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Theorie der Verbreitung des Schalles für Baukünſtler
Berlin1800.bei Heinrich Frölich.

Theorie der Verbreitung des Schalles.

A 2

Einleitung

Der Baukünſtler braucht von der The¬ orie des Schalles überhaupt, nur die Ge¬ ſetze zu wiſſen, nach welchen ſich der¬ ſelbe verbreitet, um die Mittel auffinden zu können, welche in der Anlage und Einrichtung eines Gebäudes in welchem der Schall ſich verbreiten ſoll, zu dieſem Zwecke förderlich ſind, oder die Hinder¬ niſſe zu entdecken welche derſelben im Wege ſtehn. Weiſs er dieſes, ſo iſt ihm6 die Unterſuchung über die Natur des Schalles gleichgültig, ſo wie die ſchwie¬ rige Lehre von den Modificationen, welche er von der zufälligen Beſchaffen¬ heit der Luft erhält, überflüſsig. Der Architect hält ſich bloſs an jene Ge¬ ſetze der Verbreitung, und vermag bei einer richtigen Anwendung derſelben auf den Zweck ſeines Gebäudes, auch die ſchwierigſte Aufgabe aufzulöſen.

Ich weiſs wohl, daſs man gewöhn¬ lich glaubt, jene Geſetze wären noch zu wenig bekannt, und zu unbeſtimmt, um ſie mit Sicherheit anwenden zu können, und unſere neueſten Schauſpielhäuſer Muſikſäle u. ſ. w. beweiſen in der That, daſs ihre Erbauer jene Geſetze entwe¬ der gar nicht kannten, oder wenigſtens keine richtige Anwendung davon zu machen wuſsten.

Die Phyſiker behaupten zwar, daſs7 ſie jene Geſetze hinlänglich kennen, aber der Baukünſtler bezweifelt es. Den Grund dieſes Zweifels nimmt er aus der Er¬ fahrung. Er glaubt ſeine Gebäude, z. B. die Schauſpielhäuſer ganz nach jenen, von dem Phyſiker aufgeſtellten Geſetzen, einzurichten, und dennoch ent¬ ſpricht der gewöhnliche Erfolg ſeinen Erwartungen ſo wenig, daſs oft das Gegentheil von dem eintrift, was er be¬ abſichtigte. Da er nun in die Rich¬ tigkeit ſeiner Anwendung jener Geſetze keinen Zweifel ſetzt, ſo bezweifelt er die Geſetze ſelbſt und behauptet: der Schall müſse ſich auf eine noch unbekannte Art, und nach noch unentdeckten Geſetzen verbrei¬ ten. Es iſt der Zweck gegenwärtiger Schrift, das Gegentheil dieſer Behauptung zu beweiſen, und darzuthuen: daſs der ſchlechte Erfolg bei den Abſich¬ ten unſrer Baumeiſter nicht in6 jenen Geſetzen ſelbſt, ſondern al¬ lein in einer verkehrten Anwen¬ dung derſelben ſeinen Grund habe.

Erſter Theil.

Geſetze nach welchen der Schall ſich verbreitet.

Der Schall verbreitet ſich

  • I. in gerader Richtung wie das Licht, und wird
  • II. von Widerſtand leiſtenden Körpern unter eben dem Winkel zurückgebrochen in welchem er auffällt.

Ich könnte hier dieſe beiden Ge¬ ſetze als angenommen vorausſetzen, da ſowohl alle unſre Phyſiker, als auch die beſten Baukünſtler ſie als erwieſen be¬10 trachten. Ja ich kann zugeben daſs der Satz: der Schall verbreitet ſich wie das Licht, nur eine Hypotheſe ſei, und doch jene beiden aus ihm. herflieſsenden Geſetze zur Grundlage die¬ ſer Theorie machen, indem ſtreng er¬ weislich iſt, daſs alle auch noch ſo ſon¬ derbar ſcheinende Wahrnehmungen bei der Verbreitung des Schalles, nicht allein befriedigend aus ihnen erklärt werden können, ſondern auch gerade hin darauf leiten.

Ich will indeſs die Hauptgründe, wo¬ rauf ſie ruhen, hier kurz anführen.

Die Erfahrung lehrt, daſs der Schall ſich von dem Orte wo er entſteht nach allen Seiten zu, wie von dem Mittel¬ punct einer Kugel nach der Oberfläche hin, verbreitet, und daſs dieſe Verbrei¬12 tung mittelſt einer Erſchütterung der Luft geſchiehet. Dieſe Erſchütte¬ rung iſt ſehr bemerklich, vorzüglich wenn der Schall heftig iſt, als bei ſtar¬ ken Donnerſchlägen wo die Häuſer be¬ ben und die Fenſter zerſpringen. Bei geringerm Schall, wenn er zum Beiſpiel durch Bewegung harter Körper hervorge¬ bracht wird, iſt dieſe Erſchütterung in den ſchallenden Körpern ſelbſt ſichtbar, z. B. auf dem Reſonanzboden eines Klaviers, wenn man ihn mit far¬ bigem Sande beſtreut, und an der tönen¬ den Saite ſelbſt. Daſs dieſe Bewegung nun ſich der Luft mittheilt und dadurch den hervorgebrachten Schall verbreitet, iſt dadurch erweislich, daſs eine tönende Saite z. B. eine andre die mit ihr gleich geſtimmt iſt, durch bloſse Erſchütterung der Luft in Bewegung ſetzen und mittönen ma¬ chen kann; und was endlich die Sache auſser Zweifel ſetzt, iſt, daſs in einem9 luftleeren Raume der Schall ſich über¬ all nicht verbreitet.

Es iſt alſo erwieſen, daſs die Ver¬ breitung des Schalles in einer Bewegung der Luft beſteht, welche ſie durch ei¬ nen Stoſs des ſchallenden Körpers em¬ pfängt. Die Frage iſt nun noch, ob dieſe Bewegung ſich in gerader Rich¬ tung fortſetzt? Daſs die Bewegung nach empfangenem Stoſs in gerader Richtung fortgeſetzt wird, bis ein zweiter nach ei¬ ner andern Direction wirkender Stoſs ſie verändert, iſt ein allgemeines Geſetz der Bewegung überhaupt, und keine Erfah¬ rung, von der Bombe an bis zu den Schwingungen der Lichttheile, hat einen Zweifel dagegen erregen können. Man iſt alſo gezwungen dies Geſetz bei der Fortbewegung des Schalles durch die Luft im voraus anzunehmen; und mit ihm zugleich die Brechung nach10 dem Einfallswinkel, weil ſie ein nothwendiges Reſultat aus je¬ nem iſt.

Es frägt ſich nun: ob alle Wahr¬ nehmungen bei der Erſcheinung der Verbreitung des Schalles aus jenen Ge¬ ſetzen erklärlich ſind oder nicht? Ob ſie nicht wenigſtens gewiſse Modifi¬ cationen leiden, die uns noch unbe¬ kannt ſind, und folglich die Anwen¬ dung derſelben noch nicht ſicher iſt? Ich geſtehe, daſs mir keine Wahrneh¬ mung bekannt iſt, die dergleichen be¬ weiſen könnte. Doch will ich einige ſcheinbare Einwürfe zu heben ſuchen.

