Süſses Leben! Schöne freundliche Gewohnheit des Daſeyns und Wirkens! — von dir ſoll ich ſcheiden?(Göthe,)
D as menſchliche Leben iſt, phyſiſch be - trachtet, eine eigenthümliche animaliſch - chemiſche Operation, eine Erſcheinung, durch die Konkurrenz vereinigter Natur - kräfte und immer wechſelnder Materien be - wirkt; — dieſe Operation muſs, ſo wie jede andere phyſiſche, ihre beſtimmten Ge - ſetze, Grenzen und Dauer haben, in ſo fern ſie von dem Maas der verliehenen Kräfte und Materie, ihrer Verwendung, und manchen andern äuſſern und innernVI Umſtänden abhängt; — aber ſie kann, ſo wie jede phyſiſche Operation, befördert oder gehindert, beſchleunigt oder retardirt werden, — durch Feſtſetzung richtiger Grundſätze über ihr Weſen und Bedürfniſſe, und durch Erfarung laſſen ſich die Bedin - gungen beſtimmen, unter welchen dieſer Prozeſs beſchleunigt und verkürzt, oder re - tardirt und alſo verlängert werden kann; — es laſſen ſich hierauf Regeln der diäteti - ſchen und mediziniſchen Behandlung des Lebens, zur Verlängerung deſſelben, bauen, und es entſteht hieraus eine eigne Wiſſen - ſchaft, die Macrobiotic, oder die Kunſt das Leben zu verlängern, die den Inhalt des gegenwärtigen Buchs ausmacht.
Man darf dieſe Kunſt nicht mit der gewöhnlichen Medizin oder mediziniſchen Diätetik verwechſeln, ſie hat andere Zwe - cke, andere Mittel, andere Grenzen. Der Zweck der Medizin iſt Geſundheit, der Ma - crobiotic hingegen langes Leben; die Mit - tel der Medizin ſind nur auf den gegenwär -VII tigen Zuſtand und deſſen Veränderung be - rechnet, die der Macrobiotic aber aufs Ganze; dort iſt es genug, wenn man im Stande iſt, die verlohrne Geſundheit wieder herzuſtellen, aber man fragt dabey nicht, ob durch die Art, wie man die Geſundheit wieder herſtellt, das Leben im Ganzen ver - längert oder verkürzt wird, welches leztre bey manchen Methoden der Medizin der Fall iſt; die Medizin muſs jede Krankheit als ein Uebel anſehen, das nicht bald genug weggeſchafft werden kann, die Macrobiotic zeigt, daſs manche Krankheiten Verlänge - rungsmittel des Lebens werden können; die Medizin ſucht, durch ſtärkende und andre Mittel, jeden Menſchen auf den höchſten Grad ſeiner phyſiſchen Vollkommenheit und Stärke zu erheben, die Macrobiotic aber zeigt, daſs es auch hier ein Maxi - mum giebt, und daſs ein zu weit getrieb - ner Grad von Stärkung das Mittel werden kann, das Leben zu beſchleunigen und folglich zu verkürzen; die practiſche Medizin iſt alſo, in Beziehung auf die Ma -VIII crobiotic, nur als eine Hülfswiſſenſchaft zu betrachten, die einen Theil der Lebensfeinde, die Krankheiten, erkennen, verhüten und wegſchaffen lehrt, die aber ſelbſt dabey den höhern Geſetzen der Macrobiotic unterge - ordnet werden muſs.
Langes Leben war von jeher ein Hauptwunſch, ein Hauptziel der Menſch - heit, aber wie verworren, wie widerſpre - chend waren und ſind noch jezt die Ideen über ſeine Erhaltung und Verlängerung! Der ſtrenge Theolog lächelt über ſolche Unter - nehmungen und fragt: Iſt nicht jedem Ge - ſchöpf ſein Ziel beſtimmt, und wer vermag ein Haarbreit ſeiner Länge oder eine Mi - nute ſeiner Lebensdauer zuzuſetzen? Der practiſche Arzt ruft uns zu: Was ſucht ihr nach beſondern Mitteln der Lebensver - längerung? Braucht meine Kunſt, erhal - tet Geſundheit, laſst keine Krankheit auf - kommen, und die, welche ſich etwa einſtel - len, curiren; dieſs iſt der einzige Weg zum langen Leben. Der Adept zeigtIX uns ſein Lebenselixir, und verſichert, nur, wer dieſen verkörperten Lebensgeiſt fleiſig einnähme, könne hoffen alt zu werden. Der Philoſoph ſucht das Problem ſo zu lö - ſen, daſs er den Tod verachten, und das Leben durch intenſiven Gebrauch verdop - peln lehrt. — Die zahlloſe Legion von Empirikern und Quackſalbern hingegen, die ſich des groſsen Haufens bemeiſtert haben, erhält ihn in dem Glauben, daſs kein beſſe - res Mittel, alt zu werden ſey, als zur rech - ten Zeit Ader zu laſſen, zu ſchröpfen, zu purgiren u. ſ. f.
Es ſchien mir alſo nüzlich und nöthig, die Begriffe über dieſen wichtigen Gegen - ſtand zu berichtigen, und auf gewiſſe feſte und einfache Grundſätze zurückzuführen, wodurch dieſe Lehre Zuſammenhang und ſyſtematiſche Ordnung bekäme, die ſie bis - her nicht hatte.
Seit 8 Jahren iſt dieſer Gegenſtand die Lieblingsbeſchäftigung meiner Nebenſtun -X den geweſen, und ich würde mich ſehr freuen, wenn ſie andern auch nur halb ſo viel Unterhaltung und Nutzen ſchaffen ſollte, als ſie mir verſchafft hat. — Ja ſelbſt in den zeitherigen traurigen und Menſchenverſchlingenden Zeiten, fand ich meine beſte Tröſtung und Aufheiterung darinn, an der Aufſuchung der Mit - tel zur Verlängerung des Lebens zu ar - beiten.
Mein Hauptzweck war zwar allerdings der, die Lehre von der Kunſt der Lebens - verlängerung ſyſtematiſch zu gründen, und die Mittel dazu anzugeben, aber un - vermerkt bekam ſie noch einige Nebenzwecke, die ich hier anführen muſs, um die Beur - theilung des Ganzen dadurch zu berichtigen. Einmal nehmlich ſchien mir dieſs der beſte Weg zu ſeyn, um mancher diätetiſchen Re - gel ein höheres Intereſſe und allgemeinere Gültigkeit zu geben, weil ich immer fand, daſs es weit weniger Eindruck machte, wenn man ſagte, dieſe oder jene Sache,XI dieſe oder jene Lebensweiſe iſt geſund oder ungeſund (denn dieſs iſt relativ, hängt von der ſtärkern oder ſchwächern Konſtitution und andern Nebenumſtänden ab, und be - zieht ſich auf die unmittelbaren Folgen, die gar oft auſſen bleiben, und den Nichtarzt unglaubig an dem ganzen Vorgeben ma - chen); als wenn man den Satz ſo ſtellte: dieſe Dinge, dieſe Lebensarten, verlän - gern oder verkürzen das Leben; denn dieſs hängt weniger von Umſtänden ab, und kann nicht nach den unmittelbaren Folgen beurtheilt werden. — Zweytens wurde dieſe Arbeit unvermerkt ein Archiv, in wel - chem ich mehrere meiner Lieblingsideen nie - derlegte, bey welchen ich mich auch wohl zuweilen mancher kosmopolitiſchen Digreſ - ſion überlieſs, und mich freuete, dieſe Ideen an einen ſo ſchönen alles verbindenden Fa - den, als der Lebensfaden iſt, anreihen zu können.
Nach dem Standpunct, den ich bey Betrachtung meines Gegenſtandes nehmenXII muſste, war es natürlich, daſs ich ihn nicht blos mediziniſch, ſondern auch moraliſch behandelte. Wer kann vom menſchlichen Leben ſchreiben, ohne mit der moraliſchen Welt in Verbindung geſezt zu werden, der es ſo eigenthümlich zugehört? Im Gegen - theil habe ich bey dieſer Arbeit es mehr als je empfunden, daſs ſich der Menſch und ſein höherer moraliſcher Zweck auch phy - ſiſch ſchlechterdings nicht trennen laſſen, und ich darf es vielleicht dieſer Schrift als ein kleines Verdienſt anrechnen, daſs ſie nicht allein die Wahrheit und den Werth der moraliſchen Geſetze in den Augen vieler dadurch erhöht, daſs ſie ihnen die Unent - behrlichkeit derſelben auch zur phyſiſchen Erhaltung und Verlängerung des Lebens zeigt, ſondern daſs ſie auch mit unwider - leglichen Gründen darthut, daſs ſchon das Phyſiſche im Menſchen auf ſeine höhere moraliſche Beſtimmung berechnet iſt, daſs dieſes einen weſentlichen Unterſchied der menſchlichen Natur von der thieriſchen macht, und daſs ohne moraliſche KulturXIII der Menſch unaufhörlich mit ſeiner eignen Natur im Widerſpruch ſteht, ſo wie er hingegen durch ſie auch phyſiſch erſt der vollkommenſte Menſch wird. Wäre ich doch ſo glücklich, auf dieſe Weiſe einen doppelten Zweck zu erreichen, nicht blos die Menſchen geſünder und länger lebend, ſondern auch durch das Beſtreben dazu, beſſer und ſittlicher zu machen! Wenig - ſtens kann ich verſichern, daſs man eins ohne das andere vergebens ſuchen wird, und daſs phyſiſche und moraliſche Geſund - heit ſo genau verwandt ſind, wie Leib und Seele. Sie flieſſen aus gleichen Quellen, ſchmelzen in eins zuſammen, und geben vereint erſt das Reſultat der veredel - ten vnd vollkommensten Men - schennatvr.
Auch muſs ich erinnern, daſs dies Buch nicht für Aerzte allein, ſondern fürs ganze Publikum beſtimmt war, welches mir freylich die Pflicht auflegte, in manchen Puncten weitläuftiger und in manchen kür -XIV zer zu ſeyn, als es für den Arzt nöthig ge - weſen wäre. — Ich hatte vorzüglich junge Leute dabey zum Zweck, weil ich überzeugt bin, daſs in dieſer Periode des Lebens vor - züglich auf Gründung eines langen und geſunden Lebens gewirkt werden kann, und daſs es eine unverzeihliche Vernachläſſigung iſt, daſs man noch immer bey der Bildung der Jugend dieſe ſo wichtige Belehrung über ihr phyſiſches Wohl vergiſst. Ich habe daher die Puncte vorzüglich ins Licht geſezt, die für dieſe Periode die wichtigſten ſind, und überhaupt ſo geſchrieben, daſs man das Buch jungen Leuten ohne Schaden in die Hände geben kann, und es würde mir eine unbeſchreibliche Freude ſeyn, wenn man es ihnen nicht allein zum Leſen em - pföhle, ſondern es auch in Schulen zur Be - lehrung über die wichtigſten Gegenſtände unſers phyſiſchen Wohls benuzte, die, ich wiederhole es nochmals, auf Schulen gege - ben werden muſs, denn ſie kommt (wie ich leider aus gar zu vielen Erfarungen weiſs) auf Akademien mehrentheils zu ſpät.
XVDie Form der Vorleſungen erhielt es dadurch, weil ich drey Sommer hindurch wirklich öffentliche Vorleſungen darüber hielt, und ich glaubte, um ſo weniger ihm dieſe Einkleidung nehmen zu müſſen, da ſie dem Ganzen etwas mehr annäherndes und eindrückliches, genug, etwas mehr vom mündlichen Vortrag, zu geben ſchien.
Man wird mir es hoffentlich vergeben, daſs ich nicht alle Beyſpiele und Facta mit Citaten belegt habe; aber ich beſorgte, das Buch dadurch zu ſehr zu vergröſſern und zu vertheuern. Doch muſs ich erwähnen, daſs ich bey den Beyſpielen des menſchli - chen Alters aus der Geſchichte hauptſäch - lich Baco Historia vitae et mortis benuzt habe.
Uebrigens will ich im voraus recht gern zugeben, daſs manches anders, man - ches vollſtändiger, manches beſſer ſeyn könnte. Ich bin zufrieden mit der ſüſſenXVI Ueberzeugung, die mir niemand rauben wird, daſs das wenigſtens, was ich ge - ſchrieben habe, Nutzen ſtiften kann, ja gewiſs Nutzen ſtiften wird.
Jena, im Julius 1796.
Bey den Egyptiern und Griechen — Gerocomic — Gymnaſtic — Hermippus — Zuſtand derſelben im Mit - telalter — Theophraſtus Paracelſus — Aſtrologiſche Methode — Talismanns — Thurneiſſen — Cornaro und ſeine ſtrenge Diät — Transfuſionsmethode — Baco — St. Germain — Mesmer — Caglioſtro — Graham.
