PRIMS Full-text transcription (HTML)
[figure]
[I]
Die Weber.
(Übertragung.)
[II][III]
GERHART HAUPTMANN.
Die Weber.
(Übertragung.) Schauſpiel aus den vierziger Jahren.
Berlin.S. Fiſcher, Verlag1892.
[IV][V]

Meinem Vater Robert Hauptmann widme ich dieſes Drama.

[VI][VII]

Wenn ich Dir, lieber Vater, dieſes Drama zu - ſchreibe, ſo geſchieht es aus Gefühlen heraus, die Du kennſt und die an dieſer Stelle zu zerlegen keine Nöthigung beſteht.

Deine Erzählung vom Großvater, der in jungen Jahren, ein armer Weber, wie die Geſchilderten hinter’m Webſtuhl geſeſſen, iſt der Keim meiner Dichtung geworden, die, ob ſie nun lebenskräftig, oder morſch im Jnnern ſein mag, doch das Beſte iſt, was ein armer Mann wie Hamlet iſt zu geben hat. Dein Gerhart.

[VIII]
[1]

Erſter Akt.

Die Weber. 1[2][3]

Perſonen des erſten Aktes.

  • Fabrikantengruppe:
  • Dreißiger, Parchend-Fabrikant.
    • Pfeifer, Expedient
    • Neumann, Caſſirer
    • Der Lehrling,
    • bei Dreißiger.

  • Webergruppe:
  • Bäcker.
  • Der alte Baumert.
  • Reimann.
  • Heiber.
  • Erſter Weber.
  • Erſte Weberfrau.
  • Ein alter Weber.
  • Ein Junge.
  • Eine Anzahl Weber und Weberfrauen.
1*[4][5]

Ein geräumiges, graugetünchtes Zimmer in Dreißigers Haus zu Peterswaldau. Der Raum, wo die Weber das fertige Ge - webe abzuliefern haben. Linker Hand ſind Fenſter ohne Gardinen, in der Hinterwand eine Glasthür, rechts eine eben - ſolche Glasthür, durch welche fortwährend Weber, Weberfrauen und Kinder ab - und zugehen. Längs der rechten Wand, die, wie die übrigen, größtentheils von Holzgeſtellen für Parchend verdeckt wird, zieht ſich eine Bank, auf der die angekommenen Weber ihre Waare ausgebreitet haben. Jn der Reihenfolge der Ankunft treten ſie vor und bieten ihre Waare zur Muſterung. Expedient Pfeifer ſteht hinter einem großen Tiſch, auf welchen die zu muſternde Waare vom Weber gelegt wird. Er bedient ſich bei der Schau eines Cirkels und einer Lupe. Jſt er zu Ende mit der Unterſuchung, ſo legt der Weber den Parchend auf die Wage, wo ein Comptoirlehrling ſein Gewicht prüft. Die abgenommene Waare ſchiebt derſelbe Lehrling in’s Repoſitorium. Den zu zahlenden Lohnbetrag ruft Expedient Pfeifer dem an einem kleinen Tiſchchen ſitzenden Kaſſirer Neumann jedesmal laut zu.

Es iſt ein ſchwüler Tag gegen Ende Mai. Die Uhr zeigt zwölf. Die meiſten der harrenden Webersleute gleichen Menſchen, die vor die Schranken des Gerichts geſtellt ſind, wo ſie in peinigender Geſpanntheit eine Entſcheidung über Tod und Leben zu erwarten haben. Hinwiederum haftet allen etwas Gedrücktes, dem Almoſenempfänger Eigenthümliches an, der, von Demüthigung zu Demüthigung ſchreitend, im Bewußt - ſein nur geduldet zu ſein, ſich ſo klein als möglich zu machen gewohnt iſt. Dazu kommt ein ſtarrer Zug reſultatloſen, bohrenden Grübelns in aller Mienen. Die Männer, einander ähnelnd, halb zwerghaft, halb ſchulmeiſterlich, ſind in der Mehr - zahl flachbrüſtige, hüſtelnde, ärmliche Menſchen mit ſchmutzig - blaſſer Geſichtsfarbe: Geſchöpfe des Webſtuhls, deren Kniee in Folge vielen Sitzens gekrümmt ſind; ihre Weiber zeigen weniger Typiſches auf den erſten Blick; ſie ſind aufgelöſt, gehetzt, ab - getrieben, während die Männer eine gewiſſe klägliche Gravität noch zur Schau tragen und zerlumpt, wo die Männer6 geflickt ſind. Die jungen Mädchen ſind mitunter nicht ohne Reiz; wächſerne Bläſſe, zarte Formen, große, hervorſtehende, melancholiſche Augen ſind ihnen dann eigen.

Caſſirer Neumann
(Geld aufzählend).

Bleibt ſech - zehn Silbergroſchen zwei Pfennig.

Erſte Weberfrau
(dreißigjährig, ſehr abgezehrt, ſtreicht das Geld ein mit zitternden Fingern).

Sind ſe bedankt.

Neumann
(als die Frau ſtehen bleibt).

Nu? ſtimmt’s etwa wieder nich?

Erſte Weberfrau
(bewegt, flehentlich).

A par Fenniche uf Vorſchuß hätt ich doch halt a ſo netig.

Neumann.

Jch hab a par hundert Thaler nötig. Wenn’s ufs Nötighaben ankäm !

(Schon mit Auszahlen an einen andern Weber beſchäftigt, kurz.)

Jber den Vor - ſchuß hat Herr Dreißiger ſelbſt zu beſtimmen.

Erſte Weberfrau.

Kend ich da vielleicht ama mit’n Herr Dreißiger ſelber redn?

Expedient Pfeifer
(ehemaliger Weber. Das Typiſche an ihm iſt unverkennbar; nur iſt er wohlgenährt, gepflegt, gekleidet, glatt raſirt, auch ein ſtarker Schnupfer. Er ruft barſch herüber).

Da hätte Herr Dreißiger weiß Gott viel zu thun, wenn er ſich um jede Kleenigkeit ſelber bekimmern ſollte. Dazu ſind wir da.

(Er zirkelt und unterſucht mit der Lupe.)

Schwerenotht! Das zieht.

(Er packt ſich einen dicken Shawl um den Hals.)

Machl de Thire zu, wer ’rein kommt.

Der Lehrling
(laut zu Pfeifer).

Das is, wie wenn man mit Klötzen redte.

Pfeifer.

Abgemacht ſela! Wage!

(Der Weber legt das Webe auf die Wage.)

Wenn Jhr ock Eure Sache beſſer verſtehn thät’t. Treppn hat’s wieder drinne ich ſeh gar nich hin. A guter Weber verſchiebt’s Auf - bäumen nich wer weeß wie lange.

Bäcker
(iſt gekommen. Ein junger, ausnahmsweiſe ſtarker Weber deſſen Gebahren ungezwungen, faſt frech iſt. Pfeifer, Neumann und der Lehr -7 ling werfen ſich bei ſeinem Eintritt Blicke des Einvernehmens zu).

Schwere Noth ja! Da ſoll eener wieder ſchwitzn wie a Laugenſack.

Erſter Weber
(halblaut).

’S ſticht gar ſehr nach Regen.

Der alte Baumert
(drängt ſich durch die Glasthür rechts. Hinter der Thür gewahrt man die Schulter an Schulter gedrängt, zuſammen - gepfercht wartenden Webersleute. Der Alte iſt nach vorn gehumpelt und hat ſein Pack in der Nähe des Bäcker auf die Bank gelegt. Er ſetzt ſich daneben und wiſcht ſich den Schweiß).

Hier is ’ne Ruh verdient.

Bäcker.

Ruhe is beſſer wie a Beemen Geld.

Der alte Baumert.

A Beemen Geld mechte ooch ſein. Gun Tag ooch Bäcker!

Bäcker.

Tag ooch Vater Baumert! Ma muß wieder lauern wer weeß wie lange!

Erſter Weber.

Das kommt nich druf an. A Weber wart’t an’n Stunde oder an’n Tag. A Weber is ock ’ne Sache.

Pfeifer.

Gebt Ruhe dahinten! Man verſteht ja ſei eignes Wort nich.

Bäcker
(leiſe).

A hat heute wieder ſein’n tälſchn Tag.

Pfeifer
(zu dem vor ihm ſtehenden Weber).

Wie oft hab ich’s Euch ſchonn geſagt: Beſſer putzen ſollt er. Was is denn das für ’ne Schlauderei? Hier ſind Klunkern drinne, ſo lang wie mei Finger, und Stroh und allerhand Dreck.

Weber Reimann.

’S mächt halt a neu Nopp - Zängl ſein.

Lehrling
(hat das Webe gewogen).

’S fehlt auch am Gewicht.

Pfeifer.

Eine Sorte Weber is hier ſo. Schade für jede Kette, die man ausgibt. O Jes’s, zu meiner Zeit! Mir hätt’s woll mei Meiſter angeſtrichen. Dazumal da war das noch a ander Ding um das8 Spinnweſen. Da mußte man noch ſei Geſchäfte ver - ſtehn. Heute da is das nich mehr nötig. Reimann zehn Silbergroſchen.

Weber Reimann.

E Fund wird doch gerechn’t uuf Abgang.

Pfeifer.

Jch hab keine Zeit. Abgemacht ſela. Was bringt Jhr?

Weber Heiber
(legt ſein Webe auf. Während Pfeifer unter - ſucht, tritt er an ihn und redet halblaut und eifrig in ihn hinein).

Se werden verzeihen, Herr Feifer, ich möchte Sie gittichſt gebet’n habn, ob Se vielleicht und Se wolltn ſo gnädig ſein und wolltn mir den Gefalln thun und lieſſen mir a Vorſchuß dasmal nich abrechn.

Pfeifer
(zirkelnd und guckend, höhnt).

Nu da! Das macht ſich ja etwan. Hier is woll d’r halbe Einſchuß wieder auf a Feifeln geblieb’n?

Weber Heiber
(in ſeiner Weiſe fortfahrend).

Jch wollts ja gerne uf de neue Woche gleiche machn. Vergangne Woche hatt ich blos zwee Howetage auf’n Dominium zu leiſtn. Dabei liegt Meine krank derheeme ....

Pfeifer
(das Stück an die Wage gebend).

Das is eben wieder ne richt’ge Schlauderarbeit.

(Schon wieder ein neues Webe in Augenſchein nehmend.)

So ein Salband, bald breit, bald ſchmal. Emal hat’s der Einſchuß zu - ſammen gerißn, wer weeß wie ſehr, dann hat’s wieder mal ’s Sperrrittl auseinandergezog’n. Und auf a Zoll kaum ſiebzig Faden Eintrag. Wo is denn der Jbriche? Wo bleibt da die Reellität? Das wär ſo was!

Weber Heiber
(unterdrückt Thränen, ſteht gedemüthigt und hilflos).
Bäcker
(halblaut zu Baumert).

Der Pakaſche mächt ma noch Garn drzune koofen.

Erſte Weberfrau
(welche nur wenig vom Caſſentiſch zurück - getreten war und ſich von Zeit zu Zeit mit ſtarren Augen hilfeſuchend um - geſehen hat, ohne von der Stelle zu gehen, faßt ſich ein Herz und wendet ſich von Neuem flehentlich an den Caſſirer).

Jch kann halt balde 9 ich weeß gar nich, wenn Se mir das Mal und geb’n mir keen’n Vorſchuß o Jeſis, Jeſis.

Pfeifer
(ruft herüber).

Das is a Gejeſere. Laßt blos a Herr Jeſus in Frieden. Jhr habt’s ja ſonſt nich ſo ängſtlich um a Herr Jeſus. Paßt lieber auf Euern Mann uf, das und man ſieht’n nich aller Augenblicke hinter’m Kretſchamfenſter ſitz’n. Wir kenn kein’n Vorſchuß geb’n. Wir miſſ’n Rechenſchaft ab - legen dahier. ’S is auch nich unſer Geld. Von uns wird’s nachher verlangt. Wer fleißig is und ſeine Sache verſteht und in der Furcht Gottes ſeine Arbeit verricht’t, der braucht iberhaupt nie kein’n Vorſchuß nich. Abgemacht Seefe.

Neumann.

Und wenn a Bielauer Weber ’s vierfache Lohn kriegt, da verfumfeit er’s vierfache und macht noch Schulden.

Erſte Weberfrau
(laut, gleichſam an das Gerechtigkeitsgefühl Aller apellirend).

Jch bin gewiß ni faul, aber ich kann ni mehr a ſo fort. Jch hab halt doch zwee Mal an Jbergang gehabt. Und was de mei Mann is, der is ooch bloßich halb; a war bei’m Zerlauer Schäfer, aber der hat’n doch au nich ken’n von ſein’n Schad’n helfn und da Zwing’n kann ma’s doch nich Mir arbeitn gewiß, was wir ufbringen. Jch hab ſchonn viele Woch’n keen’n Schlaf in a Augn gehabt, und ’s wird auch ſchonn wieder gehn, wenn ock ich und ich wer de Schwäche wieder a biſſel raus kriegn aus a Knochn. Aber Se miſſn halt ooch a eenziges Bißl a Einſehn hab’n.

(Jnſtändig, ſchmeichleriſch flehend.)

Sind S ock ſchonn gebetn und bewilligen mer das Mal a par Greſchl.

Pfeifer
(ohne ſich ſtören zu laſſen).

Fiedler elf Silber - groſchen.

Erſte Weberfrau.

Blos a par Greſchl, daß m’r zu Brote kommen. D’r Pauer borgt niſcht mehr. Ma hat a Häuffl Kinder

Neumann
(halblaut und mit komiſchem Ernſt zum Lehrling).
10

Die Leinweber haben alle Jahre ein Kind, alle walle, alle walle, puff, puff, puff.

Der Lehrling
(giebt ebenſo zurück).

Die Blitzkröte iſt ſechs Wochen blind

(ſummt die Melodie zu Ende)

alle walle, alle walle, puff, puff, puff.

Weber Reimann
(das Geld nicht anrührend, welches der Caſſirer ihm aufgezählt hat).

Mer hab’n doch jetzt immer drei - zehntehalb Beemen kriegt fer a Webe.

Pfeifer
(ruft herüber).

