Das Recht der Uebersetzung in die englische und französische Sprache hat sich der Verfasser und der Verleger vorbehalten.
Indem ich den Freunden der Ichthyologie in der vorliegenden Schrift die Resultate meiner seit einer Reihe von Jahren unausgesetzt an den mitteleuropäischen Süsswasserfischen gemachten Forschungen übergebe, bin ich mir wohl bewusst, dass ich kein vollendetes Werk zu Stande gebracht, sondern nur Beiträge zur Fischkunde geliefert habe.
Diese Beiträge sollten aber so viel als möglich durch eigene An - schauung gemachte Erfahrungen enthalten, weshalb ich mit der Ver - öffentlichung dieses Werkes so lange zögerte, bis ich mir durch Reisen die nöthige Belehrung an den verschiedenen Gewässern Mitteleuropa’s verschafft hatte. Ich habe diese Reisen im Jahre 1854 begonnen und dieselben nur in den ersten Jahren, während welcher ich meine ichthyologischen Forschungen meist auf die südbayrischen Gewässer beschränkte, auf Staatskosten unternommen. Bei meinen weiteren, auch auf die übrigen Gegenden der süd - und norddeutschen, sowie der schweizerischen Wassergebiete ausgedehnten ichthyologischen Untersuchungen wurde ich durch die Vorstände von Naturalien - Sammlungen, sowie durch Freunde der Fischkunde in der freund -IVVorwort.lichsten und zuvorkommendsten Weise unterstützt, so dass ich die Grenzen dieser Blätter überschreiten müsste, wollte ich diese Männer namentlich aufführen, denen ich theils für ihre mündlichen und brief - lichen Belehrungen, theils für ihre werthvollen Geschenke von ichthyo - logischen Objecten1)Sämmtliche von mir gesammelten oder durch Schenkung an mich gelangten Süss - wasserfische werden in dem hiesigen zoologischen Cabinete des Staates aufbewahrt. den grössten Dank schulde und hiermit aus - spreche.
Von ganz besonderer Wichtigkeit war mir eine auf amtlichem Wege zugewendete Unterstützung, die meine in Ostpreussen ange - stellten Fischstudien ausserordentlich erleichtert und gefördert hat, daher ich es nicht unterlassen kann, für dieselbe hier noch einmal meinen vollen Dank zu wiederholen. Der Oberpräsident der Provinz Preussen, Herr v. Eichmann, hatte nämlich im Interesse der Wis - senschaft den betreffenden Landrathsämtern und gleichzeitig den verschiedenen Oberfischmeistereien seines Regierungs-Departements dringlichst empfohlen, meine in der Provinz Preussen vorzunehmenden Fischstudien zu unterstützen. In Folge dessen2)Eine vom Königsberger Landraths-Amte (im Königsberger Kreisblatte Nr. 20. pag. 148) unterm 11ten August 1860 erlassene Bekanntmachung lautete: » Der Professor v. Siebold aus München, welcher der hier bevorstehenden Naturforscher-Versammlung beizuwohnen gedenkt, beabsichtigt von Ende dieses Monats ab während einiger Wochen sich mit Forschungen über die preussischen Fische in der hiesigen Provinz zu beschäftigen, im wissenschaftlichen Interesse werden die resp. Kreiseingesessenen ersucht, ihm, falls er den hiesigen Kreis besuchen sollte, bei seinen Studien eine entgegenkommende Unter - stützung gefälligst zu gewähren «. fand ich an den masurischen Seen, sowie an dem Frischen und Kurischen Haffe bei meiner Ankunft alles in einer Weise vorbereitet, dass ich mir in mög -VVorwort.lichst kurzer Zeit einen Ueberblick über die reiche Fischfauna dieser Gewässer verschaffen konnte, indem Herr Tolckemit zu Frauenburg, Oberfischmeister des Frischen Haffes, die Aufmerksamkeit gehabt hatte, mir durch eine Anzahl von Haff-Fischern die meisten Arten der Fisch - fauna des Frischen Haffes in lebenden Exemplaren vorlegen zu lassen, während Herr Parcienski, Bürgermeister von Nikolaiken die Fischer des Spirdingsees beauftragt hatte, von den Fischen dieses grössten ostpreussischen Binnensees eine reichliche Auswahl bei meiner Ankunft bereit zu halten. Herr Beerbohm auf Feilenhof, Oberfischmeister des Kurischen Haffs und zugleich ein wohl erprobter Seefahrer, stellte mir seine Jacht zur Disposition, durch welche es mir möglich wurde, auf sehr bequeme Weise jene Stelle des Memel-Ausflusses zu erreichen, an welcher seit lange ein grossartiger Lachsfang betrieben wird.
Ich darf wohl diese bei meinen in der Provinz Preussen ange - stellten ichthyologischen Untersuchungen mir zu Theil gewordenen Vortheile um so höher anschlagen, als es dem berühmten in Berlin lebenden Ichthyologen Bloch nicht einmal vergönnt war, sich einer gleichen von ihm für die Mark (Provinz) Brandenburg in Anspruch genommene Unterstützung seiner Fischstudien erfreuen zu dürfen, denn nachdem derselbe eine solche Unterstützung sich von dem Könige Friedrich II. erbeten hatte, wurde ihm folgender Bescheid des grossen Königs ertheilt1)Dieser königliche von Friedrich II. eigenhändig geschriebene Bescheid befindet sich noch heute in den Archiven zu Berlin aufbewahrt.: » Dass er sich mit den Fischen beschäftigt, ist mir lieb; was er von meinen Landräthen verlangt, ist dummes Zeug;VIVorwort.was vor Fische in der Mark sind, das weiss ich, es sind Karpfen, Zander, Barsche und Aale; will er etwa die Gräthen zählen? «
Schliesslich habe ich noch Herrn Professor Kner in Wien meinen Dank für die freundliche Bereitwilligkeit auszusprechen, mit welcher derselbe mir gestattete, aus seinem in Gemeinschaft mit Heckel heraus - gegebenen Fischwerke eine Auswahl von Holzschnitten für meine vorliegende Schrift zu benutzen.
München, den 20ten Juni 1863.
C. Th. E. v. Siebold.
Als ich vor acht Jahren durch ein höchstes Rescript vom 3ten Mai 1854 den ehrenvollen Auftrag erhielt, die südbayrischen Seen in ichthyologischer Beziehung zu untersuchen, übernahm ich diesen Auftrag mit grösster Freude und frohen Muthes, weil mir die Schwierigkeiten, welche mit dieser Arbeit verbunden waren, nur schwach entgegenschimmerten und ich mir zutraute, es würde mir, ausgerüstet mit gutem Willen, nicht schwer fallen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Aber je näher ich an die mir gestellte Auf - gabe herantrat, je mehr ich mich in diese ichthyologischen Untersuchungen vertiefte, um so schwieriger und zeitraubender trat mir die Lösung dieser Aufgabe entgegen, deren Breite und Umfang sich vor meinen Augen um so mehr erweiterte und ausdehnte, je mehr Mühe und Zeit ich daran setzte, die mir anvertraute Arbeit zu Ende zu bringen.
Sehr bald, nachdem ich die Arbeit begonnen, mussten die engen Gren - zen, in welchen nach dem Wortlaute der mir gestellten Aufgabe sich meine Untersuchungen bewegen sollten, erweitert werden, denn ich sah wohl ein, dass, wenn ich die südbayrischen Seen in ihrer ichthyologischen Beziehung untersuchen sollte, sowohl die Gewässer, welche sich in diese Seen ergiessen, als auch die Bäche und Flüsse, welche aus diesen Seen entspringen, nicht unberücksichtigt bleiben durften, da die sehr beweglichen Wasserbewohner theils zu ihrer eigenen Erhaltung, theils zu ihrer Fortpflanzung sehr häufig den Ort ihres Aufenthalts wechseln. Durch diese vielen Fischen eigenthüm - liche Wanderlust wird es den Ichthyologen ausserordentlich erschwert, die Lebensweise gewisser Fische in ihrer Vollständigkeit aufzufassen, abgesehen davon, dass es überhaupt für den Zoologen eine der schwierigsten Aufgaben ist, sich von dem Thun und Treiben der in der Tiefe des dem Beobachter unzugänglichen Wassers lebenden Fische einen vollständigen und ganz zuver - lässigen Begriff zu machen. Es bleibt dem Beobachter in dieser Beziehung oft nichts übrig, als aus dem Verhalten und Aussehen eines frisch gefangenenv. Siebold, Fische. 12Einleitung.Fisches über dessen Zustand vor seiner Gefangennehmung Schlüsse zu ziehen, wobei jedoch die grösste Vorsicht zu beobachten ist. Bei dem leichten Ab - sterben vieler dieser Thiere, bei der Vergänglichkeit ihrer Farbe und Zeich - nung, bei der ausserordentlichen Verletzbarkeit ihrer Hautorgane hält es oft sehr schwer, an vor längerer Zeit gefangenen und aus ihrem natürlichen Aufenthaltsorte entfernten Fischen sichere Studien zu machen. Wie viele Fische giebt es nicht, die stets in tiefster Tiefe verborgen leben, oder die nur zu gewissen Terminen im Jahre auf kurze Zeit an solche Localitäten sich begeben, wo sie durch die List der Menschen des Gewinnes oder des Ver - gnügens wegen, aus ihrem Elemente an das Tageslicht gezogen werden, ist es da nicht reiner Zufall, wenn solche der Beobachtung schwer zugäng - liche Thiere dem neugierigen und lernbegierigen Ichthyologen in die Hände gelangen?
Eine der Hauptaufgaben, die mir bei meinen ichthyologischen Unter - suchungen zunächst zur Lösung entgegentreten musste, war die Zusammen - stellung der in den südbayrischen Gewässern vorkommenden Fischarten. Aus den vorhin gegebenen wenigen Andeutungen wird man aber entnehmen können, dass da, wo es sich um die Feststellung einer Fischfauna handelt, dem Ichthyologen eine Menge Schwierigkeiten in den Weg treten, selbst wenn er nur auf ein Wassergebiet von geringem Umfange diese Feststellung be - schränken wollte; um wieviel wurden für mich diese Schwierigkeiten nicht vermehrt und vervielfältigt, da ich bald einsehen musste, dass vor Allem, wenn ich meinem Auftrage nur einigermassen genügen wollte, das Wasser - gebiet der oberen Donau im weitesten Umfange zu erforschen und dabei fest - zustellen war, welche Fischarten in den südbayrischen Seen und in den mit denselben zusammenhängenden Gewässern einen bleibenden oder zeitweisen Wohnsitz haben, bei welchen Untersuchungen ich denn solche Fische nicht unberücksichtigt lassen durfte, die als vorüberziehende Wanderer zu bestimm - ten Zeiten die Gewässer der oberen Donau beleben, oder die nur ab und zu in unbestimmten Zeit-Zwischenräumen durch Verirrung in diese Gewässer gelangen. Indem aber die südbayrischen Seen nur den mittlern Theil einer von Westen nach Osten sich weithin ausbreitenden Kette von Alpenseen aus - machen, so durfte ich weder die Schweizer-Seen noch die Seen des Gebiets von Salzburg und Ober-Oestreich ganz ausser Acht lassen, wobei sich mancherlei Uebereinstimmungen und Unterschiede in Bezug auf das Vor - kommen gewisser Fische in diesen Seen herausstellten und zugleich viele Be - lehrungen über die Feststellung von Arten und Varietäten gewonnen wurden. Da ich ferner auch den Bodensee als südbayrischen See mit in das Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen hatte, und auch das mittlere Rheingebiet des Neckars und des Mains wegen nicht unbeachtet lassen durfte, indem deren Nebenflüsse an den Nebenflüssen der oberen Donau so nahe vorbeistreifen, so3Einleitung.erhielt das Gebiet meiner Untersuchungen einen noch breiteren Umfang. Ich hatte aber die Erweiterung der Grenzen meiner Aufgabe, welche auf diese Weise nahezu das ganze Wassergebiet von Mittel-Europa umfasste, um so weniger zu bereuen, weil gerade die Vergleichung der Fischfauna der beiden so nahe ineinandergreifenden Flussgebiete, nämlich der oberen Donau und des Mittelrheins höchst merkwürdige und für die geographische Verbreitung und Abgrenzung gewisser Fischarten sehr interessante Thatsachen lieferte.
Bei aller Mühe, die ich mir gegeben hatte, konnte ich aber lange Zeit über manche Bedenklichkeiten nicht hinwegkommen, die mir bei der Be - stimmung gewisser theils neu aufgefundener, theils bisher übersehener Fisch - formen entgegentraten; erst nachdem ich meine Studien auch auf die Fisch - fauna der noch übrigen nach Norden gerichteten Flusssysteme Deutschlands ausgedehnt hatte, war es möglich geworden, alle diese Schwierigkeiten zu überwinden. Auf diese Weise wurde ich zugleich in den Stand gesetzt, nicht bloss über die Fischfauna des Donau - und Rheingebiets, sondern auch über die Fischfauna des Weser -, Elbe -, Oder -, Weichsel - und Pregel-Gebiets aus selbst gesammelten Erfahrungen und aus eigener Anschauung Rechenschaft zu geben.
Um über das Vorkommen der Fische in den verschiedenen mitteleuro - päischen Strom - und Wasser-Gebieten, sowie über deren Leben sichere Auskunft und zuverlässige Nachrichten zu erlangen, habe ich verschiedene Methoden anwenden und mannichfaltige Mittel benutzen müssen.
Zuerst zog ich die früheren auf die Fischfauna der verschiedenen deut - schen Wassergebiete sich beziehenden literarischen Arbeiten zu Rathe, jedoch musste ich hierbei in jeder Hinsicht die grösste Vorsicht und die sorg - fältigste Kritik beobachten, da früher die Artunterschiede der Süsswasser - fische noch nicht scharf erkannt worden waren, und die in den älteren fauni - stischen Arbeiten aufgeführten Fischarten daher schwer auf die gegenwärtig festgestellten Species zurückzuführen waren. Diese Schwierigkeiten wurden zwar später von Bloch durch seine nach den Vorbildern Artedi’s und Linné’s bearbeiteten systematischen Beschreibungen der Fische Deutschlands beseitigt aber bald durch neue Schwierigkeiten ersetzt, indem sehr viele Faunisten es sich in der Weise bequem machten, dass sie mit Ignorirung der oft sehr eigen - thümlichen und interessanten Volksnamen der Fische und mit Uebergehung anderer wichtiger, die Fische betreffender Localnotizen nur Bloch’s Nomen - clatur und Beschreibung wiederholten. Dieser ganz allgemein gewordene Missbrauch ist die Veranlassung geworden, dass manche neuere süddeutsche Faunen, in denen die Fische ohne genauere Beschreibung mit Bloch’s nord - deutschen Bezeichnungen aufgeführt werden, sich zu einer wissenschaftlichen Benutzung als ganz werthlos herausstellen.
Ausser der vorhandenen aber vielfach zerstreuten die deutschen Fisch - faunen betreffenden Literatur waren mir die verschiedenen Landes-Verord -1*4Einleitung.nungen und Polizei-Gesetze, welche sich auf Fischfang und Fischverkauf bezogen, von grossem Werthe, indem in denselben vielfach die Fische der - jenigen Gewässer, für welche jene Fischerei-Verordnungen bestimmt waren, theils namhaft gemacht, theils sogar abgebildet wurden. Freilich war es auch hierbei nicht immer leicht, aus den Volksnamen jedesmal die betreffenden Fischarten herauszuerkennen, indem die Fische oft mit ganz veralteten und längst vergessenen Namen in jenen Verordnungen bezeichnet sind, wobei die Deutung der erwähnten Fische dadurch noch mehr erschwert wird, dass manche Fischspecies je nach dem jüngeren und höheren Alter und je nach der verschiedenen Jahreszeit, in welcher sie gefangen, ganz verschiedene Namen führt. Uebrigens muss ich hier bemerken, dass bei allen dem auf die ver - schiedenen Volksnamen der Fische ein sehr grosser Werth zu legen, indem dergleichen Namen sehr oft über Alter, Lebensweise, Gewohnheiten, Aufent - halt, Nahrung und Fortpflanzung der Fische dem Ichthyologen höchst will - kommene Aufschlüsse geben können.
Eine andere Gelegenheit, durch die ich über die Verbreitung der Fische in Deutschland mancherlei Erfahrungen sammelte, bot mir der fleissige Besuch der in den verschiedenen Städten regelmässig stattfindenden Fischmärkte. Leider fand ich aber oft wider Erwarten eine solche geringe Auswahl von Fisch-Waaren, dass mir in vielen Gegenden des Landes die Armuth an diesen Nahrungsmitteln nur zu klar entgegentrat, was einen um so peinlicheren Ein - druck machte, als in manchen der von mir besuchten Städte die Existenz von Fischerzünften, das Vorhandensein eines sogenannten Fischmarkt-Platzes und Fischbrunnens darauf hinwies, dass in vergangenen Zeiten die Fische als regelmässiges Nahrungsmittel der Städtebewohner eine Rolle spielten.
Eine grosse Erleichterung für meine ichthyologischen Untersuchungen gewährte mir indessen die Stadt München, welche einen ausserordentlich reich und mannichfaltig ausgestatteten Fischmarkt aufzuweisen hat, dessen Fischreichthum schon Agassiz vor dreissig Jahren zu seinen ersten ichthyolo - gischen Studien angereizt hat. Dem seit 1854 zu allen Jahreszeiten von mir vielfach wiederholten Besuche des hiesigen Fischmarktes verdanke ich eine Menge interessanter Aufschlüsse über Färbung, Laichzeit, Vorkommen und Verbreitung der Fische. Freilich musste ich die Angaben der Fischverkäufer über den Fundort der Fische oft mit Misstrauen aufnehmen, da sie theils als blosse Zwischenhändler über meine Fragen nicht die gehörige Antwort geben konnten, theils als Begünstiger von Fischdiebereien auch die richtige Aus - kunft nicht ertheilen wollten.
Da durch die Eisenbahnen auch für den Fischhandel die Verkehrswege erweitert und erleichtert sind, so muss sich der einen grösseren Fischmarkt besuchende Ichthyologe mit besonderer Vorsicht und Gewissenhaftigkeit aus - rüsten, um sich nicht Verwechslungen und Missgriffe bei der Feststellung der5Einleitung.Fundorte mancher zum Verkauf ausgebotener Fische zu Schulden kommen zu lassen. Obgleich auf dem hiesigen Fischmarkte meist Producte der Isar, der Donau, des Lech und ihrer Nebenflüsse sowie der bayrischen Seen feil gebo - ten werden, kommen doch auch hier Fische aus ganz anderen und weitent - fernten Wassergebieten zum Verkauf, nämlich verschiedene Bodensee-Fische, Teichfische von Mittelfranken, Schwaben, von der Oberpfalz und von Böhmen, Lachsarten vom Niederrhein und der Elbe, und seit der Eröffnung der Wiener - Salzburger-Eisenbahn auch Bewohner verschiedener östreichischer Seen.
Für die Fischfauna des Donau-Gebietes lieferten mir ausser München die Fischmärkte von Ulm, Regensburg, Passau, Linz und Wien ebenfalls noch wichtige Beiträge; in Bezug auf die Fischfauna des Rhein-Gebiets verdanke ich dem Besuche der Fischmärkte von Basel, Freiburg, Strassburg, Speyer und Mainz, sowie der Fischmärkte von Heidelberg, Mannheim, Nürnberg, Bamberg, Würzburg und Frankfurt verschiedene Erfahrungen. Die Fisch - fauna des Weser-Gebietes lernte ich zum Theil durch die Vorräthe der Fischer in Meiningen, Eisenach, Cassel, Münden und Göttingen kennen. Eine fast vollständige Uebersicht der Fischfauna des Elbe-Gebiets verschaffte ich mir in Prag, Dresden, Magdeburg und Hamburg, ferner in Wunsiedel, Leipzig, Hof, Naumburg, Halle und Berlin. Die Fische des Oder-Gebiets lernte ich auf den Fischmärkten von Breslau, Stettin und Swinemünde kennen. Eine Uebersicht der Fische des Weichsel-Gebietes verschaffte ich mir auf den Fisch - märkten von Danzig, Elbing und Thorn; die Fische des Pregel-Gebietes lernte ich in Königsberg und Heilsberg kennen. Zur Erkenntniss der Bodensee-Fische benutzte ich einen mehrmaligen Besuch der an diesem fischreichen See gele - genen Städte und Ortschaften Lindau, Bregenz, Constanz, Ueberlingen und Langenargen, ebenso versäumte ich es nicht bei meinen Excursionen an den verschiedenen bayrischen und östreichischen Alpenseen die Vorräthe der an - wohnenden Seefischer zu mustern. In Bezug auf die zwischen Pregel und Weichsel sich ausbreitenden zahlreichen Landseen mit dem weitausgedehnten Mauer - und Spirdingsee bot sich mir an Ort und Stelle die glückliche Ge - legenheit dar, sämmtliche Fische dieser Gewässer im frischen und lebendigen Zustande kennen zu lernen, ebenso hatte ich die Freude, in Memel, Russ und Tilsit den grössten Theil der Fische des kurischen Haffs und der Memel zur Hand zu bekommen, sowie in Braunsberg, Frauenburg und Tolkemit fast sämmtliche Fische des frischen Haffs und der Passarge einsammeln zu können.
Als ein sehr wichtiges Hülfsmittel, um über die Verbreitung der Süss - wasserfische in den verschiedenen Wassergebieten von Mitteleuropa Auskunft zu erhalten, haben mir die Sammlungen einheimischer Fische gedient, welche in öffentlichen und privaten naturwissenschaftlichen Cabineten aufbewahrt werden. Ich versäumte es daher niemals auf meinen Reisen, Naturalien - sammlungen aufzusuchen und deren ichthyologischen Abtheilungen eine ganz6Einleitung.besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Auf diese Weise bin ich mit dem grössten Theile der ichthyologischen Sammlungen von Mitteleuropa durch eigene Anschauung bekannt und auf Dinge aufmerksam geworden, die mir ohne dieses Hülfsmittel ganz entgangen wären. Namentlich war die mit eigenen Händen vorgenommene Revision so vieler Fischsammlungen haupt - sächlich dazu förderlich, mich durch die heillose Namensverwechslung und Verwirrung, welche bei der Bezeichnung der meisten bei uns einheimischen und allergewöhnlichsten Fische bis auf die neueste Zeit immer wieder zu Tage kömmt, zurecht zu finden. Wie ich die Gelegenheit auf meinen Reisen be - nutzt habe, mich mit den verschiedenen Ortsfaunen bekannt zu machen, mag aus folgender Uebersicht der von mir in Bezug auf inländische Fische durch - musterten grösseren und kleineren Naturalien-Sammlungen hervorgehen.
Durchmustert wurden von mir das königl. Naturalien-Cabinet in Dresden und Stuttgart, die grossherzogl. Naturalien-Cabinete in Carlsruhe, Mannheim und Darmstadt sowie das herzogl. Naturalien-Cabinet in Meiningen und Wies - baden, ferner die zoologischen Museen der Universitäten von Basel, Breslau, Erlangen, Freiburg, Greifswald, Halle, Heidelberg, Königsberg, Leipzig, Prag, Strassburg, Tübingen, Wien, Würzburg und Zürich, die vaterländi - schen Museen zu Bamberg, Frankfurt a / M, Hamburg, Innsbruck, Linz, Prag und Salzburg, das zoologische Cabinet der Forstakademien in Aschaffenburg und Tharand, die Naturalien-Sammlungen der naturforschenden Gesell - schaften in Augsburg, Danzig, St. Gallen, Mainz, Regensburg, Stuttgart und Schaffhausen, die Naturalien-Sammlungen der Lyceen, Gymnasien und Ge - werbschulen zu Braunschweig, Constanz, Hof, Kremsmünster, Landshut, Passau, Regensburg, Salzburg und Speyer und endlich die Privat-Sammlung der Herrn Naturforscher Sturm in Nürnberg sowie der Herrn Apotheker Leube in Ulm und Mack in Reichenhall.
Von grosser Wichtigkeit und zur ganz besonderen Förderung meines Zweckes diente mir die Erlaubniss, die ichthyologischen Sammlungen der Berliner und Wiener Staats-Cabinete einer genaueren Revision unterwerfen zu dürfen, es war dies für meine Studien ein fast unentbehrliches Erforderniss, da in dem Berliner zoologischen Museum die Typen jener Fischsammlung auf - bewahrt werden, nach welchen Bloch die Beschreibungen und Abbildungen der Fische Deutschlands gemacht hatte, während das Wiener zoologische Staats-Cabinet alle Typen jener zahlreichen neuen Fischarten enthält, mit welchen Heckel die mitteleuropäische Fauna bereichert hatte. Ich darf es hier nicht unerwähnt lassen, dass mir auch das Münchner zoologische Staats - Cabinet, obgleich ich die ichthyologische Abtheilung dieser Sammlung ziem - lich arm an inländischen Fischen angetroffen habe, über gewisse von Agassiz neu aufgestellte Fischspecies einigen Aufschluss geben konnte. Der grösste Theil der von Agassiz herrührenden neuen mitteleuropäischen Fische wurde7Einleitung.dem Naturalien-Cabinete in Neuenburg einverleibt, welche Sammlung ich bis jetzt nicht durch eigene Anschauung kennen lernen konnte, um so mehr bin ich der Liberalität des Vorstandes jenes Cabinets zu Dank verpflichtet, dass sie mich in den Stand setzte, die von Agassiz gesammelten Originale jener neuen Fischspecies durch Zusendung in den Bereich meiner Untersuchun - gen ziehen zu können. Einen gleichen Vortheil verdanke ich der Güte des Herrn Selys-Longchamps in Lüttich, welcher mir durch Zusendung verschie - dener von diesem unermüdlichen Forscher gesammelter interessanter Gegen - stände einen Theil der niederrheinischen Fischfauna zur näheren Untersuchung erlaubte.
Eine Lücke, die ich bei meinen ichthyologischen Reisen offen gelassen habe, wurde dadurch ausgefüllt, dass ich sämmtliche Weserfische auf Veran - lassung des Herrn Dr. Focke zu Bremen sowie verschiedene Fische der schleswig-holsteinischen Seen durch Herrn Prof. Behn zu Kiel in frischen Weingeistexemplaren zugesendet erhielt.
Da die zoologische Wissenschaft es den ersten Systematikern schuldig ist, auch ihre Bemühungen und die Verdienste um die Ichthyologie zu achten und gehörig zu würdigen, musste mir viel daran gelegen sein, die ältesten syste - matischen Namen, welche Artedi und Linné den Fischen zuerst gegeben hatte, so weit als möglich festzuhalten; bekanntlich ist aber die richtige Deu - tung der von diesen älteren Zoologen sehr unvollständig beschriebenen Fisch - species mit vielen Schwierigkeiten verbunden, welche ich zum Theil dadurch habe überwinden können, dass Herr Sundevall in Stockholm die Gefälligkeit hatte, mir verschiedene schwer zu bestimmende schwedische Fische mit den richtigen Linné’schen Namen zukommen zu lassen.
Ich war besonders darauf bedacht gewesen, aus den verschiedenen Fluss - gebieten von Mitteleuropa die einzelnen Glieder ihrer Fischfauna möglichst zahlreich zu sammeln und unter einander zu vergleichen, weil ich hierdurch allein hoffen konnte, mich in dem von den neueren Ichthyologen angehäuften Gewirre nahe verwandter Arten zurechtzufinden und darüber klar zu werden, was davon wirklich als Arten festzuhalten oder nur als Rassen-Verschieden - heiten zu betrachten sei. Diese Bestrebungen mussten mich auf eine Ver - gleichung der mitteleuropäischen Süsswasserfische mit der südeuropäischen Fischfauna führen, insofern die Fischfauna des Rhein - und Donau-Gebiets mit der transalpinischen Fischfauna durch die Alpengewässer einander sehr nahe treten. Ein deshalb von mir wiederholter Besuch in Brixen, Botzen, Meran und Mals bot manchen interessanten Aufschluss über die Beschaffenheit der Bewohner der Etsch-Gewässer; auch erhielt ich ferner durch Fischsendungen der Herrn Pirona aus Udine, Jan aus Mailand und de Filippi aus Turin sehr erwünschte Beiträge zur Erkenntniss der Fischfaunen anderer transalpini - scher Gewässer. Die Untersuchung frischgefangener Exemplare der meisten8Einleitung.Fischspecies, welche den Genfersee bewohnen, wurde mir durch die Auf - merksamkeit des Leibarztes Herrn v. Schleiss gewährt, während ich eine Er - gänzung dieser Fischfauna des Rhone-Gebiets durch Zusendung zahlreicher Süsswasserfische den Herrn Coinde in Lyon und Gervais in Montpellier zu ver - danken hatte.
Auch die hier und dort in Lustschlössern, Rathhäusern oder an andern öffentlichen Orten zur Schau aufgehängten und meist mit Inschriften versehe - nen Gemälde, Zeichnungen oder in Holz geschnitzten Porträts von Fischen, die ihrer Grösse oder Seltenheit wegen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, gaben mir manche Gelegenheit, über Verbreitung, Alter und Wachs - thum gewisser einheimischer Fische Notizen zu sammeln. Ein merkwürdiges von J. M. Füessli 1709 gefertigtes und im Rathhause zu Zürich aufgehängtes Oel - gemälde kann ich hier nicht unerwähnt lassen, da dasselbe zur Belehrung der Beschauer alle Fischarten des Zürichersee’s und der Limmat in brittelmässiger Grösse1)Das Brittelmaass schreibt die Grösse der Maschen für die verschiedenen Netze vor und bestimmt somit die vorschriftsmässige Grösse, unter welcher die verschiedenen Fisch - arten nicht gefangen werden sollen. Durch solche Brittelmaasse, welche aus gestempelten Brettchen bestanden, wurde in den älteren Fischerei-Ordnungen die Maschenweite der grossen und kleinen Netze festgesetzt, indem sie als die Modelle für jene Brettchen galten, mit wel - chen die Fischer ihr verschiedenes Fischzeug strickten. Vergl. H. Peetz: Die Fischwaid in den bayerischen Seen. München, 1862. pag. 9, 22, 56 u. 62. mit Angabe ihrer Volksnamen und ihrer Schonzeit darstellt.
Ferner liess ich auf meinen Reisen und ichthyologischen Excursionen nie - mals die Gelegenheit vorübergehen, da, wo es die Verhältnisse irgend erlaub - ten, unter meinen Augen fischen zu lassen oder den Fischern bei ihren Ge - schäften Gesellschaft zu leisten, wobei ich stets bedacht war, mich mit den Fischern theils in ihrer Behausung, theils draussen bei ihrer Arbeit zu unter - halten und von ihnen Erkundigungen einzuziehen über den Fischfang, über das Leben der in ihrem Bereiche vorkommenden Fische, wobei ich allmählich Uebung erlangt hatte, aus solchen Mittheilungen das zu unterscheiden, was die Erzählenden wirklich mit Augen beobachtet, und was dieselben nur als Tradition anzugeben wussten. Bei diesen Nachforschungen war es aber oft schwierig, sich gegenseitig über diese oder jene bestimmte Fischart zu ver - ständigen, da die Volksnamen der bekanntesten und gemeinsten Fische auf die verschiedenste Weise von den Fischern selbst verwechselt und durcheinander gemengt werden.
Da auch in Süddeutschland seit längerer Zeit die Angelkunst viele Freunde gefunden hat, so suchte ich die Erfahrungen der Angler ebenfalls für meine Zwecke zu verwerthen, freilich konnte ich es mir auch hier nicht immer klar machen, auf welchen Fisch sich diese oder jene interessante Mittheilung bezog, weil die Angelfreunde in der Regel die Fische auch nur mit unzuverlässigen Trivialnamen zu benennen wussten.
9Einleitung.Nachdem ich mich auf die angegebene Weise mit Material und Erfahrun - gen ausgerüstet hatte und damit nun im Stande zu sein glaubte, eine mög - lichst vollständige Zusammenstellung der mitteleuropäischen Fische vornehmen zu können, fiel es mir auf, dass ich um vieles weniger Fischarten aufzuzählen hatte, als frühere Bearbeiter desselben Gegenstandes. Ich musste mir sagen, dass ich durch mein achtjähriges den Süsswasserfischen unausgesetzt gewid - metes Studium die mitteleuropäische Fauna kaum um eine Art bereichert, sondern im Gegentheil um viele Arten ärmer gemacht habe. Da ich bei meinem Verfahren eine Menge Arten, welche von Agassiz, Valenciennes, Bonaparte, Heckel und anderen anerkannten Ichthyologen aufgestellt worden waren, habe eingehen lassen, so bin ich es der Wissenschaft und mir schuldig, über diese Verminderung und Einschmelzung von Arten Rechenschaft abzulegen. Zwar habe ich es bei der Besprechung der einzelnen Fischspecies nie versäumt, meine speciellen Gründe anzugeben, die mich veranlasst haben, diese und jene Art als unhaltbar fallen zu lassen, indessen halte ich es dennoch für ange - messen, auch die allgemeinen Principien hier hervorzuheben, nach denen ich die Artberechtigung der verschiedenen Fischformen abschätzte.
Dass die Handhabung dieser Principien als Resultat meiner Untersuchun - gen eine so auffallende Verminderung der Arten zur Folge hatte, konnte mich nicht irre machen. Durch das bisher befolgte und bereits sehr ausgeartete Bestreben vieler Zoologen, der Wissenschaft durch Aufsuchen und Aufstellen neuer Thierarten Dienste leisten zu wollen, ist das Thiersystem sowie der Thierkatalog mit einer Unzahl sogenannter schlechter Arten wahrhaft über - bürdet worden. Auch das ichthyologische Arten-Verzeichniss, namentlich das Verzeichniss unserer Süsswasserfische strotzt von unhaltbaren Fischspecies. Einen Theil der Schuld an diesen Missbräuchen trugen die Systematiker, welche die Vermehrung der Gattungen so sehr übertrieben und dabei die Gattungs - charaktere so wenig scharf abgegrenzt haben, dass als Folge solcher ungenü - gender Untersuchungen Fische, welche von jedem Unbefangenen als zu einer und derselben Art gerechnet werden müssen, den unnatürlichen Systemen zu Liebe nicht bloss als zwei Arten auseinandergerissen, sondern sogar in zwei verschiedene Gattungen eingereiht werden mussten1)Ich berufe mich hier unter anderm auf die beiden von Valenciennes aufgestellten Gattungen Salar und Fario, sowie auf die durch Heckel von Leuciscus abgetrennte Gattung Leucos, deren Unhaltbarkeit ich weiter unten nachweisen werde..
Einen andern Theil der Schuld, durch welche das Verkennen der Arten herbeigeführt wurde, ist der Methode zuzuschreiben, mit welcher überhaupt das ganze Studium der Ichthyologie bisher betrieben wurde. Man beschränkte sich meistens darauf, die Fische aus Weingeistexemplaren kennen zu lernen, wobei man sich oft mit einigen verfärbten und eingeschrumpften Exem - plaren begnügte, um darauf die Aufstellung einer ganz neuen Art zu gründen. 10Einleitung.Durch den Fleiss und die Anstrengungen tüchtiger Ichthyotomen haben wir viele höchst interessante Aufschlüsse über den innern Bau, namentlich über die feinere Structur der Organe der Fische erhalten, ohne dass dies auf die Sichtung der Arten einen wesentlichen Einfluss ausgeübt hätte. Ein grosser Fehler wurde darin begangen, dass man die Lebensgeschichte der Fische, und vor Allem ihre Fortpflanzungs - und Entwicklungs-Geschichte so lange ausser Acht gelassen hat. Würde man darauf bedacht gewesen sein, unsere Süsswas - serfische in ihren verschiedenen Lebensverhältnissen zu verfolgen und sie wäh - rend und ausser der Laichzeit so viel als möglich zu beobachten, man würde in Bezug auf ihre Artunterscheidung eine Menge früher begangener Fehler er - kannt, und denselben eine Menge neuer Fehler hinzuzufügen vermieden haben.
Die neueren Ichthyologen haben zur Feststellung von Arten ein viel zu grosses Gewicht auf gewisse Abweichungen in den äusseren Umrissen der Fische gelegt, man hat Abweichungen in den Längen - und Höhen-Verhält - nissen des ganzen Leibes, Abänderungen in den Grössen-Verhältnissen der einzelnen Körper-Abschnitte zu einander oft ganz allein für hinreichend be - funden, um neue Arten darin zu erblicken. Eine längere Körperstreckung, ein etwas mehr gewölbter Vorderrücken, ein etwas mehr steil aufsteigender Unterkiefer, und ein grösserer Durchmesser der Augen genügten manchen Ichthyologen schon als Charakter ihrer neuen Arten. Für dergleichen unsichere Arten hielt ich es nothwendig eine Probe anzustellen, die mich die Unhaltbar - keit dieser Arten sehr bestimmt erkennen liess. Ich suchte mir nämlich von solchen in neue Arten zersplitterten Fischspecies möglichst viele Individuen zu verschaffen; ich konnte bei einer Vergleichung derselben fast immer die mannichfaltigsten Uebergänge von den niedrigen und gestreckten zu den hoch - rückigen und kurzleibigen Formen herausfinden, auch traf ich unter ihnen in Bezug auf die Profil-Verhältnisse des Kopfes sehr häufig Abweichungen und Uebergänge der verschiedensten Art an, wobei ich mich überzeugte, dass manche Fischspecies weniger, manche dagegen ausserordentlich häufig zu einem Variiren der äusseren Umrisse hinneigen. In gewissen extremen For - men dieser Varietäten konnte ich alsdann häufig jene Charaktere erkennen, welche zur Aufstellung von unhaltbaren Species Veranlassung gegeben haben. Solche extreme und etwas auffallender geformte Varietäten, welche wahr - scheinlich gewissen durch Veränderungen des Wassers, der Nahrung oder des Aufenthaltsortes bedingten äusseren Einflüssen ihre Entstehung verdanken, können in manchen Gewässern bei grösserer Ausdehnung solcher Einflüsse, permanent wiederkehren und sich so allgemein verbreiten, dass sie als beson - dere Rassen-Bildungen betrachtet werden müssen, nicht aber als eigenthüm - liche Species aufgefasst werden dürfen1)Als einen solchen die mannichfaltigsten Varietäten und Rassen bildenden Süsswasser - fisch führe ich beispielsweise den Sqalius Leuciscus (Cyprinus Leuciscus des Linné) an, der.
11Einleitung.Ich kann daher den Werth, welchen Heckel auf die mathematisch scharfe Bestimmung der Formumrisse der Cyprinen legt, nicht so hoch anschlagen und glaube nicht, dass die von Heckel zur mathematischen Bestimmung des Fischprofils ausgedachten Instrumente geeignet sind, die natürlichen Grenzen der Arten uns erkennen zu lassen. Wir werden diese Instrumente1)Ich verweise hier auf den Anhang zu Heckel’s Fische aus Caschmir (Wien, 1838), welcher die Beschreibung und Abbildung zweier Instrumente zur mathematischen Be - stimmung der Fisch-Profile enthält. daher nur zur Herstellung von möglichst genauen Fischzeichnungen benutzen können, obgleich man diese für die Zeichner allerdings sehr schwierig zu lösende Auf - gabe auch mit einfacheren, weniger kostspieligen Hülfsmitteln2)Einen solchen vereinfachten Ichthyometer hat B. v. Dybowski in seinem Versuch einer Monographie der Cyprinoiden Livlands (Dorpat, 1862) auf pag. VII. beschrieben. lösen kann.
Als Veranlassungen, durch welche die Dimensionsverhältnisse der ver - schiedenen Körper-Abschnitte des Fischleibes bei einer und derselben Fisch - species Abweichungen erleiden können3)Man vergleiche in dieser Beziehung noch Czernay’s Beobachtungen über das Va - riiren der Artkennzeichen der Süsswasserfische in der Umgegend von Charkow (in dem Bulletin de la société imp. des Naturalistes de Moscou 1857. pag. 227.)., sind vorhin schon zum Theil die veränderten Einflüsse des Wassers, der Nahrung und des Aufenthaltsortes kurz angedeutet worden; es finden aber diese Abweichungen und Veränderungen der Dimensionsverhältnisse oft in so auffallendem Grade statt, dass sie schon manchen Ichthyologen zum Verkennen von Arten verleitet haben. Ich kann es daher nicht unterlassen, über diese Verhältnisse noch folgendes hinzuzufügen.
Mit Recht hat schon Baer4)Vergl. dessen Bericht über einige ichthyologische Nebenbeschäftigungen auf der Reise an den Peipus, im Bulletin de la Classe phys. mathém. de l’Académie imp. des scien - ces de St. Pétersbourg. Tom. IX. 1851. pag. 360. darauf aufmerksam gemacht, dass junge Fische derselben Art andere Dimensions-Verhältnisse bieten als die älteren Individuen derselben Art und dass besonders der Theil des Kopfes, welcher vor dem Auge liegt, sehr veränderlich ist. Diese Verschiedenheiten des Profils älterer und jüngerer Individuen einer und derselben Fischspecies sind häufig die Ver - anlassung, dass die Fischer und Angler verschiedene Alters-Zustände gewisser Fischarten mit besonderen Volksnamen bezeichnen. Solche junge Fische sind1)mit stumpfschnauzigem Profil im Rhein, in der Elbe und allen übrigen nach Norden fliessen - den Gewässern Mitteleuropas allgemein verbreitet erscheint. Dieser Squalius tritt in den Schweizer-Seen mit einer ganz besonders stumpfen Schnauze auf und hat Agassiz veranlasst, diese Form als besondere Art unter dem Namen Squalius rodens bekannt werden zu lassen, während derselbe Fisch mit weniger abgestumpfter Schnauze, wie er sich in der Donau vorfindet, von Heckel als Squalius lepusculus ebenfalls zu einer besonderen Art erhoben wurde. Ich kann versichern, dass ich unter einer grösseren Zahl von Squalius lepusculus des Donau-Gebiets stets einzelne abweichende Formen herausfand, die sich als Sq. rodens oder Sq. Leuciscus deuten liessen, und dass ich umgekehrt unter vielen Individuen des Squalius Leuciscus des Rhein-Gebiets einzelne dem Sq. lepusculus entsprechende Formen unterschei - den konnte.12Einleitung.auch hier und da von Ichthyologen verkannt und als eigenthümliche Arten in das Fischsystem eingeführt worden.
Eine sehr reichliche Nahrung trägt häufig dazu bei, das Profil von Fischen dahin zu verändern, dass der Körper stärker ins Fleisch wächst, wodurch der Rücken solcher wohlgenährten Fische sich dicht hinter dem unnachgiebigen Hinterkopf plötzlich erhebt und der ganze Kopf wie abgeschnürt und ver - kleinert erscheint1)Von Heckel wurde ein solcher fleischrückiger Squalius Leuciscus als Sq. rostratus und ein eben solcher hinter dem Kopfe angeschwollener Alburnus lucidus als A. breviceps be - schrieben und abgebildet. S. dessen: Süsswasserfische der östreich. Monarchie pag. 192 u. 134..
Durch den Mangel passender Nahrungsmittel wird ein entgegengesetztes Verhältniss erzeugt, indem ein schlecht ernährter Fisch weniger Fleisch an - setzt und scheinbar stärker an Knochen zunimmt. Der Kopf solcher Fische sticht durch seine Grösse gegen den schmächtigen schlanken Leib auffallend ab und kann bei sehr starker Abmagerung des Leibes sogar zu einer missge - stalteten Form des ganzen Körpers Veranlassung geben, an welcher besonders eine gewisse Grossäugigkeit sich bemerkbar macht2)Ein Beispiel einer solchen wahrscheinlich wegen Mangel an gehöriger Nahrung ver - kümmerten Form des Scardinius erythrophthalmus bietet Heckel’s Sc. macrophthalmus dar (vergl. dessen Süsswasserfische der östreich. Monarch. pag. 160. Fig. 85.). Solche soge - nannte Kümmerer können zuweilen durch das Missverhältniss ihres dicken knochigen Kopfes im Vergleich zu dem übrigen abgemagerten Körper eine so auffallend veränderte Leibesform erhalten, dass sie vom Volke mit besonderen Spottnamen bezeichnet werden. Eine solche krankhaft veränderte Forellenform, welche man in Oberöstreich mit dem Na - men » Abenteuer « zu belegen pflegt, wurde von Heckel sehr gut dargestellt (s. dessen Reise - bericht, Anhang II, in den Sitzungsberichten der mathemat. naturwissensch. Classe der k. Akademie der Wissenschaften Bd. VIII. Wien 1851. pag. 356. Taf. IV.). Aehnlich abenteuerlich geformte Kümmerer des Squalius Dobula werden im Salzburgischen » Serben « genannt (vergl. Heckel und Kner: Süsswasserfische, pag. 183.)..
Einen sehr merklichen Einfluss auf die Profil-Veränderungen der Fische übt die Laichzeit aus, indem alle Fische kurz vor dem Beginn des Fort - pflanzungsgeschäftes immer sehr wohl genährt und fett erscheinen, wodurch ihr Höhendurchmesser im Verhältniss zu dem Längendurchmesser ein ganz anderes Maass erhält, als nach vollendetem Laichgeschäfte, nach welchem solche Fische statt eines gewölbten Rückens und gedrungenen Körpers oft einen geradrückigen und langstreckigen Leib erhalten. Dergleichen ausge - laichte Fische mit ihrem ganz auffallend verändertem Aussehen haben schon oft meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wurden aber nach genauerer Be - sichtigung als alte Bekannte von mir wieder aus der Hand gelegt. Die Fischer haben für manche im brünstigen und ausgelaichten Zustande so sehr verschie - den aussehende Fische sogar ganz besondere Volksnamen.
Eine bisher gänzlich übersehene Erscheinung, welche viel dazu beige - tragen hat, die Art-Unterscheidung bei mehreren unserer Süsswasserfische13Einleitung.zu erschweren, ist die Existenz von Fischen, welche ihr ganzes Leben hin - durch steril bleiben; solche Fische wachsen mit ganz anderen Profilverhält - nissen aus und weichen in ihrem ganzen Habitus von gleichgrossen fortpflan - zungsfähigen Individuen derselben Art oft höchst auffallend ab. Ich habe auf diese Sterilität der Fische in der zoologischen Section während der zu Königsberg abgehaltenen Naturforscher-Versammlung aufmerksam gemacht1)Vergl. den amtlichen Bericht über die 35te Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Königsberg im September 1860. pag. 75., und nachgewiesen, dass solche sterile Formen als besondere Fisch-Species aufgeführt worden sind. Unter welchen Einflüssen Fische zu sterilen Formen sich entwickeln und heranwachsen, ist mir bis jetzt unbekannt geblieben. Die sterilen Individuen einer Fischspecies verrathen sich zur Laichzeit besonders leicht; vergleicht man um diese Zeit sterile Individuen mit fruchtbaren Indi - viduen gleicher Grösse und gleichen Alters, so wird der Contrast zwischen den verschiedenen Entwicklungszuständen ihrer Ovarien und Hoden auf den ersten Blick in die Augen springen, wobei dann an den sterilen Formen, na - mentlich an den männlichen Individuen derselben auch die übrigen Kennzei - chen der erwachten Brunst, nämlich die dunkleren und schöneren Färbungen, die kräftigere Flossenentwicklung, die eigenthümlichen Hautwucherungen feh - len werden. Auch nach verflossener Brunstzeit lassen sich die steril gebliebe - nen Individuen von den sogenannten ausgelaichten Individuen schon äusserlich unterscheiden. Die letzteren bieten, da sie bekanntlich während der ganzen Fortpflanzungszeit nichts fressen, mit ihrem leeren Magen und ihren einge - schrumpften erschlafften Geschlechtswerkzeugen ein sehr abgemagertes An - sehen dar, während die ersteren, Jahr aus Jahr ein ohne Unterbrechung dem Frasse nachgehend, stets wohlgenährt und fett erscheinen, so dass gerade diese sterilen Fischformen wegen ihres zarten und wohlschmeckenden Fleisches auf den Fischmärkten als ein sehr gesuchtes Nahrungsmittel gelten. Ich bemerke ausdrücklich, dass die Geschlechtswerkzeuge den sterilen Fischen nicht fehlen, sie sind stets vorhanden und sogar als Hoden oder Eierstöcke erkennbar, jedoch auf einem früheren jugendlichen Entwicklungszustande stehen geblieben2)Wie sich den sterilen Fischen gegenüber die bereits erwähnten Kümmerer in ge - schlechtlicher Beziehung verhalten, das ist mir noch nicht klar geworden. Soviel steht in - dessen fest, dass bei den sterilen Fischen die Geschlechtswerkzeuge nicht aus Mangel an Nahrung in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind. Aus diesem Grunde möchte ich auch jene von Kessler (in dem Bulletin de la soc. imp. des Naturalistes de Moscou, 1859. pag. 248.) erwähnte schwarze Varietät des Gobius fluviatilis, welche im Bug und Dnjestr bisweilen mit ganz eingeschrumpften Backen und schmächtigem zusammengedrücktem Kör - per vorkömmt und von den Fischern » Läufer « genannt wird, nicht als eine sterile Form be - trachten, wie dies Kessler (vergl. den amtl. Bericht über die 35te Naturforscher-Versamml. a. a. O. pag. 85.) gethan hat, sondern für einen Kümmerer halten..
Da die Färbungen und Zeichnungen der Süsswasserfische sehr vielen Ab - änderungen unterworfen sind, habe auch ich es so viel als möglich vermieden,14Einleitung.auf Farbe und Zeichnung Artkennzeichen der Fische zu gründen1)Aus diesem Grunde habe ich die für einzelne Arten unserer Süsswasserfische charak - teristischen Färbungen und Zeichnungen immer nur als ein untergeordnetes Merkmal in Pa - renthese den Art-Diagnosen beigefügt.. Schon die Grundfarbe unserer Süsswasserfische allein ist äusserst wandelbar, welche bei manchen Fischen vom tiefsten Schwarz in vollständige Farblosigkeit über - gehen kann. Wegen derselben Veränderlichkeit kann auf die Farbe des Fisch - rückens als Artkennzeichen gar kein Werth gelegt werden, indem dergleichen Farbenveränderungen selbst an einem und demselben Individuum wahrge - nommen werden können. Es steht dieser Farbenwechsel, welcher zum Theil durch innere Lebenszustände, zum Theil durch äussere Einflüsse veranlasst werden kann, in einem innigen Zusammenhange mit den höchst merkwürdi - gen Chromatophoren oder Hohlräumen, welche sowohl in den oberflächlichen wie in den tieferen Schichten der Cutis unserer Süsswasserfische eingebettet liegen und ein sehr feinkörniges schwarzes oder rothes Pigment enthalten. Diese Chromatophoren besitzen ähnlich wie die berühmten Chromatophoren der Cephalopoden Contractionsfähigkeit. Sie können sich nicht so schnell wie diese abwechselnd expandiren und contrahiren, indem sie sich zwar ziemlich rasch contrahiren, aber einen längeren Zeitraum zum expandiren bedürfen.
Höchst wahrscheinlich befindet sich das feinkörnige Pigment innerhalb einer contractilen Substanz suspendirt, durch deren Contractions - und Ex - pansionsfähigkeit, wie das schon Leydig2)Vergl. dessen Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. pag. 26 und 99. von den Chromatophoren der Rep - tilien angenommen hat, die verschiedenen Formen und Ausbreitungen der Chromatophoren der Fische bewirkt werden. Die schwarzkörnigen Chroma - tophoren der Fische besitzen im expandirten Zustande die bekannte stern - förmige Gestalt mit vielen ausgezeichnet langen und vielfach verästelten Strahlen, während die rothkörnigen Chromatophoren sich niemals mit sol - chen zierlichen Formen ausbreiten, immer um vieles kleiner sind, und nur einzelne kürzere kaum verästelte Fortsätze an sich wahrnehmen lassen. Trotz dieser ausserordentlichen Verschiedenheit des äusseren Ansehens ziehen sich beide Chromatophoren-Arten zu winzig kleinen rundlichen schwarzen oder rothen Puncten zusammen, wodurch eine vorher schwarz oder roth gefärbte Stelle ganz blass oder farblos erscheint3)Von diesen contractilen rothen Pigmentfiguren müssen andere rothe und stets starre Pigmentirungen unserer Fische wohl unterschieden werden, welche von nichts anderem, als von unregelmässigen Ansammlungen röthlicher Fetttropfen herrühren..
Es ist sehr auffallend, dass man bisher die eigenthümliche Contrac - tionsfähigkeit der Chromatophoren der Fische ganz unbeachtet gelassen hat, während der oft sehr auffallende von dieser Eigenschaft zunächst ausgehende15Einleitung.Farbenwechsel mancher Fische vielfach zur Sprache gebracht worden ist. Bei einer solchen Unkenntniss jener wichtigen Structur-Verhältnisse der Fischhaut konnte es nicht ausbleiben, dass über die Farbenveränderungen vieler Fische bisher die widersprechendsten Ansichten geltend gemacht wurden.
Die intensive und über den ganzen Körper weit verbreitete dunkle Färbung, welche zur Laichzeit sich bei vielen Fischen, oft aber nur bei den männlichen Individuen bemerkbar macht, rührt von den äusserst zahlreichen und expandirten schwarzen Chromatophoren her. Bei gewissen Fischen wer - den aber auch durch expandirte rothe Chromatophoren brillante Hautfärbun - gen während der Laichzeit erzeugt. Alle diese intensiven Färbungen der Haut verschwinden nach dem überstandenen Fortpflanzungsgeschäfte wieder, und verrathen ihre frühere Anwesenheit nur durch zurückbleibende mit Hülfe der Lupe erkennbare winzige schwarze oder rothe Pigmentpuncte, zu wel - chen sich die vorher in breiten oft wunderschön sternförmigen Figuren ex - pandirten Chromatophoren zusammengezogen haben. Ausserdem hat die verschiedene Beschaffenheit des Wassers, in welchem die Fische heran - wachsen, gewiss einen ganz besonderen Einfluss auf die Entwicklung und Expansion der Chromatophoren1)Ein sehr merkwürdiges Beispiel dieser Art liefert die als Scardinius hesperidicus be - kannt gewordene Varietät des messinggelbglänzenden rothflossigen Scardinius erythroph - thalmus, welche jenseits der Alpen in den südeuropäischen Gewässern mit schwärzlichen Flos - sen vorkömmt. Eine ähnliche schwarzflossige Varietät des Sc. erythrophthalmus mit über und über schwärzlich gefärbtem Leibe bewohnt den diesseit der Alpen gelegenen Achensee. Da dieser See ebenso tief ultramarinblau gefärbt ist, wie die transalpinischen Seen, während alle übrigen benachbarten Alpenseen eine meergrüne Farbe besitzen, so ist es wahrschein - lich, dass diese Farbenverschiedenheit des Wassers auf Erzeugung dieser Fischvarietät irgend einen Einfluss geübt hat., und der Farbenwechsel sehr dunkel ge - färbter Fische, welcher sich nach ihrer Gefangennehmung gewöhnlich als ein sehr schnelles Verbleichen bemerkbar macht, mag darin seinen Grund ha - ben, dass der mit einer solchen Gefangenschaft verbundene Wechsel, na - mentlich Temperaturwechsel des Wassers, die Chromatophoren zur Con - traction bringt. Wenn daher Agassiz, Ayres und Storer2)Vergl. Proceedings of the Boston society of natural history. Vol. III. 1851. pag. 62. von gewissen Sal - moneern angeben, dass ihre Grundfarbe nach der verschiedenen Beschaffen - heit des Bodens ihres Aufenthaltes variire, so können sie wohl nur die dadurch bedingte Verschiedenheit des Wassers als Ursache des Farben - wechsels gemeint haben. Auch mechanische Einwirkungen, z. B. Drücken und Reiben der Haut, können bei einem lebenden Fische plötzlich Verände - rungen in dem Contractions - und Expansions-Zustande der Chromatophoren hervorbringen. Hiervon rührt jedenfalls das dunkelscheckige Ansehen man - cher mit der Angel gefangenen Forelle her, indem die von der Hand des16Einleitung.Anglers berührten oder gedrückten Hautstellen einer Forelle durch Contrac - tion ihrer schwarzen Chromatophoren sich schnell verfärben und oft sehr lange in diesem ausgebleichten Zustande verharren.
Die von Agassiz mitgetheilten Beobachtungen, dass Aspro Zingel, Salmo Fario, Lota fluviatilis und Silurus Glanis nach lebhaften Bewegun - gen, um sich Menschenhänden zu entwinden, eine intensivere Färbung annehmen, gleich darauf bis zum gänzlichen Verluste der Farben ausbleichen und diese letzteren nur sehr langsam wieder erhalten, alle diese Beobach - tungen lassen sich aus den eben angedeuteten, durch mechanische Einwir - kungen hervorgerufenen Formveränderungen der contractilen Chromatopho - ren erklären, und ist die Annahme des Agassiz jedenfalls unrichtig, dass dieser Farbenwechsel durch eine reichlichere Pigment-Absonderung und eine gleich darauf folgende plötzliche Resorption desselben vor sich gehe1)Vergl. Agassiz: Recherches sur les poissons fossiles. Tom. I. 1833. pag. 66.. An Hautstellen, welche bei gewissen Fischen ganz farblos erscheinen, aber contrahirte Chromatophoren verborgen enthalten, lassen sich diese durch Kratzen und Reiben mittelst eines harten Gegenstandes zur Expansion zwin - gen und als schwarze oder rothe Hautflecke sichtbar machen2)Am leichtesten ist es mir bei weissbäuchigen Individuen des Phoxinus laevis gelun - gen, durch Kratzen und Schaben mit dem Rücken eines Messers deren Bauch roth zu färben.. Hieraus geht hervor, dass die Farbenveränderungen, welche an kämpfenden Stichlingen wahrgenommen werden, nicht von psychischen Einflüssen, wie es sich ein Anonymus3)Vergl. Some account of Gasterosteus aculeatus, in Loudon’s Magazine of natural history. Vol. III. 1830. pag. 329, oder in Froriep’s Notizen. Bd. 28. pag. 193., Wiegmann4)S. dessen Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. I. Bd. 2. 1835. pag. 262., Couch5)Vergl. Yarrell: a history of british fishes. Vol. I. 1841. pag. 103. und Coste6)Vergl. dessen Abhandlung: Nidification des Epinoches, in den Mémoires présentés par divers savants à l’Académie de sciences. Tom. 1848. pag. 585. vorgestellt haben, herrühren, sondern nur die Folgen der während des Kampfs mechanisch gereizten und expandirten Chromatophoren sind. Die Farbenveränderungen, welche New - man7)Vergl. the Zoologist. Vol. 14. 1856. pag. 5124. an Cottus Gobio bei verschiedenen Körperbewegungen desselben ein - treten sah, wurden gewiss von einer Reizung hervorgerufen, welche die ver - schiedene Spannung der Haut bei diesen Bewegungen auf die Chromato - phoren ausgeübt hat. Wie ausserordentlich empfindlich diese contractilen Chromatophoren gegen äussere Einwirkungen reagiren, beweisen die durch Stark8)Vergl. the Edinburgh new philosophical Journal. July-October. 1830. pag. 327. übersetzt in der Isis 1832. pag. 923: über den Farbenwechsel bei Fischen. und Shaw9)Ebenda. Vol. 24. 1838. pag. 173, übersetzt in Froriep’s neuen Notizen. Bd. VI. 1838. pag. 6. an lebenden Individuen von Phoxinus laevis, Gaste -17Einleitung.rosteus aculeatus, Cobitis barbatula, Perca fluviatilis und Salmo Salar an - gestellten Versuche, aus welchen hervorgeht, dass durch Dunkelheit die Haut-Chromatophoren dieser Fische zur Expansion und durch Helligkeit zur Contraction gebracht werden können. Ich kann mich hier wie - der auf die Forellen berufen, deren schwarze Chromatophoren sich dem Lichte gegenüber besonders reizbar zeigen. Es springt dies sehr deut - lich in die Augen, wenn man von einem gegen alles Licht vollständig abge - schlossenen Forellenbehälter plötzlich den Deckel abhebt; einzelne von den darin aufbewahrten Forellen, nämlich die am dunkelsten gefärbten Indivi - duen werden bei dem Oeffnen des Fischbehälters augenblicklich erblassen, und zwar nach der Meinung der Fischer durch Erschrecken, nach meinen Er - fahrungen hingegen durch die vom plötzlichen Lichtreiz zur schnellen Con - traction gebrachten schwarzen Haut-Chromatophoren. Bei fortdauerndem Lichteinflusse dehnen sich dieselben gewöhnlich nach einiger Zeit wieder aus, und die sogenannten erschrockenen Forellen nehmen alsdann ihre frühere dunkle Färbung wieder an. Hiernach dürfte die Auffassung dieser Farben - veränderungen, wie sie von gewisser Seite ausgesprochen worden ist, jeden - falls als unrichtig bezeichnet werden, die Fische besitzen keineswegs, wie es sich Shaw1)A. a. O. theilte Shaw die Beobachtung mit, dass, wenn sich junge Lachse ruhig an einer Stelle verhielten, sie immer ziemlich dieselbe Farbe hatten, wie der Grund des Was - sers und dass, wenn sie an eine andere Stelle schwammen, sie allmählich eine dem anders gefärbten Grunde entsprechende Färbung annahmen., und andere vorstellen, die Fähigkeit, die Farben ihres Leibes nach der jedesmaligen Farbe ihrer äusseren Umgebung zu adaptiren.
Bei langsam absterbenden Fischen contrahiren sich allmählich die schwar - zen Chromatophoren vollständig und machen so einer bleicheren Färbung Platz. An schnell getödteten Fischen lässt sich die ausgebleichte Färbung, wenn noch keine Zersetzungsprocesse in der Haut eingetreten sind, durch Reiben und Druck wieder herstellen, indem durch diesen mechanischen Reiz die contra - hirten Chromatophoren sich wieder vollständig zu den früheren zierlich ver - zweigten sternförmigen Figuren ausdehnen. Sehr häufig kömmt es vor, dass getödtete Fische nur an denjenigen Stellen ausbleichen, welche gegen harte Gegenstände gedrückt werden2)Bei den bezahnten Salmoneern, bei denen sich die schwarze Färbung besonders ver - änderlich zeigt, dauert diese Reizbarkeit der schwarzen Chromatophoren auch nach dem Tode noch sehr lange fort. Sehr dunkelgefärbte frisch getödtete Forellen, welche ich in einem groben Fischnetze längere Zeit getragen habe, hatten allmählich einen vollständigen weissen Abdruck dieses Netzes auf ihrer Haut derjenigen Seite des Körpers erhalten, welche von den Maschen und Knoten des Netzes gedrückt worden war, indem sich hier durch den ausgeübten Druck die schwarzen Chromatophoren auf ein Minimum zusammengezogen hatten. Abgeschlachtete und in Körbe verpackte sehr dunkelfarbige Fische bekommen nach einiger Zeit immer ein sehr buntscheckiges Ansehen, weil auch hier alle gedrückten Hautstellen sich durch das scheinbare Verschwinden der schwarzen Chromatophoren weisslich färben.. Eine von der gewöhnlichen Färbung sehrv. Siebold, Fische. 218Einleitung.abweichende Farben-Abänderung hat bei einem unserer Süsswasserfische bis auf die neueste Zeit zur Aufstellung einer besonderen Species Veranlassung gegeben, ich meine die unter dem Namen » Orfe « oder » Goldorfe « bekannte orangengelbe Varietät des Idus melanotus. Es sind bei dieser Varietät die sämmtlichen schwarzen Chromatophoren verschwunden, wobei nicht bloss rothe Chromatophoren an ihre Stelle getreten sind, sondern wobei zugleich eine orangengelbe ölartige Substanz theils die Gewebe der Haut überall gleich - mässig durchdrungen hat, theils in Zwischenräumen der Haut mit den ver - schiedensten unregelmässigen Gruppirungen vertheilt erscheint. Diese orangen - gelbe Verfärbung kömmt auch noch bei anderen Fischarten vor, scheint sich aber in den verschiedenen Gegenden Deutschlands auf einzelne ganz be - stimmte Fischspecies zu beschränken. Während nämlich in Franken und Schwaben nur allein Idus melanotus zu der oben erwähnten orangengelben Va - rietät ausartet, ist es im nordöstlichen Deutschland Leuciscus rutilus, welcher hier und da mit orangengelber Färbung auftritt, wogegen in Schlesien Tinca chrysitis dieser Farben-Abänderung unterworfen ist.
Eine noch auffallendere Verfärbung der Fische bieten jene seltenen Fälle dar, welche der Leukaethiopie der warmblütigen Wirbelthiere entsprechen. Ich selbst habe erst eine einzige Kakerlakbildung bei einem Fische näher un - tersuchen können, und zwar bei einer Cobitis barbatula, welche ich auf dem Münchner Fischmarkte lebend vorfand. Dieselbe war mir wegen ihrer gleich - mässigen blassröthlichen Färbung zwischen vielen andern normal dunkelflecki - gen Bartgrundeln aufgefallen. Bei genauerer Prüfung dieser verfärbten Bart - grundel vermisste ich in der Haut derselben das schwarze körnige Pigment nicht ganz, dasselbe bildete aber nicht die bei den normalen Bartgrundeln sonst so zierlichen breiten, sternförmigen Figuren, sondern war nur äusserst spärlich in sehr kleinen rundlichen Chromatophoren enthalten. Die Pupille erschien roth, indem ihr gegenüber im Grunde des Auges das schwarze Pig - ment fehlte, auch die weissgefärbte Iris schimmerte etwas röthlich, da ihr das schwarze Tapetum abging, nur an dem vorderen Theile des Glaskörpers hatte die Chorioidea einen schwarzen ringförmigen Beleg. Als zweites Bei - spiel einer bei Fischen vollkommenen ausgebildeten Leukaethiopie ist jener von Brandt1)S. dessen Abhandlung über Albinismus in dem Bulletin de la classe physico-mathé - matique de l’Académie imp. des sciences de St. Pétersbourg. Tom. X. 1852. pag. 13. Fig. 1. beschriebene und abgebildete Sterlet (Acipenser Ruthenus) anzu - führen, welcher bei Nischny-Nowgorod in der Wolga gefangen und in einem Bassin des kaiserlichen Wintergartens zu St. Petersburg lebend erhalten ward.
Ausser dieser bei Fischen so selten vorkommenden Weisssucht2)Es sind noch einige wenige Beispiele von einem Vorkommen hellgelber und weiss - tritt19Einleitung.noch eine andere krankhafte Farbenausartung auf, welche ich noch nirgends erwähnt und beschrieben gefunden habe und welche, wenn man erst darauf aufmerksam sein wird, vielleicht nicht so selten, als es den Anschein hat, unter den Fischen anzutreffen sein dürfte. Ich nenne diese Entartung Alampia, das heisst » Glanzlosigkeit «. Die Farbenveränderung alampetischer Fische be - steht darin, dass dieselben keine Spur von Silberglanz an sich erkennen lassen, denn es fehlen diesen Fischen durchaus jene mikroskopischen lang - gestreckten krystallinischen, meist sechsseitigen Plättchen, welche die hintere Fläche der durchsichtigen Schuppen, den Kiemendeckel-Apparat und die Regenbogenhaut besetzt halten und die innere Fläche der Bauchhöhle in Form einer besondern Haut auskleiden. Durch das Verschwinden dieser elemen - taren krystallinischen Körperchen, von welchen allein der den Fischen eigen - thümliche Silber - oder Metallglanz ausgeht, entsteht nicht bloss die oben ge - nannte Glanzlosigkeit, sondern auch eine eigenthümliche Färbung dieser alam - petischen Fische, indem durch die farblosen, durchsichtigen Schuppen die darunterliegenden Haut - und Fleischtheile meistens blassröthlich hindurch - schimmern. Ich habe bis jetzt nur drei Fälle dieser Abnormität kennen ge - lernt1)Die erste öffentliche Mittheilung über diese Glanzlosigkeit der Fische machte ich in der zoologischen Section der Königsberger Naturforscher-Versammlung. Vergl. den amtli - chen Bericht dieser Versammlung a. a. O. pag. 76.. Der erste alampetische Fisch, der mir zu Gesichte kam, war ein Chondrostoma Genei aus Oberitalien, der zweite und dritte Fall von Alampia zeigte sich bei einem Squalius Cephalus und einer Trutta Fario, welche ich durch den hiesigen Stadtfischer Kuffer lebend erhalten hatte, da sie ihm we - gen ihrer abweichenden Färbung aufgefallen waren. Es ist interessant, dass diese Glanzlosigkeit bei gewissen Fischen, nämlich bei den Helmichthyden als ein ebenso natürlicher Zustand vorkömmt, wie die nicht als Leukosis auftre - tende weisse Färbung bei gewissen Säugethieren und Vögeln. Gleichwie diese letzteren durch das Vorhandensein von schwarzem Pigmente in ihren Augen sich als normal weissgefärbte Thiere verrathen, deutet auch bei den Hel - michthyden die Anwesenheit von Metallglanz in der Regenbogenhaut ihrer Augen auf die normale Glanzlosigkeit ihres Körpers hin.
Die wichtige Frage, ob es bei Fischen an ihren natürlichen Aufenthalts -2)licher Fische besprochen worden, jedoch ohne genauere Angabe über das Verhalten der Augen, so dass man in Zweifel bleibt, ob diese Fische auch wirklich echte Kakerlaken ge - wesen sind. Hieher rechne ich den weissen Ruffolk (Lota vulgaris) und die helle Grundel (Cobitis barbatula), welche Baldner in seiner: Recht natürlich. Beschreibung u. Abmahlung der Wasser-Vögel, Fischen u. s. w. (Casseler Manuscript) pag. 179. Taf. 21 u. pag. 222. Taf. 44 beschrieben und abgebildet hat. Auch jener von Meunier (in d’Orbigny’s Diction - naire d’hist. naturelle Tom. I. 1841. pag. 249) beschriebene Aal dürfte hieher gehören, welcher bei Paris gefangen wurde und mit Ausnahme der Schnauze und des Schwanzes nankinggelb gefärbt war.2*20Einleitung.orten zu einer freiwilligen Bastard-Erzeugung kommen könne, hat sich mir bei meinen ichthyologischen Untersuchungen immer wieder aufgedrängt und musste von mir, so sehr ich mich anfangs dagegensträubte, zuletzt bejaht werden; das Vorkommen von Bastardfischen in unseren Seen und Flüssen kann nicht mehr geläugnet werden, und muss nach meinen Erfahrungen als eine ausgemachte Sache gelten. Ich betrachte die Erkenntniss dieser Thatsache für einen grossen Gewinn der Systematiker, indem jetzt die Möglichkeit ge - geben ist, gewissen Fischformen, deren Einreihung in das System als selbst - ständige Arten bisher die grösste Schwierigkeit gemacht hatte, als unreinen Zwischenformen die richtige untergeordnete Stellung im Systeme anzuweisen. Es wird dadurch freilich unsere Fischfauna wieder um einige Arten, ja sogar um einige Gattungen ärmer, was derjenige leicht verschmerzen wird, der sich bewusst ist, dass in der Vermehrung der Thierspecies nicht der Schwerpunct des Fortschritts unseres zoologischen Wissens liegt.
Schon lange hätte man bei gewissen Fischspecies durch das Schwankende und Unbestimmte hrer Form daran denken müssen, dass man hier Bastarde vor sich habe. Auch das seltene und ganz vereinzelte Vorkommen solcher Fischformen in Gewässern, welche Jahr aus Jahr ein befischt werden, hätte auf ihre Bastardbildung aufmerksam machen müssen, zumal da die Volks - stimme längst dergleichen Fische mit charakteristischen, ihre Abstammung bespöttelnden Namen gebrandmarkt hat. Hier und da wurden von einzelnen Faunisten gewisse Fische wirklich als Bastarde bezeichnet, was die Systema - tiker aber nicht abgehalten hat, dieselben zu reinen Arten zu erheben. Die von mir als Bastarde erkannten Fische sind folgende: 1) Carpio Kollarii, 2) Abramidopsis Leuckartii, 3) Bliccopsis abramo-rutilus, 4) Alburnus dolabratus und 5) Chondrostoma Rysela. Leider habe ich über das Wesen und Leben die - ser Fische gar manches unaufgeklärt lassen müssen, namentlich habe ich über die Bedingungen ihrer Entstehung und über ihre Fortpflanzungsfähig - keit bis jetzt keine Erfahrungen sammeln können, auch habe ich in Bezug auf ihre Abstammung, wie das die Schwierigkeit des Gegenstandes mit sich bringt, manches nur errathen können, habe aber diese über Bastardbildungen nur als Vermuthung hingestellten Aeusserungen um so weniger unterdrücken wollen, weil ich erwarten kann, dass dieselben zur Nachprüfung anregen werden, wodurch meine mangelhaften Untersuchungen um so eher ergänzt werden dürften.
Als Grundlage aller auf mitteleuropäische Süsswasserfische sich be - ziehenden Untersuchungen werden uns immer die systematischen Arbeiten von Artedi, Linné, Bloch, Cuvier und Valenciennes dienen müssen.
Ich habe mir besonders Mühe gegeben, die Species-Bestimmungen des Artedi1)Petri Artedi: Ichthyologia. Lugd. Batav., 1738. und Linné2)Caroli a Linné: Systema naturae. Tom. 1. edit. 12. Holmiae, 1766. als die ersten und ältesten systematischen Fisch-Be - zeichnungen in möglichst richtiger Deutung allen übrigen Namen voran - zustellen.
Die Benutzung und Besprechung der deutschen Ichthyologie Bloch’s3)M. E. Bloch: a. Oekonomische Naturgeschichte der Fische Deutschlands. Theil I — III. Berlin, 1782 — 84. — Dieser Naturgeschichte liess Bloch zwei kleinere auf einzelne deutsche Fische sich beziehende Aufsätze vorausgehen, nämlich: b. Naturgeschichte der Maräne, in den Beschäftigungen der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, Bd. IV. 1779. pag. 60. und: c. Oekonomische Naturgeschichte der Fische in den Preussischen Staaten, besonders der Märkschen und Pommerschen Provinzen, in den Schriften der Berlin. Gesellsch. naturforsch. Freunde. Bd. I. 1780. pag. 231. konnte von mir nicht unterlassen werden, da dieser Schriftsteller durch seine genauere Beschreibung aller deutschen Fische nebst ihrer ausführlichen Na - turgeschichte und bildlichen Darstellung die grösste Anerkennung gefunden hat. Seine Fisch-Abbildungen sind bis auf die neueste Zeit immer und im - mer wieder copirt worden, auch an seine Art-Unterscheidungen hielt man so lange und beharrlich fest, dass dadurch manche Fehler und Unrichtigkeiten, die sich sowohl in Bloch’s Text wie in dessen Abbildungen eingeschlichen haben, als fast unvertilgbare Irrthümer von den verschiedenen Ichthyologen bis heute fortgepflanzt worden sind. Eine solche Ausnutzung dieses Bloch’ - schen Werkes macht sich auch an dem von C. Ch. Gmelin4)C. Ch. Gmelin: Gemeinnützige systematische Naturgeschichte der Fische. Mannheim, 1818. herausgegebenen22Literatur.Fischwerke bemerkbar, dessen beigegebene 113 Tafeln nichts als Copien der Bloch’schen Abbildungen enthalten. Nur dadurch, dass Gmelin in dieser Schrift die Fische des Rhein, Main, Neckar und der Donau, sowie des Boden - sees besonders berücksichtigte, hat dieses Werk mit seinen speciellen Beiträ - gen zur Fischfauna Süddeutschlands unser Interesse erregen können.
Die von Cuvier und Valenciennes5)Cuvier et Valenciennes: Histoire naturelle des poissons. Vol. I — XXII. Paris, 1828 — 49. herausgegebene Geschichte der Fische enthält sehr viele wichtige, die deutsche Fischfauna betreffende Beiträge, welche Valenciennes dadurch mitzutheilen Gelegenheit fand, dass derselbe theils durch vielfache Zusendungen, theils durch Reisen einen grossen Theil der deutschen Fische kennen lernte. Trotz dieser durch eigene Anschauung erlangten Uebersicht der deutschen Fischfauna hat es Valenciennes nicht im - mer dahin bringen können, die von älteren Ichthyologen veranlasste Ver - wirrung und Verwechslung gewisser Fischarten zu beseitigen. Am wenig - sten trug die von Valenciennes so sehr beliebte weitläufige Beschreibung der einzelnen Fische dazu bei, unsere Kenntnisse über neue Arten zu erwei - tern oder über zweifelhafte Arten aufzuklären. Durch eine gewisse Vorliebe, die unter dem Einflusse verschiedener Wassergebiete abgeänderten Individuen derselben Fisch-Species als besondere Species aufzufassen und hinzustellen, ist von Valenciennes das System der Fische mit vielen unhaltbaren Fisch - Arten belastet worden.
Einige Beiträge zu diesen unhaltbaren Fisch-Arten erhielt Valenciennes aus Deutschland durch L. Agassiz, der durch seine übrigen riesenhaften Lei - stungen auf dem Gebiete der Ichthyologie als einer der ausgezeichnetsten För - derer dieser Wissenschaft stets anerkannt bleiben wird. Ausserdem haben wir Agassiz viele wichtige Untersuchungen und Entdeckungen in Bezug auf die mitteleuropäische Fischfauna zu verdanken, welche derselbe zum Theil hier in München zu Tage gefördert hat. Agassiz benutzte nämlich seinen hie - sigen Aufenthalt dazu, auf dem fischreichen Münchner Markte mit dem gröss - ten Eifer ichthyologische Studien vorzunehmen, als deren erstes Resultat die Beschreibung einer neuen Gobio-Species zu nennen ist, welcher Agassiz6)L. Agassiz: Beschreibung einer neuen Species aus dem Genus Cyprinus Lin. in der Isis, Jahrgang 1828. pag. 1046. Tab. XII. — Oken legte den im Jahre 1821 zu Berlin versammelten Naturforschern diese von Agassiz in der Isar entdeckte und als Gobio ura - noscopus bezeichnete neue Cyprinus-Art vor, deren Beschreibung in der Isis 1829, pag. 414 noch einmal wiederholt wurde. noch mehrere andere ichthyologische auf dem Münchner Fischmarkte gemachte Beobachtungen hinzufügte. Agassiz benutzte ausserdem seinen Aufenthalt in München noch dazu, um ein grösseres mit Abbildungen ausgestattetes Fisch - werk vorzubereiten, zu welchem Zwecke er von dem damals hier lebenden23Literatur.Künstler Dinkel viele colorirte Zeichnungen nach frischen Fisch-Exemplaren anfertigen liess, von denen ein Theil durch den hiesigen Künstler Minsinger bereits lithographirt worden waren. Es wurde zu der Herausgabe eines Wer - kes über Süsswasser-Fische mit der Cotta’schen Verlagshandlung ein Plan verabredet, welcher leider niemals ausgeführt wurde*)Vergl. The life and writings of Louis Agassiz, in dem Edinburgh new philosophical Journal 1848 — 49. pag. 6.. Dieser Plan musste aber in weiteren Kreisen bekannt geworden sein, da in der von Reider und Hahn im Jahre 1834 herausgegebenen Fauna boica jenes Fischwerk des Agassiz, welches nie im Drucke erschienen ist, unter dem Titel: » Naturbeschreibung der Süsswasserfische von Mitteleuropa, München 1830 « citirt worden ist. Von den bereits fertig gewordenen lithographischen Tafeln, auf welchen mehrere von Agassiz in Südbayern aufgefundene und als neu erkannte Arten dargestellt waren, vertheilte derselbe Abdrücke an verschiedene Freunde und Naturfor - scher**)Oken vertheilte mehrere Probe-Tafeln dieses Werkes in der zoologischen Section während der im Jahre 1830 zu Hamburg abgehaltenen Naturforscher-Versammlung. Vergl. Isis 1831. pag. 918.. In Paris überliess Agassiz sogar seine ganze, alle diese Fisch - Abbildungen enthaltende Mappe dem mit der Herausgabe von Cuvier’s Histoire naturelle des poissons beschäftigten Ichthyologen Valenciennes zur freisten Be - nutzung. Mehrere in dem genannten Werke von Valenciennes zuerst bekannt gemachte neue Fischarten rühren von Agassiz her, und hat ersterer ihre Be - schreibung oft nur nach den in jener Mappe vorgefundenen Handzeichnungen entworfen. Hierdurch ist es gekommen, dass auch Valenciennes das niemals im Drucke bekannt gewordene Werk des Agassiz so genau citirt hat***)Vergl. Cuvier et Valenciennes: Hist. de poissons. Tom. 16. 1842. pag. 45., wo es in einer Anmerkung heisst: » Voyez pour l’ostéologie de la carpe les belles planches IX, X, et XI de l’histoire des poissons de l’Europe centrale par. M. Agassiz «, und Tom. 17. 1844. pag. 87. 89. u. 272.. Da sowohl von Reider und Hahn wie von Valenciennes die auf den Zeichnungen und Tafeln des Agassiz angebrachte Nomenclatur angenommen worden war, so habe ich mir die grösste Mühe gegeben, Abdrücke dieser Handzeichnungen zur Einsicht und Vergleichung zu erhalten, indem ich überzeugt war, dass sie jedenfalls interessante Beiträge zur bayrischen Fischfauna enthielten, allein meine Bemühungen waren vergebens, und es blieb mir nichts übrig, als mir von Agassiz selbst, der seitdem nach Nordamerica übergesiedelt war, über jenes nicht zu Stande gekommene naturwissenschaftliche Unternehmen No - tizen zu verschaffen. Agassiz hatte die Güte, mir aus Cambridge in Nord - america am 10. Mai 1858 auf meine Anfragen unter anderem folgendes mitzu - theilen: » Der Umstand, dass ich mich ganz dem Studium der americanischen Fauna hingegeben habe, macht es mir im Augenblicke etwas schwer, Ihre24Literatur.Fragen zu beantworten, da mir seit Jahren die Süsswasserfische Europa’s aus dem Gedächtnisse gekommen sind und ich jetzt keine Zeit habe, etwas nach - zuschlagen. Ich habe noch ein Paar Exemplare der Probelieferung meiner Süsswasserfische Mittel-Europa’s, wie das Werk heissen sollte, das Cotta herauszugeben übernommen hatte, das aber in Folge der Juli-Revolution von 1830 unterblieben. Ich werde es Ihnen bei nächster Gelegenheit zu - schicken. Ausserdem habe ich alle Originalzeichnungen zum ganzen Werke, mehrere hunderte an der Zahl, hier in Händen. Es sind gewiss die schönsten Abbildungen von Fischen, die je angefertigt worden sind. Jeder Art ist eine ausführliche Zeichnung mit allen Details in Tuschfarben für den Lithographen oder Stecher, und daneben eine leichtgehaltene Farbenzeichnung ohne diese De - tails gewidmet. Auch die Skelette und Schuppen aller Arten sind abgebildet. Diese Zeichnungen sind meist in München während meines vierjährigen dortigen Aufenthalts von Dinkel ausgeführt; ausserdem brachte ich mehrere Monate in Wien zu, wo mir ein ausgezeichneter Künstler die Donaufische dazu malte; die des Rheins sind von meiner seeligen Frau; später fügte ich die der Schweiz, Frankreichs und Englands durch Dinkel gezeichnet hinzu. Von vielen Tafeln habe ich sogar schon Abdrücke der in München lithographirten Tafeln der 1ten Lieferung ausser dem Probehefte. Diese Untersuchungen wurden da - durch zum Theil schon bekannt, weil ich mehrere Abschriften der beobach - teten Arten an Freunde überliess, und mein ganzes Portefeuille mit sämmt - lichen oben aufgeführten Abbildungen während 5 Jahren in Valenciennes’ Händen liess, und ausserdem ihm Exemplare der meisten Arten zusendete. «
Später erschien von Agassiz eine Abhandlung7)Agassiz: Description de quelques espèces de Cyprins du lac de Neufchatel, qui sont encore inconnues aux naturalistes, in den Mémoires de la société des sciences natu - relles de Neuchatel. Tom. I. 1835., in welcher Agassiz der Beschreibung seiner neuen Fische eine sehr wichtige Einleitung über die Fa - milie der Karpfen vorausschickte8)Diese Einleitung, über die Familie der Karpfen, befindet sich in deutscher Uebersetzung in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte, 1838. Bd. I. pag. 73. und zugleich mehrere neue Karpfenarten erwähnte, die von demselben in München aufgefunden worden waren. In der - selben Abhandlung bezieht sich Agassiz selbst wieder auf die oben erwähnten illuminirten Abbildungen, und verweist zugleich auf eine demnächst von ihm herauszugebende Naturgeschichte der Süsswasserfische von Mittel-Europa, von welcher einige Jahre später die erste Lieferung in Querfolio mit französischem, deutschem und englischem Text erschienen ist9)Agassiz: Histoire naturelle des poissons d’eau douce de l’Europe centrale. Neu - chatel, 1839.. Diese Lieferung enthält auf siebzehn illuminirten und sieben nicht illuminirten Steindrucktafeln die der Gattung Salmo und Thymallus angehörigen Species in ausgezeichnet schöner25Literatur.Darstellung, weshalb es zu bedauern ist, dass nach der zweiten Lieferung, welche die von C. Vogt bearbeitete Entwicklungsgeschichte der Salmoneen enthält10)C. Vogt: Embryologie des Salmones. Neuchatel, 1842., dieses Werk nicht weiter fortgesetzt worden ist, wodurch die von Agassiz in München aufgefundenen und abgebildeten neuen Gyprinus-Arten, welche durch Valenciennes nur ganz kurz und unvollständig beschrieben wurden, abermals der Bekanntmachung entzogen wurden.
Sehr wichtige Beiträge zur Kenntniss der mitteleuropäischen Fischfauna hat Joh. Jac. Heckel durch die Bekanntmachung vortrefflicher Aufsätze und Monographien geliefert. Derselbe hat es verstanden, mit einer bewunderungs - würdigen kritischen Schärfe aus den Erfahrungen der älteren ichthyologischen Schriftsteller Nutzen zu ziehen, und ihren oft sehr dürftigen Beschreibungen und ganz kurzen Schilderungen der Fische doch die richtige Deutung zu ge - ben. Ein anderes Verdienst erwarb sich Heckel um die genauere Abgrenzung der Gattungen und Species unserer Süsswasserfische, obwohl derselbe öfters zu weit gegangen ist, und einzelne Gattungen und Arten auf zu subtile und nicht ganz haltbare Unterschiedsmerkmale gründete11)Folgende Arbeiten Heckel’s enthalten wichtige Aufschlüsse über die mittel - europäische Fischfauna: a. Ueber einige neue oder nicht gehörig unterschiedene Cyprinen nebst einer syste - matischen Darstellung der europäischen Gattungen dieser Gruppe, in den Annalen des Wiener Museums der Naturgeschichte. Bd. I. Wien, 1835. pag. 219. b. Ichthyologische Beiträge zu den Familien der Cottoiden, Scorpaenoiden, Gobioiden und Cyprinoiden, in denselben Annalen. Bd. II. 1840. pag. 143. c. Abbildungen und Beschreibungen der Fische Syriens nebst einer neuen Classifica - tion und Charakteristik sämmtlicher Gattungen der Cyprinen, Stuttgart, 1843, abgedruckt aus Russegger’s Reisen. Bd. I. Th. 2. In dem Februarhefte des Jahrganges 1854 pag. 189 der Sitzungsberichte der mathema - tisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften befindet sich von Heckel ein Aufsatz: d. Ueber die in den Seen Ober ‒ Oesterreichs vorkommenden Fische. In dem Juli-Hefte des Jahrganges 1854 derselben Sitzungsberichte. Bd. VII. pag. 281. gab Heckel einen e. Bericht einer auf Kosten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften durch Ober ‒ Oesterreich nach Salzburg, München, Innsbruck, Botzen, Verona, Padua, Venedig und Triest unternommenen Reise, in welchem über die Fische des Attersee, der Lambathseen, des Königssee, der Salzach und des Inn Nachrichten mitgetheilt werden. In dem IIten Anhange zu diesem Reiseberichte (in denselben Sitzungsberichten. Bd. VIII. 1851. pag. 347.) lieferte Heckel: f. Beiträge zu den Gattungen Salmo, Fario, Salar, Coregonus, Chondrostoma und Te - lestes. In dem IIIten Anhange zu diesem Reiseberichte (in denselben Sitzungsberichten. Bd. IX. 1852. pag. 49.) gab Heckel wichtige Erörterungen:. Ausser einer in Ver -26Literatur.bindung mit Fitzinger unternommenen Bearbeitung der Gattung Acipenser12)Fitzinger und Heckel: Monographische Darstellung der Gattung Acipenser, in den Annalen des Wiener Mu - seums der Naturgeschichte. Bd. I. 1835. pag. 261. hat derselbe mit Kner durch die gemeinschaftliche Herausgabe einer Beschrei - bung der östreichischen Fische13)Heckel und Kner: Die Süsswasserfische der östreichischen Monarchie mit Rücksicht auf die angränzenden Länder. Leipzig, 1858. eine höchst dankenswerthe Arbeit unter - nommen, deren Vollendung Heckel selbst leider nicht mehr erlebte. Die Be - schreibungen und die in den Text eingedruckten bildlichen Darstellungen der östreichischen Fische sind in diesem Werke so getreu, kenntlich und sorgfältig durchgeführt, dass diese Fauna jedem ähnlichen Unternehmen als Muster dienen kann. Die Feststellung der Gattungscharaktere und Hervorhe - bung der Species-Unterschiede wurden von Heckel und Kner mit jener pas - senden Kürze und Schärfe aufgefasst, welche man schon so lange in den systematischen Ichthyologien vermisst hatte. Man kann wohl behaupten, dass mit dem Erscheinen dieser Fischfauna zum ersten Male die meisten Species unserer Süsswasserfische geläutert und gesichert hingestellt worden sind, während man bei der Benutzung der ichthyologischen Literatur bisher vor dem Wust von Synonymen zurückschrecken und durch die Anhäufung der auffallendsten Verwechslungen nur noch mehr verwirrt werden musste. Alle diese Schwierigkeiten waren von den Ichthyologen selbst hervorgerufen wor - den, theils durch Unkenntniss der geographischen Verbreitung der einzelnen Fischformen, theils durch Vermischung der verschiedenen nur bestimmten Wassergebieten angehörigen Fischarten. Diese Uebel sind durch Heckel’s ich - thyologische Studien, wenn auch nicht gänzlich beseitigt, doch vielfach ver - mindert worden; durch Heckel’s unablässigen Eifer und glücklichen Scharf - blick sind wir jetzt in den Besitz einer Methode gelangt, nach welcher wir mit Erfolg auf dem Gebiete der systematischen Ichthyologie fortarbeiten kön - nen, ohne zu fürchten, durch neue ichthyologische Beiträge die bisherige Verwirrung in diesem Gebiete nur noch zu vermehren. Durch Kner’s Theil - nahme an der Bearbeitung dieser östreichischen Fischfauna hat das Werk noch besonders dadurch gewonnen, dass derselbe, wie ich aus seinem eigenen11)g. Ueber die zu den Gattungen Idus, Leuciscus und Squalius gehörigen Cyprinen. In den Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins in Wien (Bd. II. Wien, 1853. pag. 28.) werden in einem h. Verzeichniss der Fische des Donaugebiets in der ganzen Ausdehnung des öster - reichischen Kaiserstaates von Heckel 77 Fischspecies aufgeführt, und ebenda (Bd. IV. Wien, 1854. pag. 189. werden von demselben i. Die Fische der Salzach untersucht und systematisch verzeichnet.27Literatur.Munde weiss, Heckel dazu bewogen hat, einen Theil von jenen oben erwähn - ten (pag. 25.) auf zu subtile Unterschiede gegründeten Species eingehen zu lassen. Den noch übrigen Theil der von Heckel aufgestellten aber nicht halt - baren mitteleuropäischen Arten aus dem Systeme zu entfernen, war mir über - lassen geblieben, dennoch werde ich bei der speciellen Aufführung der mit - teleuropäischen Fische aus den oben angeführten Gründen nicht allein die von Heckel eingeführte Nomenclatur so viel als möglich festhalten, sondern mich auch auf seine wahrhaft classischen Beschreibungen der Fische beziehen.
Was nun die Literatur über die Fischfaunen der einzelnen Wassergebiete von Mitteleuropa betrifft, so hat der Fischreichthum der oberen Donau und ihrer Seitenflüsse, sowie der mit diesen zusammenhängenden Alpen - und Voralpen-Seen von jeher zu ichthyologischen Arbeiten angeregt, wodurch neben mancher oberflächlichen Arbeit auch mehrere sehr gediegene Beiträge zur Naturgeschichte unserer Süsswasserfische zu Stande gekommen sind. In Bezug auf die Fische der schwäbischen Donau haben wir eine ziemlich voll - ständige Uebersicht der Fische von Ulm durch G. v. Martens14)G. v. Martens: a. Reise nach Venedig. Ulm, 1824. In dem ersten Theile die - ser Reise pag. 47 hat der Verfasser Gelegenheit genommen, die Fauna von Ulm zu be - sprechen, auch wurde von demselben b. » über Würtembergs Fauna « für das Correspondenzblatt des würtembergischen landwirthschaftlichen Vereins (Bd. 17. Stuttgart, 1830) eine Abhandlung ausgearbeitet, in welcher mehrere Fische aus dem Ulmer Donaugebiet aufgeführt sind. erhalten. Als weiterer Beitrag zu dieser Fischfauna kann eine Aufzählung der Fische der Iller und ihrer Seitenbäche dienen, welche von Büchele15)J. Büchele: Die Wirbelthiere der Memminger Gegend. Ein Beitrag zur bayeri - schen Fauna. Memmingen, 1860. pag. 38. vor kurzem bekannt gemacht wurde. Von A. Grandauer16)A. Grandauer: Die Fische in den Gewässern um Augsburg, vergl. den Vlten Bericht des naturhistorischen Vereins in Augsburg, veröffentlicht im Monat März 1853. pag. 21. wurden 31 Species Fische aus dem Lech und dessen Seitenbächen aufgezählt. Die Fische der Donau und ihrer Seitenflüsse in der Umgebung von Regensburg haben verschiedene Bearbeiter gefunden. Die fünf in der Donau einheimischen Barscharten wur - den von J. Ch. Schaeffer17)Jac. Chr. Schaeffer: Piscium Bavarico ‒ Ratisbonensium Pentas. Ratis - bonae, 1759. ausführlich beschrieben und kenntlich abgebildet. J. Ch. G. Schaeffer18)Jac. Chr. Gottl. Schaeffer. Versuch einer medicinischen Ortsbeschreibung der Stadt Regensburg. Regensburg, 1787. pag. 207., welcher die in der Gegend von Regensburg sich vor - findenden Thiere aufzählte, machte 32 einheimische Fische namhaft. Von Koch19)C. L. Koch: Fauna Ratisbonensis. Regensburg, 1840. pag. 38., welcher sich an dem dritten Bande der von Fürnrohr herausgegebe - nen Topographie von Regensburg betheiligt, und für denselben die Animalia vertebrata bearbeitet hat, sind 42 um Regensburg vorkommende Fische auf -28Literatur.geführt worden. A. C. Fürnrohr20)A. C. Fürnrohr: Die Fische in den Gewässern um Regensburg. Stadt am Hof, 1847. übergab der Oeffentlichkeit in einem Schulprogramme eine recht belehrende Uebersicht von 47 Fischen der Donau, der Naab und des Regen. Eine Beschreibung der Fische aus der Donau, dem Inn und deren Seitengewässern in den Umgebungen von Passau hat Reuss21)L. Reuss: Fauna des Unter-Donaukreises. Passau, 1832. pag. 441. geliefert, derselbe ist aber weder bei den Bestimmungen noch bei den Be - schreibungen dieser Fische ganz correct zu Werke gegangen. Ausser der be - reits (unter Nr. 11 i) erwähnten, die Fische der Salzach betreffenden wichti - gen Abhandlung Heckel’s hat auch ein tüchtiger Fischzüchter, J. Aigner22)J. Aigner: Salzburgs Fische, vergl. den Jahres-Bericht des vaterländischen Museums Carolino-Augusteum der Landeshauptstadt Salzburg für das Jahr 1859. pag. 72., die Fische dieses Seitenflusses des Inn und die Fische der benachbarten Ge - wässer Salzburgs einer Besprechung unterworfen, welcher jedoch nur in praktisch-ökonomischer Beziehung ein gewisser Werth zugeschrieben wer - den kann.
Durch Franz von Paula Schrank, der sich um die bayrische Fauna in ihrem ganzen Umfange ausserordentlich verdient gemacht hat, haben wir auch über die Verbreitung und Lebensweise der in den Donau-Gewässern zwischen Ulm und Passau wohnenden Fische äusserst wichtige Mittheilungen erhalten, welche derselbe in verschiedenen Schriften niedergelegt hat23)Schrank’s ichthyologische Arbeiten finden sich in folgenden Schriften: a. Fauna boica, durchgedachte Geschichte der in Bayern einheimischen und zahmen Thiere. Nürnberg, 1798. Bd. I. In der zweiten Abtheilung des ersten Bandes dieser Fauna hat Schrank 47 in den bay - rischen Flüssen und Seen sich vorfindende Fische aufgeführt. b. Beitrag zur Naturgeschichte des Salmo alpinus Lin., der schwarzreuterischen Berg - forelle. Dieser in den Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, Bd. II. Berlin 1781, pag. 297 von Schrank niedergelegte Aufsatz enthält eine sehr genaue Beschrei - bung des Saibling aus dem Königssee. c. Nähere Bestimmung dreier Barscharten. Dieser Aufsatz wurde von Schrank in den Abhandlungen einer Privatgesellschaft von Naturforschern und Oekonomen in Oberdeutschland, München 1792, pag. 98 abgedruckt und ist in Meyer’s zoologischen Annalen, Bd. I. 1794, pag. 174 im Auszuge wiedergegeben. d. Naturhistorische Briefe über Oestreich, Salzburg, Passau und Berchtesgaden, von F. v. Paula Schrank und Carl Ehrenbert v. Moll. Salzburg, 1785. e. Bayrische Reise von F. v. P. Schrank. München, 1786. f. Reise nach den südlichen Gebirgen von Bayern, unternommen von F. v. P. Schrank. München, 1793. In diesen Briefen und Reisen giebt Schrank viele interessante Notizen über die Fische des Starenberger See, Staffelsee, Kochelsee, Walchensee, Tegernsee, Chiemsee, Ferchensee, Königssee, Obersee, Hintersee, Grünsee, Funtensee und anderen bayrischen Gebirgsseen..
Von Perty24)Perty: Beiträge zur Kenntniss der Fauna monacensis, vergl. Oken’s Isis, 1832. pag. 712. wurden 54 südbayrische Fischarten aufgezählt, zu welcher Aufzählung der Münchner Fischmarkt das meiste Material geliefert hatte.
29Literatur.In der von Reider und Hahn25)J. E. v. Reider und C. W. Hahn: Fauna boica oder gemeinnützige Naturge - schichte der Thiere Bayerns. Nürnberg, 1830 — 34. herausgegebenen vaterländischen Natur - geschichte enthält die vierte Abtheilung derselben die Beschreibung von 50 Fischen, welche nicht bloss den Donau-Gewässern, sondern auch den Main-Gewässern angehören. Die Beschreibungen dieser Fische sind höchst kümmerlich ausgefallen und werden durch die beigefügten colorirten Ab - bildungen keineswegs ergänzt, da die meisten dieser bildlichen Dar - stellungen sowohl in den Umrissen wie in den Farben als gänzlich verfehlt und unkenntlich bezeichnet werden müssen, was um so mehr auffallen muss, da die Verfasser dieser Fauna, wie aus dem Texte derselben hervorgeht, zur Einsicht in das durch Agassiz in München vorbereitete grosse Fischwerk Ge - legenheit gehabt haben müssen. In letzterer Beziehung gewährt diese Fauna boica von Reider und Hahn noch das Interesse, dass in derselben von einigen durch Agassiz in Bayern entdeckten Fischen die erste Notiz gegeben ist.
Sehr wichtige Notizen über die Verbreitungsverhältnisse der Fische in den beiden grossen Stromgebieten Bayerns wurden von A. Wagner26)Andr. Wagner: Beiträge zur Kenntniss der bayerischen Fauna, vergl. die ge - lehrten Anzeigen der königl. bayerisch. Akademie der Wissenschaften. Jahrgang 1846. nr. 81 — 84 und 87. mit - getheilt.
Von dem Künstler J. C. Weber27)J. C. Weber: Abbildungen der Fische, welche in den Flüssen und Seen von Bayern vorkommen. München, 1851. wurden colorirte Abbildungen der Fische Bayerns im Selbstverlage herausgegeben, denen zugleich eine kurze Beschreibung hinzugefügt wurde nebst einer Uebersicht der Fische nach ihrer Verbreitung in den wichtigsten Flüssen und Seen von Bayern. Es werden in diesem ganz hübsch ausgestatteten Werkchen 54 in Bayern (mit Einschluss der Bodensee - und Main-Fische) einheimische Fische, obwohl nicht immer sehr kenntlich dargestellt, dennoch gewährt dies Werkchen ein gewisses wissenschaftliches Interesse, als sich in demselben auch einige von Agassiz auf dem Münchner Fischmarkte entdeckte neue Species befinden. Da Weber an den Arbeiten in dem Atelier, welches Agassiz zur bildlichen Darstellung der Münchner Fische während seines Hierseins errichtet hatte, Theil genom - men und vielfach Gelegenheit gehabt hat, die oben (pag. 22) erwähnten zur Veröffentlichung bestimmten Fisch-Abbildungen einzusehen, so ist es ge - kommen, dass Weber, wie er mir selbst mitgetheilt hat, bei der Wahl der lateinischen Species-Namen für seine Fisch-Abbildungen sehr oft der von Agassiz angewendeten Nomenclatur gefolgt ist. Es lässt sich auf diese Weise mit Hülfe von Weber’s Abbildungen mancher von Agassiz bloss mit Namen aufgeführte Fisch ganz richtig deuten.
30Literatur.Die Fischfauna der östreichischen (mittleren) Donau mit ihren Seiten - Gewässern, welche zugleich die natürliche Grenze der mitteleuropäischen Fischfauna gegen Süd-Osten bilden, bietet im Hinblick auf die Fische der schwäbisch-bayrischen (oberen) Donau so viele interessante Vergleichungs - puncte, dass ich diejenigen Schriftsteller, welche vorzugsweise dieses Gebiet der europäischen Fauna bearbeitet haben, nicht ausser Acht lassen durfte. Vor allem muss ich das ältere Prachtwerk von Marsigli28)Marsigli: Danubius pannonico-mysicus. Tom. IV. Amstelodami, 1726. rühmen, in wel - chem viele Fische der mittleren Donau sehr kenntlich dargestellt sind. Einer Aufzählung und kurzen Beschreibung von 38 östreichischen Fischen hat Kramer29)Kramer: Elenchus vegetabilium et animalium per Austriam inferiorem obser - vatorum. Viennae Pragae et Tergesti, 1756. noch dadurch ein besonderes Interesse verliehen, dass er die gebräuchlichsten Provincialnamen dieser Fische beigefügt hat. Die von Meidinger30)Meidinger: Icones piscium Austriae indigenorum. Viennae, 1785 — 94. gelieferten Icones in 5 Decurien enthalten vorzügliche colorirte Abbildungen fast aller östreichischen Fische. Schultes31)Schultes: a. Reise auf den Glockner. Theil I bis IV. Wien, 1804. b. Reisen durch Oberösterreich in den Jahren 1794 — 1808. Tü - bingen, 1809. hat auf seinen Rei - sen durch die salzburger und östreichischen Alpen mancherlei Notizen über die Fische der von ihm besuchten Alpenseen gesammelt, ist aber im Bestim - men dieser Fische nicht immer sehr glücklich gewesen. Von Fitzinger32)Fitzinger: über die Ausarbeitung einer Fauna des Erzherzogthums Oesterreich nebst einer systematischen Aufzählung der in diesem Lande vorkommenden Säugethiere, Reptilien und Fische als Prodrom einer Fauna derselben, vergleiche die Beiträge zur Lan - deskunde Oesterreichs unter der Ens. Bd. I. Wien, 1832. pag. 280. wurden in einer Fauna des Erzherzogthums Oestreich 58 Fischspecies mit Beifügung ihrer Trivialnamen aufgeführt. An diese Arbeiten schliessen sich die schon oben (pag. 25. Nr. 11 — 13) erwähnten ichthyologischen Leistungen Heckel’s als die bedeutungsvollsten an, von denen sich mehrere speciell auf die Fischfauna des östreichischen Donaugebiets beziehen.
Der auf der westlichen Seite sich an Südbayern anschliessende Boden - see, welcher die Verbindung zwischen den bayrischen und schweizerischen Alpenseen vermittelt, stimmt in seiner Fischfauna mit den grösseren bayri - schen Seen überein, auch trägt der dem Bodensee zufliessende und von dem - selben abfliessende Rhein bis zu dem grossen Rheinfall in Bezug auf seine Fische einen den bayrischen Alpenflüssen ähnlichen Charakter, der sich erst unterhalb des Rheinfalls ändert, indem sich von hier ab ein anderes mit der Nordsee in Verbindung stehendes Wassergebiet geltend macht, das besonders durch seine Wanderfische sich von dem nach Osten in das schwarze Meer abfliessenden Donau-Stromgebiet wesentlich unterscheidet. Wegen dieser31Literatur.Beziehungen und Contraste erscheint der Bodensee sowie der Rhein mit seinen Zuflüssen einer ganz besonderen Berücksichtigung werth, und habe ich des - halb die dahin einschlägige wichtigste Literatur so vollständig als möglich zusammenzustellen und auszunutzen gesucht.
Die älteste Schrift über die Fischfauna des Bodensees rührt von Gregor Mangolt her, welcher ein Zeitgenosse Conrad Gesner’s gewesen und 1497 geboren sein soll. Mangolt33)Fischbuch. Von der natur und eigenschaft der Vischen, insonderheit deren so gefangen werdend im Bodensee, und gemeinlich auch in anderen seen und wassern, durch den wohlgeleerten Gregorium Mangolt beschrieben, vormals nie gesähen. Item ein ander büchlin, wie man visch und vögel fahen sölle, mit dreyssig neuwen und bewärten Re - cepten. Auch zu was zeyten im gantzen jar ein yeder visch am besten sye. Getruckt zu Zürich (ohne Jahreszahl). Hartmann hat in seiner helvetischen Ichthyologie (pag. 23) bei Anführung dieses Schriftchens die Jahreszahl 1557 hinzugefügt. Es ist dieses seltene Fischbüchlein noch in verschiedenen anderen Ausgaben gedruckt worden, wobei ausser der Jahreszahl auch der Name des Verfassers und die dem Texte der eben angeführten Züricher Ausgabe eingedruck - ten Holzschnitte weggelassen sind. So liegt dasselbe Büchlein vor mir unter dem Titel: Fischbüchlein, von Natur vend Eigenschafft der Fischen. Item wie man Fisch vnd Vögel fahen soll. Zu welcher zeit auch jeder Visch am besten sey. Zu Cöllen, bey Heinrich Nettessen (ohne Jahreszahl, ohne Name des Verfassers und ohne Holzschnitte). Ein anderer Nachdruck der Mangolt’schen Schrift führt den Titel: Das edle Fisch-Büchlein, das ist: Ein sehr nützlicher Bericht, von der Fischerey über - aus grosser Nutzbarkeit; von der Fische Natur und Eigenschaft; item, wie sie bequemlich zu fahen, und zu welcher Zeit man sie am besten halte, und von anderm mehr dergleichen. Zu finden in Nürnberg, bey Johann Andreas Endter (ohne Jahreszahl). Dieser Schrift schliesst sich mit fortlaufender Paginirung von pag. 139 bis pag. 176 der Text des Mangolt’ - schen Fischbuchs unter dem Titel an: Ein anders kurtz-gefastes Fisch-Büchlein so vor hunder Jahren herausgewest, und diesem ersten gantz beyzufügen beliebt hat, in Hoffnung, der günstige Leser werde es ihme auch nicht lassen zuwider sein (ohne Jahreszahl, ohne Name des Verfassers und ohne ein - gedruckte Holzschnitte). beschreibt in seinem Fischbuch ohngefähr 28 Bodensee-Fische mit altdeutschen Volksnamen, die sich mit Hülfe der einge - druckten kleinen rohen Holzschnitte ziemlich gut deuten lassen.
In Gesner’s Fischbuch34)Von den verschiedenen Ausgaben dieses Fischbuchs des Conrad Gesner habe ich fo gende benutzt: a. Historiae animalium Liber IV., qui est de Piscium et Aquatilium animantium na - tura. Tiguri, 1558. b. Fischbuch. Zürich, 1575. c. Nomenclator aquatilium animantium. Heidelbergae, 1606. finden sich viele wichtige Beobachtungen und Bemerkungen über die Verbreitung und Lebensweise sowohl der schweizeri - schen wie deutschen Süsswasserfische niedergelegt. Die Fische des Vier - waldstädter See und seiner benachbarten Gewässer sind von Cysat35)J. L. Cysat: Beschreibung dess Lucerner - oder 4 Waldstatten Sees. Lucern, 1661. pag. 20 bis 101. mit Berücksichtigung der übrigen schweizerischen Fische ziemlich ausführlich und kenntlich beschrieben worden.
32Literatur.Durch einen Ungenannten36)Vergl. Bruckner’s Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. Stück V, Ba - sel, 1750, pag. 554: Von dem Nasenfange an der Birsbrücke, Stück VI, 1751, pag. 632: Von dem Lachsfange, und pag. 648: Die Fische, so bei Basel im Rheinflusse gefangen werden. sind 35 Fische als Bewohner des Rheins und dessen Nebenflüsse bei Basel mit ihren Volksnamen aufgezählt und zu - gleich über die Fangmethoden einiger Rheinfische Mittheilungen gemacht worden.
Von Wartmann, einem Arzte zu St. Gallen, wurde die Naturgeschichte einiger Salmoneer des Bodensees in verschiedenen Aufsätzen besprochen37)Wartmann: a. Beschreibung und Naturgeschichte des Blaufelchen, vergl. die Beschäftigungen der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde. Bd. III. 1777. pag. 184. b. Von den Rheinanken oder Illanken, vergl. die Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde. Bd. IV. 1783. pag. 55. c. Von dem Fischbrod, und d. Fernere Nachricht vom Fischbrod, vergleich. den Naturforscher, Stück 21, 1785, pag. 113 und Stück 22, 1787, pag. 113.. In der von Hartmann38)G. L. Hartmann: a. Versuch einer Beschreibung des Bodensees, St. Gallen, 1808. b. Helvetische Ichthyologie oder ausführliche Naturgeschichte der in der Schweiz sich vorfindenden Fische, Zürich, 1827. herausgegebenen Beschreibung des Bodensees ist ein Abschnitt den Thieren gewidmet, die sich in dem See und an seinen Ufern aufhalten. Es werden hier 26 Bodensee-Fische aufgeführt und beschrieben, während in der helvetischen Ichthyologie desselben Verfassers sowohl die Fische des Bodensees wie auch die Fische der übrigen Schweizer-Seen und der Flüsse des schweizerischen Rheingebiets eine genaue Berücksichtigung gefunden haben.
Eine Beschreibung der Bodensee-Fische ist durch Nenning39)St. Nenning: Die Fische des Bodensees nach ihrer äusseren Erscheinung. Constanz, 1834. Für diese Schrift waren wahrscheinlich jene sechs grossen Blätter mit 26 lithographir - ten und colorirten Abbildungen bestimmt gewesen, welche in Constanz angefertigt aber nicht in den Buchhandel gekommen sind. Rapp (vergl. dessen Fische des Bodensees, pag. 2) hat sich über diese Abbildungen in folgender Weise ausgesprochen. » Die zum Theil unrichtige Nomenclatur von Nenning ist beibehalten, einige Bilder scheinen unvollendet geblieben zu sein, so findet man bei dem Barsch, bei der Schleihe, beim Gangfisch und einigen anderen die Schuppen gar nicht angedeutet, auf einige wichtige Merkmale ist nicht Rücksicht genommen, so vermisst man bei der Barbe die Angabe des knöchernen Strahls in der Rückenflosse. Das Colorit lässt vieles zu wünschen übrig «. Trotz dieser Mängel war es mir sehr erwünscht gewesen, noch ein Exemplar dieser Abbildungen in Constanz er - halten zu haben, da ich nur mit Hülfe dieser Iconographie mehrere von Nenning unrichtig bestimmte Fische zu deuten im Stande gewesen bin., Professor zu Constanz bekannt gemacht worden. Schinz40)H. R. Schinz: a. Das Thierreich von Cuvier übersetzt und mit vielen Zusätzen versehen. Stuttgart u. Tübingen, 1822. Bd. II. b. Fauna helvetica oder Verzeichniss der in der Schweiz vorkommenden Wirbel - thiere, vergl. die neuen Denkschriften der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. I. Neuchatel und Solothurn, 1837. hat seiner Uebersetzung33Literatur.von Cuvier’s Thierreich sehr beachtenswerthe, auf verschiedene schweize - rische Fische sich beziehende Zusätze beigefügt und unter Mitwirkung von Agassiz ein vollständiges Verzeichniss der in der Schweiz einheimischen Fische zusammengestellt, welchem er später noch eine Beschreibung der Fische des Canton Zürich folgen liess. Eine ausgezeichnete Bearbeitung der Bodensee - Fische haben wir Rapp41)W. v. Rapp: Die Fische des Bodensee, vergl. die Würtembergischen natur - wissenschaftlichen Jahreshefte. Jahrgang X. Heft 2. 1854. pag. 137 mit sechs Tafeln Ab - bildungen (diese Abhandlung ist auch separat im Druck erschienen). zu verdanken.
Die Fischfauna des vom Rheinfall bis Bingen als Mittelrhein aufzufassen - den Rhein-Gebiets hat vielfache Bearbeiter gefunden, von denen der Strass - burger Fischer Baldner wohl den interessantesten Beitrag geliefert hat. Dieser fleissige und aufmerksame Beobachter hat ein Manuscript ausgearbeitet, wel - ches ausser einer Beschreibung der verschiedensten Wasserthiere des Rheins auch eine kurze Beschreibung der Rhein-Fische enthält, zu welcher colorirte Abbildungen aller von Baldner beschriebenen Naturproducte beigefügt sind. Ich fand dieses Manuscript42)Der Titel dieses Manuscriptes lautet: Recht natürliche Beschreibung und Abmahlung der Wasser-Vögel, Fischen, vierfüssi - gen Thier, Insekten und Gewirm, so bey Strassburg in den Wassern sind die ich selber ge - schossen und die Fisch gefangen, auch alles in meiner Hand gehabt. Leonhard Baldner, Fischer undt Hagmeister in Strassburg gefertigt worden 1666. Die Abtheilung dieses Manuscripts, welche die Fische enthält, hat Baldner über - schrieben: Das Fischbuch, darin 45ley Gattung Fisch und Krebs, so nach ihrer Art und eigen - schaft beschrieben zu finden. zu meiner grössten Freude in dem Strassburger Naturalien-Cabinete vor und verdanke eine genauere Einsicht in dasselbe der gütigen Erlaubniss des Vorstandes des genannten Cabinets, W. P. Schimper. In der als » Fischbuch « überschriebenen Abtheilung dieses Manuscriptes befin - den sich 32 Fische colorirt abgebildet, von denen 29 ziemlich kenntlich dar - gestellt waren, während 3 Cyprinoiden von mir nicht gedeutet werden konnten. Baldner hatte jeden dieser abgebildeten Fische mit dem in Strassburg ge - bräuchlichen deutschen Volksnamen bezeichnet, zu welchem späterhin Reis - eisen, ein Strassburger Naturforscher, die lateinischen Namen nach Linne, jedoch nicht immer richtig, hinzugefügt hatte; von dem bekannten Zoologen Joh. Hermann waren mehrere dieser Fehler mit eigener Hand berichtiget wor - den. Baldner hat übrigens dieses Manuscript mehrmals anfertigen lassen, da sich ein zweites Exemplar desselben in London und ein drittes Exemplar in Cassel befindet. Das Londoner Exemplar wurde durch Willughby dorthin gebracht*)Scheuchzer spricht sich in seiner Bibliotheca scriptorum historiae naturalis om - nium terrae regionum inservientium Historiae naturalis Helvetiae prodromus etc. (Tiguri 1716. pag. 19) über dieses Manuscript dahin aus: » Leonhardus Baltner, Piscator et Auceps. 40)c. Der Canton Zürich in naturgeschichtlicher und landwirthschaftlicher Beziehung dargestellt. Zürich, 1842. pag. 302.v. Siebold, Fische. 334Literatur.Ray*)Vergl. F. Willughbeii Ornithologiae libri tres. Totum opus recognovit etc. Joh. Rajus. Londini, 1676. Praefatio., welcher nach Willughby’s Tode dessen Schriften herausgab, erwähnte Baldner’s Manuscript in folgender Weise: » Jam ut opus hoc iconibus tum ele - gantissimis, tum vivarum avium simillimis illustraremus, plurimas coloribus depictas imagines conquisivimus: et primo avium omnium Rhenum fluvium frequentantium figuras praestantissimi artificis manu eleganter et accurate de - lineatas, et in unum volumen compactas, a Leonardo Baltner Aucupe et pi - scatore Argentinensi, qui aves ipsas occiderat, depingi fecerat et patria lingua descripserat, redemimus «. Ferner führt Ray**)Vergl. F. Willughbeii de Historia piscium libri quatuor. Totum opus recognovit etc. Joh. Rajus. Oxonii, 1686. Praefatio. an: » Ingeniosissimus D. Frede - ricus Slare M. D. Leonardi Baltneri Piscatoris Argentinensis Manuscriptum de piscibus Rhenanis, aliisque prope urbem eam captis, e Germanico Idiomate in Anglicum sermonem transtulit, quo nos, eo intellecto, et de Iconibus dubiis certiores redderemur, et inde excerpere possemus quae in rem nostram essent «.
Von der Existenz eines dritten Exemplars des Baldner’schen Manuscripts in der Landesbibliothek zu Cassel erhielt ich die erste Notiz aus Nau’s Vorrede zu seinen Beiträgen zur Naturgeschichte des Mainzer Landes***)Vergl. Nr. 45 a: pag. 4.. Ich habe es dem liberalen Directorium der Casseler Landesbibliothek unter der gefälligen Vermittlung der hiesigen Staatsbibliotheks-Behörde zu verdanken, dass ich dieses kostbare Manuscript hier mit Musse benutzen konnte. Es ist dasselbe weit sorgfältiger und sauberer ausgestattet als das Strassburger Exemplar, trägt aber ganz dieselben Titel und dieselbe Jahreszahl (1666). In der Ab - theilung, welche den Fischen gewidmet ist, sind 49 Tafeln enthalten, auf welchen 6 Krebse und 46 Fischarten, Fischvarietäten und Fischmonstrositä - ten sehr sorgfältig und richtig colorirt dargestellt sind, nur drei Fische habe ich auch unter diesen Abbildungen nicht entziffern können. Einer jeden Ta - fel, welche zugleich über jedem dargestellten Fisch den in Strassburg ge - bräuchlichen deutschen Volksnamen als Aufschrift trägt, ist ein Blatt mit sorgfältig geschriebenem deutschen Texte beigefügt, welcher sich auf von Baldner selbst gemachte Beobachtungen über Lebensweise, Aufenthaltsort, Laichzeit des abgebildeten Fisches und auf dessen Bedeutung als Nahrungs - mittel bezieht. Dieser Text muss auch dem Londoner Manuscripte beigege - ben sein, da ich die in Willughby’s Historia piscium aus dem Londoner Ma -*)Argentinensis. Descripsit et depinxit Pisces et Aves, quae in Rheno et circa Argentoratum reperiuntur. Manuscriptum coëmit Eques Willoughby, et passim inseruit Ornithologiae et Ichthyographiae «. Warum in Willughby’s Historia piscium der Name Baldner stets als Baltner citirt wird, worin auch Scheuchzer und Hermann gefolgt sind, ist mir unverständlich geblieben; sowohl in dem Manuscripte von Strassburg wie in dem von Cassel ist ganz deutlich » Bald - ner « zu lesen.35Literatur.nuscripte öfters angeführten Beobachtungen Baldner’s mit denen im Casseler Manuscripte niedergelegten Beobachtungen vollkommen übereinstimmend fand. Die Abbildungen, welche in Willughby’s Historia piscium aus dem Manuscripte Baldner’s copirt sind, stehen den Originalen an Deutlichkeit bei weitem nach. Bei dem Citiren der Fischabbildungen Baldner’s habe ich stets das Casseler Manuscript benutzt, während Valenciennes das Strassbur - ger Exemplar verglichen hat.
Ausser Baldner haben auch noch Hermann43)Joh. Hermann: Observationes zoologicae (Opus posthumum edidit F. L. Hammer). Argentorati Parisiis XII. (1804). in Strassburg, Sander44)Sander: Beiträge zur Naturgeschichte der Fische im Rhein, vergl. den Natur - forscher, Stück 15. 1781. pag. 163. in Carlsruh und Nau45)B. S. Nau: a. Oekonomische Naturgeschichte der Fische in der Gegend um Mainz, vergl. Beiträge zur Naturgeschichte des Mainzer Landes, Heft I. Mainz, 1787. b. Nachtrag zur Naturgeschichte der Fische nebst den Amphibien und Vögeln des Mainzer Landes. Mainz, 1788. c. Bemerkungen zu des Herrn Sander’s Beiträgen zur Naturgeschichte der Fische im Rhein, vergl. den Naturforscher, Stück 25. 1791. pag. 24. in Mainz über die Fische des Mittelrheins und seiner Nebenflüsse recht beachtenswerthe Mittheilungen geliefert. Ein von Span - nagel46)Spannagel: Verzeichniss der Fische der bayrischen Rheinpfalz, vergl. den sechszehnten und siebenzehnten Jahresbericht der Pollichia, eines naturwissenschaftlichen Vereins der Rheinpfalz. Neustadt a / H., 1859. pag. 26. in Dürkheim zusammengestelltes Verzeichniss der Fische der bay - rischen Rheinpfalz gewährt dadurch Interesse, dass in demselben nicht bloss die Rhein-Fische, sondern auch die Fische der verschiedenen vom Haardtgebirge entspringenden kleinen Seitenbäche des Rheins und der Nahe aufgeführt sind.
Die ungleich bedeutenderen Seitenflüsse des rechten Ufers des Mittel - rheins enthalten eine Fischfauna, welche zu verschiedenen Zeiten die Auf - merksamkeit der Zoologen und Faunisten angeregt hat. Nachdem G. v. Martens in seiner oben (Nr. 14 b) erwähnten Fauna Würtembergs die Fische des Neckar-Gebiets nicht unbeachtet gelassen, wurden von Günther47)A. Günther: Die Fische des Neckar, aus den Würtembergischen naturwissen - schaftlichen Jahresheften, Jahrgang IX. Stuttgart, 1853 besonders abgedruckt. in einer sehr ausführlichen Abhandlung die Fische des Neckars vortrefflich beschrieben.
Ueber die Fische des Main-Gebiets liegen Verzeichnisse von sehr verschie - denem Werthe vor. Die Fische der Pegnitz wurden von Meyer48)Angenehmer und nützlicher Zeitvertreib mit Betrachtung curioser Vorstellung allerhand kriechender, fliegender und schwimmender auf dem Land und im Wasser sich befindender und nährender Thiere sowohl nach ihrer Gestalt und äusserlichen Be - schaffenheit als auch etc. nach der Natur gezeichnet, gemahlet und in Kupfer gestochen von J. D. Meyer. 3 Thle. Nürnberg, 1748. in einem grösseren farbigen Bilderwerke unter Beifügung ihrer in Nürnberg gebräuch - lichen Volksnamen recht kenntlich dargestellt und mit naturhistorischen No -3*36Literatur.tizen begleitet, während von Küster49)H. C. Küster: a. Systematisches Verzeichniss der in der Umgegend Erlangens beobachteten Thiere. Erlangen, 1840. pag. 8. b. Von demselben wurden in der vierten Beilage zu der von Lochner der 23ten Natur - forscher-Versammlung gewidmeten Erinnerungsschrift: Nürnbergs Vorzeit und Gegenwart (Nürnberg, 1845. pag. 364) die zoologischen Verhältnisse der Umgegend von Nürnberg bearbeitet und 29 in Mittelfranken einheimische Fische aufgezählt. die Fische der Pegnitz - und Regnitz - Gewässer in einem kahlen lateinischen Namensverzeichnisse zusammengefasst wurden. Ein grösseres Interesse hat Rosenhauer50)Rosenhauer: Ueber die in der Umgegend von Erlangen vorkommenden Fische, vergl. die wissenschaftlichen Mittheilungen der physikalisch-medicinischen Societät zu Er - langen. Heft I. Erlangen, 1858. pag. 165. einem anderen Fisch - verzeichnisse des Regnitzer Gebietes dadurch zu geben gewusst, dass er dem - selben die gebräuchlichsten Volksnamen und die speciellen Fundorte der von ihm aufgeführten Fische beigefügt hat. Einen sehr wichtigen Beitrag zur Fischfauna des Main-Gebietes haben wir Leiblein51)Leiblein: Versuch einer Aufzählung der Fische des Main-Gebietes, vergl. das Correspondenz-Blatt des zoologisch-mineralogischen Vereins in Regensburg. Jahrgang VII. Regensburg, 1853. pag. 97. in Würzburg zu ver - danken. Ein einfaches Namensverzeichniss der Fische aus dem Gebiete der Stadt Frankfurt stellte Römer-Büchner52)B. J. Römer-Büchner: Verzeichniss der Steine und Thiere, welche in dem Ge - biete der freien Stadt Frankfurt und deren nächster Umgebung gefunden werden. Frank - furt a / M., 1827. pag. 68. zusammen. Zwei sich sehr nahe berührende Fischfaunen des Mittelrheins und seiner am rechten Ufer einmün - denden Seitengewässer sind von Jäger53)C. Jäger: Die Fische der Wetterau, vergl. die naturhistorischen Abhandlungen aus dem Gebiete der Wetterau. Eine Festgabe der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau bei ihrer 50jährigen Jubelfeier. Hanau, 1858. pag. 231. und Kirschbaum54)L. Kirschbaum: Die Reptilien und Fische des Herzogthums Nassau, vergl. An - kündigung der öffentlichen Prüfung des Herzogl. Nassauisch. Gelehrten-Gymnasium zu Wiesbaden. Wiesbaden, 1859. ausgearbeitet worden, von denen ersterer die Fische des Mains und der Bäche der Wetterau einer Besprechung unterworfen hat, während letzterer in einer kurzen Be - schreibung der Fische des Herzogthums Nassau diejenige Abtheilung der rhei - nischen Fischfauna behandelt hat, welche den Uebergang von der mittelrhei - nischen zur niederrheinischen Fauna bildet.
Die von Ausonius55)D. M. Ausonii Mosella. Von den vielen Ausgaben dieses Gedichtes habe ich vorzüglich die Ausgabe von L. Tross (Hamm, 1824) benutzt. Die Deutung der Mosel-Fische des Ausonius ist vielfach versucht worden. Eine richtige Bestimmung derselben hat Schaefer in seiner Moselfauna (pag. VII) und Oken in der Isis (1845. pag. 5) niedergelegt. aufgeführten 15 Mosel-Fische sind wohl als die älte - sten Beiträge zur niederrheinischen Fischfauna zu betrachten. In neuerer Zeit haben die Fische der Mosel die Aufmerksamkeit verschiedener Faunisten auf sich gezogen. Von Holandre56)J. Holandre: a. Faune du Département de la Moselle, et principalement des wurden die Fische des obern Mosel-Gebiets37Literatur.einer genauen Untersuchung unterworfen, an welche sich eine ähnliche Arbeit von Fournel57)B. H. L. Fournel: Faune de la Moselle. Ire Partie. Mammifères, Oiseaux, Re - ptiles, Poissons, et Mollusques. Metz, 1836. pag. 368. anschliesst. Eine sehr anerkennenswerthe Bearbeitung der Fische des niederrheinischen Stromgebiets hat Selys-Longchamps58)E. de Selys-Longchamps: Faune Belge. Liége, 1842. pag. 183. in seiner trefflichen belgischen Fauna der Wissenschaft übergeben, welche Fauna sich Schaefer59)M. Schaefer: Moselfauna, enthaltend die Aufzählung und Beschreibung der im Regierungsbezirke Trier beobachteten Thiere mit Berücksichtigung der Angrenzung des Moseldepartements und Belgiens. Trier, 1844. pag. 273. bei der Aufzählung und Beschreibung der Mosel-Fische zum Muster genommen hat, während von Schnur60)Schnur: Systematische Zusammenstellung der im Regierungsbezirke Trier bis - her von mir aufgefundenen Reptilien, Fische und Mollusken, vergl. den Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen pro 1847. Trier. pag. 70. die Fische des Mosel-Gebiets mit Sach - kenntniss und richtiger Kritik zusammengestellt wurden. Von Troschel61)Troschel: a. Alausa vulgaris und finta, verschiedene Arten, vergl. Wieg - mann’s Archiv für Naturgeschichte, 18ten Jahrg. 1852. Bd. I. pag. 228. b. Ueber die Rümpchen, vergl. die Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preuss. Rheinlande und Westphalens, 8ten Jahrg. Bonn, 1851. pag. 563. Aus diesem Aufsatze lernen wir verschiedene kleine Fische der Ahr kennen, welche unter dem Namen » Rümpchen « in den Handel gebracht werden. wurden mehrere Fische des Niederrheins und seines Nebenflüsschens Ahr einer Besprechung unterworfen, und über die Fische der rechten Seitengewässer des Niederrheins, namentlich der Sieg, Ruhr und Lippe gaben uns die von Merrem62)L. Merrem: Verzeichniss der rothblütigen Thiere in den Gegenden um Göttin - gen und Duisburg, vergl. Schriften der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Bd. IX. 1789. pag. 195. Hier zählt Merrem 26 Fische aus der Gegend um Duisburg mit ihren Provincialnamen auf. und Suffrian63)Suffrian: Verzeichniss der innerhalb des k. preuss. Regierungsbezirks Arnsberg bis jetzt beobachteten wildlebenden Wirbelthiere, vergl. Jahrbücher des Vereins für Natur - kunde im Herzogthum Nassau. Heft 3. Wiesbaden, 1846. pag. 126. Es werden in diesem Verzeichnisse 21 Fische namhaft gemacht. zusammengestellten Thierverzeichnisse Auskunft. Zur Kenntniss der Süsswasserfische von Holland, dem Ausgangspuncte des weitausgedehnten niederrheinischen Stromgebiets hat Gronovius64)L. Th. Gronovius: a. Pisces belgii seu piscium in belgio natantium, et a se observatorum Catalogus, vergl. Acta societatis reg. scientiarum Upsaliensis ad ann. 1741. pag. 67. et ad ann. 1742. pag. 79. b. Museum ichthyologicum sistens piscium indigenorum et quorundam exoticorum etc. Lugd. Batav., 1754. c. Centuria animalium secunda in Belgio a me observatorum, vergl. Acta Helvetica. Vol. IV. Basileae, 1760. pag. 256. d. Zoophylaceum Gronovianum. Lugd. Batav., 1781. in ver - schiedenen Schriften Beiträge geliefert, leider konnten mehrere von Gronovius56)environs de Metz, vergl. Département de la Moselle. Annuaire de Verronnais, Imprimeur - Libraire à Metz, pour l’an 1825. Metz. pag. 324. b. Faune du Département de la Moselle. Animaux vertébrés. Metz, 1836. pag. 231.38Literatur.aufgeführten Fische ihrer ungenügenden Beschreibung wegen bis jetzt nicht gedeutet werden, weshalb es um so mehr zu bedauern ist, dass Bennet und Olivier65)J. A. Bennet & G. van Olivier: Naamlijst van Nederlandsche Visschen, vergl. Natuurkundige Verhandelingen van de Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen te Haarlem. X. Haarlem, 1824. Es werden hier 40 holländische Süsswasserfische beschreiben. in ihrer Uebersicht der niederländischen Fische die Arbeiten des Gronovius fast ganz unberücksichtigt gelassen haben. Auch in der erst kürz - lich bekannt gemachten Beschreibung der Wirbelthiere der Niederlande hat Schlegel66)H. Schlegel: De Dieren van Nederland. Gewervelde Dieren. Visschen. Haar - lem, 1862. In dieser Schrift, welche einen Theil der Natuurlijke Historie van Nederland ausmacht, hat der Verfasser 37 Süsswasserfische als Bewohner der Niederlande beschrieben und zum Theil bildlich dargestellt. unter den Süsswasserfischen diejenigen Formen, welche von Gronovius erwähnt worden sind, aber bisher nicht gedeutet werden konnten, keiner näheren Untersuchung unterworfen.
Ueber die Fische des Weser-Gebietes hat die Literatur nicht eine einzige Arbeit von Bedeutung aufzuweisen. Es sind nur einige wenige Fischverzeich - nisse bekannt gemacht worden, von denen in dem einen Schreiber67)C. Schreiber: Physikalisch-medizinische Topographie des Physikats-Bezirks Eschwege, vergl. die Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwis - senschaften zu Marburg. Bd. VII. 1849. pag. 117. die Werra-Fische aufgezählt hat, während in einem anderen von Schwaab68)W. Schwaab: Geographische Naturkunde von Kurhessen. Cassel, 1851. pag. 78. Hier werden 33 Fischarten aufgezählt. die Fische Kurhessens ohne Angabe der Volksnamen und der Fundorte zusammen - gestellt worden sind. In einem dritten von Heineken69)Heineken: Die freie Stadt Bremen und ihr Gebiet. Bd. 1. 1830. pag. 148. Das Fischverzeichniss dieser Schrift enthält 34 Süsswasser - und Wander-Fische. abgefassten Verzeich - nisse der Weser-Fische vermisst man sowohl bei den lateinischen wie deut - schen Bezeichnungen die nothwendige Correctheit. Ein viertes von Seetzen70)Seetzen: Verzeichniss der Fische in den Gewässern der Herrschaft Jever, vergl. Meyer: zoologische Annalen. Bd. I. Weimar, 1794. pag. 309. Von den in diesem lateinischen Verzeichnisse aufgeführten 49 Arten Süsswasser - und Wander-Fische werden sich bei genauerer Prüfung jedenfalls mehrere als unrichtig bestimmt herausstellen. angefertigtes lateinisches Verzeichniss der die Wesermündung bewohnenden Fische kann bei Hinweglassung der Provincialnamen dieser Fische nur gerin - ges Interesse gewähren.
Das Elbe-Gebiet, zu welchem ich auch die über Meklenburg und Holstein sich ausbreitenden Landseen zählen will, hat mit seinen bis in das Herz von Mitteleuropa sich hineinerstreckenden Quellen und Seitenflüssen einen grossen Reichthum an Fischen aufzuweisen, welcher verschiedene wichtige ichthyolo - gische Arbeiten hervorgerufen hat. Von den Fischen der böhmischen Elbe mit ihren Seitenflüssen wurden zu sehr verschiedenen Zeiten durch Balbin71)B. Balbin: Miscellanea historica regni Bohemiae, Pragae, 1679. Decas I. Liber I. Caput 52 — 57. De piscibus Bohemiae etc.,39Literatur.Schmidt72)F. W. Schmidt: Versuch eines Verzeichnisses aller in Böhmen bisher bemerk - ten Thiere, vergl. dessen Sammlung physikalisch-ökonomischer Aufsätze. Bd. I. Prag, 1795. pag. 64. und Amerling73)C. Amerling: Fauna etc. Dieses in Prag 1822 erschienene Werk ist das ein - zige, was mir von den angeführten Schriften unzugänglich geblieben ist. Verzeichnisse bekannt gemacht, an welche sich Woldrich’s74)J. N. Woldrich: Ueber die Fische und ihr Leben in den Waldbächen des Cen - tralstockes des Böhmerwaldes, vergl. Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaften. Jahrg. VIII. 1858. Juli-September. Aufsatz über die Fische des Böhmerwaldes anschliesst. Nach - dem auch Heckel in der bereits (Nr. 13) erwähnten Bearbeitung der öst - reichischen Fische die böhmischen Fische in das Bereich seiner Unter - suchungen gezogen hatte, wurden von Fritsch75)A. Fritsch: Kritisches Verzeichniss der Fische Böhmens, vergl. Lotos, Zeit - schrift etc. Jahrg. IX. 1859. October. in einem späteren, mit ge - diegener Kritik behandelten Verzeichnisse der Fische Böhmens einige von älteren Faunisten als Bewohner des Elbe-Gebiets mit Unrecht aufgeführten Fische aus dieser Fischfauna zurückgewiesen. In einer von Leske76)N. G. Leske: Ichthyologiae Lipsiensis Specimen. Lipsiae, 1774. ausgear - beiteten Ichthyologie wurden die Cyprinoiden einiger dem mittleren Elbe - Gebiete angehörenden Seitenflüsse sehr ausführlich beschreiben, während in Bezug auf die Fische der Seitengewässer der Niederelbe ausser den Beobach - tungen, welche Bloch in den bereits (Nr. 3 a und c) erwähnten Schriften niedergelegt hat, die von Birkholz77)J. Ch. Birkholz: Oekonomische Beschreibung aller Arten Fische, welche in den Gewässern der Churmark gefunden werden. Berlin und Stralsund, 1770. und Schulz78)J. H. Schulz: Fauna Marchica. Berlin, 1845. pag. 485. gemachten Mittheilungen zu erwähnen sind. Ueber die Fische der Niederelbe und der meklenburgi - schen Seen hat Siemssen79)A. Ch. Siemssen: Die Fische Meklenburgs. Rostock und Leipzig, 1794. ausführliche Beschreibungen geliefert und Boll80)E. Boll: Die Fische Meklenburgs, vergl. dessen Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg. Jahrg. 13. Neubrandenburg, 1859. pag. 143. kurze Auskunft gegeben. Eine vorzügliche und noch immer höchst brauch - bare ältere Schrift über die Naturgeschichte der Fische der Niederelbe und der holsteinischen Seen ist in Schonevelde’s81)Sr. a Schonevelde: Ichthyologia et Nomenclaturae animalium marinorum, fluviatilium, lacustrium, quae in Ducatibus Slesvici et Holsatiae et Emporio Hamburgo oc - currunt triviales. Hamburgi, 1624. Ichthyologie enthalten. Auch Krøyer82)H. Krøyer: Danmarks Fiske. Kjøbenhavn, 1838 — 53. hat in seiner Naturgeschichte der Fische von Dänemark die holstei - nischen Süsswasserfische nicht unberücksichtiget gelassen. In einem Bei - trag83)Beiträge zur Naturkunde des Fürstenthums Lüneburg. Lüneburg, 1861. pag. 17. zur Fauna des Fürstenthums Lüneburg sind ebenfalls die Fische des Niederelbe-Gebiets ziemlich vollständig aufgezählt.
Das Gebiet der Oder nebst dem durch Pommern weit nach Osten hin sich40Literatur.ausdehnenden System von Landseen stimmt in Bezug auf seine Wasserbewohner mit dem Elbe-Gebiet fast gänzlich überein, wie dies aus den verschiedenen älteren und neueren faunistischen Mittheilungen hervorgeht. Eine der älte - sten Bearbeitungen der Fische des oberen Oder-Gebiets rührt von Schwenck - feld84)C. Schwenckfeld: Theriotropheum Silesiae. Lignicii, 1603. pag. 377. Pisces Silesiae. her, welcher in dem fünften Buche seines Theriotropheum zur schle - sischen Fischkunde einen für die damalige Zeit sehr schätzbaren Beitrag lieferte. Hierauf wurde von Börner85)J. C. H. Börner: Zoologiae Silesiacae Prodromus. Pisces. Vergl. der patrio - tischen Gesellschaft in Schlesien neue ökonomische Nachrichten auf das Jahr 1781. Bd. II. Breslau. pag. 187. eine sorgfältige und mit nützlichen Bemerkungen ausgestattete Zusammenstellung der schlesischen Fische ver - fasst, welcher sich ein einfaches Namensverzeichniss derselben Fische von Weigel86)J. A. V. Weigel: Faunae Silesiacae Prodromus. Berlin, 1806. pag. 41. anschloss. Ein späteres Verzeichniss der schlesischen Fische wurde von Kaluza87)A. Kaluza: Systematische Beschreibung der schlesischen Amphibien und Fische. Breslau, 1815. mit kurzen Beschreibungen ausgestattet, welchem Gloger88)C. L. Gloger: Schlesiens Wirbelthier-Fauna. pag. 70. eine mit genauer Kritik angefertigte Uebersicht der Fische Schlesiens folgen liess. Für die Fische, welche die den Quellen der Oder nahe gelegenen Sei - tengewässer bewohnen, hat Heinrich89)A. Heinrich: Mährens und k. k. Schlesiens Fische, Reptilien und Vögel. Brünn, 1856. in seiner Beschreibung der mährischen und schlesischen Fische sehr brauchbare Anhaltspuncte geliefert, während die Fischfauna des mittleren Theiles des Oder-Gebietes aus den bereits (un - ter Nr. 77 und Nr. 78) citirten Schriften von Birkholz und Schulz entnom - men werden kann. Diejenigen Fische, welche in den der Ausmündung der Oder zufliessenden Gewässern sowie in den verschiedenen Wasser-Gebieten der pommerschen Seen angetroffen werden, sind von Creplin90)Vergl. Barthold’s Geschichte von Rügen und Pommern. Hamburg. Thl. I. 1839. pag. 81. näher in Betracht gezogen, theilweise aber auch von Siemssen und Boll (vergl. Nr. 79 und 80) namhaft gemacht worden.
Das gegen Osten sich ausbreitende und zugleich Mitteleuropa dort ab - grenzende Weichsel - und Pregel-Gebiet, welche beide ihre Gewässer in das unter dem Namen » frisches Haff « bekannte Binnenwasser ergiessen, haben eine untereinander zusammenhängende Gruppe grösserer und kleiner Seen zwischen sich, deren Ausflüsse sich theils mit dem Pregel, theils mit der Weichsel vereinigen. Beide auf diese Weise mehrfach unter sich verbundene Wassergebiete enthalten eine fast ganz gleiche Fischfauna, über welche wir mehrere ausführliche und gediegene Arbeiten besitzen. Die Fische der oberen41Literatur.Weichsel sind sowohl von den Faunisten Zawadzki91)A. Zawadzki: Fauna der galizisch-bukowinischen Wirbelthiere. Stuttgart, 1840. pag. 162. und Heinrich (vergl. Nr. 89) wie von Heckel (vergl. Nr. 13) berücksichtiget worden, dagegen habe ich über die Fischfauna der mittleren Weichsel nur die Naturgeschichte Polens von Rzaczynski92)G. Rzaczynski: Historia naturalis regni Poloniae. Sandomiriae, 1721. pag. 131: de fluminibus et piscibus & pag. 153: de lacubus, piscibus etc. benützen können. Anders verhält es sich mit den - jenigen Gewässern, welche als Niederweichsel - und Pregel-Gebiet mit den dazwischen liegenden masurischen Seen die beiden Provinzen West - und Ostpreussen durchziehen. Das reichliche Fischmaterial dieser Gewässer hat eine Menge ichthyologischer Forschungen hervorgerufen, unter denen die anatomisch-physiologischen Untersuchungen von Rathke und Baer als die hervorragendsten und einflussreichsten zu nennen sind. Zu den wichtigsten älteren, zum Theil faunistischen Leistungen auf dem Gebiete der Ichthyologie gehören die von dem Danziger Naturforscher Klein93)J. Th. Klein: Historiae piscium naturalis missus I — V. Gedani, 1740 — 49. in seiner Historia pi - scium niedergelegten Beobachtungen, denen derselbe viele zum Theil ganz kenntliche Abbildungen beifügte. Eine Zusammenstellung aller ost - und westpreussischen Fische wurde von Wulff94)J. Ch. Wulff: Ichthyologia cum Amphibiis regni Borussici. Regiomonti, 1765. unternommen, die jedoch nur mit Vorsicht benutzt werden muss, da sie mancherlei Unrichtigkeiten und mehrere fehlerhafte Bestimmungen enthält. Einen ungleich höheren Werth besitzt die Naturgeschichte der preussischen Fische, welche Bock95)F. S. Bock: Versuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem König - reich Ost - und Westpreussen. Bd. IV., welcher die inländischen Säugethiere, Vögel, Am - phibien und Fische beschreibet. Dessau, 1784. pag. 522. ausge - arbeitet und durch eine Zugabe von Bemerkungen über die Fischerei in Preussen noch nutzbarer gemacht hat. In der von Lorek96)C. G. Lorek: Fauna Prussica. Abbildungen der Säugethiere, Vögel, Amphi - bien und Fische Preussens. Königsberg, 1834. herausgegebenen Fauna Prussica sind 20 Tafeln den Fischen gewidmet, auf welchen jedoch nichts anderes als Copien aus dem Bloch’schen Fischwerke dargestellt sind. Ein grösseres Verdienst hat sich Bujack97)J. G. Bujack: Naturgeschichte der höheren Thiere mit besonderer Berücksich - tigung der Fauna Prussica. Königsberg, 1837. pag. 300. durch seine Fauna Prussica zu erwerben gewusst, in welcher derselbe die Naturgeschichte der preussischen Fische mit richtigem Tacte abgehandelt hat. Nachdem schon früher von Rathke98)H. Rathke: a. Beiträge zur Geschichte der Thierwelt, vergl. neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Bd. I. Heft 3. Halle, 1824. pag. V. b. Verzeichniss der in Ost - und Westpreussen vorkommenden Wirbelthiere, vergl. neue preussische Provinzial-Blätter. Bd. II. Heft 1. Königsberg, 1846. pag. 17. ein Verzeichniss der bei Danzig vorkommenden Fische bekannt ge - macht worden war, zählte derselbe die Fische von Ost - und Westpreussen42Literatur.vollständig auf und fügte noch einige Bemerkungen über gewisse für die preussische Fauna zweifelhafte Fischformen hinzu.
Mit Hülfe dieser Literatur, sowie mit meinen eigenen seit einer Reihe von Jahren gesammelten Erfahrungen glaube ich mir ein ziemlich vollstän - diges Bild von der geographischen Verbreitung der Süsswasserfische in den verschiedenen Stromgebieten Mitteleuropa’s in so weit verschafft zu haben, dass ich es wagen durfte, der speciellen Darstellung der Fischformen der mitteleuropäischen Fauna noch einige Tabellen folgen zu lassen, welche den Charakter dieser Fischfauna in den verschiedenen Flussgebieten von Mittel - europa anschaulicher machen sollen.
In Rücksicht der Synonyme, welche bei gewissen Fischspecies zu einer fast unentwirrbaren Masse angeschwollen sind, habe ich, um die Citate nicht zu sehr anzuhäufen, aus der vorhandenen Literatur eine gewisse Auswahl getroffen und hauptsächlich diejenigen wissenschaftlichen Arbeiten berück - sichtigt, welche bis auf die neuste Zeit als die Grundlage der ichthyologi - schen Wissenschaft gelten müssen; ausserdem habe ich noch solche Autoren erwähnt, die in Bezug auf geographische Verbreitung der einzelnen Arten Original-Notizen oder ganz zuverlässige Angaben geliefert haben; auch solche Autoren durften nicht unerwähnt bleiben, die entweder wirklich neue Arten beschrieben und abgebildet haben oder deren vermeintlich neue Ar - ten als unhaltbar erkannt worden sind.
Bei der Darstellung der einzelnen Fischformen habe ich absichtlich jede weitläufige Beschreibung vermieden, da ich es leider nur zu oft erfahren habe, dass gerade bei den Fischen eine ganz ausführliche Beschreibung am wenigsten zur Erkenntniss und Unterscheidung einer Art beizutragen im Stande ist. Für ganz allgemein gekannte Fische, wie für den Barsch, die Schleihe, den Hecht, den Aal u. a. habe ich daher die Angabe der diagnosti - schen Merkmale als ausreichend gehalten, um diese Fische zu kennzeichnen.
Skelet knöchern; Kiemenblätter an ihren Spitzen frei, einfache Kiemenspalten von einem Kiemendeckel-Apparat und einer durch Knochenstrahlen gestützten Kiemenhaut bedeckt; zwei Klappen im Aortenbulbus*)Bei der systematischen Anordnung und Aufzählung der Fische von Mitteleuropa habe ich auf das natürliche System, welches Joh. Müller für die Fische festgestellt hat, besonders Rücksicht genommen..
Vordere Strahlen der Rückenflosse, der Afterflosse und der Bauchflossen immer einfach, ungegliedert und stachelförmig endend; Schwimmblase, wenn sie vorhanden ist, immer ohne Luftgang.
Die beiden Zwischenkiefer und der Unterkiefer, sowie das mitt - lere an der Gaumendecke gelegene unpaarige Pflugscharbein (Vomer - knochen) und die beiden seitlichen Gaumenbeine tragen Zähne. Die Kiemendeckel-Stücke gezähnelt oder bedornt; die Schuppen am Hin - terrande gezähnelt (Kammschuppen, Ctenoid-Schuppen).
44Familie: Percoidei.Gattungscharakter: Zwei mehr oder weniger einander genäherte Rückenflossen; Maul mit vielen kleinen dichtstehenden Zähnen (Bürstenzähnen) besetzt; an dem Kiemendeckel - Apparat der Vordeckel gezähnt, der Hauptdeckel mit einem Dorne. Körper seitlich zusammengedrückt.
Synonyme und Citate2)Ausser den ichthyologischen Hauptautoritäten Artedi, Linné, Bloch, Agassiz, Cuvier und Valengiennes, Heckel und Kner habe ich von den vielen faunistischen Schrift - stellern nur eine ganz beschränkte Zahl ausgewählt, und dabei die Auswahl so getroffen, dass die citirten Faunisten zugleich als Zeugen gelten sollen für das Vorkommen der ver - schiedenen Fischspecies in den einzelnen Flussgebieten: Donau, Rhein, Elbe, Oder, Weich - sel und Pregel. Für das Weser-Gebiet habe ich bis jetzt keinen zuverlässigen Faunisten auf - finden können. Die Citate selbst sind nach der Zeitfolge geordnet, in welcher die Schriften bekannt geworden sind..
Baldner Nr. 423)Die hinter dem Autor-Namen befindlichen Nummern und Buchstaben beziehen sich auf die in der Einleitung aufgeführte Literatur, dasselbe gilt auch von den im Texte hinter einem Autor-Namen von einer Parenthese eingeschlossenen Nummern und Buchstaben.: pag. 164. Taf. 13. Persing.
Artedi Nr. 1: Genera piscium pag. 39. n. 1, Descriptiones specierum piscium pag. 74. n. 1, Synonymia nominum piscium pag. 66. n. 1.
Schaeffer Nr. 17: pag. 1. Tab. I. Fig. 1. Perca vulgaris, Bürstel.
Linné Nr. 2: pag. 481. n. 1, Perca fluviatilis.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 66. Taf. 52, Perca fluvialilis, Baarsch.
Schrank Nr. 23 a: pag. 313. n. 282 Flussbarsch, und pag. 314. n. 383 Bürstling, ferner Nr. 23 c: pag. 98.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 61, Perca fluviatilis, gemeiner Barsch.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. II. 1828. pag. 20, Perca fluviatilis, la Perche commune de rivière.
Gloger Nr. 88: pag. 77. n. 35, Perca fluviatilis, der gemeine Barsch.
Bujack Nr. 97: pag. 354, Perca fluviatilis, Barsch.
Krøyer Nr. 82: Bd. I. 1838 — 40. pag. 1, Perca fluviatilis.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 187. n. 5, Perca fluviatilis, Perche de rivière.
Günther Nr. 47: pag. 10, Perca fluviatilis, Barsch, Barschig.
Leiblein Nr. 51: pag. 115, Perca fluviatilis, Flussbarsch.
Rapp Nr. 41: pag. 4, Perca fluviatilis, Barsch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 3. Fig. 1, Perca fluviatilis, Flussbarsch.
Fritsch Nr. 75: pag. 200. n. 1, Perca fluviatilis, Flussbarsch.
45Gattung: Perca.Artcharakter: Körper messinggelb, ins Grünliche schillernd, mit mehreren vom Rücken gegen den Bauch laufenden schwärz - lichen Querbinden und mit blauschwarzem Augenflecke am Ende der vorderen Rückenflosse; Brustflossen gelb, Bauchflossen und Afterflossen roth.
