PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I][II]
BIBLIOTHEK GEOGRAPHISCHER HANDBÜCHER
STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELHORN. 1890.
[III]
HANDBUCH DER PFLANZENGEOGRAPHIE
MIT 4 KARTEN UND 3 ABBILDUNGEN.
STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELHORN. 1890.
[IV]

Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

[V]

Dem Andenken an August Grisebach in dankbarer Verehrung gewidmet vom Verfasser.

[VI][VII]

Vorwort.

Fast gleichzeitig mit der ehrenvollen Aufgabe, die Abteilung Pflanzenverbreitung in Berghaus physikali - schem Atlas zu bearbeiten, traf mich die nicht minder verpflichtende Aufforderung des Herrn Herausgebers dieser Handbücher , die Pflanzengeographie in dem Rahmen dieses ansprechenden und von einer ausgezeich - neten Verlagsfirma liebevoll gepflegten Unternehmens darzustellen. Ein besonderer Reiz für die Uebernahme dieser doppelten Aufgabe lag in der inneren Ergänzung, welche dieselben gegenseitig verknüpft, indem Karten durch den ausführlichen Text des Handbuches, die Dar - stellungen des Handbuches aber durch die sonst nicht in diesem Maße verfügbare Kartographie des Atlas zu ver - anschaulichen waren. Trotzdem die Durcharbeitung des un - geheueren Quellenmaterials in der Auswahl, welche über - haupt durch den Zweck und durch die Pflicht geboten war, in absehbarer Zeit die mir gewordene Aufgabe abzuwickeln, zunächst gleichmäßig für beide selbständige Veröffent - lichungen vorgenommen wurde, sind dann doch noch nach Bearbeitung des 1887 erschienenen Atlas der Pflanzenver - breitung weitere 5 Jahre mit dem Abschluss dieses Handbuches hingegangen. Um der Masse des Materials nur einigermaßen gerecht zu werden, ist sein Umfang um die Hälfte des ursprünglich dafür bestimmten Um - fangs vergrössert. Und doch wäre der spezielle Teil zu dürftig, wenn nicht andere grosse Werke zu seiner Er -VIIIVorwort.gänzung daständen, und wenn nicht gerade ein kürzeres Handbuch der Pflanzengeographie als Bedürfnis erschienen wäre.

Gegen Arbeiten der hier vorliegenden Art erhebt sich nicht selten der Vorwurf der Kompilation ohne eigene ausreichende Erfahrung; denn selbst diejenigen Forscher, welche in drei Kontinenten Studien und Beob - achtungen sammeln konnten, haben nur Bruchstücke einer Kenntnis der gesamten Vegetation der Erde heim - gebracht, und was ihr Wissen an Ausdehnung gewonnen hat, geht ihm an Vertiefung ab. Es ist daher richtig, dass Spezialabhandlungen und Reiseberichte in einer zu - sammenfassenden Pflanzengeographie mit grösserem Ge - wichte dastehen, als Monographien in den anderen Ge - bieten der organischen Welt, welche meistens in ihren wichtigsten Punkten selbständig nachgeprüft werden können.

Wer aber sich in den Geist dieses Handbuches hinein - zudenken die Mühe nehmen will, der wird, wie ich hoffe, die Selbständigkeit des Ganzen erkennen. Hoch und frei stehen die wissenschaftlichen Ziele der Pflanzengeo - graphie da als Ergründung der Kausalität in der Ver - breitungsgeschichte der Pflanzenwelt und als Ergründung der Wechselbeziehungen zwischen Landesnatur und Vege - tationsteppich, innig angeschlossen an umfangreiche Ma - terien der botanischen Systematik, Physiologie und be - sonders Biologie, und der anderweiten Disziplinen der physischen Erdkunde, zu deren Gliede sich die Pflanzen - geographie selbständig ausgestaltet.

In dieser freien Entwickelung richtet sie ihr eigenes Lehrgebäude auf, und die zahllosen Gegenstände, welche der vergleichenden Pflanzengeographie aus allen Teilen der Erde zufliessen, erhalten hier erst den richtigen Platz angewiesen, ihre Bedeutung für das Allgemeine erst hier klargestellt.

Bei der Menge von Einzelheiten, welche zur Aus - füllung des Rahmens notwendig sind, können sich je nach dem Zustande der Forschungen in diesem oder jenem Florengebiete Ungenauigkeiten und Fehler in die Dar - stellung einschleichen; die Geschichte der Kritik vonIXVorwort.Grisebachs Vegetation der Erde gibt Zeugnis davon. Ich habe von jeher der Richtigstellung bis in kleine Einzel - heiten hinein grosse Mühe gewidmet, auch zeigen die Litteraturregister zumal im Schlussabschnitt, in wie weit ich mich an die botanischen Hauptquellen, die Floren - werke, gehalten habe; aber dennoch ist mir das Allge - meine wertvoller als die Einzelheit, deren Berichtigung den Arbeiten geographischer Floristen, welche thatkräftig sich zu Meistern bestimmter Vegetationsgebiete machen, anheimfällt, und deren durchdringende Darstellung sowie zweckentsprechende Verwendung einen langsamen, aber stetigen Fortschritt in unserem Wissen von der geo - graphischen Ausgestaltung der Vegetation der Erde im Gefolge hat.

Bezüglich der Litteraturangaben durfte nach meiner Meinung, welche sich ganz an Prof. Günthers Ausspruch im Vorwort zum Handbuch der mathematischen Geo - graphie anschliesst, ein derartiges Handbuch nicht zu dürftig ausfallen; ist doch sein Nutzen dann schon ein grosser, wenn Anderen in zweckmäßiger Zusammenstel - lung die Quellen erschlossen werden. Und im speziellen Teile der Pflanzengeographie war dies um so mehr nötig, als die grundlegenden floristischen Arbeiten in Hinsicht der Vegetationsanordnung nur quellenmäßig anzunehmen und zu verwerten sind. Daher geht in diesem Abschnitt jeder Länderabteilung eine Litteraturübersicht voraus, auf welche in den dann folgenden Auseinandersetzungen Be - zug genommen wird, und welche ich grösstenteils im Original benutzt habe. Es sind daher diese Litteratur - übersichten zugleich meine Quellennachweise.

Seit dem Jahre 1878, wo ich an Grisebachs Stelle die pflanzengeographischen Berichte im Gothaer Geo - graphischen Jahrbuch herauszugeben begann, sind nun schon 24 Bogen solcher Berichte gedruckt worden, ausser kürzeren Zusammenfassungen viele kritisch gesichtete Auszüge enthaltend. Diese zur Verwertung heranzu - ziehen lag nahe, und es wird daher bei seinen häufigen Anführungen das Geographische Jahrbuch mit G. J., Band und Seite, abgekürzt. Grisebachs Berichte in dem -XVorwort.selben Jahrbuch von 1866 1876 sind nach seinem Tode noch einmal abgedruckt in dem Bande: Gesammelte Abhandlungen und kleinere Schriften zur Pflanzengeographie, Leipzig 1880 , S. 335 556; dieser Sammelband wird an Stelle derselben Berichte im Jahrbuch angeführt im Texte mit Griseb. Abh. Seite ..; noch ältere Berichte von Grisebach sind, reich an Inhalt, über die pflanzen - geographische Litteratur der Jahre 1841 1853 in Wieg - manns Archiv erschienen, und werden gelegentlich als solche (Griseb. Ber. für 1841 u. s. w.) angeführt. Bei der innigen Bezugnahme auf desselben Verfassers Vege - tation der Erde, deren lebensvolle Bilder in dem engen Rahmen dieses Handbuches zur Ergänzung oft ange - führt werden, ist in der Abkürzung: Griseb. V. d. E., Band und Seitenzahl der neuen Ausgabe (Leipzig 1884), gemeint. Als andere häufige Abkürzungen sind ausser - dem zu nennen: DC. Géogr. bot. für Alph. de Candolles Géographie botanique raisonnée, Paris und Genf 1855, ferner: Engl. Entw. d. Fl., für Englers Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Pflanzenwelt, Leipzig 1879 und 1882; und Dr. Fl. d. E. für meine im Ergänzungsheft Nr. 74 der Geographischen Mitteilungen, Gotha 1884, entworfene kartographische Darstellung der Florenreiche der Erde.

Einige kartographische Beigaben waren, trotz der von mir früher erschienenen geobotanischen Erd - und Länderkarten, auch in diesem Handbuche nicht zu ent - behren, sind aber in methodischer Einfachheit der Dar - stellung gehalten. Nur eine die klimatische Grundlage der Florensonderungen in den gleichen Kontinenten dar - stellende Hauptkarte von etwas genauerer Linien - und Farbengebung beizufügen war mein Wunsch, und es zeigte sich hier eine sehr günstige Gelegenheit, die Botaniker mit einem für die Zwecke der Darstellung des Zusammen - hanges zwischen Klima und organischer Welt eigens ge - schaffenen Entwurfe der Klimagürtel der Erde bekannt zu machen. Im Juniheft der Meteorologischen Zeit - schrift vom Jahre 1884 war ein Aufsatz des Herrn Dr. W. Köppen in Hamburg über die Wärmezonen derXIVorwort.Erde, nach der Dauer der heissen, gemässigten und kalten Zeit und nach der Wirkung der Wärme auf die organische Welt betrachtet, erschienen, und die ihn begleitende Karte liegt, mit freundlicher Zustimmung ihres Verfassers, unter den für unsere Zwecke passenden Veränderungen der Hauptkarte dieses Handbuches zu Grunde.

Zur Vervollständigung des Zweckes, dem die Karte hier zu dienen hat, bedurfte es jedoch noch der Hinzu - fügung der zwingend in die Vegetationsverhältnisse ein - greifenden Hauptverteilung der Niederschläge, für welche Hanns Darstellungen in Berghaus physikalischem Atlas die weitere Grundlage boten; und so mag man diese Karte als einen, wie ich glaube ersten, Versuch ansehen, alle der Pflanzenwelt gegenüber mächtig eingreifenden klima - tischen Einflüsse auf einem einzigen Blatte vereinigt zur Unterlage der Florenreiche verwendet zu finden, deren Grenzen sich somit häufig in ein richtigeres Licht stellen, als wenn die Flora selbst zur Hauptfarbengebung ver - wendet wird. Zugleich vermag dieses Kartenbild zu illu - strieren, was Grisebach mit seinem grossen Werke wollte, die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen An - ordnung .

Noch bedarf endlich die hier angewendete Unter - bringung des floristisch-systematischen Materials einer Erläuterung. Ein Handbuch der Pflanzengeographie darf dasselbe nicht zu dürftig ausfallen lassen; ist doch ein Teil der Geographen, der Forschungsreisenden unserer Zeit mit der Flora innig vertraut, und ist doch zu hoffen, dass, wie so viele Geographen treffliche Geognosten ge - worden sind, auch stets mehr tüchtig geschulte Floristen sich unter ihnen entwickeln und der Botanik ein lebens - frisches Element neuer und thatkräftiger Jünger zuführen werden! Andrerseits würde die Auseinandersetzung der Grundzüge für die Verteilungsweise der Pflanzen im strengen Anschluss an das Pflanzensystem hier lähmend oder ermüdend wirken, wo eine andere Kette von Ge - danken sich durchflechten soll. So ist denn versucht, nach einer Probe von 7 Ordnungen als Prüfsteinen der geographischen Botanik die übrigen Hinweise an dieXIIVorwort.Vegetationsformationen anzuschliessen, wo ihr natürlicher Platz erscheint. Unter den einzelnen Ländergebieten sind dann nur kurze, registerartige Auszüge enthalten und nur einzelne besonders wichtige Charakterarten mit längeren Erklärungen versehen.

Was für Erfolge auf geographischem Gebiete sich an die Lebensarbeit Grisebachs, meines verewigten Lehr - meisters, angeschlossen haben, ist unverkennbar, und all - seitig trotz mancher die Rolle der Entwickelungstheorie betreffender Einwände gewürdigt. Möchte es diesem viel bescheidener auftretenden Handbuche vergönnt sein, nur einen kleinen Teil dieser Anregungen zum Spüren und Forschen in den hier zusammengefassten Richtungen zu bewirken, nur einen kleinen Teil dieses Fortschritts in die strebsame geographisch-botanische Forscherwelt hinauszutragen!

Dresden, im Oktober 1890.

Oscar Drude.

[XIII]

Inhalt.

