Der Schauplatz iſt auf Belriguardo, einem Luſtſchloſſe.
[3]Du ſiehſt mich lächlend an, Eleonore, Und ſiehſt dich ſelber an und lächelſt wieder. Was haſt du? Laß es eine Freundinn wiſſen! Du ſcheinſt bedenklich, doch du ſcheinſt ver - gnügt.
Ja, meine Fürſtinn, mit Vergnügen ſeh’ ich Uns beyde hier ſo ländlich ausgeſchmückt. Wir ſcheinen recht beglückte Schäferinnen Und ſind auch wie die Glücklichen beſchäftigt. Wir winden Kränze. Dieſer, bunt von Blumen, Schwillt immer mehr und mehr in meiner Hand, Du haſt mit höherm Sinn und größerm Herzen Den zarten ſchlanken Lorber dir gewählt.
Die Zweige, die ich in Gedanken flocht, Sie haben gleich ein würdig Haupt gefunden, Ich ſetze ſie Virgilen dankbar auf.
So drück’ ich meinen vollen frohen Kranz Dem Meiſter Ludwig auf die hohe Stirne —
Er, deſſen Scherze nie verblühen, habe Gleich von dem neuen Frühling ſeinen Theil.
Mein Bruder iſt gefällig daß er uns In dieſen Tagen ſchon auf’s Land gebracht, Wir können unſer ſeyn und ſtundenlang Uns in die goldne Zeit der Dichter träumen. Ich liebe Belriguardo, denn ich habe Hier manchen Tag der Jugend froh durchlebt, Und dieſes neue Grün und dieſe Sonne Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück.
Ja es umgibt uns eine neue Welt! Der Schatten dieſer immer grünen Bäume Wird ſchon erfreulich. Schon erquickt uns wieder Das Rauſchen dieſer Brunnen, ſchwankend wiegen Im Morgenwinde ſich die jungen Zweige. Die Blumen von den Beeten ſchauen uns Mit ihren Kinderaugen freundlich an. 6Torquato TaſſoDer Gärtner deckt getroſt das Winterhaus Schon der Citronen und Orangen ab, Der blaue Himmel ruhet über uns Und an dem Horizonte löſ’t der Schnee Der fernen Berge ſich in leiſen Duſt.
Es wäre mir der Frühling ſehr willkommen, Wenn er nicht meine Freundinn mir entführte.
Erinnre mich in dieſen holden Stunden, O Fürſtinn, nicht wie bald ich ſcheiden ſoll.
Was du verlaſſen magſt, das findeſt du In jener großen Stadt gedoppelt wieder.
Es ruft die Pflicht, es ruft die Liebe mich Zu dem Gemahl der mich ſo lang’ entbehrt. Ich bring’ ihm[ſeinen] Sohn, der dieſes Jahr So ſchnell gewachſen, ſchnell ſich ausgebildet, Und theile ſeine väterliche Freude. 7Ein Schauſpiel.Groß iſt Florenz und herrlich, doch der Werth Von allen ſeinen aufgehäuften Schätzen Reicht an Ferrara’s Edelſteine nicht. Das Volk hat jene Stadt zur Stadt gemacht, Ferrara ward durch ſeine Fürſten groß.
Mehr durch die guten Menſchen, die ſich hier Durch Zufall trafen und zum Glück verbanden.
Sehr leicht zerſtreut der Zufall was er ſam - melt. Ein edler Menſch zieht edle Menſchen an Und weiß ſie feſt zu halten, wie ihr thut. Um deinen Bruder und um dich verbinden Gemüther ſich, die eurer würdig ſind, Und ihr ſeyd eurer großen Väter werth. Hier zündete ſich froh das ſchöne Licht Der Wiſſenſchaft, des freyen Denkens an, Als noch die Barbarey mit ſchwerer Dämm - rung Die Welt umher verbarg. Mir klang als Kind8Torquato TaſſoDer Name Hercules von Eſte ſchon, Schon Hyppolit von Eſte voll in’s Ohr. Ferrara ward mit Rom und mit Florenz Von meinem Vater viel geprieſen! Oft Hab’ ich mich hingeſehnt; nun bin ich da. Hier ward Petrarch bewirthet, hier gepflegt, Und Arioſt fand ſeine Muſter hier. Italien nennt keinen großen Namen, Den dieſes Haus nicht ſeinen Gaſt genannt. Und es iſt vortheilhaft den Genius Bewirthen: gibſt du ihm ein Gaſtgeſchenk, So läßt er dir ein ſchöneres zurück. Die Stätte, die ein guter Menſch betrat, Iſt. eingeweiht; nach hundert Jahren klingt Sein Wort und ſeine That dem Enkel wieder.
Dem Enkel, wenn er lebhaft fühlt wie du. Gar oft beneid’ ich dich um dieſes Glück.
Das du, wie wenig andre, ſtill und rein Genießeſt. Drängt mich doch das volle Herz9Ein Schauſpiel.Sogleich zu ſagen was ich lebhaft fühle, Du fühlſt es beſſer, fühlſt es tief und — ſchweigſt. Dich blendet nicht der Schein des Augenblicks, Der Witz beſticht dich nicht, die Schmeicheley Schmiegt ſich vergebens künſtlich an dein Ohr: Feſt bleibt dein Sinn und richtig dein Geſchmack, Dein Urtheil g’rad, ſtets iſt dein Antheil groß Am Großen, das du wie dich ſelbſt erkennſt.
Du ſollteſt dieſer höchſten Schmeicheley Nicht das Gewand vertrauter Freundſchaft leihen.
Die Freundſchaft iſt gerecht, ſie kann allein Den ganzen Umfang deines Werths erkennen. Und laß mich der Gelegenheit, dem Glück Auch ſeinen Theil an deiner Bildung geben, Du haſt ſie doch, und biſt’s am Ende doch, Und dich mit deiner Schweſter ehrt die Welt Vor allen großen Frauen eurer Zeit.
Mich kann das, Leonore, wenig rühren, Wenn ich bedenke wie man wenig iſt, Und was man iſt, das blieb man andern ſchuldig. Die Kenntniß alter Sprachen und des Beſten, Was uns die Vorwelt ließ, dank’ ich der Mutter; Doch war an Wiſſenſchaft, an rechtem Sinn Ihr keine beyder Töchter jemals gleich; Und ſoll ſich eine ja mit ihr vergleichen, So hat Lucretia gewiß das Recht. Auch kann ich dir verſichern hab’ ich nie Als Rang und als Beſitz betrachtet, was Mir die Natur, was mir das Glück verlieh. Ich freue mich, wenn kluge Männer ſprechen, Daß ich verſtehen kann wie ſie es meinen. Es ſey ein Urtheil über einen Mann Der alten Zeit und ſeiner Thaten Werth; Es ſey von einer Wiſſenſchaft die Rede, Die, durch Erfahrung weiter ausgebreitet, Dem Menſchen nutzt indem ſie ihn erhebt,11Ein Schauſpiel.Wohin ſich das Geſpräch der Edlen lenkt Ich folge gern, denn mir wird leicht zu folgen. Ich höre gern dem Streit der Klugen zu, Wenn um die Kräfte, die des Menſchen Bruſt So freundlich und ſo fürchterlich bewegen, Mit Grazie die Rednerlippe ſpielt; Gern, wenn die fürſtliche Begier des Ruhms, Des ausgebreiteten Beſitzes Stoff Dem Denker wird, und wenn die feine Klug - heit, Von einem klugen Manne zart entwickelt, Statt uns zu hintergehen uns belehrt.
Und dann nach dieſer ernſten Unterhaltung Ruht unſer Ohr und unſer innrer Sinn Gar freundlich auf des Dichters Reimen aus, Der uns die letzten lieblichſten Gefühle Mit holden Tönen in die Seele flößt. Dein hoher Geiſt umfaßt ein weites Reich, Ich halte mich am liebſten auf der Inſel Der Poeſie in Lorberhainen auf.
In dieſem ſchönen Lande, hat man mir Verſichern wollen, wächſt vor andern Bäumen Die Myrte gern. Und wenn der Muſen gleich Gar viele ſind, ſo ſucht man unter ihnen Sich ſeltner eine Freundinn und Geſpielinn, Als man dem Dichter gern begegnen mag, Der uns zu meiden, ja zu fliehen ſcheint, Etwas zu ſuchen ſcheint das wir nicht kennen, Und er vielleicht am Ende ſelbſt nicht kennt. Da wär’ es denn ganz artig, wenn er uns Zur guten Stunde träfe, ſchnell entzückt Uns für den Schatz erkennte, den er lang’ Vergebens in der weiten Welt geſucht.
Ich muß mir deinen Scherz gefallen laſſen, Er trifft mich zwar, doch trifft er mich nicht tief. Ich ehre jeden Mann und ſein Verdienſt Und ich bin gegen Taſſo nur gerecht. Sein Auge weilt auf dieſer Erde kaum;13Ein Schauſpiel.Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur; Was die Geſchichte reicht, das Leben gibt, Sein Buſen nimmt es gleich und willig auf: Das weit zerſtreute ſammelt ſein Gemüth, Und ſein Gefühl belebt das Unbelebte. Oft adelt er was uns gemein erſchien, Und das Geſchätzte wird vor ihm zu nichts. In dieſem eignen Zauberkreiſe wandelt Der wunderbare Mann und zieht uns an Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen: Er ſcheint ſich uns zu nahn, und bleibt uns fern; Er ſcheint uns anzuſehn, und Geiſter mögen An unſrer Stelle ſeltſam ihm erſcheinen.
Du haſt den Dichter fein und zart geſchildert, Der in den Reichen ſüßer Träume ſchwebt. Allein mir ſcheint auch ihn das Wirkliche Gewaltſam anzuziehn und feſt zu halten. Die ſchönen Lieder, die an unſern Bäumen Wir hin und wieder angeheftet finden, Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien14Torquato TaſſoUns duftend bilden. Erkennſt du ſie nicht alle Für holde Früchte einer wahren Liebe?
Ich freue mich der ſchönen Blätter auch. Mit mannigfalt’gem Geiſt verherrlicht er Ein einzig Bild in allen ſeinen Reimen. Bald hebt er es in lichter Glorie Zum Sternenhimmel auf, beugt ſich verehrend Wie Engel über Wolken vor dem Bilde; Dann ſchleicht er ihm durch ſtille Fluren nach Und jede Blume windet er zum Kranz. Entfernt ſich die Verehrte, heiligt er Den Pfad, den leiſ’ ihr ſchöner Fuß betrat. Verſteckt im Buſche, gleich der Nachtigall, Füllt er aus einem liebekranken Buſen Mit ſeiner Klagen Wohllaut Hain und Luft: Sein reitzend Leid, die ſel’ge Schwermuth lockt Ein jedes Ohr und jedes Herz muß nach —
Und wenn er ſeinen Gegenſtand benennt, So gibt er ihm den Namen Leonore.
Es iſt dein Name wie es meiner iſt. Ich nähm’ es übel wenn’s ein andrer wäre. Mich freut es daß er ſein Gefühl für dich In dieſem Doppelſinn verbergen kann. Ich bin zufrieden daß er meiner auch Bey dieſes Namens holdem Klang gedenkt. Hier iſt die Frage nicht von einer Liebe, Die ſich des Gegenſtands bemeiſtern will, Ausſchließend ihn beſitzen, eiferſüchtig Den Anblick jedem andern wehren möchte. Wenn er in ſeliger Betrachtung ſich Mit deinem Werth beſchäftigt, mag er auch An meinem leichtern Weſen ſich erfreun. Uns liebt er nicht, — verzeih daß ich es ſage! — Aus allen Sphären trägt er was er liebt Auf einen Namen nieder den wir führen, Und ſein Gefühl theilt er uns mit; wir ſchei - nen Den Mann zu lieben, und wir lieben nur Mit ihm das höchſte was wir lieben können.
Du haſt dich ſehr in dieſe Wiſſenſchaft Vertieft, Eleonore, ſagſt mir Dinge, Die mir beynahe nur das Ohr berühren Und in die Seele kaum noch übergehn.
Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen? Was dir ein Neuling vorzuſchwatzen wagt. Es müßte ſeyn daß ich zu ſehr mich irrte, Doch irr’ ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl. Die Liebe zeigt in dieſer holden Schule Sich nicht, wie ſonſt, als ein verwöhntes Kind: Es iſt der Jüngling der mit Pſychen ſich Vermählte, der im Rath der Götter Sitz Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft Von einer Bruſt zur andern hin und her; Er heftet ſich an Schönheit und Geſtalt Nicht gleich mit ſüßem Irrthum feſt, und büßet Nicht ſchnellen Rauſch mit Ekel und Verdruß.
Da kommt mein Bruder, laß uns nicht ver - rathen Wohin ſich wieder das Geſpräch gelenkt, Wir würden ſeinen Scherz zu tragen haben, Wie unſre Kleidung ſeinen Spott erfuhr.
Ich ſuche Taſſo, den ich nirgends finde, Und treff’ ihn — hier ſogar bey euch nicht an. Könnt ihr von ihm mir keine Nachricht geben?
Ich ſah’ ihn geſtern wenig, heute nicht.
