Zur Einfuͤhrung dieſer kleinen Schrift in’s Publikum habe ich weiter nichts zu ſagen, als daß hiermit ver - wandte Aufſaͤtze: die Grundzuͤge der geſellſchaftlichen Verfaſſung der Meiſter, in den Zeitſchriften:
abgedruckt ſind. Außerdem ſpricht der Gegenſtand fuͤr ſich ſelbſt und iſt es werth, der Nachwelt aufbewahrt zu werden, da er der Gegenwart immer mehr entſchwin - den wird.
Zugleich danke ich den ehrenwerthen Maͤnnern freund - lichſt, die mir uͤber Gebraͤuche und Gewohnheiten der Geſellen Mittheilungen gemacht haben, welche ich ver - gebens in den mir zugaͤnglichen Acten fruͤherer Ver - waltungsbehoͤrden ſuchte.
Magdeburg, im November 1843.
Der Verfaſſer.
So lange die Handwerker als freie Arbeiter oder in den Städten nur als Anſiedler ihr Gewerbe trieben, konnte, wenn ſie ſich auch techniſch von einander unterſchieden, in ihren Werk - ſtätten zwiſchen Meiſter und Gehülfen nur ein Contractsverhältniß ohne rechtliche Wirkung für die Zukunft beſtehen. Der Beſitzer einer Werkſtatt oder eines Arbeitsplatzes fand in ſeinen heran - wachſenden Söhnen oder fremden Knaben die nöthige Hand - reichung, wobei dieſe ſein Handwerk bis zu einem Grad von Vollkommenheit, den nur ihre Willkühr oder ein Gefühl von Selbſtſtändigkeit beſtimmte, erlernten und dann, wenn ſie die Mittel dazu beſaßen, daſſelbe für ihre Rechnung trieben. Ein Stand zwiſchen Lehrling und Meiſter mit auszeichnenden recht - lichen Befugniſſen und Pflichten, wie wir ihn ſeit Jahrhunderten unter dem Namen Handwerksgeſell oder ſchlechthin Ge - ſell kennen, war ſo wenig vorhanden als nothwendig, da der Titel Meiſter noch keinen politiſchen, ſondern allein Künſt - lerwerth hatte, und jedem freien Mann unbenommen war auf alle Weiſe ſich ſeinen Unterhalt zu erwerben, denn die mechani - ſchen Arbeiter hatten als ſolche noch kein feſtes bürgerliches Verhältniß in den Städten erlangt. Durch ihr Zuſammentreten12in Corporationen mit gildiſchen Rechten, durch ihre politiſche Erhebung zum dritten Stande in den Städten,*)Hüllmanns Städteweſen Thl. I., S. 305, 318 ꝛc. und Thl. II., S. 245, 247. — Wilda, das Gildeweſen des Mittelalters, 2. Ab - ſchnitt, die Handwerksgilden. v. Tzſchoppe und Stenzels Ur - kundenſammlung, Hamburg, bei Perthes S. 250. „ Wer in eine Innung aufgenommen ſein wollte, bezahlte eine beſtimmte Summe Geldes und mußte Bürgen ſetzen, daß er ein Jahr in der Stadt bei dem Handwerke bleiben wolle. “— Dies beſtätiget auch die in eben dieſem Werke gegebene Handveſte der Stadt Schweidnitz von 1328, es heißt daſelbſt §. 26: Vorbaz welch Hantwerchmann welches Hant - wercht her iſt der ſine Innunge gewinnen wil der ſal Burgen ſetzen und Gewiſſet tun daz her ein gantz Jar blibe in der Stat an ſime Hantwerke. mit welchen ſich das Prohibitions-Syſtem als Baſis bürgerlicher Fortdauer vergeſellſchaftete, wurde eine Sonderung der Arbeiter in den verſchiedenen Fächern herbeigeführt, und nur auszeichnende Ge - ſchicklichkeit und lange Einwohnerſchaft in der betreffenden Stadt, verbunden mit gutem Ruf, konnten zur Aufnahme in dieſe Ge - ſellſchaften befähigen.
Es liegt zu fern und iſt nicht nöthig zu erforſchen, ob in jenen Zeiten in den Städten ſo viele Arbeiter eines Fachs vor - handen waren, daß bei dem Zuſammentreten der vorzüglichſten in geſchloſſene Geſellſchaften viel oder wenig Genoſſen zurück blieben, die nicht mehr frei arbeiten durften, vielmehr in ein abhängiges Verhältniß zu jenen traten, genug, mit der engen Verbindung der erſtern, die wir nun Meiſter nennen wollen, entſtand ein Unterſchied unter den Handwerkern, der die Grund - lage einer höhern techniſchen Ausbildung der einzelnen Perſonen wurde und auf die moraliſche Stellung des Standes ſelbſt mächtig einwirkte.
Gleich nach jener Uebergangsperiode wurden wie in der neueſten Zeit mit dem Prädikat Meiſter beſtimmte politiſche Rechte, aber auch gewerblich-polizeyliche Beſchränkungen verbun - den; jene zu erwerben, mußten die übrig gebliebenen und ange - henden jungen Genoſſen ſich dieſen ſchon früh unterwerfen. Eine der vorzüglichſten Beſchränkungen, die aus der ſcharfen gewerb - lichen Trennung der Meiſter-Innungen oder Gilden floß, war die,3 daß man ihnen nur erlaubte, bei Männern ihres Fachs, welche Mitglieder einer privilegirten Geſellſchaft waren, für Lohn zu arbeiten; ſie durften alſo weder für ihre eigene Rechnung eine Werkſtatt oder Arbeitsplatz halten, noch bei Leu - ten außer ihrem Fach ſich um Lohn verdingen. Wenn auf Seite der Geſellen dieſe Iſolirung läſtig, zuweilen ſogar ſchädlich erſchien, ſo trat dagegen die Reciprocität ausgleichend ins Mittel, denn auch die Meiſter waren verbunden, nur junge Leute ihres Fachs in den Werkſtuben um Lohn zu beſchäftigen. In dieſem gegenſeitigen Zwangsverhältniß beruht allein der Rechtsſtand der Geſellen zur Innung, Gilde oder Handwerk; es unterſcheidet ſie zugleich weſentlich von dem gemeinen Geſinde der übrigen bür - gerlichen Welt, welches nach dem Empfange ſeines Lohns aus aller Beziehung zu dem Stande ſeines Brodherrn tritt, wenn dieſer ſeinem ja ähnlich oder gleich war.
Dieſer Rechtsſtand konnte bei der frühern Geſetzgebung nur von den Geſellſchaften ſelbſt durch angemeſſene Vorſchriften feſt - gehalten werden. Die Nothwendigkeit wurde gar bald gefühlt! Hatten ſich die Handwerksmeiſter herausgehoben aus der allge - meinen Bürgergemeine und wollten ſie ihre Würde als raths - fähige Corporationen auf die Dauer ſichern, ſo durfte es ihnen nicht gleichgültig ſein, wie die Gehülfen ihres Fachs, aus denen ſie ſich ergänzten, lebten; ja ſie mußten ſich ſicher ſtellen, ſtets geſchickte und moraliſch gute Leute in ihnen zu finden; dies konnte nur durch Vorſchriften geſchehen, welche den Gehülfen beſtimmte Pflichten gegen die Meiſter auflegten, deren treue Er - füllung ihnen die Ausſicht öffnete, einſt Mitglied einer Innung zu werden, mithin ihre Iſolirung aufhob und ſie der Meiſter - ſchaft näher ſtellte. So entſtanden die Statuten oder Geſellen - Artikel, anfangs von den Landes - oder Stadt-Behörden nur geduldet, ſpäter ſelbſt confirmirt, durch ſie aber auch neue Hand - werksvereine, die Geſellenbrüderſchaft. Ihre Abhängigkeit von den Corporationen der Meiſter war nur noch daran zu erkennen, daß ein oder zwei Meiſter, die ſie Geſellenväter nann - ten, bei ihren Zuſammenkünften den Vorſitz führten. So viel Gutes in ſittlicher Hinſicht dieſe Statuten bewirkt haben, ſo viel1*4Unheil für die Meiſter, ja ſelbſt für die ſtädtiſche Verfaſſung, hat der einzige Umſtand hervorgebracht, daß man dieſen Fremden - gilden, was ſie eigentlich nur waren, einen eigenen Ge - richtsſtand in erſter Inſtanz bewilligte; ja es ſind Spuren vorhanden, daß die Meiſter in gewiſſen Fällen ſelbſt vor ihnen ſtehen mußten.
Neben den Statuten befolgten ſie aber auch gewiſſe Ge - wohnheiten und Gebräuche, auf welche in vielen Geſellenordnun - gen und in den Statuten der Meiſter Bezug genommen wird, ohne ſie wörtlich auszuſprechen; die Erfahrung hat gelehrt, daß ſie auf dieſe mehr hielten als auf jene; denn die wandernden Geſellen pflegten bei ihrer Ankunft in einer Stadt auf der Her - berge nicht nach Statuten und Geſetzen zu fragen, ſondern, ob Handwerksgewohnheit gehalten werde. *)Die Seilergeſellen fragten, ob Aelteſt und Jüngſt in der Stadt ſey? d. h. ob ſo viel Geſellen ihres Handwerks in Arbeit ſtanden, daß ſie Auflage halten und Alt - und Junggeſelllen wählen konnten. Der Handwerksgewohnheiten waren gar viele und oft von dem Handwerksbetrieb ſelbſt hergeleitet, daher nur den Mitgliedern des betreffenden Gewerks bekannt. Die gewöhnlichſten bei allen beſtanden etwa in folgenden: Das Geſellenmachen, der Gruß, die Auflage, Auftreiben unredlicher Mitglieder, Feſthalten an gewiſſen Arbeitsſtunden und Feiertagen, als blauer Montag, Faſtnacht, dritter Feiertag. Als beſondere kommen vor: das Geſchenk, die Umſchau, Einbringen der Fremden, das Geleit zum Thor hinaus ꝛc.Auch dieſe Gewohnheiten, lediglich in dem Herkommen begründet und durch Tradition durch ganz Deutſchland verbreitet, ſtellten ſich zwar in willkührlicher Deutung oder Ausdehnung den Beſchlüſſen der Innungen, und ſelbſt Landesherrlichen Verordnungen, oft feindlich gegenüber; aber dennoch bildeten ſie, vereint mit den Statuten, ein ſtarkes Band der Ordnung und Sitte, das Tau - ſende von jungen Leuten mit den verſchiedenſten Verſtandeskräften und Lebensanſichten zuſammenhielt, ihre oft wilden Leidenſchaf - ten zügelte und ſie zu guten Bürgern bildete. Was dieſe Tochter - gilden zu allen Zeiten beſonders ausgezeichnet hat, iſt: Ehrlich - keit, Treue und Verſchwiegenheit, ein bis zum Irrthum geſtei - gertes genoſſenſchaftliches Ehrgefühl, eine innige Theilnahme für ihre Mitglieder durch ganz Deutſchland, ja durch das ganze5 civiliſirte Europa*)In der dritten Ehre der Böttchergeſellen in Magdeburg, welche ſie beim Ueberreichen des Willkommens an ein neues Mitglied aus - brachten, hieß es: Mit Gunſt, daß ich mag unſern ehrlichen Will - kommen von des Krugvaters Tiſch aufheben, ihn an meinen Mund ſetzen, thuen daraus einen guten Trunk und trinke dem guten Geſellen zu der vor mir war und nach mir kommen wird, er ſey aus Reußen oder Preußen, aus Holland oder Braband, ſo er hierher kommt, ſoll er Beſcheid thun, das gilt dir Hans, proſit Hans!, das Feſthalten an den eben erwähnten Ge - wohnheiten und Gebräuchen, eine Neigung das fröhliche Jugend - leben bis zur höchſten Gleichgültigkeit gegen Mangel, Hitze und Kälte zu ſteigern. Ueberall ſind ſie einheimiſch, wo ſie Hand - werksgewohnheit finden und einige Cameraden die feſt an ihr halten. Als conſtituirte Corporationen hatten ſie Beamtete, führten öffentliche Siegel, unter welchen ſie oft die ausgedehnte - ſten Verbindungen unterhielten, und vermöge der ihnen geſtatte - ten Gerichtsbarkeit in erſter Inſtanz**)In dem Generalprivilegio des Tiſchler-Handwerks für die Altmark von 1563, erneuert durch den Churfürſten Friedrich Wilhelm 1645, heißt es: Item, ſo ein Meiſter etwas unredlichs oder unleidlichs von einem Geſellen vermerkt, ſoll er ihn vor beklagen vor den Geſellen und ſo es die Geſellen nicht ſtrafen wollten oder nicht entrichten könn - ten, darf man doch nicht das ganze Handwerk verboten laſſen. (Prov. - Archiv in Magdeburg.) die Symbole volksthüm - lich richterlicher Gewalt, Hammer und Stab. Gleich den Mei - ſtern unterhielten ſie Ehrengeräthe, nehmlich Lade,***)In den Staaten, wo man die Geſellen-Brüderſchaften nur duldete, durften ſie keine Lade führen, ſondern mußten ihre Geſellſchaftskaſſe in einer Büchſe verwahrt in die Meiſterlade legen, z. B. die Schuh - machergeſellen in Münſter; im Vten Artikel ihres Statuts von 1553 heißt es: Item eth ſollen de Schoknechte eine Büſſe hebben dar ſe düſſe vorgeſchrevne pennige vnd brocke inſammeln. Das ſal de Büſſe ſyn by den Lechtvaders†)Lechtvader, Lechtſcheffer oder Schaffer, Geſellenvater, Alt - geſell, von Einlegen; ſie hatten auf das richtige Einlegen der Geſellenbeiträge zu halten. und de ſlottel by den Lechtſchaffers. Auch die Tiſchlergeſellen in Magdeburg durften am Ende des vorigen Jahr - hunderts keine Lade, ſondern nur eine Büchſe zu ihren Beiträgen hal - ten; man ſieht daraus, welches Gewicht die Behörden, einverſtanden mit den Meiſtern, auf die Führung einer Handwerkslade legten. (Prov. -Archiv in Münſter.) Willkom - men, Jungfernkannen und Fahnen zu Feſtzügen, und in dieſem6 Augenblick ſehen wir noch öffentliche Schilder an den Häuſern, wo ſie ihre Herbergen haben, ſelbſt da, wo ihre Verbrüderung nicht mehr geduldet wird; ſie unterſtützten ihre kranken und rei - ſenden Genoſſen und ſorgten für ehrliche Beſtattung der verſtor - benen Mitglieder.
