſen laſſen, izt muͤſſen ſie fechten wie verzweifelte.
Kinder! Nun gibts! Wir ſind verloren, oder wir muͤſſen fechten wie angeſchoſſene Eber.
Ha! ich will ihnen mit meinen Fangern den Bauch ſchlizen, daß ihnen die Kut - teln ſchuhlang herausplazen! — Fuͤhr uns an, Hauptmann! Wir folgen dir in den Rachen des Todes.
Ladet alle Gewehre! Es fehlt doch an Pulver nicht?
Pulver genug, die Erde gegen den Mond zu ſprengen!
Jeder hat fuͤnf paar Piſtolen ge - laden, jeder noch drey Kugelbuͤchſen darzu.
Gut, gut! Und nun muß ein Theil auf die Baͤume klettern, oder ſich ins Dikicht ver - ſteken, und Feuer auf ſie geben im Hinterhalt —
Da gehoͤrſt du hin, Spiegelberg!
Wir andern, wie Furien, fallen ihnen in die Flanken.
Darunter bin ich, ich!
Zugleich muß jeder ſein Pfeifchen hoͤ - ren laſſen, im Wald herumjagen, daß unſere An - zahl ſchroͤklicher werde: auch muͤſſen alle Hunde los, und in ihre Glieder gehezt werden, daß ſie ſich trennen, zerſtreuen, und euch in den Schußren -101ein Schauſpiel.rennen. Wir drey, Roller, Schweizer und ich, fechten im Gedraͤnge.
Meiſterlich, vortrefflich! — Wir wollen ſie zuſammenwettern, daß ſie nicht wiſſen, wo ſie die Ohrfeigen herkriegen. Jch habe wohl ehe eine Kirſche vom Maul weggeſchoſſen, laß ſie nur anlauffen.
Schweig!
Jch bitte dich —
Weg! Er dank es ſeiner Schande, ſie hat ihn gerettet. Er ſoll nicht ſterben, wenn ich und mein Schweizer ſterben, und mein Roller. Laß ihn die Kleider ausziehen, ſo will ich ſagen er ſey ein reiſender, und ich hab ihn beſtohlen — Sey ruhig, Schwei - zer! Jch ſchwoͤre darauf, er wird doch noch ge - hangen werden.
Jſt das das Drachen Neſt? — Mit eurer Erlaubnis, meine Herren! Jch bin ein Diener der Kirche, und drauſſen ſtehen ſiebenzehn - hundert, die jedes Haar auf meinen Schlaͤfen be - wachen.
Bravo! bravo! das war wohlge - ſprochen ſich den Magen warm zu halten.
Schweig, Kamerad! — Sagen ſie kurz, Herr Pater! was haben Sie hier zu thun?
Mich ſendet die hohe Obrigkeit, die uͤber Leben und Tod ſpricht — ihr Diebe — ihr Mord - brenner — ihr Schelmen — giftige Otterbrut, die im finſtern ſchleicht, und im verborgenem ſticht — Auſſaz der Menſchheit — Hoͤllenbrut, — koͤſtliches Mahl fuͤr Raben und Ungeziefer — Kolonie fuͤr Galgen und Rad —
Hund! hoͤr auf zu ſchimpfen, oder —
Pfui doch, Schweizer! du verdirbſt ihm ja das Koncept — er hat ſeine Predigt ſo brav auswendig gelernt — nur weiter mein Herr! — „ fuͤr Galgen und Rad? „
Und du, feiner Hauptmann! Herzog der Beutelſchneider! Gauner-Koͤnig! Groß-Mogol aller Schelmen unter der Sonne! — Ganz aͤhnlich jenem erſten abſcheulichen Raͤdelsfuͤhrer, der tau - ſend Legionen ſchuldloſer Engel in rebelliſches Feuer fachte, und mit ſich hinab in den tiefen Pfuhl der Verdammnis zog — das Zettergeſchrey verlaſ - ſener Muͤtter heult deinen Ferſen nach, Blut ſaufſt du wie Waſſer, Menſchen waͤgen auf deinem moͤr - deriſchen Dolch keine Luftblaſe auf. —
Sehr wahr, ſehr wahr! Nur weiter!
Was? ſehr wahr, ſehr wahr? iſt das auch eine Antwort?
Wie, mein Herr? darauf haben Sie ſich wohl nicht gefaßt gemacht? Weiter, nur wei - ter! Was wollten Sie weiter ſagen?
Entſezlicher Menſch! hebe dich weg von mir! Picht nicht das Blut des ermor - deten Reichs-Grafen an deinen verfluchten Fingern? Haſt du nicht das Heiligthum des Herrn mit diebiſchen Haͤnden durchbrochen, und mit einem Schelmen - griff die geweyhten Gefaͤſſe des Nachtmahls ent - wandt? Wie? haſt du nicht Feuerbraͤnde in nn - ſere gottesfuͤrchtige Stadt geworfen? und den Pul - verthurm uͤber die Haͤupter guter Chriſten herabge - ſtuͤrzt?
Greuliche, greu - liche Frevel, die bis zum Himmel hinaufſtinken, das juͤngſte Gericht waffnen, daß es reiſſend da - her bricht! Reif zur Vergeltung, zeitig zur lezten Poſaune!
Meiſterlich gerathen bis hieher! aber zur Sache! Was laͤßt mir der hochloͤbliche Ma - giſtrat durch ſie kund machen?
Was du nie werth biſt zu empfan - gen — Schau um dich, Mordbrenner! Was nur dein Auge abſehen kan, biſt du eingeſchloſſen von unſern Reutern — hier iſt kein Raum zum Ent - rinnen mehr — ſo gewis Kirſchen auf dieſen Ei - chen wachſen, und dieſe Tannen Pfirſiche tragen, ſo gewis werdet ihr unverſehrt dieſen Eichen und dieſen Tannen den Ruͤken kehren.
Hoͤrſt dus wohl, Schweizer? — Aber nur weiter!
Hoͤre dann, wie guͤtig, wie langmuͤ -G 4thig104Die Raͤuber,thig das Gericht mit dir Boͤßwicht verfaͤhrt. Wirſt du izt gleich zum Kreuz kriechen, und um Gnade und Schonung flehen, ſiehe, ſo wird dir die Stren - ge ſelbſt Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter ſeyn — ſie druͤkt das Auge bey der Helfte deiner Verbrechen zu, und laͤßt es — denk doch! — und laͤßt es bey dem Rade bewenden.
Haſt dus gehoͤrt, Hauptmann? Soll ich hingehn, und dieſem abgerichteten Schaͤ - ferhund die Gurgel zuſammen ſchnuͤren, daß ihm der rothe Saft aus allen Schweis-Loͤchern ſpru - delt? —
Hauptmann! — Stnrm! Wetter und Hoͤlle! — Hauptmann! — wie er die Unter-Lippe zwiſchen die Zaͤhne klemmt! ſoll ich dieſen Kerl das oberſt zu unterſt unters Firmament wie einen Ke - gel aufſezen?
Mir! mir! Laß mich knien, vor dir niederfallen! Mir laß die Wolluſt ihn zu Brey zuſammenzureiben!
Weg von ihm! Wag es keiner ihn an - zuruͤhren! —
Sehen ſie, Herr Pater! hier ſtehn neun - und ſiebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weis keiner auf Wink und Kommando zu fliegen oder nach Kano - nen-Muſik zu tanzen, und drauſſen ſtehn ſieben - zehnhundert unter Mousqueten ergraut — aber hoͤren Sie nun! ſo redet Moor, der MordbrennerHaupt -105ein Schauſpiel.Hauptmann: Wahr iſts, ich habe den Reichs-Grafen erſchlagen, die Dominikus-Kirche angezuͤndet und gepluͤndert, hab Feuerbraͤnde in eure bigotte Stadt geworffen, und den Pulverthurm uͤber die Haͤupter guter Chriſten herabgeſtuͤrzt — aber das iſt noch nicht alles. Jch habe noch mehr gethan.
Bemerken ſie die vier koſtbare Ringe, die ich an jedem Finger trage — gehen Sie hin, und richten Sie Punct fuͤr Punct den Herren des Gerichts uͤber Lebeu und Tod aus, was ſie ſe - hen und hoͤren werden — dieſen Rubin zog ich ei - nem Miniſter vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Fuͤſſen ſeines Fuͤrſten niederwarf. Er hatte ſich aus dem Poͤbelſtaub zu ſeinem erſten Guͤnſt - ling empor geſchmeichelt, der Fall ſeines Nachbars war ſeiner Hoheit ſchemel — Traͤnen der Waiſen hu - ben ihn auf. Dieſen Demant zog ich einem Finanz - rath ab, der Ehrenſtellen und Aemter an die Meiſt - bietenden verkaufte und dem traurenden Patrioten von ſeiner Thuͤre ſties. — Dieſen Achat trag ich einem Pfaffen Jhres Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwuͤrgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte, daß die Jnquiſition ſo in Zerfall kaͤme — ich koͤnnte Jhnen noch mehr Geſchichteu von meinen Ringen erzaͤhlen, wenn mich nicht ſchon die paar Worte gereuten, die ich mit Jhnen verſchwendet habe —
O Pharao! Pharao!
Hoͤrt ihrs wohl? Habt ihr den Seuf - zer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunter beten, richtet mit einem Achſelzucken, verdammt mit einem chriſtlichen Ach! — Kann der Menſch denn ſo blind ſeyn? Er, der die hundert Augen des Argus hat Flecken an ſeinem Bruder zu ſphaͤ - en, kann er ſo gar blind gegen ſich ſelbſt ſeyn? — Da donnern ſie Sanfftmuth und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menſchenopfer wie einem feuerarmigen Moloch — predigen Liebe des Naͤchſten, und fluchen den achzig - jaͤhrigen Blinden von ihren Thuͤren hinweg: — ſtuͤr - men wider den Geiz und haben Peru um goldner Spangen willen entvoͤlkert und die Heyden wie Zug - vieh vor ihre Wagen geſpannt — Sie zerbrechen ſich die Koͤpffe wie es doch moͤglich geweſen waͤre, daß die Natur haͤtte koͤnnen einen Jſchariot ſchaffen, und nicht der ſchlimmſte unter ihnen wuͤrde den dreyeinigen Gott um zehen Silberlinge verrathen. — O uͤber euch Phariſaͤer, auch Falſchmuͤnzer der Wahr - heit, euch Affen der Gottheit! Jhr ſcheut euch nicht vor Kreuz und Altaͤren zu knien, zerfleiſcht eure Ruͤcken mit Riemen, und foltert euer Fleiſch mit Faſten; ihr waͤhnt mit dieſen erbaͤrmlichen Gau - keleyen demjenigen einen blauen Dunſt vorzuma - chen, denn ihr Thoren doch den allwiſſenden nennt, nicht anders als wie man der Groſſen am bitter -ſten107ein Schauſpiel.ſten ſpottet, wenn man ihnen ſchmeichelt, daß ſie die Schmeichler haſſen; ihr pocht auf Ehrlichkeit und exemplariſchen Wandel, und der Gott der euer Herz durchſchaut, wuͤrde wider den Schoͤpffer er - grimmen, wenn er nicht eben der waͤre, der das Ungeheuer am Nilus erſchaffen hat. — Schafft ihn aus meinen Augen.
Daß ein Boͤſewicht noch ſo ſtolz ſeyn kann!
Nicht genug — Jzt will ich ſtolz re - den. Geh hin, und ſage dem hochloͤblichen Ge - richt, das uͤber Leben und Tod wuͤrfelt — Jch bin kein Dieb, der ſich mit Schlaf und Mitternacht verſchwoͤrt, und auf der Leiter groß und herriſch thut — was ich gethan habe werd ich ohne Zwei - fel einmal im Schuldbuch des Himmels leſen, aber mit ſeinen erbaͤrmlichern Verweſern will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen, mein Handwerk iſt Wiedervergeltung — Rache iſt mein Gewerbe.
Du willſt alſo nicht Schonung und Gnade? — Gut, mit dir bin ich fertig.
So hoͤret dann ihr, was die Gerech - tigkeit euch durch mich zu wiſſen thut! — Werdet ihr izt gleich dieſen verurtheilien Miſſethaͤter gebun - den uͤberliefern, ſeht, ſo ſoll euch die Strafe eurer Greuel bis auf das lezte Andenken erlaſſen ſeyn — die heilige Kirche wird euch verlohrne Schafe miterneuer -108Die Raͤuber,erneuerter Liebe in ihren Mutterſchoos aufnehmen, und jedem unter euch ſoll der Weg zu einem Ehren - Amt offen ſtehn,
Nun, nun? Wie ſchmeckt das, E. Majeſtaͤt? — Friſch alſo! Bindet ihn, und ſeyd frey!
Hoͤrt ihrs auch? Hoͤrt ihr? Was ſtuzt ihr? Was ſteht ihr verlegen da? Sie bietet euch Freyheit, und ihr ſeyd wirklich ſchon ihre Gefan - gene. — Sie ſchenkt euch das Leben, und das iſt keine Prahlerey, denn ihr ſeyd wahrhaftig gerich - tet — Sie verheißt euch Ehren und Aemter, und was kann euer Loos anders ſeyn, wenn ihr auch ob - ſiegtet, als Schmach und Fluch und Verfolgung. — Sie kuͤndigt euch Verſoͤhnuug vom Himmel an, und ihr ſeyd wirklich verdammt. Es iſt kein Haar an keinem unter euch, das nicht in die Hoͤlle faͤhrt. Ueberlegt ihr noch? Wankt ihr noch? Jſt es ſo ſchwer zwiſchen Himmel und Hoͤlle zu waͤhlen? Helfen Sie doch Herr Pater!
Jſt der Kerl unſinnig? — Sorgt ihr etwa, daß dis eine Falle ſey, euch lebendig zu fangen? — Leſet ſelbſt, hier iſt der General-Par - don unterſchrieben.
Koͤnnt ihr noch zweiffeln?
Seht doch, ſeht doch! Was koͤnnt ihr mehr verlangen? — Unterſchrieben mit eigener Hand — es iſt Gnade uͤber alle Graͤnzen — oder fuͤrchtet ihr wohl, ſie werden ihr Wort brechen,weil109ein Schauſpiel.weil ihr niemal gehoͤrt habt, daß man Verraͤthern nicht Wort haͤlt? — O ſeyd auſſer Furcht! Schon die Politik koͤn#te ſie zwingen Wort zu halten, wenn ſie es auch dem Satan gegeben haͤtten. Wer wuͤr - de ihnen in Zukunft noch Glauben beymeſſen? Wie wuͤrden ſie je einem zweyten Gebrauch davon ma - chen koͤnnen? — ich wollte drauf ſchwoͤren ſie meynens aufrichtig. Sie wiſſen, daß ich es bin, der euch empoͤrt und erbittert hat, ench halten ſie fuͤr unſchuldig. Eure Verbrechen legen ſie fuͤr Jugendfehler, fuͤr Uebereilungen aus. Mich allein wollen Sie haben, ich allein verdiene zu buͤſſen. Jſt es nicht ſo, Herr Pater?
Wie heißt der Teufel, der aus ihm ſpricht? — Ja freylich, freylich iſt es ſo — der Kerl macht mich wirbeln.
Wie, noch keine Antwort? denkt ihr wohl gar mit den Waffen noch durchzureiſſen? Schaut doch um euch, ſchaut doch um euch! das werdet ihr doch nicht denken, das waͤre izt kindiſche Zuverſicht. — Oder ſchmeichelt ihr euch wohl gar als Helden zu fallen, weil ihr ſaht, daß ich mich aufs Getuͤmmel freute? — Oh glaubt das nicht! Jhr ſeyd nicht Moor. — Jhr ſeyd heilloſe Die - be! Elende Werkzeuge meiner groͤſſeren Plane, wie der Strik veraͤchtlich in der Hand des Henkers! — Diebe koͤnnen nicht fallen wie Helden fallen. Das Leben iſt den Dieben Gewinn, dann kommt wasſchroͤk -110Die Raͤuber,ſchroͤkliches nach — Diebe haben das Recht vor dem Tode zu zittern. — Hoͤret, wie ihre Hoͤrner toͤ - nen! Sehet, wie drohend ihre Saͤbel daher blinken! wie? noch unſchluͤſſig? ſeyd ihr toll? ſeyd ihr wahnwizig? — Es iſt unverzeyhlich! Jch dank euch mein Leben nicht, ich ſchaͤme mich eures Opfers!
Jch werde unſinnig, ich laufe davon! Hat man je von ſo was gehoͤrt?
Oder fuͤrchtet ihr wohl, ich werde mich ſelbſt erſtechen, und durch einen Selbſt-Mord den Vertrag zernichten, der nur an dem lebendigen haftet? Nein, Kinder! das iſt eine unnuͤze Furcht. Hier werf ich meinen Dolch weg, und meine Pi - ſtolen und dis Flaͤſchgen mit Gift, daß mir noch wohlkommen ſollte — ich bin ſo elend, daß ich auch die Herrſchafft uͤber mein Leben verloren ha - be — Was, noch unſchluͤſſig? Oder glaubt ihr vielleicht, ich werde mich zur Wehr ſetzen, wenn ihr mich binden wollt? Seht! hier bind ich meine rechte Hand an dieſen Eichenaſt, ich bin ganz wehrlos, ein Kind kann mich umwerfen — Wer iſt der erſte, der ſeinen Hauptmann in der Noth verlaͤßt?
Und wann die Hoͤlle uns neunfach umzingelte!
Wer kein Hund iſt, rette den Hauptmann!
Jn unſern Kugeln Pardon! Fort Kanaille! ſag dem Senat, der dich geſandt hat, du traͤfſt unter Moors Bande keinen einzigen Verraͤther an. — Rettet, rettet den Hauptmann!
Rettet, rettet, rettet den Haupt - mann!
Jzt ſind wir frey — Kameraden! Jch fuͤhle eine Armee in meiner Fauſt — Tod oder Freyheit! wenigſtens ſollen ſie keinen lebendig haben!
Schon wieder hier, eigenſinnige Schwaͤr - merin? Du haſt dich vom frohen Mahle hinweg - geſtohlen, und den Gaͤſten die Freude verdorben.
Schade fuͤr dieſe unſchuldige Freuden! das Todenlied mus noch in deinen Ohren mur - meln, das deinem Vater zu Grabe hallte —
Willſt du dann ewig klagen? Laß die Toden ſchlafen, und mache die Lebendigen gluͤck - lich! Jch komme —
Und wann gehſt du wieder?
O weh! kein ſo finſteres ſtolzes Ge - ſicht! du betruͤbſt mich, Amalia. Jch komme dir zu ſagen —
Jch mus wol hoͤren, Franz von Moor iſt ja gnaͤdiger Herr worden.
Ja recht, das wars, woruͤber ich dich vernehmen wollte — Maximilian iſt ſchlafen ge - gangen in der Vaͤter Gruft. Jch bin Herr. Aber ich moͤchte es vollends ganz ſeyn, Amalia. — du weiſt, was du unſerm Hauſe warſt, du wardſt gehalten wie Moors Tochter, ſelbſt den Tod uͤber - lebte ſeine Liebe zu dir, das wirſt du wol niemals vergeſſen? —
Niemals, niemals. Wer das auch ſo leichtſinnig beym frohen Mahle hinwegzechen koͤnnte!