1. D. 13 — 15, 2. D. 1 / 14 — 13, P. 14, V. 1 / 5, A. 2 / 8 — 9, C. 17, Squ. 7 — 9 / 60 — 68 / 13 — 151)Bei der Beschreibung der Flossen und Beschuppung habe ich der Kürze wegen ganz die Methode Heckel’s eingehalten (s. dessen Süsswasserfische der östreich. Monar - chie). D bedeutet die Rücken - oder Dorsalflosse, P bedeutet die Brust - oder Pec - toralflosse, V die Bauch - oder Ventralflosse, A die After - oder Analflosse und C die Schwanz - oder Caudalflosse. An den Zahlenformeln, welche hinter den Flossen folgen und welche sich auf die Flossenstrahlen beziehen, zeigen die hinter einem Bruchstriche befindlichen Zahlen immer pinselförmig zersplitterte Strahlen an. Ist der zersplitterte letzte Strahl einer Flosse bis auf den Grund in zwei Bündel abgetheilt, wie das häufig bei dem letzten Strahl der Afterflosse vorkömmt, so wird derselbe doch nur als ein einfacher Strahl gezählt. An der Zahlenformel der Schuppen (Squamae) drückt die vor dem ersten Bruchstriche befindliche Zahl die oberhalb der Seitenlinie gelegenen Schuppen-Längsreihen aus, während die Zahl hinter dem zweiten Bruchstriche die unter der Seitenlinie gelegenen Schuppen-Längsreihen anzeigt. Die zwischen den beiden Bruchstrichen aufgeführten Zah - len dagegen sollen die Schuppenzahl bezeichnen, auf welcher die Seitenlinie hinläuft. Die Zählung der Schuppenreihen wird immer an der breitesten Stelle des Fischleibes, also ge - wöhnlich am Anfange der Rücken - und Bauchflosse vorgenommen..
Aus den von mir angeführten Synonymen wird man wahrnehmen, dass ich die beiden Barscharten, welche Schrank in seiner Fauna boica aufführt, nicht als zwei besondere Species anerkenne. Schrank beschrieb die beiden Barscharten, welche in Bayern einheimisch sein sollen, zuerst in einem be - sonderen Aufsatze (siehe Nr. 23 c) als Perca vulgaris und Perca fluviatilis, und gab von Beiden folgende Kennzeichen an. Für P. vulgaris hob er her - vor: » Die Rückenflossen abgesondert, die vordere mit einem Endflecke, die Stralen der hinteren ästig, der Leib mit Querbinden «, und berief sich auf Schaeffer’s Beschreibung und Abbildung der Perca vulgaris. Von P. flu - viatilis sagte Schrank dagegen: » Die Rückenflossen abgesondert, die vordere mit einem Endflecke, die Stralen beider ungetheilt, der Körper mit Querbin - den «. Hierzu citirte dann derselbe Bloch’s Beschreibung und Abbildung der Perca fluviatilis. Der diagnostische Unterschied zwischen diesen beiden Barscharten soll also auf dem Verhalten der hinteren Rückenflosse beruhen. In Bloch’s Beschreibung heisst es allerdings wörtlich2)Siehe Bloch Nr. 3 a: Thl. II. pag. 67.: » Die erstere (Rücken - flosse) hat am Ende einen schwarzen Fleck und harte, die übrigen aber ha - ben weiche Strahlen, welche in beiden Rückenflossen ungetheilt, in den übrigen Flossen aber die Strahlen vielzweigigt sind «. Auf der von Bloch ge - lieferten Abbildung sind in der That die Strahlen der hinteren Rückenflossen46Familie: Percoidei.wie die der vorderen einfach und stachelig dargestellt, während die Strahlen an allen übrigen Flossen derselben Abbildung durchweg strahlig getheilt sind. Es ist diese von Bloch gegebene Beschreibung und Darstellung des gemeinen Barsches aber durchaus unrichtig, wodurch sogar der Familien - Charakter der Percoiden verwischt ist. Kein den Percoiden angehörender Fisch besitzt an der hinteren Rückenflosse oder an dem hinteren Ende der ungetheilten Rückenflosse einfache und stachelige Strahlen. Schaeffer hat diesen wesentlichen Charakter des Barsches sowohl in der Beschreibung wie in der Abbildung sehr deutlich hervorgehoben, wodurch freilich die beiden von Bloch und Schaeffer abgebildeten Barsche als zwei ganz verschiedene Fische erscheinen. Da nun, wie schon bemerkt, keine Barschform solche Flossen besitzen kann, wie sie Bloch und Schrank an ihrer Perca fluviatilis gesehen haben wollen, so wird mit Recht diese zweite Barschart aus dem Verzeichnisse der Fische gestrichen werden müssen. Es sind auch über - haupt nur wenige Zoologen darauf eingegangen, die von Schrank aufgestell - ten Barscharten anzunehmen. Sogar Bloch selbst, der einen bayerischen Barsch zur Vergleichung von Schrank erhalten hatte, erklärte dem letzteren, dass er diesen Barsch schon in seinem Flussbarsche beschrieben habe1)Vergl. Schrank Nr. 23 c: pag. 100..
Diejenigen, welche gern eine zweite Barschart für Europa erhalten wis - sen wollen, könnten versucht werden, die Verschiedenheiten, welche die vom Rücken der Barsche sich herabziehenden dunklen Querbänder nach Zahl und Ausbreitung darbieten, für Art-Unterschiede zu halten; sie könnten auch als Art-Charakter die Lücke beachtet wissen wollen, welche zwischen der vorderen und hinteren Rückenflosse der Barsche bald in grösserer bald in ganz geringer Ausdehnung besteht oder oft ganz fehlt, oder sie könnten sich auch auf den Unterschied berufen, welchen die Barsche in Bezug auf ihre Körper-Umrisse bieten, indem sowohl langgestreckte und mehr geradrückige als auch kurze gedrungene und zugleich hochrückige Individuen unter den Barschen vorkommen. Es sind dies aber nur unwesentliche Verschiedenhei - ten, die in mannichfaltigster Weise variiren und ineinander übergehen, so dass dieselben gar keine Momente zu Abgrenzungen von Arten abgeben können.
Die dunkeln Querbinden des gemeinen Barsches treten zuweilen sehr undeutlich hervor, ja, sie verlieren sich in gewissen Fällen sogar vollständig. Eine solche ungebänderte Varietät verdient gewiss nicht, zu einer beson - deren Art erhoben zu werden, wie dies von Cuvier und Valenciennes ge - schehen ist2)Siehe Cuvier und Valenciennes Nr. 5: Tom. II. 1828. pag. 45., welche einen in Italien vorkommenden ungebänderten Fluss -47Gattung: Perca.barsch unter dem Namen Perca italica als besondere Art von der Perca fluviatilis trennten. Von Bonaparte wurde indessen diese Perca italica nicht als eigene Species anerkannt1)Siehe Carlo L. Principe Bonaparte: Iconografia della Fauna italica. Tom. III. Pesci. Roma, 1832 — 41. Fol. 79.. Dagegen gehört Bonaparte zu denjenigen wenigen Ichthyologen, welche ausser der Perca fluviatilis auch die von Schaeffer beschriebene Perca vulgaris als besondere Art unterscheiden. In seinem Katalog der europäischen Fische führt Bonaparte noch ausdrücklich an2)Siehe dessen Catalogo metodico dei pesci europei. Napoli, 1846. pag. 55. nr. 476 & 477., dass die auch in Italien einheimische Perca fluviatilis von Mitteleuropa aus sich in die westlichen Gewässer ausbreite, während sich die Perca vul - garis in ihrer geographischen Verbreitung von den Gewässern Mitteleuropa’s nach Osten hin erstrecke. Derselbe beruft sich auf die Abbildungen, welche Marsigli und Meidinger von dem Barsche der Donau geliefert haben. Aller - dings stimmen diese Abbildungen mit Schaeffer’s Perca vulgaris überein, allein der Barsch der Donau ist auch identisch mit dem Barsche des Rhein - Flussgebiets, sowie mit dem Barsche der schweizerischen, italienischen und französischen Flüsse und Seen.
Wären wirklich zwei Barscharten in Europa vorhanden, so würde eher noch die Vermuthung eine Rechtfertigung gefunden haben, dass diese beiden Species nicht als östliche und westliche Form, sondern wie es mit anderen Süsswasserfischen Europa’s der Fall ist, als nördliche und südliche Form durch die Alpenkette getrennt seien. Allein zwischen dem Donaubarsch und den nordischen Barschformen einerseits und den Barschformen von Südtyrol und Italien andererseits ist kein specifischer Unterschied herauszufinden. Heckel, dessen Scharfblick unter dem reichen Material, das ihm bei seinen Arbeiten zu Gebote stand, gewiss die zweite Barschart, wenn sie wirklich in Europa existirte, herausgefunden hätte, hat in Gemeinschaft mit Kner sich nicht entschliessen können, die europäische Barschform in zwei Arten zu zer - splittern, und überhaupt an der einen Barschart so festgehalten, dass er eine auffallend abweichende sehr grossäugige und gestreckte Barschform aus dem Hechtsee (bei Kufstein) nur als Abnormität ansehen zu müssen glaubte3)S. Heckel und Kner Nr. 13: pag. 6..
Man darf nur die verschiedenen guten Abbildungen untereinander verglei - chen, welche den Barsch der östreichischen, schweizerischen, italienischen, französichen, englischen und schwedischen Gewässer darstellen, so wird man sie alle in den Hauptcharakteren des Flussbarsches übereinstimmend finden4)Man vergleiche hierüber die folgenden Werke: Meidinger: Icones piscium Austriae indigenarum. Decuria I. nr. V. Jurine: Histoire abrégée des poissons du lac Léman, in den Mémoires de la société de physique et d’histoire naturelle de Genève. Tom. III. 1825. Pl. 3. Bonaparte: Iconografia della Fauna italica. Tom. III. Tav. 87 (2) Fig. 1.. 48Familie: Percoidei.Bonaparte1)Vergl. dessen lconografia a. a. O. Fol. 70. legt zwar, indem er die beiden oben erwähnten Arten für Europa festhalten will, Gewicht auf den gewölbten Rücken und auf die elliptische Körperform der Perca vulgaris, während die Perca fluviatilis einen mehr ge - raden Rücken und eine gestrecktere Körperform besitzen soll, derselbe hebt ferner hervor, dass bei Perca vulgaris beide Rückenflossen ganz getrennt von einander seien und die erste Rückenflosse verhältnissmässig weniger hoch sei und zwei Strahlen weniger besitze als bei Perca fluviatilis. Alle diese Merkmale sind aber durchaus nicht stichhaltig.
Ich würde mich bei dieser Controverse, welche durch Bloch’s mangel - hafte Beschreibung und unrichtige Abbildung der Perca fluviatilis zuerst an - geregt wurde, nicht so lange aufgehalten haben, wenn nicht auch der aus - gezeichnete Ichthyolog Agassiz die Meinung erfasst hätte, es gebe in Europa zwei Barscharten, und sich dabei auf die hiesige Barschform berufen hätte. Derselbe sagt nämlich in der Isis2)S. deren Jahrgang 1828. pag. 1047.: » Perca fluviatilis Bl. Taf. 52. und Perca vulgaris Schäff. Tab. 1. sind zwei sehr gute Arten, die schon Schrank (Fauna boica) unterschied, ob er gleich von C. fluviatilis nur ein getrocknetes Exem - plar sah; hier (in München) kommt bloss Perca vulgaris zu Markte; sie ist viel rauher und die Zeichnung ist unregelmässiger als bei Perca fluviatilis; in der Schweiz fand ich bloss letztere «. Auch später ist Agassiz derselben Meinung treu geblieben3)Vergl. Schinz Nr. 40 b: pag. 151.. Noch in dem Jahre 1858, am 10ten Mai schrieb mir Agassiz unter anderem: » haben Sie schon bemerkt, dass der Barsch des Donaugebietes von dem der Rhone und des Rheins verschieden ist «. Ich habe Barsche aus dem Mittelrhein (von Basel) und aus der Rhone (von Lyon) vor mir, und sehe keinen wesentlichen Unterschied zwischen ihnen und dem hiesigen Barsch.
Eine eigenthümliche Varietät des Barsches habe ich hier zuweilen auf dem Fischmarkt angetroffen, welche sich durch eine citronengelbe Färbung auszeichnet und aus den Teichen von Dinkelsbühl herrühren soll. Diese gelbe Farbe ist unabhängig von dem messinggelben Glanze des Barsches und tritt an der sonst weisslichen Bauchseite am deutlichsten hervor. Die Farbe geht von einer fettartigen Substanz aus, welche als kleine, dicht gedrängte Körnerhaufen von unregelmässiger Gestalt in der Cutis eingebettet liegt. Ob die von Günther4)S. dessen Beiträge zur Kenntniss unserer Süsswasserfische, in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1855. pag. 198. auf den Fischmärkten in Berlin bemerkte ganz4)Cuvier: Le règne animal. Nouv. (3e) édit. Les poissons. Atlas. Pl. VI. Fig. 1. Yarrel: A history of british fishes, sec. edit. 1841. Vol. I. pag. 1. Wright, Fries och Ekström: Skandinaviens fiskar. Stockholm, 1836. 1 Heft. Pl. I. Fig. 1.49Gattung: Perca.goldglänzende Varietät des Barsches mit der hier vorkommenden gelben Va - rietät zusammenfällt, muss ich dahin gestellt sein lassen. Durch diese Va - rietäten tritt übrigens der europäische Flussbarsch dem in Nordamerica all - gemein verbreiteten gelben Barsch (Perca flavescens Cuv. Val.)1)Vergl. Richardson: Fauna boreali-americana. London, 1836. pag. 1. Pl. 74. De Kay: Zoology of New-York. Part. IV. Fishes. Albany, 1842. pag. 3. Plate I. Fig. 1. noch um vieles näher.
Der in ganz Europa einheimische Flussbarsch ist einer der verbreitet - sten Fische in Süddeutschland, er findet sich sowohl in den kleineren wie grösseren Flüssen und Bächen des Donau - und Rhein-Gebiets, sowie in den kleineren und grösseren Seen, nur in gewissen Gebirgsseen fehlt er, z. B. im Hintersee (bei Berchtesgaden) und in den sehr hochgelegenen, an sich sehr fischarmen kleinen Alpenseen (Funtensee, Grünsee). Auch in Norddeutsch - land zeigt sich der Barsch fast in allen Flüssen und Seen als ein sehr gemei - ner Fisch.
Die Benennungen des Barsches wechseln in den verschiedenen Gegenden Süddeutschlands ausserordentlich. Ausser Bürstel, Bürstling, Bürschling, Bärsch, Bärschling, Bersich wird dieser Fisch am Chiemsee Anbeiss, Schratz oder Schratzen genannt, während ihre Brut dort unter dem Namen Zängel bekannt ist. Am Bodensee heisst der Barsch im ersten Jahre Hürling oder Heuerling, im zweiten Jahre Kretzer, Stichling oder Egli und späterhin Rerling.
Der Barsch gehört zu den gefrässigsten Raubfischen; er ernährt sich zwar auch von Insectenlarven, kleinen Krebsarten und Schnecken, verschlingt aber ebenso gern Fische, die er oft aus einem Hinterhalte mit Blitzesschnelle überfällt und unter hartnäckiger Verfolgung durch geschickte schnelle Wen - dungen zu überwältigen weiss. Die in zahlreichen Schaaren unter der Ober - fläche des Wassers ruhig dahin schwimmenden kleineren Cyprinoiden, na - mentlich die Lauben (Alburnus lucidus) werden oft durch solche Ueberfälle des Barsches in Schrecken und Verwirrung gesetzt, wobei manche dem gie - rigen Rachen des Räubers durch einen Luftsprung zu entweichen suchen. Aber die Raubgier des Barsches wird auch zuweilen bestraft, indem derselbe bei dem zu hastigen Verschlingen seiner Beute das Unglück hat, den erhasch - ten Fisch von dem weit geöffneten Rachen aus in eine der seitlichen Kiemen - spalten hineinzudrängen, in welcher der Fisch stecken bleibt und mit dem Räuber zugleich stirbt.
Die Laichzeit des Barsches fällt in die Monate des März, April und Mai. Die Weibchen geben ihre Eier in Schnüren von sich2)Siehe Schaeffer: Pisc. bavar. ratisbon. pent. Tab. I. Fig. 1 b., welche netzförmig untereinander verklebt sind und welche von diesen Fischen an Steinen und Wasserpflanzen befestigt werden.
v. Siebold, Fische. 450Familie: Percoidei.Nach den Angaben des erfahrenen Fischers und Gemeindebeamten Aigner in Salzburg soll man unter 100 gefangenen Barschen kaum 10 Männchen an - treffen1)Vergl. Heckel und Kner: Nr. 13. pag. 6.. Auch von Cuvier und Valenciennes wird gemeldet2)Vergl. deren Hist. nat. des poiss. Tom. II. pag. 27., dass in Paris sich das Zahlenverhältniss der männlichen Barsche zu den Weibchen als 1 zu 50 herausstelle, doch fügen dieselben hinzu, dass nicht überall eine solche Armuth von Barsch-Männchen existire, da das Dorf Lisse am Harlemer See einer Speise wegen berühmt sei, welche nur aus Barschmilch bereitet würde. Hier in München habe ich zwischen männlichen und weiblichen Barschen kein auffallendes Missverhältniss in Bezug auf ihre Zahl wahrnehmen können, unter 25 Individuen zählte ich 8 Männchen und 17 Weibchen.
Von dem Barsche geben Heckel und Kner an3)A. a. O. pag. 6., dass er sich nicht in grösseren Tiefen aufhalte, sondern meist 2 — 3 Fuss unter dem Wasserspiegel angetroffen werde. Ich muss dieser Bemerkung hinzufügen, dass sich der Barsch auch in ausserordentlicher Tiefe des Wassers aufhalten kann, worüber ganz bestimmte Erfahrungen gemacht worden sind. Sehr häufig werden näm - lich mit Netzen, welche auf Seen in grosse Tiefen zum Fangen von Grund - fischen hinabgelassen werden, auch Barsche heraufgezogen, welche zum Beweise, dass sie wirklich in sehr grosser Tiefe sich längere Zeit aufgehal - ten, ganz eigenthümliche Erscheinungen an sich wahrnehmen lassen. An allen solchen aus grossen Tiefen des Bodensees bei dem Kilchenfang mit her - aufgezogenen Barschen sah ich die Rachenhöhle mit einem sonderbaren, einer geschwollenen Zunge ähnlichen Körper ausgefüllt, welcher bei einigen sich sogar aus dem Maule hervordrängte. Bei näherer Untersuchung überzeugte ich mich, dass dieser pralle, kegelförmige Körper der nach aussen umge - stülpte Magen dieser Raubfische war. Durch Oeffnen der Leibeshöhle über - zeugte ich mich ferner, dass die Schwimmblase, deren Wandung durch die bei dem Heraufziehen der Barsche aus einer Tiefe von 30 bis 40 Klafter stark ausgedehnte Luft von innen nach aussen zu stark gespannt und zuletzt ge - borsten war, wodurch die in die Bauchhöhle ausgetretene Luft Gelegenheit fand, den Magensack nach der Mundhöhle hinaus umzustülpen. Schon Bloch erwähnt diese Erscheinung an den Barschen als eine besondere Krankheit, welche den Fischern unter dem Namen Windsucht bekannt sei. Er selbst beobachtete diese Tympanitis bei Barschen, welche aus dem Maduisee beim Maränenfang mit aufgefischt worden waren und erklärte die aus der Mund - öffnung dieser Barsche hervorgetretene Blase als die innere herausgetriebene Haut des Mundes4)Vergl. Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 70. oder Nr. 3 c: pag. 278.. An den Barschen des Genfersees sind ähnliche Wahr -51Gattung: Lucioperca.nehmungen gemacht worden, welche bereits Gesner1)Vergl. Gesner Nr. 34 a: pag. 824. oder Nr. 34 b: pag. 168. b. angeführt hat. Von Jurine2)S. dessen Histoire des poissons du lac Léman in den Mémoires de la société de physique et d’histoire naturelle de Genève. T. III. 1825. pag. 153. wurde die aus dem Maule dieser Barsche hervorgedrängte Blase ganz richtig gedeutet und ihre Entstehung ebenso richtig erklärt.
Gattungscharakter: Zwei Rückenflossen; zwischen den Bürsten - zähnen des Mauls ragen längere und stärkere spitz conische Zähne hervor; an dem Kiemendeckel-Apparat nur der Vor - deckel gezähnt.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 39. n. 2, Deser. spec. pisc. pag. 76. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 67. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 481. n. 2, Perca Lucioperca.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 62. Taf. 51, Perca Lucioperca, Zander.
Schrank Nr. 23 a: pag. 314. n. 284, Nagemaul.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. II. 1828. pag. 110. Pl. 15, Lucioperca Sandra, le Sandre.
Gloger Nr. 88: pag. 77. nr. 36, Sand-Barsch.
Bujack Nr. 97: pag. 355, Lucioperca Sandra, Zander.
Fürnrohr Nr. 20: pag. 5, Lucioperca Sandra, Schill.
Krøyer Nr. 82: Bd. I. 1838 — 40. pag. 32, Lucioperca Sandra.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 8. Fig. 2, Lucioperca Sandra, Schiel.
Fritsch Nr. 75: pag. 200. n. 2, Luciperca Sandra, Schiel.
Artcharakter: Rücken und Seiten des Leibes grünlich grau, Bauch weisslich; vom Rücken ziehen sich an den Seiten herab braune verwaschene Flecke, die zuweilen zu Querbin - den verschmelzen. Rückenflossen und zuweilen auch die Schwanzflosse schwarz punctirt, Brust -, Bauch - und Af - terflosse schmutziggelb.
1. D. 14, 2. D. 1 / 20 — 22, P. 15, V. 1 / 5, A. 2 / 11, C. 17, Squ. 12 — 14 / 75 — 90 / 16 — 20.
Der Schill oder Zander, welchen letzteren Namen dieser Fisch in Nord - deutschland führt, zeichnet sich durch seinen langgestreckten Körper, sowie durch seinen langgezogenen hechtähnlichen Kopf aus. Es ist der Schill ein äusserst gieriger Raubfisch, der dem Hecht sowohl in der Grösse wie in der4*52Familie: Percoidei.Gefrässigkeit wenig nachgiebt. Das Fleisch desselben wird seiner Zartheit und Schmackhaftigkeit wegen sehr hoch geschätzt.
Das Vorkommen des Schill ist in Süddeutschland nur auf die Donau und auf einige grössere Seen beschränkt, während derselbe im Elbe - und Oder - Gebiet, sowie in den Seen und Flüssen des übrigen nordöstlichen Deutsch - lands allgemein verbreitet vorkömmt. Der Schill ist den Donaufischern von Ulm bis Passau wohl bekannt. Auffallend bleibt immer die geringe Verbrei - tung desselben in den süddeutschen Seen. Ausser im Ammersee findet sich dieser Fisch nur noch im Attersee und Traunsee nach dem Zeugniss von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 11) und im Seekirchner-See nach dem Zeug - niss von Aigner (Nr. 22: pag. 90). Zwar geben Heckel und Kner (a. a. O.) auch an, dass das kaiserl. Naturaliencabinet zu Wien Exemplare des Schill vom Bodensee besitze, allein es mag dies auf einer Verwechslung beruhen, denn weder Mangolt, Hartmann noch Nenning erwähnen diesen Fisch in ihren Fischfaunen des Bodensees, auch sagt Rapp (Nr. 41: pag. 139) ausdrücklich, dass Lucioperca Sandra im Bodensee nicht vorkomme. Ich selbst habe den Bodensee oft besucht und mich in verschiedenen Gegenden desselben, in Lindau, Bregenz, Rorschach, Constanz, Ueberlingen und Langenargen bei den Fischern nach den Bewohnern des Bodensees erkundigt, aber nie etwas über die Existenz des Schill als Bodensee-Fisch erfahren können. Es ist jeden - falls für die geographische Verbreitung der mitteleuropäischen Süsswasser - fische von Interesse, dass weder das Rhein-Gebiet noch das Weser-Gebiet die Lucioperca Sandra aufzuweisen haben.
Als Laichzeit des Schill wird der April, Mai und Anfang Juni angegeben. Da der Schill in Süddeutschland so wenig verbreitet ist und derselbe, wenn er aus dem Wasser genommen wird, sehr schnell abstirbt, wird es kaum ge - lingen, diesem Fische durch Verpflanzung eine weitere Verbreitung zu geben; dennoch möchte sich eine weitere Verbreitung dieses schmackhaften Tafelfi - sches verlohnen, zu welcher die künstliche Befruchtung der Fischeier und deren leichter Transport ein vortreffliches Hülfsmittel an die Hand giebt. Es scheint aber, als ob die künstliche Fischzucht in dieser Beziehung noch nichts geleistet habe.
Gattungscharakter: Zwei getrennte Rückenflossen; Maul mit Bürstenzähnen besetzt; Schnauze über den Unterkiefer hervorragend; Vordeckel schwach gezahnt, Hauptdeckel mit einem Dorne; Körper spindelförmig gestreckt. Brust und Bauch mehr oder weniger schuppenlos.
53Gattung: Aspro.Syn. u. Citate.
Marsigli Nr. 28: pag. 27. Tab. 9. Fig. 3. Asper pisciculus l, Zingel.
Schaeffer Nr. 17: pag. 58. Tab. III. Fig. 1. Asperulus, Zindel.
Linné Nr. 2: pag. 482. Perca Zingel.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 173. Taf. 106. Perca Zingel, Zingel.
Schrank Nr. 23 a: pag. 316. n. 286. Zingel.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. II. 1828. pag. 194. Aspro Zingel, le Cingle.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 16. Fig. 5. Aspro Zingel, Zingel.
Artcharakter: Erste Rückenflosse mit dreizehn, zweite Rücken - flosse mit neunzehn Strahlen; Schwanz kurz und gedrun - gen; Grundfarbe braungelb mit schwärzlichen schiefen und bald mehr bald weniger verwaschenen Querbinden.
1. D. 14, 2. D. 1 / 18 — 20, P. 14, V. 1 / 5, A. 1 / 12 — 13, C. 21, Squ. 7 / 90 / 13 — 14.
Das Vorkommen des Zingel, der eine Länge von 1 bis 1½ Fuss erreichen kann, ist nur allein auf das engere Flussgebiet der Donau beschränkt, in deren grösseren Nebenflüssen derselbe noch hier und dort angetroffen wird, z. B. im Lech nach Grandauer (Nr. 16: pag. 16), in der Naab und im Regen nach Fürnrohr (Nr. 20: pag. 5), in der Salzach nach Schrank (Nr. 23 a: pag. 316) und in der Isar nach meinen Erfahrungen.
Seine Laichzeit soll in den April und Mai fallen. Er kömmt immer nur einzeln auf den hiesigen Fischmarkt, und wird trotz seiner Grösse wenig beachtet.
Unter den älteren Ichthyologen hat Willughby eine auffallende Verwechs - lung begangen und statt der Lucioperca Sandra den Aspro Zingel beschrieben und abgebildet1)S. dessen Historia piscium a. a. O. pag. 293. Cap. XV. Tab. S. 14.; es ist dieses Versehen unbemerkt geblieben, zumal da Bloch in seiner Naturgeschichte der Fische Deutschlands2)A. a. O. Th. II. pag. 62. Willughby’s Be - schreibung und Abbildung des Zingel unter den Synonymen des Schill mit aufgeführt hat. Offenbar hat Willughby den Schill beschreiben wollen, in - dem als Name des Fisches Schilus, Nagemulus und Sandat und als Fundort desselben die Donau und der Ammersee von ihm angegeben worden ist. Es ist aber auch kein Zweifel, dass derselbe zur Beschreibung des Schill einen Zingel vor sich hatte, denn derselbe wundert sich darüber, dass sein Exem - plar nur 1½ Fuss lang gewesen, während Gesner die Länge des Schill bis zu einer Elle angegeben habe; er hebt ferner hervor, dass die Brust seines Exemplars schuppenlos und die Schnauze desselben hervorragend gewesen54Familie: Percoidei.sei, ferner dass die Zeichnungen weder transvers, wie bei dem Schrätzer, noch senkrecht wie bei dem Barsch, mithin also schief gewesen seien; alles dies passt auf Aspro Zingel und nicht auf Lucioperca Sandra. Auch die Ab - bildung, welche Willughby von diesem vermeintlichen Schill geliefert hat, stimmt ganz und gar zu dem Zingel, die Beschuppung und Schuppenlosigkeit am Cephalothorax ist genau so dargestellt, wie sie bei dem Zingel charak - teristisch ist, der Dorn am Deckel fällt deutlich in die Augen, während die conischen Zähne im Maule dagegen fehlen, wodurch die Abbildung als Zingel gar nicht zu verkennen ist.
Syn. u. Citate.
Marsigli Nr. 28: pag. 28. Tab. 9. Fig. 4. Asper pisciculus II, Ströber.
Schaeffer Nr. 17: pag. 69. Tab. III. Fig. 6. 7. Asper verus, Streber.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 175. Taf. 107. Fig. 1. Perca asper, Streber.
Schrank Nr. 23 a: pag. 315. n. 285. Streber.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 14. Fig. 4. Aspro vulgaris, Streber.
Artcharakter: Erste Rückenflosse mit acht bis neun, zweite Rückenflosse mit dreizehn Strahlen; Schwanz lang und sehr schmächtig; Grundfarbe braungelb mit vier bis fünf schwärzlichen schiefen Binden.
1. D. 8 — 9, 2. D. 1 / 12 — 13, P. 14, V. 1 / 5, A. 1 / 12, C. 17, Squ. 5 / 70 — 80 / 10.
Der Streber, welcher höchstens die Grösse von 6 bis 7 Zoll erreicht, ist in seiner Verbreitung innerhalb Deutschlands ganz wie der Zingel, nur auf das Flussgebiet der Donau beschränkt und gehört zugleich zu den seltenen Fischen. Ich erhielt den Streber aus der Donau und aus der Amper, ausserdem findet sich derselbe auch noch in folgenden Nebenflüssen der Donau, in der Mindel nach Grandauer (Nr. 16: pag. 21), in der Naab und im Regen nach Fürnrohr (Nr. 20: pag. 5) und in der Salzach nach Heckel (Nr. 21 i: pag. 190). Auch in der Rhone soll dieser Fisch, wie von vielen Ichthyologen behauptet wird, vorkommen, und zwar nach dem Zeugnisse des Agassiz1)Vergl. Schinz: Fauna helvetica a. a. O. pag. 51. nur unterhalb des Genfer Sees, es ist dies aber eine unrichtige Angabe, wie ich weiter unten nachweisen werde. Auch dass der Streber, wie Hartmann angiebt2)S. dessen: Helvetische Ichthyologie a. a. O. pag. 68., im Rhein angetroffen werden soll und zwar nur bis Basel hinauf, wo dieser Fisch » Kutz « genannt werde, muss ich bezweifeln; es beruht diese unrichtige Angabe wahrscheinlich auf einer Verwechslung des Streber mit dem Kaulbarsch, ich55Gattung Aspro.wenigstens habe in keinem anderen ichthyologischen Werke, welches die Fischfauna des Rhein-Gebiets bespricht, den Streber erwähnt gefunden und auch in keiner der von mir besichtigten Fischsammlungen denselben als Be - wohner des Rhein-Gebiets aufbewahrt gesehen.
Der Streber, dessen Laichzeit in den März und April fallen soll, hat übrigens seiner geringen Grösse und Seltenheit wegen für den Fischfang wenig Interesse, daher es sehr schwer fällt, die Fischer dahin zu bringen, diesem Fische ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Anmerkung. Es wird aufgefallen sein, dass ich dem Streber den von Cuvier aufge - stellten systematischen Namen Aspro vulgaris nicht belassen, sondern es vorgezogen habe, denselben mit einem anderen Artnamen zu bezeichnen, auch wird es manchen Leser be - fremdet haben, dass unter den von mir angeführten Synonymen des Streber weder Ar - tedi’s und Linné’s Perca Asper1)Vergl. Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 40. n. 3. Syn. nom. pisc. pag. 67. n. 3. Lugdu - nensibus in Gallia Apron, Ratisbonae Strever. Linné Nr. 2: pag. 482. n. 3. Perca Asper. noch der Aspro vulgaris des Cuvier & Valenciennes auf - geführt worden ist. Es ist dies von mir absichtlich unterlassen worden, weil ich zu der Ueberzeugung gekommen bin, dass unter Asper pisciculus und Aspro vulgaris bisher zwei verschiedene Fische zusammengeworfen worden waren. Der kleine Aspro des Rhone-Gebiets ist jedenfalls ganz verschieden von dem kleinen Aspro, welcher das Donau-Gebiet bewohnt. Ich habe ein Exemplar des Aspro vulgaris aus der Rhone, welches ich durch den Natura - lienhändler Coinde von Lyon erhalten habe, mit vierzehn Exemplaren des Streber der Donau und Amper verglichen und zwischen ihnen ganz bestimmte Art-Unterschiede wahrgenommen. Indem ich für beide Aspro-Arten als Species-Bezeichnung die Volks - namen Apron und Streber gewählt habe, glaube ich mich auf Aspro Zingel und viele andere Fische berufen zu können, für welche ebenfalls die Volksnamen als Art - Namen beibehalten wurden. Als Diagnose für diese Aspro-Art lässt sich folgendes hin - stellen:
Syn. u. Citate.
Rondelet: Universae aquatilium historiae pars altera. Lugduni, 1555. pag. 207. Cap. XXXII. De Aspero pisciculo.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. II. 1828. pag. 188. Pl. 26. Aspro vulgaris, l’Apron.
Cuvier: Règne animal, nouvelle édition, accompagnée de planches. Les poissons par Valenciennes. Pl. 6. Fig. 2. Aspro vulgaris.
Guerin: Iconographie du Règne animal. Poissons. Pl. I. Fig. 5. Aspro vulgaris.
Artcharakter: Erste Rückenflosse mit neun, zweite Rückenflosse mit dreizehn Strahlen; Schwanz kurz und gedrungen; Grund - farbe braungelb mit vier schwärzlichen schiefen Binden.
1. D. 9, 2. D. 1 / 12, P. 14, V. 1 / 5, A., 1 / 9, C. 21. Squ. 7 / 70 / 14.
Der von mir untersuchte Apron der Rhone hat eine Körperlänge von fünf Zoll und stimmt in seinen Körperumrissen mit dem Zingel sehr überein, so dass ich anfangs glaubte,56Familie: Percoidei.ich hätte einen jungen Zingel vor mir, aber die Zahl der Strahlen in den Rückenflossen jenes Fischchens belehrte mich eines andern, denn ich zählte in der ersten Rückenflosse des Apron neun Strahlen und in der zweiten Rückenflosse desselben dreizehn Strahlen. Die grösste Breite des Apron befindet sich, wie bei der Gattung Aspro überhaupt, zwischen den beiden Kiemendeckeln, fällt aber bei weitem nicht so auf als bei dem Streber der Donau. Der Schwanz bietet das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen dem Apron der Rhone und dem Streber der Donau dar. Derselbe erscheint nämlich beim Apron mehr kurz und gedrungen, während derselbe beim Streber sich langgestreckt und äusserst verschmäch - tigt darstellt, welcher Unterschied am deutlichsten und augenblicklich hervortritt, so wie man beide Fische von der Seite betrachtet. Bei genauerer Messung des dünnen, stielför - migen Schwanzes vom Streber ergiebt es sich, dass, während der senkrechte Durchmes - ser der niedrigsten Stelle des Apron-Schwanzes der Entfernung zwischen dem hinteren Augenwinkel und dem hinteren Nasenloche dieses Fisches gleichkömmt, dagegen der senk - rechte Durchmesser der niedrigsten Stelle vom Streber-Schwanze nicht einmal den Quer - durchmesser der Augenhöhlenöffnung dieses Fisches erreicht. Die Beschuppung und Schup - penlosigkeit am Cephalothorax des Apron zeigt sich ebenfalls in anderer Abgrenzung als bei dem Streber, da ich aber nur ein Exemplar von Apron vor mir habe, so mochte ich diese Verschiedenheiten nicht als Species-Merkmal hervorheben, dennoch kann ich es nicht unerwähnt lassen, dass bei meinem Exemplare des Apron der Rhone die Beschuppung sich am Cephalothorax nur auf den Kiemendeckel, auf das obere Ende des Vordeckels und auf den Raum der Stirne zwischen Nasenlöchern und Augen beschränkt, der Scheitel und alle übrigen Theile des Cephalothorax erscheinen unbeschuppt; zugleich sind auch die am Kopfe vorhandenen Schuppen im Vergleiche zu den Schuppen des übrigen Körpers ausser - ordentlich klein und viel weniger entwickelt. Bei meinen vierzehn Exemplaren des Streber der Donau dagegen ist der Cephalothorax um vieles reichlicher beschuppt, die Schuppen der Stirne bedecken nach vorn einen Theil der Schnauze und nach hinten einen Theil des Scheitels, auch die Beschuppung des Kiemendeckelapparats breitet sich mehr nach oben und vorn aus, wodurch nur ein sehr kleiner Theil der Scheitelmitte nackt bleibt und auch der Raum unterhalb der Augen beschuppt erscheint, Sehr auffallend verschieden zeigt sich diese Beschuppung des Streber im Vergleich zu der des Apron noch dadurch, dass alle Schuppen am Cephalothorax des ersteren gleiche Grösse und gleiche Entwicklung besitzen wie die übrigen Schuppen dieses Fisches.
Auch in der Zeichnung treten bestimmte Unterschiede zwischen Apron und Streber hervor. Die schwärzlichen schiefen Binden des Körpers, von denen bei dem Streber immer fünf in die Augen springen, während bei Apron nur vier deutlich vorhanden sind, zeigen in beiden Arten eine sehr verschiedene Vertheilung. Die zweite Binde erstreckt sich bei dem Streber über die Wurzel der ersten Rückenflosse hinaus weit nach hinten, die dritte Binde läuft von der Mitte der zweiten Rückenflosse herab, und die vierte Binde nimmt die Mitte des Schwanzes ein. Bei Apron dagegen beginnt die zweite Binde am Ende der ersten Rückenflosse und reicht nach hinten über den Anfang der zweiten Rückenflosse hinweg, worauf die dritte Binde dicht hinter der zweiten Rückenflosse folgt.
Ich hätte es nicht gewagt, auf die Verschiedenheiten hin, welche mir an dem einzigen mir zu Gebote stehenden Exemplare des Apron der Rhone bei dem Vergleich mit meinen vierzehn Exemplaren des Streber der Donau entgegentraten, eine besondere Art zu gründen, wenn mich nicht die verschiedenen Beschreibungen und Abbildungen, welche von dem Aspro vulgaris Cuv. der Rhone und der Donau existiren, dazu veranlasst hätten, indem ich auch an diesen Beschreibungen und Abbildungen den von mir herausgefundenen Unter - schied des Apron und Streber habe erkennen können. Nur bei der Abbildung des Apron der Rhone, welche zuerst durch Rondelet (a. a. O.) gegeben wurde, tritt das von mir auf - gestellte diagnostische Merkmal am Schwanze nicht scharf hervor, was davon herrühren mag, dass Rondelet diesen Fisch von oben dargestellt hat, wodurch der etwas seitlich zu -57Gattung: Aspro.sammengedrückte Schwanz schmächtiger erscheint und an die durchweg schmächtige Schwanzform des Streber erinnert. Rondelet, dem wir überhaupt die erste bestimmte Nachricht über den Apron verdanken, kannte diesen Fisch nur aus der Rhone, und gab als Fundort die zwischen Lyon und dem südlich gelegenen Vienne befindliche Strecke jenes Flusses an1)Rondelet (a. a. O.) sagt von diesem Fischchen: » Lugdunenses pisciculum Gobioni persimilem Apron vocant ab asperitate squamarum. In Rhodano tantum invenitur, sed non quovis ejus loco, verum ea fere in parte quae inter Viennam et Lugdunum est interjecta. Est igitur pisciculus Rhodano peculiaris, capite latiore quam Gobio, in acutum desinente « etc.. Von Rondelet ist die Nachricht über die Existenz des Apron in die anderen älteren ichthyologischen Schriften übergegangen. Gesner2)Gesner Nr. 34 a: pag. 478. beschreibt unter dem Namen Asper denselben Fisch und fügt eine Copie nach Rondelet’s Abbildung hinzu. Später lässt Gesner3)Ebenda pag. 1277, vergl. ferner dessen Fischbuch a. a. O. pag. 173 a und dessen Nomenclator a. a. O. pag. 310: » Asper Danubii, quem hic proponimus piscis apelletur, propter similitudinem ejus cum Aspero Rhodani, quamquam multo major «. die Beschreibung und Abbildung eines Fisches folgen, den er unter dem Namen Zindel aus der Donau erhalten hatte, und spricht sich dabei deutlich aus, dass dieser Zin - del dem Apron sehr ähnlich, aber doch von ihm verschieden sei. Man erkennt an der un - vollkommenen Abbildung, welche Gesner von diesem Donaufische gegeben, trotz des Feh - lens der Afterflosse, doch ganz deutlich, dass derselbe den Aspro Zingel vor sich hatte. Auch Aldrovandi4)Aldrovandi: De piscibus. Bononiae, 1613. pag. 615. erwähnt beide Fische und copirt die Abbildungen derselben, ohne sie für eine und dieselbe Art zu halten. Jonston5)Jonston: Historiae naturalis de piscibus et cetis libri V. Francofurto ad Moenum, 1649. pag. 141. Tab. XXVI. Fig. 18 & 19. hat den Aldrovandi in Bezug auf diese bei - den Fische in seiner gewohnten Weise abgeschrieben. Es findet sich demnach gar keine Veranlassung, dem Gesner, Aldrovandi und Jonston, wie es von Bloch6)Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 178. geschehen ist, Vorwürfe zu machen, dass sie den Apron und Zingel mit einander verwechselt hätten. Willughby war der erste, welcher den Apron der Rhone mit dem Streber der Donau zusam - mengeworfen, indem er in seinem grossen Fischwerke den Asper pisciculus des Rondelet beschrieben und copirt, und in der Ueberschrift des Capitels zu dem Lyoner Apron den Regensburger Namen Streber als synonym hinzugesetzt hat7)Willughby: Historia piscium. 1686. pag. 294. Cap. XVI, dessen Ueberschrift lau - tet: » Asper pisciculus Rondel. Gobioni persimilis; Gesn. p. 478. Aldrov. lib. 5. cap. 27. Ratisbonae Strever «. Tab. S. 15. Fig. 4 (nach Rondelet).. Wahrscheinlich hat Wil - lughby auf seinen Reisen Gelegenheit gehabt, den Streber der Donau kennen zu lernen. Von jetzt ab ward der Streber und Apron von den späteren Ichthyologen, von Ray, Artedi, Linné und anderen für eine und dieselbe Species gehalten. Die Verwechslung kam nicht zu Tage, nachdem Marsigli zum ersten Male den Streber genauer beschrieben und abge - bildet hatte, denn Marsigli selbst citirt8)Marsigli Nr. 28: Tom. III. pag. 28. Tab. 9. Fig. 4. zu seinem » Asper pisciculus II, Stroeber oder Streber « nach dem Beispiel Willugby’s den Asper pisciculus des Rondelet. Diese Ver - wechselung beider Fische währte noch fort, nachdem auch Schaeffer (Nr. 17. a. a. O.) mit seiner vortrefflichen Darstellung des Streber hervorgetreten war, und es trägt wohl ledig - lich die unvollständige Beschreibung und unvollkommene Abbildung, welche Rondelet von dem Apron der Rhone gegeben hatte, die Schuld, dass auch Bloch9)Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 177, wo es von dem Streber fälschlich heisst: » Diesen Fisch treffen wir in Frankreich in der Rhone und in Bayern in verschiedenen Flüssen und Seen an. « den Streber der58Familie: Percoidei.Donau und den Apron der Rhone als zwei besondere Arten nicht auseinander hielt. Um so mehr muss es auffallen, dass Cuvier und Valenciennes, von welchen der Apron der Rhone zuerst (Nr. 5. a. a. O.) genauer beschrieben und abgebildet wurde, ebenfalls den Unter - schied zwischen Apron und Streber nicht wahrgenommen haben. Dass dieselben einen Apron der Rhone bei ihrer Beschreibung des Aspro vulgaris vor sich hatten, erkennt man aus der beigefügten Abbildung, welche von der Abbildung des Streber der Donau, wie sie sich in den Schriften von Marsigli, Schaeffer, Bloch und Heckel und Kner vorfindet, ausser - ordentlich abweicht, und gerade diejenigen Speciescharaktere an sich trägt, welche ich für Aspro Apron hervorgehoben habe. Ganz ähnlich verhalten sich auch die späteren Abbil - dungen des Apron in dem Atlas von Valenciennes (a. a. O.) und in der Iconographie von Guerin (a. a. O.). Der kurze gedrungene Schwanz auf den genannten Abbildungen des Aspro vulgaris sticht ausserordentlich ab gegen den langen schmächtigen Schwanz auf den Abbildungen des Streber bei den oben angeführten Ichthyologen. Schon die Aehnlichkeit des Apron in der äussereren Körperform mit dem Gobio (Grundel, Gressling), mit welchem Fisch Rondelet den Apron ganz richtig verglichen hat, weisst auf eine Verschiedenheit des Apron und Streber hin, denn niemandem wird es einfallen, den dünnschwänzigen Streber mit einer Grundel vergleichen zu wollen.
Nach dieser Auseinandersetzung wird es erhellen, dass auch in dem Werke von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 14) über die östreichischen Süsswasserfische die bei dem Streber der Donau aufgeführten Synonymen der französischen Zoologen gestrichen wer - den müssen.
Gattungscharakter: Eine einfache Rückenflosse, Maul mit Sam - metzähnen besetzt; Vordeckel und Hauptdeckel mit Sta - cheln; mehrere Gruben an den Kopfknochen. Brust und Bauch mehr oder weniger schuppenlos.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 210. Taf. 38. Kutt.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 40. n. 4, Descript. spec. pisc. pag. 80. n. 3. Syn. nom. pisc. pag. 68. n. 4.
Schaeffer Nr. 17: pag. 37. Tab. II. Fig. 1. Schroll, Pfaffenlaus.
Linné Nr. 2: pag. 487. n. 30. Perca cernua.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 74. Taf. 53. Fig. 2. Perca cernua, Kaulbarsch.
Schrank Nr. 23 a: pag. 316. n. 287. Kaulbarsch.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. III. 1829. pag. 4. Pl. 41. Acerina vulgaris, la Gremille commune.
Gloger Nr. 88: pag. 77. n. 34. Perca cernua, Kaulbarsch.
Bujack Nr. 97: pag. 356. Acerina cernua, Kaulbarsch.
Krøyer Nr. 72: Bd. I. 1838 — 40. pag. 43. Acerina vulgaris.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 187. n. 4. Acerina cernua, Grémille Gougeonnière.
Günther Nr. 47: pag. 14. Acerina vulgaris, Kaulbarsch.
Leiblein Nr. 51: pag. 115. Acerina vulgaris, Kaulbarsch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 19. Fig. 6. Acerina vulgaris, Kaulbarsch.
Fritsch Nr. 75: pag. 200. Acerina vulgaris, Kaulbarsch.
59Gattung: Acerina.Artcharakter: Körper kurz und gedrungen; Schnauze stumpf; die ersten 12 bis 14 Strahlen der Rückenflosse sind Stachel - strahlen; Farbe des Rückens und der Seiten olivengrün mit unregelmässig zerstreuten dunklen Flecken und Puncten, Rückenflosse und Schwanzflosse mit schwärzlichen Punct - reihen.
D. 12 — 14 / 11 — 14, P. 13, V. 1 / 5, A. 2 / 5 — 6, C. 17, Squ. 6 — 7 / 37 — 40 / 10 — 12.
Der Kaulbarsch, welcher eine Grösse von acht Zoll erreichen kann, ge - hört allen Flussgebieten von Mitteleuropa an, wird aber in Norddeutschland verbreiteter und häufiger angetroffen als in Süddeutschland. Ich habe den - selben aus der Donau bei Regensburg, aus dem Main bei Würzburg, aus dem Neckar bei Heidelberg und aus dem Rhein bei Strassburg gesammelt. Der zuletzt erwähnte Fundort widerlegt die Behauptung Sander’s (Nr. 44: pag. 171), dass der Kaulbarsch nicht über Rusheim (ohnweit Germersheim) hinauf im Rhein vorkommen soll. Ausserdem behauptet auch Schinz (Nr. 40 b: pag. 151), dass der Kaulbarsch unter dem Namen » Kutz « in Basel ein sehr bekannter Rheinfisch ist, woraus sich ganz klar herausstellt, dass sich Hartmann, wie schon oben (pag. 54) erwähnt wurde, getäuscht hat, wenn er den Streber statt des Kaulbarsch als einen Fisch des Rheins aufführt, der bei Basel » Kutz « genannt werde. In den Alpengewässern fehlt übrigens dieser Fisch fast gänzlich. Als Laichzeit des Kaulbarsch werden die Monate April und Mai angegeben.
An diesem Fische kommen in Bezug auf die Beschuppung der Brust man - cherlei Abweichungen vor, indem hier eine bald grössere bald geringere Fläche unbeschuppt erscheint, zuweilen sogar die ganze Brust von Schuppen entblösst ist. Günther1)S. dessen Beiträge zur Kenntniss unserer Süsswasserfische, in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1855. Bd. I. pag. 199. hat bereits auf diese Erscheinung hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Unbeständigkeit dieser Erscheinung nicht erlaube, auf den Mangel oder auf die Anwesenheit von Beschuppung gewisser Stellen des Fischleibes Artunterschiede zu gründen. Auch Heckel und Kner haben bei dem Kaulbarsch (a. a. O. pag. 21) die Bemerkung gemacht, dass die Brust desselben bald nackt, bald beschuppt sein kann und dass zu - weilen auch der Raum zwischen den Brust - und Bauchflossen ganz nackt sei. Ich kann das letztere bestätigen, da ich aus der Donau, dem Main und dem Neckar Kaulbarsche erhalten habe, deren Brust nicht allein, sondern deren Seiten zwischen Brust - und Bauchflossen sich gleichfalls ganz schuppenlos zeigten.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 40. n. 5. Syn. nom. pisc. pag. 68. n. 5.
Schaeffer Nr. 17: pag. 48. Tab. II. Fig. 4. Schraitser.
Linné Nr. 2: pag. 487. n. 31. Perca Schraetser.
Bloch: Naturgeschichte der ausländischen Fische. Th. VII. 1793. pag. 26. Taf. 132. Fig. 1. Gymnocephalus Schraetser, Schrätser.
Schrank Nr. 23 a: pag. 316. n. 288. Schrätser.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. III. 1829. pag. 13.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 22. Fig. 7. Acerina Schraitzer, Schrätz, Schrazen.
Artcharakter: Körper langgestreckt; Schnauze verlängert; die ersten 18 bis 19 Rückenflossen-Strahlen stachelförmig; die Farbe citronengelb mit drei bis vier schwärzlichen Längs - linien an den Seiten des Körpers, der stachelige Theil der Rückenflossen mit dunklen Fleckenreihen.
D. 19 — 18 / 12 — 13, P. 13 — 14, V. 1 / 5, A. 2 / 6 — 7, C. 17, Squ. 7 — 8 / 60 — 70 / 13 — 14.
Der Schrätzer gehört zu den schönsten Fischen unserer Fauna; als Marktfisch hat derselbe gar keine Bedeutung, obgleich er eine Grösse von sieben Zoll erreichen kann. Seine Laichzeit fällt mit der des Kaulbarsches zusammen.
Die Verbreitung des Schrätzer ist nur auf das engere Donau-Gebiet be - schränkt, und wenn Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 21) aussagen, dass dieser Fisch auch bei Budweis vorkomme, so kann damit nicht gemeint sein, dass derselbe ein Moldaufisch sei. Fritsch (Nr. 75: pag. 200) hat gewiss recht ge - than, den Schrätzer aus der Fauna des Elbe-Gebiets entfernt zu halten. Merk - würdiger Weise wird dieser Fisch von Wulff auch als preussischer Fisch aufgeführt. Nach seiner Aussage soll derselbe in stehenden Gewässern bei Freystadt in Westpreussen vorkommen1)Wulff Nr. 49: pag. 29. » Schraetser in lacubus stagnantibus, bey Freystadt im Oberlande «.. Es ist diese Notiz von Bock2)Bock Nr. 95: Bd. IV. pag. 576., Lorek3)Lorek Nr. 96: Fische. Taf. XI. Fig. 4. (eine Copie nach Bloch). und Bujack4)Bujack Nr. 97: pag. 356., welche sich um die Aufzählung, Beschreibung und Darstellung der preussischen Thiere verdient gemacht haben, aufgenommen worden, obgleich sich mehrfach Zweifel erhoben haben, ob sich nicht Wulff getäuscht und vielleicht eine gelbliche Varietät des Kaulbarsches oder des gemeinen Barsches mit dem Schrätzer verwechselt habe. Auffallend ist es, dass Baer, der früher als Director des zoologischen Cabinets der Universität61Gattung: Acerina.zu Königsberg mit ausserordentlicher Mühe Materialien zu einer Ausarbeitung der preussischen Fauna sammelte1)Baer: Ornithologische Fragmente, in Froriep’s Notizen aus dem Gebiete der Natur - und Heilkunde. Bd. X. 1825. pag. 259., nicht in den Besitz eines preussischen Schrätzer gelangen konnte; ich fand wenigstens, als ich im Jahre 1834 nach Baer’s Uebersiedelung von Königsberg nach St. Petersburg die interimistische Direction des Königsberger zoologischen Cabinets übernahm, keinen Schrätzer aus Preussen darin vor, und auch Rathke meldete im Jahre 18462)Rathke Nr. 98: pag. 22., dass das - selbe zoologische Cabinet noch immer nicht im Besitze eines preussischen Schrätzer sei. Da der Schrätzer des Donau-Gebiets nur im fliessenden Wasser vorkömmt, und Wulff ausdrücklich stehendes Gewässer für den Fundort seines Schrätzer angiebt, so ist schon aus diesem Grunde die oben ausge - sprochene Vermuthung gerechtfertigt, dass sich Wulff in der Bestimmung jenes Fisches von Freystadt geirrt haben muss, um so mehr, da derselbe für seinen vermeintlichen Schrätzer keinen Volksnamen beifügte, während er es nicht versäumt hat, bei allen übrigen in seiner Ichthyologie erwähnten Fischen die preussischen Trivialnamen aufzuführen. Nachdem ich bei einer im Jahre 1860 wiederholten Musterung des zoologischen Cabinets zu Königsberg noch immer diesen Schrätzer aus Preussen vermisste und mir bei meinen Erkun - digungen weder in Ost - noch in Westpreussen die Fischer über einen sol - chen Fisch Auskunft geben konnten3)Aus einer brieflichen Mittheilung, die ich mir von Freystadt verschafft habe, erfuhr ich, dass in den dortigen Seen ein Fisch weder existire noch existirt habe, welcher Schrät - zer genannt werde, und dass überhaupt dieser Fischname in der dortigen Gegend gänzlich unbekannt sei., muss ich den Schrätzer in Bezug auf die preussische Fischfauna als Fremdling erklären.
Die Knochen des Unteraugenrand-Ringes nach unten verbreitert und mit dem Vordeckel verbunden. Kopf und Kiemendeckelstücke verschieden bedornt.
Gattungscharakter: Kopf breit und flach, mit Stacheln bewaffnet; Kiefer und Pflugscharbein mit Bürstenzähnen; zwei dicht hintereinanderstehende Rückenflossen, die Bauchflossen zwischen den Brustflossen; Leib schuppenlos.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 214. Taf. 40. Koppen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 48. n. 1, Descript. spec. pag. 82. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 76. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 452. n. 6. Cottus Gobio.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 12. Taf. 39. Fig. 1 & 2. Cottus Gobio, Kaulkopf.
Schrank Nr. 23 a: pag. 313. n. 281. Groppe.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 57. Cottus Gobio, Gropp.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. IV. 1829. pag. 145. Cottus Gobio, Chabot de rivière.
Gloger Nr. 88: pag. 77. n. 37. Cottus Gobio, Kaulkopf.
Bujack Nr. 97: pag. 357. Cottus Gobio, Kaulkopf.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 186. n. 3. Cottus Gobio, Chabot Têtard.
Günther Nr. 47: pag. 17. Cottus Gobio, Gruppe.
Leiblein Nr. 51: pag. 115. Cottus Gobio, Kautzenkopf.
Rapp Nr. 41: pag. 5. Cottus Gobio, Gruppe.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 27. Fig. 9 & 10. Cottus Gobio, Koppe.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Cottus Gobio, Groppe.
Artcharakter: Mundspalte sehr breit, bis unter die Augen rei - chend; die Brustflossen sehr breit und lang entwickelt, die Bauchflossen schmal und kurz, und den After nicht er -63Gattung: Cottus.reichend; die erste Rückenflosse an die zweite Rücken - flosse dicht anstossend; Bauchflosse ungebändert.
1. D. 6 — 9, 2. D. 15 — 18, P. 13 — 14, V. 1 / 4, A. 12 — 13, C. 13.
Dieser überall in Seen, Flüssen und Bächen aller Stromgebiete von Mit - teleuropa einheimische Fisch hält sich gern unter Steinen verborgen, daher derselbe in den kleinsten und wasserarmen Bächen anzutreffen ist.
Die Kopfform des Koppen hat nach den Geschlechtern eine verschiedene Gestalt; bei den Männchen erscheint der niedergedrückte Kopf am Vorder - rande sehr stumpf abgerundet und das weite Maul sehr in die Breite gezogen, bei den Weibchen dagegen ist der Vorderrand des niedrigen Kopfes weniger stumpf und das Maul weniger breit.
Die Schwanzflossen-Strahlen des Koppen, sowie der übrigen Cottus-Arten zeigen die bekannte Gliederung und dichotomische Zersplitterung, anders verhalten sich die sogenannten weichen Strahlen der übrigen Flossen. Diese sind bei Cottus Gobio zwar gegliedert und an der Spitze weich, aber nicht di - chotomisch zertheilt; nur einige der oberen Brustflossen-Strahlen machen bei einzelnen Individuen eine Ausnahme, indem sie mehr oder weniger dichoto - misch gespalten sind, auch an der hinteren Rückenflosse habe ich einige Male einzelne Strahlen gabelförmig gespalten angetroffen.
In der Färbung variirt der Koppen ausserordentlich, die vielen auf grau - lichem oder bräunlichem Grunde zerstreuten schwärzlichen Puncte sind häufig zu grossen wolkigen Flecken oder Querbinden ineinander geflossen. An der Rücken -, Brust - und Schwanzflosse sind die hellen Strahlen immer, an der Afterflosse häufig braun gefleckt.
Obgleich der Koppen gewöhnlich nur eine Länge von 4 bis 5 Zoll er - reicht, muss er doch, wie es schon sein weiter Rachen andeutet, zu den sehr gefrässigen Raubfischen gerechnet werden. Derselbe wird hier häufig in Menge zu Markte gebracht, aber nur wenig für die Küche verlangt, sondern mehr für den Angelfischfang als Köder gesucht.
Im Monat März und April tritt die Fortpflanzungsperiode dieses Fisches ein, während welcher Zeit sich die männlichen Individuen des Koppen ganz besonders des Fortpflanzungsgeschäftes annehmen. Schon Linné1)S. Linné Nr. 2: pag. 452: » Nidum in fundo format, ovis incubat prius vitam deser - turus, quam nidum. « meldet von dem Koppen, dass derselbe ein Nest baue und eher sein Leben als die Eier in diesem Neste aufgebe. Auch Marsigli2)S. dessen Danubius pannonico-mysicus. Tom. IV. pag. 73. und Otho Fabricius3)S. dessen Fauna groenlandica. 1780. pag. 160. kennen an diesem Fische die Liebe und Sorge für seine Eier, behaupten aber, dass64Familie: Scleroparei.es das Männchen sei, welches die Eier so sorgfältig bewache. Es wird diese Erzählung von Bloch1)S. dessen Naturgesch. d. Fische Deutschlands. Th. II. pag. 14., Nau2)S. dessen Naturgesch. d. Fische um Mainz. pag. 107., Hartmann3)S. dessen Helvetische Ichthyologie. pag. 59., Eckström4)S. dessen Fische in den Scheeren von Mörkö. 1835. pag. 170., Günther5)S. dessen Fische des Neckars. pag. 28. und auch von Cuvier et Valenciennes bezweifelt6)S. deren Hist. d. poissons. Tom. IV. pag. 151., aber gewiss mit Unrecht. Die Kop - pen gehören zu den wenigen Fischen, welche vermöge ihres Aufenthalts in kleinen oft ganz wasserarmen Bächen unter Steinen versteckt unserer Beob - achtung leicht zugänglich sind, so dass jene Mittheilungen wohl nicht ersonnen sein können, sondern auf wirklicher Beobachtung beruhen werden. Zur Be - stätigung jener älteren Mittheilungen führe ich aus Heckel’s und Kner’s Schrift7)S. deren Süsswasserfische d. östreich. Monarch. pag. 30. an, was erfahrene Fischer an der Traun darüber beobachtet haben. » Zur Laichzeit begibt sich ein Männchen in ein Loch zwischen Steinen, will ein andres davon Besitz nehmen, so wird gekämpft und man fängt öfters Koppen, die den Kopf ihres Gegners im Munde halten, ohne ihn verschlingen zu kön - nen. Kommt aber ein Weibchen, das aufgenommen wird, so setzt dieses da - selbst den Rogen ab und zieht dann wieder weiter; das Männchen vertritt aber nun Mutterstelle und beschützt 4 bis 5 Wochen lang denselben, ohne sich zu entfernen, ausser um Nahrung zu suchen. Während dieser ganzen Zeit erweist es sich eben so ausdauernd als muthig und beisst in die Stange oder Ruthe, mit der man es verjagen will, weicht nur im höchsten Nothfalle und wird sogar dabei öfters erschlagen «. Ich zweifle an der Wahrheit dieser Erzählung um so weniger, als mir selbst von den Männchen anderer Fischarten eine ähnliche Sorge und Aufopferung bei der Brutpflege bekannt ist.
Syn. u. Citate.
Heckel Nr. 11 b: pag. 145. Tab. 8. Fig. 1 & 2. Cottus poecilopus.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 31. Fig. 11. Cottus poecilopus.
Artcharakter: Mundspalte sehr breit, bis unter die Augen rei - chend; die Brustflossen sehr breit und lang entwickelt, die Bauchflossen schmal und lang, bis zum After reichend; die erste Rückenflosse an die zweite dicht anstossend; Bauch - und Afterflosse gebändert.
1. D. 8 — 9, 2. D. 16 — 18, P. 14, V. 1 / 4, A. 13 — 14, C. 13.
65Gattung: Cottus.Ich kenne diese dem gemeinen Koppen sehr nahe stehende Cottus - Species nur aus Heckel’s Beschreibungen (a. a. O.) und aus dem Wiener Naturalien-Cabinete, wo dieselbe unter anderen auch als Bewohnerin der obe - ren Weichsel aufbewahrt wird. Es scheint, als ob die geographische Ver - breitung dieser Species bloss auf die Gewässer in den Karpathen beschränkt wäre, in den von den Karpathen entfernteren Gegenden des Weichsel-Gebiets ist wenigstens bis jetzt der C. poecilopus nicht beobachtet worden.
Heckel hat als Artcharakter die Ungetheiltheit der Brust-Flossenstrahlen hervorgehoben, auf welches Artkennzeichen ich keinen so grossen Werth legen zu dürfen glaubte, da bei C. Gobio die Getheiltheit der Brust-Flossenstrahlen sich sehr unbeständig zeigt und bei demselben die Ungetheiltheit ebenso oft als die Getheiltheit dieser Strahlen vorkömmt.
Kiemendeckel-Apparat glatt, ohne Stacheln und Zähnelung; Haut nackt oder mit sehr kleinen Schuppen bekleidet, oder theils mit Kno - chenschienen, theils mit gekielten Knochenplatten gepanzert.
Gattungscharakter: Vor der Rückenflosse freie Stachelstrahlen, statt der Bauchflossen jederseits ein freier Stachelstrahl, dahinter ein verkümmerter weicher Strahl.
Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 36) haben die Stichlinge von der Familie der Panzerwangen getrennt und in die Familie der Scomberoideen eingereiht, ich bin deren Beispiel gefolgt, weil auch mir auf diese Weise die Stichlinge natürlicher untergebracht erscheinen, als bei den Scleropareen, mit denen sie freilich die stärkere Entwicklung des Suborbitalringes und dessen Verbindung mit dem Vordeckel gemein haben, während sie im übrigen wenig mit ihnen übereinstimmen, sondern sowohl in ihrer Flossenstrahl-Bildung, ihrer Haut - bedeckung, sowie in ihrer Körperform überhaupt an gar manche Scomberoideen erinnern, auf welche Verwandtschaft bereits Cuvier et Valenciennes1)S. deren Hist. d. poiss. Tom. IV. pag. 5. selbstv. Siebold, Fische. 566Familie: Scomberoidei.hingedeutet haben, und welche Verwandtschaft schon Linné1)S. dessen Systema naturae. Edit. XII. Tom. I. 1766. pag. 489. Gasterosteus ductor (Naucrates ductor Cuv. ), Gasterosteus canadus (Elacate atlantica Cuv., Gasterosteus saltatrix (Temnodon saltator Cuv. ), Gasterosteus ovatus (Trachinotus mookalee Cuv.). geahnt hat, indem er verschiedene Makrelen-Formen aus der jetzigen Gattung Nau - crates, Elacate und Temnodon mit den Stichlingen unter dem gemeinschaft - lichen Gattungsnamen Gasterosteus vereinigt hatte. Auch Rüppell2)S. dessen Verzeichniss der in dem Museum der Senkenbergischen naturforschenden Gesellschaft aufgestellten Sammlungen. Vierte Abtheilung. Frankfurt a / M., 1852. pag. 12. hat die Stichlinge mit den Scomberoideen verbunden.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 228. Taf. 47. (var. leiurus).
Artedi Nr. 1. Gen. pisc. pag. 52. n. 1, Descript. spec. pag. 96. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 80. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 489. n. 1. Gasterosteus aculeatus.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 79. Taf. 53. Fig. 3. Gasterosteus aculeatus, Stichling.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 70. Gasterosteus aculeatus, Stichling.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. IV. 1829. pag. 481. Pl. 98. Fig. 1 & Fig. 4. Gasterosteus leiurus & trachurus., Epinoche à queue nue & queue armée.
Gloger Nr. 88: pag. 77. n. 38. Gasterosteus aculeatus, Stechbüttel.
Bujack Nr. 97: pag. 358. Gasterosteus aculeatus, Stichling.
Krøyer Nr. 82: Bd. I. 1838 — 40. pag. 169. Gasterosteus aculeatus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 223. n. 45. Gasterosteus aculeatus, Epinoche.
Günther Nr. 47: pag. 29. Gasterosteus leiurus, Stachelfisch.
Leiblein Nr. 51: pag. 116. Gasterosteus gymnurus & trachurus, Stichling.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 38. Fig. 16 (var. trachurus). Gasterosteus aculeatus, Stichling.
Artcharakter: Drei Stachelstrahlen vor der Rückenflosse, von denen der erste über der Basis der Brustflosse auf dem Rücken eingelenkt und der zweite der längste ist.
D. 3 / 11 — 12, P. 9 — 10, V. 1 / 1, A. 1 / 8, C. 5 — 6 / 12 / 6 — 7.
Aus den angeführten Synonymen geht hervor, dass Cuvier et Valenciennes zwei Formen dieses dreistacheligen Stichlings unterscheiden, von denen es noch nicht ganz feststeht, ob sie nur Varietäten oder wirklich Arten sind. Die eine Form, als G. leiurus oder gymnurus von Cuvier bezeichnet, besitzt einen nackten Leib, während die andere als G. trachurus bezeichnete Form bald mehr bald weniger an den Seiten des Leibes mit Knochenschienen bedeckt ist. Die Mehrzahl der Zoologen will diese beiden Formen des Stichlings als zwei gesonderte Arten nicht gelten lassen, ja es wird auch noch der G. se - miarmatus und semiloricatus Cuv. & Val. als Varietät des gemeinen Stichlings67Gattung: Gasterosteus.betrachtet1)Vergl. Heckel und Kner Nr. 13: pag. 38.. Fries und Ekström erklärten die beiden Formen durch den Einfluss der Jahreszeiten entstanden2)S. deren Skandinaviens Fiskar. Stockholm, 1836. 1. Hft. pag. 9 des latein. Textes. Pl. 4. Fig. 1 a (im Winterkleid), Fig. 1 b (im Sommerkleid)., indem der Gasterost. aculeatus im Sommer als G. leiurus und im Winter als G. trachurus auftrete. Günther (Nr. 47: pag. 34) behauptet dagegen, dass die gepanzerte Form des Stichlings mehr dem Nor - den und die nackte Form mehr dem Süden angehöre. Mir scheint dies nicht ganz unwahrscheinlich, wenigstens habe ich aus Würzburg, Mainz, Strass - burg, Freiburg und Stuttgart nur G. leiurus erhalten, während mir von Berlin und Bremen sowohl die nackte wie die gepanzerte Form eingesendet wurde, und ich bei meiner letzten Anwesenheit in Ost - und Westpreussen nur den G. trachurus aus den dortigen Flüssen und Seen einsammeln konnte. Nach den Abbildungen zu schliessen, die sich als Originaldarstellungen des dreistacheligen Stichlings in den verschiedenen nordischen Fischfaunen vor - finden, scheint die gepanzerte Form als G. trachurus im nördlichen Europa am häufigsten vorzukommen. So hat Donovan den G. aculeatus nur gepan - zert und zugleich im rothgefärbten Brautkleide dargestellt3)S. dessen Natural history of british fishes. Vol. I. London, 1802. Pl. XI.. Ebenso beziehen sich die Abbildungen von Bloch4)A. a. O. Taf. 53. Fig. 3. und Krøyer5)S. dessen Danmarks Fiske. I. Bd. Kjøbenhavn, 1838. pag. 169. auf den gepanzerten G. aculeatus. Dagegen ersieht man aus den Abbildungen, welche Coste gelie - fert6)Vergl. Mémoires de l’academie des sciences. Savants Etrangers. Tom. X. Paris, 1848., dass derselbe in Paris seine weiter unten zu erwähnenden Beobach - tungen an G. leiurus angestellt hat. Es scheinen übrigens die verschiedenen Entwicklungszustände der knöchernen Hautbedeckung bei diesem Stichling von etwas anderem als von der Jahreszeit abhängig zu sein, denn aus einer Mittheilung Yarrell’s erfahren wir, dass derselbe im Monat August den G. trachurus, semiarmatus und leiurus an einem und demselben Ort gefangen habe, unter denen jedoch die erste Form stets die häufigste gewe - sen sei7)Vergl. The Magazine of natural history. Vol. III. 1830. pag. 524..
Der dreistachelige Stichling, der merkwürdiger Weise im Flussgebiete der Donau gänzlich fehlt, sonst aber in allen übrigen Stromgebieten Mittel - europa’s angetroffen wird, wählt sich im Rhein-Flussgebiet als Lieblingsauf - enthalt die kleineren Seitenbäche des Rheins, des Mains und des Neckars aus, im Rhein selbst sucht er die sogenannten todten Arme desselben auf, wo er sich bei länger anhaltendem Hochwasser zuweilen ausserordentlich vermehrt.
Die Fähigkeit einer zeitweise ungeheuren Vermehrung tritt jedoch an diesem Fische im nördlichen Europa häufiger und auffallender hervor als an5*68Familie: Scomberoidei.dem Stichling des Rhein-Gebiets. Die Mittheilungen, welche wir hierüber in den Schriften der verschiedenen Ichthyologen lesen, klingen fast fabelhaft. In Schleswig, Holstein1)Vergl. Schonevelde: Nr. 81. pag. 11., England2)Vergl. Yarrell: History of british fishes. Vol. I. pag. 92. und Schweden3)S. Ekström: Die Fische in den Scheeren von Mörkö. pag. 159. wird der Stichling zu - weilen in so grosser Menge gefangen, dass er zum Schweinefutter, zum Thran - kochen oder als vortreffliches Düngemittel verbraucht werden kann. Von Pennant wird erzählt4)S. dessen British Zoology. Vol. III. London, 1776. pag. 229., dass während einer solchen übermässigen Vermehrung dieses Stichlings in den stehenden Gewässern von Lincolnshire sich ein Mann, der zu einem halben Pfennig den Scheffel Stichlinge an einen Oekonomen ab - geliefert, längere Zeit hindurch täglich vier Schillinge verdienen konnte. Auch Klein in Danzig meldete von dem Stichling5)S. Klein Nr. 93: Missus quartus. pag. 48., dass die Bewohner der frischen Nehrung sich aus ihm ein Oel bereiten. Mir selbst wurde in Danzig erzählt, dass sich zur Zeit der letzten Belagerung von Danzig die Stichlinge in den dortigen Festungsgräben in so ungeheurer Menge vermehrt hätten, dass bei dem Mangel der gewöhnlichen Lebensmittel die ärmeren Einwohner der Stadt zu diesen Stichlingen ihre Zuflucht genommen hätten, um ihren Hunger zu stillen.
Die Färbung des dreistacheligen Stichlings, welcher kaum die Länge von drei Zoll erreicht, erscheint auf dem Rücken graugrün, die Seiten und der Bauch desselben glänzen silberig. Bei jüngeren Individuen sind die Seiten des Leibes mit schwarzen Bandstreifen geziert, welche häufig oben und unten ineinander fliessen; gegen die Laichzeit hin, welche in die Sommermonate fällt, schmücken sich Seiten, Kehle, Brust und Bauch dieses Fisches mit prächtig rothglänzenden Farben.
Es zeichnet sich dieser kleine Fisch mit seinen übrigen Art-Verwandten durch einen merkwürdigen Kunsttrieb aus, der verbunden mit ausserordent - licher Sorgfalt für die Brutpflege aber nur den männlichen Stichlingen eigen ist. Schon oft wurde das sonderbare Benehmen des nestbauenden und brut - beschützenden Stichlings von Freunden und Beobachtern der lebenden Natur erwähnt und beschrieben, es wurde jedoch auf diese belehrenden Mitthei - lungen kein besonderes Gewicht gelegt, ja kaum eine Notiz davon genommen, bis Coste im Jahre 1846 zu Paris diese längst in englischen und deutschen Zeitschriften bekannt gemachte Fortpflanzungsgeschichte der Stichlinge als eine von ihm gemachte Beobachtung der Pariser Akademie der Wissenschaf - ten vorlegte6)Vergl. Comptes Rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des seiences. Tom. 22. 1846. pag. 814. Note sur la manière dont les Épinoches construisent leur nid et soignent leurs oeufs; par Coste. . Gleich darauf reclamirte Lecoq diese Angaben als von ihm69Gattung: Gasterosteus.schon vor mehreren Jahren angestellte und im Jahre 1844 bekannt gemachte Beobachtungen1)Vergl. ebenda Tom. 23. 1846. pag. 1084., wogegen Coste erwiderte, dass er Lecoq’s ganze Notiz in seine Abhandlung mit aufgenommen und so gegen denselben seine Schuldig - keit gethan habe2)S. ebenda Tom. 23. pag. 1117, wo Coste unter anderen sagt: » Quant à moi, je crois avoir complétement rempli mon devoir d’historien impartial, en reproduisant dans mon Mémoire la Note tout entière de M. Lecoq «.. Es muss aber auffallen, dass sowohl in den von Coste der Pariser Akademie mitgetheilten vorläufigen Notizen, wie in dessen aus - führlicherer Abhandlung über den Nestbau des Stichlings der Name Lecoq mit keiner Sylbe erwähnt wird3)Vergl. die Mémoires présentés par divers savants à l’Académie des scrences. Tom. X. 1848. pag. 575. Nidification des Epinoches et des Epinochettes; par Coste. , und dass man bei Lesung von Coste’s Ab - handlung nur aus dem einen Passus: » les Épinoches ne sont point monoga - mes, comme on l’a avancé « errathen kann4)Ebenda pag. 588., dass vor Coste schon jemand über diesen Gegenstand, wenn auch nicht ganz richtige und nicht erschöpfende Angaben, bekannt gemacht habe. Leider wurde weder von Lecoq5)S. Compt. Rend. a. a. O. selbst, noch von Flourens, Valenciennes und Duméril, welche über Coste’s Beob - achtungen und über Lecoq’s Reclamation der Akademie Bericht abzustatten hatten6)Ebenda Tom. 23. pag. 333 und 1085., der Titel des Werkes oder der Zeitschrift angeführt, in welchen Lecoq seine Beobachtungen niedergelegt, so dass ich nicht im Stande bin zu beurtheilen, wie viel oder wie wenig Lecoq über die Fortpflanzungsgeschichte des Stichlings beobachtet und bekannt gemacht hat. Da aber schon lange vor Lecoq und Coste das Benehmen der nestbauenden Stichlinge von Engländern und Deutschen gekannt war, halte ich es um so mehr für angemessen, den älteren Beobachtern durch Mittheilung ihrer Erfahrungen gerecht zu werden, weil das von Coste allerdings in sehr anziehender Weise mitgetheilte Beneh - men des nestbauenden und die Brut bewachenden Stichlings in Deutschland als etwas ganz Neues so grosses Interesse erregte, dass die von Coste dar - über niedergeschriebene Abhandlung sammt den dazu gelieferten bildlichen Darstellungen theils in deutschen Schriften über Fischzucht, theils in deut - schen periodischen Unterhaltungs-Blättern übersetzt, erschienen ist.
Die erste Nachricht über den Nestbau der Stichlinge haben wir John Hall zu verdanken, dessen Beobachtung im Jahre 1739 von Bradley nebst einer Abbildung des Nestes des dreistacheligen Stichlings bekannt gemacht wurde7)Vergl. a philosophical account of the works of nature by Richard Bradley. London, 1739. pag. 88. Pl. VIII. Fig. 2.. Hall hatte das Bauen des aus Wurzelfasern angefertigten Nestes von Anfang bis zu Ende mitangesehen und Bradley vermuthete nach dem70Familie: Scomberoidei.Aussehen dieses ihm überbrachten Nestes, dass dasselbe eher zur Aufbe - wahrung des Laichs als zur Wohnung des Fisches selbst dienen möge. Von einem deutschen Anonymus1)S. in der Isis 1834. pag. 227: Ein kleiner Beytrag zur Naturgeschichte des Stich - lings, v. L. wurden bei Würzburg im Juni 1832 Stichlinge bei dem Bewachen ihrer aus Wurzelfasern gebauten und im sandigen Grunde eines Teiches versteckten Nester beobachtet. Die von demselben ausgegra - benen Nester enthielten 60 bis 80 Eier, aus denen schon am anderen Tage die kleinen Stichlinge auskrochen. Das schon im Jahre 1829 von David Milne2)Vergl. the Edinburgh new philosophical Journal. Octbr. 1828. — March, 1829. pag. 398. aufgefundene, durch den fünfzehnstacheligen Seestichling (Gasterosteus Spinachia Lin.) angefertigte Nest, sowie die furchtlose Aufmerksamkeit, mit welcher dieser Fisch sein Nest und die darin sich entwickelnde Brut be - wacht, sind schon vor den von Coste an dem dreistacheligen Stichlinge angestellten Beobachtungen in England bekannt gewesen, wie aus den verschiedenen Mittheilungen von Duncan, Turnbull, Maclaren und Johnston und aus der von Hamilton gelieferten Abbildung dieses Nestes hervorgeht3)S. in den Annals of natural history. Vol. V. London, 1840. pag. 148. On the nests of the fifteen-pined Stickleback. Dieser Aufsatz, welcher von Hardy (On the Nidification of Fishes) in: the Zoologist, Vol. III. 1845. pag. 885 noch einmal mitgetheilt wird, ist aus den Transactions of the Berwickshire Naturalist’s Club abgedruckt und befindet sich in Fro - riep’s neuen Notizen aus dem Gebiete der Natur - und Heilkunde, Band XIV, 1840. pag. 119 übersetzt. Vergl. ferner: the Naturalist’s Library by Jardine. Vol. 36. (1843) Ichthyology. British Fishes by Hamilton. Part. I. pag. 71. Plate 6.. Auch von R. Q. Couch4)S. the Zoologist, a popular Miscellany of natural history conducted by Newman. Vol. II. London, 1844. pag. 795. Notes on the Nidification of Fishes by R. Q. Couch. wurde das Nest des Gasterosteus Spinachia beschrie - ben, welches aus festgewachsenen Fucoideen besteht, deren Aeste durch einen umgewickelten glasartigen elastischen Faden zu einem Büschel zusam - mengehalten werden und in ihrer Mitte die abgelegten Eier umschliessen. Couch beobachtete drei Wochen lang ein solches Nest und immer sah er das - selbe von einem und demselben Seestichling bewacht. Das aufmerksame Fischchen besserte jede an dem Neste durch Zufall entstandene und mit Ab - sicht des Beobachters hervorgebrachte Unordnung mit seiner Schnauze wie - der aus, ja, das sorgsame Thierchen, durch die eintretende Ebbe verscheucht, kehrte jedesmal mit der Fluth zu seinem Neste zurück, um dasselbe zu un - tersuchen, auszubessern und von neuem zu bewachen. Durch Hancock5)Vergl. dessen Observations on the Nidification of Gasterosteus aculeatus and Ga - sterosteus Spinnachia, in: the Annals of natural history, Vol. X, 1852. pag. 241 oder in: the Zoologist, Vol. XII. 1854. pag. 4409. er - fahren wir, dass Crookenden schon im Jahre 1834 den Nestbau des drei - stacheligen Stichlings beobachtet habe.
Von Coste (a. a. O.) sind jedenfalls diese Beobachtungen sehr erweitert71Gattung: Gasterosteus.worden, indem derselbe zuerst erkannte, dass die Männchen von Gasterosteus aculeatus es sind, welche das Nest bauen und, nachdem die Weibchen das - selbe mit Eiern besetzt haben, vor dem Eingange des Nestes durch fibrirende Bewegungen ihrer Brustflossen eine Wasserströmung unterhalten, um den in der Höhle des Nestes verborgenen Eiern frisches Wasser zuzutreiben. In die - sem Geschäfte werden sie aber oft unterbrochen, indem sie ihre müssigen und grausamen Weibchen mit Gewalt von den Nestern abzuhalten haben, da diese gern die Nester zerstören und den darin verborgenen Laich aufzehren. Aber auch unter sich haben diese Männchen Kämpfe zu bestehen, indem sie wahr - scheinlich aus Neid den Besitz unversehrter Nester einander missgönnen. Hat es endlich ein Stichlings-Männchen durch seine Wachsamkeit und seinen Muth so weit gebracht, dass die Brut ungestört zur Entwicklung und glück - lich zum Ausschlüpfen hat gelangen können, so beginnt für das erstere wie - der eine andere Sorge, indem einzelne zu bewegliche, aber wegen des grossen anhängenden Dottersacks zugleich sehr unbehülfliche Junge aus dem Neste fallen. Diese werden von dem aufmerksamen Männchen verschluckt und vor - sichtig wieder in das Nest gespieen. Alle diese Handlungen der Stichlings - Männchen sind auch von Hancock1)S. dessen Observations on the Nidification a. a. O. beobachtet und beschrieben worden; ebenso haben auch Kinahan2)Vergl. dessen Observations on the Spawning of Gasterosteus leiurus in: the Zoolo - gist. Vol. X. 1852. pag. 3526. und R. Warington3)S. the Annals of natural history. Vol. X. 1852. pag. 276, ferner Vol. XVI. 1855 pag. 330. Observations on the habits of the Stickleback. diese Beobachtungen Coste’s an den Männchen des Gasterosteus leiurus bestätigen können. Ich selbst habe schon vor zwanzig Jahren Gelegenheit gehabt, aus eigener Anschauung die Wachsamkeit und den Muth des dreistacheligen Stichlings-Männchen zu be - wundern, und kann noch folgendes dem bereits Bekannten hinzufügen. Als ich nämlich im Sommer 1838 in der Umgegend von Danzig einen Teich be - suchte, dessen Grund mit Sand bedeckt war, fielen mir darin vereinzelte drei - stachelige Stichlinge auf, welche fast unbeweglich im Wasser schwebten und sich durch nichts verscheuchen liessen. Ich erinnerte mich sogleich dessen, was ich vor einiger Zeit in der Isis über den Nestbau dieses Fischchens gelesen hatte und vermuthete, dass auch die eben erwähnten Stichlinge in der Nähe ihrer Nester Wache hielten, konnte aber bei aller Klarheit des Wassers nir - gends auf dem sandigen Grunde des Teiches solche Nester entdecken. Als ich mit meinem Stocke auf dem Grunde des Teiches umherfuhr, bemerkte ich, dass, wenn ich damit in die Nähe eines Stichlings kam, dieser mit grösster Aufmerksamkeit den Bewegungen des Stockes folgte. Ich konnte durch dieses Benehmen der Stichlinge voraussehen, dass sie mir ihr wahrscheinlich im72Familie: Scomberoidei.Sande verborgenes Nest zuletzt selbst verrathen würden, und fuhr deshalb um so emsiger fort, mit meinem Stocke auf dem Grunde des Teiches umher - zutasten. Plötzlich stürzte ein Stichling auf den Stock los und suchte ihn durch heftiges Anrennen mit der Schnauze wegzustossen, woraus ich schloss, dass ich jetzt die Stelle getroffen hätte, wo sein Nest unter dem Sande ver - steckt liege; ich streifte mit dem Stocke etwas stärker über den Sand hin und entblösste in der That ein aus Wurzelfasern und anderen zusammenge - tragenen Pflanzenstücken gefertigtes Nest, in welchem angebrüteter Laich enthalten war; auf ähnliche Weise gelang es mir auch bei den übrigen Stich - lingen, mir den Ort ihrer Nester von ihnen anzeigen zu lassen. Einmal auf eine solche Stelle aufmerksam gemacht war ich dann leicht im Stande, auf dem Sandgrunde an einer kleinen Oeffnung, aus welcher Wurzelfasern her - vorschimmerten und welche ich früher übersehen hatte, das unter dem Sande sorgfältig versteckte Nest zu erkennen.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 52. n. 2, Descript. spec. pag. 97. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 80. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 491. n. 8. Gasterosteus pungitius.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 82. Taf. 53. Fig. 4. Gasterosteus pungitius, kleiner See - stichling.
Siemssen Nr. 79: pag. 39. Gasterosteus pungitius, Seestichling.
Cuvier et Valenciennes Nr. 5: T. IV. 1829. pag. 506. Gasterosteus pungitius, petite Epinoche d’Europe à neuf épines.
Bujack Nr. 97: pag. 359. Gasterosteus pungitius, kleiner Stichling.
Krøyer Nr. 82: Bd. I. 1838 — 40. pag. 188. Gasterosteus pungitius.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 224. n. 46. Gasterosteus pungitius, Epinochette.
Artcharakter: Neun bis eilf fast gleich grosse Stachelstrahlen vor der Rückenflosse.
D. 9 — 11 / 11, P. 9 — 10, V. 1 / 1, A. 1 / 9 — 11, C. 5 / 12 / 6.
Der kleine Stichling, welcher höchstens eine Länge von 2½ Zoll erreicht, besitzt im Vergleich zu dem vorhergehenden Stichling einen um vieles ge - streckteren Leib. Die freien niedrigen Rückenstacheln sind, wenn sie sich aufgerichtet haben, abwechselnd etwas nach rechts und links hingewendet. Die beiden Bauchstacheln zeigen sich ziemlich schwach entwickelt. Der Schwanz trägt zuweilen auf beiden Seiten eine Längsreihe von 10 bis 11 ge - kielten Schilden, wodurch der Schwanz jederseits eine schneidende Kante erhält.
Der grünliche Rücken und silberglänzende Bauch erscheinen häufig durch verwaschene Querbänder unregelmässig gefleckt. Im Laufe des Som -73Gattung: Gasterosteus.mers erhalten die männlichen Individuen auf der ganzen unteren Seite eine intensivschwarze Färbung, welche wahrscheinlich das Hochzeitskleid vertritt.
Diese sehr kleinen Fischchen bewohnen die Küsten der Nord - und Ost - see, finden sich aber auch eben so häufig in den Mündungen der Flüsse und steigen von da die Flüsse ziemlich weit hinauf. Es scheint, dass ihnen sogar weit entfernt vom Meere todte Arme grösserer Ströme oder kleine Seiten - bäche derselben als stetiger Wohnsitz behagen können, denn ich habe hier eine grössere Anzahl dieser kleinen Stichlinge vor mir, welche zum Theil im Rhein bei Speyer gefangen, zum Theil aus einem sehr kleinen Bache, der Ocker bei Braunschweig, in Gesellschaft des G. aculeatus von mir gesammelt waren.
Alle Flossen-Strahlen weich, gegen die Spitze hin zertheilt und gegliedert; untere Schlundknochen getrennt; Schwimmblase, wenn vorhanden, immer ohne Luftgang.
Zwei bis drei Rückenflossen, Bauchflossen unter der Kehle, Maul bezahnt, Leib mit Cycloid-Schuppen bedeckt, Schwimmblase vorhanden.
Gattungscharakter: Eine kurze und eine lange Rückenflosse, eine lange Afterflosse und ein Bartfaden am Kinn. Schuppen sehr klein und dicht nebeneinander liegend.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 178. Taf. 20, Ruffolkh.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 22. n. 10, Descript. spec. pag. 107. Silurus cirro unico mento, Syn. nom. pisc. pag. 38. n. 13 & pag. 111. n. 2.
74Familie: Gadoidei.Linné Nr. 2: pag. 440. n. 14. Gadus Lota.
Sander: Zur Naturgeschichte des Ruffolken oder Gadus Lota. Carlsruhe, 1778, vergl. auch die Berliner neuesten Mannigfaltigkeiten. Th. II. 1779. pag. 223.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 177. Taf. 70. Gadus Lota, Quappe.
Schrank Nr. 23 a: pag. 312. n. 280. Rutte.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 50. Gadus Lota, Trische.
Gloger Nr. 88: pag. 77. n. 39. Gadus Lota, Aalraupe.
Bujack Nr. 97: pag. 345. Gadus Lota, Quappe.
Krøyer Nr. 82: Bd. II. 1843 — 45. pag. 169. Lota vulgaris.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 188. Lota vulgaris.
Günther Nr. 47: pag. 124. Lota vulgaris, Treische.
Leiblein Nr. 51: pag. 125. Lota vulgaris, Aalruppe.
Rapp Nr. 41: pag. 36. Lota communis, Trüsche.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 313. Lota vulgaris, Aalrutte.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Lota vulgaris, Aalrutte.
Artcharakter: Körper gestreckt cylindrisch, Schwanz seitlich zu - sammengedrückt; Unterkiefer kaum kürzer als der Ober - kiefer; Zähne alle klein.
1. D. 12 — 14, 2. D. 70 — 75, P. 18 — 20, V. 5 — 6, A. 65 — 70, C. 36 — 40.
Es ist dieser gefrässige Raubfisch der einzige Repräsentant der Gadoiden im süssen Wasser. Er findet sich in allen Wassergebieten von Mitteleuropa, und zwar liebt derselbe ebensowohl die Flüsse wie die Seen, in welchen letz - teren er sich gern an sehr tiefen Stellen aufhält.
Die das breite Maul umgebenden Knochen der Rutte sind mit vielen Hechelzähnen besetzt. Die kleinen Schuppen liegen in Gruben der Haut dicht nebeneinander eingebettet. Sie sind ungemein zart, fast cirkelrund und be - sitzen keine radiären, sondern nur concentrische Sculpturen. Die Seitenlinie erreicht nicht immer das Ende des Schwanzes, hört oft schon am Anfang des letzten Körperdrittels auf. Rücken, Seiten, Brustflossen und unpaarige Flos - sen erscheinen olivengrün gefärbt und schwärzlich marmorirt. Kehlflossen, Kehle und Bauch dagegen sind weisslich gefärbt. Im ausgewachsenen Zu - stande kann die Rutte eine Länge von 1 bis 2 Fuss erreichen.
Als Laichzeit dieses Fisches werden sehr verschieden bald die Monate November, December, bald die Monate Januar, Februar und März angegeben, woraus Heckel und Kner vermuthen, dass bei diesem Fische je nach äusseren Umständen das Laichen verfrüht oder verzögert werde. Die gewöhnliche Laichzeit der Rutte muss doch der Monat December sein, da Willughby aus dem Manuscripte des vielerfahrenen Baldner’s von den Rutten anführt: » De - cembri mense foetificant «.
Da wir über die Lebensgeschichte der Fische immer noch sehr wenig wissen, muss uns jeder darauf bezügliche Beitrag höchst willkommen sein, daher ich den Freunden der Fischkunde hier eine Beobachtung mittheilen will, welche von einem glaubwürdigen Manne herrührt, aber bisher fast ganz un -75Gattung: Lota.beachtet geblieben ist. Dr. J. G. Steinbuch nämlich erzählt in seinen Ana - lecten1)S. dessen Analecten neuer Beobachtungen und Untersuchungen für die Naturkunde. Fürth, 1802. pag. 3., dass er einesmals in der Brinz bei Heidenheim mit einem Zweizack nach einer Rutte gestochen, aber statt einen Fisch zwei Fische zugleich mit seinem Instrumente durchbohrt habe. Derselbe berichtet nun über diesen un - erwarteten Fischfang weiter, wie folgt: (pag. 5) » Beide von dem Zweizack abge - löste Fische hatte ich auf einen breiten, platten Stein gelegt, wo sie Kopf an Kopf und Bauch an Bauch der Länge nach aneinander liegend, und gemein - schaftlich nur eine Masse bildend, träge und unbeweglich liegen blieben. Ein gemeinschaftliches, häutiges, etwa einen Finger breites, ringförmiges Band umschloss beide Fische ungefähr in der Mitte ihrer Körperlänge so genau, dass keiner im Stande war, sich von dem andern zu trennen, und diese mecha - nische Verbindung blieb selbst nach meiner erzählten harten Behandlung noch fest und ungeändert zurück. Die Bauchflächen beider Fische waren durch dieses Band so platt gegeneinander gedrückt, dass die weichen Körper beider Fische zusammen fast eine zylindrische Gestalt hatten, und das ringförmige Band war durch die Fischkörper so stark vollgefüllt, und dadurch so ge - spannt, dass es sichtbar in die Masse der weichen Körper einschnitt, so dass der Durchmesser des gemeinschaftlich gebildeten Zylinders an dieser Stelle etwas kleiner war als über und unter dem Bande «.
» Nachdem ich diese mir so äusserst auffallende Erscheinung hinlänglich bewundert, und durch Umwälzung des gemeinschaftlich gebildeten Körpers von allen Seiten betrachtet hatte, versuchte ich mit einem kleinen hölzernen Stäbchen, das ich neben mir auf der Erde liegend fand, dieses vereinigende Band (pag. 6) über die Körper beider Fische rückwärts nach dem dünneren Schwanz - ende zu hinabzustreifen, um dadurch die beiden Gefangenen in Freiheit zu setzen, und vorzüglich, um die Beschaffenheit dieses räthselhaften Bandes genauer zu untersuchen. Ich bemerkte bei diesem Versuche sogleich: dass das, sowohl nach Beschaffenheit der Farbe, als nach seiner Weichheit, Schlüpfrigkeit u. s. w. mit der Oberfläche beider Fische genau übereinstimmende Band, mit keinem der beiden eingeschlossenen Fischkörper verwachsen zu seyn schien, und dass die beabsichtigte Lösung desselben, bei der Weichheit der Fischkörper und der Ausdehnbarkeit des Bandes selbst, nicht mit zu grossen Schwierigkeiten verbunden seyn würde. Wirklich gelang es mir auch, nachdem ich mit dem Stäbchen und ein Paar Fingern der einen und der andern Hand zugleich, an dem ganzen Umfang des vereinigenden Bandes und dem gemeinschaftlichen Körper der Fische vorsichtig operirt hatte, dasselbe aus seiner Stelle zu ver - schieben, und es nach Wunsch und unzerrissen rückwärts hinabzustreifen «.
» Indem durch die Lösung des Bandes die mechanische Verbindung bei -76Familie: Gadoidei.der Fischkörper aufgehoben wurde, fielen beide selbst voneinander, so dass ich nun die beiden sich vorhin deckenden Bauchflächen derselben ansichtig wurde. Ich hatte also jetzt zwei abgesonderte Fische, und jenes häutige, ringförmige Band als eine dreifache Beute vor mir liegen «.
» Indem sich die beiden Bauchflächen dieser Fische beim Lösen des Ban - des voneinander trennten, fiel mir der Umstand besonders auf, dass ihre bei - derseitigen Harnblasen - (Geschlechts -) öfnungen eine solche gegenseitige (pag. 7) Lage zeigten, dass die Oefnung des einen Fisches auf die des andern, während dem verbundenen Zustande musste gepasst haben «. — » Das abgestreifte Band hatte da, wo es zuvor an den Seitenflächen und dem Rücken eines jeden Fisches anlag, noch die vertieften Spuren seiner vorherigen anhaltenden Pres - sung zurückgelassen und es konnte mir nun der Gedanke nicht entgehen: dass vielleicht der Nutzen dieses merkwürdigen Bandes kein anderer sey, als jene beiden Oefnungen der Fische genau zu vereinigen und aufeinander zu drücken «.
(pag. 9) » Das unverletzt abgelösste ringförmige Band nahm ich mit meinen Fingern auf, und spannte es mittelst dreier durch dasselbe gesteckter Finger meiner linken Hand gelinde aus, um seine Beschaffenheiten desto genauer beachten zu können. Es war offenbar eine organische, als ein ringförmiges Band gebildete ganze, unzerrissene Haut, durch kein sinnliches Merkmal (eine mehrere Dicke ausgenommen) von der Haut dieser Fische selbst ver - schieden, mit glatten abgerundeten Rändern, glatter äusserer und innerer Oberfläche. Die äussere Oberfläche desselben war genau von eben der Farbe und mit eben dem schlüpfrigmachenden Schleim überzogen, wie die Haut der Fische selbst; die innere Oberfläche, die zuvor mit der Haut der Fische in Berührung war, war weniger gefärbt, aschgrau und fast durchscheinend, so dass ich durch sie die dunkle Farbe der äussern Fläche zu sehen glaubte. Die Breite des Bandes mochte nicht ganz einen Zoll betragen, übrigens schie - nen Breite und Dicke in dem ganzen Umfang desselben überall gleich gross. Nirgends war eine Nath oder eine Spur von Vereinigung (pag. 10) zweier Enden zu sehen, welches unfehlbar hätte der Fall seyn müssen, wenn der Zirkel, den dieses Band bildete, durch Vereinigung beider Enden eines Längenbandes wäre zusammengesetzt worden. Die Consistenz der Masse, woraus diese Fischhaut bestand, war so weich, dass dieselbe sich wie nasses Papier biegen und behandeln liess, doch hatte es so starken Zusammenhang seiner Theile, dass ich es nicht ohne sehr merklichen Widerstand mit meinen Fingern zerriss «.
Diese Beobachtungen, obgleich sie von Steinbuch in früheren Jugend - jahren angestellt und erst später aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben wurden, sind mit so vielen Einzelnheiten erzählt, dass Steinbuch in der Hauptsache sich gewiss nicht getäuscht haben konnte; die ganze von ihm mitgetheilte höchst merkwürdige Geschichte durfte Steinbuch wohl mit Recht77Gattung: Lota.als eine Art Begattungsact bezeichnen, zumal da derselbe (a. a. O. pag. 8) aus den beiden Fischen nach ihrer Trennung einen milchigen Saft ausfliessen sah. Steinbuch (ebenda pag. 18) vermuthete, dass, nachdem sich beide Fische mit der Bauchfläche innig berührt, sich durch Hautausschwitzung ein gerinn - barer Stoff zu jenem gürtelförmigen Bande umgebildet habe, durch welches Steinbuch die beiden Rutten vereinigt gefunden. Diese Hypothese verdient nicht verworfen, sondern vielmehr geprüft zu werden, da auch bei anderen Fischen Haut-Secrete während der Brunstzeit zum Vorschein kommen, auf die man bisher entweder gar nicht oder nur sehr wenig geachtet hat, wie ich späterhin nachweisen werde.
Der Körper seitlich stark zusammengedrückt, unsymmetrisch, in - dem beide Augen auf einer und derselben Seite angebracht sind. Die Rückenflosse nimmt die ganze Rückenkante, die Afterflosse die ganze Bauchkante ein, da der After sehr weit nach vorn gerückt ist. Die Bauchflossen stehen vor den Brustflossen an der Kehle. Eine Schwimm - blase fehlt. Alle hiehergehörigen Fische schwimmen auf der Seite, wobei die augentragende Seite nach oben gerichtet und zugleich ge - färbt ist, während die nach unten gekehrte Seite ungefärbt erscheint.
Gattungscharakter: Zähne in einfacher Reihe in beiden Kieferrän - dern; Rückenflosse beginnt über den nahe beisammen ste - henden Augen; der Schwanz wird weder von der Rücken - flosse noch von der Afterflosse erreicht.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 17. n. 4, Descr. spec. pisc. pag. 59. n. 4, Syn. nom pisc. pag. 31. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 457. n. 7. Pleuronectes Flesus.
Bloch Nr. 3 a: Th. II. pag. 39. Taf. 44. Pleuronectes Flesus, Flunder.
Holandre Nr. 56 b: pag. 260.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 186.
Schaefer Nr. 59: pag. 325.
78Familie: Pleuronectae.Artcharakter: Seitenlinie fast gerade, durch dornige Warzen - Reihen rauh eingefasst, auch die Basis der Rücken - und Afterflosse mit dornigen Höckern besetzt. Die Augen-Seite (meistens die rechte Seite) olivengrün oder bräunlich, zu - weilen gelb gefleckt.
D. 57, P. 10, V. 6, A. 38 — 42, C. 18.
Dieser in der Ost - und Nordsee sehr gemeine Fisch, welcher eine Länge von 8 bis 10 Zoll erreicht, steigt oft weit in die Flüsse hinauf, so dass der - selbe in England und Belgien schon mehrere Male viele Meilen weit vom Meere entfernt im süssen Wasser gefangen worden ist. So berichtet Donovan1)S. dessen: Natural history of british fishes. Vol. IV. London, 1806. Plate 94., dass in vielen britischen Seen und Flüssen Flundern in grosser Anzahl gefangen werden, und Yarrell2)Vergl. dessen: History of british fishes. Vol. II. London, 1841. pag. 304. giebt ganz bestimmt an, dass im Avon mehrere Meilen oberhalb Bath, und in der Themse einige Meilen oberhalb London sehr häufig Flundern vorkommen. Von Selys-Longchamps (a. a. O.) wird mitgetheilt, dass die Flunder aus der Schelde in die Nethe bis nach Waterloo und aus der Maas in die Ourthe bis über Lüttich hinauf gelangt sei. Nach Holandre’s Beobachtung (a. a. O.) ist ein Exemplar dieses Fisches im August des Jahres 1818 in der Mosel bei Metz vorgekommen. Auch M. Schaeffer (a. a. O.) er - zählt, dass die Flunder manchmal bis nach Trier und weiter die Mosel herauf steige und er im October des Jahres 1842 auf dem Fischmarkte zu Trier zwei lebende Exemplare dieses Fisches, welche in der Mosel gefangen waren, ge - sehen habe.
Dass die Flunder sich noch weiter hinauf im Flussgebiet des Rheins ver - steigen, und sogar bis zum Mittelrhein sich verirren kann, dies beweisen fol - gende Angaben. Der Stadtfischer Hänlein in Mainz, dessen Aussagen man wohl Glauben schenken darf, gab mir die mündliche Versicherung, dass ihm erst einmal in seinem Leben eine Flunder aus dem Rhein bei Mainz vorgekom - men sei. Durch Dr. Braun3)Vergl. Correspondenz-Blatt des zoologisch-mineralogischen Vereines in Regensburg. VIII. Jahrg. 1854. pag. 112. erfahren wir, dass während seines 18 Jahre lang dauernden Aufenthalts in Klingenberg (am Main in Unterfranken) von 1815 bis 1833 ihm einmal von den Fischern daselbst ein ihnen unbekannter son - derbar gestalteter Fisch gebracht worden sei, den er bei Untersuchung und Vergleichung mit Abbildungen als eine Pleuronectes erkannt habe. Es ist diese Eigenschaft der Flunder, in süssem Wasser auszudauern, schon den älteren Ichthyologen bekannt, und Veranlassung gewesen, diesem Fische den Namen Passer fluviatilis zu verschaffen4)Vergl. Bellonii de aquatilibus libri duo. Parisiis, 1553. pag. 144. Passer fluviatilis.
79Gattung: Platessa.Es dürfte demnach dieser schmackhafte Seefisch, dessen Laichzeit in den Monat Mai fällt, nicht ungeeignet sein, bei uns in Teichen und Seen erzogen zu werden, wozu die künstliche Fischzucht die beste Gelegenheit böte. Eine Hauptschwierigkeit dabei würde jedoch die sein, solchen Fischen stets die nöthige Nahrung zukommen zu lassen, da die Flunder fast nur von Gewürm, Krebsthieren, Schnecken und Muscheln leben, welche von diesen Fischen in sehr grossen Quantitäten verzehrt werden, ich wenigstens fand in Danzig den Darmcanal der Flundern von Anfang bis zu Ende mit Schneckengehäusen und Muschelscherben immer wie ausgestopft. Auf der andern Seite würden aber auch diese Fische durch ihre Lebensart im Stande sein, sich den Nachstellungen vieler unserer Raubfische, (des Hechts, des Barsches, der Lachsforelle) zu entziehen, indem sie sich gern auf dem Grunde des Wassers aufhalten, und sich leicht mit ihrem flachen Körper im Schlamme und Sande verbergen können.
Alle Flossen-Strahlen weich, gegen die Spitze hin zertheilt und gegliedert; untere Schlundknochen getrennt; Schwimmblase durch einen Luftgang mit der Speiseröhre verbunden.
Die Zwischenkiefer-Knochen bilden allein den Rand der Ober - kinnlade; die Oberkieferknochen sind rudimentär verkürzt und tragen häufig Bartfäden; Körper nie mit Schuppen bedeckt, zuweilen Schilde tragend, der erste Brustflossen-Strahl einen starken Knochen darstellend.
Gattungscharakter: Körper nackt, Hechelzähne im weiten Maule, Rückenflosse sehr klein, Afterflosse sehr lang.
Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 42. Wälin.
Baldner Nr. 42: pag. 143. Taf. 2. Scheid.
4)vulgo Flesus. Vergl. ferner Willughby de historia piscium libri IV. Oxonii, 1686. pag. 98. Cap. VIII. Passer fluviatilis. Tab. F. 5. Vergl. endlich Raji Synopsis avium et piscium. Londini, 1713. pag. 32.
80Familie: Siluroidei.Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 88. n. 2, Descript. spec. pisc. pag. 110. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 501. n. 2. Silurus Glanis.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 242. Taf. 34. Silurus Glanis, Wels.
Schrank Nr. 23 a: pag. 319. n. 291. Waller.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 83. Silurus Glanis, Waller.
Gloger Nr. 88: pag. 76. Silurus Glanis, Wels.
Bujack Nr. 97: pag. 341. Silurus Glanis, Wels.
Valenciennes Nr. 5: T. XIV. 1839. pag. 323. Pl. 409. Silurus Glanis, silure d’Europe.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. 1846 — 53. pag. 120. Silurus Glanis, Wels.
Rapp Nr. 41: pag. 12. Silurus Glanis, Weller.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 308. Fig. 165. Silurus Glanis, Schaiden.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Silurus Glanis, Wels.
Artcharakter: Zwei lange Oberkiefer-Bartfäden, vier kurze Bartfäden am Unterkiefer; die sehr kurze Rückenflosse in der Mitte zwischen den Brust - und Bauchflossen ange - bracht.
D. 1 / 4, P. 1 / 14 — 17, V. 11 — 13, A. 90 — 92, C. 17 — 19.
Der Waller, einer unserer gewaltigsten Raubfische, kann eine beträcht - liche Grösse erreichen und bis zu einigen hundert Pfund Gewicht heranwach - sen. Es zeichnet sich dieser Fisch von allen unseren übrigen Weichflossern durch seinen breitgedrückten Kopf und durch sein ungeheuer weites Maul aus. Derselbe besitzt eine grauschwarze oder olivengrüne Farbe mit dunk - leren Marmorflecken an den Seiten und mit weisslicher Färbung auf dem Bauche. Gegen den sehr grossen breitmäuligen Kopf dieses Fisches stechen die ungemein kleinen Augen auffallend ab. Sehr merkwürdig ist an diesem Fische die dicht hinter und über der Wurzel der beiden Brustflossen ange - brachte enge Oeffnung, welche in einen Hohlraum führt, der unter der Haut gelegen ist und sich zugleich in die Zwischenräume der grösseren Brustflossen - Muskel hineinerstreckt. Es haben sich diese beiden Oeffnungen der Haut auch noch bei vielen anderen Siluroiden auffinden lassen1)Vergl. hierüber Heckel und Kner: Süsswasserfische a. a. O. pag. 310 und des letz - teren Abhandlung über die Panzerwelse in den Denkschriften d. mathemat. naturwissensch. Classe der Akademie der Wissensch. Bd. VI. Wien, 1854. pag. 68., ohne dass man jedoch den Zweck dieser eigenthümlichen Organisation bis jetzt hat errathen können. Seine Laichzeit fällt in den Monat Juni.
Ausser der Donau mit ihren Nebenflüssen, werden viele grössere Seen von Oberbayern als Wohnort des Wallers angegeben; ich kenne das Vorkom - men des Wallers vom Chiemsee, Wagingsee, Simsee, Staffelsee und Bodensee. Der Waller war in früheren Zeiten eine Seltenheit für den Bodensee, wie von den älteren Ichthyologen berichtet wurde; gegenwärtig soll dieser Fisch sich im Bodensee häufiger zeigen, wenigstenz bei Constanz, was mir dortige Fi - scher versichert haben, dieselbe Bemerkung wurde auch von Rapp (a. a. O.) 81Gattung: Silurus.gemacht. Im Mittelrhein ist der Waller eine seltene Erscheinung, daher mag es gekommen sein, dass weder Hartmann (Nr. 38 b), noch Schinz (Nr. 40 b) den Waller als einen Rheinfisch aufführen, während sie das Vorkommen des Wallers in einigen Seen der Schweiz erwähnen. Eine interessante Notiz über einen in der Ill bei Strassburg gefangenen einen Schuh langen Waller hat Baldner (a. a. O.) mitgetheilt. Dieser Fisch war vom Jahre 1569 bis 1620 in einem Weiher am Leben erhalten worden und hatte innerhalb dieser Zeit eine Länge von 5 Schuh erreicht1)Vergl. auch Hermann: Observat. zoolog. a. a. O. pag. 308.. Aber nicht bloss in der Ill, sondern wirklich im Mittelrhein ist der Waller schon einige Male gefangen worden. Ich stütze mich in dieser Beziehung nicht bloss auf das Zeugniss von Miescher2)S. den Bericht über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. VI. Basel, 1844. pag. 72., wel - cher im Jahre 1842 der naturforschenden Gesellschaft zu Basel ein kleines bei dieser Stadt im Rhein gefangenes Exemplar des Silurus Glanis vorzeigte, son - dern berufe mich noch auf ein zweites, 12½ Pfund schweres Exemplar des - selben Fisches, das im Jahre 1858 bei Alt-Breisach im Rhein gefangen worden ist und das ich im zoologischen Cabinete zu Freiburg aufbewahrt gesehen habe, woselbst mir die Versicherung gegeben wurde, dass im Rhein bei Neuenburg von Zeit zu Zeit Waller gefangen werden. Hiernach wäre wohl die von Leiblein (Nr. 51: pag. 125) angenommene Möglichkeit nicht zu be - zweifeln, dass bei convenirendem Wasserstande Waller als seltene Gäste auch in den Untermain gelangen könnten. Ausserdem ist der Waller unter dem Namen Wels in Norddeutschland ein sehr bekannter Fisch, der dort in den grösseren fliessenden und stehenden Gewässern ziemlich verbreitet ist.
Die Zwischenkiefer-Knochen bilden allein den Rand der Ober - kinnlade, hinter welchen die beiden ausgebildeten Oberkiefer-Knochen liegen. Alle Knochen des Maules zahnlos, dagegen sind die unteren Schlundknochen mit ansehnlichen Zähnen bewaffnet. Kiemenöffnungen bis zur Kehle gespalten. Die Schwimmblase durch eine Einschnürung in eine vordere und hintere Blase abgetheilt.
Die Familie der Cyprinoiden, deren Schuppen ausser einer feinen con - centrischen Streifung noch fächerförmig gestellte Radien in verschiedenerv. Siebold, Fische. 682Familie: Cyprinoidei.Entwicklung und Anzahl besitzen, bildet den Hauptstamm unserer Fischfauna; Linné (Nr. 2: pag. 525) fasste alle hiehergehörigen Fische unter dem einen Gattungs-Namen Cyprinus zusammen; der Reichthum an Arten erwies sich aber bei dieser Gattung als so gross, dass man sich nur schwer zurecht fin - den konnte. Es wurde diese Schwierigkeit von Cuvier1)Vergl. dessen: Règne animal. Paris, 1829. Tom. II. pag. 270 etc. dadurch beseitigt, dass derselbe die Gattung in mehrere Untergattungen zerspaltete; aber auch Cuvier’s Eintheilung der Cyprinen reichte noch nicht aus und liess die Auf - stellung noch mancher guten Gattung zu, wie wir sie von Bonaparte2)S. dessen: Iconografia della fauna italica. Roma, 1832 — 41. und Agassiz3)S. Agassiz Nr. 7: pag. 33 und Nr. 8: pag. 73. erhielten, bis endlich von Heckel4)Vergl. dessen: Abbildungen und Beschreibungen der Fische Syriens nebst einer neuen Classifikation und Karakteristik sämmtlicher Gattungen der Cyprinen. Stuttgart, 1843. Es ist diese Abhandlung aus dem I. Bande und 2. Theile von Russegger’s Reisen be - sonders abgedruckt. In dem beigegebenen Atlas hat Heckel auf Tafel I die Schlundzähne der meisten unserer Karpfen-Gattungen nach Form, Zahl und Stellung sehr schön abgebildet. die Familie der Cyprinen unter Berücksichtigung der Form, Zahl und Anordnung der Schlundzähne, auf welche bereits Agassiz hingewiesen hatte, in erschöpfender Weise nach natür - lichen Gruppen und Gattungen abgetheilt wurde.
Die Schlundzähne der Cyprinoiden bieten für die Erforschung der Ent - wicklungsgeschichte der Zähne ein höchst interessantes Material, indem die - selben alljährlich gewechselt und durch neuen Nachwuchs ersetzt werden. Dieser Nachwuchs von Ersatzzähnen geht in der den Boden der Rachenhöhle auskleidenden Schleimhaut dicht vor den alten Zähnen vor sich. Die hier verborgenen Zahnsäckchen erzeugen aber, wie es scheint, nur die aus Zahn - bein und Zahnschmelz bestehende Krone; die Knochensubstanz, welche als Zahnwurzel mit den Schlundknochen, den Trägern der Schlundzähne unmit - telbar verwachsen ist, bildet sich aus den letzteren ebenfalls neu hervor, nachdem der alte Zahn sammt seiner knöchernen Wurzel durch Abfallen Platz gemacht hat. Dieser Zahnwechsel findet immer zur Laichzeit statt, um welche Zeit die Fische, nachdem sie sich vorher gut gemästet, nicht zu fressen pfle - gen. Untersucht man die Schlundknochen der Cyprinoiden vor Beendigung ihres Fortpflanzungsgeschäftes, so kann man, mögen ihre Zahnkronen Kau - flächen besitzen oder nicht, die Zahnkronen-Scherben der Ersatzzähne inner - halb der Zahnsäckchen auf den verschiedensten Stufen der Entwicklung an - treffen5)Vergl. Jurine: Sur les dents et la mastication des poissons appellés Cyprins, in den Mém. de la soc. de phys. et d’hist. nat. de Genève. T. I. 1821. pag. 19.. Bei einem solchen steten Nachwachsen von Ersatzzähnen wird man nicht von in hohem Alter abgeschliffenen Druckzähnen (Dentes contusorii) ge - wisser Cyprinoiden reden können, wie dies Heckel (Nr. 11 c: pag. 1006) gethan hat, da sich solche Druckzähne alljährlich vollständig abschleifen.
83Gattung: Cyprinus.Durch alle diese Bemühungen, welche man auf die Eintheilung der Cy - prinoiden verwendet hat, ist nur eine Erleichterung in der Unterscheidung der Gattungen gewonnen worden, in Bezug auf die Art-Unterscheidung stösst man bei den verschiedenen Karpfen-Gattungen noch auf dieselben Schwierig - keiten wie früher. Es hängt dies zum Theil mit dem Umstande zusammen, dass mehrere Karpfen-Arten in verschiedene Wassergebiete, in welchen sie ursprünglich nicht einheimisch, künstlich verpflanzt, und dass gewisse Karpfen-Arten aus fliessenden Gewässern in stehendes Wasser und in Teiche versetzt worden sind, wodurch diese Thiere genöthigt wurden, sich in Be - treff des Wassers und der Nahrung unter sehr verschiedenen Einflüssen fort - zupflanzen, was allmählich bei den aufeinander folgenden Generationen dieser Fische eine Veränderung erzeugte, die sich sowohl in der Körperform wie in den Eigenschaften derselben kund giebt. Es sind durch solche künstliche Züchtungen gewisse Karpfenarten, wie unsere übrigen Hausthiere, ausgeartet, wobei dieselben, wie diese, nach und nach bestimmte Rassenformen angenom - men haben, die man nicht für Artformen nehmen darf. Es ist zu bedauern, dass die Ichthyologen bisher auf solche Rassenbildungen bei den Fischen nur sehr wenig Rücksicht genommen haben, gewiss würde mancher dadurch von der Aufstellung sogenannter schlechter Arten abgehalten worden sein.
Wie schwer die Arten gewisser Karpfen-Gattungen herauszufinden sind, geht auch daraus hervor, dass selbst die Fischer mit ihrem praktischen Blicke nicht immer die nächst verwandten Artformen dieser Fische zu unterscheiden im Stande sind und leicht Verwechslungen begehen, wobei sie sich zuweilen mit der Annahme von Bastardbildung zu helfen suchen. Obgleich von den Fischern eine Bastardirung zwischen verschiedenen Cyprinoiden-Arten nur vermuthungsweise ausgesprochen wird, so habe ich bei genauerer Unter - suchung gewisser zweifelhafter Cyprinoiden-Formen die Ueberzeugung gewon - nen, dass die Fischer die Entstehung solcher aus der Kreutzung zweier ver - schiedener Arten hervorgegangenen Zwischenformen mit richtigem Tacte herausgefühlt haben.
Die männlichen Individuen der meisten Karpfenarten erhalten zur Brunst - zeit ein ganz eigenthümliches Ansehen, in welchem Zustande solche Fische besondere Namen erhalten haben. Es ist dieser Zustand ein merkwürdiger Hautausschlag, der aus einer warzenförmigen Verdichtung der Oberhaut be - steht und nach den verschiedenen Gattungen und Arten der Cyprinoiden in verschiedener Form, Zahl und Vertheilung zum Vorschein kömmt. Zur Laichzeit suchen die meisten Cyprinoiden seichte Stellen der Gewässer auf, wo die Weibchen von männlichen Individuen umgeben ihren Laich entweder an Steine oder an Kräuter und Gesträuch festkleben.
6*84Familie: Cyprinoidei.Gattungscharakter: Mund endständig mit vier Bartfäden an der Oberkinnlade; fünf Schlundzähne mit zum Theil flacher und mehrfach gefurchter Krone in drei Reihen gestellt, und zwar auf jedem Schlundknochen in der Formel: 1. 1. 3 1)Bei der Untersuchung und Feststellung des Zahnsystems eines Cyprinoiden darf nicht übersehen werden, dass oft ein oder der andere Zahn fehlen kann, der entweder ab - gefallen oder abgebrochen sein kann; man wird bei genauerer Untersuchung die zurück - gelassenen Spuren des vorhanden gewesenen Zahnes erkennen; solche Lücken werden später durch einen nachwachsenden Zahn wieder ausgefüllt. (Siehe oben pag. 82.); Rücken - flosse mit langer Basis, Afterflosse mit kurzer Basis, beide mit einem sehr starken rückwärts gezähnten Knochenstrahl beginnend.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 149. Taf. 5.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 8, Descr. spec. pag. 25. n. 13, Syn. nom. pisc. pag. 3. n. 1.
Schaeffer. Epistola de studii ichthyologici methodo. Ratisbonae, 1760. pag. 18. Fig. I — III. Cyprinus cirrosus, Springkarpf.
Linné Nr. 2: pag. 525. n. 2. Cyprinus Carpio.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 92. Taf. 16. Cyprinus Carpio, Karpf, pag. 107. Taf. 17. Rex Cy - prinorum, Spiegelkarpfe, Th. III. pag. 131 u. 178. Cyprinus nudus, Leder - karpfe.
Schrank Nr. 23 a: pag. 328. n. 302 u. 303. Gemeiner Karpf u. Spiegelkarpf.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 174 u. 183. Cyprinus Carpio u. macrolepidotus Karpfen u. Spie - gelkarpfen.
Gloger Nr. 88: pag. 73. Cyprinus Carpio u. macrolepidotus, Teichkarpfen u. Spiegel - karpfen.
Bujack Nr. 97: pag. 330. Cyprinus Carpio, Karpfen.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. 1842. pag. 23. Cyprinus Carpio, Carpe commune, pag. 62. Cypr. elatus, pag. 63. Cypr. Regina, pag. 65. Cypr. hungaricus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 195. n. 12. 13. 14. Cyprinus Regina, C. Carpio, C. elatus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. 1846 — 53, pag. 290. Cyprinus Carpio.
Günther Nr. 47: pag. 35. Cyprinus Carpio, Karpfen.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Cyprinus Carpio u. macrolepidotus, Karpfen u. Spiegel - karpfen.
Rapp Nr. 41: pag. 5. Carpio vulgaris, Karpfe.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 54. Fig. 21. Cyprinus Carpio, Donaukarpfe, pag. 58. Fig. 22. C. acuminatus, pag. 60. Fig. 23 — 25. C. hungaricus, pag. 62. Fig. 26. C. Regina.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Cyprinus Carpio, gemeiner Karpfen.
85Gattung: Cyprinus.Artcharakter: Maul weit und mit dicken Lippen umgeben, Bartfäden stark und lang; Schwanzflosse tief halbmondförmig aus - geschnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken - und Afterflosse grob gezähnt.
D. 3 — 4 / 17 — 22, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 5, C. 17 — 19, Squ. 5 — 6 / 35 — 39 / 5 — 6.
Da der Karpf nicht bloss im freien Zustande als Fluss - und Seekarpf vorkömmt, sondern auch als Teichkarpf seit Jahrhunderten in ganz Europa gezüchtet wird, so konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Fisch, wie schon oben bemerkt wurde, in sehr viele Varietäten ausgeartet ist, von denen manche, z. B. der Spiegelkarpf, zu einer bleibenden Rassenform sich nach und nach herangebildet haben. Aus diesem Grunde hält es aber auch ausser - ordentlich schwer, einen gemeinschaftlichen Species-Charakter für diese ver - schiedenen Karpfen-Varietäten festzustellen, indem an ihnen sowohl die Farbe, als die Zeichnung, die Beschuppung und die Umrisse des Körpers den verschiedenen Veränderungen ausgesetzt gewesen sind.
Dass man die an ihrer Beschuppung ausgearteten Karpfen, nämlich den mit wenigen unverhältnissmässig grossen Schuppen besetzten Spiegelkarpf (Cyprinus Rex Cyprinorum, Cyprinus specularis sive macrolepidotus) und den von allen Schuppen entblössten Lederkarpf (Cyprinus nudus, sive coriaceus, sive alepidotus) nur als Varietäten und nicht, wie man früher glaubte, als be - sondere Arten zu betrachten habe, daran hat man sich lange gewöhnt. Dass aber auch Karpfen-Rassen veränderte Körperumrisse, wie sie bei unseren warmblütigen Hausthieren oft in ganz auffallender Weise vorkommen, an sich tragen können, das mögen selbst manche Ichthyologen noch nicht einräumen. Von Heckel und Kner (a. a. O. pag. 57) wird zugegeben, dass der Karpf als Culturfisch zahlreichen Abänderungen ausgesetzt sei, dennoch werden aber von ihnen als die wichtigsten Varietäten und Rassenbildungen des Karpfen nur der Spiegelkarpf und Lederkarpf in der östreichischen Fischfauna aufge - führt, während in derselben Fauna ein Paar vor längerer Zeit von Heckel auf - gestellte Karpfen-Species beschrieben und abgebildet worden sind, die ich nicht als selbstständige Arten anerkennen kann, sondern für die extremen For - men zweier Varietäten-Reihen ansehen muss.
Es kann nämlich der Karpf, dessen Körper in ursprünglicher Form läng - lich und etwas seitlich zusammengedrückt erscheint, unter gewissen Ein - flüssen sich länger strecken und auf dem niedriger gewordenen Rücken sich seitlich abrunden, oder unter anderen Einflüssen sich verkürzen und einen steiler ansteigenden sowie noch mehr zusammengedrückten Rücken erhalten. Eine dieser Rassenformen, bei welcher die zuerst erwähnten Veränderungen86Familie: Cyprinoidei.sich in sehr grosser Ausdehnung gesteigert finden, hat Heckel1)Vergl. dessen Abhandlung: Ueber einige neue Cyprinen, in den Wiener Annalen, Bd. I. a. a. O. pag. 222. Tab. XIX. Fig. 1. (c. Schlundknochen mit den Schlundzähnen) und dessen: Dispositio systematica familiae Cyprinorum in den Abbildungen und Beschreibun - gen der Fische Syriens a. a. O. pag. 1012 u pag. 1003. Taf. 1. (Cyprinus hungaricus, Mahlzähne), s. ferner dessen Verzeichniss der Fische des Donaugebiets in der ganzen Ausdehnung des östreichischen Kaiserstaates (Nr. 11 h) pag. 29, vergl. endlich Heckel u. Kner Nr. 13: pag. 60. Fig. 23. 24. 25 (Schlundknochen mit den Schlundzahnen). als besondere Species betrachtet und mit dem Namen Cyprinus hungaricus bezeichnet. Diese Karpfenform, welche nach Heckel den Neusiedler - und Plattensee bewohnt und im Alter sehr fett und dann fast walzenförmig werden soll, kömmt unter dem Namen Seekarpf, Seepinkl sehr häufig auf den Wiener Fischmarkt, auf welchem ich selbst mehrere Exemplare für das hiesige zoologische Cabinet mir verschafft habe. Aber auch auf dem hiesigen Fischmarkte werden von Zeit zu Zeit Teichkarpfen feil geboten, welche aus schwäbischen Gegenden stammen und von dem C. hungaricus sich in nichts unterscheiden. Der fast cylindrische Leib, der beinahe ganz gerade verlaufende lange Rücken, wel - cher seinen Höhepunkt schon weit vor dem Anfange der Rückenflosse erreicht, die stumpfe Schnauze mit der nur wenig nach vorn aufsteigenden Mund - spalte und der ganz gerade Verlauf des Bauchprofils, alle diese Merkmale, welche von Heckel sowohl in den Beschreibungen wie Abbildungen als Haupt - charaktere seines C. hungaricus hervorgehoben sind, finden sich bei den vor - hin erwähnten auf dem hiesigen Fischmarkte angetroffenen Teichkarpfen aus - geprägt.
Eine Mittelform zwischen dem weniger gestreckten gemeinen Karpfen und dem sehr langgestreckten ungarischen Seekarpfen stellt die von Bona - parte2)S. dessen: Iconografia della Fauna italica. a. a. O. Fol. 92. Tav. 108 (24). Fig. 1 und dessen: Catalogo metodico dei pesci europei. a. a. O. pag. 26. Nr. 141. ebenfalls zu einer besonderen Art erhobene und als C. Regina be - zeichnete Varietät dar. Auch diesen C. Regina kann ich unter den vielen Zuchtkarpfen, welche aus den verschiedenen Teichen von Bayern, Schwaben, Oberpfalz, Franken und Böhmen hierher zu Markte gebracht werden, mit Leichtigkeit herausfinden. Obwohl Heckel und Kner (a. a. O.) diese Karpfen - form als besondere Art in ihre Fischfauna der östreichischen Monarchie auf - genommen haben, so gestehen sie doch selbst, dass sie nicht im Stande seien, ganz feste Unterschiede und Grenzen zwischen C. Regina und C. Carpio an - zugeben; während De Filippi3)S. dessen: Cenni sui pesci d’aqua dolce della Lombardia. pag. 9 (aus den Notizie naturali e civili sulla Lombardia, Vol. I. Milano, 1844 besonders abgedruckt). Durch Ver - gleichung zweier Individuen des Cyprinus Regina aus Turin, deren Besitz ich Herrn De Fi - lippi zu verdanken habe, bin ich in den Stand gesetzt, letzterem in Bezug auf die Gleichar - tigkeit des C. Carpio und C. Regina vollkommen beizustimmen. schon früher den C. Regina für eine blosse Varietät des gemeinen Karpfen ansah, konnte Valenciennes (a. a. O. pag. 65) zwischen C. Regina und dem C. hungaricus keine Verschiedenheit wahrnehmen. 87Gattung: Cyprinus.Bringt man noch in Betracht, dass Kramer1)S. dessen: Elenchus vegetabilium et animplium per Austriam inferiorem observa - torum. 1756. pag. 390. Nr. 4. γ. und Fitzinger2)S. dessen: Fauna des Erzherzogthums Oestreich, a. a. O. pag. 333. C. Carpio var. lacustris. den ungarischen Karpfen auch nur als eine Varietät des gemeinen Karpfen angesehen haben, so darf es wohl gerechtfertigt erscheinen, wenn ich annehme, dass von dem nur wenig gestreckten gemeinen Karpfen eine Reihe von Varietäten mit lang - streckiger Körperform ausgeht, unter welchen der C. hungaricus die am mei - sten in die Länge gestreckte Form darstellt, während der C. Regina zwischen beiden Formen als Uebergangs-Varietät in der Mitte steht.
Die zweite Reihe der Varietäten, zu welchen der gemeine Karpf auf der anderen Seite ausarten kann, umfasst die kurzleibigen hochrückigen Formen, unter denen die von Heckel und Kner (a. a. O. pag. 59) als C. acuminatus3)Heckel hatte früher diese Karpfenform als C. angulatus und thermalis in seiner: Dis - positio system. famil. Cyprin. a. a. O. pag. 23 aufgeführt. beschriebene und abgebildete Form sich als die kürzeste und am meisten hochrückige Spielart auszeichnet. Es bewohnt diese Karpfenform nach Heckel’s und Kner’s Angabe die Donau, den Neusiedler - und Plattensee. Unter den verschiedenen kurzleibigen und hochrückigen Teichkarpfen, welche nebst den Spiegelkarpfen in grosser Anzahl aus der Umgegend von Dünkelsbühl zum Verkauf hieher geliefert werden, konnte ich zu verschiedenen Malen solche extreme Formen unterscheiden, auf welche die Beschreibung und Ab - bildung jenes C. acuminatus vollständig passte: sie besassen denselben zu - gespitzten Kopf, eine ebenso schief nach oben gestellte Mundspalte und ein ganz gleiches steil aufsteigendes Rückenprofil, dessen Höhenpunkt mit dem Anfange der Rückenflosse zusammenfiel. Die minder hochrückigen Formen jener fränkischen Teichkarpfen stimmten dagegen mit den von Bonaparte als C. Carpio und elatus abgebildeten Karpfen4)Vergl. dessen: Iconografia a. a. O. Fol. 92. Tav. 108 (24). Fig. 2 u. 3, und dessen: Catalogo metod. a. a. O. pag. 26. Nr.. 146. überein, so dass ich mit Heckel und Kner (a. a. O. pag. 63) vollkommen damit einverstanden bin, den Cyprinus elatus des Bonaparte nur für eine Varietät des gemeinen Karpfen zu halten.
Es dürfte vielleicht auffallend erscheinen, dass die verschiedenen Kar - pfenformen, wie C. hungaricus, Regina, acuminatus und elatus auch ausser - halb Ungarn und Italien angetroffen werden; es hängt die weite Verbreitung der Karpfen-Varietäten gewiss damit zusammen, dass die Lebenszähigkeit der Karpfen es zuliess, die verschiedenen Varietäten desselben durch weite Transporte nach allen Richtungen Europa’s hin künstlich zu verpflanzen, wo - bei sich manche Abart erhalten hat, andere dagegen von neuem ausgeartet sein mag. So kommen auch in den Maas - und Mosel-Gegenden unter den Karpfen Varietäten vor, die sich ebenfalls auf die vorhin erwähnten Abarten88Familie: Cyprinoidei.zurückführen lassen. In seiner belgischen Fauna beschreibt Selys-Long - champs einen Cyprinus Regina aus der Maas, welchen Bonaparte mit seinem in Italien einheimischen C. Regina für identisch erklärte, während Heckel den - selben als seinen C. hungaricus erkannte1)Vergl. Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 196. Hier heisst es wörtlich: » Il se trouve dans la Meuse, car un individu que j’avais envoyé au prince Ch. Bonaparte qui a décou - vert cette espèce en Italie, a été reconnu par lui à sa surprise pour être de la même espèce. Cependant M. Heckel qui a reconnu notre Regina pour le même que son hungaricus doute que ce soit le Regina de Bonaparte, qui aurait la tête moins longue et la dorsale commen - cant plus en avant «.. Auch von Holandre wurde mit - getheilt, dass er aus der Umgegend von Metz die verschiedensten Varietäten des C. Carpio erhalten habe, von denen die eine Form einen fast cylindri - schen Leib besessen2)Vergl. Holandre Nr. 56 a: pag. 326 u. Nr. 56 b: pag. 240.. Es deutet diese Aeusserung doch wohl auf ein Vor - handensein des C. hungaricus hin. Durch Nordmann3)Vergl. in Demidoff’s Voyage dans la Russie méridionale, T. III. Paris, 1840. Nord - mann’s Observations sur la Faune pontique, pag. 476 und 477. wurde der C. Carpio wie auch seine Varietäten C. macrolepidotus, nudus und hungaricus auf dem Fischmarkte zu Odessa angetroffen, woraus hervorgeht, dass der Karpf mit seinen verschiedenen Varietäten sowohl im Westen wie im Osten von Europa ausdauert.
Die kurze hochrückige seitlich zusammengedrückte Varietät des gemei - nen Karpfen fehlt dem niederrheinischen Wassergebiete ebenfalls nicht, da Selys-Longchamps (a. a. O. pag. 198) den C. elatus aus der Schelde und aus bel - gischen Weihern aufführt, und Schaefer in seiner Mosel-Fauna aussagt, dass er den C. elatus, welcher aus den Teichen der Umgegend von Saarbrücken und Wittlich gekommen war, auf dem Markte zu Trier von Zeit zu Zeit ge - sehen habe4)Vergl. M. Schaefer: Mosel-Fauna. pag. 297.. Ich verdanke der Güte des Herrn Oberlehrer Schnur zu Trier einige Exemplare dieser Karpfenform, und kann sie für nichts anderes als für eine den C. elatus darstellende Varietät des gemeinen Karpfen halten.
Die Grundfarbe des gemeinen Karpfen und seiner Abarten kann sehr variiren und vom goldgelben in’s blaugrüne übergehen. Die wulstigen Lippen und der Bauch sind meistens gelblich gefärbt, Rücken und Flossen erscheinen blaugrau, die letzteren mit Ausnahme der Rückenflosse haben zuweilen einen röthlichen Anflug. Die Schuppen besitzen in ihrer Mitte oft einen schwärz - lichen Pigmentfleck, und sind nicht selten an ihrem Hinterrande schwärzlich eingefasst. Die Schlundknochen nebst den daran befestigten Zähnen lassen recht erkennen, dass die oben erwähnten verschiedenen Karpfenformen nur als Varietäten und nicht als besondere Arten betrachtet zu werden verdienen, denn es lässt sich an jenen Skelettheilen durchaus kein specifisches Merkmal ausfindig machen, durch welches ein Unterschied zwischen Cyprinus Carpio, elatus, acuminatus, Regina und hungaricus festgestellt werden könnte, während,89Gattung: Cyprinus.wie ich weiter unten nachweisen werde, ein specifischer Unterschied zwi - schen den natürlichen Abramis-Arten auch an den Schlundknochen und Schlundzähnen sich sehr bestimmt ausspricht.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die Schlundzähne des Karpfen, welcher sich meistens von zersetz - ten Pflanzenstoffen und Schlamm ernährt, schleifen sich, mit Aus - nahme des vordersten Zahnes, der seine sphärische Krone stets be - hält, durch den Gebrauch nach und nach ab, und erhalten mit der Zeit, wie die Backenzähne der Wieder - käuer und vieler Nagethiere, an den Seiten ihrer Krone einen un - organisirten braunschwarzen Ueberzug, wobei auch die Furchen der abge - schliffenen Kauflächen ebenfalls mit dieser braunschwarzen Substanz ausge - füllt werden. Jedenfalls setzt sich diese Kruste nach Art des Weinsteins, von den Futterstoffen ab, da die Zähne der Karpfen bei ihrer Entwicklung ganz rein und ungefärbt aus den Zahnsäcken hervortreten. Die Furchen sind mei - stens doppelt und dreifach auf den Kauflächen der Schlundzähne vorhanden und stellen zackige Linien dar.
Der gemeine Karpf ist höchst wahrscheinlich sowohl in der Donau wie im Rhein und Main ursprünglich einheimisch gewesen, immerhin wird es aber bei der allgemeinen Verbreitung des Karpfen als Culturfisch schwer zu ent - scheiden sein, ob das Vorkommen dieses Fisches in diesem oder jenem Ge - wässer nicht etwa durch Einsetzen oder Uebertreten aus Teichen veranlasst worden ist. Von dem im nordöstlichen Deutschland allgemein verbreiteten Karpfen weiss man es bestimmt, dass er von südlichen Gegenden Europa’s künstlich dorthin verpflanzt worden ist.
Während der Laichzeit des gemeinen Karpfen, welche in den Monat Mai und Juni fällt, sich aber auch bis gegen den August verspäten kann, ent - wickeln sich in dem schleimigen Hautüberzug (Epithelium) der männlichen Individuen auf dem Scheitel, auf den Wangen und dem Kiemendeckel-Appa - rate viele kleine, unregelmässig zerstreute weissliche Warzen, auch auf der inneren Seite des ersten bis siebenten Brustflossenstrahls kömmt eine schmale Reihe dieses warzenartigen Hautausschlags zum Vorschein.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung, welche man schon seit lange im Volke gekannt hat, welche aber von den Physiologen gänzlich unbeachtet ge - blieben ist, kann ich hier nicht unerwähnt lassen, nämlich die Sterilität, durch welche sich manche Karpfen auszeichnen. Aus gewissen, bis jetzt un - bekannt gebliebenen Ursachen kommen in sterilen Karpfen weder Hoden90Familie: Cyprinoidei.noch Eierstöcke zur gehörigen Ausbildung und Reife, es bleiben in denselben, obgleich sie nach Alter und Grösse längst fortpflanzungsfähig sein sollten, die Geschlechtswerkzeuge in ihrer Entwicklung so weit zurück wie in ganz jugendlichen Individuen, wodurch sie zur Laichzeit der Karpfen neben gleich - alterigen und gleichgrossen brünstigen Individuen ganz besonders auffallen. In manchem sterilen Karpfen sind die Geschlechtswerkzeuge so sehr in der Entwicklung zurückgeblieben, dass sie nur mit grösster Mühe aufzufinden und oft genug gänzlich übersehen worden sind; solche Individuen sind als - dann für gänzlich geschlechtslos gehalten worden.
Schon Aristoteles hatte von diesen sterilen Karpfen Kenntniss und sagte in seiner Naturgeschichte der Thiere1)Vergl. Aristotelis de animalibus historiae libri X. Edit. Schneider. Lib. IV. Cap. XI. 4, übersetzt von Strack, pag. 203. von ihnen: » So giebt es auch noch Fische, man nennt sie Epitragien, dergleichen sich unter den Flussfischen, unter den Karpfen und Balagren2)Welchen Fisch Aristoteles unter » Balagrus « verstanden wissen wollte, hat bis jetzt nicht entschieden werden können. finden; diese haben niemals weder Rogen noch Milch, sind aber dabei fest und fett, haben ein kurzes Gedärm und wer - den für die Besten gehalten «.
Unter den Fischern sind die sterilen Karpfen immer ein wohlbekannter Gegenstand gewesen, der mit den verschiedensten Namen belegt worden ist. In Süddeutschland werden sterile Karpfen allgemein mit dem Namen » Laimer « von den Fischern und Fischhändlern bezeichnet, in Norddeutschland haben sie den Namen » gelte « oder » güste « Karpfen erhalten3)Vergl. Löwe und Riem: Physikalisch-ökonomische Zeitung, Jahrg. 1785. Breslau. pag. 3. 81. 300. 448. In dieser Zeitung hat man zugleich versucht, die Ursachen der Un - fruchtbarkeit solcher gelte Karpfen zu erklären, wobei man aber auch junge, noch nicht geschlechtsreife Individuen, welche in guten Streck-Teichen bei reichlicher Nahrung sehr stark ausgewachsen waren, für gelte Karpfen genommen zu haben scheint.. Diese sterilen Kar - pfen werden in Deutschland noch heute wie zu den Zeiten des Aristotelfs wegen ihres zarten Fleisches sehr hoch geschätzt4)Schon Baldner (a. a. O. pag. 149) sagt in seiner Beschreibung des Rheinkarpfen: » es gibt auch deren, so kein Milch oder Rogen haben, die heisset man » müsiggänger «, die werden vor allen gelobt «.. Auch in Südfrankreich hat der sterile Karpfe bei Gutschmeckern seinen alten Ruf bewahrt. Er führt dort den Namen » Carpeau « oder » Carpe bréhaigne «, und wurde von älteren französischen Schriftstellern öfters besprochen5)Ueber den sterilen Karpfen der Rhone spricht sich Dulac (in seinen Mémoires pour servir à l’histoire naturelle des Provinces de Lyonnois, Forez et Beaujolois, Tom. I. Lyon, 1765. pag. 122) in folgender Weise aus: » Le carpeau, que l’on trouve dans le Rhône et dans la Saône, et qui, au jugement de tous les connoisseurs, est peut-être le poisson le plus délicat qui soit en France, n’est pas encore connu. Le genre de ce poisson est un mystere de la nature où la sagacité de l’homme n’a pu encore pénétrer. Doit-on le ranger dans la classe des carpes? En est-il le mâle? ou bien forme-t-il une espece particuliere? C’ est ce qu’on ignore. Cet étrange poisson offre un vaste champ aux recherches des Naturalistes «.. De Latourette, welcher91Gattung: Carpio.über den sterilen Karpfen genauere Untersuchungen angestellt hat1)Vergl. dessen: Recherches et Observations sur le Carpeau de Lyon, in Rozier: Observations sur la physique, sur l’histoire naturelle et sur les arts. Tom. VI. 1775. P. 2. pag. 271. Ausserdem hat auch Duhamel (Traité général des Pêches, Vol. II. Sect. 3. 1772. pag. 513) und Bonnet (Considérations sur les corps organisés, in seinen Oeuvres d’histoire naturelle et de philosophie, Tom. III. 1779. pag. 506) diesen » Carpeau de Lyon « erwähnt. Nachdem Vallot (Ichthyologie française, Dijon, 1837. pag. 103) noch einmal auf den steri - len Karpfen aufmerksam gemacht hatte, ist dieser Fisch von den späteren französischen Ichthyologen ganz ausser Acht gelassen worden., hebt als Unterschied von dem fruchtbaren Karpfen (Carpe) hervor, dass der un - fruchtbare Karpfe (Carpeau) einen kürzeren Leib, einen stumpferen Kopf, dickere Lippen, einen breiteren Scheitel und fleischigeren Rücken besitze, und dass sein Bauch in der Umgebung des Afters sehr dünn und zusammen - gedrückt sei. Dieses letztere Merkmal wird auch von den bayrischen Fischern als das zuverlässigste für den Laimer bezeichnet.
Gattungscharakter: Mund endständig mit vier Bartfäden an der Oberkinnlade; fünf Schlundzähne mit zum Theil flacher und einfach gefurchter Krone in zwei Reihen gestellt, und zwar auf jedem Schlundknochen in der Formel: 1, 42)Ausnahmen und Abweichungen von dieser Formel werden weiterhin besprochen werden .; Rücken - flosse mit langer Basis, Afterflosse mit kurzer Basis, beide mit einem starken, rückwärts gezähnten Knochenstrahl beginnend .
Syn. u. Citate2)Ausnahmen und Abweichungen von dieser Formel werden weiterhin besprochen werden..
Heckel Nr. 11 a: Ueber einige neue Cyprinen. pag. 223. Tab. XIX. Fig. 2. Cyprinus Kol - larii.
Holandre Nr. 56 b: pag. 242. Cyprinus striatus, Carousche blanche.
Nordmann: Observations sur la Faune pontique in Demidoff’s Voyage dans la Russie meri - dionale. T. III. 1840. pag. 478. Pl. XXI. Fig. 1. Cyprinus Kollarii.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. 1842. pag. 76. Pl. 458. Cyprinus Kollarii, Carreau.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 198. Pl. 9. Cyprinus striatus, Carpe blanche.
Heckel Nr. 11 c: pag. 1003. Taf. I. Becherzähne von Carpio striatus, pag. 1014. Cyprinus Kollarii und striatus.
Schaefer Nr. 59: Moselfauna. pag. 298. Cyprinus striatus.
Heckel Nr. 11 h: Verzeichniss der Fische des Donaugebiets. pag. 29. Carpio Kollarii.
92Familie: Cyprinoidei.Heckel und Kner Nr. 13: pag. 64. Fig. 27 u. 28 (Schlundknochen mit den Schlundzahnen)1)Als zweite Art dieser Gattung Carpio wurde früher von Heckel (Nr. 11 c. pag. 1014) Cyprinus Regina Bon. freilich nur vermuthungsweise betrachtet, wodurch es gekommen sein dürfte, dass Schaefer (Nr. 59: pag. 297) diesen Karpfen ebenfalls unrichtiger Weise der Gattung Carpio beizählte..
Kessler: Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten des schwar - zen Meeres und durch die westliche Krym unternommene Reise, in dem Bulletin de la société impériale des naturalistes de Moscou. Ann. 1859. pag. 524. Carpio Kollarii.
Dybowski: Versuch einer Monographie der Cyprinoiden Livlands. Dorpat, 1862. pag. 55. Taf. I. Fig. 6. Schlundknochen, Taf. V. Carpio Kollarii.
Artcharakter: Mund mit schmächtigen Lippen umgeben, Bartfäden dünne und sehr kurz; Schwanzflosse halbmondförmig aus - geschnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken - und Afterflosse bald mehr bald weniger grob gezähnt.
D. 4 / 17 — 20, P. 1 / 15 — 17, V. 2 / 8, A. 3 / 5 — 6, C. 19 — 20, Squ. 6 — 7 / 35 — 38 / 6 — 7.
Die Karpf-Karausche variirt in ihrer Totalgestalt und Färbung ausser - ordentlich, indem sie bald dem gemeinen Karpfen, bald der unter dem Na - men » Giebel « bekannten Karauschenform ähnlich sieht. Das Maul steht mehr oder weniger schief, die Bartfäden desselben sind von denen des gemeinen Kar - pfen wesentlich verschieden, indem dieselben äusserst kurz und dünn ent - wickelt sind, so dass sie leicht übersehen werden können2)Wahrscheinlich hat auch Holandre (a. a. O.) die verkümmerten Bartfäden seines C. striatus übersehen, und deshalb diese Cyprinoiden-Form zu den bartlosen Karauschen ge - stellt, konnte aber doch nicht umhin, von der einen Varietät des C. striatus anzugeben: » un rudiment de barbillon à la commissure des lèvres «.; zwar kommen auch an den echten Karpfen hier und dort die beiden oberen Bartfäden ver - kürzt vor, immer aber besitzen sie eine dicke Basis. Das Stirnprofil zeigt sich zuweilen sanft ausgehöhlt. Der Scheitel geht mit einem sanften Bogen in den gewölbten Rücken über. Die Sculptur des Kiemendeckel-Apparats ist meistens sehr rauh und giebt den beiden Hauptdeckeln öfters ein grob - streifiges Ansehen. Die Flossen verhalten sich in ihrer Form ganz wie die des gemeinen Karpfen, namentlich besitzt auch die Schwanzflosse einen halbmondförmigen Ausschnitt.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die Schlundknochen stimmen in ihren Umrissen ganz mit denen des Karpfen überein, während sich die Zähne auf denselben in Zahl, Anordnung und Form ganz verschieden verhalten. Mit Aus - nahme des vordersten Zahnes, der seine conische Krone unverändert bewahrt, werden die übrigen etwas comprimirten Zahnkronen, auch die des isolirt stehen - den kleinen äusseren Zahnes, allmählich abgeschliffen, wobei sich die Seiten93Gattung: Carpio.der Kronen häufig mit einer dunkeln Rinde färben. Auf der Kaufläche der sich abschleifenden Zähne zeigt sich nur anfangs eine einzige halbmondför - mige Furche, welche sich späterhin durch Abschleifen gänzlich verliert. Ich darf es nicht verschweigen, dass unter neunzehn von mir untersuchten Indivi - duen sich drei befanden, von denen zwei auf dem rechten Schlundknochen nur eine einfache Zahnreihe besassen, während bei dem dritten Individuum der einzeln stehende äussere Zahn des linken Schlundknochen noch einen klei - neren äussersten Zahn vor sich hatte, wodurch diese Zahnstellung auffallend an die des C. Carpio erinnerte. Ein viertes Individuum bot eine noch auf - fallendere Abweichung dar, indem die beiden Schlundknochen desselben die Zahnformel 1. 1. 4 trugen.
Heckel giebt die Totallänge des C. Kollarii, welcher im Neusiedler-See ziemlich häufig vorkömmt, auf 8 Zoll an, welche Grösse dieser Fisch kaum überschreiten soll. Diejenigen Exemplare, welche ich aus Braunschweig er - halten habe, besitzen eine Länge von 7¾ bis 12 Zoll, eine auf dem Strass - burger Fischmarkte von mir erworbene Karpf-Karausche besass die Länge von 11 Zoll, während die Exemplare aus Schwaben, welche ich auf dem hie - sigen Fischmarkte vorfand, 15 bis 17 Zoll lang waren. Dass diese Karpf - Karausche auch in den nordöstlichen Gegenden von Mitteleuropa und zwar in Brandenburg, Schlesien und Polen erzeugt wird, darüber hat Dybowski (a. a. O. pag 57) Erfahrungen gesammelt.
Aus den Angaben des Valenciennes und Selys-Longchamps ist zu ent - nehmen, das dieser Cyprinoide nach Art der echten Karpfen in Frankreich sowie in Belgien als Teichfisch vorkömmt; dies mag auch der Grund sein, weshalb dieser Fisch ebenso variirt, wie C. Carpio und bald kurze hoch - rückige, bald langgestreckte Abarten bildet, zu welchen letzteren der von Selys-Longchamps beschriebene und abgebildete C. striatus zu rechnen ist, wenigstens passt die Beschreibung und Abbildung, welche Heckel von seinem C. Kollarii gegeben hat, in der Hauptsache ganz auf ein 8 Zoll langes Exem - plar des C. striatus, welches ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus einem belgischen Weiher erhalten habe. Die von hiesigen Fischern er - haltenen Karpf-Karauschen stammten ebenfalls aus Teichen und hatten eine noch weit gestrecktere Körperform, so dass ich sie als ein Analogon der als C. hungaricus bekannt gewordenen Karpfenvarietät betrachten konnte.