Sie kommen unter mancherlei Namen vor, Schaffer, La - dengeſell, Ordengeſell, Ordenjünger, Altführer, Jüngſtführer, Schaugeſell, Knappmeiſter, Altgeſell, Junggeſell. Ihre Zahl richtete ſich nach der Stärke der Geſellſchaft. Jedenfalls findet man auch bei der kleinſten Brüderſchaft zwei Beamtete, nehm - lich einen Alt - und Junggeſellen; zahlreiche Geſellſchaften, z. B. Schuhmacher und Schneider, hielten noch beſondere Boten. Wo zwei oder mehrere Altgeſellen im Amt ſtanden, hieß der ältere Worthalter, der zweite Ladengeſell auch Schaffer oder Rechnungsführer. Die Altgeſellen waren zwar nicht eigentlich Vorgeſetzte der Brüderſchaft, die Mitglieder waren ihnen aber überall Achtung und bei den Zuſammenkünften Gehorſam ſchul - dig. Ihre Wahl wurde durch Stimmenſammlung bewirkt, ſie fiel gewöhnlich auf gewanderte Geſellen, beſonders ſolche, die eine längere Zeit in der Stadt arbeiteten und in moraliſcher Hinſicht guten Ruf hatten. Das Amt des Junggeſellen ruhete wie bei den Meiſtern das Jungmeiſteramt, auf den jüngſten Ge - noſſen, alſo in der Regel auf den Ausgelernten; waren dergleichen nicht vorhanden, ſo traf es den zuletzt eingewanderten fremden Geſellen, jedoch mußte er erſt wirkliches Mitglied der Brüder - ſchaft geworden ſeyn. Die Altgeſellen und Rechnungsführer hatten zunächſt für die Erhaltung des Verbandes zu ſorgen, zu dem Ende die Geldbeiträge (Auflagegelder) bei den Zuſammen - künften einzufordern und in das Rechnungsbuch einzutragen, die Gelder ſtatutenmäßig oder nach gemeinſamem Beſchluß der Brü - derſchaft zu verwenden und darüber Rechnung zu führen, die7 jedoch immer ſehr einfach und nur ſummariſch verlangt wurde, jedoch waren ſie ſowohl der Brüderſchaft als der Meiſterſchaft dafür verantwortlich. Sie hatten für die Unterbringung der Kranken zu ſorgen, wenn dieſe nicht in den Wohnungen der Meiſter verpflegt werden konnten; jeden Sonntag mußten ſie ſich nach ihrem Zuſtand erkundigen und die etwa nöthigen Vorſchüſſe zu ihrer Verpflegung, mit Vorwiſſen des Geſellenvaters oder Bei - ſitzers, aus der Lade entnehmen. Die Altgeſellen nahmen ſich der auf irgend eine Art bedrängten Mitglieder an, ſprachen für ſie und waren befugt, kleine Streitigkeiten zwiſchen Meiſter und Geſellen, oder dieſen unter ſich, beſonders auf den Herbergen auszugleichen. In dieſer ſchiedsmänniſchen Eigenſchaft gewähr - ten ſie in den Zeiten, wo die niedere Polizey faſt gänzlich in den Händen der Corporationen lag, den fremden Geſellen einen kräftigen Anhalt; in Streit - und Straffällen entſchied die ganze Geſellſchaft und die Altgeſellen waren nur das Organ derſelben. Es gehörte zur Uebernahme dieſes Amts allerdings ein guter, durch Erfahrung gebildeter Verſtand, rechtſchaffener und feſter Charakter, vorzügliche Geſchicklichkeit im Handwerk, damit der Inhaber nicht leicht von andern, beſonders ſeinen Mitarbeitern in der Werkſtatt, überſehen werden konnte. Zu beklagen iſt freilich, daß in neuerer Zeit die Wahl nicht immer in dieſem Sinne ausfiel, vielmehr wählten die jungen Leute gewöhnlich ſolche Geſellen, welche nach ihrer Meinung recht kräftig auf Handwerksgewohnheit hielten, aber oft arge Rabuliſten waren, dies iſt eine der vorzüglichſten Schattenſeiten des Geſellenver - bandes. Die Dauer dieſes Amtes war in der Regel von einer Zuſammenkunft (Auflage) zur andern feſtgeſetzt; es finden ſich aber Vorſchriften, wonach ein Vierteljahr, auch ein halbes Jahr beſtimmt wird, auch ſollte es unentgeltlich verwaltet werden, indeß kommen bei einigen Gewerken doch Renumerationen vor, z. B. Befreiung von den gewöhnlichen Geſellenbeiträgen, freie Zeche am Tage der Auflage ꝛc. Zu ihren Pflichten gehörte fer - ner, daß ſie ſich am Sonntage wenigſtens einige Stunden auf der Herberge aufhielten, auch ſollten ſie an dieſem Tage bei dem Geſellenvater Rückfrage halten, ob er etwas die Geſellſchaft Be -8 treffendes zu beſorgen habe. Zu den Gewohnheiten gehörte, daß ſie den Schlüſſel zur Lade nicht mit ſich aus der Stadt nehmen, ſondern in der Wohnung ihres Meiſters laſſen oder bei dem Geſellenbeiſitzer niederlegen ſollten. Wollten ſie vor dem Eintritt eines Auflagetermins die Stadt verlaſſen, um ihre Wanderung fortzuſetzen: ſo legten ſie ihr Amt in die Hände des Geſellen - beiſitzers nieder, welcher mit Genehmigung des Obermeiſters ſofort einen andern bis zur nächſten Zuſammenkunft der Geſell - ſchaft ernannte, wo es dieſer überlaſſen blieb, ihn im Amte zu laſſen oder einen andern zu wählen: das Rechnungsweſen hatte der Abgehende inzwiſchen mit dem Beiſitzer zu berichtigen.
Der Junggeſell war der Diener der Geſellſchaft in Amts - ſachen und in dieſer Beziehung dem Altgeſellen untergeben. Bei einigen ſtand er während der Auflage neben dem Altgeſellen am Tiſch, bei andern an der Thür, bei allen nahm er in der Ord - nung den letzten Platz ein. Wo kein Bote gehalten wurde, mußte er auf Befehl des Altgeſellen die Brüderſchaft zu den Verſammlungen fordern*)Einige Brüderſchaften riefen ihre Mitglieder durch gewiſſe Symbole zuſammen, z. B. die Schmiede ſchickten einen Nagel oder Hammer, die Schuhmacher den Ladenſchlüſſel von einer Werkſtatt zur andern. Vergl. Grimms Rechtsalterthümer S. 162, Art. Hammer. (verboten), bei der Auflage die Ge - ſellenlade auf den Tiſch ſetzen, die Auflagegelder von den Mit - gliedern einſammeln, wenn es nicht gebräuchlich war, daß dieſe ſelbſt ſolche auf den Tiſch legten, wie z. B. die Hufſchmiede. Sollten Streitigkeiten unterſucht werden und die Partheien ab - treten, öffnete ihnen der Junggeſell die Thür, und rief ſie nach gefaßtem Beſchluß wieder herein; bei einigen, z. B. den Seiler - geſellen, hatte der Junggeſell auch einen Schlüſſel zur Geſel - lenlade.
Es gab noch ein Amt, welches der Reihe nach einen jeden Geſellen treffen konnte, bei einigen aber, z. B. den Böttchern in Magdeburg, mit dem Altgeſellenamt verbunden war. Es iſt das Ordenamt, verderbt Oerten, Irten, ſogar Erdenamt genannt. Wir finden es beſonders bei den Handwerken, wo die Umſchau der Geſellen eingeführt iſt, daher heißen ſie auch9 Schaugeſellen. Sie hatten für die Unterbringung der ein - wandernden Geſellen zu ſorgen, mußten ſie bewirthen, wo Ge - ſchenke eingeführt waren, und ihnen den Gruß abfordern. Stan - den bei dem betreffenden Gewerk einmal gar keine Geſellen in Arbeit, ſo fiel es dem jüngſten Meiſter anheim, welcher dann auch Ordenmeiſter genannt wurde. Bei dem Abſchnitt von der Wanderſchaft wird mehr davon vorkommen.
Jedes Mitglied derſelben war verbunden, zur Beſtreitung ihrer gemeinſamen Bedürfniſſe beizutragen; dahin gehörten: die Herbergsmiethe oder die Erhaltung des Hauſes dazu, wenn die Geſellſchaft eins beſaß. Die Pflege der Kranken, Ausgaben für Lichte und gemeinſchaftliches Eſſen bei ihren Zuſammenkünften, Erhaltung der Ehrengeräthe, als: Willkommen, Schenkkannen und anderer derſelben gehörigen Utenſilien, Unterſtützung der Rei - ſenden. Dieſe Beiträge wurden unter dem ſchon gedachten Namen Auflage, auch Zeitgeld, bei den Schuhmachern in Münſter Stuhl - oder Stättegeld, entrichtet. Außerdem hatten die einwandernden Geſellen, wenn ſie in der Stadt Arbeit erhiel - ten, bei der erſten Zuſammenkunft oder Auflage der Brüder - ſchaft eine Gebühr zu entrichten, welche man Einſchreibe - geld, auch Ordengroſchen nannte; auch hatten die ausgelernten Lehrlinge bei ihrer Aufnahme in die Brüderſchaft einige Gebühren zu zahlen. Aus dieſen Einnahmen, wozu in neuerer Zeit etwa einkommende Strafgelder kamen,*)In der früheſten Zeit beſtanden dergleichen Strafen in Bier oder Wachs. bildete ſich die Geſellen - kaſſe. War die Brüderſchaft anhaltend ſchwach, gleichwohl10 kranke Mitglieder vorhanden, ſo traten die Meiſter hülflich hinzu. *)Die Statuten bewilligten eigentlich nur Vorſchüſſe, welche die Wie - dergeneſenen erſtatten ſollten; befanden ſie ſich dazu außer Stande, beſonders wenn ſie aus Mangel an Arbeit reiſen mußten, ſo wurden ſie ihnen erlaſſen. Starb der Kranke unter der Pflege der Geſell - ſchaft: ſo fiel ſeine Verlaſſenſchaft an Kleidern, Geld ꝛc. dieſer an - heim, wenn ſeine Verwandten ſie durch Erſtattung der Verpflegungs - koſten nicht auslöſ’ten.Die Verſtorbenen wurden von der geſammten Brü - derſchaft zur Erde beſtattet; zu dem Ende unterhielten in großen Städten die Zimmergeſellen, Maurer, die Tuchmacher, Schuh - macher, Schneider ꝛc. eigenes Leichengeräthe. Ihr öffentliches Betragen ſollte anſtändig ſeyn, zu dem Ende durfte keiner un - ſauber gekleidet auf der Straße erſcheinen,**)Und wie er ſich in Allem der Ehrbarkeit befleißigen ſoll, ſagen die Raſchmacher in Quedlinburg, alſo ſoll er auch nicht mit unbedecktem Haupt und entblößten Füßen über die Straße gehen oder mit Knaben und Jungen ſpielen ꝛc. (Prov. -A. in Magdeb.) Auch den Bäckerge - ſellen in Erfurt wurde verboten, auf der Straße baarſchenkelig zu erſcheinen. Die Glaſer in Magdeburg verboten in der Vorſage dem neuen Geſellen, aus der Taſche zu naſchen ꝛc. Trunkenheit ver - meiden, nicht mit verdächtigen Frauenzimmern umgehen oder ſie auf die Herberge bringen, bei der Abreiſe aus der Stadt keine Schulden hinterlaſſen, widrigenfalls wurde ihnen nachgeſchrieben und ſie ſo lange verfolgt, bis ſie ſolche berichtiget hatten; ſich gegenſeitig nicht verläumden, überhaupt offen und redlich mit einander umgehen; von dem, was bei der Auflage vorkam, nicht gegen Fremde ſprechen, endlich die Gewohnheiten und Gebräuche fortpflanzen, Handwerksgewohnheit ſtärken und nicht ſchwächen, ſagten die Maurer und Seiler. Der Verdacht, noch mehr aber eine bekannt gewordene ſchlechte Handlung, Diebſtahl, abſichtlicher Betrug u. dgl. ſchloß den Betheiligten bis nach erfolgter Entſcheidung, von der Brüderſchaft in jeder Stadt aus; ungünſtige vollſtreckte obrigkeitliche Urtheile hatten für ſie dieſelben harten Folgen wie bei den Meiſterſchaften, wo ein erwieſener und beſtrafter Diebſtahl oder dem ähnliches Ver - brechen den Verluſt der Innung oder Gilde nach ſich zog.
