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DENKSCHRIFTEN DER KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU MÜNCHEN FÜR DIE JAHRE 1809 UND 1810.
MÜNCHEN,auf Kosten der Akademie. 1811.

Inhalt.

  • Geschichte der Akademie in den Jahren 1809 und 1810.
  • a. Wahlordnung,p. II.
  • b. Oeffentliche Versammlungen,p. XIV.
  • c. Allgemeine Versammlungen,p. XX.
  • d. Philologisch-philosophische Classe, und ihr Attribut, das Antiquarium,p. XXII.
  • e. Mathematisch-physikalische Classe und die ihr bey - geordneten Attribute,p. XXIV.
  • f. Historische Classe und ihr Attribut, das königl. Münzcabinet,p. XXXIII.
  • g. Preisaufgaben,p. XXXVIII.
  • h. Veränderungen im Personal,p. XLI.
  • Abhandlungen.
  • Classe der Philologie und Philosophie.
  • Ueber die Gräber des Memnonund die Inschriften an der Bildsäule desselben; von Friedr. Jacobs. p. 3
  • Classe der Mathematik und Physik.
  • 1. Ueber die Weise, wie sich Aufguſsthierchen bey ihren Bewegungen benehmen, von Fr. v. P. Schrank. p. 3
  • 2. Memoire sur la séve d’Aout p. J. Pierre Vaucher de Ge - nève. p. 41
  • 3. Ueber die Sparsamkeit der Formen im Pflanzenreiche und ihre Uebergänge, von Fr. v. P. Schrank. p. 51
  • 4. Ueber die Lebhaftigkeit einiger Pflanzen, von Fr. v. P. Schrank. p. 81
  • 5. Ueber ein Fossil aus dem Steinkohlenwerke bey Häringin Tyrol, von Jos. Petzl. p. 103
  • 6. Ueber den glatten Beryll vom Rabenstein im baierischen Walde, von Jos. Petzl. p. 115
  • 7. Resumé der auf verschiedenen Reisen in das schwäbische Alpgebirgegemachten geognostisch - mineralogischen Beobachtungen, von Fried. v. Lupin. p. 121
  • 8. Aeltere Geschichte der Saline Reichenhallvorzüglich in technischer Hinsicht bis zur Erbauung der Hülfssa - line Traunstein, von Matthias Flurl. p. 149
  • 9. Beyträge zur wissenschaftlichen Begründung der Glasma - cherkunst, von Dr. A. F. Gehlen. p. 197
  • 10. Elektriche Versuche an der Mimosa pudica L. in paral - lele mit gleichen Versuchen an Fröschen, von J. W. Ritter. p. 245
  • 11. Ueber einen elektrischen Telegraphen, von Sam. Thom. Sömmerring. p. 401
  • 12. Super longitudine geographica speculae astronomicae re - giae, quae Monachii est, ex triginta septem defectio - nibus solis observatis et ad calculos revocatis, nunc primum definita a Carolo Felici Seyffer; Commen - tatio altera. p. 415
  • 13. Ueber die Gesetze des Stosses, vorzüglich in Anwendung auf den hydraulischen Stösser (Belier hydraulique) von Carl Christian Langsdorfin Heidelberg. p. 517
  • Classe der Geschichte.
  • Ueber den Geschichtschreiber Liutprand, besonders über des - sen historische Glaubwürdigkeit, von C. D. A. Martini. p. 3
Ver -

Verzeichniſs der zu diesem Bande gehörenden acht Kupfertafeln.

*)Da Tab. V. die Verbindungsart des Leitungsdrahtes mit dem messingenen einge - schliffenen Zäpfchen (p. 403) nicht deutlich ausgedrückt ist, so bittet man, sich in Absicht dieses Theils der Maschine an Tab. IV. Fig. 7 u. 11 zu halten.

Ge -
401

XI. Samuel Thomas Soemmerringüber einen elektrischen Telegraphen.

Einleitung.

