PRIMS Full-text transcription (HTML)
[I]
Über die natuͤrlichen Verſchiedenheiten im Menſchengeſchlechte.
Nach der dritten Ausgabe und den Erinnerungen des Verfaſſers uͤberſetzt, und mit einigen Zuſaͤtzen und erlaͤuternden Anmerkungen herausgegeben
Mit Kupfern.
Leipzig,bey Breitkopf und Haͤrtel1798.
〈…〉〈…〉Blatt, nach angegebener Seitenzahl, Statt deſſen eingeheftet.
[II][III]

Seiner Hochwuͤrdigen Magnifizenz dem Herrn Vize-Praͤſidenten Herder in Weimar aus innigſter Verehrung gewidmet.

[IV][V]

Gewiß iſt es, wenn auch nicht eben fuͤr den Naturforſcher von Profeſſion, welcher ein ſo trefliches Original wohl mit keiner Uiberſetzung vertauſchen moͤchte, ſo doch fuͤr den Naturliebhaber, ein weder unangeneh - mes noch ungewuͤnſchtes Geſchenk, was ich ihm hier uͤbergebe. Uiberhaupt hoffe ich auf keinen Fall wegen Uibertragung dieſes Werks getadelt zu werden, es muͤßte denn die Ausfuͤhrung deſſelben Tadel verdienen. Denn abgerechnet das Intereſſe, welches die behandelte Materie, fuͤr den philoſophi - ſchen Geſchichtsforſcher der Menſchheit, ja gewiſſermaßen ſelbſt fuͤr den bloßen Univer - ſalhiſtoriker hat, wuͤßte ich auch uͤberhaupt keine, welche fuͤr den Menſchen als ſolchen wichtiger ſeyn koͤnnte. Ich getraue mich zu behaupten, und was ſich von ſelbſt verſteht, mit Beweiſen zu belegen, daß in Europa allgemeine Duldung, aͤchte Humanitaͤt, nieſoVIſo verbreitet geweſen ſind, als ſeit die Be - handlung dieſer Materie von einigen Schrift - ſtellern, welche Einfluß auf das Publikum hatten, auf die Bahn gebracht worden iſt. Und, wie natuͤrlich, unvermerkt erweiterten ſich die vorher engen Begriffe uͤber Charakter und Werth der Menſchheit. Indem man erſt die verſchiedenen Veraͤnderungen durchgieng, welche der phyſiſche Menſch erfahren konnte, gewoͤhnte man ſich ſchon, ihn nicht ſo einſei - tig mehr zu nehmen, als leider es vorher geſchehen war. Und als man dann den Urſachen nachſpuͤrte, welche dieſe Veraͤn - derungen hervorgebracht hatten, und ſie in Klima, Nahrungsmitteln und andern aͤhn - lichen Dingen fand, dabey aber, durch eine natuͤrliche Verbindung der Ideen, auch immer mehr einſehen lernte, welchen maͤch - tigen Einfluß dieſes hinwiederum auf den Geiſt, deſſen mehrere oder geringere Aus - bildung, und dann ſelbſt mittelbar auf Moralitaͤt und Religion habe, fieng man nach gerade an, zu fuͤhlen, daß man ſichſelbſtVIIſelbſt veraͤchtlich, und wenigſtens einer Gedankenloſigkeit verdaͤchtig mache, wenn man fortfuͤhre, Menſchen etwas zuzurech - nen, was wir bey einer nur etwas anders modifizirten Lebensweiſe, und unter einem andern Himmelsſtriche ebenfalls thun wuͤr - den oder in ihrer aͤußern Bildung von uns abweichende Bruͤder als Laſtthiere zu betrachten, da es wiederum nur auf einige zufaͤllige Umſtaͤnde ankommt, um vielleicht unſere Urenkel ſchon mit derſelben Bildung zu ſehen. Genug die Eroͤrterung dieſer Frage war ein aͤußerſt ſchoͤner Kommen - tar uͤber den Text:

alle Menſchen ſind Bruͤder!

welcher jeden an die vergeßnen Worte aus dem Katechiſmus:

du ſollſt deinen Bruder lieben wie dich ſelbſt

neuer - dings heilſam erinnerte.

Allein es gab da Leute, und unter die - ſen iſt auch der Toleranzprediger Voltaire, welchen das Anſehen des Katechiſmus ein großer Dorn in den Augen war. Das haͤtte er nun immerhin ſeyn moͤgen, nur haͤtten ſienichtVIIInicht deshalb alle Reſultate einer vernuͤnfti - gen Geſchichtsforſchung, und nebenbey auch der Phyſiologie, Phyſik, Chemie u. f. um - ſtoßen ſollen, wie dies z. B. Voltaire freylich mit aus dem Grunde, weil er nicht ſonderlich darin bewandert war that. Nichts aber wird ſo abgeſchmacktes oder al - bernes behauptet, das, wenn es ein großer, oder vielleicht auch nur namhafter Gelehrter (oft wohl wider eigne Uiberzeugung) geſagt hat, nicht wenigſtens ein Dutzend Juͤnger aus leidigem Drange doch auch etwas zu ſagen, und etwas recht Genie verrathen - des zu ſagen nachbeten ſollten.

So gieng es auch hier. Indeß iſt nichts ſo ſchlimm, das nicht auch ſeine guten Folgen haͤtte, und es gab noch immer Mittel, die Sklavenhaͤndler geprieſen ſey der britti - ſche Aedelſinn und die brittiſche Regierung, welche ſie dulden! aus ihrem Schlum - mer zu erwecken. Genug es beſtaͤtigte ſich auch hier, daß man eine Wahrheit nur be - zweifeln oder ablaͤugnen duͤrfte, wenn ſieuͤberIXuͤber kurz oder lang ſich in einem neuen Glanze, und von einer vorher vielleicht uͤber - ſehenen Seite zeigen ſoll.

Unter den mancherley Gelehrten von verſchiedenen Nationen, welche die Einheit des Menſchengeſchlechts zu vertheidigen ſuch - ten, meiſt Maͤnnern von nicht geringer Be - deutung, trat unter uns auch Herr Hofrath Blumenbach auf. Im Jahr 1776 erſchien ſein erſter Verſuch uͤber dieſe Materie, wel - cher ſchon nicht mehr als Verſuch im Jahr 1781 neubearbeitet ins Publikum kam. Man kann ſchon daraus beurtheilen, wie viel die zweyte Auflage vor der erſten voraus haben muß, wenn ich ſage, daß in dieſer der Herr Verfaſſer von der damals ſo beliebten Ein - ſchachtelungshypotheſe anhebt, in jener aber ſchon vorlaͤufig von dem Bildungstriebe, zu deſſen Hauptvertheidiger ihn vorerſt der unerwartete Erfolg eines Verſuchs (mit ei - nem gruͤnen Armpolypen) machte, den er recht in der Abſicht angeſtellt hatte, um die Richtigkeit jener Evolutionstheorie zu erwei -ſenXſen ausgeht. Uibrigens noch ſehr erwei - tert, bleibt aber dennoch dieſe zweyte Ausga - be in Plan und Darſtellung der erſten aͤhnlich.

Nach vierzehn Jahren aber, 1795, er - ſchien die dritte Ausgabe von dieſem Werk. Man weiß, daß der Herr Verfaſſer keiner von jenen iſt, die um eine einmal geſagte Meinung zu behaupten, lieber aller Wahr - heit Hohn ſprechen; man weiß, daß ſein philoſophiſcher Forſchungsgeiſt nicht ge - wohnt iſt, die Sachen von der Oberflaͤche zu greifen, ſondern immer ins Innere derſelben dringt; man weiß, daß ſein Fleiß keine Muͤhe, wie groß ſie ſey, ſcheut, wenn es gilt eine neue Wahrheit zu entdecken, oder eine verkannte in ihr wahres Licht zu ſetzen, und jedermann endlich kennt ſeine ſtreng logiſche Darſtellungsweiſe. Uiberdieß mit einer Menge der ausgeſuchteſten Huͤlfsmit - tel, ſeinem und des Goͤttinger Muſeums anthropologiſchem Vorrathe, haͤufiger Av - topſie, u. a. ausgeruͤſtet, wie konnte dieſe Ausgabe da anders werden, als: innu -XI

innumeris modis aucta, emendata et ad ipſam naturam perfecta

wie ſie der Herr Verfaſſer ſelbſt nennt, und welche Worte um ſo mehr Gewicht erhal - ten, je beſcheidner dieſer Gelehrte ſich ſtets gezeigt hat.

Von dem darauf verwandten Fleiße des Verfaſſers kann folgendes, was er in ſeinen Beytraͤgen zur Naturgeſchichte S. 71. dem Herrn Hofrath Meiners auf ge - wiſſe Einwendungen entgegnet, als eine klei - ne Probe dienen:

Ich habe zu dieſem Zweck (den Ge - brauch der Reiſebeſchreiber, und anderer faͤhigen und glaubwuͤrdigen Zeugen bey dieſer Unterſuchung zu benutzen) etwas gethan, was vielleicht nicht viele thun, daß ich, nachdem ich ihrer ſchon eine Menge geleſen hatte, vor ohngefaͤhr zehn Jah - ren anfieng, die ganze ſehr betraͤchtliche Sammlung von Reiſebeſchreibungen auf der hieſigen Univerſitaͤtsbibliothek von vorne bis zu Ende durchzugehen,ſoXII ſo daß ich mehrere Jahre hindurch im - mer ein halbes Dutzend nach dem andern, ſo wie ſie der Ordnung nach im Fache folgten, zu Hauſe hatte, und die, ſo ich nicht vorher ſchon benutzt hatte, zu mei - nem Gebrauch excerpirte, ſo daß ich nun ſeitdem blos die immer neu hinzukom - menden gelegentlich nachzuholen ſuche.

Die unerwartete Guͤtigkeit des Herrn Hofrath Blumenbachs ſelbſt, womit die - ſer wuͤrdige Gelehrte was in Iſrael ſel - ten funden wird mir nicht allein die Er - laubniß dies Werk zu uͤbertragen, ſondern auch ſo manche zu benutzende Bemerkung mitgetheilt hat, muß ich hier zugleich mit ruͤhmen. Habe ich vorher ihn bloß verehrt; ſo hat er mich jetzt auch gezwungen ihn zu lieben, und ich wuͤnſche nichts ſo ſehr, als Gelegenheit, ihm dies irgend thaͤtig zu be - weiſen. Dem Herrn D. Ludwig ſtatte ich ebenfalls meinen Dank fuͤr die guͤtige Unter - ſtuͤtzung mit Huͤlfsmitteln, deren ich bey die - ſer Arbeit bedurfte, hier oͤffentlich ab, eineUn -XIIIUnterſtuͤtzung, die man in Leipzig um ſo mehr zu ſchaͤtzen hat, je ſtiefmuͤtterlicher dieſe alma mater die oͤffentlichen Bibliotheken verabſaͤumt, und wer ſollte es glauben! an ein Naturalienkabinet gar nicht ge - dacht hat.

Und ſo haͤtte ich jetzt nun nichts mehr zu ſagen, als die Angabe einiger Gruͤnde, wel - che mich einige kleine Nebenſachen wenn es anders welche ſind beyzufuͤgen, be - wogen haben.

Aus der erſten und zweyten Ausgabe manche wichtige Stelle noch auszuheben, ha - be ich um ſo nothwendiger erachtet, je ſelt - ner beyde geworden, und im Buchhandel gar nicht mehr zu finden ſind. So habe ich auch daraus z. B. das os intermaxillare nachſtechen laſſen, denn außerdem, daß es fuͤr meine Leſer ſehr erlaͤuternd ſeyn wird, werde ich auch denen keinen unangenehmen Dienſt dadurch erwieſen haben, welche we - gen demſelben bey Herder, Feder, Meiners, Ludwig und andern, auf BlumenbachsSchriftXIVSchrift hingewieſen, es in der dritten Aus - gabe nicht gefunden haben wuͤrden, und doch die aͤlteren nicht bekommen koͤnnten. Dieſes aber glaubte ich um ſo mehr, da es mir ehe - mals ſelbſt ſo ergangen iſt. Warum ich das menſchliche Skelett habe beyfuͤgen laſſen, daruͤber brauche ich aber, nach meiner obi - gen Erklaͤrung, wohl weiter nichts zu ſagen.

So ſehr uͤbrigens dieſe Arbeit ſelbſt mich ſchon dadurch reichlich belohnt hat, daß ich durch ſie ſo gluͤcklich war, einem unſerer ge - ſchaͤtzteſten Gelehrten bekannt zu werden; ſo ſehr ſoll es mich doch noch freuen, wenn ich hoͤren ſollte, daß ſie ſeinen Beyfall nicht gaͤnzlich verfehlt. Leipzig zur Oſtermeſſe 1798.

Gruber.

AnXV

An Herrn Baronet Joſeph Banks, Praͤſidenten der koͤnigl. Soc. zu London.

Mehr als Ein Grund bewegt mich, Ihnen dieſe Schrift zu widmen.

Denn, abgerechnet das Vergnuͤgen, wel - ches ich darin finde, Ihnen das Gefuͤhl meiner Dankbarkeit fuͤr jene, ſeit ich Ihnen genauer bekannt wurde, ſo vielen mir aufgelegten Ver - bindlichkeiten, einmal oͤffentlich erkennen geben zu koͤnnen; ſo verdankt auch gerade die gegen - waͤrtige Ausgabe dieſes neubearbeiteten Werks, die vortreflichſten Zuſaͤtze, und merkwuͤrdigſten Verzierungen, wodurch ſie die vorhergehenden uͤbertrift, groͤßtentheils Ihrer Guͤte.

Denn außerdem, daß Sie ſeit mehrern Jahren her weder Muͤhe noch Koſten geſparthaben,XVIhaben, meine Sammlung der Hirnſchaͤdel ver - ſchiedener Voͤlker mit ſolchen Stuͤcken zu berei - chern, nach welchen mich gerade am allerſehn - lichſten verlangte, mit Hirnſchaͤdeln naͤmlich von Amerikanern und Inſulanern des Suͤd - meers, erlaubten Sie mir, als ich vor drey Jahren in London war, noch beſonders mit der - ſelben edelmuͤthigen Uneigennuͤtzigkeit, mit wel - cher Sie unſerm Gaͤrtner einſt Ihre Baum - ſchule, andern andere Reichthuͤmer Ihres Mu - ſeums zu benutzen verſtatteten, von allen fuͤr das Studium der Anthropologie geſammelten Schaͤtzen, womit Ihre Bibliothek prangt, als der Gemaͤhlde, der von den beſten Kuͤnſtlern nach der Natur ſelbſt gezeichneten Abbildungen auch einen ſo gaͤnzlich uneingeſchraͤnkten Gebrauch, daß ich mir Kopien davon machen, von allem nach Belieben Abſchrift nehmen, und alſo mit ſo vielen und ſo wichtigen Huͤlfmitteln verſehen, zu einer neuen Auflage meines Werkes ſchreiten konnte, ſo daß ich es nun ohne Verdacht von Pralerey unendlich vermehrt, verbeſſert und nach der Natur ſelbſt vollendet zu nennen wage.

Nehmen Sie alſo dieſe kleine Schrift, wo - von ein großer Theil Ihr Eigenthum iſt, und welches Ihnen auch deshalb nicht unange - nehm ſeyn wird, weil es einen, zwar an Wich - tigkeit keinem andern nachſtehenden, doch aberzumXVIIzum verwundern, unter allen am laͤngſten ver - nachlaͤßigt und unbearbeitet gelegenen Theil der Naturgeſchichte in Ordnung bringt, ge - faͤllig an.

Dem unſterblichen Linnée bleibt auch dies Verdienſt, daß er, ſo viel ich weiß, unter den Schriftſtellern uͤber die Naturgeſchichte, der erſte geweſen, welcher ſchon vor ſechzig Jahren in der Hauptausgabe ſeines Syſtems der Na - tur, die Menſchengattung nach den aͤußern Kennzeichen unter gewiſſe Varietaͤten zu brin - gen ſich bemuͤht hat; und dies zwar nach der Kenntniß der damals nur bekannten vier Theile unſers Erdwaſſerballs und deren Bewohner, ziemlich adaͤquat.

Nachdem aber ſeit der von Ihnen unternommenen dreyjaͤhrigen Erdumſeglung die Liebhaber der Naturgeſchichte und An - thropologie eine genauere Kenntniß von denen auf den Inſeln des Suͤdmeers weit und breit verſtreuten Voͤlkerſchaften bekamen, ſah man leicht ein, daß jene linnéeſche Eintheilung des menſchlichen Geſchlechts nun nicht laͤnger an - wendbar ſeyn koͤnne; weshalb ich denn auch kein Bedenken getragen habe, in dieſem Werk - chen, nach anderer Beyſpiel von dem großen Manne darinn abzugehen, und die Varietaͤten der Menſchen der Natur und Wahrheit, welche**haupt -XVIIIhauptſaͤchlich durch Ihre Sorgfalt und aͤußerſt genaue Beobachtung uns bekannt gemacht wor - den iſt, gemaͤßer zu ordnen.

Ja ſogar im Allgemeinen achtete ich es fuͤr Forſcher der Zoologie nuͤtzlich und vortheilhaft, Linnées Methode, die Saͤugthiere nach dem Verhaͤltniß der Zaͤhne zu ordnen, welche eben - falls zu der Zeit, wo er ſie aufſtellte, tauglich genug war, aber jetzt, nachdem ſo viele und ſo wichtige neue Gattungen dieſer Ordnung ent - deckt worden ſind, ſehr mangelhaft iſt, und ungeheuer viel Ausnahmen erfordern wuͤrde, zu verlaſſen, und ſtatt jenes kuͤnſtlichen Syſtems, ein natuͤrlicheres von dem ganzen Habitus der Saͤugthiere hergenommenes, aufzuſtellen.

Denn wiewohl ich ganz nicht der Meinung jener bin, welche ſich, beſonders in neuerern Zeiten, in ihrem Gedankenſpiele von, ich weiß nicht welcher Stetigkeit oder Stufenfolge der Natur, wie ſie es nannten, ſo wohl gefielen, daß ſie des Schoͤpfers Weisheit und der Schoͤ - pfung Vollkommenheit darinn ſuchten, daß die Natur, wie ſie ſagen, keinen Sprung mache, ſondern die Naturdinge aus allen drey Reichen in Anſehung ihrer aͤußern Bildung gegenſeitig wie die Stufen an einer Leiter, oder die Glie - der und Ringe an einer Kette auf einander fol - gen: da doch denen, welche vorurtheilsfreyundXIXund ernſtlich zu Werke gehen, leicht einleuchtet, daß es ſogar einerſeits im Thierreiche ganze Ordnungen, als der Voͤgel, oder Gattungen, z. B. der Blakfiſche (Dintenfiſche, ſepiae) gebe, welche ſehr uͤbel, und nur durch gewiſſe Affektation in einem ſolchen Schema der Stu - fenfolge in den Naturdingen mit andern benach - barten verbunden werden; anderer Seits aber ſich Thierarten finden, z. B. die Schildlaͤuſe (cocci), wo zwiſchen der Beſchaffenheit beyder Geſchlechter ein ſo großer Unterſchied eintritt, daß man, um ſie in eine ſolche Leiter zu paſſen, die Maͤnnchen von ihren Weibchen ſehr weit entfernen, und die verſchiedene Geſchlechter von einerley Art an ganz verſchiedenen Orten an - bringen muͤſte; daß es aber im Gegentheile in dieſen Schematen unlaͤugbar ſehr große Luͤcken gebe, wodurch die Naturreiche ſich am offen - barſten von einander unterſcheiden; und ande - res der Art mehr; wiewohl, ſage ich, alles recht erwogen, ich jene gewoͤhnliche von den Phyſikotheologen insgemein ausgeſchmuͤckte und geprieſene Wichtigkeit und Wuͤrde in der Lehre von der Stufenfolge der Natur, auf keinen Fall an - erkennen kann, ſo gebe ich doch ſehr gern das zu, daß dieſe metaphoriſchen und allegoriſchen Spie - le einen unlaͤugbaren Nutzen fuͤr die Erleichte - rung der[Methode] in der Naturgeſchichte haben.

** 2DennXX

Denn ſie legen gleichſam den Grund fuͤr jedes natuͤrliche Syſtem, worin die Dinge nach ihrem Totalhabitu und den aͤußern Eigenſchaf - ten, in denen ſie gegenſeitig am allermeiſten mit einander uͤbereinkommen, geordnet werden, da die kuͤnſtlichen hingegen nur ein einzelnes Merkzeichen zum Grunde ihrer Eintheilung an - nehmen.

Da es aber keinem Zweifel unterworfen iſt, daß ſolch ein natuͤrliches Syſtem vorzuͤglicher ſey, als ein kuͤnſtliches, weil es die Urtheils - kraft ſchaͤrft, und dem Gedaͤchtniß ſeine Be - ſchaͤftigung ungemein erleichtert; ſo habe ich mir um ſo mehr Muͤhe gegeben, die Klaſſe der Saͤugthiere auf eine ſolche Ordnung eines na - tuͤrlichen Syſtems zuruͤckzufuͤhren, da Linné es kuͤnſtliches, von dem Verhaͤltniß der Zaͤhne hergenommenes, durch die Hinzukunft ſo vieler neuerdings entdeckten Gattungen, taͤglich laͤſti - gere Anomalien und Ausnahmen bekaͤme.

Denn ſo, um dies wenigſtens nur zu be - ruͤhren, kennen wir jetzt zwey Gattungen vom Rhinozeros, welche nach ihrem Habitus ſich voͤllig aͤhnlich, den Zaͤhnen nach aber ſo ver - ſchieden ſind, daß man, um Linné es Syſteme noch zu folgen, die eine Gattung eben ſo gut zu den großen Saͤuge - (belluae), als den Nagethieren (glires) und die andere zu denSaͤuge -XXISaͤugethieren ohne Schneidezaͤhne (bruta) rech - nen muͤßte! *)Eine Abbildung ihrer Schaͤdel ſ. in Herrn Blu - menbachs naturhiſtoriſchen Abbildungen 1. Heft 7. Tafel. Das Afrikaniſche Rhinozeros hat nur vorn am Gaumen ein ganz kleines und blindes os intermaxillare. Beym aſiatiſchen hingegen iſt dieſer beruͤhmte Knochen groͤßer, und faßt zwey kurze ſtumpfe Vorderzaͤhne, der Unterkiefer zwey von faſt pfriemenartiger Geſtalt. Auch reichen bey dieſem die Backenzaͤhne nicht ſo weit vor als bey jenem, ſondern ſind durch einen anſehnlichen leeren Zwiſchenraum von den Schneidezaͤhnen ge - trennt. G.

So muͤßte man denn auch das aͤthiopiſche Schwein ohne Schneidezaͤhne von den uͤbrigen großen Saͤugethieren wegbringen, und es zu Linné es Saͤugethieren ohne Schneidezaͤhne rechnen.

Von dem gezaͤhnten afrikaniſchen Ameiſen - freſſer, welcher nun von jener, Linné es Mei - nung nach, zahnloſen Art; oder von einigen Faulthieren (lemures), (dem Lori und wollig - ten indrum et lanigerum), welche aus Erman - gelung der Zaͤhne, von Linné es Faulthierarten weggerechnet werden muͤßten, u. ſ. w. ſage ich gar nichts.

Dieſer Verwirrung, welche fuͤr das Stu - dium der Zoologie unlaͤugbar ſehr beſchwerlich wird, habe ich durch folgende feſtgeſetzte zehnnatuͤr -XIInatuͤrliche Ordnungen der Saͤugethiere abzuhel -〈…〉〈…〉 n mich bemuͤht, von welchen mir, weil ihrer〈…〉〈…〉 n gegenwaͤrtigen Werke hin und wieder ge -〈…〉〈…〉 cht iſt, hier eine Uiberſicht zu geben erlaubt〈…〉〈…〉 yn wird.

  • I. Zweyhaͤndige.
    • 1. Der Menſch.
  • II. Vierhaͤndige.
    • 2. Der Affe.
    • 3. Der Pavian.
    • 4. Die Meerkatze.
    • 5. Der Maki. (Lemur).
  • III. Traͤgfuͤßige, (Bradypoda),
    • 6. Das Faulthier.
    • 7. Der Ameiſenbaͤr.
    • 8. Das Schuppenthier, (formoſa - niſches Teufelchen, Manis).
    • 9. Armadill, (Panzerthier)
      *)Ich bin ganz kein Freund von jener Neuerungs - wuth einiger Neueren, welche ſich darin, daß ſie ſolchen Naturdingen, die jedermann unter ihren Namen kennt, neue beylegen, außerordentlich gefallen; denn dies Spiel der Namenmacher iſt dem Studium der Naturgeſchichte ungemein nach - theilig geweſen; und deshalb bin ich von dem Syſtemsnamen der Saͤugthiere nur ſehr ungern, und ſehr ſelten von Linnées Terminologie abge -gan -
      *).
IV. Hand -XXIII
  • IV. Handgefluͤgelte, (Chiroptera).
    • 10. Fledermaus.
  • V. Nagethiere, (Glires).
    • 11. Eichhoͤrnchen.
    • 12. Ratze, Billich.
    • 13. Maus.
    • 14. Murmelthier.
    • 15. Halbkaninchen.
    • 16. Haaſe.
    • 17. Erdhaaſe, (jaculus).
    • 18. Biber.
    • 19. Stachelſchwein.
VI. Reiſ -
*)gangen, dann naͤmlich, wenn der von dem gro - ßen Manne gebrauchte Name einen ganz irrigen und falſchen Begriff enthielt. So habe ich z. B. dem Armadill den angebornen Geſchlechtsnamen Tatu wieder beygelegt, da der von Linnée Daſy - pus ſich auf keine Weiſe vertheidigen laͤßt. Be - kanntlich ſtammt dieſer Name aus dem Griechi - ſchen her, und bezeichnet ein rauchfuͤßiges Thier, weshalb er von den Alten dem Haaſen und Ka - ninchen beygelegt worden iſt, weil bey dieſen ſelbſt die Tatzen und Fußſohlen haaricht ſind, da es hingegen kaum einer Erinnerung bedarf, daß dies auf die von der Beſchaffenheit der Kaninchen wun - derbar weit abweichenden Panzerthiere der neuen Welt nicht paſſe. So glaube ich auch, muͤſſe man bey dem Fle - dermausgeſchlechte, jener Gattung, welche Lin - nee das Geſpenſt (ſpectrum) genannt hat, denNa -
*)XXIV
  • VI. Reiſſende, oder ſonſt fleiſchfreſ - ſende Thiere, (Ferae).
    • 20. Ygel.
    • 21. Spitzmaus, (Sorex).
    • 22. Maulwurf.
    • 23. Beutelratte.
    • 24. Stinkthier, (Viverra).
    • 25. Wieſel.
    • 26. Fiſchotter.
    • 27. Robbe.
    • 28. Dachs.
    • 29. Baͤr.
    • 30. Hund.
    • 31. Katze.
  • VII. Thiere mit Hufen, (Solidungula).
    • 32. Pferd.
VIII. Wie -
*)Namen Vampyr wieder geben, da er hingegen die Benennung Vampyr jener in Oſtindien und auf den Inſeln des Suͤdmeers befindlichen Fleder - maus, welche man insgemein den fliegenden Hund nennt, gegeben hat, denn es iſt bekannt, daß das Wort Vampyr gleichbedeutend iſt mit dem blutſaugendes Thier; und da paßt es denn wohl auf jene amerikaniſche, eben deshalb andern Thieren, und ſelbſt Menſchen, feindſelige Fledermaus; aber keinesweges auf die benannte hundiſche, welche blos von Vegetabilien lebt, und meines Wiſſens nie das Blut anderer Thiere ſaugt.
*)XXV
  • VIII. Wiederkaͤuende Thiere mit ge - ſpaltenen Klauen, (Pecora).
    • 33. Kameel.
    • 34. Ziege.
    • 35. Antilope.
    • 36. Ochſe.
    • 37. Giraffe.
    • 38. Hirſch.
    • 39. [Bisamthier].
  • IX. Große, aber unfoͤrmliche, bor - ſtige oder duͤnnbehaarte Saͤuge - thiere, (Belluae).
    • 40. Schwein.
    • 41. Tapir.
    • 42. Elephant.
    • 43. Nashorn.
    • 44. Nilpferd.
    • 45. Wallroß, (Trichechus).
  • X. Fiſchartige Saͤugethiere, (Ce - tacea).
    • 46. Seeeinhorn, (Monodon).
    • 47. Wallfiſch.
    • 48. Potfiſch, (Phyſeter).
    • 49. Delphin.
DiesXXVI

Dies und vieles andere, worin ich in dem Werke, dem ich dies vorſetzen zu muͤſſen glaub - te, hin und wieder von Anderer Meinung ab - gewichen bin, unterwerfe ich nun mit eben ſo viel Ehrfurcht als Achtung Ihrem Urtheil, dem Urtheil des Mannes, an welchem die koͤnigliche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, welche ſeit ih - rer erſten Entſtehung den goldnen Wahlſpruch fuͤhrte: Schwoͤre auf keines Menſchen Wort! einen ſo wuͤrdigen und verdienten Praͤſidenten zu haben ſich erfreut.

Leben Sie denn wohl, und ſchenken auch ferner Ihre Gewogenheit

Georg-Auguſts-Univerſitaͤt am 11. April 1795.

Ihrem

ganz ergebenen Diener.

Inhalts -XXVII

Inhaltsverzeichniß.

  • Verzeichniß von dem anthropologiſchen Vorra - the des Verfaſſers. Seite 1
  • 1. Schaͤdel verſchiedener Voͤlker. 2
  • 2. Ungemein charakteriſtiſche Foͤtus von dem Mittelſchlage und der beyden Extreme. 10
  • 3. Haare von verſchiednen Voͤlkern. 11
  • 4. Anatomiſche Praͤparate
  • 6. Sammlung von Abbildungen von verſchie - denen Voͤlkern, von geſchickten Kuͤnſtlern nach der Natur gezeichnet.
  • Erſter Abſchnitt. Von dem Unterſchied des Menſchen von den uͤbrigen Thieren. 17
  • I. Eigenheiten des menſchlichen Koͤrpers in Anſehung der aͤußern Bildung. 19
  • A) Aufrechte Stellung.
  • B) Das menſchliche Becken breit und flach. 24
  • Rundliche Hinterbacken. 25
  • Richtung der weiblichen Scheide. 26
  • Das Hymen. 28
  • Etwas von den Nymphen und der Klitoris. 29
  • C) Der Menſch ein zweyhaͤndiges Thier. 30
  • Die Affen und verwandten Thiere hingegen ſind vierhaͤndig.
  • D) Eigenheiten der menſchlichen Zaͤhne32
  • Was noch ſonſt dem aͤußern Menſchen eigen ſcheint, als ein unbehaarter Koͤrper u. ſ. w. 33
  • XXVIII
  • II. Merkwuͤrdige Eigenheiten des menſchlichen Koͤrpers in Anſehung der innern Einrich - tung. Seite 35
  • A) Innere Theile, welche dem Menſchen fehlen.
  • Fleiſchfell. 36
  • Wundernetz.
  • Aufhaͤngemuſkel des Auges. 37
  • Hornhaut.
  • Aſelliſche Gekroͤſedruͤſe.
  • Leberblaſengaͤnge
  • Koͤrper des Highmore.
  • Nickhaut.
  • Aufhaͤngeband des Halſes.
  • Zwiſchenkinnladenknochen. 38
  • B) Die Unterſchiede einiger innern Theile des Menſchen von denen anderer Saͤuge - thiere. 42
  • Verhaͤltniß des Gehirns zu den Nerven. 43
  • Steinchen der Zirbeldruͤſe.
  • Lage des Herzens. 44
  • Beſonderheiten der menſchl Speiſeroͤhre.
  • und der weiblichen Sexualtheile. 45
  • Nabelblaͤschen des Embrio.
  • III. Eigenheiten des Menſchen in Anſehung der Berrichtungen der thieriſchen Oekonomie.
  • Zartheit des Schleimnetzes. 46
  • Durch dieſes fuͤgt ſich der Menſch jedem Klima. 47
  • Langſames Wachsthum des Menſchen.
  • Spaͤtes Ende des menſchlichen Lebens.
  • Der Menſch iſt am Morgen groͤßer als am Abend.
  • Der Menſch iſt zur Befriedigung des Liebes - triebes auf keine beſtimmte Zeit im Jahre eingeſchraͤnkt. 48
  • Vorzug der naͤchtlichen Saamenergießungen.
  • Monatsfluß.
  • XXIX
  • IV. Eigenheiten des Menſchen in Anſehung der geiſtigen Vermoͤgen. Seite 49
  • Gebrauch der Vernunft. 51
  • Erfindungsgeiſt.
  • Der Menſch ein Geſchoͤpf, das ſeine Werk - zeuge ſelbſt verfertigt.
  • Erfindung der Sprache.
  • Etwas uͤber Lachen und Weinen. 52
  • V. Merkwuͤrdigſte, dem Menſchen eigene Krank - heiten. 53
  • VI. Kurze Uiberſicht von allen dem, wodurch man, aber faͤlſchlich, den Menſchen von den Thieren unterſcheiden zu koͤnnen geglaubt hat. 56
  • Daß die Augen nahe bey einander ſtehen.
  • Wimpern auf jedem Augenliede.
  • Prominirende Naſe. 57
  • Unbewegliches aͤußeres Ohr.
  • Taſtungsorgan.
  • Zaͤpfchen.
  • Ruͤlpſen.
  • Und daß der Menſch nicht gemaͤſtet werden kann.
  • Zweyter Abſchnitt. Von den Urſachen und Arten der Degeneration der Thiergattungen im Allgemeinen. 58
  • Vorausgeſchickte Unterſuchung der Frage: was heißt Spezies in der Zoologie. 59
  • A) Haupterſcheinungen von Degeneration der Thiere. 64
  • Farbe.
  • Textur der Haare. 65
  • Statur. 66
  • Figur und Proportion der Theile.
  • Beſonders der Formen der Schaͤdel. 67
  • XXX
  • B) Urſachen der Degeneration. Seite 68
  • Macht des Bildungstriebes. 69
  • Klima. 73
  • Nahrungsmittel. 77
  • Lebensart. 79
  • Baſtardzeugung. 80
  • Eigenheiten, die von krankhafter Schwaͤche angeerbt ſind. 83
  • Problematiſche Frage: ob auch wohl Ver - ſtuͤmmelungen und andere Kuͤnſteleyen zu natuͤrlichen Verſchiedenheiten unter den Thieren Veranlaſſung geben koͤnnen? 85
  • Vorſichtigkeitsregeln, welche bey Unterſu - chung von den Urſachen der Degeneration zu beobachten ſind. 87
  • Dritter Abſchnitt. Von den Urſachen und Arten der Degeneration des Menſchengeſchlechts insbeſondere. 91
  • Hautfarbe. 92
  • Sitz derſelben. 93
  • Verſchiedenheit der Nationalfarbe. 94
  • Urſachen derſelben. 96
  • Beſonders der Neger Schwaͤrze.
  • Von den Kreclen. 105
  • Von den Mulatten. 106
  • Schwarze Haut mit weißen Flecken. 112
  • Aehnliche beſondere Veraͤnderungen der Haut - farbe. 115
  • Einige andere Nationaleigenheiten der Haut. 119
  • Uebereinſtimmung des Haupthaars mit der Haut. 121
  • Nationale Hauptverſchiedenheiten des Haars. 122
  • Die Sehen ſtimmen mit der Farbe des Kopf - haars zuſammen. 125
  • Hauptfarben der Augen. 127
  • Nationalgeſicht. 128
  • Verſchiedenheiten deſſelben. 129
  • XXXI
  • Urſachen deſſelben. Seite 133
  • Nationalform der Schaͤdel. 143
  • Bemerkungen uͤber Campers Geſichtslinie. 145
  • Scheitelnorm, als Maas, die Nationalcha - raktere der Schaͤdel zu beſtimmen. 147
  • Nationalverſchiedenheiten der Schaͤdel. 149
  • Urſachen derſelben. 152
  • Einige Nationalverſchiedenheiten der Zaͤhne. 161
  • Urſachen derſelben. 164
  • Aeußeres Ohr. 167
  • Bruͤſte. 169
  • Geſchlechtstheile. 172
  • Schenkel. 175
  • Haͤnde und Fuͤße. 178
  • Nationalverſchiedenheiten in Anſehung der Statur. 179
  • Patagonen. 182
  • Quimos. 186
  • Von den Urſachen der Nationalſtatur. 188
  • Fabelhafte Verſchiedenheiten des Menſchen - geſchlechts. 190
  • Sage von geſchwaͤnzten Voͤlkern. 192
  • Nationalverſchiedenheit durch krankhafte Be - ſchaffenheit bewirkt. 195
  • Menſchliche Leukaͤthiopie. 196
  • Vierter Abſchnitt. Das Menſchengeſchlecht hat fuͤnf Hauptvarietaͤten, aber nur Eine Gat - tung. 203
  • Unzaͤhlige Verſchiedenheiten des Menſchenge - ſchlechts fließen durch unmerkliche Gradation mit einander zuſammen.
  • Doch unterſcheidet man fuͤnf Hauptvarietaͤten der - ſelben, als:204
  • A) die Kaukaſiſche.
  • B) Mongoliſche.
  • C) Aethiopiſche.
  • D) Amerikaniſche und
  • E) Malayiſche.
  • XXXII
  • Charaktere und Grenzen dieſer Varietaͤten. 205
  • Eintheilungen anderer Schriftſteller von den Va - rietaten des Menſchengeſchlechts. 208
  • Einige Anmerkungen uͤber die fuͤnf hier feſtgeſetz - ten Varietaͤten. 212
  • Uiber die Kaukaſiſche213
  • Mongoliſche214
  • Aethiopiſche215
  • Amerikaniſche217
  • Malayiſche223
  • Schluß224
  • Anmerkungen und Zuſatze aus den beyden fruͤhern Ausgaben dieſes Werks. 225
  • Erlaͤuterung der Kupfertafeln. 289
Ver[1]

Verzeichniß von dem anthropologiſchen Vorrathe des Verfaſ - ſers, deſſen er ſich bey Vervollkommnerung dieſer neuen Ausgabe hauptſaͤchlich bedient hat.

Aus drey Gruͤnden hielt ich es der Muͤhe werth, dieſes Verzeichniß hier einzuſchalten.

Einmal, damit der gelehrte und billige Leſer ſaͤhe, mit welchen, und mit wie wichtigen, aus der Natur ſelbſt hergenommenen, Huͤlfsmitteln verſehen, ich zu einer neuen Ausgabe dieſes Buchs geſchrit - ten bin.

Dann aber auch, um ein Zeugniß meiner Dank - barkeit aufzuſtellen, fuͤr die beſondere Milde, mit welcher meine Goͤnner und Freunde dieſen Vorrath zum Gedeihen des anthropologiſchen Studiums bis - her zu bereichern ſo guͤtig geweſen ſind.

Und endlich, um zu zeigen, welche mir noch mangeln, und mit welchen ſie, wenn ſie ferner Gelegenheit und Guͤtigkeit haben, denſelben noch vermehren koͤnnten.

Verſch. d. M. AI.2

I. Hirnſchaͤdel von verſchiedenen Voͤlkern.

Eine Auswahl dieſer, in Anſehung ihrer Groͤße und Verſchiedenheit, meines Wiſſens einzigen Samm - lung, (denn weder Kampers noch Joh. Hunters aͤhn - liche koͤnnen in dieſem Betreff ihr gleich geſtellt wer - den,) habe ich in drey Dekaden ausfuͤhrlicher beſchrie - ben, und mit den genaueſten Abbildungen verſehen, wo ich auch von der Gelegenheit und dem Wege, worauf ich jeden Schaͤdel erhalten, Rechenſchaft abgelegt habe. Um den aͤchten Urſprung eines je - den zu beweiſen, bewahre ich einen, mit dieſem Schatze verbundenen, Apparat eigenhaͤndiger Briefe auf, welcher ſtatt Dokumente dient. Die einiger - maßen zweifelhaft oder zweydeutig ſcheinen koͤnnten, ſtelle ich beſonders. Zu gegenwaͤrtiger Unterſuchung gehoͤren:

  • A) Fuͤnf ausgeſuchteſte Muſterſchaͤdel der Haupt - varietaͤten des menſchlichen Geſchlechts.
    • a) von dem Mittelſchlage, naͤmlich der kaukaſi - ſchen Varietaͤt.
      • 1) Den Schaͤdel einer Georgerin. Taf. 1. Fig. 2. Taf. 2. Fig. 3.
        • (Dritt. Zehnd erlaͤut. Hirnſchaͤdel. Taf. 21.)
        • Ein Geſchenk des Freyherrn von Aſch.
        • Dann zweyer Extreme, naͤmlich:
    • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
      • 2) Eines Rehnthier-Tunguſen. (Tunguſa rangifer.) Taf. 1. Fig. 1. Taf. 2. Fig. 2.
        • (Zweytes Zehnd, Taf. 16.)
        • Ein Geſchenk des Herrn von Aſch.
    Und3
    • Und c) der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 3) Einer guineiſchen Negerin. Tafel 1. Fig. 3. Taf. 2. Fig. 5.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 19.)
        • Ein Geſchenk des beruͤhmten Steph. Joh. van Geuns, Prof. zu Utrecht.
        • Endlich zweyer Uebergaͤnge (Varietas in - termedia) naͤmlich:
    • d) Der amerikaniſchen Mittelraſſe.
      • 4) Eines karaibiſchen Fuͤrſten von der Inſel St. Vinzenz. Taf. 2. Fig. 2.
        • (Erſtes Zehnd. Taf. 10.)
        • Geſchenk des Herrn Baronet Banks. Und
    • e) der malayiſchen Varietaͤt.
      • 5) Eines Otaheiten. Taf. 2. Fig. 4.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 26.)
        • Geſchenk von eben demſelben.
  • B) Fuͤnf andere Proben auf eben die Weiſe ge - ſammelt; als:
    • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt.
      • 6) Den Schaͤdel eines Natoliers aus Tokat.
        • Ein Geſchenk des Herrn von Aſch.
    • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
      • 7) Eines ſiniſchen Tunguſen oder Dauriers.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 23.)
        • Ein Geſchenk von demſelben.
    A 2c) Von4
    • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 8) Eines Mohren.
        • (Erſtes Zehnd. Taf. 8.)
        • Ein Geſchenk von Herrn Michaelis, Heſ - ſenkaſſeliſchem Hofrath und Profeſſor zu Marburg.
    • d) Von der amerikaniſchen Varietaͤt.
      • 9) Eines nordamerikaniſchen Indianers.
        • (Erſtes Zehnd. Taf. 9.)
        • Ein Geſchenk von demſelben.
    • e) Von der malayiſchen Varietaͤt.
      • 10) Eines Neuhollaͤnders.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 27.)
        • Ein Geſchenk des Baronet Banks.
  • C) Zum Erweis fuͤr die Scheitelnorm (ſ. §. 61.)
    • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt.
      • 11) Den Schaͤdel eines kaſaniſchen Tatarn.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 12.)
        • Ein Geſchenk von Herrn von Aſch.
    • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
      • 12) Eines Jakuten.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 15.)
        • Ein Geſchenk von eben demſelben.
    • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 13) Eines Mohren.
        • Ein Geſchenk von dem beruͤhmten Soͤm - mering, Hofrath und Prof. zu Mainz.
D) Drey5
  • D) Drey andere Proben, woran ſich, trotz der, theils durch den Gebrauch beym Studiren, theils durch Einwirkung einer Krankheit, damit vorgegan - genen Umformung, doch der Karakter und Ha - bitus der Scheitelnorm deutlich zeigt.
    • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt.
      • 14) Den Schaͤdel eines Tuͤrken.
        • Ein Geſchenk von dem Herrn von Aſch.
    • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
      • 15) Eines Kalmucken.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 14.)
        • Eben ſo wie der folgende Schaͤdel, ein Geſchenk des Herrn von Aſch.
    • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 16) Eines Mohren.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 17.)
  • E) Dreyerley Schaͤdel, welche zwar von Kindern, doch die Scheitelnorm aufs klarſte darthun.
    • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt,
      • 17) Der Schaͤdel eines Judenmaͤdchen.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 28.)
    • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
      • 18) Eines buraͤtiſchen Kindes.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 29.)
        • Geſchenk von Herrn von Aſch.
    • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 19) Eines eben gebornen Mohrs.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 30.)
        • Ein Geſchenk von dem beruͤhmten kaſſel - ſchen Wundarzt Herrn Billmann.
F) Pro -6
  • F) Proben, welche wegen des ausgezeichneten Ueberganges, wodurch ſie verſchiedene Varietaͤ - ten des Menſchengeſchlechts gleichſam mit einan - der verbinden, merkwuͤrdig ſind: So ſtehen z. B.
    • α) zwiſchen der kaukaſiſchen und mongoliſchen Varietaͤt mitten inne
      • 20) der Hirnſchaͤdel eines doniſchen Koſaken.
        • (Erſtes Zehnd. Taf. 4.)
        • Dieſer und die naͤchſtfolgenden ſind Ge - ſchenke von Herrn von Aſch.
      • 21) Eines Kirgis-Kaiſaken.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 13.)
      • 22) Ein anderer deſſelben Stammes, dem vo - rigen ſehr aͤhnlich.
    • β) Zwiſchen der kaukaſiſchen und aͤthiopiſchen Varietaͤt.
      • 23) Einer aͤgyptiſchen Mumie.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 1.)
      • 24) Eines aͤchten Zigeuners.
        • (Zweytes Zehnd. Taf. 11.)
        • Ein Geſchenk von dem beruͤhmten Patoki, Arzt zu Clauſemburg.
    • γ) Zwiſchen der mongoliſchen und amerikani - ſchen Varietaͤt.
      • 25) Eines Eskimo.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 24.)
        • Nebſt dem folgenden Geſchenk von dem be - ruͤhmten Joh. Lorenz.
      • 26) Ein anderer von einem Eskimo.
        • (Drittes Zehnd. Taf. 25.)
G) Schaͤ -

NB. Dieſer Bogen wird zerſchnitten,

7
  • G) Schaͤdel, die einſt im Kindesalter, durch be - ſondere Kuͤnſteleyen, vergeſtaltet worden.
    • 27) Eines, wahrſcheinlich tatariſchen Lang - kopfs, (Macrocephali.)
      • (Erſtes Zehnd. Taf. 3.)
      • Geſchenk vom Herrn von Aſch.
    • 28) Einer Karaibin.
      • (Zweytes Zehnd. Taf. 20.)
      • Geſchenk vom Herrn von Banks.
  • H) Der uͤbrige Vorrath dieſer Art.
    • 29) Der Schaͤdel eines Teutſchen.
    • 30) Einer teutſchen Frau.
    • 31) Eines juͤdiſchen Juͤnglings.
    • 32) Eines juͤdiſchen Greiſes.
    • 33) Eines Hellaͤnders.
      • Ein Geſchenk von dem beruͤhmten Utrech - ter Arzte Herrn Wolff.
    • 34) Eines Franzoſen.
      • Ein Geſchenk von Herrn Soͤmmering.
    • 35) Eines Italieners.
    • 36) Ein anderer, von einem Italiener, und zwar von einem Venediger.
      • Nebſt dem folgenden ein Geſchenk von dem beruͤhmten Herrn D. Michaelis, hannoͤveriſchem Feldarzt.
    • 37) Eines Lombarden.
    • 38) Eines alten roͤmiſchen Soldaten von der Leibwache.
      • Ein Geſchenk Sr. Eminenz, des Herrn Kardinal Steph. Borgia.
    39) Ei -8
    • 39) Eines ſarmatiſchen Litthauers.
      • (Drittes Zehnd. Taf. 22.)
      • Ein Geſchenk vom Herrn von Aſch.
    • 40) Die Hirnſchale eines alten Cimbriers.
      • Ein Geſchenk von Sr. Hochwohlgeboren, dem kaiſerlichen Hauptkonſul bey den Daͤnen, Herrn Bozenhord.
    • 41) Der Schaͤdel eines Finnen.
      • Geſchenk, nebſt allen folgenden, bis No. 80. von Herrn von Aſch.
    • 42) Ein anderer eines Finnen.
    • 43) Einer finniſchen Frau.
    • 44) Eines eingariſchen Ruſſen.
    • 45) Eines ruſſiſchen Juͤnglings.
      *)Die folgende Reihe ruſſiſcher Schaͤdel bis zu No. 63 iſt wegen der wunderbaren Zweifels ohne von ehelicher Vermiſchung herſtammenden Verſchiedenheit, vermoͤ - ge welcher viele derſelben ſich mehr oder weniger dem mongoliſchen Habitu naͤhern, hauptſaͤchlich merk - wuͤrdig.
      *)
    • 46) Eines ruſſiſchen Greiſes.
    • 47) Eines Ruſſen aus Moskau.
    • 48) Eines andern.
    • 49) Eines dritten.
    • 50) Eines vierten.
    • 51) Eines fuͤnften.
    • 52) Einer Frau aus Moskau.
    • 53) Eines Ruſſen aus Sweingorod.
    • 54) Eines jungen Uruſſers.
    • 55) Eines Ruſſen aus Wenewks.
    56) Ei -9
    • 56) Eines Ruſſen aus Romanoſ.
    • 57) Eines andern aus Ribnock.
    • 58) Eines andern aus Ribniſk.
    • 59) Eines Koſtromers.
    • 60) Einer Krasnoi Cholmerin.
    • 61) Eines Niſchnei Nowgoroders.
    • 62) Eines Kurskers.
    • 63) Eines Orlowers.
    • 64) Eines Tataren aus Orenburg.
    • 65) Eines Tataren, (wahrſcheinlich aus Kaſan.)
    • 66) Eines dritten Tataren.
    • 67) Eines vierten.
    • 68) Eines fuͤnften.
    • 69) Eines Tſchuwaſchiers.
    • 70) Eines Lesghiers.
    • 71) Eines Georgiers.
    • 72) Eines Tuͤrken.
    • 73) Eines andern.
    • 74) Eines dritten.
    • 75) Eines Kalmucken aus Orenburg.
    • 76) Eines andern Kalmucken.
      • (Erſtes Zehnd. Taf. 5.)
    • 77) Eines dritten.
    • 78) Eines vierten.
    • 79) Eines fuͤnften.
    • 80) Eines ſechſten.
    81) Ei -10
    • 81) Eines Neger-Kreolen aus Neu-York.
      • (Erſtes Zehnd. Taf. 7.)
      • Ein Geſchenk von Herrn Michaelis aus Marburg.
    • 82) Eines Negers von Kongo.
      • (Zweytes Zehnd. Taf. 18.)
      • Geſchenk von Herrn von Aſch.

II. Ungemein charakteriſtiſche Foetus des Mittelſchlags, und der beyden aͤußerſten Varietaͤten.

  • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt.
    • 1) Teutſche Zwillinge verſchiedenen Ge - ſchlechts, durch außerordentliche Schoͤnheit ſich auszeichnend. Vier Monathe alt.
  • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
    • 2) Den Foͤtus eines Kalmucken aus Oren - burg, weiblichen Geſchlechts, drey Mo - nate alt.
      • Ein Geſchenk von Herrn D. Koſegarten.
  • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
    • 3) Eines maͤnnlichen Negers von fuͤnf Mo - naten.
      • Ein Geſchenk von dem beruͤhmten Herrn Meyer, hannoͤveriſchem Archiater.
III.11

III. Bloße Haare und Haupthaare verſchiedener Voͤlker.

Wiewohl dieſes beym erſten Anblick kaum hieher gezogen werden zu koͤnnen ſcheint, ſo iſt doch un - leugbar, daß auch eine ſolche Sammlung, wenn ſie durch Mannichfaltigkeit ſich auszeichnet, auf jeden Fall fuͤr ein[ſorgfaͤltigeres] Studium der Anthropolo - gie ihren Nutzen hat. Dieſe enthaͤlt Proben von al - len fuͤnf Hauptvarietaͤten des Menſchengeſchlechts: und unter dieſen ziemlich merkwuͤrdige, von denen hinten an ſeinem Orte hin und wieder iſt geredet wor - den, als von dem zweyfarbigen Haupthaar eines mit weißen Flecken untermiſchten Nigritiers, wel - chen ich zu London ſah u. a. m.

IV. Anatomiſche Praͤparate.

Der groͤßte Theil hiervon geht auf die Naturge - ſchichte des Mohren. In dem Buche ſelbſt habe ich hin und wieder umſtaͤndlichere Nachricht davon ertheilt.

V. Eine Sammlung von Abbildungen verſchiedener Voͤlker, nach der Natur ſelbſt, von geſchickten Kuͤnſtlern, aufs ſorgfaͤltigſte gezeichnet.

Es erhellt an ſich*)Vergleiche die hierauf Bezug habende Stelle bey Vol - ney in ſeinen Ruines, ou meditation ſur les Revo - lutions des empires. S. 349. ſchon, daß ein ſolcher Ap - parat, beſonders, wenn man ihn immer mit der ge -nann -12nannten Hirnſchaͤdel-Sammlung zuſammen haͤlt, zu den erſten vorzuͤglichen und untruͤgbaren Quellen des Studiums der Anthropologie gehoͤre; und deshalb ha - be ich ſeit zwanzig Jahren mir alle Muͤhe gegeben, ſolcher nach der Natur ſelbſt, und was ein Haupt - umſtand iſt, von geſchickten Kuͤnſtlern verfertigten Abbildungen viele mir zu verſchaffen. Zwar findet man in Reiſebeſchreibungen eine Menge aͤhnlicher Abbil - dungen; allein ſobald man ſie unter das Meſſer der Kritik bringt, ſo findet man in der That ſehr wenige, denen man trauen koͤnnte. Denn rechnet man eini - ge, z. B. die aus Korn. de Bruͤn perſiſcher und indi - ſcher Reiſe, und aus der Erdumſegelung des unſterb - lichen Kook von ihm ſelbſt beſchrieben, und mit den ſchoͤnen, von dem beruͤhmten Hodges gezeichneten Kupfern verſehen, hinweg; ſo wird man leicht fin - den, daß die uͤbrigen, nur nicht alle, bisweilen zwar wohl mit ſehr glaͤnzenden Kupfertafeln prangen, welche bey genauerer Beſichtigung aber, und einer Vergleichung mit richtigen Abbildungen, oder der Natur ſelbſt, kaum irgend einen Nutzen fuͤr die Na - turgeſchichte des Menſchengeſchlechts haben. Man muß alſo zu dieſem Behuf vielmehr andere hie und da befindliche Abbildungen fremder Voͤlker verglei - chen, welche man theils in Kupfer geſtochen einzeln herausgegeben, oder zerſtreut in Buͤchern eingeſchal - tet, theils als eigne Handzeichnungen von der ge - ſchickten Hand eines Kuͤnſtlers antrift. Von jenen habe ich mir eine nicht gemeine Menge angeſchaft, worunter ſich hauptſaͤchlich des in dieſer Art großen Kuͤnſtlers Wem. Hollar geaͤtzte Figuren, und die nicht gemeinen Blaͤtter der neueren engliſchen Ku -pfer -13pferſtecher auszeichnen, welche jedoch einzeln aufzu - zeichnen, der Raum dieſer Anzeige nicht geſtattet. Indeß duͤrfte ich doch wenigſtens eine Ueberſicht von den merkwuͤrdigſten Handzeichnungen beyfuͤgen:

  • a) Von der kaukaſiſchen Varietaͤt.
    • 1) Ein Tuͤrke. Mit Roͤthelſtift zu Berlin nach dem Leben gezeichnet, von dem unge - meinen Kuͤnſtler: Dan. Chodowieki, wel - cher mir mit dieſer Handzeichnung ein Ge - ſchenk gemacht hat.
    • 2) Eine Frau aus Indoſtan, von einem in - dianiſchen Mahler mit bewundernswuͤrdiger Genauigkeit und Feinheit gezeichnet.
      • Ich erhielt es zu London von dem gelehrten Herrn Sam. Lyſons.
  • b) Von der mongoliſchen Varietaͤt.
    • 3) Coſſim Ali Chan, einſt Praͤſident (Na - bob) von Bengalen, der nachher zu Delhi ein Prieſter Muhameds (Faquir) wurde. Mit lebendigen Farben von einem muha - medaniſchen (mauriſchen) Mahler gemahlt.
      • Nebſt dem folgenden ein Geſchenk des nun der Erde entnommenen Baron Braun, engliſchen Reſidenten zu Bern, ehema - ligen engliſchen Obriſten in Indien.
    • 4) Die Gattin des letzten mongoliſchen Kaiſers, Scha Allun, welcher im Jahr 1790 ſtarb. Mit aͤhnlicher kuͤnſtlicher Hand gemahlt.
      *)Des Urſprungs halber habe ich dieſe beyden Abbil - dungen von den Fuͤrſten des neueren Indiens zumongo -
      *)
    5) Das14
    • 5) Das Bildniß eines Kalmucken, Feodor Iwanowitſch, zu Rom, wo er mit dem gluͤcklichſten Erfolge ſich auf die Mahlerey legt, von ihm ſelbſt, mit eigner Hand, ganz unvergleichbaren Kunſt und Geſchmack und einer Aehnlichkeit zum Sprechen, mit ſchwarzer Kreide gezeichnet.
      • Dies beſondere Geſchenk erhielt ich von Rom, von dem beruͤhmten koͤniglichen großbrittanniſchen Geſandtſchaftsſekre - taͤr, Tatter.
        *)S. Herrn Hofrath Blumenbachs naturhiſtoriſche Abbildungen. Erſtes Heft, erſte Kupfertafel. Goͤt - tingen 1796. Mit Begierde muß man die Fort - ſetzung dieſer Abbildungen erwarten, denn durch ſie duͤrfte Herders Wunſch erfuͤllt werden: Daß Je - mand, der es kann, die hie und da zer - ſtreuten treuen Gemaͤlde der Verſchie - denheit unſers Geſchlechts ſammelte und damit den Grund zu einer ſprechen - den Naturlehre und Phyſiognomik der Menſchheit legte. S. Ideen z. Ph. d. G. d. M. Th. 2. S. 82. G. A.
        *)
    • 6) Zwey ſineſiſche Schiffer. Zu Wien ge - mahlt.
      • Ein Geſchenk von Sr. Hochwohlgeboren, des Herrn Nik. Joſ. von Jacquin, kai - ſerlichem Finanzrath.
    • 7) Ettuiak, ein eskimoſcher Zauberer, wel - cher im Jahr 1773 von der Kuͤſte Labrador nach London gebracht wurde. Dies
      *)mongoliſchen Varietaͤt gerechnet, obſchon ſie in der Geſichtsbildung ſich wenigſtens von den Hindus ent - fernen, wovon man die Gruͤnde unten ſehen kann.
      *)15
      • Dies und das folgende Gemaͤhlde iſt nach der Handzeichnung des Nathan Donce im Muſeum des Herrn von Banks von dem treflichen Londonſchen Mahler G. Hunnemann abgemahlt.
    • 8) Ein eskimoſches Weib, Namens Laubwik (welcher Name in der Mutterſprache jener Barbaren einen einaͤugigen Baͤr bedeutet) welche mit eben genannten vorigen von dem beruͤhmten Cartwright zugleich nach London gebracht wurde.
  • c) Von der aͤthiopiſchen Varietaͤt.
    • 9) Eine Hottentottin aus Amak.
      • Nebſt der folgenden ebenfalls aus der Bibliothek des Herrn von Bauks.
    • 10) Ein waldbewohnender Hottentotte (holl. Boſchmann) mit Weib und Kind.
    • 11) Eine Hottentottin.
      • Dieſes und die vier folgenden Gemaͤhlde wurden auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung nach dem Leben gezeichnet, und an Kayſer Joſeph nach Wien ge - ſchickt. Die ſehr ſorgfaͤltigen Kopien davon habe ich von Herrn von Jacquin zum Geſchenk erhalten.
    • 12) Karmup, ein Hottentotte aus Amak.
    • 13) Kosjo, ein Hottentotte aus Chonoga, an der Grenze des Kaffernlandes.
    • 14) Koba, ein Fuͤrſt der Kaffern.
    • 15) Puſeka, die Tochter deſſelben.
d) Von16
  • d) Von der amerikaniſchen Varietaͤt.
    • 16) Ein Einwohner der Magellansſtraße, aus dem Feuerlande.
    • 17) Ein Weib von demſelben Volke.
  • e) Von der malayiſchen Varietaͤt.
    • 18) Zwey neuſeelaͤndiſche Maͤnner.
    • 19) Ein neuſeelaͤndiſcher Fuͤrſt.
    • 20) Zwey Juͤnglinge von demſelben Volke.
      • Alle, ſo wie die Abbildungen der Anwoh - ner der Magellansſtraße, ſind aus der Sammlung der Schaͤtze, welche der Herr Baronet von Banks von ſeiner Erdumſegelung mitgebracht hat.
Erſter17

Erſter Abſchnitt. Von dem Unterſchied zwiſchen dem Menſchen und den uͤbrigen Thieren.

§. 1. Schwierigkeit der Unterſuchung.

Wer von der Verſchiedenartigkeit des Menſchenge - ſchlechts ſchreiben, und die Unterſchiede aufzaͤhlen will, welche in Hinſicht auf ihren Koͤrperbau zwi - ſchen den verſchiedenen Menſchenſtaͤmmen ſtatt finden, muß vor allen Dingen eine Unterſuchung anſtellen uͤber jene Unterſcheidungen, welche den Menſchen und die uͤbrigen Thiere von einander ſondern. Da trift es denn aber auch hier, was bey dem Studium der Naturgeſchichte, und zwar inſonderheit der Zoo - logie oͤfters der Fall iſt, daß man bisweilen eine Gattung von ihren Nebengeſchlechtern weit leichter auf die erſte Anſicht, und zwar zu Folge eines ge - wiſſen ſinnlichen Eindrucks, unterſcheiden, als dieſe unterſcheidenden Merkmale ſelbſt aufzaͤhlen, und mit Worten ausdruͤcken kann. So iſt es ziemlich leicht die Ratte von der Maus, das Kaninchen von dem Haaſen zu unterſcheiden, ſchwer hingegen die charak - teriſtiſchen Zeichen, auf denen dieſe allgemein be - merkte Verſchiedenheit beruht, heraus zu ſuchen. Daß aber die Materie, welche wir jetzt bearbeiten, dieſelbe Schwierigkeit habe, haben in dieſem FacheVerſch. des M. Bgroße18große Maͤnner frey und offenherzig geſtanden, ja ſelbſt Linné, dieſer unſterbliche Mann, der in der That dazu geboren war, die unterſcheidenden Merk - male an den Gegenſtaͤnden der Natur zu erforſchen, und um dieſe ſyſtematiſch zu ordnen, nennt es in der Vorrede zu ſeiner ſchwediſchen Fauna, eine der ſchwierigſten Unterſuchungen, den eigentlichen ſpeziſiſchen Unterſchied des Menſchen anzugeben; ja bekennt, daß er kein Merkmal habe ausfindig machen koͤnnen, wodurch man den Menſchen von dem Affen unterſcheiden koͤnne; und hat es in dem Syſtem der Natur fuͤr wunderbar gehalten, daß der duͤmmſte Affe von dem kluͤgſten Menſchen ſo wenig abweiche, daß der Marſchbeſtimmer der Natur noch zu ſuchen ſey, welcher dieſe Grenz - ſcheidungen feſtſetze; und endlich hat er wirklich dem Menſchen weder ein generiſches noch ſpezifiſches Merkmal beygelegt, ſondern ihn im Gegentheil mit dem langhaͤndigen Affen (Linnés Homo Lar, Gib - bon) zu einer Gattung gerechnet.

§. 2. Die gehoͤrige Behandlungsart dieſer Materie.

So will ich denn einſtweilen das aufzaͤhlen, wo - durch ſich der Menſch, wenn ich irgends richtig be - obachtet habe, von den uͤbrigen Thieren zu unter - ſcheiden ſcheint, wobey ich folgendermaßen verfahren will, daß ich

  • 1) das aufzaͤhle, was zur aͤußern Bildung des menſchlichen Koͤrpers;
  • 2) zur innern Einrichtung,
  • 3) zu den Geſchaͤften ſeiner animaliſchen Oekonomie, gehoͤrt;
4) was19
  • 4) was Bezug hat auf die Geiſtesfaͤhigkei - ten; welchen ich
  • 5) weniges uͤber die dem Menſchen eigenthuͤm - lichen Krankheiten beyfuͤgen werde. Und
  • 6) werde ich endlich jene Merkzeichen durch - gehen, durch welche man insgemein, aber faͤlſchlich, den Menſchen von den Thieren unterſcheiden zu koͤn - nen geglaubt hat.

§. 3. Aeußere Bildung.

Hierher ziehe ich auch einige Merkzeichen, welche zwar zunaͤchſt in eine Zuſammenſtellung des Skelets gehoͤren, allein ſich doch in der aͤußeren, von jener ab - haͤngenden, Beſchaffenheit des Koͤrpers zeigen, wo denn folgende, zumal wenn man ſie zuſammenge - ſtellt betrachtet, eine vollſtaͤndige Erklaͤrung von der menſchlichen Gattung zu enthalten ſcheinen:

  • A) Aufrechte Stellung.
  • B) Breites, flaches Becken.
  • C) Zwo Haͤnde.
  • D) Zaͤhne in gleicher Ordnung an einander ge - reiht und aufrechtſtehende Unterſcheidezaͤhne.

Hierauf wird man, als auf ſeine Hauptſtuͤcke, alles uͤbrige, was die Beſchaffenheit des menſchlichen Koͤrpers beſonderes hat, fuͤglich beziehen koͤnnen; und wir wollen daher von jedem einzelnen beſonders handeln.

§. 4. A) Aufrechte Stellung.

Hier liegt uns der Beweis von zwey Punkten ob: daß naͤmlich

B 21) die20
  • 1) die aufrechte Stellung zur Natur des Men - ſchen paſſe; und
  • 2) daß ſie dem Menſchen eigenthuͤmlich ſey.

Dieſes wird unten erhellen (ſ. §. 10.). Jenes beſtaͤtigt a priori der Bau des menſchlichen Koͤrpers ſelbſt, und a poſteriori die einmuͤthige Uibereinſtim - mung aller uns bekannten Voͤlker jedes Zeitalters. Um bey der Sache nicht lange zu verweilen, bedarf man keines weiteren Beweiſes als deſſen, welchen man fuͤr das Gegentheil anzufuͤhren, und von den Beyſpielen vierfuͤßiger, unter Thieren aufgewachſe - ner Kinder, herzunehmen pflegt. Denn wer die - ſer Sache ernſtlicher nachdenkt, ſieht leicht, daß man ſich keinen andern Zuſtand des Menſchen den - ken koͤnne, worin er weiter von dem ihm von der Natur beſtimmten abwiche, als eben dieſen, worin wir die ungluͤcklichen Kinder geſehen haben; denn mit ebendemſelben Rechte koͤnnte man jede Mißgeburt fuͤr die ideale Norm der menſchlichen Bildung halten, als man das Beyſpiel ſolcher wilden Kinder miß - braucht, um die dem Menſchen natuͤrliche Art zu gehen und zu leben, daraus zu beweiſen. Und den - noch darf man nur dieſe Nachrichten von den wilden Kindern etwas genauer beſeitigen, ſo erhellt aus den aͤchteſten, der Ungewißheit und dem Zweifel wirklich nicht ausgeſetzten Beyſpielen darunter, als unſers beruͤhmten Peters von Hameln1)Man vergleiche Voigts Magazin fuͤr Phyſik und Naturgeſchichte 4ter Theil, 3ter Abſchn. S. 91. Und (Monboddos) ancient metaphyſics, 3ter Theil, Lond. 1784. 4. S. 57. und 367. Wie (Peter the wild boy, Juvenis Hannoveranus, Linn.); des Maͤdchensaus21aus Champagne2)(de la Condamine) hiſtoire d’une jeune fille ſau - vage. Paris 1761. 12.; des pyrenaͤiſchen Mannes3)Vergl. Leroy ſur l’exploitation de la Mâture dans les Pyrenées. Lond. 1776. 4. S. 8. und anderer, klar, daß dieſe Ungluͤcklichen aufrecht gegangen ſind; in der Geſchichte der uͤbrigen aber, welche man gemeiniglich fuͤr vierfuͤßige gehalten hat, als des irrlaͤndiſchen Juͤnglings unter den Schaafen Linn. ſtoͤßt man auf verſchiedenes, was ſie ſehr zweifelhaft macht4)Man ſehe z. B. was der uͤbrigens ſehr verdiente Tulpius von dieſem irrlaͤndiſchen Juͤnglinge erzaͤhlt im 9ten Kap. des 4ten Buchs ſeiner Obſervat. medi - car. Ein Juͤngling von 16 Jahren, der in Irrland unter den wilden Schaafen von Kindheit an auferzogen war, hatte gleichſam die Natur der Schaafe angenommen hatte wilden Blick war roh, kuͤhn, unerſchrocken. Er hatte auf rauhen Gebirgen, in wilden Gegenden gelebt, ſelbſt ſo wild als ungebaͤndigt u. ſ. w. Wie moͤgen denn wohl die wilden Schaafe in Irrland beſchaffen ſeyn? Wel - ches mag ihre Natur ſeyn? Wild und ungebaͤndigt? Gewiß jeder, der dieſes Geſchichtchen mit dem Meſſer der Kritik zerlegt, wird auf die Vermuthung kom - men, daß dieſer dumme Klotz, der des Schauſpiels halber als ein Wunderwerk durch Holland gefuͤhrt wurle, leicht eben ſo wenig zu den unter Thieren erzogenen Menſchen gehoͤrt habe, als einſt eben da - ſelbſt ein aͤhnliches von einem liſtigen Betruͤger fuͤr einer Eskimo ausgegebenes Wunderwerk (man ſehe hierueber Recherches philoſoph ſur les Améric. Th. 1. S. 258.) zu den wahren Eingebornen der Kuͤſte La - bradir.; ja jener wilde Menſch des Linné (Homo ſapiens ferus, S. N. Ausg. 12. 1ſter Th. S. 28.) ſcheint in der That mit nicht groͤßeremRechte1)Wie wichtig dieſem ſchottiſchen Philoſophen vor al - len andern Peter von Hameln iſt, bekennt er in fol - genden Worten: Dieſe Erſcheinung daͤucht mich iſt außerordentlicher, denn der neue Planet, oder eine Entdeckung von noch 30,000 Fixſternen, außer denen kuͤrzlich entdeckten. b)22Rechte vierfuͤßig als behaart benennt werden zu koͤnnen.

§. 5. Daß die Natur den Menſchen aufrecht gebildet habe, wird aus ſeiner Einrichtung dargethan.

