PRIMS Full-text transcription (HTML)
[1]
Einen Jux will er ſich machen.
Poſſe mit Geſang in vier Aufzuͤgen,
Muſik von Herrn Kapellmeiſter Adolph Muͤller.
Wien,1844. Verlag und Druck von J. B. Wallishauſſer.
[2][3]

Perſonen.

  • Zangler, Gewuͤrzkraͤmer in einer kleinen Stadt.
  • Marie, deſſen Nichte und Muͤndel.
    • Weinberl, Handlungsdiener
    • Chriſtopherl, Lehrjung
    • Kraps, Hausknecht
    • Frau Gertrud, Wirthſchafterin
    • bei Zangler.

  • Melchior, ein vazierender Hausknecht.
  • Auguſt Sonders.
  • Hupfer, ein Schneidermeiſter.
  • Madame Knorr, Modewaaren-Händlerin in der Hauptſtadt.
  • Frau von Fiſcher, Witwe.
  • Fräulein Blumenblatt, Zanglers Schwaͤgerin.
  • Brunninger, Kaufmann.
  • Philippine, Putzmacherin.
  • Liſett, Stubenmaͤdchen bei Fraͤulein Blumenblatt.
  • Ein Hausmeiſter.
  • Ein Lohnkutſcher.
  • [4]
  • Ein Wächter.
  • Rab, ein Gauner.
    • Erſter
    • Zweiter
    • Kellner.

Die Handlung ſpielt im erſten Aufzug in Zanglers Wohnung in einer kleinen Stadt; dann in der nahe gelegenen Hauptſtadt, gegen Schluß wieder bei Zangler.

[5]

Erſter Aufzug.

(Zimmer in Zanglers Hauſe; die allgemeine Eingangs - thuͤre iſt im Proſpekt, jedoch gegen die rechte Seite, links am Proſpekt ein ziemlich breiter Ofenſchirm, rechts und links eine Seitenthuͤre, zu beiden Seiten Tiſch und Stuhl.)

Erſter Auftritt.

Zangler. Sonders.
Zangler.

Jch habe Jhnen jetzt ein für allemal g’ſagt

Sonders.

Und ich Jhnen ein für allemal erklärt

Zangler.

Daß Sie meine Nichte und Mündel nicht kriegen.

Sonders.

Daß Marie die Meine werden muß.

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Zangler.

Das werd ich zu verhindern wiſſen.

Sonders.

Schwerlich ſo ſicher, als ich es durchzuſetzen weiß.

Zangler.

Kecker Jüngling!

Sonders.

Hartherziger Mann! Was haben Sie gegen mich? Meine Tante in Brüſſel iſt reich.

Zangler.

Gratulir.

Sonders.

Jch werde ſie beerben.

Zangler.

Aber wann?

Sonders.

Sonderbare Frage; nach ihrem Tode.

Zangler.

Und bis wann wird ſie ſterben? Aha, da ſtockt die Antwort. So eine Tant in Brüſſel kann leben, ſo lang ſie will.

Sonders.

Das wünſch ich ihr von Herzen, denn ich weiß,7 daß ſie auch bei Lebzeiten reichlich zu meinem Glücke beitragen wird.

Zangler.

Reichlich beitragen wie viel is das in Brüſ - ſel? Reichlich beitragen is hier das unbeſtimmteſte Zahlwort was es gibt, und in unbeſtimmten Zahlen ſchließ ich kein Geſchäft, und kurz und gut, in’s Ausland laß ich meine Mündel ſchon durchaus nicht heirathen.

Sonders.

So heirathe ich ſie und bleibe hier.

Zangler.

Und derweil ſchnappt dort ein Anderer die Erb - ſchaft weg, das wär erſt gar das wahre. Mit einem Wort, g’horſamer Diener! Plagen Sie ſich auch nicht zu ſehr mit unnöthigem Herumſpekulirn um mein Haus, meine Nichte is heut früh an den Ort ihrer Beſtimmung abgereist.

Sonders.

Wie, Marie fort ?!

Zangler.

Ja, nach Dingsda logirt in der ungenann - ten Gaſſen, Numero ſo und ſo viel, in beliebigen Stock, rechts bei der zug’ſperrten Thür, da könnens8 anläuten ſo oft’s wollen, hineinlaſſen wern’s Jhnen aber nicht.

Zweiter Auftritt.

Gertrud. Die Vorigen.
Gertrud
(tritt zur Mitte ein).

Das geht gut, der neue Hausknecht is noch nicht da, und der alte ſagt, er will nix mehr thun.

Zangler.

Was is denn?

Gertrud.

Die Koffer müſſen ja vom Boden herunterge - tragen werden, wenn die Mamſell Marie ſchon über - morgen in die Stadt zur Fräulein Blumenblatt ſoll.

Zangler
(verlegen und aͤrgerlich).

Es iſt Sie hat geh Sie zum Teufel

Sonders.

Alſo übermorgen erſt? in die Stadt zur Fräu - lein Blumenblatt? Gehorſamer Diener.

(Geht zur Mittelthuͤre.)
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Zangler.

He mein Herr das wird Jhnen nix nutzen, daß der Aufenthalt meiner mit einem Wort

Sonders
(ſchon in der Thuͤre).

Gehorſamer Diener!

(Ab.)

Dritter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Sonders.
Zangler
(ſehr aufgebracht).

Da hab’n wir’s jetzt weiß er daß ſie noch da is und wo ſie hinkommt, ich wollt, die Frau Gertrud wär

Gertrud.

Was hab ich denn gethan?

Zangler.

Daß das der Liebhaber von meiner Mündel is. Aber jetzt weiß ſie’s, weiß, daß ich Morgen in aller Fruh in die Stadt fahr, weiß, daß ſie jetzt mit hundertfacher Vorſicht über die Marie wachen muß; wo iſt die Marie?

Gertrud.

Jm Garten bei den Bienen.

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Zangler.

Da halt’t ſie ſich immer auf, ich glaub blos des - wegen, weil die Bienen ſchwärmen, ſoll ſich ein Bei - ſpiel nehmen, das ſind nur Thiere, und ſchwärmen auf eine ſo nützliche Weiſe, und Frauenzimmer, die ſich einbilden, halbete Engeln zu ſein, haben eine ſo hirnloſe Schwärmerei in ſich. Sie ſoll heraufgehen, es fangt an dunkel zu werden. Und der Herr Weinberl und der Chriſtoph ſollen auch heraufkommen, wenn ſie’s G’wölb zug’ſperrt hab’n. Und meine Schützen-Uni - form bring Sie mir herein, der Kaſten wird offen ſein.

Gertrud.

Gleich, Herr von Zangler, gleich.

(Zur Mitte ab.)

Vierter Auftritt.

Zangler, dann Kraps.
Zangler
(allein).

’S iſt zum Todtärgern. Heut großes Quartal - Soupée der Schützengeſellſchaft und der Schneider laßt mich ſitzen. Jch als diesjähriger Schützenkönig muß in der alten Uniform erſcheinen. O Schneider, Schneider! wann werdt’s ihr in eurer Sphäre blei -11 ben, und euch blos aufs Kleidermachen und nicht auch auf’s Maulmachen verlegen, dreimal hab ich ſchon g’ſchickt und

Kraps
(zur Mitte eintretend, bringt einen dreieckigen Hut und Hirſchfaͤnger mit Gehaͤnge).

Es war wieder umſonſt. Da iſt der neue Hut und der neue Hirſchfänger; aber der Schützenfrack wird nit fertig, hat noch keine Knöpf und kein Fut - ter, wann’s’n ſo anlegen woll’n

Zangler.

Jch werd doch kein Frack ohne Futter anlegen.

Kraps
(fuͤr ſich, indem er Hut und Hirſchfaͤnger auf den Tiſch links legt).

Jch glaub, wann er den Rock zu der Freſſerei anlegt, wurd Futter g’nug hineinkommen.

(Laut.)

Jetzt bitt ich um mein Lohn und um a Trinkgeld.

Zangler.

Was Trinkgeld?

Kraps.

Jch hab heut vor 14 Tagen aufg’ſagt, aber um achte in der Fruh, Sie haben mich jetzt alſo 11 Stunden über die Zeit mißbraucht.

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Zangler
(gibt ihm Geld).

Da hat er. Uebrigens irr er ſich nicht, ich hab ihm aufg’ſagt, nicht er mir.

Kraps.

Kann ſein. Jch hab aber z’erſt durch Nachläſ - ſigkeit und Unwillen zu erkennen geb’n, daß mir der Dienſt nit mehr g’fallt, daß Sie dann g’ſagt hab’n, ich kann mich in 14 Tagen zum Teufel ſcher’n, das war nur eine natürliche Folge davon.

Zangler.

Pack er ſich, ich bin froh, daß ich ihn los hab, ich hab ihn nur kurze Zeit g’habt, aber ich will nicht ſagen, was ich mir denk, aber

Kraps.

No ſein’s ſo gut.

Zangler.

Er iſt ein unverläßlicher Menſch, und

Kraps.

O ſehr verläßlich, ich verlaß alle 3 Wochen einen Dienſt, das kann ich durch viele Zeugniſſe be - weiſen; empfehl mich gehorſamſt ich bleib nicht gern lang an einem Ort.

(Mitte ab.)
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Zangler
(allein).

Der wird ſchon noch an einen Ort kommen, wo er lang bleiben muß, das prophezeih ich ihm.

Fünfter Auftritt.

Zangler. Gertrud.
Gertrud
(zur Mitte eintretend).

Da is das Schützenkönigg’wand.

(Legt einen gruͤnen bordirten Rock, einen Hut und Hirſchfaͤnger auf den Tiſch rechts.)
Zangler
(unwillig).

Auf meine Mündel ſoll Sie Obacht geben, hab ich g’ſagt.

Gertrud.

No ja, Sie haben aber auch befohlen

Zangler.

Daß Sie der Marie nicht ein Schritt von der Seiten geht. Hirſchfänger und Hut war unnöthig, ich hab einen neuen.

Gertrud.

No ſo will ich den wieder

(Will zum Tiſch, um Hirſchfaͤnger und Hut wieder fortzutragen.)
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Zangler
(heftig).

Zu der Marie ſoll Sie ſchau’n, hab ich g’ſagt.

Gertrud
(erſchrocken zuruͤckweichend).

Nein, man weiß wirklich nit, wo ein’m der Kopf ſteht.

(Jm Abgehen.)

Jetzt hätt ich bald vergeſſen

(Zu Zangler.)

Der neue Hausknecht is da

Zangler.

Soll hereinkommen

(Gertrud zur Mitte ab.)
Zangler
(allein).

Nichts als Odiosa, Geſchäfte, Unweſen im Hausweſen, umgeben von albernen Weſen, langwei - ligen Weſen, ſchlechten Weſen, bin wirklich ein ge - plagtes Weſen.

(Es wird an der Thuͤre geklopft.)

Herein!

Sechster Auftritt.

Zangler. Melchior.
Melchior
(ſchuͤchtern eintretend zur Mitte).

Jch bitt, ſein Euer Gnaden der G’würzkramer?

Zangler.

Eins zu wenig, ’s Andere zu viel, ich bin nicht15 Euer Gnaden, ſondern nur Herr Zangler, bin aber kein Kramer, ſondern vermiſchter Waarenhändler.

Melchior.

Jch hab g’hört, daß der Herr vermiſchte Waa - renhändler einen Hausknecht g’habt hab’n, der ein reiner Lump war.

Zangler.

Jch hab ihn fortgejagt.

Melchior.

Und da hab ich g’hört, ſind Sie in Deſperation, daß Sie kein Hausknecht haben.

Zangler.

Jn Deſperation? Das is gar eine dumme Red, ich glaub, an ſolchen Schlingeln is keine Noth.

Melchior.

Das is wahr, eher wirds an Principal’n eine Noth ſein. Ein Hausknecht halt’t lang, aber Princi - pal geht alle Augenblick einer z’Grund.

Zangler.

Er iſt etwas vorlaut, ſcheint mir

Melchior.

Nein, das war nur ſo eine merkantiliſche Be - merkung.

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Zangler.

Wo hat Er ſein Dienſt-Zeugniß?

Melchior.

Jm Sack.

Zangler.

So geb Er’s her.

Melchior
(gibt ihm das Zeugniß, ein ganz zuſammen geknittertes Papier).

Es is etwas verkribelt, ich trags ſchon 4 Wo - chen herum.

Zangler.

Hat Er Kenntniſſe von der vermiſchten Waaren - handlung?

(Durchſieht das Zeugniß.)
Melchior.

O ſehr viel. Wir hab’n zwar da, wo ich war, nur Einen Artikel g’habt, aber der war ungeheuer vermiſcht, ich bin aus einer Weinhandlung.

Zangler.

Hm, ſein Zeugniß lautet ja ganz vorzüg - lich gut.

Melchior.

Ja, meine Aufführung war klaſſiſch.

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Zangler
(in dem Zeugniß leſend).

Treu, redlich, fleißig, willig, wachſam auf’s Haus

(Zu Melchior.)

Er is aufgenommen.

Melchior.

Jch küß die Hand.

Zangler.

Sechs Gulden Monat-Lohn, Koſt, Quartier, Wäſch

Melchior.

No, jetzt Quartier und Wäſch, das is das Ge - ringſte, aber die Koſt, die war halt dort, wo ich war, klaſſiſch.

Zangler.

Bei mir leid’t auch Niemand Hunger Sup - pen, Rindfleiſch, Zuſpeis, und was drauf.

Melchior.

Aber nur viel drauf. Und weg’n Frühſtück, dort hab ich halt immer einen Kaffee g’habt.

Zangler.

Das war bei mir nicht der Brauch, daß der Hausknecht Kaffee

Melchior.

Schaun’s, Sie hab’n g’wiß auch einen Roſolie unter Jhren vermiſchten Sachen.

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Zangler.

O ja, aber

Melchior.

Na, ſehns Sie, dann is es ja unſer beiderſeiti - ger Vortheil, wanns mir ein Kaffee geb’n, denn Sie verleiteten mich ja ſonſt mit G’walt zu die geiſtigen Getränk.

Zangler.

Na, da gebets ſchon noch Mittel übrigens wann Er brav is

Melchior.

Klaſſiſch.

Zangler.

So ſoll Er ein Kaffee haben.

Melchior.

Verſteht ſich ſüß und zwei Kipfeln. O an den Ort, wo ich war, das war ein klaſſiſcher Kaffee.

Zangler.

Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort klaſſiſch?

Melchior.

Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur oft dumm angewend’t.

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Zangler.

Ja, das hör ich, das muß Er ablegen, ich be - greif nicht, wie man in zwei Minuten 50mal das - ſelbe Wort repetiren kann.

Melchior.

Ja, das iſt klaſſiſch. Und dann bitt ich mir zu ſagen, was ich Alles zu thun hab.

Zangler.

Was wird Er zu thun haben? was halt einem Hausknecht zukommt.

Melchior.

Kiſten und Fäſſer aus’n Magazin holen.

Zangler.

Bothengänge machen, das G’wölb rein halten, und im Haus

Melchior.

Wenn’s in der Kuchel was gibt, klein’s Holz machen, allenfalls Boden reib’n.

Zangler.

Das hoff ich auch.

Melchior.

Jch war immer ſehr gut mit meinem Herrn alſo wer ich bei Jhnen keine Ausnahm und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß thu; zum Bei -20 ſpiel der Köchin Waſſer trag’n, den Herrn Commis die Stiefel putzen, da krieg ich extra ein Honorar

Zangler.

Das mach Er mit dem Commis aus, und mit der Köchin. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schnei - der ſoll der Teufel holen.

Siebenter Auftritt.

Hupfer. Die Vorigen.
Hupfer.

Da bin ich, das Meiſterwerk is vollendet.

Zangler
(ſehr freundlich).

Alſo doch fertig? Aber Sie haben mich warten laſſen, lieber Herr Hupfer.

Melchior
(zu Zangler).

Jſt das der, den der Teufel holen ſoll?

Hupfer.

Wie? Was?

Zangler
(zu Melchior).

Halt Er’s Maul!

(Zu Hupfer.)

Das is nur ſo eine Redensart ungeduldiger Erwartung.

21
Melchior.

Freilich nur Redensart, und das weiß auch der Teufel recht gut; wann er gleich jeden Schneider holet, wie man’s ſagt, ſo möcht der Teufel Schneider ſein.

Hupfer
(indem er die Schuͤtzen-Uniform auspackt, und das Um - ſchlagpapier von den Knoͤpfen und Borten reißt).

Mit Hilfe zweier plötzlicher unverhoffter Schnei - dergeſellen habe ich das Unmögliche möglich gemacht.

Melchior.

Sinds heut erſt angekommen?

Hupfer.

Ja.

Melchior.

Nicht wahr, Einer is krump, der Andere hat ein ſchwarzes und ein blaues Aug, das ſchwarze Na - tur, das blaue g’ſchlagen.

Hupfer.

Kann ſchon ſein.

Melchior.

Die Schneiderg’ſell’n kenn ich, ſie hab’n g’foch - ten unterwegs.

Hupfer.

Das is ſo der Brauch.

22
Melchior.

Jch hab ihnen einen Silberzehner geb’n und g’ſagt, daß’s mir ſechs Groſchen herausgeb’n ſoll’n, das hab’ns aber in der Hitze des Gefechts überhört, und ſind weiter; wollten Sie ihnen nicht ſagen

Hupfer
(ohne auf Melchior zu hoͤren, zu Zangler).

Jetzt bitt ich nur gefälligſt anzuprobiren.

Zangler
(hat ſeinen Ueberrock abgelegt, und ſchlieft mit Hupfers Hilfe in den Schuͤtzenfrack, indem er zu Melchior ſagt).

Merk Er auf, damit Er lernt, wie man eine Uniform

(Zu Hupfer.)

Etwas eng ſcheint’s mir

Melchior.

Das is feſch

Hupfer.

Freilich!

Zangler.

Unterm Arm ſchneidt das Ding ein, das thut weh.

Melchior.

Macht ſich aber feſch.

Zangler.

Und hinten gehn die Schößeln zu weit auseinand.

23
Melchior.

Das iſt gar feſch.

Zangler.

Wie g’ſagt zu eng. Bei der Tafel wer’n mir alle Knöpf aufſpringen.

Hupfer.

Jch begreif nicht

Zangler.

Sie hab’n mir doch die Maß genommen.

Melchior.

Mein Gott das Maß nehmen is ein altes Vor - urtheil, welches die Schneider doch nicht hindert, jedes neue G’wand zu verpfuſchen.

Zangler
(zu Melchior).

Nun, wie ſchau ich aus.

Melchior.

Jch därf’s nit ſag’n.

Zangler.

Wenn ich ihms befehl, wie ſchau ich aus.

Melchior.

Klaſſiſch.

Hupfer.

Am Himmel hab’ns ein Sternbild, das heißt24 der Schütz, das iſt aber bei weitem nicht ſo ge - ſchmackvoll wie dieſer Schütz.

Melchior
(fuͤr ſich).

Das is klaſſiſch.

Zangler.

Für heut thut’s es, aber Morgen müſſen Sie mir den Rock weiter machen.

Hupfer.

Warum nicht gar, Uniform muß eng ſein.

Zangler.

Aber ich erſtick ja.

Hupfer.

Macht nichts; Sie haben einmal von der Na - tur eine Art Tallie erhalten, und es iſt die Pflicht der Kunſt, dieſes Geſchenk der Natur in das gün - ſtigſte Licht zu ſtellen. Rekommandir mich beſtens.

(Zur Mitte ab.)

Achter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Hupfer.
Melchior.

Er hat halt allweil recht, und gibt nicht nach, man glaubets nicht, wie ſo ein Schneider bockbeinig iſt.

25
Zangler.

Jetzt mein Lieber wie heißt Er?

Melchior.

Melchior.

Zangler.

Mein lieber Melchior, fahr er gleich wieder z’ruck in die Stadt.

Melchior.

Was, ich hab glaubt, Sie haben mich auf - g’nommen?

Zangler.

Freilich, aber ich fahr morgen in aller Früh auch in die Stadt. Da ſteigt er gleich bei der Linie im Gaſthaus bei der Sonn ab, ſagt nur meinen Namen, daß das gewöhnliche Zimmer für mich her - g’richt wird, und erwart mich, da hat er Geld

(Gibt ihm welches.)

mach er aber g’ſchwind in einer Viertelſtund geht der Stellwagen.

Melchior.

Gut. Aber könnt ich nicht vorher noch meinen übrigen Vorgeſetzten, dem Commis und dem Lehr - buben die Aufwartung machen.

Zangler.

Nix, er verſäumt ſonſt den Wagen.

326
Melchior.

No, ſo geh ich halt. Sie ſind bei einer Tafel eingeladen Herr von Zangler, geb’ns Acht auf’n neuen Rock, daß Jhnen nicht antrenzen.

Zangler.

Was redt er denn für dumm’s Zeug.

Melchior.

Schön ’s Serviet vornehmen und auseinander - breiten, die Bratlfetten geht hart heraus.

Zangler.

Glaubt er denn, ich bin ein Kind? Er is wirk - lich zu dumm.

Melchior.

Aber meine Aufführung die is halt klaſſ

Zangler.

Mach er jetzt weiter.

Melchior.

Das hat mein voriger Herr auch immer g’ſagt, dumm aber klaſſiſch.

(Zur Mitte ab.)
Zangler
(allein, den neuen Hirſchfaͤnger umſchnallend).

Schon wieder?! Nein, was ich die Sprich - wörter nicht ausſtehen kann! Mich hat einmal ein Sprichwort abſcheulich ang’ſetzt, nämlich das27 Jung gefreit hat Niemand bereut das wird ſchier, wenn man alle Sprichwörter nach der Dummheit klaſſifizirt, ’s erſte Premium kriegen. Und dem Sprichwort zum Trotz geh ich jetzt als ſo alter auf Freiers Füßen, und ich werd’s g’wiß nicht bereuen. Wart nur Sprichwort, dich bring ich noch ganz um den Kredit.

(Geht durch die Seitenthuͤre links ab.)

Neunter Auftritt.

Gertrud
(allein, kommt mit Lichtern zur Mittelthuͤre herein).

Kaum viertel auf Acht und ſchon völlig Nacht.

(Stellt ein Licht auf den Tiſch links.)

’s fangt auf ein - mal zum Herbſtln an.

(Geht mit den andern Licht in die Seitenthuͤre links ab.)
Zangler
(nach einer kleinen Pauſe von Jnnen.)

Auf meine Mündel ſoll Sie ſchaun, hab ich Jhr g’ſchafft.

Gertrud
(von Jnnen).

Das thu ich ja ſo.

(Erſcheint wieder unter der Thuͤre und ſpricht hinein.)

Wie kann ich denn ſchaun auf ſie, wann ich kein Licht anzünd.

(Kommt heraus.)
28

So ein großes Mädl könnt, glaub ich ſchon ſelbſt auf ſich ſchaun. Sie geht mir nicht herauf aus’n Garten, und da ſoll ich ihre Schmießeln biegeln; ja überall z’gleich kann ich nicht ſein.

(Geht in die Sei - thuͤre rechts ab.)

Zehnter Auftritt.