Die Liebe meines Vaters muſt du in ſeinen Soͤhnen belohnen, und Karl iſt tod — ſtaunſt du? ſchwindelt dir? Ja wahrhaftig, der Gedan - ke iſt auch ſo ſchmeichelnd erhaben, daß er ſelbſt den Stolz eines Weibes betaͤubt. Franz tritt die Hofnungen der edelſten Fraͤuleins mit Fuͤſſen, Franz kommt und bietet einer armen ohne ihn huͤlfloſen Waiſe ſein Herz, ſeine Hand, und mit ihr all ſein Gold an und all ſeine Schloͤſſer und Waͤlder. — Franz, der Beneidete, der Gefuͤrchtete erklaͤrt ſich freywillig fuͤr Amalia's Sklaven —
Warum ſpaltet der Bliz die ruchloſe Zunge nicht, die das Frevelwort ausſpricht! Du haſt meinen Geliebten ermordet, und Amalia ſoll dich Gemahl nennen! du —
Nicht ſo ungeſtuͤmm, allergnaͤdigſte Prinzeſſin! — Freylich kruͤmmt Franz ſich nicht wie ein girrender Seladon vor dir — freylich hat er nicht gelernt, gleich dem ſchmachtenden Schaͤfer Arkadiens, dem Echo der Grotten und Felſen ſeine Liebesklagen entgegen zu jammern — Franz ſpricht und wenn man nicht antwortet, ſo wird er — be - fehlen.
Wurm du, befehlen? mir befehlen? — und wenn man den Befehl mit Hohnlachen zuruͤckſchickt?
Das wirſt du nicht. Noch weis ich Mittel, die den Stolz eines einbildiſchen Starr -kopfs115ein Schauſpiel.kopfs ſo huͤbſch niederbeugen koͤnnen — Kloſter und Mauren!
Bravo! herrlich! und in Kloſter und Mauren mit deinem Baſilisken-Anblick auf ewig verſchont, und Muſſe genug an Karln zu denken, zu hangen. Willkommen mit deinem Kloſter! auf auf mit deinen Mauren!
Haha! iſt es das? — gib Acht! Jzt haſt du mich die Kunſt gelehrt, wie ich dich quaͤ - len ſoll — dieſe ewige Grille von Karl ſoll dir mein Anblick gleich einer feuerhaarigen Furie aus dem Kopfe geiſeln, das Schrekbild Franz ſoll hin - ter dem Bild deines Lieblings im Hinterhalt lau - ten, gleich de# verzauberten Hund, der auf un - terirrdiſchen Goldkaͤſten liegt — an den Haaren will ich dich in die Kapelle ſchleifen, den Degen in der Hand, dir den ehlichen Schwur ans der Seele preſſen, dein jungfraͤuliches Bette mit Sturm erſteigen, und deine ſtolze Schaam mit noch groͤ - ſerem Stolze beſiegen.
Nimm erſt das zur Ausſteuer hin!
Ha! wie das zehnfach, um wieder zehnfach geahndet werden ſoll! — Nicht meine Gemahlin — die Ehre ſollſt du nicht ha - ben — meine Maitreſſe ſollſt du werden, daß die ehrlichen Bauernweiber mit Fingern auf dich deu - ten, wenn du es wagſt und uͤber die Gaße gehſt. H 2Knir -116Die Raͤuber,Knirſche nur mit den Zaͤhnen — ſpeye Feuer und Mord aus den Augen — mich ergoͤzt der Grimm eines Weibes, macht dich nur ſchoͤner, begehre#swerther. Komm — dieſes Straͤuben wird meinen Triumf zieren und mir die Wolluſt in er - zwungnen Umarmungen wuͤrzen — Komm mit in meine Kammer — ich gluͤhe vor Sehnſucht — izt gleich ſollſt du mit mir geh#
Verzeih mir Franz!
Siehſt du Boͤſewicht was ich jezt aus dir machen kann? — Jch bin ein Weib aber ein raſendes Weib — wag es einmal mit unzuͤchtigem Griff meinen Leib zu betaſten — dieſer Stahl ſoll deine geile Bruſt mitten durchren - nen, und der Geiſt meines Oheims wird mir die Hand dazu fuͤhren. Fleuch auf der Stelle!
Ah! wie mir wohl iſt — Jzt kann ich frey athmen — ich fuͤhlte mich ſtark wie das Funken - ſpruͤhende Roß, grimmig wie die Tygerinn dem ſiegbruͤllenden Raͤuber ihrer Jungen nach — Jn ein Kloſter ſagt er — dauk dir fuͤr dieſe gluͤkliche Entdekung! — Jzt hat die betrogene Liebe ihre Freyſtatt gefunden — das Kloſter — das Kreuzdes117ein Schauſpiel.des Erloͤſers iſt die Freyſtatt der betrognen Liebe.
Fraͤulein Amalia! Fraͤulein Amalia!
Ungluͤcklicher! Was ſtoͤreſt du mich?
Dieſer Zentner muß von meiner Seele eh er ſie zur Hoͤlle druͤckt
Vergebung! Vergebung! Jch hab euch ſehr be - leidigt Fraͤulein Amalia.
Steh auf! Geh! Jch will nichts wiſ - ſen.
Nein! Bleibt! Bey Gott! Bey dem ewigen Gott! Jhr ſollt alles wiſ - ſen!
Keinen Laut weiter — Jch vergebe dir — Ziehe heim in Frieden.
So hoͤret nur ein einziges Wort — es wird euch all eure Ruhe wiedergeben.
Wie Freund? — wer im Himmel und auf Erden kann mir meine Ruhe wiedergeben?
Das kann von meinen Lippen ein einiges Wort — hoͤret mich an.
Guter Menſch — Kann ein Wort von deinen Lippen die Riegel der Ewigkeit aufreiſſen?
Karl lebt noch!
Ungluͤcklicher!
Nicht anders — Nun noch ein Wort — euer Oheim —
Du luͤgſt —
Euer Oheim —
Karl lebt noch!
Und euer Oheim —
Karl lebt noch?
Auch euer Oheim — Verrathet mich nicht,
Karl lebt noch!
Hier muß ich liegen bleiben
Meine Glieder wie abgeſchlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe,
Jch wollt euch bitten mir ei - ne Handvoll Waſſers aus dieſem Strome zu holen, aber ihr ſeid alle matt bis in den Tod.
Auch iſt der Wein all in unſer# Schlaͤuchen.
Seht doch, wie ſchoͤn das Getraide ſteht! — Die Baͤume brechen faſt unter ihrem See - gen. — Der Weinſtock voll Hoffnung.
Es giebt ein fruchtbares Jahr.
Meinſt du? — Und ſo wuͤrde doch Ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? — — Aber es kann ja uͤber Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund ſchlagen.
Das iſt leicht moͤglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.
Das ſag ich ja. Es wird alles zu Grund gehn. Warum ſoll dem Menſchen das ge - lingen was er von der Ameiſe hat, wenn ihm das fehlſchlaͤgt, was ihn den Goͤttern gleich macht? — oder iſt hier die Mark ſeiner Beſtimmung?
Jch kenne ſie nicht.
Du haſt gut geſagt, und noch beſſer gethan wenn du ſie nie zu kennen verlangteſt! — Bruder — ich habe die Menſchen geſehen, ihre Bienenſorgen, und ihre Rieſenprojekte — ihre Goͤt - terplane und ihre Mauſegeſchaͤffte, das wunderſelt - ſame Wettrennen nach Gluͤckſeligkeit; — dieſer dem Schwung ſeines Roſſes anvertraut — ein an - derer der Naſe ſeines Eſels — ein dritter ſeinen ei - genen Beinen; dieſes bunte Lotto des Lebens, wor - ein ſo mancher ſeine Unſchuld, und — ſeinen Him - mel ſezt, einen Treffer zu haſchen, und — Nullen ſind der Auszug — am Ende war kein TrefferH 4dar -120Die Raͤuber,darinn. Es iſt ein Schauſpiel, Bruder, das Traͤ - nen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelaͤchter kizelt.
Wie herrlich die Sonne dort unter - geht!
So ſtirbt ein Held! — Anbetenswuͤrdig!
Du ſcheinſt tief geruͤhrt.
Da ich noch ein Bube war — wars mein Lieblings-Gedanke wie ſie zu leben, zu ſterben wie ſie —
Es war ein Buben - gedanke!
Das will ich hoffen.
Es war eine Zeit — Laßt mich allein, Kameraden.
Moor! Moor! Was zum Henker? — wie er ſeine Farbe veraͤndert!
Alle Teufel! was hat er? wird ihm uͤbel?
Es war eine Zeit wo ich nicht ſchlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergeſſen hatte —
Biſt du wahnſinnig? Willſt du dich von deinen Bubenjahren hofmeiſtern laſſen?
Bruder! Bruder!
Wie? ſey doch kein Kind — ich bitte dich —
Waͤr ichs — waͤr ichs wieder!
Pfui! Pfui!
Heitre dich auf. Sieh dieſe mah - leriſche Landſchaft — den lieblichen Abend.
Ja Freunde, dieſe Welt iſt ſo ſchoͤn.
Nun! das war wohl geſprochen.
Dieſe Erde ſo herrlich.
Recht — recht — ſo hoͤr ichs gerne.
Und ich ſo heßlich auf die - ſer ſchoͤnen Welt — und ich ein Ungeheuer auf dieſer herrlichen Erde.
O weh! o weh!
Meine Unſchuld! Meine Unſchuld! — Seht! es iſt alles hinausgegangen ſich im friedli - chen Stral des Fruͤlings zu ſonnen — warum ich allein die Hoͤlle ſaugen aus den Freuden des Him - mels? — daß alles ſo gluͤcklich iſt, durch den Geiſt des Friedens alles ſo verſchwiſtert! — die ganze Welt Eine Familie und ein Vater dort oben — Mein Vater nicht — Jch allein der Verſtoſene, ich allein ausgemuſtert ans den Reihen der Reinen — mir nicht der ſuͤße Name Kind — nimmer mir der Geliebten ſchmachtender Blick — nimmer nim - mer des Buſenfreundes Umarmung
Umlagert von Moͤrdern — von Nattern umziſcht — angeſchmidet an das Laſter mit eiſernen Banden — hinausſchwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Laſters ſchwankendem Rohr — mitten in den Blumen der gluͤcklichen Welt ein heulender Abba - dona!
Unbegreiflich! Jch hab ihn nie ſo geſehen.
Daß ich wiederkehren duͤrf - te in meiner Mutterleib! daß ich ein Bet#tler ge - bohren werden duͤrfte! — Nein! ich wollte nicht mehr o Himmel — daß ich werden duͤrfte wie die - ſer Tagloͤhner einer! — O ich wollte mich abmuͤden, daß mir das Blut von den Schlaͤfen rollte — mir die Wolluſt eines einzigen Mittagſchlafs zu erkau - fen — die Seligkeit einer einzigen Traͤne.
Nur Geduld! der Pa - roxiſmus iſt ſchon im Fallen.
Es war eine Zeit wo ſie mir ſo gern floßen — o ihr Tage des Friedens! Du Schloß meines Vaters — ihr gruͤnen ſchwaͤrmeriſchen Thaͤ - ler! O all ihr Eliſiums Scenen meiner Kindheit! — Werdet ihr nimmer zuruͤckkehren — nimmer mit koͤſtlichen Saͤuſeln meinen brennenden Buſen kuͤh - len? — Traure mit mir Natur — Sie werden nimmer zuruͤkkehren, nimmer mit koͤſtlichen Saͤuſeln meinen brennenden Buſen kuͤhlen. — Dahin! da - hin! unwiederbringlich! —
Sauf zu Hauptmann — hier iſt Waſſer genug, und friſch wie Eis.
Du bluteſt ja — was haſt du ge - macht?
Narr, einen Spaß der mich bald zwey Beine und einen Hals gekoſtet haͤtte. Wie ich ſo auf dem Sandhuͤgel am Fluß hintrolle, glitſch, ſo rutſcht der Plunder unter mir ab und ich zehn rheinlaͤndiſche Schuhe lang hinunter — da lag ich, und wie ich mir eben meine fuͤnf Sinne wieder zu - recht ſeze, treff ich dir das klarſte Waſſer im Kies. Genug dießmal fuͤr den Tanz dacht ich, dem Haupt - mann wirds wol ſchmecken.
Sonſt ſieht man ja die Narben nicht die d#e boͤhmiſchen Reuter in deine Stirne gezeichnet haben — dein Waſſer war gut Schweizer — dieſe Narben ſtehen dir ſchoͤn.
Pah! hat noch Plaz genug fuͤr ih - rer dreyſig.
Ja Kinder — es war ein heißer Nach - mittag — und nur Einen Mann verloren — mein Roller ſtarb einen ſchoͤnen Tod. Man wuͤrde einen Marmor auf ſeine Gebeine ſezen wenn er nicht mir geſtorben waͤre. Nehmet vorlieb mit dieſem
Wie viel warens doch von den Feinden, die auf dem Platz blieben?
Hundert und ſechzig Huſaren — drey und neunzig Dragoner, gegen vierzig Jaͤger — dreyhundert in allem:
Dreyhundert fuͤr Einen! — Jeder von Euch hat Anſpruch an dieſen Scheitel!
Hier heb ich meinen Dolch auf! So wahr meine Seele lebt! Jch will euch niemals verlaſſen.
Schwoͤre nicht! du weiſt nicht, ob du nicht noch gluͤcklich werden, und bereuen wirſt.
Bey den Gebeinen meines Rollers! Jch will euch niemals verlaſſen.
Jn dieſer Revier herum, ſa - gen ſie, werd ich ihn antreffen — he holla! was ſind das fuͤr Geſichter? — Solltens — wie wenns dieſe — ſie ſinds, ſinds! — ich will ſie anreden.
Gebt Acht! wer kommt da?
Meine Herrn! verzeihen ſie! Jch weis nicht, geh ich recht, oder unrecht?
Und wer muͤſſen wir ſeyn, wenn Sie recht gehn?
Maͤnner!
Ob wir das auch gezeigt haben, Hauptmann?
Maͤnner ſuch ich, die dem Tod ins Geſicht ſehen, und die Gefahr wie eine zahme Schlange um ſich ſpielen laſſen, die Freyheit hoͤher ſchaͤtzen als Ehre und Leben, deren bloſer Name, willkommen dem Armen und Unterdruͤckten, die Be - herzteſten feig und Tyrannen bleich macht.
Der Burſche gefaͤlltmir.125ein Schauſpiel.mir. — Hoͤre, guter Freund! Du haſt deine Leute gefunden.
Das denk ich, und will hoffen, bald meine Bruͤder. — So koͤnnt ihr mich dann zu meinem rechten Manne weiſen, denn ich ſuch, euren Hauptmann, den groſſen Grafen von Moor.
Lieber Junge! wir duzen einander.
Kennen Sie auch den Hauptmann?
Du biſts — in dieſer Miene — wer ſollte dich anſehn und einen andern ſuchen?
Jch habe mir immer gewuͤnſcht, den Mann mit dem vernichtenden Blicke zu ſehen, wie er ſas auf den Ruinen von Karthago — izt wuͤnſch ich es nicht mehr.
Blizbub!
Und was fuͤhrt Sie zu mir?
O Hauptmann! mein mehr als grauſames Schickſal — ich habe Schiffbruch gelit - ten auf der ungeſtuͤmmen See dieſer Welt, die Hoff - nnngen meines Lebens hab ich muͤſſen ſehen in den Grund ſinken, und blieb mir nichts uͤbrig als die marternde Erinnerung ihres Verluſtes, die mich wahnſinnig machen wuͤrde, wenn ich ſie nicht durch anderwaͤrtige Tbaͤtigkeit zu erſticken ſuchte.
Schon wieder ein Klaͤger wider die Gottheit! — Nur weiter.
Jch wurde Soldat. Das Ungluͤck verfolgte mich auch da — ich machte eine Farth nach Oſtindien mit, mein Schiff ſcheiterte an Klip - pen — nichts als fehlgeſchlagene Plane! Jch hoͤre endlich weit und breit erzaͤhlen von deinen Thaten, Mordbrennereyen, wie ſie ſie nannten, und bin hieher gereißt dreyſſig Meilen weit, mit dem feſten Entſchluß unter dir zu dienen, wenn du meine Dienſte annehmen willſt — Jch bitte dich, wuͤrdi - ger Hauptmann, ſchlage mirs nicht ab!
Heyſa! Heyſa! So iſt ja unſer Roller zehnhundertfach verguͤtet! Ein ganzer Mordbruder fuͤr unſere Bande!
Wie iſt dein Nahme?
Koſinsky.
Wie Koſinsky? weiſt du auch, daß du ein leichtſinniger Knabe biſt, und uͤber den groſen Schritt deines Lebens weggaukelſt, wie ein unbe - ſonnenes Maͤdgen — Hier wirſt du nicht Baͤlle werfen oder Kegelkugeln ſchieben, wie du dir ein. bildeſt.
Jch weis, was du ſagen willſt — ich bin vier und zwanzig Jahr alt, aber ich habe Degen blinken geſehen, und Kugeln um mich ſur - ren gehoͤrt.
So junger Herr? — und haſt du dein Fechten nur darum gelernt, arme Reiſende um ei - nen Reichsthaler niederzuſtoſſen, oder Weiber hin -ter -127ein Schauſpiel.terruͤcks in den Bauch zu ſtechen? Geh, geh! du biſt deiner Amme entlaufen, weil ſie dir mit der Ruthe gedroht hat.
Was zum Henker, Hauptmann! was denkſt du? willſt du dieſen Herkules fortſchicken? Sieht er nicht gerade ſo drein, als wollt er den Mar - ſchall von Sachſen mit einem Ruͤhrloͤffel uͤber den Ganges jagen?
Weil dir deine Lappereyen misgluͤcken, kommſt du, und willſt ein Schelm, ein Meuchel - moͤrder werden? — Mord, Knabe, verſteht du das Wort auch? du magſt ruhig ſchlafen gegangen ſeyn, wenn du Mohnkoͤpfe abgeſchlagen haſt, aber einen Mord auf der Seele zu tragen. —
Jeden Mord, den du mich begehen heiſt, will ich verantworten.
Was? biſt du ſo klug? Willſt du dich anmaſen einen Mann mit Schmeicheleyen zu fan - gen? Woher weiſt du, daß ich nicht boͤſe Traͤume habe, oder auf dem Todbett nicht werde blaß wer - den? wie viel haſt du ſchon gethan, wobey du an Verantwortung gedacht haſt?
Wahrlich! noch ſehr wenig, aber doch dieſe Reiſe zu dir, edler Graf!
Hat dir dein Hofmeiſter die Geſchichte des Robins in die Haͤnde geſpielt. — Mann ſollte dergleichen unvorſichtige Kanaillen auf die Galeere ſchmiden — die deine kindiſche Phantaſie erhitzte,und128Die Raͤuber,und dich mit der tollen Sucht zum groſen Mann an - ſteckte? Kuͤzelt dich nach Namen und Ehre? willſt du Unſterblichkeit mit Mordbrennereyen erkaufen? Merk dirs, ehrgeiziger Juͤngling! Fuͤr Mordbren - ner gruͤnet kein Loorbeer! Auf Banditen-Siege iſt kein Triumf geſezt — aber Fluch, Gefahr, Tod Schande — ſiehſt du auch das Hochgericht dort auf dem Huͤgel?
Ey wie dumm! wie abſcheulich, wie unverzeihlich dumm! das iſt die Manier nicht! Jch habs anderſt gemacht.
Was ſoll der fuͤrchten, der den Tod nicht fuͤrchtet?
Brav! Unvergleichlich! Du haſt dich waker in den Schulen gehalten, du haſt deinen Se - neka meiſterlich auswendig gelernt. — Aber lieber Freund, mit dergleichen Sentenzen wirſt du die lei - dende Natur nicht beſchwaͤzen, damit wirſt du die Pfeile des Schmerzens nimmermehr ſtumpf machen. — Beſinne dich recht, mein Sohn!