Zwar iſt es ein verdruͤßliches Geſchaͤft, eine an ſich klare und einleuchtende Sache mit langen Bewei - ſen zu unterſtuͤtzen; allein ſie gaͤnzlich unberuͤhrt zu laſſen, verbieten ein paar beruͤhmte Maͤnner, der Italiener P. Maſcati naͤmlich, und der Hollaͤnder A. Schrage5)S. deſſen Verhandeling over de Longteering in dem Handbuche, welches den Titel hat: Genees-Natuur - en Huishoud-kundige Jaarboeken, 3ter Theil,[1ſter] Abſchnitt S. 32., die paradoxen Beguͤnſtiger der ent - gegengeſetzten Meinung. Indeſſen wird es hinrei - chen, nur weniges aus dem ſehr vielen herauszuheben.

Daß alſo der Menſch von Natur zum aufrechten Gange beſtimmt ſey, bezeugt gleich auf dem erſten Anblick die Laͤnge der Schenkel im Verhaͤltniß des Rumpfes und der Aerme. Denn kann ich ſchon dem Daubenton nicht beyſtimmen, wenn er meint, daß kein Thier, außer dem Menſchen, ſo große Hinter - fuͤße habe6)S. Memoires de l’acad. des ſciences de Paris 1764. S. 569., deren Laͤnge gleich waͤre der Laͤnge des Kopfes und Rumpfes; welches die Beyſpiele ver - ſchiedener Saͤugthiere, als des Gibbon Simia lar und des kapſchen Springers (Jerboa Capenſis) wi - derlegen; ſo iſt doch jedem klar, daß der alſo ge - baute Menſch auf keine Weiſe wie die vierfuͤßigen Thiere gehen koͤnne; da ſelbſt die Kinder nicht anders,als23als mit den Knien aufgeſtemmt, kriechen koͤnnen, ob - ſchon ihre Schenkel in dieſem zarten Alter in dem ſchon benannten Maaße kuͤrzer ſind, als bey Erwachſenen.

Allein nicht bloß die Groͤße, ſondern auch die beſondere Staͤrke der Schenkel, mit den ſchwaͤcheren Aernen verglichen, zeigen deutlich, daß dieſe einzig von der Natur zur Stuͤtze des Koͤrpers bereitet ſind; was hauptſaͤchlich durch einen aus der Oſteogonie entlehnten Beweiß dargethan wird, wo man naͤmlich weiß, daß bey einem juͤngſtgebornen Kinde die Kno - chen des Vorderfußes und zwar hauptſaͤchlich die Ferſe weit geſchwinder hart werden und zur Voll - kommenheit gedeihen, als die Knochen in der Hand, und das, wie es die Natur der Sache mit ſich bringt, da die zarten Haͤndchen in den erſten Lebensjahren kaum einige Kraftaͤußerung noͤthig haben, die Fuͤße aber ſchon beym Verlauf des erſten Jahres zur Stuͤtze des Koͤrpers und zum aufrechten Gange geſchickt ſeyn muͤſſen. Von den ſtarken Muskeln der Wade, haupt - ſaͤchlich des Schienbeinmuskels mit ſeinen beyden, durch Sehnen verwachſenen Muskeln (ſolei muſc. c. gemello ſuo), c) welche zur Aufrechthaltung des Menſchen ſo ſtark und auszeichnend von der Natur bereitet ſind, daß die alten Anthropologen deshalb mit Ariſtoteles meinten, man koͤnne dem Menſchen allein wahre Waden zuſchreiben, will ich nicht ein - mal etwas ſagen.

Ferner lehrt die ganze Zuſammenfuͤgung der Bruſt, daß der Menſch auf keinen Fall wie die Thiere gehen koͤnne. Denn wenn dieſe langfuͤßig ſind, iſt ihre Bruſt an den Seiten gleichſam zuſam - mmengedruͤckt, vorwaͤrts aber gebogen, und dieSchluͤſ -24Schluͤſſelbeine mangeln ihnen, damit die Fuͤße von beyden Seiten einander beſſer ausweichen, und mit - hin die Laſt des Koͤrpers leichter und feſter tragen koͤnnen. Uiberdieß haben die vierfuͤßigen Thiere ent - weder ein laͤngeres Bruſtbein, oder mehrere Rippen, welche weiter an den Rand des Huͤftbeines (Criſta ilei) herabgehen, um die Eingeweide des Unterlei - bes in der Lage des horizontalen Rumpfes zu halten. Dies alles aber verhaͤlt ſich anders bey dem zweyfuͤ - ßigen Menſchen. Seine Bruſt iſt flacher, die Schul - tern durch die Schluͤſſelbeine weit von einander abge - ſondert, der Bruſtknochen kurz, der Unterleib mehr als bey den genannten Thieren der beinernen Stuͤtzen entbloͤßt, und anderes der Art mehr, was keinem, der auch nur wenige Skelette vier - beſonders lang - fuͤßiger Thiere, etwas aufmerkſam mit dem menſch - lichen vergleicht, wird entgehen koͤnnen, was denn alles zeigt, wie unpaſſend der Bau des Menſchen zum Gange auf Vieren ſey, daß er nicht anders als unſicher, ſchwankend, aͤußerſt beſchwerlich und er - muͤdend fuͤr ihn ſeyn koͤnnte*)Mehreres hieruͤber ſiehe in Ger. Vrolik unter Seb. Juſt. Brugmanns Praͤſ. vertheidigter Diſſert. de ho - mine ad ſtatum greſſumque erectum per corporis fabri - cam diſpoſito. Leiden 1795. 8..

§. 6. B) Das menſchliche Becken breit und flach.

Dem bisher geſagten giebt die Betrachtung des menſchlichen Beckens die groͤßte Bekraͤftigung, deſſen ganz beſondere Bildung ebenfalls ein unterſcheidendes Kennzeichen iſt, wodurch ſich der Menſch wunderbar weit von den Menſchenaͤhnlichen Affen, und imAllge -25Allgemeinen von allen und jeden uͤbrigen Saͤugthie - ren am weiteſten und offenbarſten entfernt.

Die Behauptung, daß nur dem menſchlichen Skelette ein wahres Becken beyzumeſſen ſey, koͤnnte, ſo paradox und affektirt ſie auch ſcheinen duͤrfte, doch zu vertheidigen ſeyn. Wenn man naͤmlich unter Becken verſteht, eine ſolche Zuſammenfuͤgung der Huͤft - mit dem heiligen und Kukuksbeine (os coc - cygis), welche der Geſtalt eines Beckens nahe kommt; ſo weichen die laͤnglichten Huͤftbeine der uͤbrigen Saͤugthiere von dieſer Beckenbildung außerordentlich weit ab. Denn ob ſchon des Orangutang (ſimiae ſatyri) und des Elephanten Huͤftblaͤtter, etwas mehr Aehnlichkeit mit der Geſtalt des menſchlichen Beckens zu haben ſcheinen, als die der andern Saͤug - thiere, deren Skelette ich unterſucht habe: ſo ſind ſie doch nichts deſtoweniger bey dem erſtern laͤnger als breiter, bey dem letztern aber ragt eine ſehr verlaͤn - gerte Verknorpelung des Schaambeines hervor, und ſo faͤllt bey beyden offenbar die Aehnlichkeit des Bek - kens, von welcher wir reden, hinweg, welche ſich alſo bloß bey dem Menſchen, durch die Ebnung der Huͤftknochen uͤber dem Schloßbeine, ihrer zarten Verknorpelung, der Kruͤmmung des heiligen Beines von der Erhebung an und der vorwaͤrts gerichteten Schwanzbeinwirbel (os coccygis) aͤußert.

§. 7. Verhaͤltniß der benachbarten weichen Theile zur Geſtalt des menſchlichen Beckens.

Die hintere Seite des Beckens dient den Steiß - muskeln zum Fundament, deren aͤußerſten oder großenkein26kein anderer Muskel des Koͤrpers an Dicke gleich iſt, und welche mit einer ſehr ſtarken Lage Fett bedeckt die Hinterbacken bilden, deren fleiſchigte, gefuͤgige, und gerundete Fuͤlle, welche den After verbirgt, nicht minder klaſſiſche Schriftſteller der Naturgeſchichte, wie Ariſtoteles7)Von den Theilen der Thiere. IV. 10. und Buͤffon8)Hiſt. nat. 2ter Theil S. 544. Hinterbacken ſind bloß der menſchlichen Geſtalt eigen. als die groͤßten Phyſiologen, ein Galenus9)De uſu partium. XV, 8. Den phyſikotheologiſchen Zweck dieſes Vorzuges hat Spigel ſehr ſcharfſinnig ausgedacht in ſeinem Werke de humani corporis fabrica, S. 9. Einzig der Menſch kann unter allen Thieren be - quem ſitzen, denn er erhielt fleiſchigte und große Hin - terbacken, welche ihm ſtatt Unterlage, Kiſſen und ge - polſterten Sopha dienen, damit er durch das Sitzen keine Beſchwerlichkeit empfindend, den Geiſt beſſer be - ſchaͤftigen koͤnne, mit Nachdenken uͤber goͤttliche Dinge. und Haller10)De corp. hum. functionibus, 1ſter Theil, Seite 57. Auch werden die Affen durch ein anderes Zeichen nicht leicht von den Menſchen unterſchieden. fuͤr das Hauptkennzeichen halten, durch welches der Menſch ſich von den Affen, welche ganz ohne Geſaͤß ſind, am meiſten unterſcheide.

Ferner haͤngt von der benannten Kruͤmmung des Heiligen - und des Schaambeines eine merkwuͤrdige Richtung der innern weiblichen Geburtsglieder, und beſonders der Mutterſcheide ab, deren Achſe ſich weit mehr als bey den uͤbrigen weiblichen Saͤugthie - ren von der ſogenannten Achſe des Beckens vorwaͤrts neigt, was zwar die Geburt etwas zu erſchweren pflegt, hingegen andern Unbequemlichkeiten, welchen die aufrechtgehende Frau, beſonders bey dauernder Schwangerſchaft, unterworfen ſeyn koͤnnte, unge - mein vorbeugt.

Der -27

Derſelben Richtung der Mutterſcheide iſt es bey - zumeſſen, daß das andere Geſchlecht in der menſchli - chen Gattung, nicht wie die Thierweibchen den Urin hintenaus laͤßt; und das um ſo weniger, da bey dieſem (ſo viel bis jetzt bekannt iſt) die Oeff - nung der Harnroͤhre nicht wie bey dem menſchlichen Weibe zwiſchen den Schaamlefzen ausgeht, ſondern ruͤckwaͤrts in die Mutterſcheide ſelbſt tritt, welche Erfahrung ich ſogar bey Menſchenaͤhnlichen Thieren, als dem Teufel oder Maimon und dem Makako, (papio maimon, Sim. cynomolgno) die ich dem anatomiſchen Meſſer unterworfen, gemacht habe d).

Und nach eben dieſer Richtung der Mutterſcheide, wird man den ſeit Lukrezens Zeiten oͤfters erregten Streit uͤber die Frage, welche Stellung dem Men - ſchen beym Beyſchlafe am angemeſſenſten ſey, Und auf welcherley Art man behandle die ſuͤße - ſte Wolluſt? beylegen koͤnnen; denn wiewohl der Menſch auf meh - rerley Art dieſe Feyer begehen kann, und dieſe ver - ſchiedene Art, ſie zu begehen, von Menſchen aus den moͤnchiſchen Zeiten11)Man vergl. z. B. Carpus (Berengarlus) Commen - taria ſuper anatomia Mundini S. 13. Unter den uͤbrigen Thieren haͤlt der Menſch in verſchiedenen La - gen Beyſchlaf, giebt Umarmungen und Kuͤſſe, worin er verdammlich iſt, weil das laſterhafter, wolluͤſtiger und teuflicher iſt, als vernuͤnftig. zu jenen Stuͤcken gezogen worden, wodurch er ſich von den Thieren unterſchei - de, ja unterweilen wohl phyſiſche Urſachen eintreten koͤnnen, welche ihn nach Art und Sitte der Thiere zum Beyſchlaf reizen koͤnnen12)S. Kaͤmpfs enchiridion medicum. S. 181., ſo ſcheint doch imAllge -28Allgemeinen der wechſelſeitige Bezug der Mutter - ſcheide auf die maͤnnliche Ruthe der obwaltenden Liebe am gemaͤßeſten13)Als ich vor zwey Jahren (1793.) in London den ungeheuren Schatz von Zeichnungen durchgieng, wel - che in der Bibliothek des Koͤnigs von Großbritannien aufbewahrt wird, bewunderte ich von allen, und be - trachtete ich ſorgfaͤltiger einen beruͤhmten Band Ge - maͤhlde, welche fuͤr die menſchliche und verglichene Zergliederung ſehr nuͤtzlich ſind, und von dem großen Mahler Leonardo de Vinci mit der Feder gemacht waren, unter welchen hauptſaͤchlich eine ganz beſondere, und in ihrer Art einzige Zeichnung, von einem Manne, der mit einem Weibe im Beyſchlaf begriffen iſt, ſich auszeichnete. Beyder Rumpf aber war ſo durchſchnit - ten, daß man das ſchicklichſte Berhaͤltniß der ausge - dehnten maͤnnlichen Ruthe auf die Richtung der Mut - terſcheide, worauf ich hingewinkt habe, deutlich ſehen konnte. Der Freundſchaft des Herrn Jo. Cham - bertaine, des Aufſehers dieſer koͤniglichen Sammlung, dieſes menſchenfreundlichen Mannes und ungemeinen Kuͤnſtlers verdanke ich eine ſehr genaue Copie dieſes ſ[ch]arfſinnigen Blattes..

§. 8. Kurze Nachricht von dem Hymen, den Nymphen und der Clytoris.

Um die dem weiblichen Geſchlechte der menſchli - chen Gattung eigenthuͤmlichen Schaamtheile, mit einemmale abzufertigen, muͤſſen wir des Hymens noch erwaͤhnen, welches Haͤutchen, ſo viel ich weiß, bisher bey keinem andern Thiere iſt gefunden worden. Weder bey den Weibchen der gemeinen Affen, noch der Paviane ſind mir, ſo oft ich ſie unterſuchte, ir - gend eine Spur davon, oder in Warzen verwandelte Ueberreſte vorgekommen; eben ſo wenig als in dem weiblichen Elephanten, dem man vor mehreren Jah - ren durch Teutſchland fuͤhrte, und deſſen Geburts -theile29theile ich deshalb ſorgfaͤltiger unterſuchte, weil mir war berichtet worden, daß der ſelige Trendelenburg, ein damals ſehr beruͤhmter Arzt zu Luͤbeck, in dieſem Thiere eine Art von Hymen bemerkt habe. Mir iſt dieſer Theil im weiblichen Koͤrper uͤbrigens merkwuͤr - dig, da ich ſchlechterdings durch keine Muthmaßung irgend einem phyſiſchen Nutzen deſſelben auf die Spur kommen kann. Was die Phyſiologen uͤber den Zweck des Hymen vorgebracht haben, iſt kaum annehmbar; unter allen aber am wenigſten die von Hallern hier - uͤber geaͤußerte, nicht ſehr ſcharfſinnige Meinung: da man es bloß bey dem Menſchen finde, ſo ſey es ihm auch zu moraliſchem Zwecke verliehen, als Zeichen der Keuſchheit.

In Anſehung der Nymphen und Clytoris ſcheint Linné ungewiß zu ſeyn, ob ſie außer dem weiblichen Geſchlechte der menſchlichen Gattung auch andere Weibchen haben? Ich aber habe ſelbſt erfahren, daß keiner von dieſen Theilen dem Menſchen eigenthuͤm - lich ſey, denn die Clytoris habe ich nach ſo viel an - dern nicht verwerflichen Zeugen, in mancherley Saͤug - thieren verſchiedener Ordnungen haͤufig beobachtet und zum Theil ſehr groß gefunden, wie in dem Teu - fel oder Maimon und dem Faulthieraffen, am unge - heuerſten aber, in der Groͤße einer Fauſt, in einem 52 Fuß langen Wallfiſch, welchen ich, als er vor Kurzem im Monat December 1791 bey Sandfort in Holland ans Ufer geworfen worden, ſorgfaͤltig be - trachtet habe.

Die Nymphen aber habe ich an einem Mongus, den ich ſelbſt einige Jahre lebendig aufgezogen habe, den menſchlichen ſehr aͤhnlich gefunden.

§. 9.30

§. 9. C) Der Menſch, ein zweyhaͤndiges Thier.

Aus dem, was uͤber des Menſchen Stellung bisher geſagt worden iſt, ergiebt ſich der groͤßte Vor - zug ſeiner aͤußern Bildung, naͤmlich: der freyſte Gebrauch zweyer ſehr vollkommener Haͤnde; durch deren Bildung er ſo weit uͤber den uͤbrigen Thieren ſteht, daß dadurch des Anaxagoras abgedroſchenes, von Helvetius in unſern Zeiten wieder aufgewaͤrmtes Sophiſma entſtanden iſt: Der Menſch ſcheine des - halb am weiſeſten zu ſeyn, weil er mit Haͤnden aus - geſtattet iſt. Dies iſt wirklich zu paradox; weni - ger ſcheint ſich im Gegentheile die Behauptung des Ariſtoteles von der Wahrheit der Natur zu entfernen, daß bloß der Menſch wirklich Haͤnde habe, welche wirkliche Haͤnde ſeyen; da ſelbſt bey den Menſchen - aͤhnlichen Affen ein Haupttheil der Haͤnde, ich meine der Daumen, nach Verhaͤltniß kurz, faſt abgekippt, und, um mich eines Ausdrucks des großen Enſtachins zu bedienen, ſehr laͤcherlich iſt; daß mithin wirklich keine Hand, außer die menſchliche, die Benennung eines Organs der Organe verdient, womit derſelbe Stagirite ſie beehrt hat.

§. 10. Die Affen und verwandten Thiere hingegen ſind vier - haͤndig.

Die Affen und andere Thiere, welche man ins - gemein Menſchenaͤhnliche nennt, von der Gattung der Paviane, Meerkatzen und Faulthieraffen (Le - mur) ſind in der That weder zwey noch vierfuͤßig, ſondern vierhaͤndig zu nennen. Denn ihre Hinter -fuͤße31fuͤße haben ebenfalls einen aͤchten Daumen und keine Zehen, welche der zweyfuͤßige Menſch allein erhalten hat14)Der ſo große paradoxe Freund Robinet hat im fuͤnften Theile ſeines Werks de la nature auf der neunten Tafel die Abbildung eines Embrio geliefert, den er fuͤr einen Waldmenſchen ausgiebt, da doch aus den bloßen Fuͤßen, welche mit einem Finger, nicht mit einer Zehe, verſehen ſind, auf den erſten Anblick erhellt, daß es eine menſchliche Frucht ſey., daß ſie demnach mit groͤßerem Rechte als ihre Vorderfuͤße den Namen der Haͤnde verdienen, da ſie bekanntlich geſchickter zum Greifen eingerichtet ſind, als jene, auch giebt es eine Art von Meerkaz - zen, (den Coaita, Paniscus, Waldtenfel), welche an den Vorderhaͤnden keinen Daumen hat, da man hingegen nirgends ein vierhaͤndiges Thier dieſer Gat - tung geſehen, welches an der Hinterhand deſſelben ermangelt haͤtte.

Daraus kann man leicht den Streit ſchlichten, der daruͤber gefuͤhrt worden iſt, ob naͤmlich die Wald - menſchen (ſim. ſatyrus) und andere Menſchenaͤhn - liche Thiere ihrer Natur nach in den Waͤldern auf Zweyen oder Vieren gehen. In der That keins von beyden. Denn da die Haͤnde nicht zum Gehen, ſon - dern zum Greifen eingerichtet ſind, ſo iſt an ſich klar, daß die Natur dieſe Thiere beſtimmt habe, ihr Leben meiſt auf den Baͤumen hinzubringen. Auf dieſe klet - tern ſie, und ſuchen ihren Unterhalt darauf, wo ih - nen dann das eine Paar Haͤnde zum Anhalten, das andere zum Abreiſſen der Fruͤchte und andern Ver - richtungen dient; und zu dieſem Behufe hat die Na - tur die mit unvollkommenen Haͤnden verſehenen Meer - katzen mit einem Wickelſchwanze verſorgt, mit wel - chem ſie auf den Baͤumen ſich ſicherer halten koͤnnten.

Und32

Und nun iſt es kaum einer Erinnerung beduͤrftig, daß es das Werk erlernter Kunſt ſey, wenn man unterweilen aufrechtgehende Affen entdeckt hat, da ſchon aus genauen, nach dem Leben gezeichneten Abbildungen des Waldmenſchen15)S. z. B. des beruͤhmten Wasmaer Monographie. klar zu ſehen iſt, wie unbequem und widernatuͤrlich erzwungen eine ſolche Stellung ſey, wo man ſich mit den Vorder - haͤnden auf einen Stock ſtuͤtzt, indeſſen die hintern auf eine nicht paßliche Weiſe zu einer Fauſt verſchlun - gen ſind16)Linne behauptet daher ohne gehoͤrigen Grund: daß es Affen gebe, welche eben ſo gut als der Menſch mit aufrechtem Koͤrper, auf zwey Fuͤßen gehen, und daß ſie wegen des Gebrauchs, den ſie von Haͤnden und Fuͤßen machen, zu der Menſchengattung gehoͤren. *)S. Herrn Hofrath Blumenbachs naturhiſtoriſche Ab - bildungen. Zweyt. Heft, Taf. 12. Goͤtting. 1797. a).. Und noch iſt mir nirgends ein Bey - ſpiel von einem Affen, oder einem andern Saͤugthie - re außer dem Menſchen bekannt geworden, welches wie dieſer, auf beyden Fuͤßen aufrecht ſtehend, das Gleichgewicht halten konnte.

Hieraus erhellet, daß die aufrechte Stellung nicht minder zur Natur des Menſchen paſſe, wie wir geſehen haben, als ſie ihm eigenthuͤmlich iſt. (§. 4.) Demnach hebt allein das Menſchengeſchlecht das Haupt in die Hoͤhe und ſtehet leicht auf geradem Koͤrper.

§. 11. D) Eigenthuͤmlichkeiten der menſchlichen Zaͤhne.

Die Zaͤhne ſind bey dem Menſchen mehr, als bey den uͤbrigen Saͤugthieren in gleicher Ordnung aneinander gereiht.

Die33

Die untern Schneidezaͤhne gehen mehr auf - waͤrts, was ich unter die Hauptunterſcheidungsmerk - male des menſchlichen Koͤrpers rechne.

Die Hundszaͤhne ſtehen weder heraus, noch weit ab, ſondern ſind in gleicher Ordnung mit den benachbarten verbunden.

Die Backenzaͤhne haben beſondere krumme ſtumpfe Spitzchen, wodurch ſie ſich von den Backen - zaͤhnen des Waldmenſchen, des Gibbon, und aller Thierarten dieſer Gattung, von deren Schaͤdeln ich viele unterſucht habe, am augenſcheinlichſten unterſcheiden.

Endlich zeichnet ſich der menſchliche Kinnbacken durch drey Merkmale aus; naͤmlich durch die unge - meine Kuͤrze, durch das etwas hervorragende zu den aufrechten Schneidezaͤhnen paſſende Kinn, am mei - ſten aber durch die beſondere Form der Knorren an dem Hinterkopfe (Condyli) und ihre Richtung und Verbindung mit den Knochen der Schlaͤfe e), wodurch er ſich von den Kinnbacken, wenigſtens aller mir bekannten Saͤugthiere, unterſcheidet, und welches alles deutlich zeigt, das der Menſch von der Natur beſtimmt ſey, alle Arten Nahrung zu verzehren, oder zu einem Allverzehrer.

§. 12. Das uͤbrige, was dem aͤußern Menſchen eigenthuͤmlich ſcheint, als ein glatter Koͤrper u. a. m.

Ich uͤbergehe einiges minder Wichtige, was man ebenfalls zu dem auszeichnend Charakteriſtiſchen des Menſchen zu rechnen pflegt, als das Ohrlaͤppchen, ſchwellende Lippen, beſonders die Unterlippe, und anderes der Art mehr.

Verſch. des M. CVon34

Von der kahlen Glaͤtte des menſchlichen Koͤrpers muß wenigſtens etwas geſagt, und unterſucht werden, in wie fern ſie zu den unterſcheidenden Zeichen, durch welche der Menſch von den uͤbrigen, ihm einigerma - ßen aͤhnlichen Saͤugthieren, ſich trennt, koͤnnen ge - rechnet werden. Nach Linnés Behauptung giebt es zwar irgendwo Affen, welche unbehaarter ſind, als der Menſch ; aufrichtig aber geſtehe ich, daß ich bis - her nach dieſem Irgendwo vergebens geforſcht habe. Hingegen weiß man aus der einmuͤthigen Ueberein - ſtimmung glaubwuͤrdiger Reiſebeſchreiber, daß jene Menſchenaͤhnlichen, auf Angola und der Inſel Bor - neo einheimiſchen, Affen, welche man gewoͤhnlich unter dem gemeinſamen malagiſchen Namen Oran - utan begreift, nicht minder als der Langarm ihrer Natur nach, weit behaarter ſind als der Menſch, und die Beyſpiele jener hin und wieder in Europa geſehenen Thiere beſtaͤtigen es, welche, wiewohl noch nicht voͤllig ausgewachſen, und von ſchwaͤchli - cher Geſundheit, doch nichts deſto weniger mehr Haare hatten, als der Menſch.

Das aber iſt außer Zweifel geſetzt, daß man hin und wieder, und zwar hauptſaͤchlich auf einigen In - ſeln des ſtillen Meeres, Einwohner bemerkt hat, wel - che durch behaartere Koͤrper ſich ausgezeichnet haben: von denen jedoch bis jetzt noch eine Beſchreibung mangelt.

Zuerſt hat ihrer der durch ſeine Seefahrten be - ruͤhmte Spangberg17)Muͤllers Sammlung ruſſiſcher Geſchichte, 3ter Theil, S. 174. Meldung gethan, der von den Japaniſchen Kuͤſten nach Kamtſchatka zuruͤckkeh -rend35rend auf der ſuͤdlichern von den kuriliſchen Inſeln (im 43° 50′ der Breite) ein ſolches Volk gefunden zu haben erzaͤhlt18)Zweifels ohne die Inſel Nadigsda, von deren Einwohnern dieſes, aber nur durch Sage der Gefaͤhr - ten des großen Cook, Jac. King, gehoͤrt hatte, in voyage to the northern hemisphere, 3ter Th. S. 377..

Der beruͤhmte J. R. Forſter19)S. deſſen Bemerkungen auf ſeiner Reiſe um die Welt. S. 218. hat unter den Einwohnern der Inſeln Tanna, Mallicolle und Neu - kaledonien nur zuweilen ſolche abweichende Indivi - duen wahrgenommen.

Man erzaͤhlt noch von einer aͤhnlichen Race auf Sumatra, welche im Innern der Inſel wohnen ſoll, und Oranggugu genennet wird20)Der uͤber dieſe Inſel klaſſiſche Schriftſteller Mars - den erzaͤhlt es nach Hoͤrenſagen Hiſtory of sumatra. S. 35. Not. *).

Wiewohl nun aber im Allgemeinen die Haut des Menſchen durch Glaͤtte und Haarloſigkeit ſich aus - zeichnet, ſo ſcheinen doch im Gegentheile einige be - ſondere Theile des menſchlichen Koͤrpers haarigter als bey den Thieren, z. B. die Schaam und die Hoͤhlung unter dem Arm, welche die Alten deshalb ebenfalls zu den dem Menſchen eigenthuͤmlichen Merkmalen gerechnet haben.

§. 13. 11 ) Merkwuͤrdige Eigenheiten des menſchlichen Koͤrpers, in Anſehung der innern Einrichtung.

Da wir, was von den Eigenheiten des aͤußern menſchlichen Koͤrpers zu erinnern war, abgemacht haben, kommen wir nun auf den zweyten Punkt der Abhandlung (§. 2.) naͤmlich ſeine innere Einrich -C 2tung;36tung; wobey uns jedoch die engen Grenzen dieſes Orts auferlegen, dem Neoptolemus zu folgen, und unſer Philoſophiren nicht weitlaͤuftig auszudehnen. Man wird dieſe ganze Unterſuchung wieder auf zwey Hauptſtuͤcke zuruͤckfuͤhren koͤnnen, indem wir

  • A) das ausforſchen, weſſen entweder der Menſch allein, oder naͤchſt ihm nur einige wenige Thiere, ermangeln; und
  • B) das, was im Gegentheile ihm eigenthuͤm - lich iſt.

§. 14. Die inneren, dem Menſchen fehlenden, Theile.

Dieſe Theile, welche man in den Saͤugthieren, hauptſaͤchlich den zahmen findet, wurden ſonſt, da die Gelegenheit menſchliche Kadaver zu zerlegen ſelt - ner war, oder aus Liebe zur Zootomie vernachlaͤßigt wurde, ſonſt durchgaͤngig alle auch dem Menſchen zugeſchrieben.

Hierher gehoͤrt z. B. das Fleiſchfell, oder der Hautmuskel, welcher von Galenus und deſſen An - haͤngern, ja ſogar von dem Reformator der menſch - lichen Zergliederungskunſt, der ſie von den galeni - ſchen Irrthuͤmern ſo ſtreng reinigte, ich meine von Veſalius, dem Menſchen faͤlſchlich beygelegt, von Nikolaus Steno aber abgeſprochen, und einzig den unvernuͤnftigen Thieren zugeſchrieben wurde f).

Das wunderbare Netz (aus Blutadern beſte - hend hinter dem kleinen Gehirne) zaͤhlte Galenus unter die Theile des menſchlichen Koͤrpers, Veſalius aber zeigte nach Berengarius, einem Anhaͤnger des Carpus, daß es der Menſch nicht habe g).

Daß37

Daß der Menſch keimen Aufhaͤngemuskel des Auges oder Augapfel, oder ſiebenten Muskel habe, womit die vierfuͤßigen Saͤugthiere verſehen ſind, hat nach der natuͤrlichen Wahrheit zuerſt Fallopius gelehrt h).

Daß die menſchliche Frucht in keine Harnhaut (allantois) eingewickelt ſey, was bey den uͤbrigen, nur nicht allen, Saͤugthieren der Fall iſt, hat man nur neuerlich erſt dargethan i).

Ich uͤbergehe andere Theile, welche, wiewohl ſie nur in wenigern Thiergattungen angetroffen, doch um nichts minder eine Zeitlang auch dem Menſchen faͤlſchlich beygelegt worden ſind, als die ſogenannte Aſelliſche Gekroͤſedruͤſe, die eigenen Kanaͤle aus der Leber in die Gallenblaſe, den Koͤrper des High - morus (Hodenkamm) u. ſ. w.

Oder die Theile, welche auch nur einigen Ord - nungen der Saͤugthiere zukommen, und dem Men - ſchen ſo offenbar verweigert ſind, daß ſie ihm nicht leicht jemand wird zuſchreiben koͤnnen, wohin ich z. B. die innere Augendecke rechne (welche ich der Ordnung der Darſtellung gemaͤßer hier nennen zu muͤſſen glaubte, obſchon ſie mehr zu den aͤußern Thei - len gehoͤrt) und das Spannaderband des Halſes (ligamentum ſuſpenſorium colli) und noch mehre - res von dieſer Art k).

Das Zungenloch an den obern Vorderzaͤhnen (foramen inciſiuum) hat der Menſch zwar mit den vierfuͤßigen Thieren gemein, doch iſt es nach Ver - haͤltniß kleiner bey ihm, und einfach, da es bey den meiſten uͤbrigen Saͤugthieren doppelt, und bey vielen ungeheuer groß iſt.

§. 15.38

§. 15. Das Zwiſchenkinnladenbein.

Dieſes merkwuͤrdige Bein muß aus mehr als ei - ner Urſache einzeln abgehandelt werden. Denn die Knochen, welche in der obern Kinnlade bey dem Menſchen zuſammenſtoßen, und alle und jede Ober - zaͤhne feſt in ſich halten, ſind bey den Thieren durch einen gewiſſen dritten vorwaͤrtsgehenden Knochen, der wie ein Pfahl zwiſchen ihnen ſteht, von einander getrennt worden, welchen Haller deshalb, weil die obern Schneidezaͤhne (wenn welche vorhanden ſind) in ihm ſtehen, den Namen Schneideknochen gege - ben hat. Allein da man ihn auch in jenen Saͤug - thieren findet, welche dieſe Oberzaͤhne nicht haben, wie die wiederkaͤuenden Thiere und der Elephant, und das afrikaniſche zweygehoͤrnte Rhinozeros ſind, oder in ganz zahnloſen, als dem Ameiſenbaͤr und Wall - fiſch; ſo glaubte ich ihn eher den Zwiſchenkinnladen - knochen nennen zu muͤſſen21)Bey den ſehr beruͤhmten Zootomikern Vitet und Vicq d’Azvr heißt es das Unterkinnbackenbein, und bey Blair in der Oſteographie des Elephanten, das Gaumenbein.. Bey einigen iſt es ein einziger ungetheilter Knochen, bey vielen hinge - gen iſt er in zwey Stuͤcken getheilt, bey andern aber durch eigne Naͤthe von den benachbarten Knochen des Hinterhauptes geſondert, deren eine bey ſehr vielen im Geſicht auf beyden Seiten nach der Naſe, zu den aͤußerſten Hoͤhlen der Schneidezaͤhne, die an - dere im Gaumen von dieſer Hoͤhle gegen das vordere gewoͤlbte Gaumenloch hinlaͤuft. Da nun Kamper den Mangel dieſes Knochens zu den Hauptmerkma - len gerechnet hat, wodurch der Menſch von andernSaͤug -39Saͤugthieren ſich unterſcheide, ſo entſteht freylich die doppelte Frage:

  • 1) ob er dem Menſchen wirklich mangele, und
  • 2) ob er in allen uͤbrigen Saͤugthieren ſich findet?

Das erſte hat vor drittehalb Jahrhunderten den Anatomikern der damaligen Zeit Stoff zu einem ſehr heftigen Streite gegeben. Denn da Galenus die ebenbenannte Nath des Zwiſchenkinnladenbeins zu den uͤbrigen des Hirnſchaͤdels rechnet, ſo bediente ſich Veſalius nach ſo viel andern Zeugniſſen auch die - ſes, zu beweiſen, daß er ſein, ſo lange fuͤr ein Ka - non gehaltenes oſteologiſches Handbuch nicht nach dem menſchlichen, ſondern nach dem Skelett des Affen verfertigt habe. Nach den vergeblichen Ver - ſuchen des Jak. Sylvius aber, durch elende Vorwaͤn - de ſeinen Galen zu retten22)Er quaͤlt ſich dergeſtalt mit der Rettung ſeines goͤttlichen Galenus, daß er endlich auch zu der Ent - ſchuldigung ſich herablaͤßt, daß die Menſchen, wiewohl ſie jetzo keine Zwiſchenkinnladenbeine mehr haͤtten, doch zu Galens Zeiten allerdings dieſelben gehabt haben, und daß man deshalb den Fuͤrſten der Anato - miker nicht anzuklagen habe, ſondern einige Verhinderungen der Natur, welche in un - ſern Zeiten die Folgen der Leckerey und einer unzeitigen und uͤber maͤßigen Liebe geweſen waͤren. , hielt man dieſe ganze Unterſuchung fuͤr ſo vollkommen beendigt, daß der neuerliche Verſuch des beruͤhmten Vicq d’Azyr, die Analogie zwiſchen der Einrichtung des Menſchen und der Thiere, in Anſehung des Zwiſchenkinnladenbeins, zu beweiſen, in der That wider alles Vermuthen und alle Erwartung war23)S. Memoires de l academie des ſciences de Paris. 1780.. Denn die einzige Spur einer Aehnlichkeit, worauf dieſe Analogie ſich gruͤn -det,40det, iſt eine Luͤcke im halben Bogen, welche man an den Kinnbackenbeinen der menſchlichen Fruͤchte und Kinder ſchraͤg uͤber bey den Hoͤhlen der Schneidezaͤhne erblickt, und welche, wie allgemein bekannt, auch jezuweilen bey Erwachſenen noch uͤbrig iſt24)Man ſehe ſchon[Veſalius] und Coiters Abbildungen.. Daß aber dieſe Luͤcke unrichtig durch die Benennung Nath bezeichnet werde, hat ſchon vor zweyhundert Jahren und druͤber weislich und nach der wahren Natur der ſcharfſinnige Fallopius angemerkt25)Ich bin nicht der Meinung derer, welche oͤffentlich bezeugen, daß man unter dem Gaumen eine Nath finde, die ſchraͤg uͤber zu den beyden Hundszaͤhnen gehoͤre, welche bey Kindern erkennbar ſey, bey Er - wachſenen aber ſo vertilgt werde, daß keine Spur davon uͤbrig bleibe. Denn ich finde, daß dies mehr eine Theilung oder Luͤcke iſt, als eine Nath, da ſie Knochen nicht von Knochen trennt, noch aͤußerlich ſichtbar wird.. Daß ſich aber auf der Geſichtsoberflaͤche der Kinnla - denknochen im menſchlichen Schaͤdel nicht einmal durch eine ſolche Spalte, geſchweige eine Nath be - merkbar mache, welche bey dem Affen ſo ſichtbar iſt26)S. Euſtathius Tab. anat. 46. 2te Fig., verdient kaum eine Erinnerung.

Was aber die andere Frage betrift, ob dem Menſchen allein unter den Saͤugthieren der Zwiſchen - kinnladenknochen mangle, da muß ich freylich beken - nen, daß ich ihn in mehrerern Hirnſchaͤdeln vierhaͤn - diger Thiere vergebens geſucht habe.

Die Naͤthe, welche dieſen Knochen umſchraͤn - ken, fehlen in dem Skelett der unzeitigen Meerkatze, welches in dem akademiſchen Muſeum aufbewahret wird, an deren Hirnſchaͤdel ſonſt die uͤbrigen Naͤthe ziemlich deutlich zu ſehen ſind.

Eben41

Eben ſo wenig habe ich ſie in einem andern Ske - lett von derſelben Spezies gefunden, welches der beruͤhmte Bellmann, dieſer geſchickte kaſſelſche Wund - arzt, aufbewahrt. Es iſt von einer ſehr alten Meer - katze, worin mehrere Naͤthe vertilgt ſind, daß man alſo aus dieſem einzigen Belege nichts ſchließen kann.

Allein ein drittes Beyſpiel einer ſolchen Meer - katze iſt mir durch den Herrn Prof. Schacht zu Her - ford, meinen ſehr lieben Freund, bekannt gewor - den, an welcher jener Knochen ebenfalls mangelte. Von einem vierten Beyſpiele einer ſolchen Meerkatze, woran die Spur eines Zwiſchenkinnladenbeins gaͤnz - lich mangelt, hat mir der ſehr beruͤhmte Arzt zu Mancheſter, Herr Holme, in einem Briefe Nach - richt gegeben. Es duͤrfte wohl der Muͤhe werth ſeyn, wo dies Thier ſonſt angetroffen wird, zu unterſu - chen, ob der Zwiſchenkinnladenknochen an ihm zu finden ſey oder nicht.

In dem entſetzlichen Skelett eines wirklich unge - heuer großen Menſchenaͤhnlichen Affen von der Inſel Borneo, welches ich in dem Naturalienkabinet des Fuͤrſten von Oranien zu Haag ſorgfaͤltig und zu wie - derholtenmalen unterſucht habe, habe ich auch nicht die geringſte Spur von jenen Naͤthen entdeckt; daß aber dieſer Affe alt geweſen, zeigt ſowohl die ganze Beſchaffenheit des Skeletts, als beſonders das Ver - wachſen der meiſten Hirnſchaͤdelnaͤthe27)Ich wundere mich, wie Camper die entgegengeſetzte Meinung hat in Schutz nehmen koͤnnen. Er behauptet naͤmlich, daß dieſes das Skelett eines noch nicht alten Menſchenaͤhnlichen Affen geweſen ſey. S. deſſen Na - turgeſchichte des Orang-Utang. S. 146..

Mit42

Mit dem Hirnſchaͤdel eines juͤngern Menſchen - aͤhnlichen Thieres, deſſen Skeletts Ueberreſte ich zu London im britanniſchen Muſeum entdeckte, verhaͤlt es ſich aber anders. Dem alten noch daran han - genden Zettel zu folge, war es ein Orang-Utang, welchen der Schifskapitain Aprix von der Inſel Su - matra mitgebracht hatte. In dieſem Hirnſchaͤdel war auch nicht ein Schatten von den Naͤthen des Zwiſchenkinnladenbeines, ob ſchon die uͤbrigen ins - geſamt vorhanden waren.

Aber auch weder Ed. Tyſon hat ſie in ſeinem Troglodyten von Angola gefunden, noch ſind ſie ſichtbar in Daubentons Abbildung eines aͤhnlichen Hirnſchaͤdels von einem ebendaſelbſt erzeugten Thiere.

Dem ſey indeſſen, wie ihm wolle, ſo iſt doch dieſes ausgemacht, was man ebenfalls zu den Merk - zeichen des Menſchen rechnen kann, daß die Kinn - backen in den Hirnſchaͤdeln der genannten Affen und uͤbrigen Saͤugthiere bey weitem mehr vorwaͤrts ragen.

§. 16. B) Die Unterſchiebe des Menſchen von den andern Säug - thieren in Anſehung einiger innern Theile.

Man ſieht leicht ein, daß hier nur von wenigen und zwar den beſonderſten Unterſchieden der Art die Rede ſeyn koͤnne.

Um alſo von dem Kopfe anzufangen, ſo hat der Menſch einiges minder Wichtige, z. B. die Kry - ſtall - oder Augenlinſe, welche (das Wallfiſchgeſchlecht etwa ungerechnet) bey ihm nach Verhaͤltniß ſehr klein ſcheint, und bey dem Erwachſenen nicht ſo erhaben, als bey andern Thieren, iſt das großeHin -43Hinterhauptsloch (foramen occipitale), welches wei - ter vorwaͤrts liegt, als bey den vierfuͤßigen Thie - ren28)d Aubenton in Memoires de l acad. des ſciences de Paris 1764. und anderes der Art mehr, ausgenommen; hat der Menſch, ſage ich, die groͤßte Gehirnmaſſe, und nicht (welche Meinung ſeit Ariſtoteles Zeiten ſich behauptet hatte) nach dem Verhaͤltniß des ganzen Koͤrpers, ſondern nach des beruͤhmten Soͤmmering ſchoͤner Beobachtung in Ruͤckſicht der zarten Ner - ven, welche hier ihren Urſprung haben29)S. deſſel. Abhandlung: De baſi encephali. Goet - ting. 1778. S. 17. Derſelbe uͤber die koͤrperliche Verſchie - denheit des Negers vom Europaͤer. S. 59. Auch J. Gottfr. Ebel obſerv. nevrol. ex anatome comparata. Frankf. an der Oder 1788.. Wird nun alſo das geſamte Nervenſyſtem in phyſiologiſcher Hinſicht in zwey Theile getheilt, in den ſogenannten Nerventheil, als welcher die Nerven ſelbſt, und die Maſſe beyder Gehirne, und des ihrem Urſprunge am naͤchſten liegenden Ruͤckenmarks enthaͤlt, und in den Empfindungstheil, welcher naͤheren Bezug hat auf das Band, durch welches die Verrichtungen der Ner - ven mit den Seelenvermoͤgen verknuͤpft ſind; ſo hat der Menſch die groͤßte Maſſe jener edleren Empfin - dungstheils erhalten.

Gleich merkwuͤrdig iſt eine andere Entdeckung, ebenfalls des ſcharfſinnigen Forſchers Soͤmmering, daß die, von andern zwar oͤfters bemerkten Stein - chen der Zirbeldruͤſe, von dem vierzehnten Jahre an, ſo durchgaͤngig in den menſchlichen Hirnſchaͤdeln gefunden werden, daß ſie gleichfalls zu den Eigen - thuͤmlichkeiten des Menſchen gezaͤhlt zu werden ver -dienen,44dienen30)Soͤmmering de lapillis vel prope vel intra glandu - lam pinealem ſitis. Mainz 1785. Eine Abbildung hat er geliefert in der Diſſert. de decuſſatione nervorum opticorum, daſ. 1786.. Nur einmal hat er aͤhnliche Steinchen in der Zirbeldruͤſe des Dammhirſches gefunden. Und haben ſie ja einmal in dem Gehirne eines erwachſenen Menſchen gefehlt, ſo gehoͤrt dies in der That zu den ſeltenſten Anomalien, und das Beyſpiel einer ſolchen Ermangelung verdanke ich dem nicht gemeinen Phy - ſiologen C. M. A. Caldani zu Padua, welcher in einem Briefe mir berichtete, daß unter vier menſch - lichen Gehirnen, welche er im Jahre 1786 insgeſamt zu dieſem Behuf unterſucht habe, eins geweſen ſey, und zwar von einem dem Greiſesalter nahen Maune, worin ſich keine Spur derſelben gefunden habe.

In der Bruſt muͤſſen wir die Lage des Herzens dem Menſchen eigenthuͤmlich nennen, denn dieſes Eingeweide liegt nicht wie bey vierfuͤßigen Thieren, auf dem Bruſtknochen auf, ſondern wie es die auf - rechte Geſtalt mit ſich bringt, auf dem Zwergfelle. Auch iſt die Grundflaͤche deſſelben nicht wie bey jenen, dem Kopfe, ſondern den Bruſtwirbeln entgegen, ſo wie die Spitze der linken Bruſt, weshalb bey jenen rechtes und linkes Herz, was bey dieſem im Gegen - theile vorderes und hinteres iſt. Auch ſtoͤßt bey ſehr wenigen andern Saͤugthieren, außer dem Menſchen, der Herzbeutel mit dem Zwergſelle zuſammen.

Die Speiſeroͤhre iſt vollkommen ſo, wie ſie ein alles freſſendes Thier haben mußte.

Man duͤrfte naͤmlich ſagen, daß ſie gewiſſerma - ßen aͤhnlich ſey der der fleiſchfreſſenden Thiere, inAnſe -45Anſehung des Baues des Magens, und der Kuͤrze des Blinddarms:

Der der Kraͤuterfreſſenden hingegen in der Laͤnge der duͤnnen Daͤrme, und dem auszeichnenden Unter - ſchiede von den dicken; in dem faltigen Grimmdarm; dem Mangel der ſcharfen Druͤſen, welche bey dem After den Reinigungsſaft (Smegma) abſondern; u. ſ. w.

Endlich findet man bey den Geburtsgliedern des Menſchenweibes außer den obenbenannten Stuͤk - ken noch ein beſonderes Mittelgefaͤß, die Gebaͤrmut - ter; (Uterus) und die Leibesfrucht zeichnet ſich durch das Gewebe des Mutterkuchens, (Nachgeburt) die Laͤnge der Nabelſchnur, und eine einzige Nabelblut - ader, aus.

Dem noch ſehr zarten menſchlichen Embrio aber, iſt, ſo viel ich weiß, das bisher raͤthſelhafte Nabel - blaͤschen eigen, von dem ich ſchon an einem andern Orte angemerkt habe, daß es allen menſchlichen Fruͤchten bis ohngefaͤhr zum vierten Monat nach der Empfaͤngniß gemein ſey, und ihrer Natur gemaͤß zukomme30 b)Im 9ten Theile der Commentationum ſocietatic Regiae ſcient. Goettingenſis. S. 116., wo ich auch von einiger Analogie deſſelben mit der Dotterhaut des gebruͤteten Kuͤchel - chens gehandelt habe.

§. 17. III. Eigenheiten des Menſchen in Anſehung der Verrich - tungen der animaliſchen Oekonomie.

Vorzuͤglich muß hier die ganz beſondere Zartheit und nachgiebige Weichheit des ſchleimichten Ge -webes46webes (des insgemein ſogenannten Zellgewebes) unter der menſchlichen Haut erwaͤhnt werden. Denn es iſt die bekannteſte Sache, daß in Hinſicht auf die Dichtigkeit dieſes netzfoͤrmigen Schleimes unter den verſchiedenen Thiergattungen und ihren Arten, ein auszeichnender Unterſchied ſtatt findet; bey der Schlange z. B. iſt ſie zaͤhe, bey der Forelle weicher: und ſchon vorlaͤngſt bemerkte auch unſer Zinn, dieſer ſo genaue Anatom, daß der Menſch vor den uͤbrigen Saͤug - und andern Thieren, das feinſte und zarteſte Schleimnetz habe.

Wo mich nun nicht alles truͤgt, ſo glaube ich die Weichheit dieſes Mittelgefaͤßes (parenchyma) zu den Hauptvorzuͤgen des Menſchen rechnen zu muͤſſen, durch welche er vor den uͤbrigen Saͤugthie - ren ſich auszeichnet. Denn da dieſes Netz einerſeits von der Haut an uͤber den ganzen Koͤrper bis zu deſ - ſen Innerſtem ſich verbreitet, und gleichſam als ge - meinſames Band, zwiſchen alle und jede Theile der ganzen Maſchine, eingewebt iſt; von der andern aber den Sitz der allgemeinſten unter allen Lebens - kraͤften, der Elaſticitaͤt (contractilitas) naͤmlich, beſtimmt, wovon Stahls Tonus ſcheint entſtanden zu ſeyn l); ſo iſt es mir ausgemacht, daß der Menſch eben dieſer nachgiebigen Weichheit des netz - foͤrmigen Schleimes es verdanke, daß er leichter, als irgend ein anderes Saͤugthier an jedes Klima ſich gewoͤhnen, und unter jedem Himmelsſtriche leben kann.

Wie alſo die Natur was wir vorhin geſehen haben den Menſchen in Anſehung der Nahrung zu einem Allverzehrer gemacht hat; ſo hat ſie auchgewollt,47gewollt, daß er in Anſehung des Aufenthaltes jedem Boden und Klima angehoͤre (ταντοδαπον) ſey; und deshalb hat ſie ſeinen Koͤrper aus dem nachgiebigſten Schleimnetze bereitet, damit er deſto leichter nach den mannichfaltigen Einwirkungen der verſchiedenen Klimate ſich fuͤgen und einrichten koͤnne.

Dieſer Gefuͤgigkeit ſich zu gewoͤhnen, kommt eine andere phyſiologiſche Eigenheit des Menſchen ungemein zu ſtatten, naͤmlich langſames Wachs - thum, lange Kindheit, ſpaͤte Mannbarkeit. Bey keinem andern Saͤugthiere waͤchſt die Hirnſchale ſo ſpaͤt zuſammen, brechen ſo ſpaͤt die Zaͤhne hervor, keins, außer dem Menſchen, lernt ſo ſpaͤt erſt auf den Fuͤßen ſtehen, waͤchſt ſo ſpaͤt voͤllig aus, oder reift ſo ſpaͤt zur Ausuͤbung der Geſchlechtsverrich - tungen.

Hingegen giebt es von der andern Seite auch kein Saͤugthier, dem in Betracht der maͤßigen Koͤr - permaſſe die Natur ein ſo ſpaͤtes Lebensende geſetzt haͤtte31)Das natuͤrliche Ende des menſchlichen Lebens (wel - ches man naͤmlich fuͤr das gewoͤhnlichere und gleichſam feſtbeſtimmte Ziel des Greiſesalters halten koͤnnte) kann man kaum beſtimmen. Doch iſt es merkwuͤrdig, was ich durch genaue Vergleichung mehrerer Morta - litaͤtsliſten gelehrt worden bin, daß, nach Verhaͤltniß, ziemlich viel europaͤiſche Greiſe das 84 Jahr erreichen, wenige aber es uͤberleben. Nun erhellt bey einer Be - rechnung des menſchlichen Lebensalters, durch eine Vergleichung deſſelben mit dem Lebensende an - derer Saͤugthiere, leicht, welch ein großer Vorzug auch in dieſem Betracht, oder wenigſtens, welche Ver - guͤtung mit Wucher fuͤr die lange Kindheit dem Men - ſchen iſt zugeſtanden worden..

Die Koͤrpergroͤße, deren ich erwaͤhnte, erinnert mich an eine ſonderbare Eigenheit, welche man, ſoviel48viel ich weiß, außer an dem Menſchen ebenfalls an keinem andern Thiere beobachtet hat, und welche von ſeiner aufrechten Stellung abhaͤngt, daß naͤm - lich das Maas ſeines Koͤrpers am Morgen um einen Zoll breit und druͤber laͤnger iſt, als am Abend32)Dies beobachtete zuerſt ein engliſcher Geiſtlicher, Waſſe, im Jahr 1724. S. Philoſophical Transactions, Theil 33..

Die Geſchlechtsverrichtungen, deren ich gedachte, erinnern mich an einiges hierher gehoͤrige, welches ich nach der Reihe anfuͤhren will.

Es iſt dem Menſchen keine beſondere Jahreszeit zu dem Verlangen nach Beyſchlaf beſtimmt, wie den Thieren33)Wenn man nicht lieber dem Auguſtinus Niphus trauen will, der in einem beſondern Werke uͤber die Liebe (das er Johannen von Arragonien, ſo beruͤhmt durch ihre außerordentliche Schoͤnheit zugeeignet hat) die Urſachen zergliedert, woher es komme, daß die Maͤdchen im Sommer wolluͤſtiger und verliebter, die Maͤnner es hingegen im Winter ſind..

Den Maͤnnern iſt der Vorzug naͤchtlicher Saa - menergießungen zu Theil geworden, welche ich in ſofern zu den natuͤrlichen Abſonderungen eines geſun - den Menſchen rechne, als er durch ſie, wenn es ihm nach Verhaͤltniß des Temperaments und der Koͤrperbeſchaffenheit zutraͤglich iſt, von einem be - ſchwerlichen und ſonſt reizenden und uͤberfluͤßigen Saamen befreit wird*)Mehreres hieruͤber ſehe man in Chr. Rudolph Jaͤ - niſch Diſſert, de pollatione nocturna. Goͤtt. 1775. 4..

Dagegen haben die Weiber nicht minder eigen - thuͤmlich, aber allgemeiner und alle insgeſamt den monatlichen Blutfluß, ſo daß ich glaube, Plinius habe das Weib mit Recht das einzige monatlicheThier49Thier genannt. Ich weiß zwar wohl, daß hin und wieder Schriftſteller einen ſolchen Fluß auch weibli - chen Thieren, und hauptſaͤchlich aus der Klaſſe der vierhaͤndigen zugeeignet und geſagt haben, daß z. B. die Dianen (ſimia Diana) durch die Schwanzſpitze die monatliche Reinigung halten, u. dgl. m. So oft ich aber ſeit zwanzig Jahren in Menagerien oder bey Herumfuͤhrern Affenweibchen, Paviane u. a. zu ſehen bekommen, und dieſen Umſtand unterſucht habe, habe ich zwar unterweilen eines oder das an - dere geſehen, welches einen Mutterblutfluß hatte, allein keins, wo er, nach der Ausſage aufrichtiger Waͤrter, periodiſch geweſen waͤre, dieſe hingegen hielten ihn fuͤr die Wirkung einer Krankheit und wi - dernatuͤrlich, ja mehrere bekannten offenherzig, daß man ihnen gemeiniglich fuͤr einen monatlichen Fluß ausgaͤbe, um die Bewunderung des Poͤbels dadurch deſto mehr zu erregen.

Die fabelhaften Erzaͤhlungen des leichtglaͤubigen Alterthums von ganzen Voͤlkerſchaften, deren Wei - ber keinen monatlichen Fluß gehabt haͤtten, wollen wir an einem andern Orte mit wenigem beruͤhren.

§. 18. IV. Die Eigenthuͤmlichkeiten des Menſchen, in Anſehung der Seelenvermoͤgen.

Hierher zaͤhlen alle mit einem Munde als den hoͤchſten und groͤßten Vorzug des Menſchen, den Gebrauch der Vernunft. Wenn man nun aber uͤber die Bedeutung dieſes Worts genau nachforſcht; ſo muß man in der That uͤber die himmelweit ver -Verſch. des M. Dſchie -50ſchiedenen Erklaͤrungen erſtaunen, welche die ver - nuͤnftigſten Philoſophen von dem Begriffe der Ver - nunft geben. Nach einigen iſt ſie ein ganz beſonde - res, dem Menſchen allein eigenes Seelenvermoͤgen, nach andern wenigſtens ein ungemeiner und vorzuͤg - licher Grad deſſelben, von dem man in der thieriſchen Seele nur ſchwache Spuren vorfinde. Nach dieſen iſt ſie der Einigungspunkt aller hoͤheren Vermoͤgen des menſchlichen Geiſtes, nach jenen eine beſondere Richtung der geiſtigen Vermoͤgen des Menſchen, u. ſ. f. Unſer iſt’s nicht unter dieſen ſo wichtige Streite zu ſchlichten. Kuͤrzer aber und ſicherer, glaube ich, kann man dieſe Unterſuchung abthun, wenn man a poſteriori, wie es heißt, dieſen Vorzug des Menſchen darein ſetzt, daß er ihn zum Herrſcher und Herrn der uͤbrigen Thiere macht34)Wer auch immer das Loos des Menſchen unter ſeiner Wuͤrde ſchaͤtzt, der bedenke, welche wichtige Vorzuͤge unſer Vater uns verlieben hat, wie wir weit ſtaͤrkere Thiere unterjochen, weit ſchnellere verfolgen, wie alles, was irrdiſch iſt, unſern Streichen unter - liegt. Seneca. . Daß er dieſe Herrſchaft habe, liegt am Tage. Eben ſo offenbar aber iſt es, daß die Urſache dieſer Herrſchaft nicht in der koͤrperlichen Kraft des Menſchen liege. Sie muß alſo einzig auf die Geiſtesgaben und deren Vorzuͤge bezogen werden. Und dieſe Gaben, durch welche nun der Menſch vor allen uͤbrigen Thieren den Vorrang hat, moͤgen ſie uͤbrigens von welcherley Art und Natur ſeyn, wol - len wir Vernunft nennen.

Die51

Die Natur hat den Menſchen, wie wir geſehen haben, ſo eingerichtet, daß er alles eſſen und den ganzen Erdkreis bewohnen kann. Dieſe unbegrenzte Freyheit aber im Genuß der Nahrung, und in der Wohnung, bringt nach den unendlich verſchiedenen Klimaten, Boden und andern Umſtaͤnden eben ſo mannichfaltige Beduͤrfniſſe in dem Menſchen hervor, denen er auf einerley Art nicht abhelfen kann. Der Schoͤpfer ſteuerte ihn alſo mit Vernunft und Erfin - dungsgeiſt aus, durch welche er dieſen Bedingungen gemaͤß ſich einrichten kann.

Deshalb haben auch ſchon im hoͤchſten Alterthu - me die weiſeſten Voͤlker, dieſem groͤßten Herrſchafts - geber des Menſchen, dem Erfindungsgeiſte naͤmlich, goͤttlichen Dienſt erwieſen. Thoth hies er bey den Aegyptern, Hermes bey den Griechen.

Denn ſo, um vieles in wenigem zu faſſen, ver - fertigt ſich der Menſch Werkzeuge, weshalb ihn Franklin ſcharfſinnig als ein Inſtrumentmachendes Thier beſchreibt (a tool-making animal); ſo hat er Ruͤſtung und Pfeile ſich ſelbſt verfertiget, ſo hat er die Arten Feuer hervorzulocken ſich ausgedacht, und ſo hat er, damit einer ſich des Beyſtandes und der Huͤlfe des andern bedienen koͤnne, ſich die Sprache erfunden, welche ebenfalls unter die Eigenthuͤmlich - keiten des Menſchen zu rechnen iſt35)Die Spitzfindigkeiten der alten und neuern Schola - ſtiker uͤber die Sprachen der Thiere ſind zahllos. Es wird genug ſeyn, wenn ich zur Probe Alberten, mit dem Zunamen der Große, anfuͤhre, der außer dem Menſchen, auch einem menſchenaͤhnlichen Affen, dem kleinen Gibbon naͤmlich, Sprache zuſchreibt, jedochnicht, da ſie nichtD 2wie52wie die Stimme der Thiere ihm angeboren, ſondern, was ſchon die willkuͤhrliche Verſchiedenheit derſelben zeigt, von ihm zum Gebrauche erdacht worden iſt36)Daß der Menſch ſich die Sprache erfunden habe (woran noch in unſern Zeiten der ſonſt ſo ſehr verdiente Suͤßmilch zweifelt), hat ſchon Hobbes eingeſehen: Die edelſte und vortheilhafteſte Crfin - dung unter allen andern, war die Spra - che, wodurch die Menſchen einander ihre Gedanken zum wechſelſeitigen Nutzen, und zur Unterhaltung erofnen, ohne wel - che unter den Menſchen weder allgemei - nes Wohl noch Geſellſchaft haͤrte beſte - hen koͤnnen, ſo wenig, als unter Loͤwen, Baͤren und Woͤlfen. S. deſſen Leviathan S. 12. Ausg. von 1651. M..

§. 19. Einige fluͤchtige Bemerkungen uͤber Lachen und Weinen.

Außer der abgehandelten Geiſtesaͤußerung, der Sprache naͤmlich, muͤſſen wir nun noch zwoer ande - rer erwaͤhnen, von welchen es weniger außer Zweifel geſetzt iſt, ob ſie, wie die Sprache, dem Menſchen einzig zukommen, indem ſie nicht von ihm erfunden, ſondern ihm gleichſam angeboren ſind, und nicht ſo - wohl zum Vernunftgebrauch, als zu den Leidenſchaf - ten des Gemuͤths gehoͤren; Lachen naͤmlich, der Be - gleiter der Froͤhlichkeit, und Weinen, dieſer beſte Theil unſerer Empfindung.

Daß
35)nicht ohne eine merkwuͤrdige Einſchraͤnkung. Der kleine Gibbon ſagt er ſpricht, ob er gleich ein vernunftloſes Thier iſt, allein er diſputirt nicht (hat nicht zweyerley Mei - nung uͤber ein Ding?) ſpricht auch nicht von den Dingen im Allgemeinen, ſondern ſeine Toͤne ſind vielmehr auf das Einzel - ne der Dinge gerichtet, von denen er ſpricht.
35)53

Daß außer dem Menſchen noch viele Thiere Thraͤnen vergießen, iſt etwas allbekanntes. Allein es fragt ſich, ob ſie auch aus Kummer weinen. Von einigen behaupten es zwar giltige Zeugen, als Stel - ler38)Nov. Comment. acad. ſcient. Petropolit. Theil 2. S. 353. von der Baͤrenrobbe (phoca urſina), und der beruͤhmte Pallas39)S. deſſen Nachricht uͤber die mongoliſchen Voͤlkerſchaften. Theil 1. S. 177. von den Kameelen. Ob aber die Thiere durch Lachen ihre Heiterkeit offenba - ren, ſcheint zweifelhafter, wiewohl Schriftſteller hin und wieder Beyſpiele davon aufgezeichnet haben. Le Cat z. B. behauptet, den Troglodyten von An - gola lachen und weinen geſehen zu haben40)S. deſſen Traité de l exiſtence du fluide des nerfes. S. 35..

§. 20. V. Die merkwuͤrdigſten dem Menſchen eigenthuͤmlichſten Krankheiten.

Obſchon dieſe pathologiſchen Bemerkungen beym erſten Anblicke nicht mit zur Naturgeſchichte des Men - ſchen zu gehoͤren ſcheinen, ſo duͤrfte ich deshalb doch die ihm eigenen Hauptkrankheiten mit einigen Worten durchgehen, da auch dieſe widernatuͤrlichen, bey ihm allerdings ausſchließlich ſich ereignenden Erſcheinun - gen in der natuͤrlichen Beſchaffenheit, Haltung und animaliſchen Oekonomie ſeines Koͤrpers ihren Grund haben: und alſo auch hier mit demſelben Rechte be - merkt zu werden verdienen, als man auch die ge - wiſſen Thieren eigenen Krankheiten in ihrer Naturge -ſchichte54ſchichte aufzuzaͤhlen pflegt, wie die Rindviehſeuche, den Rotz der Pferde, oder die Hundswuth.

Indeſſen verſteht ſich von ſelbſt, daß hier bloß von den merkwuͤrdigſten Krankheiten die Rede ſeyn kann, und daß auch dies wenige, aus mehrern aus - gehobene noch nicht außer allen Zweifel geſetzt iſt, da die Krankheitslehre der Thiere, wenige von un - ſern Hausthieren ausgenommen, wegen der vielen und zum Theil unuͤberwindlichen Schwierigkeiten, noch faſt gaͤnzlich unausgearbeitet iſt.

Doch kann man mit vieler Wahrſcheinlichkeit unter die der Menſchengattung allein eigenen Krank - heiten folgende rechnen:

  • Ausſchlagsfieber, (Febres exanthematicae) nur nicht alle, oder von dieſen vorzuͤglich:
    • die Pocken
      41)Der vortrefliche Arzt Jonſon hat mir gemeldet, daß vor einigen Jahren bey einem Affen zu Amſter - dam durch eine Blatteranſteckung ſich zwar ein oͤrtli - ches Geſchwuͤr, aber keine mit Fieber vergeſellſchaftete Blattern zuſammengezogen haben.
      41), (Variolae).
    • Maſern, (Morbilli).
    • Scharlachfieber, (Scarlatina).
    • Frieſel, (Miliares).
    • Fleckfieber, (Petechiae).
    • Peſt.
  • Von den Blutſtuͤrzen.
    • Naſenbluten, (?) (Epiſtaxis).
    • Haͤmorrhoiden, (goldne Ader).
    • Blutgang, (Menorrhagia).
Von55
  • Von den Nervenbeſchwerniſſen.
    • Den Hypochonder.
    • Mutterbeſchwerung, (Hyſteria).
  • Eigentlich ſogenannte Gemuͤthskrankheiten, als:
    • Melancholie, Heimweh, (Noſtalgia) u. ſ. w. vielleicht auch Satyriaſis und Nymphomanie.
    • Kretinenkrankheit (Cretinismus) n).
  • Von der Cachexie. (Geſchwulſt durch uͤble Mi - ſchung der Saͤfte).
    • Zweywuchs, (?) (Rachitis).
    • Kroͤpfe, (?) (Scrofula).
    • Luſtſeuche.
    • Podagra.
    • Ausſatz nebſt der Elephantiaſis.
  • Von lokalen Krankheiten.
    • Amenorrhoͤe, (Ausbleiben des Blutfluſſes).
    • Krebs (?).
    • Leichdorn, (Huͤhneraugen), (Clavus).
    • Angeborner Bruch, (?) (Hernia congenita).
    • Vorfaͤlle verſchiedener Art, als jener der ein - waͤrtsgehenden Urinblaſe, deſſen genauere Kenntniß wir dem Scharfſinne des vortreflichen Bonn verdanken
      42)Die Urſache, warum dieſer ſo merkwuͤrdige Fehler der Bildung ſo oft an menſchlichen Geburten, und meines Wiſſens noch niemals an den Jungen anderer Saͤugthiere iſt bemerkt worden, glaube ich in der nachVer -
      42).
    • Schuppiger Ausſchlag, (?) (Herpes).
    • Boͤſer Grind.
Ich56

Ich bin ſehr zweifelhaft, ob ich die Eingewei - dewuͤrmer des Menſchen, und zweyerley außer ihm, ſo viel ich weiß, an keinem andern Saͤug - thiere wahrgenommene Arten Laͤuſe auch hieher rech - nen ſoll.

Von jenen Krankheiten, welchen der Menſch, obſchon ſie ihm nicht allein eigen ſind, doch weit oͤf - ter unterworfen iſt, als andere Thiere, als ſchweres Zahnen, Geburt von Mondkaͤlbern, unzeitige, ſchwere Geburt, u. a. m. ſage ich gar nichts.

§. 21. VI. Kurze Ueberſicht der Merkmale, welche gemeiniglich, aber faͤlſchlich, fuͤr den Menſchen vom Thiere unterſchei - dend ſind gehalten worden.

Mehreres hieher gehoͤrige iſt ſchon oben gelegen - heitlich angemerkt worden. Das uͤbrige, was man von der Art noch angefuͤhrt hat, ſoll hier beyſammen aufgezaͤhlt werden:

So gehoͤrt z. B. hieher das Naheaneinander - ſeyn der Augen, denn dieſe ſtehen bey den Affen weit naͤher aneinander, als bey dem Menſchen.

Die Wimpern an beyden Augenliedern, wel - che außer dem Menſchen noch viele andere, beſonders vierhaͤndige Thiere, ja ſelbſt der Elephant haben.

An
42)Verhaͤltniß bey dem Menſchen engern Verknorpelung der Schaam, in einer beſondern, (ebenfalls von dem beruͤhmten Bonn ſehr genau unterſuchten) gleichſam zweygeſpaltenen Ritze ſuchen zu muͤſſen. Vergl. Rooſe Diſſ. de nativo veſicae urinariae inuerſae prolapſu. Goͤttingen 1793. 4. mit K.
42)57

An hervorragender Naſe uͤbertrift den Men - ſchen der Ruͤſſelaffe43)S. Buffon hiſt. des quadrupedes, supplement. Th. 7. Taf. 11. 12., (sim. roſtrata)*)und Blumenbachs naturhiſtoriſche Abbildungen 2tes Heft. Taf. 13. wo der Ruͤſſelaffe aus dieſem Supple - mentbande des buͤffoniſchen Werks genommen iſt. G..

Das aͤußere Ohr iſt nicht bey allen Menſchen unbeweglich, und nicht bey allen uͤbrigen Saͤug - thieren beweglich. Der Ameiſenbaͤr z. B. macht eine Ausnahme.

Das Taſtungsorgan haben ſehr viele vierhaͤn - dige Thiere mir dem Menſchen gemein.

So auch das Zaͤpfchen.

Faſt aber ſchaͤme ich mich folgende allzuunſchick - liche Meinung aufzufuͤhren, wo man das Ruͤlpſen unter die Vorzuͤge des Menſchen gezaͤhlt hat44)S. Aemilianus de ruminantibus S. 50. Da der Menſch allein aufrecht geht, ſo ruͤlpſt er auch unter ſo viel Thieren allein; denn da die Winde leichter ſind, erfordern ſie eine hoͤhere Region, und werden durch einen gewiſſen natuͤrlichen Trieb in die Hoͤhe gehoben. .

Und daß der Menſch nicht wie die Thiere koͤnne gemaͤſtet werden45)Lorry in hiſtoire de la ſocieté de médecine. J. 1779. und anderes von dieſer Sorte mehr.

Zwey -58

Zweyter Abſchnitt. Von den Urſachen, wodurch, und der Weiſe, wie die Thierſpezies im Allgemeinen verarten.

§. 22. Behandlungsweiſe.