Weinberl
(allein, tritt waͤhrend dem Rittornell des folgenden Liedes ein, er iſt dunkelgrau gekleidet mit einer gruͤntuchenen Schuͤrze).
Lied.
Es ſind gewiß in unſ’rer Zeit
Die meiſten Menſchen Handelsleut,
Und wer das Ding ſo obſervirt
Muß ſag’n, der Handelsſtand florirt,
’s verſetzt ein Vater ſein Kaput,
Und führt drei Töchter auf d’Redout,
Damit er’s vortheilhaft bringt an,
No das is doch ein Handelsmann,
Sie krieg’n mei Tochter wenns vor All’n
Den Vatern ſeine Schuld’n zahl’n
29
Das kann ich nicht dann ſag ich nein
Das wird doch ferm gehandelt ſein.
Jch hab dich g’wiß ſagt eine Braut,
Jndem ſie ſo au’m Bräut’gam ſchaut,
Jn zwanzig Jahr’n wie heut ſo gern
Da wird wohl auch was g’handelt wer’n.
’S Weib ſagt zum Mann: Du gehſt jetzt aus,
Und kommſt vor Neune nicht nach Haus
Ja, ſagt er wennſt mir an Zwanz’ger gibſt
So a Handel is ja allerliebſt.
A alte Schachtel hat viel Geld
’S heiraths ein junger Guck in d’Welt
Verkauft ſei Freiheit und ſei Rue
Der Handel kummt gar häufig vor.
’S ſagt Eine: J bin zwanz’g Jahr Oha,
Jch hab ja Jhren Taufſchein da
So ſagt’s und g’ſteht ein Vierz’ger ein,
Das wird doch tüchtig g’handelt ſein.
Es prahlet eine Schwärm’rin ſich
Wenn ich nicht liebe, könnten mich
Zehn Millionen nicht bethör’n
Da wurd wohl auch was g’handelt wer’n.
(Nach dem Liede.)
30

Vor dem Handelsſtand kriegt man erſt den wahren Reſpekt, wenn man zwiſchen Handelsſtand und Menſchheit überhaupt eine Billance zieht. Schaun wir auf’n Handelſtand, wie viel gibt’s da Großhandlungen, und ſchaun wir auf die Menſch - heit, wie wenig große Handlungen kommen da vor; ſchaun wir auf’n Handelsſtand vorzüglich in der Stadt, dieſe Menge wunderſchöne Handlungen, und ſchaun wir auf d’Menſchheit, wie ſchütter ſind da die wahrhaft ſchönen Handlungen ang’ſäet; ſchaun wir auf’n Handelſtand, dieſe vielen Galanterie - Handlungen und ſchaun wir auf d’Menſchheit, wie handelns da oft ohne alle Galanterie, wie wird na - mentlich der zarte, gefühlvolle, auf Galanterie An - ſpruch machende Theil, von dem gebildetſeinſollen - den, ſpornbegabten, Cigarozuzelnden, Roßſtreicheln - den, jagdhundkaſchulirenden Theil, ſo ganz ohne Galanterie behandelt! Jetzt wenn man erſt die Handlungen der Menſchheit mit Gas be - leuchten wollt ich frag wie viele menſchliche Handlungen halten denn eine Beleuchtung aus, als wie eine Handlung auf’n Stockameiſenplatz? Kurzum man mag Vergleiche anſtellen wie man will, der Handelsſtand is was Erhabenes, wir haben einen31 hohen Standpunkt, wir von der Handlung, und ich glaub blos wegen dieſer ſchwindelnden Höhe fallen ſo viel von der Handlung der Chriſtopherl tan - delt wieder mit’n G’wölb zuſperrn.

Eilfter Auftritt.

Chriſtopherl. Der Vorige.
Chriſtoph
(zur Mitte hereinlaufend).

Mußi Weinberl der G’wölbſchlüſſel war voll Wachs, grad als wie wann ein Bandit einen Ab - druck hätt mach’n woll’n.

Weinberl.

Dummer Burſch, du haſt halt den Schlüſſel wieder wohin g’worfen ohne zu ſchaun obs ſauber is. Von Rechtswegen unterliegeſt jetzt einer Straf.

Chriſtoph.

O, ein Lehrjung unterliegt nicht ſo g’ſchwind, durch G’wohnheit ertragt man viel.

Weinberl
(in etwas feierlichem Tone).

Die Verhältniſſe haben indeß eine andere Ge -32 ſtalt gewonnen; der deutſche Handelſtand wird bald um einen Lehrjung weniger haben.

Chriſtoph.

No, ſeins ſo gut bringens mich um.

Weinberl.

Jm Gegentheil, ich werde Sie bei einen freundſchaftlichen Glas Wein leben laſſen.

Chriſtoph
(erſtaunt).

Wie g’ſchieht Jhnen denn Mußi Weinberl?

Weinberl.

Nennen Sie mich in Zukunft Herr Weinberl, denn ich habe Hoffnung zum Buchhalter zu avanzi - ren, und Sie ſelbſt werden von heut an per Mußi titulirt.

Chriſtoph.

Warum ſagen Sie denn ſie zu mir?

Weinberl.

Ahnen Sie nichts, glücklicher Commerz-Zög - ling? Mit dem heutigen Schopfbeuteler hab ich auf ewige Zeiten Abſchied genommen von Jhrem Kakadu.

Chriſtoph.

Darum war Jhre Hand ſo heftig bewegt, als wann ſie ſich gar nicht trennen könnt.

33
Weinberl.

Sie ſind unter meiner fünfthalbjährigen Lei - tung gewaltig ausgebildet worden, haben das Com - merz von ſeinen verſchiedenen Seiten kennen gelernt, und haben kritiſche Perioden mitgemacht. Wenn die Geſchäfte ſtocken, ’s G’wölb leer is, und der Han - del - und Wandelbeflieſſene blos da ſteht, a paar Stanitzl macht, ’s Maul aufreißt, und gedankenlos auf die Gaſſ’n hinausſchaut, da is es leicht, aber plötzlich tritt neues Leben ins Merkantiliſche, in fünf Minuten ſteht ’s ganze G’wölb voll Leut, da will Eins anderthalb Loth Kaffee, da Eins um zwei Gro - ſchen Gabri, der ein friſchen Aal, die ein g’faulten Lemonie, da kommt ein zartes Weſen um ein Bern - zucker, da ein Kuchelbär um ein Roſenöhl, da liſpelt ein Bruſtdefekter Jüngling ein Zuckergandl, da ſchreit ein kräftiger Alter; a Flaſchel Schlikowitz, da will ein üppiges Weſen ein Halstüchel, da eine Zaundürre Fiſchbeiner zu ein ausg’ſchnitt’nen Leibel haben; da kommt ein gemeiner Dienſtboth ein Ha - ring austauſchen, den ihr ihre noble Frau ins G’ſicht g’worfen hat, weils kein Milchner war; da geht a Alte auf’n Kas los, und ſchreit, ich möcht ein Schweizer in ſolchen Momenten muß der Commis34 zeigen, was ein Commis iſt, d’Leut z’ſammſchrein laſſ’n, wies woll’n, und mit einer ruhigen an’s Un - erträgliche grenzenden Gelaſſenheit Eins nach’n An - dern bedienen.

Chriſtoph.

Jetzt weiß ich aber noch all’weil nit, was is’s denn eigentlich mit mir?

Weinberl.

Ruhig, der Principal wird es Jhnen notificiren.

Zwölfter Auftritt.

Zangler. Die Vorigen.
Zangler
(zur Seitenthuͤre links kommend).

Ah Sie ſind ſchon da

Weinberl.

Der Herr Principal haben befohlen

Chiſtoph.

Befohlen

Weinberl.

Wir ſind daher in Corpore erſchienen

35
Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Jn was ſind wir erſchienen?

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Halten Sie’s Maul in Corpore.

Zangler.

Jch muß Sie von einer Veränderung mein Haus betreffend in Kenntniß ſetzen. Sie haben bis jetzt nur einen Herrn gehabt, bald werden Sie auch eine Frau bekommen.

Chriſtoph.

Eine Frau? Jch bin ja noch viel zu jung.

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Reden Sie nicht ſo albern, der Herr Principal wird ſich verehlichen, und ſeine Frau wird auch die Unſre ſein, unſere Principalin, unſre Gebietherin.

Zangler.

Ganz recht.

Chriſtoph.

Ah ſo is das.

Zangler.

Dieſes wichtige Ereigniß will ich nun durch Be - förderungen in meinem Perſonale verherrlichen. Sie Mußi Chriſtoph

36
Chriſtoph
(für ſich).

Der ſagt auch Sie und Mußi

Zangler.

Sie haben aufs Gwand gelernt, müßten daher eigentlich noch ein halbes Jahr Lehrjung bleiben, dieſen Zeitraum ſchenk ich Jhnen, und ernenn Sie zum Commis.

Weinberl.

So eine Auszeichnung wird Wenigen zu Theil.

(Zu Chriſtoph).

Bedanken Sie ſich doch.

Chriſtoph
(kuͤßt Zangler die Hand).

Die Gunſt des Principals zu beſtreben; ferne - res Benehmen würdig zu ſein, Fleiß und Ausdauer zu erringen.

Zangler.

Schon gut, ich wünſch, daß das nicht blos ſchöne Worte ſind

Weinberl.

Nein, das ſind ſie gewiß nicht, ich glaube mit Grund, daß er ſowohl Jhnen Herr Principal und mir ſeinen unmittelbaren Vorgeſetzten, wie auch dem Continental-Handel überhaupt Ehre machen wird.

37
Zangler
(zu Chriſtoph).

Sie waren immer fleißig.

Weinberl.

Paſſabel.

Zangler
(zu Chriſtoph).

Ehrlich, das iſt die Hauptſach.

Weinberl.

Das is wahr, er hat in der Lehrzeit manche Watſchen kriegt, aber keine auf Veranlaſſung einer Watſchen, die er der Pudel gegeben hat.

Zangler
(zu Chriſtoph).

Es fehlt Jhnen nichts, als daß Sie ſich mehr Manier gegen die Kundſchaften aneignen.

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Darüber hab ich Jhnen oft Lehren gegeben.

Chriſtoph
(ſich mit der Hand uͤber den Kopf fahrend).

Ja, ſehr oft.

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Hübſch mit Euer Gnaden und gnädige Frau herumwerfen, die Waar mit Anſtand überreichen, zu jeden Rammel Schatz ſag’n, ’s kleine Geld zier - lich mit Zeigfinger und Daum herausgeben, die38 andern drei Finger werden blos auf Händedrücke für Köchinnen verwendt.

Zangler.

Das wird ſich hoffentlich geben.

Chriſtoph.

O ja, ſo was begreift ein junger Commis ſehr g’ſchwind.

Zangler
(zu Weinberl).

Jhnen Herr Weinberl, der ſchon ſeit Jahren mein ganzes Zutrauen beſitzt, der ſeit Jahren das Geſchäft zu meiner vollſten Zufriedenheit leitet, Jhnen ernenn ich zu meinem Assoice.

Weinberl
(aͤußerſt uͤberraſcht).

Jch Assoice?

Zangler.

Bei meiner Zurückkunft werden wir den Geſell - ſchaftskontrakt auf - und der neuen Firma: et Com - pagnie beiſetzen. Jch verreiſe nämlich auf drei Täg theils meiner Heirathsangelegenheit wegen, theils anderer Angelegenheiten halber. Unter dieſer Zeit übergebe ich Jhnen das ganze Geſchäft, ſchaun Sie auf Alles, daß weder Unordnungen in die Bücher, noch in den Magazinen, noch in der Correſpondenz

39
Chriſtoph.

Seit drei Wochen hab’n wir kein Brief kriegt, wie leicht könnt grad dieſe Tag

Zangler
(ohne auf Chriſtoph zu hoͤren zu Weinberl).

Mit einem Wort Sie ſind ein ſolider Menſch, ich weiß, daß ich mich auf Jhnen verlaſſen kann. Jetzt muß ich zum Schützen-Soupée.

(Setzt den neuen bordirten Hut auf.)

Morgen früh um 4 Uhr fahr ich fort

Chriſtoph.

Sollten wir alſo nicht mehr die Ehre hab’n, den Principal zu ſeh’n, ſo wünſchen wir jetzt glück - liche Reiſ

Weinberl
(noch ganz perplex).

Assoice !

Zangler.

Ja! Ja! faſſen Sie ſich nur, mein lieber Weinberl! Sie ſind vom Tage meiner Verhei - rathung an mein Assoice. Adieu alſo, nochmals während meiner Abweſenheit ſtrenge Ordnung und Pünktlichkeit.

40
Chriſtoph
(indem er ihn an die Thuͤre begleitet).

Wir machen unſer Kompliment Herr Principal.

Dreizehnter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Zangler.
Weinberl
(wonnetrunken und ſtolz ſich mit einer Hand am Tiſche ſtuͤtzend).

Assoice! Haſt du’s gehört, Gremium von Europa! ich bin Assoice!

Chriſtoph.

Unſer Herr heirath, Sie wer’n Kompagnion, nachher haben wir zwei Principal, eine Principalin, und ich allein bin der ganze Perſonalſtand.

Weinberl.

Buchhalter, das war immer der Cimborasso meiner Wünſche, und jetzt blickt der Assoice wie aus einem Wolkenthron mitleidig auf den Buchhalter - Standpunkt herab.

Chriſtoph.

Jch mach meine Gratulazion.

41
Weinberl.

Und ſonderbar! gerad jezt jezt

Chriſtoph.

Jetzt ſind Sie ’s ja noch nicht, erſt wann der Principal heirath.

Weinberl.

Gerade jezt, wo das Berufsglück ſein ganzes Füllhorn ausſchütt über mich, werden in mir Wün - ſche roglich wie Kiſten, die auf einem Schubkarren ſchlecht aufpackt ſind.

Chriſtoph.

Aha! ich g’ſpann was der Assoice wünſcht

Weinberl.

Eine Assoicein? O nein! Das irritirt mich nicht, ſo was kommt von ſelbſt, und wenn es nicht kommt, ſo is es auch noch kein Unglück.

Chriſtoph.

Alſo das is es nicht? No nachher gib ich’s rathen auf; mein Kopf is von der Lehrzeit her zu ſehr angegriffen, als daß ich mir’n jezt gleich zer - brechen möcht.

Weinberl.

Glauben Sie mir junger Mann! Der Commis hat auch Stunden, wo er ſich auf ein Zuckerfaß442lahnt, und in ſüße Träumereien verſinkt; da fallt es ihm dann wie ein fünf und zwanzig Pfund Ge - wicht aufs Herz, daß er von Jugend auf ans Gwölb gefeſſelt war, wie ein Blaſſel an die Hütten. Wenn man nur aus unkompleten Markulaturbüchern etwas vom Weltleben weiß, wenn man den Sonnenaufgang nur vom Bodenfenſter, die Abendröthe nur aus Er - zählungen der Kundſchaften kennt, da bleibt eine Leere im Jnnern, die alle Oehlfäſſer des Südens, alle Häringfäſſer des Nordens nicht ausfüllen, eine Abgeſchmacktheit, die alle Muskablüh Jndiens nicht würzen kann.

Chriſtoph.

Das wird jezt ein anders Gſicht kriegen als Kompagnion.

Weinberl.

Weiß nicht. Der Diener iſt Sklav des Herrn, der Herr Sklav des Geſchäfts. Erhaben iſt die zweite Sklaverei, aber ſo biglem mit Genuß begabt als wie die erſte. Wenn ich nur einen wiffen Punkt wüßt, in meinem Leben, wenn ich nur von ein Paar Tag ſagen könnt, da bin ich ein verfluchter Kerl geweſen aber nein! ich war nie verfluchter Kerl. Wie ſchön wär das, wenn ich einmal als alter43 Handelsherr mit die andern alten Handelsherren beim jungen Wein ſitz, wenn ſo im traulichen Ge - ſpräch das Eis aufghackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wann die Gwölbthür der Vorzeit wie - der aufg’ſperrt, und die Budel der Phantaſie voll angraumt wird mit Waaren von Ehmals, wenn ich dann beim lebhaften Ausverkauf alter Geſchichten ſagen könnt: O! ich war auch einmal ein verfluchter Kerl! ein Teuxelsmenſch ein Schwerack ich muß ich muß um jeden Preis dieſes Verfluchte - kerlbewußtſein mir erringen.

Chriſtoph.

Von mir aus hätten Sie dieſes Bewußtſein ſchon lange; ſo oft Sie ſich in meine Friſur verkam - pelt haben, hab ich mir denkt; das is ein verfluchter Kerl, den holt

Weinberl.

Was Sie denken, geht mich nix an, ich muß es denken, muß es fühlen.

Chriſtoph.

So beutelns Jhnen ſelber den Schopf.

Weinberl
(von einer Jdee ergriffen).

Halt! ich habs!

44
Chriſtoph.

No, was denn?

Weinberl.

Jch mach mir einen Jux.

Chriſtoph.

Ein Jux.

Weinberl.

Grad jezt auf der Grenze zwiſchen Knechtſchaft und Herrſchaft mach ich mir einen Jux. Für die ganze Zukunft will ich mir die kahlen Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung ſchmücken ich mach mir einen Jux.

Chriſtoph.

Wie wer’n Sie aber das anſtellen?

Weinberl.

Woll’n Sie dabei ſein Mußi Chriſtoph?

Chriſtoph.

Warum nicht? Jch bin freig’ſprochen word’n, kann man die Freiheit ſchöner als durch einen Jux celebriren?

Weinberl.

Wir ſperrn ’s Gewölb zu, während der Princi - pal aus iſt, ſind Sie dabei?

45
Chriſtoph.

’s Gwölbzuſperrn war immer meine Leiden - ſchaft, ſo lang ich bei der Handlung bin.

Weinberl.

Wir fahren in die Stadt, und ſuchen fidele Abentheuer auf, ſind Sie dabei.

Chriſtoph.

Freilich! ich riskir nix. Sie ſind Kompagnion; indem ich Jhnen folg, erfüll ich nur meine Pflicht, jezt, was Sie riskiren, das tuſchirt mich nicht. Jch bin dabei.

Weinberl.

Halt! Jüngling! Sie ſezen mir da einen Floh ins Ohr, den ich erſt fangen uud tödten muß. Kann es der Principal erfahren? Er kommt nie mit die Nachbarsleut zuſamm, er ſitzt immer in der Schreib - ſtube, diskrirt nie mit die Kundſchaften, geht an keinen öffentlichen Ort, außer alle Quartal zu der Schützen-Geſellſchaft er kann es nicht erfahren

Chriſtoph.

Wenn uns aber zufällig der Principal in der Stadt ſieht?

Weinberl.

Er is ein alter Herr, der heirath, folglich mit46 Blindheit g’ſchlagen. Und wiſſen wir denn auch, ob er in die Stadt fahrt? Und dann geht er auch Ge - ſchäften, wir blos den Vergnügen nach; ſein Weg geht tſchihi, unſerer dahott, wie die Seeleute ſagen, ſprich ich, wie die Fuhrleute ſagen.

Chriſtoph.

Wenn uns aber die Fräule Marie verrath.

Weinberl.

Die hat Liebsaffairen, is folglich froh, wann ſie nicht verrathen wird.

Chriſtoph.

Wann aber die alte Gertrud plauſcht?

Weinberl.

Das Hinderniß is unüberſteiglich, ſie is ein altes Weib, ſie muß plauſchen. Aber wenn wir halt ſo gehts die Alte muß gerade die Aſſeku - ranz ſein bei unſerer Unternehmung. Helfen Sie mir geſchwind in den Herrn ſeine Schützen-Uniform hinein.

(Kleidet ſich waͤhrend den Folgenden ſchnell mit Chriſtophs Beihilfe in die auf dem Tiſche liegende alte Schuͤtzen - Uniform Zanglers, ſchnallt den Hirſchfaͤnger um, und ſetzt den Hut auf.)
Chriſtoph.

Wegen was denn?

47
Weinberl.

Weil ich den Herrn Zangler vorſtellen will; da - mits die Stimme nicht kennt, ſtell ich mich bös, und Sie ſagen ihr den Auftrag, den ich als Zang - ler geb, und den ſie dann an mich ausrichten muß, wenn ich wieder Weinberl bin.

Chriſtoph.

Jch bin mir nicht g’ſcheit g’nug.

Weinberl.

Stellen Sie’s Licht auf den Tiſch hinüber!

Chriſtoph.

Gleich.

(Nimmt eilig das Licht vom Tiſche links und ſtellt es auf den Tiſch rechts.)
Weinberl
(wirft ſich in den am Tiſche links ſtehenden Stuhl, und laͤutet heftig mit der Tiſchglocke).

Vierzehnter Auftritt.

Gertrud. Die Vorigen.
Gertrud
(aus der Seitenthuͤre rechts kommend, fuͤr ſich).

Das is wieder eine Läuterei, als ob alles taub48 wär.

(Laut.)

Was ſchaffens Herr von Zangler?

(Bei Seite.)

J war ſchon froh, hab glaubt, er is fort.

Chriſtoph
(welchem Weinberl leiſe etwas erklaͤrt hat, zu Gertrud).

D’Frau Gertrud hat den Herrn wieder kurios bös gmacht.

Gertrud.

Jch weiß aber nicht

Weinberl
(huſtet und brummt aͤrgerlich einige unverſtaͤndliche Worte).
Chriſtoph.

Hat’n d’Frau g’hört? er will gar nicht reden mit ihr, drum gibt er ihr durch mich den Auftrag, ſie ſoll morgen in aller Früh dem Herrn Weinberl ſagen

Gertrud.

Der Chriſtoferl wird doch heut noch ſelber den Herrn Weinberl ſeh’n, folglich kann ihm ja der Chri - ſtoferl.

Chriſtoph.

Mußi Chriſtoph, bitt ich mir aus.

Weinberl
(huſtet und brummt noch heftiger als fruͤher).
Gertrud
(erſchrickt).
49
Chriſtoph.

Hat’n d’Frau g’hört? Der Herr hat mir an - dere G’ſchäft gegeben, die meinen ganzen Hirnkaſten in B’ſchlag nehmen, weil ich alſo drauf vergeſſen könnt, ſo ſoll durchaus die Frau Gertrud

Weinberl
(huſtet und brummt wie vorher).
Chriſtoph.

Hat’n d’Frau g’hört? Die Frau Gertrud ſoll alſo morgen in aller Fruh dem Weinberl ſagen, der Herr Zangler läßt ihm ſtrengſtens anbefehl’n, daß er während ſeiner Abweſenheit durch zwei Täg das G’wölb ja nicht aufſperrn ſoll. Verſtanden?

Gertrud.

No freilich, ’s Gwölb darf nit aufg’ſperrt wer’n, das wird doch nicht ſchwer zu verſtehn ſein.

Weinberl
(murmelt etwas zu Chriſtoph, welcher ſich ſeinem Stuhle genaͤhert hat).
Chriſtoph.

Frau Gertrud ſoll ſchau’n daß’s weiter kommt, und ſoll ihm nicht mehr vor die Augen

Gertrud.

Na ja!

550
Weinberl
(huſtet und brummt noch ungeſtuͤmmer als vorher).
Chriſtoph.

Hat’n d’Frau g’hört?

Gertrud
(erſchrocken zur Seitenthuͤre rechts gehend).

Der Mann is heut in einer Zwiedrigkeit, das is ſchon aus der Weiſ.

(Ab.)

Fünfzehnter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Gertrud.
Weinberl
(lachend vom Stuhl aufſtehend).

Sehn Sie, jezt ſind wir gedeckt. Erfahrt im ſchlimmſten Fall der Principal, daß’s Gwölb zu - g’ſperrt war, ſo berufen wir uns auf ſeinen Befehl, den wir durch die Frau Gertrund erhalten haben.

Chriſtoph.

Dann glaubt er, die Alte is verruckt.

Weinberl.

Das verſchlagt ihr nix, denn für g’ſcheit hat er’s ſo nie g’halten.

51
Chriſtoph.

Meiner Seel pfiffig ausſpekulirt. No! Sie ſind ja auch einmal Lehrjung g’weſt, von da haben Sie halt noch das Gwixte her.

Weinberl.

Richten Sie ſich jetzt das Sonntagsg’wand, was zur Eleganz fehlt, Krawatel, Schmießel; Hand - ſchuh und Schnopftüchel werd ich Jhnen leihen.

Chriſtoph.

Juchhe, das wird ein Jux wer’n Morgen!