Das Licht, ſagt man, verbreitet ſich in geraden Strahlen, und eine nothwen¬ dige Folge davon iſt, daſs man keinen Gegenſtand ſehen kann, von dem nicht ein gerader Lichtſtrahl in unſer Auge fällt; den Schall aber hört man überall.14 wenn es gleich unmöglich iſt, daſs ir¬ gend ein gerader Schallſtrahl von dem ſchallenden Körper in unſer Ohr trift. Der Einwurf iſt ſcheinbar, aber über¬ aus leicht zu heben. Das Licht am Tage hat offenbar ſeinen Urſprung in den Sonnenſtrahlen, welche ſich von einem Mittelpunkt aus in gerader Rich¬ tung nach der Erde bewegen (wie die Strahlen des Schalles von dem ſchal¬ lenden Körper). Nun kann man gleich¬ wohl am Tage überall, auch da ſehen, wo es unmöglich iſt, daſs ein Sonnen¬ ſtrahl in gerader Richtung hindringen könnte; allein die nach unendlichen Richtungen geſchehene Brechung der Sonnenſtrahlen verbreiten ſich überall: und wenn wir in einem Zimmer nicht alles auf einmal ſehen was darin iſt, ſo liegt die Schuld nicht, an dem allenthal¬ ben verbreiteten Lichte, ſondern an dem15 Bau unſres Auges, welches einem kleinen Tubus gleicht, und nur dieje¬ nigen Strahlen aufnimmt, welche in einer geraden Richtung einfallen. Stän¬ den unſere Augen nicht an einer Seite des Kopfes ſondern gegen einander¬ über, und wäre die äuſsere Haut des Auges (die Hornhaut) überall fähig die auffallenden Strahlen nach dem Mitelpunkte hin zu brechen; ſo würden wir um uns her alles eben ſo ſehen, wie wir hören. Unſere Ohren ſtehen an zwei ſich entge¬ gengeſetzten Seiten des Kopfes, und ſind ſo gebaut, daſs ſie jeden einfallenden Schallſtrahl nach dem Empfindungs¬ punkte des Gehörs hinbrechen. Wir müſsen alſo von allen Seiten her hö¬ ren, weil von den nach unendlichen Richtungen zerbrochnen Schallſtrahlen nothwendig immer einige unſere Oh¬ ren treffen müſsen. In freiem Felde,15 wo kein merklich hervorragender Gegen¬ ſtand befindlich iſt, an welchem der Schall gebrochen werden könnte, ſind die nach allen Richtungen erfolgten Re¬ flectionen von der Erde ſelbſt dazu hin¬ reichend; woraus zugleich erklärlich iſt, warum man im Freien einen fernen Schall deutlicher hört, wenn man das Ohr nahe gegen die Erde richtet. Der Un¬ terſchied zwiſchen Hören und Sehen gründet ſich alſo nicht auf verſchiedene Geſetze in der Verbreitung des Lichtes und des Schalles, ſondern auf die Ver¬ ſchiedenheit der Einrichtung unſerer Sin¬ nenwerkzeuge, wodurch wir beide em¬ pfinden.

Man ſagt ferner das Licht durch¬ dringt nur ſehr wenige Körper, (die Glasartigen) der Schall auſserdem noch ſehr viele, als Metall, Holz, Steine u. ſ. w. und ſollte dies nicht eine Verſchieden¬17 heit in den Verbreitungsgeſetzen bei¬ den andeuten? Keineswegs; ſondern nur eine Verſchiedenheit des Mediums durch welches die Verbreitung eines je¬ den geſchieht. Das Licht ſcheint eine eigne Materie vorauszuſetzen, der Schall bloſs die Luft. Das Weſentliche in der Verbreitung beider iſt Bewegung, und auf dieſe allein gründen ſich die oben angegebenen Geſetze. Die Unterſuchung über die Aehnlichkeit und Verſchieden¬ heit der Materie des Lichts und der Luft, und der daraus entſpringenden Ver¬ ſchiedenheit der Fortpflanzung beider, liegt auſser dem Zwecke dieſer Schrift, indem durch ſie in jenen Geſetzen ſelbſt nichts weſentlich geändert wird. Ich will hier nur noch einige Erfahrungsſätze folgen laſſen, welche die Anwendung jener Geſetze dem Baukünſtler ſehr er¬ leichtern.

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Erſter Erfahrungsſatz.

Jeder Schall durchdringt nach Verhältniſs der Stärke welche ihn hervorbringt, einen beſtimmten Raum, wird dann immer ſchwä¬ cher, und endlich unvernehmbar.

Nach genauen Beobachtungen hat man bemerkt, daſs eine deut¬ lich geſprochene Rede im Freien, wo der Verbreitung nichts im Wege ſteht auf 70 Fuſs verſtänd¬ lich bleibt. Dies iſt für den Baukünſtler eine wichtige Beob¬ achtung, indem er bis zu die¬ ſer Weite auf die natürliche Ver¬ breitung des Schalles rechnen kann.

Zweiter Erfahrungsſatz.

Wenn der Schall in dem Raume wo er noch vernehmlich19 iſt, auf eine ihm gerade entgegen¬ geſetzte Fläche trift, ſo wird er zurückgebrochen und es entſteht ein Wiederhall, oder Echo.

  • Man hat durch genaue Beobachtun¬ gen herausgebracht, daſs der Wie¬ derhall nicht eher als in einer Entfernung über 60 Fuſs be¬ merkbar wird; indem die Rück¬ wirkung in einer kleinern Ent¬ fernung ſo ſchnell erfolgt, daſs ſie von dem erſten Schalle nicht zu unterſcheiden iſt. Auch dieſe Beobachtung iſt, wie wir in der Folge ſehen werden, für den Bau¬ künſtler von der äuſserſten Wich¬ tigkeit.

Dritter Erfahrungsſatz.

Wenn der Schall in dem Raume wo er noch vernehmlich20 iſt, auf eine ſchiefe Fläche trift, ſo[ wird] der unter den Einfallswin¬ kel von dem ſchallenden Körper weggebrochen, und da er von dem brechenden Körper einen neuen Stoſs erhält, durch einen gröſ¬ sern Raum verbreitet, als den er ohne die Brechung hätte durchdringen können.

  • Beweiſe zu dieſem Satze liefert die Kommunicationsröhre und das Sprachrohr.

Vierter Erfahrungsſatz.

Wenn der Schall ſich zwi¬ ſchen zwei Parallellinien fortbe¬ wegt, ſo wird er durch einen ſehr groſsen Raum, in derſelben Stärke verbreitet, die er anfangs hatte.

  • Den Beweis liefert die Com¬ munikationsröhre. Wenn21 man auch noch ſo leiſe zu dem einen Ende hineinſpricht, ſo ver¬ ſteht man am andern alles ſo ge¬ nau, als ob man das Ohr an den Mund des Sprechenden legte.

Fünfter Erfahrungsſatz.

Wenn der Schall ſich zwi¬ ſchen zwei Linien fort bewegt, die an dem Orte wo er entſteht unter einem ſpitzigen Winkel zu¬ ſammen laufen; ſo wird er nicht allein durch einen gröſsern Raum verbreitet ſondern auch ver¬ ſtärkt.

Den Beweis liefert das, jedermann bekannte Sprachrohr; welches um¬ gekehrt als Höhrrohr, dieſelbe Wir¬ kung hervorbringt, wenn das Ohr22 ſich nehmlich in dem Punkte be¬ findet, wo die beiden Seiten ſich durchſchneiden würden, welche dem Scheine nach ſich widerſpre¬ chende Wahrnehmungen, ſich je¬ doch aus dem Brechungsgeſetze be¬ friedigend erklären laſſen.

Sechſter Erfahrungsſatz.

Wenn ein ſchallender Körper ſich in der Nähe eines andern Körpers befindet, welcher, wenn er in Bewegung geſetzt iſt, einen gleichen Schall hervorbringt; ſo iſt die bloſse Erſchütterung der Luft hinreichend, ihn in Bewe¬ gung zu ſetzen und mitſchal¬ lend zu machen.

Den Beweis liefern zwei gleichge¬ ſtimmte Saiten in einer Entfer¬ nung von einander, weil, wenn23 eine angeſchlagen wird, die an¬ dre von ſelbſt mittönt. Die Erfahrung iſt für den Baukünſt¬ ler ſehr wichtig, weil die Alten die Erfindung ihrer Schallgefäſse darauf gründeten, und in unſern Schauſpielhäuſern zum Theil mit der Nachhall, welcher oft Rede und Muſik undeutlich macht, aus ähnlichen Urſachen entſpringt.

Ob die Alten die wahre Theorie des Schalles gekannt haben, iſt zweifelhaft. Man kann wohl als gewiſs annehmen, daſs Vitruv alles gekannt habe, was ſie über dieſen Gegenſtand wuſsten. Vitruv aber nimmt an: der Schall verbreite ſich auf eben die Weiſe, wie die Kreiſe auf einer ruhigen Waſſerfläche, wenn man etwas hineingeworfen hat; nur daſs die¬ ſe Verbreitung nach allen Seiten, wie ge¬ gen die Oberfläche einer Kugel zu, erfolge. 24 Steht, fährt Vitruv fort, einem Kreiſe auf der Waſſerfläche etwas entgegen, ſo entſteht durch den Anſchlag ein neuer Kreis, der dem erſten entgegenſtrebt und beide gerathen in Unordnung; ſo iſt es auch mit dem Schalle.

Er kannte alſo offenbar die Verbrei¬ tung des Schalles, durch eine Erſchüt¬ terung der Luft nach gerader Richtung, ſo wie die Rückwirkung derſelben, den Wiederhall; ſo wohl nach ſeinen nach¬ theiligen Folgen, wie das eben angeführ¬ te Beiſpiel beweiſt, als nach ſeinen Vor¬ theilen, wie aus der Vorſchrift erhellt, welche er an einem andern Orte giebt, in zu hohen Gebäuden einen Kranz umher zu bauen, damit der Schall ſich nicht zu ſehr nach oben hin verliere.

