Zur Einfuͤhrung dieſer kleinen Schrift in’s Publikum habe ich weiter nichts zu ſagen, als daß hiermit ver - wandte Aufſaͤtze: die Grundzuͤge der geſellſchaftlichen Verfaſſung der Meiſter, in den Zeitſchriften:
abgedruckt ſind. Außerdem ſpricht der Gegenſtand fuͤr ſich ſelbſt und iſt es werth, der Nachwelt aufbewahrt zu werden, da er der Gegenwart immer mehr entſchwin - den wird.
Zugleich danke ich den ehrenwerthen Maͤnnern freund - lichſt, die mir uͤber Gebraͤuche und Gewohnheiten der Geſellen Mittheilungen gemacht haben, welche ich ver - gebens in den mir zugaͤnglichen Acten fruͤherer Ver - waltungsbehoͤrden ſuchte.
Magdeburg, im November 1843.
Der Verfaſſer.
So lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den Städten nur als Anſiedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn ſie ſich auch techniſch von einander unterſchieden, in ihren Werk - ſtätten zwiſchen Meiſter und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft beſtehen. Der Beſitzer einer Werkſtatt oder eines Arbeitsplatzes fand in ſeinen heran - wachſenden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand - reichung, wobei dieſe ſein Handwerk bis zu einem Grad von Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von Selbſtſtändigkeit beſtimmte, erlernten und dann, wenn ſie die Mittel dazu beſaßen, daſſelbe für ihre Rechnung trieben. Ein Stand zwiſchen Lehrling und Meiſter mit auszeichnenden recht - lichen Befugniſſen und Pflichten, wie wir ihn ſeit Jahrhunderten unter dem Namen Handwerksgeſell oder ſchlechthin Ge - ſell kennen, war ſo wenig vorhanden als nothwendig, da der Titel Meiſter noch keinen politiſchen, ſondern allein Künſt - lerwerth hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf alle Weiſe ſich ſeinen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani - ſchen Arbeiter hatten als ſolche noch kein feſtes bürgerliches Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zuſammentreten12in Corporationen mit gildiſchen Rechten, durch ihre politiſche Erhebung zum dritten Stande in den Städten,*)Hüllmanns Städteweſen Thl. I., S. 305, 318 ꝛc. und Thl. II., S. 245, 247. — Wilda, das Gildeweſen des Mittelalters, 2. Ab - ſchnitt, die Handwerksgilden. v. Tzſchoppe und Stenzels Ur - kundenſammlung, Hamburg, bei Perthes S. 250. „ Wer in eine Innung aufgenommen ſein wollte, bezahlte eine beſtimmte Summe Geldes und mußte Bürgen ſetzen, daß er ein Jahr in der Stadt bei dem Handwerke bleiben wolle. “— Dies beſtätiget auch die in eben dieſem Werke gegebene Handveſte der Stadt Schweidnitz von 1328, es heißt daſelbſt §. 26: Vorbaz welch Hantwerchmann welches Hant - wercht her iſt der ſine Innunge gewinnen wil der ſal Burgen ſetzen und Gewiſſet tun daz her ein gantz Jar blibe in der Stat an ſime Hantwerke. mit welchen ſich das Prohibitions-Syſtem als Baſis bürgerlicher Fortdauer vergeſellſchaftete, wurde eine Sonderung der Arbeiter in den verſchiedenen Fächern herbeigeführt, und nur auszeichnende Ge - ſchicklichkeit und lange Einwohnerſchaft in der betreffenden Stadt, verbunden mit gutem Ruf, konnten zur Aufnahme in dieſe Ge - ſellſchaften befähigen.
Es liegt zu fern und iſt nicht nöthig zu erforſchen, ob in jenen Zeiten in den Städten ſo viele Arbeiter eines Fachs vor - handen waren, daß bei dem Zuſammentreten der vorzüglichſten in geſchloſſene Geſellſchaften viel oder wenig Genoſſen zurück blieben, die nicht mehr frei arbeiten durften, vielmehr in ein abhängiges Verhältniß zu jenen traten, genug, mit der engen Verbindung der erſtern, die wir nun Meiſter nennen wollen, entſtand ein Unterſchied unter den Handwerkern, der die Grund - lage einer höhern techniſchen Ausbildung der einzelnen Perſonen wurde und auf die moraliſche Stellung des Standes ſelbſt mächtig einwirkte.
Gleich nach jener Uebergangsperiode wurden wie in der neueſten Zeit mit dem Prädikat Meiſter beſtimmte politiſche Rechte, aber auch gewerblich-polizeyliche Beſchränkungen verbun - den; jene zu erwerben, mußten die übrig gebliebenen und ange - henden jungen Genoſſen ſich dieſen ſchon früh unterwerfen. Eine der vorzüglichſten Beſchränkungen, die aus der ſcharfen gewerb - lichen Trennung der Meiſter-Innungen oder Gilden floß, war die,3 daß man ihnen nur erlaubte, bei Männern ihres Fachs, welche Mitglieder einer privilegirten Geſellſchaft waren, für Lohn zu arbeiten; ſie durften alſo weder für ihre eigene Rechnung eine Werkſtatt oder Arbeitsplatz halten, noch bei Leu - ten außer ihrem Fach ſich um Lohn verdingen. Wenn auf Seite der Geſellen dieſe Iſolirung läſtig, zuweilen ſogar ſchädlich erſchien, ſo trat dagegen die Reciprocität ausgleichend ins Mittel, denn auch die Meiſter waren verbunden, nur junge Leute ihres Fachs in den Werkſtuben um Lohn zu beſchäftigen. In dieſem gegenſeitigen Zwangsverhältniß beruht allein der Rechtsſtand der Geſellen zur Innung, Gilde oder Handwerk; es unterſcheidet ſie zugleich weſentlich von dem gemeinen Geſinde der übrigen bür - gerlichen Welt, welches nach dem Empfange ſeines Lohns aus aller Beziehung zu dem Stande ſeines Brodherrn tritt, wenn dieſer ſeinem ja ähnlich oder gleich war.
Dieſer Rechtsſtand konnte bei der frühern Geſetzgebung nur von den Geſellſchaften ſelbſt durch angemeſſene Vorſchriften feſt - gehalten werden. Die Nothwendigkeit wurde gar bald gefühlt! Hatten ſich die Handwerksmeiſter herausgehoben aus der allge - meinen Bürgergemeine und wollten ſie ihre Würde als raths - fähige Corporationen auf die Dauer ſichern, ſo durfte es ihnen nicht gleichgültig ſein, wie die Gehülfen ihres Fachs, aus denen ſie ſich ergänzten, lebten; ja ſie mußten ſich ſicher ſtellen, ſtets geſchickte und moraliſch gute Leute in ihnen zu finden; dies konnte nur durch Vorſchriften geſchehen, welche den Gehülfen beſtimmte Pflichten gegen die Meiſter auflegten, deren treue Er - füllung ihnen die Ausſicht öffnete, einſt Mitglied einer Innung zu werden, mithin ihre Iſolirung aufhob und ſie der Meiſter - ſchaft näher ſtellte. So entſtanden die Statuten oder Geſellen - Artikel, anfangs von den Landes - oder Stadt-Behörden nur geduldet, ſpäter ſelbſt confirmirt, durch ſie aber auch neue Hand - werksvereine, die Geſellenbrüderſchaft. Ihre Abhängigkeit von den Corporationen der Meiſter war nur noch daran zu erkennen, daß ein oder zwei Meiſter, die ſie Geſellenväter nann - ten, bei ihren Zuſammenkünften den Vorſitz führten. So viel Gutes in ſittlicher Hinſicht dieſe Statuten bewirkt haben, ſo viel1*4Unheil für die Meiſter, ja ſelbſt für die ſtädtiſche Verfaſſung, hat der einzige Umſtand hervorgebracht, daß man dieſen Fremden - gilden, was ſie eigentlich nur waren, einen eigenen Ge - richtsſtand in erſter Inſtanz bewilligte; ja es ſind Spuren vorhanden, daß die Meiſter in gewiſſen Fällen ſelbſt vor ihnen ſtehen mußten.
Neben den Statuten befolgten ſie aber auch gewiſſe Ge - wohnheiten und Gebräuche, auf welche in vielen Geſellenordnun - gen und in den Statuten der Meiſter Bezug genommen wird, ohne ſie wörtlich auszuſprechen; die Erfahrung hat gelehrt, daß ſie auf dieſe mehr hielten als auf jene; denn die wandernden Geſellen pflegten bei ihrer Ankunft in einer Stadt auf der Her - berge nicht nach Statuten und Geſetzen zu fragen, ſondern, ob Handwerksgewohnheit gehalten werde. *)Die Seilergeſellen fragten, ob Aelteſt und Jüngſt in der Stadt ſey? d. h. ob ſo viel Geſellen ihres Handwerks in Arbeit ſtanden, daß ſie Auflage halten und Alt - und Junggeſelllen wählen konnten. Der Handwerksgewohnheiten waren gar viele und oft von dem Handwerksbetrieb ſelbſt hergeleitet, daher nur den Mitgliedern des betreffenden Gewerks bekannt. Die gewöhnlichſten bei allen beſtanden etwa in folgenden: Das Geſellenmachen, der Gruß, die Auflage, Auftreiben unredlicher Mitglieder, Feſthalten an gewiſſen Arbeitsſtunden und Feiertagen, als blauer Montag, Faſtnacht, dritter Feiertag. Als beſondere kommen vor: das Geſchenk, die Umſchau, Einbringen der Fremden, das Geleit zum Thor hinaus ꝛc.Auch dieſe Gewohnheiten, lediglich in dem Herkommen begründet und durch Tradition durch ganz Deutſchland verbreitet, ſtellten ſich zwar in willkührlicher Deutung oder Ausdehnung den Beſchlüſſen der Innungen, und ſelbſt Landesherrlichen Verordnungen, oft feindlich gegenüber; aber dennoch bildeten ſie, vereint mit den Statuten, ein ſtarkes Band der Ordnung und Sitte, das Tau - ſende von jungen Leuten mit den verſchiedenſten Verſtandeskräften und Lebensanſichten zuſammenhielt, ihre oft wilden Leidenſchaf - ten zügelte und ſie zu guten Bürgern bildete. Was dieſe Tochter - gilden zu allen Zeiten beſonders ausgezeichnet hat, iſt: Ehrlich - keit, Treue und Verſchwiegenheit, ein bis zum Irrthum geſtei - gertes genoſſenſchaftliches Ehrgefühl, eine innige Theilnahme für ihre Mitglieder durch ganz Deutſchland, ja durch das ganze5 civiliſirte Europa*)In der dritten Ehre der Böttchergeſellen in Magdeburg, welche ſie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus - brachten, hieß es: Mit Gunſt, daß ich mag unſern ehrlichen Will - kommen von des Krugvaters Tiſch aufheben, ihn an meinen Mund ſetzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Geſellen zu der vor mir war und nach mir kommen wird, er ſey aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband, ſo er hierher kommt, ſoll er Beſcheid thun, das gilt dir Hans, proſit Hans!, das Feſthalten an den eben erwähnten Ge - wohnheiten und Gebräuchen, eine Neigung das fröhliche Jugend - leben bis zur höchſten Gleichgültigkeit gegen Mangel, Hitze und Kälte zu ſteigern. Ueberall ſind ſie einheimiſch, wo ſie Hand - werksgewohnheit finden und einige Cameraden die feſt an ihr halten. Als conſtituirte Corporationen hatten ſie Beamtete, führten öffentliche Siegel, unter welchen ſie oft die ausgedehnte - ſten Verbindungen unterhielten, und vermöge der ihnen geſtatte - ten Gerichtsbarkeit in erſter Inſtanz**)In dem Generalprivilegio des Tiſchler-Handwerks für die Altmark von 1563, erneuert durch den Churfürſten Friedrich Wilhelm 1645, heißt es: Item, ſo ein Meiſter etwas unredlichs oder unleidlichs von einem Geſellen vermerkt, ſoll er ihn vor beklagen vor den Geſellen und ſo es die Geſellen nicht ſtrafen wollten oder nicht entrichten könn - ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten laſſen. (Prov. - Archiv in Magdeburg.) die Symbole volksthüm - lich richterlicher Gewalt, Hammer und Stab. Gleich den Mei - ſtern unterhielten ſie Ehrengeräthe, nehmlich Lade,***)In den Staaten, wo man die Geſellen-Brüderſchaften nur duldete, durften ſie keine Lade führen, ſondern mußten ihre Geſellſchaftskaſſe in einer Büchſe verwahrt in die Meiſterlade legen, z. B. die Schuh - machergeſellen in Münſter; im Vten Artikel ihres Statuts von 1553 heißt es: Item eth ſollen de Schoknechte eine Büſſe hebben dar ſe düſſe vorgeſchrevne pennige vnd brocke inſammeln. Das ſal de Büſſe ſyn by den Lechtvaders†)Lechtvader, Lechtſcheffer oder Schaffer, Geſellenvater, Alt - geſell, von Einlegen; ſie hatten auf das richtige Einlegen der Geſellenbeiträge zu halten. und de ſlottel by den Lechtſchaffers. Auch die Tiſchlergeſellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr - hunderts keine Lade, ſondern nur eine Büchſe zu ihren Beiträgen hal - ten; man ſieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverſtanden mit den Meiſtern, auf die Führung einer Handwerkslade legten. (Prov. -Archiv in Münſter.) Willkom - men, Jungfernkannen und Fahnen zu Feſtzügen, und in dieſem6 Augenblick ſehen wir noch öffentliche Schilder an den Häuſern, wo ſie ihre Herbergen haben, ſelbſt da, wo ihre Verbrüderung nicht mehr geduldet wird; ſie unterſtützten ihre kranken und rei - ſenden Genoſſen und ſorgten für ehrliche Beſtattung der verſtor - benen Mitglieder.
Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La - dengeſell, Ordengeſell, Ordenjünger, Altführer, Jüngſtführer, Schaugeſell, Knappmeiſter, Altgeſell, Junggeſell. Ihre Zahl richtete ſich nach der Stärke der Geſellſchaft. Jedenfalls findet man auch bei der kleinſten Brüderſchaft zwei Beamtete, nehm - lich einen Alt - und Junggeſellen; zahlreiche Geſellſchaften, z. B. Schuhmacher und Schneider, hielten noch beſondere Boten. Wo zwei oder mehrere Altgeſellen im Amt ſtanden, hieß der ältere Worthalter, der zweite Ladengeſell auch Schaffer oder Rechnungsführer. Die Altgeſellen waren zwar nicht eigentlich Vorgeſetzte der Brüderſchaft, die Mitglieder waren ihnen aber überall Achtung und bei den Zuſammenkünften Gehorſam ſchul - dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmenſammlung bewirkt, ſie fiel gewöhnlich auf gewanderte Geſellen, beſonders ſolche, die eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in moraliſcher Hinſicht guten Ruf hatten. Das Amt des Junggeſellen ruhete wie bei den Meiſtern das Jungmeiſteramt, auf den jüngſten Ge - noſſen, alſo in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen nicht vorhanden, ſo traf es den zuletzt eingewanderten fremden Geſellen, jedoch mußte er erſt wirkliches Mitglied der Brüder - ſchaft geworden ſeyn. Die Altgeſellen und Rechnungsführer hatten zunächſt für die Erhaltung des Verbandes zu ſorgen, zu dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zuſammen - künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die Gelder ſtatutenmäßig oder nach gemeinſamem Beſchluß der Brü - derſchaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die7 jedoch immer ſehr einfach und nur ſummariſch verlangt wurde, jedoch waren ſie ſowohl der Brüderſchaft als der Meiſterſchaft dafür verantwortlich. Sie hatten für die Unterbringung der Kranken zu ſorgen, wenn dieſe nicht in den Wohnungen der Meiſter verpflegt werden konnten; jeden Sonntag mußten ſie ſich nach ihrem Zuſtand erkundigen und die etwa nöthigen Vorſchüſſe zu ihrer Verpflegung, mit Vorwiſſen des Geſellenvaters oder Bei - ſitzers, aus der Lade entnehmen. Die Altgeſellen nahmen ſich der auf irgend eine Art bedrängten Mitglieder an, ſprachen für ſie und waren befugt, kleine Streitigkeiten zwiſchen Meiſter und Geſellen, oder dieſen unter ſich, beſonders auf den Herbergen auszugleichen. In dieſer ſchiedsmänniſchen Eigenſchaft gewähr - ten ſie in den Zeiten, wo die niedere Polizey faſt gänzlich in den Händen der Corporationen lag, den fremden Geſellen einen kräftigen Anhalt; in Streit - und Straffällen entſchied die ganze Geſellſchaft und die Altgeſellen waren nur das Organ derſelben. Es gehörte zur Uebernahme dieſes Amts allerdings ein guter, durch Erfahrung gebildeter Verſtand, rechtſchaffener und feſter Charakter, vorzügliche Geſchicklichkeit im Handwerk, damit der Inhaber nicht leicht von andern, beſonders ſeinen Mitarbeitern in der Werkſtatt, überſehen werden konnte. Zu beklagen iſt freilich, daß in neuerer Zeit die Wahl nicht immer in dieſem Sinne ausfiel, vielmehr wählten die jungen Leute gewöhnlich ſolche Geſellen, welche nach ihrer Meinung recht kräftig auf Handwerksgewohnheit hielten, aber oft arge Rabuliſten waren, dies iſt eine der vorzüglichſten Schattenſeiten des Geſellenver - bandes. Die Dauer dieſes Amtes war in der Regel von einer Zuſammenkunft (Auflage) zur andern feſtgeſetzt; es finden ſich aber Vorſchriften, wonach ein Vierteljahr, auch ein halbes Jahr beſtimmt wird, auch ſollte es unentgeltlich verwaltet werden, indeß kommen bei einigen Gewerken doch Renumerationen vor, z. B. Befreiung von den gewöhnlichen Geſellenbeiträgen, freie Zeche am Tage der Auflage ꝛc. Zu ihren Pflichten gehörte fer - ner, daß ſie ſich am Sonntage wenigſtens einige Stunden auf der Herberge aufhielten, auch ſollten ſie an dieſem Tage bei dem Geſellenvater Rückfrage halten, ob er etwas die Geſellſchaft Be -8 treffendes zu beſorgen habe. Zu den Gewohnheiten gehörte, daß ſie den Schlüſſel zur Lade nicht mit ſich aus der Stadt nehmen, ſondern in der Wohnung ihres Meiſters laſſen oder bei dem Geſellenbeiſitzer niederlegen ſollten. Wollten ſie vor dem Eintritt eines Auflagetermins die Stadt verlaſſen, um ihre Wanderung fortzuſetzen: ſo legten ſie ihr Amt in die Hände des Geſellen - beiſitzers nieder, welcher mit Genehmigung des Obermeiſters ſofort einen andern bis zur nächſten Zuſammenkunft der Geſell - ſchaft ernannte, wo es dieſer überlaſſen blieb, ihn im Amte zu laſſen oder einen andern zu wählen: das Rechnungsweſen hatte der Abgehende inzwiſchen mit dem Beiſitzer zu berichtigen.
Der Junggeſell war der Diener der Geſellſchaft in Amts - ſachen und in dieſer Beziehung dem Altgeſellen untergeben. Bei einigen ſtand er während der Auflage neben dem Altgeſellen am Tiſch, bei andern an der Thür, bei allen nahm er in der Ord - nung den letzten Platz ein. Wo kein Bote gehalten wurde, mußte er auf Befehl des Altgeſellen die Brüderſchaft zu den Verſammlungen fordern*)Einige Brüderſchaften riefen ihre Mitglieder durch gewiſſe Symbole zuſammen, z. B. die Schmiede ſchickten einen Nagel oder Hammer, die Schuhmacher den Ladenſchlüſſel von einer Werkſtatt zur andern. Vergl. Grimms Rechtsalterthümer S. 162, Art. Hammer. (verboten), bei der Auflage die Ge - ſellenlade auf den Tiſch ſetzen, die Auflagegelder von den Mit - gliedern einſammeln, wenn es nicht gebräuchlich war, daß dieſe ſelbſt ſolche auf den Tiſch legten, wie z. B. die Hufſchmiede. Sollten Streitigkeiten unterſucht werden und die Partheien ab - treten, öffnete ihnen der Junggeſell die Thür, und rief ſie nach gefaßtem Beſchluß wieder herein; bei einigen, z. B. den Seiler - geſellen, hatte der Junggeſell auch einen Schlüſſel zur Geſel - lenlade.
Es gab noch ein Amt, welches der Reihe nach einen jeden Geſellen treffen konnte, bei einigen aber, z. B. den Böttchern in Magdeburg, mit dem Altgeſellenamt verbunden war. Es iſt das Ordenamt, verderbt Oerten, Irten, ſogar Erdenamt genannt. Wir finden es beſonders bei den Handwerken, wo die Umſchau der Geſellen eingeführt iſt, daher heißen ſie auch9 Schaugeſellen. Sie hatten für die Unterbringung der ein - wandernden Geſellen zu ſorgen, mußten ſie bewirthen, wo Ge - ſchenke eingeführt waren, und ihnen den Gruß abfordern. Stan - den bei dem betreffenden Gewerk einmal gar keine Geſellen in Arbeit, ſo fiel es dem jüngſten Meiſter anheim, welcher dann auch Ordenmeiſter genannt wurde. Bei dem Abſchnitt von der Wanderſchaft wird mehr davon vorkommen.
Jedes Mitglied derſelben war verbunden, zur Beſtreitung ihrer gemeinſamen Bedürfniſſe beizutragen; dahin gehörten: die Herbergsmiethe oder die Erhaltung des Hauſes dazu, wenn die Geſellſchaft eins beſaß. Die Pflege der Kranken, Ausgaben für Lichte und gemeinſchaftliches Eſſen bei ihren Zuſammenkünften, Erhaltung der Ehrengeräthe, als: Willkommen, Schenkkannen und anderer derſelben gehörigen Utenſilien, Unterſtützung der Rei - ſenden. Dieſe Beiträge wurden unter dem ſchon gedachten Namen Auflage, auch Zeitgeld, bei den Schuhmachern in Münſter Stuhl - oder Stättegeld, entrichtet. Außerdem hatten die einwandernden Geſellen, wenn ſie in der Stadt Arbeit erhiel - ten, bei der erſten Zuſammenkunft oder Auflage der Brüder - ſchaft eine Gebühr zu entrichten, welche man Einſchreibe - geld, auch Ordengroſchen nannte; auch hatten die ausgelernten Lehrlinge bei ihrer Aufnahme in die Brüderſchaft einige Gebühren zu zahlen. Aus dieſen Einnahmen, wozu in neuerer Zeit etwa einkommende Strafgelder kamen,*)In der früheſten Zeit beſtanden dergleichen Strafen in Bier oder Wachs. bildete ſich die Geſellen - kaſſe. War die Brüderſchaft anhaltend ſchwach, gleichwohl10 kranke Mitglieder vorhanden, ſo traten die Meiſter hülflich hinzu. *)Die Statuten bewilligten eigentlich nur Vorſchüſſe, welche die Wie - dergeneſenen erſtatten ſollten; befanden ſie ſich dazu außer Stande, beſonders wenn ſie aus Mangel an Arbeit reiſen mußten, ſo wurden ſie ihnen erlaſſen. Starb der Kranke unter der Pflege der Geſell - ſchaft: ſo fiel ſeine Verlaſſenſchaft an Kleidern, Geld ꝛc. dieſer an - heim, wenn ſeine Verwandten ſie durch Erſtattung der Verpflegungs - koſten nicht auslöſ’ten.Die Verſtorbenen wurden von der geſammten Brü - derſchaft zur Erde beſtattet; zu dem Ende unterhielten in großen Städten die Zimmergeſellen, Maurer, die Tuchmacher, Schuh - macher, Schneider ꝛc. eigenes Leichengeräthe. Ihr öffentliches Betragen ſollte anſtändig ſeyn, zu dem Ende durfte keiner un - ſauber gekleidet auf der Straße erſcheinen,**)Und wie er ſich in Allem der Ehrbarkeit befleißigen ſoll, ſagen die Raſchmacher in Quedlinburg, alſo ſoll er auch nicht mit unbedecktem Haupt und entblößten Füßen über die Straße gehen oder mit Knaben und Jungen ſpielen ꝛc. (Prov. -A. in Magdeb.) Auch den Bäckerge - ſellen in Erfurt wurde verboten, auf der Straße baarſchenkelig zu erſcheinen. Die Glaſer in Magdeburg verboten in der Vorſage dem neuen Geſellen, aus der Taſche zu naſchen ꝛc. Trunkenheit ver - meiden, nicht mit verdächtigen Frauenzimmern umgehen oder ſie auf die Herberge bringen, bei der Abreiſe aus der Stadt keine Schulden hinterlaſſen, widrigenfalls wurde ihnen nachgeſchrieben und ſie ſo lange verfolgt, bis ſie ſolche berichtiget hatten; ſich gegenſeitig nicht verläumden, überhaupt offen und redlich mit einander umgehen; von dem, was bei der Auflage vorkam, nicht gegen Fremde ſprechen, endlich die Gewohnheiten und Gebräuche fortpflanzen, Handwerksgewohnheit ſtärken und nicht ſchwächen, ſagten die Maurer und Seiler. Der Verdacht, noch mehr aber eine bekannt gewordene ſchlechte Handlung, Diebſtahl, abſichtlicher Betrug u. dgl. ſchloß den Betheiligten bis nach erfolgter Entſcheidung, von der Brüderſchaft in jeder Stadt aus; ungünſtige vollſtreckte obrigkeitliche Urtheile hatten für ſie dieſelben harten Folgen wie bei den Meiſterſchaften, wo ein erwieſener und beſtrafter Diebſtahl oder dem ähnliches Ver - brechen den Verluſt der Innung oder Gilde nach ſich zog.