Dass ich C. Kollarii und striatus miteinander verschmolzen habe, bedarf wohl keiner weiteren Rechtfertigung, zumal da Heckel selbst die nahe Ver - wandtschaft dieser beiden Cyprinoiden-Formen anerkannt hat1)Selys-Longchamps (Nr. 58: pag. 198) spricht sich hierüber in folgender Weise aus: » M. Heckel qui a examiné un de mes striatus trouve qu’il a en effet de grands rapports avec son Kollarii par ses barbillons courts, mais qu’il en est distinct par son front bombé et son dos peu élevé..
94Familie: Cyprinoidei.Ob man aber überhaupt diesen C. Kollarii als selbstständige reine Art fortbestehen lassen soll, das ist eine Frage, die ich jedenfalls verneinen muss, weil meine über diesen Fisch angestellten Untersuchungen mich bis fast zur Gewissheit überzeugt haben, dass diese Cyprinoiden-Form aus der Kreuzung des Karpfen und der Karausche hervorgegangen ist. Es diente mir zur Ge - nugthuung, dass, als ich diese Untersuchungen im vorigen Herbste mit dem eben erwähnten Resultate abgeschlossen hatte, und gleich darauf Dybowski’s Schrift über die Cyprinoiden Livlands in die Hand bekam, auch dieser Ichthyo - loge den C. Kollarii als Blendling der Gattung Cyprinus und Carassius erkannt hatte. Es ist übrigens diese Cyprinoiden-Form schon lange, bevor Heckel und Holandre dieselbe als C. Kollarii und striatus beschrieben haben, den Fischern in den verschiedensten Gegenden Mitteleuropa’s bekannt gewesen und von ihnen für ein Bastard des Karpfen und der Karausche erklärt wor - den. Die Volksnamen: Karpf-Karausche, Karauschen-Karpf, Karpf-Gareisl, Halb-Karausche1)Diejenigen Individuen des C. Kollarii, welche ich durch die Güte des Herrn Blasius aus einem bei Braunschweig gelegenen Teiche eingesendet erhielt, wurden von den dorti - gen Fischern » Hälverlinge « genannt, und ebenfalls als Bastarde des Karpfen und der Ka - rausche angesehen. beziehen sich alle auf diese hybride Fischform, wie sie das unbefangene Auge der Fischer schon lange erkannt hatte, aber das getrübte Auge der Systematiker nicht hat sehen wollen. Zwar können die Fischer nicht immer als zuverlässige Gewährsmänner gelten, indessen finden sich un - ter ihnen doch auch Persönlichkeiten, welche neben den charakteristischen Merkmalen derjenigen Fische, die ihnen Jahr aus Jahr ein zu Tausenden durch die Hände gehen, auf den ersten Blick Abweichungen von diesen Art - charakteren gewahr werden und von denen auch Bastardbildungen mit rich - tigem Blicke aufgefasst werden können.
Es ist bekannt, dass die Teichfischereien in früheren Zeiten viel aufmerk - samer und ausgedehnter betrieben wurden als heut zu Tage, es konnte daher nicht ausbleiben, dass in früheren Jahrhunderten den Karpfenzüchtern die unter dem Namen » Karpfkarauschen « bekannt gewordenen Bastardbildungen viel häufiger unter die Hände gekommen sind als dies in neuerer Zeit ge - schehen ist, daher auch fast alle älteren Zoologen und Ichthyologen die hy - briden Karpfkarauschen als etwas Bekanntes erwähnt haben, während die - selben von den neueren Naturforschern gänzlich mit Stillschweigen übergangen worden sind. Leider wurde diesen Blendlingen von Gesner bis auf Klein2)Vergl. Gesner Nr. 34 a: Hist. animal. pag. 1275 u. Nr. 34 c: pag. 295 u. 298. Schwenckfeld Nr. 84: pag. 424. Schonevelde Nr. 81: pag. 34. Willughby: Ichthyographia. pag. 250. Cap. V. § 3. Rzaczynski Nr. 92: pag. 151. Klein Nr. 93: Miss. V. pag. 59. Nr. 3.95Gattung: Carpio.weder eine Beschreibung noch eine Abbildung gewidmet, so dass es zweifel - haft bleiben könnte, welche Cyprinoiden-Form man damals mit dem Namen » Karpfkarausche « hat bezeichnen wollen. Zwar giebt Marsigli1)Marsigli Nr. 28: pag. 61. Tab. 21. Von diesem Sittigkarpfen sagt Marsigli, dass er nie die Schwere von drei Pfund erreiche. unter dem Namen » Sittigkarpfen « die Abbildung einer Karpfkarausche, aus der sich aber der C. Kollarii nicht mit Bestimmtheit erkennen lässt, da an derselben die charakteristischen zarten Bartfäden fehlen. Eine ganz sichere Nachricht über die Karpfkarausche haben wir dagegen Börner2)Vergl. Börner Nr. 85: Zoologiae Silesiacae Prodromus. pag. 205. n. 292. Charax crassior, longior. zu verdanken, welcher in seinem Prodromus eine sehr genaue und ausführliche Beschreibung von dem aus dem Karpfen und der Karausche hervorgegangenen und in Schlesien all - gemein gekannten Karschkarpfen geliefert hat, in welcher der mit vier zar - ten Bartfäden versehene C. Kollarii nicht zu verkennen ist. Börner fügt seiner Beschreibung noch manche interessante, von Fischern über diesen Bastard gemachte Erfahrungen hinzu, von denen ich als besonders bemerkenswerth hervorhebe, dass die alten Fischer in Schlesien einstimmig erzählen, die Karschkarpfen entstehen aus der Vermischung der Karausche und des Kar - pfen, wenn aus Unvorsichtigkeit in die für Karpfen bestimmten Streichteiche Karauschen zugelassen worden sind. Das Wachsthum des Karschkarpfen ist langsamer als das Wachsthum des reinen Karpfen. Man hütet sich, junge Karpfen als Setzlinge aus Teichen zu kaufen, welche im Verdachte stehen, Karschkarpfen zu enthalten.
Dass der Carpio Kollarii wirklich ein Gemisch von Cyprinus Carpio und Carassius vulgaris darstellt, ergiebt sich aus dem Verhalten seiner Körperform und Beschuppung, seiner Flossenumrisse, und hauptsächlich seiner Schlund - zähne. Das Profil der verschiedenen von mir verglichenen Karpfkarauschen erinnert bald mehr an einen Karpfen bald mehr an eine nicht hochrückige Karausche, sehr häufig hat der Kopf und das stumpf abgerundete Maul die - ses Cyprinoiden so viel Aehnlichkeit mit der Varietät Carassius Gibelio, dass man solche Individuen, wenn sie keine Bartfäden besässen, ihrem übrigen äusse - ren Ansehen nach für giebelförmige Karauschen erklären möchte. Die Be - zahnung des Stachels vor den weichen Flossenstrahlen der Rücken - und After - flosse zeigt sich höchst wandelbar, indem bei einigen Individuen die Zähne dieser Stacheln eben so grob und stark sind wie bei dem Karpfen, während bei anderen Individuen diese Stacheln eine ebenso feine Zähnelung besitzen, wie sie bei der Karausche vorkömmt. In Bezug auf die Form der Schwanz - flosse steht die Karpfkarausche gleichfalls in der Mitte zwischen Karpf und Karausche, da ihre Schwanzflosse meistens nur mässig ausgeschnitten ist,96Familie: Cyprinoidei.während der Karpf immer eine sehr stark ausgeschnittene Schwanzflosse und die Karausche eine nur sehr wenig ausgeschnittene Schwanzflosse besitzt. Die Schuppen-Längsreihen der Karpfkarausche sind sowohl oberhalb wie un - terhalb der Seitenlinie im Vergleich zu den Schuppenreihen des Karpfen mei - stens um eine Reihe vermehrt und im Vergleich zu den Schuppenreihen der Karausche um eine Reihe vermindert. Am deutlichsten trägt das Zahnsystem des C. Kollarii die Vermischung der dreireihigen Zahnformel des Karpfen mit der einreihigen Zahnformel der Karausche an sich, indem dasselbe aus zwei Zahnreihen besteht, von denen die innere Reihe in Zahl und Form der Zähne ganz mit der Zahnformel der Karausche übereinstimmt, zu welcher aber noch als zweite Zahnreihe nach aussen ein einzeln stehender kleiner Zahn wahr - scheinlich unter dem Einflusse des Cypr. Carpio hinzugekommen ist. Bei einzelnen Individuen der von mir untersuchten Karpfkarauschen ist der Ein - fluss der Karausche und des Karpfen noch dadurch zu einer besonderen Geltung gekommen, dass in zwei Fällen die Einwirkung der Karausche auf dem rechten Schlundknochen den äusseren kleinen Zahn gänzlich verdrängt, und in einem dritten Falle unter dem Einflusse des Karpfen der linke Schlundknochen als dritte Zahnreihe noch einen kleinen Zahn erhalten hatte. Noch stärker hat sich der Einfluss des Karpfen bei dem oben erwähnten mit der Zahnformel 1. 1. 4 ausgestatteten Individuum geltend gemacht. Dergleichen Abweichun - gen und Unbeständigkeiten in der Zahl und Anordnung der Zähne sind auch von Dybowski (a. a. O.) bei diesem Blendling beobachtet worden.
Höchst überrascht wurde ich im Frühjahr 1862 durch eine eigenthüm - liche Karpfenform, welche in grosser Anzahl aus einem in der Nähe von Schwandorf gelegenen Karpfenteich der Oberpfalz nach München gebracht war, um zu einem sehr niedrigen Preise verschleudert zu werden, weil diese Fische keine echten Karpfen, sondern bastardartige, den Gareiseln (Karau - schen) sehr nahestehende Halbfische darstellen sollten. Zu meinem grössten Bedauern habe ich von diesen sogenannten Halbfischen nur fünf Exemplare habhaft werden können, von denen vier Individuen eine Länge von 7¾ Zoll und ein Individuum eine Länge von 12 Zoll besassen. Bei der ersten flüchtigen Betrachtung schienen diese Fische der Spiegelkarpfen-Form anzugehören, da sie ausser den sehr grossen Schuppen längs der Seitenlinien und ausser den ganz nackten Hautstellen ober - und unterhalb der Seitenlinie zugleich einen nach rückwärts sehr grob gesägten vorderen Knochenstrahl in der Rücken - und Afterflosse, sowie eine tief halbmondförmig ausgeschnittene Schwanzflosse an sich trugen. Bei näherer Untersuchung ergaben sich aber auffallende Abweichungen von der gewöhnlichen Form der als Spiegelkarpf bekannten Varietät des C. Carpio. Die Lippen waren sehr mager, und die vier Bartfäden an denselben auffallend verkümmert. Bei einem Individuum war nur ein ein - ziger dünner und kurzer Bartfaden an dem rechten Mundwinkel vorhanden,97Gattung: Carpio.bei einem anderen Individuum fehlte der linke untere Bartfaden gänzlich, während die drei übrigen Bartfäden als ganz magere und kurze Rudimente nur schwer in die Augen fielen, bei den drei anderen Individuen waren die beiden oberen Bartfäden gänzlich verschwunden und die beiden unteren Bartfäden nur als zwei kurze dünne Fäden entwickelt.
Schlundknochen.
Die auffallendste Abweichung boten die Schlundknochen dieser Cyprinoiden im Vergleich zu denen des Spiegelkarpfen dar, indem sie bei ganz gleichen Um - rissen der Knochen nicht die Zahnformel: 1. 1. 3 — 3. 1. 1 trugen, sondern die Zahn - formel: 3 — 3, an dieser einfachen, nur aus drei Zähnen zusammengesetzten Zahn - reihe zeigte der vorderste Zahn eine conische, meist unabgeschliffene Gestalt, die beiden hinteren Zähne waren immer abgeschliffen und liessen aus ihrer etwas ausgehöhlten Kaufläche errathen, dass die früher vorhandenen Kronen derselben nur von einer einzigen Furche durchzogen waren.
Hätte ich mich an diese Zahnformel allein halten wollen, so wäre ich ge - nöthigt gewesen, auf diese hin eine neue Cyprinoiden-Gattung zu gründen, allein die asymmetrische und zugleich höchst kümmerliche Entwicklung der Bartfäden dieser Cyprinoiden deutete zu bestimmt auf eine hybride Form, zu deren Bildung jedenfalls ein Spiegelkarpf mitgewirkt haben musste, während die Zahnbildung und die Zahnformel 3 — 3 desselben Bastarden es nahe leg - ten, dass es wieder eine Karausche mit der einfachen Zahnformel 4 — 4 gewe - sen sein dürfte, welche das andere Zeugungsproduct für diese Blendlinge hergegeben habe.
Es ist zu bedauern, dass über dergleichen Bastardbildungen eigentlich noch gar keine bestimmten Erfahrungen vorliegen und dass wir daher ganz und gar darüber im unklaren sind, welchen Einfluss der männliche, und welchen Einfluss der weibliche Fisch bei einer Kreuzung auf die Formverän - derungen der Blendlinge ausübt. Jedenfalls darf man wohl annehmen, dass bei der Erzeugung der beiden oben beschriebenen, durch die Zahnformeln so sehr verschiedenen hybriden Formen des Cyprinus Carpio und Carassius vulgaris diese beiden Fische in zwei verschiedenen Kreuzungsweisen auf ein - ander gewirkt haben.
Für die hybride Beschaffenheit der erwähnten Spiegelkarpfen spricht auch noch der Umstand, dass nach Aussage des Teichfischers, welchem jene Spiegelkarpfen als Brut zur Streckung übergeben worden waren, diese Kar - pfen nach abgelaufener Frist zu seinem grössten Verdrusse das erforderliche Gewicht bei weitem nicht erhalten hatten, also im Wachsthume sehr zurückge -v. Siebold, Fische. 798Familie: Cyprinoidei.blieben waren, was nach den Erfahrungen der schlesischen Fischer bei Blend - lingen stets der Fall ist.
Eine andere sehr wichtige Frage, welche bis jetzt ebenfalls noch nicht mit Sicherheit beantwortet ist, betrifft die Fortpflanzungsfähigkeit dieser Blendlinge, über die ich bis jetzt durchaus nichts zuverlässiges habe ausfindig machen können1)Nach einer brieflichen Mittheilung, welche ich Herrn Blasius aus Braunschweig verdanke, hat derselbe einen Streckteich mit einer grösseren Anzahl des C. Kollarii be - setzen lassen, um beobachten zu können, ob diese sogenannten Hälverlinge sich unter ein - ander fortpflanzen. Hoffentlich wird dieser Naturforscher, der die zoologische Wissen - schaft schon so vielfach bereichert hat, die Resultate jener Beobachtungen den Ichthyologen nicht vorenthalten.. Aus eigenen Erfahrungen kann ich nur mittheilen, dass ich in verschiedenen Fischbastarden die Geschlechtswerkzeuge, namentlich die Eierstöcke oft vollkommen, ja sogar strotzend entwickelt angetroffen habe.
Gattungscharakter: Mund endständig ohne Bartfäden; vier Schlund - zähne jederseits einreihig gestellt, die drei hinteren Zähne spatelförmig mit flacher, einfach gefurchter Krone; Rük - kenflosse mit langer Basis, Afterflosse mit kurzer Basis, beide mit einem starken, rückwärts gesägten Knochen - strahl beginnend.
Syn. u. Citate.
a. Karausche oder Seekarausche.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 7, Descript. spec. pag. 29. n. 45, Syn. nom. pisc. pag. 5. n. 5.
Linné Nr. 2: pag. 526. n. 5. Cyprinus Carassius.
Bloch Nr. 3 a: Th. 1. pag. 69. Taf. 11. Cyprinus Carassius, Karausche.
Schrank Nr. 23 a: pag. 329. n. 306. Gareisel.
Hermann Nr. 43: pag. 317. Cyprinus Carassius, Burretschel, Kurretschel.
Gloger Nr. 88: pag. 74. n. 15. Cyprinus Carassius, gemeine Karausche.
Bujack Nr. 97: pag. 333. Cyprinus Carassius, Karausche.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 82. Pl. 459 (diese Abbildung passt besser zu dem Giebel). Cyprinus Carassius, Carpe carassin.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 200. n. 18. Cyprinus Carassius.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 293. Carassius vulgaris, Karass.
Günther Nr. 47: pag. 38. Cyprinus Carassius, Bauernkarpfe.
Leiblein Nr. 51: pag. 120. Carassius vulgaris, Karutsche.
99Gattung: Carassius.Heckel und Kner Nr. 13: pag. 67. Fig. 29. Carassius vulgaris, Gareis.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Carassius vulgaris, Karausche.
b. Giebel oder Teichkarausche.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 71. Taf. 12. Cyprinus Gibelio, Giebel.
Gloger Nr. 88: pag. 74. n. 16. Cyprinus Gibelio, kleiner Barsch oder Giebel.
Bujack Nr. 97: pag. 333. Cyprinus Gibelio, Goldkarausche.
Koch Nr. 19: pag. 39. n. 10 u. 11. Cyprinus Gibelio, Halbgareis u. Cyprinus amarus, Kothscheberl.
Heckel Nr. 11 b: pag. 156. Taf. 9. Fig. 4 m — q. Carassius humilis.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 89 u. 94. Cyprinus Moles u. Cyprinus Gibelio.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 199. n. 16 u. pag. 200. n. 47. Cyprinus Gibelio u. Cyprinus Moles.
Leiblein Nr. 51: pag. 120. Carassius Gibelio, Steinkarausche.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 70. Fig. 30. 31. Carassius Gibelio, Giebel, pag. 71. Fig. 32. Carassius Moles u. pag. 73. Fig. 33. Carassius oblongus.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Carassius Gibelio, Giebel.
Artcharakter: Schnauze sehr stumpf, Mund eng, Lippen schmäch - tig, Stirne sehr breit; Schwanzflosse nur schwach ausge - schnitten; der starke Knochenstrahl der Rücken - und Af - terflosse fein gezähnt.
D. 3 / 14 — 21, P. 1 / 12 — 13, V. 2 / 7 — 8, A. 3 / 5 — 6, C. 19 — 20, Squ. 7 — 8 / 31 — 35 / 5 — 6.
Nach genauen Untersuchungen und Vergleichungen hat sich ergeben, dass Mitteleuropa eigentlich nur eine einzige Species von Carassius besitzt, für welche die eben angeführte kurze Diagnose sich hinstellen lässt. Die hierher gehörigen Cyprinoiden haben als Culturfische, im Vergleich zu dem gemeinen Karpfen, fast noch grössere und auffallendere Formveränderungen erlitten. Auch hier sind von der wahrscheinlich ursprünglichen kurzen und hochrückigen Form durch Streckung des Leibes eine Menge Abarten mit all - mählichen Uebergängen ausgegangen, von denen eine hochrückige Form seit lange den Volksnamen Karausche, und eine andere gestreckte Form den Volksnamen Giebel in Norddeutschland trägt. Bloch führte zuerst neben der Karausche Cyprinus Carassius den Giebel unter dem Namen Cyprinus Gibelio als besondere Art in das Fischsystem ein. Auch Heckel und Kner halten die Karausche und den Giebel noch als zwei Species fest, gestehen aber doch zu (a. a. O. pag. 67), dass die sichere Abgrenzung und Charakteristik der dem Genus Carassius angehörigen Arten zu den schwierigsten Aufgaben der Syste - matiker gehören, und dass die übrigen von ihnen beschriebenen Arten man - chem Ichthyologen fraglich erscheinen dürften.
Als Laichzeit der verschiedenen Karauschen-Formen wird der Monat Juni angegeben, doch soll dieselbe bei günstiger Witterung schon mit Ende Mai eintreten können.
7*100Familie: Cyprinoidei.Die Karausche mit ihren vielen Varietäten und Abarten bewohnt nur stehendes Wasser, und zwar Seen mit versumpften Ufern und sogenannte todte Arme grösserer Flüsse; aber auch kleinere Gewässer in Sümpfen und Mooren werden von der Karausche als Aufenthalt vertragen, ja, sie findet sich sogar hier und dort in den kleinsten Lachen und Tümpeln vor, welche bei der Ab - lassung und Trockenlegung von Teichen und Weihern zurückbleiben. Es deutet dies auf eine grosse Lebenszähigkeit der Karausche. Bei dieser Fähig - keit, in dem verschiedenartigsten und sogar schlammigsten Wasser auszu - dauern, sowie bei der Eigenthümlichkeit, sich mit den verschiedensten schlammigen Nahrungsstoffen zu begnügen, weshalb die Karausche hier in Bayern » Kothkarpfe, Kothbuckel, Kothscheberl « genannt wurde, konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Fisch sowohl im Freien wie in den künstlichen Weihern und Teichen den mannichfaltigsten Abänderungen unterworfen war, wobei in so verschiedenen Gewässern bald der Reichthum, bald der Mangel an Nahrung auf die Ausbildung des Fisches seinen verändernden Einfluss ausüben musste. Die Fischer haben die nahen Beziehungen der Karausche zu ihren Varietäten wohl erkannt, worauf die Namen hinweisen, mit welchen die letzteren als » Halbkarauschen, Steinkarauschen, Halbgareiseln, kleine Karau - schen « vom Volke bezeichnet worden sind, auch ältere Ichthyologen, wie Klein1)S. dessen: Historiae piscium missus quintus. a. a. O. pag. 6. Tab. XI. Fig. 1. u. 2. und Leske2)Vergl. dessen: Ichthyologiae Lipsiensis specimen. a. a. O. pag. 78 b u. pag. 79 β. haben den Giebel nur als Artabänderung betrachtet, während andere den Giebel als eine Bastardbildung von dem Karpfen und der Karausche ansehen wollten, bis Bloch (a. a. O.) die mehr gestreckte Form unter dem Namen Giebel (C. Gibelio) von der kurzen, hochrückigen Ka - rausche (C. Carassius) als besondere Art trennte. Es konnte nicht ausblei - ben, dass diejenigen Ichthyologen, welche diese Artunterschiede annahmen, unter den übrigen Varietäten der Karausche noch andere Formen herausfanden, die gleich dem Giebel berechtigt schienen, zu einer eigenen Art gestempelt zu werden. Zwar wurde schon im Jahre 1838 von dem schwedischen Natur - forscher Ekström3)S. dessen: Beobachtungen über die Formveränderungen bei der Karausche, in den Abhandlungen der schwedischen Akademie für das Jahr 1838, von Creplin übersetzt in Oken’s Isis 1840. pag. 145. Man vergleiche auch das von Wright, Fries und Ekström her - ausgegebene vorzügliche Werk: Skandinaviens Fiskar (6tes Heft, Stockholm, 1840) Pl. 31. Cyprinus Carassius und Pl. 32. Variet. B. Cyprinus Gibelio und pag. 71 des latein. Textes. nachgewiesen, dass der Giebel nichts anderes sei, als eine in Teichen ausgeartete Karausche; derselbe unterschied beide Formen durch die Bezeichnungen: Seekarausche und Teichkarausche. Allein trotz dem, dass Ekström sehr überzeugende Gründe für seine Behauptung anführte, hat seine Ansicht über die unverdiente Artberechtigung des Giebels doch nur wenig Eingang bei den neueren Ichthyologen gefunden. Ich führe unter an -101Gattung: Carassius.deren Krøyer1)S. dessen: Danmarks Fiske. Bd. 3. Kjøbenhavn, 1846 — 53. pag. 293., Van der Hoeven2)S. dessen: Handbuch der Zoologie. Bd. 2. Leipzig, 1852 — 56. pag. 100. und Troschel3)S. dessen: Handbuch der Zoologie. Berlin, 1853. pag. 227. an, welche zu den wenigen gehören, die wirklich von Ekström’s Beobachtungen über die Formverän - derungen der Karausche Notiz genommen haben. Die geringe Beachtung, welche man den genauen Beobachtungen Ekström’s geschenkt hat, muss um so mehr auffallen, da die bisher bekannt gewordenen älteren Beschreibungen der Karausche und des Giebel verschiedene Unrichtigkeiten enthielten, was allein schon hätte darauf hindeuten können, dass diese Cyprinoiden-Formen bisher nur unvollständig und oberflächlich untersucht worden waren. Am auffallendsten erscheint die ganz unrichtige Angabe, welche Bloch über die Zahl und Anordnung der Schlundzähne bei der Karausche und dem Giebel ausgesprochen hat4)A. a. O. pag. 71 u. 74. und welche von anderen nachgeschrieben worden ist5)Vergl. Nau Nr. 45: pag. 60 u. 66, Siemssen Nr. 79: pag. 72 und Gmelin Nr. 4: pag. 356.. Von der Karausche sagt Bloch: » in jeder Kinnlade sind fünf breite Zähne be - findlich «, während er vom Giebel behauptet, er habe eine doppelte Reihe spitzer Zähne. Selbst Valenciennes (a. a. O. pag. 83 u. 91) spricht sich über den Zahnbau der Karauschen und des Giebel ungenau aus und behauptet von den Schlundzähnen des letzteren ganz unrichtig: » Les dents pharyngiennes sont étroites, au nombre de trois «.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Als Beweis, wie unhaltbar die ver - schiedenen, in Mitteleuropa einheimi - schen und als besondere Arten ange - nommenen Karauschenformen bei nä - herer Untersuchung sich herausstellen, führe ich an, dass ich an denselben in Bezug auf die Umrisse der beiden Schlundknochen und der in einer ein - fachen Reihe darauf befestigten Schlund - zähne auch nicht den geringsten speci - fischen Unterschied habe entdecken können6)Vergl. Heckel’s Fische Syriens a. a. O. pag. 1004. Taf. I. Carassius Gibelio, Meis - selzähne.. Von den vier Zähnen der ein - fachen Zahnreihe wird der vorderste kegelförmige Zahn niemals abgeschliffen, während die drei übrigen spatelförmig comprimirten Zähne gewöhnlich ab - geschliffen sind, wodurch die Furche an der Krone oft ganz verloren gegan - gen ist.
Auch die Verschiedenheiten in den Umrissen der Flossen, sowie in dem102Familie: Cyprinoidei.Verlaufe der beiden Seitenlinien, worauf Bloch Gewicht gelegt hat, bieten, was schon von Ekström hervorgehoben worden ist, keine constante Unter - scheidungsmerkmale dar. Ich füge noch hinzu, dass die Entwicklung der Sei - tenlinien bei den See - und Teichkarauschen ganz besonderen Schwankun - gen unterworfen ist, und dass sich dieselbe, namentlich bei den gestreckten Karauschenformen, sehr häufig mehr oder weniger unterbrochen zeigt, ja so - gar bis auf ein Paar Schuppen ganz verschwunden erscheint1)Es scheint, als ob die mangelhafte Entwicklung und das fast gänzliche Verschwin - den der Seitenlinien am häufigsten bei denjenigen Varietäten der Karausche wahrgenom - men werden kann, welche in kleinen Tümpeln und sumpfigen Gewässern zur Entwicklung kommen.. Meines Wis - sens hat bisher niemand auf diese Erscheinung geachtet, nur Nau (Nr. 45: pag. 60) ist dieselbe nicht entgangen, da er bei der Beschreibung des Cypri - nus Carassius ausdrücklich sagt: » man kann zur charakteristischen Bestim - mung die gerade Seitenlinie nicht wohl hinzusetzen, weil sie bei manchen Fischen dieser Art gar nicht sichtbar ist «.
Die auffallendsten Veränderungen bei der Umwandlung der Seekarau - schen in Teichkarauschen gehen mit der Körperhöhe vor, indem die bei den echten Seekarauschen oft schon hinter der Schnauze beginnende Hochrückig - keit vollständig schwinden kann. Sehr beachtenswerth erscheint dabei der von Ekström schon hervorgehobene Umstand2)A. a. O. in der Isis. pag. 147. dass in demselben Verhält - nisse, in welchem der Körper an Höhe abnimmt, die Grösse des Kopfes zu - nimmt. Auch die Physiognomie des ganzen Kopfes ist eine sehr wandelbare. Bei den hochrückigen Seekarauschen beginnt zuweilen die Steilheit des Rückens erst hinter dem Scheitel, wobei der letztere zugleich wie eingedrückt erscheint, und an der Schnauze zeigt sich der oberhalb der Mundspalte ge - legene Theil mehr oder weniger angeschwollen. Bei den gestreckten Teich - karauschen dagegen ist die Mundspalte oft sehr stark nach oben gerichtet,
Carassius vulgaris var. humilis.
103Gattung: Carassius.wobei die Unterkiefergelenke nicht selten mit einem scharfen Winkel vor - springen und dem Unterkiefer eine ganz senkrecht aufsteigende Richtung geben. Die beiden dadurch entstandenen Ecken neigen sich bei vielen Indi - viduen so stark gegeneinander, dass sie sich vollständig berühren, ja dass sie sogar übereinander greifen. Die gestreckte Giebelform kann bei guter Nahrung sehr in’s Fleisch wachsen, so dass sich alsdann dicht hinter dem Scheitel der Vorderrücken wulstig erhebt, während bei Nahrungsnoth zwischen dem ab - gemagerten Rumpfe und dem knochigen Kopfe ein auffallendes Missverhältniss eintreten kann. Zu solchen verkümmerten und im Wachsthum zurückgeblie - benen Formen arten die Karauschen aus, wenn sie in zu grosser Anzahl in ganz kleinen, futterarmen Tümpeln zur Entwicklung gekommen sind1)Dergleichen kleine Gewässer trocknen in der wärmeren Jahreszeit häufig ganz aus, die darin vorhandenen Karauschen verkriechen sich alsdann in den schlammigen Grund, und können auf diese Weise eingegraben mit Hülfe ihrer Lebenszähigkeit, wie es scheint, eine längere Zeit ausdauern..
Die Schuppen und die Hauptkiemendeckel bieten ebenfalls grosse Ver - schiedenheiten dar, indem die ersteren bald glatt, bald rauh mit dazwischen liegenden Abstufungen vorkommen und die beiden Hauptdeckel mehr oder weniger gewölbt sein können, während die Oberfläche derselben bei der einen Varietät ganz glatt, bei der anderen dagegen streifig oder höckerig, uneben erscheint.
In der Färbung kommen ebenfalls viele Abweichungen vor, die stahl - grüne Grundfarbe des Rückens und die messinggelbe Grundfarbe der Seiten und des Bauches ist bald mehr, bald weniger durch schwarzes Pigment dun - kel getrübt, was besonders von dem verschiedenen Aufenthaltsorte abhängig ist. An den Flossen, welche durchschnittlich schwarz pigmentirt sind, er - scheinen alle Flossen-Strahlen häufig röthlich angeflogen. Eine dreieckige Stelle dagegen an den Seiten des Schwanzes kurz vor der Schwanzflosse zeich - net sich fast bei allen Varietäten der Karausche durch ihre schwarze Färbung aus (Fig. 5 u. 6). Das schwarze Pigment liegt hier immer in dem von den Schup - pen bedeckten Theile der Haut eingebettet und schimmert durch die Schuppen hindurch, woher es kommen mag, dass bei den älteren und grösseren mit stärkeren Schuppen besetzten Individuen der dreieckige schwarze Fleck we - niger deutlich hervortritt.
In Grösse und Gewicht bringen es die sehr langsam wachsen - den Karauschen und ihre Varietäten nicht weit; sie bleiben in kleinen Ge - wässern, in denen es gewöhnlich auch an Nahrung gebricht, immer sehr klein, erreichen nur eine Länge von ein Paar Zoll, doch wachsen sie auch unter günstigeren Verhältnissen bis zu 8 Zoll und darüber heran. Die grössten Ka -104Familie: Cyprinoidei.rauschen, welche von Günther1)Siese dessen: Fische des Neckars. pag. 39. und Ekström2)Vergl. Skandinaviens Fiskar a. a. O. pag. 71 u. 72. des latein. Textes. beobachtet wurden, besassen eine Länge von 12 bis 14 Zoll.
Die echte Seekarausche in ihrer kurzen, hochrückigen Gestalt kömmt in den todten Armen der Donau, des Rheins und des Mains vor und findet sich auch, jedoch nicht häufig, im Chiemsee und Kochelsee. Ausserdem ist diese hochrückige Karausche in allen übrigen Wassergebieten Mitteleuropa’s ein - heimisch. Zwei Karauschen, welche ich bei einem Fischer in Bamberg an - traf, stimmten mit einem Exemplar des Carassius Moles, welches ich aus dem Wiener Naturalien-Cabinete erhalten hatte. Diese von Agassiz3)S. dessen: Descript. de quelques espèces des Cyprins a. a. O. pag. 37. zuerst auf - gestellte Carassius-Species, welche von Valenciennes4)S. dessen: Hist. de poissons. T. XVI. pag. 89. nach von Agassiz ein - gesendeten, aus der Donau stammenden Exemplaren zuerst beschrieben und als solche von Selys-Longchamps und Heckel angenommen wurde, kann ich nur für eine Varietät des C. vulgaris halten, welche der Körperform nach zwischen der See - und Teichkarausche in der Mitte steht; giebt es doch auch Selys-Longchamps zu5)Vergl. dessen: Faune belge. pag. 200, wo es heisst: » Certains individus (C. Moles) à dos peu arqué ressemblent tellement au Gibelio qu’il est difficile d’établir une ligne cer - taine de démarcation «., dass es ihm schwer werde, zwischen manchen Exemplaren des C. Moles und Gibelio einen Unterschied zu finden. Aus Er - langen wurden mir durch die Güte des Herrn Professor Rosenhauer mehrere 2½ bis 4¼ Zoll lange und zugleich sehr niedrige Karauschen eingesandt,
Carassius vulgaris var. Gibelio.
welche dort in einem Tümpel gefangen waren und welche ich für C. vulgaris var. Gibelio erklären musste. Sehr interessant erschienen mir mehrere 2½ bis 5¼ Zoll lange Individuen eines Cyprinoiden, die ich Herrn Dr. Gemminger105Gattung: Carassius.von hier und Herrn Forstmeister Drexel von Regensburg zu verdanken hatte. Sie waren zum Theil in einem kleinen Weiher bei Grünwald (in der Nähe von München), zum Theil in Lehmpfützen, bei Regensburg gefangen worden. Ich konnte diese kleinen Fische, welche in ihrem Aussehen mit bald mehr, bald weniger steil aufsteigenden Unterkiefern (Fig. 5), an einfach schwärzlich ge - färbte Goldfische erinnerten, lange nicht bestimmen, später erkannte ich in ihnen jenen Fisch, welchen Koch als Cypr. amarus, Kothscheberl be - schrieben hatte1)Vergl. dessen Anmerkung in der Fauna ratisbonensis, pag. 39, wo es heisst: Die Beschreibung in Cuvier’s Uebersetzung (pag. 364 C. amarus) passt auf das hiesige Fisch - chen nicht recht. Dieses hat 20 Strahlen in der Rücken -, 9 in der Afterflosse und einen schwarzen Fleck vor der Schwanzflosse. Die innere Bauchhaut ist russartig schwarz. Er wird kaum fingerslang., und vor kurzem überzeugte ich mich, bei Musterung der Wiener ichthyologischen Staatssammlung, dass dieser Cypr. amarus des Koch mit Carassius oblongus des Heckel und Kner (a. a. O.) identisch ist; ebenso habe ich aber auch durch die Vergleichung dieses C. oblongus mit den übrigen ge - streckten Carassius-Varietäten die Ueberzeugung gewonnen, dass Heckel’s C. oblongus auch nur eine degenerirte Abart des C. vulgaris darstellt, die bei ihrer Entstehung denjenigen umändernden Einflüssen ausgesetzt gewesen sein muss, durch welche nach Ekström’s Beobachtungen der Kopf im Verhältniss zu dem sich streckenden Körper vergrössert wird und die Kiemendeckel eine convexe Oberfläche erhalten. In noch auffallenderem Grade abgeändert zeigt sich eine andere gestreckte Form der Teichkarausche, von welcher ich mehrere 2 bis 3 Zoll lange Exemplare durch Herrn Director Krauss aus Stuttgart erhalten habe. Bei diesen Karauschen, welche sich in den Tümpeln eines verlassenen Steinbruchs entwickelt hatten, ist der Kopf im Vergleich zu dem gestreckten und sehr mageren Leibe so stark vergrössert, dass ich diese Fischen für den von Heckel (Nr. 11 b. a. a. O.) beschriebenen Cypr. humilis aus Palermo hal - ten musste.
Bei meinem letzten Aufenthalte in Ostpreussen habe ich zu Braunsberg und Königsberg Gelegenheit gehabt, sogenannte Goldkarauschen von 2 bis 5 Zoll Länge, welche sich in sehr kleinen, stehenden Gewässern angesammelt hatten, näher zu untersuchen. Dieselben hatten durchweg eine fast goldgelbe Färbung, zeigten aber die verschiedenartigsten Profile, einige waren gut ge - nährt, andere dagegen sehr abgemagert mit grossen rauhen und eckigen Köpfen, so dass sich unter ihnen ausser der gewöhnlichen niedrigen Varietät C. Gibelio auch die mehr degenerirten Formen C. oblongus und humilis heraus - finden liessen. Einige dieser Kümmerer besassen ein abgerundetes Kinn2)Diese stimmten vollständig mit einer Abbildung überein, mit welcher Dybowski (a. a. O. Taf. III) ein männliches Individuum von Carassius oblongus hat darstellen wollen., andere dagegen ein eckiges Kinn (Fig. 5).
106Familie: Cyprinoidei.Aus dieser Musterung und Vergleichung, die ich mit den Karauschen des Oberdonau - und des Rhein-Gebiets mit anderen mitteleuropäischen Karau - schen vorgenommen habe, konnte ich mich recht deutlich überzeugen, welche mannichfaltigen Formveränderungen der Carassius vulgaris, von welchem mir Individuen aus 26 verschiedenen, weit auseinander gelegenen mitteleuro - päischen Fundorten, zur Untersuchung zu Gebote standen, unterworfen ist, indem je nach den verschiedenen Fundorten die einzelnen zur Vergleichung benutzten Individuen immer wieder ein anderes Aussehen darboten, so dass, wenn man die unter dem Namen Cypr. Carassius, Moles, Gibelio, oblongus, humilis beschriebenen Karauschen-Formen wirklich als besondere Arten gel - ten lassen wollte, man genöthigt wäre, noch mehrere neue Arten hinzuzu - fügen, von denen sich aber keine einzige Art von den übrigen scharf abgren - zen lässt.
Gattungscharakter: Mund endständig mit zwei Bartfäden in den Mundwinkeln; Schlundzähne keulenförmig in einfacher Reihe, 4 auf der einen und 5 auf der anderen Seite, die ab - geschliffenen Kauflächen derselben mit einer Furche und an der inneren Ecke meist mit einem gegen die Kaufläche gekrümmten Haken. Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis; Schuppen sehr klein; Haut mit einer sehr dicken durchsichtigen Epitheliumschicht.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 176. Taf. 19. Schleihen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 6, Descript. spec. pag. 27. n. 14, Syn. nom. pisc. pag. 5. n. 7.
Linné Nr. 2: pag. 526. n. 4. Cyprinus Tinca.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 83. Taf. 14. Cyprinus Tinca, Schlei.
Schrank Nr. 23 a: pag. 328. n. 304. Schley.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 190. Cyprinus Tinca, Schleihe.
Gloger Nr. 88: pag. 74. n. 14. Cyprinus Tinca, Schlei.
Bujack Nr. 97: pag. 334. Cyprinus Tinca, Schlei.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 322. Pl. 484. Tinca vulgaris, la Tanche vulgaire.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 202. Tinca chrysilis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 351. Tinca vulgaris, Schley.
Günther Nr. 47: pag. 50. Leuciscus Tinca, Schleihe.
Leiblein Nr. 51: pag. 121. Tinca chrysitis, Schleihe.
Rapp Nr. 41: pag. 5. Tinca chrysitis, Schleihe.
107Gattung: Tinca.Heckel und Kner Nr. 13: pag. 75. Fig. 34 u. 35. Tinca vulgaris, Schleihe.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Tinca vulgaris, Schleihe.
Artcharakter: Die beiden Bartfäden kurz; alle Flossen abgerundet.
D. 4 / 8 — 9, P. 1 / 15 — 17, V. 2 / 8 — 9, A. 3 — 4 / 6 — 7, C. 19, Squ. 30 — 32 / 95 — 100 / 20.
Die Schleihe, welche denselben Aufenthalt und dieselbe Nahrung, wie die Karausche, liebt, gehört allen mitteleuropäischen Flussgebieten an und fehlt auch nicht den im Flachlande gelegenen kleineren und grösseren Seen, dagegen meidet dieselbe die eigentlichen Gebirgsseen, sowie die klaren, schnellfliessenden Gebirgsströme als Aufenthaltsort. Dieser Fisch kömmt ge - wöhnlich in einer Länge von 8 bis 12 Zoll vor, kann aber auch 1 bis 1½ Fuss lang werden. Die grüne Färbung seines nur mässig gestreckten Körpers va - riirt sehr und kann aus dem hellgrün in dunkelolivengrün bis ins schwärz - liche übergehen, welche Farbenveränderung von der Verschiedenheit des Wassers seines Aufenthaltsortes abhängig ist. Die prächtige, schwarzfleckige, orangengelbe oder rothe Varietät der Schleihe, welche unter dem Namen Gold - schleihe bekannt ist1)Vergl. Bloch a. a. O. Th. I. pag. 90. Taf. 15. und welche ich als Cultur - und Schmuckfisch in Oberschlesien angetroffen habe, wurde von mir noch niemals auf dem hiesi - gen Fischmarkte bemerkt; diese Goldschleihe vermisste Günther auch im Neckar-Gebiet, sie soll aber nach Heckel2)S. dessen: Fische der Salzach a. a. O. pag. 191. in den stehenden Gewässern der Salzach vorkommen, was ich jedenfalls bezweifeln muss. Die Flossen der Schleihe erscheinen immer dunkel, zuweilen tief schwarz gefärbt.
Die ausserordentlich kleinen Schuppen der Schleihe schimmern durch den dicken Hautüberzug als goldglänzende Puncte hindurch. Dieser Haut - überzug ist nicht, wie man gewöhnlich annimmt, eine blosse zähe Schleim - schicht, sondern wirklich das Epithelium dieses Fisches, welches in ansehn - lichen dichten und zugleich durchsichtigen Schichten die Beschuppung des - selben überdeckt hält.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Von den Schlundzähnen sind nicht so constant, wie es Heckel und Kner (a. a. O. pag. 75) in neuerer Zeit ausge - sprochen haben, auf der rechten Seite 4 und auf der linken Seite 5 vorhanden, sondern es kommen in dieser Beziehung Verschiedenheiten vor; ich habe, wie Heckel früher3)S. dessen: Fische Syriens a. a. O. pag. 1005. Taf. I. Tinca Chrysitis, Keulenzähne., ebenso oft rechts 5 und links 4 Zähne, zuweilen auch auf bei - den Seiten 5 Zähne angetroffen.
108Familie: Cyprinoidei.Der erste gegliederte aber ungetheilte Strahl der Bauchflossen, auf des - sen Stärke bei den Schleihen Ekström1)Vergl. dessen: Fische in den Scheeren von Mörkö. 1835. pag. 69. Auch Sander (Nr. 44: pag. 177) war diese Eigenthümlichkeit nicht entgangen, da derselbe sagt: » an den Bauchflossen sitzt ein starker Knorpel, fast wie ein Bein «. Abgebildet findet sich dieser verdickte Bauchflossenstrahl bei Meidinger (Nr. 30. Dec. II. Tab. 13), Ekström (Skandina - viens Fiskar. a. a. O. des latein. Textes pag. 123: » In mare radius secundus crassissimus et latus «. Pl 52) und bei Cuvier (Règne animal, nouv. 3e édit. Les poissons, Atlas, Pl. 94. Fig 1). bereits aufmerksam gemacht hat, ist nur bei den männlichen Schleihen auffallend verbreitert gebogen und ver - dickt und giebt, wie es auch Günther schon erwähnt und abgebildet hat2)S. dessen: Fische des Neckars. pag. 51 und dessen Aufsatz: On sexual differences found in bones of some recent and fossil species of Frogs and Fishes, in den Annals of na - tural history. 3. Ser. Vol. III. 1859. pag. 385. Pl. 16. A. B. Uebrigens war es der brave Baldner, welcher diesen Geschlechtsunterschied der Schleihen zuerst erkannt hatte, indem er in seinem Manuscripte pag. 176 sagt: » Die gemilchten (Schleihen) haben im Leych ein gebogene Schwummfedern «. Man vergleiche ferner: Willughby: Historia piscium pag. 251: » In hoc pisce sexus facile distinguuntur: mares enim pinnas ventris multo majores habent, quarum radius primus magnus, crassus, deorsum reflexus, et transversim striatus. Ossa etiam quibus innascuntur hae pinnae magna sunt, crassa, et ad branchias fere extensa: secus ac in faeminis «., einen sicheren Anhaltspunct zur äusseren Unterscheidung der Geschlechter ab; mit dieser Verdickung des ersten Bauchflossen-Strahls steht zugleich eine von aussen nicht wahrnehmbare Erhebung und Verdickung der oberen Ecke jenes Fortsatzes in Verbindung, der von den beiden Beckenknochen hin - ter ihrer Symphysis abgeht. Ich vermuthe, dass dieser an den Skelettheilen ausgesprochene Geschlechtsunterschied sich nicht gleichzeitig mit den inneren Fortpflanzungsorganen der Schleihen entwickelt, sondern erst später, wahr - scheinlich bei der erstmaligen Geschlechtsreife zum Vorschein kömmt, denn ich habe junge Schleihen von 2¼ bis 2½ Zoll Länge zergliedert, und in ihnen bereits die ersten Anlagen der Eierstöcke und Hoden deutlich unterscheiden können, während ich an dem Becken und den Bauchflossen derselben noch keine Spur einer Verschiedenheit wahrzunehmen im Stande war.
Die Laichzeit der Schleihe wird sehr verschieden angegeben, sie soll in die Monate Mai und Juni fallen, aber auch noch im August stattfinden kön - nen; in gewissen bayrischen Fischer-Verordnungen wird sogar angenommen, dass die Schleihen zweimal im Jahre, im März und im Juni laichten, worauf sich diese Annahme gründet, weiss ich nicht anzugeben3)Auch Sander (a. a. O. pag. 171) behauptet: die Schleie laicht zweimal, im März und im Juni. Nach den Angaben hiesiger Fischer soll die Laichzeit der Schleihen nur einmal im Jahre eintreten, nämlich im Juli..
Folgende merkwürdige Erscheinung, welche ich vor einigen Jahren an verschiedenen, in einem Teiche aufbewahrten Schleihen betrachtete, kann ich nicht unerwähnt lassen. Diese Schleihen steckten am hellen Tage auf dem109Gattung: Tinca.Grunde des Teichs tief im Schlamme verborgen und liessen sich mit einer Stange aus ihrem Verstecke hervorgraben, ohne dass sie sich rührten; sie blieben, nachdem sie zu Tage gebracht waren, fast wie todt auf der Seite lie - gen, bis sie nach mehreren unsanften Stössen mit der Stange endlich aus ihrem betäubten Zustande erwachten, worauf sie davonschwammen, um sich wieder in der Tiefe des Schlammes zu verbergen. Sollte dieses Benehmen der Schlei - hen nicht als eine Art Tagschlaf oder Sommerschlaf bezeichnet werden können?
Gattungscharakter: Mund unterständig mit vier Bartfäden an der Oberkinnlade. Schlundzähne jederseits in 3 Reihen zu 2. 3 u. 5 gestellt, mit conischer, nach hinten hakenförmig um - gebogener Spitze, die beiden hinteren Zähne aller drei Rei - hen auf der hinteren Seite der Hakenkrone mit einer löffel - artigen Aushöhlung unter dem Haken. Rücken - und After - flosse mit kurzer Basis, erstere mit einem starken Knochen - strahl beginnend.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 151. Taf. 6. Barben.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 11, Syn. nom. pisc. pag. 8. n. 14.
Linné Nr. 2: pag. 525. n. 1. Cyprinus Barbus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 109. Taf. 18. Cyprinus Barbus, Barbe.
Schrank Nr. 23 a: pag. 327. n. 301. Barbe.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 184. Cyprinus barbus, Barbe.
Gloger Nr. 88: pag. 73. n. 11. Cyprinus barbus, Barbe.
Bujack Nr. 97: pag. 334. Cyprinus Barbus, Barbe.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 125. Barbus fluviatilis, le Barbeau commun.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 194. Barbus fluviatilis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 321. Barbus fluviatilis, Barbe.
Günther Nr. 47: pag. 40. Barbus fluviatilis, Barbe.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Barbus fluviatilis, Flussbarbe.
Rapp Nr. 41: pag. 5. Barbus fluviatilis, Barbe.
Heckel und Kner Nr. 13. pag. 79. Fig. 36 u. 37. Barbus fluviatilis, Barbe.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Barbus fluviatilis, Barbe.
Artcharakter: Lippen sehr wulstig, Bart fäden sehr dick; Körper lang gestreckt und cylindrisch, Augen klein, Knochen - strahl der Rückenflosse rückwärts grob gesägt1)Vergl. Heckel’s Fische Syriens. pag. 1002. Taf. I. Barbus communis, Hohlzähne..
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 15 — 17, V. 2 / 8, A. 3 / 5, C. 19, Squ. 11 — 12 / 58 — 60 / 7 — 8.
110Familie: Cyprinoidei.Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die Barbe, welche eine Grösse von 2 Fuss erreichen kann, lässt sich durch ihre hervorragende Schnauze, durch ihre sehr aufgewulsteten Lippen und starke Bartfäden leicht erkennen. Der Rücken dieses Fisches zeigt eine graugrünliche Färbung mit helleren Seiten und mit weisslichem Bauche. Die Schuppen geben einen blass mes - singgelben Glanz von sich. Der her - vorragende Theil der Schuppen stellt eine stumpfe Spitze dar. Die Schuppen - taschen sind häufig an ihrer Basis geschwärzt, wodurch die Haut des Fisches ein geflecktes oder gegittertes Ansehen erhält. Die Flossen mit Ausnahme der Rückenflosse besitzen eine blassrothe Färbung, die Schwanzflosse ist immer von einem feinen schwärzlichen Saume eingefasst, die Rückenflosse dagegen erscheint gleichmässig dunkelgrau. Die Verbindungshäute der Strahlen aller Flossen zeigen öfter schwärzliche, unregelmässige Marmorflecke; am häufig - sten nimmt man dergleichen Flecke an der Rückenflosse wahr.
Sowohl in den Seen wie in den Flüssen der verschiedenen mitteleuro - päischen Wasser-Gebiete kömmt die Barbe allgemein verbreitet vor. Die - selbe nährt sich theils von animalischen, theils von vegetabilischen Substan - zen. Als Laichzeit der Barbe wird der Monat Mai und Juni angegeben. Zur Zeit der Brunst erheben sich auf dem Scheitel der männlichen Individuen eine Menge kleiner Körner, welche sich nach dem Rücken hin zu vielen kurzen Längsreihen ordnen und auf den Schuppen des Rückens selbst innig mit ein - ander verschmelzen und so eine Längsleiste darstellen, welche oft noch zwei kurze Leisten neben sich hat. Es ist auffallend, dass, obgleich von jeher vor dem Genusse des Rogens der Barbe gewarnt wird und immer wieder neue unangenehme Erfahrungen über die Erbrechen und Durchfall erregenden Eigen - schaften dieses Nahrungsmittels gemacht werden1)Schon Gesner (Fischbuch. 1575. Fol. 171) war mit dieser giftigen Eigenschaft des Barben-Rogens bekannt. Ueber mehrere vor einigen Jahren im Nassauischen vorge - kommene, nach dem Genusse von Barben-Eiern eingetretene Vergiftungsfälle berichtete Dr. A. v. Franque in der deutschen Klinik, 1858. pag. 133., sich bis jetzt niemand die Aufgabe gestellt hat, den Rogen dieses gemeinen Fisches wegen seiner giftigen Wirkung wissenschaftlich zu prüfen.
Syn. u. Citate.
Leonhard: Lehrhuch zur Beförderung der Kenntniss von Siebenbürgen. Hermannstadt, 1818. pag. 191.
Heckel: Die Fische Ungarns, in Haidinger’s Berichte über die Mittheilungen von Freunden der Naturwissenschaften in Wien. Bd. III. 1848. pag. 194, und Nr. 11 h: pag. 29. Barbus Petenyi.
Bielz: Uebersicht der lebenden Fische Siebenbürgens, in den Verhandlungen und Mitthei - lungen des siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt, Jahr - gang IV. 1853. pag. 173 u. 179. Taf. 3. Fig. 1, ferner dessen Fauna der Wirbelthiere Siebenbürgens, Hermannstadt, 1856. pag. 173, Pseudobarbus Leonhardi, Semling.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 78. Fig. 41. Barbus Petenyi1)Da Dybowski (Cyprinoiden Livlands a. a. O. pag. 78) den Bielz’schen Namen für den Semling festhalten möchte, muss ich bemerken, dass zwar Bielz diesen Fisch als B. Leon - hardi zuerst genauer beschrieben hat, dass aber dennoch Heckel’s B. Petenyi als der ältere Name vorgezogen werden muss, indem Heckel unter diesem Namen ein Jahr früher als Bielz den Semling mit Angabe einer kurzen Diagnose in den Verhandlungen des zoolog. botanisch. Vereins (Nr. 11 h) bekannt gemacht hat..
Artcharakter: Lippen mässig wulstig, Bartfäden nicht sehr dick; Körper gestreckt und cylindrisch, Augenklein, Knochen - strahl der Rückenflosse ungesägt.
D. 3 / 8, P. 1 / 14, V. 2 / 8, A. 3 / 5, C. 19, Squ. 12 / 58 — 60 / 10.
Diese Barbenart, welche in Siebenbürgen den Namen » Semling « erhalten hat, scheint den aus den Karpathen entspringenden Gewässern ausschliess - lich anzugehören. Da dieser Fisch auch bei Krakau in der Weichsel und bei Teschen in der Olsa, einem von den Karpathen entspringenden Seitenflüss - chen der Oder vorkömmt, so habe ich diese Art als ein Glied der mitteleuro - päischen Fischfauna hier nicht übergehen wollen.
Ich kenne diesen Fisch nur aus dem kaiserlichen Naturalien-Cabinete zu Wien, und weiss daher nur weniges von demselben zu berichten.
Derselbe steht der gemeinen Barbe sehr nahe, bleibt aber um vieles kleiner als diese, indem er nur die Länge von 7 bis 10 Zoll erreicht. Ausser den oben angeführten Artcharakteren ist der Semling noch dadurch kenntlich, dass sein Körper mit grösseren und schwärzeren Flecken besetzt ist und seine Flossen, mit Ausnahme der Bauchflossen, welche stets ungefleckt sind, deut - lichere schwarze Flecken an sich tragen als die der gemeinen Barbe. Seine Afterflosse ist länger gestreckt, und reicht zurückgeschlagen bis zur Basis der Schwanzflosse, was bei dem Zurückschlagen der kürzeren Afterflosse der gemeinen Barbe nicht stattfindet.
Syn. u. Citate.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 138. Pl. 461. Barbus Mayori.
Heckel Nr. 11 c: pag. 1017. Barbus Mayori.
Bonaparte: Catalogo metodico dei pesci europei Napoli 1846. pag. 27. n. 156. Barbus ple - bejus (Barbus Mayori? Val.).
Diese Art wurde von Valenciennes nach einem einzigen Exemplare aufgestellt, wel - ches aus dem Zuger-See durch Herrn Mayor in Genf nach Paris gesendet worden war, und bedarf daher weiterer Untersuchungen, ehe dieselbe wirklich als selbstständige Art aner - kannt werden kann, zumal da Bonaparte vermuthet, diese Art möchte mit seinem Barb. plebejus identisch sein.
Gattungscharakter: Mund unterständig mit zwei langen Bartfäden in den Mundwinkeln. Augen hoch hinauf bis an die ab - geplattete Stirne gerückt. Die hakenförmig endenden Schlundzähne in zwei Reihen zu 3 oder 2 und zu 5 stehend. Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 4 a: pag. 162. Taf. 39. Kressen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 10, Descript. spec. pag. 13. n. 5, Syn. nom. pisc. pag. 11. n. 20.
Linné Nr. 2: pag. 526. n. 3. Cyprinus Gobio.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 57. Taf. 8. Fig. 2. Cyprinus Gobio, Gründling.
Schrank Nr. 23 a: pag. 329. n. 305. Kressling.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 188. Cyprinus Gobio, Grundel.
Agassiz Nr. 6: (Isis, 1828) pag. 1049. Taf. XII. Fig. 2. a — d. Cyprinus Gobio, Kresse.
Gloger Nr. 88: pag. 73. n. 12. Cyprinus Gobio, Kressen, Gründling.
Bujack Nr. 97: pag. 335. Cyprinus Gobio, Gründling.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 300. Pl. 481. Gobio fluviatilis, le Goujon ordinaire und pag. 311. Gobio obtusirostris.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 194. Gobio fluviatilis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 334. Gobio fluviatilis, Gründling.
Günther Nr. 47: pag. 44. Leuciscus Gobio, Grässling.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Gobio fluviatilis, Fluss-Gründling.
Rapp Nr. 41: pag 10. Gobio fluviatilis, Gründling.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 90. Fig. 42 u. 43. Gobio vulgaris, Gressling.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Gobio vulgaris, Gressling.
113Gattung: Gobio.Artcharakter: Körper gestreckt, cylindrisch, Schwanz seit - lich zusammengedrückt; die bald längere, bald kürzere Schnauze sehr stumpf und stark gewölbt, die Bartfäden nicht sehr lang, kaum bis unter die Augen reichend. Rük - ken - und Schwanzflosse mit mehreren schwarzbraunen Fleckenbinden1)Vergl. Heckel: Fische Syriens. pag 1008. Taf. I. Gobio vulgaris, Fangzähne..
D. 3 / 7, P. 1 / 14 — 15, V. 2 / 8, A. 3 / 6, C. 19. Squ. 6 / 40 — 44 / 5.
Die Körperform des Gobio fluviatilis ist eine gestreckte, sein Kopf er - scheint bald mehr, bald weniger in die Länge gezogen. Hierdurch liefern die Ausmessungen am Kopfe sehr verschiedene Resultate, welche zur Aufstel - lung von zwei Arten dieses Gresslings Veranlassung gegeben haben, von denen die langschnauzige Form als G. fluviatilis Cuv. Val. und die kurzschnau - zige Form als G. obtusirostris Agass. bezeichnet worden ist. Für die extreme Form des langschnauzigen Gresslings zeigen sich folgende Ausmessungen charakteristisch. Der Querdurchmesser von dem einen oberen Augenhöhlen - rande herüber zu dem anderen hat dieselbe Breite wie der Querdurchmesser des Auges. Die Länge des Gesichts (von dem vorderen Augenhöhlenrande bis zur Schnauzenspitze gemessen) verhält sich gleich der Entfernung von dem hinteren Augenhöhlenrande bis zur Mitte zwischen Schnauzenspitze und vor - derem Nasenloche. Der stumpfschnauzige Gressling besitzt in seiner extre - men Form eine um vieles breitere Stirne, kleinere Augen und kürzere Schnauze, wodurch die eben erwähnten Ausmessungen ganz andere Resultate liefern. Der Querdurchmesser der Stirne nämlich ist länger als der Quer - durchmesser der Augen und entspricht der Entfernung vom hinteren Augen - höhlenrande bis zum hinteren Nasenloche, und die Gesichtslänge, von dem vorderen Augenhöhlenrande bis zur Schnauzenspitze gemessen, trifft zusam - men mit der Entfernung von dem hinteren Augenhöhlenrande bis zum vor - deren Nasenloche.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Der Scheitel und Rücken des Gresslings hat eine graugrüne Farbe und ist mit vielen schwarzen Puncten und Flecken besetzt. Seiten und Bauch erscheinen weiss und sil - berglänzend. Zu beiden Seiten oberhalb der geraden Seitenlinie erstrecken sich 10 bis 11, oft auch nur 7 bis 8 grosse, schwarze oder schwarzblaue Flecke von vorne nach hinten, welche bald mehr, bald weniger zu einer Längsbinde zusammen -v. Siebold, Fische. 8114Familie: Cyprinoidei.fliessen. Die Flossen haben eine gelbliche Färbung. Die Strahlen der Rücken - und Schwanzflosse sind unterbrochen braun gefärbt, wodurch diese Flossen wie mit mehreren gestrichelten Binden besetzt erscheinen; auch die Strahlen der beiden Brustflossen sind öfters auf der Oberseite ihrer ganzen Länge nach, seltener in Unterbrechung, braun gefärbt. Oberhalb und unterhalb der Nasenlöcher zieht sich ein schwärzlicher Streif nach der Schnauzenspitze hin. Die beiden Kiemendeckel, sowie die Brust dicht über dem Ursprung der Brustflossen zeigen sich ebenfalls angeschwärzt. Es kann dieser Fisch eine Grösse von 6 bis 6½ Zoll erreichen. Derselbe lebt sowohl in stehenden wie in fliessenden Gewässern und hält sich gern auf dem Grunde der Gewässer auf, wo er sich von animalischen und vegetabilischen Stoffen zu ernähren weiss. Ich habe ihn in ganz Deutschland überall sehr häufig angetroffen.
Die Laichzeit desselben fällt in die Monate Mai und Juni, um welche Zeit er eine sehr viel dunklere Färbung erhält. Zugleich entwickelt sich bei den brünstigen männlichen Individuen dieses Cyprinoiden ein feinkörniger Aus - schlag auf dem Scheitel, zu welchem sich noch eine Hautwucherung auf den Schuppen des Rückens und der Seiten, sowie auf der oberen Seite der Brust - flossen-Strahlen gesellt. Auf den einzelnen Schuppen bildet dieser Hautaus - schlag mehrere radiär verlaufende längliche Erhabenheiten, auf den genannten Flossen-Strahlen dagegen stellt derselbe sehr kleine aber äusserst zahlreiche und überaus dicht gedrängt stehende Körnchen dar.
Nachdem Agassiz1)Vergl. Cuvier et Valenciennes: Hist. d. poissons. Tom. XVI. pag. 311. zuerst auf die kurzschnauzige Form des Gresslings unter dem Namen Gobio obtusirostris als auf eine besondere Art aufmerksam gemacht und Valenciennes2)Ebenda: pag. 300. die langschnauzige Form als Gobio fluviatilis iso - lirt hatte, gewann es den Anschein, als unterschieden sich diese beiden zu zwei besonderen Arten erhobenen Gresslingsformen auch durch ihre geogra - phische Verbreitung, indem der langschnauzige Gobio fluviatilis allen denjeni - gen Flüssen des europäischen Continents angehören möchte, welche den nörd - lichen Meeren zufliessen, während der stumpfschnauzige Gobio obtusirostris nur im Donauflussgebiet mit seinem östlichen Abflusse anzutreffen wäre. Allein eine Vergleichung sehr vieler Individuen des Gresslings aus den ver - schiedensten Flussgebieten des mittleren europäischen Continents erweckte in mir sehr bald die Ueberzeugung, dass zwischen den als G. fluviatilis und obtusirostris auseinander gehaltenen extremen Formen die mannichfaltigsten Uebergangsformen vorkommen, durch deren Schwankungen in der Grösse der Augen, Breite der Stirne und Länge der Schnauze ich in Verlegenheit gesetzt wurde, ob ich die eine oder die andere der Mittelformen für den langschnau - zigen G. fluviatilis oder kurzschnauzigen G. obtusirostris halten sollte3)Ich bin übrigens nicht der einzige, der den G. obtusirostris als eine blosse Varietät.
Syn. u. Citate.
Willughby: Historia piscium. pag. 264. Gobius fluviatilis minor, Wapper.
Artedi Nr. 1: Syn. nom. pisc. pag. 11. n. 21. Gobius fluviatilis minor.
Agassiz Nr. 6: Isis, 1828. pag. 1048. Taf. XII. Fig. 1. a — d und ebenda 1829. pag. 44. Cy - prinus uranoscopus, Steinkresse.
Valenciennes Nr. 5: T. XVI. pag. 312. Gobio uranoscopus.
Weber Nr. 27: pag. 39. Taf. 7. Gobio uranoscopus, Steinkressling.
Heckel Nr. 11 i: Fische der Salzach. pag. 191. n. 8. Gobio uranoscopus, Grässling.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 93. Fig. 45 u. 46. Gobio uranoscopus.
Artcharakter: Körper sehr gestreckt und cylindrisch, Kopf und Rücken niedergedrückt, der cylindrische Schwanz sehr schmächtig, die sehr schräge absteigende breite Schnauze mit dem abgeplatteten Unterkiefer einen stumpfen Rand bildend. Die bis fast zur Basis der Brustflossen reichenden Bartfäden sehr lang. Rücken - und Schwanzflosse mit einer oder zwei Fleckenbinden.
D. 2 / 7, P. 1 / 13, V. 1 / 6, A. 2 / 6, C. 19, Squ. 5 / 40 — 42 / 4.
Dieser Gobio, welcher unter dem Namen Steinkresse oder Stein - gressling nicht selten in Gesellschaft des gemeinen Gressling auf den hie - sigen Fischmarkt gebracht wird, unterscheidet sich auf den ersten Blick von dem letzteren sowohl durch seine Körperform, wie durch seine Farbe und Zeichnung. Sein gestreckter Leib erscheint niedergedrückt und sein Schwanz, im Vergleich zu dem seitlich zusammengedrückten Schwanz des G. fluviatilis, cylindrisch. Die starken und langen Bartfäden, welche nach hinten zurückge - legt, mit ihren Spitzen weit über die Augen hinaus bis zu den grossen Kie - mendeckeln reichen, geben diesem Gressling ein sehr charakteristisches Ansehen.
Die Oberseite des sonst weisslichen Körpers schimmert durch die An - wesenheit einer gleichmässig verbreiteten Pigmentmasse grau, ohne hervor - stechende Puncte oder Flecke; statt der grossen schwarzen Seitenflecken trägt dieser Gressling fünf vom Nacken bis zum Schwanze gleichmässig vertheilte schwarze Halbbinden, welche bis zur Seitenlinie herabreichen, von welchen aber zuweilen die ersten nur sehr schwach angedeutet sind. Die Flossen zei -3)des G. fluviatilis ansieht, auch Günther (a. a. O. pag. 45) und Kessler sind zu denselben Resultaten gelangt. Siehe des letzteren Bericht über eine an die nordwestlichen Küsten des schwarzen Meeres und durch die westliche Krym unternommene Reise, in: Bulletin d. l. soc. imp. des Naturalistes de Moscou, 1859. pag. 528.8*116Familie: Cyprinoidei.gen sich gelblich gefärbt, die Strahlen der Rücken - und Schwanzflosse be - sitzen nur eine oder zwei braune Fleckenbinden.
Der Steinkressling erreicht nur eine Grösse von 3½ bis 4½ Zoll. Die Lebensweise hat er mit dem G. fluviatilis gemein. Agassiz entdeckte diesen Fisch hier zuerst in der Isar1)S. die Isis, 1828 u. 1829 a. a. O. In der Isar und nicht im Innflusse, wie von Heckel und Kner a. a. O. pag. 94 unrichtig mitgetheilt wird, entdeckte Agassiz diesen Fisch., einen anderen Fundort in Deutschland weiss ich aus eigener Erfahrung nicht anzuführen; nach Heckel2)Vergl. dessen Fische der Salzach a. a. O. und dessen Verzeichniss der Fische des Donaugebiets und der Fische der Save in Krain, in den Verhandlungen des zoologisch - botanischen Vereins in Wien. Bd. II. 1853. pag. 30 u. pag. 131. kömmt derselbe nur noch in der Salzach, in der Save und Idria vor. Willughby hat bei seiner Anwesenheit in Augsburg einen vier Zoll langen Fisch unter dem deutschen Namen » Wapper « häufig angetroffen, aus dessen kurzer Beschreibung Wil - lughby den Gobio uranoscopus erkennen lässt3)S. dessen: Historia piscium. pag. 264, wo von dem » Wapper « gesagt wird: » colore albidiore, corpore ad caudam contractiore et angustiore, qua praecipue nota a priore (Gob. fluviat. ) differt; dorsum pallidius; rostrum longius, acutius; maxilla superior productior; oculi minores. «. Ich habe mich in Augsburg nach diesem » Wapper « erkundigt und durch Herrn Grandauer die Mittheilung erhalten, dass er niemals den von Heckel und Kner beschriebenen und abge - bildeten G. uranoscopus in Augsburg gesehen und noch nie von den Augs - burger Fischern den Namen » Wapper « nennen gehört habe.
Gattungscharakter: Fünf Schlundzähne jederseits in einfacher Reihe, mit seitlich zusammengedrückten und schräg abge - schliffenen Kronen, die länglichen Kauflächen mit einer einfachen Längsfurche; Rückenflosse und Afterflosse mit mässig langer Basis.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 226. Taf. 46. Bliecken.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 52. Taf. 8. Fig. 3. Cyprinus amarus, Bitterling.
Schrank Nr. 23 a: pag. 335. n. 316. Bitterling.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 28. Cyprinus amarus, Bitterfisch.
Bujack Nr. 97: pag. 338. Cyprinus amarus, Bitterling.
Agassiz Nr. 7: pag. 37 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 78. Rhodeus amarus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 201. n. 19. Rhodeus amarus, Bouvière.
117Gattung: Rhodeus.Valenciennes Nr. 5: T. XVII. 1844. pag. 81. Rhodeus amarus, la Bouvière.
Schulz Nr. 78: pag. 534. Rhodeus amarus, Bitterling.
Leiblein Nr. 51: pag. 120. Rhodeus amarus, Bitterfisch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 100. Fig. 52 u. 53. Rhodeus amarus, Bitterling.
Krauss: Ueber den Bitterling, in dem 14ten Jahrgange der Würtembergischen naturwis - senschaftlichen Jahreshefte. 1858. pag. 115.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Rhodeus amarus, der Bitterling.
Artcharakter: Mund endständig; Körper hoch und seitlich zu - sammengedrückt; die Seitenlinien nur auf die ersten 5 bis 6 Schuppen beschränkt1)Vergl. Heckel: die Fische Syriens. pag. 1005. Taf. I. Rhodeus amarus, Messerzähne..
D. 3 / 9 — 10, P. 1 / 10, V. 2 / 6, A. 3 / 9, C. 19, Squ. 10 — 12 u. 34 — 38.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Der Bitterling erinnert in seiner Ge - stalt, wie Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 101) schon richtig bemerkt haben, ganz an die Karausche und an den Brachsen. Seine glatten Schuppen sind auffallend gross und noch einmal so breit als lang. Die Länge des Fisches selbst beträgt gewöhnlich 2 Zoll, doch habe ich in Würzburg auch viele Bitterlinge von 3 bis 3½ Zoll Länge angetroffen.
Die Bitterlinge lieben vorzugsweise stehendes Wasser und finden sich in den sogenannten todten Gewässern der verschiedensten Flüsse und Bäche Deutschlands ziemlich verbreitet vor. Ich kenne das Vorkommen des Bitter - lings bei München, Augsburg, Erlangen, Würzburg, Heilbronn und Strass - burg. Die Fischer in Würzburg bezeichnen den Bitterling mit dem sonder - baren Namen » Bille «; auf dem Strassburger Fischmarkte wurde mir derselbe Fisch als » Schneiderkärpfchen « bezeichnet. Von Baldner wurde der Bitter - ling » Blieken « genannt, und auch Hermann (Nr. 43: pag. 320) beschreibt un - ter dem Namen » Blicklein « ganz deutlich den Bitterling, während ich den von ihm (Nr. 43: pag. 319) als Schneiderkärpfchen beschriebenen kleinen Fisch nicht deuten kann, wahrscheinlich sind diese Namen Collectiv-Bezeichnungen, unter denen man in Strassburg verschiedene kleine karpfenartige Fische ver - steht; für diese Vermuthung spricht auch ein in dem Strassburger Naturalien - Cabinet aufgestelltes Glas, in welchem ich unter dem Namen » Blicklein von Strassburg « verschiedene junge Cyprinoiden aufbewahrt fand.
Die Färbung dieses Fischchens zeigt sich nach Geschlecht und Jahres - zeit sehr verschieden. Ausser der Laichzeit, welche im Monat April und Mai eintritt, erscheinen beide Geschlechter gleich gefärbt, nämlich mit graugrünem118Familie: Cyprinoidei.Rücken und mit silberglänzenden Seiten; sehr charakteristisch ist ein grüner glänzender Längsstreif, der sich zu beiden Seiten des Leibes von der Mitte desselben bis zum Schwanzende erstreckt. Die Flossen sind blassröthlich gefärbt und die Rückenflosse ganz, die Schwanzflosse an der Basis mit schwärzlichem Pigmente besetzt. Diese einfache Färbung verschwindet zur Brunstzeit an den männlichen Bitterlingen vollständig und macht einem präch - tigen Hochzeitskleide Platz, dessen Farbenglanz sich schwer naturgetreu be - schreiben lässt (Taf. I. Fig. 1). Die ganze Körperoberfläche der brünstigen Männchen schillert in allen Regenbogenfarben, wobei sich stahlblau und vio - lett besonders bemerkbar macht, und der smaragdgrüne Seitenstreif am Hinterleibe noch glänzender hervortritt, während die Brust und Bauchseite mit einem schönen orangengelben Pigmentüberzuge prangen; auch die Rücken - und Afterflosse zeigen sich hochroth gefärbt und schwarz gesäumt. Mit der Entwicklung dieser Farbenpracht beginnt noch ein anderer Geschlechtsunter - schied hervorzutreten, der sich auf eine Veränderung der Haut dicht über der Oberlippe bezieht. Hier erhebt sich an den beiden äusseren Enden der Ober - kiefer allmählich ein rundlicher Wulst, der aus einem Haufen von 8 bis 13 ungleich grossen kreideweissen Warzen besteht. Zwei bis drei diesen ganz ähnliche Warzen kommen noch an dem oberen Rande der beiden Augen - höhlen zum Vorschein. Diese Warzen verdienen nicht den Namen » Knochen - wärzchen «, wie sie von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 102) bezeichnet wor - den sind, denn sie entsprechen keineswegs Verknöcherungen, sondern jede Warze ist nichts andres, als eine Anhäufung von dicht über - und aneinander - gedrängten Epitheliumzellen1)Aehnliche Warzen wachsen auch bei anderen männlichen exotischen Cyprinoiden als Merkmal der Brunst an denselben Hautstellen hervor, was ich weiter unten bei Chon - drostoma nasus ausführlich besprochen habe.. Nach Beendigung des Fortpflanzungsge - schäfts verlieren sich diese Warzen und hinterlassen bleibende Gruben, aus denen bei der Wiederkehr der Brunstzeit von neuem jene warzenartigen Ge - bilde hervorsprossen.
Obgleich die Weibchen der Bitterlinge auch während der Laichzeit ihre Farblosigkeit behalten und auf diese Weise von ihren prächtig geschmückten Männchen auffallend abstechen, zeichnen sie sich doch in dieser Zeit durch ein ganz eigenthümliches äusseres Merkmal aus, das trotz seiner Augenfällig - keit erst vor kurzem durch Herrn Krauss, Director des königlichen Na - turalien-Cabinets zu Stuttgart bemerkt wurde2)S. dessen: Mittheilungen über den Bitterling a. a. O. Später wurde während der Naturforscher-Versammlung zu Königsberg im Jahre 1860 in der zoologischen Section von Kessler aus Kiew auf die Legeröhre des weiblichen Bitterlings aufmerksam gemacht, und neuerdings hat auch Dybowski (Cyprinoiden Livlands. pag. 87. Taf. IV) dasselbe Organ er - wähnt und abgebildet, ohne die früheren Beobachtungen von Krauss gekannt zu haben.. Es ist dies eine lange, röth -119Gattung: Rhodeus.liche Legeröhre, welche sich an dem weiblichen Bitterling bei dem Eintritt der Laichzeit allmählich entwickelt und, sowie die Eier im Eierstocke ihre Reife er - langt haben, vor der Afterflosse zweizölliger Bitterlinge als ein bis zu 8½ Linien ausgewachsener wurmförmiger Strang frei am Hinterleibe herabhängt (Taf. I. Fig. 2). Ich habe diese Legeröhre bei grösseren Individuen 1½ bis 2 Zoll lang entwickelt gesehen. Dieses Organ ragt bei seiner stärksten Entwicklung mit seiner Spitze oft über das Ende der Schwanzflosse hinaus, was dem Fischchen während des Schwimmens ein ganz sonderbares Ansehen verleiht; man möchte glauben, es hienge dem Thiere ein verschluckter Regenwurm oder der eigene Darm aus dem After hervor. Dass dieses Organ wirklich eine Legeröhre ist, davon konnte ich mich bei einem Besuch des Strassburger Fischmarktes über - zeugen, auf welchem ich am 16ten April 1858 eine ungeheure Menge in den todten Armen des Rheins gefangener Bitterlinge zum Verkauf ausgeboten fand; viele Weibchen waren eben im Begriffe ihre gelben Eier abzulegen, wobei die lange Legeröhre fast einer Perlschnur glich, indem sie von der Wurzel bis zur Spitze in einfacher Reihe hintereinander von schwefelgelben Eiern angefüllt und ausgedehnt war. Da die Schalen dieser Eier sehr elastisch sind und die Legeröhre im Verhältniss zu dem Durchmesser der grossen ovalen Eier des Bitterling eng ist, so nehmen diese Eier, indem sie durch die Legeröhre hin - durchgleiten, eine cylindrische Form an, welche augenblicklich wieder ver - schwindet, sobald die Eier aus der Spitze der Legeröhre hervorgetreten sind. Sehr interessant erscheint der Umstand, dass diese lange Legeröhre jedesmal, nachdem sie ihre Function verrichtet hat, sich wieder verkürzt, und so weit zurückbildet, dass sie zuletzt bis auf eine ganz kurze, 1½ Linie lange, röth - liche Papille eingeschrumpft erscheint; in diesem verkürzten und einge - schrumpften Zustande habe ich die Legeröhre vor der Afterflosse an allen Bitterlings-Weibchen, welche ich den Winter über in dem Aquarium des hiesigen physiologischen Instituts lebend aufbewahrt hatte, hervorragen sehen.
Der Rhodeus amarus weicht in noch vielen anderen Organisations-Ver - hältnissen von unseren übrigen Cyprinoiden ab, dass ich nicht umhin kann, zu den anatomischen Bemerkungen, welche Heckel und Kner über diesen Fisch bekannt gemacht haben, noch folgendes hinzuzufügen.
Der sehr lange Darm des Bitterlings, welcher nach Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 102) in 5 Umgängen spiralig gewunden ist, zeigt genauer be - trachtet zwei Paquete von Windungen: das eine Paquet kömmt bei Eröffnung der Bauchhöhle zu Tage und bildet die weitesten Schlingen, unter diesem Paquet liegt das zweite verborgen, welches aus nur engen Schlingen besteht, und in die hinter dem Darme befindliche Leber eingedrückt ist. In die äussere Spiralwindung des Darms geht der Magen über und aus der innersten Darm - windung tritt der Mastdarm hervor. Den ganzen Darm fand ich stets von gründlichen Algen-Trümmern und Diatomeen angefüllt. Die beiden hinter dem120Familie: Cyprinoidei.Darme, hinter der Leber mit ihrer Gallenblase und der Milz gelegenen Ovarien bilden einen gemeinschaftlichen Sack ohne Scheidewand, der oben einen schwachen herzförmigen Einschnitt besitzt. Nur die vordere Wand dieses Sackes trägt auf der inneren Fläche ein Stroma zur Entwicklung der Eier, die hintere Wand ist sehr dünnhäutig und wie das Peritonäum mit vielem schwarzen Pigmente besetzt. Die reifen, von dem Eierstock-Stroma losge - trennten gelben Eier sind von ovaler Gestalt und haben einen Längsdurch - messer von 1½ Linie und einen Querdurchmesser von 1 Linie. Die Legeröhre erscheint während der Brunstzeit gegen die Mitte hin am intensivsten orangen - gelb gefärbt, über die Mitte hinaus erscheint sie schmutzig roth, und an der Spitze sowie an der Basis fast ganz farblos. Dieses Organ enthält in seiner Basis deutliche Blutgefässe und Nerven, ist reizbar und bringt Reflexbewegungen hervor, an matten Fischchen konnte ich durch einen Stich in die Legeröhre Muskelzuckungen hervorrufen. Da die herzförmige Harnblase, wie ich mich ganz bestimmt überzeugte, in die Basis der Legeröhre einmündet, so verdient dieses Organ mit Recht den Namen » Urogenital-Canal «.
Gattungscharakter: Fünf Schlundzähne jederseits in einfacher Reihe mit seitlich zusammengedrückten und schräg abge - schliffenen Kronen, ihre schmalen Kauflächen mit einer Furche und vor ihrer Spitze mit einem Kerb; Rückenflosse von oben nach hinten in einem sehr spitzen Winkel steil ab - gestutzt, ihre Basis kurz; die Afterflosse mit langer Basis; die Schwanzflosse tief gabelförmig ausgeschnitten, die untere Spitze derselben länger als die obere; die Beschup - pung bildet auf dem Vorderrücken einen Scheitel, indem die Mittellinie des ganzen Vorderrückens, vom Hinterkopfe bis zum Anfange der Rückenflosse als eine schuppenlose Längsfurche erscheint, welche jederseits von einer Reihe kleiner Schuppen eingefasst ist. Der Bauch bildet von der Basis der Bauchflossen bis zur Aftergrube eine scharfe Kante, zwischen welcher eine schuppenlose Furche verbor - gen liegt.
121Gattung: Abramis.Syn. u. Citate.
a. Erwachsen.
Baldner Nr. 42: pag. 162. Taf. 12. Bresem.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 6. n. 17, Descr. spec. pag. 20. n. 10, Syn. nom. pisc. pag. 4. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 531. n. 27. Cyprinus Brama.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 75. Taf. 13. Cyprinus Brama, Bley.
Schrank Nr. 23 a: pag. 329. n. 308. Brassem.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 228. Cyprinus Brama, Brachsmen.
Gloger Nr. 88: pag. 74. n. 17. Cyprinus Brama, Brassen.
Heckel Nr. 11 a: I. 2. pag. 230. Taf. 20. Fig. 6. Abramis vetula.
Bujack Nr. 97: pag. 335. Cyprinus Brama, Blei.
Agassiz Nr. 7: pag. 39 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 81. Abramis Brama, Abramis microlepidotus, Abramis argyreus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 219. Abramis Brama.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 9, 43, 45 u. 60. Abramis Brama, Brème commune: Abramis microlepidotus, Abramis argyreus, Abramis vetula.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 369. Abramis Brama, Brassen.
Günther Nr. 47: pag. 96. Abramis Brama, Brachsen.
Leiblein Nr. 51: pag. 124. Abramis Brama, Brachsen.
Rapp Nr. 41: pag. 6. Abramis Brama, Brachsmen.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 104. Fig. 54 u. 55. Abramis Brama, Brachsen u. pag. 108. Fig. 56. Abramis vetula.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Abramis Brama, Brachsen.
b. Jung.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 4, Descr. spec. pag. 23. n. 12, Syn. nom. pisc. pag. 13. n. 28. Faren.
Linné Nr. 2: pag. 532. n. 30. Cyprinus Farenus.
Nilsson: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lund., 1832. pag 30. Cyprinus Farenus.
Ekström: Die Fische in den Scheeren von Mörkö. Berlin, 1835. pag. 40. Taf. III. Cyprinus Farenus.
Artcharakter: Mund halb unterständig, Körper seitlich zusam - mengedrückt und hoch, die lange Afterflosse mit 23 bis 28 weichen zertheilten Strahlen beginnt vor dem Ende der Rückenflosse1)Vergl. Heckel: Die Fische Syriens. pag. 1006. Taf. I. Abramis Brama. Drückzähne..
D. 3 / 9, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 23 — 28, C. 19, Squ. 12 — 13 / 51 — 54 / 6 — 7.
Der gemeine Brachsen ist durch seinen stark seitlich zusammengedrück - ten Leib und durch seine ansehnliche Körperhöhe leicht kenntlich. Er er - reicht unter allen verwandten Arten den grössten Umfang, indem er bis zu 2 Fuss Länge heranwachsen kann; Brachsen von 1½ Fuss Länge werden häufig aus dem Chiemsee hieher zu Markte gebracht.
122Familie: Cyprinoidei.Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die sehr gestreckten und zerbrechli - chen Schlundknochen des Brachsen sind besonders charakteristisch durch die ge - gen die Symphyse hin sehr verlängerten vorderen Fortsätze. Ausserdem zeich - net sich auch der gemeine Brachsen von allen übrigen hochrückigen Abramiden durch die blaugraue Farbe aller seiner Flossen aus. Der Vorderrand der Rücken - flosse ist sehr hoch und über viermal länger als ihr Hinterrand, so dass die Spitze dieser Flosse zurückgelegt die neunte Schuppe des Hinterrückens er - reicht. Die nach hinten zurückgeschlagenen Brustflossen überragen mit ihrer Spitze die Basis der Bauchflossen. Die sehr lange untere Spitze des gabel - förmigen Schwanzes ragt weit über die obere Spitze desselben hinaus.
Es kommen auch Varietäten vor, welche durch eine mehr oder weniger gewölbte Schnauze und durch einen niedrigeren Rücken und gestreckteren Leib auffallen. Diese gestrecktere Gestalt ist meistens auch den jüngeren Individuen eigen, worauf schon Bloch (Nr. 3 a. Th. I. pag. 76 u. 82) aufmerk - sam gemacht hat. Solche junge Brachsen, welche in Schweden den Volks - namen Faren erhalten haben, sind von den älteren schwedischen Ichthyolo - gen verkannt und unter dem Namen Cyprinus Farenus als eine besondere Fischspecies beschrieben worden. Dies hatte auch mich früher in Danzig verführt, junge Brachsen als C. Farenus zu deuten und das Vorkommen dieses kleinen Abramiden für das Weichsel-Gebiet festzustellen1)In einer brieflichen Mittheilung an Wiegmann, s. dessen Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1836. I. pag. 327. Schon ein Jahr darauf war ich zweifelhaft geworden, ob obiger Fisch von mir auch richtig bestimmt worden sei. Vergl. Preuss. Provinzial-Blätter. Kö - nigsberg, 1837. pag. 443. S. auch Bujack Nr. 97. pag. 340. Das Herausfinden des C. Fa - renus war eine um so schwierigere Aufgabe, als von Linné selbst in die erste Beschreibung, welche Artedi von dem Faren gegeben, eine Verwirrung dadurch gebracht worden war, dass er in der von Artedi für den Faren aufgestellten Diagnose: » iride flava, pinna ani ossi - culorum viginti septem « die Zahl 27 in 37 umgewandelt hat. Vergl. Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 4, Linné Nr. 2: pag. 532. n. 30 und dessen Fauna suecica. Stockholm, 1761. Pag. 130. n. 369. Hierdurch konnte diese Diagnose: » pinna ani triginta septem, iridibus flavis «, auch auf Abramis Ballerus bezogen werden. Vergl. Skandinaviens Fiskar (a. a. O. latein. Text) pag. 57 u. 97 und Nilsson: Skandinavisk Fauna. IV. Lund, 1855. pag. 324., wozu Krøyer auch noch das Vorkommen des C. Farenus in Dänemark hinzufügte2)Vergl. Krøyer: Zur Verbreitung von Cyprinus Farenus, in Wiegmann’s Archiv. Jahrg. 1837. I. pag. 393.. Erst seitdem Nordmann3)S. dessen: Observations sur la Faune Pontique. pag. 503. und Valenciennes4)S. dessen: Hist. d. poiss. T. 17. pag. 29. auf den von den schwedischen Ich -123Gattung: Abramis.thyologen zuerst veranlassten Irrthum aufmerksam gemacht hatten, wurde der C. Farenus als selbstständige Species beseitigt und auch von den skan - dinavischen Ichthyologen zu den Synonymen des Abramis Brama verwiesen1)Vergl. Krøyer Nr. 82: III. pag. 370, Nilsson: Skandinavisk Fauna. III. pag. 324 und Skandinaviens Fiskar a. a. O. pag. 97..
Von Selys-Longchamps (a. a. O.) wurden ebenfalls verschiedene Varie - täten-Bildungen des Brachsen hervorgehoben, aus diesem Grunde stehe ich an, die beiden oben angeführten, von Agassiz aufgestellten und von Valen - ciennes näher beschriebenen Abramis-Arten, A. microlepidotus und A. argyreus als besondere Species anzuerkennen. Ich bin durch die Güte des Herrn L. Coulon, Director des zoologischen Cabinets zu Neuchâtel, welcher mir die Originale dieser von Agassiz aufgestellten Abramis-Species zur Ansicht über - schickte, in den Stand gesetzt worden, dieselben mit A. Brama zu vergleichen, und konnte mich nicht von der Art-Berechtigung dieser beiden Abramiden überzeugen. Zwischen A. Brama und A. microlepidotus, welche letztere Abramis-Form nach Agassiz in der Donau vorkömmt, aber nach Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 119) in ihrem, an Donau-Fischen so reichen Material nicht herausgefunden werden konnte, hat Valenciennes nach einer von Agassiz eingesendeten colorirten Abbildung nur sehr geringe Unterschiede wahr - nehmen können, und mir gieng es nicht besser bei der Vergleichung eines in Weingeist aufbewahrten 12 Zoll langen Exemplars des A. microlepidotus mit verschiedenen Individuen von A. Brama. Dasselbe stimmte in der Flossen - strahlen-Zahl der Rücken - und Afterflosse, in der Längs - und Querreihen - Zahl der Schuppen, sowie in der Form der Schlundknochen mit A. Brama vollkommen überein. Auch bei dem von Agassiz als A. argyreus bezeichne - ten Abramiden, von welchem ich ein Exemplar ohne Angabe des Fundortes in Händen hatte, konnte ich weder an der Flossenstrahlen-Zahl, noch an der Beschuppung, noch an den Schlundknochen im Vergleich mit A. Brama einen wesentlichen Unterschied wahrnehmen. Ich zählte an demselben 3 / 9 Rücken - flossenstrahlen, 3 / 24 Afterflossenstrahlen und 12 / 56 / 6 Schuppen. Der ganze Unterschied beschränkt sich nur auf einen weniger hohen Rücken und einen etwas mehr gestreckten Leib, was doch wohl keinen Ausschlag geben kann, um darauf eine besondere Art zu gründen, wenn wir uns daran erinnern, wie stark die Karpfen und Karauschen in ihren Körper-Umrissen variiren.
Dass der Brachsen sogar bis zu einer ganz abenteuerlichen gestreckten Form durch Verkümmerung ausarten kann, das zeigt die von Heckel (a. a. O.) als A. vetula beschriebene Abramiden-Form aus dem Neusiedlersee, welche gewiss nichts anderes ist, als ein verkümmerter Brachsen, und von welcher Heckel und Kner (a. a. O.) selbst sagen, es stehe diese Art dem A. Brama zunächst, und theile mit ihm die ganz gleiche Anzahl der Flossenstrahlen und124Familie: Cyprinoidei.auch die der Schuppen. Drei im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrte und von mir verglichene Individuen der A. vetula liessen in der That nur Kümmerer des Brachsen erkennen.
Der gemeine Brachsen kömmt sowohl in Nord - wie in Süddeutschland allgemein verbreitet vor, seine Verbreitung erstreckt sich auf die meisten Flüsse und Seen daselbst mit Ausnahme der Alpenseen.
Die Brachsen leben gern gesellig und laichen auch in Gesellschaft, so dass hier und dort ein auf Brachsen gerichteter Fischzug ausserordent - lich ergiebig ausfallen kann; so wurden im Frühjahre 1858 im Bodensee bei Ermatingen unterhalb Constanz 200 bis 300 Centner Brachsen an einem Tage gefangen. Auch auf den gefrorenen masurischen Seen fiel in früheren Zeiten der Brachsenfang ausserordentlich ergiebig aus1)Vergl. Bock Nr. 95: Th. IV. pag. 734., und jetzt noch wer - den auf dem Spirdingsee mit einem einzigen Zuge des grossen Winterzug - netzes ab und zu mehrere hundert Tonnen Brachsen gefangen. Ihre Laich - zeit fällt in den Monat Mai oder Juni, während welcher Zeit diese Fische seichte mit Wasserpflanzen dicht bewachsene Uferstellen aufsuchen.
Die männlichen Individuen der gemeinen Brachsen erleiden zur Zeit ihrer Brunst eine auffallende Veränderung, welche bisher zwar nicht übersehen, aber doch nicht von jedem Beobachter richtig beurtheilt wurde. Es wachsen nämlich, wenn die Brachsen-Männchen brünstig werden, auf deren Hautober - fläche eigenthümliche warzenförmige Gebilde von ansehnlicher Grösse hervor, welche aus nichts anderem bestehen, als aus verdichteten und erhärteten Haufen von Epitheliumzellen. Diese Warzen haben eine stumpf-kegelförmige Gestalt und anfangs eine weissliche Färbung, welche später, nachdem die Warzen vollständig erhärtet sind, sich in Bernsteingelb umwandelt. Die War - zen stehen unregelmässig gruppirt auf der Schnauze zwischen Oberlippe und Nasenlöcher, auf dem Scheitel und auf dem Kiemendeckel-Apparat, ferner auf den meisten Schuppen des Leibes und auf der oberen Seite der paarigen Flossen, sowie zu beiden Seiten der After - und Schwanzflosse. Auf der Haut der Schuppen stehen die Warzen entweder einzeln oder paarig oder zu dreien. An den Flossen bilden sich diese Warzen immer nur auf demjenigen Theil der Haut aus, welcher die Strahlen überzieht, sie stehen hier meistens in einer einfachen aber dichtgedrängten Reihe hintereinander. Die Rückenflosse trägt niemals solche Warzen. Die grössten Warzen (bis zu der Grösse eines starken Nadelknopfs) entwickeln sich auf der Schnauze und auf dem Scheitel, die kleinsten Warzen dagegen halten die Flossenstrahlen besetzt. Das Volk bezeichnet solche brünstige, mit Hautwarzen besetzte Brachsen-Männchen als Steinbrachsen oder Dornbrachsen.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 6. n. 16, Descr. spec. pag. 18. n. 8, Syn. nom. pisc. pag. 14. n. 32.
Linné Nr. 2: pag. 531. n. 25. Cyprinus Vimba.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 38. Taf. 4. Cyprinus Vimba, Zärthe.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 20. Cyprinus Vimba, Meernase.
Bujack Nr. 97: pag. 336. Cyprinus Vimba, Zärthe.
Koch Nr. 19: pag. 40. n. 19. Leuciscus Vimba, Aessling.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 65. Abramis Vimba.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 400. Abramis Wimba, Nase.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 109. Fig. 57. Abramis Vimba, Blaunase.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Abramis Vimba.
Artcharakter: Mund unterständig, Schnauze sehr weit vorsprin - gend und conisch abgerundet; Körper seitlich zusammen - gedrückt und gestreckt; die mässig lange Afterflosse mit 18 bis 20 weichen zertheilten Strahlen beginnt hinter dem Ende der Rückenflosse; hinter dieser zeigt der Rücken einen von einer Längsleiste der medianen Schuppen aus - gehenden Kiel.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 9 — 10, A. 3 / 17 — 20, C. 19, Squ. 9 — 10 / 58 — 60 / 5 — 6.
Schlundknochen.
Die Russnase gehört zu den gestreckten niedrigen Formen der Abramiden und ist an der sehr stark hervortretenden coni - schen Schnauze leicht zu erkennen. Die sehr gedrungenen Schlundknochen dersel - ben zeichnen sich durch ihren kurzen vorderen Fortsatz aus, ihr flügelförmiger Anhang ist breit und bildet nach vorn einen ansehnlichen Vorsprung. Die zurückgeschlagenen Brustflossen stehen mit ihrer Spitze von der Basis der Bauchflossen weit ab. Die untere Spitze der gabelförmigen Schwanz - flosse ist nur um weniges länger als die obere. Dieser Fisch erreicht eine Länge von 10½ bis 14¼ Zoll und zeichnet sich durch einen merkwürdigen Farbenwechsel aus, welcher mit der Laichzeit in nächster Beziehung steht, jedoch von keinem Ichthyologen bis jetzt erwähnt worden ist.
Ausser der Laichzeit sind bei diesem Fische die Schnauze, der Kopf und Rücken, ebenso die Rücken - und Schwanzflosse graublau, Brust - und Bauch - flossen nebst Afterflosse dagegen blassgelb gefärbt, die Brustflossen und die Afterflosse zeigen ausserdem an ihrer Basis einen orangengelben Anflug, und die letztere einen schwärzlichen Saum. Die Seiten des Leibes, sowie Brust126Familie: Cyprinoidei.und Bauch glänzen silberweiss. Die graublau gefärbte und weit vorsprin - gende Nase dieses Abramiden hat die Veranlassung gegeben, dass in Oberöst - reich dieser Fisch » Blaunase « und in Niederbayern » Russnase « genannt wurde. Ganz anders und kaum wieder zu erkennen erscheint derselbe Fisch im Hoch - zeitskleide, welches Ende Mai und Anfang Juni mit dem Eintritt der Laich - zeit allmählich zum Vorschein kömmt. Der ganze Oberleib, Schnauze, Kopf, Rücken, Seiten bis weit unterhalb der beiden Seitenlinien ist mit tiefschwar - zem Pigment bedeckt, wobei die schwarzgefärbten, mit Schuppen bedeckten Seiten des Leibes einen eigenthümlichen Seidenglanz von sich geben. Gegen diese schwarze Färbung, welche sich an den Bauchseiten bis fast zu den Bauchflossen und zu der Afterflosse herabzieht, sticht eine intensiv orangen - rothe Färbung prächtig ab, mit welcher die beiden Lippen, die Kehle, die Brust, sowie die Bauchkante und ein schmaler Streif unterhalb des Schwan - zes geschmückt sind. Auch die paarigen Flossen und die Basis der Afterflosse zeigen sich schön orangenroth gefärbt, während Rücken - und Schwanzflosse so wie der Oberrand der Brustflossen und der Unterrand der Afterflosse breit geschwärzt sind. Diese Farbenveränderung der Russnasen hält gleichen Schritt mit der Entwicklung ihrer Fortpflanzungswerkzeuge und ist nicht etwa abhängig von dem mit der Brunstzeit eintretenden Wechsel ihres Auf - enthaltsortes1)Ich habe obige Bemerkung machen zu müssen geglaubt, da Heckel und Kner (a. a. O. pag. 111) von diesen Fischen behaupten. » Die auf Schottergrund (Kiesgrund) laichenden nehmen eine dunkle, oft schwarze Färbung an, die sich aber nach der Laiche wieder verliert «..
Ausser diesem schönen Farbenkleide, welches während der Laichzeit beide Geschlechter tragen, lässt sich bei genauerer Untersuchung an den männlichen Individuen als Zeichen ihres brünstigen Zustandes noch ein Haut - ausschlag erkennen, der den oben erwähnten warzenförmigen Hautauswüch - sen der Steinbrachsen entspricht. Dieser Ausschlag besteht aus vielen winzig kleinen weisslichen körnchenartigen Erhöhungen, welche den Scheitel, den oberen Theil des Kiemendeckel-Apparats, die Ränder der Schuppen und die Strahlen auf der inneren Fläche der paarigen Flossen besetzt halten. Einzelne Körnchen lassen sich auch hier und da auf dem Spiegel der Rückenschuppen erkennen.
Das Vorkommen dieses Fisches, welcher in Norddeutschland unter dem Namen » Zärthe « ein sehr bekannter und verbreiteter Fisch ist, scheint sich in Süddeutschland nur auf die Donau und auf die derselben von Norden her zufliessenden Ströme zu beschränken; ich fand den A. Vimba am achten Juni 1855 auf dem Fischmarkte zu Regensburg aus dem Regen und aus der Naab unter dem Namen » Nase « in grosser Anzahl zum Verkauf ausgeboten; da ge -127Gattung: Abramis.rade die Laichzeit dieses Fisches eingetreten war, musste ich über die pracht - volle Färbung dieses Fisches, von der ich bis dahin keine Ahnung hatte, wahrhaft überrascht sein. Die ebenfalls auf dem Regensburger Fischmarkte sehr zahlreich ausgestellte gemeine Nase führt dort den Namen » Weissfisch «.
Es ist auffallend, dass Hartmann1)S. Hartmann Nr. 38 b: pag. 217. Cyprinus Vimba. das Vorkommen dieses Abramiden bei Basel so bestimmt ausspricht, und dabei erwähnt, dass dieser Fisch aus der Nordsee, um zu laichen, in den Rhein gehe und bis nach Basel hinauf - gelange, während alle anderen Ichthyologen, welche der Fischfauna des Rheins und seiner Nebenflüsse grosse Aufmerksamkeit zugewendet haben, den A. Vimba gänzlich mit Stillschweigen übergehen. Gmelin (Nr. 4: pag. 374) sagt ausdrücklich von der Zärthe: » Dieser Fisch, welcher in unseren rheini - schen Gegenden nicht vorkommt, muss nicht mit der Nase verwechselt wer - den, mit der er nichts, als den nasenförmigen stumpfen Oberkiefer gemein hat «. Gesner2)S. Gesner Nr. 34 a: pag. 1269 u. Nr. 34 b: pag. 180., auf den sich Hartmann beruft, kennt den A. Vimba, den er Capito Anadromus nennt, nur als Elbfisch; offenbar hat Hartmann eine Ver - wechslung begangen, und den Volksnamen » Aelzeln « oder » Elzer «, mit wel - chem in Basel die Alosa vulgaris bezeichnet wird, unrichtiger Weise auf A. Vimba bezogen, wie ich weiter unten nachweisen werde. In ganz Nord - deutschland ist der A. Vimba als ein Wanderfisch gekannt, indem derselbe zur Laichzeit aus der Nord - und Ostsee die Flüsse hinaufsteigt. Ob die in der oberen Donau gefangenen Russnasen ebenfalls eingewanderte, von dem schwarzen Meere aufgestiegene Individuen des A. Vimba sind, muss für jetzt noch unentschieden gelassen werden.
Syn. u. Citate.
Agassiz Nr. 6: in der Isis 1828. pag. 1047. Cyprinus Vimba, See-Rüssling, und Nr. 7 pag. 39 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 81. Abramis elongatus.
Perty Nr. 24: pag. 719. Cyprinus Vimba, See-Rüssling.
Heckel Nr. 11 b: Bd. II. 1. 1840. pag. 154. Taf. 9. Fig. 3, Abramis melanops.
Koch Nr. 19: pag. 40. n. 17. Abramis media, Halbfisch.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 61 u. 75. Abramis melanops u. elongatus
Weber Nr. 27: pag. 38. Taf. 30. Leuciscus Vimba, Seerüssling.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 112. Fig. 58. Abramis melanops.
Artcharakter: Mund unterständig, Nase etwas vorspringend und stumpf abgerundet. Körper seitlich zusammengedrückt und sehr gestreckt; die mässig lange Afterflosse mit 18 bis128Familie: Cyprinoidei.20 weichen zertheilten Strahlen beginnt hinter dem Ende der Rückenflosse; hinter dieser erscheint der Rücken ge - kielt.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 9 — 10, A. 3 / 17 — 21, Squ. 9 — 10 / 58 — 60 / 5 — 6.
Aus der oben angeführten Diagnose des Rüsslings geht hervor, dass die - ser Fisch mit der Russnase sehr leicht verwechselt werden kann, indem der - selbe fast nur durch geringere Dimensionen der bei A. Vimba hervorgehobenen Charaktere verschieden ist. Es ist daher verzeihlich, dass Agassiz, Perty und Weber diese beiden Fischarten mit einander verwechselt haben. Die Schnauze des Seerüssling springt viel weniger hervor, sein Rücken ist weni - ger hoch und sein ganzer Körper um vieles länger gestreckt als bei der Russ - oder Blaunase. Durch die lange hervorragende Schnauze erhält also der ganze Kopf von A. Vimba ein viel längeres Ansehen, wogegen durch den we - niger gestreckten Körper desselben Fisches der Schwanz gedrungener und höher erscheint als bei A. melanops. Wäre es mir in Bayern möglich gewesen, Uebergänge von der einen Form in die andere herauszufinden, so hätte ich keinen Anstand genommen, beide zu einer Art zu verschmelzen, und zwar schon um deshalb, weil ich nicht im Stande war, in den Schlundknochen und deren Zähnen, in der Färbung und Zeichnung des Leibes einen Unterschied zwischen beiden Arten ausfindig zu machen. Auch in der Pracht und in dem Glanze des Hochzeitskleides beider Geschlechter stimmt A. melanops mit A. Vimba überein, wovon ich mich Ende Mai und Anfang Juni an vielen fri - schen Exemplaren des Seerüssling überzeugen konnte, während diese Farben - veränderung den bisherigen Beobachtern dieses Fisches gänzlich entgangen zu sein scheint. Der von Weber (a. a. O.) colorirt abgebildete Seerüssling er - scheint ganz blass und entfärbt, wie er im Herbst und Winter vorkömmt. Die durch Nordmann1)S. Nordmann’s Observations sur la Faune pontique, in Demidoff’s Voyage dans la Russie méridionale. T. III. 1840. pag. 510. Pl. XXII. Fig. 2. veranlasste colorirte Abbildung dieses Abramiden zeigt schon eine etwas dunklere Färbung, da der Fisch, nach welchem die Abbildung gefertigt wurde, im Anfang Mai, also schon ziemlich nahe vor dem Eintritt seiner Laichzeit, gefangen worden war. Der weissliche, feinkörnige Hautausschlag liess sich auf dem Scheitel und auf den Schuppen der männ - lichen Seerüsslinge während der Laichzeit ganz in derselben Weise wie bei der Russnase unterscheiden. Wenn Nordmann2)Ebenda pag. 510. von kleinen warzenartigen schwarzen Puncten spricht, womit er ein männliches Individuum von A. me - lanops bedeckt gefunden hat, und dieselben mit den von Heckel3)S. dessen: Ichthyolog. Beiträge (Nr. 116: a. a. O.) pag. 155. erwähnten, die schwärzliche Schattirung veranlassenden schwarzbraunen Pünctchen ver -129Gattung: Abramis.gleicht, so geht aus diesem Vergleich hervor, dass derselbe nur die schwarzen Pigmentflecke und nicht die weisslichen Epithelial-Verdickungen gesehen hat.
Der Seerüssling hat mit der Russnase in dem Donau-Flussgebiet die gleiche Verbreitung und wird vielfach mit diesem verwandten Fische verwechselt, kömmt aber auch in einigen oberbayrischen und östreichi - schen Seen vor, in denen die Russnase fehlt; so wird der Seerüssling all - jährlich in sehr grossen Mengen aus dem Starenberger See unter dem Namen » Seerüssling « oder » Halbrenke « hieher zu Markte gebracht, ebenso wird dieser Fisch nicht selten im Ammersee, Staffelsee und Chiemsee, so - wie im Atter - und Traunsee gefangen. Derselbe kömmt meistens mit einer Länge von 7 bis 10 Zoll auf den hiesigen Markt, doch habe ich auch schon einzelne Individuen von 13 Zoll Länge erhalten. Wäre vielleicht A. melanops nur eine Jugendform von A. Vimba, so muss es auffallen, dass niemals A. Vimba im ausgewachsenen Zustande auf dem hiesigen Fischmarkte ange - troffen wird. Diese Zweifel, welche über die Artberechtigung des A. melanops immer wieder von Zeit zu Zeit in mir aufstiegen, erhielten neue Nahrung durch die ichthyologischen Erfahrungen, welche ich auf einer vor zwei Jahren im Herbste durch Norddeutschland unternommenen Reise gesammelt habe. Ich fand nämlich auf den Fischmärkten von Naumburg, Magdeburg, Stettin, Danzig und Elbing viele 7 bis 10 Zoll lange Abramiden, welche von den Fischern als Zärthen bezeichnet wurden, die sich aber von dem hiesigen See - rüssling. in nichts unterschieden; es fehlte ihnen durchaus jener für A. Vimba so charakteristische conische und langgestreckte Rüssel, an dessen Stelle nur eine kurze, stumpf und gleichmässig abgerundete Schnauze zu bemerken war. Nur mit der grössten Aufmerksamkeit liessen sich einzelne wenige Individuen herausfinden, welche eine etwas längere und schmächtigere Schnauze be - sassen und gleichsam eine Uebergangsform von dem kurznasigen A. melanops zu dem langnasigen A. Vimba darstellten. Eine Sendung mehrerer Zärthen, welche mir aus Bremen zugekommen war, enthielt ebenfalls eine vollständige Reihenfolge von Uebergängen des kurznasigen A. melanops in die langnasige Form des A. Vimba. Aus diesen Beobachtungen geht zunächst hervor, dass das Vorkommen des A. melanops in Mitteleuropa nicht mehr auf das Donau - Gebiet allein beschränkt ist, sondern sich auch auf das Gebiet der Weser, Elbe, Oder und Weichsel ausdehnt. Als weiteres Resultat dieser Beobach - tungen drängt sich mir die Frage auf, ob nicht A. melanops als eine nicht wandernde Varietät des A. Vimba zu betrachten sei, welche sich dem Ein - flusse des Meerwassers entzogen haben könnte.
v. Siebold, Fische. 9Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 5, Descr. spec. pag. 23. n. 11, Syn. nom. pisc. pag. 12. n. 24 (zum Theil).
Linné Nr. 2: pag. 532. n. 31. Cyprinus Ballerus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 62. Taf. 9. Cyprinus Ballerus, Zope.
Siemssen Nr. 79: pag. 81. Cyprinus Ballerus, Zope.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 19. Cyprinus ballerus, Zupe.
Bujack Nr. 97: pag. 336. Cyprinus Ballerus, Zope.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 45. Abramis ballerus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 411. Abramis Ballerus.
Heckel und Kner: Nr. 13: pag. 113. Fig. 59. Abramis Ballerus, Pleinzen.
Artcharakter: Mund endständig mit schräg aufwärts gerichteter Spalte; Körper seitlich sehr zusammengedrückt und ge - streckt, die sehr lange Afterflosse mit 36 bis 39 weichen, zertheilten Strahlen beginnt etwas vor dem Ende der Rük - kenflosse.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 36 — 39, C. 19, Squ. 14 — 15 / 69 — 73 / 8 — 9.
Schlundknochen.
Die Zope macht sich auf den ersten Blick durch ihr endständiges Maul und durch ihre sehr lange Afterflosse kenntlich. Einen sehr scharfen anatomischen Unterschied bietet die Beschaffenheit der Schlundknochen dar, welche einen noch viel schlankeren Bau als die Schlundknochen des A. Brama besitzen. Die vorderen Fortsätze derselben sind ausser - ordentlich in die Länge gestreckt, ihre hinteren aufsteigenden Fortsätze bil - den einen sehr flachen Bogen, und die flügelförmigen Anhänge besitzen nur eine geringe Ausdehnung. Die Brustflossen ragen zurückgeschlagen mit ihrer Spitze über die Basis der Bauchflossen hinaus.
In der Färbung bietet die Zope nichts sehr auffallendes. Ihr Rücken ist bläulich gefärbt, Seiten und Bauch glänzen silberig mit einem Stich ins Gelbe. Die paarigen Flossen erscheinen gelblich, die übrigen weisslich, alle sind mit einem schwärzlichen Rande gesäumt.
Es erreicht dieser Fisch meistens eine Länge von 1 Fuss, doch kommen auch einzelne Individuen mit 13 und 13½ Zoll vor.
Die Zope scheint allen Hauptflüssen Mitteleuropa’s anzugehören. Dieselbe hält sich aber mehr in den unteren, den Ausflüssen näher gelegenen Gegen - den jener Gewässer auf und begiebt sich vielleicht zur Laichzeit nur vorüber - gehend in die von den Meeren weiter entfernten Regionen der Flüsse. Im131Gattung: Abramis.Donau-Gebiet steigt dieser Fisch nicht über Oberöstreich hinauf, denn in Bayern weiss man nichts von seinem Vorkommen. Im Rhein-Gebiet scheint die Zope nicht über Holland hinauszukommen, da ausser Bennet und Olivier (Nr. 65: pag. 89), welche ihn als holländischen Flussfisch aufführen, kein einziger der vielen Faunisten des Rhein-Gebiets den A. Ballerus erwähnt. In Bezug auf das Weser-Gebiet habe ich nur allein von Heineken (Nr. 69: pag. 148) das Vorkommen der Zope in der Weser bei Bremen in Erfahrung bringen können. Auch im Elbe-Gebiet gehört die Zope nur dem unteren Theile der Elbe an, was mir zwei aus Magdeburg eingesendete Exemplare dieses Fisches bewiesen haben. An der ganzen Ostseeküste entlang wird die Zope, welche in Meklenburg und Pommern auch » Schwuppe « genannt wird, in den dem Meere ganz nahe gelegenen und mit demselben unmittelbar in Verbindung stehenden Süsswasserseen, sowie in den grossen, unter dem Namen » Haff « bekannten seeartigen Ausbreitungen der grossen Flüsse sehr häufig ange - troffen, von wo aus dieser Fisch dann auch die Flüsse Oder, Weichsel und Pregel hinaufsteigt.
Als Laichzeit der Zope wird der Monat April und Mai angegeben.
Syn. u. Citate.
Pallas: Zoographia rosso-asiatica. Petropoli, 1831. Tom. III. pag. 328. Cyprinus Sapa.
Heckel: Nr. 11 a: pag. 227. Taf. 20. Fig. 4. Abramis Schreibersii.
Agassiz: Nr. 7: pag. 39 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 81. Abramis Balleropsis.
Nordmann: Observations sur la Faune pontique. a. a. O. pag. 506. Tab. 21. Fig. 2. Abramis Sapa.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 49. Leuciscus Sapa.
Heckel und Kner Nr. 43: pag. 115. Fig. 60. Abramis Sapa.
Artcharakter: Mund halb unterständig, Schnauze sehr stumpf, hoch und dick; Körper seitlich sehr zusammengedrückt und gestreckt; die sehr lange Afterflosse mit 38 bis 45 weichen zertheilten Strahlen beginnt vor dem Ende der Rücken - flosse.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 38 — 45, C. 19. Squ. 9 — 10 / 50 — 52 / 6 — 7.
Es hat dieser Abramide ein äusserst charakteristisches Ansehen; um so mehr muss es auffallen, dass diese ausgezeichnete Cyprinoiden-Form von den Fischern keinen besondern Namen erhalten hat und auch von den Ich - thyologen, welche auf die Fischfauna Bayerns aufmerksam gewesen sind, un - beachtet geblieben ist.
Von allen Abramiden besitzt A. Sapa die längste Afterflosse, und die längste untere Spitze der gabelförmigen Schwanzflosse, sowie den am mei -9*132Familie: Cyprinoidei.sten seitlich zusammengedrückten Leib. Die Schnauze dieses Fisches erscheint sehr stumpf und hochgewölbt, seine beiden Augen fallen durch ihre Grösse auf und die beiden Brustflossen desselben ragen zurückgeschlagen mit ihren Spitzen, wie bei A. Ballerus, über die Basis der Bauchflossen hinaus.
Schlundknochen.
Die Schlundknochen von A. Sapa halten in ihrer Form die Mitte zwischen den Schlundknochen des Brachsen und denen der Russnase und des See - rüssling. Ihre vorderen Fortsätze sind nicht so lang wie bei jenem, aber auch nicht so kurz und gedrungen wie bei diesen Abramiden. Ausserdem besitzt ihr Flügelfortsatz nur eine geringe Ausdehnung.
Der Rücken dieses Fisches ist kaum etwas dunkler gefärbt als der übrige Körper, der ganze Fisch zeigt vielmehr eine silberweisse, atlasartig glänzende Färbung, alle Flossen, selbst die Rücken - und Afterflosse besitzen eine weiss - liche Färbung, die beiden letzteren sind wie die Brustflossen am Oberrande und die Afterflosse am Unterrande schwärzlich gesäumt.
Die Laichzeit des A. Sapa beginnt Anfang April, um diese Zeit sah ich wenigstens auf den brünstig werdenden Milchnern den charakteristischen Hautausschlag zur Entwicklung kommen. Derselbe besteht auch hier aus kleinen weisslichen Körnchen, welche in einfacher Reihe aber zahlreich den freien Hinterrand aller Schuppen, mit Ausnahme der Bauchschuppen und zu - gleich in dichten Längsreihen die Strahlen der Brust - und Bauchflossen auf ihrer inneren Fläche besetzt halten, während auf dem Kopfe der Scheitel, die Seiten des Kiemendeckel-Apparates, das Gesicht und die Schnauze mit klei - nen runden, in der Mitte erhabenen Scheibchen bedeckt werden. Häufig stehen auch mehrere vereinzelte Körnchen auf dem Spiegel der Rücken - schuppen.
In der Grösse steht dieser Fisch der Zope sehr zurück, da er selten et - was über einen Fuss lang wird; er kömmt auf dem hiesigen Fischmarkte gewöhnlich in der Länge von 8 bis 10 Zoll vor und zwar vermengt mit kleinen Brachsen und Blicken, welche alle unter dem Namen Halbbrachsen verkauft werden. Die auf dem hiesigen Fischmarkte zum Verkauf ausgestellten Indi - viduen von A. Sapa sind immer aus der Donau von Donauwörth hieher ge - bracht. Da in den früheren Jahren, als Agassiz den hiesigen Fischmarkt zu seinen ichthyologischen Studien benutzte, wegen Mangel an Eisenbahnen von Donauwörth noch keine Fische regelmässig, wie das jetzt der Fall ist, nach München transportirt wurden, so mag dies wohl die Veranlassung sein, wes - halb jener aufmerksame Naturforscher A. Sapa als hiesigen Marktfisch gar nicht gesehen hat. Aber auch von Koch und Fürnrohr ist dieser Fisch über - sehen worden, den ich am 8ten Juni 1855 auf dem Fischmarkte zu Regens - burg in mehreren Exemplaren bemerkt habe. Dennoch fehlte aber dieser133Gattung: Abramidopsis.interessante Abramide unter den Fisch-Abbildungen nicht, welche Agassiz dem französischen Ichthyologen Valenciennes zur Benutzung überlassen hatte. Letzterer1)S. dessen: Hist. d. poissons. T. XVII. pag. 52. fand darunter einen von Agassiz als A. balleropsis, ohne Angabe des Fundorts bezeichneten Abramiden und erkannte an der dicken Schnauze, an der langen Afterflosse und der sehr verlängerten unteren Spitze der Schwanzflosse desselben den von Pallas (a. a. O.) zuerst beschriebenen Cy - prinus Sapa, welcher später von Nordmann (a. a. O.) sehr schön abgebildet worden ist; aus den Beobachtungen dieser beiden Naturforscher geht hervor, dass A. Sapa dem Osten von Europa, nämlich der Wolga, dem Dniester und Dnieper angehört, welcher Fisch ausserdem nach Heckel’s und meinen Unter - suchungen seine westliche Verbreitung in der Donau findet.
Gattungscharakter: Schlundzähne in einer Reihe, rechts 5 und links 5 oder 6, mit seitlich zusammengedrückten und schräg abgeschliffenen Kronen, ihre schmalen Kauflächen mit einer Furche, und vor ihrer Spitze mit einem Kerb; die Rückenflosse von oben nach hinten in einem spitzen Winkel schräg abgestutzt, ihre Basis kurz; die Afterflosse mit mässig langer Basis; an der gabelförmigen Schwanzflosse die untere Spitze etwas länger als die obere; die Mittellinie des Vorderrückens bald mit grösseren, bald mit kleineren unpaarigen Schuppen dachziegelförmig bedeckt; der Bauch von der Basis der Bauchflossen gegen die Aftergrube hin eine scharfe, mit Schuppen bedeckte Kante bildend.
134Familie: Cyprinoidei.(nach Heckel und Kner.)
Syn. u. Citate.
Heckel Nr. 11 a: pag. 229. Taf. 20. Fig. 5. Abramis Leuckartii.
Nordmann: Observations sur la Faune pontique a. a. O. pag. 508. Abramis Leuckartii.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 217. Pl. 8. Abramis Heckelii.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 53 u. 59. Leuciscus Buggenhagii u. Abramis Leuckartii.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 117. Fig. 61. Abramis Leuckartii.
Artcharakter: Mund endständig, Schnauze abgestumpft; Körper nur wenig hoch und mässig seitlich zusammengedrückt; die Afterflosse enthält 15 bis 18 weiche, zertheilte Strah - len und beginnt dicht unter dem Ende der Rückenflosse; 10 bis 11 Längs-Schuppenreihen oberhalb und 4 bis 5 Längs-Schuppenreihen unterhalb der Seitenlinie.
D. 3 / 10, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 15 — 18, C. 19, Squ. 10 — 11 / 45 — 54 / 5.
Es ist dieser Fisch bisher zu der Gattung Abramis gezählt worden, allein da die Charaktere, welche für diese Gattung aufgestellt worden sind, nur sehr unvollständig auf den Fisch passen, welchen Heckel als Abramis Leu - ckartii beschrieben hat, so habe ich mich veranlasst gesehen, für denselben eine besondere Gattung zu errichten. Es weicht diese von mir mit dem Na - men Abramidopsis bezeichnete Gattung von Abramis besonders dadurch ab, dass derselben die für Abramis so charakteristische schuppenlose Längsnath am Vorderrücken fehlt, und dass der Bauchkiel derselben keine nackte Furche135Gattung: Abramidopsis.in sich schliesst. Ferner besitzt A. Leuckartii von allen Abramiden die nie - drigste Rückenflosse, welche zugleich am wenigsten steil von ihrer vorderen Spitze nach hinten abgestutzt ist. Die Spitze ihres Vorderrandes, welcher nur 2½ mal so lang ist als ihr Hinterrand, überragt, zurückgelegt, nur die zweite Schuppe des Hinterrückens. Nicht ohne Werth ist auch als Gattungs - merkmal das sehr häufige Vorhandensein von sechs Zähnen auf dem linken Schlundknochen. Ich zählte bei 45 Individuen 24 mal auf dem linken Schlund - knochen 6 Zähne. Rechnet man noch die sehr kurze Afterflosse hinzu, und bringt man den weniger seitlich zusammengedrückten Leib und den niedri - gen Rücken in Anschlag, so wird man Anhaltepunkte genug gegeben finden, Abramidopsis Leuckartii von Abramis Brama und Blicca Björkna zu unterschei - den, mit denen dieser Fisch häufig von den Fischern verwechselt wird.
Der Körper von A. Leuckartii ist ziemlich in die Länge gestreckt, die Schnauze erscheint zwar abgestumpft aber durchaus nicht geschwollen. Das Auge dieses Fisches kann im Vergleich mit den Augen anderer Abramiden als klein bezeichnet werden. Die Brustflossen erreichen zurückgeschlagen nicht die Basis der Bauchflossen. Die untere Spitze des Gabelschwanzes ist kaum länger als die obere Spitze.
Schlundknochen.
Die Schlundknochen kommen in den Um - rissen der Knochen und in der Form und Stel - lung der Zähne mit den Schlundknochen von Abramis Vimba ziemlich überein. Ich kann es nicht unterlassen, besonders darauf auf - merksam zu machen, dass die beiden vor - deren Fortsätze der Schlundknochen von A. Leuckartii von ihrer Basis aus an ihrem äusseren Rande gerade verlaufen und dem ersten Zahn gegenüber keine Spur von einer buckelförmigen Wölbung erkennen lassen. Es ist dies ein Charakter, der auch den Schlundknochen aller Abramis-Arten zukömmt.
Die Farbe dieses Fisches, der eine Länge von 7 bis 12 Zoll erreichen kann, zeigt sich auf dem Rücken grüngrau, an den Seiten und am Bauche sil - berglänzend; die paarigen Flossen, sowie die Afterflosse besitzen entweder eine einfarbig hellgraue oder schmutzig gelbe Färbung mit einem bald stär - keren bald schwächeren schwarzen Anflug, die Rücken - und Schwanzflosse sind immer schwärzlich gefärbt.
Unsere Kenntniss über die Verbreitung des A. Leuckartii war bis jetzt eine sehr beschränkte. Heckel, welcher diesen Fisch zuerst beschrieben hat, kannte denselben nur aus dem unteren Donau-Gebiete, von Selys - Longchamps wurde derselbe in der Somme und Mosel, von Nordmann im Dniester entdeckt. Die Verbreitung dieses Cyprinoiden scheint in Bayern eine ebenfalls sehr beschränkte zu sein. Ich habe denselben bis jetzt immer nur in einzelnen Exemplaren aus der Donau, theils von Regensburg, theils von136Familie: Cyprinoidei.Donauwörth erhalten, nur einmal fand ich ein Exemplar auf dem hiesigen Fischmarkte, welches in der Brenz, einem linken Seitenarme der oberen Donau, gefangen war. Auch den Seen von Oberbayern fehlt dieser Fisch nicht, wie mir einige im Kochelsee und Starenberger See gefangene Exem - plare bewiesen haben. In Bezug auf das Flussgebiet des Rheins kann ich versichern, dass A. Leuckartii nicht blos den niederrheinischen Gewässern angehört, sondern dass sich dieser Fisch auch in den Seitengewässern des Mittelrheins vorfindet, indem ich mir Exemplare davon in Bamberg aus dem Main-Gebiet verschaffen konnte und andere Exemplare aus dem Neckar - Gebiet durch Herrn Krauss von Stuttgart eingesendet erhalten habe. Auf dem Magdeburger und Berliner Fischmarkte gelang es mir, bei dem Durch - suchen der Vorräthe von Rothaugen und Plötzen, einzelne grössere und klei - nere Exemplare des A. Leuckartii herauszufinden. In dem zoologischen Cabinete zu Greifswald sah ich mehrere Exemplare dieses Fisches, welche in dem Bodden, der weiten Mündung des Ryckflusses, gefangen waren. Sehr grosse, im Frischen Haffe herangewachsene Individuen dieses Fisches wurden mir zu Tolkemit von Fischern als sogenannte » Leiter « übergeben. Hiernach ist also das Vorkommen des A. Leuckartii auch für das Gebiet der Elbe, Oder und Weichsel festgestellt.
Während der Laichzeit dieses Fisches, welche nach meinen Beobach - tungen Ende April beginnt, kömmt auch bei den Milchnern dieses Abramiden ein Hautausschlag zum Vorschein, der aus sehr kleinen runden, in der Mitte conisch erhabenen Scheibchen von weisslicher Farbe besteht. Dergleichen Scheibchen stehen vereinzelt auf dem Scheitel und dem Kiemendeckel - Apparat, auch bemerkte ich auf dem Spiegel der Schuppen vom Kopf bis zum Schwanze und vom Rücken bis unterhalb der Seitenlinie ein solches Scheib - chen, selten zwei bis drei Scheibchen hervorgewachsen. Aehnliche Scheib - chen halten auf der inneren Fläche der Brustflossen in einfachen aber dichten Reihen die Flossenstrahlen besetzt.
Da bei der Charakterisirung der Cyprinoiden von den Ichthyologen nicht immer die gleichen Unterscheidungsmerkmale berücksichtigt worden waren, so hielt es schwer, A. Leuckartii, welche Fisch-Art mit anderen Cyprinoiden so leicht verwechselt werden kann, unter den bisherigen Beschreibungen der Karpfenformen herauszufinden. Von Heckel, der diesen Fisch zuerst in das System einführte, wurde bei diesem Cyprinoiden das Fehlen der Rücken - furche gänzlich übersehen, wie ich mich an den im Wiener Cabinete aufbe - wahrten und von Heckel selbst etiquettirten Exemplaren habe überzeugen können. Valenciennes ist bei der Beschreibung dieses Fisches Heckel ge - folgt, hat aber daneben noch einen Leuciscus Buggenhagii (a. a. O.) beschrie - ben, den er als eine Blicca aus der Somme erhalten hatte, und in welchem ich A. Leuckartii um so mehr erkännt habe, als Valenciennes ausdrücklich137Gattung: Abramidopsis.hervorgehoben, dass er an dem einen von ihm untersuchten Exemplare sechs Schlundzähne beobachtet habe1)Vergl. Valenciennes a. a. O. pag. 54, wo es heisst: » Cest que l’individu que j’ai sous les yeux a six dents pharyngiennes «. . Wenn Valenciennes den Abramis Heckelii von Selys-Longchamps als eine Varietät seines Leuciscus Buggenhagii betrachtet2)Ebenda pag. 56., so muss ich demselben in so fern beistimmen, als ich ein Exemplar dieses Abramis Heckelii, welches ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus Belgien erhalten hatte, und vier Exemplare desselben Fisches aus der Maas, welche im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrt werden, vollkommen mit Abramidopsis Leuckartii übereinstimmend fand. Zwar giebt Selys-Longchamps3)S. dessen: Faune belge (Nr. 58): pag. 216. als Gattungscharakter von Abramis eine Doppelreihe der Schlundzähne an und demnach müsste auch sein A. Heckelii eine Doppelreihe von Zähnen auf jedem Schlundknochen besitzen, da aber bei der Beschreibung dieses Fisches von Selys-Longchamps die Beschaffenheit der Schlundzähne gar nicht erwähnt worden ist und auch der mit einreihigen Schlundzähnen versehene Brach - sen als Abramis Brama neben dem mit doppelreihigen Schlundzähnen ausge - statteten Abramis Blicca von demselben Ichthyologen4)Ebenda pag. 219. aufgeführt wird, so gebe ich der Vermuthung Raum, dass Selys-Longchamps nicht bei allen von ihm als Abramiden beschriebenen Fischen die Schlundzähne untersucht hat.
Ich kann es hier übrigens nicht verschweigen, dass ich unter den 45 von mir verglichenen Exemplaren des Abramidopsis Leuckartii an dem Zahn - systeme zweier Individuen eine sehr auffallende Abweichung angetroffen habe; das eine Exemplar aus dem Frischen Haff bot nämlich die Zahnformel dar: links 1.6 und rechts 5 Zähne, während das andere im Wiener Cabinet aufbewahrte Exemplar aus der Maas die Zahnformel: links 1.5 und rechts 5 Zähne enthielt. Auf die Bedeutung dieser abweichenden Zahnformeln werde ich bei der Besprechung der Gattung Bliccopsis zurückkommen. Hier will ich nur vorweg bemerken, dass, obschon ich, dem Beispiele anderer Ichthyolo - gen folgend, Heckel’s A. Leuckartii als besondere Art angenommen, ja sogar zu einer besonderen Gattung erhoben habe, in mir Zweifel aufgestiegen sind, ob dieser Fisch die ihm zugestandene Artberechtigung wirklich verdient. Je mehr Individuen dieses A. Leuckartii aus den verschiedensten Gegenden von Mitteleuropa durch meine Hände gegangen sind, um desto mehr will es mir scheinen, dass diese Cyprinoiden-Form nichts anderes ist, als eine von einem Abramis und einem Leuciscus erzeugte Bastardbildung.
Gattungscharakter: Schlundzähne in zwei Reihen zu 2, selten zu 3 und zu 5 stehend, die Zahnkronen der inneren Reihe mit schräg abgeschliffenen schmalen und einfach gefurchten Kauflächen und mit einem Kerb vor ihrer Spitze; die Rük - kenflosse von oben nach hinten in einem sehr spitzen Win - kel steil abgestutzt, ihre Basis kurz; die Afterflosse mit langer Basis; die Schwanzflosse tief gabelförmig ausge - schnitten, die untere Spitze derselben länger als die obere; die Schuppen stehen auf dem Vorderrücken gescheitelt und lassen eine schuppenlose Längsfurche als Mittellinie zwischen sich; der Bauch von der Basis der Bauchflossen bis zur Aftergrube eine scharfe Kante bildend, zwischen welcher eine schuppenlose Furche verborgen liegt.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 202. Taf. 34. Meckel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 3, Descr. spec. pag. 20. n. 9, Syn. nom. pisc. pag. 13. n. 27.
Linné Nr. 2: pag. 532. n. 29. Cyprinus Björkna.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 65. Taf. 10. Cyprinus Blicca, Güster.
Schrank Nr. 23 a: pag. 329. n. 307. Güster.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 233. Cyprinus Blicca, Blick.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 18. Cyprinus Blicca, Güster.
Bujack Nr. 97: pag. 336. Cyprinus Blicca, Blicke.
Agassiz Nr. 7: pag. 39 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 81. Abramis Blicca, Abramis mi - cropteryx und Abramis erythropterus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 218. Abramis Blicca, Bordelière.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 31. 44 u. 58. Leuciscus Blicca, Cyprinus bjoerna, Abramis micropteryx, Abramis erythropterus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 389. Abramis Blicca.
Günther Nr. 47: pag. 93. Abramis Blicca.
Leiblein Nr. 51: pag. 124. Abramis Blicca.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 120. Fig. 62 u. 63. Blicca argyroleuca, Zobelpleinze, pag. 123. Fig. 64. Blicca laskyr.
Fritsch Nr. 75: pag. 201. Blicca argyroleuca.
Artcharakter: Mund halb unterständig, Schnauze stumpf; Körper seitlich sehr zusammengedrückt und hoch; Afterflosse mit139Gattung: Blicca.19 bis 23 weichen, zertheilten Strahlen beginnt unter dem Ende der Rückenflosse1)Vergl. Heckel: Die Fische Syriens. pag. 1007. Taf. I. Blicca argyroleuca, Greifzähne.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 19 — 23, C. 19, Squ. 9 — 10 / 45 — 48 / 5 — 6.
Die Blicca Björkna, welche nur eine Grösse von 8 bis 12 Zoll erreicht, sieht in ihrer Körperform dem Abramis Brama sehr ähnlich, daher in vielen Gegenden Mitteleuropa’s dieser Fisch keinen besonderen Namen führt, indem derselbe für einen noch nicht ausgewachsenen Brachsen gehalten und als » junger Brachsen « oder » Halbbrachsen « bezeichnet wird; es führen zwar Schrank, Perty, Koch, Fürnrohr und andere in ihren verschiedenen Faunen Blicca Björkna unter dem Namen » Güster « auf, allein dieser norddeutsche, von Bloch entlehnte Name ist hier in Süddeutschland gänzlich unbekannt. Die Bezeichnung » Frauenfisch «, welche Schrank (a. a. O.) ausserdem noch für diesen Fisch hervorhebt, beruht jedenfalls auf einer Verwechslung. Ebenso ist der von Bujack (a. a. O.) für die preussische Güster aufgeführte Name » Blicke « unrichtig dem Klein (Nr. 93: V. pag. 62) nachgeschrieben, schon Bock (Nr. 95: IV. pag. 683) hat es hervorgehoben, dass der Name » Blicke « in Preussen niemals gehört werde, was ich bestätigen kann. Bock (a. a. O. pag. 681) beschreibt die Blicca ganz richtig unter dem schon von Wulff (Nr. 94: pag. 50. n. 67) gekannten Volksnamen » Gieben «, den auch ich bei meinem letzten Aufenthalt in Preussen aus dem Munde einiger Fischer ver - nommen habe.
Die kürzere Afterflosse und die verhältnissmässig grösseren Augen des Halbbrachsen verrathen auf den ersten Blick, dass dieser Fisch nicht blos als ein junger Brachsen anzusehen ist, sondern zu einer besonderen Abramiden — Form gerechnet werden muss. Der Körper des Halbbrachsen ist sehr stark seitlich zusammengedrückt, variirt aber in der Höhe des Rückens, indem bei manchen Individuen die Rückenkante unmittelbar hinter dem Scheitel durch ihre plötzliche Erhebung einen Absatz gegen die von der mässig gewölbten Schnauze fast geradlinig aufsteigende Stirne bildet, während bei anderen das Stirnprofil ohne Absatz in den nur wenig gewölbten Rücken übergeht.
Auch in der Färbung lässt sich ein constanter Unterschied zwischen dem Halbbrachsen und dem gemeinen Brachsen auffinden. Der Rücken des er - steren ist mehr bräunlich, der des letzteren mehr bläulich gefärbt, wobei die Seiten des Halbbrachsen um vieles silberglänzender erscheinen als die des gemeinen Brachsen. Ferner besitzen die Afterflosse und die paarigen Flossen des Halbbrachsen, welche wie alle seine übrigen Flossen, dunkelgrau gefärbt sind, eine röthliche Basis, und zeichnet sich sehr häufig die Afterflosse noch durch eine schwarze Färbung aus, welche theils die vordere Spitze derselben140Familie: Cyprinoidei.isolirt einnimmt, theils von da sich an dem Unterrande bis gegen die Mitte der Afterflosse hinzieht. Es ist mir bisher an den verschiedenen colorirten Abbildungen der Blicca Björkna, welche ich habe vergleichen können, diese schwarze Färbung der vorderen Spitze der Afterflosse nicht aufgefallen, nur auf der Abbildung, welche Baldner für sein Manuscript hat besorgen lassen, ist jener schwarze Fleck an der Afterflosse zu erkennen, und ich möchte fast vermuthen, dass der Name » Mackel «, womit am Rhein und Main der Halb - brachsen bezeichnet wird, sich auf diesen schwarzen Flossenfleck desselben bezieht. Zuweilen verbreitet sich die rothe Färbung der paarigen Flossen so stark über die ganze Fläche der Flossen aus, dass diese fast ganz roth er - scheinen.
Sehr charakteristisch zeichnen sich die Schlundknochen des Halbbrach - sen aus; dieselben besitzen einen um vieles gedrungeneren Knochenbau als die der übrigen Abramiden; ihr vorderer Fortsatz ist kurz und an der äusse -
Schlundknochen (nach Heckel und Kner).
ren Seite dem vordersten unthätigen Zahne gegenüber stark angeschwollen. Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass mir Halbbrachsen vorgekommen sind, welche auf den Schlundknochen nicht 2 sondern 3 kleine Zähne vor der Hauptzahn - reihe trugen, so dass also die Zahnformel: 3.5 — 5.3, welche Heckel der Gattung Blicca mit 2.5 — 5.2 Zähnen gegenüber für die Gattung Bliccopsis festgestellt hat, sich nicht als zuverlässig erweist.
Der Halbbrachsen, welcher im Juni an seichten, mit Wasserpflanzen be - wachsenen Stellen in grossen Gesellschaften beisammen sein Laichgeschäft verrichtet, ist ein in allen Flussgebieten Mitteleuropa’s sehr verbreiteter gemeiner Fisch, er bewohnt sowohl Flüsse wie Seen und findet sich da - her ausser in der Donau und in deren Nebenflüssen auch in den verschie - denen Seen Südbayerns mit Ausnahme der eigentlichen Alpenseen nicht sel - ten vor. Auch im Rhein und Main wird derselbe häufig gefangen. Ueber das Vorkommen des Halbbrachsen im Bodensee schweigen alle Faunisten. Hart - mann (a. a. O. pag, 234) sagt sogar ausdrücklich, dass Blicca Björkna im Bo - densee fehle, da ich mich aber selbst bei meinem Aufenthalte in Constanz von dem Vorhandensein dieses Fisches im Bodensee überzeugt habe, so ver - muthe ich, dass man bisher unter dem Namen » Blicken « auch die Halbbrach - sen des Bodensees als junge Brachsen mit inbegriffen hat, und ich nehme da - her keinen Anstand, den von Mangolt (Nr. 33: pag. 21) abgebildeten » Blick «, der ein junger Brachsen sein soll, für Blicca Björkna zu erklären.
Die Fortpflanzungsfähigkeit stellt sich bei den Halbbrachsen ziemlich141Gattung: Blicca.früh ein; ich sah unter denselben 5 Zoll lange Milchner und Rogener, deren Geschlechtsthätigkeit in vollem Gange war. Männchen und Weibchen erhalten während der Laichzeit durch Anhäufung von schwarzkörnigem Pigment ein dunkleres Ansehen auf dem Rücken, die schwarze Pigmentirung zieht sich an den Seiten des Leibes bis fast zur Bauchkante herab und macht so den Silberglanz matter. Zugleich tritt auch an den Flossen eine intensivere Fär - bung auf; die Brust - und Bauchflossen erscheinen auf der ganzen Fläche und die Afterflosse an der Basis tief orangenroth gefärbt, sogar an der Rük - ken - und Schwanz-Flosse schimmert durch die schwärzliche Pigmentirung der Grund röthlich hindurch. Bei den männlichen Individuen sind ausserdem noch die Rückenschuppen an ihrem Hinterrande mit äusserst kleinen, sehr schwer erkennbaren Hautkörnern besetzt, dieselben lassen sich mit Mühe auch auf dem Kiemendeckel-Apparat und auf der inneren Seite der vorderen Strahlen des Brustflossen-Paares wahrnehmen.
Eine Vergleichung des Abramis micropteryx und Abramis erythropterus, welche mir durch Coulon’s gefällige Zusendung von Originalexemplaren die - ser durch Agassiz als neu aufgestellten Abramis-Arten gestattet war, hat mich zu der Ueberzeugung gebracht, dass diese Abramiden nur Varietäten der Blicca Björkna sind, deren Schlundknochen und Zahnsysteme (2.5 — 5.2) voll - kommen mit denen der genannten Blicca übereinstimmten. Auch die von Güldenstaedt1)Vergl. Pallas: Zoographia rosso-asiatica. III. pag. 326. zuerst als Cyprinus Laskyr beschriebene und später von Heckel und Kner als Blicca Laskyr festgehaltene Fischspecies glaube ich ein - gehen lassen zu müssen, nachdem Nordmann2)S. dessen: Observations sur la Faune pontique a. a. O. pag. 504. Tab. 22. Fig. 1. Abramis Laskyr. diesen Fisch in grosser An - zahl aus den dem Schwarzen Meere zufliessenden Flüssen zu vergleichen Ge - legenheit hatte, und darin nichts als eine Varietät der Blicca Björkna mit sehr entwickelten Flossen hat erkennen können. Eine mit den beiden von Nordmann an das Wiener Naturalien-Cabinet übersendeten Exemplaren des Laskyr vorgenommene Prüfung hat mich zu demselben Resultate geführt. Dass ich dem von Artedi und Linné zuerst eingeführten systematischen Species-Namen Björkna den übrigen Artbezeichnungen des Halbbrachsen den Vorzug gegeben habe, hierin glaubte ich den neueren schwedischen Ich - thyologen3)Vergl. Ekström: Die Fische in den Scheeren von Mörkö. 1835. pag. 44, Nilsson: Prodromus Ichthyologiae skandinavicae, 1832. pag. 31 u. dessen: Skandinavisk Fauna IV. 1855. pag. 328, ferner: Skandinaviens Fiskar a. a. O. Tab. 12. latein. Text pag. 36. folgen zu müssen, welche sämmtlich eingestehen, dass Artedi unter Björkna nichts anderes als den Cyprinus Blicca verstanden habe, bei dessen Beschreibung Bloch (a. a. O. pag. 68) selbst die Frage aufgeworfen hat: » sollte wohl der Björkna des Artedi und Linné unsere Güster sein? « Da Bloch ausdrücklich die Entscheidung dieser Frage den schwedischen142Familie: Cyprinoidei.Naturforschern überlassen hat, so wird der Herstellung des älteren Namen Björkna nichts im Wege stehen. Jeder Unbefangene wird zugleich Ekström’s Vermuthung (a. a. O. pag. 49) beistimmen, dass Linné die von Artedi für den Björkna aufgestellte Diagnose: » pinna ani ossiculorum 25 « wahrscheinlich durch einen Schreibfehler in 35 umgewandelt und auf diese Weise zu Verwechs - lungen Veranlassung gegeben hat, welche selbst die erfahrensten Fischer zu vermeiden nicht im Stande waren.
Gattungscharakter: Schlundzähne in zwei Reihen zu 2 oder 3 und zu 5 stehend, die mehrmals schwach gekerbten Zahn-Kro - nen der inneren Reihe mit schräg abgeschliffenen schmalen und einfach gefurchten Kauflächen; die Rückenflosse von oben nach hinten in einem spitzen Winkel abgestutzt, ihre Basis kurz; die Afterflosse mit mässig langer Basis; die gabelförmige Schwanzflosse fast gleichlappig; die Schup - pen decken die Mittellinie des Vorderrückens gleichmässig dachziegelförmig. Der Bauch von der Basis der Bauch - flossen gegen die Aftergrube hin eine scharfe, mit Schup - pen bedeckte Kante bildend.
Syn. u. Citate.
Holandre Nr. 56 b: pag. 246. Abramis abramo-rutilus, Brême rosse.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 216. Abramis Buggenhagii.
Schaefer Nr. 59: pag. 315. Bliccopsis abramo-rutilus.
Artcharakter: Mund endständig und schief nach aufwärts ge - richtet, Schnauze sehr abgestumpft; Körper hoch und mässig seitlich zusammengedrückt; die Afterflosse ent - hält 14 bis 16 weiche, zertheilte Strahlen und beginnt dicht unter dem Ende der Rückenflosse; 8 Längs-Schuppenreihen oberhalb und 4 Längs-Schuppenreihen unterhalb der Seitenlinie.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 14 — 16, C. 19. Squ. 8 / 41 — 46 / 4.
Um das System nicht unnütz mit neuen Namen zu belasten, habe ich den von Heckel aufgestellten Gattungsnamen Bliccopsis beibehalten, ich musste aber die Charaktere dieser Gattung umändern, weil die von Heckel für diese Abramiden-Gattung angenommenen Charaktere auf Bliccopsis abramo - rutilus gar nicht gepasst haben würden. Da Heckel selbst, wie mir Herr Kner brieflich mitgetheilt hat, diese Art, welche das kaiserliche Museum in Wien aus Belgien besitzt, mit eigener Hand als Bliccopsis abramo-rutilus eti - quettirt hat, nahm ich um so weniger Anstand, dieselben Namen beizube - halten1)Obgleich der Name abramo-rutilus unrichtig gebildet ist, wollte ich doch nichts an demselben ändern, weil er einem Fische gegeben ist, dessen Selbstständigkeit überhaupt in Frage gestellt werden muss., muss aber vor Allem bemerken, dass ich nicht die von Heckel2)Vergl. dessen: Fische Syriens. pag. 1032 u. 1007. Taf. I. Bliccopsis Buggenhagii, Greifzähne. für Bliccopsis angegebene Zahnformel 3.5 — 5.3 festhalten konnte, indem ich unter 23 von mir untersuchten Exemplaren des B. abramo-rutilus nur fünfmal auf beiden Schlundknochen zugleich 3 Zähne als äussere Reihe vorfand, dagegen viermal links 2 und rechts 3 äussere Zähne, dreimal links und rechts 2 äussere Zähne und sechsmal links 3 und rechts 2 äussere Zähne zählte. Andere Ab - weichungen in der Zahl der Zähne waren durch Abbrechen einzelner Zähne zu Stande gekommen.
Es verhält sich übrigens B. abramo-rutilus zu Blicca wie Abramidopsis zu Abramis, auch der Gattung Bliccopsis fehlt die für Blicca so charakteristische Vorderrücken-Nath, und in dieser Beziehung wäre der von Bloch zuerst be - schriebene Cyprinus Buggenhagii kein Bliccopsis, da Kner an diesem Abramiden eine Vorderrücken-Nath beobachtet hat3)Vergl. Heckel und Kner: Süsswasserfische der östreich. Monarchie. pag. 124. An - merkung., sondern vielmehr eine Blicca.
144Familie: Cyprinoidei.Dass übrigens die 23 Exemplare, auf die ich die folgende Beschreibung des B. abramo-rutilus gründe, mit dem Abramis abramo-rutilus des Holandre identisch sind, das glaube ich deshalb versichern zu können, weil drei der - selben von Herrn Kner mit dem B. abramo-rutilus in Wien verglichen worden sind und ein viertes Exemplar mir unter diesem Namen von Herrn Selys - Longchamps aus Belgien übersendet worden ist, welche sämmtlich unterein - ander übereinstimmten.
Der Totalhabitus des B. abramo-rutilus erinnert an einen hochrückigen Leuciscus rutilus oder an einen Scardinius erythrophthalmus; es wird derselbe auch in der That von den hiesigen Fischhändlern in Gemeinschaft mit diesem Leuciscus als Rothauge oder Rothfeder verkauft. Seine Schnauze ist ange - schwollen, ragt aber nicht über die Mundspalte hinaus, sein Auge ist grösser als das der Rothaugen und Rothfedern; die Schuppen sind mittelgross, ober - halb der Seitenlinien können 8 Längs-Schuppenreihen und unterhalb der - selben 4 Längs-Schuppenreihen gezählt werden.
Dieser Fisch, der nach meinen Beobachtungen die Länge von 7 bis 10 Zoll erreicht, besitzt einen olivengrünen, etwas abgerundeten Rücken und messinggelbe glänzende Seiten. Seine Afterflosse, seine Brust - und Bauch - flossen sind dunkelgrau, wie die übrigen Flossen gefärbt, zeigen aber ausser - dem an ihrer Basis eine röthliche Färbung, zuweilen erscheint das Bauch - flossen-Paar einfach roth und die dunkle Schwanzflosse auf ihrem Grunde geröthet. Die Schlundknochen desselben, obgleich sie die Zähne nach der
Schlundknochen.
Zahnformel der Blicca Björkna tragen, sind von den Schlundknochen dieses Abra - miden sehr verschieden gebildet; sie er - scheinen dem ganzen Knochenbaue nach schwächer und schlanker, ihr vorderer Fort - satz ist mehr in die Länge gestreckt und besitzt, dem vordersten Zahne gegenüber, eine weniger auffallende Verdickung, während der hintere Fortsatz stärker umgebogen erscheint. Aber auch die Zähne sind wesentlich verschieden von denen der Blicca, indem ihre schräg abgestutzten Kronen mehrmals schwach aber deutlich gezähnt erscheinen, was bei Blicca niemals der Fall ist.
Die Laichzeit dieses Fisches scheint mit dem Ende des Aprils zu be - ginnen, denn um diese Zeit bemerkte ich an einem männlichen Individuum einen in der Entwicklung begriffenen Hautausschlag, der in Form von winzig kleinen, halbkugelförmigen weissen Knötchen vereinzelt den Scheitel ein - nahm und in einfachen aber dichten Reihen auf der inneren Fläche der Brustflossen die Strahlen besetzt hielt.
Es gehört dieser Abramide in Bayern zu den Seltenheiten, bis jetzt er - hielt ich immer nur einzelne Exemplare aus der Donau von Donauwörth, aus145Gattung: Bliccopsis.der Würm von Dachau, aus der Amper und aus dem Chiemsee. Dieser Fisch ist aber noch weiter nach Osten verbreitet, da ich denselben auch einmal auf dem Salzburger Fischmarkte aus dem Wallersee angetroffen habe. Nach einem Exemplare, welches ich von Basel aus dem Rhein erhalten habe, zeigt es sich, dass die Verbreitung dieses Fisches sich bis zu dem Mittelrhein hinaufer - streckt und nicht bloss zufolge der Beobachtungen von Holandre, Selys - Longchamps und Schaefer auf den Niederrhein, auf die Mosel und Maas be - schränkt ist. Aber auch in den Flussgebieten der Weser, Elbe, Oder und Weichsel fehlt diese Fischform nicht, wie ich mich auf meiner im Jahre 1860 und 1861 durch Norddeutschland unternommenen ichthyologischen Reise überzeugt habe. Zu meiner grössten Ueberraschung wurde mir auch dieser Fisch theils als Bastard, theils als » Leiter « bezeichnet, so dass ich auf diese Weise den seit lange gesuchten » Leitfisch « des Buggenhagen sogar in zwei ver - schiedenen Formen als Abramidopsis Leuckartii und als Bliccopsis abramo - rutilus in die Hände bekam. Diese Gelegenheit liess ich daher nicht unge - nützt, um endlich einmal über die Existenz und Verbreitung des von so vielen Ichthyologen besprochenen und stets zweifelhaft gelassenen Cyprinus Buggen - hagii des Bloch nähere Auskunft zu erhalten. Bloch wurde bekanntlich die - ser Fisch unter dem Namen » Leiter « durch Herrn v. Buggenhagen aus Pom - mern zugesendet; leider hat Bloch in seiner Naturgeschichte der Fische Deutschlands (Th. III. pag. 137) diesen Fisch unvollständig beschrieben und auf Tafel 95 noch unkenntlicher abgebildet.