Es iſt ein alter Fehler, daß er mehr Die Einſamkeit als die Geſellſchaft ſucht. Goethe’s W. 6. B. B18Torquato TaſſoVerzeih’ ich ihm, wenn er den bunten Schwarm Der Menſchen flieht, und lieber frey im Stillen Mit ſeinem Geiſt ſich unterhalten mag, So kann ich doch nicht loben daß er ſelbſt Den Kreis vermeidet den die Freunde ſchließen.
Irr’ ich mich nicht, ſo wirſt du bald, o Fürſt, Den Tadel in ein frohes Lob verwandeln. Ich ſah’ ihn heut’ von fern; er hielt ein Buch Und eine Tafel, ſchrieb und ging und ſchrieb. Ein flüchtig Wort das er mir geſtern ſagte Schien mir ſein Werk vollendet anzukünden. Er ſorgt nur kleine Züge zu verbeſſern, Um deiner Huld, die ihm ſo viel gewährt, Ein würdig Opfer endlich darzubringen.
Er ſoll willkommen ſeyn wenn er es bringt Und losgeſprochen ſeyn auf lange Zeit. So ſehr ich Theil an ſeiner Arbeit nehme, So ſehr in manchem Sinn das große Werk Mich freut und freuen muß, ſo ſehr vermehrt19Ein Schauſpiel.Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir. Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden, Er ändert ſtets, ruckt langſam weiter vor, Steht wieder ſtill, er hintergeht die Hoffnung; Unwillig ſieht man den Genuß entfernt In ſpäte Zeit, den man ſo nah’ geglaubt.
Ich lobe die Beſcheidenheit, die Sorge, Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht. Nur durch die Gunſt der Muſen ſchließen ſich So viele Reime feſt in eins zuſammen; Und ſeine Seele hegt nur dieſen Trieb Es ſoll ſich ſein Gedicht zum Ganzen ründen. Er will nicht Mährchen über Mährchen häu - fen, Die reitzend unterhalten und zuletzt Wie loſe Worte nur verklingend täuſchen. Laß ihn, mein Bruder! denn es iſt die Zeit Von einem guten Werke nicht das Maß; Und wenn die Nachwelt mit genießen ſoll, So muß des Künſtlers Mitwelt ſich vergeſſen.
Laß uns zuſammen, liebe Schweſter, wirken, Wie wir zu beyder Vortheil oft gethan! Wenn ich zu eifrig bin, ſo lindre du: Und biſt du zu gelind, ſo will ich treiben. Wir ſehen dann auf einmal ihn vielleicht Am Ziel, wo wir ihn lang’ gewünſcht zu ſehn. Dann ſoll das Vaterland, es ſoll die Welt Erſtaunen, welch ein Werk vollendet worden. Ich nehme meinen Theil des Ruhms davon, Und er wird in das Leben eingeführt. Ein edler Menſch kann einem engen Kreiſe Nicht ſeine Bildung danken. Vaterland Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel Muß er ertragen lernen. Sich und andre Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn Wiegt nicht die Einſamkeit mehr ſchmeichelnd ein. Es will der Feind — es darf der Freund nicht ſchonen: Dann übt der Jüngling ſtreitend ſeine Kräfte, Fühlt was er iſt und fühlt ſich bald ein Mann.
So wirſt du, Herr, für ihn noch alles thun, Wie du bisher für ihn ſchon viel gethan. Es bildet ein Talent ſich in der Stille, Sich ein Charakter in dem Strom der Welt. O daß er ſein Gemüth wie ſeine Kunſt An deinen Lehren bilde! Daß er nicht Die Menſchen länger meide, daß ſein Arg - wohn Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß ver - wandle!
Die Menſchen fürchtet nur wer ſie nicht kennt, Und wer ſie meidet wird ſie bald verkennen. Das iſt ſein Fall, und ſo wird nach und nach Ein frey Gemüth verworren und gefeſſelt. So iſt er oft um meine Gunſt beſorgt Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele Hegt er ein[Mißtraun], die, ich weiß es ſicher, Nicht ſeine Feinde ſind. Begegnet ja Daß ſich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter22Torquato TaſſoAus ſeinem Dienſt in einen andern geht, Daß ein Papier aus ſeinen Händen kommt, Gleich ſieht er Abſicht, ſieht Verrätherey Und Tücke die ſein Schickſal untergräbt.
Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergeſſen Daß von ſich ſelbſt der Menſch nicht ſcheiden kann. Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln ſollte, Sich einen Fuß beſchädigte, wir würden Doch lieber langſam gehn und unſre Hand Ihm gern und willig leihen?
Beſſer wär’s, Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich Auf treuen Rath des Arztes eine Cur Verſuchten, dann mit dem Geheilten froh Den neuen Weg des friſchen Lebens gingen. Doch hoff’ ich, meine Lieben, daß ich nie Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade. 23Ein Schauſpiel.Ich thue was ich kann um Sicherheit Und Zutraun ſeinem Buſen einzuprägen. Ich geb’ ihm oft in Gegenwart von Vielen Entſchiedne Zeichen meiner Gunſt. Beklagt Er ſich bey mir, ſo laß’ ich’s unterſuchen; Wie ich es that, als er ſein Zimmer neulich Erbrochen glaubte. Läßt ſich nichts ent - decken, So zeig’ ich ihm gelaſſen wie ich’s ſehe; Und da man alles üben muß, ſo üb’ ich, Weil er’s verdient, an Taſſo die Geduld: Und ihr, ich weiß es, ſteht mir willig bey. Ich hab’ euch nun auf’s Land gebracht und gehe Heut’ Abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet Auf einen Augenblick Antonio ſehen, Er kommt von Rom und hohlt mich ab. Wir haben Viel auszureden, abzuthun. Entſchlüſſe Sind nun zu faſſen, Briefe viel zu ſchreiben, Das alles nöthigt mich zur Stadt zurück.
Erlaubſt du uns daß wir dich hinbegleiten?
Bleibt nur in Belriguardo, geht zuſammen Hinüber nach Conſandoli! Genießt Der ſchönen Tage ganz nach freyer Luſt.
Du kannſt nicht bey uns bleiben? die Ge - ſchäfte Nicht hier ſo gut als in der Stadt verrichten?
Du führſt uns gleich Antonio hinweg, Der uns von Rom ſo viel erzählen ſollte?
Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme Mit ihm ſo bald als möglich iſt, zurück: Dann ſoll er euch erzählen und ihr ſollt Mir ihn belohnen helfen, der ſo viel In meinem Dienſt auf’s neue ſich bemüht. 25Ein Schauſpiel.Und haben wir uns wieder ausgeſprochen, So mag der Schwarm dann kommen, daß es luſtig In unſern Gärten werde, daß auch mir, Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen Wenn ich ſie ſuche gern begegnen mag.
Wir wollen freundlich durch die Finger ſehen.
Dagegen wißt ihr daß ich ſchonen kann.
Schon lange ſeh’ ich Taſſo kommen. Langſam Bewegt er ſeine Schritte, ſteht bisweilen Auf einmal ſtill, wie unentſchloſſen, geht Dann wieder ſchneller auf uns los, und weilt Schon wieder.
Stört ihn, wenn er denkt und dichtet, In ſeinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln.
Nein, er hat uns geſehn, er kommt hierher.
Ich komme langſam dir ein Werk zu bringen, Und zaudre noch es dir zu überreichen. Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet, Wenn es auch gleich geendigt ſcheinen möchte. Allein, war ich beſorgt es unvollkommen Dir hinzugeben, ſo bezwingt mich nun Die neue Sorge: Möcht’ ich doch nicht gern Zu ängſtlich, möcht’ ich nicht undankbar ſcheinen. 27Ein Schauſpiel.Und wie der Menſch nur ſagen kann: Hie bin ich! Daß Freunde ſeiner ſchonend ſich erfreuen: So kann ich auch nur ſagen: Nimm es hin!
Du überraſcheſt mich mit deiner Gabe Und machſt mir dieſen ſchönen Tag zum Feſt. So halt’ ich’s endlich denn in meinen Händen, Und nenn’ es in gewiſſem Sinne mein! Lang’ wünſcht’ ich ſchon, du möchteſt dich ent - ſchließen Und endlich ſagen: Hier! es iſt genug.
Wenn Ihr zufrieden ſeyd, ſo iſt’s vollkommen; Denn euch gehört es zu in jedem Sinn. Betrachtet’ ich den Fleiß den ich verwendet, Sah’ ich die Züge meiner Feder an; So konnt’ ich ſagen: dieſes Werk iſt mein. Doch ſeh’ ich näher an, was dieſer Dichtung Den innren Werth und ihre Würde gibt,28Torquato TaſſoErkenn’ ich wohl, ich hab’ es nur von euch. Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe Aus reicher Willkür freundlich mir geſchenkt, So hatte mich das eigenſinn’ge Glück Mit grimmiger Gewalt von ſich geſtoßen: Und zog die ſchöne Welt den Blick des Knaben Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an, So trübte bald den jugendlichen Sinn Der theuren Eltern unverdiente Noth. Eröffnete die Lippe ſich zu ſingen, So floß ein traurig Lied von ihr herab, Und ich begleitete mit leiſen Tönen Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual. Du warſt allein der aus dem engen Leben Zu einer ſchönen Freyheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freyheit gab, daß meine Seele ſich Zu muthigem Geſang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk er - hält, Euch dank’ ich ihn, denn Euch gehört es zu.
Zum zweytenmal verdienſt du jedes Lob Und ehrſt beſcheiden dich und uns zugleich.
O könnt’ ich ſagen wie ich lebhaft fühle Daß ich von Euch nur habe was ich bringe! Der thatenloſe Jüngling — nahm er wohl Die Dichtung aus ſich ſelbſt? Die kluge Lei - tung Des raſchen Krieges — hat er die erſonnen? Die Kunſt der Waffen, die ein jeder Held An dem beſchiednen Tage kräftig zeigt, Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Muth Und wie ſich Liſt und Wachſamkeit bekämpft, Haſt du mir nicht, o kluger tapfrer Fürſt, Das alles eingeflößt als wäreſt du Mein Genius, der eine Freude fände Sein hohes, unerreichbar hohes Weſen Durch einen Sterblichen zu offenbaren?
Genieße nun des Werks das uns erfreut!
Erfreue dich des Beyfalls jedes Guten.
Des allgemeinen Ruhms erfreue dich.
Mir iſt an dieſem Augenblick genug. An euch nur dacht’ ich wenn ich ſann und ſchrieb, Euch zu gefallen war mein höchſter Wunſch, Euch zu ergetzen war mein letzter Zweck. Wer nicht die Welt in ſeinen Freunden ſieht Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre. Hier iſt mein Vaterland, hier iſt der Kreis In dem ſich meine Seele gern verweilt. Hier horch’ ich auf, hier acht’ ich jeden Wink. Hier ſpricht Erfahrung, Wiſſenſchaft, Ge - ſchmack; Ja, Welt und Nachwelt ſeh’ ich vor mir ſtehn. Die Menge macht den Künſtler irr’ und ſcheu: Nur wer Euch ähnlich iſt, verſteht und fühlt, Nur der allein ſoll richten und belohnen!
Und ſtellen wir denn Welt und Nachwelt vor, So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen. Das ſchöne Zeichen, das den Dichter ehrt, Das ſelbſt der Held, der ſeiner ſtets bedarf, Ihm ohne Neid um’s Haupt gewunden ſieht, Erblick’ ich hier auf deines Anherrn Stirne.
Hat es der Zufall, hat’s ein Genius Geflochten und gebracht? Es zeigt ſich hier Uns nicht umſonſt. Virgilen hör’ ich ſagen: Was ehret ihr die Todten? Hatten die Doch ihren Lohn und Freude da ſie lebten; Und wenn ihr uns bewundert und verehrt, So gebt auch den Lebendigen ihr Theil. Mein Marmorbild iſt ſchon bekränzt genug, Der grüne Zweig gehört dem Leben an.
Du weigerſt dich? Sieh welche Hand den Kranz, Den ſchönen unverwelklichen, dir bietet!
O laßt mich zögern, ſeh’ ich doch nicht ein Wie ich nach dieſer Stunde leben ſoll.
In dem Genuß des herrlichen Beſitzes, Der dich im erſten Augenblick erſchreckt.
Du gönneſt mir die ſeltne Freude, Taſſo, Dir ohne Wort zu ſagen wie ich denke.
Die ſchöne Laſt aus deinen theuren Händen Empfang’ ich knieend auf mein ſchwaches Haupt.
Es lebe der zum erſtenmal bekränzte! Wie zieret den beſcheidnen Mann der Kranz!
Es iſt ein Vorbild nur von jener Krone, Die auf dem Capitol dich zieren ſoll.
Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen, Mit leiſer Lippe lohnt die Freundſchaft hier.
O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder, Nehmt ihn hinweg! Er ſengt mir meine Locken! Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es iſt zu viel!
Es ſchützet dieſer Zweig vielmehr das Haupt Des Manns, der in den heißen Regionen Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
Ich bin nicht werth die Kühlung zu empfin - den, Die nur um Heldenſtirnen wehen ſoll. O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt Ihn zwiſchen Wolken, daß er hoch und höher Und unerreichbar ſchwebe! Daß mein Leben Nach dieſem Ziel ein ewig Wandeln ſey!
Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth Der holden Güter dieſes Lebens ſchätzen; Wer früh genießt, entbehrt in ſeinem Leben Mit Willen nicht was er einmal beſaß; Und wer beſitzt, der, muß gerüſtet ſeyn.
Und wer ſich rüſten will, muß eine Kraft Im Buſen fühlen die ihm nie verſagt. Ach! ſie verſagt mir eben jetzt! Im Glück Verläßt ſie mich, die angeborne Kraft, Die ſtandhaft mich dem Unglück, ſtolz dem Unrecht Begegnen lehrte. Hat die Freude mir, Hat das Entzücken dieſes Augenblicks Das Mark in meinen Gliedern aufgelöſ’t? Es ſinken meine Kniee! Noch einmal Siehſt du, o Fürſtinn, mich gebeugt vor dir! Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg! Daß wie aus einem ſchönen Traum erwacht Ich ein erquicktes neues Leben fühle.
Wenn du beſcheiden ruhig das Talent, Das dir die Götter gaben, tragen kannſt, So lern’ auch dieſe Zweige tragen, die Das ſchönſte ſind was wir dir geben können. Wem einmal, würdig, ſie das Haupt berührt, Dem ſchweben ſie auf ewig um die Stirne.
So laßt mich denn beſchämt von hinnen gehn! Laßt mich mein Glück im tiefen Hain ver - bergen, Wie ich ſonſt meine Schmerzen dort verbarg. Dort will ich einſam wandeln, dort erinnert Kein Auge mich an’s unverdiente Glück. Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen In ſeinem reinen Spiegel einen Mann, Der wunderbar bekränzt im Wiederſchein Des Himmels zwiſchen Bäumen, zwiſchen Felſen Nachdenkend ruht: ſo ſcheint es mir, ich ſehe Elyſium auf dieſer Zauberfläche Gebildet. Still bedenk’ ich mich und frage, Wer mag der Abgeſchiedne ſeyn? Der Jüng - ling Aus der vergangnen Zeit? So ſchön bekränzt? Wer ſagt mir ſeinen Nahmen? Sein Verdienſt? Ich warte lang’ und denke: käme doch Ein andrer und noch einer, ſich zu ihm In freundlichem Geſpräche zu geſellen! 37Ein Schauſpiel.O ſäh’ ich die Heroen, die Poeten Der alten Zeit um dieſen Quell verſammelt! O ſäh’ ich hier ſie immer unzertrennlich, Wie ſie im Leben feſt verbunden waren! So bindet der Magnet durch ſeine Kraft Das Eiſen mit dem Eiſen feſt zuſammen, Wie gleiches Streben Held und Dichter bin - det. Homer vergaß ſich ſelbſt, ſein ganzes Leben War der Betrachtung zweyer Männer heilig, Und Alexander in Elyſium Eilt den Achill und den Homer zu ſuchen. O daß ich gegenwärtig wäre, ſie Die größten Seelen nun vereint zu ſehen!
Erwach! Erwache! Laß uns nicht empfinden Daß du das Gegenwärt’ge ganz verkennſt.
Es iſt die Gegenwart die mich erhöht, Abweſend ſchein’ ich nur, ich bin entzückt.
Ich freue mich, wenn du mit Geiſtern redeſt, Daß du ſo menſchlich ſprichſt und hör’ es gern.
Er iſt gekommen! recht zur guten Stunde. Antonio! — Bring ihn her — Da kommt er ſchon!
Willkommen! der du uns zugleich dich ſelbſt Und gute Bothſchaft bringſt.
Sey uns gegrüßt!
Kaum wag’ ich es zu ſagen welch Vergnügen In eurer Gegenwart mich neu belebt. Vor euren Augen find’ ich alles wieder Was ich ſo lang’ entbehrt. Ihr ſcheint zu - frieden Mit dem was ich gethan, was ich vollbracht, Und ſo bin ich belohnt für jede Sorge, Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten, Bald abſichtsvoll verlornen Tag. Wir haben Nun was wir wünſchen, und kein Streit iſt mehr.
Auch ich begrüße dich, wenn ich ſchon zürne. Du kommſt nur eben da ich reiſen muß.
Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde, Nimmſt du mir gleich den ſchönen Theil hin - weg.
Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.
Du wirſt mich wahrhaft finden, wenn du je Aus deiner Welt in meine ſchauen magſt.
Wenn du mir gleich in Briefen ſchon gemeldet Was du gethan und wie es dir ergangen; So hab’ ich doch noch manches auszufragen Durch welche Mittel das Geſchäft gelang? Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt Wohl abgemeſſen ſeyn, wenn er zuletzt An deinen eignen Zweck dich führen ſoll. Wer ſeines Herren Vortheil rein bedenkt, Der hat in Rom gar einen ſchweren Stand: Denn Rom will Alles nehmen, geben Nichts; Und kommt man hin um etwas zu erhalten, Erhält man nichts, man bringe denn was hin, Und glücklich, wenn man da noch ’was erhält.
Es iſt nicht mein Betragen, meine Kunſt, Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht. Denn welcher Kluge fänd’ im Vatican Nicht ſeinen Meiſter? Vieles traf zuſammen Das ich zu unſerm Vortheil nutzen konnte. Dich ehrt Gregor und grüßt und ſegnet dich. Der Greis, der würdigſte dem eine Krone Das Haupt belaſtet, denkt der Zeit mit Freu - den, Da er in ſeinen Arm dich ſchloß. Der Mann Der Männer unterſcheidet, kennt und rühmt Dich hoch! Um deinetwillen that er viel.
Ich freue ſeiner guten Meinung mich, So fern ſie redlich iſt. Doch weißt du wohl, Vom Vatican herab ſieht man die Reiche Schon klein genug zu ſeinen Füßen liegen, Geſchweige denn die Fürſten und die Men - ſchen. Geſtehe nur was dir am meiſten half!
Gut! wenn du willſt: der hohe Sinn des Pabſts. Er ſieht das Kleine klein, das Große groß. Damit er einer Welt gebiete, gibt Er ſeinen Nachbarn gern und freundlich nach. Das Streifchen Land, das er dir überläßt, Weiß er, wie deine Freundſchaft, wohl zu ſchätzen. Italien ſoll ruhig ſeyn, er will In ſeiner Nähe Freunde ſehen, Friede Bey ſeinen Gränzen halten, daß die Macht Der Chriſtenheit, die er gewaltig lenkt, Die Türken da, die Ketzer dort vertilge.
Weiß man die Männer, die er mehr als andre Begünſtigt, die ſich ihm vertraulich nahn?
Nur der erfahrne Mann beſitzt ſein Ohr, Der thätige ſein Zutraun, ſeine Gunſt. 43Ein Schauſpiel.Er, der von Jugend auf dem Staat gedient, Beherrſcht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe, Die er vor Jahren als Geſandter ſchon Geſehen und gekannt und oft gelenkt. Es liegt die Welt ſo klar vor ſeinem Blick Als wie der Vortheil ſeines eignen Staats. Wenn man ihn handeln ſieht, ſo lobt man ihn Und freut ſich, wenn die Zeit entdeckt was er Im Stillen lang bereitet und vollbracht. Es iſt kein ſchönrer Anblick in der Welt Als einen Fürſten ſehn der klug regiert; Das Reich zu ſehn, wo jeder ſtolz gehorcht, Wo jeder ſich nur ſelbſt zu dienen glaubt Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.
Wie ſehnlich wünſcht’ ich jene Welt einmal Recht nah zu ſehn!
Doch wohl um mit zu wirken? Denn bloß beſchaun wird Leonore nie. Es wäre doch recht artig, meine Freundinn,44Torquato TaſſoWenn in das große Spiel wir auch zuweilen Die zarten Hände miſchen könnten — Nicht?
Du willſt mich reitzen, es gelingt dir nicht.
Ich bin dir viel von andern Tagen ſchuldig.
Nun gut, ſo bleib’ ich heut in deiner Schuld! Verzeih’ und ſtöre meine Fragen nicht.
Hat er für die Nipoten viel gethan?
Nicht weniger noch mehr als billig iſt. Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht Zu ſorgen weiß, wird von dem Volke ſelbſt Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat Als wackre Männer dienen, und erfüllt Mit Einer Sorge zwey verwandte Pflichten.
Erfreut die Wiſſenſchaft, erfreut die Kunſt Sich ſeines Schutzes auch? und eifert er Den großen Fürſten alter Zeiten nach?
Er ehrt die Wiſſenſchaft, ſo fern ſie nutzt, Den Staat regieren, Völker kennen lehrt; Er ſchätzt die Kunſt, ſo fern ſie ziert, ſein Rom Verherrlicht, und Pallaſt und Tempel Zu Wunderwerken dieſer Erde macht. In ſeiner Nähe darf nichts müßig ſeyn! Was gelten ſoll, muß wirken und muß dienen.
Und glaubſt du, daß wir das Geſchäfte bald Vollenden können? daß ſie nicht zuletzt Noch hie und da uns Hinderniſſe ſtreuen?
Ich müßte ſehr mich irren, wenn nicht gleich Durch deinen Nahmenszug, durch wenig Briefe Auf immer dieſer Zwiſt gehoben wäre.
So lob’ ich dieſe Tage meines Lebens Als eine Zeit des Glückes und Gewinns. Erweitert ſeh’ ich meine Gränze, weiß Sie für die Zukunft ſicher. Ohne Schwert - ſchlag Haſt du’s geleiſtet, eine Bürgerkrone Dir wohl verdient. Es ſollen unſre Frauen Vom erſten Eichenlaub am ſchönſten Morgen Geflochten dir ſie um die Stirne legen. Indeſſen hat mich Taſſo auch bereichert; Er hat Jeruſalem für uns erobert, Und ſo die neue Chriſtenheit beſchämt; Ein weit entferntes, hoch geſtecktes Ziel Mit frohem Muth und ſtrengem Fleiß er - reicht. Für ſeine Mühe ſiehſt du ihn gekrönt.
Du löſeſt mir ein Räthſel. Zwey Bekränzte Erblickt’ ich mit Verwundrung da ich kam.
Wenn du mein Glück vor deinen Augen ſiehſt; So wünſcht’ ich, daß du mein beſchämt Ge - müth Mit eben dieſem Blicke ſchauen könnteſt.
Mir war es lang’ bekannt, daß im Belohnen Alphons unmäßig iſt, und du erfährſt Was jeder von den Seinen ſchon erfuhr.
Wenn du erſt ſiehſt was er geleiſtet hat, So wirſt du uns gerecht und mäßig finden. Wir ſind nur hier die erſten ſtillen Zeugen Des Beyfalls, den die Welt ihm nicht verſagt, Und den ihm zehnfach künft’ge Jahre gönnen.
Er iſt durch euch ſchon ſeines Ruhms gewiß. Wer dürfte zweifeln, wo Ihr preiſen könnt? Doch ſage mir, wer druckte dieſen Kranz Auf Arioſtens Stirne?
Dieſe Hand.
Und ſie hat wohl gethan! Er ziert ihn ſchön, Als ihn der Lorber ſelbſt nicht zieren würde. Wie die Natur die innig reiche Bruſt Mit einem grünen, bunten Kleide deckt, So hüllt er alles was den Menſchen nur Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann, In’s blühende Gewand der Fabel ein. Zufriedenheit, Erfahrung und Verſtand Und Geiſteskraft, Geſchmack und reiner Sinn Für’s wahre Gute, geiſtig ſcheinen ſie In ſeinen Liedern und perſönlich doch Wie unter Blüthen-Bäumen auszuruhn, Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blü - then, Umkränzt von Roſen, wunderlich umgaukelt Vom loſen Zauberſpiel der Amoretten. Der Quell des Ueberfluſſes rauſcht darneben, Und läßt uns bunte Wunderfiſche ſehn. 49Ein Schauſpiel.Von ſeltenem Geflügel iſt die Luft, Von fremden Herden Wieſ’ und Buſch er - füllt, Die Schalkheit lauſcht im Grünen halb ver - ſteckt, Die Weisheit läßt von einer goldnen Wolke Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche könen, Indeß auf wohl geſtimmter Laute wild Der Wahnſinn hin und her zu wühlen ſcheint Und doch im ſchönſten Tact ſich mäßig hält. Wer neben dieſem Mann ſich wagen darf, Verdient für ſeine Kühnheit ſchon den Kranz. Vergebt, wenn ich mich ſelbſt begeiſtert fühle, Wie ein Verzückter weder Zeit noch Ort, Noch was ich ſage wohl bedenken kann; Denn alle dieſe Dichter, dieſe Kränze, Das ſeltne feſtliche Gewand der Schönen Verſetzt mich aus mir ſelbſt in fremdes Land.
Wer Ein Verdienſt ſo wohl zu ſchätzen weiß, Der wird das andre nicht verkennen. DuGoethe’s W 6. B. D50Torquato Taſſo.Sollſt uns dereinſt in Taſſo’s Liedern zeigen Was wir gefühlt und was nur du erkennſt.
Komm mit, Antonio! manches hab’ ich noch, Worauf ich ſehr begierig bin, zu fragen. Dann ſollſt du bis zum Untergang der Sonne Den Frauen angehören. Komm! Lebt wohl.
