Seiner Hochwuͤrdigen Magnifizenz dem Herrn Vize-Praͤſidenten Herder in Weimar aus innigſter Verehrung gewidmet.
Gewiß iſt es, wenn auch nicht eben fuͤr den Naturforſcher von Profeſſion, welcher ein ſo trefliches Original wohl mit keiner Uiberſetzung vertauſchen moͤchte, ſo doch fuͤr den Naturliebhaber, ein weder unangeneh - mes noch ungewuͤnſchtes Geſchenk, was ich ihm hier uͤbergebe. Uiberhaupt hoffe ich auf keinen Fall wegen Uibertragung dieſes Werks getadelt zu werden, es muͤßte denn die Ausfuͤhrung deſſelben Tadel verdienen. Denn abgerechnet das Intereſſe, welches die behandelte Materie, fuͤr den philoſophi - ſchen Geſchichtsforſcher der Menſchheit, ja gewiſſermaßen ſelbſt fuͤr den bloßen Univer - ſalhiſtoriker hat, wuͤßte ich auch uͤberhaupt keine, welche fuͤr den Menſchen als ſolchen wichtiger ſeyn koͤnnte. Ich getraue mich zu behaupten, und was ſich von ſelbſt verſteht, mit Beweiſen zu belegen, daß in Europa allgemeine Duldung, aͤchte Humanitaͤt, nieſoVIſo verbreitet geweſen ſind, als ſeit die Be - handlung dieſer Materie von einigen Schrift - ſtellern, welche Einfluß auf das Publikum hatten, auf die Bahn gebracht worden iſt. Und, wie natuͤrlich, unvermerkt erweiterten ſich die vorher engen Begriffe uͤber Charakter und Werth der Menſchheit. Indem man erſt die verſchiedenen Veraͤnderungen durchgieng, welche der phyſiſche Menſch erfahren konnte, gewoͤhnte man ſich ſchon, ihn nicht ſo einſei - tig mehr zu nehmen, als leider es vorher geſchehen war. Und als man dann den Urſachen nachſpuͤrte, welche dieſe Veraͤn - derungen hervorgebracht hatten, und ſie in Klima, Nahrungsmitteln und andern aͤhn - lichen Dingen fand, — dabey aber, durch eine natuͤrliche Verbindung der Ideen, auch immer mehr einſehen lernte, welchen maͤch - tigen Einfluß dieſes hinwiederum auf den Geiſt, deſſen mehrere oder geringere Aus - bildung, und dann ſelbſt mittelbar auf Moralitaͤt und Religion habe, fieng man nach gerade an, zu fuͤhlen, daß man ſichſelbſtVIIſelbſt veraͤchtlich, und wenigſtens einer Gedankenloſigkeit verdaͤchtig mache, wenn man fortfuͤhre, Menſchen etwas zuzurech - nen, was wir bey einer nur etwas anders modifizirten Lebensweiſe, und unter einem andern Himmelsſtriche ebenfalls thun wuͤr - den — oder in ihrer aͤußern Bildung von uns abweichende Bruͤder als Laſtthiere zu betrachten, da es wiederum nur auf einige zufaͤllige Umſtaͤnde ankommt, um vielleicht unſere Urenkel ſchon mit derſelben Bildung zu ſehen. Genug die Eroͤrterung dieſer Frage war ein aͤußerſt ſchoͤner Kommen - tar uͤber den Text:
„ alle Menſchen ſind Bruͤder! “
welcher jeden an die vergeßnen Worte aus dem Katechiſmus:
„ du ſollſt deinen Bruder lieben wie dich ſelbſt “
neuer - dings heilſam erinnerte.
Allein es gab da Leute, und unter die - ſen iſt auch der Toleranzprediger Voltaire, welchen das Anſehen des Katechiſmus ein großer Dorn in den Augen war. Das haͤtte er nun immerhin ſeyn moͤgen, nur haͤtten ſienichtVIIInicht deshalb alle Reſultate einer vernuͤnfti - gen Geſchichtsforſchung, und nebenbey auch der Phyſiologie, Phyſik, Chemie u. f. um - ſtoßen ſollen, wie dies z. B. Voltaire — freylich mit aus dem Grunde, weil er nicht ſonderlich darin bewandert war — that. Nichts aber wird ſo abgeſchmacktes oder al - bernes behauptet, das, wenn es ein großer, oder vielleicht auch nur namhafter Gelehrter (oft wohl wider eigne Uiberzeugung) geſagt hat, nicht wenigſtens ein Dutzend Juͤnger aus leidigem Drange — doch auch etwas zu ſagen, und etwas recht Genie verrathen - des zu ſagen — nachbeten ſollten.
So gieng es auch hier. Indeß iſt nichts ſo ſchlimm, das nicht auch ſeine guten Folgen haͤtte, und es gab noch immer Mittel, die Sklavenhaͤndler — geprieſen ſey der britti - ſche Aedelſinn und die brittiſche Regierung, welche ſie dulden! — aus ihrem Schlum - mer zu erwecken. Genug es beſtaͤtigte ſich auch hier, daß man eine Wahrheit nur be - zweifeln oder ablaͤugnen duͤrfte, wenn ſieuͤberIXuͤber kurz oder lang ſich in einem neuen Glanze, und von einer vorher vielleicht uͤber - ſehenen Seite zeigen ſoll.
Unter den mancherley Gelehrten von verſchiedenen Nationen, welche die Einheit des Menſchengeſchlechts zu vertheidigen ſuch - ten, meiſt Maͤnnern von nicht geringer Be - deutung, trat unter uns auch Herr Hofrath Blumenbach auf. Im Jahr 1776 erſchien ſein erſter Verſuch uͤber dieſe Materie, wel - cher ſchon nicht mehr als Verſuch im Jahr 1781 neubearbeitet ins Publikum kam. Man kann ſchon daraus beurtheilen, wie viel die zweyte Auflage vor der erſten voraus haben muß, wenn ich ſage, daß in dieſer der Herr Verfaſſer von der damals ſo beliebten Ein - ſchachtelungshypotheſe anhebt, in jener aber ſchon vorlaͤufig von dem Bildungstriebe, — zu deſſen Hauptvertheidiger ihn vorerſt der unerwartete Erfolg eines Verſuchs (mit ei - nem gruͤnen Armpolypen) machte, den er recht in der Abſicht angeſtellt hatte, um die Richtigkeit jener Evolutionstheorie zu erwei -ſenXſen — ausgeht. Uibrigens noch ſehr erwei - tert, bleibt aber dennoch dieſe zweyte Ausga - be in Plan und Darſtellung der erſten aͤhnlich.
Nach vierzehn Jahren aber, 1795, er - ſchien die dritte Ausgabe von dieſem Werk. Man weiß, daß der Herr Verfaſſer keiner von jenen iſt, die um eine einmal geſagte Meinung zu behaupten, lieber aller Wahr - heit Hohn ſprechen; man weiß, daß ſein philoſophiſcher Forſchungsgeiſt nicht ge - wohnt iſt, die Sachen von der Oberflaͤche zu greifen, ſondern immer ins Innere derſelben dringt; man weiß, daß ſein Fleiß keine Muͤhe, wie groß ſie ſey, ſcheut, wenn es gilt eine neue Wahrheit zu entdecken, oder eine verkannte in ihr wahres Licht zu ſetzen, — und jedermann endlich kennt ſeine ſtreng logiſche Darſtellungsweiſe. Uiberdieß mit einer Menge der ausgeſuchteſten Huͤlfsmit - tel, ſeinem und des Goͤttinger Muſeums anthropologiſchem Vorrathe, haͤufiger Av - topſie, u. a. ausgeruͤſtet, wie konnte dieſe Ausgabe da anders werden, als:„ innu -XI
wie ſie der Herr Verfaſſer ſelbſt nennt, und welche Worte um ſo mehr Gewicht erhal - ten, je beſcheidner dieſer Gelehrte ſich ſtets gezeigt hat.
Von dem darauf verwandten Fleiße des Verfaſſers kann folgendes, was er in ſeinen Beytraͤgen zur Naturgeſchichte S. 71. dem Herrn Hofrath Meiners auf ge - wiſſe Einwendungen entgegnet, als eine klei - ne Probe dienen:
„ Ich habe zu dieſem Zweck “(den Ge - brauch der Reiſebeſchreiber, und anderer faͤhigen und glaubwuͤrdigen Zeugen bey dieſer Unterſuchung zu benutzen) „ etwas „ gethan, was vielleicht nicht viele thun, daß „ ich, nachdem ich ihrer ſchon eine Menge „ geleſen hatte, vor ohngefaͤhr zehn Jah - „ ren anfieng, die ganze ſehr betraͤchtliche „ Sammlung von Reiſebeſchreibungen „ auf der hieſigen Univerſitaͤtsbibliothek „ von vorne bis zu Ende durchzugehen,ſoXII„ ſo daß ich mehrere Jahre hindurch im - „ mer ein halbes Dutzend nach dem andern, „ ſo wie ſie der Ordnung nach im Fache „ folgten, zu Hauſe hatte, und die, ſo ich „ nicht vorher ſchon benutzt hatte, zu mei - „ nem Gebrauch excerpirte, ſo daß ich nun „ ſeitdem blos die immer neu hinzukom - „ menden gelegentlich nachzuholen ſuche. “
Die unerwartete Guͤtigkeit des Herrn Hofrath Blumenbachs ſelbſt, womit die - ſer wuͤrdige Gelehrte — was in Iſrael ſel - ten funden wird — mir nicht allein die Er - laubniß dies Werk zu uͤbertragen, ſondern auch ſo manche zu benutzende Bemerkung mitgetheilt hat, muß ich hier zugleich mit ruͤhmen. Habe ich vorher ihn bloß verehrt; ſo hat er mich jetzt auch gezwungen ihn zu lieben, und ich wuͤnſche nichts ſo ſehr, als Gelegenheit, ihm dies irgend thaͤtig zu be - weiſen. Dem Herrn D. Ludwig ſtatte ich ebenfalls meinen Dank fuͤr die guͤtige Unter - ſtuͤtzung mit Huͤlfsmitteln, deren ich bey die - ſer Arbeit bedurfte, hier oͤffentlich ab, eineUn -XIIIUnterſtuͤtzung, die man in Leipzig um ſo mehr zu ſchaͤtzen hat, je ſtiefmuͤtterlicher dieſe alma mater die oͤffentlichen Bibliotheken verabſaͤumt, und — wer ſollte es glauben! — an ein Naturalienkabinet gar nicht ge - dacht hat.
Und ſo haͤtte ich jetzt nun nichts mehr zu ſagen, als die Angabe einiger Gruͤnde, wel - che mich einige kleine Nebenſachen — wenn es anders welche ſind — beyzufuͤgen, be - wogen haben.
Aus der erſten und zweyten Ausgabe manche wichtige Stelle noch auszuheben, ha - be ich um ſo nothwendiger erachtet, je ſelt - ner beyde geworden, und im Buchhandel gar nicht mehr zu finden ſind. So habe ich auch daraus z. B. das os intermaxillare nachſtechen laſſen, denn außerdem, daß es fuͤr meine Leſer ſehr erlaͤuternd ſeyn wird, werde ich auch denen keinen unangenehmen Dienſt dadurch erwieſen haben, welche we - gen demſelben bey Herder, Feder, Meiners, Ludwig und andern, auf BlumenbachsSchriftXIVSchrift hingewieſen, es in der dritten Aus - gabe nicht gefunden haben wuͤrden, und doch die aͤlteren nicht bekommen koͤnnten. Dieſes aber glaubte ich um ſo mehr, da es mir ehe - mals ſelbſt ſo ergangen iſt. Warum ich das menſchliche Skelett habe beyfuͤgen laſſen, daruͤber brauche ich aber, nach meiner obi - gen Erklaͤrung, wohl weiter nichts zu ſagen.