Wenn’s Euch nich paßt, Rei - mann, da braucht er blos ein Wort ſag’n. Weber hat’s genug. Vollens ſolche wie Jhr ſeid. Für ’n volles Gewichte giebt’s auch ’n vollen Lohn.

Weber Reimann.

Das hier was fehl’n ſollte, an’n Gewichte ....

Pfeifer.

Bringt ein fehlerfreies Stick Parchent, da wird auch am Lohn nichts fehl’n.

Weber Reimann.

Daſ’s hier und ſollte zu viel Placker drinne hab’n, das kann doch reen gar nich meeglich ſein.

Pfeifer
(im Unterſuchen).

Wer gut webt, der gut lebt.

Weber Heiber
(iſt in der Nähe Pfeifer’s geblieben um nochmals einen günſtigen Augenblick abzupaſſen. Ueber Pfeifer’s Wortſpiel hat er mitgelächelt, nun tritt er an ihn und redet ihm zu wie das erſte Mal).

Jch wollte ihn gittichſt gebeten hab’n, Herr Feifer, ob Se viel - leicht und Se wollt’n a ſo barmherzich ſein und rechtn mir a Fimfbeemer Vorſchuß das Mal nich ab. Meine liegt ſchon ſeit d’r Fasnacht krumm im Bette. Se kann mer keen’n Schlag Arbeit nicht verrichtn. Da muß ich a Spulmädel bezal’n. Deshalb

Pfeifer
(ſchnupft).

Heiber, ich hab nich blos Euch alleene abzufertign. Die Andern woll’n auch dran - kommen.

Weber Reimann.

So hab ich de Werfte kriegt a ſo hab ich ſe unfgebäumt und wieder runter ge - nommen. A beſſer Garn wie ich kriegt hab, kann ich nich zurickbringen.

11
Pfeifer.

Paßt’s euch nich, da braucht er euch blos keene Werfte mehr abzuholn. Wir habn ’r genug, die ſich’s Leder von a Fiſſen dernach ablaufn.

Neumann
(zu Reimann).

Wollt ihr das Geld nich nehmen?

Weber Reimann.

Jch kann mich durchaus a ſo nich zufriede geben.

Neumann
(ohne ſich weiter um Reimann zu bekümmern).

Heiber zehn Silbergroſchen. Geht ab fünf Silber - groſchen Vorſchuß. Bleiben fünf Silbergroſchen.

Weber Heiber
(tritt heran, ſieht das Geld an, ſteht, ſchüttelt den Kopf, als könnte er etwas garnicht glauben und ſtreicht das Geld langſam und umſtändlich ein).

O meins, meins!

(Seufzend.)

Nu, da da!

Der alte Baumert
(Heiber’n in’s Geſicht).

Ja, ja Franze! Da kann eens ſchon manchmal ’n Seufzrich thun.

Weber Heiber
(mühſam redend).

Sieh ock, ich hab a krank Mädel derheeme zu liegn. Da mecht a Fläſchl Medezin ſein.

Der alte Baumert.

Wo thut’s er’n fehlen?

Weber Heiber.

Nu ſieh ock, ’s war halt von kleen uf a vermickertes Dingl. Jch weeß garnich na, dir kann ich’s ja ſagn: ſe hat’s mit uf de Welt gebracht. A ſo ’ne Unreenichkeit iber und iber bricht ’r halt durch’s Geblitte.

Der alte Baumert.

Jberall hat’s was. Wo eemal’s Armutt is, da kommt ooch Unglicke iber Unglicke. Da is o kee Halt und keene Rettung.

Weber Heiber.

Was haſt d’nn da eingepackt in dem Tichl?

Der alte Baumert.

Mir ſein halt gar blank derheeme. Da hab ich halt unſer Hundl ſchlachtn laſſen. Viel is ni dran, a war o halb d’rhungert. ’S war a klee nettes Hundl. Selber abſtechen mocht ich ’n nich. Jch konnt mer eemal kee Herze nich faſſn.

12
Pfeifer
(hat Bäcker’s Webe unterſucht, ruft).

Bäcker, drei - zehntehalb Silbergroſchen.

Bäcker.

Das is a ſchäbiges Almoſen aber kee Lohn.

Pfeifer.

Wer abgefertigt is, hat’s Lokal zu verlaſſen. Wir kenn uns vorhero nich rihren.

Bäcker
(zu den Umſtehenden, ohne ſeine Stimme zu dämpfen).

Das is a ſchäbiges Trinkgeld, weiter niſcht. Da ſoll eens treten vom frihen Morgn bis in die ſinkende Nacht. Und wenn man achtz’n Tage iberm Stuhle gelegn hat, Abend ver Abend wie ausgewundn, halb drehnig vor Staub und Gluthitze, da hat man ſich glicklich drei - z’ntehalb Beemen erſchindt.

Pfeifer.

Hier wird nich gemault!

Bäcker.

Vo ihn laß ich mer’ſch Maul noch lange nich verbietn.

Pfeifer
(ſpringt mit dem Ausruf)

das mecht ich doch amal ſehn

(nach der Glasthür und ruft in’s Comptoir).

Herr Dreißicher, Herr Dreißicher, mechten ſie amal ſo freundlich ſein!

Dreißiger
(kommt. Junger Vierziger, fettleibig, aſtmatiſch. Mit ſtrenger Miene).

Was giebt’s denn, Pfeifer?

Pfeifer
(glupſch).

Bäcker will ſichs Maul nich verbieten laſſen.

Dreißiger
(giebt ſich Haltung, wirft den Kopf zurück, fixiert Bäcker mit zuckenden Naſenflügeln).

Ach ſo Bäcker!

(Zu Pfeiffer.)

Js das der ?

(Die Beamten nicken.)
Bäcker
(frech).

Ja, ja, Herr Dreißicher!

(Auf fich zeigend.)

Das is der

(auf Dreißiger zeigend)

und das is der.

Dreißiger
(indignirt).

Was erlaubt ſich denn der Menſch!?

Pfeifer.

Dem geht’s zu gutt! Der geht a ſo lange auf’s Eis tanzen, bis a’s amal verſehen hat.

Bäcker
(brutal).

O du Fennigmanndl, halt ock du deine Freſſe. Deine Mutter mag ſich woll ei a Neunmonden beim Beſenreit’n am Lucifer verſehn habn, das a ſo a Teiwel aus dir geworn is.

13
Dreißiger
(in ausbrechendem Jähzorn, brüllt).

Maul halten! auf der Stelle Maul halten, ſonſt

(er zittert, thut ein paar Schritte vorwärts).
Bäcker
(mit Entſchloſſenheit ihn erwartend).

Jch bin nich taub. Jch höhr noch gut.

Dreißiger
(überwindet ſich, fragt mit anſcheinend geſchäftsmäßiger Ruhe).

Js der Burſche nicht auch dabei geweſen?

Pfeifer.

Das is a Bielauer Weber. Die ſind iberall d’rbei, wo’s ’n Unfug zu machen gibt.

Dreißiger
(zitternd).

Jch ſag euch alſo: paſſirt mir das noch einmal und zieht mir noch einmal ſo eine Rotte Halbbetrunkener, ſo eine Bande von grünen Lümmeln am Hauſe vorüber wie geſtern Abend mit dieſem niederträchtigen Liede

Bäcker.

’s Bluttgericht meenen ſe woll?

Dreißiger.

Er wird ſchon wiſſen, welches ich meine. Jch ſag euch alſo: hör ich das noch einmal, dann laß ich mir einen von euch ’rausholen und auf Ehre, ich ſpaße nicht, den übergebe ich dem Staatsanwalt. Und wenn ich ’raus bekomme, wer dies elende Machwerk von einem Liede

Bäcker.

Das is a ſchee Lied, das!

Dreißiger.

Noch ein Wort und ich ſchicke zur Polizei augenblicklich. Jch fackle nicht lange. Mit euch Jungens wird man doch noch fertig werden. Jch bin doch ſchon mit ganz andren Leuten fertig geworden.

Bäcker.

Nu das will ich globn. A ſo a richtiger Fabrikante, der wird mit zwee-dreihundert Webern fertich, eh man ſich umſieht. Da läßt a och noch ni a par morſche Knochn ibrich. A ſo eener der hat vier Magn wie ne Kuh und a Gebiß wie a Wolf. Nee nee, da hat’s niſcht!

Dreißiger
(zu den Beamten).

Der Menſch bekommt keinen Schlag Arbeit mehr bei uns.

14
Bäcker.

O, ob ich am Webſtuhle derhungere, oder im Straßengrabn, das is mir egal.

Dreißiger.

’Raus, auf der Stelle raus!

Bäcker
(feſt).

Erſt will ich mei Lohn habn.

Dreißiger.

Was kriegt der Kerl, Neumann?

Neumann.

Zwölf Silbergroſchen fünf Pfennige.

Dreißiger
(nimmt überhaſtig dem Kaſſirer das Geld ab und wirft es auf den Zahltiſch, ſo daß einige Münzen auf die Diele rollen).

Da! hier! und nu raſch mir aus den Augen!

Bäcker.

Erſcht will ich mei Lohn habn.

Dreißiger.

Da liegt ſein Lohn; und wenn er nun nich macht, daß er ’raus kommt .... Es iſt grade zwölf .... Meine Färber machen grade Mittag ....

Bäcker.

Mei Lohn gehört in meine Hand. Hie her gehört mei Lohn.

(Er berührt mit den Fingern der rechten, die Handfläche der linken Hand.)
Dreißiger
(zum Lehrling).

Heben Sie’s auf, Tilgner.

Der Lehrling
(thut es, legt das Geld in Bäcker’s Hand).
Bäcker.

Das muß alls ſein’n richtchen Paß gehn.

(Er bringt, ohne ſich zu beeilen, in einen alten Beutel das Geld unter.)
Dreißiger.

Nu?

(Als Bäcker ſich noch immer nicht entfernt, ungeduldig.)

Soll ich nun nachhelfen?

(Unter den dichtgedrängten Webern iſt eine Bewegung entſtanden. Jemand ſtößt einen langen, tiefen Seufzer aus. Darauf geſchieht ein Fall. Alles Jntereſſe wendet ſich dem neuen Ereigniß zu.)
Dreißiger.

Was giebt’s denn da?

Verſchiedene Weber und Weberfrauen.

’Sis eener hingeſchlagn. ’Sis a klee hiprich Jungl. Js’s etwa de Kränkte oder was?!

Dreißiger.

Ja wie denn? Hingeſchlagen?

(Er geht näher.)
Alter Weber.

A liegt halt da.

(Es wird Platz gemacht. Man ſieht einen etwa achtjährigen Jungen wie todt an der Erde liegen.)
Dreißiger.

Kennt Jemand den Jungen?

Alter Weber.

Aus unſerm Dorfe is a nich.

Der alte Baumert.

Der ſieht ja bald aus, wie Heinrichen’s.

(Er betrachtet ihn genauer.)

Ja, ja! Das is Heinrichen’s Guſtavl.

15
Dreißiger.

Wo wohnen denn die Leute?

Der alte Baumert.

Nu, oben bei uns, in Kaſchbach, Herr Dreißicher. Er geht Muſicke machen, und am Tage da liegt a iberm Stuhle. Se han neun Kinder und’s zehnte is unterwegens.

Verſchiedene Weber und Weberfrauen.

Den Leutn geht’s gar ſehr kimmerlich. Den regnt’s in de Stube. Das Weib hat keene zwee Hemdl fer die neun Burſchen.

Der alte Baumert
(den Jungen anfaſſend).

Nu, Jungel, was hat’s denn mit Dir? Da wach ock uf!

Dreißiger.

Faßt mal mit an, wir wollen ihn mal aufheben. Ein Unverſtand ohne gleichen, ſo’n ſchwächliches Kind dieſen langen Weg machen zu laſſen. Bringen Sie mal etwas Waſſer, Pfeifer!

Weberfrau
(die ihn aufrichten hilft).

Mach ock ni etwa Dinge und ſtirb, Jungl!

Dreißiger.

Oder Cognac, Pfeifer, Cognac is beſſer.

Bäcker
(hat von Allen vergeſſen, beobachtend geſtanden. Nun, die eine Hand an der Thürklinke, ruft er laut und höhniſch herüber).

Gebt ’n ock was zu freſſen, da wird a ſchonn zu ſich kommen.

(Ab.)
Dreißiger.

Der Kerl nimmt kein gutes Ende. Nehmen Sie ihn unter’m Arm, Neumann. Langſam langſam ſo ſo wir wollen ihn in mein Zimmer bringen. Was wollen Sie denn?

Neumann.

Er hat was geſagt, Herr Dreißiger! Er bewegt die Lippen.

Dreißiger.

Was willſt Du denn, Jungel?

Der Junge
(haucht).

Mich h .. hungert!

Dreißiger
(wird bleich).

Man verſteht ihn nich.

Weberfrau.

Jch globe, a meinte

16
Dreißiger.

Wir werden ja ſehn. Nur ja nich aufhalten. Er kann ſich bei mir auf’s Sofa legen. Wir werden ja hören, was der Doctor ſagt.

(Dreißiger, Neumann und die Weberfrau führen den Jungen in’s Comptoir. Unter den Webern entſteht eine Bewegung, wie bei Schulkindern, wenn der Lehrer die Klaſſe verlaſſen hat. Man reckt und ſtreckt ſich, man flüſtert, tritt von einem Fuß auf den andern und in einigen Sekunden iſt das Reden laut und allgemein.)
Der alte Baumert.

Jch glob immer, Bäcker hat recht.

Mehrere Weber und Weberfrauen.

A ſagte ja o a ſo was. Das is hier niſcht Neues, das amal een’n d’r Hunger ſchmeißt. Na, iberhaupt, was de den Winter erſcht wern ſoll, wenn das hie und ’s geht a ſo fort mit der Lohnzwackerei. Und mit a Kartoffeln wird’s das Jahr gar ſchlecht. Hie wird’s au nich anderſcher, bis mer alle vollens uf’n Rickn liegn.

Der alte Baumert.

Am beſtn, ma macht’s, wie d’r Nentwich Weber, ma legt ſich a Schleefel um a Hals un knippt ſich am Webſtuhle uf. Da, nimm der ’ne Priſe, ich war in Neurode, da arbeit mei Schwager in d’r Fabricke, wo’s ’n machen, a Schnupp - taback. Der hat m’r a par Kerndl gegebn dahier. Was trägſt denn du in dem Tichl Schenes?

