Damen der Königinn.
Gran - den von Spa - nien.
Die ſchönen Tage in Aranjuez ſind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit verlaſſen es nicht heiterer. Wir ſind vergebens hier geweſen.
Brechen Sie dieß räthſelhafte Schweigen. Öffnen Sie Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu theuer kann der Monarch die Ruhe ſeines Sohns —A 24Dom Karlos.des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen. Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s möglich? Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel dem liebſten ſeiner Söhne weigerte? Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern der ſtolze Karl die Huldigung empfing, als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten, und jetzt in Einem — Einem Niederfall ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen — ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen, in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge geſtand: Ich bin geſättigt.
Dieſer ſtille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen, das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt des Königreichs, hat Seiner Majeſtät ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet, ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.
Mutter?
Prinz?
O Himmel, gib, daß ich es dem vergeſſe, der ſie zu meiner Mutter machte!
Prinz?
Hochwürd’ger Herr — ich habe ſehr viel Unglück mit meinen Müttern. Meine erſte Handlung, als ich das Licht der Welt erblickte, war ein Muttermord.
Iſt’s möglich, gnäd’ger Prinz? Kann dieſer Vorwurf Ihr Gewiſſen drücken?
Und meine Neue Mutter — hat ſie mir nicht meines Vaters Liebe ſchon gekoſtet? Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes Verdienſt war noch, ſein Einziger zu ſeyn. 6Dom Karlos.Sie gab ihm eine Tochter — O wer weiß was in der Zeiten Hintergrunde ſchlummert? —
Sie ſpotten meiner, Prinz. Ganz Spanien vergöttert ſeine Königinn — Sie ſollten nur mit des Haſſes Augen ſie betrachten? Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören? Wie, Prinz? Die ſchönſte Frau auf dieſer Welt, beim erſten Blick Monarchinn ohne Krone, kaum zwei und zwanzig Frühlingen entflogen, und Königinn — und ehmals ihre Braut? Unmöglich Prinz! Unglaublich! Nimmer - mehr! Wo alles liebt kann Karl allein nicht haſſen, ſo ſeltſam widerſpricht ſich Karlos nicht. Verwahren Sie Sich Prinz, daß ſie es nie wie ſehr ſie ihrem Sohn mißfällt erfahre, die Nachricht würde ſchmerzen.
Glauben Sie?
Wenn Eure Hoheit ſich des letzteren Turniers zu Saragoſſa noch entſinnen, wo unſern Herrn ein Lanzenſplitter ſtreifte — Die Königinn mit ihren Damen ſaß7Erſter Akt.auf des Pallaſtes mittlerer Tribune und ſah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s: „ Der König blutet! “— Man rennt durch einander, ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr Der Königinn; „ Der Prinz? “ruft ſie und will, und will ſich von dem oberſten Geländer herunterwerfen. — „ Nein! Der König ſelbſt. “gibt man zur Antwort — „ So laßt Ärzte hohlen! “erwiedert ſie indem ſie Athem ſchöpfte.
Sie ſtehen in Gedanken?
Ich bewundre des Königs luſt’gen Beichtiger, der ſo bewandert iſt in witzigen Geſchichten.
Doch
hab’ ich immer ſagen hören, daß Geberdenſpäher und Geſchichtenträger des Übels mehr auf dieſer Welt gethan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten. Die Mühe Herr war zu erſparen. Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.
Sie thun ſehr wohl, mein Prinz, Sich vorzuſehn mit Menſchen — nur mit Unterſcheidung. Stoßen Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück. Ich mein’ es gut mit Ihnen.
Laſſen Sie das meinen Vater ja nicht merken. Sonſt ſind Sie um Ihren Purpur.
Wie?
Nun ja. Verſprach er Ihnen nicht den erſten Purpur, den Spanien vergeben würde? —
Prinz, Sie ſpotten meiner.
Das verhüte Gott, daß ich des fürchterlichen Mannes ſpotte, der meinen Vater ſelig ſprechen und verdammen kann!
Ich will mich nicht vermeſſen, Prinz, in das ehrwürdige Geheimniß Ihres Kummers einzudringen. Nur bitt’ ich Eure Hoheit, eingedenk zu ſein, daß dem beängſtigten Gewiſſen die Kirche eine Zuflucht aufgethan, wozu Monarchen keinen Schlüſſel haben, wo ſelber Miſſethaten unterm Siegel des Sakramentes aufgehoben liegen — Sie wiſſen was ich meine, Prinz — ich habe genug geſagt.
Nein! Das ſoll ferne von mir ſein, daß ich den Siegelführer ſo verſuchte!
Prinz, dieſes Mißtraun — Sie verkennen Ihren getreuſten Diener.
Alſo geben Sie mich lieber auf. Sie ſind ein heil’ger Mann, das weiß die Welt — doch frei heraus — für mich ſind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,10Dom Karlos.Hochwürd’ger Vater, iſt der weiteſte, bis Sie auf Peters Stuhle niederſitzen. Viel Wiſſen möchte Sie beſchweren. Melden Sie das dem König, der Sie hergeſandt.
Mich hergeſandt —
So ſagt’ ich. O zu gut, zu gut weiß ich, daß ich an dieſem Hof verrathen bin — ich weiß, daß hundert Augen gedungen ſind mich zu bewachen, weiß, daß König Philipp ſeinen einz’gen Sohn an ſeiner Knechte ſchlechteſten verkaufte, und jede von mir aufgefangne Silbe dem Hinterbringer fürſtlicher bezahlt, als er noch keine gute That bezahlte. Ich weiß — O ſtill! Nichts mehr davon. Mein Herz will überſtrömen, und ich habe ſchon zu viel geſagt.
Der König iſt geſonnen vor Abend in Madrid noch einzutreffen. Bereits verſammelt ſich der Hof. Hab’ ich die Gnade, Prinz —
Schon gut. Ich werde folgen.
Beweinenswerther Philipp, wie dein Sohn beweinenswerth! — Schon ſeh’ ich deine Seele vom gift’gen Schlangenbiß des Argwohns bluten; dein unglückſel’ger Vorwitz übereilt die fürchterlichſte der Entdeckungen, und raſen wirſt du, wenn du ſie gemacht. Dein Gold kann ſich erſchöpfen, deine Flotten in Stürmen unterſinken — Schreckenlos ſiehſt du die Wogen der Rebellion bis an die Stufen deines Thrones ſchlagen. Dein Thron ſteht feſt. Doch —
O ihr guten Geiſter! Mein Rodrigo!
Mein Karlos!
Iſt es möglich? 12Dom Karlos.Iſt’s wahr? Iſt’s wirklich? Biſt Du’s? — O Du biſt’s! Ich drück’ an meine Seele Dich, ich fühle die Deinige allmächtig an mir ſchlagen. O jetzt iſt alles wieder gut. In dieſer Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege am Halſe meines Rodrigo.
Ihr krankes, Ihr krankes Herz? Und was iſt wieder gut? Was iſt’s, das wieder gut zu werden brauchte? Sie hören, was mich ſtutzen macht.
Und was bringt Dich ſo unverhofft aus Brüſſel wieder? Wem dank’ ich dieſe Überraſchung? Wem? ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen, erhabne Vorſicht, dieſe Läſterung! Wem ſonſt als dir, Allgütigſte? Du wußteſt, daß Karlos ohne Engel war, du ſandteſt mir dieſen, und ich frage noch!
Vergebung, mein theurer Prinz, wenn ich dieß ſtürmiſche Entzücken mit Beſtürzung[nur] erwiedre. 13Erſter Akt.So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohn erwartete. So fürchterlich begrüßte mich Karl noch nie. Ein unnatürlich Roth entzündet ſich auf Ihren blaſſen Wangen, und Ihre Lippen zittern fieberhaft. Was muß ich glauben, theurer Prinz? — Das iſt der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem ein unterdrücktes Heldenvolk mich ſendet — denn jetzt ſteh’ ich als Rodrigo nicht hier, nicht als des Knaben Karlos Spielgeſelle — ein Abgeordneter der ganzen Menſchheit umarm’ ich Sie — es ſind die Flandriſchen Provinzen, die an Ihrem Halſe weinen und feierlich um Rettung Sie beſtürmen. Die Zeit iſt da, die ſchreckenvolle Zeit, die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt. Tiranniſch wühlt Dom Philipp in dem Herzen des freigeborenen Brabants. Es iſt gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba, des Fanatismus rauher Henkersknecht, vor Brüſſel rückt mit Spaniſchen Geſetzen. Auf Kaiſer Karls glorwürd’gem Enkel ruht die letzte Hoffnung dieſer edeln Lande. Sie ſtürzt dahin, wenn ſein erhabnes Herz vergeſſen hat für Menſchlichkeit zu ſchlagen.
Sie ſtürzt dahin. Nur Thränen kann ich geben, und Thränen brauch’ ich für mich ſelbſt. Verließ der Himmel mich — was liegt an Nationen.
Hier kenn’ ich meinen Karl nicht mehr. So ſpricht der große Menſch — vielleicht der einz’ge, den die Geiſterſeuche ſeiner Zeit verſchonte? der bei Europa’s algemeinem Taumel noch aufrecht ſtand, den gift’gen Schierlings - trank des Pfaffenthums, von welchem ſchon das zweite Jahrtauſend ſich im Schwindel dreht, beherzt vom Munde ſtieß — der gegen Prieſterblitze und eines Königs ſchlaue Heiligkeit und eines Volks andächt’gen Rauſch die Rechte der hingeſtürzten Menſchheit gelten machte —
Sprichſt Du von mir? Du irrſt Dich, guter Menſch. Auch mir hat einſt von einem Karl geträumt, dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man von Freiheit ſprach — doch der iſt lang be - graben. 15Erſter Akt.Den Du hier ſiehſt, das iſt der Karl nicht mehr, der in Alkala von Dir Abſchied nahm, der Karl nicht mehr, der ſich beherzt getraute, das Paradies dem Schöpfer abzuſehn und dermaleinſt als unumſchränkter Fürſt in Spanien zu pflanzen — O der Einfall war kindiſch, aber göttlich ſchön. Vorbei ſind dieſe Träume. —
Träume, Prinz! — Und Träume nur wären es geweſen?
Laß mich weinen, an Deinem Herzen heiße Thränen weinen, Du einz’ger Freund. Ich habe niemand — niemand — auf dieſer großen weiten Erde niemand. So weit das Zepter meines Vaters reicht, ſo weit die Schiffahrt unſre Flaggen ſendet, iſt keine Stelle — keine — keine, wo ich meiner Thränen mich entlaſten darf, als dieſe. O bei allem, Rodrigo, was Du und ich dereinſt im Himmel hoffen, von dieſer Stelle, Rodrigo, verjage, verjage mich von dieſer Stelle nicht.
Berede Dich, ich wär’ ein Waiſenkind, das Du am Thron mitleidig aufgeleſen. Ich weiß ja nicht was Vater heißt — ich bin ein Königsſohn — O wenn es eintrifft, was mein Herz mir ſagt, wenn Du aus Milljonen herausgefunden biſt, mich zu verſtehn, wenn’s wahr iſt, daß die ſchaffende Natur den Rodrigo im Karlos wiederhohlte, und unſrer Seelen zartes Saitenſpiel am Morgen unſres Lebens gleich bezog, wenn eine Thräne, die mir Lindrung gibt, Dir theurer iſt, als meines Vaters Gnade —
O theurer als die ganze Welt.
So tief bin ich gefallen — bin ſo arm geworden, daß ich an unſre frühen Kinderjahre Dich mahnen muß — daß ich Dich bitten muß die langvergeßne Schulden abzutragen, die Du noch im Matroſenkleide machteſt —17Erſter Akt.als Du und ich, zween Knaben wilder Art, ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein. Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen; Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück. Oft ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie! und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend, Vaſallenkinder in die Arme drückteſt. Warum nur dieſe? rief ich trauernd aus: Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut? — Du aber, Du knieteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder: Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn.
O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen.
Ich hatt’ es nicht um Dich verdient. Ver - ſchmähen,B18Dom Karlos.zerreißen konnteſt Du mein Herz, doch nie von Dir entfernen. Dreimal wieſeſt Du den Fürſten von Dir, dreimal ſtand er wieder als Bettler da, um Liebe Dich zu flehn und Dir gewaltſam Liebe aufzudringen. Ein Zufall that was Karlos nie gekonnt. Einmal geſchah’s bei unſern Spielen, daß der Königinn von Böhmen, meiner Tante, Dein Federball in’s Auge flog. Sie glaubte, daß es mit Vorbedacht geſchehn, und klagt’ es dem Könige mit thränendem Geſicht. Die ganze Jugend des Pallaſtes muß erſcheinen, ihm den Schuldigen zu nennen. Der König ſchwört, die hinterliſt’ge That, und wär’ es auch an ſeinem eig’nen Kinde, auf’s ſchrecklichſte zu ahnden — Damals ſah ich Dich zitternd in der Ferne ſtehn, und jetzt, jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen des Königs. Ich, ich that es, rief ich aus: An deinem Sohn erfülle deine Rache.
Ach! Woran mahnen Sie mich, Prinz!
Sie ward’s:19Erſter Akt.im Angeſicht des ganzen Hofgeſindes, das mitleidsvoll im Kreiſe ſtand, ward ſie auf Sklavenart an Deinem Karl vollzogen. Ich ſah auf Dich und weinte nicht. Der Schmerz ſchlug meine Zähne knirſchend an einander; ich weinte nicht. Mein königliches Blut floß ſchändlich unter unbarmherz’gen Streichen; ich ſah’ auf Dich und weinte nicht — Den König erbitterte des Knaben Heldenmuth. Zwölf fürchterliche Stunden zwang er mich, in einem todten Kerker ihn zu büßen. So hoch kam mir der Eigenſinn zu ſtehn von Rodrigo geliebt zu ſein. Du kamſt; lautweinend ſankſt Du mir zu Füßen. Ja! Ja, riefſt Du aus; mein Stolz iſt über - wunden. Ich will bezahlen, wenn Du König biſt.
Ich will es, Karl. Das kindiſche Gelübde erneur’ ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen. Auch meine Stunde ſchlägt vielleicht.
Jetzt, jetzt. O zög’re nicht. Jetzt hat ſie ja geſchlagen. Die Zeit iſt da, wo Du es löſen kannſt. Ich brauche Liebe.
Liebe, beſter Karl, iſt’s ja allein, worin mich Philipps Sohn nicht übertreffen ſoll.
Ein ſchreckliches Geheimniß brennt auf meiner Bruſt. Es ſoll, es ſoll heraus. In Deinen blaſſen Mienen will ich das Urtheil meines Todes leſen. Hör’ an — erſtarre — doch erwiedre nichts — Ich liebe meine Mutter.
O mein Gott!
Nein! Dieſe Schonung will ich nicht. Sprich’s aus, ſprich, daß auf dieſem großen Rund der Erde kein Elend an das meine gränze — ſprich — Was Du mir ſagen kannſt, errath’ ich ſchon. 21Erſter Akt.Der Sohn liebt ſeine Mutter. Weltgebräuche, die Ordnung der Natur und Roms Geſetze verdammen dieſe Leidenſchaft. Mein Anſpruch ſtößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte. Ich fühl’s, und dennoch lieb’ ich. Dieſer Weg führt nur zu Wahnſinn oder Blutgerüſte. Ich liebe ohne Hoffnung — laſterhaft — mit Todesangſt und mit Gefahr des Lebens — das ſeh’ ich ja, und dennoch lieb’ ich.
Weiß die Königinn um dieſe Neigung?
Konnt’ ich mich ihr entdecken? Sie iſt Philipps Frau und Königinn, und das iſt Span’ſcher Boden. Von meines Vaters Eiferſucht bewacht, von Etikette ringsum eingeſchloſſen, wie konnt’ ich ohne Zeugen mich ihr nahn? Acht höllenbange Monde ſind es ſchon, daß von der hohen Schule mich der König an ſeinen Hof zurück berief — daß ich ſie täglich anzuhören — anzuſtarren, verurtheilt bin, und wie das Grab zu ſchweigen, Acht höllenbange Monde, Rodrigo,22Dom Karlos.daß dieſes Feu’r in meinem Buſen wüthet, daß tauſendmal ſich das entſetzliche Geſtändniß ſchon auf meinen Lippen meldet, doch ſcheu und feig zurück zum Herzen kriecht. O Rodrigo — nur wen’ge Augenblicke, nur ſo viel Zeit, als Menſchen nöthig haben mit Gott ſich zu vergleichen, ſchenke mir allein mit ihr —
Ach! Und Ihr Vater, Prinz —
Unglücklicher! Warum an den mich mahnen! Sprich mir von allen Schrecken des Gewiſſens; von meinem Vater ſprich mir nicht. Unheilbar, auf ewig riſſen zwiſchen mir und ihm die demantſtarken Bande der Natur.
Sie haſſen Ihren Vater!
Nein! Ach nein! Ich haſſe meinen Vater nicht — doch Schauer und Miſſethäters Bangigkeit ergreifen bei den zwo fürchterlichen Silben mich. 23Erſter Akt.Kann ich dafür, wenn eine knechtiſche Erziehung ſchon in meinem jungen Herzen der Liebe zarten Keim zertrat? — Sechs Jahre hatt ich gelebt, als mir zum erſtenmal der Fürchterliche, der, wie ſie mir ſagten, mein Vater war, vor Augen kam. Es war an einem Morgen, wo er ſteh’nden Fußes vier Bluturtheile unterſchrieb. Nach dieſem ſah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn Beſtrafung angekündigt ward — O Gott! hier fühl’ ich, daß ich bitter werde — Weg — weg, weg von dieſer Stelle.
Nein, Sie ſollen, jetzt ſollen Sie Sich öffnen, Prinz. In Worten erleichtert ſich der ſchwer beladne Buſen.
Oft hab’ ich mit mir ſelbſt gerungen, oft um Mitternacht, wenn meine Wachen ſchliefen, mit heißen Thränengüſſen vor das Bild der Hochgebenedeihten mich geworfen, ſie um ein kindlich Herz gefleht — doch ohne Erhörung ſtand ich auf. Ach Rodrigo! enthülle Du dieß wunderbare Räthſel24Dom Karlos.der Vorſicht mir — — Warum von tauſend Vätern juſt eben dieſen Vater Mir? Und Ihm juſt dieſen Sohn von tauſend beſſern Söhnen? Zwei unverträglichere Gegentheile fand die Natur in ihrem Umkreis nicht. Wie mochte ſie die beiden letzten Enden des menſchlichen Geſchlechtes — Mich und Ihn — durch ein ſo heilig Band zuſammen zwingen? Furchtbares Loos! Warum mußt’ es geſchehn? Warum zwei Menſchen, die ſich ewig meiden, in Einem Wunſche ſchrecklich ſich begegnen? Hier, Rodrigo, ſiehſt Du zwei feindliche Geſtirne, die im ganzen Lauf der Zeiten ein einzigmal in ſcheitelrechter Bahn zerſchmetternd ſich berühren, dann auf immer und ewig aus einander fliehn.
Mir ahndet ein unglücksvoller Augenblick.
Mir ſelbſt. Wie Furien des Abgrunds folgen mir die ſchauerlichſten Träume. Zweifelnd ringt25Erſter Akt.mein guter Geiſt mit gräßlichen Entwürfen, durch labirinthiſche Sophismen kriecht mein unglückſel’ger Scharfſinn, bis er endlich vor eines Abgrunds gähem Rande ſtutzt — O Rodrigo, wenn ich den Vater je in ihm verlernte — Rodrigo — ich ſehe, dein todtenblaſſer Blick hat mich verſtanden. Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, was würde mir der König ſein?
Darf ich an meinen Karlos eine Bitte wagen? Was Sie auch Willens ſind zu thun — ſo heftig auch Leidenſchaft Sie drängen mag, verſprechen Sie, ohne Ihren Freund nichts zu beſchließen. Verſprechen Sie mir dieſes?
Alles, alles, was Deine Liebe mir gebeut. Ich werfe mich ganz in Deine Arme.
Wie man ſagt, will der Monarch zur Stadt zurücke kehren. 26Dom Karlos.Die Zeit iſt kurz. Wenn Sie die Königinn geheim zu ſprechen wünſchen, kann es nirgends als in Aranjuez geſchehn. Die Stille des Orts — des Landes ungezwungne Sitte begünſtigen —
Das war auch meine Hoffnung. Doch ach ſie war vergebens!
Nicht ſo ganz. Ich gehe mich ſogleich ihr vorzuſtellen, wie ich auch ohne dieß gethan. Sie weiß, und Sie nur, das Geheimniß unſ’rer Freund: ſchaft. Iſt ſie in Spanien dieſelbe noch, die ſie vordem an Heinrichs Hof geweſen, ſo find’ ich Offenherzigkeit. Ich komme auf ihren Sohn zu reden —
Göttlich! Göttlich!
Aus ihren Blicken ſpricht ihr Herz. Kann ich in dieſen Blicken Karlos Hoffnung leſen, find’ ich zu dieſer Unterredung ſie geſtimmt — ſind ihre Damen zu entfernen —
Die meiſten ſind mir zugethan — Beſonders die Mondekar hab’ ich durch ihren Sohn, der mir als Page dient, gewonnen. —
Deſto beſſer. So ſind Sie in der Nähe, Prinz, ſogleich auf mein gegebnes Zeichen zu erſcheinen.
Das will ich — will ich — alſo eile nur.
Ja! Aber welches Zeichen? — Die Ent - fernung iſt etwas groß, und näher ſich zu wagen für beider Sicherheit nicht rathſam.
Wie? Wenn das gelänge! — Ja — es muß — es muß. So eben, weiß ich, iſt die Zeit, wo ſie den Garten zu beſuchen pflegt. Die Quellen im ganzen Garten hängen mit dem Brunnen der Nereiden, den Du vor dem Luſthaus der Königinn entdecken wirſt, zuſammen. 28Dom Karlos.Zum Glücke ſtehn jetzt alle ſtill. Wenn Du ein Mittel findeſt, dieſe einzige Fontaine zu eröffnen, ſpringen alle Kaskaden in Aranjuez — und ich weiß meine Loſung.
Glücklicher Gedanke! Ich will nun keinen Augenblick verlieren. Dort alſo, Prinz, auf Wiederſehn.
Sie will ich um mich haben, Mondekar. Die muntern Augen der Prinzeſſinn quälen mich ſchon den ganzen Morgen. Sehen Sie, kaum weiß ſie ihre Freude zu verbergen, weil ſie vom Lande Abſchied nimmt.
Ich will es nicht läugnen, meine Königinn, daß ich Madrid mit Freuden wieder ſehe.
Und Ihro Majeſtät nicht auch? Sie ſollten ſo ungern von Aranjuez Sich trennen?
Von — — dieſer ſchönen Gegend wenigſtens. Hier bin ich wie in meiner Welt. Dieß Plätzchen hab’ ich mir längſt zum Liebling auserleſen. Hier grüßt mich meine ländliche Natur, die Buſenfreundinn meiner jungen Jahre. Hier find’ ich meine Kinderſpiele wieder, und meines Frankreichs Lüfte wehen hier. Verargen Sie mir’s nicht. Wir alle, glaub’ ich, ſind für das Vaterland parteiiſch.
Iſt man das in Frankreich auch?
Wie einſam aber, wie todt und traurig iſt es hier! Man glaubt ſich in la Trappe.
Das Gegentheil vielmehr. Todt find’ ich es nur in Madrid — Doch was ſpricht unſre Herzoginn dazu?
Ich bin der Meinung, Ihro Majeſtät, daß es ſo Sitte war, den einen Monat hier, den andern in dem Pardo auszuhalten, den Winter in der Reſidenz, ſo lange es Könige in Spanien gegeben.
Ja, Herzoginn, das wiſſen Sie, mit Ihnen hab’ ich auf immer mich des Streits begeben.
Und wie lebendig es mit nächſtem in Madrid ſein wird. Zu einem Stiergefechte wird ſchon die Plaza Mayor zugerichtet, und ein Auto da Fe hat man uns auch verſprochen —
Uns verſprochen! Hör’ ich das von meiner ſanften Mondekar?
Warum nicht? Es ſind ja Ketzer, die man brennen ſieht.
Ich hoffe meine Eboli denkt anders.
Ich? — Ihro Majeſtät, ich bitte ſehr, für keine ſchlecht’re Chriſtinn mich zu halten, als die Marquiſinn Mondekar.
Ach! Ich vergeſſe wo ich bin — Zu etwas anderm — vom Lande, glaub’ ich, ſprachen wir. Der Monat iſt, däucht mir, auch erſtaunlich ſchnell vorüber. Ich habe mir der Freude viel, ſehr viel, von dieſem Aufenthalt verſprochen, und ich habe nicht gefunden, was ich hoffte. Geht es mit jeder Hoffnung ſo? Ich kann den Wunſch nicht finden, der mir fehlgeſchlagen.
Prinzeſſinn Eboli, Sie haben uns noch nicht geſagt, ob Gomez hoffen darf? Ob wir Sie bald als ſeine Braut begrüßen?
Ja! Gut, daß Sie mich mahnen, Herzoginn.
Man bittet mich bei Ihnen fürzuſprechen;33Erſter Akt.Wie aber kann ich das? Der Mann, den ich mit meiner Eboli belohne, muß ein würd’ger Mann ſein.
Ihro Majeſtät, das iſt er — ein ſehr würd’ger Mann — ein Mann, den unſer gnädigſter Monarch bekanntlich mit ihrer königlichen Gunſt beehren.
Das wird den Mann ſehr glücklich machen — Doch wir wollen wiſſen, ob er lieben kann, und Liebe kann verdienen. — Eboli, das frag’ ich Sie.
Großmüth’ge Königinn, erbarmen Sie Sich meiner. Laſſen Sie — um Gottes willen, laſſen Sie mich nicht — nicht aufgeopfert werden.
Aufgeopfert? Ich brauche nichts mehr. Stehn Sie auf. Es iſt ein hartes Schickſal, aufgeopfert werden. Ich glaube Ihnen. Stehn Sie auf. — Iſt es ſchon lang’, daß Sie den Grafen ausgeſchlagen?
O viele Monate. Prinz Karlos war noch auf der hohen Schule.
Haben Sie Sich auch geprüft, aus welchen Gründen?
Niemals kann es geſchehen, meine Königinn, aus tauſend Gründen niemals.
Mehr als Einer iſt zu viel. Sie können ihn nicht ſchätzen — das iſt mir genug. Nichts mehr davon.
35Erſter Akt.Ich habe ja die Infantinn heut noch nicht geſehen. Marquiſinn, bringen Sie ſie mir. —
Es iſt noch nicht die Stunde, Ihro Majeſtät —
Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter ſeyn darf? Das iſt doch ſchlimm. Vergeſſen Sie es ja nicht, mich zu erinnern wenn ſie kommt.
Der Marquis von Poſa, Ihro Majeſtät —
Von Poſa?
Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden, und wünſcht die Gnade zu erhalten, BriefeC 236Dom Karlos.von der Regentinn Mutter übergeben zu dürfen.
Und das iſt erlaubt?
In meiner Vorſchrift iſt des beſondern Falles nicht gedacht, wenn ein Kaſtilian’ſcher Grande Briefe von einem fremden Hof der Königinn von Spanien in ihrem Garten zu überreichen kommt.
So will ich denn auf meine Gefahr es wagen —
Wenigſtens erbitt’ ich von Ihro Majeſtät die Gnade mir, mich ſo lang’ zu entfernen —
Halten Sie das, wie Sie wollen, Herzoginn.
Königinn. Prinzeſſinn von Eboli. Marquiſinn von Mondekar und Marquis von Poſa.
Ich heiße Sie willkommen, Chevalier, auf Span’ſchem Boden.
Den ich noch nie mit ſo gerechtem Stolze mein Vaterland genannt als jetzt —
Der Marquis von Poſa, der im Ritterſpiel zu Rheims mit meinem Vater eine Lanze brach, und meine Farbe dreimal ſiegen machte — Der erſte ſeiner Nation, der mich den Ruhm empfinden lehrte, Königinn der Spanier zu ſein.
Als wir im Louvre zum letztenmal uns ſahen, Chevalier, da träumt’ es Ihnen wohl noch nicht, daß Sie mein Gaſt ſein würden in Kaſtilien.
Nein, große Königinn — denn damals träumte mir nicht, daß Frankreich noch das Einzige an uns verlieren würde, was wir ihm beneidet hatten.
Stolzer Spanier! Das Einzige? — Und das zu einer Tochter vom Hauſe Valois?
Jetzt darf ich es ja ſagen, Ihro Majeſtät — denn jetzt ſind Sie ja unſer.
Ihre Reiſe, hör’ ich, hat auch durch Frankreich Sie geführt — Was bringen Sie mir von meiner hochverehrten Mutter und meinen vielgeliebten Brüdern?
Die Regentinn Mutter fand ich krank, geſchieden von jeder andern Freude dieſer Welt,39Erſter Akt.als ihre königliche Tochter glücklich zu wiſſen auf dem Span’ſchen Thron.
Muß ſie es nicht ſein bei dem theuern Angedenken ſo zärtlicher Verwandten? bei der ſüßen Erinnerung an — — — Sie haben viele Höfe beſucht auf Ihren Reiſen, Chevalier; den halben Norden, leſ’ ich, durchgereiſ’t — In London waren Sie ſehr lang’.
In London!
In London! — Alſo hat der Chevalier die Ketzer-Königinn geſehen? — Wie ſah ſie denn aus?
So ſchön beinahe, wie Prinzeſſinn Eboli auf — einem Throne.
Schön! — Mondekar?
Und jetzt ſind Sie geſonnen in Ihrem Vaterland Sich ſelbſt zu leben? Ein größ’rer Fürſt in Ihren ſtillen Mauern, als König Philipp auf dem Thron — ein Freier! ein Philoſoph! — Ich zweifle ſehr, ob Sie Sich werden können in Madrid gefallen. Man iſt ſehr — — — ruhig in Madrid.
Und das iſt mehr, als ſich das ganze übrige Europa zu erfreuen hat.
So hör’ ich. Ich habe alle Händel dieſer Erde bis faſt auf die Erinnerung verlernt. Was ich mir nimmer hätte träumen laſſen — es iſt nichts leichter, find’ ich, nichts bequemer, als eine Königinn zu ſein.
Gewiß, wenn man dazu geboren ward!
Die Welt hat Sie verdorben, Marquis. Kaum erkenn 'ich den Philoſophen mehr, der unbeſtochen und ohne Menſchenfurcht ſogar am Throne die Wahrheit ſagt.
Vielmehr — es iſt die kühnſte Freimüthigkeit, da Wahrheit zu geſtehn, wo ſie gewiß kein Schmeichler wagen möchte.
Mir däucht, Prinzeſſinn Eboli, ich ſehe dort eine Hyazinthe blühen — Wollen Sie mir ſie bringen?
Chevalier, ich müßte mich ſehr betrügen, oder Ihre Ankunft hat einen frohen Menſchen mehr gemacht an dieſem Hof.
Ich habe einen42Dom Karlos.ſehr traurigen gefunden — den auf dieſer Welt nur etwas fröhlich —
Da der Chevalier ſo[viele] Länder hat geſehen, wird er ohne Zweifel viel merkwürdiges uns zu erzählen wiſſen.
Allerdings. Und Abenteuer ſuchen iſt bekanntlich der Ritter Pflicht — die[heiligſte] von allen die Damen zu beſchützen.
Gegen Rieſen. Jetzt gibt es keine Rieſen mehr.
Gewalt iſt für den Schwachen jederzeit ein Rieſe.
Der Chevalier hat Recht. Es gibt noch Rieſen, doch keine Ritter gibt es mehr.
Noch jüngſt,43Erſter Akt.auf meinem Rückweg von Neapel, war ich Zeuge einer rührenden Geſchichte, die mir der Freundſchaft heiliges Legat zu meiner eigenen gemacht — — — Wenn ich nicht fürchten müßte Ihre Majeſtät durch die Erzählung zu ermüden —
Bleibt mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzeſſinn läßt ſich nichts unterſchlagen. Nur zur Sache. Auch ich bin eine Freundinn von Geſchichten.
Zwei edle Häuſer in Mirandola, der Eiferſucht, der langen Feindſchaft müde, die von den Gibellinen und den Guelfen Jahrhunderte ſchon fortgeerbt, beſchloſſen, durch der Verwandtſchaft zarte Bande ſich in einem ew’gen Frieden zu vereinen. Des mächtigen Pietro Schweſterſohn, Fernando, und die göttliche Mathilde, Colonna’s Tochter, waren auserſehn, Dieß ſchöne Band der Einigkeit zu knüpfen. Nie hat zwo ſchön’re Herzen die Natur gebildet für einander — nie die Welt, nie eine Wahl ſo glücklich noch geprieſen. 44Dom Karlos.Noch hatte ſeine liebenswürd’ge Braut Fernando nur im Bildniß angebetet — wie zitterte Fernando wahr zu finden was ſeine feurigſten Erwartungen dem Bilde nicht zu glauben ſich getrauten! In Padua, wo ſeine Studien ihn feſſelten, erwartete Fernando des frohen Augenblickes nur, der ihm vergönnen ſollte, zu Mathildens Füßen der Liebe erſte Huldigung zu ſtammeln.
Indeſſen macht der Gattinn Tod die Hand Pierro’s frei — Mit jugendlicher Glut verſchlingt der Greis die Stimmen des Ge - rüchtes, das in den Ruhm Mathildens ſich ergoß. Er kommt! Er ſieht! — Er liebt! Die neue Regung erſtickt die leiſ’re Stimme der Natur, der Oheim wirbt um ſeines Neffen Braut und heiligt ſeinen Raub vor dem Altare.
Und was beſchließt Fernando?
Auf der Liebe Fluͤgeln, des fürchterlichen Wechſels unbewußt, eilt nach Mirandola der Trunkene. Mit Sternenſchein erreicht ſein ſchnelles Roß die Thore — ein bachantiſches Ge[t]ön von Reihen und von Pauken donnert ihm aus dem erleuchteten Pallaſt entgegen. Er bebt die Stufen ſcheu hinauf, und ſieht ſich unerkannt im lauten Hochzeitſaale, wo in der Gäſte taumelndem Gelag Pietro ſaß — ein Engel ihm zur Seite, ein Engel, den Fernando kennt, der ihm in Träumen ſelbſt ſo glänzend nie erſchienen. Ein einz’ger Blick zeigt ihm was er beſeſſen, zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.
Unglücklicher Fernando!
Die Geſchichte iſt doch zu Ende, Chevalier? — Sie muß zu Ende ſeyn.
Noch nicht ganz.
Sagten Sie uns nicht, Fernando ſei Ihr Freund geweſen?
Ich habe keinen theurern.
Fahren Sie doch fort in der Geſchichte, Chevalier.
Sie wird ſehr traurig — — — und das An - gedenken erneuert meinen Schmerz. Erlaſſen Sie mir den Beſchluß —
Nun wird mir endlich doch vergönnt ſein, meine Tochter zu umarmen. — Prinzeſſinn, bringen Sie ſie mir.
Sie haben uns von Mathilden nichts geſagt? Vielleicht weiß ſie es nicht, wie viel Fernando leidet?
Mathildens Herz hat niemand noch ergrün - det — Doch große Seelen dulden ſtill.
Sie ſehen Sich um? Wen ſuchen Ihre Augen?
Eben erinnr’ ich mich, wie glücklich ein Gewiſſer, den ich nicht nennen darf, an meinem Platze ſein müßte.
Weſſen Schuld iſt es, daß er es nicht iſt?
Wie? Darf ich mich unterſtehen dieß zu erklären wie ich will? — Er würde Vergebung finden, wenn er jetzt erſchiene?
Jetzt? Jetzt? Was meinen Sie damit?
Er dürfte hoffen — Dürft’ er?
Sie erſchrecken mich, Chevalier — Er wird doch nicht —
Hier iſt er ſchon.
So iſt er endlich da der Augenblick, und Karl darf dieſe theure Hand berühren! O heller Punkt in meinem Lebenslauf — jetzt bin ich glücklich.
Unbeſonnener! Was für ein Schritt — Welch eine ſtrafbare, tollkühne Überraſchung! Stehn Sie auf! — Wir ſind entdeckt. Mein Hof iſt in der Nähe.
Ich ſteh’ nicht auf — hier will ich ewig knien. Auf dieſem Platz will ich verzaubert liegen, in dieſer Stellung angewurzelt.
Raſender! Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade? D50Dom Karlos.Wie? Wiſſen Sie, daß es die Königinn, daß es die Mutter iſt, an die ſich dieſe verweg’ne Sprache richtet? Wiſſen Sie, daß ich — ich ſelbſt von dieſem Überfalle dem Könige —
Und daß ich ſterben muß. Man reiße mich von hier auf’s Blutgerüſte; ein Augenblick gelebt im Paradieſe wird nicht zu theuer mit dem Tod gebüßt.
Und Ihre Königinn?
Gott! Gott! ich gehe — Ich will Sie ja verlaſſen. — Muß ich nicht, wenn Sie es alſo fodern? — Mutter! Mutter! wie ſchrecklich ſpielen Sie mit mir. Ein Wink, ein halber Blick, — ein Laut aus Ihrem Munde wirft zwiſchen Höll’ und Himmel mich herum, gebietet mir zu ſein und zu vergehen. Was wollen Sie daß noch geſchehen ſoll? Was unter dieſer Sonne kann es geben,51Erſter Akt.das ich nicht hinzuopfern eilen will, wenn Sie es wünſchen?
Fliehen Sie.
O Gott!
Das einz’ge, Karl, warum ich Sie mit Thränen beſchwöre — Fliehen Sie! — eh’ meine Damen — eh’ meine Pagen, — meine Kerkermeiſter — in dieſer heft’gen Wallung Sie und mich beiſammen finden, und die große Zeitung vor Ihres Vaters Ohren bringen — — Noch? Noch zweifeln Sie und ſtehen unentſchloſſen? — Unglücklicher! Wohlan ſo bleibe denn uns beide zu verderben.
Ich erwarte mein Schickſal — es ſei Leben oder Tod. Hab’ ich umſonſt durch jedes Hinderniß und jedes Labirinth der Etikette und alle Minotauren mich gerungen? Wie? Hab’ ich darum meine HoffnungenD 252Dom Karlos.auf dieſen einz’gen Augenblick verwieſen, der Sie mir endlich ohne Zeugen ſchenkt, daß falſche Schrecken mich am Ziele täuſchten? Nein Königinn! Die Welt kann hundertmal, kann tauſendmal um ihre Pole treiben, eh’ dieſe Gunſt der Zufall wiederhohlt.
Auch ſoll er das in Ewigkeit nicht wieder. Unglücklicher! Was wollen Sie von mir?
O Königinn, daß ich gerungen habe, gerungen wie kein Sterblicher noch rang, iſt Gott mein Zeuge — Königinn! Umſonſt! Hin iſt mein Heldenmuth. Ich unterliege.
Nichts mehr davon — Um meiner Ruhe wil - len —
Nein! Ich will reden! Mein gerechter Schmerz erleichtert ſich in wüthender Ergießung. Sie waren mein — im Angeſicht der Welt mir zugeſprochen von zwei großen Thronen, mir zuerkannt von Himmel und Natur, und Philipp, Philipp hat mir Sie geſtohlen —
Es iſt Ihr Vater.
Ihr Gemahl.
Der Ihnen das größte Reich der Welt zum Erbe gibt.
Und Sie zur Mutter —
Großer Gott! Sie raſen —
Und weiß er auch wie reich er iſt? Hat er ein fühlend Herz, das Ihrige zu ſchätzen? Ich will nicht klagen. Große Vorſehung, ich will es dir vergeben — will vergeſſen, wie unausſprechlich glücklich Ich mit ihr geworden wäre — wenn nur Er es iſt. Er iſt’s nicht — Hör’ es, große Vorſehung! So frevelhaft verhöhnt er deine Gabe! Er iſt es nicht — Das, das iſt Höllenqual! Er iſt es nicht und wird es niemals werden. Du nahmſt mir meinen Himmel nur um ihn in König Philipps Armen zu vertilgen.
Abſcheulicher Gedanke!
O ich weiß, wer dieſer Ehe Stifter war — ich weiß, wie Philipp lieben kann und wie er freite — Allmächtige Natur — ein ſolch Geſchöpf wie in Jahrtauſenden dir keines noch gelungen iſt, wie in Jahrtauſenden dir keines mehr gelingen wird — und jetzt jetzt — jetzt — erröthe für dich ſelbſt, Natur — zum Unterpfand zerbrechlicher Verträge — für einen Frieden ſchändlich hingeopfert — im Kabinet und bei verſchloßnen Thüren durch einen Tiſch von Räthen und Prälaten zu ſeiner Ranggehülfinn ausgewürfelt auf Krämerart gefeilſcht, und dann dem Käufer nach abgeſchloßnem Handel ausgeliefert. So freien Könige!
O ſtill davon.
Wer ſind Sie denn in dieſem Reich? Laß hören. 55Erſter Akt.Regentinn etwa? Nimmermehr! Wie könnten, wo Sie Regentinn ſind, die Alba würgen? Wie könnte Flandern für den Glauben bluten? Wie, oder ſind Sie Philipps Frau? Un - möglich! Ich kann’s nicht glauben. Eine Frau beſitzt des Mannes Herz — und wem gehört das ſeine? Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit, die ihm vielleicht in Fiebergluth entwiſchte, dem Zepter ab und ſeinen grauen Haaren?
Wer machte Sie ſo ſtolz dieß zu behaupten? Wer ſagte Ihnen, daß an Philipps Seite mein Loos beweinenswürdig ſei?
Mein Herz, das feurig fühlt wie es an meiner Seite beneidenswürdig wäre.
Eitler Mann! Wenn mein Herz nun das Gegentheil mir ſagte? Wenn Philipps ehrerbiet’ge Zärtlichkeit und ſeiner Liebe ſtumme Mienenſprache weit inniger als ſeines ſtolzen Sohns56Dom Karlos.verwegene Beredſamkeit mich rührten? Wenn eines Greiſen überlegte Achtung —
Das iſt was anders — Dann — ja dann Ver - gebung. Ich wußt’ es nicht — Das wußt’ ich nicht, daß Sie den König lieben.
Dieſes ſtolze Lachen verſteh’ ich — Nein. Ich lieb’ ihn nicht — Doch ihn zu ehren iſt mein Wunſch und mein Vergnügen.
Sie haben nie geliebt?
Seltſame Frage!
Sie haben nie geliebt?
— Ich liebe nicht mehr.
Weil es Ihr Herz? Weil es Ihr Eid verbietet?
Verlaſſen Sie mich, Prinz, und kommen Sie zu keiner ſolchen Unterredung wieder.
Weil es Ihr Eid? Weil es Ihr Herz verbietet?
Weil meine Pflicht — — — Unglücklicher, wozu die traurige Zergliederung des Schickſals, dem Sie und ich gehorchen müſſen?
Müſſen? Gehorchen müſſen?
Wie? Was wollen Sie mit dieſem feierlichen Ton?
So viel, daß Karlos nicht geſonnen iſt, zu müſſen, wo er zu wollen hat? Daß Karlos nicht geſonnen iſt, der Unglückſeligſte in dieſem Reich zu bleiben, wenn es ihm nichts als den Umſturz der Geſetze koſtet, der Glücklichſte zu ſein.
Verſteh’ ich Sie? Sie hoffen noch? Sie wagen es, zu hoffen, wo alles, alles ſchon verloren iſt?
Ich gebe nichts verloren als die Todten.