Die genaue Verbindung der Handwerks-Statuten mit den Polizeygeſetzen der Stadtbehörden, verpflichtete auch die Geſellen zum Gehorſam gegen dieſe, ſo weit ſolche auf ihr Handwerk Bezug hatten. Dahin gehört zunächſt, daß ſie weder in der Stadt noch im Bereich ihres Weichbildes oder auf nahen Dörfern bei einem unzünftigen Manne (Pfuſcher) arbeiteten; die Glaſer - geſellen ſollten ſie meiden, ſo weit ſie ein weißes Pferd im flachen Felde ſehen konnten; nur die höchſte Noth oder Unwiſſenheit entſchuldigte einen vierzehntägigen Aufenthalt bei ſolchen Leuten; noch weniger durften ſie für eigene Rechnung heimlich arbeiten. Ferner ſollten ſie ſich durch das Verſprechen eines höhern Wochenlohns nicht aus einer Werkſtatt in die an - dere locken laſſen, damit nicht Mißtrauen und Unfriede unter den Meiſtern erregt werden möchte; wollte einer ſeinen Meiſter verlaſſen, ſo ſollte er ſeine Mitarbeiter nicht zur Theilnahme überreden. *)Oeffentlich durften die Geſellen davon ſprechen, daß ſie reiſen wollten, und dann mußten ſie Wort halten oder Strafe bezahlen. (Adrian Beyer von der Wanderſchaft.)Wer unter ihnen von dem Obermeiſter zum Vor - ſteher oder Mitarbeiter in der Werkſtatt einer Wittwe erwählt wurde, mußte bei dieſer ſofort eintreten oder die Stadt verlaſſen. Bei Leichenbegängniſſen der Meiſter folgten ſämmtliche Geſellen; verſtorbene Kinder der Meiſter, Lehrburſchen, bei vielen auch deren Dienſtmädchen, trugen ſie zu Grabe. **)Stürbe aber dem Meiſter oder der Meiſterinn ein Sohn oder Tochter, ſo ſollen die Geſellen die Leiche auch zu Grabe tragen, ſo viel derer dazu nöthig ſeyn, bei Strafe 4 ggr. Stürbe auch einem Meiſter ein Geſelle, Magd, Lehrjunge oder Lohnjunge, ſo ſoll die Leiche von den 4 jüngſten Geſellen und zwo Lohn - oder Lehrjungen zu Grabe getra - gen werden. (Art. 39 der Seilerordnung im Fürſtenth. Halberſt. von 1603.)In Bezug auf die Stadt waren gewiſſe Verpflichtungen der Geſellen eine Folge12 der Stellung der Gewerke zu derſelben und die Behörden mach - ten im Unterlaſſungsfall dieſe dafür verantwortlich. Die ge - wöhnlichſten beſtanden in Hülfsleiſtungen bei Feuers - und Waſ - ſersnoth. *)Die Raſchmachergeſellen in Quedlinburg mußten, ſobald ſie in Arbeit traten, dem Obermeiſter angeloben, bei entſtehender Feuersgefahr der Bürgerſchaft zu Hülfe zu eilen. (Quedl. Innungs-S. im Magdeb. Prov. -Archiv Nr. 24.) Daß Maurer, Zimmerleute und Schloſſer bei Feuersgefahr Hülfe leiſteten, iſt in jeder Stadt bekannt.Eine ſeltene Erſcheinung in der ſtädtiſchen Polizey möchte ſeyn, daß die Handwerksgeſellen von den Magiſträten unmittelbar in Pflichten genommen wurden, ſie kommt 1568 in Erfurt bei den Fleiſchern vor, wo die Geſellen derſelben darauf ſehen ſollten, daß nur geſundes Schlachtvieh zur Stadt gebracht würde. Die Verordnung war inſofern zweckmäßig, als die Ge - ſellen gewöhnlich das Vieh einkauften und bei wohlhabenden Meiſtern ſich ausſchließlich mit dem Schlachten deſſelben be - ſchäftigten; ſie wurden daher zu mehr Aufmerkſamkeit und Of - fenheit angeregt; auffallend für ihre Stellung iſt aber in ihrem Eide, daß ſie auch das Fleiſch auf den Bänken der Meiſter be - ſehen ſollten und dafür ſogar Gebühren nehmen durften, ſie wurden dadurch offenbar ſtädtiſche Polizeybeamtete. **)Eid der Fleiſchergeſellen in Erfurt von 1568: „ Der Fleiſchhauer Knechte ſollen die Schweine getrewlich vndt vleißig beſehen dem Ar - men Als dem Reichen, Vndt von einem Schwein nicht mehr denn Vier Pfennig fordern auf dem Markte vnd nehmen vndt wo findichte darunter befunden, Sollen Sie wie vor Alters Zeichnen vnd die Leute darfür warnen, Auch gute achtung vndt aufſehen haben, Wann wan - delbare oder angebrochene Schaffe oder ander ander Vihe hergetrieben würde das Sie ſolchs warnen vnd allen Verkauf ohne Verziehen einem Rathe vermelden. Item das Sie alle tag mit den Schetzern vnd Achtmannen vor der Heimiſchen vnd fremden fleiſchbenke gehen ſollen vndt alles fleiſch beſichtigen eher es aufgehawen wirdt. Dem Armen als dem Reichen vndt dem Reichen als dem Armen, Vndt wo ſolche wandelbar befunden Das es vermöge dieſer Ordnung geſtraft werde vnd das nicht laſſen weder vmb leidt, gifft, gabe, gunſt, freundtſchafft, feindtſchafft noch keiner andern ſachen willen. Alles trewlich vnd vngefehrlich. “ (Urkundenbuch im Prov. -Archiv in Magdeb.)
Bei den meiſten Handwerken, auch denen, welche ſich den Künſten nähern, wurden die Geſellen (Maurer, Zimmerleute und Buchdrucker ausgenommen) mit dem Tage, da ſie bei einem Meiſter in Arbeit traten, Haus - und Tiſchgenoſſen deſſelben, denn der faſt allgemein gewordene Gebrauch der Handwerksgeſellen, in Speiſe - häuſern zu eſſen und ſogenannte Schlafſtellen zu miethen, iſt eine neuere Einrichtung, durch Einſchränkung der Meiſter auf enge Wohnungen und einfachere Nahrungsmittel, als ſie den Geſellen bieten mögen, herbeigeführt. Wenn wir uns nun in den wohl - eingerichteten Haushalt einer guten Bürgerfamilie verſetzen, die mit mehrern Kindern verſchiedenen Alters und Geſchlechts ge - ſegnet iſt; wenn wir uns ferner den erfahrnen geſchickten Meiſter in ſeiner mit[Werkzeug] gut ausgeſtatteten Werkſtatt denken, mit einem Vorrath von Material und von ſeinen Kunden ihm an - vertrauten Stoffen verſehen: ſo müſſen wir geſtehen, daß ein nicht geringes Vertrauen dazu gehört, mit jungen oft leichtſin - nigen Leuten, welche ihr Schickſal in der Welt umherführt, deren Eigenthümlichkeiten des Charakters man ſo wenig kennt als ihr Herkommen und bisheriges Betragen, in ein ſo nahes perſönli - ches Verhältniß zu treten. Zwar kommt die Familie auch mit dem gewöhnlichen Geſinde in Berührung, aber ſie iſt durchaus verſchieden von dem Umgang mit dem Geſellen. Knechte und Tagelöhner, ſelbſt Mägde kommen nur ſelten ins Wohnzimmer der Herrſchaft; aber unmittelbar neben dem Meiſter ſteht der fremde Geſell den ganzen Tag. Seiner Treue und Geſchicklich - keit muß er koſtbares Material anvertrauen, dem Einfluß ſeiner Sitten ſeine Familie ausſetzen. Dieſes eigenthümliche Verhältniß machte auch ſpecielle Verordnungen, beſonders Sittengeſetze noth - wendig, dieſe finden wir zum Theil in den Statuten, zum Theil auch in den Gewohnheiten, in der weiten Ausdehnung des Be - griffs von Handwerks-Redlichkeit. Dem Untreuen folgte14 der Verruf in wandernder Tradition in alle Länder. Wir wer - den bei der Auflage das furchtbare Regiſter, das ſchwarze Buch kennen lernen, da hinein wurde ſein Name geſchrieben und bei jeder Zuſammenkunft öffentlich als unredlich genannt, bis ihn einer der reiſenden Geſellen irgendwo antraf und ihn ſcheltend auftrieb, wo ihn denn die betreffende Brüderſchaft zwang, ſein Vergehen abzubüßen und ſo lange bis er dies nachgewieſen hatte, von ihrer Gemeinſchaft ausſchloß; war die Sache wichtig genug, ſo wurde ſie dem Handwerk oder der Obrigkeit zur wei - tern Verfolgung angezeigt. Ihre Statuten wieſen ſie an, im Hauſe des Meiſters ruhig und beſcheiden zu leben und Alles zu vermeiden was den Frieden der Familie ſtören konnte; zu dem Ende keine leichtfertigen Reden führen, in der Werkſtatt nicht fluchen oder leichtſinnig ſchwören, des Meiſters Koſt, Werk - zeug, Bett und Bettgewand nicht verachten,*)Ordnung für die Kürſchnergeſellen in Erfurt 1591: Art. 6. Welch geſelle in Seines oder eines andern Meiſters Hauſe Sich gegenn der Meiſterinn oder Magdt, mit vnhöflichen Worten die man für Züchtigen Frawen oder Jungfrawen nicht zu redenn pflegt, ſich vernehmen liß, ſoll zur ſtraf ein Wochenlohnn verfallen ſein. Art. 19. Welch geſelle auf der Herberge oder in des Meiſters Hauſe, mit fluchen oder ſchwehrenn Gott leſtern wurde, ſoll ſo oft er daß thutt einen Wochenlohn verfallen ſeinn, doch ohne Abbruch E. E. Hw. Raths gerechtigkeitt vnd ſtraffe. Statut der Schneider-Innung zu Magdeburg von 1655, Art. 44: Wenn ein Geſell bey einem Meiſter oder Meiſterinn ſich freventlich oder muthwillig verhielte, ihre Speiſe Koſt und Arbeit ohne Urſach verachtete, der ſoll in einem halben Jahre alldar nicht arbeiten. Die Schuhmacher und Gerber daſelbſt: Wenn ein Geſell wäre der dem Meiſter die Koſt oder das Eſſen möchte verachten und er über - wieſen wäre daß er Schuld hätte ſo ſoll der Geſelle ein Jahr aus der Stadt wandern. die in den Statuten oder durch Herkommen feſtgeſetzten Arbeitsſtunden halten. Die Kürſchner in Erfurt ſagten: wenn ein Geſell des Morgens um 7 Uhr nicht in des Meiſters Werk - ſtatt iſt, ſoll er die ganze Woche verfeyert haben, d. h. keinen Lohn bekommen. **)Urkundenbuch im Prov. -Archiv zu Magdeburg.Noch ſtrenger waren die Geſetze für die Schneidergeſellen in den kleinen Amtsſtädten15 des Erzſtifts Magdeburg von 1593,*)Erzſt. Innungs-Sachen Nr. 6. desgleichen ſoll auch ein junger Geſell, ſo er ſich des Montags verfeyert, alſo daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver - hinderung nicht in des Meiſters Werkſtatt iſt, der ſoll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle - ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten. Die Geſellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Meiſter auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß dieſe immer in den Grenzen ihres Fachs bleiben ſollten, ſie vermieden daher alle übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und wieder zu genau damit nehmen; wo aber Beſcheidenheit und richtige Anſicht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt in der Familie ſich verband, da ſchwand auch alle bizarre Hand - werksgewohnheit, und es bildete ſich jenes ſchöne patriarchaliſche Verhältniß zwiſchen der Familie und dem Geſellen, von dem wir ſo viel in Kinderſchriften und ſelbſt in Romanen gehört haben.
Die Geſellen bei den wirklichen Innungen, z. B. den Schuhmachern, Fleiſchern, Maurern, Zimmerleuten ꝛc. blie - ben bei ihren Meiſtern eine beſtimmte Zeit, nehmlich von einem Wand erziel bis zum andern, welches gewöhnlich ein hal - bes Jahr umfaßte; der Meiſter war verbunden, den Geſellen, wenn er ihm nach den erſten 14 Probetagen gefiel, eben ſo lange zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern Meiſter unterzubringen. Bei den übrigen war es ſtatutariſcher Gebrauch, daß man ſich 14 Tage vorher den Dienſt aufſagte, was indeß vielleicht ſchon im ganzen verfloſſenen Jahrhundert nicht mehr gehalten worden iſt, weil man ſich gegenſeitig nicht mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr konnte der Geſell jeden Sonntag abgehen oder verabſchiedet wer - den. So wie übrigens das ganze Betragen der Geſellen durch Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da - durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: ſo war auch das Aufſagen des Dienſtes ihrer Seites an beſtimmte Förmlich - keiten gebunden, welche ſie, die Buchbinder und einige andere16 etwa ausgenommen, bis in die neueſte Zeit beibehalten haben; gewöhnlich geſchah es am Sonntage nach dem Mittageſſen. In der Vorſage der Schmiede aus dem letzten Jahrhundert heißt es: Mein Schmied, wenn du wirſt von deinem Mei - ſter Abſchied nehmen, ſo ſiehe her und nim einen feinen Abſchied, nicht wie die Katze vom Tauben - ſchlag, ſondern des Sonntags wenn du gegeſſen haſt und du deinen Lohn bekommen haſt, ſo ſprich: Mit Gunſt, Meiſter, ich thue mich bedanken daß Sie*)Früher ſagten ſie wohl Er, wie die Meiſter ſie mit Du anredeten. mich ſo lange in Arbeit gefördert haben, es ſtehet heute oder morgen gegen die Ihrigen wieder zu verſchulden. Die Maurer: Meiſter, ich bedanke mich für Ihre gute Beförderung und richtige Bezahlung, die Sie mir bisher gegeben haben und verhoffe, daß ich mich werde ſo verhalten haben, wie es einem rechtſchaffenen Maurer zukommt, was ich mir auch ferner, wo ich hinzukommen gedenke, angelegen ſeyn laſſen werde, keinem Meiſter etwas entwenden, auch einem Pfuſcher nichts zubringen, wie es ehr - bar und zünftig iſt, alſo mit Gunſt. **)Schriftliche Privatmittheilungen.Die Meiſter ſagten bei Entlaſſung der Geſellen: Geſellſchaft, ich be - danke mich Seiner (Deiner, Ihrer) Arbeit, wobei ſie ihnen einen Entlaſſungsſchein gaben, auf deſſen Vorzeigung ihnen der Obermeiſter die bis dahin in der Innungslade aufbewahrten Legitimationspapiere aushändigte. Den Zuſtand zwiſchen dem Aufſagen der Arbeit und der wirklichen Abreiſe aus der Stadt, oder dem Eintritt in eine andere Werkſtatt in derſelben, nannten ſie in früherer Zeit Wanderfertig, Wandermüßig, Fremdwerden.
Die Begriffe von Gilde - und Zunftfähigkeit als ſtädtiſche Ehrenſache gründeten ſich zunächſt auf einen perſönlich freien Stand, welchem Grundeigenthum oder ſonſtige Wohlhabenheit die nöthige Kraft verliehen, vor den übrigen Städtebewohnern ſich geltend zu machen. Wollten die Handwerker, nachdem ſie in Corporationen zuſammengetreten waren, ihren Inſtituten als den jüngſten Kindern ſtädtiſcher Verfaſſung und ohne localen Beſitzſtand, den errungenen Einfluß und Antheil am Stadtre - giment ſichern, ihren höhern Rang vor der Gemeine erhalten,*)Die Bürgerſchaft iſt getheilt in die Innungen und in die unverin - nungte Gemeinde. Der Innungen ſind 6, Krahmer, Futterer, Bäcker, Fleiſcher, Schuſter, Schmiede. Aus jeder Innung iſt einer, nehmlich der Obermeiſter, den ſie wählen und an Rath bringen, zum Rath geſetzt. Die Gemeine iſt getheilt in vier Viertel, aus jedem Viertel ſind zwei als Gemeinmeiſter, ſo auch von den Vierteln gewählt und dem Rath präſentirt werden, zum Rath geordnet. (A. im Prov. - Archiv zu Magdeburg, Stadt Halle Nr. 30.) ſo war es ihre Pflicht, ihre Verbindung auch individuell ſo vor - wurfsfrei als möglich zu erhalten. Daher verdenken wir es ihnen nicht, wenn ſie ſchon bei der Aufnahme ihrer jüngſten Genoſſen, der Lehrlinge, mit vieler Vorſicht verfuhren und218beſonders im Geiſt der ältern und vornehmern Gilden, denen ſie ſich auf alle Weiſe zu nähern ſuchten, eine freie eheliche Geburt und Abſtammung auf vier Ahnen zurück, zum erſten Erforderniß machten. Nächſt dieſem hatte das Gewerbe der Eltern und ihr moraliſcher Ruf großen Einfluß auf ihre Aufnahme. Alle nach der eingetretenen Sonderung ſtädtiſcher Gewerbe, und nach den Begriffen des Jahrhunderts, geringfügige Beſchäftigungen, alle niedern beſonders ſtädtiſche Bedienungen, Zöllner, Rathsdiener, Frohnvögte, Schäfer, Hirten, Bader, Livrebediente ꝛc. ſchloſſen von der Erlernung eines zur Gilde oder Innung erhobenen Handwerks aus. Daß der Knabe dieſe Eigenſchaften beſaß, wurde in einer Urkunde beſtätiget, die noch in neuerer Zeit, unter dem Namen Geburtsbrief, bekannt geblieben iſt. Nach dem Reichsgeſetz von 1731 ſollte allen Knaben ohne Unterſchied der Abkunft, der Eintritt in eine Innung oder Handwerk geſtattet werden, daher faßte man auch in den Königlich Preußiſchen Staaten alle bisherigen Anforderungen der Corporationen in der Erklärung zuſammen: der Knabe ſey von ſolchen Eltern geboren, die aller Innungen, Zünfte und ehrbaren Geſellſchaften fähig wären. Bei außer der Ehe gebore - nen vertrat die landesherrliche Legitimation die Stelle des Ge - burtsbriefes. Man kann jenes Geſetz ein wahres Wagſtück poli - zeylicher Geſetzgebung nennen, deſſen guter Erfolg ihm nicht allein, ſondern dem bald darauf kräftig aufblühenden Schulun - terricht zuzuſchreiben iſt. Verweilen wir nun einige Augenblicke bei dem Zuſtande des Lehrlings während einer gemäßigten Zunft - verfaſſung.
Mit dem Eintritt in die Werkſtatt beginnt für ihn ein zweiter Schul-Curſus, wenn er ja ſchon einen durchgemacht hat. In der Schule wurden nur ſeine Geiſtesfähigkeiten in Anſpruch genommen, während ſeine Körperkräfte der langſamen Entwicke - lung der Natur überlaſſen blieben. Er mußte ſeinen Lehrern gehorchen, aber nur in einigen Tagesſtunden, alle übrigen ver - lebte er unter der duldenden Nachſicht ſeiner Eltern. Der ernſte Meiſter nimmt ihn dagegen ganz in Anſpruch, er verlangt unbe - dingten Gehorſam; am frühen Morgen muß er der Erſte in der19 Werkſtatt ſeyn, und darf ſie am ſpäten Abend erſt dann verlaſ - ſen, wenn alle Geräthe und Inſtrumente an ihren Ort gebracht ſind. Eine ſtrenge Subordination iſt ſeine beſtändige Aufſeherinn, jeder Fehler wird gerügt; ſelbſt außer dem Hauſe des Meiſters war noch am Ende des letzten Jahrhunderts ſein Wille in Be - zug auf Aufwand und Sitte beſchränkt; nicht ſowohl durch buchſtäbliche Vorſchriften, als durch alte in chriſtlicher Moral begründete Gewohnheiten. Ueberall wo die Lehrburſchen mit einem Meiſter oder Geſellen ihres Handwerks zuſammentrafen, mußten ſie denſelben Ehrerbietung bezeigen. An öffentliche Ver - gnügungsorte durften ſie nur in Begleitung ihrer Angehörigen gehen. Allen auszeichnenden Aufwand, wohin der früher ge - bräuchliche Haarpuder und der Stock als Zierden gehörten, mußten ſie vermeiden. Die Statuten verpflichteten ſie auch zum Gehorſam gegen die Meiſterinn und Geſellen, und wenn erſtere auf ihre Ausbildung für häusliche Ordnung, Reinlichkeit, ruhiges, ſittiges Betragen im Hauſe wirkte, ſo waren es oft geſchickte Geſellen, die ſie unterrichteten, beſonders in großen Werkſtätten, wo der Meiſter mit ihrer Unterweiſung ſich nicht immer befaſſen konnte. Vorſichtige Eltern wählten daher immer ſolche Lehrmei - ſter für ihre Söhne, die nicht allein den Ruf der Geſchicklichkeit hatten, ſtets Geſellen beſchäftigten, ſondern auch einen ſoliden Haushalt führten; deren Frauen als rechtſchaffene gutmüthige Hausmütter bekannt waren. Wie manche ungezogene Knaben und nach dem Erſcheinen des erwähnten Reichsgeſetzes, die Söhne geringer Handarbeiter, die zunächſt viel üble Gewohnheiten mit ſich ins Haus brachten, ſind durch die würdigen Gattinnen ihrer Lehrmeiſter zur Ordnung und zu anſtändig bürgerlichem Betragen geleitet worden, während Meiſter und Geſellen ſie im Handwerk unterwieſen. Aus ſolchen Häuſern gingen dann kräftige junge Männer hervor, welche an Gehorſam und ausdauernde Thätig - keit gewöhnt, zu der Hoffnung berechtigten, daß ſie in ihrem Ge - ſellenſtande ihre Fähigkeiten weiter ausbilden und dereinſt tüch - tige Meiſter werden würden.
Nach abgelaufenen Lehrjahren ſtellte der Meiſter den bishe - rigen Lehrling der Innung oder dem Handwerk vor und erklärte:2*20er habe ſeine Lehrjahre redlich ausgehalten, das Handwerk wohl begriffen und ſich dabei verhal - ten, wie es einem ehrlichen Jungen wohl anſtehe. Darauf ſprach ihn der Obermeiſter im Namen des Gewerks von dem Stande eines Jungen und ſeinen Verpflichtungen gegen den Lehrmeiſter los und erklärte ihn, nach der Obſervanz des Gewerks, zum Jünger oder Geſellen, jedoch mit dem ſtillen Vorbehalt etwaiger Erinnerungen der Geſellen-Brüderſchaft. Er ermahnte ihn zur Tugend, zum Fleiß und zur Treue gegen ſeine künftigen Brodherrn, zugleich wies er ihn an, ſich den Statuten gemäß in Bezug auf die Handwerksgewohnheit zu betragen; welches der Ausgelernte mittelſt Handſchlags zu thun verſprach. Hin und wieder kommen auch Probearbeiten der Lehrlinge vor, auch Beſtimmungen, welches Product ihres Fachs die Ausge - lernten anzufertigen verſtehen ſollten, wenn ſie auf Geſellenlohn Anſpruch machen wollten, jedoch nicht allgemein, was den Ge - werken zum Vorwurf gereicht. Da der Handwerksgewohnheiten ſo viele waren, ſo unterrichtete in alter Zeit der Lehrmeiſter den abgehenden Lehrling über die, die zu den äußern Gebräuchen gehörten, z. B. über den erſten Eintritt bei verſammelter Innung, bei den geſchwornen Gewerken über den Gruß, den er als tiefes Ge - heimniß bewahren mußte,*)In dem Statut der Maurer im Fürſtenthum Halberſtadt von 1695 heißt es deshalb: Es ſoll ein Meiſter, wenn er einen Diener Hand - werksgewohnheit nach ausgewieſen, ſo hoch vermahnen, daß derſelbe, was ihn an Worten anvertraut iſt, bei ſeiner Seelen Seligkeit im Herzen zu behalten und keinem Menſchen außer redlichen Maurern zu offenbaren bei Verluſt ſeines Handwerks. (Prov. -Archiv Halberſt. Innungs-S. Nr. 12, Vol. V.) alle übrigen lehrte ihn der Altgeſell oder irgend ein gereiſter Geſell aus der Brüderſchaft. Die In - nung fertigte ihm darauf eine Urkunde über ſeine abgehaltenen Lehrjahre aus, die unter dem Namen Lehrbrief bekannt iſt; dafür und für das Losſprechen hatte er einige Gebühren an die Innung, an manchen Orten auch an öffentliche Inſtitute zu entrichten.
