Landleute aus Schwytz
aus Uri
aus Unterwalden
Bäuerinnen
Tells Knaben
Söldner
Es laͤchelt der See, er ladet zum Bade, Der Knabe ſchlief ein am gruͤnen Geſtade, Da hoͤrt er ein Klingen, Wie Floͤten ſo ſuͤß, Wie Stimmen der Engel Im Paradieß. a2Und wie er erwachet in ſeliger Luſt, Da ſpuͤhlen die Waſſer ihm um die Bruſt, Und es ruft aus den Tiefen: Lieb Knabe, biſt mein! Ich locke den Schlaͤfer, Ich zieh ihn herein.
Ihr Matten lebt wohl, Ihr ſonnigen Weiden! Der Senne muß ſcheiden, Der Sommer iſt hin. Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder, Wenn der Kukuk ruft, wenn erwachen die Lieder, Wenn mit Blumen die Erde ſich kleidet neu, Wenn die Bruͤnnlein fließen im lieblichen May. Ihr Matten lebt wohl, Ihr ſonnigen Weiden! Der Senne muß ſcheiden, Der Sommer iſt hin.
Es donnern die Hoͤhen, es zittert der Steg, Nicht grauet dem Schuͤtzen auf ſchwindlichtem Weg, Er ſchreitet verwegen Auf Feldern von Eis, Da pranget kein Fruͤhling, Da gruͤnet kein Reis; Und unter den Fuͤſſen ein neblichtes Meer, Erkennt er die Staͤdte der Menſchen nicht mehr, Durch den Riß nur der Wolken Erblickt er die Welt, Tief unter den Waſſern Das gruͤnende Feld.
Mach hurtig Jenny. Zieh die Naue ein. Der graue Thalvogt kommt, dumpf bruͤllt der Firn Der Mytenſtein zieht ſeine Haube an, Und kalt her blaͤßt es aus dem Wetterloch, Der Sturm, ich meyn’, wird da ſeyn, eh’ wirs denken.
’s kommt Regen, Faͤhrmann. Meine Schaafe freſſen Mit Begierde Gras, und Waͤchter ſcharrt die Erde.
Die Fiſche ſpringen, und das Waſſerhuhn Taucht unter. Ein Gewitter iſt im Anzug.
Lug’ Seppi, ob das Vieh ſich nicht verlaufen.
Die braune Liſel kenn ich am Gelaͤut.
So fehlt uns keine mehr, die geht am weitſten.
Ihr habt ein ſchoͤn Gelaͤute, Meiſter Hirt.
Und ſchmuckes Vieh — Iſts euer eignes, Landsmann?
Bin nit ſo reich — ’s iſt meines gnaͤd’gen Herrn, Des Attinghaͤuſers, und mir zugezaͤhlt.
Wie ſchoͤn der Kuh das Band zu Halſe ſteht
Das weiß ſie auch, daß ſie den Reihen fuͤhrt, Und naͤhm ich ihr’s, ſie hoͤrte auf zu freſſen.
Ihr ſeid nicht klug! Ein unvernuͤnft’ges Vieh —
Iſt bald geſagt. Das Thier hat auch Vernunft, Das wiſſen wir, die wir die Gemſen jagen, Die ſtellen klug, wo ſie zur Weide gehn, ’ne Vorhut aus, die ſpizt das Ohr und warnet Mit heller Pfeife, wenn der Jaͤger naht.
Treibt ihr jetzt heim?
a 3Die Alp iſt abgeweidet.
Gluͤckſel’ge Heimkehr, Senn!
Die wuͤnſch ich Euch, Von eurer Fahrt kehrt ſich’s nicht immer wieder.
Dort kommt ein Mann in voller Haſt gelaufen.
Ich kenn’ ihn, ’s iſt der Baumgart von Alzellen.
Um Gottes willen, Faͤhrmann, euren Kahn!
Nun, nun, was giebts ſo eilig?
Bindet los! Ihr rettet mich vom Tode! Sezt mich uͤber!
Landsmann, was habt ihr?
Wer verfolgt euch denn?
Eilt, eilt, ſie ſind mir dicht ſchon an den Ferſen! Des Landvogts Reiter kommen hinter mir, Ich bin ein Mann des Tods, wenn ſie mich greifen.
Warum verfolgen euch die Reiſigen?
Erſt rettet mich, und dann ſteh ich euch Rede.
Ihr ſeid mit Blut befleckt, was hat’s gegeben?
Des Kaiſers Burgvogt, der auf Roßberg ſaß —
Der Wolfenſchießen! Laͤßt euch der verfolgen?
Der ſchadet nicht mehr, ich hab’ ihn erſchlagen.
Gott ſey euch gnaͤdig! Was habt ihr gethan?
Was jeder freie Mann an meinem Platz! Mein gutes Hausrecht hab’ ich ausgeuͤbt Am Schaͤnder meiner Ehr’ und meines Weibes.
Hat euch der Burgvogt an der Ehr’ geſchaͤdigt?
Daß er ſein boͤs Geluͤſten nicht vollbracht, Hat Gott und meine gute Art verhuͤtet.
Ihr habt ihm mit der Art den Kopf zerſpalten?
O laßt uns alles hoͤren, ihr habt Zeit, Bis er den Kahn vom Ufer los gebunden.
Ich hatte Holz gefaͤllt im Wald, da kommt Mein Weib gelaufen in der Angſt des Todes. „ Der Burgvogt lieg’ in meinem Haus, er hab’ Ihr anbefohlen, ihm ein Bad zu ruͤſten. Drauf hab’ er Ungebuͤhrliches von ihr Verlangt, ſie ſey entſprungen mich zu ſuchen.” 9Da lief ich friſch hinzu, ſo wie ich war, Und mit der Art hab’ ich ihm ’s Bad geſegnet.
Ihr thatet wohl, kein Menſch kann euch drum ſchelten.
Der Wuͤtherich! Der hat nun ſeinen Lohn! Hat’s lang verdient ums Volk von Unterwalden.
Die That ward ruchtbar, mir wird nachgeſezt — Indem wir ſprechen — Gott — verrinnt die Zeit —
Friſch Faͤhrmann — Schaff den Biedermann hinuͤber.
Geht nicht. Ein ſchweres Ungewitter iſt Im Anzug. Ihr muͤßt warten.
Heilger Gott! Ich kann nicht warten. Jeder Aufſchub toͤdet —
Greif an mit Gott, dem Naͤchſten muß man helfen, Es kann uns allen Gleiches ja begegnen.
Der Foͤhn iſt los, ihr ſeht’ wie hoch der See geht, Ich kann nicht ſteuern gegen Sturm und Wellen.
So helf euch Gott, wie ihr euch mein erbarmet —
Es geht ums Leben, ſei barmherzig, Faͤhrmann.
’s iſt ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!
Was? Ich hab’ auch ein Leben zu verlieren, Hab’ Weib und Kind daheim, wie er — Seht hin Wie’s brandet, wie es wogt und Wirbel zieht, Und alle Waſſer aufruͤhrt in der Tiefe. — Ich wollte gern den Biedermann erretten, Doch es iſt rein unmoͤglich, ihr ſeht ſelbſt.
So muß ich fallen in des Feindes Hand, Das nahe Rettungsufer im Geſichte! — Dort liegt’s! Ich kann’s erreichen mit den Augen, Hinuͤberdringen kann der Stimme Schall, Da iſt der Kahn, der mich hinuͤbertruͤge, Und muß hier liegen, huͤlflos, und verzagen!
Seht wer da kommt!
Es iſt der Tell aus Buͤrglen.
Wer iſt der Mann, der hier um Huͤlfe fleht?
’s iſt ein Alzeller Mann, er hat ſein’ Ehr Vertheidigt, und den Wolfenſchieß erſchlagen, Des Koͤnigs Burgvogt, der auf Roßberg ſaß — Des Landvogts Reiter ſind ihm auf den Ferſen, Er fleht den Schiffer um die Ueberfahrt, Der fuͤrcht’t ſich vor dem Sturm und will nicht fahren.
Da iſt der Tell, er fuͤhrt das Ruder auch, Der ſoll mirs zeugen, ob die Fahrt zu wagen.
Ich ſoll mich in den Hoͤllenrachen ſtuͤrzen? Das thaͤte keiner, der bei Sinnen iſt.
Der brave Mann denkt an ſich ſelbſt zulezt, Vertrau auf Gott und rette den Bedraͤngten.
Vom ſichern Port laͤßt ſich’s gemaͤchlich rathen, Da iſt der Kahn und dort der See! Verſuchts!
Der See kann ſich, der Landvogt nicht erbarmen, Verſuch es Faͤhrmann!
Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!
Und waͤr’s mein Bruder und mein leiblich Kind,13 Es kann nicht ſeyn, ’s iſt heut Simons und Judaͤ, Da raſ’t der See und will ſein Opfer haben.
Mit eitler Rede wird hier nichts geſchafft, Die Stunde dringt, dem Mann muß Huͤlfe werden. Sprich, Faͤhrmann, willſt du fahren?
Nein, nicht ich!
In Gottes Nahmen denn! Gieb her den Kahn, Ich wills mit meiner ſchwachen Kraft verſuchen.
Ha wackrer Tell!
Das gleicht dem Waidgeſellen!
Mein Retter ſeid ihr und mein Engel, Tell!
Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich euch, Aus Sturmes Noͤthen muß ein Andrer helfen. b14Doch beſſer iſt’s, ihr fallt in Gottes Hand, Als in der Menſchen!
Landsmann, troͤſtet ihr Mein Weib, wenn mir was menſchliches begegnet, Ich hab’ gethan, was ich nicht laſſen konnte.
Ihr ſeid ein Meiſter Steuermann. Was ſich Der Tell getraut, das konntet ihr nicht wagen?
Wohl beßre Maͤnner thuns dem Tell nicht nach, Es giebt nicht zwey, wie der iſt, im Gebirge.
Er ſtoͤßt ſchon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen ſchwankt!
Die Flut geht druͤber weg — Ich ſeh’s nicht mehr. Doch halt, da iſt es wieder! Kraͤftiglich Arbeitet ſich der Wackre durch die Brandung.
Des Landvogts Reiter kommen angeſprengt.
Weiß Gott, ſie ſinds! das war Huͤlf in der Noth
Den Moͤrder gebt heraus, den ihr verborgen.
Des Wegs kam er, umſonſt verhehlt ihr ihn.
Wen meint ihr, Reiter?
Ha, was ſeh ich! Teufel!
Iſt’s der im Nachen, den ihr ſucht? — Reit zu! Wenn ihr friſch beilegt, hohlt ihr ihn noch ein.
Verwuͤnſcht! Er iſt entwiſcht.
Ihr habt ihm fortgeholfen,b 216Ihr ſollt uns buͤßen — Fallt in ihre Heerde! Die Huͤtte reißet ein, brennt und ſchlagt nieder!
O meine Laͤmmer!
Weh mir! Meine Heerde!
Die Wuͤthriche!
Gerechtigkeit des Himmels, Wann wird der Retter kommen dieſem Lande?
Ja, ja Herr Stauffacher, wie ich euch ſagte. 17Schwoͤrt nicht zu Oeſtreich, wenn ihrs koͤnnt vermeiden. Haltet feſt am Reich und wacker wie bisher, Gott ſchirme euch bei eurer alten Freiheit!
Bleibt doch, bis meine Wirthin kommt — Ihr ſeid Mein Gaſt zu Schwytz, ich in Lucern der Eure.
Viel Dank! Muß heute Gerſau noch erreichen. — Was ihr auch ſchweres moͤgt zu leiden haben Von eurer Voͤgte Geiz und Uebermuth, Tragt’s in Geduld! Es kann ſich aͤndern, ſchnell, Ein andrer Kaiſer kann an’s Reich gelangen. Seid ihr erſt Oeſterreichs, ſeid ihrs auf immer.
So ernſt, mein Freund? Ich kenne dich nicht mehr. Schon viele Tage ſeh’ ich’s ſchweigend an,b 318Wie finſtrer Truͤbſinn deine Stirne furch’t. Auf deinem Herzen druͤckt ein ſtill Gebreſten, Vertrau es mir, ich bin dein treues Weib, Und meine Haͤlfte fodr’ ich deines Grams.
Was kann dein Herz beklemmen, ſag es mir. Geſegnet iſt dein Fleiß, dein Gluͤcksſtand bluͤht, Voll ſind die Scheunen, und der Rinder Schaaren, Der glatten Pferde wohl genaͤhrte Zucht Iſt von den Bergen gluͤcklich heimgebracht Zur Winterung in den bequemen Staͤllen. — Da ſteht dein Haus, reich, wie ein Edelſitz, Von ſchoͤnem Stammholz iſt es neu gezimmert Und nach dem Richtmaaß ordentlich gefuͤgt, Von vielen Fenſtern glaͤnzt es wohnlich, hell, Mit bunten Wappenſchildern iſt’s bemahlt, Und weiſen Spruͤchen, die der Wandersmann Verweilend liest und ihren Sinn bewundert.
Wohl ſteht das Haus gezimmert und gefuͤgt, Doch ach — es wankt der Grund, auf den wir bauten.
Mein Werner ſage, wie verſtehſt du das?
Vor dieſer Linde ſaß ich juͤngſt wie heut, Das ſchoͤn vollbrachte freudig uͤberden end, Da kam daher von Kuͤſſnacht, ſeiner Burg, Der Vogt mit ſeinen Reiſigen geritten. Vor dieſem Hauſe hielt er wundernd an, Doch ich erhub mich ſchnell, und unterwuͤrfig Wie ſich’s gebuͤhrt, trat ich dem Herrn entgegen, Der uns des Kaiſers richterliche Macht Vorſtellt im Lande. Weſſen iſt dieß Haus? Fragt’ er boͤsmeinend, denn er wußt es wohl. Doch ſchnell beſonnen ich entgegn’ ihm ſo: Dieß Haus, Herr Vogt, iſt meines Herrn des Kaiſers, Und Eures und mein Lehen — da verſezt er: „ Ich bin Regent im Land an Kaiſers Statt, Und will nicht, daß der Bauer Haͤuſer baue Auf ſeine eigne Hand, und alſo frey Hinleb’, als ob er Herr waͤr in dem Lande, Ich werd’ mich unterſtehn, euch das zu wehren.” 20Dieß ſagend ritt er trutziglich von dannen, Ich aber blieb mit kummervoller Seele, Das Wort bedenkend, das der Boͤſe ſprach.
Mein lieber Herr und Ehewirth! Magſt du Ein redlich Wort von deinem Weib vernehmen? Des edeln Ibergs Tochter ruͤhm ich mich, Des viel erfahrnen Mann’s. Wir Schweſtern ſaßen, Die Wolle ſpinnend, in den langen Naͤchten, Wenn bei dem Vater ſich des Volkes Haͤupter Verſammelten, die Pergamente laſen Der alten Kaiſer, und des Landes Wohl Bedachten in vernuͤnftigem Geſpraͤch. Aufmerkend hoͤrt’ ich da manch kluges Wort, Was der Verſtaͤndge denkt, der Gute wuͤnſcht, Und ſtill im Herzen hab ich mirs bewahrt. So hoͤre denn und acht’ auf meine Rede, Denn was dich preßte, ſieh das wußt ich laͤngſt. — Dir grollt der Landvogt, moͤchte gern dir ſchaden, Denn du biſt ihm ein Hinderniß, daß ſich21 Der Schwytzer nicht dem neuen Fuͤrſtenhaus Will unterwerfen, ſondern treu und feſt Beim Reich beharren, wie die wuͤrdigen Altvordern es gehalten und gethan. — Iſts nicht ſo Werner? Sag es, wenn ich luͤge!
So iſt’s, das iſt des Geßlers Groll auf mich.
Er iſt dir neidiſch, weil du gluͤcklich wohnſt, Ein freier Mann auf deinem eignen Erb — Denn Er hat keins. Vom Kaiſer ſelbſt und Reich Traͤgſt du dieß Haus zu Lehn, du darfſt es zeigen, So gut der Reichsfuͤrſt ſeine Laͤnder zeigt, Denn uͤber dir erkennſt du keinen Herrn Als nur den Hoͤchſten in der Chriſtenheit — Er iſt ein juͤngrer Sohn nur ſeines Hauſes, Nichts nennt er ſein als ſeinen Rittermantel, Drum ſieht er jedes Biedermannes Gluͤck Mit ſcheelen Augen gift’ger Mißgunſt an, Dir hat er laͤngſt den Untergang geſchworen — Noch ſtehſt du unverſehrt — Willſt du erwarten,22 Bis er die boͤſe Luſt an dir gebuͤßt? Der kluge Mann baut vor.
Was iſt zu thun!
So hoͤre meinen Rath! Du weiſt, wie hier Zu Schwytz ſich alle Redlichen beklagen Ob dieſes Landvogts Geiz und Wuͤtherei. So zweifle nicht, daß ſie dort druͤben auch In Unterwalden und im Urner Land Des Dranges muͤd ſind und des harten Jochs — Denn wie der Geßler hier, ſo ſchafft es frech Der Landenberger druͤben uͤberm See — Es kommt kein Fiſcherkahn zu uns heruͤber, Der nicht ein neues Unheil und Gewalt - Beginnen von den Voͤgten uns verkuͤndet. Drum thaͤt es gut, daß eurer etliche, Die’s redlich meinen, ſtill zu Rathe giengen, Wie man des Drucks ſich moͤcht’ erledigen, So acht ich wohl, Gott wuͤrd’ euch nicht verlaſſen, Und der gerechten Sache gnaͤdig ſeyn —23 Haſt du in Uri keinen Gaſtfreund, ſprich, Dem du dein Herz magſt redlich offenbaren?
Der wackern Maͤnner kenn’ ich viele dort, Und angeſehen große Herrenleute, Die mir geheim ſind und gar wohl vertraut.
Frau, welchen Sturm gefaͤhrlicher Gedanken Weckſt du mir in der ſtillen Bruſt! Mein Innerſtes Kehrſt du an’s Licht des Tages mir entgegen, Und was ich mir zu denken ſtill verbot, Du ſprichſts mit leichter Zunge kecklich aus. — Haſt du auch wohl bedacht, was du mir raͤthſt? Die wilde Zwietracht und den Klang der Waffen Rufſt du in dieſes friedgewohnte Thal — Wir wagten es, ein ſchwaches Volk der Hirten, In Kampf zu gehen mit dem Herrn der Welt? Der gute Schein nur iſt’s, worauf ſie warten, Um loszulaſſen auf dieß arme Land Die wilden Horden ihrer Kriegesmacht, Darinn zu ſchalten mit des Siegers Rechten,24 Und unter’m Schein gerechter Zuͤchtigung Die alten Freiheitsbriefe zu vertilgen.
Ihr ſeid auch Maͤnner, wiſſet eure Art Zu fuͤhren, und dem Muthigen hilft Gott!
O Weib! Ein furchtbar wuͤthend Schreckniß iſt Der Krieg, die Heerde ſchlaͤgt er und den Hirten.
Ertragen muß man, was der Himmel ſendet, Unbilliges ertraͤgt kein edles Herz.
Dieß Haus erfreut dich, das wir neu erbauten. Der Krieg, der ungeheure, brennt es nieder.
Wuͤßt’ ich mein Herz an zeitlich Gut gefeſſelt, Den Brand waͤrf ich hinein mit eigner Hand.
Du glaubſt an Menſchlichkeit! Es ſchont der Krieg Auch nicht das zarte Kindlein in der Wiege.
GertrudDie Unſchuld hat im Himmel einen Freund! — Sieh vorwaͤrts, Werner, und nicht hinter dich.
Wir Maͤnner koͤnnen tapfer fechtend ſterben, Welch Schickſal aber wird das Eure ſeyn?
Die lezte Wahl ſteht auch dem Schwaͤchſten offen, Ein Sprung von dieſer Bruͤcke macht mich frei.
Wer ſolch ein Herz an ſeinen Buſen druͤckt, Der kann fuͤr Heerd und Hof mit Freuden fechten, Und keines Koͤnigs Heermacht fuͤrchtet er — Nach Uri fahr’ ich ſtehnden Fußes gleich, Dort lebt ein Gaſtfreund mir, Herr Walther Fuͤrſt, Der uͤber dieſe Zeiten denkt wie ich. Auch ſind’ ich dort den edeln Bannerherrn Von Attinghaus — obgleich von hohem Stamm Liebt er das Volk und ehrt die alten Sitten. Mit ihnen beiden pfleg’ ich Naths, wie man Der Landesfeinde muthig ſich erwehrt —c26Leb wohl — und weil ich fern bin, fuͤhre du Mit klugem Sinn das Regiment des Hauſes — Dem Pilger, der zum Gotteshauſe wallt, Dem frommen Moͤnch, der fuͤr ſein Kloſter ſammelt, Gieb reichlich und entlaß ihn wohl gepflegt. Stauffachers Haus verbirgt ſich nicht. Zu aͤuſerſt Am offnen Heerweg ſteht’s, ein wirthlich Dach Fuͤr alle Wandrer, die des Weges fahren.
Ihr habt jezt Meiner weiter nicht vonnoͤthen, Zu jenem Hauſe gehet ein, dort wohnt Der Stauffacher, ein Vater der Bedraͤngten. — Doch ſieh, da iſt er ſelber — Folgt mir, kommt!
Nicht lang gefeiert, friſch! Die Mauerſteine Herbei, den Kalk, den Moͤrtel zugefahren! Wenn der Herr Landvogt kommt, daß er das Werk Gewachſen ſieht — Das ſchlendert wie die Schnecken.
Heißt das geladen? Gleich das Doppelte! Wie die Tagdiebe ihre Pflicht beſtehlen!
Das iſt doch hart, daß wir die Steine ſelbſt Zu unſerm Twing und Kerker ſollen fahren!
Was murret ihr? Das iſt ein ſchlechtes Volk, Zu nichts anſtellig als das Vieh zu melken, Und faul herum zu ſchlendern auf den Bergen.
c 2Ich kann nicht mehr.
Friſch Alter an die Arbeit!
Habt ihr denn gar kein Eingeweid’, daß ihr Den Greis, der kaum ſich ſelber ſchleppen kann, Zum harten Frohndienſt treibt?
’s iſt himmelſchreiend!
Sorgt ihr fuͤr euch, ich thu’ was meines Amts.
Frohnvogt, wie wird die Veſte denn ſich nennen, Die wir da bau’n?
Zwing Uri ſoll ſie heißen, Denn unter dieſes Joch wird man euch beugen.
Zwing Uri!
Nun was giebt’s dabei zu lachen?
Mit dieſem Haͤuslein wollt ihr Uri zwingen?
Laß ſeh’n, wie viel man ſolcher Maulwurfshaufen Muß uͤber ’nander ſetzen, bis ein Berg Draus wird, wie der geringſte nur in Uri!
Den Hammer werf’ ich in den tiefſten See, Der mir gedient bei dieſem Fluchgebaͤude!
O haͤtt’ ich nie gelebt, um das zu ſchauen!
Hier iſt nicht gut ſeyn. Laßt uns weiter geh’n.
Bin ich zu Uri in der Freiheit Land?
c 3O Herr, wenn ihr die Keller erſt geſeh’n Unter den Thuͤrmen! Ja wer die bewohnt Der wird den Hahn nicht fuͤrder kraͤhen hoͤren!
O Gott!
Seht dieſe Flanken, dieſe Strebepfeiler, Die ſteh’n, wie fuͤr die Ewigkeit gebaut!
Was Haͤnde bauten, koͤnnen Haͤnde ſtuͤrzen.
Das Haus der Freiheit hat uns Gott gegruͤndet.
Was will die Trommel? Gebet acht!
Was fuͤr Ein Faßnachtsaufzug und was ſoll der Hut?
In des Kaiſers Nahmen! Hoͤret!
Still doch! Hoͤret!
Ihr ſehet dieſen Hut, Maͤnner von Uri! Aufrichten wird man ihn auf hoher Saͤule, Mitten in Altdorf, an dem hoͤchſten Ort, Und dieſes iſt des Landvogts Will und Meinung: Dem Hut ſoll gleiche Ehre wie ihm ſelbſt geſchehn, Man ſoll ihn mit gebognem Knie und mit Entbloͤßtem Haupt verehren — Daran will Der Koͤnig die Gehorſamen erkennen. Verfallen iſt mit ſeinem Leib und Gut Dem Koͤnige, wer das Gebot verachtet.
Welch’ neues unerhoͤrtes hat der Vogt Sich ausgeſonnen! Wir ’nen Hut verehren! Sagt! Hat man je vernommen von dergleichen?
Wir unſre Kniee beugen einem Hut! Treibt er ſein Spiel mit ernſthaft wuͤrd’gen Leuten?
Waͤr’s noch die kaiſerliche Kron’! So iſt’s Der Hut von Oeſterreich, ich ſah ihn hangen Ueber dem Thron, wo man die Lehen giebt!
Der Hut von Oeſterreich! Gebt acht, es iſt Ein Fallſtrick, uns an Oeſtreich zu verrathen!
Kein Ehrenmann wird ſich der Schmach bequemen.
