PRIMS Full-text transcription (HTML)
Werner Siemens
Gesammelte Abhandlungen und Vorträge.
[I][II]

Verlag von Julius Springer in Berlin.

[III]
Gesammelte Abhandlungen und Vorträge
Mit in den Text gedruckten Holzschnitten, 6 Tafeln und dem Portrait des Verfassers.
[figure]
BERLIN.Verlag von Julius Springer.1881.
[IV][V]

Vorbemerkung.

Im Laufe der letzten Jahre sind an die Verlagshandlung wiederholt Aufforderungen gelangt, bald diese, bald jene der Abhandlungen Werner Siemens zu besorgen, welche seit Mitte der vierziger Jahre, dem Beginn seiner Wirksamkeit, bis in die neueste Zeit in den verschiedensten wissenschaftlichen und tech - nischen Zeitschriften erschienen sind. Nur in seltenen Fällen war es möglich, diesen Wünschen zu entsprechen.

Bei der vielfach grundlegenden Bedeutung der Arbeiten Werner Siemens glaubte die Unterzeichnete den interessirten Kreisen einen Dienst zu erweisen, wenn sie an den Herrn Verfasser das Ersuchen richtete, die Herausgabe seiner in Betracht kom - menden Abhandlungen und Vorträge zu genehmigen und bei Aus - wahl und Durchsicht derselben behülflich zu sein.

Der Verfasser hat seine Zustimmung und seine Mithülfe nicht versagt.

Die Verlagshandlung.

[VI][VII]

Inhaltsverzeichniss.

  • Seite
  • Ueber die Anwendung der erhitzten Luft als Triebkraft1
  • Beschreibung des Differenzial-Regulators von Wr. u. Wilh. Siemens9
  • Anwendung des elektrischen Funkens zur Geschwindigkeitsmessung23
  • Ueber telegraphische Leitungen und Apparate33
  • Mémoire sur la télégraphie électrique51
  • Kurze Darstellung der an den preussischen Telegraphenlinien mit unterirdischen Leitungen gemachten Erfahrungen89
  • Ueber die Beförderung gleichzeitiger Depeschen durch einen tele - graphischen Leiter113
  • Beantwortung der Bemerkungen von Edlund über die Beförderung gleichzeitiger Depeschen131
  • Berichtigung der Schlussworte des H. Edlund: Ueber das telegraphische Gegensprechen137
  • Ueber eine neue Construction magnet-elektrischer Maschinen141
  • Ueber die elektrostatische Induction und die Verzögerung des Stromes in Flaschendrähten145
  • Der Inductions-Schreibtelegraph von Siemens & Halske201
  • Constante galvanische Batterie (mit J. G. Halske) 205
  • Beschreibung eines neuen magnet-elektrischen Zeiger-Telegraphen209
  • Abriss der Principien und des praktischen Verfahrens bei Prüfung submariner Telegraphenleitungen auf ihren Leitungszustand215
  • Beschreibung ungewöhnlich starker elektrischer Erscheinungen an der Cheops-Pyramide bei Cairo225
  • Vorschlag eines reproducirbaren Widerstandsmasses229
  • Ueber Widerstandsmasse und die Abhängigkeit des Leitungswider - standes der Metalle von der Wärme249
  • Widerstandsetalon (mit J. G. Halske) 263
  • Ueber die Erwärmung der Glaswand der Leydener Flasche durch die Ladung265
  • Zur Frage der Widerstandseinheit267
  • VIII
  • Seite
  • Untersuchungen über das Bewegungsgesetz der Gase in Röhren (in einem Aufsatze: Ueber die pneumatische Depeschen-Beförderung in Berlin) 283
  • Beobachtungen der Meerestemperatur bei Tiefenmessungen293
  • Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne Anwendung permanenter Magnete297
  • Universal-Galvanometer301
  • Directe Messung des Widerstandes galvanischer Ketten313
  • Capillar-Galvanoskop zu Widerstands-Messungen an submarinen Kabeln321
  • Antrittsrede325
  • Beiträge zur Theorie der Legung und Untersuchung submariner Tele - graphenleitungen333
  • Ueber den Einfluss der Beleuchtung auf die Leitungsfähigkeit des krystallinischen Selens363
  • Messung der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Elektricität in suspen - dirten Drähten365
  • Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit des Selens von Wärme und Licht (1. Vortrag) 377
  • Dgl. (2. Vortrag) 399
  • Ueber Telephonie425
  • Physikalisch-mechanische Betrachtungen, veranlasst durch eine Beob - achtung der Thätigkeit des Vesuv’s443
  • Die Elektricität im Dienste des Lebens469
  • Ueber elektrische Eisenbahnen487
  • Ueber die dynamo-elektrische Maschine und deren Verwendung zum Betriebe der elektrischen Eisenbahnen491
  • Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit der Kohle von der Temperatur511
  • Ueber elektro-technische Hülfsmittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken525
  • Maschinen zur Trennung magnetischer und unmagnetischer Erze537
  • Der elektrische Aufzug543
  • Die dynamo-elektrische Maschine547
  • Beiträge zur Theorie des Elektromagnetismus561
[1]

Ueber die Anwendung der erhitzten Luft als Triebkraft.

(Dingler’s polyt. Journal Bd. 97 S. 324.)

1845.

In England erregt jetzt eine Maschine, die durch erhitzte Luft betrieben wird und seit einiger Zeit mit dem grössten Erfolg in Dundee in Thätigkeit ist, viel Aufsehen. Da dieselbe viel ein - facher ist als eine Dampfmaschine, einen weit kleineren Raum ein - nimmt und nur eine verhältnissmässig sehr unbedeutende Menge Brennmaterial verbraucht, so verdient sie mit Recht die grösste und allgemeinste Berücksichtigung.

Der Gedanke, die grosse Kraft, mit der eingeschlossene Luft bei ihrer Erwärmung sich auszudehnen strebt, als Triebkraft zu benutzen, ist nicht neu. Die Aufmerksamkeit der Techniker musste auch um so mehr dadurch auf sie gelenkt werden, dass der theo - retische Nutzeffect einer bestimmten Wärmemenge, zur Erhitzung der Luft verwandt, fast dreimal so gross ist, als wenn sie zur Erzeugung von Wasserdämpfen diente. Dass die Aussicht auf eine so bedeutende Ersparung an Brennmaterial bisher dennoch keine brauchbare, durch erhitzte Luft bewegte Maschine hervor - zurufen vermochte, mag wohl seinen Grund hauptsächlich in den Schwierigkeiten finden, die mit der hierbei erforderlichen schnellen Erwärmung und Wiederabkühlung einer beträchtlichen Luftmenge verknüpft schienen.

Ueber die Art, wie dies bei der obenerwähnten Maschine geschieht, und wie die Maschine durch eine solche Temperatur - veränderung der Luft bewegt wird, habe ich eine kurze briefliche12Mittheilung aus England erhalten. Da mir indess leider alle An - gaben über die specielle Construction der Maschine fehlen, so kann die Zeichnung Fig. 1 auch keineswegs als eine Abbildung derselben angesehen werden. Sie soll nur als Anhalt dienen, um das ihr zum Grund liegende Princip möglichst anschaulich machen zu können.

Fig. 1.

Im Wesentlichen besteht die Maschine aus drei geschlossenen, oben mit Stopfbüchsen versehenen Cylindern A, A' und B. Die in den Cylindern A und A' eingeschlossene und beliebig, aber in3 beiden gleichmässig comprimirte Luft wird abwechselnd erwärmt und wieder abgekühlt. Dadurch wird ihre Spannkraft in ent - sprechendem Maasse vermehrt und vermindert und mit dem Druck, der aus der Differenz der gleichzeitig in beiden Cylindern obwaltenden Spannungen sich ergibt, der Kolben im Cylinder B bewegt.

Im Innern eines jeden der beiden Cylinder A und A' be - findet sich ein zweiter kleinerer Cylinder a, a', in welchem sich ein Kolben c, c 'auf und nieder bewegt. Dadurch entstehen also Doppelcylinder, zwischen deren Wänden sich ein freier Raum befindet. Im oberen und unteren Boden der inneren Cylinder sind Oeffnungen angebracht, vermittelst welcher die in ihnen eingeschlossene Luft mit der zwischen den Wänden der Doppel - cylinder befindlichen frei communiciren kann. Wird nun der Kolben c niederbewegt, so muss die unter ihm befindliche Luft aus der Oeffnung d entweichen, zwischen den Wänden beider Cy - linder hinaufsteigen und durch die obere Oeffnung in den inneren Cylinder zurückkehren, um den leerwerdenden Raum über dem Kolben einzunehmen. Bewegt sich der Kolben dagegen wieder aufwärts, so muss sie denselben Weg in umgekehrter Richtung durchlaufen, um wieder unter jenen zu gelangen. Der Raum zwischen den Wänden beider Cylinder, durch den also die ge - sammte im inneren Cylinder enthaltene Luftmenge bei jedem Kolbenhube hindurchströmen muss, ist grösstentheils durch ein System von guten Wärmeleitern e ausgefüllt, durch welches sie gezwungen wird, auf ihrem Weg mit einer grossen wärmeleitenden Fläche in Berührung zu treten. Hierzu würden sich wohl am besten dünne, in concentrischen Lagen mit geringem Abstand von einander den Raum zwischen beiden Cylindern ausfüllende Kupferbleche eignen. Der Boden der beiden äusseren Cylinder A und A' wird durch eine Feuerung erhitzt, die Decke derselben dagegen durch einen darüber angebrachten Wasserbehälter f ab - gekühlt. Von diesem geht ein Schlangenrohr g aus, welches den oberen Theil des Zwischenraumes zwischen beiden Cylindern in engen Windungen ausfüllt und stets von kaltem Wasser durch - flossen wird.

Wird nun der Kolben c niederbewegt, so erhitzt sich die Luft beim Hinwegstreichen über dem heissen Boden. Sie muss1*4aber diese Wärme an die Metallbleche abgeben, zwischen denen sie in sehr dünnen Schichten hindurchzugehen genöthigt ist. Der geringe Ueberrest derselben, den sie noch behalten hat, wenn sie hindurch ist, wird ihr durch das Schlangenrohr und die kalte Decke entzogen. Sie gelangt also vollkommen abgekühlt in den inneren Cylinder. Wird der Kolben nun wieder aufwärts bewegt, so muss sie von Neuem zwischen den vorhin erwärmten Metall - blechen, aber in umgekehrter Richtung, hindurchgehen. Sie trifft dabei während ihres Laufs auf immer wärmere Schichten und gelangt, durch die nahe Berührung mit denselben schon ziemlich erwärmt, über dem erhitzten Boden an, von dem sie einen aber - maligen Zuschuss an Wärme erhält. Durch mehrmaliges Auf - und Niederbewegen des Kolbens c wird nun bald ein constantes Temperaturverhältniss der Bleche und der über und unter jenem befindlichen Luft herbeigeführt werden. Die heisse Luft gibt dann bei ihrem Hinaufsteigen gerade so viel Wärme an die Bleche ab, wie sie bei dem darauf folgenden Hinabgehen wieder von denselben aufnimmt. Durch die Feuerung ist also keines - wegs die gesammte zur jedesmaligen Erwärmung der abgekühlten Luft erforderliche Wärmemenge herzugeben, sondern nur der kleine Theil derselben, der durch das Röhrensystem verschluckt und durch Leitung etc. verloren gegangen ist.

Von der Decke der beiden Cylinder A und A' gehen zwei Röhren k und k 'nach dem oberen und unteren Ende des Cylin - ders B. Der in diesem befindliche Kolben i muss daher durch die Spannkraft der in A eingeschlossenen Luft in die Höhe, durch die der im Cylinder A' befindlichen niedergedrückt werden. Ge - setzt nun der Kolben c wäre an dem höchsten, der Kolben c' dagegen am tiefsten Punkt seines Laufs angekommen und die Erhitzung der Luft im Cylinder a betrüge ungefähr 230 °C., so würde ihre Spannkraft dadurch verdoppelt sein. Waren also z. B. die Cylinder mit Luft von sechsfacher Dichtigkeit gefüllt, so würde jetzt die in A enthaltene den Kolben i mit zwölf Atmo - sphären in die Höhe, die in A' enthaltene ihn dagegen mit sechs Atmosphären niederdrücken. Er würde also mit einer dem Druck von sechs Atmosphären entsprechenden Kraft aufwärts bewegt. Wird nun die Auf - und Niederbewegung der Kolben c und c 'so durch die Maschine selbst bewerkstelligt, dass c und c' ihren5 Hub vollendet haben, wenn i seinen halben Lauf zurückgelegt hat, so wird die den letzteren bewegende Kraft stets ihr Maxi - mum erreicht haben, wenn seine Bewegung am schnellsten ist. Hat er hingegen seinen Wendepunkt erreicht, so sind c und c 'in der Mitte ihres Laufs angekommen. Die in den Cylindern A und A' enthaltene Luft ist dann halb erwärmt und halb abge - kühlt, und ihre Spannkraft daher in beiden gleich. Der Kolben i kann demzufolge mit Hülfe des Schwungrads seinen todten Punkt überwinden, ohne dass eine einseitig auf ihn wirkende Kraft ihn daran hindert. Da aber mit dem Beginn seiner Bewegung in entgegengesetzter Richtung durch die gleichzeitige Fortbewegung der Kolben c und c' auch die Triebkraft wieder entsteht und in sehr raschem Verhältniss zunimmt, so ist der Fortgang der Maschine gesichert, ohne dass es nöthig wäre, durch Ventile oder Schieber die Einströmung der Luft in den Triebcylinder zu re - guliren.

Da in den oberen Theil der Cylinder A und A' und mit - hin auch in den Triebcylinder B nur immer kalte Luft gelangen kann, so muss auch die Dichtung der Stopfbüchsen und des Kolbens i sehr vollkommen, selbst bei noch höheren Spannungen wie hier angenommen ist, hergestellt werden können. Dazu kommt noch, dass sich erfahrungsmässig gegen Luft weit besser dichten lässt als gegen Dampf. Für die Kolben c und c 'würde ein voll - kommen luftdichter Gang, der hohen Temperatur der unter ihnen befindlichen Luft wegen, weit schwieriger herzustellen sein. Für diese ist aber ein solcher gar nicht erforderlich, da der Unter - schied in der Spannung der über und unter ihnen befindlichen Luft nur immer sehr gering, nämlich dem Widerstand entsprechend sein kann, der durch das Hindurchtreiben derselben durch die zwischen den Blechen und Röhren befindlichen Zwischenräume hervorgerufen wird. Diese Kolben müssten indess hohl und mit schlechten Wärmeleitern ausgefüllt sein, damit sie der über ihnen befindlichen kalten Luft nicht durch Leitung eine beträchtliche Wärmemenge zuführen können. Die dennoch durch die Stopf - büchsen entweichende Luft kann leicht durch stetes Nachpumpen ersetzt werden.

Es würde theoretisch richtiger sein, den Cylinder B stets mit heisser Luft zu füllen; doch wird der obenerwähnte, mit der6 Anwendung der kalten Luft verbundene Vortheil der besseren Dichtung gewiss unter allen Umständen wichtiger sein, als der daraus hervorgehende Nachtheil der unnöthigen Vergrösserung der Cylinder A und A' und der durch diese herbeigeführten ge - ringen Vermehrung des zur Erzielung derselben Triebkraft er - forderlichen Brennmaterials. Dass der Verbrauch des letzteren aber bei dieser Maschine nur sehr gering sein kann im Vergleich mit dem zur Heizung einer Dampfmaschine von gleicher Kraft erforderlichen, wird aus dem bisher Gesagten schon hinlänglich klar geworden sein. Die obenerwähnte Maschine in Dundee be - stätigt dies auch vollkommen. Sie arbeitet mit 26 Pferdekräften und macht 30 Umgänge in der Minute. Dabei verbraucht sie 5 Pfd. Kohlen, während die früher dort aufgestellte, gleich starke Dampfmaschine 26 Pfd. consumirt. Da indess die Wärme der dort auf 300 °C. erhitzten Luft so vollständig durch das System der Wärmeleiter absorbirt wird, dass sie nur noch um wärmer sein soll als das Kühlwasser, wenn sie bis zu den mit diesem angefüllten Röhren gelangt ist, und da also die Feuerung die Luft auch dem Anschein nach nur um dieselbe geringe Anzahl von Graden zu erwärmen brauchte, so ist dieser Verbrauch an Brennmaterial immer noch unverhältnissmässig gross. Dies hat aber seinen Grund in der bei der Construction der Maschine wahrscheinlich nicht berücksichtigten Eigenschaft der Luft, sich bei ihrer Verdichtung zu erhitzen. Wenn nämlich die in a be - findliche erhitzte Luft den Kolben im Cylinder B hinauftreibt, so muss sie diesen ausfüllen. Dadurch wird ihre Dichtigkeit aber vermindert und demzufolge auch ihre Temperatur. Die hie - durch gebundene Wärme kann von den Blechen nicht absorbirt werden; sie gelangt daher mit der abgekühlten Luft in den Cy - linder a zurück und wird hier dadurch wieder frei, dass durch die Niederbewegung des Kolbens i das frühere Dichtigkeitsver - hältniss wieder hergestellt wird. Die hierdurch schon beträcht - lich erwärmte Luft muss aber erst zwischen den Windungen des Schlangenrohrs hindurchgehen, ehe sie durch die Metallbleche von Neuem erhitzt werden kann. Die gesammte freigewordene Wärmemenge wird daher von dem kalten Wasser verschluckt und muss also durch die Feuerung ersetzt werden. Dieser be - trächtliche Wärmeverlust liesse sich aber grösstentheils sehr leicht7 dadurch vermeiden, dass man den Weg der Luft durch Ventile so regulirte, dass sie nur einmal, nämlich bei ihrem Hinaufsteigen, durch das Röhrensystem hindurchzugehen brauchte, bei ihrer Rück - kehr hingegen dasselbe umginge, und sogleich, also in schon er - wärmtem Zustand, die Bleche passiren müsste. Hierdurch bliebe der grösste Theil der wieder freigewordenen Wärme in Thätig - keit und der Brennmaterialverbrauch liesse sich demzufolge noch bedeutend vermindern.

Gänzlich lässt sich dieser Wärmeverlust aber hierdurch doch nicht beseitigen, da durch die höhere Temperatur der nun direct zu den Blechen geführten Luft dieser die Fähigkeit genommen ist, die oberen Theile der Bleche vollständig abzukühlen. Sie kann daher auch ihrerseits beim Zurückgehen nicht vollständig wieder von denselben abgekühlt werden, und muss den Temperaturüber - schuss, der ihr dadurch verbleibt, jetzt an die Röhren abgeben. Ferner muss die durch Leitung fortwährend in den Blechen und Cylinderwänden in die Höhe geführte Wärme von dem Kühlwasser fortwährend absorbirt und daher durch die Feuerung ersetzt werden. Wenn diese nothwendig zu ersetzende Wärmemenge auch in Ver - gleich zu derjenigen, welche eine Dampfmaschine erfordert, nur sehr unbedeutend zu nennen ist, so ist sie doch gross genug, um den Gedanken zurückzudrängen, sie durch die Maschinenkraft selbst, z. B. durch Reibung oder stetes Hineinpumpen von Luft in die unteren und Entweichenlassen derselben aus den oberen Theilen der Cylinder A und A' ersetzen zu können.

Anstatt der atmosphärischen Luft könnte man auch jede andere Gasart zum Betrieb der Maschine anwenden. Man würde dadurch noch den bedeutenden Vortheil erzielen können, die Oxydation der unteren erhitzten Theile der Cylinder A und A', im Inneren wenig - stens, gänzlich zu verhindern. Dies wäre z. B. dadurch schon ohne grosse Schwierigkeiten zu erreichen, dass man die zur ersten Füllung und zum späteren Nachpumpen bestimmte Luft aus der - jenigen schöpfte, welcher bereits durch das Brennmaterial der grösste Theil ihres Sauerstoffs entzogen ist und dieselbe noch, um sie gänzlich davon zu befreien, durch glühende Eisenbleche strömen liesse.

Dass sich bei der Ausführung einer solchen Maschine noch Schwierigkeiten aller Art einfinden werden, ist, wie bei jeder8 neuen Sache, so auch hier vorauszusehen. Auch an Widersachern aller Art wird es nicht fehlen! Mögen aber die zu besiegenden Schwierigkeiten auch Anfangs noch so gross erscheinen, die mit so reichen Hülfsmitteln begabte Technik unserer Tage hat deren schon grössere zu überwinden gewusst! Die theoretische Grund - lage der Maschine liegt zu klar vor Augen, als dass sich be - gründete Zweifel gegen ihre Richtigkeit erheben könnten, und durch die Erfahrung ist bereits glänzend erwiesen, dass kein ver - steckter Fehler in der Rechnung vorhanden sein kann, der den aus ihr gefolgerten Effect vernichten könnte. Wenn man aber bedenkt, welch ungemeinen Aufschwung Industrie und Verkehr durch eine so bedeutende Verminderung des Preises der Arbeits - kraft, wie sie hier in Aussicht steht, nehmen müssten, und welcher Gewinn der gesammten Menschheit aus einer jedenfalls sehr be - trächtlichen Verminderung des Verbrauchs an Brennmaterial er - wachsen würde, so wird man nicht umhin können, diese Erfindung für eine der bedeutsamsten unserer Zeit zu erklären, und in den Wunsch mit einzustimmen, dass man dieselbe bald, besonders aber in Deutschland, wo ihre Benutzung durch kein Privilegium beschränkt ist, mit aller Kraft ergreifen und ins Leben führen möge, um so wohlbegründete Aussichten auf einen neuen gross - artigen Fortschritt baldmöglichst zu verwirklichen!

[9]

Beschreibung des Differenzialregulators von W. und Wilh. Siemens.

(Dingler’s polyt. Journal Bd. 98 S. 81.)

1845.

Das Bedürfniss eines Regulators, der den Gang der Dampf - maschinen und Wasserwerke vollkommener zu regeln vermag, als es bisher möglich war, hat sich schon seit längerer Zeit fühlbar gemacht, wie die zahlreichen bekannt gewordenen Versuche, den bisher fast ausschliesslich angewendeten Centrifugal-Regulator zu verbessern oder die Regulirung auf andere Weise zu bewerk - stelligen, beweisen. Die Praxis hat sich indess bisher für die Beibehaltung des Centrifugal-Regulators entschieden, da er die neueren Constructionen sowohl an Empfindlichkeit, wie auch grösstentheils an Einfachheit und Solidität übertrifft. Da unser auf ein neues Princip begründeter Regulator sich bereits mehr - fach und mit überaus günstigem Erfolge bewährt hat, so stehen wir nicht länger an, ihn der Oeffentlichkeit zu übergeben.

Wir benutzen ebenfalls das conische oder Centrifugal-Pendel zur Regulirung, doch in ganz anderer Weise, als es beim Centri - fugal-Regulator geschieht. Bei diesem ist das Doppelpendel in seiner Drehung durchaus vom Gange der Maschine abhängig. Nimmt diese einen veränderten Gang an und wird demzufolge auch der Regulator schneller oder langsamer gedreht, so nehmen die Pendel eine dieser veränderten Drehungsgeschwindigkeit ent - sprechende, grössere oder geringere Schwunghöhe ein, und wirken durch diese veränderte Stellung moderirend auf den Gang der Maschine ein. Unser einfaches oder doppeltes conisches Pendel10 bewegt sich dagegen frei und ganz unabhängig vom Gange der Maschine in kleineren und daher mehr isochronischen Um - drehungen.

Wird also durch irgend eine Ursache das bisherige normale Verhältniss zwischen Triebkraft und Belastung der Maschine ge - ändert und beginnt dieselbe demgemäss einen schnelleren oder langsameren Gang, so muss das freischwingende Pendel, welches seinen früheren Gang beibehält, entweder zurückbleiben oder vor - eilen. Von dieser eintretenden Verschiedenheit der von Maschine und Regulator in gleichen Zeiten zurückgelegten Wege, oder vielmehr von dem Unterschiede beider, ist bei unserem Regulator die Regulirung des Ganges der ersteren abhängig gemacht. Wir glauben ihn daher füglich Differenz-Regulator, zur Unterscheidung von dem durch die Centrifugalkraft wirkenden Centrifugal-Re - gulator, nennen zu können. Unsere auf das oben erwähnte allge - meine Princip sich gründenden Regulator-Constructionen sind jedoch wesentlich verschiedene in den mechanischen Mitteln, durch welche diese Differenz der in gleichen Zeiten von Maschine und Regulator zurückgelegten Wege in eine selbstständige Be - wegung übertragen und hierdurch zur Regulirung der Triebkraft anwendbar gemacht wird. Um dies zu erreichen, muss die Drehungsgeschwindigkeit der Maschine mit der des Regulators in eine derartige mechanische Combination gebracht werden, dass die gleichen Geschwindigkeiten beider sich hinsichtlich der Er - zeugung einer dritten Bewegung vollständig aufheben und die letztere, wenn sie eintritt, nur abhängig von der Bewegungs - differenz der ersteren ist.

Wir erzielen dies im Allgemeinen auf drei verschiedene Weisen und zwar:

  • 1. durch eine Combination von Schraube und Mutter,
  • 2. durch Verbindung eines Zahnrades mit einer in ihren Lagern verschiebbaren sogenannten Schraube ohne Ende und
  • 3. durch drei mit einander im Eingriff stehende Räder.
11

1. Durch Combination von Schraube und Mutter.

Fig. 2.

Die Maschine dreht eine Schraube a (Fig. 2), die sich in ihren Lagern beliebig verschieben lässt. Durch den Regulator wird die zugehörige Mutter b in gleichem Sinne und mit un - veränderlicher Geschwindigkeit gedreht. Wenn der Gang der Maschine mit dem des Regulators vollkommen übereinstimmt, werden Schraube und Mutter in gleichen Zeiten gleich oft um - gedreht. Eine Verschiebung der Schraube in ihren Lagern kann daher auch nicht stattfinden. Dieselbe wird aber sogleich ein - treten, wenn die Maschine einen veränderten Gang beginnt und in Folge dessen eine Drehung der Schraube in der Mutter in dem einen oder anderen Sinne stattfindet und so lange fortdauern, bis durch die von der Verschiebung der Schraubenwelle abhängig gemachte Vermehrung oder Verminderung der Triebkraft die Verschiedenheit des Ganges der Maschine wieder vollständig be - seitigt ist. Da jetzt Schraube und Mutter wieder gleichmässig gedreht werden, so bleiben sie in der Stellung zu einander, die sie in dem Augenblicke inne hatten, wo dies eintrat und zwar so lange, bis eine neue Störung im Gange der Maschine eintritt.

Um die bedeutende Reibung, die sich der Drehung der Schraube in der Mutter widersetzt, und gleichzeitig einen beson - deren Mechanismus zu vermeiden, der erforderlich wäre, um das Pendel in Bewegung zu erhalten, ersetzen wir die Mutter durch eine schraubenförmig gewundene Doppelbahn, und die Schraube durch eine senkrechte, in der Mitte der ersteren befindliche Welle mit horizontalen Armen, an denen zwei Frictionsräder sitzen, welche auf den erwähnten spiralförmig gewundenen Bahnen auf und nieder rollen. In Fig. 3 ist ein solcher Regulator dargestellt.

Durch die conischen Räder a und b werden mittelst einer Hülse die beiden Spiralen c und c 'gedreht. Dies geschieht durch die Maschine entweder vermittelst einer Schnurscheibe e oder einer Radverbindung. Auf den beiden Spiralen laufen die12 beiden Frictionsräder f, die an den Enden der gemeinsamen Welle g sitzen. Diese ist mit dem der Länge nach durchbohrten Cylinder h verbunden, welcher sich also hebt oder senkt, wenn

Fig. 3.

die Frictionsräder hinauf - oder herabrollen. Im Inneren des Hohlcylinders befindet sich die durch das Pendelgedrehte Welle i. Dieselbe ist mit zwei Zapfen k versehen, die in zwei gegenüber - stehende Nuthen im Inneren des Hohlcylinders eingreifen. Durch kleine Frictionsrollen, mit denen diese Zapfen versehen sind, wird die der Auf - und Niederbewe - gung des Hohlcylinders sich widersetzende Reibung möglichst vermindert. Hierdurch ist der Hohlcylinder in seiner Drehung abhängig von der Welle i und mithin vom Pendel geworden. Die Verbindung der beiden letz - teren ist dadurch hergestellt, dass das conische, in einem Kugelgelenk l aufgehängte Pen - del m über den Aufhängepunkt hinaus verlängert ist. Die Spitze dieser Verlängerung n der Pen - delstange beschreibt daher einen Kreis, wenn das Pendel in Be - wegung ist. Sie greift in eine kreisförmig nach unten ge - krümmte Nuth des am unteren Ende der Welle i befestigten Metallstückes o. Die Welle i ist dadurch in ihrer Drehung von der des Pendels abhängig ge - worden, ohne dass diesem die Freiheit genommen ist, in grösseren oder kleineren Kreisen zu schwingen.

13

Die Wechselwirkung des gesammten Mechanismus wird nun leicht verständlich sein. Durch das Gewicht des Hohlcylinders h werden die Frictionsräder niedergedrückt und erhalten dadurch das Bestreben, die Bahnen hinabzurollen. Da dies aber nur in dem Masse geschehen kann, wie das Pendel sich dreht, so er - hält diese gleichmässige, nöthigenfalls durch Gewichte p zu ver - stärkende Kraft dasselbe in gleichmässiger Schwingung. Wenn die Maschine still stände und das Pendel allein in Bewegung gesetzt würde, so würden die Frictionsräder die ganze Länge der Spiralen hinabgerollt sein, wenn das Pendel Umdrehungen gemacht hätte. Träte nun plötzlich das umgekehrte Verhältniss ein, d. h. stände das Pendel still und ginge die Maschine mit der normalen Geschwindigkeit, so würden die Frictionsräder in derselben Zeit wieder hinaufrollen. Bewegen sich daher Maschine und Pendel gleichzeitig und in demselben Verhältnisse, so werden die Räder durch die erstere gerade um so viel gehoben, wie ihnen das letztere in demselben Zeitabschnitt zu fallen gestattet. Sie müssen daher da stehen bleiben, wo sie sich gerade befanden, als die Bewegung beider gleichförmig wurde. Begönne indess die Maschine z. B. jetzt aus irgend einer Ursache einen schnelleren Gang, so würden auch die Spiralen in demselben Verhältniss schneller gedreht. Die Frictionsräder mussten daher eine auf - steigende Bewegung beginnen. Wird nun durch die hiermit ver - bundene Aufwärtsbewegung des Hohlcylinders h die Triebkraft vermindert, z. B. die Dampfklappe geschlossen, so dauert diese Bewegung so lange fort, bis das Gleichgewicht zwischen Trieb - kraft und Belastung wieder vollkommen hergestellt ist und die Maschine wieder den normalen Gang angenommen hat.

Damit beim Anlassen der Maschine und bei ausserordent - lichen Störungen im Gange derselben keine gewaltsame Ein - wirkung auf das Pendel stattfinden kann, wenn die Frictionsräder am oberen oder unteren Ende ihrer Bahn angekommen sind, so ist die Einrichtung getroffen, dass die an den Zapfen der Welle i sitzenden Frictionsrollen dann aus den Nuthen im Inneren des Hohlcylinders heraustreten. Dadurch wird die Verbindung zwischen diesem und der Welle i gelöst und beide können sich nun unabhängig von einander umdrehen. Ist die abnorme Be - wegungsgeschwindigkeit der Maschine durch die mit dieser14 Stellung der Frictionsräder verbundene gänzliche Schliessung oder Oeffnung der Dampfklappe beseitigt, so treten die Frictions - rollen in das nächste Paar der im Hohlcylinder befindlichen Nuthen zurück. Dies wird durch das eigene Gewicht des letzteren bewirkt, wenn er seinen höchsten, durch eine Feder q dagegen, wenn er seinen tiefsten Standpunkt einnahm. Damit man nicht nöthig hat, das Pendel beim Anlassen der Maschine mit der Hand in Schwingung zu bringen, ist die Nuth im Metallstück o nur so lang gemacht, dass das Pendel, wenn es in Ruhe ist, noch um einige Grade von der Normale abweicht. Die Schwunghöhe des Pendels lässt sich durch die Gewichte p beliebig feststellen, da mit ihr auch der Reibungs - und Luftwiderstand wächst, die das Pendel bewegende Kraft aber ungeändert bleibt. Die Schwung - höhe muss daher auch immer auf ihr normales Maass zurück - kehren, wenn sie dadurch etwas vermehrt oder vermindert ist, dass vom Regulator eine vorübergehende Kraftäusserung gefordert wurde.

2. Durch Verbindung von Zahnrad und Schraube ohne Ende.

Die in ihren Lagern c und d verschiebbare Schraube a wird mittelst einer Schnur oder Radverbindung durch die Maschine gedreht. Sie greift in das kleine Zahnrad b, welches vom Pendel gedreht wird. Das letztere kann entweder ein einfaches Pendel, wie in Fig. 3, oder ein doppeltes, wie hier angenommen ist, sein. Bei normalem Gange der Maschine muss die Schraube so schnell gedreht werden, dass sie das Rad b, wenn es lose wäre, in der - selben Zeit einmal umdrehen würde, in welcher das Pendel einen Umschwung macht. Sie wird sich dann, wenn b mit dem Pendel verbunden ist, eben so schnell an dem Rade nach c hinschrauben, als dasselbe sie nach d hinschieben würde, wenn sie sich nicht drehte. Sie muss daher bei diesem normalen Gange der Maschine ihre Stellung unverändert beibehalten. Ein Gewicht e sucht sie stets nach d hinzuschieben. Denn widersetzt sich der Eingriff in die Zähne des Rades b, durch welches diese Kraft auf das Pendel übertragen und dieses dadurch in Bewegung erhalten wird, ändert die Maschine ihren normalen Gang und wird die Schraube mithin schneller oder langsamer gedreht, so muss sie sich so15 lange in dem einen oder anderen Sinne fortschieben, bis durch die dadurch veränderte Stellung der Dampfklappe p p jede Be - wegungsverschiedenheit wieder aufgehoben und der Gang der Maschine also wieder vollständig regulirt ist.

Fig. 4.

Da bei einem Doppelpendel keine merkbar grössere Kraft erforderlich ist, um es in grösseren Schwingungen zu erhalten, so ist, um die Grösse derselben möglichst constant zu machen, eine Vorrichtung erforderlich, durch welche ein mit der Schwung - höhe wachsender Widerstand gegen die Drehung erzeugt wird. Dies wird hier dadurch erreicht, dass der vom Pendel gedrehte,16 mit Leder bekleidete Kegel f durch eine mit der Schwunghöhe wachsende Kraft in den feststehenden Hohlkegel g gedrückt wird. Der erstere ist auf der Pendelwelle verschiebbar und sein Druck gegen den Hohlkegel und mithin auch der Reibungswiderstand von der Zusammendrückung der Feder i durch das Metallstück k abhängig. Der Reibungswiderstand wächst daher mit der Schwunghöhe.

3. Durch drei mit einander im Eingriff stehende Räder.

Wird ein Rad durch die Maschine, ein anderes durch den Regulator im entgegengesetzten Sinne und mit derselben Peri - pheriegeschwindigkeit gedreht, so wird ein drittes, mit beiden im Eingriff stehendes, von ihnen gleichmässig um seine Axse gedreht, ohne dass ihm ein Bestreben ertheilt wird, im Sinne der Bewegung des einen der Räder sich fortzuschieben. So wie aber eine Bewegungsverschiedenheit eintritt, muss auch das Verbindungsrad seine Stelle verlassen und im Sinne der Be - wegung des schneller gedrehten Rades mit fortrollen. Dies lässt sich erreichen:

A. Durch Stirnräder.

Fig. 5.

Auf der Hauptwelle der Maschine oder einer anderen durch sie gedrehten Welle a (Fig. 5) ist das Zahnrad b befestigt. Das lose auf derselben Welle sitzende, nach Innen gezahnte17 Rad c wird vom Regulator gedreht. Im Eingriff mit beiden ist das Getriebe d, dessen Axe mit der ebenfalls lose auf der Welle sitzenden Hülse e in Verbindung gesetzt ist. Diese Hülse ist mit dem Hebel f versehen, durch den die Dampfklappe etc. etc. bewegt wird. Wenn nun die Räder b und c mit gleicher Peri - pheriegeschwindigkeit im entgegengesetzten Sinne gedreht werden, so muss das Getriebe und mit ihm die Hülse und der Hebel f seine Stellung unverändert beibehalten. Aendert sich aber der Gang der Maschine, so muss auch das Getriebe im Sinne des schneller bewegten Rades mit fortrollen. Dadurch wird die Hülse e so lange gedreht, bis durch die hiermit verbundene Be - wegung des Hebels f das gestörte Gleichgewicht zwischen Trieb - kraft und Belastung wieder vollkommen hergestellt ist. Das Ge - wicht g sucht die Hülse e stets im Sinne des durch das Pendel gedrehten Rades zu drehen. Durch die Zähne des Getriebes wird diese Kraft auf die Räder b und c übertragen und hierdurch das Pendel in Bewegung erhalten. Damit beim Angange und An - halten der Maschine keine gewaltsame Einwirkung auf das Doppel - pendel, welches hier mit einer der oben beschriebenen ähnlichen Reibungsvorrichtung versehen ist, stattfinden kann, ist das conische Rad h durch Friction mit der Pendelwelle verbunden.

B. Durch conische Räder.

Zwei auf derselben Welle einander gegenüberstehende Räder a und b (Fig. 6) werden, das erstere von der Maschine, das andere vom Pendel, in entgegengesetzter Richtung und mit gleicher Ge - schwindigkeit gedreht. In beide greift das conische Rad c, welches mit der losen Hülse d und dem daran sitzenden Hebel e ver - bunden ist. Durch ein irgend wie angebrachtes Gewicht wird der Hebel e stets zurückgezogen und dadurch das Pendel in Bewegung erhalten.

Bei der hier gewählten Anordnung wird die Pendelwelle f mit dem conischen Rade a auf gewöhnliche Weise durch die Maschine gedreht. Das Doppelpendel hängt an der Hülse g, an welcher auch das conische Rad b befestigt ist. Das Pendel dreht sich daher im entgegengesetzten Sinne wie die Pendelwelle. Um dem Pendel eine möglichst constante Schwunghöhe zu sichern, ist auch hier ein veränderlicher Reibungswiderstand gebildet. 218

Fig. 6.

Die Scheibe h wird durch eine Feder m niedergedrückt. Sie wird durch Nuth und Feder von der Pendelwelle gedreht und liegt auf dem Ringe i, welcher durch das conische Rad b im entgegen - gesetzten Sinne gedreht wird. Dies geschieht durch zwei Lappen k, welche vom Ringe aus und durch das conische Rad hindurchgehen. Gegen diese Lappen drücken zwei mit den Pendelstangen ver - bundene Nasen l. Machen die Pendel grössere Schwin - gungen, so werden der Ring i und die auf ihm liegende Scheibe gehoben und hier - durch die Feder m mehr zu - zusammengedrückt. Scheibe und Ring werden jetzt durch diese mit weit grösserer Kraft gegen einander gepresst und die Reibung in demselben Verhältniss vermehrt.

Da alle beschriebenen Mo - dificationen unseres Regula - tors auf demselben Princip, nämlich dem der Differenz - bewegung beruhen, so leisten auch alle dasselbe, wenn nur jeder todte Gang möglichst vermieden und die Schwere und Länge des Pendels der zur Regulirung des Ganges der Maschine nöthigen Kraft entsprechend gemacht wird. 19Die Abmessungen des Pendels müssen sich ferner nach der Empfindlichkeit des Regulators richten. Je kürzer die Zeit ist, in welcher er seine Wirkung vollendet, also je grösser seine Empfindlichkeit ist, desto leichter und kürzer kann das Pendel gemacht werden. Doch wird die Steigerung der Empfind - lichkeit begrenzt durch den unvermeidlichen todten Gang im Re - gulator und die der Maschine eigenthümlichen Unregelmässigkeiten der Bewegung, die keinen zu grossen Einfluss auf das Spiel des - selben äussern dürfen. Je gleichförmiger sich also die Maschine bewegt und je geringer der todte Gang im Regulator ist, desto empfindlicher und leichter kann er construirt werden. Bei guten Maschinen mit hinlänglich schwerem Schwungrade erscheint eine derartige Construction am vortheilhaftesten, dass ein 1 / 15 bis selbst 1 / 30 Umgang der Maschine die volle Schliessung der Dampfklappe bewirkt, wenn sie vorher ganz offen war, und das Pendel in Ruhe ist. Unter ungünstigeren Umständen muss auch die Empfind - lichkeit des Regulators bedeutend geringer gemacht werden, doch darf man auch hierin eine gewisse Grenze nicht überschreiten, weil sonst nothwendig periodische Schwankungen im Gange der Maschine eintreten müssen.

Durch den Centrifugal-Regulator wird eine Beschleunigung des Ganges der Maschine um 1 / 20 Umdrehung noch gar nicht einmal angezeigt, weil die Centrifugalkraft der Kugeln durch diese geringe Vermehrung der Drehungsgeschwindigkeit noch nicht um soviel gewachsen ist, dass sie die dem Auseinander - fliegen derselben sich widersetzenden Reibungswiderstände zu überwinden vermag. Der Differenz-Regulator hat daher seine volle Wirkung schon gethan und den Gang der Maschine voll - ständig wieder regulirt, ehe der Centrifugal-Regulator auch nur den Anfang damit macht. Die Erfahrung bestätigte dies voll - ständig bei einer Maschine, die gleichzeitig mit einem Differenz - und einem Centrifugal-Regulator versehen war (Fig. 7). Der letztere kam dabei nie, auch bei den grösstmöglichen Belastungs-Ver - änderungen aus seiner Ruhe. Zwischen der Leistung beider Regulatoren findet aber noch der bedeutende Unterschied statt, dass ein Centrifugal-Regulator die entstehende Bewegungs-Ver - schiedenheit der Maschine nur vermindern, nicht aber vollständig aufheben kann, der Differenz-Regulator dagegen sie zwingt, voll -2*20ständig den vorgeschriebenen Gang wieder anzunehmen. Da dies gleich in den ersten Momenten der eintretenden Geschwindig - keits-Veränderung geschieht, so wird auch die nothwendig ein -

Fig. 7.

tretende Uebergangsschwan - kung im Gange der Maschine unmerkbar gering und die Rückschwankung, die der Theorie nach auch beim Dif - ferenz Regulator eintreten muss, so klein, dass sie auch an ihm selbst nicht mehr wahrnehmbar ist, indem sie noch innerhalb der Grenzen des unvermeidlichen todten Ganges liegt.

Durch unseren Regulator kann man ferner auch be - deutende Widerstände über - winden, wenn dies nur mög - lichst schnell geschieht und das einfache oder Doppel - pendel lang und schwer ge - nug ist. Er eignet sich daher auch zur Regulirung des Ganges der Wasserwerke und selbst Windmühlen.

Wir wenden in der Regel in den Fällen, wo eine einiger - massen beträchtliche Kraft erforderlich ist, wie z. B. wenn die Regulirung der Dampfmaschine durch Ver - änderung der Expansionszeit der Dämpfe bewirkt werden soll, ein Doppelpendel mit veränderlicher Friction, in denen aber, wo die Kraft nur sehr gering, also z. B. nur eine leicht drehbare Dampfklappe zu be - wegen ist, ein einfaches, in einem Kugelgelenk schwingendes21 Pendel an. Bei diesem findet, wie die Erfahrung uns gelehrt hat, durchaus keine in Betracht kommende Abnutzung im Kugel - gelenk statt, wenn es nur hinlänglich vor Staub geschützt ist. Bei einem Regulator, der ein halbes Jahr lang in stetem Gange war, hatte sich die Messingkugel noch nicht einmal vollständig in ihrem gusseisernen Lager eingeschliffen, sondern nur an einigen Stellen polirt. Beim Doppelpendel muss die dem Auseinander - fliegen der Kugeln sich widersetzende Reibung möglichst ver - mindert werden, weil andernfalls der mittlere Gang der Maschine nicht absolut constant bleibt. Die Frage, welche der ver - schiedenen Variationen dieses Regulators die zweckmässigste ist, kann wohl nicht allgemein beantwortet werden. Dem Maschinen - bauer wird gerade diese grosse Mannigfaltigkeit in seiner Form erwünscht sein, da sie ihm gestattet, bei der Construction der Maschine frei über den vorhandenen Raum zu verfügen und den Regulator dahin zu bringen, wo er am bequemsten Platz findet.

[22][23]

Anwendung des elektrischen Funkens zur Geschwindigkeitsmessung.

(Poggendorff’s Annalen der Physik und Chemie Bd. 66 S. 435.)

1845.

Es hat sich neuerdings ein Prioritätsstreit über die Idee, die Bewegungsgeschwindigkeit der Projectile mittelst des gal - vanischen Stromes zu messen, erhoben. Aus den dort gemachten Zeitangaben ergibt sich jedoch, dass in der preussischen Artillerie schon viel früher ein derartiger Plan aufgestellt und in’s Leben gerufen wurde. Da der zu diesem Behufe gefertigte und noch jetzt im Gebrauch befindliche Apparat noch in keiner wissen - schaftlichen Zeitschrift beschrieben, wenn auch seiner Zeit in einigen Tagesblättern ausführlich besprochen ist, so werde ich einige Worte über den Ursprung und die erste Ausführung der Idee, die Bewegungsgeschwindigkeit der Geschosse mit Hülfe des galvanischen Stromes, und namentlich des Elektromagnetismus, zu messen, vorausschicken. Die Richtigkeit dieser Angaben würde sich sowohl durch die Acten der betreffenden Behörde, wie durch die einigen fremden Gesandten, namentlich den fran - zösischen und russischen, auf ihr Ansuchen gemachten officiellen Mittheilungen über diesen Gegenstand erweisen lassen.

Der grosse Werth, welchen die genaue Bestimmung der Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse für die Artillerie hat, und die grossen Mängel, welche den bisher zu diesem Behufe be - nutzten Instrumenten und namentlich dem ballistischen Pendel anhaften, veranlassten die Artillerie-Prüfungs-Commission zu Berlin zur Betretung eines ganz verschiedenen Weges, nämlich der directen Messung der Flugzeit des Projectils mittelst eines24 elektromagnetischen Apparats. Schon im Jahre 1838 war dieser Plan von der genannten Commission vollständig ausgearbeitet. Er bestand darin, dass eine Uhr erbaut werden sollte, welche sich zur Angabe sehr kleiner Zeittheile eignete und durch mag - netische Kraft engagirt und arretirt werden könnte. Der hiesige Uhrmacher Hr. Leonhard ward mit dem Bau derselben beauftragt und begann ihn im Februar 1839. Die grossen technischen Schwierigkeiten, welche sich der Anfertigung einer solchen, die Ablesung von 1 / 1000 Secunden gestattenden Instrumentes entgegen - setzten, machten bedeutende Modificationen des ursprünglichen Planes und viele zeitraubende Versuche erforderlich. Dem Eifer und der grossen Geschicklichkeit des Hrn. Leonhard gelang es indess, dies Werk endlich zur völligen Zufriedenheit und so her - zustellen, wie es noch jetzt bei den Versuchen der Artillerie - Prüfungs-Commission in Gebrauch ist. Im Wesentlichen besteht es aus einem conischen Pendel, welches durch ein Uhrwerk in kreisförmiger Schwingung erhalten wird. Ein Beobachtungs - zeiger kann durch Bewegung eines Hebels mit diesem in stetem und gleichförmigem Gange befindlichen Uhrwerk verbunden und ebenso wieder von ihm getrennt und festgestellt werden.

Diese Engagirung und Arretirung des Beobachtungszeigers suchte man bei den im Jahre 1842 mit dieser Uhr angestellten Versuchen dadurch zu bewerkstelligen, dass die Kugel beim Hin - austreten aus der Mündung des Geschützes einen elektrischen Strom herstellte, durch welchen der Magnetismus eines Elektro - magneten erregt und der Anker angezogen wurde. Durch die Bewegung des Ankers wurde der Beobachtungszeiger mit dem im Gange befindlichen Uhrwerk verbunden und daher in Be - wegung gesetzt. Wenn die Kugel am Ziele anlangte, so wieder - holte sich dasselbe Spiel mit einem zweiten Elektromagneten, wodurch der Zeiger wieder vom Uhrwerk getrennt und festge - stellt wurde.

Man gewann indess bald die Ueberzeugung, dass die auf diesem Wege erzielten Zeitangaben nie den Grad von Genauig - keit erreichen würden, welchen die Construction der Uhr ge - stattete. Der Grund lag einmal darin, dass die Kugel nicht direct die galvanische Kette herstellen konnte, und zu diesem Ende mechanische Zwischenglieder eingeschaltet werden mussten,25 welche nothwendig Fehlerquellen mit sich führten, und zweitens darin, dass die Erregung des Magnetismus nicht momentan mit der des Stromes erfolgt, und dass seine Intensität von der Stärke desselben abhängt und daher nie vollkommen constant ist. Die Bewegung des Ankers wird daher auch nicht immer in dem - selben Zeitabschnitt nach der Erregung des Stromes beginnen, und ausserdem die zur Durchlaufung seines Weges erforderliche Zeit verschieden sein.

Dies veranlasste mich schon damals zu dem Vorschlage zur Engagirung und Arretirung des Beobachtungszeigers anstatt des Elektromagnetismus den elektrischen Funken zu benutzen. Dies liess sich auf verschiedene Weise ausführen. Die Federn, durch deren Freiwerden der Zeiger engagirt und arretirt wurde, konnten durch äusserst fein gezogene Platindrähte gespannt werden, welche durch hindurchschlagende Funken nach einander geschmolzen wurden; oder dies konnte durch Seidenfäden ge - schehen, welche durch einen permanenten Strom von Wasserstoff oder einen mit Knallgas gefüllten Raum hindurch gingen und durch die Entzündung des Gases durch den elektrischen Funken verbrannt wurden. Auch konnten die die Engagirung und Arre - tirung des Zeigers bewirkenden Hebel durch die mechanische Wirkung der Explosion des Knallgases direct in Bewegung ge - setzt werden.

Die Artillerie-Prüfungs-Commission ging jedoch auf meinen Vorschlag nicht ein, weil ihr die Isolirung langer Leitungsdrähte, besonders bei nicht ganz günstiger Witterung, zu schwierig schien. Sie adoptirte dagegen die von Himly in Göttingen zuerst vor - geschlagene und von mir gleichzeitig mit meinem Plane zu ihrer Kenntniss gebrachte Unterbrechung des galvanischen Stromes durch die Kugel unmittelbar, jedoch benutzte sie dieselbe in ganz anderer Weise, wie Himly es vorschlug. Dieser wollte nämlich durch die Unterbrechung der Hauptleitung einer starken galvanischen Kette den ganzen activen Strom einer Nebenleitung zuwenden, dadurch einen feinen in dieselbe eingeschalteten Platin - draht schmelzen und hierdurch den Beobachtungszeiger engagiren. Die Commission behielt dagegen den Elektromagnetismus bei, jedoch unter der wesentlichen Modification, dass die Engagirung und Arretirung des Beobachtungszeigers nicht mehr wie früher26 durch die Herstellung eines Stromes, sondern durch die Unter - brechung desselben und das damit verbundene Abfallen der Anker der Elektromagneten geschehen sollte.

Die mit der so ausgerüsteten Uhr namentlich im Sommer 1844 angestellten Beobachtungen gaben im Allgemeinen befrie - digende Resultate, da der variable Fehler selten einige Tausend - stel-Secunden überstieg. Vollkommen fehlerfreie Resultate werden sich jedoch auch auf diesem Wege nicht erzielen lassen, weil die magnetische Kraft nicht plötzlich mit der Unterbrechung des Stromes aufhört, oder auch nur bedeutend vermindert wird. Es kann dies nur in einer mehr oder weniger steilen Curve ge - schehen. Wenn daher auch ein Anker, der die Grenze der Trag - kraft des Magneten beinahe erreicht, scheinbar momentan mit der Unterbrechung des Stromes abfällt, so muss doch immer eine von der Stärke des Stromes, so wie auch von der Dauer seiner Einwirkung auf den geschlossenen Magneten abhängige Zeit verfliessen, bis dies eintritt. Ja selbst, wenn die Schwere des Ankers die Tragkraft vollständig erreichte, könnte er doch nicht momentan abfallen, weil im Augenblicke der Unterbrechung der Strom und mithin auch die Anziehungskraft des Magnetes durch die inducirende Wirkung der Drahtwindungen auf ein - ander noch ansehnlich vermehrt wird.

Wheatstone und Breguet wenden bei ihren neuerdings be - kannt gemachten Apparaten als Zeitmesser anstatt einer Uhr einen rotirenden Cylinder an. Sie lassen die Anker der Elektro - magnete direct auf denselben hinabfallen und erhalten dadurch Marken auf seiner Oberfläche, deren lothrechter Abstand von einander ihnen das Maass der zwischen der Unterbrechung der beiden Ströme verflossenen Zeit gibt.

Es ist einleuchtend, dass ein Cylinder sich durch Verbindung mit einem conischen Pendel in weit gleichmässigere und schnellere Rotation versetzen lässt, als ein Beobachtungszeiger, der plötz - lich in Bewegung gesetzt und dennoch sehr leicht und zart con - struirt werden muss, damit seine Masse keine merkbaren Stö - rungen verursacht. Durch das directe Hinabfallen der Anker auf den Cylinder ist ferner abermals ein mechanisches Zwischen - mittel zwischen dem Geschosse und dem Zeitangeber beseitigt, also auch eine Fehlerquelle weniger vorhanden. Indess sind da -27 gegen andere Uebelstände mit diesen Apparaten verknüpft, die ihre Vorzüge vor dem hier angewendeten mindestens sehr fraglich machen. Es können nämlich bei jenen nur sehr leichte Anker angewendet werden, die sowohl hinsichtlich der Zeit ihres Ab - fallens, wie auch während des Falles selbst, störenden Einflüssen weit mehr ausgesetzt sind, wie schwere. Doch auch möglichst leichte Anker werden im Augenblicke des Stosses auf den Cy - linder eine beträchtliche Reibung erzeugen, welche störend auf die gleichförmige Bewegung desselben einwirkt. Der Cylinder selbst muss sehr lang und verhältnissmässig schwer werden, und seine Axen eine entsprechende, der gleichförmigen und schnellen Rotation nachtheilige Dicke erhalten. Eine weit grössere Fehler - quelle liegt aber noch in der Verschiebung des Cylinders oder der Magnete während der Messung. Denn da dieselbe erst kurz vorher beginnen kann, so muss die jetzt eintretende Bewegung einer beträchtlichen Masse, die nur auf Kosten der Drehungs - geschwindigkeit des Cylinders entstehen kann, nothwendig be - deutende Störungen in der Gleichmässigkeit der letzteren herbei - führen, die noch durch die beträchtliche Reibung in den Schrauben - gewinden vergrössert werden. Die Resultate der Messungen mittelst eines solchen Instruments können daher auch nur sehr unsicher sein.

Wenn indess auch die Anwendung eines rotirenden Cylinders in Verbindung mit Elektromagneten mit grossen Uebelständen verknüpft ist, so würde doch ein solcher, wenn er sehr kurz und leicht gefertigt werden und ganz frei rotiren könnte, einen sehr vollkommenen Zeitangeber bilden.

Dies bewog mich, meinen früheren Plan, den elektrischen Funken zur Geschwindigkeitsmessung zu benutzen, wieder auf - zunehmen und die Uhr durch einen rotirenden Cylinder zu er - setzen. Mein Bestreben war dabei, jedes mechanische Zwischen - element zwischen der Kugel und dem Zeitangeber zu beseitigen, den Funken sich also direct auf dem Cylinder markiren zu lassen. Eine Reihe von Versuchen, die ich mit verschiedenen Metallen und Ueberzügen anstellte, um eine scharf begrenzte und leicht erkennbare Marke durch einen überspringenden Funken zu erhalten, liess mich einen polirten Stahlcylinder ohne jeden Ueberzug als das Angemessenste erkennen. Jeder, wenn auch28 noch so schwache Funke macht auf polirtem Stahl einen scharf begrenzten und deutlich sichtbaren Punkt. Er ist anfangs schwärzlich gefärbt von abgelagertem Eisenoxyd, tritt aber, wenn dies durch Abwischen entfernt ist, viel deutlicher, als heller unter dem Mikroskop sichtbar vertiefter Fleck hervor.

Die Construction des hierauf begründeten elektrischen Chro - noskops ist nun folgende:

Ein sorgfältig gearbeiteter und getheilter Stahlcylinder, dessen Schwerpunkt im Quecksilberbade genau centrirt ist, wird durch ein Getriebe mit einem conischen Pendel in Verbindung gesetzt und durch dasselbe in schneller und gleichmässiger Rotation erhalten. Seiner Peripherie möglichst nahe ist eine isolirte Metallspitze angebracht, welche mit der inneren Belegung einer geladenen Leydner Flasche communicirt. Von dem ebenfalls isolirten Cylinder und der äusseren Belegung der Flasche aus - gehend führen zwei Metalldrähte in einem die Schlagweite des Funkens übersteigenden Abstande vor der Mündung des Ge - schützes vorbei und sind hinter derselben befestigt. Wenn die Kugel aus der Mündung des Geschützes tritt, so trifft sie die beiden Drähte und stellt in diesem Augenblicke die leitende Verbindung des Cylinders mit der äusseren Belegung der Flasche durch ihre eigene metallische Masse her. Der jetzt überspringende Funke markirt sich auf der Oberfläche des rotirenden Cylinders. Einige Fuss von der Mündung des Geschützes entfernt ist ein zweites Drahtpaar eben so wie das erste angebracht, von denen der eine ebenfalls mit dem Cylinder, und der zweite mit der äusseren Belegung einer zweiten Flasche communicirt, deren innere Belegung wie die der ersteren mit der Spitze verbunden ist. Der zweite Funke muss daher auf den Cylinder überspringen, wenn die Kugel den Abstand der beiden Drahtpaare von ein - ander durchlaufen hat und das zweite Paar trifft; der Abstand der Punkte von einander ist dann das Maass der dazu ver - brauchten Zeit.

Gesetzt nun, der Cylinder wäre in Tausend Theile getheilt und rotirte 10 mal in der Secunde um seine Axe, so würde einem Abstande der Punkte von 1 Theilstrich eine Zeit von 0,0001 Se - cunden entsprechen. Mit Hülfe eines Nonius lassen sich aber noch 10 Unterabtheilungen bequem ablesen, wenn die Funken29 schwach gehalten sind, wodurch die Genauigkeit der Messung sich auf 0,00001 Secunden steigert. Ein Fehler in der Zeitangabe ist dabei kaum möglich, und könnte nur in einer Unregelmässig - keit der Drehung des Cylinders seinen Grund haben. Durch eine grosse Drehungsgeschwindigkeit wird aber der nachtheilige Einfluss etwaiger Fehler des Räderwerks, die sich bei langsamer Bewegung vollständig auf die Drehung des Cylinders übertragen würden, compensirt. Da sich bei dieser Schärfe der Zeitangabe noch eine Bewegung des Geschosses um 1 / 100 Fuss auf dem Cy - linder ablesen lässt, so würde es unnöthig sein, die Flugzeiten während eines grösseren Theils der Gesammtbahn desselben zu messen, als es bei Anwendung des Elektromagnets, des be - trächtlichen variabelen Fehlers wegen, erforderlich ist. Man ge - winnt dadurch in mehrfacher Beziehung. Einmal kann die An - fangsgeschwindigkeit direct gemessen werden, da die Abnahme der Bewegungsgeschwindigkeit des Geschosses in den ersten 5 bis 10 Fuss noch kaum merkbar sein wird. Ferner kann man ohne Schwierigkeiten zwei kurze hinter einander folgende Stücke der Flugbahn gleichzeitig messen, um dadurch eine Controle der Zeitangabe zu erhalten. Man braucht zu diesem Ende nur ein drittes Drahtpaar, welches mit einer dritten, eben so wie die beiden anderen mit der Spitze verbundenen Flasche communicirt, in der Schusslinie zu placiren. Endlich erreicht man dadurch noch den Vortheil, dass die zu messenden Zeiten stets geringer sind, als die zu einer halben Umdrehung des Cylinders erfor - derliche. Es ist desswegen auch nicht nöthig, eine Verschiebung der Spitze oder gar des Cylinders stattfinden zu lassen, um die Umdrehungen zählen zu können und zu wissen, welches der erste Punkt ist. Ferner ist es auch unnöthig, dem Cylinder eine beträchtliche Länge zu geben, und nach jedem Schusse denselben anzuhalten, um das Resultat abzulesen. Die Spitze braucht nur nach jedem Schusse in der Richtung der Axe des Cylinders etwas verschoben zu werden. Hierdurch werden die Punkte in einen neuen Kreis gebracht und können von den früheren leicht unterschieden werden. Die Fähigkeit, kleine Zeitintervalle mit Genauigkeit zu messen, macht dies Instrument noch zu einer anderen Versuchsreihe anwendbar, welche für die Theorie der Schusswaffen von grosser Bedeutung werden wird. Es ist dies30 das Messen der Geschwindigkeit des Geschosses in den ver - schiedenen Abschnitten seiner Bahn im Geschütze selbst. Man braucht zu diesem Ende nur in verschiedenen Abständen Löcher in’s Geschütz zu bohren und isolirte Leitungsdrähte hindurch zu führen, die mit den äusseren Verlegungen der Flaschen communi - ciren, während das Geschütz mit dem Cylinder in leitende Ver - bindung gebracht ist.

Bei allen diesen Messungen kann das Instrument in einem Zimmer dicht bei dem Geschütze, und dieses selbst mit den Leitungsdrähten ebenfalls in einem bedeckten Raume stehen.

Die Isolirung der Drähte würde daher bei einigermaassen günstiger Witterung, die man ja immer zu derartigen wissen - schaftlichen Untersuchungen abwarten kann, keine Schwierigkeit haben. Eben so würde bei den vorgeschlagenen geringen Ent - fernungen das Treffen der einzelnen Drahtpaare gefährdet sein. Um Letzteres auch auf grössere Entfernungen zu sichern, kann man auch einen Rahmen, in welchem parallele Drähte ausgespannt sind, anstatt eines einzelnen Drahtpaares in die Schusslinie bringen. Die Drähte werden abwechselnd mit einander verbunden, so dass z. B. der 1ste, 3te, 5te etc. mit dem Cylinder, der 2te, 4te, 6te etc. mit der äusseren Belegung der Flasche communicirt. Die Kugel muss dann stets mit zwei nach einander folgenden Drähten gleichzeitig in Contact kommen und dadurch das Ueberspringen des Funkens veranlassen.

Zur Messung der Zeiten, welche das Geschoss zur Durch - laufung sehr grosser Theile seiner Gesammtbahn gebraucht, würde das Instrument in der beschriebenen Form indess kaum anwend - bar sein, da die Isolirung so langer Drähte immer mit grossen Schwierigkeiten verknüpft sein würde. Zu diesem Behufe würde es vortheilhafter sein, sich des Inductionsfunkens anstatt des Funkens der Flasche zu bedienen. Dies liesse sich auf folgende Weise bewerkstelligen:

Ein aus isolirten Drähten bestehender Eisenkern wird mit zwei besponnenen Drähten umwunden, von denen der eine, dickere der Schliessungsdraht einer starken galvanischen Kette ist und vor der Mündung des Geschützes vorbeiführt. Die Enden des zweiten dünnen und längeren Drahtes werden mit dem rotirenden Cylinder und der Spitze, die dem Cylinder so nahe wie möglich31 gebracht wird, verbunden. Bei der Unterbrechung der Kette durch die Kugel springt dann ein Funke auf den Cylinder über, der sich ebenfalls, wenn auch bedeutend schwächer und undeut - licher, auf dem Cylinder markirt. Dasselbe wiederholt sich mit einer anderen Inductionsrolle, wenn die Kugel, am Ziele angelangt, den Schliessungsdraht einer zweiten Kette durchreisst.

Da sich die Empfindlichkeit des beschriebenen Apparats durch eine möglichst sorgfältige Anfertigung, genauere Theilung und schnellere Rotation des Cylinders und Benutzung sehr schwacher Funken noch bedeutend steigern lassen wird, so liesse er sich auch vielleicht mit Vortheil zu Messungen der Bewegungs - geschwindigkeit der Elektricität selbst benutzen. Zu dem Ende müsste der Cylinder aus zwei isolirten Scheiben oder Ringen, die auf derselben Axe rotiren, bestehen. Diesen Scheiben stehen zwei Spitzen gegenüber, die genau auf denselben Theilstrich ein - gestellt sind. Wird nun die eine dieser Spitzen mit der inneren Belegung einer geladenen Flasche verbunden, und ist die Ver - bindung der beiden Scheiben durch einen langen Leitungsdraht hergestellt, so wird, wenn die zweite Spitze durch einen eben so langen Draht mit der äusseren Belegung in Verbindung gesetzt wird, ein Funke zwischen beiden Scheiben und Spitzen über - springen. Der lothrechte Abstand der Punkte von einander gibt dann die Zeit an, welche der Funke zum Durchlaufen der Hälfte des Gesammtweges gebrauchte.

[32][33]

Ueber telegraphische Leitungen und Apparate.

(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 79 S. 481.)

1850.

Die Störungen und gänzlichen Unterbrechungen des Dienstes, die bei den elektrischen Telegraphen, namentlich auf längeren Linien, bisher so häufig eintraten, finden grösstentheils ihren Grund in Schwankungen der Stärke und Dauer der die telegra - phischen Apparate in Bewegung setzenden elektrischen Ströme, die durch die langen, störenden Einflüssen aller Art Preis ge - gebenen Leitungsdrähte veranlasst werden. Es boten sich zwei Wege, um diese Störungen zu beseitigen und der elektrischen Telegraphie dadurch den Grad von Sicherheit, Schnelligkeit und steter Schlagfertigkeit zu geben, deren sie bedarf, wenn sie die allgemeine Verbreitung und Anwendung gewinnen und die Dienste leisten soll, welche man bisher vergeblich von ihr erwartete. Der erste Weg besteht darin, die Leitung zu vervollkommnen und sie den störenden Einflüssen aller Art, denen sie ausgesetzt ist, möglichst zu entziehen; der zweite dagegen darin, den tele - graphischen Apparaten eine derartige Einrichtung zu geben, dass sie einen möglichst grossen Grad von Ungleichmässigkeit der sie bewegenden Ströme ertragen können, ohne dadurch in Unordnung zu kommen.

Gegenstand dieses ersten Aufsatzes ist der erste, die Lei - tungen betreffende Theil der Aufgabe.

Ich werde zuerst versuchen, die Gründe der Störungen, welche man bei den, mit alleiniger Ausnahme der neueren preussischen Telegraphenanlagen, bisher ausschliesslich angewendeten überir -334dischen Leitungen so häufig zu beobachten Gelegenheit hat, in kurzer Uebersicht zusammen zu stellen, und zugleich die Mittel anführen, die neuerdings mit einigem Erfolg zu ihrer Beseitigung in Anwendung gekommen sind.

Die unvollkommene Isolation der Leitungsdrähte war bis auf neuere Zeit ein hauptsächliches Hinderniss einer sicheren und directen telegraphischen Verbindung der Endpunkte langer Linien. Bei feuchter Witterung bilden die den Draht tragenden Pfosten eine leitende Verbindung desselben mit dem Erdboden. Bilden mithin Draht und Erde den Schliessungskreis einer Säule, so tritt jeder feuchte Pfosten als Nebenschliessung derselben auf und bewirkt eine Verstärkung des Stromes in dem der Säule näher liegenden und eine Schwächung desselben in dem entfern - teren Theile des Leitungsdrahts. Die hierdurch bewirkte, bei schlecht isolirten Leitungen schon bei wenig Meilen langen Linien oft sehr beträchtliche Ungleichheit der Stromstärke an den beiden Enden des Leitungdrahtes und in den dort eingeschalteten Spiralen der Elektromagnete würde wenig schädlich sein, wenn sie con - stant bliebe. Da sie aber durchaus abhängig von der Witterung an den verschiedenen Punkten der Leitung, mithin stets ver - änderlich ist, so veranlasst sie stete Störungen der Angaben und des regelmässigen Ganges der telegraphischen Apparate. Bei rotirenden Telegraphen sucht man diese veränderliche Ungleich - heit der Stromstärke in den Spiraldrähten der correspondirenden Apparate durch Vertheilung der wirkenden Säule zu vermindern. Wenn dieser Zweck hierdurch auch theilweise erreicht wird, so entsteht dadurch dagegen der, für alle bisherigen Telegraphen noch grössere Uebelstand, dass die Unterbrechung der Kette an einem Ende der Leitung nicht die vollständige Unterbrechung des Stromes in dem Spiraldrahte des am anderen Ende derselben befindlichen Telegraphen zur Folge hat, da der dort befindliche Theil der Säule durch die vorhandenen Nebenschliessungen ge - schlossen bleibt.

Die früher benutzten Isolationsmittel, durch welche man den Draht von den feuchten Stangen zu isoliren suchte, wie Glas - oder Porcellanringe, durch welche er gezogen wurde, Umwickeln des Drahts an den Berührungsstellen mit Kautschuck etc., An - bringung eines schützenden Daches auf den Stangen konnten35 nur unvollkommene Dienste leisten, da die leitende Verbindung des Drahts mit der Erde bei Regenwetter über das nasswerdende Isolationsmittel hinweg hergestellt war. Die neuerdings ange - wandten Trichter von Glas, Porcellan oder Steingut erfüllen da - gegen den Zweck der Isolation in sehr vollkommenem Grade. Bei der von mir im Winter des v. J. ausgeführten, 42 Meilen langen überirdischen Leitung zwischen Eisenach und Frankfurt a. M. über Kassel wurden oben geschlossene Porcellantrichter angewendet, die auf eiserne Stangen so aufgekittet wurden, dass die Glocke nach unten gerichtet war. Die eiserne Stange wurde an das obere Ende der hölzernen Pfosten geschraubt und der Draht an der äusseren Fläche des Trichters durch Umwinden um den oberen dünnen Theil desselben befestigt. Die innere Fläche des Trichters bildet hier die stets trocken bleibende, isoli - rende Schicht zwischen dem Draht und der Stange. Die Isola - tion dieser Leitung war selbst bei dem ungünstigsten Wetter (feuchtem Schneefall) noch so vollständig, dass bei dem benutzten wenig empfindlichen Galvanometer mit einfacher Nadel kein Strom wahrzunehmen war, wenn an dem einen Ende der Leitung eine Säule von 8 Daniell’schen Elementen und das Galvanometer zwischen Leitungsdraht und Erde eingeschaltet und das andere Ende des Leitungsdrahts isolirt war.

Je vollkommener aber die Isolation überirdischer Leitungen hergestellt ist, desto störender treten die Einflüsse der atmosphä - rischen Elektricität auf. Diese Erscheinung erklärt sich dadurch, dass bei unvollkommen isolirten Leitungen die dem Drahte durch die geladenen ihn umgebenden Luftschichten, oder durch die vertheilende Wirkung der sich demselben nähernden oder von ihm entfernenden Wolken mitgetheilten Ladungen sich durch die vorhandenen Nebenschliessungen ausgleichen können, ohne ihren Weg durch die Spiralen der Magnete der an den Enden der telegraphischen Leitung befindlichen Instrumente zu nehmen, dass ferner diese Ladungs - und Entladungsströme bei unvoll - kommen isolirten Leitungen auch während der Unterbrechung der Kette an einem oder an beiden Enden der Leitung ihren Fortgang haben, während bei vollkommener Isolirung sich während der Unterbrechung freie Elektricität im Drahte ansammelt, welche darauf beim Schliessen der Kette ihren Weg durch die Magnet -3*36spiralen zur Erde nimmt und hierdurch den regelmässigen Strom der Säule am einen Ende schwächt, am anderen dagegen ver - stärkt. In gebirgigen Gegenden ist namentlich die freie Elektri - cität der Luft eine Quelle steter Störungen.

Bei der oben erwähnten Leitung zwischen Eisenach und Kassel, welche der Eisenbahn folgend aus dem Werra - ins Fulda - Thal übergeht, deren Wasserscheide gleichzeitig die Wasserscheide für die dortige Gegend bildet, zeigt ein ohne Batterie in die Leitung eingeschaltetes Galvanometer fast zu jeder Zeit ziemlich heftige Ströme von veränderlicher Stärke und Richtung an, die im Sommer, während der Mittagszeit, häufig so heftig und veränderlich werden, dass der Dienst der Linie auf mehrere Stunden dadurch unter - brochen wird. Sind beide Enden des Leitungsdrahts isolirt, so zeigt er immer eine beträchtliche Ladung freier Elektricität. Diese La - dungen werden noch bedeutend stärker, wenn an einer Stelle der Leitung Regen oder Schnee fällt. Namentlich im letzteren Falle ist die Ladung des Drahts so stark, dass man demselben Funken von 1 bis 2 mm Länge entziehen kann, die dann in schneller Reihen - folge hinter einander überspringen und jedesmal den Anker des Elektromagnets zur Anziehung bringen. Noch intensiver sind die in den Drähten durch Gewitterwolken erzeugten Ströme. In den Sommermonaten hört in der Regel bei längeren Linien der regelmässige Gang der correspondirenden Apparate schon auf, wenn sich Gewitterwolken am Himmel zeigen. Auch diese Er - scheinungen sind in bergigen Gegenden viel heftiger wie in der Ebene. Besonders auffallend stark sind die bei Entladungen der Wolken auch in kurzen Leitungen sich zeigenden Ströme. Die - selben scheinen nicht durch Freiwerden der durch die Wolken im Draht durch Vertheilung angesammelten Elektricität erklärt werden zu können, da selbst dann, wenn das Gewitter schon mehrere Meilen weit von der Drahtleitung entfernt ist, noch bei jedem Blitze ein sehr heftiger Strom sich zeigt. Es scheint ein Theil des durch die Entladung im Erdboden selbst hervorge - rufenen Stromes seinen Weg durch den schneller leitenden Draht zu nehmen.

Bei einer längeren überirdischen Leitung vergeht fast kein Sommer, ohne dass der Blitz in sie einschlägt, die Instrumente beschädigt und die Leitung theilweise zerstört. Bei der oben37 erwähnten überirdischen Leitung ist mit gutem Erfolge die Ver - breitung des in den Leitungsdraht einschlagenden Blitzes dadurch verhindert, dass von Zeit zu Zeit und namentlich in der Nähe der Endpunkte der Leitung Metallstücke, welche durch die Höh - lung der Trichter vor dem Nasswerden geschützt sind, möglichst nahe einander gegenübergestellt wurden. Das eine derselben ward mit dem Leitungsdraht, das andere mit dem Erdboden leitend verbunden. Diese Anordnung bietet der elektrischen Endladung einen kürzeren Weg zur Erde von geringem Widerstande und leitet dadurch den am Draht fortlaufenden Blitz zur Erde ab. Sind die einander genäherten Metallmassen gross und der Ab - stand von einander möglichst klein, so dienen sie auch zur Ent - ladung der durch Vertheilung dem Drahte mitgetheilten schwachen Ladungen. Dadurch wird der nachtheilige Einfluss derselben auf den Gang der Apparate vermindert, doch entsteht durch die häufig in schneller Reihenfolge zwischen zwei Punkten über - springenden Funken leicht eine leitende Verbindung der beiden Metallmassen. Es ist daher rathsam, bei überirdischen Linien im Freien von Zeit zu Zeit Blitzableiter in oben beschriebener Art, jedoch mit etwas grösserem Abstande der beiden Metall - massen von einander, anzubringen, um heftige Schläge abzuleiten, und dagegen in den Zimmern grosse Metallplatten mit möglichst geringem Abstande von einander zu placiren, um die schwachen Ladungen des Drahtes unschädlich zu machen. Hr. Professor Meissner in Braunschweig, unter dessen Leitung die dortigen Telegraphen-Anlagen ausgeführt sind, hat dies Mittel ebenfalls mit grossem Erfolg in Anwendung gebracht und häufig beob - achtet, dass der Gang der in Gebrauch befindlichen Telegraphen ungehindert blieb, während der enge Zwischenraum zwischen den angewendeten Platten durch fortwährend übergehende Funken hell erleuchtet erschien. Wenn sich auch durch die beschriebenen Vorkehrungen der störende Einfluss der atmosphärischen Elektri - cität beträchlich vermindern lässt, so lässt er sich doch nie ganz beseitigen. Namentlich werden Gewitter stets vorübergehende Unterbrechungen des Dienstes bei überirdischen Leitungen mit sich führen. Der grösste und nicht zu beseitigende Uebelstand der überirdischen Leitungen besteht aber in der, allen äusseren zer - störenden Einflüssen völlig Preis gegebenen Lage derselben. Bei38 der oft erwähnten Linie von Eisenach bis Frankfurt a. M. fand längere Zeit fast täglich eine Unterbrechung der Leitung durch Muthwillen, Diebstahl, Zufall oder durch Naturereignisse statt, und nur durch ein starkes, auf der ganzen Linie vertheiltes Wärtercorps ist es möglich geworden, eine ziemliche Regelmässig - keit des Dienstes durch schnelle Reparatur der vorhandenen Be - schädigungen zu erhalten.

Diese Unsicherheit des Dienstes der Telegraphen mit über - irdischen Leitungen rief daher schon seit längerer Zeit das all - gemeine Bestreben hervor, die Drähte, mit einer isolirenden Masse bekleidet, unter dem Boden fortzuführen. Die ausgedehntesten Versuche in diesem Sinne sind bekanntlich von Jacobi (Annal. Bd. 58, S. 409.) angestellt. Derselbe versuchte zuerst den Draht durch Glasröhren, die mit Kautschuck verbunden wurden, zu iso - liren; doch die Röhren zerbrachen und die Verbindung zeigte sich als undicht. Ebenso schlug ein zweiter Versuch, welcher in Bekleidung des Drahtes in seiner ganzen Länge mit Kaut - schuck bestand, gänzlich fehl, weil die Leitung mit der Zeit die anfänglich vorhandene Isolation grösstentheils verlor. Kautschuck ist auch schon deswegen als Isolationsmittel bei Kupferdraht nicht anwendbar, weil dasselbe bei längerer Berührung mit dem Kupfer sich zersetzt und eine leitende Verbindung mit demselben bildet. Die in Preussen zur Anstellung von Versuchen und zu Ermittelungen über elektrische Telegraphen früher bestehende Commission wiederholte unter einigen Modificationen die Jacobi - schen Versuche, ohne ein besseres Resultat zu erzielen. In Eng - land und Amerika hat man sich häufig eiserner oder bleierner Röhren bedient, um die eingeschlossenen übersponnenen Drähte vor dem Zutritt der Feuchtigkeit zu schützen. Die grossen Kosten dieses Verfahrens, so wie die mit der vollkommenen Dichtung dieser Röhren verbundenen Schwierigkeiten, machten es natürlich nur für ganz kurze Leitungen durch Flüsse etc. anwendbar. Es zeigte sich ferner, dass die den Draht eng umschliessenden Blei - röhren häufig nach Verlauf einiger Zeit mit demselben in Be - rührung kamen. Wahrscheinlich war die ungleiche Ausdehnung von Blei und Kupfer, bei Temperaturveränderung, die Veran - lassung dieser Erscheinung.

Es schien in der That, als seien die Schwierigkeiten, welche39 sich der Isolation der ganzen Oberfläche der Drähte entgegen - stellten, ohne übermässige Kosten nicht zu lösen, als ein bisher nicht bekanntes Material, die Guttapercha, auftauchte. Ich er - hielt die ersten Proben dieser Masse im Herbste 1846, während ich gerade ebenfalls mit Versuchen über unterirdische Leitungen beschäftigt war und dehnte dieselben sogleich auf dasselbe aus. Es ergab sich, dass auch die dünnsten Blättchen der entwässerten Masse eine für den vorliegenden Zweck hinreichende Isolations - fähigkeit besassen. Da nun ferner durch die Eigenschaft der Guttapercha, bei mässiger Erwärmung plastisch zu werden und an einander zu kleben, auch die Schwierigkeit der dichten Ver - bindung der einzelnen Theile der Umhüllung beseitigt erschien, so gewann ich bald die Ueberzeugung, dass dies Material zur Lösung des vorliegenden technischen Problems geeignet sei. Ich setzte mich daher mit Hrn. Pruckner, Mitbesitzer der hiesigen Guttapercha - und Gummiwaaren-Fabrik von L. Fonrobert und Pruckner, in Verbindung und stellte in Gemeinschaft mit dem - selben weitere Versuche an. Das günstige Resultat derselben veranlasste mich, bei der schon genannten Commission die An - stellung umfassender Versuche in diesem Sinne zu beantragen. Sie ging darauf ein und beauftragte mich mit der Leitung der Arbeiten zur Ausführung einer Versuchsleitung von einer Meile Länge. Im Herbst 1847 war dieselbe vollendet. Die Isolation des Drahtes erwies sich trotz der noch mangelhaften Methode, welche zur Bekleidung desselben mit der Guttapercha angewendet war, schon so ausreichend, dass die Verlängerung der Leitung bis auf die Länge von Meilen (von Berlin bis Gr. Beeren) beschlossen ward. Im Frühjahr 1848 war auch diese Arbeit vollendet, und die Leitung ward nun zur telegraphischen Corre - spondenz zwischen den genannten Orten benutzt. Die Beklei - dung der Drähte geschah in der Fabrik der Hrn. Fonrobert und Pruckner. Es ward hierzu reine, durch erhitzte Walzen voll - ständig entwässerte Guttapercha verwendet. Die erwärmte Masse ward durch gekehlte Walzen um den Draht gepresst. Die vor - handenen Isolationsfehler wurden mit Hülfe eines Neef’schen In - ductors aufgesucht und durch Beklebung mit erwärmten Gutta - percha-Bändern ausgebessert. Darauf ward die Isolation eines jeden Drahtes, von etwa 700 'Länge mittelst eines äusserst em -40 pfindlichen Galvanometers geprüft und derselbe nur dann zur weiteren Verwendung genommen, wenn das zwischen dem Draht und das ihn umgebende Wasser mit einer Säule von 8 Daniell - Elementen eingeschaltete Galvanometer keine Spur von Ablenkung zeigte. Zu grösserer Sicherheit ward der Draht beim Einlegen in den 2' tiefen Graben auf dem Planum der Eisenbahn noch mit einer Mischung von Marineleim, Steinkohlentheer und Colo - phonium überzogen. Die Drahtenden wurden mit Zinn zusammen - gelöthet und die Löthstellen durch Umkleben mit erwärmten Guttapercha-Platten ebenfalls isolirt. Der zweite Ueberzug des Drahtes schien nöthig, weil Versuche gezeigt hatten, dass die reine Guttapercha bei längerem Liegen im Wasser an der Oberfläche eine Rückbildung in weisses Hydrat erleidet und hierdurch die Gefahr entstand, dass die Isolation sich mit der Zeit vermindern würde. Diese Eigenschaft der Guttapercha tritt besonders bei längerem Liegen im Meerwasser hervor. Bei einer Minenanlage, die ich im Sommer 1848 im Kieler Hafen in Gemeinschaft mit Prof. Himly in Kiel ausführte, waren die mit reiner Guttapercha bekleideten Drähte, welche zur Entzündung der auf dem Grunde des Fahrwassers liegenden Pulvermassen dienen sollten, nach circa 6 Monaten mit einer dünnen Lage weisser Guttapercha be - kleidet. Die weisse Farbe verschwand wieder, wenn die Drähte einige Tage der Luft ausgesetzt waren. Es wurde aus diesem Grunde und der grösseren Härte der Masse wegen bei sämmt - lichen später angefertigten Drähten geschwefelte Guttapercha in Anwendung gebracht.

Mehrfache Untersuchungen der oben erwähnten Leitung von Berlin nach Gr. Beeren im Frühjahr und Sommer des Jahres 1848 ergaben, dass die Isolation der Leitung in unveränderter Güte blieb, und dass auch die Guttapercha sich unverändert er - hielt. In Folge dessen erklärte sich die Commission für die Anwendung dieser Leitungen zu den vom Preussischen Staate beabsichtigen Telegraphen-Anlagen, und es ward nun ein bis - heriges Mitglied derselben, der Regierungs - und Bau-Rath Notte - bohm, mit der Oberleitung des Baues derselben betraut.

Die bisherigen Erfahrungen hatten gezeigt, dass die bis dahin angewandte Methode der Bekleidung der Drähte mit Guttapercha noch sehr mangelhaft war. Die in Form zweier schmaler Riemen41 um den Draht gewalzte Masse klebte häufig nicht fest an ein - ander und es bildeten sich dadurch Kanäle, welche die Feuchtig - keit des Bodens mit der Zeit bis zum Draht gelangen liessen. Ferner stellte sich heraus, dass die Nähte nach einiger Zeit ihre anfängliche Festigkeit verloren und leicht von einander zu lösen waren, wodurch die dauernde Isolation der Drähte gefährdet er - schien. Ich entwarf daher in Gemeinschaft mit Hrn. Halske eine Maschine, mittelst welcher die Guttapercha fortlaufend und ohne Naht durch Pressung um den Draht geformt ward. Die - selbe besteht aus einem Cylinder, welcher mit erwärmter Gutta - percha gefüllt und durch ein Dampfbad vor Abkühlung geschützt wird. Durch eine starke Schraube, welche durch eine Dampf - maschine langsam gedreht wird, wird ein in dem Cylinder passen - der Stempel in denselben hinabgedrückt. Der offene Boden des Cylinders ist durch ein rechtwinklig ausgehöhltes Metallstück ge - schlossen, dessen Höhlung mit dem inneren Raume des Cylinders communicirt. Dies Metallstück ist von neun in einer geraden Linie neben einander liegenden, senkrechten Löchern durchbohrt. Der Durchmesser dieser Löcher entspricht in der unteren Wand des Metallstücks der Dicke des zu bekleidenden Drahtes und in der oberen der Dicke des bekleideten Drahtes. Die mit grosser Gewalt im Cylinder zusammengedrückte plastische Masse füllt den inneren Raum des beschriebenen Metallstücks und quillt aus den in demselben vorhandenen Löchern hervor. Die Drähte treten nun durch die unteren engeren Löcher in den mit Guttapercha angefüllten Raum und kommen mit Guttapercha bekleidet aus den oberen, weiteren, heraus. Sie werden darauf senkrecht so hoch hinaufgeführt, dass die Guttapercha während des Weges hin - länglich erkalten kann, und dann auf Trommeln gewickelt. Die spätere Operation des Aufsuchens fehlerhafter Stellen und die Untersuchung der Isolation der fertigen Drahtenden sind bereits oben beschrieben. Die zweite Bekleidung des Drahtes beim Ein - legen in den Graben, wie sie anfänglich zur Anwendung kam, konnte bei der geschwefelten Guttapercha fortfallen, da diese Masse die Eigenschaft, sich in Hydrat zurückzubilden, nicht besitzt. In der That sind die seit Jahren ohne zweiten Ueberzug im Boden liegenden Drähte noch durchaus unverändert geblieben und von frisch fabricirten Drähten nicht zu unterscheiden.

42

Ueberall da, wo der Draht nicht mindestens 2 Fuss tief mit Erde bedeckt liegen kann, wird er durch eiserne Röhren vor äusserer Beschädigung geschützt. Dies geschieht namentlich stets beim Uebergang über Brücken, beim Einführen der Drähte in die Stationszimmer etc. Um den mit dem Einlegen des Drahts beschäftigten Arbeitern jederzeit Gelegenheit zu geben, sich die Ueberzeugung zu verschaffen, dass der Draht bis dahin nicht beschädigt sei, wird an dem Ende, von dem die Arbeit ausgeht, ein Uhrwerk aufgestellt, welches abwechselnd die leitende Ver - bindung des Drahtes mit der Erde herstellt und unterbricht. Durch Einschaltung eines Galvanometers und einer galvanischen Säule zwischen Draht und Erde lässt sich dann am Arbeitsorte aus der Ablenkung der Nadel auf die Güte des bis dahin ge - legten Drahtes schliessen.

Trotz aller angewendeten Vorsicht ereignet es sich indess häufig, dass der Ueberzug des Drahtes auf dem Transport oder bei der Arbeit des Einlegens leichte Verletzungen bekommt. Solche in feinen Schnitten, Rissen oder abgescheuerten Stellen bestehende Beschädigungen sind, namentlich wenn die Arbeit bei trocknem Wetter ausgeführt wird, nicht gleich zu entdecken und auszu - bessern. Man muss daher in der Regel nach einiger Zeit, nach - dem durch starke Regengüsse der den Draht umgebende Erdboden wieder vollständig durchnässt ist, die Leitung einer Revision unterwerfen und die vorhandenen Nebenschliessungen aufsuchen und ausbessern. Es kommt auch bei älteren Leitungen bisweilen, wenn auch selten, vor, dass der Ueberzug des Drahtes durch unvorsichtig ausgeführte Erdarbeiten beschädigt oder gar die Drahtleitung selbst zerstört wird.

Das von mir zur Aufsuchung beschädigter Stellen der Lei - tung angewendete Verfahren ist folgendes:

Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst zwischen den beiden benachbarten Telegraphenstationen nicht unterbrochen, aber der Ueberzug desselben irgendwo beschädigt, so kann die Lage der Beschädigung annähernd durch Rechnung bestimmt werden.

Als bekannt oder vorher durch Versuche ermittelt, wird vor - ausgesetzt:

die Länge des Leitungsdrahtes zwischen den Stationen, von43 denen aus die Ermittelung der Lage der Beschädigung geschehen soll; der Widerstand der benutzten Säulen und der beiden zu den Messungen benutzten Galvanometer, deren Angaben vergleich - bar sein müssen; der Widerstand des Drahtes, welcher die leitende Verbindung mit der entsprechenden, im Wasser oder im feuchten Boden liegenden Metallplatte herstellt, und der Wider - stand der diese Platte umgebenden Flüssigkeitsschichten bis zur unendlichen Ausbreitung des Stromes.

Sämmtliche Widerstände seien auf den Widerstand des Drahtes reducirt.

Es seien x und y die Widerstände der Theile des Leitungs - drahtes von den Endpunkten A und B bis zu der beschädigten Stelle;

m die reducirte Summe der Widerstände des bei A einge - schalteten Galvanometers, der dort eingeschalteten Säule, des Verbindungsdrahtes mit der Endplatte und des oben definirten Uebergangswiderstandes des Stromes von der Platte zur Erde;

n dieselbe Summe für das Ende B der Leitung.

Ferner sei z der Widerstand des Ueberganges von der bloss - gelegten Stelle des Drahtes zur Erde oder der Widerstand der Nebenschliessung.

Endlich sei s die gemessene oder berechnete Stärke des durch die unbeschädigte Leitung gehenden Stromes der bei A und B befindlichen Säulen, von denen jede die elektromotorische Kraft e hat, s' die bei A gemessene Stromstärke der dort ein - geschalteten Säule, wenn die Leitung bei B unterbrochen ist, s″ dagegen die bei B gemessene Stromstärke, wenn die Leitung bei A unterbrochen ist, so ist: 〈…〉

Aus diesen 3 Gleichungen e und z eliminirt gibt 〈…〉 44woraus 〈…〉 . Da die Summe x + y gleich der Länge der Leitung, mithin be - kannt ist, so ergibt sich aus dieser Gleichung sofort die Lage der Beschädigung.

Es ist bei Anstellung der Messungen der Stromstärke bei A und B die Vorsicht zu beobachten, die Säulen immer so zwischen Leitungsdraht und Endplatte einzuschalten, dass die beträchtliche Polarisation des Drahtes an der beschädigten Stelle stets in gleichem Sinne auftritt und die Ablesung erst dann vor - zunehmen, wenn die Polarisation ihr Maximum erreicht und die Ablenkung der Nadel dadurch möglichst constant geworden ist.

Genauere Resultate gibt ein anderer Weg der Berechnung der Lage einer Beschädigung, bei welchem die Polarisation weit weniger störend auftritt und welche unabhängig von der Grösse der elektromotorischen Kraft der angewandten Säulen ist.

Es sei die Bedeutung der Buchstaben x, y, m, n und z die oben angegebene. Ferner seien s und s' die bei A und B ge - messenen Stromstärken der bei A eingeschalteten Säule, während die bei B befindliche durch einen Metalldraht von gleichem Wider - stande ersetzt und die leitende Verbindung mit der Endplatte herge - stellt ist. Ferner seien σ und σ 'die gleichzeitig gemessenen Strom - stärken bei B und A, wenn die Säule bei B eingeschaltet und bei A durch einen gleichen Widerstand ersetzt ist, so ist, da sich in verzweigten Schliessungsbogen die Stromstärken umgekehrt wie die Widerstände der Zweige verhalten, 〈…〉 woraus 〈…〉 oder 1) 〈…〉 . Ferner aus demselben Grunde 〈…〉 45also auch 2) 〈…〉 . Die Gleichung 2 durch die Gleichung 1 dividirt giebt 〈…〉 , wodurch die Lage der Beschädigung bestimmt ist.

Es ist kaum nöthig zu erwähnen, dass die eben entwickelten Formeln zur Bestimmung der Lage beschädigter Stellen der Leitung nur dann anwendbar sind, wenn nur Eine solche Stelle zwischen den Punkten, von denen die Messung ausgeht, vor - handen ist.

Ob dies der Fall sei oder nicht, kann man leicht durch Wiederholung der Messungen bei Einschaltung eines bekannten Widerstandes an einem Ende der Leitung erkennen, da die Rechnung in diesem Falle nur dann dieselbe Lage der Be - schädigung ergeben kann, wenn nur Eine Nebenschliessung vor - handen ist. Auf dem angedeuteten Wege, nämlich durch Ein - schaltung bekannter Widerstände und jedesmalige Messung der gleichzeitigen Stromstärken an den beiden Enden der Draht - leitung, erhält man nun zwar die nöthigen Data zur gleichzeitigen Bestimmung der Lage zweier oder mehrerer vorhandener Neben - schliessungen und zur Controle ihrer Richtigkeit; doch werden die Formeln für die praktische Anwendung zu schwerfällig und ihre Angaben ungenau. Es ist daher in der Regel zweckmässiger, in dem Falle, wo die Controle auf das Vorhandensein mehrerer Beschädigungen schliessen lässt, entweder dieselbe Bestimmung für beliebige Abtheilungen der Leitung vorzunehmen, oder gleich auf die unten beschriebene Weise durch fortgesetzte Theilung die Beschädigungen aufzusuchen.

Hinsichtlich der mit m und n bezeichneten Constanten ist noch zu erwähnen, dass dieselben bei der hier hauptsächlich in Betracht kommenden annähernden Bestimmung der Lage einer Beschädigung einer ausgedehnten telegraphischen Leitung ohne grosse Beeinträchtigung der Genauigkeit derselben ganz ver - nachlässigt werden können, wenn man grosse, in freiem Wasser liegende Endplatten und Säulen und Galvanometer von geringem46 Widerstande anwendet. Bei Endplatten, welche im feuchten Erd - boden liegen, ist der Widerstand des Ueberganges der Elektricität von den Platten zum unbegränzten feuchten Leiter, als welcher die Erde auftritt, natürlich unverhältnissmässig viel grösser, doch kann man dann, wenn man an beiden Enden gleiche und unter gleichen Verhältnissen befindliche Platten hat, für jede ohne Nachtheil den halben gemessenen Erdwiderstand annehmen. Anderenfalls müsste man den Widerstand des Ueberganges für jede einzelne Platte mit Hülfe einer dritten, hinlänglich entfernt von beiden liegenden bestimmen.

Um durch fortgesetzte Theilung der Leitung möglichst schnell die vorhandenen Beschädigungen des Ueberzuges der Drähte auf - zufinden, verfahre ich folgendermaassen:

Die Enden der Leitung werden isolirt. Die mit dem Auf - suchen und Ausbessern der Beschädigungen beauftragten Arbeiter sind mit einem hinlänglich empfindlichen Galvanometer, einer transportabelen Säule und einer Metallplatte ausgerüstet. Durch Durchschneidung des Drahtes an einer beliebigen Stelle der Leitung und Einschaltung des Galvanometers und der Säule zwischen das eine Ende desselben und die Erde erfahren sie, in welchem Stücke der Leitung die Beschädigung zu suchen ist. Ist nur eine Beschädigung vorhanden und die Lage derselben durch Rechnung annähernd bestimmt, so stellen sie den ersten Versuch an der berechneten Stelle an. Sie verbinden und isoliren darauf den Drath wieder, wie früher beschrieben, stellen in einiger Entfernung von dieser Stelle einen zweiten gleichen Versuch an und fahren hiermit so lange fort, bis sie den Ort der Beschädigung passirt haben. Darauf halbiren sie das zwischen den letzten beiden Versuchsstellen liegende Drahtstück und so fort, bis die Lage der Beschädigung auf einige Ruthen begränzt ist. Dies Stück des Drahtes wird dann blosgelegt und die aufgefundene Beschädigung ausgebessert. Um den Draht für diese Versuche leichter zu - gänglich zu machen, wird derselbe bei der Anlage neuer Leitungen genau jedem Stationssteine der Eisenbahn gegenüber mit einem platten Steine bedeckt und dieser dann mit Erde beschüttet. Geübte Arbeiter bedürfen zur Anstellung eines solchen Versuchs nur weniger Minuten, die Wiederherstellung der beschädigten Leitung ist daher sehr schnell bewerkstelligt.

47

Hat die ohngefähre Lage der Beschädigung nicht durch Rechnung ermittelt werden können, so müssen sich die Arbeiter der Eisenbahnzüge bedienen, um zu finden, zwischen welchen Eisenbahnstationen die Beschädigung zu suchen ist. Häufig ist die Zeit des Anhaltens der Züge zur Anstellung eines Versuchs hinreichend und die erste Eingrenzung dann schnell bewerkstelligt. Durch 10 bis 15 Versuche ist die Beschädigung dann im un - günstigsten Falle aufgefunden. Können die Arbeiter sich einer Dräsine zur schnelleren Fortbewegung bedienen, so genügen einige Stunden, um die Verletzung zwischen zwei Eisenbahn - stationen, also auf eine Entfernung von 2 bis 3 Meilen, aufzusuchen und auszubessern.

Ist die leitende Verbindung des Drahtes selbst unterbrochen, so ist die Reparatur durch das beschriebene Theilungsverfahren noch schneller auszuführen, da das Durchschneiden des Drahtes dann nicht erforderlich ist. Das eine Ende des Drahtes wird isolirt und zwischen das andere Ende und die Erde eine kräftige Säule eingeschaltet. Die Arbeiter brauchen jetzt nur den Draht blosszulegen und eine feine Nadel durch die Guttapercha zu stechen, so dass die Spitze derselben den Draht metallisch berührt. Durch Berührung dieser Nadel mit der Zunge erfahren sie dann, ob der Draht zwischen der Untersuchungsstelle und der eingeschalteten Säule unterbrochen sei oder nicht. Ist die Nadel hinlänglich fein, so schliesst sich das Loch wieder vollständig. Anderenfalls muss die Oberfläche der Guttapercha etwas erwärmt werden, um die Oeffnung zu schliessen. Die Untersuchung kann hierbei von beliebig vielen Orten gleichzeitig ausgehen und ist daher auch sehr schnell zu beendigen.