Durch die ganze Natur weht und wirket jene unbegreifliche Kraft, jener unmittelbare Ausfluſs der Gottheit, den wir Lebenskraft nennen. Ueberall ſtoſ - ſen wir auf Erſcheinungen und Wirkun - gen, die ihre Gegenwart, ob gleich in unendlich verſchiedenen Modificationen und Geſtalten unverkenntlich bezeugen,A 24und Leben iſt der Zuruf der ganzen uns umgebenden Natur. Leben iſts, wo - durch die Pflanze vegetirt, das Thier fühlt und wirket; — aber im höchſten Glanz von Vollkommenheit, Fülle und Ausbildung erſcheint es in dem Men - ſchen, dem oberſten Glied der ſichtba - ren Schöpfung. Wir mögen die ganze Reihe der Weſen durchgehen, nirgends finden wir eine ſo vollkommne Verbin - dung faſt aller lebendigen Kräfte der Natur, nirgends ſo viel Energie des Le - bens, mit ſolcher Dauer vereinigt, als hier. Kein Wunder alſo, daſs der voll - kommenſte Beſitzer dieſes Gutes auch einen ſo hohen Werth darauf ſezt, und daſs ſchon der bloſse Gedanke von Le - ben und Seyn ſo hohen Reiz für uns hat. Jeder Körper wird uns um ſo intereſſan - ter, je mehr wir ihm eine Art von Le - ben und Lebensgefühl zutrauen können. Nichts vermag ſo ſehr auf uns zu wir - ken, ſolche Aufopferungen zu veran - laſſen, und die auſſerordentlichſten Ent - wicklungen und Anſtrengungen unſrer5 verborgenſten Kräfte hervorzubringen, als der Trieb es zu erhalten und in dem kritiſchen Augenblick es zu retten. Selbſt ohne Genuſs und Freuden des Lebens, ſelbſt für den, der an unheilbaren Schmerzen leidet, oder im dunkeln Ker - ker auf immer ſeine Freyheit beweint, behält der Gedanke zu ſeyn und zu le - ben noch Reiz, und es gehört ſchlech - terdings eine nur bey Menſchen mögli - che Zerrüttung der feinſten Empfin - dungsorgane, eine gänzliche Verdunke - lung und Tödtung des innern Sinns da - zu, um das Leben gleichgültig oder gar verhaſst zu machen. — So weiſe und innig wurde Liebe des Lebens, dieſer eines denkenden Weſens ſo würdige Trieb, dieſer Grundpfeiler ſowohl der einzelnen als der öffentlichen Glückſe - ligkeit, mit unſerer Exiſtenz verwebt! — Sehr natürlich war es daher, daſs der Gedanke in dem Menſchen aufſtei - gen muſte: Sollte es nicht möglich ſeyn, unſer Daſeyn zu verlängern, und dem nur gar zu flüchtigen Genuſs dieſes Guts6 mehr Ausdehnung zu geben? Und wirklich beſchäftigte dieſs Problem von jeher die Menſchheit auf verſchiedene Weiſe. Es war ein Lieblingsgegenſtand der ſcharfſinnigſten Köpfe, ein Tum - melplatz der Schwärmer, und eine Hauptlockſpeiſe der Charlatans und Be - trieger, bey denen man von jeher fin - den wird, daſs es entweder Umgang mit Geiſtern, oder Goldmacherkunſt oder Verlängerung des Lebens war, wodurch ſie das gröſsere Publikum angelten. Es iſt intereſſant und ein Beytrag zur Ge - ſchichte des menſchlichen Verſtandes zu ſehen, auf wie mannichfaltigen, ſich oft ganz entgegen geſezten Wegen man dieſs Gut zu erlangen hoffte, und da ſelbſt in den neueſten Zeiten die Caglio - ſtros und Mesmers wichtige Beyträge dazu geliefert haben, ſo glaube ich Ver - zeihung zu erhalten, wenn ich eine kurze Ueberſicht der nach und nach vorgekommenen Lebensverlängerungs - methoden vorausſchicke, ehe ich zu mei - nem Hauptgegenſtand übergehe.
7Schon in den früheſten Zeiten, un - ter Egyptern, Griechen und Römern war dieſe Idee rege, und ſchon damals verfiel man in Egypten, der Mutter ſo mancher abentheuerlichen Ideen, auf künſtliche und unnatürliche Mittel zu dieſem Zweck, wozu freylich das durch Hitze und Ueberſchwemmungen unge - ſunde Clima Veranlaſſung geben mochte. Man glaubte die Erhaltung des Lebens in Brechen und Schwitzen gefunden zu haben, und es wurde allgemeine Sitte, alle Monate wenigſtens 2 Brechmittel zu nehmen, und ſtatt zu ſagen, wie befin - deſt du dich, fragte man einander: Wie ſchwitzeſt du? — Ganz anders bildete ſich dieſer Trieb bey den Griechen, un - ter dem Einfluſs einer reinen und ſchö - nen Natur, aus. Man überzeugte ſich ſehr bald, daſs gerade ein vernünftiger Genuſs der Natur und die beſtändige Uebung unſerer Kräfte das ſicherſte Mit - tel ſey, die Lebenskraft zu ſtärken, und unſer Leben zu verlängern. Hippocra - tes und alle damaligen Philoſophen und8 Aerzte kennen keine andern Mittel, als Mäſsigkeit, Genuſs der freyen und rei - nen Luft, Bäder, und vorzüglich das tägliche Reiben des Körpers und Lei - besübung. Auf leztere ſezten ſie ihr gröſstes Vertrauen. Es wurden eigene Methoden und Regeln beſtimmt, dem Körper mannichfaltige, ſtarke und ſchwa - che, Bewegung zu geben; es entſtand eine eigene Kunſt der Leibesübung, die Gymnaſtik, daraus, und der gröſste Phi - loſoph und Gelehrte vergaſs nie, daſs Uebung des Leibes und Uebung der Seele immer in gleichem Verhältniſs bleiben müſste. Man brachte es wirk - lich zu einer auſſerordentlichen Voll - kommenheit, dieſe für uns faſt ver - ſchwundne Kunſt den verſchiedenen Na - turen, Situationen und Bedürfniſſen der Menſchen anzupaſſen, und ſie beſonders zu dem Mittel zu gebrauchen, die innere Natur des Menſchen immer in einer ge - hörigen Thätigkeit zu erhalten, und da - durch nicht nur Krankheitsurſachen un - wirkſam zu machen, ſondern auch ſelbſt9 ſchon ausgebrochne Krankheiten zu hei - len. Ein gewiſſer Herodicus gieng ſo weit, daſs er ſogar ſeine Patienten nö - thigte ſpazieren zu gehen, ſich reiben zu laſſen, und, jemehr die Kran[k]heit ab - mattete, deſto mehr durch Anſtrengung der Muſkelkräfte dieſe Mattigkeit zu überwältigen; und er hatte das Glück, durch ſeine Methode ſo vielen ſchwäch - lichen Menſchen das Leben viele Jahre zu verlängern, daſs ihm ſogar Plato den Vorwurf macht, er habe ſehr ungerecht gegen dieſe armen Leute gehandelt, durch ſeine Kunſt ihr immer ſterbendes Leben bis ins Alter zu verlängern. Die hellſten und naturgemäſſeſten Ideen über die Erhaltung und Verlängerung des Lebens finden wir beym Plutarch, der durch das glücklichſte Alter die Wahrheit ſeiner Vorſchriften beſtätigte. Schon er ſchlieſst ſeinen Unterricht mit folgenden auch für unſere Zeiten gülti - gen Regeln: den Ko[p]f kalt und die Füſse warm zu halten, anſtatt bey jeder Un - päſslichkeit gleich Arzneyen zu brau -10 chen, lieber erſt einen Tag zu faſten, und über dem Geiſt nie den Leib zu ver - geſſen.
Eine ſonderbare Methode, das Le - ben im Alter zu verlängern, die ſich ebenfalls aus den früheſten Zeiten her - ſchreibt, war die Gerocomic, die Ge - wohnheit, einen alten abgelebten Körper durch die nahe Atmosphäre friſcher auf - blühender Jugend zu verjüngen und zu erhalten. Das bekannteſte Beyſpiel da - von enthält die Geſchichte des König David, aber man findet in den Schriften der Aerzte mehrere Spuren, daſs es da - mals eine ſehr gewöhnliche und beliebte Hülfe des Alters war. Selbſt in neuern Zeiten iſt dieſer Rath mit Nutzen befolgt worden; der groſse Boerhave lieſs einen alten Amſterdamer Bürgermeiſter zwi - ſchen zwey jungen Leuten ſchlafen, und verſichert, der Alte habe dadurch ſicht - bar an Munterkeit und Kräften zuge - nommen. Und gewiſs wenn man be - denkt, was der Lebensdunſt friſch auf -11 geſchnittner Thiere auf gelähmte Glie - der, was das Auflegen lebendiger Thiere auf ſchmerzhafte Uebel vermag, ſo ſcheint dieſe Methode nicht verwerflich zu ſeyn.
Höchſtwahrſcheinlich gründete ſich auf dieſe Ideen der hohe Werth, den man bey Römern und Griechen auf das Anwehen eines reinen geſunden Athems ſezte. Es gehört hieher ei - ne alte Inſchrift, die man im vori - gen Jahrhundert zu Rom fand, und ſo lautet:
Dieſe Inſchrift mag nun ächt ſeyn oder nicht; genug ſie veranlaſste noch zu Anfang dieſes Jahrhunderts eine Schrift, worinne ein Doctor Cohauſen ſehr ge - lehrt beweiſet, dieſer Hermippus ſey ein Waiſenhausvorſteher oder Mädgenſchul - meiſter zu Rom geweſen, der beſtändig in dem Zirkel kleiner Mädgen gelebt, und eben dadurch ſein Leben ſo weit verlängert habe. Er giebt daher den wohlmeynenden Rath, ſich nur alle Mor - gen und Abende von kleinen unſchuldi - gen Mädgen anhauchen zu laſſen, und verſichert zu ſeyn, daſs man dadurch zur Stärkung und Erhaltung der Lebens - kräfte unglaublich viel beytragen werde, indem, ſelbſt nach dem Ausſpruch der Adepten, in dem Hauche der Unſchuld13 die erſte Materie am reinſten enthalten wäre.
Aber am ergiebigſten an neuen und abentheuerlichen Ideen über dieſe Mate - rie war jene tauſendjährige Nacht des Mittelalters, wo Schwärmerey und Aber - glauben alle reinen naturgemäſsen Be - griffe verbannten, wo zuerſt der ſpecu - lative Müſsiggang der Klöſter die und jene chemiſche und phyſiſche Erfindung veranlaſste, aber dieſelben mehr zur Verwirrung als zur Aufhellung der Be - griffe, mehr zur Beförderung des Aber - glaubens als zur Berichtigung der Er - kenntniſs nuzte. Dieſe Nacht iſts, in der die monſtröſeſten Geburten des menſchlichen Geiſtes ausgebrütet, und jene abentheuerlichen Ideen von Be - hexung, Sympathie der Körper, Stein der Weiſen, geheimen Kräften, Chiro - mantie, Kabala, Univerſalmedizin u. ſ. w. in die Welt geſezt oder wenigſtens ausgebildet wurden, die leider noch im - mer nicht auſser Cours ſind, und nur in14 veränderten und moderniſirten Geſtal - ten, immer noch zur Verführung des Menſchengeſchlechts dienen. In dieſer Geiſtesfinſterniſs erzeugte ſich nun auch der Glaube, daſs die Erhaltung und Ver - längerung des Lebens, die man zeither als ein Geſchenk der Natur auch durch die natürlichſten Mittel geſucht hatte, durch chemiſche Verwandlungen, durch Hülfe der erſten Materie, die man in Deſtillirkolben gefangen zu haben mey - nete, durch Vermeidung böſer Conſtel - lationen und ähnlichen Unſinn erhalten werden könnte. Es ſey mir erlaubt, ei - nige dieſer an die Menſchheit ergange - nen Vorſchläge, die, troz ihrer Unge - reimtheit dennoch Glauben fanden, nahmhaft zu machen.
Einer der unverſchämteſten Charla - tans und hochpralenden Lebensverlän - gerer war Theophraſtus Paracelſus, oder, wie ſein ganzer, ihn karakteriſirender Nahme hieſs: Philippus Aureolus Theo - phraſtus Paracelſus Bombaſtus ab Hohen -15 heim. Er war die halbe Welt durchrei - ſet, hatte aus allen Orten und Enden Rezepte und Wundermittel zuſammen - getragen, und beſonders, was damals noch ſelten war, in den Bergwerken Kenntniſs und Behandlung der Metalle ſtudirt. Er fing ſeine Laufbahn damit an, alles niederzureiſsen, was bisher gelehrt worden war, alle hohen Schulen mit der gröſsten Verachtung zu behan - deln, ſich als den erſten Philoſophen und Arzt der Welt zu präſentiren, und heilig zu verſichern, das keine Krank - heit ſey, die er nicht heilen, kein Leben, das er nicht verlängern könnte. Zur Probe ſeiner Inſolenz und des Tons, in dem die Charlatans des 15ten Jahrhun - derts ihr Publicum anredeten, will ich nur den Anfang ſeines Hauptwerks an - führen: „ Ihr müſſet mir nach, ich nicht „ euch, ihr mir nach, Avicenna, Rhaſes, „ Galen, Meſue, mir nach und nicht ich „ euch, ihr von Paris, ihr von Montpel - „ lier, ihr von Schwaben, ihr von Meiſ - „ ſen, ihr von Köln, ihr von Wien, und16 „ was an der Donau und dem Rheinſtrom „ liegt, ihr Inſeln im Meer, du Italien, „ du Dalmatien, du Athen, du Grieche, „ du Araber, du Iſraelite, mir nach und „ nicht ich euch; Mein iſt die Monar - „ chey! “ Man ſieht, daſs er nicht Un - recht hatte, wenn er von ſich ſagt: „ Von der Natur bin ich nicht ſubtil ge - „ ſponnen; es iſt auch nicht unſre Lan - „ desart, die wir unter Tannzapfen auf - „ wachſen. “ Aber er hatte die Gabe, ſei - nen Unſinn in einer ſo dunkeln und my - ſtiſchen Sprache vorzutragen, daſs man die tiefſten Geheimniſſe darinne ahnde - te, und noch hie und da darinnen ſucht, und daſs es wenigſtens ganz unmöglich war, ihn zu widerlegen. Durch alles dieſs und durch die neuen und auffallen - den Wirkungen einiger chemiſchen Mit - tel, die er zuerſt in die Medizin ver - pflanzte, machte er erſtaunliche Senſa - tion, und ſein Ruf wurde ſo verbreitet, daſs aus ganz Europa Schüler und Pa - tienten zu ihm ſtrömten, und daſs ſelbſt ein Erasmus ſich entſchlieſsen konnte,ihn17ihn zu conſultiren. Er ſtarb im 50ſten Jahre, ohneracht er den Stein der Un - ſterblichkeit beſaſs, und wenn man die - ſen vegetabiliſchen Schwefel genauer unterſucht, ſo findet man, daſs er weiter nichts war, als ein hitziges, dem Hof - mannſchen Liquor gleiches Mittel.
