PRIMS Full-text transcription (HTML)
Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten
Mit 5 Tafeln Abbildungen.
Leipzig,Verlag von F. C. W. Vogel.1878.

INHALTSVERZEICHNISS.

  • Seite
  • Erklärung der Abbildungen1
  • Vorrede3
  • Einleitung5
  • Jetziger Stand der Kenntnisse über die Beziehungen der Mikro¬ organismen zu den Wundinfectionskrankheiten8
  • 1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten mensch¬ lichen Körper8
  • 2. Experimentell nachgewiesene Beziehungen der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankheiten14
  • 3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen19
  • Beschreibung der Untersuchungsmethode29
  • Künstliche Wundinfectionskrankheiten40
  • 1. Septicämie bei Mäusen40
  • 2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen47
  • 3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen50
  • 4. Pyämie bei Kaninchen54
  • 5. Septicämie bei Kaninchen59
  • 6. Erysipelatöser Process beim Kaninchen62
  • Milzbrand65
  • Schlussfolgerungen69
[1]

Erklärung der Abbildungen.

Sämmtliche Abbildungen sind mit dem Zeichnenprisma möglichst natur¬ getreu grösstentheils mit Benutzung des C. Zeis'schen Oelimmersionssystem 1 / 12 Zoll angefertigt. Zur Bestimmung der Vergrösserung diente ein in der¬ selben Entfernung gezeichnetes Objectiv-Mikrometer.

  • Fig. 1. Blut einer septicämischen Maus, am Deckglas eingetrocknet, mit Methylviolett gefärbt, in Canadabalsam eingelegt. Rothe Blutkörperchen und dazwischen kleine Bacillen. Vergrösserung 700.
  • Fig. 2. Weisse Blutkörperchen aus der Zwerchfellvene einer septicämischen Maus. Uebergänge von solchen Blutkörperchen, die wenige Bacillen ent¬ halten, bis zu solchen, die in einen von Bacillen gebildeten Haufen ver¬ wandelt sind. Vergrösserung 700.
  • Fig. 3. Zwerchfellvene einer septicämischen Maus.
    • a. Kerne der Gefässwand,
    • b. Septicämiebacillen,
    • c. in Bacillenhaufen verwandelte weisse Blutkörperchen,
    • d. in die Vene einmündende Capillargefässe. Vergrösserung 700.
  • Fig. 4. Blut einer milzbrandigen Maus. Rothe Blutkörperchen und Milz¬ brandbacillen. Das zugehörige Präparat ist in derselben Weise hergestellt, wie das in Fig. 1 gezeichnete. Die Gliederung der Bacillen ist zu stark angegeben. Vergrösserung 700.
  • Fig. 5. Längsschnitt vom Ohr einer Maus. Progressive Gewebsnekrose.
    • a. Normaler Knorpel und zu beiden Seiten normales Gewebe,
    • b. Demarcationslinie, Ansammlung von Kernen,
    • c. kernloser, nekrotischer Theil des Ohrs,
    • d. Gefässquerschnitte mit Mikrokokken angefüllt. Vergrösserung 25.
  • Fig. 6. Ein Theil des Knorpels und des anliegenden Gewebes aus Fig. 5 in der Nähe von c bei 700 Vergrösserung.
  • a. Nekrotische Knorpelzellen,
  • b. kettenförmige Mikrokokken in Haufen,
  • c. dieselben einzeln.
  • Koch, Wundinfectionskrankheiten. 12
  • Erklärung der Abbildungen. Fig. 7. Randzone vom käsigen Abscess eines Kaninchens. Untere Fläche.
    • a. Kernanhäufung am äusseren Rande des Abscesses,
    • b. Zooglöa, aus sehr kleinen Mikrokokken bestehend (dieselben sind theil¬ weise, namentlich im Innern der Zooglöa zu gross gezeichnet),
    • c. Zooglöa, theilweise absterbend,
    • d. abgestorbene Zooglöa,
    • e. Kerndetritus. Vergrösserung 700.
  • Fig. 8. Randzone vom käsigen Abscess eines Kaninchens. Seitentheil.
    • a. Wolkenförmige Zooglöamassen,
    • b. und c. kleinere, d. kleinste Mikrokokkencolonien,
    • e. Kernanhäufung in der Nähe der Zooglöa,
    • f. zerfallene Kerne,
    • g. abgestorbener Theil der Zooglöa. Vergrösserung 700.
  • Fig. 9. Gefäss aus der Rindensubstanz der Niere von einem pyämischen Kaninchen.
    • a. Kerne der Gefässwand,
    • b. kleine Gruppe von Mikrokokken zwischen Blutkörperchen,
    • c. dichter wandständiger Haufen von Mikrokokken, Blutkörperchen ein¬ schliessend,
    • d. Doppelmikrokokken am Rande des grossen Haufens. Vergrösserung 700.
  • Fig. 10. Glomerulus von einem septicämischen Kaninchen.
    • a. Capillarschlinge mit membranartig ausgebreiteten ovalen Mikrokokken,
    • b. den Wandungen eines Capillargefässes zu beiden Seiten angelagerte Mikrokokken,
    • c. mit Mikrokokken vollständig ausgefüllte Schlinge,
    • d. einzelne Mikrokokken in einem neben dem Glomerulus gelegenen Capillargefäss. Vergrösserung 700.
  • Fig. 11. Capillargefäss aus der Dünndarmschleimhaut eines septicämischen Kaninchens.
    • a. Kerne der Gefässwand,
    • b. ovale Mikrokokken. Vergrösserung 700.
  • Fig. 12. Flächenschnitt vom Ohr eines Kaninchens. Erysipelas ähnlicher Krankheitsprocess.
    • a. Knäulförmige Anhäufungen von Bacillen,
    • b. Kernanhäufungen oberhalb der Bacillenschicht,
    • c. Kern von platten dem Knorpel angehörigen Zellen unterhalb der Bacillenschicht,
    • d. parallel angeordnete Bacillen. Vergrösserung 700.
  • Fig. 13. Darmzotte vom Kaninchen. Milzbrand. Isolirte Färbung.
  • Vergrösserung 250.
  • Fig. 14. Ein Theil des Gefässnetzes derselben. Darmzotte bei 700 Vergrösserung.
[3]

VORREDE.

Die vorliegende Arbeit gehört einer Reihe von Untersuchungen an, die ich über die Aetiologie der Infectionskrankheiten bereits angestellt habe und in Zukunft noch weiter auszuführen gedenke. Die gestellte Aufgabe war: Aufklärung darüber zu gewinnen, ob die Wundinfectionskrankheiten parasitären Ursprungs sind oder nicht. Durch äussere Verhältnisse gezwungen musste ich mich indessen lediglich auf Experimente über die Wirkung putrider Stoffe an Thieren beschränken. Diese haben mich zu positiven und, wie mir scheint, nicht unwichtigen Ergebnissen geführt und es wäre zur vollständigen Beantwortung der gestellten Frage nun durchaus nothwendig gewesen, weitere ähnliche Versuchsreihen an Thieren mit solchen Stoffen vorzunehmen, welche an Wundin¬ fectionskrankheiten leidenden oder gestorbenen Menschen entnom¬ men wurden, und was mir das Wichtigste zu sein scheint, nach der bei meinen Versuchen bewährt gefundenen Methode die frag¬ lichen Mikroorganismen in menschlichem pathologischen Material aufzusuchen.

Da mir jedoch die Gelegenheit, nach dieser Richtung hin meine Untersuchungen zu vervollkommnen, fehlt, so habe ich mich damit begnügt, experimentell an Thieren Krankheitsprocesse zu erzeugen, welche den beim Menschen beobachteten Wundinfections¬ krankheiten ähnlich sind und als Beispiele für diese dienen können.

Nachdem es mir dann gelungen ist, diese Sammlung von künstlichen Krankheitsprocessen so weit zu vervollständigen, dass ich für die wichtigsten Wundinfectionskrankheiten, nämlich für Septicämie, Pyämie, progressive Eiterung, Gangrän und Erysipelas Beispiele aufweisen kann, so glaube ich meine Aufgabe, soweit sie sich nur an Thieren ausführen lässt, gelöst zu haben und es1*4Vorrede. scheint mir deswegen nothwendig, die bis jetzt gewonnenen Re¬ sultate zu veröffentlichen.

In Betreff der dieser Schrift beigegebenen Abbildungen habe ich hier noch eine Bemerkung zu machen. In einem Aufsatze über Untersuchung und Photographiren der Bakterien (Beiträge zur Biologie der Pflanzen, herausgegeben von F. Cohn II. Bd. 3. Heft) hatte ich den Wunsch ausgesprochen, dass, um möglichst naturgetreue Abbildungen der pathogenen Bakterien zu erhalten, dieselben photographirt werden möchten. Um so mehr fühlte ich die Verpflichtung, die bei den Wundinfectionskrankheiten in thierischen Geweben aufgefundenen Bakterien photographisch ab¬ zubilden und habe es an Mühe, dieser Pflicht nachzukommen, auch nicht fehlen lassen. Die kleinsten und gerade die am meisten in¬ teressirenden Bakterien lassen sich jedoch nur durch Färbung und Benutzung ihres Farbenbildes in thierischen Geweben sichtbar machen und es hat in diesem Falle die photographische Aufnahme mit denselben Schwierigkeiten zu thun, wie bei der Photographie makroskopischer gefärbter Objekte z. B. eines farbigen Tapeten¬ musters. Bekanntlich hat man diese Aufgabe mit Hülfe gefärbter Collodien gelöst. Dies veranlasste mich, dasselbe Verfahren zum Photographiren der gefärbten Bakterien zu verwenden und es ist mir in der That gelungen, mit Eosincollodium und Abblendung einzelner Theile des Spektrums durch farbige Gläser Bilder von mit blauer und rother Anilinfarbe gefärbten Bakterien zu erhalten. Doch ist eine so lange Belichtungszeit erforderlich, dass störende Erschütterungen des Apparates gar nicht zu vermeiden sind und deswegen das Bild der genügenden Schärfe entbehrt, um es nicht allein als Ersatz für eine Zeichnung, sondern auch als Beweismittel für das Gesehene benutzen zu können. Vorläufig musste ich da¬ her auf die Veröffentlichung photographischer Abbildungen ver¬ zichten, hoffe aber noch später, wenn verbesserte Methoden eine kürzere Exposition gestatten, diesen Mangel ersetzen zu können.

[5]

EINLEITUNG.

Als Wundinfectionskrankheiten bezeichnet man heutzutage eine Gruppe von Krankheiten die man früher perniciöses Wundfieber, purulente Infection, putride Infection, Septicämie, Pyämie nannte oder auch, als sich die Ansicht geltend machte, dass verschiedene ähnliche Krankheiten hierhin gehören, unter dem Ausdruck py¬ ämische oder septicämische Processe zusammenfasste.

Streng genommen müsste man dazu alle diejenigen Krank¬ heiten rechnen, welche eine Folge von Verwundungen, selbst der kleinsten, z. B. Stichen einer Impfnadel sind und deren An¬ steckungsfähigkeit durch klinische Beobachtung oder durch das Experiment mit Sicherheit erwiesen ist. Beispielsweise würden also die geimpften Kuhpocken, Milzbrand, Rotz, die Hundswuth, selbst die Syphilis zu den Wundinfectionskrankheiten gezählt wer¬ den müssen. So weit dehnt man diese Bezeichnung jedoch nicht aus und lässt sie gewöhnlich nur für die den Chirurgen speciell interessirenden Krankheitsprocesse, welche Verletzungen und Ope¬ rationswunden zu compliciren pflegen, also für Septicämie, Pyämie, progressive Eiterung oder Phlegmone und Erysipelas gelten. In neuerer Zeit ist man immer mehr zu der Ueberzeugung gekom¬ men, dass auch das Puerperalfieber als eine von der Placentar¬ wundstelle oder von Verletzungen der Geburtswege ausgehende infectiöse Wundkrankheit anzusehen ist. Ferner wird von den meisten Autoren die Diphtheritis, weil sie sich gelegentlich zu Verletzungen gesellt und ihre Uebertragbarkeit durch Impfungen vielfach erwiesen ist, hierher gerechnet.

Bei den Erörterungen, welche ich dem experimentellen Theil dieser Arbeit vorauszuschicken habe, werde ich mich gleichfalls auf die zuletzt genannten Krankheitsprocesse beschränken, im zweiten Abschnitte dagegen insofern von der üblichen Abgrenzung6Einleitung. der Wundinfectionskrankheiten abweichen, dass ich auch den Milz¬ brand wegen seiner vielfachen Beziehungen zu der experimentell bei Thieren erzeugten Septicämie berücksichtigen werde.

Die Ausdrücke Pyämie sowohl als auch Septicämie werden vielfach in verschiedenem Sinne gebraucht und es ist deswegen nothwendig, dasjenige, was ich mit diesen allgemein gebräuch¬ lichen Namen bezeichnen werde, zu präcisiren.

Lange Zeit unterschied man die Pyämie von der Septicämie dadurch, dass bei der ersteren Metastasen vorkommen und bei der letzteren fehlen. Als man aber darauf aufmerksam wurde, dass auch in solchen Fällen, die man früher als zur Septicämie gehörig bezeichnet hatte, vereinzelte mikroskopische Metastasen nicht selten gefunden werden und deswegen eine sichere Unter¬ scheidung der beiden Processe nicht möglich ist, haben einige Autoren es vorgezogen, die durch Aufnahme des gelösten putriden Giftes veranlasste Krankheit Septicämie, alle übrigen, namentlich die mit der Entwicklung von Mikroorganismen verbundenen Krank¬ heitsprocesse pyämische Processe zu nennen.

In diesem Sinne unterscheidet beispielsweise Birch-Hirsch¬ feld1)Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig, Vogel, 1876. p. 1224. Pyämie und Septicämie. Er versteht unter Septicämie eine Krankheit hervorgerufen durch Blutveränderungen, die eine Folge der Aufnahme von Fäulnissproducten sind. Die Pyämie charakterisirt er dagegen als eine wahrscheinlich durch specifische Organismen hervorgerufene und von der fauligen Infection unter¬ schiedene Allgemeininfection, welche von Wundflächen oder den Herden primärer eiteriger Entzündung ausgeht. Auch Cohn¬ heim2)Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. S. 469. identificirt die Septicämie mit der putriden Intoxication und leitet sie von dem Hineingelangen eines gelösten exquisit putriden Giftes in die Säftemasse des Körpers ab. Davaine da¬ gegen, dessen Arbeiten ich später mehrfach zu erwähnen habe, hält sich an die ältere Unterscheidung von Pyämie und Septi¬ cämie und rechnet zu letzterer alle die Fälle, bei denen die Leichenuntersuchung keine Metastasen nachweist, obwohl er die Mitwirkung specifischer Organismen auch für diese Fälle für er¬ wiesen hält.

Die Namen Pyämie und Septicämie entsprechen beide nicht mehr dem, was man ursprünglich damit bezeichnet hat; denn die7Einleitung. Pyämie entsteht nicht, wie man es früher glaubte, durch Ein¬ dringen von Eiter in die Blutgefässe und die Septicämie ist keine Fäulniss des lebenden Blutes. Es sind schliesslich nur noch Sammelnamen geblieben für eine Anzahl von Symptomen, welche höchst wahrscheinlich einer Reihe von verschiedenen Krankheiten angehören. So lange diese nicht genügend von einander geson¬ dert sind, ist es wohl das zweckmässigste, diese Namen vorläufig in der allgemein gebräuchlich gewordenen Weise gelten zu lassen, um nicht immer wieder in kurzen Zeiträumen zu neuen Definitio¬ nen gezwungen zu sein.

Aus diesem Grunde werde ich im Nachfolgenden unter der Bezeichnung Septicämie alle diejenigen Fälle von allgemeiner Wundinfection zusammenfassen, bei denen keine metastatischen Veränderungen vorkommen und zur Pyämie die mit Metastasen verlaufenden rechnen.

[8]

Jetziger Stand der Kenntnisse über die Beziehungen der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankheiten.

1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschlichen Körper.

Die erste Mittheilung über das Vorkommen von Bakterien in den Organen der an Wundinfectionskrankheiten Gestorbenen machte Rindfleisch im Jahre 1866. 1)Lehrbuch der pathologischen Gewebelehre. 1. Aufl. S. 204. (4. Aufl. S. 199.)In kleinen, stecknadelkopfgrossen Erweichungsherden, welche gelegentlich bei Pyämie, puerperalen und ähnlichen Infectionen und dann immer in grösserer Anzahl im Herzfleisch gefunden werden und die ursprünglich grauweisse Stellen im Muskelfleisch, später mit dünnflüssigem Brei gefüllte Höhlen bilden, besteht dieser Inhalt, wie Rindfleisch nachge¬ wiesen hat, nicht aus Eiterkörperchen, sondern allein aus Vibrio¬ nen . Dieselben liegen dicht gedrängt anfangs zwischen den Mus¬ kelbündeln, dann dringen sie unter gleichzeitiger Auflösung der Muskelfaser in das Innere derselben ein. Weiter als bis zur Bil¬ dung kleiner abscessähnlicher Erweichungsherde konnte Rind¬ fleisch die Veränderungen nicht verfolgen, weil die ganze Affec¬ tion nur bei den heftigsten, rasch tödtlich endigenden Formen jener Infectionskrankheiten vorkommt. Eine Beschreibung der von ihm Vibrionen genannten Organismen, insbesondere ob sie stäb¬ chen - oder kugelförmig und wie gross sie waren, hat Rindfleisch nicht gegeben.

Dass die Entwicklung der auch in anderen Organen vorkom¬ menden miliaren Eiterherde, wie sie bei Typhus, Pyämie u. s. w. 91. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper. gefunden werden, durch parasitäre Organismen, nämlich Bakterien bedingt wird, haben fast gleichzeitig v. Recklinghausen und Waldeyer nachgewiesen. v. Recklinghausen1)Vortrag in der Würzb. physik. -med. Ges. 10. Juni 1871 (citirt nach Birch-Hirschfeld, Med. Jahrbb. Bd. 155. Heft 1). bezeichnet die in den kleinsten Nierenvenen, Glomeruli, Harnkanälchen, Lungen¬ alveolen gefundenen Organismen als Mikrokokken, die durch ihr gleichmässiges Korn und Unveränderlichkeit in Glycerin, Essig¬ säure, Natronlauge u. s. w. von Detritus zu unterscheiden sind. Ausserdem macht er auf die bräunliche Farbe im Centrum des Herdes aufmerksam, sowie dass die Harnkanälchen und Gefässe in denen die Mikrokokken lagen, stark knotig aufgetrieben waren.

Waldeyer bestätigte die Angabe von Rindfleisch über das Auftreten zahlreicher miliarer Bakterienherde im Herzmuskel Py¬ ämischer und fand ausserdem Bakterien in kleinen abscessähn¬ lichen Herden in den Nieren.

Diese ersten Beobachtungen lenkten die Aufmerksamkeit auf die bis dahin übersehenen oder nicht beachteten Bakterien in den metastatischen Herden Pyämischer. Sie wurden durch vielfache ähnliche Befunde bestätigt und erweitert, und es kann als eine feststehende Thatsache betrachtet werden, dass in den meisten Fällen von pyämischen Metastasen bei einer einigermaassen sorg¬ fältigen Untersuchung Bakterien in Form der sogenannten Zooglöa aufzufinden sind. Etwas wesentlich Neues ist indessen zu den ursprünglichen Beobachtungen von Rindfleisch, v. Reckling¬ hausen und Waldeyer durch spätere Untersuchungen mit Aus¬ nahme einiger gleich zu erwähnender nicht hinzugefügt und es ist deswegen unnöthig die zahlreichen hierher gehörigen Angaben speciell anzuführen.

Erwähnenswerth ist, dass P. Vogt2)Centralblatt für die medicin. Wissenschaft. 1872. Nr. 44. im metastatischen Eiter¬ herd eines Pyämischen schon während des Lebens bewegliche Monaden gesehen bat. Sehr nahe liegend war es, den Wund¬ eiter einer Untersuchung zu unterwerfen, um zu erfahren ob die in den metastatischen Herden gefundenen Bakterien sich im Eiter der inficirten Wunden ansammeln und von da aus in die Gewebe eindringen. Derartige umfassende Untersuchungen sind von Birch - Hirschfeld3)Untersuchungen über Pyämie. Leipzig 1873. angestellt. Er kam zu dem Resultat, dass die10Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. schlechte Beschaffenheit einer Wunde im Verhältniss zur Menge der Kugelbakterien im Wundeiter steht. Je reichlicher dieselben auftraten, um so mehr verschlechterte sich der Zustand der Wunde und das Allgemeinbefinden des Kranken. Die ungünstigsten Fälle waren die, bei welchen die Kugelbakterien sich in Colonieform (Zooglöa) verbunden hatten. Mit der Zunahme der Kugelbakte¬ rien konnte auch regelmässig ihr Eindringen in die Eiterkörper¬ chen beobachtet werden. Birch-Hirschfeld untersuchte gleich¬ zeitig das Blut Pyämischer und fand die wichtige Thatsache, dass dasselbe Bakterien enthält und dass die Schwere und der rasche Verlauf der Allgemeininfection der Menge von Bakterien entspricht, welche im Blute nachzuweisen sind.

Der Weg, auf dem die Bakterien in die metastatischen Herde gelangen, wäre damit ziemlich genau bezeichnet. Nur die Art und Weise, wie sie von der Wundoberfläche in die Blutbahn kommen, würde noch nicht bekannt sein. Diese Lücke füllen die Untersuchungen von Klebs aus. Aber nicht allein dieses Umstandes wegen muss die Arbeit von Klebs1)Beiträge zur patholog. Anatomie der Schusswunden. Leipzig, Vogel, 1872. hier erwähnt werden, sondern weil sie die eingehendsten und zahlreichsten Be¬ obachtungen über die Bakterien der Wundkrankheiten bietet und weil durch dieselbe zum ersten Mal der Versuch gemacht ist, mit Hülfe eines reichhaltigen und vortrefflich benutzten Beobachtungs¬ materials den ursächlichen Zusammenhang zwischen Bakterien und Wundinfectionskrankheiten zu beweisen. Klebs bezeichnet die im Wundeiter vorkommenden Bakterien, indem er von der Ansicht ausgeht, dass kugel - und stäbchenförmige Bakterien in genetischem Zusammenhange stehen und auch die im Eiter gewöhnlich neben einander gefundenen Mikrokokken und Stäbchenbakterien zusam¬ mengehören, als Microsporon septicum. Die Wucherungen dieses Microsporon septicum in Form von auf der Wundfläche festsitzen¬ den Zooglöamassen wurden auf Granulationen, Gelenkflächen und serösen Häuten von Klebs beobachtet. Er konnte dann weiter das Eindringen der Zooglöa in die Spalten des Bindegewebes ver¬ folgen. Dasselbe geschieht entweder mit oder ohne Hülfe der wandernden Lymphzellen. Die Verschleppung des Mikrosporon auf dem Wege der Lymphbahnen liess sich nicht mit voller Sicher¬ heit verfolgen, dagegen wurde das Eindringen desselben durch die arrodirte Wandung einer Vene in die Blutbahn in einem Falle111. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper. beobachtet. Weiter wurden die Elemente des Mikrosporon von Klebs in den Thromben, welche sich hinter den Venenklappen entwickeln, in den metastatischen Herden der Lunge und der Leber nachgewiesen.

So zahlreich und bedeutungsvoll die Thatsachen sind, die bis jetzt über die Abhängigkeit der Pyämie von der Entwicklung der Bakterien in den erkrankten Körpertheilen gesammelt wurden, so spärlich und unsicher sind die Angaben über das Vorkommen von Bakterien bei Septicämie.

Coze und Feltz sowohl als Hueter1)Vgl. Birch-Hirschfeld: Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Leipzig 1876. S. 469 und Med. Jahrbb. Bd. 166. S. 184. wollten die septi¬ cämischen Erkrankungen häufig gesehene stachelförmige Gestalt¬ veränderung der rothen Blutkörperchen auf das Ankleben und Eindringen von Bakterien zurückführen; eine Beobachtung die viel¬ fach und wohl mit Recht angezweifelt ist.

Ausser dieser habe ich nur noch eine Angabe von Collmann von Schatteburg2)Virchow und Hirsch: Jahresbericht f. d. Jahr 1875. I. S. 369. über Bakterien im septikämischen Blute auffinden können. Derselbe sah in einem Falle von Septicämie Stäbchen im Körperblut und in den Gefässschlingen der Glo¬ meruli.

Erheblich reichhaltigeres Material liegt über Erysipelas vor.

Nepveu3)Virchow und Hirsch: Jahresbericht f. d. Jahr 1872. I. S. 254. fand im Blute Erysipelatöser Mikrokokken und zwar reichlicher in den Blutproben, die aus den von dem Erysipel er¬ griffenen Hautpartien stammten.

Dieselbe Erfahrung machte Wilde4)Med. Jahrbb. Bd. 155. Heft 1. S. 104., der ausserdem angibt, dass auch der Eiter solcher Wunden, von welchen erysipelatöse Entzündung ausgeht, reichlich Mikrokokken enthält. Von Orth5)Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. I. S. 81. wurden dann Mikrokokken im Inhalt der Erysipelasblasen nach¬ gewiesen.