So ſehr uͤbrigens dieſe Arbeit ſelbſt mich ſchon dadurch reichlich belohnt hat, daß ich durch ſie ſo gluͤcklich war, einem unſerer ge - ſchaͤtzteſten Gelehrten bekannt zu werden; ſo ſehr ſoll es mich doch noch freuen, wenn ich hoͤren ſollte, daß ſie ſeinen Beyfall nicht gaͤnzlich verfehlt. Leipzig zur Oſtermeſſe 1798.
Gruber.
AnXVMehr als Ein Grund bewegt mich, Ihnen dieſe Schrift zu widmen.
Denn, abgerechnet das Vergnuͤgen, wel - ches ich darin finde, Ihnen das Gefuͤhl meiner Dankbarkeit fuͤr jene, ſeit ich Ihnen genauer bekannt wurde, ſo vielen mir aufgelegten Ver - bindlichkeiten, einmal oͤffentlich erkennen geben zu koͤnnen; ſo verdankt auch gerade die gegen - waͤrtige Ausgabe dieſes neubearbeiteten Werks, die vortreflichſten Zuſaͤtze, und merkwuͤrdigſten Verzierungen, wodurch ſie die vorhergehenden uͤbertrift, groͤßtentheils Ihrer Guͤte.
Denn außerdem, daß Sie ſeit mehrern Jahren her weder Muͤhe noch Koſten geſparthaben,XVIhaben, meine Sammlung der Hirnſchaͤdel ver - ſchiedener Voͤlker mit ſolchen Stuͤcken zu berei - chern, nach welchen mich gerade am allerſehn - lichſten verlangte, mit Hirnſchaͤdeln naͤmlich von Amerikanern und Inſulanern des Suͤd - meers, erlaubten Sie mir, als ich vor drey Jahren in London war, noch beſonders mit der - ſelben edelmuͤthigen Uneigennuͤtzigkeit, mit wel - cher Sie unſerm Gaͤrtner einſt Ihre Baum - ſchule, andern andere Reichthuͤmer Ihres Mu - ſeums zu benutzen verſtatteten, von allen fuͤr das Studium der Anthropologie geſammelten Schaͤtzen, womit Ihre Bibliothek prangt, als der Gemaͤhlde, der von den beſten Kuͤnſtlern nach der Natur ſelbſt gezeichneten Abbildungen auch einen ſo gaͤnzlich uneingeſchraͤnkten Gebrauch, daß ich mir Kopien davon machen, von allem nach Belieben Abſchrift nehmen, und alſo mit ſo vielen und ſo wichtigen Huͤlfmitteln verſehen, zu einer neuen Auflage meines Werkes ſchreiten konnte, ſo daß ich es nun ohne Verdacht von Pralerey unendlich vermehrt, verbeſſert und nach der Natur ſelbſt vollendet zu nennen wage.
Nehmen Sie alſo dieſe kleine Schrift, wo - von ein großer Theil Ihr Eigenthum iſt, und welches Ihnen auch deshalb nicht unange - nehm ſeyn wird, weil es einen, zwar an Wich - tigkeit keinem andern nachſtehenden, doch aberzumXVIIzum verwundern, unter allen am laͤngſten ver - nachlaͤßigt und unbearbeitet gelegenen Theil der Naturgeſchichte in Ordnung bringt, ge - faͤllig an.
Dem unſterblichen Linnée bleibt auch dies Verdienſt, daß er, ſo viel ich weiß, unter den Schriftſtellern uͤber die Naturgeſchichte, der erſte geweſen, welcher ſchon vor ſechzig Jahren in der Hauptausgabe ſeines Syſtems der Na - tur, die Menſchengattung nach den aͤußern Kennzeichen unter gewiſſe Varietaͤten zu brin - gen ſich bemuͤht hat; und dies zwar nach der Kenntniß der damals nur bekannten vier Theile unſers Erdwaſſerballs und deren Bewohner, ziemlich adaͤquat.
Nachdem aber ſeit der von Ihnen unternommenen dreyjaͤhrigen Erdumſeglung die Liebhaber der Naturgeſchichte und An - thropologie eine genauere Kenntniß von denen auf den Inſeln des Suͤdmeers weit und breit verſtreuten Voͤlkerſchaften bekamen, ſah man leicht ein, daß jene linnéeſche Eintheilung des menſchlichen Geſchlechts nun nicht laͤnger an - wendbar ſeyn koͤnne; weshalb ich denn auch kein Bedenken getragen habe, in dieſem Werk - chen, nach anderer Beyſpiel von dem großen Manne darinn abzugehen, und die Varietaͤten der Menſchen der Natur und Wahrheit, welche**haupt -XVIIIhauptſaͤchlich durch Ihre Sorgfalt und aͤußerſt genaue Beobachtung uns bekannt gemacht wor - den iſt, gemaͤßer zu ordnen.
Ja ſogar im Allgemeinen achtete ich es fuͤr Forſcher der Zoologie nuͤtzlich und vortheilhaft, Linnées Methode, die Saͤugthiere nach dem Verhaͤltniß der Zaͤhne zu ordnen, welche eben - falls zu der Zeit, wo er ſie aufſtellte, tauglich genug war, aber jetzt, nachdem ſo viele und ſo wichtige neue Gattungen dieſer Ordnung ent - deckt worden ſind, ſehr mangelhaft iſt, und ungeheuer viel Ausnahmen erfordern wuͤrde, zu verlaſſen, und ſtatt jenes kuͤnſtlichen Syſtems, ein natuͤrlicheres von dem ganzen Habitus der Saͤugthiere hergenommenes, aufzuſtellen.
Denn wiewohl ich ganz nicht der Meinung jener bin, welche ſich, beſonders in neuerern Zeiten, in ihrem Gedankenſpiele von, ich weiß nicht welcher Stetigkeit oder Stufenfolge der Natur, wie ſie es nannten, ſo wohl gefielen, daß ſie des Schoͤpfers Weisheit und der Schoͤ - pfung Vollkommenheit darinn ſuchten, daß die Natur, wie ſie ſagen, keinen Sprung mache, ſondern die Naturdinge aus allen drey Reichen in Anſehung ihrer aͤußern Bildung gegenſeitig wie die Stufen an einer Leiter, oder die Glie - der und Ringe an einer Kette auf einander fol - gen: da doch denen, welche vorurtheilsfreyundXIXund ernſtlich zu Werke gehen, leicht einleuchtet, daß es ſogar einerſeits im Thierreiche ganze Ordnungen, als der Voͤgel, oder Gattungen, z. B. der Blakfiſche (Dintenfiſche, ſepiae) gebe, welche ſehr uͤbel, und nur durch gewiſſe Affektation in einem ſolchen Schema der Stu - fenfolge in den Naturdingen mit andern benach - barten verbunden werden; anderer Seits aber ſich Thierarten finden, z. B. die Schildlaͤuſe (cocci), wo zwiſchen der Beſchaffenheit beyder Geſchlechter ein ſo großer Unterſchied eintritt, daß man, um ſie in eine ſolche Leiter zu paſſen, die Maͤnnchen von ihren Weibchen ſehr weit entfernen, und die verſchiedene Geſchlechter von einerley Art an ganz verſchiedenen Orten an - bringen muͤſte; daß es aber im Gegentheile in dieſen Schematen unlaͤugbar ſehr große Luͤcken gebe, wodurch die Naturreiche ſich am offen - barſten von einander unterſcheiden; und ande - res der Art mehr; wiewohl, ſage ich, alles recht erwogen, ich jene gewoͤhnliche von den Phyſikotheologen insgemein ausgeſchmuͤckte und geprieſene Wichtigkeit und Wuͤrde in der Lehre von der Stufenfolge der Natur, auf keinen Fall an - erkennen kann, ſo gebe ich doch ſehr gern das zu, daß dieſe metaphoriſchen und allegoriſchen Spie - le einen unlaͤugbaren Nutzen fuͤr die Erleichte - rung der[Methode] in der Naturgeſchichte haben.
** 2DennXXDenn ſie legen gleichſam den Grund fuͤr jedes natuͤrliche Syſtem, worin die Dinge nach ihrem Totalhabitu und den aͤußern Eigenſchaf - ten, in denen ſie gegenſeitig am allermeiſten mit einander uͤbereinkommen, geordnet werden, da die kuͤnſtlichen hingegen nur ein einzelnes Merkzeichen zum Grunde ihrer Eintheilung an - nehmen.
Da es aber keinem Zweifel unterworfen iſt, daß ſolch ein natuͤrliches Syſtem vorzuͤglicher ſey, als ein kuͤnſtliches, weil es die Urtheils - kraft ſchaͤrft, und dem Gedaͤchtniß ſeine Be - ſchaͤftigung ungemein erleichtert; ſo habe ich mir um ſo mehr Muͤhe gegeben, die Klaſſe der Saͤugthiere auf eine ſolche Ordnung eines na - tuͤrlichen Syſtems zuruͤckzufuͤhren, da Linné es kuͤnſtliches, von dem Verhaͤltniß der Zaͤhne hergenommenes, durch die Hinzukunft ſo vieler neuerdings entdeckten Gattungen, taͤglich laͤſti - gere Anomalien und Ausnahmen bekaͤme.
Denn ſo, um dies wenigſtens nur zu be - ruͤhren, kennen wir jetzt zwey Gattungen vom Rhinozeros, welche nach ihrem Habitus ſich voͤllig aͤhnlich, den Zaͤhnen nach aber ſo ver - ſchieden ſind, daß man, um Linné es Syſteme noch zu folgen, die eine Gattung eben ſo gut zu den großen Saͤuge - (belluae), als den Nagethieren (glires) und die andere zu denSaͤuge -XXISaͤugethieren ohne Schneidezaͤhne (bruta) rech - nen muͤßte! *)Eine Abbildung ihrer Schaͤdel ſ. in Herrn Blu - menbachs naturhiſtoriſchen Abbildungen 1. Heft 7. Tafel. Das Afrikaniſche Rhinozeros hat nur vorn am Gaumen ein ganz kleines und blindes os intermaxillare. Beym aſiatiſchen hingegen iſt dieſer beruͤhmte Knochen groͤßer, und faßt zwey kurze ſtumpfe Vorderzaͤhne, der Unterkiefer zwey von faſt pfriemenartiger Geſtalt. Auch reichen bey dieſem die Backenzaͤhne nicht ſo weit vor als bey jenem, ſondern ſind durch einen anſehnlichen leeren Zwiſchenraum von den Schneidezaͤhnen ge - trennt. G.
So muͤßte man denn auch das aͤthiopiſche Schwein ohne Schneidezaͤhne von den uͤbrigen großen Saͤugethieren wegbringen, und es zu Linné es Saͤugethieren ohne Schneidezaͤhne rechnen.
Von dem gezaͤhnten afrikaniſchen Ameiſen - freſſer, welcher nun von jener, Linné es Mei - nung nach, zahnloſen Art; oder von einigen Faulthieren (lemures), (dem Lori und wollig - ten indrum et lanigerum), welche aus Erman - gelung der Zaͤhne, von Linné es Faulthierarten weggerechnet werden muͤßten, u. ſ. w. ſage ich gar nichts.
Dieſer Verwirrung, welche fuͤr das Stu - dium der Zoologie unlaͤugbar ſehr beſchwerlich wird, habe ich durch folgende feſtgeſetzte zehnnatuͤr -XIInatuͤrliche Ordnungen der Saͤugethiere abzuhel -〈…〉〈…〉 n mich bemuͤht, von welchen mir, weil ihrer〈…〉〈…〉 n gegenwaͤrtigen Werke hin und wieder ge -〈…〉〈…〉 cht iſt, hier eine Uiberſicht zu geben erlaubt〈…〉〈…〉 yn wird.