Die genaue Verbindung der Handwerks-Statuten mit den Polizeygeſetzen der Stadtbehörden, verpflichtete auch die Geſellen zum Gehorſam gegen dieſe, ſo weit ſolche auf ihr Handwerk Bezug hatten. Dahin gehört zunächſt, daß ſie weder in der Stadt noch im Bereich ihres Weichbildes oder auf nahen Dörfern bei einem unzünftigen Manne (Pfuſcher) arbeiteten; die Glaſer - geſellen ſollten ſie meiden, ſo weit ſie ein weißes Pferd im flachen Felde ſehen konnten; nur die höchſte Noth oder Unwiſſenheit entſchuldigte einen vierzehntägigen Aufenthalt bei ſolchen Leuten; noch weniger durften ſie für eigene Rechnung heimlich arbeiten. Ferner ſollten ſie ſich durch das Verſprechen eines höhern Wochenlohns nicht aus einer Werkſtatt in die an - dere locken laſſen, damit nicht Mißtrauen und Unfriede unter den Meiſtern erregt werden möchte; wollte einer ſeinen Meiſter verlaſſen, ſo ſollte er ſeine Mitarbeiter nicht zur Theilnahme überreden. *)Oeffentlich durften die Geſellen davon ſprechen, daß ſie reiſen wollten, und dann mußten ſie Wort halten oder Strafe bezahlen. (Adrian Beyer von der Wanderſchaft.)Wer unter ihnen von dem Obermeiſter zum Vor - ſteher oder Mitarbeiter in der Werkſtatt einer Wittwe erwählt wurde, mußte bei dieſer ſofort eintreten oder die Stadt verlaſſen. Bei Leichenbegängniſſen der Meiſter folgten ſämmtliche Geſellen; verſtorbene Kinder der Meiſter, Lehrburſchen, bei vielen auch deren Dienſtmädchen, trugen ſie zu Grabe. **)Stürbe aber dem Meiſter oder der Meiſterinn ein Sohn oder Tochter, ſo ſollen die Geſellen die Leiche auch zu Grabe tragen, ſo viel derer dazu nöthig ſeyn, bei Strafe 4 ggr. Stürbe auch einem Meiſter ein Geſelle, Magd, Lehrjunge oder Lohnjunge, ſo ſoll die Leiche von den 4 jüngſten Geſellen und zwo Lohn - oder Lehrjungen zu Grabe getra - gen werden. (Art. 39 der Seilerordnung im Fürſtenth. Halberſt. von 1603.)In Bezug auf die Stadt waren gewiſſe Verpflichtungen der Geſellen eine Folge12 der Stellung der Gewerke zu derſelben und die Behörden mach - ten im Unterlaſſungsfall dieſe dafür verantwortlich. Die ge - wöhnlichſten beſtanden in Hülfsleiſtungen bei Feuers - und Waſ - ſersnoth. *)Die Raſchmachergeſellen in Quedlinburg mußten, ſobald ſie in Arbeit traten, dem Obermeiſter angeloben, bei entſtehender Feuersgefahr der Bürgerſchaft zu Hülfe zu eilen. (Quedl. Innungs-S. im Magdeb. Prov. -Archiv Nr. 24.) Daß Maurer, Zimmerleute und Schloſſer bei Feuersgefahr Hülfe leiſteten, iſt in jeder Stadt bekannt.Eine ſeltene Erſcheinung in der ſtädtiſchen Polizey möchte ſeyn, daß die Handwerksgeſellen von den Magiſträten unmittelbar in Pflichten genommen wurden, ſie kommt 1568 in Erfurt bei den Fleiſchern vor, wo die Geſellen derſelben darauf ſehen ſollten, daß nur geſundes Schlachtvieh zur Stadt gebracht würde. Die Verordnung war inſofern zweckmäßig, als die Ge - ſellen gewöhnlich das Vieh einkauften und bei wohlhabenden Meiſtern ſich ausſchließlich mit dem Schlachten deſſelben be - ſchäftigten; ſie wurden daher zu mehr Aufmerkſamkeit und Of - fenheit angeregt; auffallend für ihre Stellung iſt aber in ihrem Eide, daß ſie auch das Fleiſch auf den Bänken der Meiſter be - ſehen ſollten und dafür ſogar Gebühren nehmen durften, ſie wurden dadurch offenbar ſtädtiſche Polizeybeamtete. **)Eid der Fleiſchergeſellen in Erfurt von 1568: „ Der Fleiſchhauer Knechte ſollen die Schweine getrewlich vndt vleißig beſehen dem Ar - men Als dem Reichen, Vndt von einem Schwein nicht mehr denn Vier Pfennig fordern auf dem Markte vnd nehmen vndt wo findichte darunter befunden, Sollen Sie wie vor Alters Zeichnen vnd die Leute darfür warnen, Auch gute achtung vndt aufſehen haben, Wann wan - delbare oder angebrochene Schaffe oder ander ander Vihe hergetrieben würde das Sie ſolchs warnen vnd allen Verkauf ohne Verziehen einem Rathe vermelden. Item das Sie alle tag mit den Schetzern vnd Achtmannen vor der Heimiſchen vnd fremden fleiſchbenke gehen ſollen vndt alles fleiſch beſichtigen eher es aufgehawen wirdt. Dem Armen als dem Reichen vndt dem Reichen als dem Armen, Vndt wo ſolche wandelbar befunden Das es vermöge dieſer Ordnung geſtraft werde vnd das nicht laſſen weder vmb leidt, gifft, gabe, gunſt, freundtſchafft, feindtſchafft noch keiner andern ſachen willen. Alles trewlich vnd vngefehrlich. “ (Urkundenbuch im Prov. -Archiv in Magdeb.)
Bei den meiſten Handwerken, auch denen, welche ſich den Künſten nähern, wurden die Geſellen (Maurer, Zimmerleute und Buchdrucker ausgenommen) mit dem Tage, da ſie bei einem Meiſter in Arbeit traten, Haus - und Tiſchgenoſſen deſſelben, denn der faſt allgemein gewordene Gebrauch der Handwerksgeſellen, in Speiſe - häuſern zu eſſen und ſogenannte Schlafſtellen zu miethen, iſt eine neuere Einrichtung, durch Einſchränkung der Meiſter auf enge Wohnungen und einfachere Nahrungsmittel, als ſie den Geſellen bieten mögen, herbeigeführt. Wenn wir uns nun in den wohl - eingerichteten Haushalt einer guten Bürgerfamilie verſetzen, die mit mehrern Kindern verſchiedenen Alters und Geſchlechts ge - ſegnet iſt; wenn wir uns ferner den erfahrnen geſchickten Meiſter in ſeiner mit[Werkzeug] gut ausgeſtatteten Werkſtatt denken, mit einem Vorrath von Material und von ſeinen Kunden ihm an - vertrauten Stoffen verſehen: ſo müſſen wir geſtehen, daß ein nicht geringes Vertrauen dazu gehört, mit jungen oft leichtſin - nigen Leuten, welche ihr Schickſal in der Welt umherführt, deren Eigenthümlichkeiten des Charakters man ſo wenig kennt als ihr Herkommen und bisheriges Betragen, in ein ſo nahes perſönli - ches Verhältniß zu treten. Zwar kommt die Familie auch mit dem gewöhnlichen Geſinde in Berührung, aber ſie iſt durchaus verſchieden von dem Umgang mit dem Geſellen. Knechte und Tagelöhner, ſelbſt Mägde kommen nur ſelten ins Wohnzimmer der Herrſchaft; aber unmittelbar neben dem Meiſter ſteht der fremde Geſell den ganzen Tag. Seiner Treue und Geſchicklich - keit muß er koſtbares Material anvertrauen, dem Einfluß ſeiner Sitten ſeine Familie ausſetzen. Dieſes eigenthümliche Verhältniß machte auch ſpecielle Verordnungen, beſonders Sittengeſetze noth - wendig, dieſe finden wir zum Theil in den Statuten, zum Theil auch in den Gewohnheiten, in der weiten Ausdehnung des Be - griffs von Handwerks-Redlichkeit. Dem Untreuen folgte14 der Verruf in wandernder Tradition in alle Länder. Wir wer - den bei der Auflage das furchtbare Regiſter, das ſchwarze Buch kennen lernen, da hinein wurde ſein Name geſchrieben und bei jeder Zuſammenkunft öffentlich als unredlich genannt, bis ihn einer der reiſenden Geſellen irgendwo antraf und ihn ſcheltend auftrieb, wo ihn denn die betreffende Brüderſchaft zwang, ſein Vergehen abzubüßen und ſo lange bis er dies nachgewieſen hatte, von ihrer Gemeinſchaft ausſchloß; war die Sache wichtig genug, ſo wurde ſie dem Handwerk oder der Obrigkeit zur wei - tern Verfolgung angezeigt. Ihre Statuten wieſen ſie an, im Hauſe des Meiſters ruhig und beſcheiden zu leben und Alles zu vermeiden was den Frieden der Familie ſtören konnte; zu dem Ende keine leichtfertigen Reden führen, in der Werkſtatt nicht fluchen oder leichtſinnig ſchwören, des Meiſters Koſt, Werk - zeug, Bett und Bettgewand nicht verachten,*)Ordnung für die Kürſchnergeſellen in Erfurt 1591: Art. 6. Welch geſelle in Seines oder eines andern Meiſters Hauſe Sich gegenn der Meiſterinn oder Magdt, mit vnhöflichen Worten die man für Züchtigen Frawen oder Jungfrawen nicht zu redenn pflegt, ſich vernehmen liß, ſoll zur ſtraf ein Wochenlohnn verfallen ſein. Art. 19. Welch geſelle auf der Herberge oder in des Meiſters Hauſe, mit fluchen oder ſchwehrenn Gott leſtern wurde, ſoll ſo oft er daß thutt einen Wochenlohn verfallen ſeinn, doch ohne Abbruch E. E. Hw. Raths gerechtigkeitt vnd ſtraffe. Statut der Schneider-Innung zu Magdeburg von 1655, Art. 44: Wenn ein Geſell bey einem Meiſter oder Meiſterinn ſich freventlich oder muthwillig verhielte, ihre Speiſe Koſt und Arbeit ohne Urſach verachtete, der ſoll in einem halben Jahre alldar nicht arbeiten. Die Schuhmacher und Gerber daſelbſt: Wenn ein Geſell wäre der dem Meiſter die Koſt oder das Eſſen möchte verachten und er über - wieſen wäre daß er Schuld hätte ſo ſoll der Geſelle ein Jahr aus der Stadt wandern. die in den Statuten oder durch Herkommen feſtgeſetzten Arbeitsſtunden halten. Die Kürſchner in Erfurt ſagten: wenn ein Geſell des Morgens um 7 Uhr nicht in des Meiſters Werk - ſtatt iſt, ſoll er die ganze Woche verfeyert haben, d. h. keinen Lohn bekommen. **)Urkundenbuch im Prov. -Archiv zu Magdeburg.Noch ſtrenger waren die Geſetze für die Schneidergeſellen in den kleinen Amtsſtädten15 des Erzſtifts Magdeburg von 1593,*)Erzſt. Innungs-Sachen Nr. 6. desgleichen ſoll auch ein junger Geſell, ſo er ſich des Montags verfeyert, alſo daß er früh vor 7 Schlägen ohne ehrhafte Ver - hinderung nicht in des Meiſters Werkſtatt iſt, der ſoll in einem Jahr weder zu Egeln, Hadtmersle - ben, Wanzleben noch auf den Dörfern arbeiten. Die Geſellen waren zwar verbunden, alle Aufträge ihrer Meiſter auszuführen, aber in ihren Gewohnheiten lag, daß dieſe immer in den Grenzen ihres Fachs bleiben ſollten, ſie vermieden daher alle übrigen häuslichen Verrichtungen und mochten es wohl hin und wieder zu genau damit nehmen; wo aber Beſcheidenheit und richtige Anſicht von wahrer Ehre mit einem längern Aufenthalt in der Familie ſich verband, da ſchwand auch alle bizarre Hand - werksgewohnheit, und es bildete ſich jenes ſchöne patriarchaliſche Verhältniß zwiſchen der Familie und dem Geſellen, von dem wir ſo viel in Kinderſchriften und ſelbſt in Romanen gehört haben.
Die Geſellen bei den wirklichen Innungen, z. B. den Schuhmachern, Fleiſchern, Maurern, Zimmerleuten ꝛc. blie - ben bei ihren Meiſtern eine beſtimmte Zeit, nehmlich von einem Wand erziel bis zum andern, welches gewöhnlich ein hal - bes Jahr umfaßte; der Meiſter war verbunden, den Geſellen, wenn er ihm nach den erſten 14 Probetagen gefiel, eben ſo lange zu behalten oder bei ausgehender Arbeit ihn bei einem andern Meiſter unterzubringen. Bei den übrigen war es ſtatutariſcher Gebrauch, daß man ſich 14 Tage vorher den Dienſt aufſagte, was indeß vielleicht ſchon im ganzen verfloſſenen Jahrhundert nicht mehr gehalten worden iſt, weil man ſich gegenſeitig nicht mehr in dem Grade achtete, als in frühern Zeiten; vielmehr konnte der Geſell jeden Sonntag abgehen oder verabſchiedet wer - den. So wie übrigens das ganze Betragen der Geſellen durch Statuten und Handwerksgewohnheiten geordnet wurde und da - durch einen ganz eigenthümlichen Typus bekam: ſo war auch das Aufſagen des Dienſtes ihrer Seites an beſtimmte Förmlich - keiten gebunden, welche ſie, die Buchbinder und einige andere16 etwa ausgenommen, bis in die neueſte Zeit beibehalten haben; gewöhnlich geſchah es am Sonntage nach dem Mittageſſen. In der Vorſage der Schmiede aus dem letzten Jahrhundert heißt es: Mein Schmied, wenn du wirſt von deinem Mei - ſter Abſchied nehmen, ſo ſiehe her und nim einen feinen Abſchied, nicht wie die Katze vom Tauben - ſchlag, ſondern des Sonntags wenn du gegeſſen haſt und du deinen Lohn bekommen haſt, ſo ſprich: Mit Gunſt, Meiſter, ich thue mich bedanken daß Sie*)Früher ſagten ſie wohl Er, wie die Meiſter ſie mit Du anredeten. mich ſo lange in Arbeit gefördert haben, es ſtehet heute oder morgen gegen die Ihrigen wieder zu verſchulden. Die Maurer: Meiſter, ich bedanke mich für Ihre gute Beförderung und richtige Bezahlung, die Sie mir bisher gegeben haben und verhoffe, daß ich mich werde ſo verhalten haben, wie es einem rechtſchaffenen Maurer zukommt, was ich mir auch ferner, wo ich hinzukommen gedenke, angelegen ſeyn laſſen werde, keinem Meiſter etwas entwenden, auch einem Pfuſcher nichts zubringen, wie es ehr - bar und zünftig iſt, alſo mit Gunſt. **)Schriftliche Privatmittheilungen.Die Meiſter ſagten bei Entlaſſung der Geſellen: Geſellſchaft, ich be - danke mich Seiner (Deiner, Ihrer) Arbeit, wobei ſie ihnen einen Entlaſſungsſchein gaben, auf deſſen Vorzeigung ihnen der Obermeiſter die bis dahin in der Innungslade aufbewahrten Legitimationspapiere aushändigte. Den Zuſtand zwiſchen dem Aufſagen der Arbeit und der wirklichen Abreiſe aus der Stadt, oder dem Eintritt in eine andere Werkſtatt in derſelben, nannten ſie in früherer Zeit Wanderfertig, Wandermüßig, Fremdwerden.