Bisher forſchten wir nach dem Unterſchiede des Menſchen von den uͤbrigen Thieren. Jetzt ſind wir dem eigentlichen Zwecke der ganzen Abhandlung naͤher gekommen, denn wir werden unterſuchen, welche und welch eine große natuͤrliche Verſchiedenheit unter den Voͤlkern und mancherley Nationen der Menſchen ſelbſt ſtatt finde, und erwaͤgen, ob dieſe Verſchiedenheit durch Verartung habe entſtehen koͤnnen, oder ob ſie ſo groß ſey, daß man eher mehrere urſpruͤngliche Spezies des Menſchengeſchlechts annehmen muͤſſe. Allein bevor dies geſchieht, muͤſſen noch zwo Fragen eroͤrtert werden.

  • I. Was man in der Zoologie unter Spezies verſtehe?
  • II. Wie die Urſpezies im Allgemeinen in Va - rietaͤten ausarten?

Wir handeln jede beſonders ab.

§. 23.59

§. 23. I. Was heißt eine Spezies.

Thiere werden zu einer und derſelben Spezies (Gattung) gehoͤrig genannt, in wiefern ſie an Ge - ſtalt und Verhaltungsweiſe ſo zuſammenpaſſen, daß ihre Verſchiedenheit von einander bloß durch Abar - tung hat entſtehen koͤnnen.

Diejenigen Gattungen hingegen nennen wir ver - ſchieden, deren Unterſcheidendes ſo weſentlich iſt, daß ſie aus den bekannten Quellen der Abartung ſich nicht erlaͤutern laͤßt.

Als abgezogener Begriff waͤre dies gut.

Nun aber die Kennzeichen darzuſtellen, wodurch wir in der Natur ſelbſt die bloßen Verſchiedenheiten und aͤchten Spezies von einander unterſcheiden koͤn - nen das iſt eben das Schwierige.

Ray, der unſterbliche Mann, hat ſchon im vo - rigen Jahrhunderte, alſo lange vor Buͤffon, dieje - nigen Thiere zu einer Gattung zaͤhlen zu muͤſſen ge - glaubt, welche ſich mit einander vermiſchen, und fruchtbare Junge erzeugen.

Da aber dieſes Merkzeichen bey den, von dem Menſchen unterjochten Hausthieren, der gezwunge - nen Lebensweiſe halber, zweydeutig und unſicher ſcheint, ſo hat es der ſcharfſinnige Friſch ſchon zu Anfang des gegenwaͤrtigen Jahrhunderts blos auf die wilden Thiere eingeſchraͤnkt, und diejenigen zu einer Gattung gehoͤrig erklaͤrt, welche von Natur ſich mit einander paaren1) Wenn ſich Thiere von Natur mit einander gat - ten, ſo iſt ſolches ein unfehlbares Kennzeichen, daß ſie von einerley Spezie ſind. Daſ -.

Allein60

Allein ich muß geſtehen, daß wir auch mit dieſer Einſchraͤnkung wenig gewonnen haben.

Denn fuͤrs erſte, wie faſt ganz nichtig iſt die Hoffnung, ſo viel wilde Thiere, beſonders ſich ſelbſt uͤberlaſſene, (bey denen uns am meiſten daran liegt zu wiſſen, ob man ſie fuͤr bloße Verſchiedenheiten, oder zu verſchiedenen Gattungen gehoͤrig zu halten habe) jemals zu dieſer Vereinigung zu bringen? Hauptſaͤchlich wenn ihr Vaterland weit von einander entfernt liegt: Z. B. den Troglodyten von Angola, (Schim panſé) mit dem Waldmenſchen von der In - ſel Borneo, (Orang-Utang).

Dann aber iſt die Unſicherheit und Dunkelheit in benannter Hinſicht bey wilden Thieren lange nicht ſo groß und wichtig, als gerade bey denen, welche man in dieſer Liſte nicht mit aufzaͤhlt, naͤmlich bey den zahmen; denn hier ſtokt es am meiſten.

Da giebt es denn unter den Schriftſtellern außer - ordentliche Uneinigkeiten, z. B. uͤber den Hund, von deren Racen einige mehrere Urgattungen auffuͤh - ren; andere ſie fuͤr bloße Verſchiedenheiten halten, abgeartet von jenem Stamme, welchen man Haus - hund, (Schaͤferhund, Chien de berger) nennt;noch1)Daſſelbe Kennzeichen von einer Species hat neuer - lich Berthout von Berchem der Sohn angenommen: Wenn die Thiere im natuͤrlichen Zuſtan - de ſich begatten u. ſ. w. Er erwaͤhnt aber we - der Friſchens, noch ſelbſt Ray’s, ja behauptet ſogar: Herr von Buͤffon, welcher zuerſt von den wenig ſichern Kennzeichen der Nomen - klatoren abgewichen ſey, ſey auch der Er - ſte, welcher bemerkbar gemacht habe, daß die Vermiſchung am beſten hinleite zur Erkennung der Arten o). S. Mem. de la se - ciété des ſciences phyſiques de Lauſanne. T. II. S. 49.61noch andere dieſe Verſchiedenheiten alle von dem Goldhunde (Schakal) ableiten; und wieder andere endlich behaupten, daß auch dieſer nebſt allen Ver - ſchiedenheiten des Haushundes von dem Wolfe ent - ſproſſen ſey, u. ſ. f.

So unzulaͤnglich als dieſer von der Begattung hergeleitete Grund iſt, den Begriff der Spezies und ſeinen Unterſchied von der Abart feſtzuſetzen, ſind jedoch andere nicht, welche man zu dieſem Behufe hervorgebracht hat, z. B. das Bleibende eines ge - wiſſen Kenuzeichens; denn die weiße Farbe, und rothen Augenſterne in der weißen Abart der Kanin - chen, ſind ſo durchaus bleibend, als jemals ein ſpe - zifiſches Kennzeichen ſeyn kann:

So, daß ich faſt alle Hoffnung aufgebe, in dem Studium der Zoologie den Begriff der Spezies aus etwas anderm, als der Analogie und Wahr - ſcheinlichkeit herauszubringen.

Ich ſehe z. B. daß die Backenzaͤhne des afrika - niſchen Elephanten in ihrer Bildung von denen des aſiatiſchen wunderbar weit abweichen. Zwar weiß ich nicht, ob die Elephanten dieſer ſo von einander abgelegenen Theile der Erde je ſich vermiſchen wer - den; und eben ſo wenig weiß ich, wie bleibend dieſe Bildung der Zaͤhne bey beyden ſey; da ich aber bey allen bis jetzt mir bekanntgewordenen dieſe Verſchie - denheit beobachtet habe, und mir noch kein Beyſpiel vorgekommen iſt, daß blos durch Verartung die Backenzaͤhne ſo waͤren veraͤndert worden, ſo muth - maaße ich nach der Analogie, daß dieſe Elephanten nicht bloß fuͤr Spielarten, ſondern fuͤr wirklich ver - ſchiedene Gattungen zu halten ſind.

Hin -62

Hingegen ſcheint mir das Frettchen, nicht fuͤr eine beſondere Gattung, ſondern fuͤr eine bloße Abart des Iltis gehalten werden zu muͤſſen, nicht ſowohl weil ich weiß, daß beyde ſich mit einander gatten, ſondern weil jenes rothe Augenſterne hat, und mei - nes Dafuͤrhaltens alle jene Saͤugthiere, deren inne - res Auge des dunkeln Pigments ermangelt, nach der Analogie fuͤr bloße Abarten von ihrer Urſpezies zu halten ſind.

§. 24. Anwendung des Geſagten auf die Unterſuchung, wie man in dem Menſchengeſchlecht entweder Abarten oder Gattun - gen zu ſetzen habe?

Man ſieht leichtlich ein, wohin das bisher Ge - ſagte ziele. Es giebt ihm zufolge außer der Analo - gie keinen andern Weg, auf welchem man das oben angefuͤhrte Promblem zu loͤſen im Stande waͤre (§. 22.)

Wer aber dieſen Weg einſchlaͤgt, muß immer die zwo goldnen Regeln des großen Newton im Phi - loſophiren vor Augen haben.

  • Die erſte heißt: Fuͤr natuͤrliche Wirkungen von einerley Gattung muß man auch einer - ley Urſachen auszeichnen.

Wir muͤſſen alſo fuͤr die koͤrperliche Verſchieden - heit der Voͤlker des Menſchengeſchlechts dieſelben Ur - ſachen anzeichnen, welche wir bey aͤhnlicher koͤrper - licher Verſchiedenheit anderer zahmen, weit auf der Erde verbreiteter Thiere, anzeichnen.

Die63
  • Die andere Regel iſt: daß man bey Ereigniſ - ſen der Natur nicht mehrere Urſachen anfuͤh - ren muͤſſe, als zur Erklaͤrung ihrer Er - ſcheinungen hinlaͤnglich ſind.

Wenn ſich denn nun ergeben wird, daß die Ur - ſachen der Verartung zureichen, die Erſcheinungen der koͤrperlichen Verſchiedenheit im Menſchengeſchlecht zu entwickeln, ſo muß man keine andere, von meh - rern Menſchengattungen hergeleitete, annehmen.

§. 25. II. Wie arten die Urſpezies in Verſchiedenheiten aus?

Jetzt, da wir von der Art und Weiſe der Ab - artung handeln wollen, werden wir hoffentlich fuͤr die Deutlichkeit der Darſtellung am beſten ſorgen, wenn wir ſie wieder auf zwey Hauptabſchnitte zu - ruͤckbringen; in deren erſterem

  • A) bloß die vornehmſten Erſcheinungen der Ab - artungen der Saͤugthiere, (brutorum ani - malium) erzaͤhlt, und

im zweyten dann

  • B) die Urſachen dieſer Verartung der Thiere unterſucht werden ſollen;

denn wenn dies deutlich gemacht iſt, ſo wird es leich - ter ſeyn, im folgenden Abſchnitte die Erſcheinungen von Verſchiedenheiten im Menſchengeſchlecht mit jenen von Verartung der Thiere, und zugleich die Urſachen davon mit einander zu vergleichen.

§. 26.64

§. 26. A) Die Haupterſcheinungen von Verartung der Saͤug - thiere.

Wenige Beyſpiele werden hinreichen zu beweiſen, daß es in der Menſchengattung gar keine natuͤrlichen Abaͤnderungen gebe, welche man nicht ebenfalls an andern zahmen Thieren, und als eine bloße, durch Verartung entſtandene Verſchiedenheit bemerken koͤnne. Dieſe Beyſpiele wollen wir von warmbluͤti - gen Thieren hernehmen, und zwar, ſo viel als moͤglich, bloß von Saͤugthieren, indem dieſe in An - ſehung der koͤrperlichen Beſchaffenheit dem Menſchen unter allen am aͤhnlichſten ſind.

Es wird aber gut ſeyn, auch dies in einzelne Hauptſtuͤcke zu vertheilen.

§. 27. 1 ) Die Farbe.

So ſind z. B. in Anſehung der Farbe die Schwei - ne in der Normandie insgeſamt weiß, in Savoyen ſchwarz, in Bayern rothbraun2)Vergl. Voigts Magaz. B. 4. Th. 1. S. 10. u. ſ. w.

Das Rindvieh in Ungarn iſt mehrentheils grau - weißlich, in Frankreich roth u. ſ. w.

Auf der Inſel Korſika ſind die Hunde und Pfer - de auszeichnend gefleckt.

In der Normandie ſind die Puter ſchwarz, die unſrigen hingegen meiſtentheils weiß.

Auf der Kuͤſte von Guinea ſind die Voͤgel und beſonders aus der Ordnung der Huͤnerart3)S. Dan. Beckmanns Voyage to and from Borneo, Lond. 1718. unddie65die Hunde ſchwarz, wie die eingebornen Menſchen; und vorzuͤglich merkwuͤrdig iſt an dem guineiſchen Hunde (welchen Linnée, ich weiß nicht mit welchem Rechte, den Aegyptiſchen nennt) die an ihm ſo gut als an den Menſchen jenes Himmelsſtrichs befindli - che ſeidne Weichheit der glatten Haut, und die groͤ - ßere, faſt ſpezifiſche, Ausduͤnſtung derſelben4)Vergl. Boͤchlin de habitu et solore Aethiopum, Kiel, 1677. S. 56..

§. 28. 2 ) Gewebe der Haare.

Welch eine maͤchtige Verſchiedenheit finden wir bey Betrachtung des Gewebes der Haare nicht bloß an der Wolle der Schaafe in verſchiedenen Klimaten, von der ſo zarten tibetiſchen an, bis zur faſt ſtarren und groben aͤthiopiſchen.

Oder in den Schweineborſten, welche z. B. in der Normandie ſo weich ſind, daß ſie auch zu Kehr - buͤrſten nicht einmal taugen.

Und welcher Unterſchied in dieſer Hinſicht zwi - ſchen den zahmen Schweinen und dem Eber, beſon - ders im Betreff der kurzen zwiſchen den Borſten be - findlichen Wolle!

Und wie wunderbar hingegen iſt die beſondere Wirkung eines gewiſſen Erdſtrichs auf die Haare, nicht Einer Gattung zahmer Saͤugthiere, als des galaziſchen Klimas auf die Ziegen von Anzyra, die Kaninchen und Katzen, bey welchen ſie durch eine Sammetweiche, und ungewoͤhnliche Laͤnge ſich nichtminderVerſch. des M. E66minder als durch einen faſt ſchneeweißen Glanz aus - zeichnen.

§. 29. 3 ) Groͤße.

In Ruͤckſicht auf die Groͤße iſt der Unterſchied zwiſchen den Lappen und Patagonen weit geringer, als der, welchen man hin und wieder an andern zah - men Thieren verſchiedener Erdſtriche beobachtet. So ſind z. B. die aus Europa auf die Inſel Kuba gebrach - ten Schweine um das zweyfache groͤßer geworden5)S. Voigts Magaz a. a. O..

Eben ſo verhaͤlt es ſich mit denen, nach Para - guay gebrachten Ochſen, u. ſ. f.6)Vergl. J. Saver Clavigero storia antlca del Meſſico. T. IV. p. 142..

§. 30. 4 ) Geſtalt und Verhaͤltniß der Theile.

Wie auszeichnend iſt in Anſehung des Verhaͤlt - niſſes der Theile die Verſchiedenheit zwiſchen den arabiſchen, oder den ſyriſchen und noͤrdlich deutſchen Pferden; und zwiſchen den langfuͤßigen Ochſen auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung, und den kurz - fuͤßigen Englands.

Bey den Schweinen in der Normandie ſind die hintern Pfoten weit laͤnger als die vordern.

In einigen Provinzen von England, Island, u. ſ. f. haben die Ochſen gar keine Hoͤrner7)Vergleiche auch Hippocr. de aevibus, aquis et loois, Obſ. 44., in Sizilien hergegen ungemein große; um der ungeheu - ren Hoͤrner abyſſiniſcher Ochſen, wovon der HerrBaro -67Baronet Banks mir eins gezeigt hat, nicht einmal zu gedenken, weil dieſe, wenn Bruce recht hat, mehr die Wirkung einer Krankheit zu ſeyn ſcheinen.

Allein das vielgehoͤrnte Schaaf muß hier mit Recht genannt werden.

Und im Betreff der Varietaͤt der Hufe, ganze Staͤmme Schweine, (ſtirpes) ſowohl mit Hufen als geſpaltenen Klauen8)Voigts Magaz. a. a. O..

In Anſehung anderer Theile die breitgeſchwaͤnz - ten Schaafe, Kanarienvoͤgel mit Hauben, (die Kapvoͤgel, fringillae canariae criſtatae) und ande - res der Art mehr.

§. 31. 3 ) Beſonders die Form der Hirnſchaͤdel.

Man hat beobachtet, daß die Formen der Hirn - ſchaͤdel bey den Verartungen des Menſchengeſchlechts hin und wieder von einander abweichen; Allein dies Abweichen iſt um nichts groͤßer, ja kaum einmal ſo groß, als jenes, welches man an verſchiedenen Ge - ſchlechtern anderer zahmen Thiere beobachten kann. Der Schaͤdel des Aethiopiers z. B. weicht von dem des Europaͤers nicht mehr ab, als der Kopf des Schweines von dem des Ebers, oder der Kopf eines neapolitaniſchen Pferdes, welchen man der Aehnlich - keit halber Widderkopf nennt, von dem des ungari - ſchen, von welchem die Kenner wiſſen, daß er durch beſondere Kuͤrze und Weite der Kinnlade ſich aus - zeichnet.

E 2An68

An dem Aurochſen, dem Stamme des Zweiges der zahmen Ochſen, ſieht man, nach Campers Be - obachtung, die Thraͤnengruben ſehr deutlich; welche hingegen an unſern Ochſen durch Verartung gaͤnzlich vergangen ſind.

Die ganz wunderbare Verartung des Schaͤdels an jener Varietaͤt von Huͤnern, welche[man] batavi - ſche nennt, uͤbergehe ich ganz9)S. Pallas Spici[l]eg. zool. IV. Samml. S. 22. Und Sandiforts Muſeum anat. acad. Lugd. Batav. Th. 1. Seite 306..

§. 32. B) Urſachen der Verartung.

Das thieriſche Leben ſetzt zwey von den Lebens - kraͤften abhaͤngige Vermoͤgen, gleichſam als erſte und Hauptbedingungen aller und jeder Verrichtun - gen deſſelben voraus.

Erſtens naͤmlich das Vermoͤgen einer ſolchen Em - pfaͤnglichkeit der auf den Koͤrper wirkenden reizenden Eindruͤcke, (ſtimuli) daß die Theile dadurch ange - regt werden;

und zweytens, daß dieſe nach dieſer Anregung ſo zuruͤckwirken, daß dadurch die Bewegungen des lebenden Koͤrpers rege gemacht, und wirklich verrich - tet werden q).

Es giebt alſo in der thieriſchen Maſchine keine Bewegung ohne einen vorhergegangenen Reiz, und eine nach dieſem zuruͤckwirkende Thaͤtigkeit.

Dies ſind die Angeln, in welchen die ganze Phyſiologie der thieriſchen Einrichtung ſich bewegt.

Und69

Und dies ſind auch die Quellen, woraus eben ſo das Geſchaͤft Arten hervorzubringen ſelbſt, als die Urſachen der Verartung, herfließen; und um dies auch denen deutlich zu machen, welche nur we - nige Kenntniſſe in der Phyſiologie haben, muß et - was aus dieſer Lehre vorausgeſchickt werden.

§. 33. Bildungstrieb.

Ich habe ſchon anderswo in einer beſondern Schrift uͤber dieſe Materie*)Uiber den Bildungstrieb. Goͤtting. 1791. welche der Herr Verfaſſer ſelbſt in ſeinem Handbuch der Natur - geſchichte mit einer andern unter aͤhnlichen Titel von 1781. nicht zu verwechſeln bittet. S. 17. mich bemuͤht zu zeigen, daß jenes gemeine, ſogenannte Entwickelungsſyſtem (S. evolutionis) (welchem zu folge keine Pflanze und kein Thier erzeugt wird, ſondern alle Individuen organiſcher Koͤrper gleich in der erſten Schoͤpfung als Keime eingeſchloſſen liegen, und nun nur allmaͤhlich ſich entwickeln), daß dieſes weder den Erſcheinun - gen der Natur ſelbſt, noch einer uneingenommenen Philoſophie entſpreche: ſondern im Gegentheile eine ſchickliche Verbindung zweyer Hauptſaͤtze zur Erklaͤ - rung des Weſens organiſcher Koͤrper, der phyſiſch mechaniſche naͤmlich, und teleologiſche, nebſt den Erſcheinungen der Erzeugung, und einem geſunden Vernunftſchluſſe uns vielmehr noͤthigen zu beſtimmen:

Der Zeugungsſaft ſey nichts als der ungeform - te Stoff zu organiſchen Koͤrpern, unterſchieden von dem Stoffe zu Koͤrpern aus dem unorganiſirten Na -tur -70turreiche, durch eine angeborne, durch die Er - ſcheinungen ſich offenbarende Kraft, vermoͤge wel - cher er unter den erforderlichen Umſtaͤnden der Reife, der Vermiſchung, des Orts ſeiner Beſtim - mung u. ſ. w. erſt die ihnen feſtgeſetzte und be - ſtimmte Form der Zeugung annimmt, dann durch das Geſchaͤft der Ernaͤhrung beſtaͤndig erhaͤlt, und falls ſie etwa verſtuͤmmelt worden, ſoviel moͤglich durch das Reproduktionsvermoͤgen wieder herſtellt.

Damit man dieſe Kraft nicht mit andern Arten der Lebenskraft, oder andern ſchwankenden, und unbeſtimmten Ausdruͤcken der Alten, als der plaſti - ſchen Kraft und andern mehr vermenge, ſo wollen wir ſie durch die Benennung des Bildungstriebes unterſcheiden*)Da ich gefunden habe, daß ſelbſt ſonſt gute Natur - hiſtoriker, den Niſus formativus und die vis plaſtica fuͤr faſt ſynonim hielten; ſo erlaube man mir hier anzumerken, daß man unter der letztern nichts anders zu verſtehen habe, als: eine bildende oder vielmehr zuſammenordnende Kraft nach den bloß mechani - ſchen Regeln und Geſetzen der Natur, z. B. der che - miſchen Affinitaͤt und daß ſich Trieb von Kraft beſonders dadurch unterſcheide, daß jener ſchon eine gewiſſe Lebenskraft vorausſetzt, welche nach ihren eigenen Geſetzen wirkt, und den Begriff von Zweck - maͤßigkeit involvirt. Demnach duͤrſte vis plaſtica auf das Mineralreich eingeſchraͤnkt werden muͤſſen, und niſus formativus hauptſaͤchlich auf organiſirbare We - ſen, Vegetabilien und Locomoventia gehen. G.: wodurch ich jedoch nicht ſowohl eine Urſache, als eine gewiſſe, immer dauernde, ſich ſtets gleiche, a poſteriori von der Beſtandheit und Allgemeinheit abgezogene Wirkung bezeichnen will: faſt auf dieſelbe Weiſe, als man ſich der Ausdruͤcke Schwere oder Anziehung bedient, gewiſſe Kraͤfteda -71dadurch anzudeuten, deren Urſachen doch auch in eimmeriſcher Finſterniß begraben liegen r).

Wie alſo andere Lebenskraͤfte, wenn ſie durch ihre ihnen zukommenden Reize aufgeregt worden, wirkſam und zum Gegenwirken geſchickt werden; ſo wird auch der Bildungstrieb durch ihm entſprechende Reize, z. B. durch das Eindringen der Waͤrme in das bebruͤtete Ey, aufgeregt.

Da aber andere Lebenskraͤfte, als Elaſticitaͤt, Reizbarkeit u. ſ. f. bloß durch Bewegung ſich aͤußern, aͤußert ſich dieſe hingegen, von welcher wir jetzt ſpre - chen, durch Wachsthum, und daß ſie der Materie eine ihr beſtimmte Form ertheilt; wodurch denn jede Pflanze, jedes Thier (geſchehe dies nun unmittel - bar oder ſtufenweiſe durch allmaͤhliges Hinzukom - men oder Wechſeln anderer Reize, durch Meta - morphoſe) ſeine Gattung auf ſeine Jungen fort - pflanzen kann.

Auf dreyfache Art aber kann der Bildungstrieb von der ihm beſtimmten Richtung und Norm abwei - chen. Einmal durch die Hervorbringung von Miß - geburten; (monſtroſa fabrica) dann durch Erzeu - gung von Baſtarden (hybrida generatio), aus ei - ner Miſchung des Zeugungsſtoffes verſchiedener Gat - tungen; und endlich durch Ausartung in eigentlich ſogenannte Verſchiedenheiten.

Die Mißgeburten, wo die organiſchen Koͤrper, ſey es nun durch Stoͤrung und gleichſam Verirrung des Bildungstriebes, oder auch durch ungefaͤhren Zufal, als Preſſung von außen, u. a. eine ganzfehler -72fehlerhafte und ungeſtaltete widernatuͤrliche Bildung erhalten, gehen uns gegenwaͤrtig nichts an.

Eben ſo wenig gehoͤren die aus einer Zeugungs - vermiſchung verſchiedener Gattungen entſtandene Baſtarde hieher, da nach einem ſehr weiſen Geſetze der Natur (wodurch einer grenzenloſen Verwirrung der ſpezifiſchen Formen vorgebeugt wird) ſolche Ba - ſtarde, beſonders im Thierreiche, kaum jemals ohne Zwang des Menſchen entſtehen; und dann, nur nicht immer, unfruchtbar ſind; daß ſie alſo eine neue, aus ihrer anomalen Liebe entſtandene, von der Aeltern ihrer abweichende, Form weiter fortzu - pflanzen unvermoͤgend ſind. Indeſſen kann doch die Geſchichte der von verſchiedenen Gattungen er - zengten Baſtarde uns Erlaͤuterung in der gegenwaͤr - tigen Unterſuchung geben; theils wegen der Analo - gie mit jenen aus verſchiedenen Spielarten (variera - tibus) entſproſſenen Baſtarden, von welchen unten wird geredet werden; theils weil ſie ſtatt aller die - nen jene Theorie von der Auswickelung der praͤfor - mirten Keime zu widerlegen, und die Kraft und Wirkſamkeit des Bildungstriebes offenbar darzuthun, welche jeder wird kennen lernen, der jene ſo bekann - ten und ſehr merkwuͤrdigen Verſuche gehoͤrig beſeitigt hat, nach welchen, den ſeltnern Beyſpielen zeugen - der Baſtarde zu Folge, deren Befruchtung mehrere Zeugungen hindurch vermittelſt des maͤnnlichen Saa - mens derſelben Spezies oͤfters wiederholt wurde, die neue Bildung der Urenkelbaſtarde von der urſpruͤng - lichen Form der Mutter ſo ſehr abgewichen, daß ſie gegentheils mehr und mehr in die Form des Vaters einer andern Spezies uͤbergegangen, und ſo end -lich73lich jene in dieſe ( gleichſam durch willkuͤhrliche Metamorphoſe ) gaͤnzlich verwandelt erſchienen iſt10)Koͤlreuter dritte Fortſetzung der Nachricht von einigen das Geſchlecht der Pflanzen betreffenden Verſuchen u. ſ. w. Seite 51 und 24. nebſt der Nachricht: Gaͤnzlich vollbrach - te Verwandlung einer Pflanzengattung in die andere s)..

Wie aber die Vermiſchung ſpezifiſch verſchiedener Geſchoͤpfe, obſchon ſie nicht jede Regung des Bil - dungstriebs untergraͤbt, und gleichſam erſtickt, ihm doch eine beſondere und unregelmaͤßige Richtung giebt, ſo traͤgt auch ein fortdauernder, langwieriger, durch lange Reihen von Zeugungen hindurch fortgeſetzter Einfluß gewiſſer beſonderer reizender Eindruͤcke auf organiſche Koͤrper, ebenfalls viel dazu bey, den Bildungstrieb nach und nach von dem gewoͤhnlichen Wege abzulenken; welche Abweichung nun der haͤu - figſte Urſprung der Ausartung und der eigentlich ſogenannten Spielarten Mutter iſt.

So wollen wir denn nun die hauptſaͤchlichſten dieſer reizenden Eindruͤcke durchgehen.

§. 34. Das Klima.

Daß die Macht des Klima, wie auf alle orga - niſche Koͤrper, ſo beſonders auf die Thiere mit war - men Blute ohne Grenzen ſey, wird ein jeder leicht einſehen, wenn er erſtens erwaͤgt, durch welch ein inniges und unaufloͤsliches Band dieſe Thiere, ſo lange ſie leben, mit der Einwirkung der atmoſphaͤ -riſchen74riſchen Luft zuſammenhaͤngen; dann aus wie man - chen Elementartheilchen, theils gasfoͤrmigen Grund - ſtoffen, theils hinzugekommenen des Lichts, der Waͤrme, der elektriſchen Materie, u. a. dieſe (ſonſt ſelbſt fuͤr ein einfaches Element gehaltene) Luſt wun - derbar zuſammengeſetzt iſt; endlich aber, wie viel - fach ſie nach dem Verhaͤltniß dieſer Elemente modi - ficirt iſt, und wie verſchieden dieſer Veraͤnderung zu Folge die Einwirkung der Atmoſphaͤre auf die eben - benannten Thiere ſeyn muß: hauptſaͤchlich, wenn man noch ſo viel anderes mit in Rechnung bringt, durch deſſen Hinzukommen das Klima ſo ſehr veraͤn - dert wird, als die Lage der Gegenden in Anſehung der Erdguͤrtel, der Sonnenhoͤhe, Gebirge, Nachbar - ſchaft des Meeres, oder Seen und Fluͤſſe, endemi - ſcher Winde, und unzaͤhliges der Art mehr.

Die von benannten Thieren nun von jung auf eingeſogene, nach Veraͤnderung des Klima ſo ſehr modifizirte Luft, wird in ihren Lungen gleichſam als in einem lebendigen Laboratorium zerſetzt; ein Theil davon wird mit dem Blute in den Schlagadern durch den ganzen Koͤrper vertheilt, nach Verhaͤltniß dieſes Theils aber werden hingegen andere Elemente von hier weggeſchaft, und legen theils an die peripheri - ſchen Bedeckungen des Koͤrpers an, theils werden ſie durch den Strom der Blutadern zu den athmen - den Eingeweiden zuruͤckgefuͤhrt.

Daher denn die mancherley Modifikationen des Blutes ſelbſt, und deren merkwuͤrdiger Einfluß auf die Abſonderung der Fluͤſſigkeiten, beſonders der oͤlichten, als des Fettes, der Galle, u. a.

Daher75

Daher endlich die Einwirkung von dem allen, gleichſam als von eben ſo viel reizenden Eindruͤcken auf das dichte ſolidum-vivum*)Wenn ich hier den lateiniſchen Ausdruck beybehalte, ſo mag der Herr Verfaſſer mich ſelbſt vertreten, wel - cher in ſeinen Beytraͤgen zur Naturgeſchichte S. 49. ſagt: ich bediene mich dieſer beyden (ſtimuli) in der Phyſiologie der organiſirten Koͤrper ſo allgemein angenommener und allgemein verſtaͤndli - cher Kunſtwoͤrter ohne ſie zu verteutſchen, da ſie, ſo wie das Wort organiſirte Koͤrper ſelbſt u. a. m. gewiß durch die Verteutſchung an Deutlichkeit ver - lieren wuͤrden t). , und die davon abhaͤngige Ruͤckwirkung dieſes wirkſamen ſolidi, und was unſere Unterſuchung zunaͤchſt betrift die Rich - tung und Beſtimmung des Bildungstriebes.

Obſchon dieſe große und ununterbrochene Macht des Klima auf die thieriſche Oekonomie, Haltung und Bildung des Koͤrpers von aufmerkſamen Be - obachtern zu allen Zeiten iſt anerkannt worden, hat man ſie doch hauptſaͤchlich zu unſern Zeiten, theils durch die großen Fortſchritte, welche man in der Che - mie gemacht hat, theils durch ein genaueres Stu - dium der Phyſiologie, erſt in ihr Licht geſetzt und gewuͤrdigt.

Nichts deſto weniger iſt es doch bey Unterſuchung der Varietaͤten oft nur zu ſchwierig genau zu beſtim - men, wie viel davon bloß dem Klima, oder viel - mehr andern Urſachen der Ausartung, und wie viel endlich dem Zuſammentreffen dieſer beyden zuzuſchrei - ben ſey.

Judeß duͤrfte ich doch ein oder anderes Beyſpiel von Ausartung anfuͤhren, welches offenbarer vondem76dem Einfluſſe des Klima ſcheint muͤſſen hergeleitet zu werden.

Die weiße Farbe z. B. vieler Thiere unter dem Nordpole, welche in gemaͤßigten Zonen eine andere haben. Beyſpiele liefern der Fuchs, die Haaſen, das Zugvieh, die Falken, die Raben, die Kraͤhen, die Amſeln, die Buchfinken, u. a. m.

Daß die Weiße von der Kaͤlte herkomme, lehrt die Analogie ſolcher Thiere, welche unter demſelben Himmelsſtriche im Winter die Sommerfarbe in eine weißliche oder graͤuliche verwandeln; wie das Her - melin, und gemeine Wieſel, die Haaſen, Eichhoͤrn - chen, Rennthiere, das Schneehuhn, die Schnee - ammer, u. a.11)Vergl. nach andern Linnée in flora Lapponica. S. 55, 352, nach Smidt’s Ausgabe..

So ſchreibe ich auch das durch ſeine Sammet - weiche und Schneeweiße ſich auszeichnende Fell der genannten Thiere auf Anzyra (§. 28.) mehr dem Klima als dem Futter zu, weil auch die von der ver - ſchiedenſten Nahrung lebenden Thiere, die Fleiſch - freſſenden, wie die Katze, eben ſo gut, als die Kraͤuterfreſſenden, wiederkaͤuenden, z. B. die Ziege, es mit einander gemein haben.

Einen aͤhnlichen Grund ſcheint die Kohlenſchwaͤr - ze zu haben, welche unter gewiſſen Thieren der hei - ßen Erdzone, als auf den Kuͤſten von Guinea, die Thiere verſchiedener Klaſſen, ſowohl Saͤugthiere als Voͤgel, bekommen haben. (§. 27.)

Und am merkwuͤrdigſten iſt, daß dieſe Mohren - ſchwaͤrze eben ſowohl, als jene Weiße der ſyriſchenThiere,77Thiere, auch wenn ſie in entfernte Gegenden von weit verſchiedenem Klima-verſetzt worden, doch be - ſtaͤndig lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich erhalten.

Nicht geringer iſt die Kraft und Macht des Kli - ma auf die Groͤße (ſtatura) organiſcher Koͤrper; da die Kaͤlte ihr Wachsthum hindert, die Waͤrme hingegen es offenbar vermehrt und befoͤrdert. So z. B. die ſchottiſchen Pferde, oder die Fuͤllen in dem kalten Nordwales; auf Schonen ſind die Pferde und das Rindvieh, wie die eingebornen Menſchen, groß und ſtark von Statur, in Seeland werden ſie all - maͤhlig kleiner, und im noͤrdlichen Oſtgothland end - lich ſind ſie nach Verhaͤltniß am kleinſten.

§. 35. Nahrungsmittel.

Zwar iſt des beruͤhmten G. Fordyce ſcharfſinnige Meinung ſehr wahrſcheinlich, daß die erſten Urbe - ſtandtheile aller Arten von Nahrung, gleichviel ob aus dem Thier - oder Pflanzenreiche genommen, die - ſelben ſeyen; und daß deshalb von den vielerley Fleiſch - und Kraͤuterfreſſenden Thieren mit warmen Blute, von den verſchiedenſten Nahrungsmitteln, ein aͤhnlicher Chylus, und im allgemeinen aͤhnliches Blut zubereitet werde, ſobald ſie nur von den Ver - dauungswerkzeugen gehoͤrig verarbeitet worden. Al - lein, ſo wahrſcheinlich als dieſe Sache auch immer ſeyn moͤge, ſo iſt doch keinesweges zu laͤugnen, daß die unzaͤhligen, der verſchiedenen Nahrung zukom - menden Eigenſchaften, bey der Veraͤnderung desWe -78Weſens, und der Eigenthuͤmlichkeiten der Thiere von großem Gewichte ſind.

Wenige Beyſpiele werden zureichen, dies zu beweiſen.

Daß z. B. die Macht gewiſſer beſonderer Nah - rung auf die Farbe der Thiere ſpezifiſch ſey, lehren die Singevoͤgel, beſonders von den Geſchlechtern der Lerchen und Finken, von welchen man weiß, daß ſie nach und nach ſchwarz werden, wenn ſie bloß Hanfſaamen freſſen.

Daß ſich das Gewebe der Haare bey veraͤnder - ten Nahrungsmitteln außerordentlich veraͤndere, ſieht man an dem Beyſpiele des afrikaniſchen, nach Eng - land uͤbergefuͤhrten Schaafes, deſſen von Natur ſchlechte und wie Kameelhaare ſtehende Wolle, nach einer jaͤhrigen Weidung auf engliſcher Trift, die feinſte Weichheit erhielt12)Vergl. Jam. Pates on the literal doctrine of Origi - nal Sin. London, 1766. 8. S. 224..

Wie maͤchtig aber die Nahrung auf Veraͤnde - rung der Statur und Verhaͤltniß der Groͤße (pro - portio) wirke, erhellet deutlich aus einer Verglei - chung der Hausthiere. Die Pferde z. B. welche in den Marſchlaͤndern (terris uliginoſis) eine fette Wei - de haben, als die frieſiſchen, u. a. m. werden ſehr groß, da ſie hingegen in felſigten und ſteinigten Laͤndern, wie in Oeland, oder auf trockenen Hei - den niedrig bleiben. So werden die Ochſen, auf fettem Boden auch ungewoͤhnlich fett und bauchigt, aber mit verhaͤltnißmaͤßig kuͤrzern Schenkeln; die auf trockener Trift geweideten aber, wie auf dem Kapz. B.79z. B. ſondern weniger Fett ab, zeichnen ſich aber durch ſtaͤrkere und fleiſchigte Schenkel aus; um vie - lerley ebenfalls von veraͤnderter Nahrung abhaͤngige Verſchiedenheiten des Fleiſchgeſchmacks, oder Ge - wichts, u. ſ. w. ganz zu uͤbergehen.

§. 36. Lebensart.

Wenn ich von der Lebensart als einer Urſache des Ausartens rede, ſo ziehe ich hier alle jene Stuͤcke her, welche außer dem Klima und der Nahrung in einem ſolchen Verhaͤltniſſe mit der natuͤrlichen Oeko - nomie der Thiere ſtehen, daß ſie nach einem langen und unausgeſetzten Wirken auf dieſelbe, den Habi - tus des Koͤrpers endlich auf einige Art umzuaͤndern im Stande ſind; wozu denn verfeinernde Ausbil - dung (cultura) und Macht der Gewohnheit am meiſten beytragen, deren kraͤftige Wirkſamkeit am allerſichtbarſten an unſern Hausthieren wird.

Bedenken wir z. B. den gewaltigen Unterſchied zwiſchen der Bildung und Proportion eines aͤdeln ſchulgelernten, und eines wild im Walde herum - ſchweifenden Pferdes. Wenn dieſes mit andern ſtreitet, beißt es mehr, als daß es ausſchlaͤgt; jenes hingegen,[auf] gezaͤumt und mit eiſernen Hufen be - wafnet, fordert den Feind mehr mit dieſen heraus, und hat das Beiſſen faſt verlernt. Mehrere von den Menſchen unterjochte Saͤugthierarten mit haͤngendem Schwanze und ſchlappen Ohren, zeigen ein ſanftes, und durch Sklaverey verdorbenes Gemuͤth. Bey vielen aͤndern ſich die eigenſten koͤrperlichen Verrich -tungen,80tungen, der Abſonderung, Zeugung, u. a. m. auf die außerordentlichſte Weiſe. So waͤchſt z. B. bey dem Schweine eine ſehr große Fetthaut, welche der Eber nicht hat, deſſen weichere gleichſam wolligte, mit Borſten untermengte Haare im Gegentheil ſich bey der Varietaͤt der Hausſchweine nach und nach verlieren. Bey dieſen Hausthieren findet man weit mehr mißgeſtaltete Geburten, als bey ihrem wilden Originalſtamme; eine Menge neuer Krankheiten, ja ſogar ganz neue Arten von Wuͤrmern, von denen man an ihrer wilden und originalen Art nicht einmal eine Spur antrift: welche, wiewohl paradoxe, doch gewiß unlaͤugbare Behauptung zu bewaͤhren, man bloß das Beyſpiel der Finnen (hydalides intereutes, ital. Lazaroli) zum Beweis anfuͤhren kann13)S. Malpighi opera poſthuma. S. 84. London, Ausg. 1697. Fol. U. J. A. E. Goeze Entdek - kung; daß die Finnen im Schweineflei - ſche keine Druͤſenkrankheit, ſondern wah - re Blaſenwuͤrmer ſind. Halle 1784. 8.. Hieher rechne ich auch die durch einen fruͤhzeitigen und uͤbermaͤßigen Genuß der Liebe unvollkommen ge - bliebene Statur, u. a. der Art mehr.

§. 37. Baſtard-Erzeugung.

Die bisher aufgezaͤhlten dreyfachen Quellen der Verartung koͤnnen bloß durch ein ſehr langwieriges und ſehr viele Reihen von Zeugungen hindurch fort - geſetztes Einwirken, den Charakter, und die Beſchaf - fenheit der Originalthiere nach und nach umaͤndern, und Spielarten hervorbringen.

Ganz81

Ganz anders verhaͤlt ſich dies, und ſchon die naͤchſte Zeugung bekommt einen neuen Charakter, wenn verſchiedene ſolche, aus jenen Urſachen endlich entſtandene, Varietaͤten mit einander gepaart werden, woraus denn Baſtarde entſtehen, welche keinem von den Aeltern ganz aͤhnlich ſind, ſondern von beyder Form etwas haben, und gleichſam ein Mittelding zwiſchen beyden ausmachen.

Gemeiniglich nennt man zwar diejenigen Ba - ſtarde, welche von Aeltern ganz verſchiedener Gat - tung entſtehen, wie die vom Pferd und Eſel erzeug - ten Mauleſel, oder die durch eine Begattung des Kanarienvogels mit dem Haͤnfling entſtandenen Voͤ - gel. Allein von ſolchen iſt hier nicht die Rede, in - dem ſie unter den Verartungen des Menſchenge - ſchlechts nicht vorkommen. Zwar fehlt es nicht an ſcheußlichen Erzaͤhlungen von Begattung des Men - ſchen mit Thieren, wo entweder Maͤnner mit Thier - weibchen ſich eingelaſſen (ſey es aus ungebaͤndigter Geilheit14)Vergl. z. B. Th. Warton zu Theokr. Idyll. 1, 88. S. 19. Von einem gewiſſen gelehrten Freunde, welcher auf einer Reiſe durch Sizilien die alten Denkmaͤler und die Volksſitten daſelbſt genauer unterſucht hatte, hoͤrte ich, daß bey den einſam auf den Bergen lebenden ſiziliſchen Ziegen - hirten, unterden Bekenntnißpunkten von eigenen Prieſtern auch gewoͤhnlich nach dem geforſcht werde, ob ſie nichts mit ih - ren Ziegen zu thun gehabt. , oder aus einer wahnwitzigen Meinung von Enthaltſamkeit geſchehen15)S. Ritters Mart. v. Baumgarten peregrinatio in Aegyptum, Arabiam etc. S. 73. Beym Ausgang aus Alchanic in Aegypten kamen wir anein, oder weil ſieetwaBerſch des M. F82etwa einen mediziniſchen Nutzen von einer ſolchen Handlung hofften16)So z. B. erzaͤhlt Pallas in den neuen nordi - ſchen Beytraͤgen Th. 2. S. 38. daß die Perſer, welche am Huͤftweh leiden, in dieſer Hinſicht mit den wilden Eſeln ſich einlaſſen.,) oder wo Weiber Thiermaͤn - nern untergelegen haben (entweder genothzuͤchtigt17)Z. B. von Pavianen. Vergl. Th. Phillips Reiſe nach Guinea in Churchill’s collection of voyages Th. 6. S. 101. Es giebt hier eine ungeheure Menge ſehr großer ſtarker Paviane, eini - ge ſo groß wie ein großer Bullenbeißer, welche Truppenweiſe zu 50 und 100 mit einander gehen. Es iſt ſehr gefaͤhrlich ihnen zu begegnen, beſonders fuͤr das Frauenzimmer; denn glaubwuͤrdige Leu - te haben mir verſichert, daß ſie dieſen oft nachgeſetzt ſind, ſie ergriffen, und ſo eins nach dem andern gemißbraucht und ſo getoͤdtet haben v)., oder von raſend geilen Weibern dazu gereizt18)So erzaͤhlt Steller in der Beſchreibung von Kamtſchatka S. 289. daß ſonſt die Frauenzimmer in Kamtſchatka mit den Hunden ſich gepaart haben., oder weil dieſe aus religioͤſem Aberglauben ſich der Schande Preiß gaben19)Wie die Weiber aus Mendeſta ſich dem heiligen Bocke: von welchem Ritus man d Hancarville nach - leſen kann, welcher in ſeinen Recherches ſur l origine des arts de la Grèce Th. 1. S. 320. ſehr weitlaͤuftig davon handelt..) Allein es iſt uns dochkein15)ein gewiſſes Dorf Belbes, wo wir zu ei - ner nach Damaſkus gehenden Karawane ſtießen. Daſelbſt ſahen wir einen ſaraze - niſchen Heiligen, ſo wie er aus Mutter - leibe gekommen war, nackt zwiſchen Sand - haufen ſitzen. Wir hoͤrten, daß dieſer hier ſitzende Heilige von Staatswegen ſehr empfohlen wurde: er ſey ein heili - ger, goͤttlicher Mann, von vorzuͤglicher Unbeſcholtenheit, denn er habe nie mit Maͤdchen oder Knaben, ſondern bloß mit Eſelinnen und Maulthieren zu thun ge - habt. 83kein von einem glaubwuͤrdigen Zeugen erzaͤhltes Bey - ſpiel vorgekommen, wo eine ſolche Verbindung frucht - bar geweſen, und aus der abſcheulichen Begattung des Menſchen mit dem Thiere ein Baſtard erzeugt worden waͤre.

Sondern wir handeln blos von jenen Baſtarden, welche aus einer Verbindung verſchiedener Ausar - tungen einer und derſelben Thierſpezies entſprießen, wie z. B. die aus der Verbindung des gruͤnen Ka - narienvogels mit der weißen Varietaͤt entſtandenen, ſind; welche Vermiſchung zur Umaͤnderung der Far - be, und Bildung der neuen daraus entſtehenden Nach - kommenſchaft ſo auffallend wirkt, daß man ſich ih - rer auch zur Verbeſſerung und Veraͤdlung der Zucht der Hausthiere, beſonders der Pferde und Schaafe, mit ſehr großem Nutzen bedient.

§. 38. Thieren durch Kraͤnklichkeit angeerbte Eigenſchaften.

Die durch Kraͤnklichkeit angeerbte Verfaſſung ſcheint zwar beym erſten Anblick mehr zur Patholo - gie, als zur Naturgeſchichte zu gehoͤren. Erwaͤgt man aber die Sache ſorgfaͤltiger, ſo wird man leicht einſehen, daß ſie aus mehr als einem Grunde auch zu dieſen jetzt abgehandelten Urſachen der Verar - tung koͤnne gerechnet werden.

Denn erſtens ſcheinen gewiſſe aͤußere Beſchaffen - heiten der Thiere, wiewohl man ſie nach den gemei - nen Begriffen gar einem wirklich kranken Zuſtande nicht zuzuſchreiben pflegt, doch zunaͤchſt von ihm herzukommen, indem ſie mehrentheils widernatuͤrlichF 2mit84mit einer geſunden Wirkſamkeit verknuͤpft ſind. Hie - her ziehe ich z. B. eine beſondere Weiße gewiſſer Thie - re, welche ſchon der weiſe Verulam die Krankheits - farbe genennt hat20) The colour of defect. . Wenigſtens lernt man an dem ungariſchen Ochſen, deſſen Fell bloß durch die Verſchneidung ſo weiß wird, daß man nicht ſelten eine fehlerhafte Konſtitution, und Mangel in der Oekonomie des Koͤrpers als Urſache davon anzuſehen habe; andererſeits aber erhellt aus den Beyſpielen der Angoriſchen Katzen und Hunde, welche nach ei - ner ſehr gemeinen Bemerkung faſt alle ſehr ſchwer hoͤren, daß auf ein ſolches beſonderes Weiß auch Symptome von Krankheiten folgen.

Dann aber ſcheinen auch einige wirkliche Krank - heiten, wenn die Natur der Thiere lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich gleichſam an ſie ge - woͤhnt hat, nach und nach gelinder und ihnen ſelbſt minder beſchwerlich zu werden, ſo daß man ſie endlich kaum mehr fuͤr Krankheit zu halten pflegt. Ein Beyſpiel davon liefert jene Art von fehlerhaftem Weiß, welches in Verbindung mit dem Mangel des, das innere Auge der Thiere mit war - men Blute uͤberziehenden ſchwarzen, Pigments, unter der Benennung der Levkaͤthiopie (weiße Negerart) bekannt iſt. Wenn ein oder anderer Foͤtus damit behaftet iſt, (denn dieſe Beſchaffenheit iſt immer angeboren) zeigt ſie ſich offenbar als eine Art Ca - chexie, welche faſt an Ausſatz grenzt; Bey andern hingegen, wo ſie gleichſam durch Erbſchaft von vielen Zeugungen her angeſtammt, iſt ſie zur andern Na -tur85tur geworden, wie z. B. in der weißen Varietaͤt der Kaninchen auch nicht die Spur von einer vormaligen krankhaften Beſchaffenheit zuruͤckgeblieben iſt (welche doch die Analogie mit andern anomaliſch weißen Thieren mit rothen Augenſternen offenbar beweißt): ſo, daß Zoologen das Frettchen auch fuͤr eine beſon - dere Gattung des Wieſelgeſchlechts gehalten haben, von welchem ich jedoch ſchon oben erinnert habe (§. 23.) daß man es, wo mich nicht alles truͤgt, fuͤr eine bloße Abartung von dem Iltis, und zwar lev - kaͤthiopiſch kranken Urſprungs zu halten habe.

§. 39. Problematiſche Frage: ob auch Verſtuͤmmelungen, oder andere Kuͤnſteleien, zu angebornen Verſchiedenheiten un - ter den Thieren Gelegenheit geben koͤnnen?

Man hat ſich geſtritten, ob auch Verunſtaltun - gen oder Verſtuͤmmelungen, welche Zufall oder Ab - ſicht an den Thieren hervorgebracht, hauptſaͤchlich wenn ſie durch lange Reihen von Zeugungen wieder - holt werden, mit der Zeit gleichſam zur andern Na - tur werden koͤnnten, ſo daß nun, was vorher Wir - kung der Kunſt geweſen, zu einer an den Geburten ſich fortpflanzenden Bildung anarte. Von einigen iſt es behauptet21)Schon vom Hippokrates und Ariſtoteles. Noch neuerdings von Herrn Kluͤgel. S. Th. 1. der Ency - klop. S. 541. der 2ten Ausgabe., von andern gegentheils ver - worfen worden22)Z. B. von Kant in der Berliner Monats - ſchrift 1785. Th. 4. S. 400..

Die86

Die welche es behaupten, fuͤhren die Beyſpiele junger Thiere verſchiedenen Geſchlechts an, von Hunden, z. B. Katzen, u. a. welche, indem ſie mit verſtuͤmmeltem Schwanz oder Ohren geboren wurden, wenn dieſe Theile ihren Aeltern vorher ver - ſtuͤmmelt worden, keine unguͤltigen Zeugen ſind: ferner, daß bey Voͤlkern, welche ihre Knaͤbchen be - ſchneiden, unterweilen einige mit kurzer Vorhaut gleichſam beſchnitten (apellae) geboren werden23)Vergl. Voigts Magaz. Th. 4. Abſch. 1. S. 22. fg. u. Abſch. 4. S. 40. fg., oder daß Kindern Zeichen von Narben, welche bey den Aeltern aus einer Wunde entſtanden waren, nachher angeboren worden. Ja Buͤffon leitete ſogar aus einer aͤhnlichen Quelle gewiſſe beſondere Merk - zeichen einiger Thiere her, als die Schwielen auf Bruſt und Schenkeln der Kameele, oder die kahle ſchieferfarbige Stirn der Saatkraͤhe (Corvus fru - gilegus).

Die dies nicht annehmen wollen, werden dieſe Meinung Buͤffons aus dem Grunde, weil er den zu erweiſenden Satz ſchon als Beweißgrund annimmt (petitio principii), nicht ganz mit Unrecht verwer - fen, die uͤbrigen genannten Beyſpiele aber vielmehr einem ungefaͤhren Zufall beymeſſen zu muͤſſen glauben.

Bis jetzo nun trete ich zwar weder durch Beja - hen noch Verneinen einer von dieſen beyden Meinun - gen bey, ich werde aber willig den Kalkul der Ver - neinenden unterzeichnen, wenn ſie zuvor Rechen - ſchaft abgelegt haben, warum ſolche Beſonderheiten der Bildung, ſie moͤgen nun urſpruͤnglich durchKunſt87Kunſt oder Zufall entſtanden ſeyn, auf keinen Fall auf die Nachkoͤmmlinge fortgepflanzt werden koͤnnen, da doch andere Geſchlechtszeichen, welche aus an - dern, bis jetzt noch unbekannten Urſachen, haupt - ſaͤchlich in der Phyſiognomie entſtehen, als Naſen, oder Lippen, oder Augenbraunen, u. a. m. in Fa - milien unterweilen mehrere oder wenigere Zeugungen hindurch, mit mehr oder weniger anhaltender Aehn - lichkeit, ſich eben ſo gut fortpflanzen, als Fehler an den Sinnorganen24)Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel liefert der beruͤhmte Hacquet in Voigts eten angefuͤhrtem Magazine, Th. 6. St. 4. S. 34. fg., z. B. Fehler in der Rede und Ausſprache, und anderes der Art mehr; falls ſie nicht etwa Luſt haben, auch dieſes alles ei - nem beſonderen Zufalle zuzuſchreiben*)Von glaubwuͤrdigen Perſonen iſt mir verſichert wor - den, daß die Pferde in England, ſeit das Stutzen der Schwaͤnze Mode geworden, oͤfters mit weniger Schwanzwirbelbeinen geboren wuͤrden. Wenn ſich dieſe und aͤhnliche Erfahrungen beſtaͤtigen; ſo wuͤßte ich in der That nicht, was auch mehr gegen die Evolutionshypotheſe und fuͤr den Bil - dungstrieb ſprechen koͤnnte. G. .

§. 40. Einige Verwahrungsregeln der Vorſichtigkeit bey Eroͤrte - rung der Urſachen der Verartung.

Viele von den bisher aufgefuͤhrten Urſachen der Verartung ſpringen ſo klar in die Augen und ſind ſo außer allen Zweifel geſetzt, daß man die meiſten oben aufgezaͤhlten Erſcheinungen der Verartung mit leich - ter Muͤhe, und unbezweifelt auf ſie, wie die Wir - kungen auf ihre Urſachen beziehen kann.

Von88

Von der andern Seite aber ſtoͤßt man auch hin - wiederum auf einen Punkt, wo man ſieht, daß mehrere dieſer Urſachen zwar zuſammenwirken, aber ſich gegenſeitig aufheben; man ſieht ſo verſchiedent - lich und vielfach, theils eine Geneigtheit, theils ein Widerſtreben der organiſchen Koͤrper zur Verartung; dann wieder eine verſchiedne Wirkung jener Urſachen auf dieſe Koͤrper, in wiefern ſie mittelbarer oder un - mittelbarer auf ſie wirken; und endlich die Verſchie - denheit dieſer Wirkungen, wodurch ſie einmal gleich - ſam in einer beharrlichen Beſtandheit lange Reihen von Zeugungen hindurch ſich unverſehrt erhalten, und dann weit veraͤnderlicher in einem kurzen Zeit - raum ſich wieder verwiſchen; daß man dieſer vielar - tigen und mannichfaltigen Beziehung halber bey Er - oͤrterung der Varietaͤten auch wieder die groͤßte Vor - ſichtigkeit noͤthig hat. Deshalb moͤchte ich wohl der Ungeuͤbteren halber beym Schluſſe dieſer Abhandlung, bevor wir zu den Menſchenvarietaͤten ſelbſt uͤberge - hen, wenigſtens einige Hauptvorſichtigkeitsregeln, die bey gegenwaͤrtiger Unterſuchung ſehr in Erwaͤ - gung gezogen werden muͤſſen, als Corollarien bey - fuͤgen.

1) Je mehrere Urſachen der Verartung ver - eint zuſammen kommen, und je laͤnger ſie auf eine und dieſelbe Thiergattung wirken, um deſto offenbarer wird dieſe von ihrer Originalbildung abweichen koͤnnen.

In dieſer Hinſicht kann man alſo kein Thier mit dem Menſchen vergleichen, dem Allverzehrer, der unter jedem Himmelsſtriche lebt, und vor allen an -dern89dern den Namen eines Hausthiers verdient, was er ſeit dem erſten Beginne ſeines Geſchlechtes war; auf welchen alſo des Klima, der Nahrung und Le - bensart, vereinte Kraft am laͤngſten wirken mußte.

2) Im Gegentheile aber kann auch eine ſonſt hinlaͤnglich wirkſame Urſache der Verartung ver - aͤndert, ja geſchwaͤcht werden, durch Hinzukunft anderer Bedingungen, beſonders wenn ſie jener, als entgegnende zuwiderwirken.

Hier bemerkt man z. B. in verſchiedenen Stri - chen unſers Erdwaſſerballs, auch wenn ſie unter demſelben Grade geographiſcher Breite liegen, doch unterweilen die verſchiedenſte Temperatur der Luft, und eine eben ſo verſchiedene und mithin faſt entge - gengeſetzte Wirkung derſelben auf die Beſchaffenheit der Thiere, denn dieſe ſind nach der hoͤhern oder niedrigern Lage, der Nachbarſchaft von Meer, Fluͤſ - ſen, Bergen oder Waͤldern, dem Unterſchied des neblichten oder reinen Himmels, oder der beſondern Beſchaffenheit des Bodens, und andern Umſtaͤnden der Art mehr, verſchieden.

3) Und ſo muß denn eine beſondere Erſchei - nung von Verartung nicht ſowohl auf einen un - mittelbaren, als einen mittelbaren, entfernteren, auf den erſten Anblick verborgenen Einfluß einer gewiſſen Urſache bezogen werden.

Hier muß man z. B. die dunklere Farbe von Voͤlkern nicht bloß von der geraden Wirkung der Sonne auf die Haut, ſondern auch von einer ent -fern -90fernteren, als ihrer beſondern Macht auf das Ge - ſchaͤft der Leber herleiten.

4) Veraͤnderungen, welche aus einem mit - telbaren Einfluß ſolcher Urſachen entſtanden ſind, ſcheinen hernach deſto tiefer Wurzel zu faſſen, und auch deſto beſtaͤndiger auf die folgenden Ge - nerationen fortgepflanzt zu werden.

Hier z. B. muß man, wo ich nicht irre, den Grund aufſuchen, warum die unter der heißen Zone roͤthlich gewordene Hautfarbe (§. 35.) auch unter anderm Himmelsſtriche fortdauernder iſt, als die weiße Farbe der Nordlaͤnder, wenn ſie gegen Suͤ - den kommen.

5) Und endlich koͤnnen die mittelbaren Ein - wirkungen ſolcher Urſachen ſo verſteckt und ver - borgen liegen, daß auch die Muthmaßung, ſie noch nicht heraus zu bringen, und man die bisher raͤthſelhaften Erſcheinungen von Verartung, auf ſie als auf ihre Quellen zuruͤckzufuͤhren, nicht im Stande geweſen iſt.

So z. B. muß man zweifelsohne ſolchen mittel - baren, und großentheils uns unbekannten Urſachen die bleibenden und Nationalformen der Hirnſchaͤdel, die Nationalfarben der Augen, u. a. m. zuſchreiben.

Drit -91

Dritter Abſchnitt. Von den Urſachen und Arten, wodurch und wie die Gattung des Menſchengeſchlechts degenerirte.

§. 41. Verhandlungsweiſe.

So wollen wir denn nun, was bisher von den Arten und Urſachen der Verartung der Thiere im Allgemeinen erklaͤrt worden, auf die durch Geburt fortpflanzenden Varietaͤten des Menſchengeſchlechts anwenden, wo wir die Arten der Verartung einzeln aufzaͤhlen, und was bey jeder von den Urſachen, welchen ſie zugeſchrieben werden koͤnnen, bekannt iſt, beyfuͤgen wollen. Den Anfang wollen wir mit der Hautfarbe machen, denn wenn gleich kein ganz irr - thumsfreyes, iſt ſie doch vor allen uͤbrigen ein ſehr beſtaͤndiges und forterbendes Merkzeichen1)S. Kant in der Berliner Monatſchrift 1785. St. 6. S. 391. und im teutſchen Merkur 1788. St. 1. S. 48., wel - ches auch bey Baſtarderzeugungen entſtanden, aus einer Verbindung von Varietaͤten verſchiedener Far - be (§. 37.) am offenbarſten in ſeiner Vermiſchung von der Tinktur beyder Aeltern ſich zeigt; und hatdann92dann auch viel Zuſammentreffendes mit der Farbe der Haare und des Augenſternes, und Bezug auf das Temperament der Menſchen; und ſpringt dem - nach im Allgemeinen auch allen Ungelehrten am mei - ſten in die Augen.

§. 42. Sitz der Hauptfarbe.

Das Schleimnetz, insgemein Zellgewebe ge - nannt, von deſſen ſehr hohen Wichtigkeit in der Oe - konomie des menſchlichen Koͤrpers wir oben (§. 17.) geredet haben, dient nicht bloß der ganzen Maſchine gleichſam zum Fundament, in wiefern es den uͤbri - gen, nur nicht allen, aͤhnlichen Theilen bis zum Mark der Knochen eingewebt iſt, ſondern iſt auch auf der aͤußern Oberflaͤche des Koͤrpers in Verbin - dung gebracht mit der weißen und zaͤhen allgemeinen Bedeckung, der eigentlichen Haut naͤmlich, welche den uͤbrigen Koͤrper umfaßt und einſchließt, und welche außer andern, beſonders von einem großen Apparate von Hautnerven und lymphatiſchen Venen, endlich aber auch von ſehr engverbundenen und feinen Netzen blutfuͤhrender Gefaͤße angeſchwellt iſt.

Jene, die Nerven naͤmlich, ertheilen der Haut Empfindung, damit ſie das Gefuͤhlsorgan, und gleichſam Waͤchter des ganzen Koͤrpers ſey.

Die andern, die lymphatiſchen Venen naͤmlich, machen wiederum die Haut zum Werkzeug des Aus - duͤnſtens und Einſaugens.

Dieſe aber, ich meine die blutfuͤhrenden Ge - faͤße, gehoͤren zunaͤchſt zu gegenwaͤrtiger Streitfrage,indem93indem die allgemeinen Bedeckungen des Koͤrpers, nebſt der Lunge und dem Darmkanale einen großen Reinigungs - und chemiſchen Verarbeitungsplatz fuͤr die menſchliche Maſchine durch ſie errichten, welcher, wie ſich bald ergeben wird, bey Feſtſetzung der Hautfarbe ſehr großen Antheil hat.

Das Fell iſt mit einem ſehr zarten Schleime uͤberzogen, welchen man nach der irrigen Beſchrei - bung des Erfinders das Malpighiſche Netz nennt. Es macht dieſes gleichſam ein leimigtes Band aus, wodurch die aͤußerſte Lage der Bedeckungen, das die Oberflaͤche des Koͤrpers uͤberziehende und zu oberſt bedeckende, halb durchſichtige, und bey dem gebor - nen Menſchen zunaͤchſt der atmoſphaͤriſchen Luft ausgeſetzte Fellhaͤutchen naͤmlich, endlich mit der Haut zuſammenhaͤngt.

Netz und Fellhaut ſind durch ihren ganz einfa - chen von Nerven und Gefaͤßen voͤllig entbloͤßten Bau, von der Natur des Felles ſehr weit unter - ſchieden, kommen aber in mehr als einem Stuͤcke mit einander uͤberein, ſo daß eine Verwandſchaft dieſer gleichartigen Theile, ja gewiſſermaaßen das Entſpringen der aͤußerſten Haut aus dieſem unterge - legten Netze, ſehr wahrſcheinlich ſcheint.

Dieſe beyden verwandten Unterlagen beſtimmen inſofern den Sitz der Farbe der Bedeckungen, daß ſie bey den weißen Menſchen, wo ſie kein Pigment haben, die natuͤrliche roͤthliche Weiße des Fells durch - ſchimmern laſſen; da bey den Oliven - oder anders - farbigen hingegen das Hauptpigment der Haut auf dem malpighiſchen Netze haftet, und das, obſchon blaͤſſere Fellhaͤutchen offenbar an dem Farbenanſtrichdeſſel -94deſſelben Theil nimmt; und daß, je ſchwaͤrzer das Netz, es auch um deſto dicker und der Gattung Mem - brau, davon es eine Art iſt, aͤhnlicher, je durchſichtiger hingegen es iſt, um deſto zarter wird, und nur die Beſchaffenheit eines fluͤßigen Schleimes bekoͤmmt.

§. 43. Die Nationalverſchiedenheiten der Farbe.

Wiewohl zwiſchen dem reinen Weiß der Euro - ropaͤerin, und dem hoͤchſten Schwarz der ſenegambi - ſchen Negerin die Hautfarbe der Menſchen in zah - lenloſe Nuͤancen2)Was bey dem Studium der Naturgeſchichte uͤber - all ungeheure Schwierigkeiten erzeugt, der unbeſtimm - te und willkuͤhrliche Sinn naͤmlich, in welchem die mehreſten Schriftſteller die Namen der Farben brau - chen; das iſt gewiß bey gegenwaͤrtiger anthropologi - ſcher Unterſuchung beſonders beſchwerlich. Damit man mich nun nicht deſſelben Fehlers beſchuldige, muß ich anmerken, daß ich zwar alle die Benennungen, wel - che ich jeder von den fuͤnf unterſchiedenen Hauptfar - ben gab, keineswegs fuͤr reine Synonimen halte, als die engliſchen Ausdruͤcke yellow und Olive tinge, u. a. m. ſondern daß ich bloß habe andeuten wollen, daß dieſe Ausdruͤcke von verſchiedenen, und zwar klaſſiſchen Schriftſtellern gebraucht worden, die Na - tionalfarbe eines und deſſelben Volkes zu bezeichnen. zu ſpielen ſcheint: und keine von dieſen weder allen Menſchen eines und deſſelben Vol - kes gemein, noch irgend einem Volke ſo eigen iſt, daß man ſie nicht auch bisweilen bey andern, uͤbri - gens von dieſen ſehr verſchiedenen, antreffen ſollte; ſo ſcheinen doch im Allgemeinen alle Nationalver - ſchiedenheiten der Farbe ſehr bequem auf folgende fuͤnf Hauptklaſſen zuruͤckgefuͤhrt werden zu koͤnnen.

1) Die95

1) Die weiße Farbe, wie bey den meiſten euro - paͤiſchen Voͤlkern. Dieſe Varietaͤt hat die Roͤthe der Wangen faſt eigenthuͤmlich, welche man an den uͤbrigen wenigſtens ſeltner bemerkt.

2) Die Gelbe (engliſch yellow, olive tinge) welche gleichſam das Mittel haͤlt zwiſchen der Farbe vom Waizen und gekochten Quitten, oder getrockne - ten Citronenſchaalen; bey den mongoliſchen Voͤlkern gewoͤhnlich.

3) Kupferartige (engl. copper-colour, franz. bronzé) oder dunkel Goldgelbe, und faſt roſtfarbige, dem Zimmet oder Lohfarbe nicht unaͤhnlich; den Amerikanern faſt eigenthuͤmlich.

4) Die Braune (badius, engl. tawny, franz. baſané) oder Mittelfarbe zwiſchen neuem Mahago - nyholze: und den Gewuͤrznaͤgelein oder Kaſtanien; der malayiſchen Raſſe, und den Suͤdſeeinſulanern gemein.

5) Endlich die ſchwarze (engl. tawny-black) welche bey gewiſſen aͤthiopiſchen Voͤlkerſchaften pech - ſchwarz (engl. iet-black) iſt: doch iſt dieſe Ruß - ſchwaͤrze keinesweges den Aethiopiern eigenthuͤmlich, ſondern man trift ſie auch an andern ſehr verſchiede - nen, und von einander weitentfernten Varietaͤten des menſchlichen Geſchlechts, in Miſchung mit der Hauptfarbe der Haut an, wie bey den Braſiliern, Californiern3)Von den Braſiliern vergl. z. B. G. Forſters Anmer - kungen zu Wilſons Nachrichten von den Pelew - Inſeln S. 36. Von den Kaliforniern Begert, Nachrichten von Kalifornien S. 89., Indiern und Suͤdſeeinſulanern, wo die Neukaledonier z. B. einen in dieſer Hinſicht un -merkli -96merklichen Uibergang von der hellbraunen Farbe der Otaheiter durch die kaſtanienbraune der Bewohner der Inſel Tongatabu zu der ſchwarzen der Neuhol - laͤnder machen.

§. 44. Urſachen dieſer[Verſchiedenheit].

Der Sitz der Hautfarbe iſt zu unſern Zeiten au - ßer allen Zweifel geſetzt. Die Eintheilung und Ver - theilung in Klaſſen, obſchon ſie willkuͤhrlich iſt, ſcheint doch ziemlich plan und deutlich. Allein nun die Ur - ſachen dieſer Verſchiedenheit aufzuſuchen dies iſt das Schwierige bey der Sache. Und zwar beſonders haben die Schriftſteller mit der Erklaͤrung der Neger - farbe ſich gemartert, welche vor allen uͤbrigen Na - tionalfarben ſchon in den aͤlteſten Zeiten den Euro - paͤern auffallen, und die Koͤpfe zu Unterſuchungen reizen mußte. Kein Wunder denn, daß zu dieſem Behuf mancherley Hypotheſen erdacht wurden, wel - che ich aber als hinlaͤnglich bekannt4)Dem Klima z. B. ſchreiben das Meiſte zu Buͤffon hiſtoir. natur. Th. 3. S. 526. Zimmermann geogr. Geſchichte des Menſchen u. ſ. w. Th. 1. S. 77. Der Abt Nauton im Journal de Phyſique Th. 18. 1781. Der Galle Peter Barrere in einer Diſſ. sur la cauſe phyſique de la couleur des negres. 1741. 12.Dem Blute außer ſo viel andern beſonders Th. Towns in den philoſophical Transactions Th. 10. S. 398. welcher im Gegentheile an der Wirkſamkeit der Sonne bey dem Faͤrben der Haut der Neger zweifelte.Den Kuͤgelchen im Blute, welche an der Haut anſchießen, der Verf. der mehr als einmal z. B. von des Moles im Jahr 1742. von Mounier 1775. ver - theidigten Pariſer mediziniſchen Unterſuchung.Einem und ſchon vonandern97andern zuſammen aufgeſtellt5)So hat z. B. die Meinungen der Alten daruͤber ge - ſammelt B. S. Albin de ſede et cauſa coloris aethio - pum u. ſ. w. Leiden 1737. 4. Unter den Neuern ſ. Haller elementa phyſiolog. Th. 5. S. 20. Eine Menge Schriftſteller citirt Krunitz im Hamburgiſchen Magazin, Th. 19. S. 379., unberuͤhrt laſſe. Ich werde bloß jene Meinung aufſtellen, welche, wenn ich nicht irre, der Natur und Wahrheit am naͤchſten zu kommen ſcheint.