Besonders wichtig ist die Entdeckung von v. Recklinghausen und Lukomsky6)Virchow's Archiv. Bd. LX. Heft 3 u. 4. S. 418., dass die Lymphgefässe und Saftkanäle der Haut an der Grenze der erysipelatösen Affection mit Mikrokokken ge¬ füllt sind.

Bestätigt wurde diese Beobachtung von Billroth und Ehr¬12Jetziger Stand u.s.w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. lich1)v. Langenbeck's Archiv. Bd. XX. S. 418., die ebenfalls Mikrokokken aber nicht nur in den Lymph -, sondern auch in den Blutgefässen auffanden.

Ferner sind Mikrokokken in erysipelatöser Haut von Till¬ manns2)Deutsche medicin. Wochenschr. 1878. Nr. 17. S. 224. gesehen, sowie von Letzerich3)Virchow und Hirsch: Jahresbericht f. d. Jahr 1875. S. 69. bei Impferysipel in den Impfwunden, in den Blutgefässen, Muskeln, Leber, Milz und Nieren.

In Bezug auf phlegmonöse Eiterungen haben sich die Unter¬ suchungen anscheinend nur auf den Inhalt der Abscesse beschränkt, während die Wandungen der letzteren, d. h. das angrenzende Ge¬ webe, das wie später gezeigt werden soll, der eigentliche Sitz der Bakterienwucherungen ist, bis jetzt keine Berücksichtigung gefunden hat. In dem Abscesseiter hat man ebenso wie im ge¬ wöhnlichen Wundeiter vielfach Bakterien und zwar fast immer Mikrokokken gefunden. Einer besonderen Aufzählung der darüber gemachten Angaben bedarf es deswegen nicht.

Der Hospitalbrand unterscheidet sich von der Diphtheritis der Schleimhäute so wenig, dass die über letztere gemachten Beob¬ achtungen auch für ersteren gelten können.

Nach Cohnheim4)l. c. S. 482. setzt sich bei Tracheotomien zuweilen der Infectionsprocess von der Schleimhaut auf die Operationswunde fort. Aber auch ohne augenfällige Infection werden Wunden öfters diphtheritisch und nach Cohnheim's Meinung ist es des¬ wegen sehr wahrscheinlich, dass der Hospitalbrand weiter nichts als eine Diphtherie der Wundflächen ist.

Hueter5)Steudener: Volkmann's klinische Vorträge. Nr. 38. S. 24. fand auch in den grauen diphtheritischen Belägen von Wunden und bei genauerer Untersuchung in den angrenzenden anscheinend noch ganz gesunden Geweben dieselben kleinen, run¬ den, dunkel contourirten Körperchen, die er später in den Pseudo¬ membranen bei Diphtheritis des Larynx und Pharynx sah.

Durch die Arbeiten von Oertel, Nassiloff, Classen, Letze¬ rich, Klebs, Eberth6)Vgl. Birch-Hirschfeld: Lehrb. d. pathol. Anatomie. S. 799. ist es wohl ausser Zweifel gestellt, dass in den diphtheritischen Auflagerungen grosse Mengen von Mikro¬ kokken vorhanden sind. Darüber jedoch, ob die Bakterien in die Gewebe eindringen, lauten die Angaben noch widersprechend.

131. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper.

Oertel1)Steudener l. c. S. 24. fand indessen die entzündete Schleimhaut vollge¬ pfropft mit Mikrokokken und konnte sie ausserdem in den zu¬ führenden Lymphgefässen der nächstgelegenen Lymphdrüsen, in den Drüsen selbst, sowie in den Blutgefässen der Nieren und an¬ derer innerer Organe nachweisen.

Dieselbe Beobachtung wurde von Eberth, Nassiloff und Letzerich gemacht.

Später ist es noch wiederholt bestätigt2)Cohnheim l. c. S. 480., dass bei Diphtheritis kleine Bakterienherde im Herzfleisch, in der Leber, den Nieren und andern Organen sich finden.

Von verschiedenen Beobachtern3)Birch-Hirschfeld l. c. S. 799., namentlich denjenigen, welche die Diphtheritis auf die Kaninchencornea überimpften, wird die bräunliche Färbung der Mikrokokkenmassen erwähnt.

Vergleicht man das Verhalten der Bakterien bei Diphtheritis und bei Pyämie, dann fällt sofort eine merkwürdige Ueberein¬ stimmung auf. Bei beiden Krankheitsprocessen sind die Wund¬ flächen mit Mikrokokken-Anhäufungen bedeckt, die in die tieferen Gewebsschichten und Lymphgefässe hineinwuchern, bei beiden finden sich die eigenthümlichen miliaren Bakterienherde im Herz¬ fleisch, Leber, Nieren und zeigen diese Bakterienhaufen eine bräun¬ liche Farbe. Unwillkürlich drängt sich bei diesem Ergebniss die Frage auf, ob nicht die parasitischen Mikroorganismen der Pyämie und der Diphtheritis identisch sind?

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Puerperalfieber, bei welcher Krankheit Waldeyer4)Archiv f. Gynäkologie. II. Bd. 1871. Kugelbakterien in den er¬ krankten Geweben, in den Lymphgefässen und im peritonitischen Exsudat, ferner Birch-Hirschfeld5)Med. Jahrbb. Bd. 155. S. 105. Mikrokokkenmassen auf Va¬ ginalgeschwüren[,] im perivaginalen Zellgewebe, im Blute, in der Milz und Leber aufgefunden haben. In den Nieren, Lungen und im Herzmuskel wurden die Mikrokokken von Heiberg und Orth6)Ebendas. Bd. 166. S. 188. nachgewiesen und es erwähnt letzterer die graugelbliche Farbe der in den knotig aufgetriebenen Harnkanälchen liegenden Mikro¬ kokken.

Als zum Puerperalfieber wahrscheinlich in naher Beziehung14Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. stehend sei hier noch die zuerst von Orth1)Archiv d. Heilk. 1872. XIII. S. 265. als Mycosis septica bezeichnete und beschriebene Affection der Neugebornen erwähnt, bei der Mikrokokken im Blute, in der Pleurahöhle und in der Harnblase in einem Falle beobachtet wurden.

Auch die sogenannte Nabelmykose der Neugebornen scheint hierher zu gehören. Weigert2)[Jahresber.] d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur. Jahrgang 1875. S. 229. beschreibt einen derartigen Fall und berichtet, dass das Nabelgeschwür mit Mikrokokken bedeckt war und dass ausserdem Mikrokokkenhaufen im Centrum von kleinen Blutherden der Lungen und Nieren lagen.

Einen analogen Fall hat Hennig 3) untersucht und ist zu dem¬ selben Resultat gekommen.

Weniger aufgeklärt scheint die höchst interessante Beobach¬ tung über das Auftreten von Bakterien bei Endocarditis zu sein.

Sämmtliche Forscher, die sich mit der Aufgabe, Bakterien in pathologischen Objekten aufzusuchen beschäftigt haben, stimmen darin überein, dass dies mit ganz ausserordentlichen, oft selbst unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft ist. Um die daraus resultirende Unsicherheit des anatomischen Nachweises der Bak¬ terien durch andere beweisende Thatsachen auszugleichen, hat man in den meisten Fällen das pathologische Experiment zu Hülfe genommen und um einen vollständigen Ueberblick über das that¬ sächliche die Beziehungen der Bakterien zu den Wundinfections¬ krankheiten betreffende Material zu erhalten, bedarf es noch einer kurzen Zusammenstellung der Ergebnisse der experimentellen Un¬ tersuchungen über Wundinfectionskrankheiten.

2. Experimentell nachgewiesene Beziehungen der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankheiten.

Die Erfahrung hatte gelehrt, dass mit dem Auftreten der Wundinfectionskrankheiten die Wundsecretion und die Gewebssäfte eine faulige Beschaffenheit annehmen. Oft stellte sich die Ver¬ änderung der Wunden schon vor dem bemerkbaren Ausbruch der Krankheit ein und man schloss hieraus, dass die Fäulniss des Wundsecretes die Ursache der Wundkrankheit sei. Von anderer Seite wurde die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung bestritten und dagegen behauptet, dass innere Ursachen die Wundinfectionskrank¬152. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf. heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬ ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬ stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen, in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬ schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬ mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬ keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬ krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war.

Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben, so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬ lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist, unberücksichtigt bleiben.

Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei Thieren hervorzurufen ist von Coze und Feltz1)Virchow und Hirsch: Jahresbericht für 1866. I. S. 195. angestellt. Diese Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬ stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬ heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬ lichen putriden Blute bewirkt. Coze und Feltz setzten diese16Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Uebertragung von Blut eines an putrider Infection gestorbenen Thieres auf ein gesundes in immer kleineren Quantitäten fort und es gelang ihnen, die Infection schliesslich mit sehr geringen Blut¬ mengen zu bewerkstelligen. Dies veranlasste sie, eine Steigerung in der Virulenz dieses Blutes durch die fortgesetzte Impfung an¬ zunehmen. Im Blute der an putrider Infection gestorbenen Thiere fanden sie Bakterien in grosser Zahl und zwar geben sie an, gleichzeitig Ketten von kleinen Pünktchen gebildet, Stäbchen und lange oscillirende und wurmförmig sich bewegende Fäden gesehen zu haben.

Die Entdeckung von der steigenden Virulenz der successive verimpften putriden Infection bei Thieren erregte das lebhafteste Interesse.

Die Coze und Feltz'schen Experimente wurden von Clementi und Thin, von Behier und Lionville1)Richter: Die neueren Kenntnisse der krankmachenden Schmarotzer¬ pilze. Separatabdr. aus d. med. Jahrbb. wiederholt und bestätigt. Auch diese überzeugten sich, dass zur ersten Infection eine ver¬ hältnissmässig grosse und zu der folgenden Infection ausserordent¬ lich geringe Mengen des inficirenden Stoffes, sei es Blut, Perito¬ nealflüssigkeit oder dergleichen, erforderlich ist und dass im Blute der durch die Infection getödteten Thiere zahlreiche Bakterien sich befinden.

Zu gleichen Resultaten kamen noch Colin, Vulpian, Ray¬ naud und Andere. 2)Med. Jahrbb. Bd. 166. S. 174.

Am eingehendsten hat sich mit diesem Verhältnisse Davaine3)Ebendas. beschäftigt, welcher die Infection durch eine Reihe von 25 Thieren successive durchführte und zu der letzten wirksamen Uebertragung des putriden Infectionsstoffes nur noch einen Trilliontheil eines Bluttropfens anwandte. Auch Davaine sah im Blute dieser Thiere Bakterien, die sich durch ihre Beweglichkeit von den unbeweg¬ lichen, von ihm deswegen Bakteridien genannten, Milzbrandbak¬ terien unterscheiden.

Obwohl die verschiedensten Flüssigkeiten bei diesen Ver¬ suchen zur ersten Infection benutzt wurden, nämlich faulendes Blut, Blut von Pyämischen, Puerperalkranken, Scharlach -, Variola - und Typhuskranken, so blieben die damit erzielten Wirkungen172. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf. immer die nämlichen und die Leichenuntersuchung der Thiere er¬ gab immer als Resultat: Milzanschwellung, keine Metastasen, Bak¬ terien im Blut. Davaine bezeichnet diese Krankheit deswegen als Septicämie.

Von anderen Wundinfectionskrankheiten hat man Diphtheritis und Erysipelas künstlich an Thieren erzeugt.

Die Versuche mit Uebertragung von Erysipelas sind von Orth1)Birch-Hirschfeld: Lehrb. d. pathol. Anat. S. 608. angestellt. Er injicirte den Inhalt einer Erysipelblase, der zahl¬ reiche Kugelbakterien enthielt unter die Haut eines Kaninchens. Es entstand eine dem menschlichen Erysipelas vollkommen analoge Entzündung und durch Application der Oedemflüssigkeit aus dem subcutanen Gewebe dieses Thieres bei einem zweiten Kaninchen wurde die charakteristisch verlaufende Entzündung auch auf dieses letztere übertragen. Im subcutanen Oedem und in den afficirten Hautstellen der an künstlichem Erysipelas erkrankten Thiere wies Orth ebenfalls Bakterien in grosser Menge nach.

Auch Lukomsky (l. c.) hat an Kaninchen mit Erysipelflüssig¬ keit und Faulflüssigkeiten experimentirt, um Erysipelas künstlich hervorzurufen. Er erhielt indessen bei seinen Versuchsthieren aus¬ gedehnte, stark phlegmonöse Unterhautgewebsentzündungen mit bedeutender Betheiligung der Cutis. Aber auch in seinen Fällen fanden sich in den Saftkanälen und Lymphgefässen Mikrokokken.

Die Uebertragbarkeit des diphtheritischen Krankheitsprocesses auf Kaninchen ist durch Hueter, Tommasi, Oertel, Letzerich (l. c.) festgestellt, sowie dass bei der künstlichen Diphtheritis die¬ selben Mikrokokken und in derselben Weise auftreten, wie bei der klinisch beobachteten Diphtheritis.

Die Untersuchungen über Diphtheritis führten zu einem ausser¬ ordentlich wichtigen und für das Studium der pathogenen Bakte¬ rien lehrreichen Versuch, nämlich die durchsichtige Hornhaut des Kaninchens als Impfstelle zu benutzen.

Nassiloff2)Virchow's Archiv. Bd. 50. S. 550. und Eberth3)Eberth: Bacterische Mykosen. Leipzig 1872. führten diese Hornhautimpfungen zuerst aus. Anfangs wurden[nur] diphtheritische Substanzen ge¬ impft, aber bald erkannte man, dass sich die verschiedensten putriden Stoffe, Entzündungsproducte und dergleichen in gleicher Weise auf die Cornea übertragen lassen.

Koch, Wundinfectionskrankheiten. 218Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.

Von Leber, Stromeyer, Dolschenkow, Orth und in beson¬ ders umfangreicher Weise von Frisch1)Experimentelle Studien über die Verbreitung der Fäulnissorganismen in den Geweben. Erlangen 1874. sind diese Versuche an¬ gestellt und in mannigfacher Weise modificirt.

Bei einer derartigen erfolgreichen Impfung bildet sich eine eigenthümliche, mit konischen Ausläufern versehene, sternartige Figur, die sogenannte Pilzfigur, deren Mittelpunkt vom Impfstich gebildet wird. Die diese Figur zusammensetzenden Massen sind bei Diphtheritisimpfungen dichte Haufen von Mikrokokken, welche ebenso wie die Mikrokokken der pyämischen und diphtheritischen miliaren Herde im Herzmuskel und in den Nieren eine gelbbraune oder graubraune Farbe besitzen. Durch Impfung von Faulflüssig¬ keiten wurden auch Pilzfiguren erhalten, die aus stäbchenförmigen Bakterien bestanden. Frisch2)Die Milzbrandbakterien und ihre Vegetation in der lebenden Hornhaut. Wien 1876. impfte ferner die Hornhaut leben¬ der Kaninchen mit Milzbrandsubstanzen und beobachtete die Ent¬ wicklung ausgezeichneter Pilzfiguren, die nur aus Milzbrandbacillen bestanden.

In allen diesen Versuchen standen die an der Cornea beobach¬ teten Reactions - und Entzündungserscheinungen in genauem Ver¬ hältniss zur Entwicklung und Ausbreitung der Bakterien. Eberth3)I. c. p. 14. fand das Zusammentreffen der Bakterien und der Impfdiphtheritis der Hornhaut so constant, dass er geradezu sagt: Ohne diese Pilze (d. i. Bakterien) keine Diphtheritis.

Eine eigenthümliche und vielversprechende Methode, um die Entstehung der Infectionskrankheiten durch ein Contagium anima¬ tum zu beweisen, ist von Klebs4)Virchow und Hirsch: Jahresber. f.d. Jahr 1874. S. 359. befolgt. Er brachte Flüssigkeiten und andere Substanzen, die an infectiösen Krankheiten Leidenden oder Verstorbenen entnommen waren, in gut isolirte mit Nährflüssig¬ keiten beschickte Culturapparate. Nachdem eine Entwicklung von Organismen in der Nährflüssigkeit stattgefunden hatte, wurde von dieser eine kleine Menge genommen und in einen zweiten Cultur¬ apparat mi Nährflüssigkeit gebracht. Mit der Flüssigkeit des zweiten wurde dann ein dritter inficirt und so fort durch eine genügend lange Reihe, um annehmen zu können, dass von der ursprünglich angewandten Infectionssubstanz ein verschwindend193. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. kleiner Theil oder gar nichts mehr in der letzten Nährflüssigkeit vorhanden sein kann. Die so vom ursprünglichen Infectionsstoff gewissermaassen befreiten Flüssigkeiten wurden auf Thiere über¬ tragen. Klebs1)Ueber die Umgestaltung der medicinischen Anschauungen in den letzten drei Jahrzehnten. Rede, gehalten in München bei der 50. Versammlung deutscher Naturforscher. Leipzig, Vogel, 1878. hat dieses Verfahren, das er als fractionirte Cultur bezeichnet, ausser mit Material von verschiedenen anderen Krankheiten, namentlich mit solchem von diphtheritischen und septischen Processen angewandt. Die durch fractionirte Cultur erhaltenen Flüssigkeiten brachten auf Thiere applicirt wieder Sep¬ ticämie und Diphtheritis hervor; ausserdem fand Klebs sowohl in den Culturflüssigkeiten, als auch in den inficirten Thieren die charakteristischen Mikrokokken.

In ähnlicher Weise hat Orth2)Birch-Hirschfeld 1. c. S. 608. in Culturflüssigkeit die Bak¬ terien aus einer Erysipelasblase gezüchtet und durch die Injection dieser Flüssigkeit wieder Erysipel bei Kaninchen erzeugt.

3. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen.

Das in den beiden vorhergehenden Abschnitten zusammen¬ gestellte thatsächliche Material hat, wie nicht zu leugnen ist, schon einen ansehnlichen Umfang gewonnen. Manchen genügt dasselbe schon, um unter Zuhülfenahme theoretischer Gründe und unter dem Eindruck der eminenten Erfolge der antiseptischen Behand¬ lungsmethoden den Beweis für das Vorhandensein belebter Infec¬ tionsstoffe, ganz besonders auch für die Wundinfectionskrankheiten anzunehmen. Andererseits hat man gegen diese Annahme ver¬ schiedene und, wie theilweise zugegeben werden muss, berechtigte Bedenken geltend gemacht, deren kurze Besprechung erforderlich ist, um ein Urtheil über die Bedeutung der Bakterien für die Wundinfectionskrankheiten gewinnen zu können.

Eine nicht geringe Anzahl von Forschern hat die Behauptung aufgestellt, dass das normale Blut und Gewebe des Menschen und der Versuchsthiere schon Mikroorganismen enthalte und dass letz¬ tere nicht die Krankheit, sondern umgekehrt der Krankheitsprocess eine abnorme Vermehrung dieser Organismen zur Folge habe, weil dieselben in den krankhaft veränderten Säften des thierischen Körpers günstigere Existenzbedingungen fänden. Von dieser2*20Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Schlussfolgerung, die bis jetzt noch niemals experimentell be¬ wiesen, sondern aus theoretischen Voraussetzungen abgeleitet wurde, kann abgesehen werden. Wäre es aber richtig, dass im normalen Blute Bakterien vorkommen, und wenn später dieselben Bakterien z. B. Mikrokokken in pathologisch veränderten Organen, sei es auch in ungewöhnlicher Menge, angetroffen würden, dann müsste allerdings dadurch der Beweis dafür, dass diese Mikrokokken die Ursache der Erkrankung seien, ausserordentlich erschwert, viel¬ leicht ganz unmöglich gemacht werden. Sehen wir nun, wie es mit der Richtigkeit der fraglichen Behauptung steht.

Lostorfer, Nedsvetzki und Béchamp1)Richter I. c. S. 12. entdeckten im nor¬ malen Menschenblut kleine bewegliche Körnchen. Lostorfer nennt dieselben Mikrokokken und will ihre Weiterentwicklung bis zu Sarcine verfolgt haben. Nedsvetzki hat diesen Körnchen den Namen Haemococci gegeben, er hält sie für identisch mit den von Béchamp beschriebenen Körperchen. Béchamp nun hat in zahlreichen Aufsätzen seine Ansichten über die von ihm Mikro¬ zymen genannten Körperchen ausgesprochen. Fast in allen thie¬ rischen Flüssigkeiten will er sie gefunden haben und nach Ver¬ suchen, die er mit Estor zusammen anstellte, sollen diese Mikro¬ zymen durch ihre physiologische Thätigkeit die Blutgerinnung, Käsebildung, Essigsäure - und Alkoholerzeugung bewirken können, sie sollen bei der Umsetzung der Leberglykose, bei der Entwick¬ lung des Embryo im bebrüteten Hühnerei und bei allen möglichen anderen Verrichtungen im thierischen Körper thätig sein. Dass Béchamp seine Mikrozymen mit den Bakterien in innigen Connex bringt, geht daraus hervor, dass nach ihm im Darm die Mikro¬ zymen unterhalb der Iliocöcalklappe normalerweise in Bakterien sich verwandeln; an kranken Stellen des Dünndarms aber, z. B. wo ein Bandwurm sitzt, da entwickeln sich sofort Bakterien aus den Mikrozymen.

Ferner haben ihrer Meinung nach noch J. Lüders, Bettel¬ heim und Richardson5)Vegetationsformen der Coccobacteria septica. Berlin 1874. S. 58., dann Kolaczek Letzerich2)Virchow und Hirsch: Jahresber. f. d. Jahr 1868. Bd. I. B. 205. Bak¬ terien im normalen menschlichen Blut gesehen.

Auf indirectem Wege suchten Tiege3)Med. Jahrbb. Bd. 168. S. 68. Billroth4)Viechow und Hirsch: Jahresber. f. d. Jahr 1874. Bd. I. S. 119. den213. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. Beweis für das Vorhandensein von Bakterien in normalen thieri¬ schen Geweben zu führen. Sie brachten unter gewissen Cautelen frische Stücke von Muskeln, Leber u.s.w. in geschmolzenes Pa¬ raffin, schlossen diese Objecte also luftdicht ein und untersuchten sie nach einiger Zeit auf Bakterien. Es fanden sich nun in der That zahlreiche Bakterien darin und Billroth schliesst daraus dass in den meisten Geweben des Körpers (vorwiegend wohl im Blut) entwicklungsfähige Bakterienkeime sich befinden.

Den Versuchen von Billroth und Tiegel hat man vorge¬ worfen, dass der Einschluss in Paraffin nicht gegen das Eindringen von Bakterien schützt, weil sich, wie gewiss schon Jeder, der Objecte behufs mikroskopischer Untersuchung in Paraffin einge¬ schmolzen hat, zu beobachten Gelegenheit fand, beim Erkalten und auch noch später Risse und Spalten im Paraffin bilden.

Als normales Blut von Pasteur1)I. c. S. 60 und 137., Burdon-Sanderson2)Virchow und Hirsch: Jahresber. f. d. Jahr 1874. S. 119. und Klebs3)Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. I. Heft 2. S. 194. nach einer alle Fehlerquellen ausschliessenden Methode auf seine Entwicklungsfähigkeit von Fäulnissorganismen geprüft wurde, fielen die Versuche negativ aus.

Auch den angeblichen unmittelbaren Beobachtungen von Bak¬ terien im normalen Blute stehen die Angaben von zuverlässigen Mikroskopikern, wie Rindfleisch und Riess gegenüber4)Jahrbb. Bd. 166. S. 196. die bestimmt erklären, dass das normale Blut frei von Bakterien ist, dagegen, wie Riess nachgewiesen hat, mehr oder weniger reich¬ lich kleine rundliche Körperchen enthält, die höchst wahrschein¬ lich Zerfallsproducte der weissen Blutkörperchen sind und wegen ihrer Aehnlichkeit mit Mikrokokken zu Verwechslungen mit diesen Veranlassung gegeben haben.

Nach meinen eigenen Erfahrungen ist die Untersuchung des Blutes auf etwaigen Gehalt an Bakterien ungemein schwierig, wenn man nicht die später zu beschreibenden Hülfsmittel, Färbung und geeignete Beleuchtung gebraucht. Ohne dieselben ist es meistens unmöglich, mit Sicherheit die von Riess so charakteri¬ stisch beschriebenen Körperchen von Mikrokokken zu unterschei¬ den und ist es mir deswegen wohl erklärlich, dass Mancher, je nachdem er Bakterien finden oder nicht finden wollte, in einem22Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Falle die körnigen Bestandteile des Blutes für Mikrokokken, im anderen Falle etwa vorhandene Mikrokokken für die Reste zer¬ fallener weisser Blutkörperchen ansah. Normales Blut und nor¬ male Gewebe habe ich nun mit Hülfsmitteln, die das Uebersehen von Bakterien und ihre Verwechslung mit gleich grossen körnigen Massen nicht zulassen, vielfach untersucht und dabei nicht ein einziges Mal Bakterien gefunden. Ich habe deswegen gleichfalls die Ueberzeugung gewonnen, dass die Bakterien im Blut und in den Geweben des gefunden thierischen sowohl als menschlichen Or¬ ganismus nicht vorkommen.