Dagegen ſcheint es ziemlich gewiſs zu ſeyn daſs er die Brechung des Schal¬25 les nach dem Auffallswinkel nicht ge¬ kannt habe, weil er ſonſt unfehlbar die groſsen Vortheile berührt haben würde, welche der Baukünſtler aus dieſer Lehre ziehen kann. Auch beweiſt die Form der Theater der Alten, wie ich in der Fol¬ ge zeigen werde, daſs ſie auf die Bre¬ chung des Schalles nichts rechneten, ſon¬ dern bloſs auf die natürliche Verbreitung deſſelben ſahen. In ihren Baſiliken fand allerdings eine vortheilhafte Brechung ſtatt; dieſe Gebäude haben ihre Form offenbar der Bequemlichkeit in Rückſicht ihres Zweckes zu danken und das Vortheilhafte dieſer Form für die Ver¬ breitung des Schalles ſcheint bloſs zufäl¬ lig zu ſeyn, indem Vitruv dieſes Vortheils gar nicht erwähnt.

Ich gehe jetzt zur Anwendung je¬ ner Geſetze über, und beſchränke mich, um nicht zu weitläuftig zu werden, al¬26 lein auf den Schauſpielhausbau ein, theils weil man es von Schauſpiel¬ häuſern vorzüglich verlangt, daſs ſie zur Verbreitung des Schalles zweckmäſsig eingerichtet ſein ſollen, theils weil der Baukünſtler die Anwendung der Geſetze, wenn ſie einmahl gezeigt iſt, überall leicht finden wird.

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Zweiter Theil.

Anwendung dieſer Geſetze auf den Schauſpielhausbau.

Die Aufgabe beim Bau eines Schau¬ ſpielhauſes iſt: es ſo einzurichten, daſs

I) die Stimme der Schauſpieler auf den Sitzen der Zuſchauer überall deutlich gehört werden könne.

II) daſs man von allen Sitzen die Büh¬ ne ganz überſehen könne.

III) daſs die Sitze bequem, d. i. ſo an¬ gelegt werden, daſs die Zuſchauer28 beim Herein - und Hinausgehen ſich nicht hindern, und kein Gedrän¬ ge entſteht, und

IV) daſs bei dem allen die architectoni¬ ſche Schönheit beobachtet wird, und dem Auge eine gefällige Form darbietet.

Eigentlich habe ich es hier bloſs mit dem erſten Punkte dieſer Forderungen zu thun, und werde auf die andern nur ſo viel Rückſicht nehmen, als nöthig iſt zu zeigen daſs die Beobachtung der Ge¬ ſetze des Schalles beim Bau ihnen nicht nur nicht ſchädlich, ſondern ſehr vor¬ theilhaft iſt.

In Rückſicht dieſer Geſetze ſind die Schauſpielhäuser eingerichtet

1. auf natürliche Verbreitung des Schalles, und29 2. auf künſtliche Verbreitung deſſel¬ ben.

Die künſtliche Verbreitung ſucht man hervorzubringen.

A) durch Verſtärkung und

B) durch Brechung des Schalles.

Die Brechung des Schalles geſchieht wieder.

a) nach der Bühne zurück, oder

b) von der Bühne weg.

Ob nun ein Schauſpielhaus zu die¬ ſer oder jener Abtheilung gehört, hängt von ſeiner innern Form und Einrich¬ tung ab. Ich werde daher die Form und Einrichtung der verſchiedenen Klas¬ ſen, nach dem hier angegebenen Charak¬30 ter beſtimmen, und die Tauglichkeit derſelben, der Aufgabe gemäſs, nach dem Zwecke der Schauſpielhäuſer überhaupt unterſuchen.

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Erſter Abſchnitt.

Von Schauſpielhäuſern, welche bloſs auf na¬ türliche Verbreitung des Schalles berech¬ net ſind.

Der Werth dieſer Maxime beim Schauſpielhausbau iſt einleuchtend, weil ſie die ſicherſte von allen, und keinem Miſslingen unterworfen iſt. Sie iſt in¬ deſs auf Gebäude nicht anwendbar, wel¬ che eine groſse Anzahl Zuhörer faſsen ſollen, da der Schall ohne Verſtärkungs¬ mittel ſich nicht ſehr weit fortpflanzt, mithin der Raum, welchen eine gewöhn¬ liche Stimme durchdringt nicht ſehr groſs iſt. Da indeſs nach Saunders ſorgfältigen Beobachtungen, eine gewöhn¬ liche Stimme geradehin noch auf 70 Fuſs verſtändlich bleibt, ſo könnte man Theater für zweitauſend Zuſchauer noch füglich nach dieſer Maxime ein¬32 richten. Die einzig paſſende Form für dieſe Einrichtung iſt der Halbkreis.

Wenn ein Theater ſo klein iſt, daſs der Zuſchauer überall unter 60 Fuſs von dem Sprechenden entfernt iſt, ſo iſt die innere Form im Grunde für den Schall gleichgültig, weil er den Raum ſo ſchnell durchdringt, daſs man das falſche Bre¬ chen und den nachtheiligen Wiederhall nicht gewahr wird. Iſt der Raum aber über 60 Fuſs, ſo wird die Rückbrechung ſchon ſo bemerklich, daſs ſie fähig iſt ei¬ nen Wiederhall zu bilden, oder wenig¬ ſtens durch Verlängerung der Töne das Nachhallen die Rede undeutlich zu machen. Der Umſtand, daſs man auch in Theatern, welche viel kleiner ſind bald beſſer oder ſchlechter hört, rührt von den Hinderniſſen her, welche man der natürlichen Verbreitung des Schalles minder in den Weg ſetzt. z. B.33 durch den Bau der Seitenlogen, oder ein zu niedriges Parterre u. ſ. w.

Alle Regeln welche Vitruv für den Bau der Theater giebt, beziehen ſich bloſs auf die Vermeidung dieſer Hinder¬ niſſe; wie denn die Theater der Alten bloſs auf natürliche Verbreitung des Schalles berechnet waren. Dies mögte bei der ungeheuern Gröſse ih¬ rer Schauplätze auffallend ſcheinen, al¬ lein es iſt ſo wohl aus der bekannten Einrichtung derſelben, als aus dem was Vitruv darüber ſagt, durchaus erweis¬ lich. Die Verſtärkungsmittel, welche ſie durch ihre Schallgefäſse aufſtellten, gehö¬ ren unter die Ausnahmen: man weiſs in wie wenig Theatern ſie zu finden waren, und ich werde in der Folge mehr darüber ſagen.

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Daſs man bei der Gröſse der alten Schauplätze doch überall auf den Sitzen der Zuſchauer hören konnte, wird we¬ niger auffallen, wenn man bedenkt: daſs die Alten den eigendlichen Converſa¬ tionston auf ihren Bühnen gar nicht kannten, daſs zu ihrer künſtlichen, faſt an Geſang grenzenden Deklamation eine gröſsere Anſtrengung der Stimme erfor¬ dert wurde, und die Schauspieler nur auf einer kleinen etwas erhöhten Stelle der Bühne ihre Rollen recitirten, folg¬ lich ſich nicht weit vom Mittelpunkt des Zirkels entfernen konnten. Ueberdem ſprach in groſsen Theatern der darſtel¬ lende Schauſpieler nicht einmal ſelbſt, ſon¬ dern ein andrer, der ſich in dem eigent¬ lichen Schallpunkte befand, alle ſeine Aufmerkſamkeit auf die Stimme und Deutlichkeit der Ausſprache wandte, und den Mund gerade gegen den vollen Halb¬ kreis gewandt hatte. Und bei dem allen35 iſt es ſo ausgemacht noch nicht einmal, daſs man überall in ihren Theatern, und vorzüglich auf den obern Sitzen deut¬ lich gehört habe; viel mehr ſcheinen die künſtlichen Mittel welche ſie anwand¬ ten den Schall zu verſtärken ihre Schallgefäſse das Gegentheil anzudeu¬ ten.