Ich glaube dann, daß man die naͤchſte Urſache der verbrannten oder ſchwarzen aͤußeren Hautbedek - kungen, in einem Uibermaaße von Kohlenſtoff (car - bonaceum elementum) im menſchlichen Koͤrper ſu - chen muͤſſe, welcher mit dem Hydrogen durch das Fell ausgeſondert, durch den Zutritt eines atmoſphaͤ - riſchen Oxygens aber praͤcipitirt, und an dem mal - pighiſchen Schleime angeſetzt wird x).

Es iſt allgemein bekannt, daß ſelbſt den Negern ihre Nationalfarbe nicht angeboren wird, ſonderndaß4)Einem Eiſenuͤberfluſſe im Negerblute, welcher durch die Tranſpiration der Phosphorſaͤure auf dem Schleim - netze praͤcipitirt werde, Kant in Engels Philoſo - phen fuͤr die Welt, Th. 2. S. 151. Jene, ich weiß nicht welche Miſchung des Nerven - ſafts und eines gewiſſen in den Spitzen der Bedek - kungsnerven und Arterien verborgenen Liquidums, die ſich zur Erklaͤrung der Negerſchwaͤrze der in Traͤu - men große Phyſiolog le Cat in Traité de la couleur de la peau humaine, Amſterdam 1765. 8. erfand, uͤber - gebe ich. Oder der Eingebornen von Nubien verlaͤngerte Fi - bern, ihr rothes aufgeloͤßtes Blut, ausduͤnſtendes Fließwaſſer, die feſten in der Haut zuruͤckbleibenden Salz -, Oel - und Fetttheilchen des Bluts, durch welche Liſte Artumonelli die Negerſchwaͤrze zu erklaͤren ſich bemuͤht in elementi di fiſiologia medica, Neapel 1787. Th. 1. S. 140.Berſch. des M. G98daß ſie dieſelbe nach der Geburt, wenn das Band, welches die Frucht mit der Mutter zuſammengehal - ten hatte, getrennt iſt, durch Hinzukunft der aͤu - ßern Luft erhalten.

Ferner ſcheint zum Abſondern und Anſetzen des Kohlenſtoffes die Wirkung der blutfuͤhrenden Gefaͤße des Fells (§. 42.) erforderlich.

Denn wird dieſe geſtoͤrt, oder hoͤrt ſie gar auf, ſo bekommen auch die Schwarzen und Neger zuweilen eine widernatuͤrliche fehlerhafte Weiße der Haut.

Dagegen hat man die Erfahrung gemacht, daß auf der weißen Haut, wenn jene Wirkung der Fell - gefaͤße hervorgebracht worden, Sommerſproſſen und Flecken von ſchwarzer Farbe entſtanden ſind, ja daß ſie faſt eine Negerſchwaͤrze angenommen hat.

Jener Kohlenſtoff ſcheint nun im Allgemeinen bey Schwarzgalligten am haͤufigſten zu ſeyn; denn zwiſchen der Verrichtung der Galle und der allge - meinen Bedeckungen (wozu auch die Haare gehoͤ - ren) iſt eine offenbare Uibereinſtimmung; indem beyde Organe, Leber naͤmlich und Haut, zu den hauptſaͤchlichſten und wechſelſeitig zuſammenſtimmen - den Reinigungsoͤrtern der Blutmaſſe gehoͤren.

Dann aber iſt die Einwirkung der Klimate auf das Geſchaͤft der Leber uͤberaus ſtark, welches durch die heftigere Sonnenhitze zwiſchen den Wende - zirkeln außerordentlich aufgeregt und verſtaͤrkt wird. Deshalb giebt es zwiſchen den Wendekreiſen mannich - faltige und endemiſche Gallenkrankheiten. Deshalb ferner iſt das Temperament der meiſten zwiſchen den Wendekreiſen eingebornen Voͤlker choleriſch und zum Zorn geneigt. Deshalb iſt auch, wie die Aerztevor -99vorlaͤngſt beobachtet haben6)S. v. Haen praelectiones in Boerhavii inſtitut. patho - logicas. Th. 2. S 155., die Beſchaffenheit und der Habitus derer in Indien lebenden Europaͤer, und hauptſaͤchlich ihrer daſelbſt gebornen Kinder gallicht.

Kein ander Klima kann in Heftigkeit und An - halten der Hitze, und den ganz beſondern hievon ab - haͤngigen chemiſchen Eigenſchaften der Atmoſphaͤre, z. B. ſpezifiſchen Winden, Regen u. a. m. mit jenem heißen und brennenden Himmel verglichen werden, welcher uͤber den naſſen und ſumpfigten Gegenden des oͤſtlichen und weſtlichen Afrika unter der heißen Zone haͤngt.

Die eingebornen Aethiopier ſind am laͤngſten, und ſchon durch eine lange Reihe von Generatio - nen hindurch, der Wirkung jenes Klima’s ausgeſetzt geweſen, indem ſie zweifelsohne unter die aͤlteſten Voͤlker der Erde zu zaͤhlen ſind7)Fuͤr wen dieſe Unterſuchung Intereſſe hat, der ſehe die Werte dreyer großer Gelehrten: Jac. Bryant neur syſtem of ancient mytholog. Th. 1. Jac. Bruce Reiſen zur Entdeckung der Quellen des Nils. Th. 1. Und Wilh. Jones Diſſert. in den Aſiatic Reſear - ches. Th. 2. und 3.. Deshalb iſt es denn auch kein Wunder, wenn ſie dieſelbe Beſchaf - fenheit, welche ſeit ihrem entfernten Urſprunge in ihren Voraͤltern ſo tiefe und feſte Wurzeln geſchlagen, auch unter fremden Himmelsſtrichen auf die naͤchſten Zeugungen unveraͤndert fortpflanzen. Andererſeits aber ſcheint auch aus eben dieſer bleibenden Anhaͤng - lichkeit des aͤthiopiſchen Habitus um ſo deutlicher zuG 2erhel -100erhellen, daß er nur in langen Reihen von Zeugun - gen habe anarten koͤnnen, und daß es alſo zu den widernatuͤrlichen Wundern gehoͤren wuͤrde, wenn die Erzaͤhlung, welche wir hin und wieder leſen, wahr waͤre, daß die heutigen Enkel im 15ten Jahrhundert nach Guinea gezogner, portugiſiſcher Koloniſten in ei - nem ſo kurzen Zwiſchenraume von wenigen Jahrhun - derten bloß durch die Macht des Klima8)Daß man an dem Gambiafluß Schwarze findet, de - ren Voraͤltern Portugieſen waren, iſt allgemein be - kannt. Daß aber der Grund ihrer Schwaͤrze in einer Verbindung der Vaͤter mit eingebornen Negerinnen zu ſuchen ſey, wird auch dadurch ſehr wahrſcheinlich, weil bekanntlich Europaͤerinnen, welche unmit - telbar aus ihrem Vaterland nach Guinea gebracht worden, nur ſehr ſelten dort dauern konnten, indem die Macht des Klima ſie zu ſtarken monatlichen Rei - nigungen ausſetzte, welche, wiewohl nicht immer, in kurzer Zeit in toͤdliche Mutterblutfluͤſſe auszuarten pflegen. jenen aͤthiopiſchen Habitus ſchon angenommen haͤtten.

§. 45. Fernere Erlaͤuterung der Urſachen von der Hautfarbe.

Was wir eben von den Urſachen der Hautfarbe als Reſultat und in einzelnen Saͤtzen aufgeſtellt ha - ben, wird bey einem genaueren Forſchen durch viel - fache aber richtig mit einander uͤbereinkommende und aus Beobachtungen uͤber die Natur des Menſchen ſelbſt hergenommene Beweiſe, ungemein beſtaͤtigt.

Daß der Kohlenſtoff zu den Grundſtoffen (radi - calia elementa) des thieriſchen Koͤrpers gehoͤre, und auch der Grund einer dunklern Farbe, gleich viel obeiner101einer gelben, braunen oder ſchwarzen ſey, hat die antiphlogiſtiſche Chemie der Franzoſen gelehrt9)S. Hrn. Girtanners Anfangsgruͤnde der an - tiphlogiſtiſchen Chemie. S. 202. A a).

Der Beſchwerlichkeit und Gefahr aber, welche ein Zuruͤcktreten dieſer Materie der thieriſchen Oeko - nomie bringen koͤnnte, iſt durch mancherley Ausſau - gungswerkzeuge vorgebeugt, worunter Leber und Haut nicht die unterſte Stelle behaupten.

Das Zuſammenſtimmen der Werkſtaͤtte der Galle mit den gemeinſchaftlichen Bedeckungen, erlaͤutert, außer den ſchon erwaͤhnten Erſcheinungen, auch die Pathologie, welche, wie oft ſo auch hier, die Phyſiolo - gie belehrt. Denn wiewohl ich die Analogie zwiſchen der Gelbſucht und der Nationaltinktur der Farbe nicht zu weit treiben moͤchte, ſo ſtoͤßt man doch auf man - cherley beſondere, Aufmerkſamkeit verdienende Er - ſcheinungen, welche die Gelbſuͤchtigen und die gefaͤrb - ten Voͤlker gemeinſchaftlich haben, wohin ich z. B. die in den Augen gelbgetuͤnchte weißliche Haut (albugi - neam) rechne, welche die ſchwarzen Voͤlker und na - mentlich die Indier10)An denen diſſeits des Ganges habe ich es ſelbſt be - obachtet. Von denen diſſeits des Ganges merkt es an: Laubere in Déſcription du Royaume de siam. Theil 1. Seite 81. Theil 3. Seite 151. Von den Nicoba - ren Nic. Fontana in Aſiatik Reſearches. Theil 3. S. 151. Von den Maynas, den Einwohnern vom ſuͤdlichen Amerika am obern Maragnon ſ. Xav. Veigl in v. Muers Journal zur Kunſtgeſchichte. Th. 16. S. 115. In ihren Augen iſt das, was bey uns weiß iſt, ein wenig gelb gefaͤrbt. , Amerikaner11)Von den Karaiben ſ. Rochefort Hiſtoire naturelle des Antilles. S. 383. und Aethio - pier12)Soͤmmering uͤb. die koͤrperl. Verſchied. des Negers vom Europaͤer. S. 11. gewoͤhnlich haben.

Und102

Und auch daß die Gelbſuͤchtigen ihre nach der Verſchiedenheit der Krankheit ſelbſt mehr oder minder gefaͤrbte, der farbigen Voͤlker ihrer ſehr aͤhnliche Haut, nach gehobener Krankheit nicht ſelten be - halten13)S. z. B. Stracks obſervationes de febribus inter - mittentibus Buch 3. Kap. 2. de ictero ex febre inter - mittente. Ich habe geſehen, ſagt er S. 194. daß die von einer Gelbſucht entſtandene Oliven - farbe, wie ſie die Aſiaten haben, in der Folge geblieben iſt. Einer wurde durch ein Fieber faſt ſo ſchwarz als ein Indianer. Ein anderer behielt eine ſchwarze Haut am ganzen Koͤrper, als wenn er von einem Indianer mit einer Europaͤerin erzeugt worden waͤre: und auf aͤhnliche Weiſe wa - ren die flache Hand und die Fußſohlen weiß. .

Aber auch davon hat man Beyſpiele, daß bey ſchwarzgallichten Krankheiten ſich unterweilen gleich - ſam durch eine kritiſche Verwandlung eine wahre Rußſchwaͤrze in der Haut feſtgeſetzt habe14)Vergl. z. B. Lorry de melancholia Th. 1. S. 273..

Aus der Verwandſchaft der Galle mit dem Fette15)S. Fourcroy philoſophie chimique. S 111. ergiebt ſich ferner ganz deutlich die an den ſchwarzen Voͤlkern beobachtete16)An den Mohren bemerkte ſie J. Fr. Meckel, ſ. Hi - ſtoire de l’Académie des ſciences de Berlin, Jahr 1753. S. 92. Und Soͤmmering a. a. O. S. 43. Wachstinktur deſ - ſelben.

Wenn ich nicht irre, muß bievon der Grund her - geleitet werden, warum die Voͤlker, welche haͤufig das Fette von Thieren eſſen, nicht nur nach dieſem Fette riechen, ſondern auch eine ſchwarze Hautfarbeanneh -103annehmen17)Die ſchwarze Haut der Groͤnlaͤnder z. B. ſchreibt Cranz in ſeiner Hiſtorie von Groͤnland Th. 1. S. 178. hauptſaͤchlich ihrer thranichten Speiſe zu. Sloane berichtet, daß die Haut der Europaͤer in Weſtindien von dem haͤufigen Genuß der gruͤnen Schildkroͤten (teſtudo mydas) gelblich werde. S. deſſen voyage to Jamaica, Th. 1. Einl. S. 18. und Th. 2. S. 331.; da hingegen die reinlicheren Ota - heiter, die gern eine blaſſe Hautfarbe haben wol - len, alljaͤhrlich einige Monate hindurch bloß von der Frucht des Brodbaums leben, welchem Nah - rungsmittel ſie eine große Wirkung auf das Bleichen der Haut zuſchreiben18)S. den Bericht des Wundarztes Anderſon in Cooks voyage to the northern hemiſphere Th. 2. S. 147.; obſchon ein Theil dieſer Wirkung daraus herzuleiten iſt, daß ſie zugleich dieſe Zeit uͤber zu Hauſe bleiben, und mit einer Men - ge Kleider angethan, ſich nicht oͤffentlich ſehen laſſen.

Wieviel ein ſolches Enthalten von freyer Luft und offnem Himmel dazu beytraͤgt, die Haut weiß zu erhalten, lehrt auch bey unſern Landsleuten die jaͤhrliche Erfahrung; im Fruͤhling haben die den Winter hindurch eingezogner lebenden Frauenzimmer eine glaͤnzendweiße Haut, welche aber bey denen, die fuͤr die Erhaltung dieſer Schoͤnheit weniger be - ſorgt ſind und ſich nachher der Sommerluft und Son - ne ausſetzen, vor Anfang des naͤchſten Herbſtes, jenen Fruͤhlingsreiz verliert, und allmaͤhlich braͤunt19)Aus der Menge von Zeugen, welche dieſe ſehr be - kannte Wirkung der Lebensart auch unter andern Erd - guͤrteln beobachtet haben, will ich nur einen anfuͤhren. Poi -.

Wenn104

Wenn nun ſchon verſchiedene Jahreszeiten unter einem und demſelben Himmelsſtriche die Farbe der Haut aͤndern, was Wunder, wenn Klimate, von ſo weſentlicher Verſchiedenheit als oben (§. 34.) ange - fuͤhrt worden iſt, eine ſehr große und dauernde Macht auf die Nationalfarbe haben; welche zuweilen ſchon innerhalb weniger Grade geographiſcher Breite20)Es wird genug ſeyn, von vielen Beyſpielen nur einige auszuheben: Es iſt bekannt, daß die Biskaye - rinnen glaͤnzend weiß, die Granaderinnen hingegen ſchwaͤrzlich ſind, daß ſogar Ol. Toree Reiſe nach Surate u. ſ. w. S. 9. beobachtet hat, daß man in dieſer ſuͤdlichern Provinz ſelbſt die Bilder der Maria von eben dieſer Nationalfarbe mahlt. Von den Malabaren wird ausdruͤcklich geſagt, daß ihre ſchwarze Farbe ſich immer mehr der braunen und gelben naͤhere, je weiter ſie nach Mitternacht wohnen; In den tranquebariſchen Miſſionsberich - ten 22ſte Fortſ. S. 896. Die Negern am noͤrdlichen Ufer des Senegal ſind braun, die am ſuͤdlichen ſchwarz. S. außer andern Barbot in Churchill’s Collection of voyages Th. 5. Seite 34., ja ſogar, bey dem Zuſammenfluſſe der oben genann -ten19)Poiret, welcher in voyage en Barbarie Th. 1. S. 31. von den Mohren ſpricht. Die Mohren ſind nicht von Natur ſchwarz, wie das Sprich - wort ſagt, und wie mehrere Schriftſteller glauben; ſondern ſie kommen weiß zur Welt, und bleiben Lebenslang weiß, wenn ihre Arbeiten ſie nicht der Sonnenhitze ausſetzen. In den Staͤdten ſind die Wei - ber ſo glaͤnzend weiß, daß ſie die meiſten unſerer Europaͤerinnen verdunkeln wuͤr - den; aber die mohriſchen Bergbewohner, welche unaufhoͤrlich von der Sonne gebra - ten werden und faſt immer halb nackt ge - hen muͤſſen, werden von Kindheit an ſo braun, daß ſie beynahe rußig ausſehen. 105ten Urſachen21)So bemerkt z. B. Marsden die Wirkung der See - luft auf die Hautfarbe in hiſtory of Sumatra S. 43. und Wallis in Hawkesworths Collection of voyages. Th. 1. S. 260. Der Waldluft, Hartſink Beſchryving van Guia - na. Th. 1. S. 9. Der Bergluft, Bouguer figure de la terre. Einl. Seite 101. Der Erdhoͤhenluft, de Pinto in Robertſons hiſtory of America. , auch unter einerley Breite22)S. hieruͤber die von Herrn Zimmermann bey Ge - legenheit des Problems, warum nicht auch auf dem unter dem Aequator gelegenen Striche von Amerika Mohren erzeugt werden, angeſtellte muͤhſame und gelehrte Unterſuchung, in der geographiſchen Geſchichte des Menſchen. Th. 1. S. 86. ſich an den Einwohnern offenbar verſchieden zeigt.

§. 46. Die Kreolen.

Eine vortrefliche Erlaͤuterung uͤber die Macht des Klima auf die Bereitung der Farbe geben die (ſelbſt von klaſſiſchen Schriftſtellern23)Z. B. von G. Hyde in den Anmerk. zu Abr. Peri - ſtol itineribus mundi, in Ugolinis theſauro antiqui - tatum ſacrarum. Th. 7. S. 141. hin und wieder faͤlſchlich mit den Mulatten verwechſelten) Kreolen24)Der Urſprung dieſer Benennung ſchreibt ſich von dem im 16ten Jahrhunderte nach Amerika gefuͤhrten Negerſklaven her, welche zu allererſt die von ihrer Nation daſelbſt gebornen Kinder Criollos und Criollas nannten; welchen Namen die Spanier nachher von ihnen entlehnten, und ihrer eigenen in der neuen Welt gebornen Nachkommenſchaft beylegten. S. Gar - cilaſſo del origen de los Incas. S. 255. Jetzo wird dieſes Wort in Weſtindien auch ſogar auf die Haus - thiere ausgedehnt, welche in Amerika nicht eingebo -ren,, oder diejenigen Menſchen, welche inOſt -106Oſt - und Weſtindien25)Von dieſen, den antilliſchen Creolen naͤmlich, leſe man die trefliche Abhandlung von Herrn Hofrath Gir - tanner uͤber die franzoͤſiſche Revolution. Th. 1. S. 60-72. der 2ten Ausgabe., welche von europaͤiſchen Aeltern geboren worden ſind). Dieſe haben eine ſo unverkennbare, gleichſam Suͤden athmende Ge - ſichtsbildung (vultus) und Farbe, auch beſonders der Haare und der brennenden Augen, daß man die weißeſten und ſchoͤnſten Weiber durch dieſe Eigenheit leicht von andern, und ſelbſt von ihren in Europa gebornen Blutsverwandten unterſcheiden kann26)Vergl. Hawkesworth’s Collection of voyages. Th. 3. S. 374. Wenn zwey geborne Englaͤnder in ihrem Vaterlande heyrathen, und dann in Weſtindien ſich niederlaſſen, ſo wer - den die vorher erzeugten Kinder jenen Habitus und jene Geſichtsbildung bekom - men, welche die Kreolen auszeichnen; kehren ſie aber zuruͤck, ſo werden die nach - her gebornen Kinder ſo etwas Charakte - riſtiſches nicht an ſich haben u. ſ. w.. Ja dies gilt nicht bloß von den Europaͤern, ſondern auch von Aſiaten, welche in Oſtindien von dahin gezognen perſiſchen oder mongoliſchen Aeltern gezeugt werden27)S. Hodges’s Travels in India. S. 3..

§. 47. Mulatten u. a.

Merkwuͤrdig iſt ferner die bleibende Mittelſchat - tirung der Hautfarbe, welche die Nachkommen von Aeltern verſchiedener Farbe, gleichſam als Miſchung von dieſen beyden an ſich haben. Denn wiewohluns24)ren, von den Europaͤern dahin verpflanzt worden ſind. S. Oldendorps Geſchichte der Miſſion auf den caraib. Inſeln. Th. 1. S. 232.107uns hin und wieder ſonderbare Beyſpiele von derglei - chen Baſtardkindern berichtet worden ſind, welche aus einer ſolchen Verbindung verſchiedener Raęen entſproſſen waren und (§. 37.) bloß die Farbe des Einen von den Aeltern hatten28)Vergl. z. B. Jac. Parſons in den philoſophical Transactions. Th. 55. S. 47.; ſo iſt jene ge - miſchte Schattirung im Allgemeinen doch ſo feſt und erblich, daß Jac. Bruce’s Erzaͤhlung von den Ne - gern in gewiſſen Gegenden des Koͤnigreichs Tigre, welche die ſchwarze Farbe unverſehrt erhielten, auch wenn einer von ihren Aeltern eine andere gehabt haͤtte; und von den Arabern, welche mit Negerin - nen weiße, bloß dem Vater aͤhnliche Kinder zeug - ten29)Reiſen nach den Quellen des Nils, Th. 3. S. 106. und Th. 4. S. 470. Vergl. zu dieſer Stelle Herrn Tychſens Anmerkungen, Th. 4. S. 357., verdaͤchtig ſcheint.

Da man aber ſolche Baſtardgeburten von Ael - tern verſchiedner Farbe, mit beſondern Namen be - geichnet, ſo duͤrfte es der Muͤhe werth ſeyn, dieſe hier in gedraͤngter Kuͤrze aufzuſtellen.

A) Aus der erſten Zeugung.

Von Europaͤern mit Negern werden Mulat - ten30)Einen Prozeß uͤber den Habitus und die Kennzei - chen der Mulatten ſ. in Kleins Annalen der Ge - ſetzgebung in den preuſſiſchen Staaten. Th. 7. S. 116. geboren.

Die Kinder von Europaͤern mit Indianern heiſ - ſen Meſtizen31)Die Abbildung eines eingaliſchen Meſtizen ſ. in de Bruin Reinen ever Moſcovis u. ſ. w. S. 358..

Eben108

Eben ſo32)Garcilaſſo a. a. O. Um anzuzeigen, daß ſie Miſchlinge zweyer Nationen ſind. B b) nennt man die von Europaͤern mit Amerikanern Erzeugten, auch Weſtindier33)Twiſſes Travels trough Portugal and Spain, S. 332. nach Blaͤttern von Malaga, die er geſehen., Me - tifen34)Labat voyage aux Isles de l Amérique, Theil 2. Seite 132. und Mamelucken35)v. Hauterive in Hiſtoire de l’Acad. des ſc. de Paris, J. 1724. S. 18..

Kinder von Negern mit Amerikanern heißen Zamben36)Gily, Storia Americana, Th. 4. S. 320., welche einige aber ebenfalls Mulat - ten nennen37)Garcilaſſo a. a. O., andere Loben38)Twiß a. a. O. und noch andere Kuriboken und Kabuglen39)Marcgrav, tractatus Braſiliae, S. 12..

Dieſe alle haben eine durch die Miſchung von beyden Aeltern entſtandene Mittelfarbe und Geſichts - bildung, und zwar mehr oder weniger ſchwaͤrzlich oder gelblich, ohne kaum einiges auf den Wangen ſichtbares Roth; die Haare der Mulatten ſind meh - rentheils kraus, bey den uͤbrigen ſchwach, und bey allen, faſt durchgaͤngig, ſchwarz; die Augentrau - benhaut aber ganz ſchwarz.

B) Aus der zwoten Zeugung.

Mulatten, welche ſich mit einander vermiſchen, zeugen Kasquen40)v. Hauterive a. a. O..

Die
31)Eines aus Ternate, aber minder treu darſtellend, in Valentyns oud en nieuw Ooſt-Indien, Th. 1. Ab - ſchnitt 2. S. 18.
31)109

Die Europaͤer mit den Mulatten Terceronen41)(Ed. Long) Hiſtory of Jamaica, Theil 2. Sei - te 260. welche einige aber Quarteronen42)Aublet, Hiſtoire des plantes de la Guiane, Th. 2. Anh. S. 122., andere Mo - riſcen43)Twiß., ja ſelbſt Meſtizen nennen44)S. Moreton’s manners and cuſtoms in the Weſt - India-Islands, S. 123.. In Geſichtsbildung und Haaren gleichen ſie den Euro - paͤern, die Haut hat einen ganz leichten ſchwaͤrzli - chen Teint, die Wangen aber eine ſchwache Roͤthe. Die Lippen und Schaamlefzen der Weiber ſind dun - kelroth, der Hodenſack der Maͤnner ſchwaͤrzlich.

Die Neger mit den Mulatten zeugen Griffen45)v. Hauterive a. a. O. ſonſt auch mulattiſche Zamben46)Hiſtory of Jamaica a. a. O. und Cabern genannt47)Bomare Dictionnaire d’hiſtoire naturelle, 4. Ausg. Th. 9. Art. Neger..

Die Europaͤer mit indianiſchen Meſtizen, Ka - ſtizen48)Tranquebariſche Miſſionsberichte. Fort - ſetz. 33. S. 919..

Die Kinder von Europaͤern und indianiſchen Meſtizen aber nennt man Quarteronen49)Gumilla, Orinoco illuſtrado, Th. 1. S. 83., oder Quatralven50)Garcilaſſo, a. a. O. Um anzuzeigen, daß ſie vierten Theils von den Indianern, und drittens von Spaniern ſind. C c). Die Spanier nennen ſie auch Kaſtizen51)Twiß..

Die110

Die Amerikaner bringen mit eben dieſen Meſti - zen die ſogenannten Tresalven52)Garcilaſſo. Umanzuzeigen, daß ſie drit - ter Seits von Indianern und einer von Spaniern ſind. D d) hervor.

Die Kinder von Amerikanern und Mulatten werden auch zuweilen Meſtizen genannt53)Hiſtory of Jamaica. .

So werden auch die Kinder erſter Zeugung von Europaͤern und Zamben oder Loben zuweilen wie - derum Mulatten genannt54)Fermiu ſur l’oecon. animale, Th. 1. S. 179..

Die von den Amerikanern und eben dieſen Zam - ben oder Loben heißen Zambaigen55)Garcilaſſo..

Die Nachkommenſchaft dieſer Zamben oder Lo - ben ſelbſt aber nannten die Spanier Verachtungs - weiſe Choles56)Twiß..

C) Aus der dritten Zeugung.

Die von Europaͤern und Terceronen Erzeugten nennen einige Quarteronen57)Hiſtory of Jamaica. Man nenne die Nachkom - menſchaft von einem ſolchen Quarteronen und Terce - ronen zwoter Zeugung Tente-enel-apre., andere Ochavo - nen58)Gumilla a. a. O. S. 86. oder Oktavonen, die Spanier auch Alvi - nos59)Twiß.. Sehr ſcharfſichtige Beobachter behaupten, daß man bey dieſen ſchon keine Spur ihres aͤthiopi - ſchen Urſprungs mehr vorfinde60)Z. B. Aublet..

Die111

Die Kinder von Mulatten und Terceronen nen - nen ſie Saltatros61)Hiſtory of Jamaica. .

Von Europaͤern und indianiſchen Kaſtizen Po - ſtizen62)Tranquebariſche Miſſionsberichte a. a. O..

Von Europaͤern und amerikaniſchen Quartero - nen zweyter Zeugung, Oktavonen63)Gumilla a. a. O. S. 83..

Von Quarteronen und amerikaniſchen Meſtizen erſterer Zeugung Coyoten64)Twiß..

Von den Griffen oder mulattiſchen Zamben mit Zamben erſterer Zeugung Giffern65)Hiſtory of Jamaica. .

Von den Zambaigen und Mulatten Cam - bujen66)Twiß..

Einige dehnen nun die Genealogie der Baſtarde bis zur vierten Zeugung aus, und ſagen, daß man die Kinder von Europaͤern und Quarteronen dritter Zeugung Quinteronen67)Hiſtory of Jamaica. , ſpaniſch Puchuelen68)Gumilla S. 86., nenne, welche Benennung aber ebenfalls den Kin - dern von Europaͤern und amerikaniſchen Oktavonen beygelegt wird69)Derſ. S. 83.; daß aber an dieſen Geburten ſelbſt die kleinſte Spur des gemiſchten Urſprungs noch fortdaure70)So berichtet der oft angefuͤhrte Twiß, daß man die Kinder von Coyoten dritter Zeugung und Ameri - kanern Harnizen; von Cambujen und Mulatten, Albaraſſados; und endlich von dieſen und Mu - latten erzeugte Barzinos nenne., ſcheint nach den Berichten derglaub -112glaubwuͤrdigſten Augenzeugen von den Menſchen dritter Zeugung, daß ſie naͤmlich im Betreff der Farbe und ihres Habitus den europaͤiſchen Urgroßaͤl - tern vollkommen aͤhnlich ſeyen, nicht einmal kaum glaublich.

§. 48. Schwarze Haut weiß gefleckt.

Dem was wir eben (§. 44.) uͤber die Wirkung der blutfuͤhrenden Gefaͤße des Fells zur Ausſonde - rung des Kohlenſtoffs, welcher nachher durch Zu - treten des Oxigens praͤcipitirt werden muß, geſagt haben, dem geben die Beyſpiele ſchwarzfarbiger Menſchen noch ein beſonderes Gewicht, beſonders derjenigen Negern, bey welchen ſich die Haut und zwar faſt immer, von der erſten zarteſten Kindheit an71)Ein Beyſpiel von einem Negerknaben, an welchem die Flecke erſt im vierten Jahre zum Vorſchein ge - kommen waren, und mit Verlauf der Zeit an Um - fang zugenommen hatten, erzaͤhlt W. Byrd, in Phi - loſophical Transactions, Th. 19. S. 781., durch weiße Flecke auszeichnet. (franz. Ne - gres-pies, engl. piebald-Negroes.).

Ich habe einen ſolchen Neger, Namens Joh. Richardſon, zu London geſehen, welcher bey T. Clarke diente, welcher (in Exeter-change-houſe) lebendige auslaͤndiſche Thiere ſehen laͤßt, und ver - kauft. Der junge Menſch war vollkommen ſchwarz bis an den Unterleib um die Oberbauch - und Nabel - gegend, und in der Mitte beyder Fuͤße, welche die Kniee mit den Gegenden des Oberſchenkels und der Tibia einnimmt, waren doch, wiewohl ſie durcheine113eine glaͤnzende, ich moͤchte ſagen, Schneeweiße ſichaus - zeichneten, wiederum mit einzelnen ſchwarzen Flecken, gleichſam pantherartig geſprenkelt. Sein Haar war ebenfalls zweyfarbig. Der mittlere Theil des Hin - terhaupts naͤmlich, welcher von dem Scheitel nach der Stirne in einen ſpitzigen Winkel zulaͤuft, war weiß, doch nicht ſo, wie die eben genannten Haut - ſtellen ſchneeweiß, ſondern fiel ein wenig mehr ins Gelblichte. Sonſt war er wie die uͤbrigen Haare, wie es bey den Negern gewoͤhnlich iſt, kraus: und die Probe der Haare, die ich von beyderley Farbe von ihm abkaufte, behaͤlt noch heute nach zwey Jahren unverſehrt ihre Krausheit. Ich habe eine Abbildung von dieſem Menſchen mitgebracht, und beſitze außer - dem noch drey andere von aͤhnlichen Negern, von einem Knaben und zwey Maͤdchen. Wenn ich dieſe vier mit einander vergleiche, da ſcheint mir dieß merkwuͤrdig, daß bey allen die Gegenden des Unter - leibes und der Unterſchenkel bey einigen groͤßere, bey andern kleinere weiße Flecken haben, Fuͤße und Haͤn - de aber, gerade die Theile, welche bey neugebornen Negern wirklich zu allererſt ſchwarz werden, voll - kommen ſchwarz ſind, die Vertheilung der weißen Gegenden aber im Allgemeinen ziemlich ſymmetriſch iſt. Das Zahnfleiſch, um auch dies nicht zu vergeſſen, war bey dem, welchen ich ſah, eben ſo wie die Zunge und der ganze Schlund, von einerley ſchoͤnem Roth.

Beyde Aeltern, ſowohl deſſen, den ich ſah, als auch der uͤbrigen gefleckten Neger72)Die Abbildung eines ſolchen Maͤdchens ſiehe bey Buͤffon, Nachtraͤge, Th. 4. Taf. 2. S. 565. Es iſt,wo, ſo viel ichderenBerſch. des M. H114deren von andern beſchrieben finde, ſind vollkommen ſchwarz geweſen, daß alſo Buͤffons Muthmaßung, der dieſe Geburten einer Verbindung der Neger mit weißen Negerinnen von krankhafter Beſchaffenheit der Haut und Augen, wovon hinten ausdruͤcklich wird ge - handelt werden, zuſchreibt, auf ſchlechtem Grunde ruht.

Auch muß man ſich im Allgemeinen ſehr vorſe - hen, um dieſe Flecke, von welchen hier geredet wird, nicht mit einander zu verwechſeln. Bey die - ſen bleibt das Fellhaͤutchen, und ſie unterſcheiden ſich von der uͤbrigen Haut bloß durch ein glaͤnzendes Weiß, dahingegen jene andern, womit die Bedeckungen zu - weilen behaftet ſind, nicht bloß an der verſchiednen Farbe, ſondern auch an einer verdorbnen, rauhen, gleichſam ſchuppichten Textur des Felles ſelbſt er - kannt werden. Dieſe Hautkrankheit haben die Schrift - ſteller, beſonders bey den Malabaren73)Tranquebariſche Miſſionsberichte. Fort - ſetzung 21. S. 741. heißt es: es ſey ein mit dem Ausſatz verwandtes Uibel. und tſchu - lymiſchen Tatarn74)v. Strahlenberg ſagt, Nord-Oſtlich Europa und Aſien, S. 166 es habe ſonſt eine einzige tata - riſche Horde der Art gegeben, welche Piegaja oder Pe -〈…〉〈…〉 raja Orda geheißen. J. G. beobachtet.

Allein
72)wo ich nicht irre, daſſelbe, das Gumilla beſchreibt, Orinoco illuſtrado, Th. 1. S. 109. Andere Beyſpiele von ſolchen Negern liefern z. B. La Mothe in der Bibliotheque impartiale, Monath April. 1752. D. Morgan in den Transactions of the philoſophical society at Philadelphia, Th. 2. S. 392.
72)115

Allein jene weißen und weichen Flecke, welche nur bey einer veraͤnderten Wirkung der kleinſten Fell - gefaͤßchen erfolgen, kommen nicht bloß bey den Ne - gern, ſondern auch zuweilen in unſern Gegenden vor; und ich ſelbſt habe Gelegenheit gehabt, zwey ſolche Beyſpiele an Teutſchen, an einem jungen und einem ſechzigjaͤhrigen Manne zu beobachten. Bey beyden war die ſchwaͤrzliche Haut hin und wie - der mit den weißeſten Flecken von verſchiedener Groͤße untermiſcht: keinem von beyden aber waren ſie angeboren, ſondern bey dieſem in der Kindheit, bey jenem hingegen im Mannesalter nach und nach und von freyen Stuͤcken entſtanden.

§. 49. Aehnliche beſondere Veraͤnderungen der Hautfarbe.

Dieſe eben angefuͤhrten Beyſpiele ſcheinen die Wirkung der kleinſten Fellgefaͤße auf die Bereitung der Hautfarbe zu beweiſen; es kommen aber hin und wieder auch andere hieher gehoͤrige Erſcheinungen vor, welche meine oben angefuͤhrte Vermuthung (§. 44. 45. ) beſtaͤtigen, daß jene Farbe den naͤchſten Grund in einem auf dem malpighiſchen Schleime an - geſetztem Uiberfluſſe von Kohlenſtoff habe.

H 2Hier -
74)J. G. Gmelin ſchreibt ſie einer Krankheit zu, Rei - ſe durch Sibirien, Vorr. Th. 2. Und zwar einem ſcorbutiſchen Uibel. J. Bell Tra - vels from st. Petersburg to diverſe parts of Aſia. Th. 1. S. 218.
74)116

Hierher rechne ich vor allen eine beſondere, an Europaͤerinnen nicht ſeltene Veraͤnderung der Haut75) Bey vielen Weibern wird der Unter - leib und die Ringe um die Bruͤſte, ſo oft ſie ſchwanger ſind ganz ſchwarz. Cam - per kleinere Schriften Theil 1. Abſchnitt 1. Seite 471. Neuerdings hat ſich eine gleiche Me - tamorphoſe in der Perſon einer Dame von Stande, von ſchoͤnem Teint und ſehr weißer Haut jaͤhrlich von neuem ge - zeigt. Von der Empfaͤngniß an begann ſie braun zu werden und gegen das En - de ihrer Schwangerſchaft wurde ſie eine wahre Negerin. Nach der Niederkunft ſchwand die ſchwarze Farbe allmaͤhlig, ihre erſte Weiße kam wieder, und ihre Frucht hatte keine ſchwarze Hautfarbe. S. Bomare a. a. O. Art. Neger. E e) Mehreres vergleiche hiemit aus Le Cat a. a. O. z. B. S. 141. Eine Baͤuerin aus der Ge -gend. Bey Frauenzimmern, welche ſonſt ſehr weiß waren, faͤrbten ſich waͤhrend der Schwanger - ſchaft mehrere oder wenigere Theile des Koͤrpers mit einer Kohlenſchwaͤrze: dieſe aber ſchwand allmaͤhlig nach der Entbindung, und die vorige friſche Farbe des Koͤrpers kam wieder. Eine Anwendung der neuern Chemie auf die Phyſiologie der Schwanger - ſchaft wird dieſes raͤthſelhafte Problem uns aufloͤſen. Bey der nicht ſchwangern Mutter naͤmlich ſondert ſich die uͤberfluͤßige Kohlenſtoffmaſſe des eignen Koͤr - pers durch eine maͤßige Ausduͤnſtung der Haut, be - quem aus, bey der ſchwangern hingegen kommt zu jener eignen Maſſe noch eine andere von dem Foͤtus hinzu, welche in dem Schafwaſſer (liquor amnii) enthalten iſt und noch nicht ausduͤnſtet. Das Blutder117der Mutter hat alſo jetzt einen zu großen Uiberfluß von Kohlenſtoff; denn dieſer iſt aus zwey Koͤrpern gleichſam in einen einzigen zuſammengefuͤhrt worden. Natuͤrlich kann ſich alſo die ganze Maſſe deſſelben nicht wie gewoͤhnlich durch Ausduͤnſtung abſondern, ſondern bleibt zum Theil praͤcipitirt auf dem mal - pighiſchen Schleime haͤngen, und faͤrbt die Haut, bis nach der Entbindung das ehemalige Gleichgewicht zwiſchen dem Kohlenſtoff des eignen Koͤrpers, und den Ausduͤnſtungsgefaͤßen der Haut wieder hergeſtellt iſt, und das Oberhaͤutchen, welches ſich mit ſeiner beſtaͤndigen Schleimunterlage nach und nach abnutzt, und wieder neu herſtellt, ſeine natuͤrliche Weiße wieder erlangt hat.

Dieſelbe Bewanduis ſcheint es auch, nach den noͤthigen Veraͤnderungen, mit ſo viel andern Bey - ſpielen von Europaͤern zu haben, an welchen einige Koͤpertheile widernatuͤrlich mit einer Rußſchwaͤrze gefaͤrbt waren. Es mag ebenfalls ein Zuſammen - fluß von Kohlenſtoff ſtatt gefunden haben. So hat man eine aͤhnliche Schwaͤrze an Weibern bemerkt, die niemals einen Monatsfluß gehabt hatten76)Vergl. z. B. Jac. Yonge in philoſ. Transact.. Bd. 26. S. 425.. Auch75) gend von Paris, die ſich als Amme naͤhrt, hat in der Regel bey jeder Schwanger - ſchaft einen ganz ſchwarzen Leib, und dieſe Farbe verliert ſich im Kindbett. Bey einer andern iſt in dieſen Umſtaͤn - den die rechte Huͤfte ſchwarz u. ſ. w. F f) Auch Lorr, de melancholia, Th. 1. S. 298. u. ſ. w.118Auch an andern Menſchen77)Ich habe ſelbſt unter meinem anatomiſchen Vorra - the ein Stuͤck von den Unterleibsbedeckungen eines vor einigen Jahren hier verſtorbenen Bettlers, wel - ches in Anſehung ſeiner Schwaͤrze der Negerhaut nicht nachſteht. Eine Menge ſolcher an Europaͤern beobachteter Bey - ſpiele ſtellen andere auf, ſ. z. B. Haller elementor. phyſiologiae, Th. 5. S. 18. Ludwig in epiſtolis ad Hallerum ſcriptis, Theil 1. Seite 393. V. Riet de organo tactus, S. 13. Albin de ſede et cauſa coloris aethiopum. S. 9. Klinkoſch de cuticula, S. 46. Soͤmmering uͤber die koͤrperliche Verſchie - denheit des Negers vom Europaͤer. S. 48. Loſchge im Naturforſcher, St. 23. S. 214. Eine Beſchreibung von dunkelbraunen Flecken ver - ſchiedener Große, und bis zu zwey Zoll im Durch - ſchnitt, welche man an einem ſechszigjaͤhrigen Manne beobachtet hat, bey welchem ſie in ſeinem Juͤnglings - alter durch ein viertaͤgiges Fieber entſtanden waren, ſ. ebend. St. 16. S. 170., beſonders aus der niedrigſten Volksklaſſe, an Schwarzgallichten, und Cachektiſchen, Entkraͤfteten und Schmutzigen, zu - weilen auch an Skorbutiſchen78)Vergl. unter andern, Ja. Narborough’s voyage to the ſtreights of Magellan, S. 64. Ihre Schen - kel und Beine wurden ſo ſchwarz, wie ein ſchwarzer Hut. u. ſ. w. G g) Und und andern.

Dagegen hat die Erfahrung gelehrt, daß ſelbſt die Schwaͤrze der Neger zuweilen lichter, oder gar in die weiße Farbe verwandelt werden koͤnne. Denn man hat allerdings Nachrichten, daß Neger, wenn ſie in zarter Kindheit aus ihrem Vaterlande in ge -maͤßig -119maͤßigtere Zonen verſetzt wurden, nach und nach gelblichter geworden ſind79) Ein Schuſter von dieſer Nation lebt noch zu Venedig, deſſen Schwaͤrze, durch den langen Zwiſchenraum von Jahren, (denn er kam als Knabe von dieſer Kuͤſte) ſich allmaͤhlich ſo vermindert hat, daß er bloß eine gelinde Gelbſucht zu haben ſcheint. Caldani inſtitutiones phyſiologicae, Seite 157. Aus - gabe 1786. Vergl. auch Pechlin de habitu et colore Aethiopum, Seite 128. Und Oldendorp, Th. 1. S. 406.. Daſſelbe pflegt, und zwar weit ſchneller, bey den Negern ſich zu ereignen, welche ſchwere Krankheiten uͤberſtehen80) Man hat ihrer ſo gebleichte geſehen, daß man ſie kaum von einem ſchwaͤchlichen Weißen unterſcheiden konnte. Labat Re - zation d Afrique occidentale. Th. 2. S. 260. Hh). Auch Klinkoſch a. a. O. S. 48..

Aber auch davon hat man ſehr bekannte Bey - ſpiele81)Vergl. z. B. Jak. Bat in philoſophical Tranſ - actions, Band 51. St. 1. S. 175., daß ſich ohne eine bedeutende Krankheit die angeborne Schwaͤrze der Negerhaut von freyen Stuͤcken allmaͤhlig in Weiß, wie das der Europaͤer iſt, verwandelt hat.

§. 50. Einige andere Nationaleigenheiten der Haut.

Außer der Farbe legt man der Haut einiger Voͤlker zuweilen auch noch andre Beſchaffenheitenbey,78)Und Philipp’s voyage to Botany bay, S. 229.120bey, welche wir wenigſtens mit einigen Worten be - ruͤhren wollen. Ich rechne hieher die ſammtne Glaͤtte und Weichheit der Haut, welche von Schriftſtellern hin und wieder an verſchiednen Voͤlkern, z. B. den Karaiben82) Ihr Fleiſch iſt ſchwaͤrzlich und ſehr weich, und ihre Haut, wenn man ſie an - fuͤhlt, ſcheint von Atlaß zu ſeyn Birt, voyage de la France équinoxiale. S. 352. Ii)., Negern83)Pechlin a. a. O. S. 54. Soͤmmering a. a. O. S. 45., Otaheiten84) Ihre Haut iſt ſehr zart, weich und ſanft. Hawkesworth collection Th. 2. S. 187. Kk).; ſelbſt an den Tuͤrken85) In Aſien (der Tuͤrkey) iſt keine Frau eines Tageloͤhners oder Bauers, deren Haut nicht ſo glatt waͤre, daß ſie ſich nicht wie feiner Sammet anfuͤhle. Belon Ob - ſervations, S. 198. Ll). bemerkt worden iſt. Es liegt am Tage, daß ſie bey allen entweder von einem zartern Fellhaͤutchen, oder einer dickern Unterlage von mal - pighiſchem Schleim herruͤhre.

Einen andern und mehr auf die chemiſche Ver - wandſchaft des Koͤrpers und der Elemente der At - moſphaͤre zu beziehenden Grund ſcheint gegentheils die an manchen afrikaniſchen86)Bruce’s Reiſen nach den Quellen des Nils. Th. 2. S. 552. Th. 4. S. 471 u. 489. und oſtindiſchen87)Von den Indianern ſ. Kant in Engels Philo - ſoph fuͤr die Welt. Th. 2. S. 154. Von Voͤlkern merkwuͤrdige kaͤltlich anzufuͤhlende Haut zu haben.

Endlich gehoͤrt auch hieher die von Sanctorius zuerſt mit Genauigkeit beobachtete Ausduͤnſtungsma -terie,121terie Mm), welche ebenfalls bey gewiſſen Nationen, z. B. den Karaiben88) Sie haben alle einen ſtarken und un - angenehmen Geruch. Ich finde nichts aͤhnliches ihm zu vergleichen. Wenn man anderwaͤrts einen aͤhnlichen Geruch fin - det, ſo nennt man ihn auf den Inſeln (den Antillen) Karaibengeruch: welches die Schwierigkeit beweißt, worin man iſt, ihn zu bezeichnen. Thibault von Chanvalon voyage à la Martinique. S. 44. Nn)., Negern89)Vergl. nach andern Schotte on the ſynochus atra - bilioſa. S. 104. Hiſtory of Jamaica. Th. 2. S. 352. 425. und andern90)So z. B. erzaͤhlt Pauſanias, daß unter den Pho - caͤern die Ozolen, eingeborne Voͤlker von Lokris, wegen der Eigenheit der Luft durchaus uͤbel riechen. Vergl. auch Lavater phoſiognomiſche Frag - mente. Th. 4. S. 268. Auch Jak. Friedr. Ackermann de diſcrimine ſexuum praeter〈…〉〈…〉 nitalia. S. 10. einen beſondern Geruch hat. Man bemerkt etwas aͤhnliches an gewiſſen Raßen von Hausthieren, wo unter den Hunden, z. B. der aͤgyptiſche, unter den Pferden die Rothſchimmel bekanntlich auch eine ſpezifiſche und ganz beſondere Ausduͤnſtung haben.

§. 51. Uibereinſtimmung des Haupthaars mit der Haut.

Da die Haare, und zwar hauptſaͤchlich die Haupthaare von den allgemeinen Integumenten er - zeugt und genaͤhrt werden, treffen ſie auch im All -gemei -87)Von den Sumatranen Marsden, Seite 41. ſeines klaſſiſchen Werks.122gemeinen mit dieſen ſehr und vielfach uͤberein. So haben aus dieſem Grunde die gefleckten Neger, von welchen wir geredet haben, auch Haare von unglei - cher Farbe, und die Menſchen, deren weiße Haut Sommerſproſſen hat, rothes Haupthaar91)Unter den Enkopaͤern iſt dies etwas ſehr gemeines. Allein es iſt auch bey den entfernteſten Voͤlkern be - obachtet worden; z. B. auf der Inſel Otaheiti im ſtillen Meer. S. I. R. Forſter Bemerkungen auf ſeiner Reiſe um die Welt. S. 205. An vielen kupferfarbigen und rothhaarigen Timo - tern ſ. Van Hagendorp Verhandelingen van het Bata - viaaſch Genootſchap, Th. 1. S. 319. Marc - u. f. Ja die Haupthaare ſtehen ſogar im Verhaͤltniß mit der ganzen Conſtitution und Miſchung des Koͤrpers. Dies lehren ſelbſt pathologiſche Erſcheinungen; denn bey den Blonden brechen wegen des nachgiebigern Zell gewebes die Blattern und aͤhnliche Hautausſchlaͤ - ge leichter aus; die ſchwarzhaarigten hingegen haben beynahe alle einen feſtern Habitus und ſchwarzgal - lichte Saͤftemiſchung, weshalb man auch in Toll - und Zuchthaͤuſern bey weitem die meiſten Menſchen von ſehr ſchwarzem Haare findet.

§. 52. Die hauptſaͤchlichſten Nationalverſchiedenheiten der Haupthaare.

Der Nationalunterſchied der Haupthaare ſcheint im Allgemeinen auf vier Hauptverſchiedenheiten zu - ruͤckgebracht werden zu koͤnnen.

1) Schwaͤrz -123

1) Schwaͤrzliches oder nußbraunes (franz. cen - dré) einer Seits ins Gelbe und anderer Seits ins Schwarze ſpielendes Haar. Weich, lang und wel - lenfoͤrmig flieſſend. Man trift es haͤufig an den Nationen des gemaͤßigten Europa: ſonſt wurde es beſonders an den alten Germaniern geruͤhmt92)Conring de habitus corporum Germanicorum antiqul ac novi cauſis. S. 85..

2) Schwarz, ſtarrer, gerade und duͤnn, wie es gewoͤhnlich an den mongoliſchen Voͤlkerſchaften und den Amerikanern iſt.

3) Schwarz, weicher, gelockt, dicht und reich - lich: wie es die meiſten Bewohner auf den Inſeln des ſtillen Meeres haben.

4) Schwarz und krauß, welches man insgemein mit der Schaafwolle vergleicht, haben es die Reger.

Eine ſolche Eintheilung wird im Allgemeinen ſtatt finden und von Nutzen ſeyn koͤnnen. Indeß bedarf es jetzt keiner Erinnerung mehr, daß ſie von der Natur ſelbſt nicht mehr als die andern Einthei - lungen der Nationalverſchiedenheiten im Menſchen - geſchlecht beſchraͤnkt worden iſt. Um jedoch dies, wiewohl es nicht eben nothwendig iſt, durch ein oder das andere Beyſpiel zu beweiſen, ſo iſt weder das Krauſe an den Negerhaaren, noch die Schwaͤrze an den drey letztgenannten Verſchiedenheiten allen gemeinund91)Maregrav ſah eine Afrikanerin mit ganz rothen Haaren Tractatus Brafiliae. S. 12.124und eigenthuͤmlich. Es giebt naͤmlich Staͤmme von Negern, welche langes Haar93)Vergl. z. B. von den Gallas Bruce, Reiſen nach den Quellen des Nils. Th. 2. S. 214. Von den Einwohnern des Koͤnigreichs Boruͤn pro - seedings of the African Aſſociation. S. 201. und gegentheils kupferfarbige Voͤlker, welche krauſes Kopfhaar, wie die Neger, haben94)Z. B. die Einwohner der Inſel des Herzogs von York (the Duke of Yorks Island) unfern Neu-Irr - land im Sue; dmeer. S. I. Hunters Hiſtorical Jour - nal of the Transactions at Port Jackſon u. ſ. w. S. 233. Sie haben eine lichte Kupfer - farbe ihr Haar iſt wollig Oo).. Es giebt andere, z. B. die Neuhollaͤnder, deren blondes Haar, wie ich aus den Proben ſehe, die ich zur Hand habe, zwiſchen dem krauſen Haar der Neger und dem lockigten der Bewohner der Inſeln im ſtillen Meere, ſo vollkom - men das Mittel halten, daß die Reiſebeſchreibungen von dem erſten der Hollaͤnder aus dem vorigen Jahr - hunderte bis zu dem neueſten der Englaͤnder; aͤußerſt uneinig daruͤber ſind, ob man es eher zu der einen oder richtiger zu der andern Verſchiedenheit der Haa - re rechnen ſolle.

Im Betreff der verſchiedenen Farbe der Koͤrper - haare aber, welche auch bey denen Voͤlkern vor - koͤmmt, deren Haupthaar mehrentheils ſchwarz iſt, darf ich bloß giltige Zeugen anfuͤhren, welche be - richten, daß man in allen drey Varietaͤten, außer der zuerſt aufgefuͤhrten, ſehr viel rothe gefunden habe95)Z. B. von den Eſthen vergl. ein Ung. im tent - ſchen Merkur 1788. Th. 2. S. 341. J. G..

§. 53.125

§. 53. Die Regenbogenhaut der Augen (Irides oculorum) kommt mit der Farbe der Haupthaare uͤberein.

Daß die Haupthaare mit den gemeinſamen Be - deckungen des Koͤrpers uͤbereinkommen, haben wir geſehen. Daß aber die Farbe der Augen ſich nach der Hautfarbe richte, daß die Weißfarbigen blauaͤu - gig, die Schwarzen ſchwarzaͤugig ſeyen, ſah vor - laͤngſt Ariſtoteles96)Problemat. Abth. 10 S. 416. in Caſaub. Ausgabe.. So z. B. haben die neuge - bornen Kinder bey uns meiſt blaue Augen und blei - ches Haar, welches ſich bey denen, die nachher bruͤ - nett werden, gleichſam in gleichem Schritte allmaͤhlig braͤunt. So verliert gegentheils im Greiſesalter, wenn die Haare grau werden, auch das Pigment des innern Auges viel von der ſonſtigen dunkelbraunen Farbe. Die weißen Neger endlich, von welchen hin -ten95)J. G. Gmelin erzaͤhlt, daß er mehrere Wotjaͤken geſehen, welche roth geweſen. Reiſe durch Si - birien. Th. 1. S. 89. Von blondhaarigen Eskimos erzaͤhlt Charlevoix in Hiſtoire de la nouvelle France. Th. 3. S. 179. Von rothen Negern ſ. Lopez, Retazione del Reame di Congo. S. 6. Einen Mulatten mit rothem Haupthaar habe ich ſelbſt geſehen, und habe eine Probe von den Haaren. Daſſelbe bemerkt von den Mulatten, die er an Sierra Liona ſah, van der Groͤben, guineiſche Reiſebeſchreibung. S. 29. Von den Papus bey Neu-Guinea, Sonnerat, Voyage à la nouvelle Guinée. S. 153. Von den Neu-Seelaͤndern, Marion und Ducles - meur, Nouveau voyage à la mer du Sud. S. 138. Von Otaheiten, Wallis in Hawkesworth’s Colle - ction. Th. 1. S. 260.126ten ausdruͤcklich wird geredet werden, deren Haupt - haar von einer beſonderen weißgelblichen Farbe iſt, haben gar kein Pigment des Auges, und aus dieſem Grunde iſt die Iris blaßroth.

Auch iſt im Allgemeinen merkwuͤrdig, daß nur bey denen Thieren eine Verſchiedenheit der Augen ſich findet, bey welchen auch die Farbe der Haut und Haare variirt, welches bekanntlich nicht nur bey den Menſchen und Pferden, wie die Alten meinten, ſondern auch bey andern, hauptſaͤchlich aus der Ord - nung der Hausthiere, ſich ereignet.

Ja man ſieht ſogar bey denen, deren Fell ge - fleckt iſt, daß auch die Regenbogenhaut ſehr oft in mehr als eine Farbe ſpielt. An den verſchiedenfar - bigen Hunden z. B. hat man dieſe Bemerkung ſchon laͤngſt gemacht97)Vergl. Molinelli in Commentar. inſtituti Bona - nienſis, Th. 3. S. 281.. Daß man an den Schaafen und Pferden etwas aͤhnliches bemerke, an keinem andern Thiere aber ſo offenbar, als an den Kanin - chen, iſt allgemein bekannt.

Ich habe bey den weißlichen, (die naͤmlich die angeborne Farbe ihres wilden Zuſtandes behalten haben), die Iris durchaus braun, bey den gefleckten aber, deren Fell aus ſchwarz und weiß beſtand, auch die Iris auf dieſe Art gefleckt gefunden. Bey den ganz weißen aber, welche Aehnlichkeit mit den wei - ßen Negern haben, iſt ſie von bleicher Roſenfarbe.

§. 54.127

§. 54. Hauptfarben der Augen.

Schon der oben angefuͤhrte Ariſtoteles hatte, und zwar ſehr gut, drey Originalfarben der Iris im menſchlichen Auge feſtgeſetzt, und zwar:

  • 1) die blaue,
  • 2) die dunkelgoldgelbe, oder ſogenannte ziegen - farbige (franz. yeux de chévres)
    98)Die Mittelfarbe zwiſchen blau und goldgelb iſt ein beſonderes lauchenfarbiges Gruͤn, welches man oͤfters an Menſchen mit faſt feuerrothem Haar und einer Haut voll Sommerſproſſen beobachten kann. Vergl. ein beſonderes Werk: De coloribus oculo - rum vom Sim. Portius. Florenz, 1550. 4.
    98) und
  • 3) endlich die ſchwarzbraune.

Alle drey kommen zwar unterweilen an Perſonen von einem und demſelben Volke vor, allein man beobachtet ſie auch an verſchiedenen Staͤmmen eines Landes innerhalb dem Bezirk weniger Grade geogra - phiſcher Breite in groͤßerer Beſtandheit und gleichſam als national. So z. B. legte Linné99)Fauna Suicica. S. 1. unter den ſchwediſchen Voͤlkern den Gothen weißes Haupthaar, aber graͤulichblaue Sehen; den Finnen mit blondem Haupthaar, braune; den Lappen endlich mit ſchwar - zem Haar, ſchwaͤrzliche bey.

Blaue Augen und blondes Haar rechnete man ſonſt zu den angebornen Kennzeichen der alten Ger -manen.128manem. Allein zuweilen trift man ſie auch unter den entfernteſten Nationen100)Beyſpiele habe ich zuſammengetragen in den An - merkungen zu Jak. Bruce Reiſe zu den Quel - len des Nils. Th. 5. S. 239..

Bey den Negern ſind die Regenbogenhaͤute am ſchwaͤrzeſten, ſo daß man ſie, beſonders in lebhaf - ten Augen, nur nach naͤherer Unterſuchung von dem Sehpunkt ſelbſt unterſcheiden kann101)So muß man die Ausdruͤcke I. Gottl. Walters de venis oculi S. 23. Die Neger haben kei - nen Augenſtern u. ſ. w. erklaͤren..

§. 55. Nationale Geſichtsbildung.

Von den Augen gehen wir nun ſehr fuͤglich zu der uͤbrigen Geſichtsbildung fort, welche im Allge - meinen bey den einzelnen Menſchen ſo ſehr und ſo merkwuͤrdig verſchieden iſt, daß es nah an Wunder grenzen duͤrfte, wenn man auch nur zwey mit nicht unterſchiedenem, und, wie man gemeiniglich ſagt, in eine Form gegoßnem Munde faͤnde. Ja es iſt nur mehr als zu gewiß, daß man dieſe Geſichtsunter - ſchiede nicht bloß an Europaͤern, ſondern auch an unkultivirten Voͤlkern beobachten kann102)Dies iſt z. B. geſchehen von dem ſehr ſichern Be - obachter Willh. Anderſon an den Eingebornen der Freundſchaftsinſeln im ſuͤdlichen Ocean (the Friendly Islands): Ihre Geſichtszuͤge ſind ſehr verſchieden; daß es kaum moͤglich iſt au - ßer ihren ſehr dicken Naſenſpitzen, welche ſie mit einander gemein haben, eine allge - meine ſie charakteriſirende Gleichheitfeſt -. Obſchon129ſchon aber dieſe Wahrheit voͤllig ausgemacht iſt, ſo iſt doch nicht minder keinem Zweifel unterworfen, daß verſchiedene Varietaͤten des Menſchengeſchlechts (ja zuweilen ſogar Bewohner einzelner Provin - zen)103)So ſagte vorlaͤngſt, ſchon vor zweyhundert Jah - ren, Libavcus, ein nicht zu verachte der Schriftſteller: Eine andere Geſichtsbildung haben die Thuͤringer, eine andere die Sachſen, eine andere die Sueven, und jeder Gau hat faſt ſeine eigene, daß man, wenn maneiniger - maßen Muͤhe darauf verwenden wollte, jedem beynahe ſein Vaterland wuͤrde an - ſehen koͤnnen. In ſeinem Werke: De Ae - thiopibus Virgilianis, Singularium, Th. 1. S. 659. im Allgemeinen eine nationale, jeder der - ſelben eigenthuͤmliche und gemeinſame Geſichtsbil - dung haben, wodurch man ſie von den uͤbrigen Va - rietaͤten leicht unterſcheiden kann.

§. 56. Nationale Geſichtsverſchiedenheiten.

Ich habe deshalb, nachdem ich mir eine ziemli - che Anzahl von geſchickten Kuͤnſtlern nach dem Leben gemachte Abbildungen auslaͤndiſcher Menſchen mitVerſch. des M. Igroßer102)feſtzuſetzen. Allein anderer Seitstrafen wir zu hunderten von wirklich europaͤi - ſchem Geſicht, und einige unter ihnen hatten aͤchte roͤmiſche Naſen. Siehe Cooks letzte Reiſe, Th. 1. S. 380. Pp). Andere Beyſpiele der Art, welche unter aͤthiopi - ſchen und amerikaniſchen Voͤlkern beobachtet worden ſind, ſollen unten angegeben werden. Gegenſeitig trift man bey einzelnen Europaͤern in Hinſicht auf Geſichtsbildung ſehr haͤufig Aehnlichkeit mit Negern oder Mongolen, und ſie iſt ſogar zum Sprichwort geworden.130großer Muͤhe angeſchaft, und dam eine große An - zahl derſelben auf Meſſen, welche vorzuͤglich von fremden Voͤlkern bezogen werden, beſonders zu Lon - don und Amſterdam, ſelbſt geſehen hatte, einen Verſuch gemacht, dieſe Verſchiedenheiten der Natio - nalgeſichter in ſichere Klaſſen zu bringen, und da ergeben ſich, wo mich nicht alles truͤgt, fuͤnf, wel - che Muſter und Hauptformen der uͤbrigen Verſchie - denheiten von minderer Erheblichkeit ſind. Es koͤn - nen wohl beſondere Ausnahmen dabey ſtatt finden, allein ſie ſind doch wirklich der Natur gemaͤß.

1) Ein ovales, ziemlich gerades Geſicht mit nicht zu ſtark hervorſpringenden einzelnen Theilen.

Flaͤchere Stirn.

Schmaͤlere, leichtgebogene Naſe, oder mit nur etwas erhoͤhtem Ruͤcken.

Die Backenbeine nicht ſehr hervorſtehend, der Mund klein, mit nur ſanft geſchwellten Lippen, (welches beſonders von der Unterlippe gilt).

Volles gerundetes Kinn.

Dies iſt im Allgemeinen, nach unſerm Urtheile von Symmetrie, die ſchoͤnſte und wohlgebildeteſte Geſichtsform.

Sie iſt gleichſam die Mittelform, welche nach beyden Seiten hin durch Verartung in die entgegen - geſetzteſten Extreme uͤbergegangen iſt, wovon das eine ein in die Breite gezogenes, das andere ein nach unten verlaͤngertes Geſicht darſtellt.

Beyde131

Beyde aber enthalten wiederum zwey ver - ſchiedene Unterarten, welche ſich hauptſaͤchlich im Profil von einander unterſcheiden. Bey der einen dieſer Unterarten ſind naͤmlich die Naſe und uͤbrigen Theile nicht ſo regelmaͤßig, und fließen gleichſam in einander. Bey der andern aber ſind ſie, um mich ſo auszudruͤcken, gleichſam von einander abgeſchnit - ten und winklicht hervorſpringend.

Demnach muͤſſen, außer jener erſten Mit - telform des Geſichts, die folgenden vier Varietaͤten feſtgeſetzt werden. Als

A) Zwey, mit in die Breite gezogenen Geſichten:

2) naͤmlich, ein breites und zugleich plattes Geſicht, alſo mit minder von einander geſonderten, ſondern gleichſam in einander fließenden Theilen.

Die Glabelle (der unbehaarte Zwiſchenraum zwiſchen den Augenbraunen) iſt ſehr breit.

Stumpfe Naſe.

Faſt runde, ſeitwaͤrts erhobene Backen.

Enggeſchlitzte linienfoͤrmige Augenlieder (franz, yeux bridés).

Hervorſtehendes Kinn.

Dieſe Geſichtshildung haben die mongoliſchen Voͤlkerſchaften (und deshalb heißt ſie nach dem ge - woͤhnlichen Sprachgebrauch, der die Tatarn mit den Mongolen vermengt, wovon wir hinten ſprechen werden, bey den Englaͤndern the Tartar face).

I 23) Ein132

3) Ein zwar breites Geſicht mit ſehr vollen Backen, aber nicht flach und platt, ſondern en pro - fil beſehen von ausgearbeitetern, gleichſam tiefer ausgegrabenen Theilen.

Kurze Stirn.

Tiefer liegende Augen.

Zwar etwas ſtumpfe, aber doch hervortreten - de Naſe.

Dies iſt das Geſicht der meiſten Amerikaner.

B) Zwey nach unten verlaͤngerte Geſichtsvarie - taͤten.

1) Ein ſchmaͤleres, unterwaͤrts hervorſtehendes Geſicht.

Kleine hoͤckerichte Stirn.

Hervorragendere Augen (à fleur-de-tête).

Dicke und mit den vorſtehenden Backen gleich - ſam zuſammengefloßne Naſe (le nez épaté).

Wulſtige Lippen (beſonders Unterlippe).

Hervorragende Kiefern.

Zuruͤckgezogeneres Kinn.

So iſt die Geſichtsbildung der Negern (engl. (the Guinea face).

Ein etwas breiteres Geſicht, doch unterwaͤrts ein wenig herausſtehend, im Profil beſehen aber mit hervorſpringendern und von einander abgeſonderten Theilen.

Volle -133

Vollere, ziemlich breite, gleichſam ausgedehnte Naſe, mit dickerer Spitze (engl. bottled).

Großer Mund

iſt das Geſicht des malayiſchen Stammes, beſon - ders der Suͤdſeeinſulaner.

§. 57. Urſache der Nationalgeſichter.

Vor allen Dingen muß ich erinnern, daß hier nicht von der Geſichtsbildung im phyſiognomiſchen Sinne (Blick, Ausdruck) dem Zeiger der Ge - muͤthsbeſchaffenheit, die Rede ſey, welche indeß doch auch bisweilen national, gewiſſen Voͤlkerſchaf - ten eigenthuͤmlich ſeyn, und ebenfalls aus jenen Ur - ſachen hergeleitet werden kann.

Als Urſache dieſer phyſiognomiſchen Geſichtsbil - dung koͤnnte man z. B. nicht ohne Grund die Nah - rungsmittel mit in Anſchlag bringen, denn es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die ſanften Mienen der enthaltſamen Braminen und Banianen in Indien, und gegentheils die wilde der menſchenfreſſeriſchen Boticuden in Braſilien104)Die Kenntniß dieſer ſehr wilden menſchenfreſſeri - ſchen Nation verdanke ich den portugieſiſchen Duumvirn zu Braſilien, von Camara und von Andrada. von ihnen herruͤhrt.

Eben ſo auch die Religion, welche Madonnen - geſichter hervorgebracht hat, wodurch ſich beſonders das andere Geſchlecht in einigen Laͤndern des ſuͤdli - chern Europa auszeichnet:

Oder134

Oder auch Verfeinerung und Luxus, worin z. B. die weichen und weibiſchen Otaheiten ſo weit uͤber den maͤnnlichen und feſten Neu-Seelaͤndern ſtehen.

Nicht von dieſer phyſiognomiſchen Geſichtsform alſo, ſondern von den Urſachen der Nationalgeſich - ter, der eigenſten Figur, Verhaͤltniß und Richtung ihrer Theile handeln wir, in welchen Stuͤcken allen die verſchiedenen Racen des Menſchengeſchlechts al - lerdings, wie wir geſehen haben, etwas Eigenthuͤm - liches und Charakteriſtiſches haben.

Allein die Unterſuchung dieſer Urſachen hat ſo große Schwierigkeiten, daß man wohl bloße Wahr - ſcheinlichkeit durch Muthmaßung herausbringen duͤrfte.

Mich uͤberzeugen beſonders drey Gruͤnde, daß in der That das Klima eine Haupturſache des Na - tionalgeſichts ſey.

1) Sehen wir, daß das Nationalgeſicht bey gewiſſen Voͤlkern eines gewiſſen beſtimmten Him - melsſtriches ſo gemeinſam, und bey den Menſchen verſchiedner Staͤnde und Lebensarten immer eins und daſſelbe ſey, daß man es kaum einer andern Urſache zuſchreiben kann. Zum Beyſpiel dienen die Sineſer, welche alle ihr gleichſam flaches Geſicht eben ſo gut charakteriſirt, als bey uns Europaͤern die Englaͤn - der und Majorkauer105)S. Memoires du Cardinal de Retz. Th. 3. S. 343. ihre ſymmetriſche und unge - meine Schoͤnheit.

2) Auch135

2) Auch findet man Beyſpiele von Voͤlkern, welche, nachdem ſie ihre Wohnſitze veraͤndert haben, und anderwaͤrts hingewandert ſind, im Verlauf der Zeit auch die vorige Geſichtsbildung in eine neue, dem neuen Klima eigenthuͤmliche, veraͤndert haben. Die Jakuten z. B. werden von den meiſten Geſchicht - ſchreibern der aͤltern nordiſchen Geſchichte als ein Zweig von den Tatarn aufgefuͤhrt. Genaue Augen - zeugen aber verſichern, daß ſie jetzt mongoliſche Ge - ſichtsbildung haben, und ich ſehe es ſelbſt an dem Schaͤdel eines Jakuten, welcher durch die Freigebig - keit des Freyherrn v. Aſch in meinem anthropologiſchen Vorrath gekommen iſt106)Zweytes Zehnd Hirnſchaͤdel. S. 11.. Etwas aͤhnliches wird unten von den Amerikanern beyder kalten Zonen be - merkt werden (§. 88.).