(Geht zur Mitte ab.)
(Man hoͤrt von außen Zangler raͤuſpeln und huſten.)
Chriſtoph
(erſchrocken zuruͤckprallend).

O Jegerl der Alte kommt.

Weinberl
(erſchrocken).

Der Herr Zangler wann er mich in dem Aufzug ſieht

Chriſtoph.

Jch retirir mich zu der Fr. Gertrud hinein.

Weinberl.

Aber was thu denn ich? Jch kann mich ſo weder vor der Frau Gertrud noch vor’n Herrn Zangler zeigen.

52
Chriſtoph.

Jch geh zu der Fr. Gertrud, ich riskir nix, aber ich bin dabei.

(Will zur Seitenthuͤre rechts ab.)
Weinberl.

Mir bleibt nix übrig

(Loͤſcht ſchnell das Licht am Tiſche rechts aus, und eilt hinter den Ofenſchirm links im Hintergrunde.)

Sechzehnter Auftritt.

Zangler. Weinberl (hinter dem Schirm).
Zangler
(zur Mitte eintretend).

Jch hab mir das Ding anders überlegt, zur Schützentafel komm ich ſpäter auch noch z’recht; wie leicht könnt der ſaubre Herr Sonders dieſen Abend zu einem Rendezvous brauchen wollen. Jch werd an meinem Fenſter ein wenig aufpaſſen, wir haben Vollmond, da ſeh ich’s prächtig, wenn er allenfalls ins Haus hereinſchleichen wollt! Der ſaubre Herr Sonders der!

(Geht in die Seitenthuͤre link ab.)
53

Siebenzehnter Auftritt.

Weinberl, dann Marie und Sonders.
Weinberl
(kommt hinter dem Schirm hervor).

Er is drinn, jetzt kann ich mich ausg’ſchirren.

Sonders
(von Außen).

Nein, nein Marie! ſo geh ich nicht von Dir.

Weinberl
(erſchreckend).

Verdammt, da kommt wieder wer ich muß abermal

(Laͤft wieder hinter den Schirm.)
Marie
(mit Sonders zur Mitte eintretend).

Aber Auguſt

Sonders.

Verſprich mir in meinen Plan zu willigen.

Marie.

Jch ſoll dem Vormund durchgehen

Sonders.

Fliehen ſollſt Du mit mir.

Marie.

Das ſchickt ſich nicht.

Sonders.

Marie!

54
Marie.

Fliehen, durchgehen und auf und davonlaufen is Eins, und das ſchickt ſich nicht.

Sonders.

Du hier bleiben, mir entriſſen werden, und ich mir eine Kugel vor den Kopf brennen iſt auch Eins, und das ſchickt ſich ſo gewiß, wenn Du nicht Muth haſt

Marie.

Auguſt Du biſt ein fürchterlicher Menſch.

Sonders.

Des Alten Eigenſinn läßt uns nichts andres übrig.

Marie.

Wenn ich Dir aber ſage, es ſchickt ſich nicht. Du ſollſt eigentlich ſchon lang fort ſein, ich hab Dir nur erlaubt bis es Abend wird, und hier is nicht einmal ein Licht.

Sonders.

Haben Liebende je eines andern Lichtes bedurft, als jenes des Mondes, der eben freundlich durch die Fenſterſcheiben blickt.

Marie.

Der Mondſchein ſchickt ſich nicht. Du gehſt ent -55 weder ſogleich fort, oder gehſt mit mir zur Frau Gertrud hinein, die hat Licht.

Sonders.

Die darf ja nicht erfahren

Marie.

Warum nicht? Machen wir ſie zur Vertrauten unſerer Liebe.

Sonders.

Jch traue alten Weibern nie.

(Nach der Thuͤre rechts horchend).

Da hör ich jemand an der Thür!

Marie.

Am End gar der neugierige Chriſtoph

Sonders.

Wir wollen einen Augenblick uns hier verbergen.

(Nimmt Marien bei der Hand und geht mit ihr von der rechten Seite hinter den Schirm.)
Marie
(indem Auguſt ſie nach ſich zieht).

Ach Gott, das ſchickt ſich nicht!

(Weinberl, der hinter den Schirm ſteht, druͤckt ſich ſo viel als moͤglich gegen die linke Seite, ohne ſich zu getrauen ſeinen Verſteck zu verlaſſen.
56

Achtzehnter Auftritt.

Gertrud. Die Vorigen (hinter dem Schirm).
Gertrud
(aus der Seitenthuͤre rechts kommend).

Was iſt das? kein Licht da? Ah das wird der Herr ausg’löſcht haben, wie er fort is. Jch muß ſchaun, daß ich dem Mußi Weinberl heut noch den Befehl ausrichten kann, daß ’s G’wölb zug’ſperrt bleibt, bis Morgen merket ich mir’s g’wiß nicht, da wär’s nachher wieder ein Lärm! O der Alte das is ja ein

(Geht zur Mitte ab.)

Neunzehnter Auftritt.

Weinberl. Sonders. Marie.
Sonders
(Weinberl hervorziehend).

Da hat uns Einer belauſcht, nur hervor!

Marie
(ebenfalls vorkommend, erſchrickt, indem ſie Weinberl, der Schuͤtzen-Uniform wegen, in der Dunkelheit fuͤr Zangler haͤlt).

Himmel der Vormund ?

57
Sonders
(betroffen).

Herr Zangler

Marie
(Weinberl zu Fuͤßen fallend).

Lieber Herr Onkel-Vormund ſein Sie nicht bös, ich kann nichts davor, ich weiß, daß es ſich nicht ſchickt, aber

Sonders.

Jch habe Marien gegen ihren Willen bis in die Stube verfolgt, zürnen Sie daher mir doppelt und dreifach, wenn Sie wollen, doch Marien dürfen Sie keine Schuld zumeſſen.

Marie.

Nein, gar nichts zumeſſen Verzeihung lie - ber Herr Onkel und Vormund Sie ſchweigen? Dieſe ſchauerliche Stille verkündet einen furchtbaren Sturm.

Weinberl
(welcher in groͤßter Verlegenheit dageſtanden, indem er jeden Augenblick fuͤrchtet trotz der Dunkelheit von Marien erkannt zu werden, weiß ſich nicht anders zu helfen, nimmt zuerſt Mariens, dann Sonders Hand und fuͤgt ihre beiden Haͤnde ſegnend in einander).
58
Sonders
(aufs hoͤchſte erſtaunt und freudig uͤberraſcht).

Jſt’s möglich !? Dieſe Sinnesänderung Sie ſegnen unſern Bund ?

Marie.

Ach lieber göttlicher Herr Onkel und Vormund.

Weinberl
(hebt die noch immer knieende Marie empor und legt ſie in Sonders Arme).
(Zugleich.)
Marie.

Auguſt!

Sonders.

Marie!

Weinberl
(benuͤtzt den Moment waͤhrend die Liebenden ſich in den Armen halten, und eilt leiſe und mit großen Schritten zur Mittelthuͤre hinaus).

Zwanzigſter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Weinberl.
Sonders.

Jetzt biſt Du meine Braut

59
Marie
(ſich aus Sonders Armen erhebend).

Wie ſoll ich Jhnen danken, Herr Onkel?

Sonders
(beinahe zugleich mit voriger Nede).

Vortrefflicher, herrlicher Mann

(Beide be - merken mit Staunen, das Niemand mehr da iſt.)
Marie.

Was iſt denn das?

Sonders.

Er iſt fort!

Marie.

Wohin iſt er denn hin?

Sonders.

Ohne Zweifel auf ſein Zimmer, der gute Mann will das erſte Entzücken beglückter Liebe nicht ſtören, Marie, komm in meine Arme.

Marie.

Von Herzen gern, jetzt ſchickt es ſich ja.

Sonders
(ſie umarmend).

Liebes theures Mädchen!

60

Ein und zwanzigſter Auftritt.

Zangler. Die Vorigen, ſpäter Weinberl und Chriſtoph.
Zangler
(kommt mit Licht aus der Seitenthuͤre links).

Was gibts denn da ? Jch glaub gar

(Ergrimmt.)

Himmel Mordtauſend Element ! Herr Sie unterſtehen ſich

Marie
(wie aus den Wolken gefallen).

Aber lieber Herr Onkel Sie haben ja ſelbſt

Zangler.

Entartetes Mädel!

(Sie zur Seitenthuͤre links ſchleudernd.)

Da hinein!

Sonders.

Haben Sie nicht erſt in dieſem Augenblick

Zangler
(wuͤthend).

Verwegner Landſtreicher!

(Auf die Mittelthuͤre zeigend.)

Da hinaus.

(Weinberl tritt bereits wieder umgekleidet zur Mitte ein, und ſieht im Hintergrunde rechts ſtehend dem Auftritt zu, eben ſo Chriſtoph, welcher auf den Laͤrmen neugierig aus der Seitenthuͤre rechts tritt; beide ſtehen ſo, daß Son - ders ihnen das Geſicht nicht zuwendet.)
61
Marie.

Das kann Jhr Ernſt nicht ſein?

Zangler
(immer wuͤthender).

Hinein!

Sonders.

Entweder Sie halten uns jetzt zum Beſten, oder haben früher

Zangler
(wie oben).

Hinaus!

Marie
(weinend zur Seitenthuͤre links gehend).

Der Vormund is verhext!

(Ab.)
Zangler
(ihr nachrufend).

Hinein!!

Sonders.

Sie ſind verrückt Herr, aber Geduld ich werde

Zangler
(mit den Fuͤßen ſtampfend).

Hinaus!

Sonders.

Es iſt zu arg.

(Geht in großer Aufregung zur Mitte ab.)
62
Zangler
(indem er in die Seitenthuͤre links abgeht).

Wart ungerathenes Geſchöpf, dich ſoll meine Schwägerin coramiſiren.

(Ab.)
Weinberl
(vortretend).

Das iſt eine Hiſtorie

Chriſtoph
(in ausgelaſſener Freude ſpringend).

Jch vergönn ihr’s, warum heißts mich immer einen dalketen Bub’n.

Weinberl.

Mir ſcheint, ich fang ſchon an verfluchter Kerl zu ſein, das iſt der Vorgeſchmack vom Jux.

(Jm Orcheſter beginnt heitere Muſik.)
(Der Vorhang faͤllt.)
63

Zweiter Aufzug.

(Straßen-Dekoration, nur eine Couliſſe tief. Der Pro - ſpekt ſtellt die gerade uͤber die Buͤhne laufende Haͤuſer - reihe einer Gaſſe vor, ohne allen Perſpektiv, an dem mitten im Proſpekt ſich befindlichen Hauſe iſt das Thor offen, ſo daß man weiter hinten eine praktikable Stiege ſieht; in der Einfahrt rechts iſt eine Thuͤr, die zur Hausmeiſter-Wohnung fuͤhrt. Ober dem Haus - thore iſt eine Tafel mit großer Aufſchrift: Anna Knorr’s Modewaaren-Verlag.

Erſter Auftritt.

Weinberl, Chriſtoph (beide treten im geſchmack - loſen Sonntagsſtatt von links auf).
Chriſtoph.

Das wär’n Abenteuer? ich dank

Weinberl.

Ja lieber Freund ich kann Jhnen die Abenteuer nicht herzaubern. Glauben Sie, mir is das an - g’nehm, da herum z’gehn wie a Waſerl, mir, dem64 obendrein noch jedes offne Gwürzg’wölb einen heim - lichen Gewiſſensbiß macht.

Chriſtoph.

Den ganzen Vormittag is uns nix unter kom - men, nix aufgeſtoßen.

Weinberl.

Wir wollen die Hoffnung nicht ſinken laſſen, vielleicht ſtoßt uns jetzt Nachmittag was auf. Arg wär das, wenn wir vier Stund weit herfahreten, einen ganzen Tag in der Reſidenz zubrächten; ohne einen Jux ’s Geld verjuxt

Chriſtoph.

Das wär a Jux! Vor allen Andern müſſen wir doch wieder unter die Leut geh’n, in den öden Gaſſel da wer’n wir nix erleb’n.

Weinberl.

O Freund in die öden Gaſſeln erlebt man aller - hand, das is ja grad das Abenteuerliche. Wie oft hab ich geleſen in die Bücher: Er befand ſich ohne zu wiſſen wie, in einem engen abgelegenen Gäßchen, plötzlich gewahrt er an der Ecke einen Mann in einen Mantel, ihm war’s als ob er ihm gewunken an der andern Ecke ſieht er auch einen Mann, ihm däucht als hätt er ihm gewinkt, unentſchloſſen ſteht65 er da, er weiß nicht, ſoll er dem folgen, der ihm gewinkt, oder dem, der ihm gewunken da öffnen ſich plötzlich die Fenſter

Philippine
(oͤffnet a tempo das Fenſter im Hauſe der Madame Knorr im Proſpekt).
Weinberl
(ohne dieſes zu bemerken, faͤhrt fort).

Und eine zarte weibliche Hand

Philippine
(hat eilig am Fenſter ein Glas mit Waſſer ausgeſpuͤhlt, und ſchuͤttet es, ohne herab zu ſehen, auf die Straße und ſchlaͤgt ſogleich wieder das Fenſter zu).
Weinberl
(den es beinahe getroffen, erſchrocken zur Seite ſpringend).

No, ſein’s ſo gut

Chriſtoph.

Das ging mir grad noch ab

Weinberl.

Wenn ich jetzt einen halben Schritt weiter links g’ſtanden wär, ſo könnt ich ſagen, daß ich in der Reſidenz überſchüttet worden bin.

Chriſtoph.

Was logirt denn für ein Völkel da droben?

666
Weinberl
(liest den Schild).

Anna Knorr’s Modewaaren-Verlag

Chriſtoph.

Das is eine ſchöne Mod, daß man d’Leut anſchütt.

Weinberl
(nach rechts in die Scene ſehend).

Sieh, dort ſteht ein Mann.

Chriſtoph.

Winkt uns aber nicht.

Weinberl.

Er kommt näher er bleibt wieder ſteh’n das is ja

Chriſtoph.

Meiner Seel

Weinberl.

Das is der Herr von Brunninger.

Chriſtoph.

Der öfters zu unſern Principal kommt.

Weinberl.

Der kennet uns glei

Chriſtoph.

Fahr’n wir ab.

(Beide wollen links ab.)
67
Weinberl.

Halt!

(Bleibt wie vom Donner geruͤhrt ſtehen.)

Das is Blendwerk, das kann nicht ſein

(Zeigt erſtarrt mit der Hand in die Scene links.)
Chriſtoph
(erſchrocken).

Der Herr Zangler!

Weinberl.

Der Principal!

Chriſtoph.

G’ſchwind da in’s Haus herein

Weinberl.

Dem Abenteuer weichen wir aus!

(Beide eilen in das off’ne Hausthor, Mitten im Pro - ſpekt und bleiben unter der Einfahrt, ſich links druͤckend, ſtehen.)
Chriſtoph.

Er wird gleich vorbei ſeyn.

Weinberl.

Nur ruhig!

68

Zweiter Auftritt.

Hausmeiſter. Die Vorigen.
Hausmeiſter
(aus ſeiner Thuͤr unter dem Thorweg tretend).

Was gibts da?!

Chriſtoph.

Nix, gar nix!

Weinberl.

Wir wollen

Chriſtoph.

Nix, gar nix!

Hausmeiſter.

Wieder paſſen auf d’Weibsbilder? Weiter um a Haus!

Chriſtoph.

Nit um a G’ſchloß!

Weinberl.

Wir müſſen da hinauf

Hausmeiſter.

Zu wem?

Weinberl
(im Zweifel was er ſagen ſoll).

Zu zu No, was da draußt auf der Tafel ſteht.

69
Chriſtoph.

Madame Knorr, Modewaarenverlagsniederlag -[v]erſchleißhändlerin

Hausmeiſter.

Die logirt im erſten Stock und nit unter der Einfahrt.

Chriſtoph.

Eben deßtwegen gehn wir ja hinauf

Weinberl
(zum Hausmeiſter).

Ja, haben Sie glaubt, daß wir nit hinauf geh’n?

Hausmeiſter.

Erſten Stock, rechts die Thür!

Weinberl.

Dank Jhnen.

(Geht zoͤgernd die Stiege hinauf.)
Chriſtoph.

Alſo gehn wir.

(Jndem er Weinberln folgt.)

Wir können nit fehl’n, rechts die Thür!

(Man ſieht Beide die Stiege hinauf gehen.)
Hausmeiſter
(nach einer kleinen Pauſe).

Denen geh ich nach, i muß ſehn, ob’s mi nit anglogen haben.

(Geht ebenfalls die Stiege hinauf.)
70

Dritter Auftritt.

Zangler, dann Brunninger.
Zangler
(von links kommend).

Das wär gethan das auch zur Schwä - gerin hab ich hing’ſchickt alſo

(Geht in das Haus wo Chriſtoph und Weinberl hineingegangen ſind.)
Brunninger
(eilig von rechts kommend).

Herr von Zangler! Herr von Zangler!

Zangler
(bereits unter dem Thorweg ſich wieder umwendend).

Wer ruft denn?

Brunninger
(auf ihn zueilend).

So hab ich halt doch recht g’ſeh’n!

Zangler.

Herr von Brunninger!? Freut mich!

Brunninger.

Seit wann in der Stadt? Kommen wie geru - fen, müſſen gleich jetzt mit mir zum Advokaten, es is wegen der Krügliſchen Sache.

Zangler.

Freund, das laſſen wir bis ſpäter, jetzt muß ich

71
Brunninger.

Nein, Freund ich laſſ Jhnen nicht aus, die Krügliſche Sache

Zangler.

Liegt mir bei weiten nicht ſo am Herzen, als wie

Brunninger.

Hat ſich aufs vortheilhafteſte geſtaltet, wir kommen alle zwei zu unſerm Geld.

Zangler.

Jch weiß

Brunninger.

Die Krügliſche Sache

Zangler.

Muß jetzt, aufrichtig g’ſagt, einer Herzensſache nachſteh’n.

Brunninger.

Was?!

Zangler.

Jch heirath!

Brunninger.

Wem?

Zangler.

Noch weiß es kein Menſch, und doch ſteht’s72 mit großmächtigen Buchſtaben ang’ſchrieben auf der Gaſſen.

Brunninger.

Wo?

Zangler
(auf die Tafel ober dem Hausthor deutend).

Da Madam Knorr.

Brunninger.

Js das die Erwählte? gratulir, aber

Zangler
(eilig).

Jch muß jetzt zu ihr

Brunninger.

Da vergeſſens mir ganz auf die Krügliſche Sache nix da, ich laſſ Jhnen nicht aus

Zangler.

Aber Freund

Brunninger.

Jn 10 Minuten is es abgethan.

Zangler.

Aber gewiß nit länger?

Brunninger
(ihn unter den Arm nehmend).

Nein, ſag ich, kommens nur g’ſchwind.

73
Zangler.

Meinetwegen, aber

Brunninger
(mit Zangler abgehend).

Sie werden ſich wundern, Freund, ich ſag Jhnen, die Krügliſche Sache

Zangler.

Länger als 10 Minuten kann ich nicht

(Beide ab.)

Verwandlung.

(Zimmer bei Madame Knorr, mit Mittel - und Seitenthuͤren.)

Vierter Auftritt.

Philippine, Weinberl, Chriſtoph.
Philippine.

Wollen die Herren da herein ſpaziern? was ſollen Sie draußen im Atelier warten. Jch werd’s gleich der Madam ſagen.

(Geht in die Seitenthuͤre rechts ab.)
Weinberl.

Da wär’n wir. Sehn Sie, das ſieht ſchon ein’m Abenteuer gleich.

774
Chriſtoph.

Was ſagen wir denn aber, wenn die Madam kommt?

Weinberl.

Was uns einfällt.

Chriſtoph.

Wenn uns aber nix G’ſcheidts einfällt?

Weinberl.

So ſagen wir was Dumm’s. Unſere Lag erfor - dert mehr Hardieß als G’ſcheidtheit.

Chriſtoph.

Freilich, ein g’ſcheidter Menſch läßt ſich auf ſo Sachen gar nicht ein.

Weinberl.

Sie kommt!

Fünfter Auftritt.

Madame Knorr, Philippine. Die Vorigen.
Philippine
(mit Mad. Knorr aus der Seitenthuͤre rechts kommend).

Da ſind die Herrn!

(Geht zur Mitte ab.)
Weinberl und Chriſtoph
(machen Madame Knorr ſtumme Komplimente).
75
Chriſtoph
(zu Weinberl leiſe).

Wenn Sie nit zum Reden anfangen, ich fang nit an.

Weinberl.

Nur Geduld!

Mad. Knorr.

Was ſteht zu Dienſten, meine Herren?

Weinberl.

Hab ich die Ehre, Madame Knorr ?

Mad. Knorr.

O ich bitte, die Ehr iſt meinerſeits!

Chriſtoph
(bei Seite).

Der Anfang iſt ſehr ehrenvoll.

Mad. Knorr.

Wünſchen die Herren vielleicht draußen

(nach der Mittelthuͤre zeigend.)

in meinem Waarenlager eine kleine Auswahl zu treffen?

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Sie, das thut’s nit, ’s könnt uns ’s Geld z’we - nig wer’n.

Weinberl.

Wir kommen eigentlich weniger um zu kaufen

76
Chriſtoph.

Noch eigentlicher um gar Nichts zu kaufen.

Weinberl.

Sondern vielmehr gekaufte Sachen zu be - zahlen.

Mad. Knorr
(ſehr freundlich).

O, ich bitte!

Chriſtoph.

Das heißt eigentlich nicht zu bezahlen

Weinberl.

Sondern eigentlich nur um uns über eine Rech - nung zu informir’n, wie viel ſie betragt, und dieſe Tage dann zu bezahlen.

Mad. Knorr.

Wie es gefällig iſt, aber was für eine Rech - nung meinen Sie denn eigentlich?

Weinberl.

Die Rechnung von

(Bei Seite zu Chriſtoph.)

Sie wird doch eine Kundſchaft haben, die Schmidt heißt.

(Laut.)

Die Rechnung nämlich von der Frau von Schmidt.

Mad. Knorr.

Das muß ein Jrrthum ſein, ich habe keine Kundſchaft, die Frau von Schmidt heißt.

77
Weinberl
(fuͤr ſich).

Jetzt is recht.

(Laut.)

Jch habe mich nur ver - ſprochen, Frau von Müller hab ich ſagen wollen.

(Bei Seite.)

Da wirds doch Eine haben.

Mad. Knorr.

Verzeih’n Sie, ich hab auch keine Frau von Müller zu bedienen.

Weinberl
(bei Seite).

Da ſoll doch der Teufel

(Laut.)

Jch bin aber heut ſo zerſtreut, Frau von Fiſcher heißt Diejenige

Mad. Knorr.

Ah, Frau von Fiſcher, ja das iſt was anders, ja, die Frau von Fiſcher meinen Sie?

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Seh’ns, jetzt hab ich’s halt doch troffen.

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Es is aber unbegreiflich, wie man nicht gleich Frau von Fiſcher ſagen kann, das gibt doch die Vernunft.

Mad. Knorr.

Aber wie kommt das? Frau von Fiſcher iſt mehr meine Freundin als blos Kundſchaft

78
Weinberl.

Bitte, wenn die Freundin was kauft, iſt ſie Kundſchaft und muß zahlen; wenn das nicht wär, ſo hätten die Kaufleut lauter Freund und gar keine Kundſchaften.

Mad. Knorr.

Aber es preſſirt ja nicht, Frau von Fiſcher ver - rechnet ſich alle Jahr mit mir, und jetzt muß ich mir ſchon die Freiheit nehmen, zu fragen, wer Dieſelben ſind und wie Sie dazu kommen, für die Frau von Fiſcher bezahlen zu wollen?

Weinberl.

Sie iſt alſo Jhre Freundin?

Mad. Knorr.