Denk, ich rathe dir als ein Vater — lern erſt die Tiefe des Abgrunds kennen, eh du hinei# - ſpringſt! Wenn du noch in der Welt eime einzige Freude zu erhaſchen weiſt — es koͤnnten A#ugenblike kommen, wo du — aufwachſt — und dann — moͤcht es zu ſpaͤt ſeyn. Du tritſt hier gleichſam aus dem Kreiſe der Menſchheit — entwe#der muſt du ein hoͤherer Menſch ſeyn, oder du biſt ein Teu -fel —129ein Schauſpiel.fel — Noch einmal, mein Sohn! wenn dir noch ein Funken von Hofnung irgend anderswo glimmt, ſo verlaß dieſen ſchroͤcklichen Bund, den nur Ver - zweiflung eingeht, wenn ihn nicht eine hoͤhere Weis - heit geſtiftet hat — man kann ſich taͤuſchen — Glaube mir, man kann das fuͤr Staͤrke des Geiſtes halten, was doch am Ende Verzweiflung iſt — Glaube mir, mir! und mach dich eilig hinweg.
Nein! ich fliehe izt nicht mehr. Wenn dich meine Bitten nicht ruͤhren, ſo hoͤre die Geſchichte meines Ungluͤcks. — Du wirſt mir dann ſelbſt den Dolch in die Haͤnde zwingen, du wirſt — lagert euch hier auf dem Boden, und hoͤrt mir aufmerkſam zu!
Jch will ſie hoͤren.
Wiſſet alſo, ich bin ein boͤhmiſcher Edelmann, und wurde durch den fruͤhen Tod mei - nes Vaters Herr eines anſehnlichen Ritterguts. Die Gegend war paradiſiſch — denn ſie enthielt einen Engel — ein Maͤdgen geſchmuͤckt mit allen Reizen der bluͤhenden Jugend, und keuſch wie das Licht des Himmels. Doch, wem ſag ich das? Es ſchallt an euren Ohren voruͤber — ihr habt niemals geliebt, ſeyd niemals geliebt worden —
Sachte, ſachte! unſer Hauptmann wird feuerroth.
Hoͤr auf! ich wills ein andermal hoͤ - ren — morgen, naͤchſtens, oder — wenn ich Blut geſehen habe.
Blut, Blut — hoͤre nur weiter! Blut, ſag ich dir, wird deine ganze Seele fuͤllen. Sie war buͤrgerlicher Geburt, eine Deutſche — aber ihr Anblick ſchmelzte die Vorurtheile des Adels hinweg. Mit der ſchuͤchternſten Beſcheidenheit nahm ſie den Trauring von meiner Hand, und uͤbermorgen ſollte ich meine Amalia vor den Al - tar fuͤhren.
Mitten im Taumel der auf mich wartenden Seligkeit, unter den Zuruͤſtun#en zur Vermaͤhlung — werd ich durch einen Expreſſen nach Hof citirt. Jch ſtellte mich. Ma# zeigte mir Briefe, die ich geſchrieben haben ſollte, voll verraͤtheriſchen Jnnhalts. Jch erroͤthete uͤber der Bosheit — man nahm mir den Degen ab, warf mich ins Gefaͤngniß, alle meine Sinnen waren hinweg.
Und unterdeſſen — nur weiter! ich rieche den Braten ſchon.
Hier lag ich einen Monath lang, und wußte nicht, wie mir geſchah. Mir bangte fuͤr meine Amalia, die meines Schickſals wegen jede Minute einen Tod wuͤrde zu leiden haben. Endlich erſchien der erſte Miniſter des Hofes, wuͤnſchte mir zur Entdeckung meiner Unſchuld Gluͤck, mit zuckerſuͤſſen Worten, ließt mir den Brief der Freyheit vor, gibt mir meinen Degenwie -131ein Schauſpiel.wieder. Jzt im Triumfe nach meinem Schloß, in die Arme meiner Amalia zu fliegen, — ſie war verſchwunden. Jn der Mitternacht ſey ſie wegge - bracht worden, wuͤßte niemand, wohin? und ſeit dem mit keinem Aug mehr geſehen. Hui! ſchoß mirs auf wie der Blitz, ich flieg nach der Stadt, ſondire am Hof — alle Augen wurzelten auf mir, niemand wollte Beſcheid geben — endlich entdek ich ſie durch ein verborgenes Gitter im Pallaſt — ſie warf mir ein Billetchen zu.
Hab ichs nicht geſagt?
Hoͤlle, Tod, und Teufel! da ſtands! man hatte ihr die Wahl gelaſſen, ob ſie mich lie - ber ſterben ſehen, oder die Maͤtreſſe des Fuͤrſten werden wollte. Jm Kampf zwiſchen Ehre und Liebe entſchied ſie fuͤr das zweyte, und
ich war gerettet.
Was thatſt du da?
Da ſtand ich, wie von tauſend Donnern getroffen! — Blut! war mein erſter Ge - danke, Blut! mein lezter. Schaum auf dem Mun - de renn ich nach Hauß, waͤhle mir einen dreyſpi - zigen Degen, und damit in aller Jaſt in des Mi - niſters Hauß, denn nur er — er nur war der hoͤlliſche Kuppler geweſen. Man mus mich von der Gaſſe bemerkt haben, denn wie ich hinauſtre - te, waren alle Zimmer verſchloſſen. Jch ſuche, ich frage: Er ſey zum Fuͤrſten gefahren, war dieJ 2Ant -132Die Raͤuber,Antwort. Jch mache mich geradenwegs dahin, man wollte nichts von ihm wiſſen. Jch gehe zu - ruͤck, ſprenge die Thuͤren ein, find ihn, wollte eben — aber da ſprangen fuͤnf bis ſechs Bediente aus dem Hinterhalt, und entwanden mir den Degen.
Und er kriegte nichts, und du zogſt leer ab?
Jch ward ergriffen, angeklagt, peinlich proceſſirt, infam — merkts euch! — aus beſonderer Gnade infam aus den Graͤnzen gejagt, meine Guͤter fielen als Praͤſent dem Miniſter zu, meine Amalia bleibt in den Klauen des Tygers, verſeufzt und vertrauert ihr Leben, waͤhrend daß meine Rache faſten, und ſich unter das Joch des Deſpotismus kruͤmmen muß.
Das iſt Waſſer auf unſere Muͤhle, Hauptmann! Da gibts was anzuzuͤnden!
Jch muß ſie ſehen — auf! rafft zuſammen — du bleibſt Koſinsky — pakt eilig zuſammen!
Wohin? was?
Wohin? wer fragt wohin?
Verraͤther, du willſt mich zuruͤckhalten? Aber bey der Hoffnung des Himmels! —
Verraͤther ich? — geh in die Hoͤl - le, ich folge dir!
Bruderherz! du folgſt mir — ſie weint, ſie vertrauert ihr Leben. Auf! hurtig! alle! nach Franken! in acht Tagen muͤſ - ſen wir dort ſeyn.
Geh voran, und melde mich. Du weiſt doch noch alles, was du ſprechen muſt?
Jhr ſeyd der Graf von Brand, kommt aus Mecklenburg ich euer Reutknecht — ſorgt nicht, ich will meine Rolle ſchon ſpielen, lebt wol!
Sey mir gegruͤßt, Vaterlands-Erde!
Vaterlands-Himmel! Vaterlands - Sonne! — und Fluren und Huͤgel und Stroͤme und Waͤlder! Seyd alle, alle mir herzlich gegruͤßt! J 3— wie134Die Raͤuber,— wie ſo koͤſtlich wehet die Luft von meinen Hey - math-Gebuͤrgen! wie ſtroͤmt balſamiſche Wonne aus euch dem armen Fluͤchtling entgegen! — Ely - ſium! dichteriſche Welt! Halt ein Moor! dein Fus wandelt in einem heiligen Tempel.
Sieh da auch die Schwalbenne - ſter im Schloßhof — auch das Gartenthuͤrchen! — und dieſe Eke am Zaun, wo du ſo oft den Fanger belauſchteſt und nekteſt — und dort unten das Wieſenthal, wo du der Held Alexander deine Macedonier ins Treffen bey Arbela fuͤhrteſt, und neben dran der graſigte Huͤgel, von welchem du den perſiſchen Satrapen niederwarfſt — und dei - ne ſiegende Fahne flatterte hoch!
Die goldne Mayenjahre der Knabenzeit leben wieder auf in der Seele des Elenden — da warſt du ſo gluͤcklich, warſt ſo ganz, ſo wolkenlos heiter — und nun — da liegen die Truͤmmer deiner Ent - wuͤrfe! Hier ſollteſt du wandeln dereinſt, ein gro - ſer, ſtattlicher, geprieſener Mann — hier dein Knabenleben in Amalias bluͤhenden Kindern zum zweytenmal leben — hier! hier der Abgott deines Volks — aber der boͤſe Feind ſchmollte darzu!
Warum bin ich hierhergekommen? daß mirs gienge wie dem Gefangenen, den der klirren - de Eiſenring aus Traͤumen der Freyheit aufjagt — nein ich gehe in mein Elend zuruͤck! — der Ge - fangene hatte das Licht vergeſſen, aber der Traumder135ein Schauſpiel.der Freyheit fuhr uͤber ihm wie ein Bliz in die Nacht, der ſie finſterer zuruͤcklaͤßt — Lebt wol, ihr Vaterlandsthaͤler! einſt ſaht ihr den Knaben Karl, und der Knabe Karl war ein gluͤcklicher Knabe — izt ſaht ihr de# Mann, und er war in Verzweif - lung.
Sie nicht ſehen, nicht einen Blick? — und nur eine Mauer geweſen zwiſchen mir und Amalia — Nein! ſehen mus ich ſie — mus ich ihn — es ſoll mich zermalmen!
Vater! Vater! dein Sohn naht — weg mit dir, ſchwarzes rauchendes Blut! weg holer graſſer zu - kender Tode blick! Nur dieſe Stunde laß mir frey — Amalia! Vater! dein Karl naht!
— Quaͤle mich, wenn der Tag erwacht, laß nicht ab von mir, wenn die Nacht kommt — quaͤle mich in ſchroͤcklichen Traͤumen! nur vergiffte mir dieſe einzige Wolluſt nicht!
Wie wird mir? was iſt das Moor? Sey ein Mann! — — Todesſchauer — — Schrecken Ahndung — —
Und getrauten Sie ſich wol ſein Bild - nis unter dieſen Gemaͤlden zu erkennen?
O ganz gewis. Sein Bild war im - mer lebendig in mir.
Dieſer iſts nicht.
Errathen! — Er war der Stamm - vater des graͤflichen Hauſes, und erhielt den Adel vom Barbaroſſa, dem er wider die Seeraͤuber diente.
Dieſer iſts auch nicht — auch der nicht — auch nicht jener dort — er iſt nicht unter ihnen.
Wie, ſehen Sie doch beſſer! ich dach - te, Sie kennten ihn —
Jch kenne meinen Vater nicht beſſer! Jhm fehlt der ſanftmuͤthige Zug um den Mund, der ihn aus tauſenden kenntlich machte — er iſts nicht.
Jch erſtaune. Wie? Achtzehn Jah - re nicht mehr geſehn, und noch —
Dieſer iſts
Ein vortreflicher Mann!
Vater, Vater! ver -137ein Schauſpiel.vergib mir! — Ja ein vortreflicher Mann! —
Ein goͤttlicher Mann!
Sie ſcheinen viel Antheil an ihm zu nehmen.
Oh ein vortreflicher Mann — und er ſollte dahin ſeyn.
Dahin! wie unſere beſten Freuden dahingehn —
Lieber Herr Graf, es reift keine Seeligkeit unter dem Monde.
Sehr wahr, ſehr wahr — und ſollten Sie ſchon dieſe traurige Erfahrung gemacht ha - ben? Sie koͤnnen nicht drey und zwanzig Jahr alt ſeyn.
Und habe ſie gemacht. Alles lebt um traurig wieder zu ſterben. Wir intereſſiren uns nur darum, wir gewinnen nur darum, daß wir wieder mit Schmerzen verlieren.
Sie verloren ſchon etwas?
Nichts. Alles. Nichts — wollen wir weiter gehen, Herr Graf?
So eilig? weß iſt dis Bild rechter Hand dort? mich deucht, es iſt eine ungluͤckliche Phyſiog - nomie.
Dis Bild linker Hand iſt der Sohn des Grafen, der wirkliche Herr — kommen Sie, kommen Sie!
Aber dis Bild rechter Hand?
Sie wollen nicht in den Garten gehn?
Aber dis Bild rechter Hand? — du weinſt, Amalia?
Sie liebt mich, ſie liebt mich! — ihr ganzes Weſen fieng an ſich zu empoͤren, verraͤtheriſch roll - ten die Traͤnen von ihren Wangen. Sie liebt mich! — Elender, das verdienteſt du um ſie! Steh ich nicht hier wie ein Gerichteter vor dem toͤdlichen Block? Jſt das der Sopha, wo ich an ihrem Halſe in Wonne ſchwamm? Sind das die vaͤterlichen Saͤ - le?
Du, du — Feuer - flammen aus deinem Auge — Fluch, Fluch, Ver - werfung! — wo bin ich? Nacht vor meinen Au - gen — Schreckniſſe Gottes — Jch, ich hab ihn ge - toͤdtet!
Weg mit dieſem Bild! weg, feige Memme! was zagſt du und vor wem? iſt mirs nicht die wenige Stunden, die der Graf in dieſen Mauren wandelt, als ſchlich immer ein Spion der Hoͤlle meinen Fer - ſen nach — Jch ſollt ihn kennen! Es iſt ſo was gro - ſes und oft geſehenes in ſeinem wilden ſonnverbrann - ten Geſicht, das mich beben macht — auch Ama - lia iſt nicht gleichguͤltig gegen ihn! Laͤßt ſie nichtſo139ein Schauſpiel.ſo gierig ſchmachtende Blicke auf dem Kerl herum - kreuzen, mit denen ſie doch gegen alle Welt ſonſt ſo geizig thut? — Sah ichs nicht, wie ſie ein Paar diebiſche Traͤnen in den Wein fallen lies, den er hinter meinem Ruͤken ſo haſtig in ſich ſchluͤrfte, als wenn er das Glas mit hineinziehen wollte. Ja das ſah ich, durch den Spiegel ſah ichs mit dieſen meinen Augen. Holla Franz! ſiehe dich vor! dahinter ſtekt irgend ein Verderben ſchwan - geres Ungeheuer!
Sein langer Gaͤnſehals — ſeine ſchwarzen Feuerwerfen - den Augen hm! hm! — ſein finſteres uͤberhan - gendes buſchichtes Augenbraun.
— ſchadenfrohe Hoͤlle! jagſt du mir dieſe Ahndung ein? Es iſt Karl! ja! izt werden mir alle Zuͤge wieder lebendig — Er iſts! truz ſeiner Larve! — Er iſts! truz ſeiner Larve! — Er iſts — Tod und Verdammniß!
Hab ich darum meine Naͤchte verpraßt, — darum Felſen hinweggeraͤumt, und Abgruͤnde eben gemacht — bin ich darum gegen alle Jnſtinkte der Menſchheit rebelliſch worden, daß mir zulezt dieſer unſtete Landſtreicher dnrch meine kuͤnſtlichſten Wir - bel toͤlple — Sachte! Nur ſachte! Es iſt nur noch Spielarbeit uͤbrig — Bin ich doch ohnehin ſchon biß an die Ohren in Todſuͤnden gewatet daß es Unſinn waͤre zuruͤkzuſchwimmen, wenn dasUfer140Die Raͤuber.Ufer ſchon ſo weit hinten liegt — Ans Umkehren iſt doch nicht mehr zu gedenken — die Gnade ſelbſt wuͤrde an den Bettelſtab gebracht, und die unendliche Erbarmung bankerot werden wenn ſie fuͤr meine Schulden all gut ſagen wollte — Alſo vorwaͤrts wie ein Mann —
— Er verſammle ſich zu dem Geiſt ſeines Vaters und komme, der Toden ſpott ich. — Daniel, he Da - niel! — Was gilts den haben ſie auch ſchon ge - gen mich aufgewiegelt? Er ſieht ſo geheimniß voll.
Was ſteht zu befehl, mein Gebieter?
Nichts. Fort, fuͤlle dieſen Becher Wein, aber hurtig!
Wart Alter! dich will ich fangen, ins Auge will ich dich faſſen, ſo ſtarr, daß dein getroffenes Gewiſſen durch die Lar - ve erblaſſen ſoll! — Er ſoll ſterben! — Der iſt ein Stuͤmper, der ſein Werk nur auf die Helfte bringt, und dann weg geht, und muͤſſig zugafft, wie es weiter damit werden wird.
Stell ihn hieher! Sie mir feſt ins Auge! Wie deine Knie ſchlottern! Wie du zitterſt! Geſteh Alter! Was haſt du gethan?
Nichts, gnaͤdiger Herr, ſo wahr Gott lebt, und meine arme Seele!
Trink dieſen Wein aus! — Was? Du zauderſt? — Heraus, ſchnell! Was haſt du in den Wein geworfen?
Hilf Gott! Was? Jch — in den Wein?
Gift haſt du in den Wein geworfen! Biſt du nicht bleich wie Schnee? Geſteh, geſteh! Wer hats dir gegeben? Nicht wahr, der Graf, der Graf hat dirs gegeben?
Der Graf? Jeſus Maria! der Graf hat mir nichts gegeben?
Jch will dich wuͤrgen, daß du blau wirſt, eisgrauer Luͤgner du! Nichts? Und was ſtaket ihr denn ſo beyſammen? Er und du und Amalia? Und was fluͤſtertet ihr immer zu - ſammen? Heraus damit! Was fuͤr Geheimniſſe, was fuͤr Geheimniſſe hat er dir anvertraut?
Das weis der allwiſſende Gott. Er hat mir keine Geheimniſſe anvertraut.
Willſt du es laͤugnen? Was fuͤr Ka - balen habt ihr angezettelt, Mich aus dem Weg zu raͤumen? Nicht wahr? Mich im Schlaf zu er - droſſeln? Mir beym Bartſcheren die Gurgel abzu - ſchneiden? Mir im Wein oder im Chokolade zu ver - geben? Heraus, heraus! — oder mir in der Sup - pe den ewigen Schlaf zu geben. Heraus damit! ich weis alles.
So helfe mir Gott, wenn ich in Nothbin,142Die Raͤuber,bin, wie ich euch izt nichts anders ſage, als die reine lautere Wahrheit!
Dismal will ich dir verzeihen. Aber gelt, er ſtekte dir gewis Geld in deinen Beutel? Er druͤkte dir die Hand ſtaͤrker als der Brauch iſt? ſo ungefaͤhr, wie man ſie ſeinen alten Bekannten zu druͤken pflegt?
Niemals, mein Gebieter.
Er ſagte dir, zum Exempel, daß er dich etwa ſchon kenne? — daß du ihn faſt kennen ſollteſt? Daß dir einmal die Deke von den Augen fallen wuͤrde — daß — was? Davon ſollt er dir niemals geſagt haben?
Nicht das mindeſte.
Das gewiſe Umſtaͤnde ihn abhielten — daß man oft Maſken nehmen muͤſſe um ſeinen Feinden zuzukoͤnnen — daß er ſich raͤchen wolle, aufs grimmigſte raͤchen wolle.
Nicht einen Laut von dieſem allem.
Was? Gar nichts? Beſinne dich recht. — daß er den alten Herrn ſehr genau — beſon - ders genau gekannt — daß er ihn liebe — unge - mein liebe — wie ein Sohn liebe —
Etwas dergleichen erinnere ich mich von ihm gehoͤrt zu haben.
Hat er, hat er wirklich? Wie, ſo laß mich doch hoͤren! Er ſagte, er ſey mein Bruder?
Was, mein #Gebieter? —Nein143ein Schauſpiel.Nein, das ſagte er nicht. Aber wie ihn das Fraͤ# - lein in der Gallerie herumfuͤhrte, ich puzte eben den Staub von den Rahmen der Gemaͤlde ab, ſtand er bey dem Portrait des ſeeligen Herrn ploͤzlich ſtill, wie vom Donner geruͤhrt. Das gnaͤ - dige Fraͤulein deutete drauf hin, und ſagte: ein vortreflicher Mann! ja ein vortreflicher Mann gab er zur Antwort, indem er ſich die Augen wiſchte.