Kommt, laßt uns mit den andern Abred’ nehmen.
Ihr wiſſet nun Beſcheid. Lebt wohl, Herr Werner!
Wo wollt ihr hin? O eilt nicht ſo von dannen.
Mein Haus entbehrt des Vaters. Lebet wohl.
Mir iſt das Herz ſo voll, mit euch zu reden.
Das ſchwere Herz wird nicht durch Worte leicht.
Doch koͤnnten Worte uns zu Thaten fuͤhren.
Die einz’ge That iſt jezt Geduld und Schweigen.
Soll man ertragen, was unleidlich iſt?
Die ſchnellen Herrſcher ſind’s, die kurz regieren. — Wenn ſich der Foͤhn erhebt aus ſeinen Schluͤnden, Loͤſcht man die Feuer aus, die Schiffe ſuchen Eilends den Hafen, und der maͤcht’ge Geiſt Geht ohne Schaden, ſpurlos, uͤber die Erde. Ein jeder lebe ſtill bei ſich daheim, Dem Friedlichen gewaͤhrt man gern den Frieden.
Meint ihr?
Die Schlange ſticht nicht ungereizt. Sie werden endlich doch von ſelbſt ermuͤden, Wenn ſie die Lande ruhig bleiben ſeh’n.
Wir koͤnnten viel, wenn wir zuſammen ſtuͤnden.
Beim Schiffbruch hilft der Einzelne ſich leichter.
So kalt verlaßt ihr die gemeine Sache?
Ein jeder zaͤhlt nur ſicher auf ſich ſelbſt.
Verbunden werden auch die Schwachen maͤchtig.
Der Starke iſt am maͤchtigſten allein.
So kann das Vaterland auf euch nicht zaͤhlen, Wenn es verzweiflungsvoll zur Nothwehr greift?
Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,35 Und ſollte ſeinen Freunden ſich entziehn? Doch was ihr thut, laßt mich aus eurem Rath, Ich kann nicht lange pruͤfen oder waͤhlen, Beduͤrft’ ihr meiner zu beſtimmter That, Dann ruft den Tell, es ſoll an mir nicht fehlen.
Was giebt’s?
Der Schieferdecker iſt vom Dach geſtuͤrzt.
Iſt er zerſchmettert? Rennet, rettet, helft — Wenn Huͤlfe moͤglich, rettet, hier iſt Gold —
Mit eurem Golde — Alles iſt euch feil Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern Geriſſen und den Mann von ſeinem Weibe, Und Jammer habt gebracht uͤber die Welt,36 Denkt ihr’s mit Golde zu verguͤten — Geht! Wir waren frohe Menſchen eh’ ihr kamt, Mit euch iſt die Verzweiflung eingezogen.
Lebt er?
O ungluͤckſel’ges Schloß, mit Fluͤchen Erbaut, und Fluͤche werden dich bewohnen!
Herr Walther Fuͤrſt —
Wenn man uns uͤberraſchte! Bleibt, wo ihr ſeyd. Wir ſind umringt von Spaͤhern.
Bringt ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts37 Von meinem Vater? Nicht ertrag ich’s laͤnger, Als ein Gefang’ner muͤßig hier zu liegen. Was hab’ ich denn ſo ſtraͤfliches gethan, Um mich gleich einem Moͤrder zu verbergen? Dem frechen Buben, der die Ochſen mir, Das treflichſte Geſpann, vor meinen Augen Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß, Hab’ ich den Finger mit dem Stab gebrochen.
Ihr ſeid zu raſch. Der Bube war des Vogts, Von eurer Obrigkeit war er geſendet, Ihr wart in Straf’ gefallen, mußtet euch, Wie ſchwer ſie war, der Buße ſchweigend fuͤgen.
Ertragen ſollt’ ich die leichtfert’ge Rede Des Unverſchaͤmten: „ Wenn der Bauer Brod „ Wollt’ eſſen, moͤg’ er ſelbſt am Pfluge zieh’n! “ In die Seele ſchnitt mir’s, als der Bub die Ochſen, Die ſchoͤnen Thiere, von dem Pfluge ſpannte, Dumpf bruͤllten ſie, als haͤtten ſie Gefuͤhl Der Ungebuͤhr, und ſtießen mit den Hoͤrnern,d38Da uͤbernahm mich der gerechte Zorn, Und meiner ſelbſt nicht Herr, ſchlug ich den Boten.
O kaum bezwingen wir das eig’ne Herz, Wie ſoll die raſche Jugend ſich bezaͤhmen!
Mich jammert nur der Vater — Er bedarf So ſehr der Pflege, und ſein Sohn iſt fern. Der Vogt iſt ihm gehaͤſſig, weil er ſtets Fuͤr Recht und Freiheit redlich hat geſtritten. Drum werden ſie den alten Mann bedraͤngen, Und niemand iſt, der ihn vor Unglimpf ſchuͤtze. — Werde mit mir was will, ich muß hinuͤber.
Erwartet nur und faßt euch in Geduld, Bis Nachricht uns heruͤber kommt vom Walde. — Ich hoͤre klopfen, geht — Vielleicht ein Bote Vom Landvogt — Geht hinein — Ihr ſeid in Uri Nicht ſicher vor des Landenbergers Arm, Denn die Tyrannen reichen ſich die Haͤnde.
Sie lehren uns, was wir thun ſollten.
Geht! Ich ruf’ euch wieder, wenn’s hier ſicher iſt.
Der Ungluͤckſelige, ich darf ihm nicht Geſtehen, was mir Boͤſes ſchwant — Wer klopft? So oft die Thuͤre rauſcht, erwart’ ich Ungluͤck. Verrath und Argwohn lauſcht in allen Ecken, Bis in das Innerſte der Haͤuſer dringen Die Boten der Gewalt, bald thaͤt’ es Noth, Wir haͤtten Schloß und Riegel an den Thuͤren.
Was ſeh’ ich? Ihr, Herr Werner! Nun bei Gott! Ein werther, theurer Gaſt — Kein beß’rer Mann Iſt uͤber dieſe Schwelle noch gegangen. Seid hoch willkommen unter meinem Dach! Was fuͤhrt euch her? Was ſucht ihr hier in Uri?
d 2Die alten Zeiten und die alte Schweiz.
Die bringt ihr mit euch — Sieh, mir wird ſo wohl, Warm geht das Herz mir auf bei eurem Anblick. — Sezt euch, Herr Werner — Wie verließet ihr Frau Gertrud, eure angenehme Wirthin, Des weiſen Ibergs hochverſtaͤnd’ge Tochter? Von allen Wandrern aus dem deutſchen Land, Die uͤber Meinrads Zell nach Welſchland fahren, Ruͤhmt jeder euer gaſtlich Haus — Doch ſagt, Kommt ihr ſo eben friſch von Fluelen her, Und habt euch nirgend ſonſt noch umgeſeh’u, Eh’ ihr den Fuß geſezt auf dieſe Schwelle?
Wohl ein erſtaunlich neues Werk hab’ ich Bereiten ſehen, das mich nicht erfreute.
O Freund, da habt ihr’s gleich mit Einem Blicke!
Ein ſolches iſt in Uri nie geweſen —41 Seit Menſchendenken war kein Twinghof hier, Und feſt war keine Wohnung als das Grab.
Ein Grab der Freiheit iſt’s. Ihr nennt’s mit Nahmen.
Herr Walther Fuͤrſt, ich will euch nicht verhalten, Nicht eine muͤß’ge Neugier fuͤhrt mich her, Mich druͤcken ſchwere Sorgen — Drangſal hab’ ich Zu Haus verlaſſen, Drangſal find’ ich hier. Denn ganz unleidlich iſt’s, was wir erdulden, Und dieſes Dranges iſt kein Ziel zu ſeh’n. Frei war der Schweitzer von Uralters her, Wir ſind’s gewohnt, daß man uns gut begegnet, Ein ſolches war im Lande nie erlebt, Solang ein Hirte trieb auf dieſen Bergen.
Ja, es iſt ohne Beiſpiel wie ſie’s treiben! Auch unſer edler Herr von Attinghauſen, Der noch die alten Zeiten hat geſeh’n, Meint ſelber, es ſey nicht mehr zu ertragen.
d 3Auch druͤben unter’m Wald geht ſchweres vor, Und blutig wird’s gebuͤßt — der Wolfenſchießen, Des Kaiſers Vogt, der auf dem Roßberg haußte, Geluͤſten trug er nach verbot’ner Frucht, Baumgartens Weib, der haushaͤlt zu Alzellen, Wollt’ er zu frecher Ungebuͤhr misbrauchen, Und mit der Art hat ihn der Mann erſchlagen.
O die Gerichte Gottes ſind gerecht! — Baumgarten ſagt ihr? Ein beſcheid’ner Mann Er iſt gerettet doch und wohl geborgen?
Euer Eidam hat ihn uͤber’n See gefluͤchtet, Bei mir zu Steinen halt’ ich ihn verborgen — — Noch greulichers hat mir derſelbe Mann Berichtet, was zu Sarnen iſt geſcheh’n, Das Herz muß jedem Biedermanne bluten.
Sagt an, was iſt’s?
Im Melchthal, da wo man Eintritt bey Kerns, wohnt ein gerechter Mann, Sie nennen ihn den Heinrich von der Halden, Und ſeine Stimm’ gilt was in der Gemeinde.
Wer kennt ihn nicht! Was iſt’s mit ihm? Vollendet.
Der Landenberger buͤßte ſeinen Sohn Um kleinen Fehlers willen, ließ die Ochſen, Das beſte Paar, ihm aus dem Pfluge ſpannen, Da ſchlug der Knab den Knecht und wurde fluͤchtig.
Der Vater aber — Sagt, wie ſteht’s um den?
Den Vater laͤßt der Landenberger fodern, Zur Stelle ſchaffen ſoll er ihm den Sohn’, Und da der alte Mann mit Wahrheit ſchwoͤrt, Er habe von dem Fluͤchtling keine Kunde, Da laͤßt der Vogt die Folterknechte kommen —
O ſtill, nichts mehr!
„ Iſt mir der Sohn entgangen, „ So hab’ ich dich “— Laͤßt ihn zu Boden werfen, Den ſpitz’gen Stahl ihm in die Augen bohren —
Barmherz’ger Himmel!
In die Augen, ſagt ihr?
Wer iſt der Juͤngling?
In die Augen? Redet.
O der bejammernswuͤrdige!
Wer iſt’s?
Der Sohn iſt’s? Allgerechter Gott!
Und ich Muß ferne ſeyn! — In ſeine beiden Augen?
Bezwinget euch, ertragt es wie ein Mann!
Um meiner Schuld, um meines Frevels willen! — Blind alſo? Wirklich blind, und ganz geblendet?
Ich ſagt’s. Der Quell des Seh’ns iſt ausgefloſſen, Das Licht der Sonne ſchaut er niemals wieder.
Schont ſeines Schmerzens!
Niemals! Niemals wieder!
O eine edle Himmelsgabe iſt Das Licht des Auges — Alle Weſen leben Vom Lichte, jedes gluͤckliche Geſchoͤpf — Die Pflanze ſelbſt kehrt freudig ſich zum Lichte. Und er muß ſitzen, fuͤhlend, in der Nacht, Im ewig finſtern — ihn erquickt nicht mehr Der Matten warmes Gruͤn, der Blumen Schmelz, Die rothen Firnen kann er nicht mehr ſchauen — Sterben iſt nichts — doch leben und nicht ſehen, Das iſt ein Ungluͤck — Warum ſeht ihr mich So jammernd an? Ich hab’ zwey friſche Augen, Und kann dem blinden Vater keines geben, Nicht einen Schimmer von dem Meer des Lichts, Das glanzvoll, blendend, mir ins Auge dringt.
Ach, ich muß euren Jammer noch vergroͤßern, Statt ihn zu heilen — Er bedarf noch mehr! Denn alles hat der Landvogt ihm geraubt, Nichts hat er ihm gelaſſen als den Stab, Um nakt und blind von Thuͤr zu Thuͤr zu wandern.
Nichts als den Stab dem augenloſen Greis! Alles geraubt, und auch das Licht der Sonne, Des Aermſten allgemeines Gut — Jezt rede Mir keiner mehr von Bleiben, von Verbergen! Was fuͤr ein feiger Elender bin ich, Daß ich auf meine Sicherheit gedacht, Und nicht auf Deine — dein geliebtes Haupt Als Pfand gelaſſen in des Wuͤthrichs Haͤnden! Feigherz’ge Vorſicht fahre hin — Auf nichts Als blutige Vergeltung will ich denken, Hinuͤber will ich — Keiner ſoll mich halten — Des Vaters Auge von dem Landvogt fodern — Aus allen ſeinen Reiſigen heraus Will ich ihn finden — Nichts liegt mir am Leben, Wenn ich den heißen ungeheuren Schmerz In ſeinem Lebensblute kuͤhle.
Bleibt! 48Was koͤnnt ihr gegen ihn? Er ſizt zu Sarnen Auf ſeiner hohen Herrenburg und ſpottet Ohnmaͤcht’gen Zorns in ſeiner ſichern Veſte.
Und wohnt’ er droben auf dem Eispallaſt Des Schreckhorns oder hoͤher, wo die Jungfrau Seit Ewigkeit verſchleiert ſizt — Ich mache Mir Bahn zu ihm, mit zwanzig Juͤnglingen Geſinnt wie ich, zerbrech’ ich ſeine Veſte. Und wenn mir niemand folgt, und wenn ihr alle Fuͤr eure Huͤtten bang und eure Heerden, Euch dem Tyrannenjoche beugt — die Hirten Will ich zuſammen rufen im Gebirg, Dort unter’m freien Himmelsdache, wo Der Sinn noch friſch iſt und das Herz geſund, Das ungeheuer Graͤßliche erzaͤhlen.
Es iſt auf ſeinem Gipfel — wollen wir Erwarten, bis das Aeuſerſte —
Welch’ AeuſerſtesIſt49Iſt noch zu fuͤrchten, wenn der Stern des Auges In ſeiner Hoͤhle nicht mehr ſicher iſt? — Sind wir denn wehrlos? Wozu lernten wir Die Armbruſt ſpannen und die ſchwere Wucht Der Streitart ſchwingen? Jedem Weſen ward Ein Nothgewehr in der Verzweiflungsangſt, Es ſtellt ſich der erſchoͤpfte Hirſch und zeigt Der Meute ſein gefuͤrchtetes Geweih, Die Gemſe reißt den Jaͤger in den Abgrund — Der Pflugſtier ſelbſt, der ſanfte Hausgenoß Des Menſchen, der die ungeheure Kraft Des Halſes duldſam unters Joch gebogen, Springt auf, gereizt, wezt ſein gewaltig Horn, Und ſchleudert ſeinen Feind den Wolken zu.
Wenn die drey Lande daͤchten wie wir drey, So moͤchten wir vielleicht etwas vermoͤgen.
Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft, Der Schwytzer wird die alten Buͤnde ehren.
eGroß iſt in Unterwalden meine Freundſchaft, Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut, Wenn er am andern einen Ruͤcken hat Und Schirm — O fromme Vaͤter dieſes Landes! Ich ſtehe nur ein Juͤngling zwiſchen euch, Den Vielerfahrnen — meine Stimme muß Beſcheiden ſchweigen in der Landsgemeinde. Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte, Verachtet meinen Rath und meine Rede, Nicht luͤſtern jugendliches Blut, mich treibt Des hoͤchſteu Jammers ſchmerzliche Gewalt, Was auch den Stein des Felſen muß erbarmen. Ihr ſelbſt ſeid Vaͤter, Haͤupter eines Hauſes, Und wuͤnſcht euch einen tugendhaften Sohn, Der eures Hauptes heilge Locken ehre, Und euch den Stern des Auges fromm bewache. O weil ihr ſelbſt an eurem Leib und Gut Noch nichts erlitten, eure Augen ſich Noch friſch und hell in ihren Kreiſen regen, So ſei euch darum unſre Noth nicht fremd. 51Auch uͤber euch haͤngt das Tyrannenſchwert, Ihr habt das Land von Oeſtreich abgewendet, Kein anderes war meines Vaters Unrecht, Ihr ſeid in gleicher Mitſchuld und Verdammniß.
Beſchließet ihr, ich bin bereit zu folgen.
Wir wollen hoͤren, was die edeln Herrn Von Sillinen, von Attinghauſen rathen — Ihr Nahme, denk’ ich, wird uns Freunde werben.
Wo iſt ein Nahme in dem Waldgebirg’ Ehrwuͤrdiger als Eurer und der Eure? An ſolcher Nahmen aͤchte Waͤhrung glaubt Das Volk, ſie haben guten Klang im Lande. Ihr habt ein reiches Erb von Vaͤtertugend, Und habt es ſelber reich vermehrt — Was braucht’s Des Edelmanns? Laßts uns allein vollenden. Waͤren wir doch allein im Land! Ich meine, Wir wollten uns ſchon ſelbſt zu ſchirmen wiſſen.
e 2Die Edeln draͤngt nicht gleiche Noth mit uns, Der Strom, der in den Niederungen wuͤthet, Bis jetzt hat er die Hoͤh’n noch nicht erreicht — Doch ihre Huͤlfe wird uns nicht entſteh’n, Wenn ſie das Land in Waffen erſt erblicken.
Waͤre ein Obmann zwiſchen uns und Oeſtreich, So moͤchte Recht entſcheiden und Geſetz, Doch der uns unterdruͤckt, iſt unſer Kaiſer Und hoͤchſter Richter — ſo muß Gott uns helfen Durch unſern Arm — erforſchet ihr die Maͤnner Von Schwytz, ich will in Uri Freunde werben. Wen aber ſenden wir nach Unterwalden —
Mich ſendet hin — wem laͤg’ es naͤher an —
Ich geb’s nicht zu, ihr ſeid mein Gaſt, ich muß Fuͤr eure Sicherheit gewaͤhren!
Laßt mich! 53Die Schliche kenn’ ich und die Felſenſteige, Auch Freunde find’ ich gnug, die mich dem Feind Verhehlen und ein Obdach gern gewaͤhren.
Laßt ihn mit Gott hinuͤber geh’n. Dort druͤben Iſt kein Verraͤther — ſo verabſcheut iſt Die Tyrannei, daß ſie kein Werkzeug findet. Auch der Alzeller ſoll uns nid dem Wald Genoſſen werben und das Land erregen.
Wie bringen wir uns ſich’re Kunde zu, Daß wir den Argwohn der Tyrannen taͤuſchen?
Wir koͤnnten uns zu Brunnen oder Treib Verſammeln, wo die Kaufmannsſchiffe landen.
So offen duͤrfen wir das Werk nicht treiben. — Hoͤrt meine Meinung. Links am See, wenn man Nach Brunnen faͤhrt, dem Mytenſtein grad uͤber, Liegt eine Matte heimlich im Gehoͤlz,e 354Das Ruͤtli heißt ſie bei dem Volk der Hirten, Weil dort die Waldung ausgereutet ward. Dort iſt’s wo unſ’re Landmark und die eure
Zuſammengrenzen, und in kurzer Fahrt
Traͤgt Euch der leichte Kahn von Schwytz heruͤber. Auf oͤden Pfaden koͤnnen wir dahin Bei Nachtzeit wandern und uns ſtill berathen. Dahin mag jeder zehn vertraute Maͤnner Mitbringen, die herzeinig ſind mit uns, So koͤnnen wir gemeinſam das Gemeine Beſprechen und mit Gott es friſch beſchließen.
So ſey’s. Jezt reicht mir eure biedre Rechte, Reicht ihr die Eure her, und ſo wie wir Drey Maͤnner jetzo, unter uns, die Haͤnde Zuſammen flechten, redlich, ohne Falſch, So wollen wir Drey Laͤnder auch, zu Schutz Und Trutz, zuſammen ſtehn auf Tod und Leben.
Auf Tod und Leben!
Blinder alter Vater! Du kannſt den Tag der Freiheit nicht mehr ſchauen, Du ſollſt ihn hoͤren — Wenn von Alp zu Alp Die Feuerzeichen flammend ſich erheben, Die feſten Schloͤſſer der Tyrannen fallen, In deine Huͤtte ſoll der Schweizer wallen, Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen, Und hell in deiner Nacht ſoll es dir tagen.
Hier bin ich Oheim — Was iſt euer Wille?
Erlaubt, daß ich nach altem Hausgebrauch Den Fruͤhtrunk erſt mit meinen Knechten theile.
Sonſt war ich ſelber mit in Feld und Wald, Mit meinem Auge ihren Fleiß regierend, Wie ſie mein Banner fuͤhrte in der Schlacht, Jezt kann ich nichts mehr als den Schaffner machen,57 Und kommt die warme Sonne nicht zu mir, Ich kann ſie nicht mehr ſuchen auf den Bergen. Und ſo in enger ſtets und enger’m Kreis, Beweg’ ich mich dem engeſten und lezten, Wo alles Leben ſtill ſteht, langſam zu, Mein Schatte bin ich nur, bald nur mein Nahme.
Ich bring’s euch, Junker.
Trinket friſch! Es geht Aus Einem Becher und aus Einem Herzen.
Geht Kinder, und wenn’s Feierabend iſt, Dann reden wir auch von des Land’s Geſchaͤften.
Ich ſehe dich geguͤrtet und geruͤſtet, Du willſt nach Altorf in die Herrenburg?
Ja Oheim, und ich darf nicht laͤnger ſaͤumen —
Haſt du’s ſo eilig? Wie? Iſt deiner Jugend Die Zeit ſo karg gemeſſen, daß du ſie An deinem alten Oheim mußt erſparen?
Ich ſehe, daß ihr meiner nicht beduͤrft, Ich bin ein Fremdling nur in dieſem Hauſe.
Ja leider biſt du’s. Leider iſt die Heimat Zur Fremde dir geworden! — Uly! Uly! Ich kenne dich nicht mehr. In Seide prangſt du, Die Pfauenfeder traͤgſt du ſtolz zur Schau, Und ſchlaͤgſt den Purpurmantel um die Schultern, Den Landmann blickſt du mit Verachtung an, Und ſchaͤmſt dich ſeiner traulichen Begruͤßung.
Die Ehr’, die ihm gebuͤhrt, geb’ ich ihm gern, Das Recht, das er ſich nimmt, verweigr’ ich ihm.
Das ganze Land liegt unter’m ſchweren Zorn Des Koͤnigs — Jedes Biedermannes Herz Iſt kummervoll ob der tyranniſchen Gewalt Die wir erdulden — Dich allein ruͤhrt nicht Der allgemeine Schmerz — Dich ſiehet man Abtruͤnnig von den Deinen auf der Seite Des Landesfeindes ſtehen, unſrer Noth Hohnſprechend nach der leichten Freude jagen, Und buhlen um die Fuͤrſtengunſt, indeß Dein Vaterland von ſchwerer Geiſſel blutet.
Das Land iſt ſchwer bedraͤngt — Warum mein Oheim? Wer iſt’s, der es geſtuͤrzt in dieſe Noth? Es koſtete ein einzig leichtes Wort, Um augenblicks des Dranges los zu ſeyn, Und einen gnaͤd’gen Kaiſer zu gewinnen. Weh ihnen, die dem Volk die Augen halten, Daß es dem wahren Beſten widerſtrebt. Um eignen Vortheils willen hindern ſie, Daß die Waldſtaͤtte nicht zu Oeſtreich ſchwoͤren,60 Wie ringsum alle Lande doch gethan. Wohl thut es ihnen, auf der Herrenbank Zu ſitzen mit dem Edelmann — den Kaiſer Will man zum Herrn, um keinen Herrn zu haben.
Muß ich das hoͤren und aus deinem Munde!
Ihr habt mich aufgefodert, laßt mich enden. — Welche Perſon iſt’s, Oheim, die ihr ſelbſt Hier ſpielt? Habt ihr nicht hoͤhern Stolz, als hier Landammann oder Bannerherr zu ſeyn Und neben dieſen Hirten zu regieren? Wie? Iſt’s nicht eine ruͤhmlichere Wahl, Zu huldigen dem koͤniglichen Herrn, Sich an ſein glaͤnzend Lager anzuſchließen, Als eurer eig’nen Knechte Pair zu ſeyn, Und zu Gericht zu ſitzen mit dem Bauer?
Ach Uly! Uly! Ich erkenne ſie Die Stimme der Verfuͤhrung! Sie ergriff Dein ofnes Ohr, ſie hat dein Herz vergiftet.
Ja ich verberg’ es nicht — in tiefer Seele Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns Den Baurenadel ſchelten — Nicht ertrag’ ich’s, Indeß die edle Jugend rings umher Sich Ehre ſammelt unter Habsburgs Fahnen, Auf meinem Erb’ hier muͤſſig ſtill zu liegen, Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz Des Lebens zu verlieren — Anderswo Geſchehen Thaten, eine Welt des Ruhms Bewegt ſich glaͤnzend jenſeits dieſer Berge — Mir roſten in der Halle Helm und Schild, Der Kriegstrommete muthiges Getoͤn, Der Heroldsruf, der zum Turniere ladet, Er dringt in dieſe Thaͤler nicht herein, Nichts als den Kuhreih’n und der Heerdeglocken Einfoͤrmiges Gelaͤut vernehm’ ich hier.