Dies und vieles andere, worin ich in dem Werke, dem ich dies vorſetzen zu muͤſſen glaub - te, hin und wieder von Anderer Meinung ab - gewichen bin, unterwerfe ich nun mit eben ſo viel Ehrfurcht als Achtung Ihrem Urtheil, dem Urtheil des Mannes, an welchem die koͤnigliche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, welche ſeit ih - rer erſten Entſtehung den goldnen Wahlſpruch fuͤhrte: „ Schwoͤre auf keines Menſchen Wort! “einen ſo wuͤrdigen und verdienten Praͤſidenten zu haben ſich erfreut.
Leben Sie denn wohl, und ſchenken auch ferner Ihre Gewogenheit
Georg-Auguſts-Univerſitaͤt am 11. April 1795.
Ihrem
ganz ergebenen Diener.
Aus drey Gruͤnden hielt ich es der Muͤhe werth, dieſes Verzeichniß hier einzuſchalten.
Einmal, damit der gelehrte und billige Leſer ſaͤhe, mit welchen, und mit wie wichtigen, aus der Natur ſelbſt hergenommenen, Huͤlfsmitteln verſehen, ich zu einer neuen Ausgabe dieſes Buchs geſchrit - ten bin.
Dann aber auch, um ein Zeugniß meiner Dank - barkeit aufzuſtellen, fuͤr die beſondere Milde, mit welcher meine Goͤnner und Freunde dieſen Vorrath zum Gedeihen des anthropologiſchen Studiums bis - her zu bereichern ſo guͤtig geweſen ſind.
Und endlich, um zu zeigen, welche mir noch mangeln, und mit welchen ſie, wenn ſie ferner Gelegenheit und Guͤtigkeit haben, denſelben noch vermehren koͤnnten.
Verſch. d. M. AI.2Eine Auswahl dieſer, in Anſehung ihrer Groͤße und Verſchiedenheit, meines Wiſſens einzigen Samm - lung, (denn weder Kampers noch Joh. Hunters aͤhn - liche koͤnnen in dieſem Betreff ihr gleich geſtellt wer - den,) habe ich in drey Dekaden ausfuͤhrlicher beſchrie - ben, und mit den genaueſten Abbildungen verſehen, wo ich auch von der Gelegenheit und dem Wege, worauf ich jeden Schaͤdel erhalten, Rechenſchaft abgelegt habe. Um den aͤchten Urſprung eines je - den zu beweiſen, bewahre ich einen, mit dieſem Schatze verbundenen, Apparat eigenhaͤndiger Briefe auf, welcher ſtatt Dokumente dient. Die einiger - maßen zweifelhaft oder zweydeutig ſcheinen koͤnnten, ſtelle ich beſonders. Zu gegenwaͤrtiger Unterſuchung gehoͤren:
NB. Dieſer Bogen wird zerſchnitten,
7Wiewohl dieſes beym erſten Anblick kaum hieher gezogen werden zu koͤnnen ſcheint, ſo iſt doch un - leugbar, daß auch eine ſolche Sammlung, wenn ſie durch Mannichfaltigkeit ſich auszeichnet, auf jeden Fall fuͤr ein[ſorgfaͤltigeres] Studium der Anthropolo - gie ihren Nutzen hat. Dieſe enthaͤlt Proben von al - len fuͤnf Hauptvarietaͤten des Menſchengeſchlechts: und unter dieſen ziemlich merkwuͤrdige, von denen hinten an ſeinem Orte hin und wieder iſt geredet wor - den, als von dem zweyfarbigen Haupthaar eines mit weißen Flecken untermiſchten Nigritiers, wel - chen ich zu London ſah u. a. m.
Der groͤßte Theil hiervon geht auf die Naturge - ſchichte des Mohren. In dem Buche ſelbſt habe ich hin und wieder umſtaͤndlichere Nachricht davon ertheilt.
Es erhellt an ſich*)Vergleiche die hierauf Bezug habende Stelle bey Vol - ney in ſeinen Ruines, ou meditation ſur les Revo - lutions des empires. S. 349. ſchon, daß ein ſolcher Ap - parat, beſonders, wenn man ihn immer mit der ge -nann -12nannten Hirnſchaͤdel-Sammlung zuſammen haͤlt, zu den erſten vorzuͤglichen und untruͤgbaren Quellen des Studiums der Anthropologie gehoͤre; und deshalb ha - be ich ſeit zwanzig Jahren mir alle Muͤhe gegeben, ſolcher nach der Natur ſelbſt, und was ein Haupt - umſtand iſt, von geſchickten Kuͤnſtlern verfertigten Abbildungen viele mir zu verſchaffen. Zwar findet man in Reiſebeſchreibungen eine Menge aͤhnlicher Abbil - dungen; allein ſobald man ſie unter das Meſſer der Kritik bringt, ſo findet man in der That ſehr wenige, denen man trauen koͤnnte. Denn rechnet man eini - ge, z. B. die aus Korn. de Bruͤn perſiſcher und indi - ſcher Reiſe, und aus der Erdumſegelung des unſterb - lichen Kook von ihm ſelbſt beſchrieben, und mit den ſchoͤnen, von dem beruͤhmten Hodges gezeichneten Kupfern verſehen, hinweg; ſo wird man leicht fin - den, daß die uͤbrigen, nur nicht alle, bisweilen zwar wohl mit ſehr glaͤnzenden Kupfertafeln prangen, welche bey genauerer Beſichtigung aber, und einer Vergleichung mit richtigen Abbildungen, oder der Natur ſelbſt, kaum irgend einen Nutzen fuͤr die Na - turgeſchichte des Menſchengeſchlechts haben. Man muß alſo zu dieſem Behuf vielmehr andere hie und da befindliche Abbildungen fremder Voͤlker verglei - chen, welche man theils in Kupfer geſtochen einzeln herausgegeben, oder zerſtreut in Buͤchern eingeſchal - tet, theils als eigne Handzeichnungen von der ge - ſchickten Hand eines Kuͤnſtlers antrift. Von jenen habe ich mir eine nicht gemeine Menge angeſchaft, worunter ſich hauptſaͤchlich des in dieſer Art großen Kuͤnſtlers Wem. Hollar geaͤtzte Figuren, und die nicht gemeinen Blaͤtter der neueren engliſchen Ku -pfer -13pferſtecher auszeichnen, welche jedoch einzeln aufzu - zeichnen, der Raum dieſer Anzeige nicht geſtattet. Indeß duͤrfte ich doch wenigſtens eine Ueberſicht von den merkwuͤrdigſten Handzeichnungen beyfuͤgen:
Wer von der Verſchiedenartigkeit des Menſchenge - ſchlechts ſchreiben, und die Unterſchiede aufzaͤhlen will, welche in Hinſicht auf ihren Koͤrperbau zwi - ſchen den verſchiedenen Menſchenſtaͤmmen ſtatt finden, muß vor allen Dingen eine Unterſuchung anſtellen uͤber jene Unterſcheidungen, welche den Menſchen und die uͤbrigen Thiere von einander ſondern. Da trift es denn aber auch hier, was bey dem Studium der Naturgeſchichte, und zwar inſonderheit der Zoo - logie oͤfters der Fall iſt, daß man bisweilen eine Gattung von ihren Nebengeſchlechtern weit leichter auf die erſte Anſicht, und zwar zu Folge eines ge - wiſſen ſinnlichen Eindrucks, unterſcheiden, als dieſe unterſcheidenden Merkmale ſelbſt aufzaͤhlen, und mit Worten ausdruͤcken kann. So iſt es ziemlich leicht die Ratte von der Maus, das Kaninchen von dem Haaſen zu unterſcheiden, ſchwer hingegen die charak - teriſtiſchen Zeichen, auf denen dieſe allgemein be - merkte Verſchiedenheit beruht, heraus zu ſuchen. Daß aber die Materie, welche wir jetzt bearbeiten, dieſelbe Schwierigkeit habe, haben in dieſem FacheVerſch. des M. Bgroße18große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk - male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen, und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben; ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz - ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib - bon) zu einer Gattung gerechnet.
So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo - durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be - obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter - ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren will, daß ich
Hierher ziehe ich auch einige Merkzeichen, welche zwar zunaͤchſt in eine Zuſammenſtellung des Skelets gehoͤren, allein ſich doch in der aͤußeren, von jener ab - haͤngenden, Beſchaffenheit des Koͤrpers zeigen, wo denn folgende, zumal wenn man ſie zuſammenge - ſtellt betrachtet, eine vollſtaͤndige Erklaͤrung von der menſchlichen Gattung zu enthalten ſcheinen:
Hierauf wird man, als auf ſeine Hauptſtuͤcke, alles uͤbrige, was die Beſchaffenheit des menſchlichen Koͤrpers beſonderes hat, fuͤglich beziehen koͤnnen; und wir wollen daher von jedem einzelnen beſonders handeln.
Hier liegt uns der Beweis von zwey Punkten ob: daß naͤmlich
B 21) die20Dieſes wird unten erhellen (ſ. §. 10.). Jenes beſtaͤtigt a priori der Bau des menſchlichen Koͤrpers ſelbſt, und a poſteriori die einmuͤthige Uibereinſtim - mung aller uns bekannten Voͤlker jedes Zeitalters. Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf man keines weiteren Beweiſes als deſſen, welchen man fuͤr das Gegentheil anzufuͤhren, und von den Beyſpielen vierfuͤßiger, unter Thieren aufgewachſe - ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die - ſer Sache ernſtlicher nachdenkt, ſieht leicht, daß man ſich keinen andern Zuſtand des Menſchen den - ken koͤnne, worin er weiter von dem ihm von der Natur beſtimmten abwiche, als eben dieſen, worin wir die ungluͤcklichen Kinder geſehen haben; denn mit ebendemſelben Rechte koͤnnte man jede Mißgeburt fuͤr die ideale Norm der menſchlichen Bildung halten, als man das Beyſpiel ſolcher wilden Kinder miß - braucht, um die dem Menſchen natuͤrliche Art zu gehen und zu leben, daraus zu beweiſen. Und den - noch darf man nur dieſe Nachrichten von den wilden Kindern etwas genauer beſeitigen, ſo erhellt aus den aͤchteſten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich nicht ausgeſetzten Beyſpielen darunter, als unſers beruͤhmten Peters von Hameln1)Man vergleiche Voigts Magazin fuͤr Phyſik und Naturgeſchichte 4ter Theil, 3ter Abſchn. S. 91. Und (Monboddos) ancient metaphyſics, 3ter Theil, Lond. 1784. 4. S. 57. und 367. Wie (Peter the wild boy, Juvenis Hannoveranus, Linn.); des Maͤdchensaus21aus Champagne2)(de la Condamine) hiſtoire d’une jeune fille ſau - vage. Paris 1761. 12.; des pyrenaͤiſchen Mannes3)Vergl. Leroy ſur l’exploitation de la Mâture dans les Pyrenées. Lond. 1776. 4. S. 8. und anderer, klar, daß dieſe Ungluͤcklichen aufrecht gegangen ſind; in der Geſchichte der uͤbrigen aber, welche man gemeiniglich fuͤr vierfuͤßige gehalten hat, als des irrlaͤndiſchen Juͤnglings unter den Schaafen Linn. ſtoͤßt man auf verſchiedenes, was ſie ſehr zweifelhaft macht4)Man ſehe z. B. was der uͤbrigens ſehr verdiente Tulpius von dieſem irrlaͤndiſchen Juͤnglinge erzaͤhlt im 9ten Kap. des 4ten Buchs ſeiner Obſervat. medi - car. „ Ein Juͤngling von 16 Jahren, der in Irrland unter den wilden Schaafen von Kindheit an auferzogen war, hatte gleichſam die Natur der Schaafe angenommen — hatte wilden Blick — war roh, kuͤhn, unerſchrocken. — Er hatte auf rauhen Gebirgen, in wilden Gegenden gelebt, ſelbſt ſo wild als ungebaͤndigt “u. ſ. w. — Wie moͤgen denn wohl die wilden Schaafe in Irrland beſchaffen ſeyn? Wel - ches mag ihre Natur ſeyn? Wild und ungebaͤndigt? Gewiß jeder, der dieſes Geſchichtchen mit dem Meſſer der Kritik zerlegt, wird auf die Vermuthung kom - men, daß dieſer dumme Klotz, der des Schauſpiels halber als ein Wunderwerk durch Holland gefuͤhrt wurle, leicht eben ſo wenig zu den unter Thieren erzogenen Menſchen gehoͤrt habe, als einſt eben da - ſelbſt ein aͤhnliches von einem liſtigen Betruͤger fuͤr einer Eskimo ausgegebenes Wunderwerk (man ſehe hierueber Recherches philoſoph ſur les Améric. Th. 1. S. 258.) zu den wahren Eingebornen der Kuͤſte La - bradir.; ja jener wilde Menſch des Linné (Homo ſapiens ferus, S. N. Ausg. 12. 1ſter Th. S. 28.) ſcheint in der That mit nicht groͤßeremRechte1)Wie wichtig dieſem ſchottiſchen Philoſophen vor al - len andern Peter von Hameln iſt, bekennt er in fol - genden Worten: „ Dieſe Erſcheinung daͤucht mich iſt außerordentlicher, denn der neue Planet, oder eine Entdeckung von noch 30,000 Fixſternen, außer denen kuͤrzlich entdeckten. “b)22Rechte vierfuͤßig als behaart benennt werden zu koͤnnen.