Dagegen scheinen mir folgende Einwendungen gegen die An¬ nahme, dass die Bakterien die Ursache der Wundinfectionskrank¬ heiten sind, berechtigt zu sein. Es muss, um einen vollgültigen Beweis für diese Annahme zu gewinnen, verlangt werden, dass die Bakterien ausnahmslos und in derartigen Verhältnissen betreffs ihrer Menge und Vertheilung, nachgewiesen werden, dass die Sym¬ ptome der betreffenden Krankheit ihre vollständige Erklärung finden. Denn wenn in einigen Fällen einer bestimmten Art von Wund¬ infectionskrankheiten Bakterien gefunden werden, in anderen ebenso beschaffenen aber nicht, und wenn ferner die Bakterien in so geringer Anzahl vorhanden sind, dass dadurch unmöglich eine schwere Krankheit oder gar das tödtliche Ende bewirkt sein kann, dann bleibt selbstverständlich nichts übrig, als das unbe¬ ständige Auftreten der Bakterien als ein vom Zufall abhängiges und die geringe Menge derselben als einzige Ursache der betreffen¬ den Krankheit nicht ausreichend, also noch andere Ursachen da¬ neben anzunehmen. Diesen Anforderungen zu einem vollgültigen Beweis entsprechen nun aber in der That die über das Vorkom¬ men der Bakterien bei Wundinfectionskrankheiten gemachten Be¬ obachtungen nicht.

Wegen der schon früher hervorgehobenen Schwierigkeit des Nachweises von Bakterien im Blut und namentlich in den Geweben sind viele der oben citirten Angaben auf erhebliche Zweifel ge¬ stossen, ob immer mit Recht, das muss dahingestellt bleiben; denn die frühere Untersuchungsmethode ist eben in den meisten Fällen ein Tappen im Finstern und die Resultate derselben konnten nur sehr zweifelhaft ausfallen.

Aber auch abgesehen von dem unsicheren Ergebniss mancher mühevollen Arbeit über die Bakterien der Wundinfectionskrank¬ heiten bringt die Literatur eine Menge von Angaben über das233. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. vollständige Fehlen der Bakterien bei ganz unzweifelhaften Wund¬ infectionskrankheiten. Es würde keinen Zweck haben, alle ne¬ gativen Befunde hier aufzuzählen, da sie noch weit mehr als die positiven einen bedingten Werth haben. Nur einige mögen zur Illustration des Gesagten hier ihren Platz finden.

Birch-Hirschfeld1)l. c. S. 1224. sagt, dass negative Befunde in Betreff des Vorkommens von Bakterien namentlich in Fällen fulminanter Gangrän und putrider Infection keineswegs zu den Seltenheiten gehören.

Nachdem Orth2)Compondium der pathol. -anatomischen Diagnostik. Berlin 1876. S. 111. erwähnt hat, dass Mikrokokken im Blute besonders bei septischen Wundkrankheiten, Puerperalerkrankungen und Diphtheritis gefunden sind, hebt er ausdrücklich hervor, dass dieselben durchaus keinen constanten Befund bilden.

Eberth3)Med. Jahrbb. Bd. 166. S. 185., der sich von dem häufigen Vorkommen von Bak¬ terien bei septicämischen Krankheitsprocessen überzeugt hatte, führt die Septicämie keineswegs allein auf eine Infection des Blutes durch die Bakterien zurück, und zwar aus dem Grunde, weil er die ausgesprochenste Septicämie auch ohne Bakterien im Blute auftreten sah.

Weigert4)Berl. klin. Wochenschr. 1877. Nr. 18. spricht sich folgendermaassen über das Vorkom¬ men der Bakterien aus: So sicher man auch für einige patholo¬ gische Processe die Erzeugung derselben durch die Einwirkung der Bakterien annehmen kann, so steht doch auf der anderen Seite eine bei weitem grössere Reihe krankhafter Vorgänge, die man aus theoretischen Gründen für mykotische zu halten geneigt ist, bei denen aber der gewissenhafte Forscher nichts von einer Einwirkung der Bakterien aufzufinden vermag.

Absichtlich habe ich diese Citate den Schriften solcher Autoren entnommen, die durch positive Befunde bewiesen haben, dass sie die bedeutenden Schwierigkeiten beim Auffinden der Bakterien zu überwinden verstanden, und weil deswegen ihre Angaben über das häufige Fehlen der Bakterien in Fällen von Wundinfections¬ krankheiten eine besondere Beachtung verdienen.

Der zweite Umstand, der mir bei Beurtheilung der Bakterien¬ frage von wesentlicher Bedeutung zu sein scheint, dass nämlich fast in allen Fällen, in denen Bakterien gefunden wurden, die24Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Menge derselben eine auffallend geringe war, ist bis jetzt zu wenig hervorgehoben.

Wir wissen allerdings zur Zeit noch nicht, wie viel Bakterien dazu gehören, um bei einem Menschen bestimmte Krankheits¬ symptome zu bewirken oder um ein Kilogramm Versuchsthier zu tödten. Unzweifelhaft bestehen aber derartige ganz bestimmte, höchstens in Folge von Verschiedenheiten der erkrankten Indivi¬ duen nur innerhalb geringer Grenzen schwankende Verhältnisse zwischen der Menge der pathogenen Bakterien und ihrer Wirkung, d. h. den Krankheitssymptomen. Die einzige Krankheit, von der mit voller Sicherheit behauptet werden kann, dass sie eine Bak¬ terienkrankheit ist, der Milzbrand, gibt uns dafür genügende An¬ haltspunkte. Kleine Thiere sterben schneller nach Impfung mit Milzbrandblut als grössere und bei Thieren derselben Gattung und von gleicher Grösse tritt das tödtliche Ende später ein, wenn die Impfflüssigkeit wenige entwicklungsfähige Sporen oder Bacillen enthält, als wenn sie reich daran ist. Die Erklärung für diese Erscheinungen kann doch nur darin gefunden werden, dass zur Tödtung z. B. eines Schafes mehr Bacillen erforderlich sind als für eine Maus und dass aus den bei der Impfung ohngefähr in gleicher Menge bei beiden Thieren eingeführten Bacillen resp. Sporen die kleinere für die Maus genügende Anzahl Bacillen schneller als die bedeutende zur Tödtung des Schafes erforder¬ liche heranwächst und dass für Thiere derselben Gattung wieder aus wenigen Sporen sich die tödtliche Menge von Bacillen später entwickelt als aus von vornherein gegebenen zahlreichen Sporen.

Weiter lehrt die Milzbrandkrankheit, dass sich eine ungemein grosse Anzahl von Bacillen im Blute entwickelt haben muss, ehe der Tod eintritt. Auch der Typhus recurrens, dessen Beziehungen zu den von Obermeier entdeckten Spirochaeten allerdings noch nicht hinreichend aufgeklärt sind, der aber wegen des ganz con¬ stanten Auftretens dieser Bakterien in jedem einzelnen Fieberan¬ falle doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls als eine para¬ sitäre Krankheit anzusehen ist, zeigt in Bezug auf die Menge der im Blute befindlichen Bakterien dasselbe Verhalten. Es ist nun allerdings nicht anzunehmen, dass sich alle pathogenen Bakte¬ rien in diesem Punkte ganz gleich verhalten, aber so viel lässt sich nach Analogie des Milzbrandes und Typhus recurrens wohl schliessen, dass nur bedeutende Mengen von Bakterien krankheits¬ erregend wirken können. Dieser Forderung entsprechen aber die253. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. bis jetzt vorliegenden Beobachtungen über die Bakterien der Wund¬ infectionskrankheiten in den meisten Fällen nicht. Gewöhnlich wird von erheblicheren Mikrokokkenanhäufungen auf der Wund¬ oberfläche berichtet, die indessen nur bei grösseren Wunden in Betracht kommen können; während in inneren Organen nichts weiter als miliare Bakteriencolonien, oft in geringer Zahl gefunden wurden. Das steht doch in gar keinem Verhältniss zu der kaum glaublichen Menge von Bacillen im Milzbrandblut. Es können deswegen auch nur solche Befunde als ausreichend zur Erklärung des Krankheitsprocesses gelten, welche eine bedeutende Menge von Bakterien nachgewiesen haben. Nun gibt es allerdings An¬ gaben über massenhaftes Auftreten von Mikrokokken im Blute oder in den Geweben, das sind aber leider gerade diejenigen, die aus den früher angegebenen Gründen am wenigsten zuverlässig sind.

Ein dritter Punkt muss noch gegen die Beweiskraft der Bak¬ terienfunde geltend gemacht werden. Es ist das die gleiche mor¬ phologische Beschaffenheit der bei den verschiedensten Wundin¬ fectionskrankheiten und selbst noch bei anderen gar nicht damit verwandten Infectionskrankheiten angetroffenen Bakterien.

Jedem, der die Bakterienliteratur durchgeht, muss es sofort auffallen, dass die beiden am besten bekannten Bakterienkrank¬ heiten, der Milzbrand und der Typhus recurrens sich durch die wohl charakterisirte und leicht erkennbare Form ihrer Parasiten auszeichnen, dass aber bei fast allen übrigen Infectionskrankheiten, welche anscheinend mit Mikroorganismen in Beziehung stehen, eine merkwürdige Uebereinstimmung in Gestalt, Grösse, Anord¬ nung, theilweise sogar in der Färbung der beobachteten Bakterien herrscht. Gerade weil beim Typhus recurrens und Milzbrand so bedeutende Unterschiede in dieser Beziehung bestehen, muss die Gleichmässigkeit der übrigen pathogenen Bakterien Misstrauen gegen die Richtigkeit der Beobachtung und gegen die Annahme erwecken, dass Krankheiten, welche theilweise ebenso wenig mit¬ einander verwandt zu sein scheinen als jene, dennoch durch die¬ selben Organismen veranlasst werden sollten.

Diese Bedenken sind auch schon mehrfach geäussert.

So z. B. von Birch-Hirschfeld. 1)1. c. S.Derselbe sagt: Die mor¬ phologischen Charaktere der bei der Pyämie, der Diphtheritis, den Pocken, der Cholera gefundenen Bakterien sind so gleich¬26Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. artig, dass allerdings die Vorstellung nahe liegt, es handle sich um identische Formen. Daraus würde aber hervorgehen, dass man diesen Organismen keine specifische Bedeutung beilegen könnte. Sie wären darnach Parasiten der Krankheit, nicht die Ursache derselben.

Den von Birch-Hirschfeld angeführten Krankheiten lassen sich noch eine Anzahl anderer anreihen, bei denen ebenfalls die nicht weiter zu unterscheidenden Mikrokokken gefunden wurden. Nämlich Erysipelas, Puerperalfieber, Nabelmykose der Neugebor¬ nen, Hospitalbrand, Intestinalmykose, Endocarditis (mit und ohne acuten Gelenkrheumatismus), primäre infectiöse Periostitis, Schar¬ lach, Rinderpest, Lungenseuche. Unmöglich können doch alle diese Krankheiten durch einen und denselben Parasiten erzeugt werden. Es bleibt also nichts übrig als anzunehmen, dass es ent¬ weder wirklich immer dieselben Mikrokokken sind, die dann aber nur als eine gelegentliche Complication sich mit den aufgezählten ganz verschiedenen Krankheitsprocessen verbinden, oder dass die uns wegen ihrer Kleinheit äusserlich sehr ähnlich oder selbst gleich erscheinenden Mikrokokken dennoch innerlich verschieden und deswegen im Stande sind, zu so verschiedenen Krankheiten Ver¬ anlassung zu geben.

Um zu zeigen, dass diese letztere Annahme nicht ausser dem Bereich der Möglichkeit liegt, hat Cohn1)Beiträge zur Biologie der Pflanzen. I. Bd. 2. Heft. S. 135. an die gleiche äussere und mikroskopische Beschaffenheit der bittern und süssen Mandel erinnert, die doch beide in ihrer physiologischen Wirkung himmel¬ weit von einander verschieden sind. Und Virchow2)Die Fortschritte der Kriegsheilkunde. Berlin 1874. S. 33. hat zu dem¬ selben Zwecke darauf hingewiesen, dass man den Bildungszellen des Eies und zahlreicher pathologischer Gewächse, trotzdem sie neben Bakterien als förmliche Riesen erscheinen, auch nicht im Voraus ansehen könne, was aus ihnen werden wird.

Die Möglichkeit, dass die Mikrokokken trotz ihres gleich¬ mässigen Aussehens verschieden und dass sie das vermuthete Con¬ tagium animatum jener Krankheiten sein können, muss gewiss zugegeben werden. Aber als Unterlage für praktische Aufgaben, zu denen vor allen Dingen die Prophylaxis und Therapie der In¬ fectionskrankheiten zu rechnen sind, können wir mit der Möglich¬ keit eines Contagium animatum nicht viel anfangen; dazu brauchen273. Einwendungen gegen die Beweiskraft dieser Thatsachen. wir die zwingende Gewissheit darüber, dass dieser oder jener be¬ stimmte und unter veränderten Verhältnissen an gewissen Kenn¬ zeichen immer wieder zu erkennende Mikrokokkus die einzige Ursache der gegebenen Krankheit ist. Denn so lange nur die Möglichkeit oder selbst die Wahrscheinlichkeit für die Existenz des Contagium animatum gegeben ist, müssen alle weiteren davon ausgehenden Untersuchungen die ebenfalls möglicherweise vor¬ handenen anderen Krankheitsursachen, z. B. das unbekannte x eines bislang noch niemals nachgewiesenen unbelebten Krankheits¬ fermentes, das y des Genius epidemicus und andere unbekannte Grössen in Rechnung ziehen. Dass damit aber die gestellte Auf¬ gabe im höchsten Grade complicirt und durch zahllose Fehler¬ quellen gefährdet, vermuthlich ganz unlösbar wird, liegt auf der Hand.

Fassen wir das, was als thatsächlich Bekanntes zusammen¬ gestellt wurde, und die daran geknüpften Erörterungen kurz zu¬ sammen so kommen wir zu dem Ergebniss, dass die zahlreichen Befunde von Mikroorganismen bei Wundinfectionskrankheiten und die damit im Zusammenhang stehenden experimentellen Unter¬ suchungen die parasitische Natur dieser Krankheiten wahrschein¬ lich machen, dass ein vollgültiger Beweis dafür bis jetzt noch nicht geliefert ist und auch nur dann geschafft werden kann, wenn es gelingt, die parasitischen Mikroorganismen in allen Fällen der betreffenden Krankheit aufzufinden, sie ferner in solcher Menge und Verthei¬ lung nachzuweisen, dass alle Krankheitserscheinungen dadurch ihre Erklärung finden, und schliesslich für jede einzelne Wundinfecetions¬ krankheit einen morphologisch wohl charakterisirten Mikroorganis¬ mus als Parasiten festzustellen.

Sollte es denn nun aber möglich sein, diese Bedingungen überhaupt jemals zu erfüllen? Oder sind wir hier an der Grenze der Leistungsfähigkeit unserer optischen Hülfsmittel angelangt, wie viele Mikroskopiker anzunehmen scheinen?

Diese Frage wird sich wohl Jeder, der sich eingehender mit der Untersuchung der pathogenen Bakterien beschäftigt hat, oft genug vorgelegt haben. Auch mich hat sie vielfach beschäftigt und sie drängte sich mir sofort wieder auf, als ich allgemeine Untersuchungen über Bakterien anstellte und erkannte, von welchem bedeutenden Vortheil für das Erkennen und Unterscheiden gerade28Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. der kleinsten Bakterienformen, ferner der Sporen und Geiselfäden der Bakterien die richtige Verwendung der mikroskopischen Hülfs¬ mittel ist.

Seitdem habe ich unablässig versucht, in ähnlicher Weise das Verfahren zum Auffinden der pathogenen Bakterien in thieri¬ schen Geweben zu verbessern, weil ich den Gedanken nicht los werden konnte, dass die zweifelhaften Ergebnisse der Unter¬ suchungen über die Parasiten der Infectionskrankheiten in der Unvollkommenheit der dabei befolgten Methoden ihren Grund haben möchten. Das Verfahren, welches sich mir schliesslich als zweckmässig erwies und zu positiven Resultaten geführt hat, werde ich, ehe ich zu dem Bericht über den experimentellen Theil meiner Arbeit übergehe, zu schildern haben.

[29]

Beschreibung der Untersuchungsmethode.

Die von Recklinghausen zuerst befolgte Methode die grosse Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegen Säuren und Alkalien, die den thierischen Geweben nicht eigen ist, zu benutzen, wird auch wohl jetzt noch von den meisten Mikroskopikern gebraucht. Sobald ein durch sein gleichmässiges Korn ausgezeichneter Haufen kleinster Körperchen sich weder in Essigsäure noch in Kali - oder Natronlauge verändert und man sonst Grund hat, darin Bakterien zu vermuthen, dann ist gewöhnlich die Aufgabe gelöst und der Mikrokokkus gefunden. Leicht kann dabei ein Irrthum auch nicht vorkommen, denn das Aussehen eines dicht gedrängten Mikro¬ kokkenhaufens, der sogenannten Zooglöa, ist so charakteristisch, dass, wer sich dieses Bild einmal eingeprägt hat, es jederzeit wieder erkennen wird. Ungleich schwieriger gestalten sich aber die Verhältnisse, wenn die Bakterien, namentlich gilt dies von Mikrokokken, schwarmähnlich ausgebreitet sind, wenn sie sich in kleinen lockeren Gruppen oder gar einzeln im Gewebe vertheilen. Dann kommt das charakteristische Aussehen der Zooglöa nicht mehr zu Hülfe und man kann sich nur noch auf die Resistenz der Bakterien gegen Alkalien und Säuren verlassen, weil die An¬ zahl der ähnlich gestalteten und ausserordentlich leicht damit zu verwechselnden kleinen Körnchen in pathologisch veränderten Ge¬ weben und im Blute sehr gross ist. Aber sehr bald wird man gewahr werden, wie unzuverlässig dieses Unterscheidungsmerkmal ist. Manche, namentlich sehr kleine Bakterien, werden durch diese Reagentien ebenso zerstört oder verändert wie die thieri¬ schen Gewebe und auch in letzteren finden sich oft unbestimm¬ bare Körnchen, die durch Säuren und Alkalien nicht beseitigt werden. Also mehr als Zooglöamassen nachzuweisen, vermag dieses Verfahren nicht.

30Beschreibung der Untersuchungsmethode.

Man hat dann weiter versucht, mit Färbungsmethoden bessere Resultate zu erzielen und zwar ist zunächst, wie es scheint gleich¬ zeitig von mehreren Seiten, die Hämatoxylinfärbung empfohlen. Dieselbe leistet auch, namentlich wenn sie in der Art der soge¬ nannten Kernfärbung angewandt wird, erheblich mehr, als die erste Methode. Aber insofern ist sie unvollkommen, als das Hä¬ matoxylin die stäbchenförmigen Bakterien nicht färbt und die kugelförmigen nicht stark genug, um zerstreut liegende immer mit Sicherheit erkennen zu lassen. Immerhin ist die Anwendung des Hämatoxylin der einfachen Behandlung der Untersuchungs¬ objecte mit Reagentien insofern überlegen, als durch die Färbung die Bakterienmassen sehr viel deutlicher im übrigen Gewebe her¬ vortreten und ein Uebersehen oder Verwechseln mit anderen Ob¬ jecten noch mehr ausgeschlossen ist. Auch gewährt dies Ver¬ fahren, das ja die Untersuchung mit Reagentien selbstverständlich nicht ausschliesst, noch den grossen Vortheil, dass die gefärbten Objecte in Canadabalsam conservirt und zur Vergleichung mit an¬ deren Präparaten dienen können.

Noch bessere Resultate als die Färbung mit Hämatoxylin hat die mit Anilinfarben gegeben. Meines Wissens ist Anilinfärbung zum Nachweis von Bakterien in thierischen Geweben zuerst von Weigert1)Bericht über die Sitzungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. 10. December 1875. angewandt. Sein Verfahren, durch dessen Mittheilung er mich zu grösstem Dank verpflichtet hat, ist folgendes:

Die Untersuchungsobjecte werden in Alkohol gehärtet und die daraus gefertigten Schnitte in einer ziemlich starken wässri¬ gen Lösung von Methylviolett längere Zeit liegen gelassen. Die Schnitte werden dann mit verdünnter Essigsäure behandelt, mit Alkohol entwässert, in Nelkenöl aufgehellt und in Canadabalsam eingelegt.

Statt des Methylviolett können auch andere Anilinfarben z. B. Fuchsin, Anilinbraun u. s. w. in derselben Weise gebraucht werden.

Es sind dies allerdings nur die allgemeinen Umrisse, inner¬ halb deren sich das Verfahren bewegt, aber die einzelnen Gewebe und namentlich die verschiedenen Bakterien verhalten sich zu un¬ gleich, als dass es möglich ist, ganz allgemeingültige, alle Einzel¬ heiten berührende Regeln anzugeben. Für manche Objecte eignet31Beschreibung der Untersuchungsmethode. sich Fuchsin am besten, für andere passen wieder mehr die Me¬ thylfarben. Unter diesen letzteren herrscht eine solche Verschie¬ denheit in der färbenden Kraft, dass die Schnitte in der einen Lösung wenige Minuten, in einer anderen mehrere Stunden bleiben müssen. Es bleibt dem gegenüber nichts weiter übrig, als eine grössere Menge Schnitte auf einmal in Arbeit zu nehmen und den geeignetsten Farbstoff, sowie die Zeitdauer der Färbung auszu¬ probiren. Nach einiger Uebung wird man gewiss mit wenigen Versuchen den geeignetsten Modus gefunden haben. Auf die Stärke der Essigsäurelösung kommt nicht viel an. Man nehme am besten eine wenige Procente starke Lösung und lasse sie nicht zu lange einwirken. Die übrigen Manipulationen, also Entwässern, Auf¬ hellen und Einlegen sind genau dieselben, wie bei der Herstellung anderer mikroskopischer Präparate. Ein zu langes Verweilen der Schnitte im Alkohol und im Nelkenöl ist zu vermeiden, weil sonst die Farbstoffe durch diese Flüssigkeiten ausgelaugt werden.

In den Präparaten, die in dieser Weise behandelt sind, er¬ blickt man nur die Kerne der Zellen und die Bakterien gefärbt. Letztere nehmen sämmtlich die Anilinfärbung an und zwar fällt die Färbung so stark aus, dass die einzelnen Bakterien bedeutend besser zu erkennen sind, als nach Hämatoxylinfärbung. In mit Anilinfärbung behandelten Präparaten ist es deswegen sehr leicht, einzelne grosse Bakterien, z. B. die Milzbrandbacillen, mit voller Sicherheit in den verschiedensten Geweben zu erkennen. Sobald aber kleinere Bakterien in Frage kommen, dann wird allerdings das Resultat unsicher und lässt schliesslich bei ganz kleinen For¬ men vollständig in Stich.

Um nun zu verstehen, woher es kommt, dass kleine Objecte trotz intensiver Färbung in thierischen Geweben schwierig oder gar nicht zu unterscheiden sind, muss man sich das Zustande¬ kommen des mikroskopischen Bildes klar machen; doch soll der Einfachheit halber nur der hier vorliegende Fall, nämlich ein aus thierischem Gewebe stammender in Canadabalsam nach gewöhn¬ licher Manier eingelegter Schnitt in Betracht gezogen werden.

Wenn sämmtliche Bestandteile dieses Gewebes farblos wären und dasselbe Brechungsvermögen hätten wie der Canadabalsam, dann würde von dem Gewebe gar nichts zu sehen sein. Das ist nun aber nicht der Fall. Fasern, Kerne und manche andere Theile des Gewebes differiren in ihrem Lichtbrechungsvermögen vom Canadabalsam und erzeugen durch Diffraction der durch¬32Beschreibung der Untersuchungsmethode. gehenden Lichtstrahlen ein aus Linien und Schatten bestehendes Bild1)Naegeli und Schwendener: Mikroskop. Leipzig 1877. S. 220., das Structurbild genannt werden mag.

Setzen wir nun aber einen zweiten Fall, dass nämlich Theile jenes Gewebes z. B. Zellenkerne und Bakterien gefärbt sind, dann würden sich die Verhältnisse folgendermaassen gestalten. Bei ganz gleichem Brechungsvermögen von Gewebe und Canadabal¬ sam würden nur Kerne und Bakterien zu sehen sein und zwar nur vermöge des Farbstoffes, mit dem sie imprägnirt sind; wir würden also ein ganz reines Farbenbild haben, das von dem durch Fasern, Membranen u. s. w. erzeugten Structurbild ganz verschie¬ den sein, theilweise mit diesem z. B. in den Kernbildern zusam¬ menfallen kann. Zum möglichst deutlichen Erkennen der Bakte¬ rien, die ja durch Anilinfarben ganz besonders intensiv gefärbt werden, würde ein solches reines Farbenbild gewiss das Vortheil¬ hafteste sein. Nun kommt aber das unvermeidliche und störende Structurbild dazu.