Verblendeter, vom eiteln Glanz verfuͤhrt! Verachte dein Geburtsland! Schaͤme dich Der uralt frommen Sitte deiner Vaͤter! f62Mit heißen Thraͤnen wirſt du dich dereinſt Heim ſehnen nach den vaͤterlichen Bergen, Und dieſes Heerdenreihens Melodie, Die du in ſtolzem Ueberdruß verſchmaͤhſt, Mit Schmerzensſehnſucht wird ſie dich ergreifen, Wenn ſie dir anklingt auf der fremden Erde. O maͤchtig iſt der Trieb des Vaterlands! Die fremde falſche Welt iſt nicht fuͤr dich, Dort an dem ſtolzen Kaiſerhof bleibſt du Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen! Die Welt, ſie fodert andre Tugenden, Als du in dieſen Thaͤlern dir erworben. — Geh’ hin, verkaufe deine freie Seele, Nimm Land zu Lehen, werd’ ein Fuͤrſtenknecht, Da du ein Selbſtherr ſeyn kannſt und ein Fuͤrſt Auf deinem eignen Erb’ und freien Boden. Ach Uly! Uly! Bleibe bei den Deinen! Geh’ nicht nach Altdorf — O verlaß ſie nicht Die heilge Sache deines Vaterland’s! — Ich bin der lezte meines Stamms. Mein Nahme Endet mit mir. Da haͤngen Helm und Schild,63 Die werden ſie mir in das Grab mitgeben. Und muß ich denken bei dem letzten Hauch, Daß du mein brechend Auge nur erwarteſt, Um hinzugeh’n vor dieſen neuen Lehenhof, Und meine edeln Guͤter, die ich frei Von Gott empfieng, von Oeſtreich zu empfangen!
Vergebens widerſtreben wir dem Koͤnig, Die Welt gehoͤrt ihm, wollen wir allein Uns eigenſinnig ſteifen und verſtocken, Die Laͤnderkette ihm zu unterbrechen, Die er gewaltig rings um uns gezogen? Sein ſind die Maͤrkte, die Gerichte, ſein Die Kaufmannsſtraßen, und das Saumroß ſelbſt, Das auf dem Gotthardt ziehet, muß ihm zollen. Von ſeinen Laͤndern wie mit einem Netz Sind wir umgarnet rings und eingeſchloſſen. — Wird uns das Reich beſchuͤtzen? Kann es ſelbſt Sich ſchuͤtzen gegen Oeſtreich’s wachſende Gewalt? Hilft Gott uns nicht, kein Kaiſer kann uns helfen. Was iſt zu geben auf der Kaiſer Wort,f 264Wenn ſie in Geld - und Krieges-Noth die Staͤdte, Die unter’n Schirm des Adlers ſich gefluͤchtet, Verpfaͤnden duͤrfen und dem Reich veraͤuſern? — Nein Oheim! Wohlthat iſt’s und weiſe Vorſicht, In dieſen ſchweren Zeiten der Partheiung, Sich anzuſchließen an ein maͤchtig Haupt. Die Kaiſerkrone geht von Stamm zu Stamm, Die hat fuͤr treue Dienſte kein Gedaͤchtniß, Doch um den maͤcht’gen Erbherrn wohl verdienen, Heißt Saaten in die Zukunft ſtreu’n.
Biſt du ſo weiſe? Willſt heller ſeh’n als deine edeln Vaͤter, Die um der Freiheit koſtbar’n Edelſtein Mit Gut und Blut und Heldenkraft geſtritten? — Schiff nach Lucern hinunter, frage dort, Wie Oeſtreich’s Herrſchaft laſtet auf den Laͤndern! Sie werden kommen, unſre Schaaf’ und Rinder Zu zaͤhlen, unſre Alpen abzumeſſen, Den Hochflug und das Hochgewilde bannen65 In unſern freien Waͤldern, ihren Schlagbaum An unſre Bruͤcken, unſre Thore ſetzen, Mit unſrer Armuth ihre Laͤnderkaͤufe, Mit unſerm Blute ihre Kriege zahlen — — Nein, wenn wir unſer Blut dran ſetzen ſollen, So ſey’s fuͤr uns — wohlfeiler kaufen wir Die Freiheit als die Knechtſchaft ein!
Was koͤnnen wir, Ein Volk der Hirten gegen Albrechts Heere!
Lern’ dieſes Volk der Hirten kennen, Knabe! Ich kenn’s, ich hab’ es angefuͤhrt in Schlachten, Ich hab’ es fechten ſehen bei Favenz. Sie ſollen kommen, uns ein Joch aufzwingen, Das wir entſchloſſen ſind, nicht zu ertragen! — O lerne fuͤhlen, welches Stamm’s du biſt! Wirf nicht fuͤr eiteln Glanz und Flitterſchein Die aͤchte Perle deines Werthes hin — Das Haupt zu heißen eines freien Volks, Das dir aus Liebe nur ſich herzlich weiht,f 366Das treulich zu dir ſteht in Kampf und Tod — Das ſei dein Stolz, des Adels ruͤhme dich — Die angebohr’nen Bande knuͤpfe feſt, An’s Vaterland, an’s theure, ſchließ dich an, Das halte feſt mit deinem ganzen Herzen. Hier ſind die ſtarken Wurzeln deiner Kraft, Dort in der fremden Welt ſtehſt du allein, Ein ſchwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt. O komm, du haſt uns lang’ nicht mehr geſehn, Verſuch’s mit uns nur Einen Tag — nur heute Geh’ nicht nach Altorf — Hoͤrſt du? Heute nicht, Den Einen Tag nur ſchenke dich den Deinen!
Ich gab mein Wort — Laßt mich — Ich bin gebunden.
Du biſt gebunden — Ja Ungluͤcklicher! Du biſt’s, doch nicht durch Wort und Schwur, Gebunden biſt du durch der Liebe Seile!
— Verbirg’ dich wie du willſt. Das Fraͤulein iſt’s, Bertha von Brunek, die zur Herrenburg Dich zieht, dich feſſelt an des Kaiſers Dienſt. Das Ritterfraͤulein willſt du dir erwerben Mit deinem Abfall von dem Land — Betruͤg’ dich nicht! Dich anzulocken zeigt man dir die Braut, Doch deiner Unſchuld iſt ſie nicht beſchieden.
Genug hab’ ich gehoͤrt. Gehabt euch wohl.
Wahnſinn’ger Juͤngling bleib’! — Er geht dahin! Ich kann ihn nicht erhalten, nicht erretten — So iſt der Wolfenſchießen abgefallen Von ſeinem Land — ſo werden andre folgen, Der fremde Zauber reißt die Jugend fort, Gewaltſam ſtrebend uͤber unſre Berge. — O ungluͤckſel’ge Stunde, da das Fremde In dieſe ſtill begluͤckten Thaͤler kam., Der Sitten fromme Unſchuld zu zerſtoͤren!
Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte68 Das Wuͤrd’ge ſcheidet, andre Zeiten kommen, Es lebt ein andersdenkendes Geſchlecht! Was thu’ ich hier? Sie ſind begraben alle, Mit denen ich gewaltet und gelebt. Unter der Erde ſchon liegt Meine Zeit, Wohl dem, der mit der Neuen nicht mehr braucht zu leben!
Der Bergweg oͤffnet ſich, nur friſch mir nach,69 Den Fels erkenn’ ich und das Kreutzlein drauf, Wir ſind am Ziel, hier iſt das Ruͤtli.
Horch!
Ganz leer.
’s iſt noch kein Landmann da. Wir ſind Die erſten auf dem Platz, wir Unterwaldner.
Wie weit iſt’s in der Nacht?
Der Feuerwaͤchter Vom Selisberg hat eben zwey gerufen.
Still! Horch!
Das Mettengloͤcklein in der Waldkapelle Klingt hell heruͤber aus dem Schwytzerland.
Die Luft iſt rein und traͤgt den Schall ſo weit.
Geh’n einige und zuͤnden Reisholz an, Daß es loh brenne, wenn die Maͤnner kommen.
’s eine ſchoͤne Mondennacht. Der See Liegt ruhig da als wie ein ebner Spiegel.
Sie haben eine leichte Fahrt.
Ha ſeht! Seht dorthin! Seht ihr nichts?
Was denn? — Ja warlich! Ein Regenbogen mitten in der Nacht!
Es iſt das Licht des Mondes das ihn bildet.
Das iſt ein ſeltſam wunderbares Zeichen! Es leben viele, die das nicht geſehn.
Er iſt doppelt, ſeht, ein blaͤſſerer ſteht druͤber.
Ein Nachen faͤhrt ſo eben drunter weg.
Das iſt der Stauffacher mit ſeinem Kahn, Der Biedermann laͤßt ſich nicht lang erwarten.
Die Urner ſind es, die am laͤngſten ſaͤumen.
Sie muͤſſen weit umgehen durch’s Gebirg, Daß ſie des Landvogts Kundſchaft hintergehen.
Wer iſt da? Gebt das Wort!
Freunde des Landes.
Willkommen!
O Herr Stauffacher! Ich hab’ ihn Geſehn, der mich nicht wiederſehen konnte! Die Hand hab’ ich gelegt auf ſeine Augen, Und gluͤhend Rachgefuͤhl hab’ ich geſogen Aus der erloſchnen Sonne ſeines Blicks.
Sprecht nicht von Rache. Nicht geſchehnes raͤchen, Gedrohtem Uebel wollen wir begegnen. — Jezt73— Jezt ſagt, was ihr im Unterwaldner Land Geſchaff’t und fuͤr gemeine Sach’ geworben, Wie die Landleute denken, wie ihr ſelbſt Den Stricken des Verraths entgangen ſeid.
Durch der Surennen furchtbares Gebirg, Auf weit verbreitet oͤden Eiſesfeldern, Wo nur der heiſ’re Laͤmmergeier kraͤchzt, Gelangt’ ich zu der Alpentrift, wo ſich Aus Uri und vom Engelberg die Hirten Anrufend gruͤßen und gemeinſam weiden, Den Durſt mir ſtillend mit der Gletſcher Milch, Die in den Runſen ſchaͤumend niederquillt. In den einſamen Sennhuͤtten kehrt’ ich ein, Mein eigner Wirth und Gaſt, bis daß ich kam Zu Wohnungen geſellig lebender Menſchen. — Erſchollen war in dieſen Thaͤlern ſchon Der Ruf des neuen Greuels der geſchehn, Und fromme Ehrfurcht ſchaffte mir mein Ungluͤck Vor jeder Pforte, wo ich wandernd klopfte. Entruͤſtet fand ich dieſe graden Seeleng74Ob dem gewaltſam neuen Regiment, Denn ſo wie ihre Alpen fort und fort Dieſelben Kraͤuter naͤhren, ihre Brunnen Gleichfoͤrmig fließen, Wolken ſelbſt und Winde Den gleichen Strich unwandelbar befolgen, So hat die alte Sitte hier vom Ahn Zum Enkel unveraͤndert fort beſtanden, Nicht tragen ſie verwegne Neuerung Im altgewohnten gleichen Gang des Lebens. — Die harten Haͤnde reichten ſie mir dar, Von den Waͤnden langten ſie die roſtgen Schwerter, Und aus den Augen blizte freudiges Gefuͤhl des Muths, als ich die Nahmen nannte, Die im Gebirg dem Landmann heilig ſind, Den eurigen und Walther Fuͤrſts — Was euch Recht wuͤrde duͤnken, ſchwuren ſie zu thun, Euch ſchwuren ſie bis in den Tod zu folgen. — So eilt ich ſicher unterm heilgen Schirm Des Gaſtrechts von Gehoͤfte zu Gehoͤfte — Und als ich kam in’s heimatliche Thal, Wo mir die Vettern viel verbreitet wohnen —75 Als ich den Vater fand, beraubt und blind, Auf fremdem Stroh, von der Barmherzigkeit Mildthaͤtger Menſchen lebend —
Herr im Himmel!
Da weint’ ich nicht! Nicht in ohnmaͤchtgen Thraͤnen Goß ich die Kraft des heißen Schmerzens aus, In tiefer Bruſt wie einen theuern Schatz Verſchloß ich ihn und dachte nur auf Thaten. Ich kroch durch alle Kruͤmmen des Gebirgs, Kein Thal war ſo verſteckt, ich ſpaͤht’ es aus, Bis an der Gletſcher eisbedeckten Fuß Erwartet’ ich und fand bewohnte Huͤtten, Und uͤberall, wohin mein Fuß mich trug, Fand ich den gleichen Haß der Tyrannei, Denn bis an dieſe lezte Grenze ſelbſt Belebter Schoͤpfung, wo der ſtarre Boden Aufhoͤrt zu geben, raubt der Voͤgte Geiz — Die Herzen alle dieſes biedern Volksg 276Erregt’ ich mit dem Stachel meiner Worte, Und unſer ſind ſie all mit Herz und Mund.
Großes habt ihr in kurzer Friſt geleiſtet.
Ich that noch mehr. Die beiden Veſten ſind’s, Roßberg und Sarnen, die der Landmann fuͤrchtet, Denn hinter ihren Felſenwaͤllen ſchirmt Der Feind ſich leicht und ſchaͤdiget das Land. Mit eignen Augen wollt’ ich es erkunden, Ich war zu Sarnen und beſah die Burg.
Ihr wagtet euch bis in des Tigers Hoͤhle?
Ich war verkleidet dort in Pilgerstracht, Ich ſah den Landvogt an der Tafel ſchwelgen — Urtheilt, ob ich mein Herz bezwingen kann, Ich ſah den Feind und ich erſchlug ihn nicht.
Fuͤrwahr das Gluͤck war eurer Kuͤhnheit hold.
Doch jetzo ſagt mir, wer die Freunde ſind, Und die gerechten Maͤnner, die euch folgten? Macht mich bekannt mit ihnen, daß wir uns Zutraulich nahen und die Herzen oͤffnen.
Wer kennte Euch nicht, Herr, in den drey Landen? Ich bin der Mei’r von Sarnen, dieß hier iſt Mein Schweſterſohn, der Struth von Winkelried.
Ihr nennt mir keinen unbekannten Nahmen. Ein Winkelried war’s, der den Drachen ſchlug Im Sumpf bei Weiler und ſein Leben ließ In dieſem Strauß.
Das war mein Ahn, Herr Werner.
Die wohnen hinter’m Wald, ſind Kloſterleute Vom Engelberg — Ihr werdet ſie drum nicht Verachten, weil ſie eigne Leute ſind, Und nicht wie wir frei ſitzen auf dem Erbe — Sie lieben’s Land, ſind ſonſt auch wohl berufen.
g 3Gebt mir die Hand. Es preiſe ſich, wer leinem Mit ſeinem Leibe pflichtig iſt auf Erden, Doch Redlichkeit gedeiht in jedem Stande.
Das iſt Herr Reding, unſer Altlandammann.
Ich kenn’ ihn wohl. Er iſt mein Widerpart, Der um ein altes Erbſtuͤck mit mir rechtet. — Herr Reding, wir ſind Feinde vor Gericht, Hier ſind wir einig.
Das iſt brav geſprochen.
Hoͤrt ihr? Sie kommen. Hoͤrt das Horn von Uri!
Seht! Steigt nicht ſelbſt der fromme Diener Gottes,79 Der wuͤrdge Pfarrer mit herab? Nicht ſcheut er Des Weges Muͤhen und das Grau’n der Nacht, Ein treuer Hirte fuͤr das Volk zu ſorgen.
Der Sigriſt folgt ihm und Herr Walther Fuͤrſt, Doch nicht den Tell erblick’ ich in der Menge.
So muͤſſen wir auf unſerm eignen Erb’ Und vaͤterlichen Boden uns verſtohlen Zuſammen ſchleichen wie die Moͤrder thun, Und bei der Nacht, die ihren ſchwarzen Mantel Nur dem Verbrechen und der ſonnenſcheuen Verſchwoͤrung leihet, unſer gutes Recht Uns hohlen, das doch lauter iſt und klar, Gleichwie der glanzvoll offne Schooß des Tages.
Laßt’s gut ſeyn. Was die dunkle Nacht geſponnen, Soll frey und froͤhlich an das Licht der Sonnen.
Hoͤrt was mir Gott in’s Herz giebt Eidgenoſſen! Wir ſtehen hier ſtatt einer Landsgemeinde, Und koͤnnen gelten fuͤr ein ganzes Volk, So laßt uns tagen nach den alten Braͤuchen Des Lands, wie wir’s in ruhigen Zeiten pflegen, Was ungeſetzlich iſt in der Verſammlung, Entſchuldige die Noth der Zeit. Doch Gott Iſt uͤberall, wo man das Recht verwaltet, Und unter ſeinem Himmel ſtehen wir.
Wohl, laßt uns tagen nach der alten Sitte, Iſt es gleich Nacht, ſo leuchtet unſer Recht.
Iſt gleich die Zahl nicht voll, das Herz iſt hier Des ganzen Volks, die Beſten ſind zugegen.
Sind auch die alten Buͤcher nicht zur Hand, Sie ſind in unſre Herzen eingeſchrieben.
Wohlan, ſo ſei der Ring ſogleich gebildet, Man pflanze auf die Schwerter der Gewalt.
Der Landesammann nehme ſeinen Platz, Und ſeine Weibel ſtehen ihm zur Seite!
Es ſind der Voͤlker dreye. Welchem nun Gebuͤhrt’s, das Haupt zu geben der Gemeinde?
Um dieſe Ehr’ mag Schwytz mit Uri ſtreiten, Wir Unterwaldner ſtehen frei zuruͤck.
Wir ſteh’n zuruͤck, wir ſind die Flehenden, Die Huͤlfe heiſchen von den maͤchtgen Freunden.
So nehme Uri denn das Schwert, ſein Banner Zieht bei den Roͤmerzuͤgen uns voran.
Des Schwertes Ehre werde Schwytz zu Theil, Denn ſeines Stammes ruͤhmen wir uns alle.
Den edeln Wettſtreit laßt mich freundlich ſchlichten, Schwytz ſoll im Rath, Uri im Felde fuͤhren.
So nehmt!
Nicht mir, dem Alter ſei die Ehre.
Die meiſten Jahre zaͤhlt Ulrich der Schmidt.
Der Mann iſt wacker, doch nicht freien Stands, Kein eigner Mann kann Richter ſeyn in Schwytz.
Steht nicht Herr Reding hier der Altlandammann? Was ſuchen wir noch einen wuͤrdigern?
Er ſei der Ammann und des Tages Haupt! Wer dazu ſtimmt erhebe ſeine Haͤnde.
Ich kann die Hand nicht auf die Buͤcher legen, So ſchwoͤr’ ich droben bei den ew’gen Sternen, Daß ich mich nimmer will vom Recht entfernen.
Was iſt’s, das die drei Voͤlker des Gebirgs Hier an des See’s unwirthlichem Geſtade Zuſammenfuͤhrte in der Geiſterſtunde? Was ſoll der Innhalt ſeyn des neuen Bunds, Den wir hier unterm Sternenhimmel ſtiften?
Wir ſtiften keinen neuen Bund, es iſt Ein uralt Buͤndniß nur von Vaͤter Zeit, Das wir erneuern! Wiſſet Eidgenoſſen! 84Ob uns der See, ob uns die Berge ſcheiden, Und jedes Volk ſich fuͤr ſich ſelbſt regiert, So ſind wir Eines Stammes doch und Bluts, Und Eine Heimat iſt’s, aus der wir zogen.
So iſt es wahr, wie’s in den Liedern lautet, Daß wir von fern her in das Land gewallt? O theilt’s uns mit, was euch davon bekannt, Daß ſich der neue Bund am alten ſtaͤrke.
Hoͤrt, was die alten Hirten ſich erzaͤhlen. — Es war ein großes Volk, hinten im Lande Nach Mitternacht, das litt von ſchwerer Theurung. In dieſer Noth beſchloß die Landsgemeinde, Daß je der zehnte Buͤrger nach dem Loos Der Vaͤter Land verlaſſe — das geſchah! Und zogen aus, wehklagend, Maͤnner und Weiber, Ein großer Heerzug, nach der Mittagſonne, Mit dem Schwert ſich ſchlagend durch das deutſche Land, Bis an das Hochland dieſer Waldgebirge. Und eher nicht ermuͤdete der Zug,85 Bis daß ſie kamen in das wilde Thal, Wo jezt die Muotta zwiſchen Wieſen rinnt — Nicht Menſchenſpuren waren hier zu ſehen, Nur eine Huͤtte ſtand am Ufer einſam, Da ſaß ein Mann, und wartete der Faͤhre — Doch heftig wogete der See und war Nicht fahrbar; da beſahen ſie das Land Sich naͤher und gewahrten ſchoͤne Fuͤlle Des Holzes und entdeckten gute Brunnen, Und meinten, ſich im lieben Vaterland Zu finden — Da beſchloſſen ſie zu bleiben, Erbaueten den alten Flecken Schwytz, Und hatten manchen ſauren Tag, den Wald Mit weitverſchlungnen Wurzeln auszuroden — Drauf als der Boden nicht mehr Gnuͤgen that Der Zahl des Volks, da zogen ſie hinuͤber Zum ſchwarzen Berg, ja bis an’s Weißland hin, Wo hinter ewgem Eiſeswall verborgen, Ein andres Volk in andern Zungen ſpricht. Den Flecken Stanz erbauten ſie am Kernwald, Den Flecken Altorf in dem Thal der Reuß —h86Doch blieben ſie des Urſprungs ſtets gedenk, Aus all den fremden Staͤmmen, die ſeitdem In Mitte ihres Lands ſich angeſiedelt, Finden die Schwytzer Maͤnner ſich heraus, Es giebt das Herz, das Blut ſich zu erkennen.
Ja wir ſind eines Herzens, eines Bluts!
Wir ſind Ein Volk, und einig wollen wir handeln.
Die andern Voͤlker tragen fremdes Joch, Sie haben ſich dem Sieger unterworfen. Es leben ſelbſt in unſern Landesmarken Der Saſſen viel, die fremde Pflichten tragen, Und ihre Knechtſchaft erbt auf ihre Kinder. Doch wir, der alten Schweitzer aͤchter Stamm, Wir haben ſtets die Freiheit uns bewahrt. Nicht unter Fuͤrſten bogen wir das Knie, Freiwillig waͤhlten wir den Schirm der Kaiſer.
Frei waͤhlten wir des Reiches Schutz und Schirm, So ſteht’s bemerkt in Kaiſer Friedrichs Brief.
Denn herrenlos iſt auch der Freiſte nicht. Ein Oberhaupt muß ſeyn, ein hoͤchſter Richter, Wo man das Recht mag ſchoͤpfen in dem Streit. Drum haben unſre Vaͤter fuͤr den Boden, Den ſie der alten Wildniß abgewonnen, Die Ehr’ gegoͤnnt dem Kaiſer, der den Herrn Sich nennt der deutſchen und der welſchen Erde, Und wie die andern Freien ſeines Reichs Sich ihm zu edelm Waffendienſt gelobt, Denn dieſes iſt der Freien einzge Pflicht, Das Reich zu ſchirmen, das ſie ſelbſt beſchirmt.
Was druͤber iſt, iſt Merkmal eines Knechts.
Sie folgten, wenn der Heribann ergieng, Dem Reichspanier und ſchlugen ſeine Schlachten. Nach Welſchland zogen ſie gewappnet mit,h 288Die Roͤmerkron’ ihm auf das Haupt zu ſetzen. Daheim regierten ſie ſich froͤhlich ſelbſt Nach altem Brauch und eigenem Geſetz, Der hoͤchſte Blutbann war allein des Kaiſers. Und dazu ward beſtellt ein großer Graf, Der hatte ſeinen Sitz nicht in dem Lande, Wenn Blutſchuld kam, ſo rief man ihn herein, Und unter offnem Himmel, ſchlicht und klar, Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menſchen. Wo ſind hier Spuren, daß wir Knechte ſind? Iſt einer, der es anders weiß, der rede!
Nein, ſo verhaͤlt ſich alles wie ihr ſprecht, Gewaltherrſchaft ward nie bei uns geduldet.