Auf mich, auf Ihre Mutter hoffen Sie? —
Warum nicht? O! Der neu erwählte König kann mehr als das — kann die Verordnungen des Abgeſchied’nen durch das Feu’r vertilgen, kann ſeine Bilder ſtürzen, ſeinen Namen durch ein Edikt bei Strang und Schwert ver - bieten — aufbauen was der Sel’ge niederriß, und ſchleifen was er baute — kann ſogar — wer hindert ihn? — die Mumie des Todten
aus ihrer Ruhe zu Eſkurial hervor an’s Licht der Sonne reißen, ſeinen entweihten Staub in die vier Winde ſtreun, und dann zuletzt, um würdig zu vollenden —
Um Gottes willen, reden Sie nicht aus.
Zuletzt noch mit der Mutter ſich vermählen.
Verfluchter Sohn!
Ja es iſt aus. Jetzt iſt es aus — Ich fühle klar und helle, was mir ewig, ewig dunkel bleiben ſollte. Sie ſind für mich dahin — dahin — dahin — auf immerdar! — Jetzt iſt der Wurf gefallen. Sie ſind für mich verloren. — O in dieſem Gefühl liegt Hölle! Hölle liegt im andern, Sie zu beſitzen. — Weh! Ich faß’ es nicht, und meine Nerven fangen an zu reißen.
Beklagenswerther, theurer Karl! Ich fühle — ganz fühl’ ich ſie, die namenloſe Pein, die jetzt in Ihrem Buſen tobt. Unendlich wie Ihre Liebe iſt Ihr Schmerz. Unendlich wie er iſt auch der Ruhm ihn zu beſiegen. Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis iſt dieſes hohen, ſtarken Kämpfers werth,60Dom Karlos.des Jünglings werth, durch deſſen Herz die Tu - gend ſo vieler königlichen Ahnen rollt. Ermannen Sie Sich, edler Prinz. — Der Enkel des großen Karls fängt friſch zu ringen an, wo andrer Menſchen Kinder muthlos enden.
Zu ſpät! O Gott! Es iſt zu ſpät!
Ein Mann zu ſein? O Karl! Wie groß wird unſ’re Tu - gend, wenn unſer Herz bei ihrer Übung bricht! Hoch ſtellte Sie die Vorſicht — höher, Prinz, als Millionen Ihrer andern Brüder. Parteilich gab ſie ihrem Liebling, was ſie andern nahm, und Millionen fragen: Verdiente der im Mutterleibe ſchon mehr als wir andern Sterblichen zu gelten? Auf! retten Sie des Himmels Billigkeit! verdienen Sie, der Welt voran zu gehen, und opfern Sie was keiner opferte.
Das kann ich auch. — Sie zu erkämpfen hab’ ich Rieſenkraft; Sie zu verlieren keine.
Geſtehen Sie es, Karlos — Trotz iſt es und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünſche ſo wüthend nach der Mutter zieht. Die Liebe, das Herz, das Sie verſchwenderiſch mir opfern, gehört den Welten an, die Sie dereinſt regieren ſollen. Sehen Sie, Sie praſſen von Ihres Mündels anvertrautem Gut. Die Liebe iſt Ihr großes Amt. Bis jetzt verirrte ſie zur Mutter. — Bringen Sie, o bringen Sie ſie Ihren künft’gen Reichen und fühlen Sie, ſtatt Dolchen des Gewiſſens, die Wolluſt Gott zu ſein. Eliſabeth war Ihre erſte Liebe. Ihre zwote ſei Spanien. Wie gerne, guter Karl, will ich der beſſeren Geliebten weichen.
Wie groß ſind Sie, o Himmliſche! — Ja alles, was Sie verlangen, will ich thun! — auch ſterben, und wenn Sie wollen, nimmer ſelig ſein.
Hier ſteh’ ich in der Allmacht Hand und ſchwöre, und ſchwöre Ihnen, ſchwöre ewiges —62Dom Karlos.O Himmel! Nein! Nur ewiges Verſtummen, doch ewiges Vergeſſen nicht.
Wie könnt’ ich von Karlos fordern, was ich ſelbſt zu leiſten nicht Willens bin.
Der König!
Gott!
Hinweg! Hinweg aus dieſer Gegend, Prinz!
Sein Argwohn iſt fürchterlich, erblickt er Sie —
Ich bleibe! Er oder Ich — wer hat das Recht zu ſtehen? In dieſer Laune will ich ihn drum fragen?
Und wer wird denn das Opfer ſein?
Fort! Fort! Komm Rodrigo.
Was darf ich mit mir nehmen?
Die Freundſchaft Ihrer Mutter.
Freundſchaft! Mutter!
Und dieſe Thränen aus den Niederlanden.
Ha! Ich verſtehe.
So allein, Madam? Und auch nicht Eine Dame zur Begleitung? Das wundert mich — Wo bleiben Ihre Frauen?
Mein gnädigſter Gemahl — —
Und was iſt das? Sie ſcheinen ganz verwirrt, Madam — Wie Feuer brennt Ihr Geſicht — Es iſt nicht wie es ſollte — Warum allein? Wo bleiben Ihre Damen?
Von dieſem unverzeihlichen Verſehn ſoll man die ſtrengſte Rechenſchaft mir geben. Wer hat das Hofamt bei der Königinn? Wen traf der Rang ſie heute zu bedienen?
O zürnen Sie nicht mein Gemahl — ich ſelbſt, ich bin die Schuldige — auf mein Geheiß entfernte ſich die Fürſtinn Eboli.
Auf Ihr Geheiß?
Die Kammerfrau zu rufen, weil ich nach der Infantinn mich geſehnt.
Und darum die Begleitung weggeſchickt? Seltſam, bei Gott! Für’s künftige, Madam, verſchonen Sie mein Reich mit der Satire, daß Philipps Frau, will ſie ihr Kind umarmen, es ſo erwarten ſoll. — Kaſtilien iſt hoffentlich an Menſchen reich genug, die Königinn mit Frauen zu verſorgen. Doch dieß entſchuldigt nur die erſte Dame; wo war die zwote?
Ihro Majeſtät, ich fühle daß ich ſtrafbar bin —
Deßwegen vergönn’ ich Ihnen zehen Jahre Zeit, fern von Madrid darüber nachzudenken.
Marquiſinn, wen beweinen Sie?
Hab’ ich gefehlt, mein gnädigſter Gemahl, ſo ſollte die Königskrone dieſes Reichs, wonach ich ſelber nie gegriffen habe, mich zum mindeſten vor dem Erröthen ſchützen. Gibt’s ein Geſetz in dieſem Königreich, das vor Gericht Monarchentöchter fodert? Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens? Schützt ſie ein Zeuge mehr als ihre Tugend? — Und jetzt Vergebung, mein Gemahl — Ich bin es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten, in Thränen zu entlaſſen — — Mondekar!
Den König haben Sie erzürnt — nicht mich —67Erſter Akt. drum nehmen Sie dieß Denkmahl meiner Gnade und dieſer Stunde. — Meiden Sie das Reich — Sie haben nur in Spanien geſündigt; in meinem Frankreich wiſcht man ſolche Thränen mit Freuden ab — — — O muß mich’s ewig mahnen!
In meinem Frankreich war’s doch anders.
Iſt’s möglich? Wie Eliſabeth? — O Himmel! hat es noch dahin kommen müſſen? — Konnte ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben? ein Wort betrüben, das die zärtlichſte Bekümmerniß auf meine Lippen legte?
Hier ſtehen die Vaſallen meines Throns! Sank je ein Schlaf auf meine Augenlieder, ich hätte denn am Abend jedes Tags berechnet, wie die Herzen meiner Völker in meinen fernſten Himmelsſtrichen ſchlagen — und ſollt’ ich ängſtlicher für meinen Thron, als für die Gattinn meines Herzens beben? —
E 268Dom Karlos.Für meine Völker kann mein Schwert mir haften und — Herzog Alba: dieſes Auge nur für meines Weibes Liebe.
Wenn ich Sie beleidigt habe, mein Gemahl — —
Ich heiße der reichſte Mann in der getauften Welt; die Sonne geht in meinem Staat nicht unter — doch alles das beſaß ein andrer ſchon, wird nach mir mancher andre noch beſitzen. Das iſt mein eigen. Was der König hat, gehört dem Glück — Eliſabeth dem Philipp. Hier iſt die Stelle, wo ich ſterblich bin.
Sire — dieſe Zweifel — ſie erſchrecken mich — Sie fürchten?
Dieſes graue Haar doch nicht? Wenn ich einmal zu fürchten angefangen, hab’ ich zu fuͤrchten aufgehört. — — Ich zähle69Erſter Akt. die Großen meines Hofs — der erſte fehlt. Wo iſt Dom Karlos, mein Infant?
Der Knabe, Dom Karl, fängt an mir fürchterlich zu werden. Er meidet meine Gegenwart ſeitdem er von Alkala’s hoher Schule kam. Sein Blut iſt heiß — warum ſein Blick ſo kalt? ſo abgemeſſen feſtlich ſein Betragen? Ich höre keine Klagen mehr — Wie kommt das? Das, Herzog, das iſt irgend ein Komet, der meinem Horizont ſich ſchrecklich nähert. Ich fürchte ſeine Nachbarſchaft — Seid wachſam. Seid wachſam, ſag’ ich noch einmal. Der Erbe ſo vieler Kronen zählt die Aderſchläge des Vaters ungeduldig nach. Der Kitzel Gott gleich zu werden, heckte Teufel aus. Seid wachſam. Ich empfehl’ es Euch.
Ich bin’s. So lang’ ein Herz an dieſen Panzer ſchlägt, mag ſich Dom Philipp ruhig ſchlafen legen. 70Dom Karlos. Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, ſteht Herzog Alba vor dem Thron.
Darf ich dem weiſeſten der Könige in Demuth zu widerſprechen wagen? — Allzutief verehr’ ich meines Königs Majeſtät, als ſeinen Sohn ſo raſch und ſtreng zu richten. Ich fürchte viel von Karlos heißem Blut, doch nichts von ſeinem Herzen.
Graf von Lerma, Ihr redet gut den Vater zu beſtechen: des Königs Stütze wird der Herzog ſein. Doch morgen mehr.
Jetzt eil’ ich nach Madrid. Mich ruft mein königliches Amt. Die Peſt der Ketzerei ſteckt meine Völker an, der Aufruhr wächſt in meinen Niederlanden. Es iſt die höchſte Zeit. Ein ſchauerndes Exempel ſoll die Irrende bekehren. Den großen Eid, den alle Könige der Chriſtenheit geloben, löſ’ ich morgen. 71Erſter Akt. Dieß Blutgericht ſoll ohne Beiſpiel ſein; mein ganzer Hof iſt feierlich geladen.
Und Sie begleiten mich.
Barmherzigkeit! Ich bin ein Weib — ein weiches Weib — ein Menſch —
Auch eine Chriſtinn, hoff’ ich — Kommen Sie, es zu beweiſen.
Sage mir nichts mehr. Ich bin entſchloſſen. Flandern ſei gerettet. Sie will es: das iſt mir genug.
Auch iſt kein Augenblick mehr zu verlieren. Herzog von Alba, ſagt man, iſt im Kabinet bereits zum Gouverneur ernannt.
Ernannt! Doch noch nicht abgegangen? — Morgen alſo verlang’ ich Audienz bei meinem Vater. Ich fodre dieſes Amt für mich. Es iſt die erſte Bitte, die ich an ihn wage. Er kann mir ſie nicht weigern. Lange ſchon ſieht er mich ungern in Madrid. Welch ein willkomm’ner Vorwand mich[entfernt] zu halten! Und — ſoll ich Dir’s geſtehen, Rodrigo? — ich hoffe mehr — Vielleicht gelingt es mir, von Angeſicht zu Angeſicht mit ihm in ſeiner Gunſt mich wieder herzuſtellen, Er hat noch nie die Stimme der Natur gehört — Laß mich verſuchen, Rodrigo, was ſie auf meinen Lippen wird vermögen!
Jetzt endlich hör’ ich meinen Karlos wieder! Jetzt ſind Sie wieder ganz Sie ſelbſt.
Ich fühle in jeder Ader Gottheit — So viel konnte der Anblick meiner Königinn.
So eben hat der Monarch Aranjuez verlaſſen. Ich habe den Befehl —
Schon gut, Graf Lerma. Ich treffe mit dem König ein.
Sonſt haben mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen?
Nichts, Chevalier. Ich wünſche Ihnen Glück74Dom Karlos. zu Ihrer Ankunft in Madrid. Sie werden noch mehreres von Flandern mir erzählen.
Ich folge gleich.
Ich habe Dich verſtanden. Ich danke Dir — Doch dieſen Zwang ent - ſchuldigt nur eines Dritten Gegenwart. Sind wir nicht Brüder? — Dieſes Poſſenſpiel des Ranges ſei künftighin aus unſerm Bund verwieſen! Berede Dich, wir beide hätten uns auf einem Ball mit Masken eingefunden, in Sklavenkleider Du, und ich aus Laune in einen Purpur eingemummt. So lange der Faſching währt, verehren wir die Lüge, der Rolle treu mit lächerlichem Ernſt, den ſüßen Rauſch des Haufens nicht zu ſtören. 75Erſter Akt. Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu, Du drückſt mir im Vorübergehn die Hände, und wir verſtehen uns.
Der Traum iſt göttlich. Doch wird er nie verfliegen? Iſt mein Karl auch ſeiner ſo gewiß, den Reitzungen der unumſchränkten Majeſtät zu trotzen? Noch iſt ein großer Tag zurück — ein Tag — wo dieſer Heldenſinn — ich will Sie mahnen — in einer ſchweren Probe ſinken wird. Dom Philipp ſtirbt. Karl erbt das größte Reich der Chriſtenheit — Ein ungeheurer Spalt reißt vom Geſchlecht der Sterblichen ihn los, und Gott iſt heut, wer geſtern Menſch noch war. Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten der Ewigkeit verſtummen ihm. Die Menſchheit — noch heut ein großes Wort in ſeinem Ohr — verkauft ſich ſelbſt und kriecht um ihren Götzen. Sein Mitgefühl löſcht mit dem Leiden aus, in Wollüſten ermattet ſeine Tugend, für ſeine Thorheit ſchickt ihm Peru Gold, für ſeine Laſter zieht ſein Hof ihm Teufel. Er ſchläft berauſcht in dieſem Himmel ein, den ſeine Sklaven liſtig um ihn ſchufen. 76Dom Karlos. Lang’, wie ſein Traum, währt ſeine Gottheit — Wehe dem Raſenden, der ihn mitleidig weckte. Was aber würde Rodrigo? — Die Freund - ſchaft iſt wahr und kühn — Die kranke Majeſtät hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus. Den Stolz des Bürgers würden Sie nicht dulden, ich nicht den Trotz des Fürſten.
Wahr und ſchrecklich iſt Dein Gemählde von Monarchen. Ja, ich glaube Dir — Doch nur die Wolluſt ſchloß dem Laſter ihre Herzen aus. — — Ich bin noch rein — ein drei und zwanzigjähr’ger Jüng - ling. Was vor mir Tauſende gewiſſenlos in ſchwelgenden Umarmungen verpraßten, des Geiſtes beſte Hälfte, Männerkraft, hab’ ich dem künft’gen Herrſcher aufgehoben. Der Wolluſt Pfeil zerbrach an dieſer Bruſt lang’, ehe noch Eliſabeth hier herrſchte. Ob ich ihn jetzt noch fürchten werde? — Sprich! Was könnte Dich aus meinem Herzen drängen, wenn es nicht Weiber thun?
Ich ſelbſt. Könnt’ ich ſo innig Sie noch lieben, Karl, wenn ich Sie fürchten müßte.
Das wird nie geſchehen. Bedarfſt Du meiner? Haſt Du Leidenſchaften, die von dem Throne betteln? Reitzt Dich Gold? Du biſt ein reich’rer Unterthan, als ich ein König je ſein werde — Geitzeſt Du nach Ehre? Schon als Jüngling hatteſt Du ihr Maß erſchöpft — Du haſt ſie ausge - ſchlagen. Wer von uns wird der Gläubiger des andern, und wer der Schuldner ſein? — Du ſchweigſt? Du zitterſt vor der Verſuchung? Nicht gewiſſer biſt Du Deiner ſelbſt?
Wohlan. Ich weiche. Hier meine Hand.
Der Meinige?
Auf ewig und in des Worts verwegenſter Bedeutung.
So treu und warm, wie heute dem Infanten, auch dermaleinſt dem König zugethan?
Das ſchwör’ ich Ihnen.
Dann auch, wenn der Wurm der Schmeichelei mein unbewachtes Herz umklammerte — wenn dieſes Auge Thränen verlernte, die es ſonſt geweint — dieß Ohr dem Flehen ſich verriegelte, willſt Du ein ſchreckenloſer Hüter meiner Tugend, mich kräftig faſſen, meinen Genius bei ſeinem großen Namen rufen?
Ja.
Und jetzt noch eine Bitte, Lieber — Nenne mich Du. Ich habe Deinesgleichen immer um dieſes Vorrecht der Vertraulichkeit,79Erſter Akt.das ſchöne Denkmahl der Natur beneidet. Dieß brüderliche Du betrügt mein Ohr mit ſüßen Ahndungen von Gleichheit. Wende mir nichts ein. Was Du ſagen willſt, errath’ ich. Dir iſt es Kleinigkeit, ich weiß — doch mir, dem Königsſohne, iſt es viel. Willſt Du mein Bruder ſein?
Dein Bruder.
Jetzt zum König. Ich fürchte nichts mehr — Arm in Arm mit Dir — So fodr’ ich mein Jahrhundert in die Schran - ken.
Ich ſteh’ erwartend, welche beßre Stunde die Majeſtät des Königs meiner Bitte beſtimmen wird.
Geht des Infanten Bitte mich oder meine Stunden an? Entſcheiden wird ſie mein königlicher Schluß; es ſei ihm zugeſtanden ſie mir vorzutragen.
Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne ſteht Karlos dem Miniſter nach. Er ſpricht für Spanien — ich bin der Sohn des Hauſes.
Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden.
So muß ich denn von Ihrer Großmuth, Her - zog, den König mir als ein Geſchenk erbitten. Ein Kind — Sie wiſſen ja — kann mancherlei an ſeinen Vater auf dem Herzen tragen, das ſchwerlich für den Dritten taugt. Der König ſoll Ihnen unbenommen ſein — ich will den Vater nur für dieſe kurze Stunde.
Hier ſteht ſein Freund.
Hab’ ich es auch verdient den meinigen im Herzog zu vermuthen?
Auch je verdienen mögen? — Mir gefallen die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen als ihre Väter.
Kann der Ritterſtolz des Herzogs Alba dieſen Auftritt hören? So wahr ich bin, den Überläſtigen, der zwiſchen Sohn und Vater, die geweihten Myſterien der heiligen Natur, ſich einzudrängen nicht erröthet, der in ſeines Nichts durchbohrendem Gefühle ſo dazuſtehen ſich verdammt, möcht’ ich bei Gott — und gält’s ein Diadem — nicht ſpielen.
Entfernt Euch, Herzog!
Nein, in’s Kabinet, bis ich Euch rufe.
Jetzt mein Vater wieder, jetzt wieder mein, und meinen beſten Dank für dieſe Gnade — Ihre Hand, mein Vater — O ſüßer Tag — Die Wonne dieſes Kuſſes war Ihrem Kinde lange nicht gegönnt.
F 284Dom Karlos.Warum denn nicht? Warum nicht? — O mein König, wie viele Wunden meiner Seele fangen zu bluten an mit der Erinnerung! Warum von Ihrem Herzen mich ſo lange verſtoßen, Vater? Was hab’ ich gethan? Unſel’ger Argwohn, ew’ger Buſenwurm der Könige, der auch die feſte Schlinge des heiligen Inſtinkts zernagt! — Iſt’s mög - lich?
Schon drei und zwanzig Jahre nennt die Welt mich Philipps Sohn — nur Er hat’s nie erfahren.
Infant, Dein Herz weiß nichts von dieſen Künſten.
Erſpare ſie, ich mag ſie nicht.
Das war es! da hör’ ich Ihre Höflinge — Mein Vater, es iſt nicht gut, bei Gott! nicht alles gut, nicht alles, was ein Prieſter ſagt, nicht alles, was eines Prieſters Kreaturen ſagen. Ich bin nicht ſchlimm, mein Vater — heißes Blut85Zweiter Akt.iſt meine Bosheit — mein Verbrechen Jugend. Schlimm bin ich nicht, ſchlimm warlich nicht; wenn auch oft wilde Wallungen mein Herz verklagen, mein Herz iſt gut —
Dein Herz iſt rein, ich weiß es, wie Dein Gebet.
So mag des Welterlöſers Barmherzigkeit wie einen böſen Wurm mich von ſich ſchleudern, heuchle ich — Sehr ernſt und feierlich iſt mir in dieſer Stunde zu Muthe — Niemals oder Jetzt — Wir ſind allein — des Ranges Ketten abgefallen — der Etikette bange Scheidewand iſt zwiſchen Sohn und Vater eingeſunken. Jetzt oder nie. Ein Sonnenſtrahl der Hoff - nung glänzt in mir auf, und eine ſüße Ahndung fliegt durch mein Herz — der ganze Himmel beugt mit Schaaren froher Engel ſich herunter, voll Rührung ſieht der Dreimalheilige86Dom Karlos.dem großen, ſchönen Auftritt zu — Mein Vater! Verſöhnung!
Laß mich und ſteh auf!
Verſöhnung!
Zu kühn wird dieſes Gaukelſpiel —
Zu kuͤhn die Liebe Deines Kindes?
Vollends Thränen? Unwürd’ger Anblick — Geh aus meinen Au - gen.
Jetzt oder nie — Verſöhnung Vater!
Weg aus meinen Augen! Komm mit Schmach bedeckt87Zweiter Akt.aus meinen Schlachten, meine Arme ſollen geöffnet ſein Dich zu empfangen — So verwerf’ ich Dich!
Die feige Schuld allein wird ſich in ſolchen Quellen ſchimpflich waſchen. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird ſich Reue nie erſparen.
Wer iſt das? Durch welchen Mißverſtand hat dieſer Fremd - ling zu Menſchen ſich verirrt? — Die ewige Beglaubigung der Menſchheit ſind ja Thränen: ſein Aug’ iſt trocken, ihn gebar kein Weib. Was Wolluſt aus der Marter preßt, was ſelbſt den Kummer neidenswürdig macht, den Men - ſchen noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel zur Sterblichkeit herunterlocken könnte, des Weinens ſüße Freuden kennt er nicht. O zwingen Sie die nie benetzten Augen noch zeitig Thränen einzulernen, ſonſt,88Dom Karlos.ſonſt möchten Sie’s in einer harten Stunde noch nachzuhohlen haben.
Bildeſt Du Dir ein, den ſchweren Zweifel Deines Vaters mit ſchönen Worten zu erſchüttern?
Zweifel? Ich will ihn tilgen, dieſen Zweifel — will mich hängen an das Vaterherz, will reißen, will mächtig reißen an dem Vaterherzen, bis dieſes Zweifels felſenfeſte Rinde von dieſem Herzen niederfaͤllt. — Wer ſind ſie, die mich aus meines Königs Gunſt vertrieben? Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn? Was wird ihm Alba für ein kinderlos verſcherztes Leben für Vergütung geben? Sie wollen Liebe? — Hier in dieſem Buſen ſpringt eine Quelle, friſcher, feuriger, als in den trüben, ſumpfigen Behältern, die Philipps Gold erſt öffnen muß.
Vermeßner, halt ein! — Die Männer die Du ſchändeſt, ſind die geprüften Diener meiner Wahl,89Zweiter Akt.ſind meines Thrones Stützen — Stolzer Knabe, und Du wirſt ſie verehren.
Nimmermehr. Ich fühle mich. Was Ihre Alba leiſten, das kann auch Karl, und Karl kann mehr. Was fragt ein Miethling nach dem Königreich das nie ſein eigen ſein wird? Was bekümmert’s den, wenn Philipps graue Haare weiß ſich fär - ben? Sein König bleibt wenn Philipp nicht mehr iſt, und dort wie hier wird ſeine Münze gelten. Ihr Karlos hätte Sie geliebt — — Mir graut vor dem Gedanken, einſam und allein, auf einem Thron allein zu ſeyn. —
Ich bin allein.
Sie ſind’s geweſen. Haſſen Sie mich nicht mehr, ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben, nur haſſen Sie mich nicht mehr — Wie ent - zückend und ſüß iſt es, in einer ſchönen Seele verherrlicht uns zu fühlen, es zu wiſſen, daß unſre Freude fremde Wangen röthet, daß unſre Angſt in fremdem Buſen zittert, daß unſre Leiden fremde Augen wäſſern — Wie ſchön iſt es und herrlich, Hand in Hand mit einem theuern, vielgeliebten Sohn der Jugend Roſenbahn zurückzueilen, des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen, wie groß und ſüß in ſeines Kindes Tugend unſterblich, unvergänglich fortzudauern, wohlthätig für Jahrhunderte, — wie ſchön und göttlich groß, im Orient des Sohnes noch einmal zu der Nachwelt umzukehren, der Sonne gleich, die in der Spiegelſcheibe des Mondes wieder auferſteht — wie ſüß, zu pflanzen was ein lieber Sohn einſt ärntet, zu ſammeln was ihm wuchern wird, zu ahn - den91Zweiter Akt.wie hoch ſein Dank einſt flammen wird — — Mein Vater, von dieſem Erdenparadieſe ſchwiegen ſehr weislich Ihre Mönche.
O mein Sohn, mein Sohn! Du brichſt Dir ſelbſt den Stab. Sehr reitzend mahlſt Du ein Glück, das Du mir nie gewährteſt.
Das richte der Allwiſſende! — Sie ſelbſt — Sie ſchloſſen mich, wie aus dem Vaterherzen, von Ihres Zepters Antheil aus. Bis jetzt, bis dieſen Tag — o war das gut, war’s billig? — bis jetzt mußt’ ich, der Erbprinz Spaniens, in Spanien ein Fremdling ſein, Gefangner auf dieſem Grund, wo ich einſt Herr ſein werde. War das gerecht, war’s gütig? — O wie oft, wie oft, mein Vater, ſah ich ſchaamroth nieder, wenn die Geſandten fremder Potentaten, wenn Zeitungsblätter mir das Neueſte vom Hofe zu Aranjuez erzählten! 92Dom Karlos.Mit ſchwerem Herzen ſcherzt’ ich dann: „ Der König thut darum nur mit ſeinem Reich ſo heimlich, den guten Sohn einſt deſto herrlicher am Krönungstag zu überraſchen. “
Karlos, ſehr viel ſprichſt Du von jenen Zeiten, wo Dein Vater nicht mehr ſein wird.
Nein, bei Gott! von jenen nur, wo ich ein Mann ſein darf; und wer iſt ſchuld, wenn beide gleich viel heißen?
Es iſt ein ehrenvolles Amt, mein Sohn, das Du bei mir bekleideſt — ein genauer Minutenweiſer meiner Sterblichkeit — mich, Deinen Vater, der Dir Leben gab, aus Dankbarkeit nur an den Tod zu mahnen.
Beſchäftigung, mein Vater, und Ihr Zepter mag dauern bis zum Weltgericht.
Geduld! Zu heftig brauſt das Blut in Deinen Adern, Du würdeſt nur zerſtören.
Geben Sie mir zu zerſtören, Vater — Heftig brauſt’s in meinen Adern — drei und zwanzig Jahre, und König Philipps Sohn, und nichts gebaut, und nichts zertrümmert unter dieſem Monde. Ich bin erwacht, ich fühle mich — Mein Ruf zum Königsthron pocht wie ein Gläubiger aus meinem Schlummer mich empor, und alle verlorne Stunden meiner Jugend mahnen mich laut wie Ehrenſchulden. Er iſt da, der große ſchöne Augenblick, der endlich des hohen Pfundes Zinſen von mir fodert: mich ruft die Weltgeſchichte, Ahnenruhm, und des Gerüchtes donnernde Poſaune. Nun iſt die Zeit gekommen, mir des Ruhmes glorreiche Schranken aufzuthun — — Mein König, darf ich die Bitte auszuſprechen wagen, die mich hieher geführt?
Noch eine Bitte? Entdecke ſie.
Der Aufruhr in Brabant wächſt drohend an. Der Starrſinn der Rebellen heiſcht ſtarke, kluge Gegenwehr. Die Wuth der Schwärmer zu bezähmen, ſoll der Herzog ein Heer nach Flandern führen, von dem König mit ſouverainer Vollmacht ausgeſtattet. Wie ehrenvoll iſt dieſes Amt, und wie ſo ganz dazu erfunden, Philipps Sohn, des großen Kaiſers Enkel, bei der Welt und Nachwelt einzuführen! — Mir, mein König, mir übergeben Sie das Heer. Mich lieben die Niederländer, ich erkühne mich mein Blut für ihre Treue zu verbürgen.
Du redeſt wie ein Träumender. Dieß Amt will einen Mann und keinen Jüngling —
Will nur einen Menſchen, Vater, und das iſt das Einzige, was Alba nie geweſen.
Und Schrecken bändigt die Empörung nur, Erbarmung hieße Wahnſinn — Deine Seele iſt weich, mein Sohn, der Herzog wird ge - fürchtet — —
Steh ab von Deiner Bitte.
Schicken Sie mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie’s auf meine weiche Seele. Schon der Name des königlichen Sohnes, der voraus vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, wo Herzog Alba’s Henker nur verheeren. Auf meinen Knieen bitt’ ich drum. Es iſt die erſte Bitte meines Lebens — Vater, vertrauen Sie mir Flandern —
Und zugleich mein beſtes Kriegsheer Deiner Herrſchbe - gierde?
Das Meſſer meinem Mörder?
O mein Gott! Bin ich nicht weiter, und iſt das die Frucht von dieſer längſt erbetnen großen Stunde?
Antworten Sie mir ſanfter. Schicken Sie mich ſo nicht weg. Mit dieſer übeln Antwort möcht’ ich nicht gern entlaſſen ſein, nicht gern entlaſſen ſein mit dieſem ſchweren Herzen. Antworten Sie mir ſanfter. Thun Sie etwas, das meine kindliche Verpflichtung ſchärft, das mich als Ihren Schuldner ewig bindet; behandeln Sie mich gnädiger. Es iſt mein dringendes Bedürfniß, iſt mein letzter, verzweifelter Verſuch. Nur Dankbarkeit kann meine Tugend retten —
Deine Tugend?
Gott was hab’ ich geſprochen? — — Va - ter, ich war außer mir — ich kann’s nicht faſſen, kann’s97Zweiter Akt.nicht ſtandhaft tragen wie ein Mann, daß Sie mir alles, alles, alles ſo verweigern — — Jetzt laſſen Sie mich von Sich. Unerhört, von tauſend ſüßen Ahndungen betrogen, geh’ ich aus Ihrem Angeſicht — Ihr Alba und Ihr Domingo werden ſiegreich thronen, wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint. Die Schaar der Höflinge, die bebende Grandezza, der Mönche ſünderbleiche Zunft war Zeuge, als Sie mir feierlich Gehör geſchenkt. Beſchämen Sie mich nicht. So tödtlich, Vater, verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn des Hofgeſindes ſchimpflich mich zu opfern, daß Fremdlinge von Ihrer Gnade ſchwelgen, Ihr Karlos nichts erbitten kann. Zum Pfande daß Sie mich ehren wollen, ſchicken Sie mich mit dem Heer nach Flandern.
Wiederhohle dieß Wort nicht mehr, bei Deines Königs Zorn.
Ich wage meines Königs Zorn, und bitte zum letztenmal: vertrauen Sie mir Flandern. Ich ſoll und muß aus Spanien. Ein Übel,G98Dom Karlos.das niemand ahndet, tobt in mir. Mein Hierſein iſt Athemhohlen unter Henkershand, ſchwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir, wie das Bewußtſein eines Mords. Nur ſchnelle Veränderung des Himmels kann mich heilen. Wenn Sie mich retten wollen — ſchicken Sie mich ungeſäumt nach Flandern.
Solche Kranke wie Du, mein Sohn, verlangen gute Pflege, und wohnen unterm Aug’ des Arzts. Du bleibſt in Spanien, der Herzog geht nach Flandern.
O jetzt umringt mich, gute Geiſter — —
Halt! Was wollen dieſe Mienen ſagen?
Vater, unwiderruflich bleibt’s bei der Entſcheidung?
Sie kam vom König.
Mein Geſchäft iſt aus.
Infant, Dein ſtilles Weggehn iſt nicht Demuth.
Nein.
Nein?
Denn eben träumte mir, ich ſähe das Teſtament des Kaiſers, Ihres Vaters, auf einem Scheiterhaufen rauchen —
Ha! was ſoll das?
Ein großer Mann, ein ſo vollkommner Kaiſer, und das Inſekt will klagen! — Ich em - pfange, Er aber gab — und wie unendlich viel mag noch zu einem ſolchen Sohn mir fehlen, als er ein Vater war — —
Zu ſchwer, o Gott! liegt Deine Hand auf mir — Mein Sohn — mein Sohn —
Seid jede Stunde des Befehls gewärtig, nach Brüſſel abzugehen.
Alles ſteht bereit, mein König.
Eure Vollmacht liegt verſiegelt ſchon im Kabinet. Indeſſen nehmt Euren Urlaub von der Königinn, und zeiget Euch zum Abſchied dem Infanten.
Mit den Geberden eines Wüthenden ſah ich ihn eben dieſen Saal verlaſſen. Auch Eure königliche Majeſtät ſind außer Sich und ſcheinen tief bewegt — — Vielleicht der Inhalt des Geſprächs? —
Der Inhalt war Herzog Alba.
Ruhig, Herzog. Nie wird meine erſte Meinung von Euch wanken.
Der Prinz iſt Euer Freund nicht.
Ich bin ſtolz Ein Schickſal mit dem Könige zu theilen.
Ich wüßte nicht, was ich mit Herzog Alba zu theilen hätte — — Gerne mag ich hören, daß Karlos meine Räthe haßt, doch mit Verdruß entdeck’ ich, daß er ſie verachtet.
Jetzt keine Antwort. Ich erlaube Euch den Prinzen zu verſöhnen.
Mein Monarch, Ich bin Soldat und Ritter.
Der Infant iſt Eures Königs Sohn — — und wer von Euch berechtigt iſt, Abbitte von dem andern zu fodern, das entſcheidet ſelbſt — — Sagt an, wer war es doch, der mich zum erſtenmal vor meines Sohnes ſchwarzem Anſchlag warnte? Da hört’ ich Euch und nicht auch ihn. Ich will die Probe wagen, Herzog. Künftighin ſteht Karlos meinem Throne näher. Geht.
Ein Brief an mich? — Wozu denn dieſer Schlüſſel? — Und beides mir ſo heimlich überliefert? — Komm näher — Wo empfingſt Du das?
Wie mich die Dame merken laſſen, will ſie lieber errathen als beſchrieben ſein —
Die Dame?
Was? — Wie? — Wer biſt Du denn?
Ein Edelknabe von Ihrer Majeſtät der Königinn — —
Du biſt des Todes. Halt! Ich weiß genug.
Sie gab Dir ſelbſt den Brief?
Mit eignen Händen.
Sie gab Dir ſelbſt den Brief? — — O ſpotte nicht! Noch hab ich nichts von ihrer Hand geleſen, ich muß Dir glauben wenn Du ſchwören kannſt. 106Dom Karlos.Wenn’s Lüge war, geſteh mir’s offenherzig, und treibe keinen Spott mit mir.
Mit wem?
Du haſt noch Eltern? Ja? Dein Vater dient dem Könige, und iſt ein Kind des Landes?
Er fiel bei Saint Quentin, ein Oberſter der Reiterei des Herzogs von Savoien, und hieß Alonzo Graf von Henarez.
Den Brief gab Dir der König?
Gnäd’ger Prinz, verdien’ ich dieſen Argwohn?
Du kannſt weinen? O dann vergieb mir!
„ Dieſer Schlüſſel öffnet „ die hintern Zimmer im Pavillon „ der Königinn. Das äußerſte von allen „ ſiößt ſeitwärts an ein Kabinet, wohin „ noch keines Horchers Fußtritt ſich verloren. „ Hier darf die Liebe frei und laut geſtehn, „ was ſie ſo lange Winken nur vertraute. „ Erhörung wartet auf den Furchtſamen, „ und ſchöner Lohn auf den beſcheidnen Dulder. “ E.
Ich träume nicht — ich raſe nicht — das iſt mein rechter Arm — das iſt mein Schwert — das ſind geſchriebne Silben. Es iſt wahr und wirklich. Ich bin geliebt — ich bin es — ja ich bin der Glücklichſte der Glücklichen, ſo weit das Unermeßliche von Bürgern wimmelt. Ich bin geliebt!
Allmächtiger! warum, warum bin ich nicht Herr von deiner Welt, um ſie in meiner Freude zu verſchenken!
So kommen Sie, mein Prinz, ich führe Sie.
Erſt laß mich zu mir ſelber kommen — Zittern nicht alle Schrecken dieſes Glücks noch in mir? Hab’ ich ſo ſtolz gehofft? Hab’ ich das je zu träumen mir getraut? Wo iſt der Menſch, der ſich ſo ſchnell gewöhnte Gott zu ſein? — Wer war ich, und wer bin ich nun? Das iſt ein andrer Himmel, eine andre Sonne, als vorhin da geweſen war — das iſt die Welt nicht mehr, wo Thränen fließen ſol - len — Nein, das war nur ein Fiebertraum — er iſt vorüber, ich bin aufgewacht. Sie liebt mich! O laß mich — laß mich’s ringsherum dem ganzen Madrid, dem Hof, dem Königreich erzählen, erzählen wie ich glücklich bin.
Wohin? Wem wollen Sie erzählen? Sie vergeſſen — —
Den König, meinen Vater!
Das iſt ſchrecklich — Ja ganz recht, Freund. Ich danke Dir, ich war ſo eben nicht ganz bei mir — Daß ich das verſchweigen ſoll, der Seligkeit ſo viel in dieſe Bruſt vermauern ſoll, das, das iſt ſchrecklich — Unterirdiſch Gold, ſagt man, wird unter Todtenſtille nur gehoben. Drum will ich auch nicht athmen.
Was Du heute geſehen haſt — hörſt Du? — und nicht ge - ſehn, ſei wie ein Sarg in Deiner Bruſt verſunken. Jetzt geh. Ich will mich finden. Geh. Man darf uns hier nicht treffen. Geh —
Doch halt! doch höre! —
Du nimmſt ein ſchreckliches Geheimniß mit, das jenen ſtarken Giften gleich die Schale, worin es aufgefangen wird, zerſprengt — Trag es dem Throne nicht zu nah — auch nicht zu nah dem Falkenblick des Müßiggangs. Beherrſche Deine Mienen gut. Dein Kopf erfahre niemals was Dein Buſen hütet. Sei wie das todte Sprachrohr, das den Schall empfängt und wiedergibt, und ſelbſt nicht höret. Du biſt ein Knabe — ſei es immerhin und fahre fort den Frölichen zu ſpielen — Wie gut verſtand’s die kluge Schreiberinn, der Liebe einen Boten auszuleſen! Hier ſucht der König ſeine Nattern nicht.
Und ich, mein Prinz, ich werde ſtolz drauf ſein,111Zweiter Akt.um ein Geheimniß reicher mich zu wiſſen, als ſelbſt der König —
Eitler junger Thor, das iſt’s wovor Du zittern mußt — Ge - ſchieht’s, daß wir uns öffentlich begegnen, ſchüchtern, mit Unterwerfung nah’ſt Du mir. Laß nie die Eitelkeit zu Winken Dich verführen, wie gnädig der Infant Dir ſei. Du kannſt nicht ſchwerer ſündigen, mein Sohn, als wenn Du mir gefällſt — Was Du mir künftig magſt zu hinterbringen haben, ſprich es nie mit Silben aus, vertrau’ es nie den Lippen; den allgemeinen Fahrweg der Gedanken betrete Deine Zeitung nicht; viel lieber laß ſie, dem aufgejagten Mörder gleich, durch bahnenloſe Wüſten zu mir kriechen, wo niemand ihre Spuren ſucht. Du ſprichſt mit Deinen Wimpern, Deinem Zeigefinger, ich höre Dir mit Blicken zu. Die Luft, das Licht um uns iſt Philipps Kreatur; die tauben Wände ſtehn in ſeinem Solde — —112Dom Karlos.Man kommt —
Hinweg! auf Wiederſehen!
Prinz, daß Sie das rechte Zimmer nur nicht fehlen!
Es iſt der Herzog — Nein doch, nein, ſchon gut, ich finde mich.
Zwei Worte, gnäd’ger Prinz.
Ganz recht — ſchon gut — ein andermal.
Der Ort ſcheint freilich nicht der ſchicklichſte. Vielleicht gefällt es Eurer königlichen Hoheit auf Ihrem Zimmer mir Gehör zu geben?
Wozu? das kann hier auch geſchehn — Nur ſchnell, nur kurz —
Was eigentlich hieher mich führt, iſt, Eurer Hoheit unterthän’gen Dank für das bewußte abzutragen —
Dank? Mir Dank? wofür? — und Dank von Her - zog Alba?
Denn kaum daß Sie das Zimmer des Mo - narchen verlaſſen hatten, ward mir angekündigt nach Brüſſel abzugehen.
Brüſſel! So!
Wem ſonſt, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majeſtät kann ich es zuzuſchreiben haben? —
Mir? Mir ganz und gar nicht — mir wahrhaftig nicht. Sie reiſen — reiſen Sie mit Gott!
Sonſt nichts? Das nimmt mich Wunder — Eure Hoheit hätten mir weiter nichts nach Flandern aufzutragen?
Was ſonſt? was dort?
Doch ſchien es noch vor kurzem, als forderte das Schickſal dieſer Länder Dom Karlos eigne Gegenwart.
Wie ſo? Doch ja — ja recht — das war vorhin — das iſt auch ſo ganz gut, recht gut, um ſo viel beſſer —
Ich höre mit Verwunderung —
Sie ſind ein großer General — wer weiß das nicht? Der Neid muß es beſchwören. Ich — ich bin ein junger Menſch. So hat es auch der Kö - nig gemeint. Der König hat ganz Recht, ganz Recht. Ich ſeh’s jetzt ein, ich bin vergnügt, und alſo genug davon. Glück auf den Weg. Ich kann jetzt, wie Sie ſehen, ſchlechterdings — ich bin ſo eben etwas überhäuft — das weitere auf morgen, oder wenn Sie wollen, oder wenn Sie von Brüſſel wiederkommen —
Wie? Nach zehen Jahren?
Leben Sie denn wohl.
Sie nehmen gute Jahrszeit mit — Die Reiſe geht über Mailand, Lothringen, Burgund und Deutſchland — Deutſchland? — Recht, in Deutſchland war es! Da kennt man Sie! — Wir haben jetzt April; Mai — Junius, — im Julius, ganz recht, und ſpäteſtens zu Anfang des Auguſts ſind Sie in Brüſſel. O ich zweifle nicht, man wird ſehr bald von Ihren Siegen hören. Sie werden unſers gnädigſten Vertrauens ſich werth zu machen wiſſen.
Werd’ ich das, in meines Nichts durchbohrendem Gefühle?
Sie ſind empfindlich, Herzog — und mit Recht. Es war, ich muß bekennen, wenig Schonung von meiner Seite, Waffen gegen Sie zu führen, die Sie nicht im Stande ſind mir zu erwiedern.
Nicht im Stande? —
Schade, daß mir’s gerade jetzt an Zeit gebricht, den würd’gen Kampf mit Alba auszufechten. Ein andermal —
Prinz, wir verrechnen uns auf ganz verſchiedne Weiſe. Sie zum Beiſpiel, Sie ſehen Sich um zwanzig Jahre ſpäter, ich Sie um eben ſo viel früher.
Nun?