Vielfältige Betrachtung der ganz unfehlbaren und sehr schnellen Gasentbindung an metallenen Spitzen, welche nicht nur selbst meh - rere Zolle weit auseinander stehen, sondern welche die Wirkung einer elektrischen Säule erst aus einer Entfernung von mehrern tau - send Fuſs zugeleitet erhalten, hatte mich schon längst auf den Ge - danken gebracht, daſs man wohl durch die Elektricität einen Tele - graphen vermitteln könnte, welcher wenigstens den Vorzug haben würde, freyes Spiel zu behalten unter den Umständen, wodurch die Sichtbarkeit, und folglich der Gebrauch der jetzt gewöhnli - chen Telegraphen gänzlich wegfällta)Seitdem die Telegraphen in förmlichen, ständigen Gebrauch kamen, war es wohl sehr natürlich, auf den Gedanken zu verfallen, den elektrischen Funken, zu glei - chem Zwecke anzuwenden. So schlug Reiserim Jahre 1794 (in Voigt’sMa -.

Um51402

Um jedoch den praktischen Beweis der Ausführbarkeit dieses Gedankens zu unternehmen, bedurfte es einer besondern, gelegen - heitlichen Veranlassung, die mir andere, meinem Berufe näher lie - gende Versuche wirklich nicht haben fehlen lassen. Eine leichte, einfache, wenig kostspielige Vorrichtung stellt meine Erfindung in der gehörigen Klarheit vor Augen. Ich wünsche den Bericht davon in den Acten unserer Akademie zur Aufbewahrung und Benutzung niederzulegen, andern es gern überlassend, meinen durch Elektrici - tät vermittelten Telegraphen zum etwanigen Gebrauche des Staates anzuwenden.

Schil -

a)Magazin, 9. B. 1. St.) einen elektrischen Telegraphen vor, welcher folgende Einrichtung haben sollte. Von Stanniolstreifen, die man auf eine Glastafel ge - klebt und mit Buchstaben bezeichnet hatte, sollte derjenige Streifen mittelst des el[e]ktrischen Funkens angedeutet werden, welcher dem anzuzeigenden Buchstaben gehörte; der elektrische Funken aber sollte den Streifen durch eben so viele unter der Erde in gläsernen Röhren befindliche Drähte zugeleitet werden. Es steht dahin, ob dieser Vorschlag jemahls praktisch versucht worden seyn mag? Vier Jahre darauf erfand, nach einer in demselben Magazine (11. Bd. St. 4.) befindlichen Nachricht Dr. Salvain Spanieneinen elektrischen Telegraphen von ausnehmender Wirksamkeit. Der Friedensfürst berief ihn nach Madrid, wo man bey Hofe seine Versuche mit groſsem Wohlgefallen sah. [Der] Infant Don Antoniobeschäftigte sich mit Dr. Salva, diese Erfindung zu verbessern, und lieſs einen sehr groſsen, auf eine sehr weite Ferne wirksamen Elektricitäts-Tele - graphen errichten. Dieser Telegraph des Dr. Salvawar wohl nicht durch Gas-Entbindung ver - mittelt, weil die elektrische Säule erst ein paar Jahre später, nämlich 1800, von Hrn. Voltaerfunden ward. Nach meinen dermaligen Ansichten würde ich aber zur Andeutung der Buch - staben und Zahlen die Gas-Entbindung dem elektrischen Funken weit vorziehen, 1) weil man die Gas-Entbindung, so lange man will, z. B. 20 30 Secunden anhalten lassen kann, dagegen der elektrische Funken im Augenblicke verschwin - det; 2) weil selbst die schwächste Gas-Entbindung gar leicht ins Auge fällt, da hingegen ein kleines elektrisches Fünkehen bey hellem Tage nicht bemerklich ist; 3) weil überdies die Gas-Entbindung zwey Buchstaben zu gleicher Zeit, der elektrische Funke nur einen Buchstaben auf einmal andeutet; 4) ist es noch erst zu versuchen, ob sich die 35 Drähte so dicht zu einem gemeinschaftlichen Seile wieder zusammen nehmen lassen, wenn man einen bedeutenden elektrischen Fun - ken durch sie vermitteln wollte.

403

Schilderung der Zusammensetzung des Tele - graphen und der Art, ihn zu gebrauchen.