Dem Kaiſer ſelbſt verſagten wir Gehorſam, Da er das Recht zu Gunſt der Pfaffen bog. Denn als die Leute von dem Gotteshaus Einſiedeln uns die Alp in Anſpruch nahmen, Die wir beweidet ſeit der Vaͤter Zeit, Der Abt herfuͤrzog einen alten Brief,89 Der ihm die herrenloſe Wuͤſte ſchenkte — Denn unſer Daſeyn hatte man verhehlt — Da ſprachen wir: „ Erſchlichen iſt der Brief, Kein Kaiſer kann was unſer iſt verſchenken. Und wird uns Recht verſagt vom Reich, wir koͤnnen In unſern Bergen auch des Reichs entbehren. ” — So ſprachen unſre Vaͤter! Sollen wir Des neuen Joches Schaͤndlichkeit erdulden, Erleiden von dem fremden Knecht, was uns In ſeiner Macht kein Kaiſer durfte bieten? — Wir haben dieſen Boden uns erſchaffen Durch unſrer Haͤnde Fleiß, den alten Wald, Der ſonſt der Baͤren wilde Wohnung war, Zu einem Sitz fuͤr Menſchen umgewandelt, Die Brut des Drachen haben wir getoͤdet, Der aus den Suͤmpfen giftgeſchwollen ſtieg, Die Nebeldecke haben wir zerriſſen, Die ewig grau um dieſe Wildniß hieng, Den harten Fels geſprengt, uͤber den Abgrund Dem Wandersmann den ſichern Steg geleitet, Unſer iſt durch tauſendjaͤhrigen Beſitzh 390Der Boden — und der fremde Herrenknecht Soll kommen duͤrfen und uns Ketten ſchmieden, Und Schmach anthun auf unſrer eignen Erde? Iſt keine Huͤlfe gegen ſolchen Drang?
Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, Wenn der Gedruͤckte nirgends Recht kann finden, Wenn unertraͤglich wird die Laſt — greift er Hinauf getroſten Muthes in den Himmel, Und hohlt herunter ſeine ewgen Rechte, Die droben hangen unveraͤuſerlich Und unzerbrechlich wie die Sterne ſelbſt — Der alte Urſtand der Natur kehrt wieder, Wo Menſch dem Menſchen gegenuͤber ſteht — Zum lezten Mittel, wenn kein andres mehr Verfangen will, iſt ihm das Schwert gegeben — Der Guͤter hoͤchſtes duͤrfen wir vertheid’gen Gegen Gewalt — Wir ſtehn vor unſer Land, Wir ſtehn vor unſre Weiber, unſre Kinder!
Wir ſtehn vor unſre Weiber, unſre Kinder!
Eh’ ihr zum Schwerte greift, bedenkt es wohl. Ihr koͤnnt es friedlich mit dem Kaiſer ſchlichten. Es koſtet euch ein Wort und die Tyrannen, Die euch jezt ſchwer bedraͤngen, ſchmeicheln euch. — Ergreift, was man euch oft geboten hat, Trennt euch vom Reich, erkennet Oeſtreichs Hoheit —
Was ſagt der Pfarrer? Wir zu Oeſtreich ſchwoͤren!
Hoͤrt ihn nicht an!
Das raͤth uns ein Verraͤther, Ein Feind des Landes!
Ruhig Eidgenoſſen!
Wir Oeſtreich huldigen, nach ſolcher Schmach!
Wir uns abtrotzen laſſen durch Gewalt, Was wir der Guͤte weigerten!
Dann waͤren Wir Sklaven und verdienten es zu ſeyn!
Der ſei geſtoſſen aus dem Recht der Schweitzer, Wer von Ergebung ſpricht an Oeſterreich! — Landammann, ich beſtehe drauf, dieß ſey Das erſte Landsgeſetz, das wir hier geben.
So ſei’s. Wer von Ergebung ſpricht an Oeſtreich, Soll rechtlos ſeyn und aller Ehren baar, Kein Landmann nehm’ ihn auf an ſeinem Feuer.
Wir wollen es, das ſey Geſetz!
Es iſt’s.
Jezt ſeid ihr frei, ihr ſeid’s durch dieß Geſetz, Nicht durch Gewalt ſoll Oeſterreich ertrotzen Was es durch freundlich Werben nicht erhielt —
Zur Tagesordnung, weiter.
Eidgenoſſen! Sind alle ſanften Mittel auch verſucht? Vielleicht weiß es der Koͤnig nicht, es iſt Wohl gar ſein Wille nicht, was wir erdulden. Auch dieſes lezte ſollten wir verſuchen, Erſt unſre Klage bringen vor ſein Ohr, Eh’ wir zum Schwerte greifen. Schrecklich immer Auch in gerechter Sache iſt Gewalt, Gott hilft nur dann, wenn Menſchen nicht mehr helfen.
Nun iſt’s an euch, Bericht zu geben. Redet.
Ich war zu Rheinfeld an des Kaiſers Pfalz, Wider der Voͤgte harten Druck zu klagen, Den Brief zu hohlen unſrer alten Freiheit, Den jeder neue Koͤnig ſonſt beſtaͤtigt. Die Boten vieler Staͤdte fand ich dort,94 Vom ſchwaͤbſchen Lande und vom Lauf des Rheins, Die all’ erhielten ihre Pergamente, Und kehrten freudig wieder in ihr Land. Mich, Euren Boten, wies man an die Raͤthe, Und die entlieſſen mich mit leerem Troſt: „ Der Kaiſer habe dießmal keine Zeit, „ Er wuͤrde ſonſt einmal wohl an uns denken. ” — Und als ich traurig durch die Saͤle gieng Der Koͤnigsburg, da ſah ich Herzog Hanſen In einem Erker weinend ſtehn, um ihn Die edeln Herrn von Wart und Taͤgerfeld. Die riefen mir und ſagten: „ Helft euch ſelbſt, „ Gerechtigkeit erwartet nicht vom Koͤnig. „ Beraubt er nicht des eignen Bruders Kind, „ Und hinterhaͤlt ihm ſein gerechtes Erbe? „ Der Herzog fleht’ ihn um ſein Muͤtterliches, „ Er habe ſeine Jahre voll, es waͤre „ Nun Zeit, auch Land und Leute zu regieren. „ Was ward ihm zum Beſcheid? Ein Kraͤnzlein ſezt ihm „ Der Kaiſer auf: das ſei die Zier der Jugend.”
Ihr habt’s gehoͤrt. Recht und Gerechtigkeit Erwartet nicht vom Kaiſer! Helft euch ſelbſt!
Nichts andres bleibt uns uͤbrig. Nun gebt Rath, Wie wir es klug zum frohen Ende leiten.
Abtreiben wollen wir verhaßten Zwang, Die alten Rechte, wie wir ſie ererbt Von unſern Vaͤtern, wollen wir bewahren, Nicht ungezuͤgelt nach dem Neuen greifen. Dem Kaiſer bleibe, was des Kaiſers iſt, Wer einen Herrn hat, dien’ ihm pflichtgemaͤß.
Ich trage Gut von Oeſterreich zu Lehen.
Ihr fahret fort, Oeſtreich die Pflicht zu leiſten.
Ich ſteure an die Herrn von Rappersweil.
Ihr fahret fort, zu zinſen und zu ſteuern.
Der großen Frau zu Zuͤrch bin ich vereidet.
Ihr gebt dem Kloſter was des Kloſters iſt.
Ich trage keine Lehen als des Reichs.
Was ſeyn muß, das geſchehe, doch nicht druͤber. Die Voͤgte wollen wir mit ihren Knechten Verjagen und die feſten Schloͤſſer brechen, Doch wenn es ſeyn mag, ohne Blut. Es ſehe Der Kaiſer, daß wir nothgedrungen nur Der Ehrfurcht fromme Pflichten abgeworfen. Und ſieht er uns in unſern Schranken bleiben, Vielleicht beſiegt er ſtaatsklug ſeinen Zorn, Denn billge Furcht erwecket ſich ein Volk, Das mit dem Schwerte in der Fauſt ſich maͤßigt.
Doch laſſet hoͤren! Wie vollenden wir’s? Es hat der Feind die Waffen in der Hand, Und nicht fuͤrwahr in Frieden wird er weichen.
Stauf -Er wirds, wenn er in Waffen uns erblickt, Wir uͤberraſchen ihn, eh er ſich ruͤſtet.
Iſt bald geſprochen, aber ſchwer gethan. Uns ragen in dem Land zwei feſte Schloͤſſer, Die geben Schirm dem Feind und werden furchtbar, Wenn uns der Koͤnig in das Land ſollt’ fallen. Roßberg und Sarnen muß bezwungen ſeyn, Eh man ein Schwert erhebt in den drey Landen.
Saͤumt man ſo lang, ſo wird der Feind gewarnt, Zu viele ſinds, die das Geheimniß theilen.
In den Waldſtaͤtten findt ſich kein Verraͤther.
Der Eifer auch, der gute, kann verrathen.
Schiebt man es auf, ſo wird der Twing vollendet In Altorf und der Vogt befeſtigt ſich.
iIhr denkt an euch.
Und ihr ſeid ungerecht.
Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten!
Bei eurem Eide! Ruh!
Ja, wenn ſich Schwytz Verſteht mit Uri, muͤſſen wir wohl ſchweigen.
Ich muß euch weiſen vor der Landsgemeinde, Daß ihr mit heftgem Sinn den Frieden ſtoͤrt! Stehn wir nicht alle fuͤr dieſelbe Sache?
Wenn wirs verſchieben bis zum Feſt des Herrn Dann bringts die Sitte mit, daß alle Saſſen Dem Vogt Geſchenke bringen auf das Schloß, So koͤnnen zehen Maͤnner oder zwoͤlf Sich unverdaͤchtig in der Burg verſammeln,99 Die fuͤhren heimlich ſpitzge Eiſen mit, Die man geſchwind kann an die Staͤbe ſtecken, Denn niemand kommt mit Waffen in die Burg. Zunaͤchſt im Wald haͤlt dann der große Haufe, Und wenn die andern gluͤcklich ſich des Thors Ermaͤchtiget, ſo wird ein Horn geblaſen, Und jene brechen aus dem Hinterhalt, So wird das Schloß mit leichter Arbeit unſer.
Den Roßberg uͤbernehm ich zu erſteigen, Denn eine Dirn’ des Schloſſes iſt mir hold, Und leicht bethoͤr ich ſie, zum naͤchtlichen Beſuch die ſchwanke Leiter mir zu reichen, Bin ich droben erſt, zieh ich die Freunde nach.
Iſt’s aller Wille, daß verſchoben werde?
Es iſt ein Mehr von zwanzig gegen zwoͤlf!
Wenn am beſtimmten Tag die Burgen fallen,i 2100So geben wir von einem Berg zum andern Das Zeichen mit dem Rauch, der Landſturm wird Aufgeboten, ſchnell, im Hauptort jedes Landes, Wenn dann die Voͤgte ſehn der Waffen Ernſt, Glaubt mir, ſie werden ſich des Streits begeben, Und gern ergreifen friedliches Geleit, Aus unſern Landesmarken zu entweichen.
Nur mit dem Geßler fuͤrcht ich ſchweren Stand, Furchtbar iſt er mit Reiſigen umgeben, Nicht ohne Blut raͤumt er das Feld, ja ſelbſt Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land, Schwer iſts und faſt gefaͤhrlich, ihn zu ſchonen.
Wo’s halsgefaͤhrlich iſt, da ſtellt mich hin, Dem Tell verdank ich mein gerettet Leben, Gern ſchlag ichs in die Schanze fuͤr das Land, Mein’ Ehr hab ich beſchuͤzt, mein Herz befriedigt.
Die Zeit bringt Rath. Erwartets in Geduld. 101Man muß dem Augenblick auch was vertrauen. — Doch ſeht, indeß wir naͤchtlich hier noch tagen, Stellt auf den hoͤchſten Bergen ſchon der Morgen Die gluͤh’nde Hochwacht aus — Kommt, laßt uns ſcheiden, Eh uns des Tages Leuchten uͤberraſcht.
Sorgt nicht, die Nacht weicht langſam aus den Thaͤlern.
Bei dieſem Licht, das uns zuerſt begruͤßt Von allen Voͤlkern, die tief unter uns Schwerathmend wohnen in dem Qualm der Staͤdte, Laßt uns den Eid des neuen Bundes ſchwoͤren. — Wir wollen ſeyn ein einzig Volk von Bruͤdern, In keiner Noth uns trennen und Gefahr.
— Wir wollen frey ſeyn wie die Vaͤter waren, Eher den Tod, als in der Knechtſchaft leben.
— Wir wollen trauen auf den hoͤchſten Gott Und uns nicht fuͤrchten vor der Macht der Menſchen.
Jezt gehe jeder ſeines Weges ſtill Zu ſeiner Freundſchaft und Genoßſame, Wer Hirt iſt, wintre ruhig ſeine Heerde, Und werb’ im Stillen Freunde fuͤr den Bund, — Was noch bis dahin muß erduldet werden, Erduldets! Laßt die Rechnung der Tyrannen Anwachſen, bis Ein Tag die allgemeine Und die beſondre Schuld auf einmal zahlt. Bezaͤhme jeder die gerechte Wut, Und ſpare fuͤr das Ganze ſeine Rache, Denn Raub begeht am allgemeinen Gut, Wer ſelbſt ſich hilft in ſeiner eignen Sache.
Der Strang iſt mir entzwey. Mach mir ihn Vater.
Ich nicht. Ein rechter Schuͤtze hilft ſich ſelbſt.
Die Knaben fangen zeitig an zu ſchießen.
Fruͤh uͤbt ſich, was ein Meiſter werden will.
Ach wollte Gott, ſie lerntens nie
Sie ſollen alles lernen. Wer durchs Leben Sich friſch will ſchlagen, muß zu Schutz und Trutz Geruͤſtet ſeyn.
Ach, es wird keiner ſeine Ruh Zu Hauſe finden.
Mutter, ich kanns auch nicht, Zum Hirten hat Natur mich nicht gebildet,105 Raſtlos muß ich ein fluͤchtig Ziel verfolgen, Dann erſt genieß ich meines Lebens recht, Wenn ich mirs jeden Tag aufs neu erbeute.
Und an die Angſt der Hausfrau denkſt du nicht, Die ſich indeſſen, deiner wartend, haͤrmt, Denn mich erfuͤllts mit Grauſen, was die Knechte Von euren Wagefahrten ſich erzaͤhlen. Bei jedem Abſchied zittert mir das Herz, Daß du mir nimmer werdeſt wiederkehren. Ich ſehe dich im wilden Eisgebirg, Verirrt, von einer Klippe zu der andern Den Fehlſprung thun, ſeh wie die Gemſe dich Ruͤckſpringend mit ſich in den Abgrund reißt, Wie eine Windlawine dich verſchuͤttet, Wie unter die der truͤgeriſche Firn Einbricht und du hinabſinkſt, ein lebendig Begrabner, in die ſchauerliche Gruft — Ach, den verwegnen Alpenjaͤger haſcht Der Tod in hundert wechſelnden Geſtalten,106 Das iſt ein ungluͤckſeliges Gewerb’, Das halsgefaͤhrlich fuͤhrt am Abgrund hin!
Wer friſch umher ſpaͤht mit geſunden Sinnen, Auf Gott vertraut und die gelenke Kraft, Der ringt ſich leicht aus jeder Fahr und Noth, Den ſchreckt der Berg nicht, der darauf gebohren.
Jetzt, mein ich, haͤlt das Thor auf Jahr und Tag. Die Axt im Haus erſpart den Zimmermann.
Wo gehſt du hin?
Nach Altorf, zu dem Vater.
Sinnſt du auch nichts gefaͤhrliches? Geſteh mirs.
Wie kommſt du darauf Frau?
Es ſpinnt ſich etwas107 Gegen die Voͤgte — Auf dem Ruͤtli ward Getagt, ich weiß, und du biſt auch im Bunde.
Ich war nicht mit dabei — doch werd ich mich Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft.
Sie werden dich hinſtellen, wo Gefahr iſt, Das Schwerſte wird dein Antheil ſeyn, wie immer.
Ein jeder wird beſteuert nach Vermoͤgen.
Den Unterwaldner haſt du auch im Sturme Ueber den See geſchafft — Ein Wunder wars, Daß ihr entkommen — Dachteſt du denn gar nicht An Kind und Weib?
Lieb Weib, ich dacht’ an euch, Drum rettet’ ich den Vater ſeinen Kindern.
Zu ſchiffen in dem wuͤthgen See! Das heißt Nicht Gott vertrauen! Das heißt Gott verſuchen.
Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leiſten.
Ja du biſt gut und hilfreich, dieneſt allen, Und wenn du ſelbſt in Noth kommſt, hilft dir keiner.
Verhuͤt es Gott, daß ich nicht Huͤlfe brauche.
Was willſt du mit der Armbruſt? Laß ſie hier.
Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.
Vater, wo gehſt du hin?
Nach Altorf, Knabe, Zum Ehni — Willſt du mit?
Ja freilich will ich.
Der Landvogt iſt jezt dort. Bleib weg von Altorf.
Er geht, noch heute.
Drum laß ihn erſt fort ſeyn. Gemahn’ ihn nicht an dich, du weißt, er grollt uns.
Mir ſoll ſein boͤſer Wille nicht viel ſchaden, Ich thue recht und ſcheue keinen Feind.
Die recht thun, eben die haßt er am meiſten.
Weil er nicht an ſie kommen kann — Mich wird Der Ritter wohl in Frieden laſſen, mein ich.
So, weißt du das?
Es iſt nicht lange her, Da gieng ich jagen durch die wilden Gruͤnde Des Schaͤchenthals auf menſchenleerer Spur, Und da ich einſam einen Felſenſteigk110Verfolgte, wo nicht auszuweichen war, Denn uͤber mir hieng ſchroff die Felswand her, Und unten rauſchte fuͤrchterlich der Schaͤchen,
Da kam der Landvogt gegen mich daher, Er ganz allein mit mir, der auch allein war, Bloß Menſch zu Menſch und neben uns der Abgrund. Und als der Herre mein anſichtig ward, Und mich erkannte, den er kurz zuvor Um kleiner Urſach’ willen ſchwer gebuͤßt, Und ſah mich mit dem ſtattlichen Gewehr Daher geſchritten kommen, da verblaßt’ er, Die Knie verſagten ihm, ich ſah es kommen, Daß er jezt an die Felswand wuͤrde ſinken. — Da jammerte mich ſein, ich trat zu ihm Beſcheidentlich und ſprach: Ich bin’s, Herr Landvogt. Er aber konnte keinen armen Laut Aus ſeinem Munde geben — Mit der Hand nur Winkt’ er mir ſchweigend, meines Wegs zu gehn, Da gieng ich fort, und ſandt’ ihm ſein Gefolge.
Er hat vor dir gezittert — Wehe dir! Daß du ihn ſchwach geſehn, vergiebt er nie.
Drum meid ich ihn, und er wird mich nicht ſuchen.
Bleib heute nur dort weg. Geh lieber jagen.
Was faͤllt dir ein?
Mich aͤngſtigts. Bleibe weg.
Wie kannſt du dich ſo ohne Urſach’ quaͤlen?
Weils keine Urſach’ hat — Tell, bleibe hier.
Ich habs verſprochen, liebes Weib, zu kommen.
Mußt du, ſo geh — Nur laſſe mir den Knaben!
Nein, Muͤtterchen. Ich gehe mit dem Vater.
k 2Waͤlty, verlaſſen willſt du deine Mutter?
Ich bring dir auch was huͤbſches mit vom Ehni.
Mutter, ich bleibe bei dir!
Ja, du biſt Mein liebes Kind, du bleibſt mir noch allein!
Er folgt mir. Endlich kann ich mich erklaͤren.
Fraͤulein, jezt endlich find ich euch allein, Abgruͤnde ſchließen rings umher uns ein,113 In dieſer Wildniß fuͤrcht’ ich keinen Zeugen, Vom Herzen waͤlz’ ich dieſes lange Schweigen —
Seid ihr gewiß, daß uns die Jagd nicht folgt?
Die Jagd iſt dorthin aus — Jezt oder nie! Ich muß den theuren Augenblick ergreifen — Entſchieden ſehen muß ich mein Geſchick, Und ſollt es mich auf ewig von euch ſcheiden. — O waffnet eure guͤtgen Blicke nicht Mit dieſer finſtern Strenge — Wer bin ich, Daß ich den kuͤhnen Wunſch zu euch erhebe? Mich hat der Ruhm noch nicht genannt, ich darf Mich in die Reih’ nicht ſtellen mit den Rittern, Die ſiegberuͤhmt und glaͤnzend euch umwerben. Nichts hab ich als mein Herz voll Treu und Liebe —
Duͤrft Ihr von Liebe reden und von Treue, Der treulos wird an ſeinen naͤchſten Pflichten?
Der Sklave Oeſterreichs, der ſich dem Fremdling Verkauft, dem Unterdruͤcker ſeines Volks?
Von euch, mein Fraͤulein, hoͤr’ ich dieſen Vorwurf? Wen ſuch’ ich denn, als Euch auf jener Seite?
Mich denkt ihr auf der Seite des Verraths Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand Dem Geßler ſelbſt, dem Unterdruͤcker ſchenken, Als dem Naturvergeßnen Sohn der Schweiz, Der ſich zu ſeinem Werkzeug machen kann!
O Gott, was muß ich hoͤren!
Wie? Was liegt Dem guten Menſchen naͤher als die Seinen? Giebts ſchoͤnre Pflichten fuͤr ein edles Herz, Als ein Vertheidiger der Unſchuld ſeyn, Das Recht des Unterdruͤckten zu beſchirmen? — Die Seele blutet mir um euer Volk, Ich leide mit ihm, denn ich muß es lieben,115 Das ſo beſcheiden iſt und doch voll Kraft, Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin, Mit jedem Tage lern ich’s mehr verehren. — Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht Ihm zum gebohrenen Beſchuͤtzer gaben, Und der’s verlaͤßt, der treulos uͤbertritt Zum Feind, und Ketten ſchmiedet ſeinem Land, Ihr ſeids, der mich verlezt und kraͤnkt, ich muß Mein Herz bezwingen, daß ich euch nicht haſſe.
Will ich denn nicht das Beſte meines Volks? Ihm unter Oeſtreichs maͤchtgem Zepter nicht Den Frieden —
Knechtſchaft wollt ihr ihm bereiten! Die Freiheit wollt ihr aus dem lezten Schloß, Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen. Das Volk verſteht ſich beſſer auf ſein Gluͤck, Kein Schein verfuͤhrt ſein ſicheres Gefuͤhl, Euch haben ſie das Netz ums Haupt geworfen —
Bertha! Ihr haßt mich, ihr verachtet mich!
Thaͤt ichs, mir waͤre beſſer — Aber den Verachtet ſehen und verachtungswerth, Den man gern lieben moͤchte —
Bertha! Bertha! Ihr zeiget mir das hoͤchſte Himmelsgluͤck, Und ſtuͤrzt mich tief in Einem Augenblick.
Nein, nein, das Edle iſt nicht ganz erſtickt In euch! Es ſchlummert nur, ich will es wecken, Ihr muͤßt Gewalt ausuͤben an euch ſelbſt, Die angeſtammte Tugend zu ertoͤden, Doch wohl euch, ſie iſt maͤchtiger als ihr, Und trotz euch ſelber ſeid ihr gut und edel!
Ihr glaubt an mich! O Bertha, alles laͤßt Mich eure Liebe ſeyn und werden!
Seid Wozu die herrliche Natur euch machte! Erfuͤllt den Platz, wohin ſie euch geſtellt, Zu eurem Volke ſteht und eurem Lande, Und kaͤmpft fuͤr euer heilig Recht.
Weh mir! Wie kann ich euch erringen, euch beſitzen, Wenn ich der Macht des Kaiſers widerſtrebe? Iſts der Verwandten maͤchtger Wille nicht, Der uͤber eure Hand tyranniſch waltet?
In den Waldſtaͤtten liegen meine Guͤter, Und iſt der Schweitzer frei, ſo bin auch ich’s.
Bertha! welch einen Blick thut ihr mir auf!
Hofft nicht durch Oeſtreichs Gunſt mich zu erringen, Nach meinem Erbe ſtrecken ſie die Hand, Tas will man mit dem großen Erb vereinen. 118Dieſelbe Laͤndergier, die Eure Freiheit Verſchlingen will, ſie drohet auch der meinen! — O Freund, zum Opfer bin ich ausersehn, Vielleicht um einen Guͤnſtling zu belohnen — Dort wo die Falſchheit und die Raͤnke wohnen, Hin an den Kaiſerhof will man mich ziehn, Dort harren mein verhaßter Ehe Ketten, Die Liebe nur — die Eure kann mich retten!
Ihr koͤnntet euch entſchließen, hier zu leben, In meinem Vaterlande mein zu ſeyn? O Bertha, all mein Sehnen in das Weite, Was war es, als ein Streben nur nach Euch? Euch ſucht’ ich einzig auf dem Weg des Ruhms, Und all mein Ehrgeitz war nur meine Liebe. Koͤnnt ihr mit mir euch in dieß ſtille Thal Einſchließen und der Erde Glanz entſagen — O dann iſt meines Strebens Ziel gefunden, Dann mag der Strom der wildbewegten Welt Ans ſichre Ufer dieſer Berge ſchlagen — Kein fluͤchtiges Verlangen hab ich mehr119 Hinaus zu ſenden in des Lebens Weiten — Dann moͤgen dieſe Felſen um uns her Die undurchdringlich feſte Mauer breiten, Und dieß verſchloßne ſel’ge Thal allein Zum Himmel offen und gelichtet ſeyn!
Jezt biſt du ganz, wie dich mein ahnend Herz Getraͤumt, mich hat mein Glaube nicht betrogen!