  • Seite
  • VorwortVI XII
  • InhaltsangabeXIII XVI
  • 1. Einleitung1 14
  • Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie1
  • Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissen - schaftszweig5
  • Richtungen in der Pflanzengeographie8
  • Stellung der Pflanzengeographie zu der physikalischen Geographie11
  • Zweiter Abschnitt. 2. Die Beziehungen der Lebenseinrichtungen zu den geographisch verschieden verteilten äus - seren Einflüssen15 93
  • Aufgabe der geographischen Biologie der Pflanzen15
  • 1. Geographisch wirkende Agentien17
  • Sonnenlicht17
  • Wärme21
  • Niederschläge und Luftfeuchtigkeit26
  • Periodicität in der Einwirkung der geographi - schen Agentien32
  • Phänologie36
  • 2. Topographisch wirkende Agentien48
  • Orographischer Aufbau49
  • Lebenslage durch organische Mitbewohner59
  • 3. Biologische Verschiedenheit der Organisation61
  • Die Vegetationsformen62
  • Die Vegetationszonen der Erde69
  • Dritter Abschnitt. 3. Die Absonderung der Areale durch die geologische Entwickelung der gegenwärtigen Oberflächen - gestalt der Erde mit dem gegenwärtigen Klima94 161
  • XIV
  • Seite
  • Naturalisationen96
  • Die Grundlagen der Arealbetrachtung97
  • Ausbreitungstrieb, Wanderungsvermögen, Schranken100
  • Vegetationslinien103
  • Grösse der Areale106
  • Geologische Entwickelung107
  • Sonderung klimatischer Pflanzengruppen111
  • Geographische Abgeschiedenheit115
  • Vergleich der Fauna117
  • Biologische Wechselwirkungen120
  • Endemische Formen124
  • Flora der Inseln127
  • Flora hoher Gebirgsketten138
  • Flora subtropischer Wüstengebiete143
  • Abgesonderte und gemeinsame Entwickelung147
  • Hauptentwickelungsländer und ihre Scheidelinien148
  • Abgrenzung der Florenreiche und ihrer Gebiete154
  • Vergleich der Faunenreiche159
  • Vierter Abschnitt. 4. Die Bevölkerung der Florenreiche durch hervor - ragende Gruppen des Pflanzensystems162 214
  • Zahlenverhältnisse163
  • Verteilung der Ordnungen der Blütenpflanzen167
  • Ausgewählte Beispiele169
  • 1. Die Palmen169
  • 2. Die Coniferen180
  • 3. Die Cupuliferen188
  • 4. Die Ericaceen192
  • 5. Die Myrtaceen198
  • 6. Die Proteaceen201
  • 7. Die Liliaceen206
  • Schlussbetrachtung über die geographische Bo - tanik 211
  • Fünfter Abschnitt. 5. Die Vergesellschaftung der Vegetationsformen zu Formationen und die pflanzengeographische Physiognomik215 326
  • Die Ziele pflanzenphysiognomischer Gruppenbil - dungen215
  • Der Wert physiognomischer Grundformen217
  • Vegetationsformen auf biologischer Grundlage220
  • Vegetationsformationen auf physiognomischer Grundlage221
  • XV
  • Seite
  • Die für die Formationen zur Verfügung stehen - den Hauptcharaktere222
  • Einteilung der Vegetationsformationen229
  • Die Waldformationen230
  • I. Tropische immergrüne Regenwälder232
  • II. Tropische Littoralwälder (Mangroven) 252
  • III. Tropische regengrüne Wälder254
  • IV. Subtropische Wälder mit immergrünen Laubbäumen260
  • V. Winterkalte Wälder mit periodischem Laub265
  • Die Gebüsch - und Gesträuchformationen276
  • Die Grasflur - und Staudenformationen287
  • Grasflurformationen289
  • Einteilung290
  • Wiesenmoore291
  • Grassteppen294
  • Savanen296
  • Galeriewald298
  • Campine, Prairie299
  • Hochstaudenformationen299
  • Matten - und Triftformationen301
  • Die Moos - und Flechtenformationen304
  • Felsüberzüge308
  • Mooswiesen, Tundra310
  • Moosmoore und Torfsümpfe311
  • Andere Moore312
  • Die Formationen der Binnengewässer314
  • Die ozeanischen Formationen318
  • Unzusammenhängende (gemischte) Bestände: Die glacialen Formationen319
  • Die Steppen, Wüstensteppen, trockenen Fels - gehänge320
  • Sechster Abschnitt. 6. Die Vegetationsregionen der Erde in geographi - scher Anordnung327 556
  • Kapitel I. Die pflanzengeographische Einteilung der Erde328 339
  • Florenreiche und Vegetationszonen328
  • Vegetationsregionen als natürliche Einheiten330
  • Benennung der Vegetationsregionen331
  • Vegetationsformationen333
  • Florenkunde und spezielle Pflanzengeographie334
  • Methode der Schilderung pflanzengeographischer Charaktere337
  • XVI
  • Seite
  • Kapitel II. Die borealen Florenreiche339 446
  • Allgemeine Uebersicht339
  • 1. Arktische Inseln und Eismeerküsten349
  • 2. Nord - und Mitteleuropa360
  • 3. Pontische Steppen und Kaukasus380
  • 4. Atlantische Flora, Mittelmeerländer und Orient386
  • 5. Inner-Asien405
  • 6. Sibirien412
  • 7. Ostasiatische Ländergruppe419
  • 8. Britisch Nordamerika425, 435
  • 9. Vereinsstaaten und nördliches Mexiko425, 441
  • Kapitel III. Die tropischen und australen Floren - reiche447 545
  • Allgemeine Uebersicht447
  • 10. Sahara und Arabien454
  • 11. Tropisches Afrika und Südarabien459
  • Anhang: Inseln im Atlantischen Ozean469
  • 12. Südliches Afrika470
  • 13. Ostafrikanische Inseln474
  • 14. Indien und Sundainseln476
  • 15. Pacifische Inseln bis Neuseeland486
  • Anhang: Neuseeland491
  • 16. Australien492
  • 17. Tropisches Mexiko und Centralamerika503
  • 18. Antillen und Bahamainseln510
  • 19. Tropisches Südamerika515
  • 20. Hochanden und australes Südamerika527
  • 21. Antarktische Inseln537
  • 1. Falklandgruppe540
  • 2. Süd-Neuseelandgruppe541
  • 3. Amsterdamgruppe544
  • 4. Kerguelengruppe545
  • Kapitel IV. Das ozeanische Florenreich546 556
  • Formen und Lebensbedingungen der ozeani - schen Vegetation548
  • Regionen551
  • Substrat552
  • Periodicität553
  • Verbreitungsverhältnisse der ozeanischen Sippen556
  • Geographisches und Sachregister557 566
  • Alphabetisches Register der Pflanzennamen567 582
[1]

1. Einleitung.

Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie. Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissenschaftszweig. Richtungen in der Pflanzengeographie. Stellung der Pflanzengeographie zu der physikalischen Geographie.

Quem nexum inter Meteorologiam, Physiologiam plan - tarum et Physiographiam (vel stirpium cognitionem syste - maticam) indicavi, dignus sane est, qui a viris doctis, in naturae investigatione occupatis, magis magisque considere - tur. Geographia plantarum enim jam nunc pars haud sper - nenda Physices effecta est. (A. v. Humboldt, Prolegomena ad Nov. Genera et Species plantarum, 1815. )

Begriff und Aufgabe der Pflanzengeographie. Unter Pflanzengeographie verstehen wir die wissenschaft - liche Betrachtungsweise der Flora im Lichte der phy - sikalischen Geographie; ihre Aufgabe besteht in der Erforschung der Gesetzmässigkeit der verschieden - artigen Verbreitung von den Elementen dieser Flora über die Erdoberfläche, und in der Erforschung der Wechselbeziehungen zwischen der Erscheinungs - weise des Pflanzenlebens und seinen mit der geogra - phischen Lage sich verändernden äusseren Bedingungen.

Die Pflanzengeographie ist zwar eine botanische Disziplin, welche der systematisch ebenso wie biologisch geschulte Florist allein ihrem ganzen Umfange nach zu bewältigen vermag; aber sie bewegt sich in der glück - lichen Verknüpfung mit den mannigfachsten RichtungenDrude, Pflanzengeographie. 12Gesichtspunkte der Pflanzengeographie.anderer geographisch arbeitender Disziplinen, mit der speziellen Länderkunde als ihrer Grundlage, mit der geographischen Geologie und Zoologie, der Klimatologie und Hydrographie. Dadurch rückt die Pflanzengeographie aus dem engeren Rahmen rein botanischer Forschung heraus und stellt sich in den Kreis derjenigen Wissen - schaftsgebiete, welche in ihren gegenseitigen Beziehungen die physikalische Geographie weitesten Umfanges bilden. Selbst mit der Kulturgeographie steht sie in nächster Verknüpfung.

Grisebach unterschied bei seiner Besprechung des Standpunktes der Pflanzengeographie i. J. 1866 (siehe Abhandl. S. 307) als deren Teile eine topographische, eine klimatologische und eine geologische Geobotanik. Mit gewissen Umstellungen und Erweiterungen können wir diese Einteilung auch heute noch zu der wissen - schaftlichen Grundlage machen, indem wir folgende Ge - sichtspunkte aufstellen:

  • A. Die Pflanze in ihrer biologischen Entwickelung (Lebensgestaltung) unter dem Einfluss bestimmter, von Ort zu Ort wechselnder äusserer Lebens - bedingungen. (Erweiterte klimatologische Geo - botanik.)
  • B. Die Ausbildung gemeinsamer Areale für be - stimmte einheitliche Gruppen des Pflanzensystems im Verlauf der Erdentwickelung, und die Wirkung der grossen Verbreitungssperren auf die an jedem Orte sich zusammenfindende Flora. (Erweiterte geologische Geobotanik.)
  • C. Der Geselligkeitsanschluss bestimmter Pflanzen - arten unter bestimmten biologischen Grundformen zu einer nach Standorten und Ländern verschie - denen, zusammenhängenden oder lichten Vege - tationsdecke. (Erweiterte topographische Geo - botanik und Vegetations-Physiognomie.)

Diesen drei Gesichtspunkten wird durch den Ein - fluss, welchen der Mensch auf die Umgestaltung der Erd - oberfläche genommen hat und weiter nimmt, noch ein vierter beigefügt:

3Flora, Vegetation und Physiognomie.
  • D. Die Veränderungen der Pflanzenareale und der natürlichen Vegetationsdecke durch die mensch - liche Kultur.

Auch jede vollständige Landesflora bietet in geson - derter oder gemischter Behandlung diese drei (bez. vier) verschiedenartigen Gesichtspunkte: sie beginnt zumeist mit dem statistischen Katalog aller dort wild wach - senden oder eingeführten Pflanzensippen, erörtert dann die Biologie aller derselben im Anschluss an die durch die geographische Lage gebotene Jahresperiodizität und an die besonderen Bedingungen der orographischen Glie - derung und aller klimatologischen Einzelheiten, und sie knüpft daran die Schilderung der die Erdoberfläche und die Meeresküsten bedeckenden Pflanzenbestände von einer bestimmten Physiognomie, welche sich nach der Tracht und Lebensweise der häufigsten und in dichter Geselligkeit vorherrschenden Sippen richtet. Man pflegt den ersten, der Pflanzensystematik entlehnten und das gesamte Sippenmaterial von Ordnungen, Gattungen, Arten darstellenden Teil als Flora kurz zu bezeichnen, wäh - rend man die biologischen Eigentümlichkeiten und die hauptsächlich durch letztere in ihrer Allgemeinheit beein - flusste Erscheinungsweise der Pflanzendecke unter Ve - getation zusammenfasst. Gründliche biologische Unter - suchungen auf geographischer Unterlage, zumal für tropische und südliche Floren, sind noch jüngere Litte - raturerscheinungen und daher in ihrer Eigenart bisher weniger allgemein anerkannt. Dagegen bildeten die Florenstatistiken den überwiegenden und oft einzigen Teil der schon seit langer Zeit und mit zunehmender Voll - endung von Botanikern ausgearbeiteten Floren , wäh - rend die Vegetation in ihrer physiognomischen Eigen - heit und Mannigfaltigkeit hauptsächlich in den Berichten der Reisenden zur Schilderung gelangte und aus diesen in die allgemeine Geographie übergegangen ist.

Die verschiedenen Teile der Pflanzengeographie wer - den daher auch in verschiedener Weise gefördert: wäh - rend Reisen in allen Weltteilen das Pflanzenmaterial zu - sammenbringen, durch die beigefügten Einzelbemerkungen4Arbeitsmethode der Pflanzengeographie.ebenso wie durch verständnisreiche Analyse und Schil - derung der Pflanzendecke im Zusammenhange mit dem Bodenrelief und Substrat beleben und geographisch ver - wertbar machen, bearbeitet der zusammenfassende Pflan - zengeograph in den botanischen Museen das aus allen Ländern zusammenströmende Material und kann die aus - führliche Litteratur zahlreicher, speziellen Landeskunden entsprechender Floren kleinerer Gebiete dabei nicht ent - behren; er entwirft die Fundamente der Verteilungsweise für die grösseren und kleineren Sippen des natürlichen Systems, und ganz von selbst ergeben sich ihm dabei die Grundlinien einer danach vollzogenen floristischen Einteilung der Erdoberfläche. Er greift von dem aus der lebendigen Pflanzenwelt abgeleiteten Florenbilde der Erde zurück in die vergangenen Erdperioden, um das mit steigendem Alter undeutlicher erhaltene und unbrauch - barer werdende fossile Pflanzenmaterial in den erhaltenen Spuren seiner Verbreitungsweise mit den verwandten Sippen der Gegenwart zu vergleichen und dadurch ein Bild von ihrer wechselnden Verteilungsweise, von der Aufeinanderfolge verschiedener Florenbilder an demselben Orte, von der ursächlichen Bedingtheit des jetzigen Zu - standes durch die jüngst oder länger vorausgegangenen verschiedenartigen Zustände, abzuleiten. So steht er in inniger Verbindung mit der Paläontologie und mit der Erdgeschichte überhaupt. Andererseits prüft der Pflanzen - geograph als Biolog in freier Natur, im physiologischen Laboratorium und an den lebenden Pflanzen der bota - nischen Gärten die Beziehungen zwischen deren Lebens - äusserungen und den verschiedenen Einflüssen klimatischer Elemente, der täglichen und jährlichen Lichtperiode, der ernährenden Unterlage, der Abhängigkeit vom Wasser, um dann ausgerüstet mit den im kleinen gewonnenen Er - fahrungen in die grosse Natur mit hellem Blicke einzu - treten und die sich ihm darbietenden wechselvollen Ver - hältnisse auf ihre nächstwirkenden Umstände zurückzu - führen, um die Lebensarbeit der Einzelpflanzen an ihrem Standorte zwischen bestimmten gleichartigen und un - gleichartigen organischen Mitbewohnern zu würdigen, und5Geschichte der Pflanzengeographie.um auf diesem Wege die in ihrer Masse mit fesselndem Liebreiz auf ihn einwirkenden Vegetationsbilder in ihren Einzelzügen verstehen zu lernen. So zeigt sich auch in der Verbindung von Arbeiten, welche dem tiefsten Wesen der Botanik angehören, mit solchen, welche auf geographischer Grundlage stehend in die geologischen und klimatologischen Sphären hineingreifen, die Stellung der Pflanzengeographie als einer die organischen Naturwissen - schaften mit der physikalischen Geographie innig ver - knüpfenden Disziplin.

Entstehung der Pflanzengeographie als eigener Wissenschaftszweig. Als die ersten Bausteine der Pflan - zengeographie müssen solche Floren genannt werden, welche das Wesen der Floristik richtig erfassten und sie auf geographische Grundlage stellten, dabei also über den Rahmen der Artbeschreibungen eines willkürlich abge - grenzten Landbezirkes hinausgingen. Die älteste vor - zügliche Landesflora von solcher Beschaffenheit scheint Linnees Flora Lapponica (1737), später dessen Flora Suecica (1745) gewesen zu sein; in beiden alten Werken ist eine bewunderungswürdige Vielseitigkeit der Anschau - ungen reich verarbeitet, und es verdiente Linnee durch diese seine Originalarbeiten viel mehr als durch seine unbrauchbar gewordene Systemanordnung der Nachwelt als berühmtes Vorbild vorgehalten zu werden. Gleich darauf folgte, ebenfalls im alt-botanischen Stil, Gmelins umfangreiche Flora Sibirica (1757), in deren Vorrede für die damalige Zeit fruchtbare geographisch-botanische Gedanken entwickelt sind. Die nordischen Floren sollten also den Hebel ansetzen, um die botanische Wissenschaft auch auf das geographische Gebiet zu leiten, und ihnen folgten dann in der Geschwindigkeit, wie der Stoff es zuliess, vollständige oder fragmentarische Floren südlicherer Länder, welche allmählich den Blick erweitern halfen und die Idee von der vorhandenen durchgehenden Verschie - denheit in den Floren entlegener Länder um so mehr befestigten, als die ersten noch unvollkommenen Kennt - nisse über tropische Floren fast nur den Blick auf den6Geschichte der Pflanzengeographienordischen Floren durchaus fremde Pflanzenarten und Gattungen eröffneten. Dennoch fehlte der Gedanke an eine einheitliche geographische Disziplin der Botanik bis zu den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, wo als ihre Begründer A. v. Humboldt, Pyr. de Candolle und Rob. Brown auftraten. Es ist wunderbar so äussert sich Alph. de Candolle (Géogr. bot. S. VI) darüber wie diese drei Männer eigenartig von ganz verschiedenen Ideen ausgingen, entsprechend ihren besonderen Studien und den Ländern, aus denen sie ihre Eindrücke schöpften. A. v. Humboldt zeigte sich durchaus als physikalischer Geograph, und ausserdem verstand er infolge einer sehr seltenen Kombination von Fähigkeiten ein Gemälde der schönen äquatorialen Vegetation gleichsam in dichterischer Form zu entwerfen. P. de Candolle beschäftigte sich mit der europäischen Flora und den Beziehungen, welche zwischen Ackerbau und den physiologischen Bedingungen des Pflanzenlebens bestehen. R. Brown endlich, mit ernsten Studien über die natürliche systematische Methode in der Ergründung der Verwandtschaft beschäftigt, die er zuerst auf die fremdartige Flora Australiens anwendete, lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Verteilung der grossen Klassen und Ordnungen des Gewächsreiches über die Erde (1810 1814); etwas später (1818), bei Gelegenheit der Verarbeitung des ersten Herbariums aus der Flora des Congo, richtete er seine scharfsinnigen Untersuchungen auf den Ursprung einzelner Kulturpflanzen, auf die Ueber - tragungen durch Luft - und Meeresströme, sowie auf das ihm seltsam erscheinende Vorkommen einzelner Arten in verschiedenen Tropenfloren zugleich, da nämlich die Verschiedenheit weit entlegener Floren auch im tropischen Gürtel bis dahin schon als Grundgesetz erkannt war.