Grossen gefärbten Objecten, also beispielsweise wieder Milz¬ brandbacillen, geschieht dadurch in Betreff ihrer Erkennbarkeit wenig Abbruch. Höchstens wenn der Schnitt oder sonstige Ge¬ webstheil sehr dick ist (z. B. die Darmschleimhaut in ihrer voll¬ ständigen Dicke), kann das Structurbild so überwiegend, die Menge der über einander gelagerten Schatten so dicht werden, dass auch die grossen Milzbrandbacillen nicht mehr gut zu unterscheiden sind. Wenn aber die Bakterien kleiner und dünner sind, also an sich schon weniger Farbstoff aufnehmen können, dann macht sich der nachtheilige Einfluss des Structurbildes schon weit mehr gel¬ tend; eine breite dunkle Linie kann dann schon einige Bakterien so verdecken, dass ihr Farbenbild zu schwach wird um im Auge noch einen Eindruck zu machen. In dünnen Schnitten und solchen Geweben, deren Structurbild aus wenigen Linien und Schatten (z. B. Unterhautzellgewebe, Hornhaut) besteht, sind allerdings noch recht kleine Bakterienformen mit einiger Genauigkeit zu unterscheiden. Schliesslich kommt man aber doch an einen Punkt, wo die Bakterien so klein sind, dass die winzigen gefärbten Pünkt¬ chen und Strichelchen durch die schwächsten Structurschatten schon verdeckt und unsichtbar gemacht werden. An einzelnen besonders günstigen Stellen hat man wohl noch eine Andeutung da¬ von, dass Bakterien vorhanden sein könnten, aber an ein sicheres33Beschreibung der Untersuchungsmethode. Erkennen und Unterscheiden von Gestalt und Grösse der Bakte¬ rien ist nicht mehr zu denken.

Dieser Fall trat auch bei meinen Untersuchungen ein. In dem Material, das ich mir in der später zu beschreibenden Weise verschafft hatte, fand ich grössere Bakterien auch kleinere, nament¬ lich wenn sie Anhäufungen in den Glomeruli bildeten, mit Leich¬ tigkeit. Nun lag aber die Vermuthung vor, dass auch in der Milz und in den Lungencapillaren Bakterien zu finden sein müssten, denn die Milz war geschwollen und das Blut aus dem linken Herzen, das eben die Lunge passirt hatte, brachte durch Ver¬ impfung bei einem anderen Thiere dieselbe tödtliche Krankheit und dieselben ausserordentlich feinkörnigen Mikrokokkenhaufen in den Glomeruli wie bei dem ersten Thier zu Stande. Aber trotz der grössten Mühe waren die vermutheten Bakterien nicht zu fin¬ den. Bei der Septicämie der Mäuse, die doch im höchsten Grade infectiös ist, wie ich später zeigen werde, konnte ich überhaupt keine Mikroorganismen nachweisen. Ich war also zu denselben unvollkommenen Ergebnissen gelangt, wie die früheren mit den Wundinfectionskrankheiten beschäftigten Forscher.

Damals war ich schon durch Versuche, die in Canadabalsam eingelegten Bakterien zu photographiren, auf die Zusammensetzung des mikroskopischen Bildes aus einem Structur - und einem Far¬ benbild aufmerksam geworden und hatte zugleich gefunden, dass das Structurbild durch die Art der Beleuchtung wesentlich ver¬ stärkt oder abgeschwächt werden kann. Es ist das durchaus nichts Neues. Jeder Mikroskopiker kennt die Wirkung der Blenden, die unter dem Präparat angebracht sind. Eine enge Blende verdun¬ kelt nicht allein das Gesichtsfeld, sondern hebt die Structur des Objectes mehr hervor, eine weite dagegen macht das Bild heller, lässt aber auch einen Theil der Structur undeutlicher werden. Noch auffallender tritt der Unterschied zwischen engen und weiten Blenden hervor, wenn wie beim Photographiren zum Beleuchten des Objectes nicht der Hohlspiegel, sondern eine Linse oder ein Condensor gebraucht wird, weil man, besonders bei einem Con¬ densor von kurzer Brennweite, den Kegel der das Object beleuch¬ tenden Strahlen weit mehr modificiren kann. Durch eine vor die Beleuchtungslinse gestellte enge Blende wird die Basis dieses Kegels von Lichtstrahlen so klein, dass der Kegel fast als ein Bün¬ del paralleler Lichtstrahlen betrachtet werden kann. Je grösser aber die Oeffnung der Blende wird, um so grösser wird auch beiKoch, Wundinfectionskrankheiten. 334Beschreibung der Untersuchungsmethode. gleicher Länge der Radius des Strahlenkegels, der den mit einem gewöhnlichen Hohlspiegel erhaltenen, was die Breite der Basis im Verhältniss zur Länge angeht, weit übertrifft. Betrachtet man nun ein mikroskopisches Präparat bei einer Beleuchtung mit zu¬ erst schmalem und schliesslich immer breiter werdenden, aber immer gleich langen Lichtkegel, dann wird man sich sofort davon überzeugen, dass, wie es auch nach dioptrischen Gesetzen nicht anders möglich ist, die Diffractionserscheinungen und damit das Structurbild, welches bei der am meisten engen Blende am inten¬ sivsten war, immer mehr verschwindet. In demselben Maasse aber, in dem das Structurbild abnimmt, wird das Farbenbild in¬ tensiver und schärfer. Damit war also ein Weg angedeutet, um das Structurbild soweit unschädlich zu machen, dass auch die kleinsten gefärbten Körper, natürlich soweit überhaupt das optische Vermögen der Objectivsysteme reicht, deutlich unterscheidbar wer¬ den. Es musste nämlich ein Beleuchtungskegel von so grosser Oeffnung zur Beleuchtung verwandt werden, dass die Diffractions¬ erscheinungen gänzlich zum Verschwinden gebracht werden. Nach¬ dem ich nun verschiedene Linsen und Condensoren nach dieser Richtung versucht hatte, ohne dass ich einen Apparat traf, der das Structurbild mehr oder weniger vollkommen beseitigte, fand ich schliesslich in dem von Carl Zeiss in Jena angefertigten von Abbe angegebenen Beleuchtungsapparat ein meinem Zweck voll¬ ständig entsprechendes Instrument.

Dieser Apparat besteht aus einer Linsencombination, deren Brennpunkt nur einige Millimeter von der Frontlinse entfernt ist. Wenn die combinirte Beleuchtungslinse also in der Oeffnung des Mikroskoptisches und zwar ein wenig tiefer als die Tischebene sich befindet, dann fällt der Brennpunkt mit dem zu beobachten¬ den Object zusammen und letzteres erhält in dieser Stellung die günstigste Beleuchtung. Der Oeffnungswinkel der ausfahrenden Strahlen ist so gross, dass die äussersten derselben in einer Was¬ serschicht fast 60 ° gegen die Axe geneigt sind, der gesammte wirksame Lichtkegel demnach eine Oeffnung von 120° also eine grössere Oeffnung als irgend ein andrer Condensor besitzt. 1)Naegeli und Schwendener l. c. S. 99.Die Lichtstrahlen werden dem Linsensystem durch einen Spiegel, der nur um einen festen Punkt in der Axe des Mikroskops drehbar ist, zugeführt. Zwischen Spiegel und Linse, nahe dem Brennpunkte35Beschreibung der Untersuchungsmethode. des ersteren, befindet sich ein Träger für Blenden, die ausserdem seitlich und kreisförmig beweglich sind, so dass der beleuchtende Strahlenkegel in jeder beliebigen Weise verändert werden kann. Durch mehr oder weniger grosse Blendenöffnung wird auch die Oeffnung des Strahlenkegels von der kleinsten bis zur grössten mit der Beleuchtungslinse überhaupt zu erzielenden modificirt. Seit¬ liche Verschiebung der Blendenöffnung gibt ohne Bewegung des Spiegels schiefe Beleuchtung und mit Hülfe einer centralen Abblen¬ dung kann der mittlere Theil des Kegels ausgeschaltet werden.

Vermittelst dieses Apparates lässt sich das früher beschrie¬ bene Verhältniss zwischen Structur - und Farbenbild in der ein¬ fachsten und überzeugendsten Weise ersichtlich machen. Nehmen wir den Fall, dass ein mit Anilin gefärbter Schnitt aus einem sehr kleine Bakterien enthaltenden Gewebe mit Benutzung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates untersucht werden soll. Es wird zuerst ein Diaphragma mit enger Blende1)Ich habe mir zu dem Apparat einen Satz Blenden anfertigen lassen, von denen die auf einander folgenden Nummern eine immer um einen Milli¬ meter grössere Oeffnung besitzen, um alle Abstufungen in der Beleuchtung herstellen zu können. auf den Diaphrag¬ menträger gelegt. Die Beleuchtung des Objectes ist dann unge¬ fähr dieselbe wie bei Hohlspiegelbeleuchtung mit mittlerer Cylin¬ derblendung. Dabei erscheint das Gesichtsfeld ziemlich dunkel, die Gewebsstructur tritt deutlich hervor, namentlich die Kerne der Zellen fallen als dunkle Körper mit dunkelblauer oder rother wenig ausgesprochener Färbung ins Auge; kleine Körnchen lassen gar nicht mit Sicherheit erkennen, ob sie gefärbt sind oder nicht, ebensowenig ist zu unterscheiden, ob derartige Körnchen Bakte¬ rien oder Gewebsbestandtheile sind. Nun werden nacheinander Blenden mit immer grösseren Oeffnungen auf den Träger gelegt. Dann verändert sich allmählich das Bild in der auffallendsten Weise. Die dunkeln Umrisse der Zellen und Zellkerne und die scharfen Linien der elastischen Fasern, Gefässwände und der¬ gleichen werden blasser und unbestimmter; die Schatten der ober - und unterhalb der Sehebene befindlichen Körper verschwinden immer mehr; viele von den vorher bemerkten dunklen Pünktchen und Körnchen, die möglicherweise für Bakterien gehalten werden konnten, verschwinden vollständig, an anderen kleinen Objecten die früher schwarz aussahen, macht sich eine Färbung bemerk¬ bar, auch die Farbe der Kerne wird deutlicher. Das Gesichtsfeld3 *36Beschreibung der Untersuchungsmethode. hellt sich zugleich immer mehr auf. Je mehr nun Linien und Schatten und je mehr im Bilde alle Unterschiede zwischen hell und dunkel verschwinden, um so reiner und kräftiger treten alle farbigen Objecte hervor und immer deutlicher erkennt man ihre Umrisse, kleine Unterschiede im Farbenton und in der Stärke der Färbung. Schliesslich, wenn auch das letzte Diaphragma entfernt wird, ist alle Structurzeichnung verschwunden, das Gesichtsfeld gleichmässig stark erhellt und nur noch farbige Objecte zu sehen und je helleres Licht man zur Beleuchtung wählt, am besten das Licht von der Sonne grell beleuchteter weisser Wolken, um so leuchten¬ der, intensiver und schärfer contourirt erscheinen dieselben. Dann ist es leicht, unter den gefärbten Körpern die Bakterien, von denen vorher nichts zu erblicken war, oder die als dunkle unbestimmte Körnchen, Strichelchen u. s. w. erschienen, herauszufinden, nament¬ lich da fast weiter nichts im Präparat gefärbt ist als Kerne und Bakterien. Umrisse und Grössenverhältnisse der Bakterien lassen sich dann erkennen und durch die gleichmässige Form sind die Bakterien von anderen etwa mit gefärbten körnigen Massen, z. B. zerfallenden Zellkernen sofort mit Sicherheit zu unterscheiden.

Um die Wirkung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates zu veranschaulichen, kann noch eine einfache Vorrichtung dienen. Dieselbe besteht aus einem kleinen mit Canadabalsam gefüllten Glasgefäss, in welches kleine gefärbte und ungefärbte Glasperlen gethan werden. Es sind also ähnliche Bedingungen gegeben, wie bei einem in Canadabalsam eingelegten gefärbten Präparat. Die gefärbten Perlen entsprechen den gefärbten Kernen oder Bakterien, die farblosen Perlen den ungefärbt gebliebenen Gewebstheilen. Sieht man nun durch das Glas auf ein dicht darunter gelegtes breites, hell vom Tageslicht beschienenes Blatt Papier, dann ist von den farblosen Perlen nichts zu sehen, die gefärbten hingegen sind deutlich und scharf zu erkennen; wird aber das Papier von dem Glase entfernt, also der die Perlen beleuchtende Strahlenkegel bei gleicher Basis länger und sein Oeffnungswinkel immer kleiner, dann tritt dieselbe Erscheinung ein, wie wenn beim Abbe'schen Beleuchtungsapparat successive engere Blendenöffnungen genom¬ men werden; die ungefärbten Perlen fangen nämlich allmählich an sichtbar zu werden, nehmen immer deutlichere und dunklere Umrisse an, auch die gefärbten Perlen erscheinen dunkler, zuletzt sind beide Perlensorten wenig mehr zu unterscheiden und es kön¬ nen farbige durch ungefärbte vollständig verdeckt werden.

37Beschreibung der Untersuchungsmethode.

Mikroskopiker, welche zum ersten Mal ein stark vergrössertes mit dem Abbe'schen Beleuchtungsapparat ohne Blende beleuchtetes Präparat untersuchen, finden dasselbe gewöhnlich ganz fremdartig, zu hell und verschwommen, trotzdem die Umrisse der farbigen Ge¬ genstände ganz scharf sind. Es sind das solche Mikroskopiker, die zu sehr an das dunkle Gesichtsfeld der gewöhnlichen Spiegel¬ beleuchtung gewöhnt sind und die die fehlende ihnen wohlbekannte Structurzeichnung des Gewebes vermissen. Für diese ist es zweck¬ mässig, die Blenden nicht ganz wegzulassen, sondern die Blenden¬ öffnung so lange zu steigern, bis das zu untersuchende farbige Object gerade deutlich genug erscheint; es bleibt dann vom Struc¬ turbild immer noch genug übrig, um sich über das Gewebe selbst orientiren zu können.

Ueberhaupt ist es nothwendig, neben der Untersuchung der Bakterien vermittelst des reinen Farbenbildes auch andere Metho¬ den, also gleichzeitige Beobachtung der Gewebsstructur, ferner die Untersuchung der frischen Objecte mit und ohne Anwendung von Alkalien und Säuren zu benutzen und ich erwähne hier ausdrück¬ lich, dass ich auch diese Verfahren häufig in controlirender Weise neben meiner hauptsächlichen Untersuchungsmethode ver¬ werthet habe.

Obwohl die Anilinfärbung und der Abbe'sche Beleuchtungs¬ apparat so bedeutend die Untersuchung auf pathogene Bakterien erleichtern, so darf man sich doch nicht vorstellen, dass damit ohne Weiteres alle Schwierigkeiten beseitigt und alle Fehlerquel¬ len ausgeschlossen sind. Es gehört im Gegentheil eine nicht ge¬ ringe Uebung dazu, ehe man im Stande ist, diese ausgezeichneten Hülfsmittel richtig zu verwerthen. Einige der hier in Frage kom¬ menden Schwierigkeiten sollen kurz berührt werden.

Da auch einzelne Bakterien dem beobachtenden Auge nicht entgehen, so ereignet es sich nicht selten, dass man auf solche vereinzelte Bakterien stösst, die aus den beim Färben, Auswaschen u. s. w. gebrauchten Flüssigkeiten stammen. Denn selbst das destillirte Wasser ist fast niemals frei von Bakterien. Aber sehr bald lernt man diese Bakterienformen von anderen unterscheiden und erkennt sie sofort als zufällige Verunreinigung.

Ferner ist jedesmal, wenn einzelne Bakterien nur in den ober¬ flächlichen Schichten von Organen gefunden werden, zu vermuthen, dass es sich um beginnende Fäulniss handelt. Auch die bei der Fäulniss auftretenden Bakterien, im Beginn gewöhnlich grosse38Beschreibung der Untersuchungsmethode. Bacillen1)Vgl. meine Abhandlung über Photographiren u. s. w. der Bakterien. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 2. Bd. 3. Heft. Photogramm Nr. 6 auf Taf. XVI., sind so charakteristisch, dass sie mit den pathogenen Bakterien nicht leicht zu verwechseln sind. Dennoch ist es besser Objecte, in denen sich schon Fäulnissbakterien eingefunden haben, nur mit Reserve oder noch richtiger gar nicht zu benutzen. Ich habe, um jeden Einwand von Verwechslung mit Fäulnissbakterien auszuschliessen und um nicht zu der Meinung Veranlassung zu geben, dass in Anordnung und Zahl der pathogenen Bakterien nach dem Tode noch Veränderungen eingetreten sein könnten, nur solche Objecte zur Untersuchung gezogen, die unmittelbar nach dem Tode des Versuchsthieres, nur in wenigen Fällen einige Stunden nach dem Tode, in absoluten Alkohol gelegt wurden. Deswegen habe ich in meinen in dieser Weise gewonnenen Prä¬ paraten niemals Fäulnissbakterien gefunden. Dagegen habe ich sie selten in menschlichen Leichentheilen, trotzdem die Section 15 bis 20 Stunden nach dem Tode gemacht war, vermisst.

Auf eine merkwürdige Art von Zellen will ich bei dieser Ge¬ legenheit noch aufmerksam machen, welche zu Verwechslungen mit kleinen Mikrokokkenhaufen Veranlassung geben könnte. Es sind das die von Ehrlich2)Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XIII. 1877. S. 263. beschriebenen und abgebildeten so¬ genannten Plasmazellen, platte, meistens der Aussenwand von Ge¬ fässen aufsitzende Zellen, die aus einem rund um einen Kern gruppirten Körnerhaufen bestehen. Sie verhalten sich den Anilin¬ farben gegenüber gerade entgegengesetzt wie alle übrigen Zellen. Bei letzteren wird nur der Kern gefärbt, bei den Plasmazellen färbt sich dagegen nur das feinkörnige Plasma und der Kern bleibt ungefärbt. Da nun die Körnchen genau die Grösse mancher Mikrokokken haben, so sieht, besonders wenn der Kern undeut¬ lich oder verschwunden ist, die Plasmazelle fast genau so aus, wie eine kleine Mikrokokkenkolonie. Doch sind die Körnchen gewöhnlich von ungleicher Grösse. Dieses letztere Verhalten, das Vorhandensein eines Kernes und der Vergleich mit anderen eben¬ solchen Zellen sichern indessen leicht ihre Diagnose. In mensch¬ lichen Geweben sind sie nicht gerade häufig, aber massenhaft kommen sie bei der Maus, besonders in der Haut des Ohrs, vor.

Handelt es sich darum, jede Verwechslung der Bakterien mit thierischen Gewebstheilen auszuschliessen, oder kommt es darauf39Beschreibung der Untersuchungsmethode. an, die Menge und Vertheilung der Bakterien in einem Organ übersichtlich zu machen, dann kann noch ein besonderes Verfahren zur Verwendung kommen. Werden nämlich nach der Anilinfärbung die Schnitte anstatt mit Essigsäure mit einer schwachen Lösung von kohlensaurem Kali behandelt, dann verlieren auch die Kerne und Plasmazellen, überhaupt alles thierische Gewebe den Farb¬ stoff wieder und die Bakterien bleiben ganz allein gefärbt. Grosse Schnitte in denen in der eben angegebenen Weise nur die Bak¬ terien gefärbt sind, gewähren ausgezeichnete und ganz über¬ raschende Uebersichtsbilder.

In der mikroskopischen Technik spielen Färbungsmethoden eine Hauptrolle und viele der wichtigsten Entdeckungen sind schon mit Hülfe derselben gemacht. Aber der Nutzen, den die Färbung bei mikroskopischen Arbeiten gewährt, kann wie meine Unter¬ suchungen beweisen, nur vermittelst einer zweckentsprechenden Ver¬ wendung der Beleuchtungsapparate vollständig ausgebeutet werden.

Bislang ist dies meines Wissens nicht geschehen und ich halte es deswegen nicht für überflüssig, meine Beleuchtungsmethode auch für andere mikroskopische Untersuchungen zu empfehlen, bei denen es sich vorwiegend um die Unterscheidung sehr kleiner gefärbter Elemente handelt.

Für die Verwendung des Abbe'schen Beleuchtungsapparates mache ich mich darauf aufmerksam, dass nur solche Systeme mit demselben ein scharfes, nicht verschleiertes Farbenbild geben, bei denen sämmtliche Zonen der Objectivöffnung richtig corrigirt sind. Die aus der Zeiss'schen Werkstatt hervorgehenden Objectiv¬ systeme werden vermittelst des Abbe'schen Condensors auf das richtige Zusammenwirken der einzelnen Zonen, namentlich der Randzonen geprüft. Diese eignen sich deswegen sämmtlich zur Beobachtung von Farbenbildern, ganz besonders die neuen nach den Angaben von Abbe construirten Oelsysteme. Bei anderen Systemen, welche ich zu demselben Zweck versuchte, waren fast immer die Randzonen ungenügend corrigirt. Nur noch mit einem System von Seibert und Kraft habe ich scharfe Farbenbilder erhalten.

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Künstliche Wundinfectionskrankheiten.

1. Septicämie bei Mäusen.

Mäuse eignen sich ganz besonders gut zu Versuchen mit In¬ fectionskrankheiten, wie ich schon früher bei Untersuchungen über Milzbrand erfahren hatte.

Auf Grund dieser Erfahrung versuchte ich es denn auch nach derselben Methode, die von Coze und Feltz, Davaini u. A. be¬ folgt ist, um bei Thieren künstliche Wundinfectionskrankheiten hervorzurufen, an Mäusen dieselben oder doch ähnliche Krank¬ heiten zu erzielen.

Es wurden also Einspritzungen von putriden Flüssigkeiten, z. B. von faulendem Blut, faulendem Fleischinfus unter die Rücken¬ haut einer Maus gemacht. Der Erfolg einer solchen Einspritzung ist je nach der Art der Faulflüssigkeit und je nach der Menge, die eingespritzt wird, ein sehr verschiedener. Blut und Fleisch¬ infus, das längere Zeit gefault hat, scheint weniger schädlich zu wirken, wenige Tage faulende Flüssigkeiten haben dagegen eine intensivere Wirkung. Von diesen letzteren Flüssigkeiten, nament¬ lich von nicht zu altem faulenden Blut genügen ungefähr fünf Tropfen, um eine Maus binnen kurzer Zeit zu tödten. An dem Thiere sind in diesem Falle sofort nach der Einspritzung ent¬ schiedene Krankheitssymptome zu bemerken. Es ist unruhig, läuft viel umher, zeigt aber dabei grosse Schwäche und Unsicher¬ heit in allen Bewegungen, es frisst nicht mehr, die Respiration wird unregelmässig, verlangsamt und nach 4 8 Stunden tritt der Tod ein.

An einem solchen Thiere befindet sich im Zellgewebe der Rückenhaut noch der grösste Theil des eingespritzten faulen Blutes und zwar in demselben Zustande wie vor der Einspritzung. Es enthält dieselbe Menge von Bakterien der verschiedensten Formen411. Septicämie bei Mäusen. regellos durcheinander gewürfelt, wie es auch die mikroskopische Untersuchung vorher nachgewiesen hat. Eine Reaction ist in der Umgebung der Injectionsstelle nicht zu bemerken. Auch die in¬ neren Organe sind unverändert. Wird Blut, das aus dem rechten Vorhof genommen ist, einer anderen Maus eingeimpft, dann bleibt diese Impfung ohne jede Wirkung. Bakterien sind in keinem der inneren Organe und auch nicht im Herzblut aufzufinden.

Eine Infection war also durch die Einspritzung nicht ent¬ standen. Dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Tod des Thieres durch das im faulenden Blute durch die Unter¬ sungen von Bergmann, Panum und verschiedenen anderen For¬ schern nachgewiesene lösliche Gift, das Sepsin bewirkt und dass das Versuchsthier also nicht einer Infections - sondern einer In¬ toxicationskrankheit erlegen ist.

Bestätigt wird diese Annahme dadurch, dass je weniger Flüssigkeit dem Thier applicirt wird, auch die sofort eintretenden Vergiftungserscheinungen um so weniger ausgesprochen werden und bei Einspritzung von einem oder höchstens zwei Tropfen ganz fehlen. Nach Einspritzung so kleiner Mengen Blut bleiben Mäuse vielfach auch dauernd ohne Krankheitserscheinungen. Aber un¬ gefähr ein Drittel derselben erkrankt nach ungefähr 24 Stunden, während welcher Zeit sie noch anscheinend ganz gesund waren, auf jeden Fall keine der vorher geschilderten Vergiftungssymptome gezeigt haben, unter ganz charakteristischen und constanten Sym¬ ptomen.

Ehe ich dieselben beschreibe, will ich nur noch erwähnen, dass auch mit weniger Faulflüssigkeit als mit einem Tropfen die Infection noch gelingt. Aber mit der Menge der applicirten Faul¬ flüssigkeit nimmt auch die Zahl der Erfolge ab, so dass z. B. bei einer in gewöhnlicher Weise vorgenommenen Impfung mit faulen¬ dem Blut, wobei also ungefähr 1 / 10 1 / 20 Tropfen zur kommt, von 10 12 Thieren eins erfolgreich inficirt wird.