Fahr’ hin, du eitler Wahn, der mich bethoͤrt! Ich ſoll das Gluͤck in meiner Heimat finden. Hier wo der Knabe froͤhlich aufgebluͤht, Wo tauſend Freudeſpuren mich umgeben, Wo alle Quellen mir und Baͤume leben, Im Vaterland willſt du die Meine werden! Ach, wohl hab’ ich es ſtets geliebt! Ich fuͤhls, Es fehlte mir zu jedem Gluͤck der Erden.
Wo waͤr die ſel’ge Inſel aufzufinden, Wenn ſie nicht hier iſt in der Unſchuld Land? Hier, wo die alte Treue heimiſch wohnt,120 Wo ſich die Falſchheit noch nicht hingefunden, Da truͤbt kein Neid die Quelle unſers Gluͤcks, Und ewig hell entfliehen uns die Stunden. — Da ſeh ich Dich im aͤchten Maͤnnerwerth, Den Erſten von den Freien und den Gleichen, Mit reiner freier Huldigung verehrt, Groß wie ein Koͤnig wirkt in ſeinen Reichen.
Da ſeh ich dich, die Krone aller Frauen, In weiblich reizender Geſchaͤftigkeit, In meinem Haus den Himmel mir erbauen, Und, wie der Fruͤhling ſeine Blumen ſtreut, Mit ſchoͤner Anmuth mir das Leben ſchmuͤcken, Und alles rings beleben und begluͤcken!
Sieh, theurer Freund, warum ich trauerte, Als ich dieß hoͤchſte Lebensgluͤck dich ſelbſt Zerſtoͤren ſah — Weh mir! Wie ſtuͤnds um mich, Wenn ich dem ſtolzen Ritter muͤßte folgen, Dem Landbedruͤcker auf ſein finſtres Schloß!121 — Hier iſt kein Schloß. Mich ſcheiden keine Mauern Von einem Volk, das ich begluͤcken kann!
Doch wie mich retten — wie die Schlinge loͤſen, Die ich mir thoͤrigt ſelbſt um’s Haupt gelegt?
Zerreiße ſie mit maͤnnlichem Entſchluß! Was auch draus werde — Steh zu deinem Volk, Es iſt dein angebohrner Platz.
Die Jagd Kommt naͤher — Fort, wir muͤſſen ſcheiden — Kaͤmpfe Fuͤr’s Vaterland, du kaͤmpfſt fuͤr deine Liebe! Es iſt Ein Feind, vor dem wir alle zittern, Und Eine Freiheit macht uns alle frei!
Wir paſſen auf umſonſt. Es will ſich niemand Heran begeben und dem Hut ſein’ Reverenz Erzeigen. ’s war doch ſonſt wie Jahrmarkt hier, Jezt iſt der ganze Anger wie veroͤdet, Seitdem der Popanz auf der Stange haͤngt.
Nur ſchlecht Geſindel laͤßt ſich ſehn und ſchwingt Uns zum Verdrieße die zerlumpten Muͤtzen. Was rechte Leute ſind, die machen lieber Den langen Umweg um den halben Flecken, Eh ſie den Ruͤcken beugten vor dem Hut.
Sie muͤſſen uͤber dieſen Platz, wenn ſie Vom Rathhaus kommen um die Mittagſtunde. 123Da meint’ ich ſchon, ’nen guten Fang zu thun, Denn keiner dachte dran, den Hut zu gruͤſſen. Da ſiehts der Pfaff, der Roͤſſelmann — kam juſt Von einem Kranken her — und ſtellt ſich hin Mit dem Hochwuͤrdigen, grad vor die Stange — Der Sigriſt mußte mit dem Gloͤcklein ſchellen, Da fielen all aufs Knie, ich ſelber mit, Und gruͤßten die Monſtranz, doch nicht den Hut. —
Hoͤre Geſell, es faͤngt mir an zu daͤuchten, Wir ſtehen hier am Pranger vor dem Hut, ’s iſt doch ein Schimpf fuͤr einen Reitersmann, Schildwach zu ſtehn vor einem leeren Hut — Und jeder rechte Kerl muß uns verachten. — Die Reverenz zu machen einem Hut, Es iſt doch traun! ein naͤrriſcher Befehl!
Warum nicht einem leeren hohlen Hut? Buͤckſt du dich vor manchem hohlen Schaͤdel.
Und du biſt auch ſo ein dienſtfertger Schurke, Und braͤchteſt wackre Leute gern ins Ungluͤck. Mag, wer da will, am Hut voruͤbergehn, Ich druͤck die Augen zu und ſeh nicht hin.
Da haͤngt der Landvogt — Habt Reſpekt, ihr Buben.
Wollts Gott, er gieng, und ließ uns ſeinen Hut, Es ſollte drum nicht ſchlechter ſtehn ums Land!
Wollt ihr vom Platz? Verwuͤnſchtes Volk der Weiber! Wer fragt nach euch? Schickt eure Maͤnner her, Wenn ſie der Muth ſticht, dem Befehl zu trotzen.
Vater iſts wahr, daß auf dem Berge dort Die Baͤume bluten, wenn man einen Streich Drauf fuͤhrte mit der Art?
Wer ſagt das Knabe?
Der Meiſter Hirt erzaͤhlts — Die Baͤume ſeien Gebannt, ſagt er, und wer ſie ſchaͤdige, Dem wachſe ſeine Hand heraus zum Grabe.
Die Baͤume ſind gebannt, das iſt die Wahrheit. — Siehſt du die Firnen dort, die weißen Hoͤrner, Die hoch bis in den Himmel ſich verlieren?
Das ſind die Gletſcher, die des Nachts ſo donnern, Und uns die Schlaglawinen niederſenden.
So iſts, und die Lawinen haͤtten laͤngſt Den Flecken Altorf unter ihrer Laſt Verſchuͤttet, wenn der Wald dort oben nicht Als eine Landwehr ſich dagegen ſtellte.
Giebts Laͤnder, Vater, wo nicht Berge ſind?
l 3Wenn man hinunter ſteigt von unſern Hoͤhen, Und immer tiefer ſteigt, den Stroͤmen nach, Gelangt man in ein großes ebnes Land, Wo die Waldwaſſer nicht mehr brauſend ſchaͤumen, Die Fluͤſſe ruhig und gemaͤchlich ziehn, Da ſieht man frei nach allen Himmelsraͤumen, Das Korn waͤchſt dort in langen ſchoͤnen Auen, Und wie ein Garten iſt das Land zu ſchauen.
Ey Vater, warum ſteigen wir denn nicht Geſchwind hinab in dieſes ſchoͤne Land, Statt daß wir uns hier aͤngſtigen und plagen?
Das Land iſt ſchoͤn und guͤtig wie der Himmel, Doch die’s bebauen, ſie genießen nich Den Segen, den ſie pflanzen.
Wohnen ſie Nicht frei wie du auf ihrem eignen Erbe?
Das Feld gehoͤrt dem Biſchoff und dem Koͤnig.
So duͤrfen ſie doch frei in Waͤldern jagen?
Dem Herrn gehoͤrt das Wild und das Gefieder.
Sie duͤrfen doch frei fiſchen in dem Strom?
Der Strom, das Meer, das Salz gehoͤrt dem Koͤnig.
Wer iſt der Koͤnig denn, den alle ſuͤrchten?
Es iſt der Eine, der ſie ſchuͤtzt und naͤhrt.
Sie koͤnnen ſich nicht muthig ſelbſt beſchuͤtzen?
Dort darf der Nachbar nicht dem Nachbar trauen.
Vater, es wird mir eng im weiten Land, Da wohn’ ich lieber unter den Lawinen.
Ja wohl iſts beſſer, Kind, die Gletſcherberge Im Ruͤcken haben, als die boͤſen Menſchen.
Ey Vater, ſieh den Hut dort auf der Stange.
Was kuͤmmert uns der Hut? Komm, laß uns gehen.
In des Kaiſers Nahmen! Haltet an und ſteht!
Was wollt ihr? Warum haltet ihr mich auf?
Ihr habt’s Mandat verlezt, ihr muͤßt uns folgen.
Ihr habt dem Hut nicht Reverenz bewieſen.
Freund, laß mich gehen.
Fort, fort ins Gefaͤngniß!
Den Vater ins Gefaͤngniß! Huͤlfe! Huͤlfe!
Herbei, ihr Maͤnner, gute Leute helft, Gewalt, Gewalt, ſie fuͤhren ihn gefangen.
Was giebts?
Was legſt du Hand an dieſen Mann?
Er iſt ein Feind des Kaiſers, ein Verraͤther!
Ein Verraͤther, ich!
Du irrſt dich Freund, das iſt Der Tell, ein Ehrenmann und guter Buͤrger.
Großvater hilf, Gewalt geſchieht dem Vater.
Ins Gefaͤngniß, fort!
Ich leiſte Buͤrgſchaft, haltet! — Um Gotteswillen, Tell, was iſt geſchehen?
Des Landvogts oberherrliche Gewalt Verachtet er, und will ſie nicht erkennen.
Das haͤtt’ der Tell gethan?
Das luͤgſt du Bube!
Er hat dem Hut nicht Reverenz bewieſen.
Und darum ſoll er ins Gefaͤngniß? Freund, Nimm meine Buͤrgſchaft an und laß ihn ledig.
Buͤrg du fuͤr dich und deinen eignen Leib! Wir thun, was unſers Amtes — Fort mit ihm!
Nein, das iſt ſchreiende Gewalt! Ertragen wirs, Daß man ihn fort fuͤhrt, frech, vor unſern Augen?
Wir ſind die ſtaͤrkern. Freunde, duldets nicht, Wir haben einen Ruͤcken an den andern!
Wer widerſezt ſich dem Befehl des Vogts?
Wir helfen euch. Was giebts? Schlagt ſie zu Boden.
Ich helfe mir ſchon ſelbſt. Geht, gute Leute, Meint ihr, wenn ich die Kraft gebrauchen wollte, Ich wuͤrde mich vor ihren Spießen fuͤrchten?
Wags, ihn aus unſrer Mitte wegzufuͤhren!
Gelaſſen! Ruhig!
Aufruhr und Empoͤrung!
Da kommt der Landvogt!
Meuterei! Empoͤrung!
Schrei, bis du berſteſt, Schurke!
Willſt du ſchweigen?
Zu Huͤlf, zu Huͤlf den Dienern des Geſetzes.
Da iſt der Vogt! Weh uns, was wird das werden!
Platz, Platz dem Landvogt!
Treibt ſie auseinander! Was laͤuft das Volk zuſammen? Wer ruft Hilfe?
Wer wars? Ich will es wiſſen.
Du tritt vor! Wer biſt du und was haͤltſt du dieſen Mann?
Geſtrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht Und wohl beſtellter Waͤchter bei dem Hut. Dieſen Mann ergriff ich uͤber friſcher That, Wie er dem Hut den Ehrengruß verſagte. Verhaften wollt’ ich ihn, wie du befahlſt, Und mit Gewalt will ihn das Volk entreißen.
Verachteſt du ſo deinen Kaiſer, Tell, Und Mich, der hier an ſeiner Statt gebietet,m134Daß du die Ehr’ verſagſt dem Hut, den ich Zur Pruͤfung des Gehorſams aufgehangen? Dein boͤſes Trachten haſt du mir verrathen.
Verzeiht mir lieber Herr! Aus Unbedacht, Nicht aus Verachtung Eurer iſts geſchehn, Waͤr ich beſonnen, hieß ich nicht der Tell, Ich bitt um Gnad’, es ſoll nicht mehr begegnen.
Du biſt ein Meiſter auf der Armbruſt, Tell, Man ſagt, du nehmſt es auf mit jedem Schuͤtzen?
Und das muß wahr ſeyn, Herr — ’nen Apfel ſchießt Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritte.
Iſt das dein Knabe, Tell?
Ja, lieber Herr.
Haſt du der Kinder mehr?
Zwey Knaben, Herr.
Und welcher iſts, den du am meiſten liebſt?
Herr, beide ſind ſie mir gleich liebe Kinder.
Nun Tell! Weil du den Apfel trifft vom Baume Auf hundert Schritte, ſo wirſt du deine Kunſt Vor mir bewaͤhren muͤßen — Nimm die Armbruſt — Du haſt ſie gleich zur Hand — und mach dich fertig, Einen Apfel von des Knaben Kopf zu ſchießen — Doch will ich rathen, ziele gut, daß du Den Apfel treffeſt auf den erſten Schuß, Denn fehlſt du ihn, ſo iſt dein Kopf verloren.
Herr — Welches Ungeheure ſinnet ihr Mir an — Ich ſoll vom Haupte meines Kindes — — Nein, nein doch, lieber Herr, das koͤmmt euch nichtm 2136Zu Sinn — Verhuͤts der gnaͤdge Gott — das koͤnnt ihr Im Ernſt von einem Vater nicht begehren!
Du wirſt den Apfel ſchießen von dem Kopf Des Knaben — Ich begehrs und wills.
Ich ſoll Mit meiner Armbruſt auf das liebe Haupt Des eignen Kindes zielen — Eher ſterb ich!
Du ſchießeſt oder ſtirbſt mit deinem Knaben.
Ich ſoll der Moͤrder werden meines Kinds! Herr, ihr habt keine Kinder — wiſſet nicht, Was ſich bewegt in eines Vaters Herzen.
Ey Tell, du biſt ja ploͤtzlich ſo beſonnen! Man ſagte mir, daß du ein Traͤumer ſeyſt, Und dich entfernſt von andrer Menſchen Weiſe. Du liebſt das Seltſame — Drum hab’ ich jezt137 Ein eigen Wagſtuͤck fuͤr dich ausgeſucht. Ein andrer wohl bedaͤchte ſich — Du druͤckſt Die Augen zu, und greifſt es herzhaft an.
Scherzt nicht, o Herr! mit dieſen armen Leuten! Ihr ſeht ſie bleich und zitternd ſtehn — So wenig Sind ſie Kurzweils gewohnt aus eurem Munde.
Wer ſagt euch, daß ich ſcherze?
Hier iſt der Apfel. Man mache Raum — Er nehme ſeine Weite, Wies Brauch iſt — Achzig Schritte geb ich ihm — Nicht weniger, noch mehr — Er ruͤhmte ſich, Auf ihrer hundert ſeinen Mann zu treffen — Jezt Schuͤtze triff, und fehle nicht das Ziel!
Gott, das wird ernſthaft — Falle nieder Knabe, Es gilt, und fleh den Landvogt um dein Leben.
Haltet an euch, ich fleh euch drum, bleibt ruhig.
m 3Laßt es genug ſeyn Herr! Unmenſchlich iſts, Mit eines Vaters Angſt alſo zu ſpielen. Wenn dieſer arme Mann auch Leib und Leben Verwirkt durch ſeine leichte Schuld, bei Gott! Er haͤtte jezt zehnfachen Tod empfunden. Entlaßt ihn ungekraͤnkt in ſeine Huͤtte, Er hat euch kennen lernen, dieſer Stunde Wird er und ſeine Kindeslinder denken.
Oefnet die Gaſſe — Friſch! Was zauderſt du? Dein Leben iſt verwirkt, ich kann dich toͤdten, Und ſieh, ich lege gnaͤdig dein Geſchick In deine eigne kunſtgeuͤbte Hand. Der kann nicht klagen uͤber harten Spruch, Den man zum Meiſter ſeines Schickſals macht. Du ruͤhmſt dich deines ſichern Blicks! Wohlan! Hier gilt es, Schuͤtze, deine Kunſt zu zeigen Das Ziel iſt wuͤrdig und der Preiß iſt groß! Das Schwarze treffen in der Scheibe, das Kann auch ein andrer, der iſt mir der Meiſter,139 Der ſeiner Kunſt gewiß iſt uͤberal, Dems Herz nicht in die Hand tritt noch ins Auge.
Herr Landvogt, wir erkennen eure Hoheit, Doch laſſet Gnad’ vor Recht ergehen, nehmt Die Haͤlfte meiner Haabe, nehmt ſie ganz, Nur dieſes Graͤßliche erlaſſet einem Vater!
Großvater, knie nicht vor dem falſchen Mann! Sagt, wo ich hinſtehn ſoll, ich fuͤrcht mich nicht, Der Vater trift den Vogel ja im Flug, Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes.
Herr Landvogt, ruͤhrt euch nicht des Kindes Unſchuld?
O denket, daß ein Gott im Himmel iſt, Dem ihr muͤßt Rede ſtehn fuͤr eure Thaten.
Man bind ihn an die Linde dort!
Mich binden! Nein, ich will nicht gebunden ſeyn. Ich will Still halten, wie ein Lamm und auch nicht athmen. Wenn ihr mich bindet, nein, ſo kann ichs nicht, So werd’ ich toben gegen meine Bande.
Die Augen nur laß dir verbinden, Knabe.
Warum die Augen? Denket ihr, ich fuͤrchte Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn feſt Erwarten, und nicht zucken mit den Wimpern. — Friſch Vater, zeigs, daß du ein Schuͤtze biſt, Er glaubt dirs nicht, er denkt uns zu verderben — Dem Wuͤthrich zum Verdruße, ſchieß und triff.
Was? Soll der Frevel ſich vor unſern Augen Vollenden? Wozu haben wir geſchworen?
Es iſt umſonſt. Wir haben keine Waffen, Ihr ſeht den Wald von Lanzen um uns her.
O haͤtten wirs mit friſcher That vollendet, Verzeihs Gott denen, die zum Aufſchub riethen!
Ans Werk! Man fuͤhrt die Waffen nicht vergebens. Gefaͤhrlich iſts, ein Mordgewehr zu tragen, Und auf den Schuͤtzen ſpringt der Pfeil zuruͤck. Dieß ſtolze Recht, das ſich der Bauer nimmt, Beleidiget den hoͤchſten Herrn des Landes. Gewaffnet ſei Niemand, als wer gebietet. Freuts euch, den Pfeil zu fuͤhren und den Bogen, Wohl, ſo will ich das Ziel euch dazu geben.
Oefnet die Gaſſe! Platz!
Was Tell? Ihr wolltet — Nimmermehr — Ihr zittert, Die Hand erbebt euch, eure Kniee wanken —
Mir ſchwimmt es vor den Augen!
Gott im Himmel!
Erlaſſet mir den Schuß. Hier iſt mein Herz!
Ruft eure Reiſigen und ſtoßt mich nieder.
Ich will dein Leben nicht, ich will den Schuß. — Du kannſt ja alles, Tell, an nichts verzagſt du, Das Steuerruder fuͤhrſt du wie den Bogen, Dich ſchreckt kein Sturm, wenn es zu retten gilt, Jezt Retter hilf dir ſelbſt — du retteſt alle!
Vater ſchieß zu, ich fuͤrcht’ mich nicht.
Es muß!
Herr Landvogt, weiter werdet ihrs nicht treiben, Ihr werdet nicht — Es war nur eine Pruͤfung — Den Zweck habt ihr erreicht — Zu weit getrieben Verfehlt die Strenge ihres weiſen Zwecks, Und allzuſtraff geſpannt zerſpringt der Bogen.
Ihr ſchweigt, bis man euch aufruft.
Ich will reden, Ich darfs, des Koͤnigs Ehre iſt mir heilig, Doch ſolches Regiment muß Haß erwerben. Das iſt des Koͤnigs Wille nicht — Ich darfs Behaupten — Solche Grauſamkeit verdient Mein Volk nicht, dazu habt ihr keine Vollmacht.
Ha, ihr erkuͤhnt euch!
Ich hab’ ſtill geſchwiegen144 Zu allen ſchweren Thaten, die ich ſah, Mein ſehend Auge hab ich zugeſchloſſen, Mein uͤberſchwellend und empoͤrtes Herz Hab ich hinabgedruͤckt in meinen Buſen. Doch laͤnger ſchweigen waͤr Verrath zugleich An meinem Vaterland und an dem Kaiſer.
O Gott, ihr reizt den wuͤthenden noch mehr.
Mein Volk verließ ich, meinen Blutsverwandten Entſagt’ ich, alle Bande der Natur Zerriſſ ich, um an euch mich anzuſchließen — Das Beſte aller glaubt’ ich zu befoͤrdern, Da ich des Kaiſers Macht beveſtigte — Die Binde faͤllt von meinen Augen — Schaudernd Seh’ ich an einen Abgrund mich gefuͤhrt — Mein freies Urtheil habt ihr irr geleitet, Mein redlich Herz verfuͤhrt — Ich war daran, Mein Volk in beſter Meinung zu verderben.
Verwegner, dieſe Sprache deinem Herrn?
Der Kaiſer iſt mein Herr, nicht ihr — Frei bin ich Wie ihr gebohren, und ich meſſe mich Mit euch in jeder ritterlichen Tugend. Und ſtuͤndet ihr nicht hier in Kaiſers Nahmen, Den ich verehre, ſelbſt wo man ihn ſchaͤndet, Den Handſchuh waͤrf ich vor euch hin, ihr ſolltet Nach ritterlichem Brauch mir Antwort geben. — Ja winkt nur euren Reiſigen — Ich ſtehe Nicht wehrlos da, wie die —
Ich hab ein Schwert, Und wer mir naht —
Der Apfel iſt gefallen!
Der Knabe lebt!
nDer Apfel iſt getroffen!
Er hat geſchoſſen? Wie? der Raſende!
Der Knabe lebt! kommt zu euch, guter Vater!
Vater, hier iſt der Apfel — Wußt’ ichs ja, Du wuͤrdeſt deinen Knaben nicht verletzen.
O guͤtger Himmel!
Kinder! meine Kinder!
Gott ſei gelobt!
Das war ein Schuß! Davon Wird man noch reden in den ſpaͤtſten Zeiten.
Erzaͤhlen wird man von dem Schuͤtzen Tell, Solang die Berge ſtehn auf ihrem Grunde.
Bei Gott! der Apfel mitten durch geſchoſſen! Es war ein Meiſterſchuß, ich muß ihn loben.
Der Schuß war gut, doch wehe dem, der ihn Dazu getrieben, daß er Gott verſuchte.
Kommt zu euch, Tell, ſteht auf, ihr habt euch maͤnnlich Geloͤßt, und frei koͤnnt ihr nach Hauſe gehen.
Kommt, kommt und bringt der Mutter ihren Sohn.
Tell, hoͤre!
n 2Was befehlt ihr, Herr?
Du ſteckteſt Noch einen zweiten Pfeil zu dir — Ja, ja, Ich ſah es wohl — Was meinteſt du damit?
Herr, das iſt alſo braͤuchlich bei den Schuͤtzen.
Nein Tell, die Antwort laß ich dir nicht gelten, Es wird was anders wohl bedeutet haben. Sag mir die Wahrheit friſch und froͤlich, Tell, Was es auch ſei, dein Leben ſichr’ ich dir. Wozu der zweite Pfeil?
Wohlan, o Herr, Weil ihr mich meines Lebens habt geſichert, So will ich euch die Wahrheit gruͤndlich ſagen.
Mit dieſem zweiten Pfeil durchſchoß ich — Euch,149 Wenn ich mein liebes Kind getroffen haͤtte, Und Eurer — wahrlich! haͤtt’ ich nicht gefehlt.
Wohl, Tell! Des Lebens hab ich dich geſichert, Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten — Doch weil ich deinen boͤſen Sinn erkannt, Will ich dich fuͤhren laſſen und verwahren, Wo weder Mond noch Sonne dich beſcheint, Damit ich ſicher ſei vor deinen Pfeilen. Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn!
Wie, Herr? So koͤnntet ihr an einem Manne handeln, An dem ſich Gottes Hand ſichtbar verkuͤndigt?
Laß ſehn, ob ſie ihn zweymal retten wird. — Man bring ihn auf mein Schiff, ich folge nach Sogleich, ich ſelbſt will ihn nach Kuͤßnacht fuͤhren.
Das duͤrft ihr nicht, das darf der Kaiſer nicht, Das widerſtreitet unſern Freiheitsbriefen!
Wo ſind ſie? Hat der Kaiſer ſie beſtaͤtigt? Er hat ſie nicht beſtaͤtigt — Dieſe Gunſt Muß erſt erworben werden durch Gehorſam. Rebellen ſeid ihr alle gegen Kaiſers Gericht und naͤhrt verwegene Empoͤrung. Ich kenn euch alle — ich durchſchau euch ganz — Den nehm ich jetzt heraus aus eurer Mitte, Doch alle ſeid ihr theilhaft ſeiner Schuld, Wer klug iſt, lerne ſchweigen und gehorchen.
Es iſt vorbei, er hats beſchloſſen, mich Mit meinem ganzen Hauſe zu verderben!
O warum mußtet ihr den Wuͤthrich reizen!
Bezwinge ſich, wer meinen Schmerz gefuͤhlt!
O nun iſt alles, alles hin! Mit euch Sind wir gefeſſelt alle und gebunden!
Mit euch geht unſer letzter Troſt dahin!
Tell, es erbarmt mich — doch ich muß gehorchen.
Lebt wohl!
O Vater! Vater! Lieber Vater!
Dort droben iſt dein Vater! den ruf an!
Tell, ſag ich eurem Weibe nichts von euch?
Der Knab’ iſt unverlezt, mir wird Gott helfen.