In dem Boden dieses gläsernen, auf einem Gestelle ruhenden Wasserbehältersb)Taf. IV. Fig. 1 von oben, Fig. 2. von vorn., sind 35 goldene Spitzen oder Stiftec)Fig. 3, 4 in vollständiger Gröſse. befestigt, und theils durch die 25 Buchstaben unseres teutschen, als des voll - ständigsten Alphabets, theils durch die zehn Ziffern oder Zahlfigu - ren bezeichnet.

Jede dieser 35 Spitzen geht in einen kupfernen Communica - cations - oder Leitungsdrahtd)Fig. 2, 8, 9, 10, 11 b, c verkleinert. über, welcher sich mit einem mes - singenen Schluſsstäbchene)Fig. 5 in vollständiger Gröſse, Fig. 9 von oben, Fig. 10 von vorn, Fig. 11 von der Seite verkleinert. endigt, in dessen Mitte sich ein Kanäl - chen findet, welches zur Aufnahme eines, sowohl am Hydrogenpole als am Oxygenpole der elektrischen Säule, mittelst eines Drahtesf)Fig. 11 d verkleinert, Fig. 7 d in vollständiger Gröſse. oder Kettchens befestigten, eingeschliffenen, ebenfalls messingenen Zäpfchensg)Fig. 6 des Hydrogen Zäpfchen in vollständiger Gröſse, Fig. 7 des Oxygen Zäpfchen in vollständiger Gröſse, Fig. 11 in der Zusammenfügung verkleinert. dient.

Diese krahnähnlichen Schluſsstäbchenh)Fig. 11. sind gerade, wie die goldenen Spitzen im Wasserbehälter in einem eigenen Gestellei)Fig. 9 von oben, Fig. 10 von vorn, Fig. 11 von der Seite verkleinert. der - gestalt geordnet und befestiget, daſs die entgegengesetzten Enden eines jeden leitenden Kupferdrahtes der gleiche Buchstabe, oder die gleiche Ziffer bezeichnet; das heiſst: der Kupferdraht a, b, c u. s. f. endigt sich als goldene Spitze a, b, c, im Wasserbehälter, und als messingenes Stäbchen a, b, c, u. s. f. in seinem Gestelle. S. Tafel V.

Wird51 2404

Wird nun diese Vorrichtung auf die Art, wie die Vte Tafel abbildet, in den Kreis einer wirkenden elektrischen Säule gebracht, so zeigt sich augenblicklich im Wasserbehälter an denjenigen beyden goldenen Spitzen oder Stiften Gas-Entbindung, deren gleich bezeich - nete Schluſsstäbchen die beyden Zäpfchen aufnehmen, z. B. auf der Vten Tafel bey K und T. Am Hydrogenpol-Zäpfchen zeigt sich, wie natürlich, Hydrogengas, am Oxygenpol-Zäpfchen dagegen Oxy - gengas.

Mittelst solcher Gas-Entbindung läſst sich nun jeder Buchstabe und jede Zahl, nach Belieben, aufs bestimmteste andeuten, wie z. B. die Vte Tafel die Andeutung von K und T versinnlicht; und käme man in der Annahme folgender drey leicht faſslichen Regeln über - ein, so wäre man im Stande, hiedurch eben so viel, wenn nicht mehr, als durch den gewöhnlichen Telegraphen auszurichten.

Erste Regel.

Weil das Hydrogengas in auffallend gröſserer Menge, als das Oxygengas auftritt, so dürfte man den durch dieses Hydrogengas, gleichsam kräftiger, oder vorzüglicher, bezeichneten Buchstaben auch zum vorgehenden, den durch das Oxygengas hingegen gleichsam schwächer bezeichneten Buchstaben zum nachfolgenden annehmen und dem gemäſs telegraphisch notiren.

Zum Beyspiel, in dem Worte, Ák àd èm ìe bezeichnet man die[Buchstaben A], a, e, i, mittelst des Hydrogen , k, d, m, e, hingegen mittelst des Oxygenpoles.

Zweyte Regel.