Unſicher folgen meine Schritte dir, O Fürſtinn, und Gedanken ohne Maß Und Ordnung regen ſich in meiner Seele. Mir ſcheint die Einſamkeit zu winken, mich Gefällig anzulispeln: komm, ich löſe Die neu erregten Zweifel deiner Bruſt. Doch werf’ ich einen Blick auf dich, vernimmt Mein horchend Ohr ein Wort von deiner Lippe,D 252Torquato TaſſoSo wird ein neuer Tag um mich herum Und alle Bande fallen von mir los. Ich will dir gern geſtehn, es hat der Mann, Der unerwartet zu uns trat, nicht ſanft Aus einem ſchönen Traum mich aufgeweckt; Sein Weſen, ſeine Worte haben mich So wunderbar getroffen, daß ich mehr Als je mich doppelt fühle, mit mir ſelbſt Auf’s neu’ in ſtreitender Verwirrung bin.
Es iſt unmöglich, daß ein alter Freund, Der lang’ entfernt ein fremdes Leben führte, Im Augenblick da er uns wiederſieht Sich wieder gleich wie ehmals finden ſoll. Er iſt in ſeinem Innern nicht verändert; Laß uns mit ihm nur wenig Tage leben, So ſtimmen ſich die Saiten hin und wieder, Bis glücklich eine ſchöne Harmonie Auf’s neue ſie verbindet. Wird er dann Auch näher kennen was du dieſe Zeit Geleiſtet haſt: ſo ſtellt er dich gewiß53Ein Schauſpiel.Dem Dichter an die Seite, den er jetzt Als einen Rieſen dir entgegen ſtellt.
Ach meine Fürſtinn, Arioſtens Lob Aus ſeinem Munde hat mich mehr ergetzt Als daß es mich beleidigt hätte. Tröſtlich Iſt es für uns den Mann gerühmt zu wiſſen, Der als ein großes Muſter vor uns ſteht. Wir können uns im ſtillen Herzen ſagen: Erreichſt du einen Theil von ſeinem Werth, Bleibt dir ein Theil auch ſeines Ruhms gewiß. Nein, was das Herz im tiefſten mir bewegte, Was mir noch jetzt die ganze Seele füllt, Es waren die Geſtalten jener Welt, Die ſich lebendig, raſtlos, ungeheuer Um Einen großen, einzig klugen Mann Gemeſſen dreht und ihren Lauf vollendet, Den ihr der Halbgott vorzuſchreiben wagt. Begierig horcht’ ich auf, vernahm mit Luft Die ſichern Worte des erfahrnen Mannes; Doch ach! je mehr ich horchte, mehr und mehr54Torquato TaſſoVerſank ich vor mir ſelbſt, ich fürchtete Wie Echo an den Felſen zu verſchwinden, Ein Wiederhall, ein Nichts mich zu verlieren.
Und ſchienſt noch kurz vorher ſo rein zu füh - len, Wie Held und Dichter für einander leben, Wie Held und Dichter ſich einander ſuchen, Und keiner je den andern neiden ſoll? Zwar herrlich iſt die liedeswerthe That, Doch ſchön iſt’s auch, der Thaten ſtärkſte Fülle Durch würd’ge Lieder auf die Nachwelt brin - gen. Begnüge dich aus einem kleinen Staate, Der dich beſchützt, dem wilden Lauf der Welt, Wie von dem Ufer, ruhig zuzuſehn.
Und ſah’ ich hier mit Staunen nicht zuerſt, Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt? Als unerfahrner Knabe kam ich her,55Ein Schauſpiel.In einem Augenblick, da Feſt auf Feſt Ferrara zu dem Mittelpunct der Ehre Zu machen ſchien. O! welcher Anblick war’s! Den weiten Platz, auf dem in ihrem Glanze Gewandte Tapferkeit ſich zeigen ſollte, Umſchloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht So bald zum zweytenmal beſcheinen wird. Es ſaßen hier gedrängt die ſchönſten Frauen, Gedrängt die erſten Männer unſrer Zeit. Erſtaunt durchlief der Blick die edle Menge; Man rief: Sie alle hat das Vaterland, Das Eine, ſchmale, meerumgebne Land, Hierher geſchickt. Zuſammen bilden ſie Das herrlichſte Gericht, das über Ehre, Verdienſt und Tugend je entſchieden hat. Gehſt du ſie einzeln durch, du findeſt keinen, Der ſeines Nachbarn ſich zu ſchämen brau - che! — Und dann eröffneten die Schranken ſich. Da ſtampften Pferde, glänzten Helm und Schilde, Da drängten ſich die Knappen, da erklang56Torquato TaſſoTrompetenſchall, und Lanzen krachten ſplit - ternd, Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd Des Siegers Ehre, des Beſiegten Schmach. O laß mich einen Vorhang vor das ganze, Mir allzu helle Schauſpiel ziehen, daß In dieſem ſchönen Augenblicke mir Mein Unwerth nicht zu heftig fühlbar werde.
Wenn jener edle Kreis, wenn jene Thaten Zu Müh und Streben damals dich entflamm - ten, So konnt’ ich, junger Freund, zu gleicher Zeit Der Duldung ſtille Lehre dir bewähren. Die Feſte, die du rühmſt, die hundert Zungen Mir damals prieſen und mir manches Jahr Nachher geprieſen haben, ſah’ ich nicht. Am ſtillen Ort wohin kaum unterbrochen Der letzte Wiederhall der Freude ſich Verlieren konnte, mußt’ ich manche Schmerzen57Ein Schauſpiel.Und manchen traurigen Gedanken leiden. Mit breiten Flügeln ſchwebte mir das Bild Des Todes vor den Augen, deckte mir Die Ausſicht in die immer neue Welt. Nur nach und nach entfernt’ es ſich, und ließ Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben Des Lebens, blaß doch angenehm, erblicken. Ich ſah’ lebend’ge Formen wieder ſanft ſich regen. Zum erſtenmal trat ich, noch unterſtützt Von meinen Frauen, aus dem Krankenzim - mer, Da kam Lukretia voll frohen Lebens Herbey und führte dich an ihrer Hand. Du warſt der erſte, der im neuen Leben Mir neu und unbekannt entgegen trat. Da hofft’ ich viel für dich und mich, auch hat Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.
Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel Des drängenden Gewühls, von ſo viel Glanz58Torquato TaſſoGeblendet, und von mancher Leidenſchaft Bewegt, durch ſtille Gänge des Pallaſts An deiner Schweſter Seite ſchweigend ging, Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald Auf deine Frau’n gelehnt erſchieneſt — Mir Welch ein Moment war dieſer! O! Vergib! Wie den Bezauberten von Rauſch und Wahn Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; So war auch ich von aller Phantaſie, Von jeder Sucht, von jedem falſchen Triebe Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt. Wenn unerfahren die Begierde ſich Nach tauſend Gegenſtänden ſonſt verlor, Trat ich beſchämt zuerſt in mich zurück, Und lernte nun das Wünſchenswerthe kennen. So ſucht man in dem weiten Sand des Meers Vergebens eine Perle, die verborgen In ſtillen Schalen eingeſchloſſen ruht.
Es fingen ſchöne Zeiten damals an, Und hätt’ uns nicht der Herzog von Urbino59Ein Schauſpiel.Die Schweſter weggeführt, uns wären Jahre Im ſchönen ungetrübten Glück verſchwunden. Doch leider jetzt vermiſſen wir zu ſehr Den frohen Geiſt, die Bruſt voll Muth und Leben, Den reichen Witz der liebenswürd’gen Frau.
Ich weiß es nur zu wohl, ſeit jenem Tage Da ſie von hinnen ſchied, vermochte dir Die reine Freude niemand zu erſetzen. Wie oft zerriß es meine Bruſt! Wie oft Klagt’ ich dem ſtillen Hain mein Leid um dich! Ach! rief ich aus, hat denn die Schweſter nur Das Glück, das Recht, der Theuern viel zu ſeyn? Iſt denn kein Herz mehr werth, daß ſie ſich ihm Vertrauen dürfte, kein Gemüth dem ihren Mehr gleich geſtimmt? Iſt Geiſt und Witz verloſchen? Und war die Eine Frau, ſo trefflich ſie60Torquato TaſſoAuch war, denn alles? Fürſtinn! o verzeih’! Da dacht’ ich manchmal an mich ſelbſt und wünſchte Dir etwas ſeyn zu können. Wenig nur, Doch etwas, nicht mit Worten, mit der That Wünſcht’ ich’s zu ſeyn, im Leben dir zu zeigen, Wie ſich mein Herz im Stillen dir geweiht. Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft That ich im Irrthum was dich ſchmerzen mußte, Beleidigte den Mann, den du beſchützteſt, Verwirrte unklug was du löſen wollteſt, Und fühlte ſo mich ſtets im Augenblick, Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.
Ich habe, Taſſo, deinen Willen nie Verkannt, und weiß wie du dir ſelbſt zu ſchaden Geſchäftig biſt. Anſtatt daß meine Schweſter Mit jedem, wie er ſey, zu leben weiß, So kannſt du ſelbſt nach vielen Jahren kaum In einen Freund dich finden.
Tadle mich! Doch ſage mir hernach, wo iſt der Mann? Die Frau? mit der ich wie mit dir Aus freyem Buſen wagen darf zu reden.
Du ſollteſt meinem Bruder dich vertraun.
Er iſt mein Fürſt! — Doch glaube nicht, daß mir Der Freyheit wilder Trieb den Buſen blähe. Der Menſch iſt nicht geboren frey zu ſeyn, Und für den Edeln iſt kein ſchöner Glück, Als einen Fürſten, den er ehrt, zu dienen. Und ſo iſt er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieſes großen Worts. Nun muß ich ſchweigen lernen wenn er ſpricht, Und thun wenn er gebiethet, mögen auch Verſtand und Herz ihm lebhaft widerſpre - chen.
Das iſt der Fall bey meinem Bruder nie. Und nun, da wir Antonio wieder haben, Iſt dir ein neuer kluger Freund gewiß.
Ich hofft’ es ehmals, jetzt verzweifl’ ich faſt. Wie lehrreich wäre mir ſein Umgang, nützlich Sein Rath in tauſend Fällen! Er beſitzt, Ich mag wohl ſagen, alles was mir fehlt. Doch — haben alle Götter ſich verſammelt Geſchenke ſeiner Wiege darzubringen? Die Grazien ſind leider ausgeblieben, Und wem die Gaben dieſer Holden fehlen, Der kann zwar viel beſitzen, vieles geben, Doch läßt ſich nie an ſeinem Buſen ruhn.
Doch läßt ſich ihm vertraun, und das iſt viel. Du mußt von Einem Mann nicht alles fordern, Und dieſer leiſtet was er dir verſpricht. Hat er ſich erſt für deinen Freund erklärt, So ſorgt er ſelbſt für dich wo du dir fehlſt. 63Ein Schauſpiel.Ihr müßt verbunden ſeyn! Ich ſchmeichle mir Dieß ſchöne Werk in kurzem zu vollbringen. Nur widerſtehe nicht wie du es pflegſt! So haben wir Lenoren lang’ beſeſſen, Die fein und zierlich iſt, mit der es leicht Sich leben läßt; auch dieſer haſt du nie, Wie ſie es wünſchte, näher treten wollen.
Ich habe dir gehorcht, ſonſt hätt’ ich mich Von ihr entfernt anſtatt mich ihr zu nahen. So liebenswürdig ſie erſcheinen kann, Ich weiß nicht wie es iſt, konnt’ ich nur ſelten Mit ihr ganz offen ſeyn, und wenn ſie auch Die Abſicht hat, den Freunden wohlzuthun, So fühlt man Abſicht und man iſt verſtimmt.
Auf dieſem Wege werden wir wohl nie Geſellſchaft finden, Taſſo! Dieſer Pfad Verleitet uns durch einſames Gebüſch, Durch ſtille Thäler fortzuwandern; mehr64Torquato TaſſoUnd mehr verwöhnt ſich das Gemüth, und ſtrebt Die goldne Zeit, die ihm von außen mangelt, In ſeinem Innern wieder herzuſtellen, So wenig der Verſuch gelingen will.
O welches Wort ſpricht meine Fürſtinn aus! Die goldne Zeit wohin iſt ſie geflohn? Nach der ſich jedes Herz vergebens ſehnt! Da auf der freyen Erde Menſchen ſich Wie frohe Herden im Genuß verbreiteten; Da ein uralter Baum auf bunter Wieſe Dem Hirten und der Hirtinn Schatten gab, Ein jüngeres Gebüſch die zarten Zweige Um ſehnſuchtsvolle Liebe traulich ſchlang; Wo klar und ſtill auf immer reinem Sande Der weiche Fluß die Nymphe ſanft umfing; Wo in dem Graſe die geſcheuchte Schlange Unſchädlich ſich verlor, der kühne Faun Vom tapfern Jüngling bald beſtraft entfloh; Wo jeder Vogel in der freyen Luft65Ein Schauſpiel.Und jedes Thier durch Berg und Thäler ſchweifend Zum Menſchen ſprach: erlaubt iſt was gefällt.