Und dabei fällt mir ein, wie viele Nächte bei ſeiner ſchönen Portugieſiſchen Gemahlinn, Ihrer Mutter, der Monarch wohl drum gegeben hätte, einen Arm wie dieſen, ſeiner Krone zu erkaufen? Ihm mocht’ es wohl bekannt ſein, wie viel leichter die Sache ſei, Monarchen fortzupflanzen, als Monarchien — wie viel ſchneller man die Welt mit einem Könige verſorge, als Könige mit einer Welt.
Sehr wahr — Doch, Herzog Alba? doch —
Und wie viel Blut, Blut Ihres Volkes fließen mußte, bis zwei Tropfen Sie zum König machen konn - ten.
Sehr wahr, bei Gott — und in zwei Worte alles gepreßt, was des Verdienſtes Stolz dem Stolze119Zweiter Akt.des Glücks entgegen ſetzen kann — Doch nun die Anwendung? doch, Herzog Alba?
Wehe dem zarten Wiegenkinde Majeſtät, das ſeiner Amme ſpotten kann! Wie ſanft mag’s auf dem weichen Kiſſen unſrer Siege ſich ſchlafen laſſen! An der Krone funkeln die Perlen nur, und freilich nicht die Wun - den, mit denen ſie errungen ward — Dieß Schwert ſchrieb fremden Völkern Spaniſche Geſetze, es blitzte dem Gekreuzigten voran, und zeichnete dem Samenkorn des Glaubens auf dieſem Welttheil blut’ge Furchen vor: Gott richtete im Himmel, ich auf Erden —
Gott oder Teufel, gilt gleich viel! Sie waren ſein rechter Arm. Ich weiß das wohl — und jetzt nichts mehr davon. Ich bitte. Vor gewiſſen Erinnerungen möcht’ ich gern mich hüten. — Ich ehre meines Vaters Wahl. Mein Vater braucht einen Alba; daß er dieſen braucht, das iſt es nicht, warum ich ihn beneide. 120Dom Karlos.Sie ſind ein großer Mann — Auch das mag ſein; ich glaub’ es faſt. Nur fürcht’ ich, kamen Sie um wenige Jahrtauſende zu zeitig. Ein Alba, ſollt’ ich meinen, war der Mann, am Ende aller Tage zu erſcheinen: dann, wenn des Laſters Rieſentrotz die Lang - muth des Himmels aufgezehrt, die reiche Ärnte der Miſſethat in vollen Halmen ſteht, und einen Schnitter ſonder Beiſpiel fodert, dann ſtehen Sie an Ihrem Platz — — O Gott, mein Paradies! mein Flandern! — Doch ich ſoll es jetzt nicht denken. Schweigen wir davon.
Dem menſchlichen Geſchlechte Menſchen opfern, iſt höhere Barmherzigkeit, mein Prinz, als auf Gefahr der Menſchheit Menſchen lie - ben. Ein Beiſpiel gab der Himmel ſelbſt. Die Welt zu reinigen ging eine Welt einſt unter. Die Peſt — —
Die Peſt iſt Ihr Simbol, ich kenn’ es; der große Aufſchluß über Alba’s Leben und meines Baters Regiment — Man ſpricht, Sie führten einen Vorrath Blutſentenzen, im voraus unterzeichnet, mit? Die Vorſicht iſt lobenswerth. So braucht man ſich vor keiner Schikane mehr zu fürchten — O mein Vater, wie ſchlecht verſtand ich Deine Meinung! Härte gab ich Dir Schuld, weil Du mir ein Ge - ſchäft verweigerteſt, wo Deine Alba glänzen? — Es war der Anfang Deiner Achtung.
Prinz, dieß Wort verdiente —
Was?
Doch davor ſchützt Sie der Königsſohn.
Das fodert Blut! — Das Schwert gezogen, Herzog!
Gegen wen?
Das Schwert gezogen, ich durchſtoße Sie.
Wenn es denn ſeyn muß —
Bloße Schwerter!
Karlos!
Verſöhnung, Herzog! alles ſei vergeben!
Bei Gott, das iſt doch ſeltſam! —
Herzog Alba!
Er kommt!
Sind Sie allein?
Er kommt! Ich hör’s an Deiner Tritte Klang, ich hör’s an Deines Athems ſiegendem Getöne. Heraus damit! er kommt!
Mich wundert ſehr ihn noch nicht hier zu finden; doch er muß im Augenblick erſcheinen.
Muß er? Nun ſo will er auch — ſo iſt es ja entſchieden —
Er folgt mir auf den Ferſen — Gnäd’ge Fürſtinn, Sie ſind geliebt — geliebt, geliebt wie Sie, kann niemand ſein und niemand ſein geweſen. Welch eine Scene ſah ich an!
Geſchwinde! Du ſprachſt mit ihm? Heraus damit! Was ſprach er? 126Dom Karlos.Wie nahm er ſich? Was waren ſeine Worte? Er ſchien verlegen, ſchien beſtürzt? Errieth er die Perſon, die ihm den Schlüſſel ſchickte? Geſchwinde — Oder rieth er nicht? Er rieth wohl gar nicht? rieth auf eine falſche? — Nun? Antworteſt Du mir denn kein Wort? O pfui, pfui ſchäme Dich: ſo hölzern biſt Du nie, ſo unerträglich langſam nie geweſen.
Kann ich zu Worte kommen, Gnädigſte? — — Ich übergab ihm Billet und Schlüſſel im Vorſaal bei der Königinn. Er ſtutzte und ſah mich an, da mir das Wort entwiſchte, ein Frauenzimmer ſende mich.
Er ſtutzte? Sehr gut! ſehr brav! nur fort, erzähle weiter.
Ich wollte mehr noch ſagen, da erblaßt’ er, und riß den Brief mir aus der Hand, und ſah mich drohend an, und ſagt’, er wiſſe alles. Den Brief durchlas er mit Beſtürzung, fing auf einmal an zu zittern.
Wiſſe alles? Er wiſſe alles? Sagt’ er das?
Und fragte mich dreimal, viermal, ob Sie ſelber, wirk - lich Sie ſelber mir den Brief gegeben?
Ob ich ſelbſt? Und alſo nannt’ er meinen Namen?
Den Namen — nein, den nannt’ er nicht — Es möchten Spionen, ſagt’ er, in der Gegend horchen, und es dem König plaudern.
Sagt’ er das?
Dem König, ſagt’ er, liege ganz erſtaunlich, gar mächtig viel daran, beſonders viel, von dieſem Briefe Kundſchaft zu erhalten.
Dem König? Haſt Du recht gehört? Dem König? War das der Ausdruck, den er brauchte?
Ja! Er nannt’ es ein gefährliches Geheimniß, und warnte mich, mit Worten und mit Winken gar ſehr auf meiner Hut zu ſein, daß ja der König keinen Argwohn ſchöpfe.
Alles trifft zu — Es kann nicht anders ſein — er muß um die Geſchichte wiſſen — Unbegreiflich! Wer mag ihm wohl verrathen haben? — Wer? Ich frage noch — Wer ſieht ſo ſcharf, ſo tief, wer anders, als der Falkenblick der Liebe? — Doch weiter, fahre weiter fort: er las das Billet — —
Das Billet enthalte129Zweiter Akt.ein Glück, ſagt’ er, vor dem er zittern müſſe; das hab’ er nie zu träumen ſich getraut, und was er ſonſt noch von dem Schlüſſel ſag - te — — Zum Unglück trat der Herzog in den Saal, dieß zwang uns —
Aber was in aller Welt hat jetzt der Herzog dort zu thun? Der Schlüſſel? Was ſagt’ er von dem Schlüſſel? Nicht ſo haſtig, umſtändlich, guter Henarez. Du biſt ſo unausſtehlich hurtig nie geweſen. Er ſagte? Nun! was ſagt’ er denn?
Dieß ſei der Schlüſſel zu dem Paradies.
Wo aber, wo bleibt er denn? Was zögert er? Warum erſcheint er nicht? — Siehſt Du, wie falſch man Dich berichtet hat! Wie glücklich wär’ er ſchonJ130Dom Karlos.in ſo viel Zeit geweſen, als Du brauchteſt, mir zu erzählen, daß er’s werden wollte?
Der Herzog, fürcht’ ich —
Wiederum der Herzog? Was will der hier? Was hat der tapfre Mann mit meiner ſtillen Seligkeit zu ſchaffen? Den könnt’ er ſtehen laſſen, weiter ſchicken, wen auf der Welt kann man das nicht? — O warlich! Dein Prinz verſteht ſich auf die Liebe ſelbſt ſo ſchlecht, als, wie es ſchien, auf Damen - herzen. Er weiß nicht, was Minuten ſind —
Prinzeſſinn, Sie läſtern einen Engel.
Junger Lügner, wer hat Dir das von ihm erzählt?
So trefflich und groß, und doch dabei ſo gut! O Schade, daß er ein König werden muß — er hätte ein Bruder werden ſollen.
Und Du mahnſt mich gar nicht, daß ich meinem lieben Boten den Botenlohn noch ſchuldig bin geblieben?
Dieß, guter Junge, mir zum Angedenken, wenn Du Dein erſtes Schwert umgürteſt.
So belohnt mich eine Glückliche? Nichts beſſeres hat meine Zeitung mir verdient? — O Schande! Jetzt? Jetzt in dieſem Augenblicke? Zwei Minuten kaum vor einer Schäferſtunde,J 2132Dom Karlos.ſoll ich mit feilen Diamanten mich zufrieden geben? ſoll auf dieſen Wangen der Liebe volle, ſtrahlende Verklärung geſehen haben? ſoll es wiſſen, wer in dieſen Schätzen ſchwelgen wird, und ſoll mit ſolcher Münze mich zufrieden geben?
Ich höre kommen. Fort. Es iſt der Prinz.
Hinweg, hinweg — Wo hab’ ich meine Laute? Er ſoll mich überraſchen — Mein Geſang ſoll ihm das Zeichen geben —
Gott! wo bin ich?
Ach Prinz Karlos? Ja wahrhaftig!
Wo bin ich? Raſender Betrug — ich habe das rechte Kabinet verfehlt.
Wie gut134Dom Karlos.verſteht es Karl, die Zimmer ſich zu merken, wo Damen ohne Zeugen ſind.
Prinzeſſinn — Verzeihen Sie, Prinzeſſinn — — ich — ich fand den Vorſaal offen.
Kann das möglich ſein? Mich däucht ja doch, daß ich ihn ſelbſt ver - ſchloß.
Das däucht Sie nur, das däucht Sie — doch verſichert! Sie irren Sich. Verſchließen wollen, ja, das geb’ ich zu, das glaub’ ich — doch ver - ſchloſſen? Verſchloſſen nicht, wahrhaftig nicht. Der Riegel, der äußre Riegel, oder, wollt’ ich ſagen, der innre, ja, das muß ich ſelbſt bezeugen, der war auch pünktlich zugemacht.
Der innre? Und dennoch kamen Sie herein? Nun war - lich, das haben Sie verſchlagen angefangen; das Kunſtſtück müſſen Sie mich lehren.
Nichts natürlicher, nichts leichter; denn zum Glück — zum Unglück mein’ ich — hatt’ ich einen Schlüſſel gerade bei mir, der vollkommen paßte. Ein Zufall führte mich hieher — ich höre auf einer — — Laute jemand ſpielen — War’s nicht eine Laute?
Recht! dort liegt ſie noch — und Laute — das weiß Gott im Himmel! — Laute, die lieb’ ich bis zur Raſerei. Ich bin ganz Ohr, ich weiß nichts von mir ſelber, ſtürze in’s Kabinet, der ſüßen Künſtlerinn,136Dom Karlos.die mich ſo himmliſch rührte, mich ſo mächtig bezauberte, in’s ſchöne Aug’ zu ſehen.
Ein liebenswürd’ger Vorwitz, den Sie doch ſehr bald geſtillt, wie ich beweiſen könnte.
O ſchätzen muß ich den beſcheidnen Mann, der einem Weib’ Beſchämung zu erſparen in ſolchen Lügen ſich verſtrickt.
Prinzeſſinn, ich fühle ſelber, daß ich nur verſchlimm’re, wo ich verbeſſern will. Erlaſſen Sie mir eine Rolle, die ich durchzuführen ſo ganz und gar verdorben bin. Sie ſuchten auf dieſem Zimmer Zuflucht vor der Welt. Hier wollten Sie, von Menſchen unbehorcht, den ſtillen Wünſchen Ihres Herzens leben. Ich Sohn des Unglücks zeige mich; ſogleich iſt dieſer ſchöne Traum geſtört — dafür ſoll mich die ſchleunigſte Entfernung —
Prinz — — O das war boshaft.
Fürſtinn — ich verſtehe, was dieſer Blick in dieſem Kabinet bedeuten ſoll, und dieſe tugendhafte Verlegenheit verehr’ ich. Weh dem Manne, den weibliches Erröthen muthig macht! ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern.
Iſt’s möglich? — Ein Gewiſſen ohne Bei - ſpiel für einen jungen Mann und Königsſohn! Ja, Prinz — jetzt vollends müſſen Sie mir bleiben, jetzt bitt’ ich ſelbſt darum: bei ſo viel Tugend erhohlt ſich jedes Mädchens Angſt. Das möchte von Tauſenden nicht Einer thun, wenn ihn ein Schlüſſel, der ſo glücklich paßt, verſuchte. — Doch laſſen wir das Poſſenſpiel — Wozu den lieben ſchönen Augenblick, den uns138Dom Karlos.(nicht wahr mein Prinz?) der Zufall an - gewieſen, mit Wortgefecht vertändeln? — Wiſſen Sie, daß Ihre plötzliche Erſcheinung mich bei meiner liebſten Arie erſchreckte?
Die Arie, Prinz Karlos, werd’ ich wohl noch einmal ſpielen müſſen; Ihre Strafe ſoll ſein, mir zuzuhören.
Eine Strafe, ſo wünſchenswerth, als mein Vergehn — und warlich der Inhalt war mir ſo willkommen, war ſo göttlich ſchön, daß ich zum — drittenmal ſie hören könnte.
Was? Sie haben alles gehört? Das iſt abſcheulich, Prinz — Es war, ich glaube gar, die Rede von der Liebe?
Und, irr’ ich nicht, von einer glücklichen — Der ſchönſte Text in dieſem ſchönen Munde; doch freilich nicht ſo wahr geſagt, als ſchön.
Nicht? Nicht ſo wahr? — Und alſo zwei - feln Sie? —
Ich zweifle faſt, ob Karlos und die Fürſtinn von Eboli ſich je verſtehen können, wenn Liebe abgehandelt wird.
Denn wer, wer wird es dieſen Roſenwangen glauben, daß Leidenſchaft in dieſer Bruſt gewühlt? Läuft eine Fürſtinn Eboli Gefahr, umſonſt und unerhört zu ſeufzen? Liebe kennt der allein, der ohne Hoffnung liebt.
O ſtill! Das klingt ja fürchterlich — Und freilich140Dom Karlos.ſcheint dieſes Schickſal Sie vor allen andern, und vollends heute — heute zu verfolgen.
Sie ſind nicht fröhlich, guter Prinz — Sie leiden — bei Gott, Sie leiden ja wohl gar. Iſt’s möglich? Und warum leiden, Prinz? bei dieſem lauten Berufe zum Genuß der Welt? bei allen Geſchenken der verſchwend’riſchen Natur, und allem Anſpruch auf des Lebens Freuden? Sie — eines großen Königs Sohn, und mehr, weit mehr als das, ſchon in der Fürſtenwiege mit Gaben ausgeſtattet, die ſogar auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln? Sie — der im ganzen ſtrengen Rath der Weiber beſtochne Richter ſitzen hat, der Weiber, die über Männerwerth und Männerruhm ausſchließend ohne Widerſpruch entſcheiden? Der, wo er nur bemerkte, ſchon erobert, entzündet, wo er kalt geblieben, wo er glühen will, mit Paradieſen ſpielen und Götterglück verſchenken muß — Der Mann,141Zweiter Akt.den die Natur zum Glück von Tauſenden und wenigen mit gleichen Gaben ſchmückte, er ſelber ſollte elend ſein? — O Himmel, der du ihm alles, alles gabſt, warum, warum denn nur die Augen ihm verſagen, womit er ſeine Siege ſieht? —
Vortrefflich! Ganz unvergleichlich, Fürſtinn. Singen Sie mir dieſe Stelle doch noch einmal.
Karlos, wo waren Sie indeſſen?
Ja bei Gott! Sie mahnen mich zur rechten Zeit — Ich muß, muß fort — muß eilends fort.
Wohin?
Dorthin, Sie wiſſen ja — Doch nein, nein, nein, Sie wiſſen nicht — Hinaus von hier, hin - unter in’s Freie — laſſen Sie mich los — Prin - zeſſinn, mir wird, als rauchte hinter mir die Welt in Flammen auf —
Was haben Sie? Woher dieß fremde unnatürliche Betragen?
Sie brauchen Ruhe, lieber Karl — Ihr Blut iſt jetzt in Aufruhr — ſetzen Sie Sich zu mir — Weg mit den ſchwarzen Fieberphantaſien. Wenn Sie Sich ſelber offenherzig fragen, weiß dieſer Kopf, was dieſes Herz beſchwert? Und wenn er’s nun auch wüßte — ſollte denn von allen Rittern dieſes Hofs nicht Einer, von allen Damen keine — Sie zu heilen,143Zweiter Akt.Sie zu verſtehen, wollt’ ich ſagen — keine von allen würdig ſein?
Vielleicht die Fürſtinn von Eboli —
Wahrhaftig?
Geben Sie mir eine Bittſchrift — ein Empfehlungsſchrei - ben an meinen Vater. Man ſpricht ohnehin, Sie gelten viel.
Wer ſpricht das? (Ha! ſo war es der Argwohn, der dich ſtumm gemacht!)
Wahrſcheinlich iſt die Geſchichte ſchon herum. Ich habe den ſchnellen Einfall nach Brabant zu gehen, um — — bloß um meine Sporen zu ver - dienen. 144Dom Karlos.Das will mein Vater nicht — Der gute Vater beſorgt, wenn ich Armeen kommandirte, — — mein Singen könnte drunter leiden.
Karlos! Sie ſpielen falſch. Geſtehen Sie, Sie wollen in dieſer Schlangenwendung mir entgehn. Hieher geſehen, Heuchler. Aug’ in Auge. Wer nur von Ritterthaten träumt — wird der, geſtehen Sie, — wird der auch wohl ſo tief herab ſich laſſen, Bänder, die den Damen entfallen ſind, begierig wegzuſtehlen, und — Sie verzeihn —
ſo koſtbar zu verwahren.
Prinzeſſinn — Nein, das geht zu weit — Ich bin verrathen. Sie betriegt man nicht — Sie ſind mit Geiſtern, mit Dämonen einverſtanden.
Darüber ſcheinen Sie erſtaunt? Darüber? Was ſoll die Wette gelten, Prinz, ich rufe Geſchichten in Ihr Herz zurück, Geſchich - ten, die ſelbſt in Ihren Träumen ausgeſtorben? Verſuchen Sie es; fragen Sie mich aus. Wenn ſelbſt der Laune Gaukelei’n, ein Laut verſtümmelt in die Luft gehaucht, ein Lächeln von ſchnellem Ernſte wieder ausgelöſcht, ein Spiel mit dieſen Federn, eine Blume gedankenlos zerriſſen, eine Fliege mit ſanfter Hand barbariſch hingewürgt — wenn ſelber ſchon Erſcheinungen, Geberden, wo Ihre Seele ferne war, mir nicht entgangen ſind, urtheilen Sie, ob ich verſtand, wo Sie verſtanden werden woll - ten?
Nun das iſt warlich viel gewagt — Die Wette ſoll gelten, Fürſtinn. Sie verſprechen mir Entdeckungen in meinem eignen Herzen, um die ich ſelber nie gewußt.
Nie Prinz? Beſinnen Sie Sich beſſer. Sehn Sie um Sich. — — Dieß Kabinet iſt keines von den Zimmern der Königinn, wo man das Bißchen Maske noch allenfalls zu loben fand — Sie ſtutzen? Sie werden plötzlich lauter Glut — O frei - lich, wer ſollte wohl ſo ſcharfklug, ſo vermeſſen, ſo müßig ſein, den Karlos zu belauſchen, wenn Karlos unbelauſcht ſich glaubt? — Wer ſah’s, wie er beim letzten Hofball ſeine Dame die Königinn im Tanze ſtehen ließ, und mit Gewalt in’s nächſte Paar ſich drängte, ſtatt ſeiner königlichen Tänzerinn, der Fürſtinn Eboli die Hand zu reichen? Ein Irrthum, Prinz, den der Monarch ſogar, der eben jetzt erſchienen war, bemerkte!
Auch ſogar der? Ja freilich, gute Fürſtinn, für den beſonders war das nicht.
So wenig als jener Auftritt in der Schloßkapelle, worauf ſich wohl Prinz Karlos ſelbſt nicht mehr beſinnen wird. Sie lagen zu den Füßen der heil’gen Jungfrau in Gebet ergoſſen, als plötzlich — konnten Sie dafür? — die Kleider gewiſſer Damen hinter Ihnen rauſchten. Da fing Dom Philipps heldenmüth’ger Sohn, gleich einem Ketzer vor dem heil’gen Amte, zu zittern an, auf ſeinen bleichen Lippen ſtarb das vergiftete Gebet — Im Taumel der Leidenſchaft — es war ein Poſſenſpiel zum Rühren, Prinz — ergreifen Sie die Hand, der Mutter Gottes heil’ge kalte Hand, und Feuerküſſe regnen auf den Marmor.
Sie thun mir Unrecht, Fürſtinn. Das war Andacht.
Ja, dann iſt’s etwas anders, Prinz — dann freilich war’s damals auch nur Furcht vor dem Verluſte,K 2148Dom Karlos.als Karlos mit der Königinn und mir beim Spielen ſaß, und mit bewundernswer - ther Geſchicklichkeit mir dieſen Handſchuh ſtahl —
den er zwar gleich nachher ſo artig war, ſtatt einer Karte wieder auszuſpielen.
O Gott — Gott — Gott! Was hab’ ich da gemacht?
Nichts, was Sie widerrufen werden, hoff’ ich. Wie froh erſchrak ich, als mir unvermuthet ein Briefchen in die Finger kam, das Sie in dieſen Handſchuh zu verſtecken wußten. Es war die rührendſte Romanze, Prinz, die —
Poeſie! — Nichts weiter — Mein Ge - hirne treibt öfters wunderbare Blaſen auf, die ſchnell, wie ſie entſtanden ſind, zerſpringen. Das war es alles. Schweigen wir davon.
Nein, nein, das iſt zu viel — Bei Gott! das war noch nie erhört ſeit Menſchen-Angedenken. Mein Senkblei fällt in’s Unermeßliche. Ich bin erſchöpft — all meine Proben gleiten von dieſem ſchlangenglatten Sonderling.
Doch wie? — Wär’s ungeheurer Männerſtolz, der nur, ſich deſto ſüßer zu ergetzen, die Blödigkeit als Larve brauchte? — Ja?
Belehren Sie mich endlich, Prinz — Ich ſtehe vor einem zauberiſch verſchloßnen Schrank, wo alle meine Schlüſſel mich betrügen.
Wie ich vor Ihnen.
Endlich ſei es denn — Ich muß einmal zu reden mich entſchließen. Zu meinem Richter wähl’ ich Sie. Sie ſind ein edler Menſch — ein Mann, ſind Fürſt und Ritter. An Ihren Buſen werf’ ich mich. Sie werden mich retten, Prinz, und wo ich ohne Rettung verloren bin, theilnehmend um mich weinen.
Ein frecher Günſtling des Monarchen buhlt um meine Hand — Rui Gomez, Graf von Silva — Der König will, ſchon iſt man Handels einig, ich bin der Kreatur verkauft.
Verkauft? und wiederum verkauft? und wiederum von dem berühmten Handelsmann in Sü - den? — —151Zweiter Akt.O ſtill von dieſem, weg davon, nicht weiter. Das iſt die Nerve, wo ich Gichter ſpüre.
Nein, hören Sie erſt alles. Nicht genug, daß man der Politik mich hingeſchlachtet; auch meiner Unſchuld ſtellt man nach — Schon längſt verfolgen mich die laſterhaften Flammen des großen, großen Wollüſtlings — Da! Hier! Dieß Blatt kann dieſen Heiligen entlarven.
Wo ſoll ich Rettung finden, Prinz? Bis jetzt war es mein Stolz, der meine Tugend ſchützte; doch endlich —
Endlich fielen Sie? Sie fielen? Nein, nein, um Gottes willen, nein!
Durch wen? Armſelige Vernünftelei! Wie ſchwach von dieſen ſtarken Geiſtern! Weibergunſt,152Dom Karlos.der Liebe Glück der Waare gleich zu achten, worauf geboten werden kann! Sie iſt das Einzige auf dieſem Rund der Erde, was keinen Käufer leidet als ſich ſelbſt. Die Liebe iſt der Liebe Preis. Sie iſt der unſchätzbare Diamant, den ich verſchenken oder, ewig ungenoſſen, verſcharren muß — Dem großen Kauf - mann gleich, der, ungerührt von des Rialto Gold und Königen zum Schimpfe, ſeine Perle dem reichen Meere wiedergab, zu ſtolz ſie unter ihrem Werthe los zu ſchlagen.
(Beim wunderbaren Gott! — Das Weib iſt ſchön!)
Man nenn’ es Grille — Eitelkeit. Gleich viel. Ich theile meine Freuden nicht. Dem Mann, dem Einzigen, den ich mir auserleſen, geb’ ich für alles, alles hin. Ich ſchenke nur Einmal, aber ewig. Einen nur wird meine Liebe glücklich machen — Einen — Doch dieſen Einzigen zum Gott. Der Seelen153Zweiter Akt.entzückender Zuſammenklang — ein Kuß — der Schäferſtunde ſchwelgeriſche Freuden — der Schönheit hohe, himmliſche Magie ſind Eines Strahles ſchweſterliche Farben, ſind Einer Blume Blätter nur. Ich ſollte, ich Raſende! ein abgerißnes Blatt aus dieſer Blume ſchönem Kelch verſchenken? ich ſelbſt des Weibes hohe Majeſtät, der Gottheit großes Meiſterſtück verſtümmeln, den Abend eines Praſſers zu verſüßen?
(Unglaublich! Wie? Ein ſolches Mädchen hatte Madrid, und ich — und ich erfahr’ es heute zum erſtenmal?)
Längſt hätt’ ich dieſen Hof verlaſſen, dieſe Welt verlaſſen hätte in heil’gen Mauern mich begraben; doch ein einzig Band iſt noch zurück, ein Band, das mich an dieſe Welt allmächtig bindet. — Ach, ein Phantom vielleicht! Doch mir ſo werth! Ich liebe und bin — — nicht geliebt.
Sie ſind’s! So wahr ein Gott im Himmel wohnt. Ich ſchwör’ es. Sie ſind’s, und unausſprechlich.
Sie? Sie ſchwören’s? O das war meines Engels Stimme! Ja, wenn freilich Sie es ſchwören, Karl, dann glaub’ ich’s, dann bin ich’s.
Süßes, ſeelenvolles Mädchen! Anbetungswürdiges Geſchöpf — Ich ſtehe ganz Ohr — ganz Auge — ganz Entzücken — ganz Bewunderung — Wer hätte Dich geſehn, Wer unter dieſem Himmel Dich geſehn, und rühmte ſich — er habe nie geliebt? — Doch hier an König Philipps Hof? Was hier? Was, ſchöner Engel, willſt Du hier? Bei Pfaffen155Zweiter Akt.und Pfaffenzucht? Das iſt kein Himmelsſtrich für ſolche Blumen! — Möchten ſie ſie brechen? Sie möchten — o ich glaub’ es gern — Doch nein! ſo wahr ich Leben athme, nein! — Ich ſchlinge den Arm um Dich, auf meinen Armen trag’ ich durch eine teufelvolle Hölle Dich! Ja — laß mich Deinen Engel ſein —
O Karlos! Wie wenig hab’ ich Sie gekannt! Wie reich und gränzenlos belohnt Ihr ſchönes Herz die ſchwere Müh’, es zu begreifen!
Fürſtinn, wo ſind Sie jetzt?
Wie ſchön iſt dieſe Hand! 156Dom Karlos.Wie reich iſt ſie — Prinz, dieſe Hand hat noch zwei koſtbare Geſchenke zu vergeben — ein Diadem und Karlos Herz — und beides vielleicht an Eine Sterbliche? — An Eine? Ein großes göttliches Geſchenk! — Beinahe für Eine Sterbliche zu groß! — Wie Prinz? wenn Sie zu einer Theilung Sich entſchlöſſen? Die Königinnen lieben ſchlecht — ein Weib, das lieben kann, verſteht ſich ſchlecht auf Kro - nen: drum beſſer, Prinz, Sie theilen, und gleich jetzt, gleich jetzt — Wie? Oder hätten Sie wohl ſchon? Sie hätten wirklich? O dann um ſo beſſer! Und kenn’ ich dieſe Glückliche?
Du ſollſt. Dir Mädchen, Dir entdeck’ ich mich — Der Unſchuld, der lautern, unentheiligten Natur entdeck’ ich mich. An dieſem Hof biſt Du die Würdigſte, die Einzige, die Erſte, die meine Seele ganz verſteht — Ja denn! Ich läugn’ es nicht — ich liebe —
Böſer Menſch! So ſchwer iſt das Geſtändniß Dir geworden? Beweinungswürdig mußt’ ich ſein, wenn Du mich liebenswürdig finden ſollteſt?
Was? Was iſt das?
Mich ſo ausgeſucht zu quälen! O warlich, Prinz, es war nicht ſchön. Sogar den Schlüſſel zu verläugnen!
Schlüſſel! Schlüſſel!
Ja ſo — So war’s — Nun merk’ ich — — O mein Gott!
Abſcheulich! Was hab’ ich gethan?
So tief herabgeſtürtzt von allen meinen Himmeln! — O das iſt ſchrecklich.
Was entdeck’ ich? Gott!
Ich bin nicht ſchuldig, Fürſtinn — Leiden - ſchaft — ein unglückſel’ger Mißverſtand — Bei Gott! ich bin nicht ſchuldig.
Weg aus meinen Augen, um Gottes willen —
Nimmermehr! In dieſer entſetzlichen Erſchüttrung Sie verlaſſen?
Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit hinaus von meinen Augen — Wollen Sie mich mor - den? Ich haſſe Ihren Anblick.
Meinen Brief und meinen Schlüſſel geben Sie mir wieder. Wo haben Sie den andern Brief?
Den andern? Was denn für einen andern?
Den vom König.
Von wem?
Den Sie vorhin von mir bekamen.
Vom König? und an Wen? an Sie?
O Himmel! wie ſchrecklich hab’ ich mich verſtrickt! Den Brief! heraus damit! ich muß ihn wieder haben.
Vom König Briefe, und an Sie?
Den Brief! Im Namen aller Heiligen!
Der einen gewiſſen mir entlarven ſollte — Dieſen?
Ich bin des Todes — Geben Sie.
Worin von laſterhaften Flammen, Wollüſt - lingen gehandelt wird? Der Brief alſo —
Entſetzlich! Was hab’ ich Unbeſonnene gewagt?
Der Brief — der kam vom König? — Ja Prinzeſſinn, das ändert freilich alles ſchnell — Das iſt
ein unſchätzbarer — ſchwerer — theurer Brief, den alle Kronen Philipps einzulöſen zu leicht, zu nichtsbedeutend ſind — Den Brief behalt’ ich.
Großer Gott! Ich bin verloren, wenn Sie der Niederträcht’ge ſind. —
Wenn ich der Niederträcht’ge bin, Prinzeſſinn — DannL162Dom Karlos.erlaub’ ich Ihnen — dann und eher nicht — für die vergangne Stunde zu erröthen.
Prinz, noch ein Wort. Prinz, hören Sie. — Er geht! Auch das noch! Er verachtet mich .... Da ſteh’ ich in fürchterlicher Einſamkeit .... verſtoßen, verworfen ....
Nein! Verdrungen nur, verdrungen von einer Nebenbuhlerinn. Er liebt. Kein Zweifel mehr. Er hat es ſelbſt bekannt. Doch wer iſt dieſe Glückliche? .... So viel iſt offenbar — er liebt was er nicht ſollte. Er fürchtet die Entdeckung. Vor dem König verkriecht ſich ſeine Leidenſchaft … Warum163Zweiter Akt. vor dieſem, der ſie wünſchte? … Oder iſt’s Der Vater nicht, was er im Vater fürchtet? Als ihm des Königs buhleriſche Abſicht verrathen war — da jauchzten ſeine Mie - nen, frohlockt’ er wie ein Glücklicher … Wie kam es, daß ſeine ſtrenge Tugend hier verſtummte? Hier? Eben hier? … Was kann denn er dabei, Er zu gewinnen haben, wenn der König der Königinn die …
O ich Raſende! Jetzt endlich, jetzt … Wo waren meine Sinne? Jetzt gehen mir die Augen auf .... Sie hatten ſich lang’ geliebt, eh’ der Monarch ſie wählte. Nie ohne ſie ſah mich der Prinz. — Sie alſo, ſie war gemeinet, wo ich gränzenlos, ſo warm, ſo wahr mich angebetet glaubte? L 2164Dom Karlos. O ein Betrug der ohne Beiſpiel iſt! und meine Schwäche hab’ ich ihm verrathen —
Daß er ganz ohne Hoffnung lieben ſollte! Ich kann’s nicht glauben … Hoffnungsloſe Liebe beſteht in dieſem Kampfe nicht. Zu ſchwelgen, wo unerhört der glänzendſte Monarch der Erde ſchmachtet … Warlich! ſolche Opfer bringt hoffnungsloſe Liebe nicht. Wie feurig war nicht ſein Kuß! Wie zärtlich drückt’ er mich, wie zärtlich an ſein ſchlagend Herz! — Die Probe war faſt zu kühn für die romant’ſche Treue, die nicht erwiedert werden ſoll … Er nimmt den Schlüſſel an, den, wie er ſich beredet, die Königinn ihm zugeſchickt … Er glaubt an dieſen Rieſenſchritt der Liebe … kommt, kommt warlich, kommt. — So traut er Philipps Frau die raſende Entſchließung zu — Wie kann er, wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern? Es iſt am Tag’. Er wird erhört. Sie liebt! Beim Himmel, dieſe Heilige empfindet! Wie fein iſt ſie! … Ich zitterte, ich ſelbſt,165Zweiter Akt. vor dem erhabnen Schreckbild dieſer Tugend. Ein höh’res Weſen ragt ſie neben mir, in ihrem Glanz erlöſch’ ich. Ihrer Schönheit mißgönnt’ ich dieſe hohe Ruhe, frei von jeder Wallung ſterblicher Naturen. Und dieſe Ruhe war nur Schein? Sie hätte an beiden Tafeln ſchwelgen wollen? hätte der Tugend ganze Glorie zu koſten und doch zugleich des Laſters heimliche Entzückungen zu naſchen ſich erdreiſtet? Das durfte ſie? Das ſollte ungerochen der Gauklerinn gelungen ſein, gelungen, weil ſich kein Rächer meldet? — Nein bei Gott! Ich betete ſie an — — Das fordert Rache! Der König wiſſe den Betrug … Der König?
Ja recht — das iſt ein Weg zu ſeinem Ohre.
Wie war es? Aſſemblee iſt dieſen Abend?
Ja. Schon verſammelt ſich der Hof.
Wenn Du den Kapellan bei Seite ziehen könnteſt — —
Den Kapellan Domingo?
So erſuch’ ihn, im Nebenzimmer linker Hand auf mich zu warten, hörſt Du, bis ich vom Gedränge mich losgemacht — Ein Vorfall von Be - deutung — Ich muß ihn ſprechen, ſag’ ihm das.
Sogleich.
Im Nebenzimmer. Hörſt Du?
Gut.
Auch ich bin noch nicht ganz verlaſſen … Ein Ge - liebter bleibt mir auch immer noch gewiß, und welcher? O warlich ich bin undankbar. Was gäbe die reichſte Bettlerinn darum, von meiner Verdammniß einen Schimmer aufzuhaſchen? Was mangelte mir denn? — Er kann nicht lieben. Und weiter nichts? — Iſt’s denn ſo wahr, daß Liebe, nur Liebe glücklich machen kann? Wenn Neid,168Dom Karlos. wenn Schmeichelei einſtimmig mir’s betheuern, werd’ ich’s zuletzt nicht glauben, wirklich ſein? Und iſt es denn jetzt Liebe, was ich brauche? wenn meine Ehre blutet — Liebe? Ruft nicht lauter jetzt, nicht ſchrecklicher mein Stolz, als meines Herzens ſtille Wünſche? Was ein Mann mir nahm, kann nur ein König mir erſetzen. Dieſe Schlangen kann allein der Größe Taumeltrank betäuben.
Tugend? Er will ſie nicht, dem ich ſie aufbehalten, dem ſie allein geblüht — er will ſie nicht. Sie macht ihn ja nicht glücklich — — Oder frommt ſie dem Himmel nur? und nicht auch mir? und nicht dem Manne, dem ich mich geſchenkt? Spart ſie für jene Welt der Unſchuld ſchöne Blume? Wenn für die Liebe ſie nicht ſammelt, wem, wem ſammelt denn die Tugend? Iſt ſie mehr, als hoher Wucher mit der Liebe Freuden? Ich werde nicht mehr lieben. Ihres Amtes entbind’ ich ſie auf immerdar. Sie fliehe der Hoffnung zu. Ich werde nicht mehr lieben.
Sind Sie es Herzog? Guten Abend!
Halt! Wer ruft mich?
Nach wem ſehen Sie Sich um?
Es iſt Domingo — — So allein? — — Sie ſind aus der Verſammlung plötzlich mir verſchwun - den. Ich ſuche Sie ſchon überall —
Läßt der Monarch mich hohlen?
Nein. Ich wollte mit Ihnen ſprechen — Doch es eilt ja nicht — Sie warten hier auf jemand? — Darf ich wiſſen?
Was wollten Sie mir ſagen?
Eine wicht’ge Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber ich einen Aufſchluß haben möchte.
Welche Entdeckung? Wovon reden Sie?
Prinz Karlos und ich begegnen dieſen Mittag uns im Vorgemach der Königinn. Ich werde beleidigt. Wir erhitzen uns. Der Streit wird etwas laut. Wir greifen zu den Schwer - tern. Die Königinn auf das Getöſe öffnet das Zimmer, wirft ſich zwiſchen uns und ſieht mit einem Blick despotiſcher Vertrautheit171Zweiter Akt. den Prinzen an — Es war ein einz’ger Blick — Sein Arm verſtarrt — er fliegt an meinen Hals — ich fühle einen heißen Kuß — er iſt verſchwunden.
Das iſt ſehr verdächtig — Herzog, Sie mahnen mich an etwas — — Ähnliche Gedanken, ich geſteh’ es, keimten längſt in meiner Bruſt — — Ich flohe dieſe Träu - me — noch hab’ ich niemand ſie vertraut. Es gibt zweiſchneid’ge Klingen, ungewiſſe Freunde — ich fürchte dieſe. Schwer zu unterſcheiden, noch ſchwerer zu ergründen ſind die Menſchen — Entwiſchte Worte ſind beleidigte Vertraute — drum begrub ich mein Geheimniß, bis einſt die Zeit es rufen würde. Wer iſt mir auch Bürge, daß ich recht geſehen? Wie leicht geſchieht’s, daß Menſchen ſich be - trügen! Ich bin ein Prieſter. Meine Weihung lautet, den Frieden, nicht die Zwietracht zu verkünden, Das überlaß’ ich denen, deren Amt172Dom Karlos. es mehr iſt — Andre Diener, andre Eide! Dem Herzog Alba kann die Pflicht befehlen, was mir die Pflicht verbietet. Ich muß ſchwei - gen, wär’ ich noch einmal ſo gewiß, als ich es jetzt ſchon bin.
Gewiß? Gewiß? Wovon? Beſinnen Sie Sich was Sie reden. Warlich ich wüßte nicht, wie viel ich um die bloße Wahrſcheinlichkeit zu geben fähig wäre.
Was hilft mir Überzeugung, die ich nicht auch vor Gericht zu ſtellen wagen darf? Gewiſſe Dienſte Königen zu leiſten iſt mißlich, Herzog — ein gewagter Wurf, der, fehlt er ſeine Beute, auf den Schützen zurückeprallt — Ich wollte, was ich ſage, auf eine Hoſtie beſchwören — doch ein Augenzeugniß, ein erhaſchtes Wort, ein Blatt Papier fällt ſchwerer in die Wage, als mein lebendigſtes Gefühl — — Ver - wünſcht, daß wir auf Span’ſchem Boden ſtehn!
Warum auf dieſem nicht?
An jedem andern Hofe kann ſich die Leidenſchaft vergeſſen. Hier wird ſie gewarnt von ängſtlichen Geſetzen. Die Span’ſchen Königinnen haben Mühe zu ſündigen — ich glaub’ es — doch zum Unglück nur da — gerade da nur, wo es uns am beſten glückte, ſie zu überraſchen.
Sehr wahr: drum eben müßte man — —
Von einem Entwurfe zwar verſprech’ ich mir noch etwas. Gelingt mir dieſer — — — Darf ich der Prinzeſſinn von Eboli von jenem Vorfall ſagen?
Darum erſchien ich. Hören Sie, Kaplan, an der Entdeckung liegt mir viel, ich will’s174Dom Karlos. nicht läugnen, liegt mir mehr, als Sie viel - leicht vermuthen dürften. Alles liegt mir dran, daß der Monarch davon erfahre. Heute ging etwas vor — — — Ich hoffe doch, Kaplan, wir kennen uns.
Was ich von dieſem Punkte zu halten pflege, wiſſen Sie. Toledo —
Ich hab’ es nie im Ernſt geglaubt, daß mir Gefahr von dorther drohen könnte — noch glaub’ ich es nicht — doch gäb’ es einen Men - ſchen, den ich zu fürchten mir erlauben könnte, Der Knabe wär’ es.
Herzog, Sie berühren hier eine Saite — —
Hören Sie mich an. Es droht uns irgend etwas — Der Monarch hat dieſen Morgen mir ein Wort geſagt,175Zweiter Akt. ein Wort — Kaplan, Sie kennen mich. Ich pflege doch ſonſt vor Worten nicht zu zittern. Dießmal war Sinn darin — und ſchwerer — wenn ich anders auf dieſen Philipp mich verſtehe. Schon — ſchon wankt er zwiſchen uns und dem Infanten. Das war das Werk von einer Stunde — Nahe iſt zwiſchen Sohn und Vater die Verſöhnung —
Verſöhnung? Das verhüte Gott! —
Er will ihn ſeinem Throne näher haben, will die Probe mit ihm wagen. Mir befahl er, ihm abzubitten — wenigſtens ſo klang es — ihm abzubitten, daß ich mich vermeſſen, in ſeines Vaters Gunſt zu ſtehen. —
Herzog, Sie ſagen mir da —
Eine Stunde währte die Audienz. Er bat um die Verwaltung176Dom Karlos. der Niederlande. Laut und heftig bat er, ich hört’ es in dem Kabinet. Sein Auge war roth geweint, als ich ihm an der Thüre begegnete. Den Mittag drauf erſcheint er mit einer Miene des Triumphs. Er iſt entzückt, daß mich der König vorgezogen. Er dankt es ihm. Die Sachen ſtehen an - ders, ſagt er, und beſſer. Heucheln konnt’ er nie. Wie ſoll ich dieſe Widerſprüche reimen? Der Prinz frohlockt hintangeſetzt zu ſein, und mir ertheilt der König eine Gnade mit allen Zeichen ſeines Zorns! — Was muß ich glauben? Warlich dieſe neue Würde ſieht einer Landsverweiſung ähnlicher, als einer Gnade.