Das bisherige Thun und Treiben des Lehrlings erregte noch kein öffentliches Intereſſe; bei irgend glücklichen Gemüthsanlagen und Talent floß ihm ſein Leben in knabenhafter Sorgloſigkeit dahin; aber mit der Urkunde des Lehrmeiſters in den Händen wird es anders. Eine weit verzweigte Brüderſchaft, eine ewig wandernde, ſich ewig ergänzende Republik nimmt ihn auf als ihren Genoſſen; eine Geſellſchaft, welche als Geſammtmaſſe in der älteſten wie in der neueſten Zeit, ja in dieſem Augenblick noch, die Aufmerkſamkeit des Publikums und der Staatsbehörden ſo ſehr in Anſpruch nimmt, während diejenigen unter ihnen die achtbarſten und glücklichſten zu nennen ſind, welche allen öffent - lichen Antheil, der nicht eine Folge künſtleriſcher Auszeichnung iſt, verſtändig von ſich abzuhalten wiſſen. Seine Eltern, oder wer ſonſt bisher für ſeine Bedürfniſſe ſorgte, erklären nach der letzten Ausſtattung gewöhnlich: man könne nun nichts weiter für ihn thun, und ſo wird ihm eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit ange - deutet, die er nun auf ſeine Gefahr behaupten ſoll. Daher iſt dieſer zweite Schritt im zünftigen Berufsleben wichtiger, als die harmloſe Jugend einſieht! denn Jetzt beginnen für ſie die Lehr - jahre des praktiſchen Weltlebens, von deren kluger Benutzung, nach Anleitung ihrer Berufsſtellung, ihr künftiges moraliſches Daſein abhängt. Das fühlten die alten Meiſter und Väter der Innungen und Gilden tief, und in Ermangelung einer zweckmäßigen Literatur, führten ſie beſondere Gebräuche ein, wodurch den jungen Geſellen ihr neues Verhältniß verſinn - licht, das was ſie entehren und unglücklich machen konnte, vor - gehalten, ſo wie das Ziel einer guten Aufführung und eines zweckmäßigen gewerblichen Strebens in der Ferne gezeigt wurde. Den Ernſt wußten ſie in Scherz zu hüllen, aber ihm durch allge - meine Verbreitung eine feſte Baſis zu geben, ſo daß er nie ganz verloren ging, ſelbſt dann nicht, als die Gebräuche durch tau - ſendfältige Tradition und willkührliche Zuſätze verunſtaltet, zuletzt22 ans Abſurde ſtreiften. Wir dürfen es nicht verſchmähen, uns einige Augenblicke von einigen dieſer Gebräuche zu unterhalten*)Ich habe mir die vollſtändigen Handwerksgebräuche der Geſellen meh - rerer Handwerke von alten Meiſtern und gereiſten Geſellen zu ver - ſchaffen geſucht und würde ſie gehörig geordnet abdrucken laſſen, wenn ſie nicht gar zu weitläufig und vielfältig übereinſtimmend wären, hier aber nur eine gedrängte Ueberſicht Platz finden kann. D. V. und wollen mit den Maurern anfangen, wiewohl das, was der Verfaſſer nach vielem Fragen und Forſchen von ihnen hat erhal - ten können, nur Stückwerk iſt.
Der Lehrmeiſter ſtellte den bisherigen Diener oder Lehrling dem verſammelten Handwerk gewöhnlich mit folgender Anrede vor: Mit Gunſt und Erlaubniß ehrſames Handwerk, Meiſter und Geſellen. **)Unter den Geſellen werden nur die Altgeſellen als Deputirte der Brüderſchaft verſtanden.
Das Handwerk: Gunſt genug!
Der Lehrmeiſter: Einem ehrſamen Handwerk, Meiſter und Geſellen wollte ich nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit und meiner Schuldigkeit melden, daß der bei dem ehrſamen Hand - werke vor drei Jahren als Lehrling eingeſchriebene N. ſeine Lehrjahre ehrlich und treu ausgeſtanden und nun wünſcht als Geſelle aufgenommen zu werden.
Hierauf trat der Lehrling mit folgenden Worten ein: Mit Gunſt und Verlaub, daß ich meinen ehrlichen Ein - tritt nehmen mag vor ehrbaren Meiſtern, ehrbaren Altge - ſellen, ehrbaren Caſſenſchreibern, ſo wie ſie hier vor offener Lade verſammelt ſind, alſo mit Gunſt!
Hatte das Gewerk nichts gegen ihn zu erinnern, ſo erfolgte ſeine Freiſprechung oder Ausweiſung, im andern Fall wurden ihm ſeine Fehler zuvor ernſtlich verwieſen. Darauf trank der Obermeiſter aus dem Willkommen die Geſundheit des neuen Geſellen, nach ihm der Altgeſell, dann trank der junge Geſell indem er ſich zugleich für die ihm erwieſene Ehre bedankte. 23Dieſem Danke ging immer ein dreimaliges Bitten vorher, auch durfte der Willkommen nicht mit bloßen Händen, ſondern mußte mit einem ſaubern Tuch angefaßt werden. Nun wohnte der neue Geſell der Auflage oder Zuſammenkunft der Geſellen zum erſten Mal bei, wo ihm die Brüderſchaft in folgenden Verſen zugebracht wurde:
Eine allgemeine Fröhlichkeit herrſchte, Fahnen wurden ge - ſchwenkt, Muſik und Tanz beſchloſſen das Feſt. *)Es wurde dem neuen Geſellen auch der Gruß gelehrt, der bei der Wanderſchaft vorkommen wird.
Dieſe, die Buchdrucker, Schloſſer, Böttcher und Seiler gingen ziemlich unſanft mit den Ausgelernten um, ſie reinigten ſie gleichſam ſymboliſch von allen in der Lehre noch nicht abge - legten oder angenommenen Unarten und belegten ſie bis dahin mit häßlichen Namen; die dabei vorkommenden Manipulationen nannten ſie Hobeln, die Buchdrucker: Deponiren, Schloſſer: Bartbeißen, Böttcher: Schleifen, Seiler: Jünger - oder Geſellenmachen ꝛc. Die Tiſchler wählten zu dem Geſchäft im Zeichnen geübte Geſellen, die zugleich geſchickt waren, eine lange Rede, die ſie Hobelpredigt nannten, zu halten, worin das Alter und die Vortheile der Tiſchlerkunſt mit beſonderer Rückſicht auf das Bauweſen entwickelt wurden. Ein anderer Geſell aſſi - ſtirte ihm, ſpielte aber nur die luſtige Perſon, auch wurden zwei Zeugen oder Pathen für die Ausgelernten gewählt. Die Inſtru -24 mente beſtanden in einem Hobel, Richtſcheid, großem hölzernen Zirkel und Winkelmaaß. Richtſcheid und Hobel waren hohl und mit Erbſen oder andern Dingen gefüllt, damit ſie beim Gebrauch Geräuſch machten; es war gewöhnlich Muſik bei dem Feſte, auch wurden nicht wenig Gäſte dazu geladen. Nach - dem die Handwerkslade aufgetragen und die Auflage mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten eröffnet war, trat der Hobelgeſell, die Muſik voran, den großen hölzernen Zirkel, auf deſſen Spitzen eine Citrone oder Apfelſine, und ein Blumenſtrauß ſteckten, im Arm tragend herein; ihm folgten die Ausgelernten mit Blumen geſchmückt unter dem Richtſcheid gehend, welches die beiden Zeugen über ihnen trugen, der Gehülfe, ſeine Thorheiten mit den Lehrlingen treibend, neben her. Nachdem ſie ſich mit dem Ge - ſicht gegen die Lade gerichtet hatten, redete erſterer die Geſell - ſchaft nach erbetener Erlaubniß in Verſen an, worin er fragte, ob Jemand gegen ihn, ſeine Gehülfen oder die Ausgelernten etwas zu erinnern habe. Nach erfolgter günſtiger Antwort wurden dieſe unter dem Richtſcheid ſo geſtellt, daß ihre Arme gleich Statuen auf die Hüften geſtützt ein gleichſeitiges Dreieck bilde - ten, die Füße mit den Ferſen feſt aneinander, ſo daß das Win - kelmaaß genau dazwiſchen paßte, während dem ſpielten die Mu - ſiker. Der Hobelgeſell gebot nun Schweigen und fing ſeine Predigt an, von der wir des gedrängten Raumes wegen nur Auszüge geben dürfen.
Dieſes iſt der Eingang ſeiner Predigt, die er nun in drei Theilen vorträgt. Der erſte handelt von der Erfindung der Tiſch - lerkunſt, wobei der Baukunſt im Allgemeinen gedacht wird, und enthält in Verſen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts inter - eſſante Stellen, die ſich auf den Vitruv baſiren. Der zweite erzählt die Wanderſchaft eines lockern Tiſchlergeſellen höchſt ergötz - lich. Der Dichter läßt den Burſchen halb Europa, und Deutſch - land vom Belt bis zum Rhein flüchtig durchlaufen. Bei neun - zehn Meiſtern in einem Vierteljahr verſucht er ſein Glück, aber bei keinem will es ihm gefallen; ſo viel er geſehen und gehört hat, ſo wenig Heil hat es ihm gebracht. Aus dem Oeſterreichi - ſchen klagt er endlich ſeinem Vater:
Der dritte Theil der Rede iſt an den jungen Geſellen gerichtet, welchem er zunächſt den während der Lehrjahre bewie - ſenen Hochmuth verweiſ’t.
Alſo mit Gunſt:
Nach einigen eben nicht feinen Drohungen, wie er bei der Hobelung mit ihm verfahren werde, tröſtet er ihn wieder aus Rückſicht ſo vieler zarten Jungfrauen, die eben gegenwärtig wä - ren, und giebt ihm dann manche gute Lehren, von denen wir folgende ausheben:
Nach Beendigung der Rede mußte der Ausgelernte ſich auf eine Bank legen und alle die Bewegungen figürlich mit ſich vornehmen laſſen, als wenn er ein Stück Holz wäre; wobei der Gehülfe, als luſtige Perſon, ſich manche Schwänke erlauben durfte. Nach dieſer unſanften Bearbeitung ſtellte er ſich neben den Hobelgeſellen, welcher nun in Bezug auf ſeine Geſchicklich - keit, die ihn befähigte, die eben vorgeweſene Hobelung zu ver - richten, ſich rechtfertigte. Er entwarf zu dem Ende auf einem Reißbrett aus freier Hand ein halbes Portal, gewöhnlich mit einer corinthiſchen Säule, und erläuterte die Zeichnung nach den Geſetzen der Kunſt, wobei er ſich das Anſehn gab, als unter -28 wieſe er den jungen Geſellen. Hatte dieſer bisher manche Unbill von ihm zu dulden, ſo mußte er ſich nun ſelbſt der Cenſur der ganzen Geſellſchaft ausſetzen, und für jeden Fehler in der Zeich - nung oder Erklärung Strafe bezahlen; auch hatte er von den Gebühren, welche die jungen Geſellen an ihn entrichteten, die erforderlichen Getränke für die anweſenden Gäſte anzuſchaffen. Hiſtoriſch merkwürdig iſt noch Folgendes dabei:
Nach der Handlung ſtellte man den neuen Geſellen wieder unter das Richtſcheid; der Hobelgeſell ergriff es aber und hielt es ihm unters Kinn indem er fragte: wie heißt Du?
„ Martin. “
Bis jetzt hießeſt Du Martin unter der Bank, jetzt heißt Du Martin auf der Bank; dabei gab er ihm einen leich - ten Backenſtreich und ſagte: das leide nur von mir, hin - fort von keinem andern. *)Offenbar ein Inveſtiturzeichen, z. B. bei Belehnungen; auch bei der Firmelung giebt der Biſchof den Confirmanden einen Backenſtreich; die Worte des Geſellen paſſen freilich nicht dazu.
Ferner nahmen die jungen Geſellen dabei ein Zeichen an, das ſie auf der Wanderſchaft auf Erfordern der Brüderſchaft vorzeigten; auch mußten ſie die Namen des Hobelgeſellen und der beiden Zeugen genau merken, damit ſie ſolche auf Verlangen angeben und als wirkliche oder ſogenannte gemachte Geſellen ſich legitimiren konnten,**)[figure] denn mehr als Reiſepaß und Kund - ſchaft galten ihnen der Gruß und dieſes ſinnliche Zeichen.
Auch die Steinmetzgeſellen führten dergleichen Zeichen, welche ſie auf ihren Reiſen und Zuſprachen in den Bauhütten oder Lo - gen, auf ein Stück Stein mit der Bicke eingruben; die an großen Werken arbeitenden Geſellen gruben ſolche Zeichen in die von ihnen bearbeiteten Werkſtücke. ***)Ein itzlicher wandergeſell ſol bithen um eine bicke, darnach um ein Stück Steins, darnach um gezeugk, das ſol man jm williglichen leihen — um nehmlich ſein Geſellenzeichen darauf einzuhauen. — (Stieglitz,
29Wenn in dem figürlichen Hobeln der Tiſchlergeſellen doch eine ſittliche Bedeutung liegt, die ſich ſogar als Sprichwort in unſere Sprache gedrängt und im Sächſiſchen lange erhalten hat: ſo iſt im Gegentheil ein Gebrauch der Schloſſer, das ſogenannte Bartbeißen, ſinnlos und kann der Geſundheit der jungen Leute leicht gefährlich werden. Es geht dabei ſo zu:
Nach den gewöhnlichen Bitten und Höflichkeiten fragte der Altgeſell den neuen Jünger,*)Dieſe Eigenſchaft erhielten die Ausgelernten zunächſt bei ihnen, wirk - liche Geſellen konnten ſie erſt auf der Wanderſchaft und nach dem Beſuch mehrer großen Städte werden. ob er dem Schlüſſel den Bart abbeißen oder ſich mit Geſellen und Jüngern vergleichen wolle? Er wählte natürlich das letzte und bot nun eine Summe Geld zum Vergnügen der Geſellſchaft. Darauf drehete ihm der Alt - geſell das Bartende eines Schlüſſels dreimal im Munde herum, wobei er ſagte:
Wem fällt hierbei nicht ein, daß eine etwaige Unzufrieden - heit des Altgeſellen mit der bisherigen Aufführung oder dem ge - botenen Geſchenk des jungen Geſellen leicht Einfluß auf die Art des Umdrehens des Schlüſſels haben konnte? —
Bedeutend dagegen ſind folgende Gebräuche derſelben: Wenn der junge Mann als neues Mitglied der Brüderſchaft ſei - nen Beitrag zur Lade (Auflagegeld) zahlte, gab ihm der Altgeſell dieſen mit den Worten zurück: „ diesmal wird ſie ihm (nehmlich die Auflage) zurückgegeben, hüte er ſich aber, daß ſie ihm nicht zum zweiten Male zurückgegeben wird, ſonſt ſteht es nicht gut um ſeinen ehrlichen Namen. “ Wenn nehmlich ein Geſell ein Verbrechen beging, wurde er aus der Brüderſchaft gewieſen, welches ſinnbildlich durch Zurückgabe des Auflagegeldes geſchah. Ferner hielt ihm***)die Kirche der heiligen Kunigunde zu Rochlitz. Auch im Innern der Domthürme zu Magdeburg und vielen andern Theilen der Kirche ſieht man ſolche Geſellenzeichen).30 der Altgeſell den Geſellenſtab*)Dieſen führten nur die Altgeſellen bei der Auflage als Zeichen richter - licher Würde. vor und lud ihn ein, ihn anzunehmen; war er nun ſo unvorſichtig, dies zu thun, ſo wurde er nicht nur lächerlich gemacht, ſondern mußte auch Strafe zah - len; im andern Fall antwortete er auf die Anrede des Altgeſel - len: „ Mein lieber Junggeſell, ich wünſche viel Glück zu dieſem Geſellenſtab “:
Das Geſellenſprechen der Jünger glich in neuerer Zeit einem Geſellſchaftsſpiel, im Alterthum mag es ſinnreicher geweſen ſeyn, wovon die Mittheilung, die dem Verfaſſer gemacht worden, noch einige Spuren trägt, deren wir noch im Auszuge gedenken wollen.
— — — Altgeſell. Wie wird mein lieber Junggeſell ſich verhalten, wenn Meiſter, Geſellen und Jünger nach ihm fragen?
Jünger. Meiſter, Geſellen und Jünger haben ein Recht, nach mir zu fragen, weil ich Hammer, Zange und Steinmeißel trage.
Altgeſell. Sein Nam’ iſt aller Ehren werth, wir wollen ihn ſetzen auf ein weißes Pferd. **)Ein weißes Pferd hatte bei den Alten viel Auszeichnendes, man leſe hierüber in Grimms Rechts-Alterthümern S. 134, 256 bis 261.
Darauf ergreift der Altgeſell den Willkommen, trinkt ihm zu, reicht ihm die Hand, und der neue Geſell trinkt auf das Wohl der Geſellſchaft. Dann wird ihm das Geſellenbrod ge - reicht***)Ein feines Gebäck, was dazu bereit gehalten wird., das er annimmt und dabei dem beiſitzenden Meiſter, Altgeſellen und der Geſellſchaft dankend zunickt, dann gab man ihm den Geſellenſtab, den er nun, wenn es ſich fügte, zu führen berechtigt war. Es mag hierbei zugleich angeführt werden, daß der Gebrauch, das Geſellenbrod zu reichen, auch bei den Seilern Statt fand, nur auf eine faſt unanſtändige Weiſe. Nach vie - lem Hänſeln, das der junge Geſell erdulden mußte, band man31 ihm endlich einen von Hanf geflochtenen Zopf an den Kopf und einen Korb auf den Rücken, gab ihm eine Laterne in die Hand und hieß ihn das Geſellenbrod ſuchen. Während er ſo daſtand, fragte der Altgeſell in den gewöhnlichen Formalien die Geſellſchaft, ob einer oder der andere noch etwas gegen ihn zu erinnern habe, worauf dieſe dann erwiderte: ſie wiſſe nichts als Liebes und Gutes von ihm; nun nahm man ihm den Korb ab und der Altgeſell redete ihn wie einen einwandernden Geſellen an: Hui Seiler biſt Du des Handwerks? Antwort: ich weiß nicht anders. Dann erſt reichte er ihm das Geſellen - brod, welches in ein wenig Brod und Salz beſtand. Der Ge - brauch hat jedenfalls einen tiefern Sinn, der durch öftere Tra - dition und thörichte Ausübung in neuerer Zeit verunſtaltet iſt. Zunächſt finden wir darin eine Beſtätigung deſſen, was Wilda in ſeinem Gildeweſen Seite 300 ſagt, daß die Handwerker, als ihre politiſchen Verhältniſſe ſich ſchon glücklich geſtaltet hatten, ſich dennoch die Armen nannten, denn daß in dem Gebrauch ein Bild der Dürftigkeit und Demuth liegt, iſt klar; auch bei der Umſchau der Schloſſer und Hutmacher werden die Meiſter arm genannt.
Mit vielem Reden iſt das Geſellenmachen der Hufſchmiede verbunden, beſonders die Vorſage, welche dem neuen Geſellen gehalten wird, ſehr lang und mit einigen Ceremonien durchwebt, ſie enthält aber manche gute Lehren für einen jungen Menſchen, die noch in dieſem Augenblick nicht zwecklos ſeyn würden. Wir wollen einen Satz ausheben, der, obgleich in neuer Sprache, doch ſehr alt ſeyn mag.
Der Altgeſell ſpricht zu einem der Zeugen: Mit Gunſt Schmied, ſchlag eine Hitze mit; darauf nimmt dieſer das Wort:
Wenn du vors Thor kommſt, ſo wirf drei Federn auf,*)Grimms Rechtsalterthümer S. 83. die eine wird fliegen rechts, die andere wird fliegen übers Waſ - ſer, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirſt du nun folgen? Die erſte könnte dich auf einen Abweg führen32 und du könnteſt dich verlaufen, der zweiten, die übers Waſſer fliegt, folge auch nicht, denn das Waſſer hat keine Balken, folge der, die gerade aus fliegt. Dann wirſt du kommen an einen grünen Wald und müde ſeyn, lege dich aber nicht nieder zum Schlafen, es möchte ein Ungerufener kommen und nähme dir dein Bündel, mein Schmied, was wollteſt du da machen! Laufe immer fort. Dann wirſt du kommen an eine Mühle, ſo wirſt du denken „ willſt hinein gehen, und um einen Zehrpfennig bit - ten “, das thue nicht, die Müller ſind grobe Leute, ſie möchten dich beſchimpfen und deinen ehrlichen Namen vergeſſen. Dann wirſt du kommen an einen Teich, in dem werden Fröſche ſitzen und ſchreien: arg, arg. Ja, wirſt du denken, ich hab es wohl arg gemacht bei meinem Lehrmeiſter — eine Schüſſel voll Sauer - kraut und Schweinekopf, daß ich kaum mit einer Wagenſtange darüber ſpringen konnte, laß dir dabei das Heimweh nicht ein - fallen. Dann wirſt du kommen an einen Bach, da werden Enten und Gänſe laufen, da wirſt du ſtarken Appetit kriegen und meinen, du wollteſt eine todtſchlagen, damit du auf den Abend einen Braten habeſt; mein Schmied, das thue nicht, es möchte einer dazukommen und ſchlüge dir die Haut voll und vergäße deinen ehrlichen Ramen, du dürfteſt dich nicht mehr unter ehrlichen Geſellen ſehen laſſen, drum laß einem Jeden das Seine; laufe immer fort, laufe ein Loch in die Welt hinein, daß man es nicht mit zehn Fuder Heu zuſtopfen kann ꝛc.
Das Geſellenmachen der Glaſer iſt in neuerer Zeit ohne große Förmlichkeiten geſchehen, es wurden dem jungen Geſellen vor verſammeltem Handwerk folgende Geſellenartikel vorgeleſen, denen er nachzuleben mit einem Handſchlag verſprechen mußte.
Wann Ihr nun dieſen obgemeldeten Punkten wollet nach - kommen, ſo ſollet Ihr einem jeden unter uns die Hand geben und mit einem Ja bekräftigen.
334So Ihr nun ſolches mit Hand und Mund verſprochen habt, ſo wünſch’ ich Euch von Grund des Herzens, daß Gott mit ſeinem guten Geiſt in Euch wirke, damit Ihr Euch in Eurem Geſellenſtande ſo aufführet, daß er Euch in Eurem Meiſterſtande nach Eurem geführten Wandel Urſach habe zu ſegnen.
Zum Schluß wird noch bemerkt, daß die Uebertreter dieſer Artikel mit Strafe bedrohet werden.
Sie iſt eine der wichtigſten und folgereichſten Inſtitutionen im deutſchen Handwerks - und Innungsweſen. Richt allein die Statuten ſämmtlicher Gewerke, auch die Landesgeſetze aller deut - ſchen Fürſten, verpflichteten die Geſellen dazu, und nur die Söhne der Meiſter waren hin und wieder davon entbunden, indem man meinte, die Weisheit des Vaters vererbe ſich eben ſo gewiß auf den Sohn, als das Innungs - oder Gilde-Recht! Ihre Dauer war auf drei, auch vier Jahre feſtgeſetzt; die Geſellen wurden nur dann zur Anfertigung eines Meiſterſtücks gelaſſen, wenn ſie die vorgeſchriebene Wanderzeit gehörig abſolvirt hatten. Nur gewanderte Mitglieder der Brüderſchaften konnten Altgeſellen werden und das ſogenannte Geſellenmachen verrichten. Eine Zeit ihres Entſtehens möchte ſchwer zu ermitteln ſeyn, da die älteſten Handwerks-Statuten nichts darüber enthalten; indeß mag ſie bei denen zuerſt vorkommen, welche ſich der Kunſt nähern, und früher nur an wenigen Orten und auch da nur ſelten per - manente Beſchäftigung fanden, wohin wir Steinmetze, Maurer, die Gold - und Silberarbeiter und ſolche zählen können, welche in Metallen treiben und gießen. Die Kunſt in Stein zu arbeiten und das Maurergewerbe, wurden im Mittelalter in geſellſchaft - lich geſchloſſenen Logen oder Bauhütten erlernt und betrieben; von da aus wurden Gehülfen hingeſandt, wo man ihrer bedurfte,3*36und ihnen ein Gruß als Erkennungszeichen an die auswärtige Loge, oder den einzelnen Meiſter, mitgegeben. *)Stieglitz, die Kirche zu Rochlitz, S. 187: „ Der Meiſter entbeut euch ſeinen werthen Gruß. “Das Zuſam - mentreten der übrigen Handwerker in Corporationen, das fort - währende Anlernen junger Leute, deren Zahl mit dem Abgang der Meiſter nicht immer im richtigen Verhältniß ſtand, die Fort - ſchritte der National-Induſtrie und dadurch geſteigerte Forderun - gen an die Handwerker, trieben die Geſellen in die Fremde, um ihren Unterhalt und zugleich Kenntniſſe und Geſchicklichkeit zu erwerben, wozu ſie in ihrer Lehrſtadt nicht immer Gelegenheit hatten; endlich forderte das Fortbeſtehen der Innungen, deren Hauptbaſis hinlänglicher Erwerb war, ein ſyſtematiſches Zurück - halten der Geſellen von der Meiſterſchaft, wodurch andererſeits das Publikum in ſofern gewann, als die abgehenden Meiſter durch gehörig ausgebildete Leute erſetzt wurden. So wurde denn eine freie Neigung zur Noth - und Ehrenſache, und zuletzt zum Statut erhoben.