Da von Bloch die Beschaffenheit der Schlundknochen und Schlundzähne des Leiters ganz unbeachtet geblieben sind, so hat es derselbe den späteren Ichthyologen unmöglich gemacht, darüber zu entscheiden, ob dieser Fisch den Abramiden mit einreihigen oder den Abramiden mit zweireihigen Schlundzähnen angehöre. Jedenfalls wird der Leiter zu den Abramiden mit mässig langer Afterflosse gerechnet werden müssen, da von Bloch ausdrücklich angegeben worden ist, dass der Leiter in seiner Afterflosse nur 19 Strahlen enthalte. Nachdem später zwei andere Abramiden bekannt geworden sind, nämlich Abramidopsis Leuckartii und Bliccopsis abramo-rutilus, welche sich, wie Cypri - nus Buggenhagii, durch eine kürzere Afterflosse auszeichnen, so frägt es sich, ob nicht der Leitfisch des Bloch mit einem der genannten Abramiden identisch sei. Um mir hierüber Aufschluss zu verschaffen, habe ich in Berlin die ich - thyologische Sammlung des dortigen zoologischen Cabinets, welches die Original-Exemplare der Bloch’schen Fischsammlung enthält, gemustert und mit Erlaubniss des Directors jenes Cabinets, des Herrn Professor Peters das dortselbst aufbewahrte Original-Exemplar von Cyprinus Buggenhagii einer genaueren Untersuchung unterworfen. Es war das einzige vorhandene Exem - plar des Leiters 8 Zoll lang und sehr ausgebleicht, die Schwanzflosse erschien sehr beschädigt und abgestossen, auch fehlten auf beiden Seiten des Körpersv. Siebold, Fische. 10146Familie: Cyprinoidei.dieses Fisches sehr viele Schuppen, dennoch überzeugte ich mich, dass auf dem Vorderrücken desselben die für die Gattung Abramis und Blicca so cha - rakteristische schuppenlose Nath nicht vorhanden war, ferner erkannte ich oberhalb der Seitenlinie 10 Schuppenreihen und unterhalb derselben 5 Schup - penreihen; wegen der vielen fehlenden Schuppen konnte ich bei der Zählung der Schuppen der Seitenlinie nur approximativ die Zahl 46 herausbringen. Die Rückenflosse war bei demselben Abramiden steil zugespitzt und enthielt 9 weiche zersplitterte Strahlen, während ich in der Afterflosse 14 solche weiche, zer - splitterte Strahlen auffand. Das Maul war fast unterständig angebracht, der Scheitel stieg in einem sanften Bogen an und gieng ohne besonderen Absatz in den mässig hohen Rücken über. Die Schlundknochen und Schlundzähne waren ganz wie bei Abramidopsis Leuckartii gebildet, der linke Schlund - knochen trug sechs, der rechte Schlundknochen fünf schräg abgeschliffene Zähne in einer Reihe geordnet. Dieser Kauapparat, sowie der Mangel einer Rückennath, die geringe Anzahl der Afterflossen-Strahlen, sowie die Anord - nung der Schuppen gaben mir die Ueberzeugung, dass Bloch’s Cyprinus Bug - genhagii, wie ich ihn vor mir hatte, mit Heckel’s Abramis Leuckartii und also mit meinem Abramidopsis Leuckartii identisch sei.
Sehr auffallend war es mir, dass Heckel, welcher vor mir dieselbe ich - thyologische Sammlung in Berlin gemustert hatte, den dort aufbewahrten Cyprinus Buggenhagii nicht als seinen Abramis Leuckartii erkannt hatte, son - dern diesen Leitfisch zu einer besonderen Gattung erhoben und als Bliccopsis Buggenhagii in seinem System der Cyprinen aufgeführt hat. Derselbe hat auch auf der Etiquette des Glasses, in welchem Bloch’s Cyprinus Buggenhagii auf - bewahrt wird, eigenhändig den Gattungsnamen » Bliccopsis « hinzugeschrieben. Offenbar muss Heckel, als er die Gattung » Bliccopsis « in seiner » Dispositio systematica familiae Cyprinorum « aufstellte, andere von ihm für Cyprinus Bug - genhagii gehaltene Cyprinen vor sich gehabt haben, nach denen er die Zahn - formel 3.5 — 5.3 für Bliccopsis feststellte und sogar abbildete1)Vergl. dessen: Fische Syriens. a. a. O. pag. 1007. Taf. I. Bliccopsis Buggenhagii, Greifzähne.. Ich habe schon vorhin darauf aufmerksam gemacht, dass die von Heckel aufgestellten Gattungscharaktere für Bliccopsis nicht stichhaltig sind; indem Heckel von Bliccopsis sagt2)Ebenda: pag. 1032.: » Dentes prehensiles 3.5 — 5.3, in reliquis cum genere Blicca congruit «, kömmt man leicht in die Lage, Individuen der Blicca Björkna für Bliccopsis erklären zu müssen, da es Blicken giebt, welche, statt der Zahn - formel 2.5 — 5.2, genau die Zahnformel von Heckel’s Bliccopsis an sich tragen. Sollte Heckel bei seiner Anwesenheit in Berlin vielleicht noch andere Indivi - duen von Cyprinus Buggenhagii vorgefunden haben, von welchen er seine Be -147Gattung: Bliccopsis.schreibung entnommen und welche wirklich doppelte Zahnreihen auf den Schlundknochen besassen? Jedenfalls ist das jetzt noch im Berliner Cabinet vorhandene Exemplar von Cyprinus Buggenhagii nicht das Original zu der von Bloch gelieferten Abbildung des Leiters, namentlich fehlt an demselben die Einschnürung dicht hinter der Schnauze, welche die Abbildung in so auf - fallender Weise erkennen lässt.
Da Heckel Bliccopsis abramo-rutilus kannte, und ein im Wiener Cabinete aus Belgien stammendes Exemplar dieses Abramiden mit eigener Hand als » abramo-rutilus « bezeichnet hat, so kann man nicht annehmen, obgleich der Gedanke nahe liegt, dass Heckel an dem mit doppelreihigen Zähnen ausge - statteten Cyprinus Buggenhagii die Identität mit Bliccopsis abramo-rutilus übersehen haben sollte. Unter diesen Verhältnissen bleibt es also zweifelhaft, was Heckel unter Bliccopsis Buggenhagii verstanden wissen will. Kner hätte dies Räthsel lösen können, indem derselbe in der Bukowina zwei Exemplare eines Abramiden sammelte, welche Bloch’s Cyprinus Buggenhagii nach Heckel’s Angaben entsprachen1)Vergl. die Süsswasserfische der östreich. Monarchie. pag. 125. Anmerk.; leider sind diese Fische zu Grunde gegangen, jedoch hatte sich Kner über ihre Beschaffenheit soviel aufgemerkt, dass er von ihnen bestimmt sagen konnte, sie hatten eine Rückennath wie bei Abramis, welches Merkmal bei dem Wiener Exemplar von Bliccopsis abramo-rutilus, das ich selbst in den Händen gehabt habe, bestimmt fehlt.
Nachdem mir das zoologische Cabinet zu Berlin eine so ungenügende Aus - kunft über Bloch’s Cypr. Buggenhagii gewährt hatte, begab ich mich nach Greifswald, indem ich in dem dortigen zoologischen Cabinete ebenfalls Exem - plare des Bloch’schen Leiters aufbewahrt zu finden hoffte, auf welche ich durch folgende Notiz des Dr. Schilling aufmerksam gemacht worden war. Schilling war nämlich am zoologischen Museum der Universität zu Greifs - wald angestellt, und hatte zwanzig Jahre lang vergebens nach dem in Pom - mern entdeckten Cypr. Buggenhagii gesucht, bis er in den dreissiger Jahren einige Exemplare des Leiters in seine Hände bekam2)Vergl. dessen: Hand - und Lehrbuch für angehende Naturforscher und Naturalien - sammler. Bd. I. 1859. pag. 289.. Bei der Musterung der Greifswalder ichthyologischen Sammlung, welche mir von dem Vorstande des Cabinets, Herrn Münter mit grösster Bereitwilligkeit gestattet wurde, fand ich mehrere Exemplare von Abramidopsis Leuckartii und Bliccopsis abramo - rutilus vor, theils getrocknet, theils in Weingeist aufbewahrt. Die Exemplare des ersteren Abramiden waren als Abramis Leuckartii etiquettirt, zeigten sich aber in dem Accessionskataloge unterm December 1836 und unterm Februar 1837 als Cypr. Buggenhagii eingetragen. Diejenigen Abramiden aber, welche ich als Bliccopsis abramo-rutilus erkannt hatte, und welche bei Eldena im10*148Familie: Cyprinoidei.Ryckfluss gefangen waren, sind von Hornschuch und Schillincg als Leuciscus Hyldensis bezeichnet worden. Ich traf also zum zweiten Mal Abramidopsis Leuckartii unter der Bezeichnung » Cypr. Buggenhagii an, und halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass dieser Abramide wirklich Bloch’s Cypr. Bug - genhagii ist, welcher aber nicht bloss in Pommern, sondern auch in Ost - preussen unter dem Namen » Leiter « oder » Leitfisch « bekannt ist. Bei meinem Besuche der Orte Frauenburg und Tolkemit am Frischen Haff erfuhr ich von den dortigen Fischern, dass sie Leitfische nur in Gesellschaft von Brachsen fangen, deren Züge von jenen Fischen wie von Anführern gleichsam geleitet werden. Ich erhielt acht solche, bei Tolkemit im Haff gefangene Leitfische, in welchen ich wieder nichts anderes erkannte als Abramidopsis Leuckartii, nur ein Individuum stellte sich als Bliccopsis abramo-rutilus heraus1)Ich muss hier bemerken, dass die Fischer am Frischen Haff alle Fische von ab - weichender Form und fremdartigem Aussehen, welche sich bei ihren Fischzügen zwischen den gefangenen Brachsen vorfinden, als sogenannte glückbringende Leitfische bezeichnen, denn ausser den oben erwähnten Abramidopsis - und Bliccopsis-Formen wurden mir von den Fischern aus Frauenburg und Tolkemit verschiedene im Frischen Haff gefangene Brach - sen unter dem Namen » Leitfische « eingesendet, von denen der eine ein ganz verkrümmtes Rückgrat besass und ein anderer durch eine sehr unvollkommen entwickelte nur auf wenige Strahlen reducirte Afterflosse besonders auffiel. Auch Schonevelde (Nr. 81: pag. 33) er - zählt, dass die Fischer an der Schley Brachsen mit verkrüppeltem Schwanze (caudam in - curvatam vel sinuatam gerentes, ac si ea bis fracta esset) Leitbrassem nennen. Einen solchen Krüppel mit verdrehtem Schwanze hat Klein (Nr. 93. V. pag. 62. Tab. 13. Fig. 1) als Leit - brassem abgebildet., so dass ich hiernach schliessen muss, dass auch in die Sammlung Bloch’s zweierlei Cyprinen-Formen als pommersche Leiter gekommen waren, welche Bloch unter dem gemeinschaftlichen Namen Cypr. Buggenhagii beschrieben hat. Heckel hat wahrscheinlich nach einem Leiter mit doppelten Schlundzahn - Reihen die Gattung Bliccopsis aufgestellt, welcher Umstand mich zweifelhaft macht, ob der alte Bloch’sche Artname Buggenhagii beizubehalten sei. Auch auf den Fischmärkten zu Berlin, Dresden und Magdeburg traf ich einzelne Exemplare von Abramidopsis Leuckartii und Bliccopsis abramo-rutilus aus dem Elbe - und Oder-Gebiet an; sie wurden aber dort für Bastarde gehalten und mit keinem besonderen Namen bezeichnet. Dass Bliccopsis abramo-rutilus auch dem Weser-Gebiet nicht fremd ist, davon überzeugten mich zwei Exem - plare, welche unter dem Namen: Cypr. Buggenhagii aus der Göttinger Um - gegend stammend, auf dem zoologischen Cabinete zu Göttingen aufbewahrt werden, ferner zwei andere Exemplare, welche Blasius aus der Ocker bei Braunschweig eingesammelt und an Heckel eingesendet hatte; von letzterem wurden sie unter dem Namen Abramis Blasii im Wiener Naturalien-Cabinete aufgestellt.
Aus den oben mitgetheilten Erfahrungen, welche ich bei meinen Ver - suchen, den echten Cypr. Buggenhagii aufzufinden, gemacht habe, geht her -149Gattung: Bliccopsis.vor, dass sowohl von Naturforschern wie von Fischern zwei verschiedene Fische unter dem Namen » Leiter « durcheinandergemengt worden sind. Es ist aber diese Verwechslung durch besondere Umstände veranlasst worden, über die ich hier, wie ich glaube, Auskunft zu geben im Stande bin. Bei der Be - schreibung der beiden Cyprinen: Abramidopsis Leuckartii und Bliccopsis abramo - rutilus habe ich mich an solche Individuen gehalten, welche die oben ange - gebenen Gattungs - und Art-Charaktere scharf ausgeprägt an sich trugen. Ich darf es nicht verschweigen, dass mir verschiedene Individuen dieser beiden Fische vorgekommen sind, welche in ihren äusseren Umrissen, in ihrer Be - schuppung, in der Bildung der Schlundknochen, in der Form, Zahl und An - ordnung der Schlundzähne die Mitte hielten zwischen Abramidopsis und Blic - copsis, so dass es mir schwer wurde, darüber zu entscheiden, ob ein solcher Leitfisch als Abramidopsis Leuckartii oder als Bliccopsis abramo-rutilus zu be - trachten sei (s. oben pag. 137). Ich musste zuletzt wirklich daran denken, Bastarde vor mir zu haben. Am meisten machte mich eine mehrmalige Lie - ferung von Leitfischen aus dem Chiemsee stutzig, welche mir unter dem Volksnamen » schwarzfederige Grasblecken « zugeschickt worden waren1)Am Chiemsee wird Blicca Björkna Blecke, Grastaschel oder rothfederige Grasblecke genannt, von diesem rothflossigen Abramiden unterscheiden die dortigen Fischer den in seinem äusseren Ansehen an die Blicca erinnernden Leitfisch durch die dunkle Färbung seiner paarigen Flossen.. Dem äusseren Ansehen nach schienen diese Abramiden mit verkürzter After - flosse zu Abramidopsis Leuckartii zu gehören, da sie oberhalb der Seitenlinie die Schuppen in 10 Längsreihen an sich trugen, bei näherer Untersuchung der Schlundknochen fand ich aber ganz unerwartet die Zähne mehrmals wie bei Bliccopsis abramo-rutilus zweireihig geordnet, jedoch mit so vielen Abwei - chungen, dass sich ein bestimmter Gattungs-Typus nicht herausstellte.
Unter den 13 von mir untersuchten Leitfischen des Chiemsee, welche fast durchgängig eine Länge von 10 bis 11 Zoll besassen, sah ich die Schlund - zähne in folgender Weise angeordnet:
Schlundknochen.
Bei allen diesen Schlundknochen ist trotz der an Bliccopsis erinnernden Zahnformel der Charakter der Schlundknochen von Abramidopsis vorhanden, namentlich zeigt sich an dem vorderen Fortsatze den vorde - ren Zähnen gegenüber der äussere Rand150Familie: Cyprinoidei.in seinem Verlaufe ganz gerade, während derselbe Rand an allen Schlund - knochen von Bliccopsis abramo-rutilus mit einer sanften Wölbung verläuft.
Dass diese Chiemsee-Leitfische wahrscheinlich aus der Vermischung eines Abramiden mit irgend einem anderen Cyprinoiden hervorgegangen sein mögen, vermuthe ich noch aus der besonders unregelmässigen Anordnung der Schuppen, die sich bei den meisten dieser Leitfische auf dem Vorder - rücken wahrnehmen liess; die Schuppen sind hier nämlich auf der Mittellinie des Vorderrückens zum Theil sehr klein und unvollkommen entwickelt, und zum Theil gegen die Rückenflosse hin scheitelförmig geordnet. Aber nicht bloss diese aus dem Chiemsee erhaltenen Leitfische riefen in mir den Gedanken an eine Bastardbildung hervor, auch unter den vielen Leitfischen, die ich in Norddeutschland gesammelt hatte, erweckten einzelne abweichende Formen bei mir den Verdacht, dass ich es hier mit keiner reinen Art, sondern mit einem Bastarde zu thun hätte. So fand ich auf dem Fischmarkte zu Magde - burg einen Abramiden ohne Rückennath und mit 15 weichen, zertheilten Strahlen in der Afterflosse, welchen ich nach der Zahnformel 2.5 — 5.2 und nach den oberhalb der Seitenlinie angebrachten acht Schuppen-Längsreihen für Bliccopsis abramo-rutilus hätte halten müssen, wenn derselbe nicht Schlundknochen besessen hätte, welche in ihrer Form ganz mit den Schlund - knochen von Abramidopsis Leuckartii übereinstimmten. Unter sieben im Fri - schen Haff bei Tolkemit gefangenen Leitfischen, welche nach Beschuppung, Zahnformel und Bildung der Schlundknochen vollkommen mit Abramidopsis Leuckartii übereinstimmten, stellte sich ein Individuum als Ausnahme heraus, indem seine Zahnformel 1.6 — 5 an Bliccopsis erinnerte. Unter zwei von Selys aus der Maas an das Wiener Naturalien-Cabinet übersendeten Exemplaren von Abramis Heckelii Sel., welche sich nach der Beschuppung und Schlund - knochenbildung als Abramidopsis Leuckartii zu erkennen gaben, besass das eine Individuum die Zahnformel 6 — 5, während das andere Individuum die störende Zahnformel 1.5 — 5 aufzuweisen hatte.
Aus diesen Mittheilungen geht hervor, dass bei einer solchen Wandelbar - keit und Unbeständigkeit der Hauptunterscheidungs-Merkmale die mit einer verkürzten Afterflosse ausgestatteten Abramiden, welche ohne nähere Be - schreibung der Schlundknochen und ohne Angabe der Zahnformel von den Ichthyologen als Cypr. Buggenhagii bezeichnet wurden, eigentlich kaum richtig gedeutet werden können. Daher wage ich kein Urtheil zu fällen über den mit neun oberen Längs-Schuppenreihen ausgestatteten Cypr. Buggenhagii, wel - chen Thompson1)Vergl. dessen Bemerkungen zu: The natural history of Ireland, in Proceedings of the zoological society of London. Part V. 1837. pag. 56. aus dem Flusse Lagan bei Belfast erhalten hatte, und halte es aus denselben Gründen für bedenklich, eine Entscheidung über jenen aus151Gattung: Bliccopsis.Dagenham in Essex stammenden Abramiden auszusprechen, welchen Yarrell1)S. dessen: History of british fishes. Vol. I. 1841. pag. 391. gleichfalls als einen mit eilf oberen Längs-Schuppenreihen ausgestatteten Cypr. Buggenhagii beschrieben und abgebildet hat.
Einmal auf die Möglichkeit einer Bastardbildung aufmerksam geworden, konnte ich nicht umhin, noch zwei andere 12 und 13 Zoll lange, 3 und 3¼ Zoll hohe Cyprinoiden, die ich aus dem Starenberger See erhalten hatte, als Ba - starde zu verdächtigen, indem beide mit 15 weichen, zertheilten Afterflossen - Strahlen versehen sind und eine Zahnformel, nämlich 6 — 5 nebst Zahnbil - dung wie Abramidopsis Leuckartii besitzen, aber ausserdem von diesem Abra - miden durch folgende Organisations-Verhältnisse auffallend verschieden er - scheinen. Ihr fast unterständiges Maul wird von einer sehr angeschwollenen Schnauze überwölbt, die Beschuppung verhält sich wie bei Bliccopsis, das heisst, die Schuppen stehen oberhalb der Seitenlinie in acht und unterhalb derselben in vier Längsreihen. Die Rückennath fehlt bei beiden Individuen, bei dem einen Individuum zeigen sich die Schuppen auf dem Vorderrücken sehr klein und unvollständig entwickelt und zugleich sehr unregelmässig ge - ordnet. Zwischen Bauchflossen und After ist eine von Schuppen bedeckte stumpfe Kante vorhanden. Die Rückenflosse erscheint weniger steil abge - stutzt und weniger hoch als bei den eigentlichen Abramiden, daher dieselbe zurückgelegt mit ihrem vordern Winkel den hinteren Winkel nicht überragt. Die Schlundknochen besitzen einen sehr derben Knochenbau und halten in ihrer Form die Mitte zwischen Abramidopsis und Bliccopsis. Der sehr nie - drige und zugleich sehr langgestreckte Leib trägt mit am meisten bei, diesen Fischen eine von Abramidopsis und Bliccopsis so sehr abweichende Form zu verleihen, die vielleicht durch eine Bastardirung des Abramis melanops ent - standen sein könnte.
Wenn ich diejenigen Cyprinoiden näher bezeichnen soll, welche zu den als Abramidopsis und Bliccopsis beschriebenen Bastardbildungen mit - gewirkt haben mögen, so glaube ich die Vermuthung aussprechen zu müssen, dass auf der einen Seite Abramis Brama oder Blicca Björkna und auf der anderen Seite Scardinius erythrophthalmus oder Leuciscus rutilus zu be - schuldigen sein werden, an diesen Kreuzungen Antheil genommen zu haben. Dem Einfluss der zuletzt genannten beiden Cyprinoiden hat die für Abramis und Blicca charakteristische Vorderrücken-Furche und hintere Bauch-Furche weichen müssen; durch denselben Einfluss musste die denselben Abramiden eigenthümliche vielstrahlige Afterflosse einen Theil ihrer Strahlen einbüssen, und durch denselben Einfluss musste ferner an diesen Abramiden die Rüc - kenflosse ihre steile Spitze verlieren und die untere Schwanzflossen-Spitze sich verkürzen. Auch die Zahl der Längs-Schuppenreihen wird sich unter dem Einflusse von Scardinius oder Leuciscus an den genannten Abramiden152Familie: Cyprinoidei.vermindert haben. Das Schwanken in der Form der Schlundknochen sowie die Unregelmässigkeit und Unbeständigkeit der Zahnformeln bei den verschie - denen Individuen von Abramidopsis und Bliccopsis deuten besonders darauf hin, dass diese Fische als Blendlinge von Brachsen oder Blicken und Scar - dinius oder Leuciscus aufzufassen sind. Die gedrungene Form und Verkür - zung des vorderen Fortsatzes der Schlundknochen, welche an vielen dieser Blendlinge bemerkt wird, mag von dem Einflusse des Leuciscus rutilus her - rühren. Die bei Bliccopsis sehr deutlich wahrzunehmenden Einkerbungen der Zahnkronen konnten von Scardinius erythrophthalmus hervorgerufen worden sein. Die Kreuzung zwischen Abramis und Scardinius oder zwischen Blicca und Leuciscus hatte gewiss auch die Folge, dass die einreihigen Zähne von Abramis und Leuciscus und die zweireihigen Zähne von Blicca und Scardinius sich gegenseitig in Unordnung brachten, wodurch die Feststellung einer be - stimmten Zahnformel für Abramidopsis und Bliccopsis fast eine Unmöglichkeit ist. Ich kann natürlich für die Richtigkeit aller dieser Behauptungen nicht einstehen, glaube aber diese Hinweisung auf eine Bastardbildung um so we - niger verschweigen zu dürfen, weil durch die künstliche Fischzucht die Mög - lichkeit gegeben ist, solchen Bastardbildungen näher nachzuforschen und sich darüber Gewissheit verschaffen zu können, auf welche Weise die durch Kreuzung erzeugten Blendlinge ihre Formen wechseln, je nachdem die beiden bei einer Kreuzung betheiligten reinen Fischspecies die Thätigkeit des Männ - chens oder des Weibchens übernommen haben.
Gattungscharakter: Schlundzähne in zwei Reihen zu 2 und 5 stehend und mit einem Haken an der comprimirten, tief sägeförmig gekerbten Krone endigend; der mit einem vortretenden Kinne versehene Unterkiefer greift in eine Vertiefung der Zwischenkiefer ein; die kurze Rückenflosse steht weit nach hinten über dem Anfang der langen Afterflosse; der Bauch eine scharfe Kante bildend; Schuppen mit sehr undeut - lichen Radien und leicht abfallend.
Syn. u. Citate.
Linné Nr. 2: pag. 531. n. 28. Cyprinus cultratus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 255. Taf. 37. Cyprinus cultratus, Ziege.
Schrank Nr. 23 a: pag. 333. n. 313. Cyprinus cullratus, Sichling.
153Gattung: Pelecus.Cuvier: Règne animal, nouv. édit. T. II. 1829. pag. 277. Chela cultrata.
Agassiz Nr. 7: pag. 39 u. Wiegmann’s Archiv a. a. O. pag. 81. Pelecus cultratus.
Bujack Nr. 97: pag. 339. Cyprinus cultratus, Ziege.
Creplin Nr. 90: pag. 84. Cyprinus cultratus, Ziege.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 330. Leuciscus cultratus.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 126. Fig. 65. 66. Pelecus cultratus, Sichling1)Der von Heckel und Kner zu Pelecus cultratus citirte Cyprinus clupeoides des Bloch (s. dessen Naturgeschichte der ausländischen Fische. T. IX. pag. 49. Taf. 408. Fig. 2) gehört dem indischen Meere an, was schon von Valenciennes (Nr. 5: T. XVII. pag. 342) hervor - gehoben worden ist..
Artcharakter: Mundöffnung nach oben gerichtet, Mundspalte fast senkrecht; Körper langgestreckt, sehr stark seitlich zu - sammengedrückt; Rücken geradlinig, Bauch mit convexer Schneide. Die beiden Brustflossen sehr lang, spitz und etwas säbelförmig gebogen; die Afterflosse mit 26 bis 29 weichen, getheilten Strahlen; die Seitenlinie wellenför - mig gebogen.
D. 3 / 7, P. 1 / 15, V. 2 / 7, A. 3 / 28, C. 19, Squ. 14 — 15 / 100 — 108 / 5 — 6.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Der Sichling, welcher eine Länge von 6 bis 16 Zoll erreichen kann, gehört zu den am auffallendsten gebil - deten Fischen der mitteleuropäischen Fischfauna, da - her die Berücksichtigung der erwähnten Gattungs - und Artcharaktere allein schon ausreicht, um diesen merk - würdigen Cyprinoiden, der seinem Habitus, seiner Be - schuppung und Färbung nach den Alburnen angehört, auf den ersten Blick zu erkennen; ich halte deshalb eine specielle Beschreibung dieses Fisches für überflüssig.
Die geographische Verbreitung des Sichling ist in so fern eine eigen - thümliche, indem derselbe sowohl salziges wie süsses Wasser zu seinem Ausenthalte auswählt. Er bewohnt in grosser Anzahl das schwarze Meer und steigt von dort aus die Flüsse hinauf, auf welchem Wege einzelne Sichlinge wahrscheinlich durch Verirrung bis zur oberen Donau hinaufgelangen. Für die östreichische Donau gehört nach Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 129) der, Sichling bereits zu den seltenen Vorkommnissen, eine noch seltenere Er - scheinung ist derselbe in der bayrischen Donau. Perty (Nr. 24: pag. 720) sagt zwar, dass der Sichling alljährlich auf dem Münchner Fischmarkt anzu - treffen wäre, ich muss jedoch dieser Angabe widersprechen, da ich seit mei - nem zehnjährigen Hiersein, während welchem ich regelmässig den hiesigen Fischmarkt besuche, den Sichling auch nicht ein einziges Mal daselbst wahr - genommen habe. Die beiden einzigen Exemplare dieses Fisches, welche mir als bayerische Fische zu Gesicht gekommen waren, sind in der Donau bei154Familie: Cyprinoidei.Passau gefangen worden. Im Norden von Mitteleuropa bewohnt der Sichling nur die Ostsee und die mit ihr zusammenhängenden grossen Süsswasser - Becken, welche unter dem Namen Oder-Haff, Frisches und Kurisches Haff hekannt sind. Aus diesen Gewässern steigt der Sichling, welcher in Pommern und Preussen » Ziege « genannt wird, die Mündungen der grösseren Flüsse hin - auf. Im Kurischen Haff scheint die Ziege keine Seltenheit zu sein, da ich diesen Fisch auf dem Fischmarkte in Memel ziemlich häufig bemerkt habe.
Ueber die Fortpflanzung dieses Fisches habe ich bis jetzt keine eigenen Erfahrungen sammeln können, daher ich mich nur auf Heckel und Kner be - rufen will, welche (a. a. O. pag. 129) den Monat Mai als Laichzeit dieses Fisches angeben.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne in zwei Reihen zu 2 und 5 stehend, die vier hinteren Zähne der inneren Reihe mit einer hakenförmig umgebogenen Spitze an der seitlich zu - sammengedrückten Krone; der mit einem vorstehenden Kinne versehene Unterkiefer greift in eine Vertiefung der Zwischenkiefer ein; die kurze Rückenflosse steht hinter den Bauchflossen, die Afterflosse mit langer Basis beginnt hinter oder unter dem Ende der Rückenflosse; der Bauch bildet zwischen den Bauchflossen und dem After eine Kante; die sehr stark silberglänzenden und leicht abfal - lenden Schuppen mit deutlichen aber sehr wenig erhabe - nen Radien.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 206. Taf. 36. Laucken.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 6. n. 18, Descr. spec. pag. 17. n. 7, Syn. nom. pisc. pag. 10. n. 19.
Linné Nr. 2: pag. 531. n. 24. Cyprinus Alburnus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 54. Taf. 8. Fig. 4. Cyprinus alburnus Uckelei.
Schrank Nr. 23 a: pag. 337. n. 319. Cyprinus alburnus.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 206. Cyprinus alburnus, Agöne, Lagune.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 27. Cyprinus alburnus, Uckelei.
Bujack Nr. 97: pag. 337. Cyprinus alburnus, Uckelei.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 214. Aspius alburnoides, Ablette.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 250 u. 272. Leuciscus alburnoides u. alburnus, Ablette.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 485. Aspius Alburnus, Weissfisch.
155Gattung: Alburnus.Günther Nr. 47: pag. 86. Abramis alburnus, Silberling, Lang-Bleck.
Leiblein Nr. 51: pag. 122. Aspius alburnus, Schneiderfisch.
Rapp Nr. 41: pag. 9. Leuciscus alburnus, Laugele.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 131. Fig. 67. 68 u. pag. 69. Alburnus lucidus, Laube und Alburnus breviceps.
Fritsch Nr. 75: pag. 202. Alburnus lucidus.
Artcharakter: Mundöffnung nach oben gerichtet, Mundspalte sehr schief, das Kinn nur wenig verdickt und etwas vorstehend; der mehr oder weniger gestreckte Leib seitlich zusam - mengedrückt; die Kronen der inneren Zahnreihe mehrmals gekerbt; die lange, nach hinten sehr niedrige Afterflosse mit 17 bis 20 weichen und getheilten Strahlen beginnt un - ter dem Ende der Rückenflosse.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 17 — 20, C. 19, Squ. 8 / 47 — 53 / 3.
Die gemeine Laube, welche meistens in der Grösse von 4 bis 5 Zoll vor - kömmt, aber auch eine Länge von 7 Zoll erreichen kann, ist in ihrer äusseren Form und ihrer Färbung ungemein vielen Abänderungen unterworfen, wes - halb ich behaupten möchte, dass fast in jedem Flusse, in jedem See dieser Fisch ein anderes Ansehen erhält. Es sind verschiedene dieser Varietäten als besondere Species bezeichnet und beschrieben worden, von deren Art - Berechtigung ich mich aber nicht habe überzeugen können, da es mir möglich war, stets Uebergänge von der einen zu der anderen Form dieser fraglichen Species aufzufinden. Es ist deshalb aber auch schwer, eine durchgreifende
Schlundknochen (nach Heckel und Kner).
für alle Varietäten gültige Beschreibung des A. lucidus zu liefern. Der Körper desselben ist mehr oder weni - ger gestreckt, seine Körperhöhe ist bald höher, bald niedriger. Schon von Agassiz waren diese Verschie - denheiten bemerkt und auf Varietäten bezogen worden, indem er (Nr. 6: pag. 1048) von ihnen sagte: » Von Cyprinus alburnus kenne ich zwei ausgezeichnete Va - rietäten, 1) eine mit sehr schmalem, langgezogenem Leib und 2) eine mit breitem, dabei aber kürzerem Leib «. Das Kinn ragt bei manchen Formen fast gar nicht, bei anderen ziemlich stark hervor. Der Unterkiefer steigt bei einigen sehr steil in die Höhe und bildet alsdann an seinen beiden Gelenken zwei stark hervorspringende Winkel, während bei anderen der Unterkiefer nur wenig ansteigt und kaum einen Vorsprung an seinen Gelenken bemerken lässt. Bei dieser Veränderung in der Richtung des Unterkiefers erscheint die Schnauze bald kürzer, bald länger. Auch die Grösse der Augen schwankt bei den verschiedenen Form-Abänderungen dieses Fisches. Die Afterflosse be - ginnt unter dem Ende, zuweilen aber auch vor dem Ende der Rückenflosse. Die Länge der paarigen Flossen varürt scheinbar, je nachdem der Leib mehr156Familie: Cyprinoidei.oder weniger in die Länge gestreckt ist. Die zarten Schuppen zeigen kaum eine Spur von Radien und erscheinen daher fast ganz glatt.
Die blaugrüne Farbe des Rückens varürt vielfach und geht zuweilen in Grasgrün über, sticht in allen Fällen gegen die ausgezeichnet schön silber - glänzenden Seiten ungemein ab. Die Rücken - und Schwanzflosse erscheinen graulich, die übrigen Flossen dagegen farblos, doch zeigt sich zuweilen die Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt.
Es kömmt dieser Fisch in allen fliessenden und stehenden Gewässern von Mitteleuropa mit Ausnahme der höher gelegenen Gebirgsseen und Ge - birgsbäche, sehr häufig vor. Er führt im eigentlichen Bayern den Namen » Laube « oder » Lauge «, in Würzburg heisst er » Schneiderfisch « oder » Läge «, in Aschaffenburg » Albele «; in Norddeutschland ist dieser Fisch unter dem Na - men » Uckelei « allgemein gekannt.
Eine von mir in der Isar aufgefundene Varietät entspricht ihrer Form nach fast vollständig dem von Heckel und Kner beschriebenen Alburnus bre - viceps; ich fand zugleich an dieser Varietät ein hervorstehendes Kinn und die Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt. Die Lauben des Würm - und Bodensee’s besitzen einen sehr steil aufsteigenden Unterkiefer und viel grössere Augen als die Lauben der Isar und der Donau. Aspius al - burnoides, welchen mir Selys-Longchamps aus Belgien gefälligst mittheilte, stimmte mit gewissen Formen des Alburnus lucidus vollkommen überein, so dass ich in dieser Beziehung Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 133) beitrete, welche den Aspius alburnoides nur für eine Varietät des Alburnus lucidus erklären.
Die Laichzeit der Laube fällt in den Monat Mai. Es halten sich die Lauben sehr gern in grossen Gesellschaften zusammen und schwimmen oft ganz ober - flächlich im Wasser, wobei sie es verstehen, wenn ein raubgieriger Barsch sich unter sie stürzt, sich ausserhalb des Wassers eine Strecke weit fortzu - schnellen und so den Verfolgungen ihres Feindes zu entschlüpfen. Viel häu - figer und sicherer werden sie durch ihr oberflächliches Schwimmen den See - schwalben und Möven zur Beute, dafür behaften sich aber auch diese Wasser - vögel mit einem Bandwurm, der als Ligula simplicissima frei in der Leibeshöhle der Lauben ungemein häufig vorkömmt und durch die verschluckten Lauben in den Darm jener Vögel übergepflanzt wird.
Im vorigen Jahrhundert wurde die sonst ganz werthlose Laube bekannt - lich sehr stark verfolgt und in ungeheuren Massen eingefangen, um aus dem Silberglanz ihrer Schuppen die sogenannte Essence d’Orient zu bereiten, welche zur Anfertigung von falschen Perlen verwendet wurde. Seit den letzten Jahren wird der Fang der Lauben auf dem Mittelrhein von neuem sehr stark betrieben und die von diesen Fischen gewonnene Perlessenz nach Paris gesendet, indem von dort aus diese falschen Perlen jetzt wieder in die Mode157Gattung: Alburnus.gebracht werden1)Nach meinen am Mittelrhein eingezogenen Erkundigungen liefert ein Centner Lauben 4 Pfund Schuppen. Zur Auswaschung von 1 Pfund Silberglanz sollen 18 bis 20,000 Fische erforderlich sein.. Die Erfindung, den Glasperlen mit Hülfe des Silber - glanzes der Fischschuppen einen den orientalischen Perlen nahe kommenden Glanz zu verleihen, ist vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem französischen Paternostermacher Namens Jaquin ausgegangen2)Vergl. Beckmann: Beyträge zur Geschichte der Entdeckungen. Bd. II. Leipzig, 1788. pag. 325 oder Krünitz: Oekonomisch-technologische Encyklopädie. Th. 108. Berlin, 1808. pag. 560.. Die Benützung des Silberglanzes der Schuppen von Alburnus lucidus zur Anfertigung falscher Perlen3)Diese falschen Perlen wurden später Bourguignons genannt, welcher Name sich auf Bourguignon bezieht, der im Jahre 1806 zu Paris eine Perl-Fabrik gegründet hat. beruht auf der Eigenschaft der mikroskopischen Silberglanz-Plätt - chen, in Ammoniak keine Veränderung zu erleiden. Mittelst dieser Eigen - schaft lassen sich von dem Silberglanze der Fischschuppen die übrigen in Ammoniak löslichen thierischen Substanzen entfernen, so dass auf diese Weise der Silberglanz als Essence d’Orient ganz rein gewonnen werden kann, welche Perlessenz aus nichts anderem besteht, als aus den in Ammoniak suspendirten und unverändert glänzenden mikroskopischen krystallinischen Plättchen von oblonger Gestalt mit schräg abgestutzten Enden. Reaumur war der erste, welcher diese oblongen Elementar-Gewebstheile, von welchen der Silberglanz der Schuppen des Alburnus lucidus ausgeht, mikroskopisch unter - sucht und beschrieben hat4)S. dessen Observations sur la matière qui colore les Perles fausses, etc. abgedruckt in: Histoire de l’Académie royale des sciences. Année 1716. Paris, 1741. pag. 229. Seine Beschreibung der in der Perlessenz suspendirten silberglänzenden Plättchen lautet (p. 232): » Si on l’observe au Microscope, ou avec une Loupe forte, il est aisé de la distinguer du liquide, dans lequel elle (essence) nage, et de s’assurer qu’elle n’est point liquide elle-même. Mais on est surpris en même temps de voir que cette matière n’est qu’un amas d’une in - finité de petits corps d’une figure très réguliere. Ce sont autant de lames, dont la plus grande partie sont taillées très quarrément. Elles forment des rectangles environ quatre fois plus longs que larges. Quelques-unes ont pourtant leurs extremités arrondies, et quel - ques autres les ont terminées en pointe. Elles sont toutes extrêmement minces, et à tel point, qu’on ne peut appercevoir leur épaisseur «.. Nach ihm ist dieser krystallinische Silberglanz der Fische wieder gänzlich unbeachtet geblieben, bis Ehrenberg, ohne Reaumur’s Beobachtungen zu erwähnen von neuem die Aufmerksamkeit auf diesen Ge - genstand lenkte5)S. Ehrenbrg’s Mittheilungen: Ueber normale Krystallbildung im lebenden Thierkör - per, abgedruckt in Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie. Bd. 28. Leipzig, 1833. pag. 468. Taf. VI. Fig. 14. Krystalle der Chorioidea aus dem Auge des Hechtes.. Die an Ehrenberg’s mikroskopische Untersuchungen sich anschliessenden chemischen Untersuchungen dieses silberglänzenden Beleges der Fischschuppen stimmten so wenig miteinander überein, dass ich schon lange die Absicht hegte, diese Perlessenz einer abermaligen chemischen Ana - lyse unterwerfen zu lassen; immer wurde aber diese Absicht dadurch ver -158Familie: Cyprinoidei.eitelt, dass ich mir, trotz aller meiner Bemühungen, keine solche Perlessenz habe verschaffen können; um so freudiger wurde ich vor kurzem durch eine Probe ächter Essence d’Orient überrascht, welche mir Herr Kaufmann Diss dahier aus einer sehr beschäftigten Pariser Perlfabrik gütigst hatte zu - kommen lassen. Herr Professor Voit hat die Gefälligkeit gehabt, diese Perl - essenz einer genaueren chemischen Prüfung zu unterwerfen, deren Resultat von Herrn Voit selbst hier wörtlich mitgetheilt wird:
» Herr Prof. v. Siebold hat mir die sogenannte Perlenessenz, eine Flüssigkeit, welche die von den Fischschuppen entnommenen irisirenden Krystalle suspendirt enthält, zur chemischen Untersuchung übergeben. Ich habe, ehe ich von der Note M. Barreswil’s (Compt. rend. 1861. T. 53. p. 246) Kenntniss hatte, gefunden, dass diese Krystalle zum grössten Theil aus einer organischen Materie, die in allen ihren Eigenschaften dem Guanin gleicht, bestehen.
Ueber die Natur der in den Fischschuppen und andern Theilen der Fische, z. B. im Peritonäum und dem Tapetum des Auges in Zellen enthaltenen und den Metallglanz dieser Theile hervorrufenden Krystalle liegen schon mehrere Untersuchungen vor. — Ehrenberg (Ueber normale Krystallbildung im lebenden Thierkörper, Poggendorff’s Annal. 1833. Nr. 7. Bd. 28. S. 465) liess zuerst diese Krystalle durch einen Chemiker, nämlich durch Heinr. Rose untersuchen; sie lösten sich nach dessen Bericht leicht in verdünnter Salpetersäure auf; die Lösung wurde durch Ammoniak nicht getrübt und in der ammoniakalischen Flüs - sigkeit brachte Oxalsäure nur einen ganz unbedeutenden Niederschlag hervor; salpeter - saures Silberoxyd erzeugte in der salpetersauren Lösung eine durch Ammoniak nicht ver - schwindende Trübung; die Krystalle wurden durch kochende Kalilauge ohne Ammoniak - entwicklung gelöst, ebenso durch Alcohol in der Siedhitze; auf dem Platinblech verflüch - tigten sie sich ohne zu verkohlen oder eine Asche zu hinterlassen; es schien ihm daher aus diesen Reactionen hervorzugehen, dass die Krystalle aus einer flüchtigen eigenthüm - lichen organischen Substanz bestehen und keine Kalkerde enthalten. — Drei weitere Beobachter weichen von diesen Angaben wesentlich ab, indem sie die betreffende Sub - stanz für anorganischer Natur erklären. Nach Schnitzlein (Pharmazeut. Centralblatt 1837. S. 398) besteht der Fischschuppenglanz oder die Krystalle in der Perlenessenz aus phosphorsaurem Kalk, nach Mathias (Tromsdorff’s Journal, 1843. Bd. 10. St. 2. S. 3) aus phosphorsaurer Magnesia. — Brücke (Ueber das Tapetum der Thiere, in Müller’s Arch. 1845. S. 403) schliesst sich den beiden vorigen an, indem nach ihm die in den Zellen des Tape - tum’s der Fische abgelagerten Krystalle folgende Eigenschaften zeigen. Sie sind in Wasser, Alcohol und Aether unlöslich; beim Glühen hinterlassen sie einen in Wasser unlöslichen, aber in Salzsäure löslichen Rückstand; Kali greift sie nicht an; Salzsäure löste sie ohne Gasentwicklung auf und aus der etwas eingedampften Lösung fielen die ursprünglichen Krystalle durch Ammoniak wieder heraus; Brücke hält darnach die Krystalle für eine Verbindung einer anorganischen Basis. — Die Angaben von v. Wittich (Ueber den Metall - glanz der Fische in Müller’s Archiv, 1854. S. 265) nähern sich mehr denen von Rose. Er isolirte zuerst die Krystalle in grösserer Menge, indem er die Schuppen mit Wasser abspülte, und mit Alcohol in einer Porzellanschale zusammenrieb, bis derselbe von den suspen - dirten Krystallen bleigrau war; beim Filtriren durch feine Leinwand giengen die Krystalle mit durch, setzten sich im Filtrat zu Boden und konnten durch Alcohol gewaschen und dann in Wasser suspendirt werden, in welchem sie sich aber nach und nach wahrschein - lich unter dem Einfluss von noch vorhandenen Epidermiszellen und andern fein vertheilten Gewebsmassen zersetzten. Wie schon Brücke angab, war die Substanz in Wasser, Alcohol und Aether unlöslich; sie verlor beim Kochen mit Wasser und Alcohol ihre Krystallform;159Gattung: Alburnus.anorganische Säuren lösten dieselbe, aber auch Alkalien, während sie nach Brücke in letztern unlöslich ist. Neutralisirte Wittich die Lösungen in Säuren und Alkalien, so ent - stand wohl ein flockiger Niederschlag, er bekam aber nie, wie Brücke, die Krystalle als solche wieder. Er hielt daher dafür, dass eine organische Verbindung in den Krystallen eine nicht unbedeutende Rolle spiele; sie können aber nach ihm nicht ausschliesslich aus organischer Substanz bestehen, denn sie lösten sich in Säuren unter Kohlensäureentwick - lung und gaben beim Einäschern einen aus phosphorsaurem Kalk, Kochsalz und Eisen be - stehenden Rückstand; in den Krystallen ist also nach Wittich eine organische stick - stoffhaltige Substanz mit anorganischen Salzen verbunden. — Darauf folgte nun endlich die schon oben citirte Notiz von M. Barreswil, nach der die Perlensubstanz nur aus einer organischen Materie zusammengesetzt ist, die sich in Wasser, Ammoniak und Essig - säure nicht löst, aber in Schwefelsäure, Salpetersäure und Salzsäure löslich ist, mit wel - chen Säuren sie krystallisirbare Salze bildet. Alle Reactionen stimmen genau mit denen des Guanin’s überein; mit Salpetersäure abgeraucht entstand ein gelber, mit Kali roth werdender Rückstand, die salpetersaure Lösung wurde durch salpetersaures Silber gefällt, die Lösung in Schwefelsäure durch Wasser zersetzt. —
Es lagen also ganz verschiedene Angaben über das chemische Verhalten der betreffen - den Krystalle vor und es war nöthig, dieselben genau zu prüfen. Ich habe dabei Folgendes gefunden.
Erhitzt man den Krystallbrei der Perlenessenz auf dem Platinblech, so verbrennt er unter Horngeruch und lässt schliesslich eine weisse, nicht schmelzende Asche zurück. Die Masse besteht also aus organischen und anorganischen Stoffen. Die Krystalle sind in Aether, Alcohol und Wasser nicht löslich; dampft man die Flüssigkeit ab, in der sie ent - halten sind, und versetzt sie hierauf mit Wasser, so ist die Reaction neutral; dampft man das Wasser ab, so behalten die Krystalle nicht ihre ursprüngliche Form, sondern zerfallen in kleine Fragmente. Mit dem Millon’schen Reagens etwas erwärmt färben sie sich nicht roth, enthalten also kein Eiweiss. Mit concentrirter Salzsäure befeuchtet schiessen schöne Krystallgruppen an; in verdünnter Salzsäure lösen sie sich ohne Brausen leicht auf und bilden beim Abdampfen eine krystallinische Verbindung; ebenso ist das Verhalten gegen Schwefelsäure und Salpetersäure. Die Lösung in Salzsäure giebt beim Versetzen mit Am - moniak einen weissen flockigen Niederschlag, der unter dem Mikroskop aus kleinen Körn - chen besteht, die sich später gruppenweise aneinanderreihen. Das Verhalten der Sub - stanz gegen Säuren und die Eigenschaft, krystallisirbare Salze damit zu bilden, wiesen bald auf Guanin hin; dies wurde dann noch durch andere Reactionen, die alle mit denen reinen Guanins genau verglichen wurden, zur Evidenz erhoben und so Barreswil’s Angabe be - stätigt. Beim Uebergiessen mit concentrirter Salpetersäure färbt sich die Masse nicht und beim Verdampfen derselben bleibt ein citronengelber Rückstand, der mit Ammoniak oder Kalilauge versetzt intensiv rothgelb wird; in der alkalischen Lösung des Rückstandes bringt Salmiak einen gelben, unter dem Mikroskop aus amorphen Körnchen bestehenden Niederschlag hervor. Durch Alkalien werden die irisirenden Krystalle bis auf einen flocki - gen Niederschlag, auf den ich noch zu sprechen kommen werde, aufgelöst; in Ammoniak sind sie nicht löslich. —
Nach dem Allem kann kein Zweifel mehr sein, dass Guanin in obigen Krystallen ent - halten ist, es frägt sich aber, ob sie ausschliesslich daraus bestehen? Es spricht zwar nicht dagegen, dass wir bis jetzt das Guanin nicht in irisirenden Krystallen darstellen können; aber die beim Glühen zurückbleibende Asche schien mir im Verhältniss zur orga - nischen Substanz so bedeutend, dass sie unmöglich von zufälligen Beimischungen her - rühren konnte, denn die Perlenessenz bestand beinahe nur aus den schönen Krystallen und die sie enthaltende Flüssigkeit liess nur Spuren unverbrennlicher Substanz zurück. Die Aschenbestandtheile mussten demnach in Verbindung mit der organischen Substanz ge -160Familie: Cyprinoidei.bracht werden. Die nicht schmelzende Asche löste sich nicht völlig in Wasser auf, das Wasser reagirte stark alkalisch, die nicht verbrannte in Wasser aufgenommene Substanz war dagegen, wie oben angegeben, neutral, ein Beweis, dass das Alkali erst bei der Ver - brennung aus der organischen Substanz frei wurde; der in Wasser nicht ganz lösliche Antheil der Asche löste sich in Säuren unter Brausen, während dies die ursprüngliche Substanz nicht that. Versetzte man die salzsaure Lösung mit Ammoniak, so entstand kein Niederschlag, aber auf nachherigen Zusatz von Essigsäure und oxalsaurem Ammoniak eine starke Fällung, es war also Kalk in der Asche vorhanden; in der salpetersauren Lösung konnte mit molybdänsaurem Ammoniak nur eine geringe Spur von Phosphorsäure ent - deckt werden, deren Abwesenheit schon aus dem Ausbleiben eines Niederschlags durch Ammoniak aus der sauren Lösung bei Gegenwart von Kalk hervorgeht. Ich glaube daher, dass dieser Kalk nothwendig zu den Krystallen gehört und darin mit Guanin in Verbin - dung ist, wesshalb sich auch dieselben mit Hinterlassung eines flockigen Rückstandes in Kali lösen.
Strecker (Annalen der Chemie u. Pharm. 1861. Bd. 108. S. 154) hat bekanntlich eine Verbindung von Guanin mit Baryt beschrieben, die sich beim Kochen von Guanin in Ba - rytwasser bildet und beim Erkalten abscheidet. Reines Guanin löst sich in Kalkwasser auch in der Siedhitze nur wenig auf und das Gelöste fällt beim Erkalten nicht heraus; engt man das Filtrat ein, so bleibt ein weisser krystallinischer Brei zurück, der zwar Guanin, aber auch ziemlich viel kohlensauren Kalk enthält und mit Säuren braust. Man kann nun durch Zusatz von verdünnter Essigsäure den kohlensauren Kalk auflösen und es bleibt dann eine krystallinische Verbindung von Guanin und Kalk zurück, die sich in ihren chemischen Eigenschaften genau so wie die irisirenden Krystalle der Perlenessenz ver - halten. Die Verbindung verbrennt unter Verkohlung zu einer weissen Asche, die sich in Wasser nicht ganz löst, alkalisch reagirt und mit Säuren braust. Setzt man concentrirte Salzsäure zu, so bilden sich ohne Gasentwicklung die schönen Krystalle des salzsauren Guanins; mit Salpetersäure abgeraucht und mit Ammoniak befeuchtet, tritt die charak - teristische Reaction hervor. Ich war leider nicht im Stande, trotz längerer Bemühungen die Verbindung des Guaninkalks in den schönen irisirenden Krystallen zu erhalten; im Organismus des Thiers sind offenbar Bedingungen zur Krystallisation, die ich bis jetzt nicht nachahmen konnte; es ist daher eine weitere Aufgabe, diesem Guaninkalk die eigen - thümliche Krystallform zu ertheilen, um die Perlenessenz wohlfeiler, als man es bisher konnte, darzustellen. — Ich habe auch Guanin in kochenden sauren phosphorsauren Kalk eingetragen; es blieb aber immer reines Guanin ungelöst zurück und die Lösung enthielt nur phosphorsauren Kalk. —
In der Perlenessenz befinden sich die Krystalle in einer Flüssigkeit suspendirt, die allen Reactionen nach kaustisches Ammoniak ist. Sie riecht ammoniakalisch, reagirt stark alkalisch, braust mit Säuren nicht, giebt mit salpetersaurem Silber einen in Salpetersäure löslichen Niederschlag, und bringt im Nessler’schen Reagens (Lösung von Iodquecksilber in Iodkalium) einen starken braunen Niederschlag hervor. Dampft man die Flüssigkeit ab, so bräunen die Dämpfe Curcumapapier, und die Krystalle bleiben unverändert zurück. Das Ammoniak, in dem sich Guanin und Guaninkalk nicht lösen, wird offenbar zugesetzt, weil sich die Substanz in Wasser nach und nach zersetzt, wie Wittich gesehen hat. —
Es wäre noch zu untersuchen, ob die kleinen Kryställchen in den Interferenzzellen der Haut und der Iris vom Frosch, die Wittich (Müller’s Archiv, 1854. S. 46) beschreibt, eben - falls aus Guanin bestehen oder nicht. Das Vorkommen von Krystallen einer organischen Substanz, die zu den Zersetzungsproducten des Eiweisses gehört, innerhalb von Zellen, ist jedenfalls von grosser Wichtigkeit «. —
Karl Voit.
Syn. u. Citate.
Perty Nr. 24: pag. 720. Aspius Mento.
Fitzinger Nr. 32: pag. 355. Aspius Heckelii.
Heckel Nr. 11 a: pag. 225. Taf. 19. Fig. 3. Aspius Mento.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 271. Leuciscus Mento.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 139. Fig. 73. Alburnus Mento.
Artcharakter: Mundöffnung nach oben gerichtet, Mundspalte schief, das verdickte Kinn sehr stark hervorragend; der sehr lang gestreckte Körper nur wenig seitlich zusammen - gedrückt; die Kronen der innern Zahnreihe mehrmals ge - kerbt; die nach hinten sehr niedrige Afterflosse mit 14 bis 16 weichen, getheilten Strahlen beginnt hinter dem Ende der Rückenflosse.
D. 3 / 8, P. 1 / 15, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 14 — 16, C. 19, Squ. 10 / 65 — 67 / 4.
Es ist diese Alburnus-Art von Agassiz hier in München zuerst entdeckt und unter dem Namen Aspius Mento verschiedenen Ichthyologen mitgetheilt worden. Der Unterschied dieses Silber - oder Weissfisches in Vergleich zu Alburnus lucidus ist ein so charakteristischer, dass man keinen Augenblick Anstand nimmt, denselben als besondere Art gelten zu lassen. Alburnus Mento erreicht eine viel bedeutendere Grösse als Alburnus lucidus, seine ge - wöhnliche Länge beträgt 6 bis 7 Zoll, doch kömmt derselbe auch in einer Länge von 9 bis 10 Zoll vor. Der Leib der Mai-Renke ist sehr gestreckt, und die Schuppen derselben besitzen etwas erhabenere Radien als die der gemeinen Laube. Ich konnte bei der gemeinen Laube nie mehr als 47 bis 53 Schuppen auf der Seitenlinie zählen, während ich bei A. Mento die Sei - tenlinie mit 65 bis 67 Schuppen besetzt fand. Die hinter dem Ende der Rücken - flosse beginnende Afterflosse giebt ebenfalls ein gutes Unterscheidungs - merkmal für diesen Weissfisch ab. Die paarigen Flossen desselben erscheinen im Verhältniss zur Körperlänge mehr in die Länge gestreckt als bei der gemei - nen Laube. Auch die Schlundknochen des A. Mento bieten den Schlund - knochen des A. lucidus gegenüber einen specifischen Unterschied, indem die - selben durch ihre sehr verlängerten vorderen Fortsätze eine um vieles schlankere Gestalt besitzen.
Der Rücken des A. Mento zeigt eine blaugrüne Farbe, ihre silberweissen Seiten geben einen eigenthümlichen Atlasglanz von sich, der von den zarten fast ganz glatten Schuppen ausgeht; alle paarigen Flossen, sowie die After - flosse erscheinen blassröthlich gefärbt, während Rücken - und Schwanzflosse einen schwärzlichen Anflug besitzen.
v. Siebold, Fische. 11162Familie: Cyprinoidei.Der Alburnus Mento bewohnt den Ammersee, Starenberger See und Chiem - see, in welchen Gewässern auch A. lucidus sehr häufig vorkömmt. Ausser - halb Bayern findet sich der A. Mento, welcher am Chiemsee » Schiedling « ge - nannt wird, nur noch im Attersee und Traunsee, hat aber gegen Osten von Europa noch eine weitere Verbreitung, indem Kessler diesen Weissfisch in verschiedenen Flüssen der Krim entdeckt hat. Kessler1)Vergl. dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten des schwarzen Meers und durch die westliche Krim unternommene Reise, in dem Bulletin de la société imp. des Naturalistes de Moscou, Ann. 1859. pag. 531. hat diesen Krimfisch Alburnus Mentoides genannt, würde denselben aber als A. Mento bezeichnet haben, wenn nicht Heckel für den letzteren Fisch das Fehlen des Zwischen - deckels als charakteristisch und sogar als Artkennzeichen hervorgehoben hätte. Ich habe mich niemals von dem Fehlen der Zwischendeckel bei dieser Alburnus-Art überzeugen können, und nachdem ich im Jahre 1860 Gelegen - heit hatte, Herrn Kessler in der hiesigen zoologischen Sammlung den echten A. Mento des Agassiz zu zeigen, erkannte derselbe, dass sein A. mentoides nichts anderes als A. Mento sei. Auch gestand mir Herr Kner später zu, dass sich Heckel in Bezug auf das Fehlen des Zwischendeckels bei A. Mento jeden - falls getäuscht habe.
Die Laichzeit des A. Mento fällt in den Monat Mai und Juni, um welche Zeit dieser Weissfisch in grosser Menge gefangen und auf dem Münchener Fischmarkte unter dem Namen » Mai-Renke « feil geboten wird, jedoch um einen viel niedrigeren Preis als die beliebte echte Renke (Coregonus Wartmanni), so dass Perty (a. a. O.) unrecht hat, wenn er behauptet, dieser Fisch würde hier betrüglicherweise als Renke verkauft.
Während der Brunstzeit bildet sich auf der Haut der männlichen Indivi - duen des A. Mento ein Ausschlag, wie er um dieselbe Zeit noch bei vielen anderen männlichen Cyprinoiden zum Vorschein kömmt. Derselbe besteht bei der Mai-Renke aus einzelnen zerstreuten kleinen Warzen von flach conischer Gestalt und weisslicher Farbe, welche den Scheitel, den Obertheil des Vor - derdeckels und den Hauptdeckel der Kiemen besetzt halten. Diese Warzen erstrecken sich auf dem Scheitel sehr weit nach vorn, sie finden sich nicht blos zwischen den Augen und den Nasenlöchern, sondern auch auf der Ober - lippe vor, ja sogar auf der Unterlippe machen sich einzelne solche Warzen bemerkbar. Ausserdem fassen einzelne noch kleinere Warzen den Rand der vor und hinter der Rückenflosse befindlichen Rückenschuppen ein, werden aber gegen den Schwanz hin immer kleiner und verschwinden zuletzt ganz.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 216. Taf. 41. Riemling.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 50. Taf. 8. Fig. 1. Cyprinus bipunctatus, Alandblecke.
Schrank Nr. 23 a: pag. 336. n. 318. Cyprinus bipunctatus.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 219. Cyprinus bipunctatus, Bambeli.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 215. Aspius bipunctatus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 259 u. 262. Pl. 497. Leuciscus bipunctatus u. Baldneri.
Günther Nr. 47: pag. 83. Abramis bipunctatus, Breitbleck.
Leiblein Nr. 51: pag. 123. Aspius bipunctatus.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 135. Fig. 70. Alburnus bipunctatus.
Fritsch Nr. 75: pag. 202. Alburnus bipunctatus.
Artcharakter: Mundöffnung endständig, Mundspalte etwas schief; das Kinn kaum verdickt und sehr wenig vorstehend: der Körper seitlich zusammengedrückt, aber nur wenig gestreckt; die Kronen der inneren Zahnreihe ohne Einker - bungen; die nach hinten nicht auffallend verjüngte After - flosse mit 15 bis 17 weichen, getheilten Strahlen beginnt hinter dem Ende der Rückenflosse; Seitenlinie mit schwar - zem Pigmente eingefasst, darüber eine breite, schwarze Binde vom Auge bis zur Schwanzflosse.
D. 3 / 7 — 8, P. 1 / 14, V. 2 / 7 — 8, A. 3 / 15 — 17, C. 19, Squ. 9 / 47 — 50 / 4.
Der Alburnus bipunctatus, welcher in manchen Gegenden von Bayern und Oestreich » Schusslaube « genannt wird, kömmt gewöhnlich in der Grösse von 3½ bis 4 Zoll vor, doch habe ich auch Exemplare von fast 6 Zoll Länge an - getroffen. Die Schusslaube liebt dieselben fliessenden und stehenden Ge - wässer wie die gemeine Laube, aber während die letztere sich stets auf der Oberfläche des Wassers aufhält, zieht erstere den Grund der Gewässer vor.
Es ist dieser Fisch von allen Alburnen am wenigsten in die Länge ge - streckt. Am meisten zeichnet sich dieser Fisch durch seine Färbung aus. Die Seitenlinie ist nämlich oben und unten durch einen schmalen schwärzlichen Pigmentsaum eingefasst, wodurch dieselbe auf dem Grunde der silberglän - zenden Seiten gleich einer Nath in die Augen fällt; in vielen Gegenden Deutschlands hat diese auffallende Zeichnung dem Fische den Volksnamen » Schneider « verschafft. Zu beiden Seiten des bräunlichen Rückens verläuft vom Auge an bis zur Schwanzflosse ein breites, gerades, schwarz gefärbtes Band. Zwischen diesem und der Seitenlinie ist oft noch ein dreifacher, aus dreieckigen schwarzen Pigmentflecken gebildeter Streifen sichtbar, der sich zuweilen auch unterhalb der Seitenlinie in dreifacher Reihe wiederholt. Solche dreieckige schwarze Pigmentflecke zeigen sich bisweilen auch auf dem11*164Familie: Cyprinoidei.schwarzen Bande ausgeprägt. Die Basis der Afterflosse, sowie aller paarigen Flossen sind orangengelb gefärbt. Alle diese Färbungen treten während der Brunstzeit, welche im Anfang Mai beginnt, besonders intensiv hervor, wo - durch dieser Fisch im Hochzeitskleid ein recht schönes Ansehen erhält. Solche intensiv gefärbte Individuen hat Valenciennes (a. a. O.) zu Ehren Baldner’s als eine besondere Art bezeichnet, ich war aber nicht im Stande, an den im Naturalien-Cabinete zu Strassburg aufbewahrten Exemplaren des Alburnus bipunctatus und Baldneri einen specifischen Unterschied herauszufinden. Es können sich aber auch nach verflossener Laichzeit diese Farben fast ganz ver - lieren, so dass kaum an den Seitenlinien die für den A. bipunctatus sonst so charakteristische schwarze Pigment-Einfassung wahrgenommen wird; bei sol - chen entfärbten Individuen müssen die Umrisse des Fisches allein benützt werden, um dieselben von den übrigen Alburnus-Arten zu unterscheiden.
Obwohl dieser Alburnus ziemlich weit in Mitteleuropa verbreitet ist, so wird er doch nur von wenigen norddeutschen Faunisten aufgeführt. Im Donau - und Rhein-Gebiet ist sein Vorkommen allgemein gekannt. Dem Weser-Gebiet fehlt derselbe ebenfalls nicht, wie aus Bloch’s Mittheilung hervorgeht, bekanntlich wurde ihm dieser Fisch als » Alandblecke « von Minden eingesendet; ich selbst habe denselben in der Werra bei Meiningen zahlreich beobachtet. Für das Vorkommen des A. bipunctatus im Elb-Gebiet dient mir Fritsch (a. a. O.) als Gewährsmann, dagegen konnte ich über die Ver - breitung dieses Fisches im Oder - und Weichsel-Gebiet keine Erfahrungen einsammeln. Bei meinem letzten Aufenthalte in Ostpreussen erhielt ich diese Fischchen in Heilsberg aus der Alle und in Tilsit aus der Memel; dass dieser Alburnus auch in Ostpreussen einheimisch ist, wird nicht überraschen, da Dybowski den A. bipunctatus in Livland ebenfalls aufgefunden hat.
Syn. u. Citate.
Holandre Nr. 56 b: pag. 248. Leuciscus dolabratus, Hachette.
Selys-Longchamps Nr. 59: pag. 207. Pl. 5. Fig. 5. Leuciscus (Squalius) dolabratus.
Heckel Nr. 11 c: pag. 1041. Squalius (vielleicht Scardinius) dolabratus.
Schaefer Nr. 59: pag. 309. Leuciscus (Sqalius) dolabratus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 248. Leuciscus dolabratus.
Günther Nr. 47: pag. 90. Abramis dolabratus, Silberling und in den Würtembergischen naturwissenschaftlichen Jahresheften, Jahrgang XIII. Stuttgart, 1857. pag. 50. Taf. II. Abramis dobuloides.
Kessler in dem Bulletin de la société impériale des Naturalistes de Moscou. Ann. 1859. Nr. II. (Auszüge aus dem Reise-Berichte a. a. O.) pag. 534. Alburnus tauricus.
Artcharakter: Mundöffnung endständig, Mundspalte schief, das etwas verdickte Kinn wenig hervortretend: der langge - streckte Körper auf dem Rücken abgerundet, hinter den Bauchflossen zusammengedrückt; die Kronen der inneren Zahnreihe mehrmals gekerbt; die nach hinten sehr wenig verjüngte Afterflosse hoch und 11 bis 16 weiche, getheilte Strahlen enthaltend, beginnt hinter dem Ende der Rücken - flosse. Die Schuppen mit sehr deutlichen und erhabenen Radien.
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 15, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 10 — 16, C. 19, Squ. 7 — 8 / 45 — 54 / 3 — 4.
Dieser Cyprinoiden-Form, welche von Holandre zuerst im Jahre 1836 beschrieben worden ist, wurde von den Ichthyologen eine sehr verschiedene Stelle im Systeme angewiesen, indem dieselbe bald als Alburnus, bald als Squalius oder Scardinius aufgefasst wurde. Obwohl dieser Fisch in mancher Hinsicht von dem Typus der Alburnen abweicht, so giebt sich derselbe in der Bildung seines Kopfes und seiner Schlundknochen als ein Alburnus sehr deut - lich zu erkennen. Die Form des Maules mit seiner Vertiefung in der Mitte des Oberkieferrandes, sowie mit seiner Verdickung am Kinnwinkel des Unterkie - fers verräth auf den ersten Blick die Verwandtschaft dieses Fisches mit den Alburnen.
Schlundknochen und Schlundzähne.
Auch die Beschuppung erinnert, namentlich bei jüngeren Individuen, an die der Alburnen, nur mit dem Unterschied, dass bei keiner anderen Alburnus-Species die Radien so deut - lich erhaben an den Schuppen hervortreten, als bei A. dolabratus. Die Afterflosse dieses Fisches enthält viel weniger Strahlen als die der übrigen Alburnen; in der Mehrzahl habe ich 10 bis 12 weiche, zertheilte Strahlen in seiner Afterflosse gezählt, nur ein einziges Mal habe ich unter 26 Exemplaren166Familie: Cyprinoidei.16 weiche Strahlen in der Afterflosse angetroffen; da ausserdem die After - flosse des A. dolabratus nach hinten nur äusserst wenig verjüngt ist und an ihrem unteren Rande etwas convex erscheint, während die übrigen Alburnen einen seicht concaven Unterrand an ihrer Afterflosse besitzen, so erhält dieser Alburnus durch die Umrisse seiner Afterflosse ein ganz auffallendes Ansehen. In Bezug auf Färbung macht sich an allen Schuppen des A. dolabratus ein eigenthümlicher Saum von einzelnen punctförmigen schwarzen Pigmentflecken am Hinterrande aller Schuppen bemerkbar, welchen Günther auf der von ihm gelieferten sehr guten Abbildung dieses Fisches getreu dargestellt hat; eine Pigmentirung dieser Art hat sich bis jetzt bei keinem anderen Alburnus wahr - nehmen lassen. Die paarigen Flossen, sowie die Afterflosse haben eine schmutzig blassrothe Farbe, Rücken - und Schwanzflosse sind dagegen grau gefärbt und besitzen einen schwärzlichen Saum.
Der A. dolabratus kömmt meistens in einer Grösse von 8½ bis 9½ Zoll vor, doch habe ich auch Individuen angetroffen, welche bis zu 12 Zoll ausge - wachsen waren.
Die Verbreitung dieses Fisches schien anfangs nach den Beobachtungen von Holandre, Selys-Longchamps und Schaefer nur auf die Mosel beschränkt zu sein, durch spätere Untersuchungen hat es sich aber herausgestellt, dass derselbe auch im Neckar und in einigen Seitengewässern der Donau vor - kömmt. Zwar hat Günther (a. a. O.) seinen Abramis dobuloides des Neckar, den er früher für Holandre’s Leuciscus dolabratus erkannt hatte, in jüngster Zeit wieder ganz von diesem getrennt, allein nachdem ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus Belgien und des Herrn Schnur aus Trier Exem - plare des A. dolabratus der Mosel mit Exemplaren desselben Fisches, welche mir Herr Krauss vom Neckar gefälligst eingesendet hatte, zu vergleichen im Stande gewesen bin, habe ich mich von der Identität aller dieser Fische über - zeugt, und muss ich die Unterschiede in den Maass-Bestimmungen, welche Günther zwischen A. dolabratus der Mosel und des Neckar bemerkt haben will, nur für ganz unerhebliche, von den verschiedenen Alterszuständen der untersuchten Exemplare herrührende Abweichungen erklären. Auch be - zweifle ich nicht das Vorkommen des A. dolabratus im Mittelrhein, denn jener spannenlange Alburnus, welcher an Hermann (Nr. 43: pag. 327) unter dem Namen » grosse Lauge « überbracht wurde und welcher nur höchst selten bei Strassburg im Rhein gefangen wird, war gewiss ein A. dolabratus; ich schliesse dies aus den wenigen Strahlen, welche derselbe in der Afterflosse besessen haben soll, und aus Hermann’s Frage1)Hermann’s Frage lautet (Nr. 43: pag. 327) wörtlich: » Pinnae dorsalis radü 9; analis 14 aut 15. Pinnae, maxime pectorales, analis, caudalisque basi virescentes. Linea lateralis in ordine squamarum nono. An hic Jeses? «, ob dieser Fisch nicht ein167Gattung: Alburnus.Jeses gewesen sei, unter welcher Bezeichnung jedenfalls ein Cyprinus mit kurzer Afterflosse zu verstehen ist. Aus dem Donau-Gebiete habe ich den A. dolabratus hier kennen gelernt, indem derselbe auf dem hiesigen Fisch - markte zwischen den sogenannten Rothaugen der Donau, Isar, Würm und Amper, und zwischen den Mai-Renken des Ammer - und Starenberger Sees hier und da, aber immer ganz einzeln vorkömmt. Einen besondern Namen führt dieser Fisch hier nicht. Einmal wurde mir von einem Fischer ein grösseres Exemplar dieses Fisches als ein Schied (Aspius rapax) übergeben. Andere erfahrene Fischer gaben mir auf die Frage, was der A. dolabratus für ein Fisch sei, die auffallende Antwort: dies sei kein richtiger Fisch.
Die Laichzeit dieses Fisches fällt in den Monat Mai, um diese Zeit wenig - stens bemerkte ich in den weiblichen Individuen desselben reifen Rogen.
Wenn ich die verschiedenen schwankenden Ansichten erwäge, nach welchen die Stellung dieses Fisches im Systeme beurtheilt wird, so kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass auch diese Fischform als ein Ba - stard aufgefasst werden müsse. Es wird aber bei diesem Fische schwer zu unterscheiden sein, welche reinen Fische durch Kreuzung den A. dolabratus erzeugt haben könnten; dass ein Alburnus dabei betheiligt gewesen, dürfte wohl als sicher anzunehmen sein, da die Kopfform, sowie die Schlund - knochen und die Schlundzähne dieses Fisches so bestimmt auf einen Alburnus hinweisen. Im Widerspruch damit steht aber die ganz abweichende After - flossen - und Schuppen-Bildung.
Die Frage, ob vielleicht Scardinius erythrophthalmus mit einem Alburnus zur Erzeugung des A. dolabratus beigetragen haben hönnte, liesse sich da - durch rechtfertigen, dass Heckel (a. a. O.) in dem Cyprinus dolabratus des Holandre einen Scardinius erkennen wollte und Dybowski1)Vergl. dessen Cyprinoiden Livlands (a. a. O.) pag. 133. — Dybowski hat übrigens (ebenda pag. 159) Günther’s Abramis dolabratus des Neckar als Alburnus dolabratus von Holandre’s Leuciscus dolabratus der Mosel getrennt gehalten, weil der letztere Fisch nach Angabe von Selys-Longchamps eine andere Form des Unterkiefers besitzen soll als Alburnus lucidus. Dass diese Trennung nicht gerechtfertigt werden kann, habe ich schon oben erwähnt. denselben wirk - lich als Scardinius dolabratus aufgeführt hat. Ich kann indessen dieser An - schauungsweise nicht beitreten, da diejenigen Organisations-Verhältnisse des A. dolabratus, welche an Scardinius erinnern könnten, auch der Gattung Alburnus eigenthümlich sind. Ganz anders verhält es sich mit Squalius, zu welcher Gattung Selys-Longchamps den A. dolabratus gestellt. Die strah - lenarme ziemlich hohe Afterflosse mit ihrem etwas convexen Unterrande, die groben Radien und die eigenthümliche Pigmentirung der Schuppen, sowie der ganze Körperumriss dieses Fisches erinnern an den Squalius Cephalus (Do -168Familie: Cyprinoidei.bula); die Aehnlichkeit des A. dolabratus in der Färbung mit dem eben ge - nannten Squalius haben Günther sogar veranlasst, denselben Fisch in seiner zweiten Abhandlung als Abramis dobuloides zu bezeichnen. Aus diesen Grün - den glaube ich, wenn sich mit der Zeit der A. dolabratus wirklich als ein Bastard herausstellen sollte, jetzt schon die Vermuthung aussprechen zu können, dass diese Bastardform durch Kreuzung eines Alburnus lucidus mit einem Squalius Cephalus zu Stande gekommen ist.
Alburnus lucidus scheint übrigens noch mit anderen Cyprinoiden Bastard - bildungen erzeugen zu können. Ich schliesse dies aus einer Cyprinoiden - Form, welche ich im zoologischen Cabinete zu Greifswald als Aspius marga - ritaceus aufbewahrt fand. Bei der ersten oberflächlichen Betrachtung machte mir dieser Fisch den Eindruck eines A. dolabratus, allein bei genauerer Prüfung stellte er sich als etwas anderes heraus. Die Mundspalte, welche ziemlich steil aufsteigt, öffnete sich nach oben, die Schnauze war dadurch um vieles kürzer als bei A. dolabratus, der Oberkieferrand besass in der Mitte einen schwachen Ausschnitt, das Kinn des Unterkiefers war nur sehr wenig verdickt. Der nicht sehr langgestreckte Körper erschien auf dem Rücken eher abgerundet als comprimirt. Der Bauch besass hinter den Bauchflossen eine deutliche Kante. Die Schlundknochen und Zähne glichen denen des A. dolabratus, letztere bildeten aber die Formel: links 3.5 u. 5.2 rechts. Die Flossenstrahlen, nämlich D. 3 / 8, V. 2 / 8, A. 3 / 13 und die Beschuppung 7 / 45 / 3 konnten auf A. dolabratus bezogen werden, ebenso die Umrisse der ziemlich hohen Afterflosse und die sehr deutlich ausgeprägten Radien der Schuppen, auch an dem Hinterrande der Schuppen konnte, obgleich der ganze Fisch sehr ausgebleicht war, eine Andeutung schwarzer Pigmentirung noch erkannt werden. Im Hinblick auf die Zahnformel, auf die kurze Schnauze und den kurzen Körper war es mir nicht möglich, diesen im Ryckflusse gefangenen Fisch, welcher eine Länge von 7¼ Zoll und eine Höhe von 4¾ Zoll besass, mit A. dolabratus zu identificiren; da ausserdem dieser Fisch mit keinem anderen Alburnus übereinstimmen wollte, durfte ich ihn wohl als einen Ba - stard ansprechen.
Ebenso gieng es mir mit einem auf dem Fischmarkte zu Königsberg im September 1860 zwischen Rothaugen und Güstern vorgefundenen Fisch von 5½ Zoll Länge und 1¼ Zoll Höhe, den ich als Bliccopsis alburniformis be - zeichnen will; sein enges Maul ist endständig und sehr wenig schief gestellt, in der Mitte des Oberkieferrandes befindet sich keine Vertiefung, und am Kinn macht sich keine Verdickung bemerklich; der hochrückige kurze Leib er - scheint sehr comprimirt; dem Vorderrücken fehlt die nackte Furche, während die hinter den Bauchflossen befindliche Kante eine schuppenlose Furche be - sitzt; die Schlundknochen und Zähne mit der Formel 2.5 — 5.2, sowie die Beschuppung 8 / 47 / 4 erinnern an Bliccopsis abramo-rutilus, während die169Gattung: Aspius.Strahlen der Flossen nämlich: D. 3 / 8, V. 2 / 8 und A. 3 / 19, sowie die Umrisse der nach hinten sehr verjüngten Afterflosse und die Schuppen mit äusserst schwach angedeuteten Radien auf Alburnus lucidus hinweisen. Alle diese Verhältnisse rufen in mir die Vermuthung hervor, dass auch dieser Fisch nichts anderes als ein Bastard sei, bei dessen Erzeugung sich eine Blicca und ein Alburnus betheiligt haben.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne in zwei Reihen zu 3 und 5 stehend, mit conisch verlängerten und hakenförmig umge - bogenen Kronen ohne Einkerbungen; der mit einem vor - stehenden Kinne versehene Unterkiefer greift in eine Ver - tiefung der Zwischenkiefer ein; die kurze Rückenflosse steht hinter den Bauchflossen, die Afterflosse mit langer Basis beginnt hinter dem Ende der Rückenflosse; der Bauch bildet zwischen den Bauchflossen und dem After eine Kante.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 6. n. 19, Descr. spec. pag. 14. n. 6, Syn. nom. pisc. pag. 14. n. 31.
Linné Nr. 2: pag. 530. n. 22. Cyprinus Aspius.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 48. Taf. 7. Cyprinus Aspius, Rapfen.
Nau Nr. 45: pag. 95. Cyprinus Aspius, Mulbe.
Schrank Nr. 23 a: pag. 331. n. 311. Cyprinus Aspius, Schied.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 23. Cyprinus Aspius, Rappe.
Bujack Nr. 97: pag. 337. Cyprinus Aspius, Raapfen.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 500. Aspius rapax, Rape.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 265. Leuciscus Aspius.
Leiblein Nr. 51: pag. 122. Aspius vulgaris.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 142. Fig. 74 u. 75. Aspius rapax, Schied.
Fritsch Nr. 75: pag. 202. Aspius rapax.
Artcharakter: Mundöffnung nach oben gerichtet, Mundspalte sehr weit; der gestreckte Leib etwas seitlich zusammenge - drückt; Augen und Schuppenklein, die letzteren mit deut - lichen erhabenen Radien; die Afterflosse besitzt 14 weiche getheilte Strahlen1)Vergl. Heckel: Die Fische Syriens. pag. 1008. Taf. I. Aspius rapax, Fangzähne..
D. 3 / 8, P. 1 / 16, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 14, C. 19, Squ. 11 — 12 / 67 — 70 / 4 — 5.
170Familie: Cyprinoidei.Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Es ist der Schied gleichsam die Rie - senform unter den Alburnen, mit denen Agassiz1)Vergl. Agassiz Nr. 7: pag. 38 oder Nr. 8: pag. 80. diesen Fisch in einer und derselben Gattung Aspius vereinigt hatte. Die Anordnung und der Bau der Schlundzähne ist aber so eigen - thümlicher Art, dass sich die Trennung der beiden Gattungen Aspius und Al - burnus sehr gut rechtfertigen lässt. Die kleinen Augen des Schied, sowie die kleinen Schuppen desselben geben diesem Fische ein so charakteristisches Ansehen, dass derselbe auch in ganz jungen Entwicklungsstadien leicht von den grossäugigen und grossschuppigen Alburnen unterschieden werden kann. Ausserdem zeichnet sich dieser Fisch vor allen Alburnen noch durch seine tief ausgeschnittene Afterflosse aus, welche nach hinten zurückgeschlagen zweispitzig erscheint. Es kann der Schied eine Länge von 2 bis 3 Fuss er - reichen. Sein sehr weites Maul verräth auf den ersten Blick die räuberische Lebensweise, durch welche der Schied von den übrigen Cyprinoiden auffal - lend abweicht.
Die Seiten und der Bauch des A. rapax erscheinen weiss gefärbt, der Rücken sowie die Rücken - und Schwanzflosse desselben haben eine blau - graue Färbung, die hellen paarigen Flossen und die Afterflosse besitzen einen röthlichen Anflug.
Der Schied bewohnt die grösseren Flüsse und Seen von Mitteleuropa. In der Donau und im Chiemsee wird derselbe nicht selten von sehr bedeu - tender Grösse gefangen. Die jüngeren Individuen bis zu einer Länge von 14 oder 15 Zoll werden am Chiemsee » Rothschiedel « genannt. Wenn Schrank (a. a. O.) bei der Beschreibung des C. Aspius ausser » Schied « noch die Namen » Nervling « und » Schwarznervling « hinzufügte, welche beiden Namen in Bayern ebenfalls für diesen Fisch gebräuchlich sein sollen, so beruht diese Angabe gewiss nur auf einer Verwechslung, welche auch, wahrscheinlich durch Schrank dazu verleitet, von Perty, Reuss, Weber, Reider und Hahn begangen worden ist. Nach meinen Erfahrungen verstehen die bayrischen Fischer un - ter » Nervling « niemals Aspius rapax, sondern immer nur den Idus melanotus.
In allen der Nord - und Ostsee zufliessenden Stromgebieten ist der A. rapax ebenfalls einheimisch, auch in den grossen mit der Ostsee zusam - menhängenden und unter dem Namen » Haff « bekannten Seen fehlt derselbe nicht. Am Kurischen Haff wird dieser Fisch » Salat « genannt, während der - selbe in ganz Norddeutschland den Namen » Rapfen « führt.
171Gattung: Leucaspius.Die Laichzeit des Schied fällt in den Monat April und Mai, zu welcher Zeit dieser Fisch aus den Seen in die Flüsse hinaufsteigt. Die männlichen Individuen zeigen alsdann einen sehr auffallenden Hautausschlag. Der Rücken des Cephalothorax, die Unterkieferäste, sowie die Wangen und der Kiemen - deckel-Apparat bedecken sich mit kleinen, dichtstehenden halbkugelförmigen Körnern, ähnliche, dicht aneinander gereihte Körner fassen den Hinterrand der Rückenschuppen ein. Ganz merkwürdig nehmen sich die Schuppen des Schwanzes aus, deren freie Fläche mit einer Schwarte von ganz dichtstehen - den Körnern überzogen ist, während die Schuppen der Brust nur am Hinter - rande mit einer dichten Körnerreihe und auf der freien Fläche mit einzelnen Körnern besetzt sind; auch auf der inneren Fläche der Brustflossen-Strahlen stehen dichte mehrreihige Körnermassen.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne bald in einfacher, bald in doppelter Reihe; die innere Reihe rechts mit vier, links mit fünf Zähnen, selten auf beiden Seiten mit fünf Zähnen. Vor der linken inneren Zahnreihe steht häufig ein kleiner ein - facher Zahn, nur äusserst selten ein doppelter Zahn, zu - weilen steht auch vor der rechten inneren Zahnreihe ein kleiner Zahn; die Kronen der innern Zahnreihe sind com - primirt, sägeförmig gekerbt und an der Spitze hakenför - mig umgebogen; das etwas verdickte Kinn greift in eine schwache Vertiefung der Zwischenkiefer ein; die Rücken - flosse mit kurzer Basis; die Afterflosse mit etwas verlän - gerter Basis; die radienlosen Schuppen ungemein leicht abfallend; der Bauch bildet zwischen Bauchflossen und After eine Kante.
(nach Heckel und Kner).
Syn. u. Citate.
Heckel Nr. 11 c: pag. 1041. Squalius delineatus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 295. Pl. 498. Leuciscus stymphalicus.
Czernay: in dem Bulletin de la société imp. des Naturalistes de Moscou. Année 1850, Tom. 23. Nr. 2. pag. 634, Année 1851. Tom. 24. Nr. 1. pag. 281. Tab. VII, Tom. 24. Nr. 3. pag. 259. Aspius Owsianka.
Maslowsky: Neue Beiträge zur Bestätigung der Fischart Owsianka und neue Beobachtungen über dieselbe, in dem Bulletin de Moscou a. a. O. Année 1854. Tom. 27. Nr. 2. pag. 442.
Kessler: ebenda. Année 1856. Tom. 29. Nr. 2. pag. 375 u. Année 1857. Tom. 30. Nr. 2. pag. 473. Aspius Owsianka.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 145. Fig. 76. Leucaspius abruptus u. pag. 193. Fig. 107. Squa - lius delineatus.
Dybowski: Cyprinoiden Livlands. pag. 147. Owsianka Czernayi, pag. 146. Leucaspius abruptus u. pag. 115. Squalius delineatus.
Artcharakter: Mund endständig mit steil aufwärts gerichteter Spalte; der mehr oder weniger gestreckte Leib etwas seit - lich zusammengedrückt; Seitenlinie nur auf die ersten acht bis zwölf Schuppen beschränkt; die Afterflosse 11 bis 13 weiche, getheilte Strahlen enthaltend, beginnt unter dem Ende der Rückenflosse.
D. 3 / 8, P. 1 / 13, V. 2 / 8, A. 3 / 11 — 13, C. 19, Squ. 7 — 8 / 48 / 4.
Dieser kleine Fisch, auf den man erst in neuerer Zeit aufmerksam ge - worden ist, kann seine Verwandtschaft mit den Alburnen nicht verläugnen, hat aber doch so viel eigenthümliches an sich, dass seine Erhebung zu einer besonderen Gattung durchaus nicht ausbleiben konnte.
Sein mehr oder weniger gestreckter Körper erscheint am Rücken kaum comprimirt. Sein breiter Scheitel geht ohne auffallenden Absatz in den fast geraden Rücken über. Sehr charakteristisch ist der Unterkiefer gebildet. Derselbe steigt von vorn ganz abgeflacht und breit in steiler Richtung auf und passt mit seinem schwach hervorragenden Kinne in eine schwache Aus - randung, welche die Mitte des Oberkieferrandes erkennen lässt. Die kurze Seitenlinie erinnert an die verkümmerte Seitenlinie des Bitterling. Die ra - dienlosen, sehr stark silberglänzenden Schuppen liegen ebenso dicht an den Leib gedrückt, wie bei den Alburnen und gehen auch ebenso leicht, wie bei diesen, verloren.
Schlundknochen und Schlundzähne.
Die Schlundknochen sind gleich denen der Alburnen von schwachem, schlankem Baue, variiren aber in der Zahl und Anordnung der Zähne ausserordentlich, so dass sich weder Einreihigkeit noch Doppelreihigkeit der Zähne als ein bestimmtes Gattungsmerkmal hin - stellen lässt. Bei 36 Individuen kam mir acht Mal auf beiden Seiten eine doppelte Zahnreihe vor, zehn Mal fand ich nur links allein und sechs Mal nur rechts allein eine doppelte Zahn -173Gattung: Leucaspius.reihe. Vorherrschend bilden vier Zähne rechts und fünf Zähne links die in - nere Zahnreihe, vor welcher bei zwölf Individuen weder auf der rechten noch linken Seite die Spur eines Zahnes zu erkennen war. Drei Mal zählte ich auf beiden Seiten an der inneren Zahnreihe fünf Zähne. Ein Individuum bot eine besonders abweichende Zahnformel dar, indem vor der rechten inneren fünf - zähnigen Reihe ein einziger kleiner Zahn und vor der linken inneren eben - falls fünfzähnigen Reihe zwei kleine Zähnchen zu erkennen waren. Die paa - rigen Flossen sind sehr kurz, die Rücken - und Afterflosse ziemlich niedrig, während die Schwanzflosse lang und tief eingeschnitten erscheint.
Der Rücken dieses Fischchens ist grünlichgelb gefärbt, an den schön sil - berglänzenden Leibesseiten desselben springt ein stahlblauer Längsstreifen in die Augen, welcher auf der hinteren Körperhälfte besonders stark ausgeprägt ist und von einer unter der Haut angebrachten Anhäufung schwarzen Pigmen - tes herrührt. Die Flossen zeigen sich sämmtlich farblos.
Der Leucaspius delineatus, welcher meistens eine Länge von 2½ bis 3 Zoll und selten bis 3½ Zoll erreicht, ist ein Bewohner des südöstlichen Europa’s, er kömmt aber auch im mittleren Europa vor und dürfte in den westlichen Gegenden Europa’s ebenfalls nicht fehlen, wo er vielleicht bis jetzt nur über - sehen worden ist. Nach den Erfahrungen russischer Faunisten findet sich die - ses Fischchen unter dem Namen » Owsianka « in den Flüssen Südrusslands all - gemein verbreitet. Von Virlet wurde derselbe Cyprinoide in dem griechischen See Zaraco (dem alten stymphalischen See) entdeckt1)Vergl. Valenciennes a. a. O., Heckel erhielt diesen kleinen Fisch von Datschitz in Mähren, von Aderkla bei Wien und aus der Umgebung von Lemberg. Ich fieng denselben in einem sehr kleinen Sumpfe bei Braunsberg, auch wurde derselbe in meiner Gegenwart bei Nikolaiken im Spirdingsee und bei Danzig im Heubuder See gefangen. In Berlin wurde mir derselbe zwischen mehreren Bitterlingen und Giebeln überbracht, welche in der Nähe der Havel gefangen waren. Blasius traf denselben sehr zahlreich bei Braunschweig in einem kleinen Nebenflusse der Ocker an.
Zur Zeit der Brunst, welche nach den Angaben von Czernay und Mas - lowsky2)S. Bulletin de Moscou a. a. O. 1854. Nr. 2. pag. 452. Von Blasius wurde nach einer mir gemachten mündlichen Mittheilung dieser Fisch vom April bis Ende Mai bei Braunschweig im Laich angetroffen. im April einzutreten scheint, macht sich bei diesem Fische hinter dem After eine aus drei Wülsten zusammengesetzte Urogenital-Papille bemerkbar.
Es variirt dieser Fisch in seiner Form und Färbung nach den verschiede - nen Aufenthaltsorten ebenso sehr wie die gemeine Laube, daher es gekommen sein mag, dass diese je nach den verschiedenen Fundorten verschieden gestal - teten Varietäten für ebenso viele Arten genommen worden sind. Auch Mas -174Familie: Cyprinoidei.lowsky1)Bulletin de Moscou. 1854. Nr. 2. pag. 446. hat auf die Schwankungen in den Körperverhältnissen bei der Owsianka hingewiesen. Heckel hat sich sogar durch die verschiedenen Abweichungen, welchen die Formel der Schlundzähne bei diesem Fischchen unterworfen ist, verleiten lassen, diejenigen Individuen mit doppelreihigen Zähnen als Squalius delineatus und diejenigen mit einreihigen Zähnen als Leucaspius abruptus zu beschreiben. Zwar scheinen Maslowsky2)Ebenda. pag. 448. und Kessler3)Ebenda. 1856. Nr. 2: pag. 375. nur Individuen der Owsianka mit doppelten Zahnreihen vor sich gehabt zu haben, deren Formel letzterer ebenfalls variiren sah, doch müssen demselben auch Individuen die - ses Fisches mit einreihigen Zähnen vorgekommen sein, da derselbe von den sehr kleinen äusseren Zähnen dieses Zahnsystems angiebt, dass sie bei dem Reinigen der Schlundknochen sehr leicht verloren gehen. Ich habe die mit einreihigen Zähnen besetzten Schlundknochen dieser Fischchen genau darauf angesehen und nicht bemerkt, dass die fehlenden vorderen Zähne etwa durch Abbrechen verloren gegangen waren. Aus dem Vergleichen der Abbildungen, welche Heckel und Kner (a. a. O.) von den beiden Fischen Leucaspius abruptus und Squalius delineatus geliefert haben, wird man sich von deren Zusammen - gehörigkeit auf den ersten Blick überzeugen. Auch die Original-Exemplare von beiden Fischen, welche ich im Wiener Naturalien-Cabinete zu vergleichen Gelegenheit hatte, boten mir keine Unterschiede dar; bei vier in dieser Samm - lung aufbewahrten Individuen des Squalius delineatus fand ich das Schlund - zahn-System noch unberührt, nach dessen näherer Untersuchung ich rechts 4 und links 5 Zähne einreihig geordnet antraf, nur bei einem einzigen Indivi - duum war noch vor den vier Zähnen der rechten Seite ein kleiner isolirter Zahn wahrzunehmen. Da ich ausserdem noch die Kronen fast aller Zähne die - ser Fische mehrfach gekerbt fand, so nahm ich keinen Anstand, die von Heckel und Kner in zwei verschiedenen Gattungen auseinander gehaltenen Fische un - ter dem Namen Leucaspius delineatus zu verschmelzen. Dybowski, welcher (a. a. O.) nach Heckel’s Angabe für dessen Squalius delineatus die Zahnformel 2. 5 — 5. 2 und für dessen Leucaspius abruptus die Zahnformel 5 — 5 beibehal - ten hat, sah sich veranlasst, die im Düna-Flussgebiet aufgefundenen Indivi - duen des Leucaspius delineatus als besondere Gattung und Art unter dem Na - men Owsianka Czernayi hinzustellen, weil er an denselben die Zahnformel 2. 5 — 4. 2 beobachtet hat; da aber Dybowski die von Czernay, Maslowsky und Kessler beschriebenen und mit sehr verschiedenen Zahnformeln ausgestatteten südrussischen Owsianken seiner neuen Gattung Owsianka beizählt, so giebt er dadurch stillschweigend zu, dass die Zahnformel seiner Gattung Owsianka ebenso variirt wie die Zahnformel von Leucaspius delineatus.
175Gattung: Leucaspius.Die an das Wiener Naturalien-Cabinet im Jahre 1855 eingesendeten Exem - plare des Leucaspius delineatus, welchen Blasius bei Braunschweig so zahl - reich aufgefunden hatte, waren von Heckel als Squalius delineatus bestimmt worden, diejenigen Exemplare, welche mir Herr Blasius gütigst überlassen hatte, besassen zum Theil einfache zum Theil doppelte Zahnreihen.
Obgleich Czernay1)S. Bulletin de Moscou a. a. O. 1851. Nr. 3: pag. 260. den Leuciscus stymphalicus des Valenciennes (a. a. O.) der Owsianka nur als sehr nahe stehend betrachten möchte, so glaube ich doch, dass dieser Fisch, den Valenciennes selbst für einen kleinen Alburnus erklärt hat, mit dem Leucaspius delineatus identisch ist. Auch die von Arendt2)S. Valenciennes: Histoire des poissons. Tom. XVII. pag 378. als Cypri - nus Fischeri bezeichneten Fische, welche derselbe unter dem Namen Owsianka aus dem Flusse Beresofka (Gouvernement Perm) erhalten hatte und welche Va - lenciennes als Brut von Haseln und Rothaugen erkannt haben wollte, dürften vielleicht eine Varietät des Leucaspius delineatus gewesen sein.
Da dieser Fisch in Niederöstreich und Mähren vorkömmt, so wäre es nicht unmöglich, dass sich derselbe noch in anderen Gegenden von Süddeutschland vorfindet, wo er bis jetzt vielleicht nur übersehen worden ist. Es scheint, dass der Leucaspius delineatus in früheren Zeiten bekannter gewesen ist und dass derselbe nach und nach mit der Brut anderer Cyprinoiden verwechselt wurde. In älteren ichthyologischen Schriften ist hier und da von sehr kleinen Fischen die Rede, welche vom Volke » Mutterloseken « oder » Moderliesken « genannt werden, von denen man glaubte, sie fänden mutterlos aus Schlamm und Moder ihre Entstehung. Ob diese Sage eine Wiederholung dessen ist, was Aristo - teles3)Vergl. dessen de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 14. von den Aphyen mitgetheilt hat, muss ich dahin gestellt sein lassen, nur darauf will ich aufmerksam machen, dass Artedi und Linné unter ihrem Cyprinus Aphya etwas anderes als den Leucaspius delineatus verstanden haben. Ganz anders verhalten sich Schonevelde’s und Wulff’s Angaben über Aphya. Ersterer (Nr. 81: pag. 16) bezeichnete mit dem Namen Aphyae kleine zwei Zoll lange Fische, welche in Schleswig-Holstein » Mutterloseken « genannt wer - den und durch Urzeugung entstehen sollen. Seine kurze Beschreibung dieser Fischchen lässt freilich keine specielle Cyprinen-Form erkennen. Wulff (Nr. 94: pag. 44) giebt von Cyprinus Aphya Linné’s Beschreibung und fügt hinzu, dass dieser Fisch in Preussen » Moderliesken « genannt werde, sich in allen kleinen Gewässern vorfinde und dem Stinte (Osmerus Eperlanus) ähnlich sei. Auch Bock (Nr. 95: pag. 662) erwähnt das Moderliesken als preussischen Fisch, das in Gesellschaft des Stintes gefangen werde, lässt aber in seiner Be - schreibung dieses Fisches den Leucaspius delineatus nicht mit Sicherheit er -176Familie: Cyprinoidei.kennen. Bujack (Nr. 97: pag. 339) führt ebenfalls den Cyprinus Aphya mit dem Provincial-Namen » Mutterloseken « in seiner preussischen Fauna auf, aber nur mit der mangelhaften Beschreibung, welche die schwedischen Fau - nisten von dem Cyprinus Aphya gegeben haben, woraus hervorgeht, dass der - selbe keine preussischen Mutterloseken als Muster vor sich gehabt hat. Von Rathke) Nr. 98 b: pag. 22) erfahren wir, dass er diese Fische aus den Gewäs - sern Preussens noch nicht habe erhalten können; bei meiner letzten Anwesen - heit in Königsberg im Jahre 1860 fand ich in dem dortigen zoologischen Cabi - nete noch immer keine Moderliesken aufbewahrt, auch konnte mir ein Königs - berger Fischer, den ich nach diesem Fische befragte, im Pregel nichts anderes als gewöhnliche Rothaugen-Brut zeigen, die er für Moderlieskens erklärte. Um so überraschender war es mir, als mich mein Freund Liévin in Danzig darauf aufmerksam machte, dass in dem Heubuder See ohnweit Danzig ein kleiner Fisch vorkomme, der von den Fischern » Modke « genannt werde. Da mir die - ser Name eine Abkürzung von Moderlieske zu sein schien, liess ich in dem ge - nannten See nach diesen Modkes fischen und erhielt glücklicherweise einige Individuen davon, in denen ich zu meiner grössten Freude den Leucaspius de - lineatus wieder erkannte, den ich bereits von Braunsberg und Nikolaiken aber ohne deutschen Namen erhalten hatte. Von ganz besonderem Interesse war es mir endlich, dass mir bei meinem Aufenthalte in Braunschweig mitgetheilt wurde, der Leucaspius delineatus, welchen Blasius in einem Nebenflüsschen der Ocker entdeckt hatte, komme auch bei Gifhorn (fünf Stunden von Braun - schweig) in Torfstichgräben vor, und führe dort den Namen » Moderliesken «.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne in zwei Reihen zu 3 und 5 stehend, mit seitlich zusammengedrückten und an der Spitze hakenförmig umgebogenen Kronen; Rückenflosse und Afterflosse mit kurzer Basis.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 172. Taf. 17. Rottel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 5. n. 14, Descr. spec. pag. 6. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 14. n. 30 und pag. 7. n. 11.
Linné Nr. 2: pag. 529. n. 17. Cyprinus Idus und pag. 530. n. 20. Cyprinus Jeses.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 45. Taf. 6. Cyprinus Jeses, Aland.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 210. Cyprinus Idus.
177Gattung: Idus.Perty Nr. 24: pag. 719. Cyprinus Jeses, Schwarznervling.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 22. Cyprinus Jeses, Aland.
Bujack Nr. 97: pag. 337: Cyprinus Jeses, Aland.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 209. Leuciscus Idus u. neglectus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 160. Leuciscus Jeses.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 447. Leuciscus Idus.
Leiblein Nr. 51: pag. 122. Idus Idus.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 135. Fig. 147. Fig. 77. 78. Idus melanotus, Gängling.
Fritsch Nr. 75: pag. 202. Idus melanotus.
Varietät: Goldnerfling.
Baldner Nr. 42. pag. 231. Taf. 49. Goldgelbe Rottel.
Meyer Nr. 48: Th. I. pag. 31. Tab. 43. Rothe Orfe.
Artedi Nr. 1: Syn. nom. pisc. pag. 6. n. 8.
Linné Nr. 2: pag. 530. n. 18. Cyprinus Orfus.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 138. Taf. 96. Cyprinus Orfus, Orfe.
Schrank Nr. 23 a: pag. 330. n. 310. Cyprinus Orfus, Goldnervling.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 224. Leuciscus Orphus.
Leiblein Nr. 51: pag. 121. Leuciscus Orfus, Rothorfe.
Heckel u. Kner Nr. 13: pag. 150. Idus melanotus, Varietät Orfe u. pag. 151. Idus miniatus.
Artcharakter: Mundöffnung endständig, die nicht sehr weite Mundspalte etwas schief gestellt; Leib mässig gestreckt und nur wenig zusammengedrückt; Augen und Schuppen klein; die Afterflosse mit 9 bis 10 weichen getheilten Strah - len1)S. Heckel’s Fische Syriens pag. 1008. Taf. I. Idus melanotus, Fangzähne..
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 8, A. 3 / 10 — 11, C. 19, Squ. 9 — 10 / 56 — 59 / 4 — 5.
Der Nerfling gehört in die Reihe der grösseren Cyprinoiden, da er eine Grösse von 12 bis 15 Zoll und darüber erreichen kann. Im Verhältniss zu sei - ner Grösse sind die Augen und das endständige Maul nur klein, auch die klei - nen Schuppen und die grössere Anzahl der Längs-Schuppenreihen machen diesen Fisch leicht kenntlich. Noch sicherer lassen die starken Fangzähne in ihrer Zahl und Anordnung, sowie die sehr gedrungen gebauten Schlundkno - chen den Nerfling unterscheiden.
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Dieser Fisch kömmt in zwei sehr auf - fallend verschiedenen Färbungen vor, von welchen die eine, die orangengelbe Färbung Veranlassung gegeben hat, den so gefärbten Idus melanotus unter der älteren Bezeichnung Cyprinus Orfus für eine besondere Art zu halten, für welche der Volksname » Orfe « allgemeine Verbreitung gefunden hatte. Die nahe Verwandtschaft der rothen Orfe und desv. Siebold, Fische. 12178Familie: Cyprinoidei.schwarzblauen Nerfling ist aber schon von dem Volke errathen worden, da Idus melanotus in seiner ursprünglichen schwarzblauen Färbung von den Fi - schern wenigstens hier in Bayern den Namen » Schwarznerfling « erhalten hat, während die rothe oder orangengelbe Varietät dieses Fisches mit dem Namen » Goldnerfling « bezeichnet wurde.
Die Farbe des Schwarznerfling ist nach dem Alter sehr verschieden. Im erwachsenen Zustande schimmert der ganze Oberrücken vom Scheitel bis zum Schwanzende schwarzblau, während die Seiten und der Bauch weisslich ge - färbt sind, alle Flossen besitzen eine röthliche Grundfarbe, über welche sich ein bläulicher Duft ausbreitet. Im jüngeren Alter tritt die rothe Färbung der Flossen besonders an der Afterflosse und den paarigen Flossen greller hervor, wobei dann auch die weisslichen Schuppen des auf dem Rücken nur wenig dunkel gefärbten Leibes einen bald stärkeren bald geringeren Messingglanz von sich geben. Bei der Goldorfe ist an die Stelle der schwarzblauen Farbe ein schönes Orangengelb getreten und die sämmtlichen Flossen zeigen ohne Beimischung eines bläulichen Duftes eine einfache orangengelbe Farbe.
Der Nerfling kömmt am häufigsten als Schwarznerfling vor und findet sich in dieser Färbung in allen grösseren Flüssen und Seen von Mitteleuropa. In den Teichen von Dinkelsbühl hat sich dieser Fisch schon seit vielen Jahren constant in die Goldorfe verwandelt, mit welcher Varietät von Dinkelsbühl aus ein starker Handel unterhalten wird, indem man es liebt, Weiher und Springbrunnen-Bassins mit diesem Goldnerfling zu schmücken, ja die jünge - ren Individuen desselben gelangen sogar als unechte Goldfische bis in die jetzt so beliebten Zimmer-Aquarien. Obwohl der Goldnerfling in der Umgegend von Dinkelsbühl recht eigentlich zu Hause ist, so kommen doch auch ander - wärts an dem Nerfling Ausartungen in der Farben-Entwicklung vor, welche den Nerfling zu einem Goldnerfling stempeln, ich erkenne wenigstens in der obenerwähnten Abbildung einer goldgelben Rottel, welche nach Baldner’s Aussage im Jahre 1668 in der III bei Strassburg gefangen worden1)In dem Manuscript des Baldner heisst es wörtlich: » Im Jahre 1668 ist dieser Fisch auf der Illen gefangen worden «, was Valenciennes (Nr. 5: T. XVII. pag. 226) ganz unrich - tig mit den Worten übersetzt hat: » Ce poisson fut pris dans l’Inn en 1688 «. Valenciennes hat auch den Namen » Rottel « in Baldner’s Manuscript unrichtig aufgefasst und in » Roth - kehl « verwandelt. Da Baldner’s goldgelbe Rottel in den Umrissen des Körpers und der Flossen ganz mit dem von ihm als » Rottel « bezeichneten Fisch übereinstimmt, so habe ich keinen Anstand genommen, beide Fische als identisch und den schwarzblau gefärbten » Rot - tel « als die Grundform des Idus melanotus zu betrachten, während Valenciennes (Nr. 5: T. 17. pag. 114 und 122) den Rottel gewiss mit Unrecht als Varietät zu Scardinius erythroph - thalmus gezogen hat., ganz deutlich eine Goldorfe, auch Nau (Nr. 45 a: pag. 80) meldet, dass die rothe Varietät des Nerfling sowohl im Rhein wie im Main vorkomme. Dass auch in Norddeutschland die Goldorfe vorkommen soll, möchte ich bezweifeln, es179Gattung: Idus.beruht diese Angabe, wie ich weiter unten nachweisen werde, auf einer Ver - wechslung der Goldorfe mit einer rothgefärbten Varietät des Leuciscus rutilus. Es ist das Fehlen der Goldorfe in Norddeutschland um so auffallender, als der Schwarznerfling dort überall verbreitet ist und unter den verschiedensten Na - men auf den Fischmärkten Norddeutschlands angetroffen wird. Im Elbe-Ge - biet hörte ich ihn » Aland, Alander « nennen, in Pommern führt er den Namen » Hartkopf «, in Preussen wird er » Göse, Gesenitz « und an den masurischen Seen » Rohrkarpfen « genannt. Eine ganz eigenthümliche Abart des Nerfling erhielt ich ganz kürzlich aus der Donau in zwei Exemplaren, welche sich durch einen fast vollständigen Mangel des schwarzkörnigen Pigmentes auf der Rückenseite des Körpers auszeichneten, ohne dass rothes Pigment an die Stelle getreten war, wodurch mich diese beiden Fische an jene ganz blass colorirte Abbil - dung erinnerten, in welcher Meidinger1)Vergl. Nr. 30: Dec. II. Tab. XIV. seinen Cyprinus Idbarus dargestellt hat. Eine ähnliche blassrothe Varietät, welche von Heckel unter dem Namen Idus miniatus zu einer besonderen Art erhoben wurde, lebt in dem Teiche des kais. Hofgartens der Burg in Wien. Ich fand wenigstens zwischen den im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrten Individuen dieses I. miniatus und dem I. melanotus keinen anderen Unterschied, als dass an denselben eine blassrothe Farbe die normale blauschwarze Färbung verdrängt hatte und diese letztere sich nur noch als verwaschene unregelmässige Binden oder Flecke geltend machte.
Die Laichzeit des Nerfling beginnt im April und währt bis Ende Mai. Um diese Zeit kömmt an den männlichen Individuen jener Hautausschlag zum Vorschein, der bei den meisten Cyprinoiden-Männchen die Brunstzeit anzeigt. Bei Idus melanotus bedeckt derselbe in Form von vielen kleinen weisslichen Wärzchen die ganze Oberseite des Kopfes bis nach vorne zwischen den bei - den Nasenlöchern, auch der Hautüberzug des Kiemendeckel-Apparates ist von solchen kleinen Wärzchen dicht übersät, ebenso sind alle Schuppen des Rückens und der Leibes-Seiten bis weit hinter der Rückenflosse an dem Hin - terrande mit einer einfachen Reihe solcher Wärzchen dicht eingefasst und auf der Fläche derselben mit einigen solchen Wärzchen besetzt, während zugleich auf der inneren Seite der Brustflossen der erste bis neunte Strahl dichtge - drängte Wärzchen-Reihen trägt, die auf den einzelnen Radien der getheilten Strahlen in ebenso viele einzelne Wärzchen-Reihen auslaufen.
Ich muss hier noch bemerken, dass die Bezeichnungen Cypr. Idus, Cypr. Jeses, Cypr. Dobula, Cypr. Idbarus, Cypr. Cephalus vielfältig von den Ichthyo - logen untereinander verwechselt worden sind, und dass Idus melanotus zu denjenigen Fischen gehört, für welche fast alle die eben erwähnten Namen von den verschiedenen Autoren verbraucht worden sind. Man muss es daher12*180Familie: Cyprinoidei.dem verstorbenen Heckel1)S. dessen Reisebericht, Anhang III. pag. 49 u. 65 besonders danken, dass er sich der Mühe unter - zogen hat, durch eine sehr umsichtige Zusammenstellung und Berichtigung der Synonyme dieser mit einander verwechselten Cyprinoiden Klarheit in diese Verwirrung zu bringen, freilich konnte die Verwechslung nicht überall er - kannt und nachgewiesen werden, weil die mangelhafte Beschreibung oder die ganz ungenügende Abbildung des Fisches gar keine Anhaltspunkte für die richtige Deutung desselben zuliess. Aus diesem Grunde war es mir bei den verschiedenen Fischfaunen, die nur Namens-Verzeichnisse darboten, nur dann möglich die betreffende Fisch-Species herauszufinden, wenn der Volks - name beigefügt war.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne in zwei Reihen zu 3 und 5 gestellt, mit seitlich zusammengedrückten an der Innen - seite tief gesägten Kronen; die Basis der Rücken - und Af - terflosse kurz.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 170. Taf. 16. Rothaug.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 2, Descr. spec. pag. 9. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 4. n. 3.
Linné Nr. 2: pag. 530. n. 19. Cyprinus erythrophthalmus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 28. Taf. 1. Cyprinus erythrophthalmus, Plötze.
Schrank Nr. 23 a: pag. 330 n. 309. Cyprinus erythrophthalmus, Rothauge.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 225. Cyprinus rutilus, Rothflosser, Rotten.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 24. Cyprinus erythrophthalmus, Rothfeder.
Bujack Nr. 97: pag. 338. Cyprinus erythrophthalmus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 213. Leuciscus erythrophthalmus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 107. Leuciscus erythrophthalmus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 421. Leuciscus erythrophthalmus.
Günther Nr. 47: pag. 80. Leuciscus erythrophthalmus, Rothauge.
Leiblein Nr. 51: pag. 122. Scardinius erythrophthalmus, Rothauge.
Rapp Nr. 41: pag. 8. Leuciscus erythrophthalmus, Rothauge.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 153. Fig. 79. 80. Scardinius erythrophthalmus, Rothauge und pag. 160. Fig. 85. Scardinius macrophthalmus (Kümmerer).
Fritsch Nr. 75: pag. 202. Scardinius erythrophthalmus.
181Gattung: Scardinius.Artcharakter: Mundöffnung endständig mit steil nach aufwärts gerichteter Spalte; der Körper etwas seitlich zusammen - gedrückt und bald mehr bald weniger hoch; der Bauch von der Basis der Bauchflossen bis zum After eine scharfe mit dachförmigen Schuppen bedeckte Kante bildend1)S. Heckel’s Fische Syriens. pag. 1008. Taf. I. Scardinius erythrophthalmus, Fang - zähne..
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 8, A. 3 / 10 — 12, C. 19, Squ. 7 / 40 — 42 / 3 — 4.
Der Scardinius erythrophthalmus hat das Schicksal gehabt, sehr oft mit dem Leuciscus rutilus verwechselt zu werden2)In Folge der Verwechslungen des Cyprinus erythrophthalmus und Cyprinus rutilus haben Hartmann, Nenning und Schinz das Zurechtfinden in der Synonymie dieser beiden Fische ausserordentlich erschwert, obgleich am Bodensee und am Züricher See diese bei - den Fische als » Rotten « oder » Rottelen « (Scard. erythrophth. ) und als Furn oder Schwal (Leucisc. rutilus) deutlich unterschieden werden. Schinz hielt in seiner Fauna helvetica (a. a. O. pag. 155) den Schwal des Züricher See und den Furn des Bodensee mit Unrecht für die Plötze von Norddeutschland (Cypr. erythrophth. des Bloch); derselbe verbesserte den Fehler in seiner europäischen Fauna (1840. Bd. II. pag. 323), wo er den Scardinius erythrophthalmus beschreibt und demselben ganz richtig den schweizerischen Volksnamen Rotte und Rottelen beifügt; er verfällt aber bald darauf in seiner naturgeschichtlichen Darstellung des Kanton Zürich (1842. pag. 314) wieder in den früheren Fehler, indem er den Rotten (Scard. erythrophth. ) unter dem Namen Cypr, rutilus und den Schwal (Leu - ciscus rutilus) unter dem Namen Cypr. erythrophth. ) beschreibt, womit die Bezeichnungen der Züricher Fische, welche auf zwei grossen Oelgemälden im Rathhause zu Zürich seit vielen Jahren zur Schau und Belehrung aufgestellt sind, gänzlich im Widerspruch stehen, denn man wird bei Betrachtung dieser Oelgemälde in dem Rottelen den Scard. erythro - phthalmus und in dem Schwal den Leuciscus rutilus auf den ersten Blick erkennen. Auch Bloch hat die Volksnamen » Plötze « und » Rothauge « ebenfalls verwechselt, auf den Berliner Fischmärkten heisst Scardinius erythrophthalmus Rothauge und Leuciscus rutilus Plötze., selbst die Fischer, welche sonst ein gutes Auge für gewisse Unterscheidungszeichen nahe verwandter Fische besitzen, unterscheiden nicht immer diese beiden Fische und gebrau - chen häufig die Volksnamen » Rothauge «, » Rothfeder «, » Rothflosser « für beide Fischarten zugleich, und doch sind bei beiden Cyprinoiden so scharfe und be - stimmte Gattungscharaktere vorhanden, dass wenigstens von Seiten eines Ichthyologen keine Verwechslung dieser beiden Cyprinoiden möglich erscheint. Zwar ist der Scard. erythrophthalmus mancherlei Abänderungen unterworfen, wobei jedoch der steil aufsteigende Unterkiefer sowie die zwischen den Bauch - flossen und dem After befindliche scharfe Bauchkante, welche bei allen Va - rietäten bemerkbar bleiben, allein schon ausreichen dürften, diesen Cypri - noiden von dem Leuciscus rutilus zu unterscheiden: fasst man nun gar die charakteristischen doppelreihigen Schlundzähne des Scard. erythrophthalmus ins Auge, deren lange seitlich zusammengedrückte Kronen so scharf und regel - mässig gesägt sind, wie bei keinem anderen unserer Cyprinoiden, so hat man182Familie: Cyprinoidei.Anhaltspunkte genug, um diesen Fisch ganz sicher zu bestimmen. Auf die Körperhöhe kann bei Scard. erythrophthalmus kein sehr grosses Gewicht ge -
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
legt werden, da neben sehr hochrücki - gen Individuen, besonders im jüngeren Alter, auch Individuen mit mehr oder weniger niedrigem Rücken vorkommen. Auch die Grossschuppigkeit giebt zur Erkennung des Scard. erythrophthalmus keinen Anhaltspunkt, da bei den hoch - rückigen Formen des Leucisc. rutilus die Schuppen sich ebenfalls sehr gross ent - wickelt haben.
In der Färbung ist der Scard. erythrophthalmus ebenfalls vielen Schwan - kungen unterworfen. Es hängen diese Farben-Veränderungen gewiss von den Einflüssen der verschiedenen Gewässer ab, in denen sich diese Fisch - art aufhält. Die normale Färbung dieser Karpfen-Species besteht in Folgen - dem. Der Rücken erscheint braungrün, die Seiten glänzen messinggelb, die Bauchflossen sowie die After - und Schwanzflosse prangen mit einem präch - tigen Roth und stechen von den Brustflossen und der Rückenflosse, an wel - chen die rothe Färbung durch dunkle Pigmentirung getrübt ist, auffallend ab; in einem solchen Farbenkleide hat sich dieser Fisch mit Recht den Volks - namen: » Rothflosser « oder » Rothfeder « erworben, da an keinem anderen un - serer rothflossigen Fische eine so intensive rothe Farbe der Flossen zum Vor - schein kömmt. Den Namen » Rothauge « verdankt dieselbe Fischart dem rothen Flecke, mit welchem die goldgelbgefärbte Regenbogenhaut der beiden Augen geschmückt ist, da aber die Augen noch vieler anderen Cyprinoiden ganz ähn - lich gefärbt sind, so ist der obige Name für die in Rede stehende Karpfen - Species nicht glücklich gewählt.
Als Abweichung von der normalen Färbung des Scard. erythrophthal - mus kommen häufig sehr helle Individuen vor, bei denen die charakteristische rothe Farbe der Flossen mehr oder weniger erblasst, zuweilen sogar bis zur Farblosigkeit zurückgetreten ist. Eine durch äusserst dunkle Färbung sich auszeichnende Varietät, bei welcher alle Farben des Körpers und der Flossen sich in ein dunkles Schwarzblau umgewandelt haben, wurde früher von Heckel (Nr. 11 c: pag. 1037) als eine besondere Art unter dem Namen Scar - dinius hesperidicus aufgeführt, aber später (Nr. 13: pag. 156) als blosse Far - ben-Varietät des Scard. erythrophth. erkannt. Heckel und Kner (ebenda) be - trachten diese Varietas hesperidica als eine südliche Spielart dieses Fisches, als deren nördlichstes Vorkommen der Garda-See von ihnen angeführt wird. Es ist aber das Vorkommen dieser Spielart nicht bloss auf die transalpinischen183Gattung: Leuciscus.Gewässer beschränkt, da ich dieselbe auch in dem herrlich tiefblau gefärbten Achen-See angetroffen habe.
Dieser Fisch, welcher nur selten die Grösse von 12 Zoll erreicht, kömmt in allen Fluss-Gebieten von Mitteleuropa sehr häufig vor; als Lieblings-Aufent - halt wählt sich derselbe aber gern stilles Wasser aus, daher man ihn in den sogenannten Altwässern am häufigsten antrifft, aber auch die meisten mittel - europäischen Seen werden von diesem Fische bewohnt.
Es hält sich der Scardinius erythrophthalmus, dessen Laichzeit in die Mo - nate April und Mai fällt, gern auf dem Grunde der Gewässer auf, wo sich derselbe nach Art der Schleihen und Gareiseln im Schlamme seine Nahrung sucht. Während der Laichzeit werden alle Farben dieses Fisches um vieles dunkler; als Hautausschlag machen sich um diese Zeit an den männlichen Individuen der Rothfeder eine Menge kleiner und sehr dicht stehender Körner bemerkbar, welche den Scheitel und die Schuppen des Rückens einnehmen, zugleich aber auch die innere Seite der vordern Brustflossenstrahlen besetzt halten.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne stehen in einfacher Reihe, auf dem linken Schlundknochen zu 6 oder 5, auf dem rech - ten Schlundknochen immer zu 5. Die vorderen Zahnkronen haben eine conische Gestalt, die hinteren dagegen sind seitlich zusammengedrückt, mit einer schräg abgeschlif - fenen und nach innen in einen Haken auslaufenden Kau - fläche; Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis.
Die Gattung Leuciscus steht der von Heckel (Nr. 11 c: pag. 1038) aufge - stellten Gattung Leucos ausserordentlich nahe und unterscheidet sich nur durch die Zahl der Schlundzähne von der letzteren, indem nämlich Leucos auf bei - den Seiten fünf Schlundzähne besitzt, trägt nach Heckel Leuciscus auf dem linken Schlundknochen sechs Zähne und auf dem rechten Schlundknochen fünf Zähne. Ich muss hiergegen einwenden, dass ich bei vielen Individuen des Leuciscus rutilus auf beiden Schlundknochen fünf Zähne angetroffen habe, welche demnach zu der Gattung Leucos hätten gerechnet werden müssen. Ich bemerke ausdrücklich, dass ich an solchen der Gattung Leucos entspre - chenden Leuciscen nicht etwa einen abgebrochenen sechsten Zahn übersehen habe. Aus diesem Grunde kann ich mich nicht entschliessen, die Gattung Leucos von Leuciscus zu trennen, sondern schlage vielmehr vor, dieselbe mit184Familie: Cyprinoidei.Leuciscus wieder zu vereinigen, zumal da Heckel selbst sagt (Nr. 11 c: pag. 1038. Anmerk. ), dass fast alle Leucos-Arten das Aussehen von Leuciscus rutilus haben. Es mögen dann diejenigen Arten, in welchen constant die bei - den Schlundknochen fünf Zähne oder links sechs und rechts fünf Zähne tragen, als eine besondere Gruppe oder Untergattung zusammengestellt werden. Dass das Aufstellen und Festhalten dieser Gattung Leucos zu Irrungen und Ver - wechslungen führen musste, liess sich voraussehen, Heckel selbst hat sich denselben nicht entziehen können. Die durch Heckel als Leucos von den übrigen Leuciscen getrennten Cyprinoiden mit constanter Zahnformel 5 — 5 ge - hören dem südlichen Europa an; so bewohnt Leucos aula und rubella die ita - lienischen Gewässer und Leucos adspersus die dalmatinischen Gewässer. Diesseits der Alpen fehlen diese Leuciscus-Formen gänzlich, dennoch führt Heckel (Nr. 13: pag. 165) Leucos rubella als einen Innfisch auf; ich habe mir vergebens die grösste Mühe gegeben, diesen Fisch, welcher an Heckel von Brixlegg aus eingesendet worden war, gleichfalls aus dem Inn zu erhalten, aber weder in Kufstein, in Brixlegg, noch in Innsbruck wollte es mir gelingen, eines Leucos rubella habhaft zu werden. Ich möchte daher vermuthen, dass Heckel unter den aus Brixlegg eingesendeten Cyprinoiden Individuen von Leuciscus rutilus vorfand, welche zufällig die Zahnformel 5 — 5 enthielten und um so leichter für Leucos rubella gehalten werden konnten, als gerade bei diesem letzteren Cyprinoiden die ihm sonst eigenthümliche bleigraue Seitenbinde zu - weilen gänzlich fehlen kann. Wie hoch Heckel für seine Gattung Leucos die Zahnformel 5 — 5 als Gattungscharakter angeschlagen hat, dies lehrte mich eine nähere Untersuchung seines Leucos basak (Nr. 13: pag. 166) aus Dalma - tien, von welchem acht Exemplare im Wiener Naturalien-Cabinet aufbewahrt werden. In sieben dieser Exemplare fand ich die Schlundknochen noch ganz unberührt in den Kiemenhöhlen verborgen, nach Herausnahme und näherer Besichtigung derselben ergab es sich, dass vier Individuen die Zahnformel 5 — 5 an sich trugen, während bei drei Individuen der linke Schlundknochen mit 6 und der rechte mit 5 Zähnen besetzt war, so dass ich nach dem übri - gen Aussehen und Verhalten dieser Cyprinoiden den Leucos basak überhaupt für nichts anderes als für einen Leuciscus rutilus mit gestrecktem niedrigem Leibe habe halten müssen.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 3. n. 1, Descr. spec. pag. 10. n. 3. Syn. nom. pisc. pag. 10. n. 18.
Linné Nr. 2: pag. 529. n. 16. Cyprinus rutilus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 32. Taf. 2. Cyprinus rutilus, Rothauge.
Hermann Nr. 43: pag. 323. Cyprinus rutilus.
185Gattung: Leuciscus.Hartmann Nr. 38 b: pag. 221. Cyprinus erythrophthalmus, Furn, Schwall.
Perty Nr. 24: pag. 719. Cyprinus rutilus, Rothauge.
Gloger Nr. 88: pag. 75. n. 25. Cyprinus rutilus, Rothauge.
Agassiz Nr. 7: pag. 38 oder Nr. 8: pag. 79. Leuciscus rutilus, prasinus und decipiens.
Bujack Nr. 97: pag. 337. Cyprinus rutilus.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 210 — 212. n. 27 — 30. Leuciscus Selysii Heck., Leuciscus Je - ses Jur., Leuciscus rutilus Lin., Leuciscus rutiloides Sel. Pl. 6. Fig. 1 u. 2. Pl. 7. Fig. 1 u. 2.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 130. Leuciscus rutilus, pag. 149. Pl. 493. Leuciscus ru - tiloides Sel., pag. 153. Leuciscus prasinus Agass, pag. 198. Leuciscus Selysii Heck.
Heckel Nr. 11 c: pag. 1038. Leucos Selysii u. rutiloides, und pag. 1039. Leuciscus rutilus, Pausingeri u. prasinus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 435. Leuciscus rutilus.
Günther Nr. 47: pag. 74. Leuciscus rutilus, Rothauge.
Leiblein Nr. 51: pag. 121. Leuciscus rutilus, Rothflosser.
Rapp Nr. 41: pag. 8. Leuciscus rutilus, Rothauge.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 169. Fig. 91. Leuciscus rutilus, pag. 172. Fig. 92. Leuciscus Pausingeri.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Leuciscus rutilus, Plötze.
Artcharakter: Maul endständig, Körper etwas seitlich zusammen - gedrückt und mehr oder weniger gestreckt; die seitlich comprimirten Kronen der hinteren Schlundzähne auf der noch nicht abgeschliffenen Kaufläche mehrmals gekerbt; Schuppen gross.
D. 3 / 10 — 11, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 9 — 11, C. 19, Squ. 7 — 8 / 42 — 44 / 3 — 4.
Obwohl das Rothauge zu den verbreitetsten und häufigsten Fischen in Mitteleuropa gehört, so ist derselbe dennoch vielfach verkannt worden, indem dieser Fisch in seinen Körperumrissen und Färbungen mancherlei Abände - rungen unterworfen ist, auf welche man ebensoviel Artformen gründen zu müssen glaubte. Es kommen hier wie bei dem Gareisel (Carassius vulgaris) und bei der gemeinen Laube (Alburnus lucidus) kurze hochrückige und lang - gestreckte niedrige Individuen vor. Dergleichen Formabweichungen verdan - ken wahrscheinlich den verschiedenen Eigenschaften der Gewässer, des Auf - enthaltsortes und der Nahrung ihre Entstehung, wodurch sich ganz bestimmte mit immer wiederkehrenden Charakteren ausgestattete Varietäten ausprägen. Bei allen diesen verschiedenen Formen behält aber der Kopf seine eigenthüm - lichen Grössenverhältnisse, das heisst, er bleibt kurz und gedrungen, wobei sich jedoch der Umfang der Augen bald etwas vergrössern bald etwas verklei - nern kann, die Schnauze bald mehr bald weniger gedunsen erscheint und die Unterseite derselben durch zwei Vorsprünge am Unterkiefergelenk mehr oder weniger uneben gemacht wird. In der am häufigsten vorkommenden Form, welche daher als Grundform angesehen werden kann, zeigt das Rothauge einen nur mässig hohen Rücken und einen nur wenig seitlich zusammengedrückten186Familie: Cyprinoidei.nicht langgestreckten Leib, die Schnauze desselben ist gedunsen und die Augen haben einen grösseren Umfang.
Von den verschiedenen, mit besonderen Artnamen in das Fischsystem eingeführten Varietäten ist mir hier in Bayern eine Abart ganz besonders auf - gefallen, welche mit dem oben angeführten Leuciscus rutiloides des Herrn Selys (Nr. 58: pag. 212) übereinstimmt, und wegen ihres hohen Rückens und ihres kürzeren, seitlich ziemlich zusammengedrückten Leibes, ferner wegen ihrer mageren Schnauze und ihrer kleineren Augen mich längere Zeit irre geleitet hat, indem auch ich in dieser Abart, an welcher ausserdem noch das Unterkiefergelenk keine hervorspringenden Ecken bildet, anfangs eine beson - dere Species habe erkennen wollen. Aus denselben Gründen kann ich auch Heckel’s Leuciscus Pausingeri (s. Nr. 13: pag. 172) nur für eine hochrückige Varietät des gemeinen Rothauges erklären. Auch der von Agassiz als Leuciscus decipiens bezeichnete Weissfisch, von dem ich ein Exemplar im Wiener Naturalien-Cabinet vorfand, ist mir als eine hochrückige Rothaugen-Form erschienen.
Aus der Zahnformel 5 — 5, welche ich bei mehreren Individuen dieser Rothaugen-Form angetroffen habe, glaubte ich sogar Heckel gerechtfertigt zu sehen, welcher (Nr. 11 c: pag. 1038) diesen Leuciscus rutiloides des Selys mit einem Fragezeichen zu seiner Gattung Leucos gestellt hatte. Kirschbaum (Nr. 54: pag. 19) ist auf ähnliche Weise verleitet worden, diese Rothaugen-Form als Leucos rutiloides aufzuführen, wie ich mich an zwei von demselben als Leucos rutiloides gedeuteten und mir gütigst überlassenen Rothaugen des Rheins überzeugt habe. Das eine Exemplar enthielt die Zahnformel 6 — 5, während das andere Exemplar wirklich mit der Leucos-Zahnformel 5 — 5 ausgestat - tet war.
Eine andere in Bayern vorkommende Varietät mit langgestrecktem, mehr cylindrischem Leibe und mit niedrigem Rücken, entspricht der von Selys (Nr. 58: pag. 210) in Belgien aufgefundenen und von Heckel anfangs als Leu - ciscus Selysii bezeichneten Rothaugen-Form. Heckel, welcher durch Selys verschiedene Rothaugen aus Belgien zur Untersuchung eingesendet erhalten hatte, muss zufällig Individuen mit der Zahnformel 5 — 5 in die Hände be - kommen haben, wodurch sich derselbe (Nr. 11 c: pag. 1038) veranlasst fand, aus ihnen die neue Species Leucos Selysii zu errichten. Bei dieser Rothaugen - Form hat der Kopf ganz das Aussehen eines gewöhnlichen Rothauges be - wahrt, die Schnauze ist wulstig und gedunsen, die Augen sind gross, das Unterkiefer-Gelenk springt eckig hervor. Zu derselben gestreckten und we - niger comprimirten Rothaugen-Form muss auch der Leuciscus prasinus des Agassiz gezählt werden, von dem ich im Wiener Naturalien-Cabinete mehrere Exemplare aus dem Neuchâteler und Genfer See habe näher untersuchen können. Sie waren gerade zur Brunstzeit eingefangen worden und besassen187Gattung: Leuciscus.daher eine sehr intensive Färbung und einen gut genährten, abgerundeten Körper.
Es dürfte vielleicht auffallen, dass ich es wage, so viele Arten zu einer einzigen Species zu verschmelzen, ich muss aber bemerken, dass ich nicht willkürlich eine solche Verschmelzung vorgenommen, sondern durch Ver - gleichung möglichst vieler Original-Exemplare mich veranlasst gesehen habe, die Arten L. Selysii, L. Jeses, L. rutiloides, L. prasinus und L. decipiens als gute Species in Zweifel zu ziehen. Durch Güte des Herrn Selys-Longchamps erhielt ich seinen L. Selysii und den in seiner Fauna aufgeführten und be - schriebenen L. Jeses, in welchem letzteren ich L. rutiloides erkannte. Ich wurde in meinen Ansichten noch mehr bestärkt, da Selys selbst auch seine Zweifel über die genannten Leuciscen als gute Arten in folgenden Worten brieflich gegen mich aussprach: » En rapprochant L. Selysii, L. Jeses et L. ru - tilus j’ai la plus grande difficulté à séparer plusieurs exemplaires, qui sem - blent intermédiaires, j’ajoute la même observation pour L. rutiloides. J’aurais regardé ces 4 poissons comme des variétés de la même espèce, si M. M. Heckel, Agassiz et Bonaparte n’avaient pas été d’un autre avis «. An dem L. prasinus, von welcher Art ich ein Weingeistexemplar und eine getrocknete Haut zur näheren Untersuchung aus dem Neuenburger Naturalien-Cabinete der Güte des Herrn Director Coulon in Neuchâtel verdanke, konnte ich im Vergleich mit L. rutilus durchaus keinen bestimmten specifischen Charakter heraus - finden und nur die Ueberzeugung gewinnen, dass auch in den Schweizer Ge - wässern der L. rutilus in verschiedenen Varietäten auftritt, denn das über - sendete Weingeistexemplar stimmte ganz mit dem langgestreckten L. Selysii, während die übersendete getrocknete Haut von einem hochrückigen L. ruti - loides herrührte.
Nachdem ich mir es hatte angelegen sein lassen, von diesen extremen Formen eine grosse Anzahl von Individuen zur Untersuchung in die Hände zu bekommen, und nachdem ich dieselben mit der gewöhnlichen Rothaugen - Form zusammengehalten und nach allen Seiten hin verglichen hatte, ohne dass ich im Stande war, einen stichhaltigen bestimmten specifischen Unter - schied zwischen denselben herauszufinden, denn immer stellten sich mir da, wo ich abgrenzende Charaktere gefunden zu haben glaubte, Uebergänge ent - gegen, so brachte mich bei diesen verschiedenen Rothaugen-Formen die voll - ständige Uebereinstimmung ihrer Schlundknochen und Schlundzähne immer wieder dahin, alle diese Rothaugen-Formen nur als Abarten einer und der - selben Species zu betrachten. Anfangs wurde ich durch das Schwanken in der Anzahl der Schlundzähne irre geleitet und zu der Vermuthung veranlasst, dass sich unter den vielen von mir gesammelten und untersuchten Rothaugen nicht bloss mehrere Leuciscus-Arten, sondern auch noch Leucos-Arten befin - den möchten, da ich häufig auf Individuen stiess, welche jederseits 5 Schlund -188Familie: Cyprinoidei.zähne besassen; ich überzeugte mich aber bald, dass die bereits erwähnten Gattungscharaktere, wie sie Heckel für Leuciscus und Leucos hingestellt hat, nur zu Verwechslungen führen können und dass bei Leuciscus rutilus bald 5, bald 6 Zähne auf dem linken Schlundknochen vorkommen können. Im nord - östlichen Deutschland scheinen die Rothaugen oder Plötzen eine constantere Form zu besitzen, auch habe ich an ihnen immer nur dieselbe Zahnformel 6 — 5 wahrgenommen.
Schlundknochen und Schlundzähne. a. Vorderseite des Zahnkronen-Scherben eines hinteren Zahnes. b. Hinterseite desselben.
Die Schlundknochen der Rothaugen ha - ben, wie bei allen Leuciscus-Arten, immer eine sehr gedrungene Form, indem an ihnen der vordere wie der hintere Fort - satz kurz und stark gebildet ist. Von den 5 oder 6 Zähnen besitzt der vorderste Zahn stets eine conische Gestalt, die übri - gen erscheinen seitlich zusammenge - drückt, mehrmals seicht gekerbt1)Valenciennes (Hist. d. poiss. Tom. XVII. pag. 131) hat Unrecht, wenn er von L. rutilus behauptet: » aucune de ces dents n’a le bord dentelé etc., les germes des dents n’ont aussi aucune dentelure «. Ich habe mich oft genug vom Gegentheil überzeugt. Auch Heckel hat auf diese Einkerbungen der Schlundzähne von Leuciscus aufmerksam gemacht (s. dessen Fische Syriens a. a. O. pag. 1006. Taf. I. Nr. 14). Hier muss ich eines Wider - spruchs gedenken, der sich dem Beschauer dieser sonst so schönen und lehrreichen Heckel’schen Tafel aufdrängt. Heckel hat nämlich (ebenda pag. 1039) zu der Gattung Leuciscus unter anderen auch die Species Cyprinus Cephalus Lin. gerechnet und dazu die Taf. 13 der Skandinaviens Fiskar citirt. Später wurde aber Heckel gewahr, dass dieser C. Cephalus nichts anderes als sein Squalius Dobula sei, und verbesserte seinen Fehler da - durch, dass er dasselbe Citat bei Squalius Dobula unterbrachte (s. dessen Reise-Bericht. Anhang III. pag. 68), muss sich aber nicht erinnert haben, dass er auf jener Tafel von einem Leuciscus Cephalus ein einreihiges und von einem Squalius Dobula ein zweireihiges Zahnsy - stem abgebildet hat. Es frägt sich jetzt, von welcher Leuciscus-Art Heckel das Zahnsystem zu seiner Abbildung genommen hat, denn jedenfalls beruht der oben erwähnte Name Leu - ciscus Cephalus auf einer unrichtigen Bestimmung. und werden nach und nach abgeschliffen. Von den Einkerbungen der Zahnkronen ist die oberste die tiefste, wodurch die Spitze dieser Zähne stets etwas haken - förmig umgebogen erscheint, und in diesem Zustande auch bei dem Ab - schleifen noch längere Zeit kenntlich bleibt, während die übrigen Einkerbun - gen sich durch Abschleifen der Kaufläche sehr bald verlieren und ihre frühere Anwesenheit nur durch die Furchen verrathen, welche sich als Fortsetzung dieser Einkerbungen an der Vorderseite der Zahnkronen herabziehen. Am deutlichsten springen diese Einkerbungen an den noch in der Entwicklung begriffenen Zahnkronen-Scherben der Ersatzzähne in die Augen, auf denen189Gattung: Leuciscus.noch keine Kaufläche angeschliffen ist (s. Fig. 30. a. b.). Unter 36 Rothaugen von gewöhnlicher Form aus den verschiedenen Seen des bayrischen Gebirgs befand sich nur 1 Individuum, dessen linker Schlundknochen 5 Zähne trug. Unter 42 Rothaugen aus der Donau, welche der Varietät L. rutiloides ange - hörten, traf ich 17 Individuen mit nur 5 Zähnen auf dem linken Schlund - knochen, bei 13 Rothaugen aus der Amper, welche derselben Varietät ange - hörten, zeigten 6 Individuen den linken Schlundknochen mit 5 Zähnen besetzt, während 13 Rothaugen von der Varietät L. Selysii nur 1 Individuum darboten, dessen linker Schlundknochen 5 Zähne trug.
Das Rothauge, welches meistens in einer Grösse von 7 bis 9 Zoll vor - kömmt, aber auch die Grösse von 10 bis 12 Zoll erreichen kann, zeigt in der Färbung gleichfalls viele Abänderungen. Bei der gewöhnlichen Form er - scheint der Rücken blaugrün, die Seiten glänzen silberweiss, die Brust - und Bauchflossen, sowie die Afterflosse tragen eine rothe Färbung an sich, die auch der Rücken - und Schwanzflosse nicht fehlt, hier aber durch schwarze Pig - mentirung getrübt ist. Zuweilen tritt die rothe Farbe an den zuerst genann - ten Flossen so intensiv auf, dass sie den rothen Flossen des Scardinius ery - throphthalmus an Schönheit nichts nachgeben und dem Rothauge mit Recht auch den Namen » Rothfeder « verschafft haben; sehr häufig zeigt sich aber auch das Roth an den Flossen der Rothaugen bis zum Weissgelb erblasst, so dass der Name » Rothfeder « nicht im geringsten auf einen solchen entfärbten Fisch passt. Eine noch stärkere Entfärbung macht sich an den als Varietät L. Selysii auftretenden Rothaugen bemerkbar, bei denen ausser der After - flosse und den paarigen Flossen auch der Rücken fast ganz ausgebleicht er - scheint, so dass an solchen Fischen nur die Augen mit ihrer goldgelben und rothgefleckten Iris allein gefärbt sind, wodurch der Name dieser Fische » Rothauge « vollkommen gerechtfertigt wird. Eine artige Färbung und Zeich - nung bietet das Rothauge als Varietät L. rutiloides dar. In dieser Form ist der Rücken schön stahlblau gefärbt, welche Färbung sich nach den Leibes - seiten ziemlich weit herabzieht und den Schuppen einen schönen stahlblauen Glanz verleiht. An allen Schuppentaschen ist die Basis schwärzlich gefärbt, wodurch die Seitenflächen des Fisches ein rautenförmig geflecktes Ansehen erhalten. Die Flossen sind sämmtlich intensiv orangengelb gefärbt, welche Farbe selbst durch die schwärzlich pigmentirte Rücken - und Schwanzflosse hindurchschimmert, bei der Schwanzflosse wird diese gelbe Farbe durch einen schwarzen Flossensaum noch besonders gehoben. Es kommen aber auch bei dieser Varietät bedeutende Abweichungen von der eben beschrie - benen Färbung vor, wobei die paarigen Flossen und die Afterflosse sich bis fast zur Farblosigkeit erblasst oder durch Anhäufung von schwarzem Pig - mente bald grau, bald braun gefärbt zeigen.
Eine sehr interessante rothe Varietät des L. rutilus kömmt in Nord -190Familie: Cyprinoidei.deutschland vor, die ich deshalb hier erwähne, weil sie mit der rothen Orfe von Süddeutschland verwechselt worden ist. Sie findet sich nach meinen Erfahrungen in der Weichsel bei Danzig und im Frischen Haffe. Ich sah zwei Exemplare dieser Varietät auf dem zoologischen Cabinete zu Königsberg unter dem Namen Cyprinus Orfus aufbewahrt1)Vergl. Bujack: Fauna prussica. 1837. pag. 339 und Rathke: Verzeichniss der in Ost - und Westpreussen vorkommenden Wirbelthiere, in den neuen preussischen Provinzial - Blättern. Bd. II. 1846. pag. 18. Nr. 36., beide gaben sich mir bei näherer Untersuchung durch die Form ihrer gedrungenen Schlundknochen und durch die einfache Zahnreihe auf denselben als L. rutilus zu erkennen.
Ueber die Verbreitung des Rothauges mit seinen verschiedenen Varietä - ten in Südbayern habe ich folgende Erfahrungen gemacht. In den bayrischen Gebirgsseen und ihren Zu - und Abflüssen ist das Rothauge mit der gewöhn - lichen Form und Färbung allgemein verbreitet, jedoch nach der Varietät L. Selysii sich hinneigend, nämlich mit weniger hohem Rücken und mit ge - ringer Pigment-Entwicklung. Am Schliersee und Chiemsee heisst dieser Fisch » Hasel « nnd nicht » Rothauge «, welcher letztere Name sich dort für den Scardinius erythrophthalmus geltend gemacht hat. Die Rothaugen des Ammer - sees und Würmsees sind sehr langstreckig und blass, und repräsentiren ganz die Varietät L. Selysii. Aus der Donau, theils von Donauwörth, theils von Regensburg erhielt ich fast immer die sehr schön gefärbte hochrückige Va - rietät L. rutiloides, dieselbe Form kam mir auch aus der Amper öfters zu, aber mit viel weniger entwickelten rothen Farben. Das Aussehen der Roth - augen des Bodensees erinnerten mich ebenfalls an die Varietät L. rutiloides.
Dass dieser Cyprinoide an den verschiedenen Aufenthaltsorten auf ver - schiedene Nahrung angewiesen ist, deren Beschaffenheit, wie ich oben an - deutete, zur Erzeugung von dieser oder jener Varietät gewiss etwas beiträgt, geht aus der schwarzen, von gewissen Futterstoffen herrührenden Incrustirung der Schlundzähne hervor, welche ich bei gewissen Rothaugen regelmässig angetroffen habe. Bei den Rothaugen aus der Donau in der Gestalt von L. ru - tiloides erscheinen die Kronen der Schlundzähne durch solche Krusten fast immer schwarz gefärbt, unter 42 Individuen dieser Rothaugen fehlte nur an 7 diese schwarze Zahnrinde, während ich dieselbe weder an den gewöhnlichen Formen des Rothauges aus den Bächen und Seen des bayrischen Gebirgs noch an dem L. Selysii aus dem Ammer - und Würmsee antraf; dagegen beobach - tete ich dergleichen schwarzgefärbte Zähne an 5 Individuen von 6 Rothaugen aus dem Bodensee und an 3 Individuen von 13 Rothaugen aus der Amper, welche sämmtlich der Varietät L. rutiloides angehörten.
Die Laichzeit der Rothaugen beginnt im April und währt bis Ende Mai, während welcher Zeit auf der Haut der männlichen Individuen, und zwar auf191Gattung: Leuciscus.dem Scheitel und auf den Schuppen des Rückens vereinzelte kleine conische Knötchen von weisslicher Farbe zum Vorschein kommen, die auch auf der inneren Fläche der Brustflossen an den Strahlen in einfachen Reihen hervor - treten.
Syn. u. Citate.
Willughby: Historia piscium. 1686. pag. 253. Vrowfisch Ratisbonae dictus.
Marsigli Nr. 28: pag. 13. Tab. 5. Orfus Germanorum.
Meidinger Nr. 30: Dec. IV. n. 36. Cyprinus Idus.
Schrank Nr. 23 a: pag. 334. n. 315. Cyprinus Jeses, Aland (ohne Citate), ferner in dessen Sammlung kleiner Abhandlungen, Heft I. Landshut, 1809. n. VIII. Zusätze zur Fauna boica. pag. 105. n. 9. Cyprinus Idus, Kühling (ohne Citate).
Heckel Nr. 11 g: pag. 69. Taf. 11 u. 12. Leuciscus Virgo, Fraufisch.
A. Wagner: Systematische Bestimmung der zur Laichzeit bedornten Cyprinen aus den süd - bayerischen Gewässern, in den gelehrten Anzeigen der k. bayr. Akademie. Bd. 39. 1854. n. 9. pag. 69. Leuciscus Virgo, Frauenfisch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 175. Fig. 94 — 96. Leuciscus Virgo, Donau-Nerfling.
Artcharakter: Maul unterständig, Schnauze etwas vorspringend und stumpf abgerundet; Körper seitlich zusammenge - drückt und gestreckt; Schlundknochen auffallend plump und eckig; die seitlich comprimirten Kronen der hinteren Schlundzähne auf den noch nicht abgeschliffenen Kauflä - chen mehrmals gekerbt; Schuppen gross und herrlich me - tallisch glänzend.
D. 3 / 9 — 12, P. 1 / 16 — 17, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 11, C. 19, Squ. 7 / 46 — 49 / 4.
Es ist der Frauen-Nerfling, auch Frauenfisch in Bayern genannt, einer unserer schönsten Fische, der durch den prächtigen Metall-Glanz seiner grossen Schuppen und durch seine sehr lebhaft gefärbten Flossen sogleich auffallen muss; um so weniger lässt es sich begreifen, wie dieser L. Virgo erst in neuester Zeit seine wohl berechtigte Stellung als besondere Art im System hat angewiesen erhalten können; hier muss wieder Heckel gerühmt werden, dessen Verdienst es ist, diesen Fisch nach Art und Form zuerst voll - ständig und genau beschrieben und dargestellt zu haben.
Der Frauen-Nerfling ist ein Leuciscus von so eigenthümlicher Art, dass er mit keiner anderen Leuciscus-Species verwechselt werden kann. An den langgestreckten und seitlich zusammengedrückten Leib fällt der Kopf durch seine verhältnissmässige Kleinheit und Schmächtigkeit auf. Die gleichmässig abgerundete Schnauze, welche die Mundspalte überragt, erscheint nie ge - dunsen, was bei L. rutilus so häufig bemerkt werden kann. Die Augen ha -192Familie: Cyprinoidei.ben stets einen sehr geringen Umfang; die Scheitelwölbung geht mit einem niedrigen Bogen immer unmittelbar in die Rückenwölbung über, ohne einen Absatz am Hinterhaupte zu bilden. Die sehr grossen und derb entwickelten Schuppen geben einen prächtigen, dem polirten Stahle ähnlichen Glanz von sich.
Schlundknochen und Schlundzähne. a. Vorderseite und b. Hinterseite eines hinteren unabgeschliffenen Zahnes.
Die Schlundknochen und Schlund - zähne des L. Virgo sind ungemein derb und stark entwickelt; der nach vorn gerichtete Fortsatz der Schlundknochen ist sehr kurz, um vieles kürzer als bei L. rutilus, und der nach oben umgebogene Fortsatz derselben Knochen besitzt an seiner Basis nach aussen einen scharfen, vorspringenden Winkel, welcher bei dem Rothauge abgestumpft erscheint. Die Einkerbungen der vier hintersten Zähne werden durch Abschleifung undeutlich oder ganz verwischt.
Der Rücken des Fisches zeigt eine grünliche Färbung, Seiten und Bauch sind farblos, überall macht sich aber der Metallglanz der Schuppen geltend, welcher dem Fische bald eine apfelgrüne, bald eine himmelblaue Farbe ver - leiht. Die Brustflossen erscheinen meistens ungefärbt, dagegen besitzen Bauchflossen, Afterflosse und Schwanzflosse eine schöne orangengelbe Färbung, die Rückenflosse ist über und über geschwärzt, die Schwanzflosse dagegen schwarz gesäumt. Zur Zeit der Brunst treten alle diese Farben noch viel glänzender hervor. Der Frauen-Nerfling kann eine Länge von 15 Zoll er - reichen, kömmt aber meistens in der Länge von 10 bis 12 Zoll auf den hiesi - gen Fischmarkt. Sein Vorkommen beschränkt sich nur auf die Donau und deren grössere Seitenflüsse. Dass dieser Fisch auch oberhalb Ulm in der Donau angetroffen wird, ist erst in neuerer Zeit durch Rapp1)Vergl. Nr. 41: pag. 9.. und Veesen - meyer2)Vergl. die Würtembergischen naturwissenschaftlichen Jahreshefte. XV. Jahrg. 1859 pag. 47. erkannt worden, nach deren Angabe der Frauenfisch in Würtemberg auch » Halbfisch « genannt wird. Sein Fleisch wird wenig geschätzt und nur um einen geringen Preis verkauft.
Die Laichzeit des Frauen-Nerfling fällt in den April und Mai, während welcher Zeit die männlichen Individuen einen ausgezeichneten Hautausschlag erhalten. Es entstehen auf der Mitte verschiedener Schuppen, zuerst einzelne193Gattung: Leuciscus.grosse milchweisse, rundliche Flecke, in deren Centrum sich nach und nach eine kegelförmige Spitze erhebt; gegen Ende der Entwicklung nehmen diese dornigen Hautgebilde eine harte Beschaffenheit und wachsgelbe Färbung an. An der Seite des Leibes stehen diese Dornen zwischen Rückenkante und Sei - tenlinie in fünf bis sechs weitläuftigen Querreihen; auf der Stirn und dem Hinterhaupte, zwischen den Augen und den Nasenlöchern sind sie von ge - ringerem Umfange aber etwas dichter gestellt, und zu beiden Seiten des Kopfes über den Augen und den Hauptkiemendeckeln bemerkt man zwei ge - rade übereinanderstehende Längsreihen von dicht aneinander gedrängten Dornen. Auch an der Rücken - und Schwanzflosse findet man die Haupt - strahlen auf beiden Seiten mit vielen solchen kleineren Dornen besetzt. Auf der inneren Fläche der Brustflossen bildet sich gleichzeitig ein Hautausschlag aus, welcher in Form von kleinen, dicht aneinander gereihten Warzen die Strahlen, sowie deren Verästelungen besetzt hält. In diesem Entwicklungs - stadium haben die männlichen Frauen-Nerflinge auch die Namen » Perlfisch «, » Dornling « erhalten.