Aber nicht genug, daſs man die Chemie und die Geheimniſſe des Geiſter - reichs aufbot, um unſere Tage zu ver - längern, ſelbſt die Geſtirne muſsten da - zu benutzt werden. Es wurde damals allgemeiner Glaube, daſs der Einfluſs der Geſtirne (die man ſich doch nicht ganz müſsig denken konnte) Leben und Schickſale der Menſchen regierte, daſs jeder Planet und jede Conſtellation der - ſelben der ganzen Exiſtenz des darinne erzeugten Weſens eine gewiſſe Richtung zum Böſen oder Guten geben könne, und daſs folglich ein Aſtrolog nur die Stunde und Minute der Geburt zu wiſ - ſen brauche, um das Temperament, die Geiſtesfähigkeiten, die Schickſale, dieB18Krankheiten, die Art des Todes und auch den Tag deſſelben beſtimmen zu können. — Dieſs war der Glaube nicht blos des groſsen Haufens, ſondern der gröſsten, verſtändigſten und einſichts - volleſten Perſonen der damaligen Zeit, und es iſt zum erſtaunen, wie lange und wie feſt man daran hing, ohneracht es nicht an Beyſpielen fehlen konnte, wo die Prophezeyung fehlſchlug. Biſchöffe, hohe Geiſtliche, berühmte Philoſophen und Aerzte gaben ſich mit dem Nativi - tätſtellen ab, man las ſogar auf Univer - ſitäten Collegia darüber, ſo gut wie über die Punktirkunſt und Cabala. Zum Be - weiſe erlaube man mir ein Paar Worte von dem berühmten Thurneiſen, dem glänzendſten Phänomen dieſer Art, und einem wirklich ausgezeichneten Men - ſchen, zu ſagen. Er lebte im vorigen Jahrhundert an dem Kurfürſtlichen Hofe zu Berlin, und war Leibarzt, Chemiſt, Nativitätſteller, Calendermacher, Buch - drucker und Buchhändler, alles in einer Perſon. Seine Reputation in der Aſtro -19 logie war ſo groſs, daſs faſt in keinem angeſehenen Hauſe in Teutſchland, Po - len, Ungarn, Dänema[r] k, ja ſelbſt in England ein Kind gebohren wurde, wo man nicht ſogleich einen Boten mit der Beſtimmung der Geburtsſtunde an ihn abſendete. Es kamen oft 8, 10 bis 12 ſolche Geburtsſtunden auf einmal bey ihm an, und er wurde zulezt ſo über - häuft, daſs er ſich Gehülfen zu dieſem Geſchäft halten muſste. Noch befinden ſich viele Bände ſolcher Anfragen auf der Bibliothek zu Berlin, in denen ſo - gar Briefe von der Königin Eliſabeth er - ſcheinen. Auſſerdem ſchrieb er noch jährlich einen aſtrologiſchen Calender, in welchem nicht nur die Natur des Jah - res überhaupt, ſondern auch die Haupt - begebenheiten und die Tage derſelben mit kurzen Worten oder Zeichen ange - geben waren. Ereylich lieferte er ge - wöhnlich die Auslegung erſt das Jahr darnach; doch findet man auch Beyſpie - le, daſs er ſich durch Geld und gute Worte bewegen lieſs, dieſelbe im vor -B 220aus mitzutheilen. Und bewundern muſs man, was die Kunſt der unbeſtimmten prophetiſchen Diction und die Gefällig - keit des Zufalls thun können; der Calen - der erhielt ſich über 20 Jahre, hatte reiſsenden Abgang, und verſchafte nebſt andern Charlatanerien dem Verfaſſer ein Vermögen von einigen 100000 Gul - den.
Aber wie konnte man in einer Kunſt, die dem Leben der Menſchen ſo beſtimmte und unvermeidliche Grenzen ſezte, Mittel zur Verlängerung deſſelben finden? Dieſs geſchah auf folgende ſinnreiche Art: Man nahm an, daſs eben ſo wie jeder Menſch unter dem Einfluſs eines gewiſſen Geſtirns ſtünde, eben ſo habe auch jeder andere Körper, Pflanzen, Thiere, ſogar ganze Länder und einzelne Häuſer, ein jegliches ſein eignes Geſtirn, von dem es regiert wür - de, und beſonders war zwiſchen den Planeten und Metallen ein genauer Zu - ſammenhang und Sympathie. Sobald21 man alſo wuſste, von welchen Conſtel - lationen und Geſtirnen das Unglück und die Krankheiten eines Menſchen her - rührten, ſo hatte er weiter nichts nöthig, als ſich lauter ſolcher Speiſen, Getränke und Wohnungen zu bedienen, die von den entgegengeſezten Planeten be - herrſcht wurden. Dieſs gab eine ganz neue Diätetik, aber freylich von ganz andrer Art als jene Griechiſche. Kam nun ein Tag vor, der durch ſeine beſon - ders unglückliche Conſtellation eine ſchwere Krankheit u. d. gl. fürchten lieſs, ſo begab man ſich an einen Ort, der unter einem freundlichen Geſtirn ſtand, oder man nahm ſolche Nahrungs - mittel und Arzneyen zu ſich, die un - ter der Protection eines guten Geſtirns den Einfluſs des böſen zu nichte mach - ten*)Marſilius Ficinus ermahnte damals in ſeiner Ab - handlung über Verlängerung des Lebens alle vorſichtige Leute, alle 7 Jahre einen Sterndeu - ter um Rath zu fragen, um ſich über die etwa in den folgenden 7 Jahren drohenden Gefahren. — Aus eben dieſem Grunde22 hoffte man die Verlängerung des Lebens durch Talismanns und Amulete, Weil die Metalle mit den Planeten in genaue - ſter Verbindung ſtanden, ſo war es ge - nug, einen Talismann an ſich zu tragen, der unter gewiſſen Konſtellationen aus paſſenden Metallen geſchmolzen, gegoſ - ſen und geprägt war, um ſich die ganze Kraft und Protection des damit verbun - denen Planeten eigen zu machen. Man hatte alſo nicht nur Talismanns, die die Krankheiten eines Planeten abwendeten, ſondern auch Talismanns für alle aſtra - liſche Krankheiten, ja auch ſolche, die durch eine beſondere Vermiſchung ver -*)Nachricht einzuziehen, und vorzüglich die Mit - tel der heil. 3 Könige, Gold, Weyrauch und Myrrhen zu reſpectiren und gehörig zu gebrau - chen. — M. Panſa dedizirte im Jahr 1470 dem Rathe zu Leipzig ein Buch De proroganda vita; Aureus libellus, worinn er den Herren ſehr angelegentlich räth, ſich vor allen Dingen ihre günſtigen und ungünſtigen Aspecten be - kannt zu machen, und alle 7 Jahre auf der Hut zu ſeyn, weil dann Saturn, ein böſer ſeindſeli - ger Planet, herrſchte.23 ſchiedener Metalle und eigene Künſte bey Schmelzung derſelben die wunder - bare Kraft erhielten, den ganzen Ein - fluſs einer unglücklichen Geburtsſtunde aufzuheben, zu Ehrenſtellen zu beför - dern, und in Handels - und Heyraths - geſchäften gute Dienſte zu leiſten. — War Mars im Zeichen des Scorpions dar - auf geprägt, und ſie in dieſer Conſtella - tion gegoſſen, ſo machten ſie ſiegreich und unverwundbar im Kriege, und die teutſchen Soldaten waren von dieſer Idee ſo eingenommen, daſs von einer Niederlage derſelben in Frankreich ein franzöſiſcher Schriftſteller erzählt, man habe bey allen Todten und Gefangenen Amulete am Halſe hängend gefunden. Aber die Bilder der Planetgottheiten durften in dieſer Abſicht durchaus keine antike Form ſondern eine myſtiſche abentheuerliche Geſtalt und Tracht ha - ben. Man hat noch eines gegen die jo - vialiſchen Krankheiten mit dem Bildniſſe des Jupiters. Hier ſieht Jupiter völlig ſo aus, wie ein alter Wittenberger oder24 Baſeler Profeſſor. Es iſt ein bärtiger Mann in einem weiten mit Pelz gefüt - terten Ueberrok, hält in der einen Hand ein aufgeſchlagenes Buch, und docirt mit der rechten. — Ich würde mich nicht ſo lange bey dieſer Materie aufge - halten haben, wenn nicht dieſe Grille voriger Jahrhunderte noch vor wenig Jahren von Caglioſtro wieder in Gang gebracht worden wäre, und noch in dem lezten Viertheil des achtzehenden Jahrhunderts hie und da Beyfall gefun - den hätte.
Je ungereimter und verworrener die damaligen Begriffe waren, deſto ſchätzbarer muſs uns das Andenken ei - nes Mannes ſeyn, der ſich glücklich aus denſelben herauszuwinden und die Kunſt, ſein Leben zu verlängern, auf dem Wege der Natur und der Mäſsigkeit zu finden wuſste. Cornaro der Italiener wars, der durch die einfachſte und ſtrengſte Diät, und durch eine beyſpiel - loſe Beharrlichkeit in derſelben, ſich ein25 glückliches und hohes Alter verſchaffte, das ihm reichliche Belohnung ſeiner Ent - ſagung, und der Nachwelt ein lehrrei - ches Beyſpiel gab. Nicht ohne Theil - nahme und freudiges Mitgefühl kann man den drey und achtzigjährigen Greiſs die Geſchichte ſeines Lebens und ſeiner Erhaltung beſchreiben, und alle die Hei - terkeit und Zufriedenheit preiſsen hö - ren, die er ſeiner Lebensart verdankt. Er hatte bis in ſein 40ſtes Jahr ein ſchwelgeriſches Leben geführt, war be - ſtändig krank an Koliken, Glieder - ſchmerzen und Fieber, und kam durch lezteres endlich dahin, daſs ihn ſeine Aerzte verſicherten, er werde nicht viel über 2 Monate mehr leben, alle Arz - neyen ſeyen vergebens, und das einzige Mittel für ihn ſey eine ſparſame Diät. Er folgte dieſem Rath, bemerkte ſchon nach einigen Tagen Beſſerung, und nach Verlauf eines Jahres war er nicht nur völlig hergeſtellt, ſondern geſünder als er je in ſeinem Leben geweſen war. Er beſchloſs alſo, ſich noch mehr einzu -26 ſchränken, und ſchlechterdings nicht mehr zu genieſsen, als was zur Subſi - ſtenz unentbehrlich wäre, und ſo nahm er denn 60 ganzer Jahre hindurch täglich nicht mehr als 24 Loth Speiſe (alles mit eingeſchloſſen) und 26 Loth Getränk zu ſich. Dabey vermied er auch ſtarke Er - hitzungen, Erkältungen und Leiden - ſchaften, und durch dieſe ſich immer gleiche gemäſsigte Diät erhielt nicht nur ſein Körper, ſondern auch die Seele ein ſo beſtimmtes Gleichgewicht, daſs nichts ihn erſchüttern konnte. In ſeinem ho - hen Alter verlohr er einen wichtigen Prozeſs, worüber ſich zwey ſeiner Brü - der zu Tode grämten, er blieb gelaſſen und geſund; er wurde mit dem Wagen umgeworfen, und von den Pferden ge - ſchleift, daſs er Arm und Fuſs ausrenkte, er lieſs ſie wieder einrichten, und ohne ſonſt etwas zu brauchen war er in kur - zem wieder hergeſtellt. — Aber am merkwürdigſten und beweiſend, wie gefährlich die geringſte Abweichung von einer langen Gewohnheit werden kann,27 war folgendes. Als er 80 Jahr alt war, drangen ſeine Freunde in ihn, doch nun, da ſein Alter mehr Unterſtützung brauchte, ſeiner Nahrung etwas zuzu - ſetzen. Er ſah zwar wohl ein, daſs mit der allgemeinen Abnahme der Kräfte auch die Verdauungskraft abnehmen, und man im Alter die Nahrung eher ver - mindern als vermehren müſste. Doch gab er nach, und erhöhete ſeine Speiſe auf 28 und ſein Getränk auf 32 Loth. „ Kaum hatte ich, “ſagt er ſelbſt, „ dieſe „ Lebensart 10 Tage fortgeſezt, als ich „ anfing, ſtatt meiner vorigen Munter - „ keit und Fröhlichkeit, kleinmüthig, „ verdroſſen, mir und andern läſtig zu „ werden. Am 12ten Tage überfiel mich „ ein Schmerz in der Seite, der 24 Stun - „ den anhielt, und nun erfolgte ein Fie - „ ber, das 35 Tage in ſolcher Stärke fort - „ dauerte, daſs man an meinem Leben „ zweifelte. Aber durch Gottes Gnade „ und meine vorige Diät erholete ich „ mich wieder, und genieſse nun in mei - „ nem 83ſten Jahre den munterſten Lei -28 „ bes - und Seelenzuſtand. Ich ſteige von „ der Erden an auf mein Pferd, ich klet - „ tre ſteile Anhöhen hinauf, und habe „ erſt kürzlich ein Luſtſpiel voll von un - „ ſchuldiger Freude und Scherz geſchrie - „ ben. Wenn ich von meinen Privatge - „ ſchäften oder aus dem Senat nach Hauſe „ komme, ſo finde ich 11 Enkel, deren „ Auferziehung, Zeitvertreib und Geſän - „ ge die Freude meines Alters ſind. Oft „ ſinge ich ſelbſt mit ihnen, denn meine „ Stimme iſt jezt klärer und ſtärker, als ſie „ je in meiner Jugend war, und ich weiſs „ nichts von den Beſchwehrden und den „ mürriſchen und ungenieſsbaren Lau - „ nen, die ſo oft das Loos des Alters „ ſind. “ In dieſer glücklichen Stimmung erreichte er das hundertſte Jahr, aber ſein Beyſpiel iſt ohne Nachfolge geblie - ben. *)Auch würde ich recht ſehr bitten, ehe man dieſe Diät im ſtrengſten Sinn anfinge, erſt ſei - nen Arzt zu conſuliren. Denn nicht jedem iſt es heilſam, die Abſtinenz ſo weit zu treiben.