Aber alle diese Arbeiten, so geistreich sie der da - maligen Zeitlage nach erdacht waren, bildeten zuerst nur zerstreute und unter sich nicht zusammenhängende Frag - mente, bei deren Ausarbeitung der eine Schriftsteller kaum durch die Resultate der anderen berührt wurde; es bedurfte erst noch der Zusammenfassung, der Dar - stellung der gemeinsamen Ziele, um die Pflanzengeo -7von Humboldt bis Schouw.graphie als solche zu begründen. Und hier hat wohl schon A. v. Humboldts Arbeit, die Prolegomena in den Nova genera et species plantarum (Bd. I, 1815; vergl. Dr., Fl. d. E. S. 9) die erste sichere Grundlage ge - legt, wie er schon in seinen Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (1805) den Anfang damit gemacht hatte. Aus diesem Grunde darf man sagen, dass Humboldt mit demselben Rechte der Begründer der Pflanzengeographie zu nennen sei, wie Darwin der Begründer der Deszendenz - lehre. Beide haben das dazu Gehörige durchaus nicht allein gemacht; im Gegenteil waren so viele Naturforscher von Rang auf demselben Gebiete thätig, dass man be - haupten kann, die Forschung selbst hätte auch ohne jene den Fortgang in der angegebenen Richtung nehmen müssen. Aber beide machten aus diesen sie eine Zeit lang vor allen anderen beschäftigenden Gegenständen eine Spezialwissenschaft, führten sie als solche ein und behandelten das vielseitige Thema nicht nur als Ausfluss oder Anhang anderer Forschungen. Und wie es oft nur darauf ankommt, dass ein allgemein interessanter Gegen - stand durch eine besondere Bezeichnung Aufmerksamkeit in weiteren Kreisen errege, so war es auch hier der Fall, indem durch A. v. Humboldts Schriften die Pflanzen - geographie als besonderer Zweig in der botanischen und geographischen Wissenschaft hingestellt und weiter über - liefert wurde.

Als nächste grössere, auf weitem Grunde aufbauende und die Ideen der Vorgänger sammelnde Generalarbeit erschienen dann die Grundzüge einer allgemeinen Pflanzen - geographie von Schouw (1823), welcher später Meyens Grundriss der Pflanzengeographie (1836) folgte. In diese Zeit fiel auch eine sehr lebhafte Thätigkeit auf dem Ge - biete exotischer Floristik, wozu zahlreiche Expeditionen, sowie intensivere Forschung in den alten Ländern Ver - anlassung gaben; infolgedessen erwuchs ein stattliches Material, welches an die schon vorhandenen pflanzen - geographischen Grundlinien angepasst und zu ihrer Ver - besserung benutzt werden musste. Diese Periode legte den Grund zu der heutigen fachgemässen Quellenlitteratur.

8Biologische und systematische Floristik.

Richtungen in der Pflanzengeographie. Die drei der Natur der Sache nach gegebenen Hauptrichtungen der Pflanzen - geographie sind oben schon besprochen; hier folgen noch einige ausführlichere Auseinandersetzungen darüber, weil in ihrer Behand - lungsweise Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Am natür - lichsten liegen die Verhältnisse der biologischen Richtung: Wir sehen, selbst ohne physiologische Kenntnisse tief-wissenschaftlicher Art, die Pflanzenwelt aller Orten in Abhängigkeit von den Jahres - zeiten, welche einen scharfen Klimawechsel zur Folge haben; wir sehen sie ferner in ihrer Standortsverteilung offenbar durch die Unterlage und durch die Bewässerung bedingt, zugleich auch ab - hängig von den durch die grossen Pflanzenbestände selbst hervor - gerufenen sekundären Bedingungen, indem gewisse Arten beispiels - weise den Waldesschatten aufsuchen, andere ihn fliehen. Es kann daher diese Richtung keinen anderen Weg nehmen, als den, an der Hand der experimentellen Physiologie die Grundlage der geo - graphisch und topographisch verschieden verteilten Lebensbe - dingungen zu erforschen, um dadurch eine Einsicht zu erzielen, wie es sich mit den Anpassungserscheinungen der Pflanzenwelt an den Charakter jeder einzelnen Landschaft verhält. Die Wege dazu mögen verschieden sein, falsche Voraussetzungen mögen neben richtigen dazwischen laufen: die Forschung auf diesem Gebiete wird ihr Recht behalten, wenn dies Ziel im Anschluss an Experi - mentalphysiologie fest im Auge behalten wird. Die ver - gleichende systematische Floristik hat eine sehr einfache und unabweisliche Grundlage. Für Länder von bestimmter geographi - scher Begrenzung werden vollständige Florenkataloge entworfen, und in diesen bei den einzelnen Sippen die Häufigkeit, die Vertei - lung nach Genossenschaften, eventuell das Aufhören des Areals an bestimmten Stellen, hinzugefügt. Der geographisch-wissenschaft - liche Schwerpunkt liegt aber naturgemäss in der Vergleichung der Florenkataloge verschiedener Länder, um daraus eine Kenntnis von der Arealgrösse aller das Interesse auf sich lenkenden Sippen abzuleiten, diese unter gemeinsame Gesichtspunkte zu bringen, und zum Nutzen der physikalischen Geographie besonders die Gemein - samkeiten und Verschiedenheiten der grösseren oder kleineren Länderkomplexe darzustellen. Das Endziel und das Material liegen also auch hier klar; aber da sich für die Wissenschaft stets er - klärende Gründe notwendig machen, unter deren Lichte erst das statistische Material plastische Wirksamkeit erlangen kann, so stösst hier überall die nach erklärenden Gründen verlangende Frage auf, warum die Areale der Pflanzensippen diese und nicht etwa eine andere Gestalt angenommen haben, warum oft mitten in einem Ländergebiete starke Arealgrenzen sich zeigen, warum ein Teil der Meere gleichsam als Sperre zwischen Arealen, ein anderer Teil aber wie eine Brücke zur Vergrösserung anderer Areale gedient hat? Bei den nahen Beziehungen, welche zwischen Klima und Pflanzenleben seit alter Zeit beobachtet sind, konnte man nicht unschwer feststellen, dass wirklich das Klima in erster Linie die9Anschluss an die Geologie.Grenzen bestimmt, welche man den Sippenarealen mitten im Lande gesetzt fand, oder noch besser gesagt: die Zusammenwirkung zwischen Boden und Klima. In der ersten Periode der Pflanzen - geographie wurde daher nur die eine Meinung laut, dass das Klima überall die Veranlassung einer bestimmten Flora gewesen sei, und zwar dachte man dabei nur an das Klima in seiner gegenwärtigen Erscheinungsweise auf der Erde. Zwischen 1840 und 1850 jedoch traten die ersten methodisch wirkungsvollen Verbesserungen dieser Erklärungsweise ein, welche in allmählicher Erweiterung zu einer Reform geführt haben. Man muss nämlich in den Erklärungen unterscheiden, warum eine bestimmte Pflanze an einer bestimmten Lokalität auftritt, und mit welchen äusseren und inneren Mitteln sie daselbst ihre fortdauernde Erhaltung erzielt. Der letzte Teil der geforderten Erklärung ist nämlich wiederum biologisch und steht daher in unmittelbarem Zusammenhange mit dem zuerst besprochenen Gesichtspunkte: hier ist die Mitwirkung von Klima und allen übrigen äusseren Lebensbedingungen selbst - verständlich; beispielsweise kann eine auf warme stehende Gewässer angewiesene Pflanze auch nur nach ähnlichen warmen Gewässern hin sich verbreiten. Aber das Auftreten einer solchen Pflanze hier und dort, das Vorhandensein in dem betreffenden Lande überhaupt, ist als eine ganz getrennte Frage zu behandeln: die betreffende Wasserpflanze kann durch wandernde Vögel mitgeschleppt und von einem Teich zum anderen übertragen sein, sie kann hier oder dort als Art zuerst auf der Erde entstanden, sie kann als Relikt in einem kleinen Tümpel übrig geblieben sein, als derselbe durch orographische Umgestaltungen von einem grösseren See, in welchem sie allgemein verbreitet war, abgeschnitten wurde. Auf diesem Gebiete der Fragestellung herrscht ein anderes Wesen, als auf dem biologischen; fremdartige Teile der Naturforschung werden berührt, mit Vorsicht und umsichtiger Erwägung ist von den verschie - denen Möglichkeiten die wahrscheinlichste zu wählen, durch Zu - sammentreffen vieler Wahrscheinlichkeiten sind Erklärungen aufzu - stellen, welche der wissenschaftlichen Wahrheit möglichst nahe kommen; doch wird immerhin die Hypothese hier, wo auch die dunkle erste Entstehung der Arten der Zeit nach in Frage kommt, ein freieres Spiel haben. Hier schliesst sich nun die Pflanzen - geographie in ihrer ganzen Methode an die Geologie an und entlehnt ihr auf geographischer Grundlage das Gerüst, mit welchem sie ihre einzelnen Glieder aufzubauen gedenkt; und für das, was sie der geographischen Geologie, der Entwickelungsgeschichte der Oberfläche der Erde in ihrem gegenwärtigen orographischen Auf - bau mit seinen alten und jungen Organismen, verdankt, zahlt sie derselben Disziplin ihre eigenen Aufschlüsse zurück, welche oft sichernd da auftreten, wo die Geologie selbst andere Methoden nicht besitzt. Man bedenke, dass man die alten Klimate nach den Pflanzenresten beurteilt, welche in den zugehörigen Schichten abgelagert sind, von der Voraussetzung ausgehend, dass die klima - tische Sphäre bestimmter Sippen des Pflanzenreichs in alter Zeit10Die Physiognomik alsund Gegenwart ziemlich gleich gewesen sein möchte. In der Frage nach dem Ursprunge der Sippen und nach der Erzielung ihres jetzigen Areals ist daher die Pflanzengeographie in eine geolo - gische (erd-entwickelungsgeschichtliche) Methode zu ihrem Heile eingelenkt, so dass A. de Candolle jetzt mit Recht die neuere, strenger wissenschaftliche Richtung unserer Disziplin von diesem Zeitpunkte an rechnet.

Man möge nur nicht denken, dass dadurch die Wirkungs - weise der im Klima, im Boden, in der Konkurrenz der anderen Organismen liegenden äusseren Lebensbedingungen durch die geo - logische Methode irgendwie beeinträchtigt sei; es handelt sich nur darum, dass das heutige Klima im Anschluss an die heutige Orographie der Erde nicht die ganze Verteilung der Pflanzen - sippen, so wie sie vor unseren Augen steht, bewirkt hat, sondern dass diese Verteilungsweise in ihren Grundzügen sich herleitet von der der vorangegangenen Erdperioden, und dass die vergangene Orographie und die Klimate vergangener Perioden dabei auch mit - gewirkt haben; das heutige Klima hält nur die Auslese von alle - dem, was es im Anschluss an die jüngste Erdentwickelung vorfindet, vernichtet hier diese Sippen, fördert dort jene zur kräftigen Aus - breitung, erlaubt den Verschlagungen hier eine bleibende, dort eine nur vorübergehende Ansiedlungsstätte, hat aber nichts absolut Verändertes geschaffen.

Es ist bekannt, dass Grisebach in seiner Vegetation der Erde deswegen, weil er wie schon der Name des Werkes anzeigt die Wechselbeziehungen zwischen Klima und Pflanzenleben darzu - stellen beabsichtigte, die geologische Seite der Pflanzengeographie nicht nur für besondere Behandlung ausgelassen, sondern auch vielfach den Versuch gemacht hat, Fragen auf dem Wege klima - tologischer Untersuchung zu lösen, wo der florenentwickelungs - geschichtliche Weg vornehmlich zur Lösung berufen gewesen wäre. Es ist dies besonders da der Fall, wo getrennte Areale und auf - fällige Verbreitungsverhältnisse durch die im Augenblick wirksamen Kräfte auffälliger Verschlagung und abnormer Ausbreitung erklärt werden sollen, während ein Zurückgreifen auf geologische Zustände von dem jüngsten Tertiär, von der Eiszeit vielleicht, den Schlüssel dazu bieten würde. Wenn es bedauerlich ist, dass in dem gross - artigen Werke so mancher Raum mit einer Hypothese der Art ge - füllt ist, so muss doch anderseits auch betont werden, dass Grise - bach die geologische Richtung selbst in ihrem vollen Werte aner - kannte; vergl. in der oben angegebenen Abhandlung (1866) Geo - logische Geobotanik (Griseb. Abh. S. 324 334).

Die physiognomische Richtung der Pflanzengeographie als letztgenannter Gesichtspunkt, den man besser als Lehre von den Vegetationsformationen bezeichnet, hat ohne eigent - liche feste Bahnen sich nach Ideen einzelner Pflanzengeographen gebildet, welche vielfach voneinander abwichen. Der Grund dafür ist leicht einzusehen: mit der biologischen Richtung einerseits und mit der vergleichenden Betrachtung der Areale der Systemsippen11Lehre von den Formationen.sind die beiden natürlichen botanischen Gesichtspunkte erschöpft, und mit der Physiognomik fängt ein eigener Gesichtspunkt der physikalischen Geographie in Hinsicht auf das den Ländern in ihrer Pflanzendecke verliehene organische Kleid an. Das zeigen schon die Begriffe: Wälder, Wiesen, Moore, Steppen, Tundren etc., welche zwar sich auf Pflanzenbestände beziehen, aber doch zunächst keine Begriffe der analytischen Botanik sind. Daher urteilte man auch sehr verschieden über die Fixierung dieser Begriffe; am meisten verbreitet war früher die Meinung, es handle sich bei der Physio - gnomik um malerische Schilderungen der Landschaftsbilder in wirk - lich dem Wesen der Kunst entlehnter Auffassung. So z. B. denkt auch Kabsch (1865) darüber. Das würde dann aber aus dem Rahmen der strengen Naturwissenschaft heraustreten und die Physiognomik als ein fremdartiges Anhangsgebilde behandeln heissen.

Das Aussehen der Pflanzendecke richtet sich zunächst nach der Vegetationsform, welche hier oder da die herrschende ist, nach dem Auftreten von Bäumen, Gesträuchen, immergrün oder blatt - wechselnd, blattlos u. s. w. Nun aber treten in derselben Vege - tationsform alle möglichen Sippen auf und geben ihr ein sehr ver - schiedenartiges Aussehen; alle deutschen Laubbäume gehören zu den blattwechselnden, sind aber doch als Eichenwald, Birkenwald, Buchenwald verschieden genug. Es ist also die Tracht der Ge - wächse jedes Landes gleichzeitig bestimmt durch seine Vegetations - formen und die unter diesen auftretenden morphologischen Träger, d. h. durch die systematischen Ordnungen, Gattungen, Arten der Landesflora. Es läge daher in Betrachtungen darüber gar nichts Neues, als schon unter biologischer und systematischer Richtung zur Erörterung gelangt war, wenn nicht durch den Geselligkeits - anschluss selbst eine bestimmte organische Kraftwirkung von hoher Bedeutung hervorgerufen würde, welche zu den ersten Erkennungs - merkmalen der Landschaft und ihrer klimatischen Verhältnisse ge - hört. Die Pflanzenbestände daher wissenschaftlich zusammen - zufassen und ihre gleichartige oder ungleichartige Verbreitung in Abhängigkeit von den grossen Zügen der Bodenwirkung und Klima - verteilung über die Erde zu verfolgen, ist eine unumgänglich notwendige Aufgabe der Pflanzengeographie als Glied der physi - kalischen Geographie.