Das glaub ich, noch wie ihr ſeliger Mann ge - lebt hat, und gar jetzt, die drei Jahr, als ſie Witwe iſt.

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Jetzt geben Sie Acht, was ich der Sach für eine Wendung geb

(Laut.)

Drei Jahr war ſie Witwe, ganz recht, aber ſeit drei Tag iſt ſie’s nicht mehr.

Mad. Knorr
(erſtaunt).

Wie ſo?

79
Weinberl.

Jch bin ihr Gemahl!

Mad. Knorr
(aufs Aeußerſte uͤberraſcht).

Was!?

Chriſtoph
(fuͤr ſich).

Ah, das is ein kecker Ding!

Mad. Knorr.

Wär’s möglich! Meine Freundin Fiſcher hat vor 3 Tagen geheirath!?

Weinberl.

Jch bin der Glückliche von drei Täg

(Leiſe zu Chriſtoph triumphirend.)

Seh’n Sie, das heißt halt Geiſt.

Mad. Knorr
(hat etwas von dieſen Worten gehoͤrt).

Wer heißt Geiſt?

Weinberl.

Geiſt? Jch heiße Geiſt.

(Fuͤr ſich.)

’s is all’s eins, ich kann heißen wie ich will.

Mad. Knorr.

Jch bin ſo überraſcht, Herr von Geiſt

Chriſtoph
(fuͤr ſich).

Man ſähet ihm’s nicht an.

80
Mad. Knorr.

Und dieſer junge Herr?

(Auf Chriſtoph zeigend.)
Weinberl.

Ein meiniger Verwandter.

Mad. Knorr.

Aber warum hat man ſo eine wichtige Sach vor einer intimen Freundin verheimlicht?

Weinberl.

Sie ſollen Alles erfahren. Aber wollen Sie jetzt nur wegen der Rechnung nachſchau’n.

Mad. Knorr
(will zur Seitenthuͤre rechts ab, zoͤgert jedoch).
Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Derweil fahrn wir ab!

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Recht, der Alten begegnen wir jetzt nicht mehr.

Mad. Knorr.

Nein, ich kann mich noch gar nicht erholen von dem Erſtaunen und der Ueberraſchung.

81

Sechster Auftritt.

Philippine. Vorige.
Philippine
(zur Mitte eintretend).

Madam, die Frau von Fiſcher is da, ſie will aber nicht herein, weil Herrn da ſind.

Chriſtoph
(fuͤr ſich).

Jetzt gehts z’ſam!

Weinberl
(ganz verbluͤfft).

Wer is da?

Mad. Knorr.

Jhre liebe Frau.

(Zu Philippine.)

Sie ſoll nur hereinkommen, es is ja ihr Gemahl

Weinberl
(verlegen).

Nein, ſagen Sie ihr

Mad. Knorr.

Zu was dieſe Sachen.

(Zu Philippine.)

Sie ſoll kommen, ihr Gemahl, ihr lieber Geiſt is da.

Philippine
(geht zur Mitte ab).
Weinberl
(in großer Verlegenheit, fuͤr ſich).

Jch wollt, ich wär ein Geiſt, daß ich verſchwin - den könnt.

82
Mad. Knorr.

Jch begreif nicht wozu dieſe Zurückhaltung, dieſes geheimnißvolle Weſen?

Weinberl.

Meine Frau die hat das, Sie werden ſehn, ſie wird jetzt noch thun, als ob ich ihr ein fremder Menſch wär.

Chriſtoph
(fuͤr ſich).

Ja, ſie wird ſo dergleichen thun.

Mad. Knorr.

Am End is ſie obſtinat und bleibt draußten.

Weinberl
(fuͤr ſich).

Das wär a Glück!

Mad. Knorr.

Da muß ich gleich wär nicht übel !

(Geht zur Mittelthuͤre.)
Weinberl
(zu Chriſtoph).

Jch bin ſehr geſpannt auf meine Frau.

Mad. Knorr.
(Frau v. Fiſcher unter der Thuͤre empfangend).

Nur her da, komm in meinen offene Arme, Du Verſchloſſene.

83

Siebenter Auftritt.

Frau v. Fiſcher. Die Vorigen.
Frau v. Fiſcher (tritt befremdet zur Mitte ein).
Philippine
(zu Frau v. Fiſcher).

Jetzt ſehen Sie, daß ich keinen Spaß hab g’macht.

Mad. Knorr.

Nein, es is Ernſt, da ſteht er, Dein Gemahl, der Herr von Geiſt.

Frau v. Fiſcher.

Mein Gemahl ? Und er hat Dir ſelbſt ge - ſagt?

Mad. Knorr.

Daß Du ſeit 3 Tägen die Seinige biſt, jetzt nutzt keine Verſtellung mehr.

(Zu Philippine.)

Phi - lippine, laſſen Sie geſchwind Kaffee machen und dann ſoll

(Gibt ihr leiſe mehrere Auftraͤge.)
Fr. v. Fiſcher
(betrachtet Weinberl ſcharf).
Weinberl
(zieht ſich verlegen immer mehr links zur Seite).
84
Frau v. Fiſcher.
(nach einer Pauſe vortretend, fuͤr ſich).

Das iſt entweder eine excentriſche Art den An - bether machen zu wollen, oder der Menſch erlaubt ſich einen Scherz mit mir, im erſten Fall verdient die Sache nähere Erwägung, im zweiten Fall ver - dient die Keckheit Strafe; in jedem Fall aber muß ich in’s Klare kommen, und das kann ich am beſten, wenn ich in ſeine Jdee einzugehen ſcheine, vor mei - ner Freundin ſeine Frau ſpiele und Gelegenheit ab - warte, ihn in die Enge zu treiben.

Philippine
(zu Madame Knorr).

Schon recht, Madam!

(Geht zur Mitte ab.)
Mad. Knorr
(zu Frau v. Fiſcher).

Und jetzt zu Dir, Du garſtige Freundin

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Die garſtige Freundin iſt eigentlich ſehr ſauber.

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Was nützt das, wir kommen doch in eine wilde G’ſchicht.

85
Mad. Knorr
(zu Frau v. Fiſcher).

Wie haſt Du das übers Herz bringen können, zu heirathen, ohne daß ich was weiß?

Fr. v. Fiſcher.

Es war ein Grund den Dir mein lieber Mann ſagen wird.

Weinberl
(verbluͤfft fuͤr ſich).

Sie ſagt lieber Mann ſie thut richtig ſo.

Mad. Knorr.

Nun, Herr von Geiſt?

Weinberl
(verlegen).

O den Grund, den kann Jhnen meine liebe Frau eben ſo gut ſagen.

Fr. v. Fiſcher.

Nein, lieber Mann, ſag Du es nur.

Weinberl
(wie oben).

Ah, geh, liebe Frau, ſag Du’s.

Fr. v. Fiſcher.

Es war eine Laune von meinem lieben Mann

Weinberl
(ſich mehr und mehr faſſend).

Und zugleich auch eine Laune von meiner lieben Frau.

86
Mad. Knorr.

Es is aber unerklärbar.

Weinberl.

Daß zwei Leut, wie wir, bei Laune ſind, das is gar nicht unerklärbar.

Mad. Knorr.

Die Bekanntſchaft muß aber doch ſchon viel länger

Fr. v. Fiſcher.

Ach das nicht, wir kennen uns erſt ſehr kurze Zeit.

Weinberl.

Unglaublich kurz. Die G’ſchicht war ſo über Hals und Kopf.

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Ja wohl is’s uns übern Hals kommen, den Kopf aber heißt’s jetzt aus der Schlinge ziehen.

Mad. Knorr.

Da kann man ſehen, die Ehen werden im Him - mel geſchloſſen.

Weinberl.

Richtig bemerkt, im Himmel wern’s g’ſchloſſen, darum erfordert dieſer Stand auch eine ſo überir - diſche Geduld.

87
Fr. v. Fiſcher.

Sehr unrichtig bemerkt, denn Du haſt Dich hoffentlich nicht über mich zu beklagen.

Weinberl.

O nein!

Fr. v. Fiſcher.

Hab ich Dir ſchon ein einziges Mal wider - ſprochen?

Weinberl.

Nein, das is wahr.

Fr. v. Fiſcher
(mit Beziehung).

Suche ich nicht in Deine Jdeen einzugehen, ſelbſt wenn ich keinen grundhältigen Grund heraus - finde?

Weinberl.

Das is ſehr wahr!

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Das is a feine Kundſchaft, fahr’n wir ab.

Weinberl
(zu Frau v. Fiſcher).

Weil Du mir nie widerſprichſt, ſo wirſt Du auch nix dagegen haben, wenn ich Dich jetzt bei Deiner Freundin laſſ und meinen Geſchäften nachgehe.

88
Fr. v. Fiſcher.

O, da würd ich ſehr viel dagegen haben. Du haſt für heute kein Geſchäft mehr, als für unſer Vergnügen zu ſorgen, zum erſten Male muß es jetzt nach meinem Willen gehen.

Weinberl.

Aber ich muß

Fr. v. Fiſcher
(ihm inponirend).

Für dießmal unbedingt den Befehlen der Frau gehorchen.

Weinberl
(verbluͤfft).

Ja, ja, gehorchen, ſag nur, was Du eigentlich ſchaffſt?

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Aber was treibens denn?

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Jch trau mich nicht zu widerſprechen.

Chriſtoph
(wie vor).

Zwei Minuten ſtell’ns jetzt ein Eh’mann vor und ſein ſchon Simand’l, Sie hab’n eine großartige Anlag.

89
Mad. Knorr
(welche indeſſen leiſe mit Fr. v. Fiſcher geſprochen).

Charmant, dort fahr’n wir hin, der Garten is prächtig, die Bedienung iſt einzig.

Fr. v. Fiſcher
(ohne daß Weinberl darauf Acht hat).

Mein Mann ſoll uns dort traktiren.

Mad. Knorr.

Da hinaus eine Partie zu machen, das is eine Jdee von Dir, die wirklich einen Kuß verdient, den Dir Dein Mann auch allſogleich.

Weinberl
(zu Madam Knorr).

Glauben Sie? Ja ich bin der Mann, der Nie - manden ſein Verdienſt abſtreiten will, wenn Sie alſo der Meinung ſind, daß ſie ein Kuß verdient

Mad. Knorr.

Ohne weiters.

(Zu Frau v. Fiſcher.)

Nur keine Umſtänd g’macht vor einer Freundin.

Weinberl.

So geh, Gemahlin!

(Kuͤßt Frau v. Fiſcher, welche verlegen zoͤgert.)
Mad. Knorr.

So ſeh ich’s gern von junge Ehleut.

890
Weinberl
(fuͤr ſich).

Das is ein Götterweib.

(Zu Frau v. Fiſcher.)

Gemahlin, wenn Du nicht recht bald wieder eine Jdee haſt, die einen Kuß verdient, ſo gib ich Dir gleich ein Paar als Vorſchuß auf Deine nächſten Jdeen.

Mad. Knorr.

Eine Taſſe Kaffee müſſen wir aber noch trin - ken, eh wir ausfahren, der Herr Cousin kann gleich um einen Wagen geh’n, und Sie

(zu Weinberl)

ſpa - zieren indeſſen

(nach rechts zeigend)

in mein Zimmer hinein, ich muß Jhrer Frau im Atelier draußen eine neue Form von Hauberln zeig’n, von Hau - berln ! wir werden Jhnen nicht zu lang warten laſſen, Sie verliebter Gemahl Sie.

(Geht mit Frau v. Fiſcher und Chriſtoph zur Mitte ab.)

Achter Auftritt.

Weinberl
(allein).

Jch muß ſagen, ich und die Meinige wir leben ſehr gut miteinand. Es rentirt ſich kurios, wenn man a verfluchter Kerl is. Den Wagen wird wohl die Madam Knorr zahlen ah freilich, ſie hat ja drum g’ſchickt. Uebrigens, daß ich jetzt da ſo aus dem91 Stegreif einen Gemahl vorſtell, das is a verruckte Jdee. Macht nix, ich bin ja nicht der Einzige, es gibt mehr Leut, die verruckte Jdeen haben.

Lied.
1.
A Mann führt ſein Frau ’s ganze Jahr nirgends hin,
Unterhalt ſich auf and’re Art, ganz nach ſein Sinn,
Prätendirt aber, wenn er geht, ſoll’s freundlich ſein,
Weils ihm ſonſt den Humor verdirbt in Vorhinein
Wenn er heimkommt, ſolls lächeln recht heiter und mild,
Er wird Flegel, ſobald ſie ſich unglücklich fühlt,
Sie ſoll höchſt zufrieden ſein in dieſer Eh
Das is a verruckte Jdee!
2.
A eitle Mama hat a Tochter wie a Perl,
Der Tochter ihr Amant is a pfiffiger Kerl,
So wie’n Haushund der Dieb mit Savlati beſticht,
Wer’n von ihm an d’Mama a Paar Flatuſen ge -
richt,
Und d’Alte is ſelig, die Aug’n thun ihr funkeln,
Ach Gott, denkt’s, ich thu meine Tochter verdunkeln,
Für mich thut ſein Herz nur ſchlagen unterm Gilée
Das is a verruckte Jdee!
92
3.
Den Herrn ſeh ich täglich zu Jhrer Frau geh’n
Ja wiſſens das macht nix, es is ihr Cousin
Jn der Dämmerung da ſieht man’s oft bei einand
ſtehn
Was ſchadt denn die Dämmerung, ’s is ja ihr
Cousin
Sie thut ihm die Hand drucken und thut ihm ſchön
Warum ſolls ihn nit drucken, ’s is ja ihr Cousin
Wär er nit ihr Cousin, ließ i ihrn gwiß nit in
d’Näh
Das is a verruckte Jdee!
4.
’s is jetzt faſt Auszeichnung, wenn man ſagen kann,
dahier,
Mein Sohn is zwölf Jahr und ſpielt gar nicht Clavier;
Wer nicht ferm Doktorfauſtſtückeln jetzt machen kann,
Sondern nur Virtuos is, den hört man kaum an
Und doch liest man Clavierkonzert faſt alle Tag
An allen Ecken, aber im Preis geben’s dem Lißt nicht
viel nach
Drei Gulden Münz für ein Sperrſitz, vier Zwan -
ziger Entrée
Das is a verruckte Jdee!
93
5.
’s hat Einer ein kleinen Gehalt, kommt nicht draus,
Verliebt ſich romantiſch und rechnet ſich’s aus:
Als ſo led’ger kommt mich’s Kaffehaus ſo hoch,
Da kommt mich ja d’Frau etwas billiger noch
Dann ’s Kinder ernähren meint er wird ſich ſchon
finden,
Das Rechnungs-Exempel is ſchön g’fehlt vorn und
hinten,
A Familie und Sechshundert Gulden W. W.
Das is a verruckte Jdee!
(Jn die Seitenthuͤre rechts ab.)

Verwandlung.

(Eleganter Garten-Salon in einem Gaſthaus-Etablis - sement außer der Stadt, den groͤßten Theil des Pro - ſpekts nimmt ein großes Fenſter und eine Glasthuͤre ein, das Fenſter rechts, die Thuͤre links, durch beide hat man die Ausſicht in den Garten, wo man an mehreren Tiſchen Gaͤſte ſitzen ſieht. Außerhalb des Sa - lons, ganz nahe am Fenſter, ſieht man einen zuge - machten Wagen ſtehen, deſſen Pferde in der Kouliſſe angenommen werden. Jm Garten-Salon zu beiden Seiten ein Tiſch und Stuͤhle.)
94

Neunter Auftritt.

Zangler, Melchior.
Zangler
(erzuͤrnt in den Salon mit Melchior eintretend).

Das alſo hier is der Ort?

Melchior.

Wenn Ew. Gnaden recht verſtanden hab’n, was der Herr dem Kutſcher zug’ruft hat.

Zangler.

Ob ich ihn verſtanden hab. Es war grad in dem Moment, wie er’s Wagenthürl zug’ſchlagen hat, ich ſchrei: halt!

Melchior.

Aber man war nicht ſo dumm, Jhnen zu ge - horchen.

Zangler.

Jch ſtürz in mein Gaſthaus

Melchior.

Jch ſtürz Jhnen entgegen und nach kurzer Er - klärung ſtürzen wir alle Zwei fort, ſtürzen in einen Wagen und wenn der Wag’n auch g’ſtürzt wär,95 wär’n wir noch nicht da. Jetzt denken Ew. Gnaden, wenn Sie mich nicht hätten.

Zangler.

So wär ein Anderer mit mir heraus.

Melchior.

Es iſt ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich haben.

Zangler.

Das Frauenzimmer war offenbar ſie.

Melchior.

Und der Mann war offenbar er.

Zangler.

Während meiner Abweſenheit durchgehen!

Melchior.

Das iſt klaſſiſch!

Zangler.

Schändlich is es, aber ich will ihr zeigen

Melchior.

Wenn eine Mündel ſo den Mündelgehorſam verletzt, wenn eine Nichte ſo die Nichtigen Pflichten vergißt, da muß man

Zangler.

Da muß man nicht viel reden, ſondern ſchau’n, daß man ſie kriegt.

96
Melchior.

Nur kein Aufſeh’n! Es is ein wahres Glück, daß Ew. Gnad’n mich haben.

Zangler.

Meine Mündel will ich haben, Tölpel!

Melchior.

Gut, aber was thäten Ew. Gnaden, wenn Sie mich nicht hätten?

Zangler.

Einen G’ſcheidtern thät ich ſchicken, daß er augenblicklich jeden Saal, jedes Salettel, jeden Salon, jeden Salatärain durchſucht, und mir die Ueberzeugung bringt, daß ſie da ſind.

Melchior

Aber nur kein Aufſehen! Wir müſſen zuerſt

Zangler
(den Wagen vor dem Salon-Fenſter erblickend).

Ha, das iſt der Wagen jetzt haben wir’s, ſie ſind da!

Melchior.

Das is klaſſiſch! ’s iſt ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich haben.

Zangler
(ruft).

He Kutſcher! He!

(Will ab.)
97
Melchior
(ihn zuruͤckhaltend).

Schrein’s nit ſo, bleib’n Sie.

Zangler.

Laß Er mich, oder ich ſchlag mein ſpaniſches Rohr an ihm ab!

Melchior.

Vermeiden Sie das Aufſehen. Sie entkom - men uns ja nicht, die Pferd nehmen hier Er - friſchungen zu ſich, das dauert a Weil.

Zangler
(ruft noch lauter).

He Kutſcher! He!

Kutſcher
(von Außen).

Was ſchaffens?

Melchior.

Na ſehns, er kommt ſchon, es is ein wahres Glück, daß Ew. Gnaden mich

Zangler
(grimmig).

Halt Er’s Maul, oder

Melchior.

Kein Aufſehen!

998

Zehnter Auftritt.

Kutſcher. Die Vorigen.
Kutſcher
(tritt ein).

Euer Gnad’n.

Zangler.

Geh Er her.

Kutſcher.

Jch hab ſchon a Fuhr.

Zangler.

Eben Deine Fuhr will ich

Kutſcher.

Sein denn Ew. Gnaden a Kutſcher?

Zangler.

Er verſteht mich nicht

Melchior
(zu Zangler).

So red’ns ordentlich mit ihm. Jch ſeh ſchon, da hab’n Ew. Gnad’n keinen Begriff

Zangler.

Du haſt einen Herrn und ein Frauenzimmer g’führt?

Kutſcher.

Ja, ſie ſitzen im Garten.

99
Zangler.

Und weißt Du, in welcher Abſicht dieſer Herr und dieſes ?

Kutſcher.

Was geht denn das mich an

Melchior.

Wenn ein Kutſcher in das eingehen wollt. Ah da haben Ew. Gnaden keine Begriff

Zangler
(zum Kutſcher).

Weißt Du, Helfershelfer, daß Du Criminaliſch biſt?

Kutſcher.

Laſſens Jhnen nit auslachen

Melchior
(zu Zangler).

Seh’ns, jetzt lacht er Jhnen aus, Ew. Gnad’n hab’n keinen Begriff

Zangler
(zum Kutſcher).

Hier hat Er 10 Gulden.

Melchior.

Der Kutſcher wird jetzt gleich ein Begriff krieg’n.

Kutſcher.

Ew. Excellenz!

100
Zangler
(zum Kutſcher).

Er führt die zwei Leut, wenn Sie wieder ein - ſteigen, nicht wohin ſie wollen, ſondern wohin ich ihm ſagen werde.

Kutſcher.

Wenn’s mich aber nachher verklag’n?

Zangler
(ihm einen Zettel gebend).

Da is die Adreß von meiner Schwägerin, da fahrſt Du hin, und um Dir zu zeigen, daß die Sache im Wege Rechtens vor ſich geht, geh ich jetzt zum Wachter, der muß hint aufſtehen und Gewalt brauchen, wenn ſie nicht gutwillig in das Haus wol - len, wo ich ſie hinbringen laß. Dem Wachter werd ich ſchon erklären

Melchior
(mit Beziehung auf das Trinkgeld).

O, der Wachter begreift eben ſo wie der Kutſcher.

Zangler
(zum Kutſcher).

Bleib Er jetzt beim Wagen. Er muß jeden Augenblick in Bereitſchaft ſein.

Kutſcher.

Ew. Gnaden können ſich verlaſſen.

(Ab.)
101
Zangler
(grimmig).

Jch fahr dann nach, und hab ich den kecken Bur - ſchen im Haus meiner Schwägerin, dann laß ich ihn durch einen Herrn Commissarius ohne Aufſehen

Melchior.

Das is ja das, was ich immer ſag, ohne Auf - ſehen. Seh’n Ew. Gnad’n jetzt ein, was das für ein Glück iſt, daß Sie mich haben.

Zangler
(wie vor).

Unerträglicher Kerl, ich zerreiß ihn.

Melchior.

Geh’ns, Sie machen ſchon wieder ein Aufſehen.

Zangler.

Schad, daß ich mich ärg’re, denn Er is ſo dumm, ſo

Melchior.

Da haben Sie gar keinen Begriff, wenn Sie ſagen

Zangler.

Daß Er ein Stockfiſch iſt, den ich zum Teufel jag, wie wir nach Haus kommen, das ſag ich.

(Geht wuͤthend ab.)
102

Eilfter Auftritt.

Melchior, dann Sonders und Marie.
Melchior
(allein).

Der wird es nie einſehen, mit dem Mann plag ich mich umſonſt. Er halt mich partut für einen Stockfiſch, und man glaubt gar nicht was das is, wenn man einmal auf ein Menſchen einen Verdacht hat. Jch könnt mich aber doch durch was in Reſpekt ſetzen bei ihm, wenn ich die Liebenden, die ich in meinem Leben nicht geſehen hab, entdecket, ihre Geſpräche und Pläne belauſchet, und ſo da kommen Zwei

(Jn den Garten hinausſehend.)

Er redt in ſie hinein, ſie ſeufzt aus ſich heraus das ſind Liebende, jetzt fragts ſich nur, ob es die unſri - gen ſind, obs die ſind, die wir ſuchen.

(Zieht ſich rechts gegen das Fenſter zuruͤck.)
Sonders
(mit Marien eintretend).

Sei doch nicht ſo ängſtlich, liebe Marie.

Marie
(traͤgt einen Burnus und Hut mit Schleier).

Ach Gott, die vielen Leut.

103
Sonders.

Kennen uns nicht; wir ſind hier Beide fremd.

Marie.

Jch glaub, jeder Menſch ſieht mir’s im G’ſicht an.

Melchior
(fuͤr ſich).

Das iſt klaſſiſch.

Marie.

Und bei jedem Schritt glaub ich, der Vormund ſteht vor mir.

Melchior
(fuͤr ſich).

Sie hat einen Vormund, die ſind’s ſchon.

Sonders.

Hier iſt der Sammelplatz der eleganten Welt, gerade hier ſind wir am ſicherſten, ſo einem Spießbür - ger, wie er iſt, nicht zu begegnen.