Die Isolation der Leitung wird jetzt in einem sehr voll - kommenen Grade erreicht. Bei neu angelegten Leitungen darf der Nebenstrom bei am anderen Ende geöffneter, 10 Meilen langer Leitung nicht über pCt. des bei geschlossener Kette vorhandenen Stromes betragen, der reducirte Widerstand der auf die Länge einer Meile gestatteten Nebenschliessungen muss daher mindestens dem einer circa 400 Meilen langen Drahtleitung entsprechen. Eine solche Nebenschliessung ist auch für die empfindlichsten Apparate noch unschädlich, da sie constant ist und nicht, wie bei über - irdischen Leitungen, stets veränderlich. Da nun ferner die unter -48 irdischen Leitungen durch die leitende Erdschicht, welche sie bedeckt, den so störenden Einflüssen der atmosphärischen Elek - tricität fast ganz entzogen sind, so bleiben nur die, bei Ent - ladungen der Wolken sie durchlaufenden und die durch Schwan - kungen des Erdmagnetismus in ihnen inducirten, nur bei starken Nordlichtern einigermassen beträchtlichen Ströme als veränder - liche Elemente, welche den regelmässigen Dienst der benutzten telegraphischen Apparate stören könnten. Da diese Ströme jedoch die ganze Drahtleitung in gleichbleibender Stärke durchlaufen, so lassen sie sich, wie später gezeigt werden wird, durch zweck - mässige Construction der Apparate unschädlich machen. Die unterirdischen Leitungen sind ferner der gewaltsamen Zerstörung durch Muthwillen, Diebstahl, Blitzschläge und zufällige Ereignisse aller Art durch ihre Lage entzogen. Die Haltbarkeit derselben ist nach bisherigen Erfahrungen fast als unbegrenzt zu betrachten, während die überirdischen Leitungen einer Erneuerung nach Ver - lauf von 10 bis 15 Jahren bedürfen, da die Drähte spröde werden und rosten, die Pfähle verfaulen und die isolirenden Glocken nach und nach zerbrechen. Die Kosten der unterirdischen Leitungen übersteigen schon jetzt die der solide angelegten überirdischen nicht mehr und werden sich wahrscheinlich noch beträchtlich vermindern. In diesem Augenblicke sind bereits über 400 Meilen unterirdischer Leitungen in regelmässiger Benutzung.

Die unterirdischen Leitungen bieten manche interessante Er - scheinungen, auf welche ich nach Beendigung ihrer Untersuchung zurückkommen werde. Eine derselben, welche die Anwendung dieser Leitungen anfangs wesentlich erschwerte, besteht darin, dass der isolirende Ueberzug der Drähte als colossale Leydener Flasche auftritt, deren Belegungen der Draht und die Feuchtig - keit des Erdbodens bilden und welche durch die Elektricität der zwischen ihnen eingeschalteten Säule geladen wird. Bei langen Leitungen bringen diese Ströme kräftige mechanische Effecte hervor, deren Intensität der Länge des Drahtes und der elektro - motorischen Kraft der eingeschalteten Säule nahe proportional ist und mit der vollkommeneren Isolation des Drahtes zunimmt. Mit Polarisationsströmen können diese Ladungs - und Entladungs - ströme daher durchaus nicht verwechselt werden. Durch diese Annahme finden alle, oft fast wunderbaren Eigenthümlichkeiten,49 welche die unterirdischen Leitungen bei ihrer praktischen Be - nutzung zeigen, nicht nur ihre vollständige Erklärung, sondern es ist mit Hülfe derselben sogar gelungen, dieselben vollständig zu beherrschen und sogar nützlich zu verwenden. Bei der Be - schreibung der von mir construirten Apparate werde ich mehrfach darauf zurückkommen.

Eine der auffallendsten Eigenthümlichkeiten der unterirdischen Leitungen ist die, dass die Apparate bei ihnen mit schwächerer Batterie in gleich schnellen Gang kommen, wie bei überirdischen mit beträchtlich stärkerer, obgleich die Leitungsfähigkeit des unterirdischen Drahtes um ¼ geringer ist. Die Erklärung dieser Erscheinung fällt bei Annahme der oben definirten Ladungs - ströme nicht schwer. Da nämlich die Elektricität der Säule, welche im Drahte gebunden wird, auf der ganzen Oberfläche sich vertheilt, so hat nur ein kleiner Theil derselben den ganzen Widerstand des Drahtes zu überwinden.

Ist der Widerstand der angewendeten Säule sehr klein im Vergleich zu dem Widerstande der Leitung, so bleibt die elek - trische Spannung des mit dem Leitungsdrahte verbundenen Pols unverändert, wenn das andere Ende des Drahtes mit der Erde verbunden wird.

Fig. 8.

Bezeichnet a c in nebenstehender Figur den Leitungsdraht, a b die Spannung der Elektricität der zwischen a und der Erde eingeschalteten Säule, und ist c mit der Erde leitend verbunden; verbindet man dann b mit c durch eine gerade Linie, so bilden die Senkrechten auf a c bis zum Schneidepunkte mit b c das Maass der elektrischen Spannungen, mithin auch der Ladungen der zugehörigen Punkte des Drahtes a c.

Der Inhalt des Dreiecks a b c bezeichnet also die Grösse der Ladung. Ist bei c auch eine Säule von gleicher Stärke450zwischen Draht und Erde so eingeschaltet, dass beide Säulen im gleichen Sinne wirken, so bezeichnet die Linie c d die hier abgegebene Spannung des Punktes c und es ist jetzt die Linie b d die Curve der elektrischen Spannungen des Drahtes. Der gleich - förmig cylindrische Draht ist mithin von a bis zur Mitte mit positiver und von dort bis c mit negativer Elektricität geladen. Wird nun bei a und c gleichzeitig die Verbindung des Drahtes mit der Säule aufgehoben, so gleichen sich die Ladungen von entgegengesetzter Elektricität im Drahte selbst aus. Wird die Verbindung gleichzeitig wieder hergestellt, so entsteht im ersten Momente ein Strom von grosser Stärke, da die Ladungsströme einen beträchtlich geringeren Widerstand zu überwinden haben. Bei der schnellen Aufeinanderfolge der Unterbrechungen und Schliessungen, wie sie bei den telegraphischen Apparaten vor - kommen, ist es daher erklärlich, dass die angewendeten Säulen einen grösseren mechanischen Effect bei unterirdischen Leitungen geben.

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Mémoire sur la télégraphie électrique.

(Présenté à l’académie des Sciences le 15 avril 1850.)

L’objet de ce Mémoire est de faire connaître les méthodes de télégraphie électrique de mon invention, que le gouvernement prussien a adoptées au commencement de l’année 1848 et qui depuis sont d’un usage presque général dans tout le nord de l’Allemagne.

Tout télégraphe électrique se compose essentiellement de deux parties, du circuit conducteur, et des appareils destinés à transmettre et à recevoir les signaux. En conséquence, je diviserai ce Mémoire en deux chapitres, le premier traitant de l’établisse - ment du circuit, le second de la construction des appareils.

Chapitre I. De l’établissement du circuit télégraphique.

Remarques générales. Tous ceux qui ce sont occupés de l’application pratique de la télégraphie électrique, s’accorderont facilement sur ce point, savoir que l’immense majorité des pertur - bations, auxquelles sont sujets les télégraphes électriques, provient des variations dans l’intensité des courants employés. La cause de ces variations réside, soit dans la source des courants, soit dans les conditions variables du circuit conducteur. La première de ces causes perturbatrices peut être aisément éliminée en faisant usage de sources constantes. Je me contenterai d’observer à cet égard que je donne la préférence à la pile de Daniell. Quant4*52aux perturbations qui découlent des conditions variables du circuit même, on en peut distinguer trois classes.

. Pertes d’électricité par suite de l’isolement défectueux du fil conducteur. Lorsque le fil conducteur n’est pas bien isolé, par suite, par exemple, de l’humidité des poteaux et des pièces d’isolement intermédiaires, chaque communication indue entre le fil et le sol donne lieu à un courant dérivé qui reprend le chemin de la pile sans se rendre jusqu’à l’autre bout du fil, et dont l’in - tensité est à celle des autres courants dérivés semblables et du courant principal dans le rapport inverse des résistances des différents circuits, dérivateurs et principal. Il en résulte que l’intensité du courant est augmentée à la station, se trouve la pile, et diminuée à la station opposée. Le jeu des appareils ayant été le plus souvent tout naturellement adapté à l’intensité du courant à la première station, l’augmentation d’intensité à cette station n’a pas jusqu’ici attiré l’attention des ingénieurs. Cette attention, en revanche, s’est d’autant plus portée sur la diminution d’intensité à la station opposée, qui était cause que les appareils ne marchaient pas, et de le nom de pertes par lequel on s’est habitué à désigner l’effet le plus saillant, à première vue, de l’isolement imparfait du fil.

Il semble, à la vérité, que l’on devrait pouvoir parer à l’in - convénient résultant de ces pertes, en adaptant le jeu des appareils à l’intensité des courants telle qu’elle se manifeste encore à la station opposée. Le moyen serait bon, si les pertes avaient toujours lieu aux mêmes points du fil et si leur grandeur restait constante pour le même point. Mais l’isolement des différentes parties du fil étant, avec les fils aériens, dans la dépendance absolue de l’état de l’atmosphère aux environs de ces parties, l’ex - pédient en question reste, comme on voit, complètement illusoire.

. Perturbations par l’électricité atmosphérique. Il est toutefois un moyen très efficace de rémédier aux dites pertes. Ce moyen, usité sur plusieurs des anciennes lignes télégraphiques de l’Allemagne, consiste à enrouler le fil autour du col d’une espèce de cloche en verre ou en porcelaine fixée au sommet des poteaux de suspension, de manière que l’isolement soit effectué par la surface interne toujours à l’abri et, par conséquent, à sec de la cloche. Mais à mesure qu’on obtient par une53 diminution des pertes et des inconvénients qui en résultent, il se développe un autre genre de perturbations non moins grave, dont la cause doit être cherchée dans les influences variables de l’électricité atmosphérique. L’expérience, en effet, a démontré trois espèces distinctes de perturbations de cette nature.

La première consiste en des courants continus d’intensité et de direction variables, qui se présentent par un temps serein, et particulièrement dans les terrains accidentés. Dans les contrées montagneuses et à certaines heures de la journée, ces courants, dont la cause est assez obscure, atteignent une intensité telle, qu’ils mettent un obstacle insurmontable au service des appareils. La seconde espèce de perturbations est produite par les mouve - ments, dans le voisinage du fil, de nuages chargés d’électricité. Dans ces mouvements, la charge par induction du fil venant à varier, on observe également des courants qui, par un temps orageux, et surtout quand à l’une des extrémités du fil il tombe de la pluie ou de la neige, deviennent encore assez puissants pour mettre fin au service. Quant à la troisième espèce de perturbations, c’est celle qui, en temps d’orage, provient de véri - tables décharges d’électricité atmosphérique qui foudroient le fil, les appareils, et, indépendamment de ces degâts, compromettent la santé et la vie des personnes chargées du service.

Les perturbations dues à l’électricité atmosphérique deviennent d’autant moins sensibles que l’isolement est moins parfait, parce qu’alors, dans les temps de la marche des appareils le circuit n’est pas fermé, les charges et décharges du fil se font par les points de dérivation établis dans sa longueur, de manière à libérer les appareils d’une partie des courants étrangers; mais, évidemment, d’après ce qui précède, on a toujours à choisir entre les incon - vénients provenant de cette cause et ceux qui résultent des pertes d’électricité.

. Perturbations par suite de lésions du fil, accidentelles ou dues à la malveillance. Je crois pouvoir me borner, enfin, à signaler simplement ce troisième genre de perturbations auquel, comme tout le monde sait, les fils aériens sont si fort sujets à raison de leur situation exposée, et qui rend l’emploi des télé - graphes électriques si peu sûr, précisément lorsqu’ils sont appelés à rendre les services les plus importants.

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Considérations générales sur les fils aériens et les fils sou - terrains. Tous ces inconvénients réunis s’étant manifesté de bonne heure dans l’emploi des fils aériens, il est naturel qu’on ait bientôt songé à y mettre fin en plaçant les fils sous terre. En effet, il n’est pas besoin de dire à quel point la sûreté du service doit se trouver accrue par ce moyen, les fils souterrains étant presque totalement mis à l’abri des lésions acci - dentelles et de celles par malveillance. On voit pareillement que par la présence d’une couche plus ou moins épaisse de sol humide et par conséquent conducteur, qui les recouvre, les fils souterrains doivent être soustraits soit aux ravages du tonnerre, soit aux autres influences de l’électricité atmosphérique moins vio - lentes, mais, à raison de leur plus grande fréquence, plus pré - judiciables encore à la sûreté du service. Malheureusement, vis-à-vis de ces avantages incontestables, est venue se placer, dès le début, l’apparente impossibilité d’atteindre à un isolement suffisamment parfait des fils souterrains. Aussi est-ce vers ce but qu’ont été dirigés, depuis l’origine de la télégraphie électrique, de nombreux efforts, restés pour la plupart infructueux. Cependant la difficulté a fini par être complètement vaincue, et je m’en vais tracer à présent, en peu de mots, l’historique de cet important progrès de la télégraphie électrique.

Historique de l’invention des fils souterrains. M. Jacobi de Saint-Pétersbourg est le premier qui s’est occupé avec succès de l’établissement des fils souterrains. A cet effet, il essaya d’abord de loger les fils dans des tubes de verre réunis bout à bout, puis il voulut les couvrir de caoutchouc en bandes étroites qu’il enroulait autour d’eux; mais il échoua des deux manières. En Angleterre et dans les États-Unis d’Amérique on eut recours, sur des trajets de peu d’étendue, à des conduits de fonte ou de plomb pour protéger contre l’humidité du sol l’enduit de coton verni dont les fils étaient recouverts; toutefois, le degré d’isolement atteint ne se trouva pas suffisant.

Les choses en seraient sans doute restées encore bien longtemps, si, à la même époque, l’industrie n’avait pas été en - richie d’une nouvelle matière, dont le pouvoir isolant n’est égalé que par sa merveilleuse aptitude à se prêter, sous l’influence de la chaleur, aux formes les plus variées. On entend bien que55 je veux parler de la gutta-percha: et en effet, je n’en eus pas plutôt manié les premiers échantillons, que je sentis tout le parti qu’on devait pouvoir tirer de cette substance pour la solution du problème des conduits électriques souterrains.

Ce fut en automne 1846 que je commençais mes expériences. Dès le printemps de 1847 elles furent assez avancées pour que je pusse proposer à la Commission de télégraphie électrique de Berlin d’adopter le système des fils souterrains basé sur l’emploi de la gutta-percha comme enduit isolant. La Commission me chargea d’abord de l’exécution d’une ligne d’épreuve de milles d’Allemagne (à peu près 19 kilomètres) de longueur aux environs de Berlin, et ce premier essai ayant réussi, la Commission au printemps de 1848 adopta définitivement mon système pour toutes les lignes télégraphiques à exécuter dans l’étendue de la monarchie prussienne à l’exclusion seulement des trajets n’existeraient encore ni grandes routes, ni chemins de fer.

A dater de cette époque, sept grandes lignes télégraphiques souterraines ont été établies en Prusse, en majeure partie sous ma direction, pour le service de l’État. Ces lignes représentent actuellement une longueur totale de plus de 300 milles d’Alle - magne (à peu près 2500 kilomètres). A la fin de cet été (1850) cette longueur se trouvera déjà plus que doublée par l’exécution de nouvelles lignes de l’État et de lignes à l’usage des chemins de fer. D’ailleurs les gouvernements autrichien et saxon ont également adopté pour leur lignes télégraphiques mon système de conduction souterraine.

Fabrication du fil enduit de gutta-percha. Les fils de cuivre rouge ont de 1mm,9 à 2mm,5 de diamètre. Ils sont recouverts d’un enduit de gutta-percha sulfurée de la même épaisseur que le fil, parfaitement continu, et, en particulier, sans suture longi - tudinale. Voici l’exposé sommaire du procédé qui sert à enduire le fil de gutta-percha.

Une boîte métallique en forme de parallélépipède est percée, à l’une de ces faces, d’une série de trous du diamètre du fil nu, et à la face opposée d’une série correspondante de trous du diamètre du fil enduit. A travers les trous correspondants sont établis les fils nus, de manière, toutefois, à être centrés dans les trous de la large espèce. La boîte est chargée de gutta-percha56 sulfurée à l’état plastique et soumise à une pression assez con - sidérable pour qu’elle tende à s’échapper par les orifices annu - laires qui subsistent entre le fil nu et les parois de la boîte dans les trous de la large espèce. Mais, en sortant par ces orifices, la masse plastique adhère au fil et l’entraîne dans son jet, en le recouvrant d’une couche d’épaisseur égale sur tous les points. La fabrique de MM. Fonrobert et Pruckner à Berlin, jusqu’ici la seule en possession de cette industrie, fournit par jour à peu près 40 kilomètres de fil enduit de gutta-percha.

Procédés pour s’assurer de l’isolement du fil. Quelques précautions que l’on prenne dans la confection du fil, il arrive pourtant de temps à autre qu’il présente des points , par une légère solution de continuité de l’enduit, due surtout à la présence de petites bulles d’air comprimé dans la masse plastique, l’isole - ment se montre plus ou moins défectueux. Avant de livrer les fils à l’usage, il faut donc tâcher d’éliminer ces imperfections. Cela ce fait de la manière suivante.

L’ouvrier saisit de l’une de ces mains l’un des bouts d’une hélice à induction, dont l’autre bout communique à l’une des ex - trémités du fil. On fait passer successivement tous les points du fil dans un baquet plein d’eau acidulée, dans laquelle l’ouvrier tient l’autre main plongée. Les courants d’induction sont incessament réveillés par l’action de l’appareil à lame vibrante du docteur Neef. Aussitôt que dans la marche progressive du fil à travers le baquet une solution de continuité de l’enduit permet à l’eau acidulée de fermer le circuit en se mettant en contact avec le fil métallique, l’ouvrier est en proie à des commotions tellement vives, qu’elles ne sauraient échapper à la vigilance même la plus obtuse.

Après qu’on a fait disparaître, à l’aide d’artifices faciles à imaginer, les défauts d’isolement rendus ainsi manifestes, le fil est soumis à une dernière épreuve, qui consiste à l’immerger en même temps dans toute sa longueur, ses deux bouts exceptés, dans un baquet d’eau acidulée, dans laquelle plonge l’une des extrémités d’un galvanomètre de 12000 tours à aiguille astatique, dont l’autre extrémité communique, par l’intermédiaire d’une pile de 8 couples de Daniell, à l’un des bouts du fil. Le moindre défaut d’isolement qui existe encore dans le fil, se trahit aussitôt par la déviation de l’index du galvanomètre.

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Etablissement des fils souterrains. On couche les fils, sans autre lit artificiel, dans la tranchée ouverte sur le plateau du chemin de fer à une profondeur de 0m,8. On a soin de souder les bouts du fil qui atteignent une longueur d’environ 300 mètres, et d’envelopper de gutta-percha les soudures. Le passage des ponts s’effectue dans des tubes de fer. De pareils conduits existent encore partout , par suite de circonstances particulières, l’on est obligé de donner au fil une position plus rapprochée de la surface du sol. S’il s’agit de franchir des eaux en l’absence de ponts, ou bien il n’y a que des ponts-levis, le même procédé est encore mis en usage; seulement les tubes sont pourvus, de distance en distance, de joints, de manière à rappeler l’aqueduc submergé à queue de homard de l’illustre ingénieur écossais.

Procédés pour explorer l’isolement et la continuité du fil. Comme dans le transport et l’établissement du fil il est exposé à bien des chances d’accident, il est nécessaire, pendant le progrès du travail, de pouvoir s’assurer de temps en temps s’il n’y a pas solution de continuité, soit du fil métallique, soit de l’enduit isolant. Cela se fait aisément ainsi qu’il suit.

A la station, l’on commence à coucher le fil, on place un mouvement d’horlogerie, qui, de deux en deux minutes, fait com - muniquer pendant quelques secondes l’extrémité du fil au sol. Chaque fois que les ouvriers sont arrivés à un bout du fil, ils établissent de leur côté une communication permanente entre son extrémité libre, un galvanomètre, une pile et le sol. Si le fil - tallique est intact, il faut que de deux en deux minutes l’aiguille éprouve une déviation, et si l’isolement est parfait, il faut que dans les intervalles elle revienne à zéro.

Procédés pour découvrir le lieu précis de solutions de conti - tinuité, soit de l’enduit isolant, soit du fil métallique. Malgré toutes ces précautions il peut se faire que sur une ligne sou - terraine d’exécution irréprochable à l’origine il se développe dans le cours du temps des défauts d’isolement ou de conduction plus ou moins graves. Ce sont ou bien des lésions de l’enduit, qui, effectuées dans le transport ou dans l’enterrement du fil, donnent peu à peu accès à l’humidité du sol, ou bien de pareilles lésions produites par la pioche des ouvriers terrassiers dans des travaux imprudemment exécutés dans le voisinage du fil sur le plateau58 du chemin de fer, ou bien enfin des lésions dues à la malveillance. Ces deux dernières causes peuvent même amener une rupture totale du fil. Il s’agit donc maintenant de trouver les moyens de reconnaître sans trop de peine et dans le plus court délai possible le lieu précis de ces deux genres de lésion.

Quant aux défauts d’isolement, l’opération est susceptible d’être singulièrement abrégée à l’aide d’une formule que je vais indiquer. Désignons par A et B les stations télégraphiques, entre lesquelles existe la lésion de l’enduit. Nous nommerons extrémité A, extrémité B du fil, les extrémités qui se trouvent aux stations A et B. Soient de plus a et b les résistances du fil comprises entre les stations A et B et le lieu de la lésion, α et β les résistances qu’éprouve un courant à passer du fil au sol par les plaques métalliques submergées aux stations A et B, enfin γ la résistance qu’un courant éprouve à passer du fil au sol à l’endroit de la lésion. Alors, faisant commu - niquer directement au sol l’extrémité B du fil et l’extrémité A par l’intermédiaire d’une pile, et nommant d’ailleurs s et s' les intensités des courants mésurées en A et B à l’aide de galvanomètres compa - rables, on aura 〈…〉 , d’où l’on tire 〈…〉 .

Maintenant, qu’on renverse la disposition de manière que ce soit l’extrémité A, qui communique directement au sol, et l’extré - mité B, se trouve la pile. En donnant au courant la direction contraire dans le fil, afin que la polarisation en γ ait la même valeur qu’auparavant, et nommant d’ailleurs σ et σ 'les nouvelles intensités des courants en A et B, l’on aura cette fois 〈…〉 .

En divisant la seconde équation par la première, on élimine γ et l’on trouve: 〈…〉 , d’où l’on déduit le rapport de a et b. Dans cette formule, on n’a pas tenu compte de la résistance de la pile; mais sur des lignes59 télégraphiques d’une longueur tant soit peu considérable, cette résistance par rapport aux autres résistances est assez petite pour être négligée sans inconvénient. La même considération pourra presque toujours s’appliquer aux constantes α et β, dont la somme revient à ce que l’on est convenu d’appeler la résistance de la terre; sinon, il faudra avoir déterminé α et β par des expériences préalables.

Quelque imparfaites que restent nécessairement les mesures de ce genre, la formule que je viens de donner, sert pourtant à déterminer le lieu d’une lésion de l’enduit isolant à un centième près de la longueur des lignes tant soit peu étendues et d’ailleurs bien isolées. On arrive par du moins à connaître les deux stations du chemin de fer, entre lesquelles existe la lésion. Pour en reserrer le lieu entre les limites plus étroites, on procède de la manière suivante.

Les extrémités A et B du fil étant isolées, l’on se transporte au milieu du trajet compris entre les deux stations du chemin de fer, on y coupe le fil, et l’on en réunit successivement les deux bouts au sol par l’intermédiaire d’une pile et d’un galvano - mètre d’une sensibilité appropriée. Evidemment la lésion doit se trouver du côté de l’endroit coupé, l’on observe une déviation de l’aiguille. Ainsi la longueur du fil qui renferme la lésion, est réduite de moitié. Après avoir rétabli le fil, on va répéter la même opération au milieu de la distance comprise entre les nou - velles limites, et ainsi de suite. Douze bisections pareilles a peu près, entre deux stations du chemin de fer de la distance moyenne usitée en Allemagne (20 kilomètres), suffisent pour préciser le lieu de la lésion à quelques mètres près. Alors il n’y à plus qu’a déterrer une longueur correspondante du fil et à rétablir l’intégrité de l’enduit par les procédés convenables.

Pour déterminer le lieu d’une rupture du fil métallique, on établit à l’une des stations télégraphiques une pile en communi - cation d’une part avec le fil, de l’autre avec le sol. On s’assure de l’intégrité du circuit entre un endroit donné et la pile, en plongeant dans l’enduit isolant, jusqu’au contact du fil métallique, un stylet acéré, au bout duquel on applique la langue; on reconnaît aisément la présence du courant à la saveur particulière qu’il développe. Quoique ce moyen suffise, il va sans dire que l’on peut aussi se servir du galvanomètre.

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Si l’on a eu soin, dans l’établissement de la ligne, d’établir de distance en distance des points d’un accès facile au fil souterrain, et si dans le cours de l’opération on accélère le transport des ouvriers à l’aide d’une draisine, il suffit d’un couple d’heures pour rétablir l’intégrité soit du fil métallique, soit de l’enduit isolant, sur un trajet d’une vingtaine de kilomètres.

Frais des fils souterrains. Le prix du fil enduit de gutta - percha, tel qu’il est employé sur les lignes du gouvernement prus - sien, est à Berlin à peu près 400 francs par kilomètre, le kilo - mètre pesant 50 kilogrammes. Pour les lignes des chemins de fer on se contente d’un fil qui ne pèse que la moitié, et dont le kilo - mètre en conséquence ne revient qu’à un peu plus de 200 francs. L’établissement du fil revient dans l’Allemagne septentrionale à 80 100 fr. par kilomètre, dépense qui toutefois se répartit égale - ment sur le nombre de fils que l’on couche à la fois.

Avantages des fils souterrains. Les frais des fils souterrains en place excèdent donc dans la plupart des cas ceux des fils aériens. Outre cet inconvénient on peut leur en reprocher encore un autre, savoir que, pour établir des fils additionnels sur une ligne télégraphique déjà existante, il faut ouvrir une nouvelle tranchée dans toute l’étendue de la ligne, tandis que, dans le sy - stème des fils aériens, les mêmes poteaux peuvent servir pour aug - menter à volonté jusqu’à une certaine limite le nombre des fils suspendus.

Malgré cela, comme on va le voir, l’avantage, même sous le rapport des frais, est incontestablement du côté du système sou - terrain.

Effectivement les conduits aériens sont sujets à deux causes de détérioration qui en nécessitent le renouvellement à des époques plus ou moins rapprochées. L’une de ces causes réside dans la pourriture des poteaux continuellement exposés à toutes les intem - péries de la saison; l’autre, dans une modification moléculaire qui s’opère dans les fils, soit par la transmission incessante des courants électriques, soit par la tension à laquelle ils sont soumis et les vibrations qui en résultent à chaque courant d’air. Par suite de cette modification les fils, après un certain temps, deviennent cassants au point de se rompre, surtout par un froid rigoureux, par l’effet d’un simple coup de vent. Cet accident se reproduisant61 presque journellement sur les divers points de lignes étendues, il devient indispensable de renouveler les fils.

Les fils souterrains, au contraire, depuis trois ans qu’ils sont en terre, n’ont encore éprouvé la moindre altération appréciable de leur surface. On en peut conclure qu’il s’écoulera un temps presque indéfini jusqu’à ce que l’altération, dont ils pourraient être menacés, atteigne le fil métallique. Ils ne sont pas sujets à se rompre, même quand ils seraient devenus cassants par l’effet de la transmis - sion des courants, puisqu’ils ne sont soumis à aucune espèce d’ef - fort mécanique. La durée de service des fils souterrains étant ainsi assurée, tandis que celle des fils aériens est restreinte à des limites assez étroites, il est évident qu’en dernière analyse les pre - miers coûtent moins cher que les derniers.

Pour ce qui concerne la sûreté du service, il va sans dire d’abord que les mêmes détériorations, qui après un certain temps exigent impérieusement le renouvellement des fils aériens, commen - cent par porter atteinte à la régularité des communications, et que, sous ce rapport déjà, les fils souterrains offrent des garanties bien supérieures. Tandis que les fils aériens sont exposés à toute sorte d’accidents, ainsi qu’aux attaques de la malveillance, les fils souterrains, presque entièrement à l’abri des premiers, échappent encore facilement aux derniers, lors même que leur parcours sur le plateau du chemin de fer ou de la grande route serait connu des agresseurs. Il y a plus, si l’isolement des fils souterrains n’est peut-être jamais aussi parfait que celui des fils aériens suspendus à l’aide de cloches dans des conditions atmosphériques favorables, cet isolement est, en revanche, complètement exempt des vicissitudes, auxquelles l’isolement des fils aériens est si fort sujet. Or, comme on l’a dit à l’entrée de ce chapitre, c’est précisément le point essentiel. Aussi n’est-il pas beaucoup plus rare de voir les télé - graphes électriques à fils aériens mis hors de service par l’effet d’une abondante pluie d’été, ou d’une copieuse chute de neige, que cela n’était le cas autrefois pour les télégraphes optiques. Les fils souterrains, au contraire, n’offrent pas même des traces de pareilles influences et fonctionnent par tous les temps, hiver et été, avec cette régularité qu’on avait d’abord eu l’espoir d’obtenir des télé - graphes électriques, espoir auquel le système des fils aériens a si peu répondu. Enfin, et comme on pouvait s’y attendre, la marche62 des télégraphes souterrains n’est que très-rarement entravée par les influences de l’électricité atmosphérique, troisième grande classe de perturbations, qui, ainsi qu’on l’a vu plus haut, vient mettre le comble aux embarras qui compromettent la sûreté du service des télégraphes à fils aériens. Ni les courants d’électricité atmosphéri - que par un ciel serein, ni les courants induits par le mouvement des nuages électriques, ni enfin les décharges brusques et délétères en temps orageux n’ont de prise sur les fils souterrains à raison de la couche conductrice de sol humide qui les recouvre. Il ne reste pour les fils souterrains, en fait de perturbations de ce genre, que des courants provenant du choc en retour, qui se manifestent parfois dans le circuit en temps d’orage au moment d’une forte décharge.

Phénomènes remarquables qu’offrent les conduits souterrains. Voici un phénomène bien remarquable qu’on a constamment l’occasion d’observer sur de longues lignes télégraphiques bien isolées. Supposons que l’extrémité B du fil soit isolée, et qu’on fasse communiquer l’autre A à une pile dont l’autre pôle est réuni au sol. A l’instant l’on établit la communication, on observe dans les parties du fil qui ne sont pas trop éloignées de la pile, un courant de courte durée dans la direction du courant instantané qui s’éta - blirait, si l’on fermait le circuit en réunissant l’extrémité B au sol; sur les lignes d’isolement parfait, il ne reste aucune trace de ce courant. Remplaçant tout à coup, à l’aide d’une bascule, la pile par un conducteur inerte, on obtient un second courant instantané d’intensité à peu près égale à celle du premier, mais cette fois en sens inverse. Rompant ensuite à l’extrémité A toute communication avec la pile et le sol, de manière à tenir cette extrémité isolée, et réunissant au même instant au sol l’extrémité B, on observe encore un courant instantané d’intensité à peu près égale et cette fois de nouveau dans le sens du premier, c’est-à-dire du courant con - tinu de la pile à circuit fermé. Cette dernière expérience ne peut se faire, bien entendu, que lorsqu’on dispose d’une ligne à double fil conducteur souterrain; alors les extrémités A et B du fil sont supposées se trouver à la même station, les extrémités correspon - dantes du double fil, à la station opposée, étant réunies bout à bout et isolées du sol de manière à ne former qu’un circuit unique.

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On pourrait, au premier coup-d’oeil, et en n’ayant égard qu’à la direction des courants, être tenté d’admettre que ces phénomènes sont dus à des polarités secondaires développées sur le fil. Mais bien des faits viennent combattre cette opinion. . Les phéno - mènes sont d’autant plus prononcés que le fil est mieux isolé. . Les courants sont de beaucoup plus courte durée que ceux dus aux polarités secondaires. . L’intensité des courants est propor - tionnelle à la force de la pile, et indépendante de l’intensité du courant dérivé, s’il en existe par suite d’imperfections de l’isole - ment; il s’ensuit que l’intensité des courants instantanés peut dépasser de beaucoup le maximum auquel, dans le même circuit, l’intensité du courant aux polarités secondaires est assujettie. . Enfin, l’intensité des courants instantanés est proportionnelle à la longueur du fil, tandis qu’une relation inverse devrait avoir lieu, si ces courants provenaient de la décharge de polarités se - condaires.

Ainsi, il n’y a pas à songer à ces polarités pour l’expli - cation du phénomène. Mais, pour le comprendre très-facilement, il n’y a qu’à se rappeler la belle expérience, par laquelle Volta fournit la preuve la plus éclatante de l’identité du galvanisme et de l’électricité. Le physicien de Côme montra qu’en faisant com - muniquer au sol l’une des extrémités d’une de ses piles et l’autre à l’armature interne d’une batterie de Leyde non isolée, l’on obtient, dans un espace de temps presque insensible, une charge de la batterie proportionnelle à la force de la pile. En même temps, on observe dans le conducteur, entre la pile et l’armature interne, un courant instantané qui, d’après Ritter, offre toutes les propriétés d’un courant ordinaire.

Or il est évident que le fil souterrain, avec son enduit isolant, peut être exactement assimilé à une immense batterie de Leyde. Le cristal des jarres, c’est l’enduit de gutta-percha; l’armature interne, c’est la surface du fil de cuivre rouge; l’armature externe enfin, c’est le sol humide qui fonctionne, en ce cas, comme la main dans la première expérience du chanoine de Dantzig. Pour se faire une idée de la capacité de cette nouvelle espèce de batterie, il n’y a qu’à réfléchir que la surface du fil équivaut à environ 7 mètres carrés par kilomètre.

Faisant communiquer le fil par l’une de ses extrémités à une64 pile, dont l’autre extrémité communique au sol, tout en maintenant isolée l’autre extrémité du fil, il faut que le fil prenne une charge de même signe et de même tension que le pôle de la pile qu’on lui fait toucher. C’est ce qui se passe dans le premier des courants instantanés, dont je viens de dénoter la présence. Dans l’expérience de Volta, en rompant la communication entre la pile et la batterie, et en établissant un arc conducteur entre les deux armatures, on obtient la décharge comme à l’ordinaire. C’est à cette décharge que correspondent, comme il est aisé de voir, les deux courants instantanés que l’on observe en sens inverse l’un de l’autre aux deux extrémités du fil, en faisant communiquer ces extrémités au sol, à l’exclusion de la pile. On comprend d’ailleurs que le premier courant instantané, celui dans lequel s’opère la charge du fil, doit se produire également, quoiqu’à une moindre intensité, lors même que l’autre extrémité du fil com - munique au sol. Le courant instantané alors précède le courant continu, ou, si l’on aime mieux, s’ajoute à lui dans les premiers moments. Du reste, ce courant instantané a une intensité beaucoup plus grande que le courant continu, sans doute parce que, dans l’acte de la charge du fil, l’électricité, pour se rendre aux différents points du fil, parcourt des chemins d’autant plus courts que ces points sont plus rapprochés de la pile.

Quoi qu’il en soit, ces phénomènes, que je signale à l’atten - tion des physiciens, impliquent, dans la construction d’appareils destinés à desservir les lignes télégraphiques souterraines, cer - taines dispositions dont il sera question plus tard.

Une autre singularité qu’offrent les fils souterrains c’est que, quand il y a un circuit dérivateur par suite de l’isolement - fectueux du fil, le courant dérivé qui existe dans ce circuit paraît constamment d’une intensité plus grande quand le fil prend à la pile l’électricité positive qu’en établissant la communication en sens contraire. Malheureusement, l’étude de ce phénomène laisse encore beaucoup à désirer, par la raison qu’il ne se produit d’une manière tranchée que sur les lignes d’un isolement très-défectueux.

Je m’exprimerai avec plus de réserve sur un troisième phé - nomène que je crois avoir constaté sur les lignes souterraines, c’est la production de courants d’intensité et de direction variable par l’effet des variations des éléments du magnétisme terrestre,65 qui accompagnent les aurores boréales. J’ai observé le fait le plus saillant de ce genre le 18 octobre 1848 sur la ligne de Berlin à Coethen de 20 milles d’Allemagne (environ 150 kilo - mètres) de longueur, dirigée à peu près de l’E. -N.-E. à l’O. -S.-O., par conséquent presque normale au méridien magnétique. A la nuit tombante une magnifique aurore boréale se déclara à l’horizon, et dans le cours de la même soirée, comme j’appris plus tard par les journaux, tous les télégraphes électriques de l’Angeleterre refusèrent le service. Du reste, les fils aériens semblent devoir être également soumis à la même influence: seulement au milieu des nombreuses perturbations dont ces fils sont le siège, les cou - rants d’induction magnéto-tellurique ne pourront pas être aussi facilement distingués.

Chapiter II. Des appareils télégraphiques.

Division des télégraphes électriques en deux classes. Les télégraphes actuellement en usage peuvent être répartis en deux classes, savoir: en télégraphes que je nommerai à signaux combinés, et en télégraphes alphabétiques ou à cadran. Dans les télégraphes de la première espèce, chaque signal, équivalant par exemple à une lettre de l’alphabet, résulte de la combinaison d’un certain nombre de signaux élémentaires simultanés ou suc - cessifs. Dans les télégraphes de la seconde espèce une aiguille qui parcourt un cadran par une succession de mouvements élé - mentaires de même nature est susceptible de s’arrêter en un point choisi du cadran et d’établir ainsi la correspondance.

Comparaison des deux classes de télégraphes électriques. Si l’on fait la comparaison de ces deux grandes classes d’appareils télégraphiques, on arrive bientôt à voir que, sous le rapport si essentiel de la sûreté du service, les télégraphes à cadran l’em - portent d’une manière notable sur ceux à signaux combinés. En effet, tandis que ces derniers exigent de la part des employés une dextérité particulière souvent très-considérable et très-difficile à acquérir, les télégraphes à cadran sont d’un usage facile, et pour ainsi dire à la portée de tout le monde. Les signaux des télégraphes à cadran se réduisent toujours à la coïncidence d’une aiguille avec un des signes inscrits autour du cadran; il ne faut,566pour les saisir, qu’un seul acte d’attention de la part de l’em - ployé qui reçoit la dépèche. Au contraire, les signaux combinés exigent autant de pareils actes qu’il y entre de signaux élémen - taires. Cette espèce de signaux doit dont nécessairement fatiguer beaucoup plus l’attention des stationnaires, et les chances d’erreur se trouvent pour elle multipliées par le nombre moyen des signaux élémentaires qui entrent dans la composition d’un signal combiné. Il y a plus: à l’instant , par une cause quelconque, les aiguilles des télégraphes à cadran se sont détachées, l’employé est mis au fait de l’accident soit par l’incohérence de la dépêche, soit, si elle est en chiffres, par le désaccord entre les signaux de rapport. Dans les télégraphes à signaux combinés, chaque signal étant indépendant de ceux qui ont précédé, l’employé en recueillant la dépèche n’est averti par rien de ce qu’elle est fautive, ce qui peut donner lieu aux plus graves inconvénients. Et bien entendu, l’impression des dépèches, ou leur fixation immédiate par tout autre procédé, ne saurait rémédier à ce défaut, puisque ce mode de transmission est bien capable d’éliminer les fautes de lecture, mais non celles provenant de désordre des appareils.

Ainsi, la supériorité des télégraphes à cadran sur ceux de l’autre espèce, sous le rapport de la sûreté, se trouve en prin - cipe bien établie. Si, malgré cela, les télégraphes à signaux com - binés sont aujourd’hui de beaucoup les plus répandus, il en faut chercher la raison dans plusieurs circonstances. D’abord le - canisme des télégraphes à cadran est en général plus compliqué, et, par suite, le prix en est plus élevé. Ensuite ces télégraphes ne paraissaient pas, jusqu’a présent, susceptibles de fonctionner avec la même vitesse que les télégraphes à signaux combinés, parce qu’il y a toujours entre chaque lettre et la suivante, le temps perdu que l’aiguille met à parcourir la partie de la cir - conférence du cadran comprise entre les deux lettres. Enfin, dans les essais qu’on avait fait jusqu’ici, la marche des télégraphes à cadran s’était toujours montrée excessivement sujette à toutes sortes de désordre, surtout par des variations de l’intensité des courants, comme elles ont lieu si fréquemment dans les cir - cuits à fils aériens.

Dans la construction du télégraphe à cadran, dont on va lire une description sommaire, je crois avoir été assez heureux67 pour conserver tous les avantages de cette espèce d’appareils, tout en trouvant les moyens d’en éviter, du moins en grande partie, les inconvénients.

Description d’un nouveau télégraphe à cadran. Qu’on s’imagine une pièce de fer doux pivotant autour d’une axe qui passe par son centre de gravité, et servant d’armature à un ai - mant temporaire, dont toutefois un ressort tend constamment à la tenir éloignée. Quand on ferme le circuit d’une pile et de l’aimant, l’armature est attirée. Mais les choses sont disposées de manière que, par ce mouvement même de l’armature, le cir - cuit se rouvre. Aussitôt le ressort reprend le dessus et rapelle l’armature; mais par ce mouvement même de l’armature, opéré en sens inverse du premier, le circuit est fermé de nouveau. On comprend que le même jeu doit se reproduire indéfiniment, et de des oscillations de l’armature, qui peuvent acquérir une très grande vitesse, proportionnelle toujours à l’intensité du cou - rant qui anime l’aimant temporaire. Ces oscillations de l’arma - ture sont le principe moteur de mon télégraphe.

En effet, l’armature porte un levier, à l’extrémité duquel se trouve un encliquetage s’engageant dans les dents d’une roue à rochet. Chaque rappel de l’armature fait faire un pas à la roue, qui tourne ainsi dans une direction déterminée avec une vitesse proportionnelle à l’intensité du courant. L’axe de la roue porte une aiguille qui parcourt incessament le cadran à signaux. Au - tour du cadran sont inscrites les lettres de l’alphabet ou tels signes qu’on voudra, en nombre égal à celui des dents de la roue à rochet. A chaque oscillation de l’armature répond donc un signe parcouru par l’aiguille du cadran.

Inutile de dire, du reste, que le levier d’encliquetage sert aussi à fermer et à rouvrir le circuit. A cet effet, ce levier os - cille entre les deux bras d’une espèce de fourche susceptible d’un petit mouvement latéral de va-et-vient dans le plan qui passe par les deux bras de la fourche. Ce petit mouvement latéral, dans l’un des sens, a pour résultat de fermer le circuit, en établissant le contact entre le bras correspondant de la fourche et une pièce d’arrêt conductrice. Le mouvement latéral de la fourche dans l’autre sens, au contraire, a pour résultat d’ouvrir le circuit en met - tant fin au contact qui vient d’être indiqué. Dans cette direction5*68le mouvement de la fourche est limité par un butoir en pierre, et par conséquent isolant. Dans ses excursions de chaque côté le levier vient alternativement s’appuyer sur l’un et l’autre bras de la fourche, et la déplacer tantôt dans un sens, tantôt dans l’autre. On comprend donc, comment il fait pour fermer et rouvrir alternative - ment le circuit. Mais pour assurer la position de la fourche dans les deux temps, il y a encore une disposition particulière. L’espèce de levier qui, situé sous le levier d’encliquetage, porte la fourche, se prolonge, au delà, en un ressort dont l’extrémité est garnie d’une pierre taillée en forme de cône obtus. Le sommet de ce cônes appuie sur une pierre taillée en forme de toit à angle très ouvert. Chaque fois que le levier d’encliquetage fait changer de position à la fourche, le cône franchit l’arête du toit; et l’action du ressort qui tend à faire glisser le sommet du cône sur le plan incliné du toit, presse le bras de la fourche contre le butoir cor - respondant, et empêche ainsi le circuit de se fermer ou de se rouvrir par l’effet des tremblements de la fourche, avant que le levier, à la fin de l’excursion suivante, vienne lui-même remplir cet office en temps opportun.

A la station opposée de la ligne télégraphique se trouve un appareil tout semblable, et le même courant, provenant de deux piles disposées dans le même sens aux deux stations, anime les électro-aimants des deux appareils. L’interruption d’un circuit en un seul endroit suffisant pour enrayer le courant dans toute l’étendue du circuit, on comprend à l’instant que chaque fois que l’armature est rappelée dans l’appareil A, elle l’est également dans l’appareil B. Mais il n’est pas moins évident que l’arma - ture A ne peut être attirée de nouveau par suite du rétablisse - ment du contact en A avant que le ressort ait également rétabli le contact en B. Il s’ensuit que les oscillations des armatures en A et B devront être parfaitement synchrones. Donc aussi les mouvements des aiguilles sur les cadrans en A et B devront se correspondre exactement, et si, à l’origine, elles ont été dis - posées d’une manière homologue, elles devront à chaque instant de leur course spontanée, incessante et rapide indiquer la même lettre du cadran.

Pour transmettre des signaux à l’aide de ces appareils il n’y a donc plus qu’à trouver le moyen d’arrêter l’aiguille à une69 lettre donnée, la même sur les deux cadrans. Ce moyen est bien simple. Il suffit évidemment pour cela d’empêcher le circuit de se fermer de nouveau par l’action du ressort de l’appareil A, quand l’aiguille sera arrivée à la lettre donnée, puisqu’alors le circuit restant également ouvert pour l’appareil B, le courant ne pourra plus passer, et qu’aucune des deux armatures ne sera attirée jus - qu’à ce qu’on ait permis au ressort de l’appareil A de fermer le circuit. A cet effet, on a disposé autour du cadran, qui d’ailleurs est horizontal, un clavier circulaire dont les touches correspondent aux lettres du cadran. En pressant une touche on abaisse une cheville que vient rencontrer un bras fixé à l’axe de la roue à rochet parallèlement à l’aiguille du cadran. La roue se trouve ainsi arrêtée précisément au milieu du pas qu’elle allait accomplir par l’action du ressort; par suite, le levier d’encliquetage reste en suspens entre les bras de la fourche, et le circuit ne peut pas se fermer de nouveau par l’action du ressort jusqu’à ce qu’on ait enlevé l’obstacle en ôtant le doigt de la touche. A l’autre sta - tion rien n’empêche pendant ce temps la roue à rochet d’accom - plir son pas en entier, et le ressort de fermer le circuit; mais le circuit étant ouvert en A, l’armature n’est point attirée de nouveau, et l’aiguille en B s’arrêtera donc à la lettre voulue un instant après celle de l’appareil A. Ainsi l’on a à chaque station un cadran, sur lequel, lorsqu’on est en correspondance, circule incessament une aiguille que chacun des stationnaires peut arrêter à volonté à chaque compartiment du cadran; presque au même instant l’aiguille sur le cadran de l’autre station s’arrête au même compartiment.

Carillon d’alarme et méthode de se mettre en correspondance. A chacun de mes télégraphes est adapté un carillon d’alarme, dont la construction et le jeu reviennent presque exactement à ceux des appareils télégraphiques avec cette seule différence que le levier que porte l’armature ne sert plus à faire mouvoir la roue à rochet, mais que les oscillations de ce levier sont em - ployées directement à frapper de coups redoublés le timbre du réveil.

Dans les temps de repos, lorsqu’on ne veut pas correspondre, le circuit entre les deux stations A et B est formé uniquement du fil conducteur, de la terre, et, à chaque station, des bobines du carillon d’alarme, dont le ressort de rappel tient le circuit70 fermé. Quand le stationnaire A vent parler au stationnaire B, il retire du circuit son carillon et le remplace par une pile et par l’appareil télégraphique. Alors l’appareil télégraphique reste immobile, tandis que le carillon de la station B donne l’alarme.

D’après ce qu’on a vu plus haut à l’égard de la solidarité nécessaire des mouvements des aiguilles de deux de mes appareils, c’est-à-dire des oscillations de leurs armatures, il doit paraître surprenant que deux appareils semblables, le télégraphe et le ca - rillon, puissent se trouver dans le même circuit, l’un marchant, l’autre ne marchant pas. Pour comprendre ce phénomène il faut se rappeler le fait, que le magnétisme temporaire du fer doux par l’action du courant ne prend tout son développement qu’après un certain temps écoulé. Qu’on s’imagine maintenant que dans deux appareils installés dans le même circuit, le ressort de rappel de l’un, A, soit hors de toute proportion plus fort ou plus tendu que celui de l’appareil B. Alors, quand l’armature de B aura déjà été attirée, l’aimant de A n’aura encore acquis peut-être que la force nécessaire pour faire équilibre au ressort; et le cir - cuit s’étant ouvert en B par le mouvement de l’armature, il n’est pas non plus possible, en ce cas, que l’aimant de A acquière jamais cette force. L’armature de A restera donc forcément im - mobile, et le circuit constamment fermé de ce côté; il s’ensuit que l’appareil B marchera seul. Une semblable discordance peut encore se produire par d’autres causes, dont il sera question plus tard. Le moyen d’y rémédier est aisé à deviner. Il suffit pour cela de donner aux ressorts des deux appareils les tensions con - venables à l’aide d’une vis accessible de dehors. Mais, dans les carillons d’alarme, c’est le contraire qu’on a fait; on a pro - fité de la possibilité d’un pareil désaccord pour placer dans le même circuit le télégraphe de la station A, qui veut se mettre en correspondance, et le carillon de la station B, dont le gardien doit être averti. A cet effet, le ressort des carillons d’alarme a été fait plus faible que celui des télégraphes, au point que les appareils étant installés à la fois dans le circuit, les premiers marchent déjà rapidement par l’action de la pile de l’autre sta - tion, tandis que les derniers dans ces circonstances restent en - core immobiles.

L’utilité de cet arrangement est facile à saisir. En effet, pour71 achever d’établir la correspondance, le stationnaire B, averti par le réveil, retire du circuit son carillon d’alarme et le remplace par le télégraphe et la pile; aussitôt les télégraphes marchent ensemble. Cela ne pourrait pas avoir lieu, si le stationnaire A, en donnant l’éveil, n’avait pas d’abord introduit son télégraphe dans le circuit, et il n’aurait pas pu le faire, sans que, par suite, les aiguilles des deux télégraphes se fussent trouvées détachées l’une de l’autre, si son télégraphe n’était pas resté immobile pen - dant que le carillon de l’autre station marchait.

Il va sans dire que toutes ces opérations, qui, à la première vue, pourraient paraître compliquées, se font simplement en don - nant différentes positions au levier d’un commutateur. Avant d’entrer en besogne, les stationnaires s’assurent réciproquement de la marche correspondante de leurs aiguilles par un signal convenu, qui consiste à marquer les blancs du cadran. Si les aiguilles s’étaient détachées, on les règle à l’aide d’une disposi - tion qui permet de mouvoir l’aiguille sur son cadran en faisant osciller l’armature à circuit ouvert par les pressions successives qu’on exerce sur un bouton.

Intensité des courants employés à faire marcher le nouveau télégraphe à cadran. Comme marche normale de mes télé - graphes à cadran je considère celle l’aiguille parcourt par seconde la demi-circonférence, soit quinze signaux télégraphiques. Pour obtenir cette vitesse, à l’exclusion de résistances étrangères aux appareils, je fais usage d’une pile de 5 couples de Daniell pour chaque appareil. Mais le nombre de couples nécessaires est loin de s’accroître en proportion de la longueur du circuit télé - graphique qui sépare les appareils. Ainsi, avec les fils sou - terrains, les nouveaux télégraphes marchent très-bien à une dis - tance de 50 milles d’Allemagne (environ 400 kilomètres), quand ils sont animés de chaque côté par une pile de 25 couples de Daniell. D’ailleurs, on ne fera usage de cette disposition que sur des lignes dénuées de stations intermédiaires. de pareilles stations existent, il sera bien plus avantageux, quand il s’agira de correspondre entre les stations extrêmes, de faire simplement entrer dans le circuit les piles des stations intermédiaires, à l’ex - clusion des télégraphes qui s’y trouvent, que d’accumuler indéfini - ment les couples aux stations extrêmes.

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Appareil additionel ou transmetteur servant à faire fonctionner le télégraphe à de grandes distances. De quelque manière qu’on s’y prenne, il faudra toujours, pour faire fonctionner convenable - ment les télégraphes à de très grandes distances, augmenter le nombre des couples dans une proportion qui finit par entraîner de graves inconvénients. C’est pour parer à ces inconvénients, que je munis en ce cas mes télégraphes d’un appareil additionnel qui permet de n’employer, même aux plus grandes distances, que des piles d’un nombre de couples fort limité. Cet appareil offre en principe la disposition suivante.

Quand on ferme les circuits des piles des deux stations, le courant n’entre pas d’abord dans les bobines des aimants des deux télégraphes, quoiqu’il soit bien assujetti à franchir les lieux de contact dans ces deux appareils, dont les ressorts de rappel garantissent, en temps de repos, la perméabilité électrique. Au lieu de ces bobines le courant traverse celle des aimants tem - poraires des transmetteurs, vis-à-vis des pôles desquels pivotent des armatures tout semblables à celles déjà décrites du télé - graphe et du carillon. Ces armatures sont disposées de manière qu’aussitôt qu’elles sont attirées, elles ferment une interruption qui existait jusqu’alors entre une pièce d’arrêt conductrice et un levier fixé aux armatures. Cette interruption reste fermée tout le temps que passe le courant. Quand le courant cesse, les armatures sont rappelées par des ressorts qui, à l’inverse des ressorts des télégraphes des carillons, tendent donc constamment à rompre le contact au lieu de le maintenir. D’ailleurs, ces éta - blissements et ces ruptures de contact étant le seul travail dont les armatures des transmetteurs soient chargées, on a pu réduire extrêmement leur course et donner à leurs ressorts une tension incomparablement plus petite même que celle des ressorts des carillons. Donc aussi le moindre filet de courant suffira pour mettre en jeu ces appareils.

Maintenant, à l’instant les armatures des aimants des transmetteurs établissent les contacts indiqués, le courant de la pile correspondante, qui jusqu’alors avait à parcourir uniquement le circuit télégraphique, y compris les bobines des transmetteurs et les lieux de contact des télégraphes, et qui dans cette route se renforçait du courant de la pile de la station opposée, trouve73 tout à coup à parcourir un circuit dérivateur beaucoup plus court et par conséquent beaucoup moins résistant. En effet, ce nou - veau circuit, indépendamment des lieux de contact des transmet - teurs, se compose, pour la pile de chaque station, uniquement des bobines du télégraphe correspondant. Il existe donc pendant tout le temps que les armatures des transmetteurs sont attirées, ou bien, ce qui revient au même, que les lieux de contact des télégraphes sont perméables, pour chaque pile deux circuits d’iné - gale résistance. L’un de ces circuits est formé, comme on vient de le voir, par les bobines du télégraphe; l’autre, c’est le circuit télégraphique lui-même qui, à l’autre station, se continue d’abord dans les bobines du transmetteur, et puis se ramifie en deux embranchements, la pile d’une part, les bobines du télégraphe de l’autre. Il est facile de comprendre que les intensités des cou - rants, dans les différents circuits qu’on leur ouvre, étant en raison inverse des résistances de ces circuits, les bobines des télégraphes se trouveront ainsi traversées par des courants bien plus intenses que si l’on leur avait fait faire partie simplement du circuit télé - graphique avec les deux piles. Voilà donc les télégraphes qui entrent simultanément en action par l’effet du filet de courant qui seul franchit tout le circuit télégraphique. Examinons ce qui va se passer ultérieurement.

Les armatures des télégraphes sont attirées, et pendant le temps de leur course rien n’est encore changé. Mais sitôt qu’ar - rivées au terme de cette course, les armatures interrompent le contact dans les télégraphes, le courant qui animait les aimants des transmetteurs cesse, l’armature de ces aimants est rappelée, et par suite le courant dérivé immédiatement de la pile qui animait les aimants du télégraphe cesse aussi. Les armatures des télégraphes retombent à l’appel de leurs ressorts et font faire aux deux aiguilles un pas correspondant. D’ailleurs, ces armatures, au terme de leur chute, venant de nouveau fermer le circuit télégraphique pour les bo - bines du transmetteur, le même jeu se renouvelle indéfiniment, comme dans le cas des télégraphes marchant sans transmetteurs.

Il va sans dire que le courant qui anime les aimants des transmetteurs, éprouve une diminution sensible de son intensité, aussitôt que ces aimants, par l’attraction de leurs armatures, ont fermé le circuit dérivateur de moindre résistance. Or il peut se74 faire que le courant qui reste, ne soit plus capable alors de vaincre les ressorts de rappel des transmetteurs, en sorte que les aimants des télégraphes ne trouvent jamais le temps nécessaire pour faire décrire à leurs armatures une course complète. Les aiguilles des télégraphes restent donc stationnaires et le circuit télégraphique fermé, tandis que les armatures des transmetteurs oscillent ra - pidement sous la seule influence des variations dans l’intensité du courant qui parcourt leurs bobines; variations que ces arma - tures produisent elles-mêmes en fermant et rouvrant alternative - ment le circuit dérivateur. On peut rémédier à ce défaut, soit en détendant le ressort des transmetteurs, soit en introduisant dans le circuit télégraphique une pile auxiliaire d’une force appro - priée, qui reste en dehors du circuit dérivateur, quand celui-ci est établi à travers les bobines des télégraphes.

En remplaçant à l’une des stations le télégraphe par le carillon, le premier reste immobile, pendant que le second marche; en sorte que la manoeuvre pour donner l’éveil est encore tout à fait la même avec les transmetteurs que sans ces appareils.

Les transmetteurs ralentissant toujours un peu la marche des télégraphes, on fera bien de n’y avoir recours que sur des lignes d’une grande étendue sans stations intermédiaires. Pour bien faire marcher les télégraphes avec les transmetteurs, à l’ex - clusion de résistances étrangères aux appareils, il faut 3 couples de Daniell de chaque côté. A une distance de 400 kilomètres entre les deux stations chaque pile devra être de 6 éléments.

Appareil à impression. A chacun de mes télégraphes peut être adapté un appareil à impression, qui imprime en caractères ordinaires les lettres dont on abaisse les touches correspondantes. Voici quelle est en principe la construction de cet appareil.

Il y a d’abord un aimant temporaire, une armature avec son ressort, un levier d’encliquetage, une roue à rochet, tout semblables à ce qu’on a vu dans les télégraphes. Quand on fait entrer les bobines de l’aimant dans le circuit télégraphique, soit directement, soit par un mode de transmission analogue à celui qui vient d’être décrit, il s’entend que la roue marchera du même pas que celle des télégraphes. A la place de l’aiguille, l’axe de la roue porte cette fois-ci la roue-type de M. Wheatstone, divisée en autant de secteurs faisant ressort qu’il y a de signaux au cadran,75 chaque secteur portant un poinçon. Dans le mouvement de la roue, la lettre correspondante à celle qu’indique à chaque instant l’aiguille du cadran se trouve précisément au-dessus d’un marteau. Au-dessus de la roue est disposé un rouleau noirci, entre lequel et le poinçon passe la bande de papier à imprimer. Le rouleau est composé d’une multitude de disques de papier enfilés à son axe semblables à ceux dont se compose une pile sèche de Zamboni. Cet assemblage de disques a été comprimé à la presse hydraulique, et la tranche travaillée au tour.

Il ne s’agit donc plus, à présent, pour imprimer, que de faire en sorte que chaque fois que l’on abaisse une touche du clavier d’un des télégraphes, le marteau frappe son coup de bas en haut. Or il y a dans l’appareil un second aimant temporaire d’une grande puissance, que nous appellerons l’aimant à impression, et dont les bobines sont en relation avec une pile auxiliaire ou locale.

Le levier d’encliquetage oscille comme dans le télégraphe, au-dessus d’un levier muni d’une pièce analogue à celle que, dans le télégraphe, nous avons nommée fourche. Mais cette pièce se distingue de la fourche en question en ce qu’elle n’a plus qu’un seul bras. Elle est encore susceptible, comme dans le télégraphe, d’un petit mouvement latéral. Dans l’une des positions qui en résultent, le bras seul existant de la fourche appuie contre une pièce d’arrêt conductrice. Dans l’autre sens le mouvement du levier portant la fourche est limité par un butoir en pierre. Du reste les deux positions du levier sont, comme dans le télégraphe, assurées par un cône en pierre frottant à ressort sur un toit en pierre à angle très-ouvert. A l’endroit du levier d’encliquetage qui répond à la fourche, ce levier porte de chaque côté un bouton, l’un isolant, l’autre conducteur. Dans les temps de repos de l’appareil le bouton conducteur, par l’effet du ressort de rappel de l’aimant temporaire, s’appuie contre une pièce d’arrêt conductrice; quand l’armature est attirée, au contraire, le levier va frapper de son bouton isolant le bras de la fourche, et lui inflige la po - sition dans laquelle ce bras est au contact de la pièce d’arrêt conductrice.

Tout ce système, bien entendu, n’est plus engagé dans le circuit de l’aimant temporaire qui meut le levier d’encliquetage,76 et dont les alternatives d’aimantation proviennent du jeu des télé - graphes; mais c’est le circuit de l’aimant à impression qu’il s’agit, à l’aide du système en question, de fermer et de rouvrir en temps opportun. Il existe donc, pour ce dernier circuit, deux lieux de contact, il est sujet à être interrompu. Supposons, en effet, le bras de la fourche dans la position nous l’avions laissé, c’est-à - dire appuyé contre la pièce d’arrêt conductrice et le bouton con - ducteur du levier, par l’action du ressort également au contact de la pièce d’arrêt correspondante. Alors le courant de la pile auxiliaire chemine ainsi qu’il suit. Au sortir des bobines le courant entre dans le levier qui porte la fourche, passe à l’endroit d’interruption de la fourche dans la pièce d’arrêt conductrice, de il gagne le levier d’encliquetage, franchit le second endroit d’interruption et en retourne ainsi à la pile et aux bobines.

Pour peu que le levier d’encliquetage s’écarte de la pièce d’arrêt correspondante par l’action de l’aimant temporaire engagé dans le circuit télégraphique, le circuit de l’aimant d’impression sera donc ouvert, et, pour peu que le bras de la fourche s’écarte de son côté de la pièce d’arrêt correspondante, le circuit sera également ouvert. A l’origine et quand l’impression doit com - mencer, la fourche se trouve dans cette dernière position, le levier d’encliquetage, au contraire, touche sa pièce d’arrêt conductrice; le circuit de l’aimant à impression est donc ouvert. Le courant télégraphique arrive; aussitôt le levier, par l’attraction de l’arma - ture qui le porte, va chasser le bras de la fourche contre la pièce d’arrêt et mettre fin ainsi à l’une des interruptions du circuit d’impression. Le télégraphe, rouvrant le circuit de l’aimant, permet au levier d’obéir à l’action du ressort, le levier retombe contre l’arrêt conducteur, et, cette fois enfin, le circuit de l’aimant à impression est bien fermé. Mais il y a une autre circonstance qui vient encore l’empêcher d’agir. En effet, cette clôture n’est qu’instantanée, parce que l’armature à peine rappelée est attirée de nouveau par l’effet de la clôture du circuit télégraphique. Or, pour faire entrer en action l’aimant à impression qui n’est pas, comme les autres électro-aimants de mes appareils, composé de tubes concentriques et fendus dans leur longueur, il ne suffit pas d’un courant instantané. Son magnétisme, en ce cas, n’atteint pas la hauteur convenable. Mais qu’on vienne à presser l’une77 des touches du clavier de l’un des télégraphes, de manière à tenir tant soit peu plus longtemps ouvert le circuit télégraphique que cela n’a lieu dans la marche ordinaire de l’appareil; alors le levier d’encliquetage se reposant un moment contre sa pièce d’arrêt conductrice, le circuit de l’aimant à impression reste assez long - temps fermé, le magnétisme a le temps de se développer et l’armature est attirée. Voici maintenant les diverses fonctions que, dans son mouvement, cette armature est appelée à remplir.

. Le marteau en suspens au-dessous de la lettre à imprimer est, comme on l’a sans doute deviné, fixé au bout d’un levier que porte l’armature de l’aimant à impression. Par l’attraction de cette armature le marteau frappe donc son coup, et la lettre correspondante à celle qu’indique l’aiguille du télégraphe se trouve imprimée sur le papier.

. Conformément à la distribution des signaux autour du cadran des télégraphes, deux secteurs diamétralement opposés de la roue-type sont restés vides. Donc quand le marteau vient à frapper l’un de ces vides, l’armature peut décrire un angle un peu plus grand que dans le cas des pleins, le poinçon vient aussitôt rencontrer le rouleau à imprimer. Or cela a pour effet qu’un autre levier fixé à l’autre extrémité de l’armature peut, dans le cas des vides, atteindre un timbre d’horloge et le faire résonner. Comme, entre les mots de la dépèche, il est utile de laisser des blancs, on est, à chaque mot, en touchant les blancs du cadran, averti par le son du timbre qu’il y a accord entre les positions de l’aiguille sur le cadran et de la roue-type au-dessus du marteau. Si, par suite d’un accident quelconque, cet accord n’existait plus, il est toujours facile de le rétablir à l’aide d’une disposition qui permet de mouvoir la roue en faisant osciller l’armature à circuit ouvert par les pressions successives qu’on exerce sur un bouton.

. Si le circuit de l’aimant à impression restait fermé plus longtemps que cela n’est absolument nécessaire pour que l’ar - mature puisse faire frapper leur coup aux marteaux, il en résulterait plusieurs inconvénients graves. La pression du marteau contre le rouleau serait d’abord continue. Le magnétisme acquerrait dans le fer doux un développement tel que l’aimant ne lâcherait point l’armature assez vite après la rupture du circuit. Par suite, le marteau pourrait accrocher la roue, et si cet accident n’arrivait78 pas, l’armature n’aurait certes pas le temps de retomber sous l’action de son ressort dans sa position primitive. Or on va voir que c’est dans sa chute que l’armature fait avancer du pas nécessaire le rouleau à imprimer, et d’ailleurs si le prochain coup de marteau ne partait que d’un point de la course de l’armature plus ou moins éloignée de l’aimant, il n’y aurait pas assez de force vive accu - mulée, et l’on ne pourrait pas imprimer deux lettres voisines du cadran. Enfin, comme immédiatement après la rupture du circuit il est sujet à être fermé de nouveau à de courts intervalles quoique pour de petits espaces de temps seulement, il pourrait même se faire que l’armature ne se détachât plus du tout de ses pièces d’arrêt.

Pour parer à ces inconvénients, il est donc de la plus haute importance que le circuit à impression soit ouvert l’instant après que la lettre a été imprimée. Eh bien, c’est à cela que sert l’appareil à double interruption qui a été décrit plus haut. En effet, à l’instant même le coup de marteau est frappé, un troisième levier fixé à l’armature vient imprimer à la fourche le mouvement latéral con - venable pour l’écarter de sa pièce d’arrêt conductrice, contre la - quelle elle avait été chassée par la première excursion du levier d’encliquetage. Le circuit à impression est alors ouvert, l’armature de l’aimant à impression a tout le temps de retomber, et quand on abandonne le télégraphe à lui-même en ôtant le doigt de dessus la touche, la première excursion du levier d’encliquetage commence par rétablir le contact entre le bras de la fourche et la pièce d’arrêt conductrice.

. Enfin, ainsi qu’il vient d’être indiqué, l’armature de l’aimant à impression remplit encore un dernier office indispen - sable. Cet office consiste à faire tourner le rouleau à imprimer d’un angle correspondant, à sa circonférence, à la largeur d’une lettre de la roue-type. Cela arrive à l’aide d’un levier d’enclique - tage et d’une roue à rochet convenablement disposés. Le rouleau, en tournant, entraîne la bande de papier qui circule entre sa sur - face noircie et la roue-type. Mais on conçoit que ce simple - placement du rouleau ne suffit pas. En effet, il en résulte que dans chaque nouveau tour du rouleau qui répond à cent lettres y compris les blancs, les lettres viendraient s’imprimer exactement aux mêmes endroits, en sorte que non seulement la couche de noir79 serait bientôt épuisée, mais qu’encore le rouleau s’userait de la manière la plus inégale possible. Pour que cela n’ait point lieu, il y a d’abord un arrangement tel que le rouleau soit déplacé d’une petite fraction de sa longueur à chaque pas de la roue à rochet; après cinq tours il se trouve déplacé à peu près de la hauteur d’une lettre. Mais de cette manière on comprend que l’impression s’opérerait toujours sur des bandes de la surface du rouleau parallèles à son axe, de sorte qu’il resterait entre ces bandes d’usage permanent des bandes plus étroites à la vérité, qui ne seraient jamais usées. On a donc encore pris la précaution d’imprimer au rouleau un petit mouvement de rotation en avant, qui devient cause que les empreintes du marteau dans chaque nouveau tour du rouleau ne répondent plus exactement aux em - preintes faites dans le tour précédent, mais empiètent continuelle - ment sur elles comme les traits d’un vernier sur ceux de la division.

Artifice pour préserver de détérioration les endroits du circuit, éclate l’étincelle. Tous les constructeurs d’appareils électro - magnétiques ne savent que trop combien les lieux d’interruption du circuit, l’étincelle éclate, sont sujets à se détériorer rapide - ment par l’action de courants tant soit peu intenses, lors même qu’on fait usage du platine. Pendant longtemps aussi cette cir - constance a semblé apporter un obstacle insurmontable à la marche régulière et prolongée de mes appareils, jusqu’à ce que je trouvai qu’en remplaçant le platine par un alliage de ce métal et de l’or, on obtenait des revêtements des lieux d’interruption presque in - altérables par des courants de l’intensité de ceux que j’emploie. En effet, cet alliage possède une cohésion et une dureté bien plus grandes que celles du platine et ne participe presque en rien à la propriété de ce métal d’être réduit en poudre et trans - porté au pôle négatif par l’action des courants.

Remarque générale sur le principe de construction des nouveaux télégraphes à cadran. Après avoir donné la description des nouveaux mécanismes que j’ai inventés pour servir à la cor - respondance télégraphique, je vais entrer à présent dans quelques considérations propres à faire ressortir les principaux avantages que je crois leur appartenir.

La construction de ces appareils, comme on l’a vu, est d’une80 extrême simplicité. Il n’y entre aucun de ces mouvements d’hor - logerie à poids ou à ressort qui compliquent si fort la plupart des autres télégraphes à cadran. Elle se rapproche par , si l’on veut, de l’un des tétégraphes à cadran de M. Wheatstone; mais, en principe, elle s’en distingue en un point capital.

Tout procédé de télégraphie électromagnétique se réduira toujours, en dernière analyse, à l’usage convenable qu’on fera, pour la transmission des signaux, d’une série d’aimantations et de désaimantations successives effectuées à l’aide de l’établisse - ment et de la rupture d’un circuit. Dans tous les autres télégraphes à cadran, y compris celui de M. Wheatstone à action directe et ceux construits sur le même type, cette opération essentielle d’ouvrir et de fermer le circuit est mise entre les mains de celui qui donne la dépèche, et d’ailleurs la rupture ne se fait qu’à une seule des stations, celle la dépèche est donnée. Au contraire, chacun de mes appareils constitue en soi une machine électro - magnétique à mouvement propre, de sorte que dans ces appareils c’est le courant qui rompt lui-même le circuit et cela aux deux extrémités de la ligne à la fois. Cette circonstance qui leur est tout à fait particulière, implique une foule de conséquences remar - quables dont je vais signaler quelques-unes des plus essentielles. Effectivement, le principe de l’interruption spontanée du circuit paraît devoir acquérir, en télégraphie électrique, la même im - portance que, dans l’art de construire les machines à vapeur, l’invention de cet enfant à qui l’ennui vint inspirer l’heureuse idée de se décharger sur le moteur lui-même du soin fastidieux d’ouvrir et de fermer, en temps opportun, les conduits de la vapeur.

Avantages résidant dans le principe de construction des nouveaux télégraphes. Si, d’après ce qui a été dit au commencement du premier chapitre, il faut regarder comme se rapprochant le plus de l’idéal de conduits télégraphiques ceux dans lesquels l’intensité des courants est soumise au moins de variation possible, il faudra, de l’autre part, considérer comme les plus parfaits des appareils télégraphiques ceux dont la marche, sans secours étranger qui leur vienne en aide, est le moins affectée par les variations de l’in - tensité qui restent encore à surmonter. Or je crois ne pas trop hasarder en affirmant que, sous se rapport, grâce au principe de81 l’interruption spontanée, il n’y pas de télégraphes qui puissent être comparés aux miens.

Quand le soin de fermer et de rompre le circuit est aban - donné à une action étrangère à l’appareil, il est à peu près im - possible qu’elle dure chaque fois juste le temps nécessaire et suffisant pour que l’aimant attire l’armature. Ce temps nécessaire et suffisant est d’autant plus petit que l’intensité du courant est plus grande. On pourra, à la vérité, déterminer par expérience, pour une intensité donnée, la durée la plus convenable à accorder aux clôtures et aux interruptions du circuit. Mais dès que l’in - tensité du courant viendra à varier, surtout d’une grandeur inégale aux deux stations, comme cela a cons’amment lieu avec les fils aériens, on se trouvera de nouveau dans le vague: ou bien les clôtures ne dureront pas assez longtemps pour l’intensité présente du courant dans l’appareil récepteur, et alors l’aimant pourra ne pas attirer l’armature; ou bien elles dureront trop et alors l’ar - mature pourra rester collée, par l’effet de l’aimantation temporaire. Dans les deux cas, l’appareil transmetteur devancera l’appareil récepteur et la correspondance sera troublée. C’est surtout pour diminuer les chances en faveur du dernier cas qu’il a fallu, dans les appareils de cette nature, réduire à des proportions minimes les masses de fer doux, parce que, à égale intensité du courant, l’aimantation temporaire est d’autant plus considérable que l’aimant est plus volumineux.

Au contraire, quand c’est l’appareil lui-même qui rompt le circuit au terme de la course de l’armature, il ne peut jamais se faire d’abord que le circuit ne reste pas assez longtemps fermé, l’interruption ayant toujours lieu au point nommé; c’est-à-dire à l’instant précis, l’aimant a fourni le travail nécessaire pour faire avancer l’aiguille d’un pas. D’autre part, le circuit ne restera jamais fermé trop longtemps, car la quantité de magnétisme - veloppée dans l’aimant sera toujours sensiblement la même au moment de la rupture du circuit, quelle que soit l’intensité du courant, parce que le mouvement de l’armature sera d’autant plus rapide et que la rupture se fera toujours à l’instant, l’aimant aura acquis, dans un espace de temps plus ou moins court, selon l’intensité, une force réglée par la force constante du ressort, et, par suite, sensiblement constante elle-même. Quant au temps682d’ouverture, à force égale du ressort, il sera toujours sensiblement le même; de sorte que, quand l’appareil marchera plus vite sous l’action d’un courant plus intense, le même degré d’aimantation temporaire aura toujours le même temps pour s’effacer, et que l’armature ne pourra jamais rester collée. On n’aura donc plus rien à craindre de l’aimantation temporaire, et, par conséquent, on pourra sans inconvénient augmenter la masse de fer doux; ce qui offre l’avantage de pouvoir exercer le même effet avec un courant plus faible. Il est évident, de plus, que les mêmes actions se produisant dans chacun des deux appareils installés dans le circuit, leur marche continuera à être synchrone par cette seule raison, quelle que soit l’intensité du courant.

Mais la sûreté, sous ce rapport, s’accroît encore considérable - ment, par le fait que l’interruption du circuit s’opère simultané - ment aux deux extrémités de la ligne. En effet, chacun des deux appareils tenant, pour ainsi dire, le courant sous clef pour l’autre jusqu’au moment convenable, l’intensité des courants pourra être différente dans les deux appareils, et néanmoins leurs armatures seront attirées au même moment. Les appareils marcheront donc ensemble jusqu’à une certaine limite qu’il est facile de prévoir. Cette limite sera atteinte, lorsque l’armature de l’appareil animé par le courant le plus intense, en arrivant au terme de sa course, rouvre le circuit trop tôt pour que l’armature de l’autre appareil puisse encore achever la sienne par l’effet tant des forces vives qu’elle a recueillies pendant la clôture du circuit, que par celui de l’aimantation temporaire des masses de fer doux. Quand cette limite sera dépassée, l’armature de celui des deux télégraphes pour lequel le courant est le plus faible, ne fera plus que de petites oscillations impuissantes, et son aiguille restera immobile. Mais on pourra facilement faire marcher ensemble les appareils même dans ces circonstances, en détendant le ressort de l’appareil qui refuse le service.

Par le même moyen, on pourrait d’ailleurs compenser, si cela était nécessaire, un commencement de désaccord pareil qui se rencontre par suite d’une qualité très-différente du fer doux ou d’une disposition différente des aimants des deux appareils. Il faudra détendre, en ce cas, le ressort de l’appareil dont le fer aura plus de force coërcitive, ou dont l’aimant présentera une83 masse continue, au lieu d’être composé de tubes concentriques et fendus dans leur longueur. J’ajouterai enfin que l’expérience a montré que la marche des télégraphes est la plus rapide, lorsque l’intensité du courant et la force du ressort sont réglées de manière que les temps d’attraction et de rappel de l’armature sont égaux.

En résumé, on voit que, dans les télégraphes à double in - terruption spontanée, la vitesse de marche des appareils s’adaptant toujours tout naturellement à l’intensité des courants, cette vitesse sert de régulateur, qui pare aux désordres qui pourraient résulter des variations de l’intensité. On est maintenant mis à même de comprendre une propriété bien curieuse qu’offrent ces télégraphes, propriété qui, au premier aspect, doit même paraître paradoxale.

Admettons, en effet, que deux de ces appareils aient besoin, pour attirer complètement leurs armatures, d’une intensité de courant = a. Il sera indifférent évidemment de quelle manière on procurera à chaque appareil cette intensité nécessaire a. Ainsi donc on pourrait établir aux deux bouts de la ligne une pile locale, incapable, à elle seule, de faire marcher l’appareil de la station, parce qu’elle ne fournirait qu’une intensité b < a. Alors en lançant dans le circuit des deux appareils un courant de l’in - tensité c = ou > a b, on pourra faire marcher ensemble les appareils, quelque petit que soit c par rapport à a, pourvu toutefois que les choses soient disposées de manière que chacun des appa - reils, en marchant, rompe à la fois le circuit de la pile locale et celui du courant qui traverse le circuit en entier.

Or cette disposition est facile à réaliser. Qu’on imagine un circuit télégraphique avec deux de mes appareils aux deux stations, chaque appareil étant muni de sa pile, mais le courant résultant des deux piles étant incapable de faire marcher les appareils. Alors qu’on établisse à chaque station un circuit dérivateur, entre le fil qui va de la pile au sol et celui qui va du télégraphe à l’autre station; voici ce qui se passera. Dans chaque télégraphe et chaque pile, le courant de la même pile augmentera d’intensité, parce que l’établissement du circuit dérivateur diminuera la résis - tance du circuit offert à la pile. Au contraire, dans chaque télé - graphe et chaque pile, le courant de l’autre pile diminuera d’in - tensité, parce que, dans plusieurs circuits offerts simultanément à la même pile, les intensités sont en raison inverse des résis -6*84tances. Mais l’augmentation du courant de la pile correspondante dans chaque télégraphe pourra surpasser la diminution du courant de l’autre pile, et de cette manière, par le fait même de l’éta - blissement des courants dérivateurs, l’intensité, dans chacun des télégraphes, purra devenir assez grande pour qu’il entre en action. Cependant, pour que les aiguilles restent d’accord, il faudra qu’une condition soit remplie. Cette condition, c’est que le courant de la pile de chaque station dans le télégraphe de la même station, quand il circule dans le circuit dérivateur, ne soit pas assez in - tense à lui seul pour faire marcher le télégraphe; car, si cela était le cas, l’un des télégraphes pourrait marcher sans l’autre, puisque la rupture du circuit à l’une des stations n’entraînerait plus la rupture du circuit à l’autre station. Au reste, cette condition pourra toujours être facilement remplie, en donnant une tension suffisante aux ressorts de rappel des deux appareils.

Admettons maintenant que le courant des deux piles dans le circuit télégraphique soit déjà, à lui seul, capable de faire fonctionner les appareils; alors l’établissement des circuits déri - vateurs les fera évidemment marcher plus vite. Admettons encore que les circuits dérivateurs ou bien ne soient pas d’égale résis - tance, ou bien qu’ils ne soient pas disposés symmétriquement, ou que même il n’y en ait qu’un seul à l’une des extrémités de la ligne; en ce cas, l’intensité du courant dans les deux appareils ne sera plus la même; elle sera augmentée dans l’appareil, auquel correspondra le circuit dérivateur de moindre résistance ou le seul circuit pareil existant, et elle sera moins augmentée ou di - minuée dans l’autre appareil. Néanmoins on comprend, d’après tout ce qui précède, que les télégraphes marcheront ensemble, et cela avec une vitesse qui, en ce cas encore, pourra excéder de beaucoup celle qu’on aurait obtenue sans circuit dérivateur. L’accord des appareils aura, il est vrai, une limite, la même qui a été indiquée plus haut, au delà de laquelle l’un d’eux refusera le service; mais il sera facile de rétablir l’accord en réglant con - venablement la tension des ressorts.

Appliquons ces principes à ce qui se passe en réalité sur les lignes télégraphiques. Tout ce qui vient d’être dit des cir - cuits dérivateurs artificiels, s’applique également bien à ceux qui, sur les lignes télégraphiques, résultent de l’isolement défectueux85 du fil. On se rappelle que ce sont de pareils circuits qui, en offrant au courant de la pile un chemin plus court, occasionnent ce que l’on a pris l’habitude de nommer des pertes, parce que la seule chose qui, jusqu’à présent, avait frappé dans ce phéno - mène, c’est l’affaiblissement du courant à la station opposée. M. Wheatstone avait bien essayé de rémédier à ces pertes et aux variations de leur grandeur en établissant une pile à chaque sta - tion; mais avec ses télégraphes à cadran et ceux du même genre cette précaution ne réussit pas, parce que, le circuit n’étant in - terrompu qu’à l’une des stations, l’armature de l’appareil récepteur reste trop facilement collée par l’effet du courant de la pile cor - respondante qui subsiste encore dans le circuit dérivateur. Eh bien, chose singulière, ces mêmes pertes, si redoutables pour tous les autres appareils télégraphiques, non-seulement, comme on l’a vu, ne font pas de tort à la marche régulière de mes télégraphes à double interruption spontanée, mais même la favorisent et l’ac - célèrent, et cela dans des limites extrêmement étendues, parce que le courant établi dans le circuit dérivateur, pour porter le désordre dans la correspondance, n’a pas seulement à tenir collée une armature déjà attirée, mais qu’il faut qu’il devienne assez puissant pour l’attirer à distance, après qu’elle a été rappelée par le ressort, et avant que l’armature de l’autre appareil ait également été rappelée tout à fait.

Cette propriété remarquable de mes appareils de fonctionner rapidement et avec précision, même quand il y a des circuits - rivateurs qui mettraient fin au service de tous les autres télé - graphes, acquiert une importance plus grande encore par la rai - son que voici. J’ai décrit, vers la fin du premier chapitre, les phénomènes qui résultent de ce que le fil de cuivre, avec son enduit isolant, figure une jarre de Leyde d’une capacité gigan - tesque qui reçoit sa charge de la pile, avec laquelle l’une de ses extrémités est en contact. Ces phénomènes donnent lieu à cer - taines perturbations dans la marche des appareils télégraphiques en général. Dans ceux de ma construction, ils deviennent facile - ment cause que l’un des appareils reste stationnaire et que l’autre marche avec une grande rapidité. Il y a un moyen très-simple de rémédier à ces perturbations; ce moyen consiste précisément à établir un circuit dérivateur artificiel du fil qui va à l’autre sta -86 tion, au fil qui va de la pile au sol; en sorte que, comme il n’y a que mes appareils dont la marche ne soit pas gênée par la présence de circuits dérivateurs, il n’y a aussi qu’eux, à l’aide desquels on puisse recueillir tous les avantages des conduits sou - terrains bien isolés.

Avantages résidant dans le mode d’action des nouveaux télé - graphes. Dans mon système, il suffit d’un seul fil, et, à chaque station, d’un seul appareil et d’un seul employé pour donner et pour recevoir les signaux. On peut faire entrer dans le même circuit autant d’appareils que l’on veut, tous marcheront ensemble du même pas. De chaque station tous les appareils installés dans le même circuit peuvent être arrêtés à la fois au même instant. Ainsi, à chaque instant de la transmission de la dépêche, quand il n’y a pas d’appareil à impression, chaque employé qui la reçoit, peut couper la parole à celui qui la donne, et gagner ainsi le temps nécessaire pour noter le mot qu’il a recueilli, sans risquer que, pendant cette occupation, de nouveaux signaux échappent à son attention. Rien de plus facile d’ailleurs que de parler d’une des stations extrêmes à une station intermédiaire quelconque, sans que les autres participent à la dépêche. A un signal convenu, les employés des stations intermédiaires retirent leurs télégraphes du circuit et les remplacent par une sonnerie qui reste au repos, sous l’action du courant intermittent, mais donne l’éveil quand un courant continu la traverse, en vertu du même principe qui fait que l’aimant à impression, dans l’appareil décrit plus haut, ne se met à fonctionner que quand le circuit est tenu fermé pendant un certain temps. La dépêche finie, les deux employés des stations en correspondance retirent à leur tour du circuit leurs télégraphes qui rendaient intermittant le courant des piles, de manière qu’il devienne continu, les carillons des stations intermédiaires entrent en jeu et avertissent les em - ployés qu’il est temps de réinstaller leurs télégraphes dans le circuit. Toutes ces diverses combinaisons s’exécutent instantané - ment à l’aide d’une manivelle qui a trois positions: dans l’une, il y a communication avec les deux stations avoisinantes; dans l’autre, la dépêche passe inaperçue d’une station à une autre, à l’exclusion du télégraphe, comme cela vient d’être indiqué; dans la troisième, enfin, tous les télégraphes participent à la fois à la87 même dépêche. Enfin, à chacun de mes télégraphes, comme on l’a vu plus haut, peut être adapté un appareil à impression, en sorte que la dépêche est imprimée à la fois aux deux stations. L’exactitude de la dépêche se trouve ainsi complètement garantie, sans qu’on ait besoin de se la faire rendre, et un désordre qui se glisserait dans les appareils pendant la transmission, ne pourrait même jamais affecter qu’un seul mot de la dépêche, parce qu’il serait aussitôt trahi par le son du timbre qui, lorsque tout est en règle, doit retentir entre chaque mot et le suivant d’accord avec les blancs du cadran. L’appareil à impression ne communiquant au télégraphe que par voie électrique, le mécanisme de celui-ci n’en devient pas plus compliqué, et les désordres auxquels l’appareil à impression pourrait être sujet, à raison de sa plus grande com - plication, ne réagissent point sur le télégraphe. La marche du télégraphe est tout aussi rapide avec l’appareil à impression que sans celui-ci, et l’impression même n’implique dans la transmission de la dépêche aucune perte de temps, parce qu’elle se fait à l’instant le télégraphe est censé s’arrêter un moment par l’effet de l’abaissement d’une touche. Enfin, comme c’est le rouleau et non la roue-type elle-même qui porte le noir, l’impression reste toujours également noire et nette d’un bout de la dépêche à l’autre, quelle que soit son étendue.

Ce télégraphe, avec l’appareil à impression comme sans celui-ci, n’exige, pour être manié, aucune dextérité particulière, parce qu’il suffit, à cet effet, de s’orienter simplement sur un clavier, et cela, bien entendu, sans que de l’emploi de ce clavier il résulte la moindre complication de l’appareil. Quant à la rapidité de la correspondance, un employé tant soit peu exercé donne, par minute, de cinquante à soixante signaux complets, soit lettres imprimées en caractères ordinaires, y compris les blancs. Ce chiffre peut ne pas paraître considérable auprès de ce que four - nissent certains autres appareils, par exemple le télégraphe électro - chimique de M. Bain; mais il faut bien faire attention à ce que mon télégraphe, d’une part, n’exige pour fonctionner aucun pré - paratif, qu’il est à chaque instant prêt à entrer en action, et que, de l’autre, la dépêche est rendue en caractères ordinaires, en sorte qu’il n’y a aucun temps perdu à la déchiffrer.

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Conclusion.

Les appareils télégraphiques dont je viens de faire connaître la construction et d’exposer les avantages, ne sont plus seulement à l’état de projet. Bien au contraire, ces appareils sont depuis trois ans adoptés par le gouvernement prussien; plusieurs directions de chemins de fer ont suivi son exemple, et, aujourd’hui, plus de cent cinquante de ces appareils fonctionnent dans le nord de l’Allemagne, chiffre qui va être doublé dans le cours de cette année. Depuis qu’ils sont en service, ils ont travaillé avec une régularité irréprochable, en sorte qu’il se passe des mois sans que les aiguilles se détachent l’une de l’autre.

Il va sans dire, au reste, que ces appareils, malgré la sim - plicité de leur principe, exigent, en leur qualité de machines à mouvement propre, un constructeur habile, intelligent et soigneux. Qu’il me soit permis, à cette occasion, de faire mes remercîments publics à mon collaborateur M. J. Halske, de Berlin, à l’admirable talent duquel je dois attribuer la plus grande partie des succès dont mes efforts, dans cette belle branche de la physique appli - quée, ont peut-être été couronnés.

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Kurze Darstellung der an den preussischen Telegraphenlinien mit unterirdischen Leitungen gemachten Erfahrungen.

Berlin. Verlag von Julius Springer.

1851.

Die bis zum Frühjahr 1848 in Berlin bestehende Com - mission zur Vorbereitung der Telegraphenanlagen in Preussen, hatte in richtiger Erkennung und Berücksichtigung der Gründe der grossen Unsicherheit des Dienstes der in England und Amerika bereits in sehr ausgedehntem Maasse bestehenden elek - trischen Telegraphen ihr Augenmerk namentlich auf die Ver - besserung der Leitungen gerichtet. Sie erkannte, dass die bis - her allein benutzten oberirdischen Leitungen die Erreichung einer vollständig und jederzeit sicheren telegraphischen Verbindung durch principielle Mängel stets verhindern würden und dass nur gute, unterirdisch geführte Leitungen die Erreichung dieses Zieles möglich machten.

In ihrem Auftrage wurden im Sommer 1847 auf der An - haltischen Eisenbahn zwei durch Guttapercha isolirte, eine halbe Meile lange Drähte in verschiedener Tiefe eingelegt. Die Be - kleidung dieser Drähte mit Guttapercha geschah auf eine noch höchst unvollkommene Art mittels gekehlter Walzen. Es zeigte sich bald, dass es unmöglich war, auf diese Art vollständig und dauerhaft isolirte Drähte zu fabriciren. Die Verbindungsnähte der Guttapercha-Streifen, aus denen der Ueberzug gebildet wurde, waren nicht dicht herzustellen und verloren nach einiger Zeit den festen Zusammenhang. Eine Maschine, vermittelst welcher die Guttapercha in zusammenhängender Masse und ohne Naht90 um den Draht geformt werden sollte, war zur Beseitigung dieses Uebelstandes construirt, jedoch im Frühjahr 1848 erst im Modell ausgeführt und probirt. Entscheidende Erfahrungen über die nöthige Tiefe des Einlegens der Drähte hatten bis dahin der Kürze der Zeit wegen nicht gesammelt werden können. Die Guttapercha selbst und ihre Eigenschaften waren damals noch wenig bekannt; man wusste kaum, dass es verschiedene Sorten derselben gab, und kannte die Ursachen ihres Verderbens und die nachtheiligen Eigenschaften der schlechten Sorten natürlich noch gar nicht.

Dies war der augenblickliche Standpunkt der Versuche, als die politischen Ereignisse des Jahres 1848 die schleunige Aus - führung der Telegraphenanlagen von Berlin nach Frankfurt a. M. und nach Aachen geboten.

Da die schon mit so unvollkommenen Mitteln fabricirten Drähte ein im Allgemeinen befriedigendes Resultat gegeben hatten, und die noch vorhandenen Mängel durch Verbesserung der Fabricationsmittel leicht zu beseitigen schienen, so hatte sich die Commission günstig für die mit Guttapercha isolirten unterirdischen Leitungen ausgesprochen und es sollten in Folge dessen die genannten Linien auf diese Art ausgeführt werden.

Man muss gestehen, dass dieser Entschluss bei dem da - maligen Standpunkte der Sache allerdings etwas kühn war; in - dess rechtfertigten die grossen Vortheile, welche die Anwendung guter unterirdischer Leitungen versprachen, die im Allgemeinen günstigen Resultate der angestellten Versuche, so wie die un - ruhigen Zeitverhältnisse, welche oberirdische Leitungen zu sehr zu gefährden schienen, die getroffene Entscheidung. Es war aber ein Unglück für diese Anlagen, so wie für das System unterirdischer Leitungen im Allgemeinen, dass diese ersten Linien in grosser Uebereilung angelegt werden mussten und dass weder Zeit zur Ausbildung der Fabrication der Drähte vorhanden, noch die Möglichkeit gegeben war, die bei der Anlage selbst gemachten Erfahrungen gehörig zu benutzen.

Man entschloss sich zur Anwendung der mit Schwefel ver - bundenen, sogenannten vulcanisirten Guttapercha. Die Gründe dieser Wahl waren theils die grössere Härte dieser Verbindung, theils die beobachtete grössere Beständigkeit derselben in freier91 Luft. Sie war aber erst seit Kurzem bekannt geworden; es fehlten daher noch alle Erfahrungen über die richtige Anferti - gung derselben so wie die Kenntniss der nöthigen Mischungs - verhältnisse. Im Allgemeinen wurde die Masse zu sehr ge - schwefelt, bei zu hoher Temperatur verarbeitet und theilweise die Guttapercha vorher nicht hinlänglich entwässert. Die hier - durch entstandenen Uebelstände haben sich den ersten Leitungen besonders verderblich gezeigt.

Bei Ueberschuss von Schwefel und zu hoher Temperatur verbindet sich das Kupfer mit dem Schwefel, das gebildete Schwefelkupfer durchdringt die dem Draht zunächst liegende Guttapercha und bildet mit ihm eine dunkelbraun aussehende, die Electricität leitende Masse, die bei den ältesten Leitungen oft bis ¼ Linie dick ist. Dennoch würde die Güte der Drähte wenig hierdurch beeinträchtigt sein, wenn der Draht in der Mitte der Guttapercha gelegen hätte, die oben erwähnte aus nicht iso - lirender Guttapercha bestehende Schicht überall von guter Masse umgeben und die Masse stets völlig entwässert gewesen wäre.

Dies war aber leider durchaus nicht der Fall. Es wollte der mit der Bekleidung der Drähte beauftragten Fabrik anfäng - lich nicht gelingen, mittels der neuen Maschine die Drähte mit einer concentrischen Lage Guttapercha zu überziehen. Fast alle damals überzogenen Drähte waren mehr oder weniger excentrisch überzogen und häufig stellenweise nur mit einer dünnen Lage Guttapercha bedeckt. Letztere enthielt ausserdem durchweg eine Menge Blasen und Vertiefungen, die man noch nicht zu ver - meiden verstand, sie wurde noch nicht gehörig gereinigt und entwässert und war oft durch zu hohe Temperatur in einem schwammigen und bald spröde werdenden Körper umgewandelt. Häufig wurden auch schlechtere Sorten oder verdorbene Gutta - percha, mit denen die gute Masse verfälscht war, verwendet.

Der technische Standpunkt der Drahtfabrication war mithin noch sehr niedrig und es mussten in allen Richtungen noch viele Erfahrungen gesammelt werden. Dennoch sollten die oben - genannten Linien in kürzester Zeit vollendet werden. Es war vorauszusehen, dass die Ausführung derselben sehr mangelhaft ausfallen würde, und es war dies in der That in hohem Maasse der Fall.

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Aus den angeführten Gründen war es nur selten möglich, vollkommen isolirte Drähte herzustellen. Häufig waren die Drähte so sehr excentrisch, dass die den Kupferdraht umgebende, nicht mehr isolirende Guttapercha-Schicht bis zur Oberfläche reichte. Wo dies nicht der Fall war, wurde doch der Boden der Vertiefungen und Luftblasen von derselben erreicht. Der Ueberzug verlor dadurch theilweise seine isolirende Eigenschaft und der durch die leitenden Stellen desselben beim späteren Gebrauch der Leitungen hindurchgehende Strom zersetzte das Schwefelkupfer und verwandelte im Laufe einiger Jahre die von diesem durchgezogene Guttapercha in eine unzusammenhängende, schwammige und vom Wasser durchdrungene Masse. Die Folge hiervon war, dass der Kupferdraht selbst durch Elektrolyse oxy - dirt und Kupferoxydhydrat gebildet wurde, welches die Hülle endlich ganz auseinander sprengte und Längsrisse von oft sehr beträchtlicher Ausdehnung in der Guttapercha erzeugte. Ueber - all wo die mit Schwefelkupfer verbundene Guttapercha den Bo - den einer Vertiefung im isolirenden Ueberzuge bildete, fand der - selbe Process statt und es bildeten sich an Stelle der Vertie - fungen bis zum Draht selbst hinunterreichende Löcher. Wären von Anfang an nur vollständig isolirte Drähte verwendet, so hätte diese namentlich auf der Frankfurt a. M. -Linie so störend auftretende Erscheinung nie eintreten können. Es mussten aber leider unter allen Umständen Drähte verwendet werden und eine zu scharfe Controle der Isolation war daher nicht anwendbar. Selbst die anfangs wegen zu unvollkommener Isolirung zurück - gestellten Drähte kamen dennoch grösstentheils später zur Ver - wendung, nachdem sie einen dünnen Ueberzug von Guttapercha - Lösung erhalten hatten und dadurch für den Augenblick etwas verbessert waren. Es wurden von diesen Drähten circa 15 Meilen theils auf der Thüringer Bahn, grösstentheils aber zwischen Berlin und Minden verbraucht. Eine beträchtliche Zahl derselben wurde leider erst nach und nach, in viel späteren Zeitabschnitten, ver - braucht und dadurch die anfängliche Unvollkommenheit der Draht - fabrication auf viele der weit später angelegten Linien übertragen. Der Grund der schlechten Isolation dieser Drähte lag nicht allein in excentrischer Drahtlage. Häufig war die Zersetzung der ver - wendeten guten Guttapercha durch zu grosse Hitze oder durch93 unvollkommene Entwässerung vor der Vulcanisirung, theils aber auch die Verwendung vorher verdorbener oder verfälschter Gutta - percha die Ursache derselben. Ueber den Einfluss der Tiefe des Einlegens der Drähte lagen noch keine maassgebende Re - sultate vor; man wusste wohl, dass die Guttapercha sich nur bei Abschluss der atmosphärischen Luft vollständig unverändert er - hält, unter Luftzutritt dagegen nach und nach in einen spröden, im erwärmten Zustande klebrigen Körper verwandelt wird; man kannte aber die Tiefe nicht, bis zu welcher ein Luftwechsel im Erdboden stattfindet, und suchte zu sehr die Kosten der Anlage durch möglichste Verminderung der Tiefe des Einlegens der Drähte zu verringern. Die anfänglich gewählte Tiefe von Fuss war jedenfalls zu gering, da diese Tiefe, wie die Erfahrung lehrt, durch die Arbeiten auf dem Planum der Eisenbahnen oft erreicht und der Draht in Folge dessen leicht beschädigt wird. Man ging zwar bald zu der Tiefe von 2 Fuss über, jedoch wurde diese Tiefe häufig nicht erreicht, und es kommen, namentlich auf der Aachener Linie, häufig Strecken vor, wo der Draht kaum 1 Fuss tief unter dem Boden liegt. Diese Leitung wurde theil - weise im Winter bei strengem Froste, und namentlich die Strecken zwischen Potsdam und Brandenburg und zwischen Minden und Köln in grösster Eile angelegt, wodurch sich das Abweichen von der gegebenen Vorschrift erklärt. Das Einlegen der Drähte in die Gräben fand bei den älteren Leitungen nicht ohne häufige Beschädigung des Ueberzuges statt. Die Verpackung der Drähte war noch mangelhaft und sie wurden daher häufig auf dem Trans - port zum Arbeitsplatze beschädigt, die Arbeiter hatten noch keine Uebung und hinlängliche Vorsicht in der Behandlung der - selben gewonnen, die schlechte Jahreszeit erschwerte die Arbeit und Beaufsichtigung, und in Folge der damals herrschenden poli - tischen Aufregung kamen häufig absichtliche Beschädigungen vor.