Welch eine glückliche Wirkung dieſe Inſtitution aber auf die gewerbliche Ausbildung der ganzen deutſchen Nation, ja auf ganz Europa, ſo weit es nur immer zugänglich war, gehabt hat, liegt außer aller Berechnung! Wie die Handlung Land und Meer durch Austauſch roher Producte gegen Gold oder Erzeug - niſſe der Kunſt verbindet, ſo waren es deutſche Wandergeſellen, die einen ſteten Tauſchverkehr menſchlicher Kräfte und gewerbli - cher Kenntniſſe in den nächſten wie den entfernteſten Staaten unterhielten und vermittelten. Und was wollen wir von der Vergangenheit ſagen, es iſt ja noch ſo! Dieſelben Bedingungen beſtehen noch, und zwar dringender in den Ländern, wo die In - nungen aufgehoben ſind, als in denen, wo ſie ſchattenhaft noch geduldet werden. Die erſte liegt in den Lehrjahren und den ſie beherrſchenden Verhältniſſen. Gewöhnlich geht das erſte dem Lehrling zwiſchen den Geſchäften einer Magd, eines gemeinen Handarbeiters und eines wirklichen Lehrlings hin und das kann, mit ſehr ſeltenen Ausnahmen, auch nicht anders verlangt wer -37 den, den Meiſtern fällt dabei nur ſelten etwas zur Laſt. Das zweite und dritte Jahr mögen hinreichen, den jungen Menſchen im richtigen Gebrauch des Werkzeuges, Kenntniß des Materials und zur Anfertigung einzelner Gegenſtände zu befähigen, worin er im vierten einige Uebung erlangt. Nun iſt er 17 oder 18 Jahre alt geworden, dieſem Alter fehlen aber reife Ueberlegung, richtiges Urtheil, geübtes Gedächtniß, dem Körper oft die nöthige Kraft, um ein Gewerbe ſelbſtſtändig zu betreiben, von dem er kaum allgemeine Kenntniß erlangt hat.
Die zweite Bedingung liegt in der Speculation der Meiſter. Es gehört zu den Seltenheiten, wenn ein Lehrmeiſter ſeinen Aus - gelernten einige Zeit als Geſelle um Lohn beſchäftiget, er beſetzt vielmehr deſſen Stelle ſofort wieder mit einem Lehrburſchen, deren er vielleicht ſchon mehrere in der Werkſtatt ſtehen hat. Die übrigen Meiſter in der Stadt nehmen ihn nicht gern, einmal, weil ſie zu ſeiner Geſchicklichkeit kein Vertrauen haben, zweitens wollen ſie ihm keine Gelegenheit geben, ſich zu vervollkommnen und für ſeine Rechnung zu arbeiten; der junge Mann iſt alſo am Ende ſeiner Lehrzeit brodlos und gezwungen, ſein Heil in der Fremde zu ſuchen.
In der äußern Stellung der jungen Handwerker nach voll - brachter Lehrzeit hat ſich alſo nichts geändert, nur durch die Aufhebung der alten Militairverfaſſung iſt ſie freundlicher ge - worden, ſie ſind nicht mehr gezwungen, Soldat zu werden und bei weitem den ſchönſten Theil ihres Lebens zu bleiben oder dem Vaterlande auf immer zu entſagen. Nachdem ſie die allgemeine Bürgerpflicht, die nach dem Grade ihrer Ausbildung noch ſehr erleichtert wird, erfüllt haben, iſt ihnen der freie Gebrauch aller ihrer Kräfte geſtattet, ſoweit die Vernunft dazu räth. Dage - gen ſind ihnen durch Auflöſung der Innungen die Unterſtützun - gen entzogen, welche in frühern Zeiten und während des Beſte - hens derſelben, bei den meiſten Gewerken ihnen zufloſſen und ihre Wanderungen erleichterten; ſie ſind unter dem Namen Ge - ſchenk bekannt. Wir gedenken hier des Geſchenks und der geſchenkten Handwerke in ihrer eigentlichen Bedeutung und prak - tiſchen Anwendung auf die reiſenden Geſellen.
38*)Was hier folgt, mit Einſchluß der Urkunde, iſt zwar ſchon in v. Ledeburs Archiv abgedruckt, da es jedoch die Geſellenbrüderſchaften ebenfalls angeht, jene Zeitſchrift auch nicht immer ſogleich zur Hand ſeyn möchte, ſo wird es als auch hierher gehörig wieder gegeben.Nach der gewöhnlichen Meinung der Bürger iſt ein ge - ſchenktes Handwerk ein ſolches, wo den reiſenden Geſellen eine feſtgeſetzte Unterſtützung, ein Geſchenk gereicht wird, bei welchem dies nicht geſchieht, ein ungeſchenktes. Dieſe Be - zeichnung iſt aber uneigentlich und verdunkelt die Entſtehung und neueſte Bedeutung des wirklichen Geſchenks (Viaticum). Alle frohen Gelage, beſonders die, womit die amtlichen Zuſammen - künfte der Gilden und Innungen beſchloſſen wurden, nannten ſie Schenke, Schenke halten. Das ſichtbare Symbol des gildiſchen oder Innungs-Verbandes und der eröffneten Schenke, war ein aufgeſtellter ſchön verzierter Pokal, der Willkommen, welcher auch zuweilen das Geſchenk genannt wird. Das Recht oder die Erlaubniß der Handwerker, unter ſich Corporationen zu bilden, blieb ſchon an ſich Jahrhunderte hindurch ein Vorzug großer Städte; wenn es nun auch denen in kleinern Städten geſtattet wurde, ſo erhielten ſie damit noch nicht die Erlaubniß, ein Geſchenk oder Willkommen zu halten, oder ihre Verbindung ein geſchenktes Handwerk zu nennen, wodurch ſie ſich den ältern höher ſtehenden Gilden genähert hätten, vielmehr war dazu die ausdrückliche Genehmigung der Landesbehörde oder doch des Stadtmagiſtrats erforderlich. Beweiſe dafür liefern zwei Urkun - den, nehmlich die Ordnung des Magiſtrats zu Münſter für die Kleinſchnitzler (Tiſchler) vom 9ten März 1607 und die Stiftung eines Willkommens bei dem Töpfergewerk zu Aſchersleben vom 21ſten Juni 1661. **)Als wir Bürgermeiſter und Rath der Stadt Münſter allhie in Weſt - phalen von den Verweſern des Kleinſchnitzler - oder Tiſchler-Handwerks zu öfter und vielmahlen angelangt worden, Ihnen ein geſchenktes Handwerk zu vergönnen, damit ſie mit Ihren benachbarten Meiſtern und Geſellen, ſowohl Oſt - als Weſtwarts und allen umbliegenden Or - ten, da Ihre Meiſter und Geſellen Wandlung und Hantierung brau - chen, Correſpondenz, Fried und Einigkeit haben, auch fromme und ehrliche Geſellen und Jungen in Zucht haben und deren Lehrjahre mit denſelben benachbarten übereinſtimmen, ſonſten auch aller Mißver -Jedenfalls war das Vorhandenſeyn des39 Geſchenks oder Willkommens ein Zeichen der höchſten Geltung unter Corporationen gleichen Gewerbes, denn in dem eben angeführten Statut der Tiſchler geſtehen die Meiſter, daß ſie wegen Mangel eines geſchenkten Handwerks weder oſt - noch weſtwärts, noch in der Nachbarſchaft geehrt würden. In dem**)ſtand unter denſelben zu Nutz und gemeinen Beſten und deren ſo des Handwerks vonnöthen hätten verhütet werden möge mit der uns bei - gethanen Anzeig, daß an den meiſten Oertern allhie in Teutſchland die Dispoſition unter den Kleinſchnitzler Handwerk daß daſſelbig in Ehren gehalten werde, alſo ſie die Meiſter allhie auch dahin gern ſehen ſollten daß deſſelbigen geſchenkten Handwerks auch ſie ſampt ihren Geſellen und ausgelernten Jungen theilhaftig werden und gleich den Benachbarten dazu gerathen möchten und ſolches ſonderlich zu dem Ende, damit die hieſigen Meiſter ſowohl als an andern Orten guter tüglicher Geſellen, deren ſie eine Zeit heer aus Mangel des geſchenkten Handwerks nit mächtig ſeyn können, habhaft werden möchten. Dem - nach ſind Wir Bürgermeiſter ꝛc. Stiftung eines Willkommens für das Töpfer-Hand - werk in Aſchersleben. 1661. (Nach dem Original im K. Prov. -Archiv zu Magdeburg.) Wir Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben hiermit und in Kraft unſers Briefes thun kund und bekennen daß uns für hieſiger Stadt - voigtey die ehrſamen Meiſter und Geſellen des Töpferhandwerks unter - thänig zu vernehmen geben laſſen, welcher Geſtalt Sie ob gewiſſen Urſachen einen Willkomb nach Handwerksgebrauch geordnet und den - ſelben ſich zu accomodiren einhellig geſchloſſen, dahero uns fürters un - terthänig erſuchet und gebeten, daß wir denſelben zu mehrer beſtändiger Folge und Obſervanz confirmiren und beſtätigen wollten, und lauten die Punkte und Artikel worauf ſelbiger beſtehet, wie nachgeſetzet:1. Zum Erſten ſoll das Geſchenke des Jahres dreymal gehalten werden, als Oſtern, Johanni und Martini, jedoch kann ſolches auch wohl außer dieſen Zeiten, als, wann einem Jungen die Lehre bekannt würde, oder ein fremder Meiſter anher käme, zugelaſſen werden.2. Wenn ein Meiſter oder Geſell auf das Geſchenke kommt, ſoll ihm vergünſtiget ſeyn, umb den Willkomb dreymal zu bitten, alsdann ihm auch derſelbige für dem Handwerke gereicht werden ſoll, ſo ſoll auch eine Reihekanne gemacht werden, wann nun aus derſelben dreymal auf der Reihe herumb gedrunken alsdann ſoll der Willkomb von Meiſter und Geſellen beſehen werden, ob der Gaſt mit dem Trunke ein Genügen gethan und beſtehen (kann). Gleichermaßen ſoll der Ehrentrunk auch geſchehen, würde aber es ſich nicht alſo befinden, ſoll er dem Handwerk fünf Groſchen Strafe verfallen ſeyn.40 genoſſenſchaftlichen Schutzverhältniß erhielt die Gaſtfreundſchaft, ſonſt eine freie Tochter natürlich guter Menſchen, eine höhere, politiſche Tendenz, ſie wurde Ehrenſache und das Band weit verzweigter Verbindungen, denn wenn ein fremder Meiſter aus der Nähe oder Ferne, beſonders zu Meß - und Jahrmarktszeiten, in eine Stadt kam, wo ſein Handwerk ein Geſchenk hielt, ſtand ihm das Recht zu, daſſelbe zu grüßen, den Willkommen zu for -**)3. Würde ein Meiſter oder Geſelle bey Aufſetzung des Willkombs fluchen, ſchwören, läſtern oder weltliche Lieder ſingen, der ſoll es dem Handwerke mit 6 Groſchen verbüßen, dem Herrn Stadt - vogte ſeine Strafe unbenommen.4. Würde Meiſter oder Geſell er ſey jung oder alt bey dieſem Will - komb ſich gröblich übertrinken und mit Urlaub zu reden, ſolches wieder von ſich geben, derſelbe ſoll 5 Groſchen Strafe zu geben gehalten ſeyn.5. Soll jedwedern zugelaſſen ſeyn über das Vermögen der Natur nicht zu bleiben, ſondern ſich hinweg in des Meiſters Haus zu begeben, bey welchem er arbeitet, würde aber jemandes er ſey Meiſter oder Geſell den Willkomb anzunehmen ſich verweigern daß es einer Verachtung ähnlich wäre der ſoll dem Handwerk 6 gute Groſchen Strafe dafür alſo balde zu geben ſchuldig ſeyn.6. Welcher Meiſter oder Geſelle dieſen Willkomb verletzen würde, der ſoll nicht allein den Schaden decken, ſondern auch dem Handwerk einen halben Thaler verfallen ſeyn.7. Es ſoll dieſer Willkomb dem Handwerksmeiſter anvertraut wer - den, würde er aber hieraus ſelber ein Geſpötte treiben oder ihme ſonſt gebrauchen wenn das Handwerk nicht beyſammen und er deſſen mit Beſtande könne überzeuget werden, ſoll er ſolches Ver - brechen dem Handwerke mit einem Thaler zur Strafe verbüßen.8. Es ſoll auch dieſer Willkomb wann ein Meiſtereſſen gegeben wird dabey aufgeſetzt werden, jedoch daß ein jedweder ehrbarlich und ſittſamb ſich bezeuge und verhalte, nicht weniger dann auch die Meiſterinnen als Meiſtere ſelbſt, widrigenfalls ſonſt nach Be - finden geſtraft werden.Wann dann dieſe Artikel zur Erbarkeit und gutem Verhalten ange - ſehen und alſo nützlichen und ehrlichen befunden werden, als haben wir ſelbige in Kraft dieſes confirmiren wollen, doch vorbehaltlich die - ſelbige geſtalten Sachen nach und zwar bey dieſen zerrütteten böſen und ärgerlichen Zeiten noch zu vermehren oder zu ändern. Deſſen allen zu mehrer glaubhaftigen Urkunde wir unſer gemeiner Stadt Inſiegel wiſſentlich hier unter drucken laſſen. So geſchehen den 21. Juni im Jahr Chriſti 1661. (L. S.) Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben. 41 dern (Art. 1 und 2 der Urkunde), der ihm nicht verſagt werden durfte, wenn er nicht etwa geſcholten war. Die Handlung oder Bewirthung ſelbſt nannten ſie Schenke halten, Beſchen - ken, Derjenige, dem der Willkommen gereicht wurde, ſaß im Geſchenk. *)In einem Auftreibebriefe des Töpfergewerks zu Dresden, vom 25ſten September 1659, verklagen die Meiſter einen Geſellen, daß er das Handwerk beſchimpft habe, während er bei ihnen im Geſchenk geſeſſen habe; es wird bei der Auflage weiter davon die Rede ſeyn.
So lange nun die Geſellen noch keine ſelbſtſtändigen Brü - derſchaften bildeten und an den Feſten der Meiſter unmit - telbar Theil nahmen, wiederfuhr ihnen, beſonders den Rei - ſenden, dieſelbe Ehre; mit der Vermehrung der Innungen und Handwerke in kleinen Städten verlor ſich jedoch nach und nach der Zweck des öftern Reiſens der Meiſter nach größern Städten, mithin das Anſprechen des Willkommens, was bereits in Ueber - treibung ausgeartet war. Das Geſchenk oder die Ehrenſchenke fand nur noch bei den jährlichen Hauptverſammlungen, der hohen Morgenſprache oder den Quartalverſammlungen, die dann auch Schenke oder Auflagen hießen, Statt. Die Meiſter ent - fernten die Geſellen aus ihren Zuſammenkünften und Gelagen, wodurch auch bei dieſen, mit wenigen Ausnahmen**)z. B. den Kupferſchmieden., der Zweck des Willkommens, als Zeichen engerer Verbrüderung mit den Meiſtern, aufhörte, wogegen ſie, wiewohl mißbräuchlich, unter ſich Willkommen und Ehrenſchenke ſtifteten. Die Meiſter be - willigten ihnen für die frühere Theilnahme an der Ehrenſchenke eine Unterſtützung an Gelde, welche dann den Namen Geſchenk erhielt. Wir müſſen alſo unter dem Geſchenk der alten Gilden und Innungen ein genoſſenſchaftliches Ehren, zunächſt nur einen Ehrentrunk im Innungs - oder Gildehauſe, in dem der neuern Zeit eine ſtatutariſche Unterſtützung der wandernden Ge - ſellen verſtehen, die Gewerke, wo eine ſolche verabreicht wird, ſollten daher Geſchenkgebende genannt werden.
Mit dieſer Erklärung ſtimmen auch die Reichs - und Pro - vinzialgeſetze überein, wenn ſie das übermäßige Schenken und42 Zehren der Handwerksſöhne und Geſellen unterſagen;*)Reform. guter Polizey 1530, Tit. 30 §. 1, und Reichsabſchied von 1559, §. 75. nicht der Unterſtützung der reiſenden Geſellen, ſondern den Gelagen wollten ſie wehren, wozu die Ehrenſchenke Anlaß gab.
Wie arg der Mißbrauch dabei getrieben wurde, ſieht man aus dem ſogenannten guten Willen der Kupferſchmiede, der dem Verfaſſer von einem zuverläſſigen Manne mitgetheilt worden iſt, er mag umſomehr hier im Auszuge Platz finden, als er uns, obgleich in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, in das mittelalterlich gildiſche Element verſetzt und mit dem wun - derlichſten Ritual bekannt macht, welches bei dem ſo ſehr ver - rufenen Zutrinken auch in bürgerlichen Geſellſchaften beobachtet wurde.
Darauf trinkt der Fremde allen Geſellen zu, ſteht auf und bedankt ſich dreimal bei dem Schenkgeſellen: So mit Gunſt Kupferknabe, ich bedanke mich ganz freundlich, zum erſten Mal, zum andern Mal und zum dritten Mal; ich bitte, wenn Du mir wolleſt den ehr - lichen Willkommen vorſtellen, nach Handwerksge - wohnheit und Gebrauch.
Hierauf bittet er einen aus der Geſellſchaft, den Fremden in Acht zu nehmen (zu unterhalten) und ſpricht zu einem andern: So mit Gunſt Kupferknabe, ich wollte Dich gebeten haben, wenn Du mir wollteſt den ehrlichen Willkom - men helfen zurecht machen (füllen helfen).
Wenn ſie wieder herein kommen, ſetzt der Gehülfe den Daumen auf den Tiſch und ſpricht: So mit Gunſt ſetz’ ich mich wieder nieder.
Reicht nun den Willkommen der zweyten und dritten Jungfer und ſpricht dieſelben Worte wie bey der erſten, dann ſteht er auf und ſpricht zum Schenkgeſellen: So mit Gunſt Kupferknabe, ich bitte, wenn Du mir wolleſt den ehrlichen Willkommen beſchauen nebſt dem ehrlichen Umläufer, ich verhoffe ich werde meiner Sachen ein Genüge gethan haben.
46Das Geſchenk der Meiſter, als Unterſtützung, wurde den reiſenden Geſellen auf verſchiedene Weiſe zu Theil, auch hatte der größere oder geringere Betrieb des betreffenden Handwerks viel Ein - fluß auf die Höhe deſſelben. Die Buchbinder, in großen Städten, zahlten für ſie ein beſtimmtes Geldquantum auf der Herberge, wo - für ſie bei gehöriger Wirthlichkeit einen auch wohl zwei Tage leben konnten. Die Fleiſcher und Bäcker reichten ihnen eine beliebige Gabe, die ſie Zehrpfennig nannten, und von den Reiſenden von den Meiſtern perſönlich eingeholt wurde. *)Auch die Schmiedegeſellen holten ſich das Geſchenk und gingen von einer Werkſtatt zur andern.Bei den Seilern und Steinmetzen war es von der Tageszeit abhängig, wann der Fremde ankam; erſtere bekamen Geld, wenn ſie des Vormittags ankamen, und gingen weiter, nach vier Uhr Nachmittags mußte man ihnen Abendeſſen und Nachtlager reichen. Den Steinmetzen wurde in alter Zeit ein übliches Tagelohn als Geſchenk verab - reicht, wenn ſie noch vor dem Schluß der Hütte ankamen. **)Kompt ein wandergeſell Ee man ruhe anſchlegt, der verdient das taglon. (Stieglitz, Kirche der heiligen Kunigunde.)Ehe die Herbergen in Gaſthäuſer verlegt wurden, bewirtheten ſie die Meiſter nach der Reihefolge, was ſie Umzech nannten, z. B. Böttcher und Seiler***)Wenn ein Geſelle des Böttcher-Handwerks wandern komt und bittet um Herberge, ſoll es ihm nicht verſaget, ſondern nach Gewohnheit ein Lager, Eſſen und Trinken gegeben werden, bey Strafe eines Mfl. Welchem Geſellen aber alſo Handwerksgewohnheit erzeiget würde, der ſoll ſich gegen den Meiſter, ſo ihn beherberget hat, und alle die Seinigen, züchtig, ehrlich, mit keuſchem Mund und reiner Hand verhalten, und wo der Meiſter ſeiner alſobald zur Arbeit be - gehrte, demſelben vor andern arbeiten, bedürfte aber der Meiſter ſeiner nicht, ſo ſoll er durch einen Geſellen oder Lehrjungen, oder jüngſten Meiſter, um Arbeit umſchicken laſſen, welcher Geſelle aber ſich hiewider hielte, der ſoll nicht gelitten, ſondern ihm nachgeſchrieben werden, biß er ſich auf ſeine Koſten verantwortet hat. Art. 9 der Böttcher In - nungs-Artikel zu Wernigerode von 1682. (Prov. -Archiv.); dies erinnert an die frühere innige Verbrüderung der Innungen in ganz Deutſchland, in der - ſelben hat auch der Gebrauch ſeine Wurzel, wonach die Geſellen ihren Herbergswirth und deſſen Frau und Kinder Vater, Mutter, Bruder und Schweſter nennen. Die reiſenden Geſellen waren48 entweder wirkliche oder durch Lehrjahre und den Geſellenſpruch doch Adoptivſöhne der betreffenden Innung oder Gilde, ſie hatten daher nach dieſem Verhältniß überall auf ihren Reiſen, wo ſie als Gehülfen die abweſenden Söhne der Meiſter oft vertraten, ſich des augenblicklichen Schutzes derſelben gegen Mangel zu erfreuen, beſonders aber einen Anſpruch auf die Theilnahme der Söhne ſelbſt, die unter ſich, nach der geſellſchaftlichen Trennung von den Vätern, eigene oder Fremdengilden*)Die Geſellen-Brüderſchaften. bildeten. Hierzu kommt — im Scherz oder Ernſt — eine Nachahmung der Hausordnung der Klöſter, ſo weit dieſe die Bewirthung der Fremden oder reiſenden Brüder betraf; der Bruder Kellner, Speiſemeiſter oder Guardian, hatten ſie zu beſorgen. An Stelle dieſer finden wir bei den Handwerkern Schenkgeſellen, Or - dengeſell, bei den Meiſtern Schenken, oder Ordenmeiſter, und die ſeltſame Entſchuldigung: das Kloſter iſt arm, der Brüder ſind viel, und der Abt trinkt ſelber gern. **)Kupferſchmiede, Seiler u. a. m.Der Sohn eines Meiſters, oder ein in Arbeit ſtehender Geſell, führte den Reiſenden bei ihm ein und, vermöge des zwiſchen ihnen beſtehenden genoſſenſchaftlich-brüderlichen Verbandes, be - trachtete man den Fremden für dieſen Abend als Mitglied der Familie und es war ihm erlaubt, Herr Vater, Frau Mutter, zu ſagen. — Eine Sitte, ſobald ſie erſt ein Jahrhundert beſteht und gewiſſe Vortheile mit ſich verbindet, wird national, und ſelbſt dann noch im Namen fortgeführt, wenn dieſe längſt aufgehört haben. So ging es mit dieſem Gebrauch. Als die Reiſenden zahlreicher wurden, die Gewerke von der Gildewürdigkeit leich - tern Anſichten nachgeben mußten, wurde die Bewirthung den Meiſtern läſtig und man ſorgte für öffentliche Herbergen, wo die Geſellen für Rechnung der Meiſter ein augenblickliches Unter - kommen fanden. Hier übertrugen ſie die gildiſche Vertraulichkeit auf den Wirth und ſeine Familie, in Ermangelung von Kindern, mißbräuchlich auf Knechte und Mägde des Hauſes. Für dieſe Anſicht ſpricht auch das Ceremoniell der Seiler bei der Umſchau49 und Auflage, wo ſie ſagen: „ Mit Gunſt, daß ich meinen Hut oder Filz darf auf des Herrn Vaters Tiſch legen “; auch die Anrede der Schloſſer an den Meiſter bei der Umſchau: „ Es iſt ein fremder Schloſſer zugereiſ’t kommen, nicht in des Meiſters, ſondern in des Herrn Vaters Haus. “ Auch der Gebrauch, die Geſellen nicht nach ihren Familiennamen, ſondern dem Namen der Stadt zu nen - nen, wo ſie ihr Handwerk erlernt haben*)z. B. Hamburger, Berliner, Wiener ꝛc., iſt ſehr alt und originirt aus dem dreizehnten und zwölften Jahrhundert, wo bürgerliche Perſonen, beſonders Handwerker, noch keine Familien - namen führten, und man wird zu der Annahme verſucht, daß die Meiſter ſelbſt, nachdem ihre bürgerlichen Verhältniſſe ſich würdiger geſtaltet hatten, durch dieſen Gebrauch die fremden Geſellen von ihren Söhnen unterſcheiden und den höhern Standpunkt der vollen Gildſchaft, zu der ſie nur als Meiſter gelangen konnten, fühlen laſſen wollten.