Stellung der Pflanzengeographie zu der physi - kalischen Geographie. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich schon klar, was die Geobotanik der allgemeinen und der im einzelnen schildernden Geographie nützen kann; es zeigt sich deutlich die Pflanzengeographie als eine Disziplin, welche mit rein botanischen Fragen an - hebend und nur die Methoden der botanischen Richtungen befolgend Urteile fällt, die neben der Botanik auch die biologischen, klimatologischen und geologischen Seiten12Die Pflanzengeographie einder physikalischen Geographie tief berühren und sich dort in unlöslichen Zusammenhang mit ihr setzen; sie tritt endlich hervor als eine Disziplin, welche, durch den geo - graphischen Gesichtspunkt selbst angeregt, Fragen auf - wirft und Methoden ersinnt, die zunächst der abstrakte Botaniker nicht im Rahmen seiner Gedanken vorfindet und die daher auf wirklich geographische Gebiete überführen. Alles in allem stellt sich also die Pflanzengeographie als eine die reine Botanik mit der reinen physikalischen Geo - graphie verbindende selbständige Disziplin dar, und es könnte die Frage aufgeworfen werden, wie denn in einer Sammlung geographischer Handbücher die Interessen der Geographie zu wahren und vor Beeinträchtigung durch die botanischen Gesichtspunkte zu schützen seien. Gegen solche Zerteilung aber wehrt sich die Einheit der jeder selbständigen Disziplin unterliegenden Grundgedanken, welche nicht auf andere Weise frei und befruchtend aus - gebildet werden können, als wenn sie jede ängstliche Rücksichtnahme auf eine herkömmliche Einteilung der Wissenschaften, welche nicht in allen Stücken eine not - wendige ist, vermeidet. Mit dem Bewusstsein völliger innerer Uebereinstimmung möge hier auf Ratzels erstes Handbuch dieser von ihm veranstalteten Sammlung (An - thropo-Geographie, S. 12, 13) hingewiesen werden, auf die Bemerkung, dass bei diesen logischen Klassifikationen die Wissenschaften nicht gefasst werden, wie sie wirklich sind und betrieben werden, sondern wie sie im Geiste sich gegeneinander abgrenzen.

Ueberhaupt, wieviel von der Grenzausdehnung einer Wissenschaft hängt nur von der Thätigkeit ab, welche auf ihrem Gebiete entwickelt wird! Darum haben die Grenz - fragen, unphilosophisch und im Detail aufgefasst, etwas Müssiges, was kräftige Geister abstösst. Von den streitigen Gebieten, die jede Wissenschaft an ihren Grenzen besitzt, gilt dies durchaus.

Es wird daher auch in diesem pflanzengeographischen Handbuche der Grundsatz gelten, dass kein von der Wissenschaft selbst rechtmässig geforderter Gesichtspunkt ausser acht bleibt, unbekümmert um seine Dependenz von der einen oder der anderen botanischen Richtung,13Glied der physikalischen Geographie.oder um seinen vollen Anschluss an die geographischen Methoden. Denn nur dadurch kann sich die Pflanzen - geographie als ein würdiges Glied in den Kreis der phy - sikalisch-geographischen Disziplinen einreihen, dass sie selbständig den ganzen Umfang der ihr anheimfallenden Thatsachen beleuchtet.

In der Ausführung der Einzelheiten freilich, wo ja doch stets eine Beschränkung eintreten muss, ist es angemessen, da, wo es sich um Förderung der physika - lischen Geographie handeln soll, die rein geographischen Beziehungen in den Vordergrund treten und die rein bo - tanischen nur in dem notwendigen Umfange auftreten zu lassen, besonders also das ungeheuere systematisch-flo - ristische Material auf gedrängte Auszüge zu beschränken.

Mit vollem Rechte wollen die Geographen daher in dem, was für sie aus der Pflanzengeographie nützlich er - scheint, zwischen dem chorographischen Moment, das bei den organischen Naturwissenschaften zu deren eigener Vervollständigung bearbeitet werden muss, und dem auf die Organismen bezüglichen geographischen Moment einen Unterschied machen und gemacht wissen; es ist dies der bezüglich der Pflanzengeographie früher oft gemachte Unterschied zwischen geographischer Botanik und bota - nischer Geographie. Das ist von ihrem Standpunkte aus recht; aber wenn man [wie Beck, vergl. G. J. Bd. X, 1884, S. 584] so weit geht, die Verbreitungsgebiete der Pflanzen - und Tierformen als bedeutungslos für die geo - graphischen Einteilungsglieder, für die Erdoberflächen - teile selbst hinzustellen, so scheint das doch nur aus Be - quemlichkeit für die Geographie zu geschehen, aus der Besorgnis, sich in Fragen einarbeiten zu müssen, denen der Einzelne nicht immer gewachsen sein kann. Nur die Massenhaftigkeit des Vorkommens soll dieser Ansicht zu - folge von Bedeutung sein; aber wie, liegen nicht die wichtigsten Zeugnisse des geographischen Werdens und Seins in solchen Thatsachen, dass keine arktische Insel organische Formen für sich besitzt, welche auf eine längere Zeit hindurch andauernde abgeschlossene Ent - wickelung derselben hinweisen, dass dagegen auf die Süd -14Bedeutung der Pflanzengeographie.westecken Afrikas und Australiens eine Fülle eigener Formen beschränkt ist, als wenn diese Ecken, ozeanischen Inseln vergleichbar, durch unübersteigliche Grenzwälle von ihren Nachbargebieten abgeschlossen geblieben wären? Was nützt hier die Massenhaftigkeit irgend einer Sippe bei solchen Fragen, die die Entwickelungsgeschichte der Festländer und Inseln betreffen! Sie sind nicht von der geologischen Methode zu trennen und betreffen die eigen - sten geographischen Grundfragen für ihre Einteilungs - glieder.

Zwar kann nicht jeder Geograph in diesen Dingen selbständig eintretend schaffen; insofern soll die Pflanzen - geographie eine seiner Hilfswissenschaften sein, welche für sich bearbeitet sein will. Die allgemeinen Resul - tate der Geographie der Organismen aber auch in nur einem natürlichen Gesichtspunkte, den sie zeigt, zu ver - nachlässigen, würde das Fundament der allumfassenden physikalischen Geographie in einer stützenden Säule er - schüttern heissen.

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2. Die Beziehungen der Lebenseinrichtungen der Pflanzen zu den geographisch verschieden verteilten äusseren Einflüssen.

Aufgabe der geographischen Biologie der Pflanzen. 1) Geo - graphisch wirkende Agentien: Sonnenlicht. Wärme; höchste und tiefste Temperaturen ohne Beschädigung der Vegetation. Nieder - schläge und Luftfeuchtigkeit. Periodicität in der Einwirkung der geographischen Agentien. Phänologie. 2) Topographisch wir - kende Agentien: Orographischer Aufbau. Lebenslage durch orga - nische Mitbewohner. 3) Biologische Verschiedenheit der Organi - sation unter den Wirkungen der geographisch-topographischen Agentien. Vegetationsformen. Vegetationszonen der Erde: ver - einigte periodische Zusammenwirkung von Licht, Wärme, Feuch - tigkeit.

Une plante n’est point un instrument analogue au ther - momètre, qui soit de nature à marcher parallèlement avec celui-ci; c’est plutôt une sorte de machine faisant un travail, et un travail très varié, sous l’impulsion des agents extérieurs, savoir, la chaleur et la lumière, et d’un agent intérieur, la vie, dont il est difficile de se passer pour rendre compte des phénomènes. Si les fonctions accomplies par la plante donnent une mesure de la chaleur, ce n’est que d’une manière indirecte, modifiée par une foule de causes secondaires. (Alph. de Candolle, Géogr. botan. 1855. )

Aufgabe der geographischen Biologie der Pflan - zen. Es ist im ersten Abschnitt die Richtung, welche die biologische Pflanzengeographie einzuschlagen hat, im allgemeinen gekennzeichnet; die hauptsächlichen Themata sind hier nun einzeln zu nennen. Zuvörderst ist wohl selbstverständlich, dass die Pflanzengeographie bei der16Die äusseren Agentien inPrüfung der Beziehungen zwischen äusseren Einflüssen und Pflanzenleben ihr Augenmerk nur auf die Agentien zu lenken hat, welche nicht gleichmässig an allen Orten vorkommen, sondern welche entweder nach den grossen Ländermassen verschieden verteilt sind, oder welche in jeder Ländermasse je nach deren orographischem Auf - bau in einander entsprechender Weise die mittleren Lebensbedingungen jedes Landes wiederum nach dieser oder jener Richtung hin schwanken machen und mannig - faltig gestalten. Wir haben es also hier zu thun nur mit den im Sinne geographisch und topogra - phisch verschiedener Verteilung wirkenden äus - seren Agentien, indem wir die Bezeichnung geogra - phisch wirkend auf die, die Hauptzüge der Verteilungs - weise bewirkenden Einflüsse beschränken, die Bezeichnung topographisch wirkend aber auf die Regulatoren der Verteilungsweise nach Standorten in jedem nach grossen Grenzen schon fertig abgesteckten Vegetationsbilde. Dass eine scharfe Unterscheidung zwischen geographisch und topographisch wirkenden Agentien nicht immer durchzu - führen ist, ist uns als Naturforschern, die an solche Dinge in der organischen Welt überhaupt gewöhnt sind, weder unbekannt noch störend, denn für die Darstellungsweise wird doch dadurch gewonnen. Dass die mit der geogra - phischen Lage an sich, so und so viel Grade vom Aequator entfernt mit einem für jede Jahreszeit bestimmten Nei - gungswinkel der Sonnenstrahlen zur Erdoberfläche, zu - sammenhängenden Einflüsse zu der ersten Kategorie ge - hören, die vom Relief bedingten Verhältnisse der Wasser - verteilung im Boden oder das Auftreten von Kalksteinen hier und von Sandsteinen dort zu der zweiten, mag als Beispiel für die im Prinzip festgestellte Unterscheidung dienen.

Ausgeschlossen von der Betrachtung sind daher alle das Pflanzenleben noch so sehr beeinflussenden Lebens - bedingungen, wenn sie gleichmässig oder in für die Ver - teilungsweise der Pflanzen gleichgültiger Abstufung über die ganze Erde verteilt sind. Dahin gehört z. B. die An - knüpfung pflanzlichen Lebens an das Vorhandensein der17der Verteilung der Pflanzen.Kohlensäure zum Zweck der Ernährung; denn dieselbe, obgleich auch im Prozentgehalte der Atmosphäre schwan - kend, ist überall genug vorhanden, um das pflanzliche Leben in voller Energie aufrecht zu halten. Wenn wir daher in einem Lehrbuch der Pflanzenphysiologie und auch in solchen biologischen Zusammenstellungen, wie sie Wiesner (Elem. d. wiss. Bot., Bd. III, Biologie, 1889) überliefert hat, die einzeln aufgeführten Agentien in Bezug auf ihre gleichmässig überall ausgeübte Wirkungsweise oder Wirkungsmöglichkeit, oder auf ihre nach geogra - phisch-topographischer Verschiedenheit stattfindende Ab - änderungsfähigkeit prüfen, so haben wir dadurch eine Auswahl der äusseren Bedingungen zu pflanzengeogra - phischen Zwecken vorgenommen, indem wir die erstere Kategorie beiseite lassen und uns nur mit der Wirkungs - weise der zweiten beschäftigen. Zu dieser letzteren Ka - tegorie gehören die Wirkungen des Sonnenlichtes, der Wärme, der Niederschläge und der Luftfeuchtig - keit in ihrer verschiedenartigen Verteilung über die Erde als geographisch wirkende Agentien ersten Ranges; ferner der jeweilige orographische Aufbau mit den durch ihn bewirkten Bewässerungsverhältnissen, ange - knüpft an ein bestimmtes Substrat (Bodenkrume oder Wasser), und die durch die organischen Bewohner der Erde selbstgeschaffenen Umänderungen als weitere Lebens - bedingungen (welche wir kurz unter der Bezeichnung von Lebenslage zusammenfassen wollen), alle diese als Agentien von topographischer Wirkung.

1. Geographisch wirkende Agentien. Sonnen - licht. In der Wirkungsweise des Erdumlaufs um die Sonne im Jahreswechsel und in der des Wechsels von Tag und Nacht, welche die grosse jährliche und die kleinen täglichen Perioden des Pflanzenlebens erzeugen, pflegt man stets von der Wärmewirkung zu sprechen, ohne dem Lichte die gebührende Rolle zuzuerteilen. Und dennoch muss diese vorangestellt werden, da die sich aus der atmosphärischen Kohlensäure ernährenden grünen Pflanzenorgane zwar diese ihre fundamentale organischeDrude, Pflanzengeographie. 218Beziehungen zum solaren Klima.Arbeit durch Acclimatisation bei verhältnismässig niederen Temperaturen (über Null) auszuführen lernen, aber nie - mals das Licht entbehren können. Die Lichtperiode ist daher der oberste Regulator des pflanzlichen Lebens.

Es gilt dieses Gesetz nicht von einer einzigen Vegetations - erscheinung, welche in merkwürdiger scheinbarer Unabhängigkeit vom Vorhandensein des Lichtes bekannt geworden ist, nämlich von den Entwickelungserscheinungen ozeanischer Tange unter dem Eise in arktischen Breiten zur Zeit der Polarnacht, von welchen unten (Absch. 6, Kap. 4) die Rede sein wird; eine völlige Unabhängigkeit von der Licht periode ist aber auch hier nicht vorhanden.

Es ist daher zur Beurteilung der Vegetationsenergie und deren Verteilung auf die verschiedenen Jahreszeiten der Vergleich des solaren Klimas notwendig, welches Hann (Handbuch der Klimatologie, S. 55 u. ff. ) über - sichtlich darstellt. Die Verteilung der Wärme, welche nach diesem solaren Klima theoretisch beurteilt werden soll, interessiert uns dabei weniger, weil der Pflanzen - geograph mit den thatsächlich stattfindenden Verhält - nissen allein zu rechnen hat; die Verteilung des Lichtes aber, welche nur durch Bewölkung abgeändert, und nicht wie die Wärme durch Luftströmungen und die Eigen - schaften des Erdreichs und Wassers umgestossen werden kann, ist nach diesem solaren Klima allein zu beurteilen: die Grösse der geleisteten organischen Arbeit (mit an - deren Worten die Vegetationsfülle ) muss bei sonst gleichen äusseren Bedingungen der Lichtintensität ent - sprechen.

Eingehendere Litteratur zu diesem Zwecke siehe G. J. Bd. VIII S. 231 u. 232.

Deshalb sind Betrachtungen, wie solche, dass die Ver - teilung der Strahlenmengen (pro Tag) zur Zeit der nörd - lichen Sommer-Sonnenwende sich verhält wie

Nordpol62° N.43 ½° N.Aequator66 ½° S.
1203109211098810

wenn die den Aequator am 20. März treffende Strahlen - menge gleich 1000 gesetzt wird; ferner die Betrachtung, dass der Unterschied der Bestrahlungsintensität am Aequator nur 12 % vom Mittel beträgt, dass dagegen schon unter 30° N. die Strahlenmengen zwischen 520 und19Bedeutung der Tageslänge.1088, unter 50° N. zwischen 197 und 1105, unter 70° N. zwischen 0 und 1130 im Winter und Sommer schwan - ken (Hann), höchst lehrreich zur Beurteilung der zwin - genden Lebensbedingungen, welche vom Sonnenstande als Lichtquelle allein schon auferlegt werden. Denn wenn z. B. durch Eigenwärme der Erde auf ihrer Oberfläche eine überall das Pflanzenleben aufrecht erhaltende Tem - peratur geschaffen wäre, so würde die verschiedene Ver - teilungsweise der Bestrahlung allein schon klimatische Zonen hervorrufen und diesen durch den verschiedenen Ausschlag der jährlichen Periodizität einen besonderen Stempel aufdrücken müssen.