Die Begriffe von Gilde - und Zunftfähigkeit als ſtädtiſche Ehrenſache gründeten ſich zunächſt auf einen perſönlich freien Stand, welchem Grundeigenthum oder ſonſtige Wohlhabenheit die nöthige Kraft verliehen, vor den übrigen Städtebewohnern ſich geltend zu machen. Wollten die Handwerker, nachdem ſie in Corporationen zuſammengetreten waren, ihren Inſtituten als den jüngſten Kindern ſtädtiſcher Verfaſſung und ohne localen Beſitzſtand, den errungenen Einfluß und Antheil am Stadtre - giment ſichern, ihren höhern Rang vor der Gemeine erhalten,*)Die Bürgerſchaft iſt getheilt in die Innungen und in die unverin - nungte Gemeinde. Der Innungen ſind 6, Krahmer, Futterer, Bäcker, Fleiſcher, Schuſter, Schmiede. Aus jeder Innung iſt einer, nehmlich der Obermeiſter, den ſie wählen und an Rath bringen, zum Rath geſetzt. Die Gemeine iſt getheilt in vier Viertel, aus jedem Viertel ſind zwei als Gemeinmeiſter, ſo auch von den Vierteln gewählt und dem Rath präſentirt werden, zum Rath geordnet. (A. im Prov. - Archiv zu Magdeburg, Stadt Halle Nr. 30.) ſo war es ihre Pflicht, ihre Verbindung auch individuell ſo vor - wurfsfrei als möglich zu erhalten. Daher verdenken wir es ihnen nicht, wenn ſie ſchon bei der Aufnahme ihrer jüngſten Genoſſen, der Lehrlinge, mit vieler Vorſicht verfuhren und218beſonders im Geiſt der ältern und vornehmern Gilden, denen ſie ſich auf alle Weiſe zu nähern ſuchten, eine freie eheliche Geburt und Abſtammung auf vier Ahnen zurück, zum erſten Erforderniß machten. Nächſt dieſem hatte das Gewerbe der Eltern und ihr moraliſcher Ruf großen Einfluß auf ihre Aufnahme. Alle nach der eingetretenen Sonderung ſtädtiſcher Gewerbe, und nach den Begriffen des Jahrhunderts, geringfügige Beſchäftigungen, alle niedern beſonders ſtädtiſche Bedienungen, Zöllner, Rathsdiener, Frohnvögte, Schäfer, Hirten, Bader, Livrebediente ꝛc. ſchloſſen von der Erlernung eines zur Gilde oder Innung erhobenen Handwerks aus. Daß der Knabe dieſe Eigenſchaften beſaß, wurde in einer Urkunde beſtätiget, die noch in neuerer Zeit, unter dem Namen Geburtsbrief, bekannt geblieben iſt. Nach dem Reichsgeſetz von 1731 ſollte allen Knaben ohne Unterſchied der Abkunft, der Eintritt in eine Innung oder Handwerk geſtattet werden, daher faßte man auch in den Königlich Preußiſchen Staaten alle bisherigen Anforderungen der Corporationen in der Erklärung zuſammen: der Knabe ſey von ſolchen Eltern geboren, die aller Innungen, Zünfte und ehrbaren Geſellſchaften fähig wären. Bei außer der Ehe gebore - nen vertrat die landesherrliche Legitimation die Stelle des Ge - burtsbriefes. Man kann jenes Geſetz ein wahres Wagſtück poli - zeylicher Geſetzgebung nennen, deſſen guter Erfolg ihm nicht allein, ſondern dem bald darauf kräftig aufblühenden Schulun - terricht zuzuſchreiben iſt. Verweilen wir nun einige Augenblicke bei dem Zuſtande des Lehrlings während einer gemäßigten Zunft - verfaſſung.
Mit dem Eintritt in die Werkſtatt beginnt für ihn ein zweiter Schul-Curſus, wenn er ja ſchon einen durchgemacht hat. In der Schule wurden nur ſeine Geiſtesfähigkeiten in Anſpruch genommen, während ſeine Körperkräfte der langſamen Entwicke - lung der Natur überlaſſen blieben. Er mußte ſeinen Lehrern gehorchen, aber nur in einigen Tagesſtunden, alle übrigen ver - lebte er unter der duldenden Nachſicht ſeiner Eltern. Der ernſte Meiſter nimmt ihn dagegen ganz in Anſpruch, er verlangt unbe - dingten Gehorſam; am frühen Morgen muß er der Erſte in der19 Werkſtatt ſeyn, und darf ſie am ſpäten Abend erſt dann verlaſ - ſen, wenn alle Geräthe und Inſtrumente an ihren Ort gebracht ſind. Eine ſtrenge Subordination iſt ſeine beſtändige Aufſeherinn, jeder Fehler wird gerügt; ſelbſt außer dem Hauſe des Meiſters war noch am Ende des letzten Jahrhunderts ſein Wille in Be - zug auf Aufwand und Sitte beſchränkt; nicht ſowohl durch buchſtäbliche Vorſchriften, als durch alte in chriſtlicher Moral begründete Gewohnheiten. Ueberall wo die Lehrburſchen mit einem Meiſter oder Geſellen ihres Handwerks zuſammentrafen, mußten ſie denſelben Ehrerbietung bezeigen. An öffentliche Ver - gnügungsorte durften ſie nur in Begleitung ihrer Angehörigen gehen. Allen auszeichnenden Aufwand, wohin der früher ge - bräuchliche Haarpuder und der Stock als Zierden gehörten, mußten ſie vermeiden. Die Statuten verpflichteten ſie auch zum Gehorſam gegen die Meiſterinn und Geſellen, und wenn erſtere auf ihre Ausbildung für häusliche Ordnung, Reinlichkeit, ruhiges, ſittiges Betragen im Hauſe wirkte, ſo waren es oft geſchickte Geſellen, die ſie unterrichteten, beſonders in großen Werkſtätten, wo der Meiſter mit ihrer Unterweiſung ſich nicht immer befaſſen konnte. Vorſichtige Eltern wählten daher immer ſolche Lehrmei - ſter für ihre Söhne, die nicht allein den Ruf der Geſchicklichkeit hatten, ſtets Geſellen beſchäftigten, ſondern auch einen ſoliden Haushalt führten; deren Frauen als rechtſchaffene gutmüthige Hausmütter bekannt waren. Wie manche ungezogene Knaben und nach dem Erſcheinen des erwähnten Reichsgeſetzes, die Söhne geringer Handarbeiter, die zunächſt viel üble Gewohnheiten mit ſich ins Haus brachten, ſind durch die würdigen Gattinnen ihrer Lehrmeiſter zur Ordnung und zu anſtändig bürgerlichem Betragen geleitet worden, während Meiſter und Geſellen ſie im Handwerk unterwieſen. Aus ſolchen Häuſern gingen dann kräftige junge Männer hervor, welche an Gehorſam und ausdauernde Thätig - keit gewöhnt, zu der Hoffnung berechtigten, daß ſie in ihrem Ge - ſellenſtande ihre Fähigkeiten weiter ausbilden und dereinſt tüch - tige Meiſter werden würden.
Nach abgelaufenen Lehrjahren ſtellte der Meiſter den bishe - rigen Lehrling der Innung oder dem Handwerk vor und erklärte:2*20er habe ſeine Lehrjahre redlich ausgehalten, das Handwerk wohl begriffen und ſich dabei verhal - ten, wie es einem ehrlichen Jungen wohl anſtehe. Darauf ſprach ihn der Obermeiſter im Namen des Gewerks von dem Stande eines Jungen und ſeinen Verpflichtungen gegen den Lehrmeiſter los und erklärte ihn, nach der Obſervanz des Gewerks, zum Jünger oder Geſellen, jedoch mit dem ſtillen Vorbehalt etwaiger Erinnerungen der Geſellen-Brüderſchaft. Er ermahnte ihn zur Tugend, zum Fleiß und zur Treue gegen ſeine künftigen Brodherrn, zugleich wies er ihn an, ſich den Statuten gemäß in Bezug auf die Handwerksgewohnheit zu betragen; welches der Ausgelernte mittelſt Handſchlags zu thun verſprach. Hin und wieder kommen auch Probearbeiten der Lehrlinge vor, auch Beſtimmungen, welches Product ihres Fachs die Ausge - lernten anzufertigen verſtehen ſollten, wenn ſie auf Geſellenlohn Anſpruch machen wollten, jedoch nicht allgemein, was den Ge - werken zum Vorwurf gereicht. Da der Handwerksgewohnheiten ſo viele waren, ſo unterrichtete in alter Zeit der Lehrmeiſter den abgehenden Lehrling über die, die zu den äußern Gebräuchen gehörten, z. B. über den erſten Eintritt bei verſammelter Innung, bei den geſchwornen Gewerken über den Gruß, den er als tiefes Ge - heimniß bewahren mußte,*)In dem Statut der Maurer im Fürſtenthum Halberſtadt von 1695 heißt es deshalb: Es ſoll ein Meiſter, wenn er einen Diener Hand - werksgewohnheit nach ausgewieſen, ſo hoch vermahnen, daß derſelbe, was ihn an Worten anvertraut iſt, bei ſeiner Seelen Seligkeit im Herzen zu behalten und keinem Menſchen außer redlichen Maurern zu offenbaren bei Verluſt ſeines Handwerks. (Prov. -Archiv Halberſt. Innungs-S. Nr. 12, Vol. V.) alle übrigen lehrte ihn der Altgeſell oder irgend ein gereiſter Geſell aus der Brüderſchaft. Die In - nung fertigte ihm darauf eine Urkunde über ſeine abgehaltenen Lehrjahre aus, die unter dem Namen Lehrbrief bekannt iſt; dafür und für das Losſprechen hatte er einige Gebühren an die Innung, an manchen Orten auch an öffentliche Inſtitute zu entrichten.
Das bisherige Thun und Treiben des Lehrlings erregte noch kein öffentliches Intereſſe; bei irgend glücklichen Gemüthsanlagen und Talent floß ihm ſein Leben in knabenhafter Sorgloſigkeit dahin; aber mit der Urkunde des Lehrmeiſters in den Händen wird es anders. Eine weit verzweigte Brüderſchaft, eine ewig wandernde, ſich ewig ergänzende Republik nimmt ihn auf als ihren Genoſſen; eine Geſellſchaft, welche als Geſammtmaſſe in der älteſten wie in der neueſten Zeit, ja in dieſem Augenblick noch, die Aufmerkſamkeit des Publikums und der Staatsbehörden ſo ſehr in Anſpruch nimmt, während diejenigen unter ihnen die achtbarſten und glücklichſten zu nennen ſind, welche allen öffent - lichen Antheil, der nicht eine Folge künſtleriſcher Auszeichnung iſt, verſtändig von ſich abzuhalten wiſſen. Seine Eltern, oder wer ſonſt bisher für ſeine Bedürfniſſe ſorgte, erklären nach der letzten Ausſtattung gewöhnlich: man könne nun nichts weiter für ihn thun, und ſo wird ihm eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit ange - deutet, die er nun auf ſeine Gefahr behaupten ſoll. Daher iſt dieſer zweite Schritt im zünftigen Berufsleben wichtiger, als die harmloſe Jugend einſieht! denn Jetzt beginnen für ſie die Lehr - jahre des praktiſchen Weltlebens, von deren kluger Benutzung, nach Anleitung ihrer Berufsſtellung, ihr künftiges moraliſches Daſein abhängt. Das fühlten die alten Meiſter und Väter der Innungen und Gilden tief, und in Ermangelung einer zweckmäßigen Literatur, führten ſie beſondere Gebräuche ein, wodurch den jungen Geſellen ihr neues Verhältniß verſinn - licht, das was ſie entehren und unglücklich machen konnte, vor - gehalten, ſo wie das Ziel einer guten Aufführung und eines zweckmäßigen gewerblichen Strebens in der Ferne gezeigt wurde. Den Ernſt wußten ſie in Scherz zu hüllen, aber ihm durch allge - meine Verbreitung eine feſte Baſis zu geben, ſo daß er nie ganz verloren ging, ſelbſt dann nicht, als die Gebräuche durch tau - ſendfältige Tradition und willkührliche Zuſätze verunſtaltet, zuletzt22 ans Abſurde ſtreiften. Wir dürfen es nicht verſchmähen, uns einige Augenblicke von einigen dieſer Gebräuche zu unterhalten*)Ich habe mir die vollſtändigen Handwerksgebräuche der Geſellen meh - rerer Handwerke von alten Meiſtern und gereiſten Geſellen zu ver - ſchaffen geſucht und würde ſie gehörig geordnet abdrucken laſſen, wenn ſie nicht gar zu weitläufig und vielfältig übereinſtimmend wären, hier aber nur eine gedrängte Ueberſicht Platz finden kann. D. V. und wollen mit den Maurern anfangen, wiewohl das, was der Verfaſſer nach vielem Fragen und Forſchen von ihnen hat erhal - ten können, nur Stückwerk iſt.
Der Lehrmeiſter ſtellte den bisherigen Diener oder Lehrling dem verſammelten Handwerk gewöhnlich mit folgender Anrede vor: Mit Gunſt und Erlaubniß ehrſames Handwerk, Meiſter und Geſellen. **)Unter den Geſellen werden nur die Altgeſellen als Deputirte der Brüderſchaft verſtanden.
Das Handwerk: Gunſt genug!
Der Lehrmeiſter: Einem ehrſamen Handwerk, Meiſter und Geſellen wollte ich nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit und meiner Schuldigkeit melden, daß der bei dem ehrſamen Hand - werke vor drei Jahren als Lehrling eingeſchriebene N. ſeine Lehrjahre ehrlich und treu ausgeſtanden und nun wünſcht als Geſelle aufgenommen zu werden.
Hierauf trat der Lehrling mit folgenden Worten ein: Mit Gunſt und Verlaub, daß ich meinen ehrlichen Ein - tritt nehmen mag vor ehrbaren Meiſtern, ehrbaren Altge - ſellen, ehrbaren Caſſenſchreibern, ſo wie ſie hier vor offener Lade verſammelt ſind, alſo mit Gunſt!