29Es war eine Zeit, wo man in Frank - reich den Werth des Bluts ſo wenig zu kennen ſchien, daſs man König Ludwig XIII. in den lezten 10 Monaten ſeines Lebens 47mal zur Ader lieſs, und ihm noch überdieſs 215 Purganzen und 210 Lavements gab, und gerade da ſuchte man durch einen ganz entgegengeſezten Prozeſs, durch Einfüllung eines friſchen jungen Bluts in die Adern, das Leben der Menſchen zu verjüngen, zu verlän - gern, und incurable Krankheiten zu hei - len. Man nannte dieſs Transfuſion, und die Methode war dieſe, daſs man zwey Blutadern öfnete, und vermittelſt eines Röhrgens das Blut aus der Pulsader ei - nes andern lebenden Geſchöpfs in die eine leitete, während man durch die an - dre Aderöffnung das alte Blut auslaufen lieſs. Man hatte in England einige glückliche Verſuche an Thieren gemacht, und wirklich einigen alten lahmen und tauben Geſchöpfen, Schafen, Kälbern und Pferden, durch die Anfüllung mit dem Blute eines jungen Thiers, Gehör,30 Beweglichkeit und Munterkeit, wenig - ſtens auf einige Zeit wieder verſchafft; ja man unternahm es, furchtſame Ge - ſchöpfe durch das Blut eines wilden grauſamen Geſchöpfs kühn zu machen. Hierdurch aufgemuntert, trug man kein Bedenken, auch Menſchen auf dieſe Weiſe zu reſtauriren. Dr. Denis und Riva zu Paris waren wirklich ſo glück - lich, einen jungen Menſchen, der an ei - ner unheilbaren Schlafſucht litt (in der man ihm gleichfalls 20mal zu Ader ge - laſſen hatte) durch die Anfüllung mit Lamsblut, und einen Wahnſinnigen durch die Vertauſchung ſeines Bluts mit Kalbsblut völlig herzuſtellen. Aber da man nur die unheilbarſten und elende - ſten Menſchen dazu nahm, ſo trug ſichs bald zu, daſs einige unter der Operation ſtarben, und ſeitdem hat es niemand wieder gewagt. Doch iſt ſie an Thieren auch hier in Jena ſehr glücklich ausge - führt worden; und in der That ſollte ſie nicht ganz verworfen werden, denn, ob ſchon das eingelaſſene fremde Blut in31 kurzem in das unſrige verwandelt wer - den muſs, und alſo zur Verjüngung und Verlängerung des Lebens nicht viel da - von zu hoffen ſeyn möchte, ſo müſste doch bey gewiſſen Krankheiten, beſon - ders der Seele und des Nervenſyſtems, der plözliche ungewohnte Eindruck ei - nes neuen Blutes auf die edelſten Lebens - organe, eine groſse und heilſame Revo - lution bewirken können.
Selbſt der groſse Baco, deſſen Genie alles Wiſſen umfaſste, und der dem ſo lange irre geführten menſchlichen Geiſte zuerſt die Bahn vorzeichnete, die Wahr - heit wieder zu finden, ſelbſt dieſer groſse Mann fand das Problem der Verlänge - rung des Lebens ſeiner Aufmerkſamkeit und Unterſuchung würdig. Seine Ideen ſind kühn und neu. Er denkt ſich das Leben als eine Flamme, die beſtändig von der umgebenden Luft conſumirt wird. Jeder, auch der härteſte Körper wird am Ende durch dieſe beſtändige feine Verdunſtung aufgelöſet und deſtru -32 irt. Er zieht daraus den Schluſs, daſs durch Verhütung dieſer Conſumtion und durch eine von Zeit zu Zeit unternomm - ne Erneuerung unſrer Säfte das Leben verlängert werden könne. Zur Verhü - tung der Conſumtion von auſſen em - pfiehlt er beſonders kühle Bäder und das bey den Alten ſo beliebte Einreiben von Oel und Salben nach dem Bade; zur Ver - minderung der Conſumtion von innen Gemüthsruhe, eine kühle Diät und den Gebrauch des Opiums und der Opiatmit - tel, wodurch die zu groſse Lebhaftigkeit der innern Bewegungen gemäſsigt und das damit verbundene Aufreiben retar - dirt würde. Um aber bey zunehmenden Jahren die unvermeidliche Vertrocknung und Verderbniſs der Säfte zu verbeſſern, hält er für das beſte, alle 2 bis 3 Jahre einen Renovationsprozeſs mit ſich vor - zunehmen, der darinne beſteht, daſs man durch magere Diät und ausleeren - de Mittel erſt den Körper von allen al - ten und verdorbenen Säften befreye, und dann durch eine ausgeſuchte erfri -ſchende33ſchende und nahrhafte Diät und ſtärken - de Bäder die durſtigen Gefäſse wieder mit belebenden Säften anfülle, und ſich alſo von Zeit zu Zeit im eigentlichſten Verſtande erneue und verjünge. — Das Wahre, was in dieſen Ideen liegt, iſt nicht zu verkennen, und mit einigen Modificationen würden ſie immer an - wendbar ſeyn.
In den neueſten Zeiten hat man lei - der mehr Progreſſen in den Künſten, das Leben zu verkürzen, als in der, es zu verlängern gemacht. Charlatans genug ſind erſchienen und erſcheinen noch täg - lich, die durch aſtraliſche Salze, Gold - tinkturen, Wunder - und Luftſalzeſſen - zen, himmliſche Betten, und magneti - ſche Zauberkräfte den Lauf der Natur zu hemmen verſprechen. Aber man fand nur zu bald, daſs der berühmte Thee zum langen Leben des Grafen St. Germain ein ſehr alltägliches Gemiſch von Sandelholz, Senesblättern und Fen -C34chel, das angebetete Lebenselixir Caglio - ſtros ein ganz gewöhnliches nur ſehr hitziges Magenelixir, die Wunderkraft des Magnetismus aus Imagination, Ner - venreiz und Sinnlichkeit zuſammenge - ſezt war, und die geprieſenen Luftſalze und Goldtincturen mehr auf das Leben ihrer Erfinder, als derer, die ſie einnah - men, berechnet waren.
Beſonders verdient die Erſcheinung des Magnetismus in dieſer Sammlung noch einige Erwähnung. Ein bankerut gewordener, und verachteter, aber ſchwärmeriſcher und wahrſcheinlich nicht ſowohl von unſichtbaren Kräften, als von unſichtbaren Obern geleiteter Arzt, Mesmer, fiel endlich auf den Ge - danken, künſtliche Magnete zu machen, und dieſe als ſouveraine Mittel gegen eine Menge Krankheiten, Lähmung, Gicht - flüſſe, Zahnweh, Kopfweh u. dgl. zu verkaufen. Da er merkte, daſs dieſs glückte, ſo ging er weiter, und ver -35 ſicherte, daſs er nun gar keine künſtliche Magnete mehr nöthig hätte, ſondern daſs er ſelbſt der groſse Magnet ſey, der die Welt magnetiſiren ſollte. — Seine eigne Perſon war ſo mit magnetiſcher Kraft angefüllt, daſs er durch Berührung, durch Ausſtreckung ſeines Fingers, ja durch bloſses Anſchauen dieſelbe andern mittheilen zu können verſicherte. Er führte wirklich Beyſpiele von Perſonen an, die durch Berührungen von ihm, ja durch ſeine bloſsen Blicke verſicherten Empfindungen bekommen zu haben, als wenn man ſie mit einem Stock oder mit einem Eiſen geſchlagen hätte. Dieſe ſonderbare Kraft nannte er nun animali - ſchen Magnetismus, und vereinigte un - ter dieſer ſeltſamen Benennung alles, was der Menſchheit am meiſten am Herzen liegt, Weisheit, Leben und Geſundheit, die er dadurch nach Be - lieben mittheilen und verbreiten konnte.
C 236Da man das Unweſen nicht länger in Wien dulden wollte, ſo ging er nach Paris, und hier nahm es nun erſt ſeinen rechten Anfang. Er hatte erſtaunlichen Zulauf; alles wollte von ihm geheilt ſeyn, alles wollte einen Theil ſeiner Kraft mitgetheilt haben, um auch Wun - der wirken zu können. Er errichtete eigne geheime Geſellſchaften, wo ein jeder Novize 100 Louisd’or erlegen muſste, und äuſserte endlich ganz laut, daſs er der Mann ſey, den die Vorſehung zum groſsen Erneuerungsgeſchäfte der ſo ſichtbar hinwelkenden menſchlichen Natur erwählt habe. Zum Beweiſs will ich Ihnen nur folgenden Zuruf mit - theilen, den er durch einen ſeiner Apoſtel ans Publicum ergehen lieſs. „ Seht eine Entdeckung, die dem „ Menſchengeſchlecht unſchäzbare Vor - „ theile und ihrem Erfinder ewigen „ Ruhm bringen wird! Seht eine allge - „ meine Revolution! Andre Menſchen „ werden die Erde bewohnen; ſie wer -37 „ den durch keine Schwachheiten in ih - „ rer Laufbahn aufgehalten werden, und „ unſre Uebel nur aus der Erzählung ken - „ nen! Die Mütter werden weniger von „ den Gefahren der Schwangerſchaft und „ den Schmerzen der Geburt leiden, wer - „ den ſtärkre Kinder zur Welt bringen, „ die die Thätigkeit, Energie und Anmuth „ der Urwelt erhalten werden. Thiere „ und Pflanzen, gleich empfänglich für „ die magnetiſche Kraft, werden frey „ von Krankheiten ſeyn; die Heerden „ werden ſich leichter vermehren, die „ Gewächſe in unſern Gärten werden „ mehr Kräfte haben und die Bäume „ ſchönere Früchte geben, der menſch - „ liche Geiſt, im Beſitz dieſes Weſens, „ wird vielleicht der Natur noch wunder - „ barere Wirkungen gebieten. — Wer „ kann wiſſen, wie weit ſich ſein Einfluſs „ erſtrecken wird? “
Man ſollte meynen, einen Traum aus dem tauſendjährigen Reiche zu hö -38 ren. Und dieſe ganzen pompöſen Ver - ſprechungen und Ausſichten verſchwan - den plötzlich, als eine Commiſſion, an deren Spitze Franklin ſtand, das Weſen des Magnetismus genauer unterſuchte. — Der Nebel verſchwand, und es iſt nun von dem ganzen Blendwerk weiter nichts übrig geblieben, als die animali - ſche Electricität und die Ueberzeugung, daſs ſolche durch gewiſſe Arten von Streichen und Manipuliren des Körpers in Bewegung geſezt werden kann, aber gewiſs ohne Beyhülfe von Nerven - ſchwäche und Schwärmerey nie jene wunderbare Phänomene hervorbringen wird, noch weniger im Stande ſeyn kann, das menſchliche Leben zu verlän - gern.
Faſt ſchien es, als wolle man jene Idee ganz den Charlatans über - laſſen, um ſo mehr, da der aufge - klärtere Theil ſich für die Unmög - lichkeit dieſer Erfindung dadurch ent -39 ſchädigte, daſs er die Länge des Le - bens nicht in der Zahl der Tage, ſon - dern in dem Gebrauch und Genuſs deſ - ſelben fand.
Da aber dieſs doch unmöglich für einerley gelten kann, und da ſich in neuern Zeiten unſre Einſichten in die Natur des organiſchen Lebens und der dazu nöthigen Bedingungen ſo ſehr ver - vollkommnet und berichtigt haben, ſo iſt es wohl der Mühe werth, dieſe beſ - ſern Kenntniſſe zur Entwicklung eines ſo wichtigen Gegenſtandes zu verar - beiten, und die Methode, das Leben zu verlängern, ſo auf die Prinzipien der animaliſchen Phyſik zu gründen, daſs nicht allein eine beſtimmtere Richt - ſchnur des Lebens daraus entſtehe, ſon - dern auch, was kein unwichtiger Ne - bennutzen ſeyn wird, dieſer Gegen - ſtand inskünftige den Schwärmern und Betrügern unbrauchbar gemacht werde, die bekanntlich ihr Weſen in einem40 ſcientifiſchen Gebiet nur ſo lange trei - ben können, als es noch nicht durch die Fackel gründlicher Unterſuchung er - leuchtet iſt.
Eigenſchaften und Geſetze der Lebenskraft — Begriff des Lebens — Lebensconſumtion, unzertrennliche Folge der Lebensoperation ſelbſt — Lebensziel — Urſachen der Lebensdauer — Retardation der Lebensconſumtion — Möglichkeit der Lebensverlängerung — Geſchwind und langſam leben — Intenſives und extenſives Le - ben — der Schlaf.
Das erſte, worauf es uns bey Verlän - gerung des Lebens ankommt, muſs wohl nähere Kenntniſs der Natur des Le - bens und beſonders der Lebenskraft, der Grundurſache alles Lebens, ſeyn.