Zwar iſt es ein verdruͤßliches Geſchaͤft, eine an ſich klare und einleuchtende Sache mit langen Bewei - ſen zu unterſtuͤtzen; allein ſie gaͤnzlich unberuͤhrt zu laſſen, verbieten ein paar beruͤhmte Maͤnner, der Italiener P. Maſcati naͤmlich, und der Hollaͤnder A. Schrage5)S. deſſen Verhandeling over de Longteering in dem Handbuche, welches den Titel hat: Genees-Natuur - en Huishoud-kundige Jaarboeken, 3ter Theil,[1ſter] Abſchnitt S. 32., die paradoxen Beguͤnſtiger der ent - gegengeſetzten Meinung. Indeſſen wird es hinrei - chen, nur weniges aus dem ſehr vielen herauszuheben.
Daß alſo der Menſch von Natur zum aufrechten Gange beſtimmt ſey, bezeugt gleich auf dem erſten Anblick die Laͤnge der Schenkel im Verhaͤltniß des Rumpfes und der Aerme. Denn kann ich ſchon dem Daubenton nicht beyſtimmen, wenn er meint, daß kein Thier, außer dem Menſchen, ſo große Hinter - fuͤße habe6)S. Memoires de l’acad. des ſciences de Paris 1764. S. 569., deren Laͤnge gleich waͤre der Laͤnge des Kopfes und Rumpfes; welches die Beyſpiele ver - ſchiedener Saͤugthiere, als des Gibbon Simia lar und des kapſchen Springers (Jerboa Capenſis) wi - derlegen; ſo iſt doch jedem klar, daß der alſo ge - baute Menſch auf keine Weiſe wie die vierfuͤßigen Thiere gehen koͤnne; da ſelbſt die Kinder nicht anders,als23als mit den Knien aufgeſtemmt, kriechen koͤnnen, ob - ſchon ihre Schenkel in dieſem zarten Alter in dem ſchon benannten Maaße kuͤrzer ſind, als bey Erwachſenen.
Allein nicht bloß die Groͤße, ſondern auch die beſondere Staͤrke der Schenkel, mit den ſchwaͤcheren Aernen verglichen, zeigen deutlich, daß dieſe einzig von der Natur zur Stuͤtze des Koͤrpers bereitet ſind; was hauptſaͤchlich durch einen aus der Oſteogonie entlehnten Beweiß dargethan wird, wo man naͤmlich weiß, daß bey einem juͤngſtgebornen Kinde die Kno - chen des Vorderfußes und zwar hauptſaͤchlich die Ferſe weit geſchwinder hart werden und zur Voll - kommenheit gedeihen, als die Knochen in der Hand, und das, wie es die Natur der Sache mit ſich bringt, da die zarten Haͤndchen in den erſten Lebensjahren kaum einige Kraftaͤußerung noͤthig haben, die Fuͤße aber ſchon beym Verlauf des erſten Jahres zur Stuͤtze des Koͤrpers und zum aufrechten Gange geſchickt ſeyn muͤſſen. Von den ſtarken Muskeln der Wade, haupt - ſaͤchlich des Schienbeinmuskels mit ſeinen beyden, durch Sehnen verwachſenen Muskeln (ſolei muſc. c. gemello ſuo), c) welche zur Aufrechthaltung des Menſchen ſo ſtark und auszeichnend von der Natur bereitet ſind, daß die alten Anthropologen deshalb mit Ariſtoteles meinten, man koͤnne dem Menſchen allein wahre Waden zuſchreiben, will ich nicht ein - mal etwas ſagen.
Ferner lehrt die ganze Zuſammenfuͤgung der Bruſt, daß der Menſch auf keinen Fall wie die Thiere gehen koͤnne. Denn wenn dieſe langfuͤßig ſind, iſt ihre Bruſt an den Seiten gleichſam zuſam - mmengedruͤckt, vorwaͤrts aber gebogen, und dieSchluͤſ -24Schluͤſſelbeine mangeln ihnen, damit die Fuͤße von beyden Seiten einander beſſer ausweichen, und mit - hin die Laſt des Koͤrpers leichter und feſter tragen koͤnnen. Uiberdieß haben die vierfuͤßigen Thiere ent - weder ein laͤngeres Bruſtbein, oder mehrere Rippen, welche weiter an den Rand des Huͤftbeines (Criſta ilei) herabgehen, um die Eingeweide des Unterlei - bes in der Lage des horizontalen Rumpfes zu halten. Dies alles aber verhaͤlt ſich anders bey dem zweyfuͤ - ßigen Menſchen. Seine Bruſt iſt flacher, die Schul - tern durch die Schluͤſſelbeine weit von einander abge - ſondert, der Bruſtknochen kurz, der Unterleib mehr als bey den genannten Thieren der beinernen Stuͤtzen entbloͤßt, und anderes der Art mehr, was keinem, der auch nur wenige Skelette vier - beſonders lang - fuͤßiger Thiere, etwas aufmerkſam mit dem menſch - lichen vergleicht, wird entgehen koͤnnen, was denn alles zeigt, wie unpaſſend der Bau des Menſchen zum Gange auf Vieren ſey, daß er nicht anders als unſicher, ſchwankend, aͤußerſt beſchwerlich und er - muͤdend fuͤr ihn ſeyn koͤnnte*)Mehreres hieruͤber ſiehe in Ger. Vrolik unter Seb. Juſt. Brugmanns Praͤſ. vertheidigter Diſſert. de ho - mine ad ſtatum greſſumque erectum per corporis fabri - cam diſpoſito. Leiden 1795. 8..
Dem bisher geſagten giebt die Betrachtung des menſchlichen Beckens die groͤßte Bekraͤftigung, deſſen ganz beſondere Bildung ebenfalls ein unterſcheidendes Kennzeichen iſt, wodurch ſich der Menſch wunderbar weit von den Menſchenaͤhnlichen Affen, und imAllge -25Allgemeinen von allen und jeden uͤbrigen Saͤugthie - ren am weiteſten und offenbarſten entfernt.
Die Behauptung, daß nur dem menſchlichen Skelette ein wahres Becken beyzumeſſen ſey, koͤnnte, ſo paradox und affektirt ſie auch ſcheinen duͤrfte, doch zu vertheidigen ſeyn. Wenn man naͤmlich unter Becken verſteht, eine ſolche Zuſammenfuͤgung der Huͤft - mit dem heiligen und Kukuksbeine (os coc - cygis), welche der Geſtalt eines Beckens nahe kommt; ſo weichen die laͤnglichten Huͤftbeine der uͤbrigen Saͤugthiere von dieſer Beckenbildung außerordentlich weit ab. Denn ob ſchon des Orangutang (ſimiae ſatyri) und des Elephanten Huͤftblaͤtter, etwas mehr Aehnlichkeit mit der Geſtalt des menſchlichen Beckens zu haben ſcheinen, als die der andern Saͤug - thiere, deren Skelette ich unterſucht habe: ſo ſind ſie doch nichts deſtoweniger bey dem erſtern laͤnger als breiter, bey dem letztern aber ragt eine ſehr verlaͤn - gerte Verknorpelung des Schaambeines hervor, und ſo faͤllt bey beyden offenbar die Aehnlichkeit des Bek - kens, von welcher wir reden, hinweg, welche ſich alſo bloß bey dem Menſchen, durch die Ebnung der Huͤftknochen uͤber dem Schloßbeine, ihrer zarten Verknorpelung, der Kruͤmmung des heiligen Beines von der Erhebung an und der vorwaͤrts gerichteten Schwanzbeinwirbel (os coccygis) aͤußert.
Die hintere Seite des Beckens dient den Steiß - muskeln zum Fundament, deren aͤußerſten oder großenkein26kein anderer Muskel des Koͤrpers an Dicke gleich iſt, und welche mit einer ſehr ſtarken Lage Fett bedeckt die Hinterbacken bilden, deren fleiſchigte, gefuͤgige, und gerundete Fuͤlle, welche den After verbirgt, nicht minder klaſſiſche Schriftſteller der Naturgeſchichte, wie Ariſtoteles7)Von den Theilen der Thiere. IV. 10. und Buͤffon8)Hiſt. nat. 2ter Theil S. 544. „ Hinterbacken ſind bloß der menſchlichen Geſtalt eigen. “als die groͤßten Phyſiologen, ein Galenus9)De uſu partium. XV, 8. Den phyſikotheologiſchen Zweck dieſes Vorzuges hat Spigel ſehr ſcharfſinnig ausgedacht in ſeinem Werke de humani corporis fabrica, S. 9. „ Einzig der Menſch kann unter allen Thieren be - quem ſitzen, denn er erhielt fleiſchigte und große Hin - terbacken, welche ihm ſtatt Unterlage, Kiſſen und ge - polſterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen keine Beſchwerlichkeit empfindend, den Geiſt beſſer be - ſchaͤftigen koͤnne, mit Nachdenken uͤber goͤttliche Dinge. “und Haller10)De corp. hum. functionibus, 1ſter Theil, Seite 57. „ Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen nicht leicht von den Menſchen unterſchieden. “fuͤr das Hauptkennzeichen halten, durch welches der Menſch ſich von den Affen, welche ganz ohne Geſaͤß ſind, am meiſten unterſcheide.
Ferner haͤngt von der benannten Kruͤmmung des Heiligen - und des Schaambeines eine merkwuͤrdige Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und beſonders der Mutterſcheide ab, deren Achſe ſich weit mehr als bey den uͤbrigen weiblichen Saͤugthie - ren von der ſogenannten Achſe des Beckens vorwaͤrts neigt, was zwar die Geburt etwas zu erſchweren pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen die aufrechtgehende Frau, beſonders bey dauernder Schwangerſchaft, unterworfen ſeyn koͤnnte, unge - mein vorbeugt.
Der -27Derſelben Richtung der Mutterſcheide iſt es bey - zumeſſen, daß das andere Geſchlecht in der menſchli - chen Gattung, nicht wie die Thierweibchen den Urin hintenaus laͤßt; und das um ſo weniger, da bey dieſem (ſo viel bis jetzt bekannt iſt) die Oeff - nung der Harnroͤhre nicht wie bey dem menſchlichen Weibe zwiſchen den Schaamlefzen ausgeht, ſondern ruͤckwaͤrts in die Mutterſcheide ſelbſt tritt, welche Erfahrung ich ſogar bey Menſchenaͤhnlichen Thieren, als dem Teufel oder Maimon und dem Makako, (papio maimon, Sim. cynomolgno) die ich dem anatomiſchen Meſſer unterworfen, gemacht habe d).