Ich ſahs mit Augen an, ihr koͤnnt mirs glauben, ’s iſt alles ſo geſchehn, wie ich euch ſagte.
Der Tell gefangen abgefuͤhrt nach Kuͤßnacht, Der beſte Mann im Land, der bravſte Arm, Wenns einmal gelten ſollte fuͤr die Freiheit.
Der Landvogt fuͤhrt ihn ſelbſt den See herauf, Sie waren eben dran ſich einzuſchiffen, Als ich von Fluͤelen abfuhr, doch der Sturm, Der eben jetzt im Anzug iſt, und der153 Auch mich gezwungen, eilends hier zu landen, Mag ihre Abfahrt wohl verhindert haben.
Der Tell in Feſſeln, in des Vogts Gewalt! O glaubt, er wird ihn tief genug vergraben, Daß er des Tages Licht nicht wieder ſieht! Denn fuͤrchten muß er die gerechte Rache Des freien Mannes, den er ſchwer gereizt!
Der Altlandammann auch, der edle Herr Von Attinghauſen, ſagt man, lieg’ am Tode.
So bricht der letzte Anker unſrer Hofnung! Der war es noch allein, der ſeine Stimme Erheben durfte fuͤr des Volkes Rechte!
Der Sturm nimmt uͤberhand. Gehabt euch wohl, Ich nehme Herberg in dem Dorf, denn heut Iſt doch an keine Abfahrt mehr zu denken.
Der Tell gefangen und der Freiherr todt! Erheb die freche Stirne, Tyrannei, Wirf alle Schaam hinweg, der Mund der Wahrheit Iſt ſtumm, das ſeh’nde Auge iſt geblendet, Der Arm, der retten ſollte, iſt gefeſſelt!
Es hagelt ſchwer, kommt in die Huͤtte, Vater, Es iſt nicht kommlich, hier im Freien hauſen.
Raſet ihr Winde, flammt herab ihr Blitze, Ihr Wolken berſtet, gießt herunter, Stroͤme Des Himmels und erſaͤuft das Land! Zerſtoͤrt Im Keim die ungebohrenen Geſchlechter! Ihr wilden Elemente werdet Herr, Ihr Baͤren kommt, ihr alten Woͤlfe wieder Der großen Wuͤſte, euch gehoͤrt das Land, Wer wird hier leben wollen ohne Freiheit!
Hoͤrt, wie der Abgrund toßt, der Wirbel bruͤllt, So hats noch nie geraßt in dieſem Schlunde!
Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt, Solches ward keinem Vater noch geboten! Und die Natur ſoll nicht in wildem Grimm Sich drob empoͤren — O mich ſolls nicht wundern, Wenn ſich die Felſen buͤcken in den See, Wenn jene Zacken, jene Eiſesthuͤrme, Die nie aufthauten ſeit dem Schoͤpfungstag, Von ihren hohen Kulmen niederſchmelzen, Wenn die Berge brechen, wenn die alten Kluͤfte Einſtuͤrzen, eine zweite Suͤndfluth alle Wohnſtaͤtten der Lebendigen verſchlingt!
Hoͤrt ihr, ſie laͤuten droben auf dem Berg, Gewiß hat man ein Schiff in Roth geſehn, Und zieht die Glocke, daß gebetet werde.
Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs, In dieſer furchtbarn Wiege wird gewiegt! 156Hier iſt das Steuer unnuͤtz und der Steurer, Der Sturm iſt Meiſter, Wind und Welle ſpielen Ball mit dem Menſchen — Da iſt nah’ und fern Kein Buſen, der ihm freundlich Schutz gewaͤhrte! Handlos und ſchroff anſteigend ſtarren ihm Die Felſen, die unwirthlichen, entgegen, Und weiſen ihm nur ihre ſteinern ſchroffe Bruſt.
Vater, ein Schiff, es kommt von Fluͤelen her.
Gott helf den armen Leuten! Wenn der Sturm In dieſer Waſſerkluft ſich erſt verfangen, Dann raßt er um ſich mit des Raubthiers Angſt, Das an des Gitters Eiſenſtaͤbe ſchlaͤgt, Die Pforte ſucht er heulend ſich vergebens, Denn ringsum ſchraͤnken ihn die Felſen ein, Die himmelhoch den engen Paß vermauren.
Es iſt das Herrenſchiff von Uri, Vater, Ich kenns am rothen Dach und an der Fahne.
Gerichte Gottes! Ja, er iſt es ſelbſt, Der Landvogt, der da faͤhrt — Dort ſchifft er hin, Und fuͤhrt im Schiffe ſein Verbrechen mit! Schnell hat der Arm des Raͤchers ihn gefunden, Jezt kennt er uͤber ſich den ſtaͤrkern Herrn, Dieſe Wellen geben nicht auf ſeine Stimme, Dieſe Felſen buͤcken ihre Haͤupter nicht Vor ſeinem Hute — Knabe, bete nicht, Greif nicht dem Richter in den Arm!
Ich bete fuͤr den Landvogt nicht — Ich bete Fuͤr den Tell, der auf dem Schiff ſich mit befindet.
O Unvernunft des blinden Elements! Mußt du, um Einen Schuldigen zu treffen, Das Schiff mit ſammt dem Steuermann verderben!
Sieh, ſieh, ſie waren gluͤcklich ſchon vorbei Am Buggisgrat, doch die Gewalt des Sturms,o158Der von dem Teufelsmuͤnſter wiederprallt, Wirft ſie zum groſſen Axenberg zuruͤck. — Ich ſeh ſie nicht mehr.
Dort iſt das Hakmeſſer, Wo ſchon der Schiffe mehrere gebrochen. Wenn ſie nicht weislich dort voruͤberlenken, So wird das Schiff zerſchmettert an der Fluh, Die ſich gaͤhſtotzig abſenkt in die Tiefe. — Sie haben einen guten Steuermann Am Bord, koͤnnt’ Einer retten, waͤrs der Tell, Doch dem ſind Arm und Haͤnde ja gefeſſelt.
Sieh, Vater, wer der Mann iſt, der dort kniet?
Er faßt die Erde an mit ſeinen Haͤnden, Und ſcheint wie auſſer ſich zu ſeyn.
Was ſeh ich! Vater! Vater, kommt und ſeht!
Wer iſt es? — Gott im Himmel! Was! der Tell? Wie kommt ihr hieher? Redet!
Wart ihr nicht Dort auf dem Schiff gefangen und gebunden?
Ihr wurdet nicht nach Kuͤßnacht abgefuͤhrt?
Ich bin befreit.
Befreit! O Wunder Gottes!
Wo kommt ihr her?
Dort aus dem Schiffe.
Was?
o 2Wo iſt der Landvogt?
Auf den Wellen treibt er.
Iſts moͤglich? Aber Ihr? Wie ſeid ihr hier? Seid euren Banden und dem Sturm entkommen
Durch Gottes gnaͤdge Fuͤrſehung — Hoͤrt an!
O redet, redet!
Was in Altorf ſich Begeben, wißt ihrs?
Alles weiß ich, redet!
Daß mich der Landvogt fahen ließ und binden, Nach ſeiner Burg zu Kuͤßnacht wollte fuͤhren.
Und ſich mit euch zu Fluͤelen eingeſchifft! Wir wiſſen alles, ſprecht, wie ihr entkommen?
Ich lag im Schiff, mit Stricken feſt gebunden, Wehrlos, ein aufgegebner Mann — nicht hofft’ ich, Das frohe Licht der Sonne mehr zu ſehn, Der Gattin und der Kinder liebes Antlitz, Und troſtlos blickt’ ich in die Waſſerwuͤſte —
O armer Mann!
So fuhren wir dahin, Der Vogt, Rudolph der Harras und die Knechte. Mein Koͤcher aber mit der Armbruſt lag Am hintern Granſen bei dem Steuerruder. Und als wir an die Ecke jetzt gelangt Beim kleinen Axen, da verhaͤngt’ es Gott, Daß ſolch ein grauſam moͤrdriſch Ungewitter Gaͤhlings herfuͤrbrach aus des Gotthardts Schluͤnden, Daß allen Ruderern das Herz entſank,o 3162Und meinten alle, elend zu ertrinken. Da hoͤrt’ ichs, wie der Diener einer ſich Zum Landvogt wendet’ und die Worte ſprach: Ihr ſehet Eure Noth und unſre, Herr, Und daß wir all am Rand des Todes ſchweben — Die Steuerleute aber wiſſen ſich Fuͤr großer Furcht nicht Rath und ſind des Fahrens Nicht wohl berichtet — Nun aber iſt der Tell Ein ſtarker Mann und weiß ein Schiff zu ſteuern, Wie, wenn wir ſein jezt brauchten in der Noth? Da ſprach der Vogt zu mir: Tell, wenn du dirs Getrauteſt, uns zu helfen aus dem Sturm, So moͤcht’ ich dich der Bande wohl entledgen. Ich aber ſprach: Ja, Herr, mit Gottes Huͤlfe Getrau ich mirs, und helf uns wohl hiedannen. So ward ich meiner Bande los und ſtand Am Steuerruder und fuhr redlich hin. Doch ſchielt’ ich ſeitwaͤrts, wo mein Schießzeug lag, Und an dem Ufer merkt’ ich ſcharf umher, Wo ſich ein Vortheil aufthaͤt zum Entſpringen. 163Und wie ich eines Felſenriffs gewahre, Das abgeplattet vorſprang in den See —
Ich kenn’s, es iſt am Fuß des großen Axen, Doch nicht fuͤr moͤglich acht ichs — ſo gar ſteil Gehts an — vom Schiff es ſpringend abzureichen —
Schrie ich den Knechten, handlich zuzugehn, Bis daß wir vor die Felſenplatte kaͤmen, Dort, rief ich, ſei das Aergſte uͤberſtanden — Und als wir ſie friſchrudernd bald erreicht, Fleh ich die Gnade Gottes an, und druͤcke, Mit allen Leibeskraͤften angeſtemmt, Den hintern Granſen an die Felswand hin — Jezt ſchnell mein Schießzeug faſſend, ſchwing ich ſelbſt Hochſpringend auf die Platte mich hinauf, Und mit gewaltgem Fußſtoß hinter mich Schleudr’ ich das Schifflein in den Schlund der Waſſer — Dort mags, wie Gott will, auf den Wellen treiben! So bin ich hier, gerettet aus des Sturms Gewalt und aus der ſchlimmeren der Menſchen
Tell, Tell, ein ſichtbar Wunder hat der Herr An euch gethan, kaum glaub ichs meinen Sinnen — Doch ſaget! Wo gedenket ihr jezt hin, Denn Sicherheit iſt nicht fuͤr euch, wofern Der Landvogt lebend dieſem Sturm entkommt.
Ich hoͤrt’ ihn ſagen, da ich noch im Schiff Gebunden lag, er woll’ bei Brunnen landen, Und uͤber Schwytz nach ſeiner Burg mich fuͤhren.
Will er den Weg dahin zu Lande nehmen?
Er denkts.
O ſo verbergt euch ohne Saͤumen, Nicht zweymal hilft euch Gott aus ſeiner Hand.
Nennt mir den naͤchſten Weg nach Arth und Kuͤßnacht.
Die offne Straße zieht ſich uͤber Steinen,165 Doch einen kuͤrzern Weg und heimlichern Kann euch mein Knabe uͤber Lowerz fuͤhren.
Gott lohn euch eure Gutthat. Lebet wohl.
— Habt ihr nicht auch im Ruͤtli mit geſchworen? Mir daͤucht, man nannt euch mir —
Ich war dabei, Und hab den Eid des Bundes mit beſchworen.
So eilt nach Buͤrglen, thut die Lieb’ mir an, Mein Weib verzagt um mich, verkuͤndet ihr, Daß ich gerettet ſey und wohl geborgen.
Doch wohin ſag ich ihr, daß ihr geflohn?
Ihr werdet meinen Schwaͤher bei ihr finden Und andre, die im Ruͤtli mit geſchworen — Sie ſollen wacker ſeyn und gutes Muths,166 Der Tell ſey frei und ſeines Armes maͤchtig, Bald werden ſie ein weitres von mir hoͤren.
Was habt ihr im Gemuͤth? Entdeckt mirs frei.
Iſt es gethan, wirds auch zur Rede kommen.
Zeig ihm den Weg, Jenny — Gott ſteh ihm bey! Er fuͤhrts zum Ziel, was er auch unternommen.
Es iſt vorbei mit ihm, er iſt hinuͤber.
Er liegt nicht wie ein Todter — Seht, die Feder167 Auf ſeinen Lippen regt ſich! Ruhig iſt Sein Schlaf und friedlich laͤcheln ſeine Zuͤge.
Wer iſts?
Es iſt Frau Hedwig, eure Tochter, Sie will euch ſprechen, will den Knaben ſehn.
Kann ich ſie troͤſten? Hab ich ſelber Troſt? Haͤuft alles Leiden ſich auf meinem Haupt?
Wo iſt mein Kind? Laßt mich, ich muß es ſehn —
Faßt euch, bedenkt, daß ihr im Haus des Todes —
Mein Waͤlty! O er lebt mir.
Arme Mutter!
Iſts auch gewiß? Biſt du mir unverlezt?
Und iſt es moͤglich? Konnt’ er auf dich zielen? Wie konnt’ ers? O er hat kein Herz — Er konnte Den Pfeil abdruͤcken auf ſein eignes Kind!
Er thats mit Angſt, mit ſchmerzzerriſſner Seele, Gezwungen that ers, denn es galt das Leben.
O haͤtt er eines Vaters Herz, eh er’s Gethan, er waͤre tauſendmal geſtorben!
Ihr ſolltet Gottes gnaͤdge Schickung preiſen, Die es ſo gut gelenkt —
Kann ich vergeſſen, Wie’s haͤtte kommen koͤnnen — Gott des Himmels! Und lebt’ ich achtzig Jahr — Ich ſeh den Knaben ewig Gebunden ſtehn, den Vater auf ihn zielen, Und ewig fliegt der Pfeil mir in das Herz.
Frau, wuͤßtet ihr, wie ihn der Vogt gereizt!
O rohes Herz der Maͤnner! Wenn ihr Stolz Beleidigt wird, dann achten ſie nichts mehr, Sie ſetzen in der blinden Wuth des Spiels Das Haupt des Kindes und das Herz der Mutter!
Iſt eures Mannes Loos nicht hart genug, Daß ihr mit ſchwerem Tadel ihn noch kraͤnkt? Fuͤr ſeine Leiden habt ihr kein Gefuͤhl?
Haſt Du nur Thraͤnen fuͤr des Freundes Ungluͤck? — Wo waret ihr, da man den Trefflichen In Bande ſchlug? Wo war da eure Huͤlfe? Ihr ſahet zu, ihr ließt das Graͤßliche geſchehn, Geduldig littet ihr’s, daß man den Freund Aus eurer Mitte fuͤhrte — Hat der Tell Auch ſo an Euch gehandelt? Stand er auchp170Bedaurend da, als hinter dir die Reiter Des Landvogts drangen, als der wuͤthge See Vor dir erbraußte? Nicht mit muͤßgen Thraͤnen Beklagt’ er dich, in den Nachen ſprang er, Weib Und Kind vergaß er und befreite dich —
Was konnten wir zu ſeiner Rettung wagen, Die kleine Zahl, die unbewaffnet war!
O Vater! Und auch du haſt ihn verloren! Das Land, wir alle haben ihn verloren! Uns allen fehlt er, ach! wir fehlen ihm! Gott rette ſeine Seele vor Verzweiflung. Zu ihm hinab ins oͤde Burgverließ Dringt keines Freundes Troſt — Wenn er erkrankte! Ach, in des Kerkers feuchter Finſterniß Muß er erkranken — Wie die Alpenroſe Bleicht und verkuͤmmert in der Sumpfesluft, So iſt fuͤr Ihn kein Leben als im Licht Der Sonne, in dem Balſamſtrom der Luͤfte. Gefangen! Er! Sein Athem iſt die Freiheit,711[171] Er kann nicht leben in dem Hauch der Gruͤfte.
Beruhigt euch. Wir alle wollen handeln, Um ſeinen Kerker aufzuthun.
Was koͤnnt ihr ſchaffen ohne ihn? — Solang Der Tell noch frei war, ja da war noch Hofnung, Da hatte noch die Unſchuld einen Freund, Da hatte einen Helfer der Verfolgte, Euch alle rettete der Tell — Ihr alle Zuſammen koͤnnt nicht ſeine Feſſeln loͤſen!
Er regt ſich, ſtill!
Wo iſt er?
Wer?
Er fehlt mir, Verlaͤßt mich in dem lezten Augenblick!
p 2Er meint den Junker — Schickte man nach ihm?
Es iſt nach ihm geſendet — Troͤſtet euch! Er hat ſein Herz gefunden, er iſt unſer.
Hat er geſprochen fuͤr ſein Vaterland?
Mit Heldenkuͤhnheit.
Warum kommt er nicht, Um meinen lezten Segen zu empfangen? Ich fuͤhle, daß es ſchleunig mit mir endet.
Nicht alſo, edler Herr! Der kurze Schlaf Hat euch erquickt, und hell iſt euer Blick.
Der Schmerz iſt Leben, er verließ mich auch, Das Leiden iſt, ſo wie die Hofnung, aus.
Wer iſt der Knabe?
Segnet ihn o Herr! Er iſt mein Enkel und iſt vaterlos.
Und vaterlos laß ich euch alle, alle Zuruͤck — Weh mir, daß meine lezten Blicke Den Untergang des Vaterlands geſehn! Mußt’ ich des Lebens hoͤchſtes Maaß erreichen, Um ganz mit allen Hofnungen zu ſterben!
Soll er in dieſem finſtern Kummer ſcheiden? Erhellen wir ihm nicht die lezte Stunde Mit ſchoͤnem Strahl der Hofnung? — Edler Freiherr! Erhebet euren Geiſt! Wir ſind nicht ganz Verlaſſen, ſind nicht rettungslos verloren.
Wer ſoll euch retten?
Wir uns ſelbſt. Vernehmt! Es haben die drey Lande ſich das Wort174 Gegeben, die Tyrannen zu verjagen. Geſchloſſen iſt der Bund, ein heilger Schwur Verbindet uns. Es wird gehandelt werden, Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt, Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande.
O ſaget mir! Geſchloſſen iſt der Bund?
Am gleichen Tage werden alle drey Waldſtaͤtte ſich erheben. Alles iſt Bereit, und das Geheimniß wohlbewahrt Bis jezt, obgleich viel hunderte es theilen. Hohl iſt der Boden unter den Tyrannen, Die Tage ihrer Herrſchaft ſind gezaͤhlt, Und bald iſt ihre Spur nicht mehr zu finden.
Die feſten Burgen aber in den Landen?
Sie fallen alle an dem gleichen Tag.
Und ſind die Edeln dieſes Bunds theilhaftig?
Wir harren ihres Beiſtands, wenn es gilt, Jezt aber hat der Landmann nur geſchworen.
Hat ſich der Landmann ſolcher That verwogen, Aus eignem Mittel, ohne Huͤlf der Edeln, Hat er der eignen Kraft ſoviel vertraut — Ja, dann bedarf es unſerer nicht mehr, Getroͤſtet koͤnnen wir zu Grabe ſteigen, Es lebt nach uns — durch andre Kraͤfte will Das Herrliche der Menſchheit ſich erhalten.
Aus dieſem Haupte, wo der Apfel lag, Wird euch die neue beßre Freiheit gruͤnen, Das Alte ſtuͤrzt, es aͤndert ſich die Zeit, Und neues Leben bluͤht aus den Ruinen.
Seht, welcher Glanz ſich um ſein Aug ergießt! Das iſt nicht das Erloͤſchen der Natur, Das iſt der Stral ſchon eines neuen Lebens.
Der Adel ſteigt von ſeinen alten Burgen, Und ſchwoͤrt den Staͤdten ſeinen Buͤrgereid, Im Uechtland ſchon, im Thurgau hats begonnen, Die edle Bern erhebt ihr herrſchend Haupt, Freiburg iſt eine ſichre Burg der Freien, Die rege Zuͤrich waffnet ihre Zuͤnſte Zum kriegeriſchen Heer — Es bricht die Macht Der Koͤnige ſich an ihren ewgen Waͤllen —
Die Fuͤrſten ſeh ich und die edeln Herrn In Harniſchen heran gezogen kommen, Ein harmlos Volk von Hirten zu bekriegen. Auf Tod und Leben wird gekaͤmpft und herrlich Wird mancher Paß durch blutige Entſcheidung. Der Landmann ſtuͤrzt ſich mit der nakten Bruſt, Ein freies Opfer, in die Schaar der Lanzen, Er bricht ſie, und des Adels Bluͤthe faͤllt, Es hebt die Freiheit ſiegend ihre Fahne.
Drum haltet feſt zuſammen — feſt und ewig — Kein Ort der Freiheit ſei dem andern fremd — Hochwachten ſtellet aus auf euren Bergen, Daß ſich der Bund zum Bunde raſch verſammle — Seid einig — einig — einig —
Lebt er? O ſaget, kann er mich noch hoͤren?
Ihr ſeid jezt unſer Lehensherr und Schirmer, Und dieſes Schloß hat einen andern Nahmen.
O guͤtger Gott — Kommt meine Reu zu ſpaͤt? Konnt’ er nicht wenge Pulſe laͤnger leben, Um mein geaͤndert Herz zu ſehn? Verachtet hab ich ſeine treue Stimme, Da er noch wandelte im Licht — Er iſt Dahin, iſt fort auf immerdar, und laͤßt mir Die ſchwere unbezahlte Schuld! — O ſaget! Schied er dahin im Unmuth gegen mich?
Er hoͤrte ſterbend noch was ihr gethan, Und ſegnete den Muth, mit dem ihr ſpracht!
Ja heilge Reſte eines theuren Mannes! Entſeelter Leichnam! Hier gelob ich dirs In deine kalte Todtenhand — Zerriſſen Hab ich auf ewig alle fremden Bande, Zuruͤckgegeben bin ich meinem Volk, Ein Schweitzer bin ich und ich will es ſeyn Von ganzer Seele — —
Trauert um den Freund,179 Den Vater aller, doch verzaget nicht! Nicht bloß ſein Erbe iſt mir zugefallen, Es ſteigt ſein Herz, ſein Geiſt auf mich herab, Und leiſten ſoll euch meine friſche Jugend, Was euch ſein greiſes Alter ſchuldig blieb. — Ehrwuͤrdger Vater, gebt mir eure Hand! Gebt mir die Eurige! Melchthal auch ihr! Bedenkt euch nicht! O wendet euch nicht weg! Empfanget meinen Schwur und mein Geluͤbde.
Gebt ihm die Hand. Sein wiederkehrend Herz Verdient Vertraun.
Ihr habt den Landmann nichts geachtet. Sprecht, weſſen ſoll man ſich zu euch verſehn?
O denket nicht des Irrthums meiner Jugend!
Seid einig! war das lezte Wort des Vaters, Gedenket deſſen!
Hier iſt meine Hand! Des Bauern Handſchlag, edler Herr, iſt auch Ein Manneswort! Was iſt der Ritter ohne uns? Und unſer Stand iſt aͤlter als der eure.
Ich ehr’ ihn, und mein Schwert ſoll ihn beſchuͤtzen.
Der Arm, Herr Freiherr, der die harte Erde Sich unterwirft und ihren Schooß befruchtet, Kann auch des Mannes Bruſt beſchuͤtzen.
Ihr Sollt meine Bruſt, ich will die eure ſchuͤtzen, So ſind wir einer durch den andern ſtark. — Doch wozu reden, da das Vaterland Ein Raub noch iſt der fremden Tyrannei? Wenn erſt der Boden rein iſt von dem Feind, Dann wollen wirs in Frieden ſchon vergleichen.
Ihr ſchweigt? Ihr habt mir nichts zu ſagen? Wie! 181Verdien’ ichs noch nicht, daß ihr mir vertraut? So muß ich wider euren Willen mich In das Geheimniß eures Bundes draͤngen. — Ihr habt getagt — geſchworen auf dem Ruͤtli — Ich weiß — weiß alles, was ihr dort verhandelt, Und was mir nicht von euch vertrauet ward, Ich habs bewahrt gleich wie ein heilig Pfand. Nie war ich meines Landes Feind, glaubt mir, Und niemals haͤtt’ ich gegen euch gehandelt. — Doch uͤbel thatet ihr, es zu verſchieben, Die Stunde dringt und raſcher That bedarfs — Der Tell ward ſchon das Opfer eures Saͤumens —
Das Chriſtfeſt abzuwarten ſchwuren wir.
Ich war nicht dort, ich hab nicht mit geſchworen. Wartet ihr ab, ich handle.
Waſ? Ihr wolltet —
qDes Landes Vaͤtern zaͤhl’ ich mich jezt bei, Und meine erſte Pflicht iſt, euch zu ſchuͤtzen.
Der Erde dieſen theuren Staub zu geben, Iſt eure naͤchſte Pflicht und heiligſte.