Wie die angeführten Zahlen zeigen, holen die po - laren Länder durch eine starke, auf kurze Zeit zusammen - gedrängte Intensität der Bestrahlung nach, was ihnen an Gleichförmigkeit einer zur Aufrechterhaltung grüner Ve - getation nötigen Bestrahlung abgeht; inwiefern diese zu - sammengehäufte Lichtfülle in kurzer Zeit eine besonders nützliche Lebensbedingung, vielleicht auch die Ursache mancher Besonderheiten polarer Vegetationsformen ist, kann man schwieriger beurteilen, weil die in der Natur selbst angestellten Beobachtungen (s. unten) nur die Wirkung von Licht in Kombination mit Wärme erläutern. Am leichtesten kann man sich noch durch in unseren Laboratorien ausgeführte Experimente darüber unter - richten, wo wir bei gleicher Wärme die Beleuchtung in unserer Gewalt haben, indem wir Topfpflanzen zum Teil das ganze Tageslicht geniessen lassen, zum anderen Teil durch Hineinstellen in Dunkelschränke während bestimmter Tagesstunden des Vorteils der langen Sommertage be - rauben und am Schluss des Sommers durch die Wage die an beiden Teilen geleistete organische Arbeit ver - gleichen. Hier wissen wir schon durch Sachs Versuche, dass bei einem Vergleich von lichtbedürftigen Sommergewächsen teils in 14stündiger, teils in 7stündiger Beleuchtung die erstere Hälfte nicht etwa die doppelte, sondern die vier - fache Gewichtszunahme (als geleistete organische Arbeit durch Assimilation der Kohlensäure am Licht unter Hinzutritt der übrigen für die Ernährung notwendigen Substanzen) 20Insolation im hohen Norden.aufzuweisen hatte; die erstere Hälfte blühte üppig und setzte Früchte an, die in 7 stündiger Beleuchtung er - zogene dagegen vermochte keine Blüthenknospe zur Ent - wickelung zu bringen. Der besondere Vorzug der unaus - gesetzten Bestrahlung ohne Wechsel von Tag und Nacht im Polarsommer für die dortige kurzlebige Vegetation lässt sich hiernach deutlich beurteilen, wenngleich der niedere Sonnenstand selbst einer ausgiebigen Wirkung ent - gegensteht. Doch lässt sich aus den Wärmewirkungen auf das Insolations-Thermometer ersehen, wie gross that - sächlich im arktischen Hochsommer die Sonnenkraft eines einzelnen Tages sein kann.

Bei der Seltenheit derartiger Beobachtungen möge eine von Warming am 26. Juli 1884 zu Kristianshaab gemachte Messung hier mitgeteilt werden:

Schwarze Thermometer-Kugel:

6 ½ h Vm.7 ½ h Vm.8 ½ h Vm.9 h Vm.1 h Nm.2 h Nm.4 h Nm.
18°C.22 ½°C.23°C.30°C.33°C.35°C.31 ½°C.

Blanke Thermometer-Kugel:

6 ½ h Vm.7 ½ h Vm.8 ½ h Vm.9 h Vm.1 h Nm.2 h Nm.4 h Nm.
15°C.20 ½°C.19°C.24 ½°C.30°C.31°C.27°C.

Zu Tesuisak wurden am 29. Juli Vm. 11 ½ h 31°, 12 ½ h als Maximum 40°C. an der Insolationskugel abgelesen, während die blanke Kugel 36 ½°C. zeigte. (Meddelelser om Grönland, XII. 100.)

Dieser Insolationswirkung entspricht eine für hohe Breiten unerwartete Totalerwärmung, deren Wirkung sogleich hier kurz erwähnt werden mag. Auch in Grön - land treten Zeiten ein, wo der flachgründige Boden durch und durch erhitzt wird und eine sengende Dürre im Boden und in der Luft herrscht; die Flechten stehen trocken und spröde, die Moose zusammengeschrumpft; dass die Gefässpflanzen eigens eingerichtet sein müssen, um solche Verhältnisse ertragen zu können, ist einleuchtend. So merkwürdig es auch lautet, ist es doch wahr, dass wir in einem arktischen, ein ungeheueres Eisfeld umschliessen - den und vom Eis umschlossenen Lande wie Grönland Vegetationsformationen finden, nämlich Heide und Fjeld - formation, welche anatomische Verhältnisse im Blattbau darbieten, wie sie auch in südlichen Steppen und Wüsten zu finden sind (Warming).

21Schutzmittel. Licht im Ozean.

Die anatomischen Verhältnisse, auf welche hier hin - gedeutet wird, bewirken sowohl Verdunstungsschutz, als auch Schutz gegen die Zerstörung des Chlorophylls in den zu intensiv besonnten Blättern, und sind, wie es scheint, ziemlich gleichmässig über die Kontinente im Bereich analoger, das offene Land und Steppenwüsten auszeichnender Pflanzenbestände verbreitet. Wiesner hat eine Abhandlung über die Natürlichen Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylls (1876) herausgegeben, in welcher als Schutzmittel gegen Lichtzerstörung die Lage und Form der Blätter, ihr Oberhautbau und die Wirkung von Behaarung genannt werden.

Wie im letzten Abschnitt bei Betrachtung der See - tangvegetation näher besprochen werden wird, bildet die durch Absorption im Meereswasser schwindende Licht - menge den zwingenden Grund des Abschlusses ozeanischer Flora in geringen Tiefen von meistens nur 200 m; ohne Licht keine Ernährung. Um so überraschender war es, dass die Plankton-Expedition 1889 in Tiefen von 1000 bis 2200 m des Atlantischen Ozeans zahlreiche Exemplare einer kleinen Alge: Halosphaera viridis, fand, welche als zweite Ausnahme gegen die sonstige Allgewalt des Lichtes, wiederum im Ozean, dastehen.

Wärme. Die Temperatur ist derjenige meteoro - logische Faktor, dessen Wirkungsweise auf die organische Welt, insbesondere auch auf das Pflanzenleben, von jeher am meisten durchforscht und durchdacht ist; es liegt dies dem Menschen um so näher, als er selbst von ihm viel stärker in Mitleidenschaft gezogen wird als vom Licht, dessen Mangel sich wenigstens nicht sogleich in Funktionsstörungen seines Organismus äussert, wie es bei den Pflanzen der Fall ist. Die Temperatur tritt übrigens, wenngleich an die Polhöhe in erster Linie gebunden, doch in so ganz anderer Verteilungsweise als die Licht - menge auf, zeigt weder ihre Maxima unter dem Aequator selbst, noch ihre Minima an den Polen, ist sogleich nach Luft und Boden, Land und Wasser, so verschiedenartig abgestimmt, dass man sich dieser Verschiedenheiten wohl22Spezifische Nullpunkte.bewusst bleiben muss, wenn man, wie es gewöhnlich ge - schieht, Licht und Wärme als beide der Sonnenquelle entstammend einer gemeinsamen Betrachtungsweise ihres Einflusses auf das Pflanzenleben unterwirft.

Das Grundgesetz, nach welchem alle Einzelerschei - nungen in dieser Beziehung zu beurteilen sind, ist das Gesetz der spezifischen Nullpunkte : alle Vegetations - erscheinungen sind an bestimmte Temperaturen gebunden, welche verschieden sind sowohl für die verschiedenen Pflanzenarten und - Individuen, als für die verschiedenen Lebensprozesse in dem einzelnen Individuum und daher spezifisch genannt werden; jede Lebenserscheinung tritt erst mit einer bestimmten niederen Temperatur ein, nimmt mit steigender Temperatur an Lebhaftigkeit zu, bis sie bei einer viel höheren Temperatur kulminiert und dann mit weiterer Temperaturzunahme an Lebhaftigkeit ab - nimmt, um endlich eine zweite bestimmte obere Tempe - raturgrenze zu erreichen.

Die unteren Grenzwerte der Temperatur verraten meistens schon ziemlich deutlich das durchschnittliche Wärmeklima, in welchem eine Pflanze zu vegetieren als erbliche Anforderung überkommen hat; sie liegen in den seltensten Fällen unter dem Gefrierpunkte des Wassers, liegen wenig über demselben bei arktischen und hoch - alpinen Arten, hoch über ihm bei den Arten der feucht - heissen Tropen. Diejenigen Lebenserscheinungen, welche in kühleren Jahreszeiten vor sich gehen müssen, sind an niedriger liegende untere Grenzwerte gebunden als die - jenigen, für welche dem relativen Normalklima zufolge höhere Temperaturen zu Gebote stehen.

Die Lebensprozesse der Ernährung, des Wachstums und der Vermehrung werden ganz entschieden schon sicher bei Tempera - turen unter dem Gefrierpunkte des Wassers ausgeübt bei den die sogenannte Schnee - und Eisflora bildenden niederen Algen Chlamydomonas nivalis (Sphaerella n.), Pleurococcus etc., deren Re - gister Wittrock jüngst für Grönland sorgfältig zusammengestellt hat (G. J., Bd. XI. S. 116). Kjellman hat während der Ueber - winterung auf Spitzbergen 1872 / 73 mehr als 20 Arten von See - tangen mit deutlicher Reproduktionsthätigkeit mitten in der Polar - nacht unter dem Eise in bis kaltem Meerwasser beobachtet (G. J., Bd. VII. S. 174.). Auch bei niederen Algen unserer mittel -23Schwelltemperaturen; Grenzwerte.europäischen Flora hat man bei Frostgraden Lebenserscheinungen in aller mikroskopischen Deutlichkeit festgestellt. Sonst kann man sagen, dass erst über dem Gefrierpunkt des süssen Wassers die Vegetationsprozesse ihren unteren spezifischen Nullpunkt haben. Die Keimungstemperaturen für tropische Gewächse liegen wohl alle höher als 10°C. ; Gurken und Melonen keimen erst bei 14°C. unsere Getreidearten bei , die Samen einer grossen Anzahl von alpinen Gewächsen dagegen schon bei 2°C.

Die Temperaturen unterhalb der spezifischen Null - punkte sind für das Pflanzenleben wirkungslos und führen, wenn sie nicht vielleicht durch physiologische Wirkungen des Frostes töten, zu einem Schlaf - oder Starrezustand, welcher so lange anhält, bis eine wenigstens zu dem spezifischen Nullpunkte ansteigende Temperatur ihn aus - löst. Wenn demnach irgend ein Same + unteren Grenzwert für seine Keimung hat, so kann er in Boden - temperaturen von 0 bis niemals keimen trotz Bewäs - serung und wird eher verfaulen, als ein Pflänzchen ent - wickeln. Den unteren spezifischen Nullpunkt hat man daher auch wohl die Schwelle oder die Schwelltem - peratur genannt, deren Ueberschreiten erst zu der erwar - teten Lebenserscheinung führt. Was die Bodentempe - raturen für die Keimung, ebenso für das Austreiben der im Erdreich schlummernden Knollen, Zwiebeln, Wurzel - stöcke und für die Wasserzufuhr durch die Wurzeln zur Folge haben, beeinflussen die Lufttemperaturen hinsicht - lich der Wachstumserscheinungen der Stengel und Blätter, hinsichtlich der Ernährungsweise durch die Assimilation der Kohlensäure, hinsichtlich der Oeffnungs - und Schlies - sungsbewegungen an Blütenorganen zum Zweck einer kräftigen Befruchtung, und wie schon gesagt an jeder einzelnen Pflanze pflegen die Grenzwerte für jede dieser Lebenserscheinungen andere zu sein, spezifisch für jede Organfunktion, aber selbstverständlich einander sehr ähnlich für die Flora eines kleinen Gebietes an einheit - lichem Standorte.

Nach den bisher gemachten Beobachtungen mögen die günstigsten Temperaturen für die Mehrzahl der Ge - wächse gemässigter Klimate zwischen 20 und 25°, die oberen Grenzwerte etwa bei 35 und 40°C. liegen; letztere24Höchste Wärme - und Kältegrade,werden auch bei den Tropengewächsen wohl schwerlich stark in die Höhe gerückt sein, doch fehlt es darüber noch an Beweismaterial. Jedenfalls tritt bei Temperaturen oberhalb des oberen spezifischen Nullpunktes eine Wärmestarre ein und die Lebenserscheinungen werden erst wiederum durch sinkende Temperaturen neu erweckt, sofern nicht eine zu hohe Temperatur (bis etwa 50°C. steigend oder höher) überhaupt den Tod der Pflanze her - vorgerufen hat.

Höchste und tiefste Temperaturen ohne Beschä - digung der Vegetation. Es ist nicht uninteressant zu überlegen, wie weit die beobachteten Temperaturextreme über die durchschnittlichen spezifischen Nullpunkte der Vegetation der Erde (zwischen und 40°) nach oben und unten hinausgreifen. Zu den heissesten Gegenden der Erde gehören die südlichen Küsten des Roten Meeres, wo die Brunnentemperaturen in 4 bis 5 m Tiefe 34 bis 35°C., die Lufttemperaturen 54 bis 56°C. erreichen sollen (Hann, Klimatologie, S. 261). Trotzdem ist hier durchaus keine vegetationslose Wüste, obwohl die Tem - peratur eine in den physiologischen Laboratorien als sichere Tötung geltende Höhe erreicht; um dieselbe zu überstehen, schützt sich die Pflanzenwelt durch Austrock - nung aller oberirdischen Organe zur heissen Jahreszeit, Abwerfen der Blätter etc., und vermag auf diese Weise im wärmestarren Zustande ruhend dem Tode zu entgehen.

Für die höchsten Kältegrade, welche die Vegetation auszuhalten vermag, hat Göppert eine Zusammenstellung gemacht (Gartenflora 1881, S. 172). Es sind bekanntlich nicht die baumlosen hocharktischen Inseln die Gebiete der intensivsten Kälte, und wenn sie es wären, würde man nicht wissen, wie viel Schutz man der Schnee - bedeckung für die dortige Vegetation von Stauden und niederen immergrünen Halbsträuchern zumuten darf. Viel stärkere Kältegrade herrschen in Nordsibirien noch im Bereich der letzten Wälder, und hier ist (nach Wild) der Ort Werchojansk unter 67 ½° N. an der Yana mitten im Bereich einer grossen Waldoase von Beständen der sibi -25welche ertragen werden können.rischen Lärche durch seine furchtbaren Kältegrade aus - gezeichnet; der Januar hat als Mittel 49°C., als Mi - nimum 60° und als Maximum 28°, während zu Jakutsk mit dem weniger kalten Monatsmittel von fast 43° doch noch ein tieferes Minimum, nämlich 62°C. beobachtet ist. Innerhalb der Temperatur von 40°C., bei welcher Quecksilber gefriert, liegt Werchojansk für die ganze Dauer des November, Dezember, Januar und Februar, Jakutsk nur für Dezember und Januar, Ust - jansk dagegen unter fast 71° N. an der Mündung der Yana hat nur im Januar das tiefe Mittel. Der weniger kalte nordamerikanische Kältepol fällt nördlich der Baum - linie; doch treten an der Mündung des Yukon im Bereich der nördlichsten Alaska-Waldungen ebenfalls einzelne Kältegrade bis 52°C. auf, welche immerhin an die sibirischen nahe heranreichen. Diese Kälten über - stehen die Bäume, ebenso die auf ihnen befestigten Flechten; und wenn man auch der Schneedecke einen noch so grossen Schutz zuschiebt, was übrigens nach neueren biologischen Beobachtungen im höchsten Norden kaum sehr berechtigt zu sein scheint, so müssen doch sehr viele Stauden mit ihren überwinternden Organen den dem Januarmittel in Nordsibirien entsprechenden Tem - peraturen von 40° ausgesetzt sein und überstehen die - selben, durch besondere uns im einzelnen noch unbekannte Organisation geschützt, im tiefsten Winterschlaf, um unter dem belebenden Einflusse des Aufsteigens der Tem - peratur über die gewiss schon bei liegende Schwelle unbeirrt in den neuen Sommer zu treten; und anderer - seits werden heissen Ländern entstammende Pflanzen auch im Zustande ihrer Vegetationsruhe und mit lederigen Blättern besetzt durch den leisesten wirklichen Frost getötet.