Und nach eben dieſer Richtung der Mutterſcheide, wird man den ſeit Lukrezens Zeiten oͤfters erregten Streit uͤber die Frage, welche Stellung dem Men - ſchen beym Beyſchlafe am angemeſſenſten ſey, „ Und auf welcherley Art man behandle die ſuͤße - ſte Wolluſt? “beylegen koͤnnen; denn wiewohl der Menſch auf meh - rerley Art dieſe Feyer begehen kann, und dieſe ver - ſchiedene Art, ſie zu begehen, von Menſchen aus den moͤnchiſchen Zeiten11)Man vergl. z. B. Carpus (Berengarlus) Commen - taria ſuper anatomia Mundini S. 13. „ Unter den uͤbrigen Thieren haͤlt der Menſch in verſchiedenen La - gen Beyſchlaf, giebt Umarmungen und Kuͤſſe, worin er verdammlich iſt, weil das laſterhafter, wolluͤſtiger und teuflicher iſt, als vernuͤnftig. “zu jenen Stuͤcken gezogen worden, wodurch er ſich von den Thieren unterſchei - de, ja unterweilen wohl phyſiſche Urſachen eintreten koͤnnen, welche ihn „ nach Art und Sitte der Thiere “zum Beyſchlaf reizen koͤnnen12)S. Kaͤmpfs enchiridion medicum. S. 181., ſo ſcheint doch imAllge -28Allgemeinen der wechſelſeitige Bezug der Mutter - ſcheide auf die maͤnnliche Ruthe der obwaltenden Liebe am gemaͤßeſten13)Als ich vor zwey Jahren (1793.) in London den ungeheuren Schatz von Zeichnungen durchgieng, wel - che in der Bibliothek des Koͤnigs von Großbritannien aufbewahrt wird, bewunderte ich von allen, und be - trachtete ich ſorgfaͤltiger einen beruͤhmten Band Ge - maͤhlde, welche fuͤr die menſchliche und verglichene Zergliederung ſehr nuͤtzlich ſind, und von dem großen Mahler Leonardo de Vinci mit der Feder gemacht waren, unter welchen hauptſaͤchlich eine ganz beſondere, und in ihrer Art einzige Zeichnung, von einem Manne, der mit einem Weibe im Beyſchlaf begriffen iſt, ſich auszeichnete. Beyder Rumpf aber war ſo durchſchnit - ten, daß man das ſchicklichſte Berhaͤltniß der ausge - dehnten maͤnnlichen Ruthe auf die Richtung der Mut - terſcheide, worauf ich hingewinkt habe, deutlich ſehen konnte. — Der Freundſchaft des Herrn Jo. Cham - bertaine, des Aufſehers dieſer koͤniglichen Sammlung, dieſes menſchenfreundlichen Mannes und ungemeinen Kuͤnſtlers verdanke ich eine ſehr genaue Copie dieſes ſ[ch]arfſinnigen Blattes..
Um die dem weiblichen Geſchlechte der menſchli - chen Gattung eigenthuͤmlichen Schaamtheile, mit einemmale abzufertigen, muͤſſen wir des Hymens noch erwaͤhnen, welches Haͤutchen, ſo viel ich weiß, bisher bey keinem andern Thiere iſt gefunden worden. Weder bey den Weibchen der gemeinen Affen, noch der Paviane ſind mir, ſo oft ich ſie unterſuchte, ir - gend eine Spur davon, oder in Warzen verwandelte Ueberreſte vorgekommen; eben ſo wenig als in dem weiblichen Elephanten, dem man vor mehreren Jah - ren durch Teutſchland fuͤhrte, und deſſen Geburts -theile29theile ich deshalb ſorgfaͤltiger unterſuchte, weil mir war berichtet worden, daß der ſelige Trendelenburg, ein damals ſehr beruͤhmter Arzt zu Luͤbeck, in dieſem Thiere eine Art von Hymen bemerkt habe. Mir iſt dieſer Theil im weiblichen Koͤrper uͤbrigens merkwuͤr - dig, da ich ſchlechterdings durch keine Muthmaßung irgend einem phyſiſchen Nutzen deſſelben auf die Spur kommen kann. Was die Phyſiologen uͤber den Zweck des Hymen vorgebracht haben, iſt kaum annehmbar; unter allen aber am wenigſten die von Hallern hier - uͤber geaͤußerte, nicht ſehr ſcharfſinnige Meinung: „ da man es bloß bey dem Menſchen finde, ſo ſey es ihm auch zu moraliſchem Zwecke verliehen, als Zeichen der Keuſchheit. “
In Anſehung der Nymphen und Clytoris ſcheint Linné ungewiß zu ſeyn, ob ſie außer dem weiblichen Geſchlechte der menſchlichen Gattung auch andere Weibchen haben? Ich aber habe ſelbſt erfahren, daß keiner von dieſen Theilen dem Menſchen eigenthuͤm - lich ſey, denn die Clytoris habe ich nach ſo viel an - dern nicht verwerflichen Zeugen, in mancherley Saͤug - thieren verſchiedener Ordnungen haͤufig beobachtet und zum Theil ſehr groß gefunden, wie in dem Teu - fel oder Maimon und dem Faulthieraffen, am unge - heuerſten aber, in der Groͤße einer Fauſt, in einem 52 Fuß langen Wallfiſch, welchen ich, als er vor Kurzem im Monat December 1791 bey Sandfort in Holland ans Ufer geworfen worden, ſorgfaͤltig be - trachtet habe.
Die Nymphen aber habe ich an einem Mongus, den ich ſelbſt einige Jahre lebendig aufgezogen habe, den menſchlichen ſehr aͤhnlich gefunden.
Aus dem, was uͤber des Menſchen Stellung bisher geſagt worden iſt, ergiebt ſich der groͤßte Vor - zug ſeiner aͤußern Bildung, naͤmlich: der freyſte Gebrauch zweyer ſehr vollkommener Haͤnde; durch deren Bildung er ſo weit uͤber den uͤbrigen Thieren ſteht, daß dadurch des Anaxagoras abgedroſchenes, von Helvetius in unſern Zeiten wieder aufgewaͤrmtes Sophiſma entſtanden iſt: „ Der Menſch ſcheine des - halb am weiſeſten zu ſeyn, weil er mit Haͤnden aus - geſtattet iſt. “ Dies iſt wirklich zu paradox; weni - ger ſcheint ſich im Gegentheile die Behauptung des Ariſtoteles von der Wahrheit der Natur zu entfernen, „ daß bloß der Menſch wirklich Haͤnde habe, welche wirkliche Haͤnde ſeyen; “da ſelbſt bey den Menſchen - aͤhnlichen Affen ein Haupttheil der Haͤnde, ich meine der Daumen, nach Verhaͤltniß kurz, faſt abgekippt, und, um mich eines Ausdrucks des großen Enſtachins zu bedienen, ſehr laͤcherlich iſt; daß mithin wirklich keine Hand, außer die menſchliche, die Benennung eines Organs der Organe verdient, womit derſelbe Stagirite ſie beehrt hat.
Die Affen und andere Thiere, welche man ins - gemein Menſchenaͤhnliche nennt, von der Gattung der Paviane, Meerkatzen und Faulthieraffen (Le - mur) ſind in der That weder zwey noch vierfuͤßig, ſondern vierhaͤndig zu nennen. Denn ihre Hinter -fuͤße31fuͤße haben ebenfalls einen aͤchten Daumen und keine Zehen, welche der zweyfuͤßige Menſch allein erhalten hat14)Der ſo große paradoxe Freund Robinet hat im fuͤnften Theile ſeines Werks de la nature auf der neunten Tafel die Abbildung eines Embrio geliefert, den er fuͤr einen Waldmenſchen ausgiebt, da doch aus den bloßen Fuͤßen, welche mit einem Finger, nicht mit einer Zehe, verſehen ſind, auf den erſten Anblick erhellt, daß es eine menſchliche Frucht ſey., daß ſie demnach mit groͤßerem Rechte als ihre Vorderfuͤße den Namen der Haͤnde verdienen, da ſie bekanntlich geſchickter zum Greifen eingerichtet ſind, als jene, auch giebt es eine Art von Meerkaz - zen, (den Coaita, Paniscus, Waldtenfel), welche an den Vorderhaͤnden keinen Daumen hat, da man hingegen nirgends ein vierhaͤndiges Thier dieſer Gat - tung geſehen, welches an der Hinterhand deſſelben ermangelt haͤtte.
Daraus kann man leicht den Streit ſchlichten, der daruͤber gefuͤhrt worden iſt, ob naͤmlich die Wald - menſchen (ſim. ſatyrus) und andere Menſchenaͤhn - liche Thiere ihrer Natur nach in den Waͤldern auf Zweyen oder Vieren gehen. In der That keins von beyden. Denn da die Haͤnde nicht zum Gehen, ſon - dern zum Greifen eingerichtet ſind, ſo iſt an ſich klar, daß die Natur dieſe Thiere beſtimmt habe, ihr Leben meiſt auf den Baͤumen hinzubringen. Auf dieſe klet - tern ſie, und ſuchen ihren Unterhalt darauf, wo ih - nen dann das eine Paar Haͤnde zum Anhalten, das andere zum Abreiſſen der Fruͤchte und andern Ver - richtungen dient; und zu dieſem Behufe hat die Na - tur die mit unvollkommenen Haͤnden verſehenen Meer - katzen mit einem Wickelſchwanze verſorgt, mit wel - chem ſie auf den Baͤumen ſich ſicherer halten koͤnnten.
Und32Und nun iſt es kaum einer Erinnerung beduͤrftig, daß es das Werk erlernter Kunſt ſey, wenn man unterweilen aufrechtgehende Affen entdeckt hat, da ſchon aus genauen, nach dem Leben gezeichneten Abbildungen des Waldmenſchen15)S. z. B. des beruͤhmten Wasmaer Monographie. klar zu ſehen iſt, wie unbequem und widernatuͤrlich erzwungen eine ſolche Stellung ſey, wo man ſich mit den Vorder - haͤnden auf einen Stock ſtuͤtzt, indeſſen die hintern auf eine nicht paßliche Weiſe zu einer Fauſt verſchlun - gen ſind16)Linne behauptet daher ohne gehoͤrigen Grund: „ daß es Affen gebe, welche eben ſo gut als der Menſch mit aufrechtem Koͤrper, auf zwey Fuͤßen gehen, und daß ſie wegen des Gebrauchs, den ſie von Haͤnden und Fuͤßen machen, zu der Menſchengattung gehoͤren. “*)S. Herrn Hofrath Blumenbachs naturhiſtoriſche Ab - bildungen. Zweyt. Heft, Taf. 12. Goͤtting. 1797. a).. Und noch iſt mir nirgends ein Bey - ſpiel von einem Affen, oder einem andern Saͤugthie - re außer dem Menſchen bekannt geworden, welches wie dieſer, auf beyden Fuͤßen aufrecht ſtehend, das Gleichgewicht halten konnte.
Hieraus erhellet, daß die aufrechte Stellung nicht minder zur Natur des Menſchen paſſe, wie wir geſehen haben, als ſie ihm eigenthuͤmlich iſt. (§. 4.) Demnach „ hebt allein das Menſchengeſchlecht das Haupt in die Hoͤhe und ſtehet leicht auf geradem Koͤrper. “
Die Zaͤhne ſind bey dem Menſchen mehr, als bey den uͤbrigen Saͤugthieren in gleicher Ordnung aneinander gereiht.
Die33Die untern Schneidezaͤhne gehen mehr auf - waͤrts, was ich unter die Hauptunterſcheidungsmerk - male des menſchlichen Koͤrpers rechne.
Die Hundszaͤhne ſtehen weder heraus, noch weit ab, ſondern ſind in gleicher Ordnung mit den benachbarten verbunden.
Die Backenzaͤhne haben beſondere krumme ſtumpfe Spitzchen, wodurch ſie ſich von den Backen - zaͤhnen des Waldmenſchen, des Gibbon, und aller Thierarten dieſer Gattung, von deren Schaͤdeln ich viele unterſucht habe, am augenſcheinlichſten unterſcheiden.