Es war unter diesen Umständen erklärlich, dass der an - fängliche Dienst der ersten Linien nicht sehr regelmässig und sicher war. Die Isolation der Linien war zwar kurz nach dem Einlegen in der Regel befriedigend, verschlechterte sich aber nach und nach, wenn der Regen den Boden bis zum Draht durchnässt hatte. Die beim Legen mit dem Aufsuchen der vor - handenen Fehler und der Reparatur der Drähte vertraut gewor -94 denen Arbeiter mussten zu den weitern Anlagen benutzt und die Revisionen daher in schlechter Jahreszeit ungeübten Leuten über - tragen werden, wodurch die Leitungen häufig noch verschlechtert wurden. Dazu kam, dass die unterirdischen Leitungen mehrere wissenschaftlich ganz neue und unerwartete Erscheinungen dar - boten, welche sich erst durch zweckentsprechende Constructions - veränderungen der Apparate beherrschen liessen, nachdem man ihr Wesen erkannt hatte.

Doch auch später veranlassten die Leitungen noch häufige Störungen des Dienstes und gänzliche Unterbrechungen der tele - graphischen Verbindung. Die von der Anlage herstammenden Beschädigungen des Drahtes vergrösserten sich nach und nach durch den Strom, und die Isolation verschlechterte sich daher mehr und mehr. Eine gründliche, durch geübte Leute einige Zeit nach der Vollendung der Leitungen oder im darauf folgenden Sommer ausgeführte Revision würde diese Beschädigungen auf einmal beseitigt haben. Dem stand aber ausser dem Kosten - punkte noch die unausgesetzte Benutzung der Leitungen und die grössere Schwierigkeit der Revision eines einzelnen Drahtes ohne Störung der Correspondenz entgegen. Es bildete sich daher leider bald die Praxis: erst dann eine Untersuchung einer Lei - tung vorzunehmen, wenn die Isolation derselben so mangelhaft geworden war, dass die Apparate den Dienst versagten. Da in diesem Falle erst einer der wenigen Beamten, die mit der Sache vertraut gemacht waren, von Berlin aus an den Ort der stören - den Beschädigung geschickt werden musste, so vergingen stets einige Tage, bis dem Uebel, und zwar nur für kurze Zeit, abge - holfen war. Sehr häufige Unterbrechungen veranlasste auf diese Weise die Leitung zwischen Minden und Cöln, die zwar fast nur neue und besser fabricirte Drähte enthielt, jedoch grossen - theils in felsigen Boden in grosser Uebereilung eingelegt wurde und wo die Guttapercha daher sehr häufig durch Quetschungen beschädigt war. Die häufigen Biegungen, denen die Drähte theils noch in der Fabrik, theils beim Einlegen ausgesetzt waren, hatten häufig zur Folge, dass der Draht im Inneren der Guttapercha gebrochen war, ohne dass diese Brüche von Aussen erkennbar gewesen wären. Hätte der Ueberzug aus ungeschwefelter Gutta - percha bestanden, so würde nur in seltenen Fällen ein Strom95 durch diese Bruchstellen gegangen sein, sie wären daher schon bei der Anlage leicht erkannt und beseitigt worden. Wie bereits oben erwähnt, waren namentlich die zuerst, mit höherer Tempe - ratur, fabricirten Drähte jedoch stets mit einer leitenden Hülle von Guttapercha und Schwefelkupfer umgeben, welche den elek - trischen Strom hinlänglich gut leitete, um durch sie hindurch telegraphiren zu können. Des grossen Leitungswiderstandes wegen, welchen diese Masse dem Strome entgegensetzte, erwärmte sich dieselbe jedoch beim Gehrauch und verminderte sich hier - durch die Leitungsfähigkeit des Drahtes noch mehr. Die Stärke des Stroms war daher steten, sehr beträchtlichen Schwankungen unterworfen und der Dienst der Instrumente wurde dadurch sehr unsicher. Solche Bruchstellen wurden oft erst nach Verlauf einer langen Zeit erkannt und beseitigt.

Bei den zuerst angelegten Linien, bei denen der Draht nicht in hinlänglicher Tiefe eingelegt war, kamen auch häufig neue Beschädigungen vor. Sie bestanden theilweise in Verletzungen des Ueberzuges der Drähte oder in gänzlicher Zerstörung der - selben durch Eisenbahnarbeiter, theils aber auch in Verletzungen des Ueberzuges durch Nagethiere. Die letztere Art der Beschädi - gungen hat besonders zu häufigen Angriffen der unterirdischen Leitungen Veranlassung gegeben. Maulwürfe, Ratten, Mäuse und derartige Thiere durchwühlen den Boden in der Regel nur in geringer Tiefe, da sie in grösserer Tiefe keine Nahrung an - treffen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Tiefe von Fuss und in seltenen Fällen auch noch die Tiefe von 2 Fuss die Drähte nicht unter allen Umständen gegen Beschädigungen durch Benagung völlig sichert. Namentlich scheinen die Thiere ihre Nester gern in grösserer Tiefe anzulegen. Treffen sie bei dieser Beschäftigung auf ihrem Wege den Draht, so suchen sie ihn natürlich durch Nagen zu beseitigen. Die sehr vereinzelten Fälle, wo Drähte in der Tiefe von 2 Fuss durch Benagung be - schädigt sind, würden sich durch geringe Vermehrung der Tiefe des Einlegens und Berücksichtigung und Sicherung der, wie hier immer der Fall war, durch besondere Ursachen gefährdeten Stellen wohl leicht gänzlich beseitigen lassen. Schon bei einer Tiefe von 2 Fuss sind mehrere Telegraphenlinien seit ihrer Anlage nicht beschädigt worden.

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Ein weiterer Grund häufiger Störungen des Dienstes der älteren Linien lag in solchen bei der Fabrication der Drähte begangenen Fehlern, die erst nach Verlauf längerer Zeit störend auftraten.

Die nothwendige Folge einer sehr excentrischen Drahtlage bei Anwendung vulcanisirter Guttapercha ist bereits erwähnt. Bereits im vorigen Jahre zeigten sich diese Erscheinungen auf den älteren Linien, und es mussten damals und in neuester Zeit häufige Revisionen ausgeführt und oft ganze Adern, die durch Excentricität des Drahts verdorben waren und Längsrisse be - kommen hatten, ersetzt werden. Bei diesen Drähten war nur in seltenen Fällen eine Erhärtung oder anderweitige Veränderung der Guttapercha im Allgemeinen wahrzunehmen und gewöhnlich nur dann, wenn die Drähte in sehr geringer Tiefe und leichtem trockenem Boden lagen. Es haben sich diese Längenrisse über - all nur da gezeigt, wo die Excentricität des Drahtes so bedeu - tend war, dass die erwähnte, den Kupferdraht zunächst umgebende Schicht leitender Guttapercha wirklich bis zur Oberfläche des Ueberzuges reichte. Weniger excentrische Stellen haben sich vollständig gut erhalten.

Bereits im vorigen Jahre kamen an einzelnen Stellen, na - mentlich der Linie nach Minden, Drähte vor, bei denen die Guttapercha alle Biegsamkeit und Elasticität verloren hatte, von Sprüngen ohne Zahl durchfurcht war und in Folge dessen ihre isolirende Eigenschaft grösstentheils verloren hatte. Diese Er - scheinung ist jedenfalls die, welche die ernstesten Bedenken gegen die fernere Anwendung der Guttapercha zu unterirdischen Lei - tungen mit Recht hervorrufen musste. Sollte sich aus den diese Erscheinungen begleitenden Umständen nicht eine specielle Ur - sache der Zersetzung bestimmt nachweisen lassen, sollte man annehmen müssen, dass die Guttapercha überhaupt der Zeit nicht widerstehen könnte und auch im Erdboden, in gleicher Art wie bei Zutritt der Luft, einer allgemeinen, wenn auch langsamen Umwandlung entgegen ginge, so wäre natürlich damit der Stab über die Anwendung der Guttapercha zu unterirdischen Leitungen und vor der Hand wenigstens auch der unterirdischen Leitungen im Allgemeinen gebrochen. Glücklicherweise ist der Beweis, dass dies nicht der Fall ist, leicht und vollständig mit Hülfe97 der gemachten Erfahrungen zu führen. Es ist diese Erscheinung der Erhärtung und gänzlichen Umwandlung der Guttapercha bei den beiden ältern Linien bereits im Jahre nach ihrer Anlage in einzelnen Fällen beobachtet worden, während bei den wenig später, theils in demselben Jahre angelegten Linien bis jetzt noch kein einziger ähnlicher Fall vorgekommen ist. Es sind zwar auf den genannten neueren Linien in vereinzelten Fällen durch Excentricität unbrauchbar gewordene Drähte angetroffen, doch liess sich auch bei diesen fast immer mit Bestimmtheit nachweisen, dass sie einer ältern Fabricationsperiode angehörten, nie ist aber bisher ein Fall einer allgemeinen Erhärtung oder Verharzung der Guttapercha vorgekommen. Am häufigsten hat sich die in Rede stehende Erscheinung auf der Linie zwischen Berlin und Minden, in einzelnen Fällen auch auf der Thüringer Bahn gezeigt. Die verdorbenen Drähte tragen in der Regel noch deutliche Spuren der Ueberziehung mit Guttapercha-Lösung, ob - schon auch andere vorkommen, welche ohne solchen Ueberzug verlegt waren. Die mit Guttapercha-Lösung überzogenen Drähte waren, wie bereits erwähnt, theils in Folge excentrischer Fabri - cation verworfen, bei vielen derselben war jedoch die Guttapercha selbst, theils bereits vor der Verwendung, theils durch unzweck - mässige Behandlung bei der Fabrication verdorben. Derartige Guttapercha wird in sehr kurzer Zeit durchaus spröde und brüchig und zwar findet diese Umwandlung, wie es scheint, auch bei gänzlichem Abschluss der Luft statt.

Der grösste Theil der erwähnten Drähte nebst vielen an - deren, die die damalige wenig scharfe Probe der Isolation ohne Ueberzug bestanden, waren aus einer Guttapercha fabricirt, die im bereits gereinigten Zustande aus England bezogen war. Es schien schon damals wahrscheinlich, dass diese Guttapercha, die nur selten völlig isolirte Drähte lieferte, grossentheils aus ver - harzter oder vorsätzlich verfälschter Masse bestände. Da aber das Material einmal beschafft, keine anderweitige Guttapercha am Markte war, und Drähte unter allen Umständen gefertigt und verbraucht werden mussten, so kam sie dennoch zur Verwendung. Jedenfalls ergiebt sich mit Bestimmtheit, dass die beobachtete Zer - setzung der Guttapercha nicht Folge der Zeit und Lage der Drähte, sondern des Materials, aus welchem der Ueberzug besteht, ist. Es798hat sich zwar herausgestellt, dass vorzugsweise da, wo der Draht sehr wenig tief und in leichtem und trockenen Boden liegt, die in Rede stehende Erscheinung zuerst auftritt, doch findet man immer dicht neben solchen veränderten Drähten unter ganz den - selben Verhältnissen wieder durchaus wohlerhaltene, an denen die Zeit ganz spurlos vorübergegangen ist; man findet andererseits bei den älteren Linien auch hin und wieder bei tiefer Drahtlage und in schwerem Boden eine bereits weit vorgerückte Umwand - lung, während dicht daneben, unter ganz gleichen Verhältnissen, die Drähte von soeben fabricirten nicht zu unterscheiden sind. Es kann mithin nur das Material, nicht äussere Umstände, Ur - sache der beunruhigenden Erscheinung sein.

Im Bisherigen wird der Beweis geführt sein, dass die schlechten Resultate, welche die ersten unterirdischen Linien ge - geben haben, nur Folge der bei ihrer Anlage begangenen Fehler sind, die theils in der durch die damaligen Zeitverhältnisse ge - botenen Uebereilung, theils in dem gänzlichen Mangel an Er - fahrungen über die Eigenschaften des zur Verwendung kommen - den Materials und ungenügender Sorgfalt bei der Auswahl und Verarbeitung desselben, ihren Grund haben. Dass die ersten Ver - suche der Benutzung eines bis dahin so wenig bekannten Stoffes zu einer ganz neuen und so viele andere Schwierigkeiten darbieten - den Sache nicht gleich völlig befriedigend ausfallen würden, liess sich wohl ziemlich bestimmt erwarten. Die Erfahrung lehrt dies in solchen Fällen allgemein. Man muss erst Erfahrungen sam - meln und Lehrgeld zahlen!

Es ist jetzt aber der Zeitpunkt eingetreten, wo man auf der Grundlage wirklich gemachter Erfahrungen weiter bauen kann und ein bestimmtes und wohlbegründetes Urtheil darüber zu fällen im Stande ist: ob der neu eingeschlagene Weg überhaupt zu dem gewünschten Ziele führen wird, oder ob er als verfehlt zu betrachten und ganz zu verlassen ist.

Die Fragen, von deren Beantwortung diese Entscheidung nur abhängen kann, sind folgende:

  • 1. Erhält sich die gute, unverfälschte und nicht verdorbene Guttapercha im Erdboden unverändert, oder unterliegt sie einer, wenn auch langsamen Umwandlung?

Es ist bereits oben erwähnt, dass auch die bei weitem99 grösste Zahl der Drähte der beiden älteren Linien sich trotz der hier obwaltenden ungünstigen Verhältnisse bisher ganz voll - ständig unverändert erhalten hat. Es ist bei den meisten auch nicht das geringste Zeichen einer eintretenden Veränderung wahr - zunehmen. Doch die Versuche reichen noch ein Jahr weiter hinauf. Die auf der Anhaltischen Bahn gelegte Probeleitung besteht aus nicht vulcanisirter Guttapercha. Einer dieser Drähte ist mit guter wasserfreier Guttapercha bekleidet und Fuss tief gelegt, der andere mit unvollständig entwässerter, theils schlechter Masse und nur circa ¾ Fuss tief im Sandboden ein - gelegt. Der ganze ersterwähnte Draht hat sich so vollständig gut erhalten, dass es unmöglich ist, die Guttapercha von ganz frisch verarbeiteter zu unterscheiden. Der zweite zeigt nur da, wo schlechte Masse verwendet ist, eine eingetretene Verharzung. Der Harzüberzug, welcher diesen Drähten beim Einlegen noch ausser der Guttapercha gegeben wurde, hat sich theils abgelöst, theils zersetzt, während die Oberfläche der Guttapercha selbst ganz rein und durchaus unverändert geblieben ist. An den Drähten der neueren Staats - und Eisenbahntelegraphen ist überall keine Spur einer Veränderung der Guttapercha zu entdecken ge - wesen.

Es lässt sich hieraus wohl mit Sicherheit folgern, dass die Guttapercha, wenn unverfälscht und nicht vor oder bei der Fabrication verdorben, sich in hinlänglicher Tiefe des Erd - bodens ganz unverändert erhält und daher zu unterirdischen Leitungen vollständig geeignet ist.

  • 2. Ist die Technik der Drahtfabrication und die Kenntniss des Materials so weit vorgeschritten, dass jetzt nur Drähte zur Verwendung kommen, welche nicht die Ursache bal - digen Verderbens in sich tragen?

Bereits die an den neueren Telegraphenlinien gemachten Er - fahrungen bejahen diese Frage. Die im Frühjahr 1849 ange - legten Linien von Berlin nach Hamburg und Stettin, von Breslau nach Oderberg und von Cöln nach Aachen so wie auch die an - gelegten Eisenbahn-Telegraphenlinien mit unterirdischer Leitung sind in fast unausgesetzt gutem Betriebe geblieben. Noch nie seit ihrer Anlage sind diese Linien einer eigentlichen Revision unterworfen. Einzelne Unterbrechungen des Dienstes waren durch7*100noch nicht beseitigte, grobe Beschädigungen bei der Anlage oder durch Eisenbahnbauten veranlasst und wurden schnell gehoben; andere hatten darin ihren Grund, dass die Beamten mit den ihren Händen anvertrauten Apparaten zu wenig bekannt waren und dass die letzteren nicht in gutem Zustande erhalten wurden. Es ist bisher noch kein Fall constatirt, dass auf diesen neueren, doch schon im dritten Jahre bestehenden Linien eine Veränderung der Guttapercha oder auch nur eine vorübergehende Dienstunter - brechung einer Linie in Folge schlechter Fabrication der Drähte, vorgekommen wäre. Eine scheinbare Ausnahme hiervon macht die Verbindung der beiden Bahnhöfe zu Breslau, welche bereits mehrere Male durch Excentricität der Drähte unbrauchbar wurde; es lässt sich jedoch nachweisen, dass die hier verwandten Drähte einer viel früheren Fabricationsperiode angehören.

Es soll jedoch damit keineswegs behauptet werden, dass auf diesen Linien überhaupt keine Fabricationsfehler vorkommen. Eine gründliche Revision der Leitungen wird gewiss noch eine Menge solcher Fehler und auch hin und wieder noch Drähte, die mit der Zeit verdorben werden, zum Vorschein bringen. Das Vorkommen solcher Fehler würde sich nur durch eine sehr strenge, gründliche und mit Benutzung aller Hülfsmittel der Wissenschaft durchgeführte Controlirung der Fabrication selbst und des zur Verwendung kommenden Materials vermeiden lassen. Eine jährlich wiederholte gründliche Revision der Leitungen, bei welcher alle vorhandenen Isolationsfehler beseitigt werden, wird aber bei unterirdischen Leitungen dennoch stets nöthig sein. Sind diese Revisionen ohne wesentliche Störung des Dienstes, ohne grossen Kostenaufwand und mit vollständigem Erfolg durch - führbar, wie hier der Fall ist, so erfüllen die Leitungen ihren Zweck, und die Technik der Drahtfabrication muss für hinlänglich ausgebildet erklärt werden, wenn auch noch hin und wieder Fehler derselben vorkommen. Die jetzt in den Fabriken zur Prüfung der Isolation benutzten, äusserst empfindlichen Instrumente garantiren die Verwendung nur völlig isolirter Drähte. Eine sehr excentrische Drahtlage, in beträchtlichem Maasse verharzte, ver - brannte oder verfälschte Guttapercha zeigt sich fast immer durch unvollständige Isolation. Die äusseren Merkmale dieser schlechten Guttapercha sind deutlich und bekannt, man ist daher im Stande,101 ihre Verwendung gänzlich zu verhindern. Es ist mithin jetzt möglich, nur gute und dauernd isolirt bleibende Drähte zu fabri - ciren, oder doch wenigstens nur solche zur Verwendung kommen zu lassen. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass die unvulcani - sirte Guttapercha im feuchten Boden nicht, wie im Seewasser, nach und nach in ein weniger gut isolirendes Hydrat umge - wandelt wird. Die etwas geringere Härte und das etwas schnellere Sprödewerden der ungeschwefelten Guttapercha in freier Luft sind zwar noch bleibende Nachtheile derselben, dagegen lässt die Schwefelung die Verwendung schlechter und wasserhaltiger Masse weniger gut erkennen. Die Anwendung ungeschwefelter, gut entwässerter Guttapercha ist daher rathsamer, indem sie die Ge - fahr der Verwendung schlechter Drähte noch weiter vermindert.

  • 3. Sind die unterirdischen Drähte gegen äussere Beschädi - gungen hinlänglich zu sichern?

Die Tiefe der Drahtlage ist auf den genannten neueren Linien durchschnittlich 2 Fuss. Diese Tiefe scheint gegen zufällige Beschädigungen aller Art schon ziemlich vollständig zu sichern. Demungeachtet erschien es vortheilhafter, bei den neueren Tele - graphen-Anlagen für Eisenbahnen etc. die Tiefe des Einlegens der Drähte bis auf 3 Fuss zu vermehren. Durch Anwendung der in England gebräuchlichen Geräthschaften für das Ausheben der Gräben für Wasserabzüge (drains) ist es möglich geworden, die Gräben in der Tiefe von 3 Fuss für denselben Preis herzu - stellen wie die früheren 1½füssigen. Diese Tiefe sichert die Drähte nach allen bisherigen Erfahrungen nicht nur vollständig gegen zufällige Beschädigung bei Ausführung der gewöhnlichen Eisenbahnarbeiten und gegen Benagung durch Thiere, sondern entzieht sie auch gänzlich dem Zutritt der atmosphärischen Luft und beseitigt daher die Möglichkeit einer allmäligen Verharzung der Guttapercha. An solchen Orten, wo der Draht durch be - sondere Verhältnisse einer Beschädigung aus irgend welchem Grunde ausgesetzt, oder wo die Tiefe von 3 Fuss nicht zu erreichen ist, kann derselbe leicht durch Thonrinnen oder, wo es nöthig, durch eiserne Röhren gesichert werden.

Natürlich ist auch das hier Gesagte nicht so zu verstehen, als wären äussere Verletzungen absolut zu verhindern. Die Er - fahrung lehrt, dass die Arbeiten der Eisenbahnen nicht immer102 mit der gehörigen Berücksichtigung der Lage des Drahtes aus - geführt werden. Es ist z. B. der Fall vorgekommen, dass die Arbeiter einer Eisenbahn mit Mühe den Draht zerstörten, indem sie in ihm eine widerspenstige Wurzel zu erkennen glaubten. Doch dies sind vereinzelte Fälle, die wenig Gewicht haben, wenn man nur die Möglichkeit solcher Fälle stets vor Augen und im Voraus für möglichst schnelle Beseitigung derselben gesorgt hat. Bei Eisenbahn-Telegraphen und den Staats-Telegraphenlinien, wo ein Draht für die Eisenbahn in demselben Graben liegt, sind der - artige fahrlässige und unbemerkt gebliebene Beschädigungen meines Wissens noch nicht vorgekommen. Da die Lage der Drähte auf dem Planum der Bahn und auf den Bahnhöfen stets genau verzeichnet und durch Pfähle erkennbar gemacht wird, so ist es in der That sehr leicht, bei aussergewöhnlich tief gehen - den Arbeiten stets die nöthige Rücksicht auf dieselben zu nehmen.

Wenn die Beantwortung der gestellten entscheidenden Fragen aber auch für die fernere Anwendung der durch alleinigen Ueber - zug mit Guttapercha isolirten Drähte ausfallen musste, so er - gaben sich doch auch manche Mängel der so gefertigten Lei - tungen. Es wird stets schwierig sein, alle Fabricationsfehler zu beseitigen und alle Beschädigungen beim Transport und dem Ein - legen der Drähte, sowie bei denjenigen späteren Erdarbeiten, die bis zum Drahte reichen, zu vermeiden. Sind diese Beschädi - gungen auch ohne grosse Mühe, und in der Regel, ehe sie störend einwirken können, zu beseitigen, die auf bisherige Weise isolirten Drähte mithin wohl anwendbar, so muss doch zugestanden werden, dass die Beseitigung der ihnen anhaftenden Mängel sehr wünschens - werth wäre und der Werth der unterirdischen Leitungen hier - durch sehr erhöht werden müsste. Dies geschieht durch die neuerdings angewendete Ueberziehung der isolirten Drähte mit Bleiröhren. Durch die Ueberziehung mit Blei wird die Gutta - percha gänzlich dem Zutritt sowohl der Feuchtigkeit wie der Luft entzogen. Da das Blei den Draht dicht umgiebt und die etwa noch vorhandenen Zwischenräume durch Talg ausgefüllt sind, so wird die Feuchtigkeit auch in dem Falle sich nicht zwischen der Guttapercha und dem Blei durch Capillarkraft ver - breiten können, wenn die Bleiröhre irgend wie beschädigt sein sollte.

103

Selbst den Fall angenommen: die Guttapercha-Hülle wäre undicht und isolirte mithin nur unvollkommen oder bestände aus schlechtem Material, so würde dennoch die Isolation der Drähte so lange durchaus vollständig bleiben als die Bleiröhre sich erhielte. Ueber die Erhaltung des Bleies in der Erde liegen alte Er - fahrungen vor. In reinem Sand - oder Thonboden, welcher keine vegetabilischen Bestandtheile enthält, hat es sich Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang gut erhalten. Durch Einwirkung des Sauerstoffs der Luft bildet sich zwar auch in gewisser Tiefe des Erdbodens noch eine Oxydhaut auf der Oberfläche des Bleies, doch nur in dem Falle dringt diese Zersetzung tiefer ein, wenn ein gleichzeitiger Zutritt von Kohlensäure die Bildung von Blei - weiss möglich macht. Wenn man bei dem Eingraben der Blei - röhren einige Sorgfalt darauf verwendet, dass keine vegetabilischen Bestandtheile in die unmittelbare Umgebung des Drahtes kommen, so kann man auf die lange Erhaltung selbst dünner Bleiröhren mit Sicherheit rechnen. Sollte aber auch durch irgend einen Umstand das Blei irgendwo zerstört und die Guttapercha bloss - gelegt werden, so würde die gute Isolation des Drahtes hier - durch nur dann gefährdet sein, wenn dieselben Einflüsse, welche das Blei nach und nach zerstörten, in gleicher Weise auf die Guttapercha wirkten, was bei der gänzlichen Verschiedenheit der Substanzen wohl nur in äusserst seltenen Fällen oder nie der Fall sein kann. Der Bleiüberzug verhindert ferner die leichte Beschädi - gung des isolirenden Guttapercha-Ueberzuges auf dem Transport und beim Einlegen, er macht dennoch stattgefundene Beschädi - gungen leichter erkennbar und entzieht die Guttapercha auch bei nicht tiefem Einlegen gänzlich dem Einfluss der Luft. Die Gutta - percha muss sich, auch wenn sie von schlechter Beschaffenheit ist, in der sie allen äusseren Einflüssen entziehenden Bleiröhre vollständig gut erhalten. Das in verbrannter Guttapercha ent - haltene flüchtige Oel, durch dessen Verflüchtigung die Masse auch im Erdboden bald erhärtet und brüchig wird, kann durch die enganschliessende Bleihülle nicht entweichen, bleibt daher in der Guttapercha und erhält sie biegsam.

Gegen die Anwendung des Bleies spricht ausser der Kosten - vermehrung eine in ein ganz anderes Gebiet fallende Erscheinung, die Vergrösserung der den unterirdischen Leitungen eigenthüm -104 lichen Ladungserscheinungen, die aber, nach den jetzt bereits vorliegenden Erfahrungen an der circa 7 Meilen langen Tele - graphen-Anlage in der Stadt Berlin, welche die Brandwachen und Polizeibureaux verbindet, und bei welcher durchgängig mit Blei bekleidete Drähte benutzt sind, nicht so beträchtlich ist, wie zu befürchten war und durch die Wahl und Einrichtung der telegraphischen Apparate unschädlich zu machen ist. Die Kosten - vermehrung durch die Ueberziehung der isolirten Drähte mit Bleiröhren ist nicht so bedeutend, wie es auf den ersten Blick scheint. Da der isolirende Ueberzug allen äusseren Einwirkungen entzogen ist, so kann er ohne Gefahr beträchtlich schwächer ge - macht werden. Die Ersparung an Guttapercha ersetzt dann den grössten Theil der Kosten des Bleiüberzuges. Ausserdem erlaubt der mit Bleiröhren zu erzielende höhere Grad von Isola - tion die Anwendung schwächerer Drähte für lange Linien.

Aus dem bisher Gesagten wird sich für jede unbefangene Kritik ergeben, dass die ersten in Preussen angelegten unter - irdischen Leitungen unter so ungünstigen Umständen angelegt sind, dass die an ihnen gemachten Erfahrungen nur mit grosser Vorsicht zur Beurtheilung des Werthes des Systems der unter - irdischen Leitungen benutzt werden dürfen. Die schlechte Fa - brication der dabei benutzten Drähte, die theilweise Verwen - dung schlechter Sorten Guttapercha, die geringe Tiefe des Einlegens der Drähte, die Anlage der Linien in grosser Eile, in ungünstiger Jahreszeit und durch ungeübte Leute, haben zu viele Quellen störender Einflüsse und schnellen Verderbens bei ihnen eröffnet. Eine genauere Betrachtung der Ergebnisse der älteren Linien und die bei den später angelegten Leitungen gemachten Erfahrungen sprechen dagegen bisher durchaus für die unter - irdischen Leitungen, wenn man auch die, bei den letzteren grösstentheils aus Mangel an Erfahrung gemachten, und jetzt zu vermeidenden Fehler berücksichtigt. Es ist bei allen neueren unterirdischen Leitungen, auch bei denen, die unmittelbar nach den beiden erstgenannten noch in demselben Jahre angelegt wurden, bisher durchaus keine Veränderung der Guttapercha bemerkbar gewesen, obschon die Tiefe des Einlegens auch bei ihnen noch zu gering war. Nur selten haben sich Fabrications - fehler gezeigt, die eine Revision der Leitung nöthig machten. 105Es haben nur wenig Beschädigungen beim Einlegen der Drähte stattgefunden und spätere äussere Beschädigungen sind nur selten vorgekommen. Wäre die Ueberwachung der unterirdischen Staats - Telegraphen-Leitungen bereits gehörig organisirt, hätte eine regel - mässige und gründliche jährliche Revision und eine stete genaue Controlirung der Isolation der Leitungen stattgefunden, wären wenn auch nicht alle, so doch ein grosser Theil der Telegraphen - Beamten mit den so einfachen Manipulationen der Aufsuchung und Wiederherstellung eingetretener grober Beschädigungen ver - traut gemacht, so würden die selten eingetretenen Störungen oder Unterbrechungen des Dienstes dieser Linien stets in sehr kurzer Zeit gehoben und die Unterhaltungskosten der Leitungen ver - hältnissmässig sehr gering gewesen sein. Wenn man auch zu - geben muss, dass die oberirdischen Leitungen manche bedeutenden Vorzüge vor den unterirdischen voraus haben und stets voraus haben werden, so dürfen doch diese Vorzüge und die erkannten wirklichen Schwächen der unterirdischen Leitungen nicht zu einer einseitigen Beurtheilung führen. Die Bilance zwischen den Vor - und Nachtheilen beider Leitungssysteme muss entscheiden. Diese wird sich jetzt etwa folgendermaassen gestalten:

Die Vorzüge der oberirdischen Leitungen vor den unterir - dischen bestehen im Wesentlichen darin, dass sie leichter be - aufsichtigt und reparirt werden können, da sie überall sichtbar sind, dass bis zu einer gewissen Grenze eine Vermehrung der Drähte bei eintretendem Bedürfniss mit geringeren Kosten sich ausführen lässt und dass die Anlagekosten im Allgemeinen ge - ringer sind wie bei unterirdischen Leitungen. Diesen Vorzügen steht aber eine grosse Reihe von Nachtheilen gegenüber. Die oberirdischen Leitungen sind muthwilligen und zufälligen Zer - störungen weit mehr ausgesetzt wie die unterirdischen. Sind daher auch die Beschädigungen leichter und schneller auszu - bessern, die Unterbrechungen des Dienstes mithin kürzer, so treten sie dafür um so häufiger auf, und nur bei sehr solide an - gelegten oberirdischen Leitungen würde die Sicherheit des Dienstes der der bisherigen unterirdischen gleich zu setzen sein. Ver - wéndet man zu den oberirdischen Leitungen, wie es in Deutsch - land bisher am gebräuchlichsten war, Kupferdraht und dünne Stangen, so lässt sich zwar bei ihnen eine sehr vollständige Iso -106 lation erzielen und die Anlage wird bedeutend billiger wie eine unterirdische, doch ist der Draht dann, wie die Erfahrung lehrt, dem Diebstahl sehr ausgesetzt, er dehnt sich nach und nach und kommt in Folge dessen leicht mit anderen, an denselben Pfosten befestigten Drähten in Berührung, er wird nach Verlauf von 6 bis 8 Jahren brüchig und muss dann erneuert werden, die Stangen vermodern, werden dann vom Sturmwind leicht umge - worfen und gefährden sogar die Sicherheit des Eisenbahndienstes. Günstigere Resultate giebt die Anwendung des Eisendrahtes zu oberirdischen Leitungen, wenn derselbe hinlänglich stark und gut verzinkt ist. Dünner Eisendraht ist bald durch den Rost ver - dorben und hat zu geringe Leitungsfähigkeit für längere Linien.

Die Verzinkung der Eisendrähte ist nur dann von Nutzen, wenn das Zink mit dem Eisen da, wo beide Metalle in Berührung sind, wirklich zusammengeschmolzen ist und in Folge dessen beim Biegen des Drahtes nicht abspringt oder Risse bekommt. Die Operation, durch welche dies erreicht wird, scheint bisher, trotz der Veröffentlichung der Beschreibung des patentirten Ver - fahrens, Geheimniss einiger englischen Fabriken zu sein, die sich ihr Fabricat sehr theuer bezahlen lassen. Unverzinkte oder schlecht verzinkte Drähte rosten auch bei grosser Stärke, nament - lich an den Aufhängepunkten, sehr bald derartig, dass die Drähte an diesen Stellen brechen. Starke Eisendrähte müssen natürlich stark gespannt werden, damit sie nicht mit anderen in Berührung kommen, und verlangen daher auch die Anwendung starker Pfosten und besonderer Spannvorrichtungen, wodurch die Anlage be - trächtlich vertheuert wird. Wie namentlich die englischen Er - fahrungen lehren, wo in der Regel eine grosse Zahl von Drähten an denselben Pfosten ausgespannt ist, muss eine stete, sehr sorg - fältige Bewachung der Drähte stattfinden; sie müssen häufig nachgespannt und bei eintretendem Froste wieder nachgelassen werden, da sonst eine Berührung der Drähte oder das Reissen derselben eintritt. Hierdurch werden für den Augenblick in der Regel alle Drähte unbrauchbar, da die Enden des gerissenen mit den übrigen in Berührung kommen. Auch die Eisendrähte wer - den nach einem Zeitraume von 8 bis 10 Jahren spröde, und mehrere englische Linien haben bereits aus dem Grunde erneuert werden müssen, weil selbst bei dem dortigen milden Winter und107 trotz aller Vorsicht zu häufige Drahtbrüche eintraten. Es ist bis - her nicht gelungen, die Spannvorrichtungen vollständig von ein - ander und vom Boden zu isoliren. Bei Schneefall, Regen und selbst nebligem Wetter finden daher in England sehr häufige Störungen statt und man hilft sich dann dort in diesem Falle dadurch, dass man nur einen oder wenigstens nur ein Paar aller vorhandenen Drähte in Benutzung nimmt.

Bei der engen Verbindung, in welcher die englische Tele - graphen-Compagnie mit den Eisenbahnen steht, lässt sich die stets nöthige Ueberwachung der Drähte ohne grosse Kosten für die Compagnie durch die Eisenbahnbeamten ausführen. Ob dies bei den preussischen Staats-Telegraphenlinien im eigenen und selbst in fremden Ländern ebenfalls überall der Fall sein kann, scheint mindestens fraglich.

Alle die geschilderten Mängel der oberirdischen Leitungen würden aber wohl die Frage noch nicht zu Gunsten der unter - irdischen entscheiden, wenn nicht die elektrischen Störungen den Gebrauch langer oberirdischer Leitungen stets unsicher machten. Je besser die oberirdischen Leitungen isolirt sind, je mehr man daher die Quelle der durch schlechte Isolation entstehenden Stö - rungen verstopft hat, desto häufiger und stärker werden die elek - trischen Störungen. Aus Erfahrungen an kleinen Linien kann man hier durchaus nicht auf grössere schliessen. Die bei den unterirdischen Leitungen häufig in höherem Maasse stattfindenden Nebenschliessungen in Folge unvollkommener Isolation haben immer einen constanten Charakter und sind daher durch richtige Einstellung der Instrumente bis zu einem sehr hohen Grade hin unschädlich zu machen. Die durch Luftelektricität in den Drähten erzeugten Strömungen sind dagegen stets veränderlich und machen daher schon bei geringer Stärke den Dienst der Apparate unsicher. Bei den amerikanischen langen oberirdischen Leitungen kann man aus diesem Grunde nur selten den Ueber - trager beim Morseschen Telegraphen anwenden, da man nur durch sehr kolossale Batterien die steten Neckereien der atmosphärischen Elektricität, bis zu einer gewissen Grenze hin, unschädlich machen kann. Hierzu kommt noch die bei oberirdischen Leitungen nicht zu beseitigende Gefahr, dass einschlagende Blitze Leitungen und Pfosten auf grösseren Strecken hin zertrümmern und die Beamten108 und Instrumente gefährden. Durch zweckmässige Blitzableiter lassen sich die Stationszimmer und die in denselben befindlichen Apparate wohl einigermassen beschützen, nicht aber die Wärter - buden der Eisenbahnen, in welchen Glockenwerke angebracht sind, die durch den elektrischen Strom ausgelöst werden sollen. Bereits mehrere Male ist auf preussischen Eisenbahnen mit ober - irdischer Leitung der Fall vorgekommen, dass Eisenbahnbeamte durch Blitze betäubt und selbst erschlagen wurden. Die Eisen - bahnwärter verlassen daher in der Regel bei aufziehenden Ge - wittern ihre Buden und geben sich lieber dem Unwetter Preis, um sich der drohenden Lebensgefahr zu entziehen.

Bei unterirdischen Leitungen üben nur wirkliche Gewitter und einschlagende Blitze einen wenig störenden Einfluss auf den Dienst der Apparate aus. Selbst bei den bisherigen unvollkom - menen unterirdischen Anlagen gehörte eine plötzlich eintretende gänzliche Zerstörung des Drahtes zu den grossen Seltenheiten und dieselben würden bei einer zweckmässig organisirten Ueber - wachung derselben stets in sehr kurzer Zeit beseitigt sein. Die Gründe anhaltender Störungen haben bei ihnen meist nur darin gelegen, dass aus irgend welchen Gründen eingetretene Beschä - digungen des isolirenden Ueberzuges der Drähte eine allmälige Verschlechterung der Isolation und endlich die gänzliche Durch - fressung der Kupferdrähte zur Folge hatten. Es ist aber wiederum Sache einer guten Verwaltung, eine Verschlechterung der Isolation gar nicht aufkommen zu lassen, sondern entstandene Beschädi - gungen zu beseitigen, bevor sie einen schädlichen Einfluss auf die Sicherheit des Dienstes ausüben können.

Durch einen bei den preussischen Telegraphenanlagen statt - findenden grossen Uebelstand, dem Vorhandensein nur Eines Drahtes für die Gesammtcorrespondenz, wurde dies freilich be - trächtlich erschwert. Die Revisionen einfacher unterirdischer Leitungen lassen sich zwar ausführen, ohne den Dienst der Ap - parate wesentlich zu stören, doch hat jede vorkommende Störung das Aufhören aller Correspondenz zur Folge, während man sich in anderen Ländern so lange mit einem Draht behilft, bis der unbrauchbare zweite wieder hergestellt ist. Die Revision der unterirdischen Leitungen selbst ist ferner unverhältnissmässig schwieriger, wenn nur ein Draht vorhanden ist, selbst abgesehen109 von der gleichzeitigen störenden Benutzung desselben. Es ist bei einem Drahte schwierig, eine vorhandene Beschädigung durch Strommessungen und Berechnungen zu bestimmen, namentlich desswegen, weil die Messungen gleichzeitig an beiden Endpunkten der Leitung vorgenommen werden müssen; sind dagegen zwei oder mehrere Drähte vorhanden, so lässt sich bei im Allgemeinen guter Isolation die Lage einer oder einiger Beschädigungen durch eine einfache Widerstandsmessung mit grösster Genauigkeit vom Zimmer aus bestimmen, wodurch die Revisionen natürlich ausser - ordentlich vereinfacht werden.

Die Anlagekosten unterirdischer Leitungen werden wohl stets höher sein wie die oberirdischer. Ob dagegen die Unterhaltungs - kosten gut angelegter unterirdischer Leitungen bei zweckmässiger Organisation der Bewachung grösser sind, wie die der oberir - dischen, ist wenigstens noch fraglich. Aber auch angenommen, sie wären grösser, so bilden weder die Zinsen des Anlagecapi - tals, noch die Erhaltungskosten der Leitungen die für die Ein - träglichkeit der Telegraphenlinien entscheidenden Momente. Die Kosten der Verwaltung im Allgemeinen und die Gehalte der ausübenden Beamten sind, namentlich bei den preussischen Staats - Telegraphenlinien, die unvergleichlich überwiegenden. Es hat dies seine Ursache theils darin, dass aus Gründen, die nicht zur Sache gehören, eine Menge für die telegraphische Correspon - denz gänzlich unerheblicher Stationen in den einzigen vorhan - denen Draht aufgenommen werden mussten, wodurch der Dienst bedeutend erschwert und eine im Vergleich mit fremden Tele - graphenlinien ungemein grosse Zahl von Beamten erforderlich wurde; ferner darin, dass die Verhältnisse des Landes es mit sich brachten, dass nur ausgediente Militärs als Telegraphen - beamte angestellt wurden, während in anderen Ländern junge Leute, oft selbst Knaben bei fast übermässig anstrengender Be - schäftigung den Dienst verrichten. Man hat in Preussen mithin hinsichtlich der ausübenden Beamten ein zwar kostspieligeres, aber grössere Garantien der Sicherheit bietendes System ange - nommen. Die hierfür aufgewandten grösseren Kosten können aber nur dann durch grössere Sicherheit des Dienstes der Tele - graphenlinien aufgewogen werden, wenn nicht ausserhalb des Bereiches der Beamten liegende Ursachen steter Störungen vor -110 handen sind. Hat man daher die Ueberzeugung gewonnen, dass mit guten unterirdischen Leitungen, die mit Benutzung der bis - her gemachten Erfahrungen und Fortschritte angelegt werden, eine grössere Sicherheit des Dienstes der Linien zu erreichen ist, so können die vermehrten Anlagekosten keinen genügenden Grund zur Verwerfung eines bessere Resultate gebenden Systems abgeben. Die elektrische Telegraphie ist in jeder Beziehung noch in der Kindheit ihrer Entwickelung. Erst dann kann sie diesen Standpunkt überwinden und die ihr gebührende Stellung als ein mächtiger Hebel des Staatsmechanismus und des öffentlichen Verkehrs erringen, wenn man stets auf ihre Dienstfähigkeit und die Untrüglichkeit ihrer Mittheilungen mit Sicherheit rechnen kann und bei billigen Beförderungsgebühren jedem Anspruche schnell und sicher Genüge gethan wird. Bis jetzt hat sie nir - gends diese Höhe erreicht; sie kann es auch nur mit Hülfe eines umfassenden Systems guter unterirdischer Leitungen. Schon bei der jetzigen Entwickelung der Telegraphie in England, wo doch nur in der Regel die Eisenbahn 2 bis 4 Drähte für ihren Ge - brauch und die Telegraphen-Compagnie ein Paar für die Cor - respondenz nach den wichtigsten Punkten des Landes und ein Paar für die durchgehende Correspondenz nach den grossen End - punkten hat, ist namentlich an solchen Stellen, wo zwei oder mehrere Linien auf kurzen Strecken zusammenfallen oder sich kreuzen, ein solches Gewirre von Drähten und es treten so leicht gegenseitige Störungen ein, dass man mit Bestimmtheit behaupten kann: dass eine beträchtliche Vermehrung der Drähte, wie sie bei allgemeinerer Benutzung der Telegraphie erforderlich sein würde, nicht ausführbar ist, ohne grosse Störungen und Unsicher - heit hervorzubringen. Derselbe Grund, welcher bei einem noch in der Kindheit befindlichem Systeme elektrischer Telegraphen für die oberirdischen Leitungen spricht, wird sich bei weiterer Entwickelung derselben daher gerade in das Gegentheil umkehren. Bei unterirdischen Leitungen muss man freilich, um das leicht nöthig werdende Hinzufügen eines Drahtes zu vermeiden, die Anlage von vorn herein in grösserem Maassstabe machen und mindestens gleich einen Draht mehr einlegen, als für den Augen - blick nöthig scheint. Man muss auch bei dem Wege, den die Drähte durchlaufen, gleich die nöthige Rücksicht auf das für111 spätere Anlagen nöthige Terrain nehmen. Es ist übrigens auch nicht so schwierig und kostspielig, wie es auf den ersten Blick erscheint, die bereits gelegten Drähte wieder aufzunehmen und mit den hinzuzufügenden zugleich wieder einzulegen, nachdem sie an Ort und Stelle einer genauen Prüfung unterworfen und etwa vorgefundene oder bei der Arbeit entstandene Beschädigungen ausgebessert sind. Die Störung des Dienstes bei dieser Arbeit lässt sich durch eine provisorische oberirdische Leitung, die man für die Dauer der Arbeit an der Arbeitsstelle anbringt und nach Beendigung derselben fortrückt, leicht und ohne in Betracht kommende Kosten verhindern.

Der Zweck diesser Blätter war: zu zeigen, dass die un - günstigen Resultate, welche die ersten in Preussen angelegten unterirdischen Leitungen gegeben haben, nicht Folge des ange - nommenen Systems, sondern der meist durch Mangel an Erfah - rung und ungünstige Verhältnisse herbeigeführten Fehler der An - lage und späteren Verwaltung waren. Diese Fehler sind bei den neueren Anlagen grossentheils vermieden und werden sich bei späteren durch richtige Benutzung der gewonnenen Ertahrungen und der Fortschritte der Technik gänzlich beseitigen lassen.

Es ist aber zu beklagen, dass durch diese ungünstigen Resultate ein sehr allgemeines und unbegründetes Vorurtheil gegen das System unterirdischer Leitungen überhaupt hervorgerufen ist. Ueber den wahren Werth desselben kann nur eine genaue, von wissenschaftlichen und sachkundigen Männern angestellte, vergleichende Analyse der bisherigen Resultate endgültig ent - scheiden. Es würde daher gerade jetzt von hoher Wichtigkeit und grossem praktischen Nutzen sein, wenn die Regierung den schon einmal betretenen Weg wieder einschlüge und das gutachtliche Urtheil einer wissenschaftlichen Commission über die jetzt vor - liegenden Resultate und die zu ergreifenden Massregeln, so wie über diejenigen organischen Einrichtungen der Verwaltung, die zur steten Erhaltung der Dienstfähigkeit der Leitungen und des ganzen Instituts durchaus nothwendig sind, einholte.

[112][113]

Ueber die Beförderung gleichzeitiger Depeschen durch einen telegraphischen Leiter.

(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 98 S. 115. 183.)

1856.

Bereits im Jahre 1849 beschäftigte ich mich in Gemein - schaft mit Halske mit der Lösung der Aufgabe, durch telegra - phische Leiter eine die Zahl der Drähte übersteigende Zahl gleichzeitiger Depeschen zu befördern. Wir gingen dabei von folgenden Betrachtungen aus:

Wenn man das Ende jedes Leitungsdrahtes mit den Enden aller übrigen Drähte durch ein telegraphisches Instrument mit zugehöriger Batterie verbindet, so kann man 〈…〉 solcher Tele - graphenapparate auf jeder Seite der die Stationen A und B ver - bindenden n Leitungsdrähte aufstellen. Schaltet man nun mit einem der eingeschalteten Apparate die zugehörige Batterie zwischen die betreffenden Drähte ein, so werden alle vorhandenen Leitungsdrähte und Apparate von einem mehr oder weniger starken Strome durchlauten. Die Aufgabe bestand nur darin, den den homologen Apparat der anderen Station durchlaufenden Strom möglichst stark und wirksam, die die übrigen Apparate durch - laufenden Ströme dagegen entweder sehr schwach zu machen oder ihre Wirkung ganz oder doch grösstentheils zu compensiren. Es konnte dies durch passende Wahl von Widerständen, welche mit den Batterien und Apparaten ein - und ausgeschaltet wurden, durch locale Nebenschliessungen der thätigen Batterien und durch zweckmässige Construction der Apparate selbst ausge - führt werden.

8114

Da die für eine geringe Anzahl von Drähten ausgeführten Berechnungen sowie die angestellten Versuche ein günstiges Re - sultat versprachen, so nahmen wir in ein am 23. October 1849 in England entnommenes Patent den Anspruch auf gleichzeitige Beförderung einer grösseren Zahl von Depeschen durch combinirte Drähte, auf. Weitere Beschäftigung mit diesem Gegenstande zeigte uns jedoch bald, dass die Lösung bei einer grösseren Zahl von Drähten zu schwierig und complicirt wurde und dass sich das hauptsächlichste Erforderniss telegraphischer Einrich - tungen grösstmöglichste Sicherheit nicht befriedigend erreichen liess.

Einige Jahre später versuchte Hr. Dr. Kruse in Artlenburg die Aufgabe der mehrfachen gleichzeitigen Benutzung telegra - phischer Leiter auf eine ganz verschiedene Weise zu lösen. Derselbe benutzte zu seinen Versuchen eine Modification unserer, auf das Princip des Neeff’schen Hammers basirten Zeigertelegra - phen1)Arch. d. sc. ph. et nat. XIV. 41., welche darin besteht, dass sie mit einem Uebertrager (relais) in Verbindung gebracht sind. Es geschieht dies auf die Weise, dass die Windungen des Uebertragers vom Linien - strome, die des Telegraphenmagnetes von einem Localstrome durchlaufen werden, während der Contact des Uebertragers den Localstrom, der des Telegraphen den Linienstrom abwechselnd herstellt und unterbricht. Mit dieser Einrichtung versehen sind die Zeigertelegraphen befähigt, mittels sehr kurzer und schwacher Strömungen, welche die Leitung und die Windungen der Ueber - trager durchlaufen, sicher und schnell zu gehen.

Man denke sich nun eine beliebige Zahl derartig combinirter Zeiger oder Drucktelegraphen an jedem Ende der Leitung aufge - stellt. Das eine Ende aller Uebertragerwindungen communicirt durch die Schiebercontacte der zugehörigen Telegraphen hindurch mit dem einen Pol einer gemeinsamen Batterie, deren anderer Pol zur Erde abgeleitet ist. Das zweite, freie Ende jeder Uebertragerspirale führt dagegen zu einer isolirten Contactfeder. Diese Federn sind in gleichen Abständen um eine Contactscheibe gruppirt. Der Rand dieser Scheibe, auf welchem die Federn schleifen, ist in abwechselnd isolirende und leitende Felder115 derartig eingetheilt, dass stets nur eine Feder mit einem leiten - den, alle übrigen dagegen mit isolirenden Feldern in Berührung sind. Wird die Scheibe gedreht, so treten die Federn der Reihe nach einen Augenblick in leitende Verbindung mit der Scheibe und durch sie mit dem Leitungsdrath. Denkt man sich nun an beiden Enden der Leitung dieselbe Einrichtung getroffen, beide Batterien in gleicher Richtung eingeschaltet und beide Scheiben genau gleichmässig gedreht, so werden sämmtliche Telegraphen gleichmässig rotiren. Wird einer derselben angehalten und da - durch die leitende Verbindung seiner Contactfeder mit der Batterie dauernd unterbrochen, so muss auch der mit ihm correspondirende, d. i. der mit einer homologen Feder verbundene Apparat der andern Station, still stehen, da kein Strom die Leitung durchlaufen kann, während diese Feder mit ihr in Ver - bindung ist. Die gleichmässige Rotation der beiden Scheiben bewirkt Hr. Kruse dadurch, dass er sie mit Zähnen versieht und durch die Oscillationen der Telegraphenmagnete selbst drehen lässt. Da stets gleich viel Apparate an beiden Enden der Leitung in Bewegung sind und alle genau mit derselben Geschwindigkeit rotiren, so müssen auch beide Scheiben genau gleichmässig fort - schreiten. Werden einzelne Telegraphenpaare angehalten, so wird dadurch zwar die Rotationsgeschwindigkeit der Scheiben und mithin auch der übrigen Telegraphen vermindert, die Gleich - mässigkeit der Rotation aber nicht gestört.

Es ist ersichtlich, dass diese sinnreiche Combination für prak - tische Anwendung zu complicirt und zu unsicher ist. Namentlich wird es sehr schwer sein, die Uebertrager so empfindlich und schnell beweglich zu machen, dass sie mit Strömen von so kurzer Dauer noch sicher functioniren und die Telegraphen in Bewegung setzen.

Im zweiten Decemberheft des Leipziger polytechnischen Centralblattes beschrieb Hr. Telegraphen-Inspector Galle eine von Hin. Dr. Gintl auf der Linie Prag-Wien versuchte Methode mittels des Morse’schen Schreibtelegraphen gleichzeitig Depeschen in entgegengesetzter Richtung zu befördern. Sie bestand darin, dass die Uebertragermagnete mit 2 Drahtspiralen versehen wurden, von denen die eine mit dem Leitungsdrahte communicirte. War der Schlüssel (Contacthebel) nicht niedergedrückt, so stellte sein8*116Ruhecontact die leitende Verbindung des freien Endes dieser Spirale mit der Erde her; der leitende Kreis war mithin durch den Drath, die betreffenden Spiralen der beiden Endstationen und die Erde hergestellt. Durch Niederdrücken eines der Schlüssel war die directe leitende Verbindung der Spirale mit der Erde aufgehoben und sie dagegen mit dem freien Pole einer zur Erde abgeleiteten Batterie hergestellt. Der Strom dieser Batterie durchlief mithin jetzt den Leitungsdrath und die seine Fortsetzung bildenden Spiralen. Um nun zu verhindern, dass dieser Strom den am Orte der wirksamen Batterie befindlichen Magnet des Uebertragers magnetisirte, ward durch dieselbe Hebelbewegung gleichzeitig ein zweiter Contact hergestellt, welcher den Strom - lauf einer zweiten Batterie durch die zweite Spirale des Magnetes herstellte. Der Strom durchlief diese Spirale in entgegengesetzter Richtung und ward durch einen eingeschalteten Rheostaten so abgeglichen, dass seine magnetisirende Wirkung derjenigen des die andere Spirale durchlaufenden Linienstromes gleich und entgegen - gesetzt war. Der Uebertragermagnet der eigenen Station blieb daher ganz unmagnetisch, während der Strom auf den Magnet der Empfangstation seine volle Wirkung ausübte. War nun an beiden Enden der Leitung dieselbe Einrichtung getroffen und wurden gleichzeitig beide Contacthebel niedergedrückt, mithin alle 4 Batterien eingeschaltet, so ward das Gleichgewicht der Ströme in beiden Uebertragermagneten gestört und die Anker beider mussten angezogen werden. Es musste daher jeder Apparat die von der anderen Station gegebenen Zeichen erhalten, während gleichzeitig andere Zeichen von ihm ausgingen und dort zum Vorschein kamen.

Hr. Dr. Gintl scheint die an den beiden Enden des Leitungs - drahtes befindlichen Batterien stets in entgegengesetztem Sinne eingeschaltet und dies für unumgänglich nothwendig erachtet zu haben, da er später mehrfach die sonderbare Ansicht ausge - sprochen hat, dass die Möglichkeit des Gegensprechens den Beweis liefere, dass zwei Ströme einen Drath in entgegengesetztem Sinne durchlaufen könnten, ohne sich gegenseitig zu schwächen oder aufzuheben! In dem vorliegenden Falle ist es für die Grösse der Störung des Gleichgewichts der magnetisirenden Wirkungen der die beiden Spiralen jedes Uebertragermagnetes durchlaufen -117 den Ströme ganz gleichgültig in welchem Sinne die Batterien beider Stationen eingeschaltet werden. Werden sie in gleichem Sinne, d. i. so eingeschaltet, dass sie als eine Batterie von doppelter Zahl von Elementen wirken, so ist die Stromstärke im Leitungsdraht und den mit ihnen verbundenen Spiralen doppelt so gross wie die, welche eine einzelne Batterie in demselben Kreise hervorbringt. Sind die Batterien dagegen gleich und ent - gegengerichtet, so neutralisiren sie sich in einem völlig isolirten Leitungskreise vollständig und es wird weder der Leitungsdraht noch die zugehörigen Spiralen von einem Strome durchlaufen. In beiden Fällen werden die Magnete durch die Differenz der Wirkung des Linien - und des Gleichgewichtsstromes mithin ebenso stark wie bei einseitigem Strome magnetisirt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass im ersteren Falle der Linien -, im zweiten der Local-Gleichgewichtsstrom überwiegend ist und die Magnetisirung bewirkt.

Die praktischen Resultate, welche Hr. Dr. Gintl bei den Ver - suchen mit den wie eben beschrieben hergerichteten Apparaten erzielte, konnten nur sehr ungünstig ausfallen. Zwei Batterien bleiben nicht lange im Gleichgewicht ohne häufige Correcturen des Widerstandes. Noch weit schwieriger, ja sogar unmöglich, ist es, zwei Contacte wirklich gleichzeitig herzustellen und auf - zuheben, wie es das Gintl’sche1)Hr. Dr. Gintl hat selbst das oben beschriebene Verfahren des gleich - zeitigen Sprechens durch denselben Draht mit Morse’schen Telegraphen nirgends mit Bestimmtheit als seine Erfindung in Anspruch genommen. Da häufig der verstorbene Professor Petrina in Prag als derjenige bezeichnet wird, welcher der österreichischen Regierung die leitende Idee zu dem be - schriebenen Versuche mitgetheilt habe, so wäre eine bestimmte Erklärung hierüber sehr wünschenswerth. Gegensprechverfahren erfordert. Ferner wird die leitende Verbindung des Leitungsdrahtes mit der Erde während jedes Uebergangs aus einer Ruhelage in die andere unterbrochen, der von der anderen Station kommende Strom mithin während dieser Zeit aufgehoben, wodurch nothwendig Störungen der ankommenden Schrift hervorgerufen werden. Endlich hat Herr Dr. Gintl. dadurch, dass er die Batterien in entgegengesetzter Richtung einschaltete, noch den Uebelstand herbeigeführt, dass die Uebertragermagnete bei gleichzeitiger Schrift im Sinne der118 Gleichgewichtsströme, bei einseitiger dagegen im Sinne des Linien - stromes magnetisirt wurden; bei jedem der zahlreichen Wechsel zwischen Einzel - und Doppelschrift musste daher der Magnetismus der Elektromagnete umgekehrt werden, was zur nothwendigen Folge haben musste, dass häufig kurze Schriftzeichen fortblieben und längere unterbrochen wurden.

Die ungünstigen Resultate, welche Hr. Gintl mit dem Gegen - sprechen auf elektromagnetischem Wege erhielt, veranlassten den - selben diesen Weg ganz zu verlassen, und die Lösung der Auf - gabe mittels des Bain’schen elektrochemischen Telegraphen zu versuchen. In einer am 30. Nov. 1854 der K. K. Academie der Wissenschaften zu Wien mitgetheilten1)Sitzungsberichte der math. -naturw. Klasse der Kais. Acad. d. Wissenschaften Bd. XIV, S. 400. Abhandlung sucht Herr Dr. Gintl den Beweis zu führen, dass zwei Ströme, ohne sich gegenseitig zu stören, in entgegengesetzter Richtung denselben Draht durchlaufen, dass mithin jeder der beiden sich gleich - zeitig durch den Draht fortpflanzenden Ströme an der entgegen - gesetzten Station gerade so anlangte, als wenn er für sich allein in dem Drahte dahingeleitet worden wäre , und begründete auf diesen, vermeintlich geführten Beweis die Construction seines elektrochemischen Gegensprechers. Obgleich sich dieser Beweis, wie leicht vorherzusehen, als gänzlich irrthümlich ergiebt und nur zeigt, dass Hr. Dr. Gintl das Ohm’sche Gesetz und die Lehre der Stromverzweigungen ausser Acht gelassen hat, so ist der von demselben zuerst betretene Weg des Gegensprechens auf elektrochemischem Wege doch sehr beachtenswerth. Es wird daher am zweckmässigsten sein, durch eine einfache Rechnung gleich die Bedingungen des elektrochemischen Gegensprechens festzustellen und auf die Gintl’sche Beweisführung gar nicht weiter einzugehen.

Es stelle in Fig. 9 a b die Drahtleitung, c d die als wider - standslos betrachtete Verbindung durch die Erde vor, durch welche die beiden Stationen A und B mit einander communi - ciren. Die leitende Verbindung zwischen a und c, so wie zwischen b und d ist durch die zur Aufnahme der telegraphischen Zeichen bestimmten, mit einer der bekannten Salzlösungen getränkten119 Papierstreifen hergestellt und dadurch der galvanische Kreislauf geschlossen. Schaltet nun eine der beiden Stationen, z. B. A, eine Batterie E in den Kreis ein, so wird der Strom beide Papier - streifen durchlaufen und an beiden Stationen eine Zersetzung des

Fig. 9.

Elektrolyten, mit welchem sie getränkt sind, bewirken. Die Auf - gabe des Gegensprechens verlangt dagegen, dass nur in Station B eine Zersetzung hervorgebracht, der Papierstreifen in Station A mithin von keinem Strome durchlaufen wird. Dies kann dadurch bewirkt werden, dass man gleichzeitig mit der Batterie E eine zweite Batterie E 'nebst einem noch zu ermittelnden Wider - stande w', zwischen die beiden als Anoden dienenden Metall - stifte, zwischen denen der Papierstreifen hindurchgeführt wird, in der Weise einschaltet, dass der Papierstreifen den von keinem Strome durchlaufenen Zweigdraht des Wheatstone’schen Strom - netzes bildet. Bezeichnen E und E' die elektromotorischen Kräfte der eingeschalteten Batterien, w den Widerstand des Leitungs - drahtes zwischen A und B, w' den der Zweigleitung mit der Batterie E ', w″ den Widerstand des Papierstreifens, i, i', i″ endlich die in den Widerständen w, w' und w″ herrschenden Stromstärken, so ist nach der Kirchhoff’schen Form des Ohm’schen Gesetzes, wenn durch die eingezeichneten Pfeile die Richtung der Ströme bestimmt ist:

  • 1) w' i' + w i + w″ i = E + E '
  • 2) w' i' w″ i″ = E '
  • 3) i' + i″ = i.

Hieraus folgt für den gesuchten Fall, dass i″ = 0 werden soll, E: E '= w + w″: w'. Es durchläuft mithin den Papierstreifen gar kein Strom, wenn die Widerstände der Haupt - und Zweigleitung sich wie elektro -120 motorischen Kräfte der zugehörigen Batterien verhalten. Schaltet nun Station B gleichzeitig mit Station A ihre beiden Batterien E und E' mit dem ebenso abgeglichenen Widerstande w' auf gleiche Weise ein, so sind die beiden Fälle zu betrachten, ob die Batterien der beiden Stationen einander verstärken oder ent - gegengerichtet sind. Im letzteren Falle wird die Leitung a b von keinem Strome durchlaufen, da die in A und B befindlichen elektromotorischen Kräfte gleich und entgegengesetzt sind. Durch die Papierstreifen in A und B sind aber Nebenschliessungen der Gleichgewichtsbatterien E 'hergestellt. Die ersteren werden mithin von einem Strome 〈…〉 durchlaufen. Es tritt daher gleichzeitig an beiden Stationen eine Zersetzung der Flüssigkeit, mit welcher die Papierstreifen getränkt sind, ein, die jedoch nicht Folge von Strömen, welche im Leitungsdraht aneinander vorbeigehen, ist, sondern durch Local - ströme der Gleichgewichtsbatterien veranlasst wird1)Hr. Zantedeschi hat in zwei, am 16. Juli und 6. August vorigen Jahres der Pariser Academie der Wissenschaften überreichten Abhandlungen den Ruhm in Anspruch genommen, bereits im Jahre 1829 den gleichzeitigen Durchgang elektrischer Ströme von entgegengesetzter Richtung durch den - selben Leiter nachgewiesen zu haben. Seine Beweisführung ist der Gintl’schen sehr ähnlich und wie diese im Widerspruch mit dem Ohm’schen Gesetze. Wenn es auch nicht angemessen erscheint, in diesen Blättern auf eine specielle Widerlegung derartiger unbegründeter Hypothesen, welche durch keine neue, bis dahin nicht zu erklärende Erscheinungen hervorgerufen sind, einzugehen, so bleibt doch zu bedauern, dass die Aufstellung derselben nicht sogleich gerügt ist, da dadurch in manchen Kreisen eine grosse Ver - wirrung der Ansichten entstanden ist. Dass zwei gleiche in entgegenge - setzter Richtung in einen leitenden Kreis eingeschaltete Batterien wirklich unthätig sind, erweist sich dadurch, dass keine Wärme im Verbindungs - bogen erzeugt wird, da die Wärmeentwicklung nothwenig Begleiterin jedes Stromes ist, welcher einen Widerstand überwindet, so wie auch dadurch, dass in den Batterien keine chemische Action stattfindet, ohne welche eben so wenig ein hydro-elektrischer Strom denkbar ist..

Wenn die Batterien der beiden Stationen nicht entgegen, sondern gleichgerichtet sind, so ergeben sich die Gleichungen:

  • 1) w. i + 2 w'. i' = 2 (E + E ')
  • 2) w' i' w″ i″ = E '

121

  • 3) i' + i″ = i
  • 4) 〈…〉 ;

woraus folgt, wenn i, i' und E eliminirt werden: 〈…〉 . Es findet mithin auch in diesem Falle eine gleichzeitige Zer - setzung in beiden Papierstreifen statt, welche durch den im Leitungsdraht herrschenden überwiegenden Strom bewirkt wird.

Um eine tadellose telgraphische Schrift zu erhalten, müsste beim Einzel - wie beim Doppelsprechen die Stärke des die Papier - streifen durchlaufenden Stromes gleich gross sein. Es müsste mithin in dem zuerst betrachteten Falle 〈…〉 sein.

Diese Gleichung wird aber nur dadurch erfüllt, dass w″ = 0 gesetzt wird. Es lässt sich mithin nur dann eine gleichmässige und sichere Schrift erzielen, wenn der Widerstand, den der ein - geschaltete Papierstreifen dem Durchgange des Stromes entgegen - setzt, im Vergleich mit den übrigen Widerständen sehr klein ist.

Dasselbe Resultat erhält man in dem Falle, wenn die Batterien in gleichem Sinne eingeschaltet sind, aus der Gleichung: 〈…〉

Ersetzt man die Zersetzungsvorrichtungen durch die Win - dungen zweier Uebertragermagnete, so eignet sich das Gintl’sche Stromschema auch zum Gegensprechen mit elektromagnetischen Telegraphen, doch ist hierbei der Uebelstand der ungleichen Ströme beim Einzel - und Doppelsprechen noch nachtheiliger wie bei elektrochemischen Apparaten.

Der praktischen Brauchbarkeit der beschriebenen Gintl’schen Gegensprechmethode steht besonders die Schwierigkeit entgegen, welche mit der Construction von Doppelcontacten, welche gleich - zeitig und ohne Unterbrechung der Leitung wirken sollen, ver - knüpft ist. Ueberhaupt eignet sich der elektrochemische Telegraph nur zur Benutzung auf einzelnen, unverzweigten Linien, da er die Weitertragung (Translation), d. i. die mechanische Weiter -122 gabe einer Depesche durch die empfangenden Apparate nicht gestattet.

Im Sommer 1854 beschäftigten Halske und ich und unab - hängig von uns Hr. Telegraphen-Ingenieur Frischen in Hannover uns mit der Aufgabe, dem Gegensprechen mit Morse’schen Te - legraphen eine praktisch brauchbare Form zu geben. Es gelang uns dies auf völlig befriedigende Weise und zwar auf im We - sentlichen gleichem Wege.

In dem Stromschema Fig. 10 sei a b der die Stationen A und B verbindende Leitungsdraht, m und n seien die beiden

Fig. 10.

Spiralen des mit zwei Drähten umwundenen Uebertragermagnetes, o der Schlüssel (Contacthebel) des Apparates, E die Batterie, w' ein veränderlicher Widerstand, p die Metallplatte, welche die leitende Verbindung mit dem Erdboden herstellt. Die verbin - denden Linien sind leitende Drähte. Im Ruhestande, d. i. wenn keiner der beiden Hebel o niedergedrückt ist, ist der Leitungs - draht a b durch einen der beiden Umwindungsdrähte m und die Ruhecontacte der Hebel o an beiden Stationen in leitender Ver - bindung mit der Erde. Wird der Hebel o der Stationen A nieder - gedrückt, so wird hierdurch die leitende Verbindung des Umwin - dungsdrahtes m mit der Erde aufgehoben und derselbe dagegen mit dem freien Pole einer zur Erde abgeleiteten Batterie E ver - bunden. Der Strom dieser Batterie theilt sich nun in zwei Zweige. Der eine Theilstrom durchläuft die Spirale m der Station A, den Leitungsdraht a b, die Spirale m der Station B und geht durch den Ruhecontact des dortigen Hebels o zur Erde. Der andere Zweig durchläuft den Spiraldraht n der Station A und kehrt durch den Widerstand w1 zur Batterie zurück. Die Spiralen m und n und der Widerstand w1 müssen nun so angeordnet sein, dass die beiden durch m und n gehenden Ströme einen gleichen und ent -123 gegengesetzten magnetisirenden Effect auf das eingeschlossene Eisen des Uebertragermagnetes ausüben, mithin gar kein Magne - tismus in demselben erzeugt wird. Es wird dann der von einer Station ausgehende Strom nur den Uebertragermagnet der anderen Station magnetisiren. Dieser Bedingung wird bei dem darge - stellten Stromschema dadurch genügt, dass man die Producte der Stromstärken der beiden Zweigströme in die Zahl der Windungen der Spiralen m und n einander gleich macht. Da sich die Strom - stärken in den beiden Zweigleitungen umgekehrt wie die Wider - stände derselben verhalten, so müssen mithin die Windungszahlen der beiden Spiralen sich wie die Gesammtwiderstände der zuge - hörigen Kreise verhalten. Ist dies Verhältniss durch richtige Einstellung des Widerstandes w hergestellt, so wird kein Magne - tismus in dem Magnete des eigenen Uebertragers erzeugt, derselbe behält mithin seine vollständige Empfänglichkeit für den von der anderen Station kommenden Strom.

Als weitere Bedingung für das durchaus gesicherte gleich - zeitige Sprechen tritt noch hinzu, dass der magnetisirende Effect des von der anderen Station kommenden Stromes auch in dem Falle von gleicher Grösse bleiben muss, wenn der Contacthebel in Bewegung begriffen ist. Bezeichnet E die elektromotorische Kraft der thätigen Batterie, w den Gesammtwiderstand der Haupt - leitung a b, w' den Widerstand der Gleichgewichtsleitung, m und n die Windungszahlen der gleich benannten Spiralen, und wird der Widerstand der Batterien als unerheblich im Vergleich mit den übrigen Widerständen vernachlässigt, so ergiebt sich aus Obigem die Bedingungsgleichung: 〈…〉 , welcher Gleichung ebenfalls genügt wird, wenn man 〈…〉 macht, wie für das Gleichgewicht der von der eigenen Batterie ausgehenden Ströme nothwendig ist. Bei praktischen Ausführun - gen haben wir in der Regel vorgezogen, die Zahl der Windungen beider Spiralen und mithin auch die Widerstände des Haupt - und des Gleichgewichtskreises einander gleich zu machen, obschon hierdurch der Verbrauch übersponnener Kupferdrähte für die Uebertrager und übersponnener Neusilberdrähte zur Herstellung124 der Gleichgewichtswiderstände vergrössert wird. Wir thaten dies, weil grössere Widerstände leichter mit, für praktische Zwecke ausreichender Genauigkeit auszugleichen sind und die veränder - lichen Widerstände der Berührungsstellen dabei weniger in Be - tracht kommen, hauptsächlich aber um den durch die Leitung gehenden Strom der Batterie nicht durch eine zu kurze Zweig - leitung unnöthig zu schwächen und unconstant zu machen. Da nämlich sehr oft in den Telegraphen-Bureaux inconstante Batterien, aus Kohlen-Zinkketten mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt be - stehend, benutzt werden, so wird die etektromotorische Kraft derselben sehr schnell durch Polarisation vermindert, wenn ihre Thätigkeit beträchtlich in Anspruch genommen wird. Der an - kommende Strom wird bei kurzen Gleichgewichtsleitungen daher namentlich dann sehr veränderlich werden, wenn die Leitung unvollkommen isolirt ist und dadurch der abgehende Strom be - deutend verstärkt wird. Auch bei Anwendung constanter Ketten haben kurze Zweigleitungen der Batterie den Nachtheil, dass man viel grössere Elemente namentlich dann anwenden muss, wenn mehrere Apparate durch eine Batterie betrieben werden sollen1)Hr. Dr. Stark in Wien hat im 8. Heft der Zeitschrift des deutsch - öster. Telegraphen-Vereins 1855 eine Verbesserung unserer Methode des Gegensprechens beschrieben, welche darin besteht, dass er, abweichend von den von uns nach Wien gelieferten Apparaten, das Verhältniss der Zahl der Windungen beider Zweigleitungen ungleich macht. Die Gründe, welche uns bewogen haben, den Widerstand und die Zahl der Windungen beider Zweigleitungen gewöhnlich gleich gross zu machen, habe ich bereits ange - führt. Hr. Dr. Stark berechnet, dass sein mit ungleicher Windungszahl versehener Magnet in Folge dessen eine grössere Empfindlichkeit im Ver - hältniss wie 1: 1,67 erhalten habe. Er hat jedoch hierbei weder in Be - tracht gezogen, dass der Widerstand des vom Leitungsstrome durchlaufenen Umwindungsdrahtes und mithin auch der der ganzen Leitung bei seiner Annahme vergrössert wird, noch dass man für einen grösseren Widerstand ein passenderes Verhältniss des Durchmessers des Umwindungsdrahtes wählen und dadurch den von ihm berechneten Vortheil der ungleichen Umwindungs - zahl nahe compensiren kann. Eine Vergrösserung des Widerstandes der in die Leitung eingeschalteten Magnetspiralen ist aber nicht rathsam, weil die durch unvollkommene Isolation verursachten Nebenschliessungen des Leitungs - drahtes um so schädlicher wirken, je grössere Widerstände zwischen ihnen und der Batterie liegen. Wir haben unsere ersten Versuche im Sinne der Verbesserung des Hrn. Dr. Stark angestellt und auch später häufig Gegen - sprecher mit kleinerem Gleichgewichtswiderstande ausgeführt, fanden jedoch.

125

Die Aufgabe des gleichzeitigen Sprechens in entgegenge - setzter Richtung durch denselben Draht kann als vollständig ge - löst durch die beschriebene Construction erachtet werden, wie eine längere praktische Erfahrung es bestätigt. Es ist dies Ver - fahren jedoch da nicht anwendbar, wo die durch die Telegraphen - leitung gehenden Ströme nicht von constanter Stärke sind, mit - hin weder bei längeren unterseeischen oder unterirdischen Lei - tungen, noch in Fällen, wo eine grössere Zahl von Magnetspiralen in die Leitung eingeschaltet ist. Im ersteren Falle überwiegt bei Beginn des Stromes die Haupt -, im zweiten die Gleichgewichts - spirale, es ist mithin in beiden Fällen kein vollständiges Gleich - gewicht beider zu erzielen.

Ein weniger günstiges praktisches Resultat haben Halske und ich bei der Lösung einer anderen Aufgabe, der des gleichzeitigen Sprechens mit zwei Apparaten in derselben Richtung mittels schreibender (Morse’scher) Apparate, erreicht.

Verbindet man mittels passender Mechanismen zwei Bat - terien von verschiedener Stärke in der Weise mit dem einen Ende eines telegraphischen Leiters und der Erde, dass man, ohne die Continuität des Kreises zu unterbrechen, die eine oder die andere der Batterien oder beide zugleich einschalten kann, so kann man drei verschiedene Stromstärken im Leiter erzeugen. Ist Batterie II doppelt so stark wie Batterie I, so werden die durch Batterie I, II und I + II hervorgebrachten Stromstärken sich wie 1 zu 2 zu 3 verhalten. Sind nun am andern Ende der Leitung zwischen ihnen und die Erde zwei Uebertrager einge - schaltet, von denen der erste durch Stromstärke 1 in Thätigkeit gesetzt wird, während der zweite erst durch Stromstärke 2 zur Anziehung gebracht wird, so erfordert die Lösung der Aufgabe, dass der Uebertrager I nur durch Stromstärke 1 und Stromstärke 3, nicht aber durch Stromstärke 2 in Bewegung gesetzt wird. 1)praktisch, dass das Gleichgewicht der Ströme am leichtesten herzustellen und zu erhalten ist, wenn beide Drähte gleichzeitig und in gleicher Win - dungszahl aufgewunden werden. Man erhält hierdurch namentlich den Vortheil, dass man in die beiden Leitungszweige die Drähte eines Diffe - rential-Galvanoskops einschalten und mit Hülfe desselben mit Leichtigkeit die richtige Einstellung des Widerstandes der Gleichgewichtsleitung be - wirken kann.126Dies lässt sich auf sehr viele Weisen erreichen. Wir versuchten zuerst, Anfangs vorigen Jahres, mittels einer Localbatterie die Stromstärke 2 im Uebertrager I zu compensiren. Es geschah dies dadurch, dass der Magnet des Uebertragers I mit zwei Drähten umwunden ward, von denen der eine in die Hauptleitung einge - schaltet war, während der andere von einem Zweigstrome der Localbatterie durchströmt ward, wenn Uebertrager II seinen Anker angezogen hatte. Es ward dieser Localstrom durch einen Rheostat so regulirt, dass er im Uebertrager I einen gleichen und ent - gegengesetzten Magnetismus wie Strom 2 erzeugte. Es ward daher, wenn Batterie II in die Leitung eingeschaltet ward, Ueber - trager I zwar momentan in Thätigkeit gesetzt, sobald jedoch auch Uebertrager II seinen Anker angezogen hatte, begann die Wir - kung des Gleickgewichtsstromes und der Anker des Uebertragers I fiel wieder ab, bevor der durch ihn bewirkte momentane Schluss der Localkette ein Zeichen auf dem Papierstreifen hervorbringen konnte. Ward jedoch auch Batterie I eingeschaltet, so circu - lirte in der Leitung Stromstärke 3, das Gleichgewicht der Ströme im Uebertrager I ward daher gestört und derselbe zog seinen Anker durch Wirkung der Differenz der Ströme d. i. Strom - stärke 1 an. Das Resultat des Versuches war, wie leicht vorherzusehen war, ungünstig. Abgesehen von der Schwierigkeit, zwei von verschiedenen Batterien erzeugte Ströme in dauerndem Gleichgewicht zu erhalten, war nicht einmal im Zimmer regel - mässige Schrift zu erzielen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Wirkung des Uebertragers I zu träge wird, wenn die Gleich - gewichtsspirale durch die Localbatterie geschlossen ist, und weil Uebertrager II nicht sicher abwechselnd mit Stromstärke 1 und 3 arbeitet wie es der Fall sein müsste.

Fig. 11.

Das Stromschema für die beschriebene Lösung der Auf - gabe des Doppelsprechens ist Fig. 11 dargestellt. Die Spiralen127 der Uebertrager R1 und R2 sind mit s und s', die Gleichgewichts - spirale des Uebertragers R 'mit s″ bezeichnet. a und a' sind die Anker der beiden Uebertrager, k und k' die Contacte der - selben, durch deren Berührung mit a und a' der Strom der Local - batterie B durch die Drahtspiralen S und S' der Schreibmagnete hergestellt wird. Durch den Contact a' k 'wird ferner eine Nebenschliessung der Batterie E, durch den Rheostat w und die zweite Spirale s″ des Uebertragers I hindurch, hergestellt. Der Rheostat w wird so eingestellt, dass die Spiralen s und s″ bei Stromstärke 2 gleichen und entgegengesetzten magnetisirenden Effect auf den Eisenkern des Magnetes ausüben, sich mithin bei dieser Stromstärke neutralisiren.

Beim Stromschema Fig. 12 wird dagegen die Spirale s″ dauernd

Fig. 12.

von einem Strome der Batterie B durchströmt und zwar in dem - selben Sinne wie Spirale s. Wird die Leitung von Stromstärke 1 durchströmt, so wird durch gemeinschaftliche Wirkung beider Spiralen der Anker angezogen. Wird dagegen bei Stromstärke 2 auch Anker a' angezogen, so hört der Localstrom durch s″ auf und der Anker a fällt ab. Stromstärke 3 zieht denselben dagegen wieder an.

Mit Hülfe eines dritten Uebertragers R3, welcher erst mit Stromstärke 3 seinen Anker anzieht, lässt sich die unzuverlässige Neutralisirung der Stromstärke 2 im Uebertrager R 'durch einen Localstrom beseitigen. Fig. 13 und Fig. 14 stellen zwei derartige Stromschemas dar. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung, wie oben angegeben. Berücksichtigt man, dass die starken Linien vom Linienstrome, die schwachen dagegen von Localströmen durchlaufen werden, so werden diese Stromläufe auch ohne spe - cielle Beschreibung verständlich sein. Es werde nur noch be - merkt, dass im Schema Fig. 13 die Wirkung der Stromstärke 2128 im doppelt umwundenen Magnet des Schreibapparates compensirt wird, während im Schema Fig. 14 diese Compensation im Ueber - trager R' durch den Linienstrom selbst geschieht, indem der

Fig. 13.

Fig. 14.

Strom genöthigt ist, die beiden gleichen Spiralen des Ueber - tragers R 'in entgegengesetzter Richtung zu durchlaufen, wenn Anker a' angezogen und dadurch seine Berührung mit seinem Ruhecontact r aufgehoben wird.

Es lassen sich mit leichter Mühe eine Menge ähnlicher Strom - leitungen combiniren, durch welche die Aufgabe des Doppel - sprechens mit mehr oder weniger gutem Erfolge gelöst wird. Es ist uns jedoch nicht gelungen, auf einem dieser Wege ein prak - tisch brauchbares Resultat zu erzielen. Dies lässt sich auch schon dadurch erklären, dass beim Doppelsprechen drei ver - schiedene Stromstärken benutzt und regulirt werden müssen, um die telegraphischen Zeichen beider Apparate getrennt zu erhalten, während beim Gegensprechen nur zwei Stromstärken in Betracht kommen. Das Doppelsprechen scheint daher nur geringe Aussicht auf weitere Entwickelung zu haben1)Hr. Dr. Stark hat in Heft 10, Jahrg. II des Journ. des deutsch - österr. Telegraphen-Vereins zwei Schema’s für Doppelsprechen angegeben,.

129

Der Vollständigkeit wegen will ich noch einen Versuch an - führen, den Halske und ich anstellten, um die mehrfache gleich - zeitige Benutzung eines Drahtes auf ganz abweichendem Wege zu erreichen.

Wenn man in schneller Reihenfolge Ströme von gleicher Stärke und Dauer und wechselnder Richtung, wie sie in der Spirale eines Eisenankers, welcher vor den Polen eines kräftigen Magnetes rotirt, erzeugt werden, durch die Spirale eines Electro - magnetes gehen lässt, so wird im Eisenkerne desselben kein Magnetismus erzeugt. Ein gleichzeitig von diesen Strömen durch - laufener elektro-dynamischer Uebertrager (z. B. ein Weber’sches Elektrodynamometer mit Contactvorrichtung) wird aber durch sie in Thätigkeit gesetzt. Durch einen schwachen constanten Strom, den man allein oder gleichzeitig mit den wechselnden Strömen durch dieselben Spiralen gehen lässt, wird dagegen der Elektromagnet zur Wirkung kommen, während der dynamische Uebertrager, welcher stärkerer Ströme bedarf, durch ihn nicht afficirt wird. Man kann daher auf diese Weise, wenn die oscillirenden Ströme hinlängliche Stärke haben, das Doppelsprechen1)von denen das eine mit dem zuerst beschriebenen nahe übereinstimmt. Das andere, mit 3 Uebertragern, ist wenigstens nicht zweckmässiger wie die von uns versuchten. Obschon wir eine Publication unserer Versuche bisher unterlassen haben, indem wir dieselben vorher gänzlich durchzuführen wünschten, so haben wir doch im Laufe des vorigen Jahres häufig münd - lich und schriftlich Mittheilungen darüber an alle Diejenigen gemacht, welche sich für die Sache interessirten. Im August v. J. theilte ich u. A. auch Hr. Prof. Pouillet in Paris einige Stromschema’s zur Aufnahme in ein im Druck begriffenes Werk mit. Am Schlusse seines Aufsatzes stellt Hr. Dr. Stark eine irrthümliche Behauptung auf, welche nicht unberührt bleiben darf, da sie beweist, dass auch er die Ansicht des Hrn. Dr. Gintl, dass elektrische Ströme einander gleichsam durchdringen, ohne sich gegenseitig zu stören, theilt! Er be - hauptet nämlich, dass sich das Gegensprechen mit dem von ihm beschrie - benen Doppelsprechen verbinden lasse, man mithin mit vier Telegraphen gleichzeitig durch denselben Draht telegraphiren könne. Gegen - wie Doppel - sprechen durch denselben Draht und mit Morse’schen Schreib - oder über - haupt solchen Telegraphen, welche zur Darstellung ihrer Zeichen Ströme verschiedener Dauer bedürfen, ist nur durch Veränderung der Stromstärke im Leitungsdraht möglich. Gegen - und Doppelsprechen in bisher beschrie - bener Weise muss sich daher nothwendig gegenseitig stören, ist mithin nicht gleichzeitig ausführbar.9130mit Sicherheit ansführen. Da sich sowohl beim oscillirenden wie beim einfachen Strome das oben beschriebene Gegensprech-Ver - fahren anwenden lässt, so ist hierdurch auch die Möglichkeit gegeben, Doppel - und Gegensprechen zugleich anzuwenden.

Für die praktische Benutzung ist diese Methode jedoch ebenso wenig geeignet. Die Anwendung so starker Ströme, wie ein elektrodynamischer Uebertrager sie erfordert, ist im Allgemeinen unzweckmässig. Namentlich sind aber so schnell wechselnde Ströme, wie sie erforderlich sind, damit der elektomagnetische Uebertrager ganz unthätig bleibt, deswegen nicht brauchbar, weil sie nicht auf grosse Entfernungen fortgepflanzt werden können. Bei unterirdischen oder Untersee-Leitungen bedarf diese Erschei - nung wohl kaum einer weiteren Begründung. Die von mir zuerst in diesen Blättern beschriebene, später mehrseitig und nament - lich durch die Untersuchungen Faraday’s bestätigte, elektrosta - tische Ladung consumirt kurze alternirende Ströme gänzlich. Sind die Stromwechsel beträchtlich schneller wie die Ladungs - zeiten für den ganzen Draht, so werden zwar positive und negative Ladungswellen sich im Drahte hintereinander fortbewegen, müssen jedoch im Fortschreiten ineinanderfliessen und dadurch sehr schnell an Intensität verlieren. Wie ich in einer besonderen Ab - handlung über die Ladungserscheinungen später nachweisen werde, sind auch die oberirdischen Leitungen als grosse Leydener Flaschen, wenn auch von weit geringerer Capacität wie unter - irdische von gleichen Dimensionen, zu betrachten, bei denen die zwischen Draht und Erde befindliche Luft die Stelle des Glases der Flasche vertritt. Sowohl die hieraus folgende Ladung ober - irdischer Drähte, wie die stets unvollkommene Isolation derselben und die damit verbundene, mit der Stromrichtung wechselnde Polarisation des Drahtes und der die Verbindung mit der Erde herstellenden Platten bewirken eine mit der Entfernung von der Quelle der alternirenden Ströme schnell wachsende Schwächung derselben.

[131]

Beantwortung der Bemerkungen von Edlund über die Beför - derung gleichzeitiger Depeschen.

(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. S. 310.)

1856.

Hr. Edlund macht im achten Hefte dieser Annalen zuvörderst darauf aufmerksam, dass die von mir beschriebene Methode des Gegensprechens mittels verzweigter Ströme vollkommen mit der - jenigen übereinstimme, welche er im Jahre 1848 zur Messung der Faraday’schen Extraströme benutzt habe, und führt den Be - weis, dass die von ihm damals benutzte Stromleitung mit geringen Abänderungen zum Gegensprechen hätte benutzt werden können. Hr. Edlund hätte mit gleichem Rechte noch weiter zurückgehen können. Zwei Becquerel’sche Differentialgalvanometer mit dop - pelten Windungen, wie sie seit lange allgemein zu Widerstands - messungen benutzt wurden, bilden einen vollständig brauchbaren Apparat zur Ausführung des Gegensprechens mit Zweigströmen. Es kam nur darauf an, diese Idee zu erfassen und praktisch brauchbar zu machen. Bekanntlich aber führt der Weg zu Erfin - dungen sehr selten geraden Weges zu dem in der Regel sehr nahe liegenden Ziele wie Hr. Edlund selbst dies wieder recht über - zeugend beweist.

Hr. Edlund theilt ferner mit, dass er im August 1854 das Gegensprechen auf einer schwedischen Linie eingeführt und sein Verfahren im Junihefte des Jahres 1855 der Verhandlungen der Stockholmer Akademie der Wissenschaften beschrieben habe. Da dieser Aufsatz meines Wissens in keiner weiteren Kreisen zu -9*132gänglichen Sprache wiedergegeben ist, so ist er mir allerdings unbekannt geblieben. Es war mir zwar bekannt geworden, dass Hr. Edlund ebenfalls ein Gegensprech-Verfahren erfunden und darauf Patente in verschiedenen Ländern genommen habe, ich wohnte auch, wie ganz richtig bemerkt wird, gelungenen Ver - suchen mit einem nach seiner Angabe construirten Uebertrager in Paris bei, konnte jedoch nicht in Erfahrung bringen, wie der - selbe construirt sei, und musste annehmen, dass die Construction noch geheim bleiben sollte. Das von Hrn. Frischen einer - und Halske und mir andererseits erfundene Gegensprech-Verfahren mittels verzweigter Ströme ist dagegen in mehreren deutschen Zeitschriften und unter Anderem auch in dem Werke über elek - trische Telegraphie von L. Galle1)Katechismus d. elektrischen Telegraphie; von L. Galle. Leipzig 1855., welches im December 1854 in Leipzig erschien, vollständig beschrieben, mithin sechs Monate früher publicirt, wie der Aufsatz des Hrn. Edlund.

Da nach herrschendem Gebrauche das Datum der Publication und nicht das geheim gehaltener Versuche über die Priorität entscheidet, so kommt es wenig darauf an, ob Hr. Edlund oder wir früher Versuche auf der Linie angestellt haben. Wir waren hierin ihm, wie Hrn. Frischen gegenüber im Nachtheile, da uns die chemischen Telegraphenlinien leider nicht zugänglich sind, wir daher unsere Versuche im Zimmer vollständig zum Abschluss bringen müssen, um nicht zu oft die sehr anzuerkennende Ge - fälligkeit der Telegraphen-Directionen benachbarter Länder in An - spruch nehmen zu müssen. Jedenfalls hat Hr. Frischen zuerst gelungene Versuche auf der Linie angestellt wie er zu beweisen verspricht, wenn Hrn. Edlund daran liegen sollte.

Hr. Edlund will eine wesentliche Verschiedenheit und einen Vorzug seines Verfahrens darin finden, dass er den Gleichge - wichtszweigen einen geringeren Widerstand und entsprechend ge - ringere Windungszahl giebt wie dem Hauptzweige. Wir haben dies, wie ich auch in meinem Aufsatze deutlich genug ausge - sprochen habe, anfänglich stets und später, nachdem wir in Uebereinstimmung mit den Erfahrungen des Hrn. Frischen die - jenigen Apparate, welche auf langen Linien functioniren sollten, mit gleichen Spiralen versehen hatten, noch sehr häufig gethan. 133Hr. Edlund hat indess ganz Recht, wenn er darauf aufmerksam macht, dass das magnetische Gleichgewicht im Uebertrager der gebenden Station gestört wird, während der Schlüssel der em - pfangenden Station aus der einen Ruhelage in die andere über - geht. Er übersieht jedoch in seiner Berechnung, dass man es in praxi nie mit vollkommen isolirten Linien, wie er sie annimmt, zu thun hat. Je grösser aber die Nebenschliessungen der benutzten Leitung sind, desto verschwindender wird der Einfluss, den Widerstandsänderungen am Ende derselben auf die Stromstärke der Batterie ausüben. Demungeachtet würde Hr. Edlund im Rechte sein, diesen immerhin nachtheiligen Einfluss so viel wie möglich zu reduciren, wenn nicht andere Gründe dagegen sprächen. Diese bestehen darin, dass sowohl in Folge unvollkommener Isolation der Leitung, wie auch der der gleichmässigen Ent - wickelung des galvanischen Stroms vorhergehenden elektrostati - schen Ladung des Drahtes der durch den Zweigdraht des eigenen Uebertragers gehende Strom viel stärker wird, wie der Theil desselben, welcher die Windungen des entfernten Uebertragers erreicht, und dass der erstgenannte, weit stärkere Strom in jedem Augenblicke seines Entstehens im Gleichgewicht mit seinem Zweigstrome sein muss. Da nun in einer dicken Spirale dünnen Drahtes die Entwickelung des Stromes durch den Schliessungs - Gegenstrom beträchtlich verlangsamt wird, wie Hr. Helmholtz1)Pogg. Ann. LXXXIII. 505. durch Messungen bewiesen hat, während er in der aus wenig Lagen bestehenden Gleichgewichts-Spirale momentan entsteht, so ist es klar, dass in dieser Hinsicht gleichzeitig und in gleicher Länge aufgewundene Zweigdrähte den Vorzug vor den von Hrn. Edlund vertretenen ungleichen Spiralen verdienen. Dass der Einfluss der Verzögerung der Entwickelung des Stromes nicht unerheblich ist, geht schon daraus hervor, dass bei den bisher bekannten Methoden das Gegensprechen gar nicht mehr gelingt, wenn die Magnet-Spiralen einiger Zwischen-Stationen in die Leitung eingeschaltet sind. Es bildet dies sogar bisher das wesentlichste Hinderniss der allgemeineren Benutzung des Gegen - sprechens.

Keineswegs will ich hiermit ausgesprochen haben, dass eine134 Verminderung des Widerstandes der Gleichgewichtszweige in der Mehrheit der Anwendung unzweckmässig wäre; ich behaupte nur, dass diese Frage zu complicirt ist, um auf andere Weise wie durch praktische Erfahrung entschieden werden zu können. Wir nahmen daher auch keinen Anstand, von unserer anfänglichen Praxis ab - zugehen und die von Hrn. Frischen auf Grund seiner reicheren Erfahrung bei Benutzung des Gegensprechens auf längeren Linien vorgeschlagene Gleichartigkeit beider Spiralen zu adoptiren, als es sich darum handelte, eine gleichmässige, gemeinschaftliche Construction festzustellen.

Der Rechnung, durch welche Hr. Edlund den Beweis führt, dass die Verstärkung der Kette, welche durch die Verminderung des Widerstandes des Gleichgewichtszweiges nothwendig wird, nicht wesentlich in Betracht komme, hat derselbe ebenfalls voll - kommen isolirte Leitungen zu Grunde gelegt. Praktische Con - structionen müssen jedoch auf die ungünstigsten basirt sein. Soll das Gegensprechen sich allgemeineren Eingang verschaffen, so muss es auch dann noch mit Sicherheit ausführbar sein, wenn nur wenige Procente des in die Leitung eintretenden Stromes das Ende derselben erreichen. Da jedoch in der Regel Ketten von geringem Widerstande verwendet werden, so ist in der That dieser von mir auch nur beiläufig angeführte Einwurf gegen die Verminderung des Widerstandes des Gleichgewichtskreises ziem - lich unerheblich.

Endlich greift Hr. Edlund noch meine Behauptung an, dass die Stärke des Stromes in der Leitung mit der Grösse der Po - larisation der benutzten inconstanten Kette variire, und sucht durch eine Rechnung, welche mir unverständlich geblieben ist, zu beweisen, dass die durch die Polarisation der Kette herbei - geführte Schwächung des Linienstromes unabhängig von der Grösse der Polarisation der Kette sei. Da aber die Polarisation als Ver - minderung der elektromotorischen Kraft der Kette in Rechnung zu ziehen ist, so muss selbstredend die Stromstärke in allen Verzweigungen des Schliessungsbogens derselben gleichmässig mit der Grösse der Polarisation abnehmen. Ist daher in dem einen Falle die Grösse der Polarisation mit Hrn. Edlund gleich p, in dem andern gleich n. p, so vermindert sich die Stromstärke in allen Verzweigungen der Batterie mithin auch im Uebertrager135 der entfernten Station vom Beginn des Stromes bis zu dem Augenblicke, in welchem die elektromotorische Kraft der Batterie durch Polarisation um die Grösse p und resp. n. p vermindert ist, im Verhältnisse dieser Verminderungen. War also die Schwächung des ankommenden Stromes in einem Falle gleich p, so ist sie im anderen gleich n. p, sie ist daher nicht unabhängig von der Grösse der Polarisation, wie Hr. Edlund behauptet, sondern direct abhängig von ihr.

Das von Hrn. Edlund in seinen Bemerkungen beschriebene Verfahren der Regulirung des Gleichgewichts beider Spiralen durch Veränderung der Zahl der Windungen, welche der einen oder anderen Spirale angehören, ist sehr sinnreich und wird, ohn - geachtet der grösseren Complication der Construction, häufig mit Vortheil benutzt werden können.

Ich benutze schliesslich die sich mir darbietende Gelegen - heit, um eine irrthümliche Ansicht, die ich in einer Anmerkung meines Aufsatzes ausgesprochen habe, selbst zu rectificiren. Ich stellte einer anders lautenden Behauptung des Hrn. Stark gegen - über die Ansicht auf, dass es nicht möglich sei, denselben Draht gleichzeitig zum Gegen - und Doppelsprechen zu benutzen, da Beides auf Veränderung der Stromstärke im Leitungsdraht basire. Dies ist zwar ganz richtig, jedoch nicht die daraus gezogene Fol - gerung. Da nämlich die drei Batterien der gegensprechenden Station ihre Ströme mit denen der anderen combiniren, so ent - steht eine hinlängliche Zahl von Strömen verschiedener Stärke um die Zeichen der vier Apparate geschieden zu halten. Natür - lich kann nie die Rede von einer praktischen Benutzung des theoretisch ausführbaren, gleichzeitigen Doppel - und Gegen - sprechens sein.

[136][137]

Berichtigung der Schlussworte des Herrn Edlund: Ueber das telegraphische Gegensprechen.

(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. S. 653.)

1857.

Hr. Edlund hält meiner Beantwortung seiner Bemerkun - gen gegenüber drei seiner Angriffspunkte aufrecht und zwingt mich dadurch und noch mehr durch den abfertigenden Ton seiner Schlussworte zu einer kurzen, aber hoffentlich verständlichen Be - richtigung.

Obschon ich Hrn. Edlund zugegeben habe, dass Gleichge - wichtsspiralen von geringerem Widerstande wie dem der Leitung in mancher Hinsicht vortheilhafter sind, und wiederholt ange - führt habe, dass Halske und ich nur auf Grund gemachter ver - gleichender Versuche von unserer ursprünglichen Construction, bei welcher wir Gleichgewichtsströme von grösserer Stärke be - nutzten, später abgewichen sind, bemüht sich Hr. Edlund aber - mals die Vorzüge derselben hervorzuheben. Ich führte in meiner Beantwortung an, dass der extra-current der Magnetspiralen, die auch bei langen oberirdischen Leitungen auftretenden Ladungsströme und die stets mehr oder weniger unvollkommene Isolirung der Drähte bei der theoretischen Vergleichung beider Constructionen in Betracht gezogen werden müssten, und erklärte, dass die Frage zu complicirt sei, um auf andere Weise als durch vergleichende Versuche entschieden werden zu können. Herr Edlund berücksichtigt in seinen Schlussworten nur den Ein - wand der unvollständigen Isolirung der Leitungen, giebt zwar zu, dass sie den Nachtheil grosser Gleichgewichtsspiralen zum138 Theil compensirte, behauptet aber, dass sie auf den dortigen Linien nur gering sei, und belehrt mich, dass man die Erschei - nungen des galvanischen Stromes hinreichend kenne, um die Wirkungen verschiedener Spiralen im Voraus berechnen zu können.

Da Hr. Edlund nur einen der von mir angeführten Gründe berücksichtigt hat, und da gerade die unvollkommene Isolirung der Leitungen und die mit ihr zusammenhängenden Uebergangs - ströme von einer Leitung zur anderen nebst dem nachtheiligen Einflusse des extra-current’s die allgemeinere Benutzung des Gegen - wie des Doppelsprechens vereitelt haben, so hat die Frage, ob ein grösserer oder geringerer Gleichgewichtswiderstand zweck - mässiger ist, augenblicklich kein praktisches Interesse mehr und es lohnt sich nicht der Mühe, eingehendere Rechnungen darüber anzustellen.