Bisher haben wir nur von dem Geſchenk und der Ehren - ſchenke der Meiſter geſprochen, beydes finden wir auch bei den Geſellen-Brüderſchaften, beſonders bei den Gewerken, wo die Umſchau eingeführt war. Die Ehrenſchenke der Böttcher, bei den Seilern Eingeſchenk auch großes Geſchenk genannt, wurde ihnen bei der erſten Zuſammenkunft, welcher ſie beiwohn - ten, gereicht; das Geſchenk, als Unterſtützung, aber durch den umſchauenden Geſellen zu Theil, und wir können, indem wir von der Umſchau und den übrigen Arten, wie die reiſenden Geſellen ein Unterkommen fanden, ſprechen, auch deſſelben ge - denken; bemerkenswerth für die äußere ſittliche Volksbildung ſind auch hier die dabei vorkommenden Gebräuche und Gewohnheiten, die bisher nur angedeutet werden konnten, worauf die Brüder - ſchaften mit großer Strenge hielten. Bei einigen nahmen ſie ſchon vor den Thoren der Stadt, in welche ſie einwanderten, ihren Anfang; alle waren verpflichtet, ſich vorher in einen an - ſtändigern reinlichern Zuſtand zu ſetzen, als ſie es ſonſt wohl450auf der Reiſe für nöthig hielten. Die Böttcher mußten ihr Schurzleder auf das Bündel ſchnallen, ſo daß der ſogenannte Kreuzriemen über ihrem Kopfe zu ſehen war. Die Zimmerleute ſollten im Rock und mit vorgebundenem Schurzfell einwandern, Schloſſer und Schmiede einen Hammer in der Hand tragen. Einige waren gehalten, vor der Stadt ihre Reiſebündel oder Felleiſen auf die linke Schulter zu nehmen, die Glaſer unterm linken Arm.*)Vorſage Art. VI. In der Stadt ſelbſt war es vielen nicht erlaubt, bei einem Meiſter ihres Handwerks einzuſprechen, vielmehr durften ſie nur nach ihrer Herberge fragen und da einkehren. Aber auch hier war mancherlei zu beobachten; die Schmiede und Schuh - macher legten ihre Felleiſen nicht auf die Bank, ſondern unter dieſe. In kleinen Städten und Flecken war es erlaubt, ſelbſt einen Meiſter zu ſuchen, in großen Städten beſtanden in der Regel zwei Haupteinrichtungen, die Umſchau und das Zu - ſchicken.
Das Umſchauen oder Umſchicken, auch Umwarten genannt, verrichteten die in Arbeit ſtehenden Geſellen nach der Reihefolge, wie ſie bei den Meiſtern in Arbeit getreten waren; Diejenigen, welche die Ordnung traf, wurden Ordengeſellen, Ordenjünger oder Umſchaugeſellen genannt. Bei einigen Gewerken, z. B. den Böttchern und Seilern, verrichteten es die Altgeſellen, waren gar keine Geſellen vorhanden, die jüngſten Meiſter. Das Ge - ſchäft beſteht in der Anfrage bei den Meiſtern, ob ſie für einen eingewanderten Geſellen oder Jünger Arbeit haben. Es mußte in hergebrachter Form und bei dem Meiſter zuerſt geſchehen, an welchem die Reihe war, einem Fremden Arbeit zu geben, jedoch finden ſich auch hierin bei einigen andere Einrichtungen, z. B. den Schloſſern, wo der Fremde einen Meiſter nennen durfte, bei dem er gern arbeiten wollte. Mit der Umſchau war immer eine Bewirthung der Geſellen verbunden, ſie wurde ent - weder auf Koſten der Geſellen-Brüderſchaft**)Bei den Böttchern in Magdeburg, aber nur ganz einfach, Abendeſſen und Nachtlager erhielt er bei dem Meiſter, an welchem die Reihe der Bewirthung war. oder des um -51 ſchauenden Geſellen ausgerichtet. Im erſten Fall war dieſer an eine beſtimmte Summe gebunden, im zweiten blieb ſeiner Gaſt - freundlichkeit überlaſſen, wie er den Fremden bewirthen wollte, z. B. bei den Buchbindern. Hatte der Umſchaugeſell ein Un - terkommen für den Wandergeſellen gefunden, ſo brachte er ihn ein, d. h. er führte ihn dem betreffenden Meiſter zu, welches ebenfalls in hergebrachter fröhlicher Form oder Gewohnheit ge - ſchah. Die Schloſſermeiſter hatten ſodann an den Umſchauge - ſellen ein feſtgeſetztes Einführgeld zu entrichten, deſſen Höhe von dem Range des Gehülfen, auch wohl von der Größe der Stadt, abhängig war; für einen wirklichen oder gemachten Ge - ſellen zahlten ſie nehmlich mehr, als für einen Jünger, auch der eingebrachte Geſell hatte bei ihnen eine Kleinigkeit an den Um - ſchauer zu bezahlen, wodurch dann deſſen Koſten einigermaßen gedeckt wurden. *)Vergl. die Gebräuche bei der Umſchau.Einige Gewerke hatten gewiſſe Tage in der Woche zum Umſchauen beſtimmt, andere ließen es jeden Tag verrichten, damit die Fremden nicht aufgehalten wurden. Die Umſchau zu verlangen ſtand auch den Geſellen dreimal zu, welche in der Stadt in Arbeit ſtanden und am Sonntage von ihren Meiſtern entlaſſen wurden, aber nicht denen, welche freiwillig ihre Entlaſſung forderten, jedoch konnten die Meiſter ihre Ein - willigung dazu geben; ſolchen Geſellen wurde aber das übliche Geſchenk der Meiſter und Geſellen nicht gereicht.
Noch mag erwähnt werden, daß bis 1806 die umſchauenden Böttchergeſellen in Magdeburg blaue Mäntel, den Kragen mit goldenen Treſſen beſetzt, trugen, die Seilergeſellen hielten ein Herz, wodurch ein Pfeil geſteckt war, in der Hand.
Wir gedenken noch einer entſchädigenden Einrichtung, die bei den Buchbindern Statt fand. Hier war jeder fremde in Arbeit tretende Geſell gehalten, nach den 14 Probetagen, wenn er bei ſeinem Meiſter blieb, den zunächſt einwandernden Geſellen umzuſchauen und zu bewirthen, was man für die 14 Tage4*52nannte; er vergalt alſo dadurch die Wohlthat der Brüderſchaft ſogleich wieder.
Der Umſchau ſteht entgegen das Zuſchicken. Es war bei den Schneidern und Schuhmachern gebräuchlich, in der neueſten Zeit ſollen es auch die Tiſchler angenommen haben. Es verhält ſich ſo damit: Die Meiſter, welche Geſellen zu ha - ben wünſchen, zeigen es auf der Herberge an, und der Wirth iſt ſchuldig, den Meiſter, welcher ſich zuerſt bei ihm gemeldet hat, und ſo fort nach der Ordnung zu benachrichtigen, wenn reiſende Geſellen ankommen, oder, nach genommener Abrede, ſogleich ihm zuzuſchicken. Auch Zuführen wurde es genannt, welches bei den Schuhmachern ein armer Meiſter als Handwerksbote verrichtete, und dafür einige Groſchen von den Geſellen erhielt. Die Geſellen der Hufſchmiede holten ſich das Geſchenk ſelbſt und baten zugleich um Arbeit.
Unter allen Arten, wie die wandernden Geſellen ein Unter - kommen erhielten, war die Umſchau die beſte, wenn ſie auch mit einigen Ausgaben und Zeitverſäumniß verknüpft war. Höchſt ſchädlich für ſie iſt dagegen die Verfaſſung, wo ſie ſich ſelbſt Arbeit ſuchen müſſen, beſonders in großen Städten. Sie bringt ſie um die wenigen Groſchen Reiſegeld, die ſie vielleicht noch beſitzen, ſie zwingt die notoriſch armen zum Betteln oder Fech - ten, wie ſie es nennen, entmuthigt und verſchlechtert ſie, die be - reits zum Betteln geneigten finden darin eine gar nicht zu hindernde Gelegenheit dazu und ihrem Trieb zum Nichtsthun zu folgen. Sie können in einer großen Stadt mehrere Tage, unter dem Vorwand, einen Meiſter zu ſuchen, umherſchleichen und betteln. Dieſe Befürchtungen beſeitigte aber die Umſchau nicht allein, ſie übte noch eine andere bedeutende moraliſche Kraft auf die jungen Leute, nehmlich die Gewöhnung an Gaſtfreundſchaft, an thätige Theilnahme an dem Schickſal eines leidenden Bru - ders. Der arme Handwerksburſche, wenn er ſich ſelbſt ein Un - terkommen in einer großen Stadt ſuchen muß, läuft einſam in den Straßen umher, ohne beſondere oder wohl gar unangenehme Theilnahme zu erregen; der, welcher vom Zuſchicken abhängt, iſt der Willkühr des Handwerksboten oder des Herbergswirths hin -53 gegeben, wogegen der, welcher umgeſchau’t wird, ſich feſt auf die Unpartheiligkeit ſeines Cameraden verlaſſen kann, denn die - ſer wird den Meiſtern dafür verantwortlich, wenn er einen über - geht, und die Geſellen-Brüderſchaft würde es ihm nie vergeben, die einzelnen es überall entgelten laſſen, wo ſie ihn fänden. Der Umſchaugeſell ſieht ferner den Fremden zunächſt allein, iſt dieſer entblößt von Gelde, übel beſtellt in Kleidung, ſo kann er ſich ihm offen anvertrauen und bitten, alles Mögliche anzuwenden, ihm Arbeit zu verſchaffen; der gutherzige Umſchauer ſucht nun nicht allein den einen oder andern Meiſter bei bemerkter Neigung, dem Wandergeſellen Arbeit zu geben, durch Bitten vollends dazu zu bewegen, ohne daß er ihm eben ſeine äußere üble Lage erzählt, die ihn bei dem perſönlichen Beſuch des Fremden vielleicht abſchrek - ken möchte; im unglücklichſten Fall ſammelt er bei ſeinem Um - gang von den Geſellen eine Unterſtützung für ihn oder ſpricht die Meiſterlade an, und dies war früher nie ohne Erfolg. Es geſchah unbemerkt, ohne Mitwirkung einer öffentlichen Behörde; die ſtädtiſche Armenkaſſe wurde nicht in Anſpruch genommen, das Ehrgefühl des jungen Mannes geſchont, und er behielt Muth, ſich aufrecht zu erhalten. Man wird freilich einwenden, daß andererſeits dadurch auch dem Leichtſinn, der Faulheit, feſte Brücken gebaut wurden, dergleichen Fälle ſollen aber bei den Geſchenk gebenden Handwerken und wo die Umſchau eingeführt war, höchſt ſelten vorgekommen ſeyn. Nur einmal hatte ein junger geſunder Geſell ſich dieſes Auskunftmittels zu erfreuen; die, welche vom Nichtsthun Profeſſion machten, dabei gewöhnlich alt wurden, gehören dahin nicht, für ſie hatten die Geſellen auch nicht das lebhafte Intereſſe und belegten ſie nicht ſelten mit Spottnamen, und iſt es denn nicht beſſer, eine ehrbare Corpora - tion ſucht nach Kräften auch ihren übelgearteten Mitgliedern fortzuhelfen, als wenn ſie von allen Handwerken zu einer Ge - ſammtmaſſe anwachſen und den ſtädtiſchen Armen-Anſtalten anheim fallen?
54Das iſt ein Gruß, wie ein Itzlicher geſelle grüßen ſoll, wenn er von erſten zu der Hütten eingehet, ſo ſoll er alſo ſprechen:
ſo ſol In der meiſter oder pallier danken, das er ſieht, welcher der oberſt iſt in der Hütten.
Da ſoll der geſelle an denſelbigen anheben und ſoll ſprechen, der Meiſter und nennt In bey namen, der enpeut euch ſeinen werden gruß, ſo ſol der geſelle umbher gehen von einem zu dem andern, Itzlichen freundlich zu grüßen als er den oberſten ge - grüßet hat.
So ſint Ime alle meiſter und pallirer und geſellen erberg - lichen ſchenken**)herberglich, wirthlich oder ehrbarlich? wie die vorgeſchrieben ſtücke von des gruſſes und geſchenks wegen, nicht den ſoll man nicht vor gut halten, er ſey den gebuſt um ein pfundt wachs XXIIII ₰.
Ein Itzlicher Geſelle wen er gedanket wil er förderung ha - ben, ſo ſol er den meiſter darumb bethen ſo ſol In der meiſter fördern auff das nechſte lohn und nit verſagen auff das der geſelle Zerunge verdient, hette der meiſter nicht mehr den das er allein ſtunde der meiſter erledig gan und anfordern. ***)Hiernach ſollte der Meiſter ſelbſt mit Verluſt den Reiſenden Arbeit geben.
Ein Itzlicher wandergeſell ſol bithen um eine bücke, darnach um ein ſtück ſteins, darauf darnach um gezeugk, das ſol man In willigliche leihen. †)Um nehmlich ſein Zeichen, was er beim Geſellenſprechen angenommen hatte, einzugraben.
55Ein Itzlicher wandergeſell ſol die andern geſellen alle bithen und kein ſol es verhören, ſie ſollen alle helfen, Helfet mir auf oder In, das euch Gott helfe, wen ſie geholfen haben ſo ſol er ſein Hut abethun und ſol In danken und ſprechen, Gott danke dem meiſter und pallierer und den Erbaren geſellen.
Sie unterſcheiden, wie die Seiler, den kleinen und großen Gruß, ohne eben dieſen Namen zu brauchen; letzterer, mit dem zugleich das Examen wegen des wirklich erlangten Geſellenſtan - des verbunden war, wurde wahrſcheinlich bei der erſten Auflage, welcher der fremde Geſell beiwohnte, geſprochen, der kleine aber bei dem Meiſter, welchen er um Arbeit (Beförderung) anſprach; wir machen mit dieſem den Anfang: Mit Gunſt und Erlaubniß! Ehrbarer günſtiger Mei - ſter! Ich ſoll Sie (Ihn?) grüßen von den Meiſtern des ganzen ehrſamen Handwerk der Maurer der Stadt N. N., die in der Ehrbarkeit leben, ſich der Ehrbarkeit befleißigen, der Ehrbarkeit gebrauchen, in der Ehrbar - keit ſterben. *)Die Magdeburger ſetzten noch hinzu: die da zünftig ſeyn, das Hand - werk nicht verſchwächen ſondern verſtärken nach Handswerksgebrauch und Gewohnheit, Gott ehre das ehrbare Handwerk!Ich habe gehört, daß der ehrbare gün - ſtige Meiſter für mich ehrbaren Geſellen ehrbare Be - förderung hätte, ſo wollte ich Sie angeſprochen haben auf acht oder vierzehn Tage, nach Ihrer und meiner Beliebung, nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit, ſo lange es Ihnen und mir gefällt.
Hatte nun der Meiſter Arbeit für ihn, ſo ſchickte er ihn zum Polirer, der ihn bei dem Bau anſtellte. Seiner erſten Arbeit ging aber noch eine Ceremonie vorher, nehmlich der Anſchlag. Der Geſelle ſpricht:
Der Fremde, bei dem Eintreten in die Stube des verſam - melten Handwerks:
Ehrbare Geſellſchaft, biſt Du ein Briefer oder ein Grüßer? *)Briefer nannten ſie die reiſenden Geſellen, die auf eine Kundſchaft oder Paß wanderten, ohne den Gruß gelernt zu haben, eine Folge der Geſetze, die alle Gebräuche der Handwerker unterſagten.
Dieſe ſechs Fragen und Antworten ſind durch mündliche Tradition ſo entſtellt, daß ſie einer näheren Erörterung und wo möglich einer Aufklärung bedürfen.
Kaiſer Karl II. regierte 875 bis 877. Der Bau des erſten Doms zu Magdeburg begann aber 963 unter Otto I., der des zweiten oder jetzigen etwa 1207 unter Otto IV., iſt aber nur langſam fortgeſchritten und kann leicht unter Karl IV., 1346 bis 1378, zur Errichtung einer Maurer - und Steinmetzhütte (Loge) in Magdeburg Gelegenheit gegeben haben. Hierauf führt Stieglitz in ſeiner Beſchreibung der Kirche d. h. Kunigunde zu Rochlitz, S. 15, wo er ſagt: » die ſächſiſchen Steinmetze wollten ſchon vom Kaiſer Karl IV. Freiheitsbriefe erhalten haben «, warum alſo nicht auch die Maurer, welche ſchon lange mit den Stein - metzen gemeinſchaftlich an Kirchengebäuden gearbeitet hatten? Vielleicht trägt folgende Einleitung in die Statuten der ver - einigt geweſenen Maurer und Steinmetze in Magdeburg etwas dazu bei.
Nachdem männiglich kund und offenbar daß alle Stände hoch und ſied,*)Niedere. ſich unſers löblichen und kunſtreichen Hand - werks der Steinmetzen und Mäurer in viel Wege gebrauchen und große Koſtung auf die Gebäude gewandt wird und unſer Handwerk in dieſer löblichen Altſtadt Magdeburg ſamt deren Vorſtädten Neuſtadt und Sudenburg bisher durch viel Unord - nungen und manche Störerey und eigen Geſuch etzlicher leicht - fertiger und unverſtändiger Leute in Abfall kommen und uns auf alle Weiſe ſchädlich und nachtheilig vorgefallen, als haben wir ſolches mit getreuen Fleiß bewogen und in guter Eintracht59 eine kurze Ordnunge artikulsweiſe begriffen, welche Ordnunge das Hütten - oder Bruderbuch genannt. Erſtlich vom hochlöblichen römiſchen Könige Maximiliano hochlöblichſter Ge - dächtniß publiciret, confirmiret und hernach auch als Gotha oder das Haus Grimmenſtein gebauet von der ganzen Chur ſamt andern Fürſten Herrn und Städten, inſonderheit Herzog Johann Friedrich des heiligen römiſchen Reichs Erzmarſchall und Chur - fürſten und Johann Ernſt, Gebrüdere Herzoge zu Sachſen Land - grafen in Thüringen Markgrafen zu Meißen anderweit renoviret, auch ſtet feſt und treulich gehalten iſt, williglich angenom - men und beſtätiget worden, welches Hütten - oder Bruder - buch beym Handwerke der Steinmetzen und Mäurer zu Witten - berg in Depoſito zu befinden, darauf wir uns ganz und gar berufen, auch unſer Artikul Abſchrift um die Gebühr Anno 1536 daraus bekommen und in dieſe nachfolgende Ordnung verfaßt und beharrlichen darüber zu halten angelobt haben ꝛc. *)Die Abſchrift dieſer Statuten findet ſich in einem Copialbuche im Prov. -Archive zu Magdeb., unter dem Namen des rothen Buches der Möllenvogtey. Jahr und Tag iſt nicht angegeben, ſie fällt aber der Schrift nach in den Anfang des ſiebenzehnten Jahrhunderts. Die Orthographie iſt ſchwankend und daher nicht beibehalten.
Am Schloſſe Grimmenſtein iſt gebauet worden 1380, 1478 — im letztern Jahre war Maximilian ſchon römiſcher König — ferner 1530 bis 1541 und 1552, in dieſem Jahre ließ Johann Friedrich, nach ſeiner Rückkehr aus der Kaiſerlichen Gefangen - ſchaft, die Feſtungswerke, welche 1547 zerſtört worden waren, wiederherſtellen. **)Allgem. hiſtoriſches Lexicon, Leipzig 1730.Hiernach dürfte die Errichtung des verei - nigten Maurer - und Steinmetz-Handwerks in den ſächſiſchen Landen, zu welchem ſich auch die Magdeburger hielten, in die Regierungszeit Kaiſer Carls V. fallen und es kann wohl geſche - hen ſeyn, daß die Obermeiſter beider Gewerke ihre Vereinigung auf einem der Thürme, die in dieſer Zeit erſt vollendet wurden, ſymboliſch geſchloſſen haben.
Wir fahren nun fort im Examen:
Die reiſenden Geſellen dieſer vereinigten Gewerke durften in den Orten, wo ſie eine Lade und Handwerksgewohnheit ver - muthen konnten, nicht perſönlich bei den Meiſtern um Arbeit anhalten, ſondern mußten ſich auf ihre Herberge begeben. Der Herbergswirth (Vater) ſchickte darauf zu dem Ordenjünger oder Geſellen und ließ ihm ſagen, es ſei ein fremder Geſell angekom - men und verlange die Umſchau.
Wenn dieſer ankam, ließ er zunächſt nach Landesgebrauch Bier oder Wein auf den Tiſch ſtellen, über welchem das Schild der vereinigten Handwerke hing, dann nahm er die Meiſtertafel aus einem Schrank, klopfte damit dreimal auf und ſprach: Alſo mit Gunſt! Sind fremde Schloſſer, Uhr -, Spor -, Büchſen - und Windenmacher vorhanden, ſo ſetzen ſie ſich an dieſen Tiſch, es ſoll ihnen Handwerksgebrauch und Gewohnheit erwieſen werden, wie mir und andern rechtſchaffenen Geſellen und Jüngern iſt erwieſen wor - den, alſo mit Gunſt zum erſten, zweiten und dritten Mal, was Fremde ſind, herbei!
Der Wandergeſell, welcher bis dahin an einem andern Tiſch geſeſſen, ſetzte ſich nun zur Rechten des Ordengeſellen, dieſer reichte ihm die Hand, beide ſtanden auf und erſterer fragte: Mit Gunſt Fremder, Schloſſer?
Nun ſetzten ſich beide und der Ordengeſell trank dem Frem - den zu und das Geſpräch wurde fortgeſetzt.
Jetzt legte der Ordengeſell ihm die Meiſtertafel vor und fragte weiter: Alſo mit Gunſt Fremder, hat er etwa hier einen bekann - ten Meiſter oder von einem ſagen hören, bei welchem er einſchicken möchte, oder will er vom älteſten bis zum jüngſten ſchicken?
Wußte nun der Fremde einen Meiſter, in deſſen Werkſtatt er beſonders gern arbeiten mochte, ſo nannte er ihn, im andern Fall antwortete er: wo es Arbeit giebt.
Der Fremde reichte ſie ihm, beide ſtanden auf und der Or - dengeſell fuhr fort: Alſo mit Gunſt Fremder, laß Er ſich die Zeit nicht lang dauern, habe ich etwas vergeſſen, ſo ſchreibe Er es unter den Tiſch, wenn ich wiederkomme, ſtehe es auf dem Tiſch, damit ich es mit einer Kanne Bier (Wein) auslöſchen kann, mit Gunſt Fremder, ſei Er bedeckt mit dem Hut und nicht mit dem Tiſchblatt. *)Vielleicht eine etwas derbe Warnung, nicht zuviel zu trinken?
Nun verließ er den Fremden und verrichtete die Umſchau; er war gehalten, bei dem Meiſter zuerſt anzufragen, welchen der Fremde ihm genannt hatte, ſodann der Reihe nach bei allen übrigen. Seine Anrede bei den Meiſtern lautete ſo: Glück zu Meiſter! Es iſt ein fremder Schloſſer (Uhrma - cher ꝛc. ) zugereiſ’t kommen, nicht in eines Meiſters ſon - dern in des Herrn Vaters Haus; er begehret auf vierzehn Tage Arbeit, will ihm der Meiſter Arbeit geben, wird es mir lieb ſein, dem Fremden aber noch viel lieber. **)Wie lange hält ſich doch eine Sitte, wenn ſie durch eine Art Geſetzes - kraft eingeführt wird! Obige Anrede wurde mir vor etwa zehn Jah - ren von einem gereiſ’ten Meiſter in Magdeburg, einem gebornen Han - noveraner, mitgetheilt; nun höre man was die Schloſſer in Halberſtadt 1652 ihren Geſellen, als alten Gebrauch, vorſchreiben. (Prov. - Archiv zu Magdeburg.) Zuerſt ſagen ſie, die Geſellen ſollen nicht wie die Bauern fragen: „ Meiſter, wollt ihr einen Knecht ha - ben “, ſondern, „ daß ein guter Jünger wandern kommen in des Va -
64Wollte nun der Meiſter den Geſellen aufnehmen, ſo ant - wortete er: Ich ſage ihm auf vierzehn Tage Arbeit zu, wo nicht: ich danke.
Nach beendigtem Umgang ging der Ordengeſell wieder auf die Herberge und redete den Fremden ſo an: Alſo mit Gunſt Fremder, Er möchte wohl gern wiſſen, woran Er wäre? *)Hier fehlt gewiß die Antwort des Fremden.
Er hat zwar eingeſchickt bei Meiſter N. N., der läßt ſich aber für dies Mal bedanken. Ich bin der Reihe nach weiter gegangen, die günſtigen Meiſter laſſen ſich alle bedanken und wünſchen viel Glück in der Fremde.