Marie.

Ach Auguſt, wozu haſt Du mich verleitet?! Und ich hab Dir doch immer geſagt, es ſchickt ſich nicht.

Melchior
(fuͤr ſich).

Das is klaſſiſch!

Sonders.

Mache Dir deshalb keine Vorwürfe, Dein Vor - mund iſt ein Tyrann.

104
Melchior
(fuͤr ſich).

Was? Auf die Art ſind die’s doch nicht. Un - ſerer ihr Vormund is a G’würzkramer und der ihrer is a Tyrann, das ſind Liebende, die uns gar nix angeh’n.

Sonders.

Er ſelbſt hat uns gezwungen zu dieſen Schritt.

Melchior
(fuͤr ſich).

Die ſind dazu gezwungen word’n und die unſ’ri - gen ſein freiwillig fort, ja das ſind ja ganz andere Verhältniſſe.

Marie.

Du wirſt ſehen, Auguſt, mir geht’s im Geiſt vor

Sonders.

Beruhige Dich, liebes Mädchen, wir haben nichts zu befürchten.

Melchior
(fuͤr ſich).

Die haben nichts zu befürchten, und die unſri - gen haben ſehr viel zu befürchten wie geſagt, das ſind hier ganz andere Verhältniſſe.

Marie.

Daß ich aber mit Dir in der Welt herumlauf, das ſchickt ſich nicht.

105
Melchior
(fuͤr ſich).

Das is klaſſiſch.

Sonders.

Dafür iſt geſorgt, ich erwarte hier nur die Ant - wort von einem Freunde, deſſen Schloß 2 Stunden von hier gelegen; bei ſeiner Gattin findeſt Du ein freundliches Aſyl, bis ich, nach Beſeitigung aller Hin - derniſſe, Dich als mein Weib in die Arme meiner Tante führe.

Melchior
(fuͤr ſich).

Die geh’n zu einer Tant, und die unſrigen kom - men von ein Onkel, no ja, total andere Ver - hältniſſe.

Sonders
(Melchior bemerkend).

Wer ſpricht hier?

Melchior.

Nein, nein, ſein Sie ruhig Jhnen thun wir nichts.

Sonders.

Er hat uns behorcht.

Melchior.

Kein Gedanken.

Sonders.

Was will Er alſo hier?

106
Melchior.

Sie müſſen wiſſen, ſowohl Sie als die Fräulein müſſen wiſſen, ich bin da mit mein Herrn!

Sonders.

Was geht das uns an?

Melchior.

Na ja, wenn Sie Die wär’n, Die dann gings Jhnen wohl ſehr viel an, aber wie geſagt, bei Jhnen ſind es ganz andere Verhältniſſe.

Sonders.

Jch glaube, Er iſt betrunken.

Zwölfter Auftritt.

Ein Kellner. Die Vorigen.
Kellner.

Die Chokolade iſt ſervirt.

Sonders.

Wo haſt Du für uns gedeckt?

Kellner.

Wo Ew. Gnaden früher geſeſſen ſind, in der Laube.

Sonders.

Komm, liebe Marie!

107
Marie.

Ach Auguſt, es ſchickt ſich nicht.

(Beide ab, der Kellner folgt.)

Dreizehnter Auftritt.

Melchior
(allein).

Die ſagt immer: es ſchickt ſich nicht, geht aber doch wieder in die Laube, das is klaſſiſch.

(Ab.)

Vierzehnter Auftritt.

Mad. Knorr, Fr. v. Fiſcher, Weinberl, Chriſtoph.
(Weinberl fuͤhrt Fr. v. Fiſcher, Chriſtoph Mad. Knorr, Frau v. Fiſcher traͤgt einen Burnus mit Hut und Schleier in Farbe und Façon ganz jenen von Marien aͤhnlich.)
Fr. v. Fiſcher
(zu Weinberl).

Jch begreife nicht, mein Lieber, was Dir einge - fallen iſt, daß Du den Wag’n fortfahren ließeſt?

Mad. Knorr.

Hier bekommen wir ja wieder Wägen ſo viel wir wollen.

108
Chriſtoph.

O ja, wenn man kein Geld anſchaut.

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Jch werd ſehr bald kein Geld anſchauen, denn ich werd gleich kein’s mehr haben.

(Laut zu Fr. v. Fi - ſcher.)

Weißt Du, Liebe, ich hab geglaubt, es is an - genehmer, wenn wir zu Fuß nach Hauſe gehen.

Fr. v. Fiſcher.

Zu Fuß?

Mad. Knorr.

Aha, im Mondſchein mit Dir dahin ſchlendern und ſchwärmen hat er wollen.

Weinberl.

Ja, ſchlendern und ſchwärmen.

Chriſtoph
(zu Mad. Knorr).

Und wir hätten auch das unſrige geſchwärmt.

Mad. Knorr.

O Sie ſchlimmer Cousin!

Weinberl.

Ja ja, geh’n wir zu Fuß, das is ſo ſchwärme - riſch

(Bei Seite.)

und ſo billig.

109
Fr. v. Fiſcher.

Warum nicht gar, der Abend iſt kühl, willſt Du mich morgen krank wiſſen?

Mad. Knorr.

Jn dieſer Hinſicht ſoll man wohl nicht ſparen. Eine Krankheit kommt höher als zehn Fiaker.

Weinberl
(fuͤr ſich).

Mich kommt wieder Ein Fiaker höher, als wenns morgen zehn Krankheiten kriegt.

Fr. v. Fiſcher
(zu Weinberl).

Ohne Widerrede, wir fahren.

Mad. Knorr
(zu Frau v. Fiſcher).

War das aber ein guter Rath von mir, daß ich g’ſagt hab um den Mantel nach Haus ſchicken.

Fr. v. Fiſcher.

Ja wohl, aber hier will ich doch ablegen.

(Geht zu einem am Fenſter ſtehenden Stuhl und legt den Burnus ab, wobei ihr Madam Knorr behuͤlflich iſt.)
Weinberl
(im Vordergrund zu Chriſtoph).

Chriſtoph! Sie haben doch etwas Geld bei ſich?

Chriſtoph.

Nein, gar keins.

110
Weinberl.

Sie ſind ein auf Ehr, wenn Sie nicht ſchon Commis wär’n, jetzt beutlet ich Jhnen, daß

Chriſtoph.

Und wenns mich noch ſo beuteln, ſo fallt kein Kreuzer heraus, ich hab mich auf Jhnen verlaſſen, wie viel habens denn?

Weinberl.

Jch hab mir von z’Haus 10 Gulden mit - g’nommen.

Chriſtoph.

Und mit 10 fl. hab’n Sie wollen ein verfluchter Kerl ſein?

Weinberl.

Hab ich das ahnen können, wie ich in der Fruh ſo ledig ausgangen bin, daß ich gegen Abend eine Frau hab? Sonſt ſagt man: ’s Unglück kommt über Nacht, mir is es über Mittag kommen. Und daß ich Alles zahlen muß, hab ich mir auch nicht denkt, jetzt hab ich grad noch zwei Gulden.

Chriſtoph.

Und jetzt brauchen wir a Jauſen auf vier Per - ſon, Wagen nach Haus, und unſer Rukreiſ

111
Weinberl.

Das is das klare Bild einer Crida.

Fr. v. Fiſcher
(mit Mad. Knorr vorkommend).

Nun, lieber Mann, Du vergißt ja den Kellner zu rufen?

Weinberl.

Nein, ich hab grad d’rauf denkt

(Zoͤgernd.)

Du glaubſt alſo wirklich, daß wir hier Jauſen ſollen?

Fr. v. Fiſcher.

Was ſonſt?

Weinberl
(verlegen).

Nein, nein, ſonſt nix

(Bei Seite.)

mir is das z’viel.

Fr. v. Fiſcher.

So rufe doch

Weinberl
(mit unſicherer Stimme).

He Kellner!

Fr. v. Fiſcher.

So wird Dich Niemand hören.

Weinberl.

Jch hab ſo was Erſchöpftes in mir gar nicht das rechte Organ einen Kellner zu rufen.

(Ruft wie fruͤher.)

He Kellner!

112
Chriſtoph
(laut).

Kellner!

Fr. v. Fiſcher
(zu Mad. Knorr.)

Mein Mann macht ſich öfter den Spaß, den Knick’rigen zu ſpielen, die Jauſe ſoll Dich vom Ge - gentheil überzeugen.

(Fuͤr ſich.)

Jch glaube, der Menſch wollte mich zum Beſten halten, das ſoll er mir büßen.

Fünfzehnter Auftritt.

Kellner. Die Vorigen.
Kellner.

Was ſchaffen Ew. Gnaden?

Weinberl.

Sie ſind der Kellner? Haben Sie die Ge - wogenheit, nehmen Sie es nicht ungütig, daß wir Sie hieher bemühen.

Kellner.

Ew. Gnad’n ſcherzen.

Weinberl.

O nein, warum ſoll ich Jhnen nicht mit Ach - tung behandeln?

113
Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Was treibens denn?

Kellner
(zu Weinberl).

Bitte, Ew. Gnaden, ſo zart geht kein Gaſt mit einem Kellner um.

Weinberl.

O ich bitte

(Leiſe zu Chriſtoph.)

ſo hab ich doch Hoffnung, daß er mit mir auch zart umgehen wird, wenn es zum Aeußerſten kommt.

Fr. v. Fiſcher
(welche indeſſen mit Mad. Knorr geſprochen).

Nun, was iſt denn angeſchafft worden?

Kellner.

Bis jetzt noch nichts.

Weinberl.

Wir deliberiren grad, ich glaub 2 Schalen Kaffee

Fr. v. Fiſcher.

Kaffee haben wir ja ſchon bei meiner Freundin getrunken, Du mußt eine Jauſe beſtellen, die gleich als Souper dienen kann.

Weinberl.

Aha!

(Zum Kellner.)

ſo bringen Sie uns Butter und Rettig und drei Seitel Bier, zwei für10114uns und eins für die Damen.

(Fuͤr ſich.)

Das kommt billig.

Fr. v. Fiſcher.

Was wär das, Du willſt uns ſo ordinär?

Mad. Knorr.

Jch trinke nie Bier

Weinberl
(zum Kellner).

Alſo nur für uns Bier, für die Damen Waſſer.

(Fuͤr ſich.)

Das is noch billiger.

Fr. v. Fiſcher.

Aber Mann!?

Mad. Knorr.

Jch darf nicht kalt ſoupir’n.

Weinberl.

Alſo was Warmes.

(Zum Kellner).

Haben Sie kein Beuſchl?

Chriſtoph.

Oder eine halbe Gollaſch?

Kellner.

Das möcht ich nicht rathen, es iſt ſchlecht.

Weinberl
(fuͤr ſich).

Das wär eigentlich gut, da eſſetens nicht viel.

Fr. v. Fiſcher
(ernſt zu Weinberl).

Mann, jetzt ſag ich Dir zum Letztenmal

115
Weinberl
(mit Reſignation zum Kellner).

Alſo bringen Sie 2 Schnitzel, für uns Bier und für die Damen ein Seitel Achter.

(Fuͤr ſich.)

Die 2 Gulden ſind überſchritten die Crida geht an.

Fr. v. Fiſcher
(zu Mad. Knorr).

Heut hat mein Mann wieder ſeinen närriſchen Tag.

(Zu Weinberl.)

Herr Gemahl, jetzt hab ich’s ſatt!

Weinberl
(fuͤr ſich).

Das wär ein Glück!

Fr. v. Fiſcher.

So ſchafft man nicht an, wenn man Damen ausführt. Kellner, Sie beſtellen uns einen Faſan

Kellner.

Den Augenblick kommt Einer vom Spieß.

Fr. v. Fiſcher.

Dazu Compot, dann Torte und ſonſtiges Deſſert, zuerſt Rheinwein, am Schluß Champagner.

Kellner.

Sehr wohl, Ew. Gnaden.

(Ruft indem er abgeht.)

Anton, 4 Gedeck im Salon.

(Ab.)
116

Sechzehnter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Kellner.
Fr. v. Fiſcher
(zu Mad. Knorr).

Nun, hab ich Deinen Guſto getroffen?

Mad. Knorr.

’s iſt aber zu viel.

Chriſtoph
(zu Weinberl).

Wie g’ſchieht Jhnen denn?

Weinberl.

Mir g’ſchieht gar nicht mehr, ich bin ſtumpf

Chriſtoph.

Und ich bin ſcharf auf’s Abfahr’n bedacht.

Weinberl
(von dieſer Jdee ergriffen).

Abfahr’n?! Sie hab’n Recht, Crida iſt da, alſo verſchwinden, das kommt im Merkantiliſchen häufig vor.

Chriſtoph.

Der Kellner ſoll ſich dann mit der Zech an die Frauen halten.

Weinberl.

Recht ſo, wir laſſen Alles auf die Frauen ſchrei - ben, das is wieder Merkantiliſch.

117
Chriſtoph.

Warum ſtürzens uns ſo in Depancen, dieſe Weiber.

Weinberl.

Das ſind ja Verſchwenderinnen, reine Gour - maninen.

Chriſtoph.

Aber nur kein Verlegenheit g’ſpürn laſſen und Cour gemacht aus Leibskräften.

(Zweiter Kellner kommt und deckt den Tiſch rechts, ruͤckt ihn aber vorher etwas gegen die Mitte der Buͤhne.)
Weinberl
(zu Fr. v. Fiſcher).

Du glaubſt nicht, meine Liebe, wie wohl mir jetzt iſt, es iſt ein Vorgefühl in mir

Mad. Knorr.

Daß Sie noch viele ſolche frohe Tage an der Seite Jhrer Frau das nenn ich eine Lieb

Chriſtoph
(zaͤrtlich zu Mad. Knorr).

Können Sie bei dieſem Anblick gefühllos bleiben?

Mad. Knorr.

Junger Menſch, ich hab Jhnen ſchon geſagt, daß ich eine Braut bin, ich lebe nur für dieſen einen Mann.

118
Chriſtoph.

Daß Sie für einen Mann leben, gibt Jhnen das das Recht einen Jüngling zu tödten?

Mad. Knorr.

Hören Sie auf, Sie ſind ein ſchlimmer Cousin.

Siebenzehnter Auftritt.

Kellner, die Vorigen, dann Melchior.
Kellner
(Faſan und Rheinwein bringend).

Wenn es Ew. Gnaden gefällig iſt.

(Stellt alles auf den Tiſch.)
Fr. v. Fiſcher.

O ja

(Zu Mad. Knorr.)

Komm, liebe Freun - din!

Weinberl
(zum Kellner).

Sie können jetzt auch einen wälliſchen Salgt bringen.

Chriſtoph.

Ueberhaupt, was gut und theuer iſt

Weinberl.

Uns is das egal was es koſt, Sie wer’n ſeh’n,119 wir binden uns an gar keinen Preis,

(Fuͤr ſich.)

Warts, Gourmaninen!

Kellner.

Sehr wohl, Ew. Gnaden.

(Geht ab.)
(Melchior tritt mit dem zweiten Kellner, welcher ein Gedeck traͤgt, ein.)
Melchior.

Was is denn das? Jch will da für mein Herrn aufdecken laſſen, und jetzt ſetzen ſich Andere herein

Weinberl.

Jch glaub, in einem öffentlichen Ort hat jeder das Recht.

Melchior.

Ah, das is indiscret.

Zweiter Kellner.

Jn dem Salon haben ja 20 Perſonen Platz.

Melchior.

Mein Herr will aber allein ſein.

Chriſtoph.

Dann ſoll er an keinen öffentlichen Ort gehen.

Melchior.

Ah, das is indiscret. Sie können ſich ja hinaus in Garten ſetzen.

120
Fr. v. Fiſcher.

Das kann ſein Herr auch thun.

Melchior.

Mein Herr muß von hieraus Jemand beobach - ten und mit einem Wort, mein Herr wird ſich nicht wegen Jhnen Vieren geniren.

Weinberl.

Und wir Viere wer’n uns noch weniger wegen ſein Herrn geniren.

Melchior.

Ah, das is aber indiscret, da muß mein Herr ſitzen, wegen der Ausſicht auf die Thür.

(Ruͤckt den Tiſch, welchen der Kellner deckte, von links gegen die Mitte, ziemlich nahe an den Tiſch der Geſellſchaft.)
Mad. Knorr.

Das gilt uns gleich.

Melchior.

Wenn der dumme Salon nur in der Mitte eine Abtheilung hätt

Weinberl.

Na ja, ſein Herr ſoll halt gleich eine Mauer aufführen laſſen, wenn er wo einkehrt.

Zweiter Kellner.

Man könnte allenfalls es zieht manchmal121 den Gäſten zu ſtark, da wird dann

(auf die zwiſchen Fenſter und Thuͤr lehnende zuſammengelegte ſpaniſche Wand zeigend.)

die ſpaniſche Wand gebraucht, wenn man die in der Mitte aufſtellt, ſo wäre ja die gewünſchte Abſonderung geſchehen.

Fr. v. Fiſcher.

Machen Sie das wie Sie wollen.

(Zu Mad. Knorr.)

Legen wir unſre Hüte ab und ſetzen wir uns.

(Geht mit Mad. Knorr zu einem Stuhle rechts, wo ſie waͤhrend dem Folgenden ihrer Huͤte ablegen.)
Chriſtoph
(zu Weinberl).

Das ſieht kurios aus, das können wir uns vor den Frauen nicht anthun laſſen.

Weinberl
(zu Melchior, welcher die ſpaniſche Wand aufſtellen will).

Wenn Er mit der ſpaniſchen Wand nicht wei - ter geht, ſo werf ich Jhn an die wirkliche!

Melchior.

Ah, das is klaſſiſch

Weinberl.

Wir werden uns da wie die wilden Thiere in einer Menagerie abſperren laſſen.

Melchior.

Na wartens, das ſag ich mein Herrn.

11122
Chriſtoph.

Was kümmert uns ſein Herr?

Weinberl.

Er ſoll nur kommen, wir werden ihm zeigen

Melchior.

Da kommt er grad die Allee herauf.

(Drohend zu Weinberl und Chriſtoph.)

Wartens!

Weinberl
(hinſehend und heftig erſchreckend).

Continent thu dich auf!

Chriſtoph
(der ebenfalls hingeſehen).

Auweh und verſchling uns!

Weinberl und Chriſtoph
(zugleich).

Der Principal!

Weinberl
(zu Melchior).

Lieber Freund, Sie haben erſt Recht mit der ſpaniſchen Wand

Chriſtoph.

Ja ’s is beſſer, ſtell’n wirs auf.

Weinberl.

Aber nur g’ſchwind, Kellner, helfens!

(Der Kellner, Chriſtoph, Weinberl und Melchior ſtellen mit vieler Eile, wobei Einer dem Andern hinderlich iſt, die Wand auf.)
123
Melchior.

Jetzt ſehens Sie’s ein und eher ſo G’ſchichten Nein, wie Sie indiscret ſein!

Mad. Knorr
(zu Fr. v. Fiſcher).

Aber ſchau nur her, was ſie da für Umſtänd machen.

Weinberl
(zu den Frauen).

Es iſt, wiſſen Sie es zieht hier ſo ſtark nach der Luft

Fr. v. Fiſcher.

Jch ſpüre nichts.

Mad. Knorr.

Wir ſind ja nicht rheumatiſch.

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Aber uns reißt’s ungeheuer.

Chriſtoph.

Setzen wir uns.

(Alle 4 ſetzen ſich zum Tiſch, die ſpaniſche Wand iſt auf - geſtellt und theilt die Buͤhne in der Mitte ab. Der Tiſch der Geſellſchaft und der fuͤr Zangler beſtimmte Tiſch ſind ſich ziemlich nahe und nur durch die Wand getrennt.)
124

Achtzehnter Auftritt.

Zangler. Die Vorigen.
Zangler
(eintretend).

Alles is in Ordnung. Melchior!

Melchior.

Ew. Gnad’n.

Zangler.

Der Wachter ſteht ſchon draußen auf der Paſſ, wie meine Mündel mit ihrem Entführer in den Wa - gen ſteigt, ſteigt der Kutſcher auf den Bock und der Wachter hint auf.

Melchior.

Das is klaſſiſch!

Mad. Knorr.

Sehr ein gutes Compot.

Weinberl
(mit gedaͤmpfter Stimme).

Jch werd den Faſan tranſchiren.

Chriſtoph
(ebenfalls mit gedaͤmpfter Stimme).

Und ich werd ſchau’n, ob der wälliſche Salat noch nicht bald kommt.

Mad. Knorr.

Ach, ja!

125
Zangler.

Was is denn das mit der ſpaniſchen Wand?

Melchior.

Da derneben ſind indiskrete Leut, zwei Weibs - bilder mit ihre Liebhaber, damit Ew. Gnad’n nicht genirt ſind.

Zangler.

Gut!

Zweiter Kellner
(bringt Wein und Aufgeſchnittenes, ſtellt es auf den Tiſch). (Zangler ſetzt ſich.)
Melchior.

Das hab ich für Ew. Gnaden ang’ſchafft.

Zangler.

Gut!

Melchior

Gott! was wären Ew. Gnad’n ohne mich

Zangler.

Die Zeitung.

(Fuͤr ſich.)

Wer weiß, wie lang das noch dauert.

(Kellner bringt Zangler die Zeitung und geht ab.)
Melchior.

Jch werd patroulliren.

(Geht in den Garten hinaus.)
126
Fr. v. Fiſcher.

Der Faſan ſcheint ſehr gut zu ſeyn.

Weinberl
(mit gedaͤmpfter Stimme).

Die Zähigkeit abgerechnet, delikat

Mad. Knorr.

Kommt der Kellner noch nicht?

Chriſtoph
(mit gedaͤmpfter Stimme).

Nein, das iſt ein langſamer Kerl.

Mad. Knorr.

Warum reden denn die Herren ſo ſtill, ſo heiſer?

Weinberl
(wie oben).

Die Zugluft hat das gemacht.

Chriſtoph
(wie oben).

Es iſt ein wahres Glück, daß die Wand aufge - ſtellt iſt.

Weinberl
(wie oben).

Ja, ſonſt hätt’s uns die Sprach gänzlich ver - ſchlagen.

Mad. Knorr.

Nein, wie die Herren jetzt haiklich ſind

Melchior
(hereinlaufend).

Ew. Gnad’n! Ew. Gnad’n!

127
Zangler.

Was iſt’s?

Melchior.

Jch ſeh noch nichts

Zangler.

Dummkopf!

Melchior.

Fruͤher waren Zwei da herin, das waren aber Andere.

Zangler.

Die ich ſuch, ſitzen draußen, ich hab ſie von weiten geſehen, geh hinaus, ſtell Dich in einige Ent - fernung vom Wagen und wie ſie fortfahren, ſagſt Du mir’s, wir fahren dann gleich nach.

Melchior.

Das wird klaſſiſch!

(Geht ab in den Garten.)
Chriſtoph
(hat waͤhrend den letzten Reden ſchnell den Burnus der Fr. v. Fiſcher umgenommen und ihren Hut aufgeſetzt).

So kann ich neben unſerm Alten vorbei paſſirn.

Frau v. Fiſcher
(zu Weinberl).

Du ſchenkſt ja unſerer Freundin gar nichts ein?

128
Weinberl
(welcher bemerkt hat, wie Chriſtoph ſich ankleidet, zu Fr. v. Fiſcher).

Aber Liebe, ich kann ja nicht tranſchiren und einſchenken zugleich.

Chriſtoph
(hat den hintern Theil der ſpaniſchen Wand geoͤffnet und ſchluͤpft ſo in die andere Hälfte der Buͤhne hinuͤber, wo Zangler ſitzt, welcher in die Zeitung vertieft, ihn nicht bemerkt).
Zangler
(in der Zeitung leſend).