Zur Bezeichnung der Verdoppelung eines Buchstabens dürf - te man die Nulle wählen, falls sich nämlich ein doppelter Buch - stabe nicht durch die Trennung der Sylbe von selbst ergiebt. Z. B. der405der Nahme Anna läſst sich ohne Verdoppelungs-Zeichen andeuten, weil man erst die Buchstaben Àǹ und dann ǹà andeutet; der Nah - me Nanni hingegen läſst sich ohne Verdopplungszeichen nicht an - deuten, weil man erst ǹà, dann ǹǹ, folglich ǹǹ zugleich andeuten soll, und solches bey dem einfachen Alphabete des Wasserbehäl - ters unmöglich ist.

Zwar könnte man auch Doppelbuchstaben zugleich unmittel - bar andeuten, weil, wie man sieht, drey (ja noch mehrere) Buch - staben zugleich zum Aussprechen gebracht werden, sobald man zwey (oder mehrere) Schluſsstäbchen mit einem Zäpfchen zugleich be - rührt; allein, dies würde nicht nur die Anzahl der goldenen Spit - zen, sondern (was die Kosten am meisten vergröſsern würde) die Anzahl der Communications-Drähte von 25 auf 50, folglich aufs doppelte bringen.

Dritte Regel.

Zur Bezeichnung des Schluſses oder des Endes eines Wor - tes, dürfte man die Ziffer 1 wählen. Folglich würde dieser Charak - ter oder diese Ziffer dem letzten einzelnen Buchstaben eines aus paarigen Buchstaben bestehenden Wortes beygefügt und hinten an gesetzt, so wie dem einzelnen Anfangsbuchstaben des Wortes, wel - ches auf ein aus paarigen Buchstaben bestehendes Wort folgt, vor - gesetzt werden müssen. Z. B.

Um406

Um alle Verwirrung zu vermeiden, könnte man diese Ziffer als ein Kreutzchen notiren, in dem Falle nämlich, daſs sie nicht als Zahlfigur, sondern als Trennungs - oder Schluſszeichen dienen soll.

Gesetzt nun, das Alphabet des Wasserbehälters befände sich, durch ein anderes Zimmer, durch ein anderes Haus, oder sogar durch eine andere Stadt von dem Alphabete der Stäbchen zwar ent - fernt, jedoch durch die 35 Communications-Drähte gehörig verbun - den, so vermag der Handhaber der elektrischen Säulen, auf die so eben angezeigte Art, dem Beobachter der Gas-Erscheinungen an den Stiften im Wasserbehälter, eine Nachricht telegraphisch mitzutheilen.

Q. E. D.

Bemerkungen über die Spitzen.

Tafel IV u. V, Fig. 1, 2, 8 verkleinert; Fig. 3 u. 4 in vollständiger Gröſse.

Zu den Spitzen oder Stiften im Wasserbehälter hat Gold vor allen übrigen Metallen entschiedenen Vorzug, aus folgenden Grün - den: Spitzen aus unedlen Metallen, z. B. Bley, Zinn, Kupfer, Mes - sing, Eisen, selbst Spitzen aus Silber vermitteln zwar reichliche Gas - Entbindung; allein

  • 1) erscheint diese Gas-Entbindung nur an einer Spitze, nämlich an der Hydrogenpol-Spitze, während daſs das Oxygen der Oxygenpol - Spitze auf der Stelle oxydirt wird, folglich nicht als Gas erscheint;
  • 2) wird das Wasser durch diese erzeugten Metalloxyde ge - trübt und gefärbt, z. B. durch Zink weiſs, durch Kupfer grün, durch Silber braun, durch Eisen schwarz;
  • 3) werden diese Spitzen sogar bald angegriffen und zerstört; dahingegen Spitzen von Gold nach Jahre langem Gebrauche kaum merkliche Veränderung oder Abnahme leiden, falls sich nicht etwas Kochsalz oder Salmiak dem Wasser beygemischt befindet.
Spi -407

Spitzen aus Platina vermitteln zwar eben so gut beyde Gas - arten, als Spitzen aus Gold. Allein nicht zu gedenken, daſs Platina - Drähte schwerlich überall, wo man goldene leicht fertigen lassen kann, zu erhalten seyn möchten, so erscheint das Verhältniſs zwi - schen dem erzeugten Hydrogen - und Oxygen-Gase nicht so auffal - lend bey Platina - als bey Gold-Spitzen. Nach meinen genauesten und neuesten Untersuchungen verhält sich die Menge des Hydrogen - Gases zum Oxygen-Gase bey Platina-Spitzen, wie 23 zu 11, bey Goldspitzen, wie 23 zu 7.