Hoͤre Daniel! Du weiſt, ich bin im - mer ein guͤtiger Herr gegen dich geweſen, ich hab dir Nahrung und Kleider gegeben, und dein ſchwa - ches Alter in allen Geſchaͤften geſchonet —
Dafuͤr lohn euch der liebe Herr Gott! und ich hab euch immer redlich gedienet.
Das wollt ich eben ſagen. Du haſt mir in deinem Leben noch keine Wiederrede gege - ben, denn du weiſt gar z# wohl, daß du mir Ge - horſam ſchuldig biſt in allem, was ich dich heiſſe.
Jn allem von ganzem Herzen, wenn es nicht wider Gott und mein Gewiſſen geht.
Poſſen, Poſſen! Schaͤmſt du dich nicht? Ein alter Mann, und an das Weynacht - Maͤrgen zu glauben! Geh Daniel! das war ein dummer Gedanke. Jch bin ja Herr. Mich wer - den Gott und Gewiſſen ſtrafen, wenn es ja einen Gott und ein Gewiſſen gibt.
Barmherziger Himmel!
Bey deinem Gehorſam! Verſtehſt du das Wort auch? Bey deinem Gehorſam befehl ich dir, morgen darf der Graf #immer unter den Le - bendigen wandeln.
Hilf, heiliger Gott! Weswegen?
Bey deinem blinden Gehorſam! — und an dich werd ich mich halten.
An mich? Hilf ſelige Mutter Gottes! An mich? Was hab ich alter Mann denn boͤſes ge - than?
Hier iſt nicht lang Beſinnszeit, dein Schickſaal ſteht in meiner Hand. Willſt du dein Leben im tiefſten meiner Thuͤrme vollends aus - ſchmachten, wo der Hunger dich zwingen wird, dei - ne eigene Knochen abzunagen, und der brennende Durſt, dein eigenes Waſſer wieder zu ſaufen? — Oder willſt du lieber dein Brod eſſen in Frieden, und Ruhe haben in deinem Alter?
Was Herr? Fried und Ruhe im Alter? und ein Todſchlaͤger?
Antwort auf meine Frage!
Meine grauen Haaren, meine grauen Haare!
Ja oder Nein!
Nein! — Gott erbarme ſich meiner!
Gut, du ſollts noͤ - thig haben.
Erbarmen Herr! Erbarmen!
Ja oder Nein!
Gnaͤdiger Herr! ich bin heute ein und ſiebenzig Jahr alt, und hab Vater und Mutter ge - ehret, und niemand meines Wiſſens um des Hel - lers Werth im Leben vervortheilt, und hab an mei - nem Glauben gehalten, treu und redlich, und hab in eurem Hauſe gedienet vier und vierzig Jahr, und erwarte izt ein ruhig ſeeliges Ende, ach Herr, Herr!
und ihr wollt mir den lezten Troſt rauben im ſterben, daß der Wurm des Gewiſſens mich um mein leztes Gebet bringe, daß ich ein Greuel vor Gott und Menſchen ſchla - fen gehen ſoll. Nein, nein, mein liebſter beſter liebſter gnaͤdiger Herr, das wollt ihr nicht, das koͤnnt ihr nicht wollen von einem ein und ſiebenzig jaͤhrigen Manne.
Ja oder Nein! was ſoll das Geplap - per?
Jch will euch von nun an noch eifriger dienen. Will meine duͤrren Sehnen in eurem Dienſt wie ein Tagloͤhner abarbeiten, will fruͤher aufſtehen, will ſpaͤter mich niederlegen — ach und will euch einſchlieſſen in mein Abend - und Morgengebet, und Gott wird das Gebet eines alten Mannes nicht wegwerfen.
Gehorſam iſt beſſer, denn Opfer. Haſt du je gehoͤrt, daß ſich der Henker zierte, wenn er ein Urtheil vollſtrecken ſollte?
Ach ja wohl! aber eine Unſchuld er - wuͤrgen — einen —
Bin ich dir etwa Rechenſchaft ſchul - dig? darf das Beil den Henker fragen, warum dahin und nicht dorthin? — aber ſieh, wie langmuͤthig ich bin — ich biete dir eine Belohnung fuͤr das, was du mir huldigteſt.
Aber ich hoffte ein Chriſte bleiben zu doͤrfen, da ich euch huldigte.
Keine Wiederrede! ſiehe ich gebe dir einen ganzen Tag noch Bedenkzeit! Ueberlege es nochmals. Gluͤck und Ungluͤck — hoͤrſt du, ver - ſtehſt du? das hoͤchſte Gluͤk, und das aͤuſſerſte Ungluͤk! Jch will Wunder thun im Peinigen.
Jch wills thun, morgen will ichs thun,
Die Verſuchung iſt ſtark, und der war wohl nicht zum Maͤrtyrer ſeines Glaubens geboren — Wolbekomms dann, Herr Graf! Allem Anſehen nach werden ſie morgen Abend ihr Henker Mahl halten! — Es kommt alles nur darauf an, wie man davon denkt, und der iſt ein Narr, der wi - der ſeine Vortheile denkt. Den Vater, der viel - leicht eine Bouteille Wein weiter getrunken hat, kommt der Kizel an — und draus wird ein Menſch, und der Menſch war gewis das lezte, woran beygan -147ein Schauſpiel.ganzen Herkules Arbeit gedacht wird. Nun kommt mich eben auch der Kizel an — und dran krepirt ein Menſch, und gewis iſt hier mehr Verſtand und Abſichten, als dort bey ſeinem Entſtehen war — Haͤngt nicht das Daſeyn der meiſten Menſchen mehrentheils an der Hize eines Julius Mittags, oder am anziehenden Anblick eines Betttuchs, oder an der wagrechten Lage einer ſchlafenden Kuͤchen - Grazie, oder an einem ausgeloͤſchten Licht? — Jſt die Geburt des Menſchen das Werk einer viehi - ſchen Anwandlung, eines Ungefaͤhrs, wer ſollte we - gen der Verneinung ſeiner Geburt ſich einkom - men laſſen an ein bedeutendes etwas zu denken? Verflucht ſey die Thorheit unſerer Ammen und Waͤrterinnen, die unſere Phantaſie mit ſchroͤklichen Maͤhrgen verderben, und graͤßliche Bilder von Straf - gerichten in unſer weiches Gehirnmark druͤcken, daß unwillkuͤhrliche Schauder die Glieder des Man - nes noch in froſtige Angſt ruͤtteln, unſere kuͤhnſte Entſchloſſenheit ſperren, unſere erwachende Ver - nunft an Ketten aberglaͤubiſcher Finſterniß legen — Mord! wie eine ganze Hoͤlle von Furien um das Wort flattert — die Natur vergas einen Mann mehr zu machen — die Nabelſchnur iſt nicht un - terbunden worden — der Vater hat in der Hoch - zeit-Nacht glatten Leib bekommen — und die gan - ze Schattenſpielerey iſt verſchwunden. Es war et - was und wird nichts — Heißt es nicht eben ſoK 2viel,148Die Raͤuber,viel, als: es war nichts und wird nichts und um nichts wird kein Wort mehr gewechſelt — der Menſch entſte - het aus Moraſt, und watet eine Weile im Moraſt, und macht Moraſt, und gaͤhrt wieder zuſammen in Moraſt, bis er zulezt an den Schuhſohlen ſeines Uhrenkels unflaͤtig anklebt. Das iſt das Ende vom Lied — der moraſtige Zirkel der menſchlichen Beſtimmung, und ſo mit — gluͤkliche Reiſe, Herr Bruder! Der milzſuͤchtige podagriſche Moraliſt von einem Ge - wiſſen mag runzlichte Weiber aus Bordellen jagen, nnd alte Wucherer auf dem Todesbett foltern — bey mir wird er nimmermehr Audienz bekommen.
Wo iſt das Fraͤulein?
Gnaͤdiger Herr! Erlaubt einem ar - men Mann, euch um etwas zu bitten.
Es iſt dir gewaͤhrt, was willſt du?
Nicht viel, und alles, ſo wenig und doch ſo viel — laßt mich eure Hand kuͤſſen!
Das ſollſt du nicht, guter Alter!
Den ich Vater nennen moͤchte.
Eure Hand, eure Hand! ich bitt euch.
Du ſollſt nicht.
Jch muß!
Lieber, beſter Karl!
Freund, was ſagſt du? Jch verſtehe dich nicht.
Ja, laͤugnet es nur, verſtellt euch! Schoͤn, ſchoͤn! Jhr ſeyd immer mein beſter koͤſtli - cher Junker — Lieber Gott! daß ich alter Mann noch die Freude — dummer Toͤlpel ich, daß ich euch nicht gleich — ey du himmlicher Vater! So ſeyd ihr ja wiedergekommen, und der alte Herr iſt unterm Boden, und da ſeyd ihr ja wieder — was fuͤr ein blinder Eſel ich doch war,
daß ich euch nicht im erſten Hui — ey du mein! Wer haͤtte ſich das traͤumen laſſen! — um was ich mit Thraͤnen betete, — Jeſus Chri - ſtus! Da ſteht er ja leibhaftig wieder in der alten Stube!
Was iſt das fuͤr eine Sprache? Seyd ihr vom hizigen Fieber aufgeſprungen, oder wollt ihr eine Komoͤdien Rolle an mir probiren?
Ey pfui doch, pfui doch! Das iſt nicht fein, einen alten Knecht ſo zum beſten ha - ben — Dieſe Narbe! He, wißt ihr noch? — Groſſer Gott! Was ihr mir da fuͤr eine Angſt einjagtet — ich hab euch immer ſo lieb gehabt, und was ihr mir da fuͤr Herzeleid haͤttet anrich -K 3ten150Die Raͤuber,ten koͤnnen — ihr ſaßt mir im Schoos, — wißt ihr noch? — Dort in der runden Stube — gelt Vogel? Das habt ihr freylich vergeſſen — auch den Kukuk, den ihr ſo gern hoͤrtet — denkt doch! der Kukuk iſt zerſchlagen, in Grunds-Boden ge - ſchlagen — die alte Suſel hat ihn verwettert, wie ſie die Stube fegte — ja freylich, und da ſaßt ihr mir im Schoos, und rieft hotto! und ich lief fort, euch den Hotto Gaul zu holen — Jeſus Gott! Warum mußt ich alter Eſel auch fortlaufen? — und wie mirs ſiedigheis uͤber den Bukel lief — wie ich das Zettergeſchrey hoͤre drauſſen im Oehrn, ſpring herein, und da lief das helle Blut, und la - get am Boden, und hattet — heilige Mutter Gottes! War mirs nicht, als wenn mir ein Kuͤ - bel eiskalt Waſſer uͤbern Naken ſprizte — aber ſo gehts, wenn man nicht alle Augen auf die Kinder hat. Groſſer Gott, wenns ins Aug gegangen waͤ - re — Wars darzu noch die rechte Hand. Mein Lebens-Tag, ſagt ich, ſoll mir kein Kind mehr ein Meſſer oder eine Scheere oder ſo was ſpiziges, ſagt ich, in die Haͤnde kriegen, ſagt ich, — war zum Gluͤk noch Herr und Frau verreiſet — ja ja, das ſoll mir mein Tag des Lebens eine Warnung ſeyn, ſagt ich — Jemini, jemini! ich haͤtte vom Dienſt kommen koͤnnen, ich haͤtte, Gott der Herr verzeyhs euch, gottloſes Kind — aber gottlob! es heilte gluͤklich, biß auf die wuͤſte Narbe.
Jch begreiffe kein Wort von allem, was du ſagſt.
Ja gelt, gelt? Das war noch eine Zeit? Wie manches Zuckerbrod, oder Bisquit oder Makro - ne ich euch hab zugeſchoben, hab euch immer am gernſten gehabt, und wißt ihr noch, was ihr mir drunten ſagtet im Stall, wie ich euch auf des al - ten Herrn ſeinen Schweisfuchſen ſezte, und euch auf der groſſen Wieſe ließ herumjagen? Daniel! ſagtet ihr, laß mich nur einen groſſen Mann wer - den, Daniel, ſo ſollſt du mein Verwalter ſeyn, und mit mir in der Kutſche fahren, — ja ſagt ich und lachte, wenn Gott Leben und Geſundheit ſchenkt, und ihr euch eines alten Mannes nicht ſchamen werdet, ſagt ich, ſo will ich euch bitten, mir das Haͤusgen drunten im Dorf zu raͤumen, das ſchon eine gute Weil leer ſteht, und da wollt ich mir ein Eimer zwanzig Wein einlegen, und wirtſchaf - ten in meinen alten Tagen. — Ja lacht nur, lacht nur! Gelt junger Herr, das habt ihr rein ausgeſchwizt? — den alten Mann will man nicht kennen, da thut man ſo fremd, ſo fuͤrnehm — o ihr ſeyd doch mein goldiger Junker — freylich halt ein bisgen luker geweſen — nimmt mirs nicht uͤbel! — Wie's eben das junge Fleiſch meiſtens iſt — am Ende kann noch alles gut werden.
Ja! Daniel ich wills nicht mehr verhehlen! Jch bin deinK 4Karl,152Die Raͤuber,Karl, dein verlorner Karl! Was macht meine Amalia?
Daß ich alter Suͤn - der noch die Freude haben ſoll, — und der Herr ſeelig weinete umſonſt! — Abe, abe, weiſer Sche - del! muͤrbe Knochen, fahret in die Grube mit Freuden! Mein Herr und Meiſter lebt, ihn haben meine Augen geſehen!
Und will halten, was er verſprochen hat, — nimm das, ehrlicher Graukopf, fuͤr den Schweis - fuchſen im Stall
nicht vergeſſen hab ich den alten Man#.
Wie, was treibt ihr? Zuviel! Jhr habt euch vergriffen.
Nicht vergriffen, Daniel!
Steh auf, ſage mir, was macht mei - ne Amalia?
Gottes Lohn! Gottes Lohn! Ey Herr Jerem! — Eure Amalia, oh die wirds nicht uͤber - leben, die wird ſterben vor Freude!
Sie vergaß mich nicht?
Vergeſſen? Wie ſchwaͤzt ihr wieder? Euch vergeſſen? — da haͤttet ihr ſollen dabey ſeyn, haͤttets ſollen mit anſehen, wie ſie ſich gebehrdete, als die Zeitung kam, ihr waͤrt geſtorben, die der gnaͤdige Herr ausſtreuen lies —
Was ſagſt du? mein Bruder —
Ja euer Bruder, der gnaͤdige Herr,euer153ein Schauſpiel.euer Bruder — ich will euch ein andermal mehr davon erzaͤhlen, wenns Zeit dazu iſt — und wie ſauber ſie ihm abkappte, wenn er ihr alle Tage, die Gott ſchikt, ſeinen Antrag machte, und ſie zur gnaͤdigen Frau machen wollte. O ich muß hin, muß hin, ihr ſagen, ihr die Bottſchaft bringen
Halt, halt! ſie darfs nicht wiſ - ſen, darfs niemand wiſſen, auch mein Bruder nicht —
Euer Bruder? Nein bey leibe nicht, er darfs nicht wiſſen! Er gar nicht! — Wenn er nicht ſchon mehr weißt, als er wiſſen darf — Oh ich ſage euch, es gibt garſtige Menſchen, garſtige Bruͤder, garſtige Herren — aber ich moͤcht nun alles Gold meines Herrn willen kein garſtiger Knecht ſeyn — der gnaͤdige Herr hielt euch Tod
Hum! Was brummſt du da?
Und wenn man freylich ſo un - gebeten auferſteht — euer Bruder war des Herrn ſelig einziger Erbe —
Alter! — Was murmelſt du da zwiſchen den Zaͤhnen, als wenn irgend ein Ungeheuer von Geheimnis auf deiner Zunge ſchwebte, das nicht heraus wollte, und doch heraus ſollte, rede deut - licher!
Aber ich will lieber meine alte Knochen ab - nagen vor Hunger, lieber vor Durſt mein eigenesK 5Waſ -154Die Raͤuber,Waſſer ſaufen, als Wohlleben die Fuͤlle verdienen mit einem Todſchlag.
Betrogen, betrogen! da faͤhrt es uͤber meine See - le wie der Bliz! — Spizbuͤbiſche Kuͤnſte! Himmel und Hoͤlle! nicht du, Vater! Spizbuͤbi - ſche Kuͤnſte! Moͤrder, Raͤuber durch ſpizbuͤbi - ſche Kuͤnſte! Angeſchwaͤrzt von ihm! verfaͤlſcht, unterdruͤkt meine Briefe — voll Liebe ſein Herz — oh ich Ungeheuer von einem Thoren — voll Liebe ſein Vater-Herz — oh Schelmerey, Schelmerey! Es haͤtte mich einen Fusfall gekoſtet, es haͤtte mich eine Thraͤne gekoſtet — oh ich bloͤder, bloͤder, bloͤder Thor!
Jch haͤtte gluͤklich ſeyn koͤnnen — oh Buͤberey, Buͤberey! das Gluͤk meines Lebens buͤbiſch, buͤbiſch hinweg - betrogen.
Moͤrder, Raͤu - ber durch ſpizbuͤbiſche Kuͤnſte! — Er grollte nicht einmal. Nicht ein Gedanke von Fluch in ſeinem Herzen — oh Boͤſewicht! unbegreifflicher, ſchlei - chender, abſcheulicher Boͤſewicht!
Nun Hauptmann, wo ſtikſt du? Was iſts? Du willſt noch laͤnger hier bleiben, merk ich?
Auf! Sattle die Pferde! Wir muͤſſen vor Sonnen-Untergang noch uͤber den Graͤnzen ſeyn!
Du ſpaſſeſt.
Hurtig, hurtig! Zaudre nicht lang, laß alles da! und daß kein Aug dich gewahr wird.
Jch fliehe aus dieſen Mauren. Der geringſte Ver - zug koͤnnte mich wuͤtig machen, und er iſt meines Vaters Sohn — Bruder, Bruder! Du haſt mich zum elendeſten auf Erden gemacht, ich habe dich niemals beleidigt, es war nicht bruͤderlich gehan - delt — Ernde die Fruͤchte deiner Unthat in Ru - he, meine Gegenwart ſoll dir den Genuß nicht laͤnger vergaͤllen — aber gewis, es war nicht bruͤ - derlich gehandelt. Finſternis verloͤſche ſie auf ewig, und der Tod ruͤhre ſie nicht auf!
Die Pferde ſtehn geſattelt, ihr koͤnnt aufſizen, wenn ihr wollt.
Preſſer, Preſſer! Warum ſo eilig? Soll ich ſie nicht mehr ſehn?
Jch zaͤume gleich wieder ab, wenn ihrs haben wollt, ihr hießt mich ja uͤber Hals und Kopf eilen.
Noch einmal! ein Lebewohl noch! ich mus den Gifttrank dieſer Seeligkeit vollends aus - ſchluͤrfen, und dann — halt Koſinsky! Zehn Mi -nuten156Die Raͤuber,nuten noch — hinten am Schloßhof — #nd wir ſprengen davon!