Wenn wir das Land befreit, dann legen wir Den friſchen Kranz des Siegs ihm auf die Bahre. — O Freunde! Eure Sache nicht allein, Ich habe meine eigne auszufechten Mit dem Tyrannen — Hoͤrt und wißt! Verſchwunden Iſt meine Bertha, heimlich weggeraubt, Mit kecker Frevelthat aus unſrer Mitte!
Solcher Gewaltthat haͤtte der Tyrann Wider die freie Edle ſich verwogen?
O meine Freunde! Euch verſprach ich Huͤlfe, Und ich zuerſt muß ſie von euch erflehn. Geraubt, entriſſen iſt mir die Geliebte,183 Wer weiß, wo ſie der Wuͤthende verbirgt, Welcher Gewalt ſie frevelnd ſich erkuͤhnen, Ihr Herz zu zwingen zum verhaßten Band! Verlaßt mich nicht, o helft mir ſie erretten — Sie liebt euch, o ſie hats verdient ums Land, Daß alle Arme ſich fuͤr ſie bewaffnen —
Was wollt ihr unternehmen?
Weiß ichs? Ach! In dieſer Nacht, die ihr Geſchick umhuͤllt, In dieſes Zweifels ungeheurer Angſt, Wo ich nichts feſtes zu erfaſſen weiß, Iſt mir nur dieſes in der Seele klar: Unter den Truͤmmern der Tyrannenmacht Allein kann ſie hervor gegraben werden, Die Veſten alle muͤſſen wir bezwingen, Ob wir vielleicht in ihren Kerker dringen.
Kommt, fuͤhrt uns an. Wir folgen euch. Warum Bis Morgen ſparen, was wir heut vermoͤgen? q 2184Frei war der Tell, als wir im Ruͤtli ſchwuren, Das Ungeheure war noch nicht geſchehen. Es bringt die Zeit ein anderes Geſetz, Wer iſt ſo feig, der jezt noch koͤnnte zagen!
Indeß bewaffnet und zum Werk bereit Erwartet ihr der Berge Feuerzeichen, Denn ſchneller als ein Botenſegel fliegt, Soll euch die Botſchaft unſers Siegs erreichen, Und ſeht ihr leuchten die willkommen’ Flammen, Dann auf die Feinde ſtuͤrzt, wie Wetters Strahl, Und brecht den Bau der Tyranney zuſammen.
Durch dieſe hohle Gaſſe muß er kommen,185 Es fuͤhrt kein andrer Weg nach Kuͤßnacht — Hier Vollend ichs — Die Gelegenheit iſt guͤnſtig. Dort der Hollunderſtrauch verbirgt mich ihm, Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen, Des Weges Enge wehret den Verfolgern. Mach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt, Fort muſt du, deine Uhr iſt abgelaufen.
Ich lebte ſtill und harmlos — Das Geſchoß War auf des Waldes Thiere nur gerichtet, Meine Gedanken waren rein von Mord — Du haſt aus meinem Frieden mich heraus Geſchreckt, in gaͤhrend Drachengift haſt du Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt, Zum Ungeheuren haſt du mich gewoͤhnt — Wer ſich des Kindes Haupt zum Ziele ſezte, Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.
Die armen Kindlein, die unſchuldigen, Das treue Weib muß ich vor deiner Wuth Beſchuͤtzen, Landvogt — Da, als ich den Bogenſtrang Anzog — als mir die Hand erzitterte —q 3186Als du mit grauſam teufeliſcher Luſt Mich zwangſt, aufs Haupt des Kindes anzulegen — Als ich ohnmaͤchtig flehend rang vor dir, Damals gelobt’ ich mir in meinem Innern Mit furchtbarm Eidſchwur, den nur Gott gehoͤrt, Daß meines naͤchſten Schuſſes erſtes Ziel Dein Herz ſeyn ſollte — Was ich mir gelobt In jenes Augenblickes Hoͤllenqualen, Iſt eine heilge Schuld, ich will ſie zahlen.
Du biſt mein Herr und meines Kaiſers Vogt, Doch nicht der Kaiſer haͤtte ſich erlaubt Was du — Er ſandte dich in dieſe Lande, Um Recht zu ſprechen — ſtrenges, denn er zuͤrnet — Doch nicht um mit der moͤrderiſchen Luſt Dich jedes Greuels ſtraflos zu erfrechen, Es lebt ein Gott zu ſtrafen und zu raͤchen.
Komm du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen, Mein theures Kleinod jezt, mein hoͤchſter Schatz — Ein Ziel will ich dir geben, das bis jezt Der frommen Bitte undurchdringlich war —187 Doch dir ſoll es nicht widerſtehn — Und du Vertraute Bogenſehne, die ſo oft Mir treu gedient hat in der Freude Spielen, Verlaß mich nicht im fuͤrchterlichen Ernſt. Nur jezt noch halte feſt du treuer Strang, Der mir ſo oft den herben Pfeil befluͤgelt — Entraͤnn er jetzo kraftlos meinen Haͤnden, Ich habe keinen zweiten zu verſenden.
Auf dieſer Bank von Stein will ich mich ſetzen, Dem Wanderer zur kurzen Ruh bereitet — Denn hier iſt keine Heimat — Jeder treibt Sich an dem andern raſch und fremd voruͤber, Und fraget nicht nach ſeinem Schmerz — Hier geht Der ſorgenvolle Kaufmann und der leicht Geſchuͤrzte Pilger — der andaͤchtge Moͤnch, Der duͤſtre Raͤuber und der heitre Spielmann, Der Saͤumer mit dem ſchwer beladnen Roß, Der ferne her kommt von der Menſchen Laͤndern, Denn jede Straße fuͤhrt ans End der Welt. 188Sie alle ziehen ihres Weges fort An ihr Geſchaͤft — und Meines iſt der Mord!
Sonſt wenn der Vater auszog, liebe Kinder, Da war ein Freuen, wenn er wieder kam, Denn niemals kehrt’ er heim, er bracht’ euch etwas, Wars eine ſchoͤne Alpenblume, wars Ein ſeltner Vogel oder Ammonshorn, Wie es der Wandrer findet auf den Bergen — Jezt geht er einem andern Waidwerk nach, Am wilden Weg ſizt er mit Mordgedanken, Des Feindes Leben iſts, worauf er lauert. — Und doch an euch nur denkt er, lieben Kinder, Auch jezt — Euch zu vertheidgen, eure holde Unſchuld Zu ſchuͤtzen vor der Rache des Tyrannen Will er zum Morde jezt den Bogen ſpannen!
Ich laure auf ein edles Wild — Laͤßt ſichs Der Jaͤger nicht verdrießen, Tage lang Umher zu ſtreifen in des Winters Strenge, Von Fels zu Fels den Wageſprung zu thun,189 Hinan zu klimmen an den glatten Waͤnden, Wo er ſich anleimt mit dem eignen Blut, — Um ein armſelig Gratthier zu erjagen. Hier gilt es einen koͤſtlicheren Preiß, Das Herz des Todfeinds, der mich will verderben.
Mein ganzes Lebenlang hab ich den Bogen Gehandhabt, mich geuͤbt nach Schuͤtzenregel, Ich habe oft geſchoſſen in das Schwarze, Und manchen ſchoͤnen Preiß mir heimgebracht Vom Freudenſchießen — Aber heute will ich Den Meiſterſchuß thun und das Beſte mir Im ganzen Umkreis des Gebirgs gewinnen.
Das iſt der Kloſtermey’r von Moͤrliſchachen, Der hier den Brautlauf haͤlt — Ein reicher Mann, Er hat wohl zehen Senten auf den Alpen. Die Braut hohlt er jezt ab zu Imiſee,190 Und dieſe Nacht wird hoch geſchwelgt zu Kuͤßnacht. Kommt mit! ’s iſt jeder Biedermann geladen.
Ein ernſter Gaſt ſtimmt nicht zum Hochzeithaus.
Druͤckt euch ein Kummer, werft ihn friſch vom Herzen, Nehmt mit was kommt, die Zeiten ſind jezt ſchwer. Drum muß der Menſch die Freude leicht ergreifen. Hier wird gefreit und anderswo begraben.
Und oft kommt gar das eine zu dem andern.
So geht die Welt nun. Es giebt allerwegen Ungluͤcks genug — Ein Ruffi iſt gegangen Im Glarner Land und eine ganze Seite Vom Glaͤrniſch eingeſunken.
Wanken auch Die Berge ſelbſt? Es ſteht nichts feſt auf Erden.
Auch anderswo vernimmt man Wunderdinge. 191Da ſprach ich einen, der von Baden kam. Ein Ritter wollte zu dem Koͤnig reiten, Und unterwegs begegnet ihm ein Schwarm Von Horniſſen, die fallen auf ſein Roß, Daß es fuͤr Marter todt zu Boden ſinkt, Und er zu Fuße ankommt bei dem Koͤnig.
Dem Schwachen iſt ſein Stachel auch gegeben.
Man deutets auf ein groſſes Landesungluͤck, Auf ſchwere Thaten wider die Natur.
Dergleichen Thaten bringet jeder Tag, Kein Wunderzeichen braucht ſie zu verkuͤnden.
Ja, wohl dem, der ſein Feld beſtellt in Ruh, Und ungekraͤnkt daheim ſizt bei den Seinen.
Es kann der Froͤmmſte nicht im Frieden bleiben, Wenn es dem boͤſen Nachbar nicht gefaͤllt.
Gehabt euch wohl — Ihr wartet hier auf Jemand?
Das thu ich.
Frohe Heimkehr zu den euren! — Ihr ſeid aus Uri? Unſer gnaͤdger Herr Der Landvogt wird noch heut von dort erwartet.
Den Vogt erwartet heut nicht mehr. Die Waſſer Sind ausgetreten von dem großen Regen, Und alle Bruͤcken hat der Strom zerriſſen.
Der Landvogt kommt nicht!
Sucht ihr was an ihn?
Ach freilich!
Warum ſtellet ihr euch denn In dieſer hohlen Gaß’ ihm in den Weg?
Hier weicht er mir nicht aus, er muß mich hoͤren.
Man fahre aus dem Weg — Mein gnaͤdger Herr Der Landvogt kommt dicht hinter mir geritten.
Der Landvogt kommt!
Wie kamt ihr durch das Waſſer, Da doch der Strom die Bruͤcken fortgefuͤhrt?
rWir haben mit dem See gefochten, Freund, Und fuͤrchten uns vor keinem Alpenwaſſer.
Ihr wart zu Schiff in dem gewaltgen Sturm?
Das waren wir. Mein Lebtag denk ich dran —
O bleibt, erzaͤhlt!
Laßt mich, ich muß voraus, Den Landvogt muß ich in der Burg verkuͤnden.
Waͤr’n gute Leute auf dem Schiff geweſen, In Grund geſunken waͤrs mit Mann und Maus, Dem Volk kann weder Waſſer bei noch Feuer.
Wo kam der Waidmann hin, mit dem ich ſprach?
Sagt was ihr wollt, ich bin des Kaiſers Diener Und muß drauf denken, wie ich ihm gefalle. Er hat mich nicht ins Land geſchickt, dem Volk Zu ſchmeicheln und ihm ſanft zu thun — Gehorſam Erwartet er, der Streit iſt, ob der Bauer Soll Herr ſeyn in dem Lande oder der Kaiſer.
Jezt iſt der Augenblick! Jezt bring ichs an!
Ich hab’ den Hut nicht aufgeſteckt zu Altorf Des Scherzes wegen, oder um die Herzen Des Volks zu pruͤfen, dieſe kenn ich laͤngſt. Ich hab ihn aufgeſteckt, daß ſie den Nacken Mir lernen beugen, den ſie aufrecht tragen — Das Unbequeme hab ich hingepflanzt Auf ihren Weg, wo ſie vorbeigehn muͤſſen, Daß ſie drauf ſtoßen mit dem Aug, und ſich Erinnern ihres Herrn, den ſie vergeſſen.
r 2Das Volk hat aber doch gewiſſe Rechte —
Die abzuwaͤgen iſt jezt keine Zeit! — Weitſchichtge Dinge ſind im Werk und Werden, Das Kaiſerhaus will wachſen, was der Vater Glorreich begonnen, will der Sohn vollenden. Dieß kleine Volk iſt uns ein Stein im Weg — So oder ſo — Es muß ſich unterwerfen.
Barmherzigkeit Herr Landvogt! Gnade! Gnade!
Was dringt ihr euch auf offner Straße mir In Weg — Zuruͤck!
Mein Mann liegt im Gefaͤngniß, Die armen Waiſen ſchreyn nach Brod — Habt Mitleid Geſtrenger Herr, mit unſerm großen Elend.
Wer ſeid ihr? Wer iſt euer Mann?
Ein armer Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge, Der uͤberm Abgrund weg das freie Gras Abmaͤhet von den ſchroffen Felſenwaͤnden, Wohin das Vieh ſich nicht getraut zu ſteigen —
Bei Gott, ein elend und erbaͤrmlich Leben! Ich bitt euch, gebt ihn los den armen Mann, Was er auch ſchweres mag verſchuldet haben, Strafe genug iſt ſein entſetzlich Handwerk.
Euch ſoll Recht werden — Drinnen auf der Burg Nennt eure Bitte — Hier iſt nicht der Ort.
Nein, nein, ich weiche nicht von dieſem Platz, Bis mir der Vogt den Mann zuruͤckgegeben! Schon in den ſechsten Mond liegt er im Thurm, Und harret auf den Richterſpruch vergebens.
r 3Weib, wollt ihr mir Gewalt anthun, hinweg.
Gerechtigkeit, Landvogt! Du biſt der Richter Im Lande an des Kaiſers Statt und Gottes. Thu deine Pflicht! So du Gerechtigkeit Vom Himmel hoffeſt, ſo erzeig ſie uns.
Fort, ſchafft das freche Volk mir aus den Augen.
Nein, nein, ich habe nichts mehr zu verlieren. — Du kommſt nicht von der Stelle Vogt, bis du Mir Recht geſprochen — Falte deine Stirne, Rolle die Augen wie du willſt — Wir ſind So grenzenlos ungluͤcklich, daß wir nichts Nach deinem Zorn mehr fragen —
Weib, mach Platz, Oder mein Roß geht uͤber dich hinweg.
Laß es uͤber mich dahin gehn — da —
Hier lieg ich Mit meinen Kindern — Laß die armen Waiſen Von deines Pferdes Huf zertreten werden, Es iſt das Aergſte nicht, was du gethan —
Weib, ſeid ihr raſend?
Trateſt du doch laͤngſt Das Land des Kaiſers unter deine Fuͤße! — O ich bin nur ein Weib! Waͤr ich ein Mann, Ich wuͤßte wohl was beſſeres, als hier Im Staub zu liegen —
Wo ſind meine Knechte? Man reiſſe ſie von hinnen oder ich Vergeſſe mich und thue was mich reuet.
Die Knechte koͤnnen nicht hindurch, o Herr, Der Hohlweg iſt geſperrt durch eine Hochzeit.
Ein allzumilder Herrſcher bin ich noch Gegen dieß Volk — die Zungen ſind noch frei, Es iſt noch nicht ganz wie es ſoll gebaͤndigt — Doch es ſoll anders werden, ich gelob es, Ich will ihn brechen dieſen ſtarren Sinn, Den kecken Geiſt der Freiheit will ich beugen. Ein neu Geſetz will ich in dieſen Landen Verkuͤndigen — Ich will —
Gott ſei mir gnaͤdig!
Herr Landvogt — Gott was iſt das? Woher kam das?
Mord! Mord! Er taumelt, ſinkt! Er iſt getroffen!
Welch graͤßliches Ereigniß — Gott — Herr Ritter —201 Ruft die Erbarmung Gottes an — Ihr ſeid Ein Mann des Todes! —
Das iſt Tells Geſchoß.
Du kennſt den Schuͤtzen, ſuche keinen andern! Frei ſind die Huͤtten, ſicher iſt die Unſchuld Vor dir, du wirſt dem Lande nicht mehr ſchaden.
Was giebt es hier? Was hat ſich zugetragen?
Der Landvogt iſt von einem Pfeil durchſchoſſen.
Wer iſt erſchoſſen?
Er verblutet ſich. Fort, ſchaffet Hilfe! Sezt dem Moͤrder nach! — Verlorner Mann, ſo muß es mit dir enden, Doch meine Warnung wollteſt du nicht hoͤren!
Bei Gott! da liegt er bleich und ohne Leben!
Wer hat die That gethan?
Raßt dieſes Volk, Daß es dem Mord Muſik macht? Laßt ſie ſchweigen.
Herr Landvogt, redet, wenn ihr koͤnnt — Habt ihr Mir nichts mehr zu vertraun?
Wo ſoll ich hin? — Nach Kuͤßnacht? — Ich verſteh euch nicht — O werdet Nicht ungeduldig — Laßt das Irdiſche, Denkt jezt, euch mit dem Himmel zu verſoͤhnen.
Sieh wie er bleich wird — Jezt, jezt tritt der Tod Ihm an das Herz — die Augen ſind gebrochen.
Seht Kinder, wie ein Wuͤtherich verſcheidet!
Wahnſinnge Weiber, habt ihr kein Gefuͤhl, Daß ihr den Blick an dieſem Schreckniß weidet? — Helft — Leget Hand an — Steht mir niemand bei, Den Schmerzenspfeil ihm aus der Bruſt zu ziehn?
Wir ihn beruͤhren, welchen Gott geſchlagen!
Fluch treff euch und Verdammniß!
Wagt es Herr! Eu’r Walten hat ein Ende. Der Tyrann Des Landes iſt gefallen. Wir erdulden Keine Gewalt mehr. Wir ſind freie Menſchen.
Das Land iſt frei.
Iſt es dahin gekommen? Endet die Furcht ſo ſchnell und der Gehorſam?
Ihr ſeht die grauſenvolle That des Mords Die hier geſchehen — Huͤlfe iſt umſonſt — Vergeblich iſts, dem Moͤrder nachzuſetzen. Uns draͤngen andre Sorgen — Auf, nach Kuͤßnacht, Daß wir dem Kaiſer ſeine Veſte retten! Denn aufgeloͤßt in dieſem Augenblick Sind aller Ordnung, aller Pflichten Bande, Und keines Mannes Treu iſt zu vertrauen.
Platz! Platz! da kommen die barmherzgen Bruͤder.
Das Opfer liegt — Die Raben ſteigen nieder.
Raſch tritt der Tod den Menſchen an, Es iſt ihm keine Friſt gegeben, Es ſtuͤrzt ihn mitten in der Bahn, Es reißt ihn fort vom vollen Leben, Bereitet oder nicht, zu gehen, Er muß vor ſeinen Richter ſtehen!
Seht ihr die Feuerſignale auf den Bergen?
Hoͤrt ihr die Glocken druͤben uͤberm Wald?
Die Feinde ſind verjagt.
Die Burgen ſind erobert.
Und wir im Lande Uri dulden noch Auf unſerm Boden das Tyrannenſchloß? Sind wir die lezten, die ſich frei erklaͤren?
Das Joch ſoll ſtehen, das uns zwingen wollte? Auf, reißt es nieder!
Nieder! Nieder! Nieder!
Wo iſt der Stier von Uri?
Hier. Was ſoll ich?
Steigt auf die Hochwacht, blaßt in euer Horn, Daß es weitſchmetternd in die Berge ſchalle, Und jedes Echo in den Felſenkluͤften Aufweckend, ſchnell die Maͤnner des Gebirgs Zuſammenrufe.
Haltet Freunde! Haltet! Noch fehlt uns Kunde was in Unterwalden Und Schwytz geſchehen. Laßt uns Boten erſt Erwarten.
s 2Was erwarten? Der Tyrann Iſt todt, der Tag der Freiheit iſt erſchienen.
Iſts nicht genug an dieſen flammenden Boten, Die rings herum auf allen Bergen leuchten?
Kommt alle, kommt, legt Hand an, Maͤnner und Weiber! Brecht das Geruͤſte! Sprengt die Bogen! Reißt Die Mauern ein! Kein Stein bleib auf dem andern.
Geſellen kommt! Wir habens aufgebaut, Wir wiſſens zu zerſtoͤren.
Kommt! Reißt nieder.
Es iſt im Lauf. Ich kann ſie nicht mehr halten.
Was? Steht die Burg noch und Schloß Sarnen liegt In Aſche und der Roßberg iſt gebrochen?
Seid ihr es Melchthal? Bringt ihr uns die Freiheit? Sagt! Sind die Lande alle rein vom Feind?
Rein iſt der Boden. Freut euch, alter Vater! In dieſem Augenblicke, da wir reden, Iſt kein Tyrann mehr in der Schweitzer Land.
O ſprecht, wie wurdet ihr der Burgen maͤchtig?
Der Rudenz war es, der das Sarner Schloß Mit mannlich kuͤhner Wagethat gewann, Den Roßberg hatt’ ich Nachts zuvor erſtiegen. — Doch hoͤret, was geſchah. Als wir das Schloß Vom Feind geleert, nun freudig angezuͤndet, Die Flamme praſſelnd ſchon zum Himmel ſchlug, Da ſtuͤrzt der Diethelm, Geßlers Bub, hervor, Und ruft, daß die Brunekerinn verbrenne.
Gerechter Gott!
Sie war es ſelbſt, war heimlich Hier eingeſchloſſen auf des Vogts Geheiß. Raſend erhub ſich Rudenz — denn wir hoͤrten Die Balken ſchon, die feſten Pfoſten ſtuͤrzen, Und aus dem Rauch hervor den Jammerruf — Der Ungluͤckſeligen.
Sie iſt gerettet?
Da galt Geſchwindſeyn und Entſchloſſenheit! — Waͤr er nur unſer Edelmann geweſen, Wir haͤtten unſer Leben wohl geliebt, Doch er war unſer Eidgenoß und Bertha Ehrte das Volk — So ſezten wir getroſt Das Leben dran, und ſtuͤrzten in das Feuer.
Sie iſt gerettet?
Sie iſts. Rudenz und ich, Wir trugen ſie ſelbander aus den Flammen,211 Und hinter uns fiel krachend das Gebaͤlk. — Und jezt, als ſie gerettet ſich erkannte, Die Augen aufſchlug zu dem Himmelslicht, Jetzt ſtuͤrzte mir der Freiherr an das Herz, Und ſchweigend ward ein Buͤndniß jezt beſchworen, Das feſt gehaͤrtet in des Feuers Glut Beſtehen wird in allen Schickſalsproben —
Wo iſt der Landenberg?
Ueber den Bruͤnig. Nicht lags an mir, daß er das Licht der Augen Davon trug, der den Vater mir geblendet. Nach jagt’ ich ihm, erreicht ihn auf der Flucht, Und riß ihn zu den Fuͤſſen meines Vaters. Geſchwungen uͤber ihm war ſchon das Schwerdt, Von der Barmherzigkeit des blinden Greiſes Erhielt er flehend das Geſchenk des Lebens. Urphede ſchwur er, nie zuruͤck zu kehren, Er wird ſie halten, unſern Arm hat er Gefuͤhlt.
Wohl euch, daß ihr den reinen Sieg Mit Blute nicht geſchaͤndet!
Freiheit! Freiheit!
Seht, welch ein Feſt! Des Tages werden ſich Die Kinder ſpaͤt als Greiſe noch erinnern.
Hier iſt der Hut, dem wir uns beugen mußten.
Gebt uns Beſcheid, was damit werden ſoll.
Gott! Unter dieſem Hute ſtand mein Enkel!
Zerſtoͤrt das Denkmal der Tyrannenmacht! Ins Feuer mit ihm!
Nein, laßt ihn aufbewahren! Der Tyrannei mußt’ er zum Werkzeug dienen, Er ſoll der Freiheit ewig Zeichen ſeyn!
So ſtehen wir nun froͤhlich auf den Truͤmmern Der Tyrannei, und herrlich iſts erfuͤllt, Was wir im Ruͤtli ſchwuren, Eidgenoſſen.
Das Werk iſt angefangen, nicht vollendet. Jezt iſt uns Muth und feſte Eintracht noth, Denn ſeid gewiß, nicht ſaͤumen wird der Koͤnig, Den Tod zu raͤchen ſeines Vogts, und den Vertriebnen mit Gewalt zuruͤck zu fuͤhren.
Er zieh’ heran mit ſeiner Heeresmacht, Iſt aus dem Innern doch der Feind verjagt, Dem Feind von auſſen wollen wir begegnen.
Nur wenge Paͤſſe oͤffnen ihm das Land, Die wollen wir mit unſern Leibern decken.
Wir ſind vereinigt durch ein ewig Band, Und ſeine Heere ſollen uns nicht ſchrecken!
Das ſind des Himmels furchtbare Gerichte.
Was giebts?
In welchen Zeiten leben wir!
Sagt an, was iſt es? — Ha, ſeid ihrs Herr Werner? Was bringt ihr uns?
Was giebts?
Hoͤrt und erſtaunet!
Von einer großen Furcht ſind wir befreit —
Der Kaiſer iſt ermordet.
Gnaͤdger Gott!
Ermordet! Was! Der Kaiſer! Hoͤrt! Der Kaiſer!