Hr. Edlund ist damit einverstanden, dass man bei Gleich - gewichtsspiralen von geringerem Widerstande die Kette verstär - ken müsse, um den Linienstrom ebenso stark zu machen wie im anderen Falle. Er nennt diese Verstärkung unbedeutend. Ich behauptete, sie komme mehr in Betracht , wenn die Isola - tion der Leitung schlecht sei. Hr. Edlund sagt, es sei ihm un - möglich, einzusehen, was ich damit habe sagen wollen. Geht die Hälfte des Stromes durch Nebenschliessungen verloren, so muss die Kette doppelt so stark werden, damit der ankommende Strom die nöthige Stärke bekommt. Musste man bei gut isolirten Lei - tungen daher z. B. die Kette um 10 Zellen vergrössern, wenn man Gleichgewichtsdrähte von geringerem Widerstande benutzte, so muss man sie um 20 vergrössern, wenn die Hälfte des Stromes verloren geht. Da nun ein Mehrverbrauch von 20 Zellen mehr in Betracht kommt, wie ein Mehrverbrauch von 10 Zellen, so kann die Richtigkeit meiner Behauptung wohl nicht in Abrede gestellt werden. Uebrigens wird die Zahl 20 noch vergrössert, wenn man den Widerstand der hinzugesetzten Zellen berück - sichtigt.

Hr. Edlund giebt mir schliesslich den Rath, seine Rech - nung, welche beweisen soll, dass die durch die Polarisation der Kette herbeigeführte Schwächung des Linienstromes durch die Verstärkung des Stromes der Kette nicht vermehrt würde, noch einmal durchzulesen und hofft, dass ich sie dann verstehen würde.

139

Ich bediente mich des Ausdrucks, sie sei mir unverständ - lich geblieben, nur deshalb, weil ich glaubte, Hr. Edlund habe den in derselben begangenen Fehler nur übersehen, und es sei genügend, ihn darauf aufmerksam zu machen. Da er aber die Richtigkeit seiner Rechnung wiederholt aufrecht erhält und be - hauptet, die meinige beweise nur seine Voraussetzung, so kann ich ein näheres Eingehen auf die vorliegende, sehr einfache physikalische Frage nicht ferner vermeiden.

Der Strom einer unconstanten Kette theilt sich in zwei Zweige, von denen der eine die Leitung, der andere einen Zweig - draht durchläuft. Dieser Zweigdraht hat in dem einen der beiden betrachteten Fälle gleichen Widerstand wie die Leitung, im anderen einen bedeutend geringeren. Die Kette ist im zweiten Falle um so viel verstärkt, dass der anfängliche Linienstrom eben so gross ist wie im ersten Falle. Hr. Edlund will nun durch seine Rechnung beweisen, dass die Schwächung des Linien - stroms durch die Polarisation der Kette in beiden Fällen ganz gleich sei, obgleich die Polarisation proportional dem Strome der Kette, mithin im zweiten Falle weit grösser sei wie im ersteren. Er sagt in seinen Bemerkungen Bd. VIII, S. 636:

Ist der Widerstand der Nebenschliessung dem der ganzen Linie gleich, so geht die Hälfte des Stromes zur nächsten Station über. Wir können mithin den ganzen Strom mit 2 und jeden seiner beiden Theile mit 1 bezeichnen. Wird die Polarisation der Kette mit 2p bezeichnet, so wird dadurch in dem nach der entfernten Station gehenden Strome eine Schwächung erzeugt, die gleich p ist etc.

In diesem gleich p liegt der Irrthum der Rechnung. Die Schwächung ist nicht gleich p, sondern proportional 2p. Ist also im zweiten Falle die Polarisation gleich 2np, wie Hr. Edlund annimmt, so verhalten sich die Stromschwächungen in beiden Fällen wie 2p: 2np, mithin wie 1: n oder wie die Stromstärken der Kette.

Da diese, von mir in meinen Bemerkungen schon ausge - führte Rechnung Hrn. Edlund nicht von der Unrichtigkeit der seinigen überzeugt hat, so will ich das gesuchte Verhältniss der Stromschwächungen noch in einer allgemeineren Form entwickeln.

Es sei s und s' die anfängliche und endliche Stromstärke140 in dem einen, s und s″ dieselbe im zweiten Falle, so ist 〈…〉 das gesuchte Verhältniss der Stromschwächungen. Besteht nun die Kette im ersten Falle aus n, im zweiten aus m Zellen, von denen jede die elektromotorische Kraft e hat; wird ferner der Widerstand der Leitung, des Zweigdrahtes und der Kette in einem Falle mit l, w und W, im zweiten mit w, w' und W', ferner die Polarisation einer Zelle jeder Kette mit p und p' bezeichnet, so ist: 〈…〉 und 〈…〉 woraus n W = m W', ferner 〈…〉 〈…〉 und 〈…〉

Die Stromschwächungen verhalten sich daher wie die Polari - sation gleicher Zellenzahlen der benutzten Ketten oder wie die endlichen Stromstärken der Ketten.

Vielleicht hat Hr. Edlund durch 2p und 2np nicht die Po - larisationen selbst, sondern die für sie zu substituirenden, gleiche Stromschwächungen erzeugenden Gegenströme bezeichnen wollen, ohne zu bedenken, dass dieselben in Schliessungsbögen von ver - schiedenem Widerstande auftreten, sich mithin umgekehrt wie die Quadrate derselben verhalten.

[141]

Ueber eine neue Construction magnetelektrischer Maschinen.

(Poggendorff’s Annalen d. Phys. u. Chem. Bd. 101 S. 271.)

1857.

Halske und ich haben in neuerer Zeit den schon von Wheat - stone und Stöhrer betretenen, später aber wieder verlassenen Weg der Anwendung magnetoelektrischer Ströme zur Bewegung der Zeiger - oder Drucktelegraphen wieder aufgenommen. Die Be - schreibung dieser Apparate selbst, wird für die Leser dieser Blätter kaum ausreichendes Interesse haben.

Da jedoch die von uns dabei benutzten magnetoelektrischen Maschinen von den bisherigen Constructionen wesentlich ver - schieden sind und beträchtliche Vorzüge vor denselben haben, so will ich sie hier kurz beschreiben.

Es handelte sich für uns darum, das Trägheitsmoment der bewegten Theile der Maschine möglichst zu vermindern und bei hinlänglicher Stärke der erzeugten Ströme den Wechsel derselben möglichst schnell herbeiführen zu können, ohne dadurch den mag - netischen Werth der einzelnen Strömungen wesentlich zu ver - mindern. Ferner sollten die erzeugten Ströme von wechselnder Richtung möglichst continuirlich zum Maximum anschwellen und wieder verschwinden; es sollten mithin die bei den bisherigen Maschinen während jedes Polwechsels mehr oder minder her - vortretenden beiden Ströme gleicher Richtung in einen einzigen continuirlichen Strom vereinigt werden. Die hieraus hervor - gegangene Construction bietet ausser den obigen Eigenschaften noch den Vortheil, dass sie bei gleichem Stahl - und Drahtgewicht kräftigere Ströme erzeugt und einfacher und billiger ist, wie die142 bisherigen von gleicher Stärke, und dass sie es gestattet, Ma - schinen von jeder beliebigen Stärke ohne ausser Verhältniss stehenden Mehrverbrauch an Material herzustellen. Fig. 15 zeigt die Maschine in verticalem und horizontalem Durchschnitte.

An die Eisenplatte A B sind die Magnetstäbe A C und B D befestigt. Dieselben sind am freien Ende an ihrer einander zu -

Fig. 15.

gekehrten Seite cylindrisch ausgedreht. In der hierdurch gebil - deten cylindrischen Höhlung dreht sich der Cylinder E. Dieser Cylinder besteht aus zwei Cylinderabschnitten F und F 'aus weichem Eisen, welche durch eine Eisenplatte G, durch deren143 Mitte die Axe des Cylinders geht, mit einander verbunden sind. Diese Eisenplatte G ist etwas kürzer als die Cylinderabschnitte F und F', und das Ganze bildet hierdurch eine Art Galvano - meter-Rahmen. Nachdem derselbe mit Papier oder Leinewand bekleidet ist, wird er mit isolirtem Draht vollgewickelt, so dass die Cylinderform durch den Draht wieder hergestellt wird. Die äussere Drahtlage wird darauf mit Messingblech bekleidet, um eine Beschädigung der Windungen H zu verhüten und darauf auf jedes Ende des Cylinders eine Messingkappe J und J 'ge - setzt, welche mit den Zapfen K und K' versehen sind. Diese Zapfen K und K 'bilden die Rotations-Axe des Cylinders.

Das eine Ende des Umwindungsdrahtes ist mit dem Eisen - rahmen leitend verbunden, das andere endet in einer isolirten Scheibe L, welche auf der Axe befestigt ist, und steht durch diese mit zwei schleifenden Federn M und M' in leitender Ver - bindung. Sollen gleich gerichtete Ströme erzeugt werden, so wird anstatt der Schleifscheibe eine Commutator-Vorrichtung aufgesetzt.

Die Magnetstäbe A C und B D umfassen etwas mehr als die Hälfte der Peripherie des Cylinders und zwar so, dass der Zwischenraum zwischen Magnet und Eisenanker möglichst klein ist. Sie werden durch die Schrauben N gegen den Messing - ständer O gepresst, und dadurch und durch die Schrauben P und P' fest in ihrer Lage gehalten. Die Schraubenbolzen N und N' bilden gleichzeitig die trennenden Zwischenlagen zwischen den verschiedenen übereinander angebrachten Magnetstäben. Die Zahl der Stäbe und die damit zusammenhängende Länge des Cylinders richtet sich nach der Kraft, die man der Maschine geben will.

Da die Magnetstäbe durch die Schraubenbolzen von einander getrennt und bei jeder Stellung des den gemeinschaftlichen Eisen - anker bildenden Cylinders E durch denselben als Hufeisen ge - schlossen sind, so ist die gegenseitige Schwächung nur sehr un - bedeutend. Die Kraft der Maschine wächst daher gleichmässig mit der Zahl der angebrachten Magnete und der von ihr ab - hängenden Länge des Cylinders.

Da die Construction es gestattet, anstatt weniger grosser eine grosse Anzahl kleiner Magnete zu verwenden, so erzeugt ein144 bestimmtes Stahlgewicht bei diesen Maschinen kräftigere Ströme wie bei den bisherigen, da bekanntlich ein grosser Magnet weniger Magnetismus aufnimmt, wie mehrere kleine von gleichem Gesammt - gewicht. In gleichem Sinne wirken die grossen Polflächen des Cylinders, ihr geringer Abstand von den Stahlmagneten und die Kürze des Schliessungsankers. Ich gedenke dies experimentell nachzuweisen, wenn die in Arbeit befindlichen grösseren Ma - schinen vollendet sind. Als vorläufiger Maassstab ihrer Wirk - samkeit mag nur noch angeführt werden, dass eine Maschine von der dreifachen Grösse der Zeichnung ausreicht, um zwei direct, d. i. ohne Hülfskraft, gehende Zeigertelegraphen durch einen Widerstand von 200 deutschen Meilen mit voller Sicherheit und in einer solchen Geschwindigkeit zu bewegen, dass die Anker der Zeigermagnete 120 Oscillationen in der Sekunde machen.

[145]

Ueber die elektrostatische Induction und die Verzögerung des Stroms in Flaschen - drähten.

(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 102 S. 66.)

1857.

Vor mehreren Jahren beschrieb ich in diesen Annalen1)Bd. 79. 1850. S. 481. Annales de chim. et de phys. 3me Sér. t. XXIX, p. 385. und an anderen Orten die Erscheinung, dass ein kräftiger Strom von geringer Dauer auftritt, wenn man einen unterirdischen, gut isolirten Telegraphendraht mit dem freien Pole einer zur Erde abgeleiteten galvanischen Kette in leitende Verbindung setzt. Ich wies ebendaselbst nach, dass diese Erscheinung der ver - theilenden Wirkung der Volta-Elektricität im Drahte auf die als äussere Belegung der Drahtflasche auftretende Feuchtigkeit des Erdbodens zuzuschreiben sei, und auch dann auftreten müsse, wenn ein Ende des Drahtes leitend mit der Erde verbunden sei. Die meinem damaligen Aufsatze in diesen Annalen beigefügten Ladungs-Figuren gaben vollständigen Aufschluss über die rela - tiven Mengen der Elektricität, welche in jedem Punkte der Oberfläche des isolirten oder abgeleiteten unterirdischen oder Flaschendrahtes in statische Anordnung übergingen, wenn die Dicke des Drahtes und des isolirenden Ueberzuges unverändert blieb.

Durch anderweitige Thätigkeit, und später durch die Er - setzung der früheren unterirdischen Telegraphenleitungen durch oberirdische ward ich verhindert, die Versuche über diesen Ge -10146genstand weiter zu verfolgen, und die erwähnten Lücken aus - zufüllen. Seit jedoch die von mir im Jahre 1847 in Vorschlag gebrachte Isolirungsmethode telegraphischer Leitungen durch Umpressung mit Guttapercha unter Anwendung eines besseren Materials, wie uns damals zu Gebote stand, in England wieder aufgenommen ist, und sowohl zu unterirdischen, wie namentlich zu Untersee-Leitungen vielfach benutzt wird, hat auch die elektro - statische Ladung dieser Drähte und die aus ihr folgende Ver - zögerung des Auftretens des elektrischen Stroms am entfernten Ende der Leitung die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ge - lenkt. Ohne meine Mittheilung zu kennen, haben ausgezeichnete englische Physiker und Mathematiker, namentlich Faraday, Wheatstone und Thomson die elektrostatische Ladung und die Verzögerung des Stromes in Flaschendrähten zum Gegenstande ihres Studiums gemacht und sehr werthvolle Arbeiten darüber publicirt, durch welche theils meine früheren Beobachtungen voll - ständig bestätigt und erweitert, theils, und namentlich durch die von Thomson ausgeführten Rechnungen, die von mir offen ge - lassenen Lücken ausfüllt wurden.

Ich werde auf diese neueren Arbeiten im zweiten Theil meines Aufsatzes mehrfach zurückkommen. Schon vor dem Er - scheinen derselben war ich mit der vorliegenden durch ander - weitige Beschäftigung häufig unterbrochenen Experimental-Unter - suchung der elektrostatischen Induction durch Volta-Elektricität beschäftigt. Nächste Veranlassung zu derselben lag für mich in Erscheinungen, welche ich mit der bisherigen Vertheilungstheorie nicht in Uebereinstimmung zu bringen vermochte. Die oben er - wähnten Arbeiten englischer Physiker bestärkten mich noch mehr in meinem Vorhaben, da sie, namentlich Thomson bei seinen Berechnungen, ganz von der von Faraday aufgestellten Theorie der ausschliesslichen Molecular-Induction als Ursache der elek - trischen Vertheilung ausgingen, ohne weitere Beweise der Rich - tigkeit derselben zu geben, als bisher vorlagen. Mein Zweck war nun der, auf rein experimentellem Wege die Gesetze der elektrostatischen Vertheilung durch Volta-Elektricität zu finden und zu constatiren, um dadurch eine sichere Basis für praktische Constructionen zu gewinnen. Wissenschaftliche Betrachtungen und Seitenblicke auf die Theorien, welche auf Versuche mit147 Elektricität von hoher Spannung begründet sind, konnte ich zwar nicht vermeiden, lege aber nur insofern besonderen Werth auf dieselben, als sie die für Volta-Elektricität gewonnenen Resultate klarer beleuchten.

Volta hat durch seine Condensator-Versuche schon gezeigt, dass die mit dem isolirten Pole einer galvanischen Kette in leitende Verbindung gebrachten Körper auf benachbarte Leiter wirken. Guillemin1)Compt. rend. T. XXIX, p. 632. Ann. Bd. 79. S. 335. publicirte zuerst Versuche, aus denen sich ergab, dass der durch ein Galvanometer geführte Ladungsstrom einer durch Volta-Elektricität geladenen Flasche die Nadel des Instruments merkbar abzulenken vermag. Ich hatte zwar schon im Sommer 1849 erkannt, dass der kräftige Ausschlag der Nadel eines Galvanometers, welches zwischen einem isolirten in der feuchten Erde oder im Wasser liegenden Flaschendraht und einer abgeleiteten galvanischen Batterie eingeschaltet wird, auf elektrostatischer Ladung des Flaschendrahtes beruhte, und diese Ansicht, so wie die Versuche, auf welche sie sich stützte, der Berliner physikalischen Gesellschaft am 18. Januar 1850 mit - getheilt; mein Aufsatz ward aber später abgedruckt wie der Guillemin’s.

Dieser verband die Stanniolbelegungen eines aus dünnem Tafft oder Gutta-Percha gebildeten Condensators von 1 bis 2 Quadratmeter Oberfläche in schneller Reihenfolge abwechselnd mit den Polen einer isolirten galvanischen Batterie und den Drähten eines Galvanometers. Dies wurde durch einen Scheiben - Commutator, welcher in schnelle Rotation gesetzt ward, ausge - führt. Er fand auf diese Weise, dass die Nadel des Galvano - meters abgelenkt ward, und dass diese Ablenkung mit der Ge - schwindigkeit der Drehung des Commutators und der Stärke der Batterie zunahm. Messende Versuche sind meines Wissens weder von ihm, noch von Andern bisher hierüber angestellt worden. Bei den im Jahre 1849 angestellten Versuchen be - nutzte ich die vorhandenen unterirdischen Telegraphenleitungen. Dieselben wurden am entfernten Ende isolirt und das andere Ende mittels eines Commutators abwechselnd mit dem freien Pole einer abgeleiteten galvanischen Batterie und mit einem10*148direct zur Erde führenden Drahte in leitende Verbindung ge - bracht. Der Draht des zwischen dem[unterirdischen] Leiter und dem Commutator eingeschalteten Galvanometers ward mithin abwechselnd vom Ladungs - und vom Entladungsstrome durch - laufen. War die Ladungszeit klein gegen die Schwingungsdauer der Nadel, so konnte der Sinus des halben Ausschlagwinkels als Mass der Elektricitätsmenge angenommen werden, welche durch das Galvanometer gegangen war. Er war mithin auch das Mass der Ladungsgrösse. Bei nicht zu langen, sehr gut isolirten Leitungen bekam ich auf diese Weise ausreichend genaue Resultate. Es ergab sich, dass der Ausschlag der Ladung eben so gross war, wie der der Entladung. Die Ladung war ferner proportional der Länge der Leitung und der elektromotorischen Kraft der benutzten Batterie.

Zu genaueren Messungen liess sich diese Methode ausser manchen localen Schwierigkeiten schon deswegen nicht benutzen, weil die langen Leitungen nicht vollkommen genug isolirt waren, und weil die Ladungsströme eine zu grosse Dauer hatten.

Meine späteren Versuche waren anfänglich auch nur darauf gerichtet, die relative Grösse der Ladung bei Flaschendrähten vou verschiedenen Dimensionen des Drahtes und des isolirenden Ueberzuges, so wie die Ladung zwischen Doppeldrähten, welche, in geringer Entfernung von einander, im Innern eines gemein - schaftlichen Ueberzuges von Guttapercha von kreisförmigem oder elliptischem Querschnitt liegen, zu bestimmen. Ich liess mir zu diesem Zweck mehrere Drähte von einer englischen Meile Länge anfertigen, bei denen die Dicke der isolirenden Gutta - percha-Hülle innerhalb praktisch anwendbarer Grenzen variirte. Diese Drähte wurden auf Holztrommeln gewickelt und in ein hölzernes, mit Zinkblech ausgelegtes Bassin gelegt, welches mit Wasser gefüllt ward. Wurde nun eine galvanische Batterie von 20 bis 60 Daniell’schen Elementen mit einem Galvanometer mit einfacher Nadel und 24000 Windungen zwischen einem solchen isolirten Draht und der Zinkhülle des Bassins eingeschaltet, so erhielt ich hinlänglich grosse Ausschläge der Nadel zur Messung der Ladung.

Ich überzeugte mich jedoch bald, dass ich auf diesem Wege keine sicheren und allgemein gültigen Resultate erlangen konnte. 149Die geringste Unvollkommenheit der Isolation hatte einen sehr beträchtlichen Einfluss auf die Grösse des Ausschlags der Nadel, der sich bei der Veränderlichkeit des durch die Guttapercha gehenden Stroms nicht in Rechnung stellen liess. Die Dauer des Ladungsstroms war ferner schon beträchtlich genug, um Einfluss auf den Ausschlag der Nadel auszuüben. Es ergab sich endlich, dass die Resultate der Messungen so wesentlich von den nach der Theorie erwarteten abwichen, dass eine allgemeinere Untersuchung des Vorganges der elektrostatischen Induction durch Volta-Elektricität geboten war.

Ich habe bei dieser Untersuchung die von Guillemin benutzte Methode, eine continuirliche Reihe von Ladungs - oder Entladungs - strömen durch ein empfindliches Galvanometer zu leiten, ange - wandt. Um diese Methode zur Messung benutzen zu können, musste ein Commutator construirt werden, welcher mit Sicherheit und durchaus constanter Geschwindigkeit die Commutation aus - führte. Ich benutzte dazu denselben Mechanismus, den ich bei meinem an mehreren Orten beschriebenen Zeigertelegraphen mit selbstthätiger Stromunterbrechung angewendet habe. Es bewog mich dazu die bei diesen Telegraphen gemachte Beobachtung, dass die Geschwindigkeit des Ganges des Telegraphen von der Stromstärke nur in sehr geringem Grade abhängig war. Dies erklärt sich dadurch, dass bei grösserer Stromstärke zwar der Anzug des Ankers schneller ausgeführt wird, der Rückgang des - selben jedoch durch den stärkeren rückbleibenden Magnetismus so verzögert wird, dass die Zeit der Gesammtoscillation nahe unverändert bleibt. Fig. 16 und 17 stellen die hiernach con - struirte selbsthätige Wippe in oberer und Seitenansicht in halbem Maasstabe dar.

Zwischen den Polen a und a' des unter der Grundplatte des Apparats befindlichen Elektromagnets oscillirt das als Anker dienende Eisenstück b. Dasselbe dreht sich um die verticale Axe c. An der Axe ist der horizontale Arm d befestigt, welcher durch die Zugfeder e das Zahnrad f bewegt und kurz vor der Begrenzung seiner Oscillationen durch die Anschlagschrauben m und n vermittels der mit isolirenden Steinen versehenen An - schlagstücke i und i1 die Schieber K und K 'bewegt. Diese Schieber drehen sich um die Axe l und l'. Ihre Bewegung ist150

Fig. 16.

151

Fig. 17.

152 durch die Contactschrauben m und n und resp. m' und n' eng begrenzt. Das federnde Ende der Schieber K und K 'ist mit einer abgerundeten Spitze aus glashartem Stahl versehen, welche bei jeder Bewegung des Schiebers von einem Contacte zum andern über die Schneide eines flachen Steinprismas fortgleiten muss. In Fig. 18 ist dieser Mechanismus besonders abge -

Fig. 18.

bildet. Die Kraft, mit welcher die Spitze auf den geneigten Flächen des Prismas fortzugleiten strebt, hält den Schieber in sicherem Contact mit den seine Bewegung begrenzenden Contact - schrauben. Wie schon erwähnt, schlagen die Steine der auf dem Hebel d befestigten Metallstücke an die zu diesem Zwecke an den Schiebern angebrachten Lappen o und p und o' und p' erst kurz vor Beendigung jeder Oscillation, mithin dann, wenn die Geschwindigkeit des Hebels am grössten ist. Die Zeit, welche die Schieber gebrauchen, um ihren sehr kleinen Weg zurückzu - legen, ist daher äusserst gering. Es ist noch der Zweck der am153 Hebel d befestigten Feder g und der Schraube h, welche ihr gegen - übersteht, zu erwähnen. Sie dienen zur Beschleunigung der Oscillationen. Die Schraube wird so gestellt, dass die Feder sie trifft, wenn der der Anziehung der Magnetpole folgende Anker etwa seines Weges zurückgelegt hat. Die Feder muss sich daher biegen und verstärkt hierdurch die der Anziehung des Magnetpols entgegenwirkende Kraft der Spiralfeder q. Richtiger würde es sein, statt der beiden Federn g und q eine einzige Feder anzuwenden, welche so kurz wäre, dass ihre Kraft pro - portional mit der Anziehung des Magnetes zunähme was sich aber nicht ausführen lässt. Das Rad f ist mit 60 Zähnen ver - sehen, die Zahl seiner Umdrehungen in der Minute giebt daher die Zahl der doppelten Oscillationen in der Secunde. Der Schie - ber k und die Contactschraube m bilden Theile der Stromleitung der Batterie, welche den Apparat in Bewegung setzt. Sie be - steht aus 3 bis 4 Daniell’schen Zellen. Sind die Federn g und q richtig eingestellt, so erfolgen die Oscillationen sehr schnell und durchaus gleichförmig, wie aus der nachfolgenden Versuchs - reihe sich ergiebt. Der Schieber k 'sowohl wie seine Contact - anschläge sind durch gehärteten Kautschuck vollkommen isolirt. Sie bilden zusammen eine einfache, schnell und gleichmässig functionirende Wippe.

Zur Prüfung des Apparates setzte ich denselben mit drei Daniell’schen Elementen in Gang. Dies liess sich vermittels eines Contacthebels genau in dem Momente ausführen, in welchem eine im Zimmer befindliche magnetoelektrische Uhr um eine Minute vorrückte. Mit dem Schlage der zweiten Minute ward der Contacthebel wieder geöffnet, und am Zähler und Zeiger die Zahl der gemachten Oscillationen abgelesen. Der Apparat ward darauf wieder in Gang gesetzt und jedes Mal nach Verlauf einer Stunde der Versuch wiederholt. Ich erhielt hierdurch folgende Zahlen:

154

Die kleinen Abweichungen erklären sich hinreichend durch die Schwierigkeit, die Herstellung und Unterbrechung des Stromes genau in dem Momente eintreten zu lassen, in dem man die Uhr hört, ferner aus Stromschwankungen und der nicht ganz constanten Arbeit, welche das Werk vollführen musste, um das Rad und den Zähler zu bewegen. Ich liess daher bei den späteren Messungen beide ganz fort, und überzeugte mich auf eine andere, später zu beschreibende Art von der Gleichförmigkeit der Be - wegung der Wippe.

Das benutzte Galvanometer ist eine sorgfältig gearbeitete Sinusbussole mit einem Prismafernrohr von dreifacher Vergrösse - rung, durch welches ich die Nadel mit grosser Genauigkeit bis auf 1 / 10° auf den Theilstrich der Nulllinie einstellen konnte. Durch einen fünftheiligen Nonius konnte ich Grade ablesen und 1 / 10 Grade schätzen. Der Multiplicator ist mit zwei Drähten be - wickelt, deren Enden an isolirten Klemmen befestigt sind, so dass ich sie parallel, einzeln oder hintereinander einschalten konnte. Das Galvanometer war durch Klötze von gehärtetem Kautschuck gut isolirt, sorgfältig horizontal gestellt, und die Auf - hängung des Fadens in die Drehaxe gebracht. Zur Beseitigung der geringen Excentricität der Theilung machte ich in der Regel bei jedem Versuch zwei Ablenkungen mit umgekehrter Strom - richtung, und nahm das Mittel. Bei Anwendung astatischer Nadeln, denen ich immer hinlängliche Richtkraft liess, ward ausserdem noch nach jeder Ablesung die Ruhestellung controlirt. Die Umkehrung des Stromes geschah durch einen neben dem Instrumente befindlichen Commutator. Ein zweiter, bei der Batterie befindlicher Commutator gestattete schnell die Stromleitung so umzuschalten, dass der durch das isolirende Material etwa hin - durchgehende Strom direct durch das Galvanometer ging. Die Batterien, welche ich benutzte, bestanden ausschliesslich aus Daniell’schen Elementen. Dieselben wurden jeden zweiten Tag neu gefüllt, und erhielten sich dann im Laufe eines Tages hin - länglich constant. Zu vergleichende Versuche stellte ich immer kurz nach einander an. Bei Beginn und am Schlusse einer jeden Versuchsreihe notirte ich die Ablenkung der Nadel durch die continuirliche Entladung einer Maassflasche. Blieb dieselbe nicht unverändert, so wurden die dazwischen ausgeführten Versuche155 wiederholt. Es diente dies zur Versicherung, dass in den Instru - menten und Batterien keine Veränderung eingetreten war. Ausser - dem gab dies Verfahren ein Mittel, die Beobachtung verschiede - ner Zeitperioden zu vergleichen, von dem ich jedoch nur selten Gebrauch gemacht habe. In den nachstehenden Versuchstabellen bedeuten die Zahlen der ersten mit n bezeichneten Columne durchgehends die Zahl der benutzten Zellen. In den ersten Ta - bellen sind die Ablesungen des Nonius des Theilkreises selbst angegeben. In den späteren ist nur die halbe Differenz der beiden Ablesungen angegeben. Der Sinus dieses Winkels ist proportional der Menge der Elektricität, welche in der Zeiteinheit durch das Galvanometer gegangen ist, mithin bei constantem Gange der elektromagnetischen Wippe auch proportional der Grösse jeder einzelnen Ladung oder Entladung, vorausgesetzt, dass die Magnetisirung der Nadeln keine Aenderung erleidet.

Die zu diesen Messungen benutzten Stromleitungen sind Fig. 19, 20 und 21 dargestellt. a und b sind die Belegun -

Fig. 19.

Fig. 20.

Fig. 21.

gen der Flasche oder des Condensators, deren Ladung geprüft werden sollte, c ist die oscillirende Zunge der Wippe, d und e die isolirten Contactanschläge derselben, f das Galvanometer, g die Batterie. War der Commutator so gestellt, dass Schema 1156 erfüllt war, so war das Galvanometer mit der Batterie direct zwischen die Condensatorplatten oder die Belegungen der Flasche eingeschaltet, die geringste Unvollkommenheit der Isolation musste sich daher zeigen. Die Commutatorstellung 2 leitet alle Ladungs -,

Fig. 22.

die Stellung 3 alle Entladungsströme durch das Galvanometer. Da sich bei der ersten Versuchsreihe die vollständige Gleichheit der Ladungs - und Entladungsströme herausstellte, wenn die Iso - lation vollkommen war, so benutzte ich später gewöhnlich nur das Entladungsschema (3).

Der bei den nachstehenden Versuchen benutzte Condensator bestand aus einem 0,98 dm grossen 0,1 mm dicken Glimmer - blatte, welches auf beiden Seiten mit Staniol so bekleidet war, dass der Rand etwa 5 mm breit unbelegt blieb. Der Conden - sator lag auf einer isolirten Metallplatte, welche mit der Zunge der Wippe leitend verbunden war. Die obere Belegung war durch einen isolirten Draht mit der Batterie und dem Galvano - meter der Art leitend verbunden, dass die Berührungsstelle sich beliebig verschieben liess. Ferner konnte ich einen zu dem Gas - leitungsrohr führenden Draht beliebig mit der einen oder der andern Belegung verbinden. In den von der Belegung a zur Wippe c führenden Draht war ein Rheostat eingeschaltet. Derselbe ist Fig. 23 besonders abgebildet. Er besteht aus einem mit Seide besponnenen dünnen Neusilberdraht, welcher auf zwei Rollen A und B gewickelt ist. Nachdem bei der kleinen Rolle A eine deutsche Meile Widerstand, auf zwei englische Linien dicken Eisendraht reducirt, bei der grossen 10 Meilen Widerstand aufgewickelt sind, ist ein Zweigdraht an ihm be - festigt, welcher durch die Wand der Rolle hindurch zu einer Klemme führt. Diese Abzweigung wiederholt sich bei der kleinen Rolle nach fernerer Aufwickelung einer Meile, bei der grossen157 nach je 10 Meilen. Die Klemmen sind durch einen Metallstöpsel beliebig mit dem einen Drahte der Stromleitung in Verbindung zu setzen, deren anderes Ende mit dem Anfang des isolirten

Fig. 23.

Drahtes dauernd verbunden ist. Man konnte hierdurch leicht 1 bis 99 Meilen Widerstund in die Leitung einschalten.

Tabelle I.

158

Bei Anstellung jedes Versuches dieser Tabelle ward, nach - dem die Nadel durch Drehung des Galvanometers wieder auf Null zurückgeführt war, der ganze Widerstand von 99 Meilen einge - schaltet und der Stand der Nadel wieder beobachtet. Darauf ward die Leitung mit der Gasleitung in leitende Verbindung ge - bracht, und dann der die andere Belegung berührende Draht von der Mitte bis zur äussersten Kante der Belegung verschoben. Endlich ward die Stromleitung so commutirt, dass anstatt der Entladungs - die Ladungsströme durch das Galvanometer geleitet wurden. Es ergab sich, dass durch alle diese Veränderungen die Ablenkung der Nadel nicht im Mindesten verändert wurde. Aus Columne 4 ergiebt sich, dass die Ablenkung der Nadel pro - portional der Zahl der benutzten Zellen, mithin der elektromoto - rischen Kraft der Batterie ist. Die kleine Verminderung der berechneten Werthe für die Ablenkung durch ein Element mit der Verstärkung der Batterie blieb bei späteren Versuchsreihen fort, wenn das Mittel zweier Ablesungen mit umgekehrter Strom - richtung genommen ward, ist mithin als Fehler des Instrumentes zu betrachten. Es lassen sich hieraus folgende Schlüsse ziehen.

  • 1. Die Ladung eines Condensators oder die Quantität der auf seinen Flächen angesammelten Elektricität ist propor - tional der elektromotorischen Kraft der Batterie.
  • 2. Sie ist unabhängig von dem Widerstande der Zuleitungs - drähte, und unabhängig von der Lage des Orts, wo der Zuleitungsdraht die Belegung des Condensators berührt.
  • 3. Sie wird durch ableitende Berührung eines Batteriepols oder einer der beiden Belegungen nicht geändert.

Die erste dieser Schlussfolgerungen bedarf keines weiteren Commentars. Es war zu erwarten und dem Verhalten der Reibungselektricität analog, dass die Ladung eines Condensators der elektrischen Kraft der Batterie oder der Dichtigkeit der Elektricität der unerschöpflichen Quelle, durch welche er geladen wird, proportional ist. Die zweite besagt noch, dass die Dauer der einzelnen Ladungen oder Entladungen in diesem Falle ge - ringer war als etwa 1 / 120 Secunde, d. i. die Dauer einer halben Oscillation der Wippe und zwar auch dann noch, wenn die Ladungszeit durch Einschaltung des Widerstandes von 99 Meilen beträchtlich verlangsamt war. Die dritte bietet eben so wenig159 etwas Unerwartetes; dagegen war es mir sehr überraschend, dass die Lage des Berührungspunktes des Zuleitungsdrahtes mit der isolirten Condensatorplatte ohne allen Einfluss auf die Grösse der Ablenkung der Nadel war. Es schien mir im Gegentheil wahrscheinlich, dass die Ladung am grössten sein würde, wenn man die Mitte der Belegung mit dem Zuleitungsdraht berührte, und dass sie um so kleiner werden würde, je mehr man die Be - rührungsstelle zum Rande hin verschöbe. Dies war jedoch durch - aus nicht der Fall. Der Stand der Nadel blieb durchaus unver - ändert, so lange der Zuleitungsdraht nur in Berührung mit der Belegung war, selbst dann, wenn nur eine der äussersten Spitzen der rechteckigen Staniolbelegung in Berührung mit ihm war. Ich habe diesen Versuch mannigfach variirt, mit Condensatoren und Leydener Flaschen der verschiedensten Form und Grösse, aber immer mit ganz demselben Erfolge. Für den Fortgang meiner Untersuchung war dies Resultat, d. i. die Unabhängig - keit der Ladung eines Ansammlungs-Apparates von der Anbrin - gung der Zuleitungsdrähte sehr wichtig, indem die Experimente durch Wegfall dieser Rücksicht viel einfacher und zuverlässiger wurden.

Die Betrachtung der obigen Versuchsreihe beseitigt gleich - zeitig manche Bedenken, die man gegen die Zuverlässigkeit meiner Untersuchungsmethode aufstellen konnte. Eine der wichtigsten dürfte wohl diese sein, ob sich das Magnetisirungsverhältniss der benutzten astatischen Nadeln nicht dauernd, oder auch nur vor - übergehend, während der Entladungen verändert. In der That habe ich immer grosse Vorsicht obwalten lassen müssen, um mich vor hieraus entspringenden Fehlern zu sichern. Nur voll - kommen glasharte Magnetnadeln aus Gussstahl, welcher sich ganz besonders zur Anfertigung von Stahlmagneten eignet, waren auch bei starken Entladungsströmen hinlänglich constant. Es ergab sich dies sowohl daraus, dass die Schwingungsdauer des Nadelpaars unverändert blieb, wie auch daraus, dass die Ruhe - lage desselben sich nicht änderte. Wäre eine vorübergehende Aenderung des Magnetisirungszustandes der Nadeln eingetreten, so hätte sich die Ablenkung bei Einschaltung eines beträcht - lichen Widerstandes in dem Kreise des Galvanometers verändern müssen. Bei sehr starken Batterieen und sehr schwachen An -160 sammlungsapparaten habe ich in der That diese Erscheinung beobachtet, wenn der Entladungsstrom nur den Widerstand des Galvanometerdrahtes zu überwinden hatte. Da sich die Schwin - gungsdauer und die Stellung der Nadeln hierbei nicht verändert hatten, so muss man annehmen, dass die Stromstärke zwar aus - reichend war, um den Magnetismus der Nadeln, namentlich den der inneren zu ändern, dass die Dauer des Stromes aber nicht gross genug war, um diese veränderte Magnetisirung zu fixiren. Dass die Dauer des magnetisirenden Stromes von wesentlichem Einfluss auf die Grösse des bleibenden Magnetismus ist, ist eine bekannte Thatsache. Es ist daher wohl denkbar, dass ein hefti - ger Strom von sehr kurzer Dauer, wie der Entladungsstrom einer Leydener Flasche, den Magnetismus einer Nadel momentan voll - ständig vernichten oder umkehren kann, dass mithin auch die elektromagnetische Wirkung dieses Stromes auf die Nadel nicht im erwarteten Masse oder gar nicht eintritt, dass aber dennoch die bleibende Magnetisirung der Nadeln sich gar nicht oder wenig geändert zeigt, wenn der Entladungsstrom aufgehört hat. Es deutet dies darauf hin, dass harter Stahl sich hinsichtlich seiner magnetischen Coërcitivkraft ähnlich verhält, wie unvollkommen elastische Körper bei Stössen von sehr kurzer Dauer. Um gegen derartige Störungen der Messungen ganz gesichert zu sein, habe ich später stets den Widerstand von 99 Meilen in den Kreis des Galvanometers eingeschaltet, und ausserdem die Belegungen einer Batterie von 9 Leydener Flaschen oder eines anderen Ansamm - lungsapparates von beträchtlich grosser Capacität mit den Galvano - meterdrähten verbunden. Es musste sich dann die zu messende Ladung erst auf die Belegungen dieses Ansammlungsapparates ausbreiten, bevor sie die Widerstandsrolle und den Galvanometer - draht durchlief. Der Entladungsstrom erhielt mithin grössere Dauer und entsprechend geringere Intensität. Auf die Grösse der Ablenkung der Nadel ist weder die Anbringung eines solchen Reservoirs am Galvanometerdraht, noch die Einschaltung eines Widerstandes in denselben von Einfluss, da die Entladungszeit immer noch wesentlich kleiner ist, als die Dauer einer Oscillation der Wippe.

Aus der Unabhängigkeit der Ablenkung der Nadel von der Grösse des eingeschalteten Widerstandes könnte man leicht161 schliessen, dass die Beschaffenheit und Lage der Zuleitungsdrähte ganz ohne Einfluss wäre. Dies ist jedoch nur in Bezug auf die vom Ansammlungsapparat zu dem Galvanometer, nicht hinsicht - lich der von der Batterie zur Wippe und zum Ansammlungs - apparat führenden Drähte der Fall. Die letzteren bilden selbst einen Ansammlungsapparat, wie später noch weiter erörtert werden wird, dessen Ladungsstrom ebenfalls durch das Galvanometer geht und die Nadeln ablenkt. Ich änderte daher meine erste Disposition dahin ab, dass ich Wippe und Ansammlungsapparat ganz in die Nähe der Batterie stellte, und mich bei Versuchen mit sehr empfindlichen Nadeln vor Beginn derselben stets durch Ausschliessung des benutzten Ansammlungsapparates von der Wirkung der Zuleitungsdrähte allein überzeugte und sie eventuell in Rechnung brachte. Auf die Grösse der Ladung des Ansamm - lungsapparates selbst ist die Länge und Form der Zuleitungs - drähte dagegen ganz ohne Einfluss. Wenn ich die Ladung eines beliebigen Ansammlungsapparates mit kurzen Zuleitungsdrähten mass und darauf einen frei zwischen den Gebäuden des Hofes ausgespannten Kupferdraht von 1 mm Dicke und 50 m Länge als Batteriedraht benutzte, so vermehrte sich die gemessene Ladung ganz unabhängig von der Capacität des Ansammlungsapparates bei unveränderter Batterie um eine constante Grösse, die genau mit der Ladung des Zuleitungsdrahtes allein übereinstimmte.

Zur weiteren Controle der Zuverlässigkeit meiner Unter - suchungsmethode und um gleichzeitig der von mir gemachten Annahme, dass die Ladung eines jeden Punktes der Oberfläche eines abgeleiteten Flaschendrahtes proportional der, nach dem Ohm’schen elektroskopischen Gesetz, diesem Punkte zugehörigen elektrischen Kraft oder Dichtigkeit sei, auch experimentell nach - zuweisen, stellte ich die umstehende Versuchsreihe an.

Die hierbei benutzte Stromleitung ist in Fig. 24 dar - gestellt. Der mit w und w' bezeichnete Kreis stellt die Draht - leitung dar. In denselben ist die Batterie B dauernd eingeschaltet. Die Zunge der Wippe A ist mit dem Knopfe einer Leydener Flasche C, der eine Contact der Wippe mit dem Galvanometer D in leitender Verbindung. Der andere Galvanometerdraht, die äussere Belegung der Flasche und der eine Batteriepol sind unter sich und mit dem Erdboden leitend verbunden. Der mit dem11162Tabelle II.

anderen Contacte der Wippe verbundene Draht, wird an den Punkt des Kreises geführt, dessen elektroskopische Kraft ge - messen werden soll. Ist E die elektromotorische Kraft der Bat -

Fig. 24.

terie, so ist nach dem Ohm’schen Spannungsgesetze die elektrische Kraft 〈…〉 , wenn w und w' die Widerstände von dem Punkte des Drahtes, an welchem x gemessen werden soll, bis zur Batterie bezeichnen. Ich benutzte als Prüfungsdraht eine aus übersponnenem Neusilberdraht aufgewickelte Widerstandsrolle, deren Widerstand ziemlich genau in 10 Theile getheilt war, von denen jeder dem Widerstande einer Telegraphenleitung aus 2 mm dicken Eisendraht von 100 russischen Werst Länge entsprach. Columne 1 giebt die Zahl der Zellen, Columne 2 und 3 die163 Widerstände w und w', 4 die Ablesungen des Theilkreises der Sinusbussole, 5 die halbe Differenz derselben, mithin den ge - messenen Ablenkungswinkel α, 6 den Sinus dieser Winkel, welcher die Grösse der Ladung der Flaschen, mithin der Dich - tigkeit x entspricht. Columne 7 giebt die nach der Formel be - rechneten Werthe. Die Constante ist für jede Messung berechnet und von allen das Mittel genommen. Sie ist gleich 0,53. Die hinreichende Uebereinstimmung der beobachteten Werthe be - weist die Richtigkeit meiner Voraussetzung und wird gleichzeitig das Zutrauen zu der benutzten Messungsmethode erhöhen.

Ich ging nun dazu über, die Abhängigkeit der Ladungs - grösse, von der Form und Grösse der Ansammlungsapparate zu bestimmen.

Die nachstehende Versuchsreihe ist mit einer elektrischen Batterie von 9 Flaschen angestellt, von denen jede 13 dem innere Belegung und 4 mm durchschnittliche Glasstärke hatte. n bezeichnet die Anzahl der benutzten Daniell’schen Zellen, s die Anzahl der Flaschen, α den gemessenen Ablenkungswinkel.

Tabelle III.

Die hinreichend constanten Zahlenwerthe der letzten Columne zeigen, dass die Ladung einer aus mehreren Flaschen zusammen - gesetzten Batterie sich wie die Producte aus der Anzahl der Flaschen in die elektromotorische Kraft der Kette verhält, wie zu erwarten war. Wenn ich die Flaschen in einer Reihe neben einander stellte, anstatt in drei Reihen nach gewöhnlicher Art dicht neben einander, so änderte sich die Grösse der Ladung11*164dadurch nicht im Geringsten. Es war dies eine Bestätigung der schon früher nachgewiesenen Unabhängigkeit der Ladung von der Anbringung und Form der Zuleitungsdrähte, und machte es mir noch wahrscheinlicher, dass bei Elektricität niedriger Span - nung die Capacität der Ansammlungsapparate nur von der Flächengrösse bei unveränderter Dicke und Beschaffenheit und Form des isolirenden Materials abhängig wäre. Ich habe die bedingte Richtigkeit dieser Annahme vielfach erprobt und überall bestätigt gefunden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ver - schiebe ich jedoch den experimentellen Nachweis dieses Satzes, da die darüber angestellten Versuche gleichzeitig später zu er - örternde Fragen beantworten.

Zur Untersuchung des Einflusses der Dicke der isolirenden, die beiden parallelen Belegungen eines Condensators trennenden Schichten liess ich mir mehrere möglichst parallel geschliffene 1 mm dicke Glasplatten, welche sämmtlich 0,26 m lang und 0,21 m breit waren, anfertigen. Ich überzeugte mich von der hinlänglich gleichmässigen Dicke dieser Platten durch einen Fühl - hebel, welcher mit Schärfe 1 / 100 mm angab. Zwei solche Platten wurden mit zwei einander genau gegenüberstehenden 0,24 m langen und 0,18 m breiten Stanniolbelegungen versehen. Die gemessene Ladung ergab für beide ziemlich genau dieselbe Capacität. Es wurden nun zwei andere Platten nur auf einer Seite mit einer Stanniolbelegung von obigen Dimensionen versehen. Eine solche einseitig belegte Platte ward auf etwa 6″ hohe iso - lirende Stützen gelegt, und ihre Belegung mit der Zunge der Wippe verbunden. Ward nun ein Batteriepol in leitende Ver - bindung mit der einen, ein Galvanometerdraht mit der zweiten Contactschraube der Wippe gesetzt, so wurde die Nadel abge - lenkt und die Grösse der Ablenkung war der Zahl der Zellen der benutzten Kette proportional. Die Ablenkung verminderte sich, wenn die Glasplatte möglichst frei in der Mitte des Zimmers gehalten wurde, und verstärkte sich um so mehr, je mehr man dieselbe den Wänden des Zimmers näherte. Mit einem sehr em - pfindlichen Nadelpaare und einer Batterie von 54 Daniell’schen Elementen konnte ich dieselbe Erscheinung fast an jedem iso - lirten Leiter nachweisen, welchen ich in leitende Verbindung mit der oscillirenden Zunge der Wippe brachte, war mithin im Stande,165 auch die sogenannte freie Elektricität, welche durch die elektrische Spannung des isolirten Batteriepols auf der Oberfläche eines be - liebigen Conductors angehäuft wird, durch das Galvanometer zu messen und mit der Flaschen-Elektricität quantitativ zu vergleichen. Der wesentliche Einfluss der grösseren oder geringeren Nähe der Zimmerwände auf die Quantität dieser freien Elehtricität machte es mir jetzt schon sehr wahrscheinlich, dass dieselbe lediglich eine Ladung zwischen dem Conductor und den leitenden Wänden des Zimmers ist, in welchem er sich befindet wie Faraday es bekanntlich annahm.

Die Ladung eines Conductors besteht nun offenbar aus zwei Theilen, der Ladung zwischen der isolirten Belegung und den Zimmerwänden, und der zwischen der isolirten und nicht isolirten Belegung. Das Galvanometer misst die Summe beider. Um die letztere zu finden, verfuhr ich daher so, dass ich erst die freie Elektricität der isolirten Belegung ermittelte und darauf die Ge - sammtladung, indem die zweite Belegung, welche bisher isolirt war, mit der Erde leitend verbunden wurde. Von dieser Ge - sammtladung war die Hälfte der Ladung der isolirten Belegung in Abzug gebracht. Dass nur die Hälfte in Abzug zu bringen ist, ergiebt sich jetzt schon aus der Betrachtung, dass man die ab - geleitete Belegung sich so dick denken kann, dass sie die Zimmer - wand erreicht, ohne dass dadurch die Ladung vermehrt werden kann. Es bleibt also nur die Ladungsgrösse der abgewendeten Seite der isolirten Belegung mit den Zimmerwänden zu berück - sichtigen.

Zur Erläuterung der nachstehenden Versuchsreihe mit 7 Glas - platten von 1 mm Dicke bemerke ich noch, dass die wohlge - reinigten Platten mit rectificirtem Terpentinöl benetzt und darauf auf einander gerieben wurden, um die adhärirende Luft zu be - seitigen. Die so vereinigten Platten wurden zwischen zwei Platten aus vulcanisirtem Kautschuck gelegt, und mit einer zehn Pfund schweren Metallplatte belastet. Zur Bestimmung der Ladung zwischen den Belegungen einer einzelnen Glasplatte, wurde die - selbe mit einer zweiten, auf gewöhnliche Weise auf dem Glase befestigten Belegung versehen.

166

Tabelle IV.

Die erste Columne der obigen Tabelle giebt die Zahl m der Glasplatten an, welche zwischen den vertheilend auf einander wirkenden Belegungen sich befanden, α ist der gemessene Ab - lenkungswinkel der Sinusbussole. Eine einzelne, isolirte Belegung gab die Ablenkung 0,5. Wie schon erläutert, musste die Hälfte des Sinus dieses Winkels von sin α abgezogen werden. Columne 5 ergiebt, dass die Ladung umgekehrt proportional der Anzahl der Glasplatten, mithin der Dicke der isolirenden Schicht ist. Die Differenzen übersteigen die Grenze der mit den benutzten Hülfsmitteln zu erreichenden Genauigkeit nicht. Die geringe Ver - grösserung derselben bei dickerem Glase deutet jedoch auf eine Verstärkung der Ladung der Kanten der Belegungen hin, wie sie eintreten muss, wenn eine Molecularvertheilung nach Faraday’s Annahme vorhanden ist.

Die nachfolgende Versuchsreihe wurde mit 6 Platten aus möglichst gleichförmig gewalzter Guttapercha angestellt, welche mit Stanniolbelegungen auf beiden Seiten versehen waren. Diese Platten wurden so aufeinander geschichtet, dass die sämmtlichen Stanniolbelegungen genau übereinander lagen. Zwischen je zwei Platten ward ein hervorragender Streifen Stanniol gelegt, welcher dazu diente, die leitende Verbindung mit den betreffenden Be - legungen herzustellen. Durch eine Handpresse wurden die Platten darauf fest zwischen zwei ebenen Brettern und elastischen Kaut - schuckplatten zusammengepresst, und in diesem Zustande die Messungen vorgenommen. Es ward zuerst die Ladung zwischen je zwei benachbarten Belegungen gemessen und darauf die Ladung zwischen der ersten und allen übrigen der Reihe nach.

167

Tabelle V.

Tabelle VI.

Aus der ersten Tabelle (V) ergiebt sich, dass die Capacität der aus 6 Guttapercha-Platten gebildeten Ansammlungsapparate ziemlich gleich war. Nur die sechste Platte gab eine bemerkens - werth geringere Ladung. Die gemessene Ladung einer einzelnen Belegung gab 0,9°, es ward daher in Tabelle VI 〈…〉 vom Sinus des gemessenen Winkels α abgezogen. In der vorletzten Columne sind die Producte dieses berichtigten Masses der Ladung mit der Zahl der zwischen den wirksamen Belegungen befindlichen Guttapercha-Platten, und in der letzten Columne ihre Differenzen verzeichnet. Es stellt sich hier noch deutlicher, wie bei den Versuchen mit Glasplatten eine geringe Vermehrung der Differenzen mit dem Abstande der Condensatorplatten heraus, welche sich durch Molecularwirkung der elektrostatischen Induction in krummen Linien zwischen den Kanten der Belegungen voll - ständig erklärt.

Eine der wichtigsten Fragen, deren Beantwortung auch die Frage der Existenz der Vertheilung in krummen Linien ent - scheidet, ist die des Einflusses der isolirenden Materie, welche den die beiden Condensatorplatten trennenden Raum erfüllt, auf die Grösse der elektrostatischen Induction. Dass die Capacität eines Ansammlungsapparates wesentlich von dem Stoff des trennenden Isolators abhängig ist, ist durch Faraday’s, auch168 anderweitig bestätigte Untersuchungen ausser Zweifel gesetzt. Dagegen entschieden die bisherigen Versuche nicht darüber, ob die von Faraday aufgestellte Ansicht, dass die elektrostatische Induction ausschliesslich eine von Molecül zu Molecül des tren - nenden Isolators fortgepflanzte Wirkung ist, richtig ist, oder ob vielmehr der Einfluss des isolirenden Materials ein secundärer ist, vielleicht auch directe Vertheilung und Molecularvertheilung gleichzeitig auftreten. Dass in der That ein Eindringen der Elektricität der Belegungen einer Leydener Flasche in die Substanz des Glases stattfindet, und dadurch die Entfernung der sich ge - genseitig anziehenden Elektricitäten von einander vermindert wird, ist vielfach nachgewiesen, und folgt auch schon daraus, dass eine vollständig entladene Flasche, die vorher längere Zeit geladen war, sich nach kurzer Zeit wiederum geladen zeigt. Es fragt sich daher, ob:

1. der Einfluss des den trennenden Raum erfüllenden iso - lirenden Materials sich auch dann noch zeigt, wenn das Ein - dringen der Elektricität in die Masse desselben verhindert, oder der Versuch so angestellt ist, dass es auf das Resultat der Messung keinen Einfluss äussern kann; ferner, wenn dies der Fall ist, ob:

2. die elektrostatische Induction überall dem Gesetze der Molecularanziehung, oder ganz oder theilweise dem der Anziehung in Distanz folgt.

Versuche mit Volta-Elektricität scheinen mir besonders ge - eignet zur Beantwortung dieser Fragen, da sie eine stets con - stante und unerschöpfliche Elektricitätsquelle darbietet, durch welche alle Messungen sehr vereinfacht werden. Die bisher be - schriebenen Versuche werden dies, so wie auch die Zuverlässig - keit der Angaben des Galvanometers, wohl überzeugend nach - gewiesen haben.

Dass auch bei Volta-Elektricität die Capacität eines An - sammlungsapparates wesentlich von der Beschaffenheit des Isolators, welcher den die Collectorplatten trennenden Raum erfüllt, ab - hängt, war leicht zu erkennen.

Wenn ich zwei runde, 15 cm im Durchmesser haltende ebene Scheiben durch eine Glasplatte von 1 mm Dicke trennte, so zeigte das Galvanometer eine nahe doppelt so grosse Ladung169 an, wie dann, wenn ich anstatt der Glasplatte kleine Glasstücke von gleicher Dicke zwischen die Scheiben legte. Diese Verstär - kung der Ladung trat in gleichem Grade bei Anwendung starker und schwacher Ketten auf, war also unabhängig von der wirk - samen elektrischen Kraft1)Ich habe vorgezogen, statt elektromotorische Kraft den Ausdruck elektrische Kraft zu gebrauchen, da es sich bei den vorliegenden Ver - suchen nur um die elektroskopische oder Spannkraft der Elektricität des Batteriepols handelt, nicht wie bei rein galvanischen Erscheinungen um das Resultat dieser Kraft, d. i. den elektrischen Strom. Der Ausdruck Dichtigkeit der Elektricität hat eine wesentlich verschiedene Bedeutung und kann hier nicht benutzt werden. der Batterie.

Da die Tiefe des etwaigen Eindringens der Elektricität in der durch die Wippe gegebenen Zeit jedenfalls von der Grösse der wirksamen Kraft abhängig sein müsste, so liess sich hieraus schon der Schluss ziehen, dass in ihr nicht der Grund der beobachteten Vergrösserung der Ladung zu suchen sei. Noch unzweifelhafter tritt dies bei folgendem Versuche hervor.

Ich liess mir eine Leydener Flasche aus zwei in einander gesetzten Glascylindern anfertigen. Der innere war 0,57 m hoch und hatte 0,18 cm inneren Durchmesser. Der äussere war ebenso hoch und hatte 0,20 mm äusseren Durchmesser. Der concen - trische Zwischenraum zwischen beiden Cylindern war etwa 15 mm dick. Die Glasstärke jedes Cylinders durchschnittlich 2,45 mm. Die Cylinder wurden mit Colophoniumkitt auf einem Brette befestigt, und der Boden im Innern 1″ hoch mit ge - schmolzenem Kitt übergossen. Die innere und äussere Fläche des Doppelcylinders wurden mit Stanniol bis auf ½ dm vom oberen und unteren Rande belegt, und die frei gebliebenen Ränder auf gewohnte Weise mit isolirendem Lack überzogen. Es wurde nun die Ladung der Flasche unter sonst gleichen Verhältnissen gemessen, wenn der Raum zwischen den Cylindern mit Luft, und wenn er ganz oder theilweise mit einem anderen isolirenden Material angefüllt war. Fände nun auch ein Eindringen der Elektricität in das Glas statt, durch welches die Ladung merk - lich vergrössert würde, so könnte doch dies Eindringen unmög - lich den in der Mitte des dicken und schon bei einfacher Glas - stärke isolirenden Glases befindlichen Isolator erreichen. Dem -170 ohngeachtet ergab sich eine beträchtliche Vermehrung der Ladung wenn ein fester Isolator z. B. ein Cylinder von Kautschuck oder vollständig isolirender Guttapercha zwischen die Glaswände ge - schoben ward. Man kann diesen sehr entscheidenden Versuch auch einfacher und mit gleichem Erfolge mit zwei Glasplatten anstellen, welche einseitig belegt und in solcher Entfernung von einander aufgestellt sind, dass man eine dritte Glasplatte zwischen sie einschieben kann, ohne den Abstand der Belegungen von einander zu ändern.

Zur Bestimmung des Vertheilungscoëfficienten verschiedener Isolatoren war das beschriebene Verfahren nicht geeignet. Ich erhielt aber ziemlich constante Messungen auf folgende Weise: Zwei ebene runde Messingplatten vom 15 cdm Durchmesser wurden genau auf einander geschliffen. Durch drei Schrauben mit feinem Gewinde, welche durch die eine (obere) der Scheiben gingen, liessen sich dieselben beliebig von einander entfernen. Die Enden der Schrauben waren mit eingesprengten Steinen versehen, und hierdurch die Scheiben von einander isolirt. Ich stellte nun diese Scheiben unter den Recipienten einer Luft - pumpe. Die untere ward mit dem metallenen Teller der Luft - pumpe, die obere mit einem isolirt durch den Teller geführten Draht in leitende Verbindung gesetzt. Nachdem ich nun die Verbindung mit der Wippe hergestellt und die Ablenkung der Nadel beobachtet hatte, pumpte ich die Luft bis auf zwei Linien des Quecksilber-Manometers aus. Der Stand der Nadel ver - änderte sich dadurch nicht im Geringsten. Eben so wenig war eine Aenderung desselben zu bemerken, wenn der Recipient der Luftpumpe mit Kohlensäure oder Wasserstoffgas gefüllt wurde. Es bestätigt sich dadurch vollkommen, dass Gase jeder Art und Dichtigkeit ein gleiches Vertheilungsvermögen haben.

Wie zu erwarten war, änderte sich auch der Stand der Nadel durch Erwärmung der Platten und der sie trennenden Luft nicht, wenn die Erhitzung nicht so weit getrieben wurde, dass die Platten sich verzogen. Ich gab nun den Platten des Condensators durch gleichmässige Drehung der Schrauben einen parallelen Abstand von etwa 1 mm. Es wurde hierauf ein Ge - fäss mit flachem Boden 1 bis 1½″ hoch mit dem schmelzbaren Isolator angefüllt, welcher untersucht werden sollte, und die171 Masse langsam geschmolzen. Nachdem die Oberfläche derselben gut gereinigt war, ward erst die Grösse der Ladung zwischen den beiden Scheiben in der Luft gemessen, und darauf beide nach einander so in die geschmolzene Masse getaucht, dass keine Luftblasen zwischen den Platten blieben. Das Verhältniss der gemessenen Ladungen gab die Vertheilungs-Coëfficienten des ge - prüften Isolators. Es ergab sich auf diese Weise für Stearin die Zahl 0,78, für Schwefel 2,9. Nach Erkaltung der Masse wurden diese Zahlen kleiner. Es konnte dies jedoch daher kommen, dass die obere Platte durch die Crystallisation etwas gehoben wurde. Ausserdem kann die für den Vertheilungs - coëfficienten des Schwefels gefundene Zahl dadurch etwas grösser ausgefallen sein, dass die Messingplatte sich mit einer dünnen Schicht leitenden Schwefelkupfers überzog.

Mit grösserer Genauigkeit prüfte ich die Vertheilungsfähig - keit der Guttapercha und des Glases. Ich verfuhr dabei fol - gendermassen. Eine ebene kreisrunde Guttapercha-Platte ward auf die untere Condensatorplatte gelegt, nachdem sie mit drei Löchern versehen war, durch welche die Schrauben der oberen Platte hindurchgingen. Nachdem die letztere nun fest auf die Guttapercha-Platte gedrückt und durch ein 10 Pfund schweres Gewicht belastet war, wurden die Schrauben so lange gedreht, bis ihre Steinspitzen die untere Scheibe berührten. Nachdem die Ablenkung der Nadel beobachtet war, ward die Platte aufgehoben, die Guttapercha-Platte entfernt und darauf die Messung wieder - holt. Aehnlich ward mit plangeschliffenen Glasplatten verfahren.

Als ich eine Glasplatte, welche mir eine unerwartete Ab - lenkung gab, erwärmte, um die vermuthete Feuchtigkeit von ihrer Oberfläche zu entfernen, war ich überrascht, eine beträcht - liche Zunahme der Ablenkung zu finden. Bei der Erwärmung bis zum Schmelzpunkte des Zinnes war sie bis auf den zehn - fachen Betrag gestiegen, und steigerte sich bei weiterer Erhitzung bis zum Schmelzpunkte des Bleies bis zum 30 fachen des ursprüng - lichen Betrages. Ward die obere Platte auf dem Glase etwas verschoben, so schlug die Nadel, welche ursprünglich eine Ab - weichung von zeigte, an die Hemmung und ging sogleich darauf auf 30 bis 40° zurück. Ich war anfangs geneigt, hieraus auf eine Vergrösserung des Vertheilungsvermögens des Glases172 durch die Erwärmung zu schliessen, überzeugte mich jedoch später, dass diese Erscheinung durch Elektrolyse der Glasmasse herbeigeführt wurde.

Es ist bereits durch die Untersuchungen von Buff und Beetz festgestellt, dass das Glas schon bei geringen Erhitzungen leitend wird. Die Ladungsströme mussten daher scheinbar grösser werden, da das Galvanometer gleichzeitig die Stärke des durch das Glas gehenden Stromes angab. Die Entladungsströme mussten dagegen durch Leitung der Glasmasse geschwächt werden, da die Ladung sich nicht allein durch das Galvanometer, sondern auch noch durch die Glasmasse hindurch ausgleichen konnte. Die beobachtete grosse Verstärkung der Entladungsströme scheint daher nur in der elektrolytischen Ausscheidung von metallischem Kalium oder Natrium an der als negative Anode auftretenden Belegung gesucht werden zu können. Ein ganz ähnliches Ver - halten zeigte geschmolzenes Kochsalz und andere elektrolytische Salze. Es traten auch bei diesen sehr kräftige Polarisationser - scheinungen auf, die noch fortdauerten, als die Salzmasse schon wieder ganz erstarrt war, und erst aufhörten, als sie vollstän - dig abgekühlt war. Hartes Kaliglas begann bei etwa 40 °C. schon leitend zu werden. Weiches weisses Natronglas noch viel früher. Ich fand bei einer solchen Glasplatte sogar bis geringe Abnahme der Entladungsablenkung der Nadel. Bei Glimmerplatten war die Erwärmung ganz ohne Einfluss auf die Ladung, und die Isolirung blieb auch bei der grössten an - wendbaren Erhitzung noch vollkommen. Dagegen erhielt Gutta - percha schon durch geringe Erwärmung eine beträchtliche Leitungsfähigkeit. Als ich einen mit Guttapercha bekleideten Kupferdraht von 5 dm Länge bis auf die freistehenden Enden in ein Gefäss mit kaltem Wasser tauchte, zeigte er sich voll - kommen isolirt. Tauchte ich ihn dagegen in Wasser, welches etwa 40 °C. warm war, so zeigte das Galvanometer kurz darauf eine Ablenkung von , welche gänzlich wieder verschwand, wenn das warme Wasser wieder durch kaltes ersetzt wurde. Die Vergrösserung der Ladungsströme war dagegen hier sehr viel schwächer, wie bei erwärmten Glastafeln, was sich dadurch erklärt, dass Kalium und Natrium viel höher in der elektrischen Spannungsreihe stehen wie Wasserstoff.

173

Es scheint mir nach diesen Versuchen wahrscheinlich, dass alle diejenigen elektrolytischen starren Körper, welche im ge - schmolzenen Zustande die Elektricität leiten, ihre Isolirungsfähig - keit schon im starren Zustande verlieren, wenn sie sich ihrem Schmelzpunkte nähern, und dass sie desto bessere Isolatoren sind, je weiter ihre Temperatur unter der ihres Schmelzpunktes steht.

Die bisherigen Versuche werden keinen Zweifel mehr darüber zulassen, dass der Einfluss des isolirenden Materials auf die Grösse der elektrostatischen Induction auch bei Elektricität sehr geringer Spannung besteht und dass derselbe nicht durch das Eindringen der Elektricität in die Masse des Isolators zu erklären ist. Dies vorausgesetzt kann man die beträchtliche Vergrösserung der Vertheilungs - oder Influenz-Elektricität durch die Anwendung starrer Isolatoren kaum anders erklären, als durch Annahme der Faraday’schen Hypothese der Molecularinduction. Es ist nun wohl denkbar, dass neben der Vertheilung durch Molecularin - duction auch noch die directe Vertheilung durch unmittelbare Fernwirkung existirt. Um darüber Aufklärung zu erhalten, legte ich mehrere 1 mm dicke belegte Glasplatten aufeinander und ver - band die untere mit der Ableitung zur Erde. Wurde nach der in Fig. 24 angegebenen Schaltung verbunden, so gab die dauernde Ablenkung der Nadel das Mass der Ladung des Condensators. Ward anstatt der zweiten die dritte Belegung mit der Wippe verbunden, so war die Ladung etwa halb so stark, wie schon aus den früher mitgetheilten Versuchen folgt. Ich verband jetzt so - wohl die zweite wie die dritte Belegung mit der Zunge der Wippe. Da jetzt beide Belegungen elektrisch waren, so musste die Ablenkung grösser werden, wenn die dritte Belegung, durch die zweite hindurch, einen vertheilenden Einfluss auf die natür - liche Elektricität der abgeleiteten Belegung ausübte. Dies fand aber durchaus nicht statt. Selbst als 5 Belegungen mit der Zunge der Wippe verbunden waren, blieb die Ablenkung genau so gross, wie bei einer Belegung.

Ich bemerke noch, dass ich die zweite Belegung etwas grösser gemacht hatte, wie die übrigen. War dies nicht der Fall, so erhielt ich eine geringe Vergrösserung der Ablenkung, die sich durch Vertheilung in krummen Linien leicht erklärt.

Dasselbe Resultat erhielt ich, als ich 3 Flaschen, welche174 aussen und innen mit Stanniolbelegungen versehen waren, in ein - ander setzte. War die äussere Belegung abgeleitet, so erhielt ich genau dieselbe Ladung, wenn die nächste Belegung allein oder wenn gleichzeitig die beiden übrigen mit der Zunge der Wippe verbunden waren. Es beweist dies jedenfalls, dass die ver - theilende Kraft nicht durch einen gleich stark elektrisirten Leiter hindurch wirkt und macht es sehr wahrscheinlich, dass die un - mittelbare Vertheilung, wenn sie vorhanden ist, gegen die Mole - cularvertheilung verschwindend klein ist.

Die bisher erlangten Resultate lehren, dass die Quantität Q der Elektricität, welche ein aus zwei parallel gegenüberstehenden, ebenen Platten von gleicher Grösse gebildeter Ansammlungs - apparat aufnimmt, direct proportional ist der elektrischen Kraft E der Batterie, direct proportional der Grösse F der gegenüber - stehenden Flächen, umgekehrt proportional der Dicke d der iso - lirenden Schicht und direct proportional einer Constante k, welche von der Materie des benutzten Isolators abhängt. Es ist mithin die Ladung (1) 〈…〉 mit der Beschränkung, dass d gegen F sehr klein sei, oder eine Correctur ausgeführt werden muss, welche den Einfluss der wahr - scheinlichen Vertheilung in krummen Linien zwischen den Kanten der Belegungen und um sie herum compensirt. Der Anblick dieser Gleichung zeigt eine vollkommene Uebereinstimmung mit dem Gesetz der Bewegung der Wärme und der Elektricität durch Leiter. Denkt man sich den Isolator als Leiter, die Fläche F, die Zuleitungsdrähte und die Kette selbst als widerstandslos, so würde die Stromstärke 〈…〉 sein, wenn λ den Coefficienten der Leitungsfähigkeit des Materials der die Flächen F trennenden Platte bezeichnet. Man kann sich hiernach die Ladung als durch einen Strom von sehr kurzer Dauer durch die Masse des Isolators hindurch entstanden vor - stellen, und der obigen Gleichung die Form 〈…〉 175geben, wenn man unter V den Ausdruck 〈…〉 versteht, für wel - chen ich die Bezeichnung Vertheilungswiderstand vorschlage, da er dem Leitungswiderstande des die Vertheilung vermittelnden Raumes ganz analog ist.

Ist die elektrostatische Induction ausschliesslich eine Mole - cularwirkung, wie es nach den bisherigen Resultaten wenigstens als wahrscheinlich erscheinen muss, so muss die Gleichung 〈…〉 , deren Richtigkeit bisher nur für den einen Fall experi - mentell nachgewiesen ist, wenn der Ansammlungsapparat aus zwei parallelen Flächen besteht, deren Abstand gegen die Di - mensionen der Collectorplatten sehr klein ist, allgemein gültig sein. Als erste Prüfung schien mir die Anwendung der Formel auf die Franklin’sche oder Cascaden-Batterie besonders geeignet.

Werden die gemessenen Ladungen einer Zahl von Ansamm - lungsapparaten verschiedener Capacität mit q, q', q″ etc. und die Vertheilungswiderstände derselben mit v, v ', v″ etc. bezeichnet, so ist nach dem aufgestellten Vertheilungsgesetze 〈…〉 und hieraus 〈…〉 .

Bezeichnet ferner Q die Ladung der als Cascaden-Batterie verbundenen Collectoren und V den zugehörigen Vertheilungs - widerstand dieser Batterie, so ist ferner 〈…〉 und 〈…〉 .

176

Der Vertheilungswiderstand sämmtlicher Collectoren besteht nun aus der Summe der Widerstände der einzelnen Es ist mithin 〈…〉 etc. (3) 〈…〉 etc. 〈…〉 etc.

Zur Prüfung der Richtigkeit dieser Formel für die Ladung der Cascaden-Batterie, liess ich drei meiner Glastafeln von 1 mm Dicke mit Belegungen verschiedener Grösse versehen. Die mit I bezeichnete Tafel erhielt auf beiden Seiten Belegungen, welche ein Quadrat von 20 cm Seitenlänge bildeten und sich genau gegenüberstanden. Die Belegungen der Tafel II hatte 14, die der Tafel III 10 cm Seitenlänge. Es wurde zuerst die Ladung der einzelnen Collectoren, dann die verschiedener, aus denselben ge - bildeten Cascaden-Batterien gemessen.

Die Tabelle VII B zeigt Versuche mit 3 andern Tafeln von 20, 18 und 15 cm Seitenlänge.

Tabelle VII. A.

Tabelle VII. B.

177

Columne 1 bezeichnet die einzeln oder cascadenförmig com - binirt geladenen Collectoren. Columne 3 giebt die beobachtete Flaschenladung q der einzelnen Collectoren und die beobachtete Gesammtladung der combinirten Batterien an. Columne 4 ent - hält die nach der Formel 〈…〉 berechneten Ladungen der combinirten Batterien. Die Differen - zen sind nicht allein durch Beobachtungsfehler zu erklären. Die berechneten Werthe sind sämmtlich etwas kleiner wie die beobach - teten, und zwar um so mehr, je mehr Collectoren combinirt waren. Es erklärt sich dies leicht daraus, dass die Ladung zwischen den Belegungen und den Zimmerwänden nicht in Rech - nung gezogen werden konnte.

Die Messung der Ladung von Condensatoren mit Belegun - gen verschiedener Grösse giebt Gelegenheit, den bisher noch unvollständig gelassenen Nachweis zu führen, dass die Ladung zweier Condensatoren von gleicher Glasdicke proportional der Grösse der Flächen ist, welche sich gegenüberstehen, vorausge - setzt dass der Einfluss der Vertheilung in krummen Linien an den Kanten berücksichtigt wird.

Tabelle VIII.

Columne 5 der vorstehenden Tabelle enthält für 6 Collec - toren von gleicher Glasdicke die Quotienten 〈…〉 . Wie der Augen - schein lehrt, sind die Unterschiede dieser Werthe noch ziemlich12178bedeutend. Die Differenzen sind zwar ziemlich beträchtlich, doch durch die Ungleichförmigkeit der Glasplatten und nament - lich die Vertheilung in krummen Linien zwischen den Kanten und zwischen den abgewendeten Flächen zu erklären.

Noch geeigneter als Plattencollectoren sind zur Bestätigung der aufgestellten Formel 〈…〉 für die Ladung der Cascaden-Batterie, Leydener Flaschen ver - schiedener Grösse und Flaschendrähte. In nachstehender Tabelle sind die mit solchen Batterien angestellten Versuche zusammen - gestellt.

Tabelle IX.

Die durch Zwischenräume getrennten Versuche sind zu ver - schiedenen Zeiten angestellt, mithin nicht direct vergleichbar. Die berechneten Werthe sind bis auf einen etwas kleiner als die beobachteten, wie zu erwarten war, da die Ladung der Zu -179 leitungsdrähte und der äusseren Belegungen der Flaschen mit den Zimmerwänden nicht berücksichtigt ist. Die Flaschen I bis VIII waren von verschiedenster Form und Glasstärke. Es wurden die Cascaden-Batterien immer durch leitende Verbindung der äusseren Belegung der einen Flasche mit dem Knopfe der nächsten gebildet. Sämmtliche Flaschen standen getrennt von einander auf einer Unterlage von Kautschuckhorn. Die mit A und B bezeichneten Flaschen bestanden aus je 1 mm dicken, 30 m langen Drähten, welche gleichzeitig mit Guttapercha um - presst waren. Der Querschnitt der Guttapercha bildete an - nähernd eine Ellipse. Die Axen der Kupferdrähte der Draht - flasche A waren 2,75 mm von einander entfernt, und die Durch - messer des Guttapercha-Ueberzuges waren 8 und 9 mm. Der Abstand der Drähte der Drahtflasche B war 4 mm und die Durch - messer der Guttapercha-Hülle 10 und 13 mm.

Ich habe derartige Doppeldrähte zu langen Unterseeleitungen in Vorschlag gebracht und werde später mehrfach auf dieselben zurückkommen.

Das Verhältniss der Ladung dieser Drahtflaschen kann zur weiteren Prüfung der Richtigkeit des Vertheilungsgesetzes dienen. Nach Kirchhoff1)Ann. Bd. 64, S. 497. ist der Leitungswiderstand zwischen zwei Kreisen in einer unbegrenzten Ebene 〈…〉 , wenn a der Abstand der Mittelpunkte der Kreise, r der Radius derselben und C eine Constante ist. Dieselbe Formel muss nun auch für den Vertheilungswiderstand Anwendung finden, es muss mithin 〈…〉 sein, wenn a und b die Abstände der Drähte und r ihr Radius ist. Nach Substituirung der Zahlenwerthe erhält man: 〈…〉 .

12*180

Die Gleichung ist mithin ziemlich vollständig erfüllt. Wenn man in Betracht zieht, dass die Drähte nicht vollständig parallel liegen, dass die Formel für den Leitungswiderstand nur eine Näherungsformel ist, und dass sie nur für den Fall der unbe - grenzten Ebene von überall gleicher Leitungsfähigkeit gültig ist, was hier nicht Anwendung findet, da der Vertheilungswider - stand der Guttapercha nur etwa halb so gross ist wie der der Luft, so erscheint die Differenz der beobachteten und berechne - ten Werthe sogar auffallend gering.

In der nebenstehenden Tabelle sind die Versuche zusammen - gestellt, welche ich über die Ladung von Flaschendrähten ver - schiedener Dimensionen angestellt habe. Es waren dies Draht - enden aus verschiedenen Fabricationsperioden, bei denen die Guttapercha theilweise schon durch Berührung mit der Luft etwas verändert war. Obgleich möglichst brauchbare Drähte ausgewählt wurden, so war die Concentricität des Drahtes und Ueberzuges doch bei allen mehr oder weniger unvollständig. Grosse Genauigkeit konnte mithin von diesen Versuchen nicht erwartet werden. Die Versuche wurden so angestellt, dass aus den zu untersuchenden Drähten Rollen von etwa 1 Fuss innerem Durchmesser gebildet, und diese in ein mit Wasser gefülltes metallenes Gefäss gelegt wurden. Das eine Drahtende ragte aus dem Wasser hervor, und das andere im Wasser befindliche war vorher durch Umklebung mit erwärmter Guttapercha isolirt. Der Draht ward mit der Zunge der Wippe verbunden. Die leitende Verbindung mit dem Wasser ward durch das Metallge - fäss bewirkt.

Columne 2 giebt die Länge l, Columne 3 den Radius des metallischen Drahtes, Columne 4 den Radius des überzogenen Drahtes. Columne 6 enthält die gemessene Ladung und Columne 7 die daraus berechnete Constante der später entwickelten Formel für die Ladung. Die durch einen Zwischenraum getrennten Ver - suche sind in verschiedenen Zeiten ausgeführt und nicht ver - gleichbar. Der Versuch No. 9 ward mit einem mit Blei um - pressten Draht von beträchtlicher Länge angestellt. Bei diesem bildete der Draht die innere, das Blei die äussere Belegung der Flasche. Da die Ladung dieses Drahtes durch die zu den übri - gen Messungen benutzte Daniell’sche Batterie von 54 Zellen181 Tabelle X.

nicht mehr gemessen werden konnte, so wurde eine Batterie von 18 Zellen benutzt, und der Sinus des gemessenen Winkels mit 3 multiplicirt. Die Differenzen sind zwar beträchtlich, doch durch die Beschaffenheit der untersuchten Drähte erklärlich.

Die Berechnung der Ladung der Flaschendrähte ist nach der Formel 〈…〉 ausgeführt.

Sie ergiebt sich aus der Gleichung 〈…〉 , wenn man sich die cylindrische Guttapercha-Hülle in eine sehr grosse Anzahl concentrischer Schichten getheilt denkt, und die Widerstände aller summirt.

Ist dx die Dicke eines solchen Hohlcylinders vom Radius x, so ist der Widerstand derselben 〈…〉 , wenn k die Vertheilungsfähigkeit der Guttapercha bezeichnet.

Mithin 〈…〉 182und (4) 〈…〉 1)Wm. Thomson hat auf anderem Wege für die Capacität der Längen - einheit eines Flaschendrahtes den Werth 〈…〉 gefunden. Da mir bis - her nur ein Auszug seiner Arbeit bekannt geworden ist, so vermag ich nicht anzugeben, weshalb die Constante (½ anstatt 2π) der Thomson’schen Formel von der meinigen verschieden ist.oder, wenn E unverändert bleibt 〈…〉 und 〈…〉 .

Wenn auch die Uebereinstimmung der hiernach berechneten Constanten nicht befriedigend ist, so ergiebt sich doch wenigstens mit Bestimmtheit daraus, dass die Vertheilung nicht dem Ge - setze der directen Anziehung folgt. Die Anziehung paralleler Linien, deren Länge unendlich oder wenigstens sehr gross gegen ihre Entfernung ist, steht in umgekehrtem Verhältniss ihrer Ent - fernung. Man kann sich nun den Mantel eines Cylinders, welcher einen dünnen Draht concentrisch umgiebt, in eine grosse Zahl schmaler Streifen zerlegt denken. Die Summe der Anziehung zwischen dem Draht und allen Streifen bildet die Summe der thätigen anziehenden Kräfte zwischen dem Cylinder-Mantel und dem Draht und müsste das Mass der Vertheilungsgrösse sein, wenn diese eine Wirkung der Anziehung in Distanz wäre. Da sich nun ein Cylindermantel von doppeltem[Durchmesser] in doppelt so viele Streifen von gleicher Breite theilen lässt, von denen jeder mit halb so grosser Kraft von der Axe angezogen wird, die Gesammtanziehung zwischen Axe und Mantel mithin un - abhängig vom Durchmesser des Cylinders ist, so müsste auch die Ladung zwischen beiden es sein, was offenbar nicht der Fall ist.

Die unvollständige Erfüllung der Gleichung 〈…〉 183ist theils in excentrischer Lage des Drahtes in der Guttapercha, grösstentheils aber darin zu suchen, dass die letztere selbst sehr verschiedenartig und bei vielen Drähten schon sehr zusammen - getrocknet und verharzt war. Es bildete sich dadurch ein mit Luft erfüllter Zwischenraum zwischen Draht und Guttapercha. Einige Drähte waren mit geschwefelter Guttapercha bekleidet. Die dem Kupfer zunächst liegenden Schichten dieser Guttapercha waren durch Aufnahme von Schwefelkupfer leitend geworden, wodurch der wirksame Durchmesser des Drahtes etwas vergrössert wird. Genaue Zahlenangaben waren mithin hier nicht zu er - warten.

In der nachstehenden Tabelle habe ich einige Versuche zu - sammengestellt, deren unerwartete Resultate für mich die erste Veranlassung zu der vorliegenden Arbeit waren. Ich hoffte die bei langen Unterseeleitungen so störenden Ladungen und die durch sie bewirkte Verzögerung des Stromes dadurch grössten - theils zu beseitigen, dass ich anstatt einfacher Leitungen und Benutzung der Erde als Rückleitung oder als Reservoir, wenn man diesen Ausdruck vorzieht, Doppeldrähte anwendete, welche in einer gemeinschaftlichen Guttapercha-Hülle liegen und einen ganz metallischen Kreislauf bilden. Da in diesem Fall die beiden Drähte in gleicher Entfernung von der Batterie gleich und ent - gegengesetzt elektrisch werden, so glaubte ich die auf der Ober - fläche der gemeinschaftlichen Guttapercha-Hülle auftretende In - fluenz-Elektricität müsse an allen denjenigen Punkten derselben gleich Null sein, die gleichweit von den gleich und entgegenge - setzt elektrisirten Drähten entfernt wären. Sie müsste dann an den übrigen Punkten proportional der Differenz der vertheilenden Wirkung der beiden Drähte, und die Ladung des ganzen Doppel - drahtes mithin sehr viel geringer sein, wie die eines einfachen Drahtes. Der Versuch lehrt nun aber, dass dies durchaus nicht der Fall ist. Es findet nicht nur keine Verminderung der Ladung im obigen Sinne statt, sondern im Gegentheil eine geringe Ver - grösserung derselben.

Die Messungen der nachstehenden Tabelle sind mit den be - schriebenen Doppeldrähten angestellt. Dieselben wurden in ein Gefäss mit Wasser getaucht, welches mit der Erde in leitender Verbindung war. Das eine Ende sämmtlicher Drähte war durch184 Umklebung mit erwärmter Guttapercha sorgfältig isolirt, das andere ragte aus dem Wasser hervor.

Columne 2 enthält die Zahl der Daniell’schen Zellen n, Co - lumne 3 die Bezeichnung der Drähte und der Verbindung der - selben. Die Ueberschrift I in dieser Columne bezeichnet den Doppeldraht mit 2,75 mm grossem, II den mit 4 mm grossem Abstand der Drähte von einander. Die arabischen Zahlen 1 und 2 bezeichnen die einzelnen Drähte eines Doppeldrahtes, das Zeichen ÷ zwischen zwei Drähten bedeutet, dass die Ladung zwischen den durch sie bezeichneten Drähten gemessen ist. Der Buchstabe T bezeichnet die Leitung zur Erde.

Durch 1 ÷ T ist mithin ausgedrückt, dass die Ladung zwischen Draht 1 und der äusseren leitenden und abgeleiteten Hülle der Guttapercha gemessen ist, 1 ÷ 2 dagegen bedeutet, dass die durch Einschaltung der Batterie zwischen Draht 1 und Draht 2 ohne jede Ableitung zur Erde bewirkte Ladung, (1 + 2) ÷ T endlich dass die Ladung zwischen den beiden ver - bundenen Drähten 1 und 2 und der Erde gemessen ist. Co - lumne 4 giebt die Ladung, Columne 6 das Mittel aus beiden auf die Ladung durch eine Zelle reducirten Messungen (s. Tab. XI).

Da bei der Ladung 1 ÷ 2 die Batterie direct zwischen die beiden Drähte eingeschaltet wird und keine Ableitung zur Erde existirt, so ist die elektrische Kraft beider Batteriepole gleich gross und halb so stark wie die elektrische Kraft des isolirten Pols derselben abgeleiteten Batterie. Die Ladung eines jeden Drahtes ist bei diesen Versuchen daher nur durch die halbe Zahl der an - gegebenen Zellen bewirkt. Dies wird noch anschaulicher, wenn man sich die Batterie in der Mitte zur Erde abgeleitet vorstellt. Werden die beiden Drähte dann gleichzeitig mit den beiden freien, entgegengesetzt elektrischen Batteriepolen verbunden, so muss die Ladung ganz eben so vor sich gehen, wie im vorlie - genden Falle. Um die Ladungen der verschiedenen Combina - tionen vergleichen zu können, müssen daher die Ladungen 1 ÷ 2 verdoppelt werden. Da diese Zahl grösser wird, wie die Ladung 1 ÷ T desselben Doppeldrahtes, so folgt daraus, dass keine Ver - minderung, sondern eine Vergrösserung der Ladung durch die Combination 1 ÷ 2 herbeigeführt ist. Nach der Molecularver - theilungstheorie ist dies auch ganz richtig. Jeder Punkt der185 Tabelle XI.

kleinen Axe der Ellipse, welche ein Querschnitt der Guttapercha bildet, ist gleichweit von den beiden gleich und entgegengesetzt elektrischen Drähten entfernt. Für den elektrischen Strom zwischen diesen Drähten ist die durch alle kleinen Axen gelegte Ebene daher als vollkommen abgeleitet zu betrachten, da nach dem Ohm’schen Spannungsgesetze die elektrische Kraft in der ganzen Ebene gleich 0 wird. Hieraus folgt unmittelbar, dass der Strom zwischen den beiden Drähten stärker sein müsse, wie zwischen einem Draht und der Peripherie der Guttapercha, wenn in beiden Fällen in den Drähten gleiche elektrische Kräfte auftreten. Nach dem aufgestellten Widerstandsgesetze der elektrostatischen Vertheilung muss nun dasselbe auch für die Ladung gelten.

Ich zweifle nicht daran, dass es einem geübteren Mathema - tiker gelingen wird, die Richtigkeit des aufgestellten Vertheilungs -186 gesetzes an allen in der Tabelle aufgeführten Messungen noch zu erweisen. Ich habe sie zu dem Zwecke und, weil ich im zweiten die Verzögerung des Stromes durch die Ladung behan - delnden Theile dieser Arbeit auf diese Messungen zurückkommen werde, hier vollständig mitgetheilt.

Schon vor einigen Jahren habe ich gefunden, dass auch lange, völlig isolirte oberirdische Telegraphenlinien durch die gal - vanische Batterie geladen werden. Es ist mir sogar mehrfach gelungen, durch die Grösse des Entladungsstromes die Lage des Ortes zu bestimmen, wo die Leitung zerrissen war. Zur ge - naueren Bestimmung der Capacität des aus einem oberirdischen Telegraphendrahte, und dem Erdboden gebildeten Ansammlungs - apparates, liess ich auf meinem Hofe einen Eisendraht von zwei englischen Linien Stärke und 120,85 m Länge aufhängen. Der Draht war in einem grossen Bogen ausgespannt, und befand sich in einer durchschnittlichen Höhe von 8 m über dem Erdboden. Die Befestigungspunkte waren sorgfältig isolirt, und das eine Ende direct zu meinem Instrumente geführt. Ich verglich nun die Ladung dieses Drahtes mit der eines Platten-Condensators von 1 mm Glasdicke und 2,25 dm Belegfläche. Ich erhielt folgendes Resultat:

Tabelle XII.

Hiernach hat ein oberirdischer Telegraphendraht von 1 m Länge dieselbe Flaschencapacität wie eine 1 mm dicke Glastafel mit 100 mm oder 0,00001 m Belegfläche, oder eine deutsche Meile Leitung entspricht einer Flasche von 1 mm Glasdicke und etwa 7,7 Fuss innerer Belegung.

Obschon die Höhe des Drahtes über dem Erdboden be -187 trächtlich grösser war, wie bei Telegraphenleitungen gebräuch - lich ist, so wird doch die Flaschencapacität bei diesen nicht viel grösser sein, da die Capacität meines Drahtes, durch hohe Ge - bäude und Bäume, welche in seiner Umgebung standen, nicht unwesentlich erhöht ist, und da überhaupt der Vertheilungswider - stand mit der grösseren Entfernung vom Boden nur wenig, d. i. im Verhältniss der Logarithmen der doppelten Höhe wächst, wenn dieselbe gross ist im Verhältniss zum Durchmesser des Drahtes. Man kann nämlich den Vertheilungswiderstand zwischen Draht und Erde nach der Kirchhoff’schen Widerstandsformel durch 〈…〉 ausdrücken, wenn h den Abstand des Drahtes von der Erde bezeichnet, woraus sich die Richtigkeit der obigen Annahme herleitet.

Von grosser Wichtigkeit ist die nachgewiesene, nicht unbe - deutende Ladung der in der freien Luft ausgespannten Drähte bei Beurtheilung der Resultate der Geschwindigkeitsmessung der Elektricität. Da ich den grossen verzögernden Einfluss der Ladung der Flaschendräthe auf die Strombildung in den ent - fernten Theilen derselben später ausführlich behandeln werde, so genügt es hier, nur darauf aufmerksam zu machen, dass die Verzögerung des Stromes in Flaschendrähten im Verhältnisse der Quadrate der Länge der Drähte steht. Es folgt dies schon aus der Betrachtung, dass die Zeit, welche nothwendig ist, um die in irgend einem Stücke des Drahtes zurückbleibende und zur Ladung desselben nach Massgabe der ihm nach dem Ohm - schen Gesetz zukommenden elektroskopischen Kraft verwen - deten Elektricitätsmenge an Ort und Stelle zu schaffen, sich direct wie die Elektricitätsmenge und umgekehrt wie der von ihr zu überwindende Widerstand verhalten muss. Da nun bei einem doppelt so langen Drahte sowohl die Quantität der in statische Anordnung übergehenden Elektricität, wie auch der mittlere zu überwindende Widerstand doppelt so gross ist, so folgt daraus unmittelbar, dass die Ladungszeit, nach deren voll - ständigem Verlauf der Strom am Ende des Drahtes erst auftreten188 kann, viermal so gross werden, mithin im Verhältniss der Qua - drate der Drahtlängen stehen muss. Die ausgeführten Messungen der Geschwindigkeit der Elektricitätsverbreitung in Drähten haben nun die Summe der durch die Ladung und durch die Bewegungs - geschwindigkeit der Elektricität bedingten Zeitverluste gemessen von denen der erstgenannte im Verhältniss der Quadrate, der zweite im einfachen Verhältnisse der Länge der benutzten Drähte steht. Es erklären sich hierdurch die grossen Verschiedenheiten der Zahlenangaben für die Geschwindigkeit. Sie mussten um so grösser ausfallen, je kürzer und dünner die Drähte waren, mit denen experimentirt wurde. Ausserdem ist es klar, dass die wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität sehr viel grösser sein muss, wie die gemessenen Werthe, vorausgesetzt natürlich die Richtigkeit der Messungen. Es scheint sogar wahrscheinlich, dass die beobachteten Zeitunterschiede nur der Ladung der Drähte zuzuschreiben sind.

Da es nicht möglich ist, Leitungen herzustellen, bei welchen keine Flaschenladung stattfindet, so behandelt die Frage der Geschwindigkeit der Stromverbreitung stets nur einen ideellen Fall, dessen Bedingungen sich nie erfüllen lassen. Der einzige Fall, in welchem die elektrostatische Induction auf die Umge - bungen eines Drahtes in der That verschwindend klein ist, ist der, wenn derselbe spiralförmig aufgewunden ist; es tritt dann aber dafür die elektrostatische Induction der ungleich elektrischen Windungen auf sich selbst und ausserdem die elektrodynamische Induction auf, wodurch auch dieser Fall für Geschwindigkeits - messungen unbrauchbar wird. Messungen der Bewegungsge - schwindigkeit der Elektricität selbst würden sich daher nur so ausführen lassen, dass man die Verzögerung des Stromes in ver - schiedenen Entfernungen von der Batterie misst, und aus der so gebildeten Reihe die Werthe für die Ladungszeit und die Geschwindigkeit der Elektricität ableitet.

Es führen diese Betrachtungen zu der Frage, worin die auf der Oberfläche der Conductoren angesammelte sogenannte freie Elektricität eigentlich besteht, und worin sie von der Ladungs - oder sogenannten gebundenen Elektricität verschie - den ist.

Faraday hat bekanntlich die Ansicht aufgestellt, dass die189 sogenannte freie Elektricität, oder gebundene oder Flaschen - elektricität identisch sind, und dass bei ersterer die Zimmerwände die äussere Belegung der Flasche bilden.

Das Vertheilungsgesetz bietet ein Mittel die Richtigkeit dieser Ansicht zu prüfen. Der Vertheilungswiderstand d V einer sehr dünnen Hohlkugel, deren Wandstärke gleich d x und deren Radius gleich x ist, ist 〈…〉 unter k der Vertheilungscoëfficient des Materials der Hohlkugel verstanden. Der Gesammtwiderstand aller auf einanderfolgenden Hohlkugeln ist dann 〈…〉 .

Das Integral zwischen x = R und x = r genommen giebt 〈…〉 .

Es ist also 〈…〉 und (5) 〈…〉 .

Der Ausdruck k 〈…〉 ist mithin die von Riess sogenannte Verstärkungszahl der Flasche vom inneren Radius r und dem äusseren R, wofür man bei Kugelflaschen allgemein den Ausdruck Capacität gebrauchen kann.

Sind R und r sehr wenig verschieden und setzt man: 〈…〉 und 〈…〉 , so geht obige Gleichung in 〈…〉 über, welche mit der von Poisson für den speciellen Fall, dass die Glasdicke gegen den Radius der kleinsten Krümmung sehr klein ist, entwickelten Formel identisch ist.

190

Ein in einem Zimmer von gewöhnlichen Dimensionen auf - gestellter Conductor wird hinsichtlich der Capacität der Flasche, die er mit den Zimmerwänden und dem Fussboden bildet, ohne sehr grossen Fehler als im Centrum einer Hohlkugel von 3 m Radius befindlich betrachtet werden können. Ist der Conductor eine Kugel von 0,15 m Durchmesser, so ist seine Capacität, da k hier gleich 1 ist, nach Gl. (5) 〈…〉 .

Die Capacität einer innen und aussen belegten Glaskugel von 0,15 m innerem Durchmesser und 2 mm Glasdicke ist da - gegen, wenn k = 2 gesetzt wird: 〈…〉 .

Das Verhältniss der Capacitäten beider Flaschen ist mithin: 1: 160.

Versuche die ich mit einer innen mit Spiegelbelegung versehenen Glaskugel anstellte, entsprachen diesem Verhältniss mit hinreichender Genauigkeit. Frei im Zimmer aufgehängt gab die Kugel mit einer abgeleiteten Batterie von 54 Daniell’schen Zellen eine Ablenkung von 0,3°, während dieselbe Kugel in Wasser eine Ablenkung von 52° gab. Bei der Unsicherheit der Abschätzung der mittleren Entfernung der Zimmerwände, so wie namentlich der mittleren Dicke des Glases ist diese Ueber - einstimmung grösser als erwartet werden konnte.

In statischer Anordnung auf der Oberfläche eines Körpers befindliche Elektricität kann daher stets als gebunden, latent, oder durch entgegengesetzte Elektricität auf anderen benachbarten Körpern beschäftigt betrachtet werden, und ein Unterschied zwischen beiden Elektricitätsarten ist nur im Standpunkte des Beobachters, ob in oder ausserhalb des thätigen Dielectricums, zu finden.

Vergleicht man nach der Formel (5) die Ladung oder Elek - tricitätsmenge Q und Q' zweier Kugelconductoren von verschie - dener Grösse, so ist: 〈…〉 (6) 〈…〉 .

191

Die Elektricitätsmenge, welche durch gleiche elektrische Kräfte auf zwei in gleichen Räumen befindliche Kugelconductoren von verschiedener Grösse angehäuft wird, verhält sich daher nicht wie die Oberfläche derselben, sondern die Flächeneinheit der kleinen Kugel enthält mehr Elektricität, wie die der grossen, oder mit anderen Worten:

Die Dichtigkeit der Elektricität der kleinen Kugel ist grösser als die Dichtigkeit der Elektricität der grossen.

Bezeichnet F die Oberfläche der Kugelconductoren, so ist 〈…〉 die Dichtigkeit.

Es ist dann: 〈…〉 und wenn R sehr gross gegen r ist: (7) 〈…〉 .

Die Dichtigkeiten zweier in sehr grossen Räumen befindlichen Kugelconductoren, welche so weit von einander entfernt sind, dass sie keine merkbare Influenz auf einander ausüben, verhalten sich daher umgekehrt wie die Durchmesser der Kugeln.

Es erklärt sich dies dadurch, dass der Vertheilungswider - stand hauptsächlich, in den den Kugeln zunächst liegenden Schichten des Dielectricums zu suchen ist. Je kleiner nun der Krümmungshalbmesser einer Fläche ist, desto schneller nehmen die aufeinander folgenden concentrischen Schichten an Ausdehung zu, mithin an Widerstand ab. Der auf die Flächeneinheit redu - cirte Vertheilungswiderstand ist daher bei der kleinen Kugel ge - ringer, wie bei der grossen, obschon der Abstand der Fläche der kleinen von der Umgrenzung des Zimmers grösser ist.

Ich habe noch nicht durch Versuche feststellen können, ob das durch die Gleichung (7) gegebene Verhältniss der Dichtigkeit der Elektricität auf der Oberfläche kugelförmiger Conductoren von verschiedener Grösse sich bestätigt. Ebensowenig sind mir Versuche mit Reibungselektricität bekannt, an denen direct ge - prüft werden könnte, ob dies Verhältniss mit dem Experiment übereinstimmt. Dagegen bietet der Ausdruck für die Ladung der Flaschendrähte hierzu sehr gute Anhaltspunkte. Nach Gleichung (4) ist:192 〈…〉 .

Man kann sich nun einen im Zimmer ausgespannten Draht vom Radius r als von einem leitenden Cylindermantel umgeben denken und die Elektricitätsmenge Q gleich der Flaschenladung zwischen dem inneren und äusseren Cylinder nach dieser Formel bestimmen. Die Dichtigkeit d der Elektricität auf der Oberfläche des inneren Cylinders ist dann: 〈…〉 d. i. die Elektricitätsmenge dividirt durch die Fläche.

Es ist mithin (8) 〈…〉 .

Setzt man nun R = 5 Fuss und substituirt für r nach ein - ander die Radien 1″, ½″, 1 / 12″, so erhält man: 〈…〉

In nachstehender Tabelle sind diese Werthe mit denen zu - sammengestellt, die Coulomb für die Dichtigkeit gleich dicker, durch Ansetzen an eine 8 zöllige Kugel elektrisirter Drähte an - giebt1)Riess, Lehrbuch der Elektricität Bd. I S. 174..

Tabelle XIII.