Die Ursache dieses Unterschiedes scheint darin zu liegen, daſs selbst im reinsten destillirten Wasser ein Theil des Oxygens an der Spitze aus Gold in sogenannten mineralischen Purpur sich verwan - delt, folglich nicht, wie bey der Platina-Spitze, als Gas erscheint.

Ferner fand ich, daſs die Dicke der Spitzen im Wasserbehäl - ter auf die Gas-Entbindung den augenscheinlichsten Einfluſs verräth. Dickere goldene Spitzen nämlich vermitteln unter übrigens gleichen Umständen offenbar mehr Gas, als dünnere. Reicht die Dicke der Spitze an das Drittel einer Pariser-Linie, Fig. 3 u. 4, so scheint sie vollkommen hinreichend; wenigstens würde ich nicht rathen, die Spitzen viel dicker zu machen, weil alsdann die Gase sich als Bläs - chen ringsum die Spitzen ansetzen, und mehrere Secunden verstrei - chen, ehe bey einer hinreichend starken elektrischen Säule die Gas - arten Springbrunnen ähnlich in die Höhe sprudeln.

Ueber den Einfluſs der Entfernung der Spitzen von einander auf die Menge der erscheinenden Gase fand ich mittelst meines Ga - someters, daſs, wenn unter übrigens gleichen Umständen die beyden von einander entferntesten Stifte, d. i. Fig. 2, A u. 9, in Anspruch kommen, 45 Maſs Hydrogen-Gas erscheinen, da in gleichem Zeitraume nur 21 Maſs erscheinen, wenn zwey der einander nächsten Spitzen, z. B. Fig. 2, R und S, in Anspruch kommen.

Nun408

Nun stehen die Spitzen, Fig. 2, A 9, volle 7 1 2 Zoll weit von einander, da die Spitzen, Fig. 2, R und S, hingegen nur 1 4 Zoll von einander stehen. Folglich entbinden die sich 30mal näheren Spitzen, Fig. 2, R und S, noch nicht einmal doppelt so viel Gas, als die entferntesten Spitzen, Fig. 2, A u. 9.

Auf die Schnelligkeit des Anfangens der Gas-Entbindung scheint übrigens dieser Unterschied der Entfernung der Spitzen von einander keinen merklichen Einfluſs zu äuſsern. Wenigstens konnte ich keinen Unterschied finden, ich mochte die Gas-Entbindung durch die einander nächsten, oder durch die von einander entferntesten Spitzen beginnen lassen. In einem, wie in dem andern Falle, er - scheint die Gas-Entbindung gleichzeitig, nicht früher, nicht später.

Bemerkungen über die Communications-Drähte.

Tafel IV u. V, Fig. 2, 4, 7, 8, 9, 10, 11.

Zu Leitungs - oder Communications-Fäden zwischen den Spitzen im Wasserbehälter und den Schluſsstiften bediente ich mich blos messingener, oder kupferner Drähte, weil sie mir nie ihren Dienst versagten, überall zu haben sind, nicht sobald, als die ohne - hin weniger geschmeidigen eisernen oxydirt werden, auch nicht so gar leicht, wie gleich dicke bleyerne zerbrechen oder zerreiſsen. Indessen verdiente es noch genauere Prüfung, ob irgend ein Metall und welches unter den Metallen schneller, als das andere, das elek - trische Agens durch groſse Strecken leite.

Zur Berechnung der Geschwindigkeit, mit welcher sich das elektrische Agens bewegt, reichten freylich meine beschränkten Ver - suche nicht hin, bis jetzt noch einen Unterschied zu bemerken, die Communications-Drähte mochten nur einen, oder mehrere tausend Fuſs Länge haben.