Alter Weber.

’Sis blos a bißl Perlgraupe. D’r Wagn vom Ullbrichmiller fuhr vor m’r her. Da war a Sack a biſſel ufgeſchlitzt. Das kommt mir gar ſehr zu paſſe, kanſt globn.

Der alte Baumert.

Zweiunzwanzich Mihlen ſein in Peterſchwalde, und fer unſereens fällt doch niſcht ab.

Alter Weber.

Ma muß ebens a Muth nich ſinkn laſſ’n, ’s kommt immer wieder was und hilft een a Stickl weiter.

Weber Heiber.

Ma muß ebens, wenn d’r Hunger kommt, zu a vierzehn Nothhelfern beten, und17 wenn ma dadervon etwa ni ſatt wird, da muß ma an Stein ins Maul nehmen und dran lutſchen. Gell, Baumert?

(Dreißiger, Pfeifer, ſowie der Caſſirer kommen zurück.)
Dreißiger.

Es war nichts von Bedeutung. Der Junge iſt ſchon wieder ganz munter.

(Erregt und puſtend umhergehend.)

Es bleibt aber immer eine Gewiſſen - loſigkeit. Das Kind iſt ja nur ſo’n Hälmchen zum umblaſen. Es iſt rein unbegreiflich, wie Menſchen wie Eltern ſo unvernünftig ſein können. Bürden ihm zwei Schock Parchend auf, gute anderthalb Meilen Wegs. Es is wirklich kaum zum glauben. Jch werde einfach müſſen die Einrichtung treffen, daß Kindern überhaupt die Waare nich mehr abgenommen wird.

(Er geht wiederum eine Weile ſtumm hin und her.)

Jedenfalls wünſche ich dringend, daß ſo etwas nicht mehr vorkommt. Auf wem bleibt’s denn ſchließlich ſitzen? Natürlich doch auf uns Fabrikanten. Wir ſind an allem ſchuld. Wenn ſo’n armes Kerlchen zur Winters - zeit im Schnee ſtecken bleibt und einſchläft, dann kommt ſo’n hergelaufener Scribent, und in zwei Tagen da haben wir die Schauergeſchichte in allen Zeitungen. Der Vater, die Eltern, die ſo’n Kind ſchicken .... i bewahre, wo werden die denn ſchuld ſein! Der Fabrikant muß ’ran, der Fabrikant is der Sünden - bock. Der Weber wird immer geſtreichelt, aber der Fabrikant wird immer geprügelt: das is ’n Menſch ohne Herz, ’n Stein, ’n gefährlicher Kerl, den jeder Preßhund in die Waden beißen darf. Der lebt herrlich und in Freuden und giebt den armen Webern Hungerlöhne. Daß ſo’n Mann auch Sorgen hat und ſchlafloſe Nächte, daß er ſein großes Riſiko läuft, wovon der Arbeiter ſich nichts träumen läßt, daß er manchmal vor lauter dividiren, addiren und multipli - ciren, berechnen und wieder berechnen nich weiß, wo ihm der Kopf ſteht, daß er hunderterlei bedenken undDie Weber. 218überlegen muß und immerfort ſo zu ſagen auf Tod und Leben kämpft und concurrirt, daß kein Tag ver - geht ohne Aerger und Verluſt: darüber ſchweigt des Sängers Höflichkeit. Und was hängt nicht alles am Fabrikanten, was ſaugt nich alles an ihm und will von ihm leben. Nee, nee! ihr ſolltet nur manchmal in meiner Haut ſtecken, ihr würd’s bald genug ſatt kriegen.

(Nach einiger Sammlung.)

Wie hat ſich dieſer Kerl, dieſer Burſche da, dieſer Bäcker hier aufgeführt! Nun wird er gehen und auspoſaunen, ich wäre wer weiß wie unbarmherzig. Jch ſetzte die Weber bei jeder Kleinigkeit mir nichts, dir nichts vor die Thür. Js das wahr? Bin ich ſo unbarmherzig?

Viele Stimmen.

Nee, Herr Dreißicher!

Dreißiger.

Na, das ſcheint mir doch auch ſo. Und dabei ziehen dieſe Lümmels umher und ſingen gemeine Lieder auf uns Fabrikanten, wollen von Hunger reden und haben ſo viel übrig, um den Fuſel quartweiſe conſumiren zu können. Sie ſollten mal die Naſe hübſch wo anders neinſtecken und ſehen, wie’s bei den Leinwandwebern ausſieht. Die können von Noth reden. Aber ihr hier, ihr Parchentweber, ihr ſteht noch ſo da, daß ihr nur Grund habt, Gott im Stillen zu danken. Und ich frage die alten fleißigen und tüchtigen Weber, die hier ſind: kann ein Arbeiter, der ſeine Sachen zuſammenhält, bei mir auskommen oder nicht?

Sehr viele Stimmen.

Ja, Herr Dreißicher!

Dreißiger.

Na, ſeht ihr! So’n Kerl, wie der Bäcker natürlich nicht. Aber, ich rathe euch, haltet dieſe Burſchen im Zaume; wird mir’s zu bunt, dann quittire ich. Dann löſe ich das Geſchäft auf, und dann könnt ihr ſeh’n, wo ihr bleibt. Dann könnt ihr ſeh’n, wo ihr Arbeit bekommt. Bei Ehren-Bäcker ſicherlich nicht.

Erſte Weberfrau
(hat ſich an Dreißiger herangemacht, putzt19 mit kriechender Demuth Staub von ſeinem Rock.)

Se habn ſich a brinkel angeſtrichen, gnädicher Herr Dreißicher.

Dreißiger.

Die Geſchäfte geh’n hundsmiſerabel, das wißt ihr ja ſelbſt. Jch ſetze zu, ſtatt daß ich ver - diene. Wenn ich trotzdem dafür ſorge, daß meine Weber immer Arbeit haben, ſo ſetze ich voraus, daß das anerkannt wird. Die Waare liegt mir da in tauſenden von Schocken, und ich weiß heut noch nicht, ob ich ſie jemals verkaufen werde. Nun hab ich gehört, daß ſehr viele Weber hierum ganz ohne Arbeit ſind und da na, Pfeifer mag euch das Weitre auseinanderſetzen. Die Sache iſt nämlich die: damit ihr den guten Willen ſeht ich kann natürlich keine Almoſen austheilen, dazu bin ich nicht reich genug, aber ich kann bis zu einem gewiſſen Grade den Arbeits - loſen Gelegenheit geben, wenigſtens ’ne Kleinigkeit zu verdienen. Daß ich dabei ein immenſes Riſiko habe, iſt ja meine Sache. Jch denke mir halt: wenn ſich ein Menſch täglich ’ne Quarkſchnitte erarbeiten kann, ſo iſt doch das immer beſſer, als wenn er überhaupt hungern muß. Hab ich nicht recht?

Viele Stimmen.

Ja, ja! Herr Dreißicher.

Dreißiger.

Jch bin alſo gern bereit, noch zweihundert Webern Beſchäftigung zu geben. Unter welchen Umſtänden, wird Pfeifer euch auseinander - ſetzen.

(Er will gehen.)
Erſte Weberfrau
(vertritt ihm den Weg, ſpricht überhaſtet, flehend und dringlich).

Gnädijer Herr Dreißicher, ich wollte Sie halt recht freindlich gebetn habn, wenn ſe viel - leicht ich hab halt zweimal an Jbergang gehabt.

Dreißiger
(eilig).

Sprecht mit Pfeifer, gute Frau, ich hab mich ſo ſchon verſpätet.

(Er läßt ſie ſtehen.)
Weber Reimann
(vertritt ihm ebenfalls den Weg. Jm Tone der Kränkung und Anklage).

Herr Dreißicher, ich muß mich wirklich beklagn. Herr Feifer hat mer Jch hab2*20doch fer mei Webe jetzt immer zwölftehalb Beemen kriegt

Dreißiger
(fällt ihm in die Rede).

Dort ſitzt der Ex - pedient. Dorthin wendet euch: das is die richtige Adreſſe.

Weber Heiber
(hält Dreißiger auf).

Gnädiger Herr Dreißicher,

(ſtotternd und mit wirrer Haſt)

ich wollte ſe viel - mals gittigſt gebeten han, ob mir vielleicht und a kennde mer ob mer d’r Herr Feifer vielleicht und a kennde a kennde.

Dreißiger.

Was wollt ihr denn?

Weber Heiber.

Da Vorſchuß, dann ich’s letzte mal, ich meine, da ich

Dreißiger.

Ja, ich verſtehe euch wirklich nicht.

Weber Heiber.

Jch war a brinkl ſehr ei Noth, weil

Dreißiger.

Pfeifers Sache, Pfeifers Sache. Jch kann wirklich nicht macht das mit Pfeifer aus.

(Er entweicht in’s Comptoir.)
(Die Bittenden ſehen ſich hülflos an. Einer nach dem andern tritt ſeufzend zurück.)
Pfeifer
(die Unterſuchung wieder aufnehmend).

Na, Annl, was bringſt Du?

Der alte Baumert.

Was ſoll’s denn da ſetzn ſer a Webe, Herr Feifer?

Pfeifer.

Für’s Webe zehn Silbergroſchen.

Der alte Baumert.

Nu das macht ſich!

(Bewegung unter den Webern, Flüſtern und Murren.)
Ende des erſten Aktes.
[21]

Zweiter Akt.

[22][23]

Perſonen des zweiten Aktes.

  • Der alte Baumert.
  • Mutter Baumert,

    ſeine Frau.

  • Auguſt,

    ihr Sohn.

    • Emma,
    • Bertha,
    • ihre Töchter.

  • Fritz,

    uneheliches Kind der Emma.

  • Der alte Anſorge,

    Häusler und Weber.

  • Frau Heinrich,

    Weberfrau

    .
  • Moritz Jäger,

    enlaſſener Soldat, ehemaliger Webergeſelle.

[24][25]
Das Stübchen des Häuslers Wilhelm Anſorge zu Kaſchbach, im Eulengebirge. Jn einem engen, von der ſehr ſchadhaften Diele bis zur ſchwarz verräucherten Balkendecke nicht ſechs Fuß hohen Raum, ſitzen: zwei junge Mädchen, Emma und Bertha Baumert an Webſtühlen, Mutter Baumert, eine contracte Alte, auf einem Schemel am Bett, vor ſich ein Spulrad, ihr Sohn Auguſt zwanzigjährig, idiotiſch, mit kleinem Rumpf und Kopf und langen, ſpinnenartigen Extremitäten auf einem Fußſchemel, ebenfalls ſpulend. Durch zwei kleine, zum Theil mit Papier verklebte und mit Stroh verſtopfte Fenſterlöcher der linken Wand dringt ſchwaches, roſafarbenes Licht des Abends. Es fällt auf das weißblonde, offene Haar der Mädchen, auf ihre un - bekleideten, mageren Schultern, ſowie dünne wächſerne Nacken, auf die Falten des groben Hemdes im Rücken, das, nebſt einem kurzen Röckchen aus härteſter Leinewand, ihre einzige Be - kleidung iſt. Der alten Frau leuchtet der warme Hauch voll über Geſicht, Hals und Bruſt: ein Geſicht, abgemagert zum Skelett, mit Falten und Runzeln in einer blutloſen Haut, mit verſunkenen Augen, die durch Wollſtaub, Rauch und Arbeit bei Licht entzündlich geröthet und wäſſrig ſind einen langen Kropfhals mit Falten und Sehnen, eine eingefallene, mit ver - ſchoſſenen Tüchern und Lappen verpackte Bruſt. Ein Theil der rechten Wand, mit Ofen und Ofenbank, Bettſtelle und mehreren grell getuſchten Heiligenbildern ſteht auch noch im Licht. Auf der Ofenſtange hängen Lumpen zum trocknen, hinter dem Ofen iſt altes, werthloſes Gerümpel angehäuft. Auf der Ofenbank ſtehen einige alte Töpfe und Kochgeräthe, Kartoffelſchalen ſind zum dörren auf Papier gelegt ꝛc. ꝛc. Von den Balken herab hängen Garnſträhne und Weifen. Körbchen mit Spulen ſtehen neben den Webſtühlen. Jn der Hinterwand iſt eine niedrige Thür ohne Schloß. Ein Bündel Weiden - ruthen iſt daneben an die Wand gelehnt. Mehrere ſchadhafte Viertelkörbe ſtehen dabei. Das Getöſe der Webſtühle, das26 rythmiſche Gewuchte der Lade, davon Erdboden und Wände erſchüttert werden, das Schlurren und Schnappen des hin und her geſchnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Da hinein miſcht ſich das tiefe, gleichmäßig fortgeſetzte Getön der Spul - räder, das dem Summen großer Hummeln gleicht.
Mutter Baumert
(mit einer kläglichen, erſchöpften Stimme, als die Mädchen mit weben innehalten und ſich über die Gewebe beugen).

Mißt er ſchonn wieder knippn!?

Emma
(die ältere der Mädchen, zweiundzwanzigjährig. Jndem ſie gerißene Fäden knüpft).

Eine Art Garn is aber das au!

Bertha
(fünfzehnjährig).

Das is a ſo a bißel Zucht mit der Werfte.

Emma.

Wo a ock bleibt a ſo lange? A is doch fort ſchonn ſeit um a neune.

Mutter Baumert.

Nu eben’s, eben’s! wo mag a ock bleiben, ihr Mädel?

Bertha.

Aengſt euch beileibe ni, Mutter!

Mutter Baumert.

’Ne Angſt is das immer

Emma
(fährt fort zu weben).
Bertha.

Wart amal, Emma!

Emma.

Was is denn?

Bertha.

Mir war doch, ’s kam jemand.

Emma.

’S wird Anſorge ſein, der zu Hauſe kommt.

Fritz
(ein kleiner, barfüßiger, zerlumpter Junge von vier Jahren kommt herein geweint).

Mutter mich hungert.

Emma.

Wart, Fritzl, wart a bißel! Groß - vater kommt gleich. A bringt Brot mit und Kerndel.

Fritz.

Mich hungert a ſo, Mutterle!

Emma.