Die Berechnung stimmt mit der Beobachtung genauer wie zu erwarten überein, wenn man bedenkt, dass die Substitution193 eines cylindrischen und concentrischen Zimmers nur auf Schätzng beruht und weder der Einfluss der grösseren Dichtigkeit der Drahtenden, noch die Erschöpflichkeit der von Coulomb be - nutzten Elektricitätsquelle, d. i. einer elektrisirten 8zölligen Kugel in Rechnung gezogen ist.

Nach Gleichung 7 und 8 verhält sich die Dichtigkeit D der Kugel zu der Dichtigkeit d des angesetzten Cylinders: 〈…〉

Für r den Radius der von Coulomb benutzten 8zölligen Kugel, für r 'den Cylinder-Radius 1 und für R wie oben 60 ge - setzt, erhält man D: d = 1: 0,977, während Coulomb das Ver - hältniss 1: 1,28 fand. Es scheint hiernach R für Coulomb’s Ver - suche zu gross gewählt zu sein. Nimmt man für R 37 Zoll als die wahrscheinliche Entfernung seines Cylinders vom Fussboden, so erhält man 〈…〉

Je kleiner in der Formel 〈…〉 der Radius r wird, desto kleiner wird der Nenner des Bruches, desto grösser mithin die Dichtigkeit. Wird r verschwindend klein, so wird d = . Hieraus folgt, dass die Dichtigkeit der Elektri - cität einer vollkommenen Spitze unendlich gross wird.

Es werden diese Beispiele ausreichend sein, um zu zeigen, dass Faraday’s Vermuthung, dass freie statische Elektricität, wo und in welcher Form sie auch auftritt, stets vermittels eines Di - electricums in materieller Wechselwirkung mit einer gleichen Quantität entgegengesetzter Elektricität steht, allem Anschein nach nicht mit Thatsachen wenn auch mit manchen sehr sinnreichen und bisher allgemein anerkannten Theorien in Widerspruch steht. Durch den Nachweis, dass die freie Elektricität und Flaschenelektri - cität als identisch betrachtet werden können, und dass die Anord - nung der Elektricität auf der Oberfläche der Conductoren in einigen13194wichtigen Fällen auch bei Elektricität hoher Spannung durch das nothwendige Gesetz der Molecularvertheilung begründet wird, ist die Frage berechtigt, ob die statische Anordnung der Elektricität auf der Oberfläche der Leiter nicht ausschliesslich als Folge der Molecularvertheilung aufgefasst werden kann.

Ich wage nicht diese wichtige Frage unbedingt zu bejahen, kann es auch nicht unternehmen, alle von der Form der Con - ductoren und ihrer gegenseitigen Influenz abhängigen Dichtig - keitsverhältnisse als durch das Gesetz der Molecularvertheilung bedingt[nachzuweisen], da mich dies weit über die Grenzen hin - ausführen würde, die ich der Ausdehnung der vorliegenden Arbeit stecken musste, glaubte jedoch durch die mitgetheilten Resultate berechtigt zu sein, diese Ansicht so lange für begründet zu er - klären, bis der Nachweis des Gegentheils geführt ist.

Es ist nicht anzunehmen, dass zwei von einander unab - hängige Ursachen die Dichtigkeit der Elektricität auf der Ober - fläche der Körper bedingen, von denen jede in einzelnen Fällen nicht nur die ganze Erscheinung erklärt, sondern sogar noth - wendig bedingt. Ist daher die Ansicht Faraday’s dass die elektro - statische Induction oder Vertheilung ausschliesslich eine Molecu - larwirkung, keine Folge der directen Anziehung und Abstossung der elektrischen Fluida ist, richtig und nach den vorliegen - den Versuchen scheint mir kaum noch ein Zweifel darüber zu - lässig so ist dieselbe auch die Ursache der Verschiedenheit der Dichtigkeit der Elektricität auf der Oberfläche leitender, elektrisirter Körper. Es kann daher die Kraft, mit welcher zwei elektrisirte Körper sich erfahrungsmässig anziehen, resp. abstossen, nicht gleichzeitig die erste Ursache der ungleichen Verbreitung der Elektricität auf der Oberfläche der Körper sein, oder mit anderen Worten: Die Anziehung und Abstossung ist nicht eine Eigen - schaft der elektrischen Fluida, sondern der elektrisirten Materie.

Poisson begründet seine Berechnungen der Dichtigkeit der Elektricität wesentlich auf die von ihm als nothwendig ange - nommene Bedingung, dass die Resultante aller anziehenden Wir - kungen der auf der Oberfläche eines Körpers befindlichen Elektri - cität für jeden beliebigen Punkt im Innern gleich 0 sein müsse, da anderenfalls eine Zerlegung der natürlichen Elektricität dieses Punktes und dadurch eine Störung des angenommenen Gleich -195 gewichtes eintreten müsse. Ist jedoch die Vertheilung ausschliess - lich eine Molecularwirkung des thätigen Dielectricums, so kann gar keine Zerlegung im Innern des Leiters durch Anziehungs - wirkung eintreten. Die erste Grundbedingung der Poisson’schen Rechnungen fällt daher fort. Wahrscheinlich wird sich die zweite Bedingung, dass die freie Oberfläche der elektrischen Schicht eine Gleichgewichtsfläche sein müsse , aus dem Mole - cularvertheilungsgesetz herleiten lassen wodurch der Wider - spruch zwischen beiden Theorien beseitigt würde.

Eine weitere Consequenz der Faraday’schen Theorie ist die gänzliche Verschiedenheit der Begriffe elektrische Kraft oder Spannkraft und Dichtigkeit der Elektricität. Es zeigt sich diese Verschiedenheit am klarsten in der als richtig erwiesenen An - schauung, dass die Elektricitätsmenge jedes Flächenelements als durch einen elektrischen Strom von bestimmter kurzer Dauer durch das leitend gedachte Dielectricum hindurch entstanden gedacht werden kann. Die Dichtigkeit oder die Elektricitäts - menge der Flächeneinheit entspricht daher der Stromstärke, nicht der elektromotorischen Kraft des Ohm’schen Gesetzes. Hiermit steht in scheinbarem Widerspruch, dass die Ausströmung und die Schlagweite der Elektricität, welche wir als unmittelbare Spannungserscheinungen zu betrachten gewöhnt sind, offenbar im Verhältniss der Dichtigkeit stehen. Der von Licht - und Wärme - entwickelung begleitete Entladungsvorgang ist aber offenbar keine statische, sondern eine Bewegungserscheinung und von diesem Standpunkt aus zu betrachten.

Wenn man zwei dünne Glas - und Glimmerplatten einseitig mit Stanniol belegt und die nicht belegten Seiten so aufeinander legt, dass ein lufterfüllter Zwischenraum von geringer aber gleich - mässiger Dicke sich zwischen ihnen befindet, so erhält man be - kanntlich eine Lichterscheinung in dem ganzen lufterfüllten Raume, wenn man den so gebildeten Collector durch eine hinlänglich geladene Leydner Flasche ladet. Diese Lichterscheinung wieder - holt sich bei der Entladung des Collectors. Das Leuchten des Luftraums tritt nicht ein, wenn die Flasche sehr schwach geladen ist. Es beginnt bei einer ganz bestimmten Ladung und ver - stärkt sich von diesem Punkte an mit der Vergrösserung der Ladung der Flasche.

13*196

Es liegt nahe, aus dieser Erscheinung den Schluss zu ziehen, dass die elektrische Polarisation der Molecüle eines Dielectricums, als welche wir die Molecularvertheilung betrachten müssen, ein bestimmtes, von der Natur und Dichtigkeit des Körpers abhän - giges Maximum nicht überschreiten kann, und dass ein Spannungs - oder Polarisations-Ueberschuss durch eine von Licht - und Wärme - entwickelung oder chemischer Action begleitete Bewegungser - scheinung noch unbekannter Natur ausgeglichen oder übertragen wird. Gesetzt, der Gesammtvertheilungswiderstand des Glases wäre gleich dem des Luftraumes zwischen den Glastafeln und die elektrische Kraft E wäre so gewählt, dass das Vertheilungs - maximum der Luft gerade erreicht wäre, so wäre, wenn v den Vertheilungswiderstand der Glasmasse bezeichnet, 〈…〉

Wird nun die wirksame elektrische Kraft E verdoppelt, so würde die Ladung 〈…〉 sein, wenn das Vertheilungsmaximum des Luftraumes nicht über - schritten wäre. Da dies nun aber nach der Voraussetzung schon bei der Hälfte dieser Ladung der Fall ist, so kann man sich die Ladung in zwei Theile zerlegt denken, von denen der eine gleich 〈…〉 , der andere durch 〈…〉 ausgedrückt werden kann, indem der Vertheilungswiderstand der Luftschicht für den zweiten Theil fortfällt. Es wird mithin die wirkliche Ladung des Collectors 〈…〉 sein.

Der Entladungsvorgang im lufterfüllten Raume muss daher gleich 〈…〉 sein. Das Arbeitsaequivalent dieser Ent - ladung im Innern des Dielectricums muss als Licht, Wärme oder Veränderung der Gruppirung der Körpermolecüle, d. i. als chemische Action, auftreten. Im vorliegenden Falle findet gleich - zeitig mit der Licht - und Wärmeentwickelung eine Umwandlung des Sauerstoffs der Luft in Ozon1)Ich habe diese Erscheinung zur Construction eines Apparates be - nutzt, der die Ozonisirung des Sauerstoffs durch inducirte Ströme bezweckt. statt.

197

Wären die inneren, durch Luft getrennten Glasflächen leitend, so würde nur in dem Falle eine ganz gleiche, den ganzen lufterfüllten Raum erfüllende Entladung zwischen denselben ein - treten, wenn die Flächen absolut eben und parallel und die Dichtigkeit der Luft überall vollkommen gleich wäre. Anderen - falls würde die Entladung zuerst an den Stellen beginnen, die einander am nächsten oder deren elektrische Dichtigkeit am grössten wäre. Da durch die, die Entladung begleitende Erwärmung die von ihr ergriffene Luft verdünnt und ihr Vertheilungs - maximum dadurch progressiv vermindert wird, so muss sich jetzt die ganze Entladung da be - werkstelligen, wo sie einmal begonnen hat; es wird mithin anstatt einer allgemeinen Lichter - scheinung eine auf einen kleinen Raum be - schränkte ein elektrischer Funke auf - treten.

Fig. 25.

1)Zwei Glasröhren aus möglichst dünnem Glase, von denen die eine an einem Ende geschlossen und etwas enger ist, wie die andere, werden so in einander ge - setzt, dass der ringförmige Zwischenraum zwischen beiden Röhren überall gleich dick ist. Beide Röhren werden darauf an einem Ende zusammengeschmolzen und das äussere Rohr mit einem zum ringförmigen Raume führenden Ansatzrohr versehen. Das andere Ende des äusseren Rohres wird zu einem dünnen Rohre ausgezogen. Fig. 25 zeigt diesen Apparat in Auf - und Grundriss. Es wird hierdurch ein Glasrohr mit hohlen Wänden gebildet, deren Höhlungen durch zwei möglichst von einander entfernte Ansatzröhren in Verbindung mit der äusseren Luft stehen. Ist nun die äussere und[innere] Oberfläche des Glasrohrs mit einer metallischen Belegung versehen und werden die Draht - enden der secundären Spirale eines kräftigen Inductions - apparates mit Wagner’schem Hammer mit demselben leitend verbunden, so beginnt der Zwischenraum zwischen den Glasröhren zu leuchten und die in ihm befindliche Luft wird ozonisirt. Durch Hineinblasen in das eine An - satzrohr kann man die Luft leicht wechseln und auf diese Weise schnell grosse Mengen ozonisirter Luft erhalten.

198

Dem analog kann man sich die Entladung eines Ansamm - lungsapparates mithin auch eines Conductors durch Ausstrahlungs - oder Entladungsfunken überall vorstellen. Eine an einem Con - ductor befindliche vollkommene Spitze muss stets ausströmen , da die Dichtigkeit der Elektricität der Spitze unendlich gross ist, mithin bei den nächsten Luftschichten das Vertheilungs - maximum jedenfalls überschritten wird. Der Büschel , d. i. die Entladungssphäre, wird sich so weit ausdehnen, bis in Folge der Erweiterung der Begrenzungsflächen des Büschels die Ueberschreitung des Vertheilungs - oder Polarisationsmaximums der Luft nicht mehr stattfindet.

Nähert man dagegen einem geladenen Conductor eine ab - geleitete Kugel, so wird die Entladung beginnen, wenn bei der mit der Annäherung der Kugel schnell wachsenden Ladung zwischen Kugel und Conductor die Grenze des Polarisations - maximums der die Punkte grösster Dichtigkeit umgebenden Luft - schichten überschritten wird. Dadurch, dass in diesem der Ent - ladungsvorgang eintritt, wird die Luft erwärmt und verdünnt, und hierdurch das Polarisationsmaximum derselben progressiv vermindert. Die Entladung muss daher die entfernten, am stärksten polarisirten Lufttheile angreifen und sogleich eine voll - ständige werden und dabei auf eine geringe räumliche Ausdehnung beschränkt bleiben.

Wenn durch diese Auffassung des Entladungsvorganges auch noch nicht alle Erscheinungen genügend erklärt werden, so zeigt sie doch, dass die Thatsache, dass die Entladung durch Funken oder Büschel von der Dichtigkeit, nicht von der elektrischen Kraft abhängt, der Molecularvertheilungstheorie nicht wider - spricht.

Es liegt nicht in meiner Absicht, auf die im Obigen weiter entwickelte Theorie der elektrostatischen Molecularinduction eine allgemeine elektrische Theorie zu begründen, da ich glaube, dass die Experimental-Untersuchungen hierzu noch nicht voll - ständig genug sind. Ich will nur schliesslich noch darauf aufmerksam machen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass der Sitz der Elektricität von den Leitern in die sie umgebenden Nichtleiter zu verlegen und sie selbst als eine elektrische Polari - sation der Molecüle der letzteren zu definiren ist. Die Leiter199 würden dann als nicht polarisirte Räume im elektrisch polari - sirten Medium mit der Eigenschaft, die Polarisation ihrer Umge - bung von einem Punkte ihrer Grenzfläche zu jedem anderen übertragen zu können, aufzufassen sein. Nimmt man an, dass der Vertheilungscoëfficient der Leiter sehr gross gegen den der Nichtleiter und proportional ihrer Leitungsfähigkeit, das Ver - theilungsmaximum derselben dagegen verschwindend klein ist so scheinen alle Bedingungen zur Erklärung der Erscheinungen des elektrischen Stromes wie auch der Anziehung und Abstossung erfüllt zu werden.

[200][201]

Der Inductions-Schreibtelegraph von Siemens & Halske.

(Organ f. Fortschr. d. Eisenbahnwesens Bd. 12, u. Zeitschr. d. deutsch-österreichischen Telegraphen - vereins Bd. 4.)

1857.

1. Bestandtheile des Apparates.

Unser Inductions-Schreibtelegraph besteht aus folgenden Theilen:

  • 1. aus dem Schreibapparate, welcher ganz derselbe, wie bei den gewöhnlichen Morse’schen Apparaten ist,
  • 2. aus dem Relais (Uebertrager), welches so construirt ist, dass der Contacthebel am Contacte oder am isolirten An - schlage liegen bleibt, wenn die eine oder die andere Lage mechanisch herbeigeführt ist,
  • 3. aus dem Inductor, welcher die kurzen inducirten Ströme liefert, und
  • 4. aus dem Taster, welcher sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, dass er einen Contact mehr besitzt.

2. Beschreibung und Gebrauch des Apparates.

Das Relais dieses Apparates wird durch kurze inducirte Ströme von wechselnder Richtung in Bewegung gesetzt. Zu diesem Ende befinden sich die Polenden des in seiner Hülle drehbaren Elektromagneten zwischen den entgegengesetzten Polen zweier Stahlmagnete, welche so eingestellt werden, dass beide eine gleich starke Anziehung auf den als Anker dienenden Elektromagneten ausüben.

Geht nun ein Strom durch die Leitung und Relaiswindungen,202 so werden die Pole des Elektromagneten von dem einen Stahl - magneten angezogen und von dem anderen abgestossen, und der Anker geht zum Contacte; folgt sodann ein Strom von entgegen - gesetzter Richtung, so kehrt sich Anzug und Abstossung um, und der Anker kehrt zum isolirten Anschlage zurück.

Die momentanen Ströme von gleicher und entgegengesetzter Richtung werden mittels des Inductors auf folgende Weise erzeugt:

Der Eisenkern desselben ist mit einer aus stärkerem Drahte bestehenden primären und darüber mit einer secundären Spirale umwunden. Wird nun der Strom der gewöhnlichen Localbatterie mittels Niederdrücken des Tasters durch die primären Win - dungen geleitet, so ruft derselbe in dem weichen Eisenkerne einen starken Magnetismus und hierdurch in der secundären Spirale einen kräftigen Inductionsstrom hervor, welcher letztere die Leitung und alle eingeschalteten Relais durchläuft. Beim Unterbrechen des in der primären Spirale circulirenden Stromes, durch Loslassen des Tasters, entsteht in der secundären, mithin auch in der Leitung, ein zweiter gleichstarker Strom von ent - gegengesetzter Richtung, welcher ebenfalls die Leitung mit den eingeschalteten Relais durchläuft.

Durch den ersten, durch Niederdrücken des Tasters erzeug - ten Strom werden sämmtliche eingeschaltete Relais veranlasst, die Contacte der Schreibmagnete zu schliessen und die Striche auf dem Papiere zu beginnen; durch den beim Loslassen des Tasters entstehenden entgegengesetzten Strom wird die Ruhe - stellung der Relais wieder hergestellt und die Striche hören auf. Die Länge der Striche ist mithin, ganz wie bei dem gewöhnlichen Morse, von der Dauer des Niederdrückens des Tasters abhängig, die Art des Telegraphirens mithin ganz unverändert.

3. Vortheile.

Die Vortheile, welche unsere Inductionstelegraphen bieten, bestehen:

  • 1. in gänzlicher Ersparniss der Linienbatterien. Da die Lo - calbatterie, welche unverändert beibehalten werden muss, nur beim Empfange der Schrift zum Schreiben benutzt wird, so bleibt sie zur Erzeugung der primären Ströme beim Geben disponibel. Man braucht daher bei Anwendung des203 Inductionsapparates nur für die 2 bis 4 Elemente der Schreibbatterie Sorge zu tragen.
  • 2. Alle Aenderungen der Relaisstellung bei veränderten Strömen und beim Wechsel der Entfernung fallen fort, da nur eine richtige Relaisstellung existirt, diese mithin für jede Strom - stärke dieselbe bleibt.
  • 3. Man kann das Relais richtig und möglichst empfindlich einstellen, ohne Zeichen von der andern Station zu em - pfangen. Galvanometer werden daher ganz nutzlos, da das Relais selbst immer richtig steht und an Empfindlichkeit die gebräuchlichen Galvanometer weit übertrifft.
  • 4. Man kann mit unserem Inductionstelegraphen auf weit grössere Entfernungen und bei weit schlechterer Isolation der Leitung sprechen. Es erklärt sich dies dadurch, dass die kurzen Strömungen kräftiger sind und einer sehr grossen Batterie entsprechen, während die Relais im Gegentheil schon von viel schwächeren Strömungen angesprochen werden, da die magnetische Kraft keine Federspannung zu über - winden hat. Beim gewöhnlichen Morse’schen Apparate kann man ferner aus dem Grunde nicht auf sehr weite Strecken mit Sicherheit sprechen, weil die Ströme zu veränderlich wer - den, mithin stets veränderte Federstellung des Relais be - dingen. Bei den Inductionsrelais fällt aber jeder Nachtheil ver - änderlicher Ströme fort.
  • 5. Als ein wesentlicher Vortheil lässt sich endlich noch an - führen, dass die neuen Apparate ohne alle Störung mit den bestehenden sich combiniren lassen; sie können sowohl Schrift an dieselben geben, wie von denselben empfangen, sowie mit einem alten zusammen als Translator benutzt werden.

Hierdurch wird der Uebergang von einem Systeme zum andern sehr wesentlich erleichtert.

4. Kostenpunkt.

Schreibapparat, Relais und Schlüssel dieses Apparates können fast um den nämlichen Preis wie beim Morse’schen Apparate204 geliefert werden. Es kommt dann nur noch der Inductor hinzu, wogegen aber die Linienbatterie und das Galvanoskop wegfallen.

Der Preis des Inductors richtet sich nach der Entfernung, welche direct durchsprochen werden soll. Beträgt diese gegen 20 bis 30 Meilen, so wird hierfür ein Inductor etwa 30 Thaler, für 100 Meilen aber 80 Thaler kosten.

Die durch die Inductoren veranlassten Mehrkosten werden durch die ersparten Batterien in kurzer Zeit ausgeglichen. Dass also durch die Anwendung unseres neuen Apparates, bei ver - mehrter Sicherheit des Ganges der Apparate, auch noch eine bedeutende Oekonomie erzielt wird, bedarf keines weiteren Be - weises.

Es sind bereits solche Apparate auf russischen, bayerischen und hannoverschen Linien in Thätigkeit und haben sich dieselben als vorzüglich bewährt. Es wurde dabei auf eine Entfernung von 200 Meilen direct ohne Translation mit Sicherheit gesprochen.

Der Preis eines solchen Apparates für die Zwecke des Eisen - bahnbetriebes stellt sich folgendermassen:

[205]

Constantes galvanisches Element.

(Auszug aus Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. 108 S. 608.)

1859.

Eine andere Batterie zu praktischen Zwecken, eine Ab - änderung der Daniell’schen, ist kürzlich von den HH. Siemens und Halske beschrieben worden. Die nebenstehende Figur zeigt ein Element derselben im senkrechten Durchschnitt. a ist das Glasgefäss, b ein unten etwas ausgeweitetes Glas - rohr, c ein senkrecht stehender, in mehreren Schneckenwindungen ge - bogener Streifen Kupferblech, d ein an demselben befestigter Draht, e eine dünne Pappscheibe, f das Diaphragma und g ein Zinkring mit Klemme.

Das Diaphragma besteht aus der durch concentrirte Schwefelsäure um - gewandelten Pflanzenfaser, welche, nach den HH. Verfassern, die Eigen - schaft besitzt, die Vermischung der beiden Flüssigkeiten dieser Säule voll - ständig zu verhindern, so dass sie monatelang constant bleibt, und kei - nen chemischen Verbrauch von Kupfer - vitriol und Zink zulässt. Zur Berei -

Fig. 26.

tung dieses Diaphragmas wird die aus der Papierfabrik bezogene Papiermasse gut ausgepresst, mit einem Viertel ihres Gewichts an englischer Schwefelsäure übergossen und so lange umgerührt, bis die ganze Masse eine homogene klebrige Structur angenommen206 hat. Darauf wird sie mit etwa der vierfachen Menge Wasser bearbeitet und sodann in einer Presse unter starkem Druck von dem überflüssigen sauren Wasser befreit, und zu ringförmigen Scheiben geformt, welche den Zwischenraum zwischen den Glas - wänden ausfüllen.

Sollen solche Elemente benutzt werden, so wird der innere Glascylinder mit Kupfervitriolkrystallen gefüllt, darauf Wasser hineingegossen und ebenso der ringförmige Zwischenraum mit Wasser gefüllt, dem bei der ersten Füllung etwas Säure oder Kochsalz zugesetzt wird. Man hat später nur darauf zu sehen, dass der innere Glascylinder immer mit Kupfervitriolstücken ge - füllt erhalten und das Wasser im äusseren Gefäss von Zeit zu Zeit erneut werde, damit es den durch den Strom gebildeten Zinkvitriol stets gelöst halten könne. Die zur Bildung des Zinkvitriols nöthige Schwefelsäure wird durch den Strom selbst durch das Diaphragma hin transportirt und somit gleichzeitig die aus dem zersetzten Kupfervitriol frei werdende Schwefelsäure entfernt. Dies ist von grosser Wichtigkeit, weil sonst die Kupfervitriollösung zu viel freie Schwefelsäure enthalten und dadurch die Löslichkeit des Kupfervitriols sehr vermindert würde. Nach den seit etwa 6 Monaten an solchen Batterien gemachten Erfahrungen ist die Wirkung derselben eine ausserordentlich constante; man kann sie, ohne Beeinträchtigung ihrer Wirkung, monatelang stehen lassen, wenn man nur Sorge trägt, dass immer Kupfervitriol im Glasrohr sichtbar ist, und das verdunstete Wasser ersetzt wird. Doch thut man wohl, etwa alle 14 Tage die Bat - terie auseinander zu nehmen, den Zinkcylinder vollständig zu reinigen, die Flüssigkeit abzugiessen und durch reines Wasser zu ersetzen. Ist der benutzte Kupfervitriol sehr eisenhaltig, so thut man wohl, die Elemente ganz umzukehren, damit auch die unter dem Diaphragma befindliche Kupferlösung, die dann sehr eisenhaltig ist, entfernt werde. Die Zinkringe dürfen nicht ver - quickt werden. Um die im Zink enthaltenen fremden Metalle, welche ungelöst zurückbleiben, von der Papiermasse getrennt zu halten, bedeckt man diese mit einem Ringe h von irgend einem lockeren Gewebe, welcher bei Reinigung der Batterie durch einen neuen ersetzt wird. Man kann denselben durch verdünnte Sal - petersäure, welche die ungelöst gebliebenen Metalle auflöst, leicht207 wieder brauchbar machen. Bei erneuter Füllung mit Wasser hat man darauf zu achten, dass sich der Raum unter dem Diaphragma vollständig mit Wasser anfülle. Zeigen sich Luftblasen, so lassen sich dieselben leicht durch Neigung des Glases entfernen. Der Widerstand derartiger Elemente ist nicht viel grösser als der von den gebräuchlichen kleinen Daniell’schen Elementen mit hart gebrannten Thonzellen. Sie eignen sich daher zu allen Linien - batterien, haben dagegen als Localbatterien in der Regel zu grossen Widerstand (Zeitschr. d. deutsch-österreich. Telegraphen - Vereins 1859).

[208][209]

Der magneto-elektrische Zeiger-Telegraph von Siemens & Halske.

(Dingler’s polytechnisches Journal Bd. 151 S. 377.)

1859.

Die Polenden eines in seiner Hülle drehbaren Elektromag - netes A (Fig. 27) befinden sich zwischen den entgegengesetzten Polen zweier Stahlmagnete B, B'. Die auf einem Schlitten C

Fig. 27.

angebrachten Magnete werden so eingestellt, dass beide eine gleich starke Anziehung auf den als Anker dienenden Elektro - magnet ausüben. Am drehbaren Magnete ist ein Arm D be - festigt, welcher in zwei Arme d, d' mit den Hakenfedern e, e 'ausläuft. Diese Haken greifen in die Zähne eines kleinen Rades f, welches durch jede hin - oder rückgehende Bewegung des Hebels D um einen halben Zahn gedreht wird.

Die Haken haben über den Eingriff hinaus einen vom Rade abwärts gebogenen Ansatz, gegen welchen eine Schraube g, g' stösst, wenn die Bewegung des Armes durch Anschlag an die Stellschrauben h, h' ihr Ende erreicht. Hierdurch wird das Fort - schleudern des Rades nach Vollendung der vorgeschriebenen14210Drehung verhindert, wie aus der Special-Zeichnung des Rad - eingriffs (Fig. 28) im dreifachen Massstabe ersichtlich.

Die Axe des Rades trägt den Zeiger.

Wenn nun die Leitung und die Windungen des Magnets von einem Strome durchlaufen werden, so werden die Pole des

Fig. 28.

Elektromagnets von einem Stahlmag - nete angezogen und von dem andern abgestossen und das Rad f dadurch um einen Zahn gedreht. Folgt darauf ein gleich starker Strom von entgegen - gesetzter Richtung, so kehrt sich An - zug und Abstossung der Magnete um und es folgt eine zweite Fortbewe - gung des Zeigers etc.

Die zur Fortbewegung des Zei - gers nothwendigen gleichen und ent - gegengesetzten Ströme werden durch einen Magnet-Inductor erzeugt, wel - cher in Fig. 29 besonders dargestellt ist, und dessen Construction wesent - lich von bisher bekannten Construc - tionen abweicht.

Ein Fig. 29 im Querschnitt und im Aufrisse sichtbarer Eisencylinder E ist in der im Durchschnitt angege - benen Weise der Länge nach mit zwei einander gegenüberstehenden 7 / 16 des Durchmessers tiefen und etwa des Durchmessers breiten Einschnitten versehen, wodurch er ungefähr die Form eines Galvanometer-Rahmens erhält.

Diese, der Länge nach um den so gebildeten Eisenrahmen herumlaufende Nuth ist mit übersponnenem Kupferdraht derartig umwunden, dass die cylindrische Form der Eisenstange durch die Windungen wieder ausgefüllt wird.

Auf den Enden des so bewickelten Eisencylinders werden die ausgedrehten Büchsen F, F 'mit den Axen f, f' befestigt, welche die Lagerzapfen des Cylinders bilden.

Derselbe dreht sich zwischen den Polen mehrerer mit ge -211 ringen Zwischenräumen auf einander gelegter kleiner Stahl - magnete G, G'.

Diese Stahlmagnete bestehen aus magnetisirten Stahlstäben, welche da, wo sie dem Cylinder E gegenüberstehen, einen kreis -

Fig. 29.

segmentförmigen Ausschnitt haben, welcher von dem Cylinder mit geringem Zwischenraum ausgefüllt wird. Die hinteren Enden der Magnetstäbe sind durch weiches Eisen hufeisenförmig ver - bunden.

Der Cylinder E dient mithin sämmtlichen Magneten als ge - meinschaftlicher Schliessungs-Anker. Wird derselbe nun umge - dreht, so kehrt sich bei jeder halben Umdrehung der Magnetis - mus im inneren flachen Eisenkerne der Spirale um und es ent - steht jedesmal ein der Grösse des durch ihn gebundenen Magne - tismus proportionaler Strom in den zu einem leitenden Kreise geschlossenen Windungen.

Die auf einander folgenden Ströme haben wechselnde Rich - tung und genau gleichen magnetischen Werth.

Die Drehung des Cylinders wird durch das Triebrad T be - wirkt, welches in das Rad L greift. An der Axe dieses Rades14*212ist die Kurbel H befindlich, welche sich auf dem mit den Buch - staben und Ziffern des Telegraphen beschriebenen Zifferblatt I dreht.

Die Handhabe der Kurbel H kann durch einen leichten Handdruck niedergedrückt werden. An ihrer unteren Fläche ist eine federnde Nase befestigt, welche dann in dem nächsten der Einschnitte i, welche am Rande des Zifferblattes angebracht sind, einfällt und das Rad L und den Cylinder E arretirt.

Die Enden des Umwindungsdrahtes communiciren mit dem einen Drahtende des Umwindungsdrahtes des zugehörigen Tele - graphen (dessen anderes Ende mit der Leitung verbunden ist) und der Erde.

Die so eingeschalteten Telegraphen beider Stationen werden mithin bei jeder halben Umdrehung des Cylinders E um einen Zahn vorrücken. Damit der Umwindungsdraht des Inductors nicht unnöthig von dem ankommenden Strome durchlaufen zu werden braucht, ist an dem unteren Ende des Cylinders E ein Contact K angebracht, durch welchen der Inductor in sich ge - schlossen wird, wenn der Cylinder E in der Ruhestellung sich befindet, in welcher Lage während der Drehung kein Strom in den Windungen circulirt.

Die Vortheile des beschriebenen Magnetinductors vor den bisher bekannten bestehen in Folgendem:

1) Bei den bekannten Magnetinductoren entstehen während einer Umdrehung vier abgesonderte Ströme: einer bei Ent - fernung eines Eisenpoles von einem Magnetpole, ein zweiter gleichgerichteter bei Annäherung an den andern Pol des Magnetes, ein dritter entgegengesetzter bei Entfernung von diesem und ein vierter ebenfalls entgegengesetzter bei Annäherung an den ersten Magnetpol.

Stöhrer machte die beiden bei Annäherung und Entfernung von einem Pole entstehenden Ströme durch einen Commutator gleichgerichtet und benutzte sie auf diese Weise zur Magnetisirung der Elektromagnete.

Bei dem beschriebenen Inductor kommen nur zwei kurze, aber kräftige Strömungen vor und der Commutator fällt ganz fort.

2) Die Trägheit des rotirenden Cylinders ist bei gleicher Stärke des inducirten Stromes kaum 1 / 25 so gross wie bei Stöhrer -213 schen, Sinsteden’schen und anderen bisher gebräuchlichen Con - structionen. Man kann daher ohne alle Beschwerde die Rotation des Cylinders in der beschriebenen Weise durch die Hand be - wirken, oder, wenn man ein Laufwerk und Arretirung durch Tasten vorzieht, ohne besondere Beihülfe die Rotation durch das Laufwerk allein in Gang setzen.

3) Man kann anstatt zweier grosser eine unbegrenzte Zahl kleiner Magnete verwenden. Da die Tragweite der Magnete sich wie die Wurzeln aus ihrem Gewichte verhalten, so erhält man von demselben Stahlgewichte bei dem beschriebenen Inductor unverhältnissmässig kräftigere Wirkungen. Man spart mithin bei dieser Construction nicht allein wesentlich am Stahlgewichte, sondern kann durch sie die Stärke der elektromagnetischen Ströme unbegrenzt und ohne unverhältnissmässig grösseren Kostenauf - wand vergrössern, was bei den anderen Constructionen nicht der Fall ist.

[214][215]

Abriss der Principien und des praktischen Verfahrens bei der Prüfung submariner Telegraphenleitungen auf ihrem Leitungs - zustand.

(Zeitschr. d. deutsch-österr. Telegr. -Vereins. Bd. 7.)

1860.

Die Störungen, welche ausgedehntere submarine elektrische Telegraphenlinien seither nur zu oft erfahren, sind in fast allen Fällen durch eine allmälige Abnahme der Isolation veranlasst worden. Bei der Ausbesserung dieser Linien fand man in der Regel, dass die Guttapercha an einzelnen Stellen durch die elek - trolytische Wirkung des zum Betriebe der Linie benutzten Stromes zerstört worden, und zwar an den Stellen, wo die Dicke der isolirenden Schicht von Hause aus geringer war als die durch - schnittliche, sei es in Folge irgend einer mechanischen Verletzung, sei es, wie häufiger der Fall war, in Folge einer Blase im Ma - terial, welche vom Wasser eingedrückt worden, oder in Folge einer excentrischen Lage des Drahtes.

An solchen Stellen, wo die isolirende Guttaperchaschicht von gleichförmiger und genügender Dicke war, ist nie eine Zer - setzung oder theilweise Zerstörung des Materials wahrgenommen worden, selbst wenn die Linie Jahre lang in Betrieb gewesen. Die Schnelligkeit, mit der das Werk der Zerstörung an fehler - haften Stellen fortschreitet, hängt ganz von der Intensität und der Dauer des beim Betriebe der Linie angewendeten Stromes ab. In langen Linien treten, wegen des grösseren Widerstandes des metallischen Leiters, Störungen verhältnissmässig rascher ein. Ihr Fortschritt kann durch Anwendung schwacher und alterni -216 render Ströme beim Betriebe verzögert, aber nie ganz aufgehalten werden, und es ist als feststehend anzunehmen: so lange dünne Stellen im isolirenden Guttaperchaüber - zuge eines submarinen Kabel nicht ganz vermieden sind, so lange wird ihre Isolation allmählich immer schlechter werden. Es ist also in erster Linie von Wichtigkeit, alle Unregelmässig - keiten in dem isolirenden Ueberzuge möglichst zu vermeiden. Das verwendete Material muss daher vollkommen homogen sein; es muss in mehreren dicht aufeinander schliessenden Lagen auf den Draht gebracht werden; Luftblasen müssen durchaus vermieden und die Concentricität des ganzen Ueberzuges muss durch An - wendung vollkommener Maschinen und Vermeidung jedes Anhal - tens während des Processes des Ueberziehens, wobei die ver - schiedenen Lagen des Ueberzuges durch die Hitze erweichen könnten, gesichert werden.

In neuerer Zeit hat die Operation des Ueberziehens elek - trischer Leiter mit Guttapercha und Zwischenlagen von der unter dem Namen Chatterton’s Mischung bekannten Composition wichtige Vervollkommnungen erfahren, wie man aus der That - sache ersehen kann, dass die für die Strecke Rangoon-Singa - pore jetzt in Ausführung begriffene Kabel 10 mal besser isolirt sind, als die Kabel der Linien im rothen Meer und nach Indien vor deren Legung.

Diese bemerkenswerthe Verbesserung ist durch die von der Guttapercha-Company auf die Fabrication verwendete grosse Sorgfalt, verbunden mit einem System fortlaufender genauer Untersuchungen, mit denen wir von der britischen Regierung beauftragt sind, erreicht worden. Diese Untersuchungen sind der Hauptsache nach dahin gerichtet, die specifische Leistungsfähig - keit einer jeden Meile des überzogenen Drahtes zu ermitteln; alle Strecken, deren Leitungsfähigkeit unter einer gewissen fest - gesetzten Grenze bleibt, werden verworfen.

Die ausserordentliche Veränderlichkeit der Leitungsfähigkeit der im Handel vorkommenden Kupfersorten sind Gegenstand einer sehr gediegenen, auf Veranlassung der britischen Regierung von Herrn Dr. Mathiessen ausgeführten Untersuchung geworden, welche bereits veröffentlicht wurde.

217

In der Praxis fanden wir, dass bei den mit der grössten Sorgfalt zu Telegraphenleitungen ausgewählten Kupferdräthen Schwankungen des Leitungsvermögens bis zu 20 pCt. vorkommen, und dass das reinere Kupfer stets auch das besser leitende ist.

Die Messungen des Leitungsvermögens für jede einzelne Meile des isolirten Drahtes sind unerlässlich, nicht nur um man - gelhaftes Material ausschiessen zu können, sondern auch um einen vollständigen Nachweis über die Leitungsfähigkeit jedes einzelnen Theiles der fertigen Kabel zu gewinnen, ohne welchen es später nicht möglich ist, etwa vorkommende Beschädigungen durch gal - vanische Versuche und Rechnung dem Orte nach genau zu be - stimmen.

Am schwierigsten und gleichzeitig am wichtigsten sind die Versuche zur Bestimmung der Leitungsfähigkeit der isolirenden Umhüllung1)Um allen Missverständnissen vorzubeugen, erlauben wir uns, den geehrten Leser daran zu erinnern, dass Guttapercha, Kautschuck, sowie alle Körper, die wir Isolatoren zu nennen pflegen, dies nicht im absoluten Sinne des Wortes sind, dass vielmehr alle Körper die Elektricität mehr oder weniger leiten und die Leitungsfähigkeit der sogenannten Isolatoren nur im Vergleich zu der der Metalle ausserordentlich gering ist. Die Er - fahrung hat indess gelehrt, dass selbst diese geringe Leitungsfähigkeit der Guttapercha bei langen unterseeischen Leitungen, wo es sich um eine sehr ausgedehnte und verhältnissmässig dünne Schicht dieses Materials handelt, nicht ganz verschwindend ist, weshalb sie oben mit in die Unter - suchung gezogen. für jede Meile des überzogenen Leitungsdrahtes; denn es genügt nicht, gröbere Fehler oder Löcher zu finden, sondern es müssen auch die Stellen, wo der Draht excentrisch liegt, Blasen und andere kleinere Mängel im isolirenden Material ermittelt werden; alle Theile des Leitungsdrahtes, bei welchen das isolirende Material in Bezug auf Leitungsfähigkeit sich nicht in dem vollkommensten Zustande erweist, sind zu verwerfen.

Zu dem Ende war es zuvörderst nöthig, die Leitungsfähig - keit des zur Isolation der Drähte benutzten Materials zu be - stimmen; vorläufige Versuche lehrten, dass diese Leitungsfähig - keit bei constanter Temperatur hinlänglich gleichmässig ist.

Der Einfluss der Temperatur auf die Leitungsfähigkeit der Guttapercha und anderer isolirender Körper ist kürzlich von dem wissenschaftlichen Comité, das die britische Regierung mit tele -218 graphischen Untersuchungen betraut hat, gründlich erforscht worden; doch ist der Bericht über diese Untersuchungen noch nicht veröffentlicht. Für unseren vorliegenden Zweck genügt es, die Thatsache mitzutheilen, dass nach diesen Versuchen die Leitungsfähigkeit der Isolirschicht bei den für die Strecke Ran - goon-Singapore bestimmten Kabeln zwischen den Temperaturgren - zen von 41 bis 80″ Fahrenheit (oder 5 bis 27° Celsius) nahe im Verhältniss von 1: 7 zunahm. Das Verhältniss dieser enormen Zunahme ist indess keineswegs constant; in Ermangelung er - schöpfender und verlässlicher experimenteller Resultate fanden wir es daher rathsam, alle unsere Prüfungen bei derselben Tem - peratur und zwar bei 75° F. (24 °C. ) auszuführen. Dieser ver - hältnissmässig hohe Temperaturgrad hat den Vortheil, dass er nach der späteren Legung der Kabel in der Wirklichkeit selten über - schritten wird, und dass, da bei dieser Temperatur das Leitungs - vermögen fast 7 mal grösser ist als bei der Wintertemperatur von 41° F., der Einfluss kleinerer Fehler auf die Messinstrumente verhältnissmässig wahrnehmbarer ist. Um diese Gleichförmigkeit der Temperatur möglich genau zu erzielen, liess man die zu untersuchenden Drahtringe 24 Stunden hindurch in einem Be - hälter mit Wasser liegen, dessen Temperatur auf 75° erhalten wurde; dann wurden sie herausgenommen, in den mit Wasser von derselben Temperatur gefüllten und hermetisch verschliess - baren Versuchskasten gebracht und einem hydraulischen Druck von mindestens 600 Pfund auf den Quadratzoll ausgesetzt, damit das Wasser in die etwa vorhandenen Höhlungen oder Risse eindringe.

Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, welche durch Beobachtungen an Kabeln während der Operation des Einsenkens bekräftigt worden, dass unter hydrostatischem Druck die Lei - tungsfähigkeit der Guttapercha sich merklich vermindert, nach Aufhören des Druckes jedoch sich wieder bis etwas über den ursprünglichen Werth steigert. Bei Drahtringen mit geringen Fehlern dagegen erzeugt die Zunahme des äusseren Druckes keine Zunahme oder selbst eine Abnahme des Isolationsvermögens; dies bietet den Schlüssel um Mängel zu ermitteln, die auf andere Weise nicht wahrnehmbar sein würden.

Die gewöhnliche Methode der Messung des Leitungsvermö -219 gens und der Isolation von Leitungen durch die Nadelablenkun - gen gewöhnlicher Galvanometer, würde für den vorliegenden Zweck ganz unzureichend sein.

Es war nöthig, das Leitungsvermögen sowohl des Leitungs - drahtes, wie der isolirenden Bedeckung in einfachen Zahlen - werthen nach Widerstandseinheiten auszudrücken.

Als Widerstandseinheit haben wir den Widerstand einer Quecksilbersäule von 1 Meter Länge und 1 Quadratmillimeter Querschnitt, bei der Temperatur 0″ gemessen, angenommen. Die Vortheile dieser Einheit sind von Werner Siemens in einem Auf - satze in Poggendorffs Annalen (siehe das vorige Heft dieser Zeit - schrift S. 55) dargelegt.

Indem wir den Leitungswiderstand des Drahtes sowohl, wie den des isolirenden Mittels in einer bestimmten Widerstandsein - heit ausdrücken, erlangen wir nicht nur den Vortheil einer ge - naueren Vergleichung zwischen den Resultaten verschiedener Messungen, sondern wir gewinnen auch, wenn später die ein - zelnen Drahtadern zu einem einzigen Kabel vereinigt sind, ein treffliches Mittel, den elektrischen Zustand derselben zu prüfen, indem wir, unter Beachtung der etwa obwaltenden Temperatur - verschiedenheit, den Gesammtwiderstand des Leiters wie des isolirenden Mittels mit der Summe der früheren, bei Unter - suchung der einzelnen Drahtadern gefundenen Widerstände, ver - gleichen.

Der Hauptvortheil dieses Systems von Messungen aber ist der, dass es die Möglichkeit bietet, später, nach der Einsenkung, in dem am Meeresgrunde liegenden Kabel den Ort einer etwa eingetretenen Beschädigung durch Strommessungen und Rechnung zu bestimmen.

Behufs der praktischen Ausführung dieses Systems von Prü - fungen construirten wir zunächst Widerstandsrollen von bekann - ter Widerstandsgrösse, welche dergestalt miteinander verbunden werden können, dass der Gesammtwiderstand sich in den Gren - zen von 1 bis 10,000 Einheiten beliebig ändern lässt.

Durch Einschaltung dieses änderbaren Widerstandes in einen Zweig der Wheatstone’schen Brücke, kann der Widerstand des Kupferdrahtes, sowie der der isolirenden Hülle einer Kabel von beträchtlicher Länge leicht bestimmt werden. Wenn es sich220 aber um Messung von Widerständen handelt, die jenseits jener Grenzen liegen, so geben wir der Wheatstone’schen Brücke eine etwas andere Anordnung, indem wir auch die festen Zweige derselben veränderlich machen.

Seien A, B, C, D in der nebenstehenden Skizze die 4 Zweige

Fig. 30.

einer Wheatstone’schen Brücke, A C und B D sind in Verbin - dung mit dem Galvanometer A B und C D mit den Polen der Batterie.

Bekanntlich besteht zwischen den Widerständen der 4 Zweige die Relation 〈…〉 , wenn der Strom im Galvanometerzweige 0 ist, die Nadel des Instrumentes also in der Ruhelage bleibt. Bei der gewöhnlichen Anordnung pflegt nun A = B zu sein, es wird also dann der unbekannte Widerstand D direct durch C gemessen. Ein an Stelle von C eingeschalteter veränderlicher Widerstand (Rheostat) von 1 bis 10,000 Widerstandseinheiten, erlaubt also nur die Messung von Widerständen, welche inner - halb dieser Grenzen liegen. Wenn aber auch A und B verän - derlich eingerichtet werden, sodass jedes derselben nach Belieben die Werthe 10, 100 oder 1000 erhalten kann, so sind wir im Stande, mit derselben Genauigkeit Widerstände zwischen 0,01 und 1 Million Einheiten zu messen. Durch diese Anordnung können wir den Widerstand von Kupferdrähten jeder Länge, sowie den Widerstand der Isolationsschicht langer Kabeln bis auf 0,2 pCt. genau bestimmen.

Für die Prüfung kurzer Kabelenden oder längerer Kabeln, für welche besser isolirendes Material, wie etwa Kautschuk oder Wrays Mischung1)Wray’s Mischung besteht dem Vernehmen nach aus Kautschuck, Schellack, und feinem Quarzpulver. Wir werden in einem der nächsten verwendet worden, ist indess diese Methode221 nicht mehr anwendbar; denn Widerstandsrollen von so bedeu - tender Verschiedenheit des Leitungswiderstandes, wie dann nöthig wären, können ohne Nachtheil für die Genauigkeit nicht ange - wendet werden, hauptsächlich deshalb, weil die dann erforderliche grössere Batteriestärke die kürzeren Zweige beträchtlich erwär - men und ihren Widerstand verändern würde, was erhebliche Fehler im Resultate veranlassen würde.

Es war daher nöthig, zur Messung des Widerstandes der isolirenden Schicht von kürzeren Kabelenden, etwa von 1 Knoten1)Knoten am Logseile, Einheit bei der Bestimmung der Geschwin - digkeit von Schiffen mittels des Log = ¼ geogr. Meile. Länge, ein anderes Verfahren anzuwenden. Wir benutzen für solche Zwecke eine sehr empfindliche Sinusboussole, oder, wenn die Localität es gestattet, ein Weber’sches Spiegelgalvanometer mit 40,000 Umwindungen und magnetischem Spiegel. Mit Hülfe eines regulirenden Magnets kann die Empfindlichkeit dieses In - struments im Verhältnisse von 1: 100 verändert werden.

Da die Astaticität der Nadeln des Sinusgalvanometers Ver - änderungen unterworfen ist, so muss die Constante des Instru - mentes während der Messungen zu wiederholten Malen bestimmt werden.

Die Ablesungen des Instrumentes nach Graden führen wir mittels der Formel 〈…〉 auf Widerstandseinheiten zurück; darin ist R der zu messende Isolationswiderstand, φ der abgelesene Nadelausschlag, sin φ 'die Constante des Instrumentes und n die Anzahl der zur Batterie verwendeten Elemente. Die Herleitung dieser Formel findet man im ersten Anhange.

Dies Verfahren ist jedoch nur zur Messung grosser Wider - stände innerhalb gewisser enger Grenzen anwendbar. Beim Fortschritt der Fabrication der Kabel nimmt aber, in dem Masse, wie die Länge der Kabel wächst, der Isolationswiderstand fort - während ab, und das Instrument würde bald zu empfindlich sein. 1)Hefte dieser Zeitschrift zusammenstellen, was über diese und andere zum Ersatz der Guttapercha bei Unterseekabeln vorgeschlagenen Mischungen bisher bekannt geworden.222Man könnte es allerdings in gleichem Masse unempfindlicher machen, aber indem man damit fortführe, würde es schliesslich nicht mehr empfindlich genug sein, um den Widerstand der letzten an die Kabel gehängten Drahtader mit Genauigkeit zu messen. Es musste also auf ein Mittel gedacht werden, um die ursprüngliche Empfindlichkeit des Messinstrumentes unverändert zu erhalten, wenn auch der Widerstand allmählich abnimmt. Zu dem Ende wurde über die Drahtwindungen der Sinusboussole noch eine zweite Lage von verhältnissmässig wenigen Windungen gelegt, und durch diese permanent der Strom einer kleinen con - stanten Batterie geleitet. Der zur Prüfung der Isolation dienende Strom geht durch die inneren, ursprünglichen Umwindungen des Instrumentes; der Strom in den äusseren Windungen geht in entgegengesetzter Richtung und wird durch Einschaltung von Widerständen so regulirt, dass er die Einwirkung des anderen auf die Magnetnadel gerade aufhebt, diese also in der Ruhelage verbleibt.

Wächst die Länge der Kabel, so muss der Widerstand in der Kette der äusseren Umwindungen soweit vermindert werden, bis das Gleichgewicht an der Nadel wieder hergestellt ist, und da der Werth der Widerstandsänderung in Einheiten bekannt ist, so braucht man diese Zahl nur mit dem festen Verhältniss zwischen den Einwirkungen beider Umwindungen auf die Nadel zu multipliciren, um das gewünschte Resultat zu erhalten.

Sei W der Widerstand der inneren Umwindungen der Sinus -

Fig. 31.

boussole, W1 der ihnen hinzugefügte Widerstand, m die Anzahl der Elemente der Batterie, welche in diesen Kreis eingeschaltet ist; ferner w der Widerstand der äusseren (Hülfs -) Umwindun -223 gen1)In der Skizze sind dieselben, der grösseren Deutlichkeit wegen, nicht über, sondern neben die anderen gezeichnet., w1 der in diesen Kreis eingeschaltete Widerstand und n die Anzahl der Elemente der zugehörigen Batterie; endlich K ein Zahlencoefficient, welcher das constante Verhältniss zwischen den Einwirkungen beider Umwindungen auf die Nadel darstellt. Alsdann haben wir: 〈…〉 oder 〈…〉 . Wird an Stelle von W' jetzt der bekannte Widerstand x der Kabel eingeschaltet. und w' so verändert (in V), dass die Nadel wieder in der Ruhelage verbleibt, so ist, wenn der grösseren Allgemeinheit wegen angenommen wird, dass die Zahl der Ele - mente in den Batterien auch nicht mehr dieselben seien wie zuvor, sondern resp. M und N: 〈…〉 oder 〈…〉 und nach Einführung des obigen Werthes von K 〈…〉 Der Hauptvortheil dieser Anordnung besteht darin, dass die Empfindlichkeit des Instrumentes ungeändert bleibt, da der durch die Isolationsschicht gehende Strom stets mit seiner ganzen Stärke auf die Nadel wirkt, während diese jedoch stets auf o zurück - geführt wird. Bei der Messung des Isolationswiderstandes kurzer Kabelenden, wo dieser Widerstand also sehr gross ist, kann der Widerstand der beiden Umwindungen des Instrumentes, W und w vernachlässigt werden und man kann sich alsdann der abge - kürzten Formel 〈…〉 bedienen. Der Coefficient K ist unabhängig von der Empfind - lichkeit des Instrumentes und braucht nur ein für alle mal be - stimmt zu werden.

Die Versuche sind somit auf eine sehr leichte und einfache Methode zurückgeführt.

Um den Isolationszustand isolirter Drähte aus dem speci -224 fischen Leitungsvermögen der verwendeten Materialien zu be - rechnen, und umgekehrt, benutzen wir die Formel: 〈…〉 , deren Herleitung von Werner Siemens in Poggendorffs Annalen Jahrg. 1857 veröffentlicht worden, und im Anhange II im Aus - zuge mitgetheilt ist.

Diese Methode reicht zur Bestimmung des Widerstandes der isolirenden Schicht und des Leitungsdrahtes bei Kabeln von allen Längen aus; sie umfasst aber nicht die zur Bestimmung ihres Vertheilungsvermögens nöthigen Versuche.

[225]

Beschreibung ungewöhnlich starker elek - trischer Erscheinungen auf der Cheops - Pyramide bei Cairo während des Wehens des Chamsin.

(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 109 S. 355.)

1860.

Als ich am 14. April v. J. mit den mich zur Anlage der Telegraphen-Linie durch das Rothe Meer begleitenden Ingenieu - ren die Cheops-Pyramide erstieg, hatten wir Gelegenheit, eine ungewöhnlich starke elektrische Erscheinung auf dem Gipfel der - selben zu beobachten.

Als wir des Morgens früh Cairo verliessen, war der Himmel wie gewöhnlich heiter und klar und kaum eine Luftbewegung bemerkbar. Eine leichte blassrothe Färbung des südwestlichen Horizonts schien aber meinen Eseltreiber zu beunruhigen. Er deutete mehrfach nach jener Stelle hin und schien aus ihr den Grund zu einer energischeren Antreibung meines Trägers zu entnehmen.

Um Uhr langten wir am Fusse der Pyramide an und befanden uns etwa 20 Minuten später auf dem Gipfel derselben, weniger in Folge eigener Anstrengung als der kräftigen Impulse, die einem Jeden von uns durch drei kräftige Araber zu Theil wurden, welche uns gleich Waaren-Ballen von einer Stufe auf die andere warfen. Oben angekommen, empfanden wir eine kalte, scharfe Luftbewegung. Die Röthung des südwestlichen Horizonts war in eine bis zum Zenith ausgedehnte, farblose Trübung übergegangen, so dass wir anstatt der gehofften Ueber - sicht über das Nilthal und die Stadt Cairo nur schwache Um - risse der nächstgelegenen Gegenstände wahrnehmen konnten. 15226Wir lagerten uns hinter den Steinblöcken, welche vereinzelt auf dem abgeplatteten Gipfel dieser Pyramide liegen, um uns von den Anstrengungen unseres unfreiwilligen Wettlaufs zu erholen und gegen den kalten, immer stärker blasenden Wind zu schützen.

Es war interessant zu beobachten, wie der aufgewirbelte Wüstenstaub, der die Ebene bereits mit einem undurchsichtigen gelben Schleier bedeckte, immer höher an der Pyramide empor - stieg. Als er auch die höchsten Stufen derselben erreicht hatte, vernahmen wir ein sausendes Geräusch, welches ich der wachsen - den Gewalt des Windes zuschrieb. Die Araber, welche um uns her auf den nächsten Stufen kauerten, sprangen jedoch mit dem Rufe Chamsin plötzlich auf und hielten den ausgestreckten Zeige - finger in die Höhe. Es liess sich jetzt ein eigenthümlich zischen - der Ton, ähnlich dem Ton des singenden Wassers, hören. Wir glaubten anfangs, die Araber brächten diesen Ton hervor, doch überzeugte ich mich bald, dass derselbe ebenfalls entstand, als ich mich auf den höchsten Punkt der Pyramide stellte und meinen eigenen Zeigefinger hoch empor hielt. Dabei war ein leises, kaum auffallendes Prickeln der dem Winde entgegenge - richteten Hautfläche des Fingers bemerkbar. Ich konnte diese von uns allen constatirte Thatsache nur als eine elektrische Er - scheinung deuten, und als solche erwies sie sich auch in der That. Als ich eine gefüllte Weinflasche, deren Kopf mit Stan - niol bekleidet war, empor hielt, hörte ich denselben singenden Ton wie bei Aufhebung des Fingers. Während dessen sprangen von der Etiquette fortwährend kleine Funken zu meiner Hand über und als ich darauf den Kopf der Flasche mit der anderen Hand berührte, erhielt ich eine heftige elektrische Erschütterung, während ein glänzender Funke vom metallenen Kopfe der Flasche in meine Hand übersprang. Es ist klar, dass die durch den feuchten Kork mit der Metallbelegung des Kopfes der Flasche in leitender Verbindung stehende Flüssigkeit im Innern der - selben, die innere Belegung einer Leydener Flasche bildete, während Etiquette und Hand die abgeleitete äussere vertraten. Auch eine entkorkte Flasche lud sich auf gleiche Weise, nament - lich dann, wenn die Oeffnung gegen den Wind geneigt wurde, wie Dr. Esselbach durch einen heftigen Schlag erkannte, den er empfand, als er dieselbe an den Mund setzte. Als ich die227 äussere Belegung meiner Flasche durch Umhüllung derselben mit angefeuchtetem Papier aus unserem Proviantkorbe vervoll - ständigt hatte, wurde die Ladung derselben so stark, dass ich mich ihrer als einer sehr wirksamen Vertheidigungswaffe be - dienen konnte. Nachdem die Araber nämlich einige Zeit mit Verwunderung unserm Treiben zugesehen hatten, kamen sie zu der Ueberzeugung, wir trieben Zauberei und verlangten, wir sollten die Pyramide verlassen. Als ihre uns verdollmetschten Vorstellungen nichts fruchteten, wollten sie von dem Naturrechte des Stärkeren Gebrauch machen und uns mit Gewalt von der Spitze entfernen. Ich zog mich auf den höchsten Felsblock zu - rück und lud meine verstärkte Flasche möglichst kräftig, während der Führer der Araber meine Hand ergriff und mich von der erklimmten Höhe fortzuziehen begann. In diesem kritischen Augenblicke näherte ich den Kopf meiner Flasche seiner Nase bis zur Schlagweite, die etwa 10 mm betragen mochte. Die Wirkung der Entladung überstieg meine kühnsten Erwartungen. Der Wüstensohn, dessen Nerven noch nie eine ähnliche Er - schütterung empfunden hatten, fiel wie vom Blitz getroffen zu Boden, sprang darauf mit lautem Geheul wieder auf und ver - schwand mit einigen mächtigen Sprüngen aus unserem Gesichts - kreise, gefolgt von seinen sämmtlichen Genossen!

Wir hatten nun volle Freiheit, unsere Experimente fortzu - setzen. Leider fehlte es uns an allen Vorbereitungen zu den - selben und sie wurden auch durch den immer heftiger gewor - denen Wind, welcher es schwierig und selbst einigermassen ge - fährlich machte, aufrecht zu stehen, noch mehr erschwert. Als ich mich durch einen aus aufgestellten Flaschen improvisirten Isolirschemel von der Steinmasse der Pyramide isolirte, hörte das sausende Geräusch beim Emporheben des ausgestreckten Fingers nach kurzer Zeit auf. Ich konnte jetzt meinen Ge - fährten durch Näherung der Hand Funken ertheilen und empfand eine gelinde Erschütterung, wenn ich den Boden berührte. Da - gegen sträubten sich meine Haare weniger als die meiner nicht isolirten Gefährten, wenn ich den Boden berührte. Die Art der Elektricität zu bestimmen, gelang uns leider nicht mit voller Sicherheit. Wir versuchten die Flasche durch eine aus Stanniol gebildete Spitze zu laden und zu entladen, um aus den dabei beob -15*228achteten Erscheinungen auf die Art der atmosphärischen Elektrici - tät zu schliessen, doch erlangten wir dabei kein sicheres Resultat.

Bemerkenswerth ist, dass wir die beschriebenen Erschei - nungen nur auf der Spitze der Pyramide wahrnahmen. Schon einige Stufen tiefer waren sie nur noch sehr schwach und in der Ebene konnten wir gar keine elektrischen Erscheinungen mehr entdecken. Dabei blies der Wind in ungeschwächter Stärke, und es unterliegt keinem Zweifel, dass sie oben noch eben so fortdauerten wie früher.

Da die elektrischen Erscheinungen erst dann bemerkbar wurden, als der Wüstenstaub die Spitze der Pyramide erreichte, so muss er als der eigentliche Träger und wahrscheinlich auch als die Ursache der Elektricität betrachtet werden. Nimmt man an, dass die vom Winde gepeitschten Staubtheilchen und Sand - körnchen mit der trockenen Oberfläche des Bodens der Wüste elektrisch geworden waren, so musste jedes elektrische Körn - chen die eine Belegung eines Ansammlungsapparates bilden, dessen andere der Erdkörper selbst war, während die zwischen beiden befindliche Luft das die Belegungen trennende isolirende Medium vertrat. Durch die aufsteigende Bewegung der Staub - körnchen ward nun die isolirende Schicht verstärkt, die Schlag - weite aller dieser kleinen geladenen Flaschen musste mithin zu - nehmen und in der Höhe von etwa 500 Fuss über dem Boden beträchtlich grösser sein als in seiner unmittelbaren Nähe. Der Elektricität der gewaltigen elektrisirten Staubwolke, welche über dem Erdboden lagerte, stand eine gleichgrosse Quantität ent - gegengesetzter Elektricität der Erdoberfläche gegenüber. Die leitende Pyramide musste nun einen sehr bedeutenden verdich - teten Einfluss auf diese Elektricität der Erdoberfläche ausüben, da sie als colossale Spitze zu betrachten ist. Es kann daher gar nicht überraschen, dass der elektrische Unterschied zwischen den auf dem Gipfel der Pyramide befindlichen höchsten und feinsten Spitzen, wie dem aufgehobenen Finger oder Flaschen - kopf, und den Staubkörnchen so gross war, dass zahllose kleine Funken zwischen ihnen übersprangen, während in der Ebene gar keine Elektricität wahrzunehmen war. Die beobachteten Er - scheinungen finden durch diese Annahme ihre vollständige Er - klärung.

[229]

Vorschlag eines reproducirbaren Widerstandsmasses.

(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 110 S. 1.)

1860.

Der Mangel eines allgemein angenommenen Widerstands - masses und die daraus namentlich für die technische Physik entspringenden wesentlichen Uebelstände, veranlassten mich schon vor einigen Jahren zur Anstellung der nachfolgend beschriebenen Versuche.

Meine ursprüngliche Absicht war, dem Jacobi’schen Wider - standsmasse allgemeineren Eingang in die Technik zu verschaffen. Ich fand jedoch bald, dass dieses nicht ohne Nachtheil ausführ - bar war. Einmal differirten mehrere Jacobi’sche Widerstands - Etalons, die ich mir verschaffte, so wesentlich von einander und waren in so geringer Uebereinstimmung mit den über ihren Widerstand gemachten Angaben, dass ich nothwendig auf das Jacobi’sche Normalmass hätte zurückgehen müssen, was mir je - doch nicht zu Gebote stand. Aber auch abgesehen hiervon über - zeugte ich mich, dass ein Widerstandsmass nur dann zur allge - meinen Annahme sich eignet, wenn es reproducirbar ist. Ob der Widerstand eines Metalldrahtes sich mit der Zeit, durch die Erschütterungen des Transportes, durch die ihn durchlaufenden Ströme und andere Einflüsse, verändert, ist noch immer nicht vollständig entschieden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass eine solche Aenderung stattfindet und daher durchaus nicht zu - lässig, den Widerstand eines bestimmten Drahtes als Urmass des Widerstandes anzunehmen. Ferner werden durch das häufige230 Copiren eines Widerstandsmasses nach anderen Copien wie es doch bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre die Abweichungen vom Normalmass stets grösser. Für Un - tersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in grösserer Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Copien unbrauchbar, die mit geringerer Schärfe bestimmt sind. Endlich ist es sehr wünschenswerth und bequem einen bestimmten geometrischen Begriff mit dem Widerstandsmass verbinden zu können, was bei einem Metalldraht nie der Fall sein kann, da der Widerstand der festen Körper von der Molecularbeschaffenheit derselben, so wie von nicht leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des Metalls in hohem Grade abhängig ist.

Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien mir das absolute Widerstandsmass. Man kann es nur mittels sehr vollkommener Instrumente in besonders dazu eingerichte - ten Localen und bei grosser experimenteller Gewandtheit dar - stellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi so wichtige kör - perliche Vorstellung. Endlich sind seine Zahlen durch ihre Grösse höchst unbequem.

Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen An - forderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit Leichtig - keit und in den nöthigen Genauigkeit darstellbaren Widerstands - masses, schien mir der zu sein, den Widerstand des Quecksil - bers als Einheit zu benutzen. Quecksilber ist mit grosser Leich - tigkeit in ausreichender, fast vollkommener Reinheit zu beziehen oder herzustellen. Es hat, so lange es flüssig ist, keine ver - schiedene, seine Leitungsfähigkeit modificirende Molecularbe - schaffenheit; sein Widerstand ist weniger als der der anderen einfachen Metalle von Temperaturänderungen abhängig, endlich ist sein specifischer Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungs - zahlen werden daher klein und bequem.

Ich entschloss mich also zu versuchen, ob es möglich sei, mittels gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glasröhren und gereinigten Quecksilbers durch eine geeignete Methode bestimmte Widerstandsmasse mit ausreichender Genauigkeit herzustellen. Die grösste Schwierigkeit schien darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, sich genau cylindrische Glasröhren zu verschaffen. Die käuflichen Glasröhren haben in der Regel eine grössere nebst231 einigen kleineren Ausbauchungen. Es ist aber leicht, sich durch Kalibrirung mittels eines kurzen Quecksilberfadens aus einer grösseren Anzahl von Glasröhren einige Stücke von 1 Meter Länge herauszusuchen, bei welchen der Querschnitt sich ziemlich gleichmässig verändert. Man kann alsdann das Rohr als abge - stumpften Kegel betrachten und den Widerstand dieses Kegels in Rechnung bringen. Das Volumen des mit Quecksilber ange - füllten Kegels kann man durch Wägung des Metalls leicht und mit grosser Schärfe bestimmen.

Es sei Fig. 32 ein solcher abgestumpfter Kegel, dessen parallele Begrenzungskreise die Radien R und r haben und

Fig. 32.

dessen Länge l ist. In der Entfernung x von der Ebene A B sei ein mit ihr paralleler Schnitt M N vom Radius z und der Dicke d x durch den Kegel gelegt. Ist W der Widerstand des Kegels in der Richtung seiner Axe, d W der Widerstand des Schnittes M N nach derselben Richtung, so ist: 〈…〉 . Es ist aber 〈…〉 . Diesen Werth von z nach x differentiirt, giebt: 〈…〉 , folglich 〈…〉 . Durch Einsetzung dieses Werthes von d x in die erste Gleichung erhält man:232 〈…〉 . Durch Integration dieser Gleichung nach z ensteht: 〈…〉 oder 1) 〈…〉 . Es sei ferner V das Volumen des abgestumpften Kegels, G das Gewicht des darin enthaltenen Quecksilbers und σ das specifische Gewicht desselben. Es ist 〈…〉 . Dividirt man diese Gleichung durch R r, so ergiebt sich: 〈…〉 und setzt man 〈…〉 , so folgt: 〈…〉 und hieraus: 〈…〉 oder für V den Werth 〈…〉 gesetzt, 〈…〉 Dieser Werth von R r in die Gl. 1 eingesetzt giebt: 2) 〈…〉 Der auf diese Weise gefundene Werth von W ist selbstverständ - lich für jede pyramidale Form des Leiters gültig, wenn nur a das Verhältniss des grössten zum kleinsten Querschnitt ausdrückt. Es ist ferner noch richtig, wenn man für einen abgestumpften Kegel von der Länge l eine beliebige Anzahl n solcher Kegel233 substituirt, die gleich lang sind und deren Gesammtlänge gleich l ist, wenn nur bei jedem das Verhältniss des grössten zum kleinsten Querschnitt oder der reciproke Werth dieses Verhält - nisses gleich a ist.

Es ist nämlich in diesem Falle, wenn 〈…〉 ist, wo λ die Länge eines Kegels bedeutet: 〈…〉 oder 〈…〉 oder 〈…〉

Da nun ferner der Correctionscoefficient für die conische Form des Leiters 〈…〉 bei geringer Verschiedenheit der Durchmesser R und r nur sehr wenig von 1 verschieden ist, so kann man ohne merklichen Fehler jede nicht völlig cylindrische Röhre als einen abgestumpften Kegel betrachten und die Verhältnisszahl a durch den Quotien - ten der grössten und kleinsten Länge des zur Kalibrirung be - nutzten Quecksilberfadens bilden.

Durch eine Reihe von Versuchen ermittelte ich nun, ob die für verschiedene Röhren von sehr abweichenden mittleren Quer - schnitten berechneten Werthe ihrer Widerstände, mit den ge - messenen hinreichend genau übereinstimmten. Meine Methode war folgende:

Es wurden käufliche Glasröhren von etwa ¾ bis 2 mm innerem Durchmesser auf einem langen Massstab befestigt, darauf in jedes Rohr ein Quecksilbertropfen gebracht und die Länge des durch ihn gebildeten Fadens gemessen. Durch Neigung des Rohres konnte man diesen[Quecksilberfaden] nach und nach das234 ganze Rohr durchlaufen lassen und somit dasjenige Stück des Rohrs von etwa 1 m Länge ausfindig machen, welches sich am meisten cylindrisch oder gleichförmig conisch erwies. Diese Stücke wurden aus den Röhren ausgeschnitten und die Enden durch eine kleine, von Halske zu diesem Zwecke construirte Vorrichtung so abgeschliffen, dass die Röhren genau 1 Meter lang waren. Die so vorbereiteten Röhren wurden sorgfältig ge - reinigt. Dies liess sich am leichtesten so bewirken, dass man zwei mit Seide übersponnene, dünne Neusilber - oder Stahldrähte zusammendrehte, sie darauf durch das Rohr schob und dann mit dem hervorragenden einen Ende der Drähte ein Bäuschchen reiner Baumwolle zusammendrehte, welches darauf langsam und vor - sichtig durch das Rohr gezogen wurde. Diese Operation erfor - dert allerdings einige Sorgfalt, um das Zerbrechen des Rohrs zu verhüten. Darauf wurde das Rohr mit gereinigtem Quecksilber gefüllt und der Inhalt gewogen. Diese Operation wurde, wie folgt, ausgeführt: Das eine Ende des Glasrohrs wurde mittels eines Verbindungsstückes von vulcanisirtem Kautschuck so in der einen Oeffnung einer kleinen Retorten-Vorlage, wie sie in chemi - schen Laboratorien gebräuchlich sind, befestigt, dass das Ende des Rohres in die Vorlage hineinragte. Um das andere Ende des Roh - res ward eine eiserne Klemmvorrichtung, wie sie Fig. 33 zeigt,

Fig. 33.

angebracht, mittels welcher sich ein plangeschliffenes Eisenplätt - chen gegen die Mündung des Rohrs schrauben liess. Nachdem nun die passend befestigte Vorlage mit reinem Quecksilber an - gefüllt war, liess man dasselbe durch die etwas geneigte Glas - röhre in eine untergestellte Schale laufen. Wenn der Augen - schein nach einiger Zeit lehrte, dass alle anfänglich sich bisweilen zeigenden Luftbläschen vom durchströmenden Quecksilber ent - fernt waren, so wurde die Ausflussöffnung durch Anziehen der235 das Eisenplättchen bewegenden Schraube dicht geschlossen, das Rohr alsdann aufgerichtet und das andere Ende aus dem Kaut - schuckschlauch gezogen. Geschah dieses mit Vorsicht, so war das nun senkrecht aufgerichtete Rohr vollständig angefüllt und die Quecksilbersäule endete in einer kleinen hervorragenden Halbkugel. Durch Aufdrücken eines eben geschliffenen Glas - plättchens wurde nun auch die obere Oeffnung geschlossen und das überflüssige Quecksilber beseitigt. Nachdem endlich mit einem Pinsel alle kleinen am Rohre haftenden Quecksilberkügel - chen beseitigt waren, wurde der Inhalt der Röhre in ein kleines Glasgefäss entleert und auf einer genauen chemischen Wage ge - wogen. Wenn man die Vorsicht braucht, das Quecksilber sehr langsam ausfliessen zu lassen, indem man das Rohr nur sehr wenig neigt und das Eisenplättchen am anderen Ende nur sehr allmählich lüftet, so bleiben keine Quecksilberkügelchen im Rohre zurück, wie es ohne diese Massregel gewöhnlich der Fall ist. Erwärmung des gefüllten Rohrs durch Berührung mit blossen Händen wurde natürlich vermieden. Die Temperatur während der Füllung der Röhren ward beobachtet und das gefundene Ge - wicht auf Füllung beim Nullpunkt der Temperatur reducirt. Von den nächstfolgenden Tabellen giebt Tabelle I die verschiedenen Längen der Quecksilberfäden bei der Kalibrirung der benutzten Röhrenstücke und die daraus gefundene Verhältnisszahl a des grössten zum kleinsten Querschnitt. Tabelle II giebt die durch Wägung gefundenen und auf Füllung bei reducirten Gewichte des Quecksilbers. Tabelle I.

236und mithin die respectiven Correctionscoefficienten

Tabelle II.

Substituirt man in die oben gefundene Formel 2) für den Widerstand 〈…〉 aus den Tabellen I und II die Werthe für G (in Milligrammen) und des Correctionscoefficienten, nimmt man ferner für das spe - cifische Gewicht des Quecksilbers bei den Werth 〈…〉 und für die gemeinschaftliche Länge aller Röhren 〈…〉 , so erhält man den Widerstand der Röhren in Einheiten des Widerstandes eines Quecksilberwürfels von 1 mm Seitenlänge ausgedrückt. Tabelle III giebt diese berechneten Werthe:

237

Tabelle III.

Es wurden nun die Widerstände dieser mit Quecksilber von gefüllten Röhren mit der Copie eines Jacobi’schen Etalons (B) verglichen und zwar geschah dieses mittels einer Wheat - stone’schen Brücke. Da die von mir benutzte Brücke in der von Halske und mir ihr gegebenen Form zu sehr genauen Widerstandsmessungen geeignet ist, so wird ihre nähere Beschrei - bung nicht ohne Interesse sein.

Fig. 34 stellt die Brücke in ihrer perspectivischen Ansicht dar. A A ist ein Rahmen von Messing, auf welchem sich der Schlitten B B verschiebt. Der drehbare Knopf C auf dem Schlitten ist mit einem Zahnrade versehen, welches in eine am Rahmen befestigte Zahnstange S eingreift. Der Schlitten ist daher sowohl direct als durch Drehung des Knopfes verschiebbar. Am Rahmen sind ferner die isolirten Stücke E E und der mit Millimetertheilung versehene Massstab m m befestigt. Zwischen den isolirten Metallstücken E E, deren innere Flächen normal auf dem Massstab stehen und genau 1000 mm von einander entfernt sind, ist ein etwa 0,16 mm dicker Platindraht ausge - spannt. Dieser Draht, dessen Anfangs - und Endpunkt genau mit den Theilstrichen 0 und 1000 übereinstimmen, wird von 2 kleinen Platinrollen umfasst, deren Axen am Schlitten B ver - mittels der Federn G befestigt sind. Die zu vergleichenden Widerstände werden zwischen der Metallschiene H, welche durch den Contacthebel l mit dem einen Pole der Kette in Verbindung zu setzen ist, und zwei in den Klemmenlagern K K verschiebbaren dicken Kupferstangen L L eingeschaltet. Der andere Pol der Kette, zu welcher gewöhnlich ein Daniell’sches Element benutzt wurde, ist in leitender Verbindung mit dem Schlitten B und den Platinrollen. Die Klemmenlager K K und die als Befesti - gungspunkte des Platindrahtes dienenden isolirten Metallstücke E E sind durch dicke Kupferstangen mit den 4 Lamellen des Stöpselumschalters S in gut leitende Verbindung gesetzt. Es lassen sich mithin durch Versetzung der beiden Stöpsel die zu238

Fig. 34.

vergleichenden Wider - stände vertauschen. Zu den Metallstücken E E sind ferner die Enden des Multiplicatordrahtes des zu benutzenden Gal - vanometers geführt. Ich benutzte zu den vorlie - genden Messungen ein Spiegelgalvanometer mit rundem Stahlspie - gel von 32 mm Durch - messer und 36000 Win - dungen von 0,15 mm dickem Kupferdraht. Der Abstand der mit Millimetertheilung ver - sehenen Scale vom Spie - gel beträgt Meter.

Die mit dem beschrie - benen Widerstands - messapparat angestell - ten und in nachfolgen - den Tabellenzusammen - gestellten Messungen wurden grösstentheils vom Hrn. Dr. Essel - bach ausgeführt. Die hierbei befolgte Me - thode war folgende:

Jedes Ende des zu prüfenden Glasrohres wurde mittels eines Kautschuckverschlusses in das Innere einer Re - torten-Vorlage geführt. Diese Vorlage wurde so gedreht, dass der un -239 benutzte weitere Hals nach oben gerichtet war und so mit dem sie verbindenden Rohre in eine Rinne gelegt, die mit Eisstücken an - gefüllt war. Darauf wurde die eine Vorlage mit gereinigtem und trocknem Quecksilber gefüllt. Das Quecksilber füllte nun das Rohr und lief durch dasselbe in die leere Vorlage. War das Niveau des Quecksilbers in beiden Gefässen gleich, so war in der Regel auch das Rohr ganz blasenfrei mit Quecksilber gefüllt. Es wurden nun dicke amalgamirte Kupferdrähte durch die beiden aufgerichteten Hülsen der Vorlagen in das Quecksilber geführt und alsdann der Widerstand des Rohres mittels der oben be - schriebenen Brücke mit dem eines Jacobi’schen Widerstands - etalon verglichen1)Anfänglich benutzten wir anstatt amalgamirter Kupferdrähte Cy - linder von Eisen als Zuleitungen. Es stellte sich aber heraus, dass ein sehr beträchtlicher Uebergangswiderstand vom Eisen zum Quecksilber auf - trat, obgleich die Oberfläche des Eisens vollständig rein war. Dieser Widerstand, der auch bei unverquicktem Kupfer auftrat, war besonders stark, wenn die Cylinder nach der Reinigung noch einige Zeit an der Luft gelegen hatten, und es ist daher wahrscheinlich diese Erscheinung der auf der Oberfläche condensirten Gasschicht zuzuschreiben..

Der Widerstand der Zuleitungsdrähte wurde dadurch be - stimmt, dass beide amalgamirte Kupfercylinder in ein gemein - schaftliches, mit Quecksilber gefülltes Gefäss getaucht wurden. Derselbe erwies sich jedoch als verschwindend klein im Vergleich mit dem Widerstande der Röhren.

Die in der umstehenden Tabelle zusammengestellten Ver - suche wurden so angestellt, dass erst bei der einen Stellung des Commutators der Schieber B B so lange verschoben wurde, bis das Galvanometer beim Niederdrücken des Contacthebels I keine dauernde Ablenkung zeigte. Darauf werden durch den Commu - tator die zu vergleichenden Widerstände vertauscht und abermals der Schieber richtig eingestellt. Diese beiden Ablenkungen sind in den mit a und b bezeichneten Columnen angegeben. Waren die Beobachtungen fehlerfrei, so musste die Summe beider = 1000 sein, was in der Mehrheit der Fälle wenigstens sehr nahe der Fall war. Es ist hierbei noch zu bemerken, dass nach Her - stellung des Stromgleichgewichts beim Schliessen der Kette stets ein kleiner Ausschlag von einigen Scalentheilen bemerkt ward im Sinne eines grösseren Widerstandes des aus nebenein -240 Tabelle IV.

241anderliegenden Drahtspiralen gebildeten Jacobi’schen Etalons. Da bei der Oeffnung der Kette ein entgegengesetzter Ausschlag von gleicher Grösse erfolgte, so war dieses offenbar dem Extra - curent in den Drahtspiralen des Jacobi’schen Etalons zuzu - schreiben. Ferner stellte sich heraus, dass schon eine Erwärmung des Quecksilbers bei längerer Dauer des Stromes eintrat, obgleich nur eine Daniell’sche Zelle benutzt wurde. Bei der langsamen Schwingung und der grossen Dämpfung der Elongationen meines Spiegels liess sich der hieraus entspringende Fehler leicht dadurch eliminiren, dass man nur kurze Strömungen durch das Instrument gehen liess. Der Schlitten wurde immer so eingestellt, dass beim Schliessen ein schwacher Ausschlag nach links eintrat, der bei längerer Dauer des Stromes, in Folge der Erwärmung, in eine Ablenkung nach rechts überging. Man konnte nun durch geringe weitere Verschiebung des Schlittens den Ausschlag nach links verschwindend klein machen und dadurch den Einfluss der Erwärmung gänzlich beseitigen.

Die mit W1 bezeichnete Spalte ist durch Multiplication der vorhergehenden mit der Zahl 661,8 gebildet, welche Zahl durch Vergleichung des berechneten Widerstandes des Rohres No. 2 mit dem Widerstande des benutzten Jacobi’schen Etalons er - mittelt ist. Die Zahlen dieser Spalte mussten mithin mit den in Tabelle III berechneten Widerständen der Röhren überein - stimmen. Die in der mit 〈…〉 bezeichnete Spalte befindlichen Quotienten der berechneten durch die beobachteten Widerstände zeigen, dass die Differenzen nicht grösser sind, wie zu erwarten war. Die wesentlichsten Abweichungen sind bei unseren Messungen dadurch entstanden, dass weder die Temperaturen des Quecksilbers, noch die des zur Vergleichung bestimmten Kupferetalons völlig constant waren. Die Temperatur des Eis - wassers schwankte zwischen 0 und und die des Etalons zwischen 19 und 22 °C. Da aber die Leitungsfähigkeit des Kupfers durch Erwärmung um 1 °C. um etwa 0,4 PCt. vermin - dert wird, so erklären sich hieraus die 1 PCt. nicht erreichenden Abweichungen vollkommen und es kann nicht zweifelhaft sein, dass die benutzte Methode geeignet ist, Widerstandsetalons bis zu jedem Grade von Genauigkeit zu reproduciren.

16242

Die beobachteten Widerstände der Tabelle IV hätten eigent - lich noch um die Grösse des Ausbreitungswiderstandes des Stromes im Quecksilber der Glasgefässe oder des Uebergangs - widerstandes vom Querschnitt des Rohrs zu den amalgamirten Zuleitungsdrähten vermindert werden müssen. Man kann diesen Widerstand ohne grossen Fehler als den Widerstand einer Halb - kugelschale definiren, deren innerer Radius gleich r, dem inneren Radius des Rohres und deren äusserer Radius gegen r sehr gross und daher in die Rechnung als unendlich gross einzuführen ist. Der Widerstand einer halben Kugelschale von der Dicke d x und dem Radius x, wird ausgedrückt durch 〈…〉 mithin 〈…〉 .

Der Widerstand der Ausbreitung in beiden Quecksilber - massen ist also gleich dem Widerstande eine Verlängerung des Rohrs um die Hälfte seines Durchmessers. Wenn nun auch dadurch, dass die Endflächen des Rohrinhaltes eben und nicht, wie in der Rechnung angenommen, halbkugelförmig sind, noch eine geringe Vergrösserung des Ausbreitungswiderstandes herbei - geführt wird, so ist die Gesammtgrösse desselben doch so gering, dass er füglich vernachlässigt werden konnte.

Die zu den bisherigen Versuchen benutzten geraden Glas - röhren sind ziemlich unbequem als Etalons zu verwenden. Ich liess mir daher von Hrn. Geissler in Berlin ähnliche Röhren in Spiralform aufwinden und die aufwärts gebogenen geraden Enden mit kleinen Glasgefässen zur Aufnahme der Zuleitungs - drähte versehen. Diese Glasspiralen wurden, wie Fig. 35 zeigt, am Holzdeckel eines weiteren mit Wasser gefüllten Gefässes be - festigt. Die Temperatur des Wassers ward durch ein Thermo - meter, welches durch eine Oeffnung im Holzdeckel eingeführt werden konnte, beobachtet. Die blasenfreie Füllung der Glas - spiralen mit Quecksilber liess sich leicht dadurch herstellen, dass man mittels eines geeigneten Propfens die Mündung des Rohres in einem der Glasgefässe verstopfte, darauf das andere Gefäss243 mit Quecksilber füllte und dann den Pfropfen vorsichtig lüftete und erst dann ganz entfernte, wenn das Quecksilber langsam sämmtliche Windungen des Rohres durchlaufen hatte.

Da das Quecksilber in der Reihe von Metallen fehlt, für welche Arndtsen1)Diese Ann. Bd. 102, S. 1. die Veränderung des specifischen Wider -

Fig. 35.

standes mit der Temperatur bestimmt hat, so musste diese Lücke erst ausgefüllt werden. Dies geschah durch Hrn. Dr. Esselbach mit Hülfe der beschriebenen Vorrichtung. Es wurde der Wider - stand einer der spiralförmig aufgewundenen Röhren mit dem der geraden Röhren No. 2 zuerst bei der Temperatur des Eiswassers und darauf bei höheren Temperaturen des gewundenen Rohres verglichen. Bezeichnet w den Widerstand des Rohres No. 2, nach Tabelle III gleich 498,7, ferner w, den Widerstand des ge - wundenen Rohres und berücksichtigt man, dass die Widerstände der Zuleitungsdrähte zur Röhre 2 und zur Spirale gleich gemacht wurden und den Widerstand von 11 Quecksilberwürfeln von 1 mm Seitenlänge hatten, so ergiebt sich 〈…〉 wenn a und b die Längen der Stücke des Platindrahtes der16*244Brücke bezeichnen, bei welchen kein Strom durch den Galvano - meterzweig ging. Dies war der Fall wenn 〈…〉 war, woraus sich 〈…〉 ergab.

Es wurde nun die Temperatur des geraden Rohrs durch schmelzendes Eis fortwährend auf der Temperatur 0 erhalten, während das die Glasspirale umgebende Wasser erwärmt wurde. In der folgenden Tabelle bezeichnet t die Temperatur des geraden Rohres, t, die des gewundenen, a und b die im Zustande des Stromgleichgewichts abgelesenen Drahtlängen, y den gesuchten Coëfficienten, berechnet nach der von Arndtsen aufgestellten Formel 〈…〉

Tabelle V.

Hiernach ist Quecksilber unter allen einfachen Metallen das - jenige, dessen Widerstand sich bei zunehmender Temperatur am wenigsten vergrössert.

Mit Hülte dieses Coëfficienten ward nun auch der Wider - stand der beiden andern Glasspiralen A und B bestimmt, welche später als Normalmasse zur Herstellung von Widerstands - copien in Neusilberdraht benutzt wurden. Der Widerstand der Spirale A war bei gleich 514,45 und der Spirale B = 673,0.

Neusilberdraht eignet sich ganz besonders zur Anfertigung von Widerstandsetalons, weil seine Leitungsfähigkeit sehr gering ist und sich bei Temperaturveränderungen nur sehr wenig, nach Arndtsen um etwa 0,04 PCt. pro Grad Celsius, ver - ändert.

Bisher wurde in der vorliegenden Untersuchung stets der245 Widerstand eines Quecksilberwürfels von 1 mm Seitenlänge als Einheit des Widerstandes angenommen. Für kleine Widerstände und überhaupt für Widerstandsberechnungen hat diese Einheit manche Vorzüge. Es erscheint aber doch als zweckmässiger das Widerstandsmass in völlige Uebereinstimmung mit dem Meter - mass zu bringen. Ich schlage daher vor als Einheit des Wider - standes anzunehmen:

Den Widerstand eines Quecksilberprismas von 1 Meter Länge und 1 Quadratmillim. Querschnitt bei .

Sollte dieser Vorschlag allgemeineren Eingang finden, so würden sich alle Widerstandsangaben ohne weitere Umschreibung auf Angaben der Länge in Metermass reduciren. Es würde dann jeder Physiker im Stande sein, sich sein Widerstandsmass selbst so genau wie seine Instrumente es gestatten und erfordern, darzustellen und die etwaige Veränderung des Widerstandes der im Gebrauch bequemeren Etalons aus Metalldrähten zu con - troliren. Selbstredend müsste jedoch dabei als Einheit der Leitungsfähigkeit der Körper nicht, wie bisher, die des Kupfers oder Silbers, sondern die des Quecksilbers angenommen werden. Leider liegen nur wenige Vergleiche der Leitungsfähigkeit des Quecksilbers mit der der festen Metalle vor, aus denen sich eine solche Tabelle berechnen liesse und es fehlt auch bei den meisten Vergleichungen der Leitungsfähigkeit der festen Metalle unter sich die Angabe, ob hart gezogene oder ausgeglühte Drähte benutzt wurden. Aus der umstehenden Tabelle ergiebt sich aber, dass die Leitungsfähigkeit ausgeglühter Drähte beträchtlich grösser ist wie die der nicht geglühten (s. Tab. S. 246 oben).

Es ist hiernach die specifische Leitungsfähigkeit des ausge - glühten Silberdrahtes um 10 PCt., die des ausgeglühten Kupfer - drahtes durchschnittlich um 6 PCt. grösser wie die des nicht ausgeglühten Silbers, resp. Kupfers. Besonders auffallend ist diese Zunahme beim Messing. Da die Härte gezogener Drähte von der Grösse der Ausdehnung nach dem letzten Ausglühen abhängt, so muss sie und ebenso die Leitungsfähigkeit stets ver - schieden ausfallen, wenn auch das Metall völlig gleichartig ist. Ebenso ist die Höhe der Temperatur, bei welcher die Drähte ausgeglüht wurden, die Dauer des Glühens und die Geschwindig - keit der Abkühlung nicht ohne Einfluss auf die Grösse der spe -246

cifischen Leitungsfähigkeit. Die Columne 5 der obigen Tabelle ist nach der früher entwickelten Formel 〈…〉 berechnet. Der Correctionscoëfficient für die Conicität, 〈…〉 , ist bei Metalldrähten fast immer ausser Betracht zu lassen, da er nicht merklich von 1 verschieden ist. Wie er - sichtlich ist diese Methode weit schärfer wie die bisher gebräuch - liche, bei welcher der mittlere Durchmesser der Drähte durch directe Messungen zu ermitteln war. Dieser ungenaue Werth ging im Quadrat in die Rechnung ein, wodurch die Ungenauig - keit der Methode noch wesentlich erhöht wurde. Bei der von mir benutzten Methode sind dagegen sämmtliche Data mit grösster Schärfe zu bestimmen, namentlich die Länge, welche hier im Quadrat auftritt.

Vergleicht man die obige Tabelle mit der von Arndtsen aufgestellten, so ergiebt sich, dass der gefundene mittlere Werth der Leitungsfähigkeit des ungeglühten Platinadrahtes, nämlich 8,257 und der geringste gefundene Werth für ungeglühtes Silber, 56,252, genau in dem von Arndtsen angegebenen Verhältnisse247 stehen, während der Widerstand des Kupfers der Arndtsen’schen Tabelle dem des ausgeglühten Kupferdrahtes der meinigen ziem - lich genau entspricht. Da das von mir benutzte Silber und Platina chemisch rein war und auch Arndtsen diese Metalle in völliger Reinheit benutzte, so habe ich bei der Berechnung der nachfolgenden Tabellen den Widerstand des Platina’s und harten Silbers zu Grunde gelegt. Die aus der Arndtsen’schen Tabelle entnommenen Werthe sind mit (A), die selbst beob - achteten mit (S) bezeichnet.

Tabelle VI.

Leitungsfähigkeit der Metalle bei der Temperatur t, ver - glichen mit der des Quecksilbers bei .

  • Quecksilber 〈…〉 (S)
  • Blei 〈…〉 (A)
  • Platin 〈…〉 (A, S)
  • Eisen 〈…〉 (A)
  • Neusilber 〈…〉 (A)
  • do. geglüht 4,137 (S)
  • Messing hart 11,439 (S)
  • do. geglüht 13,502 (S)
  • do. 〈…〉 (A)
  • Aluminium 〈…〉 (A)
  • Kupfer 〈…〉 (A)
  • do. hart 52,207 (S)
  • do. geglüht 55,253 (S)
  • Silber, hart 〈…〉 (A, S)
  • do. geglüht 64,38 (S)
248

Der Uebersichtlichkeit wegen habe ich die von Arndtsen beobachteten Werthe mit den von ihm angegebenen Corrections - coëfficienten für erhöhte Temperaturen versehen. Ob dieselben bei geglühten und ungeglühten Drähten dieselben bleiben, habe ich nicht untersuchen können. Das von mir untersuchte Messing enthielt, wie die in meinem Laboratorio ausgeführte Analyse ergab, 29,8 PCt. Zink und 70,2 PCt. Kupfer.

Schliesslich bemerke ich noch für Diejenigen, welche sich Etalons in der beschriebenen Weise darstellen wollen, dass es nothwendig ist, das Quecksilber vor dem Gebrauch unter einer Decke von concentrirter Schwefelsäure mit einigen Tropfen Sal - petersäure etliche Stunden zu erwärmen, damit alle metallischen Verunreinigungen, so wie der absorbirte Sauerstoff, welche seine Leitungsfähigkeit sehr wesentlich vergrössern, vollständig beseitigt werden.

[249]

Ueber Widerstandsmasse und die Abhängigkeit des Leitungswiderstandes der Metalle von der Wärme.

(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 113 S. 91.)

1861.

Dem von mir in diesen Annalen1)Pogg. Ann. Bd. 110, S. 1. gemachten Vorschlage eines reproducirbaren Widerstandsmasses ist von Herrn Matthies - sen2)Pogg. Ann. Bd. 112, S. 353. kürzlich ein anderer gegenüber gestellt worden. Während ich vorschlug, als Einheit des Widerstandes den Widerstand eines Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 qumm Querschnitt bei anzunehmen, schlägt Herr Matthiessen vor, die Weber’sche abso - lute Einheit als allgemeines Widerstandsmass zu benutzen, das - selbe mit dem Widerstande eines Drahtes aus einer Gold-Silber - Legirung zu vergleichen und dann durch Anfertigung von Dräh - ten aus derselben Legirung zu reproduciren.

Der erste Theil des Vorschlages des Herrn Matthiessen hat auf den ersten Blick Manches für sich. Bei näherer Betrach - tung sprechen aber sehr überwiegende Gründe dagegen. Ein Mass kann nur dann seinen Zweck erfüllen, wenn es so genau herzustellen ist, wie die Instrumente, denen es dienen soll, es mit anderen vergleichen zu können. Erklärt man sich gegen ein willkürlich gewähltes, durch Copirung zu vervielfältigendes Grundmass, wie Herr Matthiessen es ebenfalls thut, so muss das unmittelbar herstellbare Grundmass nothwendig in solcher250 Schärfe zu reproduciren sein, dass unsere empfindlichsten Instru - mente keine Verschiedenheit wahrnehmen können.

Das ist nun leider bei der Bestimmung des absoluten Wider - standes nach der Weber’schen Methode nicht der Fall. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Methode sich so vervollkomm - nen liesse, dass der obigen Anforderung auch nur annähernd genügt würde, da der Bestimmung des absoluten Widerstandes die der Messung der Stromstärke und der elektromotorischen Kraft nach absolutem Masse vorhergehen muss, alle bei diesen schwierigen Massbestimmungen begangenen Fehler sich also in der Bestimmung des absoluten Widerstandes wiederfinden. Es kann wohl mit Bestimmtheit behauptet werden, dass auch die geübtesten und mit den vollkommensten Instrumenten und Lo - calitäten ausgerüsteten Physiker nicht im Stande sein werden, absolute Widerstandsbestimmungen zu machen, die nicht um einige Procente von einander verschieden wären! Ein Mass, welches so wenig genau ist, würde aber nicht einmal den An - forderuugen der Technik genügen. Doch selbst wenn die Mög - lichkeit gegeben wäre, das absolute Widerstandsmass in hin - reichender Schärfe zu bestimmen, so würde man doch noch kein absolutes Mass für die Leitungsfähigkeit der Körper haben, müsste also doch wieder eine Einheit des Leitungsvermögens willkürlich wählen. Dann ist es aber weit bequemer und an - schaulicher das Widerstandsmass als den Widerstand eines prismatischen Körpers aus dem Material, welches man als Ein - heit der Leitungsfähigkeit angenommen hat, zu definiren. Ausser diesen Gründen eignet sich das absolute Widerstandsmass auch noch aus dem Grunde nicht zur allgemeinen Verwendung, weil es unpraktisch klein ist, und nicht auf einer einfachen geometri - schen Vorstellung beruht. So gross daher auch der Werth des absoluten Widerstandsmasses für manche Betrachtungen und Rechnungen ist, und so wichtig es ist, den Werth jedes andern gebräuchlichen Widerstandsmasses in absoluten Einheiten zu kennen, so muss man es doch als ganz unbrauchbar für ein all - gemeines Grundmass des Leitungswiderstandes erklären. Herr Matthiessen beschränkt sich übrigens auch auf die Erklärung das absolute Widerstandsmass sei das beste und werde es stets bleiben , ohne Gründe für diese Behauptung anzuführen251 oder Zahlen anzugeben, welche seine Darstellung vermittelst der Gold-Silber-Legirung ermöglichten. Er will vorläufig nur den Beweis führen, dass Drähte, die aus der von ihm angegebenen Gold-Silber-Legirung gezogen wären, sich vorzugsweise zur genauen Reproduction von Widerstandsmassen und zur Anferti - gung von Widerstands-Etalons eigneten. Dieser Beweis ist ihm aber nach seinen eignen Zahlenwerthen durchaus nicht gelungen. Während z. B. seine weichen Drähte No. III die Leitungsfähig - keit 14,92 (die eines harten Silberdrahtes = 100 gesetzt) geben, hatten die weichen Drähte No. VII die mittlere Leitungsfähig - keit 15,16; es bestanden also Abweichungen von mehr als pCt.

Auch wenn man die am wenigsten harmonirenden Zahlen fortlässt, so erhält man doch in den meisten Fällen noch Diffe - renzen, welche 0,01 nahe erreichen. Da nun gute Widerstands - messapparate ohne Schwierigkeit Messungen gestatten, welche bis auf 0,0001 übereinstimmen, so folgt schon aus den eigenen Angaben des Herrn Matthiessen, dass sein Vorschlag durchaus verfehlt ist. Selbst wenn die Leitungsfähigkeit der Legirung stets vollkommen dieselbe und die Drähte völlig cylindrisch und homogen wären, so würden sich kleine Widerstände doch nicht mit Genauigkeit vermittels derselben herstellen lassen, da in den Berührungsstellen der Drahtenden mit den Zuleitungsdrähten immer noch variable Widerstände von wesentlicher Grösse auf - treten.