In dem Maſs nun, da unſere darſtel¬ lende Kunſt in dem genannten Umſtän¬ den von der Kunſt der Alten abweicht, da wir von dem Schauſpieler Converſa¬ tionston, und keine erzwungene Anſtren¬ gung fordern; da er überall auf der Bühne ſprechen darf wo es die Situa¬ tion erfordert muſs ſich auch der Raum der Theater verkleinern, in wel¬ chen die Stimmen hörbar ſind, und man hat Unrecht, wenn man dem Bau der Häuſer zuſchreibt, was in der Art der Kunſtübung ſelbſt liegt. C 236Man könnte einwenden: daſs es unmög¬ lich ſei, in einem Theater auf die Rück¬ wirkung, und dadurch erfolgte Verſtär¬ kung des Schalles nicht zu rechnen, in¬ dem dieſe nothwendig von ſelbſt erfolgt. Dieſem ſcheinbaren Einwurf hab 'ich folgendes entgegen zu ſetzen: Der Wie¬ derhall könnte nur in einem Falle den Ton verſtärken, wenn nehmlich der wiederhallende Körper ſo nahe iſt, daſs der Wiederhall in Rückſicht der Zeit ſo ſchnell auf den erſten Ton folgt, daſs er durch das Gehör nicht davon zu unterſcheiden iſt. Iſt dies nicht der Fall, iſt die Zeit der Rückwirkung bemerklich, ſollte es auch nur in der Verlängerung des Tons beſtehen, ſo iſt ſie nachtheilig, weil ſie den Schall, ſtatt ihn zu verſtärken, verwirrt, einen Ton in den andern überzieht, und die Rede undeutlich macht. Es iſt hier indeſs vorzüglich37 zu unterſuchen: ob in einem Kreisförmi¬ gen Theater, in welchem die Sitze ſtufen¬ weiſe über einander angelegt ſind, überhaupt eine Rückwirkung des Schalles bemerklich ſein könne? welches ich gerade¬ zu leugne. Der Schall findet in dem¬ ſelben nirgens in einem Zeitmo¬ ment eine Widerſtandsmaſſe, von der eine ſo ſtarke Rückwirkung möglich wä¬ re, daſs ſie dem Gehör bemerklich würde. Er ſchlägt früher an die er¬ ſte Sitzreihe, als an die zweite, und die Rückwirkung der erſtern iſt verloren, ehe die der zweiten Reihe entſteht, und ſo bis oben hin. Die Alten konnten dieſem zufolge; da ihre Theater alle dieſe Einrichtung hatten, auf die Rückwirkung des Schal¬ les nichts rechnen.

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Wenn ich nun für Schauſpielhäuſer dieſer Art den Halbkreis als die b ſte Form empfehle, ſo geſchieht es bloſs unter der Bedingung daſs die Siz¬ ze der Zuhörer amphitheatraliſch: d. i. Stufenweiſe über einander angelegt werden. Geſchieht dies nicht ſo hat der Halbkreis auch nichts Unterſcheidendes, von jeder andern run¬ den oder eckigen Form. Denn bei der gewöhnlichen Einrichtung der Logen, findet der Schall überall Maſſen, welche eine ſehr bemerkbare Rückwirkung her¬ vorbringen[können]. Nun geſchieht dieſe entweder ſo ſchnell, daſs ſie von dem er¬ ſten Tone nicht zu unterſcheiden iſt; dann hat der Zirkel keinen Vorzug; oder ſie iſt zu unterſcheiden, ſo verwirrt der Zir¬ kel die Töne ſo gut wie jede andre Form. Der Umſtand, daſs im Zirkel alle Strahlen welche aus dem Mittelpunkt auf die Peripherie fallen, nach dem Mit¬39 telpunkt zurück gebrochen werden, ver¬ dient hier gar keiner Erwähnung, in¬ dem die Töne bei der Rede der Schauſpieler nicht aus dem Mittelpunkt kommen können, und wenn dies auch der Fall wäre der entſtehende Wiederhall, ſo bald er bemerklich würde, die Tön¬ ne nur verwirrt.

Es entſteht indeſs bei der Kreisform in Rückſicht der Bequemlichkeit und Zweckmäſsigkeit der Einrichtung eine Schwierigkeit, welche eigendlich die Ur¬ ſach zu ſeyn ſcheint, warum die neuern Baumeiſter dieſe Form, welche von den Alten überall gebraucht wurde mit der ovalen Form vertauſcht haben. Soll das Theater eine auch nur etwas groſse An¬ zahl Zuhörer faſsen, ſo wird der Durch¬ meſſer des Zirkels ſo groſs, daſs die, dieſem Durchmeſſer entſprechende Sce¬ ne, für unſere Decorationsart der Büh¬40 ne, und die ganze Oeconomie unſrer Schauſpiele, zweckwidrig wird. Es ſcheint, daſs man die Oefnung der Bühne, oh¬ ne der Beleuchtung zu ſchaden, und eine Menge Unbequemlichkeiten hervorzubringen, nicht wohl über 50 Fuſs groſs machen dürfe. Wie klein iſt aber der Halbkreis der ſich vor dieſer Linie beſchreiben läſst, und wie wenig Zu¬ ſchauer könnte er faſſen! Um mehr Raum zu gewinnen, zog man nun den Zirkel in die Länge und ſo entſtand die jetzt allgemein übliche ovale Form. Hät¬ te man indeſs die Geſetze des Schalles, oder auch nur die Monumente der Al¬ ten genauer ſtudirt, ſo würde dieſe Schwierigkeit ſich auf eine weit zweck¬ mäſsigere Weiſe haben heben laſsen.

Die Alten, vorzüglich die Römer, fanden zu vielen ihrer Spiele die weiten Oeffnungen der Scene eher vortheilhaft41 als[nachtheilig], und wo ſie auch die Sce¬ ne zuſammenzogen, kümmerten ſie ſich nicht um den Umſtand, daſs von ei¬ ner Menge Sitzen an beiden Seiten der Bühne weder geſehn noch gehört wer¬ den konnte. In Athen findet ſich indeſs die Ruine eines nicht gar groſsen grie¬ chiſchen Theaters, in welchem dieſe Schwierigkeit ungemein glücklich geho¬ ben iſt. Man hat nehmlich das eigent¬ liche Theater, die Sitze der Zuſchauer nach einem weit gröſsern Zirkel ange¬ legt, als die Oefnung der Bühne giebt, denſelben indeſs nach der Richtung der Seitenwände der Bühne, an beiden Sei¬ ten abgeſchnitten. (Siehe Fig. 1.) Da durch dieſe zweckmäſsige Form an bei¬ den Seiten der Scene gerade leere Wände entſtehen, und dieſe, wie ich in der Folge zeigen werde, die vorzüg¬ lichſten Mittel zur Verſtärkung des Schal les überhaupt ſind, ſo kann in dieſer42 Form der Raum ungemein vergröſsert werden, ohne daſs man fürchten dürfe dem Schall nachtheilig zu werden.

Es wäre mithin dieſe Form für al¬ le Schauſpielhäuſer, welche nach dieſer Maxime aufgeführt werden, die beſte von allen; da auſserdem auch die Be¬ quemlichkeit der Sitze und die archi¬ tectoniſche Schönheit des Ganzen ſehr zu empfehlen iſt.

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Zweiter Abſchnitt.

Von Schauſpielhäuſern welche[auf] künſtliche Verbreitung des Schalles berechnet ſind.

Unter künſtlicher Verbreitung des Schalles verſteht man, wenn der Schall durch künſtliche Hülfsmittel da noch hörbar und verſtändlich gemacht wird, wo er nach ſeiner natürlichen Verbreitung nicht mehr hörbar oder verſtändlich ſeyn würde. Die Hülfsmittel, welche man dazu anwendet ſind 1) Verſtärkung des Schalles, und 2) Brechung des Schal¬ les. Ich will hier der Deutlichkeit wegen den Unterſchied zwiſchen beiden, ob er gleich aus der Theorie ſchon verſtändlich iſt, genau auseinander ſetzen.

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Der Schall wird durch Schwingun¬ gen des ſchallenden Körpers hervorge¬ bracht. Dieſe Schwingungen theilen der Luft eine Erſchütterung mit, welche den Schall verbreitet. Treffen dieſe Erſchüt¬ terungen auf elaſtiſche Körper, welche in Bewegung geſetzt, eben ſolche Schwin¬ gungen hervorbringen, als der Körper welcher der Luft die Erſchütterung mit¬ theilte, ſo gerathen ſie[bloſs] durch dieſe Erſchütterung der Luft in Bewegung, und bringen einen ähnlichen, obgleich ſchwächern Ton hervor, wodurch der erſte verſtärkt und weiter verbreitet wird.

Treffen die Erſchütterungen der Luft indeſs auf andre elaſtiſche Körper, wel¬ che in ihren Schwingungen von jenem der den Schall hervorbrachte verſchie¬ den ſind, ſo prallt die Erſchütterung, ohne einen Ton hervor zu bringen, zu¬ rück, wird gebrochen.

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Die Alten ſuchten in ihren Theatern den Schall durch die erſt genannte Eigen¬ ſchaft ſchallender Körper, durch ihre Schallgefäſse, zu verſtärken, welches bei der amphitheatraliſchen Einrichtung ihrer Schauplätze das einzige Mittel war, in dem wie wir geſehen haben, auf Brechung des Schalls in denſelben ei¬ gendlich nichts zu rechnen iſt. Sie machten Gefäſse von dünnen Kupfer, welche einen reinen Klang gaben und ſo eingerichtet wurden, daſs ſie zu der Tonleiter, in welcher der Schauſpieler ſprach, gerade paſsten, und jeder Ton den er ſprach wenigſtens eins oder zwei Gefäſse fand, welche die Erſchütterung der Luft auffingen, und ihn durch Her¬ vorbringung eines ähnlichen Tons ver¬ ſtärkten.