Jch ſag derſch ja. Bis ock nich einfältich. A wird ja gleich kommen. A bringt a ſcheenes Brotl mit und Kerndlkoffee. Wenn ock wird Feier - abend ſein, da nimmt Mutter de Kartuffelſchalen, die trägt ſe zum Pauer, und der gibbt er derfire a ſcheenes Neegl Puttermilch firſch Jungl.

27
Fritz.

Wo is er’n hin, Großvater?

Emma.

Beim Fabrikanten is a, abliefern, an Käte, Fritzl.

Fritz.

Beim Fabrikanten?

Emma.

Ja, ja, Fritzl! unten bei Dreißichern in Peterſchwalde.

Fritz.

Kriegt a da Brot?

Emma.

Ja, ja, a gibbt ’n ’s Geld, und da kann a ſich Brot kofen.

Fritz.

Gibbt der Großvatern viel Geld?

Emma
(heftig).

O hör uf, Junge, mit dem Ge - rede.

(Sie fährt fort zu weben, Bertha ebenfalls. Gleich darauf halten beide wieder inne.)
Bertha.

Geh, Auguſt, frag Anſorgen, ob a nich will anleuchta.

Auguſt
(entfernt ſich, Fritz mit ihm).
Mutter Baumert
(mit überhandnehmender, kindiſcher Angſt, faſt winſelnd).

Jhr Kinder, ihr Kinder! Wo der Mann bleibt?!

Bertha.

A wird halt amal zu Hauffen rein - gangen ſein.

Mutter Baumert
(weint).

Wenn a blos nich etwan in a Kretſcham gegangn wär.

Emma.

Ween ock nich, Mutter! a ſo eener is unſer Vater doch nich.

Mutter Baumert
(von einer Menge auf ſie einſtürzender Befürchtungen außer ſich gebracht).

Nu nu nu ſagt amal was ſoll nu bloß wern? Wenn a ’s nu wenn a nu zuhauſe kommt… Wenn a ’s nu verſauft nnd bringt niſcht ni zuhauſe? Keene Handvoll Salz is mehr im Hauſe, kee Stickl Gebäcke. ’S mecht an Schaufel Feurung ſein.

Bertha.

Laß ’s gutt ſein, Mutter! m’r habn Mondſchein. M’r gehn in a Puſch. M’r nehmen uns Auguſtn mite und holn a par Rittl.

28
Mutter Baumert.

Gelt, das Euch d’r Jäger und kriecht Euch zu packn!

Anſorge
(ein alter Weber mit hühnenhaftem Knochenbau, der ſich tief bücken muß, um in’s Zimmer zu gelangen, ſteckt Kopf und Oberkörper durch die Thür. Haupt und Barthaare ſind ihm ſtark verwildert).

Was ſoll denn ſein?

Bertha.

Se mechten Licht machen!

Anſorge
(gedämpft, wie in Gegenwart eines Kranken ſprechend).

’Sis ja noch lichte.

Mutter Baumert.

Nu laß Du uns och noch im Finſtern ſitzen.

Anſorge.

Jch muß mich halt och einrichten.

(Er zieht ſich zurück.)
Bertha.

Nu da ſiehſte’s, a ſo geizig is a.

Emma.

Da muß man nu ſitzen, bis ’n wird paſſen.

Frau Heinrich
(kommt. Eine dreißigjährige Frau, die ein Kind unter’m Herzen trägt. Aus ihrem abgemüdeten Geſicht ſpricht marternde Sorge und ängſtliche Spannung).

Gu’n Abend mitnander.

Mutter Baumert.

Nu, Heinrichen, was bringſt uns denn?

Frau Heinrich
(welche hinkt).

Jch hab mer an Scherb eingetreten.

Bertha.

Nu komm her, ſetz dich. Jch wer ſehn, das ich’n rauskriche.

(Frau Heinrich ſetzt ſich, Bertha kniet vor ihr nieder und macht ſich an ihrer Fußſohle zu ſchaffen.)
Mutter Baumert.

Wie geht’s d’n drheeme, Heinrichen?

Frau Heinrich
(verzweifelter Ausbruch).

’S geht heilich bald nimehr.

(Sie kämpft vergebens gegen einen Strom von Thränen. Nun weint ſie ſtumm.)
Mutter Baumert.

Fer unſer eens, Heinrichen, wärſch am beſten, d’r liebe Gott thät a Einſehn habn und nähm uns gar von d’r Welt.

Frau Heinrich
(ihrer nicht mehr mächtig, ſchreit weinend heraus).

Meine armen Kinderderhungern m’r!

(Sie ſchluchzt und winſelt.)

Jich wees mr keen’n Rat nimehr. Ma mag anſtelln,29 was ma will, ma mag rumlaufen bis man liegen bleibt. Jch bin mehr tot wie lebendig, und is doch und is kee anders werden. Neun hungriche Mäuler, die ſoll eens nu ſatt machen. Von was d’n ? Nächten Abend hatt ich a Stickel Brot, ’s langte noch nich amal fir die zwee Kleenſtn. Wem ſold ich’s d’n gebn, ? Alle ſchrien ſie in mich nein: Mutterle mir, Mutterle mir. Nee, nee! Und dadrbei kann ich jetzt noch laufen. Was ſoll erſcht wern, wenn ich zum Liegn komme. Die par Kartoffeln hat uns ’s Waſſer mitgenommen. Mir habn niſcht zu brechen und zu beißen.

Bertha
(hat die Scherbe entfernt und die Wunde gewaſchen).

M’r wolln a Fleckl drum bindn;

(zu Emma)

ſuch amol eens!

Mutter Baumert.

’S geht uns ni beſſer, Heinrichen.

Frau Heinrich.

Du haſt doch zum wenigſten noch deine Mädel. Du haſt ’n Mann, der de arbeiten kann, aber meiner der is m’r vergangne Woche wieder hingeſchlagn. Da hat’s ’n doch wieder geriſſen und geſchmiſſen, das ich vor Himmelsangſt ni wußte, was anfangen mit’n. Und wenn a ſo an Anfall gehabt hat, da liegt a m’r halt wieder acht Tage feſte im Bette.

Mutter Baumert.

Meiner is och niſcht nimehr werth. A fängt och an und klappt zuſammen. ’S liegt ’n uf d’r Bruſt und im Kreuze. Und abgebrannt ſind m’r ebenfalls och bis uf a Fennich. Wenn a heut ni und a bringt a par Greſchl mit, da weeß ich och ni, was weiter werdn ſoll.

Emma.

Kanſt’s globen, Heinrichn. Wir ſein a ſo weit. Vater hat mußt Ami’n mitnehmen. Wir miſſn ’n ſchlachtn laſſn, das m’r ock reen wieder amal was in a Magn kriegn.

Frau Heinrich.

Hätt’r nich an eenziche Handvoll Mehl ibrich?

30
Mutter Baumert.

O ni a ſo viel, Heinrichen, kee Kerndel Salz is mehr im Hauſe.

Frau Heinrich.

Nu da wees ich nich!

(Erhebt ſich, bleibt ſtehen, grübelt.)

Do wees ich wirklich nee! Da kann ich m’r eemal nich helfen.

(Jn Wuth und Angſt ſchreiend.)

Jch wär ja zufriede, wenn’s uf Schweinfutter langte! Aber mit leeren Händn darf ich eemal nich heemkommen. Das geht eemal nich. Da verzeih merſch Gott. Jch weeß mer da eemal keen’n andern Rath nimehr.

(Sie hinkt, links mit der Ferſe nur auftretend, ſchnell hinaus.)
Mutter Baumert
(ruft ihr warnend nach).

Heinrichen, Heinrichen! mach ni etwan ne Tummheit.

Bertha.

Die thut ſich kee leids an. Glob ock du das nich.

Emma.

A ſo machts doch die immer.

(Sie ſitzt wieder am Stuhl und webt einige Sekunden.)
Auguſt
(leuchtet mit dem brennenden Talglicht ſeinem Vater, dem alten Baumert, der ſich mit einem Garnpack hereinſchleppt, voran).
Mutter Baumert.

O jees’s, o jees’s Mann, wo bleibſt ock du a ſo lange!?

Der alte Baumert.

Na, beeß ock ni gleich. Laß mich ock erſcht a brinkl verblaſen. Sieh lieber dernach, wer de mitkommt.

Moritz Jäger
(kommt gebückt durch die Thür. Ein ſtrammer, mittelgroßer, rothbäckiger Reſerviſt, die Huſarenmütze ſchief auf dem Kopf, ganze Kleider und Schuhe auf dem Leibe, ein ſaubres Hemd ohne Kragen dazu. Ein - getreten nimmt er Stellung und ſalutirt militäriſch. Jn forſchem Ton).

Gu’n Abend, Muhme Baumert!

Mutter Baumert.

Nu da, nu da! biſt du wieder zuhauſe? Huſt du uns noch nich vergeſſen? Nu da ſetz dich ock. Komm her, ſetz dich.

Emma
(einen Holzſtuhl mit dem Rocke ſäubernd und Jägern hin - ſchiebend).

Gu’n Abend, Moritz! willſt amal wieder ſehn, wie’s bei armen Leuten ausſieht?

Jäger.

Nu ſag m’r ock, Emma! ich wollt’s ja ni globn. Du haſt ja a Jungl, das balde kann Soldate werden. Wo haſt d’r d’n den angeſchafft?

Bertha,
(die dem Vater die wenigen mitgebrachten Lebensmittel31 abnimmt, Fleiſch in eine Pfanne legt und in den Ofen ſchiebt, während Auguſt Feuer anmacht).

Du kennſt doch a Finger Weber?

Mutter Baumert.

M’r hatn ’n doch hier mit im Stibl. A wollt ſe ja nehmen, aber a war doch halt eemal ſchonn ganz marode uf de Bruſt. Jch ha doch das Mädel gewarnt genug. Konnt ſe woll hörn? Nu is a längſt tot und vergeſſen, und die kann ſehn, wie’s a Jungen durchbringt. Nu ſag m’r ock, Moritz, wie is denn dir’ſch gangen?

Der alte Baumert.

Nu bis ock ganz ſtille Mutter, fer den is Brot gewachſen; der lacht uns alle aus; der bringt Kleeder mite wie a Fürſcht und an ſilberne Cilinderuhre und oben druf noch zehn Thaler bar Geld.

Jäger
(großpraſchig hingepflanzt, im Geſicht ein prahleriſches Schwerenötherlächeln).

Jch kann nich klagen. Mir is’s ni ſchlecht gangen under a Soldaten.

Der alte Baumert.

A is Purſche geweſt bein Rittmeeſter. Hör ock, a redt wie de vornehmen Leute.

Jäger.

Das feine Sprechen hab ich mer a ſo angewehnt, das iich’s gar nimeh loo’n kann.

Mutter Baumert.

Nee, nee, nu ſag mir ock! a ſo a Niſchtegutts, wie das geweſt is, und kommt a ſo zu Gelde. Du warſcht doch nie nich fer was Geſcheuts zu gebrauchen; du konntſt doch kee Strähnl hintereinander abhaspeln. Ock immer fort, naus; Meeſekaſten ufſtelln und Rothkätlſprenkel, das war dir lieber. Nu, nich wahr?

Jäger.

’S is wahr, Muhme Baumert. Jch fing ni ock Kätl, ich fing o Schwalben.

Emma.

Dakonnten mir immerzu reden: Schwalben ſein giftich.

Jäger.

Das war mir egal. Wie euch d’n d’rgangen, Muhme Baumert?

Mutter Baumert.

O jee’s, gar gar ſchlimm in a letzten vier Jahrn. Sieh ock, ich ha halt’s32 Reißen. Sieh d’r bloß amal meine Finger an. Jch weß halt gar nich, hab ich an Fluß kricgt oder was? Jch bin d’r halt a ſo elende! Jch kann d’r kee Glied ni bewegen. ’S globts kee Menſch, was ich muß fer Schmerzen derleiden.

Der alte Baumert.

Mit der jetzt gar ſchlecht. Die machts nimehr lange.

Bertha.

Am Morgen zieh merſche an, am Abend zieh merſche aus. M’r miſſen ſe fittern wie a kleenes Kind.

Muttert Baumert
(fortwährend mit kläglicher, weinerlicher Stimme).

Jch muß mich bedien laſſen hinten und vorne. Jch bin mehr als krank. Jch bin ock ne Laſt. Was hab ich ſchon a lieben Herrgott gebeten, a ſoll mich doch bloßich abruffen, o Jees’s, o Jees’s, das is doch halt zu ſchlimm mit mir. Jch weeß doch gar nich de Leute kennten denken aber ich bin doch ’s Arbeiten gewehnt von Kindheet uf. Jch hab doch meine Sache immer konnt leiſten, und nu uf eemal

(ſie verſucht umſonſt ſich zu erheben)

’s geht und geht nimehr. Jch hab an guten Mann und gute Kinder hab ich, aber wenn ich das ſoll mit anſehn ! Wie ſehn die Mäd’l aus!? Kee Blutt haben ſe bald nimehr in ſich. An Farbe haben ſe wie de Leinticher. Das geht doch immer egal fort mit dem Schemeltreten, obs a ſo an Mäd’l dient oder nich. Was habn die fer a bißl Leben. ’S ganze Jahr kommen ſi nich vom Bänkl runter. Ni amal a par Klunkern haben ſe ſich der - ſchindt, das ſe ſich kennten d’rmite bedecken und kennten ſich amal vor a Leuten ſehn laſſen, oder an Schritt ei die Kirche machen und kennten ſich amal ne Erquickung holen. Ausſehn thun ſe wie de Galgengeſchlinke, junge Mädel von funfzehn und zwanzig.

Bertha
(am Ofen).

Nu das raucht wieder a ſo a bißl!

Der alte Baumert.

Nu da ſieh ock den Rauch. Na da nimm amal an, kann woll hier Wandel werden? 33A ſtürzt heilig bald ein, d’r Owen. Mir miſſen’n ſtürzen laſſen, und a Ruß, den miſſen m’r ſchlucken. Mir huſten alle, eener mehr wie d’r andre. Was huſt’t, huſt’t, und wenn’s uns derwircht, und wenn gleich die Plautze mitegeht; da frägt uns ooch noch kee Menſch dernach.

Jäger.

Das is doch Anſorchens Sache, das muß a doch ausbeſſern.

Bertha.

Der uns woll anſehn. A mukſcht a ſo mehr wie genug.