42Sollte es denn gar nicht möglich ſeyn, die innere Natur jener heiligen Flamme etwas genauer zu erforſchen, und daraus das, was ſie nähren, das, was ſie ſchwächen kann, zu erkennen? — Ich fühle ganz, was ich bey dieſer Unterſuchung wage. Es iſt das Aller - heiligſte der Natur, dem ich mich nä - here, und nur zu viel ſind der Beyſpie - le, wo der zu kühne Forſcher geblendet und beſchämt zurückkehrte, und wo ſelbſt ihr innigſter Vertrauter, Haller, ausrufen muſste: Ins Innre der Natur dringt kein erſchaffner Geiſt. Aber dennoch darf dieſs uns nicht ab - ſchrecken. Die Natur bleibt immer eine gütige Mutter, ſie liebet und be - lohnt den, der ſie ſucht, und iſt es uns gleich nicht allemal möglich, das viel - leicht zu hoch geſteckte Ziel unſres Stre - bens zu erreichen, ſo können wir doch gewiſs ſeyn, auf dem Wege ſchon ſo43 viel Neues und Intereſſantes zu finden, daſs uns gewiſs ſchon der Verſuch, ihr näher zu kommen, reichlich belohnt wird. — Nur hüte man ſich, mit zu raſchen übermüthigen Schritten auf ſie einzudringen. Unſer Sinn ſey offen, rein, gelehrig, unſer Gang vorſichtig und immer aufmerkſam, Täuſchungen der Phantaſie und der Sinne zu vermei - den, und unſer Weg ſey der ſichere, wenn gleich nicht der bequemſte, Weg der Erfahrung und beſcheidenen Prü - fung — nicht der Flug kühner Hypo - theſen, der gewöhnlich zulezt der Welt nur zeiget, daſs wir wächſerne Flügel hatten. — Auf dieſem Wege ſind wir am ſicherſten, das Schickſal jener Philo - ſophen zu vermeiden, von welchen Baco ſehr paſſend ſagt: „ ſie werden zu „ Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer „ Träumereyen ſehen, aber im Licht der „ Erfahrung erblinden, und gerade das „ am wenigſten wahrnehmen können, „ was am hellſten iſt. “ Auf dieſem Wege und in dieſer Geiſtesſtimmung ſind ſeit44 dieſes groſsen Mannes Zeiten die Freun - de der Natur ihr näher gekommen, als jemals vorher, ſind Entdeckungen ihrer tiefſten Geheimniſſe, Benutzungen ihrer verborgenſten Kräfte gemacht worden, die unſer Zeitalter in Erſtaunen ſetzen, und die noch die Nachwelt bewundern wird. Auf dieſem Wege iſt es möglich geworden, ſelbſt ohne das innere Weſen der Dinge zu erkennen, dennoch durch unermüdetes Forſchen ihre Eigenſchaf - ten und Kräfte ſo genau abzuwiegen und zu ergründen, daſs wir ſie wenigſtens practiſch kennen und benutzen. So iſts dem menſchlichen Geiſte gelungen, ſelbſt unbekannte Weſen zu beherrſchen und nach ſeinem Willen und zu ſeinem Ge - brauch zu leiten. Die magnetiſche und electriſche Kraft, ſind beydes Weſen, die ſogar unſern Sinnen ſich entziehen, und deren Natur uns vielleicht ewig uner - forſchlich bleiben wird, und dennoch haben wir ſie uns ſo dienſtbar gemacht, daſs die eine uns auf der See den Weg45 zeigen, die andere die Nachtlampe am Bett anzünden muſs.
Vielleicht gelingt es mir, auch in ge - genwärtiger Unterſuchung ihr näher zu kommen, und ich glaube, daſs dazu fol - gende Behandlung die ſchicklichſte ſeyn wird: erſtens die Begriffe von Leben und Lebenskraft genauer zu beſtimmen, und ihre Eigenſchaften feſtzuſetzen, ſo - dann über die Dauer des Lebens über - haupt, und in verſchiedenen organiſchen Körpern insbeſondere, die Natur zu be - fragen, Beyſpiele zu ſammlen und zu vergleichen, und aus den Umſtänden und Lagen, in welchen das Leben eines Geſchöpfs längere oder kürzere Dauer hat, Schlüſſe auf die wahrſcheinlichſten Urſachen des langen oder kurzen Lebens überhaupt zu ziehen. Nach dieſen Vor - ausſetzungen wird ſich das Problem, ob und wie menſchliches Leben zu verlän - gern ſey, am befriedigendſten und ver - nünftigſten auflöſen laſſen.
46Was iſt Leben und Lebenskraft? — Dieſe Fragen gehören unter die vielen ähnlichen, die uns bey Unterſuchung der Natur aufſtoſsen. Sie ſcheinen leicht, betreffen die gewöhnlichſten all - täglichſten Erſcheinungen, und ſind dennoch ſo ſchwehr zu beantworten. Wo der Philoſoph das Wort Kraft braucht, da kann man ſich immer dar - auf verlaſſen, daſs er in Verlegenheit iſt, denn er erklärt eine Sache durch ein Wort, das ſelbſt noch ein Räthſel iſt; — denn wer hat noch je mit dem Worte Kraft einen deutlichen Begriff verbinden können? Auf dieſe Weiſe ſind eine un - zählige Menge Kräfte, die Schwehrkraft, Attractionskraft, electriſche, magneti - ſche Kraft u. ſ. w. in die Phyſic gekom - men, die alle im Grunde weiter nichts bedeuten, als das X in der Algebra, die unbekannte Gröſse, die wir ſuchen. Indeſs wir müſſen nun einmal Bezeich - nungen für Dinge haben, deren Exiſtenz unleugbar, aber ihr Weſen unbegreiflich iſt, und man erlaube mir alſo auch hier47 ſie zu gebrauchen, ohneracht dadurch noch nicht einmal entſchieden wird, ob es eine eigene Materie oder nur eine Ei - genſchaft der Materie iſt, wovon wir reden.
Ohnſtreitig gehört die Lebenskraft unter die allgemeinſten, unbegreiflich - ſten und gewaltigſten Kräfte der Natur. Sie erfüllt, ſie bewegt alles, ſie iſt höchſt wahrſcheinlich der Grundquell, aus dem alle übrigen Kräfte der phyſi - ſchen, wenigſtens organiſchen, Welt flieſsen. Sie iſts, die alles hervorbringt, erhält, erneuert, durch die die Schö - pfung nach ſo manchem Tauſende von Jahren noch jeden Frühling mit eben der Pracht und Friſchheit hervorgeht, als das erſte mal, da ſie aus der Hand ihres Schöpfers kam. Sie iſt unerſchöpflich, unendlich, — ein wahrer ewiger Hauch der Gottheit. Sie iſts endlich, die, verfeinert und durch eine vollkommnere Organiſation exaltirt, ſogar die Denk - und Seelenkraft entflammt, und dem48 vernünftigen Weſen zugleich mit dem Leben auch das Gefühl und das Glück des Lebens giebt. Denn ich habe im - mer bemerkt, daſs das Gefühl von Werth und Glück der Exiſtenz ſich ſehr genau nach dem mehr oder wenigern Reich - thum an Lebenskraft richtet, und daſs, ſo wie ein gewiſſer Ueberfluſs derſelben zu allen Genüſſen und Unternehmungen aufgelegter und das Leben ſchmackhaft macht, nichts ſo ſehr, als Mangel daran, im Stande iſt, jenen Ekel und Ueber - druſs des Lebens hervorzubringen, der leider unſere Zeiten ſo merklich aus - zeichnet.
Durch genauere Beobachtung ihrer Erſcheinungen in der organiſchen Welt laſſen ſich folgende Eigenſchaften und Geſetze derſelben beſtimmen:
1) Die Lebenskraft iſt das feinſte, durchdringendſte, unſichtbarſte Agens der Natur, das wir bis jezt kennen. Sie übertrifft darinne ſogar die Lichtmaterie,electri -49electriſche und magnetiſche Kraft, mit denen ſie übrigens am nächſten verwandt zu ſeyn ſcheint.
2) Ohneracht ſie alles durchdringt, ſo giebt es doch gewiſſe Modificationen der Materie, zu denen ſie eine gröſsere Verwandſchaft zu haben ſcheint, als zu andern. Sie verbindet ſich daher inni - ger und in gröſsrer Menge mit ihnen, und wird ihnen gleichſam eigen. Dieſe Modification der Materie nennen wir die organiſche Verbindung und Structur der Beſtandtheile, und die Körper, die ſie beſitzen, organiſche Körper, — Pflan - zen und Thiere. Dieſe organiſche Stru - ctur ſcheint in einer gewiſſen Lage der feinſten Theilchen zu beſtehen, und wir ſtoſsen hier auf eine merkwürdige Aehn - lichkeit der Lebenskraft mit der magne - tiſchen Kraft, indem auch dieſe durch einen Schlag, der in gewiſſer Richtung auf ein Stück Eiſen geführt wird und die innere Lage der feinſten Beſtandtheile ändert, ſogleich erweckt, und durchD50eine entgegen geſezte Erſchütterung wie - der aufgehoben werden kann. Daſs we - nigſtens die organiſche Structur nicht in dem ſichtbaren faſerichten Gewebe liegt, ſieht man am Ey, wo davon keine Spur zu finden und dennoch organiſches Le - ben gegenwärtig iſt.
3) Sie kann in einem freyen und gebundenen Zuſtand exiſtiren, und hat darinne viel Aehnlichkeit mit dem Feu - erweſen und der electriſchen Kraft. So wie dieſe in einem Körper wohnen kön - nen, ohne ſich auf irgend eine Art zu äuſſern, bis ſie durch einen angemeſſe - nen Reiz in Wirkſamkeit verſezt werden, eben ſo kann die Lebenskraft in einem organiſchen Körper lange in einem ge - bundenen Zuſtand wohnen, ohne ſich durch etwas anders, als ſeine Erhaltung und Verhütung ſeiner Auflöſung, anzu - deuten. Man hat davon erſtaunliche Beyſpiele. — Ein Saamenkorn kann auf dieſe Art Jahre, ein Ey mehrere Monate lang ein gebundenes Leben be -51 halten, es verdunſtet nicht, es verdirbt nicht, der bloſse Reiz der Wärme kann das gebundene Leben frey machen, und entwickeltes reges Leben hervorbringen. Ja ſelbſt das ſchon entwickelte organi - ſche Leben kann auf dieſe Art unterbro - chen und gebunden werden, aber den - noch in dieſem Zuſtande einige Zeit fort - dauern und die ihm anvertraute Organi - ſation erhalten, wovon uns beſonders die Polypen und Pflanzen-Thiere höchſt - merkwürdige Beyſpiele liefern.
4) So wie ſie zu verſchiedenen or - ganiſchen Körpern eine verſchiedene Verwandſchaft zu haben ſcheint, und manchen in gröſsrer manchen in gerin - gerer Menge erfüllt, ſo iſt auch ihre Bindung mit einigen feſter, mit andern lockrer. Und merkwürdig iſt es, daſs gerade da, wo ſie in vorzüglicher Menge und Vollkommenheit exiſtirt, ſie locke - rer anzuhängen ſcheint. Der unvoll - kommne ſchwach lebende Polyp zum Beyſpiel hält ſie feſter, als ein vollkomm -D 252neres Thier aus einer höhern Klaſſe der Weſen. — Dieſe Bemerkung iſt für unſere jetzige Unterſuchung von vor - züglicher Wichtigkeit.
5) Sie giebt jedem Körper, den ſie erfüllt, einen ganz eigenthümlichen Ka - racter, ein ganz ſpezifiſches Verhältniſs zur übrigen Körperwelt. Sie theilt ihm nehmlich erſtens die Fähigkeit mit, Ein - drücke als Reize zu percipiren und dar - auf zu reagiren, und zweytens entzieht ſie ihn den allgemeinen phyſiſchen und chemiſchen Geſetzen der todten Natur, ſo daſs man alſo mit Recht ſagen kann: durch den Beytritt der Lebenskraft wird ein Körper aus der mechaniſchen und chemiſchen Welt in eine neue, die or - ganiſche oder belebte, verſezt. Hier finden die allgemeinen phyſiſchen Na - turgeſetze nur zum Theil und mit gewiſ - ſen Einſchränkungen ſtatt. Alle Ein - drücke werden in einem belebten Kör - per anders modifizirt und reflectirt, als in einem unbelebten. Daher iſt auch in53 einem belebten Körper kein blos mecha - niſcher oder chemiſcher Prozeſs möglich, und alles trägt den Karakter des Lebens. Ein Stoſs, Reiz, Kälte und Hitze wirken auf ein belebtes Weſen nach ganz eigen - thümlichen Geſetzen, und jede Wir - kung, die da entſteht, muſs als eine aus dem äuſſerlichen Eindruck und der Re - action der Lebenskraft zuſammengeſezte angeſehen werden.
Eben hierinn liegt auch der Grund der Eigenthümlichkeit einzelner Arten, ja jedes einzelnen Individuums. Wir ſehen täglich, daſs Pflanzen, die in ei - nerley Boden neben einander wachſen und ganz einerley Nahrung genieſsen, doch in ihrer Geſtalt, Säften und Kräf - ten himmelweit von einander verſchie - den ſind. Eben das finden wir im Thier - reich, und es iſt eigentlich das, wovon man ſagt: Ein jedes hat ſeine eigne Natur.
546. Die Lebenskraft iſt das gröſste Erhaltungsmittel des Körpers, den ſie bewohnt. Nicht genug, daſs ſie die gan - ze Organiſation bindet und zuſammen hält; ſo widerſteht ſie auch ſehr kräftig den zerſtörenden Einflüſſen der übrigen Naturkräfte, in ſo fern ſie auf chemi - ſchen Geſetzen beruhen, die ſie aufzu - heben, wenigſtens zu modifiziren ver - mag. Ich rechne hieher hauptſächlich die Wirkungen der Fäulniſs, der Ver - witterung, des Froſts. — Kein leben - diges Weſen fault; es gehört immer erſt Schwächung oder Vernichtung der Le - benskraft dazu, um Fäulniſs möglich zu machen. Selbſt in ihrem gebundenen unwirkſamen Zuſtand vermag ſie Fäul - niſs abzuhalten. Kein Ey, ſo lange noch Lebenskraft darinne iſt, kein Saa - menkorn, keine eingeſponnene Raupe, kein Scheintodter fault, und es iſt ein wahres Wunderwerk, wie ſie Körper, die eine ſo ſtarke Neigung zur Fäulniſs haben, wie eben der menſchliche, 60 — 80 — ja 100 Jahre dafür ſchützen kann. —55 Aber auch der zweyten Art von Deſtru - ction, der Verwitterung, die endlich alles, ſelbſt die härteſten Körper auflö - ſet, und zerfallen macht, widerſteht ſie durch ihre bindende Eigenſchaft. — Und eben ſo der ſo gefährlichen Entzie - hung der Feuertheilchen, dem Froſt. Kein lebender Körper erfriert, das heiſst, ſo lange ſeine Lebenskraft noch wirkt, kann ihm der Froſt nichts anhaben. Mitten in den Eisgebürgen des Süd - und Nordpols, wo die ganze Natur erſtarrt zu ſeyn ſcheint, ſieht man lebendige Ge - ſchöpfe, ſogar Menſchen, die nichts von dem allgemeinen Froſt leiden. *)Galanthus nivalis treibt ſogar ſeine Blüthe durch den Schnee aus gefrornen Erdreich; auch bleibt die Blume unbeſchädigt, ohneracht vieler ſtarken Nachtfröſte. Hunter lieſs Fiſche im Waſſer einfrieren; ſo lange ſie lebten, blieb das übrigens gefrorne Waſſer immer um ſie herum flüſsig, und bildete eine wahre Höhle; erſt in dem Augenblick, da ſie ſtarben, froren ſie ein.Und dieſs gilt ebenfalls nicht blos von ihrem56 wirkſamen, ſondern auch von dem ge - bundenen Zuſtande. Ein noch Leben habendes Ey und Saamenkorn erfriert weit ſpäter, als ein todtes. Der Bär bringt den ganzen Winter halb erſtarrt im Schnee, die todſcheinende Schwalbe, die Puppe des Inſects unter dem Eiſe zu, und erfrieren nicht. Dann erſt, wenn der Froſt ſo hoch ſteigt, daſs er die Le - benskraft ſchwächt oder unterdrückt, kann er ſie überwältigen, und den nun lebloſen Körper durchdringen. Dieſs Phänomen beruht beſonders auf der Ei - genſchaft der Lebenskraft, Wärme zu entwickeln, wie wir gleich ſehen wer - den.