Verwegner Kleiderdiebſtahl durch einen jungen Menſchen.

(Spricht.)

Nein, was man jetzt alles lest, die Hallunken werden immer pfiffiger.

Chriſtoph
(hat ſich an der Ruͤckwand zur Glasthuͤr hin und in den Garten hinausgeſchlichen).
Mad. Knorr.

Wo is denn der Cousin hinkommen?

Weinberl
(Mad. Knorr den Faſan offerirend).

Bitte ſich zu bedienen.

(Laͤßt, indem er nach dem Fenſter ſieht, eine Gabel von der Schuͤſſel und Frau v. Fi - ſcher auf das Kleid fallen.)
129
Fr. v. Fiſcher.

Himmel, mein neues Kleid!

Weinberl.

Pardon! Es wird nichts machen, als einen fet - ten Fleck.

Fr. v. Fiſcher.

Der nie mehr herausgeht.

Mad. Knorr.

Nur gleich mit dem Serviet reiben.

(Jſt Frau v. Fiſcher dabei behuͤlflich.)
Chriſtoph
(ſteigt außerhalb dem Glasfenſter in Sonders Wagen).
Weinberl
(dieß bemerkend ſteht auf und ſagt fuͤr ſich, indem er ſich dem Fenſter naͤhert).

Der ſteigt in den Wagen, das is ein g’ſcheidter Einfall, der Kutſcher muß uns führen bis aufs Feld hinaus, dann geb ich ihm Einen Gulden und laß ihn umkehren. Wie komm ich aber hinaus, dort der Principal, da die Frauen. Gott ſei Dank, der Fleck is ſo fett, daß die mich nicht bemerken.

Fr. v. Fiſcher.

Das geht nie mehr heraus.

130
Weinberl
(einen raſchen Entſchluß faſſend).

Aber was Anders geht aus!

(Oeffnet ſchnell das Fenſter und ſteigt hinaus.)
Mad. Knorr
(Weinberl bemerkend).

Freundin, da ſchau her was Dein Mann

Fr. v. Fiſcher
(betroffen).

Er iſt aus dem Fenſter geſtiegen!?

Mad. Knorr.

Und ſteigt in den Wagen ein.

(Man ſieht Weinberl in den Wagen ſteigen).
Fr. v. Fiſcher
(will hinausrufen).

Mein Herr !

(Man ſieht den Wachter in Uniform hinten auf den Wagen ſteigen.)
Mad. Knorr.

Was iſt das, der Ortswachter ?! Er ſtellt ſich hinten auf

Fr. v. Fiſcher.

Eine Arretirung !

(Man hoͤrt ſchnalzen, der Wagen faͤhrt ab.)
131
Mad. Knorr.

Fort iſt er!

(Beide Frauen bleiben erſchrocken an ihren Stuͤhlen ſtehen, indem ſie ſtarr dem abgefahrenen Wagen nachblicken.)
Melchior
(zur Glasthuͤre eintretend).

Das is klaſſiſch! Wir habens ſchon, der Kutſcher und der Wachter laſſens nimmer aus.

Zangler.

Wir fahren gleich nach, Kellner zahlen!

Neunzehnter Auftritt.

Sonders, Marie. Die Vorigen.
Sonders
(mit Marie zur Glasthuͤre eintretend, ohne Zangler zu bemerken).

Kellner, zahlen! Wo ſtecken denn die Schlin - geln?

Zangler
(ſpringt wuͤthend auf).

Höllenelement! da ſind’s!

132
Zugleich.
Marie.

Ach der Vormund!

(Wankt und ſinkt Sonders in die Arme.)
Sonders.

Verdammt!

Zugleich.
Mad. Knorr
(uͤber Zanglers Ausruf betroffen).

Was für eine Stimm!?

Fr. v. Fiſcher
(uͤber den daneben entſtandenen Laͤrm erſchrocken).

Was geht da vor!?

Melchior
(zu Zangler).

Das ſind ja die Andern!

Zangler.

Meine Mündel! Der Teufel ſoll

(Will auf ſie zu.)
Melchior

Wenn ich Jhnen aber ſag, das ſind ja An - dere!

Zangler
(ſchleudert Melchior wuͤthend gegen die ſpaniſche Wand, ſo daß ſelbe umfaͤllt. Die beiden Frauen ſpringen laut ſchreiend zur Seite, Zangler ſieht hinuͤber und iſt aͤußerſt erſtaunt, als er Madam Knorr erkennt).

Meine Braut!?

133
Mad. Knorr
(erſchrocken und verlegen).

Zangler!?!

Melchior
(verbluͤfft).

Das is klaſſiſch!

(Die 2 Kellner ſind hereingekommen, Allgemeine Gruppe des Erſtaunens und der Verwirrung, die im Garten ſitzen - den Gaͤſte haben ſich lachend dem Eingang des Salons ge - naͤhert im Orcheſter faͤllt paſſende Muſik ein.)
(Der Vorhang faͤllt.)
134

Dritter Aufzug.

(Elegantes Zimmer im Hauſe des Fraͤulein Blumenblatt mit zwei Mittelthuͤren, rechts und links eine Seiten - thuͤre. Es iſt Abend, links ein Tiſch, auf welchem Lichter ſtehen.)

Erſter Auftritt.

Liſette. Sonders.
Sonders.

Es war alſo ein guter Genius, der mir den Gedanken zuflüſterte ganz unbekannter Weiſe das Stubenmädchen des alten Fräuleins zur Vertrauten zu wählen. Nimm einſtweilen dieſe Börſe, mehr noch wird folgen.

Liſett.

Sehr verbunden, übrigens hätte ich auch aus gutem Herzen zwei Liebende in meine Protektion ge - nommen; denn wenn es herzloſe Väter, Mütter, Tanten, ſogar herzloſe Liebhaber in Menge gibt, von135 herzloſen Stubenmäd’ln, glaub ich, kommt kein Bei - ſpiel vor.

Sonders.

Wenn nur Deine Gebieterin

Liſett.

Hoffen Sie das Beſte, ſie iſt durchaus nicht das, was man ſich gewöhnlich unter dem Ausdruck: alte Jungfer, vorſtellt. Wo iſt aber jetzt Jhre Ge - liebte?

Sonders.

Jn den Krallen ihres Vormunds, der ſie mir auf eine impertinente Weiſe entriſſen, und ſie viel - leicht heute noch hieher bringen wird [d]och nein, ſelbſt bringen wird er ſie kaum, der alte Narr iſt, wie ich geſehen, in eine grimmige Eiferſuchts-Ge - ſchichte mit ſeiner Braut verwickelt, hat geſchworen, ihr nie mehr von der Seite zu gehen, darum ver - muth ich, er wird ſeine Mündel bloß in ſicherer Be - gleitung Euch überſenden.

Liſett.

Sei dem, wie ihm wolle, entfernen Sie ſich nicht weit vom Hauſe, und überlegen Sie, auf welche Weiſe Sie ſich, wenn Jhre Marie einmal hier iſt, bei meiner Gebieterin introduciren wollen.

136
Sonders.

Jch werde mich ſogleich in ein Hotel in der Nähe einlogiren, und von dort aus die nöthigen Erkundi - gungen einziehen.

Liſett
(nach der Thuͤre rechts horchend).

Jch glaube ja, ja, meine Gebieterin kommt gehen Sie jetzt.

Sonders.

Auf baldiges Wiederſehen, Du liebes dienſtfer - tiges Weſen.

(Zur Mitte links ab.)

Zweiter Auftritt.

Fräulein Blumenblatt. Liſette.
Frl. Blumenblatt
(aus der Seitenthuͤre rechts kommend).

Wer war denn hier, Liſett?

Liſett.

Niemand, Ew. Gnaden.

Frl. Blumenblatt
(Tabak ſchnupfend).

Niemand? Und ich haͤtte darauf geſchworen, es war Jemand. Wie doch unſer ganzes Leben aus Täu -137 ſchungen beſteht. So glaubte ich auch nach dem geſtrigen Briefe meines Schwagers, das Mädchen würde ſicher heute ankommen, ich freute mich, das liebe Kind nach 10 Jahren wieder zu ſehen, Täu - ſchung, nichts als Täuſchung.

(Schnupft.)
Liſett.

Nun, es iſt ja noch nicht ſo ſpät, wer weiß

Frl. Blumenblatt.

Die Arme! Mein Schwager Zangler irrt ſich, wenn er glaubt, ich werde ſie mit Strenge behan - deln, ſie hat ja ganz mein Schickſal, ihr Herz iſt ſchwach, ihre Liebe ſtark, die Hoffnung klein, die Hinderniſſe groß ganz mein Schickſal.

(Schnupft.)
Liſett.

Bei Jhrer Liebe, Ew. Gnaden, war es aber doch ganz anders.

Frl. Blumenblatt.

Weßhalb ſchickt man ſie? Aus keinem andern Grunde, als daß ſie ferne vom Gegenſtand ihrer Neigung ſchmachten ſoll, iſt das nicht ganz mein Schickſal?

(Schnupft.)
Liſett.

Ew. Gnaden, ich glaube, ich höre Leute im Vorzimmer am Ende bringt man ſie.

12138
Frl. Blumenblatt.

Sieh doch nach.

Liſett
(will zur Mittelthuͤre links).

Dritter Auftritt.

Weinberl. Chriſtoph. Kutſcher. Wachter. Die Vorigen.
(Chriſtoph hat von Frau v. Fiſcher den Burnus um, und den Hut auf dem Kopfe.)
Wächter
(von Außen).

Nur keine Umſtänd, ich weiß ſchon, was ich zu thun hab.

(Oeffnet die Thuͤre und laͤßt Weinberl und Chriſtoph vor ſich eintreten.)
Weinberl.

Aber erlauben Sie

Wachter.

Hier hat Niemand was zu erlauben.

Frl. Blumenblatt.

Ausgenommen ich, drum frag ich: was der Herr ſich hier erlaubt?

139
Wachter.

Da ſind 2 Leut, die müſſen da bleiben.

Kutſcher.

Bald hätten wir nicht herg’funden, was wir umg’fahrn ſein!

Frl. Blumenblatt.

Mit Wache, und in männlicher Begleitung das kann doch nicht Freund, das iſt offenbar ein Jrrthum in der Wohnung.

Weinberl.

Jch ſag, es is auch ein Jrrthum in die Perſo - nen, man hält uns für ein Menſchenpaar, welches wir nicht ſind.

Wachter
(zu Weinberl).

Das wird ſich zeigen, in dem Brief ſteht Alles drinn.

(Gibt Fraͤulein Blumenblatt einen Brief.)
Frl. Blumenblatt.

Ein Brief

(Die Adreſſe beſehend.)

an mich ?

(Erbricht den Brief und ſieht nach der Unterſchrift.)

von meinem Schwager ?

(Liest ſtill.)
Chriſtoph.

Na alſo, jetzt wird ſich ja Alles aufklären.

Weinberl.

Man wird uns freien Abzug bewilligen.

140
Chriſtoph.

Auf d’letzt krieg’n wir noch eine Entſchädigung, daß wir nach Haus fahrn können.

Weinberl.

Die klettenartige Anhänglichkeit der Dame, die Größe der Zech, die Nähe des Principals, das waren Gefahren; das hier iſt eine Kinderei, das hab ich ja gleich g’ſagt, ein wachteriſcher Palawatſch.

(Zum Wachter.)

Freund, Sie habn uns mit Bedeckung hieher gebracht, und ſich ſelbſt eine bedeutende Blöße gegeben.

Kutſcher
(zum Wachter).

Wann das nicht der rechte Ort is, wo krieg ich dann meine 5 Gulden?

Frl. Blumenblatt
(nachdem ſie geleſen).

Ah, jetzt bin ich im Klaren.

Weinberl.

Na alſo

Kutſcher
(zu Frl. Blumenblatt).

Ew. Gnaden, ich ſoll 5 Gulden kriegen.

Frl. Blumenblatt.

Liſett, bezahle den Mann.

141
Kutſcher
(zum Wachter).

Jetzt is es halt doch der rechte Ort.

(Mit Li - ſetten zur Mittelthuͤre links ab.)
Weinberl
(zu Frl. Blumenblatt).

Nehmens Euer Gnaden nicht ungütig.

(Wollen Beide ab.)
Wachter
(ihnen entgegen tretend).

Halt!

Frl. Blumenblatt
(zu Chriſtoph und Weinberl).

Sie bleiben Beide!

Weinberl
(erſtaunt).

Was?!

Frl. Blumenblatt
(zu Weinberl).

Sie mein Herr, ſind eigentlich der Schuldige, doch auch das Mädchen

(Auf Chriſtoph zeigend.)

iſt nicht minder ſtrafbar.

Chriſtoph
(verbluͤfft zu Weinberl).

Was? ich bin ein ſtrafbares Mädchen.

Weinberl
(verbluͤfft zu Chriſtoph).

Und ich, ein ſchuldiger Herr.

142
Frl. Blumenblatt
(zum Wachter).

Für das Mädchen ſteh ich

Wachter.

Und für den Herrn ſteh ich Schildwacht vor der Hausthür auf der Stiegen draußt.

(Jm Abgehen zu Weinberl.)

Gibt ſich ſo leicht keine Blöße der Wach - ter.

(Geht zur Mittelthuͤre links ab.)

Vierter Auftritt.

Frl. Blumenblatt. Weinberl. Chriſtoph.
Weinberl.

Wollten Ew. Gnaden nicht die Gewogenheit ha - ben uns mitzutheilen, was eigentlich in dem Brief ſteht.

Frl. Blumenblatt.

Das können Sie ſich wohl denken, was ein On - kel ſchreibt, dem man die Nichte, ein ſo unſchuldiges Mädchen, wie dieſes Geſchöpf iſt, entführt.

Chriſtoph
(fuͤr ſich).

So, ich bin alſo eine Nichte die durchgangen is?

Weinberl.

Und ich bin der, der dieſes Frauenzimmer

(auf Chriſtoph deutend.)

auf Abwege gebracht hat?

143
Frl. Blumenblatt.

Jhre Frage mein Herr, iſt ſehr ein unzeitiger Scherz.

Weinberl.

Fallt mir nicht ein zu ſcherzen, aber wir ſind einmal hier in einer Art Gefangenſchaft, und da möcht man halt doch gern wiſſen warum.

(Leiſe zu Chriſtoph.)

Soll’n wir ihr ſagen wer wir ſind?

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Das wär riskirt, der Teufel könnt ſein Spiel hab’n, daß der Principal durch die ſiebzehnte Hand was erfahret.

Weinberl.

Dieſer Onkel wird wohl nicht lang ausbleiben?

Frl. Blumenblatt.

Er ſoll jeden Augenblick hier ſein.

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

So lang können wir warten.

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Da kommt dann die Confuſion von ſelbſt ins Reine.

Weinberl
(zu Chriſtoph).

Freilich, wie dieſer Onkel uns ſieht, hat die G’ſchicht ein End.

144
Frl. Blumenblatt
(welche die letzten Worte gehoͤrt hat).

Und ich ſag Jhnen Nein, ſie ſoll kein Ende ha - ben; ich kann ja nicht grauſam ſein, wenn ich Lie - bende ſehe, das Bündniß Jhrer Herzen ſoll nicht zerriſſen werden.

(Schnupft.)
Weinberl.

Es kann eigentlich nicht zerreißen, weil

Frl. Blumenblatt.

Weil ich Alles vermitteln, und den Zorn mei - nes Schwagers beſänftigen will.

Weinberl.

Alſo haben Sie einen Schwager, der zornig is?

Frl. Blumenblatt.

Wie können Sie fragen. Doch faſſen Sie Muth, junger Mann.

Weinberl.

Jch werd ſo frei ſein.

Frl. Blumenblatt.

Jhr ſeid Flüchtlinge, euer Schickſal rührt mich, denn es iſt ja ganz wie mein Schickſal,

(Schnupft.)

auch ich hab einſt geliebt.

Chriſtoph.

Das kann ich mir denken.

145
Frl. Blumenblatt.

Und der Mann, der mich liebte

Weinberl
(bei Seite).

Das kann ich mir nicht denken.

Frl. Blumenblatt.

War auch für’s Entfliehen eingenommen, wie Sie, nur mit dem Unterſchied, daß er allein geflo - hen iſt.

(Schnupft.)
Weinberl
(fuͤr ſich).

Ah, jetzt kann ich mirs denken.

Frl. Blumenblatt.

Flucht war es einmal, das iſt gewiß. Und wie geſagt, ich will nicht ruhen, bis ich ſo mit euch

(nimmt Beider Haͤnde.)

vor den verſöhnten Oheim hin - treten, eure Hände in einander fügen

(thut es.)

und ein glückliches Paar ſegnen kann.

(Macht eine ſegnende Bewegung.)
Weinberl.

Chriſtopherl!

Chriſtoph
(kichert laut).
Frl. Blumenblatt
(zu Weinberl).

Was für ein Scherz? Wie können Sie in einem ſo ernſten Augenblick zu Jhrer Braut Chriſtopherl ſagen?

13146
Chriſtoph
(platzt in lautes Gelaͤchter aus).
Frl. Blumenblatt
(boͤſe zu Chriſtoph).

Lachen Sie nicht, Mamſell.

Fünfter Auftritt.

Liſett. Melchior. Die Vorigen.
Liſett
(mit Melchior zur Mittelthuͤre links eintretend).

Euer Gnaden, der Menſch läßt ſich nicht abwei - ſen.

(Zu Melchior, auf ihre Gebieterin zeigend.)

Hier iſt das gnädige Fräulein.

(Geht zur Mittelthuͤre links ab.)
Melchior.

Das iſt eine Fräule? das is klaſſiſch.

Frl. Blumenblatt.

Was will Er?

Melchior.

Mein Herr ſchickt mich her, ich ſoll der Euer - gnadenfräuler ſag’n

Weinberl
(ſich der Perſon Melchiors beſinnend).

Chriſtoph, das is ja

147
Melchior
(Weinberl und Chriſtoph betrachtend).

Sie ſein’s? Ah, das is ſtark.

Frl. Blumenblatt
(zu Weinberl).

Jſt Jhnen der Menſch bekannt, Herr v. Sonders?

Weinberl.

Das heißt ich hab ihn wohl g’ſehen.

(Leiſe zu Chriſtoph.)

Herr von Sonders hats zu mir g’ſagt, wenn ich mich nicht irr ich kenn den Son - ders zwar nicht

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Jch auch nicht.

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Aber ſo heißt ja der

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Der unſrer Fräuler z’Haus nachſteigt.

Melchior
(zu Weinberl).

Schamen Sie ſich, das is eine Aufführung.

Frl. Blumenblatt.

Wie kommt Er dazu, dieſem Herrn ein Repe - rement

Melchior.

Weil mein Herr dem Herrn ſeine Zech hat müſ - ſen zahln.

148
Frl. Blumenblatt.

Eine Zeche?

Melchior.

Ja, ſonſt hätte der Kellner die Damen pfändt.

Frl. Blumenblatt.

Was für Damen?

Melchior.

Nicht eigentliche Damen, ſondern nur was man ſo ſagt, dieſer Herr

(zu Weinberl.)

ſchamen Sie ſich,

(zu Frl. Blumenblatt.)

war in einem Garten mit zwei Frauenzimmer, die ich Anfangs für Weibsbilder g’hal - ten hab, wo ſichs aber nachher gezeigt hat, daß es Witwen waren,

(zu Weinberl.)

ſchamen Sie ſich.

Frl. Blumenblatt.

Wer ſoll aus dieſem Gewäſch klug werden?

Melchior
(im veraͤchtlichen Tone zu Weinberl).

Mit Damen wohin gehen und nicht zahlen, ſcha - men Sie ſich.

Frl. Blumenblatt
(zu Melchior).

Werd ich jetzt erfahren

Weinberl
(aͤngſtlich zu Melchior).

Kommt der Herr Zangler etwan daher?

149
Melchior
(wie oben zu Weinberl).

Mit Damen und nicht zahlen, das is klaſſiſch.

Frl. Blumenblatt
(aͤrgerlich zu Melchior).

Jetzt frag ich Jhn zum letzten Mal

Melchior
(wie oben zu Weinberl).

Schamen Sie ſich.

Frl. Blumenblatt
(wie oben).

Wer iſt ſein Herr?

Melchior.

Der Herr von Zangler.

Frl. Blumenblatt.

Und kommt ſein Herr zu mir?

Melchior.

Euergnadenfräuler, da hat er nix g’ſagt.

Weinberl
(fuͤr ſich).

Gott ſei Dank.

Chriſtoph
(leiſe zu Weinberl).

Wenn er aber doch

Frl. Blumenblatt.

Was iſt alſo eigentlich ſeine Sendung?

Melchior.

Der Herr von Zangler laßt Jhnen ſagen, er hat Jhnen da zwei Leut g’ſchickt

150
Weinberl und Chriſtoph
(erſchrocken).

Der Principal hat uns ?

Melchior.

Er hat nämlich den

(auf Weinberl zeigend.)

fürn Herrn von Sonders, und dieſe

(auf Chriſtoph zeigend.)

für ſeine durchgegangene Mündel gehalten, ſie ſeins aber nicht, drum ſoll’ns die Euergnadenfräuler fort - laſſen.

Weinberl und Chriſtoph.

Das is g’ſcheidt.

Frl. Blumenblatt.

Wie? Das iſt ja das Gegentheil von dem, was in dem ſo eben erhaltenen Briefe ſteht.

(Zu Weinberl und Chriſtoph.)

ich laſſe Sie nicht fort.

Weinberl und Chriſtoph.

Was?

Sechster Auftritt.

Liſett. Die Vorigen.
Liſett
(zur Mittelthuͤre eintretend).

Euer Gnaden, Herr Weinberl iſt draußen.

151
Weinberl.

Was, draußt is ein Weinberl?

Frl. Blumenblatt.

Und was will der Menſch?

Liſett.

Der Menſch kommt von Herrn von Zangler.

Melchior.

Jch komme von Herrn von Zangler, das is ja Widerſpruch.

Frl. Blumenblatt
(zu Liſett).

Mein Schwager hat mir alſo den Menſchen geſchickt?

Melchior
(zu Frl. Blumenblatt).

Der Schwager hat mich geſchickt, und die ſagt er hat einen Menſchen geſchickt, das is ja Widerſpruch.

Liſett.

Euer Gnaden möchten ihm Zutritt in Jhrem Hauſe geſtatten, denn ſein Auftrag iſt, das Beneh - men der Fräulein Zangler

(auf Chriſtoph zeigend.)

zu beobachten, und darüber Herrn von Zangler zu rap - portiren.

Frl. Blumenblatt
(ſich beſinnend).

Weinberl ? Ach, jetzt erinnere ich mich, das iſt ja ſein Comis, den er mir oft als ein Muſter von152 Solidität gerühmt, auf den er ſich verlaſſen kann wie auf ſich ſelbſt o nur herein, er iſt mir willkommen.

Liſett
(geht zur Mittelthuͤre links ab).
Weinberl
(zu Chriſtoph).

Jetzt kommts auf, wie ſolid ich bin; aber auf den Weinberl bin ich begierig.

Melchior.

Das ſind ja aber lauter Widerſprüche.

Frl. Blumenblatt
(boͤſe zu Melchior).

Kein Wort mehr.

(Zu Weinberl.)

Für meine Ver - mittlungsplane iſt es mir lieber, daß der Herr Wein - berl kommt, als wenn Schwager Zangler ſelbſt ge - kommen wäre.

Weinberl.

Das wär auf alle Fäll das Unangenehmſte ge - weſen.

Siebenter Auftritt.

Sonders. Liſett. Die Vorigen.
Sonders
(von Liſetten hereingefuͤhrt zu Frl. Blumenblatt).