Dass schon ältere Ichthyologen diesen Fisch vor sich gehabt haben, kann man aus dem von ihnen erwähnten Ausschlag dieses Fisches errathen. Die älteste Notiz über den Frauen-Nerfling befindet sich in Gesner’s Fischbuch1)Vergl. die 1575 in Zürich gedruckte Ausgabe, pag. 167., wo von dem unter dem Namen » Orff «, » Nörffling « u. s. w. sehr unkenntlich abge - bildeten Frauen-Nerfling gesagt wird, dass aus den Schuppen desselben, wie bei dem Dornbrachsen, zu gewissen Zeiten des Jahres nagelartige Spitzen her - vorwachsen. Die erste gute Abbildung eines männlichen bedornten Frauen - Nerflings machte Marsigli (Nr. 28: a. a. O.) bekannt. Die beste Darstellung des Frauen-Nerflings haben wir Heckel (Nr. 11 g: a. a. O.) zu verdanken, wel - cher diesen Fisch im Zustande ausser der Laichzeit und während der Laich - zeit vortrefflich abbildete. Da vor Heckel dieser Frauen-Nerfling von den übrigen Weissfischen noch nicht unterschieden wurde, so ist es kaum mög - lich, mit Sicherheit anzugeben, ob der Name » Frauen-Nerfling «, welcher in verschiedenen Fischfaunen mit sehr unvollständiger Beschreibung oder ohne alle Beschreibung aufgeführt wird, sich wirklich auf » Leuciscus Virgo « bezieht, zumal da gewöhnlich neben dem Namen » Frauen-Nerfling « noch verschiedene andere Volksnamen als Synonyme erwähnt werden, welche sich auf ganz an - dere Fischarten beziehen. Die Verwirrung ist noch dadurch um so grösser geworden, dass man versucht hat, bald diesen, bald jenen von Bloch be - schriebenen Cyprinoiden als Frauenfisch zu deuten, obgleich Bloch diesen Fisch durchaus nicht gekannt hat. Hätte Schrank (a. a. O.) von seinem » Aland « (Cyprinus Jeses) und » Kühling « (Cyprinus Idus) nicht die Mittheilung gemacht,v. Siebold, Fische. 13194Familie: Cyprinoidei.dass zur Laichzeit das Männchen an Stirne und Schuppen sehr feste harte Dornen erhielte, ich würde, da Schrank den hiesigen Volksnamen » Frauen - fisch « nicht erwähnt hat, es kaum gewagt haben, aus der übrigen mangel - haften Beschreibung dieser beiden Donaufische, welche keineswegs, wie Schrank annahm, mit Cyprinus Jeses und Idus des Bloch identisch sind, den Leuciscus Virgo herauszudeuten. Ganz zweifelhaft erschien mir der » Frauen - Nörfling « (Cyprinus Idus) des Agassiz, denn von diesem Fische sagt Agassiz (Nr. 6: pag. 1047) weiter nichts, als dass derselbe auf dem hiesigen Fisch - markte im Sommer sehr häufig vorkomme und dass Cyprinus Idbarus nur eine Farbenvarietät von Cyprinus Idus sei, was die ungemein grossen Schup - pen auf das Deutlichste bewiesen. Die letztere Bemerkung passt allerdings auf L. Virgo, der fast von allen Weissfischen die grössten Schuppen besitzt, allein da von L. Virgo keine Farbenvarietäten vorkommen, so wird durch den von Agassiz als Varietät des Cypr. Idus herbeigezogenen L. Idbarus die Deutung seines » Frauen-Nörfling « wieder unsicher gemacht, indem Heckel (Nr. 11 g: pag. 134) den L. Idbarus auf den Idus melanotus zurückgeführt hat. Dass aber Agassiz unter Cypr. Idus den L. Virgo doch auch gemeint haben könnte, geht aus einem in Weingeist auf dem hiesigen zoologischen Cabinete aufbe - wahrten Exemplare dieses Frauenfisches hervor, welches Agassiz mit eigener Hand als Cypr. Idus bezeichnet hatte. Welche unvollständigen Kenntnisse man überhaupt zu jener Zeit, als Agassiz hier in München seine ichthyologi - schen Studien anstellte, über den L. Virgo hatte, das ersieht man aus Perty’s Verzeichnisse der bayrischen Fische, von welchem derselbe (Nr. 24: pag. 719) mittheilt, dass Agassiz dasselbe durchgesehen und berichtigt habe. In diesem Verzeichnisse findet sich zwar ein » Frauenfisch « als L. Idus und Idbarus auf - geführt, der jedoch als Bewohner des Chiemsees und nicht als Donaufisch be - zeichnet wird; offenbar hat Perty unter jenem L. Idus den L. Meidingerii ver - standen, welcher alljährlich ebenfalls unter dem Namen » Frauenfisch « vom Chiemsee hieher zu Markte gebracht wird, Perty muss aber auch über diesen Fisch nicht ganz im Klaren gewesen sein, sonst würde er denselben nicht noch zum zweiten Male als Chiemsee-Fisch unter dem Namen L. Gris - lagine in seinem Verzeichnisse aufgezählt haben. Noch schwieriger und un - zuverlässiger lässt sich die Frage lösen, ob in den Verzeichnissen späterer Faunisten des L. Virgo Erwähnung geschehen ist oder nicht. In der von Reider und Hahn herausgegebenen Fauna boica (Nr. 25: n. 32. Fig. a) wird der Frauen-Nerfling mit dem Namen L. Jeses, Aland erwähnt, ich muss aber hinzufügen, dass ich denselben als L. Virgo weder aus der man - gelhaften Beschreibung, noch aus der ganz abscheulichen Abbildung, sondern aus der Mittheilung erkannt habe, welche die Verfasser über den Dorn-Aus - schlag des brünstigen männlichen Frauen-Nerfling aus Schrank’s Fauna boica wörtlich abgeschrieben haben. Der von Reuss (Nr. 21: pag. 474) ebenfalls als195Gattung: Leuciscus.Cyprinus Jeses, Aland sehr unvollständig beschriebene Donaufisch wird auf den L. Virgo bezogen werden können, da derselbe hervorhebt, dass das Männchen dieses Fisches zur Laichzeit an der Stirne und an den Schuppen sehr feste, harte Dornen erhalte und deshalb » Dörnling « genannt werde. Von Fürnrohr (Nr. 20: pag. 9) wird L. Idus als » Frauen-Nerfling « aufgeführt, ohne dass aus der beigefügten Beschreibung der L. Virgo erkannt werden kann. Wie unsicher die bisherigen Kenntnisse über diesen L. Virgo gewesen sind, beweisen noch die Bemerkungen, welche Weber seinen Abbildungen der Fische von Bayern beigegeben hat. Derselbe stellt den Leuciscus Virgo als Leuciscus Idus, und den Idus melanotus als Leuciscus Jeses mit Bei - fügung der hier gebräuchlichen Namen » Frauennörfling « und » Schwarznörfling « ziemlich unkenntlich dar, und begeht zugleich in der Beschreibung beider Fische eine arge Verwechslung, indem er dem Schwarznörfling die während der Laichzeit entstehenden festen und harten Hautdornen zuschreibt (vergl. Nr. 27: pag. 14. Taf. 35 und pag. 37. Taf. 32). Dass Weber den L. Virgo wirklich mit L. Jeses gemeint hat, geht aus den sehr grossen Schuppen her - vor, welche Weber der Abbildung eingezeichnet hat. Da Grandauer (Nr. 16: pag. 22) in seinem Fisch-Verzeichnisse von seinem als » Frauenfisch « bezeich - neten L. Idus sagt, dass das Männchen dieses Fisches zur Laichzeit knöcherne Auswüchse auf Stirn und Schuppen erhalte, so darf man wohl diesen Lech - fisch als L. Virgo nehmen.
Noch muss ich hier einer Curiosität gedenken, da dieselbe ebenfalls das Vorkommen des Frauen-Nerfling im Lech beweist und ausserdem schon einige Male die Aufmerksamkeit der Ichthyologen auf sich gezogen hat, ich meine nämlich jenen Kupferstich, welchen schon Schrank (Nr. 23 a: pag. 335) er - wähnt hat, und welcher eine Karpfenart mit ähnlichem Hautausschlage dar - stellt, wie ihn der männliche Frauen-Nerfling an sich trägt. Auf diesem co - lorirten Kupferstich, dessen Ansicht ich der Güte des Herrn Dr. Körber in Augsburg verdanke, befindet sich die Ueberschrift: » Ein ausserordentlich rarer Fisch, welcher den 6ten April 1786 im Lechflusse, ohnweit Kloster Thierhaupten gefangen worden «. Der Fisch selbst ist nach einer colorirten Zeichnung gestochen, welche, wie die Unterschrift besagt, von einem Klo - sterbruder zu Thierhaupten angefertigt war, dessen Hand aber keine sehr grosse Geschicklichkeit kund gab, da von demselben weder der Fisch selbst, noch dessen Hautausschlag kenntlich dargestellt worden ist. Schrank beklagte sich daher mit Recht, dass wegen dieser so schlecht ausgefallenen Abbildung der Fisch gänzlich unkenntlich und unbestimm - bar sei. Allerdings haben die Hautauswüchse auf diesem Bilde nicht das Ansehen von conischen Dornen, sondern vielmehr das Aussehen von Kugeln mit einer aufsitzenden Spitze, dennoch nehme ich keinen Anstand. diesen Fisch für einen bedornten männlichen Frauen-Nerfling zu halten,13*196Familie: Cyprinoidei.da die unterhalb der Abbildung angebrachte Beschreibung des Fisches1)Am Schluss dieser Beschreibung liest man noch die auf den Verlag des Kupfer - stichs bezüglichen Worte: » Zu haben bei der gemeinschaftlichen akademischen Handlung in Augsburg mit allergnädigster Freyheit und Verbot nicht nachzustechen «. Mit Recht be - merkt Schrank (a. a. O.), dass ein so schlechtes Machwerk kein kaiserliches Privilegium verdient hätte. mancherlei enthält, woraus ein solcher Frauen-Nerfling erkannt werden kann. Valenciennes (Nr. 5: T. XVII. pag. 184), welchem ebenfalls jene Abbildung zu Gesicht gekommen ist, hat den dargestellten Fisch für einen brünstigen aber krankhaft entwickelten Squalius Cephalus erklärt, weil der erste Rücken - flossenstrahl desselben hypertrophisch verdickt und gezähnelt gewesen. Ich halte diese Darstellung der Rückenflosse für eine vom Zeichner verschuldete Unrichtigkeit, welcher den ersten vielleicht durch einen Einriss der Flossen - haut isolirten Rückenflossenstrahl übertrieben und unnatürlich aufgefasst zu haben scheint. Heckel (Nr. 11 g: pag. 77) hat, ohne jenen Kupferstich ge - sehen zu haben, diesen von Valenciennes für einen » Chevaine « (Squalius) ge - haltenen Fisch viel richtiger gedeutet, indem er die Frage aufwarf: ob nicht dieser Fisch derselbe Nerfling sei, welchen Marsigli Taf. V unter dem Namen » Orfus germanorum « beschrieben hat und der von Herrn Valenciennes (Nr. 5: T. XVII. pag. 227) mit der wahren Orfe für identisch gehalten worden ist, aber nichts anderes als Leuciscus Virgo darstellt.
Syn. u. Citate.
Meidinger Nr. 30: Dec. IV. n. 40. Cyprinus Grislagine.
Agassiz Nr. 6: pag. 1047. Cyprinus Grislagine, Frauenfisch.
Perty Nr. 24: pag. 719. Leuciscus Idus, Frauenfisch und Leuciscus Grislagine.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 221. Leuciscus Grislagine (nur die Farbe nach einer Ab - bildung des Agassiz).
Weber Nr. 27: pag. 16. Taf. 28. Leuciscus Grislagine, Grau-Nörfling, Frauenfisch.
Heckel Nr. 11 g: pag. 88. Taf. 14. Leuciscus Meidingeri, Perlfisch.
A. Wagner: Systematische Bestimmung der zur Laichzeit bedornten Cyprinen aus den südbayrischen Gewässern, in den gelehrten Anzeigen der k. bayr. Akademie. Bd. 39. 1854. n. 9. pag. 66, Cyprinus Meidingeri, Frauenfisch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 178. Fig. 97 u. 98. Leuciscus Meidingeri, Perlfisch.
Artcharakter: Maul fast unterständig, Schnauze aufgetrieben; Körper cylindrisch und sehr langgestreckt; die Schlund - zähne mit sehr grossen Kronen und convexen Kauflächen; Schuppen klein.
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 16 — 17, V. 2 / 8 — 9, A. 3 / 9 — 11, C. 19, Squ. 9 — 10 / 62 — 67 / 5 — 6.
197Gattung: Leuciscus.Der Frauenfisch, dessen genauere Kenntniss wir hauptsächlich Heckel1)Heckel hat mit sehr richtigem Blicke (Nr. 11 g. a. a. O.) die Art-Rechte des L. Meidingeri erkannt und die ältere Bezeichnung Leuciscus Grislagine für diesen Fisch zu - rückgewiesen, da dieser Name mit Linné’s Cyprinus Grislagine verwechselt werden könnte. Mit der Deutung dieses letzteren Cyprinus ist jedoch Heckel, wie weiter unten bei Be - sprechung des Squalius Leuciscus gezeigt werden wird, nicht so glücklich gewesen. zu verdanken haben, weicht von den anderen Leuciscus-Arten auffallend ab, indem derselbe einen niedrigen Rücken besitzt und sein Körper sehr langge - streckt und cylindrisch erscheint. Der Kopf desselben zeigt sich vorn abge - stumpft, die Nase ist aufgetrieben und die Stirne sehr breit. Von der stum - pfen Nase erhebt sich das Profil des Vorderendes dieses Fisches über die Stirne hinweg bis gegen die Rückenflosse hin in einem sanften und ununter - brochenen Bogen. Die beiden Augen sind klein. Die Schuppen fallen durch ihre Kleinheit besonders auf; sie stehen oberhalb der Seitenlinie in zehn Längs - reihen, während bei L. Virgo und rutilus in derselben Gegend nur sieben Längs-Schuppenreihen gezählt werden können.
Schlundknochen und Schlundzähne. a. Vorderseite eines hinteren unabgeschliffenen Zahnes.
Die Schlundknochen des Frauenfisches sind zwar kräftig entwickelt, be - sitzen aber doch im Vergleich zu den Schlundknochen des Frauen-Nerfling einen weniger gedrungenen Bau. Keiner der Schlundzähne besitzt Einker - bungen, nur hier und da wird an der Krone des letzten und vorletzten Zahnes ein stumpfer Haken bemerkt. Die Zähne sind sämmtlich sehr plump und wul - stig gebildet, von denen die drei bis vier Vorderzähne eine kugel - oder eiför - mige Krone besitzen.
Die Färbung des Frauenfisches bietet nichts auffallendes dar. Der Rücken erscheint schwärzlichgrün, welche Farbe an den Seiten herab nach und nach erblasst und der weissen Farbe Platz macht; die Brustflossen, die Rücken - und Schwanzflosse sind grau gefärbt, Afterflosse und Bauchflossen mehr oder weniger blassroth.
An Grösse übertrifft der Frauenfisch, dessen Fleisch nicht eben sehr ge - schätzt wird, alle übrigen Cyprinoiden. Er kann eine Länge von 26 Zoll und198Familie: Cyprinoidei.darüber, sowie ein Gewicht von 8 — 10 Pfund erreichen, und wird meistens 20 — 24 Zoll lang auf den hiesigen Fischmarkt gebracht. Es bewohnt dieser Fisch in Bayern einzig und allein den Chiemsee1)Von Andr. Wagner (s. Gelehrte Anzeigen. Bd. 39. a. a. O. pag. 69) wird vermuthet, dass der L. Meidingeri vielleicht auch m Staffel - und Riegsee vorkomme., wo derselbe sich das ganze Jahr hindurch in den grossen Tiefen verborgen hält. Nur einmal im Jahre, im Mai verlässt der L. Meidingeri seine Schlupfwinkel und begiebt sich aus dem See in den Ausfluss desselben, in die Alz, um hier ¼ bis ½ Stunde vom See entfernt, zu laichen. Das Laichen findet an flachen, kiesigen Stellen statt, wobei der Rogen von den Weibchen an den grösseren Kiessteinen ab - gestreift wird. Ausserhalb Bayern ist dieser interessante Cyprinoide nur noch in den oberöstreichischen Seen, Traunsee, Attersee und Mondsee anzutreffen. Bei den Anwohnern der genannten drei Seen führt der L. Meidingeri, den ich auf dem hiesigen Fischmarkte meist » Frauenfisch «, » Maifisch « oder » Perlfisch « habe nennen hören, den Namen » Weissfisch «.
Während der Laichzeit erhalten die männlichen Frauenfische, ähnlich wie die männlichen Frauen-Nerflinge einen sehr auffallenden Hautausschlag, der aus harten, dornartigen bernsteinfarbigen Auswüchsen besteht. Die ausge - zeichnet grossen Dornen, welche den Scheitel, den Rücken und die Seiten der männlichen Frauenfische besetzt halten, stimmen in der Anordnung mit denen des Frauen-Nerflings so ziemlich überein, nur kommen sie bei jenen Fischen noch zahlreicher und sogar auf der Schnauze und Oberlippe dicht ge - drängt zum Vorschein. Ausser den um vieles kleineren Dornen, welche auf beiden Seiten der Rücken - und Schwanzflosse hervorwachsen, kommen an der inneren Fläche der Brustflosse auf den einfachen und verästelten Strahlen, wie bei dem Frauen-Nerfling, sehr kleine, in einfacher Reihe dicht aneinander gedrängte Dornauswüchse zur Entwicklung.
Nach einer Mittheilung, welche mir bei meinem Besuche des am Aus - fluss der Alz gelegenen Seebruck von den dortigen Fischern gemacht wurde, währt die Laichzeit des Frauenfisches ohngefähr vierzehn Tage, während wel - cher Zeit nur allein dieser Fisch in grösserer Menge gefangen wird. Die weib - lichen Individuen des Frauenfisches, welche, wie die weiblichen Frauen - Nerflinge, nicht bedornt sind, werden von den bedornten Männchen an Zahl ausserordentlich übertroffen, daher die meisten nach München zum Verkaufe gebrachten Frauenfische wirklich Perlfische, das heisst bedornte Milchner sind, wenigstens habe ich fast alle auf dem hiesigen Fischmarkte angetroffenen und von mir untersuchten Individuen des L. Meidingeri als Männchen erkannt; es mag sich daher Heckel getäuscht haben, indem er sowohl den männlichen wie weiblichen Individuen des L. Meidingeri jenen Dornausschlag199Gattung: Leuciscus.zuschreibt1)Vergl. Nr. 11 g: pag. 92 u. Nr. 13: pag. 179.. Aus der kurzen Laichzeit des Frauenfisches, welche ziemlich regelmässig in der ersten Hälfte des Mai eintritt, erklärt es sich, warum die - ser Fisch nur einmal im Jahre nach München zum Verkauf abgeliefert wird. Ich habe seit einigen Jahren bei meinen regelmässigen Besuchen des hiesigen Fischmarktes auf die Ankunft des L. Meidingeri genau geachtet und folgende Erfahrungen darüber gemacht. Im Jahre 1855 wurde dieser Chiemsee-Fisch am 11ten Mai, im Jahre 1856 am 2ten Mai, im Jahre 1857 am 15ten Mai und im Jahre 1858 und 1860 am 14ten Mai auf dem hiesigen Markte verkauft. In - dem Agassiz (Nr. 6: a. a. O.) von dem Frauenfisch des Chiemsee sagt, dass derselbe nicht sehr häufig sei, so findet das seltene Vorkommen dieses Fisches in dem eben Mitgetheilten seine Erklärung; wenn derselbe aber hinzufügt, » dieser Fisch sei so zart, dass er nie lebendig auf den Markt kömmt «, so muss ich gegen diese Bemerkung einwenden, dass nach meinen Erfahrungen die meisten Maifische des Chiemsee lebendig hier angelangt waren, und dass auch Heckel (Nr. 11 g: pag. 92) dem L. Meidingeri ein zähes Leben zuschreibt.
Zu den vielfachen Verwechslungen, denen der L. Meidingeri bis auf die neuste Zeit ausgesetzt gewesen ist, hat auch Schrank das Seinige beigetragen, indem derselbe, wie aus seinen Reise-Notizen hervorgeht2)Vergl. dessen: Reise nach den südlichen Gebirgen von Bayern. München, 1793. pag. 355., unbegreiflicher Weise diesen Fisch mit der Lachs - oder Seeforelle des Chiemsee zusammenwarf, wahrscheinlich weil die sterile Lachsforelle der östreichischen Seen mit dem Namen » Mailachs «, » Maiforelle « bezeichnet wird. Derselbe wollte nämlich in Seebruck über den Silberlachs des Chiemsee Erkundigungen einziehen und glaubte herausgefunden zu haben, » dass der Fisch, der am Chiemsee seiner Farbe wegen Weissfisch, in der Ostsee aus eben derselben Ursache Silber - lachs, und in Oestreich von der Zeit, zu welcher man ihn fängt, Mayfisch und Mayforelle heisst, einerlei sei «. Von diesem Silberlachs des Chiemsee theilte Schrank unter anderen fälsclich mit, dass zur Laichzeit, welche in den An - fang des Maimonates falle, die Schuppen bei dem Männchen rauh werden und zu dieser Zeit dieser Fisch aus dem See in die Alz gehe, um hier zu laichen, was der Silberlachs niemals thut, aber von dem L. Meidingeri, wie ich bereits erwähnt habe, regelmässig um die genannte Zeit geschieht.
Gattungscharakter: Die Schlundzähne stehen in doppelter Reihe zu 2 und 5. Die Zahnkronen seitlich zusammengedrückt und an der Spitze hakenförmig umgebogen. Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis, die erstere gerade über den Bauchflossen beginnend.
Syn. u. Citate.
Schwenckfeld Nr. 84: pag. 446. Squalus major, Dübel.
Baldner Nr. 42: pag. 166. Taf. 14. Furn.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 5. n. 12, Syn. nom. pisc. pag. 7. n. 10.
Linné Nr. 2: pag. 527. n. 6. Cyprinus Cephalus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 253. Taf. 36. Cyprinus Idus, Kühling.
Schrank Nr. 23 a: pag. 334. n. 314. Cyprinus Dobula, Altl.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 194. Cyprinus Cephalus, Elte, Alet.
Nenning Nr. 39: pag. 27. Cyprinus Cephalus, Alat.
Bujack Nr. 97: pag. 337. Cyprinus Dobula, Döbel.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 206. Leuciscus Dobula, Meunier Chevanne.
Schaefer Nr. 59: pag. 307. Leuciscus Dobula, Mienen.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 172. Leuciscus dobula, Chevaine, Meunier und pag. 234. Leuciscus frigidus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 482. Leuciscus Cephalus.
Günther Nr. 47: pag. 69. Leuciscus Dobula, Schuppfisch, Dickkopf.
Leiblein Nr. 51: pag. 121. Squalius Dobula, Schuppfisch, Dickkopf.
Rapp Nr. 41: pag. 7. Leuciscus Dobula, Alet.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 180. Fig. 99 u. 100. Squalius Dobula, Altel.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Squalius Dobula.
Artcharakter: Kopf breit, Schnauze niedergedrückt, Maul end - ständig, in die Breite gezogen und sehr weit nach hinten ge - spalten; Körper cylindrisch; Afterflosse mit 7 bis 9 wei - chen, getheilten Strahlen und mit convexem Unterrande; Schuppen gross1)S. Heckel’s Fische Syriens a. a. O. pag. 1007. Taf. I. Squalius Dobula, Fangzähne..
D. 3 / 8, P. 1 / 16 — 17, V. 2 / 8, A. 3 / 7 — 9, C. 19, Squ. 7 — 8 / 44 — 46 / 3 — 4.
Der Aitel, welcher zu den gemeinsten Fischen unserer Gewässer gehört, ist von allen ihm verwandten Cyprinoiden durch sein sehr weites und sehr schief stehendes Maul, dessen Winkel bis unter die hinteren Nasenlöcher reichen, leicht zu unterscheiden, auch sein grosser Kopf, sein abgerundeter201Gattung: Squalius.Rücken und seine grossen, starken Schuppen machen denselben leicht kennt - lich. Die Augen desselben sind verhältnissmässig klein, der Oberkiefer ragt nicht über den Unterkiefer hervor. Die Form des Maules und der Schlund - zähne lassen errathen, dass der Aitel sich von animalischer Kost nährt. Sein weites Maul erlaubt ihm sogar Mäuse und Frösche zu verschlingen, weshalb dieser Fisch in manchen Gegenden Norddeutschlands auch » Mausefresser « ge - nannt wird1)Vergl. Schonevelde Nr. 81: pag. 42. » Musebyter, Maussesser «. Bei den Fischern in Magdeburg fand ich den Aitel ebenfalls unter diesem Namen gekannt..
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Die beiden Schlundknochen des Aitel, deren nach vorn gerichteter Fortsatz ziemlich in die Länge gestreckt er - scheint, sind mit ausgezeichneten Fang - zähnen bewaffnet. Alle Zähne der - selben erscheinen sehr lang und com - primirt und endigen mit einem starken, nach oben umgebogenen Haken; unter - halb dieses Hakens ist die nach oben gerichtete Schneide zuweilen schwach gekerbt. Abgeriebene Kauflächen habe ich nur ganz vereinzelt und in sehr ge - ringem Grade an einem oder dem anderen hinteren Zahne wahrnehmen können.
Der Rücken des Aitel besitzt eine schwarzgrüne Färbung, die Seiten desselben glänzen entweder silberweiss oder goldgelb; alle Schuppen sind an ihrer Basis und ihrem Hinterrande durch eine schwarze Pigmentirung ein - gefasst, wodurch die ganze, mit Schuppen bedeckte Hautoberfläche ein netz - artiges Ansehen erhält. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der Brustflossen, besitzen mehr oder weniger eine rothe Färbung, welche an der Rücken - und Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung stark getrübt ist. Die Brust - flossen haben eine orangengelbe Färbung, die auch durch schwarzes Pigment mehr oder weniger verwischt sein kann.
Der Aitel kömmt fast in allen Seen, Flüssen und Bächen von Mitteleuropa ziemlich häufig vor, kann eine ansehnliche Grösse und ein Gewicht von 8 Pfund und darüber erreichen, wird aber wegen seines sehr grätigen Flei - sches nirgends sehr geachtet.
Die Laichzeit des Aitel fällt in die Monate Mai und Juni, während welcher Zeit die Männchen, ähnlich wie bei Idus melanotus, einen feinkörnigen Haut - ausschlag erhalten.
Der Aitel ist einer von denjenigen Cyprinoiden, welche zu unzähligen Verwechselungen Veranlassung gegeben haben. Es musste daher der Ver -202Familie: Cyprinoidei.such Heckel’s (Nr. 11 g), die Gattungen Idus, Leuciscus und Squalius, sowie die dazu gehörigen Arten kritisch zu beleuchten und fest zu begründen, von den Ichthyologen mit grösstem Danke aufgenommen werden; bei aller Sorg - falt und Umsicht, welche Heckel auf diesen Versuch verwendet hat, war es ihm aber nicht gelungen, die grenzenlose Verwirrung, welche die Autoren bis dahin durch ihre Verwechslungen der allerwärts verbreiteten und im Volke sehr wohl gekannten Cyprinoiden angerichtet hatten, vollständig zu beseiti - gen. Eine Hauptursache, durch welche Heckel verhindert wurde, in diesem Chaos von Namen-Verwechslungen klar zu sehen, lag wohl darin, dass Heckel gewissen unwesentlichen Formabweichungen, welche derselbe an einzelnen Cyprinoiden-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Verbreitung herausgefunden haben wollte, ein zu grosses Gewicht beilegte, wodurch er verführt wurde, den deutschen Aitel, den französischen Meunier, den englischen Chub und den italienischen Squaglio für ganz verschiedene und selbstständige Arten zu erklären, während sie sich höchst wahrscheinlich, bei näherer Vergleichung und genauerer Prüfung möglichst vieler Individuen, nur als die verschiedenen Rassenformen einer und derselben Cyprinoiden - Species herausstellen werden. Ich habe für diese Species von den vielen Synonymen die älteste Bezeichnung Cephalus ausgewählt oder vielmehr wie - der herzustellen gesucht und Heckel’s Artnamen Dobula fallen lassen, weil dieser letztere Name auch auf den Hasel bezogen wurde und eben dadurch so viele Verwirrung hervorgerufen hat.
Hätte man die Beschreibung des Aitel, wie sie zuerst von dem ältesten Systematiker Artedi ausgegangen ist, festgehalten, so würde ein grosser Theil von Namens-Verwechslungen vermieden worden sein. Artedi hat so - wohl in den Genera piscium (a. a. O.) durch seine kurze Beschreibung, als auch in der Synonymia nominum piscium (a. a. O.) durch die Aufführung der Namen: Capito des Ausonius, Cephalus fluvialilis des Gesner, sowie durch Erwähnung der Volksnamen: Chub, Squaglio, Chevin, Munier, Alet, Alte, Diebel klar zu erkennen gegeben, dass er unter seinem Cyprinus ob - longus macrolepidotus, pinna ani ossiculorum undecim nichts anderes verstan - den wissen wollte, als den oben von mir als Squalius Cephalus bezeichneten Cyprinoiden, dessen Kennzeichnung Linné (a. a. O.) dadurch trübte, dass er zu Artedi’s Diagnose des Cyprinus Cephalus unbegreiflicher Weise die Be - schreibung eines ganz anderen, gar nicht einmal den Cyprinoiden angehöri - gen, americanischen Fisches (eines Erythrinus), den er in dem Museum Adolphi Friderici dargestellt hatte, als Synonym hinzufügte. Obgleich wegen dieses Versehens Heckel (Nr. 11 g: pag. 63) und vor ihm schon Valenciennes (Nr. 5: Tom. XVII. pag. 171) und Nilsson1)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. Fiskarna. pag. 309. Hier bezeichnet den alten Species-Namen Ce -203Gattung: Squalius.phalus nicht mehr gelten lassen wollten, so glaube ich doch, es Artedi, dem Gründer der systematischen Ichthyologie, schuldig zu sein, den von ihm ein - geführten Namen Cyprinus Cephalus, wie es auch Linné beabsichtigte, fest - zuhalten; am wenigsten konnte ich mich entschliessen, den Linné’schen Na - men Cyprinus Dobula für den Aitel auszuwählen, da die kurze Beschreibung, welche Linné (Nr. 2: pag. 528. n. 13) von jenem Fische gegeben, eben so gut auf den Hasel bezogen werden kann, wie dies von Artedi (Nr. 1: Synon. pag. 10. n. 17), aus den von ihm citirten Namen » Hassle, Hessling, Schnotfisch « auch wirklich geschehen ist.
Syn. u. Citate.
Schwenckfeld Nr. 84: pag. 446. Squalus minor, Hessling.
Baldner Nr. 42: pag. 200. Taf. 33. Schnottfisch und pag. 204. Taf. 35. Urban.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 5. n. 13, Descr. spec. pisc. pag. 12. n. 4. Stämm, Syn. nom. pisc. pag. 5. n. 4. Stämm (ohne Grislagine Augustae), pag. 9. n. 16. Vandoise, pag. 10. n. 17. Hasel, Schnot.
Linné Nr. 2: pag. 529. n. 14. Cyprinus Grislagine (ohne das Citat aus Act. upsal. ), pag. 528. n. 12 u. 13. Cyprinus Leuciscus und Dobula.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 42. Taf. 5. Cyprinus Dobula, Döbel und Th. III. pag. 141. Taf. 97. Fig. 1. Cyprinus Leuciscus, Lauben.
Schrank Nr. 23 a: pag. 337. n. 320. Cyprinus Leuciscus.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 202. Cyprinus Dobula, Häseli.
Römer-Büchner Nr. 52: pag. 68. Taf. II. Cyprinus simus.
Agassiz Nr. 7: pag. 38, 39 u. 43. Leuciscus argenteus, rostratus, rodens (Ronzon) u. majalis (Poissonnet). Tab. VI.
Nenning Nr. 39: pag. 28. Cyprinus Dobula, Hasel.
Bujack Nr. 97: pag. 339. Cyprinus Leuciscus.
Yarrell: A history of british fishes. London, 1841. Vol. I. pag. 397. Leuciscus dobula, pag. 404. Leuciscus vulgaris, Dace, pag. 406. Leuciscus lancastriensis, Graining.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 205. Leuciscus argenteus, Meunier argenté.
Schaefer Nr. 59: pag. 308. Leuciscus argenteus, Hasel.
Valenciennes Nr. 5: Taf. XVII. pag. 301. Leuciscus rostratus, pag. 302. Leuciscus vulgaris siv. Leuciscus, Vandoise, pag. 213. Leuciscus rodens, Ronzon, pag. 216. Leuciscus lan - castriensis, Poissonnet.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 472. Leuciscus Grislagine u. pag. 463. Leuciscus Dobula, Hassel, Hessling.
Günther Nr. 47: pag. 65. Leuciscus vulgaris, Springer, Hasel.
Leiblein Nr. 51: pag. 122. Squalius argenteus, Weissfisch.
Rapp Nr. 41: pag. 9. Leuciscus vulgaris, Hasel.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 186. Fig. 102. Squalius lepusculus, Hasel, pag. 188. Fig. 103. Squal. chalybaeus, pag. 189. Fig. 104. Squal. rodens, Ronzon, pag. 191. Fig. 105. Squal. leuciscus, pag. 192. Fig. 106. Squal. rostratus, Märzling.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Squalius lepusculus, Hasel.
1)Nilsson den Aitel als Leuciscus latifrons, nachdem derselbe Fisch von Fries und Ekström (Skandinaviens Fiskar a. a. O. Pl. 13) als Cyprinus Jeses vortrefflich abgebildet und (ebenda pag. 36 lat. Text) als Cyprinus Cephalus beschrieben worden war.
204Familie: Cyprinoidei.Artcharakter: Kopf und Leib etwas seitlich zusammengedrückt; Maul unterständig und eng; die über der Mundspalte her - vorragende Schnauze mehr oder weniger gewölbt; After - flosse mit 8 bis 9 weichen getheilten Strahlen und mit einem schwach ausgeschnittenen Unterrande; Schuppen mittelgross.
D. 3 / 7, P. 1 / 16 — 17, V. 2 / 8, A. 3 / 8 — 9, C. 19, Squ. 7 — 8 / 47 — 52 / 4.
Der Hasel, ein in den Gewässern von Mitteleuropa allgemein verbreiteter Fisch, ist von den Ichthyologen vielfach verkannt worden, derselbe kömmt bald mehr bald weniger gestreckt vor, das Profil seiner Schnauze wechselt ebenfalls sehr ab; solche blosse Varietäten gaben Veranlassung, neue Arten darauf zu gründen, obgleich man nicht in Abrede stellen konnte, dass alle diese Arten unter sich und zugleich mit dem Hasel selbst sehr nahe verwandt seien.
Von seinem nächsten Verwandten, dem Aitel, lässt sich der Hasel sehr leicht unterscheiden. Seine Körperform ist gestreckter und seitlich mehr zu - sammengedrückt, seine Schuppen sind kaum etwas kleiner als die des Aitel. Der Kopf des Hasel erscheint im Verhältniss zu seinem Körper-Umfang schmäch - tiger und namentlich an der Stirne schmäler als bei dem Aitel. Die Augen des Hasel sind klein, sein nur wenig schief stehendes kleines Maul reicht mit seinen Winkeln nicht bis unter die Nasenlöcher; dasselbe wird von der Schnauze etwas überragt, daher der Hasel in Passau mit dem Namen » Nösling « und in München mit dem Namen » Rüssling « bezeichnet wird. Die Schnauze des Hasel ist bald mit einem mehr spitzen, bald mit einem mehr stumpfen Bogen abgerundet, ja zuweilen ganz abgestutzt, wodurch dieser Fisch ein bald mehr spitznasiges oder bald mehr stumpfnasiges Profil erhält. Auch in der Länge der paarigen Flossen kann der Hasel variiren. Die Schlundknochen desselben
Schlundknochen.
sind weniger schlank als die des Aitel, indem sich der nach vorn gerichtete Fortsatz derselben kür - zer und gedrungener zeigt. In Bezug auf die Zahl der Zähne will ich es nicht unerwähnt lassen, dass ich einige Male an dem rechten Schlundknochen statt zwei Zähne der zweiten Reihe drei Zähne und bei zwei Individuen an beiden Schlundknochen drei Zähne der zweiten Reihe zählte.
Auf dem Rücken des Hasel macht sich eine schwarzblaue Färbung bemerkbar, die oft einen schönen stahlblauen Glanz von sich giebt. Seiten und Bauch erscheinen bald gelblich bald weissglänzend. Zuweilen macht sich an der Basis der Schuppen eine bald mehr bald weniger sich ausbreitende schwarze Pigmentirung bemerkbar. Die Rücken - und Schwanzflosse ist im - mer durch schwarzes Pigment dunkel gefärbt, die Afterflosse sowie die paa -205Gattung: Squalius.rigen Flossen zeigen eine blassgelbe, zuweilen orangenrothe Färbung, bei eini - gen Individuen ist der Vorderrand der Brustflossen durch körniges Pigment mehr oder weniger angeschwärzt.
Als Aufenthaltsort liebt der Hasel nicht bloss Flüsse und Bäche sondern auch grössere und kleinere Seen. Derselbe erreicht niemals die Grösse des Aitel, die gewöhnlichste Grösse, in welcher derselbe zu Markte gebracht wird, ist 7 bis 8½ Zoll. Das Fleisch des Hasel wird in den Küchen wenig geachtet, dagegen in der Angelfischerei sehr geschätzt, da sich der Hasel als Köderfisch für die grösseren Salmoneer ganz besonders bewährt hat; die Fischverkäufer des Münchner Fischmarktes bieten den Angelfreunden diesen Fisch auch ge - wöhnlich unter dem Namen » Angelfisch « als Köderfisch an. Seine Laichzeit fällt in die Monate März und April, während welcher Zeit die Milchner einen weissen feinkörnigen Hautausschlag erhalten. Die feinen sehr dicht stehenden Körner erstrecken sich vom Scheitel über die Stirne bis zur Schnauzenspitze und halten zugleich die Ränder aller Schuppen, auch die der Bauchschuppen besetzt, zuweilen bemerkt man auch solche Körner strahlig geordnet auf der Fläche der Schuppen. Der Kiemendeckel-Apparat ist ebenfalls mit solchen kleinen Körnern rauh besetzt. Die innere Fläche der Brustflossen trägt auf den Strahlen eine doppelte und mehrfache Reihe solcher weisser dichtstehen - der Körner, die sich mit der Strahlentheilung ebenfalls theilen und zuletzt in einfacher Reihe bis zu den Strahlenenden sich hinziehen. Auch die Bauch - flossen zeigen sich auf ihrer inneren Fläche mit denselben Körnerreihen, jedoch nicht ganz so dicht besetzt.
Durch die vielen verschiedenen Volksnamen, welche der Hasel als Be - wohner der verschiedenen Flussgebiete von Mitteleuropa erhalten hat, ist man bei der Feststellung der Species-Charaktere dieses Fisches in grosse Verwir - rung gerathen, welche dadurch noch gesteigert wurde, dass man die Varie - täten und Rassen-Bildungen, denen der Hasel in den verschiedenen Wasser - gebieten unterworfen ist, für ebensoviele verschiedene Artformen nehmen zu müssen glaubte. Zwar hat sich Heckel besonders viele Mühe gegeben, diese Arten, deren Vorkommen sich auf bestimmte Wassergebiete beschränken sollte, abzugrenzen und zu charakterisiren1)Vergl. besonders dessen Auseinandersetzung der verschiedenen Squalius-Arten in dem Reisebericht. Anhang III. Taf. XVI bis XVIII., allein derjenige, welcher sich die Mühe nimmt, mit unbefangenem Auge diese Squalius-Arten Heckel’s herauszufin - den, wird zu der Ueberzeugung gelangen, dass dieselben keine Art-Berechti - gung verdienen. Ich habe es mir sehr angelegen sein lassen, möglichst viele Formen des Hasels aus den verschiedensten Gewässern in die Hände zu be - kommen, und habe anfangs, als ich noch wenig Individuen zur Vergleichung beisammen hatte, den Squalius lepusculus des Donau-Gebiets, den Squalius206Familie: Cyprinoidei.Leuciscus des Rhein-Gebiets, und den Squalius rodens des Bodensees sicher herausfinden zu können geglaubt, nachdem ich mir aber eine grössere Menge Haseln vom Mittelrhein (aus Basel und Freiburg) und vom Niederrhein (aus Belgien), von der Mosel (aus Trier), vom Neckar, vom Main und von der Reg - nitz, ferner von der Donau, der Isar, der Würm, der Amper und dem Lech, aus dem Neuchâteler See, dem Bodensee und dem Chiemsee verschafft hatte, war ich nicht mehr im Stande, diese vielen Squalius-Individuen nach ihren verschiedenen Fundorten als ebensoviele verschiedene Arten auseinanderzu - halten, denn ich fand zwar unter den Haseln des Donau-Gebietes Sq. lepusculus vorherrschend, doch befanden sich darunter auch mehrere In - dividuen, die ich wegen ihrer stumpferen und gewölbteren Nase nach Heckel’s Angabe für Sq. rodens oder Sq. Leuciscus hätte halten müssen, während unter den Haseln des Mittelrheins sich mehrere dünnschnauzige Individuen als Sq. lepusculus zu erkennen gaben.
Nach solchen Ergebnissen nehme ich keinen Anstand, die Arten Sq. Leuciscus, lepusculus, rodens, rostratus und chalybaeus nur für Varietäten und Rassenformen zu erklären. Ich finde mich hierzu um so mehr bewogen, als Heckel selbst (Nr. 11 g: pag. 105) sich über diese Arten dahin geäussert hat, dass dieselben dem Typus Cyprinus Leuciscus des Linné angehörten, und der - selbe in Gemeinschaft mit Kner (Nr. 13: pag. 186) noch einmal und noch bestimmter auf die nahe Verwandtschaft dieser Squalien unter einander hin - weist, indem er sagt: dass dieselben » in Strahlen - und Schuppenzahl, wie auch in den meisten übrigen Verhältnissen nahezu oder völlig übereinstim - men und sich vorzüglich nur durch ihre verschiedenen Profile und damit zu - sammenhängende abweichende Dimensionen charakterisiren. «
In ähnlicher Weise konnte ich an den Haseln des Weser -, Elb -, Oder -, Weichsel - und Pregel-Gebietes keine Art-Unterschiede sondern immer nur die eine Art Sq. Leuciscus wiederfinden. Bei diesen Untersuchungen habe ich mich überzeugt, dass überall in den eben genannten Wassergebieten die Fischer mit dem Sq. Leuciscus sehr gut bekannt sind und denselben unter dem Na - men » Häsling « von dem Sq. Cephalus, den sie als » Dickkopf « oder » Döbel « bezeichnen, sehr wohl unterscheiden, um so mehr muss es auffallen, dass die Faunisten den Häsling jener Gegenden entweder ganz übersehen oder mit dem Döbel zusammengeworfen haben1)Von Schulz (Nr. 78) wurde der Sq. Leuciscus gänzlich mit Stillschweigen über - gangen, und von Gloger (Nr. 88: pag. 75. n. 21) wurde der Sanddobel oder Dübel in Ver - bindung mit dem Hassle oder Hässling als ein und dieselbe Art (Cyprinus dobula) aufgeführt, während der alte Schwenckfeld diese beiden Fische als schlesische Bewohner sehr kenntlich auseinandergehalten hat..
Ich habe bei den Beschreibungen des Cyprinus Carpio, Carassius vulga - ris, Alburnus lucidus und Leuciscus rutilus bereits darauf aufmerksam gemacht,207Gattung: Squalius.in wie hohem Grade durch den Einfluss der verschiedenen Gewässer sowie der verschiedenen Nahrung die Umrisse des Fischleibes und die Dimensionen seiner einzelnen Körperabschnitte verändert werden können, es kann daher nicht auffallen, wenn auch der Sq. Leuciscus, der die verschiedenartig - sten Gewässer von Mitteleuropa bewohnt, mannichfachen Abänderungen un - terworfen ist. Im Allgemeinen betrachtet zeigen sich die verschiedenen For - men des Sq. Leuciscus auf folgende Weise verbreitet. Die mehr spitz - nasige Form, von Heckel als Sq. lepusculus bezeichnet, gehört den Gewässern des Donau-Gebiets an, doch kommen in denselben Gewässern auch Haseln mit ganz stumpfer und hochgewölbter Nase vor, auf welche ganz und gar die von Heckel gegebene Beschreibung und Abbildung des Sq. rodens, Leuciscus und chalybaeus passt; ich besitze aus der Amper sogar ein stumpfnasiges In - dividuum, dessen Schnauze so stumpf gewölbt ist und so steil in die Höhe steigt, wie bei keinem Sq. Leuciscus oder chalybaeus. Die mehr stumpf - nasige Form des Hasel findet sich vorzüglich in den Gewässern des Rhein-Ge - biets vor, obwohl auch die spitznasige Form dort nicht ganz ausgeschlossen ist, denn ich erkannte unter den Haseln, die ich aus dem Rhein und dem Neckar, aus dem Main und der Regnitz gesammelt hatte, nicht bloss Sq. Leu - ciscus sondern auch Sq. lepusculus; aber auch sehr stumpfnasige Formen fehl - ten nicht, auf welche kaum die Beschreibungen des Sq. Leuciscus und chaly - baeus passen wollten. Dergleichen Haseln mit ganz stumpfer und hochgewölb - ter Schnauze aus dem Maine hat Römer-Büchner (Nr. 52: pag. 68) als Cypri - nus simus beschrieben und abgebildet; dass derselbe wirklich einen Squalius vor sich gehabt, geht aus der genaueren Beschreibung hervor, welche Römer - Büchner von den mit einer doppelten Zahnreihe besetzten Schlundknochen seines Cyprinus simus geliefert hat. Ganz übereinstimmend mit dieser stumpf - nasigen Squalius-Form nahmen sich einige Haseln aus, welche ich als Sq. rodens vom Neuchâteler See erhalten hatte. Nach Agassiz kömmt der Sq. rodens in den verschiedenen Seen der Schweiz vor, Heckel und Kner führen ebenfalls den Sq. rodens als Bewohner des Bodensees auf. Ich muss gestehen, dass ich die Mehrzahl der am Bodensee von mir gesammelten Haseln nicht von Sq. Leuciscus habe unterscheiden können, und ein In - dividuum davon sogar mit Heckel’s Sq. lepusculus vollkommen übereinstim - mend fand.
Noch muss ich eines Umstandes erwähnen, der ebenfalls darauf hinweist, dass die von Agassiz und Heckel aufgestellten verschiedenen Hasel-Arten bei einer näheren Vergleichung untereinander nicht recht Stich halten. Va - lenciennes hat nämlich unter den bereits erwähnten colorirten Abbildungen von Donaufischen, welche ihm Agassiz zur Benutzung überlassen hatte, den Sq. rostratus dargestellt gefunden, welcher nach Agassiz’s Angabe (Nr. 7 pag. 41) den Sq. argenteus (Leuciscus) des Rhein-Gebiets im Donau-Gebiet ver -208Familie: Cyprinoidei.treten soll. Es bezog sich diese Abbildung, wie aus der Beschreibung des Valenciennes1)Vergl. Valenciennes: Hist. d. poissons. T. XVII. pag. 201. Hier heisst es: » Le museau est peu arrondi; les deux mâchoires presque égales; le dos soutenu derrière la nu - que, et ensuite rectiligne jusqu’à la queue «. hervorgeht, auf einen dünnschnauzigen Hasel, dessen Rücken sich dicht hinter dem Nacken etwas erhob und dann in gerader Linie weiter verlief, welche Form auch Heckel veranlasst hat, diesen Hasel als besondere Art unter dem Namen Sq. rostratus beizubehalten. Da Heckel (a. a. O.) von die - ser Species ausgesagt hat, dass dieselbe im Inn vorkomme und bei den Be - wohnern des Innthals den Namen » Märzling « führe, habe ich mir besondere Mühe gegeben, diesen Märzling zu Gesicht zu bekommen, jedoch in Innsbruck wie in Brixlegg und Kufstein nichts anderes als Haseln (Sq. Leuciscus) er - halten, von denen einzelne einen am Hinterkopfe mit einer Verdickung oder Aufquellung beginnenden Rücken besassen. Dergleichen Erhöhungen des Rückens dicht hinter dem Nacken kommen übrigens bei den verschiedensten Cyprinen vor und geben als Artcharakter durchaus keinen Anhaltspunkt, indem diese Formverschiedenheit die Folge von guter Ernährung und starker Fleischentwickelung zu sein scheint. Ich besitze auch unter den dünnschnau - zigen Haselformen aus dem Main (von Würzburg) Individuen mit einem hinter dem Nacken erhöhten und gerade verlaufenden Rücken, die ich demnach für Sq. rostratus erklären müsste; auch die Squalius-Form, welche Va - lenciennes durch Selys als Sq. argenteus (Leuciscus) aus Belgien erhalten hatte, muss hoch - und geradrückig gewesen sein, da sie von Valenciennes (a. a. O. pag. 202) mit Sq. rostratus des Donau-Gebietes zusammengestellt wurde. Als Beweis, dass die Haseln sich schon sehr früh mit verschiedenem Profil ent - wickeln, kann ich anführen, dass ich ganz junge Haseln von 2 bis 2½ Zoll Länge besitze, welche in der Isar gefangen wurden und zum Theil stumpf - schnauzig, zum Theil dünnschnauzig sind, mithin als Sq. Leuciscus und lepus - culus unterschieden werden müssten. Die schwarzen Flecke, welche nach Angabe des Agassiz (a. a. O. pag. 41) im Frühjahre auf den männlichen Indi - viduen des Sq. rodens zum Vorschein kommen und nach Beendigung der Laich - zeit wieder verschwinden, hängen nicht mit den Geschlechtsfunctionen die - ses Fisches zusammen, wie auch Heckel und Kner (a. a. O. pag. 190) dies zu glauben scheinen, und ist diese Erscheinung nicht etwa als ein specifischer Charakter des Sq. rodens zu betrachten, sondern als etwas zufälliges und pa - thologisches aufzufassen, wie ich das bereits bei verschiedenen anderen Ge - legenheiten zur Sprache gebracht habe2)Es rühren diese schwarzen Flecke von der Anwesenheit eines unreifen Eingeweide - wurms her, der unter dem Namen Holostomum cuticola von Nordmann (Mikrographische Beiträge. I. pag. 49. Taf. IV. Fig. 1 — 4) zuerst bekannt gemacht wurde. Nachdem diese jungen Würmer sich in die Haut der verschiedenen Cyprinoiden eingenistet und sich mit.
209Gattung: Squalius.Obgleich ich es mir bei dem vorliegenden Werke zur Aufgabe gemacht habe, die Besprechung der Synonymen nicht zu weit auszudehnen, so kann ich es hier doch nicht unterlassen, auf eine nordeuropäische Fischform hinzu - weisen, welche durch eine unserer ersten ichthyologischen Autoritäten un - verdienter Weise zu einer besonderen Art gestempelt worden ist. Ich meine den schwedischen » Stämm «, welcher von den skandinavischen Ichthyologen den Namen Cyprinus oder Leuciscus Grislagine erhalten hat. Dieser Fisch ist von Fries und Ekström sehr genau beschrieben und von Wright sehr sauber abgebildet worden1)Vergl. Skandinaviens Fiskar a. a. O. pag. 69. lat. Text und Pl. 14.. Heckel (Nr. 11 g: pag. 101) rügte mit Recht, dass Ar - tedi2)Vergl. Nr. 1: Synon. nom. pisc. pag. 5. n. 4., welcher zuerst des » Stämm « Erwähnung gethan, zu diesem Fische Willughby’s Grislagine fälschlich als synonym citirte, welcher letztere der Telestes Agassizii, mithin ein ganz anderer Fisch sei, und fügte hinzu, dass der schwe - dische Stämm mit unserem Perlfische, Leuciscus Meidingeri eine Aehnlichkeit habe. Worauf Heckel diese letztere Behauptung gründet, ist mir durchaus un - klar geblieben, jedenfalls hat Heckel durch dieselbe viel dazu beigetragen, das wahre Wesen des Stämm unkenntlich zu machen, was um so auffallender ist, da die skandinavischen Ichthyologen ihren Stämm immer als einen Squalius cha - rakterisirt haben. Zuerst gab Linné3)Vergl. Acta societatis regiae scientiarum upsaliensis. Ann. 1744 — 50. pag. 35. Tab. III. die Beschreibung und Abbildung eines Stämm, den er unter dem Namen » Naddi « aus Helsingfors erhalten hatte. Heckel (Nr. 11 g: pag. 101) erkannte in dieser Beschreibung ganz richtig den » Chub « der Engländer, nämlich seinen Sq. Cephalus, der nach meiner Ueberzeugung mit Heckel’s Sq. Dobula zusammenfällt. Nilsson4)Vergl. dessen Skandinavisk Fauna. a. a. O. pag. 310. konnte in Linné’s Beschreibung jenes finnischen Fisches ebenfalls nur den Sq. Dobula Heck. wieder erkennen, erfuhr aber aus Helsingfors, dass kein Fisch unter dem Namen » Naddi « dort bekannt sei. Linné hat demnach bei seinem Versuch, den schwedischen Stämm in das System einzuführen, verschiedene Fehler begangen. Er hat einen finnländischen Fisch fälschlich für einen Stämm genommen, in seinem Systema naturae zu dem Cyprinus Grislagine ganz unrichtig seine Beschreibung des Naddi citirt und überhaupt versäumt, den Cyprinus Leuciscus von Mitteleuropa mit dem Cyprinus Grislagine von Schweden zu vereinigen. Von Fries und Ekström sowie von Nilsson sind2)einer durchsichtigen blasenartigen Kapsel umgeben haben, entwickelt sich in der Umge - bung solcher eingekapselter Würmer eine auffallende Menge schwarzkörnigen Pigments, welches nach dem Absterben der Würmer sich wieder verliert. Man vergleiche hierüber meine Vorträge im Münchener Fischer-Club (Abendblatt zur neuen Münchener Zeitung 1858. nr. 69. pag. 274) und in der anatomisch-physiologischen Section der Königsberger Natur - forscher-Versammlung (Tageblatt der 35ten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. pag. 55. vgl. auch den amtl. Bericht dieser Versammlung a. a. O. pag. 138.v. Siebold, Fische. 14210Familie: Cyprinoidei.diese Fehler ausgeglichen worden. Da Heckel die Erklärung des Fries und Ekström1)Vergl. Skandinav. Fiskar. a. a. O. pag. 37. lat. Text. Hier heisst es von dem Stämm: » Eum a Cyprino Leucisco Linnaei et Artedii non differre perspicuum nobis videtur «. kennen musste, nach welcher Cyprinus Leuciscus Lin. u. Arted. mit deren Cyprinus Grislagine zusammenfällt, so ist es unbegreiflich, wie Heckel (Nr. 11 g: pag. 98) später die Identität dieser beiden Fische bezwei - feln und ausserdem sein Bedauern darüber ausdrücken konnte2)Es ist der oben erwähnte Zweifel Heckel’s um so unbegreiflicher als derselbe zehn Jahre früher (Nr. 11 c: pag. 1040) den Cyprinus Leuciscus und Grislagine des Linné wirk - lich zu einer einzigen Squalius-Species vereinigt hatte., dass weder Artedi, Linné noch Fries und Ekström der Schlundzähne des Cyprinus Gris - lagine erwähnt und es daher unentschieden gelassen hätten, ob dieser wahre Stämm des Fries und Ekström dem Cyprinus Leuciscus Lin. oder dem Leu - ciscus Meidingeri Heck. näher stehe. Ich kann hiergegen einwenden, dass nicht bloss Fries und Ekström sondern auch andere skandinavische Ichthyo - logen sich über das Zahnsystem des Stämm als das eines Squalius deutlich genug ausgesprochen haben. Von Fries und Ekström3)Vergl. Skandinav. Fiskar. a. a. O. pag. 38. lat. Text. wird (nach der latein. Uebersetzung des schwedischen Textes) über die Schlundzähne des Cyprinus Grislagine ausgesagt: » Ossa pharyngea denticulis, per ordines duos dispositis armata; superiores 5, longi recti, apice introrsum paullum curvati; inferiores curti, recti et conici, plerumque tres; saepe tamen variant. « Auch Krøyer, welcher den Cyprinus Grislagine mit einer Copie nach » Skandinaviens Fiskar « unter dem Namen » Stämskallen « als dänischen Fisch aufführt, giebt die Zahn - formel als 2+5, mithin als die eines Squalius an. Derselbe spricht sich zu - gleich darüber aus, dass dieser Cyprinus Grislagine mit Cyprinus Leuciscus Lin. sowie mit Leuciscus vulgaris Flem. identisch sei. Da der letztere Fisch nichts anderes als Squalius Leuciscus ist, so haben wir hiermit ein Zeugniss mehr, wodurch die Identität des Stämm mit unserem Hasel festgestellt wird. Nilsson4)Vergl. dessen Skandinavisk Fauna. a. a. O. pag. 303. beschreibt den Stämm unter dem Namen Leuciscus Grislagine, ohne das Zahnsystem desselben zu erwähnen, lässt aber aus den herbeigezogenen Synonymen Leuciscus Dobula Yarrell’s und Cyprinus Dobula Bloch’s deut - lich erkennen, dass er den Stämm als Squalius aufgefasst hat. Bringt man nun noch in Anschlag, dass in den skandinavischen Gewässern der Sq. Leuciscus ebenso verbreitet sein wird, wie in allen übrigen Flüssen und Seen von Nord - und Mitteleuropa, und dass die skandinavischen Zoologen Linné, Retzius, Nilsson und Krøyer in ihren schwedischen und dänischen Fischfau - nen ohne Ausnahme den Cyprinus Grislagine, nicht aber den Cyprinus Leu - ciscus aufgeführt haben, so giebt uns. dies ebenfalls einen Wink, den Stämm und Hasel für identisch zu halten, denn dass der Stämm eine selbstständige211Gattung: Squalius.dem Hasel nur nahe verwandte Art sei, diesen Gedanken wird man aufgeben müssen, so wie man sich mit den oben citirten Beschreibungen dieses Fisches und zugleich mit der Neigung der meisten skandinavischen Zoologen, den Cyprinus Grislagine mit dem Cyprinus Leuciscus zu vereinigen, näher vertraut gemacht hat. Betrachtet man die Abbildung des Cyprinus Grislagine in » Skan - dinaviens Fiskar « genauer, so wird man in derselben die stumpfnasige Form des Hasel nicht verkennen, dennoch muss ich gestehen, dass an dieser colorirten Abbildung die sehr schlanke Gestalt des Schwanzes und der gelbe Glanz, welcher von der ganzen Oberfläche dieses Fisches ausgeht, mich an - fangs stutzig machte, indessen erinnerte ich mich, dass ich auf unseren Fisch - märkten öfters ausgelaichte Haseln mit ebenso schlankem Hinterleibe und ähnlichem gelbem Glanze gesehen habe. Dass der Stämm gleich unserem Ha - sel silberglänzende Färbung besitzt, geht aus der Beschreibung des Fries und Ekstöm1)Vergl. Skandinav. Fiskar. a. a. O. pag. 38. lat. Text. hervor, in welcher sie von dem Cyprinus Grislagine aussagen: » ar - genteus, tempore coïtus paullum flavescens «.
Ich glaube hiermit hinreichend nachgewiesen zu haben, dass der Leu - ciscus Grislagine des Heckel als eine nicht in der Natur begründete Art aus dem System der Cyprinoiden gestrichen werden müsse. Ich bin zu meiner Freude in dieser Behauptung noch ganz kürzlich durch eine Fischsendung be - stärkt worden, welche ich der Güte des Herrn Sundevall in Stockholm zu ver - danken hatte. Diese Sendung enthielt ausser verschiedenen anderen schwe - dischen von Sundevall sehr genau terminirten Fischen auch drei Exemplare des echten Stämm unter der Bezeichnung Cyprinus Grislagine aus dem Mälar - See und einem anderen See des mittleren Schweden. Eine Vergleichung die - ser Stämms und ihrer doppelreihigen Schlundzähne mit unserem Hasel und seinen ebenfalls doppelreihigen Schlundzähnen stellte auf den ersten Blick die Identität zwischen Cyprinus Grislagine Arted. von Schweden und Squalius Leuciscus Lin. von Mitteleuropa heraus. Heckel wäre gewiss die Identität dieser beiden Fische nicht entgangen, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, den Cyprinus Grislagine zu untersuchen, aber weder in dem Wiener noch Berliner Cabinete, deren Material Heckel zu seinen Untersuchungen benutzt hatte, wurde bisher ein Cyprinus Grislagine aufbewahrt, wie ich mich selbst über - zeugt habe. Die Musterung der im Wiener Cabinete vorräthigen Cyprinoiden erleichterte mir übrigens die Deutung der verschiedenen Squalien ausser - ordentlich. Ich konnte durch eine Vergleichung des Sq. argenteus von Teschen, des Sq. chalybaeus von Unteröstreich, des Sq. lepusculus von Wien, des Sq. rostratus von Brixlegg, des Sq. lancastriensis von Eng - land, des Sq. Leuciscus von Paris, von Belgien und Böhmen, des Sq. rodens von Neuchâtel die Ueberzeugung gewinnen, dass alle diese Squalien der14*212Familie: Cyprinoidei.von mir als Squalius Leuciscus des Linné geschilderten Cyprinoiden-Form an - gehören, zu welcher ich auch noch den im Wiener Cabinet vorgefundenen Leu - ciscus majalis von Neuchâtel hinzufügen muss. Dieser von Agassiz (a. a. O.) be - schriebene und abgebildete Leuciscus majalis, von welchem durch Coulon aus dem Neuchâteler Museum zwei Exemplare nach Wien gesendet waren, wurde von Heckel (Nr. 11 g: pag. 105 u. 115) als ein Leuciscus festgehalten, weil er in demselben die Zahnformel 6 — 5 angetroffen habe. Ich fand in diesen Wiener Exemplaren des Leuciscus majalis noch einen einzigen Schlundknochen vor, welcher wie bei Squalius eine doppelte Zahnreihe trug, woraus ich vermuthe, dass Heckel die beiden kleinen Zähne der inneren Zahnreihe dieser beiden Fische, welche vielleicht unvollständig vorhanden waren, übersehen haben mag. Ich konnte wegen dieser Doppelreihigkeit der Zähne und wegen des übrigen Habitus den Leuciscus majalis, ebenso wie den Sq. lancastriensis, welche beiden Fische Agassiz selbst (a. a. O. pag. 45) für identisch erklärte, nur als einen Sq. Leuciscus anerkennen. Zwar werden der Sq. rodens als » Ronzon « und der um einige Zoll kleinere Leuciscus majalis als » Poi - sonnet « mit ihrer verschiedenen Laichzeit von den Fischern des Neuchâteler See für zwei verschiedene Fische gehalten, es kann mich dies um so weniger abhalten, beide Fische miteinander zu vereinigen, weil von den Fischern ältere und jüngere Individuen einer und derselben Fischspecies sehr oft mit verschiedenen Namen bezeichnet werden und weil die Laichzeit bei älteren und jüngeren Individuen gewisser Fischspecies um einige Wochen früher oder später eintreten kann.
Gattungscharakter. Die Schlundzähne stehen in doppelter Reihe zu 2 und 5 auf der einen und zu 2 und 4 auf der anderen Seite. Die Zahnkronen seitlich zusammengedrückt und an der Spitze hakenförmig umgebogen. Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis, die erstere gerade über den Bauchflossen beginnend.
Syn. u. Citate.
Willughby: Historia piscium. pag. 263. Tab. Q. 1. Fig. 1.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 200. Cyprinus aphya, Rissling.
Agassiz Nr. 6: pag. 1048. Cyprinus aphya, ferner Nr. 7: pag. 8 und Nr. 8: pag. 79. Leuciscus aphya.
213Gattung: Telestes.Perty Nr. 24: pag. 719. Leuciscus aphya.
Reider & Hahn Nr. 25: n. 35. Taf. 29. Fig. b. (schlecht) Leuciscus aphya, kleine Laube.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 254. Pl. 495. Leuciscus Agassizii.
Weber Nr. 27: pag. 25. Taf. 5. (gute Abbildung.) Leuciscus Leuciscus, Laube, Nestling.
Heckel Nr. 11 f: pag. 386 und Nr. 11 g: pag. 100. Telestes Agassizii und Rysela, Lauge, Ry - serle, ferner Nr. 11 i: pag. 193. Telestes Agassizii, gemeine Laube.
Günther Nr. 47: pag. 57. (Abbildung sehr gut). Leuciscus muticellus, Hasel, Gangfisch.
Grandauer Nr. 16: pag. 22. Aspius Leuciscus, Grieslaugel.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 206. Fig. 116. Telestes Agassizii, Laugen.
Artcharakter: Maul klein und unterständig, die über der Mund - spalte hervorragende Schnauze mässig gewölbt, Leib cy - lindrisch; Afterflosse mit 8 bis 9 weichen getheilten Strah - len und mit convexem Unterrande; Schuppen mittelgross. (Ueber der Seitenlinie eine breite schwarze Binde vom Auge bis zur Schwanzflosse).
D. 2 / 8, P. 1 / 13 — 14, V. 2 / 8, A. 3 / 8 — 9, C. 19, Squ. 8 — 9 / 50 — 56 / 4 — 5.
Obgleich der Strömer ein sehr charakteristisches Ansehen hat, und be - sonders durch seine Färbung sich vor allen anderen verwandten Cyprinoiden auszeichnet, so ist er doch der Aufmerksamkeit der meisten Ichthyologen ent - gangen und zum Theil mit anderen Cyprinoiden verwechselt worden, mit denen er auch nicht die geringste Aehnlichkeit hat, was in Bezug auf diesen Fisch als Bewohner bayrischer Gewässer um so mehr auffallen muss, da der - selbe von den Fischern hier zu Lande als besondere Fischart recht gut ge - kannt ist und auf dem hiesigen Fischmarkte nie anders als mit dem Namen » Strömer « oder » Rüssling « bezeichnet wird.
Der Körper des Strömer ist gestreckt und cylindrisch, seine Schuppen sind etwas kleiner als die des Hasel, auf der Fläche derselben zeigen sich die fächerförmig gestellten Radien nur wenig erhaben. Die Augen erscheinen
Kopf von unten.
mittelgross. Die Mundspalte ist eng und steht fast horizontal. Die etwas hervorstehende Schnauze ist nur mässig gewölbt und erin - nert an das Profil der Haseln. Die Schlundknochen des Strömer haben eine etwas gedrungene Form und tragen eine doppelte Reihe von Zähnen, von denen die mittleren Zähne der äusseren Reihe unterhalb der hakenförmigen Spitze zuweilen gezähnelt sind. Die sogenannten Flügel der Schlundknochen besitzen oben und unten
Schlundknochen.
einen Winkel, von denen der untere einen starken Vor - sprung bildet, vor welchem der Aussenrand des vorde - ren Fortsatzes den beiden ersten Zähnen gegenüber flach gewölbt erscheint. Durch diese Form der Schlundkno - chen so wie durch die Form und Anordnung der Zähne selbst stehen die Strömer den Squalien sehr nahe. Auch214Familie: Cyprinoidei.in den Flossen-Umrissen stimmen die Strömer mit den meisten Squalien überein.
Der Rücken der Strömer besitzt nur wenig schwarzes Pigment, daher derselbe durch seine graue Färbung gegen den dunkeln Rücken anderer Cy - prinoiden auffallend absticht. Um so stärker dagegen ist das schwarze Pig - ment an den Seiten des Strömer angehäuft, indem hinter den Augen eine breite schwarze Binde beginnt, welche den Anfang der Seitenlinie kreuzend oberhalb derselben sich bis zur Schwanzwurzel erstreckt. Der Bauch und die Seiten des Leibes glänzen rein weiss, auf welchen letzteren die Seitenlinie durch ihre orangengelbe Färbung grell absticht. Die gelbe Farbe umgiebt hier hauptsächlich die auf den Schuppen angebrachten Mündungen der Seitenlinie, wird aber zuweilen durch das Hinzutreten von schwarzkörnigen Pigment - flecken mehr oder weniger gedeckt. Dieselbe orangengelbe Färbung tritt noch an der Basis der paarigen Flossen, der Rücken - und Afterflosse auf, und nimmt auch die Näthe des Kiemendeckel-Apparats, den Oberkieferrand und den Pupillarrand der Iris ein. Rückenflosse und Schwanzflosse erscheinen durch schwarzkörniges Pigment grau gefärbt, die übrigen Flossen sind da - gegen farblos.
Hinsichtlich dieser Färbung der Strömer darf ich es nicht unerwähnt las - sen, dass nicht selten nach der Laichperiode das schwarze Seitenband dersel - ben nur schwach angedeutet ist oder fast ganz verschwunden zu sein scheint. Aus diesem Grunde habe ich es vermieden, auf die Anwesenheit dieser schwarzen Längsbinde sowohl bei der Gattung Telestes wie bei der Art Tel. Agassizii Gewicht zu legen. Auf diese Weise tritt aber als Hauptcharakter für die Gattung Telestes die Beschaffenheit des Schlund-Zahnapparates beson - ders hervor, der allerdings durch seine Asymmetrie von dem Schlund-Zahn - apparate der nächst verwandten Gattung Squalius wesentlich verschieden an - gegeben worden ist. Leider muss ich aber gestehen, dass dieser Charakter nicht stichhaltig erscheint, wenn man glaubt, durch denselben die beiden Gattungen Squalius und Telestes sicher auseinander halten zu können. Ich habe von Tel. Agassizii 72 Individuen genau untersucht und gefunden, dass sich nur bei 33 Individuen als diagnostisches Gattungsmerkmal die Zahn-For - meln 5. 2 links und 4. 2 rechts und bei 2 Individuen 4. 2 links und 5. 2 rechts vorfanden, während 37 Individuen auf beiden Seiten 5. 2 Schlundzähne be - sassen, mithin in Betreff der Zahl und Anordnung der Schlundzähne sich nicht von den Squalien unterschieden.
Es dürfte demnach die Gattung Telestes nur als eine Unterabtheilung der Gattung Squalius zu betrachten sein, wie sie auch vor einiger Zeit von Heckel (Nr. 11 c: pag. 1041) selbst aufgefasst wurde, indem er die kleinschuppigen Squalien mit Bonaparte’s Telestes-Arten als Untergattung Telestes vereinigte, und für dieselbe das diagnostische Untergattungs-Merkmal » squamae minutae «215Gattung: Telestes.feststellte. Heckel hat aber diese Eintheilung später wieder aufgegeben, wahrscheinlich weil gerade Tel. Agassizii und seine nächsten Verwandten Tel. Savignyi und muticellus gar nicht als kleinschuppig betrachtet werden können. Bonaparte1)S. dessen Iconografia della Fauna italica. Tom. III. n. 115. Telestes Savignyi. sagt zwar von seiner Gattung Telestes, dass sie » squame piccolissime « besitze, allein weder auf der Abbildung von Tel. muticellus noch auf der von Tel. Savignyi sieht man die Schuppen klein, geschweige winzig klein dargestellt2)Ebenda. Tav. 29 (112) Fig. 3 und Tav. 32. (115.) Fig. 1.. Wegen der Unhaltbarkeit dieses Gattungscharakters sehen wir daher, dass Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 206), indem sie Bona - parte’s Gattung Telestes beibehielten, als diagnostisches Merkmal für diese Gattung die » Schuppen mittelgross « angaben, indessen sind sich beide Ichthyologen nicht consequent geblieben, denn indem sie auf diese Weise die sehr kleinschuppigen Squalius-Arten Sq. Turskyi, microlepis, tenellus von Te - lestes getrennt, haben sie auf der anderen Seite diese kleinschuppigen Squa - lien wieder mit grossschuppigen Squalien vereinigt, so dass der von ihnen für Squalius festgestellte Gattungscharakter (Nr. 13: pag. 180) » Schuppen ziem - lich gross « auf die eben genannten Squalius-Arten durchaus nicht passt. Ein anderes Gattungsmerkmal, welches Bonaparte für seine Telestes-Gattung gel - tend machte, nämlich ein » unterständiges Maul « haben Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 206) mit Stillschweigen übergangen, was ich nur billigen kann, da die verschiedene Stellung des Maules als endständig und unterständig bei den Cyprinoiden viel besser für Artkennzeichen als für Gattungskennzeichen berücksichtigt zu werden verdient; es springt dies sogleich in die Augen, wenn wir Bonaparte’s Gattung Squalius betrachten, für welche als Gattungs - charakter unter anderen ein » endständiges Maul « angegeben ist3)Vergl. Heckel’s Fische Syriens. a. a. O. pag. 1040., ob - wohl dieses von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 180) beibehaltene Gattungs - merkmal auf viele Squalius-Arten, nämlich auf Sq. Leuciscus und dessen nächste Verwandte ganz und gar nicht anwendbar ist.
Der Strömer wird gewöhnlich in der Grösse von 5 bis 5½ Zoll auf den hiesigen Markt gebracht, doch sind mir auch schon 7 bis 9 Zoll lange Indivi - duen zu Gesicht gekommen. Es wird übrigens dieser Fisch hier sehr gern als Futter - und Köderfisch für die Salmoneer verwendet.
Die Laichzeit des Strömers fällt in die Monate März und April, um welche Zeit sich dieser Fisch in seiner hochzeitlichen Färbung sehr schön ausnimmt.
Das Vorkommen des Strömer beschränkt sich in Bayern nur auf die schnell fliessenden Seitenströme der Donau; ich erhielt Exemplare dieses Fi - sches aus der Iller, dem Lech, der Amper, der Würm, der Isar, der Mangfall und dem Inn. Auch im Oestreichischen kömmt der Strömer nach Heckel und216Familie: Cyprinoidei.Kner’s Angaben (a. a. O. pag. 207) nur in den Nebenflüssen und nicht im Hauptstrom der Donau vor. Mit den Strömern des Rhein-Gebiets scheint es sich ebenso zu verhalten, da bis jetzt im Rhein selbst kein Strömer bemerkt wurde, während derselbe Fisch seit Gesner als Bewohner der Sihl, eines Seitenflusses der Limmat gekannt ist und von Günther als Bewohner des Neckar beschrieben und abgebildet worden ist1)Vergl. dessen Fische des Neckars. a. a. O. Günther hat hier den Strömer irriger - weise als Tel. muticellus bezeichnet, wie dies schon von Heckel (Nr. 11 i: pag. 193 und Nr. 13: pag. 208) richtig bemerkt worden ist. Ich kann übrigens die Unterschiede zwischen Tel. Agassizii und muticellus, auf welche diese Ichthyologen sich berufen, nicht gelten las - sen, denn weder die Analflosse, welche einen Strahl weniger besitzen soll, noch die Schup - pen, welche nur eine geringe Anzahl von Radien zeigen sollen, geben ein auf den Tel. muti - cellus beschränkt bleibendes Artkennzeichen ab. So fand ich bei genauer Untersuchung der Afterflossen-Strahlen unter zwölf Individuen des Tel. Agassizii aus der Isar eilf Indivi - duen mit 3 einfachen und 8 gespaltenen Strahlen, und ein Individuum mit 3 einfachen und 9 gespaltenen Strahlen, während ich unter sechs Individuen des Tel. muticellus aus Mai - land vier mit 3 einfachen und 8 zersplitterten Afterflossen-Strahlen, und zwei Individuen mit 3 einfachen und 9 zersplitterten Afterflossen-Strahlen antraf. Um meine Ansicht näher zu begründen, dass Günther’s Leuciscus muticellus des Neckar von dem Tel. Agassizii des Donau-Gebiets nicht verschieden ist, muss ich noch die Bemer - kung hervorheben, dass ich den Aeusserungen von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 209) entgegen und in Uebereinstimmung mit Filippi (Cenni sui pesci della Lombardia. pag. 19) Bonaparte’s Leuciscus (Telestes) muticellus und Savignyi für identisch halte. Ich habe Ge - legenheit gehabt das vom Prinzen Bonaparte an das Wiener Naturalien-Cabinet gesendete und von Rom stammende Exemplar seines Leuc. muticellus mit mailändischen Exemplaren seines Leuc. Savignyi zu vergleichen, wobei ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen diesen Fischen herausfinden konnte; beide besitzen dieselbe stumpfe Schnauze, denselben nur wenig gestreckten Leib, bei beiden berühren die Spitzen der nach hinten zurückge - schlagenen Brustflossen beinahe die Basis der Bauchflossen und bilden so eine von Tel. Agassizii wesentlich verschiedene Artform, denn der Tel. Agassizii besitzt eine viel weniger stumpfe Schnauze, und einen gestreckteren Leib, so dass die zurückgeschlagenen Brust - flossen desselben einen auffallenden Zwischenraum vor der Basis der Bauchflossen unbe - deckt lassen und der Schwanzstiel länger erscheint als bei Tel. muticellus; alle diese zuletzt erwähnten Merkmale finden sich in der von Günther gelieferten Beschreibung und Abbil - dung seines Leuciscus muticellus deutlich genug ausgesprochen.. Ob der Tel. Agassizii noch anderen Stromgebieten der Nord - und Ostsee angehört, möchte ich be - zweifeln, da bei meinen verschiedenen Nachforschungen, die ich in dieser Beziehung im Weser -, Elbe -, Oder -, Weichsel -, Passarge -, Pregel - und Memel-Gebiet angestellt habe, mir niemals ein Tel. Agassizii aufgestossen ist. Jedenfalls ist unter der Fisch-Species Cyprinus aphya der älteren Ichthyo - logen, welche nach Hartmann und Agassiz mit dem Tel. Agassizii identisch sein soll, ein ganz anderer Fisch zu verstehen.
Der erste, welcher die Aufmerksamkeit der Ichthyologen in neuerer Zeit auf den Strömer lenkte, war Agassiz, durch welchen Valenciennes einige Exemplare aus München erhalten hatte. Agassiz hatte diesen Fisch als Leu - ciscus aphya bezeichnet und denselben mit dem Cyprinus aphya des Linné vereinigt, wie dies aus der bereits erwähnten Abhandlung des Agassiz (Nr. 7:217Gattung: Telestes.pag. 38) hervorgeht. Dass hiermit Agassiz den Strömer bezeichnen wollte, konnte ich auch an einem zwei Strömer enthaltenden Glase der hiesigen zoo - logischen Staats-Sammlung erkennen, indem dasselbe von der Hand des Agassiz mit » Leuciscus aphya « etiquettirt war. Auch Reider und Hahn müssen durch Einsicht in die Bilder-Mappe des Agassiz Kenntniss von dessen Leu - ciscus aphya erhalten haben, da sie, wie ich oben angeführt habe, unter dem - selben Namen den Strömer freilich nach ihrer Weise sehr schwer kenntlich abgebildet haben. Mit Recht erklärte aber Valenciennes (Nr. 5: a. a. O. pag. 255) den von Agassiz aus München eingesendeten Leuciscus aphya als verschieden von Cyprinus aphya des Linné, denn nach der Beschreibung, welche Linné1)S. dessen Fauna suecica. Edit. alter. Stockholmiae 1761. pag. 131. nr. 374. von Cyprinus aphya in seiner Fauna suecica gegeben hat und in welcher es heisst: » color dorsi caesius, cum maculis fuscis ut in Perca, squamae vix conspicuae «, kann nur Phoxinus laevis gemeint sein, wie denn auch Nilsson2)Vergl. dessen Skandinavisk Fauna. IV. Lund. 1855. pag. 319. zu dem Leuciscus Phoxinus ganz richtig Linné’s Cyprinus aphya citirt hat. Agassiz muss übrigens in der ersten Zeit, als er in München auf den Strömer aufmerksam geworden, mit demselben nicht sogleich ins Klare gekommen sein, sonst würde er in seinen Zusätzen zu Schrank’s Verzeichniss der bayrischen Fische den Strömer nicht als » Pfrille « bezeichnet und nicht von seinem Cyprinus aphya gesagt haben (Nr. 6: pag. 1048): » Dieser Fisch ist’s, der unter dem Namen Pfrill bei den bayrischen Fischern bekannt ist und nicht Cyprinus Phoxinus, wie Schrank angiebt; letzterer ist hier viel seltener «. Hierin hat Agassiz unre[ch]t, denn unter Pfrille versteht man in ganz Bayern den allgemein verbreiteten und sehr häufigen Phoxinus laevis. Wahrscheinlich ist Weber durch diese Behauptung des Agassiz irre geführt worden, indem er unter dem Namen » Spierling (Leuciscus aphya) « einen Fisch abbildete, dem er die auf den Strömer und die Pfrille sich beziehenden Volksnamen » Ryssling, Pfrille, Budd « beifügte3)Vergl. Weber’s Abbild. der Fische von Bayern. pag. 38. Taf. 6. Ohne es zu wissen hat Weber, wie ich es schon oben citirt habe, den Strömer als Leuciscus Leuciscus mit Bei - fügung von ganz unrichtigen deutschen Namen ziemlich kenntlich dargestellt.. Ein Fisch, der in Süd - deutschland den Namen » Spierling « führen soll, existirt aber nirgends; welchen bayrischen Fisch Weber mit diesem Spierling überhaupt hat darstel - len wollen, ist schwer zu errathen, da diese Abbildung ein Gemisch von Strömer und Pfrille an sich trägt; in den Umrissen erkennt man an der Ab - bildung eine Pfrille, die Färbung der Flossen erinnert an die des Strömers, der seitliche Goldstreif, den man an diesem abgebildeten Fisch bemerkt, ist der Pfrille entnommen, auf welche wieder die sehr deutliche Beschuppung, wel - che diese Abbildung erkennen lässt, gar nicht passen will.
Der Strömer hat übrigens das Schicksal gehabt, schon einmal von älte -218Familie: Cyprinoidei.ren Ichthyologen beschrieben und dann wieder ganz vergessen worden zu sein; es geht dies aus Gesner’s kurzer Beschreibung und dürftiger Abbildung des Ryserle oder Ryssling hervor1)S. dessen Histor. animal. lib. IV. pag. 479 oder dessen Fischbuch. pag. 162. a., der nach seiner Angabe bei Zürich in der Sihl angetroffen wird. Dieser Ryserle der Sihl ist in der That ein Te - lestes. was Heckel2)S. dessen Fische Syriens. Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cy - prinen-Gattungen. pag. 186 (288). an Exemplaren dieses Fisches nachgewiesen hat, die derselbe aus der Sihl erhalten hatte. Heckel hielt anfangs (Nr. 11 f: pag. 386 und 388) diesen Ryserle als Tel. Rysela von Tel. Agassizii getrennt, erst spä - ter vereinigte er sie miteinander (Nr. 13: pag. 206), womit ich vollkommen einverstanden bin, da ich Gelegenheit hatte, mich in Zürich an mehreren In - dividuen des Ryserle aus der Sihl von der Identität dieses Telestes mit Tel. Agassizii zu überzeugen. Der Ryserle blieb übrigens bis auf die neueste Zeit unbeachtet, nur Hartmann (Nr. 38 b: pag. 200) beschrieb denselben in sei - ner helvetischen Ichthyologie ziemlich kenntlich, begieng aber den Fehler, den Ryserle mit Bloch’s räthselhaftem Cyprinus aphya (Spierling Bl.) zu ver - einigen, wodurch sich der Ryserle, noch dazu unter dem ganz fremden Na - men » Spierling « nicht dauernd geltend machen konnte, obgleich Hartmann auf eine weitere Verbreitung des Ryserle in der Schweiz hingewiesen hatte. Hartmann hat nämlich zu diesem Ryserle der Sihl den von Cysat beschriebe - nen » Aertzele « der Reuss citirt, in welchem Fisch ich nach der Beschrei - bung Cysat’s (Nr. 35: pag. 93) den Tel. Agassizii deutlich erkenne. Indem Agassiz (Nr. 7: pag. 38 und Nr. 8: pag. 80) den Ryserle des Gesner irriger - weise mit seinem Chondrostoma Rysela zusammenwarf, machte er nicht bloss, wie schon Heckel (Nr. 11 f: pag. 377) bemerkte, seine neue Chondrostoma - Art unkenntlich, sondern er trug auch dazu bei, dass der Strömer oder Ry - serle von den Ichthyologen wieder vergessen wurde.
Dem Strömer oder Tel. Agassizii Bayerns ergieng es nicht viel besser als dem Ryserle der Schweiz, denn bald, nachdem ihn Willughby3)S. dessen Historia piscium. pag. 263. bei sei - nem Aufenthalte in Augsburg an das Licht gezogen hatte, ist derselbe durch Vermischung und Verwechslung mit anderen Fisch-Arten ebenfalls wieder aus den Fisch-Systemen verschwunden. Niemand wird in der Beschreibung, welche Willughby von » Grislagine Augustae dictus « gegeben hat, den Tel. Agassizii verkennen, von dem Willughby unter anderen sagt: » supra lineas citrinas ductus hinc inde niger ab oculis ad caudam continuus «. Noch heute führt der Strömer in Augsburg den Volksnamen » Grieslaugele «, den Wil - lughby in unrichtiger Auffassung zu Grislagine umgeschaffen hat. Diesen ver - stümmelten Namen Grislagine übertrug Artedi4)S. Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 5. nr. 4. auf den schwedischen Fisch219Gattung: Telestes.Stämm, der wie oben (pag. 209) gezeigt wurde, mit Squalius Leuciscus zu - sammenfällt, keineswegs aber, wie Artedi fälschlich glaubte, mit dem Gris - lagine Augustae dictus identisch ist. Heckel1)Vergl. Nr. 11 f: pag. 386 und Nr. 11 g: pag. 100, ferner Nr. 11 h: pag. 31. gebührt das Verdienst, diese verschiedenen Missgriffe, welche sich die Ichthyologen durch Verkennung des Tel. Agassizii haben zu Schulden kommen lassen, durch seinen von rich - tiger Kritik geleiteten Scharfblick aufgedeckt zu haben. Es ist nur zu be - dauern, dass Heckel mit seinem sicheren kritischen Blicke sich nicht näher über den Cyprinus aphya der Autoren ausgesprochen hat, über welchen Cy - prinoiden bis auf den heutigen Tag die Ichthyologen noch nicht ganz ins Klare gekommen sind. Dass Linné mit seinem Cyprinus aphya keinen Telestes son - dern nur einen Phoxinus laevis gemeint haben kann, wurde schon vorhin (pag. 217) erwähnt. Auch der von Meidinger2)S. dessen Icones piscium Austriae. Dec. II. Tab. 15. schuppenlos abgebildete Cyprinus aphya ist nichts anderes als ein Phoxinus laevis, was schon von Heckel und Kner3)S. deren Süsswasserfische a. a. O. pag. 210. richtig erkannt worden ist. Artedi und Linné haben die erste Verwirrung über diesen Cyprinus aphya hervorgebracht, indem sie den schwedischen und den im übrigen Europa einheimischen Phoxi - nus laevis als zwei ganz verschiedene Fische auseinander hielten4)Vergl. Artedi Nr. 1: Synonymia nominum piscium. pag. 12. nr. 23. u. pag. 13. nr. 29. Ferner Linné: Nr. 2: pag. 528. nr. 10. Cyprinus Phoxinus und nr. 11. Cyprinus Aphya., obgleich Linné in seiner Fauna suecica5)A. a. O. pag. 131. nr. 374. sogar die Frage aufgeworfen hatte, ob nicht Artedi’s Cyprinus phoxinus mit seinem Cyprinus aphya identisch sei. O. F. Müller6)S. dessen Zoologiae danicae Prodromus. Havniae. 1776. pag. 50. nr. 430 u. 431., Retzius7)S. dessen Fauna suecica, Lipsiae. 1800. pag. 356. nr. 111 u. nr. 112., und Nilsson8)S. dessen Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae. 1832. pag. 29. nr. 7 u. nr. 8. folgten dem Beispiele Artedi’s und Lin - né’s und behielten den Cyprinus phoxinus und aphya als zwei verschiedene Arten bei; Retzius und Nilsson vermehrten die Verwirrung noch dadurch, dass sie mit Linné’s Cyprinus aphya den Cyprinus aphya Bloch’s zusammen - warfen, wie Bloch9)Vergl Nr. 3 a: Th. III. pag. 143. Taf. 97. Fig. 2. selbst vor ihnen dasselbe gethan hatte. Es frägt sich nun, welchen Fisch Bloch unter seinem mit ziemlich grossen Schuppen be - deckten Spierling oder Cyprinus aphya verstanden haben mag. Soviel geht aus den neueren ichthyologischen Studien der skandinavischen Zoologen Ek - ström10)Vergl. dessen Fische in den Scheeren von Mörkö. 1835., Nilsson11)S. dessen Skandinavisk Fauna. IV. 1855. und Krøyer12)S. dessen Danmarks Fiske. III. 1846 — 1853. pag. 526. hervor, dass sich weder auf der skandina - vischen Halbinsel noch in Dänemark bis jetzt ein Fisch vorgefunden hat, der220Familie: Cyprinoidei.mit Bloch’s Cyprinus aphya identisch sein könnte. Die Beschreibung, welche Bloch von diesem Fische geliefert hat, ist sehr kurz, und von keinem der späte - ren Ichthyologen ergänzt worden, da diese es vorgezogen haben, die Beschrei - bung des Cyprinus aphya immer wieder aus Bloch’s Naturgeschichte abzu - schreiben. Ebenso wurde auch die Abbildung zu diesem Fische aus Bloch’s Werken immer wieder copirt. Es geht theils aus Bloch’s Beschreibung theils aus seiner Abbildung des Cyprinus aphya hervor, dass dieser Fisch einen unterständigen Mund und mittelgrosse Schuppen besessen, und in so fern könnte derselbe ein Telestes gewesen sein; aus diesem Grunde mag sich Hartmann (Nr. 38 b: pag. 200) veranlasst gefühlt haben, zu seinem Cyprinus aphya, welcher zuverlässig Tel. Agassizii ist, Bloch’s Beschreibung und Abbildung des Spierling zu citiren. Auf der anderen Seite will aber die Fär - bung dieses Fisches, wie sie auf Bloch’s colorirter Abbildung zu sehen und aus seiner Beschreibung zu entnehmen ist, auf keinen Telestes passen, indem Bloch von seinem Cyprinus aphya sagt: » der Bauch ist bei einigen roth bei anderen weiss, sämmtliche Flossen sind am Grunde grünlicht am übrigen Theil grau «. Auch Heckel muss später über die Deutung von Bloch’s Cypri - nus aphya zweifelhaft geworden sein, indem er1)Vergl. Nr. 11 c: pag. 1041. Dass Heckel damals unter Cyprinus aphya den Telestes Agassizii verstanden wissen wollte, geht aus Heckel’s eigenen Angaben in seinem Reisebe - richte (Nr. 11 f: pag. 388) hervor. anfangs Linné’s Cyprinus aphya bei Telestes aufführte und dazu Bloch’s Abbildung des Spierling citirte, nachher aber in Gemeinschaft mit Kner (Nr. 13: pag. 206) bei der genaueren Beschreibung des Tel. Agassizii dieses Citat wieder gänzlich fallen liess. Was den Namen Spierling betrifft, den nach Bloch’s Angabe der Cyprinus aphya in Deutschland führen soll, so habe ich nicht in Erfahrung bringen können, in welcher Gegend Deutschlands dieser Fischname im Munde des Vol - kes geführt wird. In Süddeutschland ist nirgends ein Fisch unter dem Namen » Spierling « gekannt und auch in Norddeutschland scheint dieser Fischname als auf einen Cyprinoiden bezüglich gänzlich unbekannt zu sein. Zwar findet man den Namen » Spierling « von verschiedenen Faunisten erwähnt, bei nähe - rer Untersuchung überzeugt man sich aber bald, dass derselbe nur aus Bloch’s Werken nachgeschrieben ist. Weder von Birkholz2)S. dessen Beschreibung aller Arten Fische, welche in den Gewässern der Churmark gefunden werden. 1770. noch von J. H. Schulz3)S. dessen Fauna marchica. 1845. wird unter den Fischen der Churmark der Spierling aufgeführt, ebensowenig erwähnt Siemssen4)S. dessen Fische Mecklenburgs. 1794. den Spierling als mecklenburgischen Fisch, auch Schonevelde5)Vergl. dessen Ichthyologia et Nomenclaturae animalium marinorum, fluviatilium, lacustrium, quae in Ducatibus Slesvici et Holsatiae et Emporio Hamburgo occurrunt. 1624. übergeht in seinem Nomenclator der schleswig-holstei -221Gattung: Telestes.nischen Fische den Spierling mit Stillschweigen. Nach Leske1)Vergl. dessen Ichthyologiae Lipsiensis specimen. 1774., Bujack2)S. dessen Fauna Prussica. 1837. und Gloger3)S. dessen Wirbelthier-Fauna Schlesiens. 1833. existirt weder in Sachsen, Preussen noch in Schlesien ein karpfen - artiger Fisch mit dem Provincialnamen » Spierling «. Dagegen kömmt für den Salmoneer Osmerus eperlanus statt des bekannten Trivialnamens » Stint « in gewissen Gegenden von Norddeutschland die Bezeichnung » Spiering « oder » Spierling « vor, welche Namen in dieser Bedeutung schon von Gesner er - wähnt werden; es wäre daher möglich, dass Bloch durch irgend eine Ver - wechslung verleitet den Namen » Spierling « von einem Salmoneer auf einen Cyprinoiden übertragen habe. Ich hoffte übrigens über die Verwirrung, welche durch Bloch’s Cyprinus aphya veranlasst wurde, mir dadurch einige Klarheit zu verschaffen, dass ich die in dem zoologischen Cabinete zu Ber - lin aufbewahrten Original-Exemplare der Fischsammlung Bloch’s einer ge - naueren Musterung unterwarf. Ich benutzte den Spätsommer von 1860 zu dieser Musterung, welche mir von Seiten des Directors jenes Cabinets, des Herrn Professor Peters auf eine sehr zuvorkommende Weise gestattet worden war, und erkannte bald, dass diese Verwirrung von Bloch selbst ausgegangen war, indem er verschiedene aus Süddeutschland an ihn ein - gesendete Exemplare von zwei bis drei unter einander verwandten Cypri - nus-Arten nicht gehörig auseinander gehalten hatte. In dem erwähnten Cabi - nete befinden sich nämlich drei Gläser, welche nach der Aufschrift der Eti - quetten und nach dem verbleichten Ansehen des Inhalts von der Bloch’schen Sammlung herrühren und welche mir über die fraglichen Fische folgenden Aufschluss gaben. Das eine Glas enthielt unter der Bezeichnung (Cyprinus aphya L. Deutschland) ein Exemplar von Phoxinus laevis, auf der Etiquette war bereits von Agassiz eigenhändig die richtige Bestimmung dieses Fisches vorgenommen worden. Ein zweites Glas enthielt einen Tel. Agassizii und einen Phoxinus laevis zugleich und war mit dem Namen (Cyprinus Leuciscus L. Deutschland) etiquettirt. In einem dritten Glase war ein Squalius Leuciscus und zwei Individuen des Tel. Agassizii enthalten mit der Aufschrift (Cy - prinus Leuciscus L. Deutschland). Es wird hierdurch wahrscheinlich, dass Bloch und sein Maler jene drei verschiedenen Cyprinoiden bei Anfertigung ihrer Beschreibungen und Abbildungen durcheinander gemengt haben, und zwar durch eine Fischsendung veranlasst, welche Schrank aus Burghausen an der Salzach nach Berlin gemacht hatte. Letzterer wollte Bloch mit dem nur in Süddeutschland einheimischen Tel. Agassizii bekannt machen und sendete ihm mehrere Exemplare dieses Salzach-Fisches unter dem Volks -222Familie: Cyprinoidei.namen » Laube «1)Heute noch wird der Telestes Agassizii von den Anwohnern der Salzach » Laube « ge - nannt. S. Heckel’s Fische der Salzach. a. a. O. pag. 193., hatte aber, vielleicht zufälliger Weise, der Sendung noch ein Paar Pfrillen und einen Hasel beigefügt, ohne dieselben besonders zu erwäh - nen. So mag es nun gekommen sein, dass Bloch gerade jenen Hasel ausge - wählt und ganz richtig als Cyprinus Leuciscus beschrieben hat, jedoch mit der unrichtigen Notiz2)S. dessen Naturgesch. d. Fische Deutschl. Th. III. pag. 142., dass dieser Fisch in Burghausen (an der Salzach) den Namen » Laube « führe. Auf der anderen Seite begieng Bloch einen zweiten Fehler, indem er den eingesendeten grossschuppigen Tel. Agassizii als Cy - prinus aphya abzeichnen und der Zeichnung das rothe Hochzeitskleid der zu - fällig beigefügten kleinschuppigen Pfrille geben liess. In dieser Entstellung konnte Schrank seine » Laube « (Telestes Agassizii) um so weniger erkennen, als es Bloch zugleich unterlassen hatte, in der Beschreibung des Cypr. aphya zu erwähnen, was für Exemplare von Fischen derselbe zur Anfertigung der Abbildung des Cypr. aphya benutzt habe. Auf diese Weise musste Tel. Agassizii unerkannt bleiben. Selbst Schrank liess sich durch Bloch irre führen, indem er (Nr. 23 a: pag. 337) in seiner Fauna boica von dem Alburnus bipunctatus, Alburnus lucidus und von dem Squalius Leuciscus (statt Tel. Agassizii) aussagt, dass diese drei Fische von unseren Fischern unter dem Namen » Lauben « begriffen würden.
Gattungscharakter: Die Schlundknochen stehen in doppelter Reihe, auf der einen Seite zu 2 und 5, auf der anderen Seite zu 2 und 4, seltener auf beiden Seiten zu 2 und 4. Die Zahnkronen seitlich zusammengedrückt und an der Spitze hakenförmig umgebogen. Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis, die erstere hinter den Bauchflossen beginnend.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 208. Taf. 37. Glatte Bampel und pag. 218. Taf. 42. Milling.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 4. n. 9, Descr. spec. pisc. pag. 30. n. 16. Mudd, Syn. nom. pisc. pag. 13. n. 29. Mudd, pag. 12. n. 23. Elritz, Minow, Veron.
Linné Nr. 2: pag. 528. n. 11. Cyprinus Aphya und Nr. 10. Cyprinus Phoxinus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 60. Taf. VIII. Fig. 5. Cyprinus Phoxinus, Elritze.
223Gattung: Phoxinus.Schrank Nr. 23 a: pag. 336. n. 317. Cyprinus Phoxinus, Pfrille.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 197. Cyprinus Phoxinus, glatte Bambeli.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 29. Cyprinus phoxinus, Ellritze.
Bujack Nr. 97: pag. 338. Cyprinus Phoxinus, Elritze.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 203. Phoxinus laevis, Véron.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 363. Leuciscus Phoxinus, Véron.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 524. Phoxinus Aphya, Elritze.
Günther Nr. 47: pag. 53. Leuciscus phoxinus, Pfelle.
Leiblein Nr. 51: pag. 121. Phoxinus laevis, Pfrille.
Rapp Nr. 41: pag. 10. Phoxinus laevis, Pfelle, Butt.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 210. Phoxinus laevis, Pfrille.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Phoxinus laevis.
Artcharakter: Maulklein und endständig, Schnauze stumpf und stark gewölbt; Leib cylindrisch, Seitenlinie anfangs deutlich, hinter der Mitte unregelmässig unterbrochen; Schuppen ausserordentlich klein.
D. 3 / 7, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 7, C. 49, Squ. 80 — 90.
Die Pfrille besitzt einen gestreckten, cylindrischen Körper, und zeichnet sich durch ausserordentlich kleine Schuppen aus, welche an vielen Stellen des Körpers, ohne sich dachziegelförmig zu decken, neben einander liegen. Auf der Rücken - und Bauchseite ist die Haut in der Umgebung der Mittellinie von Schuppen gänzlich entblösst. Diesen Eigenschaften verdankt die Pfrille in manchen Gegenden den Volksnamen » glatte Bambel «. Die beiden Seiten - linien sind nur sehr selten vollständig entwickelt. Sie erscheinen in den mei - sten Fällen hinter der Leibesmitte unregelmässig unterbrochen und ver - schwinden auf dem Schwanztheile des Leibes gewöhnlich vollständig. Heckel hatte früher geglaubt, die Pfrillen mit vollständigen Seitenlinien als eine be - sondere Art betrachten zu müssen, für die er den Namen Phoxinus Marsilii vorschlug (Nr. 11 a: pag. 232): später hat derselbe mit Recht diese Species wieder fallen lassen (Nr. 13: pag. 210).
Die Schnauze der Pfrille erhebt sich über dem endständigen Maule in einem etwas steilen Bogen. Mit der Angabe des Heckel und Kner über die
Schlund - knochen.
Zahnstellung der Schlundknochen der Pfrille stimmen meine Erfah - rungen nicht überein. Ihre Angaben lauten nämlich (Nr. 13: a. a. O.): Fangschlundzähne in zwei Reihen, gewöhnlich beiderseits zu 2.4, seltner zu 2.5 auf der einen und zu 2.4 auf der anderen Seite. Ich fand unter 51 Individuen 45 Mal 2.5 Zähne links und 2.4 Zähne rechts, und nur zweimal 2.4 Zähne links und 2.5 Zähne rechts und nur viermal auf beiden Seiten 2.4 Zähne, so dass sich mir für das Zahnsystem der Pfrille die unter den Gattungscharakteren oben auf - geführte Formel 2.5 — 4.2 als die gewöhnlichste geltend machte.
In der Färbung variirt die Pfrille ausserordentlich. Die Grundfarbe ihres Rückens erscheint bald olivengrün, bald schmutziggrau, und ist durch viele224Familie: Cyprinoidei.kleine schwarzkörnige Pigmentflecke mehr oder weniger getrübt. Diese schwarzen Pigmentflecke stehen oft so dicht, dass sie verschiedene Zeich - nungen darstellen; am häufigsten macht sich auf der Mittellinie des Rückens ein schwarzer Längsstreif bemerklich, der vom Nacken bis zur Schwanz - flosse verläuft, zuweilen durch Unterbrechungen nur einzelne Flecke dar - stellt oder fast ganz erloschen ist. Auf dem übrigen Rücken der Pfrille kann durch stärkere Entwicklung jener Pigmentflecke eine schwarze Marmorirung hervortreten. Bei sehr vielen Individuen sind auch die Seiten des Leibes mehr oder weniger schwarz pigmentirt; entweder tritt diese Pigmentirung gleichmässig verbreitet auf oder sie stellt eine breite Fleckenbinde dar, deren Flecke nicht selten zu einer ununterbrochenen schwarzen Seitenbinde ver - flossen sein können. Sehr charakteristisch für die Pfrille ist ein goldglänzen - der Längsstreif, welcher aus der Tiefe der Haut zu beiden Seiten des Rückens hervorschimmert und hinter den Augen beginnend, sich bis zur Schwanz - wurzel erstreckt. Die Körperseiten, sowie der Bauch dieses Fisches geben einen Silberglanz, noch häufiger aber einen Messingglanz von sich, der stets gegen die beiden vorhin erwähnten goldglänzenden Rücken-Seitenbinden deutlich absticht.
Alle Flossen besitzen eine blassgelbe Grundfarbe, welche auf der Rük - kenflosse, auf der After - und Schwanzflosse, sowie am Aussenrande der bei - den Brustflossen durch schwarzes Pigment verdunkelt ist. Die Lippen, die Basis der paarigen Flossen und der Afterflosse sind oft glänzend purpurroth gefärbt. Diese prächtige Farbe breitet sich nicht selten von der Basis der genannten Flossen auf dem Bauche nach vorn bis gegen die Kehle und nach hinten bis zum Schwanzende aus, wodurch zuweilen die ganze Unterseite der Pfrillen in purpurglänzender Farbe prangt. Diese Farbenpracht ist bei der Pfrille nicht von der Laichzeit abhängig, die in den Monat Mai fällt, sondern kömmt auch ausser der Laichzeit sowohl bei männlichen wie weiblichen In - dividuen zum Vorschein, wovon ich mich mitten im Winter, im Januar über - zeugt habe. Die Laichzeit verräth sich bei beiden Geschlechtern durch den bekannten Hautausschlag, der sich in Form von spitzen Höckern auf der Haut - oberfläche des Scheitels ausbreitet. Eine solche am Kopfe bedornte, brün - stige Pfrille hat Meidinger1)Vergl. dessen Icones piscium Austriae. A. a. O. Dec. II. Tab. 15. als Cyprinus aphya abgebildet. Ausserdem er - scheinen zur Laichzeit sämmtliche Schuppen der männlichen und weiblichen Pfrillen an ihrem Hinterrande mit einer einfachen Reihe sehr kleiner aber dicht gedrängt stehender Körnchen gesäumt, auch die Innenseite der Brust - flossen-Strahlen trägt solche Reihen dicht stehender Körnchen.
Das Vorkommen der Pfrille, welche sich meistens von kleinen Wasser - insecten und Gewürm ernährt, ist ein sehr verbreitetes. In allen Flüssen und225Gattung: Chondrostoma.Bächen von Mitteleuropa ist dieser niedliche Fisch anzutreffen. Ebenso be - wohnt derselbe auch gern grössere und kleinere Seen und scheut selbst sehr hochgelegene Gebirgsseen nicht, zu welchen er in den rauschendsten Bächen hinaufsteigt. Merkwürdig ist das Vorkommen der Pfrille in dem oberhalb des Königssees über 6000 Fuss hoch gelegenen Funtensee, während derselbe Fisch in dem weniger hoch gelegenen Grünsee fehlt1)Vergl. hierüber Schrank und Moll: Naturhistorische Briefe über Oestreich, Salz - burg etc. Bd. I. pag. 288.. In dem neben dem Eibsee gelegenen kleinen Pfrillensee habe ich keine einzige Pfrille, sondern nur Rothfedern (Scardin. erythrophth. ) mit ganz blassgefärbten Flossen an - getroffen.
Es gehört die Pfrille zu unseren kleinsten Fischen, derselbe erreicht nur selten eine Grösse von 5 Zoll, am häufigsten wird er zwischen 3 und 4 Zoll gross auf den Münchener Markt gebracht. Er dient in hiesiger Gegend den Anglern als beliebter Köderfisch, und wird von den Fischern in Menge eingefangen, um den in den Wasserbehältern aufbewahrten Salmoneern als Futter vorgeworfen zu werden.
Ueber die unter dem Namen Cyprinus aphya vorgekommenen Verwechs - lungen des Phoxinus laevis mit anderen Cyprinoiden habe ich mich bereits bei Telestes Agassizii ausgesprochen.
Gattungscharakter: Fünf, sechs oder sieben Schlundzähne in ein - facher Reihe mit sehr stark seitlich zusammengedrückten langen Kronen, deren eine Seite fast ihrer ganzen Länge nach abgeschliffen wird; die knorpelige Schnauze bald mehr bald weniger hervorragend; die Mundspalte unter - ständig und vollkommen quer mit scharfkantigen, von einer gelben, hornartigen Epidermis überzogenen Kieferrän - dern; Rücken - und Afterflosse mit kurzer Basis.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 168. Taf. 15. Naass.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 5. n. 15, Syn. nom. pisc. pag. 6. n. 9. Nasus.
Linné Nr. 2: pag. 530. n. 21. Cyprinus Nasus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 35. Taf. III. Cyprinus Nasus, Nase.
v. Siebold, Fische. 15226Familie: Cyprinoidei.Siemssen Nr. 79: pag. 76. Cyprinus Nasus, Nase.
Schrank Nr. 23 a: pag. 333. n. 312. Cyprinus Nasus, Nase.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 212. Cyprinus Nasus, Nase.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 26. Cyprinus Nasus, Nase, Asche.
Bujack Nr. 97: pag. 338. Cyprinus Nasus, Nase.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 204. Chondrostoma Nasus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 384.
Günther Nr. 47: pag. 99. Chondrostoma Nasus, Nase, Weissfisch.
Leiblein Nr. 51: pag. 123. Chondrostoma Nasus, Speier.
Rapp Nr. 41: pag. 11. Chondrostoma Nasus, Nase.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 217. Chondrostoma Nasus, Näsling.
Artcharakter: Schnauze sehr stark und conisch hervorragend, die quere Mundspalte fast gerade, kaum etwas gebogen; auf jeder Seite 6 Schlundzähne, seltener auf der einen Seite 7 und auf der anderen Seite 6 Zähne; der am Vorderende sehr breite Flügel der Schlundknochen ohne Vorsprung in den vorderen Fortsatz übergehend; Körper sehr langgestreckt.
D. 3 / 9, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 9, A. 3 / 10 — 11, C. 19, Squ. 8 — 9 / 57 — 62 / 5 — 6.
Die Bezeichnung » Nase « ist vom Volke für diesen Fisch sehr gut gewählt, da fast bei keinem anderen Cyprinoiden die Mundspalte soweit von der Schnauzenspitze ab nach hinten gerückt erscheint, nur die bereits erwähnte » Russnase « (Abramis Vimba) übertrifft die » Nase « in der stärkeren Hervorra - gung der Schnauze, wesshalb in manchen Gegenden an der Donau die Russ - nase schlechtweg auch » Nase « genannt wird, wobei dem Chrondrostoma Nasus alsdann der Trivialname » Weissfisch « zufällt. Die Unterseite der conisch über die Mundspalte hervorragenden Schnauze zeigt sich schräge abgestutzt und auf der unteren Seite stark abgeflacht. Die scharfen Kieferränder des quer
Kopf von unten.
stehenden Maules sind gewöhnlich durch einen erhärteten Epithe - lium-Ueberzug bernsteingelb gefärbt. Hinter dem Rande des Unterkiefers, an welchem jede Spur eines Kinnwinkels ver - schwunden ist, befindet sich eine vollständig ebene Fläche. Der nur mässig seitlich zusammengedrückte Körper der Nase hat eine sehr gestreckte Gestalt, daher auf der Seitenlinie meist über 60 Schuppen gezählt werden können; mit dieser Körperlänge steht die Länge der paarigen Flossen nicht im Verhältniss, denn sie erschei - nen ziemlich kurz, so dass, wenn man die Brustflossen gegen den Bauch zu - rücklegt, man den Raum zwischen ihren Spitzen und den Wurzeln der Bauch - flossen von 10 bis 12 Querreihen Schuppen ausgefüllt findet. Die vorderen Strahlen der Rückenflosse überragen, wenn diese zurückgelegt wird, die hintersten Strahlen derselben, an der zurückgelegten Afterflosse dagegen decken die vordere und hintere Spitze derselben sich gegenseitig.
227Gattung: Chondrostoma.In Bezug auf die Schlundzähne herrscht bei den gemeinen Nasen die gleiche An ahl von 6 Zähnen auf beiden Seiten vor1)S. Heckel’s Fische Syriens a. a. O. pag. 1005. Taf. 1. Messerzähne. Chondrostomus Nasus. ; unter 51 Nasen fand ich bei 45 Individuen die Zahnformel 6 — 6, und nur bei 6 Individuen zählte ich auf dem linken Schlundknochen 7 und auf dem rechten 6 Zähne. Da zu der Fischfauna von Süddeutschland noch eine zweite und dritte Chondrostoma - Species gehört, welche mit der gemeinen Nase verwechselt werden könnten, halte ich es für nöthig, den Schlundzahn-Apparat von Ch. Nasus noch etwas näher zu besprechen, indem die verschiedene Beschaffenheit der Schlundkno - chen mit ihren Zähnen ein wichtiges Hülfsmittel abgiebt, um die verschiedenen Chondrostoma-Arten sicher von einander zu unterscheiden. Bei Ch. Nasus ist der hintere obere Fortsatz der beiden Schlundknochen an seinem Gelenk - ende sehr stark entwickelt und häufig mit einer beilförmigen Verbreiterung versehen; ferner erheben sich die vorderen Zähne aus dem Boden der
Schlundknochen und Schlundzähne (nach Heckel und Kner).
Schlundknochen in sehr schräger Rich - tung, so dass der vorderste Zahn mit dem zahnlosen Innenrande des unteren vorderen Schlundknochen-Fortsatzes einen sehr spitzen Winkel bildet. Von dem vorderen Winkel des zahntragen - den Mitteltheils (des Flügels) der Schlundknochen geht der Aussenrand des letzteren ohne Unterbrechung und ohne Vorsprung fast gerade in den vor - deren Fortsatz über.
Ausser der Laichzeit treten die Färbungen an der Nase nur sehr blass hervor. Der Rücken erscheint schwärzlichgrün, während die Seiten und der Bauch silberweiss glänzen. Sämmtliche Flossen, mit Ausnahme der schwärz - lichen Rückenflosse zeigen sich mehr oder weniger geröthet, wobei die Schwanzflosse an ihrem oberen und hinteren Rande schwarz gesäumt ist. Nähert sich dieser Fisch der Laichzeit, so nehmen alle seine pigmentirten Körpertheile eine intensivere Färbung an, auch stellt sich in den beiden Mundwinkeln, sowie an den Näthen des Kiemendeckel-Apparates und an den Brustflossen-Gelenken eine orangengelbe Pigmentirung ein, mit welcher sich zugleich vom Hinterkopfe bis zum Schwanzende an den beiden Leibesseiten eine schwarze Pigmentmasse ausbreitet, wodurch die Seiten der Nase einen schönen schwarzen Atlasglanz erhalten. Ausser dieser oberflächlichen Schwär - zung der Körperseiten häuft sich vom Rücken aus nach und nach in den un - terhalb der Schuppen gelegenen Hauttheilen soviel schwarzkörniges Pigment15*228Familie: Cyprinoidei.an, dass dadurch der Leib des Fisches, in einer gewissen schrägen Richtung betrachtet, ein schwarzstreifiges Ansehen erhält, indem jenes schwarze Pig - ment durch die Längsreihen der Schuppen in Längsstreifen hindurch - schimmert.
Die Nase kann eine Länge von 18 Zoll und eine Schwere von 1½ Pfund erreichen, kömmt aber gewöhnlich in der Länge von 9 bis 12 Zoll auf den hiesigen Fischmarkt, wo dieselbe fast allwöchentlich in grossen Quantitäten, jedoch als wenig geschätzter Fisch zum Verkauf ausgeboten wird. Ihr Vor - kommen ist in Süddeutschland, wie es scheint, ein verbreiteteres und häufi - geres als in Norddeutschland; sowohl im Donau - wie Rhein-Gebiet bevöl - kern die Nasen einen grossen Theil der Flüsse und Seen. Zur Laichzeit, welche in die Monate April und Mai fällt, versammeln sich die Nasen in grossen Schaaren und suchen schnellfliessende Stellen und kiesigen Boden der Gewässer auf, daher um diese Zeit die in Seen lebenden Nasen sich in die Ausflüsse der Seen begeben. In manchen Gegenden giebt dies Gelegen - heit, den Nasenfang in so grossartiger Weise zu betreiben, dass derselbe hun - derte von Centnern dieser Fische einträgt1)Herr Grandauer theilte mir noch kürzlich in einem Briefe mit, dass im April oder Mai in der Wertach bei Augsburg alljährlich innerhalb 2 bis 3 Wochen 300 Centner Nasen und darüber gefangen werden. Auch in den von Bruckner herausgegebenen Merkwürdig - keiten der Landschaft Basel (Stück V. Basel, 1750. pag. 554) geschieht von einem grossen Nasenfang Meldung, welcher an der Mündung der Birs in den Rhein alljährlich im April Statt findet. Sehr bekannt ist der äusserst reiche Nasenfang, welcher alljährlich am Eintritt der Glatt in den Rhein bei Rheinfelden Statt findet (s. Hartmann’s helvet. Ichthyologie. pag. 215)..
Als Nahrung dienen den Nasen meist Pflanzenstoffe, namentlich verschie - dene Wasseralgen, welche als sogenannte vegetabilische Schleimmassen Steine und andere im Wasser liegende feste Gegenstände überziehen und von den scharfen, harten Kieferrändern der Nasen leicht abgelöst werden können. In Würzburg haben die Nasen von den Fischern den Namen » Speier « erhalten, weil sie, frisch eingefangen, stets vielen Schlamm ausspeien; es ist dies wahrscheinlich jener vegetabilische Schleim, den sie im Moment des Gefangenwerdens noch zwischen den Schlundzähnen festgehalten haben.
Während der Laichzeit schmücken sich die Nasen nicht allein mit dem bereits erwähnten Hochzeitskleid, sondern die männlichen Individuen erhalten auch um diese Zeit den bekannten eigenthümlichen Hautausschlag, der bei ihnen aus kleinen runden, in der Mitte mit einer kurzen conischen Erhaben - heit versehenen Scheibchen oder aus halbkugeligen Knötchen von weisslicher Farbe besteht. In Form von Scheibchen hält dieser Ausschlag den Scheitel und den oberen Theil des Kiemendeckel-Apparats, sowie die Seitentheile der Schnauze und des Gesichts besetzt; in Gestalt von 12 bis 17 Knötchen säumt229Gattung: Chondrostoma.dieser Hautausschlag den Hinterrand der Schuppen des Rückens vom Hinter - kopfe bis zum Schwanzende der männlichen Nasen, und auch auf der inneren Fläche der Brustflossen derselben stehen dergleichen Knötchen längs der Flossenstrahlen in dichten Reihen. Bei den laichenden weiblichen Nasen fin - det sich dieser Hautausschlag nur auf dem Scheitel und auf den Seitentheilen der Schnauze in Form sehr kleiner Scheibchen angebracht.
Ich kann es hier nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, dass auch bei den aussereuropäischen Cyprinoiden zur Brunstzeit sich warzen - oder perlen-artige Hautauswüchse entwickeln, welche als vergängliche, meistens den männlichen Individuen eigenthümliche Hautgebilde nicht zu Gattungs - oder Art-Merkmalen erhoben werden dürfen. Letzteres ist freilich von meh - reren Ichthyologen geschehen, wodurch es gekommen sein mag, dass brün - stige und mit Hauttuberkeln besetzte männliche Individuen gewisser Cypri - noiden von den nicht brünstigen oder weiblichen Individuen derselben Cypri - noiden als specifisch verschiedene Arten auseinandergehalten worden sind. Ein auffallendes Beispiel dieser Art liefert die Gattung Varicorhinus, für welche Rüppell1)S. dessen: Neuer Nachtrag von Beschreibungen und Abbildungen neuer Fische im Nil entdeckt, in Museum Senckenbergianum. Bd. II. 1837. pag. 20. Taf. III. Fig. 2. als Gattungscharakter unter anderen eine mit kleinen Knorpelwar - zen besetzte fleischige Schnauze hervorhebt. Bei genauerer Untersuchung konnten aber Varicorhinus Beso (Rüppell) aus dem Nil, Varicorhinus diplosto - mus (Heckel) aus Caschmir2)Vergl. Hügel und Heckel: Fische aus Caschmir. 1838. pag. 67. Tab. XI. und Varicorhinus Bobree (Sykes) aus Dekkan3)Vergl. Sykes: On the Fisches of the Dukhun, in den Transactions of the zoological society of London. Vol. II. 1849. pag. 355. Pl. 61. Fig. 3. nicht als zu einer und derselben Gattung gehörend festgehalten werden, und so wurden dieselben von Heckel4)S. dessen: Fische Syriens a. a. O. pag. 27, 37 u. 24. in die drei Gattungen Systomus, Tylognathus und Gibelion vertheilt. Schon Valenciennes5)Vergl. dessen: Hist. d. poissons. T. XVII. pag. 491. hatte darauf hingewiesen, dass Rüppell bei Aufstellung seiner Gattung Varicorhinus sich wahrscheinlich nicht daran erinnert habe, dass die Bildung von Tuberkeln ein bei allen Cyprinoiden sehr allgemein verbreitetes Hautproduct sei. Bei Varicorhinus diplostomus kömmt zugleich ein solcher Hautauswuchs auch auf den Schuppen in Form von sehr kleinen, perlartigen Erhabenheiten vor, den ich für eine mit der Ge - schlechtsfunction in Beziehung stehende und daher ebenfalls vorübergehende Hautwucherung halten möchte. Die von Hamilton6)S. dessen: Account on the Fishes found in the river Ganges and its branches. 1822. pag. 294 u. 295. bei Cyprinus Curmuca und Chagunio, sowie von Sykes7)Vergl. dessen: Fishes of the Dukhun a. a. O. pag. 356. Pl. 61. Fig. 4 u. pag. 357. Pl. 62. Fig. 1. bei Barbus Mussullah und Kolus als diagno -230Familie: Cyprinoidei.stische Merkmale hervorgehobenen Hauttuberkeln (tuberculated nose, callous tubercles on the head) sind gewiss nichts anderes als vergängliche Hautaus - schläge brünstiger Individuen, mit welchen wahrscheinlich verschiedene an - dere Cyprinoiden, welche wegen Mangels dieser Tuberkeln von den Faunisten für besondere indische Cyprinen-Arten gehalten und beschrieben worden sind, als die nicht brünstigen oder weiblichen Individuen jener Cyprinoiden ver - einigt werden müssen. Wenn man die nur auf einen Theil der Schnauze sich beschränkenden Hauttuberkeln, wie sie Sykes1)A. a. O. pag. 353. Pl. 61. Fig. 2 u. pag. 355. Pl. 61. Fig. 3. bei Cyprinus Abramoides und Varicorhinus Bobree dargestellt hat, mit den Tuberkeln auf der Schnauze der brünstigen Männchen von Rhodeus amarus (s. oben pag. 118 u. Taf. I. Fig. 1) vergleicht, so wird man über die Aehnlichkeit beider Gebilde über - rascht sein. Dass auch die von Hamilton2)A. a. O. pag. 286. Pl. 28. Fig. 80. für weite Poren gehaltenen Ge - bilde auf der Schnauze des Cyprinus Boga, ferner die von Valenciennes3)S. dessen: Hist. d. poissons. T. XVI. pag. 340. Pl. 485. als Warzenhöcker mit einer mittleren Vertiefung beschriebenen Schnauzen-Ge - bilde des Labeo niloticus, sowie die von M’Clelland4)S. dessen: Indian Cyprinidae, in den Asiatic Researches. Vol. 19. P. II. 1839. pag. 361. Pl. 42. Fig. 1. an Cyprinus pangusia und die von Heckel5)Vergl. dessen: Fische Syriens a. a. O. Taf. XX. Fig. 2. an Labeo Forskalii abgebildeten Schnauzenhöcker hie - her gehören, scheint mir bei der Betrachtung der Abbildungen dieser Fische sehr wahrscheinlich.
Syn. u. Citate.
Bonaparte: Iconografia della Fauna italica a. a. O. Fol. 126*. Tav. 114. Fig. 2 und Tav. 116. Fig. 1. Leuciscus Genei, ferner: Catalogo metodico dei pesci europei a. a. O. pag. 28. n. 78. Chondrostoma Genei.
Filippi: Cenni sui pesci d’aqua dolce. Milano, 1844. pag. 11. Chondrostoma jaculum.
Heckel Nr. 11 f: pag. 377. Taf. VII. Fig. 7 — 11. Chondrostoma Genei.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 220. Fig. 126 u. 127 (zum Theil).
Artcharakter: Schnauze wenig hervorragend und sehr stumpf abgerundet, Mundspalte einen flachen Bogen bildend; auf jeder Seite 5 Schlundzähne, sehr selten auf der einen Seite 6 und auf der anderen 5 Zähne; der am Vorderende sehr breite Flügel der Schlundknochen ohne Ausschnitt und ohne Unterbrechung in den vorderen Fortsatz übergehend; Körper sehr gestreckt.
D. 3 / 8, P. 1 / 14 — 15, V. 2 / 8, A. 3 / 8 — 9, C. 19, Squ. 8 — 9 / 52 — 56 / 5 — 6.
231Gattung: Chondrostoma.Obgleich Heckel und Kner (a. a. O.) Chondrostoma Genei mit Chondrostoma Rysela zu einer Art vereinigt haben, sehe ich mich dennoch genöthigt, Heckel’s früherer Ansicht treu zu bleiben und diese beiden Chondrostoma-Arten vor der Hand noch auseinander zu halten, muss aber ausdrücklich bemerken, dass ich mich zu diesem Schritte nicht etwa durch Bonaparte’s ungenügende Darstellung seines Ch. Genei, sondern durch eine Vergleichung habe drängen lassen, welche ich mit Ch. Rysela des Donau-Gebiets und mit mehreren Exemplaren des Ch. Genei von Lyon, Verona, Mailand und Turin habe vornehmen können.
Bei der Vergleichung beider Nasen-Arten untereinander zeigte sich eine fast gleiche Flossenbildung mit dem Unterschiede, dass Ch. Genei statt 10 bis 11 nur 8 bis 9 zerfaserte Strahlen in der Afterflosse besitzt. Ausser - dem stellen sich noch folgende Unterschiede heraus. Der Leib des Ch. Genei ist länger gestreckt als der von Ch. Rysela, enthält aber doch nur 54 bis 56 Schuppen in der Seitenlinie. Die nach hinten gegen den Leib zurückgelegten Brustflossen lassen zwischen ihren Spitzen und den Wurzeln der Bauchflossen einen Raum übrig, welcher von 8 bis 10 Schuppen-Querreihen ausgefüllt wird, und mithin länger ist als bei Ch. Rysela. Die Schnauze ist sehr abge - stumpft, und ragt nur sehr wenig hervor, indem sie concentrisch mit der
Kopf von unten.
Mundspalte zu einem flachen Bogen abgerundet ist. Aus dieser Schnauzenform geht hervor, dass Ch. Genei in dieser Beziehung dem Ch. Rysela sehr nahe steht, und dass beide Arten leicht mit - einander verwechselt werden können, wie dies auch wirklich von Heckel und Kner geschehen ist; ich würde auch auf das Auf - rechthalten dieser beiden Nasen-Arten gar nicht bestehen, da viel - leicht durch Uebergangsformen die äusseren Körperumrisse des Ch. Genei und Ch. Rysela bis zu blossen Varietäten abgeschwächt werden könnten, wenn nicht die Bildung der Schlundknochen mir ganz bestimmte
Schlundknochen. a. Nicht ausgeschnittener Vorderrand des Flügels.
specifische Unterschiede zwischen Ch. Genei und Ch. Rysela dargeboten hätte. Ich überzeugte mich nämlich, dass die Schlundknochen und Schlund - zähne des Ch. Genei abgesehen von der geringeren Anzahl der Zähne in den Umrissen und in der Richtung der Knochenfortsätze, sowie in der sehr schiefen Stellung der Zähne mit den - selben Organen des Ch. Nasus voll - ständig übereinstimmen. In Bezug auf die Zahnformel selbst habe ich unter 26 Exemplaren des Ch. Genei232Familie: Cyprinoidei.bei 24 Individuen jederseits 5 Zähne und nur bei 2 Individuen eine Abwei - chung angetroffen, indem das eine rechts und das andere Individuum links 6 Schlundzähne besass.
Was die Färbung des Ch. Genei betrifft, welches eine Grösse von 8 Zoll erreichen kann, so bin ich nicht im Stande, aus eigenen Erfahrungen etwas genaues anzugeben, da ich bis jetzt nur ausgebleichte Weingeistexemplare dieser Nasen-Art zu untersuchen Gelegenheit hatte, an denen ich einen von schwarzkörnigem Pigmente herrührenden Seitenstreif noch deutlich wahr - nehmen konnte, welcher schwarze Seitenstreif mir übrigens bei allen Nasen - Arten vorzukommen scheint.
Aus dem Donau-Gebiet ist mir bis jetzt noch kein Individuum des Ch. Genei zu Gesicht gekommen, dagegen erhielt ich ein einziges bei Basel im Rhein gefangenes aber sehr schlecht erhaltenes Exemplar, welches mir den Beweis lieferte, dass diese dem Po und der Rhone angehörige Nasen-Art auch im Rhein-Gebiete einheimisch ist. Ob jene goldfarbige Varietät des Chondro - stoma Nasus, welche Schaefer (Nr. 59: pag. 305) als Goldnase bezeichnete und welche unter dem Volksnamen » Goldmakrele « zu Trier als Moselfisch bekannt ist, nicht etwa zu einer besonderen Nasen-Art gehört, die vielleicht mit Ch. Genei identisch wäre, muss der Entscheidung besonderer Unter - suchungen vorbehalten bleiben.
Syn. u. Citate.
Agassiz Nr. 7: pag. 38 u. Nr. 8: pag. 80. Chondrostoma Rysela.
Reider und Hahn Nr. 25: n. 44. Taf. 35 (gänzlich verfehlt). Chondrostoma Rysela, Nöst - ling.
Fürnrohr Nr. 20: pag. 9. Chondrostoma Rysela, Nöstling.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 395. Chondrostoma rysela.
Heckel Nr. 11 f: pag. 377 u. 378. Taf. VIII.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 220 (zum Theil). Chondrostoma Genei.
233Gattung: Chondrostoma.Artcharakter: Schnauze wenig hervorragend und sehr stumpf abgerundet, Mundspalte einen flachen Bogen bildend; Schlundzähne auf der linken Seite 6 und auf der rechten 5, seltener 5 Zähne auf beiden Seiten; der vorderste Zahn un - abgeschliffen; der Flügel der Schlundknochen vorn meist mit einem bogenförmigen Ausschnitt; Körper wenig ge - streckt.
D. 3 / 8 — 9, P. 1 / 15, V. 2 / 8, A. 3 / 9 — 10, C. 19, Squ. 8 — 9 / 50 — 60 / 3 — 6.
Diese zweite, im Donau-Gebiete einheimische Nasen-Form ist lange Zeit ganz übersehen worden, bis sie zuerst durch den Scharfblick des Agassiz bei seinen in München vorgenommenen ichthyologischen Untersuchungen an das Licht gezogen wurde. Von den Fischern wird diese Nasen-Form noch heute unbeachtet gelassen, daher dieselbe auch keinen besonderen Volksnamen führt. Ich möchte für dieselbe den deutschen Namen » Näsling « vorschlagen.
Es ist Ch. Rysela nicht bloss in der Flossenbildung, sondern auch in der
Kopf von unten.
Sch nauzen - und Mundbildung dem Ch. Genei sehr ähnlich. An der zurückgelegten Rückenflosse überragen die vorderen Strahlen die hintersten durchaus nicht, während an der zurückgelegten 10 bis 11 zerfaserte Strahlen enthaltenden Afterflosse die vordere Spitze die hintere Spitze nicht erreicht.
Der Körper des Näsling ist im Vergleich zum Körper des Ch. Genei bei weitem weniger gestreckt, so dass, obgleich die Sei - tenlinien 50 bis 60 Schuppen enthalten, die nach hinten gegen den Leib zu - rückgeschlagenen Brustflossen zwischen ihren Spitzen und den Wurzeln der Bauchflossen einen Raum übrig lassen, in welchem nur 5 bis 7 Schuppen - Querreihen Platz finden.
An den Schlundknochen und ihren Zähnen lassen sich zwar deutliche Artcharaktere auffinden, welche eine Verwechslung des Näsling mit einer an - deren Species unmöglich machen, allein es zeigen sich gerade an diesem wichtigen Skelettheile so mancherlei Schwankungen und Abweichungen, auf die ich weiter unten näher eingehen will, welche mich bedenklich machen, den Näsling als besondere Chondrostoma-Species festzuhalten. Der hintere obere Fortsatz der beiden Schlundknochen von Ch. Rysela ist an seinem Ge - lenkende nicht verbreitert. Der Flügel beider Schlundknochen besitzt an seinem Vorderende einen bald mehr, bald weniger starken, bogenförmigen Ausschnitt, welcher bei keinem Schlundknochen der übrigen mir bekannten Nasen-Arten wahrzunehmen ist. Der darauffolgende Aussenrand dieses234Familie: Cyprinoidei.
Schlundknochen. b. Ausgeschnittener Vorderrand des Flü - gels. (An dem einen Schlundknochen ist der hintere nach oben umgebogene Fort - satz weggelassen, um die Zähne nicht zu verdecken.)
Schlundknochentheils geht nicht gerade, sondern mit einer buckelförmigen Aus - biegung in den vorderen Knochenfortsatz über. Die vorderen Zähne ragen aus den Schlundknochen in einer nur wenig schrä - gen Richtung hervor, wobei der vorderste Zahn, der sich selten angeschliffen zeigt, mit dem zahnlosen Innenrande des vor - deren Knochenfortsatzes statt, wie bei den übrigen Chondrostoma-Arten einen sehr spitzen Winkel zu bilden, einen fast rechten Winkel darstellt. Unter den acht - zehn Exemplaren des Näsling, die mir aus der Donau, dem Inn und der Isar zur Untersuchung vorlagen, habe ich nur fünf Individuen gezählt, auf deren bei - den Schlundknochen die gleiche Anzahl von fünf Zähnen angebracht war.
In der Färbung erinnert der Näsling auffallend an Telestes Agassizii. Sein Rücken zeigt eine schmutzig hellgraue Farbe, Seiten und Bauch sind dagegen weiss gefärbt. Ein Silberglanz breitet sich über den ganzen Körper aus, derselbe nimmt jedoch auf dem Rücken einen Stich ins Blaue und gegen den Bauch hin einen Stich ins Messinggelbe an. Eine schwarzpigmentirte Seitenbinde verläuft vom Hinterkopfe bis zum Schwanze. Sämmtliche Flossen sind an ihrer Einlenkung orangengelb gefärbt und besitzen in ihrer Mitte einen röthlichen Spiegel, welcher an der Rücken - und Schwanzflosse durch schwarzkörniges Pigment etwas getrübt ist. Die Ränder dieser beiden Flossen besitzen einen schwarzen Saum, während der Aussenrand der beiden Brust - flossen nur schwach geschwärzt erscheint. Mundwinkel und Näthe des Kie - mendeckel-Apparats haben eine orangengelbe Färbung. Es kommen aber auch Individuen vor, bei denen diese orangengelbe Färbung und die schwarze Seitenbinde wie bei Telestes Agassizii fast ganz verloschen sind.
Der Näsling, über dessen Laichzeit mir nichts sicheres bekannt gewor - den ist, wurde bisher in einer Länge von 8 bis 14 Zoll angetroffen. Derselbe scheint ein sehr beschränktes Vorkommen zu haben, da er bis jetzt nur in der Donau und dessen beiden Nebenflüssen Inn und Isar aufgefunden und auch in diesen Flüssen immer nur ganz einzeln gefangen wurde. Aus dem Inn, aus welchem Flusse Heckel ein einziges, bei Brixlegg in Tyrol gefangenes Exem - plar erhalten hatte, habe ich mir trotz aller Mühe, die ich mir deshalb gege - ben habe, bis jetzt auch nur einen Näsling verschaffen können.
Nachdem Agassiz diesen Fisch in den Donau-Gewässern entdeckt und eine Abbildung desselben hatte anfertigen lassen, besass man immer nur eine sehr unvollständige Kunde über diesen von Agassiz als Chondrostoma Rysela235Gattung: Chondrostoma.bezeichneten Fisch. Valenciennes1)A. a. O. Aus den Bemerkungen, welche Valenciennes der Beschreibung dieses Fisches beigefügt hat, erkennt man übrigens, dass Agassiz den Telestes Agassizii (Gesner’s Ryserle) von seinem Chondrostoma Rysela nicht scharf auseinandergehalten hat. lieferte von diesem Fische eine ganz kurze und unvollkommene Beschreibung nach jener Abbildung, welche ihm Agassiz zur Benutzung überlassen hatte. Reider und Hahn (a. a. O.) haben ebenfalls den Näsling nur aus den Abbildungen des Agassiz gekannt und hiernach, aber gewiss mehr noch aus ihrem Gedächtnisse eine Beschreibung und bildliche Darstellung des Ch. Rysela bekannt gemacht, die so mangelhaft und fehlerhaft ausgefallen, dass niemand den interessanten Fund des Agassiz darin wieder erkennen konnte. Nach der Angabe von Reider und Hahn soll Ch. Rysela den Namen » Nöstling « führen, was ich nicht bestätigen kann. Von Fürnrohr (a. a. O.) ist nachher der Näsling nach Reider und Hahn’s Angaben als Regensburger Donaufisch aufgeführt worden und zwar mit folgenden Wor - ten: » nach Agassiz in der Donau, ob auch bei uns? « Hierbei hat sich aber Fürnrohr getäuscht, denn Agassiz hat nirgends einen bestimmten Fundort für sein Ch. Rysela angegeben; dass aber Agassiz wirklich einen dem Donau-Gebiet angehörigen Fisch mit obigem Namen bezeichnet hat, geht aus Reider und Hahn’s Versuch hervor, diese von Agassiz wahrschein - lich in München gemachte Entdeckung als eine Bereicherung der Fauna boica bekannt zu machen. Wie wenig dieselben aber durch ihre mis - glückte Darstellung des Näsling ihren Zweck erreicht haben, lässt sich daraus ermessen, dass seit dem Erscheinen jener Fauna es eigentlich nur traditionell bekannt war, dass das Donau-Gebiet noch eine Nasen-Art besitze, welche Agassiz entdeckt und Ch. Rysela genannt habe. Niemand hatte seither diesen seltenen Fisch in Bayern auffinden können, in keiner Sammlung, auch nicht in der hiesigen zoologischen Sammlung, welcher Agassiz so manchen interessanten Fund hinterlassen hatte, wurde derselbe aufbewahrt. Zwar liest man in einem von Herrn Forstmeister Drexel ange - fertigten Verzeichnisse2)Vergl. A. Wagner’s Beiträge zur Kenntniss der bayrischen Fauna, in den: Gelehrten Anzeigen der k. bayrisch. Akademie der Wissenschaften. Bd. 22. 1846. Nr 84. pag. 679. der in der Naab und ihren Nebenbächen vorkom - menden Fische einen Cypr. rysela aufgeführt, allein diejenigen Fische, welche mir Herr Drexel unter diesem Namen gütigst auf meinen Wunsch ein - gesendet hat, waren gar keine Nasen, sondern stellten sich als Abramis me - lanops heraus3)Auch die in der zoologischen Sammlung des naturhistorischen Vereins zu Passau (s. den dritten Jahresbericht dieses Vereins. Passau, 1860. pag. 6 u. 7) als Geschenke auf - bewahrten getrockneten Fische, welche als Chondrostoma Rysela bestimmt sind und zum Theil von Drexel herrühren, habe ich bei näherer Untersuchung als Abr. melanops erkannt.. Erst durch Heckel’s Bemühungen wurde die Existenz des Ch. Rysela bestimmter festgestellt. Derselbe (Nr. 11 f: pag. 377) 236Familie: Cyprinoidei.bemerkte ganz richtig, dass Agassiz seine schöne neue Nasen-Art dadurch unkenntlich gemacht, dass er (a. a. O.) Ch. Rysela mit Gesner’s » Ryserle « aus der Sihl vermengte, welcher Fisch, wie Heckel1)Vergl. Heckel Nr. 11 g: pag. 377, sowie dessen Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cyprinen-Gattungen (aus Russegger’s Reisen) pag. 186 (288). ebenfalls nachgewiesen hat (s. oben pag. 218), gar kein Chondrostoma, sondern ein Telestes ist. Es ist nur zu bedauern, dass durch Heckel von neuem die Geschichte dieses Fisches getrübt worden ist, indem er später (Nr. 13: pag. 220) denselben wieder mit Ch. Genei zu einer Art vereinigt hat.
Ich selbst habe zwar auch angedeutet, dass es mir schwer fällt, den Näsling als besondere Art festzustellen; bei meinen deshalb angestellten Un - tersuchungen haben mich aber ganz andere Motive geleitet, die mich zu ganz anderen Resultaten, als sie Heckel erhalten, geführt haben.
Nach Aussage verschiedener Fischer soll sich der Näsling gern in Ge - sellschaft der Strömer aufhalten, weshalb man von ihm glaubt, er sei ein Bastard des Strömers und der gemeinen Nase.
Ich muss nun gestehen, dass die Aeusserung hiesiger Fischer, der Näsling sei ein Bastard, mich ganz stutzig gemacht hat, weil ich unter den von mir untersuchten 18 Exemplaren dieses Fisches sechs Individuen angetroffen habe, deren Zahnformel mich in grosse Verlegenheit setzte. Es zeigte sich nämlich bei derselben folgende Abweichung:
Schlundknochen mit der Zahnformel 1. 6.
Bringt man nun noch die von den Schlundknochen der übrigen Chondro - stoma-Arten so sehr abweichende Form der Schlundknochen des Ch. Rysela in Anschlag, welche in der That den Umrissen der Schlundknochen von Te - lestes Agassizii sehr ähnlich sehen, und erinnert man sich dabei, dass Ch. Ry - sela und Tel. Agassizii auch in Färbung und Zeichnung einander gleich sehen, so möchte man wirklich der Vermuthung Raum geben, es sei Ch. Rysela aus der Vermengung von Ch. Nasus und Tel. Agassizii als Bastardform hervor - gegangen.
Heckel konnte auf eine solche Vermuthung nicht kommen, da er nur nach einem einzigen Individuum seine erste Beschreibung des Ch. Rysela ent - worfen hatte. Dieses Individuum hatte ein Paar Schlundknochen bei sich, deren Flügel, wie ich mich durch eigene Anschauung in Wien überzeugt habe, keine Ausschnitte besassen, sondern wie bei den übrigen Chondrostoma-Arten,237Gattung: Chondrostoma.ohne Unterbrechung unmittelbar in den Aussenrand des vorderen Fortsatzes übergiengen. Ich darf es nicht verschweigen, dass auch mein in Brixlegg aus dem Inn erhaltenes, und ein anderes aus der Isar stammendes Exemplar des Näsling ganz ähnlich geformte Schlundknochen enthielten. Mit diesen drei Individuen allein in der Hand hätte auch ich mich verleiten lassen, diese Chondrostoma-Form dem Ch. Genei einzuverleiben, indessen lassen die übri - gen von mir verglichenen 15 Näslinge, von denen 13 in der Isar und 2 in der oberen Donau gefangen waren, den erwähnten bogenförmigen Ausschnitt am Vorderrande des Flügels der beiden Schlundknochen in den verschieden - sten Abstufungen erkennen. Zugleich tritt unterhalb des Flügelausschnittes dieser Schlundknochen an der Aussenseite des vorderen Fortsatzes den bei - den vordersten Zähnen gegenüber jene Wölbung bald mehr bald weniger hervor, welche den Schlundknochen der reinen Chondrostoma-Arten durchaus fehlt und an den Schlundknochen des Tel. Agassizii stets vorhanden ist. Bei dieser Unbeständigkeit in den Umrissen der Schlundknochen, verbunden mit der Unbestimmtheit und Schwankung in Zahl und Anordnung der Zähne und bei der sonstigen Aehnlichkeit des Näsling mit dem Strömer kann ich mich nicht enthalten, noch einmal die Frage aufzuwerfen, ob Ch. Rysela nicht als ein Bastard von Ch. Nasus und Tel. Agassizii zu betrachten? Es liegt diese Frage ziemlich nahe, da, wie ich bereits erwähnt habe, dieser Fisch immer nur selten und stets einzeln zwischen den in grossen Mengen beisammen lebenden Strömern gefangen wird, daher ihn die meisten hiesigen Fischer von dem Strömer kaum zu unterscheiden wissen und auch die Fischer am Inn, welche den Strömer mit dem Namen » Lauge « belegen, den Näsling, wie ich mich in Brixlegg überzeugt habe, ebenfalls als » Lauge « bezeichnen1)Wenn Heckel, welchem nach seiner Aussage (Nr. 11 f: pag. 380) ein Chondrostoma Rysela aus Brixlegg mit anderen Exemplaren des gewöhnlichen Ch. Nasus unter dem Namen » Nase « eingesendet war, späterhin von diesem Fisch aussagt (Nr. 13: pag. 221), es werde derselbe in Tyrol » Lau « genannt, so kann ich dieses letztere nicht bestätigen und nur ver - muthen, dass dieser Name nichts anderes als den durch Missverständniss abgekürzten Namen » Lauge « bedeutet.. Der Umstand, dass bis jetzt nur in denjenigen Flüssen, welche von Ch. Nasus und Tel. Agassizii zugleich bewohnt werden, sich Ch. Rysela vorgefunden hat, dürfte meiner Vermuthung, der Näsling sei aus einer Vermischung jener bei - den Cyprinoiden hervorgegangen, noch einen besonderen Nachdruck geben.
Die Zwischenkiefer - und Oberkiefer-Knochen bilden den Rand der Oberkinnlade. Hinter der Rückenflosse befindet sich eine strahlen - lose sogenannte Fettflosse. Die Kiemenöffnungen bis zur Kehle ge - spalten. Magen mit Blindsack, Darmanfang mit sehr vielen Blinddär - men. Die Schwimmblase einfach. Die Eierstockssäcke der Länge nach offen und ohne Eierleiter.
Die Salmoneer, welche sämmtlich ihres zarten und gräthenlosen Flei - sches wegen sehr beliebte Tafelfische sind, machen eine sehr scharf abge - grenzte natürliche Familie der Physostomen aus, die sich äusserlich durch die Fettflosse auf den ersten Blick von allen übrigen Fischen unserer Süsswasser - Fauna unterscheiden. Ausserdem besitzen sie meistens sehr kleine Schuppen und bilden so einen Gegensatz zu den sehr grossschuppigen Cyprinoiden. Von unseren Fischern wird diese Verschiedenheit der Beschuppung benutzt, um die Cyprinoiden und Salmoneer in Bezug auf ihren gastronomischen Werth zu unterscheiden, indem sie sagen, dass alle diejenigen unserer Fische, welche kleine Schuppen besitzen, eine angenehmere und schmackhaftere Speise lie - fern als die grossschuppigen Fische.
Aber auch in ihrem anatomischen Baue zeichnen sich die Salmoneer durch mehrere eigenthümliche Organisations-Verhältnisse aus, von welchen vor allen die vielen kleinen Blinddärmchen (appendices pyloricae) hervorzuheben sind, die in bald grösserer bald geringerer Anzahl die Pylorus-Gegend und den Anfang des Dünndarms besetzt halten. Bei den vielen Schwierigkeiten, welche sich in dieser Familie der scharfen Abgrenzung gewisser Gattungen und Arten entgegenstellen, hat man sich nach verschiedenen Hülfsmitteln um - gesehen, mit denen sich die Gattungen und Arten der Salmoneer sicherer be - stimmen lassen könnten, und unter anderen auch die Mägen und Blinddärme239Gattung: Coregonus.derselben dazu benutzen wollen, allein nach Kner’s1)Vergl. dessen Vortrag über die Verschiedenheiten der Blinddärme bei den Salmonen und desselben Abhandlung über die Mägen und Blinddärme der Salmoniden (in den Sitzungs - berichten der math. naturw. Classe der k. Akademie d. Wissensch. in Wien. Bd. VI. 1851. pag. 240 u. Bd. VIII. 1852. pag. 176). darüber angestellten Untersuchungen hat sich ergeben, dass den Verhältnissen der Mägen und Blinddärme für sich allein ebenfalls kein höherer Werth für die Terminirung der verschiedenen Salmoneer-Formen zuzuerkennen sei, als anderen Organisa - tions-Verhältnissen dieser Fische.
Eine andere anatomische Eigenthümlichkeit der Salmoneer bieten die offenen, mit der Bauchhöhle in directer Verbindung stehenden Eierstocks - säcke dar, wodurch die von den Eierstöcken sich lostrennenden reifer Eier Gelegenheit finden, unmittelbar in die Bauchhöhle zu gelangen. Dieser Um - stand ist es vornehmlich, der bei der künstlichen Befruchtung der Salmoneer - Eier das Ausstreifen der letzteren aus der hinter dem After gelegenen Ge - schlechtsöffnung so ungemein erleichtert. Die Geschlechtsreife giebt sich bei den Salmoneern gleichfalls wie bei den Cyprinoiden durch auffallende Wuche - rungen des allgemeinen Hautüberzugs zu erkennen, die bei gewissen Salmo - neern sich durch ganz besondere Beschaffenheit auszeichnen.
A. Maulklein, unbewaffnet oder mit sehr feinen Zähnen be - setzt; Oberkiefer ragt bis unter den vorderen Augenrand; Schuppen mittelgross, fast kreisrund, fein concentrisch ge - streift ohne fächerförmig verlaufende Radien.
Gattungscharakter: Das enge Maul mit sehr feinen, vergänglichen Zähnen besetzt oder zahnlos; Körper etwas seitlich zusam - mengedrückt; die mittelgrossen Schuppen leicht abfal - lend; die Rückenflosse beginnt dicht vor den Bauchflossen; der Vorderrand der Rückenflosse länger als die Basis der - selben.
Im südlichen Theile von Mitteleuropa beschränkt sich das Vorkommen der Coregonus-Arten auf die Binnenseen, welche theils in den Alpen, theils am nördlichen Fusse der Alpenkette gelegen sind2)Ausser den nördlichen Alpenseen besitzen auch die Seen des westlichen Abfalls der Alpen Coregonen, dagegen fehlen diese Fische den an den südlichen Gehängen der Alpen, während im Norden von240Familie: Salmonoidei.Mitteleuropa Coregonus-Arten theils die Binnenseen bewohnen, theils aber auch als Meerbewohner zur Laichzeit die Flüsse hinaufwandern.
Alle hieher gehörigen Salmoneer leben immer in grossen Gesellschaften beisammen und ernähren sich von kleinen Insecten, Schnecken, Gewürme und winzigen Entomostraceen, von welchen letzteren ihr Magen und Darm von Anfang bis zu Ende oft ganz vollgestopft ist. Die Blinddärme sind bei den Coregonen in der Pförtner-Gegend äusserst zahlreich vorhanden und hal - ten auch noch eine längere Strecke am Dünndarm entlang besetzt. Ihr Fleisch liefert eine sehr beliebte Speise, daher auf den grösseren Seen von den Fischern der Fang dieser Coregonus-Arten oft sehr grossartig betrieben wird, während dieselben Fische, da sie nicht an die Angel zu gehen pflegen, den Freunden der Angelkunst gar kein Interesse gewähren.
An den meisten Coregonus-Arten, namentlich aber an der gemeinen Renke zeigt sich die merkwürdige Erscheinung, dass sie, auch mit der gröss - ten Vorsicht aus dem Wasser gehoben, an der Luft fast augenblicklich ab - sterben.