Hatte das Gewerk nichts gegen ihn zu erinnern, ſo erfolgte ſeine Freiſprechung oder Ausweiſung, im andern Fall wurden ihm ſeine Fehler zuvor ernſtlich verwieſen. Darauf trank der Obermeiſter aus dem Willkommen die Geſundheit des neuen Geſellen, nach ihm der Altgeſell, dann trank der junge Geſell indem er ſich zugleich für die ihm erwieſene Ehre bedankte. 23Dieſem Danke ging immer ein dreimaliges Bitten vorher, auch durfte der Willkommen nicht mit bloßen Händen, ſondern mußte mit einem ſaubern Tuch angefaßt werden. Nun wohnte der neue Geſell der Auflage oder Zuſammenkunft der Geſellen zum erſten Mal bei, wo ihm die Brüderſchaft in folgenden Verſen zugebracht wurde:
Eine allgemeine Fröhlichkeit herrſchte, Fahnen wurden ge - ſchwenkt, Muſik und Tanz beſchloſſen das Feſt. *)Es wurde dem neuen Geſellen auch der Gruß gelehrt, der bei der Wanderſchaft vorkommen wird.
Dieſe, die Buchdrucker, Schloſſer, Böttcher und Seiler gingen ziemlich unſanft mit den Ausgelernten um, ſie reinigten ſie gleichſam ſymboliſch von allen in der Lehre noch nicht abge - legten oder angenommenen Unarten und belegten ſie bis dahin mit häßlichen Namen; die dabei vorkommenden Manipulationen nannten ſie Hobeln, die Buchdrucker: Deponiren, Schloſſer: Bartbeißen, Böttcher: Schleifen, Seiler: Jünger - oder Geſellenmachen ꝛc. Die Tiſchler wählten zu dem Geſchäft im Zeichnen geübte Geſellen, die zugleich geſchickt waren, eine lange Rede, die ſie Hobelpredigt nannten, zu halten, worin das Alter und die Vortheile der Tiſchlerkunſt mit beſonderer Rückſicht auf das Bauweſen entwickelt wurden. Ein anderer Geſell aſſi - ſtirte ihm, ſpielte aber nur die luſtige Perſon, auch wurden zwei Zeugen oder Pathen für die Ausgelernten gewählt. Die Inſtru -24 mente beſtanden in einem Hobel, Richtſcheid, großem hölzernen Zirkel und Winkelmaaß. Richtſcheid und Hobel waren hohl und mit Erbſen oder andern Dingen gefüllt, damit ſie beim Gebrauch Geräuſch machten; es war gewöhnlich Muſik bei dem Feſte, auch wurden nicht wenig Gäſte dazu geladen. Nach - dem die Handwerkslade aufgetragen und die Auflage mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten eröffnet war, trat der Hobelgeſell, die Muſik voran, den großen hölzernen Zirkel, auf deſſen Spitzen eine Citrone oder Apfelſine, und ein Blumenſtrauß ſteckten, im Arm tragend herein; ihm folgten die Ausgelernten mit Blumen geſchmückt unter dem Richtſcheid gehend, welches die beiden Zeugen über ihnen trugen, der Gehülfe, ſeine Thorheiten mit den Lehrlingen treibend, neben her. Nachdem ſie ſich mit dem Ge - ſicht gegen die Lade gerichtet hatten, redete erſterer die Geſell - ſchaft nach erbetener Erlaubniß in Verſen an, worin er fragte, ob Jemand gegen ihn, ſeine Gehülfen oder die Ausgelernten etwas zu erinnern habe. Nach erfolgter günſtiger Antwort wurden dieſe unter dem Richtſcheid ſo geſtellt, daß ihre Arme gleich Statuen auf die Hüften geſtützt ein gleichſeitiges Dreieck bilde - ten, die Füße mit den Ferſen feſt aneinander, ſo daß das Win - kelmaaß genau dazwiſchen paßte, während dem ſpielten die Mu - ſiker. Der Hobelgeſell gebot nun Schweigen und fing ſeine Predigt an, von der wir des gedrängten Raumes wegen nur Auszüge geben dürfen.
Dieſes iſt der Eingang ſeiner Predigt, die er nun in drei Theilen vorträgt. Der erſte handelt von der Erfindung der Tiſch - lerkunſt, wobei der Baukunſt im Allgemeinen gedacht wird, und enthält in Verſen aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts inter - eſſante Stellen, die ſich auf den Vitruv baſiren. Der zweite erzählt die Wanderſchaft eines lockern Tiſchlergeſellen höchſt ergötz - lich. Der Dichter läßt den Burſchen halb Europa, und Deutſch - land vom Belt bis zum Rhein flüchtig durchlaufen. Bei neun - zehn Meiſtern in einem Vierteljahr verſucht er ſein Glück, aber bei keinem will es ihm gefallen; ſo viel er geſehen und gehört hat, ſo wenig Heil hat es ihm gebracht. Aus dem Oeſterreichi - ſchen klagt er endlich ſeinem Vater:
Der dritte Theil der Rede iſt an den jungen Geſellen gerichtet, welchem er zunächſt den während der Lehrjahre bewie - ſenen Hochmuth verweiſ’t.
Alſo mit Gunſt:
Nach einigen eben nicht feinen Drohungen, wie er bei der Hobelung mit ihm verfahren werde, tröſtet er ihn wieder aus Rückſicht ſo vieler zarten Jungfrauen, die eben gegenwärtig wä - ren, und giebt ihm dann manche gute Lehren, von denen wir folgende ausheben:
Nach Beendigung der Rede mußte der Ausgelernte ſich auf eine Bank legen und alle die Bewegungen figürlich mit ſich vornehmen laſſen, als wenn er ein Stück Holz wäre; wobei der Gehülfe, als luſtige Perſon, ſich manche Schwänke erlauben durfte. Nach dieſer unſanften Bearbeitung ſtellte er ſich neben den Hobelgeſellen, welcher nun in Bezug auf ſeine Geſchicklich - keit, die ihn befähigte, die eben vorgeweſene Hobelung zu ver - richten, ſich rechtfertigte. Er entwarf zu dem Ende auf einem Reißbrett aus freier Hand ein halbes Portal, gewöhnlich mit einer corinthiſchen Säule, und erläuterte die Zeichnung nach den Geſetzen der Kunſt, wobei er ſich das Anſehn gab, als unter -28 wieſe er den jungen Geſellen. Hatte dieſer bisher manche Unbill von ihm zu dulden, ſo mußte er ſich nun ſelbſt der Cenſur der ganzen Geſellſchaft ausſetzen, und für jeden Fehler in der Zeich - nung oder Erklärung Strafe bezahlen; auch hatte er von den Gebühren, welche die jungen Geſellen an ihn entrichteten, die erforderlichen Getränke für die anweſenden Gäſte anzuſchaffen. Hiſtoriſch merkwürdig iſt noch Folgendes dabei:
Nach der Handlung ſtellte man den neuen Geſellen wieder unter das Richtſcheid; der Hobelgeſell ergriff es aber und hielt es ihm unters Kinn indem er fragte: wie heißt Du?
„ Martin. “
Bis jetzt hießeſt Du Martin unter der Bank, jetzt heißt Du Martin auf der Bank; dabei gab er ihm einen leich - ten Backenſtreich und ſagte: das leide nur von mir, hin - fort von keinem andern. *)Offenbar ein Inveſtiturzeichen, z. B. bei Belehnungen; auch bei der Firmelung giebt der Biſchof den Confirmanden einen Backenſtreich; die Worte des Geſellen paſſen freilich nicht dazu.
Ferner nahmen die jungen Geſellen dabei ein Zeichen an, das ſie auf der Wanderſchaft auf Erfordern der Brüderſchaft vorzeigten; auch mußten ſie die Namen des Hobelgeſellen und der beiden Zeugen genau merken, damit ſie ſolche auf Verlangen angeben und als wirkliche oder ſogenannte gemachte Geſellen ſich legitimiren konnten,**)[figure] denn mehr als Reiſepaß und Kund - ſchaft galten ihnen der Gruß und dieſes ſinnliche Zeichen.
Auch die Steinmetzgeſellen führten dergleichen Zeichen, welche ſie auf ihren Reiſen und Zuſprachen in den Bauhütten oder Lo - gen, auf ein Stück Stein mit der Bicke eingruben; die an großen Werken arbeitenden Geſellen gruben ſolche Zeichen in die von ihnen bearbeiteten Werkſtücke. ***)Ein itzlicher wandergeſell ſol bithen um eine bicke, darnach um ein Stück Steins, darnach um gezeugk, das ſol man jm williglichen leihen — um nehmlich ſein Geſellenzeichen darauf einzuhauen. — (Stieglitz,
29Wenn in dem figürlichen Hobeln der Tiſchlergeſellen doch eine ſittliche Bedeutung liegt, die ſich ſogar als Sprichwort in unſere Sprache gedrängt und im Sächſiſchen lange erhalten hat: ſo iſt im Gegentheil ein Gebrauch der Schloſſer, das ſogenannte Bartbeißen, ſinnlos und kann der Geſundheit der jungen Leute leicht gefährlich werden. Es geht dabei ſo zu:
Nach den gewöhnlichen Bitten und Höflichkeiten fragte der Altgeſell den neuen Jünger,*)Dieſe Eigenſchaft erhielten die Ausgelernten zunächſt bei ihnen, wirk - liche Geſellen konnten ſie erſt auf der Wanderſchaft und nach dem Beſuch mehrer großen Städte werden. ob er dem Schlüſſel den Bart abbeißen oder ſich mit Geſellen und Jüngern vergleichen wolle? Er wählte natürlich das letzte und bot nun eine Summe Geld zum Vergnügen der Geſellſchaft. Darauf drehete ihm der Alt - geſell das Bartende eines Schlüſſels dreimal im Munde herum, wobei er ſagte:
Wem fällt hierbei nicht ein, daß eine etwaige Unzufrieden - heit des Altgeſellen mit der bisherigen Aufführung oder dem ge - botenen Geſchenk des jungen Geſellen leicht Einfluß auf die Art des Umdrehens des Schlüſſels haben konnte? —
Bedeutend dagegen ſind folgende Gebräuche derſelben: Wenn der junge Mann als neues Mitglied der Brüderſchaft ſei - nen Beitrag zur Lade (Auflagegeld) zahlte, gab ihm der Altgeſell dieſen mit den Worten zurück: „ diesmal wird ſie ihm (nehmlich die Auflage) zurückgegeben, hüte er ſich aber, daß ſie ihm nicht zum zweiten Male zurückgegeben wird, ſonſt ſteht es nicht gut um ſeinen ehrlichen Namen. “ Wenn nehmlich ein Geſell ein Verbrechen beging, wurde er aus der Brüderſchaft gewieſen, welches ſinnbildlich durch Zurückgabe des Auflagegeldes geſchah. Ferner hielt ihm***)die Kirche der heiligen Kunigunde zu Rochlitz. Auch im Innern der Domthürme zu Magdeburg und vielen andern Theilen der Kirche ſieht man ſolche Geſellenzeichen).30 der Altgeſell den Geſellenſtab*)Dieſen führten nur die Altgeſellen bei der Auflage als Zeichen richter - licher Würde. vor und lud ihn ein, ihn anzunehmen; war er nun ſo unvorſichtig, dies zu thun, ſo wurde er nicht nur lächerlich gemacht, ſondern mußte auch Strafe zah - len; im andern Fall antwortete er auf die Anrede des Altgeſel - len: „ Mein lieber Junggeſell, ich wünſche viel Glück zu dieſem Geſellenſtab “:
Das Geſellenſprechen der Jünger glich in neuerer Zeit einem Geſellſchaftsſpiel, im Alterthum mag es ſinnreicher geweſen ſeyn, wovon die Mittheilung, die dem Verfaſſer gemacht worden, noch einige Spuren trägt, deren wir noch im Auszuge gedenken wollen.
— — — Altgeſell. Wie wird mein lieber Junggeſell ſich verhalten, wenn Meiſter, Geſellen und Jünger nach ihm fragen?
Jünger. Meiſter, Geſellen und Jünger haben ein Recht, nach mir zu fragen, weil ich Hammer, Zange und Steinmeißel trage.
Altgeſell. Sein Nam’ iſt aller Ehren werth, wir wollen ihn ſetzen auf ein weißes Pferd. **)Ein weißes Pferd hatte bei den Alten viel Auszeichnendes, man leſe hierüber in Grimms Rechts-Alterthümern S. 134, 256 bis 261.
Darauf ergreift der Altgeſell den Willkommen, trinkt ihm zu, reicht ihm die Hand, und der neue Geſell trinkt auf das Wohl der Geſellſchaft. Dann wird ihm das Geſellenbrod ge - reicht***)Ein feines Gebäck, was dazu bereit gehalten wird., das er annimmt und dabei dem beiſitzenden Meiſter, Altgeſellen und der Geſellſchaft dankend zunickt, dann gab man ihm den Geſellenſtab, den er nun, wenn es ſich fügte, zu führen berechtigt war. Es mag hierbei zugleich angeführt werden, daß der Gebrauch, das Geſellenbrod zu reichen, auch bei den Seilern Statt fand, nur auf eine faſt unanſtändige Weiſe. Nach vie - lem Hänſeln, das der junge Geſell erdulden mußte, band man31 ihm endlich einen von Hanf geflochtenen Zopf an den Kopf und einen Korb auf den Rücken, gab ihm eine Laterne in die Hand und hieß ihn das Geſellenbrod ſuchen. Während er ſo daſtand, fragte der Altgeſell in den gewöhnlichen Formalien die Geſellſchaft, ob einer oder der andere noch etwas gegen ihn zu erinnern habe, worauf dieſe dann erwiderte: ſie wiſſe nichts als Liebes und Gutes von ihm; nun nahm man ihm den Korb ab und der Altgeſell redete ihn wie einen einwandernden Geſellen an: Hui Seiler biſt Du des Handwerks? Antwort: ich weiß nicht anders. Dann erſt reichte er ihm das Geſellen - brod, welches in ein wenig Brod und Salz beſtand. Der Ge - brauch hat jedenfalls einen tiefern Sinn, der durch öftere Tra - dition und thörichte Ausübung in neuerer Zeit verunſtaltet iſt. Zunächſt finden wir darin eine Beſtätigung deſſen, was Wilda in ſeinem Gildeweſen Seite 300 ſagt, daß die Handwerker, als ihre politiſchen Verhältniſſe ſich ſchon glücklich geſtaltet hatten, ſich dennoch die Armen nannten, denn daß in dem Gebrauch ein Bild der Dürftigkeit und Demuth liegt, iſt klar; auch bei der Umſchau der Schloſſer und Hutmacher werden die Meiſter arm genannt.