Alſo mit Gunſt Fremder, Er mag wohl mehr vergeſſen haben, als ich gelernt habe, übrigens iſt hier der Ge - brauch**)In jeder Stadt mochte dies wohl anders ſeyn., wenn ein Fremder umſchauen läßt und erhält**)ters und nicht in des Meiſters Haus, und begehrte nach Handwerks - gewohnheit vierzehn Tage in ſeiner Werkſtatt zu arbeiten, des Meiſters Nutz zu ſchaffen und Schaden zu verhüten, könnte er dem guten Jünger ohne ſeinen Schaden fördern, das wäre ſein und des Jün - gers Begehr. — Wir hören alſo im achtzehnten Jahrhundert faſt die - ſelben Worte wie 1652.65 Arbeit, ſo bezahlt er zwei Kannen Bier in des Meiſters Haus, erhält er keine Arbeit, ſo bekommt er eben ſo viel zum Thor hinaus, mit Gunſt ſei er bedeckt.
Hatte er ein Unterkommen für ihn gefunden, ſo ſagte er nach den Worten, der läßt ſich aber für diesmal bedan - ken: Aber Meiſter N. läßt auf vierzehn Tage Arbeit zuſagen, nehm Er mit einem armen Meiſter vorlieb, ich wünſche Glück zu einem reichen.
Darauf führte er ihn zu dem betreffenden Meiſter und redete dieſen mit folgenden Worten an: Glück zu! Hier bringe ich dem Meiſter einen Geſellen (Jünger), er wird Schaden zu mindern, Nutzen zu för - dern ſuchen, gebe der Meiſter ihm ſchwarze Feilen und weißes Brod, ſo wird der Meiſter einen guten Geſellen, der Geſell einen guten Meiſter haben.
Nun wünſchte man dem Fremden Glück in die Werkſtatt, er war aber für dieſen Abend der Gaſt des Umſchaugeſellen auf der Herberge. *)Mündlich iſt mir geſagt worden, daß der Meiſter für einen gemachten Geſellen 16 Groſchen, für einen Jünger 12 Groſchen Einführgeld zahlte, was dann beyde Geſellen auf der Herberge verzehrten. Die mir gegebene ſchriftliche Mittheilung eines gereiſten Meiſters enthält davon nichts. d. V.
Die reiſenden Geſellen dieſes Handwerks bekamen kein feſt - geſetztes Geſchenk, ſie hatten im Gegentheil einige Gebühren zu bezahlen, wenn ſie bei einem Meiſter Arbeit erhielten, jedoch mag dies nicht überall Gebrauch geweſen ſeyn; wurden ſie dennoch von dem Umſchaugeſellen bewirthet, ſo geſchah es aus Gaſtfreund - ſchaft. Um hierbei Uebertreibungen vorzubeugen, hatten die Tiſchler in Münſter 1607 verordnet, daß die Umſchaugeſellen nur566ein Maaß Kauts mit dem Fremden trinken, und nicht länger als zwei Stunden bei ihm verweilen ſollten. *)Kauts, eine Art Broyhan. Art. 15 ihres Statuts: Wann ein Geſell Arbeit bekommt, ſo ſollen die Scheffere (Schaffner, ſo hießen an vielen Orten die Altgeſellen), welche für ihn um Arbeit geworben, zur Vermeidung aller Unordnung, nur ein Maaß Kauts mit ihm ver - trinken und alsdann ſich mit dem Geſellen bei den Meiſter verfügen und ſollen ſie nicht länger denn zwo Stunden Zeit zuzuſchicken haben bei Strafe eines Wochenlohns. (Prov. -Archiv in Münſter.)
Wenn der Ordengeſell, Altgeſell oder Schaffner in die Her - bergsſtube trat, reichte er dem Wandergeſellen die Hand und redete ihn ſo an:
Der Herbergsvater hatte inzwiſchen Bier gebracht, der Or - dengeſell trank dem Fremden zu und ſprach:
Nun verließ er ihn und verrichtete die Umſchau, nach ſeiner Zurückkunft ſagte er:
Hatte er kein Unterkommen für ihn gefunden, ſo ſetzte er nach dem Wort bedanken ſogleich hinzu:
Der Altgeſell, der bei dieſem Handwerk die Umſchau ver - richtet, ſpricht: So mit Gunſt! Ein fremder Seiler?
Nun ſetzte ſich der Wandergeſell, und ſprach weiter: Mit Verlaub und Gunſt, daß ich mag niederſitzen und meinen Hut oder Filz auf des Vaters Tiſch legen.
Hierauf verließ er den Fremden und ſchau’te um, nach den - ſelben Regeln, wie es bei andern Handwerken Gebrauch war und der fremde Geſell ſelbſt angedeutet hatte, nur daß er den Meiſter nicht nennen durfte, bei dem er vorzüglich gern arbeiten mochte, wie es den Schloſſergeſellen erlaubt war. Die Meiſter redete er ſo an:
Hatte er ein Unterkommen für ihn gefunden, ſo ſprach er nach ſeiner Zurückkunft nach mehreren Formeln:
Nun führte er ihn zu dem betreffenden Meiſter, der er ſo anredete:
Hatte er keine Arbeit für ihn gefunden, ſo ſagte er nach den Worten, » ſo weit das Handwerk redlich iſt «:
Nun war zwar das Geſchäft der Umſchau beendiget, beide Geſellen blieben aber in der Herberge beiſammen und der Altge - ſelle bewirthete den Fremden in einigen Städten für Rechnung der in Arbeit ſtehenden Brüderſchaft, in anderen auf eigene Koſten.
In kleinen Städten, wo keine Innung und Geſellen-Brüder - ſchaft (Aelteſt und Jüngſt) war, gingen die Reiſenden ſelbſt zu den Meiſtern und baten in vorgeſchriebenen Worten um Arbeit oder das Geſchenk, kamen ſie Nachmittags um vier Uhr, nur um Nachtlager, das ihnen dann, ſo wie ein Abendeſſen, gewährt wurde, in neuerer Zeit ſollen die Meiſter ſie ſtatt deſſen mit 2 Groſchen abgefunden haben.
Meine Leſer würden ermüden über dem monotonen Wort - krahm und der ewig wiederkehrenden Tautologie, wollte ich noch von andern Handwerken dergleichen Gebräuche anführen, was bei dem nächſten Abſchnitt, der Auflage, ohnehin nicht zu umgehen iſt. Ich brauche wohl nicht auf den Unterſchied hin - zuweiſen, der zwiſchen dieſem und dem einfach gemüthlichen Gruß der alten Steinmetze ſich hervorthut; und welch ein tiefer Sinn ſpricht uns an in den wenigen Bruchſtücken des Maurer - grußes; beide zeugen von hohem Alterthum und von der Würde der Gewerke, deren die Geſellen ſich bewußt waren, während in dem der übrigen Handwerker bei aller Neigung zu fröhlicher Sinnlichkeit, die ſogar durch einige Poeſie gehoben wird, doch71 das Gefühl der Armuth ſich ausſpricht, und die Härte, in welcher von Handwerks-Redlichkeit geſprochen wird, einem an - widert.
Wir gedenken noch der Umſchau der Buchbindergeſellen. Sie hatten längſt alles Ceremoniell abgeſchafft, und beobachte - ten nur die unter geſitteten Leuten üblichen Höflichkeiten und konnten hierin wohl als Muſter dienen. Sie bewirtheten den Fremden des Abends in der Herberge, nachdem ſie ihn in das Fremdenbuch hatten einſchreiben laſſen, außerdem erhielt er, wie ſchon früher erwähnt, noch eine Unterſtützung von den Meiſtern.
Sie wurden mit verſchiedenen Namen bezeichnet, bald Laden - tag, Eingang, Vierwochengebot, Umfrage, Schenke, Friedenstag, Tiſchgeſäß und Auflage. Die letzte Benennung iſt die bekann - teſte, und wir wollen ſie beibehalten. Ihr Zweck war in alter Zeit vielſeitiger als im letzten Jahrhundert, er hat ſich jedoch, wenn auch nicht immer öffentlich, doch bis 1806 erhalten. Zu - nächſt ſollten die Rechnungen, welche durch die Pflege kranker und reiſender Mitglieder entſtanden waren, berichtiget werden, wozu Jeder einen feſtgeſetzten Beitrag (Auflage) entrichten mußte. Zweitens ſollte die Brüderſchaft mit den Verordnungen des Stadt-Magiſtrats oder der Innung, welche auf ihre gewerb - liche und polizeiliche Stellung Bezug hatten, bekannt gemacht werden. Drittens ſollte dadurch Zucht, Ordnung und über - haupt die Ehre der Brüderſchaft, im weitern Sinne die Ehre des Handwerks, erhalten werden. Zu dem Ende ſollten Miß - verſtändniſſe der Geſellen unter einander ausgeglichen, Beſchwer - den der Meiſter und anderer Perſonen, wider einzelne Mitglie - der und ihre Aufführung, zur Sprache gebracht werden, aber auch Klagen über die Meiſter und ihre Einrichtungen konnten von den Geſellen angebracht werden, welche dann von den Ge - ſellenvätern der Innung vorgetragen wurden. So erſcheint die Auflage als Polizei - und Sittengericht, als Rügenge - richt alter und neuer Zeit, nur mit dem merkwürdigen Unter -73 ſchied, daß ihre Wirkung, vermöge des ſogenannten ſchwarzen Buches und des gebräuchlichen Scheltens, ſich über ganze Länder erſtreckte, während dieſe im Bereich eines Dorfes oder einer kleinen Stadt blieben. Je nachdem die Brüderſchaft in einer Stadt zahlreich oder ſchwach war, hielt man ſie monatlich oder ſechswöchentlich ab. Der Altgeſell zeigte dem Obermeiſter des Gewerks den Tag der Zuſammenkunft an und bat um Er - laubniß, die Auflage halten zu dürfen. Ein auch zwei Meiſter, welche Geſellenväter genannt wurden, hatten den Vorſitz; ſie wurden dazu jedesmal von dem Altgeſellen eingeladen; der Junggeſell forderte die Geſellen, wenn dieſe nicht ſymboliſch davon benachrichtigt wurden, wie ſchon Seite 8 geſagt iſt. Sie wurde auf der Herberge, bei einigen auch in der Wohnung eines der Geſellenväter, bei verſchloſſenen Thüren gehalten, z. B. bei den Hutmachern. Kein Mitglied durfte ohne hinlänglichen Grund fehlen oder zu ſpät kommen, beides wurde beſtraft. Die Symbole der eröffneten Auflage waren die auf die Tafel geſtellte offene Geſellenlade, der aufgeſtellte Willkommen und die auf - liegenden Geſellen-Artikel. Nachdem der Altgeſell durch Auf - klopfen mit dem Hammer oder Ladenſchlüſſel Ruhe geboten hatte, hielt er eine kurze, in vorgeſchriebener oder herkömmlicher Form abgefaßte Rede, die von der Eröffnungs-Rede eines In - nungs-Obermeiſters an das verſammelte Handwerk beſonders darin ſich unterſchied, daß die Auflage der Geſellen nicht als gehegt, wie die Morgenſprachen der Meiſter bezeichnet wur - den. *)Unſere Innung, ſagten die Schmiede in Magdeburg, hält des Jahres drei hoch gehegte Morgenſprachen. (Pölitz Jahrbücher 1843. Aprilheft.)Die Junggeſellen, bei einigen die Strafbüchſen in den Händen, ſtanden neben dem Altgeſellen oder an der Thür, alle übrigen Geſellen mußten anſtändig ſitzen, kein Arm durfte auf dem Tiſche, die Füße nicht übereinander liegen, die Röcke zuge - knöpft, in alter Zeit mußten ſie in Mänteln erſcheinen. Keiner durfte ein Meſſer oder andere Waffe bei ſich haben, ſie mußten vorher abgegeben werden, keine unruhige, oder unanſtändige Ge - behrden durften geſehen, noch weniger dergleichen Worte gehört74 werden, ſie zogen feſtgeſetzte oder willkührliche Strafen nach ſich. Den Ernſt milderte Scherz, nach dem Grade ihrer Bildung, dem Jugendleben angemeſſen, damit Niemand als eigentlich Untergeordneter erſchien. Niemand durfte, ohne vorher erbetene Erlaubniß, etwas vorbringen; zu dem Ende wurden drei Um - fragen gehalten. In einigen Statuten werden die Geſellen auf - gefordert, vor jeder Auflage die Schulden zu bezahlen, welche ſie unter ſich oder bei anderen Perſonen gemacht haben, » da - mit Fried und Einigkeit erhalten werde «.
Hier vor offener Lade ließen ſich die Geſellen von ihren Alt - geſellen oder den Geſellenvätern viel ſagen, von ihnen nahmen ſie lieber und bereitwilliger Verordnungen der öffentlichen Behörden entgegen, als von den Boten derſelben.
Folgende Gegenſtände konnten gleichſam in erſter Inſtanz vor die Brüderſchaft gebracht werden: Klagen der Meiſter über Zeitverſäumniß, zweideutiges Betragen im Hauſe oder in der Werkſtatt, Trunkenheit, nächtliches Ausbleiben, Verbalinjurien, verletzte Förmlichkeit oder Nachläſſigkeit bei der Umſchau, Ge - ſchwätzigkeit in Bezug auf die Vorgänge in des Meiſters Hauſe oder Werkſtatt, bei der Auflage, Herabſetzen der häuslichen Ein - richtung der Meiſter, Untreue, Betrug, leichtſinniges Verſchul - den, Verführen der Mädchen, Umgang mit berüchtigten Frauen, auch geringen nicht gildewürdigen Perſonen, alles mit Vorbehalt der Innungsrechte oder richterlichen Unterſuchung in zweifelhaf - ten und ſchwer gravirenden Fällen, wo dann der Beſchuldigte gewöhnlich ſo lange von der Brüderſchaft ausgeſchloſſen wurde, bis er gehörig gerechtfertigt erſchien. *)Man erinnere ſich, was bei dem Geſellenſprechen der Schloſſer der Altgeſell zu dem Ausgelernten ſagte.Die gewöhlichen Strafen für leichte Vergehen beſtanden in alter Zeit in Wachs zu Kerzen oder in Bier, in neuerer Zeit in Gelde, welches im Intereſſe der Brüderſchaft verwendet wurde; die Strafe durfte die Höhe eines Wochenlohns erreichen.
Wir gedenken hier des ſogenannten ſchwarzen Buches, oder der ſchwarzen Tafel. Es war allerdings, im Vergleich ſeiner75 Wirkung mit den oft ſehr geringfügigen Urſachen, ein gefährli - ches Regiſter. Nicht allein öffentliche geſetzwidrige Handlun - gen der Geſellen und Meiſter, auch Mißverſtändniſſe der Meiſter und Geſellen untereinander, wurden, wenn der einſeitig für ſchuldig erkannte Theil vor ſeiner Rechtfertigung ſich aus der Stadt entfernt hatte, mithin perſönlich nicht ſofort zu erreichen war, in dieſes Buch eingetragen, und bei jeder Auflage abgeleſen. Hatte er ſich heimlich vom Orte entfernt, ſo wurde ihm nach - geſchrieben und jedes gleiche Gewerk aufgefordert, ihn zur Ver - antwortung zu ziehen, dergleichen Schreiben nannte man Auf - treibebriefe*)Im Prov. -Archiv zu Magdeburg wird noch ein ſolcher Brief des Töpferhandwerkes in Dresden vom 25. September 1659 aufbewahrt, aus welchem hier ein Auszug folgen mag: „ Unſere freundliche Dienſte jederzeit zuvor. Ehrbare und namhafte, inſonders günſtige und geehrte liebe Mitmeiſter und Geſellen. Denſelben geben wir Meiſter und Geſellen des löblichen Handwerks der Töpfer zu Dresden hiermit de - müthigſt zu erkennen was geſtalt ſich unterſchiedene Meiſter und Ge - ſellen nicht nach Handwerksgewohnheit und Gebrauch verhalten haben, derowegen denn unſer aller freundliches Erſuchen und Bitten daß man ſolche Meiſter und Geſellen bei ehrlichen Zünften und Handwerken nicht ehe ehren noch fördern wolle, bis daß ſie ſich ihrer gethanen Verbrechung halber, an gewiſſen Orten und Enden wo es hingehörig, recht billiger Maßen verglichen und vertragen, und deswegen gründ - liche und glaubwürdige Zeugniß, Schrift und Kundſchaft vorzulegen haben. Da den deſſen aller Tauf - und Zunahmen ſind. Als — Erſten werden eingeſchrieben die Meiſter zum großen Hayn wegen ihrer alten Händel ꝛc. und ſoll bis ſie ihre Sache ausgeführt kein Geſelle bei ihnen arbeiten oder da ſolches geſchehen möge, nebenſt die Meiſter mit angeſetzet werden. Starke ein Meiſter zu Naudorf von wegen der Meiſter zu Gr. Hayn. Nun folgen die Geſellen. Balthaſar Voigt von der Freyſtadt, weder Stunde noch halbe Stunde zu fördern. Kaspar Kaßler desgleichen ꝛc. “ Hierauf werden 359 Namen von Geſellen aufgeführt und die Städte, wo ſie ſich vergangen haben, dieſe waren: Meißen, Torgau, — hier wird einer genannt, „ welcher daſelbſt im Geſchenk geſeſſen und das Hand - werk ſchimpfiret “, — Schmiedeberg, Raguna, Deſſau, Zerbſt, Magdeburg, Haldensleben, Helmſtedt, Braunſchweig, Peina, Hildes - heim, Goslar und Salzliebenhalle. Die Töpfer in dieſen Städten hatten alſo die Namen der von ihnen geſcholtenen Geſellen an das Gewerk zu Dresden, wo vielleicht ihre Hauptlade war, eingeſandt. Bei mehreren Namen iſt bemerkt, daß ſie ſich mit dem Handwerk ver - tragen haben. Das Schreiben ſchließt ſo: „ Wann wir denn, gün -; außerdem ſchrieb man ſeinen Namen und76 Vergehen auch in die Kundſchaften der reiſenden Geſellen. So war er verrufen und verfehmt, bis er vor einer Meiſter - und Geſellen-Lade ſein Vergehen abgebüßt hatte, worüber ihm dann ein Schein gegeben und das ausſchreibende Gewerk davon be - nachrichtigt wurde, um ſeinen Namen im ſchwarzen Buch zu löſchen. Den Mißbrauch abgerechnet, daß auch geringfügige Sachen, oft nur ein verletzter oder verſäumter Handwerksge - brauch, dieſe Verfolgung veranlaſſen konnten, hatte dieſe Einrich - tung doch ihr Gutes; erſtlich wurden dadurch Hunderte von jungen Leuten von einem vorgefallenen Vergehen unterrichtet, ohne daß öffentliche Behörden damit behelliget wurden, dann aber wurde ein ſolcher Geſell immer noch geſchont, ſeine böſe Handlung wurde nicht öffentlich bekannt, wie durch Steckbriefe, ſie blieb vielmehr ſo lange als möglich im Bereich des Hand - werks, dem er angehörte, wo jedes Mitglied zur Verſchwiegenheit über das, was bei der Lade vorkam, verpflichtet war, an ſeiner Beſſerung hinderte ihn alſo doch nicht öffentlich erlittene Schande.
Wenn alle ſtatutariſche Angelegenheiten beſeitigt waren, ver - glich man den Caſſenbeſtand mit den augenblicklichen amtlichen Bedürfniſſen, und wenn dieſe es erlaubten, wurde eine Summe zum[gemeinſchaftlichen] Vergnügen für dieſen Tag daraus ent - nommen, was jedoch immer von der Einſicht der vorſitzenden Meiſter abhing, denn dieſe wurden der Innung verantwortlich, wenn die Geſellenkaſſe dadurch zu ſchwach wurde, die Koſten für Krankenpflege der Geſellen zu beſtreiten. Jedenfalls blieb die Ge - ſellſchaft einen Nachmittag beiſammen und lebte ſo fröhlich und gut, als der Beitrag der Lade und ihre eigenen Zuſchüſſe geſtatteten. Auch bei dieſem gemeinſchaftlichen Vergnügen durf -*)ſtige und geehrte gute Freunde, hierbei merklich verſpüren und befinden daß unſer aller Wohl an Handwerksgewohnheit, durch ſolche Unord - nung und vielfältige Verbrechungen zum Heftigſten geſchwächet und die Meiſterſchaft lädiret und in Untergang gebracht wird, alſo bitten wir dienſtliches Fleißes, Ihr wollet vorher angeſetzte Meiſter und Ge - ſellen weder ehren noch fördern auch denſelben keine Handwerksgewohn - heit wiederfahren laſſen, bis ſo lange ſie von den Orten und Stellen da ſie eingeſchrieben worden ſind, richtigen Schein und Vertrag ſchrift - lich vorzulegen haben und bringen ꝛc. Signatum Dresden den 25. Sept. 1659. Wir Meiſter und Geſellen alt und jung daſelbſt. “77ten, ſo lange die Altgeſellen zugegen waren, keine Ungebührlich - keiten vorgehen; wer mehr Bier verſchüttete, als man auf der Tafel mit der Hand und am Boden mit einem Fuß bedecken konnte, verfiel in Strafe. Alles Fluchen, Schwören und Schimpfen war bei Strafe verboten.
Der Auflage, und wie die Zuſammenkünfte der Geſellen ſonſt heißen mögen, ſteht das Hüttenrecht der Steinmetze, vielleicht auch der alten Maurer, zur Seite, nur mit dem Unterſchiede, daß ein jeder Meiſter es mit ſeinen Geſellen hielt. Doctor Stieglitz giebt uns in der mehrerwähnten Schrift über die Kirche zu Rochlitz, einen klaren Begriff davon, es heißt daſelbſt, Seite 41 §. 28:
Galt es den guten Ruf eines Geſellen, ſo durfte ein Mei - ſter nicht entſcheiden, vielmehr mußte die Sache vor mehrere Meiſter gebracht werden. Aehnlich dieſem Grundſatz wurde noch bis 1806 verfahren; was bei dem Hüttenrecht nicht entſchieden werden konnte, wurde dem Handwerk vorgetragen, welches jähr - lich ein oder zweimal zuſammenkam.
Wenn die Brüderſchaft beiſammen war, klopfte der Altgeſell mit einem Hammer dreimal auf und ſprach:
78Nun ſchließt er die Oeffnung im Geſellenkreiſe und fährt fort:
Altgeſell, ruft nun die Werkſtatt auf, deren Geſellen die Auflage zuerſt zahlen ſollen:
80Auf dieſe Weiſe wurde nun fortgefahren, bis ſämmtliche Geſellen ihre Beiträge entrichtet hatten, dann nahm der Altgeſell die Kreide und ſprach: Mit Gunſt, daß ich mag die Kreide ver - ſchreiben; zog damit einen Kreis und legte ſie hinein. ***)Wahrſcheinlich ein ſinnliches Zeichen, deſſen Zweck freilich nicht klar wird, vielleicht mußte im Alterthum das Stück Kreide nach dem Ge - brauch vernichtet werden, um den Verdacht doppelten Anſchreibens zu vermeiden.Dann forderte er gleichſam zum Ueberfluß Diejenigen nochmals auf, die Auflage zu zahlen, welche es etwa noch nicht gethan hatten,81 wobei er zugleich anzeigte, daß nach Ablauf von ſechs Wochen wieder Auflegen gehalten werden ſolle. Wenn Geſellen vorhan - den waren, welche einer Auflage in der betreffenden Stadt noch nicht beigewohnt hatten, ſo wurden ſie nun aufgerufen; zu dem Ende fragte der Altgeſell:
Der Altgeſell trug nun ſeinen Namen in das Geſellenbuch, und er war durch dieſen Act in die Brüderſchaft aufgenommen. Noch dreimal forderte nun der Altgeſell die Geſellen auf, ihre Bei - träge zu berichtigen und etwaige Beſchwerden vorzutragen; mel - dete ſich keiner, ſo ſprach er:
Er zählte nun die eingegangenen Gelder, zeigte die Summe an, welche dann in das Rechnungs-Buch eingetragen wurde, und fragte ſcherzhaft die Geſellen, was ſie mit dem vielen Gelde machen wollten, ob ſie es in’s Hospital ſchicken oder ver - zehren wollten, worauf alle antworteten: in Ruhe und Friede verzehren. Hierbei muß jedoch bemerkt werden, daß zuvor für die Kranken, und was ſonſt der Geſellſchaft zu bezahlen oblag, zurückgelegt wurde, denn nur ein kleiner Theil der Auflegegelder durfte zum Vergnügen verwendet werden.