Die eigentliche Todesursache beim Erfrieren der Pflanzen, ob bei Temperaturen wenig oder tief unter Null, ist noch unbekannt; die Idee, dass die Eisbildung in den Zellen den Tod bewirke, kann nur selten richtig sein, denn in der Mehrzahl der Fälle kommt es zu gar keiner Eisbildung daselbst, obgleich der Tod vielleicht schon bei eintritt. Die Temperaturerniedrigung erzielt also molekulare Vorgänge, welche die eine Pflanze leicht, die andere schwer, andere gar nicht ertragen.

26Schutzmittel gegen Frost.

Sehr auffällig ist der Unterschied in der Frostwirkung, je nachdem dieselbe die ruhenden oder die vegetierenden Organe trifft. Unsere Bäume ertragen ohne Beschwerde starke Fröste im eigentlichen Winter, ein leichter Maifrost vernichtet ihr Laub. So kann es kommen, dass Alpenpflanzen, in der viel wärmeren Ebene kultiviert, häufig erfrieren müssen, da das wechselnde Klima der Ebene ungleich ungünstiger für sie ist, als die lange Winterruhe alpiner Höhen mit regelrecht eintretendem Frühling.

Auf solche Pflanzen übt die Schneedecke einen vorteilhaften Schutz, indem sie dieselben vor zu raschem Austreiben bewahrt. Dass sie den arktischen Pflanzen einen besonderen Schutz als Wärmemittel liefere, bestreitet Kjellman (G. J., Bd. XI. S. 115). Denn grosse Flächen der Polargegenden zeigen sich im Winter schneefrei, wo trotzdem im Sommer eine arktische Flora reichlich vertreten ist, und überhaupt haben die arktischen Pflanzen die überwinternden Teile keineswegs vollständig in den Boden einge - bettet, sondern vieles von den zarteren Stamm - und Blattteilen befindet sich oberhalb der Erde und ist ohne Schneebedeckung dem Froste völlig frei ausgesetzt.

Niederschläge und Luftfeuchtigkeit. Der dritte und letzte grosse geographische Faktor von den meteoro - logischen Einflüssen auf das Pflanzenleben ist die Ver - teilung des aus der Atmosphäre zugeführten Wassers, sei es, dass dasselbe in tropfbarer Form die Pflanze be - netzt, das Erdreich durchfeuchtet und den Wurzeln auf diese normale Art zu Gebote gestellt wird, sei es, dass dasselbe im dampfförmigen Zustande die Atmosphäre er - füllt, die Verdunstungsthätigkeit der saftigen Organe ein - schränkt, sich bei Temperaturerniedrigungen an den kühlen Organen der Pflanze selbst und ebenso in der Bodenoberfläche niederschlägt und auf diesem Umwege den Wurzeln selbst ebenfalls in kleinem Maßstabe zu gute kommt.

Wasser verbrauchen alle Pflanzen, die einen viel, die anderen wenig, und alle haben sich mit den durchschnitt - lichen Niederschlagsmengen ihrer Heimat so in Ausgleich gesetzt, dass sie ihre Ausgaben im Wasserkapital mit den zu ihrer Vegetationszeit vorhandenen Einnahme-Möglichkeiten decken; und wie ein dürftiger Mann oft merkwürdige Kunstgriffe erlernen muss, um seine Ausgaben mit An - stand zu bestreiten, die sein reicher Nachbar ohne Mühe macht, so finden wir auch in der Vegetation ähnliche27Wasserversorgung und Verdunstungsschutz.Kunstgriffe in Hinsicht der Wasserversorgung und Wasser - ersparnis gegenüber den Gewächsen, welche wie die Sumpf - und Schwimmpflanzen in ihrem regulären Lebens - verlauf keine besonderen Anstrengungen in dieser Be - ziehung zu machen brauchen.

Die Pflanzen verbrauchen das Wasser beim Wachs - tum zum Aufbau neuer Organe und eine gewöhnlich noch viel grössere Menge als Transspirationswasser infolge der Verdunstung ihrer oberirdischen Organe und zumal der flachen grünen Blätter. In trockenen Klimaten lassen die Gewächse zumeist schon durch Verlangsamung des Wachstums eine Wasserersparnis eintreten, in noch viel höherem Maße durch alle Möglichkeiten von Verdun - stungsschutz. Dieser besteht in erster Linie in Ein - ziehung der grossen saftig ausgebreiteten Blätter, welche entweder auf kleine (glänzend-grüne) harte, mit stark cuticularisierter Oberhaut versehene Organe beschränkt werden, oder welche Ersatz durch Dornen und Stacheln finden (Cactaceae, Euphorbia, Stapelia), wobei dann freilich die Kohlensäureernährung in die Oberfläche der Stengel - oder Stammorgane gelegt werden muss; oder welche sich (wie bei Agave, Aloë etc.) in dickfleischige Körper mit Ver - dunstungsschutz ringsum in der wachsdurchzogenen Ober - haut verwandeln. Ein anderer Verdunstungsschutz be - steht in der Ausbildung von verhältnismässig viel hartem Holz, dessen jugendlich-saftige Zellen die oft sehr kurze Jahreszeit zur Entwickelung wählen, in der das Wasser einigermaßen reichlich vorhanden ist, und in der dürren Jahreszeit mit dem geringeren Wassergehalt fertigen Holzes dastehen. Ein wiederum anderer vermeidet das Ueberdauern der trockenen Perioden im safterfüllten Zu - stande und reift rasch vor Schluss der feuchteren Pe - riode seine Samen, welche selbst gegen Trocknis durch ihre eigene Gewebsbildung geschützt sind, und lässt die Mutterpflanzen absterben (einjährige Gewächse von kurzer Vegetationsdauer). Im Bau der Oberhäute an Stengeln und Blättern sind in neuerer Zeit die wundervollsten Unterschiede, auf klimatologischer Unterlage sogleich zu verstehen, beobachtet worden.

28Bedeutung des Wasserdampfes

Statt vieler Abhandlungen mag hier nur auf eine derselben verwiesen werden: Tschirsch, Ueber einige Beziehungen des ana - tomischen Baues der Assimilationsorgane zu Klima und Standort, in Linnaea Bd. XLIII, Hft. 3 u. 4. In dieser Abhandlung ist der geographische Standpunkt gewahrt. Andere Litteratur vergleiche in G. J., Bd. IX, S. 149, und Bd. XI, S. 107, sowie unten: Vege - tationsformen.

Dass diese die Wasserzufuhr und Transspiration be - treffenden biologischen Einrichtungen nicht nur nach Klimaten, sondern wie auch der Titel von Tschirschs gerühmter Abhandlung besagt auch nach Standorten ausgewählt sind, dass also hier ein geographisch und ein topographisch wirkendes Moment höchsten Ranges vor - liegt, bedarf nur eines kurzen Hinweises; in diesem Hand - buch der Pflanzengeographie sind aber die für das All - gemeinste wichtigen biologischen Faktoren in erklärendem Sinne aufzuführen.

Die Pflanzen erhalten bekanntlich ihr Verbrauchs - wasser in der Regel durch die Wurzeln zugeführt, die Wurzeln zeigen dementsprechende Organisation, breiten sich flach aus oder dringen mit einer unverhältnismässigen Länge merkwürdig tief durch die oberen dürren Schichten des Erdreichs vor zu den wasserreicheren Tiefen, und man denkt dabei für gewöhnlich nur an das durch Regenfälle zugeführte flüssige Wasser. Allein schon der Umstand, dass es regenarme, ja (im beschränkten Sinne) regenlose Länder gibt, welche trotzdem nicht vegetationslos sind, gibt Veranlassung, darüber nachzudenken, woher diese Pflanzen ihr Wasser entnehmen. Es kann ja ausserdem nur noch das im gasförmigen Zustande in der Atmo - sphäre mit einer sehr verschieden starken partiären Pres - sion vorhandene Wasser in Betracht kommen, dessen Menge sich übrigens im allgemeinen so reguliert, dass da, wo es viel flüssiges Wasser aus Niederschlägen gibt, auch viel Wasserdampf in der Atmosphäre vorhanden ist, wo es wenig oder nichts gibt, dementsprechend wenig. Doch lässt uns der Umstand, dass die von grossen Wasser - flächen oder von regenreichen Ländern her wehenden Winde auch beträchtliche Mengen von Wasserdampf in die regenarmen oder wüsten Gegenden herüberführen,29für das Pflanzenleben.ohne sie dort gerade in der gewöhnlichen Form als Regen absetzen zu können, in ihnen einen Aus - gleichungsfaktor erkennen, der vielleicht allein im stande ist, hinsichtlich des Wassers eine dürftige Vegetation da aufrecht zu halten, wo sonst vielleicht organisationslose Wüste wäre.

Inwiefern kommt nun den Pflanzen der atmosphä - rische Wasserdampf zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach flüssigem Wasser zu gute? Früher neigte man zu der einfachen Behauptung, dass die Pflanzen kein Wasser bekämen als das, was in tropfbarer Form den Boden erreichte und dadurch den Wurzeln zugänglich würde. Diese absprechende Meinung, nach welcher die Mengen von Wasserdampf in der Luft nur als Verdunstungsregu - latoren im weitesten Sinne wirkten, indem ein um so ge - ringerer Wasserverbrauch durch die Pflanze nötig wird, je feuchter die Atmosphäre ist, würde gerade den trockenen Klimaten (und dürren Standorten) die bei ihnen am meisten nötige Wasserzufuhr versagen; wir sehen aber, dass sie da ist, z. B. in der Garuaregion von Peru.

Nun muss man sich aber der näheren Umstände er - innern, welche bei der Entnahme von Wasser aus dem Erdreich durch die Wurzeln in Betracht kommen, und es mag bei ihrer Erwähnung daher auf die topographisch - regulierenden Bodenwirkungen verwiesen werden. Längst nicht alles Wasser, welches der Boden zugeführt erhalten hat, wird an die Wurzeln der Pflanzen in ihm abgegeben, sondern es steht letzteren nur ein um so kleinerer Bruch - teil davon zu Gebote, je stärker das Wasseranziehungs - und Absorptionsvermögen der betreffenden Bodensorte für Wasser ist. Ein Rest von Wasser verbleibt im Boden; die Wurzeln der Pflanzen suchen ihm im Notfall auch diesen Rest zu entziehen, aber er bleibt an die Erd - teilchen hygroskopisch gebunden. Nun vermag hygro - skopisches Erdreich und jede Bodensorte ist mehr oder weniger hygroskopisch aus dampferfüllter Luft Wasser selbständig zu kondensieren, und ist dadurch sein Wasser - gehalt wieder etwas über den äussersten Grad von Trocken - heit gestiegen, so vermag dieser Boden auch wieder eine30Wasseraufnahme in Blättern.neue, wenn auch geringe Wassermenge an die Wurzeln der Gewächse in ihm abzugeben. Es scheint, dass in trockenen Klimaten mehr, als man bisher glaubt, die Ge - wächse auf diese Wasserzufuhr angewiesen sind, da in ihnen vielfältig in den kühlen Nächten ein starkes An - steigen der relativen Feuchtigkeit bis zur Taubildung eintritt.

Dann ist aber auch ausser Zweifel, dass die Pflanzen unter gewissen Umständen im stande sind, nicht nur Regentropfen mit ihren oberirdischen Organen (Blättern, weichen Stengelteilen, besonders Haaren) aufzunehmen, sondern auch auf demselben Wege den atmosphärischen Wasserdampf für ihre eigene Wasserversorgung zu ver - wenden, denselben auf die eine oder andere Weise zu kondensieren. Wenn dies auch in unseren Fluren und Kulturen nicht beobachtet werden konnte und vielleicht nie geschieht, da es nicht nötig ist, so findet es sicher in den Wüstenvegetationen statt.

Die einzigen bisher gewonnenen sicheren Beobachtungen sind an wenigen Wüstenpflanzen angestellt. Volkens untersuchte die Wasserversorgung von Reaumuria hirtella, einem ½ 1 m hohen Strauche der ägyptisch-arabischen Wüste (Sitzungsberichte der K. Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1886, Heft VI, S. 70 und Flora d. ägypt. - arab. Wüste, G. J., Bd. XIII, S. 338). Derselbe übersteht durch Ausscheidung eines stark hygroskopischen Salzes aus Stengeln und Blättern die dortige lange Periode absoluten Regenmangels; diese Salzmasse gibt sich als ein körniger, weisslicher Ueberzug zu erkennen, auf dem Haufen würfelförmiger Krystalle bis zu Steck - nadelkopfgrösse unregelmässig zerstreut sind. Betrachtet man im Frühjahr Stöcke mit frischen Sprossen am Abend eines regnerischen Tages, so erscheinen sie sämtlich lebhaft grün, jede Spur der Salz - decke ist aufgelöst und fortgespült. Am nächsten Vormittage je - doch bemerkt man auf allen Blättern über Oberhautdrüsen sehr kleine Wassertröpfchen in regelmässigen Abständen; bei steigender Verdunstungsgrösse mit dem Sonnenstande verschwinden die Tröpf - chen und werden durch kleine Krystallconglomerate ersetzt. Folgt nun eine längere regenfreie Zeit, so sieht man stets nachts und früh am Morgen die Pflanzen hellgrün, mit Wassertröpfchen besät, am Tage erscheinen sie mit einem grauweisslichen Ueberzuge, der sich leicht fortwischen lässt; dabei nimmt die Salzbedeckung all - mählich entschieden zu, indem auch unabhängig von den Drüsen der Oberhaut einzelne Tröpfchen zusammenfliessen und die Fläche allgemeiner benetzen; so entsteht schliesslich eine zusammenhän - gende Salzdecke.

31Begünstigung durch Regenmenge.

Diese Ausscheidung von Salzlösung zur Nachtzeit findet jedoch nur so lange statt, als den Wurzeln genügendes Bodenwasser zur Verfügung steht, wahrscheinlich infolge relativ starken Wurzel - drucks. Trotzdem aber findet man zur regenlosen Sommerzeit und im Herbste und Winter in allen Nächten die Büsche der Reaumuria oft von Wasser förmlich triefend in völlig dürrer Umgebung, und dieses Wasser kann nur der Atmosphäre entstammen; die Salz - massen, welche schon beim Anhauchen leicht zerfliessen, haben dasselbe hygroskopisch niedergeschlagen. Durch Experimente konnte nachgewiesen werden, dass die mit Salzlösung überzogenen Blätter allein sich in der Sonne frisch und grün erhalten, während der nassen Salzmasse beraubte Blätter verdorren; daraus geht aber hervor, dass die Pflanze atmosphärischen, durch ihre eigenen Or - gane, allerdings auf seltenem Wege, kondensierten Wasserdampf zur Erhaltung ihres Lebens braucht und verwendet, wenn auch nur während der Periode anhaltender Dürre. Gegen die Annahme einer allgemeinen Gültigkeit dieser Art der Wasserversorgung für Wüstenpflanzen hat Marloth in den Berichten d. deutsch. botan. Gesellsch. 1887, S. 319 berechtigte Einwände erhoben.