Du weinſt Amalia? — und das ſprach er mit einer Stimme! mit einer Stimme — mir wars, als ob die Natur ſich verjuͤngete — die genoſſe - nen Lenze der Liebe daͤmmerten auf mit der Stim - me! Die Nachtigall ſchlug wie damals — die Blu - men hauchten wie damals — und ich lag Wonne berauſcht an ſeinem Hals — Ha falſches treu - loſes Herz! Wie du deinen Meineid beſchoͤnigen willſt! Nein, nein, weg aus meiner Seele du Frevel-Bild — ich hab meinen Eid nicht gebro - chen, du einziger! Weg aus meiner Seele, ihr verraͤtheriſchen gottloſen Wuͤnſche! i# Herzen, wo Karl herrſcht, darf kein Erdenſohn niſten. — Aber warum meine Seele, ſo immer, ſo wider Willen nach dieſem Fremdling? Haͤngt er ſich nicht ſo hart an das Bild meines einzigen? Jſt er nicht der ewige Begleiter meines einzigen? Du weinſt Amalia? — Ha ich will ihn fliehen! — fliehen! — Nimmer ſehen ſoll mein Aug dieſen Fremd - ling!
Ama -157ein Schauſpiel.Horch! horch! Rauſchte die Thuͤre nicht?
Er? — wohin? — was? — da hat michs angewurzelt, daß ich nicht fliehen kann — verlaß mich nicht, Gott im Himmel! — Nein, du ſollſt mir meinen Karl nicht entreiſſen! Meine Seele hat nicht Raum fuͤr zwey Gottheiten, und ich bin ein ſterbliches Maͤdgen!
Du, mein Karl, ſey mein Genius wider dieſen Fremd - ling, den Liebeſtoͤrer! dich, dich anſehen, unver - wandt, — und weg alle gottloſen Blicke nach dieſem
Sie da, gnaͤdiges Fraͤulein? — und traurig? — und eine Traͤne auf dieſem Gemaͤl - de? —
— Und wer iſt der gluͤckliche, um den ſich das Aug eines Engels verſilbert? darf auch ich dieſen Verherrlichten —
Nein, ja, nein!
Ha! — und verdient er dieſe Vergoͤtterung? verdient er? —
Wenn ſie ihn gekannt haͤtten!
Jch wuͤrd ihn beneidet haben.
A#gebetet, wollen ſie ſagen.
Ha!
Oh ſie haͤtten ihn ſo lieb gehabt — es war ſo viel, ſo viel in ſeinem Angeſicht — in ſeinen Augen — im Ton ſeiner Stimme, das ih - nen ſo gleich kommt — das ich ſo liebe —
Hier, wo ſie ſtehen, ſtand er tauſend - mal — und neben ihm die, die neben ihm Him - mel und Erde vergas — hier durchirrte ſein Aug die um ihn prangende Gegend — ſie ſchien den groſen belohnenden Blik zu empfinden, und ſich unter dem Wohlgefallen ihres Meiſterbilds zu ver - ſchoͤnern — hier hielt er mit himmliſcher Mu - ſik die Hoͤrer der Luͤfte gefangen — hier an die - ſem Buſch pfluͤckte er Roſen, und pfluͤckte die Ro - ſen fuͤr mich — hier hier lag er an meinem Halſe, brannte ſein Mund auf dem meinen, und die Blu - men ſtarben gern unter der Liebenden Fustritt —
Er iſt nicht mehr?
Er ſeegelt auf ungeſtuͤmmen Meeren — Amalias Liebe ſeegelt mit ihm — er wandelt durch ungebahnte ſandigte Wuͤſten — Amalias Lie - be macht den brennenden Sand unter ihm gruͤ - nen, und die wilden Geſtraͤuche bluͤhen — der Mittag ſengt ſein entbloͤßtes Haupt, nordiſcher Schnee ſchrumpft ſeine Sohlen zuſammen, ſtuͤrmi - ſcher Hagel regnet um ſeine Schlaͤfe, und Amalias Liebe wiegt ihn in Stuͤrmen ein — Meere und Berge und Horizonte zwiſchen den Liebenden —aber159ein Schauſpiel.aber die Seelen verſezen ſich aus dem ſtaubigten Kerker, und treffen ſich im Paradieſe der Liebe — Sie ſcheinen traurig, Herr Graf?
Die Worte der Liebe machen auch mei - ne Liebe lebendig.
Was? Sie lieben eine andre? — Weh mir, was hab ich geſagt?
Sie glaubte mich tod, und blieb treu dem Todgeglaubten — ſie hoͤrte wieder, ich lebe, und opferte mir die Krone einer Heiligen auf. Sie weis mich in Wuͤſten irren, und im Elend her - umſchwaͤrmen, und ihre Liebe fliegt durch Wuͤſten und Elend mir nach. Auch heißt ſie Amalia wie Sie, gnaͤdiges Fraͤulein.
Wie beneid ich ihre Amalia!
Oh ſie iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen, ihre Liebe iſt fuͤr einen, der verlohren iſt, und wird — ewig niemals belohnt.
Nein, ſie wird im Himmel belohnt. Sagt man nicht, es gebe eine beſſere Welt, wo die Traurigen ſich freuen, und die Liebenden ſich wiedererkennen?
Ja, eine Welt, wo die Schleyer hin - wegfallen, und die Liebe ſich ſchroͤcklich wiederfin - det — Ewigkeit heißt ihr Name — meine Ama - lia iſt ein ungluͤckliches Maͤdgen.
Ungluͤcklich, und Sie lieben?
Ungluͤcklich, weil ſie mich liebt! wie,wenn1#0[160]Die Raͤuber,wenn ich ein Todſchlaͤger waͤre? wie mei# Fraͤu - lein? wenn ihr Geliebter ihnen fuͤr jeden #uß ei - nen Mord aufzaͤhlen koͤnnte? wehe meiner Amalia! Sie iſt ein ungluͤckliches Maͤdchen.
Ha! wie bin ich ein gluͤkliches Maͤdgen! Mein einziger iſt Nachſirahl der Gottheit, und die Gottheit iſt Huld und Er - barmen! Nicht eine Fliege konnt er leiden ſehen — Seine Seele iſt ſo fern von einem blutigen Gedan - ken, als fern der Mittag von der Mitternacht iſt.
Es wird Nacht, und der Haupt - mann noch nicht da!
Und verſprach doch Schlag acht Uhr wieder bey uns einzutreffen.
Wenn ihm leides geſchehen waͤre — Kameraden! wir zuͤnden an und morden den Saͤugling.
Auf ein Wort Razmann.
Wollen wir nicht Spionen ausſtellen?
Laß du ihn! Er wird einen Fang thun daß wir uns ſchaͤmen muͤſſen.
Da brennſt du dich, beym Hen - ker! Er gieng nicht von uns wie einer der einen Schelmenſtreich im Schild fuͤhrt. Haſt du vergeſ - ſen was er geſagt hat als er uns uͤber die Hayde fuͤhrte? — „ Wer nur eine Rube vom Acker ſtiehlt, daß ichs erfahre laͤßt ſeinen Kopf hier, ſo wahr ich Moor heiße. — Wir doͤrffen nicht rauben.
Wo will das hin - aus — rede deutſcher.
Pſt! Pſt! — Jch weis nicht, was du oder ich fuͤr Begriffe von Freyheit haben, daß wir an einem Karrn ziehen, wie Stiere, und dabey wunderviel von Jndependenz deklamiren — Es gefaͤllt mir nicht.
Was wol dieſer Windkopf hier an der Kunkel hat?
Du ſprichſt vom Hauptmann? —
Pſt doch! Pſt! — Er hat ſo ſeine Ohren unter uns herumlauffen — Haupt - mann ſagſt du? wer hat ihn zum Hauptmann uͤber uns geſezt, oder hat er nicht dieſen Titel uſurpirt, der von rechtswegen mein iſt? — Wie? legen wir darum unſer Leben auf Wuͤrffel — ba -L 2den164Die Raͤuber,den darum alle Milzſuchten des Schickſals ans, daß wir am End noch von Gluͤk ſagen, die Leib - eigenen eines Sklav# zu ſeyn? — Leibeige#en da wir Fuͤrſten ſeyn k#nnten? — Bey Gott! Raz - mann — das hat mir niemals gefallen.
Ja — du biſt mir der rechte Held, Froͤſche mit Steinen breit zu ſchmeiſ - ſen — Schon der Klang ſeiner Naſe wenn er ſich, ſchneuzte koͤnnte dich durch ein Nadeloͤhr jagen —
Ja — Und Jahre ſchon dicht 'ich darauf: Es ſoll anders werden. Razmann — wenn du biſt wofuͤr ich dich immer hielt — Razmann. — Man vermißt ihn — gibt ihn halb verloren — Razmann — Mich deucht, ſeine ſchwarze Stunde ſchlaͤgt — wie? Nicht ein - mal roͤther wirſt du, da dir die Gloke zur Frey - heit laͤutet? Haſt nicht einmal ſo viel Muth, einen kuͤhnen Wink zu verſtehen?
Ha Satan! worinn verſtikſt du meine Seele?
Hats gefangen? — Gut! ſo folge. Jch hab mirs gemerkt, wo er hinſchlich — Komm! Zwey Piſtolen fehlen ſelten, und dann — ſo ſind wir die erſte die den Saͤugling erdroſſeln.
Ha Beſtie! Eben recht erinnerſt du mich an die Boͤhmiſchen Waͤlder! — Warſt du nicht die Memme die an -hub165ein Schauſpiel.hub zu ſchnadern, als ſie riefen: Der Feind kommt? Jch hab damals bey meiner Seele geflucht — fahr hin Meuchelmoͤrder
Mordjo! Mordjo! — — Schweizer — Spiegelberg — Reißt ſie aus - einander —
Da! — Und ſo krepier du — Ruhig Kameraden — Laßt euch den Bettel nicht unterbrechen, — Die Beſtie iſt dem Hauptmann immer giftig geweſen, und hat keine Narbe auf ihrer ganzen Haut — Noch einmal, gebt euch zufrieden — ha! uͤber den Ra - ker — von hinten her will er Maͤnner zu ſchan - den ſchmeiſſen? Maͤnner von hinten her! — Jſt uns darum der helle Schweiß uͤber die Baken gelauf - fen, daß wir aus der Welt ſchleichen wie Hunds - voͤtter? Beſtie du! Haben wir uns darum unter Feuer und Rauch gebettet, daß wir zulezt wie Ratten verreken?
Aber zum Teufel — Kammerad — was hattet ihr mit einander? — Der Hauptmann wird raſend werden.
Dafuͤr laß mich ſorgen — Und du heilloſer
du warſt ſein Helfershelfer, du! — Pak dich aus meinen Augen — der Schuf - terle hats auch ſo gemacht, aber dafuͤr haͤngt er izt auch in der Schweiz, wies ihm mein Haupt - mann prophezeyt hat —
Horch! ein Piſol#ſchuß!
Noch einer! Holla! De# Haupt - mann!
Nur Geduld! Er muß zum dritten - mal ſchieſſen
Er iſts! — Jſts! — Saltier# dich, Schweizer — laßt uns ihm antworten.
Sey willkommen mein Hauptmann — Jch bin ein bischen vorlaut geweſen ſeit du weg biſt
Sei du Richter zwiſchen mir und dieſen — von hinten hat er dich ermorden wollen.
Was? Den Haupt - mann?
O unbegreiflicher Finger der rachekundigen Neme - ſis! — Wars nicht dieſer, der mir das Sirenen - lied trillerte? — Weihe dis Meſſer der dunklen Ver - gelterin! — das haſt du nicht gethan Schweizer.
Bei Gott! ich habs warlich ge - than, und es iſt beim Teufel nicht das ſchlechtſte was ich in meinem Leben gethan habe
Jch verſtehe — Lenker im Himmel — ich verſtehe — die Blaͤtter fallen vonden167ein Schauſpiel.den Baͤumen — und mein Herbſt iſt kommen — Schafft mir dieſen aus den Augen
Gib uns Ordre Hauptmann — was ſollen wir weiter thun?
Bald — bald iſt alles erfuͤllet — Gebt mir meine Laute — Jch habe mich ſelbſt verloren, ſeit ich dort war — Meine Laute ſag ich — Jch muß mich zuruͤk lullen in meine Krafft — verlaßt mich.
Es iſt Mitternacht Hauptmann.
Doch warens nur die Traͤnen im Schau - ſpielhauß — den Roͤmergeſang muß ich hoͤren, daß mein ſchlafender Genius wieder aufwacht — Mei - ne Laute her — Mitternacht ſagt ihr?
Wohl bald voruͤber. Wie Bley liegt der Schlaf in uns. Seit drei Tagen kein Auge zu.
Sinkt denn der Balſamiſche Schlaf auch auf die Augen der Schelmen? Warum fliehet er mich? Jch bin nie ein Feiger geweſen, oder ein ſchlechter Kerl — Legt euch ſchlafen — Morgen am Tag gehen wir weiter.
Gute Nacht Hauptmann
Wer mir Buͤrge waͤre? — — Es iſt alles ſo fin - ſter — verworrene Labyrinthe — kein Ausgang — kein leitendes Geſtirn — wenns aus waͤre mit dieſem lezten Odemzug — Aus wie ein ſchaales Marionetenſpiel — Aber wofuͤr der heiſe Hunger nach Gluͤckſeligkeit? Wofuͤr das Jdeal einer un - erreichten Vollkommenheit? Das hinausſchie - ben unvollendeter Plane? — wenn der armſelige Druk dieſes armſeligen Dings
den Weiſen dem Thoren — den Feigen dem Tapfern — den Edlen dem Schelmen gleich macht? — Es iſt doch eine ſo goͤttliche Harmonie in der ſeelenloſen Natur, warum ſollte dieſer Miß - klang in der vernuͤnfftigen ſeyn? — Nein! Nein! es iſt etwas mehr, denn ich bin noch nicht gluͤklich geweſen.
Glaubt ihr, ich werde zittern? Geiſter meiner Erwuͤrgten! ich werde nicht zittern.
— Euer banges Sterbegewinſel — euer ſchwarzge - w#r#tes Geſicht — eure fuͤrchterlich klaffenden Wunden ſind ja nur Glieder einer unzerbrechlichen Kette des Schickſals, und haͤngen zulezt an mei - nen Feyerabenden, an den Launen meiner Armen und Hofmeiſter, am Temperament meines Vaters,am171ein Schauſpiel.am Blut meiner Mutter —
Warum hat mein Perillus einen Ochſen aus mir gemacht, daß die Menſchheit in meinem gluͤhenden Bauche bratet?
Zeit und Ewigkeit — ge - kettet aneinander durch ein einzig Moment! — Grauſer Schluͤſſel, der das Gefaͤngniß des Lebens hinter mir ſchließt, und vor mir aufriegelt die Be - hauſung der ewigen Nacht — ſage mir — o ſa - ge mir — wohin — wohin wirſt du mich fuͤh - ren? — Fremdes, nie umſegeltes Land! — Siehe, die Menſchheit erſchlappt unter dieſem Bilde, die Spannkrafft des Endlichen laͤßt nach, und die Phantaſey, der muthwillige Affe der Sinne gaukelt unſerer Leichtglaͤ#bigkeit ſeltſame Schat - ten vor — Nein! Nein! Ein Mann muß nicht ſtraucheln — Sei wie du wilt namenloſes Jenſeits — bleibt mir nur dieſes mein Selbſt getreu — Sei wie du willt, wenn ich nur mich ſelbſt mit hinuͤbernehme — Außendinge ſind uur der Anſtrich des Manns — Jch bin mein Him - mel und meine Hoͤlle.
Wenn Du mir irgend einen eingeaͤſcherten Welt - kreis allein lieſſeſt, den Du aus deinen Augen verbannt haſt, wo die einſame Nacht, und die ewige Wuͤſte meine Auſſichten ſind? — Jch wuͤrde dann die ſchweigende Oede mit meinen Phantaſien bevoͤlkern, und haͤtte die Ewigkeit zur Muße, dasver -172Die Raͤuber,verworrene Bild des allgemeinen Elends zu zerglie - dern. — Oder willſt du mich durch immer neue Geburten und immer neue Schauplaͤze des Elends von Stufe zu Stufe — zur Vernichtung — fuͤh - ren? Kann ich nicht die Lebensfaͤden, die mir jen - ſeits gewoben ſind ſo leicht zerreiſſen wie dieſen? — Du kannſt mich zu nichts machen — Dieſe Frey - heit kannſt du mir nicht nehmen
Und ſoll ich fuͤr Furcht eines qualvollen Lebens ſterben? — Soll ich dem Elend den Sieg uͤber mich einraͤumen? — Nein! ich wills dulden
Die Qual erlahme an meinem Stolz! Jch wills vollenden.
Horch! Horch! grauſig heulet der Kauz — zwoͤlf ſchlaͤgts druͤben im Dorf — wohl, wohl — das Bubenſtuͤk ſchlaͤft — in dieſer Wilde kein Lauſcher.
Komm herauf, Jam - mermann, Thurmbewohner! — Deine Mahlzeit iſt bereitet.
Was ſoll das bedeu - ten?
Wer pocht da? He? Biſt dus Herrmann mein Rabe?
Bins Herrmann, dein Rabe. Steig herauf ans Gitter und iß.
Fuͤrchter -lich173ein Schauſpiel.lich trillern deine Schlafkammeraden Alter — dir ſchmekt?
Hungerte mich ſehr. Habe Dank, Rabenſender fuͤrs Brod in der Wuͤſte! — Und wie gehts meinem lieben Kind, Herrmann?
Stille — Horch — Geraͤuſch wie von ſchnarchenden! hoͤrſt du nicht was?
Wie? hoͤrſt du etwas?
Den ſeufzenden Wind-laut durch die Rizen des Thurms — Eine Nachtmuſik davon einem die Zaͤhn klappern, und die Naͤgel blau wer - den — Horch noch einmal — Jmmer iſt mir, als hoͤrt ich ein Schnarchen. — Du haſt Geſellſchafft Alter — Hu hu hu!
Siehſt du etwas?
Leb wohl — leb wohl — Grauſig iſt dieſe Staͤtte — Steig ab ins Loch — droben dein Helffer, dein Raͤcher — verfluchter Sohn! —
Steh!
Oh mir!
Steh, ſag ich!
Weh! Weh! Weh! Nun iſt alles verrathen!
Steh! Rede! Wer biſt du? Was haſt du hier zu thun! Rede!
Erbarmen o Erbarmen geſtrenger Herr — Nur ein Wort hoͤret an, eh ihr mich umbringt.
Was #erd ich hoͤren?
Wohl habt ihr mirs beim Leben verboten — Jch konnt nicht anders — durft nicht anders — im Himmel ein Gott — euer leiblicher Va - ter dort — mich jammerte ſein — Stecht mich nieder.
Hier ſtekt ein Geheimniß — heraus! Sprich! Jch will alles wiſſen.
Weh! Weh! Biſt dus Herrmann der da redet? Mit wem redſt du Herr - mann?
Drunten noch jemand — Was geht hier vor?
Jſts ein Gefangener den die Menſchen abſchuͤttelten — Jch will ſeine Ketten loͤſen. — Stimme! noch einmal! wo iſt die Thuͤre?
O habt Barmherzigkeit Herr — dringt nicht weiter, Herr — geht aus Erbarmen voruͤber
Vierfach geſchloſſen! Weg da — Es muß herans — Jzt zum erſtenmahl komm mir zu Huͤlfe, Dieberey,
Erbarmen einem Elenden! Er - barmen!
Das iſt meines Vaters Stimme!
Habe Dauk, o Gott! Erſchienen iſt die Stunde der Erloͤſung.
Geiſt des alten Moors! Was hat dich beunruhigt in deinem Grab? Haſt du eine Suͤnde in jene Welt geſchleppt, die der den Eingang in die Pforten des Paradiſes verrammelt? Jch will Meſſen leſen laſſen, den irrenden Geiſt in ſeine Heymath zu ſenden. Haſt du das Gold der Wittwen und Way - ſen unter die Erde vergraben, das dich zu dieſer mitternaͤchtlichen Stunde heulend herumtreibt, ich will den unterirrdiſchen Schaz aus den Klauen des Zauberdrachen reiſſen, udd wenn er tauſend ro - the Flammen auf mi#h ſpeyt, und ſeine ſpizen Zaͤh - ne gegen meinem Degen blekt, oder kommſt du auf meine Fragen die Raͤthſel der Ewigkeit zu entfalten? Rede, rede! ich bin der Mann der bleichen Furcht nicht.