Man hat ſich über die Art wie die¬ ſe Schallgefäſse zur Verſtärkung des Tons46 mitwirkten, häufig geſtritten, und den Nutzen derſelben bald behauptet, bald verworfen. Man ſagt gewöhnlich, daſs die Alten, wenn ihr Nutzen ſo entſchie¬ den geweſen wäre, als Vitruv ihn angiebt, ſie unſtreitig häufiger gebraucht haben würden allein dieſer Einwurf ſagt nichts. Einmahl entſcheidet ein ſolcher, aus dem Gebrauch hergenommener Grund in wisſenſchaftlichen Dingen gar nichts, und zweitens haben wir geſehen, daſs die Alten ihre Schauplätze eigendlich auf natürliche Fortpflanzung des Schal¬ les berechneten, und folglich dergleichen künſtliche Mittel nicht immer bedurften. Die übrigen Einwürfe entſpringen faſt. ſämmtlich aus einem unrichtigen Erklä¬ rungsgrunde, indem man ihren Nutzen aus der Brechung des Schalles herlei¬ ten, oder beſtreiten will, und ſelbſt Vitruv ſcheint in dieſem Irrthum zu ſtehen, indem er zum Beweiſe ihrer Nutzbar¬47 keit das Beiſpiel einer Wand anführt, welche den Ton durch Wiederhall ver¬ ſtärkt.

Bei unſrer jetzigen Einrichtung der Schauſpielhäuſer und der Gewohnheit der Seitenlogen würden dieſe Gefäſse offenbar mehr ſchaden als nutzen, und das wirklich hervorbringen, was Barte¬ lemy vielleicht mit Unrecht von ihnen in den griechiſchen Theatern befürchtet, ein Nachſummen welches der Deut¬ lichkeit der Töne ſchadet.

Ich komme jetzt auf

die Brechung des Schalles

als eines künſtlichen Mittels zur Verbreitung deſſelben.

Ich habe ſchon geſagt, daſs der Schall entweder nach der Bühne zu¬ rück, oder von ihr weg gebrochen48 wird. Ich werde alſo zuerſt von den Schauſpielhäuſern handeln, in welchen der Schall gegen die Buhne zurück gebro¬ chen wird.

Es iſt dabei in der That eine der ſonderbarſten Erſcheinungen, in dem Ge¬ biete der Wiſſenſchaften überhaupt, daſs alle Erbauer von Theatern und alle mir bekannte Schriftſteller, welche dieſen Ge¬ genſtand abhandeln, (Saunders ausgenom¬ men, welcher nur von der natürlichen Fortpflanzung des Schalles in ſeinem Pla¬ ne ausgeht, aber nichts durch ſeinen Grundſatz gewinnt, weil er in der Form von der gewöhnlichen nicht abgeht. ) glauben: der Ton in einem Schauſpielhauſe müſse dadurch verſtärkt werden, daſs die Rück¬ wirkung deſſelben, die Brechung, gegen die Bühne hin geſchehe; wie dieſs in allen runden, elip¬49 tiſchen und paraboliſchen For¬ men der Fall iſt; da doch klar zu beweiſen ſteht;

Daſs alles Zurückbrechen, des Schalles gegen die Büh¬ ne hin, nachtheilig iſt, und das Gegentheil von dem be¬ wirkt was man beabſichtigt, mithin alle runden Formen verwerflich ſind (verſteht ſich ohne ſtufenförmige Einrichtung der Sitze, da bei dieſer, wie ſchon gezeigt iſt, die Rückwirkung unbe¬ merklich iſt).

Die Gründe ſind evident; denn 1) iſt der Raum des Theaters unter 60 Fuſs in der weiteſten Entfernung von der Bühne, ſo braucht auf die Rück¬ wirkung gar nicht gerechnet zu wer¬D50den, weil 1) die natürliche Fortpflanzung des Schalles auf 75 Fuſs hinreicht 2) die Rückwirkung ſo ſchnell erfolgt, daſs ſie unmerklich iſt.

2) Der Raum iſt über 60 Fuſs ausge¬ dehnt, und die Rückwirkung wird be¬ merklich; es entſteht Wiederhall und Nachhall zugleicher Zeit: Ver¬ ſtärkt kann der Ton dadurch nicht werden, weil die Wirkung des erſten wirklichen Tons im Ohr ſchon vorüber iſt; wenn die Rückwirkung es erreicht. Der Ton wird alſo nur verlängert, und ſchwindet, da auch die Rückwirkungen des Wiederhalls und Nachhalls wieder bemerk¬ lich werden, nach und nach hin. Die Rede der Schauſpieler muſs durch dieſen Umſtand nothwendig un¬ verſtändlich werden, da die Rück¬51 wirkung des erſten Tons mit dem zwei¬ ten Tone zu gleicher Zeit das Ohr erreicht, und ſich folglich un¬ ter einander verwirren.

Die Beobachtung, daſs das hier Ge¬ ſagte ſich wirklich in der Natur ſo verhal¬ te, kann man in jedem groſsen Theater von runder, oder ovaler Form machen. Man hört auf entfernten Sitzen nichts als einen unverſtändlichen Hall, weil die natürliche Fortpflanzung des Schalls der Rede entweder nicht bis dahin reicht, oder ſie von dem ſich immer durchkreu¬ zenden Wiederhall und Nachhall in Un¬ ordnung gebracht oder gar verſchlungen wird: Da indeſs unter der Menge von Theatern, in Europa nur wenige ſo groſs ſind daſs dieſe nachtheilige Wirkung des Wiederhalls in Ihnen bemerklich wer¬ den könnte, und man doch in ſehr vielen kleinern Theatern faſt eben jene Nachtheile verſpührt, muſs es noch an¬52 dere Gründe geben, woraus ein Theil derſelben herzuleiten iſt, die ich auch in einem beſondern Abſchnitt erläutern werde.

Stieglitz giebt in ſeiner Encyklo¬ pädie der bürgerlichen Baukunſt, fünf verſchiedene Plane an, nach wel¬ chen alle ihm bekannten Schauſpiel¬ häuſer erbaut, und die von Bauverſtän¬ digen vorgeſchlagen ſind. Zwei davon gehören der eigentlichen Anlage nach nicht unter dieſe Klaſſe, als der Halb¬ zirkel, welcher unter die vorige gehört, und der Halbzirkel mit verlängerten Sei¬ ten, welcher unter die folgende Klaſſe gehört; da aber bei beiden der Seiten¬ logenbau empfohlen, und die ſtu¬ fenförmigen Sitze verworfen wer¬ den; ſo haben ſie den Vortheil nicht der aus ihrer Form entſpringt; und zwar verliehrt der Halbzirkel dadurch alles,53 und die zweite Form, wo dem Halbzir¬ kel noch gerade fortlaufende Seitenwände gegeben werden, vieles.

Die übrigen Formen, als

1) Der Plan, welchen Stieglitz Cochin zuſchreibt. Er beſteht in einem Oval deſſen längerer Durchmeſſer mit der Bühne paralel läuft (Fig. 2). Der erſte welcher dieſe Form angab war unſtrei¬ tig Palladio, welcher das ſogenannte Olympiſche Theater in Vicenza in derſelben erbaute. Der bekannte Le Roi machte von dieſer Form des Pallidio Gebrauch, und gründete da¬ rauf ſeinen Vorſchlag zu einem Schau¬ ſpielhauſe, welches den Anmerkungen des Abts Laugier über die Baukunſt, angehangen iſt. Der Plan hat aller¬ dings Vorzüge vor dem Oval, deſſen kleinerer Durchmeſſer mit der Bühne paralel läuft, in Rückſicht des Hörens54 weil die Zuſchauer nicht ſo weit von der[Scene] entfernt ſind. Allein 1) wird die Form der Scene dadurch äuſserſt unbequem, indem ſie faſt in einem Halbkreiſe vorſpringt, und die Schauſpieler ganz an die Peripherie deſſelben vortreten müſsen, wenn ſie aus den Seitenlogen geſehen werden ſollen. Die Decoration der eigendli¬ chen Scene geht dadurch für die meh¬ reſten Zuſchauer gänzlich verloren. 2) iſt die Form auch nur in kleinen Häuſern anwendbar, wo noch kein Wiederhall möglich iſt; denn findet dieſer ſtatt, ſo muſs dieſe Form nach¬ theiliger als die übrigen ſeyn.