Es ist natürlich, dass sich dieser Teil der Biologie mehr mit den Einrichtungen beschäftigt, welche die Pflanzen trockener Klimate mit spärlicher oder inter - mittierender Wasserversorgung angehen, als mit den Lebensvorrichtungen im Wasserüberfluss. Nur die Frage bleibt zu erörtern, ob die Länder mit den reichsten Niederschlägen eine ganz besondere Vegetation hervor - bringen. Es muss dabei allerdings, da doch so häufig die Rede davon ist, dass diese oder jene Vegetation durch Wassermangel ausgeschlossen sei von dieser oder jener Gegend, um zu einem physiologisch klaren Schluss zu kommen, von den in der Natur vielfach mit sehr hohen Niederschlägen verbundenen Nebenumständen, wie Umwölkung und Mangel an Sonnenlicht, Nebelbildungen u. dergl., abgesehen und die Fragestellung auf das unter sonst gleichen Umständen im Uebermaß, im normalen Mittel, oder in kleineren Bruchteilen desselben gebotene Wasser beschränkt werden. Alsdann ist die Antwort, wie es scheint, sicher, dass nicht etwa übermässig hohe Wassermengen im Boden begünstigend wirken, wohl aber die zu geringfügigen Mengen hindernd. Experi - mente mit deutschen Kulturpflanzen haben gezeigt, dass ihre Ernten ziemlich gleich blieben bei Schwan -32Notwendigkeit des periodischen Cyklus.kungen des Wassergehaltes im Boden zwischen 80 und 40 %; aber die mit 20 % Wassergehalt erzogenen gaben nur die Hälfte, die mit 10 % erzogenen nur ein Achtel der Normalernte der ersteren. Und so sieht man denn auch die sehr regenreichen Striche in einem sonst ein - heitlich angelegten Florengebiete nicht so sonderlich verschieden in ihrer Vegetation von den minder regen - reichen, während die regenarmen Klimate sich von den minder regenreich genannten sogleich auffällig durch sogenannte xerophile Vegetationsformen unterscheiden.

Periodizität in der Einwirkung der geographi - schen Agentien. Die eben in ihrer Wirkungsweise genann - ten und für die geographische Verteilung der Pflanzen im grossen wirksamen Agentien zeichnen sich nun vor den fol - genden, topographisch wirksamen Agentien aus durch ein alljährliches Schwanken ihrer Einwirkung, durch ein im Verlaufe eines Jahres sich regelmässig unter Ansteigen und Fallen abwickelndes Bild von begünstigender und ver - zögernder oder hemmender Wirkung. Im Gegensatz dazu bleibt z. B. die Wirkungsweise des Bodens, die Be - ziehungen einer Pflanze zu ihrer Umgebung, sich durch - aus gleich, oder wenn auch sie periodisch verschieden ausfällt, verdankt sie ihre Periodizität gleichfalls den jährlich wechselnden klimatischen Agentien.

Dieser periodische Wechsel im Cyklus eines Jahres, dem sich die gesamte organische Welt nicht zu entziehen vermag und der nach dem Lauf der Gestirne selbst das Menschenleben bis in seine kleinsten Einzelheiten mit sich reisst, hat nun in dem Gewächsreiche den in seiner Regel - mässigkeit wundervollen Wechsel der Vegetationserschei - nungen zur Folge, dessen Eigentümlichkeiten den ersten und sichersten pflanzengeographischen Charakter jeder natürlichen klimatischen Zone bilden. Nicht nur dass mit dem Wechsel von Tag und Nacht kleine Perioden im Leben jeder vegetierenden Pflanze verknüpft sind, viel durch - greifender sind die Verschiedenheiten der grossen Periode im Jahresverlauf, und es scheint wohl so, als wenn keine Gewächsgruppe der Erde ohne Jahresperiode existierte. 33Vegetations - und Ruheperioden.Man könnte eine solche überhaupt nur in der heissen Zone suchen, wo Licht, Wärme und Feuchtigkeit bei günstiger Zusammenwirkung das ganze Jahr hindurch genügend vorhanden sein können; trotzdem aber gibt es auch hier ein rhythmisches Ansteigen oder Abfallen dieser zwei Fak - toren ein - oder zweimal im Jahre, und so sehr scheinen die Gewächse das Bedürfnis nach Unterscheidung von Wachstums - und Ruheperioden zu haben, dass sie sich günstigere Zeiten im Jahr zu den ersteren auswählen, um in den ungünstigeren zu ruhen, wenn auch die dort ungünstigeren Perioden für ausserhalb der Tropen lie - gende Klimate vielfältig eine nie gesehene Gunst der Verhältnisse bieten würden.

Welches der drei genannten geographisch wirksamen Agentien in der Hervorbringung der periodischen Er - scheinungen des Pflanzenlebens die grösste Rolle spielt, ist kaum möglich zu sagen; bald wird es die wechselnde Intensität des Lichtes, bald die zu - und abnehmende Temperatur, bald die auf bestimmte Jahreszeiten ent - fallende grössere Niederschlagsmenge, welche mit trocke - nen Perioden wechselt, sein, der das grösste Gewicht für ein gegebenes Land zufällt; immer aber liegt der Ur - grund der Periodizität im Jahresumlauf der Erde um die Sonne auf schiefgeneigter Bahn, und am häufigsten werden alle in dieser einen Hauptursache begründeten Einzelerscheinungen sich zum Hervorrufen der perio - dischen Erscheinungen des Pflanzenlebens vereinigen.

So teilt sich jährlich das Pflanzenleben nach der äusserlichen (klimatisch begründeten) Gunst oder Ungunst der Verhältnisse in eine Vegetationsperiode und eine damit abwechselnde Ruheperiode, und jedes Land ist nicht nur scharf charakterisiert durch ein bestimmtes mittleres Maß, in Tageszahlen ausgedrückt, während welcher die Hauptmasse seiner Gewächse in Vegetationsthätigkeit sich befindet, sondern auch durch ein bestimmtes mittleres Datum, an welchem seine hervorragenden Vegetations - formen in die Vegetation eintreten und dieselbe be - schliessen. Theoretisch betrachtet kann es Länder geben, in welchen jährlich zwei Vegetationsperioden mit denenDrude, Pflanzengeographie. 334Länge der Vegetationsperiode.der Ruhe abwechseln, z. B. Länder mit im Winter durch Frost bedingter Winterschlafzeit und gleichzeitig mit im Sommer durch Dürre bedingtem Trockenheitsschlaf; mehr oder weniger findet es sich so auch in den Subtropen nahe den Grenzen der Frostwirkungen, doch nicht in einer sich auf alle Gewächse gleichmässig erstreckenden Wirkung.

Die Länge der Vegetationsperiode in Tageszahlen als Maß auszudrücken, ist selbstverständlich und schon lange gebräuchlich. Den Beginn und Schluss der Vegetationsperiode findet man überall nur durch Datumangaben bezeichnet, wodurch ja freilich die all - gemeinst-verständliche Angabe gemacht ist, soweit die Kalender - rechnung die gleiche ist. Da das nicht überall der Fall ist und da ein Vergleich von weit entlegenen Gegenden, z. B. Deutschland und Südaustralien, dadurch in Bezug auf die Einwirkung der regu - lierenden Faktoren erschwert ist, mag man an Einführung einer absoluten Zählung hier und für die alsbald zu besprechenden phäno - logischen Erscheinungen denken, welche als Nullpunkte die Sonnen - wenden in den nördlichen und südlichen Gebieten wählt, in denen von da an durch Rückkehr des Lichtes und der Wärme das bald rascher bald langsamer vor sich gehende Erwachen der Vegetation vorbereitet wird. Für die nördlichen Länder fällt also der Null - punkt auf den 21. Dezember, und die mittlere Belaubung der Wälder einer Gegend auf den 15. April würde demnach durch den 115. Tag zu bezeichnen sein.

An allen Orten sind die heimischen Gewächse an die mit dem Klima des Ortes notwendig verbundene Vege - tationsperiode gewöhnt, befinden sich im normalen Cyklus ihrer eigenen Lebenserscheinungen. Sie sind aber nicht so streng an die spezielle Periodizität dort gebunden, dass sie nicht leicht geringere Abweichungen davon ertrügen und zuweilen sogar sehr starke. Das Gewöhnen an eine mehr und mehr abweichende Jahresperiode, allmählich oder plötzlich, dem die Gewächse bald leichter, bald schwerer folgen, nennt man deren Acclimatisation, und von dem Grade der Acclimatisationsfähigkeit hängt in erster Linie, gute Wanderungsfähigkeiten vorausgesetzt, die Ausbreitung einer Pflanzenart auf ein grösseres Areal ab (siehe Abschnitt III).

Man hat darüber gestritten, ob die eigene Vege - tationsperiode der Gewächse ausschliesslich auf äussere Bedingungen zurückzuführen oder ob sie eine erbliche35Acclimatisation.Erscheinung sei. Beides ist richtig; es ist unmöglich, ihr Zustandekommen anders aufzufassen, als durch die gemeinsame Einwirkung der klimatischen Agentien her - vorgerufen, als physiologische Anpassung an die gege - benen Verhältnisse; aber gleichzeitig ist diese Biologie - Aeusserung auch mit dem bestimmten Organismus durch die durch Tausende von Generationen hindurch gleich - mässig erhalten gebliebene Rhythmik so innig verwachsen, dass sie sich von demselben nicht ohne weiteres trennen lässt, ebensowenig wie die morphologischen Spezies - Charaktere, und bei grosser Schmiegsamkeit über gewisse Grenzen der Periodenverschiebung nicht hinausgeht.

Wie weit sich die Acclimatisation treiben lässt, zeigen die Kulturen in den botanischen Gärten, die auch bei uns für die Tropenpflanzen ein künstliches Klima durch Gewächshauseinrich - tungen erzeugen, um wenigstens Wärme und Feuchtigkeit der Heimat einigermassen entsprechend verteilen zu können. Für das Sonnenlicht allerdings gibt es zur Zeit des nordischen Winters keinen Ersatz, und die schlimme Wirkung davon, dass eine Art von Schlafzustand durch die trüben Wintertage bei Tropenbewohnern erregt wird, die damit nie zu rechnen haben, ist augenscheinlich. Dennoch blühen immerhin nicht wenige derselben bei uns. Viele nordische Laubbäume hat man nach Madeira verpflanzen können, wo sie aber dennoch der durch Laubabfall sich kenn - zeichnenden Winterruhe, trotz des günstigsten Klimas, unterliegen. Nach Heer (Verhandl. d. Schweiz. naturf. Gesellschaft 1851, S. 54) bleibt die Buche auf dieser durch die Gleichförmigkeit ihrer Tem - peratur während des ganzen Jahres ausgezeichneten Insel 149 Tage blattlos, die Eiche 110 Tage, der amerikanische Tulpenbaum (Liriodendron) 87 Tage; der Weinstock ruht blattlos 157 Tage, und dieses alles bei einer Temperatur, welche der des Sommers in Mitteleuropa sehr ähnlich ist, und bei einer Beleuchtung, welche nicht entfernt an den nordischen Spätherbst erinnert. Aber in Cu - mana trägt, wie schon Humboldt berichtete, die dort stets belaubte Rebe Europas fortwährend Blüten und Früchte. Die amerikani - schen Cactus (Opuntia) sind in Südeuropa ohne irgendwelche be - merkbare Schädigung bei annähernd gleicher Vegetationsperiode wie wild geworden; aber die Agave americana, welche in ihrer amerikanischen Heimat in der Zeit von meist nur 5 Jahren ihr Leben mit der Blüte und Fruchtreife beenden soll, wird schon auf den Kanaren doppelt so alt und erreicht in unseren Gärten ein hundertjähriges Alter bis zu demselben Entwickelungszustande.

Am stärksten erblich und also umgekehrt am langsamsten veränderlich scheinen bei der Mehrzahl der Gewächse die unteren spezifischen Nullpunkte ihrer Vegetationsprozesse zu sein; daher36Phänologische Erscheinungen.können wir leicht hochnordische und hochalpine Pflanzen in Kalt - häusern überwintern, wo sie bei viel höheren Temperaturen (+ , ohne Frost) als in ihrer Heimat im Winter ruhen; aber tropische Gewächse, in Winterszeit in Kalthäusern gehalten, sterben wegen der unter ihre Vegetationsnullpunkte erniedrigten Temperatur ab.

Auch in den Erscheinungen des täglichen Blattschlafes zeigt sich bei der einzelnen Pflanze ein zähes Festhalten bis zu gewissen Punkten, wofür Experimente mit tropischen Bohnen in höheren Breiten sprechen (siehe Griseb. Ber. für 1850, S. 61).

Phänologie. Die Wichtigkeit der Länge und Zeit - lage der Vegetationsperiode eines Landes für die dar - stellende Geographie hat seit lange zu strengeren sta - tistischen Feststellungen darüber geführt, welche besonders für die Länder der nördlich gemässigten Zone von Wich - tigkeit sind, wo der Einzug des Frühlings mit Sehnsucht erwartet wird und wo eine Verfrühung oder Verspätung desselben gleichbedeutend ist mit höherer oder geringerer Anbaufähigkeit fremder, längere Wachstumzeit erfor - dernder Gewächse. Nun sollen zwar streng genommen für die Beurteilung der Vegetationsperiode eines einzelnen Gewächses dessen beginnende Wachstumserscheinungen in Bildung neuer Blätter etc. und der Schluss dieser Thätigkeit, der Beginn und das Ende der erst dann in voller Intensität anhebenden Ernährungsthätigkeit, und endlich die Entwickelung und der Reifeprozess seiner Vermehrungsorgane (Blüte - und Fruchtbildung, Sporen - reifung) in Betracht gezogen werden; ausserdem setzt sich die Vegetationsperiode eines bestimmten Landes zu - sammen aus den verschiedenen Perioden seiner einzelnen Pflanzenbürger und beginnt z. B. in Deutschland mit dem Treiben des Schneeglöckchens und endet kaum mit dem Blätterfall des letzten Baumes. Doch hat man hier, um sich nicht in Einzelheiten zu verlieren, für jedes Land charakteristische Erscheinungen des Pflanzenlebens, welche einen deutlichen Markstein in seiner Physiognomie be - dingen, herausgegriffen zur Beobachtung und notiert deren Eintritt als phänologische Erscheinungen , wählt als solche die aus dem Schnee hervorlugenden Blüten in Grönland, die Belaubung der Wälder in Deutschland, die ersten Blütenbildungen an den nach der trockenen Jahres -37Zusammenwirkende Ursachen.zeit vorschnell damit beginnenden Bäumen in Dekhan u. s. w. Während wir auf die charakteristischen Einzel - erscheinungen selbst unter den einzelnen Ländern (s. Ab - teilung 6) einzugehen haben werden, ist hier die theo - retische Betrachtung der Grundlagen der Phänologie, des Zusammenhanges dieser Beobachtungen mit dem Klima, am rechten Ort, um so mehr, als die Klimato - logie selbst daran reges Interesse nimmt (siehe Hann, Klimatologie S. 52 54).