Das erste Krankheitssymptom bei den inficirten Thieren besteht in einer vermehrten Secretion der Augenbindehaut. Das Auge sieht trübe aus und es sammelt sich in der Lidspalte weisslicher Schleim, der die Augen schliesslich ganz verklebt. Zugleich stellt sich Mattigkeit ein, das erkrankte Thier bewegt sich wenig und lang¬ sam; meistens sitzt es mit stark gekrümmtem Rücken und fest angezogenen Extremitäten ganz ruhig. Es hört dann auch auf zu fressen. Die Respiration wird langsamer, die Schwäche nimmt42Künstliche Wundinfectionskrankheiten. immer mehr zu und fast unmerklich tritt der Tod ein. Niemals gehen Krämpfe vorher, wie es beim Milzbrand regelmässig der Fall ist. Auch nach dem Tode bleibt das Thier in sitzender Stellung mit stark gekrümmtem Rücken, während eine an Impf¬ milzbrand gestorbene Maus immer auf dem Rücken oder auf der Seite liegt und die starren Extremitäten weit von sich streckt, so dass schon an der Lage des Körpers nach dem Tode sofort die stattgehabte Impfung mit faulendem Blute von der mit Milzbrand zu unterscheiden ist. Der Tod der mit faulendem Blut inficirten Mäuse erfolgt ungefähr 40 60 Stunden nach der Impfung.

Bei der Section findet sich an der Einspritzungs - oder Impf¬ stelle ein geringes Oedem des Unterhautzellgewebes, das aber auch oft fehlt, und alle inneren Organe mit Ausnahme einer beträcht¬ lichen Milzanschwellung ganz unverändert.

Nimmt man nun von der subcutanen Oedemflüssigkeit oder vom Blute aus dem Herzen eines solchen Thieres ein sehr geringes Quantum (z. B. 1 / 10 Tropfen) und impft damit eine andere Maus, dann treten bei dieser genau dieselben Krankheitserscheinungen, in derselben Zeitdauer und Reihenfolge wie bei dem ersten Thier und nach ungefähr 50 Stunden der Tod ein. Von diesem zweiten Thier kann in eben derselben Weise ein drittes inficirt werden und so weiter durch beliebig viele Impfgenerationen. Ich habe diese Versuche an 54 Mäusen angestellt und immer das gleiche Resultat gehabt. Davon wurden 17 Impfungen in einer successiven Reihe, die anderen in kürzeren Reihen gemacht.

Die Sicherheit, mit der sich der Infectionsstoff von einer Maus auf die andere übertragen lässt, ist noch bedeutender als beim Milzbrand. Bei letzterem muss, um sicher zu gehen, das Impf¬ material aus der Milz genommen werden, weil das Blut von milz¬ brandigen Mäusen oft sehr wenige Bacillen enthält. Bei der mit faulendem Blut erzeugten Krankheit der Mäuse ist es, besonders in den späteren Impfgenerationen, dagegen gleichgültig, von wel¬ chem Organ man impft und selbst die kleinste Menge Substanz hat noch eine sichere Wirkung. Es ist vollständig hinreichend, über eine kleine Hautwunde einer Maus die Scalpellspitze, die mit dem infectiösen Blute nur in Berührung gekommen ist, hinweg¬ zustreichen, um das so geimpfte Thier binnen ungefähr 50 Stunden zu tödten. Mehrmals habe ich den Versuch gemacht, das sub¬ cutane Gewebe von einer Maus, die nach Impfung am Schwanz gestorben war, an der entgegengesetzten Körperseite, also z. B. 431. Septicämie bei Mäusen. am Kopf mit dem Messer zu berühren und einer anderen Maus mit diesem Messer einen kleinen Hautriss am Ohr beizubringen, aber auch in diesen Fällen starben die Thiere ausnahmslos an der geschilderten Krankheit.

Diese Krankheit ist hiernach zweifellos eine Infectionskrank¬ heit, die nach dem Sectionsergebniss als Septicämie bezeichnet werden muss.

Die bedeutende Virulenz, welche das Blut septicämischer Mäuse besitzt, liess vermuthen, dass, wenn diese Krankheit eine parasitische, durch Bakterien bedingte ist, die Parasiten im Blute und zwar in grosser Anzahl vorhanden sein müssten. Aber ver¬ geblich habe ich mich anfangs bemüht, Bakterien im septicämi¬ schen Blute zu entdecken, erst mit Hülfe des Abbe'schen Conden¬ sors gelang es mir, dieselben trotz ihrer geringen Grösse mit aller Sicherheit nachzuweisen.

Die Blutuntersuchung nahm ich in der bei einer anderen Gelegenheit von mir angegebenen Weise1)Vgl. Cohn's Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 2. Bd. 3. Heft. S. 402. (Eintrocknen am Deck¬ glase und Färben mit Methylviolett) vor, die sich auch hier voll¬ ständig bewährte.

Bei Thieren, welche nach Einspritzung von ein bis zehn Tropfen faulenden Blutes krank geworden waren, fanden sich im Blute gewöhnlich verschiedene Bakterien in geringer Zahl, Mikro¬ kokken, grössere und sehr kleine Bacillen. Starben die Thiere aber nach Impfung mit faulendem oder septicämischem Blut, dann zeigten sich im Blute nur die kleinen Bacillen und zwar ohne dass jemals eine Ausnahme vorgekommen wäre und immer in grosser Menge. Diese Bacillen (Taf. I. Fig. 1), die zerstreut oder in kleinen Gruppen zwischen den rothen Blutkörperchen liegen, haben eine Länge von 0,8 1 Mikrm. 2)1 Mikrm. = 0,001 Millimeter.Ihre Dicke, die sich nicht mehr messen, sondern nur schätzen lässt, beträgt ungefähr 0,1 bis 0,2 Mikrm. Um einen Vergleich mit anderen bekannten Bakterien anstellen zu können, sind in Fig. 4 ebenso stark vergrösserte Milz¬ brandbacillen aus dem Blut einer Maus abgebildet, das genau in derselben Weise wie das septicämische Blut am Deckglas einge¬ trocknet und gefärbt ist (die Gliederung der Milzbrandbacillen ist in der Zeichnung etwas zu stark ausgefallen). Die Bacillen im septicämischen Blut sieht man oft zu zwei aneinanderhängen ent¬44Künstliche Wundinfectionskrankheiten. weder in gerader Linie oder einen stumpfen Winkel bildend. Längere Ketten bis zu vier Bacillen kommen auch wohl vor, sind aber selten. Sie haben beim ersten Anblick grosse Aehnlichkeit mit kleinen nadelförmigen Krystallen. Dass es aber unzweifelhaft pflanzliche Gebilde sind, geht daraus hervor, dass, wenn septi¬ cämisches Blut in einen hohlen Objectträger und in den Brütappa¬ rat gebracht wird, die Bacillen ebenso wie Milzbrandbacillen wachsen, aber nicht wie diese zu langen Fäden, sondern sie ver¬ mehren sich zu dichten Haufen, die aus getrennten Bacillen be¬ stehen. In einigen Fällen habe ich auch Sporen in den Bacillen auftreten sehen. Weiter konnte ich aus Mangel an Zeit die Le¬ bensbedingungen und Vegetationsverhältnisse dieser Septicämie¬ bacillen noch nicht verfolgen, beabsichtige aber bei späterer Ge¬ legenheit mich noch mit dieser Aufgabe zu beschäftigen. Ohne Anwendung von Färbungsmitteln sind die Bacillen im frischen Blute, auch wenn man ihre Form schon kennt, ungemein schwer zu erkennen und ich habe darüber, ob sie eigene Bewegung be¬ sitzen, keine Gewissheit erlangen können. Eigenthümlich ist ihr Verhalten zu den weissen Blutkörperchen. Sie dringen in die¬ selben ein und vermehren sich in ihnen. Oft findet man fast kein einziges weisses Blutkörperchen mehr, in dessen Innern nicht Bacillen zu erblicken sind. Manche Blutkörperchen enthalten nur einzelne, andere dichte Massen von Bacillen, neben denen der Kern noch zu erkennen ist; in noch anderen ist der Kern nicht mehr zu unterscheiden und schliesslich ist aus dem Blutkörperchen ein dichter, an den Rändern zerfallender Bacillenklumpen gewor¬ den, dessen Entstehung man sich nicht erklären könnte, wenn man nicht oft alle Uebergänge bis zum intacten weissen Blutkörperchen nahe bei einander zu sehen bekäme (Taf. I. Fig. 2).

Von der Impfstelle ausgehend lässt sich der Weg, auf dem sich die Bacillen im Körper verbreiten, leicht ermitteln. Im sub¬ cutanen Zellgewebe in der Umgebung der Impfstelle sind sie, wie man am besten nach Impfungen am Ohr sehen kann, reichlich vorhanden, bisweilen schwarmähnliche Anhäufungen bildend. Be¬ sonders dicht liegen sie auf der Oberfläche des Ohrknorpels und sind hier von einer Schicht Lymphkörperchen bedeckt. Letztere finden sich nebst zahlreichen rothen Blutkörperchen auch im locke¬ ren Bindegewebe.

Das reichliche Austreten der rothen Blutkörperchen lässt auf eine Veränderung der Gefässwände schliessen, und es ist sehr451. Septicämie bei Mäusen. wahrscheinlich, dass die Bacillen unmittelbar durch die Lücken der Gefässwand, die den weit grösseren rothen Blutkörperchen den Durchtritt gestatten, in die Gefässe hinein wuchern und so in den Blutstrom gelangen. In den Lymphbahnen habe ich sie niemals getroffen. Selbst in den stark vergrösserten Lymphdrüsen sind sie nur in den Blutcapillaren, welche die Drüse durchziehen, nicht aber in den Lymphräumen derselben zu finden. Im locke¬ ren Zellgewebe dringen sie oft weit vor und können vom Ohr bis in das Mediastinum, vom Rücken bis in das Beckenzellgewebe gelangen. Frei in den Körperhöhlen habe ich sie nicht gefunden. Ihre Verbreitung in den Blutgefässen lässt sich am besten am Zwerchfell ermitteln, wenn die am Rand des Centrum tendineum verlaufenden Gefässe zur Untersuchung gewählt werden. Grössere Venen (Taf. III. Fig. 3 zeigt einen kleinen Abschnitt einer solchen) enthalten bedeutende Mengen ziemlich gleichmässig vertheilter Ba¬ cillen und zahlreiche aus weissen Blutkörperchen hervorgegangene Bacillenhaufen. Die freischwimmenden Bacillen sind fast sämmt¬ lich mit ihrer Längsaxe nach der Richtung des Blutstromes ge¬ lagert und beweisen dadurch, dass sie noch durch das strömende Blut in diese Lage gebracht sind und nach dem Stillstande desselben sich nicht vermehrt oder fortbewegt haben. In den Capillaren häufen sich die Bacillen besonders an den Theilungs¬ stellen an, doch habe ich niemals gesehen, dass es zur vollstän¬ digen Verstopfung kleinerer Gefässe gekommen wäre. Auch die Innenwand der Arterien ist oft mit längsgerichteten Bacillen dicht besetzt.

Ganz in derselben Weise sind die Bacillen nun auch im ge¬ sammten übrigen Blutgefässsystem vertheilt. Ueberall stösst man bei der Untersuchung von Schnitten aus Lunge, Leber, Niere und Milz auf Gefässdurchschnitte mit freien Bacillen und bacillenhal¬ tigen weissen Blutkörperchen im Innern. Stärkere Ansammlungen in den Glomeruli bilden die Bacillen nicht; auffallenderweise sind sie auch in der erheblieh vergrösserten Milz nicht zahlreicher als in den anderen Organen.

Der ganze Krankheitsprocess hat grosse Aehnlichkeit mit Milzbrand. In beiden Krankheiten ist die Infectionsfähigkeit an das Vorhandensein der Bacillen im Blute gebunden; sobald diese fehlen, lässt sich die Krankheit nicht mehr durch Verimpfung des Blutes übertragen. Beide Krankheiten sind durch die ausnahms¬ los eintretende Entwicklung von überaus zahlreichen Bacillen aus¬46Künstliche Wundinfectionskrankheiten. gezeichnet. Es kann deswegen auch keinem Zweifel unterliegen, dass die Bacillen der hier beschriebenen Septicämie dieselbe Be¬ deutung haben wie die Milzbrandbacillen, dass sie nämlich als das Contagium dieser Krankheit anzusehen sind.

Da Milzbrand mit Erfolg auf verschiedene Thiergattungen übertragen ist, so versuchte ich auch mit dem Blut septicämischer Mäuse andere Thierarten zu inficiren. Aus Mangel an anderen Thieren konnte ich diese Experimente nur an Kaninchen und an Feldmäusen anstellen. Bei beiden fiel der Versuch negativ aus. Kaninchen wurden anfangs geimpft, später das gesammte von einer septicämischen Maus gesammelte Blut denselben subcutan injicirt und schliesslich Blut, Lungen, Herz, Leber, Nieren und Milz einer septicämischen Maus einem Kaninchen unter die Haut gebracht. Diese Thiere zeigten sämmtlich nicht die geringsten Krankheitserscheinungen weder local an der Applicationsstelle noch Allgemeinerscheinungen.

Eigenthümlich erscheint es, dass auch Feldmäuse die den Hausmäusen in Grösse und Gestalt so ähnlich sind, dass sie auf den ersten Blick kaum von einander unterschieden werden kön¬ nen, Immunität gegen diese Septicämie besitzen. Diese Thiere sind indessen auch gegen Milzbrand bedeutend weniger empfäng¬ lich als die Hausmäuse. Ich beziehe dieses abweichende Ver¬ halten auf Verschiedenheiten im Blute der beiden nahe verwandten Thiere, die sofort bei der Untersuchung des frischen Blutes auf¬ fallen. Im Blute der Hausmaus bilden sich nämlich selten Blut¬ krystalle und wenn es der Fall ist, dann schiessen nur an den Rändern des Bluttropfens kleine rechteckige Täfelchen und Nadeln an. Das Feldmausblut verändert sich dagegen regelmässig sehr bald nach der Entfernung aus dem Körper, indem alle rothen Blutkörperchen unmittelbar, oder nachdem sie mit benachbarten Körperchen zusammengeflossen sind, in grosse regelmässig gebil¬ dete sechseckige Tafeln übergehen, so dass der Tropfen in kurzer Zeit in einen Krystallbrei verwandelt ist. Wenn es nun auch nicht geglückt ist, die Septicämie der Mäuse auf die genannten beiden Thierarten zu übertragen, so folgt daraus durchaus noch nicht, dass auch alle übrigen Arten gegen diese Krankheit immun sind. Auch gegen den Milzbrand sind manche Arten unempfäng¬ lich. Es wäre gewiss eine lohnende Aufgabe, möglichst viele ver¬ schiedene Thiere in Bezug auf ihr Verhalten gegen diese Septi¬ cämie zu prüfen.

472. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.

2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.

Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬ den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬ mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬ gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬ rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬ den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬ tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬ substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬ reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von der Injections - oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬ mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬ kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬ deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet48Künstliche Wundinfectionskrankheiten. äusserst zierliche und regelmässige Mikrokokkenketten (Tafel III Fig. 6), deren einzelne Elemente, wie sich aus Messungen längerer Ketten berechnen lässt, einen Durchmesser von 0,5 Mikrm. be¬ sitzen. Dieselben lassen sich bis fast an die Basis des Ohrs ver¬ folgen und in dem ganzen Gebiet, das sie einnehmen, sind sämmt¬ liche Gewebe in erheblicher Weise verändert. So weit nämlich die Mikrokokken reichen, ist kein rothes Blutkörperchen, keine Kerne von Lymph - oder Bindegewebszellen mehr zu sehen. Selbst die am meisten resistenten Knorpelzellen und die im Mauseohr so reichlich vertretenen Plasmazellen, die sich ebenfalls durch grosse Widerstandsfähigkeit auszeichnen, sind blass und kaum zu erkennen. Sämmtliche Gewebsbestandtheile sehen so aus, als wären sie mit Kalilauge behandelt; sie sind abgestorben, nekro¬ tisch geworden. Um so kräftiger entwickeln sich unter diesen Verhältnissen die Bakterien. Die Mikrokokken dringen vielfach in die verödeten Blut - und Lymphgefässe ein und füllen dieselben stellenweise so aus, dass sie wie injicirt aussehen. Dazwischen sieht man sehr deutlich, weil sie von keinen Kernen mehr ver¬ deckt werden, die Septikämiebacillen in kleinen Schwärmen, die bisweilen so dicht werden, dass sie in ihrer Gestalt an die Pilz¬ figuren der geimpften Cornea erinnern. Während nun die Bacillen bis zur Wurzel des Ohrs und darüber hinaus zu verfolgen sind, im Blute sich ungeheuer vermehrt haben und das Thier schliess¬ lich tödten, sind die Mikrokokken in ihrer Verbreitung und dem damit verbundenen Zerstörungsprocess bis zum Tode des Thieres, also innerhalb ungefähr 50 Stunden, nur bis in die Nähe der Ohr¬ wurzel gedrungen. Die Grenze ihres Vordringens ist ganz scharf bezeichnet, wie an einem Längsschnitt des Ohrs bei schwacher (25facher) Vergrösserung sehr gut zu übersehen ist (Taf. I Fig. 5). Der obere Theil (c), von der Spitze bis b ist nekrotisch. Die grösseren dunklen, länglich - bis kreisrunden Stellen (d) sind Ge¬ fässquerschnitte mit Mikrokokkenmassen. Die diffus verbreiteten Mikrokokkenketten sind natürlich bei dieser Vergrösserung nicht zu sehen. Nur im unteren Viertel des nekrotischen Gebietes be¬ finden sich dichtere Gruppen, die sich als dunkle Pünktchen be¬ merklich machen. Dann tritt bei b mit einem Mal eine dicht gehäufte Kernmasse, gewissermaassen als ein Wall gegen die Mi¬ krokokkeninvasion, auf und dies ist auch die Grenze bis zu der noch Mikrokokken zu finden sind, selbst in den Blutgefässen wuchern sie über diese Stelle nicht hinaus. Der Kernwall hat492. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen. keine bedeutende Breite und dicht dahinter folgt normales Ge¬ webe. Bei starker Vergrösserung stellt sich indessen heraus, dass die Mikrokokken nicht ganz bis an die Kernschicht heranreichen. Die Kerne sind an der dem Mikrokokkengebiet zugekehrten Seite der Lymphzellenanhäufung im Zerfall begriffen. Zahllose immer kleiner werdende Fragmente von ganz unregelmässigen Formen bilden die obere Grenze des Kernwalles und sobald man im Prä¬ parat in diese Region kommt, kann man mit Sicherheit auf die Nähe der Mikrokokken schliessen. Doch bleibt zwischen den letzten Kernresten und den Mikrokokken fast immer noch ein nur aus nekrotischem Gewebe bestehender ziemlich breiter Strich, in dem weder Mikrokokken noch Kerne zu finden sind; selten ist es, dass die Mikrokokkenketten noch in die zerfallende Kern¬ schichte hineinreichen.

Hiernach muss man sich das Verhalten der die Nekrose ver¬ anlassenden kettenförmigen Mikrokokken so vorstellen, dass sie, durch die Impfung in lebende thierische Gewebe gebracht, sich vermehren und bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen abscheiden, die durch Diffusion in die Umgebung gelangen. In grösserer Concentration, also in der Nähe der Mikrokokken hat dieses gelöste Product der Mikrokokken eine so deletäre Wirkung auf alle Zellen, dass sie zu Grunde gehen und schliesslich völlig verschwinden. Entfernter von den Mikrokokken wird die Lösung verdünnter, wirkt weniger intensiv und ruft in einem gewissen Abstand nur noch Entzündungsreiz und Anhäufung von Lymph¬ zellen hervor. So kommt es denn, dass die Mikrokokken sich immer in nekrotischem Gewebe befinden und bei ihrer Ausbrei¬ tung einen Kernwall vor sich herschieben, der auf der ihnen zu¬ gewandten Seite fortwährend abschmilzt und auf der entgegenge¬ setzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen ersetzt wird.

Diese Beobachtungen beziehen sich indessen auf Impfungen mit Flüssigkeit, die Mikrokokken und Bacillen enthielt, und man könnte annehmen, dass die Septicämiebacillen zur Entwicklung der Mikrokokken die nothwendigen Vorgänger abgeben, diesen also gewissermaassen den Weg bahnen mussten. Es wurde des¬ wegen in verschiedener Weise versucht, die beiden Parasiten von einander zu trennen, indem das eine Mal mehr, das andere Mal weniger Impfflüssigkeit, näher oder entfernter von der Impfstelle genommen, auch die Applicationsstellen möglichst variirt wurden. Koch, Wundinfectionskrankheiten. 450Künstliche Wundinfectionskrankheiten. Aber das half Alles nichts; entweder wurde reine Septicämie oder Septicämie mit progressiver Nekrose zusammen, niemals aber letztere allein erhalten. Da brachte mich der Zufall auf den richtigen Weg. Es wurde eine Feldmaus, die, wie ich früher er¬ wähnte, gegen Septicämie immun ist, mit Septicämiebacillen und kettenförmigen Mikrokokken geimpft. Der Versuch war in der Erwartung angestellt, dass beide Parasiten nicht zur Entwicklung kommen würden. Diese Erwartung ging aber nicht in Erfüllung, denn die Bacillen blieben allerdings wirkungslos, aber die Mikro¬ kokken vermehrten und verbreiteten sich ganz in derselben Weise, wie es vom Ohr der Hausmaus geschildert ist. Von der Impf¬ stelle an der Schwanzwurzel beginnend schritt die Nekrose am Rücken aufwärts, bis tief in die Rückenmusculatur eindringend und zu beiden Seiten abwärts nach der Bauchwand zu. Das Thier starb drei Tage nach der Impfung. Die nekrotischen Theile waren von Epidermis und Haaren theilweise entblösst und von ketten¬ förmigen Mikrokokken in ausserordentlicher Menge durchsetzt. Auch an der Oberfläche der Bauchorgane, obwohl eine makro¬ skopisch bemerkbare Peritonitis nicht eingetreten war, fanden sich dieselben Mikrokokken. Das Blut und das Innere der Organe war dagegen frei davon. Von diesem Thiere wurden andere Feld¬ mäuse und später von diesen wieder Hausmäuse in mehreren Impfgenerationen inficirt und zwar immer mit dem Erfolg, dass nur die kettenförmigen Mikrokokken und in deren Gefolge die progressive Nekrose erhalten wurde.

3. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen.

Coze und Feltz, Davaine und mehrere Andere haben bei Kaninchen durch Einspritzungen mit faulendem Blute eine infec¬ tiöse septicämieähnliche Krankheit erzielt und das veranlasste mich, diesen Versuch zu wiederholen. Es ist mir nun allerdings nicht gelungen, Kaninchen in der von Davaine beschriebenen Weise zu inficiren, aber ich konnte dieselbe Beobachtung machen, wie viele Andere, die in ähnlicher Weise an Kaninchen experimentirt haben, dass nämlich bei diesen Thieren sehr oft nach subcutaner Injec¬ tion von Faulflüssigkeiten sich im Unterhautzellgewebe eine immer weiter um sich greifende Abscessbildung entwickelt, ohne dass es zu einer Allgemeininfection kommt. Solche Thiere sind an¬ fangs ohne Krankheitserscheinungen. Nur an der Injectionsstelle513. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen. ist eine flache, linsenförmige, harte Infiltration zu fühlen. Erst nach mehreren Tagen breitet sich diese Härte nach allen Rich¬ tungen hin aus, nach oben zu am wenigsten, um so mehr aber nach dem Bauch und den Vorderextremitäten zu. Das Thier fängt zu¬ gleich an abzumagern und schwach zu werden und stirbt unge¬ fähr 12 bis 15 Tage nach der Einspritzung.

Die Section ergibt ausgedehnte, mit einem käsigen Inhalt ver¬ sehene, flache Abscesse im Unterhautzellgewebe, welche nach verschiedenen Richtungen hin Ausbuchtungen besitzen und unter¬ einander zusammenhängen. Ausserdem Abmagerung im höchsten Grade, aber keine Veränderungen am Bauchfell, Darm, Nieren, Milz, Leber, Herz und Lungen. Im Blute sind die weissen Blut¬ körperchen stark vermehrt, aber keine Bakterien aufzufinden. Der käsige Inhalt der Abscesse besteht aus einer feinkörnigen Masse, in der stellenweise zerfallende Kerne, aber Bakterien nicht mit Sicherheit nachzuweisen sind.

Es liegt hier also derselbe Fall vor, der beim Menschen schon mehrfach gefunden und als Beweis gegen die parasitische Natur eines derartigen Krankheitsprocesses ausgebeutet ist, dass nämlich der Inhalt von Abscessen, die aus phlegmonösen Entzündungen hervorgingen und die man als durch Infection entstanden ansehen musste, frei von Mikroorganismen war.