2) Der Plan des Pattes, welcher in ei¬ nem Oval beſteht deſſen kürzerer Durchmeſſer mit der Bühne paralel läuft (Fig. 3). Dieſe Bauart iſt, we¬ gen der Bequehmlichkeit in der An¬55 lage, faſt allgemein befolgt, da man in derſelben aber, ſo bald das Theater groſs iſt, die nachtheiligen Folgen des Wiederhalls bemerkte, oder überall nicht deutlich hören konnte, ſo kün¬ ſtelte man an dieſer Form nach Mög¬ lichkeit. Einige wählten die Elypſe, und legten den einen Brennpunkt der¬ ſelben auf die Scene, andere zogen die Parabel vor, weil alle Schallſtrah¬ len welche in derſelben auffallen ge¬ rade nach der Bühne zurückgebrochen werden. Beide Formen, auch wenn der Baumeiſter ein Oval wählt das von beiden Linien abweicht, ſind we¬ gen des Zurückbrechens des Schalles nach der Bühne in groſsen Häuſern verwerflich.

3) Der Plan des Saunders. Dieſer Architect gab ſich viele Mühe die beſte Form eines Theaters aus Verſu¬56 chen zu beſtimmen. Er zog daher in freien Felde einen Kreis, deſſen Durchmeſſer 100 Fuſs betrug. Auf dieſem Kreiſe ſtellte er allenthalben Menſchen umher, und lieſs im Mittel¬ punkt jemanden reden. Man verſtand ihn in dem ganzen vordern Halbkreiſe. Nun lieſs er den Sprecher zurückgehn, und fand, wenn derſelbe 25 Fuſs vom Mit¬ telpunkt entfernt, und gegen die Pe¬ ripherie rückwärts gegangen war, man ihm auf dem ganzen Kreiſe des Zir¬ kels ſehr gut verſtehen konnte. Er gab nun ſeinem Theater die Form ei¬ nes Kreiſes, der in der Hälfte des Ra¬ dius von der Scene durchſchnitten wird. (Fig. 4). Allein nicht zu erwäh¬ nen, daſs alle Zuſchauer welche in den Seitenlogen ſind, von der Bühne faſt gar nichts ſehen können, brachte Sanders den Wiederhall gar nicht in Anſchlag, welcher ſich in dieſer57 Form ſtärker als in allen übrigen er¬ zeugt.

Alle dieſe vorgeſchlagene Formen ſind alſo ſchlechthin verwerflich, weil ſie entweder auf die Geſetze des Schalles entweder gar nicht Rückſicht nehmen wie Saunders, oder ſie verkehrt an¬ wenden, wie le Roi und Pattes; und folglich in ihren Gebäuden eine Wirkung hervorgebracht wird, welche das Gegentheil von dem enthält was ſie beabſichtigten.

Ich komme jetzt auf

Die Schauſpielhäuſer in welchen der Schall von der Bühne weggebrochen wird.

Wenn der Schall von dem Orte wo er entſteht weggebrochen wird, ſo lehrt die Erfahrung daſs er dadurch auf eine58 groſse Weite fortgeflanzt werden kann, wohin er bei natürlicher Verbreitung nicht gekommen ſein würde, ja daſs er durch dieſe Mittel ſich ſehr verſtärken läſst. Die Beweiſe liefern die Kommu¬ nikationsröhre und das Sprachrohr. Durch erſtere wird der Schall in eben der Stärke fortgepflanzt wie er entſteht, durch das zweite wird er verſtärkt. Der Grund des Unterſchiedes von beiden Wirkungen liegt wie in der Theorie an¬ gezeigt iſt, in der Richtung der Wände zwiſchen welchen der Ton fortgebrochen wird.

Es iſt faſt unbegreiflich wie man dieſen ſo allgemein bekannten Erfah¬ rungen nicht auf den Bau der Schau¬ ſpielhäuſer angewandt hat, da das Vor¬ theilhafte dieſer Anwendung nicht allein aus dem bloſsen Grundſatze von ſelbſt einleuchtet, ſondern auch die Erfahrung59 und Verſuche welche zu machen faſt in jedermanns Gewalt ſtehn, beweiſen, daſs man nicht unrichtig geſchloſsen habe.

Jeder bewundert die deutliche und klare Verbreitung des Schalles in den Baſiliken der Alten, in welchen man überall jedes Wort hört, das an einem Ende, wo die Richter ſich aufhielten, geſprochen wird; und doch iſt die Er¬ ſcheinung ſo leicht und beſtimmt zu erklären: indem der Schall in denſelben von dem Sprechenden weg, (nach den Geſetzen der Kommunikationsröhre) ge¬ brochen wird. In dieſer verbreitet ſich der Schall nicht allein in gerader Rich¬ tung wie er einfällt, ſondern auch alle an die Seiten anſchlagende Schallſtrah¬ len werden unter den Einfallwinkel von dem Sprechenden weggebrochen, ſo daſs jeder Strahl das andere Ende der Röhre erreicht.

60

Daher kommt es, daſs, wenn z. B. in eine 20 bis 30 Fuſs lange[Röhre noch] ſo leiſe geſprochen wird, man am andern Ende alles eben ſo deutlich vernimmt, als ob man das Ohr unmittelbar an den Mund des Sprechenden legte.

Nach eben dieſen Geſetzen wird in den Baſiliken der Schall an den Seiten¬ wänden und der Decke weggebrochen, und bis ans Ende des Gebäudes fortge¬ tragen. Eben dieſe Erſcheinung gewäh¬ ren alle gut gebauten Kirchen, wenn ſie nicht zu breit, oder zu hoch, oder durch unzweckmäſsige Logen ver¬ baut ſind. Was indeſs die Baukünſtler noch eher hätte auf dieſe Bauart auf¬ merkſam machen ſollen, iſt das Schau¬ ſpielhaus in Parma. Es wird faſt in allen Schriften, in welchen über den Schauſpielhausbau geſprochen wird, als eine merkwürdige Erſcheinung angeführt,61 indem man in demſelben überall auf allen Sitzen, jedes Wort der Schauſpie¬ ler deutlich hören kann. Es iſt ſon¬ derbar, aus welchen Gründen ſelbſt ſcharfſinnige Baukünſtler dieſe Eigen¬ ſchaft haben erklären wollen, da der wahre unleugbare Grund ſo nahe liegt. Es hat nehmlich paralel fortlau¬ fende Seitenwände, welche unten mit einen Halbzirkel geſchloſſen ſind. (Fig. 5). Der[Schall] pflanzt ſich alſo in denſelben nach dem Geſetze der Kom¬ munikationsröhre fort, und muſs noth¬ wendig die Eigenſchaft hervorbringen welche man davon rühmt. Ein ſonder¬ barer Erklärungsgrund der ſchönen Ver¬ breitung des Schalles in dieſem Hauſe, iſt der welchen Stieglitz (Encyklop: 614 im 4. Theil) wenn ich nicht irre aus Saunders anführt daſs das mehrſte dazu die Bretter beitrügen mit welchen überall die Wände getäfelt ſind. Die Bretter können nicht62 mehr wirken als jede glatte Kalkwand, nehmlich den Schall fortbrechen, und wenn ſie mehr thun, wenn ſie ſelbſt in Schwingung gerathen und gleich ei¬ nem Reſonanzboden mittönen, ſchaden ſie, wie ich in der Folge zeigen werde, offenbar der Deutlichkeit.

Es iſt alſo der Bau mit paralelen Wänden, und einer nicht zu hohen, mit den Boden paralel laufenden Decke, ohne alle Beſorgniſs des Miſslingens zu em¬ pfehlen, da der Erfolg dem Zweck durch¬ aus entſprechen muſs. Das einzige wo¬ vor der Baukünſtler ſich hüten muſs, iſt: daſs nicht von der, der Bühne ge¬ genüberliegenden Wand eine Rückwir¬ kung des Schalles ein Brechen nach der Bühne zurück, entſtehe. Das einzige Mittel dies zu verhüten iſt: ſie ſo anzulegen, daſs der Schall in kei¬ nen Zeitmoment eine ſo groſse Wieder¬63 ſtands-Maſſe finde, von welcher die Rückwirkung bemerklich werden könnte Dies erreicht der Baumeiſter, wenn er die Schluſswand in einen halben Zir¬ kel verwandelt, und die Sitze ſtu¬ fenförmig über einander anlegt; wie im erſten Abſchnitt erwieſen worden.