Dahin alſo wär’ es gekommen? Dahin? Und ein Augenblick zertrümmerte, was wir in Jahren bauten? — Und Sie ſo ruhig? ſo gelaſſen? — Kennen Sie dieſen Jüngling? Ahnden Sie, was uns erwartet, wenn er mächtig wird? — Sie haben Proben: er haßt Sie —
Das vergeb’ ich ihm. Hab’ ich ihn je geliebt? — Doch, daß er mich be - ſchimpfte, Domingo, das werd’ ich ihm nie vergeſſen. Als vor’ges Jahr die Stände Arragons ihm huldigten und mich die Reihe traf, erſchien ich etwas ſpäter, weil mein Amt als Marſchall bei dem Feſte mich verzögert. Der Herold hatte dreimal ſchon gerufen, eh’ ich den Thron erreichte — Da verſtieß mich der Infant. Im Angeſicht des ganzen betretnen Arragoniens verſagte der Knabe mir den Handkuß — Alle Augen durchbohrten mich, ich ſtand zum erſtenmal in meinem Leben außer Faſſung. Damals gelobt’ ich volle, ſchreckliche Bezahlung dem ſtolzen Jüngling, und ich halte ſie.
Ich bin ſein Feind nicht. Andre Sorgen nagen an meiner Ruhe, Sorgen für den Thron, für Gott und ſeine Kirche — Der Infant (ich kenn’ ihn — ich durchdringe ſeine Seele) hegt einen ſchrecklichen Entwurf — Toledo — den raſenden Entwurf, Regent zu ſein,M178Dom Karlos. und unſern heil’gen Glauben zu entbehren. — Er hält nichts von Religion.
Er hält ſehr viel davon, befürcht’ ich; denn mir däucht, er weiß noch nicht, wie nöthig man ſie brauchte.
Sein Herz entglüht für eine neue Tugend, die, ſtolz und ſicher und ſich ſelbſt genug, von keinem Glauben betteln will. — Das Laſter erhält der Kirche Millionen. Er verachtet es und braucht ſie nicht — Er denkt — ſein Kopf entbrennt von einer ſeltſamen Chimäre — er verehrt den Menſchen — — Herzog, ob er zu unſerm König taugt?
Phantomen! Was ſonſt? Vielleicht auch jugendlicher Stolz, der eine Rolle ſpielen möchte — Bleibt ihm eine andre Wahl? Das geht vorbei, trifft ihn einmal die Reihe zu befehlen.
Ich zweifle. — Er iſt ſtolz auf ſeine Freiheit, des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang zu kaufen ſich bequemen muß — Taugt er auf unſern Thron? Der kühne Rieſengeiſt wird unſrer Staatskunſt Linien durch reißen. Umſonſt verſucht’ ich’s, dieſen trotz’gen Muth in dieſer Zeiten Wolluſt abzumatten; Er überſtand die Probe … Das Geheimniß, durch Indulgenzen Sünde zu erleichtern und Seelen durch die Sünde zu zerſtören, mißlang bei dem Infanten — Schrecklich iſt in dieſem Körper dieſer Geiſt — und Philipp wird ſechzig Jahre.
Ihre Blicke reichen ſehr weit.
Er und die Königinn ſind Eins. Schon ſchleicht — verborgen zwar — in bei - der Bruſt das Gift der Neuerer; doch bald genug, gewinnt es Raum, wird es den Thron er - greifen. Ich fürchte dieſe Valois.
Daß Sie mich daran mahnen müſſen! dieſen Wurm aus ſeinem Schlummer ſtören müſſen! — Gerne erſtickt’ ich die Erinnerung.
An was? Sie ſind erhitzt, und Ihre Lippen beben!
Die Königinn von Spanien verſetzte mir eine Wunde — eine Wunde, die — — woran ich in Jahrtauſenden noch blute. Sie war es — endlich haben meine Forſcher die Thäterinn erfahren. — Sie allein, die meinen Anſchlag hintertrieb, den Prinzen von Bourbon aus Navarra zu entführen. Ein Anſchlag der dem Spaniſchen Monarchen nichts kleineres als eine Krone galt! Sie warnte Frankreich; das Verbrechen ging zurücke, und mein Name war geſchändet.
Ich weiß von dieſem Vorfall — Fürchten Sie die ganze Rache dieſer ſtillen Feindinn,181Zweiter Akt. wenn Philipp Schwächen ſich erlaubt. Noch iſt das Glück uns günſtig. Kommen wir zuvor. In Eine Schlinge ſtürzen beide … Jetzt ein ſolcher Wink dem Könige gegeben, bewieſen oder nicht bewieſen — viel iſt ſchon gewonnen, wenn er wankt. Wir ſelbſt, wir zweifeln beide nicht. Zu überzeugen fällt keinem Überzeugten ſchwer. Es kann nicht fehlen, wir entdecken mehr, ſind wir vorher gewiß, daß wir entdecken müſſen. Ich habe ſonſt noch eine Spur .... War’s nicht am neuen Jahr, daß unſre Königinn in Wochen kam? Ganz recht — und im April des vor’gen Jahrs erſtand der König erſt von ſeinem böſen Fieber … Herzog Alba? … Sie ahnden doch? … Dieß kleine Samenkorn ſoll in der Zeiten reifender Vollendung mir ſchrecklich aufgehn … Nur Geduld …
Doch jetzt die wichtigſte von allen Fragen — Wer nimmt’s über ſich, den König zu belehren?
Noch Sie, noch ich. Erfahren Sie alſo, was lange ſchon, des großen Planes voll, mein ſtiller Fleiß dem Ziele zugetrieben. Noch mangelt unſer Bündniß zu vollenden die dritte, wichtigſte Perſon .... Der König liebt die Prinzeſſinn Eboli. Ich nähre die Leidenſchaft, die meinen Wünſchen wuchert. Ich bin ſein Abgeſandter … Unſerm Plane erzieh’ ich ſie — In dieſer jungen Dame, gelingt mein Werk, ſoll eine Bundsverwand - tinn, ſoll eine Königinn uns blühn. Sie ſelbſt hat jetzt in dieſes Zimmer mich berufen. Ich hoffe alles — Jene Lilien von Valois zerknickt ein Span’ſches Mädchen vielleicht in Einer Mitternacht —
Was hör’ ich? Iſt’s Wahrheit, was ich jetzt gehört? — Beim Himmel! das überraſcht mich! Ja! Der Streich vollendet! Dominikaner! ich bewundre Dich. Jetzt haben wir gewonnen —
Still! Wer kommt! —
Daß es bis dahin kommen muß! — Ich bin in ſeinen Kriegen grau geworden — Daß ich betteln ſoll von dieſen Wangen, das, ich kann’s nicht läugnen, das verdrüßt mich — Doch, doch dieß Erröthen ſoll mit Seelenangſt der Knabe mir bezahlen —
Gehen Sie. Sie iſt’s — ſie ſelbſt.
Ich bin im nächſten Zimmer, wenn man —
Schon recht. Ich rufe Sie.
Zu Ihren Befehlen, gnäd’ge Fürſtinn.
Sind wir etwa nicht ganz allein? Sie haben, wie ich ſehe, noch einen Zeugen bei Sich?
Wie?
Wer war es, der eben jetzt von Ihnen ging?
Der Herzog von Alba, gnäd’ge Fürſtinn, der nach mir um die Erlaubniß bittet, vorgelaſſen zu werden.
Herzog Alba? Was will der? Was kann er wollen? Wiſſen Sie vielleicht es mir zu ſagen?
Ich? und eh’ ich weiß, was für ein Vorfall von Bedeutung mir das langentbehrte Glück verſchafft, der Fürſtinn von Eboli mich wiederum zu nähern?
Ob ſich ein Umſtand endlich vorgefunden, der für des Königs Wünſche ſpricht? ob ich mit Grund gehofft, daß beßre Überlegung mit einem Anerbieten Sie verſöhnt, das Eigenſinn, das Laune bloß verworfen? Ich komme voll Erwartung —
Brachten Sie dem König meine letzte Antwort?
Noch verſchob ich’s, ihn ſo tödtlich zu verwunden. Noch, gnäd’ge Fürſtinn, iſt es Zeit. Es ſteht bei Ihnen ſie zu mildern.
Melden Sie dem König, daß ich ihn erwarte.
Darf ich das für Wahrheit nehmen, ſchöne Fürſtinn?
Für Scherz doch nicht? — Bei Gott! Sie machen mir ganz bange — Wie? Was hab’ ich denn ge - than, wenn ſogar Sie — Sie ſelber Sich entfärben?
Prinzeſſinn, dieſe Überraſchung, — kaum kann ich es faſſen —
Ja, hochwürd’ger Herr, das ſollen Sie auch nicht. Um alle Güter der Welt möcht’ ich nicht haben, daß Sie’s faßten. Genug für Sie, daß es ſo iſt. Erſparen Sie Sich die Mühe zu ergrübeln, weſſen Beredſamkeit Sie dieſe Wendung danken. 187Zweiter Akt. Zu Ihrem Troſt ſetz’ ich hinzu: Sie haben nicht Theil an dieſer Sünde. Auch wahr - haftig die Kirche nicht, obſchon Sie mir bewieſen, daß Fälle möglich wären, wo die Kirche ſogar die Körper ihrer jungen Töchter für höh’re Zwecke zu verbrauchen wüßte. Auch dieſe nicht — Dergleichen fromme Gründe, ehrwürd’ger Herr, ſind mir zu hoch —
Sehr gerne Prinzeſſinn, nehm’ ich ſie zurück, ſobald ſie überflüſſig waren.
Bitten Sie von meinetwegen den Monarchen, ja in dieſer Handlung Mich nicht zu verkennen. Was ich geweſen, bin ich noch. Die Lage der Dinge nur hat ſeitdem ſich verwandelt. Als ich ſein Anerbieten mit Entrüſtung zurücke ſtieß, da glaubt’ ich im Beſitze der ſchönſten Königinn ihn glücklich — glaubte die treue Gattinn meines Opfers werth. 188Dom Karlos. Das glaubt’ ich damals — damals. Frei - lich jetzt, jetzt weiß ich’s beſſer.
Fürſtinn, weiter, weiter. Ich hör’ es, wir verſtehen uns.
Genug, ſie iſt erhaſcht. Ich ſchone ſie nicht länger. Die ſchlaue Diebinn iſt erhaſcht. Den König, ganz Spanien, und mich hat ſie betrogen. Sie liebt. Ich weiß es, daß ſie liebt. Ich bringe Beweiſe, die Sie zittern machen ſollen. Der König iſt betrogen — doch bei Gott! er ſei es ungerochen nicht. Die Larve erhabner, übermenſchlicher Entſagung, der Mutter Gottes nachgemahlt — die Larve reiß’ ich ihr ab, daß alle Welt die Stirne der Sünderinn erkennen ſoll. Es koſtet mich einen ungeheuern Preis, doch — das entzückt mich, das iſt mein Triumph — doch ſie noch einen größern.
Nun iſt alles reif. Erlauben Sie, daß ich den Herzog rufe.
Was wird das?
Unſre Nachricht, Herzog Alba, kommt hier zu ſpät. Die Fürſtinn Eboli entdeckt uns ein Geheimniß, das ſie eben von uns erfahren ſollte.
Mein Beſuch wird dann um ſo viel minder ſie befremden. 190Dom Karlos. Ich traue meinen Augen nicht. Dergleichen Entdeckungen verlangen Weiberblicke.
Sie ſprechen von Entdeckungen? —
Wir wünſchten zu wiſſen, gnäd’ge Fürſtinn, welchen Ort, und welche beß’re Stunde Sie —
Auch das. So will ich morgen Mittag Sie erwarten. Ich habe Gründe, dieſes[ſtrafbare] Geheimniß länger nicht zu bergen — es nicht länger mehr dem König zu entziehn.
Das war es, was mich hergeführt. Sogleich muß der Monarch es wiſſen. Und durch Sie, durch Sie, Prinzeſſinn, muß er das. Wem ſonſt, wem ſollt’ er lieber glauben, als der ſtrengen, der wachſamen Geſpielinn ſeines Weibes?
Wem mehr, als Ihnen, die, ſobald ſie will, ihn unumſchränkt beherrſchen kann?
Ich bin erklärter Feind des Prinzen.
Eben das iſt man gewohnt, von mir vorauszuſetzen. Die Fürſtinn Eboli iſt frei. Wo wir verſtummen müſſen, zwingen Pflichten Sie zu reden, Pflichten Ihres Amts. Der König entflieht uns nicht, wenn Ihre Winke wirken, und dann vollenden wir das Werk.
Doch bald, gleich jetzt muß das geſchehn. Die Augen - blicke ſind koſtbar. Jede nächſte Stunde kann mir den Befehl zum Abmarſch bringen —
Ob ſich Briefe finden ließen? Briefe freilich, von dem Infanten aufgefangen, müßten hier Wirkung thun. — Laß ſehen — Nicht wahr? — Ja.
192Dom Karlos.Sie ſchlafen doch — ſo däucht mir — in dem - ſelben Gemache mit der Königinn?
Zunächſt an dieſem — Doch was ſoll mir das?
Wer ſich auf Schlöſſer gut verſtünde — — Haben Sie bemerkt, wo ſie den Schlüſſel zur Schatulle gewöhnlich zu bewahren pflegt?
Das könnte zu etwas führen — Ja — der Schlüſſel wäre zu finden, denk’ ich —
Briefe wollen Boten — — Der Königinn Gefolg’ iſt groß — — Wer hier auf eine Spur gerathen könnte? — — Gold vermag zwar viel —
Hat niemand wahrgenommen, ob der Infant Vertraute hat?
Nicht Einen; in ganz Madrid nicht Einen.
Das iſt ſeltſam.
Das dürfen Sie mir glauben; er verachtet den ganzen Hof; ich habe meine Proben.
Doch wie? Hier eben fällt mir ein, als ich von dem Gemach der Königinn herauskam, ſtand der Infant bei einem ihrer Pagen, ſie ſprachen heimlich —
Nicht doch! Nein! Das war — das war von etwas anderm.
Können wir das wiſſen? — Nein, der Umſtand iſt ver - dächtig —
Und kannten Sie den Pagen?
Kinderpoſſen! Was wird’s auch ſonſt geweſen ſein? Genug, ich kenne das. — — Wir ſehn uns alſo wieder, eh’ ich den König ſpreche. — Unterdeſſen entdeckt ſich viel.
Und der Monarch darf hoffen? Ich darf es ihm verkündigen? Gewiß? Und welche ſchöne Stunde ſeinen Wünſchen Erfüllung endlich bringen wird? Auch dieß?
In ein’gen Tagen werd’ ich krank; man trennt mich von der Perſon der Königinn — das iſt an unſerm Hofe Sitte, wie Sie wiſſen — ich bleibe dann auf meinem Zimmer.
Glücklich. Gewonnen iſt das große Spiel. Trotz ſei geboten allen Königinnen —
Horch! Man läutet mir — die Königinn verlangt mich. Auf Wiederſehen.
Herzog, dieſe Roſen, und Ihre Schlachten —
Und Dein Gott — ſo will ich den Blitz erwarten, der uns ſtürzen ſoll!
Schon da geweſen alſo? — Das beklag’ ich.
Seit heute Morgen ſchon das drittemal. Vor einer Stunde ging er weg —
Er will doch wiederkommen? Hinterließ er’s nicht?
Vor Mittag noch verſprach er.
Euer Kloſter liegt weit ab von der Straße — — Dort - hin zu ſieht man noch Thürme von Madrid. — — Ganz recht,197Zweiter Akt. und hier fließt der Manſanares … Die Land - ſchaft iſt, wie ich ſie mir wünſche. — Alles iſt hier ſtill wie ein Geheimniß.
Wie der Eintritt in’s andre Leben.
Eurer Redlichkeit, gutherz’ger Mann, hab’ ich mein Koſtbarſtes, mein Heiligſtes vertraut. Kein Sterblicher darf wiſſen oder nur vermuthen, wen ich hier geſprochen und geheim. Ich habe ſehr wicht’ge Gründe, vor der ganzen Welt den Mann, den ich erwarte, zu verläugnen. Drum wählt’ ich dieſes Kloſter. Vor Ver - räthern, vor Überfall ſind wir doch ſicher? Ihr beſinnt Euch noch, was Ihr mir zugeſchworen?
Vertrauen Sie uns, gnäd’ger Herr. Der Argwohn der Könige wird Gräber nicht durchſuchen. 198Dom Karlos. Das Ohr der Neugier liegt nur an den Thü - ren des Glückes und der Leidenſchaft. Die Welt hört auf in dieſen Mauern.
Denkt Ihr etwa, daß hinter dieſe Vorſicht, dieſe Furcht ein ſchuldiges Gewiſſen ſich verkrieche —
Ich denke nichts.
Ihr irrt Euch, frommer Vater, Ihr irrt Euch warlich. Mein Geheimniß zittert vor Menſchen, aber nicht vor Gott.
Mein Sohn, das kümmert uns ſehr wenig. Dieſe Frei - ſtatt ſteht dem Verbrechen offen, wie der Unſchuld. Ob, was Du vorhaſt, gut iſt oder übel, rechtſchaffen oder laſterhaft — das mache mit Deinem eignen Herzen aus.
Was wir verheimlichen, kann Euern Gott nicht ſchän - den. Es iſt ſein eignes, ſchönſtes Werk — — Zwar Euch, Euch kann ich’s wohl entdecken.
Zu was Ende? Erlaſſen Sie mir’s, lieber Prinz. Die Welt und ihr Geräthe liegt ſchon lange Zeit verſiegelt da auf jene große Reiſe. Wozu die kurze Friſt vor meinem Abſchied noch einmal es erbrechen? — Es iſt wenig, was man zur Seligkeit bedarf — Die Glocke zur Hora lautet. Ich muß beten gehn.
Ach endlich einmal, endlich —
Welche Prüfung für eines Freundes Ungeduld! Die Sonne ging zweimal auf und zweimal unter, ſeit das Schickſal meines Karlos ſich entſchieden; und jetzt, erſt jetzt werd’ ich es hören — Sprich, ob das verziehen werden kann?
Und mir, mir dieſen Vorwurf, Rodrigo? Was hat mir dieſe Stunde nicht gekoſtet!
Gut. Es ſei vorbei. Vor allem meinen Glück - wunſch. Ihr ſeid verſöhnt?
Wer?
Du und König Philipp: und auch mit Flandern iſt’s entſchieden.
Daß der Herzog morgen dahin reiſ’t? — Das iſt entſchieden, ja.
Das kann nicht ſein. Das iſt nicht. Soll ganz Madrid belogen ſein? Du hatteſt geheime Audienz, ſagt man. Der König —
Blieb unbewegt. Wir ſind getrennt auf im - mer, und mehr, als wir ſchon waren —
Du gehſt nicht nach Flandern?
Nein! Nein! Nein!
O meine Hoffnung!
Das nebenbei. O Rodrigo, ſeitdem wir uns zum letztenmale ſprachen, was hab’ ich erlebt! Von welchen Wunderdin - gen kann ich Dich unterhalten! — Doch vor - jetzt, vor allem andern Deinen Rath! Ich muß ſie ſprechen —
Deine Mutter! — Nein! — Wozu?
Ich habe Hoffnung — Du wirſt blaß? — Sei ruhig! Ich ſoll und werde glücklich ſein — Doch davon ein andermal. Jetzt ſchaffe Rath, wie ich ſie ſprechen kann —
Was ſoll das? Worauf gründet ſich dieſer neue Fiebertraum?
Nicht Traum! Beym wundervollen Gott nicht! — Wahr - heit, Wahrheit!
in dieſem wichtigen Papier enthalten! Die Königinn iſt frei; vor Menſchenaugen, wie vor des Himmels Augen frei. Da lies, und höre auf Dich zu verwundern.
Was? Was ſeh’ ich? Eigenhändig vom Monarchen?
An wen iſt dieſer Brief?
An die Prinzeſſinn von Eboli. — Vorgeſtern bringt ein Page der Königinn von unbekannten Händen mir einen Brief und einen Schlüſſel. Man bezeichnet mir im linken Flügel des Pallaſtes, den die Königinn bewohnt,204Dom Karlos.ein Kabinet, wo eine Dame mich erwarte, die ich längſt geliebt. Ich folge ſogleich dem Winke —
Raſender, Du folgſt?
Ich kenne ja die Handſchrift nicht — Ich kenne nur Eine ſolche Dame. Wer als ſie wird ſich von Karlos angebetet wähnen? Voll ſüßen Schwindels flieg’ ich nach dem Platze; ein göttlicher Geſang, der aus dem Innern des Zimmers mir entgegenſchallt, dient mir zum Führer — ich eröffne das Gemach — und wen entdeck’ ich? — Fühle mein Entſetzen!
O ich errathe alles.
Ohne Rettung war ich verloren, Rodrigo, wär’ ich in eines Engels Hände nicht gefallen. Welch unglückſel’ger Zufall! Hintergangen von meiner Blicke unvorſicht’ger Sprache,205Zweiter Akt.gab ſie der ſüßen Täuſchung ſich dahin, ſie ſe ber ſei der Abgott dieſer Blicke. Gerührt von meiner Seele ſtillen Leiden, beredet ſich großmüthig-unbeſonnen ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern. Die Ehrfurcht ſchien mir Schweigen zu ge - bieten, ſie hat die Kühnheit es zu brechen — Offen liegt ihre ſchöne Seele mir —
So ruhig erzählſt Du das? — Die Fürſtinn Eboli durchſchaute Dich. Kein Zweifel mehr, ſie drang in Deiner Liebe innerſtes Geheimniß, Du haſt ſie ſchwer beleidigt. Sie beherrſcht den König.
Sie iſt tugendhaft.
Sie iſt’s aus Eigennutz der Liebe — Dieſe Tugend, ich fürchte ſehr, ich kenne ſie — wie wenig reicht ſie empor zu jenem Ideale, das aus der Seele mütterlichem Boden,206Dom Karlos.in ſtoltzer, ſchöner Grazie empfangen, freiwillig ſproßt und ohne Gärtners Hülfe verſchwenderiſche Blüten treibt. Es iſt ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd in einem rauhern Himmelsſtrich getrieben; Erziehung, Grundſatz, nenn’ es wie Du willſt, erworbne Unſchuld, dem erhitzten Blut durch Liſt, durch manchen zweifelhaften Kampf und kriechende Verträge abgerungen, dem Himmel, der ſie fodert und bezahlt, gewiſſenhaft ſorgfältig angeſchrieben. Erwäge ſelbſt. Wird ſie der Königinn es je vergeben können, daß ein Mann an ihrer eignen, ſchwer erkämpften Tugend vorüberging, ſich für Dom Philipps Frau in hoffnungsloſen Flammen zu verzehren?
Kennſt Du die Fürſtinn ſo genau?
Gewiß nicht. Kaum daß ich zweimal ſie geſehn. Doch nur ein Wort laß mich noch ſagen: Mir kam vor, daß ſie geſchickt des Laſters Blößen mied, daß ſie ſehr gut um ihre Tugend wußte. Dann ſah’ ich auch die Königinn — O Karl,207Zweiter Akt.wie anders alles, was ich hier bemerkte! In angeborner ſtiller Glorie, mit ſorgenloſem Leichtſinn, mit des Anſtands ſchulmäßiger Berechnung unbekannt, gleich ferne von Verwegenheit und Furcht, mit feſtem Heldenſchritte wandelt ſie die ſchmale Mittelbahn des Schicklichen, unwiſſend, daß ſie Anbetung erzwungen, wo ſie von eignem Beifall nie geträumt. Erkennt mein Karl auch hier in dieſem Spiegel auch jetzt noch ſeine Eboli? — Die Fürſtinn blieb ſtandhaft, weil ſie liebte; Liebe war in ihre Tugend wörtlich einbedungen. Du haſt ſie nicht belohnt — ſie fällt.
Nein! Nein!
Nein, ſag’ ich Dir — O wüßte Rodrigo, wie trefflich es ihn kleidet, ſeinem Karl der Seligkeiten göttlichſte, den Glauben an menſchliche Vortrefflichkeit zu ſtehlen!
Verdien’ ich das? — Nein, Liebling meiner Seele, das wollt’ ich nicht, bei Gott im Himmel nicht! —
O208Dom Karlos.O dieſe Eboli — ſie wär’ ein Engel, und ehrerbietig wie Du ſelbſt ſtürtzt’ ich vor ihrer Glorie mich nieder, hätte ſie — Dein Geheimniß nicht erfahren.
Sieh, wie eitel Deine Furcht iſt! Hat ſie andre Beweiſe wohl, als die ſie ſelbſt beſchämen? Wird ſie der Rache trauriges Vergnügen mit ihrer Ehre kaufen?
Ein Erröthen zurückzunehmen, haben manche ſchon der Schande ſich geopfert.
Nein, das iſt zu hart, zu grauſam. Sie iſt ſtoltz und edel; ich kenne ſie und fürchte nichts. Umſonſt verſuchſt Du meine Hoffnungen zu ſchrecken. Ich ſpreche meine Mutter.
Jetzt? Wozu?
Ich habe nun nichts mehr zu ſchonen — muß209Zweiter Akt.mein Schickſal wiſſen. Sorge nur, wie ich ſie ſprechen kann.
Und dieſen Brief willſt Du ihr zeigen? Wirklich willſt Du das?
Befrage mich darum nicht. Das Mittel jetzt, das Mittel, daß ich ſie ſpreche!
Sagteſt Du mir nicht Du liebteſt Deine Mutter! — Du biſt Willens ihr dieſen Brief zu zeigen?
Karl, ich leſe in Deinen Mienen etwas — mir ganz neu — ganz fremde bis auf dieſen Tag — Du wendeſt die Augen von mir? Warum wendeſt Du die Augen von mir? So iſt’s wahr? — — Ob ich denn wirklich recht geleſen? Laß doch ſehen —
Was, biſt Du raſend?
210Dom Karlos.Wirklich — ich geſteh’ es — an dieſem Briefe lag mir viel.
So ſchien es. Darum zerriß ich ihn.
Sprich doch — Was haben Entweihungen des königlichen Bettes mit Deiner — Deiner Liebe denn zu ſchaffen? War Philipp Dir gefährlich? Welches Band kann die verletzten Pflichten des Gemahls mit Deinen kühnen Hoffnungen verknüpfen? Hat er geſündigt, wo Du liebſt? Vermiſſeſt Du noch Befriedigungen, die der Gattinn Empfindlichkeit vollenden ſoll? Nun freilich lern’ ich Dich faſſen. O wie ſchlecht hab’ ich bis jetzt auf Deine Liebe mich verſtanden.
Wie Rodrigo? Was glaubſt Du?
O ich fühle, wovon ich mich entwöhnen muß. Ja einſt,211Zweiter Akt.einſt war’s ganz anders. Da warſt Du ſo reich, ſo warm, ſo reich! ein ganzer Weltkreis hatte in Deinem weiten Buſen Raum. Das alles iſt nun dahin, von Einer Leidenſchaft, von einem kleinen Eigennutz verſchlungen. Dein Herz iſt ausgeſtorben. Keine Thräne, dem ungeheuern Schickſal der Provinzen nicht einmal eine Thräne mehr — O Karl, wie arm biſt Du, wie bettelarm geworden, ſeitdem Du niemand liebſt als Dich!
Ich weiß, daß Du mich nicht mehr achteſt.
Hörſt Du denn, daß ich Dir ſchmeichle? — Nicht ſo, Karl, nicht alſo. Ich kenne dieſe Aufwallung. Sie war Verirrung lobenswürdiger Gefühle. Die Königinn gehörte Dir, war Dir geraubt von dem Monarchen — doch bis jetzt mißtrauteſt Du beſcheiden Deinen Rechten. Vielleicht war Philipp ihrer werth. Du wag - teſt212Dom Karlos.nur leiſe noch, das Urtheil ganz zu ſprechen. Der Brief entſchied. Der Würdige warſt Du. Mit ſtolzer Freude ſahſt Du nun das Schickſal der Tirannei, des Raubes überwieſen. Du jauchtzteſt, der Beleidigte zu ſein, denn Unrecht leiden ſchmeichelt großen Seelen. Doch hier verirrte Deine Phantaſie, Dein Stolz empfand Genugthuung — Dein Herz verſprach ſich Hoffnung. Sieh, ich wußt’ es wohl, Du hatteſt dießmal ſelbſt Dich mißverſtanden.
Nein Rodrigo, Du irreſt ſehr. Ich dachte ſo edel nicht, bei weitem nicht, als Du mich gerne glauben machen möchteſt.
Bin ich denn ſo wenig hier bekannt? Sieh, Karl, wenn Du verirreſt, ſuch’ ich allemal die Tugend unter Hunderten zu rathen, die ich des Fehlers zeihen kann. Doch nun wir beſſer uns verſtehen, wie ich meine, nun unterſchreib’ ich Deinen Wunſch. Du ſollſt die Königinn jetzt ſprechen — mußt ſie ſpre - chen —213Zweiter Akt.Ich ſelbſt — ich gebe Dir mein Wort — ich ſelbſt will es befördern.
Bruder meiner Seele! O wie erröth’ ich neben Dir.
Weißt Du denn ſo gewiß, ob nicht geheime Wünſche, nicht Furcht vielmehr und Eigennutz mich lei - ten? — Doch davon, wenn es Zeit iſt, mehr. Du haſt mein Wort. Nun überlaß mit alles andre. Ein wilder, kühner, glücklicher Gedanke ſteigt auf in meiner Phantaſie — Du ſollſt ihn hören, Karl, aus einem ſchönern Munde. Ich dränge mich zur Königinn. Vielleicht daß morgen ſchon der Ausgang ſich erwieſen. Bis dahin, Karl, vergiß nicht, daß „ ein Anſchlag, den höhere Vernunft gebar, das Leiden der Menſchheit drängt, zehntauſendmal vereitelt nie aufgegeben werden darf. “— Hörſt Du? Erinnre Dich an Flandern?
Alles, Alles, was Du und hohe Tugend mir gebieten.
Die Zeit iſt um. Ich höre Dein Gefolge.
Jetzt wieder Kronprinz und Vaſall.
Du fährſt ſogleich zur Stadt?
Sogleich.
Halt! noch ein Wort! Wie leicht war das vergeſſen! — Eine Nachricht Dir äußerſt wichtig — „ Briefe nach Brabant erbricht der König. “ Sei auf Deiner Hut. Die Poſt des Reichs, ich weiß es, hat geheime Befehle —
Wie erfuhrſt Du das?
Dom Raimond von Taxis iſt mein guter Freund.
Auch das! So nehmen ſie den Umweg über Deutſchland!
Dom Karlos Infant von Spanien von Friedrich Schiller. Zweite Abtheilung. Leipzig, bei Georg Joachim Göſchen 1787. Dieſer Titel wird vor den 3ten Akt gebunden.
Daß ſie ſonſt Schwärmerinn geweſen — wer kann, kann’s läugnen? Nie konnt’ ich ihr Liebe geben,P216Dom Karlos.und dennoch — ſchien ſie Mangel je zu fühlen? So iſt’s erwieſen, ſie iſt falſch.
Wo war ich? Wacht denn hier niemand, als der König? — Was? die Lichter ſchon herabgebrannt? doch nicht ſchon Tag?
Ich bin um meinen Schlummer. Nimm ihn für empfangen an, Natur. Ein König hat nicht Zeit verlorne Nächte nachzuhohlen; jetzt bin ich wach und Tag ſoll ſein.
Schläft’s irgend vielleicht in meinem Vorſaal auch?
Befinden Sich Ihro Majeſtät nicht wohl?
Im linken Pavillon war Feuer. Hörtet Ihr den Lärmen nicht?
Nein, Ihro Majeſtät.
Nein? Wie? Und alſo hätt’ ich nur geträumt? Das kann von Ohngefähr nicht kommen. Schläft auf jenem Flügel nicht die Königinn?
Ja, Ihro Majeſtät.
Der Traum erſchreckt mich. Man ſoll die Wachen künftig dort verdoppeln;P 2218Dom Karlos.hört Ihr? ſobald es Abend wird — — Doch ganz, ganz ingeheim — Ich will nicht haben, daß — Ihr prüft mich mit den Augen?
Ich entdecke ein brennend Auge, das um Schlummer bittet. Darf ich es wagen, Ihro Majeſtät an ein koſtbares Leben zu erinnern, an Völker zu erinnern, die die Spur durchwachter Nacht mit fürchtender Befrem - dung in ſolchen Mienen leſen würden — Nur zwei kurze Morgenſtunden Schlafs —
Reiß’t mir den Skorpion von meinem Küſſen — Schlaf? Schlaf find’ ich in Eskurial — — So lange der König ſchläft, iſt er um ſeine Krone, der Mann um ſeines Weibes Herz. Hin - weg — —
Befehlen Ihro Majeſtät, daß ich die Edelknaben wecke?
Laß ſie ſchlafen. Ich traue Menſchen gerne wenn ſie ſchlafen. Der hier vergißt mir’s, wenigſtens ſo lange er ſchläft, daß ſeines Vaters Blut durch mich auf dem Schaffot gefloſſen iſt … Und ſo bin ich bedient? In meinen Reichen allen fand niemand ſich mich zu bewachen, niemand in allen, als der Miſſethäter Söhne, die ich zum Tode bringen ließ?
Es ſind ja Kinder, Ihro Majeſtät —
Nein! Nein! Es iſt Verläumdung — War es nicht ein Weib, ein Weib, das mir es flüſterte? Der Name des Weibes heißt Verläumdung. Das Ver - brechen iſt nicht gewiß, bis mir’s ein Mann bekräftigt.
Schickt nach Toledo!
Tretet näher, Graf — — Iſt’s wahr? — —
O eines Pulſes Dauer nur Allwiſſenheit — — Schwört mir, iſt’s wahr? Ich bin betrogen? Bin ich’s? [Iſt’s] wahr?
Mein großer, mein beſter König —
König! König nur und wieder König — — Keine beßre Ant - wort als leeren hohlen Wiederhall? Ich ſchlage an dieſen Felſen und will Waſſer, Waſſer für meinen heißen Fieberdurſt — Er gibt mir glühend Gold.
Was wäre wahr, mein König?
Nichts. Nichts. Verlaßt mich. Geht.
Ihr ſeid vermählt? Seid Vater? Ja?
Ja, Ihro Majeſtät.
Vermählt, und könnt es wagen, eine Nacht bei Euerm Herrn zu wachen? Euer Haar iſt ſilbergrau und Ihr erröthet nicht, an Eures Weibes Redlichkeit zu glauben? O geht nach Hauſe. Eben trefft Ihr ſie in Eures Sohns blutſchändriſcher Umarmung. Glaubt Euerm König, geht — — Ihr ſteht beſtürzt? Ihr ſeht mich mit Bedeutung an? — Weil ich, ich ſelber etwa graue Haare trage? Unglücklicher, beſinnt Euch. Königinnen beflecken ihre Tugend nicht. Ihr ſeid des Todes, wenn Ihr zweifelt — —
Wer kann das? In allen Staaten meines Königs wer iſt frech genug, mit giftigem Verdacht die engelreine Tugend anzuhauchen? die beſte Königinn ſo tief —
Die Beſte? Und Eure Beſte alſo auch? Sie hat ſehr warme Freunde um mich her, find’ ich. Das muß ihr viel gekoſtet haben — mehr, als mir bekannt iſt daß ſie geben kann. Ihr ſeid entlaſſen. Laßt den Herzog kommen.
Schon hör’ ich ihn im Vorſaal —
Graf — Was Ihr vorhin bemerkt, iſt doch wohl wahr geweſen. Mein Kopf glüht von durchwachter Nacht. — Vergeßt, was ich im wachen Traum geſprochen. Hört Ihr? Vergeßt es. Ich bin Euer gnäd’ger König.
Ein mir ſo überraſchender Befehl — zu dieſer außerordentlichen Stunde?
Und dieſer Anblick — —
Alſo wirklich wahr? Ich habe keinen treuen Diener?
Wie?
Ich bin auf’s tödtlichſte gekränkt — Man weiß es, und niemand, der mich warnte!
Eine Kränkung, die meinen König gilt und meinem Aug’ entging?
Erkennt Ihr dieſe Hand?
Es iſt Dom Karlos Hand —
Vermuthet Ihr noch nichts? — Ihr habt vor ſeinem Ehrgeitz mich gewarnt? War’s nur ſein Ehrgeitz? dieſer nur, wovor ich zittern ſollte?
Ehrgeitz iſt ein großes — ein weites Wort, worin unendlich viel noch liegen kann.
Und wißt Ihr nichts beſonders mir zu entdecken?
Ihro Majeſtät vertrauten meiner Wachſamkeit die Krone. Der Krone hab’ ich meine leiſeſten Befürchtungen verpfändet. Was ich ſonſt vermuthe, denke oder weiß, gehört mir eigen zu. Es ſind geheiligte Beſitzungen, die der verkaufte Sklave wie der Vaſall den Königen der Erde zurückzuhalten Vorrecht hat. — — Nicht alles, was klar vor meiner Seele ſteht, iſt reif genug für meinen König. Will er doch befriedigt ſein, ſo muß ich bitten, nicht als Herr zu fragen.
Leſ’t.
Wer was der Raſende, dieß unglückſel’ge Blatt in meines Königs Hand zu geben?
Was? So wißt Ihr, wen der Inhalt meint? — Der Name iſt, wie ich weiß, auf dem Papier vermieden.
Ich war zu ſchnell.
Ihr wißt?
Es iſt heraus. Mein Herr befiehlt — — ich darf nicht mehr zurücke — Ich läugn’ es nicht — ich kenne die Perſon.
O einen neuen Tod hilf mir erdenken, der Rache fürchterlicher Gott! — — So klar, ſo weltbekannt, ſo laut iſt das Verſtändniß, daß man, des Forſchens Mühe überhoben, ſchon auf den erſten Blick es räth — Das iſt227Dritter Akt.zu viel! Das hab’ ich nicht gewußt! Das nicht! Ich alſo bin der Letzte der es findet! Der Letzte durch mein ganzes Reich —
Ja ich bekenne mich ſchuldig, gnädigſter Monarch. Ich ſchäme mich einer feigen Klugheit, die mir da zu ſchweigen rieth, wo meines Königs Ehre, Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug zu reden mich beſtürmten — — Weil doch alles verſtummen will — weil die Bezauberung der Schönheit aller Männer Zungen bindet, ſo ſei’s gewagt, ich rede; weiß ich gleich, daß eines Sohns einſchmeichelnde Betheurung, daß die verführeriſchen Reitzungen, die Thränen der Gemahlinn —
Stehet auf. Ihr habt mein königliches Wort — — Steht auf. Sprecht unerſchrocken.
Ihro Majeſtät beſinnen Sich vielleicht noch jenes Vorfalls im Garten zu Aranjuez. Sie fanden die Königinn von allen ihren Damen verlaſſen — mit zerſtörtem Blick — allein in einer abgelegnen Laube.
Ha! Was werd’ ich hören? Weiter —
Die Marquiſinn von Mondekar ward aus dem Reich verbannt, weil ſie Großmuth genug beſaß, ſich ſchnell für ihre Königinn zu opfern — Jetzt ſind wir berichtet — Die Marquiſinn hatte nicht mehr gethan, als ihr befohlen worden. — Der Prinz war dort geweſen.
Dort geweſen? Doch alſo —
Eines Mannes Spur im Sande,229Dritter Akt.die von dem linken Eingang dieſer Laube nach einer Grotte ſich verlor, wo noch ein Schnupftuch lag, das der Infant vermißte, erweckte gleich Verdacht. Ein Gärtner hatte dem Prinzen dort begegnet, und das war, beinah’ auf die Minute ausgerechnet, dieſelbe Zeit, wo Eure Majeſtät Sich in der Laube zeigten.
Und ſie weinte, als ich Befremdung blicken ließ! Sie machte vor meinem ganzen Hofe mich erröthen! erröthen vor mir ſelbſt — Bei Gott! Ich ſtand wie ein Gerichteter vor ihrer Tugend —
Ja, Herzog Alba — Ihr habt Recht — Das könnte zu etwas ſchrecklichem mich führen — — Laßt mich einen Augenblick allein.
Mein König, ſelbſt das entſcheidet noch nicht ganz —
Auch das nicht? Und das? Und wieder das? Und dieſer laute Zuſammenklang verdammender Beweiſe? — O es iſt klärer als das Licht — — Was ich ſchon lange Zeit vorausgewußt — — Der Frevel begann ſchon da, als ich von Euern Händen ſie in Madrid zuerſt empfing — Noch ſeh’ ich mit dieſem Blick des Schreckens, geiſterbleich, auf meinen grauen Haaren ſie verweilen. Da fing es an, das falſche Spiel.
Dem Prinzen ſtarb eine Braut in ſeiner jungen Mutter. Schon hatten ſie mit Wünſchen ſich ge - wiegt, in feurigen Empfindungen verſtanden, die ihr der neue Stand verbot. Die Furcht war ſchon beſiegt, die Furcht, die ſonſt das erſte Geſtändniß zu begleiten pflegt, und kühner ſprach die Verführung in vertrauten Bildern erlaubter Rückerinnerung. Verſchwiſtert durch Harmonie der Meinung und der Jahre,231Dritter Akt.durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten ſie den Wallungen der Leidenſchaft ſo dreiſter. Die Politik griff ihrer Neigung vor; iſt es zu glauben, mein Monarch, daß ſie dem Staatsrath dieſe Vollmacht zuerkannte? daß ſie die Lüſternheit bezwang, die Wahl des Kabinets aufmerkſamer zu prüfen? Sie war gefaßt auf Liebe, und empfing — — ein Diadem;
Ihr unterſcheidet ſehr — — ſehr weiſe, Herzog. — Ich bewundre Eure Beredſamkeit. Ich dank’ Euch.
Ihr habt Recht: die Königinn hat ſehr gefehlt, mir Briefe von dieſem Inhalt zu verbergen — mir die ſtrafbare Erſcheinung des Infanten im Garten zu verheimlichen. Sie hat aus falſcher Großmuth ſehr gefehlt. Ich werde ſie zu beſtrafen wiſſen.
Wer iſt ſonſtQ232Dom Karlos.im Vorſaal? — Euer, Herzog Alba, bedarf ich nicht mehr. Tretet ab.
Sollt’ ich durch meinen Eifer Eurer Majeſtät zum zweitenmal mißfallen haben?
Laßt Domingo kommen.
Ich vergeb’ es Euch, daß Ihr beinahe zwei Minuten lang mich ein Verbrechen hättet fürchten laſſen, das gegen Euch begangen werden kann.
Wie froh erſtaun’ ich, Eure Majeſtät ſo ruhig, ſo gefaßt zu ſehn.
— Erſtaunt Ihr —
Der Vorſicht ſei’s gedankt, daß meine Furcht doch alſo nicht gegründet war! Nun darf ich um ſo eher hoffen.
Eure Furcht? Was war zu fürchten?
… Ihro Majeſtät, ich darf nicht bergen, daß ich allbereits um ein Geheimniß weiß —
Hab’ ich denn ſchon den Wunſch geäußert, es mit Euch zu theilen? Wer kam ſo unberufen mir zuvor? Sehr kühn, bei meiner Ehre!
Mein Monarch, der Ort, der Anlaß, wo ich es erfahren, das Siegel, unter dem ich es erfahren, ſpricht wenigſtens von dieſer Schuld mich frei. Am Beichtſtuhl ward es mir vertraut — vertraut als Miſſethat, die das empfindliche Gewiſſen der Entdeckerinn belaſtet, und Gnade bei dem Himmel ſucht. Zu ſpät beweint die Fürſtinn eine That, von der ſie Urſach hat die fürchterlichſte Folgen für ihre Königinn zu ahnden.