Endlich zeichnet ſich der menſchliche Kinnbacken durch drey Merkmale aus; naͤmlich durch die unge - meine Kuͤrze, durch das etwas hervorragende zu den aufrechten Schneidezaͤhnen paſſende Kinn, am mei - ſten aber durch die beſondere Form der Knorren an dem Hinterkopfe (Condyli) und ihre Richtung und Verbindung mit den Knochen der Schlaͤfe e), wodurch er ſich von den Kinnbacken, wenigſtens aller mir bekannten Saͤugthiere, unterſcheidet, und welches alles deutlich zeigt, das der Menſch von der Natur beſtimmt ſey, alle Arten Nahrung zu verzehren, oder zu einem Allverzehrer.
Ich uͤbergehe einiges minder Wichtige, was man ebenfalls zu dem auszeichnend Charakteriſtiſchen des Menſchen zu rechnen pflegt, als das Ohrlaͤppchen, ſchwellende Lippen, beſonders die Unterlippe, und anderes der Art mehr.
Verſch. des M. CVon34Von der kahlen Glaͤtte des menſchlichen Koͤrpers muß wenigſtens etwas geſagt, und unterſucht werden, in wie fern ſie zu den unterſcheidenden Zeichen, durch welche der Menſch von den uͤbrigen, ihm einigerma - ßen aͤhnlichen Saͤugthieren, ſich trennt, koͤnnen ge - rechnet werden. Nach Linnés Behauptung „ giebt es zwar irgendwo Affen, welche unbehaarter ſind, als der Menſch “; aufrichtig aber geſtehe ich, daß ich bis - her nach dieſem Irgendwo vergebens geforſcht habe. Hingegen weiß man aus der einmuͤthigen Ueberein - ſtimmung glaubwuͤrdiger Reiſebeſchreiber, daß jene Menſchenaͤhnlichen, auf Angola und der Inſel Bor - neo einheimiſchen, Affen, welche man gewoͤhnlich unter dem gemeinſamen malagiſchen Namen Oran - utan begreift, nicht minder als der Langarm ihrer Natur nach, weit behaarter ſind als der Menſch, und die Beyſpiele jener hin und wieder in Europa geſehenen Thiere beſtaͤtigen es, welche, wiewohl noch nicht voͤllig ausgewachſen, und von ſchwaͤchli - cher Geſundheit, doch nichts deſto weniger mehr Haare hatten, als der Menſch.
Das aber iſt außer Zweifel geſetzt, daß man hin und wieder, und zwar hauptſaͤchlich auf einigen In - ſeln des ſtillen Meeres, Einwohner bemerkt hat, wel - che durch behaartere Koͤrper ſich ausgezeichnet haben: von denen jedoch bis jetzt noch eine Beſchreibung mangelt.
Zuerſt hat ihrer der durch ſeine Seefahrten be - ruͤhmte Spangberg17)Muͤllers Sammlung ruſſiſcher Geſchichte, 3ter Theil, S. 174. Meldung gethan, der von den Japaniſchen Kuͤſten nach Kamtſchatka zuruͤckkeh -rend35rend auf der ſuͤdlichern von den kuriliſchen Inſeln (im 43° 50′ der Breite) ein ſolches Volk gefunden zu haben erzaͤhlt18)Zweifels ohne die Inſel Nadigsda, von deren Einwohnern dieſes, aber nur durch Sage der Gefaͤhr - ten des großen Cook, Jac. King, gehoͤrt hatte, in voyage to the northern hemisphere, 3ter Th. S. 377..
Der beruͤhmte J. R. Forſter19)S. deſſen Bemerkungen auf ſeiner Reiſe um die Welt. S. 218. hat unter den Einwohnern der Inſeln Tanna, Mallicolle und Neu - kaledonien nur zuweilen ſolche abweichende Indivi - duen wahrgenommen.
Man erzaͤhlt noch von einer aͤhnlichen Race auf Sumatra, welche im Innern der Inſel wohnen ſoll, und Oranggugu genennet wird20)Der uͤber dieſe Inſel klaſſiſche Schriftſteller Mars - den erzaͤhlt es nach Hoͤrenſagen Hiſtory of sumatra. S. 35. Not. *).
Wiewohl nun aber im Allgemeinen die Haut des Menſchen durch Glaͤtte und Haarloſigkeit ſich aus - zeichnet, ſo ſcheinen doch im Gegentheile einige be - ſondere Theile des menſchlichen Koͤrpers haarigter als bey den Thieren, z. B. die Schaam und die Hoͤhlung unter dem Arm, welche die Alten deshalb ebenfalls zu den dem Menſchen eigenthuͤmlichen Merkmalen gerechnet haben.
Da wir, was von den Eigenheiten des aͤußern menſchlichen Koͤrpers zu erinnern war, abgemacht haben, kommen wir nun auf den zweyten Punkt der Abhandlung (§. 2.) naͤmlich ſeine innere Einrich -C 2tung;36tung; wobey uns jedoch die engen Grenzen dieſes Orts auferlegen, dem Neoptolemus zu folgen, und unſer Philoſophiren nicht weitlaͤuftig auszudehnen. Man wird dieſe ganze Unterſuchung wieder auf zwey Hauptſtuͤcke zuruͤckfuͤhren koͤnnen, indem wir
Dieſe Theile, welche man in den Saͤugthieren, hauptſaͤchlich den zahmen findet, wurden ſonſt, da die Gelegenheit menſchliche Kadaver zu zerlegen ſelt - ner war, oder aus Liebe zur Zootomie vernachlaͤßigt wurde, ſonſt durchgaͤngig alle auch dem Menſchen zugeſchrieben.
Hierher gehoͤrt z. B. das Fleiſchfell, oder der Hautmuskel, welcher von Galenus und deſſen An - haͤngern, ja ſogar von dem Reformator der menſch - lichen Zergliederungskunſt, der ſie von den galeni - ſchen Irrthuͤmern ſo ſtreng reinigte, ich meine von Veſalius, dem Menſchen faͤlſchlich beygelegt, von Nikolaus Steno aber abgeſprochen, und einzig den unvernuͤnftigen Thieren zugeſchrieben wurde f).
Das wunderbare Netz (aus Blutadern beſte - hend hinter dem kleinen Gehirne) zaͤhlte Galenus unter die Theile des menſchlichen Koͤrpers, Veſalius aber zeigte nach Berengarius, einem Anhaͤnger des Carpus, daß es der Menſch nicht habe g).
Daß37Daß der Menſch keimen Aufhaͤngemuskel des Auges oder Augapfel, oder ſiebenten Muskel habe, womit die vierfuͤßigen Saͤugthiere verſehen ſind, hat nach der natuͤrlichen Wahrheit zuerſt Fallopius gelehrt h).
Daß die menſchliche Frucht in keine Harnhaut (allantois) eingewickelt ſey, was bey den uͤbrigen, nur nicht allen, Saͤugthieren der Fall iſt, hat man nur neuerlich erſt dargethan i).
Ich uͤbergehe andere Theile, welche, wiewohl ſie nur in wenigern Thiergattungen angetroffen, doch um nichts minder eine Zeitlang auch dem Menſchen faͤlſchlich beygelegt worden ſind, als die ſogenannte Aſelliſche Gekroͤſedruͤſe, die eigenen Kanaͤle aus der Leber in die Gallenblaſe, den Koͤrper des High - morus (Hodenkamm) u. ſ. w.
Oder die Theile, welche auch nur einigen Ord - nungen der Saͤugthiere zukommen, und dem Men - ſchen ſo offenbar verweigert ſind, daß ſie ihm nicht leicht jemand wird zuſchreiben koͤnnen, wohin ich z. B. die innere Augendecke rechne (welche ich der Ordnung der Darſtellung gemaͤßer hier nennen zu muͤſſen glaubte, obſchon ſie mehr zu den aͤußern Thei - len gehoͤrt) und das Spannaderband des Halſes (ligamentum ſuſpenſorium colli) und noch mehre - res von dieſer Art k).
Das Zungenloch an den obern Vorderzaͤhnen (foramen inciſiuum) hat der Menſch zwar mit den vierfuͤßigen Thieren gemein, doch iſt es nach Ver - haͤltniß kleiner bey ihm, und einfach, da es bey den meiſten uͤbrigen Saͤugthieren doppelt, und bey vielen ungeheuer groß iſt.
Dieſes merkwuͤrdige Bein muß aus mehr als ei - ner Urſache einzeln abgehandelt werden. Denn die Knochen, welche in der obern Kinnlade bey dem Menſchen zuſammenſtoßen, und alle und jede Ober - zaͤhne feſt in ſich halten, ſind bey den Thieren durch einen gewiſſen dritten vorwaͤrtsgehenden Knochen, der wie ein Pfahl zwiſchen ihnen ſteht, von einander getrennt worden, welchen Haller deshalb, weil die obern Schneidezaͤhne (wenn welche vorhanden ſind) in ihm ſtehen, den Namen Schneideknochen gege - ben hat. Allein da man ihn auch in jenen Saͤug - thieren findet, welche dieſe Oberzaͤhne nicht haben, wie die wiederkaͤuenden Thiere und der Elephant, und das afrikaniſche zweygehoͤrnte Rhinozeros ſind, oder in ganz zahnloſen, als dem Ameiſenbaͤr und Wall - fiſch; ſo glaubte ich ihn eher den Zwiſchenkinnladen - knochen nennen zu muͤſſen21)Bey den ſehr beruͤhmten Zootomikern Vitet und Vicq d’Azvr heißt es das Unterkinnbackenbein, und bey Blair in der Oſteographie des Elephanten, das Gaumenbein.. Bey einigen iſt es ein einziger ungetheilter Knochen, bey vielen hinge - gen iſt er in zwey Stuͤcken getheilt, bey andern aber durch eigne Naͤthe von den benachbarten Knochen des Hinterhauptes geſondert, deren eine bey ſehr vielen im Geſicht auf beyden Seiten nach der Naſe, zu den aͤußerſten Hoͤhlen der Schneidezaͤhne, die an - dere im Gaumen von dieſer Hoͤhle gegen das vordere gewoͤlbte Gaumenloch hinlaͤuft. Da nun Kamper den Mangel dieſes Knochens zu den Hauptmerkma - len gerechnet hat, wodurch der Menſch von andernSaͤug -39Saͤugthieren ſich unterſcheide, ſo entſteht freylich die doppelte Frage:
Das erſte hat vor drittehalb Jahrhunderten den Anatomikern der damaligen Zeit Stoff zu einem ſehr heftigen Streite gegeben. Denn da Galenus die ebenbenannte Nath des Zwiſchenkinnladenbeins zu den uͤbrigen des Hirnſchaͤdels rechnet, ſo bediente ſich Veſalius nach ſo viel andern Zeugniſſen auch die - ſes, zu beweiſen, daß er ſein, ſo lange fuͤr ein Ka - non gehaltenes oſteologiſches Handbuch nicht nach dem menſchlichen, ſondern nach dem Skelett des Affen verfertigt habe. Nach den vergeblichen Ver - ſuchen des Jak. Sylvius aber, durch elende Vorwaͤn - de ſeinen Galen zu retten22)Er quaͤlt ſich dergeſtalt mit der Rettung ſeines goͤttlichen Galenus, daß er endlich auch zu der Ent - ſchuldigung ſich herablaͤßt, daß die Menſchen, wiewohl ſie jetzo keine Zwiſchenkinnladenbeine mehr haͤtten, doch zu Galens Zeiten allerdings dieſelben gehabt haben, und daß man deshalb den Fuͤrſten der Anato - miker nicht anzuklagen habe, — „ ſondern einige Verhinderungen der Natur, welche in un - ſern Zeiten die Folgen der Leckerey und einer unzeitigen und uͤber maͤßigen Liebe geweſen waͤren. “, hielt man dieſe ganze Unterſuchung fuͤr ſo vollkommen beendigt, daß der neuerliche Verſuch des beruͤhmten Vicq d’Azyr, die Analogie zwiſchen der Einrichtung des Menſchen und der Thiere, in Anſehung des Zwiſchenkinnladenbeins, zu beweiſen, in der That wider alles Vermuthen und alle Erwartung war23)S. Memoires de l’ academie des ſciences de Paris. 1780.. Denn die einzige Spur einer Aehnlichkeit, worauf dieſe Analogie ſich gruͤn -det,40det, iſt eine Luͤcke im halben Bogen, welche man an den Kinnbackenbeinen der menſchlichen Fruͤchte und Kinder ſchraͤg uͤber bey den Hoͤhlen der Schneidezaͤhne erblickt, und welche, wie allgemein bekannt, auch jezuweilen bey Erwachſenen noch uͤbrig iſt24)Man ſehe ſchon[Veſalius] und Coiters Abbildungen.. Daß aber dieſe Luͤcke unrichtig durch die Benennung Nath bezeichnet werde, hat ſchon vor zweyhundert Jahren und druͤber weislich und nach der wahren Natur der ſcharfſinnige Fallopius angemerkt25)Ich bin nicht der Meinung derer, welche oͤffentlich bezeugen, daß man unter dem Gaumen eine Nath finde, die ſchraͤg uͤber zu den beyden Hundszaͤhnen gehoͤre, welche bey Kindern erkennbar ſey, bey Er - wachſenen aber ſo vertilgt werde, daß keine Spur davon uͤbrig bleibe. Denn ich finde, daß dies mehr eine Theilung oder Luͤcke iſt, als eine Nath, da ſie Knochen nicht von Knochen trennt, noch aͤußerlich ſichtbar wird.. Daß ſich aber auf der Geſichtsoberflaͤche der Kinnla - denknochen im menſchlichen Schaͤdel nicht einmal durch eine ſolche Spalte, geſchweige eine Nath be - merkbar mache, welche bey dem Affen ſo ſichtbar iſt26)S. Euſtathius Tab. anat. 46. 2te Fig., verdient kaum eine Erinnerung.