Was man gegen dieſe Bauart ein¬ werfen könnte iſt die Unbequemlich¬ keit der Seitenſitze, wie ſie in Parma wirklich ſtatt findet, weil die Zuſchauer ſich ganz auf die Seite wenden müſsen, um nach der Bühne zu ſehen. Allein dem allen iſt abgeholfen, wenn man nach den Beiſpiel des Serlio in Vicenza gar keine Seitenſitze anlegt, ſondern die geſammten Sitze von der Bühne an, mit der hintern Schluſswand paralel in Halbkreiſen, und ſtuffenförmig erbaut. Es wird dadurch nicht allein kein Platz64 velohrnern ſondern vielmehr gewonnen und jeder Zuſchauer hat die Bühne rade vor ſich.

Auch in Hinſicht der Architectoni¬ ſchen Schönheit der Einrichtung ver¬ dient dieſe Bauart den Vorzug, indem die leeren Seitenwände, wie dies in Parma der Fall iſt, vortrefflich decorirt werden können.

Dieſe Decorationen dürfen indeſs nicht in ſtarken Erhöhungen oder Ver¬ tiefungen der Wand beſtehen, wenn ſie den vortheilhaften Wirkungen derſelben nicht ſchädlich werden ſollen. Jede ſtarke Hervorſpringung hemmt das Weg¬ brechen der Schallſtrahlen von der Bühne, und wenn ſie auch nicht im Stande iſt Wiederhall hervorzubringen, ſo ſteht ſie doch der freien Verbreitung im Wege; eben ſo verſchluckt jede Vertiefung die Strahlen65 welche hineinfallen, ohne ſie weiter zu brechen. Je ebner die Wand iſt, je vortheilhafter wirkt ſie für den Schall 'und die Decoration derſelben müſste alſo vorzüglich in Mahlerei beſte¬ hen.

Ich komme jetzt auf Schauſpiel¬ häuſer, in welchen der Schall

nach den Geſetzen des Sprach¬ rohrs verbreitet wird, und de¬ ren Seitenwände folglich nach der Bühne zu in einen ſpitzigen Winkel zuſammen¬ laufen.

Von allen mir bekannten Theatern ſind die Ruinen des alten Theaters zu Athen, deren ich ſchon im erſten Ab¬ ſchnitt erwähnt habe, der einzige BeweisE66von einem Baue nach dieſen Geſetzen. Da der Schall in einem Gebäude dieſer Art nicht allein fortgebrochen, ſondern überdies auch verſtärkt wird; ſo iſt es in die Augen fallend, wie vortheilhaft für groſse Schauplätze dieſe Form ſeyn müſse.

Je mehr indeſs auf die Fortpflan¬ zung des Schalles durch Wegbrechung von den Sprechenden gerechnet wird, je ſorgfältiger muſs alles vermieden wer¬ den was irgend eine Rückwirkung, oder Wiederhall hervorbringen könnte: weil dadurch aller Vortheil wieder vernichtet würde, der aus der Wahl der Form ent¬ ſpringt. Es bleibt alſo für die, nach ei¬ nem ſpitzigen Winkel auseinander lau¬ fenden Seitenwände eines Hauſes nichts übrig, als ſie nach dem Beiſpiel je¬ nes griechiſchen Theaters mit einem Halbzirkel zu ſchlieſsen, und die Sitze67 der Zuſchauer in demſelben ſtufenförmig über einander anzulegen. Die Beweiſe für das Vortheilhafte dieſer Einrichtung ſind bereits in den vorigen Abſchnitten an¬ geführt worden.

Zum Schluſs bemerke ich nun noch, daſs für groſse Theater dieſe Form allen übrigen vorzuziehen ſei, indem eine ge¬ wöhnliche Stimme in derſelben für zwanzigtauſend und mehrere Zuhörer verſtändlich bleiben muſs.

E 268

Dritter Abſchnitt.

Von den Hinderniſſen insbeſondere, welche in Schauspielhäuſern der Verbreitung des Schalles im Wege ſtehn.

Dieſe Hinderniſſe finden ſich theils im Theater (dem Raume, welchen die Zuſchauer einnehmen) theils auf der Bühne. Ich werde von beiden beſon¬ ders reden.

Im Theater rühren ſie entweder von der Form der Einrichtung, oder von dem Mittö¬ nen ſchallender Körper her. Die erſtern ſind in den vorigen Abſchnitten deutlich gezeigt, ich will hier noch auf einiges aufmerkſam machen, was ich vorhin nur andeuten konnte.

Es darf 1) der natürlichen Ver¬ breitung des Schalles nichts in69 den Weg geſetzt werden, wodurch ſie aufgehalten wird. Aus dieſem Fehler wird erklärlich, wie man im Parterre, auch in kleinen Schauſpielhäuſern nicht wohl hört, wenn der Boden eine zu ho¬ rizontale Richtung hat, und ſich hinten nicht genug hebt. Die vordern Zuſchauer ſtehn der Verbrei¬ tung des Schalles nach hinten zu im Wege, der Schall kann nur durch Bre¬ chung von den Seiten und von oben dahin gelangen und muſs folglich ſchwach und unverſtändlich ſeyn. Man ſieht auch hieraus, wie zweckmä¬ ſsig die ſtufenförmige Einrichtung der Sitze, nach Art der alten Theater ſei.

Die nachtheilige Wirkung der Quer¬ wände in den Seitenlogen, iſt gleichfalls hieraus deutlich. Sie hemmen überall die natürliche Verbreitung des Schalles und befördern überdies auch den Wie¬ derhall, und in der Vermeidung des¬70 ſelben beſteht die 2te Hauptregel. Es iſt bereits erwieſen worden, daſs die gänzliche Vermeidung des Wiederhalls nur durch die Einrichtung der Stufen¬ förmigen Sitze für die Zuſchauer mög¬ lich iſt, indem die Seitenlogen überall dem Schalle ſo groſse Maſsen entgegen ſetzen, welche nothwendig eine Rück¬ wirkung hervorbringen müſsen. Die Seitenlogen wären mithin ganz verwerf¬ lich; wenn die Erſpahrung des Raumes an manchen Orten ſie nicht durchaus nothwendig machte; indem bei der Ein¬ richtung der ſtufenförmigen Sitze das ganze Haus nur ſo viel Zuſchauer faſst, als bei der Logeneinrichtung der un¬ tere Raum, Parket und Parterre faſst. Man müſste ſie alſo nur ſo unſchäd¬ lich als möglich zu machen ſuchen. Dies müſste durch ihre Einrichtung er¬ reicht werden, wobei ich zugleich auf das zweite Haupthinderniſs, das71 Mittſchallen gewiſser Körper, Rück¬ ſicht nehmen werde.

Die Erfahrung lehrt, daſs faſst un¬ ter allen Körpern dünne Bretter an leichteſten durch die Erſchütterung der Luft beim Schalle in Bewegung, und folglich zum Mittönen gebracht werden können. Nun ſind die Logen faſst über¬ all mit dergleichen Brettern bekleidet, und dieſem Umſtande iſt allein das Nachhallen und Summen des Tons in kleinen Schauſpielhäuſern zu zuſchrei¬ ben, da ſie zur Entſtehung des Wieder¬ halls nicht Raum genug haben. Um dieſem Uebel abzuhelfen, müſsten die Logen an der Rückſeite eine Steinwand haben, der Boden müſste von ſtarkem Holz, und die Bruſtlehne, wenn ſie ja von Holz ſeyn ſoll, nicht von zuſam¬ menhangenden Brettern, ſondern unter¬ brochen, von Docken erbaut werden. 72Am zweckmäſsigſten würde ſie aus Ei¬ ſen, nach der Art wie die Geländer an Balkons u. ſ. w. gemacht werden kön¬ nen. Die Abſonderungswände der Lo¬ gen müſsen ganz wegfallen, oder dürfen nur wie die Bruſtlehne, angelegt werden. Die Sitze auf den Logen ſelbſt müſsten ſtufenförmig über einander gebaut ſeyn, welches auch das bequeme Sehen ſehr befördern würde.

Einen Einwurf, welchen man oft der Stuffenförmigen Einrichtung der Sitze im Theater überhaupt entgegen¬ ſetzt, muſs ich kurz berühren. Man ſagt es lieſsen ſich bei derſelben nicht wohl ausgezeichnete Plätze, z. B. für fürſtliche Familien u. ſ. w. anbringen. Allein der Bau einer oder etlicher Lo¬ gen in der Mitte des Hauſes, hindert den Vortheilen der Einrichtung im Gan¬ zen durchaus nicht, und hat was die Plätze73 ſelbſt betrift, ungemein viel vor der jet¬ zigen Einrichtung voraus. Denn 1) kä¬ men dieſe Logen der Bühne viel näher welches bei etwas groſsen Häuſern ein bedeutender Vortheil wäre, und 2) ge¬ währte der freie Ueberblick der geſamm¬ ten Zuſchauer ein neues Vergnügen.