Wenn alle Angelegenheiten beſeitigt waren, ſprach der Alt - geſell weiter:
85Wenn alle Geſellen um die beſtimmte Stunde beiſammen waren, klopfte der Altgeſell mit einem Schlüſſel dreimal auf den Tiſch und ſprach:
Hierauf begab ſich die ganze Geſellſchaft in ein beſonderes Zimmer, wo an einer Tafel der Obermeiſter nebſt zwei andern86 Meiſtern ſaßen, neben dieſe ſetzten ſich die Altgeſellen; auf der Tafel ſtand die Geſellen-Lade noch uneröffnet, die übrigen Ge - ſellen ſtanden im Kreiſe um die Tafel, alle reinlich gekleidet; der Altgeſell klopfte wieder dreimal auf und redete die Geſellen an:
Nun ſchloß er die Lade auf und gab jedem der Ordenjün - ger eine Büchſe, welche dieſe denen vorhielten und eine beſtimmte Summe als Strafe forderten, welche unruhig waren, plauderten oder gar unanſtändig ſich betrugen; daher wurden ſie auch Straf - büchſen genannt. Nach völlig hergeſtellter Ruhe klopfte der Altgeſell wieder dreimal auf und hielt folgende Rede:
Hatte nun einer der Geſellen oder der beiſitzende Meiſter im Namen des Gewerks oder eines Meiſters, oder der Altgeſell, etwas anzubringen, ſo trat er vor den Tiſch und trug, nach der gewöhnlichen Bitte, ſeine Beſchwerde vor; es wurde debattirt und nach Maaßgabe der Statuten und Mehrheit der Stimmen entſchieden; während das Urtheil gefunden wurde, mußten die Betheiligten aus dem Zimmer gehen. Nach Beſeitigung des Vorgetragenen ſprach der Altgeſell wieder:
Eben ſo wurde die dritte Umfrage ausgerufen, was jedoch nicht geſchah, wenn zwiſchen den beiden erſten nichts vorgebracht war, hernach war es nicht mehr erlaubt, etwas vorzubringen. Inzwiſchen nahm der Altgeſell das ſchwarze Buch aus der Lade und fuhr fort:
Befand ſich nun einer in der Geſellſchaft, deſſen Name ge - nannt wurde, und durch einen Schein oder Zeugen nicht nach - weiſen konnte, daß er das ihm angeſchuldigte Vergehen bereits abgebüßt hatte, der ſteckte wirklich den Kopf zum Fenſter hin - aus. Darauf machte der Altgeſell die Brüderſchaft mit ſeinem Vergehen bekannt, worauf gegen ihn eine Strafe, oder was ſonſt nach den Statuten erforderlich war, erkannt wurde; war das Vergehen von der Art, daß es ihn von der Brüderſchaft ausſchloß,89 alſo ein ehrenrühriges, ſo gab man ihm ſein Auflagegeld zurück, und er mußte ſich entfernen*)Man ſehe, was dem losgeſprochenen Lehrling geſagt wurde. und ſein Recht weiter ſuchen, was ihm unbenommen blieb. Nach dieſem fuhr der Altgeſelle fort:
Hierauf ging nun das vor, was bei dem Geſellenſprechen bereits geſagt iſt.
Meldete ſich Niemand, ſo ſagte er: Alſo mit Gunſt, ſchwei - gen Sie, ſo ſchweige ich auch.
Alle dieſe Artikel wurden in angemeſſenen Zwiſchenräumen geſprochen, auch wurden dazwiſchen die Beiträge der Geſellen geſammelt und in das Rechnungsbuch eingetragen, dieſes auch gehörig berichtiget. Wollte der Altgeſell ſein Amt niederlegen, ſo fuhr er fort:
Darauf wählte die Brüderſchaft einen andern Altgeſellen, oder drückte durch allgemeines Schweigen den Wunſch aus, der bisherige möge noch im Amte bleiben. War er es zufrieden, ſo ſprach er:
90womit denn die Auflage oder das Vierwochengebot geſchloſſen war. Wie bei andern Gewerken, blieb auch hier die Geſellſchaft bei - ſammen und lebte ſo fröhlich als möglich.
Wenn die Brüderſchaft in der gewöhnlichen Gaſtſtube der Herberge beiſammen war, redete ſie der Altgeſell ſo an:
Hierauf gingen ſie ſämmtlich, der Altgeſell voran, in ein anderes Zimmer, welches ſie hinter ſich verſchloſſen; bei dem Eintreten ſprachen Alle:
Nun trat er an das obere Ende der Tafel, auf welcher die Geſellen-Lade ſtand, und fuhr fort — der vorſitzende Meiſter oder Geſellenvater hatte ſchon Platz genommen —:
Jetzt ſetzten ſie ſich um die Tafel, nach der Ordnung, wie ſie in der Stadt Arbeit bekommen hatten, der Junggeſell ſtand91 neben dem Altgeſellen. Dieſer bat um Erlaubniß, die Lade öff - nen zu dürfen, ſagte aber dabei:
Hierauf ſchloß der Junggeſell ein Schloß auf, das andere der Altgeſell, beide ſprachen:
Nun wurden aus der Lade der Willkommen, die Schenk - kanne, die Geſellenartikel, die Geldbüchſe und das Rechnungsbuch, herausgenommen, und der Altgeſell ſprach den großen Gruß:
Nun wurde das übliche Auflagegeld entrichtet, ſodann bat der Altgeſell mit den gewöhnlichen Bitten um Erlaubniß, eine freundliche Umfrage halten zu dürfen, was dann die Ge - ſellſchaft in hergebrachter Form genehmigte; darauf wendete er ſich an den zuletzt eingewanderten Geſellen, der bis jetzt bey - ſitzen der Schenkgeſell genannt wurde, weil er das große Eingeſchenk, oder den Ehrentrunk, noch nicht empfangen hatte, und redete ihn ſo an:
Hatte er nun etwas Nachtheiliges von Meiſter oder Geſellen zu ſagen, ſo mußte er es jetzt thun, vorher aber den großen Gruß ſprechen; wußte er nichts, ſo ſprach er:
Nun bat er in einer ziemlich langen Rede um das große hochlöbliche Eingeſchenk.
Der Altgeſell trug dann ſeinen Wunſch der Geſellſchaft vor, und wiederholte dabei dieſelben Worte des Schenkgeſellen, als wäre ſie nicht dabei geweſen, darauf erwiderte dieſe dann:
Der Altgeſell verſprach ihm nun das Geſchenk oder den Ehrentrunk nach beendigter Umfrage. Hierauf fragte er noch zweimal, ob einer noch etwas vorzutragen habe; meldete ſich Niemand, ſo begann der Akt der Ueberreichung des großen Ein - geſchenks mit dem Examen des Schenkgeſellen.
Nun ſagte der Schenkgeſell, wo er das Handwerk gelernt hatte, wobei nur dieſe Stelle merkwürdig iſt:
Was eigentlich der Sinn dieſer Berechnung ſein mag, möchte ſchwer zu errathen ſein. Wenn es nicht, wie ſo Vieles in den Reden der Geſellen, bloßer Wortkram iſt, ſo werden die vier Probewochen gemeint, die jeder Lehrling vor ſeinem Auf - dingen zu beſtehen hatte und hier noch einmal getheilt werden.
Hierauf fragt ihn der Altgeſell weiter, wo er ſeinen Lehr - braten verſchenkt und den Jüngernamen angenommen, und wo er ſeinen Jüngernamen verſchenkt und den Geſel - lennamen angenommen habe**)Nämlich wo er nach abſolvirten Lehrjahren Jünger und ſpäter wirk - licher Geſell geworden ſei, alſo dieſelbe Einrichtung wie bei den Schloſſern., und welche drei Geſellen bei dem erſten Akt und welche vier Geſellen bei dem zweiten gegenwärtig geweſen. Dieſe Zahlen ſind nicht ohne Bedeutung, ſie beziehen ſich vielmehr auf die hernach folgenden ſieben Artikel. 95Mit öfterm Wiederholen der gewöhnlichen Bittformel und faſt derſelben Worte des Altgeſellen, nannte der Schenkgeſell endlich die Orte und Geſellen, der Altgeſell wendete ſich dann wieder an die Brüderſchaft:
Nun werden dem Schenkgeſellen folgende ſieben Artikel vorgeleſen:
Nach manchen Reden und Bitten um Erlaubniß, überreichte endlich der Altgeſell dem Schenkgeſellen den Pokal oder die Schenkkanne, und ſprach:
Nachdem der Schenkgeſell den großen Gruß geſprochen, erſuchte er die Geſellen, im Fall das Eingeſchenk ihm zu ſtark ſein möchte, ihm zu helfen; worauf er in drei Zügen den Pokal oder die Schenkkanne austrank. Darauf wurde ſie wieder gefüllt und er trank nun auf das Wohl des Altgeſellen und der ganzen Brüderſchaft, wobei man ihm Glück wünſchte. Er dankte ihnen, bat aber noch nach Handwerksgebrauch mit vielen Ceremonieen um das hochlöbliche Aufgeſchenk; ehe ihm daſſelbe bewil - ligt wurde, mußte er erſt die drei verborgenen Artikel beantwor - ten, nämlich:
Auf dem erſten Artikel antwortete er: » von Dir und Deinen Geſellen. «
Die Antwort auf den zweiten und dritten war: Ja, wenn mir das hochlöbliche Aufgeſchenk gereicht wird, dann will ich Handwerksgewohnheit fördern und nicht ſchwächen, ſie iſt ſchon ſchwach genug.
Der Altgeſell fragte nun die Geſellſchaft, ob ſie mit dieſer Erklärung zufrieden ſei und dem Schenkgeſellen das Aufgeſchenk bewillige, was dieſe dann zugab. Darauf wurde die Schenk - kanne wieder gefüllt und der Schenkgeſell und Altgeſell tranken ſich gegenſeitig zu. Zwiſchen allen dieſen Fragen und Antwor - ten wurde immer der große oder kleine Gruß geſprochen. Nach beendigtem vielen Reden und Trinken, fragte der Altgeſell den Schenkgeſellen, ob er bei dieſem Geſchenk etwas geſehen habe,798was der Ehre und Tugend nicht anſtändig ſei? wor - auf dieſer erwiderte:
Der Altgeſell gedenkt in dieſer Rede vielfarbiger Kleidung, womit, einfach genommen, die gewöhnlichen Kleider der Geſellen gemeint ſein könnten, dem iſt aber nicht ſo, vielmehr bezeichnet er damit die phantaſtiſchen Anzüge, welche der Altgeſell und einige andere Geſellen an ſolchen Tagen, oder bei einem Einge - ſchenk, Jünger - oder Geſellenmachen trugen; in der dem Ver - faſſer vorliegenden Handwerksgewohnheit kommt unter andern die Frage des Altgeſellen vor: Iſt einer oder der andere da, der Luſt hat überzuſpringen*)Nämlich über die Geſellenlade, was der Jünger thun mußte; vielleicht legte der Altgeſell, das Ueberſpringen zu erſchweren, noch ſeinen Hut mit einer Feder darauf., der darf meinen Hut, Fe - der und Lieberei nicht ſchonen.
Ferner antwortete ein zum Geſellen geſprochener Jünger, nach vielen mit ihm getriebenen Thorheiten, auf die Frage des99 Altgeſellen, was er bei dem hochlöblichen Geſellenma - chen geſehen habe, unter anderm: ſo hab’ ich auch ge - ſehen Geſellen, Kranzgeſellen, Bandgeſellen und allerhand Farben-Lieberei ꝛc.
Es gab noch eine Art Geſchenk bei den Seilern, welches ſie Gaſtgeſchenk nannten; es wurde wahrſcheinlich den Geſellen gereicht, welche in einer benachbarten kleinen Stadt, wo ſie keine Lade, oder wie ſie ſagten, Aelteſt und Jüngſt hatten, arbeiteten und um ſich nicht zu iſoliren, zu der nächſten Brüderſchaft hiel - ten, und daher ihrer Auflage beiwohnten; ſolchen Geſellen wurde auch der ſogenannte Schenkgroſchen gereicht, den ſie nach ge - ſprochenem großen Gruß wieder zurückgaben, wenn ſie das Gaſt - geſchenk in Natura empfangen hatten.
Waren alle Angelegenheiten, wie ſie bei der Auflage in ihren ſchwerfälligen Formen vorkamen, beſeitiget, ſo hielt der Altgeſell noch einmal Umfrage, ob die Brüderſchaft noch etwas zu erinnern habe, dann verſchenkte er ſein Amt, das heißt er wählte ſelbſt einen aus der Brüderſchaft zu ſeinem Nachfolger; nach deſſen Annahme übergab er ihm die Lade mit allen hinein - gehörenden Stücken, wünſchte ihm Glück dazu und trat zurück; eben ſo verfuhr der Junggeſell, er übergab dem jüngſten, oder dem zuletzt eingewanderten Geſellen, ſeine Schlüſſel zur Lade.
Der neue Altgeſell hielt nun, nach vorher geſprochenem Gruß, noch eine Umfrage; meldete ſich Niemand mit einer Be - ſchwerde oder Erinnerung, ſo verſchloß er die Lade, nach ihm der Junggeſell, nahm ſeinen Hut und ſagte:
Die Auflage der Böttchergeſellen wurde eben ſo gehalten, nur mit großer Beſchränkung des Wortkrams, wie wir ihn bei den Seilern gehört haben. Derſelbe Zweck waltete vor, daher ähnliche Fragen und Antworten, aber ohne die barbariſche Härte und ermüdende Wiederholung, wie bei manchen anderen Brü -7*100derſchaften. Wir können füglich auf ſpezielle Mittheilung ver - zichten, und nur von der Ehrenſchenke oder dem Willkommen ſprechen, die bei dieſer Gelegenheit den zum Geſellen geſprochenen Lehrlingen und den zugewanderten Geſellen gereicht wurde.
Nach der erſten Umfrage des Altgeſellen, ob einer oder der andere etwas zu klagen oder zu erinnern habe, wurde die ſoge - genannte Willkommenfrage von ihm gethan, ſie lautete ſo:
Waren nun fremde Geſellen vorhanden, wozu auch die eben losgeſprochenen Lehrburſchen gezählt wurden, ſo traten ſie vor. Der Altgeſell wählte zwei aus der Brüderſchaft, welche den Willkommen und das Jungfern-Kännchen bekleideten, nämlich die gewöhnlich zierlich gearbeiteten und mit Bändern und Denkmünzen geſchmückten Deckel oder Kronen auf dieſe Gefäße ſetzten, dann fragte er die fremden Geſellen, wo ſie zuletzt gearbeitet hätten und ob ſie auf Meiſter und Geſellen etwas wüßten, oder von auswärtigen Geſellſchaften ihnen anzuzeigen befohlen ſei? Fielen die Antworten befriedigend aus, ſo reichte er ihnen den Willkommen und es wurden nun die ſechs Ehren getrunken.
Altgeſell.
Der fremde Geſell ſprach dieſelben Worte, trank dann und reichte den Willkommen dem Altgeſellen zurück; dieſer fuhr fort:
Dieſes wären alſo die ſechs Ehren; die dritte iſt allein in - tereſſant und ſinnig, ſie drückt die allgemeine brüderliche Theil - nahme der Geſellen unter einander durch alle Länder aus. Wie wohl mußte dem jungen Mann werden, der mit reinem Gewiſſen dieſen Gebrauch fordern konnte, und wie traurig mochte der da - ſtehen, dem die Anzeige irgend einer Schuld vorausgeeilt war, und ihn als unredlich bezeichnet hatte!
Der Altgeſell fragte darauf den Fremden, oder den neuen Geſellen, » Wie befindeſt Du Dich auf dieſen Trunk, Willkom - mens Gnade oder Willkommens Gerechtigkeit? « worauf dieſe antworteten: » Willkommens Gerechtigkeit «*)Dieſe Ausdrücke ſind, wie ſo manche andere in den Handwerksge - wohnheiten, dunkel; wahrſcheinlich wird damit der Unterſchied ange - deutet, der zwiſchen einem ſchuldloſen Geſellen und einem geſcholtenen, welcher nach abgebüßter Strafe durch Darreichung des Willkommens wieder in die Brüderſchaft aufgenommen wurde, ſtatt fand; ihm wurde der Ehrentrunk aus Gnade, dem andern aber aus Gerechtigkeit, oder Gebühr, zu Theil.; dann trank die ganze Geſellſchaft ihre Geſundheit. Die Geſellen hatten für dieſe Ehre vier Groſchen an die Geſellenkaſſe zu zahlen.
Alle polizeilichen Inſtitutionen, auch die religiöſen, haben zu allen Zeiten das Unglück gehabt, über den Formen, in welchen ſie in’s Leben traten und in Wirkſamkeit erhalten werden ſollten, verdunkelt und endlich gar vergeſſen zu werden, wenn dieſe im - mer dieſelben blieben und überall unter allen Umſtänden gleiche Wirkung hervorbringen ſollten. Dieſes Schickſal traf auch die geſellſchaftliche Verfaſſung, die Gebräuche und Gewohnheiten der Geſellen. Von ihnen ſelbſt wurden ihre Rechte oft zu weit aus - gedehnt, ihre Gebräuche und Gewohnheiten durch ſchiefe Ausle - gung und willkührliche Zuſätze verderbt, für die Ruhe der Mei - ſter und ihrer Mitgeſellen ſtörend, und gelegentlich läſtig für das ganze Publikum; und doch hatten dieſe Gewohnheiten den gan - zen Handwerksſtand ſo durchdrungen, daß ein zünftiger Meiſter oder Geſell ohne Verehrung derſelben, gar nicht gedacht werden konnte, und ein faſt dreihundertjähriger, bald ſtiller bald öffent - licher Kampf der polizeilichen Geſetzgebung dazu gehörte, ſie, wo nicht zu vernichten, doch unſchädlich zu machen. Die vorzüg - lichſten Mißbräuche, welche in alter und neuer Zeit faſt bey allen Geſellen-Brüderſchaften vorgekommen ſind, beſtehen in folgenden:
Die drei erſten Arten ſind für uns weniger bedeutend, weil ihre Folgen nicht das geſammte Publikum berührten und durch Wachſamkeit der Innungs-Obern beſchränkt oder ganz vermieden werden konnten. Allerdings ſind bei dem Geſellenſprechen der Böttcher, Hutmacher, Tiſchler, Seiler, Schloſſer und ſelbſt bei den Buchdruckern*)Geßners Anfangsgründe der Buchdruckerkunſt, Leipzig, bei dem Verfaſſer 1743., Härten vorgekommen, ſie trafen aber ge - wöhnlich nur ſolche Burſchen, welche ſich in den Lehrjahren übel, beſonders durch Unhöflichkeit und Ungehorſam, ausgezeichnet hatten, und es liegt ſehr nahe, daß die unzufriedenen Meiſter ſelbſt Veranlaſſung zu einer Correction bei dieſer Gelegenheit gegeben haben; wir wollen ſie aber dennoch nicht entſchuldigen, da der Zweck der dabei vorkommenden Gebräuche dazu dienen ſollte, die Feſtlichkeit des Tages und die Freude der jungen Ge - ſellen über ihren neuen Stand zu erhöhen, aber nicht ihnen ſchädlich zu werden, was gar nicht zu vermeiden war, wenn die Gebräuche wörtlich befolgt wurden.
Die Strenge bei Abhörung des Wandergrußes, wie ſie das Reichspatent vom 31. Auguſt 1731, Artikel IX., beſchreibt**)Ingleichen ſo halten ſie auch auf ihren Handwerksgrüßen, läppiſche Redensart und andere dergleichen ungereimte Dinge ſo ſcharf, daß Der - jenige, welcher etwa in Ablegung oder Erzählung derſelben nur ein Wort oder Jota fehlet, ſich alſobald einer gewiſſen Geldſtrafe unter - geben, weiter wandern oder wohl öfters den Weg zurück laufen und von dem Ort, wo er hergekommen, den Gruß anders holen muß.,105 iſt ſehr hart und in dem Grade in der letzten Hälfte des acht - zehnten Jahrhunderts gewiß nicht vorgekommen.
Was die übertriebenen Forderungen der Wandergeſellen an die Umſchaugeſellen anlangt, ſo wird zugegeben, daß hin und wieder alternde Geſellen die jüngern, beſonders an Sonntagen, ungebührlich in Anſpruch nahmen; man konnte indeß von der fortſchreitenden Bildung der Handwerker und von der Aufmerk - ſamkeit ihrer Obern hoffen, daß dieſe Beſchwerde mit der Zeit ganz aufgehört haben würde, auch beſtanden ſchon, je nach der Größe der Städte, einſchränkende Vorſchriften.
Am wichtigſten und gefährlichſten war das Schelten oder der Verruf der Geſellen unter ſich, einzelner Meiſter, oder ganzer Gewerke. Es war eine uſurpirte Nachahmung der ſtatutariſchen und Gewohnheits-Rechte der Innungen und Handwerke. Dieſe bedienten ſich deſſelben als Executionsmittel wider ungehorſame und unredliche Meiſter und Geſellen; unverantwortlich war es daher von ihnen, auch ihren Gehülfen daſſelbe Recht einzuräumen und ſich dadurch von dem ſchwachen Verſtande der Jugend und ihren Leidenſchaften abhängig zu machen. Wir können dieſe ſchädliche Gewohnheit in zwei Klaſſen theilen; die erſte blieb, wenn nicht außerordentliche Fälle hinzutraten, in den Grenzen einer Hausangelegenheit der Meiſter, indem ſie ihre Wirkung nur auf eine Werkſtatt äußerte. Sie konnte nämlich durch Unzufriedenheit des Meiſters mit ſeinen Geſellen, über ihre Me - thode zu arbeiten, zu ſpätes Aufſtehen, unvorſichtigen Gebrauch oder Verdacht abſichtlichen Mißbrauchs der Materialien, ent - ſtehen, und ſich bis zu einem unbewachten Ausdruck, z. B. dumm, faul, ſchlecht ꝛc. ſteigern; von Seiten der Geſellen konnte Unzufriedenheit über zu geringe Speiſen, unreines Bettzeug und ſonſtiges Leinengeräthe*)Daher das an ſ. O. vorgekommene Reſervat der Meiſter, daß die Geſellen Bett und Bettgewand nicht verachten ſollen., unregelmäßige Zahlung des Wochen - lohns, entſtehen. Konnte der Meiſter die daraus entſtehenden Händel nicht auf der Stelle beilegen, ſo gingen die Geſellen, es betraf einen oder alle in der Werkſtatt, wo nicht ſofort, doch den nächſten Sonntag von ihm und verboten allen übrigen in106 der Stadt, bei ihm zu arbeiten, bis die Sache bei der Innung unterſucht und ausgeglichen war. Zu dieſer Klaſſe gehört auch, wenn ein Meiſter von der Innung ſelbſt geſcholten wurde, in dieſem Fall durften die Geſellen nur mit Erlaubniß des Ober - meiſters bei ihm bleiben.
Die zweite Klaſſe ereignete ſich, wenn die Meiſter einen gemeinſamen Beſchluß über eine vorzunehmende Veränderung in den Verhältniſſen der Geſellen zu ihnen, gefaßt hatten, mit dem dieſe nicht einverſtanden waren und der auf ihre Vorſtellung nicht zurückgenommen wurde. Dahin gehören: Vermehrung der Ar - beitsſtunden, Herabſetzung des Lohns, Verlegung der Auflage - termine, Beſchränkung des Gebrauchs des Brüderſchaftsſiegels, und der Feier gewiſſer Tage, dritter Feiertag, blauer Montag, verſagtes Gehör bei der Innung oder Abweiſung ꝛc. Jede dieſer Vorfallenheiten war geeignet, einen allgemeinen Aufſtand unter ihnen hervorzurufen, beſonders wenn die Altgeſellen gegen die Anordnung der Meiſter eingenommen waren. Konnte man ſich nicht einigen, ſo zogen die Geſellen in Maſſe aus der Stadt, erließen aber vorher Laufſchreiben an die Brüderſchaften ihres Handwerks in den nächſten und entfernteſten Städten, worin ſie dieſen unterſagten, ſo lange in der betreffenden Stadt zu arbei - ten, bis die Meiſter ihren Beſchluß würden zurückgenommen haben. Ein ſolcher Aufſtand oder Verruf nahm mehr oder we - niger einen politiſchen Charakter an, er verletzte die Privilegien der betreffenden Innung in allen Staaten, die Landeshoheit der Fürſten, und ſtörte den Frieden vieler Hundert Familien, denn auch die eingebornen Geſellen der betreffenden Stadt mußten der größern Maſſe folgen, wenn ſie ſich nicht der Verachtung und Rache derſelben auf ihrer künftigen Wanderſchaft ausſetzen wollten. Ein ſolcher Aufſtand wurde noch bedenklicher, wenn die Orts-Obrigkeit Veranlaſſung dazu gegeben hatte, und die Meiſter ſich der Geſellen nicht annahmen. Dieſer Fall ereignete ſich 1725 unter den Schuhmachern in Augsburg. Die Hand - werksgeſellen mögen hin und wieder in ähnliche Verirrungen ge - fallen ſein, aber keine hat der Innungsverfaſſung ſo ſehr geſcha - det, als dieſe, denn ſie iſt unbezweifelt die nächſte Veranlaſſung107 zu dem Reichsgeſetz von 1731, wodurch ſie tief erſchüttert wurde, es ſei alſo erlaubt, einige Augenblicke dabei zu verweilen.