Als nun aber Querschnitte von gehärteten Stücken dieser Abscesse gemacht und diese untersucht wurden, stellte sich das überraschende Resultat heraus, dass sich im Innern des Abscesses allerdings keine Bakterien befanden, dass aber die Wand dessel¬ ben nach allen Seiten hin von einer dünnen Schicht, zu dichten Zooglöahaufen verbundener Mikrokokken gebildet wird. Diese Mikrokokken sind unter den pathogenen Mikrokokken die klein¬ sten, die ich bis jetzt beobachtet habe. An einzelnen günstigen Stellen, an denen es möglich war, mehrere aneinander gereihte Exemplare zu zählen und zu messen, fand ich als (natürlich nur annähernd richtigen) Werth 0,15 Mikrom. für den Durchmesser dieser Mikrokokken. Aus der Gestalt und Beschaffenheit der den Abscess einschliessenden Zooglöamassen geht indess hervor, dass dieselben in innigster Beziehung zum Abscessinhalt stehen, dass dieser letztere aus den Zooglöamassen und von diesen eingeschlos¬ senen abgestorbenen Gewebstheilen hervorgeht. Dieser Vorgang vollzieht sich in folgender Weise. Die Mikrokokken wuchern nur in geschlossenen Massen, die an der Peripherie des mehr4 *52Künſtliche Wundinfectionskrankheiten. oder weniger linsenförmigen Abscesses eine andere Gestalt haben, als an der oberen und namentlich unteren Fläche desselben. Die Abscessränder erstrecken sich in die lockeren Maschen des sub¬ cutanen Bindegewebes hinein; hier findet die Ausbreitung der Mikrokokken den geringsten Widerstand und hier sieht man sie in dichten wolkenähnlichen Massen den Abscess umsäumen (Taf. I. Fig. 8). Das zunächst folgende Bindegewebe ist mehr oder weniger reichlich von Kernen (e) durchsetzt, zwischen denen man einzelne kleinere Mikrokokkencolonien (b, c) als Vorläufer der geschlosse¬ nen Zooglöamasse erblickt. Die kleinsten noch aufzufindenden Haufen (d) lassen durch ihre mit spitzen Ausläufern versehene Gestalt darauf schliessen, dass sie sich in den Saftkanälen des Bindegewebes befinden. Einen Zusammenhang der Mikrokokken mit den Bindegewebskörpern, wie etwas Aehnliches in der geimpf¬ ten Hornhaut beobachtet ist, habe ich nicht auffinden können. An der unteren Fläche des Abscesses, wo den Mikrokokken die festen Lagen des sich zur Fascie verdichtenden Bindegewebes entgegen¬ treten, können sie sich nicht in so üppiger Weise entwickeln, wie an den Abscessrändern. Hier findet man sie verhältnissmässig klein und abgeplattet (Taf. III. Fig. 7). Nur an einzelnen Stellen schicken sie Ausläufer (b) in die darunter befindlichen von Kernen durchsetzten Bindegewebsschichten. Eine ganz eigenthümliche Er¬ scheinung macht sich nun aber bemerkbar, wenn man die Zooglöa¬ massen selbst näher ins Auge fasst. Ihre Aussenränder, darunter verstehe ich die dem Bindegewebe zugekehrte Seite der Zooglöen (Fig. 8, a), sind von der Anilinfarbe dunkel und kräftig gefärbt und lassen die einzelnen Mikrokokken deutlich unterscheiden. Be¬ sonders in kleinen, offenbar noch jungen Colonien (Fig. 8, b, c, d; Fig. 7, b) sind die Mikrokokken gleichmässig gefärbt. Wenn man aber in der Richtung nach dem Abscesse zu geht, bemerkt man, dass die Zooglöa blasser wird, ihre Mikrokokken sich nicht mehr genau unterscheiden lassen, sie werden scheinbar immer feinkörniger und gehen in eine fast homogene Masse über, die keinen Farbstoff mehr annimmt (Fig. 8, g)1)Die Mikrokokken sind in den beiden Figuren 7 und 8 theilweise, namentlich nach dem Innern der Zooglöa zu, zu gross gezeichnet.. Noch weiter nach dem Abscesse zu findet man blasse unverkennbar aus Zooglöen hervorgegangene Schollen (Fig. 7, d) untermischt mit Kerndetritus (Fig. 7, e; Fig. 8, f), und nur aus diesen beiden Substanzen, den533. Progressive Abscessbildung bei Kaninchen. abgestorbenen Zooglöen und Kernresten, und zwar erstere in über¬ wiegender Menge, besteht der käsige Inhalt der Abscesse. Ich nannte jene ungefärbt bleibenden Schollen abgestorbene Zooglöen und habe dazu folgende Gründe: Einmal liegt diese Erklärung so nahe, sie geht aus der unmittelbaren Betrachtung und aus dem Vergleich der im fortschreitenden Wachsthum befindlichen kleinen Mikrokokkencolonien mit den weiter zurückliegenden grossen Zoo¬ glöen, die ihren Vegetationsprocess durchgemacht haben, so un¬ abweislich hervor, dass es dazu keiner besonderen Beweise be¬ dürfte. Man könnte das Wachsen der Mikrokokken nach der einen Seite hin und das Absterben der Zurückbleibenden sehr gut mit der Vegetation der Torfmoose vergleichen. Ausserdem kann man bei verschiedenen anderen Gelegenheiten sich davon über¬ zeugen, dass es ein sicheres Kennzeichen für das Abgestorbensein der Bakterien ist, wenn sie die Anilinfarbstoffe nicht mehr auf¬ nehmen. Diese Art der Bakterien-Vegetation, wie sie hier be¬ schrieben ist, verdient die höchste Beachtung. Denn es liegt auf der Hand, wie leicht in ähnlichen Fällen der schmale Saum der in noch vollem Wachsthum befindlichen und nur in diesem Zu¬ stande leicht nachzuweisenden Bakterien übersehen werden kann. Anscheinend kommen auch bei den menschlichen Infectionskrank¬ heiten ähnliche Verhältnisse vor; denn Klebs1)Archiv für experiment. Pathologie und Pharmakologie. IX. Bd. S. 72. (Taf. II. Fig. 3.) fand bei Endo¬ carditis, dass die an der Aortenklappe abgelagerten Mikrokokken gegen die Oberfläche hin dunkler gefärbt waren, in den tieferen Lagen dagegen immer blasser und blasser wurden und schliesslich ganz verschwanden, in eine homogene Masse übergehend.

Um nun noch zu ermitteln, ob sich dieser als progressive Abscessbildung bezeichnete Krankheitsprocess auf andere Thiere übertragen lasse, wurden Einspritzungen mit Blut der an dieser Krankheit gestorbenen Kaninchen bei anderen Kaninchen vorge¬ nommen, doch blieben diese Thiere gesund. Es wurde dann eine geringe Menge des käsigen Abscessinhaltes genommen, mit dest. Wasser verdünnt und unter die Haut eines Kaninchens gespritzt. Darnach entstand genau dieselbe Abscessbildung wie bei dem ersten Thiere. Die Abscesse breiteten sich in derselben Weise, wie früher beschrieben wurde, aus und führten nach anderthalb Wochen den Tod des Versuchsthieres herbei. Von diesem Thiere54Künstliche Wundinfectionskrankheiten. wurde die Krankheit auf ein drittes und so noch durch mehrere Generationen übertragen.

Es erwies sich mithin, dass die Krankheit nicht nur in Folge der Einspritzung grösserer Mengen faulenden Blutes entsteht, son¬ dern einen entschieden infectiösen Charakter trägt. Wenn aber früher angenommen wurde, dass die in dem käsigen Abscessinhalt befindlichen Mikrokokken abgestorben sind, so würde das ja mit diesem Impfresultat nicht in Uebereinstimmung stehen. Dieser Widerspruch scheint mir indessen nicht unlösbar; denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Mikrokokken ebenso, wie andere Bakterien, nach Ablauf ihres Vegetationsprocesses Dauersporen bilden, die ebenfalls, wie z. B. die Bacillensporen, von Anilin¬ farben nicht gefärbt werden und deswegen im Canadabalsamprä¬ parat unsichtbar bleiben, und dass die Infection durch solche Dauersporen vermittelt wird.

4. Pyämie bei Kaninchen.

Nachdem es mehrfach missglückt war, bei Kaninchen durch faulendes Blut eine Allgemeininfection zu erzielen, wurden andere putride Flüssigkeiten zu diesem Zweck verwandt.

Ein Stück Mausefell von der Grösse eines Quadratcentimeter war in 30 Grm. destillirten Wassers zwei Tage lang macerirt und von dieser Flüssigkeit wurde einem Kaninchen eine Spritze voll unter die Rückenhaut gespritzt. Das Thier blieb zwei Tage lang ohne bemerkbare Krankheitssymptome, dann aber frass es weniger, wurde immer schwächer und starb 105 Stunden nach der Einspritzung. Bei der sofort vorgenommenen Section fand sich eine von der Injectionsstelle ausgehende, flache, eitrige (nicht käsige) Infiltration im subcutanen Bindegewebe, die sich bis zur Hüfte und zur Linea alba erstreckte. Am Bauche drang die gelbgefärbte Infiltration stellenweise durch die Bauchmuskeln und bis zum Peritonäum. Letzteres war glanzlos, vielfach mit zarten weisslichen Gerinnseln besetzt. In der Bauchhöhle befand sich eine geringe Menge trüber Flüssigkeit. Die Därme waren durch weisse fibrinöse Massen verklebt. Leber, Magen und Milz waren mit dünnen weissen Fibrinschichten überzogen, die Milz ausser¬ dem stark vergrössert. Die Leber sah nach Entfernung des Be¬ lags grau marmorirt aus, hatte auf dem Durchschnitt keilförmige graugefärbte Stellen; auch waren die Ränder stellenweise grau554. Pyämie bei Kaninchen. gefärbt. In der Lunge befanden sich einige erbsengrosse dunkel¬ roth gefärbte luftleere Stellen. Im Uebrigen, namentlich am Herzen, waren keine Veränderungen wahrzunehmen.

Vom Blute, das aus dem Herzen dieses Thieres genommen war, wurde eine Spritze voll einem zweiten Kaninchen unter die Rückenhaut gespritzt. Dasselbe starb nach 40 Stunden. Das Sectionsergebniss war im Wesentlichen dasselbe. Nur war die Infiltration in der Umgebung der Injectionsstelle mehr ödematös und von kleinen Blutextravasaten durchsetzt; auch die Peritonitis war weniger weit gediehen; am Dünn - und Dickdarm fanden sich einige kleine subseröse Blutextravasate; Lunge und Leber zeigten aber dieselben metastatischen Herde, wie beim ersten Kaninchen.

Da es sich hier also unzweifelhaft um eine Allgemeininfection handelte und möglicherweise derselbe Krankheitsprocess vorlag, den Coze und Feltz sowohl, als Davaine nach Einspritzungen von putriden Flüssigkeiten bei Kaninchen erhalten hatten und sie zu ihren Beobachtungen über die sich steigernde Virulenz des septicämischen Durchgangsblutes geführt hatten, so beschloss ich eine ähnliche Versuchsreihe wie Davaine durchzuführen.

Um das Ergebniss der bezüglichen Versuche übersichtlicher zu machen, werde ich sie in einer kleinen Tabelle zusammenstellen.

Die Verdünnung des Blutes wurde in derselben Weise be¬ werkstelligt, wie es Davaine bei seinen Versuchen gemacht hat. Um 1 / 1000 Tropfen zur Injection zu erhalten, wurde nämlich ein Tropfen Blut mit hundert Tropfen destillirten Wassers, von dieser Mischung ein Tropfen nochmals mit hundert Tropfen destillirten Wassers vermischt und von der so erhaltenen Verdünnung (also 1 / 10000 Verdünnung) zehn Tropfen injicirt. Die Tabelle umfasst nur wenige Versuche, aber das Verhältniss zwischen dem Quan¬ tum des injicirten Blutes und der Dauer bis zum Eintritt des Todes ist ein so gleichmässiges, dass es nicht durch Zufälligkeiten be¬ dingt sein kann. Eine steigende Virulenz des successive ver¬56Künstliche Wundinfectionskrankheiten. impften Blutes hat sich nicht herausgestellt. Je weniger Blut in¬ jicirt wurde, um so länger dauerte es, ehe der Tod eintrat, und bei einer Verdünnung auf 1 / 1000 Tropfen blieb der Erfolg ganz aus. Es soll damit nicht gesagt sein, dass die Infectionsfähigkeit des Blutes bei der tausendfachen Verdünnung schon aufgehört hatte. Denn der Versuch wurde nur an einem Thier ausgeführt und möglicherweise hätte, wenn mehreren Thieren zu gleicher Zeit tausendfach verdünntes Blut injicirt wäre, doch das eine oder andere erkrankt oder gestorben sein können. Aber das geht aus der Tabelle hervor, dass ein geringeres Quantum eine verlang¬ samte Wirkung hat und dass schliesslich der Erfolg ein unsicherer resp. negativer wird. Es kann dieses Verhältniss nur durch die Annahme erklärt werden, dass das Blut immer eine gleiche Menge von ungelösten inficirenden Formelementen enthält und dass diese Formelemente sich bis zu einer gewissen Zahl vermehrt haben müssen, bis sie im Stande sind, das Thier zu tödten.

Denn ein gelöster Infectionsstoff der sich von 10 Tropfen bis zu 1 / 10 Tropfen verdünnt wirksam zeigt, müsste auch noch in Ver¬ dünnung von 1 / 1000 Tropfen unter allen Umständen inficirend sein, nur hätte der Tod entsprechend später eintreten müssen.

Wenn aber nur ein ungelöster Infectionsstoff annehmbar bleibt und das z. B. Bakterien sind, von denen eine gleichbleibende Menge zur Tödtung eines Kaninchens erforderlich ist, dann ist die Erklärung für die verzögerte Wirkung bei zunehmender Ver¬ dünnung des injicirten Blutes sofort gegeben. Denn je mehr das Blut verdünnt wird, um so weniger Bakterien muss es verhält¬ nissmässig enthalten und wenn dem Versuchsthier bei der Injection weniger Bakterien beigebracht werden, dann brauchen diese selbst¬ verständlich mehr Zeit, bis sie sich bis zur erforderlichen Zahl, um ein Kaninchen zu tödten, vermehrt haben, als wenn von vorn¬ herein eine grössere Zahl injicirt wurde. Wird die Verdünnung nun noch weiter fortgesetzt, dann wird zuletzt ein Moment ein¬ treten, wo in einem gegebenen Quantum Flüssigkeit, etwa in 10 Tropfen, wie sie zur Einspritzung genommen wurden, nicht immer mit Sicherheit eine oder doch so viel Bakterien, wie zur Infection erforderlich suspendirt sind. Dann wird die Infection unsicher werden.

Sehen wir nun, wie die Thatsachen, welche die mikroskopische Untersuchung liefert, mit diesen Erklärungsversuchen stimmen.

Zuvor habe ich noch zu erwähnen, dass auch bei den drei574. Pyämie bei Kaninchen. letzten Kaninchen mit unbedeutenden Abweichungen dieselben Leichenerscheinungen, wie bei den beiden ersten, also locale puru¬ lent-ödematöse Infiltration des subcutanen Bindegewebes, meta¬ statische Herde in Lunge und Leber, Milzanschwellung, Peritonitis gefunden wurden. Dieser Befund ist mit dem, was gewöhnlich als Pyämie bezeichnet wird, so übereinstimmend, dass ich nicht anstehe, diesen Namen auch für die vorliegende Krankheit an¬ zuwenden.

Das Mikroskop zeigt nun überall im Körper und besonders an den schon makroskopisch als pathologisch verändert zu er¬ kennenden Stellen Mikrokokken in bedeutender Menge. Meistens sind diese Mikrokokken einzeln oder zu zweien verbunden. Die Messung derselben ist deswegen schwierig. Als Mittelzahl von zehn Messungen, die an Doppelmikrokokken ausgeführt sind und wenig von einander differiren, ergibt sich der Durchmesser für einen Mikrokokkus 0,25 Mikrm. Sie stehen also in Betreff ihrer Grösse in der Mitte zwischen dem kettenförmigen Mikrokokkus der progressiven Gewebsnekrose und dem zooglöabildenden Mi¬ krokokkus der käsigen Abscesse beim Kaninchen. Ihr Verhalten in den Blutgefässen lässt sich am besten in den Niereneapillaren überblicken und ich habe deswegen zur Abbildung (Taf. V. Fig. 9) ein kleines Gefäss aus der Nierenrinde gewählt. Die Grössen¬ verhältnisse der Mikrokokken sind in der Zeichnung unmöglich immer richtig wiederzugeben; sie müssten hier im Verhältniss zu den Mikrokokken der Figg. 7 und 8 etwas grösser gezeichnet sein. In der Mitte des Gefässes bei c. befindet sich eine wand¬ ständige compakte Mikrokokkenablagerung, die eine Anzahl rother Blutkörperchen einschliesst und vermuthlich sehr bald das Lumen des Gefässes ausgefüllt hätte; denn an den Seiten lagern sich immer neue Blutkörperchen an und werden von zarten Ausläufern des Mikrokokkenhaufens umsponnen. Hieraus lässt sich auf die Fähigkeit dieser Mikrokokken schliessen, entweder an und für sich durch die Beschaffenheit ihrer Oberfläche die rothen Blut¬ körperchen, an die sie sich anhängen, zum Zusammenkleben zu bringen oder auf geringe Distanzen hin eine Gerinnung des Blutes und auf diese Weise Thrombenbildung zu veranlassen.

Die Art und Weise, wie die Mikrokokken die Blutkörperchen gewissermaassen umspinnen und einschliessen, scheint mir für diese besondere Mikrokokkenform ganz charakteristisch zu sein. Zu solchen theilweisen oder vollkommenen Thrombenbildungen58Künstliche Wundinfectionskrankheiten. kommt es in den Nierengefässen an vielen Stellen, besonders in den Glomeruli, in denen einzelne Capillarschlingen vollständig mit Mikrokokken ausgestopft sein können. Aber auch in diesen ganz dichten zooglöaartigen Mikrokokkenmassen erkennt man noch die von den eingeschlossenen rothen Blutkörperchen her¬ rührenden hellen Kreise. Grösstentheils trifft man indessen auf kleinere Gruppen von Mikrokokken, von denen in Fig. 9 bei b ein Beispiel gegeben ist. In dieser Weise nur wenige Blutkörper¬ chen umspinnend und verklebend finden sie sich im Capillar¬ gefässsystem sämmtlicher untersuchten Organe. So namentlich in der Milz und Lunge. In grösseren Gefässen bilden sich auch bedeutendere Gruppen und ich möchte annehmen, dass die grös¬ seren metastatischen Herde in Leber und Lunge nicht durch all¬ mähliches Heranwachsen eines Mikrokokkenhaufens in der Form, wie es in Fig. 9 der Fall ist, sondern durch Steckenbleiben sol¬ cher stärkeren im strömenden Blute sich bildenden Mikrokokken¬ gruppen und der damit verbundenen Gerinnsel, also durch wirk¬ liche Embolie zu Stande kommen. In den metastatischen Herden finden sich ausgedehnte Mikrokokkenwucherungen, die nicht allein auf die Gefässe beschränkt bleiben, sondern auch in das benach¬ barte Gewebe übergreifen.

Die Bauchorgane sind mit einzelnen Doppelmikrokokken an ihrer Oberfläche ziemlich gleichmässig besetzt. Dichtere Mikro¬ kokkenmassen bilden sich in der Bauchhöhle nicht; auch kleine in der Flüssigkeit der Bauchhöhle suspendirte Eiterflocken und der mit vielen Eiterzellen durchsetzte fibrinöse Belag der Bauch¬ organe enthält nur gleichmässig vertheilte, höchstens zu kleineren Gruppen gehäufte Mikrokokken.

In der Umgebung der Injectionsstelle liegen im Unterhaut¬ zellgewebe flach ausgebreitete Ansammlungen von Eiterzellen die von mehr oder weniger dichten, aber niemals zooglöaähnlichen Mikrokokkenwucherungen umgeben sind. Letztere umziehen auch die stark ausgedehnten und mit Blutkörperchen strotzend gefüllten subcutanen Venen und lassen sich an vielen Stellen in den Ge¬ fässwandungen nachweisen und diese durchdringend bis in das Innere der Gefässe verfolgen. In den Lymphgefässen und den benachbarten stark geschwollenen Lymphdrüsen waren keine Mi¬ krokokken aufzufinden.

Vergleicht man nun das Resultat der mikroskopischen Unter¬ suchung mit dem Ergebniss der Infectionsversuche, so ergibt595. Septicämie bei Kaninchen. sich die vollkommenste Uebereinstimmung, wie sich leicht dar¬ legen lässt.

Zu den Infectionsversuchen wurde das Blut aus dem Herzen genommen und es sind deswegen nur die Verhältnisse des in grösseren Gefässen befindlichen Blutes zu berücksichtigen. Dieses enthält, wie gezeigt wurde, reichlich Mikrokokken. Also der eine Theil der Annahme, dass die inficirenden Formelemente Bakterien seien, wäre damit erwiesen. Würden dieselben aber ihren Wachs¬ thumsprocess ebenso wie die Septicämie - und Milzbrandbacillen im Blute vollziehen, dann müssten sie zu ungefähr ebenso grosser Menge wie diese im Blutstrom heranwachsen und die Virulenz des Blutes müsste eine weit bedeutendere sein, als wie sie gefun¬ den wurde. Wie wir gesehen haben, verhalten sich die Pyämie¬ mikrokokken in diesem Punkte aber anders als jene. Sobald sie nämlich mit den rothen Blutkörperchen in Berührung kommen, dieselben zum Zusammenkleben bringen und mehr oder weniger grosse Gerinnsel im Blute bilden, können sie nicht mehr wie die frei zwischen den rothen Blutkörperchen sich bewegenden Bacillen durch die engsten Capillarnetze hindurch passiren, sondern bleiben bald in grösseren, bald in kleineren Gefässen stecken. Es werden gewiss von der Infectionsstelle aus immer neue Mikrokokken ein¬ dringen, auch von den kleinen Thromben und Embolien sich ein¬ zelne Mikrokokken ablösen und dem Blutstrome beimengen. Gleich¬ wohl kann ihre Gesammtmenge im strömenden Blute nicht über eine gewisse Grenze hinausgehen, da sie immer wieder nach kurzer Zeit irgendwo deponirt werden. So erklärt es sich sehr einfach, dass die Menge der überhaupt im Körper des Versuchsthieres be¬ findlichen Mikrokokken immer mehr zunimmt und schliesslich, auch abgesehen von den durch die Mikrokokken bedingten Cir¬ culationsstörungen, eine für das Thier tödtliche Höhe erreicht, dass aber zugleich die Zahl der Mikrokokken in dem zur Weiterin¬ fection verwandten Herzblut eine ziemlich gleichmässige und so niedrige ist, um bei tausendfacher Verdünnung in der Wirkung unsicher zu werden.

5. Septicämie bei Kaninchen.

Eine Allgemeininfection anderer Art, die ohne Metastasen bleibt und die ich deswegen als Septicämie im Gegensatz zu der vorigen bezeichne, habe ich zweimal bei Kaninchen nach Ein¬ spritzung mit faulendem Fleischinfus erhalten. Dieses Infus ent¬60Künstliche Wundinfectionskrankheiten. hielt ebenso wie die zu den früheren Versuchen gebrauchten putriden Flüssigkeiten eine Menge der verschiedensten Bakterien¬ formen. Unter die Rückenhaut eines Kaninchens gespritzt be¬ wirkte es eine jauchige Vereiterung des Unterhautzellgewebes in weiter Ausdehnung und den Tod des Thieres nach dritthalb Tagen. In dem Jaucheherd, der wegen seiner Grösse wohl als unmittel¬ bare Todesursache (Resorption gelöster giftig wirkender Stoffe) anzusehen war, fanden sich noch dieselben regellos durcheinander geworfenen Bakterienformen wie in dem Fleischinfus, aber an der Grenze desselben war das Zellgewebe von einer leicht getrübten wässrigen Flüssigkeit durchtränkt, die sich von der bräunlichen stinkenden Jauche in der Nähe der Injectionsstelle auffallend unter¬ schied, und in dieser Oedemflüssigkeit befanden sich fast nur grosse Mengen von ziemlich grossen Mikrokokken, die eine ovale Ge¬ stalt besassen. Auch im Blut liessen sich dieselben Mikrokokken, wenn auch nur in geringer Zahl nachweisen. Ferner waren in den Nierenpapillen und in der stark vergrößerten Milz einzelne kleine Venen auf kurze Strecken mit diesen ovalen Mikrokokken vollgestopft.

Es wurden zwei Tropfen der Oedemflüssigkeit einem zweiten Kaninchen unter die Rückenhaut gespritzt. Dasselbe starb nach 22 Stunden. Bei diesem Thiere war in der Umgebung der In¬ jectionsstelle keine Spur von Jauchebildung zu bemerken. Da¬ gegen zog sich ein geringes Oedem und streifige weissliche Fär¬ bung des subcutanen Bindegewebes von der Injectionsstelle bis zum Bauche hin. In diesem ödematösen Bindegewebe lagen zahl¬ reiche bis 1 / 2 Ctm. breite flache Blutergüsse, die von stark ge¬ füllten Gefässen umgeben waren. Auch die Musculatur der Ober¬ schenkel und die Bauchmuskeln waren von kleineren Blutergüssen durchsetzt. An Herz und Lungen wurden keine Veränderungen gefunden. In der Bauchhöhle befand sich keine Flüssigkeit, das Bauchfell war unverändert, die Darmschlingen nicht verklebt. Aber die Oberfläche derselben sah in Folge einer Menge kleiner subseröser Blutergüsse stellenweise wie mit Blut bespritzt aus. Zu erwähnen ist noch die erhebliche Vergrösserung der Milz.