Wirklich? Das gute Herz — Ihr habt ganz recht ver - muthet,235Dritter Akt.weßwegen ich Euch rufen ließ. Ihr ſollt aus dieſem dunkeln Labirinth mich führen, worein ein blinder Eifer mich geworfen. Von Euch erwart’ ich Wahrheit. Redet offen mit mir. Was ſoll ich glauben, was be - ſchließen? Von Eurem Amte fodr’ ich Wahrheit.
Sire, wenn meines Standes Mildigkeit mir auch der Schonung ſüße Pflicht nicht auferlegte, doch würd’ ich Eure Majeſtät beſchwören, um Ihrer Ruhe willen Sie beſchwören, bei dem Entdeckten ſtill zu ſtehn — das For - ſchen in ein Geheimniß ewig aufzugeben, das niemals freudig ſich entwickeln kann. Was jetzt bekannt iſt, kann vergeben wer - den. Ein Wort des Königs — und die Königinn hat nie gefehlt. Der Wille des Monarchen verleiht die Tugend wie das Glück — und nur die immer gleiche Ruhe meines Königs kann die Gerüchte mächtig niederſchlagen, die ſich die Läſterung erlaubt.
Gerüchte? Von Mir, und unter meinem Volke?
Lügen! Verdammenswerthe Lügen! Ich beſchwör’ es. Doch freilich gibt es Fälle, wo der Glaube des Volks, und wär’ er noch ſo unerwieſen, bedeutend wie die Wahrheit wird.
Bei Gott! Und hier gerade wär’ es —
Guter Name iſt das koſtbare, einz’ge Gut, um welches die Königinn mit einem Bürgerweibe wetteifern muß —
Für den doch, will ich hoffen, hier nicht gezittert werden ſoll?
Kaplan, ich ſoll noch etwas ſchlimmes von Euch hören. 237Dritter Akt.Verſchiebt es nicht. Schon lange leſ’ ich es in dieſem unglückbringenden Geſichte, Heraus damit! Sei’s was es wolle! Laßt nicht länger mich auf dieſer Folter beben. Was glaubt das Volk?
Noch einmal, Sire: das Volk kann irren — und es irrt gewiß. Was es behauptet, darf den König nicht erſchüttern — nur — daß es ſo weit ſchon ſich wagen durfte, dergleichen zu behaupten —
Was? Muß ich ſo lang’ um einen Tropfen Gift Euch bitten?
Das Volk denkt an den Monat noch zurücke, der Eure königliche Majeſtät dem Tode nahe brachte — — Dreißig Wo - chen nach dieſem lieſ’t es von der glücklichen Entbindung —
Ich erſtaune, Sire —
Toledo! Ihr ſeid ein Mann. Schützt mich vor dieſem Prieſter.
Erhohlen Sie Sich, mein Monarch.
Was thu’ ich? Bin ich in ſolchen Händen? Einer Schlange will ich bei einem Krokodill entlaufen? Sonſt alſo hab’ ich keine Wahl? Sonſt keine?
Wenn wir voraus es hätten wiſſen können, daß dieſe Nachricht an dem Überbringer geahndet werden ſollte —
Baſtard ſagt Ihr? Ich war, ſagt Ihr, vom Tode kaum erſtanden, als ſie ſich Mutter fühlte? — Wie? Das war239Dritter Akt.ja damals, wenn ich anders mich nicht irre, als Ihr den heiligen Dominikus in allen Kirchen für das hohe Wunder lobtet, das er an mir gewirkt? — Was damals Wunder geweſen, iſt es jetzt nicht mehr? So habt Ihr damals, oder heute mir gelogen. An was verlangt Ihr daß ich glauben ſoll? O ich durchſchau’ Euch. Wäre das Komplott ſchon damals reif geweſen — ja dann war der Heilige um ſeinen Ruhm.
Komplott!
Komplott! Welch kränkender Verdacht!
Ihr ſolltet mit dieſer beiſpielloſen Harmonie jetzt in derſelben Meinung Euch begegnen und doch nicht einverſtanden ſein? Mich wollt Ihr das bereden? Mich? Ich ſoll vielleicht nicht wahrgenommen haben, wie erpicht und gierig Ihr auf Euren Raub Euch ſtürz - tet? 240Dom Karlos.Mit welcher Wolluſt Ihr an meinem Schmerz, an meines Zornes Wallung Euch geweidet? Nicht merken ſoll ich, wie voll Eifer dort der Herzog brennt, der Gunſt zuvorzueilen, die meinem Sohn beſchieden war? Wie gerne der fromme Mann hier ſeinen kleinen Groll mit meines Zornes Rieſenarm bewehrte? Ich bin der Bogen, bildet Ihr Euch ein, den man nur ſpannen dürfe nach Gefallen? — Noch hab’ ich meinen Willen auch — und wenn ich zweifeln ſoll, ſo laßt mich wenigſtens bei Euch den Anfang machen.
Dieſe Deutung hat unſre Treue nicht erwartet.
Treue! Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen, die Rachgier ſpricht von den begangenen. Laßt hören! Was gewann ich denn durch Eure Dienſtfertigkeit? — Iſt, was Ihr vorgebt, wahr; was bleibt mir übrig als der Trennung Wunde? 241Dritter Akt.der Rache trauriger Triumph? — Doch nein, Ihr fürchtet nur, Ihr gebt mir ſchwankende Vermuthungen — Am Abſturz einer Hölle laßt Ihr mich ſtehen und entflieht.
Sind andre Beweiſe möglich, wo das Auge ſelbſt nicht überwieſen werden kann?
Ich’ will die Großen meines Königreichs verſammeln, und ſelber zu Gerichte ſitzen. Tretet heraus vor allen — habt Ihr Muth — und klaget als eine Buhlerinn ſie an! — Sie ſoll des Todes ſterben — ohne Rettung — ſie und der Infant ſoll ſterben — aber — merkt Euch! kann ſie ſich reinigen — Ihr ſelbſt! Wollt Ihr die Wahrheit durch ein ſolches Opfer ehren? 242Dom Karlos. Entſchließet Euch. Ihr wollt nicht? Ihr verſtummt? Ihr wollt nicht? — Das iſt eines Lügners Eifer.
Ich will es.
Das iſt kühn! — Doch mir fällt ein, daß Ihr in ſcharfen Schlachten Euer Leben an etwas weit geringeres gewagt — mit eines Würfelſpielers Leichtſinn für des Ruhmes Unding es gewagt — Und was iſt Euch das Leben? Welchen Reitz kann es für Euresgleichen haben, die in Ketten geboren worden? — Königliches Blut geb’ ich dem Raſenden nicht Preis, der nichts zu hoffen hat, als ein geringes Daſein erhaben aufzugeben — Euer Opfer verwerf’ ich. Geht — Geht, und im Au - dienzſaal erwartet meine weitere Befehle.
Jetzt gib mir einen Menſchen, gute Vorſicht — Du haſt mir viel gegeben. Schenke mir jetzt einen Menſchen … Du — du biſt allein, denn deine Augen prüfen das Verborgne, ich bitte dich um einen Freund, denn ich bin nicht wie du allwiſſend. Die Gehülfen, die du mir zugeordnet haſt, was ſie mir ſind, weißt du. Was ſie verdienen, haben ſie mir gegolten. Ihre zahmen Laſter, beherrſcht vom Zaume, ziehen meinen Wagen, wie deine Wetter fronen der Natur. Ich brauche Wahrheit — Ihre ſtille Quelle im dunkeln Schutt des Irrthums aufzugraben iſt nicht das Loos der Könige. Gib mir den ſeltnen Mann mit reinem, offnen Herzen, mit hellem Geiſt und unbefangnen Augen, der mir ſie finden helfen kann — ich ſchütte die Looſe auf; laß unter Tauſenden, die um der Hoheit Sonnenſcheibe flattern, den einzigen mich finden.
Bloße Namen — nur Namen ſtehen hier, und nicht einmal Erwähnung des Verdienſts, dem ſie den Platz auf dieſer Tafel danken — und was iſt vergeßlicher als Dankbarkeit? Doch hier auf dieſer andern Tafel leſ’ ich jede Vergehung pünktlich beigeſchrieben. Wie? Das iſt nicht gut. Braucht etwa das Ge - dächtniß der Rache dieſer Hülfe noch?
Graf Egmont? Was will der hier? — Der Sieg bei Saint Quentin war längſt verwirkt. Ich werf’ ihn zu den Todten.
Marquis von Poſa? — Poſa? — Poſa? Kann ich dieſes Menſchen mich doch kaum beſinnen! Und zweifach angeſtrichen — ein Beweis, daß ich zu großen Zwecken ihn beſtimmte. Und war es möglich? dieſer Menſch entzog ſich meiner Gegenwart bis jetzt? vermied die Augen ſeines königlichen Schuldners? 245Dritter Akt. Bei Gott! im ganzen Umkreis meiner Staaten der einz ge Menſch, der meiner nicht bedarf! Beſäß’ er Habſucht oder Ehrbegierde, er wäre längſt vor meinem Thron erſchienen. Wag’ ich’s mit dieſem Sonderling? Wer mich entbehren kann, wird Wahrheit für mich haben.
Sie haben ja den Herrn geſprochen, Herzog — Wie fanden Sie ihn aufgelegt.
Sehr übel für Sie und Ihre Zeitungen.
Im Feuer des Engliſchen Geſchützes war mir’s leichter, als hier auf dieſem Pflaſter.
Warmen Dank für dieſe großmuthsvolle Thräne, Prinz. Sie ſehen, wie mich alles flieht. Nun iſt mein Untergang beſchloſſen.
Hoffen Sie das Beſte, Freund, von meines Vaters Gnade und Ihrer Unſchuld.
Ich verlor ihm eine Flotte, wie keine noch im Meer erſchien — Was iſt ein Kopf wie dieſer gegen ſiebenzig verſunkne Gallionen? — Aber Prinz — fünf Söhne, hoffnungsvoll wie Sie — das bricht mein Herz — —
Bedeckt Euch!
Eure Mutter, Neffe, will wiſſen, wie man in Madrid mit Euch zufrieden ſei.
Das frage ſie nicht eher, als nach dem Ausgang meiner erſten Schlacht.
Gebt Euch zufrieden. Auch an Euch wird einſtR248Dom Karlos. die Reihe ſein, wenn dieſe Stämme brechen.
Was bringt Ihr mir?
Der Großkomthur des Ordens von Calatrava ſtarb an dieſem Morgen. Hier folgt ſein Ritterkreuz zurück.
Wer wird nach ihm am würdigſten es tragen?
Herzog, Ihr ſeid mein erſter Feldherr — ſeid nie mehr, ſo wird Euch meine Gnade niemals fehlen.
Sieh da! Mein Admiral!
Das, großer König,249Dritter Akt. iſt alles, was ich von der Span’ſchen Jugend und der Armada wiederbringe.
Gott iſt über mir — Ich habe gegen Menſchen, nicht gegen Sturm und Klippen ſie geſendet. — Seid mir willkommen in Madrid.
Und Dank, daß Ihr in Euch mir einen würd’gen Diener erhalten habt! — Für dieſen, meine Granden, erkenn’ ich ihn, will ich erkannt ihn wiſſen.
Was gibt es noch?
Ich dank’ Euch, meine Prinzen.
Legt das im Kabinet mir vor. — Bin ich zu Ende?
Wie kommt es denn, daß unter meinen Gran - den ſich nie ein Marquis Poſa zeigt? Ich weiß recht gut, daß dieſer Marquis Poſa mir mit Ruhm gedient. Er lebt vielleicht nicht mehr? Warum erſcheint er nicht?
Der Chevalier iſt kürzlich erſt von Reiſen angelangt, die er durch ganz Europa unternommen. So eben iſt er in Madrid, und wartet nur auf den öffentlichen Tag, ſich zu den Füßen ſeines Oberherrn zu werfen.
Marquis von Poſa? — Recht! Das iſt der kühne Maltheſer, Ihro Majeſtät, von dem der Ruf die ſchwärmeriſche That erzählte. Als auf des Ordensmeiſters Aufgebot die Ritter ſich auf ihrer Inſel ſtellten, die Soliman belagern ließ, verſchwand auf einmal von Alkala’s hoher Schule der achtzehnjähr’ge Jüngling. Ungerufen ſtand er vor la Valette. „ Man kaufte mir251Dritter Akt. das Kreutz, “ſagt’ er; „ ich will es jetzt ver - dienen. “ Von jenen vierzig Rittern war er einer, die gegen Piali, Ulucciali, und Muſtapha und Haſſem das Kaſtell San Elmo in drei wiederhohlten Stürmen am hohen Mittag hielten. Als es endlich erſtiegen wird, und um ihn alle Ritter gefallen, wirft er ſich in’s Meer und kommt allein erhalten an bei la Valette. Zwei Monate darauf verläßt der Feind die Inſel, und der Ritter kommt zurück, die angefangne Studien zu enden.
Und dieſer Marquis Poſa war es auch, der nachher die berüchtigte Verſchwörung in Katalonien entdeckt, und bloß durch ſeine Fertigkeit allein der Krone die wichtigſte Provinz gerettet.
Eben derſelbe war es, der ein Jahr darauf, durch ſeines Vaters Tod zu der Grandezza gerufen — Erbe einer Million — mit beiſpielloſer männlicher Enthaltung,252Dom Karlos. im vollen Frühling ſeines jungen Ruhms, freiwillig aus den Schranken trat — und jetzt an dieſem Hof ſich ſelber lebt — nur darum von ſeines Königs Gnade übergangen, weil ſein beſcheidenes Verdienſt bis jetzt vor der Belohnung ſich verbarg.
Ich bin erſtaunt — Was iſt das für ein Menſch, der das gethan, und unter dreien, die ich frage, nicht einen einz’gen Neider hat? — Gewiß! der Menſch beſitzt den ungewöhnlichſten Karakter oder keinen — Wunders wegen muß ich ihn ſprechen.
Nach gehörter Meſſe bringt ihn in’s Kabinet zu mir.
Und Ihr nehmt meine Stelle im geheimen Rathe.
Der Herr iſt heut ſehr gnädig.
Sagen Sie: Er iſt ein Gott! — Er iſt es mir geweſen.
Wie ſehr verdienen Sie Ihr Glück! Ich nehme den wärmſten Antheil, Admiral.
Auch ich.
Ich warlich auch.
Das Herz hat mir geſchlagen. Ein ſo verdienter General!
Der König war gegen Sie nicht gnädig — nur gerecht.
Wie reich ſind Sie auf einmal durch zwey Worte!
Mich will er haben? Mich? — Das kann nicht ſein. Sie irren Sich im Namen — Und was will er denn von mir?
Er will Sie kennen lernen. Mehr iſt mir nicht bekannt.
Ich bin ihm nichts. Ich warlich nichts. Das wußten Sie ſehr gut; das hätten Sie voraus ihm ſollen ſagen. Daran iſt niemand Schuld als Sie.
Als ich? Das klingt doch luſtig. Wußt’ ich denn, wozu er Sie beſtimmt hat?
Auf der Welt zu nichts. Das dürfen Sie mir glauben.
Doch — und wenn’s auch nur gerade dieſerwegen wäre.
Der bloßen Neugier wegen — O dann Schade um den verlornen Augenblick — Das Leben iſt ſo erſtaunlich ſchnell dahin.
Sie wiſſen Ihr Glück gar nicht zu ſchätzen.
Eben darum. Ich weiß es nicht zu ſchätzen.
Dieſen Platz beneiden Ihnen Millionen.
Warlich! Das thut mir leid — und mir frommt er ſo wenig. 256Dom Karlos. Warum alſo?
Ich hier in dieſem Zimmer! Wie zwecklos und wie ungereimt! Was kann ihm viel dran liegen, ob ich bin? — Sie ſehen, es führt zu nichts.
Dem Philoſophen freilich ſteht dieſe Art zu denken ſchön.
Wohin ſo ſchnell?
Sie melden.
O! Das wird ſo ſehr nicht eilen. Sagen Sie mir doch: Wie lange kann denn das dauern?
Ja das fragt ſich nun, wie Sie dem Herrn gefallen.
Muß ich das? Das iſt doch hart. Ich werd’ ihm nicht ge - fallen.
Wenn Sie nicht wollen. Nein.
Ich übergebe Sie Ihrem guten Stern. Der König iſt in Ihren Händen. Nützen Sie, ſo gut Sie können, dieſen Augenblick, und Sich, Sich ſelber ſchreiben Sie es zu, geht er verloren.
Wohl geſprochen, Herzog. Nützen muß man den Augenblick, der Einmal nur ſich bietet. Warlich dieſer Höfling gibt mir eine gute Lehre — wenn auch nicht258Dom Karlos. in ſeinem Sinne gut, doch in dem meinen.
Wie komm’ ich aber hieher? — Eigenſinn des launenhaften Zufalls wär’ es nur, was meinen Schatten zeigt in dieſen Spie - geln? aus einer Million gerade mich, den Unwahrſcheinlichſten, ergriff und im Gehirne dieſes Königs auferweckte? — Ein Zufall nur? — Vielleicht auch mehr — Und was iſt Zufall anders, als der rohe Stein, der Leben annimmt unter Bildners Hand? Den Zufall gibt die Vorſehung — Zum Zwecke muß ihn der Menſch geſtalten — Was der König mit mir auch wollen mag, gleich viel! — Ich weiß was ich — ich mit dem König ſoll — Und wär’s auch eine Feuerflocke Wahrheit nur, in des Deſpoten Seele kühn geworfen — Wie fruchtbar in der Vorſicht Hand! — So könnte, was erſt ſo grillenhaft mir ſchien, ſehr zweck - voll259Dritter Akt. und ſehr beſonnen ſein. Sein oder nicht — Gleichviel! In dieſem Glauben will ich han - deln.
Mich ſchon geſprochen alſo?
Nein.
Sie machten um meine Krone Sich verdient. Warum entziehen Sie Sich meinem Dank? In mei - nem Gedächtniß drängen ſich der Menſchen viel. Allgegenwärtig iſt nur Einer. Ihnen hätt es gebührt, Sich meinem Aug’ zu zeigen. Weßwegen thaten Sie das nicht?
Es ſind zween Tage, Sire, daß ich in’s Königreich zurückgekommen.
Ich bin nicht geſonnen in meiner Unterthanen Schuld zu ſtehn. Erbitten Sie Sich eine Gnade.
Ich genieße die Geſetze.
Dieſes Vorrecht hat auch der Mörder.
Wie viel mehr alſo der gute Bürger! — Sire, ich bin vergnügt.
Viel kühner Muth, bei Gott! Doch das war zu erwarten — Hätte wohl der Türkſche Mond gezittert ohne dieſen? Stolz will ich den Spanier. Ich mag es gerne leiden, wenn auch der Becher überſchäumt — — Sie traten aus meinen Dienſten, hör’ ich?
Einem Beſſern den Platz zu räumen, zog ich mich zurücke.
Das thut mir leid. Wenn ſolche Köpfe feiern, wie viel Verluſt für meinen Staat — Viel - leicht befürchten Sie, die Sphäre zu verfehlen die Ihres Geiſtes würdig iſt.
O Nein! Ich bin gewiß, daß der erfahrne Kenner,262Dom Karlos.in Menſchenſeelen, ſeinem Stoff, geübt, beim erſten Blicke wird geleſen haben, was ich ihm taugen kann, was nicht. Ich fühle mit demuthsvoller Dankbarkeit die Gnade, die Eure königliche Majeſtät durch dieſe ſtolze Meinung auf mich häufen; doch —
Sie bedenken Sich?
Ich bin — ich muß geſtehen, Sire — ſogleich nicht vorbereitet, was ich als Bürger dieſer Welt gedacht, in Worte Ihres Unterthans zu kleiden — Denn damals, Sire, als ich auf immer mit der Krone aufgehoben, glaubt’ ich mich auch der Nothwendigkeit entbunden, ihr von dieſem Schritte Gründe anzugeben.
So ſchwach ſind dieſe Gründe? Fürchten Sie dabei zu wagen?
Wenn ich Zeit gewinne, ſie zu erſchöpfen, Sire — mein Leben höch - ſtens. Die Wahrheit aber ſetz’ ich aus, wenn Sie mir dieſe Gunſt verweigern. Zwiſchen Ihrer Ungnade und Geringſchätzung iſt mir die Wahl gelaſſen — Muß ich mich entſcheiden, ſo will ich ein Verbrecher lieber als ein Thor von ihren Augen gehen.
Nun?
— Ich kann nicht Fürſtendiener ſein.
Weil Sie dann fürchten müßten Sklav zu ſein?
Nein, Sire, das werd’ ich niemals fürchten — doch nicht gerne möcht’ ich den Herrn, dem ich mich widme, zuS264Dom Karlos.dem meinigen erniedrigt ſehn.
Ich will den Käufer nicht betrügen, Sire — Wenn Sie mich anzuſtellen würdigen, ſo wollen Sie nur die vorgewog’ne That. Sie wollen nur meinen Arm und meinen Muth im Felde, nur meinen Kopf im Rathe. Was ich leiſte, gehört dem Thron. Die Schönheit meines Werks, Das Selbſtgefühl, die Wolluſt des Erfinders fließt in den königlichen Schatz. Von dieſem werd’ ich beſoldet mit Maſchinenglück und, wie Maſchinen brauchen, unterhalten. Nicht meine Thaten — ihr Empfang am Throne ſoll meiner Thaten Endzweck ſein. Mir aber, mir hat die Tugend eignen Werth. Das Glück, das der Monarch mit meinen Händen pflanzte, erſchüf’ ich ſelbſt, und Freude wäre mir und eigne Wahl, was mir nur Pflicht ſein ſollte. Ich würde ſchwelgen von dem Königsrecht der innern Geiſtesbilligung — mein Amt rebelliſch übertreffen, und, geſättigt265Dritter Akt.von dem Bewußtſein meiner That, ſogar das Wohlgefallen meines Herrn entbehren. Und iſt das Ihre Meinung? Können Sie in Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden? Ich aber ſoll zum Meiſel mich erniedern, wo ich der Künſtler könnte ſein? — — Ich liebe die Menſchheit, und in Monarchien darf ich niemand lieben als mich ſelbſt.
Ihr Feuer iſt lobenswerth. Sie wollen Gutes ſtiften. Wie Sie es ſtiften, kann dem Patrioten, dem Weiſen gleich viel heißen. Suchen Sie den Poſten aus in meinen Königreichen, der Sie berechtigt dieſem edeln Triebe genug zu thun.
Ich finde keinen.
Wie?
Was Eure Majeſtät durch meine Hand verbreiten — iſt das Menſchenglück? — Iſt dasS 2266Dom Karlos.daſſelbe Glück, das meine reine Liebe den Menſchen gönnt? — — Vor dieſem würde die Majeſtät erzittern — Nein! Ein neues erſchuf der Krone Politik — ein Glück, das ſie noch reich genug iſt auszutheilen, und in dem Menſchenherzen neue Triebe, die ſich von dieſem Glücke ſtillen laſſen. In ihren Münzen läßt ſie Wahrheit ſchlagen, die Wahrheit, die ſie dulden kann. Ver - worfen ſind alle Stempel, die nicht dieſem gleichen. So will’s der Krone Politik — denn darf die Krone wohl nach Menſchenglücke zielen? Doch was der Krone frommen kann — iſt das auch mir genug? Darf meine Bruderliebe ſich zur Verkürzung meines Bruders borgen? Weiß ich ihn glücklich — eh’ er denken darf? Der Menſch, mit dem ich’s redlich meine, ſoll ſich unter Philipps Zepter elend fühlen. So will ich ihn. Das iſt mein Wunſch. Mich alſo, mich wählen Sie nicht, Sire, Glückſeligkeit, die Sie uns prägen, auszuſtreun. Ich muß mich weigern dieſe Stempel auszugeben. Ich kann nicht Fürſtendiener ſein.
Wer bringt mir dieſen Menſchen?
Und mit dieſem Spiele des Witzes, dieſen künſtlichen Sophismen, gedenken Sie die Pflichten zu betrügen, die Sie dem Staate ſchuldig ſind?
Der Staat, dem ich ſie ſchuldig war, iſt nicht mehr. Eh - mals gab’s einen Herrn, weil ihn Geſetze brauchten; jetzt gibt’s Geſetze, weil der Herr ſie braucht. Was ich dort meinesgleichen gab, bin ich jetzt nicht gehalten, Königen zu geben — Dem Vaterlande? — Wo iſt das? Ich weiß von keinem Vaterlande. Spanien geht keinen Spanier mehr an. Es iſt die Rieſenhülle eines einz’gen Geiſtes. In dieſem Rieſenkörper wollen Sie allgegenwärtig denken, wirken, ſchwelgen,268Dom Karlos.und kräftig ringen auf des Ruhmes Bahn. In ſeinem Flor gedeihen Sie. Das Glück, das Sie ihm reichen, iſt Athletenkoſt, der Glieder Nervenkraft zu härten. Menſchen ſind Ihnen brauchbar, weiter nichts; ſo we - nig als Ohr und Auge für ſich ſelbſt vorhanden. Nur für die Krone zählen ſie. In ihr ging ihres Weſens Eigenthum, ihr Selbſt und ihres Willens hohes Vorrecht unter. Zu einer Pflanze fiel der Geiſt. Jetzt blühen Genie und Tugend für den Thron, wie für des Schnitters Senſe Halmen ſich vergolden.
Ich finde mein Geſchlecht nicht mehr — Wo - hin mit meiner Liebe? Eine neue Gattung und neue Bande der Natur — von dem gekrönten Sterblichen erdacht — Denn ringen mußte der Sterbliche mit Freiheit. Leidenſchaft mit Leidenſchaft, Gedanken mit Gedanken zu kaufen war die große Kunſt — Doch wer, als die Allgegenwart allein, kann in den Abgrund jeder Menſchenbruſt ſich tauchen? 269Dritter Akt.der Seele neugeborne Frucht in des Gedankens ſtiller Wiege überraſchen? Auch er war Menſch — er mußte wie wir an - dern durch den Behelf des Ähnlichen und Einen das reiche All der üppigen Natur dem ſchwachen Sinne künſtlich zubereiten, und im Geſchlecht das Einzelne vertilgen. Die Politik lehrt ihn ein Maaß erfinden, dem alle Geiſter unterwürfig ſich zu paſſen angewieſen ſind — Erfinden? O Nein — erfunden war es längſt —
Sie ſind ein Proteſtant?
Ihr Glaube, Sire, iſt auch der meinige.
Ich werde mißverſtanden. Das war es, was ich fürchtete. Sie ſehen von den Geheimniſſen der Majeſtät durch meine Hand den Schleier weggezogen. Wer ſichert Sie, daß mir noch heilig heiße,270Dom Karlos.was mich zu ſchrecken aufgehört. Ich bin gefährlich, weil ich über mich gedacht. — Ich bin es nicht, mein König. Meine Wün - ſche verweſen hier.
Die lächerliche Wuth der Neuerung, die nur der Ketten Laſt, die ſie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, wird mein Blut nie erhitzen. Das Jahr - hundert iſt meinem Ideal nicht reif. Ich lebe ein Bürger derer, welche kommen werden. Kann ein Gemählde Ihre Ruhe trüben? — Ihr Athem löſcht es aus.
Bin ich der erſte, dem Sie von dieſer Seite ſich gezeigt?
Von dieſer — Ja.
So mußten Sie doch wiſſen, ob es zu wagen war — und kennen Sie mich denn ſo gut?
Ob es zu wagen war, ſoll ich erſt jetzt erfahren, Sire — Mir aber gebührte es, das kleinere Verdienſt bei meinem Herrn vorauszuſetzen, wenn ich um das größre buhle — das Verdienſt, Wahrheiten anzuhören, die ich mir getrauen kann, ihm vorzutragen —
Neu zum wenigſten iſt dieſer Ton. Der Weihrauch der Schmeichelei und Unterwerfung muß doch endlich ſich erſchöpfen. Nachzuahmen erniedrigt einen Mann von Kopf — Auch ein - mal die Probe von dem Gegentheil. Warum nicht? Das Überraſchende macht Glück. — Wenn Sie es ſo verſtehen, gut, ſo will ich mich auf eine neue Kronbedienung richten — den ſtarken Geiſt —
Ich höre, Sire, wie klein, wie niedrig Sie von Menſchenwürde denken,272Dom Karlos.daß Sie der Kühnheit nicht gewärtig ſind, daran gemahnt zu werden — ja ſogar ſelbſt in des freien Mannes Sprache nur den Kunſtgriff eines Schmeichlers ſehen, und mir däucht, ich weiß, wer Sie dazu berechtigt. Die Menſchen zwangen Sie dazu; ſie haben freiwillig Ihres Adels ſich begeben, freiwillig ſich auf dieſe niedre Stufe herabgeſtellt. Erſchrocken fliehen ſie vor dem Geſpenſte ihrer innern Größe, gefallen ſich in ihrer Armuth, ſchmücken mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, und Tugend nennt man, ſie mit Anſtand tra - gen. So überkamen Sie die Welt. So ward ſie Ihrem großen Vater überliefert. Wie könnten Sie in dieſer traurigen Verſtümmlung — Menſchen ehren?
Etwas wahres find’ ich in dieſen Worten.
Aber Schade! Da Sie den Menſchen aus des Schöpfers Hand in Ihrer Hände Werk verwandelten,273Dritter Akt.und dieſer neugegoßnen Kreatur zum Gott Sich gaben — da verſahen Sie’s in etwas nur: Sie blieben ſelbſt noch Menſch — Menſch aus des Schöpfers Hand. Sie fuh - ren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; doch geben kann die neue Pflanzung nichts. Sie brauchen Mitgefühl — und einem Gott kann man nur opfern — zittern — zu ihm beten; mit ihm zu fühlen wagt man nicht. So laut, ſo drängend auch die leidende Natur hervor aus dieſem Buſen ruft — umſonſt — die Uhr ſchlägt fort, wie ſie der Künſtler lehrte. Mehr lehrte ſie der Künſtler nicht.
Doch leiden? Selbſt in der Freude darben Sie. Die Freude muß aus dem Aug’ des Zeugen wiederſtrahlen. Was in den Augen Ihrer Knechte glänzt, iſt das noch Ihre Freude? — Ihre Freude lag Ihren Knechten viel zu nah, um ſie nicht gleich zuerſt an ſich gemahnt zu haben. Das ſind die treuen Spiegel nicht, die rein,274Dom Karlos.wie ſie empfangen haben, wiedergeben. Sie gleichen durſtigen Gewächſen, die was ihre Wurzeln ſaugen, umgemiſcht, in neuen Farben auf den Blättern zeigen. Wenn ſich der Schöpfer glücklich fühlt — welch eine Erwartung für die Kreatur! Wo nähme ſie Muße her, bei ihm noch zu verweilen? Kann etwa ſie dafür, daß ihr Verhängniß an jeder Wallung ihres Schöpfers hängt? Bereuenswerther Tauſch! Unſelige Verdrehung der Natur — Da Sie den Menſchen zu Ihrem Saitenſpiel herunterſtürzten, wer theilt mit Ihnen Harmonie?
(Bei Gott, er greift in meine Seele!)
— Aber Ihnen bedeutet dieſes Opfer nichts. Dafür ſind Sie auch einzig — Ihre eigne Gattung — Um dieſen Preis ſind Sie ein Gott — Und ſchrecklich, wenn das nicht wäre — wenn für dieſen Preis,275Dritter Akt.für das zertretne Glück von Millionen, für Ihres Lebens hingewürgte Freuden, Sie nichts gewonnen hätten! minder gar gewonnen hätten, als wenn Millionen was ſie geweſen ſind geblieben wären! wenn alle dieſe Millionen hätten verarmen müſſen — ärmer Sie zu laſſen! wenn — o das wäre ſchrecklich — wenn die Fretheit, die Sie vernichteten, das Einz’ge wäre, das Ihre Wünſche reifen kann? — — — Ich bitte mich zu entlaſſen. Sire. Mein Gegenſtand reißt mich dahin. Mein Herz iſt voll — zu ſtark der Reitz, zu mächtig, vor dem Einzigen zu ſtehen, dem ich es öffnen möchte.
Reden Sie ganz aus.
Der edelmüth’ge Löwe läßt ein Inſekt in ſeinen Mähnen ſpielen. Ich fühle, Sire — den ganzen Werth — Ich bin von Dankbarkeit —
Sie haben mir noch mehr zu ſagen — weiter —
Ihro Majeſtät, jüngſt kam ich an von Flandern und Bra - bant — So viele reiche, blühende Provinzen! Ein kräftiges, ein großes Volk — und auch ein gutes Volk — und Vater dieſes Volkes, das, dacht’ ich, das muß göttlich ſein! — — Da ſtieß ich auf verbrannte menſchliche Gebeine —
Sie haben Recht. Sie müſſen. Daß Sie können,277Dritter Akt.was Sie zu müſſen eingeſehn, hat mich mit ſchauernder Bewunderung durchdrungen. Das Ideal der ruhigen Vernunft im Marterfeuer widerſtrebender Gefühle auszuprägen — ſtarrend Eis in heißer Hand zu tragen — das iſt mehr, als die Natur ſonſt Sterblichen beſchieden. O Schade, daß, in ſeinem Blut gewälzt, das Opfer wenig dazu taugt, dem Geiſt des Opferers ein Loblied anzuſtimmen! daß Menſchen nur — nicht Weſen höh’rer Art — die Weltgeſchichte ſchreiben! — Sanftere Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten; die bringen mildre Weisheit; Bürgerglück wird dann verſöhnt mit Fürſtengröße wandeln, der karge Staat mit ſeinen Kindern geitzen, und die Nothwendigkeit wird menſchlich ſein.
Wann, glauben Sie wohl, würden dieſe ſanf - ten Jahrhunderte erſcheinen, hätt’ ich vor dem Fluch des jetzigen gezittert? Sehen Sie in meinem Spanien Sich um. Hier blüht des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; und dieſe Ruhe gönn’ ich den Flamändern.
Die Ruhe eines Kirchhofs — — — Und Sie hoffen zu endigen was Sie begannen? hoffen, der Chriſtenheit gezeitigte Verwandlung, den allgemeinen Frühling aufzuhalten, der die Geſtalt der Welt verjüngt? Sie wol - len allein in ganz Europa — Sich dem Rade des Weltverhängniſſes, das unaufhaltſam in vollem Laufe rollt, entgegen werfen? mit Menſchenarm in ſeine Speichen fallen? Sie werden nicht. Nein, warlich nein! Bei Gott nicht. Kraftvoller, unerſchöpflicher ſtemmt ſich des Unterdrückers Rieſenarm entgegen. — Begeiſterung. Schon flohen Tauſende aus Ihren Ländern froh und arm. Der Bürger, den Sie verloren für den Glauben, war ihr edelſter. Mit offnen Mutterarmen empfängt die Fliehenden Eliſabeth, und furchtbar blüht durch Künſte unſres Lan - des Britannien. Verlaſſen von dem Fleiße der neuen Chriſten, trauert Grenada, und jauchzend ſieht Europa ſeinen Feind279Dritter Akt.an ſelbſtgeſchlagnen Wunden ſich verbluten.
Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, und ſäen Tod? Ein ſo erzwungnes Werk wird ſeines Schöpfers Geiſt nicht überdauern. Dem Undank haben Sie gebaut — umſonſt den harten Kampf mit der Natur gerungen, umſonſt ein großes Leben aufgepraßt, ſo viele königliche Tugenden verweſenden Entwürfen hingeopfert. Der Menſch iſt mehr, als Sie von ihm ge - halten. Hier fehlten Sie vielleicht — und hier al - lein — Mit ſtolzem Hohngelächter wird er einſt auf des Gebäudes morſchen Trümmern gehn, das ihm zum Grabe zugedacht geweſen. Zu einem Nero und Buſiris wirft er Ihren Namen und — — das ſchmerzt mich, denn Sie waren gut.
Wer hat Sie deſſen ſo gewiß gemacht?
Ja, beim Allmächtigen! Ja — Ja — Ich wiederhohl’ es. Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder. Laſſen Sie, großmüthig wie der Starke, Menſchenglück aus Ihrem Füllhorn ſtrömen — Geiſter reifen in Ihrem Weltgebäude. Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie von Millionen Königen ein König.
O könnte die Beredſamkeit von allen den Tauſenden, die dieſer großen Stunde theilhaftig ſind, auf meinen Lippen ſchweben, den Strahl, den ich in dieſen Augen merke, zur Flamme zu erheben! — Geben Sie die unnatürliche Vergött’rung auf, die uns vernichtet. Werden Sie uns Muſter des Ewigen und Wahren. Niemals — nie - mals beſaß ein Sterblicher ſo viel, ſo göttlich es zu gebrauchen. Alle Könige Europens huidigen dem Span’ſchen Namen. Gehn Sie Europens Königen voran. Ein Federzug von dieſer Hand, und neu281Dritter Akt.erſchaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit —
Sonderbarer Schwärmer! Doch — ſtehn Sie auf — ich —
Sehen Sie Sich um in ſeiner herrlichen Natur. Auf Freiheit iſt ſie gegründet — und wie reich iſt ſie durch Freiheit! Er, der große Schöpfer, wirft in einen Tropfen Thau den Wurm, und läßt noch in den todten Räumen der Verweſung die Willkühr ſich ergetzen — Ihre Schöp - fung, wie eng und arm! Das Rauſchen eines Blattes erſchreckt den Herrn der Chriſtenheit — Sie müſſen vor jeder Tugend zittern. Er — der Freiheit entzückende Erſcheinung nicht zu ſtören — Er läßt des Übels grauenvolles Heer in ſeinem Weltall lieber toben — ihn,T 2282Dom Karlos.den Künſtler, wird man nicht gewahr, beſchei - den verhüllt er ſich in ewige Geſetze; die ſieht der Freigeiſt, doch nicht Ihn. Wozu ein Gott? ſagt er; die Welt iſt ſich genug. Und keines Chriſten Andacht hat ihn mehr als dieſes Freigeiſts Läſterung geprieſen.
Und wollen Sie es unternehmen, dieß erhabne Muſter in der Sterblichkeit — in meinen Staaten nachzubilden?
Sie, Sie können es. Wer anders? Weihen Sie dem Glück der Völker die Regentenkraft, die — ach ſo lang’ — des Thrones Größe nur gewuchert hatte — Stellen Sie der Menſch - heit verlornen Adel wieder her. Der Bürger ſei wiederum, was er zuvor geweſen, der Krone Zweck — ihn binde keine Pflicht, als ſeiner Brüder gleich ehrwürd’ge Rechte. Der Landmann rühme ſich des Pflugs, und gönne283Dritter Akt.dem König, der nicht Landmann iſt, die Krone. In ſeiner Werkſtatt träume ſich der Künſtler zum Bildner einer ſchönern Welt. Den Flug des Denkers hemme ferner keine Schranke, als die Bedingung endlicher Naturen. Nicht in der Vaterſorge ſtillem Kreis erſcheine der gekrönte Fremdling. Nie erlaub’ er ſich der Liebe heilige Myſterien unedel zu beſchleichen. Die Menſchheit zweifle, ob er iſt. Belohnt durch eignen Beifall, berge ſich der Künſtler der angenehm betrogenen Maſchine. Wenn nun der Menſch, ſich ſelbſt zurückge - geben, zu ſeines Werths Gefühl erwacht — der Frei - heit erhabne, ſtolze Tugenden gedeihen — wenn in dem Herzen wieder ſich empört die Römerwallung, Nationenſtolz, das Vaterland in jedem Bürger prangt, dem Vaterlande jeder Bürger ſtirbt — dann, Sire, wenn Sie zum glücklichſten der Welt Ihr eignes Königreich gemacht — dann reift Ihr großer Plan — dann müſſen Sie — dann iſt es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen.
Ich habe Sie vollenden laſſen — — — An - ders, begreif’ ich wohl, als ſonſt in Menſchenköpfen, mahlt ſich in dieſem Kopf die Welt — auch will ich fremdem Maßſtab ſie nicht unterwerfen. Sie haben mich gewählt vor allen andern, in Ihrer Seele Hintergrund zu leſen — Ich glaub’ es Ihnen, weil ich’s weiß — Um dieſer Enthaltung willen, ſolche Meinungen, mit ſolchem Feuer doch umfaßt, verſchwiegen zu haben bis auf dieſen Tag — um dieſer beſcheidnen Klugheit willen, junger Mann, will ich vergeſſen, daß ich ſie erfahren, und wie ich ſie erfahren. Stehn Sie auf. Ich will den Jüngling, der ſich übereilte, als Greis und nicht als König widerlegen. Ich will es, weil ich’s will —
Gift alſo ſelbſt, find’ ich, kann in gutartigen Naturen zu etwas beſſerm ſich veredeln — — — Fliehen285Dritter Akt.Sie meine Inquiſition — Es ſollte mir leid thun —
Wirklich? Sollt’ es das?
Ich habe, ſolch einen Menſchen nie geſehen — — — Nein! Nein, Marquis. Sie thun mir zu viel. Ich will nicht Nero ſein. Ich will es nicht ſein — will es gegen Sie nicht ſein. Nicht alle Glückſeligkeit ſoll unter mir verdorren. Nein! Alle nicht! — Sie ſelbſt, Sie ſollen, Sich zur Beſchämung, unter meinen Augen fortfahren dürfen, Menſch zu ſein.
Und meine Mitbürger, Sire? — O! Nicht um mich war mir’s zu thun; nicht meine Sache wollt’ ich füh - ren. Und Ihre Unterthanen, Sire?
— Und wenn Sie ſo gut wiſſen, wie die Folgezeit mich richten wird, ſo ſagen Sie ihr wieder, wie ich mit Menſchen es gehalten, als ich einen fand.
O! Der gerechteſte der Könige ſei nicht mit Einemmale der ungerechteſte — In Ihrem Flandern ſind tauſend beſſere als ich. Nur Sie — darf ich es frei geſtehen, großer König? — Sie ſehn jetzt unter dieſem ſanftern Bilde vielleicht zum erſtenmal die Freiheit.
Nichts mehr von dieſem Inhalt, junger Mann — Ich weiß, Sie werden anders denken, kennen Sie den Menſchen erſt, wie ich — Doch hätt’ ich Sie nicht gern zum letztenmal geſehn. Wie fang’ich es an, Sie zu verbinden? Sagen Sie es mir. Ich reiche hier zum erſtenmal nicht aus mit meiner Krone.
Sire, was ich durch dieſes einz’ge Wort empfing, iſt mehr, unendlich mehr, als Ihre Kronen zu verſchenken haben — Laſſen Sie mich, wie ich bin. Was wär’ ich Ihnen, Sire, wenn Sie auch mich beſtächen?
Dieſen Stolz ertrag’ ich nicht. Sie ſind von heute an in meinen Dienſten — Keine Einwendung — Ich will es haben.
Aber wie? Was wollt’ ich denn? War es nicht Wahrheit was ich wollte? Und hier find’ ich noch etwas mehr — Sie haben auf meinem Thron mich ausgefunden — nicht auch in meinem Hauſe?
Ich verſtehe Sie — doch — wär’ ich auch von allen Vätern der288Dom Karlos.unglücklichſte, kann ich nicht glücklich ſein als Gatte?
Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, wenn der Beſitz der liebenswürdigſten Gemahlinn einem Sterblichen ein Recht zu dieſem Namen geben, Sire, ſo ſind Sie der glücklichſte durch beides.
Nein! ich bin’s nicht! — und daß ich’s nicht bin, hab’ ich tiefer nie gefühlt als eben jetzt —
Wie hätt’es Ihren Vater erfreuen ſollen, Marquis, hätt’ er Sie mit einem Königreich beſchenken dürfen.
Für ſo viel Kronen keinen Dank!