Mutter Baumert.

Dem nehmen m’r a ſo ſchonn zu viel Platz weg.

Der alte Baumert.

Und wemmer erſcht uff - mucken, da fliegen mer naus. A hat bald a halb Jahr keene Mietzinſe ni beſehn.

Mutter Baumert.

A ſo a eelitzicher Mann, der kennte doch umgänglich ſein.

Der alte Baumert.

A hat au niſcht, Mutter, ’s geht ’n o beeſe genug, wenn a ooch keen’n Stat macht mit ſeiner Noth.

Mutter Baumert.

A hat doch ſei Haus.

Der alte Baumert.

Nee, Mutter, was redtſt’n. An dem Hauſe dahier, da is och noch nich a klee Split - terle ſeine.

Jäger
(hat ſich geſetzt und eine kurze Pſeife mit ſchönen Quaſten aus der einen, eine Quartflaſche Branntwein aus der andern Rocktaſche geholt).

Das kann auch hier bald nimehr a ſo weiter gehn. Jch hab mei Wunder geſehn, wie das hierum a ſo ausſieht under a Leuten. Da leben ja in a Städten de Hunde noch beſſer wie ihr.

Der alte Baumert
(eifrig).

Gelt, gelt ock? Du weeßt’s auch!? Und ſagt man a Wort, da heeßt’s bloß, ’s ſein ſchlechte Zeiten.

Anſorge
(kommt, ein irdenes Näpfchen mit Suppe in der einen, in der anderen Hand einen halbfertig geflochtenen Viertelkorb ).

Willkommen, Moritz! Bis du auch wieder da?

Jäger.

Scheen Dank, Vater Anſorge.

Die Weber. 334
Anſorge
(ſein Näpfchen in’s Röhr ſchiebend).

Nu ſag m’r ock an: du ſiehſt ja bald aus wie a Graf.

Der alte Baumert.

Zeich amal dei ſcheen Uhrla. A hat ’n neuen Anzug mit gebracht und zehn Thaler bar Geld.

Anſorge
(kopfſchüttelnd).

Nu jaja! Nu nee nee!

Emma
(die Kartoffelſchalen in ein Säckchen füllend).

Nu will ich ock gehn mit a Schal’n. Vielleicht wird’s langen uf a Neegl Abgelaſſene.

(Sie entfernt ſich.)
Jäger
(während alle mit Spannung und Hingebung auf ihn achten).

Na nu nehmt amal an: wie oft habt ihr m’r nich de Helle heiß gemacht. Dir wern ſe Moritz lehrn, hiß’s immer, wart ock, wenn de wirſcht zum Miltär kommen. Na nu ſeht erſch, mir is gar gutt gegangen. A halb Jahr da hat ich de Kneppe. Willich muß man ſein, das is ’s Haupt. Jch ha ’n Wachtmeiſter de Stieweln geputzt; ich ha ’n ’s Ferd geſtriegelt, Bier geholt. Jch war a ſo gefirre, wie a Wieslichen. Und uf ’n Poſten war ich: Schwerkanon ja, mei Zeug, das mußt ock immer a ſo finkeln. Jch war d’r erſchte im Stalle, d’r erſchte beim Appell, d’r erſchte im Sattel; und wenn’s zur Attake ging marſch marſch! heiliges Kanonrohr, Kreuzdonnerſchlag, Herrrdumeine - gitte!! Und aufgepaßt hab ich, wie a Schißhund. Jch docht halt immer: hier hilft’s niſcht, hier mußt de dran globen; und da rafft ich m’r halt a Kopp zuſammen, und da ging’s och; und da kam’s a ſo weit, das d’r Rittmeiſter und ſagte vor d’r ganzen Schwadron iber mich: Das is ein Huſar, wie a ſein muß.

(Stille. Er ſetzt die Pfeife in Brand.)
Anſorge
(kovfſchüttelnd).

Da haſt du a ſo a Glicke gehabt?! Nu jaja! nu nee nee!

(Er ſetzt ſich auf den Boden, die Weidenruthen neben ſich und flickt, ihn zwiſchen den Beinen haltend, an ſeinem Korbe weiter.)
Der alte Baumert.

Da wolln m’r hoffen, das de uns dei Glicke mitebringſt. Nu ſoll mer woll amal mit trinken?

35
Jäger.

Nu ganz natürlich, Vater Baumert, und wenn’s alle is, kommt mehr.

(Er ſchlägt ein Geldſtück auf den Tiſch.)
Anſorge
(mit blödem, grinſenden Erſtaunen).

O mei, mei, das giht ja hier zu… da kreeſcht a Braten, da ſteht a Quart Branntwein,

(er trinkt aus der Flaſche)

ſollſt leben, Moritz! Nu jaja! nu nee nee!

(Von jetzt an wandert die Schnapsflaſche.)
Der alte Baumert.

Kennten m’r nich zum wenigſten zu allen heilichen Zeiten a ſo a Stickl Gebratnes habn, ſtat’s das ma kee Fleiſch zu ſehn kriecht iber Jahr und Tag? A ſo muß ma warten, bis een wieder amal a ſo a Hundl zulauft, wie das hier vor vier Wochen: und das kommt ni ofte vor im Leben.

Anſorge.

Haßt Du Ami’n ſchlachten laſſen?

Der alte Baumert.

Ob a m’r vollens o noch derhungern that

Anſorge.

Nu jaja, nu nee nee.

Mutter Baumert.

Und war a ſo a nette, bethulich Hundl.

Jäger.

Seit ihr hierum immer noch a ſo happich uf Hundebraten.

Der alte Baumert.

O Jes’s, Jes’s, wenn m’r ock und hätta ’n genug

Mutter Baumert.

Nu da da, a ſu a Stickl Fleeſch is gar rathlich.

Der alte Baumert.

Haſt Du ken’n Geſchmak nimehr uf ſu was? Nu da bleib ock bei uns hier, Moritz, da werd a ſich baal wieder einfinden.

Anſorge
(ſchnüffelnd).

Nu jaja, nu nee nee, das is o noch ne Guttſchmecke das macht gar a lieblich Gerichl.

Der alte Baumert
(ſchnüffelnd).

D’r reene Zimmt, mecht man ſprechen.

Anſorge.

Nu ſag uns amal deine Meinung, Moritz. Duweißt doch, wie’s in d’r Welt drauſſen zugeht. Werd das nu hier amal anderſch werden mit uns Webern, oder wie?

3*36
Jäger.

Ma ſollts wirklich hoffen.

Anſorge.

Mir kenn d’r nich leben und nich ſterben hier oben. Uns geht’s loda böſe, kanſt’s globen. Eener wehrt ſich bis uf’s Blutt. Zuletzt muß man ſich drein geb’n. De Noth frißt een ’s Dach iberm Koppe und a Boden unter a Fiſſen. Friher, da man noch am Stuhle arbeiten konnte, da hat man ſich halb - wegens mit Kummer und Noth doch kunnt a ſo durch - ſchlagn. Heute kann ich m’r ſchon’n iber Jahr und Tag kee Stickl Arbeit mehr erobern. Mit der Korb - flechterei is och ock, das man ſei bißl Leben a ſo hinfriſten tutt. Jch flechte bis in de Nacht nein, und wenn ich in’s Bette falle, da hab ich an Beemen und ſechs Fenniche derſchindt. Du haſt doch Bildung, nu da ſag amal ſelber. Kann da woll a Auskommen ſein bei der Theurung. Drei Thaler muß ich hin - ſchmeißen uf Hausſteuer, een’n Thaler uf Grund - abgaben. Drei Thaler uf Hauszinſe, virzehn Thaler kann ich Verdienſt rechen, bleibn fer mich ſieben Thaler uf’s ganze Jahr. Da dervon ſoll ma ſich nu bekochen, beheizen, bekleiden, beſchuhn, ma ſoll ſich beſtricken und beflicken, a Quartier muß ma habn und was da noch alles kommt. Js s da a Wunder, wenn man de Zinſe ni zahln kann.

Der alte Baumert.

’S mißt amal eener hingehn nach Berlin, und mißt’s ’n Keeniche vorſtelln, wie’s uns a ſo geht.

Jäger.

Och nich a ſo viel nutzt das, Vater Baumert. ’S ſein er ſchonn genug in a Zeitungen druf zu ſprechen gekommen. Aber die Reichen, die drehn und die wenden an Sache a ſo die iberteifeln a beſten Chriſten.

Der alte Baumert
(kopfſchüttelnd.)

Das ſe in Berlin den Pli nich habn!

Anſorge.

Sag Du amal, Moritz, kann das woll meglich ſein? Js da gar kee Geſetze d’rfor? Wenn een’s37 nu und ſchindt ſich’s Baſt von a Händen und kann doch ſeine Zinſe ni ufbringen; kann m’r d’r Pauer mei Häusl da wegnehmen? ’Sis halt a Pauer, der will ſei Geld habn. Nu weeß ich gar nich, was de noch werdn ſoll? Wenn ich halt und ich muß aus dem Häusl nausgehn.

(Durch Thränen hervor würgend.)

Hier bin ich gebor’n, hier hat mei Vater am Web - ſtuhle geſeſſen, mehr wie virzig Jahr. Wie oft hat a zu Muttern geſagt: Mutter, wenn’s mit mir amal a Ende nimmt, das Häusl halt feſte. Das Häusl hab ich errobert meent a iber’ſche. Hie is jeder Nagl an durchwachte Nacht, a jeder Balken a Jahr trocken Brot. Da mißt ma doch denken

Jäger.

Die nehmen een’s Letzte, die ſein’s cumpabel.

Anſorge.

Nu, ja, ja! nu, nee, nee! kommt’s aber a ſo weit, da wär mirſch ſchonn lieber, ſe trügen mich naus, ſtats das ich uf meine alten Tage noch naus laufen müßte. Das bißl ſterben da! Mei Vater ſtarb o gerne genug. Ock ganz um de Letzte, da wolld’n a wing Angſt wern. Wie ich aber zu’n eis Bette kroch, da wurd a ooch wieder ſtille. Wenn ma’s a ſo bedenkt: Dazemal war ich a Jungl von dreizehn Jahrn. Müde war ich, und da ſchlief ich halt ein, bei dam kranken Manne, ich verſtand’s doch nich beſſer und da ich halt aufwachte war a ſchonn kalt.

Mutter Baumert
(nach einer Pauſe).

Greif amal in’s Röhr, Bertha, und reich Anſorgen de Suppe.

Bertha.

Dahier eßt, Vater Anſorge!

Anſorge
(unter Thränen eſſend).

Nu nee, nee nu jaja!

Der alte Baumert
(hat angefangen das Fleiſch aus der Pfanne zu eſſen).
Mutter Baumert.

Nu Vater, Vater, du wirſcht dich doch gedulden kenn’n. Laß ock Berthan vor richtich vorſchirrn.

38
Der alte Baumert
(kauend).

Vor zwee Jahren war ich’s letztemal zum Abendmale. Gleich dernach verkooft ich a Gottstiſchrock. Da dervon kooften m’r a Stickl Schweinernes. Seit dem da hab ich kee Fleeſch nimehr geſſen bis heut Abend.

Jäger.

Mir brauchen o erſcht kee Fleeſch, ver uns eſſen’s de Fabrikanten. Die waten im Fette rum bis hie her. Wer das ni gloobt, der brauch ock nunter gehn nach Bielau und nach Peterſchwalde. Da kann ma ſei Wunder ſehn: immer e Fabrikantenſchloß hintern andern. Jmmer e Palaſt hintern andern. Mit Spiegel - ſcheiben und Thürmeln und eiſernen Zäunen. Nee, nee, da ſpürt keener niſcht von ſchlechten Zeiten. Da langt’s uf Gebratnes und Gebacknes, uf Eklipaſchen und Kutſchen, uf Guvernanten und wer weeß was. Die ſticht d’r Haber a ſo ſehr! die wiſſen gar nich, was de ſchnell anſtelln vor Reechthum und Jbermuth.

Anſorge.

Jn a alten Zeiten da war das ganz a ander Ding. Da liſſen de Fabrikanten a Weber mitleben. Heute da bringen ſe alles alleene durch. Das kommt aber daher ſprech ich: d’r hohe Stand gloobt nimehr a kenn Herrgott und kenn Teiwel o nich. Da wiſſen ſe niſcht von Geboten und Strafen. Da ſtehln ſe uns halt a letzten Biſſen Brot und ſchwächen und untergraben uns das bißl Nahrung, wo ſe kenn’n. Von den Leuten kommt’s ganze Unglicke. Wenn unſere Fabrikanten und wärn gute Menſchen, da wärn ooch fer uns keene ſchlechten Zeiten ſein.

Jäger.

Da paßt amal uf, da wer ich euch amal was ſcheenes vorleſen.

(Er zieht einige Papierblättchen aus der Taſche.)

Komm, Auguſt, renn in de Schelzerei und hol noch a Quart. Nu Auguſt, Du lachſt ja ei en Biegen fort.

Mutter Baumert.

Jch weeß nich, was mit dem Jungen is, dem geht’s immer gut. Der lacht ſich39 de Hucke voll, mag’s kommen wie’s will. Na, feeder, feeder!

(Auguſt ab mit der leeren Schnapsflaſche.)

Gelt ock Alter, du weeßt, was gut ſchmeckt?

Der alte Baumert
(kauend, vom Eſſen und Trinken muthig erregt).

Moritz, du biſt unſer Mann. Du kannſt leſen und ſchreiben. Du weeßt’s, wie’s um de Weberei beſtellt is Du haſt a Herze fer de arme Weberbevölkerung. Du ſolltſt unſere Sache amal in de Hand nehmen dahier.

Jäger.

Wenn’s mehr ni is. Das ſollte mir ni drauf ankommen; dahier! den Fabrikantenräudeln, den wollt ich viel zu gerne amal a Liedl ufſpiel’n. Jch thät m’r niſcht draus machen. Jch bin a umgäng - licher Kerl, aber, wenn ich amal falſch wer und ich krieg’s mit der Wuth, da nehm ich Dreißichern in de eene, Dittrichen, in de andre Hand und ſchlag ſe mit a Keppen annander, das n’s Feuer aus a Augen ſpringt. Wenn mir und mer kennten’s ufbringen, das m’r zu - ſammen hielten, da kennt m’r a Fabrikanten amal an ſolchen Krach machen .... Do braucht m’r keen’n Keenich derzu und keene Regierung, da kennten m’r eenfach ſagen: mir wolln das und das, und a ſo und a ſo ni, und da wärſch bald aus een’n ganz andern Loche feifen dahier. Wenn die ock ſehn, das ma Kriin hat, da zieh’n ſe bald Leine. Die Betbrider kenn ich! das ſein gar feige Luder.