Die Einwände, welche Herr Matthiessen gegen die Anwen - dung des Quecksilbers als Mass der Leitungsfähigkeit und zur Darstellung von Widerstands-Etalons erhebt, beruhen theilweise auf der irrigen Voraussetzung, dass ich vorgeschlagen habe, die mit Quecksilber angefüllten Glasröhren als Widerstands-Etalons, welche in dauernder Benutzung bleiben sollen, zu verwenden. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Ich habe vorgeschlagen, auf die von mir beschriebene Weise Widerstands-Etalons aus Neusilberdraht herzustellen, welche den Widerstand der vorge - schlagenen Quecksilbereinheit besitzen. Neusilber eignet sich zur Anfertigung von Widerstands-Etalons jedenfalls weit besser wie die kostbare Gold-Silber-Legirung, da sein Leitungsvermögen weit geringer ist und sich noch weniger bei Temperaturschwan -252 kungen verändert. Das von Halske und mir zur Anfertigung von Widerstands-Etalons und Scalen benutzte Neusilber hat nur eine Leitungsfähigkeit von 3,22 die des Quecksilbers = 1 gesetzt und sein Widerstand vergrössert sich durch Erwär - mung um 1 °C nur um 0,000272. Der Einwand des Hr. Mat - thiessen, dass man das Quecksilber häufig erneuern müsse, weil es durch die eintauchenden Kupferdrähte verunreinigt würde, kann daher wohl nicht als erheblich angesehen werden, da man sich der geringen Mühe des Füllens der Spiralröhren mit frisch gereinigtem Quecksilber dann leicht unterziehen kann, wenn man neue Etalons anfertigen oder alte controliren will. Ist man übri - gens mit der von Herrn Matthiessen als ausreichend betrachte - ten Genauigkeit von 1 bis 2 pCt. zufrieden, so kann man auch ohne allen Nachtheil Platin - oder Eisendrähte anstatt der kupfer - nen als Zuleitungen benutzen, da der Uebergangswiderstand vom Quecksilber zum festen, nicht amalgamirten, Metall nur bei Mes - sungen von grösserer Schärfe in Betracht kommt. Dass meine Methode aber wirklich ihren Zweck erfüllt, nämlich die directe Darstellung von Widerstands-Etalons bis zu jeder erforderlichen Genauigkeit gestattet, mögen die in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellten Messungen beweisen, welche zu dem Behufe mit grösster Sorgfalt angestellt wurden, um die von mir in Vor - schlag gebrachte Einheit des Leitungswiderstandes, nämlich die eines Quecksilberfadens von 1 m Länge und 1 mm Querschnitt bei , möglichst genau darzustellen. Die Glasröhren wurden absichtlich von sehr verschiedenem Durchmesser gewählt und mit Quecksilber aus verschiedenen Bezugsquellen, welches auf die angegebene Weise durch Erhitzung mit englischer Schwefel - säure gereinigt war, gefüllt (s. Tab. I).

Die Werthe der drei letzten mit w0 überschriebenen Co - lumnen sind berechtigt nach der Formel 〈…〉 Die Zahlen der mit t überschriebenen Columnen bezeichnen die Temperatur der geraden Normalröhren, t1 die der zu vergleichenden Spiralröhren. Beide waren stets von bewegtem Wasser umge - ben. Für α ist der Werth 0,001 anstatt des früher von mir angegebenen Werthes 0,00095 angenommen, wie später gerecht -253 Tabelle I.

fertigt werden soll. Der Vergleich der gefundenen Widerstands - werthe der Spiralröhren zeigt, dass die Summe der Beobachtungs - fehler nur bei dem Spiralrohr SIII ½ pro mille erreicht, dass also bis zu dieser Grenze der Genauigkeit die Etalons zuverlässig sind. Sowohl die Normal - wie die Spiralröhren wurden vor dem Gebrauche mit frisch gereinigtem Quecksilber gefüllt. Es ist dies immer vortheilhaft, obschon vielfache Vergleichsversuche mich überzeugt haben, dass sowohl der oxydirende Einfluss der Luft wie die Verunreinigung des Quecksilbers durch Auflösung von Kupfer nach achttägigem Gebrauche der gefüllten Glasröhren noch ohne allen Einfluss auf den Widerstand derselben geblieben waren1)Da Hr. Matthiessen die Schwierigkeit hervorhebt, sich vollkommen reines Quecksilber in hinreichender Menge zu beschaffen, so scheint er dadurch die Behauptung aussprechen zu wollen, dass er die von mir be - nutzte, sehr einfache Reinigungsmethode des käuflichen Quecksilbers nicht für ausreichend hält. Zur Beseitigung dieses Zweifels war Hr. Dr. Quincke so gütig, mir eine Quantität seines von ihm selbst mit grösster Vorsicht aus Quecksilberoxyd dargestellten Quecksilbers zu einem vergleichenden Versuche zur Disposition zu stellen. Hr. Dr. Quincke überzeugte sich aber durch eigene Beobachtung, dass nicht die geringste Verschiedenheit des Widerstandes einer meiner Spiralröhren zu erkennen war, als das darin befindliche gereinigte käufliche Quecksilber durch sein frisch gereinigtes, chemisch reines Quecksilber ersetzt worden war. Die Leitungsfähigkeit beider konnte daher wenigstens nicht um 0,0001 verschieden sein, da meine Instrumente eine solche Verschiedenheit noch sicher angeben. Gleichzeitig überzeugte sich Hr. Dr. Quincke davon, dass der Wider -.

254

Ich muss hier den Vorwurf eines groben Irrthums, dessen mich Hr. Matthiessen zeiht, entschieden ab und auf Denselben zurückweisen. Hr. Matthiessen sagt in der meine Arbeit be - handelnden Anmerkung wörtlich: da Spuren fremder Metalle (0,1 pCt. oder 0,2 pCt. ) eine Abnahme in der Leitungsfähig - keit des reinen Quecksilbers verursachen, nicht wie Siemens sagt, eine Zunahme. Ich begreife wirklich nicht, wie ein solcher, so leicht zu constatirender, qualitativer Irrthum sich hat einstellen können. Ich muss meine Behauptung vollständig aufrecht er - halten in Bezug auf alle von mir in dieser Beziehung unter - suchten Metalle wenigstens, nämlich Silber, Kupfer, Zinn und Zink.

Ich glaube mich sogar zu dem allgemeinen Ausspruch be - rechtigt, dass die Leitungsfähigkeit flüssiger Metallgemische die der getrennt nebeneinander liegenden Einzelmetalle in flüssigem Zustande und von derselben Temperatur ist, und dass der Grund der grossen Verminderung der Leitungsfähigkeit starrer Legirungen nur im Erstarrungsprocesse selbst zu suchen ist. Die nachfol - genden Versuche werden zeigen, dass diese Annahme wenigstens grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Der Widerstand eines mit reinem Quecksilber gefüllten Spiralrohrs ward auf gewöhnliche Weise mit dem eines ähnlichen Rohres verglichen. Darauf ward das reine Quecksilber aus dem Rohre entfernt und dieses mit Quecksilber gefüllt, in welchem Zink aufgelöst war. Nach der Bestimmung des Widerstandes wurde das im Rohr selbst befindliche Quecksilber sorgfältig auf - gefangen und der Gehalt desselben an Zink durch Analyse be - stimmt. Derselbe Versuch ward mit Quecksilber, welches weniger Zink enthielt, mehrfach wiederholt. In der nachfolgenden Tabelle enthalten die ersten beiden, mit t und t1 überschriebenen Verti - calspalten die Temperaturen der mit Wasser umgebenen Spiral - röhren, die mit a bezeichnete die Ablesung, die mit w bezeich - neten die aus den vorherigen Daten berechneten Widerstände des mit verunreinigtem Quecksilber gefüllten Spiralrohres, die fol -1)stand der Spirale kleiner wurde, als das Quecksilber mit etwas Kupfer - amalgam verunreinigt wurde, seine Leitungsfähigkeit sich also beträchtlich vergrösserte.255 genden den durch Analyse gefundenen Procentgehalt an Zink und die letzte die hieraus berechnete Leitungsfähigkeit des Zinks.

Die Berechnung der Leitungsfähigkeit des Zinks geschah nach der Formel 〈…〉 , in welcher W den Widerstand der mit reinem Quecksilber ge - füllten Spirale, w den Widerstand des mit zinkhaltigem Queck - silber gefüllten Rohres, m den Procentgehalt an Zink, s das specifische Gewicht des Quecksilbers, σ das des Zinks bezeich - net. Die Formel ergiebt sich aus der Betrachtung, dass das Verhältniss des vom Zink erfüllten Theiles des Querschnittes des Rohres zum gesammten Querschnitt = 〈…〉 ist und dass also, wenn q den Querschnitt des gesammten Rohres, q1 den des von Zink erfüllten bezeichnet

  • 1) 〈…〉 ,
  • 2) 〈…〉 und
  • 3) 〈…〉 ist.

Für s und σ sind die Werthe 13,56 und 6,9 angenommen.

Die hier gefundene Leitungsfähigkeit des Zinks ist grösser als die von Becquerel gefundene, 8,3, aber beträchtlich kleiner wie die von Matthiessen beobachtete, nämlich 18. Letztere An - gabe ist wohl als die zuverlässigere anzusehen, da Matthiessen ausdrücklich angiebt, chemisch reines Zink verwendet zu haben. Ist die der Rechnung zu Grunde liegende Annahme richtig, so müsste also flüssiges Zink bei gleicher Temperatur weit schlech - ter leiten wie festes. Versuche, die mit Zinn, Kupfer und Silber in ähnlicher Weise angestellt wurden, gaben dasselbe Resultat. Bei Kupfer und Silber fällt die Leitungsfähigkeit sogar verhält -256 nissmässig noch weit geringer aus, wie aus der nachstehenden Tabelle für Silber ersichtlich ist.

Der Widerstand der Glasspirale ward hier mit einer Ein - heit aus Neusilberdraht verglichen. Der Silbergehalt ward aber nicht durch nachträgliche Analyse bestimmt, sondern aus der Zusammensetzung berechnet. Das specifische Gewicht des Sil - bers ist = 10,5 gesetzt. Um zu verhüten, dass sich starres Amalgam in den angeblasenen Glasgefässen abschied, wie es bei langsamem Einströmen des Quecksilbers in das Glasrohr von geringem Querschnitt leicht eintritt, ward es vermittelst einer kleinen Pumpe unter kräftigem Druck hineingetrieben. Es ist allerdings möglich, dass trotz dieser Vorsichtsmassregel der Sil - bergehalt des im Rohre befindlichen Quecksilbers dennoch etwas geringer ausgefallen ist; es müsste dann aber die Leitungsfähig - keit des flüssigen Silbers noch kleiner ausfallen wie die Rech - nung ergiebt. Sie wäre also noch kleiner im Verhältniss zum flüssigen Zink, während sie 3 mal grösser ist, wenn beide Me - talle im starren Zustande sind.

Dass der Widerstand einiger Metalle beim Uebergange aus dem starren in den flüssigen Zustand plötzlich zunimmt, hat Matthiessen für Kalium und Natrium nachgewiesen1)Pogg. Ann. Bd. 100, S. 177. doch reichen die verhältnissmässig geringen Unterschiede, welche derselbe für diese Metalle fand, nicht aus, um die hier gefundenen grossen Differenzen zu erklären. Um mir weitere Aufklärung hierüber zu verschaffen, füllte ich eine Glasspirale im Stearinbade mit reinem Zinn. Das Zinn schmolz nach meinem, nicht weiter controllirten Quecksilberthermometer schon bei 224 °C. und füllte das Glasrohr vollkommen. Nachdem ich das so gefüllte Glas - rohr bis auf 280° erwärmt hatte, mass ich seinen Widerstand,257 liess es darauf langsam abkühlen, wobei das flüssige Stearin durch Einblasen von Luft in steter Bewegung erhalten wurde und wiederholte die Widerstandsmessungen, wenn die Temperatur sich einige Zeit constant erhalten hatte. In nachfolgender Ta - belle sind diese Messungen zusammengestellt.

Die Zahlen der mit wt überschriebenen Spalte sind nach der Formel 〈…〉 berechnet, in welcher wt den Widerstand des Rohres bei der Temperatur t, wo den Widerstand desselben bei , a die Ab - lesung am Nonius des Brücken-Messinstrumentes und l den Widerstand der Zuleitungsdrähte zur Spirale bezeichnet. Letzterer betrug 111,95 mm oder kleine Einheiten1)Als Widerstandsmass ist mithin 〈…〉 Einheit oder der Widerstand eines Würfels von 1 mm Seitenlänge angenommen.. Die Zahlen der Spalte a sind sämmtlich die Mittel aus zwei Messungen und zwar solcher, bei denen die beiden Brückenzweige durch einen widerstandslosen Commutator vertauscht waren. Messungen, bei welchen die Summe der beiden erhaltenen Ablesungen um mehr als 0,5 mm von 1000 verschieden waren, wurden verworfen. Der Vergleichswiderstand ward durch Eis auf erhalten. Mit Quecksilber gefüllt hatte die Spirale bei den Widerstand 742,24. Die Leitungsfähigkeit des Zinks ist mithin 〈…〉 . Die letzte Messung (9) ist eine am anderen Tage vorgenommene17258Control-Messung, nach welcher die Leitungsfähigkeit des Zinnes ebenfalls = 9,1 wird. Aus den Zahlen der mit 〈…〉 überschrie - benen Spalte, welche die mittlere Widerstandszunahme für zwischen den benachbarten Temperaturen enthält, ergiebt sich, dass die Widerstandszunahme des starren Zinnes mit der An - näherung an den Schmelzpunkt in steigender Progression wächst, dass beim Uebergange über den Schmelzpunkt eine sprungweise Vergrösserung des Widerstandes eintritt, welche beinahe das fache des Widerstandes bei erreicht, dass bei weiterer Er - hitzung des flüssigen Zinns die Widerstandszunahme sich all - mählich wieder vermindert und etwa 45° über dem Schmelz - punkte nur noch ungefähr halb so gross ist wie in der Nähe des Gefrierpunktes. Dividirt man die Zahlen dieser Spalte durch den Widerstand bei also durch 81,57, so erhält man den Coefficienten der Widerstandszunahme für die betreffenden Tem - peraturintervalle. Der Anblick der Zahlenwerthe, welche in der mit α bezeichneten Spalte zusammengestellt sind, zeigt, dass die - selben sich vom Schmelzpunkte an nach beiden Seiten einer Constante nähern. Es ist wahrscheinlich, dass diese für festes Zinn mit dem von Arndtsen für andere einfache feste Metalle gefundenen Werthe übereinstimmt. Es liegt auch nahe, die für das flüssige Zinn gefundenen Werthe mit dem Coefficienten des Quecksilbers zu vergleichen, doch fehlt einem solchen Vergleiche die bestimmte Grundlage, da das Quecksilber bei flüssig ist, sein Widerstand bei dieser Temperatur, mit welchem die Wider - standszunahme durch den Coefficienten α verglichen wird, mithin die durch das Flüssigwerden bewirkte Widerstandszunahme schon enthält. Dass eine solche sprungweise Verminderung der Lei - tungsfähigkeit durch das Flüssigwerden der einfachen Metalle bei allen eintritt, ist wohl mit Bestimmtheit anzunehmen, da dies nicht nur bei den 3 hierauf untersuchten Kalium, Na - trium, Zinn der Fall ist, sondern von mir auch bei in der Kälte starren Amalgamen und leichtflüssigen Legirungen beobach - tet ist. Bei den letztgenannten ist der Sprung aber sehr viel kleiner wie beim Zinn ein Verhalten, welches den Legirungen überhaupt eigen zu sein scheint und welches vielleicht die eigent - liche Ursache der geringen Leitungsfähigkeit derselben bildet. 259Clausius machte schon darauf aufmerksam1)Pogg. Ann. Bd. 104, S. 650., dass der Leitungs - widerstand aller reinen Metalle2)Eisen ist stets kohlehaltig, kann also nicht als einfaches Metall betrachtet werden. der absoluten Temperatur nahe proportional sei. In der That lassen sich die vorhandenen Diffe - renzen aus kleinen Ungleichheiten des Leitungswiderstandes bei in Folge von geringen Verunreinigungen und unvollkommener Weichheit der verglichenen Metalle vollständig erklären. Nur das Quecksilber machte eine entschiedene Ausnahme. Nach Analogie des Zinns wird sich aber starres Quecksilber wahr - scheinlich in hinreichendem Abstande vom Schmelzpunkte eben - falls den anderen einfachen Metallen anschliessen, die von Clausius bemerkte Thatsache daher alle reinen Metalle umfassen unter der Einschränkung, dass der Abstand vom Schmelzpunkte ausreichend gross sei. Die Abweichungen in der Nähe des Schmelzpunktes lassen sich als eine allmähliche Einleitung und Vollendung des Schmelzprocesses auffassen. Es würde hiernach die Leitungs - fähigkeit aller einfachen Metalle beim absoluten Nullpunkt der Temperatur unendlich gross sein oder der Leitungswiderstand wäre eine die Temperatur begleitende und quantitativ direct von ihr abhängige Erscheinung. Wäre es möglich, diese Abhängigkeit des Leitungswiderstandes von der Temperatur oder von der im Körper thätigen Wärmemenge, wie man wohl ohne wesentliche Abweichung von den Thatsachen sagen kann, auch über den Schmelzpunkt hinaus nachzuweisen, so liesse sich der Leitungs - widerstand als eine reine Wärmeerscheinung auffassen, wodurch ein wichtiges neues Verbindungsglied zwischen den beiden Na - turkräften Wärme und Elektricität gewonnen wäre. Leider liegen bisher noch zu wenig Untersuchungen über die latente Wärme der flüssigen Metalle, die Wärmecapacität derselben und ihre Veränderung mit der Temperatur, so wie auch über den Leitungswiderstand flüssiger und zu höheren Temperaturgraden erhitzter Metalle vor, um diesen vermutheten directen Zusammen - hang nachweisen zu können.

Schliesslich füge ich noch zwei Versuchstabellen bei, welche den Beweis liefern, dass die Widerstandszunahme sowohl bei Quecksilber wie bei Kupfer innerhalb des Gefrier - und Siede -17*260punktes als constant zu betrachten ist. Das Quecksilber war destillirt und kurz vor dem Gebrauch unter einer Decke von englischer Schwefelsäure mit einigen Tropfen Salpetersäure bei fortdauernder Bewegung erhitzt. Die beiden mit diesem Queck - silber gefüllten Spiralröhren wurden in mit Wasser gefüllte Glas - gefässe gesetzt, welche mit schlechten Wärmeleitern umgeben waren. Die Temperatur des einen Gefässes wurde möglichst constant erhalten, während die des anderen durch Wasserdampf, welcher hineingeleitet wurde, nach und nach erhitzt wurde. Die Temperatur wurde durch zwei Geissler’sche Thermometer, welche 1 / 10 Gradtheilung besassen, abgelesen. Um sicher zu sein, dass die Temperatur der ganzen Wassermasse gleichmässig war, wurde dieselbe durch Einblasen von Luft in lebhafter Bewegung er - halten.

Die mit t1 überschriebene Spalte giebt die Temperatur des Vergleichswiderstandes, die mit t überschriebene, die auf die constante Temperatur 17,34 des Vergleichswiderstandes reducirte Temperatur der erwärmten Spirale. Der zu den Messungen der folgenden Tabelle benutzte Kupferdraht war etwa mm dick mit Seide umsponnen und auf einen kleinen Rahmen von Hart - gummi lose aufgewickelt. Die Enden des Drahtes waren an dicke Kupferdrähte gelöthet, welche den Widerstand 11,9 hatten, während die Zuleitungen der Quecksilberspirale, welche diesmal durch Eiswasser constant auf erhalten wurde, nur 1,8 betrug. 261Der mit dem Kupferdraht umwickelte kleine Rahmen ward in ein mit wohl ausgekochtem Oel gefülltes Reagensglas gesteckt, welches seinerseits in ein mit Wasser gefülltes Gefäss tauchte. Das Thermometer reichte in den Rahmen hinein, war also von dem Drahte, dessen Temperatur bestimmt werden sollte, um - geben. Die Erhitzung des Wassers geschah auf die beschriebene Weise durch Wasserdampf. Durch Regulirung der Dampfbildung liess sich die Temperatur im Reagensrohr lange Zeit vollständig constant erhalten. Der Widerstand der als Vergleichswiderstand benutzten Quecksilberspirale war bei = 1997,5.

Die mit 〈…〉 überschriebene Zahlenreihe, welche durch Di - vision der in gleicher Höhe stehenden Zahlen der beiden vor - hergehenden Columnen erhalten sind und die Widerstandszu - nahme durch Erwärmung um einen Grad angiebt, sind in beiden Tabellen hinlänglich übereinstimmend und zeigen, dass die Curve der Widerstandszunahme, sowohl bei Quecksilber wie bei Kupfer als gerade Linie anzunehmen ist. Dividirt man die mittlere Widerstandszunahme durch den Widerstand bei , so erhält man den Coefficienten α, welcher also für Quecksilber = 0,000985 und für Kupfer = 0,00329 ist.

262

Sowohl der von mir früher für Quecksilber angegebene Coefficient 0,00095 wie namentlich der später von Hrn. Schröder van der Kolk1)Pogg. Ann. Bd. 110, S. 452. mitgetheilte 0,0008 waren also zu klein. Dass der für Kupfer gefundene Coefficient 0,00329 so beträchtlich kleiner ist wie der von Arndtsen angegebene 0,0036, kann seinen Grund darin haben, dass ich käufliches Kupfer von der Leitungs - fähigkeit 46,7 benutzt habe, während völlig reines, durch Schmel - zen galvanischen Kupfers unter Wasserstoff dargestelltes, die Leitungsfähigkeit 56,4 hatte. Was Herrn Matthiessen zu der am Schlusse seines oben erwähnten Aufsatzes gemachten Aeusse - rung: dass die gewöhnliche Annahme, die Leitungsfähigkeit des reinen wie käuflichen Kupfers ändere sich gleichmässig mit der Temperatur, weit von der Wahrheit entfernt sei, veranlasst hat, kann ich nicht beurtheilen, da derselbe diesen Ausspruch nicht auf mitgetheilte Versuche stützt.

[263]

Widerstands-Etalon.

(Notiz von Hrn. Poggendorff in Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 120 S. 512.)

1863.

Der Wunsch, zur Vereinigung über ein bestimmtes Mass des Widerstandes gegen den Durchgang elektrischer Ströme bei - zutragen, hat die genannten Inhaber der rühmlichst bekannten Telegraphen-Bau-Anstalt veranlasst, eine Anzahl genauer Copien der von Dr. W. Siemens vorgeschlagenen und dargestellten Ein - heit des Widerstandes eines Quecksilberprismas von 1 Meter Länge und 1 mm Querschnitt bei (s. Pogg. Ann. Bd. CX, S. 1 und Bd. CXIII, S. 91, sowie Phil. Mag. March 1863) anzu - fertigen und dieselben an Physiker und Telegraphen-Techniker mit der Bitte zu übersenden, sich ihrer bei Widerstandsbestim - mungen zu bedienen.

Auch mich hat die Güte des Hrn. S. und H. mit einem solchen Widerstands-Etalon versehen, begleitet zugleich von einem anderen in Form von Glasspiralen, die zur Aufnahme von Quecksilber bestimmt sind. Beide Instrumente, so wie Wider - standsscalen von 1 bis 10000 Einheiten, nach dem Gewichts - systeme geordnet, die ebenfalls in gedachter Anstalt verfertigt werden, entsprechen ihrem Zweck gewiss in hohem Grade und verdienen daher die weiteste Verbreitung.

[264][265]

Ueber Erwärmung der Glaswand der Leydener Flasche durch die Ladung.

(Monatsber. d. Berlin. Akad. 1864, Oct. Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chemie Bd. 125 S. 137.)

1864.

Da es mir wahrscheinlich war, dass die Glaswand der Leydener Flasche durch deren Ladung und Entladung erwärmt werden müsste, so habe ich mir einen Apparat zusammengestellt, durch welchen sich schon sehr geringe Erwärmungen mit Sicher - heit erkennen lassen. Das Resultat der damit angestellten Ver - suche entsprach meinen Erwartungen vollständig. Die Construc - tion des Apparates ist folgende: Ich liess feinen Eisen - und gleich starken Neusilberdraht mit Seide bespinnen. Diese Drähte wurden darauf in etwa 1 dm lange Stücke geschnitten und je ein Neusilberdraht mit einem Eisendraht zusammengelöthet. Die so verbundenen Drähte wurden auf eine mit Kitt aus Kolophonium und Schellack überzogene Glasplatte gelegt, so dass die Löth - stellen von 180 Drähten, ohne sich zu berühren, etwa einen Raum von 1 dm einnahmen. Durch Niederdrücken mit einem erwärmten Eisen wurden die Drähte im Kitt eingeschmolzen und so auf der Platte befestigt. Nachdem nun die benachbarten freien Enden der Drähte mit einander verlöthet waren und dadurch eine Thermosäule von 180 Elementen gebildet war, ward eine ebenfalls mit Kitt überzogene zweite Glasplatte mit der Kitt - fläche auf die erste gelegt. Durch vorsichtige Erwärmung wurde der Kitt zwischen den Glasplatten darauf erweicht und ein Theil desselben mit den vereinzelten Luftblasen, welche er umschloss, herausgepresst. Die Thermosäule befand sich mithin jetzt in einer luftfreien Kittfläche genau in der Mitte einer circa 5 mm dicken Glasplatte. Der sämmtliche innere Löthstellen bedeckende, mittlere Theil der Glasplatte wurde nun auf beiden Seiten mit etwa 1 dm grossen Stanniol-Belegungen versehen, welche mit266 isolirten Zuleitungsdrähten verbunden wurden. Ebenso wurden die beiden frei gebliebenen Enden der Thermosäule mit Kupfer - drähten verbunden, welche zu einem empfindlichen Spiegelgalva - nometer führten. Der ganze Apparat, mit Inbegriff der äusseren Löthstellen, wurde sorgfältig vor jeder Temperaturänderung ge - schützt. Es genügte dann schon eine kurze Folge von Ladungen und Entladungen mittelst eines Volta-Inductors von etwa 1 Zoll Schlagweite um die Scale meines Galvanometers aus dem Ge - sichtsfelde zu treiben, und zwar im Sinne der Erwärmung der zwischen den Belegungen liegenden Löthstellen. Diese Ablenkung geht nach Aufhören der Ladungsfolge sehr langsam auf Null zurück. Erst nach mehreren Stunden verschwindet sie gänzlich. Sie ist unabhängig von der Richtung des Ladungsstromes und anscheinend proportional der Zahl der Ladungen und der Schlag - weite, bis zu welcher die Ladungstafel geladen wurde. Die Be - wegung der Scale beginnt sofort nach der ersten Ladung und schreitet dann regelmässig vor. Berührt man dagegen eine der Belegungen mit dem Finger, so bleibt die Scale noch 2 bis 3 Secunden unbewegt stehen bevor sie ihre Bewegung beginnt, die gewöhnlich erst ausserhalb des Gesichtsfeldes endet.

Die beobachtete Erwärmung kann weder durch Leitung der Glasmasse noch durch die Compression derselben durch die Anziehung der Belegungen, noch endlich durch das Eindringen der Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glas - masse entstehen. Der erste Einwand wird durch die Anordnung des Apparates und die beschriebenen Versuche direct beseitigt. Die Erwärmung durch Compression würde durch die auf sie fol - gende gleich starke Abkühlung durch Expansion ausgeglichen werden, könnte also keine dauernde Erwärmung hervorbringen, selbst wenn die äusserst geringe Anziehung dazu ausreichte. Ebenso wenig kann die Ursache der Erwärmung im Eindringen der Elektricität in die den Belegungen zunächst liegende Glas - masse gesucht werden, da die Ablenkung dann nicht sofort, sondern erst nach Verlauf etlicher Secunden beginnen könnte. Nimmt man dagegen mit Hrn. Faraday an, dass die Ladung und Entladung auf einem moleculären Bewegungsvorgang in dem die Belegungen trennenden Isolator beruhe, so hat die Thatsache der Erwärmung dieses Isolators nichts Auffallendes mehr.

[267]

Zur Frage der Widerstands-Einheit.

(Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chemie Bd. 127 S. 327.)

1866.

Im Jahre 1860 veröffentlichte ich in diesen Blättern1)Diese Ann Bd. 110, S. 1. eine Methode, mit deren Hülfe es mir gelungen war, Widerstands - Etalons genau zu reconstruiren, und mache den Vorschlag, den Widerstand eines Quecksilberprismas von 1 m Länge und 1 mm Querschnitt, oder den millionenfachen Widerstand eines Queck - silberwürfels von 1 m Seitenlänge, bei Temperatur, als Ein - heit des elektrischen Leitungswiderstandes und gleichzeitig den specifischen Widerstand des Quecksilbers als Einheit des speci - fischen Widerstandes der Körper anzunehmen. Die Gründe, auf welche ich meinen Vorschlag stützte, waren kurz zusammenge - fasst folgende:

Die Aufstellung eines willkürlich gewählten oder sich einem in der Natur gegebenen mehr oder weniger genau anschliessen - den materiellen Grundmasses des Widerstandes, welches wie das Normal-Meter-Mass irgendwo deponirt und durch Copirung vervielfältigt würde, ist nicht rathsam, da keine Garantie dafür vorhanden ist, dass der Widerstand desselben sich nicht ändert.

Auch wenn man die Unveränderlichkeit eines solchen Grund - masses sicher stellen könnte, würde die unvermeidliche häufige Copirung und Wiedercopirung der Copien, in Verbindung mit der möglicherweise eintretenden Veränderung ihres Widerstandes, bald unrichtige Etalons in Cours bringen, wie es mit den Co - pien des Jacobi’schen Normaletalons in so hohem Grade der Fall war.

268

Das anzunehmende Widerstandsmass muss daher in einer Definition bestehen oder ein absolutes Mass sein, welches man jederzeit und überall reconstruiren kann. Als ein solches würde sich für wissenschaftliche Zwecke vorzugsweise die Weber’sche dynamische Widerstandseinheit eignen, wenn dieselbe in der nöthigen Genauigkeit, die ungefähr die des Vergleiches zweier verschiedener Widerstände sein muss, darstellbar wäre. Da dies aber voraussichtlich nie der Fall sein wird, so eignet sich die Weber’sche Einheit selbst nicht zum allgemeinen Widerstands - masse, wenn es auch selbstverständlich von der grössten Wich - tigkeit ist, dass das Verhältniss der zu wählenden Einheit zur Weber’schen so genau wie möglich bestimmt wird. Da bei der Aufstellung eines allgemeinen Widerstandsmasses die prak - tischen Vorzüge desselben und nicht die wissenschaftliche Har - monie des gesammten Masssystems in erster Linie berück - sichtigt werden müssen, Widerstandsmessungen aber nur in sehr seltenen, streng wissenschaftlichen Fällen mit dynamischen Werthen combinirt, in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle dagegen zu Vergleichen des Widerstandes von Körpern verschiedener Grösse, Gestalt oder Art benutzt werden, so ist ein Widerstandsmass mit körperlicher Grundlage einem dyna - mischen vorzuziehen.

Aus diesen Gründen empfiehlt sich das von mir vorge - schlagene Widerstandsmass, bei welchem der Meter als Mass des Raumes und das Quecksilber als derjenige Leiter, welcher sich unzweifelhaft am besten zum Mass der Leitungsfähigkeit eignet, gegeben sind und welches in völlig ausreichender, bei grosser Sorgfalt fast unbegrenzter Genauigkeit reproducirbar ist.

Eine auf die Sache selbst eingehende Widerlegung dieser Gründe habe ich bisher nicht gefunden. Dagegen machte Herr Dr. Matthiessen im Jahre 1861 den Gegenvorschlag, anstatt Quecksilber eine bestimmte Goldsilber-Legirung dem anzunehmen - den reproducirbaren Widerstandsmasse zu Grunde zu legen, und in demselben Jahre ernannte die British association eine Com - mission, welche über das zweckmässigste Widerstandsmass an die Gesellschaft berichten sollte.

Wer die grossen Schwierigkeiten praktisch kennen gelernt hat, die damit verknüpft sind eine Legirung homogen und von269 durchaus gleicher Zusammensetzung herzustellen, Drähte anzu - fertigen, welche ganz gleichen Querschnitt und Härtegrad haben, bestimmte Längen derselben genau abzumessen ohne eine Streckung oder Stauchung des Drahtes herbeizuführen, endlich die Enden desselben so mit den dicken Zuleitungsstücken zu verlöthen, dass keine Veränderung des Widerstandes des Drahtes eintritt, wird schon dieser technischen Schwierigkeiten wegen keine Vorliebe für den Vorschlag des Herrn Matthiessen em - pfinden. Da er denselben später zu Gunsten des Vorschlages der Commission der British association deren Mitglied er ist fallen gelassen hat, so kann ich ihn weiterhin unberück - sichtigt lassen.

Seitens dieser Commission liegen jetzt drei Berichte pro 1862, 1863 und 1864 an die Gesellschaft vor. Es wird in diesen Berichten die Theorie des Weber’schen Masssystems mit der Ausdehnung auf den Begriff der Einheit der geleisteten Arbeit, welche W. Thomson ihm gegeben hat, in einer sehr klaren Weise auseinandergesetzt. Der grosse wissenschaftliche Werth der allgemeinen Einführung dieses systematischen und cohärenten Masssystems wird überzeugend geschildert, die von W. Thomson vorgeschlagene Methode der Bestimmung der 〈…〉 Einheit entwickelt und der Gang und die Resultate der angestellten Experimente eingehend auseinandergesetzt. Die Namen W. Thomson und Clerk Maxwell sind hinlängliche Bürgschaft für den hohen wissenschaftlichen Werth dieser Ar - beiten. In der That ist es gelungen, die Genauigkeit der Be - stimmung eines Widerstandes in absoluten Weber’schen Ein - heiten, in Vergleich mit der, welche früher von W. Thomson und W. Weber erreicht wurde, beträchtlich zu erhöhen. Die Commission ist aber trotzdem zu der Ueberzeugung gelangt, dass das Weber’sche Widerstandsmass selbst sich zur Widerstands - einheit nicht eignet. Sie macht schon in ihrem ersten Berichte den Vorschlag: einen materiellen Widerstandsetalon als Grund - mass des Widerstandes anzunehmen, welcher dem Werthe 1010 Weber’sche Einheiten oder 107 〈…〉 so genau entspräche, wie es mit unseren jetzigen Hülfsmitteln zu bestimmen möglich ist. Dieses materielle Grundmass soll unveränderlich fest270 bleiben und unter dem Namen Einheit der B. A. oder Ohmad das künftige allgemeine Widerstandsmass bilden. Von Zeit zu Zeit sollen dann neue Bestimmungen dieser Einheit in Weber - schen absolutem Masse angestellt und Reductionscoefficienten zur Benutzung bei Rechnungen mit dynamischen Werthen publi - cirt werden. Dem Einwande, dass der Widerstand des Normal - Etalons sich ändern könne, glaubt das aus den Herren Prof. Maxwell, Dr. Matthiessen und Fleeming Jenkin be - stehende Subcomité, welches mit der Anfertigung der Normal - Etalons und der davon zu entnehmenden Copien betraut ist, da - durch begegnet zu haben, dass es 10 verschiedene Normaletalons aus Legirungen edeler Metalle und aus Quecksilber hergestellt hat und die Copien aus einer Legirung von Silber mit Platin anfertigt. Nach Dr. Matthiessen’s Untersuchungen soll der Widerstand dieser Legirungen keiner Aenderung unterworfen sein, während er bei anderen Metallen und Metalllegirungen we - sentliche Aenderungen im Laufe zweier Jahre gefunden hat.

Ich will die eben angeführten Beobachtungen Dr. Mat - thiessen’s keineswegs in ihrem Werthe unterschätzen, glaube aber nicht, dass sein Ausspruch, dass die Legirungen von Silber mit Gold oder Platin sich nicht ändern, schon als so feststehend und unbedingt gültig anzusehen ist, um darauf ein für alle Zeit feststehendes Normalmass des Widerstandes begründen zu kön - nen! Auffallend ist es, dass Dr. Matthiessen bei Neusilber so beträchtliche Aenderung der Leitungsfähigkeit in kurzen Zeit - abschnitten beobachtet hat, während ich gerade diese Legirung besonders constant gefunden habe. Es zeigt dies, dass bei der Veränderung der Leitungsfähigkeit noch viele unbekannte Fac - toren auftreten, die erst durch längeres Studium ermittelt wer - den können. Der von Dr. Matthiessen angeführte Beweis, dass die Gold-Silberlegirung sich nicht ändern könne, da man niemals beobachtet habe, dass eine goldene Kette brüchig ge - worden sei, kann wohl kaum ernsthaft gemeint sein! Es mag aber gern zugegeben werden, dass die Aenderung des Wider - standes der Normaletalons so wie der Copien so klein sein wird, dass sie ohne praktische Bedeutung für unsere gegenwärtigen Untersuchungen ist. Das Normalmass der B. A. soll aber auch späteren Zeiten dienen, in denen wahrscheinlich unendlich viel271 höhere Ansprüche an die Genauigkeit eines Masses gestellt werden, wie wir es thun. Aus diesem Grunde ist es schon sehr bedenklich, dass die Commission 10 Normaletalons anstatt eines einzigen aufgestellt hat, wenn sie auch wie angegeben ist gegenwärtig bis auf 0,03 Proc. mit einander übereinstimmen. Ginge ferner die Uebereinstimmung des Werthes der B. A. Ein - heit mit der 107 〈…〉 Einheit auch wirklich bis auf 0,1 pCt., wie im Bericht pro 1864 behauptet wird, so wäre dieselbe doch immer noch viel zu gering, um die Einheit der B. A. auch künftig als gleichwerthig mit der 107 〈…〉 Einheit erschei - nen zu lassen. Muss aber einmal ein Reductionscoefficient be - nutzt werden, so ist es ganz gleichgültig, ob derselbe etwas mehr oder weniger von Eins verschieden ist! Es ist übrigens noch keineswegs nachgewiesen, dass diese behauptete grosse Uebereinstimmung der B. A. Einheit mit der 107 〈…〉 Ein - heit auch wirklich stattfindet. Der Anblick, der im Rapport für 1864 gegebenen Versuchs-Tabelle1)Pogg. Ann. Bd. CXXVI, S. 386. lehrt, dass zwischen den zu einem Paare combinirten beiden Zahlenwerthen Differenzen be - stehen, welche bis über 8 pCt. betragen! Auch die mittleren Werthe dieser Paare differiren noch bis zu 1,4 pCt. Wodurch das Subcomité sich für berechtigt hält, bei einer so grossen Ver - schiedenheit der einzelnen Messungen auf einen wahrscheinlichen Fehler von nur 0,1 pCt. zu schliessen, weiss ich nicht. Welche Methode man auch zur Berechnung des mittleren Werthes der gegebenen Zahlen anwenden mag, man wird durch Fortlassen einiger sehr abweichender Messungen oder auch einiger mittlerer Werthe zu weit grösseren Unterschieden kommen. Meiner An - sicht nach liegt die Sicherheit nur innerhalb der nicht als fehler - haft verdächtigen und deshalb verworfenen Zahlenwerthe. Ist es aber schon unmöglich, aus den vorliegenden Versuchsreihen auf eine so genaue Uebereinstimmung des Werthes der B. A. Ein - heit mit der wahren 107 〈…〉 Einheit, wie das Subcomité sie annimmt, zu schliessen, so stellt sich die wahrscheinliche Ver - schiedenheit als noch viel grösser heraus, wenn man bedenkt,272 dass die Werthe der Tabelle mit demselben Apparate unter An - wendung derselben Constanten und Corrections-Coefficienten und durch dieselben Beobachter erlangt sind. Es ist zwar ange - geben, dass die Bestimmung der Constanten bis auf 0,0001 genau gewesen wäre; man muss aber annehmen, dass dies nur in Folge bestimmter individueller Handgriffe und willkürlich ge - wählter Methoden der Messung erreicht ist. Bekanntlich ist es ganz unmöglich, einen weichen übersponnenen Draht zu einer einigermassen runden und festen Drahtrolle aufzuwinden, ohne dass er sich ansehnlich streckt. Diese Streckung schwankt mit der Dicke des Drahtes und der Grösse der Drahtspannung beim Aufwinden zwischen 1 und 6 pCt. Es dürfte demnach kaum möglich sein, mit einiger Sicherheit auf die wirkliche Länge des aufgewundenen Drahtes bis auf ½ pCt. zu schliessen. Die effective Länge ist aber auf 311,2356 Meter angegeben! Es ist ferner unmöglich, eine Rolle von übersponnenem Drahte rund und concentrisch zu wickeln. Der Umfang, der mittlere Radius, die Dicke der Umwindungsschicht sind mithin unmöglich genau zu bestimmen. Dennoch sind diese Werthe bis auf Tausendstel Millimeter angegeben und sollen bis auf ein Zehntausendstel ihrer Grösse zuverlässig sein! Ob das magnetische Moment des aufgehängten Magnetes und die augenblickliche horizontale Com - ponente des Erdmagnetismus sich bis auf denselben Grad von Genauigkeit bestimmen lassen, mag hier unerörtert bleiben. Ich halte es nicht für möglich.

Ich bin, wie schon gesagt, weit entfernt davon, die Be - hauptung aufzustellen, dass die Messungen nicht wirklich in der angegebenen Genauigkeit gemacht wären, sie können aber nur das Resultat von Proceduren sein, die keine allgemeine Gültig - keit haben.

Bevor nicht die Versuche an anderen Orten, mit ganz neuen Instrumenten und von ganz anderen Experimentatoren wiederholt sind und durch die Vergleichung der dann erhaltenen Resultate mit denen des Subcomité’s der Beweis geführt ist, dass eine grössere Uebereinstimmung erreicht ist, halte ich mich zu der Behauptung berechtigt, dass die Einheit der B. A. höchstens innerhalb einiger Procente mit der 107 〈…〉 Einheit überein - stimmt.

273

Ich kann aus diesen Gründen meine oben recapitulirten Be - denken gegen die Annahme der materiellen Etalons des Sub - comités als Grundlage des allgemeinen Widerstandsmasses nicht für erledigt erachten. Dabei verkenne ich nicht im Mindesten den hohen Werth der durch die British association veranlassten, möglichst genauen Bestimmung der Weber’schen Widerstands - einheit, bin im Gegentheil der Ansicht, dass der Wissenschaft durch diese werthvolle Arbeit ein wesentlicher Dienst erwiesen ist. Ich glaube aber, die Commission hätte besser gethan, nach - dem sie sich überzeugt hatte, dass die Weber’sche absolute Einheit selbst sich zum Normalmasse nicht eignete, keine neue willkürliche Einheit aufzustellen, sondern die von mir vorge - schlagene 〈…〉 Quecksilber oder kürzer m. Hg-Einheit mit aller für derartige Arbeiten nöthigen Sorgfalt darzustellen, diese schon sehr allgemein verwendete und dem praktischen Be - dürfnisse besonders entsprechende Einheit in genauen Copien zu verbreiten und den Reductionscoefficienten derselben auf Weber sches dynamisches Mass so genau wie möglich festzustellen. Das Comité würde dadurch in Uebereinstimmung mit dem Vor - schlage Kirchhoff’s, dem es sich in dem ersten Berichte an - schliessen zu wollen erklärte, geblieben sein, da Kirchhoff sich in seinem im Appendix dieses Berichtes abgedruckten Briefe für Beibehaltung beider Masse erklärte und nicht für die unbedingte und ausschliessliche Annahme des Weber’schen, wie später behauptet ist, eine Ansicht, für welche auch Wilhelm Weber selbst dem Verfasser gegenüber sich aussprach. Dass die m. Hg-Einheit bei einer solchen sorgfältigen Bestimmung durch das mit den reichen Mitteln der British association ausge - rüstete und über so hervorragende Kräfte gebietende Comité vollständig den jetzt erforderlichen Grad der Genauigkeit, d. i. den der Vergleichung zweier verschiedener Widerstände, erreicht haben würde, zeigen sowohl meine ursprünglichen Versuche, wie namentlich die späteren, mit grösserer Sorgfalt angestellten Messungen des Hrn. Sabine1)Phil. mag. March 1863, p. 1. Der Aufsatz ist in der Uebersetzung dieser Arbeit angeschlossen.. Bei künftigen weiteren Fort - schritten in der Genauigkeit physikalischer Messungen wird frei -18274lich immer wieder eine genauere Reproduction der m. Hg-Einheit nothwendig werden, es kann dies aber kaum eine merkliche Störung hervorbringen, da die wahre Grösse der Einheit un - zweifelhaft feststeht, da die bei der Reproduction sich heraus - stellenden Differenzen bei gewöhnlichen Widerstandsmessungen wegen ihrer Geringfügigkeit unberücksichtigt bleiben können und da für exacte Messungen eine häufige Controle der benutzten Widerstandsetalons, ihrer wahrscheinlichen Aenderung wegen, doch unvermeidlich ist.

Leider hat die Commission diesen von mir ihr vorgeschla - genen Weg nicht betreten, die mit der Anfertigung der British association Einheit und der zu verbreitenden Copien derselben betrauten Mitglieder des Subcomité’s, die Hrn. Dr. Matthiessen und Fleeming Jenkin, haben im Gegentheil sowohl in den erwähnten Berichten an die British association, wie in besonderen noch näher zu beleuchtenden Aufsätzen1)Pogg. Ann. Bd. 125, S. 497 und Pogg. Ann. Bd. 126, S. 369., meinen Vorschlag in einer Weise angegriffen, welche bisher bei wissenschaftlicher Kritik nicht gebräuchlich war. Der gemeinsam von ihnen be - folgte Plan besteht darin, meinen Vorschlag nicht mit Gründen zu bekämpfen, sondern meine Arbeiten als unzuverlässig und zweifelhaft darzustellen.

Hr. Dr. Matthiessen stellt die beiden Thesen auf:

  • 1. dass keine wahre Quecksilber-Einheit je aufgestellt ist und
  • 2. dass die von Zeit zu Zeit aufgestellten Einheiten nicht denselben Werth repräsentiren .

Beide Sätze will er dadurch rechtfertigen, dass ich nicht das richtige specifische Gewicht des Quecksilbers in Rechnung gezogen hätte, dass zwei Widerstandsscalen, welche in der Londoner Ausstellung pro 1862 ausgestellt waren, um 1,2 pCt. von einander differirt hätten, dass in meinen ersten Bestimmungen der m. Hg-Einheit Differenzen von 1,6 pCt. vorhanden wären und dass seine eigenen Versuche mit den meinigen nicht überein - stimmten.

Die erste Behauptung betreffend, so übersieht Hr. Mat - thiessen, dass das von mir vorgeschlagene Widersandsmass275 in einer Definition besteht, also ein absolutes ist. Dass die von mir dargestellten Widerstandsetalons dieser wahren Einheit völlig entsprächen, habe ich nie behauptet, im Gegentheil wiederholt den Wunsch ausgesprochen, dass sich bald in exacten Messungen geübtere Physiker der Mühe unterziehen möchten, auf dem von mir angegebenen, sehr einfachen und sicheren Wege Etalons her - zustellen, welche mit der gegebenen Definition so genau überein - stimmten, wie es mit unseren jetzigen Hülfsmitteln zu erreichen ist. Hr. Matthiessen wäre zu seiner Behauptung nur berech - tigt, wenn meine Definition zweifelhaft oder wenn die angegebene Methode unzuverlässig oder fehlerhaft wäre. Beides ist von ihm nicht nachgewiesen, auch nicht einmal behauptet. Ist die von ihm aufgestellte Thesis aber auch unzweifelhaft falsch, so gebe ich ihm dagegen gern zu, dass das von mir in Rechnung ge - zogene specifische Gewicht des Quecksilbers nicht richtig ist. Als ich im Jahre 1858 die ersten Versuche darüber anstellte, ob sich die m. Hg-Einheit in hinreichender Genauigkeit darstellen liesse, fand ich die Zahl 13,557 und nahm sie als richtig an, da sie von anderer Seite durch directe Vergleichung der Höhe der Quecksilber - und Wassersäule in communicirenden Röhren Be - stätigung fand. Leider ist auch bei den späteren, mit grösserer Sorgfalt und verbesserten Instrumenten ausgeführten Repro - ductionen der m. Hg-Einheit dieser Coefficient beibehalten und nicht die Regnault’sche Zahl 13,596 angenommen, deren Rich - tigkeit seitdem von mehreren Seiten bestätigt ist. Hiernach sind in der That die bisher angefertigten Etalons um 0,287 pCt. zu gross1)Nach der benutzten Formel 〈…〉 , in welcher W den Widerstand des Normalrohrs, l seine Länge, Q das Gewicht, σ das specifische Gewicht des Quecksilbers und a das Verhältniss des grössten zum kleinsten Querschnitte des Rohres bezeichnet.. Nimmt man den Coefficienten der Zunahme des speci - fischen Leitungswiderstandes des zu den Widerstandsetalons be - nutzten Neusilberdrahtes = 0,00272 an2)Pogg. Ann. Bd. CXIII S. 4., so repräsentiren die - selben die m. Hg-Einheit nicht bei der auf ihnen vermerkten,18*276sondern bei einer um 10°,5 C. niedrigeren Temperatur. Es ist ein unbestreitbares Verdienst des Hrn. Matthiessen, zu dieser Berichtigung Veranlassung gegeben zu haben, die übrigens, wie schon hervorgehoben, mit der Beurtheilung des Werthes der m. Hg-Einheit gar nichts zu thun hat.

Hr. Matthiessen behauptet ferner, dass die von Zeit zu Zeit aufgestellten m. Hg-Einheiten nicht denselben Widerstand repräsentirten. Dass die m. Hg-Einheit in meinem Laboratorio in drei verschiedenen Zeitperioden dargestellt ist und jedesmal eine grössere Annäherung an den wirklichen Werth gefunden hat, ist Hrn. M. bekannt. Hr. Sabine hat die Abweichungen dieser drei Reproductionen in folgender Tabelle zusammengestellt:

Die grössten Differenzen zwischen der ersten und dritten Darstellung erreicht mithin noch nicht 0,1 pCt. und nicht nahe 2 pCt., wie behauptet ist. Nach der ersten Bestimmung sind nur einige für den eigenen Gebrauch bestimmte Etalons und Widerstandsscalen angefertigt. Ebenso sind nur Widerstands - scalen für technische Benutzung nach den Werthen der ersten Reproduction angefertigt und in den Verkehr gekommen. Erst den mittleren Werth der dritten Bestimmung habe ich zur An - fertigung von etwa 100 Etalons von je einer Einheit benutzt, welche ich unter mir bekannten, namhaften Physikern, Technikern und wissenschaftlichen Instituten vertheilt habe, um die allge - meine Annahme eines rationellen Widerstandsmasses dadurch zu befördern.

Diese Etalons waren bei ihrer Versendung genau gleich und sind, falls sie sich nicht verändert haben, bis auf 0,05 pCt. mit der wahren m. Hg-Einheit übereinstimmend, wenn sie, wie schon gesagt, bei einer um 10°,5 C. niedrigeren Temperatur gemessen werden, wie auf ihnen angegeben ist. Andere Widerstandsetalons, wie die von den HH. Matthiessen und Jenkin mit Siemens277 1864 bezeichneten, sind von mir nicht ausgegeben. Hr. Mat - thiessen stützt seine Behauptung, dass die von mir aufgestellten Einheiten nicht denselben Widerstand repräsentirten, auf Messungen, die Hr. Jenkin, welcher als Juror der Londoner Ausstellung von 1862 functionirte, an zwei nach dem Gewichtssysteme eingerich - teten, von 1 bis 10000 Einheiten reichenden Widerstandsscalen angestellt hat. Ob Hr. Jenkin richtig gemessen hat, als er zwischen diesen Scalen eine Differenz von 1,2 pCt. fand, weiss ich nicht. Ganz unbegreiflich ist es mir aber, wie Hr. Dr. Mat - thiessen derartige, technischen Zwecken dienende Widerstands - scalen mit Massetalons in eine Linie stellen und wie er eine so schwere Anschuldigung, wie er sie vorgebracht hat, ausschliess - lich auf die uncontrolirte Aussage eines Ausstellungsjurors basiren kann! Er sollte doch wissen, dass Berührungstellen fester Metalle stets einen veränderlichen Widerstand hervorbringen, dass also die 20 Stöpselcontacte, welche der Strom bei diesen Scalen ganz oder theilweise durchlaufen muss, einen nachtheiligen Einfluss auf die Genauigkeit der Widerstandsangaben ausüben müssen. Er sollte ferner die grossen Schwierigkeiten, die sich anfänglich der fehlerfreien Summirung von 10000 Einheiten entgegenstellten, zu würdigen wissen. Die eine dieser Scalen, von Hrn. Mat - thiessen mit Siemens (London) bezeichnet, war eine der ersten, bereits im Jahre 1859 nach einer noch unvollkommenen Summirungsmethode zum eigenen technischen Gebrauche ange - fertigten, nach dem Gewichtssyteme eingerichteten Widerstands - scalen. Sie bildete den einen Widerstandszweig einer soge - nannten Messbrücke, mit welcher die Widerstandsmessungen während und nach der Legung des Kabels durch das rothe Meer nach Indien ausgeführt waren, und fand wegen des sich an diese erste Messbrücke knüpfenden historischen Interesses Aufnahme in den Ausstellungsräumen, da mit ihrer Hülfe die bis dahin ge - bräuchlichen nichtssagenden Stromangaben bei submarinen Kabeln zuerst in exacte Widerstandsangaben verwandelt wurden. Diese älteren Messbrücken wurden später von Neuem regulirt und mit den nach einer verbesserten Summirungsmethode angefertigten, von den HH. Matthiessen und Jenkin mit Siemens (Berlin) bezeichneten Widerstandsscalen übereinstimmend gemacht. Herr Matthiessen behauptet nun aber, dass auch diese später ange -278 fertigten Widerstandsscalen um etwa 0,5 pCt. grösser gewesen wären, wie die 1864 von mir ausgegebenen Widerstandsetalons. Er schliesst dies aus dem Widerstande eines Kupferdrahtes, welchen Hr. Jenkin während der Ausstellung von 1862 mit dem der Scalen verglichen habe. Welche Temperatur der Kupferdraht bei beiden, vier Jahre aus einander liegenden Messungen hatte, ist nicht angegeben. War dieselbe nur um °C. verschieden, so erklärt sich dadurch die Differenz voll - ständig! Jedenfalls waren die HH. Matthiessen und Jenkin nicht berechtigt, eine einzelne, von ihnen selbst angestellte, so zweifelhafte und unsichere Bestimmung dazu zu benutzen, in allen Tabellen der Berichte des Comité’s sowie in ihren eigenen Mit - theilungen neben der Columne Siemens 1863 noch die beiden anderen: Siemens (Berlin) und Siemens (London) aufzuführen und dadurch den unrichtigen Schein zu verbreiten, als coursirten in der That von mir ausgegebene Etalons der m. Hg-Einheit von so verschiedenem Widerstande!

Eine ähnliche Bewandtniss hat es mit der mehrfach wieder - holten Behauptung, dass zwischen meinen Bestimmungen der m. Hg-Einheit Differenzen von 1,6 pCt. beständen, dies also die zu erreichende Grenze der Genauigkeit wäre. Es kommt aller - dings in meiner ersten, 1860 publicirten Arbeit über diesen Ge - genstand eine solche Differenz vor. Ich habe aber damals auch den Grund angegeben, nämlich Temperaturschwankungen des zum Vergleich dienenden Kupferdrahtes bis 3 °C. und des mit Quecksilber gefüllten Normalrohrs bis 2 °C. Es waren ferner absichtlich wenig cylindrische Röhren gewählt, da die beschrie - benen Versuche nicht den Zweck hatten, Normaletalons darzu - stellen, sondern den Beweis zu führen, dass die vorgeschlagene Methode zu einer solchen Darstellung geeignet sei. Für den praktischen Gebrauch war damals eine Genauigkeit von ½ pCt. ausreichend. Ist doch Hr. Matthiessen selbst in jener Zeit mit Werthangaben für die Leitungsfähigkeit der Metalle zufrieden, welche mehrere Procente von einander abweichen.

Die von mir ausgegebenen Widerstandsetalons sind sämmt - lich nach den Werthen der dritten, durch Hrn. Sabine ausge - führten Reproduction regulirt. Ein Blick auf diese nachfolgend abgedruckte Arbeit wird die Ueberzeugung geben, dass dieselbe279 mit grösster Sorgfalt durchgeführt wurde, und dass die von mir behauptete Uebereinstimmung der angefertigten Etalons mit der wahren m. Hg-Einheit innerhalb 0,05 pCt. nicht auf zweifel - haften Mittelwerthen beruht, sondern, dass sämmtliche Normal - röhren innerhalb dieser Grenze das gleiche Resultat geben. Diesen Messungen stellt Hr. Matthiessen nun seine eigenen gegen - über, welche einen um 0,8 Procent grösseren Werth gegeben haben. Einen Grund für diese Abweichung oder für die Unzuverlässigkeit meiner Methode oder der Sabine’schen Messungen hat er nirgends angegeben. Mindestens hätte er seine Arbeit dann aber mit gleicher Sorgfalt anstellen und die be - nutzte Methode, wenn er sie nicht vollständig befolgen wollte, nicht in wesentlichen Punkten verschlechtern dürfen! Hr Mat - thiessen wendet eine Correctionsformel für die conische Form der Röhren an, welche grössere Abweichungen giebt, wie die meinige, da er sich das Rohr aus cylindrischen Stücken anstatt aus conischen zusammengesetzt vorstellt. Dadurch wird der be - rechnete mittlere Querschnitt kleiner, der berechnete Widerstand des Rohres mithin zu gross. Ferner füllt er das Rohr durch Eintauchen in eine mit Quecksilber gefüllte Rinne und hebt es aus diesem Bade, indem er seine Enden zwischen zwei Finger presst. Natürlich werden dadurch die Rohrenden mit der weichen Haut seiner Fingerspitzen anstatt mit Quecksilber ausgefüllt, wo - durch der Inhalt des Rohres zu klein, der berechnete Wider - stand mithin zu gross wird. Eine Unrichtigkeit in gleichem Sinne kann möglicherweise auch noch daraus hervorgegangen sein, dass Hr. Matthiessen die Vorsicht nicht befolgt hat, die zu vergleichenden Widerstände bei jeder Messung durch einen Commutator zu verwechseln und nur diejenigen Messungen als zuverlässig zu betrachten, welche sich zu 1000 ergänzen. Ohne diese Vorsicht erhält man sehr leicht falsche Messungen durch Erwärmung des dünnen Platindrahtes der Brücke.

Sollten diese von Hrn. Matthiessen bei seiner Reproduction begangenen Fehler auch den bedeutenden, von ihm gefundenen Unterschied von 0,8 pCt. noch nicht vollständig erklären, so genügen sie doch, um zu zeigen, wie gering der Grad von Sorg - falt war, welchen er bei derselben aufgewendet hat. Als ein Beweis der Unrichtigkeit meiner Messungen und namentlich der280 sehr viel umfassenderen und genaueren Bestimmungen des Hrn. Sabine können sie keinenfalls gelten.

Hr. Jenkin bringt in seinem Aufsatze Ueber die neue von der B. A. adoptirte elektrische Widerstandseinheit1)Pogg. Ann. Bd. 126, S. 369. keine neuen Gesichtspunkte, verwerthet aber die schon behandelten Schlussfolgerungen und Versuche des Hrn. Matthiessen in noch ausgedehnterer Weise wie dieser. Von Interesse ist seine Mit - theilung, dass vier von den von mir 1864 vertheilten Etalons der m. Hg-Einheit von vier verschiedenen Beobachtern mit vier Copien der B. A. Einheit verglichen sind und die Werthe 1,0456; 1,0455; 1,0456 und 1,0457 ergeben haben. Es ist mithin der mittlere Werth dieser Beobachtungen oder 1,0456 multiplicirt mit dem Correctionscoefficienten für das richtige specifische Ge - wicht des Quecksilbers also 〈…〉 . ·1,0456 oder 1,0486 der Werth einer Einheit der B. A. in m. Hg-Einheiten oder 1 m Hg E = 0,9536 B. A. E.

Bei der nachgewiesenen, noch bestehenden Unsicherheit des Verhältnisses der B. A. U. zur 107 〈…〉 Einheit kann man mithin gegenwärtig einen in m. Hg Einheiten ausgedrücktan Widerstand durch Abzug von 5 pCt. möglichst genau in 1010 faches Weber’sches Mass oder 107 faches 〈…〉 Mass verwandeln.

Die historische Uebersicht über die Reihenfolge der Vor - schläge von Widerstandsmassen und die Fortschritte im Gebiete der Widerstandmessungen, welche Hr. Jenkin seinem Aufsatze vorausschickt, veranlasst mich noch zu einigen Bemerkungen zur Berichtigung mich betreffender Irrthümer und Uebergehungen.

Vollständige Widerstandsscalen, von 1 bis 100 reichend, mit dem Widerstande eines Kupferdrahtes von einer Linie Durch - messer und einer geographischen Meile Länge bei 20 °C. als Einheit, sind bereits seit 1848 in grosser Zahl in dem Berliner Etablissement von Halske und mir angefertigt, vielfach beschrieben und weit verbreitet. Hr. Jenkin sagt: Bis zum Jahre 1850 waren Widerstandsmessungen bis auf wenige Ausnahmen auf das281 Laboratorium beschränkt; als aber zu dieser Zeit unterirdische und bald darauf unterseeische Telegraphenleitungen eingeführt wurden, erkannte bald der praktische Ingenieur, von welchem Vortheil ihm bei der Untersuchung und Einrichtung die Kennt - niss der Elektricitätsgesetze wäre . Es sollte Hrn. Jenkin be - kannt sein, dass bereits in den Jahren 1847 und 1848 unterir - dische Leitungen von bedeutender Länge in Deutschland gebaut waren. Bei der Herstellung dieser Leitungen und bei der Aus - führung der leider oft nothwendigen Fehlerbestimmungen nach den von mir beschriebenen Methoden hatte der praktische In - genieur schon damals vielfach Gelegenheit, genaue Widerstands - messungen anzustellen und den Nutzen der Kenntniss der Natur - gesetze schätzen zu lernen! Vollständige, nach dem Gewichts - systeme eingerichtete Widerstandsscalen von 1 bis 10000 Ein - heiten m. Hg wurden schon im Jahre 1859 vielfach bei den Kabelprüfungen, die meinem Bruder Wilhelm und mir in Eng - land oblagen, benutzt. Es wird Hrn. Jenkin noch in der Er - innerung sein, dass er selbst die Prüfungen des indischen Kabels in Birkenhead unter meiner Leitung mit Hülfe solcher Scalen ausführte. Er hätte in seiner historischen Uebersicht nicht vergessen sollen hervorzuheben, dass bereits in unserem Berichte über das Rothe-Meer-Kabel im Jahre 1859 die Leitungs - und Isolationsverhältnisse desselben in m. Hg-Einheiten angegeben waren, und dass die von uns hierbei befolgte Methode den Wider - stand zu messen, welchen die isolirende Hülle dem elektrischen Strome entgegensetzt, und denselben mit dem aus dem specifi - schen Widerstande des isolirenden Materials berechneten Wider - stande zu vergleichen, die Grundlage des von uns eingeführten, rationellen Kabelprüfungssystems bildet, welches mit geringen Abweichungen in Methoden und Instrumenten noch jetzt allge - mein in Anwendung ist. Hr. Jenkin hätte ferner den Vortrag1)Outline of the principles and practice involving in dealing with the electrical conditions of Submarine electric telegraphs by Werner and C. W. Siemens, Report of the British association, Oxford 1860. meines Bruders in der 18. Sitzung der British association nicht ganz mit Stillschweigen übergehen sollen, in welchem unser System der Kabelprüfungen vor, während und nach der Legung und der Fehlerbestimmung durch Widerstandsmessungen er -282 schöpfend behandelt ist. Dass ausser den von mir aufgestellten Fehlerbestimmungsmethoden noch andere vorhanden sind, ist mir bisher nicht bekannt geworden. Hinsichtlich der m. Hg-Einheit giebt Hr. Jenkin Marié Davy ohne Anführung eines Pu - blicationscitates die Ehre des Vorschlages des Quecksilbers, als eines für ein Normalmass passenden Materials , und vindi - cirt mir nur das Verdienst, dass meine mit grösster Sorgfalt angefertigten Rollen und Apparate die Beobachtung einer stricten Genauigkeit wesentlich gefördert hätten . Er verschweigt dabei, dass diejenigen, welche schon früher auf Quecksilber als ein ge - eignetes Material aufmerksam gemacht haben, keine Methode an - gaben, mit deren Hülfe sich genaue Etalons vermittels Queck - silbers darstellen liessen.

Hr. Jenkin wird selbst zugeben müssen, dass seine historische Uebersicht merkwürdig unvollständig ist!

[283]

Ueber das Bewegungsgesetz der Gase in Röhren.

(Auszug aus: Ueber die pneumatische Depeschenbeförderung in Berlin. Ztschr. d. deutsch-österr. Telegr. -Vereins Bd. 13.)

1866.

Die Frage, ob die Beförderung von Briefen, Depeschen etc. durch Röhren vermittelst pneumatischen Druckes in grösserem Massstabe mit Nutzen anwendbar ist, und welches die vortheil - hafteste Construction der Röhrenleitung, der Stationseinrichtung, der Behälter für zu befördernde Gegenstände und endlich des pneumatischen Apparates ist, hängt wesentlich von dem Gesetze der Bewegung der Luft in den Röhren ab. Ohne dieses genau zu kennen, ohne die Grösse der Einwirkung der verschiedenen die Geschwindigkeit der Luftbewegung in allen Theilen der Rohrleitung bedingenden Factoren zu kennen, hat man keine bestimmte Basis für die Construction und tappt im Finstern. Es giebt nun zwar eine Menge von Formeln für die Bewegung von Gasen in Röhren; sie sind aber sämmtlich nur auf Er - fahrungen gestützt, welche bei sehr geringem Druck und ver - hältnissmässig sehr weiten Röhren gewonnen sind, und erweisen sich für engere Röhren und grössere Druckdifferenzen, wie sie zur Erzielung ansehnlicher Geschwindigkeit nothwendig sind, als unzureichend. Es war daher nöthig, vorerst das Bewegungs - gesetz der Gase in Röhren auf experimentellem Wege zu er - mitteln.

Die Versuche konnten natürlich in der kurzen disponiblen Zeit nicht mit voller wissenschaftlicher Strenge durchgeführt werden. Man musste sich auf Röhren von geringem Durch - messer und geringer Länge beschränken und die Druckdifferenz284 konnte das Maximum von Atmosphäre nicht überschreiten. Da es sich jedoch hier um einen praktischen Zweck handelte, so waren die auf diese Weise erreichbaren Näherungsformeln völlig ausreichend. Die benutzte Methode war folgende:

Es wurden gezogene Bleiröhren von verschiedenem Durch - messer und verschiedener Länge verwendet. Durch eine Pumpe mit Schwungrad und Kurbel, welche entweder als Saug - oder als Druckpumpe oder gleichzeitig als Saug - und Druckpumpe benutzt werden konnte, wurde die Luft in einem im Verhältniss zum Volumen des Pumpenstiefels grossen Reservoir verdünnt oder verdichtet. Das Reservoir communicirte durch das Rohr, in welchem die Geschwindigkeit der Luft gemessen werden sollte, mit der Atmosphäre. Der im Reservoir befindliche Druck wurde durch ein Quecksilbermanometer gemessen. Es war nun leicht, die Kurbel der Pumpe so schnell zu drehen, dass der Druck im Reservoir eine constante Grösse beibehielt, dass also in derselben Zeit stets eine gleiche Menge Luft in das Reservoir gepumpt wurde, wie das Rohr abführte, oder umgekehrt. Das Rohr endete in einen sorgfältig construirten Gasmesser, welcher genau die Luftmenge angab, die in einer gewissen Zeit das Rohr passirte. Die gemessene Luftmenge, dividirt durch den Quer - schnitt des Rohres, ergab nun die Geschwindigkeit, mit welcher die Luft von atmosphärischer Dichtigkeit aus dem Rohre in den Gasmesser trat, wenn im Reservoir ein höherer Druck herrschte, oder umgekehrt die Geschwindigkeit, mit welcher sie in das Rohr eintrat, wenn die Pumpe saugend wirkte. Da stets dieselbe Luft - masse in derselben Zeit aus - und eintreten muss, wenn die Strömung eine gleichförmige geworden ist, so kann man aus der gemessenen Luftmenge vermittelst des Mariotte’schen Gesetzes leicht die Geschwindigkeit derselben am entgegengesetzten Ende der Rohr - leitung berechnen. War z. B. die Luft im Reservoir auf ½ Atmo - sphäre verdünnt, und ergab sich die Geschwindigkeit der Luft von atmosphärischer Spannung beim Eintritt in das Rohr gleich 50 Fuss, so musste dasselbe Luftquantum beim Austritt in das Reservoir das doppelte Volumen annehmen, die Geschwindigkeit musste daher hier 100 Fuss gross sein. Ebenso konnte man die Ge - schwindigkeit in den übrigen Theilen des Rohres durch Messung des Druckes, unter welchem die Luft die betreffende Stelle285 passirt, mittelst eingeschalteter Manometer bestimmen. Durch Wiederholung dieser Versuche mit Röhren von gleichem Durch - messer und verschiedener Länge, sowie mit Röhren von gleicher Länge und verschiedenem Durchmesser wurde nun der Einfluss der Länge und des Durchmessers auf die Bewegungsgeschwindig - keit der Luft ermittelt, um so schliesslich zur Bestimmung der - selben als Function des Anfangs - und Enddrucks und der Röhren - dimensionen nebst einer von der Natur der inneren Röhren - fläche abhängigen Constanten zu gelangen.

In dem Anhange sind einige der zahlreichen Versuchsreihen, welche angestellt wurden, aufgeführt. Dieselben führten zu folgen - der Formel für die Endgeschwindigkeit der Luft im Rohre, aus welcher sich dann die Anfangsgeschwindigkeit v͵͵ und all - gemein die Geschwindigkeit v an irgend einem Punkte in der Entfernung x, vom Anfang des Rohres gemessen, endlich noch die mittlere Geschwindigkeit 〈…〉 ergiebt. Darin be - zeichnet l die Länge des Rohres, d dessen lichten Durchmesser, h den Druck der Luft beim Eintritte, h͵ den Druck derselben beim Austritte, also h den wirksamen Ueberdruck, endlich α die vorhin erwähnte Constante.

  • I. Die Endgeschwindigkeit: 〈…〉 .
  • II. Die Anfangsgeschwindigkeit; 〈…〉 .
  • III. Die Geschwindigkeit in der Enfernung x vom Rohranfang: 〈…〉 .
  • IV. Die mittlere Geschwindigkeit: 〈…〉 .

Wie die Versuchsreihen ergaben, sind diese Formeln nur Näherungsformeln. Die mittlere Geschwindigkeit der Luft nimmt in Wirklichkeit schneller zu, als die Wurzeln aus den Rohr - durchmessern. Diese Abweichung rührt wahrscheinlich von der auf der Röhrenwand durch Molecularanziehung festgehaltenen und den Querschnitt vermindernden Luftschicht her, die bei engen Röhren nicht ausser Betracht zu lassen ist. Da der hier - durch entstehende Fehler eine grössere Geschwindigkeit der Luft in weiteren Röhren bedingt, also bessere Resultate in Praxi her -286 vorbringt, wie die Rechnung ergiebt, so konnte darüber fortge - gangen werden.

Die in den Formeln vorkommende, von der Natur der inneren Rohrfläche abhängige Constante α ergiebt sich aus den Versuchsresultaten = 15950. Berechnet man mit Benutzung dieser Zahl die mittlere Geschwindigkeit der Luftbewegung in einem Rohre von 13000 Fuss Länge und 3 Zoll Durchmesser für eine Druckdifferenz von 1 Atm., so erhält man

  • 1) bei einer Atmosphäre Ueberdruck, also h = 2, = 1 Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 26,2 'pro Secunde,
  • 2) bei einer Atmosphäre Unterdruck, also h = 1 = 0 Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 35,0 'pro Secunde,
  • 3) bei ½ Atmosphäre Ueber - und ½ Atmosphäre Unterdruck, also h = = ½ Atm. eine mittlere Geschwindigkeit von 31,1 'pro Secunde.

Es ergiebt sich aus dem Vorstehenden, dass man auch bei langen Röhrenleitungen von mässiger Weite mit praktisch aus - führbaren Druckdifferenzen eine ausreichende Geschwindigkeit der Luftbewegung im Rohre erzielen kann. Richtet man den Behälter für die zu transportirenden Gegenstände so ein, dass er mit sehr geringer Reibung das Rohr durchläuft, so ist die Geschwindigkeit der Depeschenbeförderung nahezu zusammen - fallend mit der der Luftbewegung.

Von dem geringen Trägheitsmoment der Masse des Behälters kann man hierbei ebenso wie von der Trägheit der Luft selbst ganz absehen, da beide Kräfte gegen die zu überwindende Reibung der Luft im Rohre fast vollständig verschwinden. Ganz anders würde sich aber das Verhältniss herausstellen, wenn der Behälter der Depeschen eine in Betracht kommende Kraft zur Fort - schiebung im Rohre in Anspruch nähme. In diesem Falle müsste hinter dem Behälter eine um so viel grössere Com - pression der Luft stattfinden, wie vor demselben, dass der Druck - unterschied den Reibungswiderstand der Luft an der Rohrwand287 compensirte. Dies würde unter sonst gleichen Verhältnissen eine sehr wesentliche Geschwindigkeitsverminderung hervor - bringen. Namentlich würde dieser Nachtheil bei verhältniss - mässig engen Röhren eintreten. Es ist daher nothwendig, den Depeschenbehälter möglichst ohne Reibungswiderstand, also auf Rädern von möglichst grossem Durchmesser laufen zu lassen. Die Dimensionen der Rohrleitung sind durch das Bedürfniss be - dingt. Da die Geschwindigkeit nur wie die Wurzeln der Rohr - durchmesser unter sonst gleichen Verhältnissen zu und wie die Wurzeln aus den Rohrlängen abnimmt, so kann man, ohne die Druckverhältnisse an den Rohrenden zu ändern, die Beförderung auf pneumatischem Wege soweit ausdehnen, als man den Durchmesser proportional der Länge des Rohrs vergrössern kann. Durch ein doppelt so weites Rohr kann man also die doppelte Entfernung bei gleichen Druckverhältnissen mit gleicher Geschwindigkeit durchlaufen.

Zu dem vorliegenden Zwecke der Beförderung telegraphischer couvertirter Depeschen wird ein Rohrdurchmesser von 3 Zoll aus - reichen, da man den Couverts keine grössere Breite als 2 bis höchstens Zoll zu geben braucht.

Zur Hin - und Herbeförderung der Depeschen könnte man nun ein einfaches Rohr benutzen, indem man durch die auf der Centralstation aufgestellte Maschine ein Reservoir evacuiren und ein anderes mit comprimirter Luft anfüllen liesse und dann das Ende der Rohrleitung, je nachdem man den Depeschenbehälter heranholen oder fortsenden wolle, mit dem einen oder anderen Reservoir in Verbindung setzte. Eine solche Einrichtung würde aber, selbst abgesehen von den bedeutenden Dimensionen, welche die Reservoire haben müssten, nur eine geringe Leistungsfähig - keit haben und wäre nicht entwickelungsfähig. Das Bedürfniss wird sich nämlich bald herausstellen, dieselbe Rohrleitung zur pneumatischen Communication mit mehreren Stationen zu benutzen, die ursprünglich angelegte Rohrleitung also zu verlängern und die bisherige Endstation für weiter gehende Depeschen zur Durch - gangsstation zu machen. Es empfiehlt sich daher, die Einrich - tung gleich so zu machen, dass dieser wenn auch ferner liegende Zweck sich erreichen lässt. Es wird daher vortheilhaft sein, gleich zwei Röhren zu legen, von denen die eine stets zum288 Geben, die andere zum Empfangen der Depeschen benutzt wird. Sollen dann später noch andere Stationen eingeführt werden, so wird bei der ausserdem zu erwartenden beträchtlichen Steigerung des Depeschenverkehrs ein schnelles Aufeinanderfolgen der Sen - dungen nothwendig werden. Um dies ermöglichen zu können, muss die Einrichtung so getroffen werden, dass die von der Centralstation ausgehende und zu ihr zurückkehrende Röhren - leitung als eine von der Centralstation ausgehende und zu ihr zurückkehrende Kreisleitung formirt wird. Durch diese Luftleitung muss durch die Pumpe der Centralstation ein permanenter Luft - strom getrieben werden, der den irgendwo in die Röhre einge - führten Depeschenwagen ergreift und event. durch die übrigen Stationen hindurch zur Centralstation führt, wenn nicht eine andere Station, durch den telegraphischen Signalapparat dazu aufgefordert, dieselben vorher in Empfang nimmt. Wie das aus - zuführen ist, soll später auseinandergesetzt werden.

Wenn es sich aber auch schon aus diesem Grunde empfiehlt, Kreisleitungen in Anwendung zu bringen, welche von einem per - manenten Luftstrom durchlaufen werden, so sprechen dafür doch auch noch andere gewichtige Gründe. Wie sich aus der Formel IV ergiebt, hängt die mittlere Geschwindigkeit der Luftbewegung von dem Factor 〈…〉 ab, bleibt also unverändert, wenn h und und also auch ihre Differenz proportional vermindert werden. Die durch die Pumpe auszuführende Arbeit ist aber direct pro - portional der Dichtigkeit der zu comprimirenden Luft, nimmt also mit gleichmässig ab. Ist mithin die Kreisleitung luft - dicht hergestellt und die Einrichtung der Art getroffen, dass man die mittlere Dichtigkeit im Rohre beliebig vermindern kann, so erspart man im gleichen Verhältniss an Arbeitskraft.

Anhang.

Die von uns zur Prüfung resp. Berichtigung der bereits auf - gestellten Formeln angestellten Versuche sind in folgenden Ta - bellen zusammengetragen:

289

Tabelle I. Abhängigkeit der Geschwindigkeit von dem Drucke.

1) Einerseits Ueberdruck, andererseits atmosphärischer Druck.

Bei obigen Beobachtungen wurden die Apparate so gestellt, dass aus einem Reservoir in unmittelbarer Verbindung mit der Luftpumpe Luft, deren Spannung mittels eines Quecksilbermano - meters gemessen wurde, durch die Röhrenleitung und endlich durch den Gasmesser in die Atmosphäre floss. Unterdessen wurde von Zeit zu Zeit der Barometerstand beobachtet und der - selbe ergab sich als constant (0,76 m). Das zum Versuche dienende Bleirohr hatte eine Länge von 348 'preuss. und einen Durchmesser von ¼″ preuss. Die Col. 1 giebt die Differenzen der Drucke an den beiden Enden des Rohres an, die Col. 2 das Verhältniss dieser Differenzen zum grösseren Druck, die Col. 3 die in einer Minute durchfliessende Quantität Luft, die Col. 4. die entsprechenden beobachteten und Col. 5 die berechneten Geschwindigkeiten in Fussen pro Secunde.

Die letzteren sind unter der Voraussetzung berechnet, dass die Geschwindigkeiten im geraden Verhältniss der Druckdiffe - renzen und im umgekehrten Verhältniss des grösseren Drucks stehen. Diese Annahme ist, wenn auch nicht ganz richtig, so doch innerhalb unserer Bedürfnisse ohne bedeutenden Fehler zu - lässig. Dieses einfache Verhältniss ist daher anwendbar, weil die theoretischen Werthe mit einem veränderlichen (und zwar mit dem Wachsen des Druckes abnehmenden) Erfahrungs - Coefficienten zu multipliciren sind, um die beobachteten Werthe zu erhalten.

19290

Tabelle II. Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Drucke.

2) Einerseits Ueberdruck, andererseits Unterdruck.

Zu diesen Versuchen mag noch bemerkt werden:

Der Gasmesser befand sich in der Mitte des Bleirohres und es wurde der Druck in der Mitte und im verdünnten Raume ge - messen. Durch längeres Pumpen waren wir im Stande, in der Mitte des Rohrs den atmosphärischen Druck constant zu erhalten. Für diesen Fall wurden alsdann die Messungen gemacht und da das Gesetz, dass der Druck in einem Rohre proportional der Länge abnimmt, als richtig angenommen wurde, so schlossen wir bei beobachtetem atmosphärischen Druck in der Mitte des Rohres auf einen Ueberdruck im verdichteten Raume gleich dem gemessenen Unterdruck im verdünnten Raume. Die Col. 3 giebt die in der Mitte des Rohres gemessenen Quantitäten bei atmosphärischem Druck, die Col. 4. die daraus mit Anwendung des Mariotte’schen Gesetzes berechneten Ausflussquantitäten (in den verdünnten Raum). Die Col. 5. enthält die berechneten Ausflussquantitäten, indem jede Nummer aus nächst folgenden berechnet ist.

Tabelle III. Abhängigkeit der Geschwindigkeit von der Länge des Rohres.

291

Tabelle IV. Abhängigkeit der Geschwindigkeit vom Durchmesser des Rohres.

Bemerkungen zu Tabelle III. und IV.

Die Längen der Röhren und deren Durchmesser wurden direct gemessen. Iu Tabelle III. giebt die Col. II. die Differenz h in Quecksilberzollen an, während h in der Tabelle IV. in Quecksilbercentimeter aufgeführt ist. Die in der Tabelle III. Col. VII. enthaltenen Zahlen sind sämmtlich aus der ersten Ge - schwindigkeit (34,4) berechnet, unter der Annahme, dass die Geschwindigkeiten sich umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Länge verhalten. Die in Col. VII. der Tabelle IV. enthaltenen Zahlen sind Nr. 2 und 3 nach Nr. 1 und Nr. 5 und 6 nach Nr. 4 berechnet und ergeben das Gesetz, dass die Geschwindig - keiten im geraden Verhältniss der Quadratwurzeln der Durch - messer des Rohres stehen.

Resultate.

Es ergiebt sich hieraus für die Ausflussgeschwindigkeit der Luft aus einer cylindrischen Röhrenleitung der Werth: 1) 〈…〉 in welcher Formel l die Länge des Rohres, d der Durchmesser desselben, h der grössere und der kleinere Druck, endlich α eine Constante bedeutet. Berechnet man nach dieser Formel mit Hülfe der in den obigen Tabellen enthaltenen Data den Werth der Constanten, so erhält man für dieselbe: 2) α = 15950.

Unter Anwendung des Mariotte’schen Gesetzes kann man von der Ausflussgeschwindigkeit auf die Eintrittsgeschwindigkeit19*292schliessen. Das Mittel aus diesen beiden ergiebt alsdann die für uns maassgebende mittlere Geschwindigkeit der Luft in einer Röhrenleitung. Man findet diese mittlere Geschwindigkeit: 3) 〈…〉

Nach Formel 2. sind die mittleren Geschwindigkeiten der Luft in Röhren von 13000 Fuss Länge (die doppelte Entfernung zwischen der Central - und der vorgeschlagenen Endstation der projectirten Linie) von verschiedenem Durchmesser und mit An - wendung von

  • a) 1 Atmosphäre Ueberdruck,
  • b) 1 Atmosphäre Unterdruck,
  • c) ½ Atmosphäre Ueber - und ½ Atmosphäre Unterdruck folgende:
[293]

Methode für fortlaufende Beobachtungen der Meeres - temperatur bei Tiefenmessungen.

(Monatsber. d. Berl. Akad. d. W. Juni. Poggendorff’s Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 129 S. 647.)

1866.

Herr Ehrenberg legte die folgende Mittheilung vor, welche er auf seine Anfrage von Hrn. Dr. W. Siemens hierselbst über eine von diesem in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wilhelm in London vorgeschlagene Methode für fortlaufende Beobachtun - gen der Meerestemperatur bei Tiefenmessungen erhalten hat.

Die Methode beruht auf der Thatsache, dass der Wider - stand der Metalle von ihrer Temperatur abhängig ist. Durch Messung des Widerstandes einer isolirten Drahtrolle, deren Widerstand bei einer bestimmten Temperatur bekannt ist, kann man mithin auf die Temperatur des die Rolle umgebenden Meer - wassers schliessen. Es ändert sich z. B. der Widerstand des Kupfers für 1 Grad der hunderttheiligen Scala um 0,394 pCt.

Diese Methode leidet aber an dem Uebelstande, dass man die Enden der Widerstandsrolle durch sehr gut leitende, also dicke Drähte mit dem Schiffe verbinden muss, damit der durch die veränderte Temperatur ebenfalls geänderte Widerstand der Zuleitungsdrähte keinen merklichen Fehler hervorbringt. Auch erfordern genaue Widerstandsbestimmungen sehr gute Apparate und experimentelle Gewandtheit. Wir haben daher in neuerer Zeit die Methode insofern abgeändert, dass die Widerstands - messungen ganz fortfallen und die Temperatur der Meerestiefe am Bord des Schiffes durch ein gewöhnliches Quecksilberthermo - meter abgelesen wird. Es wird dies dadurch ermöglicht, dass294 die am Ende des zweidrähtigen Kabels, welches als Lothschnur dient, eingeschaltete Widerstandsrolle mit drei anderen, am Bord des Schiffes befindlichen, genau gleichen Widerstandsrollen und einem Galvanometer mit astatischer Nadel zu einer sogenannten

Fig. 36.

Wheatstone’schen Brücke com - binirt wird, wie dies aus der nebenstehenden Figur zu er - sehen ist. Die eine der auf dem Schiff befindlichen Wi - derstandsrollen liegt in einem Wasser - oder Oelbade, welches beliebig abgekühlt oder er - wärmt werden kann. Ist die Temperatur dieses Bades, mit - hin auch die der in ihm be - findlichen Drahtrolle, verschie - den von der Temperatur des Wassers, welches die ins Meer versenkte Drahtrolle umgiebt, so durchläuft ein Strom das Galvanometer und die Nadel desselben wird abgelenkt. Fin - det keine Ablenkung statt, so sind die Temperaturen des Meerwassers und des Bades genau gleich. Die Ablesung des in letzterem befindlichen Thermometers giebt mithin die Temperatur der Meeres - tiefe. Da der eine Zuleitungs - draht dem Zweige der ver - senkten Rolle, der andere dem der im Bade befindlichen Rolle angehört, und beide gleich - mässig durch das umgebende Meerwasser erwärmt oder abgekühlt werden, so ist ihr störender Einfluss vollständig eliminirt. Es können mithin sehr dünne Zuleitungsdrähte benutzt werden, was von bedeutender praktischer Wichtigkeit ist.

295

Das beim Aufstossen auf den Meeresgrund ablösbare Ge - wicht und die Einrichtung zum Heraufholen von Grundproben bleiben unverändert. Die Ersetzung der bisher gebräuchlichen Hanfschnur durch ein dünnes, zweidrähtiges, mit Hanf umspon - nenes Kabel vertheuert allerdings den Apparat ansehnlich und macht ausserdem die Anwendung einer besonderen Vorrichtung zum Aufwinden und Abrollen des Kabels nothwendig; dagegen wird aber die grosse Festigkeit eines solchen Kabels auch den häufigen Verlust der gebräuchlichen Hanfschnur verhüten.

[296][297]

Ueber die Umwandlung von Arbeitskraft in elektrischen Strom ohne permanente Magnete.

(Mon. ber. d. Berl Akad. v. 17. Januar.)

1867.

Wenn man zwei parallele Drähte, welche Theile des Schliessungskreises einer galvanischen Kette bilden, einander nähert oder von einander entfernt, so beobachtet man eine Schwächung oder eine Verstärkung des Stromes der Kette, je nachdem die Bewegung im Sinne der Kräfte, welche die Ströme auf einander ausüben, oder im entgegengesetzten stattfindet. Dieselbe Erscheinung tritt in verstärktem Masse ein, wenn man die Polenden zweier Elektromagnete, deren Windungen Theile desselben Schliessungskreises bilden, einander nähert oder von einander entfernt. Wird die Richtung des Stromes in dem einen Drahte im Augenblicke der grössten Annäherung und Entfernung umgekehrt, wie es bei elektrodynamischen Rotationsapparaten und elektromagnetischen Maschinen auf mechanischem Wege ausgeführt wird, so tritt mithin eine dauernde Verminderung der Stromstärke der Kette ein, sobald der Apparat sich in Bewe - gung setzt. Diese Schwächung des Stromes der Kette durch die Gegenströme, welche durch die Bewegung im Sinne der be - wegenden Kräfte erzeugt werden, ist so bedeutend, dass sie den Grund bildet, warum elektromagnetische. Kraft-Maschinen nicht mit Erfolg durch galvanische Ketten betrieben werden können. Wird eine solche Maschine durch eine äussere Arbeitskraft im entgegengesetzten Sinne gedreht, so muss der Strom der Kette dagegen durch die jetzt ihm gleich gerichteten inducirten Ströme298 verstärkt werden. Da diese Verstärkung des Stromes auch eine Verstärkung des Magnetismus des Elektromagnetes mithin auch eine Verstärkung des folgenden inducirten Stromes hervorbringt, so wächst der Strom der Kette in rascher Progression bis zu einer solchen Höhe, dass man sie selbst ganz ausschalten kann ohne eine Verminderung desselben wahrzunehmen. Unterbricht man die Drehung, so verschwindet natürlich auch der Strom und der feststehende Elektromagnet verliert seinen Magnetismus. Der geringe Grad von Magnetismus, welcher auch im weichsten Eisen stets zurückbleibt, genügt aber, um bei wieder eintreten - der Drehung das progressive Anwachsen des Stromes im Schliessungskreise von Neuem einzuleiten. Es bedarf daher nur eines einmaligen kurzen Stromes einer Kette durch die Win - dungen des festen Elektromagnetes, um den Apparat für alle Zeit leistungsfähig zu machen. Die Richtung des Stromes, welchen der Apparat erzeugt, ist von der Polarität des rück - bleibenden Magnetismus abhängig. Aendert man dieselbe ver - mittelst eines kurzen entgegengesetzten Stromes durch die Win - dung des festen Magnetes, so genügt dies, um auch allen später durch Rotation erzeugten mächtigen Strömen die umgekehrte Richtung zu geben.

Die beschriebene Wirkung muss zwar bei jeder elektro - magnetischen Maschine eintreten, die auf Anziehung und Ab - stossung von Elektromagneten begründet ist, deren Windungen Theile desselben Schliessungskreises bilden; es bedarf aber doch besonderer Rücksichten zur Herstellung von solchen elektrody - namischen Inductoren von grosser Wirkung. Der von den commutirten, gleichgerichteten Strömen umkreiste, feststehende Magnet muss eine hinreichende magnetische Trägheit haben, um auch während der Stromwechsel den in ihm erzeugten höchsten Grad des Magnetismus ungeschwächt beizubehalten, und die sich gegenüberstehenden Polflächen der beiden Magnete müssen so beschaffen sein, dass der feststehende Magnet stets durch benachbartes Eisen geschlossen bleibt, während der bewegliche sich dreht. Diese Bedingungen werden am besten durch die von mir vor längerer Zeit in Vorschlag gebrachte und seitdem von mir und Anderen vielfältig benutzte Anordnung der Magnet - inductoren erfüllt. Der rotirende Elektromagnet besteht bei der -299 selben aus einem um seine Axe rotirenden Eisencylinder, welcher mit zwei gegenüberstehenden, der Axe parallel laufenden Ein - schnitten versehen ist, die den isolirten Umwindungsdraht auf - nehmen. Die Polenden einer grösseren Zahl von Stahlmagneten oder im vorliegenden Fall die Polenden des feststehenden Elektromagnetes, umfassen die Peripherie dieses Eisencylinders in seiner ganzen Länge mit möglichst geringem Zwischenraume.

Mit Hülfe einer derartig eingerichteten Maschine kann man, wenn die Verhältnisse der einzelnen Theile richtig bestimmt sind und der Commutator richtig eingestellt ist, bei hinläng - lich schneller Drehung in geschlossenen Leitungskreisen von geringem ausserwesentlichen Widerstande Ströme von solcher Stärke erzeugen, dass die Umwindungsdrähte der Elektromag - nete durch sie in kurzer Zeit bis zu einer Temperatur erwärmt werden, bei welcher die Umspinnung der Drähte verkohlt. Bei anhaltender Benutzung der Maschine muss diese Gefahr durch Einschaltung von Widerständen oder durch Mässigung der Dre - hungsgeschwindigkeit vermieden werden. Während die Leistung der magnetoelektrischen Inductoren nicht in gleichem Verhält - nisse mit der Vergrösserung ihrer Dimensionen zunimmt, findet bei der beschriebenen das umgekehrte Verhältniss statt. Es hat dies darin seinen Grund, dass die Kraft der Stahlmagnete in weit geringerem Verhältniss zunimmt, als die Masse des zu ihrer Herstellung verwendeten Stahls, und dass sich die magne - tische Kraft einer grossen Anzahl kleiner Stahlmagnete nicht auf eine kleine Polfläche concentriren lässt, ohne die Wirkung sämmtlicher Magnete bedeutend zu schwächen oder sie selbst zum Theil ganz zu entmagnetisiren. Magnetinductoren mit Stahlmagneten sind daher nicht geeignet, wo es sich um Er - zeugung sehr starker andauernder Ströme handelt. Man hat es zwar schon mehrfach versucht, solche kräftige magnetelektrische Inductoren herzustellen und auch so kräftige Ströme mit ihnen erzeugt, dass sie ein intensives elektrisches Licht gaben, doch mussten diese Maschinen colossale Dimensionen erhalten, wo - durch sie sehr kostbar wurden. Die Stahlmagnete verloren ferner bald den grössten Theil ihres Magnetismus und die Ma - schine ihre anfängliche Kraft.

Neuerdings hat der Mechaniker Wilde in Birmingham die300 Leistungsfähigkeit der magnetelektrischen Maschinen dadurch wesentlich erhöht, dass er zwei Magnetinductoren meiner oben beschriebenen Construction zu einer Maschine combinirte. Den einen, grösseren dieser Inductoren versieht er mit einem Elek - tromagnet an Stelle der Stahlmagnete und verwendet den an - deren zur dauernden Magnetisirung dieses Elektromagnetes. Da der Elektromagnet kräftiger wird, als die Stahlmagnete, welche er ersetzt, so muss auch der erzeugte Strom durch diese Com - bination in mindestens gleichem Masse verstärkt werden.

Es lässt sich leicht erkennen, dass Wilde durch diese Com - bination die geschilderten Mängel der Stahlmagnet-Inductoren wesentlich vermindert hat. Abgesehen von der Unbequemlich - keit der gleichzeitigen Verwendung zweier Inductoren zur Er - zeugung eines Stromes, bleibt sein Apparat doch immer abhän - gig von der unzuverlässigen Leistung der Stahlmagnete.

Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben, elek - trische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel ist. Diese Thatsache wird auf mehreren Gebieten derselben von wesentlicher Bedeutung werden.

[301]

Das Universal-Galvanometer.

(Separat-Abdruck aus der Zeitschr. d. deutsch-österr. Tel. -Vereins Jahrg. XV.)

1868.

Messungen der galvanischen Factoren: der Stromstärke, des Widerstandes und der elektromotorischen Kraft von Batterien sind Arbeiten, welche gegenwärtig nicht mehr ausschliesslich dem Physiker von Fach obliegen, sondern auch, und sogar weit häufiger, vom Telegraphen-Techniker ausgeführt werden müssen. Wenn diese Arbeiten an sich schon eine grössere Sorgfalt und Umsicht fordern, so ist doch besonders störend, namentlich für den Techniker, die Vielzahl der Apparate und Instrumente, die man bis jetzt dabei zu benutzen pflegte, wo im Allgemeinen jede der gedachten Operationen ein anderes, besonders dazu einge - richtetes Instrument erforderte, das wieder seine eigene, durch besondere Versuche erst zu bestimmende Constante hat.

Es war wünschenswerth ein einziges Instrument zu besitzen, welches so eingerichtet und mit den nöthigen Widerständen aus - gerüstet ist, dass es nach Bedürfniss zu jeder der drei gedachten Operationen dienen kann.

Nach diesem Gesichtspunkt ist das nachstehend beschriebene Universal-Galvanometer construirt.

Es ist ein empfindliches Galvanometer, das auf seinem Untergestell in horizontaler Ebene drehbar ist, so dass es als Sinusbussole benutzt werden kann, verbunden mit einer Wheat - stone’schen Brücke, deren Draht aber nicht geradlinig, sondern in einem Kreise ausgespannt ist, und versehen mit den zur Widerstandsmessung erforderlichen Masseinheiten.

Zur Messung von Stromstärken wird das Iustrument einfach als Sinusbussole benutzt.

302

Die Messung der elektromotorischen Kraft geschieht nach der von Prof. E. Du Bois-Reymond angegebenen Modification der Poggendorff’schen Compensationsmethode, wobei der Brücken - drath als Agometer dient. Für die Widerstandsmessung wird das Instrument als Wheatstone’sche Brücke benutzt.

Um grosse wie kleine Widerstände mit ausreichender

Fig. 37.

Schärfe messen zu können, sind drei verschiedene Masseinheiten beigegeben von den Werthen von 1, 10 und 100 Siemens-Ein - heiten1)Bisweilen auch von 10, 100 und 1000 S. -E..

Die Wahl dieser Werthe der Masseinheiten erscheint um so303 mehr gerechtfertigt, da auf der im Sommer d. J. in Wien abge - haltenen internationalen Telegraphen-Conferenz die Siemens’sche Widerstands-Einheit für den allgemeinen internationalen Verkehr officiell adoptirt worden ist.

Figur 37 zeigt die Oberansicht, Figur 38 die Seitenansicht des Instrumentes.

Fig. 38.

A ist eine auf drei Stellschrauben b, b stehende kreisförmige Platte von polirtem Holz. In ihrem Centrum ist ein Metalllager eingelassen, in welchem der das ganze eigentliche Instrument tragende, verticale Zapfen a ruht, der darin eine sehr sichere Führung findet, so dass das Instrument um diesen Zapfen leicht, aber ohne alles Schlottern und ohne seine horizontale Lage zu304 verlieren, wenn dieselbe einmal hergestellt worden, sich drehen lässt. An diesem Zapfen sitzt zunächst eine etwa 1 Zoll dicke, mit dem Fortsatze c versehene, kreisförmige Scheibe C von po - lirtem Holz, in deren Umfang eine Nuth zur Aufnahme der Widerstandsdrähte eingedreht ist. Der Fortsatz c trägt vier isolirte, mit Klemmschrauben versehene und mit I, II, III und IV bezeichnete Metallschienen, wie Figur 37 zeigt. Die Schienen III und IV können durch einen Stöpsel mit einander verbunden werden. Ueber der Scheibe C liegt eine etwas grössere, genau kreisrund gedrehte, über dem Fortsatz c aber etwas ausge - schnittene (wie in Fig. 37 sichtbar) Scheibe von Schiefer und diese trägt in der Mitte das Galvanometer G und vor demselben,

Fig. 39.

längs des Ausschnittes, vier isolirte Metallschienen h1 h2 h3 h4, welche durch Stöpsel mit einander verbunden werden können und an welche die Enden der Widerstandsdrähte geführt sind, wie die Skizze (Fig. 39) zeigt.

305

Das Galvanometer bietet in seiner Einrichtung nichts Un - gewöhnliches; es hat ein an einem Cocconfaden aufgehängtes astatisches Nadelsystem und einen flachen Multiplicatorrahmen mit feinem Draht; bei dem uns augenblicklich vorliegenden Exemplare enthält derselbe 482 Windungen im Widerstande von 10 S. -E. Die Nadel schwingt über einem auf Carton gedruckten, nach Graden getheilten Limbus; da aber beim Gebrauche des Instrumentes nie die Nadelablenkung abgelesen, sondern stets die Nadel auf dem Nullpunkt zurückgeführt wird, so befinden sich zu beiden Seiten dieses Punktes, etwa bei den Theilstrichen 20°, elfenbeinene Hemmstifte. Der Knopf K, an welchem der Coconfaden befestigt ist, trägt ferner auch einen kleinen dreh - baren Richtmagnet. Das eine Ende der Umwindungen ist, wie aus Fig. 39 ersichtlich, an die erste der aut der Schieferplatte stehenden Schienen h1, das andere Ende an die Schiene IV ge - führt.

In die etwas abgerundete Peripherie der Schieferplatte ist eine feine Nuth eingedreht, in welcher, straff gespannt, der Brückendraht (aus Platin oder aus Neusilber) so liegt, dass sein äusserer Umfang noch etwas aus dem Schiefer hervorragt. Seine Enden sind an 2 an der Schieferplatte befestigte, genau an die Seitenflächen des Ausschnitts derselben sich anlegende Messing - platten l und l1 angelöthet. Die eine dieser Platten, l ist mit der Schiene h1, die andere aber mit der Schiene III durch dicke Kupferdrähte oder Blechstreifen (λ in Fig. 37) leitend ver - bunden. Schiefer wurde für die Scheibe f desshalb gewählt, weil dies Material erfahrungsmässig am wenigsten empfindlich gegen Aenderungen der Temperatur und der Witterungsverhältnisse ist. Auf der Oberseite der Schieferplatte ist der Umfang derselben von Ausschnitt zu Ausschnitt mit einer Theilung versehen und zwar ist der Bogen zwischen den beiden Ausschnitten in 300 gleiche Theile getheilt. Der Nullpunkt liegt genau in der Mitte, der Mitte des Drathes gegenüber und von hier läuft die Be - zeichnung von 10 zu 10 nach beiden Seiten hin, so dass an beiden Endpunkten des Drathes bei l und l1 sich die Zahl 150 findet.