In diesem zweiten Falle waren in dem ödematösen Binde¬ gewebe nur noch die ovalen Mikrokokken anzutreffen, alle übrigen Bakterien waren verschwunden. Die Zahl der Mikrokokken war eine ganz bedeutende. Viele kleine Hautvenen waren dicht damit gefüllt. In den Blutergüssen lagen, was sich besonders gut in615. Septicämie bei Kaninchen. der Oberschenkelmusculatur nachweisen liess, kleine von Mikro¬ kokken dicht angefüllte und dadurch spindelförmig aufgetriebene Venen, die an einzelnen Stellen gesprengt waren und die Mikro¬ kokken in grosser Menge in das umgebende Bindegewebe aus¬ treten liessen.

Die Lungencapillaren enthielten nicht sehr zahlreiche Mikro¬ kokken, die vereinzelt oder zu zweien verbunden, auch kleine wenig zusammenhängende Gruppen bildend im Blute vertheilt waren. Bedeutend reichlicher waren die Nieren mit Mikrokokken versehen. Die grosse Mehrzahl der Glomeruli erschien vergrössert, wie aufgequollen, ihre Capillarschlingen waren erweitert und mit rothen Blutkörperchen stark gefüllt. Die übrigen Glomeruli waren verkleinert, die Kerne ihrer Capillarwände dicht zusammengerückt, so dass sie aussahen, als wären sie comprimirt. In den ver¬ grösserten Glomeruli fanden sich ausnahmslos mehr oder weniger ausgebreitete Einlagerungen der ovalen Mikrokokken, die reihen¬ förmig hinter - und nebeneinander liegend einschichtig die Innen¬ wand der Capillaren auskleideten und zwar nur auf kurze Strecken und nicht ringsherum. Die Mikrokokkencolonien gewannen da¬ durch das Aussehen von kurzen halbaufgerollten Schalen oder Rinnen. An anderen Stellen füllten sie indessen einige Gefäss¬ schlingen auch vollständig aus und ausserdem fanden sich alle Uebergänge von diesen dichten obturirenden Massen bis zu lockeren kleinen Colonien und einzelnen Mikrokokken (Taf. V, Fig. 10). In den comprimirten Glomeruli waren nur ausnahmsweise kleine Colonien zu sehen. Einzelne obturirende Mikrokokkenmassen kamen auch im Capillargefässnetz der Marksubstanz vor. Im Uebrigen zeigten sie sich vereinzelt fast in allen Gefässen. An¬ häufungen von Lymphzellen in der Umgebung der Mikrokokken und Veränderungen an den Epithelzellen der Harnkanälchen waren nicht zu bemerken. Auch lagen die Mikrokokken niemals im Innern der Harnkanälchen. Die Milz enthielt zerstreute lockere Mikrokokkencolonien in den Capillaren in mässiger Zahl, daneben vereinzelte dichtere Anhäufungen, welche kleine Gefässe am Rande und im Innern der Malpighischen Körperchen auf kurze Strecken ausfüllten.

Im Darm kamen zahlreiche obturirende Mikrokokkenmassen in den Capillaren, welche die Darmdrüsen umgeben, vor (Taf. 1. Fig. 11). An manchen Punkten waren dieselben so ausgedehnt, dass verästelte ganz aus Mikrokokken bestehende Figuren entstanden.

62Künstliche Wundinfectionskrankheiten.

Die Leber enthielt ähnlich wie die Lunge keine stärkeren Ansammlungen von Mikrokokken.

Der grösste Durchmesser eines einzelnen Mikrokokkus beträgt 0,8 1,0 Mikrm.

Diese Mikrokokken differiren von den Pyämiemikrokokken in Betreff der Grösse also wesentlich. Ebenso aber auch in den meisten übrigen Verhältnissen. Sie schliessen, auch wenn sie sich im Innern der Blutgefässe stärker anhäufen, niemals die Blutkör¬ perchen ein, sondern drängen sie zur Seite. Sie bewirken keine Gerinnungen im Blute und deswegen auch keine embolischen Pro¬ cesse. Nur in einem Punkte sind sie den Pyämiemikrokokken ähnlich, dass sie nämlich ebenfalls bei fortgesetzter Uebertragung keine steigende Virulenz zeigen, wie aus folgenden Versuchen her¬ vorgeht.

Es wurde vom zweiten Kaninchen eine volle Spritze (10 Tropfen) Blut aus dem Herzen einem dritten Kaninchen subcutan injicirt. Dasselbe starb nach 36 Stunden. Makroskopischer und mikro¬ skopischer Befund war ebenso wie beim zweiten Kaninchen.

Vom dritten Kaninchen wurden 2 Tropfen Blut einer Maus, und 1 Tropfen einem Kaninchen injicirt.

Die Maus starb nach 37 Stunden. Das Kaninchen blieb gesund.

Von der Maus, in deren Blut und sämmtlichen Organen die ovalen Mikrokokken in ähnlicher Weise, wie bei den Kaninchen sich fanden, wurde und zwar mit Blut aus dem Herzen eine zweite Maus in der Weise geimpft, dass ein Skalpell mit der Spitze in das Blut getaucht und ungefähr 1 / 10 Tropfen an der Schwanzwurzel in eine kleine taschenförmige Wunde gebracht wurde.

Diese zweite Maus blieb ebenfalls gesund.

Noch ein zweites Mal habe ich durch Einspritzung mit fau¬ lendem Fleischinfus denselben durch ovale Mikrokokken bedingten septicämischen Process bei einem Kaninchen bekommen.

Die weitere Uebertragung gelang aber auch diesmal nur ver¬ mittelst Injection von mindestens 5 10 Tropfen Blut.

6. Erysipelatöser Process beim Kaninchen.

Ausser den Einspritzungen grösserer Mengen von putriden Flüssigkeiten wurden an Kaninchen auch mehrfach Impfungen mit636. Erysipelatöser Process beim Kaninchen. verschiedenen faulenden Stoffen versucht. Dieselben blieben in¬ dessen wirkungslos. Nur in einem Falle entstand nach Impfung mit Mäusekoth, der in destillirtem Wasser aufgeweicht war, am Ohr eines Kaninchens eine sich von der Impfstelle langsam nach abwärts ausbreitende Röthung und Schwellung. Dieselbe erreichte am 5. Tage die Ohrwurzel. Während das nicht geimpfte Ohr ganz unverändert war und gegen das Sonnenlicht gehalten nur die Hauptgefässe durchschimmern liess, sah das geimpfte Ohr bei derselben Beleuchtung gleichmässig dunkelroth aus und einzelne Gefässe waren nicht mehr zu erkennen. Es war dicker und zu¬ gleich schlaffer geworden, die Spitze war umgebogen und hing in Folge ihrer Schwere herab. Das Thier war dabei sichtlich krank und starb am 7. Tag.

Eine Einspritzung mit Blut desselben bei einem anderen Thier hatte keine Erkrankung desselben zur Folge.

Leider ist es unterblieben, eine directe Uebertragung des Krankheitsprocesses durch Impfung mit Substanz vom Ohr des erkrankten Kaninchens auf das Ohr eines anderen Thieres zu ver¬ suchen.

Im Blut und sonst in inneren Organen des Kaninchens fanden sich keine bemerkenswerthen Veränderungen, namentlich auch keine Bakterien. Die Verhältnisse am erkrankten Ohr waren da¬ gegen so bemerkenswerth und trugen so unverkennbar den Cha¬ rakter einer parasitischen Krankheit, dass ich es für zweckmässig hielt, obwohl die Ansteckungsfälligkeit in diesem Falle nicht di¬ rect erwiesen ist, eine Darstellung derselben hier zu geben.

An Querschnitten des Ohrs zeigten sich die Blutgefässe stark erweitert und mit rothen Blutkörperchen gefüllt und mit zahl¬ reichen Kernen von Lymphzellen umgeben. Diese Kerne wurden nach dem Ohrknorpel zu zahlreicher und bildeten an dessen Ober¬ fläche eine ziemlich gleichmässige dichte Schicht. Zwischen letz¬ terer und den eigentlichen Knorpelzellen aber Hessen sich in ziem¬ lich regelmässigen Abständen feine Stäbchen unterscheiden, welche in dem dichteren Bindegewebe, das den Knorpelzellen unmittel¬ bar aufliegt, sämmtlich in der Ebene des Knorpels verliefen. An manchen Stellen waren die Stäbchen einzeln, an anderen lagen mehrere parallel neben einander, bisweilen, und zwar waren das immer Stellen, an denen die Lymphzellen etwas dichter angehäuft waren als sonst, fanden sich dicht zusammengefilzte, aus denselben Stäbchen bestehende Knäuel. Die Stäbchen waren an keiner an¬64Künstliche Wundinfectionskrankheiten. deren Stelle zu finden, als dicht am Knorpel. Es wurden des¬ wegen Flächenschnitte angefertigt, die denn auch die Verbreitung der Stäbchen an der Knorpeloberfläche sehr gut zur Anschauung brachten. Figur 12 auf Tafel I ist nach einem solchen Flächen¬ schnitt gezeichnet. Die grossen rundlichen Körper (c) sind die Kerne von grossen platten Zellen, unter welchen die Knorpel¬ zellen folgen. Auf der von den platten Zellen gebildeten Schicht breitet sich ein dichtes Netz aus, das aus Bacillen besteht und über den Bacillen, sie theilweise verdeckend, liegen die Kerne (b) der Lymphzellen, von denen der Schnitt jedoch nur einen kleinen Rest zurückgelassen hat. An vielen Stellen haben die Bacillen mehr oder weniger runde, dicht zusammengesetzte Klum¬ pen gebildet (wie sie Fig. 12 a zeigt), die einem Haarwulst ähnlich sind. Von diesen aus ziehen nach allen Richtungen in parallelen Zügen sich immer mehr vereinzelnd lange Reihen von Bacillen. Es erinnert dieser Anblick sofort an die eigentümlichen, oft stern¬ artigen Figuren der auf die lebende Kaninchenhornhaut verimpften Milzbrandbacillen1)Frisch l. c. Taf. I Fig. 3. Taf. II Fig. 9. 10. . Dieses Bacillennetz erstreckte sich über den ganzen Ohrknorpel und zwar auf beiden Seiten desselben. Da der Krankheitsprocess in seinem Entstehen an der Impfstelle und Fortschreiten auf die übrigen Theile des Ohres sich verfolgen liess und in der ganzen Ausdehnung derselben die Bacillen ge¬ funden wurden und weil ferner die Zeichen entzündlicher Reaction in unmittelbarer Nähe der Bacillen am bedeutendsten waren, so halte ich es für unzweifelhaft, dass die Bacillen auch als die Krankheitsursache anzusehen sind. Eine Sporenbildung habe ich an ihnen nicht gesehen. Ihre Länge ist sehr verschieden. Ein Stäbchen, an dem ich mit Sicherheit nur zwei Glieder unter¬ scheiden konnte, war 3,0 Mikrm. lang. Die längsten, welche dem¬ nach aus 6 7 Gliedern bestanden, erreichten die Höhe von 9,0 bis 10,0 Mikrm. Die Dicke beträgt 0,3 Mikrm. (Die Milzbrand¬ bacillen haben eine Länge bis 20,0 Mikrm. und Dicke von 1,0 bis 1,25 Mikrm., sind also ungefähr noch einmal so lang und drei - bis viermal so dick wie die Bacillen des Kaninchenohrs.)

[65]

Milzbrand.

Die vielfachen Untersuchungen über Milzbrand haben sich fast alle mit dem Verhalten der Milzbrandbacillen ausserhalb des thierischen Körpers beschäftigt. Ueber ihre Menge im Blute machte man sich gewöhnlich nur nach der Blutprobe, die man aus einem beliebigen Körpertheil genommen hatte, eine Vorstellung. Von der im Körper wirklich vorhandenen Menge der Bacillen, von ihrer Vertheilung im Blutgefässsystem sind aber bis jetzt keine Angaben zur Veröffentlichung gekommen.

Um diese Lücke auszufüllen und weil die Milzbrandbacillen sich den Septicämiebacillen so ähnlich verhalten und zum Ver¬ gleich mit diesen sowohl als auch mit den anderen hier geschil¬ derten pathogenen Bakterien dienen können, habe ich es unter¬ nommen, an Impfmilzbrand gestorbene Kaninchen und Mäuse in derselben Weise, wie die durch künstliche Wundinfectionskrank¬ heiten getödteten Thiere zu untersuchen.

Hierbei erwies sich die isolirte Färbung der Milzbrandbacillen, wie sie durch Behandlung der in Methylviolett gefärbten Schnitte mit kohlensaurem Kali erzielt wird, von grösstem Vortheil. Magen - und Darmschleimhaut lassen sich beispielsweise vermittelst dieses Verfahrens für die Untersuchung so präpariren, dass selbst bei schwacher Vergrösserung die Bacillen im ganzen Gefässgebiet derselben zu übersehen sind. Ebenso geben Schnitte aus den Lungen, Leber und Nieren ausserordentlich übersichtliche und instructive Präparate.

Obwohl ich nun vielfach das Blut von milzbrandigen Thieren früher untersucht hatte und keine geringe Meinung von der Zahl der Bacillen im Körper eines milzbrandigen Thieres hatte, so war ich doch ganz überrascht, als ich zum ersten Mal isolirt ge¬ färbte Schnitte und Theile von milzbrandigen Organen, z. B. dieKoch, Wundinfectionskrankheiten. 66Milzbrand. Darmschleimhaut und die Iris von einem Kaninchen vor Augen hatte. Bei einer 50 fachen Vergrösserung sieht ein solches Prä¬ parat beim ersten Anblick genau so aus, als wäre in die Gefässe eine blaue Injectionsmasse gespritzt. Jede einzelne Darmzotte ist von einem äusserst zierlichen blauen Netz durchzogen; in der Magenschleimhaut ist das gesammte, die Labdrüsen umspinnende Capillargefässnetz blaugefärbt; am Ciliarkörper ist jeder einzelne Vorsprung injicirt und ein spiralförmig gewundenes, dunkelblau¬ gefärbtes Gefäss führt von da zur Iris und löst sich in ein mit bogenförmigen, gegen den Irisrand gerichteten Ausbuchtungen ver¬ sehenes feines blaues Netz auf. Leber und Lunge, drüsige Appa¬ rate, wie Pankreas, Speicheldrüse sind von denselben vollständig injicirten blauen Gefässnetzen durchzogen. Ueberhaupt ist kein Organ, das nicht mehr oder weniger von der blaugefärbten Masse injicirt ist. Im höchsten Grade auffallend ist aber dabei, dass diese Injection nur das Capillargefässsystem betrifft. Alle grösseren Gefässe, selbst schon die Arterie und Vene einer Darmzotte sieht man entweder gar nicht gefärbt oder nur mit einem leichten blauen Anflug, und auch das nur stellenweise, versehen. Bei einer 250 fachen Vergrösserung erkennt man schon, dass die Linien des blauen Capillarnetzes aus vielen feinen Stäbchen zusammengesetzt sind (Taf. III, Fig. 13) und bei 700 facher Vergrösserung (Taf. V, Fig. 14) stellt sich heraus, dass die scheinbare Injection nichts weiter ist, als die bekannten, in diesem Falle dunkelblau gefärbten Milzbrandbacillen, die in ganz unglaublichen Mengen im gesammten Capillargebiet abgelagert sind. In allen übrigen Gefässen, nament¬ lich in den grössten, sind die Bacillen oft nur vereinzelt, auf längeren Strecken selbst ganz fehlend. Es gibt dies wieder ein schlagendes Beispiel dafür, wie wenig maassgebend bei Infections¬ krankheiten die Untersuchung irgend einer beliebigen Blutprobe ist; denn es ist gar nicht unmöglich, dass man aus dem Herzen einen Tropfen Blut nimmt und keine Mikroorganismen darin findet, die wenigen darin vorhandenen auch wohl übersieht und dass trotzdem das Capillargefässsystem mit Parasiten überladen ist.

Indessen ist auch die Vertheilung der Milzbrandbacillen im Capillargebiet keine ganz gleichmässige. Am spärlichsten sind sie im Gehirn, in der Haut, in den Muskelcapillaren, in der Zunge. In der Lunge, Leber, Niere, Milz, Darm, Magen sind sie dagegen gleichmässig in der vorher geschilderten gewaltigen Menge ver¬ treten. Die Milz, die der Krankheit zum Namen verholfen hat,67Milzbrand. zeichnet sich vor den anderen genannten Organen durch grösseren Gehalt an Bacillen nicht aus. In den Capillaren selbst häufen sich die Bacillen am meisten immer an dem Punkte an, der von der nächsten zuführenden Arterie und von der ableitenden Vene am weitesten entfernt ist, also da wo die arteriellen Capillaren in die venösen übergehen, wo zugleich die Blutbahn am breitesten ist und der Blutstrom am langsamsten fliesst. In den Darmzotten ist dies die Spitze und der benachbarte Theil der Peripherie; in der Leber liegt dieser Punkt in der Mitte zwischen den letzten Aestchen der Lebervene und der Pfortader. Zu diesen Stellen, an denen die Bacillen sich reichlicher ablagern, gehören auch die Nierenglomeruli, die grösstentheils in Bacillenklumpen verwandelt sind. Nicht selten kommt es unter dem Druck der sich schnell vermehrenden Bacillen an den bezeichneten Orten, also vorzugs¬ weise in den Glomeruli, Darmzotten, ausserdem auch in der Magenschleimhaut, Speicheldrüsen, Pankreas, zum Zerreissen ein¬ zelner Capillaren und zum Austritt von Blut und Bacillen. Am meisten ereignet sich dies in den Glomeruli. Viele derselben werden gesprengt und die Bacillen gehen in die Harnkanälchen über. Doch gelangen sie nicht weit, wenigstens habe ich sie nur im Anfang der gewundenen Harnkanälchen gefunden, in denen sie zu durcheinander gefilzten langen Fäden auswachsen; in den geraden Harnkanälchen dagegen habe ich niemals Bacillen an¬ getroffen.

Diese eben geschilderten Verhältnisse gelten vom Kaninchen. Mäuse, die ich vielfach untersucht habe, verhalten sich indessen im Wesentlichen ebenso. Nur ist bei diesen Thieren die Milz vorzugsweise mit Bacillen versehen, demnächst die Lungen, am wenigsten die Nieren. Der Unterschied zwischen der ungemein grossen Menge von Bacillen im Capillargebiet und der spärlichen Anzahl derselben in den grossen Gefässen ist bei der Maus noch auffallender als beim Kaninchen.

Ferner hatte ich noch Gelegenheit, Lungen, Leber, Milz und Niere von einem milzbrandigen Schaf zu untersuchen und fand auch bei diesem dieselbe Menge und Vertheilung der Bacillen wie beim Kaninchen.

Das Studium von milzbrandigen Organen mit Hülfe der iso¬ lirten Färbung möchte ich allen Denen empfehlen, die trotz aller bis jetzt schon dafür gelieferten Beweise den Milzbrand immer noch nicht für eine parasitische Krankheit halten. Die einfache5 *68Milzbrand. Thatsache, dass 24 Stunden nach der Impfung mit dem kleinsten Tröpfchen Milzbrandblut, vorausgesetzt, dass es Bacillen oder deren Sporen enthält, der Tod eintritt und fast sämmtliche Ca¬ pillaren in den (sofort nach den Tod in absoluten Alkohol ge¬ legten) Lungen, Nieren, Leber, Milz, Darm, Magen u. s. w. mit einer erstaunlichen Menge derselben Bacillen angefüllt sind, ist doch so einfach, dass sie eigentlich gar keines Commentars weiter bedarf. Wer da noch die Milzbrandbacillen für zufällig, über¬ haupt gleichgültig oder nur nebensächlich hält, der muss den Verlust an Blutbestandtheilen, die zum Aufbau dieser unzähligen Bacillen dienten, nicht minder die Abfallsproducte, welche ein so rapider Stoffwechsel, wie derjenige der Milzbrandbacillen, noth¬ wendigerweise liefern muss, und schliesslich die durch Verstopfung der meisten Capillaren bedingten Störungen im Blutkreislauf und in der Ernährung wichtiger Organe, alles dies muss er ebenfalls für gleichgültig, nebensächlich halten, um statt dessen ein unbe¬ kanntes Krankheitsferment für den Tod des Thieres verantwort¬ lich machen zu können. Dann ist aber auch gar nicht einzusehen, warum nicht für die Trichinosis, selbst für die Krätze und andere unmittelbar übertragbare parasitische Krankheiten mit demselben Recht ausser Trichinen, Milben u. s. w. noch specifische Krank¬ heitsfermente gefordert werden.

[69]

Schlussfolgerungen.

Dass die vorstehend geschilderten Untersuchungen viele Lücken und Mängel besitzen, dessen bin ich mir wohl bewusst. Manche Organe, welche bei Untersuchungen über Infectionskrankheiten nicht unberücksichtigt bleiben sollten, wie Gehirn, Herz, Retina mussten, um Zeit für die wichtigsten und unerlässlichsten Arbeiten zu gewinnen, bei Seite gelassen werden. Aus demselben Grunde konnten keine Temperaturmessungen, die gewiss die interessan¬ testen Resultate geliefert hätten, vorgenommen werden. Auf pathologisch-anatomische Details bin ich absichtlich nicht ein¬ gegangen, da mich nur die Aetiologie interessirte und ich mich ausserdem einer pathologisch-anatomischen Bearbeitung der Wund¬ infectionskrankheiten nicht gewachsen gefühlt hätte, die ich des¬ wegen berufeneren Kräften überlassen muss.

Trotzdem halte ich das durch meine Untersuchungen gewonnene Material für ausreichend, um einige wohlbegründete Schlüsse daraus ziehen zu können.

Bei meinen Schlussfolgerungen werde ich mich indessen nur auf das Nächstliegende beschränken. Es ist zwar in letzter Zeit üblich geworden, aus jeder, auch der unbedeutendsten Beobach¬ tung über Bakterien die weitgehendsten Folgerungen über die Infectionskrankheiten im Allgemeinen zu ziehen, doch werde ich, obwohl das mir zu Gebote stehende Material reichlichen Stoff zu Betrachtungen in dieser Richtung abgeben würde, dieser Sitte nicht folgen. Denn je länger ich mich mit dem Studium der Infectionskrankheiten befasst habe, um so mehr habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass das Generalisiren neuer Thatsachen hier verfrüht ist und dass jede einzelne Infectionskrankheit oder Gruppe nahe verwandter Infectionskrankheiten für sich erforscht werden muss.

70Schlussfolgerungen.

Was nun zunächst die von mir beobachteten künstlichen Wundinfectionskrankheiten betrifft, so sind für die fünf ersten vollständig, für die sechste nur theilweise die Bedingungen erfüllt, welche zum Beweis für ihre parasitische Natur erforderlich sind.

Denn es wurde die Infection durch so geringe Mengen Blut, Serum, Eiter bewerkstelligt, dass eine Verwechslung mit Intoxi¬ cation ausgeschlossen bleiben muss.

In den zur Impfung oder Einspritzung genommenen Substanzen wurden ferner ausnahmslos Bakterien und zwar für jede der ein¬ zelnen Krankheiten eine andere wohl unterscheidbare Form nach¬ gewiesen.

Ebenso wurden ausnahmslos in den an der künstlichen Wund¬ infectionskrankheit gestorbenen Thieren Bakterien in solcher Menge und Vertheilung gefunden, dass die Krankheitssymptome und der Tod ausreichend Erklärung finden. Zugleich waren die vor¬ gefundenen Bakterien identisch mit denjenigen, die in den Impf¬ flüssigkeiten enthalten waren und es entsprach also in jeder Be¬ ziehung einer bestimmten Krankheit auch eine bestimmte Form von Bakterien.

Diese künstlichen Wundinfectionskrankheiten haben in ihrer Entstehungsweise durch putride Substanzen, in ihrem Verlauf und Sectionsresultat die grösste Aehnlichkeit mit den menschlichen Wundinfectionskrankheiten. Ausserdem konnten bei ersteren ebenso wie bei letzteren die parasitischen Organismen mit den früheren Untersuchungsmethoden nur unvollkommen nachgewiesen werden und erst mit Hülfe eines verbesserten Verfahrens war es möglich, den Beweis zu führen, dass sie parasitische Krankheiten sind. Deswegen ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch die mensch¬ lichen Wundinfectionskrankheiten sich höchst wahrscheinlich bei Anwendung derselben verbesserten Untersuchungsmethode sämmt¬ lich als parasitische Krankheiten erweisen werden.