Mit dem Eintritt der Laichzeit schwillt bei denjenigen Coregonen, deren Oberkiefer sich über den Unterkiefer erhebt, die Schnauze der männlichen Individuen mehr oder weniger an1)Es ist diese Erscheinung schon von Nilsson beobachtet worden. Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 456 oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwis - senschaften, 1860, Juli August, pag. 32, in welcher sich Nilsson’s Artikel über Coregonus aus jener Fauna von Creplin übersetzt findet., ferner entwickelt sich bei allen Arten während der Laichzeit an den Seiten des Leibes sowohl der männlichen wie der weiblichen Individuen ein milchweisser Hautausschlag, der bei näherer Untersuchung sich auf den einzelnen Schuppen als flache Erhabenheit erhebt und den Längsreihen der Schuppen entsprechend ebenfalls in Längsreihen angeordnet erscheint. Jede Schuppe erhält in ihrer Mitte nur eine einzige Er - habenheit, welche mit keiner Spitze, wie bei den meisten Cyprinoiden, son - dern mit einer Längsleiste endigt, aber auch wie bei diesen aus nichts an - derem besteht, als aus einer Verdichtung des Epitheliums. Meistens sind die drei bis vier Schuppenreihen oberhalb der Seitenlinie und die vier bis fünf Schuppenreihen unterhalb derselben mit solchen Erhabenheiten besetzt, wodurch die Seiten dieser laichenden Fische, indem alle Erhabenheiten mit ihren Längsleisten eine gleiche Richtung einnehmen von sieben bis acht weissen erhabenen Längsstreifen besetzt erscheinen. Auch auf den Schuppen der Seitenlinie bilden sich bald oberhalb, bald unterhalb des Ausführungs - ganges derselben ähnliche Erhabenheiten aus, die aber niemals zu einer voll -2)gelegenen Seen gänzlich. Hiernach ist die Notiz, dass der Comersee die grosse Maräne ent - halten soll, welche von Bujack (Nr. 97: pag. 324) mitgetheilt und von Schulz (Nr. 78: pag. 524) nachgeschrieben worden ist, als gänzlich unrichtig von der Hand zu weisen.241Gattung: Coregonus.ständigen Entwicklung gelangen; ausserdem sind auch von den sieben bis acht Längsstreifen die Erhabenheiten des obersten und untersten Streifen am schwächsten entwickelt, sowie auch die Erhabenheiten an den vorderen und hinteren Enden der übrigen sehr stark entwickelten Längsstreifen immer etwas schwächer zur Entwicklung kommen. Es ist auffallend, dass dieser Hautausschlag bisher von den Ichthyologen fast gänzlich unbeachtet geblieben ist; meines Wissens hat nur Rapp (Nr. 41: pag. 14) von Coregonus Wart - manni und Ascanius1)Vergl. dessen: Icones rerum naturalium. III. Copenhagae, 1806. pag. 6. Tab. 30. » Le Lavaret est en saison, dans les trois derniers mois de l’année, et alors le mâle porte des écailles pointues en plusieurs lignes sur les côtes, qui disparoissent ensuite «. Auf der colo - rirten Tafel sind die einzelnen Auswüchse der Schuppen nur durch schwarze Striche dar - gestellt., Ekström2)S. dessen: Fische von Mörkö, a. a. O. pag. 200. und Nilsson3)S. dessen: Skandinavisk Fauna, IV. pag. 458, oder die Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften, 1860, Juli August, pag. 38 (Creplin’s Uebersetzung). von Coregonus oxyrhynchus diesen Hautausschlag erwähnt. Ueberhaupt sind die Renken - und Felchen - Arten von den Ichthyologen höchst ungenügend untersucht und beobachtet worden; die meisten haben sich damit begnügt, einzelne Individuen der dem Genus Coregonus angehörenden Renken oder Felchen, die sie aus diesem oder jenem See erhalten haben, als besondere Arten hinzustellen, ohne sie vorher genauer mit verwandten Formen aus anderen Fundorten verglichen zu haben. Auf diese Weise ist die Gattung Coregonus mit verschiedenen unsicheren Ar - ten belastet, welche die Uebersicht der wirklich von der Natur begründeten Arten ausserordentlich erschwert, indem zugleich alle jene Abänderungen ausser Acht gelassen wurden, welche durch die mannichfaltigen Einflüsse der verschiedenen Seen, in denen die einzelnen Coregonus-Arten hier und dort heranwuchsen, bedingt sind.
Ein anderer Umstand, der das Herausfinden der natürlichen Coregonus - Arten ausserordentlich erschwert, ist die Eigenthümlichkeit der Renken und Maränen immer in Gesellschaft beisammen zu leben, wobei sich die gleichalte - rigen Individuen stets zusammenhalten, und diese verschiedenen Gesellschaf - ten von älteren und jüngeren Coregonus-Arten je nach den Jahreszeiten, den Witterungsverhältnissen und den verschiedenen Zuständen des Fortpflan - zungsgeschäftes sowohl ihren Aufenthaltsort, ihre Lebensweise, sowie ihr ganzes Benehmen verändern. Schinz, welcher in den Schweizerseen vier bis fünf Coregonus-Arten erkannt haben will, muss von den eben erwähnten Lebensverhältnissen dieser Fische gar keine Notiz genommen haben, sonst hätte er sich gewiss nicht in folgender Weise ausgesprochen4)Vergl. dessen: Europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 356.: » es ist merk - würdig, dass alle Arten unserer Coregonen jede nur eine bestimmte Grösse annehmen und bei weitem weniger abweichen als andere Fische; so findetv. Siebold, Fische. 16242Familie: Salmonoidei.man unter mehreren hundert Maränen oder Felchen kaum eine, welche mehrere Zoll länger wäre als eine andere «. Aus dieser Aeusserung geht offen - bar hervor, dass Schinz die gleichalterigen und mit besonderen Volksnamen belegten Renken-Individuen für eigenthümliche Coregonus-Arten genommen hat. Man sieht hieraus, wie leicht Ichthyologen, die sich die Mühe nahmen, bei Fischern über Renken und Maränen Erkundigungen einzuziehen, durch Verwechslungen und Missverständnisse verleitet werden konnten, statt die Coregonus-Arten schärfer abzugrenzen, sie nur noch mehr zu verwirren. Diese Verwirrungen wurden um so leichter hervorgerufen, da die Fischer an allen grösseren Seen in der französischen und deutschen Schweiz, in Süd - bayern und Oberöstreich die verschiedenen Alterszustände der Coregonen mit besonderen und zwar fast an jedem See mit anderen Namen belegen. Schon Heckel1)S. dessen: Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 374. hat auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, welche sich Valen - ciennes bei der Bearbeitung der Coregonus-Arten zu Schulden kommen liess, ist aber selbst nicht so glücklich gewesen, über die Abgrenzung der alpinen Renken-Arten vollkommen genügende Auskunft zu geben, wie ich später nachweisen werde. Ich habe seit mehreren Jahren diesen Salmoneern grosse Aufmerksamkeit geschenkt und mir aus den verschiedensten Seen der Alpen und Voralpen Coregonen in älteren und jüngeren Wachsthumszuständen ver - schafft und bin nach vieler Mühe und sorgfältiger Vergleichung zu dem Re - sultate gelangt, dass sich aus den genannten Gewässern mit Sicherheit nur die drei folgenden Coregonen-Arten feststellen lassen, wobei mir hauptsäch - lich die Verschiedenheit in der Art und Zeit zu laichen als Prüfstein für die Richtigkeit dieser drei aufgestellten Renken-Species gedient hat.
Bei aller Mühe, die ich mir gegeben habe, die drei alpinen Coregonus - Arten unterscheiden zu lernen, wird es mir auch heute noch nicht leicht, die Coregoni aus den verschiedenen Alpenseen auf den ersten Blick zu unterschei - den, indem die Profile und Grössen-Verhältnisse der einzelnen Körpertheile dieser Fische nach Alter und Aufenthaltsort ausserordentlich variiren. Noch schwerer wird es mir aber, wenn ich entscheiden soll, ob die Coregoni der alpinen Seen von Mitteleuropa mit gewissen nordischen Coregonen-Formen als Rassen einer und derselben Species zu vereinigen sind oder von denselben als vollkommen specifisch verschiedene Species getrennt gehalten werden müssen.
243Gattung: Coregonus.Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 25. Blauwling, Blauwfelchen, pag. 40. Gangfisch, Stüben, Seelen.
Artedi Nr. 1: Synon. nom. pisc. pag. 19. n. 2. Coregonus. α. Lavaretus, γ. Bezola, δ. Al - bula parva.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 15. Salmo Lavaretus (zum Theil).
Wartmann Nr. 37 a: pag. 184. Blaufelchen, Halbfelch, Ränke, Gangfisch, Stuben, Heuerling.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. Salmo Wartmanni, Blaufelchen.
Schrank Nr. 23 a: pag. 324. n. 298. Salmo Wartmanni, Renke, ferner dessen briefliche Mittheilung an Bloch, in den Schriften der Berlinisch. Gesellsch. naturforsch. Freunde. Bd. IV. 1783. pag. 427. Salmo Renke.
Hartmann Nr. 23 b: pag. 148. Salmo maraenula, Gangfisch, Albule, pag. 152. Salmo albula, Hägling, pag. 154. Salmo Wartmanni, Blaufelchen.
Nenning Nr. 39: pag. 22. Salmo Maraenula, Gangfisch und Salmo Wartmanni, Blau - felchen. Unter denselben Namen in der Iconographie abgebildet.
Schinz Nr. 40 b: pag. 162. Coregonus Albula, Hägling und pag. 163. Coregonus Wart - manni, Blaufelchen.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. 1848. pag. 466. Pl. 627. Coregonus Lavaretus, pag. 477. Pl. 628. Coregonus Palea, pag. 496. Coregonus Reisingeri1)Es ist zu bedauern, dass Valenciennes fast alle von ihm abgebildeten Coregonus - Arten mit geöffnetem Maule dargestellt hat, indem hierdurch die für die Art-Unterscheidung der Coregonen wichtigen gegenseitigen Längenverhältnisse des Ober - und Unterkiefers ganz undeutlich geworden sind..
Rapp Nr. 41: pag. 12. Taf. I. (Vortreffliche Abbildung.) Coregonus Wartmanni, Felchen, Blaufelchen.
Heckel Nr. 11 f: pag. 375. Coregonus Wartmanni und Palea.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 235. Fig. 134. Coregonus Wartmanni, Rheinanken, Blaufelchen.
Artcharakter: Schnauze gestreckt und senkrecht abgestutzt; die Oberkinnlade kaum länger als die Unterkinnlade; sehr dünne, hinfällige Hautzähne auf der Innenseite der Zwi - schenkiefer, feine Zähne auf einer zarten Knochenplatte der Zunge; Körper in die Länge gestreckt, von der Rücken - flosse an sich nach vorn und hinten gleichmässig verjün - gend; Schwanzstiel gestreckt und dünn.
D. 4 / 10 — 11, P. 1 / 14 — 15, V. 2 / 10 — 11, A. 4 / 11 — 12, C. 19, Squ. 9 — 10 / 83 — 95 / 8 — 9.
Die Renke besitzt von allen unseren Coregonus-Arten die gestreckteste Leibesform, wobei sich ihr Körper von der Rückenflosse aus gegen den Kopf sowohl wie gegen den Schwanz hin gleichmässig verjüngt. Ihr Kopf ist im Verhältniss zum Körper schlank zu nennen und läuft in eine dünne Schnauze aus, welche an der Spitze senkrecht aber niedrig abgestutzt ist. Die Länge der über den Unterkieferrand kaum hervorragenden Schnauze, vom Vorder -16*244Familie: Salmonoidei.rande der Augen bis zum queren Theil des Oberkieferrandes gemessen fällt mit der Breite der Stirne, zwischen beiden Augen gemessen, zusammen. Der
Kopf von der Seite.
abgestutzte und ziemlich niedrige Schnauzentheil der ge - meinen Renke wird von den senkrecht stehenden Zwi - schenkiefern gebildet, welche sehr beweglich sind und bei dem weiten Oeffnen des Maules ihren freien Unterrand so nach vorn erheben können, dass sich, von der Seite be - trachtet, das Profil der Stirne ohne Unterbrechung auf den Zwischenkiefern bis zu ihrem freien Rande fortsetzt. Die beiden länglichen Oberkiefer, welche, wie bei allen Coregonen-Arten, mit den Zwischenkiefern eine scharfe Ecke bilden und die Seiten der Schnauze einnehmen, ragen mit ihrem abgerundeten Hinterrande bis unter den Vorder - rand der grossen Augäpfel. Die mittelgrossen Schuppen stehen oberhalb der Seitenlinie in 9 bis 10 Längsreihen und unterhalb derselben in 8 bis 9 Längs - reihen. Auf der Seitenlinie selbst lassen sich 83 bis 95 Schuppen zählen. Die Länge des Kopfes (Cephalothorax) ist in der übrigen Länge des Körpers 4 Mal enthalten. Die Flossen sind meistens nur mässig lang entwickelt. Nach vorn umgeschlagen erreichen die Brustflossen mit ihren Spitzen nicht die Querspalte des Mauls.
Ich muss hier ausdrücklich bemerken, dass diese Formen-Verhältnisse durchaus nicht immer so constant ausgeprägt sind; am meisten stimmen die jüngeren Individuen der gemeinen Renke mit obiger Beschreibung überein. Bei grösserem Auswachsen dieser Fische bleiben sich die angegebenen Verhält - nisse der Maasse und Umrisse nicht gleich, namentlich verändern sich die For - men der Schnauze und des Schwanzes in der Art, dass beide im höheren Al - ter der Renke bei weitem nicht mehr so schlank und dünn erscheinen, wie an jüngeren Individuen. Bei manchen Renken erscheint der Hautüberzug des Schnauzenendes mehr oder weniger angeschwollen und gedunsen, wodurch dasselbe nicht wie sonst eine eckig abgestutzte, sondern eine abgerundete Form erhält. Ich glaube, dass sogar diese abgerundete Schnauzenform als der gewöhnliche normale Zustand der Renke anzusehen ist, indem an den aus dem Wasser genommenen Renken durch Verdunstung und Einschrumpfung die abgerundete Schnauze später die bekannte eckige Gestalt erhält.
Auch in der Färbung variiren die Renken nach Alter und Aufenthaltsort. Der Rücken derselben, sowie die sämmtlichen Flossen zeigen eine blau - schwarze Pigmentirung, während die Leibesseiten und der Bauch silberweiss glänzen; es tritt aber nur bei grösser ausgewachsenen Individuen die dunkel - körnige Pigmentirung in stärkerer Ausbreitung und Intensität auf, weshalb solchen grossen, dunkelgefärbten Renken am Bodensee der Volksname » Blau - felchen « beigelegt wird. An halberwachsenen Individuen ist die Basis der Flossen pigmentlos und an noch jüngeren Individuen zeigen sich die Flossen245Gattung: Coregonus.ganz farblos oder höchstens die Spitzen und Ränder derselben etwas ange - schwärzt.
Die Renke wird als beliebte Delicatesse in der verschiedensten Grösse von 9 Zoll an bis 28 Zoll Länge und je nach ihrer Grösse unter sehr verschiede - nen Namen zu Markte gebracht. Ich sah hier Exemplare aus dem Starenber - ger See von 3 und 4 Pfund Schwere. Die Fischverkäufer verwechseln ge - wöhnlich die grösseren Individuen von Coreg. Wartmanni mit Coreg. Fera und bieten beide Arten unter demselben Namen » Bodenrenken « zum Verkauf aus. Am Bodensee werden die ziemlich erwachsenen Renken » Felchen « genannt, im dritten Jahre dagegen heissen sie » Gangfische «, im zweiten Jahre » Stuben « und im ersten Jahre » Seelen « oder » Heuerlinge «. Am Zürichsee heissen die gross - ausgewachsenen Felchen » Bläulinge «, die halberwachsenen dagegen » Albule «, während die sechszölligen Individuen » Häglinge « genannt werden. Ebenso verschiedene Namen führen die Renken am Chiemsee, wo die ziemlich ausge - wachsenen Individuen » Rheinanken « genannt werden, die jüngeren Individuen aber » Riedlinge « oder » Sterzlinge « und die jüngsten » Kreuzele « heissen.
Der Coreg. Wartmanni bevölkert die meisten grösseren schweizerischen, bayrischen und östreichischen auf der Nordseite der Alpen und Voralpen ge - legenen Seen. Von den östreichischen Seen besitzen der Traunsee, Atter - see, Mondsee, Wolfgangsee, Hallstadtersee und Fuschelsee den Coreg. Wart - manni, welcher von den östreichischen Fischern Rheinanke genannt wird. In der Schweiz werden der Zürichsee, Vierwaldstädtersee, Brienzersee, Thunersee, Hallwylersee, Sempachersee und Neuenburgersee von dem Coreg. Wartmanni bewohnt. Ich kenne denselben in Bayern als Bewohner des Bo - densees, Riegsees, Staffelsees, Ammersees1)Willughby kannte bereits den Ammersee als Wohnort der Renke, deren Name er freilich, wie so viele andere deutsche Fischnamen, unrichtig auffasste und in » Rhingau « umwandelte. (S. dessen Histor. piscium. pag. 183.), Starenberger Sees (Würmsees), Chiemsees, Tegernsees, Kochelsees, Walchensees und Eibsees. Im Königssee fehlt die Renke2)Schon von Schrank (in dessen naturhistor. Briefen a. a. O. Bd. I. pag. 287 u. 312) wurde bei Aufzählung der Fische des Königssees die Renke unerwähnt gelassen, wie er überhaupt nur 6 Fischarten namhaft macht, welche im Königssee und in den benachbarten Ober - und Hintersee einheimisch sind. Ich habe diese Angaben vollkommen bestätigt ge - funden und bin daher fest überzeugt, dass sich Weber (in seinen Abbildungen der Fische von Bayern pag. 46) geirrt hat, indem er 17 Fischarten des Königssees aufzählt., ebenso im Schliersee, wird aber im letztgenannten See durch Coreg. Fera ersetzt.
Die Nahrung der Renken besteht hauptsächlich aus sehr kleinen Wasser - thieren3)Die genauere Untersuchung des Mageninhalts der Renken-Arten gewährten mir schon öfters den Vortheil, verschiedene kleine Wasserthiere ausfindig zu machen, welche nur in der Tiefe unserer Seen leben und bisher ganz unbeachtet geblieben sind, namentlich wa - ren es mehrere höchst eigenthümlich gestaltete Daphnoiden, welche ich aus dem Magenin - halte der Renken als ganz neue Thier-Formen unserer Süsswasserfauna kennen gelernt habe., sowie aus den niedrigsten Gebilden der Pflanzen - und Thierwelt,246Familie: Salmonoidei.deren erste Entwicklungszustände als sogenannter vegetabilischer oder thieri - scher Schleim den Grund der Seen und die dort befindlichen festen Gegen - stände überwachsen1)Dergleichen organische Körper werden von den Fischern des Bodensees » Fischbrod « genannt. Ich erkenne in diesem Fischbrod, dessen Untersuchung von Wartmann (in dem Naturforscher. Stück 21. pag 113 und Stück 22. pag. 113. Taf. VI) zu verschiedenen Malen versucht wurde, abgestorbene Bryozoën-Gehäuse, welche von verschiedenen anderen nie - deren Thieren und von Algen zum Wohnort benutzt werden.. Ich kann es hier nicht mit Stillschweigen übergehen, dass man bei der Untersuchung und Beschreibung des Verdauungsapparates der Salmoneer es bisher ganz unbeachtet gelassen hat, dass diese Fische vor und während ihrer Laichzeit wochenlang nichts fressen und nur dem Fort - pflanzungsgeschäfte nachgehen, wobei sich ihr leerer Magen ungemein eng zusammenzieht und die Appendices pyloricae, sowie der Darm selbst sich nur mit den verschiedenen Secreten der Verdauungswerkzeuge anfüllen. In einem solchen Zustande der Unthätigkeit der Verdauungswerkzeuge nehmen sich die Dimensionen und Zustände der einzelnen Abschnitte derselben ganz anders aus als zu anderen Zeiten, in welchen diese Salmoneer ihrem Frass nachgehen.
Ueber die Laichzeit der Renken findet man in den ichthyologischen Schriften die verschiedensten Angaben. Nach Hartmann sollen die Renken vom October bis December laichen, nach Rapp dagegen fällt die Laichzeit der Renken in die zweite Hälfte des November oder in den December. Von Heckel und Kner werden die Monate Februar und März und von Weber die Monate März, April bis Anfang Mai als Laichzeit der Renken angegeben. Nach den Erkundigungen, welche ich in Bezug auf die Fortpflanzungszeit der Renken bei den Fischern des Bodensees und Chiemsees eingezogen, und nach meinen eigenen, aus den Zergliederungen der Renken geschöpften Erfahrungen lai - chen diese Fische von der Mitte des November an bis in den December hinein etwa drei Wochen lang2)Es finden sich hierüber sehr ausführliche Mittheilungen in der bereits erwähnten Beschreibung des Blaufelchen von Wartmann (Nr. 37 a: pag. 205), welcher überhaupt die Geschichte dieses Fisches am zuverlässigsten auseinander gesetzt hat.. Es bleibt sich der Eintritt der Laichzeit jedoch nicht gleich, indem sich derselbe je nach den Witterungsverhältnissen etwas verfrühen oder verspäten kann. Um zu laichen erheben sich die Renken in grossen Gesellschaften vereinigt aus der Tiefe der Seen und nähern sich je nach den Witterungszuständen mehr oder weniger der Wasseroberfläche, in - dem sie Schneewasser sowie kaltes Wasser überhaupt scheuen. Haben sich nun die brünstigen Renken in grossen Massen zusammengefunden, so lassen sie dicht aneinander gedrängt Samen und Eier in das freie Wasser austreten und von da zu Boden sinken. Der Hautausschlag, welcher sich zur Zeit der Brunst sowohl an den männlichen wie weiblichen Renken entwickelt, und247Gattung: Coregonus.bisher nur von Rapp allein beobachtet und beschrieben worden ist, besteht aus den bereits erwähnten weissen und länglichen Erhöhungen, welche sich ober - und unterhalb der beiden Seitenlinien auf den einzelnen Schuppen entwickeln und später wieder verschwinden, indem sie, wie alle diese Epithelium-Verdichtungen leicht abfallen; wenn daher Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 237) beschreiben, wie sich die Renken zur Laichzeit in grossen Schaaren dicht aneinanderdrängen und derart ihre Schuppen gegenseitig ab - reiben, dass diese weite Strecken des Wasserspiegels überdecken, so können damit wohl nicht die Schuppen selbst, sondern wohl nur abgeriebene Theile jener Epithel-Verdichtungen gemeint sein, da Schuppen vermöge ihrer Schwere im Wasser schnell zu Boden sinken. Es behalten die Renken, nach - dem sie ausgelaicht, noch eine zeitlang an ihren Körperseiten ein eigenthüm - liches, querstreifiges Aussehen, indem die abgefallenen Hautverdichtungen an den Schuppen, auf denen sie aufgesessen, einen matten Glanz zurücklassen.
Aus den von mir aufgeführten Synonymen wird man entnehmen können, dass die verschiedenen, die Seen der Alpen und Voralpen bewohnenden For - men des Coreg. Lavaretus in den ichthyologischen Schriften als besondere Arten abgehandelt worden sind. Zuerst muss hervorgehoben werden, dass der Coreg. Albula (Salmo Maraenula des Bloch) der Seen des nordöstlichen Deutschlands in den Seen von Süddeutschland und der Schweiz ganz fehlt, dass aber dennoch mehrere Ichthyologen einen Coregonus aus diesen Seen mit Bloch’s kleiner Maräne identificirt haben, wodurch die erste Veranlassung zur Verwirrung der Coregonus-Arten gegeben wurde, während Bloch selbst die kleine Maräne (seinen Salmo Maraenula) und den Blaufelchen (seinen Salmo Wartmanni) als zwei besondere Arten sehr gut auseinandergehalten hat. Aus Hartmann’s Beschreibung von S. Maraenula geht hervor, dass er die Renke von 8½ Zoll als Gangfisch mit der kleinen Maräne verwechselt hat, worin ihm Nenning und sogar Schinz gefolgt ist, welcher letztere in seiner europäischen Fauna1)Vergl. Schinz: Europäische Fauna oder Verzeichniss der Wirbelthiere Europa’s. Stuttgart, 1840. Bd. II. pag. 355. den Coreg. Maraenula als Bewohner der Schweizerseen ganz ebenso wie Hartmann beschreibt, ohne überhaupt Bloch’s norddeutsche kleine Maräne in der genannten europäischen Fauna aufzuführen. Auch Schinz schreibt wie Hartmann und Nenning diesem schweizerischen Coreg. Maraenula einen etwas vorragenden Unterkiefer zu, obgleich es gar keine Coregonus-Form im südlichen Theile von Mitteleuropa giebt, deren Unter - kiefer auch nur in etwas vor dem Oberkiefer hervorragt. Durch den von Gesner2)S. dessen: Histor. animal. Lib. IV. (Tiguri, 1558) pag. 39. oder dessen: Fischbuch (Zürich, 1575) pag. 189. zuerst erwähnten » Hägling « des Zürichsee sind die Coregonus-Arten248Familie. Salmonoidei.in eine weitere Verwirrung gerathen, indem jener Fisch, welcher nichts an - deres ist als eine junge 6 bis 7zöllige Renke, unter dem Namen S. Albula oder Coreg. Albula von den oben erwähnten Schriftstellern1)Schinz bezeichnete den Hägling in seiner Uebersetzung des Thierreichs von Cuvier (Bd. II. pag. 275) sogar mit dem Namen Coreg. Heglingus. als eine beson - dere Art höchst mangelhaft beschrieben wurde. Man befolgte dabei die An - sicht der älteren schwedischen Naturforscher Artedi’s und Linné’s, welche zuerst Gesner’s Hägling mit ihrem in den schwedischen Seen einheimischen S. Albula vereinigten2)Vergl. Artedi Nr. 1: Syn. nom. pisc. pag. 18. n. 1.. Dieser nordische Coreg. Albula darf aber mit dem schweizerischen Coreg. Albula nicht verwechselt werden; alle jene Coregonen, welche mir vom Zürichsee und Neuchâtelersee als Coreg. Albula eingesendet worden waren, erkannte ich für junge weissflossige Individuen des Coreg. Wartmanni. Schon die Unsicherheit, mit der sich die Ichthyologen über die Laichzeit dieses kleinen Coregonus aussprachen, deutet darauf hin, dass unter » Hägling « nur ein junger, noch nicht fortpflanzungsfähiger Coregonus begriffen ist. Gesner bezeichnet nämlich in der lateinischen Ausgabe seines Fisch - buchs3)S. Nr. 34: A. a. O. pag. 39, wo es heisst: » Julio coëunt «. den Juli als Laichzeit des Hägling, während Hartmann (Nr. 38 b: pag. 153), der Gesner’s Beschreibung des Hägling sehr unbefriedigend findet, dessen Laichzeit gegen das Ende des Juni und dann wieder in den November fallen lässt. Statt dieser doppelten Laichzeit, wie sie von keinem Salmoneer bekannt ist, setzte Schinz (Nr. 40 a: pag. 275) für den Hägling den Monat December als Fortpflanzungszeit fest, ohne bestimmte Gründe dabei anzuge - ben. Auch der Name Salmo Lavaretus ist für die gemeine Renke, zugleich aber auch für andere Coregonen-Arten verwendet worden, wodurch neuen Ver - wechslungen Raum gegeben wurde. Mit dem Namen » Lavaret « bezeichneten die älteren Naturforscher Bellon4)Vergl. dessen: De aquatilibus libri duo. Parisiis, 1553. pag. 286., Rondelet5)Vergl. dessen: Aquatilium historiae pars altera (Lugduni, 1555) pag. 162. und Gesner6)S. Nr. 34 a: pag. 33 und Nr. 34 b: pag. 187. Coregonen der südlichen Binnenseen von Mitteleuropa mit verkürztem Unterkiefer und ab - gestutzter Schnauze, in diesem Sinne fassten nachher die schwedischen Na - turforscher denselben Namen auf, fügten aber dem Coreg. Wartmanni und Fera noch den nordischen » Schnäpel « (Coreg. oxyrhynchus) hinzu, so dass also der S. Lavarelus des Linné7)S. dessen: Fauna suecica. 1761. pag. 125. n. 352. drei Coregonus-Arten enthielt, bis Bloch8)S. Nr. 3 a: Th. I. pag. 163. den aus dem Meere in die Flüsse wandernden Schnäpel allein als S. Lavaretus beschrieb und so neue Verwirrung veranlasste, indem Valenciennes (a. a. O.) diesen Artnamen für den Coreg. Wartmanni des Bloch, welchen Cuvier be - reits angenommen hatte, wieder hervorsuchte, aber daneben die gemeine249Gattung: Coregonus.Renke des Neuenburgersees als besondere Art unter Cuvier’s Bezeichnung Coreg. Palea beibehielt. Jurine1)Vergl. dessen: Histoire des poissons du lac Léman in den Mémoires de la soc. de physique et d’histoire naturelle de Genève. Tom. III. 1825. pag. 196. beschreibt den » Lavaret « des Lac Léman und Lac du Bourget in einer Weise, die den Coreg. Wartmanni deutlich er - kennen lässt. Er selbst2)Ebenda: pag. 197. erklärte den » Lavaret « als identisch mit dem » Blau - felchen « oder » Gangfisch « des Bodensee, worin ich ihm beistimme, nachdem ich durch Güte des Herrn Filippi in Turin ein Exemplar des » Lavaret « aus dem Lac du Bourget zur Vergleichung übersendet erhalten habe. Jurine fand ferner den » Lavaret « von Bourget mit dem » Palée blanche « vom Neuchâtelersee übereinstimmend, nicht aber mit dem » Palée noire « desselben Sees. Heckei3)S. dessen: Reisebericht. Anhang II. pag. 374. Ich muss hier besonders darauf auf - merksam machen, dass Heckel den Coreg. Wartmanni von Jurine auch aus dem Genfer See erhalten hat, obgleich der eben genannte Genfer Ichthyologe in seiner Geschichte der Fische des Genfer Sees den Coreg. Wartmanni als Bewohner dieses Sees nicht aufführt, was darauf hindeutet, dass Jurine zu jener Zeit, als er die Fische dieses Sees bearbeitete, den Coreg. Wartmanni wahrscheinlich noch nicht gehörig unterscheiden gelernt hatte. hatte Gelegenheit, Exemplare von Renken aus Bourget, Genf und Neuchâtel welche Jurine selbst nach Wien gesendet hatte, zu untersuchen, und sich überzeugt, dass der » Lavaret « von Bourget und Genf dem Coreg. Wartmanni des Cuvier oder dem Coreg. Lavaretus des Valenciennes entsprechen, während der » Palée noire « von Neuchâtel als Cuvier’s Coreg. Palea unterschie - den werden müsse, fügte aber doch hinzu, dass diese Art (mit 10 / 88 bis 91 / 9 Schuppen) und Coreg. Wartmanni (mit 9 / 85 bis 88 / 8 Schuppen) als die näch - sten Verwandten zu betrachten seien, indem beide Arten eine niedere, dünne und scharf abgestutzte Schnauze besitzen und nur durch die Formel der Schuppenreihen verschieden seien. Letzterer Umstand ist wohl kaum zu benutzen, um darauf Species-Unterschiede zu gründen, ich sah we - nigstens bei den gemeinen Renken aus einem und demselben Fundorte die Schuppenzahl über die eben angeführten Formeln hinaus schwanken und auch Heckel selbst gab später für die Schuppenzahl des Coreg. Wartmanni einen weiteren Spielraum zu, indem er mit Kner (Nr. 13: pag. 237) für dieselben die Formel 10 — 9 / 85 — 91 / 9 — 8 festsetzte, wodurch er die früher ausgespro - chenen Unterscheidungs-Merkmale für Coreg. Wartmanni und Palea ver - wischte. Indem aber Heckel und Kner (a. a. O. pag. 235) den Coreg. Wart - manni aus dem Bodensee und den östreichischen Seen mit Jurine’s » Palée noire « und Cuvier’s Coreg. Palea identificirten, und Rapp zwischen Coreg. Wart - manni, Coreg. Palea und Coreg. Lavaretus keinen Unterschied fand, so stellt es sich aus allen diesen sich scheinbar sehr widersprechenden Angaben immer deutlicher heraus, dass trotz Heckel’s und Kner’s4)S. Nr. 13: pag. 236. Anmerk. * In dieser Anmerkung wird behauptet, » dass Coreg. Widerspruch die Renke250Familie: Salmonoidei.des Neuenburgersees, die als » Palée blanche « von Jurine für den » Lavaret «, als » Palée noire « aber für eine besondere Coregonus-Art gehalten wurde, nur eine durch besondere Localeinflüsse bedingte Abart des Coreg. Wartmanni ist, die an Ort und Stelle, wie Rapp (Nr. 41: pag. 18) angedeutet, nach den verschiedenen Jahreszeiten, in welchen sie gefangen, als » Palée blanche « oder » noire « unterschieden wird. Auch ich konnte zwischen vier frisch ein - gefangenen und durch die Güte des Herrn Professor Vouga unterm 28. Nov. 1858 aus Neuchâtel eingesendeten Exemplaren des Coreg. Palea und zwischen dem Coreg. Wartmanni aus Constanz und Starenberg keinen Unterschied her - ausfinden. Dass der von Valenciennes beschriebene und angeblich aus der Donau stammende Coreg. Reisingeri nichts anderes als ein Coreg. Wartmanni aus dem Traunsee gewesen, ist bereits von Heckel (Nr. 11 f: pag. 376) be - richtigt worden. Um die Verwirrung über die Coregonen noch zu vermehren, hat Valenciennes1)S. dessen: Hist. d. poiss. T. XXI. pag. 498. den Coreg. Nilssoni aus Schweden mit dem Coreg. Wart - manni aus Schwaben verwechselt, indem er die von Herrn v. Mertens (sic) nach Paris gesendeten Exemplare dieses Coregonen, sowie die von demselben mitgetheilten Namen: Seelen, Gangfisch, Renken, Blaufelchen, womit dieser Fisch in seinen verschiedenen Altersstufen am Bodensee bezeichnet wird, auf den schwedischen Coreg. Nilssoni bezog2)Herr Dr. Ed. v. Martens, den ich über die oben erwähnte, von Valenciennes be - gangene Verwechslung befragte, hatte die Güte, mir folgendes darüber mitzutheilen: » Mein Vater (G. v. Martens) stand mit Valenciennes nicht in Briefwechsel, hat aber früher an Cuvier den Blaufelchen vom Bodensee geschickt, ohne Zweifel mit Angabe der betreffenden Namen. Die fragliche Stelle von Valenciennes enthält offenbar eine Confusion zwischen meinem Vater und dem Pariser Ch. Martins, welcher die französische Expedition nach Island, Norwegen und Spitzbergen unter Paul Gaimard in den Jahren 1835 — 1840 begleitete «.. Eine andere schwedische Core - gonus-Form könnte aber wirklich mit Coreg. Wartmanni verwechselt werden, ich meine nämlich Coreg. La Cepedei, unter welchem Namen Sundevall mehrere Coregonen aus dem lappländischen See Gråträsk an das hiesige zoologische Cabinet eingesendet hat. Diese Form entspricht dem Coreg. Lavaretus des Nilsson, welcher zu dieser Renke den Salmo Wartmanni des Bloch und den Coreg. Lavaretus des Valenciennes citirt hat3)Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae, 1832. pag. 15 und Skandinavisk Fauna IV. Fiskarna. Lund, 1855. pag. 458.. Ich finde zwischen diesem Coreg. La Cepedei4)Auch die von Yarrell in seiner History of british Fisches (Vol. II. 1841. pag. 151) gelieferten Abhildung des von Parnell unter dem Namen Coregonus La Cepedei zuerst be - schriebenen schottischen » Powan « erinnert mich an den Coreg. Wartmanni. und dem Coreg. Wartmanni eine so grosse Aehnlichkeit, dass auch ich dieselben wegen ihrer gestreckten und senkrecht abgestutzten Schnauze als ein und dieselbe Species betrachten möchte.
4)Lavaretus Val., welcher der Lavaret Jurine’s ist, in Oestreich sich nicht vorfindet «, während Heckel selbst sich früher überzeugt hatte, dass Jurine’s Lavaret mit dem auch in östreichi - schen Seen einheimischen Coreg. Wartmanni Cuv. identisch ist.
251Gattung: Coregonus.Auch Nilsson1)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 458 oder die Zeitschrift für die gesamm - ten Naturwissenschaften, 1860, Juli, August pag. 38, in welcher Creplin den Artikel über Coregonus aus jener Fauna übersetzt hat. fand seinen Coreg. Lavaretus aus den smaaländischen Seen mit Valenciennes’ Beschreibung des Lavaret (Coreg. Wartmanni) aus dem See Bourget so übereinstimmend, dass er kaum die Identität dieser Ar - ten bezweifeln konnte.
Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 26. Sandfelchen, Adelfelchen, pag. 40. Sandgangfisch.
Artedi Nr. 1: Synon. nom. pisc. pag. 19. n. 2. Coregonus, β. Albula nobilis (zum Theil), ε Ferra.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 15. Salmo Lavaretus (zum Theil).
Wartmann Nr. 37a: pag. 185. 202. u. 210. Weissfisch, Adelfisch, Weissfelchen.
Bloch Nr. 3a: Th. III. pag. 148. u. 164. Weissfelchen, Weissgangfisch, Adel - fisch.
Gmelin Nr. 4: pag. 305. Salmo Maraena Ferra, weisse Maräne, Weissfelchen, Adel - fisch.
Jurine: Hist. des poissons du lac Léman, in den Mém. de la soc. de phys. et d’hist. nat. de Genève. T. III. 1825. pag. 190. Pl. VII. Corregonus Ferra, la Féra.
Hartmann Nr. 23b: pag. 139. Salmo Maraena, Adelfisch, Adelfelchen, Sandfel - chen, Weissfelchen.
Martens Nr. 14b: pag. 37. Salmo Maraena, Adelfisch, Adelfelchen, Sandfelchen, Weissfelchen.
Nenning Nr. 39: pag. 20. Salmo Maraena, Sandfelchen, Weissfelchen. Unter dem - selben Namen in der Iconographie abgebildet.
Schinz Nr. 60b: pag. 161. Coregonus Maraena, Adelfisch, Adelfelchen, Sandfel - chen, Weissfelchen.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 472. Coregonus fera.
Rapp Nr. 41: pag. 18. Taf. II. (vortreffliche Abbildung). Coregonus fera, Sandfelchen.
Heckel Nr. 11f: pag. 375. Coregonus fera.
Heckel u. Kner Nr. 13: pag. 238. Fig. 135. Coregonus fera, Kröpfling, Riedling, Sandfelchen.
Artcharakter: Schnauze kurz, dick und schräge nach unten und hinten abgestutzt; Oberkinnlade über den Unterkiefer hervorragend; sehr dünne hinfällige Hautzähne auf der Innenseite der Zwischenkiefer, feine Zähne auf einer zar - ten Knochenplatte der Zunge; Körper in die Länge gestreckt, vor und hinter der Rückenflosse eine Strecke weit gerad - rückig; Schwanzstiel gedrungen.
D. 4 / 11, P. 1 / 15, V. 2 / 10, A. 4 / 11 — 12, C. 19, Squ. 9 — 10 / 80 — 98 / 8 — 9.
Die Bodenrenke, welche mit der gemeinen Renke verwechselt werden könnte, unterscheidet sich von derselben durch die kürzere und stumpfere252Familie: Salmonoidei.Schnauze, sowie durch den kürzeren gedrungeneren Schwanzstiel. Die Länge
Kopf von der Seite.
ihrer Schnauze, vom Vorderrande der Augen bis zum queren Theil des Oberkieferrandes ge - messen ist kürzer als die Breite ihrer Stirne zwischen den beiden Augen gemessen; durch die schräge Abstutzung der Schnauze erscheint die Mundspalte etwas nach hinten gerückt. Die beiden beweglichen Zwischenkiefer, welche nicht wie bei der gemeinen Renke senkrecht nach unten, sondern schräge nach hinten ragen, können sich bei dem weiten Oeffnen des Maules mit ihrem freien Unterrande nur so weit erheben, dass das Profil der Stirne, von der Seite betrachtet, sich unter einem stumpfen Winkel auf den Zwischen - kiefern bis zu ihrem freien Rande fortsetzt. Die beiden Oberkiefer reichen mit ihrem abgerundeten Hinterende nicht bis unter den Vorderrand der Augäpfel. Die Schuppen stehen oberhalb der Seitenlinie in 9 bis 11 und unterhalb dersel - ben in 8 bis 9 Längsreihen. Auf der Seitenlinie lassen sich 80 bis 94 Schup - pen zählen. Die Kopflänge ist in der übrigen Körperlänge 3¾ bis 4 mal ent - halten. Die Flossen erscheinen meistens lang entwickelt, so dass die Brust - flossen nach vorn umgeschlagen mit ihren Spitzen die Querspalte des Maules erreichen.
In der Färbung stimmt die Bodenrenke mit der gemeinen Renke ziem - lich überein, nur tritt die blauschwarze Farbe des Rückens nicht so intensiv und nicht so nach den Seiten herab ausgebreitet auf, auch zeigen sich die Flossen meistens nur grau oder an den Spitzen dunkler gefärbt. Wegen die - ser geringeren Ausbreitung des schwarzkörnigen Pigments hat die Bodenrenke am Bodensee zum Unterschiede des dunkler gefärbten Blaufelchen den Na - men » Weissfelchen « erhalten.
Die Bodenrenke kömmt bei weitem nicht so verbreitet vor als die ge - meine Renke. In der Schweiz bewohnt die Bodenrenke oder der Sandfelchen ausser dem Genfersee nach Schinz’ Angaben auch den Neuenburgersee, Murt - nersee, Sempacher - und Hallwylersee, Vierwaldstädtersee, Zugersee und Zü - richsee. In Oestreich findet sich derselbe nur im Attersee und Traunsee nach Angabe Heckel’s (Nr. 13: pag. 239). In Bayern kenne ich nur den Bodensee, den Würmsee und Schliersee als Aufenthaltsort der Bodenrenke.
Als Nahrung nimmt die Bodenrenke dieselben animalischen und vegeta - bilischen Stoffe zu sich, von denen sich auch die gemeine Renke ernährt. Coreg. Fera übertrifft den Coreg. Wartmanni an Grösse und kann eine Länge von 2 Fuss und darüber so wie eine Schwere von 4 bis 6 Pfund1)Vergl. Wartmann a. a. O. pag. 210. und darüber253Gattung: Coregonus.erreichen, dagegen wird derselbe nie in so grosser Anzahl als der Coreg. Wartmanni gefangen, was die Fischer um so weniger zu bedauern haben, als die Bodenrenke in Güte und Zartheit des Fleisches der gemeinen Renke bei weitem nachsteht und deshalb auch minder geschätzt wird.
Die Laichzeit des Coreg. Fera tritt gegen Ende des November ein1)Nach den Aussagen der am Bodensee von mir befragten Fischer soll die Bodenrenke immer 14 Tage früher als die gemeine Renke laichen. Schon Mangolt (a. a. O. pag. 27) machte hierüber ganz dieselbe Mittheilung.. Um diese Zeit nähert sich die Bodenrenke, welche sich gewöhnlich in sehr grosser Tiefe aufhält, den flacheren Uferstellen, um auf steinigem oder kiesigen Boden den Laich abzusetzen. Aus diesem Grunde hat diese Renke die Na - men » Bodenrenke « oder » Sandfelchen « erhalten. Auch Jurine giebt an, dass der Coreg. Fera an seichten Stellen laicht, mag sich aber darin geirrt haben, dass er seine Laichzeit in den Monat Februar versetzt2)S. dessen: Hist. d. poissons du lac Léman a. a. O. pag. 193..
Die während der Fortpflanzungsperiode auf den Schuppen der Leibes - seiten sich erhebenden Epithelium-Verdichtungen verhalten sich bei den Bodenrenken ganz ebenso wie bei den gemeinen Renken. Bei der Verglei - chung der colorirten Abbildungen in der schon mehrmals erwähnten und für Nenning’s Bodensee-Fische bestimmt gewesenen Iconographie war ich sehr überrascht, an dem Sandfelchen jenen Hautausschlag durch sieben weisse Längsstreifen angedeutet zu finden.
Indem der Coreg. Fera mit Senknetzen zuweilen aus sehr grosser Tiefe herausgefischt wird, zeigt sich an einem solchen Individuum eine Erschei - nung, welche in Oestreich die Veranlassung gegeben hat, diesen Fisch mit dem passenden Namen » Kröpfling « zu bezeichnen. Bei dem Heraufziehen der sehr tief gefangenen Bodenrenken dehnt sich nämlich die in ihrer Schwimmblase eingeschlossene Luft, welche in der Tiefe des Wassers unter einem sehr star - ken Druck comprimirt war, ungemein aus, wodurch die Bauchhöhle dieser Fische, besonders der geräumigere und nachgiebigere Vordertheil derselben sich kropfartig erweitert. Auf diese Erscheinung, die ich an Bodenrenken des Schliersee deutlich wahrgenommen habe, mag sich auch jener Unter - schied gründen, den bereits Mangolt (a. a. O. pag. 27) zwischen Blaufelchen und Sandfelchen hervorhebt, indem er sagt: » dann so der Sandfelch geschla - gen wird, so schwebt er empor, wenn aber der Blaufelch geschlagen wird; so fällt er zu Boden «.
Nicht bloss Mangolt hatte den Bodenrenken oder Sandfelchen als beson - deren Salmoneer des Bodensees erwähnt, sondern auch von Rondelet3)Vergl. dessen: Aquatil. histor. pars altera. pag. 164. cap. 18. (Die Abbildung dazu befindet sich auf pag. 156). wurde bereits derselbe Fisch unter dem Namen » Ferra « oder » Farra « als besonderer254Familie: Salmonoidei.Salmoneer des Genfer Sees unterschieden, dennoch verschwand diese Ren - ken-Art später wieder aus den Fisch-Systemen, weil Bloch (a. a. O. pag. 148) dieselbe nur als eine Abänderung der berühmten norddeutschen Madui-Ma - räne (Coreg. Maraena) betrachtet wissen wollte. Erst durch die Bemühungen Jurine’s in Vereinigung mit Cuvier und Valenciennes (a. a. O.) wurde Coreg. Fera als besondere Species wieder zur Anerkennung gebracht, während Schinz der Ansicht Bloch’s hartnäckig zugethan blieb. Rapp hatte daher Grund genug, noch einmal auf die Art-Berechtigung des Coreg. Fera und den Unterschied zwischen diesem Coregonus und Coreg. Maraena aufmerksam zu machen.
Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 41. Kirchlin.
Wartmann: briefliche Mittheilung in den Schriften der Berlinisch. Gesellsch. naturforsch. Freunde. Bd. IV. 1783. pag. 431. Kropffelchen.
Gmelin Nr. 4: pag. 305. Salmo Maraena gutturosa, Kropf-Maräne, Kropffelchen.
Jurine: Hist. d. poiss. du lac Léman a. a. O. pag. 200. Pl. VIII. Corregonus hiemalis, la Gravenche.
Hartmann Nr. 23b: pag. 145. Salmo maraena media, Kilchen, Kirchfisch, Kropf - felchen.
Nenning Nr. 39: pag. 21. Salmo Maraena media, Kilch, Kropffelchen. (In der Icono - graphie nicht abgebildet).
Schinz Nr. 60b: pag. 162. Coregonus Maraena media, Kilchen, Kirchfisch, Kropf - felchen.
Rapp Nr. 41: pag. 22. Coregonus acronius, Kilch.
Heckel u. Kner Nr. 13: pag. 240. Fig. 136. Coregonus acronius, Kilch.
Artcharakter: Schnauze kurz, dick und schräge nach unten und hinten abgestutzt; Oberkinnlade über den Unterkiefer hervorragend; sehr dünne hinfällige Hautzähne auf der In - nenseite der Zwischenkiefer, feine Zähne auf einer zarten Knochenplatte der Zunge; Körper wenig in die Länge ge - streckt, vor der Rückenflosse bis gegen die Schnauze einen stark gewölbten Bogen bildend.
D. 4 / 9 — 13, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 10 — 11, A. 4 / 9 — 13, C. 19, Squ. 8 — 9 / 78 — 90 / 8 — 9.
Der interessante Kilch, auf welchen man erst in neuerer Zeit gehörig aufmerksam geworden ist, besitzt von allen mitteleuropäischen Coregonen den kürzesten Leib und kann daher mit Coreg. Fera, mit welchem er die kurze stumpfe und schräg abgestutzte Schnauze gemein hat, nicht verwech - selt werden. Alles, was über die Form-Verhältnisse der Schnauze von Co - reg. Fera gesagt wurde, passt daher auch auf Coreg. hiemalis, jedoch mit dem Unterschied, dass die etwas gestreckteren beiden Oberkiefer mit ihrem ab -255Gattung: Coregonus.gerundeten Hinterende bis unter den Vorderrand der Augäpfel reichen. Die Kilche lassen an ihren sehr silberglänzenden Schuppen das concentrische Gefüge deutlicher erkennen als die beiden vorhergehenden Coregonen. Ihre
Kopf von der Seite.
Schuppen stehen oberhalb der Seitenlinie in 8 bis 9 Längsreihen und unterhalb derselben in 8 Reihen. Die Zahl der Schuppen schwankt auf den beiden Seitenlinien zwischen 78 und 90. Die Länge des Kopfes ist in der übrigen Körperlänge nur 3¼ bis 3¾ mal enthalten. Die Flossen zeigen eine ver - schiedene Entwicklung, bei den Kilchen des Boden - sees erscheinen sie länger ausgebildet, so dass ihre nach vorn umgebogenen Brustflossen mit den Spitzen den queren Theil der Mundspalte erreichen, während bei den mit kürzeren Flossen versehenen Kil - chen des Ammersees die Spitzen der nach vorn umgebogenen Brustflossen kaum das Hinterende der Mundspalte berühren.
Ein sehr charakteristisches Kennzeichen für den Kilch bildet die blasse Färbung desselben. Der Rückentheil seines Leibes zeigt sich stets braungelb gefärbt; nirgends lässt sich mit unbewaffnetem Auge dunkelkörniges Pigment wahrnehmen und nur mit der Lupe erkennt man auf dem Rücken und den Rückenseiten einzeln zerstreute winzige schwarzkörnige Punkte. Auch die Flossen des Kilchs zeichnen sich durch eine fast gänzliche Farblosigkeit aus, da nur die Ränder der Rücken - und Schwanzflosse desselben sowie zuweilen auch die äussersten Spitzen der übrigen Flossen etwas angeschwärzt sind.
Der Kilch ist bisher nur als Bewohner des Bodensees bekannt gewesen; ich kenne jetzt auch den Ammersee als Aufenthalt des Kilch und bin über - zeugt, dass wenn man sich die Mühe nehmen wollte, man den Kilch auch noch in anderen Alpen-Seen entdecken würde, freilich muss man zu einem Kilchfang mit ganz besonderen Werkzeugen ausgerüstet sein1)Vergl. hierüber meine Notizen über den Kilch des Bodensees (in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. IX. 1858. pag. 295.) und über den Kilch des Ammersees (in der neuen Münchner Zeitung. Jahrg. 1860. nr. 67. pag. 265)., da der Kilch Jahr aus Jahr ein sich in einer Tiefe von 35 bis 45 Klafter aufhält. Der Magen - und Darm-Inhalt der Kilche stimmt vollkommen mit dieser Lebensweise über - ein, denn ich fand in diesen Grundfischen nichts als kleine Muscheln, Schnecken und schlammige Erdtheile, die sie als Nahrung nur vom Grunde der Seen in sich aufgenommen haben konnten, während die gemeinen Renken sich ihre Nahrung sehr gern im freien Wasser wegfangen.
In der Grösse wird der Kilch von den beiden vorhergehenden Renken bei weitem übertroffen; es scheint als ob die Kilche des Bodensees eine an - sehnlichere Grösse erreichten als die des Ammersees. Die kleinsten Boden - see-Kilchen hatten eine Länge von 9 bis 10 Zoll, die grössten dagegen eine256Familie: Salmonoidei.Länge von 14½ Zoll. Von Ammersee erhielt ich nur Kilche von 8½ bis 9½ Zoll Länge.
Die Laichzeit des Kilch beginnt gegen Ende des September und währt bis in den October hinein. Um diese Zeit bedecken sich die Schuppen der Milchner und Rogener dieses Fisches mit demselben Hautausschlag, den ich bereits von dem laichenden Coreg. Wartmanni beschrieben habe1)Wenn Schinz (in Cuvier’s Thierreich Bd. II. pag. 276) von fünf deutlich gezeichne - ten Punktreihen spricht, welche dieser Fisch statt einer einfachen Seitenlinie besitzen soll, so beruht dies gewiss auf einer unrichtigen Auffassung des eben erwähnten Hautausschlags, der in regelmässigen mit der Seitenlinie parallel verlaufenden Reihen die Schuppen besetzt hält..
Da der Kilch, wie es scheint, unter allen unseren Renken, die tiefsten Stellen der Seen bewohnt, so wird derselbe auch am leichtesten trommelsüch - tig (Taf. II), wenn er aus der Tiefe seines Aufenthalts mit Netzen an das Tages - licht gezogen wird2)Es hängt diese trommelsüchtige Auftreibung des Bauches der Kilche nicht im ge - ringsten mit der Laichzeit zusammen, wie dies Wartmann (a. a. O. p. 431) unrichtig aus - gesprochen hat.. Wegen dieser Eigenschaft hat derselbe am Bodensee auch den Namen » Kropffelchen « erhalten. Es beschränkt sich aber diese Trommelsucht nicht blos auf den Coreg. hiemalis, sie kann sich in jedem mit einer Schwimmblase versehenen und in grosser Tiefe lebenden Fische ent - wickeln, je nachdem die Wandungen der Schwimmblase oder die Bauchwan - dungen des Fisches der in der Schwimmblase sich ausdehnenden Luft mehr oder weniger Widerstand leisten, wie sich dies aus folgenden Wahrnehmun - gen3)Vergl. meine Mittheilungen über den Kilch des Bodensees a. a. O. ergiebt. » In einer Tiefe von 40 Klafter haben die Kilche und ihre mit Luft gefüllte Schwimmblase einen Druck von ungefähr 7½ Atmosphären aus - zuhalten. Werden diese Fische nun aus ihrem natürlichen Aufenthaltsorte hinauf an die Wasseroberfläche gebracht, wo der Druck von nur 1 Atmosphäre von aussen auf sie einwirkt, so wird die in ihrer Schwimmblase eingeschlos - sene Luft, welche bisher unter dem Drucke von 7½ Atmosphären gestanden hat, bei dem Heraufziehen der gefangenen Fische allmählich eine Druckvermin - derung um 6½ Atmosphären erleiden und sich in gleichem Verhältnisse aus - dehnen; indem aber einer solchen Ausdehnung die dünnen Wände der Schwimmblase, sowie die nachgiebigen Bauchwandungen des Kilch nicht wi - derstehen können, muss der Bauch des Fisches auf diese Weise sich ausdeh - nen und die obenerwähnte unförmliche Gestalt annehmen, wodurch eine so starke Zerrung und Verschiebung der Baucheingeweide veranlasst und zu - gleich ein so heftiger Druck auf die Blutgefässe derselben ausgeübt wird, dass der baldige Tod eines solchen trommelsüchtig gewordenen Fisches unausbleib - lich erfolgen muss. « Der Kilch des Ammersees muss übrigens zarter gebaut sein, als der Kilch des Bodensees, da bei ersterem der ausgedehnte Bauch,257Gattung: Coregonus.sowie der Fisch aus dem Wasser gehoben wird, gewöhnlich mit einem Knall berstet. Dass auch Bodenrenken, wenn sie aus grosser Tiefe herausgefischt werden, einer ähnlichen Trommelsucht ausgesetzt sind, habe ich bereits er - wähnt. Da aber diese Coregonen eine festere Schwimmblase und derbere Bauchwandungen besitzen, so kann die Trommelsucht bei ihnen nicht den hohen Grad erreichen wie bei den Kilchen. Dass auch die Madui-Maräne (Coreg. Maraena) der Gefahr ausgesetzt ist, durch Trommelsucht aufgetrieben zu werden, wenn sie unvorsichtig aus der Tiefe ihres gewöhnlichen Aufent - haltsortes auftaucht, geht aus einer Mittheilung Bloch’s1)S. dessen: Naturgesch. der Fische Deutschlands. Th. I. pag. 174. hervor, nach wel - cher dieser Fisch, wenn er im Sommer entweder beim Haschen nach einem Insect, oder auf der Flucht vor dem Hechte der Oberfläche des Wassers zu nahe kommt, durch Windsucht und tödtliche Abzehrung zu Grunde geht2)Auch die Schwimmblase des Saiblings kann, wenn dieser Fisch aus grosser Tiefe schnell an die Wasseroberfläche gezogen wird, trommelsüchtig aufgetrieben werden, wie ich das selbst an Saiblingen des Bodensees und Ammersees beobachtet habe und wie dies von Hartmann (Nr. 23 b: pag. 130) schon früher mitgetheilt wurde..
An den aufgeblähten Kilchen erscheint die Gegend des Bauchs hinter den Brustflossen am stärksten ausgedehnt, wobei alle Bauchschuppen auseinander - gerückt sind. Schon unterhalb der Seitenlinie macht sich die eingetretene Auftreibung der Bauchhöhle bemerkbar, indem die oberen Längsschuppen - reihen durch Furchen schärfer abgegrenzt erscheinen und die unteren Längs - schuppenreihen durch gleichbreite dünnhäutige nackte Streifen auseinander gehalten werden. Auf der Mitte des Bauches, welche von innen durch die ausgedehnte Luft am stärksten hervorgetrieben wird, treten die ganz ausein - ander gerückten und sich nicht mehr deckenden Schuppen gegen die weit ausgedehnten und nackten Hautstellen fast ganz in den Hintergrund. Ob - gleich die Kilche ihres zarten und feinen Fleisches wegen sehr geschätzt zu werden verdienen, so werden sie doch nirgends zu Markte gebracht, wahr - scheinlich weil dieselben durch ihren aufgetriebenen oder geborstenen Bauch ein ungewöhnliches Aussehen erhalten und dem Verderben leichter ausge - setzt sind. Aus diesem Grunde geben sich auch nur wenige Fischer mit die - sem mühsamen und geringen Lohn einbringenden Kilchfang ab.
Ausser Mangolt scheint von den älteren Ichthyologen nur Gesner den Coreg. hiemalis gekannt zu haben. Derselbe3)Vergl. Nr. 34a: pag. 37. De Albulae genere, quod Buz et Kilch vulgo nominant. sagt in der lateinischen Aus - gabe seines Fischbuchs: » Constantiae ’Kirchlin٬ vocant albulae genus candi - dum, et simile iis quos ’Gangfisch٬ vocant, ventribus magnis. — Degunt in profundo et pariunt aestate — Alii ’Kilchen٬ vocant, et ventre candido infla - toque, dorso fusco describunt, in locis profundis morari addunt. « Alles dies passt auf den Coreg. hiemalis; Gesner hat noch die Vermuthung hinzugefügt,v. Siebold, Fische. 17258Familie: Salmonoidei.ob nicht der » Alpken « des Lucerner Sees und der » Buz « des Züricher Sees ebenfalls hieher gehörten. Noch hat kein schweizer Zoolog durch genauere Untersuchung sich hierüber Auskunft zu verschaffen gesucht, und auch Schinz1)S. dessen: Europäische Fauna. Bd. II. pag. 355. lässt es zweifelhaft, ob der Kilch des Bodensees sich noch in ande - ren Seen findet. Rapp (Nr. 41: pag. 24) hat anfangs geglaubt, dass Jurine’s2)S. dessen: Hist. d. poissons du lac Léman a. a. O. pag. 200. Coregonus hiemalis. Pl. VIII. Coreg. hiemalis (la Gravenche) mit seinem Coreg. acronius identisch sei, bis ihm hierüber Heckel eine andere Meinung beibrachte, die ihn veranlasste, den Kilch des Bodensees als Coreg. acronius von dem Kilch des Genfer Sees zu trennen. Ich muss gestehen, dass auch mir von Anfang an die » Gravenche « des Genfer Sees und der » Kilch « des Bodensees als ein und dieselbe Species erschienen waren, obgleich Heckel ein von Jurine selbst bestimmtes Exem - plar des Coreg. hiemalis mit Rapp’s Coreg. acronius vergleichen und zwischen beiden einen Unterschied finden konnte; mir blieb immer die Frage aufzu - werfen übrig, ob nicht die Unterschiede, welche Heckel zwischen diesen bei - den Coregonen erkannt haben will, sich auf solche Formabweichungen bezo - gen, welche vielleicht nur durch eigenthümliche von den verschiedenen Auf - enthaltsorten abhängige Localeinflüsse an dem Kilch hervorgerufen waren, wie ich ja selbst die Kilche des Ammersees in mancher Beziehung von den Kilchen des Bodensees etwas verschieden gebildet gefunden habe. Ich würde in der That schon früher bei der Betrachtung der von Jurine gelieferten Ab - bildung der » Gravenche « keinen Anstand genommen haben, den Coreg. hie - malis mit Coreg. acronius zu vereinigen, hätte nicht Jurine über die Lebens - weise der » Gravenche « so auffallende Mittheilungen gemacht, die mit der Na - tur des Kilch ganz und gar im Widerspruch stehen. Jurine3)A. a. O. pag. 202. behauptete näm - lich von der » Gravenche «, dass dieser Fisch eilf Monate in der Tiefe des Gen - fer Sees verborgen lebe, aber im December um zu laichen sich in Gesell - schaften dem Ufer nähere, wobei er dicht an der Oberfläche des Wassers durch abwechselndes Oeffnen und Schliessen des Maules ein dem Enten-Ge - schnatter ähnliches Geräusch erzeuge.
Jetzt, nachdem ich durch die Güte des Herrn Dr. Schleiss v. Löwen - feld mehrere Exemplare der » Gravenche « des Genfer Sees erhalten hatte und eine genaue Vergleichung derselben mit den Kilchen des Bodensees habe an - stellen können, bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass zwischen die - sen beiden Coregonen kein eigentlicher specifischer Unterschied zu finden ist. In Bezug auf Jurine’s abweichende Angaben über die Laichzeit der » Gravenche « muss ich der Vermuthung Raum geben, dass Jurine wahrscheinlich die Laich -259Gattung: Coregonus.weise und Laichzeit des » Lavaret « (Coreg. Wartmanni) für die der » Gravenche « genommen hat
Ich habe schon bei Coreg. Fera darauf hingewiesen, dass auch dieser Coregonus aus grosser Tiefe heraufgezogen trommelsüchtig aufgebläht und wahrscheinlich deshalb in Oberöstreich » Kröpfling « genannt wird. Ob aber der Name » Kröpfling « von den oberöstreichischen Fischern nur allein auf Co - reg. Fera und nicht auch auf Coreg. hiemalis bezogen wird, darüber fehlt es noch an einer genaueren Feststellung, denn Heckel (Nr. 11f: pag. 376) giebt nur an, dass die Fischer an den grösseren oberöstreichischen Seen die dort vorkommenden Coregonen mit den drei verschiedenen Namen » Rheinankel «, » Kröpfling « und » Riedling « bezeichnen, von denen er die » Rheinankel « als Co - reg. Wartmanni und den » Kröpfling « als Coreg. Fera deutet, während er die Bedeutung des » Riedlings « unentschieden lässt, welcher Fisch nach einigen Fi - schern mit der » Rheinankel « nach anderen mit dem » Kröpfling « gleichbedeutend sein soll; hiernach erschien es mir wahrscheinlich, dass auch in den oberöst - reichischen Seen drei Renken-Arten leben, von denen die dritte Art der Co - reg. hiemalis sein könnte. Um mir hierüber einen näheren Aufschluss zu ver - schaffen, habe ich mich im September vorigen Jahres an die östreichischen Seen begeben, erhielt aber am Wolfgangsee, Mondsee, Hallstadtersee, Atter - see und Traunsee auf meine Fragen über das Leben und die Laichzeit der Coregonen dieser Seen von den dortigen Fischern so widersprechende Mitthei - lungen, dass auch ich eben so wenig wie Heckel über diesen Gegenstand ins Klare kommen konnte. Den Namen » Kröpfling « kannte man nur am Attersee, während an den anderen Seen die Fischer mit der Erscheinung des kropfför - migen Aufblähens der aus der Tiefe heraufgezogenen Coregonen vollkommen vertraut waren, ohne auf solche trommelsüchtig aufgetriebene Coregonen den Namen » Kröpfling « anzuwenden. Es sind mir an jenen Seen nur » Rheinanken « und » Riedlinge « zu Gesicht gekommen, die ich beide für Coreg. Wartmanni erklären musste, indem die östreichischen Fischer die jungen Renken von 1 / 10 bis 1 / 12 Pfund Gewicht als » Riedlinge « und die grösseren Renken von ¼ Pfund Gewicht und darüber als » Rheinanken « bezeichnen.
Syn. u. Citate.
Schonevelde Nr. 81: pag. 12. Tab. I. Fig. Albula nobilis, Snepel.
Baldner Nr. 42: pag. 159. Taf. 10. Elbel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 10. n. 4, Syn. nom. pisc. pag. 19. n. 2. β. Coregonus Albula nobilis (zum Theil) und pag. 21: n. 4. Coregonus Oxyrhynchus.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 18. Salmo oxyrhynchus.
17*260Familie: Salmonoidei.Bloch Nr. 3a: Th. I. pag. 163. Taf. 25. Salmo Lavaretus, Schnepel und pag. 170. Taf. 26. Salmo Thymallus latus, breite Aesche.
Nau Nr. 45b: pag. 132 und Nr. 45c: pag. 33. Salmo Lavaretus, Rheinank.
Siemssen Nr. 79: pag. 58. Salmo Lavaretus und latus, Schnepel.
Heineken Nr. 69: pag. 148. n. 39. Salmo Lavaretus, Schnepel.
Bujack Nr. 97: pag. 321. Coregonus oxyrhynchus, Schnäpel.
Creplin Nr. 90: pag. 83. Salmo oxyrhynchus, Schnäpel.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 222. Coregonus oxyrhynchus, Houting und in den Bulletins de l’Académie royale de Belgique. T. IX. 1842. pag. 510.
Schulz Nr. 522: pag. 78. Coregonus oxyrhynchus, Schnäpel.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 76. Coregonus oxyrhynchus, Schnepel.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 488. Pl. 630. Coregonus oxyrhynchus.
Artcharakter: Oberkinnlade über den Unterkiefer sehr weit her - vorragend und nach vorn in eine weiche conisch verlän - gerte Schnauze übergehend; sehr dünne hinfällige Haut - zähne auf der Innenseite der Zwischenkiefer, feine Zähne auf einer zarten Knochenplatte der Zunge; Körpergestreckt: Schwanzstiel gedrungen.
D. 4 — 10, P. 1 / 15 — 16, V. 2 / 10 — 11, A. 4 / 10 — 13, C. 19, Squ. 9 — 10 / 80 — 88 / 9.
Der Coreg. oxyrhynchus, welcher in Norddeutschland unter dem Namen » Schnäpel « allgemein gekannt ist, gehört zu jenen wandernden Fischen der Ost - und Nordsee, welche, um zu laichen, das Meer verlassen und die Flüsse hinaufsteigen.
Von den Renken Mitteleuropa’s unterscheidet sich der Schnäpel auf den ersten Blick durch seine lange conische und weiche Schnauze. In Färbung
Kopf von der Seite.
und Grösse gleicht er der gemeinen Renke, kann sie aber auch in Länge und Gewicht übertreffen. Die gewöhnliche Länge des - selben ist 16 bis 18 Zoll. Seine Laich - und Wanderzeit beginnt Ende October oder An - fang November. Um diese Zeit erhält auch der Schnäpel, wie seine übrigen Verwandten einen Hautausschlag, den bis jetzt Ekström1)Vergl. dessen: Fische in den Scheeren von Morkö. pag. 200. allein erwähnt und in folgender Weise be - schrieben hat: » während der Laichzeit haben die Männchen 5 erhabene, milch - weisse Knotenreihen aussen an jeder Seite, 2 über der obern und 3 unter der untern Seite der Seitenlinie, welche gerade Linien bilden. Die Seitenlinie hat auch eine ähnliche, wenn gleich minder deutliche und oft unbemerkbare Knöt - chenreihe. Die Knötchen stehen auf dem Rücken der Schuppen in der Form erhabener Linien «. Nach dem Abfallen dieser Hautverdichtungen werden auch261Gattung: Coregonus.hier wie ich es bei der gemeinen Renke beobachtet habe, Längsstreifen wahr - zunehmen sein und zwar bei beiden Geschlechtern; in der That hat Bloch1)A. a. O. pag. 171. Taf. 26. sowohl an den Männchen als an den Weibchen seines Salmo Thymallus latus diese Längsstreifen beobachtet, welche aber nicht nach Bloch’s Annahme als Species-Charaktere einer besonderen Coregonus-Art, sondern nur als Zeichen der Brunst des Schnäpels zu betrachten sind.
Schon Rondelet2)S. dessen: Aquatilium historiae pars altera pag. 195. Cap. XX. De Oxyrhynchis pisci - bus. Auf der Abbildung sind unbegreiflicher Weise, wie bei einem Schellfische, drei Ruckenflossen dargestellt. hat das häufige Vorkommen des Coreg. oxyrhynchus zu Antwerpen gekannt, aber eine so unrichtige Abbildung von diesem Fische geliefert, dass Gesner3)S. Nr. 34a: pag. 771. De oxyrhynchis piscibus. sich nicht veranlasst fand, den Schnäpel mit den übrigen Coregonen vereinigt zu besprechen. Hierdurch wurde wahrscheinlich Schonevelde (a. a. O.), der zuerst eine gute Abbildung des Schnäpel lieferte nicht bloss abgehalten, diesen Fisch in Gesner’s Fischbuch unter seinen » Oxy - rhynchis piscibus « zu suchen, wo derselbe mit dem deutschen und holländi - schen Volksnamen » Schnepel « und » Hautin « erwähnt ist, sondern auch zu dem Fehler verleitet, Gesner’s (Nr. 34a: pag. 37) » Albula nobilis « mit dem Schnä - pel zu verwechseln, welche Verwechslung auch Artedi (a. a. O.) begieng, indem er Schonevelde’s » Albula nobilis « (den echten Schnäpel der Nord - und Ostsee) nicht mit dem Coreg. oxyrhynchus sondern mit dem Coreg. Lavaretus (C. Fera) zusammenstellte. Aus demselben Grunde mag auch Baldner (a. a. O.) irre geführt worden sein und die den » Albelen « (Coreg. Wartmanni und Fera) betreffenden Mittheilungen Gesner’s auf den Schnäpel bezogen ha - ben, über welchen derselbe folgende Notizen niedergeschrieben: » Diese Fische (» Elbel «) werden bei uns gar selten gefangen, deshalb sie fast unbekannt. Ihr Laich ist im Christmonat in den strengen Wassern auf dem Steinboden. Am besten sind sie in Mai und Juni. Nach Dr. Gesner heisst der Elbel zu Zürich Miling, zu Bern Elblen, zu Lindau Buchfisch oder Meydel-Fisch «. Die Abbil - dung, welche Baldner von diesem » Elbel « geliefert hat, lässt nur eine etwas weniges hervorragende stumpfe Schnauze erkennen, wodurch der dargestellte Fisch eher an einen Coreg. Fera als an einen Coreg. oxyrhynchus erinnert. Es wäre deshalb möglich, dass Baldner wirklich einen Coreg. Fera zur Darstellung vor sich gehabt hat, obgleich meines Wissens oberhalb Strassburg im Rhein noch niemals ein Coreg. Wartmanni oder Fera gefangen worden ist, während das Vorkommen des Coreg. oxyrhynchus in Holland und Belgien nicht bloss auf die Ausflüsse des Rheins, der Maas und der Schelde beschränkt bleibt4)Gronovius (Animalium in Belgio habitantium Centuria I vid. Acta helvetica. Vol. IV. 1770. pag. 266) giebt vom Schnäpel an: » reperitur in fluminum ostiis «., son -262Familie: Salmonoidei.dern sich in diesen Flüssen auch weiter aufwärts ausdehnt1)Selys, welcher anfangs glaubte, der Schnäpel verlasse nicht die Mündungen der Flüsse (s. dessen Faune belge. pag. 222 und 243), hat sich später überzeugt, dass dieser Fisch über Antwerpen hinaus bis Dendermonde die Schelde hinaufsteigt (s. Bulletins de l’Acad. roy. de Belgique a. a. O.)., so dass dieser Zugfisch bereits bei Cöln im Rhein angetroffen worden ist2)Der von Nau (a. a. O.) als Salmo Lavaretus beschriebene Schnäpel ist bei Cöln im Rhein gefangen worden., was Veranlas - sung genug ist, anzunehmen, dass der Schnäpel bei seinen Wanderungen im Rhein sich auch ab und zu bis Strassburg verirren könne. Wenn Baldner diesen Fisch nicht gehörig erkannte und mit dem Albelen der Schweizer-Seen verwechselte, so ist das um so verzeihlicher, da ja Baldner selbst sagte, die - ser Fisch sei für Strassburg eine sehr grosse Seltenheit. Höchst wahrschein - lich war ausserdem noch an dem todten Exemplare, welches Baldner für seine Abbildungen benutzen liess, durch längeres Verweilen ausserhalb des Wassers die weiche Hervorragung der Schnauze verschrumpft und zusam - mengetrocknet, wodurch, wie ich mich selbst in Danzig und Hamburg an solchen trocknen Schnäpeln überzeugt habe, dieser Coregonus der Bodenrenke sehr ähnlich und eine Verwechslung beider Coregonen um so leichter möglich wird. Auch Nilsson hat an Coreg. oxyrhynchus die starke Einschrumpfung der Schnauze beobachtet3)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna IV. pag. 456 oder Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften 1860, Juli August (Creplin’s Uebersetzung), wo es pag. 35 heisst: » Wenn der Fisch trocken wird, so verkürzt sich die Schnauze bedeutend und wird quer - stumpf «.. Ein solches Exemplar des Schnäpels mit vertrock - neter Schnauze mag auch jener » Elbel « gewesen sein, welchen Dr. Reisseisen aus Strassburg an Valenciennes gesendet hat und in welchem der letztere (Nr. 5: T. XXI. pag. 458) einen » Lavaret « vom lac du Bourget erkannt haben will. Ich muss es noch einmal hier wiederholen: die in den Alpenseen woh - nenden Coregonen scheinen an ihren Aufenthaltsort so festzuhalten, dass ich die Deutung des Baldner und Valenciennes, nach welcher die bei Strassburg gefangenen Coregonen alpine Renken-Arten gewesen sein sollen, so lange zu bezweifeln geneigt bin, ehe nicht dergleichen verirrte Salmoneer unter Be - rücksichtigung des Coreg. oxyrhynchus einer genaueren Untersuchung un - terworfen worden sind. Man könnte meine Zweifel durch die Einwendung beseitigen, dass so gut wie aus den östreichischen Alpenseen Coregonen in die Donau übergehen könnten, auch Coregonen der Schweizer-Seen in den Rhein austreten werden. Allerdings sagt Kramer4)S. dessen: Elenchus vegetabilium et animalium per Austriam inferiorem observato - rum. 1756. pag. 389. nr. 1. von der gemeinen Renke: » ha - bitat in Danubio «, was aber schon von dem vielerfahrenen Meidinger5)S. dessen: Icones piscium Austriae indigenorum. Decuria IV. 1790. nr. 34. Salmo Lavaretus. Hier sagt Meidinger wörtlich: » Habitat in lacu Gmundano & Kamerano Austriae sup. unde omnes adsportantur, ideo numquam captus in Danubio, ut Kramerus statuit. « für eine263Gattung: Coregonus.unrichtige Angabe erklärt worden ist. Dass auch jener von Schreibers als an - geblicher Donaufisch nach Paris eingesendete Coregonus, welchen Valencien - nes1)A. a. O. pag. 496. unter dem Namen Coreg. Reisingeri beschrieben hat, nicht aus der Do - nau, sondern aus dem Traunsee stammte, ist schon oben (pag. 250) hervor - gehoben worden.
Für die Richtigkeit meiner Annahme, dass der Schnäpel sich wirklich bis zum Mittelrhein hinauf verirren könne, spricht ferner noch eine Notiz, die mir in Speyer von Fischern über einen mit langer Schnauze versehenen Salmoneer des Rheins mitgetheilt wurde. Ich erkannte aus der mir gemachten Beschrei - bung dieses Fisches, der in Speyer » Schmalzfeder « genannt wird, ganz deut - lich den Coreg. oxyrhynchus.
In die Weser - und Elbe-Mündungen sowie in die Ausflüsse der der Ost - see zuströmenden Gewässer und in die mit diesem Meere zusammenhängen - den Haffe treten die Schnäpel zur Laichzeit ebenfalls oft sehr zahlreich ein, scheinen aber auch von hier aus nicht sehr weit die Flüsse hinaufzuwandern, da die Faunisten diesen Wanderfisch als Besucher der oberen Gegenden der genannten Wassergebiete gänzlich unerwähnt lassen. Nur Schulz (a. a. O.) theilte mit, dass der Schnäpel zuweilen bis in die Gegend von Stendal in der Elbe und bis Schwedt in der Oder hinauf gelangt sei. Nach meinen in Nord - deutschland eingezogenen Erkundigungen soll der Schnäpel bei seinen Wan - derungen in der Weser den Zusammenfluss der Fulda und Werra bei Münden und in der Elbe die Magdeburger und Torgauer Gegend erreichen können.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 10. n. 2, Descript. spec. pisc. pag. 37. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 15. Salmo Lavaretus (zum Theil) und Fauna suecica. Stockholm 1761. pag. 125. n. 352. Salmo Lavaretus (ohne Citate).
Bloch Nr. 3a: Th. I. pag. 172. Taf. 27, und Nr. 3b: pag. 64. Salmo Maraena, Maräne, Madui-Maräne.
Siemssen Nr. 79: pag. 59. Salmo Maraena, grosse Maräne.
Schulz Nr. 78: pag. 520. Coregonus Maraena, grosse Maräne.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 55. Coregonus Lavaretus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 481. Pl. 629. Coregonus Maraena.
Artcharakter: Schnauze kurz, dick und etwas schräg nach unten und hinten abgestutzt; Oberkinnlade über den Unterkiefer hervorragend; sehr dünne hinfällige Hautzähne auf der In - nenseite der Zwischenkiefer, feine Zähne auf einer zarten Knochenplatte der Zunge; Körper in die Länge gestreckt; Schwanzstiel gedrungen.
D. 4 / 10 — 11, P. 1 / 16 — 17, V. 2 / 9 — 10, A. 4 / 10 — 12, C. 19, Squ. 9 — 10 / 95 — 98 / 8 — 9.
264Familie: Salmonoidei.Aus den diagnostischen Merkmalen, die ich für die grosse Maräne aufzu - stellen versucht habe, geht hervor, dass dieselbe dem Coreg. Fera sehr nahe
Kopf von der Seite.
steht. Die vier Exemplare, welche ich zur Vergleichung aus Pommern und Mecklen - burg hier vor mir habe, unterscheiden sich nur in den Umrissen der Schnauze um etwas von der Bodenrenke Süddeutsch - lands. Die Schnauze der grossen Madui - Maräne, wie sie gewöhnlich genannt wird, ist um vieles gedrungener und breiter, die beiden Zwischenkiefer steigen nicht so schräg nach unten und hinten hinab wie bei der Bodenrenke, auch erscheinen die beiden seitlichen Oberkieferknochen etwas länger.
Die grosse Maräne lebt, wie die Bodenrenke, stets in sehr grosser Tiefe der Seen und verlässt diesen verborgenen Aufenthalt nur, um ihr Fortpflan - zungsgeschäft an seichten Stellen zu verrichten. Es tritt diese Laichzeit Mitte November ein und soll dieselbe ohngefähr nach drei Wochen beendigt sein. Es erreicht dieser Coregonus eine sehr bedeutende Grösse, zwei Fuss lange Individuen sind nichts ungewöhnliches, doch sollen nach Bloch’s Angaben auch vier Fuss lange Individuen gefangen werden.
Die Verbreitung der grossen Maräne scheint sich in Norddeutschland nur auf einige grössere Seen von Pommern und Mecklenburg zu beschränken; als leckere Speise sind diese Fische seit lange berühmt aus dem Maduisee bei Stargard in Pommern und aus dem Schaalsee im Lauenburgschen.
Sehr auffallend und bedenklich muss dem Systematiker die Ansicht Nils - son’s1)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 453 oder Creplin’s Uebersetzung a. a. O. pag. 32. entgegentreten, nach welcher der Coreg. Maraena nur eine stumpf - schnauzige Varietät des Schnäpel sein soll. Derselbe2)A. a. O. pag. 454 oder Creplin’s Uebersetzung a. a. O. pag. 33. will zwischen dem Co - reg. oxyrhynchus und Coreg. Maraena deutliche Uebergänge vor sich gehabt haben. Ich kann es nicht wagen, einen Widerspruch gegen diese Behauptung zu erheben, da ich nicht Gelegenheit gehabt habe, durch eigene Anschauung und Vergleichung möglichst vieler Individuen von verschiedenen Alters - und Entwicklungs-Zuständen des Coreg. Maraena mir über die Art-Berechtigung dieser Maräne vollkommene Gewissheit zu verschaffen. Ich habe schon oben (pag. 262) hervorgehoben, dass ein Schnäpel unter gewissen Umständen seine lange spitze Schnauze einbüssen kann. Ein solcher Schnäpel dürfte allerdings dem stumpfschnauzigen Coreg. Maraena nahe treten, allein die längeren seit -265Gattung: Coregonus.lichen Oberkiefer des Coreg. oxyrhynchus würden doch wohl den Schnäpel als solchen erkennen und von der Madui-Maräne unterscheiden lassen, da letz - tere, nach meinen Erfahrungen wenigstens, kürzere seitliche Oberkiefer be - sitzt. Ob sich aber in dieser Beziehung nicht auch allmähliche Uebergänge von dem Coreg. oxyrhynchus mit langen Oberkieferknochen zu dem Coreg. Maraena mit kurzen Oberkieferknochen herausfinden lassen, muss dahin ge - stellt bleiben. Vor der Hand möchte ich mich eher dahin neigen, den Coreg. Maraena Norddeutschlands und Coreg. Fera Süddeutschlands für zwei nahe stehende Rassenformen einer Coregonus-Species zu erklären. Was mich be - sonders abhält, den Coreg. oxyrhynchus und Coreg. Maraena als spitzschnau - zigen und stumpfschnauzigen Schnäpel nach dem Beispiele Nilsson’s zu ver - einigen, ist die so sehr verschiedene Lebensweise bei der Coregonen. Erste - rer ist ein Wanderfisch, welcher aus dem Meere, um zu laichen, die Flüsse hinaufsteigt, letzterer dagegen ein stationär in Seen Jahr aus Jahr ein verwei - lender Fisch. Eine solche Verschiedenheit in der Lebens - und Fortpflanzungs - weise verbunden mit Abweichungen in der Körperform giebt doch wohl Ver - anlassung genug, diese beiden Coregonen als zwei besondere Arten auseinan - der zu halten.
Syn. u. Citate.
Schonevelde Nr. 81: pag. 46. Marena, Marene
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 9. n. 1, Descript. spec. pisc. pag. 40. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 18. n. 1. Coregonus Albula minima.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 16. Coregonus Albula.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 176. Taf. 28. Fig. 3 und Nr. 3 b: pag. 84. Salmo Maraenula, kleine Maräne.
Siemssen Nr. 79: pag. 60. Salmo Maraenula, kleine Maräne.
Gloger Nr. 88: pag. 73. n. 8. Salmo albula, kleine Maräne.
Bujack Nr. 97: pag. 321. Coregonus Maraenula, kleine Maräne.
Schulz Nr. 78: pag. 521. Coregonus Maraenula, kleine Maräne.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 93. Coregonus Albula, Maräne.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 520. Pl. 633. Coregonus albula.
Artcharakter: Die beiden sehr niedrigen zahnlosen Zwischenkie - fer veranlassen einen Ausschnitt im Oberkieferrande, in welchen das mehr oder weniger vorstehende Kinn des auf - steigenden Unterkiefers hineinpasst; feine Zähne auf einer zarten Knochenplatte der Zunge; Körper und Schwanzstiel gestreckt.
D. 4 / 8 — 9, P. 1 / 14 — 15, V. 2 / 10, A. 4 / 11 — 12, C. 19, Squ. 7 — 9 / 82 — 84 / 8.
Die kleine Maräne bietet durch ihre niedrigen Zwischenkiefer und ihren vorstehenden Unterkiefer, wodurch das Kinn desselben fast die Spitze der266Familie: Salmonoidei.keilförmigen Schnauze dieses Fisches bildet, ein so auffallendes Ansehen dar, dass dieselbe auf den ersten Blick von allen übrigen Renkenrten-AMitteleuro -
Kopf von der Seite.
pa’s zu unterscheiden ist. Wegen dieser Kieferbildung ist das Profil des Kopfes der kleinen Maräne schon oft mit dem Kopfe eines Härings oder eines Ukeley ver - glichen worden.
Die Färbung der kleinen Maräne ist ebenso einfach wie bei den übrigen Coregonus-Arten. Der Rücken erscheint blaugrau, Seiten und Bauch sind silberglän - zend gefärbt, die Rücken - und Schwanzflosse besitzen eine graue, die übrigen Flossen dagegen eine weissliche Färbung.
Die gewöhnliche Grösse dieses Coregonen beträgt nur 6 bis 8 Zoll, doch kann derselbe auch bis zu 10 Zoll und etwas darüber heranwachsen.
Das Vorkommen der kleinen Maräne erstreckt sich in Mitteleuropa fast auf alle grössere stehende Gewässer jenes Complexes von Seen, welche sich von den masurischen Seen an durch Ost - und West-Preussen, durch Polen, Pommern, Niederschlesien, Brandenburg, Mecklenburg bis nach Holstein hin - ziehen.
Ausser der Laichzeit halten sich die kleinen Maränen stets in der Tiefe der Seen auf; um ihr Fortpflanzungsgeschäft zu betreiben tauchen sie aus ihrer Verborgenheit auf und lassen, nach Art des Coreg. Wartmanni, ihren Laich in das freie Wasser fallen. Es geschieht dies in den Monaten November und December, zu welchem Zwecke die Maränen oft schaarenweise von einem See in den anderen überwandern, indem sie die grössere Wasserfläche gewisser Seen als Laichplatz ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte vorziehen. Bekannt - lich beginnen in den masurischen Seen diese Wanderungen der Maränen be - reits im September und October aus dem Mauer - und Löwentin-See nach dem Spirdingsee, aus welchem sie erst im nächsten Frühjahre nach ihrem Sommerquartier zurückkehren. Bei diesen Wanderungen und gesellschaft - lichen Vereinigungen wird diesen Salmoneern von den Fischern hauptsächlich nachgestellt, da ihr Fleisch ein sehr gesuchtes Nahrungsmittel ist.
Gattungscharakter: Mundspalte eng; die Kieferknochen, der Pflug - scharknochen und die Gaumenbeine mit vielen feinen Zäh - nen besetzt; die Rückenflosse beginnt weit vor den Bauch - flossen; die mittelgrossen Schuppen festsitzend; der Vor - derr and der Rückenflosse kürzer als die Basis derselben.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 157. Taf. 9. Aeschen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 10. n. 3. Thymallus, Descript. spec. pisc. pag. 41. n. 3, Syn. nom. pisc. pag. 20. n. 3. Coregonus Thymallus.
Linné Nr. 2: pag. 512. n. 17. Salmo Thymallus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 158. Taf. 24. Salmo Thymallus, Aesche.
Schrank Nr. 23 a: pag. 325. n. 299. Salmo Thymallus, Asch.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 133. Salmo Thymallus, Aesche.
Gloger Nr. 88: pag. 73. n. 9. Salmo thymallus, Aesche.
Bujack Nr. 97: pag. 320. Salmo Thymalus, Aesche.
Agassiz Nr. 9: Tab. 16〈…〉〈…〉, 17 ♁, 17, bis. Thymallus vexillifer, Aesche.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 222. Thymallus vexillifer, Ombre.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 35. Thymallus Thymallus, Aesche.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 438. Thymalus vexillifer und pag. 445. Pl. 626. Thyma - lus gymnothorax.
Günther Nr. 47: pag. 117. Thymallus gymnothorax, Asch.
Leiblein Nr. 51: pag. 117. Thymallus vexillifer, Aesche.
Rapp Nr. 41: pag. 25: Thymallus gymnothorax, Asch.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 242. Fig. 137. Thymallus vexillifer, Aesche.
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Thymallus vexillifer, Aesche.
Artcharakter: Der Oberkieferrand über den Unterkieferrand vor - stehend: die Basis der Rückenflosse doppelt so lang als die Basis der Afterflosse.
D. 5 — 7 / 14 — 17, P. 1 / 14 — 15, V. 1 / 10, A. 3 — 4 / 9 — 10, C. 19, Squ. 7 — 8 / 86 — 88 / 9 — 10.
Unter allen unseren Salmoneern ragt die Aesche durch ihre auffallend grosse Rückenflosse und durch das prächtige Farbenspiel dieser letzteren als ein besonders schön geschmückter Fisch hervor. Gegen den langgestreckten und im übrigen nur mässig comprimirten Leib sticht der eine fast schneidende268Familie: Salmonoidei.Kante bildende Vorderrücken auffallend ab. Der Scheitel ist abgeflacht und der Kopf nach vorn ganz niedergedrückt. Der mittlere Theil der mässig kleinen Mundspalte steht quer, die seitlich zurückgebogenen Mundwinkel ragen nur bis unter den Vorderrand der Augäpfel. Die Ränder der Zwischen -, Ober - und Unterkiefer sind mit einer einfachen Reihe schwacher und spitzer Zähne besetzt, auch auf dem Vomerknochen und auf den Gaumenbeinen steht eine Gruppe ähnlicher Zähne; die dünne Knochenplatte der Zunge dagegen ist zahnlos. Die mittelgrossen Schuppen der Aesche sind derber gebildet und sitzen fester als bei den Coregonen. Sie sind auf der Unterseite des Schwan - zes von den Bauchflossen bis zur Caudalflosse am grössten entwickelt, und zeigen dagegen auf der Brust - und Bauchseite eine ausserordentliche Klein - heit. Die Kehle und Umgebung der beiden Bauchflossen-Gelenke erscheinen immer ganz nackt; von hier aus zieht sich sehr häufig ein nackter Hautstrei - fen zu beiden Seiten der beschuppten Mittellinie in bald längerer, bald kür - zerer Ausdehnung nach hinten. Die Beschuppung dieser Mittellinie auf Brust und Bauch besteht aus einer Längsreihe von grösseren Schuppen, welche nach hinten allmählich grösser werden, während die Seitentheile des Bauchs von sehr kleinen, ja bis zum Verschwinden kleinen Schuppen bedeckt wer - den. Valenciennes hat diejenigen Individuen, welche zwischen den Brust - flossen sehr ausgebreitete nackte Hautstellen besitzen, unter dem Namen Thymallus gymnothorax zu einer besonderen Art vereinigt. Es ist diese Art, welche Valenciennes in Berlin angetroffen und aus Russland erhalten hatte1)S. dessen: Hist. d. poissons. a. a. O. Auch der Thymallus gymnogaster aus der Newa, in welchem Valenciennes (ebenda. pag. 446. Pl. 626) eine besondere Art erkannt haben wollte, wird nichts anderes sein, als eine noch im höheren Grade von Schuppen entblösste Abart der gemeinen Aesche., aber unhaltbar und nicht einmal als eine klimatische nordische Abänderung zu betrachten, da Günther (a. a. O.) diesen Thymallus gymnothorax auch im Neckar, also in Mitteleuropa angetroffen hat, und ich an den Aeschen des hie - sigen Fischmarktes alle Uebergänge von den sehr nackten Individuen bis zu den ziemlich vollständig beschuppten Individuen habe herausfinden können. Ich muss daher Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 244) beistimmen, welche den Th. gymnothorax als besondere Aeschen-Art nicht anerkennen, indem sie allen Exemplaren des Th. vexillifer nackte Stellen zwischen und hinter den Brustflossen zuschreiben, die nach dem Alter bald eine etwas grössere, bald eine etwas geringere Ausdehnung zeigen. Mir hat es scheinen wollen, als ob die geringere Beschuppung an den jüngeren Aeschen besonders häufig anzu - treffen wäre2)Es kann die bald geringere, bald grössere Schuppenlosigkeit der Brust bei der Aesche eben so wenig wie bei dem Kaulbarsch (s. oben pag. 59) als eine Artverschiedenheit betrachtet werden..
269Gattung: Thymallus.Die Afterflosse, Brust - und Bauchflossen tragen weder in Form noch Grösse eine besondere Auszeichnung an sich, dagegen erscheint die Rücken - flosse durch ihre Länge und Höhe sehr charakteristisch gebildet. Sie enthält 5 bis 6 einfache und 16 bis 17 gegliederte Strahlen, während die Rücken - flosse unserer übrigen Salmoneer aus drei einfachen und 10 bis 12 geglie - derten Strahlen zusammengesetzt wird. Die gegliederten Strahlen der Rücken - flosse sind bei der Aesche sehr lang, nehmen aber der Reihe nach von vorn nach hinten an Länge ab, so dass der Hinterrand der Flosse viel niedriger erscheint als ihr Vorderrand, welche Dimensionsverhältnisse sich aber nach dem Alter dieses Fisches ändern können; bei grösserem Auswachsen der männlichen Aeschen nehmen die hinteren Strahlen der Rückenflosse an Länge so zu, dass die hintere Spitze der zurückgelegten Rückenflosse bald mehr, bald weniger von der Fettflosse absteht oder dieselbe wirklich berührt. Solche Individuen werden von den hiesigen Fischern mit dem passenden und dem Th. vexillifer des Agassiz entsprechenden Namen » Federäsche « bezeichnet. Die ausgeschnittene Schwanzflosse ist auf den Hauptstrahlen bis weit über die Hälfte ihrer Länge mit kleinen langgestreckten Schuppen belegt1)Agassiz (Hist. nat. d. poissons etc. Tab. XVII bis. Fig. 5) hat diese eigenthümlich geformten Schuppen sehr gut abgebildet..
Die Farbe des Rückens der Aesche ist graugrün, die Leibesseiten und die Bauchseite glänzen silberweiss; derjenige Theil der allgemeinen Haut - bedeckung, welcher die Schuppen überzieht, erscheint durch bald weniger, bald mehr dicht stehende kleine runde Pigmentflecke grau oder schwärzlich gefärbt. An den meisten Individuen beschränkt sich diese Pigmentirung auf die Rückenseite des Körpers, zuweilen zieht sie sich auch an den Körperseiten herab und nimmt bei einzelnen Individuen sogar die ganze Bauchseite ein. Ausserdem macht sich auf den Seiten des Leibes noch eine längsstreifige Fär - bung geltend, welche von unter den Schuppen angebrachten schwarzen, rothen und gelben Haut-Pigmentflecken herrührt. Bei manchen Aeschen ist das schwarze Pigment zu einzelnen grösseren rundlichen oder rhombischen Flecken dicht aneinandergedrängt. Die paarigen Flossen erscheinen schmutzig gelbroth, die Rücken -, After - und Schwanzflosse, sowie die Fettflosse vio - lett. Die Rückenflosse trägt einen purpurrothen Spiegel, durch welchen sich drei bis vier schwarze Fleckenbinden hinziehen. Ueber die ganze Hautober - fläche des Körpers der Aeschen ist ein goldgrüner und zugleich irisirender Glanz ausgegossen, der von eigenthümlichen, in die Haut eingebetteten Ge - webtheilen herrührt. Auch von der Rückenflosse, von der Fettflosse und von der oberen Fläche der paarigen Flossen geht ein ähnlicher irisirender Glanz aus. Alle diese Färbungen ändern sehr ab, und zwar nach dem Alter, dem Aufenthaltsort und den Jahreszeiten, wobei die jüngeren Individuen am270Familie: Salmonoidei.schwächsten gefärbt erscheinen, während die älteren brünstigen Individuen in dem schönsten und glänzendsten Hochzeitskleide prangen.
Das Vorkommen der Aesche, welche eine Grösse von 12 bis 18 Zoll er - reichen kann, beschränkt sich auf klare und schnell fliessende Bäche und Flüsse mit steinigem Grunde; auch unsere Alpenbäche liebt die Aesche, steigt aber nicht so hoch hinauf wie die Forelle. Im Bodensee, sowie im Chiemsee ist die Aesche eine grosse Seltenheit. Obgleich die Aesche, mit deren Fang sich die Angelkünstler in Süddeutschland ganz besonders gern beschäftigen, keinem norddeutschen Flussgebiete fehlt, ist sie dort bei weitem seltener als in den klaren, den nördlichen Alpenabhängen enteilenden Gewässern.
Die Nahrung dieses sehr gefrässigen Fisches besteht hauptsächlich aus Insecten, Mollusken, Gewürm und Fischbrut. Die Aesche verschlingt aber nicht bloss Wasserinsecten, sondern eben so gern auch Landinsecten, die zu - fällig auf das Wasser fallen oder mit dem Wasser fortgerissen werden, daher sich in ihrem Magen ausser Phryganiden und Ephemeriden auch Käfer, Land - wanzen, Cicadellinen, Heuschrecken, Wespen und Ameisen vorfinden.
Die Laichzeit dieses Fisches beginnt im März und kann bis in den April hinein dauern, während welcher Zeit die Aesche ihren Aufenthaltsort nicht verlässt. Die Haut der männlichen und weiblichen Aeschen zeigt während dieser Brunstzeit eine vermehrte Thätigkeit, indem sich die Epitheliumschicht der hinteren mit den Schuppen verwachsenen Fläche der Schuppentaschen zu einer festen, ziemlich gleichmässigen Schwarte erhebt, wobei jedoch die Umrisse des hinteren Schuppenrandes nicht verwischt werden. Es findet diese Hautwucherung am auffallendsten auf dem Rücken und an den Schwanz - seiten dieser Fische Statt.
Während der Laichzeit machen sich den brünstigen Individuen gegen - über die gleich grossen, steril bleibenden Formen der Aesche besonders be - merkbar, indem diese letzteren nicht bloss eine weniger intensive Färbung und kleinere Flossen besitzen, sondern indem ihnen auch die eben erwähnte Hautwucherung auf den Schuppen abgeht. Eierstöcke und Hoden sind zwar deutlich vorhanden, erscheinen aber auf einer sehr niederen Stufe der Ent - wicklung stehen geblieben, was sich äusserlich schon durch die kleine un - scheinbare Urogenital-Papille verräth. Das Fett, welches die Verdauungs - werkzeuge der Aeschen zu umgeben pflegt, ist bei diesen sterilen Aeschen im Vergleich zu den fruchtbaren brünstigen Individuen besonders reichlich vorhanden.
271Gattung: Osmerus.B. Maul weit gespalten, die Oberkiefer ragen bis unter die hinteren Augenränder; alle Kieferknochen, sowie die Gaumen - beine, das Pflugscharbein und der vordere Zungenknochen tragen Zähne; die Schuppen meistens klein, von verschiedener Form, fein concentrisch gestreift, ohne fächerförmig verlau - fende Radien.
a. An der Gaumendecke sind auch die beiden Flügelbein - Blätter auf ihrem inneren Rande mit einer Zahnreihe bewaffnet; die Zähne des Maules besitzen eine sehr ungleiche Beschaffen - heit; den Schuppen fehlt der Silberglanz-Beleg.
Gattungscharakter: Die Zwischen - und Oberkiefer sind mit einer einfachen Reihe sehr feiner Zähne besetzt, die Unterkiefer tragen eine äussere Reihe sehr feiner Zähne und eine in - nere Reihe grösserer derber Zähne; das rudimentäre Pflug - scharbein stellt einen ganz kurzen, mit einem Paar star - ken, spitzen Zähnen besetzten bogenförmigen Knochen dar; die Gaumen - und Flügelbeine, sowie der vordere Zungen - knochen sind ebenfalls mit starken, spitzen Zähnen be - waffnet; die Schuppen der Leibes-Seiten sind mittelgross und queroval; die Rückenflosse beginnt dicht hinter den Bauchflossen.
Syn. u. Citate.
Schonevelde Nr. 81: pag. 70. Tab. VII. Spirinchus, Stindt.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 10. n. 1, Descr. spec. pisc. pag. 45. n. 1, Synon. nom. pisc. pag. 21. n. 1. Osmerus Eperlanus.
Linné Nr. 2. pag. 511. n. 13. Salmo Eperlanus.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 179. Taf. 28. Fig. 2 (sehr mangelhaft). Salmo Eperlanus, Stint und pag. 182. Taf. 28. Fig. 1. Salmo eperlano-marinus, Seestint.
Siemssen Nr. 79: pag. 57. Salmo Eperlanus, Stint, β major, Seestint.
Bennet und Olivier Nr. 65: pag. 62. Salmo Eperlanus.
Heineken Nr. 69: pag. 148. Salmo Eperlanus, Stint.
Bujack Nr. 97: pag. 321 u. 322. Salmo Eperlanus, Stint u. Salmo Spirinchus, Seestint.
Schulz Nr. 78: pag. 518. Osmerus Eperlanus, Stint.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 1. Osmerus Eperlanus.
Valenciennes Nr. 5: T. XVII. pag. 371. Pl. 620. Osmerus eperlanus u. pag. 387. Osmerus spirinchus.
272Familie: Salmonoidei.Artcharakter: Der Unterkiefer vorstehend; die Zähne des Pflug - scharbeins und des vorderen Zungenbeins die stärksten und längsten; das hinter dem letzteren gelegene mittlere Zungenbein trägt eine mit vielen Zähnen bewachsene läng - liche Knochenplatte; die Seitenlinie nur auf die ersten acht bis zehn Schuppen beschränkt.
D. 3 / 7 — 8, P. 1 / 9 — 10, V. 2 / 7, A. 3 / 11 — 13, C. 19.
Der Stint zeichnet sich von allen mitteleuropäischen Salmoneern durch mehrere Eigenthümlichkeiten ganz besonders aus. Seine Totalgestalt ist sehr in die Länge gestreckt, und nur wenig zusammengedrückt. Der Rücken ver -
Kopf von der Seite mit geschlossenem Maule.
läuft fast ganz gerade, der Unterkiefer ragt sehr weit über den Oberkieferrand hervor, so dass sein Kinn die Spitze des etwas zugespitzten Kopfes bil - det. Die Zähne der beiden Zwischen - und Ober - kiefer sind sehr fein und dicht gestellt; auf dem Unterkiefer stehen einzelne grössere, nach innen ge - krümmte Zähne, vor welchen auf der vorderen Hälfte der beiden Unterkieferäste noch eine dichte Reihe feiner, nach oben gerichteter Zähne ange - bracht ist. Von der Gaumendecke ragen dicht hinter den Zwischenkiefern zwei starke, lange, spitze Zähne herab, welche dem rudimentären Pflugschar -
Kopf von der Seite mit geöffnetem Maule.
bein angehören. Die beiden Seiten der Gaumendecke werden von je zwei Reihen starker Zähne durchzogen, welche den beiden Gaumenbeinen und dem inneren Rande der beiden Flügelbeine aufsitzen. Von dem Bo - den der Mundhöhle erheben sich einige starke und nach hinten gekrümmte Zähne in zwei Reihen, welche von dem vorderen Zungenbeine ausgehen und vor welchen noch ein unpaariger sehr starker Zahn desselben Knochens sich ganz besonders auszeichnet. Hinter diesen grösseren Zähnen macht sich noch ein etwas schwächerer Zahnapparat in mehreren längeren Reihen auf einer gestreckten Knochenplatte bemerkbar, welche dem mittleren Zungenbein aufgewachsen ist. Von den Flossen, welche schwach entwickelt sind, erscheint die Schwanzflosse tief ausgeschnitten.
Die Beschuppung der Stinte verhält sich ganz eigenthümlich, indem keine einzige Schuppe derselben mit dem bekannten Silberglanz belegt ist. Sämmt - liche Schuppen sind ungemein zart, haben meistens eine querovale Gestalt, und sitzen in ihrem ganzen Umfange lose in den äusserst verletzbaren Schup - pentaschen. Die beiden Seitenlinien erstrecken sich nur auf die acht bis zehn ersten Schuppen des Rumpfes. Diese Verkümmerung der Seitenlinien ist bis -273Gattung: Osmerus.her gänzlich ausser Acht gelassen worden. Die zarte Haut der Stinte ist nur theilweise mit Silberglanz belegt, und da auch den Schuppen der Silberglanz fehlt, so erscheinen diese Fische an vielen Stellen ihres Körpers durchsichtig und von dem durchscheinenden Fleische röthlich gefärbt1)Diese normal vorhandene stellenweise Alampia (s. oben pag. 19) giebt sich an der zweiten Gattung dieser Salmoneer-Gruppe, an Mallotus (arcticus) ganz in derselben norma - len Weise zu erkennen.. Einen Silber - glanz besitzen am Stint nur die Iris, der Unterkiefer, die Wangen hinter den Augen, der Kiemendeckel-Apparat, die Schulterknochen, ein Streifen vor den beiden Brustflossen und die Seiten des Leibes, welche letzteren ganz beson - ders prächtig glänzen. Gänzlich silberglanzlos und durchsichtig sind der Scheitel, der ganze Rücken des Leibes, die Unterseite des Schwanzes und die Mitte des Bauches, an welcher letzteren Stelle jedoch das silberglänzende Peritonäum aus der Bauchhöhle hindurchschimmert.
Schwarzkörnige Chromatophoren liegen an vielen Stellen in der Haut der Stinte eingebettet; durch Anhäufung und Ausbreitung derselben erscheint bei vielen Stinten die Schnauze, der ganze Kopf und der Rücken blaugrau gefärbt. Rückenflosse, Schwanzflosse und Vorderrand der Brustflossen sind stets graulich pigmentirt, während die übrigen Flossen ungefärbt bleiben. Eine Gruppe schwarzkörniger Pigmentflecke liegt an den Seiten des Leibes tiefer in der Haut unterhalb der Silberglanz-Schicht verborgen. Durch das Hindurchschimmern dieser schwarzen Pigmentschicht wird der blaugrüne metallisch-glänzende oder irisirende Seitenstreif erzeugt, welcher den Stinten ein so hübsches Ansehen verleiht.
Es variirt der Stint in der Grösse, der Färbung, sowie in dem Profil seines Leibes und Kopfes ausserordentlich. Bloch hat zwei extreme Formen dieser Varietäten unter dem Namen » kleiner Stint « und » grosser Stint « oder » Seestint « als zwei Arten unterschieden. Einige Faunisten sind hierin Bloch gefolgt, dagegen haben aber weder Ekström, Nilsson, Krøyer noch Yarrell und Valenciennes diese beiden Arten Bloch’s angenommen. Auch ich habe mich nicht entschliessen können, den kleinen und grossen Stint als zwei ver - schiedene Arten festzuhalten, indem ich bei der Vergleichung vieler Stinte aus den verschiedensten Fundorten, nämlich aus der Nordsee und Weser, aus der Ostsee, aus der Havel in Brandenburg und aus dem Spirdingsee in Masu - ren zwar jene von Bloch beschriebene kleine und grosse Stintform heraus - finden konnte, jedoch in Verbindung mit so allmählichen Uebergängen, dass es mir nicht möglich wurde, unter diesen verschiedenen Varietäten eine scharfe Abtrennung vorzunehmen. Der Leib des kleinen Stintes, meistens in der Grösse von 3 bis 5¼ Zoll, erscheint gestreckter, niedriger und weniger comprimirt, ist mit dichter stehenden schwarzen Pigmentflecken besetzt und enthält schwächere Zähne und eine kürzere Zunge, welche letztere mit ihremv. Siebold, Fische. 18274Familie: Salmonoidei.vordersten Zahne bei geschlossenen Kiefern weit von den Vomerzähnen zu - rücksteht. Der Leib des grossen oder Seestintes, der mir bis zu einer Länge von 9¾ Zoll in die Hände gekommen ist, zeigt sich etwas höher und mehr comprimirt, das schwarze Pigment ist in der Haut desselben sparsamer und in kleineren Flecken vorhanden, seine Zähne erreichen eine kräftigere Ent - wicklung und seine Zunge ragt weiter hervor, so dass bei geschlossenen Kie - fern der vorderste Zahn der Zunge zwischen den Vomerzähnen oder sogar vor denselben den Gaumen berührt.
Der Stint lebt immer in sehr grossen Gesellschaften beisammen, theils in der Nord - und Ostsee, theils in den Haffen und denjenigen grösseren Seen, welche sich von Masuren durch Preussen, Pommern, Brandenburg und Mek - lenburg bis nach Holstein bald in geringerer bald in grösserer Unterbrechung ausbreiten. Sie halten sich ausser der Brunstzeit in der Tiefe der genannten Gewässer verborgen, kommen aber im März und April aus ihrer Verborgen - heit hervor, und suchen in dichten, zahllosen Schaaren beisammen vom Meere aus die Mündungen der Ströme und von den Seen aus die mit diesen zusam - menhängenden Flüsse auf, um in deren Strömungen an sandigen Stellen ihren Laich abzusetzen. Bei diesen Wanderungen werden diese Fische massenhaft und gewöhnlich des Nachts unter Feuerschein gefangen, da sie der niederen Volksclasse eine wohlfeile und beliebte Speise gewähren, welche indessen noch viel gesuchter wäre, wenn diese Thiere nicht einen so höchst unange - nehmen Geruch verbreiteten, der in manchen Gegenden Norddeutschlands längst sprichwörtlich geworden ist. In den Haffgegenden werden diese Stinte zuweilen in so grossen Mengen gefangen, dass sie sogar als Viehfutter verwen - det werden müssen. Am Kurischen Haff werden diese Fische in neuester Zeit auch zur Anfertigung von Guano verwendet.
Ich habe leider bis jetzt nicht Gelegenheit gehabt, frische brünstige Stinte zu untersuchen, glaube aber aus der Beschaffenheit einiger unvollkommener Weingeist-Exemplare dieser Fische die Vermuthung aussprechen zu können, dass höchst wahrscheinlich auch bei diesen Salmoneern während der Laich - zeit gewisse Hautwucherungen zur Entwicklung kommen.
275Familie: Salmonoidei.b. Die Flügelbein-Blätter an der Gaumendecke sind zahn - los; alle Zähne des Maules von kräftiger Entwicklung; die Schuppen besitzen Silberglanz-Beleg.
Die hierher gehörigen Salmoneer verzehren trotz ihres weiten und mit starken Zähnen bewaffneten Maules oft nur ganz kleine Insecten und winziges Gewürm, manche füllen ihren Magen, ähnlich wie die zahnlosen Renken, aus - schliesslich mit den kleinsten Entomostraceen an.
Die Jungen aller dieser Salmoneer zeichnen sich durch eine schwarze Fleckenbinde aus, welche die Seiten des Leibes einnimmt und aus 8 bis 12 grossen schwarzen, querovalen Flecken besteht. Das Pigment dieser Fleckenbinde ist unterhab der Schuppen angebracht, und schwindet erst im zweiten Lebensjahre dieser Fische, kann aber unter gewissen Verhältnissen der Haut auch noch länger fortbestehen bleiben1)Dergleichen junge Lachse mit seitlicher Fleckenbinde hat Shaw abgebildet in: the Edinburgh new philosophical Journal. Vol. XXIV. 1838. pag. 171. Fig. 3 bis 5, (s. auch Froriep’s neue Notizen. Bd. VI. 1838. Fig. 4 bis 6), vergl. ferner: Shaw’s experimental obser - vations on the development and growth of Salmon-fry, abgedruckt in the transactions of the roy. society of Edinburgh. Vol. XIV. 1840. Pl. II. Fig. 3 bis 6. Drei junge Seeforellen mit seitlicher Fleckenbinde stellte Jardine auf der Vignette der eilften Tafel seines Prachtwerkes der » british Salmonidae « dar. Von Yarrell wurden in seiner » History of british fishes « (Vol. II. 1841. pag. 36. Fig. 1. 2. 3 ) ein junger Lachs, eine junge Seeforelle und eine junge Bachforelle mit seitlicher Fleckenbinde abgebildet. Von einem jungen Huchen mit seit - licher Fleckenbinde lieferte Agassiz in seiner: Histoire nat. des poissons d’eau douce Tab. XII. eine sehr hübsche Abbildung.. Auch der Leib der jungen Aeschen erscheint an den Seiten mit einer solchen schwarzen Fleckenbinde besetzt. Ob auch die jungen Coregonen eine ähnliche Färbung und Zeich - nung besitzen, weiss ich nicht, da mir noch keine ganz jungen Renken zu Ge - sicht gekommen sind.
Ein anderes Zeichen des jugendlichen Alters dieser bezahnten Salmoneer ist die gabelige Schwanzflosse, welche sich im höheren Alter allmählich ver - liert, indem der scharfwinkelige Ausschnitt durch einen halbmondförmigen Ausschnitt ersetzt wird, der bei gewissen Arten späterhin auch noch schwin - det, so dass zuletzt die Schwanzflosse senkrecht abgeschnitten oder sogar abgerundet erscheint.
Bei den männlichen Individuen dieser Salmoneer verräth sich das höhere Alter durch eine auffallende Veränderung des Profils ihres Kopfes, indem sich die Kieferknochen desselben etwas mehr in die Länge strecken, und der Un - terkiefer oberhalb des Kinnwinkels vor den Zähnen einen aufsteigenden stumpfen Fortsatz erhält, welcher bei weiterem Fortwachsen sich haken -18*276Familie: Salmonoidei.förmig nach hinten umbiegt und anfangs in eine am Gaumen sich entwickelnde Grube passt, wodurch dem Fische das gänzliche Schliessen der Mundhöhle noch möglich wird; später nimmt aber jener hakenförmige Fortsatz an Um - fang so zu, dass derselbe das Anschliessen der Kieferränder durchaus ver - hindert.
Bei keinem unserer einheimischen Fische findet je nach den verschie - denen Einwirkungen der Nahrung, des Wassers, des Lichts und der Tem - peratur eine so grosse Farbenverschiedenheit der Haut statt, wie bei den be - zahnten Salmoneern, sogar die Farbe des Fleisches, welche bei gewissen Arten rosenfarben oder orangenroth auftreten kann, variirt innerhalb einer und derselben Species in allen Abstufungen je nach den verschiedenen Auf - enthaltsorten der Fische.
Vor Eintritt der Laichzeit, während welcher diese Salmoneer nur sehr wenig oder gar keine Nahrung verzehren, nehmen sowohl die Milchner wie Rogener an Fleisch und Fett ausserordentlich zu, so dass sie alsdann dem Menschen ein köstliches Nahrungsmittel gewähren. Nach vollendetem Fort - pflanzungsgeschäfte, wobei sie meistens als Wanderfische die schwierigsten Hindernisse mit vieler körperlicher Anstrengung zu überwinden haben, er - scheinen dieselben in einem so abgemagerten und ausgehungerten Zustande, dass sie kaum wieder zu erkennen sind.
Während der Laichzeit zeichnen sich die männlichen Individuen der hie - her gehörigen Salmoneer durch eine ganz eigenthümliche Hautwucherung aus, welche wie eine Art Schwarte den Hinterrücken und gewöhnlich auch die Unterseite des Schwanzes überzieht. Da diese Wucherung auf dem Theil der Haut ausbleibt, welcher mit dem Hinterrande der Schuppen fest verwachsen und innig verschmolzen ist, so entstehen auf diese Weise der Zahl der Schup - pen entsprechende Gruben, welche der Haut das Ansehen geben, als seien hier die Schuppen ausgefallen, zumal bei sehr dicker Schwarten-Bildung die Schuppen gänzlich unsichtbar werden. Es ist diese Schwarte nichts anderes als eine Wucherung und eigenthümliche Verdichtung des Epithelüberzugs, und bisher von den Ichthyologen gänzlich übersehen worden oder unerwähnt geblieben, nur Jardine macht eine Ausnahme, welcher in seinem grossen Salmoneer-Werke, das nur in sehr wenige Hände gelangt zu sein scheint, diese Hautveränderung besprochen hat. Die Eier werden von den Weibchen in Gesellschaft und nächster Nähe der Männchen lose in den kiesigen Grund der Gewässer versenkt und vergraben, zu welchem Zwecke von ihnen tiefe, muldenförmige Gruben mit dem Schwanze aufgewühlt werden.
Ein anderer höchst merkwürdiger Umstand, welcher das Interesse des Studiums dieser Salmoneer-Abtheilung sehr erhöhen muss, aber bis jetzt ganz unbeachtet geblieben ist, besteht in dem Auftreten von sterilen Formen, welche in einer von den geschlechtlich sich entwickelnden Individuen sehr277Familie: Salmonoidei.abweichenden Gestalt heranwachsen und die Ichthyologen veranlasst haben, dieselben unter gänzlicher Verkennung ihres sterilen Zustandes als besondere Salmoneer-Arten hinzustellen. Man hat diese Sterilität noch in einer anderen Weise aufgefasst und angenommen, dass einzelne Individuen in einem oder dem anderen Jahre gar nicht laichen, allein da mit der Sterilität gewisser Salmoneer sich an denselben eine ganz veränderte Körperform ausgeprägt hat, so wird diese nicht bloss vorübergehend für das eine oder andere Jahr, in welchem der Fisch nicht laicht, vorhanden sein können, sondern eben - so beständig wie die Sterilität von Jahr zu Jahr fortdauern müssen. Hier - nach dürfte eine Angabe jenes Ungenannten, welcher über die lachsartigen Fische sehr viel lehrreiches in Loudon’s Magazin1)Vergl. Loudon: The Magazine of natural history. Vol. VII. 1834. pag. 207, im Aus - zuge in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1835. Bd. II. pag. 267. niedergelegt hat, eine an - dere Deutung erhalten. Derselbe sagte nämlich: » Weder Lachs noch Forelle laiche jedes Jahr, denn man fange im Januar oft von beiden Individuen, deren Rogen kleiner als Senfkörner sei, die mithin in dem Jahre nicht gelaicht ha - ben könnten «. Solche Individuen dürften nach meinem Dafürhalten sterile Formen gewesen sein.
Valenciennes hat die zu dieser Abtheilung gehörenden vielzähnigen Salmoneer in mehrere Gattungen zerfällt und als Unterscheidungsmerkmale dieser Gat - tungen hauptsächlich die Zahl und Stellung der Zähne des Pflugscharknochens hervorgehoben. Auf diese Weise sind die drei Gattungen Salmo, Fario und Salar entstanden2)Vergl. Valenciennes: Hist. des poissons. Tom. XXI. 1848. pag. 163., welche auch von Heckel und anderen deutschen Ichthyo - logen angenommen worden sind. Es lassen sich aber bei genauerer Ver - gleichung möglichst vieler Individuen namentlich aus verschiedenen Alterszu - ständen diese Salmoneer-Arten durchaus nicht in dieser Gattungsabgrenzung festhalten.
Ehe ich mich über diese systematische Eintheilung dieser vielzähnigen Salmoneer näher ausspreche, muss ich einiges über die Beschaffenheit des Pflugscharbeins (Vomer) dieser Fische vorausschicken, da man auf die An - ordnung der Zähne dieses Knochens einen so grossen Werth gelegt hat.
Es zerfällt der den mittleren Theil der Gaumendecke bildende Vomer - knochen der vielzähnigen Salmoneer in zwei Platten, in eine vordere und hin - tere, von denen die vordere Platte meistens den kleineren Theil des ganzen Knochen ausmacht. Denken wir uns am lebenden und schwimmenden Sal - moneer den Vomerknochen in seiner natürlichen Lage, so steht die vordere Platte desselben stets tiefer als die hintere Platte, welcher höher gelegene und bald mehr, bald weniger langgestreckte Theil des Vomer als Körper oder Stiel dieses Knochen bezeichnet werden kann. Von diesen beiden Thei - len des Pflugscharbeins kann die vordere Platte allein mit Zähnen besetzt278Familie: Salmonoidei.und die hintere Platte (chevron nach Valenciennes) zahnlos sein, es können aber auch beide Vomerplatten zugleich mit Zähnen bewaffnet sein. Der erste Fall gilt als Hauptkennzeichen der Gattung Salmo (Valenc. ), im zweiten Falle können die Zähne auf dem Stiel des Vomer, entweder in einer einfachen Längsreihe stehen, wodurch die Gattung Fario gebildet wird, oder sie kön - nen in doppelter Längsreihe stehen, woraus die Gattung Salar hervorgehen soll. Ich habe mir vergeblich die grösste Mühe gegeben, nach diesen Unter - scheidungsmerkmalen die verschiedenen vielzähnigen Salmoneer zu bestim - men, worüber ich mich nicht wundern konnte, da auch Heckel1)Vergl. dessen Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 80. eingestand. dass Fario und Salar von Salmo scharf verschieden sei, dass aber der Unter - schied zwischen Fario und Salar weniger scharf hervortrete. Indem ich nun diese Eintheilung der vielzähnigen Salmoneer fallen lasse, stehe ich in dieser Beziehung nicht allein da, denn sowohl schwedische und dänische, sowie englische Ichthyologen haben jene Gattungen des Valenciennes als unhaltbar zurückgewiesen2)Man vergleiche hierüber die ichthyologischen Schriften von Nilsson, Krøyer, Jardine, Yarrel u. a.. Sie berufen sich auf die längst bekannte Erfahrung, welche von Valenciennes und Heckel gänzlich unbeachtet geblieben ist, dass nämlich bei denjenigen Lachsformen, deren Vomerstiel mit Zähnen besetzt ist, junge Individuen eine viel grössere Zahl von Vomerzähnen und viel voll - ständigere Zahnreihen auf dem Vomerstiel tragen als die älteren Individuen, bei denen die Zähne des Vomerstiels von hinten nach vorn allmählich ver - loren gehen und im höheren Alter nicht selten sämmtlich verschwinden. Aus diesen Umständen ist es erklärlich, dass das Bestimmen und Feststellen dieser Lachsarten nach der Zahl und Anordnung der Vomerzähne durchaus unmöglich ist. In späterer Zeit hat Heckel diese Unsicherheit in der Ab - grenzung der vielzähnigen Salmoniden-Gattungen ebenfalls empfunden und (Nr. 13: pag. 247) auf die Täuschungen aufmerksam gemacht, welche die längs des Vomerstiels aufsitzenden Zähne hervorrufen können, indem sie in gewissen Fällen, obwohl einreihig gestellt, abwechselnd nach rechts und links gebogen sein können und so in einer Doppelreihe zu stehen scheinen, oder indem sie in einer Zickzacklinie stehend es zweifelhaft machen, ob sie in einer solchen Stellung als doppelreihig oder einreihig genommen werden sollen, oder endlich indem die vorderen Zähne des Vomerstiels in einer einfachen Reihe, die hinteren Zähne desselben dagegen in einer Doppelreihe stehen können, wodurch die Entscheidung, ob eine Art der Gattung Salar oder Fario beizuzählen sei, sehr schwierig werde. Ich gehe noch weiter und füge hinzu, dass bei dieser Bestimmungsweise sogar Salmo von Salar und Fario nicht gehörig hat unterschieden werden können, da, wie ich später zei -279Familie: Salmonoidei.gen werde, der gemeine Lachs ganz unrichtig zur Gattung Salmo gestellt worden ist, indem man wahrscheinlich nur die Vomerzähne von erwachsenen Individuen des Salmo Salar beachtete, dessen Vomerzähne im höheren Alter gewöhnlich bis auf einige wenige Vorderzähne vom Vomerstiel gänzlich verschwinden, wobei man noch das Versehen begieng und diese wenigen Zähne als Zähne der vorderen Platte des Pflugscharbeines betrachtete1)Solche vom Vomerstiel im höheren Alter verschwundene Zähne werden nie wie - der durch nachwachsende Zähne ersetzt, was sich dadurch bestimmt zu erkennen giebt, dass da, wo solche Zähne ohne Nachwuchs verschwinden, auch die Gruben sich verlieren, aus welchen sonst an Stelle der im jüngeren Alter verloren gegangenen Zähne die Ersatz - zähne hervorwachsen.. Um solche Schwierigkeiten zu vermeiden, habe ich mir Nilsson’s Eintheilung der Salmoniden als Vorbild genommen. Derselbe2)Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. 1832. pag. 2 u. 7. hatte schon in seinem Prodro - mus vorgeschlagen, die Gattung Salmo, welche die vielzähnigen Salmoniden umfasst, in die beiden Abtheilungen Truttae und Salvelini zu zerfällen; für die Truttae stellte er als Hauptunterscheidungsmerkmal die Beschaffenheit der Vomerzähne in folgender Weise hin: » dentes in serie flexuosa per totam vomeris longitudinem «, während als Hauptcharakter der Salvelini die Be - zahnung des Vomer von ihm in folgender Weise angegeben wurde: » vomeris antica tantum parte dentata «. Später wurden diese Charaktere von Nilsson noch schärfer hervorgehoben, indem er als Unterscheidungsmerkmal der Truttae angab3)S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 368.: » längs des Vomer stehen entweder Zähne, oder ein mehr oder weniger bemerkbarer Kiel (welcher nicht eher sichtbar wird, als bis die Gaumenhaut weggenommen ist) «, und für die Salvelini als diagnostisches Kennzeichen aussprach4)Ebenda. pag. 368.: » der Vomer hat nur am vorderen Theil Zähne, ist im übrigen glatt, ohne alle Zähne oder Kiel «. Ich schlage vor, diese beiden Salmoniden-Abtheilungen als Gattungen Trutta und Salmo zu betrachten, für welche ich in Bezug auf die Bezahnung des Pflugscharbeins den Gattungs - charakter noch etwas schärfer auszudrücken gesucht habe. Nilsson5)Ebenda. pag. 368. Vergl. auch dessen Abhandlung über die Lachs-Arten Schwe - den’s in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1849. I. pag. 308 u. 310. hat auch die Verschiedenheit der Farbe, welche an den Flecken der schwedi - schen Salmoneer wahrzunehmen ist, als Eintheilungsprincip benutzt, indem bei den Truttae die Flecken dunkler, und bei den Salvelini dieselben heller als die allgemeine Hautbedeckung sein sollen. Dieses Unterscheidungs - merkmal passt allerdings für die schwedischen Salmoneer, ist aber für die mitteleuropäischen Salmoneer nicht anwendbar, da der zu den Salvelinen ge - hörige Huchen nicht mit hellen, sondern mit schwarzen Flecken besetzt ist.
Gattungscharakter: Der Pflugscharknochen kurz; die vordere kurze Platte desselben allein mit Zähnen besetzt; die hin - tere, etwas längere Platte (der Stiel) sowohl in der Jugend wie im höheren Alter stets zahnlos; alle Schuppen klein und längsoval; die Rückenflosse beginnt vor den Bauch - flossen.
Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 38. Rötelen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 13. n. 10, Syn. nom. pisc. pag. 26. n. 11.
Linné Nr. 2: pag. 511. n. 9. Salmo Salvelinus.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 149. Taf. 99. (♂) Salmo Salvelinus, Salbling und pag. 154. Taf. 101. (♀) Salmo Umbla, Ritter.
Schrank Nr. 23 a: pag. 322. n. 296. Salmo Salvelinus, Salbling, Nr. 23 b: pag. 297. Salmo alpinus, schwarzreuterische Bergforelle, Nr. 23 d: Bd. I. pag. 313. Salmo alpinus, Salmling, Nr. 23 e: pag. 90. Salmo Salvelinus, Salbing, Rötel.
Hartmann in der Alpina. Bd. I. 1806. pag. 91. Naturgeschichte der Rothforelle, u. Nr. 38 b: pag. 123. Salmo Salvelinus, Rothforelle, Rötheli und pag. 130. Salmo umbla, Ritter.
Nenning Nr. 39: pag. 18. Salmo Salvelinus, Rothforelle. (Unter demselben Namen in der Iconographie abgebildet.)
Schinz Nr. 40 b: pag. 161. Salmo Salvelinus, Rothforelle.
Agassiz Nr. 9: Tab. IX, X ♂, Xa, XI ♀, Salmo Umbla, Salmling, Ritter, Rötheli.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 233. Salmo Umbla, Ombre Chevalier, pag. 246. Salmo Salvelinus.
Heckel Nr. 11 f: pag. 357: Salmo Salvelinus, distichus, monostichus und Umbla.
Rapp Nr. 41: pag. 32. Taf. V. Salmo Umbla, Rothforelle, Rötheli.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 280. Fig. 155. Salmo Salvelinus, Salbling, und pag. 285. Fig. 156. Salmo Umbla.
Artcharakter: Körper gestreckt und etwas seitlich zusammenge - drückt; die vordere Platte des Pflugscharknochen an ihrem hinteren Theile mit 5 bis 7 gekrümmten Zähnen besetzt, in der Jugend zuweilen in einer queren Stellung, im höheren Alter immer in dreieckiger Stellung; der Vomerstiel seit -281Gattung: Salmo.lich zusammengedrückt und tief kahnförmig ausgehöhlt; das hinter dem grob bezahnten vorderen Zungenknochen gelegene mittlere Zungenbein trägt eine mit vielen kleinen Zähnen bewachsene längliche Knochenplatte. (Die Seiten des Leibes häufig mit vielen runden weisslichen oder blassrothen Flecken besetzt, der Bauch oft orangenroth gefärbt, die paarigen Flossen und die Afterflosse am Vor - derrande milchweiss).
D. 3 / 9 — 10, P. 1 / 12 — 14, V. 1 / 8, A. 3 / 8 — 9, C. 19.
Die Körpergestalt des Saiblings ist nach Alter, Geschlecht und Aufent - haltsort desselben ausserordentlich wandelbar; es treten besonders die Um - risse des Kopfes in sehr verschiedener Gestalt auf, daher man sich nicht wun - dern kann, dass die Ichthyologen bald die eine bald die andere Form des Saiblings zu einer besonderen Art haben erheben wollen. In sehr jugend - lichem Alter des Saiblings, bei einer Grösse von 5 Zoll, erscheint das Profil des Kopfes nach vorn sehr abgestumpft, wobei der Oberkieferrand den Un - terkieferrand etwas überragt. Diese Kopfform verschwindet allmählich, in - dem bei weiterem Fortwachsen der jungen Saiblinge die Kieferknochen län - ger auswachsen und so die Schnauze derselben ihre Stumpfheit verliert. Bei gewissen Saiblingsrassen bleibt aber auch im weiter vorgerückten Alter, die stumpfe Schnauze bestehen, es ist dies z. B. bei den Saiblingen des Schlier - sees und Walchensees der Fall, deren Profil an der Schnauzenspitze meistens sehr steil abfällt; auch besitzen die weiblichen Individuen der verschiedenen Rassen des Saiblings gewöhnlich eine stumpfere Schnauze im Vergleich zu den männlichen Individuen1)Von Yarrell (British Fishes. II. ) wurden zwei Saiblinge abgebildet, von denen ich das auf pag. 121 dargestellte Individuum wegen der stumpfen Schnauze und der schwach entwickelten Flossen als Weibchen und das auf pag. 124 dargestellte Individuum wegen der hervorragenden Schnauze und der stärker entwickelten Flossen als Männchen erkenne. Der Unterschied ist ganz derselbe wie bei den Abbildungen auf Taf. 101 und 99 von Bloch oder auf Tafel XI und X von Agassiz., bei welchen letzteren zugleich im höheren Alter häufig am Kinnwinkel sich ein stumpfer Fortsatz erhebt, dem gegenüber an der Verbindungsstelle der beiden Zwischenkiefer sich eine Auskerbung ent - wickelt, in welche bei dem Schliessen der Kiefer jener Fortsatz einge - drückt wird.
Die Zähne des Maules sind verhältnissmässig klein, ganz besonders klein und schwach erscheinen aber diejenigen Zähne, welche in bald grösserer bald geringerer Anzahl neben und hintereinander gestellt eine lange schmale auf dem mittleren Zungenbeinknochen aufgewachsene Knochenplatte besetzt hal -282Familie: Salmonoidei.ten1)Vergl. Rapp: Die Fische des Bodensees. Taf. VI. Fig. Salm. Umbl. f.. Die Zähne des schwachen dünnen Vomerknochen können sehr ver - schieden gestellt sein, ihre Zahl kann zwischen 5 und 9 schwanken, doch kommen häufig auch weniger Vormerzähne vor, in welchen Fällen vorhandene Lücken darauf hinweisen, dass hier und dort einzelne Zähne verloren gegan - gen sind. Bei den meisten Saiblingsrassen stehen die Vomerzähne in einem Dreiecke, wobei die mittleren Zähne mit ihren geschwungenen Spitzen die eine Ecke jenes Dreiecks bilden und als ein hinterer Fortsatz der vorderen
Vomerknochen eines alten Saibling.
Vomerplatte über die kahnförmige Aushöh - lung des Vomerstiels hinwegragen. Bei der - jenigen Saiblingsrasse, welche den Königs - see und Christsee in Bayern und den Gosau - see in Oestreich bewohnt, stehen die Vomer - zähne in einer einfachen Querreihe, was Heckel2)S. dessen Reisebericht, Anhang II. pag. 358. veranlasst hatte, diese Saiblinge unter dem Namen S. monostichus zu einer besonderen Art zu erheben, später liessen Heckel und Kner3)Vergl. Nr. 13: pag. 281. Anm. diese Species wieder fallen, wobei sie sich mit Recht dahin aussprachen, dass die verschiedene Gruppirung der Vomerzähne zu keiner Trennung der Saiblinge in zwei oder drei Species berechtige, in - dem die auffallend verschiedenen Zahnstellungen durch zahlreiche Ueber - gangsstufen untereinander verbunden werden. Ich kann diesem Ausspruch noch hinzufügen, dass bei vorrückendem Alter innerhalb einer und derselben Saiblingsrasse sehr auffallende Veränderungen mit der Zahnstellung auf dem Vomerknochen mancher Saiblinge vorgehen, und dass bei den jüngeren Saib - lingen des Königssees allerdings, wie Heckel angiebt, die Vomerzähne in einer einfachen Querreihe stehen, wogegen ich bei älteren Individuen der - selben Rasse die Vomerzähne deutlich in einem Dreiecke stehen sah.
Die paarigen Flossen entwickeln sich bei den männlichen Saiblingen län - ger und kräftiger als bei den weiblichen Individuen, an denen sie oft im Ver - hältniss zur Körpergrösse auffallend klein erscheinen, während die Schwanz - flosse bei beiden Geschlechtern selbst im höheren Alter den halbmondförmi - gen Ausschnitt erkennen lässt, welcher allen jüngeren Salmoneern eigen ist, bei gewissen Salmoneer-Arten aber mit ihrem fortschreitenden Wachsthum mehr oder weniger verschwindet.
In der Färbung variiren die Saiblinge ungemein; am häufigsten zeigt sich der Rücken derselben blaugrau gefärbt, diese Farbe verliert sich nach den Seiten herab allmählich und macht einer weisslichen oder gelblichen Färbung Platz. Sehr häufig erscheint der Bauch orangenroth gefärbt, welche Farbe283Gattung: Salmo.zur Brunstzeit besonders intensiv hervortritt. Gewöhnlich sind es die männ - lichen Individuen, deren Bauch in einem prächtigen Roth prangt, doch kommen auch häufig rothbauchige Weibchen vor. An der Seite des Leibes, sowohl oberhalb als unterhalb der Seitenlinie stehen häufig runde helle Flecke, wel - che in der Nähe des Bauches je nach der Farbe des letzteren bald weisslich, bald gelblich oder orangenroth gefärbt sind. Solche weissliche oder orangen - rothe Flecke lassen sich zuweilen auch an der Basis der Rückenflosse älterer Individuen wahrnehmen. Bei sehr jungen Saiblingen zeigen diese hellen Flecke einen im Verhältniss zur Kleinheit des Körpers viel grösseren Umfang, welche nicht selten einander berühren und auf diese Weise gleichsam ineinander fliessen, wodurch diese Fische ein marmorirtes Aussehen erhalten. Diese marmorirte Färbung habe ich bei einzelnen weiter herangewachsenen Indivi - duen fortbestehen sehen. Die Rücken - und Schwanzflosse erscheinen dunkel - grau, die paarigen Flossen und Afterflosse dagegen gelblich oder orangenroth gefärbt; oft ist der Spiegel der letzteren Flossen durch angehäuftes schwarz - körniges Pigment mehr oder weniger getrübt, immer aber erscheint der Vor - derrand dieser Flossen schön milchweiss gesäumt, was dem Saibling ein ganz besonderes und charakteristisches Aussehen verleiht, zu welchem nicht gar selten eine weisse Färbung des oberen und unteren Randes der Schwanzflosse noch hinzukömmt. Bei älteren Individuen entwickelt sich zuweilen auf der Bauchseite und in der Umgebung des Kiemendeckel-Apparates eine schwarze Pigmentirung1)Vergl. Agassiz: Hist. nat. d. Poiss. a. a. O. Tab. X., deren Vorhandensein oder Abwesenheit durchaus nicht zu einem Art-Unterscheidungsmerkmal benutzt werden kann.
Der Saibling kann zu einer ansehnlichen Grösse heranwachsen. Am häu - figsten trifft man denselben in den bayrischen Seen bis zur Grösse eines Fusses an, Saiblinge von zwei Fuss Länge gehören schon zu den Seltenheiten, und werden hier zu Lande als » Wildfang-Saiblinge « bezeichnet. In früheren Zei - ten, während welcher unsere Seen noch mit Schonung der jüngeren Fisch - generationen befischt wurden, fanden die Saiblinge soviel Zeit und Ruhe, dass sie zu einer sehr bedeutenden Grösse heranwachsen konnten; es geht dies aus jenen alten Portraits sehr grosser im Königssee gefangener Saiblinge hervor, welche noch heute in dem Jagdschlosse zu St. Bartholomä aufgehängt sind2)Aus diesen Oelgemälden und deren Unterschriften habe ich folgendes entnommen: im Jahre 1660 wurde ein 5½ Pfund schwerer weiblicher Saibling gefangen, am 9. Juli 1676 wurde ein 10 Pfund schwerer Saibling gefangen, am 5. Juli 1723 wurde ein 8pfündiger Saibling gefangen (dieses Gemälde ist vor ein Paar Jahren abhanden gekommen), am 6. August 1792 ist ein 8 Pfund schwerer weiblicher Saibling gefangen worden; dass auch jetzt noch in der Tiefe des Königssees einzelne grössere Saiblinge verborgen leben, geht aus zwei neu hinzugefügten Oelgemälden hervor, auf welchen ein am 24. Juni 1849 gefangener 11 Pfund schwerer männlicher Saibling und ein im Jahre 1855 gefangener 10pfündiger männlicher Saibling abgebildet ist..
284Familie: Salmonoidei.Das Vorkommen des Saiblings ist nur auf die Alpenseen und auf einige vor den Alpen gelegenen Seen beschränkt; ich besitze denselben aus den meisten Gebirgsseen der durch Bayern sich hinziehenden Alpenkette, aus dem Bodensee, Christsee, Walchensee, Tegernsee, Schliersee, Hintersee und Kö - nigssee, ferner aus dem vor den Alpen gelegenen Ammersee und Starenber - ger See. Der nach Angabe Nau’s (Nr. 45 b: pag. 130) im Altwasser des Mit - telrheins bei Mainz beobachtete Saibling hatte sich gewiss aus einem der mit dem Rhein zusammenhängenden schweizer Seen dorthin verirrt. Obgleich der Saibling als Raubfisch betrachtet werden muss und derselbe vermöge sei - ner Gefrässigkeit in grösseren künstlichen Weihern sich mit Fischen sehr gut mästen lässt, so scheint derselbe in seinen natürlichen Aufenthaltsorten nicht immer Fische als Nahrung zu bedürfen; ich habe wenigstens in fast allen von mir untersuchten frisch eingefangenen Saiblingen den Magen und Darm nur allein mit kleinen Entomostraceen (Daphnoiden und Cyclopiden) vollgestopft gefunden; wenn daher Linné nicht begreifen konnte1)S. dessen Fauna suecica. pag. 124., wie die Saiblinge in den Seen Lapplands, in welchen sie die einzigen Fische sind, Nahrung fänden, so hatte Schrank (Nr. 23 b: pag. 306) ganz richtig darauf erwidert, dass sich in solchen Gewässern immer eine grosse Menge Insecten aufzuhalten pflegen, von welchen jene Fische leben können. Die Laichzeit der Saiblinge beginnt gegen Ende des Octobers und währt bis gegen Ende des November, um wel - che Zeit dieselben, ohne die Seen zu verlassen, kiesigen Grund zum Ablegen der Eier aufsuchen. Bei den brünstigen Saiblings-Männchen, an denen die oben erwähnten rothen Färbungen besonders schön hervortreten, breitet sich sowohl auf dem ganzen Rücken wie am Bauche eine schwartenförmige Haut - verdickung aus, welche der Oberfläche dieser Körpergegenden ein sammet - artiges Aussehen giebt.
Dass unter den Saiblingen auch sterile Individuen vorkommen, geht aus den Aussagen verschiedener Fischer hervor. Durch Hartmann2)S. dessen helvetische Ichthyologie. pag. 130. und dessen Naturgeschichte der Roth - forelle, in der Alpina, Bd. I. pag. 97. erfahren wir, dass die Fischer am Egerisee behaupten, es gebe unter den Rothforellen (Saiblingen) nicht gar selten geschlechtslose Individuen bis zu drei Pfund schwer. Auch die Fischer von Oberbayern finde ich mit dieser Erscheinung bekannt. Dass es auch unter den schwedischen Saiblingen, (welche Linné mit dem Namen Salmo alpinus bezeichnet hat, sterile Individuen giebt, geht aus einer Notiz hervor, welche sich in Gissler’s » Anmerkungen von der Sikfische - rei in den nordländischen Elben und Scheeren « vorfindet3)Vergl. der k. schwedischen Akademie der Wissenschaften Abhandlungen, auf das Jahr 1753 (Bd. 15. 1756. pag. 208).. Hier erzählt näm -285Gattung: Salmo.lich Gissler: dass die gelte Fische (sterile Individuen) von den Fiäll-Rör zum Laichen kommen, und ihrer Kameraden Rogen auffressen1)Ich verdanke Herrn Sundevall die gefällige Mittheilung, dass in den nördlichen Thei - len Schwedens unter Fiäll-Rör allgemein der Salmo alpinus des Linné verstanden wird..
Durch die von mir vorgenommene Vereinigung des die bayrischen und östreichischen Alpenseen bewohnenden S. Salvelinus mit S. Umbla, welcher nur in den Seen der Alpen der Schweiz und Savoyens einheimisch sein soll, bin ich noch weiter gegangen als Heckel und Kner, welche die erstgenannte Saiblingsform als eine besondere nur dem östlichen Theile der Alpenkette an - gehörige Species erhalten wissen wollen. Ich habe mir die grösste Mühe ge - geben ein stichhaltiges Unterscheidungsmerkmal für diese beiden Saiblings - formen aufzufinden, um darauf einen sicheren Speciesunterschied gründen zu können; ich habe zu diesem Zwecke, ausser den Saiblingen des Bodensees auch Exemplare dieser Fische aus dem Zürichsee, Zugsee, Egerisee, Genfer - See und lac de Bourget (in Savoyen) mit den Saiblingen der bayrischen Alpen sowie mit verschiedenen Saiblingsexemplaren aus dem Fuschelsee, Mondsee und Almsee der östreichischen Alpen sorgfältig verglichen, konnte mich aber von der Artberechtigung dieser beiden Saiblingsformen nicht überzeugen. Auch aus den Merkmalen, durch welche Heckel und Kner S. Salvelinus und S. Umbla von einander unterscheiden wollen, geht hervor, dass diese beiden Ichthyologen ebenfalls keine wesentlichen Unterscheidungszeichen zwischen beiden Saiblingsarten haben auffinden können, denn von S. Umbla wird nur hervorgehoben, dass diese Art in Vergleich zu S. Salvelinus einen höheren Körper, bedeutend stärkere Zähne im Zwischen - und Oberkiefer, grössere Schuppen und nie einen rothen Bauch besitze. Die Grössenverhältnisse der genannten Körpertheile variiren aber auch nach Alter, Grösse und Wohnort innerhalb jener Saiblingsrassen, welche die Gebirgsseen der östlichen Alpen - kette bewohnen und als S. Salvelinus gelten sollen, so dass sich Individuen dieser Saiblinge herausfinden lassen, welche in den eben erwähnten Grössen - verhältnissen ihres Körpers, ihrer Zähne und Schuppen mit S. Umbla der west - lichen Alpenkette vollkommen übereinstimmen.
Was endlich die rothe Färbung betrifft, welche bei S. Umbla der west - lichen Alpen fehlen soll, so fand ich allerdings den Bauch der Saiblinge vom Genfer See und Bodensee nicht so intensiv roth wie z. B. bei den Saiblingen der bayrischen Alpenseen, aber doch orangengelb gefärbt. Wenn Rapp (a. a. O. pag. 34) von dem Saibling des Bodensee sagt, dass er » nie die rothe Fär - bung wie S. Salvelinus « zeigt, so hat derselbe damit jenem Fische gewiss nicht die orangengelbe Färbung absprechen wollen, auf welche selbst die schweizerischen Volksnamen des Saiblings: » Rothforelle, Röthel, Rötheli « hin - weisen. Ich habe oben schon darauf aufmerksam gemacht, dass nach den286Familie: Salmonoidei.verschiedenen Jahreszeiten sowie nach der verschiedenen Thätigkeit der Fort - pflanzungsorgane die Saiblinge in einem bald dunkleren bald bleicheren Far - benkleide erscheinen, daher auch bei den Saiblingen der Westalpen der Bauch intensiv roth und ausser der Laichzeit ganz blassgelb oder fast farblos er - scheinen kann, wie dies aus der Beschreibung hervorgeht, welche Hartmann (Nr. 38 b: pag. 124) von den als S. Salvelinus bezeichneten Saiblingen der Schweiz gegeben hat, deren Bauch bei den Winterrötheln orangengelb, bei den Sommerrötheln dagegen weiss gefärbt sein soll. Dass auch der Aufent - haltsort der Saiblinge den grössten Einfluss auf deren Färbung ausübt, geht aus einer Beobachtung hervor, welche ich mit anderen Ichthyologen überein - stimmend gemacht habe und nach welcher bei den Saiblingen die eigentlichen Alpenseen eine dunklere Färbung, die ausserhalb der Alpen gelegenen Seen dagegen eine hellere oder ganz blasse Färbung erzeugen. Schon Schiffer - müller theilte in dieser Beziehung an Bloch1)S. dessen Fische Deutschlands. Th. III. pag. 150. die Notiz mit, » dass die Saib - linge aus dem mit weniger Gebirgen umgebenen Kammer - oder Attersee nur blassgelb sind, die aus dem zwischen zweien Gebirgen versunkenen Gosau - see aber haben nicht nur am Bauche sondern auch auf den Seiten eine feuer - rothe Farbe «. Daher sind auch die Saiblinge des Bodensees, Neuenburger Sees und Genfer Sees blasser als die Saiblinge der eigentlichen Alpenseen der Schweiz, von welchen letzteren auch Hartmann (a. a. O. pag. 130) die blass - gefärbten Formen als besondere Art mit der Speciesbezeichnung S. Umbla unterscheidet, während Agassiz die rothe oder ganz blasse Färbung der schwei - zerischen Saiblinge nur als eine Altersverschiedenheit auffasst, wie dies aus seinen schönen Darstellungen eines jungen rothbauchigen Saiblings des Zü - richer Sees und zweier alten ganz blassen Saiblinge des Neuenburger Sees hervorgeht2)Vergl. Agassiz: Hist. nat. d. poiss. Tab. IX, deren mittlere Figur einen laichenden jungen rothba uchigen Rogner darstellt, und Tab. X u. XI, auf welchen ein ganz blasser alter Milchner und Rogner abgebildet ist..
Ob die nordischen Saiblinge von Schottland, Schweden und Lappland zu S. Salvelinus gehören oder als eine besondere Art betrachtet werden müssen, kann ich nicht entscheiden, da ich bis jetzt keine Gelegenheit hatte, Exem - plare jener nordischen Saiblinge mit den unsrigen zu vergleichen, ich berufe mich daher in dieser Hinsicht auf Yarrell und Nilsson, welche die Identität der süd - und nordeuropäischen Saiblinge annehmen, indem ersterer3)Vergl. Yarrell: British Fishes. II. 1841. pag. 121. zu dem schottischen Saibling und letzterer4)Vergl. Nilsson: Skandinavisk Fauna. IV. 1855. pag. 424. zu dem schwedischen Saibling Bloch’s S. Salvelinus (Taf. 99) und S. Umbla (Taf. 101) citiren, von welchen die Taf. 99287Gattung: Salmo.einen langflossigen rothbauchigen männlichen Saibling aus Oestreich und Taf. 101 einen kurzflossigen blassen weiblichen Saibling vom Genfer See dar - stellt. Auf keinen Fall kann ich es aber als richtig gelten lassen, dass Yar - rell1)A. a. O. pag. 121. Im Texte (pag. 128) vermuthet übrigens Yarrell, dass Bloch’s S. alpinus eine Forelle zu sein schiene. Dass auch Heckel und Kner Bloch’s Taf. 104. als Saibling (a. a. O. pag. 280) citiren, geschah wohl nur aus Versehen, da sie dieselbe Tafel bereits (pag. 248) als Forelle citirt hatten. Bloch’s S. alpinus (Taf. 104) als Saibling citirt, da dieser schwarzge - fleckte S. alpinus des Bloch gar keinen Saibling sondern eine Forellen-Varie - tät darstellt, welche von Wartmann und Bloch mit dem Namen » Alpforelle « bezeichnet wurde. Bloch hat das Versehen begangen, und diese Alpforelle mit Linné’s S. alpinus, welcher letztere wirklich eine besondere den lapplän - dischen Alpenseen angehörige Saiblingsart ist, zusammengeworfen, obgleich Wartmann2)Vergl. dessen Aufsatz (Alpforelle aus dem Seealper See, Salmo alpinus) in den Schrif - ten der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde. Bd. IV. 1783. pag. 69., von welchem Bloch die Abbildung seines S. alpinus erhalten hatte, mit diesem S. alpinus nur eine Appenzeller Alpforelle hat darstellen wollen, von welcher er ausdrücklich sagte3)Ebenda. pag. 72., dass diese schweizerische Alp - forelle von dem schwedischen S. alpinus des Linné ganz verschieden sei. Aus der Beschreibung sowohl wie aus der Abbildung, welche Wartmann von diesem S. alpinus gegeben hat, erkennt man deutlich eine Forelle, da Kopf und Rücken dieses abgebildeten Fisches schwarze Flecke tragen, die Fett - flosse desselben roth gefärbt und seine Schwanzflosse nicht gabelförmig aus - geschnitten ist. Ganz anders verhält es sich dagegen mit Schrank’s und Mei - dinger’s S. alpinus, unter welchem Namen ersterer4)S. Schrank Nr. 23 b. pag. 297. Beitrag zur Naturgeschichte des Salmo alpinus, der schwarzreuterischen Bergforelle. den Saibling des Kö - nigssees beschrieben und letzterer5)S. Meidinger: Icones piscium Austriae indigenorum. Fasc. II. Tab. 19. den Saibling der oberöstreichischen Seen sehr kenntlich dargestellt hat.
Eine andere arge Verwechslung hat sich Bloch zu Schulden kommen lassen, durch welche den Ichthyologen grosse Verlegenheit bereitet wurde, indem es schlechterdings durch Bloch’s unvollkommene Beschreibung und fehlerhafte Angaben des Vorkommens von S. Goedenii6)S. Bloch’s Naturgesch. d. Fische Deutschl. Th. III. pag. 155. Taf. 102. unmöglich geworden war, diesen Fisch richtig zu deuten. Agassiz7)Vergl. Report of the fourth meeting of the british association. London 1835. pag 617 oder Wiegmann’s Archiv. 1835. Bd. II. pag. 266. S. auch Valenciennes: Hist. d. poissons. Tom. XXI. pag. 187. hatte denselben für einen jungen S. Salar erklärt, Yarrell8)Vergl. dessen: British Fishes. Vol. II. pag. 85. betrachtete ihn als einen S. Fario; da Rathke (Nr. 98 b: pag. 18) den S. Goedenii als bei Danzig nicht selten vor - kommend angegeben hatte, war ich begierig die im zoologischen Cabinete zu288Familie: Salmonoidei.Königsberg aufbewahrten Exemplare dieses Fisches näher zu untersuchen. Ich fand im Jahre 1860 in der genannten Sammlung zwei kleine Salmoneer mit der Bezeichnung S. Goedenii aufbewahrt, von welchen ich das eine Exem - plar als Trutta Trutta (Meerforelle) und das andere als Trutta Fario (gemeine Forelle) erkannte. Höchst wichtig war für mich die Gelegenheit, im zoologi - schen Cabinete zu Berlin das Bloch’sche Original-Exemplar seines S. Goede - nii kennen zu lernen. Ich fand in dem Glase, welches noch die alte Auf - schrift » S. Goedenii Bl. « trug jedoch ohne Angabe eines Vaterlands oder Fund - orts, jenen Fisch vor, den Bloch als S. Goedenii abgebildet hatte, an dem freilich die rothen Körperflecke ganz ausgebleicht waren, dennoch konnte ich denselben zu meiner grössten Ueberraschung als ein sehr stumpfschnauziges Weibchen das S. Salvelinus erkennen. Vergleicht man Bloch’s Abbildung dieses S. Goedenii (Taf. 102) mit seinem S. Salvelinus (Taf. 99), so überzeugt man sich auf den ersten Blick von der völligen Uebereinstimmung der rothen Flecke beider Fische. Wie Bloch dazu gekommen ist, einen Saibling unter dem Namen S. Goedenii als Bewohner der Ostsee auszugeben, ist mir völlig räthselhaft geblieben.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 12. n. 6. Syn. nom. pisc. pag. 25. n. 8.