Mein Freund, die goldne Zeit iſt wohl vorbey: Allein die Guten bringen ſie zurück; Und ſoll ich dir geſtehen wie ich denke, Die goldne Zeit, womit der Dichter uns Zu ſchmeicheln pflegt, die ſchöne Zeit, ſie war, So ſcheint es mir, ſo wenig als ſie iſt, Und war ſie je, ſo war ſie nur gewiß, Wie ſie uns immer wieder werden kann. Noch treffen ſich verwandte Herzen an Und theilen den Genuß der ſchönen Welt; Nur in dem Wahlſpruch ändert ſich, mein Freund, Ein einzig Wort: erlaubt iſt was ſich ziemt.
O wenn aus guten, edlen Menſchen nur Ein allgemein Gericht beſtellt entſchiede,Goethe’s W. 6. B. E66Torquato TaſſoWas ſich denn ziemt! Anſtatt daß jeder glaubt, Es ſey auch ſchicklich was ihm nützlich iſt. Wir ſehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen Steht alles wohl, und er erlaubt ſich alles.
Willſt du genau erfahren was ſich ziemt; So frage nur bey edlen Frauen an. Denn ihnen iſt am meiſten dran gelegen, Daß alles wohl ſich zieme was geſchieht. Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer Das zarte leicht verletzliche Geſchlecht. Wo Sittlichkeit regiert, regieren ſie, Und wo die Frechheit herrſcht, da ſind ſie nichts. Und wirſt du die Geſchlechter beyde fragen: Nach Freyheit ſtrebt der Mann, das Weib nach Sitte.
Du nenneſt uns unbändig, roh, gefühllos?
Nicht das! Allein ihr ſtrebt nach fernen Gü - tern, Und euer Streben muß gewaltſam ſeyn. Ihr wagt es, für die Ewigkeit zu handeln, Wenn wir ein einzig nah beſchränktes Gut Auf dieſer Erde nur beſitzen möchten, Und wünſchen, daß es uns beſtändig bliebe. Wir ſind von keinem Männerherzen ſicher, Das noch ſo warm ſich einmal uns ergab. Die Schönheit iſt vergänglich, die ihr doch Allein zu ehren ſcheint. Was übrig bleibt, Das reitzt nicht mehr, und was nicht reitzt, iſt todt. Wenn’s Männer gäbe, die ein weiblich Herz Zu ſchätzen wüßten, die erkennen möchten, Welch einen holden Schatz von Treu’ und Liebe Der Buſen einer Frau bewahren kann, Wenn das Gedächtniß einzig ſchöner Stunden In euren Seelen lebhaft bleiben wollte, Wenn euer Blick, der ſonſt durchdringend iſt, Auch durch den Schleyer dringen könnte, denE 268Torquato TaſſoUns Alter oder Krankheit überwirft, Wenn der Beſitz, der ruhig machen ſoll, Nach fremden Gütern euch nicht lüſtern machte: Dann wär’ uns wohl ein ſchöner Tag erſchie - nen, Wir feierten dann unſre goldne Zeit.
Du ſagſt mir Worte, die in meiner Bruſt Halb ſchon entſchlafne Sorgen mächtig regen.
Was meinſt du, Taſſo? rede frey mit mir.
Oft hört’ ich ſchon, und dieſe Tage wieder Hab’ich’s gehört, ja hätt’ ich’s nicht vernommen, So müßt’ ich’s denken: edle Fürſten ſtreben Nach deiner Hand! Was wir erwarten müſſen, Das fürchten wir und möchten ſchier verzwei - feln,69Ein Schauſpiel.Verlaſſen wirſt du uns, es iſt natürlich; Doch wie wir’s tragen wollen, weiß ich nicht.
Für dieſen Augenblick ſeyd unbeſorgt! Faſt möcht’ ich ſagen: unbeſorgt für immer. Hier bin ich gern und gerne mag ich bleiben; Noch weiß ich kein Verhältniß, das mich lockte; Und wenn ihr mich denn ja behalten wollt, So laßt es mir durch Eintracht ſehn, und ſchafft Euch ſelbſt ein glücklich Leben, mir durch euch.
O lehre mich das Mögliche zu thun! Gewidmet ſind dir alle meine Tage. Wenn dich zu preiſen, dir zu danken ſich Mein Herz entfaltet, dann empfind’ ich erſt Das reinſte Glück, das Menſchen fühlen kön - nen. Das göttlichſte erfuhr ich nur in dir. So unterſcheiden ſich die Erdengötter Vor andern Menſchen, wie das hohe Schickſal70Torquato TaſſoVom Rath und Willen ſelbſt der klügſten Männer Sich unterſcheidet. Vieles laſſen ſie, Wenn wir gewaltſam Wog’ auf Woge ſehn, Wie leichte Wellen, unbemerkt vorüber Vor ihren Füßen rauſchen, hören nicht Den Sturm, der uns umſauſ’t und niederwirft, Vernehmen unſer Flehen kaum, und laſſen, Wie wir beſchränkten armen Kindern thun, Mit Seufzern und Geſchrey die Luft uns füllen. Du haſt mich oft, o Göttliche, geduldet, Und wie die Sonne, trocknete dein Blick Den Thau von meinen Augenliedern ab.
Es iſt ſehr billig, daß die Frauen dir Auf’s freundlichſte begegnen, es verherrlicht Dein Lied auf manche Weiſe das Geſchlecht. Zart oder tapfer, haſt du ſtets gewußt Sie liebenswerth und edel vorzuſtellen: Und wenn Armide haſſenswerth erſcheint, Verſöhnt ihr Reitz und ihre Liebe bald.
Was auch in meinem Liede wiederklingt, Ich bin nur Einer, Einer alles ſchuldig! Es ſchwebt kein geiſtig unbeſtimmtes Bild Vor meiner Stirne, das der Seele bald Sich überglänzend nahte, bald entzöge. Mit meinen Augen hab’ ich es geſehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens ſtille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es ſind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, ſie ſind ewig, denn ſie ſind. Und was hat mehr das Recht, Jahrhunderte Zu bleiben und im Stillen fortzuwirken, Als das Geheimniß einer edlen Liebe, Dem holden Lied beſcheiden anvertraut?
Und ſoll ich dir noch einen Vorzug ſagen, Den unvermerkt ſich dieſes Lied erſchleicht? 72Torquato TaſſoEs lockt uns nach und nach, wir hören zu, Wir hören und wir glauben zu verſtehn, Was wir verſtehn, das können wir nicht ta - deln, Und ſo gewinnt uns dieſes Lied zuletzt.
Welch einen Himmel öffneſt du vor mir, O Fürſtinn! Macht mich dieſer Glanz nicht blind, So ſeh’ ich unverhofft ein ewig Glück Auf goldnen Strahlen herrlich niederſteigen.
Nicht weiter, Taſſo! Viele Dinge ſind’s, Die wir mit Heftigkeit ergreifen ſollen: Doch andre können nur durch Mäßigung Und durch Entbehren unſer eigen werden. So, ſagt man, ſey die Tugend, ſey die Liebe, Die ihr verwandt iſt. Das bedenke wohl!
Iſt dir’s erlaubt die Augen aufzuſchlagen? Wagſt du’s umherzuſehn? Du biſt allein! Vernahmen dieſe Säulen was ſie ſprach? Und haſt du Zeugen, dieſe ſtumme Zeugen Des höchſten Glücks zu fürchten? Es erhebt Die Sonne ſich des neuen Lebenstages, Der mit den vorigen ſich nicht vergleicht. Hernieder ſteigend hebt die Göttinn ſchnell Den Sterblichen hinauf. Welch neuer Kreis Entdeckt ſich meinem Auge, welches Reich! Wie köſtlich wird der heiße Wunſch belohnt! Ich träumte mich dem höchſten Glücke nah, Und dieſes Glück iſt über alle Träume. Der Blindgeborne denke ſich das Licht, Die Farben wie er will, erſcheinet ihm Der neue Tag, iſt’s ihm ein neuer Sinn. Voll Muth und Ahndung, freudetrunken, ſchwankend Betret’ ich dieſe Bahn. Du gibſt mir viel,74Torauato TaſſoDu gibſt, wie Erd’ und Himmel uns Geſchenke Mit vollen Händen übermäßig reichen, Und forderſt wieder, was von mir zu fordern Nur eine ſolche Gabe dich berechtigt. Ich ſoll entbehren, ſoll mich mäßig zeigen, Und ſo verdienen, daß du mir vertrauſt. Was that ich je, daß ſie mich wählen konnte? Was ſoll ich thun, um ihrer werth zu ſeyn? Sie konnte dir vertraun und dadurch biſt du’s. Ja, Fürſtinn, deinen Worten, deinen Blicken Sey ewig meine Seele ganz geweiht! Ja, fordre was du willſt, denn ich bin dein! Sie ſende mich, Müh’ und Gefahr und Ruhm In fernen Landen aufzuſuchen, reiche Im ſtillen Hain die goldne Leyer mir, Sie weihe mich der Ruh’ und ihrem Preis: Ihr bin ich, bildend ſoll ſie mich beſitzen; Mein Herz bewahrte jeden Schatz für Sie. O hätt’ ein tauſendfaches Werkzeug mir Ein Gott gegönnt, kaum drückt’ ich dann genug Die unausſprechliche Verehrung aus. 75Ein Schauſpiel.Des Mahlers Pinſel und des Dichters Lippe, Die ſüßeſte, die je von frühem Honig Genährt war, wünſcht’ ich mir. Nein, künf - tig ſoll Nicht Taſſo zwiſchen Bäumen, zwiſchen Men - ſchen Sich einſam, ſchwach und trübgeſinnt verlie - ren! Er iſt nicht mehr allein, er iſt mit Dir. O daß die edelſte der Thaten ſich Hier ſichtbar vor mich ſtellte, rings umgeben Von gräßlicher Gefahr! Ich dränge zu Und wagte gern das Leben, das ich nun Von ihren Händen habe — forderte Die beſten Menſchen mir zu Freunden auf, Unmögliches mit einer edeln Schaar Nach Ihrem Wink und Willen zu vollbringen. Voreiliger, warum verbarg dein Mund Nicht das was du empfandſt, bis du dich werth Und werther ihr zu Füßen legen konnteſt? Das war dein Vorſatz, war dein kluger Wunſch. 76Torquato TaſſoDoch ſey es auch! Viel ſchöner iſt es, rein Und unverdient ein ſolch Geſchenk empfangen, Als halb und halb zu wähnen, daß man wohl Es habe fordern dürfen. Blicke freudig, Es iſt ſo groß, ſo weit, was vor dir liegt! Und hoffnungsvolle Jugend lockt dich wieder In unbekannte, lichte Zukunft hin. — Schwelle Bruſt! — O Witterung des Glücks Begünſt’ge dieſe Pflanze doch einmal! Sie ſtrebt gen Himmel, tauſend Zweige drin - gen Aus ihr hervor, entfalten ſich zu Blüthen. O daß ſie Frucht, o daß ſie Freuden bringe! Daß eine liebe Hand den goldnen Schmuck Aus ihren friſchen reichen Äſten breche!
Sey mir willkommen, den ich gleichſam jetzt Zum erſtenmal erblicke! Schöner ward Kein Mann mir angekündigt. Sey will - kommen! Dich kenn’ ich nun und deinen ganzen Werth, Dir biet’ ich ohne Zögern Herz und Hand, Und hoffe, daß auch du mich nicht verſchmähſt.
Freygebig bieteſt du mir ſchöne Gaben, Und ihren Werth erkenn’ ich wie ich ſoll, Drum laß mich zögern eh’ ich ſie ergreife. Weiß ich doch nicht, ob ich dir auch dagegen Ein gleiches geben kann. Ich möchte gern Nicht übereilt und nicht undankbar ſcheinen: Laß mich für beyde klug und ſorgſam ſeyn.
Wer wird die Klugheit tadeln? Jeder Schritt Des Lebens zeigt wie ſehr ſie nöthig ſey; Doch ſchöner iſt’s, wenn uns die Seele ſagt Wo wir der feinen Vorſicht nicht bedürfen.
Darüber frage jeder ſein Gemüth, Weil er den Fehler ſelbſt zu büßen hat.
So ſey’s! Ich habe meine Pflicht gethan, Der Fürſtinn Wort, die uns zu Freunden wünſcht, Hab’ ich verehrt und mich dir vorgeſtellt. Rückhalten durft’ ich nicht, Antonio; doch gewiß, Zudringen will ich nicht. Es mag denn ſeyn. Zeit und Bekanntſchaft heißen dich vielleicht Die Gabe wärmer fodern, die du jetzt So kalt bey Seite lehnſt und faſt verſchmähſt.
Der Mäßige wird öfters kalt genannt Von Menſchen, die ſich warm vor andern glauben, Weil ſie die Hitze fliegend überfällt.
Du tadelſt was ich tadle, was ich meide. Auch ich verſtehe wohl, ſo jung ich bin, Der Heftigkeit die Dauer vorzuziehn.
Sehr weislich! Bleibe ſtets auf dieſem Sinne.
Du biſt berechtigt mir zu rathen, mich Zu warnen, denn es ſteht Erfahrung dir Als lang’ erprobte Freundinn an der Seite. Doch glaube nur, es horcht ein ſtilles Herz Auf jedes Tages, jeder Stunde Warnung, Und übt ſich ingeheim an jedem Guten, Das deine Strenge neu zu lehren glaubt.