Was aber die andere Frage betrift, ob dem Menſchen allein unter den Saͤugthieren der Zwiſchen - kinnladenknochen mangle, da muß ich freylich beken - nen, daß ich ihn in mehrerern Hirnſchaͤdeln vierhaͤn - diger Thiere vergebens geſucht habe.
Die Naͤthe, welche dieſen Knochen umſchraͤn - ken, fehlen in dem Skelett der unzeitigen Meerkatze, welches in dem akademiſchen Muſeum aufbewahret wird, an deren Hirnſchaͤdel ſonſt die uͤbrigen Naͤthe ziemlich deutlich zu ſehen ſind.
Eben41Eben ſo wenig habe ich ſie in einem andern Ske - lett von derſelben Spezies gefunden, welches der beruͤhmte Bellmann, dieſer geſchickte kaſſelſche Wund - arzt, aufbewahrt. Es iſt von einer ſehr alten Meer - katze, worin mehrere Naͤthe vertilgt ſind, daß man alſo aus dieſem einzigen Belege nichts ſchließen kann.
Allein ein drittes Beyſpiel einer ſolchen Meer - katze iſt mir durch den Herrn Prof. Schacht zu Her - ford, meinen ſehr lieben Freund, bekannt gewor - den, an welcher jener Knochen ebenfalls mangelte. Von einem vierten Beyſpiele einer ſolchen Meerkatze, woran die Spur eines Zwiſchenkinnladenbeins gaͤnz - lich mangelt, hat mir der ſehr beruͤhmte Arzt zu Mancheſter, Herr Holme, in einem Briefe Nach - richt gegeben. Es duͤrfte wohl der Muͤhe werth ſeyn, wo dies Thier ſonſt angetroffen wird, zu unterſu - chen, ob der Zwiſchenkinnladenknochen an ihm zu finden ſey oder nicht.
In dem entſetzlichen Skelett eines wirklich unge - heuer großen Menſchenaͤhnlichen Affen von der Inſel Borneo, welches ich in dem Naturalienkabinet des Fuͤrſten von Oranien zu Haag ſorgfaͤltig und zu wie - derholtenmalen unterſucht habe, habe ich auch nicht die geringſte Spur von jenen Naͤthen entdeckt; daß aber dieſer Affe alt geweſen, zeigt ſowohl die ganze Beſchaffenheit des Skeletts, als beſonders das Ver - wachſen der meiſten Hirnſchaͤdelnaͤthe27)Ich wundere mich, wie Camper die entgegengeſetzte Meinung hat in Schutz nehmen koͤnnen. Er behauptet naͤmlich, daß dieſes das Skelett eines noch nicht alten Menſchenaͤhnlichen Affen geweſen ſey. S. deſſen Na - turgeſchichte des Orang-Utang. S. 146..
Mit42Mit dem Hirnſchaͤdel eines juͤngern Menſchen - aͤhnlichen Thieres, deſſen Skeletts Ueberreſte ich zu London im britanniſchen Muſeum entdeckte, verhaͤlt es ſich aber anders. Dem alten noch daran han - genden Zettel zu folge, war es ein Orang-Utang, welchen der Schifskapitain Aprix von der Inſel Su - matra mitgebracht hatte. In dieſem Hirnſchaͤdel war auch nicht ein Schatten von den Naͤthen des Zwiſchenkinnladenbeines, ob ſchon die uͤbrigen ins - geſamt vorhanden waren.
Aber auch weder Ed. Tyſon hat ſie in ſeinem Troglodyten von Angola gefunden, noch ſind ſie ſichtbar in Daubentons Abbildung eines aͤhnlichen Hirnſchaͤdels von einem ebendaſelbſt erzeugten Thiere.
Dem ſey indeſſen, wie ihm wolle, ſo iſt doch dieſes ausgemacht, was man ebenfalls zu den Merk - zeichen des Menſchen rechnen kann, daß die Kinn - backen in den Hirnſchaͤdeln der genannten Affen und uͤbrigen Saͤugthiere bey weitem mehr vorwaͤrts ragen.
Man ſieht leicht ein, daß hier nur von wenigen und zwar den beſonderſten Unterſchieden der Art die Rede ſeyn koͤnne.
Um alſo von dem Kopfe anzufangen, ſo hat der Menſch einiges minder Wichtige, z. B. die Kry - ſtall - oder Augenlinſe, welche (das Wallfiſchgeſchlecht etwa ungerechnet) bey ihm nach Verhaͤltniß ſehr klein ſcheint, und bey dem Erwachſenen nicht ſo erhaben, als bey andern Thieren, iſt das großeHin -43Hinterhauptsloch (foramen occipitale), welches wei - ter vorwaͤrts liegt, als bey den vierfuͤßigen Thie - ren28)d’ Aubenton in Memoires de l’ acad. des ſciences de Paris 1764. und anderes der Art mehr, ausgenommen; hat der Menſch, ſage ich, die groͤßte Gehirnmaſſe, und nicht (welche Meinung ſeit Ariſtoteles Zeiten ſich behauptet hatte) nach dem Verhaͤltniß des ganzen Koͤrpers, ſondern nach des beruͤhmten Soͤmmering ſchoͤner Beobachtung in Ruͤckſicht der zarten Ner - ven, welche hier ihren Urſprung haben29)S. deſſel. Abhandlung: De baſi encephali. Goet - ting. 1778. S. 17. Derſelbe uͤber die koͤrperliche Verſchie - denheit des Negers vom Europaͤer. S. 59. Auch J. Gottfr. Ebel obſerv. nevrol. ex anatome comparata. Frankf. an der Oder 1788.. Wird nun alſo das geſamte Nervenſyſtem in phyſiologiſcher Hinſicht in zwey Theile getheilt, in den ſogenannten Nerventheil, als welcher die Nerven ſelbſt, und die Maſſe beyder Gehirne, und des ihrem Urſprunge am naͤchſten liegenden Ruͤckenmarks enthaͤlt, und in den Empfindungstheil, welcher naͤheren Bezug hat auf das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner - ven mit den Seelenvermoͤgen verknuͤpft ſind; ſo hat der Menſch die groͤßte Maſſe jener edleren Empfin - dungstheils erhalten.
Gleich merkwuͤrdig iſt eine andere Entdeckung, ebenfalls des ſcharfſinnigen Forſchers Soͤmmering, daß die, von andern zwar oͤfters bemerkten Stein - chen der Zirbeldruͤſe, von dem vierzehnten Jahre an, ſo durchgaͤngig in den menſchlichen Hirnſchaͤdeln gefunden werden, daß ſie gleichfalls zu den Eigen - thuͤmlichkeiten des Menſchen gezaͤhlt zu werden ver -dienen,44dienen30)Soͤmmering de lapillis vel prope vel intra glandu - lam pinealem ſitis. Mainz 1785. Eine Abbildung hat er geliefert in der Diſſert. de decuſſatione nervorum opticorum, daſ. 1786.. Nur einmal hat er aͤhnliche Steinchen in der Zirbeldruͤſe des Dammhirſches gefunden. Und haben ſie ja einmal in dem Gehirne eines erwachſenen Menſchen gefehlt, ſo gehoͤrt dies in der That zu den ſeltenſten Anomalien, und das Beyſpiel einer ſolchen Ermangelung verdanke ich dem nicht gemeinen Phy - ſiologen C. M. A. Caldani zu Padua, welcher in einem Briefe mir berichtete, daß unter vier menſch - lichen Gehirnen, welche er im Jahre 1786 insgeſamt zu dieſem Behuf unterſucht habe, eins geweſen ſey, und zwar von einem dem Greiſesalter nahen Maune, worin ſich keine Spur derſelben gefunden habe.
In der Bruſt muͤſſen wir die Lage des Herzens dem Menſchen eigenthuͤmlich nennen, denn dieſes Eingeweide liegt nicht wie bey vierfuͤßigen Thieren, auf dem Bruſtknochen auf, ſondern wie es die auf - rechte Geſtalt mit ſich bringt, auf dem Zwergfelle. Auch iſt die Grundflaͤche deſſelben nicht wie bey jenen, dem Kopfe, ſondern den Bruſtwirbeln entgegen, ſo wie die Spitze der linken Bruſt, weshalb bey jenen rechtes und linkes Herz, was bey dieſem im Gegen - theile vorderes und hinteres iſt. Auch ſtoͤßt bey ſehr wenigen andern Saͤugthieren, außer dem Menſchen, der Herzbeutel mit dem Zwergſelle zuſammen.
Die Speiſeroͤhre iſt vollkommen ſo, wie ſie ein alles freſſendes Thier haben mußte.
Man duͤrfte naͤmlich ſagen, daß ſie gewiſſerma - ßen aͤhnlich ſey der der fleiſchfreſſenden Thiere, inAnſe -45Anſehung des Baues des Magens, und der Kuͤrze des Blinddarms:
Der der Kraͤuterfreſſenden hingegen in der Laͤnge der duͤnnen Daͤrme, und dem auszeichnenden Unter - ſchiede von den dicken; in dem faltigen Grimmdarm; dem Mangel der ſcharfen Druͤſen, welche bey dem After den Reinigungsſaft (Smegma) abſondern; u. ſ. w.
Endlich findet man bey den Geburtsgliedern des Menſchenweibes außer den obenbenannten Stuͤk - ken noch ein beſonderes Mittelgefaͤß, die Gebaͤrmut - ter; (Uterus) und die Leibesfrucht zeichnet ſich durch das Gewebe des Mutterkuchens, (Nachgeburt) die Laͤnge der Nabelſchnur, und eine einzige Nabelblut - ader, aus.