Jch bin kein Geiſt. Taſte mich an, ich lebe, oh ein elendes erbaͤrmliches Leben!
Was? Du biſt nicht begraben worden?
Jch bin begraben worden — das heißt: ein toder Hund ligt in meiner Vaͤter Grufft; und ich — drey volle Monde ſchmacht ich ſchon in dieſem finſtern unterirrdiſchen Gewoͤl - be, von keinem Strahle beſchienen, von keinem warmen Luͤftchen angeweht, von keinem Freunde beſucht, wo wilde Raben kraͤchzen, und mitternaͤcht - iche Uhus heulen —
Himmel und Erde! Wer hat das ge - than?
Verfluch ihn nicht! — Das hat mein Sohn Franz gethan.
Franz? Franz? Oh ewiges Chaos!
Wenn du ein Menſch biſt, und ein menſchliches Herz haſt, Erloͤſer, de# ich nicht kenne, o ſo hoͤre den Jammer eines Vaters, den ihm ſeine Soͤhne bereitet haben — drey Monden ſchon hab ichs tauben Felſenwaͤnden zugewinſelt, aber ein holer Wiederhall aͤffte meine Klagen nur nach. Darum, wenn du ein Menſch biſt, und ein menſchliches Herz haſt.
Dieſe Aufforderung koͤnnte die wilden Beſtien aus ihren Loͤchern hervorrufen!
Jch lag eben auf dem Siechbett, hatte kaum angefangen aus einer ſchweren Krank - heit etwas Kraͤfte zu ſammeln, ſo fuͤhrte man einen Mann zu mir, der vorgab, mein Erſtgeborner ſey geſtorben in der Schlacht, und mit ſich brach - te ein Schwerd, gefaͤrbt mit ſeinem Blut, und ſein leztes Lebewohl, und daß ihn mein Fluch gejagt haͤtte in Kampf und Tod und Verzweifflung.
Es iſt offenbar!
Hoͤre weiter! ich ward unmaͤch - tig bey der Bottſchaft. Man mus mich fuͤr tod gehalten haben, denn als ich wieder zu mir ſelber kam, lag ich ſchon in der Bahre, und ins Leichentuchge -177ein Schauſpiel.gewickelt wie ein Toder. Jch krazte an dem De - ckel der Bahre. Er ward aufgethan. Es war finſtere Nacht, mein Sohn Franz ſtand vor mir, — Was? rief er mit entſezlicher Stimme, willſt du dann ewig leben? — und gleich flog der Sargde - kel wieder zu. Der Donner dieſer Worte hatte mich meiner Sinne beraubt, als ich wieder erwachte, fuͤhlt ich den Sarg erhoben und fortgefuͤhrt in ei - nem Wagen eine halbe Stunde lang. Endlich ward er geoͤffnet — ich ſtand am Eingang dieſes Gewoͤlbes, mein Sohn vor mir, und der Mann, der mir das blutige Schwerd von Karln gebracht hatte — zehnmal umfaßt ich ſeine Knie, und bat und flehte, und umfaßte ſie und beſchwur — das Flehen ſeines Vaters reichte nicht an ſein Herz — hinab mit dem Balg! donnerte es von ſeinem Mun - de, er hat genug gelebt, und hinab ward ich ge - ſtoſen ohn Erbarmen, und mein Sohn Franz ſchlos hinter mir zu.
Es iſt nicht moͤglich, nicht moͤglich! Jhr muͤßt euch geirrt haben.
Jch kann mich geirrt haben. Hoͤre weiter, aber zuͤrne doch nicht! So lag ich zwanzig Stunden, und kein Menſch gedachte mei - ner Noth. Auch hat keines Menſchen Fustritt je dieſe Einoͤde betreten, denn die allgemeine Sage geht, daß die Geſpenſter meiner Vaͤter in dieſen Ruinen raſſelnde Ketten ſchleifen, und in mitter -Mnaͤcht178Die Raͤuber,naͤchtlicher Stunde ihr Todenlied raunen. Endlich hoͤrt ich die Thuͤr wieder aufgehen, dieſer Mann brachte mir Brod und Waſſer, und entdekte mir, wie ich zum Tod des Hungers verurtheilt gewe - ſen, und wie er ſein Leben in Gefahr ſeze, wenn es herauskaͤm, daß er mich ſpeiſe. So ward ich kuͤmmerlich erhalten dieſe lange Zeit, aber der un - aufhoͤrliche Froſt — die faule Luft meines Unraths, — der graͤnzenloſe Kummer — meine Kraͤffte wi - chen, mein Leib ſchwand, tauſendmal bat ich Gott mit Traͤnen um den Tod, aber das Maas meiner Strafe mus noch nicht gefuͤllet ſeyn — oder mus noch irgend eine Freude meiner warten, daß ich ſo wunderbarlich erhalten bin. Aber ich leide gerecht — Mein Karl! mein Karl! — und er hatte noch keine graue Haare.
Es iſt genug. Auf! ihr Kloͤtze, ihr Eisklumpen! Jhr traͤgen fuͤhlloſen Schlaͤfer! Auf! will keiner erwachen?
He, holla! holla! was gibts da?
Hat euch die Geſchichte nicht aus dem Schlummer geruͤttelt? der ewige Schlaf wuͤrde wach worden ſeyn! Schaut her, ſchaut her! die Geſeze der Welt ſind Wuͤrfelſpiel worden, das Band der Natur iſt entzwey, die alte Zwietracht iſt los, der Sohn hat ſeinen Vater erſchlagen.
Was ſagt der Hauptmann?
Nein, nicht erſchlagen! das Wort iſt Beſchoͤnigung! — der Sohn hat den Vater tau - ſendmal geraͤdert, geſpießt, gefoltert, geſchunden! die Worte ſind mir zu menſchlich — woruͤber di# Suͤnde roth wird, woruͤber der Kannibale ſchau - dert, worauf ſeit A#onen kein Teufel gekommen iſt. — Der Sohn hat ſeinen eigenen Vater — oh ſeht her, ſeht her! er iſt in Unmacht geſunken, — # dieſes Gewoͤlbe hat der Sohn ſeinen Vater — Froſt, — Bloͤſe, — Hunger, — Durſt — oh ſeht doch, ſeht doch! — es iſt mein eigner Vater, ich wills nur geſtehn.
Dein Vater? dein Vater?
Vater meines Hauptmanns! Jch kuͤſſe dir die Fuͤſ - ſe! du haſt uͤber meinen Dolch z# befehlen.
Rache, Rache, Rache dir! grimmig beleidigter, entheiligter Greis! So zerreis #h von nun an auf ewig das bruͤderliche Band,
So verfluch ich jeden Tropfen bruͤderlichen Bluts im Antliz des offenen Himmels! Hoͤre mich Mond und Geſtirne! Hoͤr# mich mitternaͤchtlicher Himmel! der du auf die Schandthat herunterblikteſt! Hoͤre mich dreymal - ſchroͤcklicher Gott, der da oben uͤber dem Monde waltet, und raͤcht und verdammt uͤber den Ster -M #nen,180Die Raͤuber,nen, und feuerflammt uͤber der Nacht! Hier knie ich — hier ſtrek ich empor die drey Finger in die Schauer der Nacht — hier ſchwoͤr ich, und ſo ſpeye die Natur mich aus ihren Graͤnzen wie eine boͤsartige Beſtie aus, wenn ich dieſen Schwur ver - leze, ſchwoͤr ich das Licht des Tages nicht mehr zu gruͤſſen, bis des Vater-Moͤrders Blut, vor die - ſem Steine verſchuͤttet, gegen die Sonne dampft.
Es iſt ein Belials Streich! Sag einer, wir ſeyen Schelmen! Nein bey allen Drachen! So bund haben wirs nie gemacht!
Ja! und bey allen ſchroͤcklichen Seuf - zern derer, die jemals durch eure Dolche ſturben, derer, die meine Flamme fraß und mein fallender Thurm zermalmte, — eh ſoll kein Gedanke von Mord oder Ranb Plaz finden in eurer Bruſt, bis euer aller Kleider von des verruchten Blute ſchar - lachroth gezeichnet ſind — das hat euch wol niemals getraͤumet, daß ihr der Arm hoͤherer Majeſtaͤten ſeyd? der verworrene Kneul unſers Schickſals iſt aufgeloͤßt! Heute, heute hat eine unſichtbare Macht unſer Handwerk geadelt! Betet an vor dem, der euch dis erhabene Loos geſprochen, der euch hieher gefuͤhrt, der euch gewuͤrdiget hat die ſchroͤckliche Engel ſeines finſtern Gerichtes zu ſeyn! Entbloͤſet eure Haͤupter! Kniet hin in den Staub, und ſtehet geheiliget auf!
Gebe#t Hauptmann! was ſollen wir thun?
Steh auf Schweizer! Und ruͤhre dieſe heilige Locken an!
Du weiſt noch, wie du einsmals jenem boͤhmiſchen Reuter den Kopf ſpal - teteſt, da er eben den Saͤbel uͤber mich zukte, und ich athemlos und erſchoͤpft von der Arbeit in die Knie geſunken war? dazumal verhies ich dir eine Belohnung, die koͤniglich waͤre, ich koͤnnte dieſe Schuld bisher niemals bezahlen, —
Das ſchwurſt du mir, es iſt wahr, aber laß mich dich ewig meinen Schuldner nen - nen!
Nein, itzt will ich bezahlen. Schwei - zer, ſo iſt noch kein Sterblicher geehrt worden wie du! — Raͤche meinen Vater!
Groſſer Hauptmann! Heut haſt du mich zum erſtenmal ſtolz gemacht! — Gebeut, wo, wie, wann ſoll ich ihn ſchlagen?
Die Minuten ſind geweiht, du muſt eilends gehn — lies dir die wuͤrdigſten aus der Bande, und fuͤhre ſie gerade nach des Edelmanns Schloß! zerr ihn aus dem Bette, wenn er ſchlaͤft, oder in den Armen der Wolluſt ligt, ſchlepp ihn vom Mahle weg, wenn er beſoffen iſt, reiß ihn vom Krucifix, wenn er betend vor ihm auf den Knien ligt! Aber ich ſage dir, ich ſchaͤrf es dir hart ein,M 3liefr '182Die Raͤuber,liefr 'ihn mir nicht tod! deſſen Fleiſch will ich in Stuͤcken reiſſen, und hungrigen Geyern zur Speiſe geben, der ihm nur die Haut rizt, oder ein Haar kraͤnkt! Ganz mus ich ihn haben, und wenn du ihn ganz und lebendig bringſt, ſo ſollſt du eine Mil - lion zur Belohnung haben, ich will ſie einem Koͤni - ge mit Gefahr meines Lebens ſtehlen, und du ſollſt frey ausgehn, wie die weite Luft — haſt du mich verſtanden, ſo eile davon!
Genug Hauptmann — Hier haſt du meine Hand darauf: Entweder, du ſiehſt zwey zuruͤckkommen, oder gar keinen. Schweizers Wuͤrg - engel kommt
Jhr uͤbrigen zerſtreut euch im Wald — Jch bleibe.
Lebewol, theures Mutterhauß — Hab ſo manch guts und liebs in dir genoßen, da der Herr ſeeliger noch lebete — Traͤnen auf deine Ge - beine du lange verfaulter! das verlangt er von ei - nem alten Knecht — es war das Obdach der Way - ſen, und der Port der Verlaßenen, und dieſer Sohn hats gemacht zur Moͤrdergrube — Lebe wol du gu - ter Boden! wie oft hat der alte Daniel dich abge - fegt — Lebe wol du lieber Ofen, der alte Daniel nimmt ſchweren Abſchied von dir — es war dir al - les ſo vertraut worden — wird dir weh thun, al - ter Elieſer — Aber Gott bewahre mich in Gnaden vor dem Trug und Liſt des Argen — Leer kam ich hieher — leer zieh ich wieder hin — aber meine Seele iſt gerettet
Gott ſteh mir bey! Mein Herr!
Verrathen! Verrathen! Geiſter ausge - ſpien aus Graͤbern — Losgeruͤttelt das Todenreich aus dem ewigen Schlaf bruͤllt wider mich Moͤrder! Moͤrder! — wer regt ſich da?
Hilf heilige Mutter Gottes! ſeyd ihrs geſtrenger Herre, der ſo graͤßlich durch die Gewoͤlbe ſchreit, daß alle Schlaͤfer auffahren?
Schlaͤfer? Wer heißt euch ſchlafen? Fort zuͤnde Licht an
Es ſoll niemand ſchlafen in dieſer Stunde. Hoͤrſt du? Alles ſoll auf ſeyn — in Waffen — alle Gewehre geladen — Sahſt du ſie dort den Bogen - gang hinſchweben?
Wen gnaͤdiger Herr?
Wen, Dummkopf, wen? So kalt, ſo leer fragſt du, wen? hat michs doch angepackt wie der Schwindel? wen, Eſelskopf! wen? Gei - ſter und Teufel! wie weit iſts in der Nacht?
Eben izt ruft der Nachtwaͤchter zwey an.
Was? will dieſe Nacht waͤhren bis an den juͤngſten Tag? hoͤrteſt du keinen Tumult in der Naͤhe? Kein Siegsgeſchrey? Kein Geraͤuſch galoppirender Pferde? wo iſt Kar — der Graf, will ich ſagen?
Jch weis nicht, mein Gebieter.
Du weiſts nicht? Du biſt auch unter der Rotte? Jch will dir das Herz aus den Rippenſtam -185ein Schauſpiel.ſtampfen! mit deinem verfluchten: ich weis nicht! Fort, hole den Paſtor!
Gnaͤdiger Herr!
Murrſt du? zoͤgerſt du?
Was? auch Bettler wider mich verſchwo - ren? Himmel, Hoͤlle! alles wider mich verſchwo - ren?
Mein Gebieter —
Nein! ich zittere nicht! Es war ledig ein Traum. Die Toden ſtehen noch nicht auf — wer ſagt, daß ich zittere und bleich bin? Es iſt mir ja ſo leicht, ſo wol.
Jhr ſeyd todenbleich, eure Stimme iſt bang und lallet.
Jch habe das Fieber. Sage du nur, wenn der Paſtor kommt, ich habe das Fieber. Jch will morgen zur Ader laſſen, ſage dem Paſtor.
Befehlt ihr, daß ich euch Lebensba# - ſam auf Zucker troͤpfle?
Troͤpfle mir auf Zucker! der Paſtor wird nicht ſogleich da ſeyn. Meine Stimme iſt bang und lallet, gib Lebensbalſam auf Zucker!
Gebt mir erſt die Schluͤſſel, ich will drunten holen im Schrank —
Nein, nein, nein! Bleib! oder ich will mit dir gehn. Du ſiehſt, ich kann nicht allein ſeyn! wie leicht koͤnnt ich, du ſiehſt ja — unmaͤch -M 5tig —186Die Raͤuber,tig — wenn ich allein bin. Laß nur, laß nur! Es wird voruͤbergehen, du bleibſt.
Oh ihr ſeyd ernſtlich krank.
Ja freylich, freylich! das iſts alles. — Und Krankheit verſtoͤret das Gehirn, und bruͤ - tet tolle und wunderliche Traͤume aus — Traͤume bedeuten nichts — nicht wahr Daniel? Traͤume kommen ja aus dem Bauch, und Traͤume bedeuten nichts — ich hatte ſo eben einen luſtigen Traum
Jeſus Chriſtus! was iſt das? Georg! Conrad! Baſtian! Martin! ſo gebt doch nur eine Urkund von euch!
Maria, Magdalena und Joſeph! ſo nimmt doch nur Vernunft an! So wirds heiſſen, ich hab ihn tod gemacht, Gott erbarme ſich meiner!
Weg — weg! was ruͤttelſt du mich ſo, ſcheußliches Todengeripp? — die Toden ſtehen noch nicht auf —
O du ewige Guͤte! Er hat den Ver - ſtand verloren.
Wo bin ich? — du Daniel? was hab ich geſagt? merke nicht drauf! ich hab eine Luͤge geſagt, es ſey was es wolle — komm! hilf mir auf! — es iſt nur ein Anſtos von Schwindel — weil ich — weil ich — nicht aus - geſchlafen habe.
Waͤr nur der Johann da! ich will Huͤlfe rufen, ich will nach Aerzten rufen.
Bleib! ſez dich neben mich auf dieſen Sopha — ſo — du biſt ein geſcheuter Mann, ein guter Mann. Laß dir erzaͤhlen!
Jzt nicht, ein andermal! ich will euc# zu Bette bringen, Ruhe iſt euch beſſer.
Nein, ich bitte dich, laß dir erzaͤhlen, und lache mich derb aus! — Siehe mir dauchte, ich haͤtte ein koͤniglich Mahl gehalten, und mein Herz waͤr guter Dinge, und ich laͤge berauſcht im Raſen des Schloßgartens, und ploͤzlich — es war zur Stunde des Mittags — ploͤzlich, aber ich ſa - ge dir, lache mich derb aus! —
Ploͤzlich?
Ploͤzlich traf ein ungeheurer Donner mein ſchlummerndes Ohr, ich taumelte bebend auf, und ſiehe da war mirs, als ſaͤh ich aufflammen den ganzen Horizont in feuriger Lohe, und Berge und Staͤdte und Waͤlder, wie Wachs im Ofen zerſchmolzen, und eine heulende Windsbraut fegte von hinnen Meer Himmel und Erde — da er - ſcholls wie aus ehernen Poſaunen: Erde gib deine Toden, gib deine Toden, Meer! und das nakte Gefild begonn zu kreiſen, und aufzuwerfen Sche - del und Rippen und Kinnbacken und Beine, die ſich zuſammenzogen in menſchliche Leiber, und da - her ſtroͤmten unuͤberſehlich, ein lebendiger Sturm:Da -188Die Raͤuber,Damals ſah ich aufwaͤrts, und ſiehe, ich ſtand am Fus des donnernden Sina, und uͤber mir Gewim - mel und unter mir, und oben auf der Hoͤhe des Bergs auf drey rauchenden Stuͤhlen drey Maͤnner, vor deren Blick flohe die Kreatur —
Das iſt ja das leibhaft Konterfey vom juͤngſten Tage.
Nicht wahr? das iſt tolles Gezeuge? Da trat hervor Einer, anzuſehen wie die Sternen - nacht, der hatte in ſeiner Hand einen eiſernen Sie - gelring, den hielt er zwiſchen Aufgang und Nie - dergang und ſprach: Ewig, heilig, gerecht, unver - faͤlſchbar! Es iſt nur Eine Wahrheit, es iſt nur Eine Tugend! Wehe, wehe, wehe dem zweiffeln - den Wurme! — da trat hervor ein Zweyter, der hatte in ſeiner Hand einen blizenden Spiegel, den hielt er zwiſchen Aufgang und Niedergang, und ſprach: Dieſer Spiegel iſt Wahrheit; Heucheley und Larven beſtehen nicht — da erſchrack ich und alles Volk, denn wir ſahen Schlangen und Tyger und Leoparden Geſichter zuruͤckgeworfen aus dem entſetzlichen Spiegel. — Da trat 'hervor ein Drit - ter, der hatte in ſeiner Hand eine eherne Wage, die hielt er zwiſchen Aufgang und Niedergang, und ſprach: tretet herzu, ihr Kinder von Adam — ich waͤge die Gedanken in der Schaale meines Zor - nes! und die Werke mit dem Gewicht meines Grimms! —
Gott erbarme ſich meiner.