7) Ein gänzlicher Verluſt der Le - benskraft zieht alſo die Trennung der organiſchen Verbindung des Körpers nach ſich, den ſie vorher erfüllte. Seine Materie gehorcht nun den Geſetzen und Affinitäten der todten chemiſchen Natur, der ſie nun angehört, ſie zerſezt und trennt ſich in ihre Grundſtoffe; es erfolgt57 unter den gewöhnlichen Umſtänden die Fäulniſs, die allein uns überzeugen kann, daſs die Lebenskraft ganz von ei - nem organiſchen Körper gewichen iſt. Aber groſs und erhebend iſt die Bemer - kung, daſs ſelbſt die, alles Leben zu vernichten ſcheinende, Fäulniſs, das Mittel werden muſs, wieder neues Le - ben zu entwickeln, und daſs ſie eigent - lich nichts anders iſt, als ein höchſt wichtiger Prozeſs, die in dieſer Geſtalt nicht mehr Lebensfähigen Beſtandtheile aufs ſchnellſte frey und zu neuen orga - niſchen Verbindungen und Leben ge - ſchickt zu machen. Kaum iſt ein Kör - per auf dieſe Art aufgelöſet, ſo fangen ſogleich ſeine Theilchen an, in tauſend kleinen Würmchen wieder belebt zu werden, oder ſie feyern ihre Auferſte - hung in der Geſtalt des ſchönſten Graſes, der lieblichſten Blumen, beginnen auf dieſe Art von neuen den groſsen Lebens - zirkel organiſcher Weſen, und ſind durch einige Metamorphoſen vielleicht ein Jahr darnach wieder Beſtandtheile58 eines eben ſo vollkommnen menſchli - chen Weſens, als das war, mit dem ſie zu verweſen ſchienen. Ihr ſcheinbarer Tod war alſo nur der Uebergang zu ei - nem neuen Leben, und die Lebenskraft verläſst einen Körper nur, um ſich bald vollkommener wieder damit verbinden zu können.
8) Die Lebenskraft kann durch ge - wiſſe Einwirkungen geſchwächt, ja ganz aufgehoben, durch andre erweckt, ge - ſtärkt, genährt werden. Unter die ſie vernichtenden gehört vorzüglich die Kälte, der Hauptfeind alles Lebens. Zwar ein mäſsiger Grad von Kälte kann in ſo fern ſtärkend ſeyn, indem er die Lebenskraft concentrirt, und ihre Verſchwendung hindert, aber es iſt keine poſitive ſon - dern negative Stärkung, und ein hoher Grad von Kälte verſcheucht ſie ganz. In der Kälte kann keine Lebensentwicklung geſchehen, kein Ey ausgebrütet werden, kein Saamenkorn keimen.
59Ferner gehören hieher gewiſſe Er - ſchütterungen, die theils durch Vernich - tung der Lebenskraft, theils auch durch eine nachtheilige Veränderung der in - nern organiſchen Lage der Theilchen zu wirken ſcheinen. So entzieht ein hefti - ger electriſcher Schlag, oder der Blitz, der Pflanzen - und Thierwelt augenblick - lich die Lebenskraft, ohne daſs man oft die geringſte Verletzung der Organe ent - decken kann. So können, beſonders bey vollkommnern Geſchöpfen, Seelen - erſchütterungen, heftiges Schrecken oder Freude, die Lebenskraft augen - blicklich aufheben.
Endlich giebt es noch gewiſſe phy - ſiſche Potenzen, die äuſſerſt ſchwächend, ja vernichtend auf ſie wirken, und die wir daher gewöhnlich Gifte nennen, z. E. das faule Contagium, das Kirſchlorbeer - waſſer, das weſentliche Oel der bittern Mandeln u. dgl.
60Aber nun exiſtiren auch Weſen von entgegengeſezter Art, die eine gewiſſe Freundſchaft und Verwandſchaft zur Le - benskraft haben, ſie erwecken, ermun - tern, ja höchſtwahrſcheinlich ihr eine feine Nahrung geben können. Dieſe ſind vorzüglich Licht, Wärme und Luft, oder vielmehr Sauerſtoff, drey Himmels - gaben, die man mit Recht die Freunde und Schutzgeiſter alles Lebens nennen kann.
Oben an ſteht das Licht, ohnſtreitig der nächſte Freund und Verwandte des Lebens, und gewiſs in dieſer Rückſicht von weit weſentlicherer Einwürkung, als man gewöhnlich glaubt. Ein jedes Ge - ſchöpf hat ein um ſo vollkommneres Le - ben, je mehr es den Einfluſs des Lichts genieſst. Man entziehe einer Pflanze, einem Thier, das Licht, es wird bey al - ler Nahrung, bey aller Wartung und Pflege, erſt die Farbe, dann die Kraft ver - lieren, im Wachsthum zurückbleiben, und am Ende verbutten. Selbſt der61 Menſch wird durch ein lichtloſes Leben bleich, ſchlaff und ſtumpf, und verliert zulezt die ganze Energie des Lebens, wie ſo manches traurige Beyſpiel lange im dunkeln Kerker verſchloſsner Perſo - nen beweiſst. — Ja, ich glaube nicht zu viel zu ſagen, wenn ich behaupte: Organiſches Leben iſt nur in der Influenz des Lichts, und alſo wahrſcheinlich durch dieſelbe möglich, denn in den Eingeweyden der Erde, in den tiefſten Höhlungen, wo ewige Nacht wohnt, äuſſert ſich nur das, was wir unorgani - ſches Leben nennen. Hier athmet nichts, hier empfindet nichts, das einzige, was man etwa noch antrifft, ſind einige Ar - ten von Schimmel oder Steinmoos, der erſte unvollkommenſte Grad von Vege - tation. — Sogar da zeigt ſich, daſs dieſe Vegetation meiſtens nur an oder bey verfaulten Holzwerk entſtehe. Alſo muſs auch da der Keim organiſchen Le - bens erſt durch Holz und Waſſer hinun - ter gebracht, oder Lebenserzeugende Fäulniſs hervorgebracht werden, wel -62 che auſſerdem in dieſen Abgründen nicht exiſtirt.
Die andere nicht weniger wohlthä - tige Freundin der Lebenskraft iſt: Wär - me. Sie allein iſt im Stande, den erſten Lebenskeim zu entwickeln. Wenn der Winter die ganze Natur in einen todten - ähnlichen Zuſtand verſezt hat, ſo braucht nur die warme Frühlingsluft ſie anzu - wehen, und alle ſchlafende Kräfte wer - den wieder rege. Je näher wir den Po - len kommen, deſto todter wird alles, und man findet endlich Gegenden, wo ſchlechterdings keine Pflanze, kein In - ſect, kein kleineres Thier exiſtiren, ſon - dern blos groſse Maſſen von Geſchöpfen, als Wallfiſche, Bären u. dgl., die zum Le - ben nöthige Wärme conſerviren können. — Genug, wo Leben iſt, da iſt auch Wärme in mehr oder mindern Grade, und es iſt eine höchſtwichtige unzer - trennliche Verbindung zwiſchen beyden. Wärme giebt Leben, und Leben entwi - ckelt auch wiederum Wärme, und es iſt63 ſchwehr zu beſtimmen, welches Urſach und welches Folge iſt.
Von der auſſerordentlichen Kraft der Wärme, Leben zu nähren und zu erwecken, verdient folgendes ganz neue und entſcheidende Beyſpiel angeführt zu werden: Den zweyten Auguſt 1790 ſtürzte ſich ein Carabinier, Nahmens Petit zu Strasburg, ganz nackend aus dem Fenſter des Militairhoſpitals in den Rhein. Um 5 Uhr Nachmittags bemerkte man erſt, daſs er fehle, und er mochte über eine halbe Stunde im Waſſer gele - gen haben, als man ihn herauszog. Er war ganz tod. Man that weiter nichts, als daſs man ihn in ein recht durch - wärmtes Bett legte, den Kopf hoch, die Arme an den Leib, und die Beine nahe neben einander gelegt. Man begnügte ſich dabey, ihm nur immerfort warme Tücher, beſonders auf den Magen und die Beine aufzulegen. Auch wurden in verſchiedene Gegenden des Bettes heiſse Steine, mit Tüchern umwickelt, gelegt. 64Nach 7 bis 8 Minuten nahm man an den obern Augenliedern eine kleine Bewe - gung wahr. Einige Zeit darauf ging die bis dahin feſt an die obere geſchloſsne untere Kinnlade auf, es kam Schaum aus dem Munde, und Petit konnte eini - ge Löffel Wein verſchlucken. Der Puls kam wieder, und eine Stunde darauf konnte er reden. — Offenbar wirkt die Wärme im Scheintod eben ſo kräftig, als zur erſten Entwicklung des Lebens, ſie nährt den kleinſten Funken des noch übrigen Lebens, facht ihn an, und bringt ihn nach und nach zur Flamme.
Die dritte wichtigſte Nahrung des Lebens iſt Luft. Wir finden kein We - ſen, das ganz ohne Luft leben könnte, und bey den meiſten folgt auf Entzie - hung derſelben ſehr bald, oft augen - blicklich der Tod. Und was ihren Ein - fluſs am ſichtbarſten macht, iſt, daſs die Athemholenden Thiere weit reicher an Lebenskraft ſind und ſie in vollkomm - nern Grade beſitzen, als die Nichtath -menden.65menden. Vorzüglich ſcheint die dephlo - giſtiſirte, oder Feuerluft, derjenige Be - ſtandtheil unſrer Atmosphäre zu ſeyn, der zunächſt und am kräftigſten die Le - benskraft nährt, und man hat in neuern Zeiten, wo uns unſere wunderthätige Chemie dieſelbe rein darzuſtellen ge - lehrt hat, durch das Einathmen derſel - ben ein allgemeines Gefühl von Stärkung und Ermunterung bemerkt. Die Grund - lage dieſer Feuer - oder Lebensluft nen - nen die Chemiker den Sauerſtoff (Oxy - gene), und dieſer Beſtandtheil iſt es ei - gentlich, der das Belebende in der Luft enthält, und beym Athemholen in das Blut übergehet. — Auch das Waſſer gehört in ſo fern zu den Lebensfreunden, als es auch Sauerſtoff enthält, und we - nigſtens zu den Lebensbedingungen, als ohne Flüſsigkeit keine Aeuſserung des Lebens möglich iſt.
Ich glaube alſo mit Recht behaupten zu können, daſs Licht, Wärme und Sauerſtoff, die wahren eigenthümlichenE66Nahrungs - und Erhaltungsmittel der Lebenskraft ſind. Gröbere Nahrungs - mittel (den Antheil von Sauerſtoff und Feuermaterie abgerechnet, den ſie ent - halten) ſcheinen mehr zur Erhaltung der Organe und zur Erſetzung der Con - ſumtion zu dienen. Sonſt lieſse ſichs nicht erklären, wie Geſchöpfe ſo lange ohne eigentliche Nahrung ihr Leben er - halten konnten. Man ſehe das Hühn - chen im Ey an. Ohne den geringſten Zugang von auſſen lebt es, entwickelt ſich, und wird ein vollkommnes Thier. Eine Hyazinten oder andere Zwiebel, kann ohne die geringſte Nahrung, als den Dunſt von Waſſer, ſich entwickeln, ihren Stengel und die ſchönſten Blätter und Blumen treiben. Selbſt bey voll - kommnern Thieren ſehen wir Erſchei - nungen, die auſſerdem unerklärbar wä - ren. Der Engländer Fordyce z. E. ſchloſs Goldfiſche in Gefäſse, mit Brunnenwaſſer gefüllt, ein, lies ihnen anfangs alle 24 Stunden, nachher aber nur alle 3 Tage friſches Waſſer geben, und ſo lebten ſie67 ohne alle Nahrung 15 Monate lang, und, was noch mehr zu bewundern iſt, wa - ren noch einmal ſo groſs geworden. Weil man aber glauben konnte, daſs doch in dem Waſſer eine Menge unſicht - barer Nahrungstheilchen ſeyn möchten, ſo deſtillirte er nun daſſelbe, ſezte ihm wieder Luft zu, und um auch allen Zu - gang von Inſecten abzuhalten, verſtopfte er das Gefäſs ſorgfältig. Demohngeach - tet lebten auch hier die Fiſche lange Zeit fort, wuchſen ſogar und hatten Excre - tionen. Wie wäre es möglich, daſs ſelbſt Menſchen ſo lange hungern und den - noch ihr Leben erhalten könnten, wenn die unmittelbare Nahrung der Lebens - kraft ſelbſt aus den Nahrungsmitteln ge - zogen werden müſste? Ein franzöſiſcher Offizier*)S. Hiſt. de l’ Academis R. des Sciences. An 1769. verfiel nach vielen erlittenen Kränkungen in eine Gemüthskrankheit, in welcher er beſchloſs, ſich auszuhun - gern, und blieb ſeinem Vorſatz ſo ge -E 268treu, daſs er ganzer 46 Tage nicht die geringſte Speiſe zu ſich nahm. Nur am fünften Tage foderte er abgezogenes Waſſer, und da man ihm ein halbes Nö - ſel Anisbrantwein gab, verzehrte er ſol - ches in 3 Tagen. Als man ihm aber vorſtellte, daſs dieſs zu viel ſey, that er in jedes Glaſs Waſſer, das er trank, nicht mehr als 3 Tropfen, und kam mit dieſer Flaſche bis zum 39ſten Tage aus. Nun hörete er auch auf zu trinken, und nahm die lezten 8 Tage gar nichts mehr zu ſich. Vom 36ſten Tage an muſste er lie - gen, und merkwürdig war es, daſs die - ſer ſonſt äuſserſt reinliche Mann die ganze Zeit ſeiner Faſten über, einen ſehr üblen Geruch von ſich gab (eine Folge der unterlaſſenen Erneuerung ſeiner Säfte, und der damit verbundenen Ver - derbniſs), und daſs ſeine Augen ſchwach wurden. Alle Vorſtellungen waren um - ſonſt, und man gab ihn ſchon völlig verlohren, als plözlich die Stimme der Natur durch einen Zufall wieder in ihm erwachte. Er ſah ein Kind mit einem69 Stück Butterbrod hereintreten. Dieſer Anblick erregte mit einem male ſeinen Appetit dermaſſen, daſs er dringend um eine Suppe bat. Man reichte ihm von nun an alle 2 Stunden einige Löffel Reiſsſchleim, nach und nach ſtärkere Nahrung, und ſo wurde ſeine Geſund - heit, obwohl langſam, wieder herge - ſtellt. — Aber merkwürdig war dieſs, daſs, ſo lange er faſtete und matt war, ſein eingebildeter Stand, ſein Wahnſinn verſchwunden war, und er ſich bey ſei - nem gewöhnlichen Nahmen nennen lieſs; ſobald er aber durchs Eſſen ſeine Kräfte wieder erlangte, kehrte auch das ganze Gefolge ungereimter Ideen wieder zurück.