Mutter Baumert.

’S is wirklich bald wahr. Jch bin gewiß ni ſchlecht. Jch bin gewiß immer diejenigte geweſt, die geſagt hat, die reichen Leute miſſen ooch ſein. Aber wenn’s a ſo kommt ....

Jäger.

Vor mir kennte d’r Teiwel alle holn, der Raſſe vergönnt ich’s.

Bertha.

Wo is denn Vater?

(Der alte Baumert hat ſich ſtillſchweigend entfernt.)
Mutter Baumert.

Jch weeß nich, wo a mag hinſein.

Bertha.

Js etwan, das a das Fleeſcherne nimehr gewehnt is?!

40
Mutter Baumert
(außer ſich, weinend).

Nu da ſeht irſch, nu da ſeht irſch! Da bleibt’s ’n noch ni amal. Da wird a das ganze bißel ſcheenes Eſſen wieder von ſich geben.

Der alte Baumert
(kommt wieder, weinend vor Jngrimm).

Nee, nee! mit mir is bald gar alle. Mich habn ſe bald a ſo weit! Hat man ſich amal was gutes dergattert, da kann ma’s ni amal mehr bei ſich behaltn.

(Er ſitzt weinend nieder auf die Ofenbank.)
Jäger
(in plötzlicher Aufwallung, fanatiſch).

Und da derbei gibt’s Leute, Gerichtsſchulzen, garnich weit von hier, Schmärwampen, die de’s ganze Jahr niſcht weiter zu thun haben, wie uns ’n Herrgott im Himmel a Tag abſtehln. Die wolln behaupten, de Weber kennten gut und gerne auskommen, ſe wern bloß zu faul.

Anſorge.

Das ſein gar keene Menſche. Das ſein Unmenſche, ſein das.

Jäger.

Nu laß ock gut ſein, a hat ſei Fett. Jch und d’r rothe Bäcker mir habn’s ’n eingetränkt und bevor m’r abzogen zu guter letzte, ſangen m’r noch’s Bluttgerichte.

Anſorge.

O Jees’s, Jees’s, is das das Lied?

Jäger.

Ja, ja, hie hab ich’s.

Anſorge.

’S heeßt doch glob ich’s Dreißicher Lied oder wie.

Jäger.

Jch wer’ſch amal vorleſen.

Mutter Baumert.

Wer hat denn das Lied derfundn?

Jäger.

Das weeß kee Menſch nich. Nu hört amal druf.

(Er ließt, ſchülerhaft buchſtabirend, ſchlecht betonend aber mit unverkennbar ſtarkem Gefühl. Alles klingt heraus: Verzweiflung, Schmerz, Wuth, Haß, Rachedurſt.)
Hier im Ort iſt ein Gericht
Noch ſchlimmer als die Vehmen,
Wo man nicht erſt ein Urtheil ſpricht,
Das Leben ſchnell zu nehmen.
41
Hier wird der Menſch langſam gequält,
Hier iſt die Folterkammer,
Hier werden Seufzer viel gezählt
Als Zeugen von dem Jammer.
Der alte Baumert
(hat, von den Worten des Liedes gepackt und im Tiefſten aufgerüttelt, mehrmals nur mühſam der Verſuchung wider ſtanden, Jäger zu unterbrechen. Nun geht alles mit ihm durch: ſtammelnd, unter Lachen und Weinen zu ſeiner Frau).

Hier iſt die Folterkammer. Der das geſchrieben, Mutter, der ſagt die Wahrheet. Das kannſt Du bezeugen… wie heeßt’s? Hier werden Seufzer wie? hie wern ſe viel gezählt

Jäger.

Als Zeugen von dem Jammer.

Der alte Baumert.

Du weeßt’s, was mir a ſo ſeufzn een’n Tag um a andern, ob m’r ſtehn oder liegen.

Jäger,
(während Anſorge, ohne weiter zu arbeiten, in tiefer Er - ſchütterung zuſammengeſunken daſitzt, Mutter Baumert und Bertha fortwährend die Augen wiſchen, fährt fort zu leſen).
Die Herr’n Dreißiger die Henker ſind,
Die Diener ihre Schergen,
Davon ein Jeder tapfer ſchindt,
Anſtatt was zu verbergen.
Jhr Schurken all, ihr Satansbrut,
Der alte Baumert
(mit zitternder Wuth den Boden ſtampfend)

Ja, Satansbrut!!!

Jäger
(lieſt).
Jhr hölliſchen Dämone,
Jhr freßt der Armen Hab und Gut,
Und Fluch wird euch zum Lohne.
Anſorge.

Nu, jaja, das is auch an Fluch werth.

Der alte Baumert,
(die Fauſt ballend, drohend).

Jhr freßt der Armen Hab und Gut.

Jäger
(lieſt).
Hier hilft kein Bitten und kein Fleh’n,
Umſonſt iſt alles klagen.
Gefällt’s euch nicht, ſo könnt ihr gehn
Am Hungertuche nagen.
42
Der alte Baumert.

Wie ſteht’s? Umſonſt iſt alles klagen? Jedes Wort jedes Wort da is alls a ſo richtig, wie in d’r Bibel. Hier hilft kein Bitten und kein Fleh’n.

Anſorge.

Nu, jaja! nu, nee nee! da thutt ſchonn niſcht helfen.

Jäger
(lieſt).
Nun denke man ſich dieſe Noth
Und Elend dieſer Armen,
Zu Haus oft keinen Biſſen Brod,
Jſt das nicht zum Erbarmen!
Erbarmen, ha! ein ſchön Geſühl,
Euch Kannibalen fremde,
Ein jedes kennt ſchon euer Ziel,
’S iſt der Armen Haut und Hemde.
Der alte Baumert
(ſpringt auf, hingeriſſen zu deliranter Raſerei).

Haut und Hemde. Alls richtich, ’s is der Armuth Haut und Hemde. Hier ſteh ich, Robert Baumert, Webermeiſter von Kaſchbach. Wer kann vortreten und ſagn .... Jch bin ein braver Menſch ge - weſt mei Lebe lang, und nu ſeht mich an! Was hab ich davon? Wie ſeh ich aus? Was habn ſe aus mir ge - macht? Hier wird der Menſch langſam gequält.

(Er reckt ſeine Arme hin.)

Dahier, greift amal an, Haut und Knochen. Jhr Schurken all, ihr Satansbrut!!

(Er bricht weinend vor verzweifelten Jngrimm auf einen Stuhl zuſammen.)
Anſorge
(ſchleudert den Korb in die Ecke, erhebt ſich, am ganzen Leibe zitternd vor Wuth, ſtammelt hervor).

Und das muß anderſcher wern, ſprech ich, jetzt uf der Stelle. Mir leiden’s nimehr! Mir leiden’s nimehr, mag kommen, was will.

Ende des zweiten Aktes.
[43]

Dritter Akt.

[44][45]

Perſonen des dritten Aktes.

  • Bäcker.
  • Moritz Jäger.
  • Der alte Baumert.
  • Der alte Anſorge.
  • Welzel,

    Gaſtwirt.

  • Frau Welzel,

    ſeine Frau.

  • Anna Welzel,

    ſeine Tochter.

  • Ein Reiſender.
  • Wiegand,

    Tiſchler.

  • Hornig,

    Lumpenſammler.

  • Ein Bauer.
  • Ein Förſter.
  • Wittich,

    Schmied.

  • Kutſche,

    Gensdarm.

  • Eine Anzahl alter und junger Weber.
[46][47]
Die Schenkſtube im Mittelkretſcham zu Peterswaldau, ein großer Raum, deſſen Balkendecke durch einen hölzernen Mittel - pfeiler, um den ein Tiſch läuft, geſtützt iſt. Rechts von dem Pfeiler, ſo daß der Pfoſten nur verdeckt wird, liegt die Ein - gangsthür in der Hinterwand. Man ſieht durch ſie in den großen Hausraum, der Fäſſer und Brauergeräth enthält. Jm Jnnern, rechts von der Thür in der Ecke, befindet ſich das Schenkſims: eine hölzerne Scheidewand von Manns - höhe mit Fächern für Schankutenſilien, dahinter ein Wand - ſchrank, enthaltend Reihen von Schnapsflaſchen, zwiſchen Scheidewand und Likörſchrank ein kleiner Platz für den Schenkwirth. Vor dem Schenkſims ſteht ein mit bunter Decke gezierter Tiſch. Eine hübſche Lampe hängt darüber, mehrere Rohrſtühle ſtehen darum. Unweit davon an der rechten Wand führt eine Thür mit der Aufſchrift Wein - ſtube ins Honoratiorenſtübchen. Noch weiter vorn rechts tickt die alte Standuhr. Links von der Eingangsthür, an der Hinterwand ſteht ein Tiſch mit Flaſchen und Gläſern und weiterhin in der Ecke der große Kachelofen. Die linke Seitenwand hat drei kleine Fenſter, darunter hinlaufend eine Bank, davor je einen großen hölzernen Tiſch, die ſchmale Seite der Wand zugekehrt. An den Breitſeiten der Tiſche ſtehen Bänke mit Lehnen, an den inneren Schmalſeiten je ein einzelner Holzſtuhl. Das große Lokal iſt blau getüncht, mit Plakaten, bunten Bilderbogen und Oeldrucken behangen, darunter das Portrait Friedrich Wilhelms IV. Scholz Welzel, ein gutmütiges Koloß von über 50 Jahren, läßt hinter dem Schenkſims Bier aus einem Faſſe in ein Glas laufen. Frau Welzel plättet am Ofen. Sie iſt eine ſtattliche, ſauber gekleidete Frau von noch nicht 35 Jahren. Anna Welzel, eine 17 jährige, hübſche Perſon mit pracht - vollen, rothblonden Haaren ſitzt propper gekleidet und mit einer Stickarbeit beſchäftigt hinter dem gedeckten Tiſch. Einen Augen -48 blick blickt ſie von der Arbeit auf und lauſcht, denn aus der Ferne kommen Töne eines von Schulkindern geſungenen Grabchorals. Meiſter Wiegand, der Tiſchler, ſitzt an dem gleichen Tiſch in ſeiner Arbeitstracht hinter einem Glaſe bairiſchen Bieres. Er iſt ein Mann, dem man anmerkt, er weiß, worauf es in der Welt ankommt, wenn man ein Ziel erreichen will, nämlich auf Pfiffigkeit, Schnelligkeit und rückſichtsloſes Fortſchreiten. Ein Reiſender am Säulentiſch kaut mit Eifer an einem deutſchen Beafſteak. Er iſt mittelgroß, wohlgenährt, wohlauf - geſchwemmt, aufgelegt zur Heiterkeit, lebhaft und frech. Er trägt ſich modern, ſeine Reiſeeffekten, Taſche, Muſterkoffer, Schirm, Ueberzieher und Plüſchdecke liegen neben ihm auf Stühlen.
Welzel,
(dem Reiſenden ein Glas Bier zutragend, ſeitwärts zu Wiegand).

’S is ja heute d’r Teifel los in dem Peterſch - walde.

Wiegand
(mit einer ſcharfen trompetenden Stimme).

Nu ’s is halt doch Liefertag bei Dreißichern oben.

Frau Welzel.

’S ging aber doch ſonſte nich a ſo lebhaft zu.

Wiegand.

Nu ’s kennde vielleicht ſein, ’s wär wegen da Zweehundert neuen Webern, die a will noch annehmen jetzte.

Frau Welzel,
(immer plättend).

Ja, ja, das wird’s ſein. Will a zweehundert, da wern er woll ſechs - hundert kommen ſein. M’r habn ’r ja genug von der Sorte.

Wiegand.

O jes’s, jes’s, die langen zu. Und wenn’s den och ſchlecht geht, die ſterben ni aus. Die ſetzen mehr Kinder in de Welt, wie mer gebrauchen ken’n.

(Der Choral wird einen Augenblick ſtärker hörbar.)

Nu kommt au noch das Begräbniß d’rzu. D’r Nentwich Weber is doch geſtorben.

Welzel.

Der hat lange genug gemacht. Der lief doch ſchonn iber Jahr und Tag ock bloß rum wie a Geſpenſte.

49
Wiegand.

Kannſt’s glooben, Welzel, a ſo a klee numpern Särgl, a ſo a rasnich klee, winzich Dingel, das hab ich doch noch kee mal ni zuſammengeleimt. Das war d’r a Leichel, das wog noch nich neunzig Fund.

Der Reiſende,
(kauend).

Jch verſtehe blos nich wo man hinblickt, in irgend ’ne Zeitung, da lieſt man die ſchauerlichſten Geſchichten von der Webernot, da kriegt man einen Begriff von der Sache, als wenn hier die Leute alle ſchon dreiviertel verhungert wären. Und wenn man dann ſo’n Begräbniß ſieht. Jch kam grade im Dorfe rein. Blechmuſik, Schullehrer, Schul - kinder, der Paſtor und ein Zopp Menſchen hinter - drein, Herrgott, als wenn der Kaiſer von China begraben würde. Ja, wenn die Leute das noch bezahlen können !

(Er trinkt Bier. Nachdem er das Glas wieder hingeſtellt, plötzlich mit frivoler Leichtigkeit.)

Nich wahr, Fräulein? Hab ich nich Recht?

Anna
(lächelt verlegen und ſtickt eifrig weiter).
Der Reiſende.

Gewiß ’n Paar Morgenſchuhe für ’n Herrn Papa.

Welzel.

O ich mag ſolche Dinger erſcht nich an a Fuß ziehn.

Der Reiſende.

Na, hör’n Sie mal an! Mein halbes Vermögen gäb ich, wenn die Pantoffeln für mich wär’n.

Frau Welzel.

Fer ſowas, da hat er eemal kee Verſtändnis nich.

Wiegand,
(nachdem er mehrmals gehüſtelt, mit dem Stuhle ge - rückt und einen Anlauf zum Reden genommen hat).