Es hat von jeher nicht an Versuchen gefehlt, die Beziehungen zwischen phänologischen Erscheinungen und Klima auf Gesetzmässigkeiten in letzterem zurückzuführen, welche ja in irgend einer Form versteckt liegen müssen. Thatsache ist, dass man zu bestimmten Zeiten in jedem Lande auf eine bestimmte Physiognomie der Vegetations - decke rechnen kann, und zu denselben Zeiten ebenso auf ein bestimmtes Klima. Nun kennt man die Beziehungen der Vegetation zur Temperatur im allgemeinen seit lange, und da lag es nahe, einen parallelen Gang beider für möglich zu halten. Zuvor sei aber von neuem hervor - gehoben, dass Licht, Wärme und Feuchtigkeit zu - sammen das Pflanzenleben in seiner Vegetationsperiode bestimmen, dass wir aber kaum im stande sind, die Kraft dieser Faktoren einzeln gegenseitig abzuwägen. Wir nehmen an, dass die Temperaturerhöhung im Frühjahr unsere Bäume zum Austreiben bringt, und physiologisch scheint gegen diese Annahme nichts vorzuliegen; aber das hat man schon längst in Erfahrung gebracht, dass es nicht die Temperaturen allein bewirken, sondern eine inhärente Rhythmik der Bäume, welche sich mit dem durch - schnittlichen Klima in Ausgleich gesetzt hat. Ist aber erst einmal der erste Schritt gethan, sind die ersten Blatt - knospen entfaltet, so sind mindestens von dem Augen - blick an gleichzeitig die innigsten Beziehungen zwischen Baumleben und Lichtwirkung, Feuchtigkeit, neben den früheren der Wärme vorhanden. Schon Alphons de Can - dolle spricht in dieser Hinsicht die Meinung aus (Géogr. bot. S. 45), dass der Anfangspunkt der wiederbeginnen - den Vegetation (in unserem Klima) gleichsam der Null -38Beurteilung der Wärmewirkungpunkt eines auf die spezifischen Eigenschaften der Pflanze begründeten Thermometers sei, dass aber von da an das organische Leben einer unter dem Einflusse von Wärme und Licht weitergehenden Maschine gleiche, welche nichts von dem aufhebt, was sie schon geleistet. Das Quecksilber im Thermometer steigt und sinkt, aber die Pflanze schreitet niemals wieder zurück; sie kann bei später eintretenden Frösten einen intermittierenden Still - stand zeigen, aber sie fährt bei rückkehrender Wärme da fort, wo der Frost sie traf.

Und wenn diese Verhältnisse bei uns herrschen, noch deutlicher im hohen Norden, so darf man sie nicht im geringsten übertragen auf die wärmeren Klimate; alle an - gestellten Beobachtungen zeigen, dass in den trockenen Tropen der Beginn der Vegetationsperiode von dem Ein - tritt der Regenzeit abhängt, ja dass sich einige regel - mässige Vegetationserscheinungen schon vor deren Ein - tritt mit einer Lebhaftigkeit zeigen, welche beweist, dass die Rhythmik schon an sich in diesen Fällen eine Cha - raktereigenschaft geworden ist, dass sie nicht erst durch den Eintritt von Regenfällen, durch zunehmende Bewöl - kung, ausgelöst zu werden nötig hat. Die die Periode bestimmenden Faktoren sind daher geographisch ver - schieden, wirken aber niemals isoliert. Diese Anschauung mit einer gewissen Freiheit aufgefasst scheint die ganze theoretische Phänologie beherrschen zu müssen, wenn sie sich mit den meteorologischen Daten und unseren physio - logischen Kenntnissen in Einklang setzen will.

Ueber die Beziehungen des Steigens und Sinkens der Temperatur zum Beginn und Schluss der Vegetations - periode in den nördlich-kalten und gemässigten Ländern sind allein genügende, oft sogar umständliche Beobach - tungen angestellt und haben vielseitige Beachtung ge - funden. Alphons de Candolle lieferte (Géogr. bot. Livre Ier) eine vielseitige Erörterung darüber, klassisch für die da - malige Zeit; eine die historische Entwickelung klar zu - sammenfassende Arbeit ist die von Hult (G. J. Bd. IX, S. 162), dessen eigene Ableitungen ein grosses Interesse beanspruchen.

39in der Phänologie.

Die Pflanzengeographie leidet in dieser Beziehung darunter, auf die meteorologischen Tabellen hingewiesen zu sein, während sie solche im innigsten Zusammenhange mit den Beobachtungspflanzen angestellt benutzen sollte; die phänologischen Beobachtungen erstrecken sich auf an verschiedenen Orten zerstreute Pflanzen, die meteoro - logischen sind dagegen meist nur an einer Stelle gemacht und gelten meist nur für Schatten. Die Variationen zwischen Mittags-Sonnentemperatur und Nachtkühle ge - langen in keinem Berechnungsmittel zum Ausdrucke. Auch die Höhe des Thermometers über dem Boden be - einflusst die abgelesenen Temperaturen so sehr, dass man die Blüte des Schneeglöckchens und der Kornelkirsche durchaus nicht nach einem Instrument beurteilen darf, wenn es sich bezüglich der dabei wirksamen Tempera - turen um absolute Zahlen handeln soll. Auch ist es klar, dass die Temperaturen des Erdbodens selbst in bestimmter Tiefe das Hervortreiben der Frühlings-Zwiebelpflanzen u. a. aus der Erde beeinflussen, während deren Blüte durch die Lufttemperaturen dicht über der Erde beeinflusst wird. Für die Sonnenpflanzen, welche meistens zur Be - obachtung gewählt werden, sind Insolationsthermometer unerlässlich und sind deshalb auch schon seit lange in Giessen in Gebrauch, aber nur selten an anderen Orten. Diese Bemerkungen enthalten so viel Einwände gegen die Beobachtungsmethoden und teilweise unlösbare Schwie - rigkeiten, dass, selbst wenn vom Standpunkt der Theorie aus ein fester Zusammenhang konkreter Art zwischen Temperatur und Vegetationsphasen zugegeben werden müsste, man sich nicht wundern dürfte, wenn derselbe noch nicht in irgend einer Form gefunden wäre. Nun ist aber nicht einmal vom theoretischen Standpunkte aus ein konkretes Verhältnis zwischen Temperatur (in irgend welcher Form der meteorologischen Beobachtungen) und Vegetationsphasen der Zeit nach zu fordern.

Denn nicht eine einzelne Temperatur bewirkt für sich den Eintritt eines Gewächses in eine bestimmte Phase, sondern die Phase ist angewiesen gewesen zugleich auf die Temperaturen der ihrem Eintritt vorhergehenden Tage. 40Temperatursummen.Man ist daher schon seit lange darauf verfallen, Tempe - ratursummen zu bilden, z. B. für unser Klima Summen von Temperaturen vom 1. Januar an bis zu dem Tage, wo die bestimmte Phase eintrat, um diese Temperatur - summe als den von der Pflanze in Hinsicht auf die be - stimmte Entwickelungsphase geforderten Wärmebedarf anzunehmen. Hier treten nun vielerlei neue Schwierig - keiten auf: Von welchem Tage an soll man die Tempe - raturen summieren? Soll man die täglichen Durchschnitte oder die Maxima, im Schatten oder in der Sonne ge - messen, summieren? Soll die Summe aus allen beobach - teten Temperaturen gebildet werden? Alle diese Fragen haben verschiedenartige Behandlungen erfahren.

So liess A. de Candolle, von der richtigen Voraus - setzung ausgehend, dass für unsere Landpflanzen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt des Wassers die Ve - getation nicht vorwärts bringen, dass sie aber auch nicht (als negativ) von der übrigen Temperatursumme in Ab - zug zu bringen sind, die ersteren fort und bildete Summen nur aus den über Null gemessenen Wärmegraden der meteorologischen Stationen; zugleich aber auch in Er - wägung dessen, dass längst nicht sogleich über Null die meisten Vegetationsprozesse ausgelöst werden, sondern dass die oben erwähnten spezifischen Nullpunkte viel - fach hoch über Null selbst für unsere Breiten liegen, berechnete er andere, gewissermaßen zur Auswahl gestellte Summen über den Schwelltemperaturen von , , bis zu 20° Wärme. Es zeigen sich auf diese Weise die so gewonnenen meteorologischen Tafeln in einem neuen, von der Klimatologie sonst nicht gekannten Lichte, welches wir in dem neuen Prinzipe, Temperaturkarten ganzer Länder nach der Andauer gewisser Temperaturen zu entwerfen, wiederfinden.

Die Idee von den spezifischen Schwelltemperaturen, schon von Martins in klaren Grundzügen befürwortet, ist von Oettingen (siehe G. J., Bd. VIII, S. 231) aufgegriffen und zur Grundlage einer ganz neuen Berechnungsweise gemacht. Da dieser Schriftsteller aber überhaupt auf dem Standpunkte steht, dass die spezifischen Nullpunkte,41Schwelltemperaturen.oberhalb welcher die Temperaturen erst mit verschie - dener Kraft zu wirken beginnen, nicht durch ein physio - logisches Experiment gefunden, sondern durch Berech - nungen selbst abgeleitet werden sollen, so leidet seine ganze Methode an Unklarheit, da wir ja mit ihr in ein Raten und Probieren verfallen, wo wir messen und be - obachten sollten.

Hoffmann dagegen (G. J., Bd. VII, S. 180; XIII, S. 309) summiert vom 1. Januar an bis zum Eintritt der betreffenden Phase die an einem Insolationsthermometer ab - gelesenen höchsten Tagestemperaturen mit Hinweglassung der etwa unter Null liegenden und findet bei wiederholten Nachrechnungen, dass sich dabei für einen und denselben Ort (Giessen) gute Resultate ergeben, während seine Be - rechnungen nach Oettingens Methode nicht überein - stimmende Werte ergaben, ein Urteil, welches auch noch durch Staub an ungarischen phänologischen Be - obachtungen bestätigt wurde (Englers botan. Jahrbücher, Band III, Seite 431). Aber Schaffer, welcher nach schweizerischen Beobachtungen Summenwerte auf dem von Hoffmann vorgeschriebenen Wege berechnete, fand auch diesen letzteren zu keinem Resultate führend, da die Temperatursummen, welche annähernd gleich sein sollten, je nach dem früheren oder späteren Eintritt der Vegetationsphasen erhebliche Schwankungen zeigten, z. B. für die Blütenentfaltung des Berg-Ahorns zwischen 863 und 1801 Graden C. bei 13 Tagen gegen das Mittel ver - frühter oder bei 10 Tagen verspäteter Blütezeit (siehe G. J., Bd. VIII, S. 230).

Nirgends aber wird in einer Methode die Schwie - rigkeit überwunden, einen natürlichen Anfangspunkt der Zählungen zu finden. Während dieser Anfangspunkt bei einjährigen Pflanzen (Getreidesorten) sich von selbst er - gibt, entweder der Tag der Saat eines gleichmässig vor - bereiteten Samens oder der Tag des ersten Keimstadiums für die Temperatursummen der Weiterentwickelung ist, liegen bei den perennierenden Kräutern (Stauden) und allen Holzgewächsen ganz andere Verhältnisse vor, welche man nur im allgemeinen physiologisch versteht und nach42Vorbereitende Wirkungeiner eingehenden Untersuchung von Askenasy (Botan. Zeitg. 1877, vergl. G. J., Bd. VII, S. 179) noch besser beurteilen kann.

Dieser Autor stellte an der Vogelkirsche (Prunus arium) eine Studie darüber an, ob die winterliche Ruhe der Bäume scheinbar oder wahr sei, da bis dahin nur eine Untersuchung Geleznoffs darüber vorlag mit dem Resultate, dass der Stillstand in der Knospenentwickelung nur ein scheinbarer wäre und dass bei Tem - peraturen unter Null (die Untersuchung hatte in Moskau mit da - maligem Januarmittel von 14,5° stattgefunden) die Insolations - wirkung den Knospen die zur Weiterentwickelung nötige Wärme gewähre. Askenasy machte eigene Beobachtungen in Heidelberg und zwar während der ganzen Vegetationsperiode. Je 100 oder 200 Knospen wurden gewogen, ihre Trockensubstanz ermittelt und gemessen. In 3 Beobachtungsjahren ergab sich gleichmässig: Die Entwickelung der Blütenknospen der Kirsche zerfällt in zwei Perio - den, welche durch eine Periode der Ruhe oder sehr geringen Wachs - tums getrennt sind. Die erste (Sommerperiode) zeigt eine gleich - mässige aber langsame Zunahme; in der zweiten (Frühjahrsperiode des folgenden Jahres) ist der Massenzuwachs anfangs langsam, nimmt aber dann stetig zu und erfolgt zuletzt rapide. Die Ruhe - periode ihrerseits schwankte zwischen 2 3 Monaten, nämlich von Anfang November bis gegen Mitte Februar, und es standen die geringen Schwankungen in keinem Verhältnis zu der grossen Tem - peraturverschiedenheit in jenen drei Wintern; doch fand in einem sehr milden Winter nach völliger Ruhe im November schon ein äusserst geringes Wachstum während der beiden folgenden Monate statt, welche sonst ebenfalls unbedingte Ruhe zeigen. In den letzten zwei Wochen vor dem Aufblühen steigerte sich die Zunahme stetig, obgleich damals mehrfach Rückschläge in der Temperatur vor - kamen; die klimatisch begünstigten Jahre zeigten hier selbstver - ständlich im Knospenwachstum raschere Fortschritte.

Gleichzeitig wurden Versuche mit abgeschnittenen Kirsch - zweigen gemacht, welche bei 15 20°C. im Treibhause ausschlagen konnten: bei diesen war der Einfluss der Wärme um so günstiger, je mehr das Datum des Abschneidens im Freien sich der normalen Blütezeit der Kirsche näherte. Im Herbst wirkte das Treibhaus schädlich; zu Ende Oktober abgeschnittene Zweige blieben unver - ändert und gingen nach längerem Aufenthalte im Hause zu Grunde. Im folgenden sind die Tageszahlen mitgeteilt, nach welchen das verfrühte Aufblühen im Treibhause je nach dem Termin des Ab - schneidens erfolgte:

  • Zweige abgeschnitten am 14. Dezember, blühten auf nach 27 Tagen;
  • 10. Januar, 18
  • 2. Februar, 17
  • 2. März, 12
  • 23. März, 8
  • 3. April, 5
43der Ruheperiode.

Dabei war aber der äussere und der sich im Gewichte zeigende Zustand der Knospen im Freien vom Dezember bis Anfang März ungeändert geblieben, und Askenasy macht daraus den Rückschluss, dass die Blütenknospen auch in ihrer Ruheperiode eine innere (wahrscheinlich chemische) Aenderung erleiden, die sich nicht in Gewichts - oder Grössenzunahme sogleich zu erkennen gibt. Auf diese Weise wirkt dann also die Zeitdauer der Winterruhe auch bei Temperaturen unter Null und erst recht nahe unterhalb der eigentlichen Schwelle dennoch als ein positiv förderndes Mittel.

Es ist dieses eine Beispiel ausführlicher mitgeteilt, nicht nur um den in den phänologischen Beobachtungen fast stets gesuchten Zusammenhang zwischen Temperatur und Vegetationsphase auf ein begründetes Maß zu be - schränken, sondern auch um einmal wenigstens zu zeigen, wie das physiologische Experiment auf diesem Gebiete der Pflanzengeographie eine Grundlage zu schaffen be - stimmt ist, während alle