Nicht moͤglich! Woher kam euch dieſe Kunde?
Es iſt gewiß. Bei Bruck fiel Koͤnig Albrecht Durch Moͤrders Hand — ein glaubenwerther Mann, Johannes Muͤller bracht’ es von Schafhauſen.
Wer wagte ſolche grauenvolle That?
Sie wird noch grauenvoller durch den Thaͤter. 216Es war ſein Neffe, ſeines Bruders Kind, Herzog Johann von Schwaben, ders vollbrachte.
Was trieb ihn zu der That des Vatermords?
Der Kaiſer hielt das vaͤterliche Erbe Dem ungeduldig mahnenden zuruͤck, Es hieß, er denk ihn ganz darum zu kuͤrzen, Mit einem Viſchoffshut ihn abzufinden. Wie dem auch ſey — der Juͤngling oͤfnete Der Waffenfreunde boͤſem Rath ſein Ohr, Und mit den edeln Herrn von Eſchenbach, Von Tegerfelden, von der Wart und Palm, Beſchloß er, da er Recht nicht konnte finden, Sich Rach’ zu hohlen mit der eignen Hand.
O ſprecht, wie ward das Graͤßliche vollendet?
Der Koͤnig ritt herab vom Stein zu Baden, Gen Rheinfeld, wo die Hofſtatt war, zu ziehn, Mit ihm die Fuͤrſten, Hans und Leopold,217 Und ein Gefolge hochgebohrner Herren. Und als ſie kamen an die Reuß, wo man Auf einer Faͤhre ſich laͤßt uͤberſetzen, Da draͤngten ſich die Moͤrder in das Schiff, Daß ſie den Kaiſer vom Gefolge trennten. Drauf als der Fuͤrſt durch ein geackert Feld Hinreitet — eine alte große Stadt Soll drunter liegen aus der Heiden Zeit — Die alte Veſte Habsburg im Geſicht, Wo ſeines Stammes Hoheit ausgegangen — Stoͤßt Herzog Hans den Dolch ihm in die Kehle, Rudolph von Palm durchrennt ihn mit dem Speer, Und Eſchenbach zerſpaltet ihm das Haupt, Daß er herunter ſinkt in ſeinem Blut, Gemordet von den Seinen, auf dem Seinen. Am andern Ufer ſahen ſie die That, Doch durch den Strom geſchieden, konnten ſie Nur ein ohnmaͤchtig Wehgeſchrey erheben; Am Wege aber ſaß ein armes Weib, In ihrem Schooß verblutete der Kaiſer.
tSo hat er nur ſein fruͤhes Grab gegraben, Der unerſaͤttlich alles wollte haben!
Ein ungeheurer Schrecken iſt im Land umher, Geſperrt ſind alle Paͤſſe des Gebirgs, Jedweder Stand verwahret ſeine Grenzen, Die alte Zuͤrich ſelbſt ſchloß ihre Thore, Die dreißig Jahr lang offen ſtanden, zu, Die Moͤrder fuͤrchtend und noch mehr — die Raͤcher. Denn mit des Bannes Fluch bewaffnet kommt Der Ungarn Koͤniginn, die ſtrenge Agnes, Die nicht die Milde kennet ihres zarten Geſchlechts, des Vaters koͤnigliches Blut Zu raͤchen an der Moͤrder ganzem Stamm, An ihren Knechten, Kindern, Kindeskindern, Ja an den Steinen ihrer Schloͤſſer ſelbſt. Geſchworen hat ſie, ganze Zeugungen Hinabzuſenden in des Vaters Grab, In Blut ſich wie in Mayenthau zu baden.
Weiß man, wo ſich die Moͤrder hingefluͤchtet?
Sie flohen alsbald nach vollbrachter That Auf fuͤnf verſchiednen Straſſen auseinander, Und trennten ſich, um nie ſich mehr zu ſehn — Herzog Johann ſoll irren im Gebirge.
So traͤgt die Unthat ihnen keine Frucht! Rache traͤgt keine Frucht! Sich ſelbſt iſt ſie Die fuͤrchterliche Nahrung, ihr Genuß Iſt Mord, und ihre Saͤttigung das Grauſen.
Den Moͤrdern bringt die Unthat nicht Gewinn, Wir aber brechen mit der reinen Hand Des blutgen Frevels ſegenvolle Frucht. Denn einer großen Furcht ſind wir entledigt, Gefallen iſt der Freiheit groͤßter Feind, Und, wie verlautet, wird das Scepter gehn Aus Habsburgs Haus zu einem andern Stamm, Das Reich will ſeine Wahlfreiheit behaupten.
t 2Vernahmt ihr was?
Der Graf von Luxemburg Iſt von den mehrſten Stimmen ſchon bezeichnet.
Wohl uns, daß wir beim Reiche treu gehalten, Jezt iſt zu hoffen auf Gerechtigkeit!
Dem neuen Herrn thun tapfre Freunde noth, Er wird uns ſchirmen gegen Oeſtreichs Rache.
Hier ſind des Landes wuͤrdge Oberhaͤupter.
Sigriſt, was giebts?
Ein Reichsbot bringt dieß Schreiben.
Erbrecht und leſet.
„ Den beſcheidnen Maͤnnern „ Von Uri, Schwyz und Unterwalden bietet „ Die Koͤnigin Elsbeth Gnad und alles Gutes “
Was will die Koͤnigin? Ihr Reich iſt aus.
„ In ihrem großen Schmerz und Wittwenleid „ Worein der blutge Hinſcheid ihres Herrn „ Die Koͤnigin verſezt, gedenkt ſie noch „ Der alten Treu und Lieb’ der Schwyzerlande. “
In ihrem Gluͤck hat ſie das nie gethan.
Still! Laſſet hoͤren!
„ Und ſie verſieht ſich zu dem treuen Volk, „ Daß es gerechten Abſcheu werde tragen „ Vor den verfluchten Thaͤtern dieſer That. „ Darum erwartet ſie von den drey Landen, „ Daß ſie den Moͤrdern nimmer Vorſchub thun,t 3222„ Vielmehr getreulich dazu helfen werden, „ Sie auszuliefern in des Raͤchers Hand, „ Der Lieb gedenkend und der alten Gunſt, „ Die ſie von Rudolphs Fuͤrſtenhaus empfangen. “
Der Lieb und Gunſt!
Wir haben Gunſt empfangen von dem Vater, Doch weſſen ruͤhmen wir uns von dem Sohn? Hat er den Brief der Freiheit uns beſtaͤtigt, Wie vor ihm alle Kaiſer doch gethan? Hat er gerichtet nach gerechtem Spruch, Und der bedraͤngten Unſchuld Schutz verliehn? Hat er auch nur die Boten wollen hoͤren, Die wir in unſrer Angſt zu ihm geſendet? Nicht eins von dieſem allen hat der Koͤnig An uns gethan und haͤtten wir nicht ſelbſt Uns Recht verſchafft mit eigner muthger Hand, Ihn ruͤhrte unſre Noth nicht an — Ihm Dank? Nicht Dank hat er geſaͤt in dieſen Thaͤlern. 223Er ſtand auf einem hohen Platz, er konnte Ein Vater ſeiner Voͤlker ſeyn, doch ihm Gefiel es, nur zu ſorgen fuͤr die Seinen, Die er gemehrt hat, moͤgen um ihn weinen!
Wir wollen nicht frohlocken ſeines Falls, Nicht des empfangnen Boͤſen jezt gedenken, Fern ſei’s von uns! Doch, daß wir raͤchen ſollten Des Koͤnigs Tod, der nie uns Gutes that, Und die verfolgen, die uns nie betruͤbten, Das ziemt uns nicht und will uns nicht gebuͤhren. Die Liebe will ein freies Opfer ſeyn, Der Tod entbindet von erzwungnen Pflichten, — Ihm haben wir nichts weiter zu entrichten.
Und weint die Koͤnigin in ihrer Kammer, Und klagt ihr wilder Schmerz den Himmel an, So ſeht ihr hier ein angſtbefreites Volk Zu eben dieſem Himmel dankend flehen — Wer Thraͤnen aͤrnten will, muß Liebe ſaͤen.
Wo iſt der Tell? Soll Er allein uns fehlen, Der unſrer Freiheit Stifter iſt? Das Groͤßte Hat er gethan, das Haͤrteſte erduldet, Kommt alle, kommt, nach ſeinem Haus zu wallen, Und rufet Heil dem Retter von uns allen.
Heut kommt der Vater. Kinder, liebe Kinder! Er lebt, iſt frei, und wir ſind frei und alles! Und euer Vater iſts, der’s Land gerettet.
Und ich bin auch dabei geweſen, Mutter! Mich muß man auch mit nennen. Vaters Pfeil Gieng mir am Leben hart vorbei und ich Hab’ nicht gezittert.
Ja du biſt mir wieder Gegeben! Zweimal hab ich dich gebohren! Zweimal litt ich den Mutterſchmerz um dich! Es iſt vorbei — Ich hab euch beide, beide! Und heute kommt der liebe Vater wieder!
Sieh Mutter ſieh — dort ſteht ein frommer Bruder, Gewiß wird er um eine Gabe flehn.
Fuͤhr ihn herein, damit wir ihn erquicken, Er fuͤhls, daß er ins Freudenhaus gekommen.
Kommt, guter Mann. Die Mutter will euch laben.
Kommt, ruht euch aus und geht geſtaͤrkt von dannen.
Wo bin ich? Saget an, in welchem Lande?
Seid ihr verirret, daß ihr das nicht wißt? Ihr ſeid zu Buͤrglen, Herr, im Lande Uri, Wo man hineingeht in das Schaͤchenthal.
Seid ihr allein? Iſt euer Herr zu Hauſe?
Ich erwart ihn eben — doch was iſt euch, Mann? Ihr ſeht nicht aus, als ob ihr Gutes braͤchtet. — Wer ihr auch ſeid, ihr ſeid beduͤrftig, nehmt!
Wie auch mein lechzend Herz nach Labung ſchmachtet, Nichts ruͤhr ich an, bis ihr mir zugeſagt —
Beruͤhrt mein Kleid nicht, tretet mir nicht nah Bleibt ferne ſtehn, wenn ich euch hoͤren ſoll.
Bei dieſem Feuer, das hier gaſtlich lodert,227 Bei eurer Kinder theurem Haupt, das ich Umfaſſe —
Mann, was ſinnet ihr? Zuruͤck Von meinen Kindern! — Ihr ſeid kein Moͤnch! Ihr ſeid Es nicht! Der Friede wohnt in dieſem Kleide, In euren Zuͤgen wohnt der Friede nicht.
Ich bin der ungluͤckſeligſte der Menſchen.
Das Ungluͤck ſpricht gewaltig zu dem Herzen, Doch euer Blick ſchnuͤrt mir das Innre zu.
Mutter, der Vater!
O mein Gott!
Der Vater!
Da biſt du wieder!
Vater, lieber Vater!
Da bin ich wieder — Wo iſt eure Mutter?
Da ſteht ſie an der Thuͤr und kann nicht weiter, So zittert ſie fuͤr Schrecken und fuͤr Freude.
O Hedwig, Hedwig! Mutter meiner Kinder! Gott hat geholfen — Uns trennt kein Tyrann mehr.
O Tell! Tell! Welche Angſt litt ich um dich!
Vergiß ſie jezt und lebe nur der Freude! Da bin ich wieder! Das iſt meine Huͤtte! Ich ſtehe wieder auf dem Meinigen!
Wo aber haſt du deine Armbruſt Vater? Ich ſeh ſie nicht.
Du wirſt ſie nie mehr ſehn. An heilger Staͤtte iſt ſie aufbewahrt, Sie wird hinfort zu keiner Jagd mehr dienen.
O Tell! Tell!
Was erſchreckt dich, liebes Weib?
Wie — wie kommſt du mir wieder? — Dieſe Hand — Darf ich ſie faſſen? — Dieſe Hand — O Gott!
Hat euch vertheidigt und das Land gerettet, Ich darf ſie frei hinauf zum Himmel heben.
Wer iſt der Bruder hier?
uAch ich vergaß ihn! Sprich du mit ihm, mir graut in ſeiner Naͤhe.
Seid ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?
Der bin ich, ich verberg es keinem Menſchen.
Ihr ſeid der Tell! Ach es iſt Gottes Hand, Die unter euer Dach mich hat gefuͤhrt.
Ihr ſeid kein Moͤnch! Wer ſeid ihr?
Ihr erſchlugt Den Landvogt, der euch Boͤſes that — Auch ich Hab einen Feind erſchlagen, der mir Recht Verſagte — Er war euer Feind wie meiner — Ich hab das Land von ihm befreit.
Ihr ſeid — Entſetzen! — Kinder! Kinder geht hinein. 231Geh liebes Weib! Geh! Geh! — Ungluͤcklicher, Ihr waͤret —
Gott, wer iſt es?
Frage nicht! Fort! Fort! Die Kinder duͤrfen es nicht hoͤren. Geh aus dem Hauſe — Weit hinweg — Du darfſt Nicht unter Einem Dach mit dieſem wohnen.
Weh mir, was iſt das? Kommt!
Ihr ſeid der Herzog Von Oeſterreich — Ihr ſeids! Ihr habt den Kaiſer Erſchlagen, euern Oh’m und Herrn.
Er war Der Raͤuber meines Erbes.
Euern Ohmu 2232Erſchlagen, euern Kaiſer! Und euch traͤgt Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!
Tell, hoͤrt mich, eh ihr —
Von dem Blute triefend Des Vatermordes und des Kaiſermords, Wagſt du zu treten in mein reines Haus, Du wagſts, dein Antliz einem guten Menſchen Zu zeigen und das Gaſtrecht zu begehren?
Bei euch hofft’ ich Barmherzigkeit zu finden, Auch ihr nahmt Rach’ an euerm Feind.
Ungluͤcklicher! Darfſt du der Ehrſucht blutge Schuld vermengen Mit der gerechten Nothwehr eines Vaters? Haſt du der Kinder liebes Haupt vertheidigt? Des Heerdes Heiligthum beſchuͤtzt? das Schrecklichſte, Das Lezte von den deinen abgewehrt? — Zum Himmel heb’ ich meine reinen Haͤnde,233 Verfluche dich und deine That — Geraͤcht Hab ich die heilige Natur, die du Geſchaͤndet — Nichts theil’ ich mit dir — Gemordet Haſt du, ich hab mein theuerſtes vertheidigt.
Ihr ſtoßt mich von euch, troſtlos, in Verzweiflung?
Mich faßt ein Grauſen, da ich mit dir rede. Fort! Wandle deine fuͤrchterliche Straße, Laß rein die Huͤtte, wo die Unſchuld wohnt.
So kann ich, und ſo will ich nicht mehr leben!
Und doch erbarmt mich deiner — Gott des Himmels! So jung, von ſolchem adelichen Stamm, Der Enkel Rudolphs, meines Herrn und Kaiſers, Als Moͤrder fluͤchtig, hier an meiner Schwelle, Des armen Mannes, flehend und verzweifelnd —
O wenn ihr weinen koͤnnt, laßt mein Geſchicku 3234Euch jammern, es iſt fuͤrchterlich — Ich bin Ein Fuͤrſt — ich wars — ich konnte gluͤcklich werden Wenn ich der Wuͤnſche Ungeduld bezwang. Der Neid zernagte mir das Herz — Ich ſah Die Jugend meines Vetters Leopold Gekroͤnt mit Ehre und mit Land belohnt, Und mich, der gleiches Alters mit ihm war, In ſclaviſcher Unmuͤndigkeit gehalten —
Ungluͤcklicher, wohl kannte dich dein Ohm, Da er dir Land und Leute weigerte! Du ſelbſt mit raſcher wilder Wahnſinnsthat Rechtfertigſt furchtbar ſeinen weiſen Schluß. — Wo ſind die blutgen Helfer deines Mords?
Wohin die Rachegeiſter ſie gefuͤhrt, Ich ſah ſie ſeit der Ungluͤcksthat nicht wieder.
Weißt du, daß dich die Acht verfolgt, daß du Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?
Darum vermeid ich alle ofne Straſſen, An keine Huͤtte wag ich anzupochen — Der Wuͤſte kehr’ ich meine Schritte zu, Mein eignes Schreckniß irr ich durch die Berge, Und fahre ſchaudernd vor mir ſelbſt zuruͤck, Zeigt mir ein Bach mein ungluͤckſelig Bild. O wenn ihr Mitleid fuͤhlt und Menſchlichkeit —
Steht auf! Steht auf!
Nicht bis ihr mir die Hand gereicht zur Huͤlfe.
Kann ich euch helfen? Kanns ein Menſch der Suͤnde? Doch ſtehet auf — Was ihr auch graͤßliches Veruͤbt — Ihr ſeid ein Menſch — Ich bin es auch — Vom Tell ſoll keiner ungetroͤſtet ſcheiden — Was ich vermag, das will ich thun.
O Tell! Ihr rettet meine Seele von Verzweiflung.
Laßt meine Hand los — Ihr muͤßt fort. Hier koͤnnt Ihr unentdeckt nicht bleiben, koͤnnt entdeckt Auf Schutz nicht rechnen — Wo gedenkt ihr hin? Wo hofft ihr Ruh zu finden?
Weiß ichs? Ach!
Hoͤrt was mir Gott ins Herz giebt — Ihr muͤßt fort Ins Land Italien, nach Sankt Peters Stadt, Dort werft ihr euch dem Papſt zu Fuͤſſen, beichtet Ihm eure Schuld und loͤſet eure Seele.
Wird er mich nicht dem Raͤcher uͤberliefern?
Was er euch thut, das nehmet an von Gott.
Wie komm’ ich in das unbekannte Land? Ich bin des Wegs nicht kundig, wage nicht Zu Wanderern die Schritte zu geſellen.
Den Weg will ich euch nennen, merket wohl! Ihr ſteigt hinauf, dem Strom der Reuß entgegen, Die wildes Laufes von dem Berge ſtuͤrzt —
Seh ich die Reuß? Sie floß bei meiner That.
Am Abgrund geht der Weg und viele Kreutze Bezeichnen ihn, errichtet zum Gedaͤchtniß Der Wanderer, die die Lawine begraben.
Ich fuͤrchte nicht die Schrecken der Natur, Wenn ich des Herzens wilde Qualen zaͤhme.
Vor jedem Kreutze fallet hin und buͤßet238 Mit heiſſen Reuethraͤnen eure Schuld — Und ſeid ihr gluͤcklich durch die Schreckensſtraße, Sendet der Berg nicht ſeine Windeswehen Auf euch herab von dem beeißten Joch, So kommt ihr auf die Bruͤcke, welche ſtaͤubet. Wenn ſie nicht einbricht unter eurer Schuld, Wenn ihr ſie gluͤcklich hinter euch gelaſſen, So reißt ein ſchwarzes Felſenthor ſich auf, Kein Tag hats noch erhellt — da geht ihr durch, Es fuͤhrt euch in ein heitres Thal der Freude — Doch ſchnellen Schritts muͤßt ihr voruͤber eilen, Ihr duͤrft nicht weilen, wo die Ruhe wohnt.
O Rudolph! Rudolph! Koͤniglicher Ahn! So zieht dein Enkel ein auf deines Reiches Boden!
So immer ſteigend kommt ihr auf die Hoͤhen Des Gotthardts, wo die ewgen Seen ſind, Die von des Himmels Stroͤmen ſelbſt ſich fuͤllen. Dort nehmt ihr Abſchied von der deutſchen Erde,239 Und muntern Laufs fuͤhrt euch ein andrer Strom Ins Land Italien hinab, euch das gelobte —
Ich hoͤre Stimmen. Fort.
Wo biſt du Tell? Der Vater kommt! Es nahn in frohem Zug Die Eidgenoſſen alle —
Wehe mir! Ich darf nicht weilen bei den Gluͤcklichen.
Geh liebes Weib. Erfriſche dieſen Mann, Belad’ ihn reich mit Gaben, denn ſein Weg Iſt weit und keine Herberg’ findet er. Eile! Sie nehn.
Wer iſt es?
Forſche nicht! 240Und wenn er geht, ſo wende deine Augen, Daß ſie nicht ſehen, welchen Weg er wandelt!
Es lebe Tell! der Schuͤtz und der Erretter!
Landleute! Eidgenoſſen! Nehmt mich auf In euern Bund, die erſte Gluͤckliche, Die Schutz gefunden in der Freiheit Land. In eure tapfre Hand leg ich mein Recht, Wollt ihr als eure Buͤrgerin mich ſchuͤtzen?
Das wollen wir mit Gut und Blut.
Wohlan! So reich ich dieſem Juͤngling meine Rechte, Die freie Schweizerin dem freien Mann!
Und frei erklaͤr’ ich alle meine Knechte.
Jn der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung in Tuͤbin - gen iſt erſchienen:
Taſchenbuch fuͤr Damen auf 1805. Mit Ku - pfern heraus gegeben von Huber, Lafon - taine, Pfeffel, Schiller und andern.
Jnhalt.
Erklaͤrung der Kupfer. Der Juͤngling am Bach von Schiller. Abendwehmuth von Matthiſſon. An Haug und ſeine Louiſe von ebendemſ. Der Centaur von Pfeffel. Die Zauberin von ebendemſ. Die gelbe Roſe von ebendemſ. Das Steckenpferd von eben - demſ. Der Wolf und das Lamm von ebendemſ. Ver - geltung, eine Erzaͤhlung von L. F. Huber. Berglied von Schiller. An den Frieden von Matthiſſon. Frage von Haug. Der Dogge und der Bettler von Pfeffel. Die Beſcheidenheit von ebend. Der Schmerz von ebend. Die Ameiſe und die Grille von ebendemſ. Der Cherub von ebend. Die Schwalbe von ebendemſ. Die Erbſchaft von Lafontaine. An die Nachwelt von Pfeffel.
Staatsgeſchichte Europa's vom Tractat von Amiens bis zum Wiederausbruch des Kriegs zwiſchen Frankreich und England von D. E. L. Poſſelt als Taſchenbuch fuͤr 1805. mit 6 Karten und 6 Kupfern. broch. 2 Rthlr. 3 fl. 36 kr.
Jnhalt.
StaatsGeſchichte Europa's vom Tractat von Amiens bis zum Wiederausbruche des Kriegs zwiſchen Frankreich und England. Erſter Abſchnitt. Kurze Ueberſicht der politiſchen Verhandlungen ſeit Bonaparte's Zuruͤkkunft aus Aegypten bis zum allgemeinen Frieden. Zweiter Abſchnitt. Bonaparte, der im Jnnern Frankreichs einige der ſchwerſten Wunden der Revolution zu heilen be - muͤhet iſt, und lebenslaͤngliche Gewalt erhaͤlt. Beila - gen. Frankreich, wie es war, wie es iſt, und wie es allmaͤhlig das wurde, was es iſt. (Mit zwei Karten.) Jtalien, nach ſeinem neueſten Zuſtande, mit Ruͤckſicht auf den vorherigen. (Mit einer Karte, auf welcher zugleich die Feldzuͤge von 1746 bis 1800 abgebildet ſind.) Teutſch - land, nach dem Hauptſchluß der auſſerordentlichen Reichs - deputation vom 25 Febr. 1803. (Mit einer Karte.) Sta - tiſtiſche Bilanz uͤber Verluſt und Gewinn jedes einzelnen Reichstandes, in Folge vorſtehenden Deputationsrezeſſes. Europa in den Jahren l789 und 1804. (Mit zwey ſtati - ſtiſchen Karten.) Lebensbeſchreibungen: (Mit 6 Por - traits.) Alexander. Bonaparte. Carl, Erzherzog. Mo - reau. Nelſon. Pitt.
Zur Empfehlung dieſes Almanachs genügt die Anzeige, daß es die lezte Arbeit Poſſelts iſt, und daß dasjenige, was noch bei - gefügt werden mußte, von einem würdigen Nachfolger deſſelben verfaßt iſt.
Für das Aeußerliche iſt das möglichſte geſchehen. Die 6 Portraits ſtellen die Originalien ſprechend dar, und die 6 Karten ſind eben ſo nützliche als gut ausgeführte Belege zur neueſten Zeitgeſchichte. Die groſſen Koſten, welche dieſes Taſchenbuch erfor - derte, kann nur ein beträchtlicher Abſaz erſezen, und dieſen darf man ſich gewiß von einem Werk verſprechen, bei dem ſich alles vereinigt, was es dem gebildeten Publikum angenehm machen kann.
Es war ein glüklicher Gedanke des berühmten Hrn. Capellmei - ſter Reicharts, mehrere der angenehmſten Lieder unſrer vorzüg - lichſten Dichter in eine theatraliſche Vorſtellung zu verbinden, und ſie mit Melodien von ſeiner Compoſition zu begleiten.
Lied und Treue, Juchhei, und Kunſt und Liebe ſind in dieſer Sammlung enthalten, und dörfen auf den ungetheilteſten Beifall Anſpruch machen.
Die Muſik iſt aus der vortreflichen neuen Notendrukerei der Hrn. Reinhardt und Compagnie in Strasburg, und übertrifft jede Erwartung.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Fraktur
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