Der Herr haben ſich iber das Begräbnis wunderlich ausgedrückt. Nu ſagen ſie mal, junge Frau, das is doch ’n kleines Leichenbegängnis?

Der Reiſende.

Ja, da frag ich mich aber… Das muß doch barbariſch Geld koſten. Wo kriegen die Leute das Geld nu her?

Wiegand.

Se werden ergebenſt entſchuldigen,Die Weber. 450mein Herr, das is ſo’ne Unverſtändlichkeit unter der hieſigen armen Bevölkerungsklaſſe. Mit Erlaubnis zu ſagen, die machen ſich ſo’ne ibertriebliche Vor - ſtellichkeit von wegen der ſchuldigen Ehrfurcht und pflichtmäßigen Schuldigkeit gegen ſelig entſchlafene Hinterbliebene. Wenn das und ſind gar verſtorbene Eltern, da is das nu ſo ein Aberglaube, da wird von den nächſten Nachkommen und Erblaſſern das letzte zuſammengekratzt, und was die Kinder nich auf - treiben, das wird von den nächſten Magnaten ge - borgt. Und da kommen die Schulden bis iber die Ohren; Hochwürden der Paſtor wird verſchuldet, der Küſter und was da alles fer Leute herumſtehen. Und das Getränk und das Eſſen und dergleichen Notdurft. Nee, nee, ich lobe mir reſpective Kindlich - keit, aber nich, daß die Leidtragenden ihr ganzes Leben unter Verpflichtigungen davor gedrückt werden.

Der Reiſende.

Erlauben Sie mal, das müßte doch der Paſter den Leuten ausreden.

Wiegand.

Se werden ergebenſt entſchuldigen, mein Herr, ich muß hier befürworten, daß jede kleine Gemeinde ihr kirchliches Gotteshaus hat und ihren Seelenhirten Hochwürden erhalten muß. An ſo’nem großen Begräbnisfeſt, da hat die hohe Geiſtlichkeit ihre ſcheene Jbervorteilung. Deſto zahlreicher ſo eine Grablegung gehandhabt wird, je umfänglicher auch die Offertorien fließen. Wer die hieſigen arbeitenden Verhältniſſe kennt, der kann mit unmaßgeblicher Be - ſtimmtheit behaupten, die Herren Farrer dulden bloß widerſtreblich die ſtillen Begräbniſſe.

Hornig
(kommt, kleiner, obeiniger Alter, ein Ziehband um Schulter und Bruſt. Er iſt Lumpenſammler).

Scheen gun Tag och. An eefache mecht ich bitten. Na, junge Frau, habn ſe was Lumpiges? Jungfer Anna! Scheene Zopbändl, Hemdbändl, Strumpbändl hab ich im Wägl, ſcheene Stecknadeln, Haarnadeln, Häkel und Esel. Alles geb51 ich fer a par Lumpen.

(Jn verändertem Tone.)

Von den Lumpen da wird a ſcheen weiß Papierl gemacht, und da ſchreibt der liebe Schatz a hibſch Briefel druf.

Anna.

O, ich bedank mich, ich mag keen’n Schatz.

Frau Welzel,
(einen Bolzen einlegend).

A ſo is das Mädel. Vom Heirathen will ſe niſcht wiſſen.

Der Reiſende.
(ſpringt auf, ſcheinbar freudig überraſcht, tritt an den gedeckten Tiſch und ſtreckt Anna die Hand hinüber).

Das is ge - ſcheidt, Fräulein, machen Sie’s wie ich. Topp! Geben Sie mir den Patſch! Wir beide bleiben ledig.

Anna,
(puterroth, giebt ihm die Hand).

Nu Sie ſein doch ſchon verheirathet?!

Der Reiſende.

J Gott bewahre, ich thu bloß ſo. Sie denken wohl, weil ich den Ring trage?! Ach den habe ich bloß an den Finger geſteckt um meine beſtrickende Perſönlichkeit vor unlauteren An - griffen zu ſchützen. Vor Jhnen fürchte ich mich nicht.

(Er ſteckt den Ring in die Taſche.)

Sagen Sie mal im Ernſt, Fräulein, wollen Sie ſich niemals auch nur ſo’n ganz kleenes biſſel verheirathen?

Anna,
(kopfſchüttelnd).

O wärſch doch!

Frau Welzel.

Die bleibt Jhn ledich oder’ſch muß was ſehr Rares ſein.

Der Reiſende.

Nu warum auch nich? ’N reicher ſchleſiſcher Magnat hat die Kammerjungfer ſeiner Mutter geheirathet, und der reiche Fabrikant Dreiſſiger hat ja auch ’ne Scholzentochter genommen. Die is nich halb ſo hibſch wie Sie, Fräulein, und fährt jetzt fein in Equipage mit Livréediener. Warum d’n nich?

(Er geht umher ſich dehnend und die Beine vertretend.)

Eine Taſſe Kaffee wer ich trinken.

Anſorge und der alte Baumert
(kommen, jeder mit einem Pack, und ſetzen ſich ſtill und demütig zu Hornig an den vorderſten Tiſch links).
Welzel.

Willkommen! Vater Anſorge, ſieht man Dich wider amal.

4*52
Hornig.

Kommſt Du o noch amal aus Den’n verräucherten Geniſte gekrochen?

Anſorge,
(unbeholfen und ſichtlich verlegen).

Jch hab m’r wieder amal ne Werfte geholt.

Baumert.

A will fer zehn Behmen arbeiten.

Anſorge.

Jch hätt’s ni gemacht, aber mit der Korbflechterei hat’s auch a Ende genommen.

Wiegand.

’s is immer beſſer wie niſcht. A tut’s ja ock, daß d’r ne Beſchäftigung habt. Jch bin ſehr gut bekannt mit Dreißigern. Vor acht Tagen nahm ich ’n de Doppelfenſter raus. Da redten m’r driiber. A tut’s bloß aus Barmherzigkeet.

Anſorge.

Nu ja, ja nu nee, nee.

Welzel
(den Webern je einen Schnaps vorſetzend).

Hie wird ſein. Nu ſag amal, Anſorge. Wie lange haſt Du Dich ni mehr raſirn loſſen? Der Herr mechts gerne wiſſen.

Der Reiſende
(ruft herüber).

Ach, Herr Wirt, das hab ich doch nich geſagt. Der Herr Webermeiſter iſt mir nur aufgefallen durch ſein ehrwürdiges Aus - ſehen. Solche Hühnengeſtalten bekommt man nicht oft zu ſehn.

Anſorge
(kraut ſich verlegen den Kopf).

Nu ja, ja nu nee, nee.

Der Reiſende.

Solche urkräftige Naturmenſchen ſind heutzutage ſehr ſelten. Wir ſind von der Kultur ſo beleckt .... aber ich hab noch Freude an der Urwüchſigkeit. Buſchige Augenbrauen! So’n wilder Bart. ...

Hornig.

Nu ſehn’s ock, werter Herr, ich wer ihn amal was ſagn: bei da Leuten da langt’s halt ni uf a Balbier, und a Raſiermeſſer kenn ſe ſich ſchonn lange ni derſchwingen. Was wächſt, wächſt. Uf a äußern Menſchen kenn die niſcht nich verwenden.

Der Reiſende.

Aber ich bitte Sie, lieber Mann, wo wer ich denn ....

(Leiſe zum Wirt.)

Darf man dem Haarmenſchen ’n Glas Bier anbieten?

53
Welzel.

J beileibe, der nimmt niſcht. Der hat gar kom’ſche Mucken.

Der Reiſende.

Na, dann nich. Erlauben Sie, Fräulein?

(Er nimmt an dem gedeckten Tiſche Platz.)

Jch kann Sie verſichern, Jhr Haar ſticht mir ſchon, ſeit ich rein kam, derart in die Augen, dieſer matte Glanz, dieſe Weichheit, dieſe Fülle!

(Er küßt gleichſam entzückt ſeine Fingerſpitzen.)

Und dieſe Farbe .... wie reifer Weizen. Wenn Sie mit dem Haar nach Berlin kommen, Sie machen Furore. Parole d’honneur, mit dem Haar können Sie an den Hof gehen ....

(Zurückgelehnt das Haar betrachtend.)

Prachtvoll, einfach prachtvoll.

Wiegand.

Derwegen hat ſe ja auch eine ſcheene Benennung erfahren.

Der Reiſende.

Wie heißt ſie denn da?

Anna
(lacht immerfort in ſich hinein).

O. Hörn Se nich drauf!

Hornig.

Das is doch d’r Fuchs, ni wahr?

Welzel.

Nu heert aber uf! Macht m’r das Mädel ni noch vollens gar verdreht! Se habn ’r ſchonn Raupen genug in a Kopp geſetzt. Heute will ſe an Grawen, morgen ſoll’s ſchonn a Firſcht ſein.

Frau Welzel.

Mach Du das Mädel ni ſchlecht, Mann! Das is kee Verbrechen, wenn d’r Menſch will vorwärts kommen. A ſo wie Du freilich denkſt, a ſo denken ni alle. Das wär auch ni gutt, da käm Keener vom Flecke, da blieben ſe alle ſitzen. Wenn Dreißi - gers Großvater a ſo hätte gedacht, da wär a woll ſein a armer Weber geblieben. Jtzt ſein ſe ſteinreich. D’r alte Tromtra war o nich mehr wie a armer Weber, nu hat a zwelf Rittergiiter und is oben druf adlig geworn.

Wiegand.

Alles, was de Recht is, Welzel. Ei der Sache da is Deine Frau uf’m rechtlichen Wege. Das kann ich underfertigen. Hätt ich a54 ſo wie Du gedacht, wo wern ock itzt meine ſieben Geſellen?

Hornig.

Du weeßt druf zu laufen, das muß Dir dr Neid laſſen. Wenn d’r Weber noch uf zwee Been’n rumlauft, da machſt Du’n ſchonn a Sarg fertig.

Wiegand.

Wer de will mitkummen, muß ſich derzu halten.

Hornig.

Ja, ja, Du hälſt Dich o noch derzu. Du weeßt beſſer wie a Dokter, wenn d’r Tod um a Weberkindl kommt.

Wiegand
(kaum noch lächelnd, plötzlich wüthend).

Und Du weßt’s beſſer wie de Poll’zei, wo de Nipper ſitzen unter a Webern, und die de ſich jede Woche a hibſch Neegl Spul’n ibrig machen. Du kommſt nach Lumpen und nimmſt o a Feifl Schußgarn, wenn’s druf ankommt.

Hornig.

Und Dei Weizen bliht uf’m Kirchhowe. Je mehr das uf de Hobelſpähne ſchlafen gehn, um deſto beſſer fer Dich. Wenn Du die vielen Kinder - gräbl anſiehſt, da kloppſt Du dr uf a Bauch und ſagſt: ’S war heuer wieder a gudes Jahr; die kleen’n Kreppe ſein wieder gefalln, wie de Maikäwer von a Bäumen. Da kann ich m’r wieder a Quart zulegen de Woche.

Wiegand.

Derwegen, da wär ich noch lange kee Hehler.

Hornig.

Du machſt heechſtens amal an reichen Parchenfabrikanten an toppelte Rechnung, oder holſt a Paar ibrige Brätel von Dreißijerſch Bau, wenn d’r Mond amal grade ni ſcheint.

Wiegand
(ihm den Rücken wendend).

O, räd Du mit wem De willſt, ock mit mir nich.

(Plötzlich wieder.)

Lügen - hornich!!

Hornig.

Toten-Tiſchler!

Wiegand
(zu den Anweſenden).

A kann’s Vieh behexen.

55
Hornig.

Sieh Dich vor, ſag ich d’r bloß ſonſt mach ich amal mei Zeichen.

(Wiegand wird bleich.)
Frau Wetzel
(war hinausgegangen und ſetzt nun dem Reiſenden Kaffe vor).

Soll ich Jhn’n a Kaffee lieber in’s Stiebel tragen?

Der Reiſende.

J, was denken Sie!

(Mit einem ſchmachtenden Blick auf Anna.)

Hier will ich ſitzen, bis ich ſterbe.

Ein junger Förſter und ein Bauer
(der Letztere mit einer Peitſche kommen, Beide)

Gu’n Mittag!

(Sie bleiben am Schenkſims ſtehen.)
Der Bauer.

Zwee Jngwer mechten mir habn.

Welzel.

Willkommen mit n’ander!

(Er gießt das Verlangte ein; die Beiden ergreifen die Gläschen, ſtoßen damit an, trinken davon und ſtellen ſie auf das Schenkſims.)
Der Reiſende.

Nun, Herr Förſter, tüchtigen Marſch gemacht?

Der Förſter.

’S geht. Jch komme von Stein - ſeifferſchdorf.

(Erſter und zweiter alter Weber kommen und ſetzen ſich zu Anſorge, Baumert und Hornig.)
Der Reiſende.

Entſchuldigen Sie, ſind Sie Gräflich Hochheimſcher Förſter?

Der Förſter.

Gräflich Keil’ſch bin ich.

Der Reiſende.

Freilich, freilich, das wollt ich ja auch ſagen. Es is hier zu ſchlimm mit den vielen Grafen und Baronen und Freiherrlichen Gnaden. Man muß ’n Rieſengedächtnis habn. Zu was haben Sie denn die Axt, Herr Förſter?

Der Förſter.

Die hab ich Holzdieben weg - genommen.

Der alte Baumert.

Unſe Herrſchaft, die nimmt’s gar ſehr genau mit a par Scheiten Brennholz.

Der Reiſende.

Nu erlauben Sie, das geht doch ooch nich, wenn da jeder holen wollte

Der alte Baumert.

Mit Verlaub zu reden, hie is das wie iberall, mit a klein’n und a großen56 Dieben; hier ſein welche, die treiben Holzhandel im Großen und wer’n reich von geſtohlnen Holze. Wenn aber a armer Weber

Erſter alter Weber
(unterbricht Baumert).

Mir derfen kee Zweigl nehmen, aber de Herrſchaft, die greift uns deſto forſcher an, die zieht uns ’s Leder egelganz iber de Ohren runter. Da ſein zu entrichten Schutz - gelder, Spinngelder, Naturalleiſtungen, da muß ma umſonſte Gänge laufen und Howearbeit thun, ob ma will oder nich.