Es iſt wohl angenehm, ſich mit ſich ſelbſt Beſchäft’gen, wenn es nur ſo nützlich wäre. Inwendig lernt kein Menſch ſein Innerſtes Erkennen. Denn er mißt nach eignem Maß Sich bald zu klein und leider oft zu groß. Der Menſch erkennt ſich nur im Menſchen, nur Das Leben lehret jedem was er ſey.
Mit Beyfall und Verehrung hör’ ich dich.
Und dennoch denkſt du wohl bey dieſen Wor - ten Ganz etwas anders, als ich ſagen will.
Auf dieſe Weiſe rücken wir nicht näher. Es iſt nicht klug, es iſt nicht wohl gethan, Vorſetzlich einen Menſchen zu verkennen, Er ſey auch wer er ſey. Der Fürſtinn Wort81Ein Schauſpiel.Bedurft’ es kaum, leicht hab’ ich dich erkannt: Ich weiß, daß du das Gute willſt und ſchaffſt. Dein eigen Schickſal läßt dich unbeſorgt, An Andre denkſt du, Andern ſtehſt du bey, Und auf des Lebens leicht bewegter Woge Bleibt dir ein ſtetes Herz. So ſeh’ ich dich: Und was wär’ ich, ging ich dir nicht entge - gen? Sucht’ ich begierig nicht auch einen Theil An dem verſchloßnen Schatz, den du bewahrſt? Ich weiß, es reut dich nicht, wenn du dich öffneſt; Ich weiß, du biſt mein Freund, wenn du mich kennſt: Und eines ſolchen Freunds bedurft’ ich lange. Ich ſchäme mich der Unerfahrenheit Und meiner Jugend nicht. Still ruhet noch Der Zukunft goldne Wolke mir um’s Haupt. O nimm mich, edler Mann, an deine Bruſt, Und weihe mich, den Raſchen, Unerfahrnen, Zum mäßigen Gebrauch des Lebens ein.
In Einem Augenblicke forderſt du, Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.
In Einem Augenblick gewährt die Liebe, Was Mühe kaum in langer Zeit erreicht. Ich bitt’ es nicht von dir, ich darf es fodern. Dich ruf’ ich in der Tugend Namen auf, Die gute Menſchen zu verbinden eifert. Und ſoll ich dir noch einen Namen nennen? Die Fürſtinn hofft’s, Sie will’s — Eleonore, Sie will mich zu dir führen, dich zu mir. O laß uns ihrem Wunſch entgegen gehn! Laß uns verbunden vor die Göttinn treten, Ihr unſern Dienſt, die ganze Seele biethen, Vereint für ſie das Würdigſte zu thun. Noch einmal! — Hier iſt meine Hand! Schlag’ ein! Tritt nicht zurück und weigre dich nicht länger, O edler Mann, und gönne mir die Wolluſt, Die ſchönſte guter Menſchen, ſich dem Beſſern Vertrauend ohne Rückhalt hinzugeben!
Du gehſt mit vollen Segeln! Scheint es doch, Du biſt gewohnt zu ſiegen, überall Die Wege breit, die Pforten weit zu finden. Ich gönne jeden Werth und jedes Glück Dir gern, allein ich ſehe nur zu ſehr, Wir ſtehn zu weit noch von einander ab.
Es ſey an Jahren, an geprüftem Werth: An frohem Muth und Willen weich’ ich keinem.
Der Wille lockt die Thaten nicht herbey; Der Muth ſtellt ſich die Wege kürzer vor. Wer angelangt am Ziel iſt, wird gekrönt, Und oft entbehrt ein Würd’ger eine Krone. Doch gibt es leichte Kränze, Kränze gibt es Von ſehr verſchiedner Art, ſie laſſen ſich Oft im Spazierengehn bequem erreichen.
Was eine Gottheit dieſem frey gewährt Und jenem ſtreng verſagt, ein ſolches Gut Erreicht nicht jeder wie er will und mag.
Schreib’ es dem Glück vor andern Göttern zu, So hör’ ich’s gern, denn ſeine Wahl iſt blind.
Auch die Gerechtigkeit trägt eine Binde Und ſchließt die Augen jedem Blendwerk zu.
Das Glück erhebe billig der Beglückte! Er dicht’ ihm hundert Augen für’s Verdienſt Und kluge Wahl und ſtrenge Sorgfalt an, Nenn’ es Minerva, nenn’ es wie er will, Er halte gnädiges Geſchenk für Lohn, Zufälligen Putz für wohlverdienten Schmuck.
Du brauchſt nicht deutlicher zu ſeyn. Es iſt genug! Ich blicke tief dir in das Herz und kenne Für’s ganze Leben dich. O kennte ſo Dich meine Fürſtinn auch! Verſchwende nicht Die Pfeile deiner Augen, deiner Zunge! Du richteſt ſie vergebens nach dem Kranze, Dem unverwelklichen, auf meinem Haupt. Sey erſt ſo groß, mir ihn nicht zu beneiden! Dann darfſt du mir vielleicht ihn ſtreitig machen. Ich acht’ ihn heilig und das höchſte Gut: Doch zeige mir den Mann, der das erreicht, Wornach ich ſtrebe, zeige mir den Helden, Von dem mir die Geſchichten nur erzählten; Den Dichter ſtell’ mir vor, der ſich Homeren, Virgilen ſich vergleichen darf, ja, was Noch mehr geſagt iſt, zeige mir den Mann, Der dreyfach dieſen Lohn verdiente, den Die ſchöne Krone dreyfach mehr als mich Beſchämte: dann ſollſt du mich knieend ſehn86Torquato TaſſoVor jener Gottheit, die mich ſo begabte; Nicht eher ſtünd’ ich auf, bis ſie die Zierde Von meinem Haupt auf ſeins hinüber drückte.
Bis dahin bleibſt du freylich ihrer werth.
Man wäge mich, das will ich nicht vermeiden, Allein Verachtung hab’ ich nicht verdient. Die Krone, der mein Fürſt mich würdig achtete, Die meiner Fürſtinn Hand für mich gewunden, Soll keiner mir bezweifeln noch begrinſen!
Es ziemt der hohe Ton, die raſche Glut Nicht dir zu mir, noch dir an dieſem Orte.
Was du dir hier erlaubſt, das ziemt auch mir. Und iſt die Wahrheit wohl von hier verbannt? Iſt im Pallaſt der freye Geiſt gekerkert? Hat hier ein edler Menſch nur Druck zu dul - den? 87Ein Schauſpiel.Mich dünkt hier iſt die Hoheit erſt an ihrem Platz, Der Seele Hoheit! Darf ſie ſich der Nähe Der Großen dieſer Erde nicht erfreun? Sie darf’s und ſoll’s. Wir nahen uns dem Fürſten Durch Adel nur, der uns von Vätern kam; Warum nicht durch’s Gemüth, das die Natur Nicht jedem groß verlieh, wie ſie nicht jedem Die Reihe großer Ahnherrn geben konnte. Nur Kleinheit ſollte hier ſich ängſtlich fühlen, Der Neid, der ſich zu ſeiner Schande zeigt: Wie keiner Spinne ſchmutziges Gewebe An dieſen Marmorwänden haften ſoll.
Du zeigſt mir ſelbſt mein Recht dich zu ver - ſchmähn! Der übereilte Knabe will des Mann’s Vertraun und Freundſchaft mit Gewalt er - trotzen? Unſittlich wie du biſt hältſt du dich gut?
Viel lieber was ihr euch unſittlich nennt, Als was ich mir unedel nennen müßte.
Du biſt noch jung genug, daß gute Zucht Dich eines beſſern Wegs belehren kann.
Nicht jung genug, vor Götzen mich zu neigen, Und Trotz mit Trotz zu bänd’gen, alt genug.
Wo Lippenſpiel und Saitenſpiel entſcheiden, Ziehſt du als Held und Sieger wohl davon.
Verwegen wär’ es meine Fauſt zu rühmen, Denn ſie hat nichts gethan, doch ich vertrau’ ihr.
Du trauſt auf Schonung, die dich nur zu ſehr Im frechen Laufe deines Glücks verzog.
Daß ich erwachſen bin, das fühl’ ich nun; Mit dir am wenigſten hätt’ ich gewünſcht Das Wageſpiel der Waffen zu verſuchen: Allein du ſchüreſt Glut auf Glut, es kocht Das inn’re Mark, die ſchmerzliche Begier Der Rache ſiedet ſchäumend in der Bruſt. Biſt du der Mann der du dich rühmſt, ſo ſteh’ mir.
Du weißt ſo wenig wer, als wo du biſt.
Kein Heiligthum heißt uns den Schimpf er - tragen. Du läſterſt, du entweiheſt dieſen Ort, Nicht ich, der ich Vertraun, Verehrung, Liebe, Das ſchönſte Opfer, dir entgegen trug. Dein Geiſt verunreint dieſes Paradies Und deine Worte dieſen reinen Saal, Nicht meines Herzens ſchwellendes Gefühl, Das brauſ’t, den kleinſten Flecken nicht zu leiden.
Welch hoher Geiſt in einer engen Bruſt!
Hier iſt noch Raum dem Buſen Luft zu machen.
Es macht das Volk ſich auch mit Worten Luft.
Biſt du ein Edelmann wie ich, ſo zeig’ es.
Ich bin es wohl, doch weiß ich wo ich bin.
Komm mit herab, wo unſre Waffen gelten.
Wie du nicht fordern ſollteſt, folg’ ich nicht.
Der Feigheit iſt ſolch Hinderniß willkommen.
Der Feige droht nur, wo er ſicher iſt.
Mit Freuden kann ich dieſem Schutz entſagen.
Vergib dir nur, dem Ort vergibſt du nichts.
Verzeihe mir der Ort daß ich es litt.
Zieh’ oder folge, wenn ich nicht auf ewig, Wie ich dich haſſe, dich verachten ſoll.
In welchem Streit treff’ ich euch unerwartet?
Du findeſt mich, o Fürſt, gelaſſen ſtehn Vor einem, den die Wuth ergriffen hat.
Ich bethe dich als eine Gottheit an, Daß du mit Einem Blick mich warnend bän - digſt.
Erzähl’, Antonio, Taſſo, ſag’ mir an, Wie hat der Zwiſt ſich in mein Haus gedrun - gen? Wie hat er euch ergriffen, von der Bahn Der Sitten, der Geſetze kluge Männer Im Taumel weggeriſſen? Ich erſtaune.
Du kennſt uns beyde nicht, ich glaub’ es wohl: Hier dieſer Mann, berühmt als klug und ſitt - lich, Hat roh und hämiſch, wie ein unerzogner, Unedler Menſch ſich gegen mich betragen. 93Ein Schauſpiel.Zutraulich naht’ ich ihm, er ſtieß mich weg; Beharrlich liebend drang ich mich zu ihm, Und bitter, immer bitt’rer ruht’ er nicht, Bis er den reinſten Tropfen Bluts in mir Zu Galle wandelte. Verzeih’! Du haſt mich hier Als einen Wüthenden getroffen. Dieſer Hat alle Schuld, wenn ich mich ſchuldig machte. Er hat die Glut gewaltſam angefacht, Die mich ergriff und mich und ihn verletzte.
Ihn riß der hohe Dichterſchwung hinweg! Du haſt, o Fürſt, zuerſt mich angeredet, Haſt mich gefragt: es ſey mir nun erlaubt, Nach dieſem raſchen Redner auch zu ſprechen.
O ja, erzähl’, erzähl’ von Wort zu Wort, Und kannſt du jede Sylbe, jede Miene Vor dieſen Richter ſtellen, wag’ es nur! Beleidige dich ſelbſt zum zweytenmale,94Torquato Taſſo.Und zeuge wider dich! dagegen will Ich keinen Hauch und keinen Pulsſchlag läug - nen.
Wenn du noch mehr zu reden haſt, ſo ſprich: Wo nicht, ſo ſchweig’ und unterbrich mich nicht. Ob ich, mein Fürſt, ob dieſer heiße Kopf Den Streit zuerſt begonnen? wer es ſey, Der Unrecht hat? iſt eine weite Frage, Die wohl zuvörderſt noch auf ſich beruht.
Wie das? Mich dünkt, das iſt die erſte Frage, Wer von uns beyden Recht und Unrecht hat.
Nicht ganz, wie ſich’s der unbegränzte Sinn Gedenken mag.
Antonio!
Gnädigſter, Ich ehre deinen Wink, doch laß ihn ſchwei - gen; Hab’ ich geſprochen, mag er weiter reden; Du wirſt entſcheiden. Alſo ſag’ ich nur: Ich kann mit ihm nicht rechten, kann ihn weder Verklagen, noch mich ſelbſt vertheid’gen, noch Ihm jetzt genug zu thun mich anerbiethen. Denn wie er ſteht, iſt er kein freyer Mann. Es waltet über ihm ein ſchwer Geſetz, Das deine Gnade höchſtens lindern wird. Er hat mir hier gedroht, hat mich gefodert; Vor dir verbarg er kaum das nackte Schwert. Und tratſt du, Herr, nicht zwiſchen uns herein, So ſtünde jetzt auch ich als pflichtvergeſſen, Mitſchuldig und beſchämt vor deinem Blick.
Du haſt nicht wohl gethan.