Daß gleicherweiſe die von engliſchen Aeltern und Voraͤltern auf den Antillen entſproſſenen Kreolen endlich die natuͤrliche Phyſiognomie der Englaͤnder mit der charakteriſtiſchen der amerikaniſchen Einge - bornen einigermaßen vermiſcht, und die tiefern Au - gen und hervortretendern Backen der letzteren ange - nommen haben, hat man ſchon vorlaͤngſt beobach - tet107)Hiſtory of Jamaica. Th. 2. S. 261..

Allein die augenſcheinlichſten Beyſpiele liefern Aegypten und die Halbinſel jenſeits des Ganges.

Die erſten Einwohner, waren in einem ſo ent - nervenden Klima weichlich geworden, und wurdenim -136immer von andern tapferern nordiſchen Voͤlker[ſchaf -] ten beſiegt. Es wurde alſo dieſe Halbinſel von den verſchiedenſten Voͤlkern nach und nach unterjocht, allein jedesmal ſcheint ſich die Geſichtsbildung dieſer neuen Ankoͤmmlinge nach dem neuen Himmel gleich - ſam umgewandelt zu haben, daß man z. B. die na - tionale und voͤllig charakteriſtiſche Phyſiognomie der aͤlteſten Beſitzer Indiens jetzt bloß aus den aͤlteſten Kunſtwerken Indiens, den ungeheuern mit ungemeiner Kunſt in den unterirdiſchen Tempeln der Juſeln Sal - ſette und Elephanta ausgegrabenen Statuͤen kennt, von welchen ich zu London im britanniſchen Muſeum und unter den antiquariſchen Schaͤtzen des ſo huma - neu Herrn Karl Towuley108)Archaeologia. Th. 7. Taf. 25. 26. 27. bewundernswerthe Proben geſehen habe. Daß aber auch die neuern Eroberer Indiens, die Mongolen naͤmlich, ſeit Ti - murs Zeiten viel von ihrer angebornen Geſichtsbil - dung unter dem neuen Himmel verloren, und der indiſchen ſich genaͤhert haben, hat mir ebendaſelbſt ein großer Kenner Indiens, Herr Jo. Walſh, mit Belegen von Portraits augenſcheinlich dargethan.

Im Betreff der Nationalgeſichtsbildung der Ae - gypter, ſo kann ich mich nicht genug wundern, wie die beruͤhmteſten Archaͤologen, die groͤßten Unterſu - cher alter aͤgyptiſcher Kunſt, allen und jeden eine und dieſelbe Phyſiognomie haben beylegen koͤn - nen109)Z. B. Winkelmann Deſcription des pierres gra - vées de stoſch. S. 10. und noch an andern Orten. d’Han -; da eine genauere Betrachtung und Verglei -chung137chung dieſer Denkmale mich voͤllig deutlich gelehrt hat, man habe drey Geſichtsgattungen bey ihnen zu unter - ſcheiden; eine den Negern; die andere den Indianern ziemlich aͤhnliche; die dritte aber, in welche im Ver - lauf der Zeit, und durch Einfluß des ſpezifiſchen, Aegypten eigenthuͤmlichen, Klimas, beyde uͤberge - gangen ſind, iſt an dem ſchwammigen und ſchlap - pen Habitus, kurzem Kinn, und hervortretenden Augen kennbar110)Weitlaͤuftiger habe ich uͤber dieſen dreyfachen Cha - rakter der Denkmaͤler alter aͤgyptiſcher Kunſt gehan - delt in den philoſophical Transactions, Jahr 1794. St. 2. S. 191..

3) Sehen wir, daß Voͤlker, welche bloß fuͤr Zweige eines und deſſelben Stammes gehalten werden, unter verſchiedenem Himmelsſtriche auch eine ver - ſchiedene Nationalgeſichtsbildung bekommen haben. Die Ungarn z. B. werden mit den Lappen zu derſel - ben Urrace gerechnet111)Vergl. Ol. Rudbecks des Sohns analogia linguae Finnonicae cum Ungarica am Ende des ſpecim. uſus linguae Gothicae. Upſal 1717. 4. hauptſaͤchlich S. 77. Und noch andere Neueren J. Hager Neue Be - weiſe der Verwandſchaft der Hungarn mit den Lapplaͤudern. Wien 1794. 8.. Dieſe aber haben im aͤußerſten Norden eine den noͤrdlichen Voͤlkern haupt - ſaͤchlich eigene Geſichtsbildung angenommen, da je - ne gegentheils in der gemaͤßigten Zone in der Nach - barſchaft Griechenlandes und der Tuͤrkey eine ſchoͤ - nere Geſichtsform bekamen.

Allbe -
109)d Hancarville, Récherches ſur l origine des arts de la Gréce. Th. 1. S. 300.
109)138

Allbekannt iſt uͤbrigens hierbey, daß auch den ehelichen Verbindungen zwiſchen verſchiednen Voͤlkern vieles beyzumeſſen ſey, und ich ſelbſt werde bald ei - niges von der Macht derſelben auf die Umaͤnderung des Nationalgeſichts vortragen. Ja es wird ſogar ſehr wahrſcheinlich, daß das Klima ſchon an und fuͤr ſich eine große Gewalt auf ſie habe, hauptſaͤch - lich wenn man ſie mit dem zuſammenſtellt, was wir oben von den Urſachen und Arten der Degeneration der Thiere erinnert haben.

Schwieriger iſt es indeß, den Grund anzugeben, warum ein Klima dieſes und ein anderes jenes Na - tionalgeſicht bilde; und doch haben die ſcharfſinnig - ſten Maͤnner den Verſuch gemacht, die Verſchieden - heit der Nationalgeſichter zu erklaͤren; wie Kant des mongoliſchen112)In Engels Philoſoph fuͤr die Welt. Th. 2. S. 146.; Volney des aͤthiopiſchen113)Voyage en Syrie et en Egypte. Th. 1. S. 74. Wirklich beobachte ich, daß die Zuͤge der Neger genau jenen Zuſtand von Verzie - hung des Geſichts dar ſtellen, welche es au - nimmt, wenn es vom Lichte und den ſtar - ken Strahlen einer Flamme geblendet wird: Die Stirn runzelt ſich dann, die Wange zieht ſich in die Hoͤhe, das Augen - lied ſchließt ſich, der Mund wird aufge - worfen. Dieſe Verziehung des Geſichts, welche in den nackten und heißen Laͤndern der Neger unaufhoͤrlich vorkommt, muß - te endlich ihrer Phyſiognomie eigen - thuͤmlich und charakteriſtiſch an ihr wer - den? Q q) .

Daß139

Daß zuweilen endemiſche, einem beſondern Kli - ma eigene, Urſachen, z. B. beſtaͤndige Wolken von Schnacken, etwas zur Bereitung einer eigenthuͤmli - chen Geſichtsbildung der Einwohner beytragen koͤn - nen, ſcheint Dampiers Beobachtung uͤber die Be - wohner des weſtlichen Neu-Holland, zu lehren114) Die Augenlieder ſind immer halb ge - ſchloſſen, um zu verhindern, daß die Muͤcken nicht in die Augen kommen. Daher kommt es, daß ſie, weil ſie von Kindheit an von dieſen Inſekten beunru - higt werden, die Augen niemals oͤfnen wie andere Voͤlker. Th. 2. S. 169. Rr) .

Ob die Muthmaßung unſers Leibnitz von der Aehnlichkeit der Nationen mit denen in ihrem Lande eingebornen Thieren, daß naͤmlich die Lapplaͤnder in ihrer Phyſiognomie dem Baͤre aͤhnelten, die Neger den Affen, von welchen aber auch die aͤußer - ſten Morgenlaͤnder etwas haͤtten115)S. Fellers Otium Hannoveranum. S. 150. Der Aehnlichkeit des Inhalts halber moͤchte ich dieſer noch einey Stelle aus Marsden Hiſtory of sumatra S. 173. beyfuͤgen. Einige Schriftſteller haben be - merkt, daß gewoͤhnlich zwiſchen der Be - ſchaffenheit und den Eigenſchaften der einem Lande eigenen Thiere und der ein - gebornen Bewohner, wo eine Vermi - ſchung mit Fremden ihren aͤchten Charak - ter nicht vertilgt hat, eine Aehnlichkeit ſtatt finde. Die Malayen koͤnnen mit dem Buͤffel und dem Tieger verglichen werden. In ſeinem haͤuslichen Zuſtand iſt er fuͤhllos, traͤg und wolluͤſtig, wie der erſte, und auf ſeinen Abentheuern hinterliſtig, blutduͤrſtig und raͤuberiſch wie der letztere. So ſoll der Araber ſei - nem Kamele, und der ſanfte Gentoo ſei - nem Schaafe gleichen. S s) u. ſ. w. ob die -ſe140ſe auch von dem Einfluſſe des Klimas auf die Bil - dung der Menſchen und großen Landthiere erklaͤrt werden muͤſſe, daruͤber iſt meine Meinung noch ſchwankend.

Daß aber außer dem Klima auch die Lebensart etwas zur Nationalgeſichtsform beytragen koͤnne, wird aus dem Beyſpiel der Neger behauptet, de - ren dicke Naſe und ſchwellende Lippen hin und wie - der der Art und Weiſe zugeſchrieben werden, auf welche ſie in ihrer zarteſten Jugend von den ſaͤugen - den Muͤttern, waͤhrend dieſe Reis ausdreſchen oder andre harte und ſchwere Arbeiten verrichten, ge - woͤhnlich auf dem Ruͤcken getragen werden116)Vergl. z. B. außer ſo vielen andern, Barbot in Churchills Collection of voyages, Theil 5. Seite 36. Man hat beobachtet, daß die Weiber von der beſſern Klaſſe, die nicht ſo harte Arbeiten verrichten, Kinder haben, de - ren Naſen nicht allgemein ſo platt ſind, als bey den andern; weshalb man muth - maßen kann, daß die Naſen dieſer armen Kinder dadurch geplaͤtſcht werden, daß ſie, ſo lange ſie von ihren Muͤttern auf dem Ruͤcken getragen werden, immer von dieſen beſtaͤndig muͤſſen geſtoßen wer - den, wenn die Bewegung ihrer Aerme oder Koͤrper einigermaßen heftig iſt; be - ſonders wenn ſie alle Morgen ihren Hir - ſen ſtoßen oder ſchlagen, welches der be - ſtaͤndige Gebrauch der Weiber aus dem niedern Range iſt. T t) .

Ja durch ſehr haͤufige Beyſpiele der glaubwuͤr - digſten Augenzeugen iſt es außer Zweifel geſetzt, daßbey141bey verſchiedenen rohen Voͤlkern, Negern117)S. nach ſo vielen andern Zeugen: Report of the Lords of the Committee of Council for the conſide - ration of Slave - Trade, 1789. Fol. Erſte Abtheilung. C. 1. 6., Bra - ſiliern118)Lery Voyage en la terre du Bréſil. S. 98. 265., Karaiben119)de la Borde Relation des Caraibes, in Melchiſ. Thevenots kleinerer Samml. Paris 1674. 4. S. 29., Sumatranern120)Marsden Hiſtory of sumatra, S. 38., den Bewohnern der Geſellſchaftsinſeln im Suͤdmeere121)J. R. Forſter, Bemerkungen auf ſeiner Reiſe um die Welt, S. 482. 516. u. a. die Naſe der neugebornen Kinder mit Gewalt eingedruͤckt wird; obſchon die Erzaͤhlungen von ſol - chen verquetſchten oder aus den Fugen getriebenen Naſenknochen zuweilen uͤbertrieben ſeyn moͤgen122)S. z. B. Kolbe Beſchreibung des Vorge - birges der guten Hofnung, S. 567..

Allein kaum bedarf es einer Erinnerung, daß durch einen ſolchen gewaltſamen und lange wieder - holten Druck der Naſe ihre natuͤrliche Bildung bloß verſtaͤrckt und nur ſo erhalten, keineswegs aber erſt geformt werde, da es allgemein bekannt iſt, daß man ſchon in abortirten Fruͤchten das Nationalge - ſicht erkennen koͤnne.

Endlich aber wird dieſe Nationalgeſichtsbildung bey der Nachkommenſchaft aus Verbindung ver - ſchiedener Varietaͤten des Menſchengeſchlechts eben ſo wie ihre Hautfarbe gemiſcht, und fließt gleichſam zuſammen, ſo daß ſie dann ein Mittelgeſicht zwi -ſchen142ſchen dem beyder Aeltern ausmacht. Daher ſchreibt ſich die gemiſchte Geſichtsbildung der Mulatten, da - her die durch Vermiſchung mit den Kalmucken all - maͤhlig verunſtaltete Nachkommenſchaft der Koſacken und Kirgiſen123)Von den Koſacken ſ. Erſtes Zehnd von Hirn - ſchaͤdeln, S. 18. Von den Kirgiſen zweytes Zehnd, S. 8. und gegentheils die verſchoͤnerte der nogayiſchen Tatarn durch Miſchung mit Geor - giern124)Peyſſonel Sur le commerce de la mer noire. Th. 1. S. 177..

Beyſpiele von Veraͤnderlichkeit der Geſichtszuͤge bey Voͤlkern, welche ſich nicht durch Heyrathen mit andern Nationen vermiſcht haben, gaben ſonſt die alten Germanen125)Tacitus de moribus Germanorum, C. 4., jetzt aber die aͤchten Cingaren, eingeborne Siebenbuͤrgen126)Zweytes Zehnd der Hirnſchaͤdel, S. 3. und vor allen die juͤ - diſche Nation, die unter jedem Himmelsſtriche ihre urſpruͤngliche Geſichtsbildung127)Deshalb haͤlt man fuͤr den hoͤchſten Beweis der Kunſt des hollaͤndiſchen Kupferſtechers Bern. Picart, daß er in dem ſehr bekannten Werke: Ceremonies et coutumes religieuſes faſt unzaͤhlbare Juden dargeſtellt hat, welche, bey aller Verſchiedenheit unter ſich, doch alle jenen Nationalcharakter an ſich tragen, durch welchen ſie ſich von den Nationen unterſcheiden, deren Abbildungen mit den ihrigen vermiſcht ſind. beybehaͤlt und ſich durch den, dieſem Volk faſt durchgaͤngig eigenen Na - tionalcharakter auszeichnet, ein Charakter, der auch ohne Kenntniß der Phyſiognomik beym erſten Anblickunter -143unterſchieden, obwohl ſchwer durch Worte bezeichnet und ausgedruͤckt werden kann128)Dem großen Kuͤnſtler Benj. Weſt, Praͤſidenten der koͤnigl. Akademie der Kuͤnſte, mit dem ich mich uͤber die Nationalgeſichtsbildung der Juden unter - hielt, ſchien es, daß ſie außer andern hauptſaͤchlich etwas beſonders und charakteriſtiſches ziegenartiges haͤtten, welches nicht ſowohl in dem Bug der Naſe, als in dem Uibergang und der Verbindung der Na - ſenſcheide mit der Oberlippe laͤge. Deshalb ſcheint Camper die Meinung des ſchaͤtz - baren Kuͤnſtlers nicht ganz genau geſaßt zu ha - ben, da er, zu meiner Verwunderung, in ſeiner Schrift: uͤber den natuͤrlichen Unterſchied der Geſichtszuͤge, S. 7. behauptet, die Naſe der Juden ſey der mongoliſchen aͤhnlich..

§. 58. Nationalform der Schaͤdel.

Daß zwiſchen der aͤußern Oberflaͤche des Ge - ſichts und dem ihr untergelegten Knochenbau ein we - ſentliches Verhaͤltniß ſey, erhellt an ſich129)Vergl. Th. Brown’s Diſcourſe of the sepulchral Urns found in Norfolk, S. 13. Derfelde ſchar[f]ſichti - ge Mann hat meines Wiſſens zuerſt auf die Natio - nalform der Negerſchaͤdel gemerkt: es iſt ſchwer ſich im Unterſcheiden der Negerſchaͤdel zu betruͤgen. V v) , ſo daß ein Blinder ſogar, wenn er nur einige Kennt - niß von dem großen Unterſchiede haͤtte, wodurch die mongoliſche von der Negergeſichtsbildung abweicht, durch das bloße Gefuͤhl ſogleich den Hirnſchaͤdel eines Kalmucken von dem eines Negers ſicher unterſchei - den koͤnnte, und daß man auch den Unkundigſten nicht wuͤrde uͤberreden koͤnnen, daß einer von beyden ein Geſicht von jener Bildung an ſich getragen habe,nach144nach welcher die goͤttlichen Werke altgriechiſcher Kunſt gebildet worden ſind. Und eben dies gilt im Allge - meinen von jedem Nationalhabitus.

Eine genauere anatomiſche Unterſuchung aͤchter Schaͤdel130)Die Regeln und Kriterien, deren ich mich bey Beurtheilung der Schaͤdel in jener Hinſicht bediene, habe ich in dem erſten Zebud der Schaͤdel - ſammlung S. 5. aufgezaͤhlt. von verſchiedenen Voͤlkerſchaften wuͤrde auch deshalb auf das Studium der Verſchiedenheit des Menſchengeſchlechts vieles Licht verbreiten, weil die von den weichen und veraͤnderlichern Theilen des Geſichts, entbloͤßten Schaͤdel, das feſte und blei - bende Fundament des Kopfes aufſtellen, und beque - mer bey der Unterſuchung gebraucht und in verſchie - denen Anſichten betrachtet und mit einander vergli - chen werden koͤnnen.

Zwar zeigen ſich bey einer ſolchen Vergleichung, der Schaͤdelformen eben ſolche ſtufenweiſe Abweichun - gen, wie bey der Hautfarbe oder andern ſolchen Ei - genheiten, doch ſo, daß verwandte Schaͤdel ſich nur durch unmerkliche Uibergaͤnge einander naͤhern. Im allgemeinen behaupten ſie jedoch eine ſo unleugbare, ja auszeichnende Beſtaͤndigkeit der Charaktere, wel - che zum Nationalhabitus ſehr viel beytragen und mit der, den Nationen eigenthuͤmlichen Geſichtsbildung im Ganzen uͤbereinſtimmen. Dieſe Beſtaͤndigkeit der Form hat einige vortrefliche Anatomen ſeit Adr. Spiegel131)De corporis humani fabrica. S. 17. darauf gefuͤhrt, ein allgemeines Maasund145und Verhaͤltniß feſtzuſetzen, durch welches man die Schaͤdelverſchiedenheiten gleichſam nach Graden be - rechnen, und in Claſſen abtheilen koͤnnte; worun - ter denn vor allen uͤbrigen des ſcharfſinnigen Cam - pers132)S. beſſen kleinere Schriften, Th. 1. Ab - ſchnitt 1. S. 15. Deſſen Naturgeſchichte des Orang-Utang, S. 181. 212. Und ein beſondres Werk uͤber den natuͤrlichen Unterſchied des Geſichtszuͤge u. ſ. w. Geſichtslinie einer beſondern Erwaͤhnung verdient.

§. 59. Campers Geſichtslinie.

Er ſtellt ſich naͤmlich im Profil des Hirnſchaͤdels zwey gerade, ſich durchſchneidende, Linien vor. Die erſte iſt horizontal durch den aͤußern Gehoͤrgang und den Naſengrund gezogen. Die andere aber faͤllt von dem hervorragenden Theile des Stirnknochens herab bis zum aͤußerſten Zahnhoͤlenſaum der obern Kinnlade. Nach dem Winkel, in welchem ſich dieſe beyde Linien durchſchneiden, glaubte dieſer ſcharfſinnige Forſcher den Unterſchied der Schaͤdel ſowohl bey den Thieren als bey den verſchiedenen Na - tionen des Menſchengeſchlechts berechnen zu muͤſſen.

§. 60. Bemerkungen uͤber dieſe Geſichtslinie.

Dieſes Verfahren zu Ausmeſſung der Schaͤdel iſt jedoch, nach meiner Einſicht, auf mehr als eine Weiſe unrichtig. Denn 1) iſt, wie aus dem obenuͤberVerſch, des M. K146uͤber die Varietaͤten der Nationalgeſichtsbildung ge - ſagten (§. 56.) von ſelbſt erhellt, dieſe ganze Ge - ſichtslinie hoͤchſtens nur auf diejenigen Varietaͤten des Menſchengeſchlechts anwendbar, welche in der Richtung der Kinnladen von einander abweichen, keineswegs aber auf jene, welche auf ganz entge - gengeſetzte Weiſe ſich vielmehr durch ein in die Breite gezogenes Geſicht auszeichnen.

2) Trift es ſehr oft, daß an Hirnſchaͤdeln ſehr verſchiedner Voͤlker, welche, man moͤchte ſagen, wie Tag und Nacht, von einander unterſchieden ſind, doch die Richtung der Geſichtslinie die naͤmliche; und umgekehrt, an mehrern Schaͤdeln eines und deſſelben Volks, welche im Ganzen mit einander uͤbereinſtimmen, einerley Habitus haben, die Ge - ſichtslinie ſehr verſchieden iſt. Denn aus dem bloßen Umriſſe des Geſichts im Profil kann man wenig ſchließen, wenn man nicht zugleich auf ſeine Breite Ruͤckſicht nimmt. So habe ich z. B. indem ich dieſes ſchreibe, zwey Schaͤdel vor mir, den eines Negers aus Congo133)Zweytes Zehnd der Schaͤdelſammlung. Taf. 18. und eines Litthauers134)Drittes Zehnd. Taf. 22.; an beyden iſt die Geſichtslinie faſt eine und die - ſelbe; und der Habitus doch aͤußerſt verſchieden, wenn man den engen und faſt ſchifffoͤrmigen Kopf des Negers mit dem viereckigtern des Litthauers vergleicht. Dagegen aber habe ich zwey andere Schaͤdel von Negern bey der Hand, die im Profilerſtaun -147erſtaunlich weit von einander abweichen135)Vergl. des erſten Zehends Taf. 7 und 8. und bey - de bezeugen, wenn man ſie von vorne betrachtet, durch die enge faſt zuſammengedruͤckte Hirnſchale, hoͤckerichte Stirne u. a. m. offenbar ihren Neger - urſprung.

3) Bedient ſich Camper ſelbſt, in den ſeinem Werke beygefuͤgten Abbildungen, ſeiner beyden Nor - mallinien ſo willkuͤrlich und unbeſtaͤndig, variirt ſo oft mit den fixirten Punkten, nach welchen er jene Linien richtet, und von welchen alle ihre Wirkung und Richtigkeit abhaͤngt, daß er hierdurch ſelbſt ſtill - ſchweigend eingeſteht, er ſey uͤber ihren Gebrauch ungewiß und zweifelhaft.

§. 61. Uiber die ſenkrechte Linie, als Maas, um die National - verſchiedenheiten der Scheitel zu beſtimmen.

Je groͤßer und genauer taͤglich meine Bekannt - ſchaft mit meiner Sammlung von Schaͤdeln verſchie - dener Nationen wird, deſto unmoͤglicher kommt es mir vor, dieſe Nationalabweichungen, bey der ſo großen Verſchiedenheit in der Proportion und Bil - dung der mannichfaltigen einzelnen Theile der Schaͤ - del, welche mehr oder minder zum Nationalcharakter beytraͤgt, auf die Grade und Winkel einer gewiſſen Hauptlinie zuruͤckzufuͤhren.

K 2Inzwi -148

Inzwiſchen hat dieſe Methode zu Beſtimmung der Schaͤdelverſchiedenheiten den Vorzug, daß ſie die meiſten und die vornehmſten Theile des Kopfes, nach welchen ſich die Nationaleigenthuͤmlichkeiten am leichteſten vergleichen laſſen, mit einem Blick uͤberſehen laͤßt; und ich bin durch Erfahrung uͤberzeugt worden, daß ſie dieſem Zwecke vor al - len ungemein entſpreche, wenn man die Schaͤdel ohne die untern Kinnladen mit ihren Jochbeinen alle auf Einer horizontalen Linie richtet, und in Einer Reihe auf den Tiſch ſtellt, ſodann aber ſie von hin - ten betrachtet. Denn auf dieſe Art faͤllt alles, was hauptſaͤchlich den Nationalcharakter der Hirnſchaͤdel ausmacht, ſey es nun die Richtung der Kinnladen oder der Jochbeine, die Breite oder Enge der Hirn - ſchaale, die Flachheit oder Erhabenheit der Stirn u. ſ. w. auf einen Blick ſo deutlich ins Auge, daß man dieſe Anſicht nicht unſchicklich die Scheitelnorm nennen duͤrfte, deren Grund und Anwendung die erſte Tafel leicht darthun wird, wo z. B. drey auf dieſe Weiſe geſtellte Schaͤdel abgebildet ſind. Der mitt - lere (Fig. 2.) der die meiſte Symmetrie und Schoͤn - heit hat, iſt von einer Georgierin; von dieſem weichen die zu beyden Seiten geſtellten Schaͤdel auf ganz entgegengeſetzte Art ab. Der eine (Fig. 3.) welcher von vorne verlaͤngert iſt und gleichſam ſchnabelartig zulaͤuft, iſt von einer Negerin aus Guinea; der an - dere aber (Fig. 1.), welcher nach den Seiten hin ausgetrieben und gleichſam platt gedruͤckt iſt, iſt von einem Rennthiertunguſen.

In149

In dem erſten verbergen ſich der Augenhoͤlen - rand, die ſchoͤnverengten Jochbeine und ſelbſt die Kinnbacken unter der Peripherie des ſanftgeebneten Stiruknochens.

In dem zweyten hingegen ragen die auf beyden Seiten eingedruͤckten Kinnladenknochen hervor;

Und in dem dritten endlich ſtehen die Jochbeine, welche mit den Naſenknochen und der uͤber ihnen be - findlichen Vertiefung faſt in einer und derſelben ho - rizontalen Flaͤche ſtehen, auf beyden Seiten unfoͤrm - lich heraus.

§. 62. Nationalverſchiedenheiten der Hirnſchaͤdel.

Die ganze Verſchiedenheit des knoͤchernen Ko - pfes der verſchiedenen Nationen ſcheint ſich eben ſo gut, als die oben abgehandelte der Nationalgeſichts - bildung (§. 56.) auf fuͤnf Hauptabaͤnderungen zu - ruͤckbringen zu laſſen, und die zweyte Tafel enthaͤlt Beyſpiele davon, welche aus vielen herausgeſucht worden ſind.

1) Das Mittel von allen haͤlt der Kopf, an welchem man das meiſte Ebenmaas, eine ſanft ge - rundete Form, eine maͤßig geebnete Stirn und enge - re Jochbeine findet, welche nirgends hervorſpringen und von dem Jochfortſatze des Stirnknochens her - ablaufen.

Der150

Der Zahnhoͤlenrand iſt ziemlich rund, die Vor - derzaͤhne in beyden Kiefern ſtehen ſenkrecht.

Zum Muſter dient die dritte Figur auf der zwey - ten Tafel, ein ſehr ſchoͤner Schaͤdel von einer Geor - gierin. ( Vergl. §. 56. No. 1. )

Dieſe ſchoͤne Schaͤdelform iſt das Mittel zwiſchen zwey Extremen und an deren einem iſt

2) der Kopf gleichſam viereckigt; die Joch - beine ſtehen heraus; die Naſenvertiefung und der Knochen der ſtumpfen Naſe ſtehen mit den Jochbei - nen faſt horizontal; die Augenbraunenbogen ſind kaum merklich; die Naſenloͤcher ſind enge; die Wangengrube nur leicht gehoͤlt; der Zahnhoͤlenrand macht vorwaͤrts einen flachen Bogen; das Kinn ragt hervor.

Dieſe Schaͤdelform iſt den mongoliſchen Voͤlker - ſchaften eigen.

Man findet eine aͤhnliche von einem Rennthier - tunguſen auf der zweyten Tafel, Fig. 1. ( ſ. §. 56. N. 2. )

An dem andern Extreme hingegen

3) iſt der Kopf ſchmal und an den Seiten ein - gedruͤckt; die Stirn ſehr uneben und hoͤckericht; die Jochbeine hervorſtehend; die Naſenloͤcher weit; die Wangengrube neben den Furchen am untern Rande der Augenhoͤlen ſind tiefer gehoͤlt; die Kinnbacken ſtehen hervor; der Zahnhoͤlenrand iſt ſchmaͤler, laͤn - ger und ovaler; die obern Vorderzaͤhne ſtehen ſchraͤg hervor; die untere Kinnlade iſt groß und ſtark; der obere Hirnſchaͤdel dick und ſchwer.

Sol -151

Solche Schaͤdel haben die Neger, wie der von einer Negerin aus Guinea Taf. 2. Fig. 5. zeigt ( ſ. §. 56. N. 4. )

Endlich folgen zwey Varietaͤten, welche zwi - ſchen jener erſten, und den beyden Extremen das Mittel halten, naͤmlich:

4) diejenigen, welche zwar breitere aber doch gebognere und gerundetere Wangen hat, als die mongoliſche Varietaͤt ( N. 2.) und wo ſie nicht wie bey dieſer auswaͤrts ragen, und winklicht ſind.

Sie hat gemeiniglich tiefe Augenhoͤlen; die Form der Stirn und des Scheitels iſt bey den meiſten durch Kunſt bewirkt; die Hirnſchaͤdel ſind leichter.

Dies iſt die amerikaniſche Varietaͤt. S. Taf. 2. Fig. 2. Den Kopf eines karaibiſchen Fuͤrſten von der Inſel St. Vinzent ( ſ. §. 56. N. 3. )

5) Eine maͤßig verengte Hirnſchaale; eine et - was aufgeſchwollne Stirn; keine nicht hervorragen - de Backenknochen; der Oberkiefer etwas hervorſte - hend; die Scheitelbeine nach den Seiten ausgebogen.

So iſt der malayiſche Stamm in der Suͤdſee.

Eine Probe davon liefert der Hirnſchaͤdel eines Otaheiten. Taf. 2. Fig. 4. ( ſ. §. 56. N. 5. )

Und zwar bleibt ſich dieſe nationale Schaͤdelform immer ſo gleich, daß ſie auch in den Koͤpfen ſehr zarter Kinder ſchon bemerkbar iſt. Denn ſo beſitze ich z. B. den Schaͤdel eines buraͤtiſchen Kindes136)Drittes Zehnd. Taf. 29.,wel -152welcher offenbar den mongoliſchen Charakter an ſich traͤgt; und ein anderer von einem neugebornen Ne - ger137)Daſelbſt Taf. 30. verraͤth den Negerhabitus.

§. 63. Urſachen der Nationalverſchiedenheit der Schaͤdel.

Zwar ſind die Knochen unter allen gleichartigen Theilen des menſchlichen Koͤrpers die feſteſten und beſtaͤndigſten, und dienen in der Verbindung mit den uͤbrigen feſten Theilen gleichſam als Grundlage und Stuͤtzen.

Nichts deſtoweniger aber ſind ſie immerwaͤhren - den Veeaͤnderungen weit mehr als die weichen Theile des Koͤrpers ausgeſetzt, wie dies phyſiologiſche Ver - ſuche und pathologiſche Erſcheinungen augenſchein - lich lehren.

Die Beſtandtheile der Knochen werden unmerklich aufgeloͤſt, und wieder eingeſogen; dagegen ſondern ſich aus dem Blute neue ab, ſetzen ſich ſtatt jener an, werden feſt, und erſetzen den Verluſt.

Was alſo ſchon ſeit der erſten Bildung der Kno - chen geſchah, wird durch dieſe ununterbrochne Um - wandlung der Knochenmaterie fortgeſetzt und vollen - det; ſie fuͤgen ſich naͤmlich nach der Form der be - nachbarten Theile, und werden durch ihre Einwir - kung gleichſam geformt und ausgebildet.

Am153

Am augenſcheinlichſten erhellt dies beſonders an den Formen des knoͤchernen Kopfes eines bejahrteren Menſchen. Denn bey dieſem giebt die innere Ober - flaͤche des Schaͤdels gleichſam einen Abdruck der Lap - pen und Windungen des Gehirns ab, welchem ſie angepaßt war, von außen hingegen zeigt das Ge - ſicht des Schaͤdels unlaͤugbare Spuren, ſowohl von der Einwirkung der Muſkeln, als auch der ganzen Geſichtsbildung, deren allgemeinen Habitus und Verhaͤltnis man ziemlich leicht aus dem fleiſchloſen Schaͤdel beſtimmen koͤnnte.

Wenn nun das Klima (wie es denn hoͤchſt wahr - ſcheinlich iſt), zu der Nationalgeſichtsbildung ſehr maͤchtig mitwirkt (§. 57.); ſo folgt von ſelbſt, daß dieſelbe Urſache auch an der Bereitung der nationa - len Schaͤdelform, beſonders bey den Geſichtskno - chen, großen, wiewohl mittelbareren, Antheil habe.

Doch iſt zu glauben, daß außer dieſer Haupt - urſache auch andere Nebenurſachen, als ein gewalt - ſamerer, lang anhaltender Druck u. dergl. auf die Geſichtsknochen wirken koͤnnen.

Meine Sammlung verdankt der Freygebigkeit des Herrn Baronet Banks den ſehr ſeltenen Schaͤdel eines Neuhollaͤnders138)Drittes Zehnd. Taf. 27. aus der Nachbarſchaft der Botany-Bay, der ſich unter andern durch eine beſondre Flachheit des Oberkiefers, da wo die vor - dern und Eckzaͤhne ſtehen, auszeichnet. Nun iſt bekannt, daß jene rohen Voͤlker die ſonderbare Sittehaben,154haben, ſich mit einem Querholze die Scheidewand der Naſe zu durchbohren, und die Naſenloͤcher gleichſam mit einem Riegel ſo zu verſtopfen, daß ſie bloß mit offnem Munde Athem holen koͤnnen. Es iſt alſo glaublich, daß jene Flachheit durch den be - ſtaͤndigen Druck dieſes Querriegels nach und nach entſtehe.

Weit haͤufiger aber erleiden die flachen Knochen der Hirnſchaale durch einen langen Druck eine be - ſondere und zuweilen auch wohl nationale Umwand - lung der Bildung, die ſich entweder von der, ge - wiſſen Nationen eignen, Sitte, die Kinder in Wiegen zu legen, oder von einem gewaltſamen, taͤglich abſichtlich wiederhohlten Druck der Hand herſchreibt.

Daher zeichneten ſich zu den Zeiten des Veſalius, nach deſſen Ausſage die Teutſchen mehrentheils durch ein eingedruͤcktes Hinterhaupt und einen breiten Kopf aus, weil die Knaben in der Wiege immer auf dem Ruͤcken laͤgen.

Den Hollaͤndern aber ſchrieb er laͤnglichere Koͤpfe als den uͤbrigen zu, weil die Muͤtter ihre in Windeln gewickelten Kinder gewoͤhnlich auf der Seite und auf den Schlaͤfen ſchlafen ließen.

Daher zeichnen ſich die rohen amerikaniſchen Voͤlkerſchaften um Nord-Karolina bis nach Neu - Mexico hin, durch eine eingedruͤckte Hirnſchaale aus, welche ſie den Kindern durch eine abſchuͤſſige Lage in der Wiege zuziehen, in welcher ſie mit dem Schei -tel155tel und mit dem ganzen Koͤrpergewicht unbeweglich auf einem mit Sand gefuͤlltem Sacke liegen139)S. Adair’s Hiſtory of the North-American In - dians, S. 9. Sie legen ihre zarten Kin - der in eine Art von Wiege, wo ihre Fuͤße eingewickelt ſind, etwa einen Fuß hoͤher als in horizontaler Lage; ihre Koͤpfe haͤngen hinterwaͤrts in ein Loch, welches zu dieſem Behufe gemacht iſt, wo der groͤßte Theil ihrer Schwere auf dem Scheitel liegt, und da liegen ſie auf ei - nem Saͤckchen mit Sand, ohne ſich im ge - ringſten bewegen zu koͤnnen; durch dieſe Preſſung und Zuſammendruͤckung ihrer Scheitel, werden natuͤrlich ihre Koͤpfe dick, und ihre Geſichter breit. X x) .

Mehrere dergleichen Gebraͤuche, die Koͤpfe neu - geborner Kinder durch Druͤcken der Haͤnde, durch Binden und andre Mittel in eine gewiſſe nationale Form zu bringen, ſind bey den aͤlteſten, wie bey den neuern Voͤlkern, und unter uns ſowohl, als unter den entfernteſten Nationen herrſchend gewe - ſen140) Von dem Urheber unſers Weſens wuͤr - den unſere Koͤpfe uͤbel geſtaltet ſeyn: da muͤſſen von außen die Kinderweiber und innen die Philoſophen ſie erſt formen. Die Karaiben ſind zur Haͤlfte gluͤcklicher als wir. J. J. Rouſſeau Emil, Theil 1. Seite 19. Y y) .

Wir wiſſen aus mehreren Zeugniſſen, daß ſolche Gebraͤuche entweder ſonſt uͤblich geweſen, und es zum Theil in manchen teutſchen Provinzen141)Von den jetzigen Vogtlaͤndern ſ. J. Chr. Gottl. Ackermann in Baldingers neuen Magazin fuͤr die Aerzte. Th. 2. S. 506. Von nochſind;156ſind; bey den Hollaͤndern142)Spiegel de humani corporis fabrica. S. 17., Franzoſen143)Von den Pariſern, ſ. Andry Orthopedie, Theil 2. S. 3., Italienern144)Von den Genueſern z. B. ſ. Veſalius de corporis hamani fabrica, S. 23. Spiegel a. a. O., den griechiſchen Inſulanern des Ar - chipelagus145)Namentlich von den Chiern hat es mir ein Au - genzeuge erzaͤhlt, mein ehemaliger Zuhoͤrer, Herr Philites, Arzt zu Epirus., den Tuͤrken146)Herr v. Aſch meldete mir in einem Briefe vom 20ſten Jul. 1788, daß zu Konſtantinopel die Hebam - men nach der Geburt gewoͤhnlich die Mutter fragen, welche Form ſie fuͤr den Kopf ihres eben gebornen Kindes wuͤnſche, und daß denn die Aſiaten diejenige vorzoͤgen, welche durch eine, Stirn und Hinterhaupt feſt umſchließende Binde entſteht, weil ſie glauben, daß die rothen Turbane, welche ſie gewoͤhnlich tra - gen, dann beſſer ſitzen. Vergleich die zweyte Tafel des erſten Zehnds von Hirnſchaͤdeln., den alten Sigy - niern147)Strabo B. II. S. 358. Ausg. d. Caſaubonus. und den Langkoͤpfen an dem Pontus Eu - xinus148)Hippokrates de aeribus, aquis et loeis. Charters Ausg. Th. 6. S. 206., den jetzigen Sumatranern149)Marsden Hiſtory of sumatra, S. 38., den Nikobaren150)Nik. Fontana in den Aſiatik Reſearches, Theil 3. S. 151., beſonders aber bey mehreren ame - rikaniſchen Voͤlkern, z. B. den Anwohnern des Nootka-Sundes151)S. Meares’s Voyages, S. 249., den Schakten, einer georgi -ſchen141)Von[den] Hamburgern ſeiner Zeit ſ. Laurembergs Paſicompſe, S. 63.157ſchen Nation152)Adair a. a. O. S. 8. 254. Vergl. Taf. 9. des erſten Zehnds von Hirnſchaͤdeln., den Waxſawen in Karolina153)Lawſon’s Hiſtory of Carolina, S. 33., den Karaiben154)(Oviedo) Hiſtoria general de las Indias. Sevil - la 1535. Fol. S. 256. Rapmond Breton, Dictionnaire Caraibe-Francois. Auxerre 1665. 8. S. 58. 92. 145. 289. Vergl. Taf. 10. des erſten Zehnds von Hirn - ſchaͤdeln, und die zweyte Figur der dieſem Werke beygefuͤgten zweyten Tafel. Auch Taf. 20. des zweyten Zehnds., Peruanern155)Torquemada Monarchia Indiana. Sevilla 1615. Fol. Th. 3. S. 623. De Ulloa Relacion del viage para medir algunos Grados de Meridiano. Madrit 1748. Fol. Theil 2. S. 533., ja auch bey den freyen Negern auf den antilliſchen Inſeln156)Thibault v. Chawalen Voyage à la Martiniqus. Seite 39..

Es iſt in der That zu verwundern, daß neuer - lich Schriftſteller aufgeſtanden ſind, welche dieſe ganze Kuͤnſteley mit der Kinderkopfsbildung in Zwei - fel ziehen wollten157)S. Haller, Camper, Sabatier u. a.; eine Sache, die, meines Erachtens, durch einmuͤthige Uibereinſtimmung von Augenzeugen außer Zweifel geſetzt iſt; von welcher mehrere Nationen, ſowohl des ſuͤdlichen158) Der Name Omaguas bedeutet in der Sprache der Peruaner und der Name Campevas, welche ihnen die Portugie - ſen in der braſiliſchen Sprache geben, Flachkopf: wirklich haben dieſe Voͤlkerdie, alsdes158des noͤrdlichen Amerika159)Kugelkoͤpfe und flache Koͤpfe. Vergleiche Charleroix Hiſtoire de la nouvelle France, Th. 3. S. 187. 223. A a a), ihren Namen haben; welche bekanntlich ſchon vor zweyhundert Jahren auf den Concilien des ſpaniſchen Klerus den Wilden in der neuen Welt unterſagt wurde160)Joſ. Saenz v. Aguirre Collectio maxima concilio - rum omnium Hiſpaniae et novi orbis, zweyte Ausg. Rom 1755. Fol. Th. 6. S. 204. wo in der Geſchichte der dritten Synode limaiſcher Dioͤces vom Jahre 1585. d. 17. Jul. ein Beſchluß ſteht, daß die India - ner die Koͤpfe ihrer Kinder nicht durch Formen bilden ſollen. Da wir den aberglaͤubiſchen Misbrauch der Indianer, die Koͤpfe ihrer Kinder in Formen zu preſſen, welche ſie Caito, Omma, Ogalla nennen, gaͤnzlich auszurotten wuͤnſchen, ſo haben wir be - ſchloſſen und gebieten u. ſ. w. naͤmlich ver - ſchiedene Strafen auf den Uibertretungsfall, daß z. B. ein Weib, welches dieſes thue, fuͤr das er - ſtemal ganzer zehn Tage lang fruͤh und Abends dem Unterrichte beywohne; fuͤr das zweyte Mal aber zwanzig u. ſ. w.; von deren Ausuͤbung, und den dazu gebrauchten Huͤlfsmitteln, Binden u. ſ. w.161)Vergl. z. B. die genauen Abbildungen ſolcher Bin - den, deren die Karaiben ſich bedienen, in dem Jour - nal de Phyſique, Monat Aug. 1791. S. 132., mit welchen ſie durch Jahre lang fortgeſetzten beſtaͤndigen und einfoͤrmigen Druck der nachgiebigen Kindeshirnſchaale die ihnen ange - nehme Form verſchaffen, wir die genaueſten Be -ſchrei -158)die ſeltſame Gewohnheit, die Stirn der eben gebornen Kinder zwiſchen zwey Bret - ter zu druͤcken, und ihnen die fremde Ge - ſtalt zu verſchaffen, welche ſie, wie ſie ſa - gen, dem Vollmond aͤhnlicher machen ſoll. De la Condamine in den Mémoires de l’A - cad. des ſc. de Paris 1745. S. 427. Z z)159ſchreibungen haben; und welchen allen endlich die Schaͤdel von jenen rohen Voͤlkern ſelbſt, die nach Europa gebracht, und hin und wieder ſchon fruͤher abgebildet worden ſind162)Z. B. in den Memoires de l’Acad. des ſc. de Paris. 1740. Taf 16. Fig. 1., aufs genaueſte und voͤl - lig entſprechen.

So ſehr indeß die Sache ſelbſt außer allen Zwei - fel geſetzt iſt, ſo laͤßt ſich doch jene ſeit Hippokrates oͤfter wiederhohlte geleſene Behauptung nicht ſo leicht annehmen, daß ſolche beſondre Schaͤdelformen, die anfangs mit Fleiß und durch Kuͤnſteleyen gebildet und durch viele Generationen hindurch durch gleichen Gebrauch beybehalten worden, dann durch die Laͤnge der Zeit gleichſam erblich und zur andern Natur geworden waͤren.

Es findet ſich naͤmlich in der vortreflichen Schrift des Hippokrates von der Luft, den Waſſerarten und den Gegenden, eine beruͤhmte Stelle von den Lang - koͤpfen, einem Volke aus der Naͤhe des Pontus Euxinus, von welchem er zuerſt und hauptſaͤchlich handelt, weil uͤberall kein andres Volk ſich finde, das aͤhnliche Koͤpfe habe. Anfaͤnglich, ſagt er, habe die bey ihnen uͤbliche Gewohnheit dieſe langen Koͤpfe hervorgebracht; ſpaͤterhin aber habe die Na - tur mit der Gewohnheit geſtimmt. Es werde aber bey dieſem Volke fuͤr vornehm gehalten, einen ſehr langen Kopf zu haben. Und zwar ſey der Anfang folgender Gewohnheit geweſen: Sie druͤckten denKindern160Kindern gleich nach der Geburt, den noch ganz wachsweichen und gleichſam einem feuchten und wei - chen Leimen aͤhnlichen Kopf zwiſchen den Haͤnden zuſammen und trieben ihn dadurch ins laͤngliche; ſie zwaͤngten ihn ſogar durch Binden und andre Huͤlfs - mittel zuſammen, um die runde Form deſſelben in eine laͤnglichte umzugeſtalten. Dieſe Gewohnheit ſey Anfangs die Urſache ſolcher langen Koͤpfe geweſen. In der Folge aber habe die Natur dieſe Form frey - willig hervorgebracht, ſo, daß man ſie durch die vorige Gewohnheit nicht mehr zu erzwingen brauchte.

Hippokrates ſucht den Grund dieſes ſonderbaren Phaͤnomens aus ſeiner beruͤhmten Zeugungshypotheſe zu erklaͤren, welche von der buͤffoniſchen nicht gar viel abweicht. Dieſer zufolge glaubte er, daß der Zeugungsſaft aus allen Gliedern des Koͤrpers hervor - komme und gleichſam aus ihnen ausfließe, wodurch die Formen der Theile des zu bildenden Foͤtus gleich - ſam nach einer Urform gemodelt wuͤrden. Und dies ſey denn der Grund, warum von Kahlkoͤpfen wieder Kahlkoͤpfe, von Blonden Blonde und von Langkoͤ - pfen Langkoͤpfe erzeugt wuͤrden.

Etwas aͤhnliches hat man in neuerer Zeit auch von andern Voͤlkern, z. B. den Peruanern163)Von den Einwohnern der Provinz Puerto Viejo Cardamus de rerum varietate, Theil 3. Seite 162. Spons Ausg. und den Genueſern164)Jul. Caͤſ. Scaliger Commont. in Theophraſlum de cauſis plantarum. S. 287. erzaͤhlt.

Ohne161

Ohne uͤberhaupt uͤber dieſe Sache noch zu ent - ſcheiden, verweiſe ich blos[auf] das, was ich oben (§. 39.) uͤber andere aͤhnliche Erſcheinungen geſagt habe.

§. 64. Einige Nationalverſchiedenheiten der Zaͤhne, nebſt ihren Urſachen.

In der Ordnung folgen nun zunaͤchſt auf die Formen der Schaͤdel einige an gewiſſen Voͤlkern be - merkte Verſchiedenheiten der Zaͤhne.

So habe ich z. B. ſchon im Jahr 1779. ſowohl in einem Stuͤcke von einem einbalſamirten aͤgyptiſchen Leichnam, als in dem ganzen Hirnſchaͤdel einer Mu - mie165)Zweytes Zehnd von Hirnſchaͤdeln, Taf. 1. eine beſondere Anomalie in den Vorderzaͤh - nen bemerkt, deren Kronen nicht in die Breite gezo - gen und mit einem duͤnnen Rande verſehen, ſondern dick und abgeſtumpften Kegeln aͤhnlich waren. Die Hundszaͤhne aber konnte man in Anſehung der Kro - ne blos durch ihren Stand von den benachbarten zweyſpitzigen unterſcheiden. Und dieſelbe ganz be - ſondere Bildung hat man auch an andern Mumien bemerkt; wie an der zu Cambridge166)Midleton monumenta antiquitatis. im 4ten Theil ſeiner Werke Seite 170. Alle Zaͤhne in dem Oberkiefer findet man noch feſt ſtehend; was aber ſonderbar und bey nahe fuͤr ein Wunder zu halten iſt, iſt, daß die vor - dern oder Schneidezaͤhne nicht ſcharf und zum ſchneiden eingerichtet, ſondern ebenBerſch. des, M. Lſo und zu Kaſ -ſel162ſel167)Vergl. des braunſchweigiſchen Archiaters Bruͤck - manns Bericht von dieſer Mumie. Braunſchweig 1782. 4.; auch etwas aͤhnliches an der zu Stutt - gard168)Storr prodr methodi mammalium. Tuͤbingen 1778. 4. S. 24.; ich ſelbſt fand, als ich vor zwey Jahren zu London war, in einer jugendlichen Mumie, wel - che mir ihr Beſitzer, Herr Jo. Symmons, zu zer - legen erlaubte, ſehr aͤhnliche Schneidezaͤhne169)Philoſophical Transactions, J. 1794. Abſchnitt 2. S. 184. S. auch Obſervations on ſome Egyptian Mummies opened in London by J. F. Blumenbach. From the Philoſophical Transactions. 4. Gr. . Es bedarf aber freylich kaum einer Erinnerung, daß bey einer ſo großen Reihe von Jahrhunderten, ſeit das Einbalſamiren der Leichname in Aegypten Sitte war, und bey dem Wechſel ſo verſchiedner Herren und Bewohner dieſes Landes, auch eine große Ver - ſchiedenheit unter den Mumien und deren Schaͤdeln herrſchen muͤſſe, und daß man daher ſehr Unrecht haben wuͤrde, die erwaͤhnte beſondre Form der Zaͤhne an allen Mumien zu erwarten. Doch ſcheint es immer eine merkwuͤrdige Varietaͤt, die viel - leicht noch einſt als unterſcheidendes Merkmal an - gewandt werden koͤnnte, um die Mumien eines Zeitalters und Volks von den uͤbrigen zu unterſchei - den. Die Urſachen dieſer beſondern Bildung auszu - mitteln, moͤchte freylich ſchwer ſeyn, doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß ſie wenigſtens großen -theils166)ſo wie die Backenzaͤhne, breit und ſtumpf ſind. 163theils in den Nahrungsmitteln zu ſuchen ſeyen, von welchen Diodorus Siculus ausdruͤcklich anfuͤhrt, daß ſie bey den alten Aegyptiern aus Standen und Wur - zeln beſtanden haben. Dadurch wurden die Zaͤhne mehr abgerieben; daß aber Zaͤhne, welche ſtaͤrker abgerieben, oder mit Fleiß abgeſtumpft werden, in die Dicke wachſen, iſt eine Bemerkung, die man an Menſchen170)Birch’s Hiſtory of the Royal Society, Th. 4. S. 3. und Thieren171)Von den elfenbeinenen Stoßzaͤhnen der Elephan - ten, ſ. tranquebariſche Miſſionsberichte, 106te Fortſ. gemacht hat.

Dieſe Muthmaßung bekoͤmmt noch mehr Gewicht durch Winslovs172)Siehe Mémoires de l’Acad. de ſciences de Paris 1722. S. 323. Beobachtung, welcher in dem Hirnſchaͤdel eines Groͤnlaͤnders von der Hundsin - ſel173)Die Hundsinſel (Hond-Eyland) iſt eine ſo be - kannte Inſel bey der Meerenge Diſko an der weſtli - chen Kuͤſte von Groͤnland, die auf allen genauen Land - charten ſeit Zorgdragers Zeiten vorkommt, daß ich Campern nicht begreifen kann, wenn er Winsloven der Unwiſſenheit beſchuldigt, und ihn aus Huͤbners Geographie eines beſſern zu belehren ſucht, in welcher naͤmlich die Hundsinſel richtiger in das ſtille Meer und unter den ſuͤdlichen Wendekreis u. ſ. w. geſetzt werde. Wußte er denn nicht, daß dieſe ſuͤdliche Inſel von Schouten, der ſie im J. 1616 entdeckte, in ſeiner bekannten Reiſebeſchreibung als vollig unbewohnt be - ſchrieben wurde, ja ſogar ſeit jener Zeit, meines Wiſſens, von keinem Europaͤet wieder beſucht worden iſt! Da jenes noͤrdliche Land hingegen, aus welchem Winslov ſeinen Schaͤdel erhalten hatte, von unzaͤhli - gen Europaͤern des Wallfiſchfanges halber beſucht wird. eine ſolche ungewoͤhnliche Dicke der Schnei -L 2dezaͤhne164dezaͤhne und Aehnlichkeit mit den Backenzaͤhnen be - merkt hat, und ſie der Art und Weiſe zuſchreibt, wie jene Wilden das rohe Fleiſch eſſen174) Die Schneidezaͤhne ſind kurz; dies ſind Winslovs Worte, ſie ſind von vorn nach hinten breit und flach, ſtatt daß ſie ſcharf ſeyn ſollten, und den Backenzaͤhnen aͤhnlicher als den Schneidezaͤhnen. Herr Riecke der dieſen Schaͤdel gefunden hatte, ſagte mir, daß die Bewohner die - ſer Inſel ganz rohes Fleiſch eſſen. Sie machen verſchiedene außerordentliche Be - wegungen mit dem Kinnbacken, und ver - zerren das Geſicht beym Kauen und Ver - ſchlucken. Dieſer Anblick beſonders war es, welcher Herrn Riecken veranlaßte, einige Leichname dieſer Inſulaner aufzu - ſuchen, um zu ſehen, ob ihre Kiefer und Zaͤhne eine beſondre Bildung haͤtten u. ſ. w. B b b).

Wirklich entſprechen dieſer Beobachtung die dik - ken und wunderbar abgeriebenen Zaͤhne in zwey Hirn - ſchaͤdeln von Eskimos, welche ich aus der Kolonie Nain von der Kuͤſte Labrador neulich erhalten ha - be175)Siehe drittes Zehnd von Hirnſchaͤdeln. Taf. 24. 25.. Denn daß die Eskimos mit den Groͤnlaͤn - dern zu einem und demſelben Stamme gehoͤren, und daß ſelbſt der Name dieſes Volks insgemein von dem Eſſen rohen Fleiſches abgeleitet wird, iſt laͤngſt bekannt.

Mehrere Schriftſteller176)Vergl. z. B. Buͤffon, Erxleben u. a. haben angemerkt, daß die Kalmucken laͤngere und weiter auseinander -ſtehende165ſtehende Zaͤhne haͤtten; dieſe Nachricht haben ſie jedoch, wie ich itzt finde, und zwar nicht mit gehoͤ - riger Genauigkeit aus dem im Jahr 1243 gelieferten Berichte Yvo’s, eines Geiſtlichen zu Narbonne ge - ſchoͤpft, von welchem unten mehreres angefuͤhrt werden ſoll; ſie ſtimmt auch keineswegs mit den Schaͤdeln jetziger Mongolen, welche ich in meiner Sammlung aufbewahre, uͤberein.

Andre Nationaleigenheiten der Zaͤhne endlich ruͤhren blos von Kuͤnſteleien her; wie bey einigen Negerſtaͤmmen, welche ſich die Zaͤhne durch Fei - len177)van Linſchoten schipvaert naer Ooſt, Theil 1. S. 60. von der Groͤben guineiſche Reiſebeſchrei - bung, S. 51. 94. Barbot in Churchill’s collection of voyages, Theil 5. S. 139. 143. 385. Schotte in Philoſophical Transactions, Theil 73. Abſchn. 1. S. 92. Report of the Lords of the Committee of Council for the conſideration of slave Trade, Fol. L. und M. wie Pfriemen ſpitzen178)Es iſt zu verwundern, daß einige vortrefliche Schriftſteller, wie Roͤmer und der beruͤhmte Niebubr, dieſe kuͤnſtliche Verunſtaltung der Zaͤhne fuͤr ihre na - tuͤrliche Bildung angeſeben haben. S. des Erſteren Efterredning om Kyſten Guinea, S. 21. und dieſes Ab - handlung im deutſchen Muſeum 1787. St. 1. Seite 425.; oder wie bey ei - nigen malayiſchen Voͤlkern, welche den glasartigen Ueberzug der Zaͤhne großentheils vertilgen179)Von den Philippinen, Maginbanao, ſ. Forreſt voyage to New-Guinea, s. 237.,oder166oder ihnen auch uͤberdies Furchen eingraben180)Von den Peruanern, Hawkesworth’s collection of voyages, Th. 3. S. 349. u. ſ. w.

Etwas aͤhnliches habe ich ſelbſt an einigen Sine - ſen von Japan beobachtet, welche ſich die glasartige Rinde von dem aͤußerſten Rande der Vorderzaͤhne ſehr ſorgfaͤltig weggerieben hatten.

§. 65. Einige andere Nationalverſchiedenheiten in Anſehung ein - zelner Theile des Koͤrpers.

Bisher haben wir die Hauptvarietaͤten verſchie - deuer Voͤlker, welche in Anſehung der Farbe (ihrer Haut, Haare und Augen) der Geſichtsbildung und Schaͤdelform zu bemerken waren, eroͤrtert.

Es finden indeß noch einige ſolche Abweichungen an den andern Theilen des Koͤrpers ſtatt, welche zwar minder erheblich ſind, doch keineswegs uͤber - gangen werden koͤnnen. Ich will ſie kuͤrzlich nach einander anfuͤhren.

Koͤnnen auch gleich nicht von allen die Urſachen und Gruͤnde mit voller Gewißheit angegeben werden, ſo wird doch keine ſo unerklaͤrbar und gaͤnzlich raͤth - ſelhaft ſeyn, daß man ſie nicht durch Vergleichung mit analogen Erſcheinungen, dergleichen von Saͤu - gethieren hergenommene Analogien wir im vorigenAb -167Abſchnitte zuſammengeſtellt haben, begreiflicher ſoll - te machen koͤnnen.

§. 66. Aeußeres Ohr.

Den Alterthumsforſchern iſt bekannt, daß viele Goͤtterbilder des alten Aegyptens, ſie moͤgen nun aus Erz und Thon oder aus verſchiedenen Steinar - ten bereitet, oder aus aͤgyptiſchem Feigenholz ge - ſchnitzt, oder endlich auf Sarkophagen gemahlt ſeyn, ſich durch ziemlich hohe Ohren auszeichnen. Einem neueren Schriftſteller hat es beliebt, dies kurz weg den Kuͤnſtlern als einen Fehler der Zeichnung anzu - rechnen181)Récherches philoſophiques ſur les Egyptiens, Th. 1. S. 212.. Dies aber kann ich um ſo weniger zu - geben, da ich an manchen ſolchen Werken eine nicht gemeine Kunſt und einen richtigen Geſchmack gefun - den habe; dann aber auch, weil ich es hauptſaͤchlich an ſolchen Bildern beobachtet habe, welche indiani - ſche Geſichtsbildung hatten182)S. Philoſophical Transactions, J. 1794. St. 2 S. 191. Taf. 16. Fig. 2., und eine aͤhnliche aͤußerſt genau gezeichnete Stellung auch an aͤcht in - dianiſchen Portraits angetroffen wird. Im Allge - meinen aber iſt dieſe Verſchiedenheit nicht groͤßer, als jene, welche wir auch an Varietaͤten der Haus - thiere, beſonders der Pferde und der Schweine be - merken, bey welchen die Stellung und Lage der Ohren ſich verſchieden zeigt. Ja wenn wir an die -ſen168ſen aͤgyptiſchen und indianiſchen Figuren zugleich auf die Richtung der Augenwinkel von der Naſenwurzel nach den Ohren zu, Ruͤckſicht nehmen, ſo ſcheint dieſe Hoͤhe der Ohren großentheils blos von der Art und Weiſe, wie ſie den Kopf tragen, naͤmlich mit erhobenerem Hinterhaupte und geſenkterem Kinne herzukommen.

Daß auch die alten Bataver eine ganz beſondere Form und Lage der Ohren gehabt haben, bezeugen ſowohl Stellen alter Schriftſteller, als auch Bild - niſſe183)Abbildungen liefern des smetius antiquitates Neomagenſes, S. 70. und Cannegieter de Britten - burgo, matribus Brittis u. ſ. w. S. 144..

So ſollen ſich auch die Ohren der Bewohner Biscajas durch Groͤße auszeichnen184)Rélation du voyage d’Eſpagne, von der Graͤfin d’Aunoy, Th. 1. S. 23. Auch beſtaͤtigt dies mein Freund Dieze in den Anmerkungen zu Puente’s Reiſe durch Spanien. Th. 2. S. 271..

Daß bey den Wilden die Ohren mehr von dem Kopfe abſtehen und beweglich ſind, iſt eine ſehr be - kannte Sache, ſo auch, daß viele Voͤlkerſtaͤmme, beſonders aus Oſtindien und dem ſtillen Meer ſie durch mancherley Kuͤnſteleien ſehr groß und unnatuͤr - lich lang machen; welche ſeltſame Sitte zu den maͤhrchenhaften Erzaͤhlungen einiger alten Schrift - ſteller von den ungeheur großen Ohren gewiſſer Voͤl - ker Veranlaſſung gegeben hat.

§. 67.169

§. 67. Bruͤſte.

Daß bey manchen rohen Voͤlkern, beſonders in Afrika185)Ueber die Negerinnen, ſ. Fermin ſur l'oeconomie animale, Th. 1. S. 117. Von den Hottentottem, Kolbe S. 474. und auf einigen Inſeln des ſtillen Mee - res186)S. die Einwohner der Inſel Horn bey Schouten in Dalrymple collection, Th. 2. S. 58., die Weiber lange und ſchlaff herunterhaͤn - gende Bruͤſte haben, iſt durch eine Menge Zeugen außer Zweifel geſetzt. Doch ſind dieſe Erzaͤhlungen zum Theil uͤbertrieben187)Z. B. Towrſon’s Behauptung in Hakluyt’s collection, Th. 2. S. 26. von den Negern am St. Vinzenzfluſſe. Verſchiedne Weiber haben ſo außerordentlich lange Bruͤſte, daß manche von ihnen ſie auf die Erde legen, und auf denſelben liegen. C c c) Bruce ſagt von den Bruͤſten der Schangallas, daß ſie bey einigen faſt bis auf die Kniee herabhingen. Reiſen nach den Quellen des Nils, Th. 2. S. 546. Eben ſo wenig Glauben verdienen Mentzels Erzaͤh - lungen von den Tabacksbeuteln, welche aus den Bruͤ - ſten von Hottentottinnen gemacht, und auf dem Vor - gebirge der guten Hoffnung in Menge feil geboten wuͤrden. Beſchreibung des Vorgebirgs der guten Hoffnung, Th. 2. S. 564., auch findet ſich dieſe Eigenheit nicht an allen Weibern eines und deſſelben Volks; denn es giebt ſehr viele Suͤdſeeinſulanerin - nen188)J. R. Forſter Bemerkungen u. ſ. w. S. 242. und nicht weniger Negerinnen, die man taͤglich in europaͤiſchen Handelsplaͤtzen ſehen kann,welche170welche durch ſchoͤn geformte Buſen ſich auszeichnen; endlich aber iſt auch dieſe Verlaͤngerung keineswegs blos den wilden Voͤlkerſchaften eigen, ſondern man hat ſie hier und da auch bey europaͤiſchen Weibern, z. B. ſonſt an den irrlaͤndiſchen189)Lithgow’s rare Adventures and painefull pere - grinations, S. 433. In den noͤrdlichen Theilen von Irrland ſah ich Weiber, wel - che auf der Straße arbeiteten, oder heim - waͤrts gingen, und ihre Kinder auf den Nacken trugen, und ihre Bruͤſte uͤber die Schultern gelegt, die Saͤuglinge hinter ihren Ruͤcken ſaugen ließen, ohne ſie in ihre Arme zu nehmen. Solche Art von Bruͤſten deucht mich, waͤren ſehr paſſend, Geldbeutel fuͤr oſt - oder weſtindiſche Kauf - loute daraus zu machen; denn ſie ſind laͤnger als eine halbe Elle und ſo zuge - richtet, als nur immer ein Lohgerber ſolches Leder zurichten koͤnnte. D d d) und noch in neuern Zeiten bey den morlachiſchen190)Fortis viaggio in Dalmazia. Th. 1. S. 81., gefunden.

Die Urſache davon ſcheint hauptſaͤchlich in der Gewohnheit, die Kinder, auf dem Ruͤcken der Mut - ter hangend, zu ſaͤngen, zum Theil auch in einem langen, mehrjaͤhrigen Saͤugen der Kinder zu liegen. Hin und wieder wird uns ſogar berichtet, daß bey Voͤlkern, welche dieſe Verlaͤngerung fuͤr ſchoͤn hiel - ten, die Bruͤſte durch Kunſt verlaͤngert worden ſind191)Von den Bewohnern der oͤſtlichen Kuͤſte Afrikas, zwiſchen dem weißen Vorgebirge und dem Fluß Se - nega. Cadamoſto in Ramuſius Sammlung, Theil 1. S. 100. Vergl. L’amiral l’Afrique et le peuple Africain. Paris 1789. 8. S. 43. In.

An -171

Andere Nationen zeichnen ſich durch weite und dicke Bruͤſte aus, wie die Aegyptier, und ſchon Juvenal ſpricht Von Warzen auf Meroens Bruſt Die groͤßer, als ein dickes Kind geweſen als von einer bekannten und nicht ungewoͤhnlichen Sache. Ja nicht die Weiber allein, ſondern auch die Maͤnner in Aegypten ſollen ungewoͤhnlich ſtarke Bruͤſte haben192)Alpinus, hiſtoria naturalis Aegypti, Th. 1. S. 14..

Unter den europaͤiſchen Nationen haben die Por - tugieſinnen die vollſten Bruͤſte193)Dies erzaͤhlte mir Herr Abildgaard, welcher neu - lich von einer Reiſe durch Portugall zuruͤckgekom - men iſt., da ſie hingegen bey den Spanierinnen ſchwach und klein ſind, denn ſie ſuchten, wenigſtens im vorigen Jahrhundert, das Wachsthum derſelben durch Einpreſſen zu ver - hindern194)Graͤfin d’Annoy a. a. O. Th. 2. S. 128..

Daß dagegen durch andere Mittel die Dicke der Bruͤſte noch vergroͤßert werden koͤnne, iſt außer Zweifel; wieviel uͤbrigens eine zu fruͤh ausgeuͤbte Befriedigung des Geſchlechtstriebes dazu beytragen koͤnne, davon geben die noch nicht ganz erwachſenen und unmannbaren feilen Weibsperſonen ein auffal -lendes191) In Senegal wenden die jungen Frauen - zimmer alles an, ihren Buſen ſchlapp zu machen, damit man ſie fuͤr Weiber halte, und ihnen mehr Achtung bezeige. E e e)172lendes Beyſpiel, welche nach London aus den naͤch - ſten Vorſtaͤdten zuſammenſtroͤmen, um ihren Koͤrper fuͤr Geld Preis zu geben, und die Straßen des Abends in unglaublicher Menge durchſteifen.

§. 68. Geſchlechtstheile.

Linné verwirft zwar in ſeinen Prolegomenen zu dem Syſtem der Natur eine ausfuͤhrlichere Unterſu - chung der Geſchlechtstheile und verabſcheuet ſie; al - lein in der Folge ſeiner Unterſuchungen hat er anders davon gedacht, wie dies augenſcheinlich ſeine Ter - minologie der Conchylien, und vor allen die aͤchte Venusmuſchel (Venus Dione) beweißt, welche er in einer in der That ſehr ſchluͤpfrigen metaphoriſchen Sprache beſchrieben hat. Die Manen des großen Mannes moͤgen mir es daher verzeihen, wenn auch ich hier einige nicht unmerkwuͤrdige Nationalverſchie - denheiten der Geburtstheile, einzeln aufzaͤhle.

Von den Negern ſagt man insgemein, daß ihr Geburtsglied ziemlich lang ſey. Wirklich entſpricht dieſer Behauptung ein ausgezeichnetes Praͤparat von den Geburtsgliedern eines Negers, welches ich in meiner anatomiſchen Sammlung aufbewahre. Ob aber dieſe Eigenſchaft allgemein und der ganzen Na - tion eigen ſey, weiß ich nicht195)Daſſelbe ſagt Fauſt von den noͤrdlichen Schotten, welche niemals in Beinkleidern gehen. Wie der Geſchlechtstrieb der Menſchen in Ordnung zu bringen ꝛc. S. 52. Daß. Sehr wolluͤſti -ge173ge Frauenzimmer ſollen den Beyſchlaf mit den Ne - gern andern vorziehen196)Siehe Saar, oſtindiſche Kriegsdienſte Seite 45..

Umgekehrt verſichert man auch, daß die Euro - paͤer die beſte Befriedigung bey den Negerinnen197)Chanvalon voyage à la Martinique, S. 61. Svarrmann Reiſe nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung, S. 72. und Mulattinnen198)S. de Werken van W. V. Focquenbroch Theil 2. S. 421. finden. Die Urſache dieſes Vorzugs, deren es verſchiedene geben kann, iſt mir unbekannt.

Ob ſie etwa darin den mongoliſchen199)Georgi Beſchreibung aller Nationen des ruſſiſchen Reichs, Abſchn. 2. S. 220. und amerikaniſchen200)S. Veſpucci Lettera a Lorenzo de Medici, Seite 110. Bandinis Ausg. Riolani des Sohns anthropographia, S. 306. Weibern gewiſſer Voͤlkerſchaften aͤhnlich ſind, von welchen man ſagt, daß ſie auch nach der Verheyrathung und ſelbſt nachdem ſie ſchon Kinder geboren haben, enge Geburtstheile behalten?

Eine ganz entgegenſetzte Beſchaffenheit der Schamtheile, ſchreibt Steller den Kamtſchadalin - nen zu201)Beſchreibung von Kamtſchatka, S. 299..