Gnädiges Fräulein

153
Frl. Blumenblatt
(zu Sonders).

Jch bin ſehr erfreut, Jhre perſönliche Bekannt - ſchaft

(Praͤſentirt dem Weinberl, den ſie fuͤr Sonders haͤlt, dieſen als Herr Weinberl, und dem wirklichen Son - ders, den ſie fuͤr Weinberl haͤlt, den Weinberl als Herr von Sonders, folglich verkehrt.)

Hier Herr Weinberl, hier Herr von Sonders doch die Herren kennen ſich wohl.

(Sonders und Weinberl machen ſich gegenſeitig ſehr befremdet das Compliment.)
Sonders.

Jch hab nicht die Ehre, den Herrn von Son - ders

Weinberl.

Und ich hab nicht die Ehre, den Herrn Wein - berl zu kennen.

Melchior
(welcher links ſteht, Sonders, der auf der rechten Seite ſteht, betrachtend).

Den ſoll ich das is ja

Sonders
(fuͤr ſich).

Da hat ſich Einer für mich ausgegeben, wie kommt er aber dazu, Begleiter meiner Marie zu154 ſein?

(Auf den verſchleierten Chriſtoph hinuͤberſehend.)

Sie gibt mir kein Zeichen !

Frl. Blumenblatt
(zu Sonders).

Wird mein Schwager Zangler zu mir kommen?

Sonders.

Jch glaube, nicht ſo bald

(fuͤr ſich.)

ich hoff es wenigſtens.

Frl. Blumenblatt
(ſich zu Weinberl wendend).

Nun ſehen Sie, Herr von Sonders

(Spricht leiſe mit Weinberl weiter.)
Melchior.

Ah, das wär zu keck!

(Schleicht naͤher zu Sonders.)
Sonders
(benuͤtzt den Augenblick, wo Frl. Blumenblatt mit Weinberl ſpricht, und ruft mit unterdruͤckter Stimme auf den an der linken Ecke der Buͤhne ſtehenden Chriſtoph, den er fuͤr Marien haͤlt).
Marie!
(Gibt durch Zeichen zu verſtehen, daß er nicht wiſſe, wie ſie zu dieſer Begleitung gekommen.)
Chriſtoph
(der dieß bemerkt, fuͤr ſich).

Jch rühr mich nicht.

155
Sonders
(fuͤr ſich).

Wenn ſie nur den Schleier weg thäte, daß ich in ihren Blicken leſen könnte?

Melchior
(Sonders anpackend).

Das is der Eigentliche! Entdeckung, Betrug, falſche Vorſpieglung!

Sonders
(Melchior zuruͤckſtoßend).

Was unterſteht Er ſich?

Frl. Blumenlatt
(uͤber Melchiors Kuͤhnheit entruͤſtet).

Was ſoll das?

Melchior.

Euer Gnad’n.

(Auf Sonders deutend.)

Der hat mit Jhnen falſche Vorſpieglung getrieben, hier iſt von Weinberl keine Spur.

Sonders.

Was will dieſer Menſch? wer iſt Er?

Frl. Blumenblatt
(zu Sonders).

Was, Sie kennen ihn nicht? und er hat ſich für einen Diener des Herrn von Zangler ausgegeben. 156Da herrſcht Betrug! Liſett, ſchicke ſogleich den Wäch - ter herein.

Liſett
(geht zur Mittelthuͤre links ab).
Weinberl
(zu Chriſtoph).

Jetzt wird der Tanz angehen, während dem krieg’n wir Luft.

Melchior
(zu Frl. Blumenblatt).

Euer Gnaden laſſen den Wachter holen, ich will doch nicht hoffen

Frl. Blumenblatt
(erzuͤrnt).

Seine Frechheit ſoll ihm theuer zu ſtehen kommen.

Melchior.

Wer is frech?

(Auf Sonders zeigend.)

Der is frech, denn da is von Weinberl keine Spur.

(Auf Weinberl zeigend.)

Der is frech, denn da is vom Zech - zahl’n keine Spur, aber ich

Achter Auftritt.

Der Wächter. Die Vorigen, dann Liſett.
Wächter
(tritt zur Mittelthuͤre links ein).

Jch ſoll wem hinaus werfen.

157
Frl. Blumenblatt
(auf Melchior zeigend).

Bemächtige Er ſich dieſes Betrügers.

Melchior.

Was?!

Weinberl
(leiſe zu Chriſtoph).

Bei der Gelegenheit fahr’n wir ab.

Melchior.

Den Wachter ſchickens über mich! Hier wim - melts von Frevlern, ich bin vielleicht der einzige Un - ſchuldige im ganzen Zimmer, und mich führens ein ach, das is klaſſiſch!

Wachter.

Nur nicht viel G’ſchichten g’macht.

Melchior
(waͤhrend ihn der Wachter gegen die Mittelthuͤre links fuͤhrt).

Wenn das mein Herr ſähet! Wachter lieber Wachter!

(Chriſtoph und Weinberl haben ſich ebenfalls, um waͤhrend dem Tumult zu echappiren, derſelben Thuͤre genaͤhert.)
Liſett
(laͤuft zur Mittelthuͤre links herein).

Der Herr von Zangler is da.

158
Weinberl, Chriſtoph, Sonders
(erſchrocken, jeder fuͤr ſich).

Der Zangler !!?

(Alle 3 ſtuͤrzen a tempo, Sonders zur Mittelthuͤre rechts, Weinberl zur Seitenthuͤre rechts, Chriſtoph zur Seiten - thuͤre links ab.)
Melchior.

Das iſt g’ſcheidt!

Liſett.

Aber Fräuln !

(eilt Chriſtoph nach.)
Frl. Blumenblatt.

Mein Schwager Alles läuft davon auch Herr Weinberl fort ?

Neunter Auftritt.

Frl. Blumenblatt, Wachter, Melchior, dazu Zangler, Madame Knorr, Frau von Fiſcher, Marie. (Frau von Fiſcher iſt ohne Hut und Mantel in Haͤubchen und Shawl.)
Zangler
(mit beiden Frauen am Arme, Mittelthuͤre links eintretend).

Schwägerin, da ſind wir was is das? der Wachter hat mein Melchior beim Schöſſel ?

159
Frl. Blumenblatt
(auf Melchior zeigend).

Alſo wäre das ?

Melchior
(zu Zangler).

O, ſagns ihr’s, wer ich bin!

Zangler
(zu Frl. Blumenblatt).

Mein dummer Hausknecht.

Melchior
(zu Frl. Blumenblatt).

Seh’n Sie, Schwägerin meines Herrn.

(Zu Zangler.)

Hab’n Sie einen Commis, der Weinberl heißt?

Zangler.

Ja.

Melchior.

Und wo is der Weinberl?

Zangler.

Zu Haus, beim G’ſchäft.

Melchior
(zu Frl. Blumenblatt).

Sehn Sie, Schwägerin meines Herrn?

Zangler
(zu Frl. Blumenblatt).

Aber jetzt ſag mir

Melchior
(zu Zangler, ihn unterbrechend).

Ruhig. War das nicht ein unrechtes Paar Leut, die Sie herg’ſchickt hab’n?

160
Zangler.

Freilich.

Melchior
(zu Frl. Blumenblatt).

Seh’n Sie, Schwägerin meines Herrn?

Frl. Blumenblatt.

Ja, wenn’s ſo iſt

Zangler
(zu Frl. Blumenblatt).

Jetzt muß ich Dir aber vor Allem hier meine Braut, und hier ihre Freundin, Frau von Fiſcher, vorſtellen.

Frl. Blumenblatt.

Ah, charmant.

Fr. v. Fiſcher und Mad. Knorr.

Freut uns unendlich, die Ehre zu haben.

Zangler.

Morgen iſt Hochzeit bei mir zu Haus.

Frl. Blumenblatt.

Du weißt, ich geh zu keiner Hochzeit, denn mein Schickſal

(Schnupft.)

aber wie kommt das ſo ſchnell?

Zangler.

Ja, ich geh der Meinigen nicht mehr von der Seiten, es ſind Gründe

161
Mad. Knorr
(leiſe zu Zangler).

Blamiren Sie mich doch nicht.

Zangler
(zu Melchior).

Du fahrſt jetzt gleich zu mir nach Haus, rebellſt Alles auf, daß ſchleunigſt zu die Hochzeitsanſtalten g’ſchaut wird.

(Zu den beiden Frauen.)

Wir ſoupiren bei meiner Schwägerin, und fahr’n dann gleich nach,

(zu Melchior.)

mit Tagesanbruch kommen wir an.

Melchior.

Wird Alles beſorgt, aber

Frl. Blumenblatt
(zu Melchior).

Freund, nimm Er das, weil ich ihm Unrecht gethan.

(Reicht ihm Geld).
Melchior.

Sie ſeh’n es ein, das iſt mir genug.

(Nimmt das Geld. Zu Zangler.)

Aber ſagen Sie ihr nur das noch

Zangler.

Daß Du ein Eſel biſt.

Melchior
(will Zangler etwas ſagen, unterdruͤckt es aber).

Die Schwägerin ſieht es ein, das iſt mir genug.

(Geht zur Mitte links ab.)
14162

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Melchior.
Frl. Blumenblatt.

Aber wie iſt denn das, Du haſt mir alſo nicht Deine Mündel geſchickt?

Zangler
(auf Marien zeigend).

Nein, hier bring ich Dir die Mißrathne, und übergeb ſie Deiner Obhut.

Marie.

Gnädige Frau Tant

(kuͤßt ihr die Hand).
Frl. Blumenblatt
(zu Zangler).

Was waren denn das hernach für Leute?

Zangler.

Das weiß ich nicht.

Frl. Blumenblatt.

Sie ſind noch hier.

Zangler.

So? Bei denen muß ich mich ja entſchuldigen.

Frl. Blumenblatt.

Wie ſie hörten, daß Du kommſt, ſind ſie jedes zu einer andern Thüre hinausgeſtürzt.

Zangler.

Das is kurios.

163

Eilfter Auftritt.

Liſett. Die Vorigen.
Liſett
(einen Schleier in der Hand, kommt aus der Seitenthuͤre links).

Die Fräulen Zangler iſt in das gelbe Kabinet gelaufen, und hat von Jnnen zugeriegelt. Sie macht um keinen Preis auf; der Schleier von ihrem Hut iſt an der Thürſchnalle hängen geblieben.

Frl. Blumenblatt
(zu Zangler).

Was ſagen Sie dazu?

Zangler.

Hm! hm!

Fr. v. Fiſcher
(den Schleier beſehend).

Das iſt ja mein Schleier.

Mad. Knorr
(ebenfalls den Schleier betrachtend).

Freilich, da iſt der Roſtfleck.

Fr. v. Fiſcher.

Hat die Perſon nicht auch einen Mantel, ge - rade ſo

(auf Marien deutend.)

wie die Fräulein hier?

164
Frl. Blumenblatt.

Ja, braun quadrillirt, ganz ſo.

Mad. Knorr.

’s ſind Beide in meinem Magazin gekauft.

Fr. v. Fiſcher
(zu Frl. Blumenblatt).

Sie müſſen wiſſen, ich bin ſchändlich beſtohlen worden.

Zangler.

Da müſſen wir auf den Grund

(Zu Liſetten.)

Mamſell, ſperr’n Sie die Thüre, wo die Perſon drinn is, g’ſchwind von auswendig zu.

Liſett.

Sogleich.

(Eilt zur Seitenthuͤre links ab.)
Zangler.

Und dann he, Wachter!

Wachter.

Befehl’n?

Zangler.

Er holt Aſſiſtenz, und ſperrt von Außen die Hausthür zu.

Wachter.

Sehr wohl.

(Zur Mittelthuͤre links ab.)
Frl. Blumenblatt.

Jch zittere.

165
Zangler.

Kommen Sie, meine Damen, hier gibts eine Spitzbüberei, die ins Abnorme geht.

(Mit ſaͤmmtlichen Frauenzimmern zur Seitenthuͤre rechts ab.)

Verwandlung.

(Garten im Hauſe des Fraͤulein Blumenblatt, im Hinter - grunde zieht ſich die Gartenmauer uͤber die ganze Buͤhne. Rechts iſt ein vorgebauter praktikabler Theil des Hauſes ein Stock hoch mit Glasfenſtern, ſowohl nach vorne als gegen die Seite. Durch die Fenſter ſieht man in das fruͤher beſprochene gelbe Kabinet, welches jedoch nicht erleuchtet iſt, die Buͤhne iſt ganz finſter.)

Zwölfter Auftritt.

Weinberl, ſpäter Chriſtoph (am Fenſter).
Weinberl
(allein, aus dem Hintergrunde links auftretend).

Es iſt umſonſt, der Ort, wo der Zimmermann ’s Loch g’macht hat, is nicht zu finden. Fluch dem Schloſ - ſer, der dieſes Hausthor vollendet, dreimal Fluch dem166 Maurer, der dieſen Garten umzäunt, und hundert - fufzigmal Fluch denen anderthalb Zenten Leib’s - g’wicht, die mich hindern, auf den Flügeln der Angſt hinüber zu ſaltomortaliſiren. Jn jedem Schatten ſeh ich einen Zangler, in jedem Geräuſch hör ich einen Zangler, die ganze Natur hat ſich für mich in ein Schreckniß aufgelöst, und das heißt Zangler! So war noch kein Assoicié in der Soß! Dieſe Mauer muß eine weitſchichtige Mahm von der Chineſiſchen ſein ich muß doch noch a mal

(verſucht die Mauer zu erklettern.)

es iſt zu hoch, ich kann nicht hinauf.

Chriſtoph
(im Frauenzimmer Mantel und Hut wie fruͤher, oͤffnet das Fenſter im gelben Kabinet und ſieht heraus).

Es iſt zu hoch, ich kann nicht hinab.

Weinberl.

Chriſtoph, ſind Sie’s?

Chriſtoph.

Ja, ich bins. Herr Weinberl, ſind Sie’s?

Weinberl.

Ja, ich bins.

Chriſtoph.

Helfens mir, ich riskir jeden Augenblick, daß167 man die Thür einſprengt und mich vor den Principal ſchleppt.

Weinberl.

Mein Riſiko is dasſelbe.

Chriſtoph.

Wir ſind alſo vor der Hand verloren.

Weinberl.

Wenn keine Leiter vom Himmel fällt, wenn nicht durch ein Wunder ſich Sprißeln in der Luft geſtalten, rettungslos verloren.

Chriſtoph
(ſich zum Fenſter herausbeugend).

Da kommt wer.

Weinberl
(erſchrocken).

Der Zangler !

(Verbirgt ſich links hinter ein Gebuͤſch.)

Dreizehnter Auftritt.

Sonders. Die Vorigen.
Sonders
(kommt mit einer Leiter aus dem Vordergrunde rechts).

Der Fund kam zur gelegenen Zeit, auf dieſer Gartenleiter gelang ich über die Mauer, dann heißt168 es, wieder einen günſtigen Moment, wo ich mich meiner Marie nähern kann, mit Geduld abwarten. Geduld, verdammtes Wort! Jm Wörterbuch der Liebenden iſt’s nicht zu finden.

(Will ſich der Mauer naͤhern.)
Weinberl
(fuͤr ſich).

Soll ich ihn anreden

Chriſtoph.

Pſt! Pſt!

Sonders.

Geht das mich an ?

(Sieht zum Fenſter hinauf.)

Ein Frauenzimmer täuſcht mich die Dunkelheit !? nein, Marie, Du biſt ’s, meine geliebte Marie!

Chriſtoph
(mit gedaͤmpfter, verſtellter Stimme).

Ja.

Weinberl
(fuͤr ſich).

Das is auf die Art Niemand andrer, als der Herr von Sonders.

Sonders.

O, komm herab, die Leiter ſoll Dich in meine Arme, und dann uns Beide ins Freie führen.

Chriſtoph
(wie oben).

Wohlan.

169
Sonders
(lehnt die Leiter an das Haus).

So ſteig nur muthig zum Fenſter heraus.

Chriſtoph
(ſteigt herab).
Sonders.

Zittre nicht, ich werde die Leiter halten. Und nicht wahr, liebe Marie, das Packet mit den Doku - menten, die wir zur Trauung brauchen, haſt Du?

Chriſtoph.

Nein!

(Jſt eben auf der unterſten Sproſſe ange - langt.)
Sonders
(beſtuͤrzt).

Wo ließeſt Du’s?

Chriſtoph
(auf das Fenſter hinauf zeigend).

Dort

Sonders.

Vergeſſen dort oben? das muß ich holen.

(Eilt die Leiter hinan, nnd ſteigt raſch zum Fenſter hinein.)
Chriſtoph.

Auf’n Tiſch rechts.

(Nachdem Sonders ins Fenſter geſtiegen.)

G’ſchwind, Weinberl, die Leiter is erobert!

Weinberl
(hervorkommend).

Die Nächſtenlieb fangt bei ſich ſelbſt an.

15170
Chriſtoph
(indem er mit Weinberl die Leiter zur Gartenmauer traͤgt).

Jch bring unſrer Fräuler Marie ihren Liebha - ber in die Briſil, das is Satisfaktion für das, daß ſie mich immer einen dalketen Bub’n heißt.

(Hat mit Weinberl die Leiter an die Gartenmauer gelehnt.)
Weinberl.

Jch ſteig voran.

Chriſtoph.

Nur g’ſchwind.

Weinberl
(ſteigt ſehr ſchnell die Leiter hinauf und ſchwingt ſich von derſelben auf die Mauer, auf welcher er in reitender Stel - lung ſitzen bleibt).

Kraxelns nach, Chriſtopherl.

(A tempo tritt der Mond aus den Wolken, es wird heller auf der Buͤhne.)
Chriſtoph
(ebenfalls eilig die Leiter hinaufſteigend).

Da bin ich ſchon.

(Wie er oben auf der Leiter iſt, nimmt er den Frauenzimmer-Mantel und Hut ab, und wickelt beides in einen Knaͤul zuſammen.)
Weinberl.

Was machens denn?

171
Chriſtoph.

Geduld, jetzt kann uns nix mehr g’ſchehen.

Sonders
(ans Fenſter kommend).

Marie ? Jch kann das Paquet nicht finden.

Chriſtoph
(in natuͤrlicher Stimme).

Nicht finden können Sie’s? No, ſo nehmens das derweil.

(Wirft Mantel und Hut zum Fenſter hinein, und ſteigt von der Leiter auf die Mauer, auf welcher er in ſitzender Stellung bleibt.)
Sonders.

Was ſeh ich, ein Mann ?! Jch bin ſchmäh - lich betrogen.

Weinberl.

Jetzt ziehn wir die Leiter herauf, und laſſens auf der andern Seiten hinunter.

(Thut es mit Chri - ſtoph’s Beihuͤlfe.)
Sonders.

Die Leiter wo iſt die Leiter?

(Langt zum Fen - ſter heraus, und merkt, daß die Leiter fortgetragen iſt.)

Verdammt !

(Man hoͤrt im Hauſe mehrere Stimmen untereinander.)
172
Sonders.

Man kommt !

(Man hoͤrt im Zimmer oben die Thuͤre einbrechen, Zangler mit dem Wachter und noch ein Paar Leuten erſcheinen mit Lichtern im Kabinet.)
Zangler.

Ein Mann iſt’s !

Wachter.

Nur angepackt!

Zangler.

Herr Sonders ! Teufel, jetzt wirds mir zu arg!

Wachter und die Uebrigen.

Angepackt! Nur angepackt!

Chriſtoph.

Sie hab’n ihn ſchon. Das iſt ein Jux!

(Jm Orcheſter faͤllt paſſende Muſik ein.)
(Weinberl und Chriſtoph verſchwinden, waͤhrend dem im Kabinet ſtatt habenden Tumulte außerhalb der Mauer.)
Der Vorhang faͤllt.
173

Vierter Aufzug.

(Straße vor Zanglers Haus; der Mond beleuchtet die Buͤhne; links im Vordergrunde iſt Zanglers Haus, ein Stockwerk hoch. Vorne ein praktikables Glasfenſter, unter dem Fenſter ſieht man die verſchloſſene Gewoͤlb - thuͤre, daruͤber die Tafel mit der Aufſchrift: B. Zanglers vermiſchte Waarenhandlung. Etwas weiter zuruͤck als die Gewoͤlbsthuͤre iſt das Hausthor.)

Erſter Auftritt.

Melchior, dann Gertrud.
Melchior
(allein, tritt von der Seite rechts aus dem Hintergrunde auf).

Ah den ganzen Weg hab ich ſuperb verſchla - fen

(Gaͤhnt.)

und bin jetzt ſo munter, als wanns helllichter Tag wär das is ja ’s Haus richtig ich muß anläuten.

(Sucht an beiden Seiten des Haus - thores.)

Was is denn das ? Keine Glocken. 174 Ah, da hab ich Reſpekt, hier hab’ns noch keine Haus - meiſter, die werd’n doch ſchön z’ruck ſeyn in der Kul - tur.

(Klopft an das Thor.)

He, aufg’macht!

(Klopft ſtaͤrker.)

Aufg’macht! Es hört kein Menſch. Wenn ich nur die Wirthſchafterin aufrebelln könnt, das is die einzige Perſon, die mich kennt im Haus, auf d’Letzt laſſens mich gar nicht hinein ich werd mit einem Sandkörnderl ans Fenſter werfen.

(Nimmt eines vom Boden auf, und wirft an das Glasfenſter vorn.)

Es hört mich Niemand ich muß ein Steinl neh - men

(Nimmt eins vom Boden auf und wirft es ans Fen - ſter.)

’s nutzt noch nix ich muß ’s mit ein größern Steinl probirn

(Nimmt einen Stein auf, und wirft ihn ins Fenſter, die Scherben fallen herab, man hoͤrt von Jnnen einen Schrei von Gertrud.)

Jetzt, glaub ich, hat mich wer g’hört. Frau Gertrud! Frau Gertrud!

Gertrud
(von Jnnen).

Wo brennts?

Melchior.

Nirgends, komm d’Frau Gertrud nur zum Fenſter!

Gertrud
(eine Nachthaube auf dem Kopf, ſchaut zum Fenſter heraus.)

Was is denn, um Alles in der Welt!?

175
Melchior.

Seins ſo gut, machens mir ’s Thor auf.

Gertrud.

Jmpertinenter Menſch, wer is Er?

Melchior.

Der neue Hausknecht bin ich, der Melchior.

Gertrud.

Den Tod könnt man haben durch den Schrocken.

Melchior.

Von Tod is gar kein Red, Hochzeit is! Vor Tagsanbruch kommt der Herr.

Gertrud.

Er hat einen Rauſch.

Melchior.

Den müßt er ſich erſt trunken haben, ich hab, ihn alſo nüchterner verlaſſen. Machens nur auf.

Gertrud.

Mir is es in alle Glieder g’fahr’n, das is doch gar entſetzlich, was glaubt denn ſo ein Menſch.

(Ent - fernt ſich brummend vom Fenſter.)
Melchior
(allein).

Das ſind die Folgen, wenn in ein Haus kein Hausmeiſter is. Mir is das alles eins, ich zahl die Fenſterſcheiben nicht. Mir ſcheint, ich hörs ſchon.

176
Gertrud
(man hoͤrt ſie von Jnnen das Hausthor aufſperren, und dabei brummen).

Das werd ich dem Herrn ſagen, ob das recht iſt, daß man Jemanden ſo aus’n Schlaf

Melchior
(von Außen am Hausthor ſtehend).

Nur gelaſſen, Frau Gertrud.

Gertrud
(von Jnnen, wie oben).

Das is keine Manier, das is keine Art, bei ſpäter Nacht dieſer Schrocken.

Melchior
(von Außen).

Schauns, der Zorn ſchad’t Jhnen.

(Das Hausthor oͤffnet ſich, Melchior geht hinein.)
Gertrud
(von Jnnen, indem man ſie wieder zuſchließen hoͤrt).

Wer’n wir ſchon ſehen, was der Herr dazu ſagt, das laſſ ich nicht ſo hingeh’n.