Mich ſpricht, o Herr, Mein eigen Herz, gewiß auch deines frey. Ja, es iſt wahr, ich drohte, forderte, Ich zog. Allein, wie tückiſch ſeine Zunge Mit wohlgewählten Worten mich verletzt, Wie ſcharf und ſchnell ſein Zahn das feine Gift Mir in das Blut geflößt, wie er das Fieber Nur mehr und mehr erhitzt — Du denkſt es nicht! Gelaſſen, kalt, hat er mich ausgehalten, Auf’s höchſte mich getrieben. O! du kennſt, Du kennſt ihn nicht und wirſt ihn niemals kennen! Ich trug ihm warm die ſchönſte Freundſchaft an; Er warf mir meine Gaben vor die Füße; Und hätte meine Seele nicht geglüht, So war ſie deiner Gnade, deines Dienſtes Auf ewig unwerth. Hab’ ich des Geſetzes Und dieſes Orts vergeſſen, ſo verzeih,97Ein Schauſpiel.Auf keinem Boden darf ich niedrig ſeyn, Erniedrigung auf keinem Boden dulden. Wenn dieſes Herz, es ſey auch wo es will, Dir fehlt und ſich, dann ſtrafe, dann verſtoße, Und laß mich nie dein Auge wiederſehn.
Wie leicht der Jüngling ſchwere Laſten trägt Und Fehler wie den Staub vom Kleide ſchüt - telt! Es wäre zu verwundern, wenn die Zauber - kraft Der Dichtung nicht bekannter wäre, die Mit dem Unmöglichen ſo gern ihr Spiel Zu treiben liebt. Ob du auch ſo, mein Fürſt, Ob alle deine Diener dieſe That So unbedeutend halten, zweifl’ ich faſt. Die Majeſtät verbreitet ihren Schutz Auf jeden, der ſich ihr wie einer Gottheit Und ihrer unverletzten Wohnung naht. Wie an dem Fuße des Altars, bezähmt Sich auf der Schwelle jede Leidenſchaft. Goethe’s W. 6. B. G98Torquato TaſſoDa blinkt kein Schwert, da fällt kein dro - hend Wort, Da fordert ſelbſt Beleid’gung keine Rache. Es bleibt das weite Feld ein offner Raum Für Grimm und Unverſöhnlichkeit genug. Dort wird kein Feiger drohn, kein Mann wird fliehn. Hier dieſe Mauern haben deine Väter Auf Sicherheit gegründet, ihrer Würde Ein Heiligthum befeſtigt, dieſe Ruhe Mit ſchweren Strafen ernſt und klug erhalten; Verbannung, Kerker, Tod ergriff den Schul - digen. Da war kein Anſehn der Perſon, es hielt Die Milde nicht den Arm des Rechts zurück; Und ſelbſt der Frevler fühlte ſich geſchreckt. Nun ſehen wir nach langem ſchönem Frieden In das Gebieth der Sitten rohe Wuth Im Taumel wiederkehren. Herr, entſcheide, Beſtrafe! denn wer kann in ſeiner Pflicht Beſchränkten Gränzen wandeln, ſchützet ihn Nicht das Geſetz und ſeines Fürſten Kraft?
Mehr als ihr beyde ſagt und ſagen könnt, Läßt unparteyiſch das Gemüth mich hören. Ihr hättet ſchöner eure Pflicht gethan, Wenn ich dieß Urtheil nicht zu ſprechen hätte. Denn hier ſind Recht und Unrecht nah ver - wandt. Wenn dich Antonio beleidigt hat, So hat er dir auf irgend eine Weiſe Genugzuthun, wie du es fordern wirſt. Mir wär’ es lieb, ihr wähltet mich zum Aus - trag. Indeſſen, dein Vergehen macht, o Taſſo, Dich zum Gefangnen. Wie ich dir vergebe: So lindr’ ich das Geſetz um deinetwillen. Verlaß uns, Taſſo! bleib’ auf deinem Zimmer, Von dir und mit dir ſelbſt allein bewacht.
Iſt dieß, o Fürſt, dein richterlicher Spruch?
Erkenneſt du des Vaters Milde nicht?
Mit dir hab’ ich vorerſt nichts mehr zu reden.
O Fürſt, es übergibt dein ernſtes Wort Mich Freyen der Gefangenſchaft. Es ſey! Du hältſt es Recht. Dein heilig Wort ver - ehrend, Heiß’ ich mein innres Herz im tiefſten ſchwei - gen. Es iſt mir neu, ſo neu, daß ich faſt dich Und mich und dieſen ſchönen Ort nicht kenne. Doch dieſen kenn’ ich wohl — Gehorchen will ich, Ob ich gleich hier noch manches ſagen könnte, Und ſagen ſollte. Mir verſtummt die Lippe. War’s ein Verbrechen? Wenigſtens es ſcheint, Ich bin als ein Verbrecher angeſehn. Und, was mein Herz auch ſagt, ich bin ge - fangen.
Du nimmſt es höher, Taſſo, als ich ſelbſt.
Mir bleibt es unbegreiflich wie es iſt; Zwar unbegreiflich nicht, ich bin kein Kind; Ich meine faſt, ich müßt’ es denken können. Auf einmal winkt mich eine Klarheit an, Doch augenblicklich ſchließt ſich’s wieder zu, Ich höre nur mein Urtheil, beuge mich. Das ſind zu viel vergebne Worte ſchon! Gewöhne dich von nun an zu gehorchen; Ohnmächt’ger! du vergaßeſt wo du ſtandſt; Der Götter Saal ſchien dir auf gleicher Erde, Nun überwältigt dich der jähe Fall, Gehorche gern, denn es geziemt dem Manne, Auch willig das Beſchwerliche zu thun. Hier nimm den Degen erſt, den du mir gabſt, Als ich dem Cardinal nach Frankreich folgte, Ich führt’ ihn nicht mit Ruhm, doch nicht mit Schande, Auch heute nicht. Der hoffnungsvollen Gabe Entäußr’ ich mich mit tief gerührtem Herzen.
Wie ich zu dir geſinnt bin fühlſt du nicht.
Gehorchen iſt mein Loos und nicht zu denken! Und leider eines herrlichern Geſchenks Verläugnung fordert das Geſchick von mir. Die Krone kleidet den Gefangnen nicht: Ich nehme ſelbſt von meinem Haupt die Zierde, Die für die Ewigkeit gegönnt mir ſchien. Zu früh war mir das ſchönſte Glück verliehen, Und wird, als hätt’ ich ſein mich überhoben, Mir nur zu bald geraubt. Du nimmſt dir ſelbſt, was keiner nehmen konnte Und was kein Gott zum zweytenmale gibt. Wir Menſchen werden wunderbar geprüft; Wir könnten’s nicht ertragen, hätt’ uns nicht Den holden Leichtſinn die Natur verliehn. Mit unſchätzbaren Gütern lehret uns Verſchwenderiſch die Noth gelaſſen ſpielen: Wir öffnen willig unſre Hände, daß103Ein Schauſpiel.Unwiederbringlich uns ein Gut entſchlüpfe. Mit dieſem Kuß vereint ſich eine Thräne, Und weiht dich der Vergänglichkeit! es iſt Erlaubt das holde Zeichen unſrer Schwäche. Wer weinte nicht, wenn das Unſterbliche Vor der Zerſtörung ſelbſt nicht ſicher iſt? Geſelle dich zu dieſem Degen, der Dich leider nicht erwarb, um ihn geſchlungen Ruhe, wie auf dem Sarg der Tapfern, auf Dem Grabe meines Glücks und meiner Hoff - nung! Hier leg’ ich beyde willig dir zu Füßen; Denn wer iſt wohl gewaffnet, wenn du zürnſt? Und wer geſchmückt, o Herr, den du ver - kennſt? Gefangen geh’ ich, warte des Gerichts.
Wo ſchwärmt der Knabe hin? Mit welchen Farben Mahlt er ſich ſeinen Werth und ſein Geſchick? Beſchränkt und unerfahren hält die Jugend Sich für ein einzig auserwähltes Weſen, Und alles über alle ſich erlaubt. Er fühle ſich geſtraft, und ſtrafen heißt Dem Jüngling wohlthun, daß der Mann uns danke.
Er iſt geſtraft, ich fürchte, nur zu viel.
Wenn du gelind mit ihm verfahren magſt, So gib, o Fürſt, ihm ſeine Freyheit wieder, Und unſern Zwiſt entſcheide dann das Schwert.
Wenn es die Meinung fordert, mag es ſeyn. Doch ſprich, wie haſt du ſeinen Zorn gereitzt?
Ich wüßte kaum zu ſagen, wie’s geſchah. Als Menſchen hab’ ich ihn vielleicht gekränkt, Als Edelmann hab’ ich ihn nicht beleidigt. Und ſeinen Lippen iſt im größten Zorne Kein ſittenloſes Wort entflohn.
So ſchien Mir euer Streit, und was ich gleich gedacht, Bekräftigt deine Rede mir noch mehr. Wenn Männer ſich entzweyen, hält man billig Den Klügſten für den Schuldigen. Du ſollteſt Mit ihm nicht zürnen; ihn zu leiten ſtünde Dir beſſer an. Noch immer iſt es Zeit: Hier iſt kein Fall, der euch zu ſtreiten zwänge. So lang’ mir Friede bleibt, ſo lange wünſch’ ich In meinem Haus ihn zu genießen. Stelle Die Ruhe wieder her, du kannſt es leicht, Lenore Sanvitale mag ihn erſt Mit zarter Lippe zu beſänft’gen ſuchen! Dann tritt zu ihm, gib ihm in meinem Namen106Torquato TaſſoDie volle Freyheit wieder, und gewinne Mit edeln, wahren Worten ſein Vertraun. Verrichte das, ſo bald du immer kannſt; Du wirſt als Freund und Vater mit ihm ſprechen. Noch eh’ wir ſcheiden, will ich Friede wiſſen, Und dir iſt nichts unmöglich, wenn du willſt. Wir bleiben lieber eine Stunde länger, Und laſſen dann die Frauen ſanft vollenden, Was du begannſt; und kehren wir zurück, So haben ſie von dieſem raſchen Eindruck Die letzte Spur vertilgt. Es ſcheint, Antonio, Du willſt nicht aus der Übung kommen! Du Haſt Ein Geſchäft kaum erſt vollendet, nun Kehrſt du zurück und ſchaffſt dir gleich ein neues. Ich hoffe, daß auch dieſes dir gelingt.
Ich bin beſchämt, und ſeh’ in deinen Worten, Wie in dem klarſten Spiegel, meine Schuld! Gar leicht gehorcht man einem edlen Herrn, Der überzeugt, indem er uns gebiethet.
Wo bleibt Eleonore? Schmerzlicher Bewegt mir jeden Augenblick die Sorge Das tiefſte Herz. Kaum weiß ich was geſchah, Kaum weiß ich wer von beyden ſchuldig iſt. O daß ſie käme! Möcht’ ich doch nicht gern Den Bruder nicht, Antonio nicht ſprechen, Eh’ ich gefaßter bin, eh’ ich vernommen, Wie alles ſteht und was es werden kann.
Was bringſt du, Leonore? ſag mir an: Wie ſteht’s um unſre Freunde? Was geſchah?
Mehr als wir wiſſen hab’ ich nicht erfahren. Sie trafen hart zuſammen, Taſſo zog, Dein Bruder trennte ſie: allein es ſcheint, Als habe Taſſo dieſen Streit begonnen. Antonio geht frey umher und ſpricht Mit ſeinem Fürſten, Taſſo bleibt dagegen Verbannt in ſeinem Zimmer und allein.
Gewiß hat ihn Antonio gereitzt, Den Hochgeſtimmten kalt und fremd beleidigt.
Ich glaub’ es ſelbſt. Denn eine Wolke ſtand, Schon als er zu uns trat, um ſeine Stirn.
Ach daß wir doch dem reinen ſtillen Wink Des Herzens nachzugehn ſo ſehr verlernen! Ganz leiſe ſpricht ein Gott in unſrer Bruſt, Ganz leiſe, ganz vernehmlich, zeigt uns an, Was zu ergreifen iſt und was zu fliehn. Antonio erſchien mir heute früh Viel ſchroffer noch als je, in ſich gezogner. Es warnte mich mein Geiſt, als neben ihn Sich Taſſo ſtellte. Sieh das Äußre nur Von beyden an, das Angeſicht, den Ton, Den Blick, den Tritt! es widerſtrebt ſich alles, Sie können ewig keine Liebe wechſeln. Doch überredete die Hoffnung mich, Die Gleisnerinn, ſie ſind vernünftig beyde, Sind edel, unterrichtet, deine Freunde; Und welch ein Band iſt ſichrer als der Guten? Ich trieb den Jüngling an; er gab ſich ganz; Wie ſchön, wie warm ergab er ganz ſich mir! O hätt’ ich gleich Antonio geſprochen! Ich zauderte; es war nur kurze Zeit; Ich ſcheute mich, gleich mit den erſten Worten110Torquato TaſſoUnd dringend ihm den Jüngling zu empfehlen, Verließ auf Sitte mich und Höflichkeit, Auf den Gebrauch der Welt, der ſich ſo glatt Selbſt zwiſchen Feinde legt; befürchtete Von dem geprüften Manne dieſe Jähe Der raſchen Jugend nicht. Es iſt geſchehn. Das Übel ſtand mir fern, nun iſt es da. O gib mir einen Rath! was iſt zu thun?