Den beweglichen Contactpunkt längs des Brückendrahtes bildet die kleine drehbare Platinwalze e, welche von dem unter -20306halb der Holzscheibe C über den Zapfen a des Instrumentes ge - schobenen und um diesen leicht aber sicher drehbaren Arm D getragen wird. An diesem Arm ist, etwas hinter dem Hand - griff g, ein Messingstück d in verticaler Stellung, zwischen Schraubenspitzen r etwas drehbar, angebracht, welches in einem Ausschnitt am oberen Ende die Platinwalze trägt und die Lager für die verticale Axe derselben enthält; eine Feder drückt das Stück d gegen die Schieferscheibe hin und sichert den Contact der Platinwalze e mit dem Brückendraht. Dieser, von den übrigen Apparattheilen isolirte Arm D und also auch die Walze e, ist mit der Schiene I leitend verbunden. Am oberen Theile des Stückes d ist ferner ein Index Z befestigt, der über die obere Seite der Schieferplatte bis dicht an die Theilung der - selben herüberragt.

Die Benutzung des Apparates bedarf nach dem Vorstehenden wohl kaum noch einer weiteren Erläuterung. Die schematischen Skizzen Fig. 40 45 werden genügen. Wir fügen gleichwohl die für den Techniker bestimmte Gebrauchs-Instruction bei, sowie auch eine Tabelle zum Gebrauch bei den Widerstands - messungen.

In Bezug auf Einrichtung der letzteren noch einige Worte. Wie aus Fig. 40 erhellt, ist das Verhältniss zwischen dem gesuchten Widerstand x und der Mass-Einheit n, wenn die Ab - lesung α auf die linke, mit A bezeichnete Seite der Schiefer - platte fällt: 〈…〉 also 〈…〉 .

Dagegen ergiebt sich: 〈…〉 wenn die Ablesung α auf der rechten, mit B bezeichneten Hälfte der Schieferplatte liegt.

Die Werthe dieser beiden Brüche zeigt die Tabelle in den mit A und B überschriebenen Spalten für die verschiedenen, um 0°,5 fortschreitenden Werthe von α.

307

Tabelle zum Universal-Galvanometer.

20*308

Instruction zum Universal-Galvanometer von Dr. Werner Siemens.

Das Instrument ist zu folgenden Zwecken zu benutzen:

  • A. Einen unbekannten Widerstand x zu finden.
    • a) Die Nadel i wird auf den 0Punkt der kleinen Scala ge - bracht durch Drehung des Galvanometers G.
    • b) Der Zeiger Z mittelst des Griffes g auf den 0Punkt der grossen Scala gebracht.
    • c) Das Loch zwischen Klemme III und IV ist gestöpselt.
    • d) Eins der Löcher 1, 10 oder 100 ist geöffnet und zwar eins der ersteren, wenn man es mit kleinen, das Loch 100, wenn man es mit grösseren zu vergleichenden Wider - ständen zu thun hat.
    • e) Die beiden Enden des zu messenden Widerstandes werden an die Klemmen II und IV und
    • 309
    • f) die Pole KZ einiger galvanischer Elemente an die Klem - men I und II gebracht.

Es lenkt die Nadel i in Folge dieser Verbindung beispiels - weise nach rechts ab.

Mittelst des Griffes g wird der Zeiger Z ebenfalls nach

Fig. 40.

Fig. 41.

rechts hin auf die BSeite der Scala gedreht. Erhält man dann eine noch grössere Ablenkung der Nadel i nach rechts hin, so muss man den Zeiger Z nach links über den 0Punkt seiner Scala bewegen.

Danach nähert sich die Nadel dem Nullpunkt der Galvano - meterscala, den sie durch fortgesetztes Drehen des Zeigers Z nach links erreicht.

Ist letzterer dabei z. B. auf der Zahl 50 der A Seite stehen310 geblieben und ist bei n das Loch 100 ungestöpselt, so ergiebt sich nun folgendes Verhältniss: 150 50: 150 + 50 = n: x oder x = 〈…〉 = 200 Einheiten.

Für die Messung kleiner Widerstände reicht ein einziges Element aus. Zur Messung grosser Widerstände und wenn gegen n = 100 gemessen wird, hat man etwa 10 Elemente an - zuwenden.

  • B. Zwei elektromotorische Kräfte E1 und E2 zu vergleichen. Die Manipulationen a und b wie bei A.
    • c) Das Loch zwischen III und IV ist offen.
    • d) Die Löcher 1, 10, 100 sind gestöpselt.
    • e) Die beiden Pole eines Elektromotors von der elektromo - torischen Kraft E0 (welche grösser sein muss als E1 und E2) werden an die Klemmen II und III,
      Fig. 42.
      Fig. 43.
    • f) die des einen zu vergleichenden Elektromotors z. B. E1 an die Klemmen I und IV gebracht (jedoch so, dass gleiche Pole an I und III sowie an II und IV liegen).

Die Nadel des Galvanometers wird abgelenkt werden. Durch311 Drehung des Zeigers Z wird man im Stande sein, bei einer bestimmten Stellung desselben sie auf Null zurückzuführen. Steht dann der Zeiger z. B. auf 30 der A Seite, so gilt folgende Gleichung 〈…〉 ...... (1) wobei u der Widerstand der Batterie E0 ist.

An Stelle der Batterie E1 wird nun die Batterie E2 einge - schaltet, die Nadel erleidet eine Ablenkung und lässt sich wieder durch Drehung des Zeigers Z auf Null zurückführen. Steht nunmehr der Zeiger z. B. auf 40 der BSeite, so gilt jetzt die Gleichung 〈…〉 ...... (2)

Aus Gleichung 1 und 2 zieht man die von u ganz unab - hängige Gleichung: E1: E2 = (150 30): (150 + 40) = 12: 19 .. (3)

Die beiden elektromotorischen Kräfte verhalten sich wie die beiden beobachteten Abstände des Zeigers von 150 der A Seite.

Fig. 44.
Fig. 45.
  • C. Gebrauch als Sinus-Galvanometer. Die Manipulationen a, b, c, d wie bei B.
    • e) Es wird der eine Pol einer Batterie an Klemme II, der andere an Erde, sowie
    • f) die Leitung an Klemme IV gebracht.
312

Schlägt die Nadel i aus, so dreht man das Galvanometer in derselben Richtung dieses Ausschlages so lange, bis dieselbe wieder auf 0 einsteht. Da bei dieser Drehung die grosse Scala sich an dem stillstehenden Zeiger Z vorbei drehte, so hat man jetzt nur die Zahl abzulesen, auf welcher Z steht und den Sinus derselben aufzusuchen, um die der Stromstärke proportionale Zahl zu erhalten.

[313]

Directe Messung des Widerstandes galvanischer Ketten.

(Pogg. Ann. d. Phys. u. Chem. Jubelband S. 445.)

1874.

Die Ohm’sche Methode der wiederholten Strommessung bei Einschaltung bekannter Widerstände giebt bekanntlich die - thigen Data zur Berechnung resp. Vergleichung der 3 Constanten der galvanischen Kette. Da Strommessungen aber die Benutzung sehr exacter Messinstrumente bedingen und die Methode über - haupt sehr umständlich und zeitraubend ist, wenn sie einiger - massen befriedigende Resultate gewähren soll, so war das Be - streben, die einzelnen Constanten der Kette durch directe Messungen zu bestimmen, ein berechtigtes. In sehr vollkom - menem Grade ist dies für die Widerstandsmessungen derjenigen Theile der Kette, in welchen keine elektromotorische Kraft thätig ist, mit Hülfe des unter dem Namen der Wheatstone’schen Brücke bekannten Stromverzweigungsschemas gelungen. Auch die Vergleichung der elektromotorischen Kraft zweier Ketten ist durch Herrn Poggendorff vermittelst seiner Compensations-Methode zu einem hohen Grade der Vollkommenheit gebracht, wenn die - selbe auch noch den grossen Mangel hat, dass die elektromotorischen Kräfte nicht unter gleichen Bedingungen, sondern so verglichen werden, dass die eine Kette durch einen bestimmten Widerstand geschlossen, also in Thätigkeit, die andere dagegen stromlos ist. In neuerer Zeit haben die Herren Paalzow, Beetz und Andere Methoden angegeben, um mit Hülfe des von Dubois vervoll - kommneten Poggendorff’schen Compensations-Verfahrens auch den wesentlichen Widerstand der thätigen Kette zu bestimmen. Wenn314 auch nicht in Abrede zu stellen ist, dass hierdurch die Aufgabe, ohne Strommessungen den Widerstand galvanischer Ketten zu bestimmen, im Princip gelöst ist, so leiden diese indirecten Me - thoden doch an sehr wesentlichen Mängeln. Der gesuchte Wider - stand der Kette erscheint bei diesen Methoden als Resultat einer Rechnung, in welcher ausser den eingeschalteten bekannten Widerständen auch der Widerstand der Vergleichskette und das Verhältniss der elektromotorischen Kräfte beider Ketten auftritt. Da nun bekanntlich wie auch die später beschriebenen Ver - suche bestätigen weder die elektromotorische Kraft noch der Widerstand eines galvanischen Elementes wirklich constant ist, sondern beide sich mit der relativen Stromstärke, also dem Thätigkeitsmasse der Flächeneinheit des Elementes ändert, so muss nothwendig das Hereinziehen der elektromotorischen Kräfte der Ketten in die Rechnung das gefundene Resultat wesentlich beeinträchtigen. Doch auch abgesehen von diesem theoretischen Mangel sind die durch das Compensationsprincip begründeten Methoden namentlich für technische Benutzung zu umständlich und schwerfällig.

Meine Methode1)Ich habe diese Methode bereits der Society of telegraph Engineers in London in ihrer Sitzung vom 11. Dec. 1872 mitgetheilt. der directen Bestimmung des wesentlichen Widerstandes der Kette beruht wie die Wheatstone’sche Wider - standsmessungsmethode auf einem Stromverzweigungsgesetze.

Ist A, B, C, D (Fig. 46) in beifolgendem Stromschema der

Fig. 46.

Schliessungsbogen der Kette E, deren wesentlicher Widerstand zu bestimmen ist, bezeichnet ferner der Punkt C den Halbirungs -315 punkt des Widerstandes des gesammten Schliessungskreises, so dass A B C = A C D = a ist, ist ferner B C = C D = b; ist dann ein Zweigdraht vom Widerstande w mit A verbunden, welcher beliebig durch einen Commutator mit dem Punkte B oder D in leitende Verbindung gebracht werden kann, so ist nach Kirchhoff’s Rechnungsmethode:

  • I (a b) J + (a + b) i = E,
  • II W. i1 (a + b) i = o.
  • III i1 + i = J;

und wenn man aus diesen drei Gleichungen J und i1 eliminirt 〈…〉 .

In diesem Ausdrucke für die Stromstärke i in dem Theile des Hauptkreises, welcher keine elektromotorische Kraft enthält, kommt der Abstand b der Nebenschliessung vom Halbirungs - punkte des Widerstandes nur im Quadrat vor; i bleibt daher unverändert, wenn b anstatt b gesetzt wird, oder wenn die Nebenschliessung an den Punkt D anstatt an B gelegt wird. Es ist leicht, sich eine Einrichtung zu machen, um mit Hülfe dieses Stromverzweigungsgesetzes den wesentlichen Widerstand einer Kette zu messen. Ist B C D = 2 b ein beliebiger Widerstand, dessen Grösse am besten zwischen dem einfachen und doppelten Widerstande der Kette liegt, ist ferner A D = a b der Um - windungsdrath eines Galvanometers und w eine Widerstands - rolle, deren eines Ende mit dem einen Pole der Kette und dem einen Ende des Galvanometerdrahtes leitend verbunden ist, wäh - rend das andere Ende in schnellem Wechsel an den Punkt B oder D anzulegen ist, so braucht man zwischen dem freien Pole der Kette und dem Punkte B nur so lange vermittelst eines Rheostaten Widerstand ein - oder auszuschalten, bis die Nadel des Galvanometers unverändert bleibt, mag die Nebenschliessung an dem Punkte B oder D des Kreises anliegen. Es ist dann der wesentliche Widerstand der Kette gleich dem des Galvano - meters, weniger dem zur Erzielung des Gleichgewichtes einge - schalteten Widerstande. Ich schliesse hieran eine Versuchs - reihe, welche Dr. Frölich in meinem Laboratorium mit dieser Methode ausgeführt hat und durch welche ihre Sicherheit und praktische Brauchbarkeit constatirt wird.

316

Nach der Methode von Dr. W. Siemens zur Messung von Batteriewiderständen wurden zahlreiche Bestimmungen an den verschiedenen Formen des Daniell’schen Elementes ausgeführt; es ergab sich, dass, um constante und vergleichbare Resultate zu erhalten, folgende Bedingungen erfüllt sein müssen:

  • 1. dass der Strom überhaupt während der Messung völlig constant bleibt,
  • 2. dass die Stromverhältnisse im Batteriezweig innerhalb gewisser Grenzen gleich gehalten werden.

Die Erfüllung der ersten Bedingung ist selbstverständlich und wird leicht dadurch erreicht, dass die Elemente sorgfältig angesetzt und einige Zeit vor der Messung so geschlossen wer - den, dass die Stromstärke einen ähnlichen Werth annimmt, wie später in der Messung selbst.

Die Nothwendigkeit der zweiten Bedingung war ebenfalls zu erwarten, da der Uebergangswiderstand, auf den es hier wesentlich ankommt, eine Function der Stromstärke ist. Will man daher verschiedene constante Elemente in Bezug auf ihren Widerstand vergleichen, sei es die einzelnen unter sich oder mehrere mit einzelnen, so hat man, um richtige Resultate zu erhalten, die Widerstände im Schliessungskreise so einzurichten, dass die beiden Stromstärken im Batteriezweig, welche den beiden Stellungen des Zweiges C (in nachstehender Figur 47) entsprechen, in den einzelnen Messungen je dieselben Werthe erhalten.

Da die stricte Erfüllung dieser Bedingung lästig ist, so han - delte es sich darum, experimentell festzustellen, wieviel die be - zeichneten Stromstärken von einander abweichen dürfen, ohne das Resultat der Messung zu beeinträchtigen; ferner sollte die Zuverlässigkeit der Methode geprüft werden.

Die sicherste Probe für diese letztere besteht wohl darin, mehrere Elemente einzeln in Bezug auf ihren Widerstand zu messen, dann in verschiedenen Gruppen hinter einander zu schal - ten und wieder den Widerstand zu messen; die Widerstände jener Gruppen müssen dann übereinstimmen mit den Summen der Widerstände der betreffenden einzelnen Elemente.

Diese Probe wurde an fünf kleinen Daniell’schen Elementen ausgeführt, ihre Widerstände wurden zuerst einzeln, dann in317 Gruppen von je 2, je 3, je 4 und 5 bestimmt und dabei die beiden Stromstärken im Batteriezweig A in den verschiedenen Messungen ungefähr gleich gemacht. Es ergab sich beinahe voll - kommene Uebereinstimmung der Resultate; die Abweichungen sind ungefähr von derselben Ordnung wie die Beobachtungs - fehler; und es zeigte sich ferner, dass für das Gleichhalten der Stromstärken im Batteriezweig ein ziemlich weiter Spielraum gestattet ist.

In Bezug auf die Empfindlichkeit der Methode kann man im Allgemeinen die Regel aufstellen, dass das Maximum erreicht wird, wenn im Batteriezweig A kein Widerstand ausser dem - jenigen des Elementes sich befindet und in den Zweigen B und C die Widerstände ungefähr ähnliche Werthe besitzen, wie im Batteriezweig.

Die Stromstärke im Batteriezweig wurde an einer Tangenten - bussole gemessen, diejenige im Zweige G an einem feinen Spiegelgalvanometer; dieses letztere befand sich jedoch in einem dem Zweige G angefügten Zweige N (s. Fig. 47), in welchem der

Fig. 47.

Widerstand stets so gross in Bezug auf denjenigen in G gehalten wurde, dass für die Berechnung des Widerstandes der Ele - mente der Nebenschluss N ganz ausser Betracht fiel.

Als Stromwender diente eine Poggendorff’sche Wippe.

Die Empfindlichkeit der Messung, d. h. des Unterschieds der beiden Ströme, wenn in G 0,1 S. E. mehr oder weniger ein - geschaltet wurde, betrug bei der Messung der einzelnen Elemente: 2,0 mm Ausschlag am Spiegelgalvanometer, bei derjenigen der fünf Elemente hintereinander: 0,5 mm.

Nachstehende Tabelle enthält die Messungen der Wider -318 stände der verschiedenen Gruppen von Elementen. Die Aus - schläge am Spiegelgalvanometer sind beigefügt, um zu zeigen, dass auch im Galvanometerzweig die Stromstärke ungefähr den - selben Werth beibehielt; es ist dies zwar unwesentlich, hier - durch wurde jedoch der Fehler, welcher von Schwankungen der Nullstellung der Magnetnadel herrührt, bei allen Messungen gleich gemacht.

E

Bei allen Messungen betrug der Drahtwiderstand in A: 0,40 (Zuleitung zu den Elementen), die Widerstände in den Zweigen B, C, N waren wie folgt:

Hieraus berechnen sich die Widerstände der Elemente, indem man einfach den Drahtwiderstand in A von G abzieht. Man erhält:319

Die Gruppen zu je 2, zu je 3 etc. sind mittelst der für die einzelnen Elemente erhaltenen Werthe berechnet; das Resultat E ergiebt einfach, dass der Widerstand des Elementes III um 0,05 zu klein gemessen wurde.

Die Variationen der Stromstärke im Batteriezweig A sind folgende: in Stellung 1 des Zweiges C: von 0,270 bis 0,378 2 0,176 bis 0,224

Im Allgemeinen geht aus diesen Messungen hervor, dass die vorliegende Methode bei richtiger Handhabung durchaus zuver - lässige Resultate liefert, dass man aber bei der Erfüllung der zweiten, oben genannten Vorschrift durchaus nicht ängstlich zu verfahren braucht, dass also die Methode ausserdem noch den Vortheil bequemer und rascher Ausführung bietet.

[320][321]

Capillargalvanometer zu Widerstands - messungen an submarinen Kabeln.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 16. Febr.)

1874.

Hr. Siemens legte der Klasse ein von ihm construirtes Ca - pillar-Galvanoskop vor, welches vorzugsweise die Bestimmung hat, Widerstandsmessungen an submarinen Kabeln auf schwan - kenden Schiffen zu ermöglichen.

Das Instrument ist eine Modification des Lippmann’schen Capillar-Elektrometers. Es besteht aus zwei senkrecht im un - gefähren Abstande von 3 cm. von einander auf einem kleinen Brette befestigten weiten Glasröhren. Dicht über der Ober - fläche des Brettchens sind dieselben durch ein schwach nach oben gebogenes dünnes Glasrohr von etwa ½ mm. innerer Weite verbunden. Unter diesem capillaren Verbindungsrohre wird auf dem Brettchen eine Scale mit Millimetertheilung befestigt. Die beiden weiten senkrechten Glasröhren nebst dem capillaren Ver - bindungsrohre werden nun luftfrei mit reinem Quecksilber so gefüllt, dass in der Mitte des Capillarrohres der Quecksilber - faden durch einen einige Millimeter langen Schwefelsäurefaden unterbrochen wird. Bei einiger Uebung lässt sich diese Füllung leicht luftfrei herstellen.

Vor der Lippmann’schen Anordnung, bei welcher das Ca - pillarrohr zur Hälfte mit Quecksilber und zur Hälfte mit Schwefel - säure gefüllt ist, hat die oben beschriebene wesentliche Vorzüge. Bei der Lippmann’schen Anordnung ist die Verschiebung des Meniscus, welche durch die mit der Polarisation verknüpfte Ver - änderung der Capillar Constante hervorgerufen wird, weit ge -21322ringer, da durch die Verlängerung oder Verkürzung der Queck - silbersäule im senkrechten Capillarrohre eine schnell wachsende Gegenkraft hervorgerufen wird, welche die Verschiebung be - grenzt. Bei der beschriebenen Anordnung findet dagegen keine merkliche Veränderung des niveaus der Quecksilberkuppen der weiten senkrechten Röhren statt. Es ist daher sogar noth - wendig, das Capillar-Verbindungsrohr schwach nach oben zu krümmen, damit nicht schon der schwächste Strom den Schwefel - säure-Tropfen ganz aus dem Rohre hinaustreibt. Sollte dies je - doch bei Benutzung zu starker Ströme einmal eintreten, so bleibt der Schwefelsäure-Tropfen durch Adhäsion an der Mündung des Capillarrohres haften und kehrt bei Umkehr des Stromes wieder zurück. Ein zweiter wesentlicher Vorzug der beschriebenen An - ordnung besteht darin, dass bei derselben beide den Schwefel - säurefaden begrenzenden Quecksilberkuppen polarisirt werden, wodurch die verschiebende Kraft verstärkt und für beide Strom - richtungen gleich gross wird. Endlich ist der durch die Ad - häsion der Schwefelsäure an der Glaswand des Capillarrohres erzeugte Widerstand gegen die Verschiebung bei der beschrie - benen Construction der Kürze des Schwefelsäurefadens wegen eine weit geringere.

Soll das Instrument gegen die Schiffsschwankungen un - empfindlich gemacht werden, so werden die senkrechten Glas - röhren mit Ansatzröhren versehen, welche nach innen gebogen sind, so dass die Quecksilberkuppen derselben nahe zusammen über der Mitte des Capillarrohres liegen.

Ein die Benutzung dieses Capillar-Galvanoskops erschwe - render Uebelstand ist der, dass der Schwefelsäurefaden nach ge - schehener Ablenkung durch einen Strom nur äusserst langsam in seine Ruhelage zurückkehrt, wenn auch für die Depolarisirung der Quecksilberkuppen durch metallische Verbindung der beiden Quecksilbersäulen gesorgt wird. Wird jedoch dieselbe Elektri - citätsmenge, welche die Polarisirung bewirkte, in entgegenge - setzter Richtung durch das Instrument geschickt, so kommt der Faden schnell und genau wieder in seine ursprüngliche Lage. Man bewirkt dies leicht dadurch, dass man in den Stromkreis einen Condensator einschaltet, durch dessen Ladung die Ver - schiebung des Fadens und durch dessen Entladung die Zurück -323 führung desselben erfolgt. Zu exacten Messungen lässt sich das Instrument nur dann verwenden, wenn sehr grosse Widerstände und beträchtliche elektromotorische Kräfte im Spiele sind. Ist die elektromotorische Kraft der Kette nicht mindestens 1 / 50 Daniell, so erfolgt keine merkbare Verschiebung des Fadens. Dem un - geachtet wird das Instrument in vielen Fällen ein nützliches Hülfsmittel werden, namentlich dann, wenn sehr grosse Wider - stände im Stromkreis enthalten sind. Diese verlangsamen zwar die Bewegung des Schwefelsäurefadens, sind aber auf die Grösse seiner Verschiebung ganz ohne Einfluss.

21*[324][325]

Antrittsrede des Herrn Siemens und Ant - wort des Herrn du Bois-Reymond, Secretars der physik. -mathem. Klasse.

(Gelesen in der öffentlichen Sitzung der Königl. Akademie der Wissensch. zu Berlin am 2. Juli.)

1874.

Durch meine Aufnahme unter die Zahl ihrer Mitglieder hat die Akademie mir eine Ehre erwiesen, welche ich nicht erstrebt habe und die ich auch nicht zu erwarten berechtigt war. Zu diesen, durch die hohen wissenschaftlichen Leistungen früherer wie gegenwärtiger Inhaber ehrwürdigen Sitzen wurden bisher nur Gelehrte berufen, welchen die Wissenschaft Lebensberuf war und welche derselben ihre ganzen geistigen Kräfte erfolgreich ge - widmet hatten. Es sprachen auch gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung dieser Sitte. Die deutsche Wissenschaft ver - dankt die allgemeine Huldigung, welche die Welt ihr darbringt, dem wohlbegründeten Ruf der Gediegenheit ihrer Leistungen, der Tiefe ihrer Forschungen, wesentlich dem strengen Gebote der gründlichen und planmässigen Vorbildung für den wissenschaft - lichen Beruf. Diese flösst dem Jünglinge die Liebe zur Wissen - schaft ein und stärkt ihn bei der Durchführung des Entschlusses, ihr fortan sein Leben zu weihen. Sie ist es, die der deutschen Wissenschaft die Reinheit des wissenschaftlichen Strebens be - wahrt hat, welche ihre höchste Zierde bildet. Der deutsche Ge - lehrte fragt nicht, ob das Problem, dessen Lösung er unter - nehmen, ob die Untersuchung, der er sich hingeben will, ihm selbst oder Anderen unmittelbaren Nutzen bringen wird; es ist die reine selbstlose Liebe zur Wissenschaft, welche ihm seine Aufgaben vorzeichnet, es ist der Wissensdrang, welcher ihn an -326 spornt, ihrer Durchführung seine ganze Geisteskraft, oft unter drückenden Lebenssorgen, bis zur Erschöpfung zu widmen. Als Lohn genügt ihm das Bewusstsein, den einzig wahrhaften Schatz der Menschheit, ihren Wissensschatz, vermehrt zu haben, und sein Ehrgeiz ist befriedigt, wenn sein Name mit der Auf - findung einer neuen Wahrheit, einer neuen wissenschaftlichen Thatsache oder Folgerung, dauernd verknüpft ist.

Die Akademie ist mit meiner Wahl von dem Systeme ab - gewichen, welches so Grosses erwirkte. Sie hat einen Mann für würdig erklärt, in ihre Reihen einzutreten, dessen berufsmässige Thätigkeit weder der Wissenschaft selbst, noch dem ihr nahe stehenden wissenschaftlichen Lehrfache angehörte, dem es auch nicht vergönnt war, als Jünger hoher Meister unter sicherer Führung die lichte Höhe des heutigen Wissens zu erklimmen, um dann, von diesem festen Grunde der in einer langen Reihe von Jahrtausenden angesammelten geistigen Arbeit des ganzen Menschengeschlechtes aus, mit verhältnissmässig leichter Mühe am weiteren Aufbau desselben mitarbeiten zu können.

Ich bin nicht anmassend genug, um zu glauben, dass die rein wissenschaftlichen Leistungen, welche ich aufzuweisen habe, allein entscheidend hierfür gewesen sind. Ich glaube, und finde eine Beruhigung in dieser Annahme, dass schwerer wiegende Gründe für die Akademie massgebend waren. Diese erkenne ich darin, dass Dank der besseren Schulbildung und der höheren Entwickelung des geistigen Verkehrs, welcher heute jeden neuen Gedanken, jede neue wissenschaftliche Thatsache schnell zum fortan unverlierbaren Gemeingute der Menschheit macht die wissenschaftliche Kenntniss und Methode nicht mehr auf den engen Kreis der Berufsgelehrten beschränkt ist, sondern belebend und befruchtend auf grössere Gesellschaftskreise eingewirkt hat. Das Lehrfach, das Beamtenthum, die Industrie, die Landwirthschaft, ja fast jedes Gewerbe hat sich wesentliche Bestandtheile derselben angeeignet. Es sind dadurch der Wissenschaft Tausende von Mitarbeitern erwachsen, welche zwar grösstentheils nicht auf einer weiten Ueberblick gewährenden Wissenshöhe stehen, dafür aber ihr Specialfach gründlich kennen und bei dem Bestreben dasselbe mit Hülfe der erworbenen wissen - schaftlichen Kenntnisse weiter auszubilden überall den Grenzen327 unseres heutigen Wissens begegnen. Die Kenntniss neuer That - sachen, bisher unbekannter Erscheinungen fliesst daher von hier in lebendigem Strome zur Wissenschaft zurück. Doch nicht allein im eigenen Interesse der Wissenschaft liegt es, in engere Ver - bindung mit der Anwendung ihrer Forschungsresultate im prak - tischen Leben zu treten, weil dasselbe ihr reichlich zurückbringt, was es empfängt; es ist für sie auch ein Gebot der Pflicht. Denn dadurch erhält die Wissenschaft erst ihre höhere Weihe, das giebt ihr erst ein Anrecht auf die dankbare Liebe und Ver - ehrung der Völker, dass sie nicht ihrer selbst wegen besteht, zur Befriedigung des Wissensdranges der beschränkten Zahl ihrer Bekenner, sondern dass ihre Aufgabe die ist, den Schatz des Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechtes zu er - höhen und dasselbe damit einer höheren Culturstufe zuzuführen. Sie bildet gleichsam das Nervennetz, welches den Organismus menschlicher Cultur durchzieht, das auch in seinen feinsten, kaum noch bemerkbaren Verzweigungen noch neues frisches Leben in ihm erzeugt und dadurch nicht allein die idealen Güter der Menschheit vermehrt, sondern ihr auch durch Dienstbar - machung der noch unerkannt schlummernden Kräfte der Natur den schweren Kampf um das materielle Dasein erleichtert.

Diesem Endzwecke wissenschaftlichen Strebens waren auch meine Kräfte in meiner Berufsthätigkeit, der wissenschaftlichen Technik, stets zugewandt. Leider liess mir dieselbe bisher nur wenig Musse für rein wissenschaftliche Forschungen, zu denen ich mich immer besonders hingezogen fühlte. Meine Aufgaben wurden mir gewöhnlich durch meine Berufsthätigkeit vorge - schrieben, indem die Ausfüllung wissenschaftlicher Lücken, auf welche ich stiess, sich als ein technisches Bedürfniss erwies. Ich will hier nur flüchtig erwähnen meine Methode der Messung grosser Geschwindigkeiten durch den elektrischen Funken, die Auffindung der elektrostatischen Ladung telegraphischer Leitungen und ihrer Gesetze, die Aufstellung von Methoden und Formeln für die Untersuchung unterirdischer und unterseeischer Leitungen, so wie für die Bestimmung des Ortes vorhandener Isolationsfehler, meine Experimentaluntersuchung über die elektrostatische In - duction und die Verzögerung des elektrischen Stromes durch die - selbe, die Aufstellung und Darstellung eines reproducirbaren328 Grundmasses für den elektrischen Leitungswiderstand, den Nach - weis der Erwärmung des Dielektricums des Condensators durch plötzliche Entladung, die Auffindung und Begründung der dynamo - elektrischen Maschine. Ich glaube auch anführen zu können, dass manche meiner technischen Leistungen nicht ohne wissen - schaftlichen Werth sind. Ich nenne von denselben den Diffe - rential-Regulator, die Herstellung isolirter Leitungen durch Um - pressung mit Guttapercha, die telegraphischen Gegen -, Doppel -, Inductions - und automatischen Sprechapparate, den Ozon-Apparat und Messinstrumente verschiedener Art. Mir ward die Ehre, dies seitens der Berliner Universität durch meine Promotion zum Doctor phil. hon. c. anerkannt zu sehen. Ich kann auch nicht unterlassen, an dieser Stelle dankend hervorzuheben, dass das freundliche Wohlwollen, mit welchem viele der älteren Mitglieder dieser Akademie meine Bestrebungen stets begleiteten, so wie die Freundschaftsbande, welche mich mit manchen der jüngeren ver - knüpfen, wesentlich dazu mitwirkten, die Liebe zur Wissenschaft während meiner langen technischen Laufbahn in mir lebendig zu erhalten. Freilich blieb mir nur selten die Musse, neue Er - scheinungen, die mir begegneten, über die Grenzen des tech - nischen Bedürfnisses hinaus mit wissenschaftlicher Consequenz zu verfolgen und auch künftig wird die Arbeitslast meiner Be - rufsthätigkeit mich hindern, meiner wissenschaftlichen Neigung gänzlich Folge zu leisten.

Doch die Akademie hat durch meine Wahl zu ihrem Mit - gliede zur Neigung die Pflicht gesellt eine Mahnung, die im Staate Friedrich’s des Grossen besonders kräftig zu wirken pflegt und auch auf mich nicht ohne Einfluss bleiben wird!

Hierauf folgte die Antrittsrede des Hrn. Virchow.

Auf die Antrittsreden der beiden neuaufgenommenen Mit - glieder der physikalisch-mathematischen Klasse, der HH. Siemens und Virchow, antwortete Hr. du Bois-Reymond, als Secretar der Klasse, Folgendes:

Dein Eintritt in die Akademie, mein theurer Siemens, und der Ihre, Herr Virchow, treffen nicht bloss zeitlich zusammen, sondern noch in mehreren anderen Punkten. Beide gehören nicht zu den gewöhnlichen Ereignissen im Leben unserer Körperschaft. In der Regel füllt diese die Lücken, welche das Verhängniss in329 ihrem Kreise riss, mit jüngeren Kräften aus, deren reicher Ent - faltung in der Zukunft sie sich versichert hält. Nicht selten auch sind es schon gereifte und allgemein anerkannte Männer, die sie sich einverleibt: doch geschieht dies meist bei deren Uebersiedelung nach Berlin. Die Namen Siemens und Virchow dagegen waren längst eine hervorragende Zierde des gelehrten Berlins. Könnte am heutigen Vorgang etwas die Aussenstehen - den befremden, so wäre es, dass er erst heute vor sich ging. Aber die Verdienste, mit denen die Welt gewohnt ist, beide Namen zu verknüpfen, sind zum Theil einer Art, der Akademien naturgemäss fremd bleiben; und indem ihr Glanz den doch darin enthaltenen akademischen Kern blendend verdeckte, trugen sie seltsamerweise eher dazu bei, den heutigen Tag zu verspäten, als ihn rascher herbeizuführen.

Die praktische Anwendung der Wissenschaft, ihre Dienstbar - machung für technische Zwecke, in welcher Du, mein theurer Siemens, so Grosses geleistet, liegt ausserhalb des Kreises un - serer Beschäftigungen. Insofern diese Anwendung dem, der sich ihr mit Erfolg widmet, Reichthum, Macht und Ansehen sichert, wird sie ohne Schaden sich überlassen, und bedarf sie keiner ihr vom Staate bereiteten Stätte. Es wird ihr an Kräften und Mitteln, an ermunternder Theilnahme nie fehlen. Die Entwicke - lung der Industrie seit einem Jahrhundert, zu welcher die ge - lehrten Gesellschaften unmittelbar sehr wenig beitrugen, zeigt dies genugsam. Jedenfalls dürfte eine gute Patentgesetzgebung der Industrie mehr nützen, als unmittelbare Betheiligung der Akademien an der Lösung industrieller Aufgaben, ja ein nur zu nahe liegendes Beispiel lehrt, dass, um lebenskräftig zu gedeihen, die Industrie nicht einmal diese Hülfe braucht.

Benjamin Franklin, einer der ersten Apostel des Utilitaria - nismus, nannte den Menschen das werkzeugmachende Thier. Kaum ein Jahrhundert verfloss seitdem, und stolz fügen wir hinzu, er ist das Thier, das mit dem Dampfe reist, mit dem Blitze schreibt, mit dem Sonnenstrahle malt. Planmässige Aus - beutung der Naturschätze, methodische Bändigung der Natur - kräfte sind unstreitig eines der erhabensten Ziele, welche die Menschheit sich stecken kann, und wir nähern uns heute diesem Ziele mit einer Sicherheit und Stetigkeit, die fast jede Hoffnung330 berechtigt und den Menschen gottähnlicher erscheinen lassen als je zuvor. Denn unter den gegebenen Bedingungen die Summe unseres Wohlbefindens, unserer Genüsse zu einem Maximum, die unserer Leiden und Entbehrungen zu einem Minimum zu machen, ist eine Aufgabe ähnlich der, welche nach Leibnitz, in dessen Namen wir heute hier versammelt sind, der Gottheit selber bei Erschaffung der Welt vorschwebte.

Aber der Mensch lebt nicht von Brod allein, und man kann mit Novalis fragen: Was ist praktischer, den Menschen Brod, oder ihnen eine Idee geben? Nachdem auch der Schönheits - sinn befriedigt ist, den nach Darwin der Vogel mit uns theilt, wirkt im Menschen noch ein Trieb, der, wie die Sprache, unter allen Lebendigen einzig ihm gehört. Das Wort: Warum? welches von den Lippen der Kinder ungelehrt uns entgegen - tönt, wie es vor Jahrtausenden von denen morgenländischer Weisen klang, ist unter den Wörtern der menschlichen Sprache so zu sagen das menschlichste Wort. Die Sehnsucht nach dem zureichenden Grunde erscheint gleichsam als Blüthe dessen, was die zum Hirn zusammengefügte, Bewusstsein erzeugende Materie vermag.

Die Stillung dieses Sehnens, die Befriedigung des Causali - tätstriebes ist die abgelegene Höhe, wo der akademische Geist weilt, ohne einige Veranstaltung aber bald vereinsamen würde. Denn wer nur dem ewig Wahren nachspürt, braucht sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass nur Wenige seines Weges gehen. Irdische Güter beut die Wissenschaft nicht, und der wissenschaft - liche Ehrgeiz ist mehr ein Zeichen des Talentes, als dass er an sich der Forschung Jünger erweckte.

Daher ist zum Fortbau an der wissenschaftlichen Erkennt - niss um ihrer selber willen die Akademie da. Dass noch kein demokratisches oder oligarchisches Gemeinwesen eine Akademie gründete, wirft ein eigenes Licht auf den Geist der verschiedenen Regierungsformen.

Der idealistisch gesinnten Renaissance entsprossen, ragen die Akademien in den heute sie umdrängenden Realismus fast als fremdartige Schöpfungen hinein. Auch ist unvermeidlich, dass ihr Standpunkt nach den Forderungen der Zeit sich etwas ver - rücke. Aber eine wissenschaftliche Gestalt gleich der Deinigen,331 mein theurer Siemens, sich anzueignen, braucht keine Akademie ihren Grundsätzen untreu zu werden.

Dein ist das Talent des mechanischen Erfindens, welches nicht mit Unrecht Urvölkern göttlich hiess, und dessen Ausbil - dung die Ueberlegenheit der modernen Cultur ausmacht. Ohne in der praktischen Mechanik selber Hand anzulegen, hast Du als schaffender und organisirender Kopf das Höchste in der Kunst erreicht. Hellen Blicks und kühnen Sinnes ergriffst Du früh die grossen praktischen Aufgaben der Elektrotelegraphie und sicher - test Deutschland darin einen Vorsprung, den nicht Gauss und Wilhelm Weber und nicht Steinheil ihm hatten verschaffen können. Lange ehe der wiedererwachte deutsche Genius auf dem Schlachtfeld und im Parlament das höhnische Vorurtheil zer - streute, wir seien ein Volk von Träumern, zwangen Deine und unseres Halske’s Apparate auf jeder der grossen Weltausstellun - gen das missgünstige Ausland zur bewundernden Anerkennung dessen, was deutsches Wissen und deutscher Kunstfleiss zu leisten im Stande sind. Deine Werkstätten wurden für Elektricität, was einst die Fraunhofer’sche für Licht, und Du selber der James Watt des Elektromagnetismus. Nun gebietest Du einer Welt, die Du schufest. Deine Telegraphendrähte umstricken den Erdball. Deine Kabeldampfer befahren den Ocean. Unter den Zelten Bogen und Pfeil führender Nomaden, deren Weidegründe Deine Botschaften durchfliegen, wird Dein Name mit abergläubischer Scheu genannt.

Aber weniger diese Art von Erfolgen, die Dir solche Lebens - stellung und weithin solchen Ruhm gewannen, öffnete Dir die Thore der Akademie. Sondern dass Du auf solcher Höhe, als ein Fürst der Technik, die Fäden unzähliger Combinationen in der Hand haltend, hundert Pläne im Kopfe wälzend, im Inner - sten der deutsche Gelehrte in des Wortes edelstem Sinne bliebst, als der Du geboren bist, zu dem Du nicht einmal erzogen wur - dest; dass in jedem Augenblick, wo die Last der Geschäfte es Dir erlaubte, Du mit Liebe zum Phänomen, mit Treue zum Ex - periment, mit Unbefangenheit zur Theorie, genug mit ächter Be - geisterung zur reinen Wissenschaft zurückkehrtest: das stempelte Dich, von Deinem Scharfsinn, Deiner Erfindsamkeit, Deiner Be - obachtungsgabe zu schweigen, in unseren Augen zum Akademiker. 332Gerade weil Du nicht den gewöhnlichen Bildungsgang des deut - schen Fachgelehrten durchmachtest, zählt die Akademie beson - ders auf Dich. Nicht bloss in dem Sinne, dass der ungewöhnliche Weg, auf dem Du Dich emporschwangst, ein Wahrzeichen unge - wöhnlicher Befähigung ist, sondern weil dadurch, wie wir dies von manchen englischen Physikern rühmen, Dein Blick frischer, Deine Auffassung unbeirrter, Dein Urtheil freier blieb, als wenn Du gleich Anderen an den Lehrmeinungen der Schule gegängelt worden wärest.

Mir aber, der ich Deinen Werth früh erkannte und seit dreissig Jahren Dir durch eine Freundschaft verbunden bin, die ich zu den grössten Segnungen meines Lebens rechne, mir konnte als Sprecher dieser Körperschaft Erfreulicheres nicht begegnen, als Dich in deren Namen heut in unserer Mitte willkommen zu heissen.

(Folgt Ansprache an Hrn. Virchow.)

[333]

Beiträge zur Theorie der Legung und Untersuchung submariner Telegraphenleitungen.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 17. Dec.)

1874.

Als Ausgangspunkt der submarinen Telegraphie sind die in den Jahren 1847 bis 1852 in Preussen angelegten unterirdischen Leitungen zu betrachten. Es waren zwar schon früher Versuche mit Isolirung der zu unterirdischen Leitungen bestimmten Drähte durch Glasröhren, Kautschuck etc. gemacht, unter denen nament - lich die von Jacobi in Petersburg im Jahre 18421)Pogg. Ann. Bd. 28. p. 409. in ziemlich grossem Massstabe durchgeführten Erwähnung verdienen, doch alle waren fehlgeschlagen. Im Jahre 1846 schlug ich der preus - sischen Regierung die Anwendung der kurz vorher in Europa bekannt gewordenen Guttapercha als Isolirungsmittel vor. Die Eigenschaft derselben, im erwärmten Zustande plastisch zu werden, verbunden mit ihrer isolirenden Eigenschaft, liessen sie als be - sonders geeignet für den vorliegenden Zweck erscheinen. Doch auch die hier, sowie auch zu gleicher Zeit in England mit diesem Material angestellten Versuche ergaben kein befriedigendes Re - sultat, da die Verbindungsnähte der um den Draht gewalzten Guttapercha sich nach kurzer Zeit wieder trennten. Erst mit Hülfe einer von mir und Halske im Jahre 1847 construirten und in Thätigkeit gesetzten Umpressungsmaschine, durch welche die durch Erwärmung plastisch gemachte Guttapercha ohne Naht334 um den Draht gepresst wird, fand das Problem der Herstellung hinreichend isolirter unterirdischer oder submariner Leitungen seine Lösung.

Wenn auch das ausgedehnte Netz unterirdischer, mittelst umpresster Guttapercha isolirter Leitungen, welches in den fol - genden Jahren mit zu grosser Hast über Norddeutschland und in Russland ausgebreitet wurde, sich keiner langen Dauer zu er - freuen hatte namentlich aus dem Grunde, weil zur Ersparung von Kosten die Drähte ohne äusseren Schutz und in zu geringer Tiefe in den Boden gelegt waren, so gaben sie doch Gelegen - heit, Erfahrungen über die Herstellung und Instandhaltung solcher isolirter Leitung zu sammeln und deren physikalische Eigen - schaften zu studiren. Es blieb jedoch dem englischen Unterneh - mungsgeiste vorbehalten, diese hier gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen auf einem Gebiete zu verwerthen, wo die Concurrenz der billigeren oberirdischen Leitungen ausgeschlossen ist, dem der submarinen Telegraphie.

Schon im Jahre 1850 legte Mr. Brett zuerst einen einfachen, mit Guttapercha isolirten Leitungsdraht durch den Kanal von Dover nach Calais. Da dieser sich, wie vorauszusehen, nicht als dauerhaft erwies, ersetzte er ihn 1851 durch einen mit umpresster Guttapercha isolirten Leitungsdraht, der mit einem Gewinde von starken Eisendrähten zum Schutze gegen äussere Beschädigungen übersponnen war, und stellte damit das erste brauchbare sub - marine Kabel her.

Die Legung dieser Kabel bot bei der dortigen geringen Wassertiefe keine grossen Schwierigkeiten dar. Die Versuche, welche Brett später machte, derartige Kabel auch durch tiefe Meeresstrecken hindurch zu legen, misslangen jedoch, weil man die bei der Auslegung von Tiefseekabeln auftretenden Kräfte noch nicht richtig erkannt und daher auch die nothwendigen Vorkehrungen zu ihrer Beherrschung nicht richtig getroffen hatte. Die erste gelungene Tiefseekabellegung zwischen Cagliari und Bona im Jahre 1857, bei der ich mitzuwirken berufen war, bot mir Veranlassung, den mechanischen Vorgang der Legung von Kabeln zu untersuchen. Das Kabel wird nach der in England angenommenen Praxis in einen oder mehrere ringförmige Räume, welche im Legungsschiffe hergerichtet sind, derartig in einer335 fortlaufenden Spirale eingebettet, dass es über eine über dem Kabel in der Axe des Ringes angebrachte Rolle auslaufen kann, ohne sich zu verschlingen oder anderweitig gehindert zu werden. Denkt man sich das Schiff nun in dauernder gleichmässiger und geradliniger Fortbewegung das Kabel hinter sich ins Meer fallen lassend, so wird jeder Theil des, bei der grossen suspendirten Länge als vollkommen biegsam anzunehmenden Kabels mit einer gleichen und constanten Geschwindigkeit zum Meeresboden nieder - sinken. Es muss der Abstand eines jeden Theiles des fallenden Kabels von der Oberfläehe des Wassers mithin proportional der Zeit sein, welche verstrichen ist, seit derselbe das Schiff verliess. War nun die Geschwindigkeit des Schiffes constant, so sind diese Zeiten der horizontalen Entfernung des Schiffes proportional, d. h. das Kabel muss eine gerade Linie vom Schiff bis zum Meeresboden bilden. Diese gerade Linie sinkt parallel mit sich selbst zu Boden. Das Schiff muss sich nach Verlauf der Zeit - einheit mithin gerade an dem Punkte befinden, wo die nieder - sinkende Kabellinie dann die Wasseroberfläche schneidet. Fällt also jeder Theil des suspendirten Kabels durch sein Gewicht im Wasser mit der Geschwindigkeit v zu Boden und wird die Schiffs - geschwindigkeit mit c bezeichnet, so muss der Winkel α, welchen die Kabellinie mit dem Horizonte bildet, durch die Gleichung 1) 〈…〉 bestimmt werden, wenn man annimmt, dass bei der stationären Bewegung eines parallel mit sich selbst im Wasser fallenden Kabelstückes der Weg proportional der Kraft ist. Das Gewicht w der Einheit der Kabellänge im Wasser lässt sich in zwei Com - ponenten zerlegen, von denen die eine, w. cos α, das Kabel senk - recht auf seine Richtung durch das Wasser zu Boden zieht, während die andere, w. sin α, einen Zug in der Axe des Kabels ausübt, mithin bestrebt ist, das geradlinige Kabel auf der vom Wasser gebildeten schiefen Ebene, auf der es ruht, hinabzuziehen. Die Gesammtwirkung dieser letzten Kräfte ist w.l. sin a, wenn l. die Länge des suspendirten Kabels bezeichnet, oder, da l. sin α = h, d. i. gleich der Wassertiefe ist, so ist der gesammte Zug P = w. h oder stets gleich dem Gewichte des bei ruhendem Schiffe senk - recht zum Meeresboden hinabhängenden Kabels. Wird das Kabel336 auf dem Schiffe nicht durch Friction zurückgehalten, so wirkt dieser Zugkraft P nur die Reibung entgegen, welche das Wasser dem Niedergleiten des Kabels in der Axenrichtung entgegensetzt. Die Grösse derselben ist von der Beschaffenheit der Oberfläche und dem Durchmesser des Kabels abhängig. Bei schweren, mit Eisen umhüllten Kabeln ist sie im Vergleich zum specifischen Gewichte des Kabels so gering, dass man den bei Weitem grössten Theil des Zuges P oder w. h durch Friction am Bord des Schiffes äquilibriren muss, wenn man verhindern will, dass das Kabel mit grosser Geschwindigkeit nutzlos in die Tiefe hinabgeleitet.

Um die nöthige Grösse dieses auf dem Schiffe anzubringenden Frictionswiderstandes jederzeit richtig feststellen zu können, ist die Kenntniss der Meerestiefe an jeder vom Kabel zu überschrei - tenden Stelle und die Anbringung eines Dynamometers nothwendig, welcher stets die Grösse der Spannung anzeigt, mit welcher das Kabel das Schiff verlässt. Da ferner die horizontale Componente dieser Kabelspannung das Schiff im Fortschreiten hemmt, so muss die Kraft, mit welcher das Schiff fortbewegt wird, hinlänglich gross sein, um diesen Widerstand überwinden und das Schiff doch noch in hinreichender Geschwindigkeit forttreiben zu können. Als dem entsprechend der mit dem Kabel beladene Dampfer mit einem hinlänglich kräftigen Bremsapparat und einem von mir nach Analogie der Kettenwage construirten Dynamometer ver - sehen und seine, für Ueberwindung des auf das schwere Kabel auszuübenden grossen Bremszuges viel zu geringe Maschinenkraft durch Vorspann eines anderen, stärkeren Dampfschiffes ausreichend verstärkt war, gelang es, die dortige bedeutende Meerestiefe mit dem Kabel glücklich zu überschreiten.

Die Herren Longridge und Brooks haben später1)Longridge and Brooks, on submerging telegraphic cables Proc. of the instit. of civil engineers. vol. XVII. London. W. Clowes and sons 1858. die Theorie der Kabellegung einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Dieselbe ist in mathematischer Beziehung nicht anfechtbar und führt namentlich in aller Strenge den Fall eines schief im Wasser liegenden Kabels und die Curve durch, welche dasselbe während des Auslegens im Wasser in dem Falle annimmt, wenn es mit Spannung am Meeresboden gelegt wird. In physikalischer Be -337 ziehung giebt die Arbeit und die aus ihr gezogenen Folgerungen aber grossen Bedenken Raum, da eines der angenommenen Grund - principien, welches wesentlichen Einfluss auf die gewonnenen Re - sultate hat, unrichtig ist. Es fehlt der Arbeit auch sehr an klarer Erkenntniss der wesentlichen Momente und übersichtlicher Entwickelung der gegebenen Resultate.

Die Kräfte, welche auf das fallende Kabel einwirken, sind die Schwere und die ihr entgegenwirkenden Reibungskräfte. Unter letzteren sind zu unterscheiden die Gleitreibung, welche dem Hinabgleiten des Kabels in seiner eigenen Richtung ent - gegenwirkt und die Reibung mit Verdrängung von Wassermasse, welche beim Falle des Kabels in senkrechter Richtung auf seine eigene auftritt. Die letztere ist proportional dem Quadrate der Fallgeschwindigkeit, die erstere proportional der Geschwindigkeit selbst. Longridge und Brooks haben beide Kräfte als propor - tional dem Quadrate der Geschwindigkeit angenommen und ge - langen desshalb namentlich bei der Bestimmung der Grösse der Bremskraft, welche auf dem Schiffe angebracht werden muss, zu unrichtigen Resultaten. Bei der früher von mir aufgestellten Gleichung 〈…〉 habe ich zwar auch die Fallgeschwindigkeit senkrecht zur Kabelrichtung als proportional der Geschwindig - keit angenommen, es wird sich aber später zeigen, dass dies für diejenigen Werthe des Winkels α, welche beim Kabellegen ge - wöhnlich vorkommen, beinahe streng richtig ist. Meine An - nahme, dass das Kabel bei gleichmässiger Schiffsgeschwindig - keit eine gerade Linie bildet, ist von der Wirkungsweise der Reibungskräfte unabhängig. Das Kabel legt sich stets in eine Gerade von solcher Neigung, dass die Componente der Schwere in der Richtung des Kabels durch die Gleitreibung, die auf diese senkrechte Componente durch die Reibung mit Massen - verdrängung äquilibirt wird. Es ist dann Bewegungsgleichge - wicht und daher gleichförmige Bewegung vorhanden.

Es bezeichne im Folgenden:

  • α den Winkel zwischen der Horizontalen und der Richtung des Kabels,
  • φ den Winkel zwischen der Richtung des Kabels und der Rich - tung, in welcher jedes Kabelstück wirklich zu Boden sinkt,
22338
  • c die Schiffsgeschwindigkeit,
  • u die constante Geschwindigkeit, mit welcher das Kabel in verticaler Lage im Wasser fällt,
  • v die Fallgeschwindigkeit, wenn die Lage des Kabels hori - rizontal ist,
  • w das Gewicht der Längeneinheit des Kabels im Wasser,
  • h die Tiefe des Meeres,
  • l die Länge des geradlinig im Wasser suspendirten Kabels,
  • p die Reibungs - oder Bremskraft, mit welcher das Kabel auf dem Schiffe zurückgehalten wird,
  • s den Ueberschuss der auslaufenden Kabellänge über den gleichzeitigen Fortschritt des Schiffes oder das, was die englische Terminologie slack nennt.

Es sei A'B 'die Lage, in welche das Kabel A B nach der Zeiteinheit gelangt ist. Ein Punkt a des Kabels gelange in der

Fig. 48.

Zeiteinheit nach d. Die Bewegung a d werde in die beiden Be - wegungen a b und a c zerlegt. Es müssen sich dann in beiden Richtungen alle Kräfte aufheben, damit die vorhandene Ge - schwindigkeit unverändert bleibt. Der Coefficient der Gleitrei - bung werde vorläufig mit r, derjenige der Reibung mit Massen - verdrängung mit q bezeichnet. Die Bedingung des Gleichge - wichts der Kräfte in den beiden Richtungen a b und a c giebt dann die Gleichungen:339 a) 〈…〉 b) 〈…〉 Die übrigen Grössen werden ausgedrückt durch die Relationen 〈…〉 Die letzte Relation findet ihre Begründung darin, dass die Rich - tung, in welcher sich der Punkt a bewegen muss, wenn ohne Mehrverbrauch an Kabel ausgelegt wird, den Winkel c a g hal - biren muss, damit BC = BA wird. Für die Coefficienten r und q sind die oben definirten Geschwindigkeiten u und v einzu - führen. Es ist nämlich beim senkrechten Falle des Kabels im Wasser: in verticaler Lage 〈…〉 in horizontaler Lage 〈…〉 u, v und w sind Constanten des Kabels, welche vor dem Légen bestimmt werden können. Es sind dies zugleich die einzigen Kabelconstanten, deren Kenntniss hier erforderlich ist.

Für den Winkel α, welchen das Kabel mit der Horizontalen bildet, erhält man aus der Gleichung b) und den übrigen Rela - tionen: 〈…〉 oder, wenn man hieraus 〈…〉 entwickelt: 2) 〈…〉 Diese Gleichung ist streng richtig. Bei der praktischen Kabellegung kommen jedoch meistens nur kleinere Werthe von α vor, für welche Gleichung 1) genügend genaue Resultate giebt, da für kleine Werthe von α der Ausdruck 〈…〉 nahe gleich 1 ist. Es sollen jedoch im Folgenden zuerst die aus den Gleichungen22*340a) und b) und den übrigen streng richtigen Relationen abzulei - tenden Folgerungen gezogen und die erhaltenen Formeln dann später durch Einführung der für kleinere Werthe von 〈…〉 ange - nähert richtigen Gleichung tg 〈…〉 vereinfacht werden.

Zunächst erhält man für die Bremskraft p bei belie - bigem slack: 3) 〈…〉 und, indem man hierin s = 0 setzt, für die Bremskraft P ohne slack: 〈…〉

In Gleichung 3) hat das erste Glied w h unter gewöhn - lichen Verhältnissen weitaus überwiegenden Werth, so dass im Wesentlichen die Bremskraft gleich dem Gewicht des Kabels ist, wenn dasselbe senkrecht vom Schiff herunter - hängend gedacht wird; dieser Werth ist zugleich die obere Grenze für die Bremskraft, welche beinahe erreicht wird, wenn das Schiff bei sehr grosser Geschwindigkeit das Kabel ohne überschüssige Mehrausgabe auslegt.

Von dieser oberen Grenze kommen zwei Glieder in Abzug, welche wir mit P' und S bezeichnen wollen, nämlich 〈…〉 , 〈…〉

Dieselben haben sehr einfache Bedeutungen: es ist 〈…〉 , 〈…〉 〈…〉 ist aber die Strecke, um welche das Kabel hinuntergleitet, wenn ohne überschüssige Mehrausgabe gelegt wird; 〈…〉 ist die Strecke, welche noch zu 〈…〉 hinzukommt, wenn mit überschüssiger Mehrausgabe gelegt wird; P ist daher der Betrag der Gleitreibung im ersten Fall, S derjenige Betrag derselben, welcher im zweiten Fall noch hinzukommt.

P' ist zugleich, da P = w h P', die Grösse, um welche beim Legen ohne überschüssige Mehrausgabe die Bremskraft ge - ringer ist als das Gewicht w h; von derselben lässt sich auf ver -341 schiedene Weise einsehen, dass sie beinahe völlig unabhängig ist von der Schiffsgeschwindigkeit, ausser bei ganz ge - ringen Werthen dieser letzteren, und ausserdem proportional der Tiefe h.

Die Grösse S ist ebenfalls proportional der Tiefe, aber ausserdem, wenigstens bei mittleren und grösseren Schiffsge - schwindigkeiten, proportional dem Quadrat der Schiffs - geschwindigkeit.

Um die Abhängigkeit der Grössen P' und S von den übrigen und namentlich von der Schiffsgeschwindigkeit zu veranschau - lichen, hat Hr. Dr. Frölich, dem ich für seine freundliche Unter - stützung bei diesen Berechnungen zu danken habe, in der folgen - den Tabelle eine Uebersicht der Werthe von P, P', c, s für alle vorkommenden Schiffsgeschwindigkeiten berechnet, wenn die Tiefe = 2000 Faden und s = 10 pCt., für das schwere atlan - tische Kabel, welches Longridge und Brooks behandeln, bei welchem w = 0.3208 (engl. Pfunde), u = 24.201, v = 3.082 (engl. Fuss, Secunde).

Tabelle I.

Um ferner eine Anschauung zu geben von den bedeutenden Veränderungen des Bremsgewichtes für ein bestimmtes s, lassen wir eine Tabelle der Werthe dieser Grösse (p) folgen, für die beim atlantischen Kabel vorkommenden Tiefen, wenn die über - schüssige Mehrausgabe s = 10 pCt.

Tabelle II.

342

Für den Winkel φ, welcher die Richtung der wirklichen Bewegung des Kabels bestimmt, hat man die Gleichung 4) 〈…〉 und endlich für s, die überschüssige Mehrausgabe von Kabel, 5) 〈…〉 oder auch 〈…〉

Zum Vergleich mit den obigen Formeln 2) bis 5) lassen wir die entsprechenden folgen, welche sich aus der Darstellung von Longridge und Brooks ergeben, mit unseren Bezeichnungen.

Die Formel 2) bleibt dieselbe; dagegen erhält man statt 3): 〈…〉 , statt 4): 〈…〉 , statt 5): 〈…〉

Die Abweichung dieser Formeln von den unsrigen liegt in der Annahme eines quadratischen Gesetzes für die Gleitreibung; man erhält aus denselben zu hohe Bremsgewichte, wenn man bei bekannter Schiffsgeschwindigkeit und Tiefe mit einer be - stimmten Mehrausgabe legen will, und ferner eine zu hohe Mehr - ausgabe s, wenn Tiefe, Schiffsgeschwindigkeit und Bremsgewicht gegeben sind und s aus den Werthen für diese Grössen berechnet wird.

Wir führen nun die in der Gleichung 1) enthaltene Näherung ein, indem wir dieselbe an Stelle von Gleichung 2) setzen und vermittelst derselben den Winkel α, der sich in der Praxis kaum bestimmen lässt, aus allen übrigen Formeln eliminiren.

Zunächst vergleichen wir in der folgenden Tabelle die nach beiden Gleichungen für das oben behandelte Kabel für die vor - kommenden Schiffsgeschwindigkeiten erhaltenen Werthe:

343

Tabelle III.

Aus dieser Vergleichung ergiebt sich, dass bei einer Schiffs - geschwindigkeit von mehr als 8 'per Secunde oder von circa 5 Seemeilen per Stunde für praktische Zwecke Gleichung 1) als richtig angenommen werden kann.

Wir setzen daher im Folgenden tg 〈…〉 und vernachlässi - gen die Grössen von der Ordnung 〈…〉 . Alsdann erhalten wir die angenäherten Formeln: 3 ') 〈…〉 4 ') 〈…〉 , und 5 ') 〈…〉

Die Gleichung 5 ') zeigt, dass die überschüssige Mehraus - gabe s umgekehrt proportional ist dem Quadrat der Schiffsgeschwindigkeit, ferner das erste wichtigere Glied im Ausdruck für s proportional der Differenz w h p, d. h. zwischen dem Gewicht des senkrecht hängenden Kabels und der Bremskraft.

Beim Legen eines Kabels kann sich die Mehrausgabe s aus drei Ursachen ändern: wegen Aenderung der Tiefe h, wegen Aenderung der Bremskraft p und wegen Aenderung der Schiffs - geschwindigkeit c. Differenzirt man s nach diesen 3 Grössen und dividirt immer durch s, so erhält man die procentischen Aenderungen von s in Bezug auf dieselben, nämlich: 〈…〉 , 〈…〉 , 〈…〉 ,

344

Wenn z. B. h = 2000 Faden, p = 3261.8 Pfund, c = 8 Fuss, so ist s = 0.10 = 10 pCt. ; nun ist aber in diesem Fall 〈…〉 und 〈…〉 .

Wenn sich nun z. B. h, p und c, jedes um 10 pCt. seiner eigenen Grösse, vergrössern, so ändert sich s im ersten Fall etwa um + 99 pCt., im zweiten etwa um 99 pCt., im dritten um 21 pCt. seiner eigenen Grösse; man hat also statt 10 pCt. Mehrausgabe resp. 19.9 pCt., 0.1 pCt., 7.9 pCt. Man ersieht hieraus, dass die überschüssige Mehrausgabe, wenn p, h oder c sich ändern, sich bedeutend stärker verändert, als jene Grössen selbst, dass aber die Aenderungen der - selben durch Veränderung der Tiefe und der Brems - kraft viel stärker sind als diejenigen durch Verände - rungen der Schiffsgeschwindigkeit.

Eine wichtige Bemerkung ergiebt sich noch aus Gleichung 4 '), dass nämlich P, die Bremskraft beim Legen ohne über - schüssige Mehrausgabe, bei nicht ganz geringer Schiffsge - schwindigkeit nur abhängt von der Tiefe und derselben proportional ist; dies zeigte auch schon Tab. I. Daraus folgt aber, dass man umgekehrt die Tiefe aus der Bremskraft P bestimmen kann; wie genau dies geschehen kann bei Schiffs - geschwindigkeiten von 4' an, zeigen die folgenden Tabellen. In Tab. IV sind die Bremskräfte P nach der streng gültigen Formel 〈…〉 berechnet; Tab. V enthält die aus diesen Werthen nach der an - genähert richtigen Formel 〈…〉 berechneten Tiefen, d. h. man denkt sich P experimentell ge - messen und die Kabelconstanten u, v, w bekannt, und bestimmt nun hieraus die Tiefe h.

345

Tabelle IV.

Tabelle V.

Im Allgemeinen ergiebt sich, auch aus den angenäherten Formeln, dass, um ein Kabel mit bestimmter Mehrausgabe zu legen, genaue Kenntniss der Constanten des Kabels, ausserdem aber noch der Tiefe und der Schiffsgeschwindigkeit nothwendig ist. Die Kabelconstanten können wir uns als vor der Legung gut bestimmt denken; die Messungen jedoch der Tiefe und der Schiffsgeschwindigkeit lassen sich während der Legung nur sehr unvollkommen ausführen. Es fragt sich nun, ob es kein Mittel gebe, diese Schwierigkeiten zu umgehen oder zu heben.

Es wirft sich vor allem die[Frage] auf, ob man nicht ohne Bremsgewicht legen könne? In diesem Fall wäre nämlich 〈…〉 , d. h. die überschüssige Mehrausgabe nur abhängig von der Schiffsgeschwindigkeit, nicht mehr von der Tiefe.

Ohne Bremsgewicht und ohne überschüssige Mehrausgabe zu legen ist nach dieser Formel nur möglich, wenn 2 u v = 0, also v = 2 u, d. h. wenn das Kabel mit einer sehr grossen Gleitreibung aus - gestattet würde; in diesem Fall wäre es aber auch nicht möglich, mit Mehrausgabe zu legen.

Nehmen wir nun an, man wolle mit 10% Mehrausgabe legen und ohne Bremsgewicht, so müsste bei dem oben behandelten schweren (atlantischen) Kabel die Schiffsgeschwindigkeit 26'. 4, bei346 dem von Longridge angeführten leichten Kabel (v = 1.404, u = 11.024. w = 0.06578) 12'. 0 sein; überhaupt, da hierfür 〈…〉 ist, würde man durch Verringerung des spec. Gewichts, nament - lich aber durch Vergrösserung der Gleitreibung ein Kabel con - struiren können, das ohne Bremsgewicht gelegt werden könnte, und bei welchem die Regulirung der Mehrausgabe bloss durch Veränderung der Schiffsgeschwindigkeit geschähe.

Verzichtet man aus irgendwelchen Gründen auf Veränderung der Construction des Kabels, so bietet sich noch die Anwendung eines von meinem Bruder Dr. C. W. Siemens vorgeschlagenen praktischen Mittels dar, nämlich durch einen Versuch zu bestim - men, welche Bremskraft man in Anwendung bringen muss, um bei den obwaltenden Verhältnissen die gewollte Mehrausgabe von Kabel zu erhalten. Es besteht derselbe darin, dass man bei con - stanter Schiffsgeschwindigkeit die Bremse so lange stärker be - lastet, bis keine Abnahme der Geschwindigkeit des Auslaufens des Kabels bei weiterer Belastung der Bremse mehr eintritt. Man hat dann die Belastung gefunden, bei welcher bei der ob - waltenden Schiffsgeschwindigkeit ohne slack gelegt wird und kann nun leicht die Belastung der Bremse so reguliren, dass die ge - wollte Mehrausgabe erzielt wird. Bei stark bewegtem Schiffe und den durch diese Bewegungen hervorgerufenen Unregelmässig - keiten der Auslaufsgeschwindigkeit sowie bei sehr unebenem Meeresgrunde muss aber auch dies Mittel häufig versagen.

Mit Sicherheit wird man nur in der Weise stets einen vor - herbestimmten Mehrverbrauch erzielen können, wenn man gleich - zeitig mit dem Kabel eine Schnur oder einen Draht auslaufen lässt, dessen Coefficienten u und v annähernd dieselben wie die des Kabels sind. Wenn man dieses Kabelmodell dann stets mit einer mindestens so grossen Bremskraft zurückhält, dass es ohne Mehrverbrauch, also mit Spannung, am Meeresgrunde ausgelegt wird, so bildet ein angebrachter Zählapparat einen unfehlbaren, auch durch Meeresströmungen nicht beeinträchtigten Messer der Schiffsgeschwindigkeit über dem Meeresgrunde und man braucht dann die Kabelbremse nur immer so stark zu belasten, dass die stets ersichtliche Auslaufgeschwindigkeit des des Kabels in dem347 gewünschten Verhältnisse zu der des Kabelmodells steht. Die hierdurch erwachsenen Mehrkosten werden dadurch reichlich auf - gewogen werden, dass der ohne slack ausgelegte Draht nicht die horizontale Schiffsgeschwindigkeit, sondern die überschrittene Länge des Meeresbodens misst, daher den nöthigen Kabelbedarf, um den Unebenheiten desselben ohne Spannung im Kabel folgen zu können, in seiner Länge schon enthält. Um die Gefahr des Eintretens einer solchen Spannung auf unebenem Meeresgrunde und die Bildung von längeren Kettenlinien des Kabels daselbst zu vermeiden, ist aber die gebräuchliche Mehrausgabe von 10 bis 15 Procent Kabel hauptsächlich nothwendig. Durch Ersparung an ausgelegtem Kabel würde man daher die Kosten des Kabel - modells reichlich wiedergewinnen.

Ein submarines Kabel oder eine unterirdische Leitung bietet nur dann Garantien längeren guten Dienstes, wenn seine Isolation vollständig ist, d. i. wenn der Widerstand seiner isolirenden Um - hüllung gleich dem ist, welcher sich aus der Rechnung, unter Zugrundelegung des specifischen Leitungswiderstandes des ver - wendeten isolirenden Materials, ergiebt. Zeigt sich eine Ver - minderung dieses Isolationswiderstandes, so ist anzunehmen, dass an einer oder mehreren Stellen eine Oeffnung im isolirenden Ueberzuge vorhanden ist, welche dem Wasser Zutritt zum Leiter gestattet. Es kann dieser Fall schon bei der Fabrikation ein - treten; er zeigt sich aber auch oft erst bei der Legung selbst oder auch mehr oder weniger lange Zeit nach derselben. Es findet daher sowohl während der Fabrication wie auch während und nach der Legung eine fortlaufende Controle der physikalischen Eigenschaften des Kabels statt. Stellt sich das Vorhandensein eines Fehlers heraus, so ist es von der grössten Wichtigkeit, mit möglichster Genauigkeit den Ort des Fehlers, d. i. seine Ent - fernung von den Enden, zu bestimmen. Beim Legen des Kabels ist es auch von Wichtigkeit, dass diese Bestimmung möglichst rasch ausgeführt werden kann, damit das Schiff, falls der Fehler noch in seiner Nähe liegt, das zuletzt gelegte Kabelstück mit dem Fehler sogleich zurücknehmen kann. Die theoretische Grundlage solcher Fehlerbestimmungen habe ich schon im Jahre 1850 angegeben1)Pogg. Ann. Bd. 79 pag. 192 Jahrg. 1850.. Sie besteht darin, dass man sich durch zwei348 Strom - oder Widerstandsmessungen zwei[Gleichungen] verschafft, mit Hülfe deren man den unbekannten Widerstand des Fehlers, d. i. des Widerstandes, den die Fehlerstelle dem Durch - gange der Elektricität zur Erde entgegensetzt, eliminiren und dann das Verhältniss der Entfernung des Fehlers von den Enden der Leitung bestimmen kann. Die Strommessung kann entweder gleichzeitig von beiden Seiten des isolirten Leiters geschehen, wobei das entfernte Ende isolirt oder zur Erde abge - leitet sein kann, oder sie geschehen beide von einer Seite aus, während das entfernte Ende bei der einen Messung isolirt, bei der anderen zur Erde abgeleitet ist. Da Strommessungen weniger genau und schwieriger auszuführen sind, wie Widerstandsmes - sungen, so formte ich später, nachdem ich eine feste, reproducir - bare Widerstandseinheit dargestellt und auf Grundlage derselben nach dem Gewichtssysteme geordnete, genaue Widerstandsscalen angefertigt hatte1)Pogg. Ann. Bd. 90 p. 1, Bd. 93 p. 91, Bd. 120 p. 512., die auf Strommessungen basirten Formeln für die Fehlerlage in äquivalente, auf Widerstandsmessungen ba - sirte, um2)Outline of the principles and practice involving in dealing with the electrical conditions of submarine electric telegraphes by Werner and C. W. Siemens July 1860..

Ist ab = l der isolirte Leitungsdraht, dessen Länge und Leitungswiderstand bekannt sind, sind x und y die Entfernungen des Fehlers von a und b und z der Widerstand der Fehlerstelle, so sind die von mir aufgestellten Bestimmungsgleichungen für die Entfernung x des Fehlers vom Ende a folgende:

  • 1. 〈…〉 , wenn beide Enden in demselben Raum und w und die Widerstände der Brückenzweige bezeichnen, bei welchen kein Strom durch das Galvanometer geht;
  • 2. 〈…〉 , wenn a und b die von beiden Seiten ge - messenen Widerstände sind, während jedes - mal das entfernte Ende mit Erde verbun - den war;
  • 3. 〈…〉 , wenn ai und bi die von beiden Seiten ge - messenen Widerstände sind, während das entfernte Ende isolirt war und l den Wi - derstand der fehlerfreien Leitung bezeichnet;
349
  • 4. 〈…〉 , wenn bei der obigen Bezeich - nung von l, bi und b nur Messungen von einem Ende der Leitung zur Fehlerbe - stimmung benutzt werden.

Da im ersten Falle die veränderliche Grösse des Fehler - widerstandes sowie die Polarisation, welche in höchst störender Weise an der Fehlerstelle auftritt, nicht in Betracht kommt, weil beide bestimmenden Messungen in demselben Augenblicke aus - geführt werden, so gewährt diese Methode, wo sie anwendbar ist, ausreichend genaue Bestimmungen der Fehlerlage. Ganz anders liegt die Sache aber bei denjenigen Messungen, bei wel - chen die Drahtenden weit von einander entfernt sind, wie bei einem ausgelegten submarinen Kabel. Die feinen, oft kaum mit dem Auge erkennbaren Oeffnungen, durch welche das Wasser in leitende Verbindung mit dem Leitungsdrahte tritt, bieten dem Durchgange des Stromes einen ausserordentlich veränderlichen Widerstand dar. Ausserdem ist die Polarisation, welche an diesen Fehlerstellen auftritt, oft sehr bedeutend und sehr variabel. Die Massbestimmungen, welche man durch Anwendung der obigen Formel erhält, sind daher nur selten und in der Regel nur dann befriedigend, wenn der Fehler gross ist, d. i. geringen Wider - stand hat.

In neuerer Zeit sind von den Herren Clark und Jenkin zwei Methoden zur Bestimmung der Lage eines Fehlers an aus - gelegten Kabeln bekannt gemacht, welche die Unsicherheit, die der Fehlerbestimmung nach meinen älteren Methoden in Folge der Variabilität der physikalischen Eigenschaften der Fehlerstelle anhaftet, grossentheils beseitigen. Hr. Clark isolirt das eine Ende der Leitung und schaltet zwischen das andere Ende und die Erde eine galvanische Kette und einen bekannten Widerstand ein. Mit Hülfe genau übereinstimmender Elektrometer wird dann die Potentialdifferenz des mit dem Widerstande verbundenen Batteriepoles und des Kabelendes und gleichzeitig das Potential des isolirten anderen Endes der Leitung gemessen. Dieser letztere giebt das an der Stelle des Fehlers in der Leitung vor - handene Potential an und es ist dann, wenn w der eingeschaltete Widerstand, P und P' die gemessenen Potentiale der Enden des -350 selben, p das am anderen Ende der Leitung gemessene Potential der Fehlerstelle ist, 〈…〉 , wenn x den Widerstand der Leitung von der Station, wo die Batterie eingeschaltet ist, bis zum Fehler bezeichnet. Es ist daraus 〈…〉 . Da vorausgesetzt wird, dass die Messungen von P, P' und p gleichzeitig und entweder in absolutem Masse oder mit genau übereinstimmenden Instrumenten gemacht werden, so ist die Ver - änderlichkeit des Widerstandes der Fehlerstelle in der That ohne Einfluss auf das Resultat. Ebenso wird der nachtheilige Ein - fluss der Polarisation der Fehlerstelle eliminirt, da dieselbe nur den Effect hat, das Potential der Fehlerstelle zu vergrössern, also hier ebenso wie die Vergrösserung des Fehlerwiderstandes wirkt. Die Schwierigkeiten der praktischen Durchführbarkeit der drei gleichzeitigen Messungen an verschiedenen Orten sind aber sehr gross und Elektrometer-Messungen werden auch bei grösster Sorgfalt der Beobachter kaum den hinreichenden Grad von Genauigkeit geben.

Die von Hrn. Jenkin publicirte Methode basirt darauf, dass gleichzeitig der durch den Fehler hindurchgehende Strom und das Potential beider Enden der Leitung gemessen wird. Zu dem Zwecke wird eine Batterie nebst einem Galvanometer zwischen das eine Ende der Leitung und die Erde eingeschaltet, während das andere Ende der Leitung isolirt ist. Ausserdem sind beide Leitungsenden mit Elektrometern verbunden. In der Formel des Hrn. Jenkin: 〈…〉 in welcher x den gesuchten Abstand, k den Widerstand der Längeneinheit des Leiters, i den Isolationswiderstand der Län -351 geneinheit des Kabels, J den in absolutem Masse gemessenen Strom durch das Galvanometer und P und P' die in absolutem Masse gemessenen Potentiale am Anfang und Ende des Leiters bezeichnen, ist der Stromverlust durch die isolirende Hülle des Leiters in Rechnung gezogen. Da die unvollkommene Isolation bei kleinen Kabelfehlern, deren Bestimmung stets die grössten Schwierigkeiten macht, schon wesentlich ins Gewicht fällt, so würde die Jenkin’sche Fehlerbestimmungsformel von grossem Werthe sein, wenn nicht schon die gleichzeitige Messung einer Stromstärke und zweier Potentiale nach absolutem Masse an ver - schiedenen Orten und in der für die Zuverlässigkeit des Resul - tates nothwendigen Genauigkeit dieselbe für praktische Verwen - dung wenig brauchbar machte.

Wie sich aus dem Obigen ergiebt, kann eine Fehlerbestim - mungsmethode nur dann zuverlässige Resultate geben, wenn der ungemein unconstante Widerstand und die variable Polarisation der Fehlerstelle durch sie unschädlich gemacht sind. Für Feh - ler mit grossem Widerstande in langen Leitungen kommt noch die Bedingung hinzu, dass der Isolationsstrom, d. i. der auf der ganzen Länge des fehlerfreien Kabels durch die Masse des Iso - lators hindurchgehende Strom, durch sie Berücksichtigung findet oder eliminirt wird. Die Methode muss ferner schnell und leicht ausführbar sein.

Ich glaube diesen Bedingungen durch folgende Methode einigermassen entsprochen zu haben.

Fig. 49.

Es bezeichne AB das fehlerhafte Kabel, F die Lage des Feh - lers, dessen Widerstand im Augenblick der Messung = z = FG = FH sei. AC = P sei das Mass des Potentials, welches eine352 zwischen A und die Erde eingeschaltete galvanische Kette dem Kabelende ertheilt. Es wird dann CH das Gefälle des durch den Fehler gehenden Stromes und EF das Potential in F sein, wenn das andere Ende der Leitung in B isolirt ist. In B wird dann ebenfalls das Potential p auftreten, wenn, wie einstweilen angenommen wird, die Kabelhülle bis auf die Fehler - stelle F vollkommen isolirend ist. Zieht man nun durch G und E eine gerade Linie, so ist DB das Mass eines Potentials P', welches, wenn umgekehrt das Kabel in A isolirt ist, der Fehler - stelle F dasselbe Potential p ertheilt, welches sie vorher durch P von A aus erhielt. Es sind nun die Dreiecke CGE und DHE ähnlich, mithin 〈…〉 , wenn x und y die Abstände des Fehlers von beiden Enden A und B der Leitung bezeichnen. Da x + y die bekannte Länge der Leitung bezeichnet, so ist die Fehlerlage hierdurch vollständig bestimmt. Unter der Voraussetzung, dass Widerstand und Po - larisation bei beiden kurz nach einander erfolgenden Messungen dieselben waren, bleiben dieselben ohne Einfluss auf das Re - sultat der Messung. Ebenso ist die unvollkommene Isolation durch die Hülle des Leiters in dem Falle ohne Einfluss auf das Messungsresultat, wenn der Fehler in der Mitte der Leitung oder derselben nahe liegt. Ist die Lage des Fehlers dagegen näher dem einen Ende der Leitung, so kann man leicht eine Correctur anbringen, welche den Einfluss auf das Messungsre - sultat in einer für praktische Zwecke ausreichenden Genauigkeit compensirt.

Die Ausführung der Potentialmessungen ist leicht mit aus - reichender Genauigkeit ausführbar, wenn jede Endstation ein empfindliches Spiegelgalvanometer, dem durch eine regulirbare Nebenschliessung jeder Grad der Empfindlichkeit gegeben wer - den kann, einen sehr grossen Widerstand, etwa von einigen Millionen Einheiten und die Mittel besitzt, sich eine Batterie von bestimmter elektromotorischer Kraft zusammenstellen zu können. Verwendet man zu diesen Batterien die Daniell’sche Kette mit Zinkvitriollösung und trägt man dafür Sorge, dass die Zinkpole aus gleichem Material bestehen und gut verquickt sind, und dass die Flüssigkeiten gleichmässig zusammengesetzt sind,353 so hat eine gleiche Anzahl von solchen Elementen eine gleiche elektromotorische Kraft, wenn die Temperatur derselben eine constante ist. Ist letzteres der Fall und dadurch die Vermeh - rung oder Verminderung der elektromotorischen Kraft durch Thermoströme in Folge der Berührung ungleich erwärmter Me - talle und Flüssigkeiten vermieden, so ist die elektromotorische Kraft solcher Zellen unabhängig von ihrer Temperatur. Es ist nun leicht, den beiden Galvanometern gleiche Empfindlichkeit zu geben, indem man jedes mit dem zugehörigen grossen Wider - stande und einer Batterie von einer vorher bestimmten Zahl von Elementen in einen Leitungskreis schaltet und die Neben - schliessung des Galvanometers so regulirt, dass dessen Magnet eine ebenfalls für beide Stationen vorher bestimmte Ablenkung zeigt. Ungleichheiten des Leitungswiderstandes der Batterien und der Galvanometer können hierbei vernachlässigt werden, wenn die eingeschalteten Widerstände, wie vorausgesetzt, sehr gross sind. Schaltet man nun die mit ihrem zugehörigen grossen Widerstande auf gleiche Empfindlichkeit gebrachten Galvanometer mit diesen zwischen die Enden des Kabels und die Erde ein, so giebt die Grösse ihrer Ablenkung das mit gleichem Masse gemessene Potential der Berührungsstellen an. Eine messbare Veränderung des Potentials wird durch diese Nebenschliessung nicht verursacht, wenn der Widerstand der Batterien und des ganzen Kabels ihr gegenüber sehr klein ist.

Die Ausführung der für diese Fehlerbestimmungsmethode erforderlichen Messungen geschieht einfach in der Weise, dass Station A eine beliebige Batterie zwischen Kabelende und Erde einschaltet. Ist die Ladung und Polarisation der Fehlerstelle constant geworden, so lesen A und B die Ablenkung ihres Gal - vanometers ab, und Station A unterbricht darauf den Contact des Kabelendes mit dem freien Batteriepole. Station B erkennt dies aus der Verminderung der Ablenkung seines Galvanometers. Sie theilt dann der Station A durch conventionelle Stromimpulse die Grösse der erhaltenen Ablenkung mit und bringt darauf dauernd den gleichen freien Pol seiner Batterie mit seinem Kabelende in Contact. Station A giebt ihr dann durch ein ver - einbartes Zeichen die Nachricht, ob dessen Galvanometer mehr oder weniger abgelenkt wurde, wie die Ablenkung in B betrug. 23354B vergrössert oder vermindert nun die elektromotorische Kraft seiner Batterie so lange, bis es von A das Zeichen bekommt, dass die Gleichheit der Ablenkung erreicht ist. Zur Controlle verbinden dann abwechselnd A und B ihre Batterien mit dem Kabelende und corrigiren die elektromotorische Kraft ihrer Bat - terien dabei so lange, bis jede an dem anderen Ende der Lei - tung die gleiche Ablenkung hervorbringt. Die Aenderung der elektromotorischen Kräfte der Batterien kann entweder durch Vermehrung oder Verminderung der Zahl der Elemente oder durch Anbringung von Nebenschliessungen geschehen.

Wie leicht ersichtlich, wird bei dieser Fehlerbestimmungs - methode der durch die Leitungsfähigkeit des Isolators hervor - gebrachte Fehler vollständig eliminirt, wenn die beschädigte Stelle in der Mitte der Leitung oder ihr nahe liegt. Bei einer sehr excentrischen Fehlerlage ist dies zwar nicht vollständig, aber doch annähernd der Fall.

Anstatt wie bei der obigen Methode den schädlichen Ein - fluss der Veränderlichkeit der physikalischen Eigenschaften der Fehlerstelle dadurch zu beseitigen, dass man die bestimmenden Messungen an beiden Leitungsenden möglichst gleichzeitig aus - führt, so dass der Fehler für beide als constant betrachtet wer - den kann, lässt sich dies auch dadurch erzielen, dass man das elektrische Potential der Fehlerstelle = 0 macht.

Wenn man an das eine Ende eines isolirten cylindrischen Leiters den positiven, an den anderen den negativen Pol einer abgeleiteten galvanischen Kette legt, so durchschneidet die Span - nungscurve das Kabel in der Mitte, wenn der Leiter homogen und gleichmässig isolirt ist und die Batterien gleiche elektromo - torische Kraft haben. Durch Ein - und Ausschaltung von Wider - ständen zwischen den Batterien und den zugehörigen Kabelenden kann man diesen spannungslosen Punkt im Kabel beliebig ver - schieben. Ist er derart verschoben, dass er mit der Fehlerstelle zusammenfällt, so geht kein Strom durch den Fehler, er bleibt also ganz ohne Einfluss auf die Stromstärke der Kabelenden und die Form der Spannungscurve.

Wenn im nebenstehenden Spannungsschema AB das Kabel, CE und DF gleiche Widerstände, EA und BF gleiche, aber ver - änderliche Widerstände bezeichnen, ferner GJZKH die Spannungs -355 linie des fehlerfreien Kabels, so wird die Potentialdifferens GC JE vergrössert und dagegen die Spannungsdifferenz DH FK ver - kleinert, wenn ein Fehler bei M sich einstellt. Vergrössert nun Station A ihren veränderlichen Widerstand EA und verkleinert

Fig. 50.

zu gleicher Zeit Station B ihren veränderlichen Widerstand BF so lange, bis an beiden Stationen die früher gemessene Potential - differenz GC JE = DH FK wieder hergestellt ist, so bildet die punktirte Linie G' MH 'die nun bestehende Spannungslinie, und es ist dann der in A ein - und in B ausgeschaltete Widerstand das Mass der Verschiebung des spannungslosen Punktes im Kabel, also auch das Mass des Abstandes des Fehlers von der Mitte. Ist die Messung richtig ausgeführt, so muss der auf der einen Station ausgeschaltete Widerstand dem auf der anderen ein - geschalteten gleich sein.

Die Potentialdifferenz CG EJ, resp. DH FK kann, wie oben, durch Entladung eines Condensators, dessen Belegungen mit C und E, resp. mit D und F verbunden sind oder durch Ab - lenkung eines empfindlichen Galvanometers, dessen Drahtenden durch sehr grosse Widerstände mit C und E, resp. mit D und F verbunden sind, gemessen werden.

Ausser den bisher behandelten Isolationsfehlern, bei welchen angenommen ist, dass der Leiter selbst nicht beschädigt ist und continuirlich von einer Station bis zur anderen geht, kommen auch Fehler anderer Art vor. Es kann der Leiter innerhalb der isolirenden Hülle gebrochen und dadurch die metallische Ver - bindung unterbrochen oder es kann auch das ganze Kabel ge - rissen sein, in welchem Falle fast ohne Ausnahme eine leitende23*356Verbindung der Enden des Leiters mit dem Wasser eintritt. Im ersteren Falle kann die Entfernung von der Bruchstelle durch Messung der Capacität der Leydener Flasche, welche von einem der beiden Stücken des Leiters gebildet wird, und Vergleichung mit der Capacität der Längeneinheit des Leiters leicht bestimmt werden. Es geschieht dies entweder durch directe Ablesung des Ausschlages eines Spiegelgalvanometers durch den Ladungs - resp. Entladungsstrom oder nach dem Vorschlage von de Sauty und Varley dadurch, dass man die Ladung des zu messenden Kabels und des als Mass dienenden Condensators gleichzeitig durch dieselbe galvanische Kette ausführt und die Zweige einer Wheatstone’schen Brückencombination oder eines Differential - Galvanometers mit Hülfe häufig wiederholter Ladungen so re - gulirt, dass das Galvanometer nicht abgelenkt wird. Das Ver - hältniss der Brückenzweige giebt dann das Verhältniss der La - dungen.

Diese für kurze Kabel sehr geeigneten Methoden verlieren die nöthige Schärfe, wenn die Kabel sehr lang sind. Einmal vergeht dann zu lange Zeit, bis die Ladung des Kabels vollständig ist, und zweitens müssen die Galvanometer zu unempfindlich ge - macht werden, um den Durchfluss der grossen Quantität der in einem langen Kabel angesammelten Elektricität noch mit der nöthigen Schärfe messen zu können. Es gilt dies auch von der de Sauty’schen Differentialmessung, da bei zu empfindlichen Galvanometern der anfänglich sehr viel stärkere Ladungsstrom des Condensators den Magnet des Galvanometers in seinem Sinne fortschleudert, während der langsam verlaufende Kabel-Ladungs - strom ihn später nach der entgegengesetzten Seite treibt.

Es lassen sich diese Mängel der bisher bekannten Methoden dadurch beseitigen, dass man den Entladungsausschlag eines durch eine constante Kette geladenen Condensators von bekannter Ca - pacität bestimmt, darauf denselben Condensator gleichsam als Massflasche zur wiederholten partiellen Entladung des Kabels benutzt und endlich die n te Entladung dieser Massflasche eben - falls misst. Es sei k die Capacität des Masscondensators, wenn die Einheit der Kabellänge die Einheit der Capacität ist, ferner x die Capacität des ganzen Kabels von der Länge x. Es sei ferner P das Potential, zu welchem das Kabel und der Masscondensator357 geladen sind, ferner P1, P2, P3, Pn die Potentiale des Kabels, resp. des mit ihm verbundenen Condensators nach der ersten, zweiten etc. n ten Entladung des letzteren. Es seien endlich a und an die Entladungsausschläge des Condensators bei der ersten oder n ten Entladung. Es verhalten sich dann 〈…〉 mithin 〈…〉 oder 〈…〉 oder wenn a und an die Ausschläge des Galvanometers bezeichnen, welche den durch P und Pn bewirkten Ladungen des Mass - condensators entsprechen, 〈…〉

Weit schwieriger ist die Bestimmung der Entfernung der Bruchstelle eines Kabels, wenn, wie gewöhnlich der Fall ist, das Ende des gerissenen Leitungsdrahtes in leitende Verbindung mit dem Wasser tritt.

Es pflegt der Bruch gewöhnlich so zu geschehen, dass der Leiter und die isolirende Hülle nicht in demselben Querschnitte reissen, so dass entweder ein Stück des Drahtes frei ins Wasser hineinragt, oder dass derselbe nur durch ein enges, unvollkommen mit Wasser gefülltes Rohr mit dem umgebenden Wasser in358 leitender Verbindung steht. Im ersteren Falle gewähren mit Vorsicht ausgeführte Widerstandsmessungen vom Lande aus in der Regel ein ausreichend genaues Resultat. Hierbei ist ausser der variablen Polarisation der Fehlerstelle jedoch noch der Um - stand sehr störend, dass fast ununterbrochen in grösserem oder geringerem Masse sogenannte Erdströme in den Leitungen auf - traten. Auch ohne dass des Nachts am Himmel Nordlichter - scheinungen sichtbar sind, treten oft solche auf tellurische und kosmische Ursachen zurückzuführende Ströme in Kabeln, deren beiden Enden mit dem Wasser in leitender Verbindung sind, auf, welche der electromotorischen Kraft von 6 bis 8 Daniells entsprechen. Es ist mir gelungen, den nachtheiligen Einfluss dieser Erdströme auf die Messung dadurch zu compensiren, dass ich dem Brückenzweige des Kabels eine Nebenschliessung mit veränderlichem Widerstande und einer ausreichenden elektromo - torischen Kraft gab und den Widerstand so gross machte, dass dem Erdstrome gerade das Gleichgewicht gehalten wurde. Es ist dies daraus erkennbar, dass das im Brückendrahte befindliche Galvanometer keinen Strom anzeigt. Ich werde auf die zahl - reichen hierbei gemachten Beobachtungen der Erdströme zu einer anderen Zeit zurückkommen. Wenn aber auch die Strömungen der Widerstands-Messungen durch den Erdstrom in der be - schriebenen Weise beseitigt werden können, so geben dieselben doch niemals ein sicheres Resultat, da man nur den Gesammt - widerstand des Kabels und der Fehlerstelle durch sie erhält und nicht weiss, wie gross der letztere ist. Häufig ist dieser Ueber - gangswiderstand vom Leiter zum Wasser weit grösser als der zu messende Kabelwiderstand selbst.

Das einzige Mittel, welches bei solchen Kabeln, deren zweites Ende nicht zugänglich ist, zur Aufstellung einer zweiten Gleichung führen kann, um mit Hülfe derselben den Uebergangswiderstand zu eliminiren, ist die Messung der Flaschencapacität des Kabel - stücks.

Es sei AB ein Kabelstück von der Länge l, dessen Ende B unisolirt im Wasser liegt. BD = z sei der in Einheiten von l ausgedrückte Widerstand des Ueberganges vom Leiter zum Wasser, CA = w der Widerstand des Galvanometers, durch welchen die Entladung gemessen wird, AE = P bezeichne das Potential, wel -359 ches dem Endpunkte A des Kabels durch eine zwischen A und die Erde eingeschaltete Batterie gegeben wird, so stellt ABFE die Ladungsfigur des Kabels dar1)Pogg. Ann. Bd. 79 pag. 499 Jahrg. 1850.. In der Entfernung x von A ist dann die Ordinate y das daselbst auftretende Potential. Wird

Fig. 51.

nun die Elektricitätsmenge, welche nach eingetretener Ladung im Kabel stationär geworden ist und welche der Ladungsfläche AEGB entspricht, mit Q bezeichnet, so ist: 〈…〉 und 〈…〉 Die Elektricitätsmenge y. d x = d Q wird nun, wenn beide Enden C und D des Leiters in Verbindung mit der Erde stehen und die die Ladung bewirkt habende elektromotorische Kraft P in A ent - fernt ist, nach beiden Seiten hin abfliessen. Es werde mit d Q, derjenige Theil von d Q bezeichnet, welcher durch A und C zur Erde zurückfliesst, während d Q͵͵ den Theil bezeichne, der durch B und D zur Erde geht. Diese Quantitäten müssen sich umge - kehrt wie die von ihnen zu durchlaufenden Widerstände verhalten. Es ist also 〈…〉 oder in 〈…〉 ist 〈…〉 Da nun ferner 〈…〉 360also 〈…〉 ist, so ist 〈…〉 oder 〈…〉 Setzt man in diese Gleichung den aus einer gleichzeitig mit der Ladung des Kabels ausgeführten Widerstandsmessung gefundenen Werth a, mithin l + z = a, so erhält man für die Grösse der Rückladung: 〈…〉 und hieraus 〈…〉 . Oder da P. l = 2 Q die Ladungsgrösse des ganzen isolirten fehler - freien Kabels ist, mithin P gleich der Ladungsgrösse q der isolirten Kabeleinheit zu setzen ist, 〈…〉 . Da l = a z durch die gleichzeitig ausgeführte Widerstands - messung bekannt ist, so ist hierdurch auch die Länge des zer - rissenen Kabels l gegeben.

Ist der Uebergangswiderstand z = 0 mithin auch a = l, so folgt aus der obigen Gleichung für z: 〈…〉 ; das heisst also: wird ein am entfernten Ende ohne Widerstand zur Erde abgeleitetes geladenes Kabel widerstandslos mit Erde verbunden, so fliessen der im Kabel vorhandenen Ladung zur ladenden Station zurück, während derselben am entfernten Ende zur Erde geht.

361

Selbstverständlich darf zwischen der Ausschaltung der Batterie und der Einschaltung des zur Erde abgeleiteten Galvanometers nicht der geringste Zeitverlust eintreten, da sonst während der Isolation des Ladungsendes ein ansehnlicher Theil der Elektricität durch das andere Ende zur Erde geht, die gemessene Rückladung also zu klein ausfällt. Wird die Umschaltung aber so eingerich - tet, dass sie in demselben Momente vor sich geht, wie Helm - holtz dies bereits im Jahre 1851 ausführte, so giebt die Methode bei nicht zu langen Leitungen sehr übereinstimmende und genaue Resultate. Sind die zu untersuchenden Leitungen aber sehr lang, so tritt die Verzögerung des Stromes in Folge der Ladung störend auf. Es bedarf die aufgestellte Formel daher für diesen Fall noch einer Correctur für die Verzögerung (retardation) des Stromes, deren Entwickelung mir bisher nicht gelungen ist.

[362][363]

Ueber den Einfluss der Beleuchtung auf die Leitungs - fähigkeit des krystallinischen Selens.

(Mon. ber. d. Berl Akad. d. W. v. 13. Mai.)

1875.

Die von Willougby Smith zuerst beschriebene und von Sale1)Proceed. of the Roy. Soc. Vol. XXI p. 283. Pogg. Ann. Bd. 150 S. 333. näher untersuchte Eigenschaft des krystallinischen Selens, im beleuchteten Zustande die Elektricität besser zu leiten als im Dunkeln, habe ich näher untersucht und die Richtigkeit der Thatsache constatirt. Die specifische Leitungsfähigkeit des durch Erhitzung auf 100 bis 150 °C. krystallinisch gemachten Selens ist jedoch sehr gering und ausserordentlich veränderlich und auch die Vergrösserung der Leitungsfähigkeit durch Beleuchtung ist sehr inconstant, so dass es unmöglich war, eine bestimmte Ab - hängigkeit der Leitungsfähigkeit von der Beleuchtung festzustellen. Es gelang mir aber durch andauernde Erhitzung des amorphen Selens bis zur Temperatur von 210 °C., sowie auch durch Ab - kühlung des geschmolzenen Selens zur Temperatur von 210°, bei welcher Temperatur das Selen bei längerer Dauer derselben in einen grobkörnig-krystallinischen Zustand übergeht, eine andere Modification des krystallinischen Selens darzustellen, welche eine bedeutend grössere Leitungsfähigkeit hat, dieselbe dauernd bei - behält und die Elektricität metallisch leitet, so dass die Leitungs - fähigkeit mit Erhöhung der Temperatur abnimmt. Auch die Ein - wirkung des Lichtes auf diese Modification krystallinischen Selens364 ist weit grösser und scheinbar völlig constant. Durch Ein - schmelzung zweier flacher Drahtspiralen, im Abstande von ca. 1 mm. von einander, zwischen zwei Glimmerblättern in grob - krystallinisches Selen ist es mir gelungen, einen ausserordentlich empfindlichen Lichtmesser herzustellen. Dunkle Wärmestrahlen sind bei demselben ohne directen Einfluss auf die Leitungs - fähigkeit, und Erwärmung des Selens vermindert dieselbe. Dif - fuses Tageslicht verdoppelt schon seine Leitungsfähigkeit und directes Sonnenlicht erhöht sie unter Umständen auf mehr als das Zehnfache. Die Vermehrung der Leitungsfähigkeit des grob - körnigen Selens durch Beleuchtung geht ausserordentlich schnell vor sich. Ebenso tritt die Verminderung derselben bei Ab - sperrung des Lichtes scheinbar momentan ein, doch vergeht län - gere Zeit, bis der der Dunkelheit entsprechende Zustand wieder vollständig hergestellt ist. Die Zunahme der Leitungsfähigkeit ist nicht proportional der Lichtstärke, sondern eine Function der - selben, welche sich näher dem Verhältniss der Quadratwurzeln der Lichtstärken anschliesst.

Ich behalte mir vor, der Akademie über diese interessante Eigenschaft des Selens ausführlichere Mittheilungen nach Abschluss meiner Versuche zu machen, und bemerke nur noch, dass ich hoffe, dieselbe zur Construction eines zuverlässigen Photometers verwerthen zu können.

[365]

Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität in suspendirten Drähten.

Mon. ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 6. Dec.)

1875.