Mit vielem Reden iſt das Geſellenmachen der Hufſchmiede verbunden, beſonders die Vorſage, welche dem neuen Geſellen gehalten wird, ſehr lang und mit einigen Ceremonien durchwebt, ſie enthält aber manche gute Lehren für einen jungen Menſchen, die noch in dieſem Augenblick nicht zwecklos ſeyn würden. Wir wollen einen Satz ausheben, der, obgleich in neuer Sprache, doch ſehr alt ſeyn mag.
Der Altgeſell ſpricht zu einem der Zeugen: Mit Gunſt Schmied, ſchlag eine Hitze mit; darauf nimmt dieſer das Wort:
Wenn du vors Thor kommſt, ſo wirf drei Federn auf,*)Grimms Rechtsalterthümer S. 83. die eine wird fliegen rechts, die andere wird fliegen übers Waſ - ſer, die dritte wird fliegen grad aus; mein Schmied, welcher wirſt du nun folgen? Die erſte könnte dich auf einen Abweg führen32 und du könnteſt dich verlaufen, der zweiten, die übers Waſſer fliegt, folge auch nicht, denn das Waſſer hat keine Balken, folge der, die gerade aus fliegt. Dann wirſt du kommen an einen grünen Wald und müde ſeyn, lege dich aber nicht nieder zum Schlafen, es möchte ein Ungerufener kommen und nähme dir dein Bündel, mein Schmied, was wollteſt du da machen! Laufe immer fort. Dann wirſt du kommen an eine Mühle, ſo wirſt du denken „ willſt hinein gehen, und um einen Zehrpfennig bit - ten “, das thue nicht, die Müller ſind grobe Leute, ſie möchten dich beſchimpfen und deinen ehrlichen Namen vergeſſen. Dann wirſt du kommen an einen Teich, in dem werden Fröſche ſitzen und ſchreien: arg, arg. Ja, wirſt du denken, ich hab es wohl arg gemacht bei meinem Lehrmeiſter — eine Schüſſel voll Sauer - kraut und Schweinekopf, daß ich kaum mit einer Wagenſtange darüber ſpringen konnte, laß dir dabei das Heimweh nicht ein - fallen. Dann wirſt du kommen an einen Bach, da werden Enten und Gänſe laufen, da wirſt du ſtarken Appetit kriegen und meinen, du wollteſt eine todtſchlagen, damit du auf den Abend einen Braten habeſt; mein Schmied, das thue nicht, es möchte einer dazukommen und ſchlüge dir die Haut voll und vergäße deinen ehrlichen Ramen, du dürfteſt dich nicht mehr unter ehrlichen Geſellen ſehen laſſen, drum laß einem Jeden das Seine; laufe immer fort, laufe ein Loch in die Welt hinein, daß man es nicht mit zehn Fuder Heu zuſtopfen kann ꝛc.
Das Geſellenmachen der Glaſer iſt in neuerer Zeit ohne große Förmlichkeiten geſchehen, es wurden dem jungen Geſellen vor verſammeltem Handwerk folgende Geſellenartikel vorgeleſen, denen er nachzuleben mit einem Handſchlag verſprechen mußte.
Wann Ihr nun dieſen obgemeldeten Punkten wollet nach - kommen, ſo ſollet Ihr einem jeden unter uns die Hand geben und mit einem Ja bekräftigen.
334So Ihr nun ſolches mit Hand und Mund verſprochen habt, ſo wünſch’ ich Euch von Grund des Herzens, daß Gott mit ſeinem guten Geiſt in Euch wirke, damit Ihr Euch in Eurem Geſellenſtande ſo aufführet, daß er Euch in Eurem Meiſterſtande nach Eurem geführten Wandel Urſach habe zu ſegnen.
Zum Schluß wird noch bemerkt, daß die Uebertreter dieſer Artikel mit Strafe bedrohet werden.
Sie iſt eine der wichtigſten und folgereichſten Inſtitutionen im deutſchen Handwerks - und Innungsweſen. Richt allein die Statuten ſämmtlicher Gewerke, auch die Landesgeſetze aller deut - ſchen Fürſten, verpflichteten die Geſellen dazu, und nur die Söhne der Meiſter waren hin und wieder davon entbunden, indem man meinte, die Weisheit des Vaters vererbe ſich eben ſo gewiß auf den Sohn, als das Innungs - oder Gilde-Recht! Ihre Dauer war auf drei, auch vier Jahre feſtgeſetzt; die Geſellen wurden nur dann zur Anfertigung eines Meiſterſtücks gelaſſen, wenn ſie die vorgeſchriebene Wanderzeit gehörig abſolvirt hatten. Nur gewanderte Mitglieder der Brüderſchaften konnten Altgeſellen werden und das ſogenannte Geſellenmachen verrichten. Eine Zeit ihres Entſtehens möchte ſchwer zu ermitteln ſeyn, da die älteſten Handwerks-Statuten nichts darüber enthalten; indeß mag ſie bei denen zuerſt vorkommen, welche ſich der Kunſt nähern, und früher nur an wenigen Orten und auch da nur ſelten per - manente Beſchäftigung fanden, wohin wir Steinmetze, Maurer, die Gold - und Silberarbeiter und ſolche zählen können, welche in Metallen treiben und gießen. Die Kunſt in Stein zu arbeiten und das Maurergewerbe, wurden im Mittelalter in geſellſchaft - lich geſchloſſenen Logen oder Bauhütten erlernt und betrieben; von da aus wurden Gehülfen hingeſandt, wo man ihrer bedurfte,3*36und ihnen ein Gruß als Erkennungszeichen an die auswärtige Loge, oder den einzelnen Meiſter, mitgegeben. *)Stieglitz, die Kirche zu Rochlitz, S. 187: „ Der Meiſter entbeut euch ſeinen werthen Gruß. “Das Zuſam - mentreten der übrigen Handwerker in Corporationen, das fort - währende Anlernen junger Leute, deren Zahl mit dem Abgang der Meiſter nicht immer im richtigen Verhältniß ſtand, die Fort - ſchritte der National-Induſtrie und dadurch geſteigerte Forderun - gen an die Handwerker, trieben die Geſellen in die Fremde, um ihren Unterhalt und zugleich Kenntniſſe und Geſchicklichkeit zu erwerben, wozu ſie in ihrer Lehrſtadt nicht immer Gelegenheit hatten; endlich forderte das Fortbeſtehen der Innungen, deren Hauptbaſis hinlänglicher Erwerb war, ein ſyſtematiſches Zurück - halten der Geſellen von der Meiſterſchaft, wodurch andererſeits das Publikum in ſofern gewann, als die abgehenden Meiſter durch gehörig ausgebildete Leute erſetzt wurden. So wurde denn eine freie Neigung zur Noth - und Ehrenſache, und zuletzt zum Statut erhoben.
Welch eine glückliche Wirkung dieſe Inſtitution aber auf die gewerbliche Ausbildung der ganzen deutſchen Nation, ja auf ganz Europa, ſo weit es nur immer zugänglich war, gehabt hat, liegt außer aller Berechnung! Wie die Handlung Land und Meer durch Austauſch roher Producte gegen Gold oder Erzeug - niſſe der Kunſt verbindet, ſo waren es deutſche Wandergeſellen, die einen ſteten Tauſchverkehr menſchlicher Kräfte und gewerbli - cher Kenntniſſe in den nächſten wie den entfernteſten Staaten unterhielten und vermittelten. Und was wollen wir von der Vergangenheit ſagen, es iſt ja noch ſo! Dieſelben Bedingungen beſtehen noch, und zwar dringender in den Ländern, wo die In - nungen aufgehoben ſind, als in denen, wo ſie ſchattenhaft noch geduldet werden. Die erſte liegt in den Lehrjahren und den ſie beherrſchenden Verhältniſſen. Gewöhnlich geht das erſte dem Lehrling zwiſchen den Geſchäften einer Magd, eines gemeinen Handarbeiters und eines wirklichen Lehrlings hin und das kann, mit ſehr ſeltenen Ausnahmen, auch nicht anders verlangt wer -37 den, den Meiſtern fällt dabei nur ſelten etwas zur Laſt. Das zweite und dritte Jahr mögen hinreichen, den jungen Menſchen im richtigen Gebrauch des Werkzeuges, Kenntniß des Materials und zur Anfertigung einzelner Gegenſtände zu befähigen, worin er im vierten einige Uebung erlangt. Nun iſt er 17 oder 18 Jahre alt geworden, dieſem Alter fehlen aber reife Ueberlegung, richtiges Urtheil, geübtes Gedächtniß, dem Körper oft die nöthige Kraft, um ein Gewerbe ſelbſtſtändig zu betreiben, von dem er kaum allgemeine Kenntniß erlangt hat.
Die zweite Bedingung liegt in der Speculation der Meiſter. Es gehört zu den Seltenheiten, wenn ein Lehrmeiſter ſeinen Aus - gelernten einige Zeit als Geſelle um Lohn beſchäftiget, er beſetzt vielmehr deſſen Stelle ſofort wieder mit einem Lehrburſchen, deren er vielleicht ſchon mehrere in der Werkſtatt ſtehen hat. Die übrigen Meiſter in der Stadt nehmen ihn nicht gern, einmal, weil ſie zu ſeiner Geſchicklichkeit kein Vertrauen haben, zweitens wollen ſie ihm keine Gelegenheit geben, ſich zu vervollkommnen und für ſeine Rechnung zu arbeiten; der junge Mann iſt alſo am Ende ſeiner Lehrzeit brodlos und gezwungen, ſein Heil in der Fremde zu ſuchen.
In der äußern Stellung der jungen Handwerker nach voll - brachter Lehrzeit hat ſich alſo nichts geändert, nur durch die Aufhebung der alten Militairverfaſſung iſt ſie freundlicher ge - worden, ſie ſind nicht mehr gezwungen, Soldat zu werden und bei weitem den ſchönſten Theil ihres Lebens zu bleiben oder dem Vaterlande auf immer zu entſagen. Nachdem ſie die allgemeine Bürgerpflicht, die nach dem Grade ihrer Ausbildung noch ſehr erleichtert wird, erfüllt haben, iſt ihnen der freie Gebrauch aller ihrer Kräfte geſtattet, ſoweit die Vernunft dazu räth. Dage - gen ſind ihnen durch Auflöſung der Innungen die Unterſtützun - gen entzogen, welche in frühern Zeiten und während des Beſte - hens derſelben, bei den meiſten Gewerken ihnen zufloſſen und ihre Wanderungen erleichterten; ſie ſind unter dem Namen Ge - ſchenk bekannt. Wir gedenken hier des Geſchenks und der geſchenkten Handwerke in ihrer eigentlichen Bedeutung und prak - tiſchen Anwendung auf die reiſenden Geſellen.