Er
195)Daß aber dieſe Behauptung von den Schotten nicht ganz richtig ſey, habe ich durch ſehr guͤltige Zeugniſſe bewieſen in der mediciniſchen Bibliothek, Th. 3. S. 413.
195)174

Er behauptet, daß ſich viele unter ihnen durch lange und vorhaͤngende Nymphen auszeichnen, die, wie von mehreren Schriftſtellern verſichert wird202)Vergl. W. ten Rhyne de promontorio bonae ſpei, Schafh. 1686. 8. S. 33., bey den Hottentottinnen zu fingerfoͤrmigen Laͤppchen werden ſollen. Doch ſcheint dieſer Schaambuſen (Sinus pudoris) wie Linné ihn nannte, mehr in einer Verlaͤngerung der Lefzen ſelbſt zu beſtehen203)S. Hawkesworth’s collection, Th. 3. S. 388. Verſchiedene auf dem Vorgebirge der guten Hoff - nung nach der Natur ſelbſt gemachte Abbildungen dieſes Schaambuſens verdanke ich dem Wohlwol - len des Herrn Baronet v. Banks. Bey einer darun - ter halten die ſo verlaͤngerten Lefzen ſechs und einen halben Zoll thein. Maaß., welche nicht natuͤrlich, ſondern erkuͤnſtelt ſeyn ſoll204)le Vaillant, voyage dans l; intérieur de l’Afrique. S. 371.; und ſie hat eigentlich zu dem fabelhaften haͤutigen Bauchſchurz Veranlaſſung gegeben, von welchem leichtglaͤubige Schriftſteller glaubten, daß er von dem Unterleibe herabhaͤnge205)S. eine Abbildung bey F. Leguat voyage et avan - tures, Th. 2. Taf. 13. und die Schaamtheile dieſer Weiber bedecke206)Voltaire fuͤhrt unter anderen Beweiſen von glei - chem Gewichte dieſen fabelhaften Schurz an, um zu beweiſen, die Hottentotten konnten nicht mit den Europaͤern zu derſelben Menſchengattung gerechnet werden. Lettres d’Amabed, Th. 45. ſeiner Werke S. 224..

§. 69.175

§. 69. Schenkel.

Ferner wiſſen wir, daß gewiſſe Voͤlker in der Bildung und Proportion der Schenkel von einander abweichen. So zeichnen ſich z. B. die Indianer durch die Laͤnge ihrer Schenkel207)De la Boullaye-le-Gouz voyages et obſervations, S. 153. Kant in Engels Philoſoph fuͤr die Welt. Theil 2. Seite 155., die Mongolen dage - gen durch die Kuͤrze derſelben aus208)Yvo von Narbonne in Matthaͤus Paris, hiſtoria majore, nach Wats Ausgabe S. 530.. Die Irr - laͤnderinnen ſollen ſehr ſtarke Lenden haben209)Twiß’s Tour in Ireland, S. 39..

Den Neu-Seelaͤndern legt man ſo dicke Schen - kel bey, daß ſie die Speckgeſchwulſt F f f) zu haben ſcheinen210)Monneron in de la Borde hiſtoire de la mer du sud, Th. 2. S. 97.

Andere ſagen, daß dieſe Antipoden von uns; krumme und ungeſtaltete Schenkel haben, und dieſe Misgeſtalt durch die Lage des Koͤrpers bekommen, in welcher ſie zu ſitzen pflegen211)G. Forſters voyage round the world, Theil 2. S. 480..

Die ſehr krummen Schenkel der Kalmucken leitet man theils von der Beſchaffenheit ihrer Wiegen,theils176theils von dem Reiten her, wozu ſie ſich ſchon in der zarteſten Jugend gewoͤhnen212)Pallas uͤber die mongoliſchen Voͤlker - ſchaften, Th. 1. S. 98..

Aeußerſt unfoͤrmlich werden die Fuͤße der Feuer - laͤnder beſchrieben213)J. R. Forſter Bemerkungen, S. 225. Die Fuͤße haben kein Verhaͤltnis zu dem Ober - leibe; die Schenkel ſind duͤnn und hager; die Beine gekruͤmmt, die Knie ausge - dehnt, die Zehen einwaͤrts gekehrt. , welche Bougainville Peſche - rais benamt hat214)Voyage autour du monde, S. 147. Wir haben ſie Peſcherais benamt, weil dies der erſte Laut war, den ſie von ſich gaben, als wir landeten, und welchen ſie uns unaufhoͤrlich wiederholten. G g g).

Daß aber eine Mißgeſtalt der Schenkel und Fuͤße, beſonders bey einigen afrikaniſchen Voͤlker - ſchaften, national ſey, haben ſchon die Alten, haupt - ſaͤchlich von den Aegyptern215)Ariſtoteles problematum, 5. 14. S. 431. in Ca - ſaubons Ausgabe., Aethiopiern216)Virgil. moretum, V. 35. Vergl. Heynens Anmerkungen zu dieſer Stelle im vierten Theil von Virgils Werken, S. 215. fg. und Negerſklaven217)Petron. Satyricon, K. 102. angemerkt. An den Schen - keln der ſchwarzen Sklaven muß man dreyerley Fehler unterſcheiden, welche auch von verſchiednen Urſachen herruͤhren: erſtlich krumme Beine218)Soͤmmering uͤber die koͤrperliche Ver - ſchiedenheit des Negers u. ſ. w. S. 40. Chan -(jam -177(jambes cambrées) dann eine verunſtaltende Dik - ke219)Albrecht Duͤrer von menſchlicher Propor - tion, Fol. Theil 3. Ausgabe vom Jahr 1528. Der Morn ire ſchinbeyn mit dem knie unn fuͤß ſind zu knorret nit ſo gut zu ſe - hen alß der[weyßen]. Ramſay on the treatment and converſion of African slaves, S. 217. und endlich Striemen und Riſſe, welche haͤu - fig daran aufſpringen ſollen220)Im Monat Januar 1789 erhielt ich das friſche, uͤbrigens ganz geſunde rechte Bein eines eben zu Kaſ - ſel verſtorbenen Mohren, wovon ich einen Theil noch unter meinem anatomiſchen Votrath aufbewahre, woran die Oberhaut der Fußſohle außerordentlich dick, ritzig und in vielgeſpaltue Stuͤckchen aufgeſprun - gen war,.

Jene Kruͤmmung ſcheint hauptſaͤchlich von der Stellung herzuruͤhren, in welcher die Kinder auf dem Ruͤcken der Muͤtter haͤngen und ſich mit ihren Knieen feſthalten221)Chanvalon a. a. O.. Manche ſolche Unfoͤrmlich - keiten ſind auch Folgen von Krankheiten222)Fr. Allamand in den Novis actis academiae na - turae curioſorum, Th. 4. S. 89..

Die Dicke der Fuͤße (wo ſie nicht ebenfalls aus der Pathologie zu erklaͤren iſt) kann auch wohl von ſtarker und anhaltender Arbeit herkommen.

Daß
218)Chanvalon voyage à la Martinique, Seite 58. Dieſe Form der krummen Beine iſt auch unter den Amerikanern ſehr gemein, al - lein ſie iſt zuweilen nicht ſo merklich als unter den Negern. H h h)
218)Verſch. des M. M178

Daß aber die an der ſtarken Haut, vorzuͤglich auf der Fußſohle, der Neger aufſpringenden Spal - ten von dem brennenden ſandigen Boden herruͤhren kann, iſt nicht zu bezweifeln223)S. Hier. Mercurialis de decoratione, S. 103..

§. 70. Fuͤße und Haͤnde.

Endlich haben aufmerkſame Beobachter ange - merkt, daß bey gewiſſen Nationen Haͤnde und Fuͤße verhaͤltnißmaͤßig ſehr klein ſind.

Dies wird z. B. von den Indianern224) An den haͤufig nach England gebrach - ten Waffen der Hindus hat man beobach - tet, daß die Saͤbelgefaͤße fuͤr die meiſten europaͤtſchen Haͤnde zu enge ſind. Hod - ge’s Travels in India, S. 3. I i i), Si - neſern225)Dampier ſuite du voyage autour du mond, S. 100. de la Barbinais voyage autour du monde, Theil 2. Seite 62. Osbeck’s Oſtindiſk Reſa, S. 171., Kamtſchadalen226)Steller a. a. O., Eskimos227)S. H. Ellis, Dav. Cranz u. a. Der vortrefliche Aſtronom Wales in den Philoſo - phical Transactions, Th. 40. S. 109. und Curtis daſelbſt, Th. 64. S. 383., Peruanern228)de Ulloa Nachrichten u. ſ. w. Th. 2. S. 92., Neuhollaͤndern229)Watkin Tench’s Account of the settlement at Port Jackſon, S. 179. und Hotten - totten230)Sparrmann a. a. O. S. 172. geſagt.

Daß179

Daß hiezu oft Verkuͤnſtelung mitwirken koͤnne, lehren die ſtraußfuͤßigen Sineſerinnen. Sehr wahr - ſcheinlich moͤgen aber auch die harte Lebensart231) Ein (Amerikaner) Indianer hat kleine Haͤnde und Handgelenke aus ebendemſel - ben Grunde, aus welchem der Ruderer ſtark an Arm und breitſchulterig iſt, oder ein Laſttraͤger ſtarke Schenkel und Beine hat. Jefferſon in Morſe’s American univerſat Geography, Th. 1. S. 87. K k k) und die Nahrungsmittel232)S. Tench a. a. O. nach der Beobachtung eines Gouverneurs vom Cap: Der Obriſt Gor - don erzaͤhlte mir, daß dies von Armuth und elender Lebensart zeige. Er fuͤhrte mir die Hottentotten und Kaffern zum Beyſpiel an: die erſtern leben kuͤmmer - lich und haben kleine Haͤnde und Fuͤße; an den Kaffern, ihren Nachbarn, dage - gen, welche im Ueberfluſſe leben, findet man ſie ſehr groß. L l l) Schuld daran haben.

§. 71. Nationalverſchiedenheiten in Anſehung der Statur.

Nachdem wir nun die merkwuͤrdigſten Verſchie - denheiten in Bildung einzelner Theile und ihrer Pro - portion unter einander beruͤhrt haben, muͤſſen wir auch die Verſchiedenheiten der ganzen Leibesſtatur kuͤrzlich abhandeln; und zwar iſt dieſer Theil der Geſchichte des Menſchen bisher am meiſten durch fabelhafte und uͤbertriebene Erzaͤhlungen verfaͤlſcht und entſtellt worden, welche jedoch itzt großentheils ſchon ſo weit widerlegt oder berichtigt und auf den wahren Grund zuruͤckgefuͤhrt worden ſind, daß ſieM 2kaum180kaum einer weitern Erwaͤhnung, geſchweige einer wiederholten genauen Unterſuchung, beduͤrfen.

So hat man z. B. bewieſen, daß in den aͤthio - piſchen Pygmaͤen der Alten nichts als eine ſymboli - ſche Bedeutung der Grade auf dem Nilmeſſer zu ſuchen ſey.

So hat man ferner nach einem ſorgfaͤltigern Studium der Knochenlehre gefunden, daß die ſehr großen hin und wieder in unſern Erdgegenden aus - gegrabenen Knochen, welche das Vorurtheil ſonſt Giganten beygemeſſen hatte, von großen Land - und Seethieren (belluae) herruͤhren233)Es iſt in der That unbegreiflich, wie ganz neuer - lich Buͤffon in dem funſten Supplementbande ſeines klaſſiſchen Werks, mehrere ſolcher zu verſchiedenen Zeiten und Orten ausgegrabener foſſiler Thierknochen wiederum Giganten habe beylegen koͤnnen, z. B. die - jenigen, welche im Jahr 1577. bey Luzern ausgegra - ben worden ſind, und noch jetzt auf dem Rathhauſe dieſer Stadt aufbewahrt werden, wo ich ſie ſelbſt unterſucht, und beym erſten Anblick fuͤr Elephanten - knochen erkannt habe. Der verdiente Arzt und vor - krefliche Anatom. Felix Plater hingegen, hat dieſe geognoſtiſchen Denkmaͤler damals, als ſie ausgegra - ben wurden, ſehr ſorgfaͤltig ausgemeſſen und unter - ſucht und ganz zuverſichtlich erklaͤrt, ſie haben einem menſchlichen Giganten von 17 Fuß Laͤnge zugehoͤrt. Er hat auch ein ſeltſames koloſſaliſches Gemaͤhlde ei - nes menſchlichen Skeletts von dieſer Groͤße mit vieler Sorgfalt verfertigen laſſen, welches noch in dem Je - ſuitercollegium zu Luzern zu ſehen iſt: zum merkwuͤr - digen Beweiſe, wie maͤchtig die Herrſchaft des Vor - urtheils auch in einem ſo großen Manne ſey, wenn es einmal ſo tief eingewurzelt, daß es ſelbſt gegen den Augenſchein noch ſtreitet. u. ſ. w.

Viel -181

Vielmehr beweiſen einſtimmig alle auf uns ge - kommene Ueberreſte und Alterthuͤmer, wonach wir die Statur der alten Voͤlker ſchaͤtzen koͤnnen, als Mumien, Knochen, beſonders Menſchenzaͤhne, wel - che in den aͤlteſten Grabmaͤhlern und Urnen gefun - den worden ſind234)Ich beſitze durch die Guͤte des Herrn von Bozen - hard, kaiſerl. Oberkonſuls in Copenhagen, die Hirn - ſchaale und andere Knochen eines erwachſenen Men - ſchen, welche unlaͤngſt in einem ſehr alten cimbriſchen Grabmahle gefunden wurden, und die weder in Ver - haͤltniß noch der Groͤße von unſrer heutigen Statur abweichen., Waffen u. a. m. daß jene Voͤlker wenig oder gar nicht groͤßer geweſen ſeyen, als die jetzigen.

Zwar findet man auch unter den neuern Voͤlkern allerdings Nationalverſchiedenheiten hierin. So ſind z. B. unter den europaͤiſchen Nationen die Schonen, oder die Schweizer gewiſſer Kantons, z. B. die Schwytzer, langer, die Lapplaͤnder aber kleinerer Statur; in der neuen Welt ſind die Abiponer von groͤßerem, die Eskimos von kleinerem Koͤrperbau; doch ſo, daß keins zu ſehr von der Mittelgroͤße ab - weicht; und im Allgemeinen iſt unter den Nationen der jetzigen Welt keine Verſchiedenheit im Betreff der Koͤrpergroͤße ſo abweichend von der Regel, daß ſie nicht nach der gewoͤhnlichen Degenerationsweiſe und analogen Erſcheinungen an andern Saͤugthieren leicht erklaͤrt werden koͤnnte.

Ich muß jedoch zwey ſolche Verſchiedenheiten beſonders beruͤhren, wovon ſelbſt nach neuern Nach -richten,182richten, die eine weit uͤber die gewoͤhnliche Men - ſchenſtatur hinausgehen, die andere aber weit unter ihr bleiben ſoll. Ich meine die gigantiſchen Pata - gonen im ſuͤdlichſten Amerika, und die zwerg haften Quimos, die angeblichen Bergbewohner der Inſel Madagaſkar.

§. 72. Patagonen.

In dem ſuͤdoͤſtlichen Theile des feſten Landes von Suͤd-Amerika iſt eine Nation, die ſeit Magal - haens Weltumſeglung den Europaͤern bekannt wor - den, welche ihnen den zuſammengeſetzten Namen der Pata-gonen gaben, weil ſie ſie naͤmlich fuͤr ver - wandt mit den benachbarten Chonen hielten, ihre in Guanakofelle eingewickelten Fuͤße aber den behaar - ten Thierpfoten, welche die Spanier Patas nennen, aͤhnlich waren. Nach der eigenthuͤmlichen und Lan - desbenennung aber heißen ſie Tehuelheten.

Von dieſen ſogenanten Patagonen nun fabelte zuerſt Anton Pigafetta, Magalhaens Reiſegefaͤhrte, in ſeiner Erzaͤhlung, ſie ſeyen Giganten, am Koͤr - perbau doppelt groͤßer als die Europaͤer235)S. deſſen Viaggio atovne il mondo, bey Ramuſius Th. 1. (4te Ausg.) S. 35. 36.. Von jener Zeit an bis nach drittehalb Jahrhunderten be - ſtreiten und widerſprechen ſich gegenſeitig die Berichte in denen von den Europaͤern nach dieſer Gegend der neuen Welt angeſtellten Reiſen in Betreff der Pata -gonen183gonen ſo ſehr, und ſind ſich ſo aͤußerſt ungleich, daß ſie ein merkwuͤrdiges Warnungsbeyſpiel zur Behut - ſamkeit und zum Mißtrauen beym Gebrauch der Rei - ſebeſchreibungen abgeben koͤnnen.

Wem daran liegt, dieſe verſchiedenen Berichte und die Meinungen der Anthropologen daruͤber zu durchſuchen und zu vergleichen, der leſe die unten angefuͤhrten zehn Schriftſteller236)Büffon hiſtoire naturelle, Theil 3. und Supple - mente, Theil 5. de Broſſes hiſtoire des navigations aux terres au - ſtrales, Th. 1. de Pauw Recherches ſur les Americains, Th. 1. Ortega in Viage del comand. Byron al rededor del mundo, traduc. del Ingles. Robertſons hiſtory of America, Th. 1. In Schil - lers Ueberſetzung S. 348-350. und S. 540. fgg. wo man noch mehrere Citate hieruͤber findet. G. Zimmermann geographiſche Geſchichte des Menſchen, Th. 1. S. 60-63. J. R. Forſter Bemerkungen. Com. Carli-Ruhbi Lettere Americane, Th. 1. Pennant of the Patagonians. Relacion del ultimo viage al Eſtrecho de Magallanes en 1785 y 86.. Zu unſerm Zwecke iſt blos noͤthig jene Folgerungen darzulegen, welche nach reiferer Pruͤfung die wahrſcheinlich - ſten ſind.

Es iſt alſo ein Menſchenſtamm, der ſich keines - wegs durch gigantiſche Groͤße, ob wohl durch einen langen Koͤrper und noch mehr durch robuſten Habi -tus184tus auszeichnet237)Denn ſo werden ſie von den wahrhafteſten Augen - zeugen mit einem Munde beſchrieben. So waren auch die, welche gegen das Ende des 16ten Jahrhun - derts nach Spanien gebracht wurden, die allereinzi - gen Patagonen, welche, wenigſtens meines Wiſſens, Europa jemals geſehen hat. Dieſe ſah zu Sevilla der große und wirklich klaſſiſche Reiſebeſchreiber von Linſchoten, und ſagt von ihnen: waren wol geſtatueert ende grof van leden u. ſ. w. (wohlgeſtaltet und ſtark von Glie - dern).. Das Maas der Laͤnge kann man zwar bey dem ſo ſehr veraͤnderlichen und ſchwan - kenden Berichten keineswegs mit Sicherheit beſtim - men; jedoch betraͤgt es nach der Autoritaͤt ſehr glaub - wuͤrdiger Zeugen kaum uͤber ſechs und einen halben engliſchen Fuß.

Dieſe Laͤnge aber iſt ſo außerordentlich nicht, da man vorlaͤngſt weiß, daß auch andere eingeborne Staͤmme von Amerika (beſonders dem ſuͤdlichern) von ſehr langer Statur ſind, welches beſonders von denen Voͤlkern gilt, welche ſich, ſo wie es Tacitus von den alten Germanen meldet, nicht mit andern Voͤlkerſchaften durch Heyrathen verbunden, ſondern ſich als einen eignen unvermiſchten, und daher kei - nem andern Volke aͤhnlichen Stamm erhalten haben.

Sie ſind Nomaden, wie die Bewohner des Feuer - landes und andre herumziehende Voͤlkerſchaften in Suͤd-Amerika; weshalb es kein Wunder iſt, wenn die Europaͤer, welche zwar an einer und derſelben Kuͤſte dieſes Landes, aber zu verſchiedenen Zeiten, landeten, nicht immer Menſchen von demſelben lan - gen Stamme ſahen.

Von185

Von der andern Seite aber iſt es auch nicht ſchwer zu errathen, wie die Fabel von den giganti - ſchen Patagonen habe entſtehen koͤnnen.

Denn erſtlich waren uns aus der aͤltern Fabel - geſchichte ſchon Giganten aus der alten Welt bekannt; ſollten alſo wohl abentheuerſuͤchtige Reiſebeſchreiber in der neuen Welt nicht an ſie gedacht haben, da ſie in der That lange und ſtarke Menſchen, auch außerordentlich große Begraͤbniſſe238)Vergl. Ed. Brown’s Travels, S. 50. Herr Wood, der ſehr genaue Karten von der Magellansſtraße gemacht hat erzaͤhl - te mir, daß er in den ſuͤdlichen Theilen von Amerika verſchiedne faſt zwoͤlf Fuß lange Graͤber geſehen, welches ihn um ſo mehr gewundert habe, weil er nie einen ſechs Fuß hohen Amerikaner geſehen haͤt - te; er oͤfnete deshalb eins dieſer langen Begraͤbniſſe von einem Ende zum an - dern, und fand darin einen Mann und ein Weib ſo gelegt, daß der Kopf des Wei - bes zu des Mannes Fuͤßen lag, wozu denn freylich ein Grab von jener Laͤnge erfor - dert wurde. M m m) und bey dieſen oͤfters Knochen von ungemeiner Groͤße fanden239)Nemlich Knochen von Pferden, deren Skelette ſie bey den Graͤbern der Verwandten aufſtellen. S. Falk - ner Beſchreibung von Patagonien, S. 149. Im Allgemeinen konnte jene ſehr alte, und bey ſehr vielen Voͤlkern uͤbliche Sitte, die Pferde tapferer Krieger zugleich mit den Leichnamen dieſer zu begra - ben, ſpaͤterhin den Irrthum veranlaſſen, dieſe Pfer - deknochen fuͤr Rieſenknochen zu halten. So werden z. B. in den aͤlteſten ſibiriſchen Begraͤb - niſſen Pferdeknochen gefunden: ſiehe J. G. Gmelin Reiſen, Th. 3. S. 313. Auch?

Bey186

Bey den Spaniern konnte noch die Abſicht da - zukommen, durch ſolche Nachrichten andere europaͤi - ſche Nationen von der Schiffahrt nach der Magel - lansſtraße abzuſchrecken240)S. 10. Winter in Hakluyt’s Collection, Theil 3. S. 751. Auch Sir John Narborough’s Voyage to the Streights of Magellan, S. 90.; bey dieſen aber kam leichtglaͤubige Furcht und der Hang zum Wunderba - ren und zur Prahlerey dazu, wie denn noch in die - ſem Jahrhundert der Verfaſſer der hollaͤndiſchen Be - ſchreibung von Roggeweins Erdumſeglung ſich ver - leiten lies, die Bewohner der Oſterinſel im ſtillen Meere fuͤr Giganten von zwoͤlf Fuß Laͤnge auszu - geben241)S. eines Ungenannten tweejaarige Reyz rondom de wereld, Dordrecht 1728, 4. Weit wahrhafter und genauer ſpricht hiervon Beh - rens (ein Lebkuͤchlergeſelle), der dieſe Reiſe mitge - macht hat, in der Reiſe durch die Suͤdlaͤnder und um die Welt, Frankfurt 1737. 8. wo er S. 87. die Bewohner der damals erſt entdeckten Oſter - Inſel blos wohlgeſtalt, ſtark von Glie - dern nennt..

§. 73. Quimos.

Nach einer alten Sage, welche jedoch ſchon im vorigen Jahrhundert von Steph. Flacourt, einemſehr239)Auch in den Sarkophagen chriſtlicher Ritter, welche in dem ſogenannten Mittelalter in die Kirchen begra - ben wurden, hat man außer ihren Gerippen und Ruͤ - ſtungen zuweilen auch Pferdeknochen gefunden. S. Dorville Sicula, S. 148.187ſehr glaubwuͤrdigen Schriftſteller, fuͤr eine fabelhafte Erdichtung erklaͤrt wurde, ſoll es in der innern Ge - birggegend der Inſel Madagaskar ein zwar von Sta - tur pygmaͤenmaͤßiges, allein von kriegeriſchem Geiſte beſeeltes Volk geben, welches die uͤbrigen Einwoh - ner oft durch ploͤtzliche Ueberfaͤlle beunruhigte ꝛc. Dieſem Voͤlkchen hatte man den Namen Quimos, oder Kimos beygelegt.

Dieſes Geruͤcht hat neuerdings wieder Verthei - diger an Moldave und dem beruͤhmten Botaniker Commerſon gefunden. Nimmt man aber von die - ſen Erzaͤhlungen das hinweg, was beyde nur vom Hoͤrenſagen haben, und viele Dinge, in welchen ſie ſich einander ſelbſt widerſprechen, ſo laͤuft das uͤbrige da hinaus, daß Moldave irgend eine Zwerg - art von Sklavin, welche man ihm fuͤr eine Quimo - tin verkauft, erhalten hatte, die ſich durch blaßgelbe Farbe, herabhaͤngende Bruͤſte, und lange, faſt bis auf die Kniee gehende, Arme auszeichnete. Allein der beruͤhmte Freyherr v. Clugny, welcher mit eben dieſer Pygmaͤin einen ganzen Monath lang auf ei - nem Schiffe war, hat deutlich gezeigt, daß ſie blos durch fehlerhaften Wuchs und krankhafte Beſchaffen - heit eine Zwergin geworden ſey; ſie habe einen dik - ken Kopf und einen ſehr bloͤden Verſtand gehabt, und habe nur in einzeln abgeriſſenen Toͤnen geſpro - chen u. ſ. w.; lauter Umſtaͤnde, nach welchen ihre Krankheit hoͤchſt wahrſcheinlich fuͤr eine Art Kreti - niſm zu halten war, da ſich bey den Kretinen gleiche Symptomen zeigen; denn auch die langen Arme ſind an vielen derſelben, und namentlich den ſalzbur -giſchen,188giſchen, von Beobachtern ausdruͤcklich angemerkt worden.

Sonnerat hat dieſe ganze Tradition ſcharffinnig ſo erklaͤrt, daß man ſie von der Zephe Racqui - muſſen (Zafferaminen) oder den ſechs Oberhaͤuptern des Stammes zu verſtehen habe, welcher die Pro - vinz Manatan auf dieſer Inſel bewohnt. Dieſe Oberhaͤupter ſollen noch von dem aͤlteſten Stamm - vater dieſes Stammes abſtammen, welcher ein Zwerg geweſen ſeyn ſoll, worauf auch obiger Name in ih - rer Sprache hindeutet242)Der beruͤhmte Pallas haͤlt die Quimos fuͤr ein Baſtardgeſchlecht. S. deſſen Obſervations ſur la for - mation des montagnes, Seite 14. wo er von dem Ur - ſprung der Neger ſpricht: Es iſt nicht noth - wendig, hier eine ſolche unedle Vermi - ſchung (Mesalliance) des Menſchengeſchlechts anzunehmen, wie dieſe Statt gefunden haben muß, um die langhaͤndigen Bergbe - wohner, oder Quimos auf Madagaſkar hervorgebracht zu haben. N n n).

§. 74. Von den Urſachen der Nationalſtatut.

Es giebt alſo weder ganze Voͤlker von Giganten noch Pygmaͤen. Die Nationalverſchiedenheit der Statur aber, welche wir oben (§. 71.) beylaͤufig erwaͤhnt haben, ſcheint verhaͤltnismaͤſig in engere Grenzen beſchraͤnkt zu ſeyn, als jene, welche wir an Hausthieren hin und wieder finden (§. 29.). Auch wird, nach dem, was uͤber die Urſachen der Verartung angefuͤhrt worden iſt, ihre Erklaͤrung nicht mehr ſchwierig ſeyn.

Wie189

Wie viel das Klima hierbey mitwirke (§. 34.), zeigt außer ſo vielen andern Beweiſen, die Verglei - chung der Lappen mit den Ungarn, welche beyde Voͤlker von gemeinſchaftlichem Urſprunge abſtam - men, jedoch unter verſchiedenen Himmelsſtrichen auch eine verſchiedne Statur angenommen haben.

Daß auch die Nahrungsmittel (§. 35.) viel da - zu beytragen, die Statur entweder zu vergroͤßern, oder zu verkleinern, lehrt die Phyſiologie ſehr deutlich.

So wird z. B. der ſchlanke Koͤrper der vorneh - mern Otaheiter den feineren Nahrungsmitteln zuge - ſchrieben, welche ſie genießen243)J. R. Forſter Bemerkungen, S. 236., und gegentheils wird uns berichtet, daß die Statur gewiſſer wilder Voͤlker durch mehrere Generationen hindurch allmaͤh - lig abgenommen habe, weil ſie ſich an den unmaͤßi - gern Genuß des Brantweins gewoͤhnt hatten244)Von den wilden Anwohnern der Hudſonsbay, ſ. H. Ellis Reiſe nach Hudſons Meerbuſen, S. 201. Umfreville uͤber den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Hudſonsbay, S. 21..

Ferner muß hier auch die bey verſchiednen Voͤl - kern fruͤhere oder ſpaͤtere Mannbarkeit angefuͤhrt werden, welche gewiß in ſo fern auf die National - ſtatur wirkt, daß bey Voͤlkern, welche ſpaͤter reifen, der Wuchs durch dieſe laͤngere Enthaltſamkeit aller - dings befoͤrdert werde, (wie Caͤſar von den alten Germanem angemerkt hat); wogegen nach den Beobachtungen glaubwuͤrdiger Schriftſteller uͤber diever -190verſchiedenſten und entlegenſten Himmelsſtriche, eine zu fruͤhe Ausuͤbung des Geſchlechtstriebes den Koͤrper hindert, zur vollen Laͤnge auszuwachſen245)Vergl. z. B. nach ſo viel andern von den Kam - tſchadalen: Behm in Cook’s Voyage to the northern hemisphere, Th. 3. Von den Otaheitern Cook in Hawkesworth’s Col - lection, Th. 2. S. 187 Von den Sumatranern, Marsden, S. 41..

Auch erhalten ſich Nationen eine eigenthuͤmliche Statur, ſo lang ſie ſich von der Vermiſchung mit Fremden enthalten: dahingegen die Nationalſtatur ſchon in einigen Generationen veraͤndert wird, wenn ſie ſich mit fremden Nationen von anderer Statur durch Heyrathen vermiſcht haben246)Maupertuis Venus phyſique, S. 131..

Daß eine gewiſſe Statur ſich auf die Nachkom - menſchaft forterbe, iſt hierbey allerdings auch in Betracht zu ziehen, und wird durch unlaͤugbare Bey - ſpiele von Familien beſtaͤtigt, die ſich durch lange oder kleine Statur auszeichnen.

§. 75. Fabelhafte Verſchiedenheiten des Menſchengeſchlechts.

Faſt unzaͤhlich ſind die Nachrichten, welche ſeit Herodot aus verſchiedenen Quellen, hauptſaͤchlich aus dem Ariſteus, Ktheſias und Megaſthenes durch die Erdbeſchreiber von der monſtroͤſen Bildung man - cher Nationen auf uns gekommen ſind. Als z. B. von191von einaͤugigen Arimaſpen; von Cinamolgen mit Hundskoͤpfen; von einfuͤßigen Monoſkelen; von Waldmenſchen auf dem Imaus, mit hinterwaͤrts ge - kehrten Fuͤßen u. dgl. m.247)Vergl. Jo. Alb. Fabricius Abh. de hominibus or - bis noſtri incolis etc. Hamburg 1721. 4..

Hier iſt nun freylich der Ort nicht dazu, bey dieſem Dingen laͤnger zu verweilen; wiewohl eine Unterſuchung der Umſtaͤnde, welche zu jenen Erdich - tungen Veranlaſſung gegeben haben moͤgen, gewiß nuͤtzlich und unterhaltend ſeyn wuͤrde, denn es iſt bey der Geſchichte des Menſchen eben ſo gewiß, als bey den uͤbrigen Theilen der Naturgeſchichte, daß nicht leicht in ſie eine ſo ungereimte und widerſinnige Fabel hineingebracht worden ſey, bey welcher nicht etwas Wahres zum Grunde laͤge, welches blos durch hyperboliſche Uibertreibung oder Misverſtand ent - ſtellt worden iſt248)So z. B. hat mein Freund Heyne die fabelhaften Berihte von den Hermaphroditen auf Florida auf ihre chten Quellen zuruͤckgebracht in den Commenta - tion. ſoc. reg. ſcient. Gottingenſ. Th. 1. S. 39..

Aus jenem Schwall von Abentheuerlichkeiten will ich nur ein einziges Beyſpiel anfuͤhren. Das ſo oft wiederholte Geruͤcht von geſchwaͤnzten Voͤlkern, deren Exiſtenz von mehreren Schriftſtellern in ver - ſchiedenen Zeitaltern wiederholt behauptet wor - den iſt249)Der neuſte Vertheidiger und Behaupter geſchwaͤnz - ter Nenſchen war Monboddo in den beyden Werken naͤmlch: of the origin and progreſs of language, Th. 1. S. 234. und ancient Metaphyſics, Th. 3. S. 250..

§. 76.192

§. 76. Die Fabel von geſchwaͤnzten Voͤlkern.

Zu allererſt haben Plinius und nach ihm Ptolo - maͤus und Pauſanias geſchwaͤnzter Voͤlker in Indien erwaͤhnt; dann hat ſie im ſogenannten Mittelalter der Geograph Nubiens, der Venezianer Marko Polo und andere neuerdings behauptet: und in den neuern Zeiten endlich haben mehrere Reiſebeſchreiber aͤhnliche Dinge von verſchiedenen geſchwaͤnzten In - ſulanern des indiſchen Archipelagus250)S. außer dem noch bald anzufuͤhrenden Schrift - ſtellern Harvey de generatione animalium, S. 10. von den Borneern.: andere von ſolchen Einwohnern einer gewiſſen ruſſiſchen Provinz251)Rytſchkow orenburgiſche Topographie Th. 2. S. 34. Falk Beytraͤge zur Kenntniß des ruſſi - ſchen Reichs, Th. 3. S. 525.: und noch andere Schriftſteller von andern Laͤndern252)Z. B. auf dem Feuerland ſiebe die Karten bey Alonzo d Ovaglie relatione del Regno di Cile. Rom 1646. Fol. angefuͤhrt.

Wenn man nun dieſe Behauptungen naͤher be - leuchtet, ſo findet man leicht, wie wenig darauf zu achten ſey. Die meiſten Schriftſteller hatten dieſe Nachrichten blos von Hoͤrenſagen; uͤberdies iſt die Glaubwuͤrdigkeit mancher vorgeblichen Augenzeugen davon ſchon an ſich ſehr verdaͤchtig253)Z. B. von den Nikobaren, die mit albernen Maͤhr - chen angefuͤllte Beſhrifning om en Reſa genom Aſia,Africa.

Fer -193

Ferner aber werden ihre Berichte uͤber dieſen Umſtand ſchon durch ihre widerſprechende Verſchie - denheit verdaͤchtig254)Vergl. z. B. von geſchwaͤnzten Formoſanern drey vorgebliche Augenzeugen, Jo. Strauß, Jo. Otto Helbig und El. Heſſe. Der erſte, Reiſen, S. 32. Ein Formoſa - ner von der Suͤdſeite mit einem Schwanz, einen guten Fuß lang, und rauch mit Haaren bewachſen. Der zweyte in Ephem. Naturae curioſor. erſtes Jahrzehnd J. 9. Seite 456. Die nackten Schwaͤnze glichen denen der Schweine. Der letzte, oſtindiſche Reiſebeſchreibung, S. 216. Unter andern unſern Sclaven bey dem Bergwerk hatten wir auch eine Scla - vin, welche gleich einer ſchaͤndlichen Be - ſtien mit einem kurzen Stiel oder Zie - genſchwanz uͤber dem Hintern ausgeſchaͤn - det war. .

Die aufrichtigſten und genaueſten Unterſucher jener Gegenden aber, ſchweigen entweder ganz von dieſen abentheuerlichen Mißgeſtalten, oder erklaͤren ſie nach dem Zeugniß der Einwohner geradezu fuͤr fabelhafte Erdichtungen255)So von den Philippinern le Gentil Voyages dans les mers de l Inde, Th. 2. S. 52..

Andere endlich merken ausdruͤcklich an, was zu dem falſchen Geruͤcht Veranlaſſung gegeben habenkoͤn -253)Africa etc. af N. Matthss. Koͤping (Schiffslente - nant) S. 131. welche doch Linne eine aͤußerſt glaub - wuͤrdige Erzaͤhlung nennt, in dem Briefe an Mon - boddo of the origin of language a. a. O. Dav. Tappe funfzehnjaͤhrige oſtindiſche Reiſebeſchreibung, Seite 49. von den Suma - tranern.Verſch. des M. N194koͤnne: z. B. ein von dem Ruͤcken herabhaͤngender Zipfel der Kleidung256)Nic. Fontana on the Nicobar Isles in Aſiatik Re - ſearches, Th. 3. S. 151., oder Menſchenaͤhnliche geſchwaͤnzte Affen257)Mithin war die bekannte, oft wiederholte und gewoͤhnlich fuͤr einen geſchwaͤnzten Menſchen ausgege - bene Abbildung urſprunglich blos die Darſtellung ei - nes aͤchten geſchwaͤnzten Affen; welche aber ſpaͤterhin ein Schriftſteller von dem andern entlehnte, wobey ſie beynahe jeder zugleich etwas menſchlicher machte. Martini naͤmlich hat dieſe Abbildung in ſeiner Ueber - ſetzung des buͤffoniſchen Werks aus Linnés amo nita - tibus genommen, dieſer aus Aldrovandi, dieſer aus Geßnern, welcher ſelbſt geſteht, die ſeinige aus einer gewiſſen deutſchen Beſchreibung des gelobten Landes genommen zu haben, deren Verfaſſer er zwar ver - ſchweigt, welchen ich doch in Beknard v. Breydenbach leicht erkannte; dieſer liefert in der Hauptausgabe ſeines 1486. zu Mainz gedruckten Werkes: (Reyſs in das gelobte Land) die Figuren gewiſſer auslaͤndi - ſcher Thiere, die er in dem heiligen Lande geſehen hat, und unter dieſen auch gerade die ziemlich genaue Abbildung, von welcher hier die Rede iſt, und welche einen wirklichen vierhaͤndigen Affen darſtellt, bey welchem die Daumen naͤmlich von den uͤbrigen Fußzehen abſtehen u. ſ. w. welche aber ſpaͤterhin durch Sorgloſigkeit der Zeichner, beym Kopiren derſelben, endlich in die menſchliche zweyhaͤndige Figur um - gewandelt worden iſt..

So daß auch nicht ein einziges aͤchtes, von mehreren glaubwuͤrdigen Augenzeugen beſtaͤtigtes Beyſpiel von einem geſchwaͤnzten Volke uͤbrig bleibt; ja nicht einmal von einer Familie, welche durch dieſe widernatuͤrliche Bildung ſich ausgezeichnet haͤt - te, da doch ſonſt Beyſpiele von Familien, in wel - chen manche Misgeſtalten, z. B. die Uiberzahl des ſechſten Fingers, in mehreren Generationen erblich bleibt, allgemein bekannt ſind.

Daß195

Daß aber von einzelnen Menſchen, welche auch unter den Europaͤern hin und wieder durch ei - nen monſtroͤſen Auswuchs am Schwanzbeine ſich ausgezeichnet haben, hier eben ſo wenig, als von den andern Misgeburten die Rede ſeyn koͤnne, be - darf keiner Erinnerung.

§. 77. Nationalverſchiedenheit als Folge von Krankheit.

Es iſt ſchon (§. 38.) oben angemerkt worden, daß auch kraͤnkliche Schwaͤche die aͤußere Geſtalt der Thiere und ſonderlich ihre Farbe ſo veraͤndert, daß ſie endlich, wenn ſie ſich durch mehrere Generatio - nen hindurch fortgeerbt hat, gleichſam zur andern Natur wird und in manchen Thiergattungen ſonder - bare und bleibende Varietaͤten hervorbringt. Wir haben die bekanntſten Beyſpiele von der weißen Haus - maus und den Kaninchen angefuͤhrt, deren weißes Fell und rothe Augenſterne ohne allen Zweifel von einer krankhaften Schwaͤche, der Leukaͤthiopie, her - ruͤhren.

Eben dergleichen angeerbte Krankheiten findet man auch hin und wieder bey Menſchen. Doch zeig - ten ſie ſich bey ihnen nie ſo allgemein und bleibend, als unter den eben benannten Thieren, in ſo fern ſie naͤmlich zu einer beſondern und zahlreichen Varietaͤt ausgeartet iſt.

Dem ungeachtet muͤſſen wir hier jene menſchli - che Leukaͤthiopie noch beruͤhren und zwar nur beylaͤu - fig, weil ſie bey den Menſchen eigentlich nicht alsN 2eine196eine beſondere Varietaͤt angeſehen werden kann, und weil ich nicht gern wiederholen moͤchte, was ich ſchon anderswo uͤber dieſe merkwuͤrdige Krankheit geſagt habe258)Commentation. ſos. Reg. ſcientiar. Gottingens. Th. 7. S. 29. und mediziniſche Bibliothek, Theil 2. S. 537..

§. 78. Menſchliche Leukaͤthiopie.

Dieſer krankhafte Zuſtand ſcheint unter die Ka - chexien zu gehoͤren: man erkennt ihn, und zwar immer, an zwey Syptomen.

Das eine iſt eine ungewoͤhnlich fehlerhafte Weiße der Haut, zu welcher oft eine unnatuͤrliche Roͤthe hinzukommt, die einem leichten Ausſchlage gleicht259)Vergl. z. B. Hawkesworth’s Collection, Th. 2. S. 188., dann aber in einem anomalen Weiße der Haare und der Schaam, nicht jener Schnee - weiße, wie bey Greiſen, nach dem ſchoͤnen blaſſen etwas ins Grau ſpielendem Gelb, wie bey Perſonen, welche ſehr blond ſind, ſondern einem Weiß, wel - ches vielmehr mit dem gelblichen Weiß des Milch - rahms (cream colour) der Englaͤnder verglichen werden kann.

Das zweyte Symptom zeigt ſich in den Geſichts - organen, welches der dunkeln Farbe beraubt iſt, das einige innere Haͤute des geſunden Auges uͤber - zieht, zum Einſaugen des allzuvielen Lichtes be -ſtimmt,197ſtimmt, und fuͤr ein richtiges und gutes Sehen von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. Deshalb iſt die Regenbo - genhaut des Auges der Leukaͤthiopier blaß roſenfarb und halb durchſichtig, die von einem dunklerem Roth ſchimmernde Pupille aber gleicht an Farbe einem bleichen Karneol.

Dieſe Symptome findet man ſtets beyſammen, ſo daß man, meines Wiſſens, dieſe ſonderbare Roͤ - the der Augen nie allein und ohne jenes fehlerhafte Weiß der Haupt - und uͤbrigen Haare geſehen hat. Daß aber jene Roͤthe der Pupillen von den Beobach - tern oͤfters nicht bemerkt worden, iſt kein Wunder, da die uͤbrigen genannten Symptome ihnen mehr in die Augen fielen, die Leukaͤthiopier aber, welche das Licht nicht gut vertragen koͤnnen, die Augenlieder mehrentheils geſchloſſen halten.

Stets iſt dieſe Krankheit angeboren, niemals, meines Wiſſens, nach der Geburt entſtanden. Sie iſt ſtets unheilbar; denn es findet ſich kein einziges Beyſpiel, daß ſich jemals nach der Geburt eine dunklere Farbe noch angeſetzt habe.

Nicht ſelten iſt ſie erblich, denn faͤlſchlich ſind die Leukaͤthiopier von einigen fuͤr unfruchtbar und entweder zum Zeugen oder zum Empfangen fuͤr un - tuͤchtig ausgegeben werden.

Im Allgemeinen aber iſt die Kenntnis von dieſer merkwuͤrdigen Krankheit durch vielerley irrige Mei - nungen verfaͤlſcht worden. So z. B. ſind einige ungewiß geweſen, ob ſie die Leukaͤthiopie fuͤr einen wirklich krankhaften Zuſtand halten ſollten;ande -198andere haben ſie unrichtig mit dem Kretiniſm, an - dere mit der Geſchichte des Orang-Utang verwech - ſelt; und noch andere haben ohne Grund behauptet, man finde ſie blos innerhalb der Wendekreiſe u. ſ. w.

Freylich hat man ſie zuerſt unter den Aethio - piern beobachtet, denn das Weiß auf der Haut und den Haaren einer ſchwarzen Nation mußte beſonders in die Augen fallen, und deshalb erhielten die mit dieſem Zuſtand Behafteten dem Namen weiße Neger (franz. Negres blancs, die Hollaͤnder in Oſtindien nennen ſie verachtungsweiſe mit den Namen eines lichtſcheuen Inſekts Kackerlacken, die Spanier Al - binos, die Franzoſen Blafards u. ſ. w.). Allein man findet ſie doch nicht blos unter Negern, oder wohl gar blos in der heißen Zone, ſondern es iſt vielmehr nur zu gewiß, daß es keine Gegend der Erde giebt, wo ſich dieſe Krankheit nicht erzeugen koͤnne.

Denn mir ſelbſt ſind ſchon ſechszehn Beyſpiele von Leukaͤthiopiern bekannt, die in verſchiednen Pro - vinzen von Teutſchland geboren worden ſind260)Von mehreren wird Nachricht gegeben in der mediziniſchen Bibliothek, Th. 3. S. 161. fg., und noch mehrere von andern europaͤiſchen Laͤndern, von Daͤnnemark261)Ebendaſelbſt, S. 170., England262)Benj. Duddell’s supplement to his Treatiſe on the Diſeaſes of the Horny-coat. London 1736. 8. Seite 19. Auch Jo. Hunter on certain parts of the animal oeconomy, S. 206., Irrland263)C. Perceval in den Transactions of the Iriſh Aca - demy, Th. 4. S. 97.,Frank -199Frankreich264)Le Cat de la couleur de la peau humaine, S. 103., der Schweiz265)Mediziniſche Bibliothek, Th. 1. S. 545., Italien266)Von den Savoyern, von denen ich auch ſelbſt Beſchreibungen geliefert habe, ſ. Sauſſure voyages dans les Alpes, Th. 4. S. 303. Von den Venezianern erzaͤhlt es Bourguet in den Lettres philoſophiques ſur la formation des ſels, Seite 163. Einen mailaͤndiſchen hat Buzzi ſeclrt, ſ. deſſen Diſſertazione ſopra una varietà particolare d’Uomi - ni bianchi Eliofobi, Mailand 1784. 4. Jo. Hawkins erzaͤhlte mir, daß er ein aͤhnliches Maͤdchen zu Rom geſehen habe., den Inſeln des Archipelagus267)Ebenfalls nach Hawkin’s Zeugniß, welcher auf ſeiner erſtern Reiſe nach den Archipelagus bey ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Cyprus zwey zu Larnika geborne leukaͤthiopiſche Bruͤder von ungefaͤhr zwoͤlf Jahren ſah. und Ungarn268)Michael Klein Naturſeltenheiten von Ungarn, Presburg 1778. 8. S. 15.. Ferner außerhalb Europa, unter den Arabern269)Ledgard in Proceedings of the African aſſocia - tion, S. 45., Malabaren270)Tranquebariſche Miſſionsberichte, St. 46. S. 1239. und an noch andern Stellen., Madagaſſen271)Caſſigny in Hiſtoire de l’Acad. des ſc. de Paris J. 1744. S. 13., Kaffern272)de la Nur, deſſen Geſchichte der Par. Akad. J. 1760. S. 17., und Negern, ſowohl unter den in Afrika ſelbſt gebor - nen, als unter den Negerkreolen der neuen Welt273)Aus vielen Augenzeugen hiervon will ich wenig - ſtens drey der Neuern aufuͤhren. Oliv. . Dann200Dann auch unter den Amerikanern auf der Landenge von Darien274)Waſer’s Deſcription of the Iſthmus of America. 2. Ausg. S. 107. und in Braſilien275)de Pinto bey Robertſon Hiſtory of America, Th. 2. S. 405.. Endlich unter den wilden Inſulanern des indiſchen und ſtillen Meeres; z. B. auf Sumatra276)van Ipern in Verhandelingen van het Batavi - aaſch Genootſchap, Th. 1. S. 314., Bali277)Eben derſelbe am angefuͤhrten Orte, nebſt Ab - bildung., Amboina278)Valentyn Beſchryving van Amboina, Theil 2. Seite 146., Manila279)Camelli in den Philoſophical Transactions, Th. 25. S. 2268., Neu-Guinea280)Argenſola Conquiſta de las iſlas Molucas, S. 71., den Freundſchafts -281)Cook’s Voyage to the northern hemisphere, Th. 1. S. 381. und Societaͤtsinſeln282)Hawkesworth’s Collection, Th. 2. S. 99. u. 188..

Dieſen krankhaften Zuſtand findet man jedoch nicht blos an Menſchen, ſondern auch an vielen andern warmbluͤtigen Thieren; die bekannteſten Bey - ſpiele geben die Kaninchen, Maͤuſe, Marder und Pferde (bey welchen vier Thiergattungen jene kraͤnk - liche Beſchaffenheit durch Laͤnge der Zeit gleichſamzur273)Oliv. Goldſmith Hiſtory of the Earth, Vol. 2. Seite 240. Buffon supplement à l hiſtoire naturelle, Vol. 4. S. 559. nebſt Abbildung. Und Arthaud in Journal de Phyſique, 8. 1789.201zur andern Natur geworden iſt (§. 38.)), doch findet man dies auch an Affen283)sir Rich. Clayton in den Memoirs of the soc. of Mancheſter, Th. 3. S. 270., Eichhoͤrn - chen284)Wagner Hiſtoria naturalis Helvetiae, S. 185. Gunner an Lem de Lapponibus Finmarchiae, S. 207., Ratten285)Geſsner de Quadrupedibus, S. 829., Hamſtern286)Der beruͤhmte Sulzer, Verfaſſer der klaſſiſchen Monographie von dieſem Thierchen, hat mir eines von dieſer Art zum Geſchenk gemacht., Halbka - ninchen287)Boddaert natuurkundige Beſchouwing der Dieren, Th. 1. S. 210., Maulwuͤrfen288)Daſſelbe ebendaſelbſt., Beutelratten289)Daſſelbe a. a. O., Mardern290)Kramer Elenchus animalium auſtriacorum, S. 312., Wieſeln291)Boddaert a. a. O. und Rehen292)Themel im obererzgebirgiſchen Journal, Freyberg 1748. 8. St. 1. S. 47..

Unter den Voͤgeln findet man dies an Raben293)Nach dem Berichte meines Freundes Sulzer., Amſeln294)Jo. Hunter on certain parts of the animal oeco - nomy, S. 204., Kanarienvoͤgeln, Rebhuͤhnern295)Buſſon Hiſtoire naturelle des oiſeaux, Thell 2. S. 416., Huͤhnern und Pfauen.

An kaltbluͤtigen Thieren aber hat man, ſo viel ich weis, auch nicht ein einziges merkwuͤrdiges Bey - ſpiel von dieſem krankhaften Zuſtande beobachtet.

§. 79.202

§. 79. Schluß dieſes Abſchnitts.

So viel uͤber die mannichfaltigen Abartungen des Menſchengeſchlechts in Farbe, Bau, und Pro - portion und Statur des Koͤrpers, und uͤber die Ur - ſachen derſelben. Meines Wiſſens habe ich dabey keinen Umſtand unberuͤhrt gelaſſen, welcher auf ei - nige Weiſe dazu beytragen kann, den bekannten Streit: ob es nur Eine oder mehrere Hauptgattun - gen des Menſchen in dieſem Geſchlechte gebe, bey - zulegen. Wie nun dieſe Frage obigen Eroͤrterungen und der Natur und Wahrheit gemaͤs entſchieden wer - den muͤſſe, wollen wir im folgenden Abſchnitt ſehen.

Vier -203

Vierter Abſchnitt. Es giebt fuͤnf Hauptvarietaͤten des Menſchenge - ſchlechts, jedoch nur Eine Gattung deſſelben.

§. 80. Die unzaͤhligen Varletaͤten im Menſchengeſchlecht fließen durch unmerkliche Abſtufungen in einander uͤber.

Wir haben in der ganzen eben beendigten Uiberſicht der wirklichen Varietaͤten im Menſchengeſchlechte, auch nicht Eine gefunden, welche nicht (wie im vorletzten Abſchnitte gezeigt worden iſt) auch bey andern warmbluͤtigen Thieren, beſonders den Haus - thieren, und zwar bey dieſen meiſt noch weit deutli - cher gleichſam vor unſern Augen aus den bekannten Urſachen der Verartung entſtaͤnde; und eben ſo fin - det man hingegen, (wie in dem letzten Abſchnitte dargethan worden iſt) keine Varietaͤt in Farbe, Ge - ſichtsbildung, oder Geſtalt, ſo auffallend ſie auch ſey, die nicht mit andern Varietaͤten ihrer Art durch einen unmerklichen Uibergang ſo zuſammenfloͤſſe, daß darans deutlich erhellt, ſie ſeyen alle blos rela - tiv, und nur in Graden von einander unterſchieden.

Eben204

Eben daher iſt es auch nicht zu verwundern, wenn eine blos willkuͤhrliche Eintheilung dieſer Va - rietaͤten Statt finden kann.

§. 81. Die fuͤnf feſtgeſetzten Hauptvarietaͤten im Menſchen - geſchlecht.

Da jedoch auch bey ſolchen willkuͤhrlichen Ein - theilungen immer eine ſchicklicher und beſſer als die andere iſt, ſo ſcheint mir, nach langer und genauer Erwaͤgung, das ganze bis jetzt bekannte Menſchen - geſchlecht am fuͤglichſten, und zwar der Natur ge - maͤs, in folgende fuͤnf Hauptvarietaͤten eingetheilt werden zu koͤnnen; welche ſich mit den Namen:

  • A) der kaukaſiſchen,
  • B) der mongoliſchen,
  • C) der aͤthiopiſchen,
  • D) der amerikaniſchen und
  • E) der malayiſchen

bezeichnen und von einander unterſcheiden laſſen.

Der kaukaſiſchen habe ich den erſten Platz gege - ben, weil man ſie, aus ſpaͤter aufzufuͤhrenden Gruͤnden, fuͤr die urſpruͤngliche Race halten muß.

Von beyden Seiten ging dieſe in die zwey ent - fernteſten und verſchiedenſten Extreme uͤber, von der einen Seite naͤmlich in die mongoliſche, von der andern in die aͤthiopiſche Varietaͤt.

Die205

Die uͤbrigen zwey aber halten zwiſchen jener Urvarietaͤt und dieſen Extremen das Mittel.

Die amerikaniſche naͤmlich zwiſchen der kauka - ſiſchen und mongoliſchen.

Die malayiſche wieder zwiſchen der kaukaſiſchen und aͤthiopiſchen.

§. 82. Kennzeichen und Graͤnzen dieſer Varietaͤten.

Uiberhaupt laſſen ſich dieſe fuͤnf Varietaͤten durch nachfolgende Merkmale und Beſchreibungen unterſcheiden und beſtimmen. Ehe ich dieſe Merk - male auffuͤhre, muß ich jedoch im voraus erinnern, daß man erſtlich, wegen ihrer mannichfaltigen Ver - ſchiedenheit dem Grade nach, nicht blos eines oder das andere derſelben, ſondern mehrere in Verbindung mit einander betrachten muͤſſe; dann aber, daß auch ſelbſt dieſe zuſammengenommenen Kennzeichen nicht ſo bleibend ſeyen, daß ſie nicht in jeder Varie - taͤt unendlichen Ausnahmen unterworfen ſeyn ſollten. Indes iſt doch dieſe Uiberſicht ſo abgefaßt, daß ſie im Allgemeinen hinlaͤnglich deutliche und klare Be - griffe giebt.

A) Kaukaſiſche Varietaͤt.

Von weißer Farbe, mit rothen Wangen (§. 43.) ſchwaͤrzlichem oder nußbraunem Haar (§. 52.), ge - rundetem Kopf (§. 62.).

Mit206

Mit ovalem regelmaͤßigerem Geſicht, in wel - chem die einzelnen Theile nicht zu ſtark ausgezeich - net ſind, flacherer Stirn, engerer, leicht gebogner Naſe, kleinem Munde (§. 56.).

Mit ſenkrecht unter einanderſtehenden Vorder - zaͤhnen des obern und untern Kiefers (§. 62.).

Mit ſanft hervorſtehenden Lippen (vorzuͤglich der Unterlippe), vollem runden Kinn (§. 56.)

Uiberhaupt von jener, nach unſern Begriffen von Ebenmaas, reizenden und ſchoͤnen Geſichtsform.

Zu dieſer erſten Varietaͤt gehoͤren die Europaͤer (mit Ausnahme der Lappen und uͤbrigen Finnen) die weſtlichern Aſiaten bis zum Fluß Obi, dem ka - ſpiſchen Meere und Ganges. Endlich die Einwoh - ner des noͤrdlichen Afrika.

B) Mongoliſche Varietaͤt.

Von gelbbrauner Farbe (§. 43.).

Von ſchwarzem, haͤrtern, weder krauſem noch dichtem Haar (§. 52.).

Mit gleichſam viereckigtem Kopfe (§. 62.), brei - tem und plattem Geſicht; und deshalb mit minder abgeſonderten, ſondern gleichſam in einander flie - ßenden Zuͤgen, eine flache ſehr breite Glabelle, eine kleine eingedruͤckte Naſe, runde herausſtehende Baus - backen, die Oefnung der Augenlieder enger gerad - linichter, das Kinn hervorragend (§. 56.).

Zu dieſer Varietaͤt gehoͤren die uͤbrigen Bewoh - ner Aſiens (mit Ausnahme der Malayen auf derletzten207letzten Halbinſel des Ganges) die finniſchen Voͤlker in dem kalten Theile von Europa, Lappen und an - dere, und aus dem noͤrdlichſten Amerika die von der Beringsſtraße bis zum aͤußerſten bewohnten Groͤnland verbreiteten Eskimos.

C) Die aͤthiopiſche Varietaͤt.

Von ſchwarzer Farbe (§. 43.), ſchwarzem und krauſem Haar (§. 52.), ſchmalem an den Seiten eingedruͤcktem Kopfe (§. 62.), mit unebener, hoͤk - kerichter Stirne, herausſtehenden Jochbeinen, mit mehr hervorliegenden Augen, mit einer dicken und mit den herausſtehenden Oberkiefern gleichſam zu - ſammenfließenden Naſe (§. 56.), mit engerer vorwaͤrts verlaͤngerter Kinnladenwoͤlbung, ſchraͤg hervorragende Oberſchneidezaͤhne (§. 62.), wulſtige Lippen (beſonders die Oberlippe) und ein zuruͤckge - bogneres Kinn (§. 56.).

An vielen krumme Beine (§. 69.).

Zu dieſer Varietaͤt gehoͤren alle Afrikaner, bis auf die noͤrdlichen.

D) Amerikaniſche Varietaͤt.

Von Kupferfarbe (§. 43.), ſchwarzem, har - tem und ſchwachen Haar (§. 52.), die Stirn nie - drig, die Augen tiefliegend, eine ſtumpfe, jedoch herausſtehende Naſe.

Das Geſicht iſt zwar insgemein breit und dick - wangig, jedoch nicht flach und platt, ſondern dieTheile208Theile druͤcken ſich en profil deutlich aus und ſon - dern ſich von einander ab (§. 56.).

Die Form von Stirn und Scheitel iſt bey den meiſten erkuͤnſtelt (§. 62.).

Hiezu gehoͤren alle Bew[o]hner Amerikas bis auf die Eskimos.

E) Malayiſche Varietaͤt.

Ihre Farbe iſt ſchwarzbraun (§. 43.), das Haar ſchwarz, weich und kraus, dabey dicht und voll (§. 52.), die Stirn ſchmaͤler (§. 62.), die Naſe fleiſchiger, breiter und kolbig; der Mund groß (§. 56.), der Oberkiefer etwas hervorragend (§. 62.), die Geſichtszuͤge, en profil beſehen, ziemlich her - vorſpringend und von einander abgeſondert (§. 56.).

Dieſe letzte Varietaͤt enthaͤlt die Suͤdſeeinſulaner nebſt den Bewohnern der marianiſchen, philippini - ſchen, molukkiſchen, ſundiſchen Inſeln und der Halbinſel Malakka.

§. 83. Die Eintheilung des Menſchengeſchlechts in Racen, nach andern Schriftſtellern.

Wir muͤſſen jedoch auch die Meinungen anderer Schriftſteller, welche das Menſchengeſchlecht nach Racen abgetheilt haben, hier neben einander auf - ſtellen, um den Leſer in den Stand zu ſetzen, ſie mit einander zu vergleichen, zu wuͤrdigen, um dar - aus die annehmlichſten waͤhlen zu koͤnnen.

Mei -209

Meines Wiſſens hat zu allererſt ein gewiſſer Ungenannter am Ende des vorigen Jahrhunderts einen ſolchen Verſuch gemacht; er vertheilt das Menſchengeſchlecht in vier Staͤmme, wo denn unter den Erſten ganz Europa bis auf das einzige Lapp - land, dann Suͤdaſien, Nordafrika und ganz Ame - rika, unter den zweyten das uͤbrige Afrika, unter den dritten das uͤbrige Aſien, nebſt denen gegen den Vulturnus gelegenen Inſeln, und unter den vierten Lappland gehoͤrt1)Im Journal des sçavans, J. 1684. S. 133. Vergl. Rob. de Vaugondy des Sohns Nouvel At - las portatif. Paris 1778. 4. 4tes Blatt..

Leibnitz brachte die Menſchen in vier Ordnun - gen. Zwey naͤmlich waren die Extreme: 1) Lapp - laͤnder und 2) Aethiopier; die andern beyden ſtun - den zwiſchen ihnen inne; 3) der Orientaliſche naͤm - lich (Mongoliſche) und 4) Occidentaliſche den Eu - ropaͤern aͤhnliche2)Bey Feller in otio Hannoverano, S. 159..

Linné folgte der gemeinen Erdbeſchreibung, und theilte die Menſchen ein 1) in den rothen Amerikaner, 2) den weißen Europaͤer, 3) den gelben Aſiaten und 4) den ſchwarzen Afrikaner3)In allen ſeit 1735 erſchienenen Ausgaben ſeines un - ſterblichen Werks. Der neuerlichen Ausgabe hat der beruͤhmte Gmelin, der Herausgeber derſelben, mei - ne Eintheilung beygefuͤgt. Th. 1. S. 23..

Buͤffon unterſchied ſechs Menſchenracen, 1) die Lapplaͤndiſche, oder Polarrace, 2) die Tatariſche (ſo nannte er naͤmlich nach der gemeinen SprachedieVerſch. des M. O210die Mongoliſche), 3) die Suͤdaſiatiſche, 4) die Europaͤiſche, 5) die Aethiopiſche und 6) die Ameri - kaniſche4)Dieſe ſechs Varietaͤten findet man vortreflich be - ſchrieben und mit lebendigen Farben geſchildert in Herders klaſſiſchem Werke: Ideen zur Philo - ſophie der Geſchichte der Menſchheit. Th. 2. S. 273..

Unter denen, welche drey Urvoͤlker des menſch - lichen Geſchlechts nach der Anzahl von Noahs Soͤh - nen annehmen, zeichnet ſich der beruͤhmte Gouver - neur Pownall aus, welcher, meines Wiſſens, bey dieſer Unterſuchung zu allererſt ſeine Aufmerkſamkeit auf die Nationalform der Schaͤdel gerichtet hat. Er theilt jene Staͤmme nach den Hauptfarben, 1) in den weißen, 2) rothen und 3) ſchwarzen. In ei - nem mittlern faßt er die Mongolen und Amerikaner zuſammen, weil ſie außer andern Kennzeichen noch in der Geſtalt der Hirnſchaͤdel und der Beſchaffenheit der Haare mit einander uͤbereintraͤfen5)Vergl. a new collection of voyages u. ſ. w. London 1767. 8. Th. 2. S. 273..

Der Abt de la Croix theilt die Menſchen in weiße und ſchwarze. Jene aber 1) in eigentlich ſo - genannte weiße und 2) braune (bruns), 3) gelbe (jaunâtres) und 4) olivenfarbige ein6)S. deſſen Géographie moderne, Th. 1. S. 62. 5te Ausgabe und Vaugondy a. a. O. 3tes Blatt..

Der beruͤhmte Kant leitet aus einer urſpruͤngli - chen Menſchenrace, einer weißen von bruͤnetter Farbe, vier Abarten ab: 1) die weiße des noͤrdli - chen Europa, 2) die kupferfarbige amerikaniſche,3) die2113) die ſchwarze ſenegambiſche und 4) die olivenfar - bige indianiſche7)In Engels Philoſoph fuͤr die Welt, Th. 2. und in der Berliner Monatsſchrift, 1785. Theil 6..

Doct. John Hunter zaͤhlt ſieben Varietaͤten auf: 1) ſchwarze Menſchen, als Aethiopier, Papus u. a. 2) die ſchwaͤrzlichen Bewohner von Maurita - nien und dem Vorgebirge der guten Hofnung, 3) die kupferfarbigen in Oſtindien, 4) die rothen Ame - rikaner, 5) die braunen, als Tataren, Araber, Perſer, Sineſer u. a. 6) die braͤunlichen, als die mittaͤgigen Europaͤer, z. B. Spanier u. a. die Tuͤrken, Abeſſinier, Samojeden und Lappen, 7) die wei - ßen, als die uͤbrigen Europaͤer, Georgier, Min - grelier und Kabardiner8)Diſput. de hominum varietatibus. Edinb. 1775. Seite 9..

Herr Zimmermann tritt denen bey, welche den Urſtamm des menſchlichen Geſchlechtes auf die aſiatiſche Gebirgsebene zwiſchen den Quellen des Indus, Ganges und Obi ſetzen, und leitet davon folgende Varietaͤten ab: 1) die europaͤiſche, 2) die nordaſiatiſche und noͤrdlichſte amerikaniſche, 3) die arabiſche, indiſche und des indiſchen Archipelagus, 4) die ſuͤdoͤſtliche aſiatiſche, ſineſiſche, corea’ſche u. a. Er findet es wahrſcheinlich, daß die Aethio - pier entweder aus der erſten oder dritten dieſer Va - rietaͤten ſtammen9)In dem ſehr reichhaltigen Werke: Geographi - ſche Geſchichte des Menſchen u. ſ. w. Th. 1..

O 2Herr212

Herr Meiners fuͤhrt alle Voͤlker auf zwey Staͤm - me zuruͤck: 1) von ſchoͤnen und 2) von haͤßlichen Voͤlkern; zu jenen rechnet er die weißen, zu dieſen die dunkelfarbigen. Zu dem ſchoͤnen Stamme gehoͤren nach ihm die Celten, Sarmaten und morgenlaͤndiſche Voͤlker. Zu dem haͤßlichen hingegen das uͤbrige menſchliche Geſchlecht, ſo weit es verbreitet iſt10)S. deſſelben Grundriß der Geſchichte der Menſchheit, 2te Ausg. Lemgo 1793. 8..

Herr Kluͤgel unterſcheidet vier Staͤmme, 1) den Urſtamm der erſten Menſchen auf der eben genann - ten aſiatiſchen Gebirgsebene, von welchen er die Bewohner des ganzen uͤbrigen Aſiens, des ganzen Europa, des noͤrdlichſten Amerika und noͤrdlichen Afrika herleitet. 2) Die Negern, 3) die Amerika - ner, (jene noͤrdlichſten ausgenommen) und 4) die Suͤdſeeinſulaner11)Vergl. deſſen Encyklopaͤdie, Th. 1. S. 523. 2te Ausg..

Herr Metzger ſetzt nur zwey Hauptvarietaͤten als Extreme: 1) den weißen Menſchen in Europa, und den noͤrdlichen Gegenden von Aſia, Afrika und Amerika, 2) den ſchwarzen, oder Mohren im uͤbri - gen Afrika. Den Uibergang zwiſchen beyden mach - ten die uͤbrigen Aſiaten, die ſuͤdlichen Amerikaner und Suͤdſeeinſulaner12)S. deſſen Phyſiologie in Aphoriſmen, S. 5..

§. 84. Anmerkungen uͤber die fuͤnf Varietaͤten des Menſchen - geſchlechts.

Wir kehren nun zu unſern oben beſchriebenen fuͤnf Abarten des Menſchengeſchlechts zuruͤck. DieKenn -213Kennzeichen, welche wir jeder beygelegt, haben wir in dem vorigen Abſchnitte alle einzeln unterſucht. Jetzt wollen wir zum Beſchluß des Werks, der Voll - ſtaͤndigkeit halber, uͤber jede dieſer Abarten noch ei - nige allgemeine Anmerkungen beyfuͤgen.

§. 85. A) Kaukaſiſche Varietaͤt.

Dieſe Race erhielt ihren Namen von dem Berge Kaukaſus, weil die ihm benachbarten Laͤnder, und zwar vorzuͤglich der Strich nach Suͤden, von dem ſchoͤnſten Menſchenſtamme, dem georgiſchen bewohnt ſind13)Es wird genug ſeyn, aus der Menge von Augen - zeugen einen einzigen, aber klaſſiſchen, anzufuͤhren, Jo. Chardin Th. 1. S. 171. Der Stamm der Georgier iſt der ſchoͤnſte des Orients, und ich kann wohl ſagen der Welt. Ich habe in dieſem Lande kein haͤßliches Ge - ſicht unter keinem der beyden Geſchlech - ter bemerkt; aber ich habe Engelsgeſich - ter geſehen. Die Natur hat hier die mei - ſten Weiber mit Reizen geſchmuͤckt, wel - che man ſonſt nirgendsſieht. Mir ſcheint es unmoͤglich ſie zu ſehen, und ſie nicht zu lieben. Reizendere Geſichter, ſchoͤnern Wuchs als der Georgirinnen, kann man nicht mahlen, u. ſ. w. O o o).; und weil alle phyſiologiſchen Gruͤnde dar - in zuſammenkommen, daß man das Vaterland der erſten Menſchen, nirgends anderswo ſuchen koͤnne, als hier. Denn erſtlich hat dieſer Stamm, wie wir geſehen haben (§. 62.) die ſchoͤnſte Schaͤdelform, aus welcher, gleichſam als aus ihrer urſpruͤnglichen Mittelform, die uͤbrigen, bis zu den zwey aͤußerſten Extremen hin (der mongoliſchen auf einer Seite undder214der[aͤthiopiſchen] auf der andern) durch ganz einfache ſtufenweiſe Abweichungen entſprungen ſind.

Dann iſt dieſer Stamm von weißer Farbe, wel - che wir ebenfalls fuͤr die urſpruͤngliche, aͤchte Farbe des Menſchengeſchlechts halten koͤnnen, da aus ihr, wie wir oben dargethan haben (§. 45.) eine Verar - tung in Schwarz leicht iſt, weit ſchwerer hingegen aus Schwarz in Weiß (wenn naͤmlich die Sekretion und Praͤcipitation dieſes Kohlenpigments (§. 44.) durch Laͤnge der Zeit Wurzel gefaßt hat).

§. 86. B) Die mongoliſche Race.