Wie ſchwer zu rathen ſey, das fühlſt du ſelbſt Nach dem was du geſagt. Es iſt nicht hier Ein Mißverſtändniß zwiſchen Gleichgeſtimm - ten; Das ſtellen Worte, ja im Nothfall ſtellen Es Waffen leicht und glücklich wieder her. Zwey Männer ſind’s, ich hab’ es lang ge - fühlt, Die darum Feinde ſind, weil die Natur Nicht Einen Mann aus ihnen beyden formte. Und wären ſie zu ihrem Vortheil klug, So würden ſie als Freunde ſich verbinden;111Ein Schauſpiel.Dann ſtünden ſie für Einen Mann, und gingen Mit Macht und Glück und Luſt durch’s Leben hin. So hofft’ ich ſelbſt, nun ſeh’ ich wohl umſonſt. Der Zwiſt von heute, ſey er wie er ſey, Iſt beyzulegen; doch das ſichert uns Nicht für die Zukunft, für den Morgen nicht. Es wär’ am beſten, dächt’ ich, Taſſo reiſ’te Auf eine Zeit von hier; er könnte ja Nach Rom, auch nach Florenz ſich wenden; dort Träf’ ich in wenig Wochen ihn, und könnte Auf ſein Gemüth als eine Freundinn wirken. Du würdeſt hier indeſſen den Antonio, Der uns ſo fremd geworden, dir auf’s neue Und deinen Freunden näher bringen; ſo Gewährte das, was itzt unmöglich ſcheint, Die gute Zeit vielleicht, die vieles gibt.
Du willſt dich in Genuß, o Freundinn, ſetzen, Ich ſoll entbehren; heißt das billig ſeyn?
Entbehren wirſt du nichts, als was du doch In dieſem Falle nicht genießen könnteſt.
So ruhig ſoll ich einen Freund verbannen?
Erhalten, den du nur zum Schein verbannſt.
Mein Bruder wird ihn nicht mit Willen laſſen.
Wenn er es ſieht wie wir, ſo gibt er nach.
Es iſt ſo ſchwer, im Freunde ſich verdammen.
Und dennoch retteſt du den Freund in dir.
Ich gebe nicht mein Ja, daß es geſchehe.
So warte noch ein größres Übel ab.
Du peinigſt mich, und weißt nicht ob du nützeſt.
Wir werden bald entdecken, wer ſich irrt.
Und ſoll es ſeyn, ſo frage mich nicht länger.
Wer ſich entſchließen kann, beſiegt den Schmerz.
Entſchloſſen bin ich nicht, allein es ſey, Wenn er ſich nicht auf lange Zeit entfernt — Und laß uns für ihn ſorgen, Leonore, Daß er nicht etwa künftig Mangel leide, Daß ihm der Herzog ſeinen Unterhalt Auch in der Ferne willig reichen laſſe. Sprich mit Antonio, denn er vermagGoethe’s W. 6. B. H114Torquato TaſſoBey meinem Bruder viel, und wird den Streit Nicht unſerm Freund und uns gedenken wollen.
Ein Wort von dir, Prinzeſſinn, gälte mehr.
Ich kann, du weißt es, meine Freundinn, nicht Wie’s meine Schweſter von Urbino kann, Für mich und für die Meinen was erbitten. Ich lebe gern ſo ſtille vor mich hin, Und nehme von dem Bruder dankbar an, Was er mir immer geben kann und will. Ich habe ſonſt darüber manchen Vorwurf Mir ſelbſt gemacht, nun hab’ ich überwunden. Es ſchalt mich eine Freundinn oft darum: Du biſt uneigennützig, ſagte ſie, Das iſt recht ſchön; allein du biſt’s ſo ſehr, Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde Nicht recht empfinden kannſt. Ich laß’ es gehn, Und muß denn eben dieſen Vorwurf tragen. Um deſto mehr erfreut es mich, daß ich115Ein Schauſpiel.Nun in der That dem Freunde nützen kann; Es fällt mir meiner Mutter Erbſchaft zu, Und gerne will ich für ihn ſorgen helfen.
Und ich, o Fürſtinn, finde mich im Falle, Daß ich als Freundinn auch mich zeigen kann. Er iſt kein guter Wirth; wo es ihm fehlt, Werd’ ich ihm ſchon geſchickt zu helfen wiſſen.
So nimm ihn weg, und, ſoll ich ihn entbehren, Vor allen andern ſey er dir gegönnt! Ich ſeh’ es wohl, ſo wird es beſſer ſeyn. Muß ich denn wieder dieſen Schmerz als gut Und heilſam preiſen? Das war mein Geſchick Von Jugend auf, ich bin nun dran gewöhnt. Nur halb iſt der Verluſt des ſchönſten Glücks, Wenn wir auf den Beſitz nicht ſicher zählten.
Ich hoffe, dich ſo ſchön du es verdienſt Glücklich zu ſehn!
Eleonore! Glücklich? Wer iſt denn glücklich? — Meinen Bruder zwar Möcht’ ich ſo nennen, denn ſein großes Herz Trägt ſein Geſchick mit immer gleichem Muth; Allein was er verdient, das ward ihm nie. Iſt meine Schweſter von Urbino glücklich? Das ſchöne Weib, das edle große Herz! Sie bringt dem jüngern Manne keine Kinder; Er achtet ſie, und läßt ſie’s nicht entgelten, Doch keine Freude wohnt in ihrem Haus. Was half denn unſrer Mutter ihre Klugheit? Die Kenntniß jeder Art, ihr großer Sinn? Konnt’ er ſie vor dem fremden Irrthum ſchützen? Man nahm uns von ihr weg; nun iſt ſie todt, Sie ließ uns Kindern nicht den Troſt, daß ſie Mit ihrem Gott verſöhnt geſtorben ſey.
O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt, Betrachte, was noch einem jeden bleibt! Was bleibt nicht Dir, Prinzeſſinn?
Was mir bleibt? Geduld, Eleonore! üben konnt’ ich die Von Jugend auf. Wenn Freunde, wenn Geſchwiſter Bey Feſt und Spiel geſellig ſich erfreuten, Hielt Krankheit mich auf meinem Zimmer feſt, Und in. Geſellſchaft mancher Leiden mußt’ Ich früh entbehren lernen. Eines war, Was in der Einſamkeit mich ſchön ergetzte, Die Freude des Geſangs; ich unterhielt Mich mit mir ſelbſt, ich wiegte Schmerz und Sehnſucht Und jeden Wunſch mit leiſen Tönen ein. Da wurde Leiden oft Genuß, und ſelbſt Das traurige Gefühl zur Harmonie. Nicht lang’ war mir dieß Glück gegönnt, auch dieſes Nahm mir der Arzt hinweg; ſein ſtreng Ge - both Hieß mich verſtummen; leben ſollt’ ich, leiden, Den einz’gen kleinen Troſt ſollt’ ich entbehren.
So viele Freunde fanden ſich zu dir, Und nun biſt du geſund, biſt lebensfroh.
Ich bin geſund, das heißt, ich bin nicht krank; Und manche Freunde hab’ ich, deren Treue Mich glücklich macht. Auch hatt’ ich einen Freund —
Du haſt ihn noch.
Und werd’ ihn bald verlieren. Der Augenblick, da ich zuerſt ihn ſah, War viel bedeutend. Kaum erholt’ ich mich Von manchen Leiden; Schmerz und Krankheit waren Kaum erſt gewichen: ſtill beſcheiden blickt’ ich In’s Leben wieder, freute mich des Tags Und der Geſchwiſter wieder, ſog beherzt Der ſüßen Hoffnung reinſten Balſam ein. 119Ein Schauſpiel.Ich wagt’ es vorwärts in das Leben weiter Hinein zu ſehn, und freundliche Geſtalten Begegneten mir aus der Ferne. Da, Eleonore, ſtellte mir den Jüngling Die Schweſter vor; er kam an ihrer Hand, Und, daß ich dir’s geſtehe, da ergriff Ihn mein Gemüth und wird ihn ewig halten.
O meine Fürſtinn, laß dich’s nicht gereuen! Das Edle zu erkennen, iſt Gewinſt, Der nimmer uns entriſſen werden kann.
Zu fürchten iſt das Schöne das Fürtreffliche, Wie eine Flamme, die ſo herrlich nützt, So lange ſie auf deinem Herde brennt, So lang’ ſie dir von einer Fackel leuchtet, Wie hold! wer mag, wer kann ſie da entbeh - ren? Und frißt ſie ungehütet um ſich her, Wie elend kann ſie machen! Laß mich nun. 120Torquato TaſſoIch bin geſchwätzig, und verbärge beſſer Auch ſelbſt vor dir, wie ſchwach ich bin und krank.
Die Krankheit des Gemüthes löſet ſich In Klagen und Vertraun am leicht’ſten auf.
Wenn das Vertrauen heilt, ſo heil’ ich bald; Ich hab’ es rein und hab’ es ganz zu dir. Ach, meine Freundinn! Zwar ich bin ent - ſchloſſen, Er ſcheide nur! allein ich fühle ſchon Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn Ich nun entbehren ſoll, was mich erfreute. Die Sonne hebt von meinen Augenliedern Nicht mehr ſein ſchön verklärtes Traumbild auf; Die Hoffnung ihn zu ſehen füllt nicht mehr Den kaum erwachten Geiſt mit froher Sehn - ſucht;121Ein Schauſpiel.Mein erſter Blick hinab in unſre Gärten Sucht ihn vergebens in dem Thau der Schat - ten. Wie ſchön befriedigt fühlte ſich der Wunſch Mit ihm zu ſeyn an jedem heitern Abend! Wie mehrte ſich im Umgang das Verlangen Sich mehr zu kennen, mehr ſich zu verſtehn, Und täglich ſtimmte das Gemüth ſich ſchöner Zu immer reinern Harmonien auf. Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein! Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl Des hohen Tags, der tauſendfachen Welt Glanzreiche Gegenwart, iſt öd’ und tief Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt. Sonſt war mir jeder Tag ein ganzes Leben; Die Sorge ſchwieg, die Ahndung ſelbſt ver - ſtummte, Und glücklich eingeſchifft trug uns der Strom Auf leichten Wellen ohne Ruder hin: Nun überfällt in trüber Gegenwart Der Zukunft Schrecken heimlich meine Bruſt.
Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder, Und bringt dir neue Freude, neues Glück.
Was ich beſitze, mag ich gern bewahren: Der Wechſel unterhält, doch nutzt er kaum. Mit jugendlicher Sehnſucht griff ich nie Begierig in den Loostopf fremder Welt, Für mein bedürfend unerfahren Herz Zufällig einen Gegenſtand zu haſchen. Ihn mußt’ ich ehren, darum liebt’ ich ihn; Ich mußt’ ihn lieben, weil mit ihm mein Leben Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt; Erſt ſagt’ ich mir, entferne dich von ihm! Ich wich und wich und kam nur immer näher, So lieblich angelockt, ſo hart beſtraft! Ein reines, wahres Gut verſchwindet mir, Und meiner Sehnſucht ſchiebt ein böſer Geiſt Statt Freud’ und Glück verwandte Schmerzen unter.
Wenn einer Freundinn Wort nicht tröſten kann; So wird die ſtille Kraft der ſchönen Welt, Der guten Zeit dich unvermerkt erquicken.
Wohl iſt ſie ſchön die Welt! in ihrer Weite Bewegt ſich ſo viel Gutes hin und her. Ach daß es immer nur um Einen Schritt Von uns ſich zu entfernen ſcheint, Und unſre bange Sehnſucht durch das Leben Auch Schritt vor Schritt bis nach dem Grabe lockt! So ſelten iſt es, daß die Menſchen finden, Was ihnen doch beſtimmt geweſen ſchien, So ſelten, daß ſie das erhalten, was Auch einmal die beglückte Hand ergriff! Es reißt ſich los, was erſt ſich uns ergab, Wir laſſen los, was wir begierig faßten. Es gibt ein Glück, allein wir kennen’s nicht: Wir kennen’s wohl, und wiſſen’s nicht zu ſchätzen.
Wie jammert mich das edle, ſchöne Herz! Welch traurig Loos, das ihrer Hoheit fällt! Ach ſie verliert — und denkſt du zu gewinnen? Iſt’s denn ſo nöthig, daß er ſich entfernt? Machſt du es nöthig, um allein für dich Das Herz und die Talente zu beſitzen, Die du bisher mit einer andern theilſt Und ungleich theilſt? Iſt’s redlich ſo zu han - deln? Biſt du nicht reich genug? Was fehlt dir noch? Gemahl und Sohn und Güter, Rang und Schönheit, Das haſt du alles, und du willſt noch ihn Zu dieſem allen haben? Liebſt du ihn? Was iſt es ſonſt, warum du ihn nicht mehr Entbehren magſt? Du darfſt es dir geſtehn. Wie reitzend iſt’s, in ſeinem ſchönen Geiſte Sich ſelber zu beſpiegeln! Wird ein Glück125Ein Schauſpiel.Nicht doppelt groß und herrlich, wenn ſein Lied Uns wie auf Himmels Wolken trägt und hebt? Dann biſt du erſt beneidenswerth! Du biſt