Melchior
(von Jnnen).

Ah, hörn’s auf.

(Man hoͤrt Beider Stimmen immer ſchwaͤcher bis es ganz ruhig wird.)
177

Zweiter Auftritt.

Chriſtoph und Weinberl (kommen rechts aus dem Hintergrund).
Weinberl.

Hab’ns g’hört, Chriſtoph? wenn ſich der Hahn nicht verkräht hat um a Stund, ſo geht’s ſchon auf’n Tag los.

Chriſtoph.

Macht nix, wir ſind einmal da, wir können ſagen, wir haben das Ziel erreicht.

Weinberl.

Ja, was denn eigentlich für ein Ziel, wenn man’s recht betracht?

Chriſtoph.

No, wir hab’n uns ein Jux g’macht, und kom - men im Uebrigen grad ſo g’ſcheidt wieder z’Haus als wir ausgangen ſein.

Weinberl.

Jetzt frag ich aber, zahlt ſich ſo ein Jux aus, wenn man ihn mit einer Furcht, mit drei Schrocken, fünf Verlegenheiten und ſieben Todsängſten erkauft? Js ſo a Gſchäft nicht noch weit dümmer, als wenn man für a Loth Salami ein Gulden, für ein Vier -178 ting Bockshörnd’l ein Thaler, für a halbete Sardelln ein doppelten Dukaten zahlt? Wann wir aber das jetzt gehörig einſeh’n, dann kommen wir ja doch um ein Alzel gſcheidter nach Haus.

Chriſtoph.

Jch bin ja noch zu jung, um das richtig zu beurtheil’n.

Weinberl.

Ah ich bin ganz zerlext von die Gemüths - bewegungen.

Chriſtoph.

Jch auch, und für mich iſt das noch weit ge - fährlicher, weil ich ſo ſtark im Wachſen bin. Schaun wir, daß wir ins Bett kommen, ſoll ich anpumpern beim Hausthor?

Weinberl.

Warum nicht gar, wir ſchleichen uns ganz in der Still in’s G’wölb, und duſeln ein bisl auf der Budel; in 2 Stund wirds ohnedem Zeit zum Auf - ſperrn ſein. Jch hab den G’wölbſchlüſſel bei mir.

(Sucht in den Taſchen.)

Da nein da oder da Teufel hinein, ich hab den Schlüſſel verlor’n.

Chriſtoph.

Seins ſo gut.

179
Weinberl.

Wie ich den Kutſcher, der uns herg’führt hat, mit meiner ſilbern Uhr auszahlt hab, muß er mir herausg’falln ſein.

Chriſtoph.

No, das is ja keine 300 Schritt; wartens, ich geh z’ruck, ich weiß ’s Platzl genau, werd ihn gleich finden.

(Geht im Hintergrunde rechts ab.)

Dritter Auftritt.

Weinberl
(allein).

Jetzt habe ich das Glück genoſſen, ein verfluch - ter Kerl zu ſein, und die ganze Ausbeute von dem Glück is, daß ich um keinen Preis mehr ein ver - fluchter Kerl ſein möcht. Für einen Commis ſchickt ſich ſo was nicht. Das kommt mir vor, wie unſer Fräule, die ſagt auch immer es ſchickt ſich nicht und derweil Es g’ſchieht halt allerhand bei der Zeit, was ſich nicht ſchickt.

Lied.
1.
’s hat Einer a Geld hergliehen ohne Jntreſſen,
Der Schuldner thut aber auf’s Zahl’n rein vergeſſen,
180
Der Gläubiger mahnt ihn ſtets mit Höflichkeit,
Doch der Schuldner, der find’t ſich beleidigt und ſchreit:
Preſſirn Sie mich nicht, Sie wern’s Geld ſchon noch
krieg’n,
Sie Eſel, ich werf Jhnen gleich über d’Stieg’n.
Man glaubt nicht wie häufig das g’ſchicht,
Und es ſchickt ſich doch offenbar nicht.
2.
Man muß ſehn im Kaffeehaus wenn Karten g’ſpielt
wird,
Wie’s zuſchau’n und drein plauſchen ganz ungenirt,
Schau’n Zwei’n in die Karten und rathen dem Dritten,
Ob er Karo oder Pick ſpiel’n ſoll da muß i bitten,
Und thut ſich bei ein Spieler ein Ultimo zeigen,
Dem thun d’Zuſchauer völlig am Buckel auffiſteig’n.
Dieſe Unart faſt überall g’ſchicht,
Und es ſchickt ſich doch offenbar nicht.
3.
A jung’s und ſchlank’s Töchterl, na der ſteht es gut,
Wanns auch wie a Bſeſſene umtanzen thut,
Doch was ſoll man ſag’n, wenn d’Mama mit 50
Jahr’n,
Uma fludert mit friſche Kamelien in Haar’n.
181
So a Frau wägt drei Zentner oft, Sie, das is viel,
Hupft aber noch neckiſch mit in der Quadrill.
Man glaubt nicht wie häufig das g’ſchicht,
Und es ſchickt ſich doch offenbar nicht.
4.
’s gibt Leut, die ein gern nur was Unang’nehms
ſag’n,
Ach Sie ſchaun ſchlecht aus, Jhnen hat’s ſchön beim
Krag’n,
Geſtern hat auf ein Andern g’ſchmacht Jhr Her -
zensdam,
Wer hat Jhnen den Rock g’macht, Sie, der ſteht
infam,
Der Wag’n, den Sie kauft hab’n, ach, das is a
Karr’n,
Jhr Stück hab ich g’leſen, Sie, das is a Schmarn.
So ſag’ns alles den Leuten ins G’ſicht,
Na, das ſchickt ſich doch offenbar nicht.
5.
Das ſteht ſo gut, wann die gebildeten Herrn,
Recht freundlich und zärtlich mit Dienſtbothen wer’n,
Und ganz franchement rennen beim helllichten Tag,
Wie die Windſpiel ein ſchlampeten Kuchelbärn nach,
182
Und drucken ihr d’Bratzen, und laſſens nit aus,
O Engel ſagens mir’s, ſeins allein heut zu Haus?
Man glaubt nicht wie häufig das g’ſchicht,
Und es ſchickt ſich doch offenbar nicht.
(Jm Hintergrunde rechts ab.)

Vierter Auftritt.

Kraps und Rab (kommen links aus dem Hintergrund. Rab traͤgt eine Blendlaterne, Kraps hat einen Mantel um und eine dunkle Larve vor dem Geſicht).
Rab.

Mir ſcheint gar, Kerl, Du zitterſt?

Kraps.

Nein, ich klapper nur mit die Zähn.

Rab.

Haſenfuß, da hätteſt Du mich ſehen ſoll’n, wie ich oft

Kraps.

Das will ich wohl glauben, aber Du, laſ - ſen wirs auf ein andersmal.

Rab.

Schämſt Du Dich nicht, hat der Kerl den183 genial’n Einfall, den Schlüſſel in Wachs abzudrücken, und bei der Ausführung verliert er die Courag.

Kraps.

Es is nur heut, ſchau, ein andersmal

Rab.

Nichts da! Nimm die Latern und leuchte mir.

Kraps
(zitternd die Laterne nehmend).

Schau, Brüderl

Rab.

Friſch ans Werk.

(Sperrt waͤhrend dem Folgenden die Schloͤſſer an den Gewoͤlbſtangen auf.)

Fünfter Auftritt.

Weinberl und Chriſtoph. Die Vorigen.
(Beide kommen aus dem Hintergrunde rechts, und ſehen was an der Gewoͤlbthuͤre vorgeht.)
Weinberl und Chriſtoph
(erſchrocken und mit unterdruͤckter Stimme).

Was is das !?

184
Rab
(ohne die eben Angekommenen zu bemerken, in ſeinem Ge - ſchaͤft und in ſeiner Rede fortfahrend.)

So leuchte doch daher, ſiehſt Du denn nicht ? Aber Narr hahaha, wozu, Strohkopf, nimmſt Du denn eine Larve?

Kraps.

Wanns ſchelch geht, es ſehet uns wer und wir müßten echappirn; mein G’ſicht iſt zu bekannt in dem Haus.

Rab
(der immer fortgearbeitet hat, macht einen Fluͤgel der Ge - woͤlbthuͤre auf).

Die Thür iſt offen, jetzt hinein, und vor Allen der Kaſſa eine Visitt gemacht. Gib mir die Latern die Schreibſtube iſt hinten links?

Kraps
(ihm die Laterne gebend).

Ja.

(Die anfangs wie ver - ſteinert ſtehen geblieben ſind, ſich aber dann rechts nach dem Vorder - grund gezogen, zugleich.)
Weinberl.

Chriſtoph

Chriſtoph.

Weinberl

Kraps.

Aber Brüderl, laſſen wirs auf ein andersmal.

185
Rab.

Wäre nicht übel! Umkehren auf halben Weg. Du bleibſt noch ein Paar Minuten hier ſtehen, und ſiehſt dich um, ob nicht etwa über unſer Geräuſch ſich irgendwo ein Licht zeigt, dann kommſt Du mir nach. Aber zittre doch nicht, Du Haſenfuß, Klugheit im Kopf, Schnaps im Magen, und Piſtolen in der Taſche, da geht Alles gut.

(Geht ins Gewoͤlb ab.)

Sechster Auftritt.

Die Vorigen, ohne Rab.
Kraps.

Jch hab kein Wort g’hört was er g’ſagt hat die Angſt ! Jch hab glaubt, ich hab Anlag, aber ich bin nix zu dem G’ſchäft wenn er nur wenig - ſtens ich ſag halt, es wär beſſer gweſen ein An - dersmal

Weinberl
(ihn an der Gurgel faſſend).

Nein, jetzt is ’s am beſten.

Kraps.

Barmherzigkeit !

16186
Chriſtoph
(hat ihn ebenfalls gepackt).

Still, oder

Weinberl.

Jch erdroſſel Dich.

Kraps.

Herr Weinberl Muſſi Chriſtoph

Weinberl.

Das is ja

Kraps
(die Larve abnehmend).

Der Hausknecht, der Kraps.

Weinberl und Chriſtoph.

Du Spitzbub

Kraps.

Jch will ein ehrlicher Mann wer’n.

Weinberl.

Jch ſeh’s, Du biſt grad auf’n Weg dazu.

Kraps.

Das war mein Anfang und mein B’ſchluß ſo wahr als Barmherzigkeit.

Chriſtoph
(zu Weinberl).

Laſſen wir’n lauf’n.

Weinberl.

Das müſſen wir jetzt wohl, ſonſt lamentirt er187 uns den Andern heraus.

(Zu Kraps.)

Dein Mantel, Hut und Larven her.

Kraps.

Da, da is Alles, mein beſter, edelſter, groß - müthigſter Herr von Weinberl.

(Gibt ihm, was er verlangt.)
Weinberl.

Jetzt fahr ab.

Kraps.

O Gott

(ihm die Hand kuͤſſend.)

Sie glau - bens nicht, aber ich werd jetzt ſchrecklich ehrlich wer’n.

(laͤuft im Hintergrunde links ab.)

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen, ohne Kraps.
Weinberl.

Den ehrlichen Mann werd’ns ſchon durch die Ausſagen ſeines Spießg’ſellen kriegen.

(Huͤllt ſich in Kraps Mantel ein, und ſetzt deſſen Hut auf.)
Chriſtoph.

Was thuns denn da?

Weinberl.

Den Andern muß ich erwiſchen.

188
Chriſtoph.

Sperrn wir’s Gwölb zu, ſo is er g’fangt.

Weinberl.

Daß er drin eine Thür eintritt, wem todtſchießt, und doch am Ende ein Ausweg findet. Nix, ich weiß ſchon was ich thu. Wecken Sie nur derweil den Nachtwachter auf, und machens g’ſchwind Arreti - rungs-Anſtalten.

Chriſtoph

Gut. Aber is das a Glück; auf unſerm Boden - kammerl hätten wir den Einbruch rein verſchlafen.

Weinberl.

Jetzt war der Jux doch zu was gut.

Rab
(von Jnnen ſich der Thuͤre naͤhernd).

Wo zum Teufel bleibſt denn Du ſo lang?

Weinberl
(nimmt die Larve vor, wodurch ſich ſeine Stimme aͤndert).

Jch komm ſchon, ich komm ſchon!

(winkt Chriſtoph, daß er forteilen ſoll, und geht ins Gewoͤlb ab.)
Chriſtoph
(laͤuft im Hintergrunde rechts ab).
189

Verwandlung.

(Zanglers Wohnzimmer, rechts eine Seitenthuͤre, im Pro - ſpekt eine Thuͤre, welche in das Gewoͤlb hinabfuͤhrt. Rechts vorne ſteht ein Silberkaſten, links vorne ein Fenſter mit Vorhang. Am Proſpekt iſt Zanglers Bett.)

Achter Auftritt.

Melchior
(allein, tritt mit Licht aus der Seitenthuͤre rechts).

Da ſoll man Anſtalten zur Hochzeit machen, die Wirthſchafterin ſperrt ſich ein in ihr Zimmer, gibt mir gar kein Gehör, und ſchimpft ſo lang bis zum Schnarchen anfangt. Die Köchin hab ich g’funden, ah das Weibsbild hat gar einen klaſſiſchen Schlaf, ich muß ſagen, das is mir noch nicht unterkommen. Wenn ich mein Kammerl wüßt, ging ich auch ſchla - fen. Jch könnt mich zwar da in Herrn ſein Bett legen, aber wer weiß wär’s ihm recht, ’s thuts ja da im Armſeſſel auch.

(Man hoͤrt ein Geraͤuſch im Hin - tergrunde.)

Was war denn das? Ah, ich weiß ſchon Nix wirds gweſen ſein. ’s is völlig Entriſch, allein wach ſein in ſo ein verſchlafnen Haus.

(Das Geraͤuſch wiederholt ſich.)

Jetzt war’s aber ja es190 war was.

(Nach dem Hintergrunde zeigend.)

Von da unten hört man’s herauf. Menſch oder Geiſt, was ſteht mir bevor? Wenn es ein Menſch iſt, o da bin ich ein Kerl, der Courag hat, wann’s aber a Geiſt da wär’s aus mit mir. Geiſt is mir ein zu fremdartiges Weſen.

(aͤngſtlich herumſehend.)

Wo kann ich denn ? Aha

(laͤuft zum Fenſter und ſetzt ſich, waͤhrend man von Außen dumpfe Stimmen hoͤrt, ſchnell auf das Fenſterbrettl, ſo daß ihn die herabhaͤngen - den Gardinen bedecken.)

Neunter Auftritt.

Rab. Weinberl (mit Mantel, Larve, Hut und Blendlaterne). Der Vorige.
Rab und Weinberl
(kommen auf den Zehen zur Mittelthuͤre herein).
Melchior
(hinter den Fenſter-Gardinen hervorguckend, ſchaudernd fuͤr ſich).

Den leichten Tritt, man hörts gar nit, es ſind Geiſter.

Rab.

Wirklich, Burſche, das überraſcht mich von Dir,191 ’s iſt ein Wagſtück, bis hieher zu dringen, und Du haſts proponirt.

Weinberl.

’s is wegen dem Silberkaſten, dort is er.

Rab.

Jch meinestheils mache mich immer gern gleich aus dem Staub, wenn ich das Geld habe, denn nur Geld, Geld

Melchior
(fuͤr ſich).

Sie geh’n aufs Geld, es ſind Menſchen.

Rab.

Mit Prätioſen befaß ich mich nicht ſo gern.

(Nimmt von Weinberl die Laterne und naͤhert ſich dem Sil - berkaſten.)
Weinberl.

Ah was, Silber is auch nicht zu verachten, je mehr, deſto beſſer, man hat nie genug.

Melchior
(fuͤr ſich).

Sie haben nie genug es ſind Menſchen.

Rab.

Der Schlüſſel ſteckt, räumen wir aus.

(oͤffnet die Glasthuͤre des Kaſtens.)

Da hab ich aus dem Gewölb einen Sack mit heraufgenommen, da pack Alles hinein.

(wirft ihm einen Leinwandſack zu, nimmt192 waͤhrend dem Folgenden aus dem Kaſten Kaffee-Maſchine, Leuchter, Loͤffel ꝛc. heraus und gibt es Weinberl, welcher es in den Leinwandſack ſteckt.)
Melchior
(fuͤr ſich).

Sie packen ein, es ſind Menſchen, aber was für eine?

Rab.

Nur ſchnell.

Weinberl
(bei Seite).

Nur langſam, ſag ich, ich muß ihn aufhalten, bis der Chriſtopherl mit die Arretirer kommt.

Rab
(ſcherzend).

Einen Kaffeelöffel ſollten wir ihm liegen laſſen, als Souvenir de Silberkaſten.

Melchior
(fuͤr ſich)

Der hat doch noch menſchliches Gefühl.

Weinberl.

Ah was, nur Alles mitgnommen, im andern Zimmer drin war auch noch was.

Melchior
(fuͤr ſich).

Der mit der Larven is ganz Teufel.

Rab.

Nein, das wäre zu riskirt, mich überfällt ſo ſchon eine Unruhe, und das iſt immer ein Zeichen

193
Melchior
(fuͤr ſich).

Bei dem is noch Beſſerung möglich.

Weinberl.

Die Stockuhr da drin ſollten wir nicht auslaſſen.

Melchior
(fuͤr ſich).

Der hat ein verhärtetes Gemüth.

Rab.

Nichts da, wir müſſen fort

(bleibt ſtehen.)

hörſt Du?

(horcht geſpannt.)
Weinberl.

Es is nix, es kann nix ſein.

Melchior
(uͤber Weinberl erboßt die Fauſt ballend, fuͤr ſich).

Wenn ich nur den

(wirft durch ſeine unvor - ſichtige Bewegung einen Blumentopf vom Fenſter herab.)
Rab.

Man kommt zum Fenſter herein ſchnell das Ferſengeld.

(Laͤuft zur Mittelthuͤre ab.)
Weinberl
(fuͤr ſich).

Du därfſt mir nicht auskommen.

(Laͤßt den Sack liegen und laͤuft Rab nach.)
Melchior
(ſpringt aus ſeinem Verſteck hervor, und packt Weinberl, als er eben die Thuͤre erreicht hat, am Genick).

Hab ich Dich?!

17194
Weinberl.

Au weh! was is das?!

Melchior.

Weil ich nur den hab.

(Zieht ihn mehr nach Vorne.)
Weinberl.

Auslaſſen ſag ich, der Andere is ja

Melchior.

Ein Schnipfer, der zu Hoffnungen berechtigt, Du aber biſt ein Scheuſal

Weinberl.

Er erwürgt mich zu Hülf! zu Hülf!

Melchior.

Mir gehen vor Wuth die Kräften aus, zu Hülf! zu Hülf!

Beide.

Zu Hülf! zu Hülf!

Zehnter Auftritt.

Zangler, Mad. Knorr, Fr. v. Fiſcher, Chri - ſtoph, Sonders, Marie. Die Vorigen, ohne Rab.
Chriſtoph
(mit einer Laterne).

Der Rauber is solo g’fangt, die Wachter hab’n ihn ſchon.

(Zuͤndet auf dem Tiſche rechts Licht an.)
195
Melchior.

Jch hab den Wahren!

Zangler.

Was gibt’s denn da für ein Rumor?!

Weinberl
(hat die Larve abgenommen).

Herr Principal

Zangler
(Melchior, welcher Weinberl noch immer feſt halten will, zur Seite ſchleudernd).

Pack Du Dich, und nicht den da

(zu Weinberl.)

der Chriſtoph hat mir Alles gſagt an mein Herz, edler Mann.

(Umarmt Weinberl.)
Melchior.

Der umarmt den entlarvten Böſewicht, das is klaſſiſch!

Chriſtoph
(zu Mad. Knorr, bittend).

Verſchwiegenheit Principalin.

Mad. Knorr
(Chriſtoph erkennend).

Ah, das is ſtark !

Melchior
(zu Zangler).

Aber ſchaun’s nur, wie er Jhr Silber

Zangler.

Durch dieſes Silber hat er mir das Gold ſeiner Treue bewährt.

Melchior.

Das is zu klaſſiſch!

196
Fr. v. Fiſcher und Mad. Knorr
(Weinberl erkennend).

Was is denn das !? das is ja

Zangler
(der Madame Knorr und Frau von Fiſcher, Weinberl vorſtellend).

Mein ehmaliger Commis, gegenwärtig mein Associé, Herr Weinberl, der während meiner Ab - weſenheit mein Haus ſo treu bewacht.

Fr. v. Fiſcher und Mad. Knorr
(zu Zangler).

Erlauben Sie, das iſt

Melchior
(zu den Frauen).

O, ſag’n Sie ihm’s, auf meine Reden gibt er nichts.

Weinberl
(in aͤngſtlicher Verlegenheit bittend, leiſe zu Fr. v. Fiſcher und Mad. Knorr).

Verſchwiegenheit und Schonung, meine Gnä - digen.

Fr. v. Fiſcher
(boͤſe).

Was ?

(zu Zangler.)

Das iſt der Menſch, der es gewagt hat

Weinberl
(hat einen raſchen Entſchluß gefaßt und faͤllt ihr in die Rede).

Ja, ich bin der, der es gewagt hat, wie Sie,197 Herr Principal, mich einmal in die Stadt geſchickt haben, hab ich es gewagt, mich in dieſe reizende Witwe zu verlieben, und jetzt als Associé wag ich es, ihr Herz und Hand zu Füßen zu legen.

Fr. v. Fiſcher
(uͤberraſcht).

Wie ? wenn das Jhr Ernſt wäre

Weinberl.

So wahr ich Weinberl bin.

Zangler.

No, das freut mich

Melchior
(zu Zangler).

Aber, Ew. Gnaden.

Zangler.

Noch ein Wort und ich jag ihn aus’n Dienſt.

Melchior
(bemerkt in dem Augenblick, als er ſich wendet, Sonders, welcher Marien umſchlungen haͤlt).

O je, da ſchau’ns her.

Zangler
(auf die Liebenden deutend).

Aus dieſem Grund freuts mich doppelt, Herr Weinberl, daß Sie ſchon eine Wahl getroffen, den Jhnen hab ich meine Mündel zugedacht, aber ’s Mäd’l hat ſich in den Herrn vergafft, und grad wie ich ihn als Entführer arretiren laſſen will, klärt ſichs198 durch den Herrn Commissarius auf, daß ſeine Tante bereits geſtorben, und die große Erbſchaft gerichtlich für ihn hier deponirt is, no, da hab ich dann nicht anders können.

(Zugleich.)
Marie.

Der gut Vormund

Sonders.

Der liebe Herr Zangler.

Weinberl.

Alſo hat ſich der Fall ſchon wieder ereignet? Nein, was ’s Jahr Onkel und Tanten ſterben müſ - ſen, blos damit Alles gut ausgeht !

Melchior.

Das is klaſſiſch!

Zangler
(Madame Knorr bei der Hand nehmend und auf die beiden Paare zeigend).

Mit einem Wort: es gibt eine dreifache Hochzeit.

Weinberl.

Dreifache Hochzeit, das is der wahre Jux!

(Unter einigen Takten fröhlicher Muſik)
(faͤllt der Vorhang.)
[199]

About this transcription

TextEinen Jux will er sich machen
Author Johann Nestroy
Extent205 images; 21385 tokens; 4226 types; 146305 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationEinen Jux will er sich machen Posse mit Gesang in vier Aufzügen Johann Nestroy. . 198 S. WallishauserWien1844.

Identification

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Ys 7908<a> Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=655808159

Physical description

Fraktur

LanguageGerman
ClassificationBelletristik; Drama; Belletristik; Drama; core; ready; china

Editorial statement

Editorial principles

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

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  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-09T17:33:29Z
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Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding LibraryStaatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
ShelfmarkSBB-PK, Ys 7908<a> R
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