Anſorge.

’S is halt a ſo: was uns dr Fabrikante ibrich läßt, das holt uns d’r Edelman vollens aus dr Taſche.

Zweiter alter Weber
(hat am Nebentiſch Platz genommen).

Jch hab’s o ’n gnädijen Herrn ſelber geſagt. Se werdn gittigſt verzeihn, Herr Graf, meent ich ibern, das Jahr kann ich a ſo viel Howetage eemal ni leiſten. Jch ſtreits eemal nich! Denn warum? Se wern entſchuldijen mir hat’s Waſſer alles zu Schanden gemacht. Mei bißel Acker hat’s weg - geſchwemmt. Jch muß Tag und Nacht ſchaffen, wenn ich will leben. A ſo a Unwetter Jhr Leute, Jhr Leute! Jch ſtand ock immer und rang de Hände. Der ſcheene Boden, der kam ock immer a ſo über a Berg rundergewellt und in’s Häusl nein; und der ſcheene, teure Samen! O Jes’s, o jes’s, da hab ich ock immer a ſo in de Wolken nein geprillt und acht Tage lang hab ich geflennt, daß ich bald keene Straße ni mehr ſah Und dernach konnt ich mich mit achtzig ſchweren Radwern Boden über a Berg wieder nufquäln.

Der Bauer
(roh).

Jhr macht ja a ſchauderhaftiges Gelammetire dahier. Was de d’r Himmel ſchickt, das miſſ mir uns alle gefalln laßn. Und wenn’s euch ſonſt nich zum Beſten geht, wer is denn Schuld, wie Jhr ſelber? Wie’s Geſchäft gutt ging, was habt’r57 gemacht? Alls verſpielt und verſoffen habt’r. Hätt Jhr euch dazemal was derſpart, da wär jetzt a Nothpfennig da ſein, da braucht’r kee Garn und kee Holz ſtehln.

Erſter junger Weber.
(mit einigen Kameraden im Hauſe , ſpricht laut zur Thüre herein).

A Pauer bleibt a Pauer, und wenn a ſchläft bis um Neune.

Erſter alter Weber.

Das is jetzt a ſo: D’r Pauer und d’r Edelmann, die ziehn a een’n Strange. Will a Weber an Wohnung habn, da ſagt d’r Pauer, ich geb d’r a klee Lechl zum drinne Wohn, Du zahlſt m’r ſcheene Zinſe und hilfſt m’r mei Heu und mei Ge - treide reinbringen, und wenn de ni willſt, da ſieh, wo de bleibſt. Kommt eener zum Zweeten, der machts wie d’r erſchte.

Baumert
(grimmig).

Ma is wie a Griebſch, an dem alle rumfreſſen.

Der Bauer.
(aufgebracht).

O, Jhr verhungerten Luder, zu was wär’t Jhr zu gebrauchen? Kennt Jhr an Flug in a Acker dricken? Kennt Jhr woll ne gleiche Furche ziehn, oder ne Mandel Habergarben uf a Wagn reechen? Jhr ſeid ja zu niſcht nutze wie zum Faullenzen, und bei a Weibern liegen. Jhr wär’t Scheißkerle! Jhr kennt een was nitzen.

(Er hat indeß gezahlt und geht ab. Der Förſter folgt ihm lachend. Welzel, der Tiſchler und Frau Welzel lachen laut. Der Reiſende für ſich. Als das Gelächter verſtummt, tritt Stille ein.
Hornig.

A ſo a Pauer der is wie a Bremmerochſe Wenn ich ni wiſſte, was hie fir ne Noth is. Jn den Derfern hi nuff. Was hat man da alles zu ſehn kriicht. Zu viern und fünfen lagen ſe nackt uf en’n eenzichen Strohſack.

Der Reiſende
(in milde verweiſendem Tone).

Erlauben Sie mal, lieber Mann. Ueber die Not im Gebirge ſind doch die Anſichten recht verſchieden, wenn Sie leſen können

Hornig.

O, ich les alls vom Blatte runder, a ſo gutt wie Sie. Nee, nee, ich werſch wiſſen ich58 bin genug rumkommen bei da Leuten. Wenn man’s Kupſel Stick a vierzig Jahr uf’m Puckel gehabt hat, da wird ma woll was wiſſen zu guder letzt. Wie warſch denn mit Fullern? Die Kinder, die klaubten mit Nachbarſch Gänſen im Miſte rum. Geſtorben ſein de Leute nackend uf a Flieſen im Hauſe. Stinkende Schlichte habn ſe gefreſſen vor Himmels - angſt. Hingerafft hat ſe d’r Hunger zu hunderten und aberhunderten.

Der Reiſende.

Wenn Sie leſen können, müſſen Sie doch auch wiſſen, daß die Regierung genaue Nachforſchungen hat anſtelln laſſen, und daß

Hornig.

Das kennt man, das kennt man: Da kommt ſo a Herr von d’r Regierung, der alles ſchon beſſer weeß, wie wenn a’s geſehn hätte, der geht a ſo a bißl im Dorfe rum, wo de Bache ausfließt, und de ſcheenſten Häuſer ſein. De ſcheen’n blanken Schuhe, die will a ſich weiter ni beſchmutzen. Da denkt a halt, ’s wird woll ieberall a ſo ſcheen ausſehn und ſteigt in de Kutſche und fährt wieder heem. Und da ſchreibt a nach Berlin, ’s wär und wär eemal keene Not nich. Wenn a aber und hätte a biſſel Geduld gehabt und wär in da Derfern nuf geſtiegen, bis wo de Bache eintritt, und ieber de Bache nieber uf de kleene Seite, oder gar abſeit wo de kleen’n eenzelnen Klitſchen ſtehn, die alten Schaubenneſter an a Bergen, die de manchmal a ſo ſchwarz und hinfällig ſein, daß ſ’n ſ’Streichhelzl ni verlohnt um a ſo a Ding anzuſtecken, da wär a woll anderſch habn nach Berlin bericht’t. Zu mir hätten ſe ſolln kommen de Herrn von d’r Regierung, die’s nich haben globen wollen daß hier ne Noth wär. Jch hätt’n amal was ufgezeicht. Jch wollt’n amal de Augen ufkneppen in allen den Hungerneſtern hier nein.

(Man hört draußen das Weberlied ſingen.)
Welzel.

Da ſingen ſe ſchonn wieder das Teifelslied.

59
Wiegand.

Die ſtell’n ja ’s ganze Dorf uf a Kopp.

Frau Welzel.

S’is reen, als wenn was in d’r Luft läg.

(Jäger und Bäcker Arm in Arm, an der Spitze einer Schaar junger Weber - burſchen, betreten lärmend das Haus und von da die Wirtsſtube.)
Jäger.

Schwadron halt! Abgeſeſſen!

(Die An - gekommenen begeben ſich zu den verſcheidenen Tiſchen, an denen bereits Weber ſitzen, mit ihnen Geſpräche anknüpfend.)
Hornig,
(Bäcker zurufend).

Nu ſag ock blos, was geht denn vor, daß d’raſoei hellen Haufen beinander ſeid?

Bäcker
(bedeutſam).

Vielleichte wird amal was vor - gehn. Gelt ock, Moritz?!

Hornig.

Nu werſch doch! Macht ock ni Dinge.

Bäcker.

’Sis o ſchonn Blut gefloſſen. Willſt’s ſehn?

(Er ſtreift ſeinen Ärmel herauf und zeigt ihm blutende Jmpfſtellen am nackten Oberarm. Wie er, ſo thun auch viele der jungen Weber an den übrigen Tiſchen.)
Bäcker.

Beim Bader Schmidt warn mir, impfen laſſen.

Hornig.

Na nu wirds Tag. Da kan man ſich ni wundern, daß a ſo a Teeps is uf allen Gaſſen. Wenn ſolche Leubel im Dorfe rum ſchwuchtern. !

Jäger,
(ſich protzenhaft aufſpielend, mit lauter Stimme).

Gleich zwee Quart, Welzel! Jch zahl’s. Denkſt etwan, ich hab kee Puttputt? Nu harr ock ſachte! Wenn mir ſonſt wollten, da kennten mir Scheps trinken und Kaffee lappern, bis morgen frih, a ſo gutt wie a Reiſender.

(Gelächter unter den jungen Webern.)
Der Reiſende
(mit komiſchem Erſtaunen).

Meinen Sie mir oder meinen Sie mich?

(Der Wirt, die Wirtin und ihre Tochter, Tiſchler Wiegand und der Reiſende lachen.)
Jäger.

Jmmer den, der fragt.

Der Reiſende.

Erlauben Sie mal, junger Menſch, Jhr Geſchäft ſcheint recht gut zu gehn.

Jäger.

Jch kann ni klagn. Jch bin Konfektions - reiſender. Jch mach mit’n Fabrikanten Halbpart. Je mehr d’r Weber hungert, um deſto fetter ſpeis ich. Je gröſſer de Noth, deſto gröſſer mei Brot.

60
Bäcker.

Das haſte gutt gemacht, ſollſt leben, Moritz!

Welzel
(hat den Kornſchnaps gebracht. Auf dem Rückwege zum Schenkſims bleibt er ſtehn und wendet ſich langſam in all ſeinem Phlegma und ſeiner Maſſigkeit wieder den Webern zu. Mit eben ſoviel Ruhe als Nachdruck.)

Laſſt Jhr den Herrn zufrieden, der hat Euch niſcht nich gethan.

Stimmen junger Weber.

Mir thun ’n ja auch niſcht.

(Frau Welzel hat mit dem Reiſenden einige Worte gewechſelt. Sie nimmt die Taſſe mit dem Kaffeereſt, und bringt ſie in das Nebenſtübchen. Der Reiſende folgt ihr dahin unter dem Gelächter der Weber.)
Stimmen junger Weber
(ſingend).

Die Herren Dreißiger die Henker ſind, die Diener ihre Schergen ....

Welzel.

Pſcht, pſcht! Das Lied ſingt, wo er wollt. Ei mein Hauſe duld ich’s nich.

Erſter alter Weber.

A hat ganz Recht, laßt Jhr das Singen.

Bäcker
(ſchreit).

Aber bei Dreißigern miß mer noch amal vorbeiziehn. Der muß unſer Lied noch amal zu hörn kriegen.

Wiegand.

Treibt’s ock ni gar zu tolle, daß a ni etwa amal falſch verſteht!

(Gelächter und Hoho!!)
Der alte Wittig
(ein grauhaariger Schmied, ohne Mütze, in Schurzfell und Holzpantinen, ruſſig, wie er aus der Werkſtatt kommt, iſt ein - getreten und wartet am Schenkſims ſtehend auf ein Glas Brantwein).

Laß ock Du die geruhig a biſſel a Theater machen. Die Hunde, die de viel kläffen, beißen nich.

Stimmen alter Weber.

Wittig, Wittig!

Wittig.

Hie hengt a. Was gibbt’s denn?

Stimmen alter Weber.

Wittig is da. Wittig, Wittig. Komm her, Wittig, ſetz Dich zu uns. Komm her zu uns, Wittig.

Wittig.

Jch wer mich in Obacht nehmen und wer mich zu ſolchen Gothen ſetzen.

Jäger.

Komm, trink amal mit.

Wittig.

O behalt dir den’n Branntwein. Will ich trinken, zahl ich ’n ſelber.

(Er ſetzt ſich mit ſeinem Schnaps -61 glas zu Baumert und Anſorge. Dem letzteren auf den Bauch klopfend.)

Was haben die Weber fer eine Speiſ? Sauerkraut und Läuſefleiſch.

Der alte Baumert
(extatiſch).

Nu aber wie d’n da, wenn ſe nu, und ſein nimmehr zufriede dermit?

Wittig
(mit gemachtem Staunen den Weber dumm anglotzend).

Nu, nu, nu, ſag mer ock, Heinerle, biſt Du’s?

(Unbändig herauslachend.)

Jhr Leute, Jhr Leute, ich lach mich tot. Der ale Baumert will Rebellion machen. Nu wer’n merſch habn: Jtzt fangen de Schneider o an, dann wer’n de Bälämmel rebelliſch, dann de Mäuſe und Ratten. O du meine Gitte, das werd a Tanz werden.

(Er will ſich ausſchütten vor Lachen.)
Der alte Baumert.

Nu ſieh ock, Wittig, ich bin no immer derſelbigte wie frieher. Jch ſag o itzt noch, wenn’s im Guten ging, wärſch beſſer.

Wittig.

Dreck! werds gehn, aber nich im Guden. Wo wer a ſo was im Guden gangen? Js etwa ei Frankreich im Guden gangen? Hat etwa d’r Robſpiir a Reichen de Patſchel geſtreechelt? Da hiß bloß: Allee ſchaff fort. Jmmer nuff uff de Giljotine. Das muß gehn, allong ſangfang. De gebratnen Gänſe kommen een ni ins Maul geflogn.

Der alte Baumert.

Wenn ich ock und hätte hallwäge mein Auskommen

Erſter alter Weber.

Uns ſteht halt’s Waſſer bis hierum, Wittig.

Zweiter alter Weber.

Ma mag bald gar ni mehr heem gehn. Ob ma nu ſchachtert oder ma legt ſich ſchlafen, ma hungert uf beede Arten.

Erſter alter Weber.

D’rheeme verliert man vollens ganz a Verſtand.

Der alte Anſorge.

Mir is jetzt ſchonn eegal, ’s kommt a ſo, oder a ſo.

Stimmen alter Weber
(mit ſteigender Erregung).

Nir - gend hat ma Ruh. O ken’n Geiſt nich zur Arbeit hat62 man. Oben bei uns in Steenkunzendorf ſitzt eener ſchonn a ganzen Tag an d’r Bache und wäſcht ſich, nackt wie ’n Gott gemacht hat. Dem hat’s gar a Kopp verwirrt.

Dritter alter Weber
(erhebt ſich, vom Geiſte getrieben und fängt an mit Zungen zu reden, den Finger drohend erhoben).

Es iſt ein Gericht in der Luft! Geſellet euch nicht zu den Reichen und Vornehmen! Es iſt ein Gericht in Luft! Der Herr Zebaot

(Einige lachen. Er wird auf den Sitz niedergedrückt.)
Welzel.

Der derf ock a eenzichtes Gläsl trinken, da wirrt’s