Sie iſt ebendieſelbe, welche man ſonſt ziemlich unbeſtimmt die tatariſche nannte14)Uiber den Urſprung dieſer Verwirrung, nach wel - cher man den Namen der Tatarn auf die mongoliſchen Voͤlkerſchaften uͤbertrug, ſehe man Jo. Eberh. Fiſcher Conjecturae de gente et nomine Tatarorum, unter deſſen quaeſtionibus Petropolit. S. 46. auch deſſen ſiberiſche Geſchichte, Th. 1., eine Benen - nung, welche bey der Unterſuchung der Racen des Menſchengeſchlechts, zu wunderbaren Irrthuͤmern Veranlaſſung gegeben hat, ſo daß z. B. Buͤffon und deſſen Anhaͤnger, von dieſem Ausdrucke verfuͤhrt, die von alten Schriftſtellern entlehnten Nationalcha - raktere der Mongolen15)Die erſte Quelle, aus welcher die ſo oft wieder - holte Beſchreibung der Mongolen, unter dem Namen der Tatarn in die neuen Naturhiſtoriker gekommen iſt, fand ich in einem Briefe Yvo’s, eines Geiſtli - chen von Narbonne, v. J. 1243. aus Wien an den Erzbiſchof Girald zu Bourdeaux, welchen ein gleich - zeitiger Moͤnch, Matth. Paris, ſeiner ſogenannten groͤßern Geſchichte, S. 530. Londn. Ausg. 1686. Fol. einge, welche ſie unter dem Na -men215men Tatarn beſchrieben hatten, auf die wahren Ta - tarn ſelbſt, (welche zweifelsohne zu der genannten erſten Race gehoͤren) faͤlſchlich uͤbertrugen.

Uibrigens fließen freylich die Tatarn durch die Kirgiſen und angrenzenden Voͤlker eben ſo mit den Mongolen zuſammen, wie dieſe durch die Tibeta - ner16)So darf ich auf jeden Fall aus den Abbildungen von Tibetanern ſchließen, welche der große Kuͤnſtler Kettle nach der Natur gemahlt und Hr. Warr. Ha - ſtings mir gezeigt hat. zu den Indianern, und durch die Eskimos zu den Amerikanern, ja ſelbſt gewiſſermaßen durch die Bewohner der Philippinen17)Vollkommen eine ſolche mittle Geſichtsbildunghatte zur malayiſchen Race uͤbergehen ſollen.

§. 87. C) Aethiopiſche Race.

Dieſe Race hat, beſonders wegen ihrer von der unſrigen ſo weit abweichenden Farbe, ſehr viele be - wogen, ſie mit dem witzigem Gelehrten, aber ſchlechtem Phyſiologen, Voltaire, fuͤr eine beſon -dere15)eingeſcholten hat. Dieſer Brief Yvo’s handelt de horribili vaſtatione inhumanae gentis, quam Tarta - ros vocant, und dieſe (Tatarn) beſchreibt er in fol - genden Worten: Ihre Bruſt iſt hart und feſt, ihre Geſichter hager und blaß; ſie haben hohe Schultern, verquetſchte und kurze Naſen, ein hervorragendes und ſpitzes Kinn; der obere Kiefer iſt klein und tief, die Zaͤhne lang und weit von einander abſtehend, die Augenbraunen gehen von den Haaren bis zur Naſe, die Augen ſind ſchwarz, ſie ſchielen haͤßlich, ihre Glieder ſind knochicht und nervig, auch die Schenkel ſind dick, die Roͤhren aber kuͤrzer; doch ſind ſie uns an Statur gleich, denn was ihnen an den Roͤhren ab - geht, das erſetzt der obere Koͤrper. 216dere Gattung des Menſchengeſchlechts zu halten. Doch iſt es nicht noͤthig, ſich mit ihrer Widerlegung hier lange aufzuhalten, da ſchon aus dem vorigen Abſchnitte erhellet, daß die Aethiopier keine ſo blei - bende und charakteriſtiſche Eigenheit haben, die man nicht hie und da auch unter andern Menſchenracen faͤnde18)Zu dem, was im vorigen Abſchnitte weitlaͤuftiger hieruͤber aus einander geſetzt worden iſt, will ich nur noch hinzuſetzen, daß der rußaͤhnliche Stanb, welchen man in der Haut der Schwarzen unterſcheiden kann, keineswegs blos dem malpighiſchen Schleime der Aethiopier eigen ſey, wie gewiſſe Schriftſteller ge - glaubt haben, da ich eben dieſelbe Schwaͤrze an viel indianiſchen Schiffern, welche man Laſcaren nennt, wiewohl ungleicher und nur ſtellenweiſe gefunden ha - be; bey einer Indianerin aus Bombay aber, welche bey mir dient, ſehe ich denſelben Ruß mit der Zeit im Geſicht und auf den Armen allmaͤhlig ſchwinden, da uͤbrigens der unter dem Fellhaͤutchen verbreitete praͤcipitirte Kohlenſtoff der braunen Farbe unverſehrt bleibt. und welche nicht auch ſelbſt manchen Ne - gern mangelte, und keine endlich, welche nicht auch bey dieſer Menſchenrace durch unmerkliche Gra - dation mit den benachbarten in einander floͤſſe, wie jeder finden wird, der die Verſchiedenheit nur eini - ger Staͤmme dieſer Race, z. B. der Fuhls, Wu - lufs und Mandingonen, und wie ſie ſich durch die Gradationen dieſer Verſchiedenheit immer mehr den Mauren und Arabern naͤhern, genauer erwogen hat.

Was man aber von den Aethiopiern behauptet hat, daß ſie ſich den Affen mehr naͤhern, als die andern Menſchen, das gebe ich in dem Sinne ſehr gern zu, als man z. B. ſagen kann, daß ſich jeneRace17)hatte der Indianer von den Philippinen, den ich bey Alex. Dalrymple zu London ſah.217Race von Hausſchweinen mit Hufen (§. 30.) dem Pferde mehr naͤhere, als die uͤbrigen Schweine; indeß erhellt ſchon daraus, daß eine ſolche relative Vergleichung im Allgemeinen doch ohne Gewicht ſey, weil es auch unter den uͤbrigen Hauptvarietaͤten des Menſchengeſchlechts keine einzige giebt, aus der nicht ebenfalls ein oder das andere Volk, und zwar von genauen Beobachtern, in Anſehung der Geſichts - bildung mit den Affen verglichen worden waͤre; wie uns z. B. von den Lapplaͤndern19)Deshalb ſchließt z. B. Regnard ſeine Beſchreibung von den Lapplaͤndern mit dieſen Worten: Hier iſt die Beſchreibung dieſes kleinen Thiers, welches man Lapplaͤnder nennt, von dem man ſagen kann, daß nach den Affen nichts ſo ſehr dem Menſchen ſich naͤhere, als er. Oeuvres, Th. 1. S. 71. P p p)., Eskimos20)Der Eskimo Ettuiak, deſſen Abbildung nach dem Leben ich dem Hrn. v. Banks danke, fragte, als er zum erſten Male zu London einen Affen ſah, voll Er - ſtaunen ſeinen Begleiter Cartwright: Iſt das ein Eskimo? und dieſer fuͤgt ſeiner Erzaͤhlung bey: Ich muß geſtehen, daß beydes, Farbe und Geſichts - bildung eine betraͤchtliche Aehnlichkeit mit dieſer Na - tion hat. Q q q)., den Caaiguern in Suͤdamerika21)Nic. del Techo nennt ſie in ſeiner Relatione de Caaiguarum gente, S. 34. Den Affen ſo aͤhn - lich als den Menſchen. und den Bewoh - nern der Inſel Mallikollo22)Hieruͤber ſ. J. R. Forſter, welcher in ſeinen Be - merkungen S. 217. ſagt: Die Bewohnerder ausdruͤcklich erzaͤhlt wird.

§. 88. D) Amerikaniſche Race.

Es iſt in der That wunderbar, wie viele und ſeltſame Erdichtungen man von charakteriſtiſchen Ei - genheiten dieſer Race verbreitet hat.

Einige218

Einige ſprachen den Maͤnnern den Bart ab23)Z. B. de Paw in Recherches philoſophiques ſur les Americaius, Th. 1. S. 37., andere den Weibern die monatliche Reinigung24)S. Schurigs parthenologium, S. 200.. Einige gaben allen Amerikanern nur einerley Far - be25)Z. B. Home in sketches of the hiſtory of Man, Th. 1. S. 13., andere eine vollkommen gleiche Geſichtsbil - dung26)Vergl. Robertſons Hiſtory of America, Th. 2. S. 404..

Daß die Amerikaner nicht von Natur unbaͤrtig ſind, iſt jetzt durch das einmuͤthige Zeugniß genauer und wahrer Beobachter ſo uͤberzeugend dargethan, daß mich die uͤberfluͤßige Muͤhe gereut, mit welcher ich ehemals eine Menge von Zeugen zuſammenge - bracht habe27)Wenige von vielen habe ich ſchon vor mehreren Jahren angefuͤhrt im goͤttingiſchen Magazin 2ter Jahrg. St. 6. S. 419., durch deren Ausſage beſtaͤtigt wird, daß es durch ganz Amerika von den Eskimos bis zu den Feuerlaͤndern ganze Staͤmme von Einwohnern gebe, welche Baͤrte tragen; und daß es ſich auch von den uͤbrigen Bartloſen beweiſen laͤßt, daß ſie mit Fleiß die Wurzel des Barthaars ausreißen, wie dies auch viele, beſonders mongoliſche28)S. unter andern J. G. Gmelin Reiſe durch Si - birien, Th. 2. S. 125. Man findet nicht leicht bey einem Tun - guſen ſo wie bey allen dieſen Voͤlkern, einen Bart. Denn ſobald ſich derſelbe einfindet, ſo raufen ſie die Haare aus,und und malayi - ſche29)Von den Sumatranern bezeugt es Marsden; von den Magindanern, Forreſt; von den Pelewinſulanern Wilſon; von den Papus, Carteret; von den Admirali - taͤtsinſeln, Bougainville u. a. m. Voͤlker thun.

Daß
22)der Inſel Mallikollo ſcheinen unter allen Menſchen, welche ich je geſehn, die meh - reſte Verwandſchaft mit den Affen zu ha - ben.
22)219

Daß das Barthaar bey den Amerikanern wie bey vielen mongoliſchen Nationen allerdings duͤnn und ſchwach ſey, iſt bekannt; doch kann man ſie deshalb eben ſo wenig mit Recht bartlos nennen, als man etwa Menſchen mit wenig Haaren kahl nennen koͤnnte.

Die alſo die Amerikaner von Natur fuͤr bartlos hielten, fielen in denſelben Fehler, welcher die Alten verleitete, ſich und andere zu bereden, der Para - diesvogel, dem man die Fuͤße abzuſchneiden pflegt, habe von Natur keine Fuͤße.

Die andere fabelhafte Sage, daß naͤmlich die Amerikanerinnen keinen monatlichen Veraͤnderungen unterworfen waͤren, ſcheint dadurch entſtanden zu ſeyn, daß die Europaͤer, welche in die neue Welt kamen, an den unzaͤhligen, faſt ganz nackten Ein - wohnern vom andern Geſchlechte, welche ſie ſa - hen, niemals Spuren dieſer Reinigung ſahen30)Lery voyage faict en la terre du Bréſil, S. 270.. Davon giebt es aber wahrſcheinlich einen doppelten Grund; theils werden bey jenen amerikaniſchen Voͤlkern die Weiber, waͤhrend ihrer Reinigungszeit, durch ein heilſames Vorurtheil gleichſam fuͤr giftig gehalten, und von allem geſellſchaftlichen Umgange ausgeſchloſſen; und ſie genießen indeß in abgelege - neren Huͤtten und von dem Anblick der andern ent -fernt,29)und bringen es endlich dahin, daß keine mehr wachſen. 220fernt, eine fuͤr ſie wohlthaͤtige Ruhe31)Vergl. z. B. Sagard Voyage du pays des Hurons. S. 78.; theils aber hat man auch bemerkt32)Von Berkel’s Reiſen nach R. de Berbice und Su - rinam, S. 46., daß ihre geprieſene koͤrperliche Reinlichkeit und beſcheidene Umwicklung der Schenkel dazu beytragen, daß keine Spur des Blutabgangs ſichtbar wird.

Ueber die Hautfarbe dieſer Race iſt ſchon oben angemerkt worden, daß ſie keineswegs ſich immer ſo gleich bleibe, daß ſie nicht hin und wieder ins Schwarze ſpielen ſollte (§. 43.); und anderer Seits ergeben ſich aus der Beſchaffenheit des ameri - kaniſchen Klimas33)Zimmerman geographiſche Geſchichte des Menſchen, Th. 1. S. 87. und aus den Geſetzen der Ver - artung, welche man auf den ſehr wahrſcheinlichen Urſprung der Amerikaner aus dem noͤrdlichen Aſien anwenden muß34)Kant im teutſchen Merkur, Jahrg. 1788. St. 1. S. 119., die Gruͤnde ſehr deutlich und leicht, weshalb ſie nicht ſo auffallenden Farbenver - ſchiedenheiten unterworfen ſeyn koͤnnen, als die uͤbrigen Nachkommen der urſpruͤnglichen Bewohner Aſiens, welche ſich uͤber die alte Welt verbreitet haben.

Faſt daſſelbe gilt von der Geſichtsbildung der Amerikaner. Schon haben ſehr ſorgfaͤltige Augen - zeugen die Ungereimtheit der faſt laͤcherlichen Be - hauptung gezeigt, daß die ſaͤmtlichen Bewohner der neuen Welt in ihren Geſichtszuͤgen ſich durchaus ſo gleich waͤren, daß wer einen geſehen haͤtte, ſagenkoͤnne,221koͤnne, er habe ſie alle geſehen u. ſ. w.35)S. Molina, ſulla ſtoria naturale del Chili S. 336. Rido fra me ſteſſo, quando leggo in certi ſcrittori moderni riputati diligenti obſervatori, che tutti gli Americani hanno un medeſimo aſpetto, e che quando ſe ne abbia veduto uno, ſi poſſa dire di aver gli vedutti tutti. Codeſte autori ſi laſciarano troppo ſedurre da certe vaghe apparenze di ſomiglianza procedenti per lo piu del colorito, le quali ſuaniſcono toſto che ſi confrontano gl individui di una nazione con quelli dell altra. Un Chileſe non ſi differenzia meno nell aſpetto da un Peruviano, che un Italiano da un Tedeſco. Io ho veduto pur dei Paraguaj, de Acja - ni, e dei Magellanici, i quali tutti hanno dei linea - menti peculiari, che li diſtinguono notabilmente gli uni dagli altri. R r r). Viel - mehr beweiſen es viele von den groͤßten Kuͤnſtlern verfertigte Abbildungen von Amerikanern, und die Zeugniſſe der glaubwuͤrdigſten Augenzeugen, daß unter dieſer Race des Menſchengeſchlechts allerdings eben ſo gut als unter den uͤbrigen, Verſchiedenheit der Geſichtszuͤge Statt finde36)So z. B. beſchreibt Nik. del Techo, um aus dem ſuͤdlichen Amerika einige Beyſpiele anzufuͤhren, die Caaiguen mit Stumpfnaſen; von den benachbarten Abiponern hingegen ſagt Martiui Dobrizhofer, daß ſie nicht ſelten durch Adlernaſen ſich auszeichnen; Pe - ruanern ſchreibt Ulloa eine enge und gebogne Naſe zu; Molina den Chiliern eine etwas breite; G. For - ſter den Inſulanern des Feuerlands eine ſehr platte.; ob ſchon im All - gemeinen jene Nationalbildung, welche wir ihnen oben (§. 56.) beygelegt haben, fuͤr ihre fundamen - tale zu halten iſt. Daß ſie zunaͤchſt an die mongo - liſche grenze, haben ſchon die erſten Europaͤer, welche auf das feſte Land der neuen Welt kamen, richtig ange - merkt37)S. Lettere di Amer. Veſpucci S. 9. nach Bandi - nis Ausgabe. Non ſono di volto molto belli, perche tengono il viſo largo, che voglion parere al Tartaro. s s s), und dies beſtaͤtigt aufs neue die ſehr wahr -ſchein -222ſcheinliche Meinung, daß die Amerikaner aus dem noͤrd - lichen Aſien heruͤbergekommen, und von einer mongo - liſchen Voͤlkerſchaft entſprungen ſind; daß aber mehre - re ſolcher Auswanderungen in langen Zwiſchenraͤumen erfolgt ſind, wozu ſowohl phyſiſche und geogeniſche als politiſche Kataſtrophen Veranlaſſung geben konnten, iſt wahrſcheinlich; und hieraus iſt, wenn eine Ver - muthung bey ſolchen Eroͤrterungen ſtatt finden kann, muthmaßlich der Grund abzuleiten, warum die Es - kimos noch weit mehr als die uͤbrigen Amerikaner dieſe Geſichtsbildung an ſich haben38)Dieſe ſehe ich ſehr deutlich in zwey Schaͤdeln von Eski - mos von der Kolonie Nain auf Labrador, welche meine Sammlung ziereu, und in denen von ſehr guten Kuͤnſt - lern nach dem Leben gemahlten Portraits dieſer Wil - den, welche ich der Guͤte des Hrn. Banks verdanke.? theils naͤm - lich, weil ſie weit ſpaͤter, durch eine neuere Kata - ſtrophe vertrieben, aus dem noͤrdlichen Aſien ange - kommen ſind39)Denn Robertſons paradoxe Meinung, welcher in Hiſtory of America, Th. 2. S. 40. die Esquimos von den Normannen herleitete, bedarf jetzo kaum einer ernſthaften Widerlegung.; theils weil das Klima der neuen Erde, die ſie jetzt bewohnen, dem Klima des vori - gen Vaterlandes aͤhnlicher iſt. Ja man muß ſogar, wenn ich nicht irre, derſelben Macht des Klima auf Erhaltung oder Wiederherſtellung der Nationalge - ſichtsbildung, wovon wir oben (§. 57.) geſprochen haben, es zuſchreiben, daß die aͤußerſten kalten Be - wohner des andern Amerika, wie die wilden Be - wohner der Magellansſtraße, wieder der vorigen mongoliſchen Geſichtsbildung ſich naͤhern, und gleich - ſam wieder darein zuruͤckfallen40)So z. B. vergleicht der klaſſiſche Seefahrer und beobachtende Augenzeuge Linſchoten die Anwohner derMaga -.

§. 89.223

§. 89. E) Malayiſche Race.

Wie die Amerikaner in Anſehung der National - bildung zwiſchen dem Mittelſchlage im Menſchenge - ſchlechte, welchen wir die kaukaſiſche Race nannten, und einem der beyden Extreme, dem mongoliſchen naͤmlich, gleichſam das Mittel halten, ſo macht die malayiſche einen aͤhnlichen Uibergang von dieſer Mit - telrace zur andern aͤußerßen, der aͤthiopiſchen.

Die malayiſche kann man ſie nennen, weil bey weitem die meiſten Menſchen aus dieſer Race, be - ſonders der an Malakka liegenden indianiſchen In - ſeln, der Sandwichs -, Societaͤts - und Freund - ſchaftsinſeln, ja ſelbſt die Madagaſſen, bis zu den Bewohnern der Oſterinſeln hinauf, die malayiſche Sprache reden41)Zuerſt lehrte dies der Baronet Banks in Hawkes - worth’s Collection, Th. 3. S. 373. Nach ihm Bryant in Cooks Voyage to the Northern hemisphere, Th. 3. Anh. No. 2. zu S. 528. Und Marsden in Archaeologia, Th. 6. S. 154..

Indeß ſind auch dieſe durch mannichfache Grade der Schoͤnheit und des uͤbrigen koͤrperlichen Habitus ſo ſehr von einander unterſchieden, daß es nicht an Leuten gemangelt hat, welche z. B. ſelbſt die Otaheiter in zwey von einander verſchiedne Racen theilten42)Z. B. Bougainville in Voyage autour du mende. S. 214., die eine naͤmlich von blaͤſſerer Farbe, ſchlanker Statur und einer von der europaͤiſchen we - nig oder gar nicht verſchiedenen Geſichtsbildung; diean -40)Magalanſtraße, welche er ſah, im Betreff ihrer Phy - ſiognomie, Geſichtsbildung, Farbe, Haare und Bart mit den Samojeden, welche ihm von ſeiner beruͤhmten Reiſe an die naſſauiſche Straße ſehr bekannt waren. In den Anmerkungen zu Acoſtas, S. 46. b)224andere hingegen von mittlerer Statur, an Farbe und Geſichtsbildung wenig von den Mulatten ver - ſchieden, mit krauſem Haar u. ſ. w.43)Deshalb hat auch ſchon der unſterbliche de Quiros, wel - cher die Societaͤtsinſeln zuerſt entdeckte, dieſe Varietaͤt der Inſulaner des ſtillen Meeres genau unterſchieden, da er einige fuͤr weißlich ausgiebt, andere aber den Mulatten, und noch andere den Aethioptern vergleicht. S. Dalrymple collect. of voyages to the South-pacific Ocean. Th. 1. S. 164.. Dieſe letztere alſo iſt den Bewohnern der weſtlichern Inſeln im Suͤdmeer am aͤhnlichſten, unter welchem beſon - ders die Bewohner der neuen Hebriden ſich allmaͤhlig den Papus und Neuhollaͤndern naͤhern, welche ſelbſt endlich durch einen ſo unmerklichen Uibergang mit der aͤthiopiſchen Race zuſammenfließen, daß man ſie ſogar, wenn man wollte, nicht unſchicklich zu der Race, welche wir gegenwaͤrtig vor uns ha - ben, zaͤhlen koͤnnte.

§. 90. Schluß.

Und eben dieſer unmerkliche Uibergang, durch welchen auch andere Racen, wie wir geſehen haben, in einander fließen, fuͤhrt uns endlich nach einer Vergleichung mit dem, was in den vorigen Abſchnit - ten dieſes Werks, von den Urſachen und Arten der Degenerationen und den analogen Erſcheinungen von Verartung an andern Hausthieren, geſagt wor - den iſt, zu dem Schluſſe, welcher aus den Princi - pien der Phyſiologie, wenn ſie mit Huͤlfe der zoolo - giſchen Kritik auf die Naturgeſchichte des Menſchen - geſchlechts angewendet wird, ſich von ſelbſt zu erge - ben ſcheint: daß naͤmlich unſtreitig alle bisher bekanntgewordene Abarten des Menſchen nur zu Einer und derſelben Gattung gehoͤren.

[226]

Erlaͤuternde Anmerkungen zu vorſtehendem Werke nebſt Zuſaͤtzen aus den fruͤhern Ausgaben deſſelben.

Verſch. des M. P[227]227

Vorerinnerung.

Der beſte Erklaͤrer, der in einem Werke vor - kommenden Saͤtze, iſt zweifelsohne der Verfaſ - ſer ſelbſt. Deshalb habe ich vorzuͤglich bey der Erlaͤuterung dieſes Werks an Herrn Hofrath Blumenbach mich gehalten. Und an wen koͤnnte man ſich in dieſer Unterſuchung ſicherer wenden, als an ihn? Die in dem Werke vorkommenden anatomiſchen Stellen trug ich um ſo weniger Be - denken hier genauer auseinander zu ſetzen, da der Herr Verfaſſer ſelbſt ſeine in der zweyten Ausgabe geaͤußerte Meinung, daß es laͤſtig ſeyn duͤrfte, hierin ſo weit zu gehen, dadurch, daßP 2er228er in dieſer dritten wirklich weiter gegangen iſt, ſtillſchweigend widerlegt hat. Den eigentlichen Zweck meiner Anmerkungen darf man uͤbrigens nicht aus den Augen ſetzen, wenn man mich nicht unbillig beurtheilen will. Alle mit Bl. bezeich - nete ſind von dem vortreflichen Verfaſſer vorſte - hender Abhandlung ſelbſt.

Erſter229

Erſter Abſchnitt.

§. 5. S. 24.

Des ſolei mit ſeinem gemello. Die eigentliche Wade beſteht aus folgenden Muſkeln: den gaſtro - cnemiis großen Wadenmuſkeln, dem ſoleo unteren Wadenmuſkel, plantari Fußſohlenmuſkel, und poplitaeo Kniekehlenmuſkel. Die gaſtrocnemii beſtehen aus zwey, oder wenn man lieber will, drey Muſkeln, und werden in den externus und inter - nus eingetheilt. Der aͤußere beſteht aus zwey ſehr ſtarken und großen Muſkelkoͤrpern, welche unten in eine gemeinſchaftliche Sehne uͤbergehn, und deshalb von Albin die Zwillingsmuſkeln der Wade ge - nannt wurden, gemellus. Der innere, wel - cher den groͤßten Theil der Wade bilden hilft, eine beynahe eyfoͤrmige Figur hat, und von den Zwil - lingsmuſkeln bedeckt wird, heißt dann der ſoleus. Dieſe Muſkeln werden gleich nach ihrem Ur - ſprung fleiſchig, nehmen an Dicke und Breite zu, und bilden unten, wo ſie in eine ſehr dicke und brei - te Sehne uͤbergehen, die ſogenannte Achillesſehne (tendo Achillis). Man wird ſich nun die Mei - nung des Herrn Verfaſſers leichtlich erklaͤren koͤnnen.

Laͤn -230

Laͤngeres Bruſtbein. Das Bruſtbein (ſter - num os xiphoides) ſchließt gleichſam den Thorax nach vorn von der Halsgrube bis zur Herzgrube; liegt zwar eigentlich nur zwiſchen den fuͤnf obern Rippenpaaren, doch reichen auch die knorplichen Anhaͤnge des ſechſten und ſiebenden Paares hinauf. Der Menſch ſcheint unter allen warmbluͤtigen Thie - ren das allerkuͤrzeſte erhalten zu haben; hoͤchſtens kommt ihm etwa der aͤchte Orang-Utang darin bey*)S. Tyſons anatomy of a Pygmy Fig. 5.. Bey den Menſchen iſt es ein laͤnglichter ſchmaler Knochen, nach vorn etwas convex, nach hinten etwas concav: Bey den mehreſten uͤbri - gen vierfuͤßigen Saͤugethieren aber iſt es cylindriſch und gegliedert, ſelbſt bey den meiſten Affenarten, und bey dem Baͤren, deſſen Gerippe ſonſt (Kopf und Becken ausgenommen) viel Analogie mit menſch - lichen hat.

Mehrere Rippen. Gewoͤhnlich hat ihrer der Menſch 12 Paare, doch hat man hinwieder einzelne Variationen aufgefunden. Die Saͤugthiere ha - ben mehrere. Viele Affen 14 Paare, ſo auch der Marder u. a. Der Iltis, Igel u. a. 15 Paare. Der kleine braſiliſche Ameiſenbaͤr 16 Paare, ſo auch das Frettchen. Das Pferd 18. Der Elephant 19 Paare. Bl.

Alles was noch uͤber den aufrechten Gang geſagt werden kann, iſt aus den fruͤhern Ausgaben concen - trirt, folgendes:

Der231

Der Kopf des Menſchen ruht und bewegt ſich am bequemſten bey der aufrechten Stellung des Leibes. Man ſtelle den Menſchen auf vier Fuͤße: dann haͤngt augenſcheinlich der Kopf, ſeiner Schwe - re uͤberlaſſen, gegen die Erde, da er hingegen jetzt, wenigſtens dem groͤßten Theil nach, unterſtuͤtzt iſt. Da aber das kleine Gehirn und uͤberhaupt die groͤß - te Maſſe des Gehirns in dem Hinterkopfe liegt, und die vordern Theile des Kopfes, als die Naſe und das Innere des Mundes zum Theil hohl ſind, ſo uͤberwiegt der Hinterkopf augenſcheinlich den vordern, und es iſt unlaͤugbar, daß durch die jez - zige Stellung des großen Lochs (foramen magnum occipitale) die Unterſtuͤtzung des Kopf ſo vortreflich eingerichtet iſt, als es nur ſeyn koͤnnte. Ferner gebe man auf die Einrichtung der Halswirbel acht; ſind dieſe nicht flach, ohne in einandergreifende Fortſaͤtze, wie bey den Thieren, ſelbſt bey den meiſten Affen1)1)? Gerade ſo waren ſie auch nur noͤthig, wenn der Kopf ſenkrecht auf ihnen ruhen, und dabey frey alle noͤthige Bewegung vornehmen ſollte. Mit Recht bewundert Euſtach, der ſcharf - ſinnigſte Anatom ſeiner Zeit, dieſen herrlichen Bau, wo die Natur, wie er ſagt, die ſtaͤrkſten Knochen durch ſehr ſchwache ſo vortreflich zu ſtuͤtzen gewußt hat, daß ſie dem Kopfe hinreichende Sicherheit verſchaften, ohne ihm irgend eine noͤthige Bewe - gung fehlen zu laſſen2)2). Und wie konnte es dem Moskati einfallen, dieſe Lage des Kopfs fuͤr unſi - cher, oder nicht gehoͤrig unterſtuͤtzt zu halten3)3)? Hat doch der Menſch nicht einmal das ſogenannte Haarwachs, ein weiſſes, ſtarkes, tendinoͤſes Li - gament232 gament, wodurch der Kopf der Thiere gehalten und aufwaͤrts gezogen wird. Linné merkt aus - druͤcklich an, daß dieſes Ligament, welches er Pax - wax nennt, ſich weder bey den Affen noch bey dem Menſchen finde4)4). Gaͤbe man nun auch dem Moskati zu, daß, im Fall der Menſch vierfuͤßig waͤre, ſich dieſe Haut nach und nach ſelbſt erzeuge: ſo iſt es doch bey denen ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Af - fen, welche gleichfalls oftmals aufrecht gehen, nicht da, wo aber die Struktur der in einander greifen - den Halswirbelbeine dieſen Mangel erſetzt, welches bey den Menſchen nicht iſt. Uiberdem iſt die Lage der Augen und Ohren gar nicht fuͤr ein vierfuͤßiges Thier eingerichtet. Die Augenaxe ſteht bey dem Menſchen beynahe ſenkrecht auf dem vertikalen Durchſchnitte des Kopfs, da ſie hingegen bey den Thieren, die großen Affen ausgenommen, einen ſpitzigen Winkel macht; das heißt, das Auge des Menſchen waͤre, wenn er auf vier Fuͤßen ſtuͤnde, mehr der Erde zugekehrt als bey den Thieren. Auch hat die Natur den Thieren, bis auf den Urang, einen eigenen Muſkel (ſuſpenſorius ocu - li), den Augapfel in die Hoͤhe zu ziehen, gegeben, welcher dem Menſchen fehlt. Wird Moskati die - ſen auch nach und nach wachſen laſſen? Gingen wir alſo auf Haͤnden und Fuͤßen; ſo waͤre nicht nur das Geſicht des Menſchen mehr als bey einem andern Thiere eingeſchraͤnkt, ſondern dieſes waͤre auch ebenfalls der Fall mit dem Gehoͤr; denn die Ohren ſtuͤnden gleichfalls der Erde zu. Wiederum iſt der Ruͤckgrad zu dem zweybeinigten Gange beſſer, als irgend bey einem andern Thiere eingerichtet. Neh -233 Nehmen nicht die Wirbelbeine an Staͤrke zu, wo ſie mehr zu tragen haben? Daher ſind die Lenden - wirbel viel ſtaͤrker als alle die uͤbrigen; ſie tragen den ganzen Stamm des Koͤrpers. Dies war bey einer Horizontallaͤnge nicht noͤthig, und eben daher findet ſich dieſes Verhaͤltniß nicht bey den Thieren.

Dann vergleiche man die breiten Huͤftbeine des Menſchen (ilia), welche ſich in die verengten Sitz - beine (iſchia) endigen, ferner unſer kurzes Becken, das oben weit iſt, und nach unten zuſammenlaͤuft, wodurch es gerade ſo geraͤumig wird, daß es der Frucht hinreichenden Platz laͤßt, aber dabey den Vorfall der Mutter hindert, mit den ovalen cylin - derfoͤrmigen Becken der Thiere, nebſt ihren breiten Sitzbeinen, und auseinanderſtehenden Huͤftbeinen; dabey gebe man zugleich auf den Bau der Geſaͤß - muſkeln und Waden in beyden acht, und urtheile dann, zu was fuͤr eine Art von Gange der Menſch und das Thier eingerichtet ſind. Auch gehoͤrt noch hierher der laͤngere und nur allmaͤhlich ſchieflaufen - de Hals des Schenkelbeins (cervix oſſis femoris) bey dem Menſchen, welcher ſelbſt bey den Affen nur kurz iſt, und in die Quere (oder beynahe hori - zontal) in die große Pfanne (acetatabulum oſſis iſchii) eintritt. Endlich ſind die Waden, die ſehr ſtarken Schenkelbeine, die ganze Zuſammenfuͤgung des menſchlichen Fußes, die ſtarke Ferſe, lauter Zeugniſſe fuͤr den aufrechten Gang.

  • S. 1ſte Ausg. S. 22. 33. fgg. und 2te Ausg. S. 26. fgg. vgl. mit E. A. W. Zimmermann geographiſche Geſchichte des Menſchen u. ſ. w. Th. 1. Seite 124. fgg.
1) Vergl.234
1)Vergl. Taf. 3. Fig. 3. 4.
1)
2)Euſtachius de motu capitis, in ſeinen opuſc. anatom. Venet. 1563. S. 238.
2)
3)Moskati von dem koͤrperlichen Unterſchie - de zwiſchen der Struktur des Menſchen und der Thiere. S. 20. in der Note.
3)
4)Syſt. nat. XII. T. I. S. 48.
4)

§. 6. S. 24. fg.

Was man unter der Benennung Becken eigent - lich zu verſtehen habe, iſt in dieſem §. mit voͤlliger Beſtimmtheit angegeben: allein nichts deſtoweniger duͤrften einige Worte uͤber die einzelnen Knochen, durch deren Zuſammenfuͤgung das Becken gebildet wird, hier nicht am unrechten Orte ſtehen. Es faͤngt beym Vorgebirge an, und enthaͤlt das Kreuz - bein, Kuckuksbein und die ungenannten Knochen. Das Vorgebirge entſteht durch eine auszeichnende Eigenſchaft des unterſten Lendenwirbels. Sein Koͤr - per naͤmlich iſt vorn auffallend hoͤher als hinten, und dadurch entſteht durch ſeine Verbindung mit den Kreuzbeinen, in der Fuge zwiſchen beyden, dieſe mit einem eigenen Namen benannte Erhoͤhung, wel - che man ſonſt auch den Winkel des Kreuzbeins nennt (angulus oſſis ſacri). Zu beyden Seiten lau - fen die groͤßten von allen flachen Knochen des gan - zen Gerippes, welche man die ungenannten nennt. Dieſe werden, da ſie bey der Leibesfrucht und dem neugebornen Kinde aus drey abgeſonderten, in der Huͤftpfanne zuſammenſtoßenden Knochenkernen beſte - hen, welche ohngefaͤhr im ſiebenten Lebensjahr zu - ſammen verwachſen; jedoch ſo, daß die Spuren die - ſer Verwachſung ſelbſt bis gegen die Mannbarkeitmerk -235merklich bleiben, in drey beſondere Einſchnitte ab - getheilt, als:

  • 1) Die beyden obern großen ausgebreiteten Theile, die Huͤftknochen (oſſa ilium).
  • 2) Die mittlern vordern an einanderſtoßenden, die Schaam - oder Schooßbeine (oſſa pubis ſ. pectinis).
  • 3) Die nach unten herabſteigenden, die Sitz - beine (oſſa iſchii ſ. coxendicis). Dieſe ungenannten Knochen ſind vorn durch ein Knorpelband mit einan - der verbunden. Hinten faſſen ſie das heilige oder Kreuzbein, den bey weitem allergroͤßten Knochen am Ruͤckgrad, auf welchem dieſes, und mit ihm auch Bruſt, Kopf und Arme, wie auf ihrer Baſis, ruhen. Es iſt nach vorn ausgeſchweift und ziemlich glatt, und hat ohngefaͤhr die Geſtalt einer gekruͤmm - ten, am Ende ſtumpf zugeſpitzten, keilfoͤrmigen Schaufel. Unterhalb dieſen iſt das Kuckuks - oder Steisbein, auch Schwanzbein genannt (os cau - dae), weil die Wirbel deſſelben bey den Thieren ſich hintenaus in den Schwanz verlaͤngern, welches aus vier Stuͤcken beſteht, die gleichſam einen Anhang des Kreuzbeins ausmachen, mit deſſen unterem Ende in gleicher Richtung fortlaufen, von hinten in die untere Oeffnung des Beckens hineinragen, und be - ſonders dem Maſtdarm zur Stuͤtze dienen. In den Huͤftpfannen des Beckens ſind die Schenkelkno - chen gerade an der Stelle, wo im unreifen Alter die drey Stuͤcke des ungenannten Beins zuſammenſtoßen, eingelenkt.
Der236

Der in dieſem §. vorkommende ſtumpfe Rand (linea innominata), geht vom Vorgebirge des Kreuzbeins, abwaͤrts, unten am Huͤftbeine vorbey, und verlaͤuft ſich nach dem obern und innern Rande der Schaambeine. Es wird leicht ſeyn, ſich dieſes alles mit Zuziehung von Fig. 1. Taf. 3. zu erlaͤutern und die Meinung des Herrn Verfaſſers einzuſehen. Ich fuͤge nur noch ſeine Aeußerung, daß dem Men - ſchen das Becken eigenthuͤmlich zukomme, welche er mit Belegen aus der verglichnen Anatomie bewaͤhrt, bey.

Dieſer Bau des Beckens ſagt er iſt aus - ſchluͤßlich dem Menſchengeſchlechte eigen, und ent - ſpricht der Beſtimmung deſſelben, zum aufrechten Gange, auf das vollkommenſte, da der breite Rand des großen Beckens die benachbarten Gedaͤrme unter - ſtuͤtzt, und ihren ſonſtigen Druck auf die im kleinen Bek - ken enthaltenen Eingeweide abhaͤlt oder doch mindert.

Ein Blick in die Oſteologia comparata zeigt dies aufs unverkennbarſte. Bey allen vierfuͤßigen Saͤugethieren iſt das Becken im Verhaͤltniß laͤnglich - ter, ſchmaler, koniſcher, mit den Huͤften nicht ſo weit divergirend als bey dem Menſchen. Man ſehe z. B. die Abbildungen der Becken an den verſchiede - nen Arten von Orangutangs bey Tyſon a. a. O. Fig. 5. und in Prof. Campers natuurkundige Verhan - delingen, Taf. 3. Fig. 7.

Am koyteriſchen Affengerippe (bey ſeiner Ana - logia oſſium humanorum ſimiae et verae et caudatae, atque vulpis) taugt hingegen das Becken gerade nichts, da die ungenannten Beine durch ein ſeltſa -mes237mes Verſehen bey der Zuſammenſetzung voͤllig ver - kehrt geſtellt worden, mit den Huͤftbeinen nach un - ten, mit den Sitzbeinen nach oben u. ſ. w.

Uiber die mannichfaltigen beſondern Verſchie - denheiten im Baue des Beckens bey den Saͤugthieren und bey den Voͤgeln vergleiche man die zahlreichen und uͤberaus genauen Abbildungen bey Koyter an ſeiner Ausgabe von Fallopii lectionibus de partibus ſimilaribus und in Johann Daniel Meyer Vorſtel - lung allerhand Thiere nebſt ihren Skeletten.

§. 7. S. 26.

Ferner haͤngt von der benannten u. ſ. w. Wenn wir die Lage der innerlichen Geburtstheile im Becken im ungeſchwaͤngerten Zuſtande betrachten, ſo finden wir, daß ſich die Lage deſſelben nach der Achſe des Beckens richtet. Folglich werden ſie in dem beſchwaͤngerten Zuſtande nach dieſer in die Hoͤhe ſteigen und die aͤußerlichen Bedeckungen des Unter - leibes vorwaͤrts draͤngen muͤſſen. S. mit mehrerem hieruͤber Sommer uͤber die Axe des weiblichen Beckens, Weiſſenfels 1797.

Was uͤbrigens die Eigenthuͤmlichkeit der Weiber menſchlicher Gattung, daß ſie den Urin nicht wie die uͤbrigen Thierweibchen hinten auslaſſen, betrift, ſo darf man nur, um ſich uͤber dieſe Einrichtung voͤllig ſicher zu ſetzen, die hierher gehoͤrigen Abſchnitte aus den Anfangsgruͤnden der Phyſiologie des Herrn Verfaſſers nachleſen.

§. 9.238

§. 9. S. 30.

Der Menſch ein zweyhaͤndiges Thier. Ich kann nicht umhin, die ganze Stelle auf welche ſich der Herr Verfaſſer in dieſem §. bezieht, hier noch mitzutheilen. Der Menſch iſt das weiſeſte unter allen Thieren, aber ſeine Haͤnde ſind auch Werk - zeuge, wie ſie einem weiſen Geſchoͤpf zukommen. Zwar iſt er nicht, wie Anaxagoras meint, das weiſeſte Thier, weil er Haͤnde hat, ſondern er hat, wie Ariſtoteles richtig urtheilt, Haͤude, weil er das weiſeſte Thier ſeyn ſollte. Denn nicht die Haͤnde, ſondern die Vernunft haben den Menſchen die Kuͤnſte gelehrt; jene ſind aber die beſten Werk - zeuge, womit man ſie uͤben kann. Galenus de uſu partium B. 1. Cap. 3. Sonderbar ſtimmt mit dieſer vernuͤnftigen Meinung eine andere von Mos - kati. Dieſer Paradoxen Freund glaubt, daß die Menſchen, wenn ſie auch auf Vieren gingen, alles dies verrichten wuͤrden, weil es wohl eher Men - ſchen gegeben, die, bey verſtuͤmmelten Haͤnden, oder in Ermangelung der Aerme, mit den Fuͤßen geſchrieben, genaͤhet und andere kuͤnſtliche Sachen verrichtet haben. Dieſe Meinung ſcheint mir gerade ſo viel werth als jene, wo man, trotz den uͤberzeu - genden Gruͤnden des Herrn Hofrath Blumenbachs, und gegen den Augenſchein, nicht annehmen wollte, daß die Affen vierhaͤndige Thiere ſeyen, weil Herr Hofrath Blumenbach darinnen ſich ſelbſt wi - derſpraͤche, indem er bey dem Lemur tardigradus von Hinterfuͤßen deſſelben redet.

§. 11.239

§. 11. S. 32. fgg.

Es duͤrfte vielleicht nicht unnoͤthig ſeyn, uͤber die Zaͤhne etwas beſonders anzumerken, zumal da Linné und viele andere, von ihnen den Grund zur Klaſſifikation der Thiere nahmen.

Die Schneidezaͤhne haben bey den Menſchen meiſelartige Kronen und duͤnne einfache Wurzeln. Dies iſt um ſo nothwendiger hier anzufuͤhren, weil ſich in der Anzahl, Bildung und Richtung dieſer Klaſſe von Zaͤhnen bey den verſchiedenen Geſchlech - tern der Saͤugethiere, nach der Erforderniß ihrer Lebensart und Lebensmittel, mannichfaltige Ver - ſchiedenheit zeigt. Bey den Raubthieren z. E. ſind ihrer gewoͤhnlich ſechs in jedem Kiefer mit ausgezack - ten Kronen, die wie Zangen feſt auf einander grei - fen. Die Eichhoͤrnchen, Hamſter, Ratten, Maͤuſe und aͤhnliche Thiere; aber auch die Stachelſchweine, der Biber und andere mehr, haben nur ein Paar Schneidezaͤhne in einem jeden Kiefer mit uͤberaus ſcharfen meiſelartigen Schneiden; das untere Paar hat faſt eine pfriemenfoͤrmige Geſtalt, und zu der großen Kraft, die es beym Nagen an den Waͤnden anwenden muß, ganz außerordentlich lange Wur - zeln, die z. B. bey der gemeinen Hausmaus die ganze Laͤnge des Unterkiefers haben.

Die Eckzaͤhne haben koniſche, ſtumpf zugeſpitz - te, uͤberaus robuſte Kronen, einfache, ſtarke, ſeit - waͤrts zuſammengedruͤckte Wurzeln. Auch die Eck - zaͤhne fehlen manchen Saͤugethieren gaͤnzlich, wie den Maͤuſen und andern nagenden Thieren; oder ſieſind240ſind doch ſehr klein, wie beym Pferd. Von anſehn - licher Groͤße und ausnehmender Staͤrke ſind ſie bey den reiſſenden Thieren; aber auch bey den mehreſten Affen. Der Baͤr und Dachs haben hinter den gro - ßen Eckzaͤhnen in beyden Kiefern noch einige ganz kleine von ſonderbarer Bildung. Der Backenzaͤhne ſind fuͤnf hintereinander, wovon die beyden vordern kleinere Kronen mit einer meiſt halbmondfoͤrmigen Grube haben, da die drey hintern hingegen breite, mehrentheils auf der Oberflaͤche mit einer Kreuzfurche durchſchnittene Kronen mit ſtumpfen Ecken haben. Die Backenzaͤhne der Saͤugthiere zeigen, zumal in Bildung ihrer Kronen, uͤberaus viel merkwuͤrdige Ver - ſchiedenheiten, die den Nahrungsmitteln, zu denen ſie beſtimmt ſind, aufs genaueſte angemeſſen ſind. Bey den reiſſenden Thieren, zumal aus dem Hund - und Katzengeſchlecht, ſind ſie ſcharf zugeſpitzt, ſchnei - dend ausgezackt, und die untern gleiten im Kauen dicht hinter den obern vorbey, faſt wie die beyden Blaͤtter einer Scheere, wodurch das rohe Fleiſch, zaͤhe Sehnen u. ſ. w. gleichſam zerſchnitten werden. Der Baͤr, der ſich aus beyden Reichen naͤhrt, hat ſchon breitere Kronen, deren Zacken mehr gerade auf einander ſchließen.

Auch die Menſchenaͤhnlichſten Affen haben doch weit ſcharfzackigtere Zaͤhne als der Menſch. Bl.

Kuͤrze des Unterkiefers. Nur der Elephant macht unter allen Thieren eine Ausnahme, denn deſſen Unterkiefer iſt wenigſtens eben ſo kurz als der menſchliche. Ausnehmend groß iſt er hingegen ſchonbey241bey den Affen; ſelbſt bey einigen der Menſchenaͤhn - lichſten. Bl.

Die beyden Gelenkknoͤpfe (condyli) ſind ein Paar rundliche aber flachgedruckte Koͤpfe, die auf einem engern Halſe aufſtehen, und in die Breite von auſſen nach innen und zugleich in etwas nach hinten gerichtet ſind, ſo daß ſie nicht in gleicher Li - nie neben einander, ſondern von vorn nach hinten ſtumpf convergirend laufen. Mittelſt des proceſſus condyloideus iſt der ganze Unterkiefer mit dem Schaͤdel eingelenkt. Von der verſchiedenen Bildung der condylorum bey den Thieren haͤngt die eben ſo verſchiedene Beweglichkeit ihrer Kinnladen ab. Bey rundlichen Knoͤpfen bewegt er ſich wie in einer Nuß (arthrodia) und folglich iſt ihm eine vielſeitige Be - wegung geſtattet. Sehr breit in die Quere laufende hingegen bilden gleichſam ein Gewinde (charniere, ginglymus), und haben mithin eine weit einge - ſchraͤnktere, beſtimmtere, einſeitigere Einlenkung. Jenes iſt der Fall bey vielen Gras freſſenden Thie - ren, beſonders beym Elephanten u. a. dieſes hin - gegen bey den Raubthieren; auch bey dem Marder, Iltis u. ſ. w. Bl.

Dies waͤre die aͤußere Beſchaffenheit des Men - ſchen, wonach der Menſch Erectus bimanus; men - to prominulo; dentibus aequaliter approximatis; inciſoribus inferioribus erectis iſt. Man wird leicht finden, daß der Herr Verfaſſer in dieſem letz - ten Zuſatze einen Charakter der Humanitaͤt angegeben hat, wodurch ſich der Menſch von den noch ſo men -Verſch. des M. Qſchen -242ſchenaͤhnlichen Affen, und uͤberhaupt von allen Saͤugethieren, auszeichnet. Dagegen hat er einen andern, welcher noch in der vierten Ausgabe ſeines Handbuchs der Naturgeſchichte ſteht, weggelaſſen. Dort beſchreibt er naͤmlich den Menſchen alſo: homo Animal erectum, bimanum, inerme, rationale, loquens. Dentes primores inciſores ſupra et infra quatuor. Laniarii longitudine reliquis aequales approximati.

Man ſieht leicht, daß es das inerme iſt, was ich meine, und ich trage deshalb um ſo weniger Be - denken, die ſonſt hieruͤber geaͤußerte Meinung des Herrn Verfaſſers beyzufuͤgen.

Außer der aufrechten Stellung aber und den beyden Haͤnden, ſagt er, haben wir auch noch einiges andere zu betrachten, welches dem Menſchengeſchlechte ebenfalls eigenthuͤmlich zuzu - gehoͤren ſcheint. Unter allen Thieren iſt allein der Menſch waffenlos und nackt auf die Welt geſetzt worden. Ihm iſt weder Zahn noch Horn, weder Klaue noch Bedeckung, oder rauches Fell, gege - ben. Der Einwurf, den man vielleicht dagegen machen koͤnnte, daß es auch Thiere gebe, denen alles dieſes mangelt, iſt nicht giltig; denn immer trift man doch etwas an ihnen, was zu ihrer Ret - tung dient1)1). Der Menſch aber hat entweder dieſes alles gar oder groͤßtentheils nicht. Er iſt faſt unbehaart, da hingegen die Quadrupeden, welche ihre Ruͤcken dem freyen Himmel und der Witterung entgegen tragen, mit rauchem Felle oder243 oder dickerer Haut, Schildern, Schuppen oder Stacheln bewaffnet ſind. Nur an wenig Gegen - den des Leibes hat der Menſch Haare, der Ruͤcken aber iſt ganz kahl, was in der That einen neuen Beweis fuͤr den aufrechten Gang des Menſchen abgiebt. Seine Zaͤhne ſtehen einander gleicher, ſind runder, ebener, und mit einem Worte ſo ge - baut, daß man auf den erſten Hinblick einſehen muß, ſie ſeyen dem Menſchen zum Kauen, und gewiſſermaßen zur Rede, keinesweges aber als Waffen gegeben2)2). Selbſt die Zaͤhne der Affen weichen von den menſchlichen ſehr ab; ihre Hunds - zaͤhne ſind laͤnger, ſpitziger, und von den benach - barten mehr entfernt; die Backenzaͤhne aber tief eingeſchnitten und aͤußerſt ſcharfzackigt. Aber außer den Zaͤhnen zeigt auch der enge, mit Lippen verzierte Mund, wodurch er ſich ebenfalls von den Affen und andern aͤhnlichen Thieren unterſcheidet, der Menſch ſey ein friedliches, waffenloſes Ge - ſchoͤpf3)3).

1)Der Polpp z. B. hat kaum irgend einen Feind, und wenn er etwa verwundet wird, ſo entſtehen daraus neue Thiere ſeiner Gattung.
1)
2)Der Menſch iſt ein ſanftes in Geſell - ſchaft lebendes (civile) Geſchoͤpf, deſſen Staͤrke und Kraft mehr in Weisheit, als koͤrperlicher Uibermacht beſteht. Euſtach. de dentibus. S. 85.
2)
3)Ausg. 1. S. 27. 28.
3)

Ich wundere mich um ſo mehr, daß der Herr Verfaſſer den Grund, warum er dieſen Charakter weglaͤßt, nicht angefuͤhrt hat, da er mir doch immer wegen ſeiner Konſequenz, die in Euſtachs WortenQ 2kuͤrz -244kuͤrzlich aber vollſtaͤndig angegeben iſt, wichtig zu ſeyn ſcheint. Man kann mit mehrerem hieruͤber nachſehen:

  • Herders Ideen zur Philoſophie der Geſchich - te der Menſchheit. 1. Bd. S. 218.

§. 14. S. 36.

Das Fleiſchfell oder der Hautmuſkel (panni - culus carnoſus ſeu muſculus ſubcutaneus) wurde ſonſt von vielen als die vierte gemeinſame Bedeckung des Koͤrpers beſchrieben. Er beſteht aus einer muſku - loͤſen Haut zwiſchen dem Felle und Fette, allein er iſt nur bey den Thieren, nicht bey den Menſchen anzu - treffen. Vermittelſt ſelner erſchuͤttern ſie das Fell, und verſcheuchen ſo die Inſekten.

Das Wundernetz: ein netzfoͤrmiges Geflecht von Gefaͤßen, liegt neben der Schleimdruͤſe der Naſe unter der dura mater, und Ruyſch, welcher es erſt beſchrieben und abgebildet hatte, zaͤhlte es nachher unter die Fabeln. S. Adverſar. anatom. II. S. 45. Nach Willich dient es ſolchen Thieren, deren Kopf niederwaͤrts haͤngt, den zu heftigen und ſchnellen Lauf des Gebluͤtes in das Gehirn aufzuhalten.

Was der Aufhaͤngemuſkel des Auges ſey, zeigt ſchon ſein Name, ſo wie die Ermangelung deſſelben, daß der Menſch wohl ſchwerlich zum Gange auf Vieren beſtimmt ſey, denn er dient den Quadrupeden das Auge zu erheben, wenn ſie uͤber ſich blicken wollen.

Die innere Augendecke (membrana nictitans, Nickhaut) iſt eine dreyſeitige Haut, die ſich uͤberden245den Augenſtern zieht. Die eine Seite derſelben iſt in dem innern Augenwinkel deſſelben, an die harte Haut des Augapfels befeſtiget; der gegenuͤberſtehen - de Zipfel haͤngt mit einem langen duͤnnen Muſkel zu - ſammen, der an dem Augapfel hinterwaͤrts um den Sehnerven in einen Winkel herumlaͤuft, und mit dem breitern Ende ſich in die harte Haut neben dem innern Augenwinkel einfuͤgt. Dieſer Muſkel geht durch ein Loch in dem Ende eines kuͤrzern Muſkels, der von dem andern Augenwinkel, von der Hinter - ſeite des Augenballes, bis nahe an den Sehnerven ſich hin erſtreckt, gleichſam als uͤber eine Rolle. Wenn nun beyde Muſkeln ſich verkuͤrzen, ſo wird die Nickhaut uͤber den Augenſtern, nach dem aͤußern Augenwinkel, hingezogen; laſſen ſie nach, ſo zieht ſich die Nickhaut, durch die Schnellkraft ihrer eige - nen Fibern, wieder zuruͤck. Jene Verbindung zweyer Muſkeln war noͤthig, weil ein Muſkel ſich nur nach Verhaͤltniß ſeiner Laͤnge verkuͤrzen kann, ein gerade ausgeſpannter einzelner Muſkel hier aber nicht lang genug geweſen waͤre. Die Nickhaut dient die Augen der Voͤgel fuͤr Staub zu bewahren, und gegen das blendende Sonnenlicht zu ſchuͤtzen, ohne ihm alles Licht zu nehmen, da ſie doch duͤnn genug iſt, daß die Voͤgel dadurch etwas unterſcheiden koͤn - nen. Zugleich dient ſie die vordere durchſichtige Haut im Auge feucht und geſchmeidig zu erhalten, da aus der Thraͤnendruͤſe ein Ausfuͤhrungsgang bis in die Mitte der Nickhaut geht, ſo daß ſie bey der Bewegung derſelben das Auge reinigt und erfriſcht. Die meiſten vierfuͤßigen Thiere haben auch eine Nick - haut. Das menſchliche Auge wuͤrde durch eine ſolcheDecke246Decke alle Kraft des Ausdrucks verlohren haben; auch kann der Menſch ſeinen Augen mit den Haͤnden und mit Waſſer zu Huͤlfe kommen. Kluͤgel Ency - clopaͤdie Th. 1. S. 290. fgg. An einigen habe ich nur ſchwache Spuren davon vorgefunden, wie an dem Mongus. An den gemeinen Affen iſt ſie ſehr klein. Erſte Ausgabe S. 34. N. a).

Der Aufhaͤngemuſkel des Auges iſt faſt allen Quadrupeden1)1) eigenthuͤmlich, ſo wie das Spann - aderband des Halſes, welches bloß dem Men - ſchen und Affen fehlt. Dieſer weiſſe und ſehnigte Theil, welcher bey den unſrigen unter dem Namen Haarwachs bekannt iſt, und welchen die Englaͤn - der Paxwax, Taxwax, Fixfax, und Whitelea - ther nennen, dient den Quadrupeden darzu, daß ſie Kopf und Hals aufrecht halten. Wiewohl es nun dem Menſchen und Affen zugleich mangelt, ſo folgt doch keineswegs daraus, daß dieſe letztern auch aufrecht gehen muͤſſen, da bey dieſen eine ſehr artige Struktur der Halswirbel, bey dem Men - ſchen aber blos der zweyfuͤßige Gang den Mangel dieſes Bandes erſetzt. Alles beruht auf dieſen Halswirbeln, und aus der Vergleichung dieſer Knochen in dem Gerippe des Menſchen und Affen ſieht man ſehr wohl, warum ich die ganze Zuſam - menfuͤgung der Halswirbel dieſes Pavians (man - dril, maimon) habe abzeichnen laſſen (Taf. 3. Fig. 3.) weil ſein Beyſpiel die Sache am klarſten macht, da er niemals auf zwey Fuͤßen geht. Von den Menſchen iſt der fuͤnfte und ſechſte Halswirbel beygefuͤgt (Fig. 4.). Dieſe ſind parallel, flach und247 und diskusfoͤrmig, da ſie hingegen bey den Affen wie ſchuppigte Fortſaͤtze abſchuͤſſig auf die erſtern herunter gehen, und Dachkegelfoͤrmig uͤbereinan - der liegen.

1)Es mangelt dem Orangutang. Tyſon S. 85. S. de gen. hum. nat. var. Ausg. 1. S. 34. fgg.
1)

Das Schneidezahnloch (foramen inciſivum) iſt in dem vordern Theile des Zahnhoͤhlenrandes und in dem Theile des Randes, welcher den Schneide - zaͤhnen gegenuͤber ſteht, befindlich. Bey Erwach - ſenen fehlt es oͤfters, allein bey jungen Leuten befin - den ſie ſich faſt beſtaͤndig. Sie ſind ſehr klein.

Bertin. Traité d oſteologie. Vol. II. S. 231.

Halleri icon. anat. Faſc. II. S. 12. not. y.

§. 15. S. 38.

Zu dieſem § habe ich bloß die Bemerkung beyzu - fuͤgen, daß das os intermaxillare ſehr viel zur Ver - laͤngerung der hervorſtehenden Schnauze beytraͤgt, die das thieriſche Profil ſo ſehr von dem menſchlichen auszeichnet. Eine Abbildung dieſes Knochens in dem Schaͤdel eines Mandril ſiehe Taf. 3. Fig. 2. Man kann uͤbrigens mit dem, was der Herr Verfaſ - ſer hier uͤber dieſes merkwuͤrdige Bein ſagt, Herrn Hofrath Loders Bericht vergleichen. S. deſſen ana - tomiſches Handbuch Bd. 1. S. 85. fgg.

§. 16. S. 43. fgg.

Der Menſch hat die groͤßte Gehirnmaſſe. Die vergleichende Anatomie liefert uns hieruͤber ſehrſchoͤne248ſchoͤne Beyſpiele. In einem Menſchen von hundert Pfund Gewicht haͤlt das Gehirn vier Pfunde; hin - gegen in einem Ochſen von acht bis neunhundert Pfund, haͤlt das Gehirn nur ein Pfund. Das Ge - hirn iſt daher beym Menſchen der fuͤnfundzwanzigſte Theil ſeiner Maſſe; beym Ochſen iſt es nur der acht oder neunhundertſte Theil. Ein Hund von dreyzehen Pfund Schwere hat nur etwas uͤber zwey Unzen Ge - hirn. Im Haaſen iſt das Gehirn nicht einmal der zweyhundertſte Theil vom Gewicht ſeiner ganzen Maſſe. Juzwiſchen giebt es hierbey einige merk - wuͤrdige Ausnahmen. Denn der Delphin ſcheint verhaͤltnißmaͤßig eben ſo viel Gehirn, als der Menſch zu haben, und bey den Seekaͤlbern iſt daſſelbe, in Proportion ihrer ganzen Maſſe, noch groͤßer als im Menſchen gefunden worden. S. Bonnet in ſeinen Betrachtungen uͤber die Natur. Th. 1.

Waͤre es nun der Fall, wie man hieraus fol - gerte, daß der Menſch das kluͤgſte Geſchoͤpf waͤre, weil er die groͤßte Gehirnmaſſe habe, ſo folgte hier - aus offenbar, daß der Delphin, wo nicht kluͤger, doch eben ſo klug ſeyn muͤßte, als der Menſch. Und der Schwierigkeiten dieſer Art fanden ſich mehrere. Wie nun ſie heben? Wir wollen hieruͤber Herrn Hof - rath Soͤmmering, welcher durch ſeinen Scharfſinn ſie zuerſt bey Seite ſchafte, ſelbſt hoͤren. Man vermuthete ſonſt, ſagt er, oder nahm auch wohl geradezu an, der Menſch habe das groͤßte Gehirn. Wie bewies man aber dieſes? Man wog das Gehirn und den Koͤrper der Men - ſchen, und eben ſo der gemeinſten Hausthiere: ſo weit249 weit hielt nun dieſer Satz noch ziemlich die Probe. Allein Phyſiologen, die weiter gingen, und dieſen Satz durch mehrere Thiergeſchlechter genauer be - ſtimmen wollten, kamen in nicht geringe Verle - genheit, wenn ſie fanden, daß z. B. die Voͤgel in der Proportion des Gewichts ihres Gehirns, verglichen mit dem Gewicht ihrer Koͤrper, gar weit den Menſchen uͤbertrafen. Auch die Delphine, Seehunde, und noch mehr die kleinen Saͤugethiere als Maͤuſe, Eichhoͤrnchen u. ſ. w. ſchienen fuͤr ih - ren kleinen Koͤrper ein ungeheuer groß Gehirn zu beſitzen. Dieſe Schwierigkeit machte, daß auch Herder drey tuͤchtige Urſachen hinſtellt, weshalb dies Waͤgen keine reinen Reſultate geben kann, welche bey ihm nachzuſehen ſind. S. Ideen zur Ph. der G. d. M. S. 191. Th. 1.

Mit Genauigkeit, Sorgfalt und Nutzungen gluͤcklicher Gelegenheiten, angeſtellte Vergleichung der Gehirne aus verſchiedenen Thierklaſſen, fuͤhr - ten mich aber am Ende auf den ſehr wichtigen, von mir zuerſt entdeckten, Hauptſatz: daß der Menſch beym groͤßten Gehirn die kleinſten Nerven habe; oder daß man nur in Ruͤckſicht der Vergleichung des Gehirns mit ſeinen Nerven ſagen koͤnne, der Menſch habe das groͤßte Gehirn.

  • S. Soͤmmering uͤber die koͤrperliche Verſchie - denheit des Negers vom Europaͤer. Der - ſelbe uͤber Hirn - und Ruͤckenmark, Maynz 1788. Deſſelben Nervenlehre, Frft. a. M. 1791.

Aus dieſer ſchoͤnen Bemerkung entſpringt die Eintheilung des Herrn Hofrath Blumenbachs vonden250den thieriſchen Verrichtungen des menſchlichen Koͤr - pers. Die Werkzeuge derſelben, als: das große und kleine Gehirn, das daran haͤngende Ruͤckenmark, und die aus dieſer dreyfachen Quelle entſpringenden Nerven, theilt er in zwey Hauptklaſſen ein, in das Senſorium, und die Nerven. Das Senſorium begreift alles dasjenige, was außer den Nerven und ihren erſten Anfaͤngen zum Nervenſyſtem gehoͤrt und wodurch die Verrichtungen der Nerven mit unſerm Seelenvermoͤgen verknuͤpft zu ſeyn ſcheinen. S. Blumenbachs Phyſiologie, 15. Abſchn.

Alſo nicht blos in der Groͤße der Gehirnmaſſe beſteht der Vorzug des Menſchen vor dem Thiere, ſondern hauptſaͤchlich darin, daß er in Vergleichung mit der Hirnmaſſe ſehr duͤnne Nerven hat. Je ſtaͤr - kere Nerven zur Empfindbarkeit aus dem Hirnmarke auslaufen, deſto ſtumpfer finden wir die Vorſtel - lungskraft der Thiere.

Hoͤchſt wahrſcheinlich duͤrfte es aber auch man - chem nicht unangenehm ſeyn, hier noch den Unter - ſchied zwiſchen der Bildung der inneren Theile von dem Gehirn eines Menſchen und Menſchenaͤhnlichen Affen zu finden, und dieſes wird am fuͤglichſten mit den eigenen Worten des Herrn Verf. ſelbſt geſchehen.

Da ſagt er das Gehirn als das aͤdelſte Eingeweide des thieriſchen Koͤrpers, unzaͤhlicher leicht begreiflicher Urſachen halber, vor allen uͤbri - gen Theilen die groͤßte Aufmerkſamkeit verdient; ſo haben ſich die groͤßten Maͤnner1)1) mit der verglei - chenden Anatomie derſelben aͤmſig beſchaͤftigt, und alle251 alle, welche zu aͤhnlicher Arbeit Gelegenheit haben moͤchten, ebenfalls dazu ermuntert2)2). Dieſer Erinnerung eingedenk, habe ich auch, als ich im vorigen Winter (1775) Gelegenheit hatte, Affen von mehrern Geſchlechtern zu ſeciren, vor allem meine Aufmerkſamkeit auf die Gehirne derſelben gerichtet. Ich will hier die Beſchreibung von dem Gehirne eines Pavians, des Mandril, beyfuͤgen. Bey dem großen Hinterhauptsloche abgeſchnitten, und aus dem Schaͤdel herausgenommen, wog es drey Unzen und eine Drachme; das ganze uͤbrige Cadaver des Affen aber acht und ein halbes Pfund. Die Hauptſtuͤcke, in denen die Baſis deſſelben von der Struktur des menſchlichen abweicht, ſind fol - gende: die vordern Gehirnlappen ſind faſt ganz verwachſen. Das Hirnlein iſt im Verhaͤltniß des Gehirns ziemlich groß, und groͤßer als in der Pygmie. Die Varolſche Bruͤcke iſt durch gar keine Spalte von dem verlaͤngerten Ruͤckenmarke abgeſondert, ſondern laͤuft immer ununterbrochen mit demſelben hinab. Von den Pyramidalkoͤrpern und den ovalen Erhabenheiten iſt, wie bey der Pygmie, auch nicht eine Spur vorhanden. Das Ruͤckenmark ſelbſt iſt weit dicker als in dem Men - ſchen oder der Pygmie. Das zweyte Nervenpaar, das in eine große Maſſe zuſammen verwachſen iſt, theilt ſich wieder bey dem Eintritte in die Augen - hoͤhlen. Das Wundernetz iſt nicht vorhanden.

1)S. Sam. Collins comparative anatomy. Hallers Phyſiol. Th. 4. opp. minor. Th. 3.
1)
2)Haller Phyſiol. Th. 5. S. 529. S. de gen. hum. nat. var. Ausg. 1. S. 32. 33.
2)Stein -252

Steinchen der Zirbeldruͤſe. Entweder auf, oder ſelbſt in den markichten Leiſtgen, alſo vor dem Zirbelkoͤrper, oder auch in der Subſtanz dieſes Zir - belkoͤrpers ſelbſt, habe ich nun der Reihe nach in achtundſiebenzig Koͤrpern allemal ohnausbleiblich, ſo wie auch andere Zergliederer fuͤr gewoͤhnlich eigen be - ſchaffne Steinchen gefunden; ſie liegen mehrentheils vor dem Zirbelkoͤrper in einem Haͤufchen beyſammen, ſind Citronengelb und halb durchſichtig, werden aber durchs trocknen weißlicher und undurchſichtiger, und ich trage kein Bedenken, ſie wegen ihres beſtaͤndigen Daſeyns und immer gleichen Anſehens als zum na - tuͤrlichen Bau des Gehirns gehoͤrig anzuſehen. S. Soͤmmering uͤber Hirn und Ruͤckenmark S. 94. 95. und das Kupfer in Noͤthigs Diſſertation de de - cuſſatione nervorum.

Was die Gebaͤrmutter und die Nachgeburt betrift, ſo ſiehe hieruͤber Blumenbachs Phyſiolo - gie Abſch. 41. von den weiblichen Geſchlechtsver - richtungen.

In eben dem Werke ſiehe uͤber das Nabelblaͤs - chen den 47ſten Abſch. Von dem Unterſchiede des neugebornen und ungebornen Kindes, und das Kupfer in Blumenbachs ſpecimen phyſiologiae com - puratae inter animantia calidi ſanguinis vivipara et ovipara, wo der Herr Verf. S. 12. ſagt: Es ſey wahrſcheinlich, daß dieſes Blaͤschen ebenfalls wie die Dotterhaut zur erſten Nahrung des gallertar - tigen Embrio beytrage, bevor er ſo groß geworden, daß ſchon das Blut der Mutter zu ſeiner Nahrung dienen koͤnne.

§. 17.253

§. 17. S. 45.

In dieſem § ſpricht der Herr Verfaſſer von den Kraͤften in der animaliſchen Oekonomie, deren er an einem andern Orte fuͤnf aufzaͤhlt, als 1) Contrak - tilitaͤt, 2) Hallers Reizbarkeit, oder Muſkelkraft, 3) Empfindbarkeit, welche drey er unter der Be - nennung der gemeinſchaftlichen Lebenskraͤfte begreift. Hierauf folgt 4) das beſondere Leben, worunter er diejenigen Kraͤfte verſteht, welche man an einzelnen, zu einzelnen Berrichtungen beſtimmten Organen, wahrnimmt. Und endlich 5) den Bildungstrieb. Hier haben wir es beſonders mit der Contraktilitaͤt oder Zuſammenziehbarkeit zu thun. Sie zeigt ſich an dem ganzen Koͤrper, ſo weit er aus Zellgewebe beſteht. Wenn wir nun auch nicht mit Platnern annehmen, daß alle feſten Theile gaͤnzlich aus ihm beſtehen, wiewohl ſeine Meinung die hoͤchſte Wahr - ſcheinlichkeit fuͤr ſich hat, ſo haͤngen doch alle Theile des Koͤrpers, mittelſt deſſelben zuſammen und es iſt aufs innigſte zwiſchen dieſelben verwebt, macht alſo gleichſam die Grundlage des thieriſchen Koͤrpers aus, und ſo beſteht durch daſſelbe zwiſchen allen, auch den verſchiedenſten und von einander entfernteſten, Theilen des Koͤrpers ein gemeinſchaftlicher Zuſam - menhang. Hieraus folgt denn, wie weit dieſe Kraft in dem Koͤrper ſich aͤußern koͤnne. Auf ihr, ſagt der Herr[Verfaſſer] in ſeiner Phyſiologie, beruht hauptſaͤchlich die Staͤrke und Geſundheit des menſch - lichen Koͤrpers, denn um nur ein Beyſpiel anzufuͤh - ren, ſo ſaugt das Zellgewebe in dem geſunden Koͤrper die ausgedunſteten Feuchtigkeiten wie ein Schwamm ein, und treibt ſie, eben vermoͤge der Contraktilitaͤt,in254in die lymphatiſchen Gefaͤße fort; da es hingegen im kranken erſchlaften Zuſtande mit ſtockender Feuchtig - keit angefuͤllt, die Veranlaſſung zu Waſſergeſchwuͤl - ſten und anderem der Art mehr giebt. Da nun dieſe Contraktilitaͤt des Zellgewebes uͤber den ganzen Koͤr - per geht, ſo ſieht man ihren Einfluß auf die uͤbrigen Lebenskraͤfte gar bald ein.