9) Es giebt noch ein Schwächungs - oder Verminderungsmittel der Lebens - kraft, was in ihr ſelbſt liegt, nehmlich der Verluſt durch Aeuſserung der Kraft. Bey jeder Aeuſserung derſelben geſchieht eine Entziehung von Kraft, und wenn70 dieſe Aeuſserungen zu ſtark oder zu an - haltend fortgeſezt werden, ſo kann völ - lige Erſchöpfung die Folge ſeyn. Dieſs zeigt ſich ſchon bey der gewöhnlichen Erfahrung, daſs wir durch Anſtrengun - gen derſelben beym Gehen, Denken u. ſ. w. müde werden. Noch deutlicher aber zeigt ſichs bey den neuern Galuoni - ſchen Verſuchen, wo man nach dem Tode einen noch lebenden Muskel und Nerven durch Metallbelegung reizt. Wiederhohlt man den Reiz oft und ſtark, ſo wird die Kraft bald, geſchieht es langſamer, ſo wird ſie ſpäter erſchöpft, und ſelbſt, wenn ſie erſchöpft ſcheint, kann man dadurch, daſs man einige Zeit die Reizungen unterläſst, neue Anſamm - lung und neue Aeuſserungen derſelben bewirken. Dadurch entſteht alſo ein neues Stärkungsmittel, nehmlich die Ruhe, die unterlaſsne Aeuſserung. Da - durch kann ſie ſich ſammlen, und wirk - lich vermehren.
7110) Die nächſten Wirkungen der Lebenskraft ſind nicht blos, Eindrücke als Reize zu percipiren und darauf zu - rück zu wirken, ſondern auch die Be - ſtandtheile, die dem Körper zugeführt werden, in die organiſche Natur umzu - wandeln (d. h. ſie nach organiſchen Ge - ſetzen zu verbinden) und ihnen auch die Form und Structur zu geben, die der Zweck des Organismus erfodert.
11) Die Lebenskraft erfüllt alle Theile des organiſchen belebten Körpers, ſo wohl feſte als flüſſige, äuſsert ſich aber nach Verſchiedenheit der Organe auf verſchiedene Weiſe, in der Nerven - faſer durch Senſibilität, in der Muskel - faſer durch Irritabilität u. ſ[.]f. Dieſs ge - ſchieht einige Zeit ſichtbar und zuneh - mend, und wir nennen es Generation, Wachsthum, — ſo lange, bis der orga - niſche Körper den ihm beſtimmten Grad von Vollkommenheit erreicht hat. Aber dieſe bildende ſchaffende Kraft hört des - wegen nun nicht auf zu wirken, ſon -72 dern das, was vorher Wachsthum war, wird nun beſtändige Erneurung, und dieſe immerwährende Reproduction iſt eins der wichtigſten Erhaltungsmittel der Geſchöpfe.
Dieſs ſey genug von dem Weſen dieſer Wunderkraft. Nun wird es uns leichter ſeyn, über das Verhältniſs die - ſer Kraft zum Leben ſelbſt, über das, was eigentlich Leben heiſst, und die Dauer deſſelben, etwas beſtimmteres zu ſagen.
Leben eines organiſchen Weſens heiſst der freye wirkſame Zuſtand jener Kraft, und die damit unzertrennlich verbundene Regſamkeit und Wirkſam - keit der Organe. — Lebenskraft iſt alſo nur Fähigkeit; Leben ſelbſt Hand - lung. — Jedes Leben iſt folglich eine fortdauernde Operation von Kraftäuſse - rungen und organiſchen Anſtrengun - gen. Dieſer Prozeſs hat alſo nothwen - dig eine beſtändige Gonſumtion der73 Kraft und der Organe zur unmittelbaren Folge, und dieſe erfodert wieder eine beſtändige Erſetzung beyder, wenn das Leben fortdauern ſoll. Man kann alſo den Prozeſs des Lebens als einen beſtän - digen Conſumtionsprozeſs anſehen, und ſein Weſentliches in einer beſtändigen Aufzehrung und Wiedererſetzung unſrer ſelbſt beſtimmen. Man hat ſchon oft das Leben mit einer Flamme verglichen, und wirklich iſt es ganz einerley Opera - tion. Zerſtörende und ſchaffende Kräfte ſind in unaufhörlicher Thätigkeit in ei - nem beſtändigen Kampf in uns, und je - der Augenblick unſrer Exiſtenz iſt ein ſonderbares Gemiſch von Vernichtung und neuer Schöpfung. So lange die Le - benskraft noch ihre erſte Friſchheit und Energie beſizt, werden die lebenden ſchaffenden Kräfte die Oberhand behal - ten, und in dieſem Streite ſogar noch ein Ueberſchuſs für ſie bleiben; der Kör - per wird alſo wachſen und ſich vervoll - kommnen. Nach und nach werden ſie ins Gleichgewicht kommen, und die74 Conſumtion wird mit der Regeneration in ſo gleichem Verhältniſs ſtehen, daſs nun der Körper weder zu noch abnimmt. Endlich aber mit Verminderung der Le - benskraft und Abnutzung der Organe wird die Conſumtion die Regeneration zu übertreffen anfangen, und es wird Abnahme, Degradation, zulezt gänzliche Auflöſung die unausbleibliche Folge ſeyn. — Dieſs iſts, was wir auch durchgängig finden. Jedes Geſchöpf hat drey Perioden, Wachsthum, Stilleſtand, Abnahme.
Die Dauer des Lebens hängt alſo im Allgemeinen von folgenden Puncten ab: 1) zu allererſt von der Summe der Le - benskraft, die dem Geſchöpf bey - wohnt. Natürlich wird ein gröſsrer Vor - rath von Lebenskraft länger ausdauern und ſpäter conſumirt werden, als ein geringer. Nun wiſſen wir aber aus den vorigen, daſs die Lebenskraft zu man - chen Körpern mehr zu andern weniger Verwandſchaft hat, manche in gröſsrer75 manche in geringerer Menge erfüllt, ferner daſs manche äuſſerliche Einwir - kungen ſchwächend manche nährend für ſie ſind. — Dieſs giebt alſo ſchon den erſten und wichtigſten Grund der Verſchiedenheit der Lebensdauer. — 2) Aber nicht blos die Lebenskraft ſon - dern auch die Organe werden durchs Le - ben conſumirt und aufgerieben, folglich muſs in einem Körper von feſtern Orga - nen die gänzliche Conſumtion ſpäter er - folgen, als bey einem zarten leicht auf - löſslichen Bau. Ferner die Operation des Lebens ſelbſt bedarf die beſtändige Wirkſamkeit gewiſſer Organe, die wir daher Lebensorgane nennen. Sind dieſe unbrauchbar oder krank, ſo kann das Leben nicht fortdauern. Alſo eine ge - wiſſe Feſtigkeit der Organiſation und gehörige Beſchaffenheit der Lebensorga - ne giebt den zweyten Grund, worauf Dauer des Lebens beruht. — 3) Nun kann aber der Prozeſs der Conſumtion ſelbſt, entweder langſamer oder ſchnel - ler vor ſich gehen, und folglich die76 Dauer deſſelben, oder des Lebens, bey übrigens völlig gleichen Kräften und Organen, länger oder kürzer ſeyn, je nachdem jene Operation ſchneller oder langſamer geſchieht, gerade ſo, wie ein Licht, das man unten und oben zugleich anbrennt, noch einmal ſo geſchwind verbrennt, als ein einfach angezündetes, oder wie ein Licht in dephlogiſtiſirter Luft gewiſs zehnmal ſchneller verzehrt ſeyn wird, als ein völlig gleiches in ge - meiner Luft, weil durch dieſes Medium der Prozeſs der Conſumtion wohl zehn - fach beſchleunigt und vermehrt wird. Dieſs giebt den dritten Grund der ver - ſchiedenen Lebensdauer. — 4) Und da endlich die Erſetzung des Verlornen und die beſtändige Regeneration das Haupt - mittel iſt, der Conſumtion das Gegenge - wicht zu halten, ſo wird natürlich der Körper, der in ſich und auſſer ſich die beſten Mittel hat, ſich am leichtſten und vollkommenſten zu regeneriren, auch von längerer Dauer ſeyn, als ein anderer, dem dieſs fehlt.
77Genug, die Lebensdauer eines Ge - ſchöpfs wird ſich verhalten, wie die Summe der ihm angebornen Lebens - kräfte, die mehrere oder wenigere Fe - ſtigkeit ſeiner Organe, die ſchnellere oder langſamere Conſumtion, und die vollkommne oder unvollkommne Re - ſtauration. — Und alle Ideen von Le - bensverlängerung, ſo wie alle dazu vor - geſchlagenen oder noch vorzuſchlagen - den Mittel, laſſen ſich unter dieſe 4 Claſſen bringen, und nach dieſen Grund - ſätzen beurtheilen.
Hieraus laſſen ſich mehrere lehrrei - che Folgerungen ziehen, und auſſerdem dunkele Fragen beantworten, von denen ich hier nur einige vorläufig anzeigen will.
Iſt das Ziel des Lebens beſtimmt oder nicht? Dieſe Frage iſt ſchon oft ein Zankapfel geweſen, der die Philoſo - phen und Theologen entzweyte, und ſchon mehrmals den Werth der armen78 Arzneykunſt ins Gedränge brachte. Nach obigen Begriffen iſt dieſe Frage leicht zu löſen. In gewiſſem Verſtande haben beyde Partheyen Recht. Aller - dings hat jedes Geſchlecht von Geſchö - pfen, ja jedes einzelne Individuum eben ſo gewiſs ſein beſtimmtes Lebensziel, als es ſeine beſtimmte Gröſse und ſeine eigenthümliche Maſſe von Lebenskraft, Stärke der Organe und Conſumtions - oder Regenerationsweiſe hat; denn die Dauer des Lebens iſt nur eine Folge die - ſer Conſumtion, die keinen Augenblick länger währen kann, als Kräfte und Or - gane zureichen. Auch ſehen wir, daſs deswegen jede Klaſſe von Weſen ihre be - ſtimmte Lebensdauer hat, der ſich die einzelnen Individuen mehr oder weniger nähern. — Aber dieſe Conſumtion kann beſchleunigt oder retardirt wer - den, es können günſtige oder ungünſti - ge, zerſtörende oder erhaltende Um - ſtände Einfluſs haben, und daraus folgt denn, daſs, troz jener natürlichen Be -79 ſtimmung, das Ziel dennoch verrückt werden kann.
Nun läſst ſich auch ſchon im Allge - meinen die Frage beantworten: Iſt Ver - längerung des Lebens möglich? Sie iſt es allerdings, aber nicht durch Zauber - mittel und Goldtincturen, auch nicht in ſo fern, daſs man die uns zugetheilte Summe und Kapacität von Lebenskräf - ten zu vermehren und die ganze Beſtim - mung der Natur zu verändern hoffen könnte, ſondern nur durch gehörige Rückſicht auf die angegebnen 4 Puncte, auf denen eigentlich Dauer des Lebens beruht: Stärkung der Lebenskraft und der Organe, Retardation der Conſum - tion, und Beförderung und Erleichte - rung der Wiedererſetzung oder Regene - ration. — Je mehr alſo Nahrung, Kleidung, Lebensart, Clima, ſelbſt künſtliche Mittel, dieſen Erforderniſſen ein Gnüge thun, deſto mehr werden ſie zur Verlängerung des Lebens wirken; Je mehr ſie dieſen entgegen arbeiten,80 deſto mehr werden ſie die Dauer der Exiſtenz verkürzen.