Es409

Es wäre vielleicht für die Theorie der Elektricität höchst in - teressant, durch genaue, ins Groſse gehende Versuche, die Geschwin - digkeit zu bestimmen, mit welcher sich das elektrische Agens durch solche Leitungsdrähte hin bewegt, und wie sich die Geschwindigkeit der Elektricität zur Geschwindigkeit z. B. des Lichtes verhält. Sol - che rein wissenschaftliche Untersuchungen würden aber freylich die Vereinigung mehrerer meiner hochgeachtesten Herren Collegen, so wie vielleicht eigene Kosten erheischen; denn, welche Subtilität zu diesen Untersuchungen erforderlich seyn möchte, erhellt schon daraus, daſs man im eigentlichen Verstande des Blitzes Schnelle zu messen hättek)Es ist mir nicht unbekannt, daſs treffliche Physiker vor mehr, als einem halben Jahrhundert über die Geschwindigkeit der Bewegung der auf die sonst gewöhn - liche Art durch Reibungs-Maschinen erregten Elektricität eigene Versuche an - stellten. Allein nirgends finde ich diese Versuche so weit getrieben, daſs sie zu bestimmten Resultaten führten; denn weder Gray, welcher die Elektricität durch einen Draht von 700 Fuſs leitete; noch Du Fay, welcher sie durch 1256 oder Le Monnier, welcher sie durch 5700 noch Watson, welcher sie durch einen Draht von 12276 Fuſs, d. i., durch mehr als zwey englische Meilen leitete, vermochte, auch mit den besten Uhren, das Zeiträumchen zu bestimmen, welches die Elektricität brauchte, um diese Längen zu durchlaufen. In dem nämlichen Augenblicke, wo diese Männer den elektrischen Funken dem einen Ende des Drahtes mittheilten, schien ihnen auch schon der Schlag am andern Ende desselben zu erfolgen. Watson’s Versuche ergeben wenigstens, daſs sich die Elektricität ohne Vergleich schneller, als der Schall einer losgelassenen Flinte bewegt..

Um meinerseits wenigstens durch einen überzeugenden Ver - such augenscheinlich darzuthun, daſs in Rücksicht des leitenden Drahtes, der Unterschied der Länge zwischen 2 Fuſs und 2000 Fuſs nicht bemerkbar ist (ungeachtet der Verstand die Gewiſsheit giebt, daſs allerdings ein Unterschied Statt haben müsse), so ist hier um einen Glas-Cylinder ein 2248 baier. Fuſs langer Draht ge -wun -52410wunden, welchen die Wirkung der elektrischen Säule durchlaufen muſs, um von der Säule bis zum Alphabete im Wasserbehälter zu gelangen, und zum Beyspiele zu dienen, daſs die Gas-Entbindung, dieser beträchtlichen Länge des Drahtes ungeachtet, eben so schnell zu beginnen scheint, als wenn jene Wirkung sich nur durch zwey Fuſs hin zu erstrecken hätte.

Da ferner es manchem frappanter scheinen sollte, wenn ein solcher 2000 Fuſs langer Draht sich durch mehrere Zimmer und Gänge hin erstreckt, und doch blitzschnell durch ihn die Wirkung erfolgt, so wäre dagegen zu bedenken, daſs ein solcher, um einen Cylinder gewundene Draht den Vortheil gewährt, daſs sich der Mo - ment des Schlieſsens der elektrischen Kette, so wie der Moment des Beginnens der Gas-Entbindung bequem, und leicht auf der Stelle wahrnehmen läſst, ohne eben ein paar genaue astronomische Uhren und mehrere zugleich Beobachtende zu erfordern.