Linné Nr. 2: pag. 510. n. 5. Salmo Hucho.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 152. Taf. 100. Salmo Hucho, Heuch.
Schrank Nr. 23 a: pag. 320. n. 295. Salmo Hucho, Huche.
Martens Nr. 14 b: pag. 37. Salmo Hucho, Rothfisch.
Agassiz Nr. 9: Tab. XII und XIII. Salmo Hucho, Huchen jung und erwachsen.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 226. Salmo Hucho.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 277. Fig. 154. Salmo Hucho, Huch.
Artcharakter: Körper gestreckt und cylindrisch; die vordere Platte des Pflugscharknochen an ihrem hinteren Theile mit 5 bis 7 Zähnen in einer queren Stellung besetzt; der fast flache Vomerstiel auf der oberen convexen Fläche ihrer ganzen Länge nach mit einer starken Mittelleiste, auf der unteren concaven Fläche dagegen mit einer kurzen dünnen Mittelleiste; das mittlere Zungenbein zahnlos. (Die Seiten des Leibes mit schwarzen Flecken mehr oder weniger be - setzt).
D. 4 / 9 — 10, P. 1 / 14 — 16, V. 1 / 8 — 9, A. 4 — 5 / 7 — 9, C. 19.
Der Huchen zeichnet sich vor allen unseren Salmoneern durch seine sehr gestreckte und cylindrische Körperform aus. Die Zähne desselben sind an289Gattung: Salmo.den Gaumenbeinen, an dem Vomer und Unterkiefer im Vergleich zu denen der Zwischen - und Oberkiefer um vieles stärker entwickelt. Das Pflugscharbein des Huchen besteht aus einem sehr derben festen Knochen, während der Vo - mer der Saiblinge einen schwachen dünnen Knochenbau besitzt. Die Zähne
Vomerknochen eines alten Huchen mit zwei Zahnlücken.
des Vomer trifft man, selbst bei jüngeren Huchen, sehr selten vollzählig an; es sind meistens drei bis vier Zahnlücken an diesem Knochen vorhanden, in welchen sich gewöhnlich ein Nachwuchs von Ersatzzähnen auf den verschie - densten Stufen der Entwicklung vorfindet. Die Schwanzflosse des Huchen besitzt einen gabelförmigen Ausschnitt, der sich im höheren Alter dieses Fi - sches nicht verliert.
Der Rücken des Huchen ist grau, der Bauch desselben silberweiss ge - färbt, welche beiden Farben an den Seiten des Leibes allmählich ineinander übergehen. Rücken und Körperseiten zeigen sich bald mehr bald weniger mit schwarzen eckigen Flecken besetzt, welche unterhalb der Seitenlinien gewöhnlich sehr blass oder fast verwischt erscheinen. Bei älteren Individuen kommen auch auf dem Kopfe und an der Basis der Rückenflosse runde schwarze Flecke zum Vorschein. Die graue und silberweisse Färbung der grösser aus - gewachsenen Individuen wird in der Regel durch eine röthliche Färbung un - terbrochen, welche zwischen den Schuppen aus der Tiefe der Haut hervor - schimmert und dem ganzen Körper solcher Huchen ein röthliches Ansehen verleiht. Der Volksname » Rothfisch «, den der Huchen in manchen Gegenden des Donau-Gebiets führt, hängt gewiss mit dieser röthlichen Färbung der älte - ren Huchen zusammen. Die Flossen dieses Fisches sind ungefleckt und schmutzig weiss gefärbt, welche Färbung an der Rücken - und Schwanzflosse durch schwarze Pigmentirung getrübt ist.
Unter den wenigen Abbildungen, welche den Huchen colorirt darstellen, ist die von Agassiz gelieferte die naturgetreuste, während die von Bloch ge - gebene Darstellung des Huchen, welche gewöhnlich citirt wird, in der Farbe gänzlich verfehlt ist. Auf Bloch’s Abbildung hat der Maler nicht bloss denv. Siebold, Fische. 19290Familie: Salmonoidei.ganzen Leib des Huchen mit zu vielen runden schwarzen Flecken bedeckt, sondern sogar auch sämmtliche Flossen, die Brustflossen ausgenommen, mit ähnlichen Flecken besät. Heckel (Nr. 11 f: pag. 351) hat zuerst auf Bloch’s unrichtige Abbildung des Huchen aufmerksam gemacht, ist aber jedenfalls zuweit gegangen, indem er Bloch den Vorwurf machte, dass er auf Taf. 100 unter dem Namen S. Hucho einen Silberlachs (S. Schiffermülleri) und auf Taf. 103 statt des letzteren Fisches einen Huchen abgebildet habe. Die Taf. 103 des Bloch stellt ganz richtig einen Silberlachs dar, was noch besonders aus den auf diesen Tafeln beigefügten Umrissen des Querdurchschnitts des Leibes hervorgeht, nach welchen auf Taf. 103 der Leib des Silberlachses seit - lich etwas zusammengedrückt und auf Taf. 100 der Leib des Huchen cylin - drisch erscheint. Ein weiterer unbegründeter Vorwurf wurde Bloch von Heckel (a. a. O. pag. 352) dadurch gemacht, dass er in dem Texte bei an - fangs richtiger Beschreibung weiterhin ungeschickter Weise statt des Huchen den Silberlachs und umgekehrt statt des Silberlachses den Huchen beschrie - ben habe. Bloch hat meiner Ansicht nach nur zu Anfang des Textes den Huchen unrichtig beschrieben, indem er (a. a. O. pag. 153) von ihm sagt: » die braunen und runden Flecke, womit sowohl der Rumpf als die sämmt - lichen Flossen, nur die an der Brust ausgenommen, besetzt sind, scheinen mir ein Unterscheidungszeichen für diesen Fisch zu sein «. Diese Angabe ist allein unrichtig, im übrigen hat Bloch sowohl den Huchen wie den Silberlachs rich - tig beschrieben und besonders bei der Angabe der Anordnung der Zähne des Gaumens beider Fische deutlich genug bewiesen, dass er sich keine Verwechs - lung dieser zweien verschiedenen Gattungen angehörigen Fische zu Schulden kommen liess, denn er erwähnt von dem Huchen, welchem eine Bezahnung an der hinteren Vomerplatte abgeht, ganz richtig: » in jeder Kinnlade ist eine, im Gaumen und auf der Zunge aber sind zwei Reihen spitzer Zähne befind - lich «. Dass Bloch auch die auf der hinteren Vomerplatte des Silberlachses anwesenden Zähne und mithin die charakteristische dritte Zahnreihe am Gaumen dieses Salmoneer nicht entgangen sind, beweist der von ihm ange - stellte Vergleich (a. a. O. pag. 157), nach welchem die Kinnladen, Gaumen und Zunge des Silberlachses wie bei den übrigen Forellenarten bewaffnet sind. Der Huchen erreicht von allen unseren Salmoneern die ansehnlichste Grösse, 20 bis 60 Pfund schwere Huchen kommen nicht selten vor.
Die Verbreitung des Huchen ist nur allein auf das Donau-Gebiet beschränkt. Ausser der Donau selbst liebt er vorzugsweise dessen von Süden aus den Al - pen herabströmende Zuflüsse, und zwar in Bayern namentlich die Iller, den Lech, die Isar, den Inn und die Salzach; die von Norden her der Donau zu - strömenden Flüsse dagegen vermeidet der Huchen; einzelne hier und dort in der Naab, im Regen oder in der Ilz gefangene Individuen mögen zufällig durch Verirrung oder durch Verscheuchung bei Hochwasser in diese Flüsse gelangt291Gattung: Salmo.sein; die wenigen Huchen, welche von Zeit zu Zeit in gewissen Seen Ober - bayerns z. B. im Ammersee und Chiemsee gefangen werden, mögen ebenfalls durch Zufall aus den grösseren Seitenflüssen der Isar und des Inn, nämlich aus der Amper und Alz, welche die Ausflüsse der genannten Seen sind, sich in diese verirrt haben.
Als Raubfisch zeichnet sich der Huchen durch seine ausserordentliche Gefrässigkeit aus. Von hiesigen Fischern ist mir mitgetheilt worden, dass sie bei dem Ausweiden grosser Huchen schon einige Male sogar eine Wasser - Ratte in deren Magen angetroffen hätten.
Die Laichzeit des Huchen fällt merkwürdiger Weise und ganz gegen die Gewohnheit der übrigen Salmoneer in den April, doch kann sich der Eintritt derselben wegen günstiger oder ungünstiger Witterungsverhältnisse bis in den März verfrühen oder bis in den Mai verspäten. Der Huchen ist nicht in dem Sinne, wie der eigentliche Lachs, Wanderfisch, er vertauscht zu keiner Zeit des Jahres das süsse Wasser mit dem Meerwasser, sondern verlässt nur zur Laichzeit seinen Standort, um andere seichtere und kiesige Flussstellen zum Absetzen des Laichs aufzusuchen, während welcher Zeit sich die Haut der männlichen Individuen mit dem bereits erwähnten schwartenartigen Aus - wuchs überzieht.
Von den stets zu Anfang des Winters laichenden nächsten verwandten Salmoneern unterscheiden sich die Huchen nicht bloss durch die während des Frühlings sich in ihnen entwickelnde Geschlechtsthätigkeit aus, sondern sie weichen von ihnen auch dadurch ab, dass die Thätigkeit ihrer Fortpflanzungs - organe in einem auffallend späten Lebensalter erwacht. Kein Huchen wird geschlechtsreif, bevor er nicht ein Gewicht von vier Pfund erreicht hat. Es ist daher in der bayrischen Landesverordnung von 15531)Vergl. die 1553 in Ingolstadt gedruckte Ausgabe pag. 153. sowie in den übrigen späteren bayrischen Fischordnungen die brittelmässige Grösse des Huchen unrichtig zu klein angegeben, indem das Huchen-Maass nach der jenen Poli - zeiverordnungen beigefügten Abbildung als 10½ Zoll festgesetzt ist; mit die - ser Länge hätte der Huchen, wie schon Schrank (Nr. 23 a: pag. 322) ganz richtig bemerkt hat, kaum das Gewicht eines Pfundes. Schrank hat (a. a. O.) für den Huchen die brittelmässige Länge von 15 Zoll vorgeschlagen, sein Vor - schlag ist aber gänzlich unbeachtet geblieben, da auch in den erst vor kurzem revidirten Fischordnungen für Bayern dieselben Brittelmaasse, wie sie in den älteren bayrischen Verordnungen niedergelegt sind, in unveränderter Weise wieder angenommen worden sind2)Vergl. die in den amtlichen Blättern bekannt gemachte, die » Hebung der Fischzucht « betreffende Ausschreibung der königl. Regierung von Oberbayern vom 13. Juli 1855..
Gattungscharakter. Der Pflugscharknochen lang; die vordere kurze Platte desselben entweder mit Zähnen besetzt oder ohne Zähne; die hintere sehr lange Platte (Stiel) auf ihrer ganzen Länge mit vielen Zähnen besetzt, welche im höhe - ren Alter bald mehr bald weniger verloren gehen; alle Schuppen klein und längsoval; die Rückenflosse beginnt vor den Bauchflossen.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42. pag. 145. Taf. 3. Salmen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 11. n. 1, Descr. spec. pisc. pag. 48. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 22. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 509. n. 1. Salmo Salar.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 128. Taf. 20. (♀) und Th. III. pag. 146. Taf. 98 (♂) Salmo Sa - lar, Lachs.
Siemssen Nr. 79: pag. 51. Salmo Salar, Lachs.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 87. Salmo Salar, Lachs.
Heineken Nr. 69: pag. 148. n. 37. Salmo Salar, Lachs.
Gloger Nr. 88: pag. 72. n. 5. Salmo Salar, Lachs.
Bujack Nr. 97: pag. 317. Salmo Salar, Lachs.
Creplin Nr. 90: pag. 83. Salmo Salar, Lachs.
Agassiz Nr. 9: Tab. I ♂, Ia, Ib ♀, II ♀, Salmo Salar, Lachs.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 221. Salmo Salar.
Krøyer Nr. 82: Bd. II. 1843 — 45. pag. 540. Salmo Salar.
Schulz Nr. 78: pag. 515. Salmo Salar, Lachs.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 169. Pl. 614 (♀). Salmo Salmo und pag. 212. Pl. 615 (♂). Salmo hamatus, Bécard.
Günther Nr. 47: pag. 111. Salmo Salar, Lachs.
Leiblein Nr. 51: pag. 116. Salmo Salar, Lachs.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 273. Fig. 152 u. 153. Salmo Salar, Lachs und pag. 276. Salmo hamatus, Hakenlachs (♂).
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Salmo Salar, Lachs.
Artcharakter: Körper sehr in die Länge gestreckt und seitlich mehr oder weniger zusammengedrückt; Schnauze schmäch - tig und lang hervorgezogen; die vordere kurze Vomerplatte293Gattung: Trutta.fünfeckig und stets zahnlos; der sehr lange Vomerstiel dünnknochig, abgeflacht und mit einer niedrigen bezahn - ten Längsleiste versehen; die einreihig gestellten Zähne des Vomerstiels schwach, sehr früh von hinten nach vorne fast gänzlich verloren gehend. (Der blaugraue Rücken und die silberigen Seiten mit wenigen schwarzen Flecken be - setzt, zuweilen ganz ungefleckt, die Unterseite mit silber - weissem Glanze.)
D. 3 — 4 / 9 — 11, P. 1 / 13, V. 1 / 8, A. 3 / 7 — 8, C. 19.
Unter den Trutta-artigen Salmoneern besitzt der gemeine Lachs die ge - streckteste Körperform und einen am meisten seitlich zusammengedrückten Leib. Der Kopf des Lachses, welcher im Verhältniss zu dem übrigen Körper unter allen bezahnten Salmoneern den geringsten Umfang besitzt, fällt immer durch seine schmächtige lang hervorgezogene Schnauze auf, welche bei den älteren männlichen Individuen den höchsten Grad der Gestrecktheit erreicht, aber auch bei den älteren weiblichen Individuen immer gestreckt genug er - scheint, um dieselben auf den ersten Blick von den übrigen stumpfschnauzi - gen Trutta-Arten unterscheiden zu können. Die Verlängerung der Schnauze des Lachses hängt hauptsächlich von der gestreckteren Form der beiden Zwi - schenkieferknochen ab, was sich noch dadurch zu erkennen giebt, dass der Zwischenraum hinter den Zwischenkieferzähnen bis zu dem Vorderende der beiden Gaumenbein-Zahnreihen sehr in die Länge gezogen ist im Vergleich zu derselben Stelle an der Gaumendecke anderer Trutta-Arten. Dieser Zwi - schenraum ist es auch, der sich bei den alten Lachsmännchen grubenartig vertieft, um die nach oben und hinten sich hakenartig umbiegende Kinnspitze des Unterkiefers aufzunehmen. Die Krümmung dieses Hakens erreicht mit dem zunehmenden Alter der Lachsmännchen eine solche Höhe, dass dadurch die Ober - und Unterkieferränder nicht mehr aneinander gedrückt werden können und das Maul solcher sogenannten » Hakenlachse « seitlich weit offen bleiben muss1)Einen Hakenlachs mit nicht verschliessbarem Maule findet man abgebildet von Bloch (a. a. O. Taf. 98), von Agassiz (a. a. O. Tab. 1) und von Valenciennes (a. a. O. Pl. 615).. Die beiden hinteren Winkel der Mundspalte reichen nur bis unter die Augen. Die Zähne der Zwischenkiefer und Unterkiefer überwiegen an Umfang und Stärke die übrigen Zähne der Oberkiefer der Gaumenbeine und des Vomer. Der letztere ist in seiner Form sowie in der Anordnung der Zähne bisher ganz verkannt worden. Sein ganzer Knochenbau ist schwächer und dünner als bei anderen Trutta-Arten. Die stets zahnlose vordere Vomerplatte des Lachses, welche bei den Forellen und Lachsforellen ein fast gleichseitiges294Familie: SalmonoideiDreieck darstellt, streckt sich bei der allmählichen Verlängerung der Schnauze desselben ebenfalls in die Länge, wodurch dieselbe von ihrer Basis aus zwei
a. b. Vordere Vomerplatte a. des gemeinen Lachses, b. der übrigen Trutta-Arten. (Schematisch).
Seitenränder erhält, und auf diese Weise zuletzt ein Fünfeck darstellt. Von der Rück - seite der vorderen Vomerplatte aus zieht sich eine sehr erhabene scharfe Kante eine kurze Strecke weit auf der Mittellinie des Vomer - stiel entlang. Dieser Vomerstiel, oder was dasselbe ist, die hintere Vomerplatte ist sehr lang und während der Jugendzeit auf der Mittellinie von vorne bis hinten mit einer einfachen Reihe schwacher Zähne besetzt, nur an der Basis des Vomer - stiels stehen häufig zwei Zähne nebeneinander. Im höheren Alter fallen alle
a. b. Vomerknochen eines alten Lachses, a. von unten gesehen, b. von der Seite gesehen.
a. b. Durch Alter ganz zahnlos gewordener Vomerknochen eines Lachses, a. vom Rücken aus gesehen, b. von unten ge - sehen.
diese Zähne der Reihe nach von hinten nach vorn allmählich aus, ohne durch Nachwuchs ersetzt zu werden, indem auch die von den ausgefallenen Zähnen zurückgelassenen Zahnhöhlen gänzlich schwinden, so dass zuletzt sämmtliche Zähne am Vomerstiele fehlen und nur noch eine niedrige Leiste auf der Mittel - linie der unebenen mehrfach ausgehöhlten unteren Fläche dieser Knochen - platte die Stelle der früher hier vorhanden gewesenen Zähne errathen lässt «1)Ein durch Alter ganz zahnlos gewordener Vomer findet sich in Bruch’s vergleichen - der Osteologie des Rheinlachses (Mainz 1861) auf Taf. IV. Fig. 6 f. abgebildet, während die. 295Gattung: Trutta.Das Ausfallen der Vomerzähne beginnt übrigens bei dem gemeinen Lachs schon sehr früh. Ich habe einen 17½ Zoll langen Lachs vor mir, auf dessen Vomerstiel nur noch die vier vordersten Zähne vorhanden sind. Die Flossen des Lachses zeigen sich lang entwickelt, von denen die nach hinten zurück - geschlagenen Brustflossen scharf zugespitzt und etwas säbelförmig ge - krümmt erscheinen. Die Schwanzflosse des Lachses wird durch einen tiefen Ausschnitt in zwei spitze Lappen getheilt; dieser Ausschnitt verliert sich erst in höherem Alter. Bei 17 bis 19 Zoll langen Individuen habe ich die Schwanz - flosse noch deutlich zweilappig gesehen, während bei gleich langen Individuen anderer Lachsarten die Schwanzflosse keinen Ausschnitt mehr zeigt, sondern bereits senkrecht abgestutzt erscheint.
Auf dem Rücken besitzt der Lachs eine blaugraue Färbung, während Seiten und Bauch silberweiss gefärbt sind, nur wenige theils eckige theils runde schwarze Flecke halten den Rücken und die Seiten desselben besetzt. Rücken -, Fett - und Schwanzflosse zeigen sich dunkelgrau gefärbt, die übri - gen Flossen sind im jüngeren Alter blass, im höheren Alter dagegen bald mehr bald weniger grau pigmentirt. Nur selten kommen bei erwachsenen Individuen auf der Rückenflosse einzelne runde schwarze Flecke zum Vor - schein. Diese Färbung und Zeichnung verändert sich auffallend, wenn der Lachs seinen Meeresaufenthalt verlässt und in die Flüsse hinaufsteigt, um dem Fortpflanzungsgeschäfte nach zu gehen. Während dieses Aufenthaltes im süssen Wasser und unter allmählichem Reifwerden der Geschlechtsabsonde - rungen färben sich die Lachse dunkler und erhalten die männlichen Indivi - duen an den Leibesseiten sowie auf den Kiemendeckeln häufig rothe Flecke. Bei ganz alten Männchen entwickelt sich zur Brunstzeit ein prachtvolles Far - benkleid, indem sich nicht bloss der ganze Bauch purpurroth färbt, sondern indem auch an den Seiten des Kopfes die rothen Flecke ineinander fliessen und unregelmässige Zickzacklinien auf bläulichem Grunde darstellen, wäh - rend die Basis der Afterflosse, der Vorderrand der Bauchflossen so wie der Ober - und Unterrand der Schwanzflosse ebenfalls einen rothen Anstrich er - halten1)Einen solchen 16 bis 17 Pfund schweren männlichen Lachs im prachtvollen Hoch - zeitskleide hat Jardine auf Taf. VII seines grossen Werkes (British Salmonidae) abgebildet.. Aller dieser Farbenschmuck schwindet wieder, wenn die Laichzeit vorüber ist und die stark abgemagerten Lachse ihre Rückreise nach dem Meere antreten. Eine andere Veränderung, welche die Haut des männlichen Lachses um dieselbe Zeit erleidet, ist von den Ichthyologen fast gänzlich übersehen, und meines Wissens bis jetzt nur von Jardine erwähnt worden; aus diesen Beobachtungen geht hervor2)Vergl. dessen: British Salmonidae. Plate VII. Hier heisst es in der Kupfer-Erklärung:, dass an den Lachsmännchen zugleich mit der1)ebenda auf Tafel III. Fig. 6, Tafel V. Fig. 3 f. und Tafel VI. Fig. 1 und 2 f. dargestellten Vo - merknochen am Vorderende noch einige Zähne erkennen lassen.296Familie: Salmonoidei.Veränderung der Hautfarben eine auffallende, schwartenartige Verdickung der Haut des Rückens und der Flossen eintritt, welche sich nach vollbrachtem Laichgeschäfte sehr schnell wieder verliert.
In der Grösse giebt der Lachs dem Huchen nichts nach, - indem er eine Länge von einigen Schuhen und eine Schwere von 20 bis 50 Pfund und dar - über erreichen kann.
Da der Lachs ein Bewohner der Nord - und Ostsee ist, aber die Be - stimmung hat, seinen Laich im süssen Wasser abzusetzen, so sehen wir die - sen Seefisch zur Erreichung passender Laichplätze weite Wanderungen die Flüsse hinauf vornehmen. Auf solchen Reisen gelangen sehr viele Lachse in den Mittelrhein, streichen aber an Mainz, Speyer und Strassburg vorüber, ohne hier zu laichen, weil sie höher gelegene Gegenden des Rhein-Gebiets zu diesem Zwecke aufsuchen müssen. Früher zogen auch Lachse den Main bis Bamberg und den Neckar bis Heilbronn hinauf, was gegenwärtig nicht mehr geschieht1)Welchen Ursachen das Ausbleiben des Lachses in den obengenannten Flüssen, sowie in anderen Nebenflüssen des Rheins zuzuschreiben ist, konnte bis jetzt nicht ermittelt werden. Sehr häufig wird die Dampfschifffahrt angeklagt, welche diese Fische verscheuchen soll; es ist aber auch möglich, dass eingetretene Versandungen, Correcturen des Flussbettes, welche an den Mündungen der Nebenflüsse des Rheins vorgenommen worden sind, die Lachse veranlasst haben, solche Einmündungsstellen zu umgehen.; dagegen wissen noch jetzt viele Lachse bis zu den Quellen der aus den schweizerischen Alpen herabkommenden Nebenflüsse des Rheins zu gelangen, indem sie unterwegs die schwierigsten Hindernisse überwinden, sogar die brausenden, zwischen steilen Felswänden eingeklemmten Katarak - ten des Rheins bei Laufenburg mit Hülfe ihrer Körperkraft durchsetzen und nur von dem grossen Rheinfall bei Schaffhausen sich aufhalten lassen2)Wenn Perty (Nr. 24: pag. 718) vom Salmo Salar anführt: » nach Herr Dr. Agassiz’s Angabe im Bodensee «, so ist dies nicht richtig; in keiner anderen Fischfauna findet sich der Bodensee als Wohn - oder Fundort des Lachses erwähnt, und von Hartmann (Nr. 38 a: pag. 146) sowohl wie von Nenning (Nr. 39: pag. 16) wird es bestimmt verneint, dass der Rheinlachs bei seinen Wanderungen den Rheinfall bei Schaffhausen übersteigen und in den Bodensee gelangen könne., wes - halb es in dem oberhalb des Bodensees fliessenden Oberrhein niemals Lachse giebt, während diese Fische bis in die dem Vierwaldstädter See, dem Züricher See und Wallenstädter See zuströmenden Bäche hinaufzudringen wissen.
Von den Nordsee-Lachsen wird aber auch die Weser aufgesucht, bis zu deren Quellen dieselben hinaufzudringen im Stande sind, was in früheren2)» At the same periods do the parts of the head begin to lengthen, the fins to thicken and the back to shew a more arched outline, from the deposition of a kind of cartilaginous sub - stance, which at the full development in a fish of the size of our specimen would reach from half to three quarters of an inch in depth upon the back, and gives that rounded and sharp appearance peculiar to this season. — In the Salmon it is very quickly absorbed af - ter the process of spawning has been accomplished, and is a provision to supply the loss from exhaustion during a period when little food or nourishment can be obtained «.297Gattung: Trutta.Zeiten besonders zahlreich von ihnen ausgeführt wurde. Diese Abnahme von Lachsen wird übrigens in allen mit der Nord - und Ostsee zusammenhängen - den Stromgebieten Deutschlands wahrgenommen1)Bekanntlich wird fast in allen grossen Städten Mitteleuropa’s, welche an den ver - schiedenen der Nord - und Ostsee zufliessenden Gewässern gelegen sind, dieselbe Ge - schichte erzählt, dass nämlich früher wegen der Häufigkeit und Wohlfeilheit der Lachse die Dienstboten bei der Annahme eines Dienstes sich ausbedungen hätten, nicht öfter als zwei - mal in der Woche Lachs essen zu dürfen. und hängt zum Theil mit der Errichtung von Wasserbauten, von Wehren und Schleusen zusammen, durch welche die Wanderungen jener Fische erschwert oder fast ganz gehindert werden. Von jenen Lachsstiegen, welche in England mit so vielem Nutzen angewendet werden, und mit deren Hülfe die Lachse auf ihren Wanderungen Wasserfälle und Wehre so leicht überwinden können, um die für ihre Brut passenden Laichplätze zu erreichen, hat man in Deutschland noch keinen Ge - brauch zu machen verstanden2)Dergleichen Lachsstiegen findet man beschrieben und abgebildet von Coste: Voyage d’exploration sur le littoral de France et de l’Italie (Paris, 1861). Appendice. IV. De la pêche du saumon en Écosse. pag. 254.. Im Weser-Gebiete gelangen die Lachse heute noch bis weit in die Fulda und Werra und in deren Seitengewässer hinauf3)Ein erfahrener Fischereipächter in Cassel theilte mir mit, dass noch jetzt bei Fran - kenberg in der Edder, einem Nebenflüsschen der Fulda, viele Lachse gefangen würden, dass aber dieser Lachsfang, wie in allen oberen Gegenden des Weser-Gebietes, gegen früher sehr abgenommen habe, seitdem bei Hameln ein grosses Wehr in der Weser errichtet sei. In welcher massenhaften Anzahl von den Lachsen die oberen Gewässer der Weser in frü - heren Jahrhunderten aufgesucht worden sind, geht aus den von verschiedenen Chroniken - schreibern darüber gemachten Aufzeichnungen hervor. So meldet Winkelmann (Wahrhafte Beschreibung der Fürstenthümer Hessen und Hersfeld. Bremen, 1697. pag. 58) folgendes: Dieser Fluss (die Fulda) ist auch sehr Fischreich an Hechten, Karpen, Barben, Ahlen, und sind im Jahr 1506 so viel Hechte darin gefangen worden, dass man 50 oder 60 vor einen Gulden kauffen können, wie es dan auch viele Lachse darin gibt, deren im Jahr 1443 auf Bonifacii Tag bei der Neuen Mühle (eine Stunde von Cassel flussaufwärts) von H. Landgr. Ludwig II in einem Zug 802 Stück gefangen worden, wie solches zu Cassel in dem Statt - Weinkeller auf dem Markt vorn am Eingang an einem Pfeiler mit einer alten eingehauenen und vergüldeten Schrift solcher Gestalt zu lesen ist: » Anno Domini MCCCCXLIII auf Boni - facien Tag hand unser gnädiger Herr von Hessen 800 Lässe gezogen mit einem Zuge un 2 Lässe un ein Hecht also guth als der Lässe einer «. Diese Inschrift ist mit dem vor mehre - ren Jahren Statt gehabten Abbruche des alten Casseler Rathhauses wahrscheinlich zu Grunde gegangen. Ein Fischer in Meiningen hat mir noch kürzlich aus den Geschäftsbüchern seiner El - tern nachgewiesen, dass vom 18ten November bis 12ten December 1770 zwischen Salzun - gen und Behlrieth in der Werra 114 Stück Lachse im Gewichte von 16 Centner 59½ Pfund gefangen worden seien.. Ebenso wandern die Nordsee-Lachse von der Elbe aus durch deren Seitenflüsse bis nahe zum Fichtelgebirge hinauf, so dass in der Eger bei Weissenstadt, einer kleinen Stadt in Oberfranken, und in der Saale bei Hof einzelne Lachse bis zu einer Schwere von 18 Pfund jetzt noch hin und wieder gefangen werden.
298Familie: Salmonoidei.Die aus der Ostsee in die Oder eintretenden Lachse steigen gleich - falls bis zu den Quellen dieses Stroms hinauf, so dass sogar in Mähren und Oestreich-Schlesien ein Lachsfang betrieben werden kann1)Vergl. Heinrich Nr. 89: pag. 23.. Die Ostsee - Lachse erreichen ferner bei ihren Durchwanderungen des Weichsel-Ge - biets die in Galizien fliessenden Nebenflüsse der Weichsel, den Dunajec und San, wo sie noch jetzt häufig gefangen werden2)Vergl. Zawadzki Nr. 91: pag. 170 und Heckel und Kner Nr. 13: pag. 275.. Ein von den Ostsee - Lachsen fortwährend sehr besuchter Strom ist die Memel, in welche diese Wanderfische von dem Kurischen Haff aus alljährlich in grosser Anzahl ein - treten. Sie benutzen zur Einwanderung hauptsächlich denjenigen Arm der Memel, welcher bei Russ vorbeiströmt und Skirwick genannt wird. Ich war über die Grossartigkeit erstaunt, mit welcher dort auf der Skirwick der Lachsfang mittelst eines quergestellten Sperrnetzes betrieben wird, welches den ganzen ziemlich breiten Strom absperrt. Im Jahre 1826 und 1827 wur - den an dieser Stelle die Lachse in solchen Massen gefangen, nämlich an einem Tage oft mehr als 1000 Stück, dass sie als ungenützt und werthlos vergraben werden mussten. Da das Stellnetz zum Durchlassen der Flösse täglich zwei Stunden lang geöffnet werden muss, so finden auf diese Weise doch viele Lachse Gelegenheit, an dieser für sie so gefährlichen Stelle unangefochten vorbeizuwandern, manche durchbrechen auch das Stellnetz am Grunde oder überspringen dasselbe an der Oberfläche, und gelangen so zu ihrem ersehn - ten, weit hinter Grodno gelegenen Ziel. In dem Jahre meines Besuchs, im September 1860 wurde der Lachsfang bei Russ ohngefähr auf 3500 Stücke geschätzt, von denen im Durchschnitt das Stück 30 Pfund wiegt, doch kom - men auch 75 bis 93 Pfund schwere Individuen vor. Der Fang beginnt nach Ablauf des Frühjahrs-Wassers gegen Ende Mai und hört mit dem ersten October auf. Nach Aussage der mit diesem Lachsfang beschäftigten Fischer treten die weiblichen Individuen zuerst in den Fluss ein, später folgen erst die Männchen, auch kommen die kleineren Individuen früher als die grösseren. Die kleinsten Individuen, welche sich in den Netzen fangen lassen, sind 3 bis 4 Pfund schwer.
Indem die Lachse nicht gleichzeitig innerhalb einer bestimmten kürzeren Frist Reise und Laichgeschäft abzumachen haben, sondern je nach ihrem ver - schiedenen Alter zu sehr verschiedenen Zeiten ihre Wanderungen aus dem Meere in die Flüsse antreten, und dabei ziemlich langsam reisen, kommen fast das ganze Jahr hindurch im Rhein Lachse vor, von welchen ein Theil auf der Hinreise, ein anderer Theil auf der Rückreise begriffen ist. Es scheint, als wenn in diesen Fischen nur erst nach einem längeren Aufenthalte im süssen Wasser die Fortpflanzungswerkzeuge sich gehörig entwickeln und zur299Gattung: Trutta.Reife gelangen könnten. Es ist bekannt, dass die meisten unserer essbaren Fische kurz vor Eintritt der Laichzeit am fettesten und schmackhaftesten sind, und dass sie während der Laichperiode nicht fressen, daher diese Fische nach Vollendung des Laichgeschäftes abgemagert und als Speise wenig geeignet sind. Ganz ähnliche Verhältnisse finden bei dem Lachs statt, welcher zu Berg gehend als fetter Fisch mit rothem Fleische ausserordentlich geschätzt wird und in diesem Zustande unter dem Namen » Rheinlachs « ein berühmter Handelsartikel ist, während derselbe Fisch, zu Thal gehend, wegen seines abgemagerten und blassen Fleisches wenig geachtet und mit dem Namen » Rheinsalm « bezeichnet wird. In solchen abgemagerten Zuständen verändert der Lachs seine äussere Körperform in so hohem Grade, dass er kaum wieder zu erkennen ist.
Die Wanderungen zu Berge beginnen bei dem Rheinlachs im Mai und dauern bis zum November fort; die kleinsten Rheinlachse, welche den Rhein hinaufwandern, haben, nach Aussage der Rheinfischer, eine Schwere von zwei Pfund. Die jungen Lachse, nachdem sie die Eihäute verlassen, bleiben fast ein ganzes Jahr an ihrer Geburtsstätte und wandern erst zu Thale nach dem Meere hin, wenn sie fingerslang ausgewachsen sind. In diesem Alters - zustande tragen die Lachse dasselbe Jugendkleid, womit die meisten übrigen jungen Salmoneer bekleidet sind, das heisst, ihr Körper ist an den Seiten mit den bereits erwähnten 8 bis 12 grossen schwarzen und ovalen Flecken be - setzt, welche in der Tiefe ihrer Haut angebracht sind und welche unterhalb der Seitenlinie gegen die silberglänzenden Bauchseiten auffallend abstechen, während die vielen auf dem dunkeln Rücken angebrachten kleinen schwar - zen Flecke weniger in die Augen springen. In diesem Jugendkleide hat schon Gesner den Lachs gekannt und abgebildet1)Vergl. dessen: Histor. animal. lib. IV. pag. 971 oder dessen Fischbuch. pag. 183. Auch Sander (Beiträge zur Naturgeschichte der Fische im Rhein. a. a. O. pag. 174) war mit den Jungen des Rheinlachses sehr wohl bekannt und berichtete von ihnen, dass sie im Rheinstrom in ungeheurer Menge gefangen werden. Diese Sälmlinge werden leider noch jetzt am Rhein verspeist, ich selbst überzeugte mich vor fünf Jahren in Strassburg, dass auf dem dortigen Fischmarkte im Monat April diese Lachsbrut mit einer Länge von 4 Zoll als Leckerbissen feil geboten wurde. Wenn auf diese Weise schon die Brut des Lachses der Habgier und Genusssucht des Menschen verfällt, kann man sich alsdann wundern, dass die Menge der Lachse im Rhein von Jahr zu Jahr abnimmt?, daher man sich wundern muss, wie man in England bis auf die neuere Zeit den jungen seitenfleckigen Lachs unter dem Namen » Parr « für eine besondere Lachsart hat ansehen können2)Erst in den Jahren 1836 bis 1840 hat sich Shaw Mühe gegeben, mit Hülfe der künst - lichen Befruchtung den Beweis zu liefern, dass der » Parr « nichts anderes als die Brut des Lachses ist, wodurch diesem bisher als besondere Salmoneer-Species verfolgten jungen Lachs Schutz und Schonung verschafft wurde. Vergleiche Shaw: an Account of some Ex - periments and Observations on the Parr, and on the Ova of the Salmon, proving the Parr to be the young of the Salmon (in the Edinburgh new philosophical Journal. Vol. 21. 1836.. 300Familie: Salmonoidei.Ist der junge Lachs oder Sälmling in das zweite Jahr getreten, so schickt er sich zu seiner ersten Reise nach dem Meere an, zu welchem Zwecke der - selbe sein Jugendkleid ablegt und in der gewöhnlichen Färbung und Zeich - nung des Lachses erscheint; in diesem Reisekleide haben die Engländer den jungen Lachs » Smolt « genannt, während derselbe Fisch, wenn er zum ersten Male aus der See in die Flüsse aufsteigt, den Namen » Gilse « oder » Grilse « erhalten hat.
Ich muss hier noch einmal hervorheben, dass der Lachs nur im jugend - lichen Zustande den Vomerstiel seiner ganzen Länge nach mit Zähnen be - setzt zeigt, und dass sich daher der oben angegebene Gattungscharakter nur an dem jungen Lachse herausfinden lässt; da es aber äusserst schwer hält, jüngere Lachse von Fischern zu erhalten, indem diese sich nur mit dem Fange älterer Lachse abgeben, so mag dies Veranlassung gewesen sein, dass die wahre Stellung des Lachses im Systeme so lange verkannt werden konnte, obwohl Nilsson bereits im Jahre 1832 in seinem Prodromus Ichthyologiae scandinavicae die Verwandtschaft des Lachses mit der Forelle und Lachs - forelle nachgewiesen hatte1)A. a. O. pag. 2.. Später machte Nilsson2)S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 365 u. 366. darauf aufmerksam, dass man schon vor hundert Jahren gewusst habe, dass der Lachs seine Vomerzähne im Alter verliere. Nilsson fügte zu dieser Erfahrung noch die hinzu, dass das Ausfallen der Vomerzähne bei dem Lachs schon beginnt, be - vor dieser Fisch die Länge von 20 Zoll erreicht hat. Auch Jardine3)Vergl. dessen: British Salmonidae. Pl. I. Hier hat Jardine einen 2 Pfund 13 Unzen schweren jungen, unter dem Namen » Gilse « in England bekannten Lachs abgebildet, der zum ersten Mal das Meer verlassen wird, um zu laichen. Von diesem noch nicht völlig ge - schlechtsreif gewordenen Lachs sagte Jardine in der Kupfererklärung: The Vomer has now lost its teeth upon its longitudinal surface, but retains one or two more on its anterior part etc. hat sich überzeugt, das der Lachs, wenn er zum ersten Mal, um zu laichen, aus dem Meere in die Flüsse aufsteigen will, bereits den grössten Theil seiner Zähne auf der Vomerplatte verloren hat.
Nach solchen vorausgegangenen Darlegungen der wahren Verhältnisse des Zahnsystems von Trutta Salar bleibt es unbegreiflich, wie diese Lachs - Art in ihrer Stellung im Systeme bis jetzt verkannt und als nächster Ver - wandter des Saiblings und des Huchens hat angesehen werden können. Va -2)pag. 99 u. Vol. 24. 1838. pag. 165. Fig. 1 — 5, ferner in den Transactions of the royal so - ciety of Edinburgh. Vol. 14. 1840. pag. 547. Pl. II. Fig. 1 — 8. Diese Abhandlungen sind übersetzt in Froriep’s Notizen. Bd. 50. 1836. pag. 177 u. in dessen neuen Notizen. Bd. 6. 1838. pag. 1 u. Bd. 14. 1840. pag. 97. Die in diesen Abhandlungen mitgetheilten Beobachtun - gen haben durch Young (in the Annals of nat. hist. Vol. XI. 1843. pag. 157 u. Vol. XIV. 1844. pag. 146 übersetzt in Froriep’s neuen Notizen. Bd. 25. pag. 277 u. Bd. 31. pag. 312) u. durch Fries (Om Stirren, Salmo Salmulus, in Kongl. Vetenskaps — Academiens Handlingar för 1837, Stockholm, 1838. pag. 1. Tab. I) ihre Bestätigung gefunden.301Gattung: Trutta.lenciennes muss diese Beobachtungen von Nilsson und Jardine ganz über - sehen haben, sonst würde er die Zahnstellung am Gaumen des Lachses nicht so durchaus falsch angegeben haben, indem er (a. a. O. pag. 172) behauptete, dass der Lachs nur an dem Vorderende seines Vomer (chevron) zwei bis drei Zähne besitze. Diese unrichtige Auffassung ist noch unrichtiger auf der von Valenciennes gelieferten Abbildung (a. a. O. Pl. 14) des Zahnsystems eines weiblichen Lachses hingestellt, indem man hier zwischen den beiden Vorderenden der Gaumenbein-Zahnreihen eine Doppelreihe von je vier quer stehenden Vomerzähnen erblickt, die sich in dieser Weise niemals weder bei alten noch bei jungen Lachsen vorfinden.
Durch die unrichtige Annahme, dass der gemeine Lachs wegen seines nur vorn mit Zähnen besetzten Vomer mit dem Saibling und Huchen zusam - mengestellt werden müsse, konnte es nicht ausbleiben, dass jüngere Lachse mit vollständiger Bezahnung des Vomers verkannt wurden. Auf diese Weise lässt es sich erklären, warum Rathke (Nr. 98: pag. 18) den Salmo Eriox Lin. für die Fauna Preussens als nicht selten bezeichnete. Derselbe hat, wie ich mich an einem im zoologischen Cabinete zu Königsberg aufbewahrten Exemplare überzeugte, einen jüngeren Lachs (Trutta Salar) als Salmo Eriox genommen. Ich vermuthe sogar, dass dieses Individuum ein steriler Lachs gewesen war, da dasselbe ausser einer sehr schmächtigen, langgestreckten Schnauze und einem an der hinteren Hälfte zahnlosen Vomerstiel auf dem silberigen Leibe nur wenige schwarze Flecke und eine tief ausgeschnittene Schwanzflosse besass und viele Schuppen verloren hatte.
Syn. u. Citate.
a. Fortpflanzungsfähige Form.
Mangolt Nr. 33: pag. 15. Sefährin, Inlancke, Grundfährin.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 12. n. 4, Syn. nom. pisc. pag. 25. n. 9.
Linné Nr. 2: pag. 510. n. 6. Salmo lacustris.
Wartmann Nr. 37 b: pag. 55. Salmo Illanca, Rheinanke, Illanke.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 180. Salmo lacustris, Rheinanke, Illanke. (Ist ein wört - licher Abdruck des vorhergehenden Aufsatzes von Wartmann.)
Schrank Nr. 23 a: pag. 319. n. 292. u. Nr. 23 d: Bd. I. pag. 312. Salmo Trutta, Lachs - forelle.
Hartmann Nr. 38 a: pag. 146 u. 147. Salmo Trutta, Rheinlanke, Grundforelle, u. Nr. 38 b: pag. 101. Salmo lacustris, Grundforelle, Lachsforelle, Illanke.
Nenning Nr. 39: pag. 16. Salmo lacustris, Grundforelle. (Unter diesem Namen auch in der Iconographie abgebildet.)
Agassiz Nr. 9: Tab. VI juv. VII ♂. VIIa. VIII ♀. Salmo Trutta, var. Salmo Lemanus, Lachs - forelle, Seeforelle.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 300. Pl. 617 (nicht deutlich, die ganze Abbildung er - innert an ein männliches Individuum des gemeinen Lachses). Fario Lemanus.
Weber Nr. 27: pag. 24. Taf. 45. Salmo Trutta, Seeforelle, Lachsforelle.
302Familie: Salmonoidei.Heckel Nr. 11 f: pag. 348 u. 354. Taf. III. Fig. 6 — 8. Fario Marsilii, Lachsforelle.
Rapp Nr. 41: pag. 29. Taf. IV. Fario Trutta, Lachsforelle, Grundforelle.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 267. Fig. 149 u. 150. Fario Marsiglii, Lachsforelle.
b. Sterile Form.
Mangolt Nr. 33: pag. 16. Schwebfährin.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 157. Taf. 103. Salmo Schiefermülleri, Silberlachs.
Schrank Nr. 23 a: pag. 323. n. 297. Salmo Schiffermülleri, Silberlachs.
Hartmann Nr. 38 a: pag. 147. Schweebforelle u. Nr. 38 b: pag. 111. Seeforelle, Schwebförne.
Nenning Nr. 39: pag. 17. Salmo Trutta, Schwebforelle. (Unter demselben Namen auch in der lconographie abgebildet.)
Agassiz Nr. 9: Tab. XIV. XV. Salmo lacustris, Silberlachs, Rheinlanke, Grund - forelle.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 344. Salar Schiffermülleri.
Weber Nr. 27: pag. 33. Taf. 40. Salmo lacustris, Silberlachs.
Heckel Nr. 11 f: pag. 349 u. 354. Taf. III. Fig. 1 — 3 u. Nr. 11 i: pag. 194. Salar Schiffer - mülleri, Maiforelle, Mailachs.
Rapp Nr. 41: pag. 27. Taf. III. Fario lacustris, Silberlachs, Schwebforelle.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 264. Fig. 145 u. 146. Salar Schiffermülleri, Maiforelle u. pag. 265. Fig. 147 u. 148. Salar lacustris, Illanken.
Artcharakter: Körper mehr oder weniger gestreckt und fast cy - lindrisch; Schnauze kurz und abgestumpft; die vordere kurze Vomerplatte dreieckig und am queren Hinterrande mit 3 bis 4 Zähnen besetzt; der sehr lange derbe Vomer - stiel auf der Gaumenfläche seicht ausgehöhlt und mit einer starken, hohen bezahnten Längsleiste versehen, auf der Rückenfläche gewölbt. Die Zähne des Vomerstiels sehr stark, meistens vorn in einfacher, hinten in doppel - ter Reihe stehend, selten durchweg einfach, noch selte - ner durchweg doppelt stehend; die hinteren Vomerzähne im höheren Alter häufig verloren gehend. (Der grün - oder blaugraue Rücken und die silberigen Seiten mit bald mehr bald weniger runden oder eckigen schwarzen Flecken, Un - terseite mit silberweissem Glanze.)
D. 3 — 4 / 8 — 10, P. 1 / 13, V. 1 / 8, A. 3 / 7 — 8, C. 19.
Die den Binnenseen der mitteleuropäischen Alpenländer angehörige See - forelle ist von den Ichthyologen vielfach mit der Lachsforelle (Salmo Trutta des Linné) der Nord - und Ostsee verwechselt worden. Auch sind verschie - dene Alters - und Geschlechtszustände derselben als besondere Arten ge - nommen worden. Da ausserdem diese Lachsart nach den verschiedenen Aufenthaltsorten und verschiedenen Jahreszeiten sowohl in den Körperum - rissen, wie in der Färbung und Zeichnung ungemein variirt, so erklären sich hieraus die vielen verschiedenen Namen, unter welchen die Seeforelle von den Ichthyologen meistens ziemlich unkenntlich beschrieben worden ist.
303Gattung: Trutta.Die geschlechtlich entwickelte Form der Seeforelle, welche am Chiemsee den Namen » Lachsforelle « und am Bodensee den Namen » Grundforelle « führt, macht sich durch ihre plumpere, dickere Körpergestalt kenntlich. Ihr Kopf besitzt im Vergleich zu den übrigen Körperverhältnissen einen bedeutenden Umfang. Ihre Schnauze ist weniger gestreckt und stumpfer, was besonders durch die kürzer entwickelten Zwischenkiefer veranlasst wird, daher auch bei alten, sehr gross ausgewachsenen männlichen Individuen die hakenartige Unterkiefer-Spitze weder so lang noch so auffallend gekrümmt auswächst, wie bei dem gemeinen Lachse. Die Mundspalte ragt nach hinten über die Augen hinaus. Die Zähne der T. lacustris sind schwächer als bei T. Salar, mit Ausnahme der Vomerzähne, welche bei der Seeforelle im Vergleich zu den hinfälligen Vomerzähnen des gemeinen Lachses eine sehr derbe Beschaf - fenheit annehmen. Der ganze Knochenbau des Vomer ist bei der Seeforelle ein sehr massiver und derber. Sowohl die am Hinterrande der dreieckigen vorderen Vomerplatte, wie die auf der ganzen Mittellinie der langen, hinteren Vomerplatte angebrachten Zähne haben eine conische Gestalt mit dick ange - schwollener Basis und mit bald nach hinten, bald nach rechts oder links ge - krümmter Spitze. Diese Zähne fallen bei weitem nicht so frühe ab wie bei dem gemeinen Lachs. Ich habe an sehr grossen, 15 bis 20 Pfund schweren Seeforellen die Vomerzähne noch ziemlich vollzählig gefunden, während ich auf dem Vomerstiel gleich grosser Lachse fast keinen einzigen Zahn mehr antraf. Die Flossen der Seeforelle zeigen sich in die Länge gestreckt, na - mentlich erscheinen die paarigen Flossen im zurückgeschlagenen Zustande schmal und scharf zugespitzt. Die Schwanzflosse besitzt im Jugendzustande der Seeforellen einen tiefen Ausschnitt, der einen rechten Winkel darstellt; dieser Ausschnitt verliert sich viel früher als bei dem gemeinen Lachs, so dass Seeforellen von 16 Zoll Länge bereits eine fast gerade, abgestutzte Schwanzflosse besitzen.
Der Rücken der Seeforellen ist bald grüngrau, bald blaugrau gefärbt und mit vielen runden, schwarzen Tupfen besetzt, die Seiten erscheinen sil - berig mit bald mehr, bald weniger zahlreichen runden oder eckigen schwar - zen Flecken bestreut, welche zuweilen einen verwischten orangengelben Saum besitzen; an vielen jungen Individuen nimmt man an den Seiten auch ein - zelne orangengelbe Flecke wahr. Von den Flossen erscheinen die Brust - und Bauchflossen, sowie die Afterflossen im jüngeren Alter ganz blass und nur bei älteren Individuen bald stärker, bald schwächer grau pigmentirt, während Rücken - und Schwanzflosse stets dunkelgrau gefärbt sind. Die er - stere trägt immer viele runde, schwarze Flecke, wogegen die Schwanzflosse nur zuweilen mit einzelnen verwischten schwarzen Flecken besetzt ist.
Ganz verschieden von der fruchtbaren Seeforelle entwickeln sich die steril bleibenden Individuen, welche am Bodensee als » Schwebforellen «, sowie304Familie: Salmonoidei.an den Seen Oberöstreichs als » Maiforellen « bezeichnet werden. Ihr Körper bleibt viel mehr seitlich zusammengedrückt und schlanker, indem derselbe weniger Fleisch ansetzt als die Grundforelle. Ihre Schnauze streckt sich in die Länge, ihr Maul erscheint tiefer gespalten und bei weiterem Heranwach - sen des Fisches verliert die Schwanzflosse nicht sobald ihren Ausschnitt. Im höheren Alter kömmt die Schnauzenverlängerung als äusseres Kennzeichen der männlichen Individuen nicht zur Entwicklung, auch bildet sich an der Unterkieferspitze derselben kein Haken aus. Am auffallendsten weicht die sterile Seeforelle durch ihre Färbung ab. Ihr grün - oder blaugrauer Rücken erhält nie so dunkelschwarze Flecken, wie der Rücken der fruchtbaren See - forelle, auch kommen diese Rückenflecke nie so zahlreich, sondern meist in sehr geringer Menge vor; an den Seiten stehen nur sehr wenige ganz vereinzelte ver - wischte schwarze Flecke, welche auch oft ganz ausbleiben, so dass alsdann der Kiemendeckelapparat und die Körperseiten einen wunderschönen, durch nichts unterbrochenen silberweissen Glanz von sich geben, in welchen Fällen der hier und dort gebräuchliche Volksname » Silberlachs « recht eigentlich auf diese Seelachsform passt. Die länger und spitzer ausgezogenen paarigen Flossen, sowie die Afterflosse sind farblos und nur selten bei älteren Individuen etwas angeschwärzt, die Rücken - und Afterflosse erscheinen dunkelgrau, von denen die erstere meistens mit weniger schwarzen, runden Flecken besetzt ist als an den fruchtbaren Individuen. Alle diese Abweichungen sind nicht von solchem Gewicht, um die Schweb - oder Maiforelle als besondere Art von der frucht - baren See - oder Grundforelle abzuscheiden. Wie wenig Artunterschiede diese beiden Forellen-Formen darbieten, haben Heckel und Kner recht gut empfun - den, da sie (Nr. 13: pag. 268) von der fruchtbaren Seeforelle (Fario Marsiglii) sagen: » die Messungsverhältnisse der Körperhöhe zur Kopflänge, dieser zur Totallänge, ferner der Dicke zur Höhe u. s. w. stellen sich aber fast genau wie bei unsrer Maiforelle heraus; auch in Grösse und Zahl der Schuppen, in Stellung und Bau der Flossen stehen sich diese beiden Arten so nahe, dass der Unterschied zwischen beiden überhaupt bisher oft in Frage gestellt wurde «.
In ihrem Wachsthum weichen die geschlechtlich entwickelten Seeforellen von den übrigen Lachsarten nicht ab, auch sie gelangen zu einer bedeuten - den Grösse, indem 25 bis 30 Pfund schwere Individuen nichts seltenes sind. Ganz anders verhalten sich aber die sterilen Seeforellen, welche viel lang - samer als die fruchtbaren Individuen wachsen und auch nicht so leicht die Grösse der letzteren erreichen. Die Schwebforelle des Bodensees wird ge - wöhnlich mit einer Länge von 15 bis 18 Zoll und einem Gewichte von ½ bis 1 Pfund gefangen, auch aus dem Kochelsee erhielt ich keine sterile Seeforelle über 17 Zoll lang und über ¾ Pfund schwer. Schon Hartmann1)S. dessen helvet. Ichthyologie. pag. 111. hebt hervor,305Gattung: Trutta.dass die Schwebforelle nicht oft über zehn Pfund schwer und sehr selten bis zu zwanzig Pfund schwer vorkomme. Auch Heckel u. Kner (Nr. 13: pag. 264 u. 269) machen darauf aufmerksam, dass die Maiforelle der östreichischen Seen (Salar Schiffermülleri), welche nach meiner Ueberzeugung mit der Schwebforelle des Bodensees identisch ist, gewöhnlich nur 10 bis 15 Pfund schwer gefangen werde, während die Lachsforelle (F. Marsiglii), welche einer fruchtbaren Seeforelle entspricht, sehr gewöhnlich ein Gewicht von 25 bis 30 Pfund erreicht1)Interessant sind in dieser Beziehung die Gewichtsangaben auf den im Jagdschloss St. Bartholomae aufgehängten Porträts von verschiedenen, im Königssee gefangenen Lachs - ferchen (Lachsforellen), von denen die beiden am 13ten Mai 1847 und am 28ten Aug. 1725 gefangenen Stücke 19 Pfund und 19½ Pfund wogen, während die am 10ten Sept. 1714, am 15ten Sept. 1718, am 11ten October 1718 und am 8ten Sept. 1717 gefangenen Stücke im Gewicht von 21, 22, 23 und 24 Pfund besassen, und ein am 1ten December 1719 gefangenes Thier sogar die Schwere von 52 Pfund erreicht hatte..
Die fruchtbaren Seeforellen verlassen, um zu laichen, ihren Seeaufent - halt und wandern durch die Einmündungen der Flüsse und Bäche weite Strecken in diesen hinauf. Nur die Seeforellen solcher Seen, deren Zuflüsse zu wasserarm sind oder aus Sturzbächen bestehen, mögen sich genöthigt sehen, ihr Fortpflanzungsgeschäft in den Seen selbst abzumachen. Es be - ginnen die Wanderungen der Seeforellen mit Ende September, welche bis in den December hinein fortdauern, wobei die jüngsten den Anfang machen, unter denen sich Individuen von kaum einem Pfunde befinden. Es haben die Seeforellen, ganz wie die Lachse, zur völligen Entwicklung und Reife ihrer Geschlechtsorgane einen längeren Aufenthalt in den fliessenden Gewässern nöthig, während welcher Zeit die männlichen Individuen in ihrer Färbung und an ihrer Hautbedeckung auffallende Veränderungen erleiden. Sie nehmen nämlich eine sehr dunkle Färbung an und erscheinen auf der Unterseite vom Kinn bis zum Schwanzende oft ganz schwarz pigmentirt, auch leuchten die tiefer gelegenen Hautschichten sehr häufig orangengelb gefärbt hindurch, weshalb solche Individuen am Chiemsee mit dem Namen » Goldlachse « be - zeichnet werden. Die Schwartenbildung nimmt in ansehnlicher Dicke den Rücken und Bauch der Milchner ein und erstreckt sich von da aus auch auf die Flossen, so dass namentlich an der Afterflosse und am Ober - und Unter - rande der Schwanzflosse kaum die knöchernen Flossenstrahlen hindurchge - fühlt werden können.
Durch die Angabe Heckel’s2)Vergl. dessen: Reise-Bericht a. a. O. pag. 287 u. Anhang II. zu dem Reise-Bericht a. a. O. pag. 351., dass die Maiforelle (die sterile Form der Seeforelle) bei der Berührung sehr leicht ihre Schuppen fahren lasse3)Dieselbe Erscheinung habe ich an den Schwebforellen des Bodensee’s wahrge - nommen., wähn -v. Siebold, Fische. 20306Familie: Salmonoidei.rend bei der Lachsforelle (der fruchtbaren Form der Seeforelle) die Schuppen zu jeder Zeit fest in der Haut sitzen, sehe ich mich veranlasst, darauf auf - merksam zu machen, dass, wenn sich an den brünstigen weiblichen Seefo - rellen auch keine eigentliche Hautschwarte entwickelt, die Haut derselben bei Annäherung der Brunstzeit dennoch in Wucherung geräth und die Schuppen von ihr stärker eingehüllt und festgehalten werden. Nach vollbrachtem Fort - pflanzungsgeschäfte schwindet sowohl bei den Milchnern wie bei den Rog - nern der Seeforelle die erwähnte Hautwucherung wieder, und sitzen alsdann ihre Schuppen in der zarten und dünnen Haut ebenso lose wie bei den steri - len Maiforellen der östreichischen Seen und den sterilen Schwebforellen des Bodensees das ganze Jahr hindurch.
Die Verbreitung der Trutta lacustris, welche nur die Seen der Alpen und Voralpen bewohnt, ist eine sehr ausgedehnte, da sich dieser Salmoneer von Genf und Neuchâtel bis Gmund fast in allen innerhalb oder vor der schweizerischen, bayrischen und östreichischen Alpenkette gelegenen grösse - ren Seen findet.
In Bezug auf die bayrischen Alpen - und Voralpen-Seen kenne ich das Vorkommen des Seelachses, ausser im Bodensee und Chiemsee, noch im Christsee, Walchensee, Kochelsee, Würmsee, Tegernsee, Königssee, Ober - und Hintersee, unter denen mir sterile Formen aus dem Bodensee, Kochelsee, und Tegernsee durch die Hände gegangen sind.
Seitdem Bloch die sterile Maiforelle der östreichischen Seen als beson - dere Art unter dem Namen Salmo Schiffermülleri beschrieben und Agassiz die sterile Schwebforelle des Bodensee’s als Salmo lacustris von der frucht - baren Seeforelle getrennt hatte, sind die Begriffe der Ichthyologen in Bezug auf die Unterscheidungsmerkmale der unsere Binnenseen bewohnenden See - forellen in die grösste Verwirrung gerathen, welche noch besonders durch die vielen verschiedenen Namen vermehrt wurde, womit die Fischer diesen Sal - moneer, je nachdem derselbe im Frühling oder Herbst, an dieser oder jener Localität, mit oder ohne Hochzeitskleid gefangen wird, zu bezeichnen pfle - gen. Ich lege zwar grossen Werth auf die Mittheilungen verständiger Fischer, da man von ihnen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Fische viel lernen kann, zur Unterscheidung und Abgrenzung von Arten und Abarten der Salmoneer geben aber selbst die erfahrensten Fischer den Ichthyologen keine Hülfsmittel an die Hand. Heckel hat jedenfalls zu viel Gewicht auf die Aussagen des vielerfahrenen Fischers Schmoller gelegt, welcher ihm (Nr. 11e: pag. 286 u. 287) die Maiforelle und Lachsforelle des Attersees als zwei ver - schiedene Arten schilderte, sonst hätte der sonst so umsichtige Wiener Ich - thyolog auf den Gedanken kommen müssen, dass die Maiforelle nur eine ste - rile Abart der Lachsforelle jenes Sees sei, zumal da einige Notizen, welche Heckel bei seinem Besuche der östreichischen Alpenseen einsammelte, ganz307Gattung: Trutta.dazu geeignet waren, auf die Sterilität der Maiforelle hinzuweisen. Zuerst erwähnt Heckel ausdrücklich, dass die Laichzeit der Maiforelle keinem Fischer bekannt sei (ebenda: pag. 288), alsdann hebt er hervor (ebenda: pag. 287), dass die Eier in der Maiforelle niemals grösser wie Hirsekörner gefunden würden, was ihn veranlasst habe (Nr. 13: pag. 264), die Angabe des erfah - renen Fischzüchters Aigner in Salzburg zu bezweifeln, als seien die Monate April und Mai die Laichzeit der Maiforelle1)Auch ich muss diese Angabe des Aigner, dass die Maiforellen im Mai ihren Laich ab - setzen, bezweifeln, obgleich derselbe (Nr. 22: pag. 85) später dieselbe Angabe noch einmal wiederholt hat; mir hat am Attersee und Mondsee, wo die sterile Seeforelle als Mailachs und die im Herbst laichende Seeforelle als Herbstlachs gekannt sind, kein Fischer, nach - dem ich ihn auf sein Gewissen darum befragt hatte, die Zeit und den Ort des Laichens von dem Mailachs anzugeben sich getraut., da die Eier der im Monat Mai gefangenen weiblichen Maiforellen kaum die Grösse eines Hirsekornes über - treffen. Ich lege auf diese Beobachtungen grosses Gewicht, indem die Jahr aus Jahr ein gleich gross erscheinenden Eier für den stets unreif bleibenden Entwicklungszustand der Eierstöcke dieser Fische sprechen, denn bekanntlich erlangen die reifen Eier aller unserer bezahnten Salmoneer eine Erbsen - grösse. Die Sterilität der Maiforelle wird noch durch folgenden dritten Um - stand bestätigt. Heckel (Nr. 11 i: pag. 194) fand an einer Maiforelle, die er im Monat December aus dem Fuschlsee erhalten hatte, » einen neuen Beweis gegen die Meinung mancher Fischer, welche glauben, dass Lachsforellen, die im Herbste am Laichen verhindert sind, dann im Frühjahr laichen, die Farbe etwas verändern, die Schuppen leicht fallen lassen und so als Maiforellen er - scheinen. Die im December gefangene Maiforelle verliert die Schuppen aber ebenso leicht und hat dieselbe Farbenzeichnung, wie die im Mai gefangenen «. Ich sehe hierin nur noch einen neuen Beweis, dass die Maiforellen sterile See - forellen sind, indem ihre Haut sich niemals mit hochzeitlichen Farben schmückt, zu keiner Zeit durch brünstige Wucherungen sich verdickt und so die Schuppen nie fest an sich hält. Bedeutungsvoll ist ausserdem noch die Mittheilung Heckel’s (Nr. 11 e: pag. 287), dass einige Fischer in Oberöstreich die Meinung hegen, aus der Maiforelle werde bei zunehmendem Alter eine Lachsforelle.
Es ist bei der Beschreibung des Huchen (s. oben pag. 290) von mir schon erwähnt worden, dass Heckel der Bloch’schen Abbildung des Salmo Schiffermülleri (der sterilen Seeforelle aus Oberöstreich) mit Unrecht den Vorwurf gemacht hat, sie sei mit der Abbildung des Salmo Hucho verwech - selt worden. Die Maiforelle, wie sie Bloch hat darstellen lassen (a. a. O. Taf. 103) ist als sterile Seeforelle deutlich zu erkennen. Die Schlankheit des ganzen Körpers, sowie die silberweisse Farbe der Leibesseiten springen an dieser Abbildung ebenso in die Augen, wie an der freilich ungleich schöne -20*308Familie: Salmonoidei.ren Abbildung, welche Agassiz (a. a. O. Tab. XV) von Salmo lacustris (der sterilen Seeforelle aus dem Bodensee) geliefert hat. Ungleich gegründeter ist dagegen Heckel’s Vorwurf (Nr. 11 f: pag. 351), dass Bloch in der Beschrei - bung des Salar Schiffermülleri den Seelachs unserer Alpenseen mit dem Meer - lachs der Ost - und Nordsee zusammengeworfen habe.
Heckel wollte übrigens zwischen seinem Salar Schiffermülleri und Fario Marsiglii auch einen anatomischen Unterschied gefunden haben, auf den er wie - derholt hingewiesen1)S. Nr. 11 f: pag. 348. Taf. III. Fig. 3 u. 8, und Nr. 11 i: pag. 195, ferner Nr. 13: pag. 268. Fig. 146 u. 150., nämlich einen vorn einreihig, hinten zweireihig bezahn - ten Vomerstiel bei ersterem, und einen durchweg einreihig bezahnten Vomer - stiel bei letzterem; ich habe aber diesen Unterschied nicht bestätigt gefunden, sondern die Stellung der Zahnreihen auf dem Vomerstiel beider Seelachsfor - men sehr wandelbar angetroffen, was ich mit folgenden Erfahrungen belegen kann. Von 33 Vomerknochen, welche ich aus männlichen und weiblichen brünstigen Seeforellen des Chiemsees von 8 bis 20 Pfund Gewicht heraus - präparirt habe, zeigten 17 einreihig geordnete Zähne am Vorderende des Stiels, auf dem hinteren Ende desselben waren bereits die Zähne wegen des vorgerückten Alters der Fische gänzlich verschwunden, auf 6 Vomerstielen standen die Zähne vorn einreihig hinten zweireihig, auf 3 Vomerstielen stan - den dagegen die Zähne vorn und hinten einreihig und in der Mitte zweireihig, auf 2 Stielen sah ich die Zähne von vorn bis hinten einreihig geordnet, auf 2 anderen Stielen waren nur hinten die Zähne einreihig, vorn und in der Mitte aber zweireihig geordnet, auf zwei anderen erkannte ich ebenfalls vorn die Zähne doppelreihig gestellt, auf dem übrigen Theile des Vomerstiels aber wegen vorgerückten Alters völlig verschwunden, nur ein grösserer Vomerstiel bot vorn einreihig und in der Mitte doppelreihig gestellte Zähne dar, während hinten alle Zähne spurlos verschwunden waren. Es befand sich unter diesen von mir untersuchten Seelachsen bestimmt keine sogenannte Maiforelle, die ich etwa unrichtig bestimmt hätte; an allen diesen Chiemsee-Lachsen waren die Fortpflanzungsorgane bis zur vollkommenen Brünstigkeit entwickelt, auch waren sie sämmtlich in der Achen gefangen worden, in welche sie vom Chiemsee aus, um zu laichen, eingewandert waren. Dennoch muss ich glau - ben, dass die sterile Seeforelle auch im Chiemsee vorkömmt, da mir von den Chiemsee-Fischern die Mittheilung gemacht wurde, dass im Chiemsee, aber nie in der Achen eine schlanke, silberfarbige Lachsforelle mit wenig kleinen, schwarzen Tupfen das ganze Jahr hindurch an der Angel gefangen werde, welche weder Rogen noch Milch enthalte. Es ist dies offenbar die sterile Mai - forelle der östreichischen Seen, welche aber am Chiemsee keinen besonderen Namen erhalten hat, obwohl der Name » Maifisch « am Chiemsee gekannt ist. 309Gattung: Trutta.Dieser Name bezieht sich aber auf einen ganz anderen Fisch des Sees, nämlich auf den Leuciscus Meidingeri, der von Schrank, wie ich bereits angeführt habe (s. oben pag. 199) mit der Seeforelle verwechselt worden ist.
In derselben Weise, wie im Osten der Alpen die sterilen und fruchtbaren Formen des Seelachses theils von Ichthyologen, theils von Fischern als zwei besondere Arten betrachtet werden, sind auch in den westlichen Alpengegen - den diese beiden Seelachsformen als zwei Arten bisher auseinandergehalten worden, aber nur mit dem Unterschiede, dass am Bodensee die fruchtbare Form den Namen » Grundforelle « und die sterile Form den Namen » Schweb - forelle « führt. Es muss auffallen, dass von älteren Ichthyologen über die Le - bensweise und die verschiedenen Namen der Bodensee-Lachse viel überein - stimmendere und genauere Notizen gegeben worden sind als von den neuern Ichthyologen, welche sich oft in ihren Angaben widersprechen und beide Lachsformen nach Namen und Lebensweise meist durcheinandergemengt ha - ben. Mangolt, von dem wir über Natur und Eigenschaften der Bodensee - Fische die ältesten zuverlässigen Nachrichten besitzen, hebt ganz klar hervor (a. a. O. pag. 16), dass es im Bodensee zweierlei » Sefärhinen « gebe, » nämlich Grundfärhinen und Schwäbfärhinen. Diser vnderscheid aber ist nit am visch sonder an der weid: dann die Grundfärhin jr weid hatt im grund vnnd in der tieffe, dahär sy dann auch den namen hatt vnnd ein Grundfärhin genennt wirt. Die Schwäbfärhinen aber schwäbt oben embor, weidet vnnd neret sich der muckenn ob dem wasser. Wie nun das vych auff ein gute feisste weid ge - schlagenn leybhaffter, feisster vnnd am fleisch besser ist, dann das auff dürre vnnd magere weid getriben wirt: Also hatt es auch aller ding ein gstallt mit den vischen. Nun ists aber gwüss dass der lättächtig grund bessere narung vnnd weid gibt, dann die mucken: so volget auch, dass die Grundfärhinen besser sind dann die Schwäbfärhinen, dass dann alle schleckmeuler wol wüssend «. Noch heute wird am Bodensee die stets mager bleibende Schweb - forelle weniger geschätzt als die im Laufe des Sommers bis gegen den Herbst hin immer feister und fetter werdende Grundforelle.
Ausser Mangolt und Gesner1)S. dessen: Fischbuch. Zürich, 1575. Fol. 89 b. berichtet auch Wartmann (Nr. 37 b: pag. 59) von der Grundforelle, dass sie, um zu laichen, in den Oberrhein und in die Ill hinaufsteige und alsdann den Namen » Rheinanke « oder » Illanke « er - halte. Wartmann unterscheidet von dieser geschlechtlich sich entwickelnden Form der Trutta lacustris noch eine andere Lachsform des Bodensees, die er schlechthin » Seeforelle « nennt (a. a. O. pag. 66). Offenbar hat er damit die sterile Form der Trutta lacustris gemeint, denn er sagt von dieser Seeforelle, dass kaum eine Spur von Haken an ihrem Unterkiefer wahrzunehmen sei, während an der Rheinanke der Haken des Unterkiefers stark sei und schon310Familie: Salmonoidet.im zweiten Jahre sich zu entwickeln beginne (a. a. O. pag. 56). Noch be - stimmter unterscheidet Hartmann (Nr. 38 b: pag. 101 u. 111) die Grundforelle von der Schwebforelle, indem derselbe die erstere als Salmo lacustris be - schreibt und von ihr meldet, dass sie auch Rheinlanke, Illanke oder Inlanke genannt werde, dass ihre Laichzeit vom September bis November dauere, und dass das Männchen, wenn es einige Jahre alt ist, an dem Unterkiefer einen Haken bekomme. Für die Seeforelle, worunter Hartmann die Schweb - förne oder Schwebforelle versteht, hat derselbe keinen systematischen Na - men aufgeführt, indem er angiebt, dass sich dieselbe dem äusseren Ansehen nach von der Grundforelle kaum unterscheide und das Männchen derselben nie einen Haken am Unterkiefer bekomme. Er betrachtet dieselbe als Spiel - art der Grundforelle, welche sich wahrscheinlich mit der letzteren in allen Schweizerseen vorfinde. Dann fügt derselbe aber noch hinzu: » Die Seefo - relle (Schwebforelle) geht nie in die Flüsse um zu laichen, sondern legt ihren Laich, zwischen Mitte Novembers bis Mitte Decembers, in der Tiefe des Sees ab «. Die erste Hälfte dieses Satzes wird von allen Bodensee-Fischern be - stätigt, nicht aber die zweite Hälfte desselben Satzes, ich habe wenigstens von keinem Bodensee-Fischer mit Sicherheit erfahren können, wo und wann die Schwebforelle im Bodensee laiche. Alle stimmten aber darin miteinan - der überein, dass die Schwebforelle immer im See verbleibe und dass noch niemals reife Eier in den weiblichen Schwebforellen von ihnen beobachtet worden wären. Offenbar beruht also Hartmann’s Angabe über die Laichzeit der Schwebforelle auf einer blossen Vermuthung, während Rapp1)S. dessen: Fische des Bodensees. pag. 29., welcher sowohl durch Beschreibung, wie durch Abbildung die Schwebforelle und Grundforelle vortrefflich charakterisirt, jedenfalls eine Verwechslung began - gen hat, indem derselbe die Schwebforelle auch Illanke nennt und sie im Spätsommer, um zu laichen, vom Bodensee in den Rhein und in die Ill ziehen lässt, die Laichzeit der Grundforelle dagegen gar nicht erwähnt. Von Schinz, welcher sich in verschiedenen Schriften über die Fischfauna der Schweizerseen ausgesprochen hat, haben wir nur sehr unbefriedigende Auskunft über die Seeforelle erhalten; er hat die fruchtbaren und sterilen Formen dieses Fisches noch dazu mit der Meerforelle (Salmo Trutta) verwechselt, was weder Wart - mann nach Hartmann gethan haben; letzterer (Nr. 37 b: pag. 110) hat sich sogar mit bestimmten Worten gegen die Vereinigung der Seeforelle (Salmo lacustris) mit der wandernden Lachsforelle des Meeres (Salmo trutta) ausge - sprochen. In der Bearbeitung von Cuvier’s Thierreich sagt Schinz2)S. Bd. II. 1822. pag. 267. von der Seeforelle, die er als Salmo Trutta Lin. bezeichnet, dass sich dieselbe vor - züglich in Seen und besonders auch in der Schweiz finde und zu allen Jahres -311Gattung: Trutta.zeiten gefangen werde, am meisten wenn sie laicht, welches im November auf sandigem und steinigem Boden, an den Ausflüssen der Flüsse und Bäche geschieht, in deren Mündung sie steigt. Da Schinz gleich hinterher die See - forelle als Bewohner des Bodensees, des Rheins oberhalb des Sees und der Ill unter dem Namen » Rheinlanken « (Salmo Illanca) aufführt, so geht hieraus hervor, dass Schinz die Seeforelle des Bodensees von den Seeforellen der übrigen Schweizerseen als besondere Art getrennt wissen will. Gleiche An - sichten befolgt Schinz später in seiner Fauna helvetica1)A. a. O. pag. 160. Hier sagt Schinz von der Seeforelle: » in allen unseren Seen ge - mein und sehr geschätzt. Sie kommt aber in die Flüsse und geht bis in’s Meer «., sowie in seiner europäischen Fauna2)S. dessen europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 345 u. 348., nur mit dem Unterschiede, dass er in letzterer Schrift nach Agassiz’s Beispiel die Bodensee-Forelle nicht mehr Salmo Illanca, son - dern Salmo lacustris nennt. Agassiz (a. a. O.) hat übrigens die fruchtbare und sterile Form der Seeforelle vortrefflich abgebildet, unterscheidet aber beide, ohne ihre nahen Beziehungen zu einander errathen zu haben, als zwei beson - dere Arten, von denen er die fruchtbare Form mit dem Namen Salmo Trutta des Linné bezeichnete, unter welchem Namen letzterer3)S. dessen: Fauna suecica. pag. 123. Nr. 347. eigentlich nur die in die Flüsse aufsteigende Meerforelle hat verstehen wollen. Darin muss ich aber Agassiz beistimmen, dass derselbe4)A. a. O. Tab. VIII. Salmo Trutta Lin. Text. die von Jurine5)S. dessen: Histoire des poissons du lac Léman, in den Mémoires de la soc. d. phys. et d’hist. nat. de Genève. Tom. III. 1825. pag. 158. Pl. 4. als Salmo Trutta beschriebene und von Cuvier6)S. dessen: Règne animal. Tom. II. 1829. pag. 303. als Salmo lemanus für eine besondere Art aus - gegebene fruchtbare Seeforelle des Genfersee mit der Seeforelle des Neuen - burgersees vereinigt hat, da ich an der schönen Abbildung einer weiblichen Lachsforelle des Genfersees, wie sie Agassiz (a. a. O. Tab. VIII) geliefert, auf den ersten Blick die fruchtbare Seeforelle in ihren Umrissen, ihrer Färbung und Zeichnung wieder erkenne. Auch die von Jurine (a. a. O. Pl. 4) abgebil - dete Salmo Trutta des Genfersees stellt deutlich genug eine fruchtbare See - forelle dar, um so auffallender weicht dagegen die von Valenciennes (a. a. O. Pl. 617) gelieferte Darstellung des Salmo lemanus ab; die lange, schmächtige und niedrige Schnauze auf diesem Bilde deutet eher auf einen männlichen gemeinen Lachs (T. Salar) als auf eine Seeforelle (T. lacustris) hin, noch mehr aber der lange Zwischenraum, welcher an dem auf derselben Tafel abgebil - deten Gaumen zwischen der Schnauzenspitze und dem bezahnten Vorderrande des Vomerknochen wahrzunehmen ist. Anders verhält es sich mit der Ab - bildung eines Salmo lacustris des Agassiz (a. a. O. Tab. XV), von welcher es heisst: » Taf. XV ist ein alter Milchner, gefangen im December, im Bodensee «,312Familie: Salmonoidei.und welcher Agassiz die deutschen Namen giebt: » Silberlachs, Rheinlanke, Illanke, Grundforelle «. Ich sehe in ihr nichts anderes als eine schlanke, ga - belschwänzige sterile Seeforelle, welche durch den gänzlichen Mangel eines Kinnhakens von einer alten fruchtbaren männlichen Seeforelle aus dem Neuen - burgersee, wie sie Agassiz (a. a. O. Tab. VII) dargestellt hat, um so mehr absticht, als die letztere nicht bloss einen sehr gedrungenen Körperbau und eine abgestutzte Schwanzflosse besitzt, sondern auch ihr Geschlecht durch einen deutlichen Kinnhaken verräth.
Auch für seinen Salar lacustris wollte Heckel1)S. Nr. 11 f: pag. 353. Taf. III. Fig. 5, und Nr. 13: pag. 265. Fig. 148. ein anatomisches Merk - mal gefunden haben, um diese Schwebforelle des Bodensees, die er fälschlich » Illanke « und » Rheinlanke « nennt, und die er unrichtig mit Wartmann’s und Bloch’s Salmo Illanca für identisch hält, von der Grundforelle des Bodensees unterscheiden zu können. Aber dieses Unterscheidungsmerkmal, nämlich die durchaus in doppelter Reihe aufsitzenden Zähne des Vomerstiels, hält ebenso wenig Stich, wie die oben erwähnte Zahnstellung auf dem Vomerstiel von Sa - lar Schiffermülleri, worüber schon Rapp (Nr. 41: pag. 28 u. 29) Erfahrungen gesammelt hatte, denn derselbe sagte von den Vomerzähnen der Schwebfo - relle: » nicht immer stehen die Zähne nach der Länge des Pflugscharbeins in einer geraden Linie, oft sind einige im Zickzack, aber eine doppelte Zahnreihe, wie sie nach Heckel bei Salmo lacustris vorkommt, findet sich bei meinen Skeleten von F. lacustris aus dem Bodensee nicht «, auch spricht sich derselbe bei der Beschreibung der Grundforelle an drei verschiedenen Stellen dahin aus, dass die Zähne auf dem Körper des Pflugscharbeins der Länge nach eine ein - fache Reihe bilden, jedoch nicht regelmässig, indem zuweilen nach einem Zahne zwei neben einander stehen. Meine Untersuchungen über diesen Gegen - stand haben folgendes Resultat geliefert: unter 15 Individuen der sterilen Bo - densee-Schwebforelle von mittlerer Grösse war der Vomerstiel bei fünf Indi - viduen vorn mit einer Reihe, hinten mit zwei Reihen Zähnen besetzt, bei neun Individuen fand ich die Zähne des Vomerstiels durchweg einreihig gestellt, bei einem Individuum standen die Zähne des Vomerstiels vorn doppelreihig, während hinten die Zähne verschwunden waren; unter 10 Individuen der fruchtbaren Bodensee-Grundforelle von mittlerer Grösse zeigten sich sechs Mal die Zähne des Vomerstiels durchweg einreihig gestellt, an einem sieben - ten Individuum sah ich diese Vomerzähne vorn einreihig und hinten ver - schwunden, bei einem achten Individuum standen die Zähne des Vomerstiels durchweg doppelreihig, bei einem neunten dagegen vorn und in der Mitte doppelreihig, hinten einreihig, und bei einem zehnten Individuum vorn einrei - hig, hinten zweireihig.
Wenn Heckel und Kner (a. a. O. pag. 265) bei der Schwebforelle des313Gattung: Trutta.Bodensees noch auf das diagnostische Merkmal: » die Schuppen festsitzend « Gewicht legen, so muss ich hiergegen einwenden, dass ich von den Schweb - forellen die Schuppen sich ebenso leicht lostrennen sah, wie dies Heckel an der Maiforelle beobachtet hat.
Auch die verschiedene Form und Stellung der Kiemendeckel-Stücke suchte Heckel bei seinem Salar Schiffermülleri, Salar lacustris und Fario Mar - siglii festzustellen, um darauf die Art-Unterschiede dieser Lachsforellen zu stützen1)Vergl. Nr. 11 f: pag. 349 u. 350. Tab. III. Fig. 1. u. 6, ferner Nr. 13: pag. 263. 265 u. 268.. Ich habe anfangs sehr sorgfältig auf diese von Heckel hervorge - hobenen Unterscheidungsmerkmale geachtet, bin aber bald gewahr gewor - den, dass die Umrisse dieser Deckel-Stücke durchaus keinen so constanten Charakter bieten, um darnach Species unterscheiden zu können, was mich nicht überraschen konnte, da sich die drei vorhin genannten Lachsforellen - Formen als ganz nahe verwandt herausgestellt haben. Aber auch bei weiter von einander entfernten Trutta-Arten war ich nicht im Stande, den Artcha - rakter derselben in einer ganz bestimmten sich immer gleichbleibenden Ab - grenzung ihrer Kiemendeckel-Stücke ausgeprägt zu finden, weshalb ich das Gewicht, welches von Yarrell2)S. dessen: Hist. of brit. fishes. Vol. II. pag. 5. zur Unterscheidung der Trutta-Arten, und von Richardson3)S. dessen: Fauna boreali-americana. III. The Fishes. London. 1836. pag. 139 u. d. f. zur Unterscheidung der Salmoneer-Arten überhaupt auf die Kiemendeckel-Stücke gelegt wird, ebenfalls nicht so hoch anschlagen kann.
Wollte man die Untersuchungen, welche Kner4)Vergl. dessen Aufsatz: über die Verschiedenheiten der Blinddärme bei Salmonen, in dem Sitzungsberichte der math. naturw. Classe d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, Jahrg. 1851. pag. 240 und dessen Abhandlung: über die Mägen und Blinddärme der Sal - moniden, ebenda, Jahrg. 1852. pag. 176. über die Verschieden - heit der Mägen und Blinddärme bei den Salmoneern angestellt hat, dazu be - nutzen, um etwa noch andere Unterschiede für Heckel’s Lachsforellen-Arten ausfindig zu machen, so wird man gewahr, dass Kner’s Versuch, die Salmo - neer nach den Organisations-Verhältnissen der Verdauungswerkzeuge zu cha - rakterisiren, eben nicht dazu beigetragen hat, den von Heckel aufgestellten Lachs - und Forellenarten eine festere Stellung im System zu verschaffen. Kner5)S. d. Sitzungsberichte a. a. O. 1851. pag. 245 und 247. fand nämlich zwischen Lachsforellen und Maiforellen bezüglich der Blinddärme die meiste Uebereinstimmung unter allen bisher untersuchten Ar - ten, was ihn zu dem Ausspruch veranlasste: » die Lachsforelle (F. Marsiglii) und Maiforelle (S. Schiffermülleri) sind in Beziehung ihrer Blinddärme kaum spezifisch von einander zu trennen «; ebenso bedeutungsvoll ist Kner’s6)Ebenda, 1852. pag. 185. Aeusserung, dass Salar Schiffermülleri in Hinsicht seines Verdauungscanals an Salar lacustris seinen nächsten Verwandten besitze. Vergleicht man die An -314Familie: Salmonoidei.gaben Kner’s mit den Zahlen, welche Rapp bei den Untersuchungen der Blind - därme der Bodensee-Lachsforellen erhalten hat, so ergiebt es sich, dass beide Ichthyologen ganz entgegengesetzte Zahlen-Verhältnisse gewonnen haben. Rapp (Nr. 41: pag. 28 u. 31) fand bei F. lacustris 60 bis 74 Blinddärme, wäh - rend Kner1)S. d. Sitzungsberichte a. a. O. 1852. pag. 183. an einer (sterilen) Seeforelle des Bodensees nur 50 Blinddärme zählte, dagegen gab Rapp (a. a. O. pag. 31) für die Blinddärme des F. Mar - siglii die Zahl 48 an, welche Zahl gegen diejenigen Zahlen sehr zurücksteht, die Kner2)Ebenda, 1851. pag. 244 und 1852. pag. 190. bei seinen Zählungen herausfand. Derselbe sagte nämlich von F. Marsiglii: » die Zahl der Blinddärme steigt hier über 80, ja, diese Species über - trifft an Zahl der Blinddärme alle echten Arten der Gattung Salmo, indem diese zwischen 90 bis 100 beträgt «. Aus diesen sich widersprechenden Zah - len-Angaben darf man wohl mit Recht schliessen, dass die Menge der Blind - därme bei einer und derselben Salmo-Art eine sehr wandelbare ist und jeden - falls zwischen zwei weit auseinander liegenden Zahlen hin und her schwankt. Es hat mich daher nicht überrascht, dass ich bei den Zählungen, welche ich in dieser Beziehung vorgenommen habe, wieder zu ganz anderen Resultaten gekommen bin, und für die Blinddärme steriler Seeforellen des Bodensees, mehr in Uebereinstimmung mit Kner, die Zahl 55 bis 59 und für die Blind - därme fruchtbarer Seeforellen des Bodensees, mehr in Uebereinstimmung mit Rapp, die Zahl 43 bis 55 erhalten habe.
Syn. u. Citate.
a. Erwachsen.
Baldner Nr. 42: pag. 153. Taf. 7. Weissforelle.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 12. n. 3, Syn. nom. pisc. pag. 24. n. 5.
Linné Nr. 2: pag. 509. n. 3. Salmo Trutta.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 143. Taf. 21. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Nau Nr. 45 a: pag. 17. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Siemssen Nr. 79: pag. 54. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Heineken Nr. 69: pag. 148. n. 38.
Gloger Nr. 88: pag. 72. n. 6. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Holandre Nr. 56 b: pag. 255. Salmo Trutta.
Bujack Nr. 97. pag. 320. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 221. Salmo Trutta.
Schulz Nr. 78: pag. 516. Salmo Trutta, Lachsforelle.
Krøyer Nr. 82: Bd. II. pag. 582. Salmo Trutta.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 294. Pl. 616. Fario argenteus.
b. Jung.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 155. Taf. 102. Salmo Goedenii, Seeforelle. (?)
Bujack Nr. 97: pag. 322. Salmo Goedenii, Seeforelle. (?)
Jardine: British Salmonidae. London 1839. Pl. XI. Fig. 1 u. 2. Young states of Salmo Trutta.
Rathke Nr. 98: pag. 18. Salmo Goedenii, Seeforelle.
315Gattung: Trutta.Artcharakter: Körper weniger gestreckt und fast cylindrisch; Schnauze kurz und abgestumpft; die vordere kurze Vomer - platte dreieckig, am queren Hinterrande mit 3 bis 4 Zähnen besetzt; der sehr lange Vomerstiel auf der Gaumenfläche seicht ausgehöhlt und mit einer starken hohen bezahnten Längsleiste versehen; die Zähne des Vomerstiels von mitt - lerer Stärke, von vorn bis hinten in einfacher Reihe, zu - weilen nur einzelne derselben doppelt stehend, bald frü - her bald später von hinten nach vorn verloren gehend. (Der blaugraue Rücken und die silberigen Seiten mit sehr wenigen schwarzen Flecken, Unterseite mit silberweissem Glanze.)
D. 3 / 9 — 11, P. 1 / 12 — 13, V. 1 / 8, A. 3 / 8 — 9, C. 19.
Die Meerforelle führt in Norddeutschland gewöhnlich den Namen » Lachs - forelle «; dies mag die nächste Veranlassung gewesen sein, dass die Seeforelle der mitteleuropäischen Alpenländer, welche ebenfalls häufig » Lachsforelle « genannt wird, mit der Meerforelle verwechselt worden ist. Es ist übrigens schwer, scharfe Unterscheidungsmerkmale für beide Lachsarten anzugeben, und daher kein Wunder, dass selbst Ichthyologen es nicht verstanden haben, die Meer - und Seeforelle voneinander getrennt zu halten. Der Kopf der Meer - forelle ist im Vergleich zu dem gedrungenen fast cylindrischen Körper nur klein zu nennen. Ihr Maul zeigt sich nicht weiter als bis unter die Augen ge -
a. b. Vomerknochen einer alten Meerforelle mit Zahnlücken. a. von unten gesehen, b. von der Seite gesehen.
spalten. Die Schuppen der Meerforelle sind grösser als die der Seeforelle, dagegen sind ihre Zähne schwächer als die der letztern. Ferner gehen die Vomerzähne an der Meerforelle früher verloren als an der Seeforelle, was auch an dem von Valencien - nes dargestellten Gaumen seines Fario argenteus an - gedeutet ist. Ich habe bei 14 Zoll langen Meer - forellen der Ostsee einen grossen Theil der hinte - ren Vomerzähne schon nicht mehr angetroffen.
Die paarigen Flossen der Meerforellen stimmen in ihrer zugespitzten Form ziemlich mit denen der Seeforelle überein, sind aber nicht so lang ausge - zogen. Die Schwanzflosse, welche bei jungen Meer - forellen ebenfalls gabelig und spitz ausgeschnitten ist, verliert diesen Ausschnitt viel früher als die Schwanzflosse des gemeinen Lachses. Ich sah bei 14 bis 17 Zoll langen Meerforellen der Ostsee den Ausschnitt der Schwanzflosse nur noch seicht vor -316Familie: Salmonoidei.handen, und bei 18 bis 19 Zoll langen Individuen die Schwanzflosse schon fast gerade abgestutzt, während bei gleich langen Individuen von T. Salar die Schwanzflosse einen noch ganz tiefen Ausschnitt besass.
In der Färbung erinnert die Meerforelle an die sterile Seeforelle. Ihr blaugrauer Rücken sowie ihre silberigen Seiten sind nur mit wenigen schwar - zen Flecken besetzt und zuweilen ganz ungefleckt; da auch die ganze Unter - seite dieses Fisches silberweiss gefärbt ist, so wird derselbe an der Ostsee gewöhnlich » Silberlachs « genannt. Die paarigen Flossen nebst der Afterflosse zeigen sich farblos, bei älteren Individuen färben sich aber die Brustflossen allmählich grau. Von der dunkelgrauen Rücken - und Schwanzflosse ist nur die erstere mit einzelnen wenigen schwarzen Flecken besetzt.
So lange die jungen Meerforellen noch nicht fortpflanzungsfähig gewor - den sind, erscheinen ihre Flossen weingelb gefärbt, auch zeigen sich an den Körperseiten verschiedene orangengelbe Flecke, wodurch diese Fische an die gemeine Forelle erinnern. In diesem Jugendkleide hat Jardine1)A. a. O. Pl. XI. Fig. 1 u. 2. die Meerfo - relle sehr schön abgebildet. Die Meerforelle in ihren verschiedenen Kleidern hat ebenfalls wie der gemeine Lachs das Schicksal gehabt, verkannt zu wer - den; sie erhielt namentlich in England in ihren verschiedenen Entwicklungs - zuständen besondere Namen, wodurch mancherlei Verwechslungen hervorge - rufen wurden. Auch hierüber hat Shaw2)Vergl. the Annals of nat. hist. Vol. XI. 1843. pag. 384. oder Froriep’s neue Notizen. Bd. 29. pag. 119. mit Hülfe der künstlichen Befruch - tung zuverlässige Beobachtungen angestellt und das gehörige Licht verbreitet, indem er aus den Embryonen der Meerforelle bei dem allmählichen Wachs - thum derselben die eine Form dieser für besondere Arten gehaltenen Alterszustände in die andere übergehen sah. Auch von Bloch ist die Meerforelle in ihrem Jugendzustande und Jugendkleide, wie es scheint, verkannt worden, indem derselbe (a. a. O.) jugendliche Meerforellen als eine besondere Salmoneer-Art unter dem Namen Salmo Goedenii beschrieben und abgebildet hat, wenigstens erkannte ich, wie ich bereits (s. oben pag. 288) erwähnt habe, in einem als S. Goedenii bezeichneten kleinen Sal - moneer, der im zoologischen Cabinete zu Königsberg aufbewahrt wird, eine junge Trutta Trutta. Freilich enthielt ein zweites Glas mit der Aufschrift: Salmo Goedenii in derselben Sammlung etwas ganz anderes, nämlich eine ausge - bleichte Forelle. Da auch von Yarrell3)Vergl. Yarell: Hist. of british fishes. II. pag. 85. Bloch’s Salmo Goedenii zu Salmo Fa - rio citirt worden ist, und Agassiz4)Vergl. den Report of the fourth meeting of the british association. London 1835. pag. 620 oder Wiegmann’s Archiv. 1835. Bd. II. pag. 266. denselben Fisch für einen jungen Salmo Salar erklärt hat, so geht jedenfalls hieraus hervor, dass Bloch’s Salmo Goe - denii, der so vielen verschiedenen Deutungen unterlegen ist, gewiss keine317Gattung: Trutta.scharf ausgeprägte Salmoneer-Form gewesen sein konnte1)Zu eben dieser Salmoneer-Form scheint auch jener » Röthling « gezählt werden zu müssen, von welchem Bock (Nr. 95: pag. 601) angegeben hat, dass er etwas röthliche Flecke und die Länge eines Fusses besitze und in der Gegend um Danzig » Möllitz « genannt werde. Nach meinen darüber eingezogenen Erkundigungen ist den Danziger Fischern noch jetzt ein Salmoneer unter dem Namen » Möllitz « bekannt, der nach ihrer Beschreibung nichts anderes als eine junge Meerforelle sein kann.. Um über das wahre Wesen dieses verkannten Salmo Goedenii näheren Aufschluss zu erhal - ten, benutzte ich die Gelegenheit, einen in dem Berliner zoologischen Cabinete unter jenem Namen aufbewahrten Salmoneer, der von der Sammlung Bloch’s herzurühren und mithin ein Original-Exemplar seines Salmo Goedenii zu sein schien. Wie erstaunte ich aber, in diesem Salmoneer nach der Zeichnung und Färbung des Leibes, nach der Bezahnung und Form des Vomer ein sehr ausge - bleichtes Exemplar von Salmo salvelinus zu erkennen. Da Bloch ausdrück - lich angiebt, dass er diesen Salmo Goedenii unter dem Namen » Seeforelle « verschiedene Male aus der Ostsee erhalten habe und Salvelinen in der See nicht vorkommen, so muss eine Verwechslung des Objects hier Statt gefun - den haben2)Leider hat man in früheren Jahren die Original-Exemplare der Bloch’schen Samm - lung, welche dem zoologischen Cabinete zu Berlin einverleibt worden ist, nicht mit der ihnen gebührenden Pietät zu conserviren gesucht. In einigen Gläsern sieht man deutlich, dass die alten Originale mit frischeren Exemplaren vertauscht worden sind, von mehreren Arten sind gar keine Bloch’schen Typen mehr vorhanden., was ich um so eher zu glauben geneigt bin, weil Bloch die Rückenflosse seines Salmo Goedenii als mit braunen Flecken besetzt dargestellt hat, und von diesen Flecken auch nicht eine Spur an der Rückenflosse jener Seeforelle, welche von Bloch herrühren soll, wahrgenommen werden konnte. Auf der anderen Seite muss es auch wieder auffallen, dass Bloch selbst (a. a. O. pag. 156) sagte, die im Marsigli auf der 29ten Tafel unter Fig. 1 befindliche Zeichnung, welche einen Saibling darstellt, möchte er auf seinen Salmo Goedenii beziehen.
In dem Wachsthume erreicht die Meerforelle nicht ganz den gemeinen Lachs, indem dieselbe gewöhnlich eine Schwere von 10 Pfund erlangt und nur selten bis zu einer Schwere von 25 bis 30 Pfund heranwächst.
In ihrer Verbreitung und Fortpflanzungsweise dagegen stimmt die Meer - forelle so ziemlich mit dem gemeinen Lachse überein. Auch sie muss als Be - wohnerin der Nord - und Ostsee, um zu laichen, die Mündungen der grösse - ren Flüsse aufsuchen, in welche sie jedoch nicht so hoch hinaufwandert wie der Lachs, daher dieselbe im Mittelrhein und in dessen Nebenflüssen, z. B. im Main nur als grosse Seltenheit gekannt ist; bis in schweizerische Neben - flüsse des Mittelrheins scheint die wandernde Meerforelle gar nicht zu ge - langen. Ich berufe mich hier auf das Zeugniss des Ichthyologen Hartmann, welcher (Nr. 38 b: pag. 110) die Seeforelle und Meerforelle gut unterscheidet318Familie: Salmonoidei.und das Vorkommen der letzteren in der Schweiz bezweifelt. Die Seiten - flüsse des Niederrheins dagegen steigt die Meerforelle ziemlich weit hinauf, denn Holandre (Nr. 56 a: pag. 325) meldet in seiner Moselfauna von der Meerforelle, dass sie in der Umgegend von Metz sehr selten sei, während Schaefer (Nr. 59: pag. 319) mittheilt, dass die Meerforelle (Salmo Trutta) in der Mosel bei Trier oft gefangen werde. In der Weser und Elbe scheint die Meerforelle nicht so weit wie der Lachs hinaufzuwandern, da dieser Fisch in den Quellen-Gebieten der Fulda, Werra und Elbe nicht gekannt ist, die Meer - forelle der Ostsee soll dagegen nach den Mittheilungen Heinrich’s (Nr. 89: pag. 23) mit dem Lachs bis zu den oberen Gewässern der Oder und Weichsel hinaufsteigen.
Die Meerforelle verlässt, um zu laichen, etwas später als der gemeine Lachs das Meer, indem ihre Brunstzeit auch etwas später eintritt. Es hat die Meerforelle, wie der Lachs, zur Reifung der Fortpflanzungsorgane eines län - geren Aufenthalts im fliessenden süssen Wasser nöthig, daher dieselbe eben - falls mehrere Monate vom Sommer bis zum Spätherbst in den Flüssen verweilt.
Nach den verschiedenen Formen von Meerforellen zu urtheilen, die ich aus dem Oder - und Frischen Haff, aus der Ostsee, von Schleswig und Island erhalten habe, ist in mir die Vermuthung rege geworden, dass auch unter den Meerforellen sterile Individuen vorkommen. Schon die Angabe Bloch’s (a. a. O. pag. 157), dass der Silberlachs (Salmo Schiffermülleri) sowohl in der Ostsee als auch in verschiedenen Landseen Oestreichs vorkommen soll, erregt den Verdacht, dass die von Goeden unter dem Namen » Silberlachs « aus der Ostsee an Bloch eingesendeten Salmoneer sterile Meerforellen waren, welche durch ihre silberhelle Farbe, durch ihre tief ausgeschnittene Schwanzflosse und durch ihre leicht abfallenden Schuppen mit dem östreichischen Mailachs eine gewisse Aehnlichkeit gehabt haben und deshalb von Bloch mit letzterem zu einer Art vereinigt worden sind. Eine Mittheilung Home’s1)Vergl. Yarrell’s History of british fishes. II. pag. 81., nach welcher kleine Meerforellen, welche in England » Silver-Whites « genannt werden, un - gemein leicht ihre silberglänzenden Schuppen bei der Berührung fahren las - sen, erinnert ebenfalls an eine sterile Form der Trutta Trutta. Noch eine an - dere Mittheilung, die mir von verschiedenen Seiten bei meinem Aufenthalte an der preussischen Ostseeküste gemacht wurde, weist auf das Vorhanden - sein von sterilen Meerforellen hin. Es soll nämlich in der Ostsee eine Art Seelachs oder Silberlachs geben, welcher » unechter Lachs « oder » Strandlachs « genannt wird, und weder in die Haffe noch in die Weichsel oder Memel eintritt, derselbe soll im ersten Frühjahre (im Mai) am Strande erscheinen und längs der Küste hinziehen. Von diesem Strandlachse behaupten die Fischer,319Gattung: Trutta.dass er im Meere laiche, obgleich sie dessen Laich oder Brut niemals aufge - funden haben. Nur wenn durch anhaltende Seewinde eine starke Meeres - strömung in die Haffe hinein Statt findet, tritt mit dem Seewasser auch dieser Strandlachs in die Haffe ein. Eine nähere Untersuchung dieses Strandlachses wird denselben höchst wahrscheinlich als die sterile Form von Trutta Trutta oder Trutta Salar erkennen lassen.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 155. Taf. 8. Waldt-Forell.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 12. n. 4, Descr. spec. pisc. pag. 51. n. 4, Syn. nom. pisc. pag. 23. n. 3.
Linné Nr. 2: pag. 509. n. 4. Salmo Fario.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 148. Taf. 22 u. pag. 157. Taf. 23. Salmo Fario, Teichforelle, Wald - oder Steinforelle, ferner Th. III. pag. 158. Taf 104. Salmo alpinus, Alp - forelle.
Siemssen Nr. 79: pag. 54. Salmo Fario, Steinforelle.
Schrank Nr. 23 a: pag. 320. n. 293 u. n. 294. Salmo saxatilis u. Fario, Steinforelle, Teichforelle.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 113. Salmo Fario u. alpinus, Bachforelle, Alpforelle.
Gloger Nr. 88: pag. 72. n. 7. Salmo Fario, Forelle.
Bujack Nr. 97: pag. 319. Salmo Fario, Forelle.
Agassiz Nr. 9: Tab. III. IIIa. IIIb. IV. IVb. V. Salmo Fario, Bachforelle, Flussforelle. Bergforelle, Steinforelle, Goldforelle, Weissforelle, Schwarzforelle.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 221. Salmo Fario.
Krøyer Nr. 82: Bd. II. pag. 625. Salmo Fario.
Valenciennes Nr. 5: T. XXI. pag. 319. Pl. 618. Salar Ausonii.
Günther Nr. 47: pag. 113. Salmo Fario, Forelle.
Leiblein Nr. 51: pag. 116. Salmo Fario, Forelle.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 248. Fig. 138. Salar Ausonii, Forelle.
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Salar Ausonii, Forelle.
Artcharakter: Körper gedrungen und mehr oder weniger seitlich zusammengedrückt; Schnauze kurz und sehr abgestumpft; die vordere kurze Vomerplatte dreieckig, am queren Hinter - rande mit 3 bis 4 Zähnen besetzt, der sehr lange Vomerstiel auf der seicht ausgehöhlten Gaumenfläche mit doppelreihi - gen, sehr starken Zähnen besetzt. (Der olivengrüne Rücken und die gelbgrünen Seiten mit mehr oder weniger schwar - zen Flecken besetzt, zwischen welchen verschiedene oran - genrothe, zuweilen bläulich umrandete Flecken eingestreut sind; Unterseite mit messinggelbem Glanze.)
D 3 — 4 / 9 — 10, P. 1 / 12, V. 1 / 8, A. 3 / 7 — 8, C. 19.
320Familie: Salmonoidei.Von allen bezahnten Salmoneern besitzt die Forelle die gedrungenste Ge - stalt, welche sie trotz ihrer grossen Neigung, die verschiedenartigsten Varie - täten zu bilden, stets beibehält. Die fruchtbaren Forellen erhalten zur Zeit der Brunst einen nach den Seiten hin etwas mehr gewölbteren Rücken, ma - gern aber bei dem Laichgeschäfte so ab, dass ihr ganzer Leib kurz nachher bis zur Schmächtigkeit seitlich zusammengedrückt erscheint. An dem grossen Kopfe der fruchtbaren Forellen zeigt sich die Schnauze der Milchner etwas mehr in die Länge gestreckt, bei jüngeren Milchnern ist der Haken am Kinn nur wenig angedeutet, aber auch bei den älteren Individuen erreicht der Kinn - haken keinen so hohen Grad der Entwicklung wie bei anderen Lachsarten. Das bis hinter die Augen gespaltene Maul enthält derb entwickelte Zähne, von denen die auf der hinteren Vomerplatte angebrachten Zähne eine vollständige Doppelreihe bilden, welche bis ins höhere Alter der Forellen den Vomerstiel in ihrer Vollständigkeit besetzt halten. Nur bei sehr wenigen Individuen be - ginnt vorn die doppelte Zahnreihe des Vomerstiels mit ein Paar einzeln stehen - den Zähnen.
Die Bauch - und Brustflossen der Forellen sind im Vergleich zu den paa - rigen Flossen der übrigen bisher betrachteten Trutta-Arten am wenigsten in die Länge gezogen, sie sind vielmehr in die Breite gestreckt und abgerundet. Der Ausschnitt an der Schwanzflosse jüngerer Forellen erscheint auffallend seicht und verliert sich überdies um vieles früher als bei den jungen Seelach - sen. An Forellen von 12 Zoll Länge lässt sich kaum noch ein Ausschnitt der Schwanzflosse erkennen, und bei noch grösseren Individuen erscheint die Schwanzflosse senkrecht abgeschnitten oder sogar etwas convex abgerundet. Die Rückenfarbe der Forellen ist gewöhnlich olivengrün, welche Farbe je nach dem Aufenthaltsorte, nach dem Lichteinflusse und nach der Jahreszeit bald heller bald dunkler auftritt. Die Seiten des Leibes schimmern messing - gelb, welche Färbung sich bis zum Bauche herabzieht. Kopf, Rücken und Seiten sind mit schwarzen, runden Flecken oder Punkten besetzt, zwischen welchen an den Seiten hellrothe, runde Flecke eingestreut sind, die zuweilen einen hellblauen Hof besitzen. Die paarigen Flossen und die Afterflosse zei - gen stets eine weingelbe Färbung, die aber häufig durch schwarze Pigmen - tirung bald mehr, bald weniger getrübt sein kann. An den Bauchflossen und der Afterflosse fällt der Vorderrand oft durch eine milchweisse Färbung auf. Die dunkle Rückenflosse trägt viele schwarze Flecke, denen oft auch rothe Flecke beigemengt sind; auch die Fettflosse ist meistens mit schön rother Farbe geschmückt; zuweilen erscheint auch die dunkle Schwanzflosse schwarz und roth gefleckt. Die schwarzen und rothen Flecke der Forellen variiren in Zahl und Anordnung ausserordentlich; es können an einzelnen Individuen die schwarzen Flecke, an anderen die rothen Flecke sogar gänzlich ver - schwunden sein. Die messinggelbe Farbe des Leibes kann sich mehr oder321Gattung: Trutta.weniger verloren haben oder in einem herrlichen Glanze über den ganzen Körper ausbreiten, während bei anderen Individuen eine gleichmässige schwarze Pigmentirung die ganze Körperoberfläche überzieht. Für alle diese verschieden gefärbten und gezeichneten Forellen hat das Volk eben so verschie - dene Namen ausgedacht, nämlich die Bezeichnungen: Bachforelle, Bergfo - relle, Alpenforelle, Steinforelle, Waldforelle, Weissforelle, Goldforelle, Schwarzforelle u. s. w. Auch das Fleisch der Forellen ist je nach den ver - schiedenen Wohnorten und Geschlechtsverhältnissen in seiner Färbung sehr wandelbar und kann von einer intensiven Rosenfarbe bis zur Farblosigkeit variiren. Sehr oft sind mir in den Alpen Forellenformen zu Gesicht gekom - men, an deren Haut der messinggelbe Glanz völlig verschwunden war und einem weissen Silberglanze Platz gemacht hatte; solchen verfärbten Forellen gegenüber habe ich mir die Frage nicht vorenthalten können, ob diese ab - weichende Färbung nicht unter dem Einflusse von Seeforellen durch Ba - stardirung zu Stande gekommen sein sollte.
Unter den Forellen kommen sterile Formen häufig vor, welche niemals laichen und deren innere Geschlechtsorgane zwar deutlich als Hoden und Eier - stöcke vorhanden sind, aber im Zustande der Unreife verharren; zu jeder Zeit des Jahres zeigen sich die Eier in den Ovarien solcher Forellen niemals grösser wie Hirsekörner, auch sieht man es den Eierstöcken an, dass sie niemals reife Eier von sich gegeben haben. Aufmerksame Fischer kennen solche sterile Forellen sehr gut und rühmen an ihnen, dass sie ein viel zarteres Fleisch be - sitzen, als die fruchtbaren Forellen; um so mehr ist es zu verwundern, dass dieselben den Ichthyologen bisher gänzlich entgangen sind. Es lassen sich die sterilen Forellen von den fruchtbaren Forellen auch ausser der Laichzeit der letzteren durch folgende Merkmale unterscheiden: der Körper ist kürzer, der Rücken an den Seiten herab gewölbter, und die Flossen sind weniger breit und werden von schwächeren Strahlen gestützt, das weniger weite Maul ist nur bis unter die Augen und nie bis über die Augen hinaus gespalten; der Kopf der sterilen Forellen ist klein und steht mit dem gedrungenen dicken Kör - per in keinem rechten Verhältnisse, indem die Kieferknochen, die Knochen des Kiemendeckel-Apparats, sowie die Augen im Wachsthum zurückgeblieben zu sein scheinen. An den männlichen sterilen Forellen wächst der Kinnwin - kel niemals stärker aus und giebt daher keinen Geschlechtsunterschied ab, ferner zeigt sich die Hautbedeckung und Beschuppung Jahr aus Jahr ein un - verändert, auch bleibt die Urogenital-Papille stets in der hinter dem After gelegenen Grube verborgen, indem die Seitenränder der letzteren niemals durch die angeschwollene und sich aus der Tiefe erhebende Papille ausein - andergetrieben wird. In der Färbung und Zeichnung habe ich an den frucht - baren und sterilen Forellen keinen auffallenden Unterschied wahrnehmen können.
v. Siebold, Fische. 21322Familie: Salmonoidel.Da sich die Forellen am liebsten in kleineren schnell fliessenden Bächen aufhalten und dabei sich oft mit sehr wenigem Wasser begnügen, so ist die Grösse, zu welcher dieselben in den verschiedenen Gewässern heranwachsen, ebenfalls eine sehr verschiedene. In den kleineren, reissenden aber zugleich nahrungsarmen Gebirgsbächen erreichen sie kaum die Grösse von 12 bis 15 Zoll und kaum das Gewicht von 1 bis 1½ Pfund, während sie in grösseren Gewässern, sowie in Seen und Teichen bei reichlichem Futter einen um vieles grösseren Umfang erhalten und zuweilen sogar ein Gewicht von 15 bis 20 Pfund annehmen können. Solche ungewöhnlich grosse Forellen werden von den Fischern sehr gern für Lachsforellen ausgegeben, was leicht zu Ver - wechslungen und Missverständnissen Veranlassung geben kann.
Das Vorkommen der Forelle ist ein sehr ausgebreitetes; sie findet sich fast in allen klaren, schnell fliessenden Bächen und kleineren Flüssen aller mitteleuropäischen Wasser-Gebiete, sie kömmt aber auch in grösseren Flüssen und in Seen hier und da vor, scheint jedoch in diese Gewässer nur durch Zu - fall oder Verirrung gelangt zu sein.
Die Fortpflanzungsthätigkeit der Forellen, welche in der Mitte des Octo - bers beginnt und sich unter gewissen Verhältnissen bis in den December hin - ziehen kann, kömmt schon in frühem Alter zur Aeusserung, indem die meisten Forellen bereits im Stande sind, mit 9 bis 10 Zoll Länge und mit ⅓ Pfund Schwere das Laichgeschäft zu vollziehen. Welchen Einfluss der Aufenthalts - ort auf die Entwicklung der Geschlechtsthätigkeit bei den Forellen ausübt, zeigt die Alp - oder Steinforelle, welche als Bewohnerin der Alpenbäche im December, ja in manchen Fällen erst im Januar laicht, während die ge - meine, ausserhalb der Alpen lebende Bachforelle schon mit Anfang November das Laichgeschäft beginnt.
Während der Laichzeit machen sich ausser der starken Anschwellung der Urogenital-Papille auch eigenthümliche Hautveränderungen an den Forellen, und zwar an den Milchnern und Rognern sehr bemerkbar. Die Schuppen der männlichen Forellen, zumal auf dem Rücken und am Bauche, werden von einer schwartigen Hautwucherung gänzlich überwachsen; eine ähnliche Hautschwarte überzieht die Basis und den Vorderrand der Afterflosse, sowie den Ober - und Unterrand der Schwanzflosse. Diese schwartige Verdickung der After - und Schwanzflosse lässt sich auch an den laichenden Forellen - weibchen wahrnehmen, während deren Schuppen nur zum Theil von der Basis der Schuppentaschen aus mit einer schwächeren Hautwucherung über - wachsen sind. Durch die Verdickung der genannten Flossen werden gewiss die laichenden Forellen befähigt, mit ihrem Schwanze sehr kräftig um sich zu schlagen und so den steinigen Grund ihrer Laichplätze zur Bergung der erbsengrossen Eier auszuhöhlen.
Von diesen laichenden Forellen stechen die sterilen Forellen, wenn man323Gattung: Trutta.sie in gleicher Grösse gegeneinander hält, nicht bloss durch die geringere Entwicklung der Flossen, sowie durch die magere und zurückgezogene Uro - genital-Papille ab, sie unterscheiden sich auch noch besonders durch die scheinbar grösseren Schuppen, weil die letzteren von keiner Hautwucherung überdeckt werden, und durch die nur schwach entwickelten Strahlenmus - keln, welche in der Basis der Afterflosse versteckt sich durch die allgemeine Hautbedeckung hindurch in keiner Weise bemerkbar machen, während die - selben Muskeln bei den fruchtbaren Forellen sehr fleischig entwickelt sind und ihre Anwesenheit dadurch verrathen, dass sie die allgemeine Hautbedeckung an der Basis der Afterflosse zu einem länglichen Hautwulste erheben, der an den nach vollendetem Laichgeschäfte sehr stark abgemagerten Individuen ganz besonders auffällt.
Ich kann die Familie der Salmoneer nicht verlassen, ohne noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung der einzelnen hieher gehörigen Ar - ten zu den schwierigsten Aufgaben der Ichthyologen gehört. Wir können uns daher nicht wundern, wenn selbst ausgezeichnete Zoologen in dieser Be - ziehung ihre Ansichten wechselten und bald eine geringere, bald eine grössere Anzahl von Salmoneer-Arten aufstellten. Indem ich mich zu der Ansicht hin - neige, dass die wenigen in Europa einheimischen Salmoneer-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Vertheilung ausserordentlich variiren, muss ich bekennen, dass Agassiz gewiss der Wahrheit sehr nahe getreten war, als er1)Vergl. dessen: Remarks on the different species of the genus Salmo, which fre - quent the various Rivers and Lakes of Europe, in dem Report of the fourth meeting of the british association. London, 1835. pag. 617. S. auch Wiegmann’s Archiv. 1. Jahrg. 1835. Bd. II. pag. 265. im Jahre 1835 den Satz aussprach, dass die bezahnten Salmo - neer des europäischen Continents, von denen jedes Land Europa’s besondere Arten besitzen sollte, zu vielen localen Varietäten abänderten und sich nur auf die folgenden sechs Arten beschränkten, nämlich auf S. Umbla, S. Fario, S. Trutta, S. lacustris, S. Salar, S. Hucho. Wie ich bereits gezeigt habe, ist Agassiz von dieser Specieseintheilung später wieder abgewichen, indem er von dem Seelachs (S. lacustris) eine zweite Art abtrennte.
In noch auffallenderer Weise hat Nilsson seine Ansicht über die schwe - dischen Salmoneer dreimal gewechselt. Nachdem derselbe2)Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae, 1832. pag. 2. im Jahre 1832 zwölf in Schweden einheimische Arten der Gattung Salmo beschrieben hatte, überzeugte sich derselbe3)S. dessen: Brief an den Prof. Sundevall in Stockholm über die Lachsarten Schwe - dens, welcher Brief vom letztern in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften daselbst am 12ten April 1848 mit der Bemerkung vorgetragen wurde, dass unläugbar von allen zur skandinavischen Fauna gehörenden Fischen die Lachsfische am schwersten zu erforschen seien. (Öfversigt af k. Vetenskaps-Academiens Förhandlingar. 1848. pag. 59, übersetzt in Wiegmann’s Archiv. 15ten Jahrg. 1849. Bd. I. pag. 305.) durch seine späteren Untersuchungen, dass alle21*324Familie: Salmonoidei.für jene zwölf Arten aufgestellten Charaktere sich in einem hohen Grade ver - änderlich zeigten, und fühlte sich sogar versucht, es in Frage zu stellen, ob es in Schweden mehr als die zwei Species von Lachsfischen S. Trutta und S. Salvelinus gebe, entschloss sich aber zuletzt die fünf als am meisten geson - derten und am wenigsten in einander übergehenden Arten, nämlich: S. Salar, S. Eriox, S. Trutta (mit S. Fario), S. Salvelinus und S. carbonarius hin zu stellen. Von dieser Eintheilung ist Nilsson im Jahre 1855 wieder abgewi - chen, indem er in seiner schwedischen Fauna1)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. Fiskarna. 1855. pag. 364 etc. die zehn Arten: S. Salar, S. Eriox, S. Ocla, S. Trutta, S. ferox, S. Fario, S. salvelinus, S. alpinus, S. carbonarius und S. rutilus aufgenommen hat.
Die Widersprüche, welche über die Abgrenzung der europäischen Lachs - arten unter den Ichthyologen bis heute noch bestehen, erregen jedenfalls den Verdacht, dass die Lachsarten, namentlich die Lachsformen der nordeuropäi - schen Gewässer, noch nicht klar erkannt worden sind. Ich bin aber über - zeugt, dass in dieser schwierigen Sache durch die Berücksichtigung der ste - rilen Formen der Lachsarten ein Schritt vorwärts geschehen könne, zu wel - chem sich die englischen und skandinavischen Ichthyologen um so mehr auf - gefordert fühlen dürften, als noch immer nicht das wahre Wesen der unter dem Namen Salmo Eriox Lin., Salmo Ocla Nils., Salmo Truttula Nils. be - kannt gemachten Meerforellen gehörig aufgeklärt ist und noch immer ein Zweifel darüber herrscht, in welcher Weise die als Salmo ferox Jard. in das System eingeführte Seeforelle der nordischen Gebirgsseen von der in den mitteleuropäischen Alpenseen einheimischen Trutta lacustris zu unterschei - den ist.
Die Zwischenkiefer - und Oberkiefer-Knochen bilden den Rand der Oberkinnlade; hinter der Rückenflosse keine Fettflosse; Kiemenspalten weit und bis zur Kehle herabreichend; Magen ohne Blindsack; Darm - anfang ohne Blinddärme; Schwimmblase einfach.
Gattungscharakter: Körper sehr gestreckt, Rückenflosse weit nach hinten der Afterflosse gegenüberstehend; Kopf niederge - drückt; Maul weit gespalten, oben am Gaumen mit vielen Hechelzähnen, unten auf dem Unterkiefer mit einzelnen grossen Zähnen.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 148. Taf. 4. Hecht.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 14. n. 1, Descr. spec. pisc. pag. 53. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 26. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 516. n. 5. Esox Lucius.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 229. Taf. 32. Esox lucius, Hecht.
Schrank Nr. 23 a: pag. 326. n. 300. Esox lucius, Hecht.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 162. Esox lucius, Hecht.
Gloger Nr. 88: pag. 73. n. 10. Esox lucius, Hecht.
Bujack Nr. 97: pag. 328. Esox Lucius, Hecht.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 223. Esox lucius.
Valenciennes Nr. 5: T. XVIII. 1846. pag. 279. Esox lucius.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 236. Esox Lucius.
Günther Nr. 47: pag. 107. Esox lucius, Hecht.
Leiblein Nr. 51: pag. 117. Esox luc, us, Hecht.
Rapp Nr. 41: pag. 11. Esox lucius, Hecht.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 287. Fig. 157. Esox lucius, Hecht.
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Esox lucius, Hecht.
326Familie: Esocini.Artcharakter: Unterkiefer weit hervorstehend. (Rücken dunkel - grau, Bauch weiss, Seiten gelb und olivengrün marmorirt.)
D. 7 — 8 / 13 — 15, P. 1 / 13, V. 1 / 8, A. 4 — 5 / 12 — 13, C. 19.
Der Hecht ist durch seinen langgestreckten, niedergedrückten Kopf und durch seine eigenthümliche Rückenflossen-Stellung so kenntlich, dass eine nähere Beschreibung desselben kaum nöthig erscheint. Die zahlreichen Zähne seines weiten Maules sind sehr verschieden gebildet. Am oberen Theile des Maules tragen die beiden Zwischenkiefer und Gaumenbeine viele hinterein - anderstehende grössere Hechelzähne, während der Vomerknochen und das Zungenbein mit feinen Bürstenzähnen ausgestattet sind und der Unterkiefer derbe conische, nach rückwärts gebogene Zähne von ungleicher Grösse enthält.
Die Schuppen des Hechtes zeigen ein sehr auffallendes Verhalten, das nach den bisher gelieferten Beschreibungen zu urtheilen von den Ichthyolo - gen nicht ganz richtig aufgefasst worden ist. Die Schuppentaschen des Hechts umfassen lose den grössten Theil der einzelnen Schuppen und sind nur mit einer kleinen Fläche am Hinterrande derselben verwachsen, daher die Schup - pen des Hechts, wenn diese Verbindungsstelle einreissen sollte, wegen des zu engen Einrisses der Schuppentasche, nicht so leicht aus derselben heraus - fallen können. Besonders auf dem Rücken des Hechts zeigen die mit dem hinteren Schuppentheile verwachsenen Stellen der Schuppentasche einen so geringen Umfang, dass dadurch die Rückenhaut mit diesen vertieften harten Schuppenstellen ein gegittertes Ansehen erhält. Auch die Seitenlinien des Hechts bieten eine besondere Abweichung dar, welche bisher ziemlich ausser Acht gelassen wurde, was sich schon aus der Betrachtung der meisten von den verschiedenen Ichthyologen gelieferten Abbildungen dieses Raubfisches ergiebt, auf welchen die Seitenlinie wie bei den meisten übrigen beschupp - ten Knochenfischen in gewöhnlicher, nicht abweichender Weise dargestellt erscheint. Das Auffallende an den beiden Seitenlinien des Hechts ist aber, dass nicht alle Schuppen, welche in den Verlauf der beiden Seitenlinien fal - len, von den bekannten Canälen in ununterbrochener Reihenfolge hintereinan - der durchbohrt sind, sondern dass in vielen kurzen und unregelmässigen Zwischenräumen eine oder zwei Schuppen der Seitenlinie keinen Canal besitzen. Für diesen Mangel so vieler canalisirter Schuppen innerhalb der beiden Seitenlinien ist aber dem Hecht ein Ersatz gegeben, indem eine fast gleich grosse Schuppenanzahl an anderen Stellen der Körperseiten, theils oberhalb, theils unterhalb der beiden vielfach unterbrochenen Seitenlinien mit ganz ähnlichen Canälen ausgestattet ist. Bloch hat auf seiner Abbil - dung des Hechts die unterhalb der Seitenlinie zerstreuten canalisirten Schup - pen ziemlich kenntlich angedeutet, die Seitenlinie aber selbst nicht unter - brochen dargestellt. Ich muss noch bemerken, dass nur die canalisirten327Gattung: Esox.Schuppen des Hechts allein an ihrem Hinterrande einen tiefen Ausschnitt, alle übrigen Schuppen desselben dagegen einen unversehrten Hinterrand besitzen. Hieraus erklärt sich die zum Theil richtige, zum Theil unrichtige Angabe, welche Heckel und Kner1)A. a. O. pag. 289. über die Beschaffenheit der Hechtschuppen in folgender Weise gemacht haben: » Die Schuppen sind zwar ganzrandig, die meisten aber von den am Rücken und an den Seiten liegenden, durch eine tiefe längliche Furche getheilt, als wären sie gleich jenen der Seitenlinie von einem Porencanale durchzogen «. — » Die Seitenlinie verläuft parallel dem Rücken und ihm um ⅓ näher als dem Bauchrande, sie ist zwar deutlich, aber nicht stark markirt «. Richtiger finde ich diese Organisationsverhältnisse in dem schönen schwedischen Fischwerke2)Vergl. Skandinaviens Fiskar. pag. 50 und in der latein. Uebersetzung pag. 27. aufgefasst, indem es hier heisst: » Linea lateralis recta, dorso propior, squamis apice fissis notata, rarius tamen squamis apicibus integris interrupta. Ad lineam lateralem utrimque adest series squamarum, formam lineae lateralis fere referens, paululum tamen va - riabilis «. In ähnlicher Weise hat auch Richardson3)S. dessen: Fauna boreali-americana. III. 1836. pag. 125. » The lateral line is straight and rather nearer to the back than to the belly; it is formed by a deep notch in every third or forth scale, and a groove in the subjacent one: there are several rows of these emarginated scales on the back and sides, resembling lateral lines «. vom gemeinen Hechte die unterbrochene Seitenlinie mit den ober - und unterhalb derselben ange - brachten Nebenseitenlinien beschrieben; um so mehr muss es auffallen, dass Valenciennes4)S. dessen: Hist. des poissons. T. XVIII. pag. 286. » Chaque écaille est très-mince, à bord libre, entier, arrondi, et elle a trois festons sur le bord radical «. von demselben Hechte angiebt, dass jede seiner Schuppen hinten ganzrandig sei.
In Farbe und Zeichnung variirt der gemeine Hecht ausserordentlich. Sein Rücken erscheint immer schwärzlich, die Seiten desselben besitzen auf gelb - lichem Grunde schwärzliche oder olivengrüne Pigmentirung, theils in Form von Marmorflecken, theils in Form von Querbändern. Sein weisser Bauch ist bald mehr bald weniger grau punctirt. Die rothgelben Brust - und Bauch - flossen sind häufig grau angeflogen. Die unpaarigen Flossen tragen auf roth - braunem Grunde mehr oder weniger ausgebreitete unregelmässige, schwarze Flecke.
Der gemeine Hecht kann zu einer ungeheuren Grösse heranwachsen, Hechte bis zu 25 Pfund Gewicht sind keine Seltenheit.
Das Vorkommen desselben ist ein sehr verbreitetes, indem er sowohl in allen grösseren und kleineren Flüssen, sowie in den meisten grösseren und kleineren Seen Mitteleuropa’s anzutreffen ist, doch schlägt er im Allgemeinen seinen Wohnsitz lieber in stehenden als in fliessenden Gewässern auf, wo er328Familie: Clupeoidei.durch seine Gefrässigkeit zum Verdrusse der Fischer unter den übrigen Fi - schen oft grosse Verheerungen anrichtet. Seine Verbreitung in den verschie - denen Seen Bayerns, mit Ausnahme der höchsten Alpenseen, ist eine so all - gemeine, dass ich nur den Schliersee und den Hintersee mit Bestimmtheit als solche bezeichnen kann, in welchen der Hecht gänzlich fehlt.
Die Laichzeit des Hechtes fällt in die Monate April und Mai, während wel - cher Zeit dieser Fisch die seichteren, mit Schilf und Binsen bewachsenen Uferstellen der Gewässer aufsucht, um zwischen den genannten Pflanzen sei - nen Laich auszustreifen und abzusetzen.
Die Zwischenkiefer - und Oberkiefer-Knochen bilden den Rand der Oberkinnlade; hinter der Rückenflosse keine Fettflosse; die sehr wei - ten Kiemenspalten reichen bis zur Kehle; Schuppen gross, dünn und sehr leicht abfallend; der Magen mit Blindsack; der Darmanfang mit Blinddärmen; die Schwimmblase einfach.
Gattungscharakter: Die Zwischenkiefer in der Mittellinie durch einen tiefen Ausschnitt von einander getrennt; die Zwi - schen - und Oberkiefer mit sehr feinen, spitzen und leicht abfallenden Zähnen besetzt, Unterkiefer, Vomer, Gaumen - beine und Zungenbein ohne Zähne; der seitlich zusammen - gedrückte Leib mit schneidender und sägeförmig gezäh - nelter Bauchkante.
Syn. u. Citate.
Schonevelde Nr. 81: pag. 13. Alosa, Meyfisch, Alsen (zum Theil).
Baldner Nr. 42: pag. 160. Taf. 11. Meyfisch, Eltzen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 7. n. 3, Descript. spec. pisc. pag. 34. n. 3, Syn. nom. pisc. pag. 15. n. 2 (zum Theil).
329Gattung: Alosa.Linné Nr. 2: pag. 523. n. 3. Clupea Alosa (zum Theil).
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 209. Clupea Alosa, Alse (zum Theil).
Hartmann Nr. 38 b: pag. 169. Clupea Alosa, Alse.
Cuvier: Règne animal. T. II. 1829. pag. 319. l’Alose proprement dite.
Yarrell: History of british fishes: II. 1841. pag. 213. Alosa communis.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 220. n. 38. Alosa vulgaris.
Schaefer Nr. 59: pag. 321. Alosa vulgaris, Maifisch, Mutterhäring.
Valenciennes Nr. 5: T. XX. 1847. pag. 394. Pl. 604. Alosa vulgaris (zum Theil).
Troschel in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1852. Bd. 1. pag. 228, und Lehrbuch der Zoologie. 1859. pag. 229. Alausa vulgaris, Maifisch.
Günther Nr. 47: pag. 121. Clupea Alosa, Maifisch.
Leiblein Nr. 51: pag. 117. Alosa vulgaris, Maifisch.
Kirschbaum Nr. 54: pag. 8 u. 23. Alausa vulgaris, Maifisch.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Alausa vulgaris, Alse. (?)
Artcharakter: Die Augen werden von einem knorpelartigen halb - mondförmigen vorderen und hinteren Augenlide theilweise bedeckt; die Mundspalte reicht fast bis hinter die Augen; die Kiemenbögen sind an ihrer concaven Seite mit sehr vie - len dichtstehenden langen und dünnen Lamellen besetzt. (Dicht hinter der Kiemenspalte, auf der Schulter, ein ver - wischter dunkler Fleck.)
D. 4 — 5 / 15 — 16, P. 1 / 14 — 15, V. 1 / 8, A. 3 / 20 — 24, C. 19.
Der Maisisch wird nicht leicht mit einem anderen unserer Süsswasser - fische verwechselt werden, indem er als naher Verwandter des Härings nicht zu verkennen ist. Sein Körper ist seitlich zusammengedrückt, sein Vorder - und Mittelleib kann im Vergleich zu seinem mehr gestreckten Schwanzende als hoch bezeichnet werden. Die Kiefer sind besonders stark seitlich zusam - mengedrückt. Das Kinn ragt bei geschlossenem Maule ziemlich weit hervor. Die Ränder der Zwischen - und Oberkiefer besitzen nur im jüngeren Alter dieses Fisches eine äusserst feine Bezahnung, die allmählich verloren geht, so dass bei älteren Maifischen die genannten Knochen gleich den übrigen die Mundhöhle umschliessenden Knochen zahnlos erscheinen. Es darf aber die Zahnlosigkeit, auf welche Cuvier1)S. dessen: Règne animal. Tom. II. 1829. pag. 319. als Artcharakter seiner Clupea Alosa, zum Unterschied seiner bezahnten Clupea Finta einen besonderen Werth legt, nur als ein Zeichen des vorgerückten Alters des Maifisches betrachtet werden, wie dies bereits Valenciennes2)S. dessen: Hist. d. poissons. Tom. XX. pag. 403. sehr ausführlich auseinandergesetzt hat. Die Artunterschiede des Maifisches und der Finte sind, wie dies Troschel (a. a. O.) zuerst sehr genau auseinandergesetzt hat, hauptsächlich in den verschiedenen Lamellen oder Dornen der Kiemenbögen ausgeprägt. Troschel zählte am ersten Kiemenbogen 99 bis 118 lange, schlanke und dünne Lamellen, auf330Familie: Clupeoidei.dem zweiten Bogen zählte er 96 bis 112, auf dem dritten 74 bis 88 und auf dem vierten Bogen 56 bis 65 Lamellen. Ausserdem wird die Schwimmblase des Maifisches von Troschel als weit angegeben.
Ganz eigenthümlich verhalten sich zwei augenlidartige Membranen von knorpeliger Beschaffenheit, welche von beiden Seiten die vordere Fläche der Augäpfel bedecken. Beide Membranen sind halbmondförmig ausgeschnitten, wodurch der mittlere Theil des Augapfels in Form eines verticalen oben und unten zugespitzten Ovals frei und unbedeckt bleibt. Von diesem vorderen und hinteren Augenlid, wenn man es so nennen darf, greift oben und unten eines über das andere hinweg, auch setzt sich die Basis des vorderen Augenlides über das Gesicht bis zu den Nasenlöchern fort, während das hintere Augen - lid die Einlenkung des Kiemendeckel-Apparats überzieht.
Im Verhältniss zur Körpergrösse des Maifisches sind die paarigen Flossen sehr kurz und die Rücken - und Afterflosse sehr niedrig. Die Schwanzflosse ist dagegen ziemlich lang und wird durch einen sehr tiefen Einschnitt in zwei ansehnliche Spitzen getheilt.
Die Schuppen, welche an diesem Fische sehr zahlreich vorhanden sind und leicht abfallen, haben eine sehr verschiedene Grösse, von denen die grössten die Seiten des Körpers einnehmen. Ihr Hinterrand ist meistens fein und unregelmässig eingekerbt. An der Basis der Rücken - und Afterflosse haben die Schuppen eine rautenförmige Gestalt angenommen und eine lange und hohe Kante gebildet, wodurch eine Art Rinne entstanden ist, in welche sich ein Theil der genannten Flossen verbergen kann. Von der Basis der Schwanzflosse aus setzt sich die Beschuppung bis weit über die Hälfte auf dieser Flosse fort. Die Schuppen sind hier aber sehr klein und länglich oval und fehlen in der Mitte des Schwanzes gänzlich. Diese nackte Stelle wird oben und unten durch eine ganz eigenthümliche, sehr lange Schuppe abge - grenzt, welche genauer betrachtet, aus mehreren kleineren, dachziegelförmig aneinanderklebenden Schuppen zusammengesetzt ist. Diese langen Schwanz - schuppen, welche schon Valenciennes1)A. a. O. Tom. XX. pag. 397. unter der Bezeichnung » écailles imbri - quées « erwähnt hat, sind von Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 228) genauer beschrieben und abgebildet worden2)Auch dieser Theil der Beschuppung fällt bei den Clupeoiden leicht ab, es lässt sich daher schwer sagen, ob bei anderen Häringsformen dergleichen schienenartige Schwanz - schuppen ebenfalls vorkommen, da sich an den in Museen aufbewahrten Clupeoiden die Beschuppung fast immer sehr defect zeigt. Dass aber solche auffallende Beschuppung bei anderen Clupeoiden nicht fehle, geht aus einer Abbildung der Sardinella aurita hervor, welche Valenciennes (Hist. d. poissons. T. 20. Pl. 594) geliefert hat, ohne dass er jedoch des dargestellten eigenthümlichen Schwanzbeleges in der Beschreibung dieses Fisches Er - wähnung gethan.. Die Farbe des Rückens ist ein me - tallisch glänzendes olivengrün; der Kiemendeckel-Apparat, sowie die Schuppen331Gattung: Alosa.der Körperseiten geben einen schönen Goldglanz von sich; der grosse dunkle verwischte Schulterfleck am oberen Winkel der sehr weiten Kiemenspalten besitzt einen olivengrünen Schimmer, ebenso die auf diesen folgenden drei bis fünf kleineren Flecke, welche aber allmählich von vorn nach hinten an Deutlichkeit abnehmen und bei älteren Individuen gänzlich verschwinden. Das Fehlen oder Vorhandensein dieser Flecke also wie die fehlende oder vor - handene Bezahnung der Kieferknochen ist nicht als Art-Unterschied sondern als Alters-Unterschied aufzufassen. Die Flossen des Maifisches erscheinen durch dunkelkörniges Pigment mehr oder weniger schwärzlich gefärbt.
Der Maifisch kann eine ansehnliche Grösse erreichen: Maifische von 2 Fuss Länge und 2¾ Pfund Gewicht sind nichts ungewöhnliches, doch kommen Individuen vor, welche 5 Pfund und darüber wiegen.
Alle Meere, welche die europäischen Küsten bespülen, werden, wie es scheint, von dem Maifische bewohnt; derselbe ist zugleich Wanderfisch und be - giebt sich im Frühjahre in die Flüsse, um in denselben zu laichen. Zu diesem Zwecke wandert der Maifisch im Mai den Rhein hinauf bis Basel und Laufen - burg und tritt auch in dessen Seitenflüsse, namentlich in den Main und Neckar ein. Wegen seines regelmässigen Erscheinens im Mai hat dieser Fisch am Rhein ziemlich allgemein den Namen » Maifisch « erhalten. Von diesem Fische erzählt Baldner1)A. a. O. und in Willughby’s Ichthyographia. pag. 228., dass sie sich an der Oberfläche des Wassers versammeln, wobei ihre Rückenflosse aus dem Wasser hervorragt und sie selbst ein sol - ches Geräusch machen, als wäre eine Herde Schweine im Wasser. Auch über das geräuschvolle Eintreten des Eltzelen (des Maifisches) aus dem Rhein in die Birs bei Basel wird von einem Ungenannten2)Vergl. Bruckner’s Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. Stück V. Basel 1750. pag. 538. ähnliches berichtet. Die ziemlich ungenauen Angaben dieses Ungenannten sind übrigens die Veran - lassung gewesen, dass Hartmann (s. oben pag. 127) den bei Basel unter dem Namen » Aelzeln « oder » Elzer « bekannten Maifisch mit Abramis Vimba ver - mengt hat. Obwohl die Faunisten über das Vorkommen des Maifisches im Weser-Gebiet keine Nachricht gegeben haben, so habe ich in Münden und Cassel aus dem Munde der Fischer wenigstens so viel in Erfahrung gebracht, dass der Maifisch dort als Weser - und Fulda-Fisch gekannt ist, ohne dass ich jedoch darüber Aufschluss hätte erhalten können, ob dieser Maifisch der Alosa vulgaris oder der Alosa Finta angehört. An der Elbe und Saale fand ich die Fischer ebenfalls mit dem Maifisch bekannt, konnte aber auch hier aus Mangel an Objecten nicht erfahren, welche Alosa-Art die Fischer des Elbe-Gebiets unter ihrem Maifisch verstehen. Nach den Beobachtungen der Faunisten und Aeusserungen der Fischer scheinen die aus der Ostsee in die332Familie: Clupeoidei.Gewässer von Norddeutschland aufsteigenden Alosen der A. Finta anzugehören. Da der Maifisch nach Heckel und Kner1)Vergl. deren: Süsswasserfische a. a. O. pag. 232., auch im schwarzen Meer (bei Odessa) vorkommen soll, so muss es auffallen, dass nach den Angaben derselben Wiener Ichthyologen2)Ebenda. dieser Wanderfisch bisher nur bis Pesth die Donau hinaufgewandert ist. Ich kenne in der That kein Beispiel von Vorkommen einer Alosa-Art in der mittleren und oberen Donau. Es bedarf hiernach das Vorkommen von Alosa vulgaris in der unteren Donau noch einer genaueren Bestätigung, zumal da weder Eichwald3)S. dessen: Fauna caspio-caucasia. 1841. pag. 163. noch Nordmann4)S. dessen: Observations sur la Faune Pontique. pag. 520. diesen Fisch als Bewohner des schwarzen Meeres aufführen, und Kessler5)S. dessen: Abhandlung zur Ichthyologie des südwestlichen Russlands, in dem Bulle - tin de la société impériale des naturalistes de Moscou. 1856. II. pag. 385 und 1857. II. pag. 475; vergl. ferner dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestlichen Küsten des schwarzen Meeres und durch die westliche Krym unternommene Reise, in dem Bulletin a. a. O. 1859. IV. pag. 456. denselben in sei - nen Berichten über die Fische des südlichen Russlands ebenfalls unerwähnt lässt, während er von der Clupea pontica Eichw. mehrfach angiebt, dass dieser Wanderfisch alljährlich im Frühjahre sehr zahlreich aus dem schwar - zen Meere den Dniester, Bug und Dnieper hinaufsteige.
Syn. u. Citate.
Schonevelde Nr. 81: pag. 13. Alosa, Meyfisch, Alsen (zum Theil).
Artedi Nr. 1: Syn. nom. pisc. pag. 5. n. 2. (zum Theil).
Linné Nr. 2: pag. 523. n. 3. Clupea Alosa (zum Theil).
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 209. Clupea Alosa, Alse.
Cuvier: Règne animal. T. II. pag. 320. Alosa Finta.
Bujack Nr. 97: pag. 326. Clupea Finta, Perpel.
Creplin Nr. 90: pag. 84. Clupea Alosa, Alose.
Yarrell: History of british fishes. II. 1841. pag. 208. Alosa Finta.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 220. n. 39. Alosa Finta.
Schaefer Nr. 59: pag. 322. Alosa Finta, Finte.
Valenciennes Nr. 5: T. XX. pag. 391. Alosa vulgaris (zum Theil).
Boll Nr. 80: pag. 145. Alausa vulgaris, Maifisch, Goldfisch, Alse.
Troschel in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1852. Bd. I. pag. 228, und Lehrbuch der Zoologie. 1859. pag. 229. Alausa Finta, Finte.
Kirschbaum Nr. 54: pag. 8 u. 23. Alausa Finta, kleiner Maifisch, Finke.
Fritsch Nr. 75: pag. 203. Alausa vulgaris, Alse. (?)
Artcharakter: Die Augen werden von einem knorpelartigen halb - mondförmigen vorderen und hinteren Augenlide theilweise bedeckt; die Mundspalte reicht fast bis hinter die Augen;333Gattung: Alosa.die Kiemenbögen sind an ihrer concaven Seite mit nicht sehr zahlreichen einzeln stehenden kurzen und dicken Fort - sätzen besetzt. (Dicht hinter der Kiemenspalte auf der Schulter ein verwischter dunkler Fleck, dem oft noch 5 bis 6 ähnliche Seitenflecke folgen.)
D. 4 — 5 / 15 — 16, P. 1 / 14 — 15, V. 1 / 8, A. 3 / 20 — 24, C. 19.
Erst seitdem Troschel (a. a. O.) durch genauere Untersuchungen der von Cuvier auseinander gehaltenen Alosa vulgaris und Alosa Finta bestimmte Charaktere für dieselben festgestellt hat, ist es möglich geworden, die Finte von dem Maifisch sicher zu unterscheiden. Obwohl schon vorher verschie - dene Ichthyologen und Faunisten nach Cuvier’s Schilderung diese beiden Alosa-Arten von einander gesondert hatten, so konnte man sich auf diese An - gaben nicht verlassen, weil weder die Bezahnung der Kiefer noch die Anwe - senheit und Zahl der Seitenflecken, auf welche man die Unterschiede dieser beiden Alosa-Arten gründen wollte, nach Troschel’s Erfahrung als specifische Merkmale gelten können. Da Valenciennes (a. a. O.) auch an den Flossen, an der Beschuppung und im inneren anatomischen Baue nicht den geringsten Unterschied zwischen diesen beiden Alosen hatte auffinden können, so war also ohne Troschel’s Untersuchungsmethode die Feststellung des Maifisches und der Finte nicht möglich gewesen, deshalb muss ich befürchten, dass die von mir aufgeführten Citate als Belege für die geographische Verbreitung der beiden Alosa-Arten nicht ganz zuverlässig sind.
Gegen den Maifisch sticht die Finte durch die Zahl und Form der Bezah - nung ihrer Kiemenbogen ausserordentlich ab, indem dieselbe auf dem ersten und zweiten Bogen 39 bis 43 kurze und dicke Dornen trägt, welche auf dem dritten Bogen nur in der Zahl von 33 bis 34 und auf dem vierten Bogen nur in der Zahl von 23 bis 27 vorhanden sind. Auch die Schwimmblase fällt bei der Finte durch ihre geringere Weite auf.
In Grösse und Gewicht steht die Finte dem Maifische bei weitem nach, indem dieselbe nur die Länge von 16 Zoll und die Schwere von 2 Pfund er - reichen kann.
Die Finte ist ebenfalls ein Wanderfisch und steigt, um zu laichen, aus der Nord - und Ostsee die Flüsse hinauf. Diese Reise wird aber von der Finte erst vier Wochen nach der Einwanderung des Maifisches angetreten.
Obwohl auch die Finten wie die Maifische bei diesen Wanderungen Gegen - stand des Fischfangs sind, so werden doch die letzteren wegen ihrer Wohl - genährtheit und Schmackhaftigkeit besonders geschätzt und die ersteren sogar als übelriechend, mager und nicht wohlschmeckend verachtet. Hier möchte ich aber doch die Frage aufwerfen, ob diese Verschiedenheit des Fleisches der Finte und des Maifisches, auf welche Schaefer und Troschel besonders334Familie: Acanthopsides.aufmerksam gemacht haben, wirklich mit der specifischen Verschiedenheit dieser beiden Fische zusammenhängt, oder nicht vielmehr durch individuelle Verschiedenheiten dieser Thiere hervorgerufen wird. Es ist nämlich von den Maifischen bekannt, dass sie während der Laichzeit ausserordentlich abma - gern und nach beendigtem Fortpflanzungsgeschäft ganz abgemattet oder sogar todt von dem Wasser stromabwärts getrieben werden1)Valenciennes (a. a. O. pag. 416) weist auf diese Erscheinung mit folgenden Wor - ten hin: » Un grand nombre de pêcheurs croient que les aloses meurent dans l’eau douce après y avoir frayé «. Auch Nau (Nr. 45: pag. 100) machte von dem Maifisch die Mitthei - lung: » Er hat ein sehr zartes Leben, und stehet nicht allein gleich ab, wenn man ihn aus dem Wasser bringt, sondern auch im Wasser findet man ihn nach der Laichzeit sehr oft todt «.. Solche von den Fischern aufgefangene im Absterben begriffene Alosen mögen freilich keine angenehme Speise gewähren. Dergleichen abgemagerte Individuen dürften aber ebensogut der Alosa vulgaris wie auch der Alosa Finta angehören.
Die Zwischenkieferknochen bilden allein den Rand der Oberkinn - lade; der Kopf bis zur engen Kiemenspalte von einer zusammenhän - genden schuppenlosen Haut überzogen; Augen klein; der Suborbital - knochen mit einem oder mehreren beweglichen Dornen bewaffnet; die beiden unteren Schlundknochen mit schwachen Zähnen besetzt; die Schwimmblase wenn vorhanden durch eine Einschnürung in eine rechte und linke Hälfte getheilt.
Gattungscharakter: Mund mit wulstigen Lippen und Bartfäden um - geben. Schlundknochen mit zahlreichen spitzen Zähnen einreihig besetzt. Die Kiemenöffnungen nur bis zur Basis der Brustflossen gespalten; Körper mit sehr kleinen Schup - pen bedeckt. Schwimmblase von einer mit dem ersten Rückenwirbel zusammenhängenden Knochenkapsel einge - schlossen.
335Gattung: Cobitis.Die Gattung Cobitis weicht von den Cyprinoiden, mit denen man sie frü - her vereinigt hatte, sowohl in ihrer äuseren wie in ihrer inneren Organisation so auffallend ab, dass ich gerne dem Beispiel von Heckel und Kner gefolgt bin und diese Gattung als besondere Familie hingestellt habe. Selbst die Schlundknochen von Cobitis mit ihren beiden nach unten gerichteten Fort - sätzen sind im Vergleich zu den Schlundzähnen der Cyprinoiden nach einem ganz anderen Typus geformt1)Dieser eigenthümliche Typus ist freilich an den von Frisch sehr undeutlich abge - bildeten Schlundknochen der Cobitis fossilis nicht herauszufinden. Vergl. dessen: Observa - tiones ad Cobitidem barbatam in den: Miscellanea Berolinensia. Tom. VI. 1740. pag. 119..
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 189. Taf. 26. Muer-Grundel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 2. n. 3, Syn. nom. pisc. pag. 3. n. 3.
Linné Nr. 2: pag. 500. n. 4. Cobitis fossilis.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 216. Taf. 31. Fig. 1. Cobitis fossilis, Schlammpitzger.
Schrank Nr. 23 a: pag. 318. n. 289. Cobitis fossilis, Bissgurre.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 79. Cobitis fossilis, Moorgrundel.
Martens Nr. 14 b: pag. 36. Cobitis fossilis, Moorgrundel.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 32. Cobitis fossilis, Schlammbeisser.
Bujack Nr. 97: pag. 341. Cobitis fossilis, Schlammpitzger.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 193. Cobitis fossilis.
Valenciennes Nr. 5: T. XVIII. pag. 46. Cobitis fossilis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 553. Cobitis fossilis.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Cobitis fossilis, Schlammbeisser.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 298. Fig. 161. Cobitis fossilis, Schlammbeisser.
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Cobitis fossilis, Schlammbeisser.
Artcharakter: Mund mit zehn Bartfäden umgeben; Augenstachel lang und von der allgemeinen Hautbedeckung überzogen; Körper sehr gestreckt, nach vorn walzenförmig und nach hinten comprimirt; 12 bis 14 seitlich zusammengedrückte Schlundzähne mit abgestumpften Spitzen.
D. 3 / 5 — 6, P. 1 / 10, V. 1 / 5, A. 3 / 5, C. 16.
Die Bissgurre besitzt ein kleines unterständiges aber sehr bewegliches Maul. Die Schnauze ist dicht über der Oberlippe mit vier fast gleichweit von einander entfernten ziemlich langen Bartfäden besetzt, die fleischige Oberlippe geht in beiden Mundwinkeln in einen längeren Bartfaden über, und an der ebenso fleischigen Unterlippe ist zu beiden Seiten des Kinnwinkels ein kürze -336Familie: Acanthopsides.rer und ein sehr kurzer Bartfaden angebracht. Die beiden beweglichen Subor - bitalknochen tragen einen derben und spitzen Stachel, der nach hinten gerichtet
a. Schlundknochen von oben gesehen. b. Rechter Schlund - knochen von der äusseren Seite aus gesehen.
und von der Hautbedeckung überwachsen ist, eine leicht zu übersehende seichte Längsgrube dicht un - ter den kleinen sehr hoch stehenden Augen deutet die Stelle an, wo die Spitze des Stachels ver - steckt liegt. Der sehr langgestreckte Körper ist ebenso beweglich und schlüpfrig wie der eines Aals. Die Flossen der Bissgurre sind im Verhält - niss zur Körpergrösse schwach und kurz ent - wickelt; die Rücken - und Afterflosse werden nur von fünf bis sechs weichen Strahlen gestützt, beide sowohl wie die Afterflosse besitzen einen abgerunde - ten Rand. Der ganze Körper mit Ausnahme des Kopfes ist mit kleinen rund - lichen Schuppen bedeckt, welche dachziegelförmig übereinanderliegen. Nach Heckel und Kner (a. a. O. pag. 300) soll die Mittellinie des Rückens und Bauches unbeschuppt sein, ich habe immer nur hinter der Rücken - und After - flosse auf der Mittellinie des Hinterrückens und des Schwanzes eine nackte Hautfalte wahrnehmen können, während zuweilen am Vorderrücken und am Bauche die Mittellinie sich mir einfach als eine Längsfurche darstellte. Die kleinen Schuppen lassen mit dem Mikroskope betrachtet nicht bloss concen - trische sondern rund herum auch radiäre Streifung erkennen1)Heckel und Kner (a. a. O. pag. 300) sprechen diesen Schuppen die Radien ab, wahr - scheinlich haben dieselben bei ihrer Untersuchung sich nur der Lupe bedient, mit stärke - ren Vergrösserungsmitteln betrachtet lassen die Schuppen unserer drei Cobitis-Arten ausser den concentrischen Streifen rundherum auch radiäre Streifen erkennen.. Von einer Seitenlinie, wie sie von Heckel und Kner (a a. O. pag. 299) angenommen wird, habe ich keine Spur erkennen können.