Dem noch ſehr zarten menſchlichen Embrio aber, iſt, ſo viel ich weiß, das bisher raͤthſelhafte Nabel - blaͤschen eigen, von dem ich ſchon an einem andern Orte angemerkt habe, daß es allen menſchlichen Fruͤchten bis ohngefaͤhr zum vierten Monat nach der Empfaͤngniß gemein ſey, und ihrer Natur gemaͤß zukomme30 b)Im 9ten Theile der Commentationum ſocietatic Regiae ſcient. Goettingenſis. S. 116., wo ich auch von einiger Analogie deſſelben mit der Dotterhaut des gebruͤteten Kuͤchel - chens gehandelt habe.
Vorzuͤglich muß hier die ganz beſondere Zartheit und nachgiebige Weichheit des ſchleimichten Ge -webes46webes (des insgemein ſogenannten Zellgewebes) unter der menſchlichen Haut erwaͤhnt werden. Denn es iſt die bekannteſte Sache, daß in Hinſicht auf die Dichtigkeit dieſes netzfoͤrmigen Schleimes unter den verſchiedenen Thiergattungen und ihren Arten, ein auszeichnender Unterſchied ſtatt findet; bey der Schlange z. B. iſt ſie zaͤhe, bey der Forelle weicher: und ſchon vorlaͤngſt bemerkte auch unſer Zinn, dieſer ſo genaue Anatom, daß der Menſch vor den uͤbrigen Saͤug - und andern Thieren, das feinſte und zarteſte Schleimnetz habe.
Wo mich nun nicht alles truͤgt, ſo glaube ich die Weichheit dieſes Mittelgefaͤßes (parenchyma) zu den Hauptvorzuͤgen des Menſchen rechnen zu muͤſſen, durch welche er vor den uͤbrigen Saͤugthie - ren ſich auszeichnet. Denn da dieſes Netz einerſeits von der Haut an uͤber den ganzen Koͤrper bis zu deſ - ſen Innerſtem ſich verbreitet, und gleichſam als ge - meinſames Band, zwiſchen alle und jede Theile der ganzen Maſchine, eingewebt iſt; von der andern aber den Sitz der allgemeinſten unter allen Lebens - kraͤften, der Elaſticitaͤt (contractilitas) naͤmlich, beſtimmt, wovon Stahls Tonus ſcheint entſtanden zu ſeyn l); ſo iſt es mir ausgemacht, daß der Menſch eben dieſer nachgiebigen Weichheit des netz - foͤrmigen Schleimes es verdanke, daß er leichter, als irgend ein anderes Saͤugthier an jedes Klima ſich gewoͤhnen, und unter jedem Himmelsſtriche leben kann.
Wie alſo die Natur — was wir vorhin geſehen haben — den Menſchen in Anſehung der Nahrung zu einem Allverzehrer gemacht hat; ſo hat ſie auchgewollt,47gewollt, daß er in Anſehung des Aufenthaltes jedem Boden und Klima angehoͤre (ταντοδαπον) ſey; und deshalb hat ſie ſeinen Koͤrper aus dem nachgiebigſten Schleimnetze bereitet, damit er deſto leichter nach den mannichfaltigen Einwirkungen der verſchiedenen Klimate ſich fuͤgen und einrichten koͤnne.
Dieſer Gefuͤgigkeit ſich zu gewoͤhnen, kommt eine andere phyſiologiſche Eigenheit des Menſchen ungemein zu ſtatten, naͤmlich langſames Wachs - thum, lange Kindheit, ſpaͤte Mannbarkeit. Bey keinem andern Saͤugthiere waͤchſt die Hirnſchale ſo ſpaͤt zuſammen, brechen ſo ſpaͤt die Zaͤhne hervor, keins, außer dem Menſchen, lernt ſo ſpaͤt erſt auf den Fuͤßen ſtehen, waͤchſt ſo ſpaͤt voͤllig aus, oder reift ſo ſpaͤt zur Ausuͤbung der Geſchlechtsverrich - tungen.
Hingegen giebt es von der andern Seite auch kein Saͤugthier, dem in Betracht der maͤßigen Koͤr - permaſſe die Natur ein ſo ſpaͤtes Lebensende geſetzt haͤtte31)Das natuͤrliche Ende des menſchlichen Lebens (wel - ches man naͤmlich fuͤr das gewoͤhnlichere und gleichſam feſtbeſtimmte Ziel des Greiſesalters halten koͤnnte) kann man kaum beſtimmen. Doch iſt es merkwuͤrdig, was ich durch genaue Vergleichung mehrerer Morta - litaͤtsliſten gelehrt worden bin, daß, nach Verhaͤltniß, ziemlich viel europaͤiſche Greiſe das 84 Jahr erreichen, wenige aber es uͤberleben. Nun erhellt bey einer Be - rechnung des menſchlichen Lebensalters, durch eine Vergleichung deſſelben mit dem Lebensende an - derer Saͤugthiere, leicht, welch ein großer Vorzug auch in dieſem Betracht, oder wenigſtens, welche Ver - guͤtung mit Wucher fuͤr die lange Kindheit dem Men - ſchen iſt zugeſtanden worden..
Die Koͤrpergroͤße, deren ich erwaͤhnte, erinnert mich an eine ſonderbare Eigenheit, welche man, ſoviel48viel ich weiß, außer an dem Menſchen ebenfalls an keinem andern Thiere beobachtet hat, und welche von ſeiner aufrechten Stellung abhaͤngt, daß naͤm - lich das Maas ſeines Koͤrpers am Morgen um einen Zoll breit und druͤber laͤnger iſt, als am Abend32)Dies beobachtete zuerſt ein engliſcher Geiſtlicher, Waſſe, im Jahr 1724. S. Philoſophical Transactions, Theil 33..
Die Geſchlechtsverrichtungen, deren ich gedachte, erinnern mich an einiges hierher gehoͤrige, welches ich nach der Reihe anfuͤhren will.
Es iſt dem Menſchen keine beſondere Jahreszeit zu dem Verlangen nach Beyſchlaf beſtimmt, wie den Thieren33)Wenn man nicht lieber dem Auguſtinus Niphus trauen will, der in einem beſondern Werke uͤber die Liebe (das er Johannen von Arragonien, ſo beruͤhmt durch ihre außerordentliche Schoͤnheit zugeeignet hat) die Urſachen zergliedert, woher es komme, daß die Maͤdchen im Sommer wolluͤſtiger und verliebter, die Maͤnner es hingegen im Winter ſind..
Den Maͤnnern iſt der Vorzug naͤchtlicher Saa - menergießungen zu Theil geworden, welche ich in ſofern zu den natuͤrlichen Abſonderungen eines geſun - den Menſchen rechne, als er durch ſie, wenn es ihm nach Verhaͤltniß des Temperaments und der Koͤrperbeſchaffenheit zutraͤglich iſt, von einem be - ſchwerlichen und ſonſt reizenden und uͤberfluͤßigen Saamen befreit wird*)Mehreres hieruͤber ſehe man in Chr. Rudolph Jaͤ - niſch Diſſert, de pollatione nocturna. Goͤtt. 1775. 4..
Dagegen haben die Weiber nicht minder eigen - thuͤmlich, aber allgemeiner und alle insgeſamt den monatlichen Blutfluß, ſo daß ich glaube, Plinius habe das Weib mit Recht das einzige monatlicheThier49Thier genannt. Ich weiß zwar wohl, daß hin und wieder Schriftſteller einen ſolchen Fluß auch weibli - chen Thieren, und hauptſaͤchlich aus der Klaſſe der vierhaͤndigen zugeeignet und geſagt haben, daß z. B. die Dianen (ſimia Diana) durch die Schwanzſpitze die monatliche Reinigung halten, u. dgl. m. So oft ich aber ſeit zwanzig Jahren in Menagerien oder bey Herumfuͤhrern Affenweibchen, Paviane u. a. zu ſehen bekommen, und dieſen Umſtand unterſucht habe, habe ich zwar unterweilen eines oder das an - dere geſehen, welches einen Mutterblutfluß hatte, allein keins, wo er, nach der Ausſage aufrichtiger Waͤrter, periodiſch geweſen waͤre, dieſe hingegen hielten ihn fuͤr die Wirkung einer Krankheit und wi - dernatuͤrlich, ja mehrere bekannten offenherzig, daß man ihnen gemeiniglich fuͤr einen monatlichen Fluß ausgaͤbe, um die Bewunderung des Poͤbels dadurch deſto mehr zu erregen.
Die fabelhaften Erzaͤhlungen des leichtglaͤubigen Alterthums von ganzen Voͤlkerſchaften, deren Wei - ber keinen monatlichen Fluß gehabt haͤtten, wollen wir an einem andern Orte mit wenigem beruͤhren.
Hierher zaͤhlen alle mit einem Munde als den hoͤchſten und groͤßten Vorzug des Menſchen, den Gebrauch der Vernunft. Wenn man nun aber uͤber die Bedeutung dieſes Worts genau nachforſcht; ſo muß man in der That uͤber die himmelweit ver -Verſch. des M. Dſchie -50ſchiedenen Erklaͤrungen erſtaunen, welche die ver - nuͤnftigſten Philoſophen von dem Begriffe der Ver - nunft geben. Nach einigen iſt ſie ein ganz beſonde - res, dem Menſchen allein eigenes Seelenvermoͤgen, nach andern wenigſtens ein ungemeiner und vorzuͤg - licher Grad deſſelben, von dem man in der thieriſchen Seele nur ſchwache Spuren vorfinde. Nach dieſen iſt ſie der Einigungspunkt aller hoͤheren Vermoͤgen des menſchlichen Geiſtes, nach jenen eine beſondere Richtung der geiſtigen Vermoͤgen des Menſchen, u. ſ. f. Unſer iſt’s nicht unter dieſen ſo wichtige Streite zu ſchlichten. Kuͤrzer aber und ſicherer, glaube ich, kann man dieſe Unterſuchung abthun, wenn man a poſteriori, wie es heißt, dieſen Vorzug des Menſchen darein ſetzt, daß er ihn zum Herrſcher und Herrn der uͤbrigen Thiere macht34)Wer auch immer das Loos des Menſchen unter ſeiner Wuͤrde ſchaͤtzt, der bedenke, welche wichtige Vorzuͤge unſer Vater uns verlieben hat, wie wir weit ſtaͤrkere Thiere unterjochen, weit ſchnellere verfolgen, wie alles, was irrdiſch iſt, unſern Streichen unter - liegt. Seneca. . Daß er dieſe Herrſchaft habe, liegt am Tage. Eben ſo offenbar aber iſt es, daß die Urſache dieſer Herrſchaft nicht in der koͤrperlichen Kraft des Menſchen liege. Sie muß alſo einzig auf die Geiſtesgaben und deren Vorzuͤge bezogen werden. Und dieſe Gaben, durch welche nun der Menſch vor allen uͤbrigen Thieren den Vorrang hat, moͤgen ſie uͤbrigens von welcherley Art und Natur ſeyn, wol - len wir Vernunft nennen.
Die51Die Natur hat den Menſchen, wie wir geſehen haben, ſo eingerichtet, daß er alles eſſen und den ganzen Erdkreis bewohnen kann. Dieſe unbegrenzte Freyheit aber im Genuß der Nahrung, und in der Wohnung, bringt nach den unendlich verſchiedenen Klimaten, Boden und andern Umſtaͤnden eben ſo mannichfaltige Beduͤrfniſſe in dem Menſchen hervor, denen er auf einerley Art nicht abhelfen kann. Der Schoͤpfer ſteuerte ihn alſo mit Vernunft und Erfin - dungsgeiſt aus, durch welche er dieſen Bedingungen gemaͤß ſich einrichten kann.
Deshalb haben auch ſchon im hoͤchſten Alterthu - me die weiſeſten Voͤlker, dieſem groͤßten Herrſchafts - geber des Menſchen, dem Erfindungsgeiſte naͤmlich, goͤttlichen Dienſt erwieſen. Thoth hies er bey den Aegyptern, Hermes bey den Griechen.
Denn ſo, um vieles in