38*)Was hier folgt, mit Einſchluß der Urkunde, iſt zwar ſchon in v. Ledeburs Archiv abgedruckt, da es jedoch die Geſellenbrüderſchaften ebenfalls angeht, jene Zeitſchrift auch nicht immer ſogleich zur Hand ſeyn möchte, ſo wird es als auch hierher gehörig wieder gegeben.Nach der gewöhnlichen Meinung der Bürger iſt ein ge - ſchenktes Handwerk ein ſolches, wo den reiſenden Geſellen eine feſtgeſetzte Unterſtützung, ein Geſchenk gereicht wird, bei welchem dies nicht geſchieht, ein ungeſchenktes. Dieſe Be - zeichnung iſt aber uneigentlich und verdunkelt die Entſtehung und neueſte Bedeutung des wirklichen Geſchenks (Viaticum). Alle frohen Gelage, beſonders die, womit die amtlichen Zuſammen - künfte der Gilden und Innungen beſchloſſen wurden, nannten ſie Schenke, Schenke halten. Das ſichtbare Symbol des gildiſchen oder Innungs-Verbandes und der eröffneten Schenke, war ein aufgeſtellter ſchön verzierter Pokal, der Willkommen, welcher auch zuweilen das Geſchenk genannt wird. Das Recht oder die Erlaubniß der Handwerker, unter ſich Corporationen zu bilden, blieb ſchon an ſich Jahrhunderte hindurch ein Vorzug großer Städte; wenn es nun auch denen in kleinern Städten geſtattet wurde, ſo erhielten ſie damit noch nicht die Erlaubniß, ein Geſchenk oder Willkommen zu halten, oder ihre Verbindung ein geſchenktes Handwerk zu nennen, wodurch ſie ſich den ältern höher ſtehenden Gilden genähert hätten, vielmehr war dazu die ausdrückliche Genehmigung der Landesbehörde oder doch des Stadtmagiſtrats erforderlich. Beweiſe dafür liefern zwei Urkun - den, nehmlich die Ordnung des Magiſtrats zu Münſter für die Kleinſchnitzler (Tiſchler) vom 9ten März 1607 und die Stiftung eines Willkommens bei dem Töpfergewerk zu Aſchersleben vom 21ſten Juni 1661. **)Als wir Bürgermeiſter und Rath der Stadt Münſter allhie in Weſt - phalen von den Verweſern des Kleinſchnitzler - oder Tiſchler-Handwerks zu öfter und vielmahlen angelangt worden, Ihnen ein geſchenktes Handwerk zu vergönnen, damit ſie mit Ihren benachbarten Meiſtern und Geſellen, ſowohl Oſt - als Weſtwarts und allen umbliegenden Or - ten, da Ihre Meiſter und Geſellen Wandlung und Hantierung brau - chen, Correſpondenz, Fried und Einigkeit haben, auch fromme und ehrliche Geſellen und Jungen in Zucht haben und deren Lehrjahre mit denſelben benachbarten übereinſtimmen, ſonſten auch aller Mißver -Jedenfalls war das Vorhandenſeyn des39 Geſchenks oder Willkommens ein Zeichen der höchſten Geltung unter Corporationen gleichen Gewerbes, denn in dem eben angeführten Statut der Tiſchler geſtehen die Meiſter, daß ſie wegen Mangel eines geſchenkten Handwerks weder oſt - noch weſtwärts, noch in der Nachbarſchaft geehrt würden. In dem**)ſtand unter denſelben zu Nutz und gemeinen Beſten und deren ſo des Handwerks vonnöthen hätten verhütet werden möge mit der uns bei - gethanen Anzeig, daß an den meiſten Oertern allhie in Teutſchland die Dispoſition unter den Kleinſchnitzler Handwerk daß daſſelbig in Ehren gehalten werde, alſo ſie die Meiſter allhie auch dahin gern ſehen ſollten daß deſſelbigen geſchenkten Handwerks auch ſie ſampt ihren Geſellen und ausgelernten Jungen theilhaftig werden und gleich den Benachbarten dazu gerathen möchten und ſolches ſonderlich zu dem Ende, damit die hieſigen Meiſter ſowohl als an andern Orten guter tüglicher Geſellen, deren ſie eine Zeit heer aus Mangel des geſchenkten Handwerks nit mächtig ſeyn können, habhaft werden möchten. Dem - nach ſind Wir Bürgermeiſter ꝛc. Stiftung eines Willkommens für das Töpfer-Hand - werk in Aſchersleben. 1661. (Nach dem Original im K. Prov. -Archiv zu Magdeburg.) Wir Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben hiermit und in Kraft unſers Briefes thun kund und bekennen daß uns für hieſiger Stadt - voigtey die ehrſamen Meiſter und Geſellen des Töpferhandwerks unter - thänig zu vernehmen geben laſſen, welcher Geſtalt Sie ob gewiſſen Urſachen einen Willkomb nach Handwerksgebrauch geordnet und den - ſelben ſich zu accomodiren einhellig geſchloſſen, dahero uns fürters un - terthänig erſuchet und gebeten, daß wir denſelben zu mehrer beſtändiger Folge und Obſervanz confirmiren und beſtätigen wollten, und lauten die Punkte und Artikel worauf ſelbiger beſtehet, wie nachgeſetzet:1. Zum Erſten ſoll das Geſchenke des Jahres dreymal gehalten werden, als Oſtern, Johanni und Martini, jedoch kann ſolches auch wohl außer dieſen Zeiten, als, wann einem Jungen die Lehre bekannt würde, oder ein fremder Meiſter anher käme, zugelaſſen werden.2. Wenn ein Meiſter oder Geſell auf das Geſchenke kommt, ſoll ihm vergünſtiget ſeyn, umb den Willkomb dreymal zu bitten, alsdann ihm auch derſelbige für dem Handwerke gereicht werden ſoll, ſo ſoll auch eine Reihekanne gemacht werden, wann nun aus derſelben dreymal auf der Reihe herumb gedrunken alsdann ſoll der Willkomb von Meiſter und Geſellen beſehen werden, ob der Gaſt mit dem Trunke ein Genügen gethan und beſtehen (kann). Gleichermaßen ſoll der Ehrentrunk auch geſchehen, würde aber es ſich nicht alſo befinden, ſoll er dem Handwerk fünf Groſchen Strafe verfallen ſeyn.40 genoſſenſchaftlichen Schutzverhältniß erhielt die Gaſtfreundſchaft, ſonſt eine freie Tochter natürlich guter Menſchen, eine höhere, politiſche Tendenz, ſie wurde Ehrenſache und das Band weit verzweigter Verbindungen, denn wenn ein fremder Meiſter aus der Nähe oder Ferne, beſonders zu Meß - und Jahrmarktszeiten, in eine Stadt kam, wo ſein Handwerk ein Geſchenk hielt, ſtand ihm das Recht zu, daſſelbe zu grüßen, den Willkommen zu for -**)3. Würde ein Meiſter oder Geſelle bey Aufſetzung des Willkombs fluchen, ſchwören, läſtern oder weltliche Lieder ſingen, der ſoll es dem Handwerke mit 6 Groſchen verbüßen, dem Herrn Stadt - vogte ſeine Strafe unbenommen.4. Würde Meiſter oder Geſell er ſey jung oder alt bey dieſem Will - komb ſich gröblich übertrinken und mit Urlaub zu reden, ſolches wieder von ſich geben, derſelbe ſoll 5 Groſchen Strafe zu geben gehalten ſeyn.5. Soll jedwedern zugelaſſen ſeyn über das Vermögen der Natur nicht zu bleiben, ſondern ſich hinweg in des Meiſters Haus zu begeben, bey welchem er arbeitet, würde aber jemandes er ſey Meiſter oder Geſell den Willkomb anzunehmen ſich verweigern daß es einer Verachtung ähnlich wäre der ſoll dem Handwerk 6 gute Groſchen Strafe dafür alſo balde zu geben ſchuldig ſeyn.6. Welcher Meiſter oder Geſelle dieſen Willkomb verletzen würde, der ſoll nicht allein den Schaden decken, ſondern auch dem Handwerk einen halben Thaler verfallen ſeyn.7. Es ſoll dieſer Willkomb dem Handwerksmeiſter anvertraut wer - den, würde er aber hieraus ſelber ein Geſpötte treiben oder ihme ſonſt gebrauchen wenn das Handwerk nicht beyſammen und er deſſen mit Beſtande könne überzeuget werden, ſoll er ſolches Ver - brechen dem Handwerke mit einem Thaler zur Strafe verbüßen.8. Es ſoll auch dieſer Willkomb wann ein Meiſtereſſen gegeben wird dabey aufgeſetzt werden, jedoch daß ein jedweder ehrbarlich und ſittſamb ſich bezeuge und verhalte, nicht weniger dann auch die Meiſterinnen als Meiſtere ſelbſt, widrigenfalls ſonſt nach Be - finden geſtraft werden.Wann dann dieſe Artikel zur Erbarkeit und gutem Verhalten ange - ſehen und alſo nützlichen und ehrlichen befunden werden, als haben wir ſelbige in Kraft dieſes confirmiren wollen, doch vorbehaltlich die - ſelbige geſtalten Sachen nach und zwar bey dieſen zerrütteten böſen und ärgerlichen Zeiten noch zu vermehren oder zu ändern. Deſſen allen zu mehrer glaubhaftigen Urkunde wir unſer gemeiner Stadt Inſiegel wiſſentlich hier unter drucken laſſen. So geſchehen den 21. Juni im Jahr Chriſti 1661. (L. S.) Bürgermeiſter und Rath der Stadt Aſchersleben. 41 dern (Art. 1 und 2 der Urkunde), der ihm nicht verſagt werden durfte, wenn er nicht etwa geſcholten war. Die Handlung oder Bewirthung ſelbſt nannten ſie Schenke halten, Beſchen - ken, Derjenige, dem der Willkommen gereicht wurde, ſaß im Geſchenk. *)In einem Auftreibebriefe des Töpfergewerks zu Dresden, vom 25ſten September 1659, verklagen die Meiſter einen Geſellen, daß er das Handwerk beſchimpft habe, während er bei ihnen im Geſchenk geſeſſen habe; es wird bei der Auflage weiter davon die Rede ſeyn.
So lange nun die Geſellen noch keine ſelbſtſtändigen Brü - derſchaften bildeten und an den Feſten der Meiſter unmit - telbar Theil nahmen, wiederfuhr ihnen, beſonders den Rei - ſenden, dieſelbe Ehre; mit der Vermehrung der Innungen und Handwerke in kleinen Städten verlor ſich jedoch nach und nach der Zweck des öftern Reiſens der Meiſter nach größern Städten, mithin das Anſprechen des Willkommens, was bereits in Ueber - treibung ausgeartet war. Das Geſchenk oder die Ehrenſchenke fand nur noch bei den jährlichen Hauptverſammlungen, der hohen Morgenſprache oder den Quartalverſammlungen, die dann auch Schenke oder Auflagen hießen, Statt. Die Meiſter ent - fernten die Geſellen aus ihren Zuſammenkünften und Gelagen, wodurch auch bei dieſen, mit wenigen Ausnahmen**)z. B. den Kupferſchmieden., der Zweck des Willkommens, als Zeichen engerer Verbrüderung mit den Meiſtern, aufhörte, wogegen ſie, wiewohl mißbräuchlich, unter ſich Willkommen und Ehrenſchenke ſtifteten. Die Meiſter be - willigten ihnen für die frühere Theilnahme an der Ehrenſchenke eine Unterſtützung an Gelde, welche dann den Namen Geſchenk erhielt. Wir müſſen alſo unter dem Geſchenk der alten Gilden und Innungen ein genoſſenſchaftliches Ehren, zunächſt nur einen Ehrentrunk im Innungs - oder Gildehauſe, in dem der neuern Zeit eine ſtatutariſche Unterſtützung der wandernden Ge - ſellen verſtehen, die Gewerke, wo eine ſolche verabreicht wird, ſollten daher Geſchenkgebende genannt werden.
Mit dieſer Erklärung ſtimmen auch die Reichs - und Pro - vinzialgeſetze überein, wenn ſie das übermäßige Schenken und42 Zehren der Handwerksſöhne und Geſellen unterſagen;*)Reform. guter Polizey 1530, Tit. 30 §. 1, und Reichsabſchied von 1559, §. 75. nicht der Unterſtützung der reiſenden Geſellen, ſondern den Gelagen wollten ſie wehren, wozu die Ehrenſchenke Anlaß gab.
Wie arg der Mißbrauch dabei getrieben wurde, ſieht man aus dem ſogenannten guten Willen der Kupferſchmiede, der dem Verfaſſer von einem zuverläſſigen Manne mitgetheilt worden iſt, er mag umſomehr hier im Auszuge Platz finden, als er uns, obgleich in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, in das mittelalterlich gildiſche Element verſetzt und mit dem wun - derlichſten Ritual bekannt macht, welches bei dem ſo ſehr ver - rufenen Zutrinken auch in bürgerlichen Geſellſchaften beobachtet wurde.
Darauf trinkt der Fremde allen Geſellen zu, ſteht auf und bedankt ſich dreimal bei dem Schenkgeſellen: So mit Gunſt Kupferknabe, ich bedanke mich ganz freundlich, zum erſten Mal, zum andern Mal und zum dritten Mal; ich bitte, wenn Du mir wolleſt den ehr - lichen Willkommen vorſtellen, nach Handwerksge - wohnheit und Gebrauch.
Hierauf bittet er einen aus der Geſellſchaft, den Fremden in Acht zu nehmen (zu unterhalten) und ſpricht zu einem andern: So mit Gunſt Kupferknabe, ich wollte Dich gebeten haben, wenn Du mir wollteſt den ehrlichen Willkom - men helfen zurecht machen (füllen helfen).
Wenn ſie wieder herein kommen, ſetzt der Gehülfe den Daumen auf den Tiſch und ſpricht: So mit Gunſt ſetz’ ich mich wieder nieder.
Reicht nun den Willkommen der zweyten und dritten Jungfer und ſpricht dieſelben Worte wie bey der erſten, dann ſteht er auf und ſpricht zum Schenkgeſellen: So mit Gunſt Kupferknabe, ich bitte, wenn Du mir wolleſt den ehrlichen Willkommen beſchauen nebſt dem ehrlichen Umläufer, ich verhoffe ich werde meiner Sachen ein Genüge gethan haben.
46Das Geſchenk der Meiſter, als Unterſtützung, wurde den reiſenden Geſellen auf verſchiedene Weiſe zu Theil, auch hatte der größere oder geringere Betrieb des betreffenden Handwerks viel Ein - fluß auf die Höhe deſſelben. Die Buchbinder, in großen Städten, zahlten für ſie ein beſtimmtes Geldquantum auf der Herberge, wo - für ſie bei gehöriger Wirthlichkeit einen auch wohl zwei Tage leben konnten. Die Fleiſcher und Bäcker reichten ihnen eine beliebige Gabe, die ſie Zehrpfennig nannten, und von den Reiſenden von den Meiſtern perſönlich eingeholt wurde. *)Auch die Schmiedegeſellen holten ſich das Geſchenk und gingen von einer Werkſtatt zur andern.Bei den Seilern und Steinmetzen war es von der Tageszeit abhängig, wann der Fremde ankam; erſtere bekamen Geld, wenn ſie des Vormittags ankamen, und gingen weiter, nach vier Uhr Nachmittags mußte man ihnen Abendeſſen und Nachtlager reichen. Den Steinmetzen wurde in alter Zeit ein übliches Tagelohn als Geſchenk verab - reicht, wenn ſie noch vor dem Schluß der Hütte ankamen. **)Kompt ein wandergeſell Ee man ruhe anſchlegt, der verdient das taglon. (Stieglitz, Kirche der heiligen Kunigunde.)Ehe die Herbergen in Gaſthäuſer verlegt wurden, bewirtheten ſie die Meiſter nach der Reihefolge, was ſie Umzech nannten, z. B. Böttcher und Seiler***)Wenn ein Geſelle des Böttcher-Handwerks wandern komt und bittet um Herberge, ſoll es ihm nicht verſaget, ſondern nach Gewohnheit ein Lager, Eſſen und Trinken gegeben werden, bey Strafe eines Mfl. Welchem Geſellen aber alſo Handwerksgewohnheit erzeiget würde, der ſoll ſich gegen den Meiſter, ſo ihn beherberget hat, und alle die Seinigen, züchtig, ehrlich, mit keuſchem Mund und reiner Hand verhalten, und wo der Meiſter ſeiner alſobald zur Arbeit be - gehrte, demſelben vor andern arbeiten, bedürfte aber der Meiſter ſeiner nicht, ſo ſoll er durch einen Geſellen oder Lehrjungen, oder jüngſten Meiſter, um Arbeit umſchicken laſſen, welcher Geſelle aber ſich hiewider hielte, der ſoll nicht gelitten, ſondern ihm nachgeſchrieben werden, biß er ſich auf ſeine Koſten verantwortet hat. Art. 9 der Böttcher In - nungs-Artikel zu Wernigerode von 1682. (Prov. -Archiv.); dies erinnert an die frühere innige Verbrüderung der Innungen in ganz Deutſchland, in der - ſelben hat auch der Gebrauch ſeine Wurzel, wonach die Geſellen ihren Herbergswirth und deſſen Frau und Kinder Vater, Mutter, Bruder und Schweſter nennen. Die reiſenden Geſellen waren48 entweder wirkliche oder durch Lehrjahre und den Geſellenſpruch doch Adoptivſöhne der betreffenden Innung oder Gilde, ſie hatten daher nach dieſem Verhältniß überall auf ihren Reiſen, wo ſie als Gehülfen die abweſenden Söhne der Meiſter oft vertraten, ſich des augenblicklichen Schutzes derſelben gegen Mangel zu erfreuen, beſonders aber einen Anſpruch auf die Theilnahme der Söhne ſelbſt, die unter ſich, nach der geſellſchaftlichen Trennung von den Vätern, eigene oder Fremdengilden*)Die Geſellen-Brüderſchaften. bildeten. Hierzu kommt — im Scherz oder Ernſt — eine Nachahmung der Hausordnung der Klöſter, ſo weit dieſe die Bewirthung der Fremden oder reiſenden Brüder betraf; der Bruder Kellner, Speiſemeiſter oder Guardian, hatten ſie zu beſorgen. An Stelle dieſer finden wir bei den Handwerkern Schenkgeſellen, Or - dengeſell, bei den Meiſtern Schenken, oder Ordenmeiſter, und die ſeltſame Entſchuldigung: das Kloſter iſt arm, der Brüder ſind viel, und der Abt trinkt ſelber gern. **)Kupferſchmiede, Seiler u. a. m.Der Sohn eines Meiſters, oder ein in Arbeit ſtehender Geſell, führte den Reiſenden bei ihm ein und, vermöge des zwiſchen ihnen beſtehenden genoſſenſchaftlich-brüderlichen Verbandes, be - trachtete man den Fremden für dieſen Abend als Mitglied der Familie und es war ihm erlaubt, Herr Vater, Frau Mutter, zu ſagen. — Eine Sitte, ſobald ſie erſt ein Jahrhundert beſteht und gewiſſe Vortheile mit ſich verbindet, wird national, und ſelbſt dann noch im Namen fortgeführt, wenn dieſe längſt aufgehört haben. So ging es mit dieſem Gebrauch. Als die Reiſenden zahlreicher wurden, die Gewerke von der Gildewürdigkeit leich - tern Anſichten nachgeben mußten, wurde die Bewirthung den Meiſtern läſtig und man ſorgte für öffentliche Herbergen, wo die Geſellen für Rechnung der Meiſter ein augenblickliches Unter - kommen fanden. Hier übertrugen ſie die gildiſche Vertraulichkeit auf den Wirth und ſeine Familie, in Ermangelung von Kindern, mißbräuchlich auf Knechte und Mägde des Hauſes. Für dieſe Anſicht ſpricht auch das Ceremoniell der Seiler bei der Umſchau49 und Auflage, wo ſie ſagen: „ Mit Gunſt, daß ich meinen Hut oder Filz darf auf des Herrn Vaters Tiſch legen “; auch die Anrede der Schloſſer an den Meiſter bei der Umſchau: „ Es iſt ein fremder Schloſſer zugereiſ’t kommen, nicht in des Meiſters, ſondern in des Herrn Vaters Haus. “ Auch der Gebrauch, die Geſellen nicht nach ihren Familiennamen, ſondern dem Namen der Stadt zu nen - nen, wo ſie ihr Handwerk erlernt haben*)z. B. Hamburger, Berliner, Wiener ꝛc., iſt ſehr alt und originirt aus dem dreizehnten und zwölften Jahrhundert, wo bürgerliche Perſonen, beſonders Handwerker, noch keine Familien - namen führten, und man wird zu der Annahme verſucht, daß die Meiſter ſelbſt, nachdem ihre bürgerlichen Verhältniſſe ſich würdiger geſtaltet hatten, durch dieſen Gebrauch die fremden Geſellen von ihren Söhnen unterſcheiden und den höhern Standpunkt der vollen Gildſchaft, zu der ſie nur als Meiſter gelangen konnten, fühlen laſſen wollten.