Sowohl um die unmittelbare, alle Wirkung vernichtende Be - rührung, als unvermeidliche Verwirkung von 35 einzeln neben ein - ander liegenden Drähten zu verhüten, zugleich dieselben in den kleinsten Raum zusammen zu bringen, und gerade, wie ein einfa - ches Seil, zu behandeln, und doch zugleich alles Ueberspringen der Elektricität von einem Drahte zum andern zu verhüten, war die Iso - lirung jedes einzelnen Drahtes nothwendig. Diese Isolirung erreicht man durchs Ueberspinnen mit Seide so vollkommen, daſs man so - gar nachgehends dieses aus 35 Drähten bestehende Seil mit einem Firniſs stark überziehen kann, somit vor aller Oxydation aufs dauer - hafteste zu schützen vermag.

Bewunderungswürdig scheint es wahrlich, wie durch ein sol - ches Seil 35 abgesonderte Wirkungen der Elektricität ohne einige Störung erfolgen!

Ja!411

Ja! wie sehr erweckt nicht ein solches Seil das Nachdenken selbst eines Physiologen, wenn er an ihm wahrnimmt ein grob sinn - liches Analogen eines Nervenstranges, dessen einzelne Fäden auf gleiche Weise jeden erhaltenen Empfindungs-Eindruck im Allgemei - nen, so wie den des kleinsten elektrischen Fünkchens im Besondern, isolirt und ungestört bis ins Gehirn fortpflanzen.

Bemerkungen über die Schluſsstäbchen.

Tafel IV und V, Fig. 9, 10, 11 verkleinert; Fig. 5 in vollständiger Gröſse.

Die Schluſsstäbchen sind mit kegelförmigen Kanälchen verse - hen und passen mit den eingeschliffenen gleichfalls kegelförmigen Zäpfchen Fig. 6 und 7 der elektrischen Säule genau zusammen, theils, um dadurch dem Schlieſsen der Kette Genauigkeit und Stä - tigkeit zu verschaffen, theils um durch die beständige Reibung alle Oxydation zwischen den hier zusammenzubringenden Metallen abzu - halten, und die Wirkung unfehlbar zu machen, da es bekannt ist, wie wenig Oxyd an solchen Stellen die elektrische Wirkung zu un - terbrechen vermag.

Man könnte gar leicht an dieser Schluſsstäbchen-Reihe eine Tastatur anbringen, um gerade wie auf einem Claviere durch’s Ein - drücken eines an einem Clavis befestigten Zäpfchens in das Kanäl - chen des Stäbchens die elektrische Kette zu schlieſsen, und mittelst der hierdurch erfolgenden Gas-Entbindung die Buchstaben zu be - zeichnen. Doch müſsten alsdann in jedem Schluſsstäbchen zwey Ka - nälchen gebohrt, und doppelt so viel Zäpfchen als Schluſsstäbchen, d. i., zu den 35 Stäbchen 70 Zäpfchen vorhanden seyn. Der erste (so wie alle übrigen) mittelst einer Feder zurückspringende Clavis könnte das Hydrogen-Zäpfchen für A, der zweyte Clavis das Oxy - gen-Zäpfchen für A, der dritte Clavis das Hydrogen-Zäpfchen für B, so wie der vierte Clavis das Oxygen-Zäpfchen für B u. s. f. in das mit ihm zusammenpassende Kanälchen beym Aufdrücken des Fingers bringen.

52 2Be -
412

Bemerkungen über die elektrische Säule.

Tafel V.

Was die elektrische Säule oder den Elektromotor betrifft, so ist deren Einrichtung und Handhabung so allgemein bekannt, daſs ich nichts zu bemerken wüſste, als daſs zum telegraphischen Gebrauche jede Einrichtung derselben dienlich ist, welche nur eine mehrere Monate lang andauernde Wirkung zusichert. Breit - plattig braucht eine solche Säule wenigstens nicht zu seyn, weil mir mein Gasometer bewies, daſs sechs meiner gewöhnlichen Glieder (deren jedes aus einem Brabanterthaler, Filz, und einem 52 Gran leichtern Zinkscheibchen besteht), schon mehr Gas zu entbinden vermochten, als fünf Glieder der groſsen, sechs und dreyſsig qua - dratzolligen Batterie unserer Akademie.

Allgemeine Bemerkungen über die Vorzüge ei - nes elektrischen Telegraphen vor den bis - her gewöhnlichen.