Um dieſe Idee noch anſchauli¬ cher zu machen, füge ich in Fig: 6 den Aufriſs einer ſolchen Einrichtung bei.

Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt, daſs dieſer Logen nicht viel ſein, und daſs ſie, was ihren Bau und vorzüglich die Bruſtlehne betrift, eben ſo eingerich¬ tet ſeyn müſsten, wie vorher angegeben worden, nur daſs die ſttufenförmigen Sitze wegfielen.

74

Ich komme jetzt auf die Hinder¬ niſse, welche der Verbreitung des Schal¬ les ſchon auf der Bühne im Wege ſtehen. Nach der gewöhnli¬ chen Einrichtung der Bühne haben die Seitenwände derſelben eine ganz andere Richtung äls die Wände des Theaters; ja die Richtung der Couliſſen iſt ſo, daſs überall kein Schall von ihnen nach dem Theater hin gebrochen werden kann; ſie verſchlucken ihn vielmehr, wenn der Schauſpieler etwas von der Oefnung der Scene zurück ſpricht, und laſsen nichts von ihm übrig als was gerade in das Theater hinein¬ ſchallt.

Es früge ſich nun, ob dieſe durch¬ brochene Seitenwände auf der Bühne nothwendig ſind, ob ſie75 ſich nicht mit einer andern, der Verbreitung des Schalles vortheil¬ haftern Einrichtung vertauſchen lieſsen?

Die Gründe welche man für die Einrichtung mit Couliſsen anführen kann, ſind folgende:

1) Die gröſsere Bequemlichkeit bei Verwandlung der Scenen. Eine ganze feſte Wand mit einer an¬ dern zu vertauſchen, iſt ſchwieriger, als wenn dieſe Wand in kleinere Theile zerlegt wird. Jeder Theil kann dann beſonders gewechſelt, und ſo das Ganze ohne viel Umſtände verän¬ dert werden. Ich werde in der Folge einen Vorſchlag zur Einrichtung der Bühnen thun, welcher dieſen Vortheil in einen viel höhern Grade ge¬ währt, ohne den Nachtheil für76 die Verbreitung des Schalles zu haben, der von den Couliſsen unzertrennlich iſt.

2) Die Beleuchtung der Bühne. Es iſt in der That mit groſsen Schwie¬ rigkeiten verbunden, die Bühne gehö¬ rig zu erhellen, wenn die Seitenwände nicht durchbrochen ſind. Allein dieſe Schwierigkeiten vermindern ſich, wenn man annimmt, daſs gerade die gan¬ zen Seitenwände nicht feſt zu ſeyn brauchen, ſondern nur längſt dem Raume in welchem gewöhnlich ge¬ handelt wird. Man ſucht dies zwar durch die Proſcenien zu bewirken, aber dieſe ſind theils zu klein, um die¬ ſem Zwecke zu entſprechen, theils werden ſie wieder durch die in ihnen angebrachten Logen unwirkſam ge¬ macht.

77

Es ſcheint dem nach, daſs man an die Stelle der Couliſsen die bekann¬ ten Drehmaſchinen der Alten mit ſichtbarem Vortheil ſetzen könn¬ te. Dieſe Maſchinen waren drei¬ eckig, und die Seiten derſelben, wie die Couliſſen bemahlt. Sie bildeten die Sei¬ tenwände der Bühne, und da ſie mit der gröſsten Leichtigkeit herum gedreht werden konnten, war die Veränderung der Scene mit der möglichſten Geſchwin¬ digkeit ausgeführt; wobei noch der Vor¬ theil ſtatt findet, daſs keine Irrung in den Decorationen entſtehen kann, wie bei den beſten Maſchinerien nach der jetzigen Einrichtung ſo oft der Fall iſt, da ein Baum in einem Zimmer oder ein Stück Wand in einem Walde ſicht¬ bar wird.

Dieſe Drehmaſchinen, welche un¬ ten und oben mit einer eiſernen An¬78 gel verſehen ſind, müſsen zwiſchen zwei drei bis ſechs Fuſs breit, bis ſo ein¬ gerichtet ſein, daſs man auf die Seiten die auf Rahmen geſpannte und bemahlte Leinewand leicht weg¬ nehmen, und eine andre an die Stelle ſetzen kann. Soll die Scene ein Zim¬ mer vorſtellen, ſo können ſie gedreht werden, daſs ſie eine feſte Wand bil¬ den, in welcher ordentliche Thüren an¬ gebracht werden können. Stellt die Scene eine freie Gegend vor; ſo können wenigſtens die der Oefnung der Scene am nächſten ſtehenden Maſchinen eine feſte Wand bilden, (Siehe Fig: 7) und die hinteren, der Beleuchtung oder andrer Urſachen wegen, Durchgänge zwiſchen ſich laſſen. In dieſem letztern Falle würde von der Beleuchtung kein Grund gegen den Vorſchlag herzunehmen ſeyn, wohl aber wenn die Wände ganz feſt ſeyn ſollten. Es würde dann ſchwer79 werden die Bühne ganz zu erhellen; doch auch dies wäre, wenn man etwas Koſten nicht ſcheute, durch mehrere mit Spiegeln verſehene Lampen über der Oefnung der Scene zu bewerkſtelligen.

Dieſe Beleuchtungsart würde noch den Vortheil haben, daſs das Licht den Schauſpieler hebt, und der Umſtand nicht eintritt, der bei der jetzigen Einrichtung ihm oft ſo nachtheilig wird, daſs nehm¬ lich die Bühne hinten ungleich heller iſt als vorne, und er als eine dunkle Fi¬ gur ſich vor dem leichten Hintergrunde bewegt. Erforderte auch die Decoration z. B. in einer freien Gegend hinten ein ſtarkes Licht, ſo wird ihn doch die von vorn einfallende ſtarke Beleuchtung nicht ſinken laſsen, und wenigſtens ſein Mi¬ nenſpiel und ſeine feinere Mimik immer ſichtbar erhalten.

Sollten groſse Säle u. s. w. vorgeſtellt werden, ſo würde ja auch die Illuſion80 nicht geſtöhrt werden, wenn die Beleuch¬ tung durch Kronenleuchter, und Lichte auf der Bühne ſelbſt verſtärkt würde. Ueberhaupt bekäme man dadurch das Licht mehr in ſeine Gewalt, und es würde eine Art von Schatten bilden, welches die mahleriſche Wirkung einer Gruppe ungemein erhöhn müſste

Ich habe indeſs dieſe Einrichtung der Bühne hier nur in Rückſicht des Vortheils für die Verbreitung des Schal¬ les angegeben, und einige der Haupt¬ ſchwierigkeiten zu heben geſucht, welche man ihm entgegenſetzen könnte. Es liegt alſo auſser meinem Zwecke, hier die mannigfaltigen Modificationen dieſer Einrichtung, in Betref der Schönheit und des Täuſchenden der Decorationen, die ſchnellere Verwandlung der Bühne welche dadurch möglich wird, und end¬ lich die groſse Erſpahrung derKoſten81Koſten in Betref des Maſchinenweſens überhaupt auszuführen.

Der, für die Verbreitung des Schal¬ les aus dieſer Einrichtung entſpringende, Vortheil iſt, alles zuſammengenommen, folgender:

Man kann den Seitenwänden der Scene eine Richtung geben, welche der Richtung der Sei¬ tenwände des Theaters ent¬ ſpricht, und durch die feſte Einrichtung derſelben es mög¬ lich machen, daſs der Schall ſchon von der Bühne weg in das Theater hin gebrochen, und dadurch die Verbreitung deſſelben ungemein befördert wird.

F82

Ich habe dieſen nicht unwichtigen Theil der, dem Baukünſtler nöthigen Wiſſenſchaft, in einem ſo kurzen Grund¬ riſse vorgelegt, um ihm die Ueberſicht des Ganzen zu erleichtern. Er wird ſich nach einer aufmerkſamen Durchleſung in Stand geſezt finden, den Gegenſtand richtig zu beurtheilen, und die angege¬ benen Regeln auf hundert Fälle anwen¬ den können, die ich nicht anführen durfte, ohne weitläuftig zu werden; ſich auch bei der Klarheit der Sache ſelbſt manchen Einwurf beantworten, den ich überging, und übergehen muſste, wenn ich die mir einmahl vorgeſchriebenen Grenzen nicht überſchreiten wollte.

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About this transcription

TextTheorie der Verbreitung des Schalles für Baukünstler
Author Johann Gottlieb Rhode
Extent95 images; 7916 tokens; 1868 types; 56662 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic informationTheorie der Verbreitung des Schalles für Baukünstler Johann Gottlieb Rhode. . 82 S. FrölichBerlin1800.

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