Bisher haben wir nur von dem Geſchenk und der Ehren - ſchenke der Meiſter geſprochen, beydes finden wir auch bei den Geſellen-Brüderſchaften, beſonders bei den Gewerken, wo die Umſchau eingeführt war. Die Ehrenſchenke der Böttcher, bei den Seilern Eingeſchenk auch großes Geſchenk genannt, wurde ihnen bei der erſten Zuſammenkunft, welcher ſie beiwohn - ten, gereicht; das Geſchenk, als Unterſtützung, aber durch den umſchauenden Geſellen zu Theil, und wir können, indem wir von der Umſchau und den übrigen Arten, wie die reiſenden Geſellen ein Unterkommen fanden, ſprechen, auch deſſelben ge - denken; bemerkenswerth für die äußere ſittliche Volksbildung ſind auch hier die dabei vorkommenden Gebräuche und Gewohnheiten, die bisher nur angedeutet werden konnten, worauf die Brüder - ſchaften mit großer Strenge hielten. Bei einigen nahmen ſie ſchon vor den Thoren der Stadt, in welche ſie einwanderten, ihren Anfang; alle waren verpflichtet, ſich vorher in einen an - ſtändigern reinlichern Zuſtand zu ſetzen, als ſie es ſonſt wohl450auf der Reiſe für nöthig hielten. Die Böttcher mußten ihr Schurzleder auf das Bündel ſchnallen, ſo daß der ſogenannte Kreuzriemen über ihrem Kopfe zu ſehen war. Die Zimmerleute ſollten im Rock und mit vorgebundenem Schurzfell einwandern, Schloſſer und Schmiede einen Hammer in der Hand tragen. Einige waren gehalten, vor der Stadt ihre Reiſebündel oder Felleiſen auf die linke Schulter zu nehmen, die Glaſer unterm linken Arm.*)Vorſage Art. VI. In der Stadt ſelbſt war es vielen nicht erlaubt, bei einem Meiſter ihres Handwerks einzuſprechen, vielmehr durften ſie nur nach ihrer Herberge fragen und da einkehren. Aber auch hier war mancherlei zu beobachten; die Schmiede und Schuh - macher legten ihre Felleiſen nicht auf die Bank, ſondern unter dieſe. In kleinen Städten und Flecken war es erlaubt, ſelbſt einen Meiſter zu ſuchen, in großen Städten beſtanden in der Regel zwei Haupteinrichtungen, die Umſchau und das Zu - ſchicken.
Das Umſchauen oder Umſchicken, auch Umwarten genannt, verrichteten die in Arbeit ſtehenden Geſellen nach der Reihefolge, wie ſie bei den Meiſtern in Arbeit getreten waren; Diejenigen, welche die Ordnung traf, wurden Ordengeſellen, Ordenjünger oder Umſchaugeſellen genannt. Bei einigen Gewerken, z. B. den Böttchern und Seilern, verrichteten es die Altgeſellen, waren gar keine Geſellen vorhanden, die jüngſten Meiſter. Das Ge - ſchäft beſteht in der Anfrage bei den Meiſtern, ob ſie für einen eingewanderten Geſellen oder Jünger Arbeit haben. Es mußte in hergebrachter Form und bei dem Meiſter zuerſt geſchehen, an welchem die Reihe war, einem Fremden Arbeit zu geben, jedoch finden ſich auch hierin bei einigen andere Einrichtungen, z. B. den Schloſſern, wo der Fremde einen Meiſter nennen durfte, bei dem er gern arbeiten wollte. Mit der Umſchau war immer eine Bewirthung der Geſellen verbunden, ſie wurde ent - weder auf Koſten der Geſellen-Brüderſchaft**)Bei den Böttchern in Magdeburg, aber nur ganz einfach, Abendeſſen und Nachtlager erhielt er bei dem Meiſter, an welchem die Reihe der Bewirthung war. oder des um -51 ſchauenden Geſellen ausgerichtet. Im erſten Fall war dieſer an eine beſtimmte Summe gebunden, im zweiten blieb ſeiner Gaſt - freundlichkeit überlaſſen, wie er den Fremden bewirthen wollte, z. B. bei den Buchbindern. Hatte der Umſchaugeſell ein Un - terkommen für den Wandergeſellen gefunden, ſo brachte er ihn ein, d. h. er führte ihn dem betreffenden Meiſter zu, welches ebenfalls in hergebrachter fröhlicher Form oder Gewohnheit ge - ſchah. Die Schloſſermeiſter hatten ſodann an den Umſchauge - ſellen ein feſtgeſetztes Einführgeld zu entrichten, deſſen Höhe von dem Range des Gehülfen, auch wohl von der Größe der Stadt, abhängig war; für einen wirklichen oder gemachten Ge - ſellen zahlten ſie nehmlich mehr, als für einen Jünger, auch der eingebrachte Geſell hatte bei ihnen eine Kleinigkeit an den Um - ſchauer zu bezahlen, wodurch dann deſſen Koſten einigermaßen gedeckt wurden. *)Vergl. die Gebräuche bei der Umſchau.Einige Gewerke hatten gewiſſe Tage in der Woche zum Umſchauen beſtimmt, andere ließen es jeden Tag verrichten, damit die Fremden nicht aufgehalten wurden. Die Umſchau zu verlangen ſtand auch den Geſellen dreimal zu, welche in der Stadt in Arbeit ſtanden und am Sonntage von ihren Meiſtern entlaſſen wurden, aber nicht denen, welche freiwillig ihre Entlaſſung forderten, jedoch konnten die Meiſter ihre Ein - willigung dazu geben; ſolchen Geſellen wurde aber das übliche Geſchenk der Meiſter und Geſellen nicht gereicht.
Noch mag erwähnt werden, daß bis 1806 die umſchauenden Böttchergeſellen in Magdeburg blaue Mäntel, den Kragen mit goldenen Treſſen beſetzt, trugen, die Seilergeſellen hielten ein Herz, wodurch ein Pfeil geſteckt war, in der Hand.
Wir gedenken noch einer entſchädigenden Einrichtung, die bei den Buchbindern Statt fand. Hier war jeder fremde in Arbeit tretende Geſell gehalten, nach den 14 Probetagen, wenn er bei ſeinem Meiſter blieb, den zunächſt einwandernden Geſellen umzuſchauen und zu bewirthen, was man für die 14 Tage4*52nannte; er vergalt alſo dadurch die Wohlthat der Brüderſchaft ſogleich wieder.
Der Umſchau ſteht entgegen das Zuſchicken. Es war bei den Schneidern und Schuhmachern gebräuchlich, in der neueſten Zeit ſollen es auch die Tiſchler angenommen haben. Es verhält ſich ſo damit: Die Meiſter, welche Geſellen zu ha - ben wünſchen, zeigen es auf der Herberge an, und der Wirth iſt ſchuldig, den Meiſter, welcher ſich zuerſt bei ihm gemeldet hat, und ſo fort nach der Ordnung zu benachrichtigen, wenn reiſende Geſellen ankommen, oder, nach genommener Abrede, ſogleich ihm zuzuſchicken. Auch Zuführen wurde es genannt, welches bei den Schuhmachern ein armer Meiſter als Handwerksbote verrichtete, und dafür einige Groſchen von den Geſellen erhielt. Die Geſellen der Hufſchmiede holten ſich das Geſchenk ſelbſt und baten zugleich um Arbeit.
Unter allen Arten, wie die wandernden Geſellen ein Unter - kommen erhielten, war die Umſchau die beſte, wenn ſie auch mit einigen Ausgaben und Zeitverſäumniß verknüpft war. Höchſt ſchädlich für ſie iſt dagegen die Verfaſſung, wo ſie ſich ſelbſt Arbeit ſuchen müſſen, beſonders in großen Städten. Sie bringt ſie um die wenigen Groſchen Reiſegeld, die ſie vielleicht noch beſitzen, ſie zwingt die notoriſch armen zum Betteln oder Fech - ten, wie ſie es nennen, entmuthigt und verſchlechtert ſie, die be - reits zum Betteln geneigten finden darin eine gar nicht zu hindernde Gelegenheit dazu und ihrem Trieb zum Nichtsthun zu folgen. Sie können in einer großen Stadt mehrere Tage, unter dem Vorwand, einen Meiſter zu ſuchen, umherſchleichen und betteln. Dieſe Befürchtungen beſeitigte aber die Umſchau nicht allein, ſie übte noch eine andere bedeutende moraliſche Kraft auf die jungen Leute, nehmlich die Gewöhnung an Gaſtfreundſchaft, an thätige Theilnahme an dem Schickſal eines leidenden Bru - ders. Der arme Handwerksburſche, wenn er ſich ſelbſt ein Un - terkommen in einer großen Stadt ſuchen muß, läuft einſam in den Straßen umher, ohne beſondere oder wohl gar unangenehme Theilnahme zu erregen; der, welcher vom Zuſchicken abhängt, iſt der Willkühr des Handwerksboten oder des Herbergswirths hin -53 gegeben, wogegen der, welcher umgeſchau’t wird, ſich feſt auf die Unpartheiligkeit ſeines Cameraden verlaſſen kann, denn die - ſer wird den Meiſtern dafür verantwortlich, wenn er einen über - geht, und die Geſellen-Brüderſchaft würde es ihm nie vergeben, die einzelnen es überall entgelten laſſen, wo ſie ihn fänden. Der Umſchaugeſell ſieht ferner den Fremden zunächſt allein, iſt dieſer entblößt von Gelde, übel beſtellt in Kleidung, ſo kann er ſich ihm offen anvertrauen und bitten, alles Mögliche anzuwenden, ihm Arbeit zu verſchaffen; der gutherzige Umſchauer ſucht nun nicht allein den einen oder andern Meiſter bei bemerkter Neigung, dem Wandergeſellen Arbeit zu geben, durch Bitten vollends dazu zu bewegen, ohne daß er ihm eben ſeine äußere üble Lage erzählt, die ihn bei dem perſönlichen Beſuch des Fremden vielleicht abſchrek - ken möchte; im unglücklichſten Fall ſammelt er bei ſeinem Um - gang von den Geſellen eine Unterſtützung für ihn oder ſpricht die Meiſterlade an, und dies war früher nie ohne Erfolg. Es geſchah unbemerkt, ohne Mitwirkung einer öffentlichen Behörde; die ſtädtiſche Armenkaſſe wurde nicht in Anſpruch genommen, das Ehrgefühl des jungen Mannes geſchont, und er behielt Muth, ſich aufrecht zu erhalten. Man wird freilich einwenden, daß andererſeits dadurch auch dem Leichtſinn, der Faulheit, feſte Brücken gebaut wurden, dergleichen Fälle ſollen aber bei den Geſchenk gebenden Handwerken und wo die Umſchau eingeführt war, höchſt ſelten vorgekommen ſeyn. Nur einmal hatte ein junger geſunder Geſell ſich dieſes Auskunftmittels zu erfreuen; die, welche vom Nichtsthun Profeſſion machten, dabei gewöhnlich alt wurden, gehören dahin nicht, für ſie hatten die Geſellen auch nicht das lebhafte Intereſſe und belegten ſie nicht ſelten mit Spottnamen, und iſt es denn nicht beſſer, eine ehrbare Corpora - tion