  • 1) Hängt ein solcher elektrischer Telegraph nicht lediglich vom Tageslichte und vom heiteren Himmel ab, sondern kann be - ständig, Nachts eben so gut, als beym Tage, kurz, in jedem be - liebigen Augenblicke gebraucht werden. In dieser Hinsicht allein leistet er schon doppelt so viel, als ein gewöhnlicher Telegraph, welcher bekanntlich nur bey Tage zu gebrauchen steht.
  • 2) Stört die Wirkung eines elektrischen Telegraphen keine Dämmerung, keine trübe Witterung, kein wolkiger Himmel, kein Nebel, kein Regen, Schnee, Rauch, kein Staub oder Wind. Rech - net man für unsere Gegenden nur 121 oder ein Drittheil des Jah - res für trüb, d. i., für den gewöhnlichen Telegraphen unbrauch - bare Tage, so kann er zusammengenommen mit der vorhin bemerk - ten nächtlichen Anwendung weit mehr, als noch einmal so viel leisten.
3)413
  • 3) Da der elektrische Telegraph nun vollends zwey Buchsta - ben zu gleicher Zeit anzeigt, so leistet er auch hiedurch allein schon wieder doppelt so viel in gleichem Zeitmomente, als der gewöhn - liche.
  • 4) Der gewöhnliche Telegraph beschränkt sich nur auf ge - wisse Entfernungen, müſste also z. B. zwischen Münchenund Augsburgetlichemal die Zeichen wiederholen. Ein elektrischer Telegraph könnte von Münchenaus nach Augsburg, ja von einem Ende des Königreichs bis zum andern, ohne Zwischen-Station berichten.
  • 5) Ist der elektrische Telegraph, wenn man das Communica - tions-Seil Fig. 2, 4, 8 b, 9, 10, 11 c unter der Erde weglaufen läſst, in den Zwischenräumen von einer Station zur andern, mit al - ler seiner Wirkung, verborgen, da hingegen Jedermann die Thätig - keit des gewöhnlichen Telegraphen gewahr wird.
  • 6) Und bey dem allen deutet der elektrische Telegraph die Buchstaben und Zahlen ganz eigentlich, nicht cryptographisch, wie der gewöhnliche, in eigens zu erlernenden Charakteren an.
  • 7) Bedarf der elektrische Telegraph keiner eigenen, hoch liegenden Gebäude, sondern kann in jedes Zimmer, in jedes Bureau geleitet seyn.

Was endlich die Kosten betrifft, so kommt diese, wie man überzeugend sieht, vollkommen brauchbare Vorrichtung, welche ich die Ehre habe, der königl. Akademie vorzuzeigen, bis auf das Com - munications-Seil, keine 30 Gulden zu stehen.

Bloſs das aus 35 Drähten bestehende Communications-Seil nebst seiner Leitung durch gläserne oder thönerne Röhren, würdeallein414allein Kosten verursachen; doch dürfte ein solches, aus 35 über - sponnenen Drähten bestehende Seil, welches die Länge von 22827 pariser Schuh, d. i., von einer deutschen Meile, oder als einfacher Draht die Länge von 788,845 Fuſs hätte, für weniger als 2000 Gul - den sich anschaffen lassen, da er dem höchsten Anschlage zufolge, nach dem nämlich berechnet, was mir das meinige kurze kostete, sich auf die Summe von fl. 2396, kr. 50 1 / 10 beläuft.

XII.

About this transcription

TextÜber einen elektrischen Telegraphen
Author Samuel Thomas von Sömmerring
Extent27 images; 3674 tokens; 1452 types; 25958 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Über einen elektrischen Telegraphen. Samuel Thomas von Sömmerring. . 14 S. München1811. Denkschriften der Königlichen Akademie der Wissenschaften 1809/1810 (Classe der Mathematik und Physik) pp. 401-414.

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BBAW BBAW, Z 3750 (2.1810)

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Antiqua

LanguageGerman
ClassificationFachtext; Technik; Wissenschaft; Technik; core; ready; china

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  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
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ShelfmarkBBAW, Z 3750 (2.1810)
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