Der Prinz denkt groß. Ich hab’ ihn anders nie gefunden.
Ich aber hab’ es — — — Alſo kennen Sie einander?
Ja — noch von der hohen Schule.
Er hat mich nie geachtet — vor der Welt mit meinem Namen ſeinen Spott getrieben. Sein Herz iſt ſchlecht.
Darf ich zwei Worte —
Nein, wenn Sie auf immer meine Achtung nicht verſcherzen wollen — Was er mir genommen, kann keine Krone mir erſetzen — Eine ſo tugendhafte Königinn!
Wer kann es wagen, Sire — —
Die Welt! Die Läſterung! Ich ſelbſt! — — Hier liegen Zeugniſſe, die ganz290Dom Karlos.unwiderſprechlich ſie verdammen; andre ſind noch vorhanden, die das Schrecklichſte mich fürchten laſſen — Aber, Marquis — ſchwer, ſchwer fällt es mir, an Eines nur zu glauben. Wer klagt ſie an? — Wenn ſie — ſie fähig ſollte geweſen ſein, ſo tief ſich zu entehren, o wie viel mehr iſt mir zu glauben dann erlaubt, daß eine Eboli verläumdet? Haßt nicht der Prieſter meinen Sohn und ſie? Und weiß ich nicht, daß Alba Rache brütet? Mein Weib iſt mehr werth als ſie alle.
Sire, und etwas lebt noch in des Weibes Seele, das über allen Schein erhaben iſt und über alle Läſterung — Es heißt weibliche Tugend.
Nicht wahr? O Sie kennen den Menſchen, Marquis. Solch ein Mann hat mir ſchon längſt gemangelt — Ja! Das ſag’ ich auch. So tief, als man die Königinn bezüchtigt,291Dritter Akt.herabzuſinken, koſtet viel. So leicht, als man mich überreden möchte, reißen der Ehre feine Bande nicht. Das Blut, das ſtolzer fließt in königlichen Adern, verſchmäht das Gift der lüſternen Begierde, die nur in Sklavenherzen brennt — Der Mann, der mir ſchon längſt gemangelt hat, ſind Sie, Sie oder keiner — Sie ſind gut und fröhlich, und kennen doch den Menſchen auch — Drum hab’ ich Sie gewählt —
Mich, Sire?
Sie ſtanden vor Ihrem Herrn, und haben nichts für Sich erbeten — Nichts! Das iſt mir neu — Sie werden gerecht ſein. Leidenſchaft wird Ihren Blick nicht irren — Drängen Sie Sich zu dem Prin - zen. Erforſchen Sie die Königinn. Ich ſelbſt will Ihnen Vollmacht ſenden, ſie zu ſprechen. 292Dom Karlos.Indeß ſeid Ihr mein Kammerherr — und jetzt verlaßt mich.
Kann ich es mit Einer erfüllten Hoffnung? — Dann iſt dieſer Tag der ſchönſte meines Lebens.
Er iſt kein verlorner in dem meinigen.
Und kommt bald wieder zu mir — Hört Ihr?
Der Maltheſer wird künftig ungemeldet vorgelaſſen.
Der Schlüſſel fand ſich alſo nicht? — So wird man die Schatulle mir erbrechen müſſen, und zwar ſogleich — — —
Willkommen, liebe Fürſtinn. 294Dom Karlos.Mich freut, Sie wieder hergeſtellt zu finden — Zwar noch ſehr blaß —
Die Schuld des böſen Fiebers, das ganz erſtaunlich an die Nerven greift. Nicht wahr, Prinzeſſinn?
Sehr hab’ ich gewünſcht Sie zu beſuchen, meine Liebe — Doch ich darf ja nicht.
Die Fürſtinn Eboli litt wenigſtens nicht Mangel an Geſellſchaft —
Das glaub’ ich gern — — — Was haben Sie? Sie zittern.
Nichts — gar nichts, meine Königinn — — Ich bitte um die Erlaubniß wegzugehen —
Sie verhehlen uns, ſind kränker gar, als Sie295Vierter Akt.uns glauben machen wollen? — Auch das Stehn wird Ihnen ſauer. Helfen Sie ihr, Gräfinn, auf dieſes Tabouret ſich niederſetzen.
Im Freien wird mir beſſer.
Folgen Sie ihr, Gräfinn — Welche Anwandlung.
Der Marquis von Poſa, Ihro Majeſtät —
Er kommt von Seiner Majeſtät dem König.
Ich erwart’ ihn.
Was iſt meines Herrn Befehl? Darf ich ihn öffentlich — —
Mein Auftrag lautet an Ihro Majeſtät beſonders —
Soll ich meinen Augen trauen, Marquis? Sie? Sie an mich abgeſchickt vom König?
Dünkt das Ihro Majeſtät ſo ſonderbar? Mir ganz und gar nicht.
Nun ſo iſt die Welt aus ihrer Bahn gewichen. Sie und Er — Ich muß geſtehen.
Daß es ſeltſam klingt? Das mag wohl ſein — Die gegenwärt’ge Zeit iſt noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar.
An größern kaum.
Geſetzt, ich hätte mich bekehren laſſen endlich — wär’ es müde, an Philipps Hof den Sonderling zu ſpielen? Den Sonderling! Was heißt auch das? Wer ſich den Menſchen nützlich machen will, muß doch zuerſt ſich ihnen gleich zu ſtellen ſuchen. Wozu der Sekte praleriſche Tracht?
U 2298Dom Karlos.Geſetzt — Wer iſt von Eitelkeit ſo frei, um nicht für ſeinen Glauben gern zu wer - ben? — Geſetzt, ich ginge damit um, den meinen auf einen Thron zu ſetzen?
Nein! — Nein, Marquis. Auch nicht einmal im Scherze möcht’ ich dieſer unreifen Einbildung Sie zeihn. Sie ſind der Träumer nicht, der etwas unternähme, was nicht geendigt werden kann.
Das eben wär’ noch die Frage, denk’ ich.
Was ich höchſtens Sie zeihen könnte, Marquis — was von Ihnen mich faſt befremden könnte, wäre —
Zweideutelei. Kann ſein.
Unredlichkeit zum wenigſten. Der König wollte mir299Vierter Akt.wahrſcheinlich nicht durch Sie entbieten laſſen, was Sie mir ſagen werden.
Nein.
Und kann die gute Sache ſchlimme Mittel adeln? Kann ſich — verzeihen Sie mir dieſen Zwei - fel — Ihr edler Stolz zu dieſem Amte borgen? Kaum glaub’ ich es —
Auch ich nicht, wenn es hier nur gelten ſoll, den König zu betrügen. Doch das iſt meine Meinung nicht. Ihm ſelbſt gedenk’ ich dießmal redlicher zu dienen, als er mir aufgetragen hat.
Daran erkenn’ ich Sie; und nun genug — — — Was macht er?
Der König? — — — Wie es ſcheint, bin ich ſehr bald300Dom Karlos.an meiner ſtrengen Richterinn gerochen. Was ich ſo ſehr nicht zu erzählen eile, eilt Ihro Majeſtät, wie mir geſchienen, noch weit, weit weniger zu hören — Doch gehört muß es doch werden! Der Monarch läßt Ihro Majeſtät erſuchen, dem Ambaſſadeur von Frankreich kein Gehör für heute zu bewilligen. Das war mein Auftrag. Er iſt abgethan.
Und das iſt alles, Marquis, was Sie mir von ihm zu ſagen haben?
Alles ohngefähr, was mich berechtigt hier zu ſein.
Ich will mich gern beſcheiden, Marquis, nicht zu wiſſen, was mir vielleicht Geheimniß bleiben muß —
Das muß es, meine Königinn — Zwar, wären Sie nicht Sie ſelbſt, ich würde eilen, Sie301Vierter Akt.von ein’gen Dingen zu belehren, vor gewiſſen Menſchen Sie zu warnen — doch das braucht es nicht bei Ihnen. Die Ge - fahr mag auf - und untergehen um Sie her, Sie ſollen’s nie erfahren. Alles dieß iſt ja nicht ſo viel werth, den goldnen Schlaf von eines Engels Stirne zu verjagen. Auch war es das nicht, was mich hergeführt. Prinz Karlos —
Wie verließen Sie ihn?
— Wie den einz’gen Weiſen ſeiner Zeit, dem es Verbrechen iſt die Wahrheit anzubeten — und eben ſo beherzt für ſeine Liebe, wie jener für die ſeinige zu ſterben. — — Ich bringe wenig Worte — — Aber hier, hier iſt er ſelbſt.
Er muß mich ſprechen, ſagt er.
Das ſag’ ich auch.
Wird es ihn glücklich machen, wenn er mit ſeinen Augen ſieht, daß ich es auch nicht bin?
Nein — aber thätiger ſoll es ihn machen und entſchloßner.
Wie?
Der Herzog Alba iſt ernannt nach Flandern.
Ernannt — ſo hör’ ich.
Widerrufen kann der König nie. Wir kennen ja den König. Unwandelbar, wie der Natur Geſetze, beharrt ſein überlegter Schluß. Doch eben ſo wahr iſt’s auch: Hier darf der Prinz nicht bleiben —303Vierter Akt.hier nicht, jetzt vollends nicht — und Flan - dern darf nicht aufgeopfert werden.
Wiſſen Sie es zu verhindern?
Ja — — vielleicht. Das Mittel iſt faſt ſo ſchlimm, als die Gefahr. Es iſt verwegen, wie Verzweiflung — Doch ich weiß von keinem andern.
Nennen Sie mir’s.
Ihnen, nur Ihnen, meine Königinn, wag’ ich es zu entdecken. Nur von Ihnen kann es Karlos hören, ohne Abſcheu hören. Der Name freilich, den es führen wird, klingt etwas rauh —
Rebellion —
Er ſoll dem König ungehorſam werden, ſoll nach Brüſſel heimlich ſich begeben, wo mit offnen Armen die Flamänder ihn erwarten. Alle Niederlande ſtehen auf ſeine Loſung auf. Die gute Sache wird ſtark durch einen Königsſohn. Er mache den Span’ſchen Thron durch ſeine Waffen zit - tern. Was in Madrid der Vater ihm verweigert, wird er in Brüſſel ihm bewilligen.
Wird er? Das hoffen Sie ſo dreiſt?
Er wird es müſſen, hoff’ ich. Wie der Niederlande vereinte Stärke gegen Philipps Macht beſtehen müßte, wäre zu berechnen. Doch nein, ſo blutig wird es nicht. Europa wird zwiſchen Sohn und Vater Frieden mit - teln. Karl ſpricht von Unterwürfigkeit — und De - muth muß Wunder thun an eines Heeres Spitze. 305Vierter Akt.Dem König bleibt die Wahl, großmüthig zu vergeben oder zweifelhaft zu ſchlagen. Wie kann er wanken? — Eben dieſer Menſch, der eine bill’ge Bitte abgewieſen, wird ein Verbrechen überſehn.
Sie ſprachen ihn heute und behaupten das?
Weil ich ihn heute ſprach.
Der Plan, den Sie mir zeigen, erſchreckt und — reitzt mich auch zugleich. Ich glaube, daß Sie nicht Unrecht haben — die Idee iſt kühn, und eben darum, glaub’ ich, gefällt ſie mir. Ich will ſie reifen laſſen. Weiß ſie der Prinz?
Er ſollte, war mein Plan, aus Ihrem Mund zum erſtenmal ſie hören.
Unſtreitig! Die Idee iſt groß — Wenn anders des Prinzen Jugend —
Schadet nichts. Er findet dort einen Egmont und Oranien, die braven Krieger Kaiſer Karls, ſo klug im Kabinet als fürchterlich im Felde.
Nein! Die Idee iſt groß und ſchön — — Der Prinz muß handeln. Lebhaft fühl’ ich das. Die Rolle, die man hier in Madrid ihn ſpielen ſieht, drückt mich an ſeiner Statt zu Boden — — Frankreich verſprech’ ich ihm; Savoyen auch. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln. — — Doch dieſer Anſchlag fodert Geld.
Auch das liegt ſchon bereit —
Und dazu weiß ich Rath.
So darf ich zu der Zuſammenkunft ihm Hoffnung geben?
Wie aber? Wie?
Wo die natürlichen Hülfsmittel uns verlaſſen, müſſen wir zu außerordentlichen —
Ich weiß keines.
Ein Beiſpiel nur — die Souterreins?
Geht nicht. Der König führt die Schlüſſel.
Wenn’s nur das —
Ich will mir’s überlegen.
Karlos dringt auf Antwort, Ihro Majeſtät — Ich hab’ ihm zugeſagt, nicht leer zurückzukehren.
Zwo Zeilen ſind für jetzt genug — um ſeine Erwartungen zu ſpannen —
Werd’ ich Sie bald wieder ſehn?
So oft Sie es befehlen.
So oft — ſo oft ich es befehle — — Mar - quis! wie muß ich dieſe Freiheit mir erklären?
So unſchuldig, als Sie immer können. Wir genießen ſie; das iſt genug — das iſt für meine Königinn genug.
Wie ſollt’ es mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich noch dieſe Zuflucht in Europa bliebe! wenn ſie durch ihn es bliebe! — Rechnen Sie auf meinen ſtillen Antheil —
O ich wußt’ es, ich mußte hier verſtanden werden —
Was von meinem Herrn dem König kommt, werd’ ich als ein Geſetz verehren. Legen Sie Seiner Majeſtät den ehrerbietigſten Gehorſam ſeiner Dienerinn zu Füßen.
Hier ſind wir ungeſtört. Was haben Sie mir zu entdecken?
Eure Hoheit hatten an dieſem Hofe einen Freund.
Den ich nicht wüßte! — Wie? Was wollen Sie damit?
So muß ich um Vergebung bitten, daß ich mehr erfuhr, als ich erfahren durfte. Doch, Eurer Hoheit zur Beruhigung, ich hab’ es wenigſtens von treuer Hand, denn kurz, ich hab’ es von mir ſelbſt.
Von wem iſt denn die Rede?
Marquis Poſa —
Nun?
Wenn etwa mehr als jemand wiſſen darf von Eurer Hoheit ihm bewußt ſein ſollte, wie ich beinahe fürchte —
Wie Sie fürchten?
— — — Er war beim König.
So?
Zwo volle Stunden, und in ſehr heimlichem Geſpräch.
Wahrhaftig?
Es war von keiner Kleinigkeit die Rede.
Das will ich glauben.
Ihren Namen, Prinz, hört’ ich zu öftern malen.
Hoffentlich kein ſchlimmes Zeichen.
Auch ward heute Morgen im Schlafgemach von Seiner Majeſtät der Königinn ſehr räthſelhaft erwähnt.
Graf Lerma?
Als der Marquis weggegangen, empfing ich den Befehl, ihn künftighin unangemeldet vorzulaſſen.
Das iſt wirklich viel.
Ganz ohne Beiſpiel, Prinz, ſo lang mir dünkt, daß ich dem König diene.
Viel! Warlich viel! — Und wie? wie ſag - ten Sie, wie ward der Königinn erwähnt?
Nein Prinz, nein! Das iſt wider meine Pflicht.
Wie ſeltſam! Sie ſagen mir das eine, und verhehlen das andre mir.
Das erſte war ich Ihnen, das zweite bin ich dem Monarchen ſchuldig.
— Sie haben Recht.
Den Marquis hab’ ich zwar als Mann von Ehre ſtets gekannt.
Dann haben Sie ihn ſehr gut gekannt.
Jedwede Tugend iſt fleckenfrei — bis auf den Augenblick der Probe.
Auch wohl hier und da noch drüber.
Und eines großen Königs Gunſt dünkt mir der Frage werth. An dieſem goldnen Angel hat manche ſtarke Tugend ſich verblutet.
O ja.
Oft ſogar iſt es weiſe, zu entdecken, was nicht verſchwiegen bleiben kann.
Ja! weiſe! Doch, wie Sie ſagen, haben Sie den Marquis als Mann von Ehre nur gekannt?
Iſt er es noch, ſo macht mein Zweifel ihn nicht ſchlechter, und Sie, mein Prinz, gewinnen doppelt.
Dreifach gewinn’ ich, edler, würd’ger Mann — ich ſehe um einen Freund mich reicher, und es koſtet mir den nicht, den ich ſchon beſaß.
Karl! Karl!
Wer ruft? Ach Du biſt’s. Eben recht. Ich eile voraus in’s Kloſter. Komm bald nach.
Nur zwo Minuten — bleib.
Wenn man uns überfiele —
Man wird doch nicht. Es iſt ſogleich ge - ſchehen. Die Königinn —
Du warſt bei meinem Vater?
Er ließ mich rufen; ja.
Nun?
Es iſt richtig. Du wirſt ſie ſprechen.
Und der König? Was will denn der König?
Der? Nicht viel — Neugierde, zu wiſſen wer ich bin — Dienſtfertigkeit von unbeſtellten guten Freunden. Was weiß ich? Er bot mir Dienſte an.
Die Du doch abgelehnt?
Verſteht ſich.
Und wie kamt Ihr aus einander?
Ziemlich gut.
Von mir war alſo wohl die Rede nicht?
Von Dir? Doch Ja. Im Allgemeinen.
Hier vorläufig zwei Worte von der Königinn, und morgen werd’ ich erfahren, wo und wie —
Beim Prior triffſt Du mich alſo.
Warte doch. Was eilſt Du? Es kommt ja niemand.
Haben wir denn wirklich die Rollen umgetauſcht? Du biſt ja heute erſtaunlich ſicher.
Heute? Warum heute?
Und was ſchreibt mir die Königinn?
Haſt Du denn nicht im Augenblick geleſen?
Ich? Ja ſo.
Was haſt Du denn? Was iſt Dir?
Engel des Himmels! Ja! Ich will es ſein — ich will — will deiner werth ſein — Große Seelen macht die Liebe größer. Sei’s auch was es ſei. Wenn Du es mir gebieteſt, ich gehorche. — — Sie ſchreibt, daß ich auf eine wichtige Entſchließung mich bereiten ſoll. Was kann ſie damit meinen? Weißt Du nicht?
Wenn ich’s auch wüßte, Karl — Biſt Du jetzt auch ge - ſtimmt es anzuhören?
Hab’ ich Dich beleidigt? Ich war zerſtreut. Vergib mir, Rodrigo.
Zerſtreut? Wodurch?
Durch — ich weiß ſelber nicht. Dieß Souvenir iſt alſo mein?
Nicht ganz. Vielmehr bin ich gekommen, mir ſogar Deins auszubitten.
Meins! Wozu?
Und was Du etwa ſonſt an Kleinigkeiten, die in keines Dritten Hände fallen dürfen, an Briefen oder abgeriſſenen Concepten bei Dir führſt — kurz Deine ganze Brieftaſche —
Wozu aber?
Nur auf alle Fälle. Wer kann für Überraſchung ſtehn? Bei mir ſucht ſie doch niemand. Gib.
Das iſt doch ſeltſam. Woher auf einmal dieſe — —
Sei ganz ruhig. Ich will nichts damit angedeutet haben. Gewißlich nicht. Es iſt Behutſamkeit vor der Gefahr. So hab’ ich’s nicht gemeint, ſo warlich nicht, daß Du erſchrecken ſollteſt.
Verwahr’ ſie gut.
Das werd’ ich.
Rodrigo, ich gab Dir viel.
Noch immer nicht ſo viel, als ich von Dir ſchon habe — — — Dort alſo das übrige, und jetzt leb wohl — — — leb wohl.
Gib mir die Briefe doch noch einmal. Einer von ihr iſt auch darunter, den ſie damals als ich ſo tödtlich krank gelegen, nach Alkala mir geſchrieben. Stets hab’ ich auf meinem Herzen ihn getragen. Mich von dieſem Brief zu trennen fällt mir ſchwer. Laß mir den Brief — — nur den — — das übrige nimm alles.
Karl, ich thu’ es ungern. Juſt um dieſen Brief war mir’s zu thun.
Leb wohl.
Da haſt Du ihn.
Das kann mein Vater nicht? Nicht wahr, mein Rodrigo? Das kann er doch nicht?
Wär’s möglich? Wär’ es? Alſo hätt’ ich ihn doch nicht gekannt? Nicht ganz? In ſei - nem Herzen wär’ dieſe Falte wirklich mir entgangen? Mißtrauen gegen ſeinen Freund! — Wie kann324Dom Karlos. ein ſolcher Hauch auf dieſem Spiegel dauern? Nein! Es iſt Läſterung! — Was that er mir, daß ich der Schwächen ſchwächſter ihn verklage? Was ich ihn zeihe, werd’ ich ſelbſt — — — Befremden — das mag es ihn, das glaub’ ich gern. Wann hätte er dieſer ſeltſamen Verſchloſſenheit zu ſeinem Freunde ſich verſehn? — Auch ſchmerzen! Ich kann dir’s nicht erſparen, Karl, und länger muß ich noch deine gute Seele quälen. Der König glaubte dem Gefäß, dem er ſein heiliges Geheimniß übergeben, und Glauben fodert Dankbarkeit. Was wäre Geſchwätzigkeit, wenn mein Verſtummen dir nicht Leiden bringt? Vielleicht erſpart? War - um dem Schlafenden die Wetterwolke zeigen, die über ſeinem Scheitel hängt? — Genug, daß ich ſie ſtill an dir vorüber führe und, wenn du aufwach’ſt, heller Himmel iſt.
Nein! Es iſt dennoch meine Tochter — Wie kann die Natur mit ſolcher Wahrheit lügen? Dieß blaue Auge iſt ja mein! Find’ ich in jedem dieſer Züge mich nicht wieder? Kind meiner Liebe, ja Du biſt’s. Ich drücke Dich an mein Herz — Du biſt mein Blut.
Mein Blut! Was kann ich ſchlimm’res fürchten? — — Meine Züge, ſind ſie die ſeinigen nicht auch?
Weg! Weg! In dieſem Abgrund geh’ ich unter.
Eben ſind Ihro Majeſtät die Königinn im Vorgemach erſchienen.
Jetzt?
Und bitten um gnädigſtes Gehör —
Jetzt aber? Jetzt? In dieſer ungewohnten Stunde? — Nein! Jetzt kann ich ſie nicht ſprechen — jetzt nicht —
Hier ſind Ihro Majeſtät ſchon ſelbſt —
Mein Herr und mein Gemahl — ich muß — ich bin ge - zwungen, vor Ihrem Thron Gerechtigkeit zu ſuchen.
Gerechtigkeit —
Unwürdig ſeh’ ich mir an dieſem Hof begegnet. Meine Schatulle iſt erbrochen —
Was?
Und Sachen von großem Werth für mich daraus verſchwun - den —
Von großem Werth für Sie —
Durch die Bedeutung, die eines Unbelehrten Dreiſtigkeit vermögend wäre —
Dreiſtigkeit — Bedeutung — Doch — ſtehn Sie auf.
Nicht eher, mein Gemahl, bis Sie durch ein Verſprechen Sich gebunden, kraft Ihres königlichen Arms zu meiner Genugthuung den Thäter mir zu ſtellen, wo nicht, mich eines Hofs zu überheben, der meinen Dieb verbirgt —
Stehn Sie doch auf — In dieſer Stellung — Stehn Sie auf —
Daß er von Range ſein muß, weiß ich — denn in der Schatulle lag an Perlen und Demanten329Vierter Akt. weit über eine Million, und er begnügte ſich mit Briefen —
Die ich doch —
Recht gerne, mein Gemahl. Es waren Briefe und ein Medaillon von dem Infanten.
Von —
Dem Infanten, Ihrem Sohn.
An Sie?
An mich.
Von dem Infanten! Und das ſagen Sie mir?
Warum nicht Ihnen, mein Gemahl?
Mit dieſer Stirne!
Was fällt Ihnen auf? Ich denke Sie erinnern Sich der Briefe, die mit Bewilligung von beiden Kronen Dom Karlos mir nach Saint Germain geſchrieben. Ob auch das Bild, womit er ſie begleitet, in dieſe Freiheit einbedungen worden? ob ſeine raſche Hoffnung eigenmächtig ſich dieſen kühnen Schritt erlaubt — das will ich zu entſcheiden mich nicht unterfangen, Wenn’s Übereilung war, ſo war es die verzeihlichſte — da bin ich für ihn Bürge! denn damals fiel ihm wohl nicht bei, daß es für ſeine Mutter wäre.
Recht behält die Schlange — O das wußt’ ich wohl.
Was iſt das? Was haben Sie?
Ach! Sehn Sie, meine Mutter! Wie ſchön —
Was denn, mein —
Warlich, Sire! Dieß Mittel, ſeiner Gattinn Herz zu prüfen, dünkt mir ſehr königlich und edel — Doch noch eine Frage möcht’ ich mir erlauben.
Das Fragen iſt an Mir.
Durch meinen Argwohn ſoll doch die Unſchuld wenigſtens nicht leiden — Wenn alſo dieſer Diebſtahl Ihr Befehl geweſen —
Ja.
Dann hab’ ich niemand anzuklagen und niemand weiter zu bedauern — niemand als Sie, dem die Gemahlinn nicht geworden, bei welcher ſolche Mittel ſich verlohnen.
Die Sprache kenn’ ich — Doch, Madam, zum zweitenmale ſoll ſie mich nicht täuſchen, wie in Aranjuez ſie mich getäuſcht. Die engelreine Königinn, die damals mit ſo viel Würde ſich vertheidigt — jetzt kenn’ ich ſie beſſer.
— Was iſt das?
Die ihre Begleiterinnen darum nur entfernt, um ſich — — mit ihrem Kinde zu vergnügen.
Mein König, wie verſteh’ ich das?
Kurz alſo und ohne Hinterhalt, Madam! — Iſt’s wahr,333Vierter Akt. noch wahr, daß Sie mit niemand dort ge - ſprochen? Mit niemand? Iſt das wirklich wahr?
Mit dem Infanten hab’ ich geſprochen. Ja.
Ja? — Nun, ſo iſt’s am Tage. Es iſt offenbar. So frech! So wenig Schonung meiner Ehre!
Ehre, Sire? Geraume Zeit, eh’ König Philipp mich Gemahlinn hieß, war ich ſchon Heinrichs Toch - ter — Wenn Ehre zu verletzen war, ſo fürcht’ ich, ſtand eine größ’re auf dem Spiel, als mir Kaſtilien zur Morgengabe brachte.
Warum verläugneten Sie mir?
Weil ich es nicht gewohnt bin, Sire, in Gegenwart der Höflinge, auf Delinquenten Weiſe334Dom Karlos. verhören mich zu laſſen. Wahrheit werde ich nie verläugnen, wenn mit Ehrerbietung und Güte ſie gefodert wird — Und war das wohl der Ton, den Eure Majeſtät mir in Aranjuez zu hören gaben? Iſt etwa die verſammelte Grandezza der Richterſtuhl, vor welchen Königinnen zu ihrer ſtillen Thaten Rechenſchaft gezogen werden? Ich geſtattete dem Prinzen die Zuſammenkunft, um die er drängend bat. Ich that es, mein Gemahl, weil ich es wollte — weil ich den Gebrauch nicht über Dinge will zum Richter ſetzen, die ich für tadellos erkannt — und Ihnen verbarg ich es, weil ich nicht lüſtern war, mit Eurer Majeſtät um dieſe Freiheit vor meinem Hofgeſinde mich zu ſtreiten.
Sie ſprechen kühn, Madam, ſehr —
Und auch darum, ſetz’ ich hinzu, weil der Infant doch ſchwer - lich der Billigkeit — der Nachſicht, wollt’ ich ſa - gen —335Vierter Akt. die er bedarf und auch verdient, ſich zu erfreuen hat in ſeines Vaters Herzen —
Die er verdient?
Denn warum ſoll ich es verbergen, Sire? — ich ſchätz’ ihn ſehr und lieb’ ihn, als meinen theuerſten Verwandten, der einſt werth befunden worden, einen Namen zu führen, der mich mehr anging — Ich habe noch nicht recht einſehn lernen, daß er mir gerade darum fremder ſollte ſein als jeder andre, weil er ehedem vor jedem andern theuer mir geweſen. Wenn Ihre Staatsmaxime Bande knüpft, wie ſie für gut es findet, ſoll es ihr doch etwas ſchwerer werden ſie zu löſen. Ich will nicht haſſen, wen ich ſoll — und weil man endlich doch zu reden mich gezwungen — ich will es nicht — will meine Wahl nicht länger gebunden ſehn — ein zwingendes Verbot ſoll meiner Freunde Werth bei mir erheben, ſoll bis zur Übertreibung mich verſuchen, ich will ſogar —
Eliſabeth! Sie haben in ſchwachen Stunden mich geſehen. Dieſe Erinnerung macht Sie ſo kühn. Der Spie - gel, vor dem wir ſtehen, macht Sie kühn. Sie trauen auf eine Allmacht, die Sie oft genug an meiner Feſtigkeit geprüft — Doch fürchten Sie deſto mehr. Was bis zu Schwächen mich gebracht, kann auch zu Raſerei mich führen.
Was hab’ ich denn begangen?
Wenn es iſt, doch iſt — und iſt es denn nicht ſchon? — wenn Ihrer Verſchuldung volles, aufgehäuftes Maß auch nur um eines Athems Schwere ſteigt — wenn ich der Hintergangne bin —
Ich kann auch über dieſe letzte Schwäche ſiegen. 337Vierter Akt. Ich kann’s und will’s — Dann wehe mir und Ihnen, Eliſabeth!
Was hab’ ich denn begangen?
Dann meinetwegen fließe Blut —
So weit iſt es gekommen — Gott!
Die Chriſtenheit erſchrecke über eine That! — Ich kenne mich ſelbſt nicht mehr — ich ehre keine Sitte und keine Stimme der Natur und keinen Vertrag der Nationen mehr —
Wie ſehr beklag’ ich Eure Majeſtät —
Beklagen! Das Mitleid einer Buhlerinn —
Der König zürnt, und meine ſchöne Mutter weint.
Geh hin und klag’ es Deinem Vater.
Dieſes Kind muß ich doch ſicher ſtellen vor Mißhandlung. Komm mit mir, meine Tochter.
Wenn der König Dich nicht mehr kennen will, ſo muß ich jen - ſeits der Pyrenäen Bürgen kommen laſſen, die unſre Sache führen.
Königinn?
Ich kann nicht mehr — Das iſt zu viel —
Go[t]t! Was iſt das? — Eliſabeth!
Sie blutet! Ach meine Mutter blutet!
Kommt denn niemand, der mich aus dieſem Zimmer bringen wollte?
Welch fürchterlicher Zufall! Blut! — Ver - dien’ ich, daß Sie ſo hart mich ſtrafen? Stehn Sie auf. Erhohlen Sie Sich. — Stehn Sie auf — — Man kommt —340Dom Karlos. Man überraſcht uns — Stehn Sie auf — Soll ſich mein ganzer Hof an dieſem Schauſpiel wei - den? Muß ich Sie bitten, aufzuſtehn?
Man bringe die Königinn zu Hauſe. Ihr iſt übel.
Die Königinn in Thränen, und auf ihrem Geſichte Blut —
Das nimmt die Teufel Wunder, die mich verleitet haben.
Wir?
Die mir genug geſagt, zum Raſen mich zu bringen; zu meiner Überzeugung nichts.
Wir gaben, was wir gehabt —
Die Hölle dank’ es Euch. Ich habe, was mich reu’t, gethan. War das die Sprache eines ſchuldigen Gewiſſens? Steht eine Sünderinn ſo da? —
Iſt der Monarch zu ſprechen?
Ach! Da kommt mein Mann! Seid mir willkommen, Marquis — Eurer, Herzog, bedarf ich jetzt nicht mehr. Verlaßt uns.
Das ſchlägt meine ganze Hoffnung nieder! — Denn — ich will es nur geſtehen, Sire — bei dem Geſchäft, das mich hieher geführt, hab’ ich auf dieſe Stimme ſehr gerechnet —
Ihr wißt meinen Willen. Tretet ab.
Ihr wolltet verbeſſern Marquis, was ich ſchlimm gemacht. Ich lobe Eure gute Abſicht.
Sire, dem alten Manne, der in zwanzig Schlach - ten dem Tod für Sie entgegen ging, fällt es doch etwas hart, von einem Jüngling ſich ſo abgelöſ’t zu ſehen —
Euch geziemt es, ſo zu denken, ſo zu handeln Mir. Was Ihr in wenig Stunden mir geweſen, war Er in einem Menſchenalter nicht. Ich will nicht heimlich thun mit meinem Wohl - gefallen; das Siegel meiner königlichen Gunſt ſoll hell und weit auf Eurer Stirne leuchten. Ich will den Mann, den ich zum Freund ge - wählt, beneidet ſehn.
Und dann auch, wenn die Hülle der Niedrigkeit allein ihn fähig machte, des Namens werth zu ſein —
Was bringt Ihr mir?
Als ich das Vorgemach durchgehe, hör’ ich von einem ſchrecklichen Gerüchte, das mir unglaublich däucht — Ein heftiger Wortwechſel — Blut — die Königinn —
Ihr kommt von dort?
Entſetzen ſollt’ es mich, wenn das Gerücht nicht Unrecht hätte, wenn von Eurer Majeſtät indeß vielleicht etwas geſchehen wäre — Wichtige Entdeckungen, die ich gemacht, verändern der Sache ganze Lage.
Nun?
Ich fand Gelegenheit, des Prinzen Portefeuille mit einigen Papieren wegzunehmen, die, wie ich hoffe, ein’ges Licht —
Ein Schreiben vom Kaiſer meinem Vater — — Wie? Von dem ich nie gehört zu haben mich entſinne?
Z 2346Dom Karlos.Der Plan zu einer Feſtung — — Abgerißne Gedanken aus dem Tacitus — Und was denn hier? — Die Hand ſollt’ ich doch kennen! Es iſt von einer Dame.
„ Dieſer Schlüſſel — — „ die hintern Zimmer im Pavillon „ der Königinn “— — Ha! Was wird das? — „ Hier darf „ die Liebe frei — — Erhörung — ſchöner Lohn “Sataniſche Verrätherei! Jetzt kenn’ ich’s. Sie iſt es. Es iſt ihre Hand —
Die Hand der Königinn? Unmöglich —
Der Prinzeſſinn von Eboli —
So wär’ es wahr, was mir ohnlängſt der Page Henarez geſtanden, der Brief und Schlüſſel überbrachte.
Marquis! Ich ſehe mich in fürchterlichen Händen! Dieß Weib — Ich will es nur geſtehen — Marquis, dieß Weib erbrach der Königinn Schatulle, die erſte Warnung kam von ihr — Wer weiß, wie viel der Mönch drum wiſſen mag — Ich bin durch ein verruchtes Bubenſtück betrogen.
Dann wär’ es ja noch glücklich —
Marquis! Marquis! Ich fange an zu fürchten, daß ich meiner Gemahlinn doch zu viel gethan —
Wenn zwiſchen dem Prinzen und der Königinn geheime Verſtändniſſe geweſen ſind, ſo waren ſie ſicherlich von weit — weit anderm Inhalt, als deſſen man ſie angeklagt. Ich habe gewiſſe Nachricht, daß des Prinzen Wunſch, nach Flandern abzureiſen, in dem Kopfe der Königinn entſprang.
Ich glaubt’ es immer.
Die Königinn hat Ehrgeitz — Darf ich mehr noch ſagen? — Mit Empfindlichkeit ſieht ſie in ihrer ſtolzen Hoffnung ſich getäuſcht, und von des Thrones Antheil ausgeſchloſſen. Des Prinzen raſche Jugend bot ſich ihren weit blickenden Entwürfen dar — ihr Herz — Ich zweifle, ob ſie lieben kann.
Vor ihren ſtaatsklugen Planen zittr’ ich nicht.
Ob ſie geliebt wird? — — — Ob von dem In - fanten nichts ſchlimmeres zu fürchten? Dieſe Frage ſcheint mir der Unterſuchung werth. Hier, glaub’ ich, iſt eine ſtrengre Wachſamkeit vonnöthen —
Ihr haftet mir für ihn —
Wenn Eure Majeſtät mich fähig halten, dieſes Amt zu führen, ſo muß ich bitten, es uneingeſchränkt und ganz in meine Hand zu übergeben.
Das ſoll geſchehen.
Wenigſtens durch keinen Gehülfen, welchen Namen er auch habe, in Unternehmungen, die ich etwa für nöthig finden könnte, mich zu ſtören —
Durch keinen. Ich verſprech’ es Euch. Ihr war’t mein guter Engel. Wie viel Dank bin ich für dieſe Neuigkeit Euch ſchuldig?
Wie verließet Ihr die Königinn?
Noch ſehr erſchöpft von ihrer Ohnmacht.
Sogleich werde ich bei ihr ſein. Man bring’ ihr dieſe Nach - richt.
Noch eine Vorſicht ſcheint mir nöthig. Der Infant, fürcht’ ich, kann Warnungen erhalten. Er hat der guten Freunde viel — vielleicht Verbindungen in Gent mit den Rebellen. Die Furcht kann zu verzweifelten Entſchlüſſen ihn führen — Darum rieth’ ich an, gleich jetzt Vorkehrungen zu treffen, dieſem Fall durch ein geſchwindes Mittel zu begegnen.
Ihr habt ganz Recht. Wie aber —
Ein geheimer Verhaftsbefehl, den Eure Majeſtät351Vierter Akt.in meine Hände niederlegen, mich im Augenblicke der Gefahr ſogleich deſſelben zu bedienen — und —
Der Schritt iſt etwas kühn — Ich zweifle, ob —
Es bliebe vor’s erſte Staatsgeheimniß, bis —
Das Reich iſt auf dem Spiele — Außerordentliche Mit - tel erlaubt die drängende Gefahr — Hier, Mar - quis — Euch brauch’ ich keine Schonung zu empfeh - len —
Es iſt auf’s äußerſte, mein König.
Geht! Geht, lieber Marquis — Ruhe meinem Her - zen und meinen Nächten Schlaf zurückzubringen.
Sie ſuch’ ich eben.
Und ich Sie.
Iſt’s wahr? Um Gotteswillen, iſt es wahr?
Was denn?
Daß er den Dolch nach ihr gezückt? daß man aus ſeinem Zimmer blutig ſie getragen? Bei allen Heiligen! Antworten Sie. Was muß ich glauben? Was iſt wahr?
Sie fiel ohnmächtig hin und ritzte ſich im Fallen. Sonſt war es nichts.
Sonſt hat es nicht Gefahr? Sonſt nicht? Bei Ihrer Ehre, Graf?
Nicht für die Königinn — doch deſto mehr für Sie.
Für meine Mutter nicht! Nun Gott ſei Dank! Mir kam ein ſchreckliches Gerücht zu Ohren, der König raſe gegen Kind und Mutter, und ein Geheimniß ſei entdeckt.
Das letzte kann auch wohl wahr ſein —
Wahr ſein! Wie?
Prinz, Eine Warnung gab ich Ihnen heute, die Sie verachtet haben. Nützen Sie die zwote beſſer.
Wie?
Wenn ich mich anders nicht irre, Prinz, ſah’ ich vor wen’gen Tagen ein Portefeuille von himmelblauem Sammt, mit Gold durchwirckt, in Ihrer Hand, —
So eins beſitz’ ich. Ja — Nun —
Auf der Decke, glaub’ ich, ein Schattenriß, mit Perlen eingefaßt —
Ganz recht.
Als ich vorhin ganz unvermuthet in’s Kabinet des Königs trat, glaubt’ ich das nämliche in ſeiner Hand zu ſehen, und Marquis Poſa ſtand bei ihm —
Das iſt nicht wahr.
Dann freilich bin ich ein Betrüger.
Der ſind Sie. Ja.
Ach! Ich verzeih’ es Ihnen.
Du treibſt ein fürchterliches Handwerk, Menſch. Was hat er Dir zu leid gethan? Was haben356Dom Karlos.die unſchuldsvollen Bande Dir gethan, die Du mit hölliſcher Geſchäftigkeit zu reißen Dich beeiferſt?
Prinz, ich ehre den Schmerz, der Sie unbillig macht.
O Gott! Gott! — Gott! Bewahre mich vor Arg - wohn!
Auch erinnr’ ich mich des Königs eigner Worte: Wie vielen Dank, ſagt’ er, als ich herein - trat, bin ich für dieſe Neuigkeit Euch ſchuldig!
O ſtille! ſtille!
Herzog Alba ſoll gefallen ſein — dem Prinzen Ruy Gomes das große Siegel abgenommen und dem Marquis übergeben ſein —
Und Mir verſchwieg er! Warum verſchwieg er Mir?
Der ganze Hof ſtaunt ihn ſchon als allmächtigen Miniſter, als unumſchränkten Günſtling an —
Er hat mich lieb gehabt, ſehr lieb. Ich war ihm theuer, wie ſeine eigne Seele. O das weiß ich — Das haben tauſend Proben mir erwieſen. Doch ſollen Millionen ihm, ſoll ihm das Vaterland nicht theurer ſein als Einer? Sein Buſen war für Einen Freund zu groß, und Karlos Glück zu klein für ſeine Liebe. Er opferte mich ſeiner Tugend. Kann ich ihn drum ſchelten? — Ja! Es iſt ge - gewiß! Jetzt iſt’s gewiß. Jetzt hab’ ich ihn verlo - ren.
Mein beſter Prinz. Was kann ich für Sie thun?
Zum König gehen und mich auch verrathen. Ich habe nichts zu ſchenken.
Wollen Sie erwarten, was erfolgen mag.
Ich hab’ ihn verloren. O! Jetzt bin ich ſehr arm.
Prinz, Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken?
Auf meine Rettung! — Guter Menſch!
Und ſonſt, ſonſt haben Sie für niemand mehr zu zittern?
Gott! Woran mahnen Sie mich! — Meine Mutter! Der Brief, den ich ihm wiedergab! ihm erſt nicht laſſen wollte und doch ließ!
Womit hat ſie es denn verdient um ihn? Sie hätt’ er doch ſchonen ſollen. Lerma, hätt’ er nicht?
Ich muß zu ihr — ich muß ſie warnen, muß ſie vorbereiten — Lerma, lieber Lerma — Wen ſchick’ ich denn? Iſt denn kein Mittel? Rufen Sie mir den Marquis — hurtig —
Wen?
Ach Gott!
Und jetzt iſt auch der König dort.
Hab’ ich denn niemand mehr? Gar niemand? — — Doch! Noch Einen! Gott ſei gelobt! Noch Einen Freund — und hier iſt nichts mehr zu verſchlimmern.
Prinz! Wohin?
Prinzeſſinn, haben Sie gehört?
Wovon? Sie ſind ja fürchterlich, Kaplan.
Vom neuen Miniſter, den wir haben?
Wie? So iſt ſie wahr, die außerordentliche Zeitung, die ſchon den ganzen Hof erfüllt?
Sie haben auch Ihren Theil daran. Ich wünſche Glück, Monarchinn einer Sommernacht.
Durchſtoßen Sie mir das Herz. Ich ſelbſt bracht’ ihn zum König.
Wem hätte auch geahndet!
Deſto ſchlimmer! Der Menſch, der ſich auf Täuſchung ſo verſtand, der Sie und mich in ſolchen Schlaf geſungen, der kann noch mehr.
„ Uns braucht man nicht mehr “— Herzog, Sie hörten doch?
Wie iſt das zugegangen? So ſchnell! Ich faß’ es nicht.
Was gäb’ ich jetzt um einen Feind, wie der Infant geweſen.
Sehr wahr geſagt! Bei Gott! Verſteh’ ich Sie, ſo laſen Sie in meinem Geiſt, Toledo.
Im Grunde, ſag’ ich, iſt er gut.
Das ſag’ ich auch.
Und eines beſſern Schickſals würdig.
Das hab’ ich jederzeit gedacht.
Kaplan, Sie gehen mit?
Wohin? Was wollen Sie?