Schneebleich ſtunden alle, aͤngſtlich klopfte die Erwartung in jeglicher Bruſt. Da war mirs, als hoͤrt ich meinen Namen zuerſt genannt aus den Wettern des Berges, und mein innerſtes Mark gefror in mir, und meine Zaͤhne klapperten laut. Schnell begonn die Waage zu klingen, zu donnern der Fels, und die Stunden zogen voruͤber, eine nach der andern an der links hangenden Schaa - le, und eine nach der andern warf eine Todſuͤnde hinein —
Oh Gott vergeb euch!
Das that er nicht! — die Schaale wuchs zu einem Gebirge, aber die andere voll vom Blut der Verſoͤhnung hielt ſie noch immer hoch in den Luͤften — zulezt kam ein alter Mann, ſchwer gebeuget von Gram, angebiſſen den Arm von wuͤ - tendem Hunger, aller Augen wanden ſich ſcheu vor dem Mann, ich kannte den Mann, er ſchnitt eine Locke von ſeinem ſilbernen Haupthaar, warf ſie hinein in die Schaale der Suͤnden, und ſiehe, ſie ſank, ſank ploͤtzlich zum Abgrund, und die Schaa - le der Verſoͤhnung flatterte hoch auf! — Da hoͤrt ich eine Stimme ſchallen aus dem Rauche des Felſen: Gnade, Gnade jedem Suͤnder der Erde und des Abgrunds! du allein biſt verworfen! —
Nun, warum lachſt du nicht?
Kann ich lachen, wenn mir die Haut ſchaudert? Traͤume kommen von Gott.
Pfui doch, pfui doch! ſage das nicht! Heis mich einen Narren, einen aberwitzigen, abge - ſchmackten Narren! Thu das, lieber Daniel, ich bitte dich drum, ſpotte mich tuͤchtig aus!
Traͤume kommen von Gott. Jch will fuͤr euch beten.
Du luͤgſt, ſag ich — geh den Augen - blick, lauf, ſpring, ſieh, wo der Paſtor bleibt, heiß ihn eilen, eilen, aber ich ſage dir, du luͤgſt.
Gott ſey euch gnaͤdig!
Poͤbel-Weisheit, Poͤbelfurcht! — Es iſt ja noch nicht ausgemacht, ob das Vergangene nicht ver - gangen iſt, oder ein Auge findet uͤber den Sternen — hum, hum! wer raunte mir das ein? Raͤchet denn droben uͤber den Sternen einer? — Nein# nein! Ja, ja! Fuͤrchterlich ziſchelts um mich: Rich - tet droben einer uͤber den Sternen! Entgegen ge#en dem Raͤcher uͤber den Sternen dieſe Nacht noch! Nein! ſag ich — Elender Schlupfwinkel, hinter den ſich deine Feigheit verſtecken will — oͤd, ein - ſam, taub iſts droben uͤber den Sternen — wenns aber doch etwas mehr waͤre? Nein, nein, es iſt nicht! Jch befehle, es iſt nicht! wenns aber doch waͤre? Weh dir, wenns nachgezaͤhlt worden waͤre! wenns191ein Schauſpiel.wenns dir vorgezaͤhlt wuͤrde dieſe Nacht noch! — warum ſchaudert mir ſo durch die Knochen? — Sterben! warum packt mich das Wort ſo? Re - chenſchaft geben dem Raͤcher droben uͤber den Ster - nen — und wenn er gerecht iſt, Waiſen und Witt - wen, Unterdruͤckte, Geplagte heulen zu ihm auf, und wenn er gerecht iſt? — warum haben ſie ge - litten, warum haſt du uͤber ſie triumphiret? —
Jhr ließt mich holen, gnaͤdiger Herr. Jch erſtaune. Das erſtemal in meinem Leben! Habt ihr im Sinn uͤber die Religion zu ſpotten, oder fangt ihr an vor ihr zu zittern?
Spotten oder zittern, je nachdem du mir antworteſt. — Hoͤre Moſer, ich will dir zeigen, daß du ein Narr biſt, oder die Welt fuͤrn Narren halten willſt, und du ſollſt mir antworten. Hoͤrſt du? Auf dein Leben ſollſt du mir antworten.
Jhr fordert einen hoͤheren vor euren Richterſtul. Der hoͤhere wird euch dermaleins ant - worten.
Jzt will ichs wiſſen, itzt, dieſen Augen - blick, damit ich nicht die ſchaͤndliche Thorheit be - gehe, und im Drange der Noth den Goͤtzen des Poͤbels anrufe, ich habs dir oft mit Hohnlachen beym Burgunder zugeſoffen: Es iſt kein Gott! — Jzt red ich im Ernſte mit dir, ich ſage dir: es iſtkei -192Die Raͤuber,keiner! du ſollſt mich mit allen Waffen widerlegen, die du in deiner Gewalt haſt, aber ich blaſe ſie weg mit dem Hauch meines Mun#es.
Wenn du auch eben ſo leicht den Don - ner wegblaſen koͤnnteſt, der mit zehntauſendfachem Centner-Gewicht auf deine ſtolze Seele fallen wird! dieſer allwiſſende Gott, den du Thor und Boͤſewicht mit - ten aus ſeiner Schoͤpfung zernichteſt, braucht ſich nicht durch den Mund des Staubes zu rechtfertigen. Er iſt eben ſo gros in deinen Tyranneyen, als irgend in eiuem Laͤcheln der ſiegenden Tugend.
Ungemein gut Pfaffe! So gefaͤllſt du mir.
Jch ſtehe hier in den Angelegenheiten eines groͤſſeren Herrn, und rede mit einem, der Wurm iſt wie ich, dem ich nicht gefallen will. Freylich muͤßt ich Wunder thun koͤnnen, wenn ich deiner halsſtarrigen Bosheit das Geſtaͤndnis ab - zwingen koͤnnte, — aber wenn deine Ueberzeugung ſo feſt iſt? warum lieſſeſt du mich rufen, ſage mir doch, warum lieſſeſt du mich in der Mitternacht rufen?
Weil ich lange Weile hab, und eben am Schachbrett keinen Geſchmack finde. Jch w#ll mir einen Spaß machen, mich mit Pfaffen her - umzubeiſſen. Mit dem leeren Schrecken wirſt du meinen Muth nicht entmannen. Jch weis wol, daß derjenige auf Ewigkeit hofft, der hier zu kurzge -193ein Schauſpiel.gekommen iſt: aber er wird garſtig betrogen. Jch habs immer geleſen, daß unſer Weſen nichts iſt als Sprung des Gebluͤts, und mit dem lezten Blutstropfen zerrinnt auch Geiſt und Gedanke. Er macht alle Schwachheiten des Koͤrpers mit, wird er nicht auch aufhoͤren bey ſeiner Zerſtoͤrung? nicht bey ſeiner Faͤulung verdampfen? Laß einen Waſſertropfen in deinem Gehirne verirren, und dein Leben macht eine ploͤtzliche Pauſe, die zunaͤchſt an das Nichtſeyn graͤnzt, und ihre Fortdauer iſt der Tod. Empfindung iſt Schwingung einiger Saiten, und das zerſchlagene Klavier toͤnet nicht mehr. Wenn ich meine ſieben Schloͤſſer ſchleifen laſſe, wenn ich dieſe Venus zerſchlage, ſo iſts Symmetrie und Schoͤnheit geweſen. Siehe da! das iſt eure unſterbliche Seele!
Das iſt die Philoſophie eurer Ver - zweiflung. Aber euer eigenes Herz, das bey dieſen Beweiſen aͤngſtlich bebend wider eure Rippen ſchlaͤgt, ſtraft euch Luͤgen. Dieſe Spinnweben von Syſtemen zerreißt das einzige Wort: du muſt ſterben! — ich fordere euch auf, das ſoll die Pro - be ſeyn, wenn ihr im Tode annoch feſte ſteht, wenn euch eure Grundſaͤtze auch da nicht im Sti - che laſſen, ſo ſollt ihr gewonnen haben; wenn euch im Tode nur der mindeſte Schauer anwandelt, weh euch dann! ihr habt euch betrogen.
Wenn mich im Tode ein Schauer anwandelt?
Jch habe wol mehr ſolche Elende ge - ſehn, die bis hieher der Wahrheit Rieſentroz bo - ten, aber im Tode ſelbſt flattert die Taͤuſchung da - hin. Jch will an eurem Bette ſtehn, wenn ihr ſterbet — ich moͤchte ſo gar gern einen Tyrannen ſehen dahinfahren — ich will dabeyſtehn, und euch ſtarr ins Auge faſſen, wenn der Arzt eure kalte naſſe Hand ergreift, und den verloren ſchleichenden Puls kaum mehr finden kann, und aufſchaut, und mit jenem ſchroͤcklichen Achſelzucken zu euch ſpricht: menſchliche Huͤlfe iſt umſonſt! Huͤtet euch dann, o huͤtet euch ja, daß ihr da nicht auſſeht wie Richard und Nero!
Nein, nein!
Auch dieſes Nein wird dann zu einem heulenden Ja — ein innerer Tribunal, den ihr nimmermehr durch ſekptiſche Gruͤbeleyen beſte#hen koͤnnt, wird izo erwachen, und Gericht uͤber euch halten. Aber es wird ein Erwachen ſeyn, wie des lebendig begrabenen im Bauche des Kirchhofs, es wird ein Unwille ſeyn wie des Selbſtmoͤrders, wenn er den toͤdtlichen Streich ſchon gethan hat und be - reut, es wird ein Bliz ſeyn, der die Mitter-Nacht eures Lebens zumal uͤberflammt, es wird Ein Blick ſeyn, und wenn ihr da noch feſte ſteht, ſo ſollt ihr gewonnen haben!
Pfaffen - gewaͤſche, Pfaffengewaͤſche!
Jzt zum erſtenmal werden die Schwer - der einer Ewigkeit durch eure Seele ſchneiden, und izt zum erſtenmal zu ſpaͤt. — Der Gedanke Gott wekt einen fuͤrchterlichen Nachbar auf, ſein Name heißt Richter. Sehet Moor, ihr habt das Leben von tauſenden an der Spize eures Fingers, und von dieſen tauſenden habt ihr neunhundert neun und neunzig elend gemacht. Euch fehlt zu einem Nero nur das roͤmiſche Reich, und nur Peru zu ei - nem Pizarro. Nun glaubt ihr wol, Gott werde es zugeben, daß ein einziger Menſch in ſeiner Welt wie ein Wuͤtrich hauſe, und das oberſte zu unterſt kehre? Glaubt ihr wol, dieſe neunhundert und neun und neunzig ſeyen nur zum Verderben, nur zu Puppen eures ſataniſchen Spieles da? Oh glaubt das nicht! Er wird jede Minute, die ihr ih - nen getoͤdtet, jede Freude, die ihr ihnen vergiftet, jede Vollkommenheit, die ihr ihnen verſperret habt, von euch fodern dereinſt, und wenn ihr darauf antwortet, Moor, ſo ſollt ihr gewonnen haben.
Nichts mehr, kein Wort mehr! willſt du, daß ich deinen ſchwarzlebrigen Grillen zu Ge - bot ſteh?
Sehet zu, das Schickſaal der Men - ſchen ſtehet unter ſich in fuͤrchterlich ſchoͤnem Gleich - gewicht. Die Waagſchaale dieſes Lebens ſinkendN 2wird196Die Raͤuber,wird hoch ſteigen in jenem, ſteigend in dieſem wird in jenem zu Boden fallen. Aber was hier zeitliches Leiden war, wird dort ewiger Triumf, was hier endlicher Triumf war, wird dort ewige unendliche Verzweiflung.
Daß dich der Don - ner ſtumm mache, Luͤgengeiſt du! Jch will dir die verfluchte Zunge aus dem Munde reiſſen!
Fuͤhlt ihr die Laſt der Wahrheit ſo fruͤh? Jch habe ja noch nichts von Beweiſen geſagt. Laßt mich nur erſt zu den Beweiſen —
Schweig, geh in die Hoͤlle mit deinen Beweiſen! zernichtet wird die Seele, ſag ich dir, und ſollſt mir nicht darauf antworten!
Darum winſeln auch die Geiſter des Abgrunds, aber der im Himmel ſchuͤttelt das Haupt. Meynt ihr, dem Arm des Vergelters im oͤden Reich des Nichts zu entlaufen? und fuͤhret ihr gen Himmel, ſo iſt er da! und bettetet ihr euch in der Hoͤlle, ſo iſt er wieder da! #ud ſpraͤ - chet ihr zu der Nacht: verhuͤlle mich! und zu der Finſterniß: birg mich! ſo mus die Finſternis leuch - ten um euch, und um den Verdammten die Mit - ternacht tagen — aber euer unſterblicher Geiſt ſtraͤubt ſich unter dem Wort, und ſiegt uͤber den blinden Gedanken.
Jch will aber nicht unſterblich ſeyn — ſey es, wer da will, ich wills nicht hindern. Jchwill197ein Schauſpiel.will ihn zwingen, daß er mich zernichte, ich will ihn zur Wuth reizen, daß er mich in der Wuth zernichte. Sag mir, was iſt die groͤſte Suͤnde, und die ihn am grimmigſten aufbringt?
Jch kenne nur zwo. Aber ſie werden nich# von Menſchen begangen, auch ahnden, ſie Menſchen nicht.
Dieſe zwo! —
Vatermord heißt die eine, Brudermord die andere — Was macht euch auf einmal ſo bleich?
Was Alter? Stehſt du mit dem Him - mel oder mit der Hoͤlle im Buͤndnis? Wer hat dir das geſagt?
Wehe dem, der ſie beyde auf dem Herzen hat! Jhm waͤre beſſer, daß er nie geboren waͤre! Aber ſeyd ruhig, ihr habt weder Vater noch Bruder mehr!
Ha! — was, du kennſt keine druͤber? Beſinne dich nochmals — Tod, Himmel, Ewig - keit, Verdammnis ſchwebt auf dem Laut deines Mundes — keine einzige druͤber?
Keine einzige druͤber.
Zernichtung! Zernich - tung!
Freut euch, freut euch doch! preißt euch doch gluͤcklich! — Bey allen euren Greueln ſeyd ihr noch ein Heiliger gegen den VatermoͤrderN 3Der198Die Raͤuber,Der Fluch, der euch trift, iſt gegen den, der a#f dieſen lauert, ein Geſang der Liebe — die Vergel - tung —
Geh in tauſend Gruͤfte, du Eule! wer hies dich hieher kommen? geh, ſag ich, oder ich ſtos dich durch und durch!
Kann das Pfaffengewaͤſche ſo einen Philoſophen in Harniſch jagen? Blaßt es doch weg mit dem Hauch eures Mundes!
Amalia iſt entſprungen, der Graf iſt ploͤzlich verſchwunden.
Gnaͤdiger Herr, jagt ein Trupp feu - riger Reuter die Staig herab, ſchreyen Mordjo, Mordjo — das ganze Dorf in Allarm.
Geh laß alle Glocken zuſammenlaͤuten alles ſoll in die Kirche — auf die Knie fallen al - les — beten fuͤr mich — alle Gefangne ſollen los ſeyn und ledig, ich will den Armen alles doppelt und dreyfach wiedergeben, ich will — ſo geh doch— ſo199ein Schauſpiel.— ſo ruf doch den Beichtvater, daß er mir meine Suͤnden hinwegſeegne — biſt du noch nicht fort?
Gott verzeih mir meine ſchwere Suͤn - de! Wie ſoll ich das wieder reimen? Jhr habt ja immer das liebe Gebet uͤber alle Haͤuſſer hinaus - geworffen, habt mir ſo manche Poſtill und Bibel - b#ch an den Kopf gejagt, wenn ihr mich ob dem Beten ertapptet —
Nichts mehr davon — Sterben! ſiehſt du? Sterben? — Es wird zu ſpaͤt
Bete doch! Bete!
Jch ſagt's euch immer — ihr verach - tet das liebe Gebet ſo — aber gebt acht, gebt acht! wenn die Noth an Mann geht, wenn euch das Waſſer an die Seele geht, ihr werdet alle Schaͤze der Welt um ein chriſtliches Seufzerlein geben — Seht ihrs? Jhr verſchimpftet mich! Da habt ihrs nuu! Seht ihrs?
Verzeih, lieber, gold - ner Perlendaniel verzeih — ich will dich kleiden von Fuß auf — ſo bet doch — ich will dich zum Hoch - zeiter machen — ich will — ſo bet doch — ich be - ſchwoͤre dich — auf den Knien beſchwoͤr ich dich — Jns T#ls Namen! ſo bet doch!
Stuͤrmt! Schlagt #nd! Brecht ein! Jch ſehe Licht! dort muß er ſeyn ..
Hoͤre mich beten Gott im Him - mel! — Es iſt das erſtemal — ſoll auch gewiß nimmer geſchehen — Erhoͤre mich Gott im Himmel.
Mein doch! Was treibt ihr? Das iſt ja gottloß gebetet.
Diebe! Moͤrder! wer laͤrmt ſograͤßlich in die - ſer Mitternachtsſtunde!
Schlag ſie zu - ruͤk Kamerad — der Teufel iſts und will euren Herrn holen — wo iſt der Schwarz mit ſei#e# Hauffen? — Poſtir dich ums Schloß Grimm — Lauf Sturm wider die Ringmauer!
Holt ihr Feuerbraͤnde — wir hinauf oder er herunter — Jch will Feuer in ſeine Saͤ#le ſchmeißen.
Jch bin kein gemeiner Moͤrder ge - weſen mein Herrgott — hab mich nie mit Kleinig - keiten abgegeben mein Herrgott —
Gott ſey uns gnaͤdig. Auch ſeine Ge - bete werden zu Suͤnden.
Jch kann nicht beten — hier hier!
Alles ſo oͤd — ſo verdorret
Nein ich will auch nicht beten — dieſen Sieg ſoll der Himmel nicht haben, dieſen Spott mir nicht anthun die Hoͤlle —
Jeſus Maria! helft — rettet — das ganze Schloß ſteht in Flammen!
Hier nimm dieſen Degen. Hurtig. Jag mir ihn hinterruͤcks in den Bauch, daß nicht dieſe Buben kommen und treiben ihren Spott aus mir.
Bewahre! Bewahre! Jch mag nie - mand zu fruͤh in den Himmel foͤrdern, viel weniger zu fruͤh
Jn die Hoͤlle wollteſt du ſagen? — Wirklich! ich wittere ſo etwas —
Sind das ihre hellen Triller? hoͤr ich euch ziſchen ihr Nattern des Abgrunds? — Sie dringen herauf — Belagern die Thuͤre — warum zag ich ſo vor dieſer bohrenden Spize? — die Thuͤre kracht — ſtuͤrzt — unent -N 5rinnbar202Die Raͤuber,rinnbar — Ha! ſo erbarm du dich meiner!
Mordkanaille wo biſt du? — Saht ihr wie ſie flohen? — hat er ſo wenig Freunde? — Wo - hin hat ſich die Beſtie verkrochen?
Halt! was #liegt hier im Weeg? Zuͤndet hieher —
Er hat das Prevenire geſpielt. Stekt eure Schwerder ein, hier liegt er wie eine Kaze verreckt.
Todt! was? todt? ohne mich todt — Erlogen ſag #ch — Gebt acht wie hurtig er auf die Beine ſpringt?
Heh du! Es gibt ei - nen Vater zu ermorden.
Gib dir keine Muͤh. Er iſt maus - todt.
Ja! Er freut ſich nicht — Er iſt maustodt — Gehet zuruͤck und ſa - get meinem Hauptmann: Er iſt mausrodt — mich ſieht er nicht wieder.
Er kommt noch nicht?
Verzeihung ſey ſeine Strafe — meine Rache verdoppelte Liebe.
Nein, bey meiner grimmigen See - le. Das ſoll nicht ſeyn. Jch wills nicht haben. Die große Schandthat ſoll# er mit ſich in die Ewig - keit hinuͤber ſchleppen! — Wofuͤr hab ich ihn dann umgebracht?