Andererseits geht daraus, dass eine bestimmte pathogene Bakterienform, z. B. die Septicämiebacillen, sich nicht auf jede andere Thierart übertragen lässt (Aehnliches ist auch von den Milzbrandbacillen bekannt), hervor, dass nicht unter allen Um¬ ständen die Septicämie der Mäuse, Kaninchen, Menschen u. s. w. durch die nämliche Bakterienform veranlasst sein muss. Es ist immerhin möglich, dass die eine oder andere der bei Thieren gefundenen Bakterienformen auch in menschlichen Wundkrank¬ heiten eine Rolle spielt. Es muss das aber jedesmal speciell71Schlussfolgerungen. nachgewiesen werden; von vornherein lässt sich nur erwarten, dass überhaupt Bakterien vorhanden sind, die Gestalt, Grösse, Wachsthumsverhältnisse derselben können ähnlich, müssen aber für ähnlich erscheinende Krankheiten verschiedener Thierarten nicht immer dieselben sein.

Ausser den bis jetzt bei Thieren gefundenen pathogenen Bak¬ terien gibt es gewiss noch manche andere. Meine Versuche be¬ ziehen sich nur auf tödtlich verlaufende Krankheiten. Auch diese sind vermuthlich durch die sechs geschilderten Formen noch nicht erschöpft. Bei weiteren Experimenten an vielen verschiedenen Thierspecies, mit den verschiedensten putriden Substanzen und mit möglichst modificirten Applicationsweisen wird zweifellos noch eine Anzahl weiterer Infectionskrankheiten gefunden werden, die noch zu weiteren Aufschlüssen über die menschlichen Wundkrank¬ heiten und die pathogenen Bakterien führen werden.

Aber schon in den wenigen Versuchsreihen die ich vorführen konnte, tritt eine Erscheinung so evident hervor, dass ich sie als feststehend betrachten muss und, weil sie die meisten Bedenken gegen die Annahme des Contagium animatum für die Wundinfec¬ tionskrankheiten beseitigen hilft, als das wichtigste Ergebniss meiner Arbeit ansehe. Es ist das die Verschiedenheit der patho¬ genen Bakterien und ihre Unabänderlichkeit. Einer jeden Krank¬ heit entspricht, wie wir gesellen haben, eine besondere Bakterien¬ form und diese bleibt, so vielfach auch die Krankheit von einem Thier auf das andere übertragen wird, immer dieselbe. Auch wenn es gelingt, dieselbe Krankheit von Neuem wieder durch putride Substanzen hervorzurufen, tritt nicht eine andere, sondern dieselbe schon früher für diese Krankheit als specifisch gefundene Bakterienform auf. Ferner sind die Unterschiede dieser Bakte¬ rienformen so gross, wie sie bei Organismen, die theilweise an der Grenze des Sichtbaren stehen, nur erwartet werden können. Diese Unterschiede suche ich allerdings nicht allein in der Grösse und Gestalt der Bakterien, sondern daneben noch in ihren Wachs¬ thumsverhältnissen, die sich am besten aus der Lagerung und Gruppirung ersehen lassen. Ich fasse deswegen nicht nur das einzelne Individuum sondern die ganze Gruppe von Bakterien ins Auge und würde beispielsweise einen Mikrokokkus, der bei einer Thierart nur in geschlossenen Haufen, also in Zooglöaform vor¬72Schlussfolgerungen. kommt, für verschieden von einem anderen ebenso grossen halten, der bei derselben Thierart, also unter denselben Lebensbedingun¬ gen, nur zerstreut gefunden wird. Ausserdem muss noch die ver¬ schiedene physiologische Wirkung berücksichtigt werden, wofür ich kaum ein treffenderes Beispiel wüsste, als die nebeneinander im Ohrzellgewebe einer Maus vegetirenden Bacillen und ketten¬ förmigen Mikrokokken, von denen die einen ins Blut übergehen und in die weissen Blutkörperchen eindringen, die anderen lang¬ sam im Gewebe sich ausbreiten und alles um sich her zerstören; dann die Septicämie - und Pyämiemikrokokken des Kaninchens in ihrem verschiedenen Verhalten zum Blute, ferner die nur an der Oberfläche des Ohrknorpels von Kaninchen sich ausbreiten¬ den Bacillen bei der erysipelasartigen Krankheit im Gegensatz zu den ebenfalls am Kaninchenohr eingeimpften schnell ins Blut über¬ gehenden Milzbrandbacillen.

Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse und Gestalt genau charakterisirte Bakterienform entspricht, die, so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe bleibt und niemals in andere Formen z. B. von der kugelförmigen in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bakterien vor¬ läufig als constante Arten anzusehen sind.

Dies ist allerdings eine Behauptung, welche vielfachen Wider¬ spruch namentlich bei Botanikern finden wird, vor deren Forum diese Angelegenheit eigentlich gehört.

Zu denjenigen Botanikern, die sich gegen die Trennung der Bakterien in Arten erklären, gehört beispielsweise Naegeli1)Die niederen Pilze. München 1877. S. 20. in¬ dem er sagt ich habe seit 10 Jahren wohl tausende von ver¬ schiedenen Spalthefeformen untersucht und ich könnte nicht be¬ haupten, dass auch nur zur Trennung in zwei specifische Formen Nöthigung vorhanden sei.

Auch Brefeld2)Untersuchungen über die Spaltpilze. Sitzungsbericht der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin vom 19. Febr. 1878. will nur dann specifische Formen, die zur Aufstellung von Arten berechtigen, gelten lassen, wenn die ge¬ sammte Entwicklungsgeschichte im Wege der Cultur continuirlich von Spore zu Spore in den verschiedensten Nährlösungen beob¬ achtet ist.

73Schlussfolgerungen.

Brefeld's Forderung ist theoretisch unzweifelhaft richtig, sie darf aber nicht als conditio sine qua non für jede Untersuchung über pathogene Bakterien vorweg gestellt werden. Wir würden sonst die Arbeiten über die Aetiologie der Infectionskrankheiten vorläufig ruhen lassen müssen, bis es den Botanikern gelungen ist, durch Reinculturen und Züchtung von Spore zu Spore die ver¬ schiedenen Bakterienarten festzustellen. Es könnte sich dabei sehr leicht ereignen, dass die unendliche Mühe der Reincultur auf irgend eine Bakterienart verschwendet wird, die sich schliesslich als eine kaum beachtenswerthe herausstellt. In der Praxis kann nur das umgekehrte Verfahren stattfinden. Zuerst werden gewisse Eigenschaften einer Bakterienform, die sie vor anderen auszeich¬ nen und die Unabänderlichkeit derselben dazu zwingen, diese Form von den übrigen weniger bekannten und minder interessirenden Formen abzutrennen und bis auf Weiteres als Art hinzustellen. Dann erst wird zur Controle dieser vorläufigen Annahme die Cul¬ tur von Spore zu Spore zu machen sein. Gelingt sie unter Ver¬ hältnissen, die gar keinen Einwand gegen ihre Richtigkeit zu¬ lassen und liefert sie ein den früheren Beobachtungen entgegen¬ stehendes Resultat, dann muss auch das Urtheil, welches aus diesen Beobachtungen gezogen wurde und das zur Aufstellung der Bakterienart führte, berichtigt werden.

Auf diesen, wie mir scheint einzig richtigen, praktischen Standpunkt stelle ich mich und unterscheide also bis dahin, dass die Cultur von Spore zu Spore mich eines Besseren belehrt, ver¬ schiedene Arten von pathogenen Bakterien.

Um übrigens zu beweisen, dass ich in dieser Anschauung nicht allein stehe, will ich hier noch die Meinung von Botanikern anführen, die ein gleiches Urtheil schon früher ausgesprochen haben.

Cohn1)Beiträge zur Biologie der Pflanzen. I. Bd. 3. Heft. S. 144. erklärt, trotzdem der Gliederung der Bakterien in Gattungen und Arten von Manchen die Berechtigung abgesprochen werde, dennoch an der von ihm bisher befolgten Methode fest¬ halten zu müssen, Bakterien von verschiedener Gestaltung und verschiedener Fermentthätigkeit als verschiedene Arten und Gat¬ tungen so lange aus einander zu halten, als nicht der Beweis ihrer Identität mit voller Evidenz geführt ist.

Auf Grund seiner Untersuchungen über die Einwirkung ver¬74Schlussfolgerungen. schiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwick¬ lung von Bacterium termo kam Eidam1)Beiträge zur Biologie der Pflanzen. I. Bd. 3. Heft. S. 223. zu dem Schluss, dass die verschiedenen Bakterienformen verschiedene Ernährungsbe¬ dingungen erfordern, dass sie sich auch den chemischen und phy¬ sikalischen Einflüssen gegenüber verschieden verhalten und dieser Umstand ein weiterer Beweis für die streng durchzuführende Speciesunterscheidung sei.

Für die Notwendigkeit, die von mir beschriebenen patho¬ genen Bakterien als specifische Arten ansehen zu müssen, will ich noch einen Grund anführen.

Man legt und das mit vollem Recht das grösste Gewicht bei Bakterienuntersuchungen auf die sogenannten Reinculturen, die nur eine bestimmte Form von Bakterien enthalten. Ganz offenbar geschieht dies nur in der Meinung, dass, wenn man durch eine Reihe von Culturen immer dieselbe Form zu erhalten vermag, diesen Formen eine besondere Bedeutung zukommt, dass man sie als constante Form, mit einem Wort als Art anzunehmen hat. Gibt es denn nun aber wirkliche durch eine Reihe von Versuchen von jeder Beimengung anderer Bakterien frei zu haltende Rein¬ culturen? Allerdings gibt es solche, aber nur in ganz beschränkten Verhältnissen. Nur solche Bakterien lassen sich mit den jetzt zu Gebote stehenden Hülfsmitteln rein cultiviren, die wegen ihrer Grösse und leicht erkennbaren Form, wie die Milzbrandbacillen, oder durch Production eines charakteristischen Farbstoffes, wie die Pigmentbakterien, stets in Bezug auf ihre Reinheit controlirt werden können. Sobald in eine Cultur, wie es unter allen Um¬ ständen ab und zu vorkommt, eine fremde Bakterienart durch Zu¬ fall sich eingeschmuggelt hat, dann wird es in diesen Fällen so¬ fort bemerkt und die verunglückte Cultur wird aus der Versuchs¬ reihe ausgemerzt, ohne dass die Untersuchung in ihrem Fortgang dadurch gestört zu werden braucht.

Ganz anders ist es aber, wenn Reinculturen mit sehr kleinen Bakterien vorgenommen werden sollen, die ohne Färbung viel¬ leicht überhaupt nicht mehr zu erkennen sind, wie soll man da eine Verunreinigung der Cultur entdecken? Das ist nicht aus¬ führbar und deswegen müssen alle Versuche mit Reinculturen in Apparaten, und wenn sie noch so vortrefflich construirt sind, so¬ bald sie kleine, wenig charakteristische Bakterien betreffen, als75Schlussfolgerungen. mit unvermeidlichen Fehlerquellen behaftet und für sich allein nicht beweisend gehalten werden.

Und dennoch gibt es auch für die kleinsten und am schwie¬ rigsten zu erkennenden Bakterien Reinculturen. Aber nicht in Culturapparaten, sondern im thierischen Körper finden diese statt. Das beweisen meine Versuche. In sämmtlichen Fällen, die zu einer bestimmten Krankheit gehören, z. B. zur Septicämie der Mäuse, wurden nur die kleinen Bacillen und niemals, wenn die Krankheit nicht absichtlich mit der Gewebsnekrose zusammen verimpft wurde, irgend eine andere Bakterienart daneben gefun¬ den. Es gibt eben keinen besseren Culturapparat für pathogene Bakterien als den Thierkörper. Es vermögen in demselben über¬ haupt nur eine beschränkte Zahl von Bakterien zu vegetiren und das Eindringen derselben ist so erschwert, dass der unverletzte Körper eines Thieres als vollständig isolirt gegen andere Bakterien¬ arten, als die absichtlich eingeimpften, betrachtet werden kann. Ganz evident stellt es sich heraus, dass in meinen Versuchen wirkliche Reinculturen gelungen sind, wenn man die beiden an Mäusen erhaltenen Krankheiten, die Septicämie und Gewebs¬ nekrose, einer Betrachtung unterwirft. Im faulenden Blute, das die beiden Krankheiten entstehen liess, waren die verschiedensten Bakterienarten enthalten. Von diesen allen finden nur zwei im Körper der lebenden Maus die zu ihrer Existenz nöthigen Be¬ dingungen. Alle anderen gehen zu Grunde und nur diese beiden, ein kleiner Bacillus und ein kettenförmiger Mikrokokkus bleiben und vermehren sich. Beliebig oft können diese beiden zugleich weitergeimpft werden, ohne dass sie ihre charakteristische Form, ihre specifischen physiologischen Wirkungen ändern und ohne dass auch nur einmal eine andere Bakterienart sich dazwischen drängt. Nun ist es aber ganz in das Belieben des Experimentirenden ge¬ stellt, die beiden Bakterienarten, wie ich bewiesen habe, zu trennen. Durch Blut, in das nur die Bacillen überzugehen ver¬ mögen, werden diese allein verpflanzt und von da ab ganz rein er¬ halten, während vermittelst Verimpfung beider Bakterien auf Feld¬ mäuse die Bacillen beseitigt und die Mikrokokken rein weiter cul¬ tivirt werden. Es ist unzweifelhaft, dass auch der Versuch gelungen wäre, beide wieder auf einem Thier durch Einimpfung zu ver¬ einigen. Kurz, man hat es vollkommen in der Gewalt, mehrere Bakterienarten neben einander unvermischt und rein weiter zu cultiviren, sie zu trennen und eventuell wieder zu combiniren. 76Schlussfolgerungen. Höhere Anforderungen lassen sich wohl nicht an eine Reincultur stellen und ich muss deswegen die fortgesetzte Uebertragung der künstlichen Infectionskrankheiten für die besten und sichersten Reinculturen halten. Damit haben sie aber auch Anspruch auf die Beweiskraft, welche untadelhaften Reinculturen für die Auf¬ stellung specifischer Arten der Bakterien zugestanden werden muss.

Der Umstand, dass der thierische Körper ein so vortrefflicher Apparat für Reinculturen ist und dass, wie wir gesehen haben, bei zweckmässiger Anordnung des Experiments und ausreichenden optischen Hülfsmitteln bei den künstlichen Wundinfectionskrank¬ heiten immer nur eine specifische Bakterienart als einer bestimmten Krankheit entsprechend gefunden wurde, führt nun ferner zu dem Schluss, dass, wenn bei Untersuchung einer Wundinfectionskrank¬ heit mehrere verschiedene Bakterienarten gefunden werden, wie z. B. von Coze und Feltz bei der künstlichen Septicämie der Kaninchen (vgl. S. 16) zugleich Ketten von kleinen Pünktchen, Stäbchen und lange oscillirende Fäden, dass also in solchem Falle entweder eine combinirte, mithin keine reine Infectionskrankheit, oder, was im citirten Falle das Wahrscheinlichere ist, eine un¬ genaue und fehlerhafte Beobachtung vorliegt. Sobald also meh¬ rere Bakterienarten zugleich unter pathologischen Verhältnissen vorkommen, muss entweder der Beweis geliefert werden, dass sie sämmtlich an dem pathologischen Process betheiligt sind, oder es muss darnach getrachtet werden, sie zu isoliren und eine wirk¬ liche Reincultur zu erhalten, ehe man bestimmte Schlüsse über die Beziehungen der betreffenden Krankheit zu den Bakterien machen kann. Andernfalls wird man dem Vorwurf nicht entgehen, dass das Experiment kein reines, also kein beweiskräftiges war. Eine weitere Consequenz, die aus der Annahme verschiedener Arten von pathogenen Bakterien notwendiger Weise folgt, will ich nur kurz andeuten. Die Zahl der pathogenen Bakterienarten ist eine beschränkte, denn von der Menge der in putriden Flüssig¬ keiten enthaltenen Arten kommen im günstigsten Falle eine oder nur wenige im thierischen Körper zur Weiterentwicklung. Die zu Grunde gehenden Arten sind also, wenigstens für die betreffende Thierart, nicht pathogene Bakterien. Wenn es aber, was hiernach unzweifelhaft angenommen werden muss, schädliche und unschäd¬ liche Bakterien gibt, dann können auch alle Versuche, die mit unschädlichen Bakterien, z. B. mit Bacterium termo, an Thieren77Schlussfolgerungen. vorgenommen wurden, absolut nichts für oder gegen das Ver¬ halten der schädlichen, der pathogenen Bakterien beweisen. Nun sind aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten besten Gemenge von Bakterienarten ausgeführt, ohne dass fest¬ stand, ob in diesem Gemisch auch wirklich pathogene Bakterien enthalten waren. Es ist also einleuchtend, dass alle diese Expe¬ rimente zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können.

In allen meinen Versuchen hat sich ausser der Beständigkeit der Bakterien in Grösse und Gestalt auch die grösste Gleich¬ mässigkeit in ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus, aber keine Steigerung der Virulenz, wie sie von Coze und Feltz, Davaine und Anderen beobachtet ist, ergeben. Dies veranlasst mich noch zu einigen Bemerkungen über das von den genannten Forschern gefundene resp. bestätigte angebliche Gesetz von der zunehmenden Virulenz des Durchgangsblutes.

Die Entdeckung dieses Gesetzes ist bekanntlich mit grossem Enthusiasmus aufgenommen und hat durch die Beziehungen, die demselben zur Lehre von der Anpassung und Vererbung gegeben wurden, kein geringes Interesse erregt. Einige sonst ganz exacte Forscher haben sich durch die verführerische Theorie blenden lassen, dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss¬ bakterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum quadrillionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert wer¬ den könne. Sie haben die schönsten Nutzanwendungen für die Praxis daraus geschaffen und nicht dabei bedacht, dass die frag¬ lichen Bakterien noch nicht einmal mit Sicherheit nachgewie¬ sen sind.

Die Originalarbeiten von Coze und Feltz, sowie von Davaine stehen mir nicht zur Verfügung und ich muss deswegen auf eine vollständige Kritik derselben verzichten. Soweit ich nun aber aus den mir zugänglichen Referaten, namentlich aus den ausführ¬ lichen Berichten im Virchow-Hirsch'schen Jahresbericht, ent¬ nehme, scheint ein eigentlicher Beweis dafür, dass die Virulenz des septicämischen Blutes von Generation zu Generation zunimmt, gar nicht geliefert zu sein. Es wurde anscheinend allmählich eine immer stärkere Verdünnung des Blutes eingespritzt und man war78Schlussfolgerungen. erstaunt, wenn dieselbe immer wieder wirkte und schrieb diese Wirkung der zunehmenden Virulenz zu. Aber Controlversuche, ob nicht schon in der zweiten und dritten Generation das septi¬ cämische Blut ebenso virulent war, als in der fünfundzwanzigsten Generation, scheinen nicht gemacht zu sein. Meine Versuche sprechen wenigstens dafür und soweit stimmen sie mit den Er¬ fahrungen von Coze, Feltz und Davaine, dass zur ersten In¬ fection eines Thieres verhältnissmässig grosse Quantitäten putrider Flüssigkeiten erforderlich sind, dass ferner in der zweiten Gene¬ ration oder spätestens in der dritten Generation die volle Virulenz erreicht wird und von da ab constant bleibt.

Der Davaine'schen künstlichen Septicämie entspricht von meinen künstlichen Wundinfectionskrankheiten am meisten die Septicämie der Mäuse. Würde man mit dieser Krankheit in der¬ selben Weise wie Davaine experimentiren, dann würde man ohne Controlversuche dieselbe zunehmende Virulenz wie bei jener Krank¬ heit finden können. Man brauchte nur langsam absteigend immer weniger Blut zur Impfung zu nehmen und könnte sich dann jede beliebige Progression für die Virulenz herausrechnen. Ich habe aber schon vom ersten oder zweiten Thiere ein möglichst kleines Quantum Impfsubstanz genommen und bin deswegen schneller beim höchsten Punkte der Virulenz angelangt. Ehe ich deswegen nicht die Gewissheit habe, dass auch bei der von Davaine beob¬ achteten Septicämie solche Controlversuche gemacht sind, kann ich die Steigerung der Virulenz nur für die ersten Generationen gelten lassen. Um diese aber zu erklären, brauchen wir nicht zum Zauberstab der Anpassung und Vererbung zu greifen, sondern können auf ganz natürlichem Wege zu einer brauchbaren Erklä¬ rung gelangen. Nehmen wir als passendstes Beispiel wieder die Septicämie der Mäuse.

Werden einem solchen Thier zwei Tropfen faulenden Blutes eingespritzt, so werden ihm damit nicht nur eine Menge ganz ver¬ schiedener Bakterienarten, sondern auch ein gewisses an sich noch nicht tödtliches aber für die Gesundheit der Maus doch gewiss nicht gleichgültiges Quantum gelösten putriden Giftes (Sepsin) beigebracht. Es wirken also verschiedene Factoren auf die Ge¬ sundheit des Thieres ein. Einmal das gelöste Gift, dann ver¬ schiedene Bakterienarten, von denen aber vielleicht nur zwei, wie es in unserem Beispiel wirklich der Fall war, sich in dem Körper der Maus vermehren und einen fortgesetzt nachteiligen Einfluss79Schlussfolgerungen. ausüben können. Eine von diesen beiden Arten ist nur im Stande, in das Blut zu gelangen und, wenn ausschliesslich Blut zur wei¬ teren Uebertragung benutzt wird, wird auch nur diese eine Art aus dem vermeintlichen Kampf ums Dasein siegreich hervorgehen. Es kommt nun für die weitere Entwicklung des Experiments ganz darauf an, wie gross die Menge des putriden Giftes und wie das Zahlverhältniss der beiden Bakterien zu einander ist. Ist viel putrides Gift und eine grosse Anzahl der local sich vermehren¬ den Bakterienart (in unserem Fall sind dies die Gewebsnekrose veranlassenden kettenförmigen Mikrokokken), aber wenige Exem¬ plare von der ins Blut übergehenden Bakterienart (hier Bacillen) eingespritzt, dann wird 'das erste Versuchsthier in Folge des überwiegenden Einflusses der beiden anderen Factoren eher ster¬ ben, als bis viel Bacillen ins Blut gelangt und sich dort weiter vermehrt haben. Von dem Blut dieses ersten Thieres, das ver¬ hältnissmässig noch sehr wenig Bacillen enthält, muss vielleicht ein fünftel bis zehntel Tropfen verimpft werden um die Krank¬ heit sicher zu übertragen. Auf das zweite Thier sind mit dem Blute aber nur noch die Bacillen verpflanzt, die sich nun unge¬ stört im Blute entwickeln. Zur Infection des dritten Thieres ge¬ nügt dann schon das kleinste überhaupt zulässige Quantum Blut und von dieser dritten Generation bleibt die Virulenz des Blutes gleichmässig.

Man kann sich auch noch einen anderen Fall denken, bei dem die Steigerung der Virulenz durch mehr als drei Generatio¬ nen ohne irgend welche Anpassung und Vererbung eintreten kann. Es würde dies der Fall sein, wenn mehrere ins Blut übergehende Bakterienarten bei der ersten Einspritzung in den Körper des Versuchsthieres gelangen. Nehmen wir beispielsweise an, dass demselben faulenden Blute, welches dem vorigen Versuch diente, noch Milzbrandbacillen beigemengt wären, dann würden im Blute des zweiten Thieres ausser den Septicämiebacillen auch Milz¬ brandbacillen enthalten sein und zwar von beiden nur wenig Exemplare; von den Milzbrandbacillen aber noch weniger als von den anderen, weil sie sich bei Mäusen vorzugsweise in der Milz, Lunge u. s. w. ablagern, im Blute aber auch im günstigsten Falle nur spärlich vertreten sind. Andererseits haben die Milzbrand¬ bacillen den Vortheil, dass sie das Thier, wenn sie in reichlicher Zahl eingeimpft wurden, schon binnen 20 Stunden tödten, was den Septicämiebacillen erst nach 50 Stunden gelingt. Im Blute80Schlussfolgerungen. des dritten Thieres würden beide Bacillenarten schon reichlicher enthalten sein, aber doch noch nicht in der Menge, als wenn jede einzeln verimpft wäre. Es muss also immer noch ein grösseres Quantum Blut zur Uebertragung auf das vierte Thier genommen werden. Vielleicht würde das sogar noch in der fünften Gene¬ ration der Fall sein, bis die eine oder andere Bacillenart schliess¬ lich noch allein im Blute vorhanden ist. Wahrscheinlich würden es die Septicämiebacillen sein.

In dieser Weise lässt sich das Coze-Feltz-Davaine'sche Ex¬ periment auf einfache Verhältnisse zurückführen und mit meinen Versuchen in Einklang bringen.

Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

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Tafel l u. ll.

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Tafel III. u. IV.

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Tafel V.

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About this transcription

TextUntersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten
Author Robert Koch
Extent103 images; 24246 tokens; 4893 types; 180548 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic informationUntersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten Robert Koch. . 80 S. V Taf. : Ill. VogelLeipzig1878.

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Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz SBB-PK, Jx 1782<a> Rhttp://stabikat.de/DB=1/SET=12/TTL=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=840515502

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