Mein eignes Werk vernichten, und es lieber zu ſeiner Zeit zum zweitenmal gebären.
Und Sie, Prinzeſſinn, ſchweigen ſtill?
Thun Sie, was Ihnen gut und nöthig dünkt. Ich werde nie ſeine Freundinn ſein.
Erſchrecken Sie nicht, Fürſtinn. Ich will ſanft ſein, wie ein Kind.
Prinz? — Dieſe Überraſchung —
Sind Sie noch beleidigt? Noch?
— Prinz —
Sind Sie noch beleidigt? Ich bitte, ſagen Sie es mir.
Was ſoll das? Sie ſcheinen zu vergeſſen, Prinz — Was ſuchen Sie bei mir?
Mädchen, kannſt Du ewig haſſen? Verzeiht gekränkte Liebe nie?
Woran erinnern Sie mich, Prinz?
An Deine Güte und meinen Undank — Ach! ich weiß es wohl -366Dom Karlos.ſchwer hab’ ich Dich beleidigt Mädchen, habe Dein ſanftes Herz zerriſſen, habe Thränen gepreßt aus dieſen Engelblicken — ach! und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen.
Prinz, laſſen Sie mich — ich —
Ich bin gekommen, weil Du ein ſanftes Mädchen biſt, weil ich auf Deine gute, ſchöne Seele baue. Sieh, Mädchen, ſieh, ich habe keinen Freund mehr auf dieſer Welt, als Dich allein. Einſt war’ſt Du mir ſo gut — Du wirſt nicht ewig haſſen, und wirſt nicht unverſöhnlich ſein.
O ſtille! Nichts mehr, um Gottes willen Prinz —
Laß mich an jene goldne Zeiten Dich erinnern — an Deine Liebe laß mich Dich erinnern, an Deine Liebe, Mädchen, gegen die367Vierter Akt.ich ſo unwürdig mich verging. Laß mich jetzt gelten machen, was ich Dir geweſen, was Deines Herzens Träume mir gegeben — Noch Einmal — nur noch Einmal ſtelle mich, ſo wie ich damals war, vor Deine Seele und dieſem Schatten opfre, was Du mir, mir ewig nie mehr opfern kannſt.
O Karl! Wie grauſam ſpielen Sie mit mir!
Sei größer als Dein Geſchlecht. Vergiß Beleidigungen. Thu, was vor Dir kein Weib gethan — nach Dir kein Weib mehr thun wird. Etwas unerhörtes fodr’ ich von Dir — Laß mich — auf mei - nen Knien beſchwör’ ich Dich — Laß mich, zwei Worte laß mich mit meiner Mutter ſprechen.
Was hat er geſtanden? Glauben Sie ihm nicht.
Bei allem, was heilig —
Er iſt raſend. Hören Sie den Raſenden nicht an.
Es gilt um Tod und Leben. Führen Sie mich zu ihr.
Ich ermorde Sie, wenn Sie ihn hören.
369Vierter Akt.Graf von Kordua. Im Namen des Monarchen.
Der Prinz iſt Ihr Gefangener.
Ich bitte um Ihren Degen — — Fürſtinn Eboli, Sie bleiben; und
Sie haften mir dafür, daß Seine Hoheit niemand ſpreche — nie - mand — Sie ſelbſt nicht, bei Gefahr des Kopfs!
Ich werfe ſogleich mich ſelbſt zu des Monarchen Füßen, ihm Rechenſchaft zu geben —
370Dom Karlos.und auch Ihnen — Erwarten Sie mich, Prinz, — in einer Stunde.
Um aller Himmel willen, laſſen Sie mich dieſen Ort —
Was hat er Dir geſagt, Unglückliche?
Nichts — Laſſen Sie mich — Nichts —
Wie viel haſt Du erfahren? — Hier iſt kein Entrinnen mehr. Du wirſt auf dieſer Welt es niemand mehr erzählen.
Großer Gott! Was meinen Sie damit? Sie wollen mich doch nicht ermorden?
In der That, das bin ich ſehr geſonnen. Mach’ es kurz.
Mich? Mich? O! ewige Barmherzigkeit! Was hab’ ich denn begangen?
Noch iſt’s Zeit. Noch trat das Gift nicht über dieſe Lippen. Ich372Dom Karlos.zerſchmettre das Gefäß, und alles bleibt was es geweſen — Spaniens Verhängniß und eines Weibes Leben! — Dieſen Mord getrau’ ich mir, an deinem Weltgericht noch auszufechten.
Nun? Was zaudern Sie? Ich bitte nicht um Schonung — Nein. Ich habe verdient zu ſterben, und ich will’s.
Das wäre ſo feig’ als es barbariſch iſt — Nein! Nein! Gott ſei gelobt! — Noch gibt’s ein andres Mittel —
Was für ein Auflauf im Pallaſte! Jedes Getöſe, Gräfinn, macht mir heute Schrecken. O ſehen Sie doch nach und ſagen mir, was es bedeutet.
Königinn! Zu Hülfe! Er iſt gefangen.
Wer?
Der Marquis Poſa nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen.
Wen aber? Wen?
Den Prinzen.
Raſeſt Du?
So eben führen ſie ihn fort.
Und wer nahm ihn gefangen?
Marquis Poſa.
Nun! Gott ſei gelobt, daß es der Marquis war, der ihn gefangen nahm!
Das ſagen Sie ſo ruhig, Königinn? ſo kalt? — O Gott! Sie ahnden nicht — Sie wiſſen nicht —
Warum er gefangen worden? — Eines Fehltritts wegen, vermuth’ ich, der dem heftigen Karakter des Jünglings ſehr natürlich war.
Nein! Nein! Ich weiß es beſſer — Nein — O Köni - ginn — Verruchte, teufeliſche That! — Für ihn iſt keine Rettung mehr!
Er ſtirbt!
Und ſeine Mörderinn bin ich.
Er ſtirbt! Wahnſinnige, bedenkſt Du?
Und warum — warum er ſtirbt! — O hätt’ ich wiſſen kön - nen, daß es bis dahin kommen würde!
Fürſtinn, noch ſind Sie außer Faſſung. Sammeln Sie erſt Ihre Geiſter, daß Sie ruhiger, nicht in ſo grauenvollen Bildern, die mein Innerſtes durchſchauern, mir erzählen. Was wiſſen Sie? Was iſt geſchehen?
O! nicht dieſe himmliſche Herablaſſung, nicht dieſe Güte, Königinn! Wie Flammen der Hölle ſchlägt ſie brennend mein Gewiſſen. Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick zu Ihrer Glorie empor zu richten. Zertreten Sie die Elende, die ſich, zerknirſcht von Reue, Scham und Selbſt - verachtung, zu Ihren Füßen krümmt.
Unglückliche! Was haben Sie mir zu geſtehen?
Engel des Lichtes! Große Heilige! Noch kennen, noch ahnden Sie den Teufel nicht, dem Sie ſo liebevoll gelächelt — Lernen Sie ihn heute kennen. Ich — ich war der Dieb, der Sie beſtohlen.
Sie?
Und jene Briefe dem König ausgeliefert.
Sie?
Der ſich erdreiſtet hat, Sie anzuklagen —
Sie — Sie konnten —
Rache — Liebe — Raſerei — Ich haßte Sie und liebte den Infanten —
Weil Sie ihn liebten —?
Weil ich’s ihm geſtanden und keine Gegenliebe fand.
O jetzt enträthſelt ſich mir alles! — Stehn Sie auf. Sie liebten ihn — ich habe ſchon vergeben. Es iſt vergeſſen — ſtehn Sie auf.
Nein! Nein! Ein ſchreckliches Geſtändniß iſt noch übrig. Nicht eher, große Königinn —
Was werd’ ich noch hören müſſen? Reden Sie —
Der König … Verführung … O Sie blicken weg … Ich leſe in Ihrem Angeſicht Verwerfung … Das Verbrechen, deſſen ich Sie zeihte … ich beging es ſelbſt.
Gott! Sie hat mich verlaſſen! Jetzt iſt es aus.
Prinzeſſinn Eboli —
Ich weiß, warum Sie kommen, Herzoginn. Die Königinn ſchickt Sie heraus, mein Urtheil mir anzukündigen — Geſchwind —
Ich habe Befehl von Ihrer Majeſtät, Ihr Kreuz und Ihre Schlüſſel in Empfang zu nehmen —
Doch noch einmal iſt es mir vergönnt, die Hand der beſten Königinn zu küſſen?
Im Marienkloſter wird man Ihnen ſagen, was über Sie beſchloſſen iſt.
Ich werde die Königinn nicht wieder ſehen?
Leben Sie glücklich.
Iſt Sie weg?
Und in Verzweiflung. Ihr Schickſal iſt erſchrecklich.
Wo die Gräfinn Fuentes aber bleiben mag? Sie ſollte mir Nachricht bringen —
Herzog Alba und Domingo, Ihro Majeſtät —
Domingo und Herzog Alba — — Alba und Domingo?
Sie bitten auf zween Augenblicke nur um gnädigſtes Gehör —
Das werd’ ich ja wohl hören — führt ſie zu mir.
Wenn es uns vergönnt iſt, große Königinn —
Was ſteht zu Ihren Dienſten?
Redliche Beſorgniß für Ihrer königlichen Majeſtät erhabene Perſon erlaubt uns nicht bei einem Vorfall müßig ſtill zu ſchweigen, der Ihre Sicherheit bedroht.
Wir eilen, durch unſre zeit’ge Warnung ein Komplott, das wider Sie geſpielt wird, zu entkräf - ten —
Und unſern Eifer — unſre Dienſte zu den Füßen Ihrer Majeſtät zu legen.
Hochwürd’ger Herr, und Sie, mein edler Herzog, Sie überraſchen mich wahrhaftig. Solcher Ergebenheit war ich mir von Domingo und Herzog Alba wirklich nicht vermuthend. Ich weiß, wie ich ſie ſchätzen muß — Sie nennen mir ein Komplott, das mich bedrohen ſoll. Darf ich erfahren, wer — —
Wir bitten Sie, vor einem Marquis Poſa Sich zu hüten, der für des Königs Majeſtät geheime Geſchäfte führt.
Ich höre mit Vergnügen, daß der Monarch ſo gut gewählt. Den Mar - quis hat man mir längſt als einen guten Menſchen, als einen großen Mann gerühmt. Nie ward die höchſte Gunſt gerechter ausgetheilt —
Gerechter ausgetheilt! Wir wiſſen’s beſſer.
Es iſt längſt kein Geheimniß mehr, wozu ſich dieſer Menſch gebrauchen laſſen.
Wie? Was wär’ denn das? Sie ſpannen meine ganze Erwartung.
— Iſt es ſchon von lange, daß Ihro Majeſtät zum letztenmal in Ihrer Schatulle nachgeſehen?
Wie?
Und haben Sie nichts darin vermißt von Koſtbarkeiten?
Wie ſo? Warum? Was ich vermiſſe, weiß mein ganzer Hof — Doch Marquis Poſa? Wie kommt Marquis Poſa damit in Verbindung?
Sehr nahe, Ihro Majeſtät — denn auch dem Prinzen fehlen wichtige Papiere,386Dom Karlos.die in des Königs Händen dieſen Morgen geſehen worden — als der Chevalier geheime Audienz gehabt. So eben wird Seine Hoheit in Verhaft genommen, und Marquis Poſa iſt Miniſter.
Seltſam, bei Gott! und äußerſt ſonderbar! — Ich finde hier einen Feind, von dem mir nie geträumt, und wiederum zwo Freunde, die ich nie be - ſeſſen zu haben mich entſinnen kann — Denn wirk - lich
muß ich geſtehn, ich war ſchon in Gefahr, den ſchlimmen Dienſt, der mir bei meinem Herrn geleiſtet worden — — Ihnen zu vergeben.
Uns?
Ihnen.
Herzog Alba! Uns!
Wie lieb iſt es mir alſo, meiner Übereilung ſo bald gewahr zu werden — Ohnehin hatt’ ich beſchloſſen, Seine Majeſtät noch heut’ zu bitten, meinen Kläger mir zu ſtellen. Um ſo beſſer nun! So kann ich auf Herzog Alba’s Zeugniß mich berufen.
Auf mich? Das wollten Sie im Ernſt?
Warum nicht?
Um alle Dienſte zu entkräften, die wir Ihnen im Verborgnen —
Im Verborgnen?
Ich wünſchte doch zu wiſſen, Herzog Alba, was Ihres Königs Frau mit Ihnen oder388Dom Karlos.mit Ihnen, Prieſter, abzureden hätte, das ihr Gemahl nicht wiſſen darf — — Bin ich unſchuldig oder ſchuldig?
Welche Frage!
Doch, wenn der König ſo gerecht nicht wäre? es jetzt zum mindeſten nicht wäre?
Dann muß ich erwarten, bis er’s wird — — Wohl dem, der zu gewinnen hat, wenn er’s geworden!
Ach endlich, Marquis! Glücklich, daß Sie kommen.
Sind Ihro Majeſtät allein? Kann niemand in dieſen nächſten Zimmern uns behorchen?
Kein Menſch — Warum? Was bringen Sie?
Und wie ſo ganz verändert! Was iſt das? Sie machen mich zittern, Marquis — alle ihre Züge wie eines Sterbenden entſtellt —
Sie wiſſen vermuthlich ſchon —
Daß Karl gefangen worden, und zwar durch Sie, ſetzt man hinzu — So iſt es dennoch wahr? Ich wollt’ es keinem Men - ſchen, als Ihnen glauben.
Es iſt wahr.
Durch Sie?
Durch mich.
Ich ehre Ihre Handlungen, auch wenn ich ſie nicht faſſe — Dießmal aber verzeihen Sie dem bangen Weib’. Ich fürchte, Sie ſpielen ein gewagtes Spiel.
Ich hab’ es verloren.
Gott im Himmel!
Seien Sie ganz ruhig, meine Königinn. Für ihn iſt ſchon geſorgt. Ich hab’ es mir verloren.
Was werd’ ich hören! Gott!
Denn wer, wer hieß auf einen zweifelhaften Wurf mich alles ſetzen? Alles? So verwegen, ſo zuverſichtlich mit dem Himmel ſpielen? Wer iſt der Menſch, der ſich vermeſſen will, des Zufalls ſchweres Steuer zu regieren, und doch nicht der Allwiſſende zu ſein? O es iſt billig! — Doch warum denn jetzt von mir? Der Augenblick iſt koſtbar, wie das Leben eines Menſchen! Und wer weiß, ob aus des Richters karger Hand nicht ſchon die letzten Tropfen für mich fallen?
Aus des Richters Hand? — Welch feierlicher Ton! C c392Dom Karlos.Ich faſſe nicht, was dieſe Reden meinen — Doch ſie entſetzen mich —
Er iſt gerettet! Um welchen Preis er’s iſt, gleich viel! — Doch nur für heute. Wenig Augenblicke ſind noch ſein. Er ſpare ſie. Sie kommen mich etwas hoch zu ſtehn. Noch dieſe Nacht muß er Madrid verlaſſen.
Dieſe Nacht noch?
Anſtalten ſind getroffen. In demſelben Karthäuſerkloſter, das ſchon lange Zeit die Zuflucht unſrer Freundſchaft war geweſen, erwartet ihn die Poſt. Hier iſt in Wechſeln, was mir das Glück auf dieſer Welt gegeben. Was mangelt, legen Sie noch bei. Zwar hätt’ ich an meinen Karl noch manches auf dem Herzen, noch manches, das er wiſſen muß; doch könnt’ es leicht an Muße mir gebrechen, alles perſönlich mit ihm abzuthun — Sie ſprechen ihn dieſen Abend, darum wend’ ich mich an Sie —
Um meiner Ruhe willen, Marquis, erklären Sie Sich deutlicher — nicht in ſo fürchterlichen Näthſeln reden Sie mit mir — Was iſt geſchehn?
Ich habe noch ein wichtiges Bekenntniß abzulegen; in Ihre Hände leg’ ich’s ab. Mir ward ein Glück, wie es nur wenigen geworden: Ich liebte einen Fürſtenſohn — Mein Herz, nur einem einzigen geweiht, umſchloß die ganze Welt! — In meines Karlos Seele ſchuf ich ein Paradies für Millionen. O meine Träume waren ſchön — Doch es gefiel der ew’gen Weisheit, mich von meiner ſchönen Pflanzung abzurufen. Bald hat er ſeinen Rodrigo nicht mehr. Der Freund hört auf in der Geliebten. Hier, hier — hier — auf dieſem heiligen Altare, im Herzen ſeiner Königinn leg’ ich mein letztes koſtbares Vermächtniß nieder, hier find’ er’s, wenn ich nicht mehr bin —
Das iſt die Sprache eines Sterbenden. Noch hoff’ ich, es iſt nur Wirkung Ihres Blutes — oder liegt Sinn in dieſen Reden?
Sagen Sie ihm, daß er eingedenk ſoll ſein des Eides, den wir in jenen ſchwärmeriſchen Tagen am Hochaltare, den er kennt, auf die entzwei gebrochne Hoſtie geſchworen. Den meinigen hab’ ich gehalten, bin ihm treu geblieben bis zum Tod — jetzt iſt’s an ihm, den ſeinigen —
Zum Tod?
Er mache — O ſagen Sie es ihm! — das Traumbild wahr, das kühne Traumbild eines neuen Staates, der Freundſchaft göttliche Geburt. Er lege die erſte Hand an dieſen rohen Marmor. 395Vierter Akt.Ob er vollende oder unterliege — ihm einerlei! Er lege Hand an. Wenn Jahrhunderte dahin geflohen, wird die Vorſicht einen Fürſtenſohn, wie er, auf einem Thron, wie ſeiner, wiederhohlen, aus den Ruinen ſeinen Torſo graben, und ihren neuen Liebling mit derſelben Begeiſterung entzünden. Sagen Sie ihm, daß er für die Träume ſeiner Jugend ſoll Achtung tragen, wenn er Mann ſein wird, nicht öffnen ſoll dem tödtenden Inſekte gerühmter beſſerer Vernunft das Herz der zarten Götterblume — daß er nicht ſoll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeiſterung, die Himmelstochter, läſtert. Ich hab’ es ihm zuvor geſagt —
Wie, Marquis? Und wozu führt —
Und ſagen Sie ihm, daß ich Menſchenglück auf ſeine Seele lege, daß ich es ſterbend von ihm fodre — fodre, und ſehr dazu berechtigt war. Es hätte bei mir geſtanden einen neuen Morgen396Dom Karlos.heraufzuführen über dieſe Reiche. Der König ſchenkte mir ſein Herz. Er nannte mich ſeinen Sohn — Ich führe ſeine Siegel, und ſeine Alba ſind nicht mehr.
Sie weinen — O dieſe Thränen kenn’ ich, ſchöne Seele; die Freude macht ſie fließen. Doch vorbei, es iſt vorbei. Karl oder ich. Die Wahl war ſchnell und ſchrecklich. Einer war ver - loren; und ich will dieſer Eine ſein — ich lieber — Verlangen Sie nicht mehr zu wiſſen.
Jetzt, jetzt endlich fang’ ich an, Sie zu begreifen — Unglücklicher, was haben Sie gethan?
Zwo kurze Abendſtunden hingegeben, um einen hellen Sommertag zu retten. Den König geb’ ich auf. Was kann ich auch dem König ſein? — In dieſem ſtarren Bo - den blüht keine meiner Roſen mehr — Das waren397Vierter Akt.nur Gaukelſpiele kindiſcher Vernunft, vom reifen Manne ſchamroth wiederrufen[.]Den nahen hoffnungsvollen Lenz ſollt’ ich vertilgen, einen lauen Sonnenblick im Norden zu erkünſteln? Eines müden Tirannen letzten Ruthenſtreich zu mildern, die große Freiheit des Jahrhunderts wagen? Elender Ruhm! Ich mag ihn nicht. Europa’s Verhängniß reift in meinem großen Freunde! Auf ihn verweiſ’ ich Spanien — Es blute bis dahin unter Philipps Hand! — Doch weh’! weh’ mir und ihm, wenn ich bereuen ſollte! Vielleicht das Schlimmere gewählt! Wenn ich den großen Wink der Vorſicht mißverſtanden, die Mich, nicht Ihn, auf dieſem Thron ge - wollt! Weh’ mir und ihm, wenn —
Reden Sie nicht aus. Was Sie befürchten, Chevalier, wird nie geſchehn. Ich kenne Ihren Freund; ich ſage für ſeine Seele gut.
Das war’s, was noch auf meinem Herzen lag. Nie — nie wird es398Dom Karlos.geſchehn — und meine Bürginn, Königinn, ſind Sie!
Ich ſah’ ſie keimen, dieſe Liebe, ſah’ der Leidenſchaften unglückſeligſte in ſeinem Herzen Wurzel faſſen — Damals ſtand es in meiner Macht, ſie zu bekämpfen. Ich that es nicht. Ich nährte dieſe Liebe, die mir nicht unglückſelig war. Die Welt kann anders richten. Ich bereue nicht. Mein Herz klagt mich nicht an. Ich ſahe Leben, wo ſie nur Tod — In dieſer hoffnungsloſen Flamme erkannt’ ich früh’ der Hoffnung goldnen Strahl. Ich wollt’ ihn führen zum Vortrefflichen, die ſtolze königliche Frucht, woran nur Menſchenalter langſam pflanzen, ſollte ein ſchneller Lenz der wunderthät’gen Liebe beſchleunigen. Mir ſollte ſeine Tugend an dieſem kräft’gen Sonnenblicke reifen. Zur höchſten Schönheit wollt’ ich ihn erheben: die Sterblichkeit verſagte mir ein Bild, die Sprache Worte — da verwies ich ihn auf dieſes — meine ganze Leitung war, ihm ſeine Liebe zu erklären.
Marquis, Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht, zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben? Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln.
Für alle Weiber; nur für Eines nicht. Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie, Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen, der Tugend Schöpferinn zu ſein? Was geht es König Philipp an, wenn ſeine Verklärung in Eſkurial den Mahler, der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet? Gehört die ſüße Harmonie, die in dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchla - gen, doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen. Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen,400Dom Karlos.die Schönheit für ein fühlend Herz. Sie beide gehören für einander. Dieſen Glauben ſoll mir kein feiges Vorurtheil zerſtören. Verſprechen Sie mir, ewig ihn zu lieben, von Menſchenfurcht, von falſchem Helden - muth zu nichtiger Verläugnung nie verſucht unwandelbar und ewig ihn zu lieben, verſprechen Sie mir dieſes? — Königinn — Verſprechen Sie’s in meine Hand?
Mein Herz, verſprech’ ich Ihnen, ſoll allein und ewig der Richter meiner Liebe ſein.
Jetzt ſterb’ ich ruhig — Meine Arbeit iſt gethan.
Sie gehen, Marquis — ohne mir zu ſagen, wenn wir — wie bald — uns wiederſehn?
Gewiß! Wir ſehn uns wieder.
Ich verſtand Sie, Poſa — verſtand Sie recht gut — — — — Warum haben Sie mir das gethan?
Er oder ich
Nein! Nein! Sie ſtürzten Sich in dieſe That, die Sie erhaben nennen. Läugnen Sie nur nicht. Ich kenne Sie, Sie haben längſt darnach gedürſtet — Mögen tauſend Herzen brechen, was kümmert Sie’s, wenn ſich Ihr Stolz nur weidet. O jetzt — jetzt lern’ ich Sie verſtehn: Sie haben nur um Bewunderung gebuhlt.
Nein! Darauf war ich nicht vorbereitet —
Marquis! Iſt keine Rettung möglich?
Keine.
Keine? Beſinnen Sie Sich wohl. Iſt keine möglich? Auch nicht durch mich?
Auch nicht durch Sie.
Auch ſelbſt durch ein Verbrechen nicht? — Sie kennen mich zur Hälfte nur — ich habe Muth.
Ich weiß es.
Und keine Rettung?
Keine.
Gehen Sie! Ich ſchätze keinen Mann mehr.
Königinn! — — O Gott! das Leben iſt doch ſchön.
Ob ſich der Marquis noch nicht blicken laſſen?
Noch nicht.
Graf Lerma, melden Sie mich an.
Der König iſt für niemand.
Sagen Sie, ich muß ihn ſprechen — Seiner Majeſtät405Vierter Akt. iſt äußerſt dran gelegen. Eilen Sie. Es leidet keinen Aufſchub.
Lieber Taxis, gewöhnen Sie Sich zur Geduld. Sie ſprechen den König nicht —
Nicht? Und warum?
Sie hätten die Vorſicht denn gebraucht, Sich die Erlaub - niß beim Chevalier von Poſa auszuwirken, der Sohn und Vater zu Gefangnen macht.
Von Poſa? Wie? Ganz recht! Das iſt der, ſelbe, aus deſſen Hand ich dieſen Brief empfangen —
Brief? Welchen Brief?
Den ich nach Brüſſel habe befördern ſollen —
Brüſſel!
Den ich eben dem König bringe —
Brüſſel! Haben Sie gehört, Kaplan? Nach Brüſſel!
Das iſt ſehr verdächtig.
Und wie ängſtlich, wie verlegen er mir empfohlen worden!
Ängſtlich? So!
An wen iſt denn die Aufſchrift?
An den Prinzen von Naſſau und Oranien.
An Wilhelm? — Kaplan! Das iſt Verrätherei.
Was könnt’ es anders ſein? — Ja freilich, dieſen Brief muß man ſogleich dem König überliefern. Welch ein Verdienſt von Ihnen, würd’ger Mann, ſo ſtreng zu ſein in Ihres Königs Dienſt!
Hochwürd’ger Herr, ich that nur meine Pflicht.
Sie thaten wohl.
Der König will Sie ſprechen.
Der Marquis immer noch nicht da?
Man läßt ihn aller Orten ſuchen.
Das iſt doch ſehr ſonderbar.
Ganz eigen! Ganz naiv! Der Prinz ein Staatsgefangner, und der Kö - nig noch ſelber ungewiß warum?
Er war nicht einmal hier, ihm Rechenſchaft zu geben?
Wie nahm es denn der König auf?
Der König ſprach noch kein Wort.
Was war das? Still!
Graf Lerma!
Was geht hier vor?
Mit dieſem Ton des Schreckens! Wenn dieſer aufgefangne Brief? — Mir ahndet nichts gutes, Herzog.
Lerma läßt er rufen! und wiſſen muß er doch, daß Sie und ich im Vorſaal —
Unſre Zeiten ſind vorbei.
Bin ich derſelbe denn nicht mehr, dem hier ſonſt alle Thüren ſprangen? Wie iſt alles verwandelt um mich her — wie fremd —
Horch!
Alles iſt todtenſtill. Man hört ſie Athem hohlen.
Die doppelte Tapete dämpft den Schall.
Hinweg! Man kommt.
Mir iſt ſo feierlich, ſo bang, als ſollte dieſer Augenblick ein großes Loos entſcheiden.
Iſt der König zu ſprechen?
Nein.
Nein? Wer iſt bei ihm?
Marquis von Poſa ohne Zweifel?
Den erwartet man ſo eben.
Dieſen Augenblick ſind wir von Saragoßa eingetroffen. 412Dom Karlos. Der Schrecken geht durch ganz Madrid — Iſt es denn wahr?
Ja leider.
Es iſt wahr? Er iſt durch den Maltheſer in Verhaft genommen?
So iſt’s.
Warum? Was iſt geſchehn?
Warum? Das weiß kein Menſch, als Seine Majeſtät und Marquis Poſa.
Ohne Zuziehung der Kortes ſeines Königreichs! —
Weh dem, der Theil gehabt an dieſer Staatsverletzung.
Weh ihm! So ruf’ ich auch.
Ich auch. Die übrigen Granden. Wir alle.
Wer folgt mir in das Kabinet? — Ich werfe mich zu des Königs Füßen.
Herzog Alba!
Endlich! Gelobt ſei Gott!
Wenn der Maltheſer kommt, der Herr iſt jetzo nicht allein; er wird ihn rufen laſſen —
Graf, was iſt geſchehen? Sie ſind ja blaß wie eine Leiche.
Das iſt teufeliſch.
Was denn? Was denn?
Was macht der König?
Teufeliſch! Was denn?
Der König hat geweint.
Geweint!
Der König hat geweint!
Graf, noch ein Wort — Verziehen Sie — Weg iſt er! Da ſtehn wir angefeſſelt von Entſetzen.
Wo iſt der König? Wo? Ich muß ihn ſprechen.
Sie, Herzog, führen mich zu ihm.
Der König hat wichtige Verhinderung. Kein Menſch wird vorgelaſſen.
Unterzeichnet er das fürchterliche Urtheil ſchon? Er iſt belogen. Ich beweiſ’ es ihm, daß er belogen iſt.
Prinzeſſinn Eboli?
Sie auch da, Prieſter? Recht! Sie brauch’ ich eben. Sie ſollen mir’s bekräftigen.
Ich? — Sind Sie bei Sich, Fürſtinn?
Bleiben Sie zurück. Der König hört Sie jetzt nicht an.
Er muß mich hören. Wahrheit muß er hören — Wahrheit!
417Vierter Akt.und wär’ er zehenmal ein Gott!
Weg! Weg! Sie wagen alles. Bleiben Sie zurück.
Menſch, zittre Du vor Deines Götzen Zorn. Ich habe nichts zu wagen.
Laſſen Sie in allen Kirchen ein Te Deum tönen. Der Sieg iſt unſer.
Unſer?
Jetzt hinein zum Herrn. Sie ſollen weiter von mir hören.
Ich bin es, Karl.
Du kommſt ſogar noch zu mir! Das iſt doch ſchön von Dir.
Ich bildete mir ein, Du könnteſt Deinen Freund hier brauchen.
Wahrhaftig? Meinteſt Du das wirklich? Sieh! Das freut mich — freut mich unbeſchreiblich. Ach! ich wußt’ es wohl, daß Du mir gut geblieben.
Ich hab’ es auch um Dich verdient
Nicht wahr? O wir verſtehen uns noch ganz. So hab’ ich’s gerne. Dieſe Schonung, dieſe Milde ſteht großen Seelen an, wie Du und ich. Laß ſein, daß meiner Foderungen eine unbillig und vermeſſen war; mußt Du mir darum auch die billigen verſagen? Hart kann die Tugend ſein, doch grauſam nie, unmenſchlich nie — Ich kann ja nicht da - für, daß Deine Pflichten meine Freuden würgen. Du weißt’s, wir können nicht dafür — Be - weinen kannſt Du mich immer —
Du verkennſt mich, Karl. Unwürdig bin ich Deiner nie geweſen.
Ich aber Deiner.
Laß mich reden, Karl. Was Du von mir zu hören haſt, iſt viel, und unſrer Muße wenig.
Laß es gut ſein. Ich glaube Dir — Es hat Dichviel ge - koſtet! O ja, mir däucht, ich weiß recht gut, wie ſehr geblutet hat Dein ſanftes Herz, als Du Dein Opfer ſchmückteſt zum Altare.
Karlos! Wie meinſt Du das?
Du ſelbſt wirſt jetzt vollenden, was ich geſollt und nicht gekonnt — Du wirſt den Spaniern die goldnen Tage ſchenken, die ſie von mir umſonſt gehofft. Mit mir iſt es ja aus — auf immer aus. Das haſt Du eingeſehn — O dieſe fürchterliche Liebe hat alle frühe Blüthen meines Geiſtes unwiederbringlich hingerafft. Ich bin für Deine großen Hoffnungen geſtorben. Vorſehung oder Zufall führen Dir den König zu — Es koſtet mein Geheimniß, und er iſt Dein — Du kannſt ſein Engel werden. Für mich iſt keine Rettung mehr — vielleicht422Dom Karlos.für Spanien — Ach hier iſt nichts ver - dammlich, nichts, nichts, als meine raſende Verblendung, bis dieſen Tag nicht eingeſehn zu haben, daß Du — ſo groß als zärtlich biſt.
Nein! Das, das hab’ ich nicht vorhergeſehen — nicht vorhergeſehn, daß eines Freundes Großmuth erfinderiſcher könnte ſein, als meine weltkluge Sorgfalt. Mein Gebäude ſtürzt zuſammen — Ich vergaß Dein Herz.
Zwar wenn Dir’s möglich wär’ geweſen, ihr dieß Schickſal zu erſparen — ſieh, das hätte ich unausſprechlich Dir gedankt. Konnt’ ich denn nicht allein es tragen? Mußte ſie das zweite Opfer ſein? — Doch ſtill da - von. Ich will mit keinem Vorwurf Dich beladen. Was geht die Königinn Dich an? Liebſt Du die Königinn? Soll Deine ſtrenge Tugend die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen? Verzeih mir — ich war ungerecht.
Du biſt’s. Doch — dieſes Vorwurfs wegen nicht. Ver - dient’ ich Einen, dann verdient’ ich alle — und dann würd’ ich ſo nicht vor Dir ſtehen.
Hier ſind von den Briefen ein’ge wieder, die Du in Verwahrung mir gegeben. Nimm ſie zu Dir.
Wie?
Ich gebe ſie Dir wieder, weil ſie in Deinen Händen ſich’rer jetzt ſein dürften als in Meinen.
Was iſt das? Der König las ſie alſo nicht? bekam ſie gar nicht zu Geſichte?
Dieſe Briefe?
Du zeigteſt ihm nicht alle?
Wer ſagt Dir, daß ich ihm Einen zeigte?
Iſt es möglich? Graf Lerma.
Der hat Dir geſagt? — Ja! Nun wird alles, alles offenbar! Wer konnte das auch vorausſehn? — Lerma alſo? — Nein, der Mann hat Lügen nie gelernt. Ganz recht, die andern Briefe liegen bei dem König.
Weßwegen bin ich aber hier?
Zur Vorſicht, wenn Du vielleicht zum zweitenmal verſucht425Fünfter Akt.ſein möchteſt, eine Eboli zu Deiner Vertrauten zu erwählen —
Ha! Nun endlich! Jetzt ſeh’ ich — jetzt wird alles Licht —
Wer kommt?
Prinz, Sie ſind frei. Der König ſchickt mich ab, es Ihnen anzukündigen.
Der König kann nach Gefallen ſtrafen und begnaden; nur wundert mich, den Prinzen frei zu ſehen, bevor man mir Gehör geſchenkt.
Zugleich ſchätz’ ich mich glücklich, Prinz, der erſte ſein zu dürfen, der die Gnade hat —
Ich werde gefangen eingeſetzt und frei erklärt, und ohne mir bewußt zu ſein, warum ich beides werde?
Aus Verſehen, Prinz, ſo viel ich weiß, zu welchem irgend ein — Betrüger den Monarchen hingeriſſen.
Doch aber iſt es auf Befehl des Königs, daß ich mich hier befinde?
Ja, durch ein Verſehen Seiner Majeſtät.
Das thut mir wirklich leid — Doch wenn der König ſich verſieht, kommt es dem König zu, in eigner Perſon den Fehler wieder zu verbeſſern.
Man nennt mich hier Dom Philipps Sohn. Die Augen der Läſterung und Neugier ruhn auf mir. Was Seine Majeſtät aus Pflicht gethan, will ich nicht ſcheinen ihrer Huld zu danken. Sonſt bin ich auch bereit, vor dem Gerichte der Kortes mich zu ſtellen — Meinen Degen nehm’ ich aus ſolcher Hand nicht an.
Der König wird keinen Anſtand nehmen, Eurer Hoheit dieß billige Verlangen zu gewähren, wenn Sie vergönnen wollen, daß ich Sie zu ihm begleiten darf —
Ich bleibe hier, bis mich der König, oder ſein Madrid aus dieſem Kerker führen. Bringen Sie ihm dieſe Antwort.
Karlos und Marquis von Poſa.
Was iſt aber das? Erkläre mir’s. Biſt Du denn nicht Miniſter?
Ich bin’s geweſen, wie Du ſiehſt.
O Karl, es hat gewirkt. Es hat. Es iſt gelungen. 429Fünfter Akt.Jetzt iſt’s gethan. Geprieſen ſei die Allmacht, die es gelingen ließ.
Gelingen! Was? Ich faſſe Deine Worte nicht.
Du biſt gerettet, Karl — biſt frei — und ich —
Und Du?
Und ich — — — ich drücke Dich an meine Bruſt zum erſtenmal mit vollem, ganzem Rechte; ich hab’ es ja mit allem, allem was mir theuer iſt, erkauft — O Karl, wie ſüß, wie groß iſt dieſer Augenblick! Ich bin mit mir zufrieden.
Welche plötzliche Veränderung in Deinen Zügen! So430Dom Karlos.hab’ ich Dich nie geſehen. Stolzer hebt ſich Deine Bruſt, und Deine Blicke leuchten wie eines höhern Weſens.
Freude der Vollendung. Meine Bahn iſt aus. Jetzt iſt die Reih’ an Dir, die Deinige zu wandeln. Wir müſſen Abſchied nehmen, Karl. Erſchrick nicht. O ſei ein Mann. Was Du auch hören wirſt, verſprich mir, Karl, nicht durch unbänd’gen Schmerz, unwürdig großer Seelen, dieſe Trennung mir zu erſchweren — Du verlierſt mich, Karl — auf viele Jahre — Thoren nennen es auf ewig.
Sei ein Mann. Ich habe ſehr auf Dich gerechnet, hab’ es nicht vermieden, die bange Stunde mit Dir auszuhalten, die man die letzte ſchrecklich nennt — Ja, ſoll ich Dir’s geſtehen, Karl? ich habe mich431Fünfter Akt.darauf gefreut — Komm, laß uns nieder - ſitzen — ich fühle mich erſchöpft und matt.
Wo biſt Du? Du gibſt mir keine Antwort? — Ich will kurz ſein. Den Tag nachher, als wir zum letztenmal bei den Karthäuſern uns geſehn, ließ mich der König zu ſich fodern. Den Erfolg weißt Du, weiß ganz Madrid. Das weißt Du nicht, daß Dein Geheimniß ihm verrathen worden, daß Briefe, in der Königinn Schatulle gefunden, wider Dich gezeugt, daß ich aus ſeinem eignen Munde dieß erfahren, und daß — ich ſein Vertrauter war.
Ja, Karl! Mit meinen Lippen brach ich meine Treue. Ich ſelbſt regierte das Komplott, das Dir den Untergang bereitete. Zu laut ſprach ſchon die That. Dich frei zu ſprechen, war432Dom Karlos.zu ſpät. Mich ſeiner Rache zu verſichern, war alles, was mir übrig blieb — und ſo ward ich Dein Feind, Dir kräftiger zu die - nen. — — — Du hörſt mich nicht?
Ich höre. Weiter. Weiter.
Bis hieher bin ich ohne Schuld. Doch bald verrathen mich die ungewohnten Strahlen der neuen königlichen Gunſt. Der Ruf dringt bis zu Dir, wie ich vorhergeſehen. Doch ich, von falſcher Zärtlichkeit beſtochen, von ſtolzem Wahn geblendet, ohne Dich das Wageſtück zu enden, unterſchlage der Freundſchaft mein gefährliches Geheim - niß. Das war die große Übereilung! Schwer hab’ ich gefehlt. Ich weiß es. Raſerei war meine Zuverſicht. Verzeih’ — ſie war auf Deiner Freundſchaft Ewigkeit gegründet.
Was ich befürchte, geſchieht. Man läßt Dich zittern vor erdichteten Gefahren. 433Fünfter Akt.Die Königinn in ihrem Blut — das Schrecken des wiederhallenden Pallaſtes — Lerma’s unglückliche Dienſtfertigkeit — zuletzt mein unbegreifliches Verſtummen, alles beſtürmt Dein überraſchtes Herz — Du wankſt — gibſt mich verloren — Doch, zu edel ſelbſt, an Deines Freundes Redlichkeit zu zweifeln, ſchmückſt Du mit Größe ſeinen Abfall aus, nun erſt wagſt Du, ihn treulos zu behaup - ten, weil Du noch treulos ihn verehren darfſt. Verlaſſen von dem Einzigen wirfſt Du der Fürſtinn Eboli Dich in die Arme — Unglücklicher! in eines Teufels Arme, denn dieſe war’s, die Dich verrieth.
Ich ſehe Dich dahin eilen. Eine ſchlimme Ahndung fliegt durch mein Herz. Ich folge Dir. Zu ſpät. Du liegſt zu ihren Füßen. Das Geſtändniß floh über Deine Lippen ſchon. Für Dich iſt keine Rettung mehr —
Nein. Nein. Sie war gerührt. Du irreſt Dich. Gewiß war ſie gerührt.
Da wird es Nacht vor meinen Sinnen! Nichts — Nichts — Kein Ausweg — Keine Hülfe — keine im ganzen Umkreis der Natur! Verzweiflung macht mich zur Furie, zum Thier — ich ſetze den Dolch auf eines Weibes Bruſt — Doch jetzt — jetzt fällt ein Sonnenſtrahl in meine Seele. Karl — ein Gedanke, groß und kühn — zu Deiner Errettung durch ein Wunder mir geſendet! „ Wenn ich den König irrte? Wenn es mir gelänge, ſelbſt der Schuldige zu ſcheinen? Wahrſcheinlich oder nicht! — für ihn genug, ſcheinbar genug für König Philipp, weil es übel iſt! Es ſei! ich will es wagen. Vielleicht ein Donner, der ſo unverhofft ihn trifft, macht den Tirannen ſtutzen — und was will ich mehr? Er überlegt, und Karl hat Zeit gewonnen, nach Brabant zu flüch - ten. “
Und das — das hätteſt Du gethan?
Ich ſchreibe an Wilhelm von Oranien, daß ich die Königinn geliebt, daß mir’s gelungen, in dem Verdacht, der fälſchlich Dich gedrückt, des Königs Argwohn zu entgehn — daß ich durch den Monarchen ſelbſt den Weg gefun - den, der Königinn mich frei zu nah’n. Ich ſetze hinzu, daß ich entdeckt zu ſein beſorge, daß Du, von meiner Leidenſchaft belehrt, zur Fürſtinn Eboli geeilt, vielleicht durch ihre Hand die Königinn zu warnen — daß ich Dich hier gefangen nahm, und nun, weil alles doch verloren, Willens ſei, nach Brüſſel mich zu werfen — — — Die - ſen Brief —
Haſt Du der Poſt doch nicht vertraut? Du weißt, daß alle Briefe nach Brabant und Flan - dern —
Dem König ausgeliefert werden — — Wie die Sachen ſtehn, hat Taxis ſeine Pflicht bereits gethan.
Gott! So bin ich verloren.
Du? Warum Du?
Unglücklicher, und Du biſt mit verloren. Dieſen ungeheuern Betrug kann Dir mein Vater nicht vergeben. Nein! Den vergibt er nimmermehr?
Betrug? Du biſt zerſtreut. Beſinne Dich. Wer ſagt ihm, daß es Betrug geweſen?
Wer, fragſt Du? Ich ſelbſt.
Du raſeſt. Bleib zurück.
Weg! Weg! Um Gottes willen. Halte mich nicht auf. Indem ich hier verweile, dingt er ſchon die Mörder.
Deſto edler iſt die Zeit. Wir haben uns noch viel zu ſagen.
Was? Eh’ er noch alles —
Höre Karlos — War ich auch ſo eilig, ſo gewiſſenhaft, da Du für mich geblutet haſt — ein Knabe?
O gute Vorſicht!
Rette Dich für Flandern! Das Königreich iſt Dein Beruf. Für Dich zu ſterben war der meinige.
Nein! Nein! Er wird — er kann nicht widerſtehn! So vieler Erhabenheit nicht widerſtehn! — Ich will Dich zu ihm führen. Arm in Arme wollen wir zu ihm gehen. Vater, will ich ſagen, das hat ein Freund für ſeinen Freund gethan. Es wird ihn rühren. Glaube mir: er iſt nicht ohne Menſchlichkeit, mein Vater. Ja! Gewiß! es wird ihn rühren. Seine Augen werden von warmen Thränen übergehn, und Dir und mir wird er verzeihen —
Ha! Wem galt das?