Dieſes bisher geſagte macht mir es unnoͤthig, weiter etwas beyzufuͤgen, denn man ſieht deutlich daraus ein, wie es moͤglich ſey, daß der Menſch, eben vermoͤge dieſer Kraft des Zellgewebes, leichter als jedes andere Saͤugethier, bey denen allen es bey weitem nicht ſo nachgiebig iſt, unter jedem Him - melsſtriche leben koͤnne.

Was Stahl ſich eigentlich unter ſeinem Tonus (Spannung) dachte, ſ. Stahl de motu tonico vitali, Halle 1702. 4.

§. 18. S. 49 bis 52.

Zu der in dieſem § abgehandelten Materie ge - hoͤrt noch, daß der Menſch außer dem Begattungs - triebe wenig Spuren von Inſtinkt, von Kunſttrieben aber ganz und gar keine zeigt. Die Stelle, wo dieſes in den fruͤhern Ausgaben dieſes Werks abge - handelt wird, iſt zu ſchoͤn, um ſie hier nicht ganz beyzufuͤgen.

Demnach (heißt es) waͤre das Menſchenge - ſchlecht elend daran, wenn nicht der Gebrauch der Vernunft es fuͤr Schaden ſicherte, welche den uͤbrigen Thieren gaͤnzlich fehlt. Der Inſtinkt bleibt ſich immer gleich, wird durch Kultur nicht beſſer, und255 und iſt bey dem Thiere in zarteſter Jugend nicht geringer oder ſchwaͤcher, als wenn es erwachſen iſt. Die Vernunft hingegen gleicht einem Keime, der nur in dem Verfolg der Zeit, durch Hinzukunft des geſellſchaftlichen Lebens und anderer aͤußeren Umſtaͤnde, gleichſam entwickelt, ausgebildet, und zur Vollkommenheit gebracht wird. Der junge Stier ſpuͤrt ſeine Kraft ſchon ſo ſehr, daß er mit den noch nicht vorhandenen Waffen auf dich losgeht. Losgeht der junge Stier, wenn du ihn erzuͤrnſt oder reizeſt, Auf dich, ehe noch ihm auf der Stirn die Hoͤrner gekeimt ſind ſagt Lukrez. Woher kommt das, wenn er nicht ſeinen Fuͤhrer in ſich hat? Bey dem Menſchen zeigt ſich ſo etwas nicht. Nakt und waffenlos wird er geboren,[und] mit keinem Inſtinkte bewaf - net, haͤngt er ganz vom geſellſchaftlichen Leben, von der Erziehung, ab. Dieſer regt das Flaͤmm - chen der Vernunft allmaͤhlig an, welches am Ende allein den Maugel alles deſſen, wodurch das Thier beſſer daran zu ſeyn ſchien, als der Menſch, gluͤck - lich verguͤtet. Der Menſch unter Thieren erzogen, des menſchlichen Umgangs beraubt, wird wild: nie aber ereignet ſich das Gegentheil bey Thieren, wenn ſie unter Menſchen leben. Weder Biber noch Seehunde, die in Geſellſchaft leben, noch die Hausthiere, welche immer um uns ſind, wer - den je Vernunft erlangen.*)Vergl. hiermit Handb. d. Naturgeſch. Ausg. 5. S. 60.

Hier -256

Hieraus erhellt auch der Unterſchied zwiſchen Stimme (vox) und Sprache (loquela). Blos dem Menſchen koͤnnen wir Sprache, oder die Stimme der Vernunft, den Thieren nichts als die Stimme der Affekten zuſchreiben. Der Geiſt des Menſchen, wenn er im Verlauf der Zeit ſeine Ver - nunft entwickelt, ſtrebt mit den Ideen Toͤne zu verbinden. Kinder belegen im zarteſten Alter Per - ſonen, die ihnen lieb ſind, mit Namen, aber nie noch hat dieſes ein Thier gethan, obſchon es ſeinen Herrn, und andere die zum Hauſe gehoͤren, ſehr gut kennt. Alles was alte Reiſebeſchreiber von von den Sprachen gewiſſer entfernter Voͤlker, wel - che blos unartikulirte Toͤne hervorbringen ſollen, geſagt haben, verdient keine Aufmerkſamkeit. Es iſt nur zu gewiß, daß die wildeſten Voͤlker, die Kalifornier, die Anwohner des Kap und andere, eine beſondere Mundart und eine Menge von Woͤr - tern haben, dahingegen die Thiere, ſie moͤgen nun dem Menſchen im Koͤrperbau aͤhneln, wie der Orangutang, oder, um mit Plinius von dem Ele - phanten zu ſprechen, ihm in Anſehung der Sinne nahe kommen, keine Sprache haben, und nur wenige ſehr gleichlautende Toͤne ausſtoßen. Daß die Sprache blos ein Werk der Vernunft ſey, er - hellt ſchon daraus, weil die uͤbrigen Thiere, wenn ſie auch dieſelben Stimmorgane haben wie der Menſch, doch gaͤnzlich derſelben ermangeln.

S. 1. Ausg. S. 20. bis 22. 2. Ausg. S. 25. fgg.

Hierauf fuͤgt der Herr Verfaſſer in einer Note noch die Bemerkung bey, daß er an den Affen dasZaͤpfgen257Zaͤpfgen und die uͤbrigen Stuͤcke dem menſchlichen Kehldeckel ſehr aͤhnlich gefunden habe. Hierbey will ich nur folgende Anmerkung mit Soͤmmerings Wor - ten anfuͤgen. Selbſt die ſich den Menſchen am meiſten naͤhernden Affen ſagt er beſitzen noch einen ſehr geraͤumigen haͤutigen Sack an ihren Stimm - werkzeugen1)1), der gleichſam den ſich formirenden Laut verſchluckt, und ſie daher zu ſtummen Thieren macht. Bey andern Affenarten iſt dieſer Sack ſogar knoͤchern. So beſitze ich durch die Guͤte des Herrn Doktor Ehrmanns zu Frankfurt das merkwuͤrdige Zungenbein des Bruͤllaffen, das eine große Kno - chenhoͤhle bildet. Es waͤre wohl zu verſuchen, ob etwa durch vorſetzliche kuͤnſtliche Zerſtoͤhrung des Sacks die Affen faͤhiger gemacht wuͤrden, auch menſchliche Toͤne nachzuahmen.

1)S. Camper in den Phil. Transact. von 1779 und ſeine Verhandeling over den Orangutang, durch vor - trefliche Zeichnungen erlaͤutert.
1)

§. 19. S. 52.

Daß die Thiere weinen koͤnnen, iſt gewiß, da ſie Organe dazu haben1)1), die den menſchlichen zum Theil ſehr aͤhnlich ſind. Es iſt aber die Frage, ob ſie dies aus Betruͤbniß thun, wie einige Schriftſtel - ler vorgeben. Von dem Lachen als einer Wirkung der Freude iſt es noch zweifelhafter. Zwar haben einige Thiere eine beſondere Art ihre Freude zu aͤu - ßern, der Hund zieht zum Beyſpiel den Schwanz ein, die Katzen ſchnurren, allein noch iſt mir keine Beobachtung bekannt, daß ſie dabey die Geſichts - muſkeln veraͤnderten, oder ein Gelaͤchter ausſtießen. Ausg. 1. S. 28. 29.

Verſch. des M. R1) Ber -258
1)Bertin ſur le sac naſal ou lucrymal de pluſieurs Eſpeces d animoux. mém. de Par. 1766. p. 281. ſqq.
1)

§. 20. S. 54. 55.

Maſern, Paulets Erzaͤhlung, daß ein Affe die Maſern ſoll bekommen haben, iſt zuverlaͤßig eine Fabel. S. Berliner Sammlung. Bd. 5. S. 174.

Cretiniſmus, von dieſer Krankheit der Creti - nen, kleiner Bloͤdſinniger mit dicken Koͤpfen und lan - gen Armen, dergleichen ſich im Salzburgiſchen, im Walliſer Lande, vorzuͤglich aber im Piemonteſiſchen in Menge finden, und deren Krankheit großentheils in einem Weichwerden der Knochen beſteht, ſ. J. F. Ackermann uͤber die Cretinen oder Toͤlpel in den Alpen, Gotha 1790.

Pelagra, ſ. Cerris Brief an J. P. Frank uͤber das Pelagra, in Weigels und Kuͤhns italieniſcher mediziniſcher Bibliothek. Bd. 2. St. 1. S. 226.

Zwey -259

Zweyter Abſchnitt.

§. 23.

Es iſt eine allgemeine Klage unter den Naturge - ſchichtſchreibern des Menſchen, daß die Begriffe von Gattung, Art, Abart, Spielart u. ſ. w. ſo außer - ordentlich variiren. Wie der Herr Verf. die Woͤrter Species und genus gebraucht, wird man leicht aus dem Contexte ſehen, und die Gruͤnde dazu kann man in der Vorrede von der neueſten Ausgabe ſeines Handbuchs der Naturgeſchichte nachſchlagen, wo man ſie von Seite 7 bis 11 befriedigend finden wird.

Uebrigens weiß ich nicht, warum ſich die neuern Naturgeſchichtſchreiber des Menſchen nicht der von unſerm großen Kant geſetzten Beſtimmungen bedie - nen. Ich zweifle, ob man eine beſtimmtere finden wuͤrde. Sie iſt im kurzen folgende:

Natureintheilung in Gattungen und Arten ſagt er gruͤndet ſich auf das gemeinſchaftliche Geſetz der Fortpflanzung. Schuleintheilung geht auf Klaſſen, welche nach Aehnlichkeiten; die Na - tureintheilung aber auf Staͤmme, welche die Thie - re nach Verwandſchaften in Anſehung der Erzeu - gung eintheilt.

R 2Hier -260

Hierauf theilt er nun folgende Natureinthei - lung mit:

  • Stamm enthaͤlt unter ſich nicht Arten, denn dieſe bedeuten Verſchiedenheit in der Abſtammung, ſondern
  • Abartungen d. h. erbliche Abweichung vom Stamme. Hierauf folgen
  • Nachartungen mit erblichen Merkmalen der Abſtammung. Und endlich
  • Ausartungen ohne Merkmal der urſpruͤnglichen Stammbildung.

Den Abartungen ſubordinirt er:

  • 1) Racen d. h. diejenigen Abartungen, welche ſich ſowohl bey allen Verpflanzungen in langen Zeugungen unter ſich beſtaͤndig erhalten, als auch in der Vermiſchung mit andern Abartungen deſſelbigen Stammes jeder - zeit halbſchlaͤchtige Junge zeugen.
    • Anmerk. Der Ausdruck halbſchlaͤchtige Kinder iſt bey ihm ſynonym mit Blendlinge.
  • 2) Spielarten d. h. die bey allen Verpflanzungen das Unterſchei - dende ihrer Abartung zwar beſtaͤndig erhalten, und alſo nacharten, aber in der Vermiſchung mit andern nicht nothwendig halbſchlaͤchtig erzeugen,
3) Beſon -261
  • 3) Beſondrer Schlag d. h. welcher mit andern zwar halbſchlaͤchtig erzeugt, aber durch die Verpflanzung nach und nach erliſcht.

Unter die Nachartungen ſubſumirt er:

  • Varietaͤten die zwar oft, aber nicht beſtaͤndig nacharten.

Endlich hat Kant auch einen

  • Familienſchlag wo ſich etwas Charakteriſtiſches endlich ſo tief in die Zeugungskraft einwurzelt, daß es einer Spielart nahe kommt, und ſich wie dieſe perpetuirt.

S. Kant uͤber die Menſchenracen. Was er daruͤber im teutſchen Merkur 1788. Bd. 1. S. 48. ſagt, konnte ich nicht zu ſehen bekommen, und eben ſo wenig habe ich noch nachleſen koͤnnen, was Herr Girtanner hieruͤber ſagt in ſeinem Werke uͤber das Kantiſche Prinzip fuͤr die Naturge - ſchichte. Goͤttingen 1796.

Mit dem, was Kant hier geſagt hat, vergleiche man G. Forſter uͤber die Menſchenracen. Deutſcher Merkur, Bd. 2. S. 57 und 150.

Blumenbach uͤber Menſchenracen u. Schwei - neracen. S. Lichtenbergs Magazin VI. 1. 1.

§. 32. S. 68.

Es daͤucht mich ſehr nothwendig dieſen §, der wegen der Folgerungen, die daraus gezogen werden, ſo wichtig iſt, hier genauer aus einander zu ſetzen.

In jedem belebten Koͤrper haben wir beſonders auf drey Stuͤcke Ruͤckſicht zu nehmen: 1) auf ſeine feſten, 2) ſeine fluͤſſigen Theile, und ohne welcheskeine262keine Einwirkung dieſer Theile ſtatt finden koͤnnte, ſich wohl uͤberhaupt organiſirte ſelbſt wirkende Weſen nicht wohl denken lieſſen, 3) die Lebenskraͤfte, jene qualitates occultae, die wir blos aus ihren Wirkun - gen kennen, ohne irgend im Stande zu ſeyn, zu beſtimmen, was ſie eigentlich ſind, wie ſie entſtehen oder wirken. Es giebt deren fuͤnferley Arten, die ich jetzo nicht einzeln aufzuzaͤhlen brauche, weil ich die Leſer auf die Anmerkung zu §. 17., wo ſie ein - zeln aufgefuͤhrt ſind, zuruͤckweiſen kann.

Dieſe drey Stuͤcke ſind in dem ſolido vivo in einer fortdauernden wechſelſeitigen Wirkung und Ge - genwirkung. Die fluͤſſigen Theile wirken als eben ſo viel Reize auf die feſten, und dieſe wirken hinwie - derum auf die fluͤſſigen Theile, wozu der Koͤrper durch die ihm beywohnenden Lebenskraͤfte geſchickt gemacht wird. Vergleiche Blnmenbachs Phyſiolo - gie Abſch. 4. 5. Deſſelben Beytraͤge zur Natur - geſchichte Abſch. 8. Ausartung des vollkommen - ſten aller Hausthiere, des Menſchen. 9. Eine hierher gehoͤrige phyſiologiſche Eigenheit des menſchlichen Koͤrpers.

Da alſo, wie hieraus erhellt, kein lebender Koͤrper ſelbſtthaͤtig wirken kann, außer in wiefern er durch aͤußern Reiz dazu angeregt wird, ſo muß man die Wichtigkeit der daraus gezogenen Folgerungen, leicht begreifen. Verſchiedene aͤußere Reize werden naͤmlich auch verſchieden auf den Koͤrper wirken, und nach Modifikation derſelben wird ſich dann, was ſich hier ſo zeigte, anderswo anders zeigen. Dieverſchie -263verſchiedenen Reize, welche dazu beytragen, den Koͤrper zu veraͤndern, ſind in den naͤchſtfolgenden § §. angegeben.

§. 33. S. 73.

Selbſt die Erſcheinungen bey Zeugung der Ba - ſtarde widerſprechen allen Begriffen von Praͤexiſtenz eines praͤformirten Keims ſo ſchlechterdings, daß man kaum abſieht, wie bey einer reifen Erwaͤgung der erſtern, die letztern noch ernſtliche Vertheidiger haben finden koͤnnen. Mich duͤnkt, eine einzige Er - fahrung wie die, da Herr Koͤlreuter durch wieder - holte Erzeugung fruchtbarer Baſtardpflanzen, end - lich die eine Gattung von Tabak (Nicotiana ruſti - ca) ſo vollkommen in eine andere (Nicotiana pani - culata) verwandelt und umgeſchaffen, daß ſie nicht eine Spur von ihrer angeſtammten muͤtterlichen Bildung uͤbrig behalten hat, muͤßte doch die einge - nommenſten Verfechter der Evolutionstheorie von ihrem Vorurtheil zuruͤckbringen. Dieſer vortrefliche Beobachter hatte naͤmlich durch die kuͤnſtliche Be - fruchtung der erſten Gattung von Taback mit dem Blumenſtaube von der letztern, fruchtbaren Ba - ſtardſaamen erhalten, und hatte dann die daraus gezognen Pflanzen, (die in ihrer Bildung ſchon das Mittel zwiſchen ihren beyden Stammaͤltern hielten), vom neuen und mit gleichem Erfolg mit Blumenſtaube von der paniculata befruchtet. Da dies wiederum fruchtbaren Saamen, und dieſer wiederum Pflanzen gab, die von der muͤtterlichen Geſtaltung noch mehr abwichen, ſo hat er mit dieſen letztern den naͤmlichen Verſuch noch einmal wieder -264 wiederholt, und ſo endlich ſechs Pflanzen erhalten, die ſaͤmmtlich, ihrer ganzen Bildung nach, mit der natuͤrlichen paniculata vollkommen uͤberein - ſtimmten, ohne ſich im mindeſten weiter von der - ſelben zu unterſcheiden, ſo daß er ſeinem klaſſiſchen Werke, der Nachricht von dieſen beruͤhmten Ver - ſuchen, mit ganzem Rechte die Aufſchrift giebt: Gaͤnzlich vollbrachte Verwandlung einer natuͤr - lichen Pflanzengattung in die andere. Siehe Blumenbach uͤber den Bildungstrieb. 1791. S. 74. fgg.

Dieſes iſt das beruͤhmte Beyſpiel, deſſen der Herr Verfaſſer in dem Text erwaͤhnt, und welchem die Evolutioniſten nichts weiter als Ausfluͤchte entgegen - ſetzen koͤnnen, welches aber den Niſus formatious aufs auffallendſte beſtaͤtigt. In Anſehung der Wirk - ſamkeit deſſelben zur Hervorbringung des Embrio im thieriſchen Koͤrper, welche S. 69. 70. blos im allge - meinen angegeben iſt, druͤckt ſich der Herr Verf. in ſeiner Phyſiologie Abſch. 45. §. 592. Ausg. 1. folgen - dermaßen aus: Die verſchiedenen in den Koͤrpern jedes Sexus befindlichen Fluͤſſigkeiten, die ſich bey einem fruchtbaren Beyſchlafe zugleich in die Hoͤhle der Baͤrmutter ergießen, erfordern vor allem andern eine beſtimmte Zeit, um ſich deſto inniger mit ein - ander zu vermiſchen, und die gehoͤrige Reife zu er - langen. Erſt wenn dieſe Vorbereitung voruͤber, dieſe Fluͤſſigkeiten verarbeitet ſind, und ihre gehoͤ - rige Reife erlangt haben, aͤußert ſich der Bildungs - trieb in ihnen, und dadurch wird der noch unge - formte Zeugungsſtoff, entweder in die Huͤllen des Eyes, oder in die Geſtalt des darin befindlichen Foetus265 Foetus ausgebildet und belebt. Dies iſt auch der Grund, warum wir unſerer, gegenwaͤrtig ſo ſehr vervollkommnerten, dioptriſchen Huͤlfsmittel unge - achtet, in den erſten Wochen nach der Conception nur eine ungeformte fluͤſſige Maſſe in der Hoͤhle der Gebaͤrmutter, aber keine ausgebildete Spur eines Foetus entdecken koͤnnen. Erſt in der dritten Wo - che ohngefaͤhr erſcheint er, faſt ploͤtzlich, und als ein nicht unbetraͤchtlicher Koͤrper.

Durch die in jeder Organiſation eigen beſtimmte Wirkſamkeit des Bildungstriebes werden die Gattun - gen in der organiſirten Schoͤpfung erhalten, und da es fuͤr die ganze gegenwaͤrtige Unterſuchung ſo wich - tig iſt, ihn gehoͤrig zu kennen, ſo will ich die bis jetzt bekannten Geſetze, denen er zu folgen pflegt, noch beyfuͤgen.

  • 1) Die Staͤrke des Bildungs - triebes ſteht mit dem zunehmenden Alter der or - ganiſirten Koͤrper im umgekehrten Verhaͤltniß.
  • 2) Doch iſt dieſer fruͤhe Bildungstrieb bey den neu empfangenen Saͤugethieren noch ungleich ſtaͤrker, als bey den bebruͤteten Kuͤchelgen im Eye.
  • 3) Bey der Formation der einzelnen Theile des organiſirten Koͤrpers iſt der Bildungstrieb bey manchem derſelben von einer feſtern, beſtimm - tern Wirkſamkeit als bey andern.
  • 4) Unter die mancherley Abweichungen des Bildungstriebes von ſeiner beſtimmten Richtung gehoͤrt vorzuͤglich diejenige, wenn er bey Bil - dung der einen Art organiſcher Koͤrper, die fuͤr eine andere Art derſelben beſtimmte Richtung annimmt.
5) Eine266
  • 5) Eine andere eben ſo merkwuͤrdige Ab - weichung des Bildungtriebes iſt, wenn bey Aus - bildung der Sexualorgane, die beym einen Ge - ſchlecht mehr oder weniger von der Geſtalt des andern annehmen.
  • 6) Wenn aber endlich der Bildungstrieb nicht blos wie in den vorigen Faͤllen eine fremd - artige, ſondern eine voͤllig widernatuͤrliche Rich - tung befolgt, ſo entſtehen eigentlich ſogenannte Mißgeburten. S. mit mehrerem hieruͤber uͤber den Bildungstrieb, S. 101. bis 115.

Natuͤrlich muß es bey dem Bildungstriebe ein ganz eignes Phaͤnomen geben, wenn Geſchoͤpfe von zweyerley Spezies einander befruchten, woraus die Baſtarde entſtehen.

Allein nicht blos bey der uranfaͤnglichen Forma - tion zeigt er ſich wirkſam, ſondern er wirkt lebens - wierig fort, indem er ſie durch das Nutritionsge - ſchaͤft erhaͤlt, und falls ſie etwa verſtuͤmmelt wor - den, durch das Reproduktionsvermoͤgen ſo viel moͤg - lich wieder herſtellt. Hierbey iſt er aber, wie alle Lebenskraͤfte der beſondern Wirkung aͤußerer Reize unterworfen, denen gemaͤß er ſich fuͤgen muß. Er artet allmaͤhlig aus und bringt Racen und Spiel - arten hervor. Die vorzuͤglichen aͤußern dieſes be - wirkenden Reize ſ. im Texte.

§. 34. S. 73.

Es bedarf wohl kaum einer Erinnerung, daß hier immer nur auf das phyſikaliſche, keineswegsaber267aber auf das geographiſche Klima geſehen werden muͤſſe, eine Bemerkung, die ich gar nicht mitgetheilt haben wuͤrde, wenn ich nicht gefunden haͤtte, daß die Verwechslung derſelben, ſelbſt bey beruͤhmten Naturforſchern, zu mancherley Irrungen Anlaß gegeben hat.

§. 36. S. 79.

Hierher muͤſſen zweifelsohne bey den Menſchen noch gerechnet werden: Sitten, Gewohnhei - ten, Gebraͤuche, Wohnungen, Klei - dung, Erziehung, Regierungsform. Uibrigens vergl. Voigts Magazin a. a. O.

§. 37. S. 80.

Baſtarde. In den fruͤhern Ausgaben dieſes Werks hat der Herr Verfaſſer dieſe Materie auf drey Fragen zuruͤckgebracht; 1) ob Thiere von verſchie - dener Species ſich mit einander begattet haben, 2) ob dadurch Junge entſtanden ſind, und endlich 3) ob dieſe Jungen auch fruchtbar und zeugungs - faͤhig geweſen? Was die erſte Frage anbetrift, ſo meint er, koͤnne der Fall zwar wohl eintreten, daß geile Thiermaͤnnchen in Ermangelung von Weibchen ihrer Gattung bisweilen ſo auf andere brennen, daß ſie verſuchen, ſich mit ihnen zu begatten, jedoch geſtattet er einen wirklichen Erfolg davon nur dann, wenn die Gattungen ſehr nahe mit einander verwandt waren. Die Gruͤnde, welche er fuͤr die Unmoͤglichkeit einer darauf folgenden Empfaͤngniß und Geburt anfuͤhrt, ſind folgende: 1) die unglei -chen268chen Verhaͤltniſſe der Geburtstheile, welche fuͤr die Sexus von einer und derſelben Species genau abge - meſſen ſind, nicht ſo aber fuͤr entferntere; 2) wider - ſtreiten dieſer Meinung die beſondern Geſetze, nach welchen ſich die Bildung der Jungen und die be - ſtimmte Zeit von Schwangerſchaft bey jeder Thier - gattung richten. Die zweyte Frage verneint er uͤbri - gens nicht, indem es hinlaͤnglich bekannt iſt, daß ſehr nahe verwandte Thiergattungen, wie z. B. Mauleſel und Stute wirklich Junge erzeugen, und giebt auch nur die dritte unter dieſer Bedingung zu. Daß aber Baſtarde von Begattung der Thiere ganz verſchiedner Ordnungen entſtanden ſeyn ſollen, laͤug - net er gaͤnzlich, wobey er unter andern aufuͤhrt, daß z. B. an eine Baſtarderzeugung aus Begattung von Affen und Menſchen nicht zu denken ſey, weil ja ſelbſt die Reiſebeſchreiber, welche von derſelben erzaͤhlen, ſagen, daß die Weiber unter den viehiſchen Umfaſſungen dieſer Liebhaber elendiglich umgekom - men ſeyen. S. Text S. 82. Not. 17. Man vergl. hiermit Zimmermann geographiſche Geſchichte des Menſchen Bd. 1. S. 130. fgg.

S. 142. ſagt Herr Hofrath Zimmermann in der angefuͤhrten Stelle: Wenn ich drey Arten wilder Thiere finde, welche, dem Aeußern nach, dem Hunde ſehr gleich kommen, ferner einen gleichen Grad der Zaͤhmung anzunehmen faͤhig ſind, endlich ſich ſogar mit ihnen fortpflanzen und fruchtbare Junge zeugen: was haͤlt mich denn ab, den Hund von dieſen entſprungen zu glauben?

Dieſe Stelle hat mich auf den Gedanken ge - bracht, daß man vielleicht dieſe ganze Streitfragedurch269durch nur eine etwas naͤhere Beſtimmung des Be - grifs Baſtard beendigen duͤrfte. Baſtard naͤmlich iſt ein Geſchoͤpf, das der Vermiſchung von Indi - viduen zweyerley Gattung, aber einerley Ge - ſchlechts, ſeinen Urſprung dankt. Irre ich nicht gaͤnzlich, ſo hatte der Herr Verfaſſer dieſelbe Mei - nung, als er die Worte non niſi valde affinibus nieder - ſchrieb.

Mir ſcheint die Erklaͤrung dieſes Begrifs um ſo annehmbarer, da ſie mit den richtigen Datis hier - uͤber vollkommen uͤbereinſtimmt, alles hingegen, was dazu dienen koͤnnte, die Streitfrage zu verdrehen, ſogleich ausſchließt.

Sollte uͤbrigens der Mangel an Zeugungsfaͤhig - keit bey Baſtarden nicht in ihren eigen organiſirten Geſchlechtsgliedern liegen, welchen kein anderes in der Natur entſpricht?

Sollte nicht vielleicht genaue Vergleichung der Geſchlechtstheile des Baſtards mit denen der Aeltern deſſelben, uns hieruͤber einen naͤhern Aufſchluß ver - ſchaffen koͤnnen?

Man vergeſſe nur nicht, daß dieſes nichts weiter als beſcheidne Anfragen ſeyn ſollen. Uibrigens glau - be ich nun nicht noͤthig zu haben, nur noch etwas uͤber jene ſcheuslichen Erzaͤhlungen von Vermiſchung der Menſchen mit Thieren beyzufuͤgen. Man vergl. noch hieruͤber Zimmermann a. a. O. Bd. 1. S. 117. Not. h und was er zu dieſer Stelle in der Vorrede zum dritten Theile dieſes Werks ſagt.

Drit -270

Dritter Abſchnitt.

§. 42. S. 92.

Man wird uͤber dieſen § und auch einige folgende mit vielen Nutzen nachleſen: Experiments on the Inſenſible Perſpiration of the human Body, ſhewing its affinity to Reſpiration. Publiſhed originally in 1779. and now republiſhed with Additions and Corrections. By William Cruikſhank; und in Blumenbachs Phyſiologie, Abſchn. 14.

§. 45. S. 101.

Die in den Augen gelbgetuͤnchte Haut. Der vielleicht etwas groͤßere Augapfel ſagt Hr. Soͤm - mering iſt bis zu einer halben Linie rings um die durchſichtige Hornhaut ſchwaͤrzlich, und das uͤbrige nicht glaͤnzend weiß, ſondern gelblich braun, faſt wie bey einigen Affen, tingirt.

Verwandſchaft der Galle mit dem Fette. Die Galle ein oͤligter ſeifenartiger Saft, aus einem faſt an den Zuſtand des Wallraths grenzenden Oele und aus Soda zuſammengeſetzt, mit einer dem Eyweiß - ſtoff aͤhnlichen Fluͤſſigkeit vermiſcht, wird in der Le - ber, einem Eingeweide, das ſelbſt eine große MengeOel281Oel enthaͤlt, gebildet. In dem ganzen Syſtem die - ſer Druͤſe von ſo großem Umfange, zeigt alles von einer Anlage und Organiſation, welche beſtimmt iſt, aus dem Blute die große Menge Fett abzuſondern, die darin durch den gehemmten Umlauf dieſes Flui - dums in den Blutgefaͤßen des Unterleibes erzeugt wird. Dieſe Bemerkung, welche noch einſt eine von den Hauptſtuͤtzen der kuͤnftigen auf Chemie ge - gruͤndeten Phyſiologie ausmachen wird, erklaͤrt den Umfang der Leber im Foetus, der noch nicht geath - met hat, ſo wie in den Thieren, deren Reſpira - tionswerkzeuge denen des Menſchen, der Saͤugethiere und der Voͤgel unaͤhnlich ſind; ſie erklaͤrt auch den Urſprung der Krankheiten der Leber, und beſonders der Conkretionen in der Gallenblaſe oder Gallenſteine.

Das Fett iſt eine Art von oͤligter Materie, wel - che an den aͤußerſten Enden der Pulsader, ſo weit als moͤglich von dem Mittelpunkte der Bewegung und der thieriſchen Waͤrme entfernt, gebildet wird, und eine Art von Behaͤltniß abgiebt, worin ſich die große Menge Waſſerſtoff, welche durch die Lungen nicht ausgefuͤhrt werden konnte, feſtſetzen kann; dieſes Oel iſt in ſehr betraͤchtlichem Verhaͤltniſſe mit Sauerſtoff vermiſcht, und enthaͤlt noch außerdem die Fettſaͤure. Dieſe Art, das Fett zu betrachten, macht ebenfals einen der merkwuͤrdigſten Punkte in der neuern Phyſik des thieriſchen Koͤrpers aus. S. Fourcroy philoſophie[chimique] a. a. O.

§. 50. S. 120.

Sanctorius Ausduͤnſtungsmaterie. Nach der Meinung dieſes Gelehrten nahm ein Menſch binnenvier -272vierundzwanzig Stunden acht Pfund feſter und fluͤſ - ſiger Subſtanzen, wovon drey Pfund durch Stuhl und Urin weggingen, die uͤbrigen fuͤnf aber unmerk - lichen Ausduͤnſtungen uͤberlaſſen blieben, wobey er die Ausduͤnſtungen aus den Lungen auf ein Sechs - theil des ganzen ſetzte. Es iſt ſagt Cruikſhank mehr als wahrſcheinlich, daß wenn Sanctorius das Gewicht des Koͤrpers betraͤchtlicher fand, als er erwartete, ein gewiſſer Umſtand, welchen er den gehemmten Ausduͤnſtungen zuſchrieb, dieſe Schwere vermehren mußte, die vermehrten unmerklichen Aus - duͤnſtungen der Atmoſphaͤre naͤmlich. Vergl. hiermit Blumenbachs Phyſiologie a. a. O. §. 186. fgg.

§. 58. S. 143.

Da man hauptſaͤchlich mit dem Herrn Verfaſſer uͤber die Meinung, daß man bey Klaſſificirung der Varietaͤten des Menſchengeſchlechts, ſehr fuͤglich auf die Formen der Schaͤdel Ruͤckſicht nehmen koͤnne, uneinig iſt, ſo wuͤrde ich mich bemuͤht haben, dieſe Meinung naͤher ins Licht zu ſetzen, wenn mich nicht der Herr Verfaſſer der Muͤhe voͤllig uͤberhoben haͤtte. So darf ich meine Leſer blos bitten, in deſſelben Beytraͤgen zur Naturgeſchichte Abſch. 11. S. 62. bis 78. nachzuleſen. Dafuͤr will ich aber, weil ſich der Herr Verfaſſer ſelbſt darauf beruft, aus ſeiner collectio craniorum diverſarum gentium, Goͤttingen 1790. die Kriterien beyfuͤgen, deren er ſich bey Be - urtheilung der Schaͤdel in dieſer Hinſicht bedient, denn ſo ſind ſeine eigen Worte omnis vis et uſus ejusmodi rerum in ſtudio anthropologico ex eo pendet, ut genuinae ſint. Was das erſte dieſerKri -273Kriterien betrift, ſo iſt dieſes bereits vorn bey dem Verzeichniß vom anthropologiſchen Vorrathe des Herrn Verfaſſers, und zwar S. 6. angefuͤhrt wor - den, alſo

2) Ich bewahre alle die acceſſoriſchen Theile auf, welche etwa einem oder dem andern Schaͤdel anhangen, wenn ſie naͤmlich von ſolcher Beſchaffen - heit ſind, daß ſie ſchon an ſich die Aechtheit deſſelben beweiſen; z. B. bey Mumienſchaͤdeln Uiberreſte von Erdharz oder Byſſus. So ſind an dem Karai - benſchaͤdel, welchen ich der Guͤte des Herrn Baronet Banks verdanke, mit gutem Vorbedacht die hin und wieder anhangenden, ziemlich geraden, ſtarren Haare aufbewahrt worden, wodurch ſogleich auf den erſten Anblick im noͤthigen Fall der Zweifel geho - ben werden kann, daß er nicht etwa von einem uͤber - gelaufenen Aethiopier ſey1)1), welche ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bekanntlich die karaibi - ſchen Inſeln, und hauptſaͤchlich die Inſel St. Vin - cent in großer Anzahl bewohnen, und unterweilen die beſondere Form des Kopfes der eingebornen In - dier, die ſie durch Kunſt bewirken, an ſich haben2)2).

3) Nun muß aber der Schaͤdel ſelbſt unterſucht und eroͤrtert werden, ob er auch wirklich charakteri - ſtiſch ſey, und zu dem antropologiſchen Zwecke die - nen koͤnne. Denn es kann ſich treffen, daß auch ein wirklich aͤchter Schaͤdel dieſem Zwecke ſchlecht entſpricht, wenn er etwa an kranker Beſchaffenheit leidet, oder durch ein zufaͤlliges individuelles Mis - verhaͤltniß der Theile verunſtaltet worden iſt. So finden wir unterweilen unter unſern LandsleutenVerſch. des M. SMen274Menſchen von einer ſo beſondern Form des Kopfes, daß wir, wenn dieſe einem ganzen Volke gemein waͤre, daſſelbe mit allem Fug und Rechte unter die Verſchiedenheiten des Menſchengeſchlechts ſetzen wuͤr - den. Man hat ſich alſo ſehr in Acht zu nehmen, daß man eine aͤhnliche zufaͤllige Verunſtaltung an ei - nem auslaͤndiſchen Schaͤdel nicht fuͤr national haͤlt; ein Irrthum, welchen man am beſten dadurch ver - meidet, wenn man mehrere Schaͤdel von einer und derſelben Nation mit einander vergleicht.

4) Wo dies nicht ſtatt findet, muß man we - nigſtens Portraits vergleichen, denen entweder die gelehrte Hand des Kuͤnſtlers, oder das Zeugniß ei - nes erfahrnen Richters, der Avtopſie fuͤr ſich hat, Glauben verſchaft.

5) Hierher rechne ich auch, oder ziehe wohl gar noch vor, die Abbildungen, welche, obwohl ſie keine Perſon darſtellen, doch fuͤr den Charakter eines Volks ungemein viel beweiſen, z. B. alte Siegel und aͤgyptiſche Goͤtzenbilder, oder Mignaturen von jetzigen Sineſen, Kalmucken, nordamerikaniſchen Indianern u. ſ. w.

6) Und endlich wende ich mich an die Schrift - ſteller, hauptſaͤchlich Reiſebeſchreiber, und mittle aus, in wie weit ihre Berichte mit der Natur ſelbſt uͤbereinſtimmen.

1)Vgl. Labat voyage aux isles de l’Amérique Ausg. 2. Th. 2. S. 243. fg. Die gleichfoͤrmige Kleidung iſt kein Hinderniß, daß man nicht ſogleich die Karaiben von den Negern unterſcheiden ſollte, denn dieſe letzten haben krauſes und feines Haar wie275 wie Wolle, bey den erſten hingegen iſt es ſchwarz, lang, gerade und ſehr ſtark.
1)
2)Vergl. Thibault de Chanvalon voyage à la Martinique, S. 39. fg. Die zu den Karai - ben gekommenen Neger nehmen die Sitten und Ge - wohnheiten derſelben an. Sie platten, wie dieſe, den Kopf ihrer Kinder nach hinten ab, indem ſie ihnen nach der Geburt denſelben zwiſchen zwey Seiten druͤcken, wodurch ſie unfoͤrmlich und mon - ſtroͤs werden.
2)

Uibrigens wird es wohl am beſten ſeyn, wenn ich nun jeden auf jene Schaͤdelſammlung ſelbſt hin - weiſe, die in der That hieruͤber aͤußerſt belehrend iſt.

§. 59. S. 145.

Campers Geſichtslinie. Der Grund, worauf ſich der Unterſchied der Nationen gruͤndet, beſtehet in einer graden durch die Hoͤhlen des Ohrs (Ge - hoͤrgang) bis auf den Boden der Naſe gezogenen Linie, und in einer andern geraden Linie, welche die Hervorragung des Stirnbeins oberhalb der Naſe beruͤhrt, und bis auf den am meiſten hervor - ragenden Theil des Knochens der Kinnbacken gezo - gen wird, wohl verſtanden, wenn man die Koͤpfe im Profil betrachtet. In dem Winkel nun, den dieſe beyden Linien beſchreiben, beſtehet nicht allein der Unterſchied der Thiere, ſondern auch der unter - ſchiedenen Nationen; und man wuͤrde ſagen koͤn - nen, die Natur habe ſich gleichſam dieſer Winkel bedienet, alle Verſchiedenheiten der Thiere zu be -S 2 ſtim -276 ſtimmen, und ſie gleichſam ſtufenweiſe bis zum Schoͤnen der ſchoͤnſten Menſchen hinaufſteigen zu laſſen. Alſo beſchreiben die Voͤgel die kleinſten Winkel, und dieſe Winkel werden groͤßer, je nach - dem das Thier ſich mehr der menſchlichen Geſtalt naͤhert, welches aus den Affenkoͤpfen erhellet, von denen einer den Winkel von 42 Grad, der andere (den man gemeiniglich den Todtenkopf nennt, und der am meiſten einem Menſchen aͤhnlich ſieht) ei - nen von 50 Graden beſchreibt; naͤchſt dem der Kopf eines afrikaniſchen Mohren, der, ſo wie der Kalmucke einen Winkel von 70 bildet, der Euro - paͤer aber macht einen Winkel von 80 Graden. Siehe Camper kleinere Schriften Bd. 1. S. 15. und vergl. hiermit Herder am ſchon oft angefuͤhrten Orte S. 212.

Außer dieſer Geſichtslinie Campers fuͤhrt der Herr Verfaſſer in ſeiner Schaͤdelſammlung die Hin - terhauptslinie Daubentons und Albrecht Duͤrers Schema an. Daubenton denkt ſich zwey gerade Linien. Die erſte laͤuft von dem hintern Rande des großen Hinterhauptslochs durch den untern Rand der Augenhoͤhle herab: die andere aber iſt durch die Ho - rizontalflaͤche dieſes Lochs, in der Mitte zwiſchen beyden Gelenkhuͤgeln gezogen: und den Winkel, worin dieſe beyden Linien mit einander zuſammenlau - fen, haͤlt er gleichſam fuͤr den normalen Charakter des Schaͤdels. Allein die Richtung der Flaͤche des großen Lochs iſt oft an den Koͤpfen eines und deſ - ſelben Volks, z. B. an zwey Tuͤrkenſchaͤdeln, wel - che ich, indem ich dieſes ſchreibe, vor mir habe, oder in drey Negerſchaͤdeln, hoͤchſt verſchieden.

Fuͤgli -277

Fuͤglicher wird, in Anſehung der menſchlichen Geſichter im Profil, zum antropologiſchen Zwecke das Schema von dem unſterblichen Duͤrer dienen, welches er in ſeinem treflichen Werke von der Proportion der Theile an der rechten Form der menſchlichen Koͤr - per, in dem Abſchnitte, wo er von der Zuſammen - ſetzung des menſchlichen Kopfes handelt, gleich oben angeſtellt hat, und welches drey Grenzlinien des Geſichts darſtellt; an Stirn, Naſe und Kiefer.

Herr Hofrath Blumenbach ſelbſt nimmt beſon - ders auf zwey Knochen Ruͤckſicht, auf den Stirnkno - chen naͤmlich und die Kinnbacken. Denn faͤhrt er fort nach der Form des Stirnknochens richtet ſich der Habitus beynahe der ganzen Hirnſchaale, da die Richtung des plani circularis von dem an den Seiten verengerten oder erweiterten Kopfe beweiſt; der oberſte Rand des Knochens aber, wo er mit der Pfeilnath zuſammenlaͤuft, von dem ſpitzigen oder flachen Scheitel. Von den Verſchiedenheiten an den Augenbraunenbogen und der Vertiefung zwiſchen den - ſelben (glabella), welche einzig auf dieſem Knochen beruhen, will ich gar nichts ſagen.

Von dem Kinnbackenknochen aber haͤngt erſtlich die Weite der Naſen, und dann die Richtung der Naſenbeine, und nach der jedesmaligen Bildung der Kinnbackenfortſaͤtze die groͤßere oder kleinere Pro - tuberanz der an ihm anliegenden Jochbeine, (und worauf bey dieſer Unterſuchung ſehr viel ankommt) das Verhaͤltniß der Oberkiefergrube, wovon das Jochbein nach dem Vordertheil des Oberkiefers fort -geht,278geht, und endlich die Enge oder Weite des Zahnzel - lenrandes, ab. Ja man kann ſogar die Form und den Habitus des Unterkiefers, da ſeine Zellen und Zaͤhne denen im Oberkiefer entſprechen, nach deſſen Einrichtung wuͤrdern.

Von beyden Knochen aber, dem Kinnbacken - und Stirnknochen naͤmlich zuſammen genommen, haͤngt auch die Richtung, Weite und Tiefe der Au - genhoͤhlen ab.

Nimmt man nun alſo dieſe Normalknochen zum Fundament an, ſo wird man leicht feſte und beſtaͤn - dige Charaktere des Totalhabitus, auch in wie fern ſie in den benachbarten Knochen liegen, weiter dar - aus herleiten koͤnnen. Feſte und beſtaͤndige, ſage ich, denn was ſich von dieſen Knochen weiter ent - fernt, z. B. das Hinterhaupt, ſcheint mehr von ei - ner beytretenden Verſchiedenheit der Weite und Figur herzuruͤhren, Dinge, welche oft an Schaͤdeln eines und deſſelben, ſich uͤbrigens ſehr aͤhnlichen Volks, ſehr vielfach nuanciren. S. Decas prima S. 7. bis 10. vergl. hiermit Ch. 〈…〉〈…〉Ludwig Grundriß der Naturgeſchichte der Menſchenſpecies, Lpz. 1796. S. 101. §. 28. fgg. S. 129. §. 167. fgg.

§. 61. S. 148.

In dieſem §. wird man, gegen das Original gehalten, einige Aenderung finden. Die Worte: junctim cum maxillis ſuis inferioribus naͤmlich ſind weggelaſſen, ſtatt deren aber (Zeile 7. S. 204. des Originals) eingeſchaltet worden remotis maxillis infe -riori -279rioribus. Ich verdanke dieſe Aenderung der Guͤte des Herrn Hofrath Blumenbachs.

§. 74. 75. S. 190.

Ich weiß zuverlaͤßig, daß es ſehr vielen ange - nehm ſeyn wird, hier auch noch etwas von den er - kuͤnſtelten Varietaͤten des Menſchengeſchlechts zu le - ſen, und deshalb ſchalte ich hier aus der zweyten Ausgabe dieſes Werks folgende Stelle von Seite 99 bis 105 ein.

§. 68. Ausgabe 2. Beſchneidung.

Ich gehe nun zu denjenigen Theilen fort, wel - che verſchiedne Nationen mit Huͤlfe der Kunſt zu ver - aͤndern pflegen; und da will ich zuerſt von den Ver - ſtuͤmmelten ſprechen, wo Glieder und Theile des Koͤrpers abgeſchnitten oder abgeriſſen werden. Die aͤlteſte von dieſen Verſtuͤmmelungen iſt die Beſchnei - dung, wie die Bibel, Herodots Berichte von Kol - chiern, Egyptern und Aethiopiern1)1), und die weite Verbreitung dieſes Ritus bezeugen. Und zwar iſt er nicht nur bey dem maͤnnlichen, ſondern unter mehreren morgenlaͤndiſchen Voͤlkern auch beym ſchoͤ - nen Geſchlechte im Gebrauche, welchem jener Theil der Schaam, der dem Vorhaͤutchen des maͤnnlichen Gliedes entſpricht, abgeſchnitten wird; von welcher Ceremonie Martin Schurig2)2) und Theodor Tron - chin4)4) eine Menge Zeugniſſe und Geſchichten aus alten und neuen Schriftſtellern geſammlet haben.

1) S.280
1)S. 102. 125. fg. in Gronovs Ausg.
1)
2)Die Negern von Angola Hughes barbad. S. 14. Die Otaheiten. N. Forſter obſervations. S. 269.
2)
3)Muliebr. p. 116. ſqq. 142. ſq. parthenol. p. 379. ſq.
3)
4)Diſſ. de clitoride p. m. 75. ſqq.
4)

§. 69. Monorchiden.

Die Evnuchen gehoͤren nicht ſowohl zur gegen - waͤrtigen Materie, als die Monorchiden, denen in der Kindheit der eine Hode ausgeſchnitten wird. Die - ſe Sitte iſt beſonders bey den Hottentotten im Ge - brauche geweſen, welche mehrentheils im achten, ja wenn man Kolben1)1) trauen darf, bisweilen erſt im achtzehenden Jahre, zu Monorchiden gemacht worden. Sie glauben dadurch ſchneller im Laufen zu werden, allein die Reiſebeſchreiber erinnern zugleich, daß es der Fruchtbarkeit ſchade2)2). Einen aͤhnlichen Verluſt des Hoden erleiden nicht ſelten die Bauern in der Schweiz, denn die Quackſalber pflegen durch denſelben nach alter Sitte die Bruͤche zu heilen3)3).

1)Vorgebirge der guten Hofnung, S. 141.
1)
2)Jo. Schreyer oſtindiſche Reiſe S. 34.
2)
3)v. Haller adv. Buſſ. operum minor. T. III. p. 183.
3)

§. 70. Die unbaͤrtigen Amerikaner.

Zu den Verſtuͤmmelungen rechne ich auch, daß einige Voͤlker an verſchiedenen Theilen des Koͤrpers das Haar auszuraufen pflegen. So erhalten die Buratten blos den Bart unter dem Kinne, denuͤbri -281uͤbrigen reiſſen ſie aus1)1); alle Tuͤrken vertilgen au - ßer dem Haupthaare und Barte die uͤbrigen Haare an dem Koͤrper durch verſchiedene Salben2)2); die Otaheiten reiſſen die Haare unter den Achſeln aus3)3); und die mehreſten amerikaniſchen Voͤlkerſchaften rot - ten den Bart aus, welcher Umſtand zu jener alten Meinung Anlaß gegeben hat4)4), daß die Amerikaner von Natur bartlos ſeyen. Ich habe aber ſchon an - derwaͤrts beynahe aus allen Zonen von Amerika Beyſpiele von wirklich baͤrtigen Voͤlkern angefuͤhrt5)5), und umſtaͤndlich auseinander geſetzt, daß, wenn bey einigen von Natur kein Bart kommt, dies nach den Erſcheinungen der Erzeugung, und den Geſetzen des Bildungstriebes geſchehe6)6).

1)Le Brun Voyage p. 120. Mémoir. ſur les samojé - des etc. p. 39. ſq.
1)
2)Leonh. Rauwolf Raiß p. 31. ſq. Buff. T. III. p. 438. ſq.
2)
3)Hawkesworth T. II. p. 188.
3)
4)Neuerdings wiederholt in Recherch. ſur les Ameri - cains, T. I. p. 37. Queſt. ſur l Encycl. T. VII. p. 98.
4)
5)S. auch Herr Zimmermann geograph. Geſchich - te des Menſchen S. 70. fg.
5)
6)Uiber den Bildungstrieb und das Zeu - gungsgeſchaͤfte. S. 66. fgg. Ausg. 1781.
6)

§. 71. Andere Verſtuͤmmelungen.

Das bey den Bewohnern einiger Inſeln des ſtillen Meeres gebraͤuchliche Abſchneiden des kleinen Fingers1)1), das kuͤnſtliche Schaͤrfen der Zaͤhne bey andern2)2) und andere Verſtuͤmmelungen von eben ſo wenig Belange, uͤbergehe ich.

1) Friend -282
1)Friendly Islands. Iac. Cook zweyte Reiſe. Vol. I. p. 222.
1)
2)Bey den Negern. Hemmerſam p. 37.
2)

§. 72. Ungeheure Ohrlaͤppchen.

Zu den Verunſtaltungen der Theile rechne ich vorzuͤglich die ungeheuren und haͤngenden Ohrlaͤpp - chen, in welche ſich ſo viele Voͤlker ſeit langer Zeit verliebt hatten, daß ſie zu der alten Fabel von den ſcythiſchen Voͤlkern im Pontus Veranlaſſung gegeben haben, welche ſo große Ohrlaͤppchen gehabt haben ſollen, daß ſie den ganzen Koͤrper mit denſelben be - decken koͤnnten1)1). Von den Malabaren2)2), Bey - naren, den Einwohnern der Molucken3)3) und Mal - likolo4)4) wiſſen wir es mit Gewißheit, daß ſie dieſel - ben durch verſchiedne Kuͤnſte uͤberaus groß und wirk - lich monſtrds machen. An dem Gemaͤhlde eines Suͤdlaͤnders bey Cornelius le Brun ſehen wir es auf eine wunderbare Weiſe zerfleiſcht5)5).

1)Plin. IV. 13. VII. 2. Pompon. Mela Lib. III. de Hiſp. et septentr. inſulis.
1)
2)Schreyer a. a. O. S. 117.
2)
3)Maximil. Tranſylv. bey Zahn ſpec. T. III. p. 69.
3)
4)Sie durchbohren ſie mit Pfriemen.
4)
5)n. 197.
5)

§. 73. Andere Verunſtaltungen.

Die Berichte von Reiſebeſchreibern belehren uns, daß einige Voͤlker die Vorhaut des maͤnnlichen Glieds mit Fleiß verlaͤngern, wie die Anwohner der Magel -lans -283lansſtraße1)1), Neuſeelaͤnder2)2) und andere. Die gro - ßen Naͤgel der Chineſen3)3), die durchbohrten Wangen und Lippen ſo vieler anderer Voͤlker, oder die durch - bohrten Scheidewaͤnde der Naſe und Ohrlaͤppchen, um Ringe hineinzuhaͤngen, und anderes mehr, liefern eben ſo viele Beweiſe der bewundrungswuͤrdigen Sucht die natuͤrliche Schoͤnheit des Koͤrpers durch Kunſt zu erhoͤhen, und vonder vielartigen, ſo ſehr verſchied - nen Meinung uͤber das Ideal des Schoͤnen.

1)Oliv. v. Noort. p. 22.
1)
2)Hawkesworth Vol. III. p. 50.
2)
3)Die Abbildung bey Gregor sharpe de lingua sinenſ. zu Ende des syntagm. diſſertationum Thomae Hyde, Vol. II. p. 512.
3)

§. 74. Gemahlte Koͤrper.

Der Gebrauch der Mahlereien und der verſchie - denen Arten von Schminke veraͤndert zwar die Form der Glieder nicht, iſt aber doch bey gewiſſen Voͤlkern ſo konſtant, daß es unrecht waͤre, ihn gar nicht zu beruͤhren. Einige uͤberſtreichen blos die Haut mit verſchiedenen Farben, aber andere durchſtechen ſie erſt mit einer Nadel, und reiben hernach die Farben ein, wo ſie dann beſtaͤndig haften. Beyderley Ri - tus iſt bey den entfernteſten und verſchiedenſten Na - tionen im Gebrauche geweſen. Die Kanagyſten z. B. Kalifornier, Tuͤrken, die Bewohner der Inſel Santa Cruz, Mallikolo, Neuholland, des gruͤnen Vorge - birgs u. a. mahlen ſich. Die Tunguſen aber, Tſchuk - tſchen, Araber, Eskimos, Neuſeelaͤnder, Otaheiten und viele Voͤlkerſchaften aus ganz Amerika tatowiren ſich (acu in ipſa cute lineas ducunt).

§. 78.284

§. 78. S. 196. bis 201.

Leukaͤthiopie. In gedraͤngter Kuͤrze iſt alles, was uͤber dieſe beſondere Krankheit zu ſagen iſt, von welcher irre gefuͤhrt der große Linné ſeinen homo nocturnus als eine beſondre Varietaͤt des Menſchen - geſchlechts aufſtellte, geſagt worden. Man kann uͤbrigens damit vergleichen Beytraͤge zur Naturge - ſchichte Abſch. 14. S. 119. bis 126. und zu noch ge - nauerer Nachricht hieruͤber Blumenbach de oculis Leucaethiopum et iridis motu. Goettingae 1786.

Statt aller weitern Bemerkungen hieruͤber will ich lieber folgende Bemerkung aus der zweyten Aus - gabe dieſes Werks noch beyfuͤgen, ſ. daſelbſt

§. 88. S. 122. Andere Krankheiten gehoͤren weit weniger hierher.

Es wuͤrde ein ungeheueres, gar nicht hierher gehoͤ - riges Unternehmen ſeyn, wenn ich von allen bey Ver - faſſern mediciniſcher Beobachtungen widernatuͤrlich vorkommenden Fehlern unſers Koͤrpers, eine Uiberſicht geben wollte. Es wuͤrde von dieſen leicht ein Uiber - gang zu den Mißgeburten und der ganzen Noſologie gemacht werden koͤnnen, und das goͤttliche Studium der Naturgeſchichte wuͤrde zu einer verworrnen un - foͤrmlichen Maſſe auswachſen. Ich uͤberlaſſe alſo das ſchwarze und hornartige Fellhaͤutchen des italie - niſchen Knaben1)1), oder des engliſchen Mannes2)2) und anderer, und aͤhnliche beſondre Verirrung von dem natuͤrlichen Zuſtande, den Phyſiologen und Pa - thologen. Auch gehoͤrt die harte Krankheit der Cretinen nicht hierher, welche nicht den Bewohnern des Walliſer Landes allein eigenthuͤmlich, ſondernauch285auch anderwaͤrts beobachtet3)3), aber durch ſonder - bare Fabeln hier und da verunſtaltet worden iſt4)4).

1)Stalp. v. d. Wici Obſ. Cent. II. p. 376. Tab. 11. et Tab. 12. Fig. 1. 2. 3.
1)
2)Der Stachelſchweinmann G. Edwards Gleanings of natural hiſtory. T. I. t. 212.
2)
3)v. Fel. Plater Obſ. med. S. 140. D. Langhans Merkw. des Siementhals, Bourrit Mont - Blanc p. 80. Haller de vento Rubenſi Nov. Comm. Goett. T. I. p. 43.
3)
4)Z. B. in Guidant variat. de la nat. dans l’eſpece hum. à P. 1771. 8 in Encycl. de Par. etc. emendat. in Fed. Cl. de ylice T. XII. 312.
4)

§. 89.

Die Centauren, Sirenen, Cynocephalen, Sa - tyren, Pygmaͤen1)1), Giganten, Hermaphroditen und andere erdichtete Species von dieſem Schrot und Korne, brauchen hier kaum in Erwaͤhnung ge - zogen zu werden. Wer an ſolchen ungeheuren Maͤhr - chen Verguuͤgen findet, mag ſich an die leichglaͤubi - gen Zuſammenſchreiber derſelben Tevet, Maillet, Robinet wenden; Wer aber wuͤnſcht, ſie ihrer lee - ren Schminke entledigt zu ſehen, der wende ſich an den gelehrten Joh. Alb. Fabricius2)2).

1)Vergl. uͤber dieſe Fabeln Tyſons Werke.
1)
2)De hominibus orbis noſtri incolis etc. Erſt neulich aber hat uns Herr Hofrath Heine ein Muſter von ei - ner ſolchen mit hoͤchſtem Scharfſinn entwickelten und erlaͤuterten Fabel geliefert, wodurch alle Verſuche ſei - ner Vorgaͤnger uͤbertroffen worden ſind, in ſeiner Abhandlung de maribus inter Scythas morbo effemi - natis et de Hermaphroditis Floridae. Comm. Soc. Goett. a. 1778. p. 28. ſqq. Vgl. uͤbrigens hiermit Ludwig a. a. O. S. 148-160.
2)
Vier -286

Vierter Abſchnitt.

§. 82. S. 205. fgg.

Wir ſind jetzt durch die Bemuͤhungen des Herrn Verfaſſers in den Stand geſetzt die Avtopſie hieruͤber einigermaßen zu erſetzen. Man ſehe deſſen Natur - hiſtoriſche Abbildung Heft 1. Taf. 1 bis 5.

§. 83. S. 208 bis 212.

Erxleben zaͤhlt ſechs Varietaͤten auf: 1) den Lappen, 2) den Tatar, 3) den Aſiaten, 4) den Europaͤer, 5) den Afrikaner, 6) den Amerikaner. S. Ausg. 2. S. 50. Erxlebens Mammalia B. 1.

Von der erſten Eintheilung des Menſchenge - ſchlechts in vier Racen, welche der Herr Verf. in der erſten Ausgabe dieſes Werks mitgetheilt hat (S. 41.) mill ich hier weiter nichts erwaͤhnen, da er ſie ſelbſt in allen ſeinen neuern Werken verworfen hat.

§. 87. S. 216.

Der Neger ſteht dem Affen naͤher als der Menſch. Vergl. hiermit Soͤmmering uͤber die koͤr - perliche Verſchiedenheit des Negers vom Euro - paͤer. Vorrede S. 19. 20. und Text §. 72.

Dies duͤrfte wohl das nothwendigſte geweſen ſeyn, was zum leichtern Verſtaͤndniß dieſes vorſtehendenWerks287Werks zu ſagen waͤre. Ich kann aber wohl meine Bemerkungen nicht beſſer ſchließen, als mit jener Stelle in der zweyten Ausgabe, welche von der Ent - ſtehung der Streitfrage: ob es nur Eine oder mehre - re Gattungen im Menſchengeſchlecht gebe, handelt.

Bosheit, Mangel an Aufmerkſamkeit und Neuerungsſucht beguͤnſtigten die letzte Meinung. Denn ſeit den Zeiten des Kaiſers Julians1)1) fanden alle, deren Intereſſe es war die Glaubwuͤrdigkeit der Bibel herabzuſetzen, ungemeines Behagen2)2) an der Meinung von mehreren Gattungen im Men - ſchengeſchlechte. Ferner war es leichter die Neger oder bartloſen Amerikaner gleich beym erſten An - blick fuͤr verſchiedne Gattungen zu halten3)3), als Unterſuchungen uͤber die Struktur des menſchlichen Koͤrpers anzuſtellen, die Anatomen und ſo zahlrei - chen Reiſebeſchreiber nachzuſchlagen, und deren Glaubwuͤrdigkeit und Leichtglaͤubigkeit mit Fleiß zu unterſuchen, aus dem ganzen Umfang der Natur - geſchichte parallele Beyſpiele zuſammen zu tragen, und nur dann erſt zu urtheilen und die Urſachen der Verſchiedenheit zu eroͤrtern. So hat z. B. der be - ruͤchtigte Theophraſtus Paracelſus, der liebe Mann! wenn ich nicht irre zuerſt nicht begreifen koͤnnen, wie die Amerikaner eben ſo gut als die uͤbrigen Menſchen von Adam abſtammen koͤnnten; und um ſich kurz aus der Sache zu ziehen, nahm er an, daß Gott zwey Adams erſchaffen habe, einen in Aſien und einen in Amerika4)4). Und end - lich kommt noch hier hinzu die Neuigkeitsliebe des menſchlichen Geiſtes, welche ſo groß iſt, daß viele lieber eine neue Meinung annehmen, geſetzt ſie waͤre288 waͤre auch bey weitem nicht hinlaͤnglich uͤberdacht, als ſich zu den alten Jahrtauſende hindurch an - genommenen Wahrheiten neuerdings bekennen wollen.

Ich fuͤr meinen Theil habe nach der bloßen Be - trachtung der unverhuͤllten Natur keinen Anſtand ge - nommen, die entgegengeſetzte d. h. die alte5)5) Mei - nung von nur Einer Gattung im Menſchengeſchlechte anzunehmen, und ich habe das Vertrauen, daß ein - ſichtige, Wahrheit liebende, und von den eben ge - nannten Schwaͤchen freye Leſer, eben dieſe Wahrheit willig unterſchreiben werden.

1)Iuliani oper. p. 192.
1)
2)v. c. (simon Tyſſot de Patot) voyages et aventures de Iac. Maſſé. T. I. p. 36. ſqq. Bazin (Voltaire) philoſophie de l’hiſtoire p. 45. Derſelbe in Queſt. ſur l’Eneyclop. T. IV. p. 112. T. VII. p. 98. 179. etc. widerlegt von Haller in den Briefenuber eini - ge Einwuͤrfe noch lebender Freygeiſter wi - der die Offenbarung, 1. Th. S. 102. 184. 196.
2)
3)So z. B. haben es Griff. Hughes nat. h〈…〉〈…〉 ſt. of Bar - badoes p. 14. (Henr. Home) sketches of the Hiſtory of Man, Vol. 1. p. 12. ſq.
3)
4)De phi oſoph. occulta 1. 1.
4)
5)cf. Io. Alb. Fabricii diſſ. de hominibus orbis noſtri in - colis ſpecie et ortu avito inter ſe non differentibus. Hamb. 1721. 4.
5)
Erlaͤu -289

Erlaͤuterung der Kupfertafeln.

Tafel 1.

Liefert ein Schema zur Uiberſicht der Erlaͤute - rung der Scheitelnorm, von deren Nutzen und Be - ſchaffenheit im anthropologiſchen Studium S. 148. geſprochen worden iſt.

  • Figur 1. entſpricht der erſten Figur auf Tafel 2.
  • Figur 2. der 3ten Fig. jener nachfolgenden Tafel.
  • Figur 3. der 5ten Figur derſelben Tafel.

Tafel 2.

Stellt fuͤnf Schaͤdel aus meiner Sammlung dar, wodurch die fuͤnf Hauptverſchiedenheiten des Men - ſchengeſchlechts dargethan werden, wovon mit meh - rerem S. 149.

  • Figur 1. Stellt einen ſogenannten Rennthiertun - guſen dar. Er hieß Tſchewin Amureew aus den gilgekirskiſchen Stamme, und lebte 350 Werſte von der Stadt Barguſin, ſchnitt ſich aber im Jahr 1791 ſelbſt die Gurgel ab, weshalb der beruͤhmte Schilling, Oberchirurgus der Armee dorthin geſchickt wurde, die Laͤſion und die Urſache des Todes geſetz -Verſch. des M. Tmaͤßig290maͤßig zu unterſuchen. Dieſer nahm den Kopf des Selbſtmoͤrders mit, und uͤberſandte ihn dem Herrn Baron v. Aſch.
  • Figur 2. Iſt der Kopf eines karaibiſchen Fuͤrſten von der Inſel St. Vinzent, der vor acht Jahren dort verſtarb, und deſſen Knochen Herr Anderſon, Aufſeher des koͤniglichen Gartens auf jener Inſel auf Verlangen des Hrn. Baronet Banks ausgraben ließ.
  • Figur 3. Der Kopf einer jungen Georgierin, welche im neulichen Tuͤrkenkriege von den Ruſſen ge - fangen genommen, und nach Moſkau gebracht wur - de, wo der dortige wuͤrdige Profeſſor der Anatomie, Herr Hiltebrandt, da ſie ſehr ploͤtzlich ſtarb, die Ur - ſache ihres Todes in einer geſetzmaͤßigen Sektion ex officio unterſuchte. Er bewahrte den knoͤchernen Kopf wegen ſeiner ungemein eleganten Form ſorgfaͤl - tig auf, und ſchickte ihn Herrn Baron Aſch nach Petersburg.
  • Figur 4. Der Schaͤdel eines Otaheiten, welchen der tapfere und muthige Schiffskapitain William Bligh, auf Bitten des Herrn Baronet Banks, bey der Ruͤckkunft von ſeiner merkwuͤrdigen Reiſe, auf welcher er Staͤmme von dem Brodtfruchtbaum von den Societaͤtsinſeln im Suͤdmeer mit dem gluͤcklich - ſten Erfolge nach Weſtindien uͤberbrachte, mitge - bracht hat.
  • Figur 5. Einer Negerin von Guinea, der Bey - ſchlaͤferin eines gewiſſen Hollaͤnders, welche in ihrem28ſten29128ſten Jahre zu Amſterdam geſtorben iſt, wo ſie der verdiente Utrechter Profeſſor Jo. von Geuns unter das anatomiſche Meſſer gebracht hat.

Tafel 3.

  • Figur 1. Bedarf im Ganzen keiner Erinnerung, denn es dient zu einer leichtern Uiberſicht bey den oſteologiſchen Bemerkungen in dieſem Werke. Es haͤtte aber wohl leicht beſſer gerathen koͤnnen.
  • Figur 2. Iſt der Hirnſchaͤdel des Mandrill, in welchem der Zwiſchenkinnladenknochen aufs deutlich - ſte bemerkt iſt.
  • Figur 3. Sind die Halswirbel deſſelben Pa - vians, wovon ſchon in den Anmerkungen geſprochen worden iſt, ſo wie von
  • Figur 4. welche den fuͤnften und ſechſten Hals - wirbel von einem erwachſenen Manne darſtellt.
T 2Einige[292]

Einige Aenderungen im Texte.

  • S. 55. ſtatt Kroͤpfe l. Druͤſenkrankheit.
  • 71. Z. 9. ſt. Elaſtic. l. Zuſammenziehungskraft.
  • 84. Z. 11. nur nicht immer l. faſt alle.
  • 147. l. die Uiberſchrift zu §. 61. alſo: Uiber die Schel - telnorm, als Maaß, um die Verſchiedenheiten der Schaͤdel zu beſtimmen.
  • 161. §. 64. Z. 10. l. nicht meiſelartig.
  • 175. Z. 9. l. Waſſergeſchwulſt.
  • 205. §. 82. Z. 7. l. mannichf. gradweiſen Verſchiedenheit

Verbeſſerungen.

  • S. 6. Z. 19. lies ſtatt Cingaren Zigeuner.
  • 18. Z. 14. l. Marchbeſtimmer.
  • 31. Z. 1. in der Note l. Paradoxenfreund.
  • 47. Z. 2. ſtreiche ſey weg.
  • 54. Z. 14. ſtatt nur l. wo.
  • 54. Z. 15. ſt. oder l. doch.
  • 55. ſt. Podagra l. Palagra.
  • 59. Z. 9. ſt. ſie l. es.
  • 60. Z. 20. ſt. deren l. deſſen.
  • 64. Z. 1. ſt. der l. von.
  • 72. Z. 4. l. entſtandenen.
  • 72. Z. 9. ſt. nur l. wo.
  • 83. Z. 11. ſtreiche denn aus.
  • 114. Z. 9. ſtatt mit einander l. mit andern.
  • 114. Z. 20. nach Fellhaͤutchen ſetze unverſehrt hinzu.
  • 142. Z. 11. l. Zigeuner (Cingari).
  • 159. Z. 10. l. und viele Gen. hindurch im gleichen ꝛc.
  • 172. Z. 4. l. durchſtreifen.
  • 196. §. 28. Z. 10. ſt. nach. l. noch.
  • 220. Z. 3. ſt. Umwicklung l. Zuſammenlegung.
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About this transcription

TextÜber die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte
Author Johann Friedrich Blumenbach
Extent334 images; 62318 tokens; 12269 types; 453086 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationÜber die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte Johann Friedrich Blumenbach. Johann Gottfried Gruber (ed.) . XXXII, 291 S., 3 Bl. Breitkopf & HärtelLeipzig1798. (\"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte\" ist die überarbeitete Fassung von Blumenbachs Dissertationsschrift \"De generis humani varietate nativa\" (1. Aufl. 1775 bei Friedrich Andreas Rosenbusch in Göttingen). Die Dissertation erschien in lateinischer Sprache; für das DTA wurde Johann Gottfried Grubers Übersetzung der dritten Auflage von Blumenbachs Dissertation (1795 bei Vandenhoek & Ruprecht) digitalisiert, die 1798 in Leipzig bei Breitkopf & Härtel erschien. Erstmals lag hiermit Blumenbachs Werk \"De generis humani varietate nativa\" in deutscher Sprache vor.)

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SUB Göttingen Göttingen SUB, DD93 A 33965https://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/CMD?ACT=SRCHM&IKT0=54&TRM0=DD93%20A%2033965

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Fraktur

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Gesellschaftswissenschaften; Wissenschaft; Anthropologie; core; ready; china

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