Bei Gelegenheit eines Streits der Schuhmachergeſellen in Würzburg 1724*)Europäiſche Staats-Canzlei, Band 49, S. 554., von dem die dortige Regierung dem Ma - giſtrat in Augsburg Mittheilung machte, entdeckte das Hand - werksgericht**)Eine Deputation des Magiſtrats., daß das Brüderſchaftsſiegel der Geſellen nicht in ihrer Lade verſchloſſen, ſondern in den Händen der Altgeſellen war und die Brüderſchaft ohne Vorwiſſen der vorſitzenden Mei - ſter mit auswärtigen Geſellſchaften correſpondire. Das Gericht fand ſich dadurch veranlaßt, den Geſellenartikeln die nöthigen Verbote inſeriren zu laſſen, und forderte zu dem Ende dieſe Ur - kunde von ihnen. Nach mancher Weigerung lieferten ſie die Altgeſellen zwar aus, riſſen aber ſpäter die eingetragenen Sätze wieder heraus, ſämmtliche Geſellen verließen ihre Werkſtätten und lagerten ſich auf ihre Herbergen. ***)Sie theilten ſich in Augsburg nach dem Glaubensbekenntniß in zwei Brüderſchaften, und hatten zwei Laden und Herbergen.Der Magiſtrat ließ hierauf beide Häuſer militairiſch umſtellen, bemächtigte ſich der Altgeſellen und hatte in der Ueberzeugung, daß man dieſe Geißeln nicht verlaſſen werde, den Sturm auf einige Augenblicke glücklich beſchworen; beide Brüderſchaften ſchienen zur Nachgiebigkeit bereit und nach einigem Capituliren ließen ſie geſchehen, daß man die Geſellenladen auf das Rathhaus ſchaffte, von den Alt - geſellen öffnen und die neuen Verordnungen den Geſellenartikeln beifügte. Dieſes ſcheinbare Fügen, die Klagen der Meiſter, bei dem nahen Oſterfeſte » die Geſellen nicht entrathen zu können, und die Furcht des Magiſtrats vor der Ge - fahr, ſo ſich bei der Gefangennehmung einer ſo großen Anzahl der Purſchen hätte begeben können «, beſtimmte ihn, ſämmtliche Rebellen freyzugeben, nachdem ſie an Eidesſtatt und bei Verluſt ihres ehrlichen Namens angelobt hat - ten, zu ihren Meiſtern in Arbeit zu gehen und die weitern Be - ſchlüſſe abzuwarten; auch ließ der Magiſtrat die Geſellenladen und Bücher wieder auf die Herbergen ſchaffen. Die Geſellen108 gingen nun zwar vor der Hand wieder zu ihren Meiſtern, ver - weigerten aber die gewöhnliche Auflage zu halten und die Auf - lagegelder zu entrichten, bis der Rath die neuen Verordnungen zurückgenommen haben würde. Dieſer an ſeinem Theil, hatte in Erwägung, daß der Frevel und Trotz der Geſellen nicht unge - ahndet hingehen könne, ihnen eine Strafe von 1½ Gulden für den Mann zuerkannt, ſie warteten jedoch das Erkenntniß nicht ab, ſondern zogen, 132 an der Zahl, aus der Stadt, in das nahe liegende Baierſche Städtchen Friedberg. Hier lagen ſie an zwölf Wochen, während dem der Magiſtrat zu Augsburg vergebens mit ihnen unterhandelte, bis Geldnoth ſie entzweiete und zur Beſinnung brachte. Sie hatten in dieſer Zeit 3132 Gulden Schulden gemacht, und es handelte ſich endlich nicht ſo ernſtlich um ihre Rückkehr nach Augsburg, als um Herbeiſchaf - fung dieſer Summe, welche ſie noch dazu von dem Magiſtrat forderten. Jetzt, wahrſcheinlich auf Anrufen der Einwohner zu Friedberg, nahm die Landesregierung thätigen Antheil an dem Handel; ſie ſchickte eine Commiſſion dahin, ließ mehrere, beſon - ders die Altgeſellen, einſperren, bis die ganze Brüderſchaft ſich mittelſt ausgeſtellter und beſchworner Obligation verbindlich machte, die aufgelaufene Schuld binnen drei Jahren zu bezah - len; worauf man ſie ungehindert ziehen ließ. Eine kleine An - zahl, vielleicht nur Eingeborner, kehrte zwar nach Augsburg zurück, die Mehrzahl zerſtreute ſich jedoch und 1728 war die Sache noch nicht völlig ausgeglichen; die Meiſter, auf welche endlich die Geſellen alle Schuld wälzten, baten noch in dieſem Jahre den Magiſtrat um Abhülfe und verſicherten, daß kein fremder Geſell bei ihnen arbeiten wolle.
Nach den Regeln der damals noch ziemlich feſten deutſchen Innungsverfaſſung, erkennen wir zwei Fehler, welche dieſen Auf - ſtand herbeiführten; einmal, daß die Geſchwornen oder Geſellen - beiſitzer zugegeben hatten, daß die Altgeſellen das Brüderſchafts - ſiegel in den Händen behielten, was bei gehöriger Aufmerkſamkeit nicht geſchehen konnte; zweitens, daß der Magiſtrat, oder das Handwerksgericht, ſeine Verordnung nicht an die Innung, als die nächſte Behörde der Geſellen, vielmehr unmittelbar an dieſe richtete, welche aber, vermöge ihrer Statuten, nur von dieſer Befehle anzunehmen hatte; es wird auch wahrſcheinlich, daß die Meiſter, in der Meinung, die Geſellen würden es ſo weit nicht treiben, dieſe anfangs unterſtützten, um ihre Empfindlichkeit darüber, daß ſie übergangen waren, an den Tag zu legen.
109Wie tief dieſer unglückſelige Gebrauch bei den Geſellen-Brü - derſchaften Wurzel geſchlagen hatte, und in welcher läſtigen Ab - hängigkeit die Meiſter dadurch erhalten wurden, ſehen wir noch im Jahre 1799, wo die Schloſſergeſellen in Frankfurt a. M. ſämmtlich aus der Stadt zogen, weil man ihnen das gewöhn - liche Frühſtück nicht um einen Kreuzer erhöhen wollte. *)Prrov. -Archiv in Magdeburg.Vor - her hatten ſie, wie in der älteſten Zeit, Abmahnungs - und Droh - briefe an die Brüderſchaften in Caſſel, Berlin, Hamburg, Copen - hagen u. m. a. Orten erlaſſen, worin ſie die Geſellen für unredlich erklärten, welche in Frankfurt Arbeit nehmen würden.
Minder nachtheilig für die Meiſter und das betreffende Pu - blikum war zwar das einſeitige Schelten der Geſellen unter ſich, aber doch höchſt gefährlich für die Ruhe, ja ſogar für die perſön - liche Sicherheit der einzelnen Genoſſen, die es betraf. Dieſer Verruf konnte eintreten, wenn ein Geſell die Anſichten ſeines un - zufriedenen Mitarbeiters in der Werkſtatt, bei deſſen perſönlichem Zwiſt auf der Herberge, oder ſonſt wo, nicht theilen wollte, wie das ſo oft im Leben und in allen Ständen vorkommen kann; im Trunk, beſonders bei der Schenke zum Thor hinaus, auch wenn einer von einem allgemeinen Aufſtande ſich ausſchloß, oder heimlich bei einem geſcholtenen Meiſter arbeitete, wenn er einen Wandergeſellen angeblich nicht gut bewirthet hatte, endlich bei dem Tanz, wenn einer das Mädchen des andern verachtete, oder vorzugsweiſe mit ihm tanzen wollte; kurz, nach allen ähn - lichen Vorfällen, wie ſie jungen Leuten in allen Ständen begeg - nen und Zweikampf oder Prozeſſe herbeiführen können. Ge - wöhnlich erklärten ſie ſich gegenſeitig für ſchlecht, und nun durfte keiner meben dem Geſcholtenen arbeiten, bis ſeine Händel ausge - glichen waren, was denn wohl durch verſtändige Altgeſellen ge - ſchah. Die Sache wurde jedoch ſchlimmer, wenn die ſtreitenden Geſellem in aufgeregter Leidenſchaft die Stadt in verſchiedenen Richtumgen verließen und ihre Anſichten und den Verruf in meh - rere Sttädte und Länder trugen.
Dem Verruf ähnlich und unter Umſtänden recht drückend, konnte wie Unduldſamkeit gegen beweibte Geſellen werden**)Naich Lambrechts Cameral-Wiſſenſchaft, Berlin 1797, Seite 143, verrlangten die Geſellen, daß die beweibten den letzten Stuhl oder Pllatz in der Werkſtatt einnehmen ſollten.; ſie originirtt unbezweifelt aus den ſtrengen Keuſchheitsgeſetzen der In -8110nungen, wozu ſich ſpäter ein ſehr zu entſchuldigender Eigennutz oder Sorge für das Unterkommen der Geſellen verband. Nach jenen ſehr bekannten Geſetzen betrachteten die Geſellen den Eheſtand eines ihrer Mitarbeiter als Folge der Uebertretung deſſelben, und in politiſcher Hinſicht als Hinderniß ihres Fortkommens und Beſchränkung ihrer Freiheit. Dieſe Freiheit, obgleich dem Wort nach ſich nicht klar bewußt, ſollte jeder Einzelne der geſammten weit verzweigten Brüderſchaft bewahren*)Handwerksgewohnheit ſtärken und nicht ſchwächen., ſie hielten ſie gefährdet, wenn einer ſich in Verhältniſſe verſetzte, welche ſeinen Willen und unbedingte Theilnahme an dem Gemeinwohl der Brüder - ſchaft beſchränken konnten. Dies war nun freilich der Fall bei den verehelichten Genoſſen, deren ganze Subſiſtenz in den Hän - den der Meiſter lag und einer weitern Ausführung nicht bedarf. Diejenigen, welche für Stücklohn arbeiteten, hegten den Ver - dacht, daß man jenen vortheilhaftere Bedingungen zugeſtehe, oder ſolche Gegenſtände zutheile, welche beſonders gut förderten; die Wandergeſellen, daß ihnen ihr Unterkommen erſchwert werde, in - dem die verehelichten die Stadt nicht mehr verließen. Der nächſte Druck, den dieſe Unduldſamkeit erzeugte, war, daß die Brüder - ſchaft ihnen keinen Antheil an der Krankenkaſſe zugeſtehen, andere ſie gar nicht neben ſich in der Werkſtatt dulden wollten, z. B. die Schloſſer in Magdeburg. Die Sache von rein menſchlicher Anſicht genommen, machten die Geſellen ſich einer Härte ſchul - dig, die leicht die nachtheiligſten Folgen auf das Gemüth eines ſolchen Ehemanns haben konnte, aber ſie führt gleichwohl zu ſehr ernſten Betrachtuugen über die ehelichen Verbindungen der Handwerksgehülfen, die Bauhandwerker allenfalls ausgenommen, ohne Rückſicht auf Zünfte oder Gewerbefreiheit.
Die Ehe bleibt an ſich, bei allen äußern Vortheilen, welche unſere Stellung in der Geſellſchaft uns verſpricht, ſelbſt bei hin - länglichem Capitalbeſitz, der die Verbindung begünſtiget, ein mo - raliſches Wagſtück; wo aber die bürgerliche Stellung des Ehe - mannes und ſein Erwerb nur auf auflöslichen Contracten und auf geringem Lohn baſirt, was bei den Handwerksgehülfen ganz beſonders der Fall iſt, da wird ſie gewöhnlich das erſte Glied einer langen Kette moraliſcher und phyſiſcher Leiden. Immer wiederkehrende Noth, unaufhörliche Sorgen, drücken dann auch das beſte Herz nieder, es verkümmert oder verwildert unter zu - nehmenden Drangſalen und bei der immer mehr ſchwindenden Hoffnung, jemals ſelbſtſtändig ſich bewegen zu können. Da iſt111 es denn nicht zu verwundern, wenn ein leidenſchaftlicher Mann ſein ganzes Unglück in der Ehe findet und in ſchlecht bewachter Stimmung ſeinen Unmuth an der armen Frau ausläßt, die doch nur das Opfer ſeiner Unbeſonnenheit wurde!
Ein ſolches Elend von den Innungen und Städten möglichſt entfernt zu halten, war die Unduldſamkeit der Geſellen wohl geeignet, wenn gleich geſetzlich nicht zu rechtfertigen.
Die Unduldſamkeit gegen ſolche Genoſſen, welche eine Zeit in Fabriken und Manufakturen gearbeitet, oder Livré getragen hatten, war eine Folge der ſtrengen Abgeſchloſſenheit jedes Ge - werks, des Verbots aller Pfuſcherei und was dieſer Vorſchub leiſten konnte, ſo wie des Strebens der Innungen, jene nicht aufkommen zu laſſen; indeß wurde von Seite der Geſellen we - niger darauf gehalten, auch haben ſie manchen Gewinn aus der Technik der Fabriken in ihre Meiſterſchaft mit hinüber ge - nommen.
Die Feier abgeſchaffter Feſttage, beſonders der dritte Feier - tag an hohen Feſten, gab ebenfalls zu manchen Klagen Veran - laſſung, ſie findet aber bei einigen Handwerken, z. B. den Schuhmachern und Schneidern, billige Entſchuldigung, indem bei ihnen die Geſellen in den Wochen vor hohen Feſten, oft jeden Sonnabend halbe Nächte, den ganzen erſten Feſttag und den halben Sonntag arbeiten müſſen, damit die Meiſter ihre Kunden befriedigen können; man konnte ihnen daher wohl einige Erholungsſtunden nach den Feſten und Sonntagen gönnen.
Wir kommen hier auf den ſo ſehr verrufenen blauen Montag; ſein Entſtehen iſt, wie alle öffentliche Feſte, kirchlich. Es war der Montag nach dem Sonntage Eſtomihi, alſo vor dem Anfang der Faſten. *)In Erfurt feierten mehrere Handwerke, u. a. die Schuhmacher, den Montag nach Jacobi als grünen Montag. Es war der Feſttag ihres Schutzheiligen; auch der Schmiede-Obermeiſter wurde an dieſem Tage feierlich mit der Innung beliehen. Sie ſchmückten an dieſem Tage ihre Häuſer und Läden mit grünen Zweigen, welche ihnen aus Herrſchaftlichen Forſten geliefert wurden. (Erhards Geſchichte von Erfurt, S. 306.)Man zierte an dieſem Tage, be - ſonders im ſüdlichen Deutſchland, das Innere der Kirche mit blauen Gewändern, lebte nach vollbrachtem Gottesdienſt, in der Ausſicht auf die beſchränkende Faſtenzeit, noch ſo luſtig als möglich, und fing eigentlich damit ſchon die Feier der Faſtnacht an. Man nannte ihn auch den gailen Montag, ſowie den112 darauf folgenden Dienstag, Narrenkirchweihtag*)Zinkernagel, Handbuch für Archivare, S. 258., welche Bezeichnung den Zweck der Feier hinlänglich andeutet. Nach der Reformation verlor ſich zwar der Name, die Geſellen woll - ten aber den Tag unter der Zahl der Feſte nicht miſſen und man bewilligte ihnen dafür mehrere freie oder gute Mon - tage im Jahre; die Bezeichnung blau, übertrugen ſie ſpäter ſprichwörtlich auf jeden Tag in der Woche, an welchem ſie nicht arbeiten wollten. **)Zu den Kämpfen gegen den blauen Montag können wir noch den Vorſchlag im Handbuche für den geſitteten Bürgerſtand, Berlin bei Schüne, Abſchn. 14, zählen, den Geſellen nämlich zu ihrer Erholung einen blauen Mittwoch zu bewilligen — dadurch würde aber der halbe Donnerstag auch blau geworden ſein!
Einige Brüderſchaften machten am Faſtnachtstage gewiſſe Obſervanzen geltend, z. B. die Hufſchmiede, welche von den Meiſtern und deren gewöhnlichen Kunden, Wurſt oder Geld einſammelten, die Fleiſcher ſchmückten einen fetten Ochſen mit Blumen und Bändern, und zogen damit durch die Straßen. Einige Feſte ſind uns kaum noch dem Namen nach bekannt, z. B. der Lucastag der Glaſer, welcher im nördlichen Deutſch - land unter dem Namen großer und kleiner Lucas gefeiert wurde; der Hofzug der Zimmerleute in Halle, welcher noch in den Re - gierungsjahren des letzten geiſtlichen Adminiſtrators des Erzſtifts Magdeburg vorkommt, der Joſephstag in Erfurt, den die dorti - gen Zimmerleute feierten, der Reiftag der Böttcher, in München vor Anfang der Faſtenzeit, in Halle in der Pfingſtwoche gehal - ten, er ſoll den Geſellen bedeutende Koſten verurſacht haben. ***)Dem Verfaſſer iſt darüber Folgendes von dem Stadtverordneten Herrn Böttchermeiſter Balck in Magdeburg mitgetheilt worden: „ Der Reiftag wird noch, aber höchſt ſelten, namentlich in München, nach ſieben Jahren einmal gehalten. Sein Entſtehen fällt in eine ſehr alte Zeit, wo in Deutſchland eine Peſt große Verheerungen angerichtet haben ſoll. Nach dieſer Schreckenszeit ſollen die Böttchergeſellen die Erſten geweſen ſein, welche durch ihre Arbeiten und Tanzen um ihre Tonnen und Schwingen der Reife die eingeſchüchterten Einwohner wieder aus ihren Wohnungen gelockt haben. In München treten gewöhnlich 12 bis 20 Geſellen zuſammen, und gehen deshalb ſchon zwei oft drei Monate vorher aus der Arbeit, um den Tanz einzuüben. Die Zeit der Ausführung beginnt gewöhnlich am heiligen Dreikönigstage und dauert bis zur Faſtnacht. Die Tänzer ſind mit einer rothen Tuch - jacke, ſchwarzer Sammthoſe, weißen Strümpfen und ſchwarzen Schu - hen bekleidet, als Kopfbedeckung tragen ſie eine runde Mütze von grü -
113Dergleichen Feſte gaben dem Volksleben in den Städten ein heiteres Anſehen, wenn ſie von Uebertreibung frei blieben, was jedoch bei der großen Verſchiedenheit der Bildung und Nei - gung der jungen Leute nicht zu vermeiden war.
Man hat im letzten Jahrhundert bei mehreren Gelegenhei - ten Berechnungen der Verluſte angeſtellt, welche durch die Ver - ſäumniß am Montage für den Handwerksſtand und das ganze Publikum entſtehen und große Capitalſummen als Reſultat der - ſelben herausgeſtellt*)Krünitz Encyclopädie, Thl. 21, S. 540., deren Werth jedoch nur in einem künſtlichen Calcül und nicht im praktiſchen Leben liegt. Wenn die Hand - werker nur immer Arbeit genug haben, ſo können ſie die Ver - ſäumniß einiger Stunden am Montage im Laufe der Woche durch angeſtrengtere Thätigkeit wohl wieder gut machen, bleibt ihnen doch in ihrem glücklichſten Zuſtande beinahe gar keine Zeit zur Erholung, da ſie, wie ſchon gedacht, oft genug halbe Nächte und die Sonntage arbeiten müſſen, um ihren Kunden gefällig zu ſein; ſie iſt alſo nur ein ſcheinbares Uebel, das Zeit und indirecte Mittel ſicherer beſeitigen, als ſtrenge Verbote. Der eigentliche Mißbrauch, den die Geſellen davon machten, beſtand in gegenſeitigen Ueberredungen zum abſoluten Ausgehen, denen Böswillige auch wohl Drohungen hinzufügten, wodurch ſie ihre genoſſenſchaftliche Freiheit angriffen, auf welche ſie doch ſo ſehr hielten, und heftige Streitigkeiten herbeizogen.
***)nem Sammet mit blauen und weißen Federn. Zwei von ihnen ſind phantaſtiſch gekleidet und begleiten ſie als luſtige Perſonen. Ihr geordneter Zug, bei welchem Jeder einen bunten Reif trägt, geht des Vormittags von der Herberge aus in die Straßen wo Große und Reiche wohnen, dort tanzen ſie vor den Häuſern in verſchiedenen Stellungen und Gruppirungen, ſchwenken mit Wein gefüllte Gläſer in den Reifen in künſtlichen Touren und Zügen, trinken die Geſund - heit der Herrſchaften, die ſie dann gewöhnlich reichlich beſchenken, wo - durch ihre bedeutenden Auslagen gedeckt werden. “
Andere Zeiten andere Sitten! Der Handwerksſtand hat Jahr - hunderte lang an den ſeinigen feſtgehalten und nur das allge - meine Schickſal der deutſchen Reichsverfaſſung konnte auflöſende Spaltungen in ſeinen abgeſchloſſenen Verhältniſſen hervorbringen. Die gewaltſame Aufhebung aller Corporationen in den Theilen unſeres Vaterlandes, die dem franzöſiſchen Reich eine kurze Zeit unterworfen wurden, ferner in den Fürſtenthümern, die das Kö - nigreich Weſtphalen bildeten, fand auch in den übrigen Staaten, wenn auch nicht unbedingte, doch theilweiſe Nachahmung; ſeit - dem und bis dieſen Augenblick wird im höhern Publiko die An - ſicht feſtgehalten: die Verfaſſung der Gilden, Innungen und Handwerke habe ſich längſt überlebt, ſie paſſe nicht mehr für den Standpunkt der Nation überhaupt, ſelbſt nicht mehr für den Handwerksſtand, der eine bedeutende Stufe ſittlicher Cultur erſtiegen habe und ſich vollkommen frei bewegen müſſe. Des Verfaſſers Abſicht und Beruf iſt es nicht, hierüber eine Meinung zu äußern, er erlaubt ſich nur noch auf die Ungleichheit der Er - ziehung der Jugend hinzuweiſen, welcher die Handwerke zu - gänglich ſind, und dabei auf eine einflußreiche hiſtoriſche Epoche der Innungen aufmerkſam zu machen. Es iſt nehmlich ein bekannter und in gegenwärtiger Schrift wieder berührter Zug der Innungen und Gilden, daß ſie in den frühern Jahrhunderten ſich von der niedern Volksklaſſe möglichſt frei hielten, bis die Reichsgeſetze im ſechszehnten Jahrhundert*)Polizeiordnung von 1548, Tit. 37, und von 1577, Tit. 38. ſie auch dieſer öff - neten. Welche Mittel hatten nun die Corporationen, bei dem dürftigen Schulunterricht jener Zeit, zu verhüten, daß ihr Stand dadurch nicht in moraliſchen Nachtheil gerieth, und zu bewirken, daß die Aufgedrungenen ihren Söhnen ähnlich wurden? Die115 techniſche Ausbildung bewirkte dieſe Verbeſſerung und beſeitigte die angedeutete Gefahr nicht, ſie blieb, einſeitig gedacht, ohne Einfluß auf äußere und innere Ordnung ihres Lebens; hier kamen ihnen ihre Statuten und Gewohnheiten allein zu Hülfe, ja es wird höchſt wahrſcheinlich, daß die wunderlichen Gebräuche und Unnamen, die bei dem ſogenannten Jünger - und Geſellen - machen vorkommen, erſt nach jenen Geſetzen entſtanden ſind; denn es liegt eine gar nicht zu verkennende Anſpielung auf eine ganz geringe Abkunft des Lehrlings darin, welche die Innungs - verwandten früherer Zeit ſchwerlich würden geduldet haben.
Der junge Menſch wurde nach abſolvirter Lehrzeit zwar freigeſprochen von der unmittelbaren Aufſicht ſeines Meiſters, von ſeinen Mitgeſellen und den Innungen aber fortwährend über - wacht; auch dieſe Aufſicht war in ihren Geſellenartikeln und Gewohnheiten begründet. Obgleich dem Knabenalter entwachſen, wurde er dennoch, bald durch Vortheile bald durch Nachtheile, in ſpielenden, uns freilich zum Theil abſurd vorkommenden For - men, fortwährend an Pünktlichkeit, Treue, Beſtändigkeit und Feſt - halten an beſtehenden Verfaſſungen, gewöhnt; ſie lehrten ihn nach eingeführter Ordnung ſprechen, und zur rechten Zeit ſchweigen. Ihre Gebräuche dienten ihrer Phantaſie, wie den Kindern ein Spielzeug, zum Zeitvertreib; durch ihre Beobachtung bei den Zuſammenkünften, durch Abhörung ihres Grußes, wurden ſie abgehalten von andern ihrer Stellung fremden Ideen, und es iſt kaum zu bezweifeln, daß die darin herrſchende Monotonie und Tautologie, viel zur Erhaltung der Einfachheit und Feſtigkeit in Rede und Handlung der Handwerker beigetragen haben.
Der Geſellenſtand der Handwerker wird immer die Vor - ſchule dieſer Bürgerklaſſe bleiben; was die Innungen ſeit Jahrhunderten darin geleiſtet haben, kann nicht dankbar genug erkannt werden; doch iſt es abgeſchloſſen mit ihrer Auflöſung, und Geſellenverbindungen können für die Meiſter, ohne Innung, nicht wünſchenswerth ſein, ja unter Umſtänden ſogar gefährlich für ſie werden; ihre ehemalige Sorgfalt iſt den Volks - und Bürger - ſchulen, ſpäter den Polizeibehörden übertragen; möge es dieſen gelingen, die ſchwere Aufgabe dauernd zu löſen!
Druck: Faber’ſche Buchdruckerei.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
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