Der Rücken und die Seiten des Kopfes und Leibes der Bissgurre sind ledergelb, der Bauch dagegen ist orangengelb gefärbt, Kopf und Kiemendeckel - Apparat, sowie der Rücken und die Seiten des Körpers sind mit schwarz - braunen Puncten dicht besät, diese rücken oft so nahe aneinander, dass sie zu grösseren Flecken verschmelzen und alsdann eine marmorirte Zeichnung dar - stellen. An den Seiten des Leibes zieht sich eine hinter den Augen beginnende schwarzbraune breite Binde bis zum Schwanzende hin, ober - und unterhalb dieser breiten Binde hat sich die schwarzbraune Punctirung sehr häufig zu einem schmalen Längsstreifen vereinigt. Der Bauch erscheint bald mehr bald weniger schwarzbraun punctirt. Rücken - und Schwanzflosse tragen immer eine grosse Anzahl schwarzbrauner runder Flecke, die Afterflosse sowie die paarigen Flossen sind nur zuweilen schwarzbraun punctirt.
Dieser Fisch, welcher eine Länge bis zu 12 Zoll erreichen kann, zeigt337Gattung: Cobitis.eine sehr grosse Verbreitung, hält sich aber nur in stehenden schlammigen Gewässern auf, in deren Grund er sich meistens verborgen hält. Es besitzt die Bissgurre oder der Schlammpeitzger, wie er an vielen Orten genannt wird, ein äusserst zähes Leben verbunden mit der merkwürdigen Eigenschaft, ausserhalb des Wassers sehr lange ausdauern zu können; selbst wenn das Wasser der Moräste und Gräben, in denen sich dieser Fisch so gerne aufhält, längst verdunstet ist, kann man denselben im Schlamm und Moder vergraben, aber noch frisch und munter antreffen.
Das Fortpflanzungsgeschäft vollbringt die Bissgurre während der wärme - ren Frühlingszeit, nachdem sich die stehenden Gewässer, Sümpfe und Mo - räste wieder mit frischem Wasser gefüllt haben.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 222. Taf. 44. Grundel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 2. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 2. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 499. n. 2. Cobitis barbatula.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 224. Taf. 31. Fig. 3. Cobitis barbatula, Schmerl.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 74. Cobitis barbatula, Grundel.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 30. Cobitis barbatula, Schmerle.
Bujack Nr. 97: pag. 340. Cobitis barbatula, Schmerle.
Koch Nr. 19: pag. 42. n. 31. Cobitis barbatula, Grundel.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 193. Cobitis barbatula.
Valenciennes Nr. 5: T. XVIII. pag. 14. Pl. 520. Cobitis barbatula.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 539. Cobitis barbatula.
Günther Nr. 47: pag. 104. Cobitis barbatula, Grundel.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Cobitis barbatula, Bartgrundel.
Rapp Nr. 41: pag. 11. Cobitis barbatula, Grundel.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 301. Fig. 162. Cobitis barbatula, Bartgrundel.
Fritsch Nr. 75: pag. 204. Cobitis barbatula, Bartgrundel.
Artcharakter: Mund mit sechs Bartfäden umgeben; Augenstachel sehr kurz und stumpf und unter der allgemeinen Hautbe - deckung verborgen; Körper wenig gestreckt und walzen - förmig; 8 bis 10 schlanke und scharf zugespitzte Schlund - zähne.
D. 3 / 7, P. 1 / 12, V. 1 / 7, A. 3 / 5, C. 18.
Die Bartgrundel unterscheidet sich in ihrer Körperform wesentlich von den beiden anderen bei uns einheimischen Cobitis – Arten, indem sie viel we - niger gestreckt ist und einen walzenförmigen Körper besitzt. An ihrem un - terständigen Maule befinden sich sechs mässig lange Bartfäden, von denen vier gleichweit von einander entfernt die Schnauze dicht über der Oberlippe besetzt halten, während die übrigen beiden Barteln an den Mundwinkeln da angebracht sind, wo die fleischige Oberlippe in die ebenfalls fleischige Unter - lippe übergeht. Unter den ziemlich hochstehenden kleinen Augen ist an der -v. Siebold, Fische. 22338Familie: Acanthopsides.jenigen Stelle, an welcher unter der Haut der stumpfe Fortsatz des Suborbital - knochen verborgen liegt, äusserlich keine Andeutung vorhanden. Die Flossen der Bartgrundel zeigen sich im Verhältniss zur Körpergrösse stärker und brei - ter entwickelt als bei unseren beiden anderen langgestreckten Cobitis-Arten. Die Afterflosse erscheint übrigens sehr flach abgerundet, während die Rücken - flosse einen geraden Rand besitzt. Der Körper der Bartgrundel ist im Ganzen sehr kümmerlich mit Schuppen belegt. Auf dem Rücken und Bauche fehlen sie gänzlich, nur die Körperseiten mit Ausnahme der beiden Seitenlinien sind mit vereinzelten sehr kleinen runden Schuppen besetzt, die gegen den Schwanz hin zwar dichter stehen, aber sich auch hier niemals dachziegelförmig decken. Die beiden von Schuppen entblössten Seitenlinien lassen sich mit einzelnen kurzen Unterbrechungen vom Vorderrumpfe bis zum Schwanzende verfolgen.
Die Körperseiten sowie der Bauch besitzen eine schmutziggelbe oft sehr blasse Färbung, auf dem Rücken sind sehr dicht stehende schwarzgrüne Pig - mentpunkte angebracht, welche sich auch an den Seiten bis nahe zum Bauche heraberstrecken und an vielen Stellen zu grösseren Marmorflecken zusam - menfliessen. Die graue Rücken - und Schwanzflosse tragen viele oblonge schwarze Flecke, die blassen Brustflossen sind nur zuweilen an ihrer oberen Seite schwarz gefleckt, während die blassgelben Bauchflossen und die ebenso gefärbte Afterflosse stets ungefleckt erscheinen. An der Wurzel der Schwanz - flosse zeichnet sich fast immer ein senkrecht stehender schwarzer Bandstrei - fen aus.
Die Verbreitung der Bartgrundel, welche nur höchstens eine Länge von 5½ Zoll erreicht, ist eine ebenso allgemeine, wie die der Bissgurre, nur mit dem Unterschiede, dass sich die Bartgrundel klares und meistens fliessendes Wasser zu ihrem Wohnorte aussucht. Sie findet sich in den meisten Bächen und Flüssen, aber auch an den Ufern vieler Seen. Sie schwimmt gerne im freien Wasser umher, hält sich aber dabei immer auf dem Grunde auf.
Es wird dieser Fisch seines schmackhaften Fleisches wegen überall ge - schätzt und daher sehr häufig zu Markte gebracht. Seine Laichzeit fällt eben - falls, wie bei der Bissgurre, in die Frühlingsmonate.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 220. Taf. 43. Steinbeisser, Dorngrundel.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 2. n. 1, Deser. spec. pisc. pag. 4. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 3. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 499. n. 3. Cobitis taenia.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 221. Taf. 31. Fig. 2. Cobitis taenia, Steinpitzger.
Schrank Nr. 23 a: pag. 318. n. 290. Cobitis taenia, Dorngrundel.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 77. Cobitis taenia, Steinbeisser.
Gloger Nr. 88: pag. 76. n. 31. Cobitis taenia, Steinbeisser.
Agassiz Nr. 7: pag. 36 oder Nr. 8: pag. 76. Acanthopsis taenia.
Bujack Nr. 97: pag. 340. Cobitis taenia, Steinpitzger.
339Gattung: Cobitis.Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 192. Acanthopsis taenia.
Valenciennes Nr. 5: T. XVIII. pag. 58. Cobitis taenia.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 564. Botia taenia.
Leiblein Nr. 51: pag. 118. Acanthopsis taenia.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 303. Fig. 163. Cobitis taenia, Steinbeisser.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Cobitis taenia, Steinbeisser.
Artcharakter: Mund mit sechs Bartfäden umgeben; Augenstachel jederseits doppelt und aus einer Hautspalte nackt hervor - streckbar; Körper gestreckt und seitlich sehr stark zusam - mengedrückt; 8 bis 10 schlanke und scharf zugespitzte Schlundzähne.
D. 3 / 7, P. 1 / 6 — 8, V. 1 / 5, A. 3 / 5, C. 15 — 16.
Der gestreckte und schlüpfrige Leib des Steinbeissers, der in seinen Be - wegungen ganz an den Aal erinnert, ist ausserordentlich comprimirt, auch sein Kopf erscheint an Scheitel und Stirn so stark zusammengedrückt, dass diese Theile nur eine schmale Kante bilden, welche im Profil betrachtet gegen das unterständige Maul ziemlich steil absteigt. Von den sechs Bartfäden, wel - che das sehr bewegliche Maul umgeben, halten vier dicht über der Oberlippe in gleichweiter Entfernung von einander das untere Ende der Schnauze um - geben, während der fünfte und sechste Bartfaden in den Mundwinkeln da angebracht ist, wo die Oberlippe in die sehr fleischige zweilappige Unterlippe übergeht. Die beiden kleinen Augen sind bis oben gegen den schmalen Stirn - rand hinaufgerückt, wodurch die Physiognomie des Steinbeissers einen ganz besonderen Ausdruck erhält. Dicht unter den Augen lässt die allgemeine Hautbedeckung eine deutliche Querspalte erkennen, aus welcher, wenn der Fisch berührt oder sonst gereizt wird, der sehr bewegliche doppelte Augen - dorn sich erhebt und fest stellt. Diese Waffe, welche dem Steinbeisser auch den Namen » Dorngrundel « verschafft hat, liegt bei ungereiztem Zustande des Fisches von vorn nach hinten zurückgeschlagen in der Tiefe der Hautspalte verborgen1)Da diese Stacheln des Suborbitalknochen allen Cobitis-Arten, jedoch in verschie - dener Entwicklung und Beweglichkeit zukommen, so konnte die Gattung Acanthopsis, für welche Agassiz (a. a. O.) den scharfen, gabligen und beweglichen Suborbitalknochen als wichtigen Charakter hingestellt hatte, nicht beibehalten werden.. Sie besteht aus einem vorderen kleineren und einem hinteren grösseren Stachel, welche an ihrer Basis innig miteinander verschmolzen sind. Die paarigen Flossen sind sowohl in Breite wie in Länge sehr wenig ent - wickelt, die drei unpaarigen Flossen bieten dagegen etwas mehr Fläche dar und besitzen einen sehr flach abgerundeten freien Rand. Der Körper des Steinbeissers ist vollständig mit sehr kleinen runden Schuppen bedeckt, wel - che ganz dicht und dachziegelförmig übereinander liegen; die beiden sehr kurzen Seitenlinien, welche sich nicht über die Spitzen der zurückgeschlage - nen Brustflossen hinauserstrecken, haben allein keine Beschuppung erhalten.
22*340Familie: Acanthopsides.Die Zeichnung des Steinbeissers ist sehr auffallend und giebt dem Fische ein sehr artiges Ansehen. Die Grundfarbe ist blassgelb oder weisslich, der Rücken und die obere Hälfte der Seiten erscheinen sehr fein braun punctirt, über die Mittellinie des Rückens erstreckt sich eine grossfleckige braune Binde bis zum Schwanze, welche zu beiden Seiten von einer kleinfleckigen braunen Binde begleitet wird. Die Körperseiten zeichnen sich durch eine Binde von 12 bis 17 sehr grossen schwarzen Flecken aus, nach oben wird diese Flecken - binde an der Stelle der Seitenlinie durch einen geraden durch die Haut hin - durchschimmernden bläulichen Längsstreif abgegrenzt. Am Kopfe treten sehr häufig durch das Zusammenfliessen vieler brauner Puncte drei schmale braune Streifen jederseits hervor, welche alle von den Augen ausgehen und von wel - chen der eine sich bis zum Mundwinkel herabzieht, der andere sich schräge über den Kiemendeckel-Apparat hin erstreckt und der dritte nach oben bis zum Hinterkopf hinaufsteigt. Die graue Rücken - und Schwanzflosse sind fein schwarz punctirt, während die übrigen blassen Flossen ungefleckt bleiben. An der Basis der Schwanzflosse und zwar an deren oberen Hälfte macht sich ein senkrecht stehender tiefschwarzer Streifen bemerkbar.
Der Steinbeisser ist die kleinste unter unseren Cobitis-Arten, da er höch - stens die Länge von 4 Zoll erreicht. Seine Verbreitung hat er mit der Biss - gurre gemein, auch lebt er ebenso verborgen wie diese, nur mit dem Unter - schiede, dass er sich nicht so stark wie die Bissgurre vermehrt und ausser stehendem Gewässer auch Bäche und Flüsse zu seinem Aufenthalte auswählt.
Die Laichzeit tritt auch bei dieser Cobitis-Art in den wärmeren Frühlings - monaten ein.
Die drei oben beschriebenen Cobitis-Arten zeichnen sich durch eine Eigen - schaft aus, die bis jetzt bei keinem anderen Fische wahrgenommen wurde. Es sind nämlich diese drei Cobitis-Arten unter gewissen Verhältnissen im Stande, statt der Kiemen sich des Darms als Athmungswerkzeug zu bedienen. Sie begeben sich zu diesem Zwecke an die Wasseroberfläche, verschlucken. indem sie die Schnauze aus dem Wasser hervorstrecken, eine gewisse Menge atmosphärischer Luft, die sie unter starkem Zusammenpressen ihres Kiemen - deckel-Apparates in den kurzen und ganz gerade verlaufenden Verdauungs - canal hinabdrängen, während sie gleichzeitig aus dem After eine Anzahl Luft - perlen unter Geräusch hervorpressen. Dass diese Einnahme und Ausgabe von Luft mit einem Darmathmungsprocesse zusammenhängt, wurde zuerst von Professor Erman in Berlin erkannt1)S. dessen Untersuchungen über das Gas in der Schwimmblase der Fische und über die Mitwirkung des Darmkanals zum Respirationsgeschäfte der Fischart Cobitis fossilis Schlammpitzger), in Gilbert’s Annalen der Physik. Bd. 30. 1808. pag. 140.. Erman hatte hauptsächlich Cobitis fossi - lis zu seinen Untersuchungen benutzt, welche mit um so grösserem Interesse341Gattung: Cobitis.aufgenommen wurden, als bis dahin die Darmrespirations-Bewegungen der Bissgurre nur sehr unvollkommen aufgefasst worden waren. Von den älteren Ichthyologen ward einfach gemeldet, dass dieser Fisch, wenn man ihn be - rühre, einen pfeifenden Ton von sich gebe1)Vergl. Joh. Müller: über die Fische, welche Töne von sich geben, in dessen Archiv für Anatomie. 1857. pag. 261 u. 267.. Bloch2)S. dessen Naturgeschichte der Fische Deutschl. Bd. I. pag. 219. erzählt, dass er öfters Luftblasen aus dem After des Schlammpitzger habe hervortreten sehen. Schnei - der3)S. dessen Ausgabe von Artedi’s Synonymia piscium. 1789. pag. 5. widersprach dieser Angabe und wollte nur gesehen haben, dass dieser Fisch aus der Mundöffnung Luftblasen mit Geräusch ausspeie. Durch die von Erman vorgenommene chemische Prüfung der Luft, welche durch den Darm - canal der Cobitis fossilis hindurchgegangen, stellte sich heraus, dass diese Luft dieselben Veränderungen erlitten, welche mit ihr vorgeht, wenn sie mit wirk - lichen Respirationsorganen in Berührung gekommen. Nachdem auch G. Bi - schoff4)Vergl. dessen Untersuchung der Luft, welche die Fischart Cobitis fossilis von sich giebt, in Schweigger’s neuem Journal für Chemie und Physik. Bd. 22. 1818. pag. 78. dieselben Untersuchungen wiederholt und dieselben Resultate erhal - ten hatte, wurden erst in neuster Zeit diese Untersuchungen auf meine Veran - lassung von Dr. Baumert5)S. dessen chemische Untersuchungen über die Respiration des Schlammpeitzgers (Cobitis fossilis). Heidelberg. 1852. wieder aufgenommen, um mit Anwendung der durch Bunsen’s Scharfsinn verbesserten eudiometrischen Methoden noch ge - nauere Resultate zu gewinnen, als sie Erman und Bischoff vor 30 Jahren zu er - reichen im Stande waren. Erman hatte seine Beobachtungen6)A. a. O. pag. 140. nur mit Cobitis fossilis vorgenommen, vermuthete aber, dass es sich mit Cobitis barbatula und taenia ganz ähnlich verhalte. Nach meinen Beobachtungen können die beiden letzteren Cobitis-Arten wirklich in derselben Weise, wie Cobitis fossilis, ihren Verdauungscanal als Respirationsorgan benutzen. Aus den Beobachtungen, welche ich schon im Jahre 1827 hierüber an Cobitis taenia angestellt habe und welche in Baumert’s Schrift7)A. a. O. pag. 71. abgedruckt worden sind, will ich nur her - vorheben, dass diese Fische in frischem an Sauerstoff reichem Wasser sich nur selten der Darmrespiration bedienen, und dass sie dieselbe statt der Kie - menrespiration nur dann eintreten lassen, wenn es dem Wasser, das sie um - giebt, aus irgend einem Grunde an Sauerstoff gebricht. Ich habe draussen im Freien an den verschiedenen Cobitis-Arten niemals eine Darmrespiration wahr - nehmen können, welche so leicht zu beobachten ist, wenn man diese Fische in der Gefangenschaft aufbewahrt. Es ist daher zu vermuthen, dass sich die Cobitis-Arten an ihren natürlichen Aufenthaltsorten nur dann der Darmrespi - ration bedienen, wenn sich in ihrer Umgebung das Wasser verloren hat und sie genöthigt werden, sich in Schlamm und Moder zu vergraben.
Die Zwischenkiefer bilden allein den Rand der Oberkinnlade; die Oberkiefer sind verkümmert; der Schultergürtel ist entfernt vom Kopfe an der Wirbelsäule aufgehängt; Körper schlangenförmig gestreckt ohne Bauchflossen; der Magen mit Blindsack; die Schwimmblase einfach; die Geschlechtswerkzeuge ohne Ausführungsgänge.
Gattungscharakter: Vor den Brustflossen sehr enge Kiemenspal - ten; Rücken - und Afterflosse unmittelbar in die spitze Schwanzflosse übergehend; in der Haut längliche sich nicht deckende Schuppen in zweierlei Richtungen schräge angebracht; Maul mit vielen kleinen dicht stehenden Zäh - nen (Bürstenzähnen) besetzt.
Syn. u. Citate.
Mangolt Nr. 33: pag. 24. Al.
Baldner Nr. 42: pag. 181. Taf. 22. Aall.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 24. n. 1, Descript. spec. pisc. pag. 66. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 39. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 426. n. 4. Muraena Anguilla.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 4. Taf. 73. Muraena Anguilla, Aal.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 42. Muraena Anguilla, Aal.
Gloger Nr. 88: pag. 78. n. 40. Muraena Anguilla, Aal.
Bujack Nr. 97: pag. 384. Anguilla fluviatilis, Aal.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 225. Anguilla acutirostris, latirostris, mediorostris.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 616. Anguilla migratoria.
Günther Nr. 47: pag. 128. Anguilla vulgaris, Aal.
Leiblein Nr. 51: pag. 125. Muraena Anguilla, Aal.
Rapp Nr. 41: pag. 38. Anguilla vulgaris, Aal.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 319. Fig. 167. Anguilla fluviatilis, Flussaal.
Rosenhauer Nr. 50: pag. 186. Anguilla fluviatilis, Aal.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Anguilla fluviatilis, Flussaal.
343Gattung: Anguilla.Artcharakter: Unterkieferlänger als die Oberkinnlade; Rücken - flosse weit hinter dem Kopfe beginnend; Afterflosse um eine Kopfeslänge hinter dem Anfang der Rückenflosse be - ginnend; Körper bis zum After cylindrisch, von diesem ab bis zur Schwanzspitze seitlich zusammengedrückt.
Der Aal nimmt in seinen verschiedenen Alters - und Lebenszuständen mancherlei Formen und Farben an, welche zur Aufstellung von mehreren Aalarten Veranlassung gegeben haben. Eine grosse Verschiedenheit bietet die Länge und Form der Schnauze des Aales, worauf Risso1)S. dessen Histoire naturelle des principales productions de l’Europe méridionale. Tom. III. 1826. pag. 198. und Yarrell2)S. dessen Britisch Fishes. Vol. II. 1841. pag. 381. 396 und pag. 399. die drei Species Anguilla acutirostris, latirostris und mediorostris gründeten. Ekström3)S. dessen Fische in den Scheeren von Mörkö. pag. 142. gab der Vermuthung Raum, dass sich zwei Aalarten unterschei - den lassen, die er als spitznasigen und plattnasigen Aal (Muraena oxyrrhina und platyrrhina) bezeichnete. Es verstehen sich gewöhnlich die Fischer sehr gut darauf, diese verschiedenen Aalformen herauszufinden. Nach Cuvier’s Angaben scheinen es hierin die Fischer in Frankreich am weitesten gebracht zu haben, indem sie sogar vier verschiedene Aalarten unterscheiden4)In Cuvier’s Règne animal, Tome II, 1829. pag. 349. werden für diese vier Aalfor - men die folgenden Namen aufgeführt: Anguille verniaux, long bec, plat bec & pimperneaux.. Ich muss aus weiter unten anzuführenden Gründen die Art-Berechtigung dieser verschiedenen Aalformen durchaus in Zweifel ziehen.
Das bis zu den kleinen Augen gespaltene Maul ist bei allen diesen Aalfor - men von fleischigen Lippen bedeckt; die Bürstenzähne halten nicht bloss die Zwischenkiefer und den Unterkiefer, sondern auch den Vomer besetzt. Die hinteren Nasenlöcher stehen dicht vor den Augen, die vorderen Nasenlöcher sind von diesen weit entfernt dicht über den Oberlippen als zwei kurze Röh - ren angebracht. Der etwas verkümmerte Kiemendeckel-Apparat wird von der allgemeinen Hautbedeckung vollständig eingehüllt, so dass die einzelnen Deckelstücke ebenso wenig wie bei Cobitis unterschieden werden können. Die beiden engen Kiemenspalten sind weit nach hinten gerückt und stehen dicht unter der Basis der ebenfalls sehr weit nach hinten gerückten abgerundeten Brustflossen. Die in der sehr schleimigen Haut schräge eingebetteten dünnen Schuppen des Aals haben eine längliche Gestalt und sind abwechselnd unter einem rechten Winkel gegeneinander gelagert, wodurch diese Beschuppung viele Zickzacklinien darstellt. Die Seitenlinie ist deutlich zu erkennen und344Familie: Muraenoidei.besitzt in Ermangelung der Schuppenporen kurze weiche, in grösseren Zwi - schenräumen von einander entfernte Röhrchen.
Die Färbung des Aals ist dunkelgrün, spielt aber auch ins blauschwarze oder ins graugelbe, der Bauch erscheint dabei immer heller und nimmt bald eine blauweisse bald eine gelbweisse Färbung an. Die Rückenflosse sowie die beiden Brustflossen tragen die Farbe des Rückens, die Afterflosse dagegen stimmt mit der Farbe des Bauchs überein.
Der Aal kann bis zu einer Schwere von 8 Pfund und darüber heranwach - sen, und dabei die Länge von 34 Zoll überschreiten. Trotzdem, dass der Aal als ein sehr gefrässiger Raubfisch gekannt ist, wird noch immer wieder die alte Sage von ihm wiederholt, dass er des Nachts sich gern auf das Land be - gebe, um den Erbsen in den Erbsenfeldern nachzugehen1)Diese Sage scheint von Albertus Magnus herzurühren, welcher in seinem Thierbuch (Frankfurt a. M. 1545. Von den Fischen) erzählt: » Der Aal soll auch ettwan des nachts auss dem wasser schlieffen auff dem feldt, da er linsen, erbsen oder bonen gesehet findet «.. Ich habe mich sogar mehrmals überzeugt, dass diese Fabel sogar von Fischern geglaubt wurde, indem sie ihren Aalen in den Fischbehältern Erbsen als Futter vor - warfen. Wenn ich meine Zweifel darüber aussprach und solche Fischer be - fragte, ob denn wirklich die Erbsen von den Aalen gefressen würden, antwor - tete man mir, letzteres müsse wohl geschehen, da ja nach einiger Zeit die Erbsen aus den mit engen Gittern an der Ausflussöffnung versehenen Fisch - behältern verschwunden wären. Sie dachten aber nicht daran, dass die Erb - sen mit der Zeit im Wasser aufquellen, durch Fäulniss zerfallen und so aus den Behältern fortgespült werden. Nilsson2)S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 669. oder in der Uebersetzung von Crep - lin: Aufenthalt, Lebensweise, Nahrung und Fortpflanzung des Süsswasser-Aales (in der Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 1860. nr. VII. VIII. pag. 20). hat die Lust der Aale, Erbsen - felder aufzusuchen, dahin zu deuten gesucht, dass sie dort nicht den Erbsen sondern den Schnecken und Würmern nachgiengen. Obgleich die Aale theils ihrer engen Kiemenspalten theils ihrer ganzen Organisation wegen eine unge - wöhnliche Lebenszähigkeit besitzen, so möchte ich es doch bezweifeln, dass dieselben freiwillig das Wasser verlassen und berufe mich auf den erfahrenen Fischer Baldner, der seiner oben citirten Aal-Abbildung folgende Erläuterung beifügt: » Fressen Fisch, kommen nicht aufs Land und fressen nicht Erbsen sondern bleiben im Wasser und sind Nachtthiere «. Auch Spallanzani3)Vergl. Opere di Lazzaro Spallanzani (Edit. Milano 1826) Tom. III. Opuscoli due so - pra le anguille dove singolarmente si ragiona di quelle che si pescano nelle valli di Co - machio. pag. 518. machte darauf aufmerksam, dass bei Comacchio, wo seit langer Zeit ein grossartiger Aalfang betrieben wird, die Fischer noch niemals Aale auf dem Lande beo - bachtet haben, und dass, als einmal die Aale in den Lagunen von Comacchio wegen Verdorbenheit des Wassers zu vielen tausenden umgekommen waren,345Gattung. Anguilla.auch kein einziger Aal vorher den Versuch gemacht, sich über Land in das nahe gelegene Meer oder in den benachbarten Po zu retten.
Die geographische Verbreitung des Aals in Mitteleuropa ist eine höchst eigenthümliche. Er wird in allen denjenigen Flüssen und stehenden Ge - wässern angetroffen, welche mit der Ost - und Nordsee, mit dem atlantischen, mit dem Mittel - und adriatischen Meere zusammenhängen, fehlt aber in den - jenigen Seen und Flüssen, welche ihr Wasser dem schwarzen Meere zusen - den. Daher findet sich der Aal nirgends im Flussgebiete der Donau, und fehlt derselbe auch im Dnjestr, Bug, Dnjepr und Don. Pallas1)Vergl. dessen: Zoographia rosso-asiatica. Vol. III. Edit. 1831. pag. 71. machte bereits auf die Abwesenheit des Aals in den dem kaspischen und schwarzen Meere zu - fliessenden Gewässern aufmerksam; auch Eichwald2)S. dessen: Fauna Caspio-Caucasia. 1841. und Nordmann3)Vergl. dessen: Observations sur la Faune pontique. 1840. lassen den Aal in ihren Faunen des Caucasus und Pontus unerwähnt. Hiermit stim - men auch die Forschungen des Czernay4)S. dessen: Ichthyologische Beobachtungen gesammelt auf Reisen in dem Charkow - schen und den anliegenden Gouvernements, in dem Bulletin de la société impériale des Naturalistes de Moscou. Tom. 23. 1850. pag. 627., Tchihatcheff5)S. dessen: Considérations sur les poissons du Don, du Dnèpre, du Dnestre, du Boug et du Danube, in den Comptes rendus. Tom. 42. 1856. pag. 442. und Kessler6)Vergl. dessen: Ichthyologie des südwestlichen Russlands, in dem Bulletin de la soc. imp. des Nat. de Moscou. Tom. 29. 1856. pag. 386. über - ein, welche in keinem der südrussischen Flüsse Aale antrafen. Um so mehr muss es auffallen, dass nach der Angabe verschiedener Zoologen die Donau und ihre Nebenflüsse Aale besitzen sollen. Ich habe es mir angelegen sein lassen, diesen Angaben näher nachzuspüren und bin zu der Ueberzeugung gekommen, dass dieselben auf Missverständnissen oder Verwechslungen be - ruhen.
Schon Albertus Magnus7)S. dessen: Thierbuch. a. a. O. hat sich über das Fehlen des Aals im Donau - Gebiet mit folgenden Worten deutlich ausgesprochen: » Es ist ein gross wun - derwerck, das inn der Thonaw kein Aal gefangen odder gefunden wirdt, dess - gleichen inn den neben wassern so hinein fliessen, man spricht auch, wa man ihn in Thonaw wasser setz, soll er sterben und darvon nit leben mögen, sunst findet man in allen wassern durch gantz Teutschland, auss solchem Fisch den Aal «. Es sind diese Mittheilungen des Albertus Magnus von Gesner8)S. dessen: Fischbuch. a. a. O. pag. 177., Wil - lughby9)Vergl. dessen: Historia piscium. pag. 110. und anderen Naturforschern wiederholt worden, was Marsigli ver - anlasst hat, die Meinung, dass die Aale im Donauwasser sterben zu bestreiten nicht aber das Fehlen derselben in der Donau zu läugnen, wie dies aus sei - nen eigenen Worten, wie folgt, entnommen werden kann10)Vergl. dessen: Danubius etc. a. a. O. Tom. IV. 1726. pag. 5.: » Verum contra -346Familie: Muraenoidei.rium testabitur Vienna, Lincium, Cremsium aliaeque urbes Danubio adjacen - tes. Quamvis enim, quantum hucusque indagare licuit, in Danubio non orian - tur, attamen ex aliis fluminibus1)Hierunter hat Marsigli gewiss nur solche Flüsse verstanden, welche dem Donau - Gebiete nicht angehören. in eundem invectae non emoriuntur, imo inter alios etiam, qui in Danubio nascuntur, longissimo tempore piscariis clau - stris inclusae conservari possunt atque dum incaute pertrectantibus evadunt, ut persaepe accidit (nam vix satis caute ob lubricitatem tractari possunt) et in liberum flumen insiliunt ad supra memoratam magnitudinem adolescunt «. Ge - wiss war es seit lange herkömmlich, die an der Donau gelegenen Städte von anderen Flussgebieten her mit Aalen zu versorgen, von denen hier und da ein Individuum zufällig in die Donau entschlüpft ist, um später wieder gefangen zu werden2)Heckel in Wien lieferte über dieses Factum in den Verhandlungen des zoologisch - botanischen Vereins in Wien (Bd. II. 1853. Sitzungsberichte. pag. 29) folgende wichtige Bemerkung: » Der Aal wird zwar zuweilen wirklich in der Donau gefangen; allein es ist er - wiesene Thatsache, dass alle diese einzelnen Fälle nur davon herrühren, dass den Fisch - händlern, welche diese Thiere aus andern, nord - und südwärts ablaufenden Flüssen zum Verkaufe hierher bringen, manchmal ein oder das andere Stück, ja sogar wie es sich ein - stens in Nussdorf bei Wien zutrug, eine bedeutende Anzahl entweichet, die dann in der Donau ihre Freiheit suchen, sich aber nie darin vermehren, und selbst absichtlich an ge - sicherten Orten eingesetzt, binnen kurzem spurlos verschwinden «. Eine in der Sammlung des zoologisch-mineralogischen Vereins zu Regensburg als Donaufisch aufbewahrte Mu - raena Anguilla (vergl. das Correspondenz-Blatt dieses Vereins. Jahrgang XI. 1857. pag. 16. nr. 33.) wird auch wohl ein solcher fremder und entschlüpfter Aal gewesen sein. Zu Inns - bruck wird Jahr aus Jahr ein in der dortigen Stadtfischerei eine grosse Anzahl lebender vom Garda-See herüber transportirter Aale feil geboten, von denen schon einige Male, wie mir mitgetheilt wurde, einzelne Individuen aus der Fischverkaufs-Anstalt in den nahe ge - legenen Inn entkommen und später in demselben wieder gefangen worden sind.. Heckel und Kner (a. a. O. pag. 324) bemerken ganz richtig, dass solche Aale als verirrte Fremdlinge betrachtet werden müssen.
Wenn Reisinger3)S. dessen: Specimen Ichthyologiae sistens pisces aquarum dulcium Hungariae. 1830. pag. 2. den Aal als ungarischen Donaufisch aufführt, so ist das eine von den vielen Unrichtigkeiten, durch welche sich Reisinger’s Fisch - fauna von Ungarn überhaupt auszeichnet4)Heckel hat bereits vor den gänzlich unzuverlässigen Angaben Reisinger’s gewarnt (in seinem Reisebericht a. a. O. Anhang II. pag. 352 und in seiner Vorrede zu den Süss - wasserfischen der östreich. Monarchie pag. VI.). Dass Kramer5)Vergl. dessen: Elenchus vegetabilium et animalium per Austriam inferiorem obser - vatorum. 1756. pag. 387. und Meidinger6)S. dessen. Icones piscium Austriae indigenorum. Decuria IV. 1790. nr. 31. den Aal als Bewohner der Donau und verschiedener östreichischer Seen be - zeichnen, spricht für die Ungenauigkeit, mit der man im achtzehnten Jahr - hundert bei solchen faunistischen Zusammenstellungen zu Werke gieng. Wie aber Fitzinger (Nr. 32: pag. 332) dazu gekommen ist, dergleichen Ungenauig - keiten noch in neuerer Zeit zu wiederholen, und den Aal als Bewohner der347Gattung: Anguilla.Donau, der March und Traun, sowie des Hallstädter und Traunsee aufzu - führen, das ist völlig unbegreiflich. Worauf Schrank (Nr. 23: pag. 307) seine irrige Angabe, nach welcher der Aal in der Traun bei Traunstein vorkommen soll, und Perty (Nr. 24: pag. 717) die seinige gründet, nach welcher nicht bloss die Traun, sondern auch die Isar von Aalen bewohnt werden soll, ist mir ebenfalls räthselhaft geblieben. Haben sich die eben aufgeführten Fauni - sten Ungarns, Oestreichs und Bayerns über das Vorkommen des Aals in ihrer eigenen Heimath so viele Irrthümer zu Schulden kommen lassen, so kann man sich nicht wundern, dass diese Irrthümer durch auswärtige Faunisten z. B. durch Nordmann1)S. dessen: Faune pontique, pag. 538, wo es heisst: » Le cours superieur du Danube est riche en anguilles d’une très forte taille «., Tchihatcheff2)Vergl. dessen: Considérations etc. in den Comptes rendus a. a. O. Derselbe führt pag. 442 in einer Tabelle den Aal als Donaufisch auf, nachdem er vorher erklärt, dass in Bezug auf Donaufische Reisinger sein Gewährsmann sei. Wie wenig diesem letzteren Ver - trauen geschenkt werden darf, habe ich vorhin nachgewiesen. u. a. fortgepflanzt wurden. Sehr unvor - sichtig war der Engländer Widdrington3)Vergl. the Annals and Magazine of natural history. Vol. VIII. 1842. pag. 207 und im Auszuge in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1842. II. pag. 183., als er bei seiner Anwesenheit in Wien auf dem Fischmarkte lebende Aale verkaufen sah, welche, wie man ihm versicherte, theils aus Ulm, theils aus Böhmen bezogen wurden, und darauf hin die Gründe auseinandersetzte, warum die Donau oberhalb Ulm und die Elbe Aale ernähren könnte, während die untere Donau nach Aufnahme so vie - ler Alpenströme nicht mehr zur Ernährung der Aale geeignet wäre. Obgleich ich überzeugt war, dass auch oberhalb Ulm die Donau mit ihren Seitenflüssen keine Aale enthält, so suchte ich mich doch über die von Ulm ausgehende Aalausfuhr näher zu unterrichten und erfuhr aus zuverlässiger Quelle, dass allerdings noch vor 26 bis 30 Jahren durch Ulmer Fischer und Schiffsleute Aale nach Wien gebracht worden sind, dass diese Aale aber nicht aus dem Donau-Gebiete, in welchem es keine Aale giebt, sondern aus der Rhein - und Neckar-Gegend herstammten.
Ich bin demnach in Bezug auf die Verbreitung der Aale in Bayern durch meine Untersuchungen ganz zu denselben Resultaten gelangt, wie vor mir Andreas Wagner (Nr. 26: pag. 678), welcher in seinen Beiträgen zur Kennt - niss der bayerischen Fauna sagt: » das Maingebiet hat überall den Aal aufzu - weisen, während er dem Donaugebiet abgeht «. Wenn aber Wagner (a. a. O. pag. 679) aus den von der Oberpfalz eingesammelten Nachrichten angiebt, dass ihm der Zottbach und Wendenabfluss als aalführende Nebenflüsse der Naab bezeichnet worden seien und dass die Aale in diese Gewässer nicht an - ders als eingesetzt sein könnten, so bin ich hierin mit ihm nicht einverstan - den, da dieser scheinbar anomale Umstand sich auf ganz andere Weise er - klären lässt. Zuerst muss ich hervorheben, dass der von Wagner als » Wen -348Familie. Muraenoidei.denabfluss « bezeichnete Bach, in dem an Wagner abgestatteten und etwas undeutlich geschriebenen Berichte, (welcher vor mir liegt), als » Wondreb - fluss « gelesen werden muss. Da die Wondreb ein Nebenflüsschen der Eger ist, so kann dieselbe als zum Flussgebiet der Elbe gehörend, recht gut Aale enthalten. Wenn aber in dem Zottbach, als Nebenfluss der Naab, sich wirk - lich Aale gezeigt haben sollten, so dürfte dies darin seine Erklärung finden, dass Seitenbäche der Naab aus dem Pfreimtweiher entspringen, welcher mit anderen Weihern zusammenhängt, die ihre Gewässer durch die Mins der Moldau zuführen, wodurch also die Wasserscheide zwischen Elbe und Donau in der Umgebung des Pfreimtweiher als verschwunden zu betrachten1)Vergl. Walther: Topische Geographie von Bayern. 1844. pag. 155. Die hier nie - dergelegten Angaben über die Verschmelzung zweier Wassergebiete haben freilich jetzt, seitdem der Pfreimtweiher trocken gelegt worden ist, ganz und gar ihre Geltung verloren., und an dieser Stelle ein Uebertreten der Aale aus dem Flussgebiet der Elbe in das der Donau für möglich zu halten ist.
Die Fortpflanzungsgeschichte des Aals, welche von jeher für ein grosses Räthsel gegolten hat, ist bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Indessen haben es die Bemühungen der neueren Zootomen doch dahin gebracht, dass man den vielen Fabeln, die über die Entstehung des Aals seit Aristoteles von Mund zu Mund sich im Volke bis auf die heutige Zeit fortpflanzten, mit bestimmten Thatsachen entgegentreten kann, aus welchen sich erkennen lässt, dass die Aale gleich den übrigen Fischen, Eierstöcke besitzen, aus deren Eiern sie ihre Brut erzeugen. Indem ich die von Aristoteles zuerst angeregte und noch jetzt hier und dort geglaubte Erzählung, dass die Aale durch Urzeugung aus dem Schlamm entstehen, nicht weiter zu widerlegen für nöthig erachte, will ich einer anderen Sage gedenken, mit der ich auf meinen Reisen am Main, am Rhein und Neckar bekannt wurde. In diesen Gegenden behaupten nämlich die Fischer, dass die blaue Kresse die Mutter der Aale sei und junge Aale von sich gebe. Sie berufen sich darauf, dass man im Frühjahr in der Leibeshöhle der blaugefleckten Kressen wirklich junge Aale vorfände. Es beruhen diese Angaben nach meinen Untersuchungen auf folgenden unrichtig aufgefassten Erscheinungen. Blaue Kressen werden von den Fischern jener Gegenden die im Frühjahr mit sehr dunklen, schwarzblauen Seitenflecken ge - schmückten brünstigen Individuen des Gobio fluviatilis genannt, welche um diese Zeit häufiger als sonst von einem Fadenwurm geplagt werden, der in der Bauchhöhle dieser Fische die Eingeweide derselben umschlungen hält. Es erreicht dieser weissgefärbte Fadenwurm eine Länge von 3 bis 4 Zoll und ist den älteren Helminthologen unter dem Namen Filaria ovata bereits be - kannt gewesen, gegenwärtig führt er den Namen Agamonema ovatum. Mit diesen jungen Aalen hat es also eine ähnliche Bewandniss, wie mit jenen,349Gattung: Anguilla.welche der Aal selbst, wie man eine lange Zeit hindurch geglaubt, lebend gebären sollte; auch diese letztere Aalbrut ist längst als ein den Darm des Aales bewohnender Spulwurm (Ascaris labiata) erkannt worden1)Die Ansicht, dass der Aal lebendige Junge gebären soll, taucht auch jetzt noch hin und wieder selbst bei Naturforschern auf, wenn der freiwillige Abgang von Spulwürmern an irgend einem Aale beobachtet wird, wie dies aus einer Mittheilung hervorgeht, welche De Joannis im Jahre 1839 an die Pariser Akademie der Wissenschaften gemacht hat. Da De Joannis nur das berichtete, was er aus dem Munde eines Bauern vernommen hatte, so kann ich für meinen Theil die in diesem Falle zu hunderten von einem Aale abgegangenen, 2 Zoll langen weissen und wie Zwirnsfaden dicken jungen Aale nur für Ascariden halten, obgleich der als vollkommen glaubwürdig geschilderte Beobachter dieses Falls, ein schlich - ter Bauer, die Augen dieser jungen Aale als zwei deutliche schwarze Puncte erkannt haben will. Vergl. Comptes rendus de l’Acad. d. sciences. Tom. 8. 1839. pag. 301 oder Revue Zoo - logique. 1839. pag. 48. Oken und Creplin hatten schon früher über diesen Fall eine ganz ähnliche Meinung geäussert. Vergl. Oken’s Jsis. 1839 und Wiegmann’s Archiv für Natur - geschichte. 1841. I. pag. 231..
Es bedurfte übrigens einer sehr langen Zeit, bis man sich überhaupt nur von der Gegenwart der Fortpflanzungsorgane und von deren Form bei den Aalen die gehörige Rechenschaft geben konnte. Die früheren Versuche von Leeuwenhoek und Vallisneri, in den Aalen Geschlechtswerkzeuge nachzuwei - sen, waren gänzlich missglückt, indem ersterer2)Vergl. Leeuwenhoek: Arcana naturae. Epistola 75. (1692). pag. 316. Fig. 7. 8. 9. die Urinblase des Aals für den Uterus und letzterer3)Vergl. Vallisneri: de ovario Anguillarum, in den Ephemerides Acad. Nat. Curios. Centur. I u. II. 1712. Appendix pag. 153. Fig. h. h. eine krankhafte Geschwulst in der Bauchhöhle eines Aals für den Eierstock hatte ausgeben wollen. Später hatte C. Mundinus4)S. dessen Abhandlung: » de Anguillae ovariis « in den Commentarii de Bononiensi scientiar. et artium academia Tom. VI. 1783. pag. 410. Fig. 7 — 11. ein ganz ähnliches aus vielen kleinen Cysten zusammengesetztes pathologi - sches Gebilde in der Leibeshöhle eines Aales gefunden, und wollte dasselbe als die in einen Scirrhus umgewandelte Schwimmblase erkannt haben. Von Mundinus5)Ebenda: pag. 414. wurden fast gleichzeitig mit O. F. Müller6)S. dessen: » Bemühungen bei den Intestinalwürmern « in den Schriften der Ber - linisch. Gesellsch. naturf. Freunde. Bd. I. 1780. pag. 204. und unabhängig von diesem jene beiden manschettenförmigen Blätter, welche sich am ganzen Rücken der Leibeshöhle des Aales herabziehen und bis dahin für blosse Fett - schichten gehalten worden waren, als die Eierstöcke dieses räthselhaften Fisches erklärt. Allein weder Müller noch Mundinus war es gelungen, der Deutung dieser manschettenförmigen Blätter als Eierstöcke der Aale Eingang zu verschaffen. Erst Rathke7)S. dessen Abhandlung: » über die weiblichen Geschlechts-Werkzeuge des Aales « in Wiegmann’s Archiv. 1838. I. pag. 299 und dessen: » Bemerkungen über einen hochträchtigen Aal « in Müller’s Archiv 18〈…〉〈…〉 0. pag. 203. blieb es vorbehalten, in den beiden manschet - tenartigen Organen der Aale die Eierstöcke mit Sicherheit zu erkennen, in - dem von ihm zwischen den Fettzellen dieser Organe die eigentlichen Eier,350Familie: Muraenoidei.obgleich von ausserordentlicher Kleinheit, nachgewiesen wurden. Durch Hohnbaum-Hornschuch1)S. dessen: Dissertatio de Anguillarum sexu ac generatione. Gryphiae, 1842. wurden diese Untersuchungen nicht bloss bestätigt, sondern noch dadurch zu erweitern versucht, dass derselbe viele Aale auch als männliche Individuen erkannt haben wollte2)Ebenda. pag. 16. Fig. IV., weil dieselben in jenen manschettenförmigen Organen statt der Eier kugelförmige, kleine Körnchen einschliessende Körperchen enthielten, die von ihm für hodenartige Organe angesehen wurden. Von einem solchen Geschlechtsunterschied hat sich je - doch weder Schlueser3)S. dessen Dissertatio: de Petromyzontum et Anguillarum sexu. Dorpati, 1848. noch Stannius4)S. dessen: Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 1854. pag. 269. überzeugen können, so dass also bis jetzt männliche Geschlechtswerkzeuge der Aale mit Bestimmtheit noch nicht nachgewiesen sind5)Da Ekström, welcher bei seinen Untersuchungen zu einem umgekehrten Resultat gekommen sein will, eine dunkelgelbe, ölartige Feuchtigkeit, womit er im Juni die man - schettenartigen Organe der Aale überzogen fand, nur nach dem Augenscheine und nicht nach einer genaueren mikroskopischen Untersuchung für Samenfeuchtigkeit erklärte (s. des - sen Fische in den Scheeren von Mörkö. 1835. pag. 150), so ist auf Ekström’s Angabe, dass er bis jetzt nur männliche Aale unter Händen gehabt habe, wohl kaum ein Gewicht zu legen.. Zwar soll nach Owen’s Ansicht der Aal mit Pe - tromyzon eine gleiche Organisation der männlichen Geschlechtswerkzeuge besitzen6)S. dessen: Lectures of the comparative anatomy and physiology of the vertebrate animals. I. Fisches. 1846. pag. 286., indessen erinnere ich mich nicht, dass Owen den Versuch ge - macht hat, die Richtigkeit seiner Ansicht durch einen genaueren Nachweis der Beschaffenheit der Elementartheile des Aalsperma’s zu begründen. Wenn Schlueser7)A. a. O. pag. 37. aus seinen Untersuchungen die Vermuthung schöpft, dass die männlichen Aale entweder ausserordentlich selten sein, oder vielleicht eine von den weiblichen Aalen ganz verschiedene Gestalt besitzen müssen und wenn derselbe zuletzt an die Beobachtung Brongniart’s8)S. dessen: » Mémoire sur le Limnadia «, in den Mémoires du Muséum d’histoire na - turelle. Tom. VI. 1820. pag. 89. erinnert, nach wel - cher sich unter 1000 Individuen der Limnadia Gigas kein einziges Männchen vorfand, so sind wir bei der Frage angelangt: ob nicht etwa auch bei dem Aale eine Parthenogenesis statt finden dürfte? Zur Untersuchung dieser Frage kann natürlich nicht eher geschritten werden, als nicht vorher mit vollkom - mener Gewissheit das wirkliche Fehlen der männlichen Geschlechtswerk - zeuge bei den Aalen nachgewiesen ist. Es lässt sich immer noch annehmen, dass die samenbereitenden Organe der Aale bisher nur übersehen worden sind, denn genau betrachtet, hat man bisher nur die unreifen Geschlechts - werkzeuge der Aale untersucht. Wie schwer aber in früheren Entwicklungs - zuständen Hoden und Eierstöcke zu unterscheiden sind, da alsdann in beiden351Gattung: Anguilla.nur gleiche einfache Zellenelemente zu erkennen sind, dies ist allen mit dergleichen mikroskopischen Untersuchungen vertrauten Naturforschern eine nur zu bekannte Sache. Es wäre daher doch möglich, dass man die unreifen Hoden der Aale mit unreifen Ovarien verwechselt hätte, ja es könnten viel - leicht, wie schon Spallanzani1)S. dessen auf pag. 344 angeführten: Opuscoli due sopra le anguille. pag. 564. und Nilsson2)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. A. a. O. pag. 678. (Uebersetzt a. a. O. pag. 29.) vermuthet haben, auch männ - liche und weibliche Geschlechtsorgane so mit einander vereinigt sein, dass die Aale jenen hermaphroditischen Fischen zugezählt werden müssten, mit deren wirklichem Vorhandensein wir erst in neuster Zeit genauer bekannt geworden sind3)Solche normale Zwitterbildungen hat Dufosse (in den Annales des sciences natu - relles. Tom. V. 1856. pag. 295) bei den drei Seebarschen Serranus scriba, cabrilla und he - patus nachgewiesen.. Ueber alles dies würde man entscheiden können, wenn sich nicht die Aale während ihrer Brunstzeit unseren Untersuchungen gänz - lich entzögen, indem sie, noch ehe ihre Brunstzeit beginnt, die süssen Ge - wässer verlassen und in das Meer hinauswandern, um dort in tiefer Verbor - genheit ihr Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen. Schon Aristoteles wusste, dass der Aal, um zu laichen, aus den Seen und Flüssen in das Meer ziehe4)Vergl. Aristoteles de animalibus historiae Lib. VI. Cap. 13. 7., konnte sich aber nicht enthalten, über die Entstehung der Aale aus Schlamm, feuchter Erde und aus Regenwürmern die sonderbarsten Fabeln zu ver - breiten5)Ebenda: Lib. VI. Cap. 15..
Die Wanderungen der erwachsenen Aale sind seit lange gekannt, und eine Menge Fangmethoden sind darauf eingerichtet, der zu Thale wandern - den Aale auf ihrer Reise habhaft zu werden. Seit Jahrhunderten sind viele Fischer in Italien an den Mündungen der Flüsse mit dem Aalfang beschäftigt, wodurch alljährlich grosse Massen von Aalen, welche im Begriffe waren, in das Meer hinauszuwandern, in den Handel gebracht werden. Ein solcher höchst ergiebiger Aalfang findet in den bereits erwähnten Lagunen von Co - macchio6)Dieser mittelst äusserst complicirten Vorrichtungen grossartig betriebene Aalfang ist von Coste (Voyage d’exploration sur le littoral de France et de l’Italie 1861. pag. 3. In - dustrie de la lagune de Comacchio) sehr ausführlich beschrieben worden. und auch am Orbitello-See statt, wo alljährlich vom October bis December den wanderlustigen Aalen der Austritt in das Meer dadurch abge - schnitten wird, dass man sie mit Hülfe von besonderen Canälen in ringsum verschlossene Kammern hineinzuleiten weiss. Diese Auswanderung der er - wachsenen Aale, welche immer während sehr stürmischer und finsterer Nächte vor sich geht, wird von den Italienern die » Calata « genannt7)Während einer einzigen solchen Nacht werden nach dem Berichte Spallanzani’s oft mehrere hundert Centner Aale gefangen. S. dessen Op. due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1. pag. 509.. Von352Familie: Muraenoidei.Spallanzani1)S. dessen: Opuscoli due sopra le anguille. A. a. O. Op. II. Cap. 3. pag. 553 und dessen: Viaggi alle due Sicilie, ebenda Tom. III. Cap. 33. pag. 143, in welchen Reisen Spallanzani seine Beobachtungen über die Aale des See Orbitello niedergelegt hat. wurde an den genannten beiden Localitäten diese Calata be - nutzt, um sich über die Geschlechtsverhältnisse der Aale Aufschluss zu ver - schaffen, ohne dass es ihm gelungen war, den berühmten Streit über die Fortpflanzungsweise der Aale auch nur um einen Schritt der Entscheidung näher zu bringen. Es ist dies ein Beweis mehr, dass die Aale nicht im geringsten für das Fortpflanzungsgeschäft vorbereitet in das Meer hinaustreten.
Mit ähnlichem Erfolge, wie in Italien2)Ueber den vom süssen in das salzige Wasser ziehenden Aal und dessen Verbreitung in Italien vergleiche man G. v. Martens: Italien. Bd. II. 1844. pag. 334., wird auch in Skandinavien an den Meeresküsten den, während der dunkeln Nächte der Herbstmonate in das Meer hinabwandernden Aalen nachgestellt, wobei man, wie Nilsson3)Vergl. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 664 u. 675. (Uebersetzt a. a. O. pag. 15 und 26.) ver - sichert, niemals bemerkt hat, dass die aus den Binnenseen und Flüssen in die Ostsee hinabsteigenden erwachsenen Aale während irgend einer Jahres - zeit schaarenweise aus dem Meere die Flüsse wieder hinaufwandern, mithin niemals mehr in die Flüsse und Seen zurückkehren, sondern einmal im Meere angelangt, dort bleiben. Ganz dasselbe wird auch von Yarrell4)S. dessen: History of british fishes. II. 1841. pag. 384, wo es heisst: » it is also said that these parent fish never return up the rivers «. berichtet.
Ich habe schon oben erwähnt (pag. 343), dass die Fischer nach den Um - rissen des Kopfes und der Färbung des Leibes verschiedene Aalformen unter - scheiden, welche von einigen Ichthyologen zu eben so vielen Aalarten erho - ben wurden, womit ich nicht übereinstimmen kann. Von der einen dieser Aalformen wird behauptet, dass dieselbe, wenn sie auch ausgewachsen sei, niemals wandere, sondern Sommer und Winter in Seen und Flüssen zurück - bleibe. Als ein solches Beispiel führe ich Risso’s Anguilla acutirostris an, von welcher dieser Ichthyologe aussagt5)S. Risso: a. a. O. Tom. III. pag. 198.: » cette anguille ne va jamais dans la mer «. Nilsson, welcher die drei Aalformen, den gemeinen oder Reusen-Aal, den Gras-Aal (wegen seiner grünen Farbe so genannt) und den Raub-Aal in seiner skandinavischen Fauna aufführt6)A. a. O. pag. 663., ohne jedoch dieselben als besondere Arten zu betrachten, behauptet7)A. a. O. pag. 668. (Uebersetzt a. a. O. pag. 19.) von dem Gras-Aal, dass derselbe nie in den Strom hinabgeht. Wenn sich die Richtigkeit dieser Aussagen bestätigen sollte, so liegt alsdann die Frage nahe, ob diese niemals wandernden Aale nicht steril gebliebene Individuen sein könnten, während vielleicht die anderen Formen bei genauerer Untersuchung sich als die weiblichen, sowie als die bis jetzt unerkannten männlichen Individuen herausstellen dürften.
353Gattung: Anguilla.Dass die zur Herbstzeit in das Meer hinausgewanderten Aale wirklich dort ihr Fortpflanzungsgeschäft vollziehen, darüber kann kein Zweifel mehr herrschen, indem das Product dieses Geschäfts, die Aalbrut in der darauf folgenden Frühjahrszeit zu Milliarden aus dem Meere in die Mündungen der süssen Gewässer eintritt, die Flüsse hinaufwandert und sich in die verschie - denen vom Meere oft weit entfernten fliessenden und stehenden Gewässer zertheilt. Es wurden über diese Wanderungen der jungen, bindfadendicken und nur ein Paar Zoll langen, braungelben Aale aus den verschiedensten Ge - genden Europa’s Berichte erstattet, die ich hier gesammelt habe, um zu zei - gen, dass diese beobachteten Wanderungen der Aalbrut als keine vereinzelte etwa durch besondere Localitätsverhältnisse hervorgerufene Erscheinung in der Lebensgeschichte der Aale zu betrachten sind, wobei es freilich noch im - mer unausgemacht bleibt, ob die jungen Aale von oviparen oder viviparen Eltern zur Welt gekommen sind. Schon Franciscus Redi erzählte, dass von Ende Januar bis Ende April alljährlich die Aalbrut den Arno hinaufwandert und dass im Jahre 1667 bei Pisa an einer Stelle des genannten Flusses inner - halb fünf Stunden über drei Millionen Pfund dieser Aale gefangen worden seien. Redi1)S. dessen: Opusculorum Pars III. sive de animalculis vivis, quae in corporibus ani - malium vivorum reperiuntur, observationes. Edit. Lugdun. Batav. 1729. pag. 100. Tab. 14. Fig. 1 — 7. bildete zugleich diese jungen Aale in der natürlichen Grösse von 1 ½ bis 5 Zoll Länge ab und fügt hinzu, dass die drei kleinsten Sorten die grösste Zahl dieser bergaufwandernden Aale ausmachten. Zur Bevölkerung der in Teiche abgetheilten Lagunen von Comacchio werden nach den Mitthei - lungen Spallanzani’s2)Vergl. dessen: Opuscoli due sopra le anguille. Op. I. Cap. 1. pag. 503 u. 507. und Coste’s (a. a. O. pag. 20) vom Februar bis April ge - wisse Schleussen geöffnet, um den jungen haardünnen Aalen den Eintritt aus dem Meere in diese Teiche zu gestatten. Dieser Eintritt der Aalbrut wird die Montata genannt; die auf diese Weise in die Lagunen von Comacchio ein - getretenen Aale verweilen nun hier fünf bis sechs Jahre und suchen alsdann, je nach der in geringerer oder grösserer Menge dargebotenen Nahrung bis zu drei, acht, zehn Pfund und darüber herangewachsen, vom October bis De - cember durch die Calata wieder in’s Meer zu gelangen, bei welcher Aus - wanderung durch eigenthümliche labyrinthartige Vorrichtungen der Fang der ausgewachsenen Aale von Statten geht3)Die Aale erhalten in den verschiedenen, bis zu 1, 3, 4 oder 5 Pfund und darüber ausgewachsenen Alterszuständen die bestimmten Namen: priscetti, anguillaci, roche, mig - liorumenti, nach denen der Werth dieses sehr gesuchten Handelsartikels abgeschätzt wird. Vergl. Coste a. a. O. pag. 49.. Spallanzani berichtet ferner4)S. Spallanzani: Viagg. alle due Sicili a. a. O. pag. 144., dass die Aale des Orbitello-See so fein wie ein Haar in den Monaten März, April und Mai besonders bei trübem und stürmischem Wetter millionenweise ausv. Siebold, Fische. 23354Familie: Muraenoidei.dem Meere in den See kommen und dass dieselben nach Verlauf von zwei bis drei Jahren bis zu drei Pfund und darüber herangewachsen, durch ihren Instinct im November angetrieben werden, sich wieder in das Meer zu be - geben.
Von den in den Monaten März und April zu Myriaden während der Nächte flussaufwärts wandernden jungen Aalen meldet C. Vogt1)S. dessen: künstliche Fischzucht. 1859. pag. 52., dass in Frank - reich, wo man diese Erscheinung la Montée nennt, diese jungen, kaum 2 Zoll langen Aale in den französischen Flüssen fast compacte Massen bilden, die man mit Sieben und Schöpfern ausschöpft und meist mit Eiern als Pfann - kuchen gebacken verspeist. Mit dieser Erzählung stimmt eine interessante aber wenig beachtete Beobachtung überein, welche Crespon2)Vergl. dessen: Faune méridionale ou Description de tous les animaux vertébrés etc. dans la plus grande partie du midi de la France. Nimes, 1844. Tom. II. pag. 307. in seiner: » Faune méridionale « vor einigen Jahren niedergelegt und in folgender Weise beschrieben hat: » Les Bouyeiroûns, ou les jeunes anguilles, se réunissent à l’embouchure du Rhône, ou plutôt elles sortent de la mer, en se tenant attachés les uns les autres en si grande quantité, que j’en vai vu formant une masse sphérique de la grosseur d’un fort tonneau; cette masse monte et redescend dans l’eau continuellement, et, au fur et à mesure, les individus se détachent en formant une corde, de sorte qu’ils ressemblent à un peloton de laine qu’on déploierait par un seul bout. Ces milliers de petites anguilles se dirigent aussitôt de chaque côté du fleuve et le remontent sans jamais quitter ses bords, afin de s’introduire dans toutes les issues qu’elles rencontrent; c’est de cette ma - nière qu’elles s’en vont peupler toutes les eaux douces. Cette espèce de pro - cession dure plus de 15 jours sans interruption «. Auch an der Küste des atlantischen Meeres kennt man in Frankreich die jungen Aale, welche sich dort nach Mauduyt’s3)S. dessen: Ichthyologie de la Vienne. Poitiers, 1848. pag. 66. Aussage an den Mündungen der Loire, Charente und anderer Flüsse in Menge ansammeln und unter dem Namen cives oder pibales als Aalbrut bekannt sind.
Dass das in den englischen Flüssen statt findende Aufsteigen zahlloser junger Aale eine bekannte Sache ist, geht aus den darüber gemachten Mit - theilungen Yarrell’s4)S. dessen: British fishes. Vol. II. 1841. pag. 384. hervor. Von Couch5)Vergl. dessen. Some particulars of the natural history of fishes found in Cornwall, in den Transactions of the Linnean society. Tom. XIV. 1825. pag. 69 — 92. wurde aus Cornwallis mitge - theilt, dass er mit eigenen Augen gesehen habe, wie die gegen den Strom wandernden jungen Aale bisweilen ungewöhnliche Hindernisse überwinden können und wie sich dieselben an einem Wasserfalle in das überhängende Moos gegraben und durch die Fasern desselben gleich Würmern fortgearbeitet355Gattung: Anguilla.haben. Davy1)S. dessen: Salmonia. Second edit. London, 1829. pag. 228. beschreibt in seiner berühmten Salmonia eine solche merk - würdige in Irland beobachtete Aalbrut-Wanderung in folgender Weise: » Ich befand mich gegen Ende Julis zu Ballyshannon, an der Mündung des Flusses, der die ganzen vorigen Monate her hohes Wasser gehabt hatte. Wo er seinen Fall macht, war er ganz schwarz von Millionen kleiner etwa fingerlanger Aale, die fortwährend den nassen Felsen an den Ufern des Wasserfalls zu er - klimmen suchten. Sie kamen dabei zu Tausenden um, aber ihre feuchten, schlüpfrigen Körper dienten den übrigen gleichsam zur Leiter, um ihren Weg fortzusetzen; ich sah sie sogar senkrechte Felsen erklimmen, sie wanden sich durch das feuchte Moos oder hielten sich an die Körper anderer an, die bei dem Versuche ihren Tod gefunden hatten. Ihre Ausdauer war so gross, dass sie doch in ungeheuren Mengen ihren Weg bis zu Loch Erne erzwangen. Dasselbe geschieht an dem Falle des Bann, wo sie dann den Loch Neah be - völkern; selbst der mächtige Rheinfall bei Schaffhausen kann sie nicht ver - hindern, ihren Weg nach dem Constanzersee fortzusetzen, in welchem letz - tern ich viele sehr grosse Aale gesehen habe «. Wenn aber Davy hierauf be - hauptet2)Ebenda. pag. 229., dass die jungen Aale den Rhonefall nicht überwinden könnten, und dass es deshalb im Genfersee keine Aale gebe, so ist dies unrichtig, da die jungen Aale je nach dem Wasserstande die Hindernisse am Rhonefall bald leichter bald schwieriger zu überwinden wissen, wie dies aus den Worten Jurine’s3)Vergl. dessen: Histoire des poissons du lac Léman, in den Mémoires etc. de Ge - nève. T. III. pag. 147. hervorgeht: » On trouve rarement ce poisson dans le lac de Genève, à cause de la perte du Rhône, qu’il ne peut franchir que lorsque les eaux recouvrent ce gouffre «.
Ueber das im Mai und Juni aus der Nord - und Ostsee in die skandinavi - schen Flüsse statt findende Aufsteigen der jungen Aale von 2 bis 3 Zoll Länge und von der Dicke eines Segelgarnfadens giebt Nilsson4)S. dessen: Skandinavisk Fauna. IV. pag. 675. (Uebersetzt a. a. O. pag. 27.) Auskunft, und fügt derselbe hinzu, dass die Aaljungen auf den Trollhättafall nicht vorwärts hätten dringen können und deshalb diese Fischart nicht oberhalb dieses mächtigen Wasserfalls in dem Wenern oder in einem der Wasserläufe, welche sich in das Becken dieses grossen Binnensees ergiessen, sich vorgefunden hätte, und dass erst, als die Trollhättaschleussen einige Jahre nach dem An - fange dieses Jahrhunderts geöffnet waren, Aaljunge in den Wenern gekom - men seien, worauf innerhalb eines Jahrzehends ganz unvermuthet grosse Aale nicht allein im Göthaelf oberhalb des Falles, sondern auch im Wenern und den in denselben sich ergiessenden Wassern angetroffen worden wären. Auch an23*356Familie: Muraenoidei.der dänischen Küste hat sich für Drewsen1)S. dessen Beobachtung: Om de unge Aals Vandringer, in Krøyer’s Naturhistorisk Tidskrift. Bd. I. 1837. pag. 21. und Krøyer2)Ebenda. pag. 24. die Gelegenheit geboten über die im Mai und Juni vor sich gehenden Wanderungen von vielen Millionen junger Aale aus dem Kattegat in das süsse Wasser Beobachtungen anzustellen.
Es ist auffallend, dass von solchen Einwanderungen der jungen Aale aus der Nord - und Ostsee von deutschen Ichthyologen und Faunisten nirgends eine Erwähnung geschieht, obwohl Aale vom Rhein bis zur Memel in allen Flussgebieten der Nord - und Ostseeküsten Deutschlands angetroffen werden. Um so weniger will ich hier eine Beobachtung unerwähnt lassen, welche Herr Dr. Ehlers aus Hannover mir kürzlich mitgetheilt hat und welche die oben erwähnte Lücke sehr gut auszufüllen im Stande ist, indem sich dieselbe auf das Einwandern von Aalbrut in die Elbe bezicht. Da Herr Ehlers selbst Augenzeuge einer solchen Aalwanderung war, möge er mir gestatten, die von ihm beobachtete Erscheinung mit seinen eigenen Worten, wie hier folgt, mitzutheilen. » Die Angaben, welche ich über eine beobachtete Wanderung junger Aale geben kann, basiren auf einer Beobachtung, die gleichzeitig mit mir von vielen Augenzeugen constatirt wurde. Schriftliche Aufzeichnungen wurden damals nicht gemacht, und kann ich leider über die Zeit und sonstige Verhältnisse keine so genauen Angaben machen, wie sie wünschenswerth wären. Die ganze Erscheinung steht aber, da sie eine so wunderbare war und so lange beobachtet werden konnte, mir lebhaft noch vor der Seele. Es war vor ungefähr zehn Jahren, im Dorf Drennhausen, Amts Wiesen, im Kö - nigreich Hannover, als wir eines Morgens Ende Juni oder Anfang Juli auf den dort unmittelbar an die Elbe stossenden Deich tretend sahen, dass sich am ganzen Ufer entlang ein dunkler Streif fortbewegte. Wie für die Bewohner der dortigen Elbmarsch alles, was sich auf und in der Elbe ereignet, von In - teresse ist, so zog auch diese Erscheinung sofort die Aufmerksamkeit auf sich und es ergab sich, dass dieser dunkle Streif von einer unzähligen Menge jun - ger Aale gebildet wurde, die dicht aneinandergedrängt an der Oberfläche des Flusses stromaufwärts zogen und sich dabei stets so nahe und unmittel - bar am Ufer hielten, dass sie alle Krümmungen und Ausbuchtungen desselben mitmachten. Die Breite dieses aus Fischen gebildeten Streifens mochte an der Stelle, wo er beobachtet wurde und wo die Elbe eine bedeutende Tiefe hatte, etwa einen Fuss breit sein, wie gross die Mächtigkeit desselben nach unten sei, wurde nicht beobachtet. So dicht gedrängt aber schwammen hier die jungen Aale, dass man bei jedem Zuge, den man mit einem Gefässe durch’s Wasser that, eine grosse Menge der Fische erhielt, und diese für die Anwohner der Elbe insoweit lästig wurden, als sie, so lange der Zug der357Gattung: Anguilla.Fische dauerte, kein Wasser aus der Elbe schöpfen konnten, das nicht von den kleinen Fischen gefüllt war. Die Grösse der einzelnen jungen Aale be - trug durchschnittlich wohl 3 bis 4 Zoll, die Dicke der Körper erreichte unge - fähr die eines Gänsekiels. Vereinzelt schwammen Aale von bedeutender Grösse dazwischen, doch möchte wohl keiner über 8 Zoll lang gewesen sein. Alle Thiere, auch die kleinsten, waren völlig dunkel gefärbt. Dieser wunder - bare Zug der Fische dauerte ununterbrochen in gleicher Stärke den ganzen Tag hindurch, an dem er zuerst beobachtet wurde und setzte sich auch noch am folgenden fort. Am Morgen des dritten Tages war aber nirgends mehr einer der jungen Aale zu sehen. Auf mein Nachfragen bei der dortigen Be - völkerung, ob dergleichen Züge häufiger vorkämen, wollte keiner je einen solchen gesehen haben. Irgend welche Verhältnisse, welche die Fische ver - anlasst haben könnten, hier in solcher Masse zusammengedrängt, hart am Ufer hinzuziehen, konnten nicht aufgefunden werden. Ob auch am jenseitigen Ufer, wo das Wasser am Ufer seicht ist, oder sonst an seichten Uferstellen der Zug sich in gleicher Weise fortsetzte, wurde nicht beobachtet «.
Nach allen diesen über die Einwanderung der Aalbrut gemachten Mit - theilungen muss es den Ichthyologen ein dringender Wunsch sein, irgendwie Gelegenheit zu finden, die in das Meer hinausgewanderten erwachsenen Aale einer Untersuchung unterwerfen zu können.
Skelet knöchern oder knorpelig; Kiemenblätter an ihren Spitzen frei, einfache Kiemenspalte von einem Kiemendeckel-Apparat und einer Kiemenhaut bedeckt; viele Klappen im Aortenbulbus; Darm mit einer Spiralklappe; die einfache Schwimmblase mit einem Luftgange.
Skelet-Axe knorpelig, Kiemendeckel-Apparat die Kiemenspalte unvollständig bedeckend, die Kiemenhaut ohne Kiemenstrahlen; das Maul unterständig; die Schnauze gestreckt und unbeweglich, wird durch die über die beweglichen Kieferknochen weit hervorragenden übrigen Gesichtsknochen gebildet; die knorpelige Wirbelsäule setzt sich bis zur Spitze des oberen längeren Lappen der Schwanzflosse fort.
Gattungscharakter: Kopf von Knochenplatten dicht und vollstän - dig eingehüllt; der gestreckte Leib mit fünf Längsreihen grösserer und kleinerer Knochenplatten besetzt; das Maul quer und zahnlos; zwischen Schnauzenspitze und Maul vier quergestellte Bartfäden; über dem Kiemendeckel je - derseits ein Spritzloch.
Durch die fünf Reihen Knochenplatten erhält der Leib der Störarten ein fünfkantiges Ansehen, welches sich im höheren Alter mehr oder weniger ver -359Gattung: Acipenser.liert, indem sich mit der Zeit die Spitzen und Kanten jener Platten abstum - pfen. Die Knochen des Schädels sind nichts weiter als Hautknochen oder so - genannte Belegknochen. Die nicht mit Knochen belegten Hautstellen zeigen sich rauh, indem dieselben mit bald kleineren, bald grösseren Knochenkernen und Knochenspitzen besetzt sind. Auf dem nach aufwärts gebogenen, den oberen Lappen der Schwanzflosse bildenden Schwanzende besteht diese harte Hautbedeckung aus gestreckten, zugespitzten Platten, welche nach Art der Schuppen vieler Knochenfische dachziegelförmig übereinander liegen. Eine Seitenlinie macht sich nirgends bemerkbar. Die Kiemen sind wie bei den Knochenfischen angeordnet; die beiden Hauptkiemendeckel, welche nach hinten die Kiemen nicht vollständig bedecken, tragen auf ihrer inneren Fläche eine kammförmige Nebenkieme. Die zwei Flossenpaare, sowie die drei un - paarigen Flossen werden von gegliederten biegsamen Knochenstrahlen ge - stützt, nur die beiden Brustflossen besitzen ausserdem noch einen sehr star - ken, unbiegsamen Knochen als ersten Flossenstrahl. Die kurze Rückenflosse ist stets so weit nach hinten gerückt, dass unter ihrem Ende die Afterflosse beginnt.
Alle unsere Störarten bewohnen das Meer, verlassen aber während der wärmeren Jahreszeit auf mehrere Monate diesen Aufenthalt, um die grösseren Flüsse hinaufzusteigen und in denselben ihr Laichgeschäft abzumachen. Die - selben gelangen aber nicht, wie andere aus dem Meere aufsteigende Wander - fische, so weit gegen die Quellen der Flüsse hinauf, so dass sie daher für die Fauna von Mitteleuropa und Mitteldeutschland nur zu den Seltenheiten ge - hören und mehr als verirrte Fremdlinge betrachtet werden müssen.
Von den sieben Störarten, welche dem schwarzen Meere angehören und regelmässig die Donau bis Ungarn hinauf wandern, gelangen die meisten, ob - wohl selten auch bis Oestreich, und einige höchst selten bis Bayern. Leider sind über diese seltenen Gäste fast immer nur sehr unzureichende Notizen bekannt gemacht worden, so dass sich bei dem Versuche, diese Störe syste - matisch zu bestimmen, verschiedene Schwierigkeiten in den Weg stellen.
Da der reife Rogen der verschiedenen Störarten als beliebte Delicatesse einen theuren Handelsartikel ausmacht, so werden diese Wanderfische durch die Gewinnsucht des Menschen bei ihrem Fortpflanzungsgeschäfte so stark verfolgt, dass man sich nicht wundern kann, wenn von allen Seiten über die bedeutende Abnahme dieser Thiere geklagt wird.
Syn. u. Citate.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 270. Acipenser glaber.
Heckel u. Kner Nr. 13: pag. 332. Fig. 169 bis 171. Acipenser glaber, Glattdick.
360Familie: Acipenserini.Artcharakter: Die Rückenschilde vorn niedrig, nach hinten am höchsten und mit einer Spitze endigend; die kleinen Sei - tenschilder von einander gesondert stehend; die Schnauze kurz und abgerundet; die Bartfäden nach innen gefranzt; die sehr wulstige Ober - und Unterlippe vollständig und in der Mitte eingebuchtet.
Diese von Heckel zuerst unterschiedene Störart, welche eine Länge von 6 bis 7 Fuss erreichen soll, bewohnt das schwarze Meer, steigt die Donau hin - auf, gelangt jedoch höchst selten bis nach Oestreich. Der Glatt-Stör soll sich aber doch noch weiter aufwärts verirren können, da höchst wahrscheinlich nach Fitzinger’s und Heckel’s1)Vergl. deren Darstellung der Gattung Acipenser. A. a. O. pag. 275. Meinung jener 12 Pfund schwere, bei Regens - burg gefangene Stör, von welchem Hohberg2)S. dessen: Georgica curiosa. Th. II. Nürnberg, 1716. Buch XI. Cap. 91. pag. 604. berichtet, ein Glatt-Stör ge - wesen sei. Hohberg hat übrigens nicht ein Wort zur näheren Charakteri - sirung dieses Fisches hinzugefügt, so dass ich nicht begreife, was jene Ich - thyologen veranlasst hat, diesen Stör als A. glaber zu deuten, und ich deshalb das Vorkommen dieser Störart in der bayrischen Donau noch als zweifelhaft erklären muss.
Syn. u. Citate.
Linné Nr. 2: pag. 403. n. 2. Acipenser ruthenus.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 98. Taf. 89. Acipenser ruthenus, Sterlet.
Schrank Nr. 23 a: pag. 305. n. 277. Acipenser Sturio, Stör.
Martens Nr. 14 b: pag. 35. Acipenser Huso.
Perty Nr. 24: pag. 720. Acipenser Ruthenus.
Reuss Nr. 21: pag. 444. Acipenser Sturio, Stör.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 279. Acipenser Ruthenus.
Koch Nr. 19: pag. 43. n. 39. Acipenser Sturio, Stör.
Heckel Nr. 11 i: pag. 196. Acipenser Ruthenus, Stör.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 337. Fig. 172 bis 174. Acipenser Ruthenus, Sterlet.
Artcharakter: Die Rückenschilde vorn niedrig, nach hinten am höchsten und mit einer Spitze endigend; die kleinen Sei - tenschilde dicht aneinandergereiht; die Schnauze langge - streckt, schmal und spitz zulaufend; die ziemlich langen Bartfäden nach innen gefranzt; die Oberlippe schmal und schwach eingebuchtet, die Unterlippe in der Mitte getheilt.
361Gattung: Acipenser.Der Sterlet, welcher vielfach mit dem gemeinen Stör verwechselt worden ist, giebt sich durch seine langgestreckte dünne Schnauze leicht zu erkennen. Die Zahl der dichtstehenden Rückenschilde beträgt 13 bis 17, die Seiten - schilder erreichen die Zahl 60 und darüber, die weitauseinanderstehenden Bauchschilde sind nur in der Zahl 13 bis 15 vorhanden. Die nicht von Kno - chenschilden bedeckte Haut ist mit vielen kleinen, nach hinten gestachelten Knochenkernen dicht besetzt.
Die Farbe des Rückens ist dunkelgrau, die des Bauches erschien heller. Die Rückenschilde haben die dunkle Farbe des Rückens, die Seiten - und Bauchschilde dagegen besitzen eine weissliche Farbe. Die Brustflossen, ebenso die Rücken - und Schwanzflosse sind grau gefärbt, die Bauch - und Afterflosse, sowie der erste Knochenstrahl der Brustflossen erscheinen schmutzig weiss.
Die Heimath des Sterlets, welcher nicht über 3 Fuss lang wird, ist ausser dem kaspischen Meere das schwarze Meer, aus welchem derselbe im Mai und Juni, um zu laichen, die Donau hinaufwandert; bei diesen Wande - rungen hat derselbe schon öfters Passau erreicht1)Nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Dr. Waltl aus Passau werden da - selbst alljährlich drei bis vier Sterlete gefangen., auch ist derselbe schon mehrmals über Passau hinausgelangt, einige Male in die Isar eingetreten, ist er sogar bis Landshut gekommen. Ein solches 1 ½ Fuss langes Individuum wurde im Herbste 1861 von Landshut lebendig hiehergebracht. Ein bei Lau - fen vor mehreren Jahren in der Salzach gefangenes Exemplar des Sterlet fand ich im Museum von St. Peter zu Salzburg aufbewahrt. Ein anderes, 25 Zoll langes Exemplar erhielt das hiesige zoologische Cabinet vor ein Paar Jahren aus Bogen, wo es in der Donau gefangen ward. Zwei kleine, in der Donau bei Regensburg gefangene und in der Naturaliensammlung des zoologisch - mineralogischen Vereins dortselbst aufbewahrte Störe habe ich als A. Ruthenus erkannt. Der im Jahre 1673 bis Stepperg oberhalb Neuburg die Donau hin - aufgewanderte Stör, welchen Schrank in seiner Fauna boica als A. Sturio aufführt, ist auch wohl ein Sterlet gewesen. Die weiteste Donau-Reise hat offenbar derjenige Sterlet unternommen, welcher am 13ten December 1822 zwischen Günzburg und Ulm in der Donau gefangen wurde. Derselbe hatte ein Gewicht von 2½ Pfund und eine Länge von 22 Zoll. Martens (a. a. O.) hat diesen Fisch unrichtig als A. Huso bezeichnet, nach einer mir gemachten gefälligen Mittheilung des Herrn Director Kraus, welcher diesen in der Samm - lung des Vereins für vaterländische Naturkunde in Würtemberg noch heute zu Stuttgart ausgestopft aufbewahrten Fisch genauer untersuchen konnte, ist derselbe aber nichts anderes als A. Ruthenus.
Syn. u. Citate.
Perty Nr. 24: pag. 720. Acipenser stellatus.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 287. Acipenser stellatus.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 343. Fig. 178 bis 180. Acipenser stellatus, Scherg.
Artcharakter: Die Rückenschilde vorn niedrig, nach hinten am höchsten und mit einer Spitze endigend; die Seitenschilde von einander gesondert stehend; die Haut zwischen den Knochenschilder-Reihen mit sternförmigen Knochenschild - chen unregelmässig belegt; die Schnauze sehr lang und spitz; die Bartfäden einfach; die Oberlippe eingebuchtet und die Unterlippe nur rudimentär in den Mundwinkeln vorhanden.
Der Stern-Hausen bewohnt das schwarze Meer, wächst bis zu 6 Fuss her - an und steigt regelmässig die Donau hinauf. In Oestreich wird derselbe nur selten gefangen. Dass der Stern-Hausen bei seinen Wanderungen sich auch einmal bis Bayern verirrt hat, darüber liegt nur eine einzige Notiz vor, die von Perty herrührt, welcher in seiner Fauna monacensis anführt, dass der A. stellatus höchst selten in der Isar vorkomme.
Syn. u. Citate.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 293. Acipenser Schypa.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 346. Fig. 181 bis 183. Acipenser Schypa, Dick.
Artcharakter: Die Rückenschilde vorn und hinten niedrig, in der Mitte am höchsten; die Seitenschilde von einander geson - dert stehend; die Haut zwischen den Knochenschilder-Rei - hen mit sternförmigen Knochenschildchen unregelmässig belegt; die Schnauze kurz und abgerundet; die Bartfäden einfach; die Oberlippe nicht eingebuchtet, die Unterlippe nur rudimentär in den Mundwinkeln vorhanden.
Syn. u. Citate.
Fitzinger und Heckel Nr. 12. pag. 297. Acipenser Güldenstädtii.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 349. Fig. 184 bis 186. Acipenser Güldenstädtii, Waxdick.
363Gattung: Acipenser.Artcharakter: Die Rückenschilde vorn und hinten niedrig, in der Mitte am höchsten; die Seitenschilde von einander geson - dert stehend; die Haut zwischen den Knochenschilder - Reihen mit sternförmigen Knochenschildchen unregel - mässig belegt; die Schnauze kurz und abgerundet; die Bartfäden einfach; die Oberlippe eingebuchtet, die Unter - lippe rudimentär in den Mundwinkeln vorhanden.
Diese beiden einander sehr nahe stehenden Störarten, von welchen der erstere eine Grösse von 4 Fuss, der letztere eine Grösse von 12 Fuss errei - chen kann, sind für die mittlere Donau äusserst seltene Gäste, während sie von dem schwarzen Meere aus die untere Donau regelmässig besuchen. Von Fitzinger u. Heckel (a. a. O. pag. 297) wird berichtet, dass der A. Schypa sich ausserordentlich selten bis Oestreich verliert. Ob derselbe sich schon bis Bayern hinauf verirrt hat, muss ich zweifelhaft lassen, indem ich an einem jungen und trocken in der Sammlung des zoologisch-mineralogischen Vereins zu Regensburg als A. Sturio aufbewahrten Exemplare des A. Schypa die nähere Bezeichnung des Fundorts vermisste. Weniger zweifelhaft erscheint das Vorkommen eines A. Güldenstädtii in Bayern, indem Hohberg1)S. dessen: Georgica euriosa. Th. II. Nürnberg, 1716. Buch XI. Cap. 91. pag. 604. berichtet, dass im Anfang August 1679 zu Regensburg ein 36 Pfund schwerer Stör ge - fangen worden sei, welchen man für einen Stern-Hausen gehalten, weil er über dem Rücken und Leib allenthalben viele Sterne gehabt hat. Die von Hohberg beigefügte rohe Figur eines solchen Stern-Hausen lässt sich als A. Güldenstädtii erkennen, und ist auch schon von Fitzinger und Heckel2)Vergl. deren Darstellung der Gattung Acipenser, in den Annalen des Wiener Mu - seums der Naturgeschichte. Bd. I. Abth. 2. 1836. pag. 297. ebenso gedeutet worden.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 141. Taf. 1. Stör.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 65. n. 1, Syn. nom. pisc. pag. 91. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 403. n. 1. Acipenser Sturio.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 89. Taf. 88. Acipenser Sturio, Stöhr.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 38. Acipenser Sturio, Stör.
Gloger Nr. 88: pag. 70. n. 4. Acipenser Sturio, Stör.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 307. Acipenser Sturio.
Bujack Nr. 97: pag. 313. Acipenser Sturio, Stör.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 185. Acipenser Sturio.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 747. Acipenser Sturio.
Leiblein Nr. 51: pag. 126. Acipenser Sturio, Stör.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 363. Fig. 194 bis 196. Acipenser Sturio, Stör.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Acipenser Sturio, Stör.
364Familie: Acipenserini.Artcharakter: Die Rückenschilde vorn und hinten niedrig, in der Mitte am höchsten; die grossen Seitenschilde dicht anein - andergereiht; die Schnauze ein mässig langes gleich - schenkliges Dreieck darstellend; die Bartfäden einfach; Oberlippe schmal, Unterlippe wulstig und in der Mitte ge - theilt.
Der gemeine Stör, welcher von vielen süddeutschen Faunisten mit dem Sterlet verwechselt worden ist, weicht durch seine kürzere Schnauze, sowie durch seine ganz anders gebildeten Knochenschilder-Reihen wesentlich von dem Sterlete ab. Die Zahl seiner Rücken - und Bauchschilder schwankt zwi - schen 11 und 13, die seiner grossen Seitenschilder zwischen 30 und 33; die Hautstellen, welche nicht von den Knochenschilder-Reihen bedeckt sind, zeigen sich mit vielen kleinen, rauhen Knochenkernen besetzt.
Seine Färbung ist heller als die des Sterlets; an Grösse übertrifft der gemeine Stör den Sterlet um ein beträchtliches, indem derselbe gewöhnlich eine Länge von 5 bis 6 Fuss erreicht, aber auch bis zu 18 Fuss heranwach - sen kann.
Die Heimath des gemeinen Störs ist der atlantische Ocean, die Nord - und Ostsee, sowie das mittelländische und adriatische Meer, von wo aus der - selbe mit dem beginnenden Frühjahre in alle diesen Meeren zufliessenden Ströme aufsteigt, um in denselben das Fortpflanzungsgeschäft zu vollziehen, wobei derselbe den norddeutschen Fischern, namentlich den Elbfischern, all - jährlich einen ansehnlichen Beitrag zum Anfertigen des sogenannten klein - körnigen Caviars liefert.
Die Bergreise des gemeinen Störs im Rhein erstreckt sich selten über den Niederrhein hinaus, daher sein Erscheinen im Mittelrhein schon eine Seltenheit ist. Noch seltner versteigt sich dieser Stör bis Basel, wo nach Angabe Hartmann’s1)A. a. O. pag. 39. ein solcher von 70 Pfund Schwere gefangen wurde. Ein im Jahre 1859 Ende Juli bei Speyer im Rhein gefangener Stör von 5½ Fuss Länge wird im hiesigen zoologischen Cabinete aufbewahrt.
Syn. u. Citate.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 65. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 92. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 403. n. 3. Acipenser Huso.
Bloch Nr. 3 a: Th. I. pag. 79. Taf. 129. Acipenser Huso, Hausen.
Schrank Nr. 23 a: pag. 306. nr. 278. Acipenser Huso, Hausen.
Reuss Nr. 21: pag. 445. Acipenser Huso, Hausen.
Fitzinger und Heckel Nr. 12: pag. 320. Acipenser Huso.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 365. Fig. 197 bis 199. Acipenser Huso, Hausen.
365Gattung: Acipenser.Artcharakter: Die Rückenschilde vorn und hinten niedrig, in der Mitte am höchsten; die kleinen Seitenschilde von einander gesondert stehend; die Schnauze ein kurzes Dreieck dar - stellend; die Bartfäden platt; die Oberlippe in der Mitte wulstig und etwas eingebuchtet, die Unterlippe in der Mitte getrennt.
Unter allen Stören des schwarzen Meeres trat in früheren Zeiten der Hausen am häufigsten in die Donaumündungen ein, von wo er schaarenweise bis Oestreich hinaufgelangt ist. Durch die starke Verfolgung, welcher der bis zu einer Länge von 24 Fuss heranwachsende Hausen in der unteren Do - nau stets ausgesetzt war1)Der Hausen wurde früher in Ungarn zu tausenden gefangen und geschlachtet, so dass derselbe kaum verwerthet werden konnte. Vergl. Olahus: Hungaria et Atila. Vindob. 1763. pag. 86 und Grossinger: Historia physica regni Hungariae., hat seine Menge so bedeutend abgenommen, dass derselbe in Oestreich gegenwärtig eine Seltenheit geworden ist. Aus einer Notiz von Schrank2)S. dessen Fauna boica a. a. O. pag. 306., nach welcher am 27ten November 1692 bei Strau - bing ein Hausen, der mehr als Mannslänge hatte, in der Donau gefangen wor - den ist, geht hervor, dass diese Störart schon früher nur höchst selten die bayrische Donau besuchte, um so weniger kann es uns wundern, dass sich dieser Fremdling gegenwärtig in diesem höheren Theile der Donau gar nicht mehr sehen lässt.
Skelet knorpelig; Kiemen festgewachsen und ohne Kiemen - deckel-Apparat; Saugmund kreis - oder halbkreisförmig mit fleischiger Lippe und ohne Kiefer; der aalförmige cylindrische Leib ohne Brust - und Bauchflossen; nur eine einzige Nasenöffnung; im Aortenbulbus zwei Klappen.
Das einfache Nasenloch führt in einen blindendigenden Canal; sieben Kiemenspalten jederseits am Halse; der Körper nur mit ver - ticalen Flossen besetzt, welche von vielen knorpeligen Strahlen ge - stützt werden.
Gattungscharakter: Runder Saugmund; das Innere der Mundscheibe mit verschiedenen hornigen Zähnen belegt; zwei Rücken - flossen, die zweite Rückenflosse unmittelbar an die Schwanzflosse sich anschliessend; der gerade Darm mit einer Spiralklappe versehen.
Die Lampreten, auch Neunaugen oder Pricken genannt haben in neuster Zeit durch die merkwürdige Metamorphose, welche an ihnen erkannt worden ist, die Aufmerksamkeit der Ichthyologen im hohen Grade auf sich gezogen. 367Gattung: Petromyzon.Es ist nur zu bedauern, dass Herr Professor August Müller, von welchem die Metamorphose des Petromyzon Planeri zuerst erkannt worden ist, noch immer nicht seine speciellen Untersuchungen darüber der Wissenschaft durch den Druck übergeben hat, denn die kurzen Notizen1)S. dessen vorläufigen Bericht über die Entwicklung der Neunaugen, in J. Müller’s Archiv. 1856. pag. 325., die wir ihm über diese Ent - deckung zu verdanken haben, reichen nicht aus, um diejenigen, welche diese Metamorphose bezweifeln wollen, von der Richtigkeit der gemachten Ent - deckung zu überführen. Ich muss gestehen, dass ich mich selbst anfangs zu denjenigen zählen musste, welchen die Behauptung, dass der Ammocoetes branchialis nur der Larvenzustand von Petromyzon Planeri sei, so auffallend erschien, dass man dabei die Empfindung eines gewissen Misstrauens nicht unterdrücken konnte. Erst nachdem vor zwei Jahren bei meinem Besuche in Berlin Herr A. Müller mich mit Hülfe seiner Präparate und äusserst instructi - ven Zeichnungen die allmähliche Verwandlung des augenlosen Ammocoetes branchialis in den grossäugigen Petromyzon Planeri verfolgen liess, sind in mir alle Zweifel über diese so höchst merkwürdige Verwandlungsgeschichte ver - schwunden.
Die Formen der verschiedenen Lampreten-Arten stehen sich sehr nahe; Hauptunterschiede der fertig gebildeten Arten bieten die Zähne des Saug - mundes sowie die Umrisse der Flossen. Die Zähne der Lampreten bestehen aus weichen Wülsten von verschiedener Gestalt, auf welchen mehrere Epi - thelium-Schichten aufliegen. Von diesen ist die äusserste Schicht die här - teste und gelbbraun gefärbt und stellt eine hornige Zahnscheide dar, welche leicht abfällt, aber durch die darunter versteckte Epithelium-Schicht in kür - zester Zeit wieder ersetzt wird2)Eine nähere Beschreibung dieser Hornzähne lieferte Born in seinen Bemerkungen über den Zahnbau der Fische, vergl. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. Bd. I. 1827. pag. 183. u. 194. Taf. VI. Fig. 5 u. 9.. Die Lippen des Saugmundes legen sich gern seitlich aneinander, so dass sich der dadurch geschlossene Mund wie eine Längsspalte ausnimmt. Die Augen besitzen bei allen Arten nach vollen - deter Metamorphose eine mässige Grösse und stehen weiter vom Vorderrande des Saugmundes entfernt als von dem rechten Athemloche; auch liegen die Augen bei den fertig ausgebildeten Lampreten-Individuen gehörig zu Tage, indem sie nur von einer sehr dünnen und vollkommen durchsichtigen Schicht der allgemeinen Hautbedeckung überzogen sind. Zwischen beiden Augen ist auf dem Scheitel des Kopfes das unpaarige Nasenloch angebracht, hinter wel - chem bei allen Lampreten-Arten ein eigenthümlicher weisser Fleck ange - bracht ist, der gegen den übrigen stets dunkel gefärbten Rücken dieser Fische sehr auffällt. Die sieben Kiemenlöcher sind jederseits weitläufig auseinander gestellt, ohne durch eine Längsfurche untereinander verbunden zu sein. Sie368Familie: Petromyzonini.sowohl wie die ihnen angehörenden Kiemenhöhlen sind von einem sehr com - plicirten und sehr beweglichen Knorpelgerüste1)Dieses Knorpelgerüste hat Born von Petromyzon marinus (in Heusinger’s Zeitschrift Bd. I. pag. 171. Taf. VI. Fig. 6.) sehr gut beschrieben und dargestellt. umgeben, durch deren Be - wegungen der Aus - und Eintritt des Respirationswassers vermittelt wird. Diese Athembewegungen sieht man besonders lebhaft und kräftig vor sich gehen, wenn sich die Lamprete mit ihrem Saugmunde fest angesogen hat, wobei sowohl das Ausathmen wie das Einathmen des Wassers durch die Kie - menöffnungen statt findet2)Diese Athembewegungen der Lampreten wurden von Bojanus (in Oken’s Isis. 1821. pag. 271.) nach meinem Dafürhalten ganz richtig auseinandergesetzt..
Die Haut der Lampreten erscheint glatt und schlüpfrig ohne Hautcon - cremente und ohne Seitenlinie; vielleicht wird die letztere durch die ver - schiedenen Reihen von Hautporen, die auf der Kopfhaut angebracht sind, ersetzt. Die Nahrung der Lampreten besteht theils aus abgestorbenen thie - rischen Körpern theils aus lebenden Wasserinsecten und Gewürme so wie aus schlammigen Niederschlägen des Wassers, in welchen viele organische Stoffe suspendirt sind; sie sollen sich aber auch an lebende Fische festsaugen und alsdann durch Benagung mit Hülfe ihrer hornigen Zähne sich tief in den Körper solcher Fische einbohren können. In Bezug auf die innere Orga - nisation der Lampreten lässt sich noch hervorheben, dass denselben eine Schwimmblase fehlt, und dass die Geschlechtswerkzeuge als Hoden oder Eier - stock nicht doppelt sondern immer einfach vorhanden sind. Bei beiden Ge - schlechtern vermisst man die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane, der Same sowohl wie die Eier gelangen unmittelbar in die Leibeshöhle und von da durch eine hinter dem After angebrachte Urogenitalpapille nach aussen3)Vergl. hierüber Martin-Saint-Ange: Étude de l’appareil reproducteur dans les cinq classes d’animaux vertébrés, in den Mémoires présentés par divers savants à l’Académie des sciences. Tom. XIV. 1856. pag. 152. Pl. XV..
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 183. Taf. 23. Lampreth.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 64. n. 2, Syn. nom. pisc. pag. 90. n. 2.
Linné Nr. 2: pag. 394. n. 1. Petromyzon marinus.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 38. Taf. 77. Petromyzon marinus, Lamprete.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 27. Petromyzon marinus, Lamprete.
Bujack Nr. 97: pag. 314. Petromyzon marinus, Lamprete.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 226. Petromyzon marinus.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 1025. Petromyzon marinus.
Günther Nr. 47: pag. 131. Petromyzon marinus, grosses Neunauge.
Leiblein Nr. 51: pag. 127. Petromyzon marinus, Lamprete.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 374. Fig. 200 u. 201. Petromyzon marinus, Pricke.
Rosenhauer Nr. 50: pag. 186. Petromyzon marinus, Meerpricke.
Fritsch Nr. 75. pag. 205. Petromyzon marinus, Pricke.
369Gattung: Petromyzon.Artcharakter: Die Saugscheibe trägt in ihrer Mitte verschiedene grössere Zähne, welche nach aussen von mehreren Reihen kleiner Zähne eingefasst sind; an der Stelle des Oberkie - fers befindet sich ein grosser zweispitziger Zahn; statt des Unterkiefers ist eine bogenförmige sieben - bis achtspitzige Zahnleiste vorhanden; die zweite Rückenflosse ist von der ersten durch einen weiten Zwischenraum getrennt.
Die Seelamprete besitzt von allen unseren Arten den gestrecktesten Leib; ihre wulstige Lippe ist nach innen von einem Kranze dichtstehender und zer - faserter Cirrhen eingefasst. Die Saugscheibe trägt in ihrer Mitte mehrere grössere ein - oder zweispitzige Zähne, welche nach aussen von mehreren Reihen sehr kleiner Zähne umstellt sind; einer dieser zweispitzigen Zähne
a. Oberkiefer-Zähne. b. Unterkiefer-Zähne.
vertritt die Stelle eines Oberkiefers; als Unterkiefer wirkt eine halbmondförmig gebogene sieben - bis acht - spitzige Zahnleiste1)Dieser Zahn-Apparat ist sehr genau dargestellt von Born a. a. O. pag. 194. Taf. VI. Fig. 5.. Die Zunge trägt drei grössere Zähne, von welchen der mittlere eine dreieckige Platte darstellt, deren eine Spitze mit gezähnelten Seiten - rändern nach hinten gerichtet ist, während die beiden äusseren Zähne zwei sehr stark gebogene ungleich - schenkelige Leisten darstellen, welche einen scharf gezähnelten Rand besitzen.
Die erste Rückenflosse beginnt hinter der Mitte des Rückens und besteht aus einem gestreckten und flach bogenförmigen Hautlappen. Die bei weitem längerge - streckte zweite Rückenflosse beginnt nach einem be - deutenden Zwischenraume und erhebt sich anfangs ziemlich rasch und hoch, um sich alsdann sehr all - mählich zu erniedrigen, an ihrem Hinterende etwas steil absteigend geht sie unmittelbar in die Schwanzflosse über, die anfangs als ein ganz niedriger Hautsaum verläuft, dann etwas höher wird und als breiter abgerundeter Haut - lappen die seitlich zusammengedrückte Schwanzspitze umgiebt. Auf der Un - terseite verliert sich die Schwanzflosse immer niedriger werdend zu einem einfachen Längswulste, der sich bis zum After erstreckt. Dieser befindet sich unter dem Vorderende der zweiten Rückenflosse und ist in einem kurzen Längsspalt angebracht, aus welchem die Urogenitalpapille als eine kurze dicke Röhre kaum hervorragt.
v. Siebold, Fische. 24370Familie: Petromyzonini.Die Färbung der Seelamprete ist dadurch sehr charakteristisch, dass der Rücken und die Seiten des Körpers auf weisslichem Grunde schwarzbraun oder dunkelolivengrün marmorirt erscheinen, während die Bauchseite einfach weiss bleibt. Es erreicht die Seelamprete oder Meerpricke von allen Petromyzon - Arten die ansehnlichste Grösse, indem dieselbe gewöhnlich in einer Länge von 20 bis 25 Zoll vorkömmt, aber auch bis zu einer Länge von 3 Fuss aus - wachsen kann. Das Fleisch dieses Fisches wird als sehr wohlschmeckend ge - schätzt, aber auch für sehr schwer verdaulich gehalten. Die meiste Zeit ihres Lebens bringt die Seelamprete im Meere zu, nur im Frühjahre bemerkt man einzelne Individuen die Flüsse hinaufsteigen, bei welcher Gelegenheit dieser Fisch schon bis Strassburg, ja bis Basel den Rhein und bis Heilbronn den Neckar hinaufgelangt ist. Man findet mit Ausnahme des schwarzen Meeres alle, die Küsten Europa’s bespülenden Meere von der Seelamprete bewohnt. Fast alle Ichthyo - logen und Faunisten stimmen in der Angabe überein, dass die Seelampreten im Frühjahre das Meer verlassen und die Flüsse hinaufwandern, um in diesen zu laichen, wobei dieselben zum Ablegen der Eier Gruben anfertigen, indem sie an einer gewissen Stelle vom Boden des fliessenden Wassers alle Steine mit dem Saugmunde forttragen. Ich berufe mich vor allen auf den erfahrenen Baldner, welcher (a. a. O.) von den Seelampreten erzählt: » Kommen im Mertzen das Wasser herauf, sind dann zum besten und voll Rogen. Laichen im April im strengen Wasser auf Steinboden. Machen Gruben, tragen mit den Mäulern zweipfündige Stein um die Gruben herum «. Allen diesen Angaben gegenüber könnte man einwenden, dass, wenn wirklich die Seelamprete dazu bestimmt ist, in den Flüssen zu laichen, dieser Fisch immer nur selten und vereinzelt an diesen vermeintlichen Laichstellen angetroffen wird, und dass überhaupt noch keine Brut und keine Jungen der Seelamprete weder in grösse - rer Anzahl noch einzeln in den oberen Theilen der Flussgebiete, wo die See - lampreten laichen sollen, beobachtet worden sind. Hiernach erscheint es mir nicht unangemessen, einige Bemerkungen zu wiederholen, welche Günther (Nr. 47: pag. 133) über die Wanderung und Fortpflanzung der Seelamprete in folgender Weise ausgesprochen hat: » Beinahe jedes Jahr fängt man diesen Fisch im Frühjahre bei Heilbronn und sogar in der Enz, zum Theil von be - trächtlicher Grösse. Allgemein behauptet man, dass das (See -) Neunauge um diese Zeit in die Flüsse steige, um zu laichen. Es schwimmt jedoch zu schlecht, als dass man begreifen könnte, wie es in so kurzer Zeit den bedeutenden Weg zurückzulegen vermag. Ich halte es daher für nicht unwahrscheinlich, dass die so hoch in den Flüssen gefangenen (See -) Neunaugen sich an andere Meer - fische angesaugt haben, und mit diesen heraufgekommen sind. Dafür spricht, dass das (See -) Neunauge immer zugleich mit dem Lachse und dem Maifische ankommt und dass man meines Wissens noch nie eine Brut von ihm im Neckar angetroffen hat «. Ich glaube, dass diese Aeusserungen nicht unbeachtet blei -371Gattung: Petromyzon.ben dürfen und zu der Annahme berechtigen: die in weit vom Meere entfern - ten Theilen eines Flussgebiets als seltene Erscheinungen vorkommenden See - lampreten sind nichts anderes als verirrte Fremdlinge. Von solchen aus der Elbe in die Saale bis Halle und in die Havel bis Spandau verirrten Seelam - preten hat Bloch (a. a. O. pag. 39), von einem anderen aus dem Rhein in den Main und von da in die Regnitz bis Erlangen verirrten Individuum hat Rosen - hauer (a. a. O.) Bericht erstattet. Es scheint daher Nau’s Aussage wirklich Rücksicht zu verdienen, indem derselbe angiebt1)S. dessen: Naturgeschichte der Lamprete des Rheins, in den Schriften der Gesellsch. naturforsch. Freunde zu Berlin. Bd. VII. 1787. pag. 466., dass die Seelampreten zur Laichzeit im Mai und noch früher die Mündungen der an die See grenzenden Flüsse besuchen, aber nur selten bis an ihren Ursprung aufsteigen. Dass diese Fische alsdann die Gelegenheit finden und benutzen, sich an die um dieselbe Zeit in die Flussmündungen eintretenden Lachse und Maifische anzusaugen und so eine Strecke der Reise dieser Wanderfische mitzumachen, dies scheint mir in der That nicht unwahrscheinlich zu sein, wenigstens stimmen hiermit manche Angaben älterer Naturforscher überein; so sagt Gesner2)S. dessen: Fischbuch. pag. 181., dass die Seelampreten mit dem Maule an den aus dem Meere aufsteigenden Salmen festgesogen diese begleiten, und durch Pennant3)Vergl. dessen: British Zoology. Vol. III. 1676. pag. 67. erfahren wir, dass die See - lampreten in Gesellschaft der Lachse und Maifische gefangen werden. Aus diesem Grunde mag auch die Excursion, welche A. Müller4)A. a. O. pag. 328. zur Auffindung der Jugendzustände des Petromyzon marinus längs der Elbe unternommen, ohne Resultat geblieben sein.
Wenn ich die vorhandenen Beschreibungen und Abbildungen des Petro - myzon marinus ins Auge fasse, so scheint in der That mit Ausnahme von Pa - nizza keinem der bisherigen Beobachter der Seelampreten ein brünstiges Indi - viduum derselben zu Gesicht gekommen zu sein; die verschiedenen Darstel - lungen des Petromyzon marinus beziehen sich alle mehr oder weniger auf noch nicht ganz geschlechtsreife Individuen, weil die im Laichen begriffenen Indi - viduen, wie es scheint, nicht bis in die oberen Seitenflüsse der Hauptströme hinaufsteigen, sondern mehr in den unteren Theilen der Hauptströme ihr Fort - pflanzungsgeschäft vollbringen und sich so leichter der Aufmerksamkeit der Fischer entziehen. Solche wirklich im Laichen begriffenen Seelampreten, welche bei Pavia im Po und Ticino während des Frühjahres gefangen worden waren, hat Panizza zu seiner Beschreibung des Petromyzon marinus benutzt5)Vergl. dessen: Memoria sulla Lampreda marina, in den Memorie dell’ Istituto Lom - bardo di scienze lettere ed arti. Vol. II. Milano. 1845. pag. 25., daher dieselbe von jenen Beschreibungen, welchen nicht brünstige Seelam -24*372Familie: Petromyzonini.preten zum Grunde gelegen haben müssen, in mancher Beziehung auffallend abweicht. Folgendes darf ich aus dieser Beschreibung Panizza’s als beson - ders bedeutungsvoll nicht unerwähnt lassen. Bei den männlichen brünstigen Seelampreten erkannte Panizza1)Ebenda. pag. 45. Tav. II. Fig. I. 2. Diese Abbildung einer männlichen Seelamprete ist mir sehr aufgefallen und lässt mich zweifeln, ob die Artcharaktere für die Seelamprete, wie sie die meisten Ichthyologen hingestellt haben, wirklich als die richtigen aufgefasst worden sind. Panizza, welcher auf der hier angeführten Tafel (Fig. I.) ein geschlechtsrei - fes männliches Individuum der Seelamprete von der Seite dargestellt hat, so dass sich die beiden Rückenflossen vollständig übersehen lassen, giebt auf diese Weise ein ganz anderes Bild von der Anordnung der beiden Rückenflossen der Seelamprete. Dieselben stehen näm - lich nicht von einander getrennt, sondern schliessen dicht aneinander. Eine andere eben - falls von der Seite dargestellte Seelamprete findet sich von Bellon (de aquatilibus Libri II. 1553. pag. 76) abgebildet, auf welcher die beiden Rückenflossen ebenfalls dicht hinterein - ander stehen. Auf anderen Abbildungen der Seelamprete stehen diese Rückenflossen weit von einander getrennt, wie ich das auch wirklich an den von mir verglichenen Weingeist - Exemplaren der Seelamprete gesehen habe, die ich aber auch alle für noch nicht ganz ge - schlechtsreife Individuen halten zu müssen glaube. eine gallertartige Hautfalte, welche sich vom Nacken bis zum Anfang der ersten Rückenflosse auf der Mittellinie des Rückens erstreckte, während bei den weiblichen brünstigen Individuen sich vom After aus die allgemeine Hautbedeckung als eine weiche geschwol - lene Hautfalte bis gegen die Schwanzflosse hinzog2)Ebenda. pag. 47. Tav. II. Fig. III. 6. u. Fig. IV. 2.. Die Angabe Panizza’s, dass diese Seelampreten nach beendigtem Laichgeschäfte stets todt im Flusse aufgefischt werden3)Ebenda. pag. 48. » Nè passerò sotto silenzio il fatto strano nella gran famiglia de’ pesci, che cioè tanto i maschi che aveano già evacuato l’umo seminale, come le femine che si erano già sgravate delle nova, furono sempre pescati morti «., muss besonders überraschen, da sie mit weiter unten zu erwähnenden ganz ähnlichen Beobachtungen des A. Müller genau über - einstimmt.
Syn. u. Citate.
Baldner Nr. 42: pag. 185. Taf. 24. Perel oder Prickh.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 64. n. 1, Descr. spec. pisc. pag. 99. n. 1. Syn. nom. pisc. pag. 89. n. 1.
Linné Nr. 2: pag. 394. n. 2. Petromyzon fluviatilis.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 41. Taf. 78. Fig. 1. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Schrank Nr. 23 a: pag. 304. n. 274. Petromyzon fluviatilis, gemeines Neunauge.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 32. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Gloger Nr. 88: pag. 70. n. 1. Petromyzon fluviatilis, Fluss-Neunauge.
Bujack Nr. 97: pag. 314. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 226. Petromyzon fluviatilis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 1042. Petromyzon fluviatilis.
Günther Nr. 47: pag. 134. Petromyzon fluviatilis, kleines Neunauge.
Leiblein Nr. 51: pag. 127. Petromyzon fluviatilis, Flusspricke.
373Gattung: Petromyzon.Heckel und Kner Nr. 13: pag. 377. Fig. 202. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Rosenhauer Nr. 50: pag. 187. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Petromyzon fluviatilis, Neunauge.
Artcharakter: Die Saugscheibe trägt in ihrer Mitte einen einfa - chen Kreis grösserer Zähne, von denen je drei die innere Mundöffnung jederseits umgebende Zähne die grössten und zugleich zweispitzig sind; den Rand der Saugscheibe hält eine einfache Reihe sehr kleiner Zähne besetzt; statt des Oberkiefers ist eine halbmondförmige jederseits mit einem starken spitzen Zahne endigende Hornleiste vorhan - den; die Stelle des Unterkiefers vertritt eine bogenförmige mit sieben sehr spitzigen Zähnen bewaffnete Hornleiste, deren Endzähne die übrigen fünf an Grösse überragen; die zweite Rückenflosse ist von der ersten durch einen wei - ten Zwischenraum getrennt.
Von unseren drei Pricken-Arten ist das Fluss-Neunauge die bekannteste Form. Der Körper des Fluss-Neunauges erscheint ziemlich lang gestreckt. Die wulstige Lippe ist nach innen durch eine dichte Reihe comprimirter fin -
a. Oberkie - fer-Zähne. b. Unterkie - fer-Zähne.
gerförmig gelappter Cirrhen eingefasst. Die Bezahnung der Saug - scheibe zeichnet sich durch die halbmondförmige beiderseits mit einem starken spitzigen Zahne versehene Oberkieferleiste aus; hinter der mit sieben sehr spitzen Zähnen bewaffneten Unterkiefer - leiste, deren Endzähne zuweilen zweispitzig sind, befindet sich eine kleine vierzähnige Querleiste, auf welche die Zungenleiste folgt. Diese besteht aus einer halbmondförmigen Hornleiste, auf welcher sich in der Mitte ein sehr grosser spitzer Zahn erhebt, während zu bei - den Seiten desselben je sechs kleine spitze Zähne angebracht sind.
Die erste Rückenflosse, welche etwas vor der Mitte des Rückens beginnt, besteht aus einem gestreckten flach bogenförmigen Haut - lappen, die zweite Rückenflosse dagegen, welche in einiger Entfer - nung hinter der ersten beginnt, erhebt sich anfangs in schräger Richtung ziem - lich hoch, fällt dann in einem stumpfen Winkel nach hinten ab, und zieht sich immer niedriger werdend ziemlich lang hin, bis sie zuletzt ohne besonderen Absatz in die abgerundete Schwanzflosse übergeht. Diese letztere verhält sich fast ganz wie die Schwanzflosse der Seelamprete. Aus der engen After - spalte, welche unter dem Vorderende der zweiten Rückenflosse angebracht ist, erhebt sich eine kurze dicke nach hinten gerichtete Urogenitalpapille.
Die Rückenseite des Fluss-Neunauges besitzt eine gleichmässige blau -374Familie: Petromyzonini.grüne Färbung, wogegen die Seiten desselben schmutziggelb und die Unter - seite silberglänzend gefärbt erscheint.
Im ausgewachsenen Zustande erreichen diese Neunaugen eine Länge von meistens 12 bis 15 Zoll selten bis 18 Zoll.
Sie bewohnen wie die Seelampreten das salzige Wasser und finden sich ohne Ausnahme in allen Meeren, welche die Küsten von Europa bespülen. Auch die Fluss-Neunaugen verlassen, wie die Seelampreten, das salzige Wasser und steigen im Frühjahre die meisten europäischen Flüsse hinauf, um in die - sen zu laichen. Aus den nordischen Meeren, aus der Nord - und Ostsee tre - ten sie jedoch in zahlreicheren Schaaren in die Flüsse ein, als aus dem schwar - zen und Mittelmeer. Auch unternehmen die Fluss-Neunaugen viel weitere Wanderungen als die Seelampreten, indem sie bis zu den entferntesten klei - nen Seitenflüssen der verschiedenen Flussgebiete hinaufdringen. Im Herbste findet ein allgemeines Hinabsteigen der Fluss-Neunaugen nach dem Meere hin statt, wobei sie nicht wie die zum Meere rückkehrenden Lachse und Maifische verschrumpfte Geschlechtsorgane enthalten und ganz abgemagert erscheinen, sondern wohlgenährt und mit ziemlich entwickelten Hoden oder Eierstock ausgestattet sind, daher der Fang der Neunaugen ihres beliebten Fleisches wegen an den in die Nord - und Ostsee ausmündenden Flüssen sowohl im Frühjahre wie im Herbste betrieben wird.
Dass auch die Fluss-Neunaugen nach vollendetem Laichgeschäfte abster - ben, scheint aus gewissen Andeutungen älterer Naturforscher hervorzugehen. Bomare1)S. dessen: Dictionaire raisonné universel d’histoire naturelle. Tom. III. 1765. pag. 205. sagt von diesem Fische, er lebe nicht über zwei Jahre und Statius Müller2)Vergl. dessen: Bearbeitung von C. v. Linné’s Natursystem. Th. III. 1774. pag. 232. fügt hinzu, dass das Fluss-Neunauge, wenn es ausgelaicht habe, langsam abnehme und sterbe. Obwohl A. Müller3)A. a. O. pag. 334. diese merkwürdige Er - scheinung an dem Fluss-Neunauge nicht mit Bestimmtheit hat bestätigen kön - nen, so hat er sie doch auch nicht in Abrede stellen wollen.
A. Müller4)Ebenda. pag. 328. fand auch die Larvenform, das heisst die Ammocoetes-Form des Fluss-Neunauges, die aber der Larvenform des Petromyzon Planeri so ähnlich sah, dass es ihm erklärlich wurde, warum bis jetzt nur eine einzige Querderform, nämlich die des Ammocoetes branchialis beschrieben worden ist.
Syn. u. Citate.
a. Vollendete Petromyzon-Form.
Baldner Nr. 42: pag. 187. Taf. 25. Dreyerlei sehende Neunhockhen. (Darunter ein doppelschwänziges Individuum.)
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 47. Taf. 78. Fig. 3. Petromyzon Planeri, kleines Neunauge.
Gloger Nr. 88: pag. 70. n. 3. Petromyzon Planeri, kleines Neunauge.
Koch Nr. 19: pag. 43. Petromyzon Planeri, kleines Neunauge.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 226. Petromyzon Planeri.
Rathke Nr. 98: pag. 19. Petromyzon Planeri, kleine Pricke.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 1052. Petromyzon Planeri.
Günther Nr. 47: pag. 135. Petromyzon Planeri.
Leiblein Nr. 51: pag. 127. Petromyzon Planeri, kleine Pricke.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 380. Fig. 203. Petromyzon Planeri, kleines Neunauge.
Rosenhauer Nr. 50: pag. 187. Petromyzon Planeri, Neunauge.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Petromyzon Planeri, kleines Neunauge.
b. Jugendliche Ammocoetes-Form.
Baldner Nr. 42: pag. 187. Taf. 25. Blinder Neunhockhen.
Artedi Nr. 1: Gen. pisc. pag. 64. n. 3, Syn. nom. pisc. pag. 90. n. 3.
Linné Nr. 2: pag. 394. n. 3. Petromyzon branchialis.
Bloch Nr. 3 a: Th. III. pag. 45. Taf. 78. Fig. 2. Petromyzon branchialis, Querder. (sehr unkenntlich.)
Schrank Nr. 23 a: pag. 304. n. 275. Petromyzon branchialis, Uhle.
Hartmann Nr. 38 b: pag. 35. Petromyzon branchialis, kleines Neunauge.
Gloger Nr. 88: pag. 70. n. 2. Petromyzon branchialis, Querder.
Bujack Nr. 97: pag. 315. Petromyzon branchialis, Querder.
Selys-Longchamps Nr. 58: pag. 227. Ammocoetes branchialis.
Krøyer Nr. 82: Bd. III. pag. 1060. Ammocoetes branchialis.
Günther Nr. 47: pag. 135. Ammocoetes branchialis, kleines Neunauge.
Leiblein Nr. 51: pag. 127. Ammocoetes branchialis, Querder.
Heckel und Kner Nr. 13. pag. 382. Fig. 204. Ammocoetes branchialis, Uhlen.
Rosenhauer Nr. 50: pag. 187. Ammocoetes branchialis, Neunauge.
Fritsch Nr. 75: pag. 205. Ammocoetes branchialis, Querder.
Artcharakter: Die Saugscheibe trägt in ihrer Mitte einen einfachen Kreis grösserer Zähne, von denen je drei die innere Mund - öffnung jederseits umgebende Zähne die grössten und zu - gleich zweispitzig sind; den Rand der Saugscheibe hält eine einfache Reihe sehr kleiner Zähne besetzt; an Stelle des Oberkiefers befindet sich eine halbmondförmige an beiden Enden mit einem dicken stumpfen Zahne versehene Hornleiste; dem Unterkiefer entspricht eine bogenförmige mit sieben stumpf abgerundeten Zähnen versehene Horn - leiste, deren Endzähne die übrigen an Grösse überragen; die zweite Rückenflosse beginnt unmittelbar hinter der ersten Rückenflosse.
376Familie: Petromyzonini.Das kleine Neunauge steht dem Fluss-Neunauge in Bezug auf die wul - stige kreisrunde Lippe und auf die Zahl und Anordnung der hornigen Zähne des Mundnapfes und der Zunge ausserordentlich nahe, jedoch mit dem Unter -
a. Oberkie - fer-Zähne. b. Unterkie - fer-Zähne.
schiede, dass alle Zähne, namentlich die der Ober - und Unterkie - ferleiste sowie der Zungenleiste ganz stumpf abgerundet sind; ich muss aber darauf aufmerksam machen, dass weder Yarrell1)Vergl. dessen: British fishes. Vol. II. pag. 607. Diese Abbildung sowie die eben - falls unrichtigen Abbildungen des Zahnapparats von Petromyzon marinus und fluviatilis desselben Autors hat Krøyer in seinen Danmarks Fiske (Bd. III. pag. 1041. 1042 u. 1052) copirt, zu welchen derselbe aber eine sehr genaue und ausführliche Beschreibung des Zahnapparats dieser Fische hinzugefügt hat. noch Heckel und Kner2)A. a. O. pag. 380 und fig 203. (Kopf von unten.) den Zahnapparat des Petromyzon Planeri rich - tig abgebildet haben. Die Angabe der beiden letzteren Ichthyolo - gen, dass bei den kleinen Neunaugen die dem Unterkiefer entspre - chende halbbogenförmige Zahnleiste 12 gleichstarke Zähne trage, kann ich durchaus nicht bestätigen.
Der Körper dieses Fisches ist im Vergleich zu dem Petromyzon fluviatilis um vieles weniger in die Länge gestreckt. Die erste Rückenflosse beginnt auf der Mitte des Rückens und stellt einen flach bogenförmigen Hautlappen dar. Unmittelbar hinter ihr beginnt die zweite Rückenflosse, welche sich in schräger Richtung ziemlich hoch erhebt und noch vor ihrer Mitte in einem stumpfen Winkel nach hinten allmählich abfällt. Aus ihr geht ohne merklichen Absatz die anfangs niedrige Schwanz - flosse hervor, die am Schwanzende einen breiteren abgerundeten Saum bildet und bei den männlichen Individuen sich auf der Unterseite als ein kaum merk - licher Hautwulst bis zum After hinzieht, während bei den weiblichen Indivi - duen diese Schwanzflosse, nachdem sie ebenfalls auf der Unterseite ganz niedrig geworden, sich nach vorn hinziehend immer höher wird und in eine deutliche aber strahlenlose Afterflosse übergeht, welche dicht hinter dem After einen abgerundeten Hautlappen darstellt. Aus der Afterspalte, welche unter dem Vorderende der zweiten Rückenflosse angebracht ist, ragt bei den Milchnern eine sehr lange dünne Urogenitalpapille gerade nach unten her - vor, eine ähnliche aber etwas kürzere Papille ist bei den Rognern vorhanden. Bei beiden Geschlechtern zeigen sich die Seitenlippen der Afterspalte mehr oder weniger geschwollen.
Die blaugrüne Färbung des Rückens und der Silberglanz des Bauches ist bei den kleinen Neunaugen ganz von derselben Beschaffenheit wie bei dem Fluss-Neunauge.
In der Grösse variirt der Petromyzon Planeri ausserordentlich, ich habe Individuen von 4½ Zoll bis zu 10 und selbst bis zu 13 Zoll vor mir.
377Gattung: Petromyzon.Sein Vorkommen ist ein ausserordentlich verbreitetes; in allen Flussge - bieten Deutschlands ist das kleine Neunauge bis zu den kleinsten Nebenbächen hinauf anzutreffen, jedoch ungleich seltner als seine Larven, welcher Umstand mit der ganz eigenthümlichen von A. Müller zuerst aufgedeckten Verwand - lungs - und Fortpflanzungsgeschichte dieses Fisches in enger Beziehung steht. Das kleine Neunauge verharrt in seinem Larvenzustande, nämlich in der Form des Ammocoetes drei bis vier Jahre, wogegen nach den Beobachtungen A. Müller’s1)A. a. O. pag. 334. die Lebensdauer des ausgebildeten Thieres nur eine kurze ist, kein Wunder also, dass Ammocoetes branchialis trotz seines versteckten Aufent - halts den Fischern und Ichthyologen viel häufiger in die Hände geräth als der Petromyzon Planeri, der von manchen Faunisten gänzlich übersehen wurde, während ihm seine Larvenform, der Ammocoetes branchialis nicht entgangen war. Das seltenere Vorkommen des fertigen Petromyzon Planeri mag auch die Veranlassung gewesen sein, dass die Ichthyologen mit diesem Fische we - niger vertraut geworden sind und weder in Abbildungen noch in Beschrei - bungen, die sie nur zu häufig von einander entlehnten, die wahre Form die - ses Fisches wiedergegeben haben. Die Afterflosse der geschlechtsreifen Weibchen des kleinen Neunauges finde ich nirgends erwähnt, auch sind die Rückenflossen desselben nur von wenigen Ichthyologen richtig aufgefasst wor - den; selbst Bloch, welcher dieses kleine Neunauge zuerst beschrieb, hat dasselbe mit weit von einander getrennten Rückenflossen so unkenntlich dargestellt, dass Günther (a. a. O.) sich veranlasst sah, diese Abbildung für einen jungen Petromyzon fluviatilis zu erklären. Da die meisten übrigen bild - lichen Darstellungen des Petromyzon Planeri nur Copien dieser Bloch’schen Figur sind, so halte ich es nicht für unangemessen auf folgende Abbildungen aufmerksam zu machen, welche wenigstens die beiden Rückenflossen dieses Fisches in einem richtigen Verhältniss zu einander erkennen lassen. Als solche gute Abbildungen des Petromyzon Planeri empfehle ich die von Lacépède2)S. dessen: Histoire naturelle des Poissons. Vol. I. 1798. pag. 30. Pl. III. Fig. 1. und von Yarrell3)Vergl. dessen: British fishes a. a. O., welche letztere von Krøyer4)S. dessen: Danmarks Fiske. III. Bd. pag. 1052. copirt worden ist.
Die Laichzeit des kleinen Neunauges findet im Frühjahre statt und be - ginnt mit den ersten warmen Tagen des April. A. Müller5)A. a. O. pag. 324. hat das Glück gehabt in der Panke, einem kleinen innerhalb Berlin sich in die Spree er - giessenden Bache den Petromyzon Planeri bei seinem Laichgeschäfte sehr ge - nau zu beobachten. Er sah von diesen kleinen Neunaugen zehn und mehr Stücke in Schwärmen beisammen, von welchen einzelne Milchner sich am Nacken der Rogner festsogen und in einer halben Windung nach der Unter -378Familie: Petromyzonini.seite desselben hinabbogen, um die abgehenden Eier zu befruchten, ohne dass eine Immissio der Urogenitalpapille vorgenommen wurde. Nach dieser Beobachtung A. Müller’s erhält eine bisher wenig beachtete Notiz, welche von Baldner herrührt und sich auf Petromyzon Planeri bezieht, ein besonde - res Gewicht. Dieser erfahrene Fischer berichtet von den kleinen Neunaugen unter anderen1)In dem oben angeführten Manuscript pag. 188. Von dieser Stelle hat Willughby: de historia piscium, pag. 105 folgenden kurzen Auszug gegeben: Lampetrae fluviatiles mi - nores praeter morem aliorum piscium ventribus commissis coeunt, cum enim hoc tempore locis vadosis versentur, earum actiones facile possunt observari.: » Dieser Neunhocken oder Neunaug hatt seinen Leych im Mertzen und Aprill. Sie hangen an den Steinen hauffecht beyeinander, wo das Wasser starkh laufft, da machen sie dieffe grüblein, darin thut sich das paar mit den Bauchen zusammen, ihre geylheit zu verrichten, welches ich sonsten von keinem Fisch also gesehen, alss von den Neunhocken, dieweil sie in den Wassern, da es nicht dieff, leychen, dass mans wohl sehen kann «.
Eine höchst interessante Thatsache, welche A. Müller2)A. a. O. pag. 323 u. 334. bei diesen Beo - bachtungen noch erkannt hat, ist das vollständige Verschwinden der kleinen Neunaugen nach überstandener Laichzeit. Aller Nachsuchungen ungeachtet hatte A. Müller keine Spur mehr von ihnen auffinden, sondern nur einige ihrer Leichname im Wasser wahrnehmen können. Da ausserdem die Ovarien die - ser Neunaugen nie Eier von verschiedenen Entwicklungsstadien als Vorberei - tung zu einer künftigen Fortpflanzungszeit enthalten, wie bei anderen Thieren, und da sie kurz nach der Laichzeit nichts weiter als die leeren Kelche enthal - ten, so durfte A. Müller mit Recht hieraus schliessen, dass diese kleinen Neunaugen mit ihren gänzlich erschöpften Geschlechtswerkzeugen nach der Laichzeit untergehen. Ich habe mich ebenfalls von dem vollkommen eier - losen Zustande der Ovarien bei ausgelaichten kleinen Neunaugen überzeugen können, und muss noch einmal darauf zurückkommen, dass aus bereits oben angeführten Gründen (pag. 372. u. pag. 374.) die Vermuthung Müller’s nahe liegt, dass bei Petromyzon marinus und fluviatilis ähnliche Verhältnisse statt finden. Ja, ich gehe noch weiter und werfe die Frage auf, ob nicht auch eine solche nur einmal im Leben erwachende Fortpflanzungsthätigkeit mit nachfolgendem Tode die Ursache sein mag, dass die in das Meer hinausge - wanderten Aale von dort (s. pag. 352) nie mehr zurückkehren?
Die Entwicklung der befruchteten Eier des Petromyzon Planeri, welche im Mai vollendet ist, versetzte A. Müller in neues Erstaunen, indem die daraus hervorschlüpfenden jungen Fische vollkommen jungen Querdern gleich - sahen3)Man vergleiche hierzu Max Schultze: Die Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planeri. Haarlem 1856., welche bei weiterem Heranwachsen von Ammocoetes branchialis nicht379Gattung: Petromyzon.zu unterscheiden waren. Diese Entdeckung musste den eifrigen Beobachter auf den Gedanken bringen, dass Ammocoetes branchialis die Larve des Petro - myzon Planeri sei und dass sich diese Larven in ihren verschiedenen Meta - morphosen bis zum vollkommenen Petromyzon Planeri draussen im Freien finden müssen. In der That gelang es A. Müller, die verschiedenen Ver - wandlungszustände der kleinen Neunaugen vom blinden Ammocoetes bran - chialis bis zum ausgebildeten grossäugigen Petromyzon Planeri aufzufinden. A. Müller1)A. a. O. pag. 333. überzeugte sich, dass die Jungen der kleinen Neunaugen zu Querdern von mehreren Zoll Länge auswachsen, wozu sie drei bis vier Jahre Zeit gebrauchen, und dass sie sich nicht vor dem vierten Jahre in Petromyzon Planeri verwandeln. Es ist eine bekannte Sache, dass Ammocoetes branchialis eine Länge von 6 bis 7 Zoll erreicht, ohne dass sich auch die Spur einer an - gefangenen Metamorphose an ihm wahrnehmen lässt. Es müssen aber in die - ser Beziehung grosse Ungleichheiten statt finden, manche Querderlarven scheinen sich schon ziemlich früh in Neunaugen umzuwandeln, während an - dere Individuen um vieles grösser auswachsen, ehe sie in die Neunaugenform übergehen. Eine Sendung von mehreren Individuen des P. Planeri aus Hol - stein, welche ich Herrn Professor Behn in Kiel zu verdanken hatte, enthielt neben einem 4½zölligen männlichen Individuum ein 10¼zölliges männliches und sogar ein 13zölliges weibliches Individuum.
Im vollständig ausgewachsenen Larven - oder Ammocoetes-Zustande bie - tet P. Planeri folgende Körperform dar. Der Kopf ist sehr klein, so dass das vorderste der sieben Kiemenlöcher dem Mundnapfe jederseits sehr nahe steht, der Mundnapf wird von einer sehr grossen Oberlippe und einer sehr kleinen Unterlippe umgeben. Die Oberlippe ragt über die letztere weit her - vor und schliesst dieselbe von beiden Seiten her fast vollständig ein. Der Eingang zur zahnlosen Mundhöhle ist hinter den Lippen von mehreren grösse - ren verästelten Bartfäden rund herum besetzt, vor ihnen zeigt sich die innere Fläche der Oberlippenmitte mit kleinen zerfaserten Papillen dicht bewach - sen. Unmittelbar hinter der Oberlippe befindet sich das unpaarige Nasenloch auf der Mittellinie der Stirn, und zu beiden Seiten desselben die winzigen Augäpfel, welche in einer seichten Grube von der allgemeinen Hautbedeckung überzogen, tief verborgen liegen. Ueber die sieben Kiemenöffnungen jeder Seite zieht sich eine tiefe Längsfurche hin. Die Rückenflosse beginnt auf der Mitte des Rückens und zieht als ein niedriger, strahlenloser Hautsaum bis zum Schwanze hin, wobei sich dieser Hautsaum zweimal, das zweite Mal et - was mehr als das erste Mal flach bogenförmig erhebt und so eine erste und zweite Rückenflosse andeutet. An dem Schwanzende bildet die Fortsetzung dieses Hautsaumes einen etwas breiteren oberen und unteren Lappen als An - deutung einer Schwanzflosse. Unter der zweiten Erhebung der Rückenhaut -380Familie: Petromyzonini.falte ist eine kurze enge Afterspalte angebracht, aus welcher keine Papille hervorragt.
Die Farbe dieser Ammocoetes-Larve ist schmutziggelb, auf dem Rücken zu beiden Seiten der gelben Mittellinie mit einem dunkelbraunen Längsstreif, der sich nach vorn über die Oberlippe hinzieht. Silberglanz ist nirgends in der Haut wahrzunehmen.
In diesem Zustande lebt diese Larve stets im lehmigen Schlamme ver - borgen, und verlässt nur gezwungen ihren Versteck. Ihren Mundnapf benutzt dieselbe niemals zum Ansaugen. Den Trieb sich im Schlamm verborgen zu halten, zeigen die jungen Ammocoetes von Anfang an, wie ich mich an den 6 Linien langen, von A. Müller selbst gezogenen jungen Ammocoetes-Larven mit eigenen Augen überzeugte.
Da Petromyzon Planeri nur einmal in seinem Leben laicht und dann ab - stirbt, so tritt eine Zeit ein, nämlich im Juli und August, während welcher dieses kleine Neunauge in den Gewässern gänzlich fehlt. Erst mit dem Ende August beginnt die Entstehung neuer Individuen durch die Metamorphose des Ammocoetes branchialis, welche, nach einer mündlichen Mittheilung von A. Müller, vom August bis Januar währt.
Bei dieser Umwandlung des Ammocoetes branchialis in Petromyzon Planeri, wie ich sie theils an den von A. Müller mir gütigst mitgetheilten Weingeist - Präparaten theils an verschiedenen in den Eger - und Nab-Gewässern ge - sammelten Exemplaren habe verfolgen können, beginnen die verschiedenen Organe des Kopfes und Brustkorbes zuerst ihre Metamorphose, während die Flossen und die Afterspalte erst später mit ihren Veränderungen nachfolgen. Das erste, wodurch äusserlich der Anfang der Metamorphose eingeleitet wird, ist eine seitliche Einschnürung der Oberlippe, durch welche die Seitentheile derselben stark nach innen gedrängt und der Vorderrand derselben nach un - ten gezogen wird. Die nächste Folge dieser Einschnürung der Oberlippe ist die Verwachsung und Verschmelzung der Unterlippe mit den Seitenlappen der Oberlippe. Durch diese Verwachsung entsteht eine runde aber auch sehr enge Mundöffnung, welche zugleich von einem conischen Hervortreten des Kopfendes begleitet wird. Durch das weitere Hervorwachsen des Kopfendes rückt das Nasenloch mit den vordersten Kiemenlöchern weiter zurück, wo - bei zugleich die beiden Augäpfel grösser und grösser werden und immer mehr aus der Tiefe an die Oberfläche der Haut treten. Innerhalb der Mund - höhle gehen jetzt auch grosse Veränderungen vor sich; die Bartfäden schwin - den, ebenso die Papillen unter der Oberlippe, dagegen erheben sich an ver - schiedenen Stellen aus dem Boden des Mundnapfes mannichfaltig geformte Wülste, welche den künftigen Zahnleisten zur Grundlage dienen. Jemehr sich später diese Zahnleisten ausbilden und mit Hornschichten überziehen, um so mehr erweitert sich die bisher eng zusammengezogene ringförmige381Gattung: Petromyzon.
Verwandlung des Ammocoetes branchialis in Petromyzon Planeri. a. Kopfende einer augenlosen Larve, von der Seite gesehen. b. Dasselbe von unten gesehen. c. Kopfende einer Larve, deren kleine Augen aus der Tiefe an die Hautoberfläche hinauf - zurücken beginnen. d. Kopfende einer Larve mit nach unten und rückwärts gezogener Oberlippe. e. Kopfende einer Larve, deren Oberlippe mit der Unterlippe zu verwachsen beginnt, deren an die Hautoberfläche gerückten Augen grösser zu werden anfangen und deren Kiemenlöcher die sie verbindende Längsfurche bereits verloren haben. f. Dasselbe von unten gesehen. g. Kopfende einer Larve, deren Lippen zu einer engen, ovalen Mundöffnung verwach - sen sind. h. Dasselbe von unten gesehen. i. Kopfende einer Larve, deren enge Mundöffnung sich zu erweitern anfängt. k. Dasselbe von unten gesehen. l. Kopfende einer am Ende der Verwandlung befindlichen Larve, deren erweiterte Mund - öffnung sich zu einer runden Saugscheibe abzuschnüren anfängt und deren Augen fast ausgewachsen sind. m. Dasselbe von unten gesehen. n. Kopfende eines vollkommen entwickelten Neunauges mit fertiger Saugscheibe. o. Dasselbe von unten gesehen.
382Familie: Petromyzonim.Lippe des Maules, auf deren inneren Rande zugleich gelappte Cirrhen in dich - ter Reihe allmählich zum Vorschein kommen. Das weitgeöffnete Maul steht zuletzt auf einem langen, cylindrischen Rüssel, der fast die Dicke des Leibes angenommen hat. Mit dieser Metamorphose des Kopfes verändert sich auch der Brustkorb, was sich äusserlich durch das allmähliche Schwinden der bei - den Furchen zu erkennen giebt, welche während des Larvenzustandes jeder - seits die sieben Kiemenlöcher untereinander verbunden haben. Erst mit dem Beginne der Erweiterung der ringförmigen Lippe nimmt die Neunaugenform immer stärker überhand, indem sich von jetzt ab der Silberglanz unter der Haut entwickelt und die bis dahin strahlenlosen Flossen höher auswachsen und durch knorpelige Strahlen steifer werden. Zuletzt tritt zwischen den Lippen der Afterspalte die Urogenitalpapille hervor, durch deren kürzere oder längere Gestalt nun auch äusserlich über das Geschlecht des zum Neunauge gewor - denen Querders entschieden wird, nachdem schon früher, ehe noch die eigentliche Metamorphose des Petromyzon begonnen, im Innern des Ammo - coetes Hode und Eierstock zur Ausbildung gekommen waren. Diese frühe Ausbildung der inneren Geschlechtswerkzeuge, welche man schon lange ge - kannt hatte war die Hauptveranlassung, weshalb man den Ammocoetes branchialis als besondere Cyclostomen-Gattung hingestellt hatte, obwohl man sich von der vollständigen Reife dieser beiden Geschlechtsorgane im Ammo - coetes branchialis niemals überzeugt hatte. Die Metamorphose der inneren Organisation, welche mit der äusseren Umwandlung des Ammocoetes in einen Petromyzon Hand in Hand geht, ist von A. Müller (a. a. O.) bis jetzt nur kurz angedeutet worden; hoffen wir, dass derselbe seine darüber angestellten höchst interessanten Untersuchungen der Wissenschaft nicht länger vorent - hält. Ich war übrigens ausserordentlich überrascht, als ich aus den von Baldner gemachten und auf das kleine Neunauge sich beziehenden Angaben die Ueberzeugung schöpfen musste, dass dieser aufmerksame Beobachter mit der Metamorphose dieses Fisches, welche erst jetzt von A. Müller wissen - schaftlich nachgewiesen wurde, bereits bekannt war, wie man sich aus fol - gender Mittheilung Baldner’s überzeugen wird. Zur Erläuterung der oben angeführten 25ten Tafel, auf welcher dreierlei sehende Neunaugen (P. Planeri) und ein blindes Neunauge (A. branchialis) dargestellt sind, sagt Baldner un - ter anderen: » Von August bis den letzten Christmonat, so werden dieser Gattung (sehende Neunaugen) nicht viel gesehen oder gar wenig gefangen, aber der Blind Neunhocken gibt es ein gantzes Jahr genung. Die gesehenden und blinden sind sonst einerley art, dann die Jungen von anfang alle blind sein, und verschlieffen sich gleich in den Muhr, sobald Sie vom Rogen leben - dig werden. Die Blinden bekommen keinen Rogen biss Sie gesehendt werden «.
(Diese Uebersicht kann zum Bestimmen der Fische benutzt werden, indem zugleich für die Ordnungen, Unterord - nungen, Familien, Gattungen und Arten derselben die Hauptunterscheidungsmerkmale hervorgehoben worden sind).
Da, wo das Vorkommen nicht bestimmt nachgewiesen sondern nur als sehr wahrscheinlich vermutbet werden konnte, ist statt des Zeichens = ein? gesetzt. Das Fehlen einer Fisch-Species ist in den Flussgebiet-Rubriken durch .... angedeutet.
⇄ bedeutet solche Fische, welche um zu laichen aus dem Meere die Flüsse thalaufwärts wandern, und
⇆ bedeutet solche Fische, welche um zu laichen nach dem Meere die Flüsse thalabwärts wandern.
396Tabellarische Uebersicht der mitteleuropäischenDie Fische sind mit den in den betreffenden Gegenden gebräuchlichen Volksnamen aufgeführt.
406Tabellarische Uebersicht der in einigen schweizerischen, bayrischen undDie Laichzeit ist durch Zickzack-Striche angedeutet.
Es versteht sich wohl von selbst, dass diese Tabelle nur annäherungsweise über den Termin der Laichzeit Auskunft geben kann, indem in dem einen oder anderen Jahre und an der einen oder anderen Localität unter gewissen äusseren Einflüssen sich das Erwachen der Fortpflanzungsthätigkeiten der Fische verfrühen oder verspäten kann.
Bei denjenigen Fischen, welche im Meere laichen, oder nur als verirrte seltene Gäste die mitteleuropäischen Flussgebiete besuchen oder als Bastarde bis jetzt keine Fortpflan - zungsthätigkeit haben wahrnehmen lassen, ist eine Angabe der Laichzeit weggeblieben.
410Tabellarische Uebersicht der Laichzeit der mitteleuropäischen Süsswasser-Fische.Zu pag. 52:
2. Art. L. volgensis Pall.
Syn. u. Citate.
Pallas: Anhang zur Reise durch verschiedene Provinzen des russischen Reiches. Peters - burg, 1771. Th. I. pag. 461. Perca volgensis und: Zoographia Rosso-Asiatica. Vol. III. pag. 247. Perca asper.
Nordmann: Observations sur la Faune Pontique a. a. O. pag. 363. Tab. I. Fig. 2. Lucio - perca volgensis.
Heckel und Kner Nr. 13: pag. 12. Fig. 3. Lucioperca volgensis.
Jeitteles: Prodromus Faunae Vertebratorum Hungariae superioris. Wien, 1862 (vergl. die Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. Bd. XII. 1862. pag. 290.) Lucioperca volgensis.
Artcharakter: Rücken und Seiten des Leibes grünlichgrau, Bauch weisslich; vom Rücken ziehen sich an den Seiten her - ab scharf abgegrenzte schwärzliche Querbinden; beide Rückenflossen mit schwarzen Längsbinden und nebst der Schwanzflosse schwärzlich gesäumt, die übrigen Flossen weisslich.
1. D. 13 — 14, 2. D. 2 / 20 — 22, P. 14 — 15, V. 1 / 15, A. 2 / 9, C. 17, Squ. 10 / 70 — 72 / 17 — 18.
Diese von Pallas unter dem Namen Perca volgensis zuerst beschriebene Lucioperca unterscheidet sich von dem gemeinen Amaul durch einen weniger gestreckten Leib, durch einen kürzeren und höheren Kopf, sowie durch eine engere Mundspalte. Heckel und Kner (a. a. O.) heben noch hervor, dass bei der Lucioperca volgensis der aufsteigende Ast des Kiemen-Vordeckels nicht senkrecht stehe, wie bei Lucioperca Sandra, sondern stark nach vorn ge - neigt sei.
v. Siebold, Fische. 27418Zusätze.Die Luc. volgensis, welche die Grösse des gemeinen Amaul erreichen kann, war bis jetzt innerhalb der östreichischen Monarchie nur im Dniester (nach Heckel) und in der Theiss (nach Jeitteles) gefunden worden. Erst seit kurzem hat Jeitteles1)Vergl. Jeitteles: Ueber das Vorkommen von Lucioperca volgensis bei Wien, in den Verhandlungen der zoolog. botan. Gesellschaft in Wien. 1862. pag. 113. einige Exemplare derselben erhalten, welche in der March bei Marchegg gefangen waren, wodurch das Vorkommen dieses ost - europäischen Fisches auch für Mitteleuropa festgestellt wäre. Da dem uner - müdlich thätigen Heckel, dem grössten Ichthyologen Oestreichs, das Vorkom - men dieses Fisches bei Wien unbekannt geblieben war, so stimme ich Herrn Jeitteles bei, wenn derselbe annimmt, dass diese Percoiden-Form erst in der letzten Zeit aus den östlichen Gegenden Europa’s in die mittleren Regionen unseres Erdtheils einzuwandern angefangen habe.
Zu pag. 164.
Den von Nordmann (in der Faune Pontique a. a. O. pag. 497. Tab. 23. Fig. 2) beschriebenen und abgebildeten Aspius fasciatus habe ich stets mit mistrauischem Auge angesehen; es ist mir dieses Fischlein von Anfang an als ein Alburnus bipunctatus erschienen, der gerade im schönsten Hochzeitskleide prangt, in welchem derselbe freilich von dem im einfachen Kleide dargestell - ten Cyprinus bipunctatus des Bloch ausserordentlich absticht. Nachdem nun Jeitteles (Prodrom. Faun. Vertebrat. Hungar. a. a. O. pag. 302) diesen Al - burnus fasciatus auf dem Fischmarkte zu Olmütz in Mähren aufgefunden hat, handelt es sich darum, festzustellen, dass dieser Alburnus wirklich nichts an - ders ist, als ein Alb. bipunctatus, zumal da Jeitteles von demselben aus - sagt, dass sein Zahnsystem aus 2.5 linken und 2.4 rechten Schlundzäh - nen bestehe, während für die Gattung Alburnus sich bisher die Zahnformel 2.5 — 5.2 geltend gemacht hatte. Nach Steindacher’s Wahrnehmungen2)S. dessen Bemerkungen über verschiedene Fische des Donaugebietes. Ebenda. 1863. pag. 489. ist der Alburnus fasciatus Nordm., wie er von Jeitteles im Hernadflusse Ober - ungarns aufgefunden wurde, zweifellos Alburnus bipunctatus Bl. Nach diesen Mittheilungen stellt sich weiter heraus, dass die Zahnformel des Alb. bipunc - tatus hier und da variirt. Steindacher2)S. dessen Bemerkungen über verschiedene Fische des Donaugebietes. Ebenda. 1863. pag. 489. hat an 44 von Heckel selbst als Alb. bipunctatus bestimmten Individuen die meisten mit der Zahnformel 2.5 — 4.2 ausgestattet gesehen, während drei sehr kleine Individuen die Zahnformel 2.3 — 3.2 und vier grosse Individuen die Zahnformel 2.4 — 4.2 besassen. Der von Kessler3)Vergl. dessen Auszüge aus dem Berichte über eine an die nordwestl. Küsten des schwarzen Meeres etc. unternommene Reise, in dem Bulletin de Moscou. A. a. O. 1859. pag. 535. als neu beschriebene Alb. maculatus, welcher419Zusätze.aber nach seiner eigenen Aussage1)Vergl. Jeitteles: Prodrom. Faun. Vertebr. Hungar. a. a. O. pag. 302. mit Nordmann’s Aspius fasciatus identisch ist, enthält die Zahnformel 2.5 — 4.2; dieser Befund weicht freilich von den Angaben Nordmann’s ausserordentlich ab, da letzterer an seinem Aspius fas - ciatus (a. a. O. pag. 499) bald 3.5 — 5.3, bald 4.5 — 5.4 Zähne gefunden haben will. Ob diese sich widersprechenden Zahlenverschiedenheiten nicht vielleicht durch ein Versehen bei der Auffassung der Zahnstellung des Alb. bipunctatus zu Stande gekommen sind, wage ich nicht zu entscheiden; dass aber zu einem solchen Versehen gerade bei Alb. bipunctatus leicht Gelegenheit gegeben ist, davon glaube ich mich überzeugt zu haben, indem ich bei einer wiederholten Revision meiner Vorräthe von Schlundknochen dieses Weiss - fisches an den meisten so viele Zahnlücken wahrnahm, dass ich auf den rech - ten Schlundknochen ein Vorherrschen der Stellung der Zähne mit der Formel 4.2 nur durch die grösste Mühe und Aufmerksamkeit habe herauszählen können. Um über diese abweichende Zahnformel des Alburnus bipunctatus eine ganz sichere Auskunft geben zu können, habe ich noch kürzlich an 174 Exemplaren dieses Weissfisches die Schlundknochen untersucht und mit Ausnahme von 4 Individuen an allen übrigen die Zahnformel 2.5 — 4.2 an - getroffen, von diesen 170 Individuen waren 81 mit vollständigen Zähnen aus - gestattet, die übrigen 86 besassen sehr lückenhafte Schlundzähne, welche um so schwerer die wahre Anordnung ihres Zahnsystems erkennen liessen, als die ausgefallenen Zähne nur sehr seichte und sehr leicht zu übersehende Gruben auf den Schlundknochen zurückgelassen hatten. Von den 4 Indivi - duen mit abweichender Zahnstellung besass ein Individuum die Zahnformel 2.4 — 4.2, ein anderes die Zahnformel 2.4 — 5.2 und bei zweien derselben standen die Zähne zu 2.5 — 5.2 auf den beiden Schlundknochen.
Hiernach muss aber jedenfalls der Charakter der Gattung Alburnus fol - gende Modification erleiden:
Die Schlundzähne in zwei Reihen, entweder zu 2 und 5 auf beiden Seiten oder auf der linken zu 2 und 5 und auf der rech - ten Seite zu 2 und 4.
Nach dieser Modification wird alsdann den Artcharakteren des Alb. bi - punctatus noch hinzuzufügen sein:
Auf der linken Seite immer 2 und 5 Zähne und auf der rech - ten Seite meistens 2 und 4 Zähne.
Zu pag. 299. Anmerkung 1.
Der sogenannte Rümpchen-Fang ist ein anderer am Niederrhein seines alten Herkommens wegen geduldeter Misbrauch, in Folge dessen unzählige27*420Zusätze.Fischbrut aus der Ahr weggefangen und als Delicatesse genossen werden. Von Troschel (Nr. 61. b.) wurde diese Fischbrut, welche unter dem gemein - samen Namen » Rümpchen « in den Handel gebracht werden, einer genaueren Untersuchung unterworfen. Derselbe erkannte in dem » Lutter-Rümpchen « oder » süssen Rümpchen « eine Cobitis barbatula L., in dem » Riedlingchen « oder » Bitter-Rümpchen « den Phoxinus laevis Ag., in dem » Güwchen « den Gobio fluviatilis C. und in dem » Kaulkopf « den Cottus Gobio L., während die unter dem Namen » Gesäms « in den Handel gelangenden Rümpchen nach Troschel’s Untersuchungen aus der kleinsten Brut aller in der Ahr lebenden Fische be - stehen. Derselbe bemerkte unter diesen Gesäms nicht bloss die Brut der vor - hin erwähnten Fische, sondern auch noch die Brut von Alburnus lucidus H., Squalius Cephalus L., Leuciscus rutilus L., Barbus fluviatilis Ag. und Trutta Fario L. In Bezug auf die Frage, ob der Rümpchenfang der grossen Fischerei schädlich sei, spricht sich Troschel zu Gunsten der Rümpchen-Liebhaber aus, weil die meisten dieser Rümpchen für die Fischerei durchaus werthlose Fische seien. Da aber ein grosser Theil dieser werthlosen Fische den edlen Fischen zur unentbehrlichen Nahrung dienen, so möchte sich doch der Rümpchenfang keineswegs vertheidigen lassen.
(Die Synonymen und Varietäten sind cursiv gedruckt.)
(Die ausser Deutschland gebräuchlichen Volksnamen sind cursiv gedruckt.)
Fig.1. Männchen im Hochzeitskleide.
Fig.2. Weibchen zur Laichzeit mit seiner langen Legeröhre.
Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Antiqua
Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.