Ich glaube — mir.
O himmliſche Barmherzigkeit!
Er iſt geſchwind — der König — Ich hoffte — länger — Denk’ auf Deine Ret - tung — Hörſt Du? — auf Deine Rettung — Dei - ne Mutter weiß alles — ich kann nicht mehr —
Deine Bitte hat Statt gefunden, mein Infant. Hier bin ich, ich ſelbſt, mit allen Großen meines Reichs, Dir Freiheit anzukündigen.
Empfange Dein Schwert zurück. Man hat zu raſch verfahren.
Mein Sohn iſt nicht an ſeinem Platz. Steh auf. Komm in die Arme Deines Vaters.
Dein Geruch iſt Mord. Ich kann Dich nicht um - armen.
Nein! Steht nicht ſo betroffen da! Was hab’ ich ungeheures denn gethan? Des Himmels Geſalbten angetaſtet? Fürchtet nichts. Ich lege keine Hand an ihn. Seht ihr das Brandmahl nicht an ſeiner Stirne? Gott hat ihn gezeichnet.
Folgt mir, meine Granden.
Wohin? Nicht von der Stelle, Sire —
Das Schwert gezückt auf Deinen Vater?
Königsmord!
Steckt Eure Schwerter ein. Was wollt Ihr? Glaubt Ihr, ich ſei raſend? Nein, ich bin nicht ra - ſend. Wär’ ich’s, ſo thatet Ihr nicht gut, mich zu erinnern, daß auf meines Schwertes Spitze ſein Leben ſchwebt.
Ich bitte, haltet Euch, entfernt. Verfaſſungen, wie meine, wollen geſchmeichelt ſein — drum bleibt zurück. Was ich mit dieſem König abzumachen habe, geht Euern Leheneid nichts an. Seht nur443Fünfter Akt.wie ſeine Finger bluten! Seht ihn recht an! Seht Ihr? O ſeht auch hieher — Das hat er gethan, der große Künſtler!
Tretet alle zurück. Wovor erzittert Ihr? — Sind wir nicht Sohn und Vater? Ich will doch er - warten, zu welcher Schandthat die Natur —
Natur? Ich weiß von keiner. Mord iſt jetzt die Lo - ſung. Der Menſchheit Bande ſind entzwei. Du ſelbſt haſt ſie zerriſſen, Sire, in Deinen Reichen. Soll ich verehren was Du höhnſt? — O ſeht! Seht hieher! Es iſt noch kein Mord geſchehen als heute — Gibt es keinen Gott? Was? Dürfen in ſeiner Schöpfung Könige, ſo hauſen? 444Dom Karlos.Ich frage, gibt es keinen Gott? So lange Mütter geboren haben, iſt nur Einer — Einer ſo unverdient geſtorben — Weißt Du auch, was Du gethan haſt? Nein, er weiß es nicht, weiß nicht, daß er ein Leben hat geſtohlen aus dieſer Welt, das wichtiger und edler und theurer war, als er mit ſeinem ganzen Jahrhundert. Ein gemeiner Bettler, der ein Heiligthum erbrach und eine Perle draus ſtahl — um zwei Realen zu verdienen! So heillos mußteſt du dahin! — O es iſt ſchrecklich!
Wenn ich allzuraſch geweſen, geziemt es Dir, für den ich es geweſen, mich zur Verantwortung zu ziehen?
Wie? Iſt’s möglich? Sie errathen nicht? er - rathen noch nicht, wer mir der Todte war? So arm iſt die Vernunft bei einem armen Herzen! Der Todte — O ſagt Ihr es ihm — helft ſeiner445Fünfter Akt.Allwiſſenheit das ſchwere Räthſel löſen. Der Todte war mein Freund.
Und wollt Ihr wiſſen, warum er ſtarb? Für mich iſt er geſtorben.
Ha! meine Ahndung!
Blutender, vergib, daß ich vor ſolchen Ohren es entweihe! Doch dieſer große Menſchenkenner ſinke für Scham dahin, daß ſeine graue Weisheit der Scharfſinn eines Jünglings überliſtet. Ja, Sire! Wir waren Brüder! Brüder durch ein edler Band, als die Natur es ſchmiedet. Sein ſchöner Lebenslauf war Liebe. Liebe für mich ſein großer, ſchöner Tod. Mein war er, als Sie mit ſeiner Achtung groß gethan, als ſeine ſcherzende Beredſamkeit mit Ihrem ſtolzen Rieſengeiſte ſpielte. Ihn zu beherrſchen wähnten Sie — und wa - ren ein folgſam Werkzeug ſeiner höhern Plane. 446Dom Karlos.Daß ich gefangen bin, war ſeiner Freundſchaft durchdachtes Werk. Mich zu erretten, ſchrieb er an Oranien den Brief — O Gott! er war die erſte Lüge ſeines Lebens! Mich zu erretten, warf er ſich dem Tod, den er erlitten hat, entgegen. Sie beſchenkten ihn mit Ihrer Gunſt — er ſtarb für mich! — Ihr Herz, Ihr königlich Vertrauen — Ihre Freundſchaft drangen Sie ihm auf, Ihr Zepter war das Spielwerk ſeiner Hände, er warf es hin, und ſtarb für mich!
Und war es möglich? Dieſer groben Lüge konnten Sie Glauben ſchenken? Wie gering’ mußt’ er Sie ſchätzen, da er’s unternahm, bei Ihnen mit dieſem plumpen Gaukelſpiel zu reichen! Um ſeine Freundſchaft wagten Sie zu buhlen, und unterlagen dieſer leichten Probe! O nein — nein, das war nichts für Sie. Das war kein Menſch für Sie! Das wußt’ er ſelbſt recht gut, als er mit allen Kronen Sie verſtoßen. 447Fünfter Akt.Dieß feine Saitenſpiel zerbrach in Ihrer metallnen Hand. Sie konnten nichts, als ihn ermorden.
Sire — nicht dieſe Todtenſtille. Sehen Sie um Sich. Reden Sie mit uns.
Sie waren ihm nicht gleichgültig. Seinen Antheil hatten Sie längſt. Vielleicht! Er hätte Sie noch glücklich gemacht. Sein Herz war reich genug, Sie ſelbſt von ſeinem Überfluſſe zu vergnügen. Die Splitter ſeines Geiſtes hätten Sie zum Gott gemacht. Sich ſelber haben Sie beſtohlen — O der königlichen Dummheit, die ſo viel göttliches zerſtört! Was werden Sie bieten, eine Seele zu erſtatten, wie dieſe war? Und könnten Sie noch einmal die Blüthenzeit des Lebens wiederhohlen, ja, könnten Sie, das unerbittliche448Dom Karlos.Geſetz der Sterblichkeit beſtechen, mit der Weltgeſchichte altern, Ihre Krone bis zu der großen Auferſtehung tragen — Umſonſt! Vergebens! Sie erſchwingen keinen Gedanken, keinen, wie der ſchlechteſte in dieſem blutenden Gehirne. Das erſchafft in ihrem langen Greiſenalter nur Einmal die Natur — und hier — hier —
Heiland der Welt! Da liegt er todt zu meinen Füßen.
O die ihr hier verſammelt ſteht, und vor Ent - ſetzen und vor Bewunderung verſtummt — ver - dammet den Jüngling nicht, der dieſe Sprache gegen den Vater und den König führt — Seht hieher! Für mich iſt er geſtorben! Habt Ihr Thränen? Fließt Blut, nicht glühend Erz, in Euern Adern? Seht hieher und verdammt mich nicht.
Vielleicht erwarten Sie, wie dieſe unnatürliche Ge - ſchichte ſich enden wird? — Hier iſt mein Schwert. Sie ſind mein König wieder. Denken Sie, daß ich vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie mich auch, wie Sie den Edelſten gemordet. Mein Leben iſt verwirkt. Ich weiß. Was iſt mir jetzt das Leben? Hier entſag’ ich allem, was mich auf dieſer Welt erwartet. Suchen Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn — Da liegen meine Reiche —
Nun? Will niemand antworten? — Jeder Blick am Boden — jedes Geſicht verhüllt! — Mein Urtheil iſt ge - ſprochen. In dieſen ſtummen Mienen leſ’ ich es450Dom Karlos.verkündigt. Meine Unterthanen haben mich gerichtet.
Warlich! Das iſt Sturm!
So fürcht’ ich.
Iſt das nicht Sturm?
Sturm! Sturm von allen Thürmen!
Man dringt herauf. Man kommt.
Rebellion! Wo iſt der König?
Ganz Madrid in Waffen! Zu Tauſenden umringt der wüthende Soldat, der Pöbel den Pallaſt. Prinz Karlos, verbreitet man, ſei in Verhaft genommen, ſein Leben in Gefahr. Das Volk will ihn lebendig ſehen oder ganz Madrid in Flammen aufgehn laſſen.
Rettet! Rettet den König!
Flüchten Sie Sich, Sire — Es hat452Dom Karlos.Gefahr — Noch wiſſen wir nicht, wer den Pöbel waffnet —
Durch die Souterrains hinunter nach Aranjuez —
Sie geben uns nichts zur Antwort — Sire — Rebel - lion — Rebellion — Sie ſchweigen.
Steht mein Thron noch? Bin ich noch König dieſes Landes? — Nein. Ich bin es nicht mehr. Dieſe Memmen weinen, von einem Knaben weich gemacht. Man wartet nur auf die Loſung, von mir abzufallen. Ich bin verrathen von Rebellen.
Sire, welch fürchterliche Phantaſie!
Dorthin! Dort werft Euch nieder! Vor dem blühenden, dem jungen König werft Euch nieder — Ich bin nichts mehr — ein ohnmächt’ger Greis!
Dahin iſt es gekommen!
Spanier!
Bekleidet ihn mit dem königlichen Schmuck — Auf meiner zertretnen Leiche tragt ihn —
Hülfe! Gott!
Gott! welcher Zufall!
Er iſt von ſich — Jetzt!
Nur eine Ohnmacht — Keinen Laut — Dort unten. Bei Eurem Leben! athmet es nicht weiter.
Rebellion im Herzen ſeiner Hauptſtadt, und ohne Oberhaupt das Reich!
Wer ſagt das?
Bringen Sie ihn zu Bette. Unterdeſſen geb’ ich Madrid den Frieden.
Ich komme von Ihrer Majeſtät der Königinn.
Mein Name iſt Merkado — Ich bin Leib - arzt bei Ihrer Majeſtät — und hier iſt meine Beglaubigung.
Die Königinn wünſcht ſehr Sie heute noch zu ſprechen — wichtige Geſchäfte —
Wichtig iſt mir nichts mehr auf dieſer Welt.
Ein Auftrag, ſagte ſie, den Marquis Poſa hinterlaſſen —
Was? Sogleich.
Nein! Jetzt nicht, gnäd’ger Prinz. Sie müſſen die Nacht erwarten. Jeder Zugang iſt beſetzt und alle Wachen dort verdoppelt. Unmöglich iſt es, dieſen Flügel des Pallaſtes ungeſehen zu betreten. Sie würden alles wagen —
Aber —
Nur Ein Mittel, Prinz, iſt höchſtens noch vorhan - den — Die Königinn hat es erdacht. Sie legt es Ihnen vor — Doch es iſt kühn und ſelt - ſam und abentheuerlich.
Das iſt?
Schon längſt geht eine Sage, wie Sie wiſſen, daß um Mitternacht in den gewölbten Gängen der königlichen Burg, in Mönchsgeſtalt, der abgeſchiedne Geiſt des Kaiſers wandle. Der Pöbel glaubt an dieß Gerücht, die Wachen beziehen nur mit Schauer dieſen Poſten. Wenn Sie entſchloſſen ſind, Sich dieſer Verkleidung zu bedienen, können Sie durch alle Wachen frei und unverſehrt bis zum Gemach der Königinn gelangen, das dieſer Schlüſſel öffnen wird. Vor jedem Angriff ſchützt Sie die heilige Geſtalt. Doch aufG g 2458Dom Karlos.der Stelle, Prinz, muß Ihr Entſchluß gefaßt ſein, Das nöth’ge Kleid, die Maſke, finden Sie in Ihrem Zimmer. Ich muß eilen, Ihrer Majeſtät Antwort zu bringen.
Und die Zeit?
Die Zeit iſt zwölf Uhr.
Sagen Sie ihr, daß ſie mich erwarten könne.
Retten Sie Sich, Prinz. Der König wüthet gegen Sie. Ein Anſchlag auf Ihre Freiheit — wo nicht auf Ihr Leben. Befragen Sie mich weiter nicht. Ich habe mich weggeſtohlen, Sie zu warnen. Fliehen Sie ohne Aufſchub. Noch iſt’s Zeit. Bald dürft’ es zu ſpät ſein.
Ich bin in den Händen der Allmacht.
Wie die Königinn mich eben hat merken laſſen, ſollen Sie noch heute Madrid verlaſſen und nach Brüſſel flüchten. Verſchieben Sie es nicht, ja nicht! Der Aufruhr begünſtigt Ihre Flucht. In dieſer Abſicht hat ihn die Königinn veranlaßt. Jetzt wird man ſich nicht erkühnen, gegen Sie460Dom Karlos.Gewalt zu brauchen. Im Karthäuſerkloſter erwartet Sie die Poſt, und hier ſind Waffen, wenn Sie gezwungen ſollten ſein —
Ich bin Ihr dankbarer Schuldner, Graf von Lerma.
Reiſen Sie glücklich — Ihre heutige Geſchichte hat mich im Innerſten gerührt. So liebt kein Freund mehr! Alle Patrioten weinen um Sie. Mehr darf ich jetzt nicht ſagen.
Graf von Lerma! Dieſer Abgeſchiedne nannte Sie einen edlen Mann.
Noch einmal! Reiſen Sie glücklich. Schön’re Zeiten werden kommen; dann aber werd’ ich nicht mehr ſein. Empfan - gen Sie meine Huldigung ſchon hier.
Nicht alſo — Nicht alſo, Graf — Sie rühren mich — Ich möchte nicht gerne weich ſein —
König meiner Kinder! O meine Kinder werden ſterben dürfen für Sie. Ich darf es nicht. Erinnern Sie Sich meiner in meinen Kindern — Kehren Sie in Frie - den nach Spanien zurücke. Seien Sie ein Menſch auf König Philipps Thron. Sie haben auch Leiden kennen lernen. Unternehmen Sie nichts blut’ges gegen Ihren Vater! Ja nichts blutiges, mein Prinz! Philipp der zweite zwang Ihren Ältervater von dem Thron zu ſteigen — Dieſer Philipp zittert heute vor ſeinem eignen Sohn! Daran gedenken Sie, Prinz — und ſo geleite Sie der Him - mel!
462Dom Karlos.Die Stadt iſt ruhig. Wie verließen Sie den König?
In[der]fürchterlichſten Laune. Er hat ſich eingeſchloſſen. Was ſich auch ereignen würde, keinen Menſchen will er vor ſich laſſen. Die Verrätherei des Marquis hat auf einmal ſeine ganze463Fünfter Akt. Natur verändert. Wir erkennen ihn nicht mehr.
Ich muß zu ihm. Ich kann ihn dießmal nicht ſchonen. Eine wichtige Entdeckung, die eben jetzt gemacht wird —
Eine neue Entdeckung.
Ein Karthäuſermönch, der in des Prinzen Zimmer heimlich ſich geſtohlen, und mit verdächt’ger Wißbegier den Tod des Marquis Poſa ſich erzählen laſſen, fällt meinen Wachen auf. Man hält ihn an. Man unterſucht. Die Angſt des Todes preßt ihm ein Geſtändniß aus, daß er Papiere von großem Werthe bei ſich trage, die ihm der Verſtorbne anbefohlen, in des Prinzen Hand zu übergeben — wenn er ſich vor Sonnenuntergang nicht mehr ihm zeigen würde.
Nun?
Die Briefe lauten, daß Karlos binnen Mitternacht und Morgen Madrid verlaſſen ſoll.
Was?
Daß ein Schiff in Cadix ſegelfertig liege, ihn nach Vliſſingen zu bringen — daß die Staa - ten der Niederlande ſeiner nur erwarten, die Span’ſche Ketten abzuwerfen.
Ha! Was iſt das?
Andre Briefe melden, daß eine Flotte Solimans bereits von Rhodus ausgelaufen — den Monarchen von Spanien, laut des geſchloßnen Bundes, im mittelländ’ſchen Meere anzugreifen.
Iſt’s möglich?
Eben dieſe Briefe lehren die Reiſen mich verſtehn, die der Maltheſer durch ganz Europa jüngſt gethan. Es galt nichts kleineres, als alle nord’ſchen Mächte für der Flamänder Freiheit zu bewaffnen.
Das war er!
Dieſen Briefen endlich folgt ein ausgeführter Plan des ganzen Krieges, der von der Span’ſchen Monarchie auf immer die Niederlande trennen ſoll. Nichts, nichts iſt überſehen, Kraft und Widerſtand berechnet, alle Quellen, alle Kräfte des Landes pünktlich angegeben, alle Maximen, welche zu befolgen, alle Bündniſſe, die zu ſchließen. Der Entwurf iſt teufliſch, aber warlich — göttlich.
Welch undurchdringlicher Verräther!
Noch beruft man ſich in dieſem Brief auf eine466Dom Karlos. geheime Unterredung, die der Prinz am Abend ſeiner Flucht mit ſeiner Mutter zu Stande bringen ſollte.
Wie? Das wäre ja heute.
Dieſe Mitternacht. Auch hab’ ich für dieſen Fall Befehle ſchon gegeben. Sie ſehen, daß es dringend iſt. Wir dürfen auch keinen Augenblick verlieren.
Wo aber iſt der Prinz? Wird keine Anſtalt noch getrof - fen, ſich ſeiner zu verſichern?
Haben Sie etwa —
Ich? Nein.
Und iſt der König außer Gefahr, ſo lange dieſer Raſende noch frei umher geht, ſeiner Waffen mächtig?
Ich dringe in das Kabinet.
Umſonſt. Die Thüren ſind verſchloſſen.
Ich erbreche ſie — Die wachſende Gefahr rechtfertigt dieſe Majeſtätsverletzung. Der König muß gerettet ſein.
Gib dieſen Todten mir heraus. Ich muß ihn wieder haben.
Reden Sie ihn an.
Er dachte klein von mir und ſtarb. Ich muß ihn wieder haben. Er muß anders von mir denken.
Sire —
Wer redet hier?
Hat man vergeſſen wer ich bin? Warum nicht auf den Knieen vor mir, Kreatur? Noch bin ich König. Unterwerfung will ich ſehen. Setzt alles mich hintan, weil Einer mich verachtet hat?
Vergeſſen Sie jetzt dieſen Nichtswürd’gen, Sire —
Nichtswürdigen! Wie heißt der Raſende, der ſolche Läſt’rung ſich erlauben darf — Nichtswürdigen! Bei mei - ner Unſterblichkeit! Es wär’ Euch leichter, ohne Sünde zu ſterben, als zu dieſer Nichtswürdigkeit empor zu ſteigen.
Gönnen Sie uns Gehör, mein gnädigſter Gebieter. Ein neuer Feind, bedeutender als dieſer, ſteht auf im Herzen Ihres Reichs —
Prinz Karlos —
Er hatte einen Freund, der in den Tod gegangen iſt für ihn — für ihn! Mit mir hätt’ er ein Königreich getheilt! — O Scham! Scham! Furie der Knechte! Auch die Wangen der Könige befleckt Dein ſchimpflich Feuer! Für einen Knaben aufgeopfert — Mitten in meinem Königreich verſchmäht! Wie ein gemeiner Menſch, ein Überläſtiger aus dieſem Bund geſtoßen — Das ſind Menſchen für mich!
Erkennen Sie uns nicht mehr, Sire? Nicht Ihre treuen Diener mehr?
Wie er auf mich herunterſah! So ſtolz ſieht man von Thronen nicht herunter. War’s nicht ſicht - bar, wie viel er ſich mit der Erobrung wußte? Was er verlor, geſtand ſein Schmerz. So wird um nichts vergängliches geweint — um kein Phantom zwei Leben weggeſchleudert, zweimal mein Diadem verſchmäht. Er wußte, was er verlor. Ich glaub’ es ihm, vergeb’ es ihm, daß ihn der Muth verließ, dieß Schickſal auf einem Throne zu verſchmertzen.
Herzog, wir dürfen länger nicht —
Daß er noch lebte! Ich gäb’ ein Indien dafür. Troſtloſe All - macht,H h472Dom Karlos. die nicht einmal in Gräber ihren Arm verlängern, eine kleine Übereilung mit Menſchenleben nicht verbeſſern kann! Die Todten ſtehen nicht mehr auf. Wer darf mir ſagen, daß ich glücklich bin? Seht nun, wie Eure Lügen mich verlaſſen. Füllt mein Ohr mit Eures Lobes Glockenſpiel, laßt Eurer Bewunderung Maſchinenwerke ſpielen, lügt mich zum Gott und betet an. Weiß ich nicht längſt, wie meine Spiegel wiederge - ben? Euch hab’ ich. Ihr ſeid mir gewiß. Im Grabe wohnt einer, der mir Achtung vorenthalten. Was gehn die Lebenden mich an? Ein Geiſt, Ein freier Mann ſtand auf in dieſem gan - zen Jahrhundert — Einer — Er verachtet mich und ſtirbt.
So lebten wir umſonſt! — Laßt uns zu Grabe gehen, Spanier. Auch noch im Tode raubt uns dieſer Menſch das Herz des Königs!
Wär’ er mir alſo geſtorben! Ich hab’ ihn lieb gehabt, ſehr lieb. Er war mir theuer wie ein Sohn. In dieſem Jüng - ling ging mir ein neuer, ſchönrer Morgen auf. Wer weiß, was ich ihm aufbehalten. Er war meine erſte Liebe. Ganz Europa verfluche mich! Europa mag mir fluchen. Von dieſem hab’ ich Dank verdient.
Durch welche Bezauberung —
Und wem bracht’ er dieß Opfer? Dem Knaben meinem Sohne? Nimmer - mehr. Ich glaub’ es nicht. Für einen Knaben ſtirbt ein Poſa nicht. Der Freundſchaft arme Flamme füllt eines Poſa Herz nicht aus. Das ſchlug der ganzen Menſchheit. Seine Neigung warH h 2474Dom Karlos. die Welt mit allen kommenden Geſchlechtern. Sie zu vergnügen fand er einen Thron — und geht vorüber? Dieſen Hochverrath an ſeiner Menſchheit ſollte Poſa ſich vergeben? Nein. Ich kenn’ ihn beſſer. Nicht den Philipp opfert er dem Karlos, nur den alten Mann dem Jüngling ſeinem Schü - ler. Des Vaters untergeh’nde Sonne lohnt das neue Tagwerk nicht mehr. Das verſpart man dem nahen Aufgang ſeines Sohns — O es iſt klar und helle. Iſt es nicht? — Auf meinen Hintritt wird gewartet.
Leſen Sie die Bekräftigung in dieſen Briefen.
Er könnte ſich verrechnet haben. Noch, noch bin ich. Habe Dank, Natur. Ich fühle in meinen Sehnen Jünglingskraft.
Ich will ihn zum Gelächter machen. Seine Tugend475Fünfter Akt. ſei eines Träumers Hirngeſpinſt geweſen. Er ſei geſtorben als ein Thor. Sein Sturz erdrücke ſeinen Freund und ſein Jahrhun - dert! Laß ſehen, wie man mich entbehrt. Die Welt iſt noch auf einen Abend mein. Ich will ihn nützen dieſen Abend, daß nach mir kein Pflanzer mehr in zehen Menſchenaltern auf dieſer Brandſtatt ärnten ſoll.
Er brachte der Menſchheit, ſeinem Götzen, mich zum Opfer. Die Menſchheit büße mir für ihn! — Und jetzt — Mit ſeiner Puppe fang’ ich an.
Was war’s mit dem Infanten? Wiederhohlt es mir. Was lehren mich dieſe Briefe?
Dieſe Briefe, Sire, enthalten die Verlaſſenſchaft des Marquis von Poſa an Prinz Karl.
Man ſende zum Großinquiſitor Kardinal. Ich laß’ ihn bitten, eine Stunde mir zu ſchenken.
In dieſer Nacht alſo?
Schlag zwei Uhr ſoll die Poſt vor dem Karthäuſerkloſter halten.
Und Leute, die ich ausgeſendet, ſahen verſchiednes Reiſ’geräthe, an dem Wappen der Krone kenntlich, nach dem Kloſter tragen.
Auch, ſagt man, ſollen große Summen auf den Namen477Fünfter Akt. der Königinn bei Mauriſchen Agenten betrieben worden ſein, in Brüſſel zu erheben.
Wo verließ man den Infanten?
Beim Leichnam des Maltheſers.
Den er jetzt für ein Geſchäft, das dringender iſt, möchte verlaſſen haben —
Iſt noch Licht in ihrem Pavillon?
Dort iſt alles ſtill. Auch hat ſie ihre Kammerfrauen zeitiger, als ſonſten zu geſchehen pflegt, entlaſſen. Die Herzoginn von Arkos, die zuletzt aus ihrem Zimmer ging, verließ ſie ſchon in tiefem Schlafe.
478Dom Karlos.Sonderbar!
Was gibt es?
Eine Nachricht, Sire, die kaum zu glauben iſt —
Zween Schweizer, die ſo eben von ihrem Poſten kommen, melden — Es iſt lächerlich es nachzuſagen.
Nun?
Daß in dem linken Flügel des Pallaſts der Geiſt des Kaiſers ſich erblicken laſſen479Fünfter Akt. und mit beherztem, feierlichen Schritt an ih - nen vorbei gegangen. Eben dieſe Nachricht bekräft’gen alle Wachen, die durch dieſen Pavillon verbreitet ſtehn, und ſetzen hinzu, daß die Erſcheinung in den Zimmern der Königinn verſchwunden.
Ein Betrug kann hier nicht unterlaufen.
Und in welcher Geſtalt erſchien er?
In dem nämlichen Gewand, das er zum letztenmal in Juſti als Hieronymitermönch getragen.
Als Mönch? Und alſo haben ihn die Wachen im Leben noch gekannt? denn woher wußten ſie ſonſt, daß es der Kaiſer war?
Daß es der Kaiſer müſſe ſein, bewies das Zepter, das er in Händen trug.
Auch will man ihn ſchon öfters, wie die Sage geht, in dieſer Geſtalt geſehen haben.
Angeredet hat ihn niemand?
Niemand unterſtand ſich. Die Soldaten ſprachen ihr Gebet und ließen ihn ehrerbietig mitten durch.
Und in den Zimmern der Königinn verlor ſich die Erſcheinung?
Im Vorgemach der Königinn.
Wie ſagt Ihr?
Sire — wir ſind ſtumm.
Laßt meine Garden unter die Waffen treten und jedweden Zugang zu dieſem Flügel ſperren. Ich bin lüſtern, ein Wort mit dieſem Geiſt zu reden.
Der Großinquiſitor, Sire —
Verlaßt uns.
Steh’ ich vor dem König?
Ja.
Ich war mir’s nicht mehr vermuthend.
Ich erneure einen Auftritt vergangner Jahre. Philipp der Infant hohlt Rath bei ſeinem Lehrer.
Rath bedurfte mein Zögling Karl ihr großer Vater niemals.
Um ſo viel glücklicher war er. Ich habe Sie bitten laſſen, weil ich Ihren Beiſtand erborgen muß.
Der Kirche oder meinen?
Der Kirche Arm und Ihren Geiſt.
Ich habe gemordet, Kardinal, und keine Ruhe —
Weßwegen haben Sie gemordet?
Ein Betrug, der ohne Beiſpiel iſt —
Ich weiß ihn.
Was wiſſen Sie? Durch wen? Seit wann?
Seit Jahren, was Sie ſeit Sonnenuntergang.
Sie haben von dieſem Menſchen ſchon gewußt?
Sein Leben liegt angefangen und beſchloſſen in der Santa Caſa heiligen Regiſtern.
Und er ging frei herum!
Das Seil, an dem er flatterte, war lang, doch unzerreißbar.
Er war ſchon außer meines Reiches Gränzen.
Wo er ſein mochte, war ich auch.
Man wußte, in weſſen Hand ich war — Warum verſäumte man, mich zu warnen?
Dieſe Frage geb’ ich zurücke — Warum fragten Sie nicht an, da Sie in dieſes Menſchen Arm Sich war - fen? Sie kannten ihn! Ein Blick entlarvte Ihnen den Ketzer — Was vermochte Sie, dieß Opfer dem heil’gen Amt zu unterſchlagen? Spielt486Dom Karlos.man ſo mit uns? Wenn ſich die Majeſtät zur Hehlerinn erniedrigt — Könige zweizüngeln — hinter unſerm Rücken mit unſern ſchlimmſten Feinden ſich verſtehen, was wird mit uns? Wenn Einer Gnade finden darf — Warum wurden dreimal hundert tau - ſend geopfert?
Er iſt auch geopfert.
Nein! Er iſt ermordet — Ruhmlos! Liederlich! — Das Blut, das unſrer Ehre glorreich fließen ſollte, hat eines Bravo Hand verſpritzt — Der Menſch war unſer — Was berechtigt Sie des Ordens heil’ge Güter anzutaſten? Durch uns zu ſterben war er da. Ihn ſchenkte der Nothdurft dieſes Zeitenlaufes Gott, in ſeines Geiſtes feierlicher Schändung487Fünfter Akt.die prahlende Vernunft zur Schau zu führen. Ihn hätten wir — auf langer Seelenfolter zur Mißgeburt verzerrt — dem ſchaudernden Gelächter ſeiner Rotte vorgewieſen. Das war mein überlegter Plan. Nun liegt ſie hingeſtreckt, die Arbeit vieler Jahre! Wir ſind beſtohlen, und Sie haben nichts, als blut’ge Hände.
Leidenſchaft riß mich dahin. Vergib mir.
Leidenſchaft! — Antwortet mir Philipp der Infant? Bin ich allein zum alten Mann geworden? — Leidenſchaft!
Gib die Gewiſſen frei in Deinen Reichen, wenn Du in Deinen Ketten gehſt.
Ich bin in dieſen Dingen noch ein Neuling. Habe Geduld mit mir.
Nein! Ich bin nicht mit Ihnen zufrieden — Ihren ganzen vorigen Regentenlauf zu läſtern! Wo war damals der Philipp, deſſen feſte Seele wie der Angelſtern am Himmel unverändert und ewig um ſich ſelber treibt? War eine ganze Vergangenheit verſunken hinter Ihnen? War in dem Augenblick die Welt nicht mehr die nämliche, da Sie die Hand ihm boten? Gift nicht mehr Gift? War zwiſchen Gut und Übel und Wahr und Falſch die Scheidewand gefal - len? Was iſt ein Vorſatz? Was Beſtändigkeit? Was Männertreue, wenn in einer lauen Minute eine ſechzigjähr’ge Regel wie eines Weibes Laune ſchmilzt?
Ich ſah in ſeine Augen — Halten Sie mir dieſen Rückfall in die Sterblichkeit zu gut. Die Welt hat einen Zugang weniger zu Ihnen. Ihre Augen ſind erloſchen.
Was ſollte Ihnen dieſer Menſch? Was konnte er neues Ihnen vorzuzeigen haben, worauf Sie nicht bereitet waren? Kennen Sie Schwärmerſinn und Neuerung ſo wenig? Der Weltverbeßrer prahleriſche Sprache klang Ihrem Ohr ſo ungewohnt? Wenn das Gebäude Ihrer Überzeugung ſchon von Worten fällt — mit welcher Stirne, muß ich fragen, ſchrieben Sie das Bluturtheil der hunderttauſend ſchwachen Seelen, die den Holzſtoß für nichts ſchlimmeres beſtiegen?
Mich gelüſtete nach einem Menſchen. Dieſe Domingo, die man fälſchlich mir dafür verkaufte —
Wozu Menſchen? Menſchen ſind für Sie nur Zahlen, weiter nichts. Muß ich die Elemente der Monarchenkunſt mit meinem grauen Schüler überhören? 490Dom Karlos.Der Erde Gott verlerne zu bedürfen, was ihm verweigert werden kann? — Wenn Sie um Mitgefühle wimmern, haben Sie der Welt nicht Ihres Gleichen zugeſtanden? Und welche Rechte, möcht’ ich wiſſen, haben Sie aufzuweiſen über Ihres Gleichen?
Ich bin ein kleiner Menſch, ich[f]ühl’s — Du forderſt von dem Geſchöpf, was nur der Schöpfer leiſtet.
Nein, Sire. Mich hintergeht man nicht. Sie ſind durchſchaut — Uns wollten Sie entfliehen. Des Ordens ſchwere Ketten drückten Sie; Sie wollten frei und einzig ſein.
Wir ſind gerochen — Danken Sie der Kirche,491Fünfter Akt.die ſich begnügt, als Mutter Sie zu ſtra - fen. Die Wahl, die man Sie blindlings treffen laſſen, war Ihre Züchtigung. Sie ſind belehrt. Jetzt kehren Sie zu uns zurücke — Stünd’ ich heute nicht vor Ihnen — beim lebend’gen Gott! Sie wären morgen ſo vor mir geſtanden.
Mäßige Dich, Prieſter. Ich duld’ es nicht. Ich kann nicht alſo mit mir ſprechen hören.
Warum rufen Sie den Schatten Samuels herauf? — Ich gab zwei Könige dem Span’ſchen Thron, und hoffte mein Tagwerk nun gethan. Umſonſt ge - lebt zu haben, ſchmertzt an des Jahrhunderts Neige. Verzeihung, Sire — Und jetzt — Wozu bin ich492Dom Karlos.gerufen? Meine Zeit iſt edel. Die Minute ſteigt bei Neunzigern im Preiſe. Was ſoll ich hier? — Ich bin nicht Wil - lens, dieſen Beſuch zu wiederhohlen.
Eine Arbeit! Die letzte noch — dann überlaß’ ich Dich dem ſtärkern Schickſal. Alſo Friede ſei geſchloſſen zwiſchen Dir und mir. Vorbei ſei das Vergangene. Wir ſind verſöhnt?
Wenn Philipp ſich in Demuth beugt.
Mein Sohn iſt Hochverraths verdächtig.
Was beſchließen Sie?
Alles oder nichts.
Was heißt hier alles?
Ich laß’ ihn fliehen, wenn ich ihn nicht ſterben laſſen kann.
Nun?
Können Sie einen neuen Glauben mir erdenken, der Kindermord des Gräßlichen entkleidet?
Die ewige Gerechtigkeit zu ſühnen, ſtarb an dem Holze Gottes Sohn.
Sie wollen durch ganz Europa dieſe Lehre pflanzen?
So weit, als man das Kreuz verehrt.
Ich gehe in Kampf mit der beleidigten Natur. Auch dieſen Richterſtuhl getrauen Sie Sich zu beſtechen?
Vor dem Glauben gilt keine Stimme der Natur.
Ich lege mein Richteramt in Ihre Hände — Kann ich ganz zurücke treten?
Geben Sie ihn mir.
Es iſt mein einz’ger Sohn — Wem hab’ich geſammelt?
Der Verweſung lieber, als der Freiheit.
Wir ſind einig. Kommen Sie.
Wohin?
Aus meiner Hand das Opfer zu empfangen.
Eliſabeth!
So ſehen wir uns wieder!
So ſehen wir uns wieder!
Stehn Sie auf. Wir wollen einander nicht erweichen, Karl. Nicht durch ohnmächt’ge Thränen will der große Todte gefeiert werden. Thränen mögen fließen für klein’re Leiden! — Er hat ſich geopfert für Sie! Mit ſeinem theuren Leben hat er das Ihrige erkauft — Sie fühlen den Werth, den er durch dieſes Opfer auf das Ihrige gelegt! — Und dieſes Blut wär’ einem Hirngeſpinſt gefloſſen? — Kar - los! Ich ſelber habe gut geſagt für Sie. Auf meine Bürgſchaft ſchied er freudiger von hinnen. Werden Sie zur Lügnerinn mich machen?
Einen Leichenſtein will ich ihm ſetzen, wie noch keinem Könige zu Theil geworden — Über ſeiner Aſche blühe ein Paradies!
So hab’ ich Sie gewollt! Das war die große Meinung ſeines To - des! Mich wählte er zu ſeines letzten Willens Vollſtreckerinn. Ich mahne Sie. Ich werde auf die Erfüllung dieſes Eides halten.
Und noch ein anderes Vermächtniß legte der Sterbende in meine Hand — Ich gab ihm mein Wort — Und — Warum ſoll ich es verſchweigen? Er übergab mir ſeinen Karl — Ich trotze dem Schein — Ich will vor Menſchen nicht mehr zittern. Sie ſehen, Karl, mir bangte nicht, mit Ih - nen allein zu ſein in dieſer Stunde — Ich will einmal kühn ſein wie ein Freund. Mein Herz ſoll reden. Tugend nannt’ er unſre Liebe? Ich glaub’ es ihm, und will mein Herz nicht mehr — —
Vollenden Sie nicht, Mutter! — Dieſe Lip - pen beflecke keine Unwahrheit! Sie haben den Göttlichen gekannt — Eliſabeth, das Weib, das ich anbeten ſoll, ſinkt nicht zu mir herab und kannte dieſen — Mutter, wir wollen uns nicht hintergehn — Ich habe in einem langen, ſchweren Traum gelegen. Ich liebte — jetzt bin ich erwacht. Vergeſ - ſen ſei das Vergangne! Hier ſind Ihre Briefe zurück. Vernichten Sie die meinen. Fürch - ten Sie keine Wallung mehr von mir. Es iſt vorbei. Ein reiner Feuer hat mein Weſen geläutert. Meine Leidenſchaft wohnt in den Gräbern der Todten. Keine ſterbliche Begierde theilt dieſen Buſen mehr.
Ich kam, um Abſchied zu nehmen.
Karl —
Erſtaunen Sie nicht, Mutter. Es iſt kein Opfer, hat mir keinen Kampf gekoſtet. Endlich ſeh’ ich ein, es gibt ein höher, wünſchenswerther Gut, als Dich beſitzen. Eine kurze Nacht hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich habe für dieſes Leben keine Arbeit mehr, als die Erinnerung an ihn! In Einem Abend hab’ ich den Vorrath auf mein ganzes Da - ſein voraus empfangen und verpraßt. Vorbei ſind alle meine Ärnten —
Sagen Sie mir gar nichts, Mutter?
Kehren Sie Sich nicht an meine Thränen, Karl — Ich kann nicht anders — Doch glauben Sie mir, ich bewundre Sie.
Sie waren unſers Bundes einzige Vertraute — Unter dieſem Namen wer - den Sie auf der ganzen Welt das Theuerſte mir bleiben. Meine Freundſchaft kann ich Ihnen ſo wenig, als noch geſtern meine Liebe verſchenken an ein andres Weib — Doch heilig ſei mir die königliche Wittwe, führt die Vorſicht mich auf dieſen Thron.
Jetzt geh’ ich aus Spanien, und ſehe meinen Vater nicht wieder — Nie in dieſem Leben wieder. 502Dom Karlos.Ich ſchätz’ ihn nicht mehr. Ausgeſtorben iſt in meinem Buſen die Natur — Sein Sie ihm wieder Gattinn. Er hat einen Sohn verloren. Treten Sie in Ihre Pflichten zurück — Ich eile, mein bedrängtes Volk zu retten von Tirannenhand. Madrid ſieht nur als König oder Nie mich wieder. Und jetzt zum langen Abſchied, Mutter. Küſ - ſen Sie Ihren Sohn.
O Karl! Was machen Sie aus mir? — Ich kann — ich darf mich nicht empor zu dieſer Männergröße wagen; doch faſſen und bewundern kann ich Sie.
Bin ich nicht ſtark, Eliſabeth? Ich halte in meinen Armen Sie und wanke nicht. Von dieſer Stelle hätten mich noch geſtern des Weltgerichts Poſaunen nicht geriſſen.
503Fünfter Akt.Das iſt vorbei. Jetzt trotz’ ich jedem Schick - ſal der Sterblichkeit. Ich hielt Sie in den Ar - men und wankte nicht — — — Still! was war das?
Wie?
Hörten Sie hinter uns nicht Athem hohlen? — Horch!
Nichts hör’ ich, als die fürchterliche Glocke, die uns zur Trennung lautet.
Gute Nacht denn, Mutter. Aus Gent empfangen Sie den erſten Brief504Dom Karlos.von mir, der das Geheimniß unſ’res Um - gangs laut machen ſoll. Ich gehe, mit Dom Phi - lipp jetzt einen öffentlichen Gang zu thun. Von nun an, will ich haben, ſei nichts heimliches mehr unter uns. Sie brauchen vor der Entdeckung nicht zu zittern. Leben Sie glücklich, Mutter. Dieß hier ſei mein letzter Betrug.
Es iſt Dein letzter!
Iſt Sie todt? O Himmel und Erde!
Kardinal! Ich habe das Meinige gethan. Thun Sie das Ihre.
Leipzig, gedruckt bei Chriſtian Friedrich Solbrig.
S. 39 Z. 17 ſtatt die Ketzer-Königinn lies der Ketzer Königinn S. 64 Z. 10 ſt. bleiben l. blieben S. 70 Z. 22 ſt. Irrende l. Irrenden S. 76 Z. 15 ſt. aus. l. auf. S. 88 Z. 17 ſt. für Vergütung l. zur Vergütung S. 131 Z. 20 ſt. Nichts beſſeres l. Nichts beß’res S. 133 Z. 14 ſt. Ach Prinz Karlos? l. Ah Prinz Karlos? S. 163 Z. 25 ſt. gemeinet, wo ich gränzenlos, lies gemeint, wo ich ſo granzenlos, S. 164 Z. 2 ſt. ihm l. ihr S. 171 Z. 20 ſt. rufen l. reifen S. 196 Z. 12 ſt. Hinterließ er’s l. Hinterließ er S. 201 Z. 17 ſt. wir ſchon l. wir’s ſchon S. 210 Z. 15 ſt. kühnen l. kühnern S. 215 Z. 14, 15 ſt. wer kann, l. wer S. 251 Z. 6 ſt. San Elmo l. St Elmo S. 266 Z. 2 ſt. Vor dieſem l. Vor dieſem Glücke würde S. 278 Z. 16 ſt. Rieſenarm entgegen. — l. Rieſen - arm entgegen S. 307 Z. 13 ſt. Souterreins l. Souterrains S. 313 Z. 3 ſt. mir dünkt, l. mir denkt, S. 316 Z. 2 ſt. Ach Du biſt’s. l. Ah! Du biſt’s! S. 331 Z. 4 ſt. Ach! Sehn Sie, l. Ah! Sehn Sie, S. 334 Z. 11 ſt. drängend l. dringend S. 342 Z. 6 ſt. Ach! Da kommt l. Ah! Da kommt S. 351 Z. 16 ſt. drängende l. dringende S. 357 Z. 17 ſt. für Einen Freund l. für einen Freund S. 375. Z. 15 ſt. iſt keine Rettung mehr! l. iſt keine Rettung mehr. Er ſtirbt. S. 424 Z. 16. ſt. hat Lügen nie gelernt. l. hat lügen nie gelernt. S. 436 Z. 13 ſt. vergibt er nimmermehr? l. vergibt er nimmermehr. S. 454 Z. 5 ſt. Keinen Laut — Dort unten. l. Keinen Laut dort unten. S. 466 Z. 13 ſt. Wo aber iſt l. Wo iſt aber S. 490 Z. 2 l. kann? ohne Fragzeichen. S. 494 Z. 3 ſt. Lehre l. Meinung
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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