O mein Kind.
Was? — du weinſt um ihn — an dieſem Thurme?
Erbarmung! o Erbarmung!
Jzt — izt wird mein Kind gerichtet!
Welches?
Ha! was iſt das fuͤr eine Frage?
Nichts. Nichts.
Biſt du kommen Hohngelaͤchter anzuſtimmen uͤber meinem Jammer?
Verraͤthriſches Gewiſſen! — Mer - ket nicht auf meine Rede.
Ja ich hab einen Sohn gequaͤlt, und ein Sohn mußte mich wieder quaͤlen, das iſt Gottes Finger — o mein Karl! mein Karl! wenn du um mich ſchwebſt im Gewand des Friedens. Vergib mir. Oh vergib mir!
Er vergibt euch.
Wenn ers werth iſt euer Sohn zu heiſſen — Er muß euch vergeben.
Ha! Er war zu herrlich fuͤr mich — Aber ich will ihm entgegen mit meinen Traͤnen, meinen ſchlafloſen Naͤchten, meinen quaͤ - lenden Traͤumen, ſeine Knie will ich umfaſſen — rufen — laut rufen: Jch hab geſuͤndigt im Him - mel, und vor dir. Jch bin nicht werth, daß du mich Vater nennſt.
Er war euch lieb euer andrer Sohn?
Du weiſt es o Himmel. War - um ließ ich mich doch durch die Raͤnke eines boͤſen Sohnes bethoͤren? Ein geprieſener Vater giengich205ein Schanſpiel.ich einher unter den Vaͤtern der Menſchen. Schoͤn um mich bluͤhten meine Kinder voll Hoffnung. Aber — o der ungluͤckſeligen Stunde! — der boͤ - ſe Geiſt fuhr in das Herz meines zweyten, ich traute der Schlange — verloren meine Kinder beyde.
Ewig verlo - ren.
Oh ich fuͤhl es tief was mir Amalia ſagte, der Geiſt der Rache ſprach aus ih - rem Munde. Vergebens ausſtrecken deine ſterben - den Haͤnde wirſt du nach einem Sohn, vergebens waͤhnen zu umfaſſen die warme Hand deines Karls, der nimmermehr an deinem Bette ſteht —
Waͤrſt du meines Karls Hand! — Aber er liegt fern im engen Hauſe, ſchlaͤft ſchon den eiſernen Schlaf, hoͤret nimmer die Stim - me meines Jammers — weh mir! Sterben in den Armen eines Fremdlings — Kein Sohn mehr — kein Sohn mehr, der mir die Augen zudruͤcken koͤnnte —
Jzt muß es ſeyn — izt — verlaßt mich
Unddoch206Die Raͤuber,doch — Kann ich ihm denn ſeinen Sohn wieder ſchenken? — Jch kann ihm ſeinen Sohn doch nicht mehr ſchenken — Nein! Jch wills nicht thun.
Wie Freund? Was haſt du da gemurmelt?
Dein Sohn — Ja alter Mann —
Dein Sohn — iſt — ewig verloren.
Ewig?
O nur dißmal — Laß meine Seele nicht matt werden — nur dißmal halte mich auf - recht.
Ewig ſagſt du?
Frage nichts weiter. Ewig, ſagt ich.
Fremdling! Fremdling! Warum zogſt du mich aus dem Thurme?
Und wie? — Wenn ich jezt ſeinen Seegen weghaſchte — haſchte wie ein Dieb, und mich davonſchlich mit der goͤttlichen Beute — Va - terſeegen ſagt man, geht niemals verloren.
Auch mein Franz verloren? —
Jch zerbrach die Riegel deines Thurms — Gib mir deinen Seegen.
Daß du den Sohn vertilgen mußteſt Retter des Vaters! — Siehe die Gottheit ermuͤdet nicht im Erbarmen, und wir armſeligen Wuͤrmer gehen ſchlafen mit unſerm Groll
Sei ſo gluͤcklich, als du dich erbarmeſt.
O — wo iſt mei - ne Mannheit? Meine Sehnen werden ſchlapp, der Dolch ſinkt aus meinen Haͤnden.
Wie koͤſtlich iſts wenn Bruͤder eintraͤchtig beyſammen wohnen, wie der Thau der vom Hermon faͤllt auf die Berge Zion — Lern dieſe Wolluſt verdienen junger Manu, und die Engel des Himmels werden ſich ſonnen in deiner Glorie. Dei - ne Weißheit ſei die Weisheit der grauen Haare, aber dein Herz — dein Herz ſei das Herz der un - ſchuldigen Kindheit.
O einen Vorſchmack dieſer Wolluſt. Kuͤße mich goͤttlicher Greiß!
Denk es ſei Vaterskuß, ſo will ich denken ich kuͤße meinen Sohn — du kannſt auch weinen?
Jch dacht, es ſei Vaterskuß! — Weh mir, wenn ſie ihn jetzt braͤchten!
Schwei -208Die Raͤuber,Himmel!
Mein Hauptmann.
Theurer Hauptmann.
Wir ſind unſchuldig mein Haupt - mann.
Wer ſ#eid ihr?
Du blikſt uns nicht an. Deine G#e - treuen.
Weh euch wenn ihr mir getr#eu wart!
Das lezte Lebewol von deinem Kne#cht Schweizer — er kehrt nie wieder dein Knecht Schwei - zer.
So habt ihr ihn ni#cht gefunden?
Tod gefunden.
Habe Dank Lenker der Dinge — Umarmet mich meine Kinder — Erbarmung ſei von nun an die Looſung — Nun waͤr auch das uͤber - ſtanden — Alles uͤberſtanden.
Heyſa, heyſa! Ein Fang, ein ſuper - #er Fang!
Die Toden ſchreyen ſie, ſeyen erſtanden auf ſeine Stimme — mein Oheim lebendig — in dieſem Wald — wo iſt er? Karl! Oheim! — Ha!
Amalia! Meine Tochter! Ama - lia!
Wer bringt dis Bild vor meine Augen?
Jch hab ihn, o ihr Sterne! Jch hab ihn! —
Brecht auf ihr! Der Erzfeind hat mich verrathen!
Braͤutigam, Braͤutigam, du ra - ſeſt! Ha! Vor Entzuͤckung! Warum bin ichOauch210Die Raͤuber,auch ſo fuͤhllos, mitten im Wonnewirbel ſo kalt?
Braͤutigam? Tochter! Tochter! Ein Braͤutigam?
Ewig ſein! Ewig, ewig, ewig mein! — Oh ihr Maͤchte des Himmels! Ent - laſtet mich dieſer toͤdlichen Wolluſt, daß ich nicht nuter der Buͤrde vergehe!
Reißt ſie von meinem Halſe! Toͤdtet ſie! Toͤdtet ihn! mich! euch! alles! Die ganze Welt geh zn Grunde!
Wohin? was? Liebe Ewigkeit! Wonn Unendlichkeit, und du fliehſt?
Weg, weg! — Ungluͤckſeeligſte der Braͤute! — Schau ſelbſt, frage ſelbſt, hoͤre! — Ungluͤckſeeligſter der Vaͤter! Laß mich immer ewig davon rennen!
Haltet mich! Um Gottes willen, haltet mich! — Es wird mir ſo Nacht vor den Augen — Er flieht!
Zu ſpaͤt! Vergebens! DeinFluch,211ein Schauſpiel.Fluch, Vater, — frage mich nichts mehr! — ich bin, ich habe — dein Fluch — dein ver - meynter Fluch! — Wer hat mich hergelockt?
Wer von euch hat mich hieher gelockt, ihr Krea - turen des Abgrunds? So vergeh dann, Ama - lia! — Stirb Vater! Stirb durch mich zum drittenmal! — Dieſe deine Retter ſind Raͤuber und Moͤrder! Dein Karl iſt ihr Hauptmann.
Die Seelen derer, die ich erdroſ - ſelte im Taumel der Liebe — derer, die ich zerſchmetterte im heiligen Schlaf, derer, — hahaha! Hoͤrt ihr den Pulverthurm knal - len uͤber der kreiſenden Stuͤlen? Seht ihr die Flammen ſchlagen an den Wiegen der Saͤug - linge? das iſt Brautfackel, das iſt Hochzeit - muſik — oh er vergißt nicht, er weis zu knuͤpfen — darum von mir die Wonne derO 2Liebe!212Die Raͤuber,Liebe! darum mir zur Folter die Liebe! das iſt Vergeltung!
Es iſt wahr! Herrſcher im Him - mel! Es iſt wahr. — Was hab ich gethan, ich unſchuldiges Lamm? Jch hab dieſen ge - liebt!
Das iſt mehr als ein Mann erduldet. Hab ich doch den Tod aus mehr denn tauſend Roͤhren auf mich zupfeiffen gehoͤrt, und bin ihm keinen Fusbreit gewichen, ſoll ich izt erſt ler - nen beben wie ein Weib? beben vor einem Weib? — Nein, ein Weib erſchuͤttert meine Mannheit nicht — Blut, Blut! Es iſt nur ein Anſtos vom Weibe — Blut mus ich ſaufen, es wird voruͤber - gehen.
Moͤrder! Teufel! Jch kann dich Engel nicht laſſen.
Fort falſche Schlan - ge, du willſt einen raſenden hoͤhnen, aber ich poche dem Tyrannen-Verhaͤngniß — was, du weineſt? Oh ihr loſen boshaften Geſtirne! Sie thut als ob ſie weine, als ob um mich eine Seele weine.
Ha was iſt das? Sie ſpeyt mich nicht an, ſtoßt mich nicht von ſich — Amalia! Haſt du vergeſſen? weiſt du auch, wen du umarmeſt, Amalia?
Ama -Einziger, unzertrennlicher!
Sie vergibt mir, ſie liebt mich! Nein bin ich wie der Aether des Himmels, ſie liebt mich. — Weinenden Dank dir, Erbarmer im Himmel!
Der Friede meiner Seele iſt wiederge - kommen, die Qual hat ausgetobt, die Hoͤlle iſt nicht mehr — Sieh, o ſieh, die Kinder des Lichts weinen am Hals der weinenden Teufel —
So weinet doch auch! weinet, wei - net, ihr ſeyd ja ſo gluͤcklich — O Amalia! Ama - lia! Amalia!
Halt ein Verraͤther! — Gleich laß dieſen Arm fahren — oder ich will dir ein Wort ſagen, daß dir die Ohren gellen, und deine Zaͤhne vor Entſe - zen klappern!
Denk an die boͤhmi - ſchen Waͤlder! Hoͤrſt du, zagſt du? — an die boͤhmiſchen Waͤlder ſollſt du denken! Treu - loſer, wo ſind deine Schwuͤre? Vergißt man Wunden ſo bald? da wir Gluͤck, Ehre und Leben in die Schanze ſchlugen fuͤr dich? DaO 3wir214Die Raͤuber,wir dir ſtanden wie Mauren, auffiengen wie Schilder die Hiebe, die deinem Leben galten, — hubſt du da nicht deine Hand zum ei - ſernen Eid auf, ſchwureſt, uns nie zu verlaſſen, wie wir dich nicht verlaſſen ha - ben? — Ehrloſer! Treuvergeſſener! Und du willſt abfallen, wenn eine Maͤze greiut?
Pfui, uͤber den Meineid! der Geiſt des geopferten Rollers, den du zum Zeugen aus dem Todenreich zwangeſt, wird erroͤthen uͤber deine Feigheit, und ge - wafnet aus ſeinem Grabe ſteigen, dich zu zuͤch - tigen.
Schau her, ſchau! Kennſt du dieſe Narben? du biſt unſer! Mit unſerem Herzblut haben wir dich zum Leibeigenen angekauft, unſer biſt du, und wenn der Erzengel Michael mit dem Mo - loch ins Handgemeng kommen ſollte! — Marſch mit uns, Opfer um Opfer! Ama - lia fuͤr die Bande!
Es iſt aus! — Jch wollte umkehren und zu meinem Vatergehn215ein Schauſpiel.gehn, aber der im Himmel ſprach, es ſoll nicht ſeyn.
Bloͤder Thor ich, war - um wollt ich es auch? Kann denn ein groſ - ſer Suͤnder noch umkehren? Ein groſſer Suͤn - der kann nimmermehr umkehren, das haͤtt 'ich laͤngſt wiſſen koͤnnen — Sey ruhig, ich bitte dich, ſey ruhig! ſo iſts ja auch recht — Jch habe nicht gewollt, da er mich ſuchte, izt da ich ihn ſuche, will Er nicht, was iſt billi - ger? — Rolle doch deine Augen nicht ſo — er bedarf ja meiner nicht. Hat er nicht Ge - ſchoͤpfe die Fuͤlle, Einen kann er ſo leicht miſ - ſen, und dieſer Eine bin nun ich. — Kommt Kameraden!
Halt, halt! Einen Stoß! einen Todesſtoß! Ne# verlaſſen! Zeuch dein Schwerd, und erbarme dich!
Das Erbarmen iſt zu den Baͤ - ren geflohen, — ich toͤde dich nicht!
Oh um Gottes - willen, um aller Erbarmungen willen! Jch will ja nicht Liebe mehr, weis ja wol, daß droben unſere Sterne feindlich vou einanderO 4flie -216Die Raͤuber,fliehen, — Tod iſt meine Bitte nur. — Ver - laſſen, verlaſſen! Nimm es ganz in ſeiner entſezlichen Fuͤlle, verlaſſen! Jch kanns nicht uͤberdulden. Du ſiehſt ja, das kann kein Weib uͤberdulden. Tod iſt meine Bitte nur! Sieh, meine Hand zittert! Jch habe das Herz nicht zu ſtoſen. Mir bangt vor der blizenden Sch#ei - de — dir iſts ja ſo leicht, ſo leicht, biſt ja Meiſter im Morden, zeuch dein Schwerd, und ich bin gluͤcklich!
Willſt du allein gluͤcklich ſeyn? Fort, ich toͤde kein Weib!
Ha Wuͤrger! du kannſt nur die Gluͤklichen toͤdten, die Lebensſatten gehſt du vor - uͤber.
So erbarmet euch meiner, ihr Schuͤler des Henkers! — Es iſt ein ſo blutduͤrſtiges Mitleid in euren Blicken, das dem Elenden Troſt iſt — euer Meiſter iſt ein eitler feigherziger Praler.
Weib, was ſagſt du?
Kein Freund? auch unter dieſen nicht ein Freund?
Nun denn, ſo lehre mich Dido ſterben!
Halt! Wag es — Moors Ge - liebte ſoll nur durch Moor ſterben!
Hauptmann, Haupt - mann! Was machſt du, biſt du wahnſinnig worden?
Sie iſt getroffen! Dis Zucken noch, und dann wirds vorbey ſeyn — Nun, ſeht doch! habt ihr noch was zu fordern? Jhr opfertet mir ein Leben auf, ein Leben, das ſchon nicht mehr euer war, ein Leben voll Abſcheulich - keit und Schande — ich hab euch einen En - gel geſchlachtet. Wie, ſeht doch recht her! Seyd ihr nunmehr zufrieden?
Du haſt deine Schuld mit Wu - cher bezahlt. Du haſt gethan, was keinO 5Mann218Die Raͤuber,Mann wuͤrde fuͤr ſeine Ehre thun. Komm izt weiter!
Sagſt du das? Nicht wahr, das Leben einer Heiligen um das Leben der Schel - men, es iſt ungleicher Tauſch? — O ich ſa - ge euch, wenn jeder unter euch aufs Blut - geruͤſte gieng, und ſich ein Stuͤck Fleiſch nach dem anderu mit gluͤhender Zange abzwicken lies, daß die Marter eilf Sommertaͤge dauer - te, es wiege dieſe Traͤnen nicht auf.
Die Narben, die boͤhmiſchen Waͤl - der! Ja ja! Dis mußte freylich bezahlt wer - den.
Sey ruhig, Hauptmann! Komm mit uns, der Anblick iſt nicht fuͤr dich. Fuͤhre uns weiter!
Halt — noch ein Wort eh wir weiter gehn — Merket auf ihr ſchadenfrohe Schergen meines barbariſchen Winks — Jch hoͤ - re von dieſem Nun an auf euer Hauptmann zu ſeyn — Mit Schaam und Grauen leg ich hier dieſen blutigen Stab nieder worunter zu freveln ihr euch berechtiget waͤhntet, und mitWer -219ein Schauſpiel.Werken der Finſterniß dieß himmliſche Licht zu beſudeln — Gehet hin zur Rechten und Lin - ken — Wir wollen ewig niemals gemeine Sache machen.
Ha Muthloſer! Wo ſind deine hochfliegende Plane? Sinds Saifenblaſen gewe - ſen, die beym Hauch eines Weibes zerpla - zen?
O uͤber mich Narren, der ich waͤhnete die Welt durch Greuel zu verſchoͤnern, und die Geſeze durch Geſezloſigkeit aufrecht zu halten. Jch nannte es Rache und Recht — Jch maßte mich an, o Vorſicht die Schar - ten deines Schwerds auszuwezen und deine Parteylichkeiten gut zu machen — aber — O eitle Kinderey — da ſteh ich am Rand eines entſezlichen Lebens, und erfahre nun mit Zaͤhn - klappern und Heulen, daß zwey Menſchen wie ich den ganzen Bau der ſittlichen Welt zu Grund richten wuͤrden. Gnade — Gnade dem Knaben, der Dir vorgreiffen wollte — Dein eigen allein iſt die Rache. Du bedarfſt nicht des Menſchen Hand. Frey - lich ſtehts nun in meiner Macht nicht mehrdie220Die Raͤuber,die Vergangenheit einzuholen — ſchon bleibt verdorben, was verdorben iſt — was ich geſtuͤrzt habe ſteht ewig niemals mehr auf — Aber noch blieb mir etwas uͤbrig, womit ich die beleidigte Geſeze verſoͤnen, und die mißhan - delte Ordnung wiederum heilen kann. Sie bedarf eines Opfers — Eines Opfers, das ihre unverletzbare Majeſtaͤt vor der ganzen Menſchheit entfaltet — dieſes Opfer bin ich ſelbſt. Jch ſelbſt muß fuͤr ſie des Todes ſter - ben.
Nimmt ihm den Degen weg — Er will ſich umbringen.
Thoren ihr! Zu ewiger Blind - heit verdammt! Meynet ihr wol gar eine Tod - ſuͤnde werde das Aequivalent gegen Todſuͤnden ſeyn, meinet ihr die Harmonie der Welt wer - de durch dieſen gottloſen Mißlaut gewinnen?
Er ſoll mich lebendig haben. Jch geh, mich ſelbſt in die Haͤnde der Juſtiz zu uͤberlie - fern.
Legt ihn an Ketten! Er iſt raſend worden.
Nicht, als ob ich zweifelte ſie werde mich zeitig genug finden, wenn die obe - re Maͤchte es ſo wollen. Aber ſie moͤchte mich im Schlaf uͤberrumpeln, oder auf der Flucht ereilen, oder mit Zwang und Schwerd um - armen, und dann waͤre n#r auch das einige Verdienſt entwiſcht, daß ich mit Willen fuͤr ſie geſtorben bin. Was ſoll ich gleich einem Die - be ein Leben laͤnger ver#eimlichen, das mir ſchon lang im Rath der himmliſchen Waͤchter ge - nommen iſt?
Laßt ihn hinfahren. Es iſt die Groß-Mann-Sucht. Er will ſein Leben an eitle Bewunderung ſezen.
Man koͤnnte mich darum be - wundern.
Jch erinnere mich einen armen Schelm geſprochen zu haben als ich heruͤberkam, der im Taglohn arbeitet und eilf lebendige Kinder hat — Man hattau -222Die Raͤuber,tauſend Louisdore geboten, wer den groſſen Raͤuber lebendig liefert — dem Mann kann geholfen werden.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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