Vorzüglich verdient hier noch das, was ich Retardation der Lebensconſumtion nenne, als in meinen Augen das wich - tigſte Verlängerungsmittel des Lebens, einige Betrachtung. Wenn wir uns eine gewiſſe Summe von Lebenskräften und Organen, die gleichſam unſern Lebens - fond ausmachen, denken, und das Le - ben in der Conſumtion derſelben be - ſteht, ſo kann durch eine ſtärkere An - ſtrengung der Organe und die damit ver - bundene ſchnellere Aufreibung jener Fond natürlich ſchneller, durch einen mäſsigern Gebrauch hingegen langſamer aufgezehrt werden. Derjenige, der in einem Tage noch einmal ſo viel Lebens - kraft verzehrt, als ein anderer, wird auch in halb ſo viel Zeit mit ſeinem Vor - rath von Lebenskraft fertig ſeyn, und Organe, die man noch einmal ſo ſtark braucht, werden auch noch einmal ſo bald abgenuzt und unbrauchbar ſeyn. Die81Die Energie des Lebens wird alſo mit ſeiner Dauer im umgekehrten Verhält - niſs ſtehen, oder je mehr ein Weſen in - tenſiv lebt, deſto mehr wird ſein Leben an Extenſion verlieren. — Der Aus - druck, geſchwind leben, der jezt ſo wie die Sache gewöhnlich worden iſt, iſt alſo vollkommen richtig. Man kann allerdings den Prozeſs der Lebenscon - ſumtion, ſie mag nun im Handeln oder Genieſsen beſtehen, geſchwinder oder langſamer machen, alſo geſchwind und langſam leben. Ich werde in der Folge das eine durch das Wort intenſives Le - ben, das andre durch extenſives bezeich - nen. Dieſe Wahrheit beſtätigt ſich nicht blos bey dem Menſchen, ſondern durch die ganze Natur. Je weniger in - tenſiv das Leben eines Weſens iſt, deſto länger dauert es. Man vermehre durch Wärme, Düngung, künſtliche Mittel, das intenſive Leben einer Pflanze, ſie wird ſchneller vollkommner ſich entwi - ckeln, aber auch ſehr bald vergehen. — Selbſt ein Geſchöpf, was von Natur ei -F82nen groſsen Reichthum von Lebenskraft beſizt, wird, wenn ſein Leben ſehr in - tenſiv wirkſam iſt, von kürzerer Dauer ſeyn, als eins, das an ſich viel ärmer an Lebenskraft iſt, aber von Natur ein we - niger intenſives Leben hat. So iſts z. B. gewiſs, daſs die höhern Claſſen der Thiere ungleich mehr Reichthum und Vollkommenheit der Lebenskraft be - ſitzen, als die Pflanzen, und dennoch lebt ein Baum wohl hundertmal länger, als das Lebensvolle Pferd, weil das Le - ben des Baums intenſiv ſchwächer iſt. — Auf dieſe Weiſe können ſo gar ſchwä - chende Umſtände, wenn ſie nur die in - tenſive Wirkſamkeit des Lebens min - dern, Mittel zur Verlängerung deſſelben werden, hingegen Lebensſtärkende und erweckende Einflüſſe, wenn ſie die in - nere Regſamkeit zu ſehr vermehren, der Dauer deſſelben ſchaden, und man ſieht ſchon hieraus, wie eine ſehr ſtarke Ge - ſundheit ein Hinderungsmittel der Dau - er, und eine gewiſſe Art von Schwäch - lichkeit das beſte Beförderungsmittel des83 langen Lebens werden kann; und daſs die Diät und die Mittel zur Verlänge - rung des Lebens nicht ganz die nehmli - chen ſeyn können, die man unter dem Nahmen ſtärkende verſteht. — Die Natur ſelbſt giebt uns hierinne die beſte Anleitung, indem ſie mit der Exiſtenz jedes vollkommnern Geſchöpfs eine ge - wiſſe Veranſtaltung verwebt hat, die den Strom ſeiner Lebensconſumtion aufzu - halten und dadurch die zu ſchnelle Auf - reibung zu verhüten vermag. Ich meine den Schlaf, ein Zuſtand, der ſich bey al - len Geſchöpfen vollkommner Art findet, eine äuſſerſt weiſe Veranſtaltung, deren Hauptbeſtimmung, Regulirung und Re - tardation der Lebensconſumtion, genug das iſt, was der Pendel dem Uhrwerk. — Die Zeit des Schlafs iſt nichts als eine Pauſe des intenſiven Lebens, ein ſcheinbarer Verluſt deſſelben, aber eben in dieſer Pauſe, in dieſer Unterbrechung ſeiner Wirkſamkeit, liegt das gröſste Mittel zur Verlängerung deſſelben. Eine 12 — 16ſtündige ununterbrochne DauerF 284des intenſiven Lebens bey Menſchen, bringt ſchon einen ſo reiſsenden Strom von Conſumtion hervor, daſs ſich ein ſchneller Puls, eine Art von allgemeinen Fieber (das ſo genannte tägliche Abend - fieber) einſtellt. Jezt kommt der Schlaf zu Hülfe, verſezt ihn in einen mehr paſ - ſiven Zuſtand, und nach einer ſolchen 7 bis 8 ſtündigen Pauſe iſt der verzeh - rende Strom der Lebensconſumtion ſo gut unterbrochen, das verlohrne ſo ſchön wieder erſezt, daſs nun Pulsſchlag und alle Bewegungen wieder langſam und regelmäſsig geſchehen, und alles wieder den ruhigen Gang gehet. *)Darum ſchlafen alte Leute weniger, weil bey ihnen das intenſive Leben, die Lebensconſum - tion, ſchwach iſt, und weniger Erholung braucht.— Daher vermag nichts ſo ſchnell uns auf - zureiben und zu zerſtören, als lange dauernde Schlafloſigkeit. — Selbſt die Neſtors des Pflanzenreichs, die Bäume, würden, ohne den jährlichen Winter -85 ſchlaf, ihr Leben nicht ſo hoch brin - gen.*)Ja bey mancher Pflanze finden wir wirklich etwas, was ſich mit dem täglichen Schlaf der Menſchen vollkommen vergleichen läſst. Sie legen alle Abende ihre Blätter an einander oder ſenken ſie nieder, die Blüten verſchlieſsen ſich, und die ganze Aeuſserliche verräth einen Zuſtand von Ruhe und Eingezogenheit. Man hat dieſs der Kühlung und Abendfeuchtigkeit zuſchreiben wollen, aber es geſchieht auch im Gewächs - hauſe. Andre haben es für eine Folge der Dun - kelheit gehalten, aber manche ſchlieſsen ſich im Sommer ſchon Nachmittags 6 Uhr. Ja das Tragopogon luteum ſchlieſst ſich ſchon früh um 9 Uhr, und dieſe Pflanze lieſse ſich alſo mit den Nachtthieren und Vögeln der animaliſchen Welt vergleichen, die bey Nacht nur munter ſind und bey Tage ſchlafen. — Ja faſt jede Stunde des Tages hat eine Pflanze, die ſich da ſchlieſst, und darauf gründet ſich die Pflanzenuhr. —
Verſchiedenheit derſelben — Einjährige, zweyjährige, vieljährige — Erfahrungen über die Umſtände, die dieſs beſtimmen — Reſultata daraus — Anwendung auf die Hauptprinzipien der Lebensverlängerung — Wichtiger Einfluſs der Zeugung und Kultur auf die Lebenslänge der Pflanzen.
Es ſey mir nun erlaubt, zur Beſtätigung oder Prüfung alles des geſagten, einen Blick auf alle Claſſen der organiſirten Welt zu werfen, und die Belege zu mei - nen Behauptungen aufzuſuchen. Hier - bey werden wir zugleich Gelegenheit haben, die wichtigſten Nebenumſtände87 kennen zu lernen, die auf Verlängerung oder Verkürzung des Lebens Einfluſs haben. — Unendlich mannichfaltig iſt die Dauer der verſchiedenen organi - ſchen Weſen! — Von dem Schimmel an, der nur ein Paar Stunden lebt, bis zur Zeder, welche ein Jahrtauſend er - reichen kann, welcher Abſtand, welche unzählige Zwiſchenſtufen, welche Man - nichfaltigkeit von Leben! Und dennoch muſs der Grund dieſer längern oder kür - zern Dauer in der eigenthümlichen Be - ſchaffenheit eines jeden Weſens und ſei - nem Standpunct in der Schöpfung lie - gen, und durch fleiſiges Forſchen zu finden ſeyn. Gewiſs ein erhabener und intereſſanter, aber auch zugleich ein un - überſehlicher Gegenſtand! Ich werde mich daher begnügen müſſen, die Haupt - data heraus zu heben, und in unſern gegenwärtigen Geſichtspunct zu ſtellen.
Zuerſt ſtellen ſich uns die Pflanzen dar, dieſe unüberſehbare Welt von Ge - ſchöpfen, dieſe erſte Stufe der organi -88 ſchen Weſen, die ſich durch innere Zu - eignung ernähren, ein Individuum for - miren, und ihr Geſchlecht fortpflanzen. Welche unendliche Verſchiedenheit von Geſtalt, Organiſation, Gröſse und Dauer? Nach den neueſten Entdeckun - gen und Berechnungen wenigſtens 40000 verſchiedene Gattungen und Ar - ten!
Dennoch laſſen ſie ſich alle, nach ihrer Lebensdauer, in drey Hauptklaſſen bringen, einjährige, oder eigentlich nur halbjährige, die im Frühling entſte - hen und im Herbſt ſterben, zweyjährige, die am Ende des zweyten Jahres ſterben, und endlich perennirende, deren Dauer länger, von 4 Jahren, bis zu 1000, iſt.
Alle Pflanzen, die von ſaftiger wäſ - ſerigter Conſtitution ſind, und ſehr feine zarte Organe haben, haben ein kurzes Leben, und dauern nur ein, höchſtens zwey Jahre. Nur die, welche feſtere Organe und zähere Säfte haben, dauern89 länger; aber es gehört ſchlechterdings Holz dazu, um das höchſte Pflanzenle - ben zu erreichen.
Selbſt bey denen, welche nur eins oder zwey Jahre leben, finden wir einen merklichen Unterſchied. Die, welche kalter, geruch - und geſchmackloſer Na - tur ſind, leben unter gleichen Umſtän - den nicht ſo lange, als die ſtarkriechen - den, balſamiſchen, und mehr weſentli - ches Oel und Geiſt enthaltenden. z. B. Lactuk, Weizen, Korn, Gerſte, und alle Getraidearten leben nie länger als ein Jahr; hingegen Thymian, Poley, Iſop, Meliſſe, Wermuth, Majoran, Salbey u. ſ. w. können zwey und noch mehr Jahre fortleben.
Die Geſträuche und kleinern Bäume können ihr Leben auf 60, einige auch auf noch einmal ſo viel Jahre bringen. Der Weinſtock erreicht ein Alter von 60 ja 100 Jahren, und bleibt auch noch im höchſten Alter fruchtbar. Der Rosma -90 rin desgleichen. Aber Acanthus und Epheu können über 100 Jahr alt werden. Bey manchen, z. E. den Rubusarten iſt es ſchwehr das Alter zu beſtimmen, weil die Zweige in die Erde kriechen, und immer neue Bäumchen bilden, ſo daſs es ſchwehr iſt, die neuen von den alten zu unterſcheiden, und ſie gleich - ſam ihre Exiſtenz dadurch perennirend machen.
Das höchſte Alter erreichen die gröſsten, ſtärkſten und feſteſten Bäume, die Eiche, Linde, Buche, Kaſtanie, Ulme, Ahorn, Platane, die Zeder, der Oelbaum, die Palme, der Maulbeer - baum, der Baobab. *)Dieſer neu entdeckte Baum (Adanſonia digitata), ſcheint einer der älteſten werden zu können. Er bekommt im Stamme eine Dicke von 25 Fuſs, und Adanſon fand in der Mitte dieſes Jahrhun - derts an Bäumen, die erſt 6 Fuſs dick waren, Namen von Seefahrern aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert eingeſchnitten, und dieſe Ein - ſchnitte hatten ſich noch nicht ſehr erweitert.— Man kann91 mit Gewiſsheit behaupten, daſs einige Zedern des Libanons, der berühmte Ka - ſtanienbaum di centi cavalli in Sicilien, und mehrere heilige Eichen, unter de - nen ſchon die Alten Teutſchen ihre An - dacht hatten, ihr Alter auf 1000 und mehrere Jahre gebracht haben. Sie ſind die ehrwürdigſten, die einzigen noch lebenden, Zeugen der Vorwelt, und erfüllen uns mit heiligen Schauer, wenn der Wind ihr Silberhaar durchrauſcht, das ſchon einſt den Druiden und dem Teutſchen Wilden in der Bärenhaut zum Schatten diente.
Alle ſchnell wachſende Bäume, als Fichten, Birken, Maronniers u. ſ. w. haben immer ein weniger feſtes und dauerhaftes Holz und kürzere Lebens - dauer. — Das feſteſte Holz und das längſte Leben hat die, unter allen am langſamſten wachſende, Eiche.
Kleinere Vegetabilien haben im Durchſchnitt ein kürzeres Leben, als92 die groſsen hohen und ausgebreite - ten.
Diejenigen Bäume, die das dauer - hafteſte und härteſte Holz haben, ſind nicht immer die, die auch am längſten leben. Z. B. der Buchsbaum, die Zy - preſſe, der Wachholder, Nuſsbaum und Birnbaum, leben nicht ſo lange, als die Linde, die doch ein weicheres Holz hat.
Im Durchſchnitt ſind diejenigen, welche ſehr ſchmackhafte, zarte und elaborirte Früchte tragen, von kürzerer Lebensdauer, als die, welche gar keine oder ungenieſsbare tragen; und auch unter jenen werden die, welche Nüſſe und Eicheln tragen, älter, als die, welche Beeren und Steinobſt hervor - bringen.
Selbſt dieſe kürzer lebenden, der Apfel - Birn - Apricoſen - Pfirſich - Kirſchbaum u. ſ. w. können unter ſehr93 günſtigen Umſtänden ihr Leben bis auf 60 Jahre bringen, beſonders wenn ſie zuweilen von dem Mooſe, das auf ihnen wächſt, gereinigt werden.
Im Allgemeinen kann man anneh - men, daſs diejenigen Bäume, welche ihr Laub und Früchte langſam erhalten und auch langſam verlieren, älter wer - den, als die, bey denen beydes ſehr ſchnell geſchieht. — Ferner die culti - virten haben im Durchſchnitt ein kürze - res Leben, als die wilden, und die, wel - che ſaure und herbe Früchte tragen, ein längeres Leben, als die ſüſsen.
Sehr merkwürdig iſts, daſs, wenn man die Erde um die Bäume alle Jahre umgräbt, dieſs ſie zwar lebhafter und fruchtbarer macht, aber die