Das andauernde Frostwetter des letzten Winters und das freundliche Entgegenkommen der Verwaltung der Niederschlesisch - Märkischen Eisenbahn und namentlich ihres Telegraphen-Inspec - tors, des Herrn Wehrhahn, machten es mir möglich, einen schon im Jahre 1845 von mir gemachten Vorschlag zur directen Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität1)Pogg. Ann. Bd. 66 pag. 435. in Ausführung zu bringen. Leider verhinderte das während der Versuche ein - tretende Thauwetter die vollständige Durchführung derselben, doch erscheinen die erhaltenen Resultate schon wichtig genug, um ihre Mittheilung vor völligem Abschlusse dieser Arbeit zu rechtfertigen.

Die von mir hierbei zur Anwendung gebrachte Methode weicht in einigen wesentlichen Punkten von meinem früheren Vorschlage ab. Nach diesem bedurfte es zur Ausführung der Messung zweier von einander und vom Erdboden isolirter, gleich - mässig rotirender Stahlcylinder und zweier Doppelleitungen, von denen die eine die beiden Cylinder, die andere zwei isolirte Spitzen leitend verband, welche den Peripherien der Cylinder nahe gegenüber standen. Entlud man eine Leydener Flasche zwischen einer Spitze und dem ihr zugehörigen Drahtende, so musste der Entladungsstrom den ganzen Leitungskreis durchlaufen und auf dem Mantel jedes der beiden Stahlcylinder eine Funken - marke zurücklassen. Die Differenz der Abstände dieser während366 der Rotation der Cylinder erzeugten Marken von den in gleicher Weise bei ruhenden Cylindern hervorgebrachten war dann das Mass der Zeit, welche die Elektricität zum Durchlaufen des halben Kreislaufes gebrauchte.

Der Ausführung dieses Planes standen erhebliche Schwierig - keiten entgegen. Diese bestanden einmal in der Schwierigkeit, 4 gleich lange, von demselben Orte ausgehende, hinlänglich gut isolirte Leitungen zu beschaffen, hauptsächlich aber in der me - chanischen Aufgabe, zwei von einander und vom Erdboden völlig isolirte Stahlcylinder so leicht herzustellen und so vollkommen zu centriren, dass ihnen die nöthige Umdrehungsgeschwindigkeit von 100 bis 150 Umdrehungen in der Secunde gegeben werden konnte. Ich wandte daher eine veränderte Methode an, bei welcher nur Ein nicht isolirter Stahlcylinder und nur Eine Doppelleitung erforderlich war.

Sie beruht auf der Anwendung zweier Leydener Flaschen oder Ladungstafeln, von denen die innere Belegung der einen direct durch einen kurzen Draht, die der anderen durch die lange Kreisleitung mit der dem rotirenden, zur Erde abgeleiteten Cy - linder nahe gegenüberstehenden Spitze verbunden ist. Die äusseren, isolirten Belegungen der Flaschen sind metallisch verbunden. Werden sie zur Erde abgeleitet, so wird in demselben Momente die Elektricität der inneren Belegung beider Flaschen frei und entladet sich durch die Spitze und den rotirenden Cylinder zur Erde. Ist die Rotation hinlänglich geschwind und die Leitung lang genug, so entstehen auf dem Cylinder zwei räumlich ge - trennte Marken, deren Abstand das Mass der Zeit ist, welche die Elektricität zum Durchlaufen der Drahtleitung von der Flasche zur Spitze gebrauchte.

Ich modificirte diese Anordnung auch in der Weise, dass ich anstatt einer Spitze deren zwei dem Cylindermantel gegen - überstellte und die eine Spitze direct mit der einen, die andere[durch] die Leitung mit der anderen Flasche verband. Die Spitzen wurden möglichst nahe nebeneinander gestellt, so dass die gleich - zeitig von beiden bei ruhendem Cylinder hervorgebrachten Marken dicht beisammen und möglichst in einer mit der Axe parallelen Ebene lagen. Es wurde dann zuerst eine Entladung der Flaschen bei ruhendem Cylinder und darauf erst die zur Messung dienende367 Entladung bei rotirendem Cylinder gemacht. Der Apparat selbst war derselbe, den ich zur Messung der Geschwindigkeit der Ge - schosse im Geschütz - oder Gewehrlaufe benutze und an anderen Orten beschrieben habe. Der Stahlcylinder ist möglichst leicht aus einem massiven Stahlcylinder ausgedreht. Er hat einen Durch - messer von 40 mm. und eine Seitenhöhe von 10 mm. Seine Stahl - axe ist mit einem Gewinde versehen, in welches die Zähne eines Steigrades eingreifen. Dies wird durch ein kräftiges Laufwerk mit Gewichtsbetrieb gleichmässig gedreht. Die Geschwindigkeit der Drehung des Cylinders lässt sich durch einen ebenfalls ander - weitig beschriebenen Regulator während der Rotation beliebig innerhalb weiter Grenzen abändern. Das mit 100 Zähnen ver - sehene Steigrad trägt eine kleine Nase, durch welche nach jeder Umdrehung ein leichter Hammer gehoben wird, der an eine kleine Glocke schlägt. Wenn der Regulator so eingestellt ist, dass die Glockenschläge mit den Pendelschlägen eines Secundenpendels genau zusammenfallen, so rotirt der Cylinder genau 100 mal in der Secunde. Dem Cylindermantel gegenüber ist eine kleine Lupe mit Fadenkreuz befestigt, welche zur Ablesung des Winkel - abstandes der Funkenmarken dient.

Im Zustande der Ruhe kann durch Bewegung eines Hebels eine Schraube ohne Ende mit geschnittenem Kopfe mit dem Cy - linder in Eingriff gebracht werden, durch welche dieser so lange langsam gedreht werden kann, bis der Faden der Lupe durch die Mitte der Funkenmarke geht. Es können auf diese Weise Millionstel Secunden noch genau abgelesen und 10 Millionstel ge - schätzt werden.

Die dem Cylindermantel gegenüberstehende leitende Spitze besteht aus einem dünnen Glasrohre, in welches ein möglichst feiner Platinadraht eingeschmolzen ist. Nachdem dies Glasrohr in ein Metallrohr mit Schraubengewinde eingefuttert und das dem Cylindermantel gegenüberstehende Ende desselben sorgfältig halb - kugelförmig abgeschliffen ist, wird es so nahe wie möglich an den rotirenden Cylinder herangeschraubt.

Durch die Glashülle, welche den Platinadraht bis zu seinem äussersten Ende umgiebt, soll verhindert werden, dass Funken eine seitliche Richtung einschlagen. Sehr schwache Funken hinter - lassen auf einer polirten Stahlfläche einen einzelnen hellglänzenden368 Punkt, stärkere ein Bündel von Funken, auf dessen Mitte das Fadenkreuz eingestellt werden muss. Um das Auffinden der Funkenmarken zu erleichtern, wird der Cylinder vor dem Ge - brauche in bekannter Weise berusst. Es ist dann jede, auch die schwächste und mit blossem Auge kaum sichtbare Funkenmarke mit einem deutlichen ringförmigen Hofe umgeben, der es ermög - licht, sie leicht in das Gesichtsfeld des Mikroskopes zu bringen. Anstatt der Leydener Flaschen benutzte ich in der Regel Ladungs - tafeln aus mit Staniol belegten Glimmerblättern. Dieselben wurden sorgfältig in eine Harzmasse eingeschmolzen, so dass sie im Stande waren, die angenommene Ladung längere Zeit ohne merk - liche Schwächung festzuhalten. Sie waren mit einem Umschalter versehen, welcher gestattete, sie getrennt von der Spitze (oder den beiden Spitzen, wenn deren 2 benutzt wurden) gleichzeitig durch eine Holz’sche Maschine zu laden und dann im letzten Momente vor dem Versuche die bis dahin mit der Erde verbun - denen Belegungen mit der oder den respectiven Spitzen zu ver - binden, während die leitend verbundenen anderen Belegungen in einem mit Guttapercha isolirten Drahte endeten. Die Entladung wurde dann dadurch bewirkt, dass ein mit der Erde leitend verbun - denes Messer mittelst eines kräftigen Hammerschlages durch den isolirten Draht getrieben und dadurch eine kurze aber möglichst widerstandslose Ableitung der verbundenen Belegungen zur Erde herbeigeführt wurde. Auf diese Weise gelang es, die anfänglich sehr störenden, durch langsame Entladung der Ladungstafeln her - vorgerufenen, falschen Entladungsmarken auf dem Cylinder völlig zu beseitigen.

Mit dem so vorbereiteten Apparate wurden nun fürs Erste im Zimmer eine Reihe von Versuchen angestellt. Es wurde con - statirt, dass die Entladung einer Flasche in einem Entladungs - kreise von geringem Widerstande so schnell verläuft, dass das Markenbündel auf dem rotirenden Cylinder nicht wesentlich ver - schieden von dem auf ruhendem Cylinder erzeugten ist. Ver - einzelte Funkenmarken, die sich fast immer ohne Regelmässigkeit auf der Cylinderfläche finden, sind offenbar dem sogenannten Re - siduum der Ladungstafeln zuzuschreiben. Die Erscheinung ändert sich, wenn die Entladung durch sehr grosse Widerstände statt - findet. In diesem Falle bildet sich auf dem Cylinder eine con -369 tinuirliche Reihe von Funkenmarken, niemals aber ein homogener Strich, welcher einem eine messbare Zeit andauernden elektrischen Strome entsprechen würde. Es ist aber hieraus nicht zu schliessen, dass die Gesammtentladung auch in diesem Falle aus einer Reihe von Partialentladungen von unmessbar kurzer Dauer be - steht. Denkt man sich im Gegentheil, die Entladung bestände aus einem continuirlichen Strome von abnehmender Stärke, der Funken wäre mithin als andauernder Davy’scher Lichtbogen auf - zufassen, so lässt sich dennoch dies Auftreten einer Reihe von räumlich getrennten Funkenmarken erklären.

Durch den rotirenden Cylindermantel werden nämlich die nächsten Luftschichten mit fortgerissen und zwar um so vollstän - diger, je näher die Luftschicht der rotirenden Cylinderfläche ist. Nimmt man nun an, der Beginn der Entladung hätte die mit dem Cylinder rotirende Luftschicht zwischen der Spitze und dem Cylinder durchbrochen, also einen glühenden, gut leitenden Kanal zwischen Spitze und Cylinder hergestellt, so wird dieser Kanal durch die Rotation mit fortgeführt. Findet nun ein continuirlicher Nachschub von Elektricität von der Spitze aus statt, so wird der Kanal von dieser aus continuirlich verlängert, da er trotz grösserer Länge der Elektricität geringeren Widerstand darbietet, wie die undurchbrochene kalte Luft, die sich zwischen Spitze und Cy - linderwand eingeschoben hat. Hat diese Entladungsstrasse jedoch eine gewisse Länge erreicht, so wird ihr Widerstand grösser wie der der kalten Luft zwischen Spitze und Cylinder, es findet ein neuer Durchbruch und damit die Bildung einer neuen Funken - marke und Entladungsstrasse statt.

Die Entladung einer Flasche durch ein mit Wasser gefülltes Kautschuckrohr oder durch eine nasse Schnur gab eine, wie es schien, vielfach um den ganzen Cylinder herumgehende Serie von feinen Funkenmarken; es war aber kein Zeitverlust für den Beginn der[Entladungen] zu constatiren. Da es mir aus man - chen Gründen, namentlich auch in Folge der von Fizeau und Gounelle erhaltenen Resultate, als wahrscheinlich erschien, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität der specifischen Leitungsfähigkeit der Materie proportional sein müsse, so wieder - holte ich diesen Versuch mit einem 100 Fuss langen, 20 mm. im Lichten starken Kautschuckrohre, welches mit Zinkvitriollö -24370sung gefüllt war. Zu meiner grossen Ueberraschung war aber auch hier keine Zeitdifferenz zwischen der directen Entladungs - marke und der Marke der ersten Partialentladung durch das 100 Fuss lange Flüssigkeitsrohr[aufzufinden]. Da eine Differenz von 5 Millionstel Secunde noch sicher zu erkennen gewesen wäre, so ist hierdurch constatirt, dass die Fortpflanzungsge - schwindigkeit der Elektricität in Flüssigkeiten über 800 geogr. Meilen per Secunde betragen muss.

Da nun die Leitungsfähigkeit des Kupfers mindestens 200 Millionenmal grösser ist wie die der Zinkvitriollösung, so müsste die Geschwindigkeit der Elektricität im Kupfer mindestens 160,000 Millionen Meilen betragen, wenn die specifische Lei - tungsfähigkeit mit Geschwindigkeit der Elektricität gleichbedeu - tend wäre.

Dass elektrolytische Leiter die Elektricität schneller wie Metalle von gleicher Leitungsfähigkeit leiten sollten, wird kaum angenommen werden können; es war das Gegentheil wahrschein - licher, da angenommen werden muss, dass bei der elektroly - tischen Leitung Molekularbewegungen stattfinden.

Bei den mit längeren Telegraphenleitungen auszuführenden Versuchen sollte nun die Frage entschieden werden, ob der Elektricität wie dem Lichte eine bestimmte messbare Fortpflan - zungsgeschwindigkeit zuzuschreiben ist, oder ob die von ver - schiedenen Beobachtern gemessenen Verzögerungswerthe ganz oder doch zum grossen Theile der Verzögerung der Stromer - scheinung am entfernten Leitungsende durch Flaschenladung des Drahtes zuzuschreiben sind. Zu dem Ende sollten die Versuche kurz nach einander mit möglichst verschiedenen Drahtlängen an - gestellt und jedesmal die Flaschencapacität dieser Drahtlänge gemessen werden.

Die ersten Versuche fanden am 23. Februar dieses Jahres in Köpnick statt, wohin Herr Dr. Frölich, der die nachfol - genden Messungen sowohl hier wie später in Sagan mit ge - wohnter Geschicklichkeit und Sorgfalt ausgeführt hat, schon vor - her mit den Apparaten gegangen war.

Zunächst wurde durch eine Reihe von Versuchen constatirt, dass die Isolation der Leitung bei dem obwaltenden milden Frostwetter ausreichte, um den Entladungsfunken durch die371 ganze, nach dem 12,68 Kilom. entfernten Erkner und zurück führende Telegraphenleitung (aus 5 mm. dickem Eisendrahte) hindurch zum rotirenden Cylinder zu leiten.

Die Versuche wurden mit 2 Spitzen gemacht, d. h. also, es wurde die eine (kleinere) Flasche direct durch die eine Spitze, die zweite beträchtlich grössere Flasche durch die Lei - tung und die andere Spitze entladen. Es wurden 7 Entla - dungen gemacht. Die am folgenden Tage gemachten Ablesun - gen ergaben

  • 122,8
  • 111,7
  • 125,3
  • 142,7
  • 117,6
  • 121,8
  • 134,3
  • im Mittel 125,2 Millionenstel Secunden.

Da die hin - und zurückgehende Leitung 2. 12,68 = 25,36 Kilometer betrug, so ergiebt dies eine Geschwindigkeit von 202600 Km. oder 27300 geogr. Meilen in der Secunde. Es stellte sich hierbei heraus, dass der durch die eine Spitze ge - hende, directe Entladungsfunke der kleinen Flasche stets einen kleinen Büschel von Funkenmarken bildete, umgeben von einem grösseren concentrischen Hofe, innerhalb dessen der Russ fort - geschleudert war, während durch die zweite Spitze eine Serie von kleineren Funkenmarken gebildet wurde, die von keinem oder doch nur einem sehr schwachen Hofe umgeben waren.

Häufig war in der Linie der letzten Spitze, genau gegen - über der Local-Entladungsmarke, ebenfalls ein schwacher Punkt sichtbar. Derselbe war entweder Folge einer Rück - oder Seiten - entladung vom Cylinder auf die benachbarte Spitze, oder wahr - scheinlicher eine Influenzwirkung zwischen den zunächst dem Cylinder liegenden Theilen der an denselben Stangen befestigten hin - und rückkehrenden Leitung. Im allgemeinen war die Lo - cal-Entladung weit stärker wie nothwendig, was den Nachtheil mit sich führte, dass der erste Linienentladungspunkt häufig noch in den Hof der Localentladung fiel und dadurch schwer zu erkennen war.

24*372

Durch eintretendes Thauwetter, bei welchem die Isolation der Telegraphenlinien für Fortleitung von Reibungselektricität nicht genügend ist, wurden die weiteren beabsichtigten Ver - suche für längere Zeit verhindert. Als später wieder Frost - wetter eintrat, wurden uns von Herrn Wehrhahn die von der Station Sagan ausgehenden Doppellinien nach Malmitz und einem zwischen Sagan und Malmitz liegenden Streckenblock zur Ver - fügung gestellt. Es gelang Herrn Dr. Frölich, der sich mit den Apparaten nach Sagan begab, zwei werthvolle Beobachtungs - reihen zu machen. Sie wurden zum Theil mit zwei, zum Theil mit einer Spitze gemacht. Es trat bei diesen Versuchen der Doppelpunkt stets auf und Herr Dr. Frölich überzeugte sich durch eine Reihe von Controlversuchen, dass dieser Doppel - oder vielmehr Anfangspunkt eine locale Ursache hatte und nicht von Elektricität herrühren konnte, welche die ganze Leitung durchlaufen hatte. Die Linien-Entladungen bildeten hier einen ziemlich langen Schweif von 6 bis 8 Punkten, deren Abstand von einander anfangs etwa 30, am Ende 15 bis 20 Millionstel Secunden betrug und dem häufig ein kurzer Strich ohne deut - liche Punkte folgte. Es harmonirt dies recht gut mit der obigen Erklärung des Auftretens von Entladungspunkten bei continuir - licher Entladung. Je stärker der Entladungsstrom ist, desto länger erhält sich der Entladungskanal auf der Peripherie des rotirenden Cylinders, desto weiter müssen also auch die Punkte auseinander liegen. Ist die Entladung nahe vollendet, so sind Stromstärke und Wärmeentwickelung so schwach, dass sich gar kein Entladungskanal mehr erhalten kann, die Punktreihe mit - hin in einen schwachen Strich übergeht.

Es wurde zuerst die Doppellinie von Sagan bis zum 11,686 Km. entfernten Malmitz benutzt. Die Ablesung von 22 Entladungen ergab

  • 100,4
  • 102,7
  • 91,2
  • 100,8
  • 100,6
  • 91,4
  • 88,7
  • 103,6
  • 95,6
  • 97,5
  • 100,5
  • 104,7
  • 108,7
  • 101,1
  • 108,3
  • 102,0
  • 104,2
  • 102,6
  • 104,2
  • 104,2
  • 107,3
  • 110,3
373

im Mittel 101,4 Millionstel Secunden. Da der durchlaufene Weg 2. 11,686 Km. = 23,372 Km. lang war, so war die Ge - schwindigkeit 230500 Km. = 31060 geogr. Meilen.

Die demnächst eingeschaltete 3,676 Km. lange Doppellinie Sagan-Streckenblock ergab bei 12 Entladungen:

  • 39,4
  • 41,9
  • 27,8
  • 27,0
  • 35,6
  • 28,4
  • 23,0
  • 25,9
  • 30,5
  • 22,1
  • 28,9
  • 34,8

im Mittel 30,4 Millionstel Secunden. Es ergiebt dies eine Ge - schwindigkeit von 241800 Km. = 32590 geogr. Meilen.

Eine demnächst angestellte Serie von 13 Entladungen mit einer Spitze, welcher Dr. Frölich weniger Zutrauen schenkt, da die Regulirung des Laufwerks weniger sorgfältig ausgeführt war, gab

  • 87,8
  • 76,4
  • 84,5
  • 93,2
  • 78,2
  • 96,3
  • 93,1
  • 85,5
  • 80,8
  • 96,3
  • 93,5
  • 101,2
  • 117,9

im Mittel 91,1 Millionstel Secunden, mithin eine Geschwindig - keit von 256600 Km. oder 34580 geogr. Meilen.

Wenn diese Messungen auch noch nicht den Grad von Ueber - einstimmung ergeben, der von der Methode zu erwarten ist und der auch bei einer Wiederholung der Versuche unter günstigen Umständen erzielt werden wird, so ergeben sie doch zur Evi - denz, dass die Fortbewegung der Elektricität in Leitern mit einer bestimmten, von der Länge der Leiter nicht abhängigen Geschwindigkeit geschieht, die in Eisendrähten zwischen 30000 und 35000 Meilen per Secunde liegt. Ich neigte mich vor diesen Versuchen in Folge der mit dem Kautschuckrohre erhaltenen Resultate der Ansicht zu, dass die wirkliche Geschwindigkeit der Elektricität unmessbar gross sei und dass die durch Wheat - stone (Pogg. Ann. 34, 464), Fizeau und Andere gefundenen Ver - zögerungen gänzlich auf Flaschenwirkung der oberirdischen Lei - tungen begründet wären.

374

Wenn dem so wäre, so müsste die fast 3 mal so lange Lei - tung Sagan-Malmitz eine ca. 9 mal grössere Verzögerung ergeben haben wie die Leitung Sagan-Streckenblock, während die Ge - schwindigkeit nach den unter gleichen Bedingungen angestellten Versuchen mit Doppelspitzen sich wie 31: 32,6 verhielt. Doch abgesehen von diesen, dem quadratischen Verzögerungsgesetze widersprechenden Zahlen ist die Verzögerung überhaupt viel zu gross, um durch Ladungsverzögerung erklärt werden zu können. Die Flaschencapacität der beiden Leitungen wurde von Herrn Dr. Frölich mit der continuirlichen Wippe nach der früher von mir zur Ermittelung der Ladungsgesetze benutzten Methode1)Pogg. Ann. 102, 66. ge - messen. Die Messung ergab:

  • Für Sagan-Malmitz m. f.
  • Galvanometer im Ladungskreise 0,181
  • im Entladungskreise 0,120
  • im Mittel 0,1505
  • Für Sagan-Streckenblock
  • Galvanometer im Ladungskreise 0,066
  • im Entladungskreise 0,061
  • im Mittel 0,0635

was im Mittel eine Flaschencapacität der oberirdischen Leitung von 5 mm. Drahtstärke von 0,053 m. f. pro Meile ergiebt.

Als Einheit der Capacität ist das in der Kabeltechnik ein - geführte, aus der Weberschen absoluten Einheit der Elektricitäts - menge abgeleitete sogen. Mikrofarad (m. f.) angenommen.

Zur directen Vergleichung der gemessenen Verzögerungs - werthe mit denjenigen, welche sich als Folge der Ladung der Drähte herausstellen müssen, können die Verzögerungsmessungen dienen, welche Hr. Dr. Obach mit Hülfe eines künstlichen Kabels, d. h. einer Serie von 32 Condensern à ca. 20 m. f., die durch Widerstände von je 550 E. untereinander verbunden waren, in meinem Laboratorium angestellt hat.

Die Messungen geschahen mit meinem ungemein empfind - lichen elektrodynamischen (eisenfreien) Relais und einem chemischen Schreibtelegraphen mit Doppelnadel.

375
  • 1. 32 Abtheilungen des Kabelschrankes wurden eingeschaltet. Sie repräsentirten einen Widerstand von 17600 Q. E = W und eine Capacität von 639,6 m. f. = C. Es ergab sich eine Verzögerung von 0,72 Sec. also pro Million des Pro - ductes Widerstand × Capacität (W. C) von 0,0640 Sec.
  • 2. 24 Abtheilungen eingeschaltet W = 13200 Q. E. C = 483,9 m. f. ergaben Verzögerung 0,45 Sec. pro Million W. C 0,0715
  • 3. 16 Abtheilungen W = 8800 C = 319,6 ergaben Verzögerung 0,22 pro Million W. C 0,078 Sec.

Es giebt dies im Mittel eine Verzögerung für 1 Millon W. C von 0,0712 Sec.

Die Leitung Sagan-Malmitz und zurück hat nach der von Hrn. Dr. Frölich ausgeführten Messung eine Capacität C = 0,151 m. f. Widerstand W = 189,0 Q. E. mithin W. C = 28,5; hiernach könnte durch die Flaschenladung, unter Annahme des quadratischen Gesetzes, nur eine Verzögerung von 2,0 Millionstel Secunden herbeigeführt sein, während sie für die Linie Sagan - Streckenblock nur 0,3 Millionstel Secunden betragen könnte.

Zieht man nun auch in Betracht, dass diese Verzögerungs - zeiten wesentlich grösser ausfallen mussten, wie bei den Kabel - messungen, weil längere Zeit verging, bis das elektrische Potential der funkengebenden Spitze so gross war, dass der Funke zum Cylinder überspringen konnte, so ist es doch evident, dass z. B. die auf der Strecke Sagan-Streckenblock gemessene Verzögerung von 30,4 Millionstel Secunden anderen Ursprungs sein muss, als die auf 0,3 Millionstel Secunden berechnete Flaschenverzögerung.

Ich hoffe im Laufe dieses Winters Gelegenheit zu finden, nicht nur die obigen Versuche unter besseren Verhältnissen und mit verbesserten Vorrichtungen wiederholen, sondern sie auch auf eine Kupferleitung ausdehnen zu können, um durch directe376 Messungen die Frage zu entscheiden, ob die Geschwindigkeit der Elektricität von der Natur des metallischen Leiters abhängt oder nicht. Nach den mit dem mit Zinkvitriollösung gefüllten Kaut - schuckrohre angestellten Versuchen erscheint mir letzteres wahr - scheinlich. Kirchhoff hat unter Zugrundelegung des Weber’schen Fundamentalgesetzes für die Bewegung der Elektricität die Zahl 41000 Meilen für die Geschwindigkeit der Elektricität in Leitern durch Rechnung gefunden und ist dabei zu dem Resultat gekommen, dass diese Geschwindigkeit gleich gross in allen Leitern sein müsse. Unsere Messungen schliessen sich dem Kirchhoffschen Werthe wenigstens weit näher an, wie dem von Wheatstone aus dem Zurückbleiben des mittleren Funkens geschätzten von 61900 geogr. Meilen.

Fizeau und Gounelle haben mit Hülfe ihrer Differentialmess - methode für galvanische Ströme in Telegraphenleitungen für Kupfer 177792 Km., für Eisen 101710 Km. gefunden, für Eisen also nur eine etwa halb so grosse Geschwindigheit wie unsere Messungen ergeben haben.

Noch weit geringere Geschwindigkeitswerthe haben Walker, Mitchell und Gould auf amerikanischen Telegraphenlinien mit elektromagnetischen Registrirapparaten gefunden, letzterer sogar nur 12851 englische Meilen. Auf diese Messungen ist kein grosses Gewicht zu legen, da die Trägheit der elektromagnetischen Instru - mente zu gross und ungleich für die Messung so kleiner Zeittheile ist. Von weit grösserem Gewichte erscheinen die Messungen von Fizeau und Gounelle. Dieselben haben den verzögernden Ein - fluss der Ladung, auf den ich erst nach Anstellung ihrer Versuche aufmerksam machte, keine Rücksicht nehmen können und es fehlen in der Beschreibung ihrer Versuche auch die nöthigen Data, um die Ladungs-Verzögerung nachträglich berechnen zu können. Wenn aber auch die Ladungsverzögerung der verhältnissmässig grossen Länge ihrer Leitung wegen (ca. 300 Km.) über 1000 mal grösser wie bei meinen Versuchen sein müsste, so reicht sie doch zur Erklärung der Differenz noch nicht aus. Ich glaube daher, dass auch die von Fizeau gefundene Verschiedenheit der Ge - schwindigkeit der Elektricität in Eisen und Kupfer noch nicht als constatirt anzusehen ist.

[377]

Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähig - keit des Selens von Wärme und Licht.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. d. W. v. 17. Febr.)

1876.

Das von Berzelius 1817 entdeckte Selen steht wie das Tellur auf der Grenze zwischen den Metallen und Metalloiden und hat sowohl chemische wie physikalische Eigenschaften beider Klassen von Körpern.

Die physikalischen Eigenschaften des Selens sind namentlich von Hittorf1)Pogg. Ann. Bd. 84, pag. 214. 1851. in seiner Abhandlung über die Allotropie des Se - lens untersucht. Er fand, dass es bei 217 °C. schmilzt, dass es bei der Abkühlung bis weit unter seinen Schmelzpunkt flüssig bleibt, dass es bei weiterer schneller Abkühlung zu einer glasigen, amorphen, die Elektricität nicht leitenden Masse von etwas grün - lichem Ansehen vom specifischen Gewichte 4,276 erstarrt, ohne seine latente Schmelzwärme abzugeben. Wird dies amorphe Selen wieder erhitzt, so beginnt bereits bei 80 °C. eine Umwandlung desselben. Es bekommt ein weisses, metallisches Ansehen, ein feinkörniges, krystallinisches Gefüge, verdichtet sich zum speci - fischen Gewichte 4,7962)Rammelsberg hat neuerdings das sp. Gewicht des amorphen Selens auf 4,28, das des krystallinischen auf 4,8 resp. 4,5 bestimmt. und entbindet dabei eine so bedeutende Wärmemenge, dass es sich in grösseren Mengen bis zu seinem Schmelzpunkte erhitzt. Es leitet in diesem krystallinischen Zu - stande die Elektricität wie die Kohle, das Tellur und die Elek -378 trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs - fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft - temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über - schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten - ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen Zustande die Elektricität.

Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia - Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch - tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt1)Pogg. Ann. 150, pag. 333. und näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.

Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe - ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk - len Wärmestrahlen nur gering ist.

Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge - machten vorläufigen Mittheilung2)Diese Berichte, S. 280. diese Angaben Sale’s bestätigt. Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis 210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem - peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er - hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt. Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig - keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist. Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,379 welches ich zur Construction eines Selen-Photometers benutzte. Endlich constatirte ich, dass die Zunahme der Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuchtung annähernd den Quadratwurzeln der Lichtstärken proportional ist.

W. G. Adams1)Proc. of the Royal Soc. Vol. XXIII, pag. 535. Juni 1875. hat gleichzeitig mit mir die Lichtwirkung auf das Selen untersucht. Er fand, abweichend von Hittorf, dass die Leitungsfähigkeit seiner Selenstange, über deren Her - stellung er keine Angaben macht, mit zunehmender Temperatur abnahm, also ein ähnliches Verhalten zeigte, wie ich es durch anhaltende Erhitzung des Selens auf 200 °C. hervorrief. Ferner constatirte er, dass der durch eine Kirchhoff-Wheatstone’sche Brücke gemessene Widerstand des Selens um so geringer ausfiel, je grösser die Anzahl der Zellen der zur Messung benutzten Kette war. Adams lässt es unentschieden, ob die Lichtwirkung auf das Selen in einer Veränderung seiner Oberfläche bestände oder ob durch Beleuchtung im Selen ein Polarisationsstrom hervor - gerufen würde, welcher sich dem Durchgange des messenden Stromes entgegensetzte und dadurch seine Leitungsfähigkeit er - höhte. In gleicher Weise will er die Verminderung des Wider - standes des Selens bei Anwendung stärkerer Batterien erklären. Hierbei ist er aber offenbar in einem Irrthum befangen, da ein solcher durch das Licht oder durch den Strom hervorgerufener Gegenstrom den entgegengesetzten Effect haben müsste. Es müsste das Licht die Leitungsfähigkeit vermindern und bei An - wendung stärkerer Batterien müsste man einen grösseren Wider - stand finden.

Zunächst bemühte ich mich, die höchst merkwürdige Eigen - schaft des Lichtes, das beleuchtete Selen besser leitend zu machen, auch bei anderen Körpern aufzufinden. Diese Bemühungen waren aber gänzlich erfolglos. Ich glaubte schon am Tellur eine analoge Wirkung gefunden zu haben, überzeugte mich aber bald, dass die beoachtete geringe Steigerung der Leitungsfähigkeit der Erwär - mung des Tellurs durch Licht und Wärmestrahlen zuzuschreiben war. Da ich hiernach annehmen musste, dass es sich hier nicht um eine allgemeinere Eigenschaft des Lichtes, sondern um ein abnormes Verhalten des Selens handelte, so entschloss ich mich,380 das Verhalten dieses Körpers zur Wärme und dem galvanischen Strome näher zu untersuchen, in der Hoffnung, hierdurch Anhalts - punkte zur Erklärung der Einwirkung der Beleuchtung auf den - selben zu gewinnen. Zunächst wiederholte ich den Hittorf’schen Versuch mit meinen besseren Messinstrumenten für galvanische Ströme.

Da Glas und selbst Porcellan bei höheren Temperaturen die Elektricität leiten, so liess ich mir aus einem Stück Speckstein, welches selbst bei Glühhitze noch völlig isolirt, einen dickwan - digen Tiegel herstellen, welcher etwa 6 Gramm Selen aufnehmen konnte. Durch den gutschliessenden Specksteindeckel reichte ein Thermometer bis in die Mitte der Höhlung des Tiegels hinein. Die circa 10 mm. dicke Tiegelwand war etwa in halber Höhe durchbohrt und die beiden Löcher durch genau eingepasste Cylinder aus Gaskohle, welche nach innen und aussen vorragten, ausge - füllt. Nachdem der Tiegel mit geschmolzenem Selen angefüllt und dann schnell erkaltet war, so dass amorphes Selen ihn an - füllte, wurden die äusseren Enden der Gaskohlencylinder mit den gut isolirten Zuleitungsdrähten meines sehr empfindlichen Spiegel - galvanometers mit aperiodisch schwingendem Glockenmagnet ver - bunden und in den Leitungskreis eine Daniell’sche Zelle einge - schaltet, nachdem ich mich überzeugt hatte, dass selbst bei Ein - schaltung einer Batterie von 100 Daniell’schen Zellen kein Strom durch das amorphe Selen ging. Der so vorbereitete Tiegel wurde nun schnell in ein grösseres Gefäss mit Paraffin, dessen Tem - peratur 280 °C. war und während des Versuches möglichst genau auf dieser Temperatur gehalten wurde, eingetaucht und die Tem - peratur des Selens im Tiegel sowie die Ablenkung meines Spie - gels fortlaufend gleichzeitig beobachtet und notirt. Bei dem be - deutenden Leitungswiderstande des Selens, in Folge dessen der Widerstand des zwischen den Kohlenspitzen befindlichen Selens selbst bei höheren Temperaturen noch immer sehr gross gegen den Widerstand des Galvanometers ist, können die Ablenkungen des Spiegels ohne wesentlichen Fehler der Leitungsfähigkeit des Selens proportional gesetzt werden.

Die Ergebnisse dieses Versuches sind in der Taf. I Fig. 1 zur Anschauung gebracht. Die mit A bezeichnete Curve giebt die Temperatur des Selens, die Curve B die Stromstärke oder

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381 die Leitungsfähigkeit des Selens an, während Curve C die berechnete Curve darstellt, nach welcher die Temperatur im inneren Gefässe steigen müsste, wenn keine selbstthätige Tem - peraturveränderungen des Selens stattfänden. Die Abscissenaxe bezeichnet die seit der Eintauchung verflossene Zeit, die Ordi - natenaxe gleichzeitig die Temperatur des Selens in Curve A und die Leitungsfähigkeit desselben in Curve B.

Es ergiebt sich aus der Betrachtung dieser Curven, dass etwa Minuten vergingen, bis eine Temperaturzunahme des Selens bemerklich wurde. Nach Verlauf von 5 Minuten hat sie 80° erreicht, ohne von der Normalcurve abzuweichen. Dann steigt sie schnell über die Normalcurve und bleibt bedeutend über der - selben, bis die Schmelzung bei 217° beginnt.

Das Maximum der Erhebung der Selen-Temperatur über die der Normalcurve findet etwa bei 170° statt und beträgt hier circa 13°. Von hier ab nähert sie sich wieder der letzteren, schneidet sie bei 215°, zeigt dann über 15 Minuten lang ziemlich constante Temperatur, nähert sich darauf wieder, anfänglich schnell später langsamer, der Normalcurve, ohne sie vollständig zu er - reichen. Es zeigt dies Verhalten, in Uebereinstimmung mit Hittorf, dass das armophe Selen bei etwa 80 °C. sich in krystallinisches umzuwandeln beginnt und dabei seine latente Wärme ganz oder doch zum grossen Theil abgiebt. Etwa bei 170° hat diese Wärmeentwickelung ihr Maximum erreicht und die Temperatur des Selens steigt von jetzt ab langsamer als die der Normal - curve. Bei 217° beginnt das Selen zu schmelzen und es wird von ihm wieder Wärme absorbirt, wodurch bewirkt wird, dass seine Temperatur beinahe 20 Minuten nahe constant bleibt. Darauf nähert sie sich wieder der Normalcurve, anfangs schnell, dann langsam, ohne sie vollständig zu erreichen.

Während dieser Temperaturänderungen des Selens sind nun ganz merkwürdige Veränderungen seiner Leitungsfähigkeit zu constatiren, wie sie durch Curve B veranschaulicht werden. 5 Minuten nach der Eintauchung des Tiegels, also bei der Selen - Temperatur von 80° war das Selen noch vollständig nichtleitend. Nach 10 Minuten, bei der Selen-Temperatur 162°, war die Ab - lenkung des Spiegels schon 870 Scalentheile, nach weiteren 5 Minuten, bei der Selen-Temperatur 200°, war sie 152 und382 nach abermals 5 Minuten bei der Selen-Temperatur 215 nur noch 120 Scalentheile. Während der jetzt vor sich gehenden Schmelzung des Selens fiel die Ablenkung auf 70, stieg dann mit wachsender Temperatur des geschmolzenen Selens erst schneller, später langsamer bis 300. Eine Grenze des Anstei - gens der Leitungsfähigkeit war hier nach Verlauf von 140 Mi - nuten nach der Eintauchung des Tiegels noch nicht zu erkennen, obschon die Selen-Temperatur bereits nach Verlauf von 60 Mi - nuten constant geworden war.

Die Zahlenwerthe dieser Versuchsreihe können nur einen relativen Werth haben, da die von Wärme schlecht leitendem, starrem Selen umschlossene Thermometerkugel, bei steigender Temperatur durch Wärmezufluss von aussen, immer zu niedrige Werthe angeben musste, wogegen sie bei innerer Wärmeent - wicklung höhere Temperaturen zeigen konnte als die des Selens in der Nähe der Tiegelwand, welches mit den Kohlencylindern in Berührung war; sie bestätigten aber vollständig die Hittorf - schen Beobachtungen, wonach das amorphe Selen bei ca. 80 °C. seine Umwandlung in krystallinisches Selen beginnt, dabei eine bedeutende Wärmemenge entbindet und leitend für Elektricität wird. Es bestätigt sich ferner Hittorf’s Angabe, dass die Lei - tungsfähigkeit des krystallinischen Selens mit der Temperatur in steigender Progression zunimmt und dass dieselbe sich mit Auf - nahme der latenten Schmelzwärme bei gleichbleibender Tempe - ratur wieder beträchtlich vermindert.

Es geht aus diesen Versuchen ferner hervor, dass auch die Leitungsfähigkeit des geschmolzenen Selens mit steigender Tem - peratur sich vergrössert. Ich fand bei einer anderen Versuchs - reihe, bei welcher ein ähnlicher Specksteintiegel durch eine Flamme direct erhitzt wurde, dass die Leitungsfähigkeit des ge - schmolzenen Selens bis zur Temperatur von 350°, bei welcher bereits eine reichliche Verdampfung eintrat, noch fortwährend wuchs. Eine auffallende Erscheinung ist hierbei die, dass so - wohl beim festen wie beim geschmolzenen Selen die Leitungs - fähigkeit sich mit der Dauer der Erhitzung vermindert, so dass es bei schneller Erhitzung auf eine bestimmte Temperatur weit besser leitet, wie bei langsamer Erhitzung auf dieselbe, so wie ferner, dass durch andauernden Strom durch erhitztes Selen383 ebenfalls eine schnelle Verminderung der Leitungsfähigkeit her - beigeführt wird, wie wenn eine Polarisation einträte, welche dem Durchgange des Stromes entgegenwirkte. Die angestellten zahlreichen Messungen der Temperatur und der zugehörigen Leitungsfähigkeit konnten aus diesen Gründen keine überein - stimmenden Zahlenwerthe ergeben. Als ein lehrreiches Beispiel dieser Versuche ist in Fig. 2 eine Curventafel dargestellt, welche ziemlich übereinstimmend die Abhängigkeit der Leitungs - fähigkeit von der Temperatur bei sehr langsamer, mehrere Stun - den dauernder Erwärmung und Abkühlung zur Anschauung bringt. Das im Specksteintiegel befindliche Selen war erst durch Abkühlung amorph gemacht, dann auf 150° erhitzt und mehrere Stunden auf dieser Temperatur erhalten, worauf es langsam ab - gekühlt wurde. Es musste also krystallinisches Selen sein, welches seine latente Wärme bereits abgegeben hatte. Curve A zeigt nun die Steigerung der Leitungsfähigkeit mit der Zu - nahme der in der Abscissenaxe angegebenen Temperatur. Die Messung geschah derart, dass durch einen Morse-Taster eine Daniell’sche Zelle in den aus dem Selen, den Gaskohlenspitzen und dem Galvonometerdraht gebildeten Schliessungskreis so lange eingeschaltet wurde, bis die Ablenkung des Spiegels ein Maximum geworden war. Da das Galvanometer vollkommen aperiodisch war, so fiel dies Maximum des Ausschlages mit der dauernden Ablenkung vollkommen zusammen. Beim Loslassen des Tasters wurde die Daniell’sche Zelle ausgeschaltet. Es bot diese Methode den Vortheil, dass man mit der Messung des Stromes gleich eine Messung der etwa vorhandenen Polarisation verbinden konnte. Wird nämlich durch Anbringung eines Richt - stabes, in passender Entfernung unter dem Magnete des Galva - nometers, die Richtkraft des letzteren so gross gemacht, dass die Aperiodicität gerade vollständig ist, ohne überschritten zu sein, wie dies bei meinem Galvanometer ohne Richtstab der Fall ist, so geht der Spiegel bei Rückstromschaltung ebenso wie bei Unterbrechung des Stromes genau in seine O-Stellung zurück, ohne darüber hinauszuschwanken. Ist aber Polarisation vorhanden, durchläuft also ein Rückstrom die Galvanometerwin - dungen während des Rückganges des Spiegels, so wirkt dieser Strom beschleunigend auf den Magnet und treibt ihn über die384 Ruhelage hinaus. Die Grösse dieser Ueberschreitung der Ruhe - lage ist dann ein Mass der Stärke der Polarisation. Die später angeführten Polarisationsmessungen sind in dieser Weise ausge - führt, wenn nicht angegeben ist, dass sie mit der continuirlichen Wippe oder ohne gleichzeitige Strommessung, von der Ruhestel - lung aus, angestellt sind.

Wie sich aus dem Anblick der Curve A, A' ergiebt, nimmt die Leitungsfähigkeit mit wachsender Temperatur in schneller Progression zu. Bei der ersten Messung bei 50 °C. war sie 15, bei 100°: 78, bei 150°: 290, bei 200°: 927. Auf dieser Tempe - ratur wurde das Bad 15 Minuten lang erhalten. Die Leitungs - fähigkeit sank dadurch auf 819 zurück und erhob sich erst nach weiterer Erhitzung auf 203° wieder bis 923. Als die Tempera - tur nun wieder 50 Minuten nahe constant erhalten wurde, sank die Leitungsfähigkeit wieder bis auf 815 hinab. Bei der jetzt beginnenden Abkühlung war sie bei 200°: 789, bei 150: 267, bei 130°: 170, wo der Versuch abgebrochen werden musste. Am folgenden Tage wurde der Versuch in gleicher Weise wieder - holt und ergab die ähnlichen, in Curve A bei aufsteigenden und Curve A' bei fallenden Temperaturen dargestellten Curven. Dr. Frölich hat versucht, eine empirische Formel für die Abhängig - keit der Leitungsfähigkeit von der Temperatur aufzustellen. Die Curve B ist nach der von ihm gefundenen Formel k = C + a. eat oder in Zahlen k = 17 + 8.48 (1,025) t, gezeichnet. Hiernach ist, da C = k , d. h. die Leitungsfähigkeit bei sehr niederer Temperatur 〈…〉 d. h. das Wachsthum der Leitungsfähigkeit k 'proportional mit k' selbst.

Die beschriebenen Versuche waren mit Zuleitungen aus Gaskohle angestellt, um sicher zu sein, dass keine Verbindung des geschmolzenen oder stark erhitzten Selens mit denselben einträte. Nachdem ich mich aber überzeugt hatte, dass weder Platina noch Eisen von festem Selen angegriffen wird, benutzte ich bei den weiteren Versuchen die weit bequemeren, oben be -

Verlag von Julius Springer, Berlin N.

385 schriebenen Drahtspiralen oder Gitter, deren Zwischenräume mit Selen ausgefüllt waren.

Es kam mir jetzt vor allen Dingen darauf an, Anhalts - punkte zur Erklärung der merkwürdigen Thatsache zu finden, dass amorphes Selen, längere Zeit auf 200 bis 210° erhitzt, seine physikalischen Eigenschaften so vollständig ändert, dass seine Leitungsfähigkeit bei gewöhnlicher Temperatur 30 bis 50 mal grösser wird, als die des durch Erhitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachten Selens, und jetzt mit steigender Temperatur sich vermindert, während die des letzteren sich ver - grössert. Es erschien mir wahrscheinlich, dass diese Umwand - lung in innigem Zusammenhange mit der Erscheinung stehen müsse, dass die Leitungsfähigkeit des Selens sich bei höheren Temperaturen mit der Zeit der Erhitzung vermindert.

Zwei Drahtgitter aus 10 parallelen Drähten von 0,04 mm. Dicke im Abstande von 1 mm., etwa 12 mm. im Quadrat gross, wurden zwischen zwei Glimmerblättern im Abstande von etwa 0,7 mm. mit amorphem Selen ausgefüllt. Die Einrichtung war so getroffen, dass die Verlängerung der beiden Gitterdrähte aus dem Paraffinbade, in welches sie eingetaucht wurden, hervor - ragten und leicht mit den Galvanometerdrähten verbunden wer - den konnten. Es wurde dann das Paraffin schnell auf 200 °C. erhitzt. Bis zur Temperatur 100 °C. war kein Strom zwischen beiden Gitterdrähten durch eine Batterie von 6 Elementen wahr - zunehmen. Dann begannen beide Gitter zu leiten und bei 180° war der Strom eines Daniells nur mit Hülfe einer am Galvano - meter angebrachten Nebenschliessung zu messen, welche seine Empfindlichkeit auf 1 / 10 verminderte. Bei 200° erreichte der Strom bei beiden Gittern sein Maximum. Gitter No. 33 hatte die Leitungsfähigkeit 2720, Gitter No. 36 die Leitungsfähigkeit 2120. Die Temperatur wurde nun 4 Stunden lang constant auf 200° erhalten. Nach der ersten Stunde war die Leitungs - fähigkeit von dem ersten auf 1240, die vom zweiten auf 940 gesunken. Nach Verlauf der zweiten Stunde war die Leitungs - fähigkeit des ersten noch 1090, die des zweiten 820, und nach Verlauf der vierten Stunde waren sie 1000 resp. 800. Es wurde jetzt No. 36 rasch durch Eintauchen in kaltes Petroleum abge - kühlt, während No. 36 langsam abgekühlt und während dieser25386Zeit die Leitungsfähigkeit von Zeit zu Zeit gemessen wurde. Das letztere hatte bei 180° die Leitungsfähigkeit 1020, bei 150° die Leitungsfähigkeit 2460, bei 130° die Leitungsfähigkeit 5730, bei 120° die Leitungsfähigkeit 8320. Bei 100° ging der Spiegel über die Scala und es musste ein grösserer Nebenschluss am Galvanometer angebracht werden, welcher seine Empfindlichkeit auf〈…〉〈…〉 reducirte. Die Leitungsfähigkeit war nun bei 100°: 17020, bei 80°: 21280 und nahm von hier an langsam wieder ab. Da das Parraffin bei 60° erstarrte, so nahm auch dessen Tempe - ratur von hier an nur sehr langsam ab. Nach vollständiger Abkühlung am anderen Tage war die Leitungsfähigkeit nur noch 6190.

Das rasch von der Temperatur 200° in kaltem Petroleum ab - gekühlte Gitter No. 33 hatte nach der Abkühlung die Leitungs - fähigkeit 16450 und ging jetzt continuirlich, erst schneller, dann immer langsamer, zurück. Nach Stunden war sie noch 14330 und am nächsten Tage noch 7710.

Es folgt aus diesen Versuchen, dass das längere Zeit auf 200° erhitzte amorphe Selen eine Umwandlung erfährt, durch die seine Leitungsfähigkeit bei dieser Temperatur bis auf etwa ihrer anfänglichen Grösse vermindert wird. Es hat dann die Eigen - schaft der Metalle, dass die Leitungsfähigkeit bei abnehmender Temperatur wächst, während dieselbe bei krystallinischem Selen, welches nicht längere Zeit erhitzt war, mit abnehmender Tem - peratur rasch abnimmt.

Bei schneller Abkühlung zur Luftemperatur leitet das abge - kühlte Selen über 16 mal besser wie bei der Temperatur von 200°. Es behält diese grosse Leitungsfähigkeit aber nicht dauernd. Die - selbe verliert sich nach und nach wieder und nähert sich erst nach Verlauf mehrerer Tage einer Constanten.

Hat die Erhitzung des Selens auf 200 bis 210° so lange ge - dauert, bis keine weitere Verminderung der Leitungsfähigkeit mehr stattfindet, so beginnt bei eintretender Abkühlung sofort die Ver - grösserung der Leitungsfähigkeit. War diese Grenze nicht er - reicht, so nimmt die Leitungsfähigkeit bei eintretender Abkühlung zuerst ab, nähert sich dann einem Wendepunkte, von dem ab sie dann wieder zunimmt. Die Höhelage dieses Wendepunktes hängt von der Dauer der Erhitzung und der durch sie herbeigeführten387 Verminderung der Leitungsfähigkeit während derselben ab. Dauert die Erhitzung nur kurze Zeit, so wird der Charakter des Selens dadurch nicht geändert; seine Leitungsfähigkeit vermindert sich fortwährend mit der Erniedrigung der Temperatur, wie bei un - verändertem krystallinischen Selen.

Das Gitter, mit welchem dies letztere constatirt ward, wurde darauf 8 Minuten in das Paraffinbad von 205° getaucht und dann durch einen Luftstrom, nachdem es aus dem Bade genommen war, rasch abgekühlt. Seine Leitungsfähigkeit war während dieser Zeit von 100, die es etwa 15 Sec. nach der Eintauchung ange - nommen hatte, auf 39 gefallen. Bei der Abkühlung fiel seine Leitungsfähigkeit schnell auf 5 hinab und stieg dann wieder auf 37. Nachdem es wiederum ¼ Stunde erhitzt war, fiel die Lei - tungsfähigkeit nach der Abkühlung von Leitungsfähigkeit 132, die es jetzt im Paraffinbade von 212° angenommen hatte, auf 50 und stieg darauf bis 200. Es behielt diese erhöhte Leitungs - fähigkeit aber nicht, sondern sie sank nach und nach auf einen geringen Betrag.

Es muss hierbei bemerkt werden, dass das beschriebene merkwürdige Verhalten des Selens, bei andauernder Erhitzung auf 200° den Charakter der metallischen Stromleitung anzunehmen, nur dann in dieser Weise beobachtet wurde, wenn amorphes Se - len direct auf 200° erhitzt ward. War es erst längere Zeit auf 100° erhitzt und dadurch vollständig in einfaches krystallinisches Selen umgewandelt, so trat diese Umwandlung bei weiterer an - dauernder Erhitzung auf 200° gar nicht oder doch nur in weit geringerem Masse ein. Ebenso ist Selen, welches aus dem flüssigen Zustande direct in den krystallinischen Zustand übergeführt ist, was eintritt, wenn man Selen schmilzt und dann sehr lange in einer Temperatur von 200 bis 210° erhält, nicht metallisch leitend, wie ich früher annahm, sondern verhält sich wie das bei ge - ringerer Temperatur umgewandelte krystallinische Selen. Diese Krystallisation aus dem flüssigen Zustande geht äusserst langsam vor sich. Ein Glasrohr von 6 mm. Weite, welches auf seiner Länge mit Selen gefüllt war, wurde zugeschmolzen und in einem Paraffinbade erst eine Stunde lang zur Temperatur von 230° er - hitzt. Die Temperatur des Bades wurde dann auf 205° erniedrigt und mit Hülfe eines mechanischen Wärmeregulators während25*38824 Stunden unausgesetzt auf einer zwischen 205 und 208° schwan - kenden Temperatur erhalten. Beim Herausnehmen des Rohres erschien das Selen in demselben gänzlich erstarrt zu sein. Als es jedoch zerbrochen wurde, nachdem es schnell abgekühlt war, zeigte sich, dass nur der obere Theil der Masse grob krystallinisch war, während der untere Theil, etwa der ganzen Masse, noch aus amorphem Selen bestand. Es wird der untere Theil des Bades, in welchem das Rohr sich in senkrechter Lage befand, wahr - scheinlich etwas wärmer gewesen sein, als der obere und daher die Krystallisation von oben begonnen haben. Die Masse des krystallinischen Selens war blasig, was vielleicht damit zusammen - hing, dass bei Oeffnung des Rohres ein starker Geruch nach Selen-Wasserstoff sich verbreitete. Das Selen wie das Glasrohr waren zwar lufttrocken, doch waren keine Vorsichtsmassregeln zur Abhaltung von Wasserdampf angewandt. Es wurde aus dieser krystallinischen Selenstange ein Cylinder geschnitten und dieser zwischen zwei mit einer Lage Kupferamalgam bedeckten Metall - platten eingespannt. Neben diesem, in der beifolgenden Tabelle mit A bezeichneten Selencylinder wurde ein ähnlicher aus krystalli - nischem Selen, das durch Erhitzung des amorphen Selens auf 100 °C. erzeugt war und die Bezeichnung B trägt, und eines dritten durch 10stündige Erhitzung amorphen Selens auf 200° erzeugten und mit C bezeichneten der Widerstandsmessung unter - zogen und die specifische Leitungsfähigkeit der Masse bei 15 °C. auf Leitungsfähigkeit des Quecksilbers als Einheit bezogen gemessen. Diese Zahlen machen jedoch nur auf geringe Genauig - keit Anspruch, da namentlich bei C. die einzelnen Bestimmungen erheblich von einander abweichen.

Im Folgenden wird stets

  • Mod. I: Selen, welches wie Cylinder B,
  • Mod. II: Selen, welches wie Cylinder C,
  • Mod. III: Selen, welches wie Cylinder A

behandelt wurde, bezeichnen.

389

Eine sehr merkwürdige Eigenschaft des krystallinischen Se - der Mod. II ist die von Adams beobachtete, dass seine Leitungs - fähigkeit mit der elektromotorischen Kraft der zur Messung be - nutzten Batterie zunimmt. Bei den Versuchen der folgenden Ta - belle wurde ein durch lange Erhitzung auf 205° umgewandeltes Selengitter der Mod. II benutzt. Das Gitter wurde in Petroleum getaucht, welches durch umgebendes schmelzendes Eis auf der constanten Temperatur von 1,3 °C. erhalten wurde.

Da das mit den beiden Glimmerblättern, zwischen denen es lag, nicht viel über 0,5 mm. dicke Gitter von Petroleum von con - stanter Temperatur umgeben war, so konnten die Messungen durch Erwärmung durch den Strom nicht sehr beeinträchtigt sein. Da Erwärmung bei Selen der Mod. II die Leitungsfähigkeit des - selben vermindert, so könnten jedoch die gemessenen Werthe bei grösserer Zellenzahl vielleicht noch etwas zu klein ausgefallen sein. Bei höheren Temperaturen fällt die Steigerung der Leitungs - fähigkeit mit wachsender elektromtorischen Kraft etwas geringer aus. Als dasselbe Gitter auf 18° erhalten wurde, erhielt man:

Die absoluten Werthe beider Versuchsreihen sind nicht vergleich - bar, da die Leitungsfähigkeit des Gitters sich am folgenden Tage geändert hatte und der Galvanometer-Nebenschluss ver - schieden war. Es scheint hiernach, dass diese Eigenthümlichkeit des Selens mit Annäherung an seinen Wendepunkt, der bei diesem Gitter zwischen 30 und 40° lag, mehr und mehr verschwindet. Bei Selen der Mod. I, welches nicht höher wie 150° erhitzt ist,390 ist diese Erscheinung nur bei sehr geringen elektromotorischen Kräften noch nachzuweisen. Werden Erwärmung und Veränderung der Leitungsfähigkeit durch andauernde Ströme vermieden, so bleibt die Leitungsfähigkeit bei Anwendung von 1 bis 15 Ele - menten bei ihm ziemlich unverändert. Da Adam’s Selenstange die Eigenschaften der Mod. II hatte, wahrscheinlich weil sie zu - fällig bei sehr hoher Temperatur aus amorphem Selen umge - wandelt war, so ist erklärlich, dass er die Zunahme der Leitungs - fähigkeit bei Anwendung grösserer elektromotorischer Kräfte für eine allgemeine Eigenschaft des krystallinischen Selens hielt.

Die gleiche elektromotorische Kraft der benutzten Daniell - schen Zellen, welche bei diesen Versuchen sowohl wie bei allen späteren sehr constante Daniell’sche Ketten, sogenannte Pappele - mente, waren, wurde vor Anstellung der Versuche constatirt.

Es ist schon hervorgehoben, dass der galvanische Strom die Leitungsfähigkeit des Selens verändert. Diese Aenderung geschieht stets in demselben Sinne, als wenn es durch den Strom erwärmt wäre. Es nimmt also durch dauernden Strom die Leitungsfähig - keit von Mod. I zu, die von Mod. II ab. Wäre aber die Er - wärmung der Selenmasse die Ursache der Veränderung, so müsste die Veränderung den Quadraten der Stromstärke proportional sein und sie müsste weit geringer sein, wenn die Gitter durch ihre Umgebung auf constanter Temperatur erhalten werden. Es ist dies aber nicht der Fall. Die Versuche wurden mit gleichen Gittern gemacht, von denen das eine Mod. I, das andere Mod. II war. Die Ergebnisse derselben sind in Fig. 3 graphisch darge - stellt. Beide Gitter befanden sich in Petroleum von der Tempe - ratur der Luft. Mod. I wurde durch 12, Mod. II durch 3 einge - schaltete Daniell’sche Zellen dauernd durch den Galvanometerdraht geschlossen. Die Abscissenaxe giebt die Zeit der Schliessung des Stromlaufes durch das Gitter in Minuten, die Ordinatenaxe die beobachteten Ablenkungen des Spiegels, dessen Ruhelage häufig controlirt wurde. Curve A giebt die Leitungsfähigkeit des Gitters der Mod. I an und zwar wurde dieselbe hier, wie bei den übrigen Curven, nach jeder Temperatur-Aenderung von beobachtet. Wie ersichtlich, steigt die Leitungsfähigkeit fortwährend und zwar erst schnell und mit der Zeit immer langsamer, so dass sie sich asymptotisch einer Constanten zu nähern scheint.

391

Die in den Curven B und C dargestellten Versuche sind mit dem Gitter der Mod. II und 3 Zellen angestellt, und zwar war das Gitter bei der Versuchsreihe B in Luft von constanter Tem - peratur, bei Versuchsreihe der Curve C, welche am folgenden Tage ausgeführt wurde, in Petroleum von nahe gleicher Tempe - ratur. Da die elektromotorische Kraft der benutzten Batterie nur ¼ derjenigen war, mit welcher die Versuchsreihe der Curve A ausgeführt wurde, so müssen die Ordinaten der ersteren mit 4 multiplicirt werden, um mit denen der letzteren vergleichbar zu sein.

Es ergiebt sich aus diesen Curven, dass die Leitungsfähig - keit erst schnell, dann langsamer, fortwährend abnimmt. Nach Aufhören des Stromes nimmt das Selen nach Verlauf einer längeren Zeit seine frühere Leitungsfähigkeit nahe wieder an. Wäre die Erhitzung der Selenmasse durch den Strom die Ur - sache der Verminderung der Leitungsfähigkeit, so müsste eine beträchtliche Verschiedenheit zwischen den Curven B und C vor - handen sein.

Wird die Richtung des Stromes durch das Selen umgekehrt, nachdem seine Leitungsfähigkeit durch den Strom bedeutend ver - mindert ist, so beobachtet man sehr veränderliche und schwer vorherzubestimmende Erscheinungen, die zum Theil von der mehr oder weniger vollständigen Umwandlung des Selens in Mod. I oder II, zum Theil von der Zeit, die seit der Umwandlung ver - flossen ist, abzuhängen scheinen. Manche Gitter sind nur geringen Einflüssen des Stromes unterworfen und zeigen auch nicht die geringste Polarisation, selbst wenn sie mit einer schnellgehenden Wippe darauf geprüft werden. Bei anderen tritt Polarisation auf, wenn die Stromstärke eine gewisse Grenze überschreitet, bei noch anderen endlich tritt sie auch bei ganz schwachen elektro - motorischen Kräften schon auf. Bei diesen, gewöhnlich frisch umgewandelten Gittern sinkt die Leitungsfähigkeit bei andauern - dem Strome nach und nach bis auf einen ganz geringen Betrag. Kehrt man nun die Stromrichtung um, so erhält man keinen Polarisationsausschlag; die erste Ablenkung des Spiegels ist nicht grösser als sie vor der Umkehr war, fängt aber bald darauf an zu steigen und der Strom kann in wenig Minuten den 1000fachen Betrag des anfänglichen erreichen. Nach Ueberschreitung des392 Maximums fällt die Ablenkung wieder und geht bei längerer Fortdauer des Stromes langsam wieder auf den ersten geringen Betrag zurück. Es schien zuerst, als wenn man es hier mit Peltier’schen Strömen, die durch Erwärmung und Abkühlung der Berührungsflächen zwischen Selen und Gitterdrähten durch den Strom hervorgerufen wären, zu thun hätte, doch ist dadurch das allmähliche Ansteigen des Stromes nach der Umkehr nicht zu er - klären. Man wird aber lebhaft an die von Hittorf beschriebenen eigenthümlichen Erscheinungen erinnert, die derselbe beim Halb - Schwefelkupfer beobachtet hat. Dieselben sind in ähnlicher Weise auch bei fehlerhaften Unterseekabeln bemerklich, wenn sie durch vulcanisirtes Kautschuck oder Guttapercha isolirt sind, ferner bei den sogen. unipolaren Leitern, wie Seife etc., und sind hier auf eine elektrolytische Aenderung dieser Körper an den Contact - flächen und in deren Umgebung zurückzuführen.

Ganz absonderlich ist auch das Verhalten des Selens bei eintretendem Temperaturwechsel. Das Selen nimmt, sobald seine Temperatur verändert ist, sofort eine dieser Temperatur ent - sprechende Leitungsfähigkeit an und zwar bei steigender Tempe - ratur eine grössere, wenn es aus Mod. I, eine geringere, wenn es aus Mod. II besteht. Es behält aber diese Leitungsfähigkeit nicht dauernd. Bei Mod. II sinkt dieselbe nach jeder Temperatur - änderung, mag dieselbe in einer Erhöhung oder einer Erniedri - gung der Temperatur bestanden haben, und nähert sich erst schnell, dann langsamer einem Grenzwerthe. Je tiefer unter dem Wendepunkte die Temperatur liegt, die dem Selen ertheilt wird, desto grösser ist die Leitungsfähigkeit, die es sogleich annimmt, desto schneller und grösser ist aber auch der Rückgang derselben. Wird es später wieder auf die höhere Temperatur gebracht, so nimmt es allmählich die derselben entsprechende Leitungsfähigkeit wieder an, erreicht sie aber nicht vollständig wieder, wenn die Temperaturdifferenz beträchtlich war. Ist das Selen lange in der niederen Temperatur gewesen und seine Leitungsfähigkeit auf ein Minimum hinabgesunken, so kann die eigenthümliche Erscheinung eintreten, dass eine Temperaturerhöhung im ersten Augenblicke eine Erhöhung der Leitungsfähigkeit bei der Mod. II hervorbringt, wenn die Leitungsfähigkeit bei der niedrigen Temperatur unter diejenige, die der höheren Temperatur zukommt, hinabgesunken393 war. Ist dann das Minimum für diese Temperatur eingetreten, so fällt dies aber wieder niedriger aus als das Minimum, welches bei der höheren Temperatur eintrat.

Sehr grosse Abkühlung, z. B. eine Temperaturerniedrigung auf 15°, scheint die metallische Eigenschaft der Mod. II gänz - lich zu zerstören oder drückt doch mindestens den Wendepunkt bis unter die Lufttemperatur hinab, so dass ein Gitter der Mod. II nach einer solchen Abkühlung die Eigenschaften der Mod. I zeigt.

Bei Gittern der Mod. I sind diese Erscheinungen constanter. Die Leitungsfähigkeit geht bei Temperaturerhöhung so wie bei Temperaturerniedrigung erst schnell, dann langsamer direct auf die der betreffenden Temperatur zugehörige Grösse.

Es ist hier noch eine Erscheinung hervorzuheben, der man bei den Versuchen mit Selen häufig begegnet, und die sehr störend in die meinigen eingriff, ehe es gelang, die Ursache derselben zu erkennen oder doch wenigstens die Bedingungen festzustellen, unter denen sie eintritt. Während es in der Regel, wenigstens bei älteren Selengittern, bei denen die oben beschriebene Polari - sation nicht mehr eintritt, für die Widerstandsmessung ganz gleich - gültig ist, welches die Richtung des Stromes durch das Selen ist, tritt bisweilen der Fall ein, dass die Widerstandsmessung bei der einen Stromrichtung viel grösser bisweilen über doppelt so gross ausfällt als bei der anderen. Es hat sich nun ge - zeigt, dass diese auffällige Erscheinung dann eintritt, wenn die Berührungsfläche zwischen dem Selen und den Zuleitungsdrähten sehr ungleich gross sind. Als ich zu Beleuchtungsversuchen beide Seiten eines etwa ½ mm. dicken Selenplättchens der Mod. II mit einem Drahtgitter aus 0mm,03 dicken Platinadrähten versehen hatte, die auf der einen Seite des Plättchens 1 mm., auf der anderen ½ mm. Abstand von einander hatten, zeigte sich, dass die Lei - tungsfähigkeit des Plättchens etwa doppelt so gross war, wenn das zwischen den beiden Drathgittern eingeschaltete Element so angelegt war, dass der Kupferpol mit dem aus 10 parallelen Drähten bestehenden weiten Gitter, der Zinkpol mit dem aus 20 Drähten bestehenden engen Gitter von ½ mm. Abstand ver - bunden war, als bei der umgekehrten Einschaltung.

Bei zwei möglichst gleich angefertigten Doppelgittern der be -394 schriebenen Art. A und B, ergaben sich für die angegebenen Schaltungen die Leitungsfähigkeiten:

Es scheint hiernach, als wenn hier der Leitungswiderstand des Selens fast ganz von der Grösse der positiven Anode abhängig ist. Die früher bei gleich grossen Zuleitungsflächen beobachtete ähn - liche Erscheinung erklärte sich danach einfach dadurch, dass beide nicht in gleich inniger, leitender Verbindung mit der Selenmasse waren. Polarisation war in allen diesen Fällen nicht vorhanden.

Bei Mod. I und dem aus flüssigem Selen krystallisirten, viel grobkörnigeren und besser leitenden Selen, welches wir Mod. III nennen wollen, hat sich diese Erscheinung nicht gszeigt.

Durch die beschriebenen Versuche ist ersichtlich, dass das krystallinische Selen sich in seinem Verhalten gegen Wärme und Elektricität wesentlich von den anderen einfachen Körpern unter - scheidet. Mit dem Tellur und der Kohle hat es die abweichende Eigenschaft gemein, die Elektricität besser bei höherer Temperatur zu leiten, während alle übrigen einfachen, die Elektricität leitenden Körper, d. i. die Metalle, dieselbe bei niederer Temperatur besser leiten. Das Selen behält aber diese Eigenschaft nicht bei allen Temperaturen bei, sondern verliert sie bei längerer Erhitzung auf 200 °C. und verhält sich dann der Elektricität gegenüber ebenfalls wie ein Metall, d. i. seine Leitungsfähigkeit nimmt mit der Ab - kühlung zu. Dieser metallische Zustand des bei höherer Temperatur in den krystallinischen Zustand übergeführten amorphen Selens ist aber nicht stabil. Er bildet sich bei und nach der Abkühlung langsam wieder in den des nicht metallisch sondern elektrolytisch leitenden, bei geringerer Temperatur krystallinisch gewordenen Selens zurück, bis auf einen im letzteren gelöst bleibenden Rest, dessen Grösse von der Höhe der Temperatur, bis zu welcher es abgekühlt wurde, abhängt. Da das Selen ein einfacher Körper ist, so können es nicht eigentliche chemische Verbindungen oder Umwandlungen sein, welche diese verschiedenen Zustände bedingen,395 und es liegt die Annahme nahe, dass es ein dritter allotroper Zu - stand ist, den das feste Selen bei längerer Erhitzung auf 200 °C. annimmt, ein Zustand, der nur bei dieser Temperatur stabil ist und bei niedrigeren Temperaturen nur dadurch vor gänzlicher Zer - störung und Umbildung in elektrolytisch leitendes Selen geschützt wird, dass es in diesem gelöst oder mit ihm verbunden ist. Es erklärt sich hierdurch das Auftreten eines Wendepunktes, bei dessen Ueberschreitung die metallische Leitung in die den Charakter der elektrolytischen Leitung tragende übergeht, so wie das Herabsinken desselben mit der Zeit und der Temperaturerniedrigung. Diese Anschauung wird noch durch manche andere Erscheinungen und Analogieen unterstützt.

Durch Arndsen1)Pogg. Ann. Bd. 104, S. 1 u. Bd. 105, S. 148. ist nachgewiesen und anderseitig mehrfach constatirt, dass der Leitungswiderstand eines reinen festen Metalles nahe geradlinig vom absoluten Nullpunkte der Temperatur bis in die Nähe seines Schmelzpunktes steigt. Man kann dies auch so ausdrücken, dass der specifische Leitungswiderstand eines reinen, festen Metalles der absoluten Wärmemenge äquivalent ist, welche das Metall enthält. Einfache Metalle in festem Zustande können demnach keine latente Wärme enthalten und es ist nicht unwahr - scheinlich, dass gerade hierin die Bedingung der metallischen Lei - tung zu suchen ist. Durch Matthiessen2)Pogg. Ann. Bd. 100, S. 177. ist nämlich für Kalium und Natrium, durch mich3)Pogg. Ann. Bd. 189, S. 99. für Zinn direct, für Kupfer, Silber und Zink indirect nachgewiesen, dass durch Aufnahme der latenten Schmelzwärme eine sprungweise Erhöhung des Leitungswider - standes eintritt. Diese Erhöhung beginnt schon in geringem Masse vor der Schmelztemperatur und dauert nach Eintritt des flüssigen Zustandes noch fort was man vielleicht durch eine schon beginnende und noch nicht ganz vollendete Schmelzung er - klären kann. Nach meinen früheren Versuchen, die für das Zinn in Fig. 4 graphisch dargestellt sind, würde die Widerstands - zunahme des Zinns nach Aufnahme der latenten Schmelzwärme etwa der durch eine Temperaturzunahme um ca. 511 °C. hervor - gerufenen entsprechen. Rudberg4)Pogg. Ann. Bd. 19, S. 133. giebt die latente Schmelz -396 wärme des Zinns auf 13,314, Person1)Pogg. Ann. Bd. 146, S. 300. auf 14,25 an. Nimmt man die specifische Wärme des Zinns zu 0,051 an, so würde die absolute Wärmemenge des Zinns in der Nähe seines Schmelzpunktes ca. 25,3 Wärmeeinheiten betragen, wenn man die Veränderung der specifischen Wärme in der Nähe des Schmelzpunktes ausser Betracht lässt, und die durch den Schmelzvorgang hinzutretende Wärmemenge dürfte nur einer Temperaturerhöhung von 259° ent - sprechen. Hiernach vergrössern beim Zinn latente und freie Wärme den Leitungswiderstand nicht in gleichem Masse, sondern es ist der Einfluss der latenten Wärme nahe doppelt so gross wie der der freien.

Wenn es hiernach auch nicht zulässig ist, den Arndsen’schen Satz dahin zu erweitern, dass der Leitungswiderstand der reinen Metalle allgemein, also auch im geschmolzenen Zustande der ab - soluten Wärmemenge äquivalent ist, so bleibt es doch das am meisten charakteristische Merkmal des Metalles, dass sein Leitungs - widerstand sowohl mit der Temperatur, als mit der latenten Wärme, die es aufnimmt, zunimmt. Es gilt dies auch von den Legirungen. Dass der Widerstand der sogenannten chemischen Legirungen grösser ist, wie der der gesonderten Metalle, aus denen sie be - stehen, erklärt sich dadurch, dass sie beim Erstarren latente Wärme zurückbehalten, wie durch Rudberg2)Pogg. Ann. Bd. 121, S. 460. und Andere constatirt ist.

Nimmt man die obige Definition für das Metall an, so kann man Selen und Tellur und überhaupt solche andere einfache Körper, wie die Kohle, die die Elektricität zwar ohne Zersetzung leiten, deren Widerstand aber mit steigender Temperatur abnimmt, nicht zu ihnen rechnen. Da Selen aber nach längerer Erhitzung auf 200° bei dieser Temperatur metallisch leitet, so muss es in diesem Zu - stande als Metall angesehen werden. Die eingetretene Umwandlung kann, wie unter ähnlichen Umständen beim Phosphor, nur in einer Abgabe latenter Wärme gesucht werden. Man muss daher annehmen, dass das Selen im krystallinischen ebensowohl wie im amorphen Zustande eine allotrope Modification des metallischen, d. i. von latenter Wärme freien Selens ist, und dass es sich von den eigentlichen Metallen wesentlich dadurch unterscheidet, dass diese nur bei Veränderung ihres Aggregatzustandes, ersteres aber auch397 bei allen unter 200° liegenden Temperaturen latente Wärme auf - nimmt.

Es liegt die Vermuthung nahe, dass Tellur und Kohle sich ähnlich verhalten. Vielleicht werden spätere Untersuchungen er - geben, dass auch alle die Elektricität nicht leitenden einfachen Körper allotrope Zustände ihrer, für sich nicht existenzfähigen, einfachen Radicale sind, d. i. im festen Zustande latente Wärme enthalten und aus diesem Grunde Nichtleiter der Elektricität sind, wie das amorphe Selen.

Es wird durch diese Theorie allerdings nichts direct erklärt, wie es kommt, dass die auf der Grenze zwischen Metallen und Metalloiden stehenden Körper, wie Selen, Tellur und Kohle die Elektricität mit steigender Temperatur besser leiten, obschon die Summe der enthaltenen Wärme grösser wird. Da aber beim Selen mit steigender Temperatur offenbar die Kraft, mit welcher es die in den festen Zustand mit übergeführte latente Wärme festhält, sich vermindert, derart dass es bei 80° schon beginnt, einen Theil, bei 200° den Rest derselben abzugeben, so kann man annehmen, dass der elektrische Strom den ihm durch die latente Wärme ent - gegengesetzten Widerstand um so leichter überwindet, je geringer diese Kraft, mithin je höher die Temperatur ist1)Der Ausdruck, dass den Körpern eine Kraft beiwohnt, mit der sie die latente Wärme mehr oder weniger festhalten, ist nur bildlich zu nehmen. Nach der mechanischen Wärmetheorie kann man sich die Erscheinung, dass Körper bei bestimmten Temperaturen Wärme aufnehmen oder frei geben sei sie mit Aenderung des Aggregatzustandes oder der Dichtigkeit verbunden oder nicht nur so auffassen, dass die Körperelemente in eine veränderte Lage zu einander treten, zu deren Herbeiführung mehr oder weniger innere Arbeit im positiven oder negativen Sinne verbraucht wird, die dann als ver - schwindende oder auftretende freie Wärme zur Erscheinung kommt. Diesen verschiedenen Molekularzuständen muss nun eine gewisse Stabilität zuge - schrieben werden, die sich mit steigender Temperatur vermindert. Ist die Temperatur erreicht, bei welcher der Zustand keine Stabilität mehr hat, so tritt eine neue Gleichgewichtslage der Körperelemente ein, die wiederum zwischen bestimmten Temperaturgrenzen stabil ist. Der metallische Zustand eines festen Körpers wäre demnach derjenige, bei dessen Herbeiführung keine Arbeit verbraucht ist ein Zustand, welcher nur bei den Metallen stabil ist und welcher sie befähigt, die Elektricität zu leiten und zwar in der Weise, dass der Leitungswiderstand der absoluten Temperatur proportional ist. Die elektrolytische Leitung hätte man sich danach so vorzustellen,.

398

Um an der Hand dieser Anschauung die eigenthümlichen und widerspruchsvollen Erscheinungen zu erklären, welche nament - lich bei Mod. II, die danach als Lösung von metallischem in kry - stallinischem Selen zu betrachten wäre, beobachtet wurden, muss man annehmen, dass ein wesentlicher Theil des Widerstandes des Selens in den Grenzschichten desselben an den Zuleitungs - flächen seinen Sitz hat und dass diese Grenzschichten durch den elektrischen Strom elektrolytisch verändert werden. Diese Ver - änderung kann unter Umständen darin bestehen, dass das metallische Selen vom krystallinischen getrennt und dadurch vorübergehend oder dauernd zerstört und in krystallinisches oder amorphes um - gewandelt wird. Durch Umkehr des Stromes, durch Temperatur und Zeit, welche alle auf allmähliche Aenderung dieses wenig stabilen Zustandes einwirken, kann nachher eine Rückbildung oder anderweitige Umbildung herbeigeführt werden, durch welche die Leitungsfähigkeit sich wiederum ändert.

Eine eingehende Betrachtung und Klarstellung der speciellen Ursachen dieser Erscheinungen bedürfte weit eingehenderer und zeitraubenderer Versuche, wie es mir ihnen zu widmen möglich war. Sie sind aber wenigstens in einen gewissen ursächlichen Zusammenhang gebracht und es ist dadurch auch eine Grundlage für die Erklärung der räthselhaften Erscheinung gewonnen, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuchtung zunimmt, eine Erscheinung, welche die Veranlassung zu dieser Arbeit ist und ihre Fortsetzung bilden wird.

Schliesslich habe ich den HHrn. Dr. Frölich und Dr. Obach, welche die zahlreichen und zum Theil schwierigen und zeitrauben - den Versuche ausführten, von denen nur der kleinste Theil Auf - nahme in Obigem finden konnte, für ihre werthvolle Unterstützung zu danken.

1)dass die Elektricität den metallischen Molekularzustand vorübergehend her - beiführte was sie um so leichter und vollständiger bewirken kann, je weniger stabil der vorhandene Molekularzustand ist, also je höher die Temperatur ist. Da geschmolzene Metalle die Elektricität noch metallisch leiten, so muss man annehmen, dass durch die Schmelzung der metallische Charakter der gegenseitigen Lage der Körperelemente nicht verloren geht, wie es bei den allotropen Modificationen ohne Veränderung des Aggregat - zustandes der Fall ist.

[399]

Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit des Selens von Wärme und Licht.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. v. 7. Juni.)

1877

Am 17. Februar 1876 theilte ich der Akademie den ersten Theil dieser Untersuchung mit, welcher sich auf die Beschrei - bung der Veränderungen beschränkte, welche das Selen durch Einwirkung der Wärme und des elektrischen Stromes erleidet. Da es mir nicht gelungen war, den von Anderen, sowie von mir selbst früher beschriebenen Einfluss der Beleuchtung auf die elektrische Leitungsfähigkeit des Selens auch bei anderen Kör - pern nachzuweisen, so musste ich diese Erscheinung als eng verknüpft mit den besonderen Eigenschaften des Selens be - trachten, und es erschien eine eingehendere Untersuchung der - selben der einzige Weg zu sein, um eine Erklärung für diese merkwürdige Lichtwirkung zu finden.

Leider machte es mir meine Thätigkeit auf anderen Gebie - ten bisher unmöglich, die schon damals grösstentheils ange - stellten Versuche über die Lichtwirkung auf das Selen zum Ab - schluss zu bringen.

Inzwischen ist unter dem Titel der Einfluss des Lichtes auf den elektrischen Leitungswiderstand der Metalle eine Arbeit des Dr. Richard Börnstein in Heidelberg erschienen, welche die Grundlage meiner Arbeit dadurch in Frage stellt, dass Hr. Börn - stein die Führung des Nachweises unternimmt, dass die Ver - grösserung der Leitungsfähigkeit der Metalle durch Beleuchtung400 nicht auf Selen beschränkt sei, sondern auch beim Tellur, Platin, Gold und Silber und wahrscheinlich auch bei allen übri - gen Metallen eintrete.

Bei meinen Versuchen über den Einfluss der Beleuchtung auf andere Metalle hatte ich zwar bei der Wahl der Methoden und Instrumente stets die grösstmögliche Empfindlichkeit ange - strebt, war auch von demselben Principe ausgegangen wie Hr. Börnstein, die beleuchtete Fläche im Verhältniss zu der Dicke möglichst gross zu machen; ich war aber doch immer von der Ansicht geleitet worden, dass eine etwaige Vergrösserung der Leitungsfähigkeit in einem gewissen Verhältnisse zur specifischen Leitungsfähigkeit des betreffenden Metalles stehen müsste. Da nun das Selen auch in der bestleitenden und zugleich licht - empfindlichsten, von mir mit Modification II bezeichneten Form noch etwa 240000 Millionen mal schlechter leitet als Silber, so müsste eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit eines dünnen Metallblattes voraussichtlich auch mit wenig empfindlichen In - strumenten noch leicht zu erkennen sein, wenn die Zunahme der Leitungsfähigkeit der beleuchteten Oberfläche des Metalles von der specifischen Leitungsfähigkeit desselben abhängig war.

Anders stellt sich die Sache jedoch, wenn man annimmt, dass durch die Lichtwirkung auf der Oberfläche des Metalles eine leitende Schicht hergestellt wird, deren Leitungsfähigkeit in keinem directen Verhältniss zur specifischen Leitungsfähigkeit des beleuchteten Metalles selbst steht, also bei gut leitenden Metallen vielleicht nicht besser leitet, als die auf der Oberfläche des Selens erzeugte. Da wir die Leitungsfähigkeit der hinzuge - kommenen leitenden Schicht nur als Vergrösserung der Leitungs - fähigkeit des beleuchteten Metalles messen können und in der Verminderung der Dicke desselben durch den zu erhaltenden Zusammenhang des Metallblattes beschränkt sind, so erreichen wir bei gut leitenden Metallen bald die Grenze der durch die empfindlichsten Messinstrumente nicht mehr zu erkennenden Unterschiede. Ein Selenplättchen z. B., wie ich sie zu meinen Versuchen und zu Selen-Photometern verwendet habe, besteht aus 11 parallelen, 0,1 mm. dicken Drähten von 10 mm. Länge, in 1 mm. Abstand von einander, und hat dabei einen Leitungs - widerstand von circa 1 Million Q. Einh. Man kann sich das401 Selen daher ersetzt denken durch eine, die parallelen Drähte leitend verbindende, Quecksilberschicht von der Dicke x, welche durch die Gleichung gegeben ist: 〈…〉 oder 〈…〉 Bei einer Beleuchtung, welche die Leitungsfähigkeit des Selen - Plättchens verdoppelt, würde die hinzutretende leitende Beleuch - tungsschicht durch eine Quecksilberschicht von gleicher Dicke ersetzt werden können.

Das von Hrn. Börnstein zu seinen Versuchen benutzte Gold - blatt, an welchem er durch die Brückenmethode eine Zunahme der Leitungsfähigkeit von 0,0001 gefunden hat, hatte einen Widerstand von 3 Q. E., eine Länge von 24 und eine Breite von 9 mm. Wenn man daher das Goldblatt durch eine Queck - silberschicht von der Dicke y ersetzt, so hat man für y: 〈…〉 oder es ist 〈…〉

Wenn die Leitungsfähigkeit des Goldblattes sich um 0,0001 durch Beleuchtung vergrösserte, wie Hr. Börnstein fand, so musste die hinzugekommene Beleuchtungsschicht einer Queck - silberschicht von 0,0001 dieser Dicke, also von 〈…〉 mm., ent - sprechen, der Beleuchtungseffect war also circa 8900 mal so gross als beim Selen, wenn angenommen wird, dass die von Hrn. Börnstein benutzte Beleuchtung die Leitungsfähigkeit des Selenplättchens verdoppelt hätte! Um die Lichtwirkung auf das Selen durch eine bei allen Metallen gleiche Beleuchtungs - schicht zu erklären, braucht die Leitungsfähigkeit des Börnstein - schen Goldblattes nur um 1 / 89 Millionstel ihres Werthes ver - grössert zu werden, eine Grösse, die sich wohl niemals auf ex - perimentellem Wege wird nachweisen lassen. Am meisten Aus -26402sicht dazu gäbe wohl das Tellur, da dessen Leitungsfähigkeit nur 0,00042 von der des Goldes ist, falls es gelingen sollte, das Tellur in so dünnen leitenden Schichten darzustellen, wie das Goldblatt.

Die Gründe, aus welchen ich die Annahme einer auf allen Metallen auftretenden, leitenden Beleuchtungsschicht verwarf, stützen sich daher nicht auf die negativen Resultate meiner Bemühungen, die Lichtempfindlichkeit bei anderen Körpern als Selen nachzuweisen, sondern wesentlich darauf, dass die Licht - empfindlichkeit des Selens in hohem Grade abhängig ist von der Reinheit und molekularen Beschaffenheit desselben. Die ge - ringste Verunreinigung mit anderen Metallen vermindert seine Lichtempfindlichkeit in sehr hohem Grade. Als ich dem zur Anfertigung von Selenplättchen benutzten Selen nur ½ Proc. Silber zusetzte, war gar keine Lichtempfindlichkeit mehr wahr - zunehmen. Durch zu starke Lichtwirkung, durch starke Abküh - lung oder Erhitzung wird die Lichtempfindlichkeit in hohem Grade beeinträchtigt, selbst wenn keine wesentliche Veränderung der Leitungsfähigkeit des Präparates selbst eintritt. Alles dies wäre nur schwer erklärlich, wenn sich auf der Selen-Oberfläche eine leitende Schicht durch Einwirkung des Lichtes bildete, die von dem unter ihr liegenden Leiter unabhängig wäre. Es liesse sich die Entstehung einer solchen leitenden Beleuchtungsschicht überhaupt wohl nur so erklären, dass man annähme, es würden die auf der Oberfläche der Metalle condensirten Gase durch Lichtwirkung chemisch so modificirt, dass sie leitend würden, und dass nach dem Aufhören der Beleuchtung eine Rückbildung in den nicht leitenden Zustand einträte. Dann müsste aber eine an Glas oder Glimmer durch Schmelzung fest anliegende Selen - schicht gar keine oder doch nur eine weit geringere Licht - empfindlichkeit zeigen, als eine der Luft ausgesetzte; dies ist jedoch nicht der Fall, wie schon aus der Construction meiner lichtempfindlichen Selen-Präparate sich ergiebt, die zwischen Glimmerplatten eingeschmolzen werden.

Wenn ich aber durch diese Betrachtungen auch in der An - sicht bestärkt wurde, dass die Lichtempfindlichkeit eine specifische Eigenschaft bestimmter Selen-Modificationen sei und bei anderen Körpern nicht vorkomme, so erschien es mir doch durchaus403 nicht unmöglich, dass empfindlichere Methoden und Instrumente, als ich sie benutzte, eine Lichtempfindlichkeit auch bei anderen Metallen nachweisen könnten. Das Experiment konnte hier allein entscheiden.

Bei der Arbeit des Hrn. Börnstein waren mir, ausser eini - gen missverstandenen Anführungen aus meiner Untersuchung, auf die ich später zurückkomme, von vorn herein einige seiner Resul - tate sehr auffallend. Einmal findet er bei Platindrähten von 0,00022 mm Dicke eine noch etwas grössere Zunahme der Lei - tungsfähigkeit wie bei einem Goldblatte von 〈…〉 mm Dicke, obgleich die Verhältnisse der Projection der beleuchteten Fläche zum Querschnitte des Metalls in beiden Fällen sich wie 2348: 1 verhält. Wäre dies richtig, so müsste die lichtempfindliche Schicht beim Platin über 2000 mal besser leiten, wie beim Golde, was jedenfalls nicht wahrscheinlich erscheint. In gleichem Grade auf - fällig ist die überraschend grosse Verschiedenheit der Lichtempfind - lichkeit, welche sich durch Messung mittelst der Brücken - und der Weber’schen Dämpfungsmethode ergibt. Während die Brücken - messung eine Vermehrung der Leitungsfähigkeit von etwa 0,01 pCt. nachwies, ergab die Dämpfungsmethode unter ähnlichen Verhältnissen eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit von 3 bis 5 pCt., dieselbe war also in diesem Falle 300 bis 500 mal so gross, als im ersten. Hr. Börnstein vermuthet, dass diese grosse Verschiedenheit seiner Messresultate davon herrührt, dass die durch den schwingenden Magnetstab in den Drahtwindungen er - zeugten Ströme sehr viel schwächer gewesen seien, als die des Leclanché’schen Elementes, mit dem er die Brückenmessungen ausführte, und begründet hierauf den Satz, dass die vom elek - trischen Strome erzeugte Verminderung der Leitungsfähigkeit, die er als elektrische Nachwirkung bezeichnete, begleitet sei von einer Abnahme der Lichtempfindlichkeit . Wie gross die elektromoto - rischen Kräfte waren, welche von den schwingenden Magnetstäben in den Windungen erzeugt wurden, mag dahin gestellt bleiben, da eine Berechnung nicht ausführbar ist, weil die bezüglichen An - gaben des Hrn. Börnstein nicht vollständig genug sind. Jedenfalls widerspricht aber eine so grosse Abhängigkeit der Lichtwirkung von der Stromstärke den beim Selen gemachten Erfahrungen.

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War die Ansicht des Hrn. Börnstein richtig, dass die directe Widerstandsvergleichung aus dem Grunde ein so bedeutend ge - ringeres Resultat ergab, als die Widerstandsmessung mittelst der Dämpfungsmethode, weil die Lichtwirkung durch Erwärmung der beleuchteten dünnen Metallplatten durch den Strom und die gleich - zeitig eintretende Verminderung der Lichtempfindlichkeit durch denselben verdeckt, resp. vermindert wurde, so mussten jeden - falls directe Widerstandsmessungen mit sehr geringen elektromo - torischen Kräften ähnliche Resultate ergeben, wie er sie durch die Dämpfungsmethode erhielt. Ich ersetzte daher mein Galva - nometer mit aperiodisch schwingendem Glockenmagnete und 8 Meter Scalenabstand, mit dem die früheren Versuche angestellt waren, durch ein Galvanometer mit einem astatischem Paare von zwei kleinen Glockenmagneten, die an einem Aluminium-Draht in einem Abstande von circa 100 mm befestigt waren. Jeder Magnet befand sich im Centrum einer Drahtspirale mit durch - schnittlich 445 Windungen 1 mm dicken Drahtes von 1,84 Q. E. Widerstand. Am oberen Ende des Aluminiumdrahtes war ein Steinheil’scher leichter Spiegel von 9 mm Durchmesser befestigt, der durch ein Gehäuse mit Spiegelscheibe gegen Luftströmungen geschützt war. Durch einen in beliebiger Entfernung unter dem Magnetpaare anzubringenden, drehbaren Magnetstab liess sich dem Magnet-Systeme eine beliebige Richtkraft geben und die Ein - stellung auf die Mitte der, wie früher, 8 m entfernten Scala, von 1 m Länge mit Millimeter-Theilung, bewirken. Dies äusserst empfindliche Galvanometer combinirte ich mit einer Brückenver - zweigung, deren vier Zweige, von denen das zu untersuchende Metallblatt den einen bildete, möglichst gleich gross und wenig verschieden von dem Widerstande des Galvanometers gemacht wurden. Zwischen die beiden veränderlichen Brückenzweige aus Neusilberdraht war ein um die Peripherie einer runden, mit Theil - kreis versehenen Schieferscheibe ausgespannter Neusilberdraht von 300 mm Länge und 3 Q. E. Widerstand eingeschaltet, auf welchem sich eine Platinrolle mit Index und Nonius verschieben liess. Die Platinrolle war mit dem einen Pole eines Daniell’schen Elementes verbunden, dessen Widerstand durch Einschaltung eines Drahtwiderstandes auf 10 Q. E. gebracht wurde. Vermittelst einer Widerstandsscala konnte dies Element durch eine be -405 liebig grosse Nebenschliessung geschlossen werden. Die in den nahe gleich grossen Brückenzweigen wirksame elektromotorische Kraft E 'war dann 〈…〉 , wenn w der Widerstand, E die elektromotorische Kraft des Elementes und w' der Widerstand der Zweigleitung war. Um die Empfindlichkeit der Messung genau controliren zu können, wurde in den das zu untersuchende Metall - blatt enthaltenden Brückenzweig ein Kupferdraht von 0,001 Q. E. Widerstand eingeschaltet, der durch einen kurzen, dicken, amalga - mirten Kupferbügel mit Hülfe zweier Quecksilbernäpfchen ausge - schlossen werden konnte. War durch wiederholte kurze Schlies - sungen der erst schwächeren, dann bis auf die Stärke von 1 Daniell verstärkten, wirksamen Kette vollständiges Gleichgewicht hergestellt, so ergab die Ein - oder Ausschaltung des Widerstandes von 0,001 Q. E. eine Ablenkung der Nadel von circa 20 Scalen - theilen; es mussten also Veränderungen der Leitungsfähigkeit eines Brückenzweiges von 0,0001 Q. E. noch mit grösster Deut - lichkeit erkannt werden.

Die Objecte, welche ich prüfte, waren auf Glasplatten aus - gebreitete dünne Goldhäutchen, welche an den Enden durch aus - getropftes, geschmolzenes Rose’sches Metall mit Stanniolbelegungen und den Zuleitungsdrähten metallisch verlöthet waren, ferner sehr dünne, noch hell durchscheinende, auf verschiedenen Wegen her - gestellte Niederschläge von Gold, Platin und Silber, die auf ähn - liche Weise mit den Zuleitungsdrähten verlöthet waren, endlich möglichst dünne Plättchen von Aluminium und Tellur. Diese Präparate wurden in den betreffenden Brückenzweig eingeschaltet, während sie durch einen übergedeckten Pappkasten vor Licht - wirkung geschützt waren. Nachdem das Gleichgewicht hergestellt und einige Zeit verstrichen war, wurde der Batteriecontact hergestellt und nachdem die gewöhnlich eintretende, geringe Ablenkung des Spiegels abgelesen war, der Pappkasten abgenommen. Das Metall - blatt war dann der Beleuchtung durch eine in einer Laterne mit weitem Spalt aufgestellte Petroleumlampe ausgesetzt, deren Strahlen durch ein 12 cm im Durchmesser haltendes, cylindrisches und mit concentrirter Alaunlösung gefülltes Glasgefäss gingen und dadurch auf dem Metallblatte concentrirt wurden, während die Wärme - strahlen durch die Alaunlösung absorbirt wurden. Der Papp -406 kasten wurde dann wiederholt aufgesetzt und abgenommen, wäh - rend die Kette dauernd geschlossen blieb. In fast allen Fällen ergaben sich die Wirkungen einer langsam eintretenden, schwachen Erwärmung des Metallblattes durch den Strom und die Beleuch - tung, aber niemals sichere Anzeichen einer Verminderung des Leitungswiderstandes durch Lichtwirkung.

Leider zeigte sich, dass das Galvanometer nicht ruhig genug zu erhalten war, um bei dieser Empfindlichkeit zuverlässige Mes - sungen ausführen zu können, welche die Frage entscheiden konnten, ob überhaupt eine messbare Lichtwirkung auf andere Metalle, als Selen stattfindet. Weder das Galvanometer selbst war vor äusse - ren[Strömungen] ausreichend zu schützen, noch waren die Thermo - ströme, die bei so geringen Widerständen und elektromotorischen Kräften ohne besondere Vorkehrungen sehr störend auftreten, hin - länglich auszuschliessen.

Ein gleiches negatives Resultat erhielt ich bei einer anderen Anordnung meiner Versuche. Es wurde das zu untersuchende Metallblatt direct in den Galvanometer-Kreis eingeschaltet. Wurde der Kreislauf mit einer wirksamen elektromotorischen Kraft E 'von 0,01 Daniell geschlossen, so ging der Spiegel über die Scala weg. Durch einen in geeigneter Weise dem Galvanometer ge - näherten Magnetstab wurde er darauf wieder auf die Mitte der Scala zurückgeführt. War dies einmal eingestellt, so stellte sich auch nach längerer Ruhe beim Schliessen der Kette das Faden - kreuz meines Fernrohrs bei der vollkommenen Aperiodicität des Galvanometers ohne Schwankungen auf einen Theilstrich der Scala ein. In diesem Momente wurde durch einen Gehülfen der Pappkasten abgenommen und dadurch die Metallplatte beleuchtet. Auch hierbei war bei allen oben erwähnten Metallblättern keine unzweifelhafte Lichtwirkung zu erkennen, obgleich eine Vermin - derung des Widerstandes um 0,0001 noch mit grösster Deutlich - keit hätte hervortreten müssen. Wäre Hrn. Börnstein’s Annahme richtig, dass durch Verminderung der elektromotorischen Kraft eine so bedeutende Vergrösserung der Lichtwirkung eintritt, als er sie bei Anwendung der Dämpfungsmethode gefunden hat, so hätte dieselbe bei Anwendung von 0,01 Daniell doch schon in einem beträchtlich höheren Grade hervortreten müssen als bei407 bei Anwendung von 1 Leclanché-Element, welches er bei der Brückenmessung benutzte.

Ich musste aus den schon erwähnten Gründen darauf ver - zichten, die Empfindlichkeit der benutzten Galvanometer noch weiter zu steigern, und konnte nur noch versuchen, die etwa vor - handene Lichtwirkung durch Herstellung möglichst dünner und dabei sicher leitender Metallblätter noch zu verstärken. Es ge - lang in der That mit Hülfe bekannter Methoden, äusserst dünne, noch leitende Metallbeläge auf Glasplatten herzustellen und mit sicheren Zuleitungen zu versehen. Letzteres gelang nur auf die Weise vollständig, dass der mit dem dünnen Metallbelage ver - sehene Glasstreifen in einer Lösung von unterschwefligsaurem Silber oder Gold galvanisch versilbert oder vergoldet wurde, wobei ein Querstreifen durch eine Lackschicht, die man später durch Alkohol oder Aether entfernte, vor der Versilberung ge - schützt wurde. Es gelang auf diese Weise, eine noch gut leitende Goldschicht herzustellen, die im reflectirten Lichte als schöner Goldspiegel erschien, das Tageslicht aber nicht mehr in grüner, sondern in hellblauer Farbe durchscheinen liess. Der Widerstand dieses 15 mm langen und 10 mm breiten Goldspiegels betrug nach wiederholten und constant bleibenden Messungen 7000 Q. E. Danach würde die Dicke der Goldschicht, wenn man die Leitungs - fähigkeit des Goldes = 34 setzt die des reinen Quecksilbers = 1 angenommen 0.0000000063 mm betragen haben, falls eine so dünne Schicht ebenso leitet wie eine dickere Metall - masse1)Letzteres ist in Wirklichkeit schon desshalb nicht anzunehmen, weil die Oberfläche nicht spiegelnd, also rauh ist.. Auch mit diesem Präparate konnte ich keine Licht - wirkung wahrnehmen, obschon ich des grossen Widerstandes wegen mein Galvanometer mit 40000 Drahtwindungen aus dünnem Drahte von 7613 Q. E. Widerstand versehen und da - durch seine Empfindlichkeit sehr bedeutend gesteigert hatte. Bemerkenswerth ist aber, dass der Widerstand dieser so äusserst dünnen Goldschicht bei Anwendung einer elektromotorischen Kraft von 0,01 Daniell noch durchaus constant war und die von Hrn. Börnstein gefundene Nachwirkung des Stromes nicht zeigte.

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Da mir daran lag, meine negativen Versuchsresultate einer Controlle durch andere Experimentatoren zu unterwerfen, und es mir auch von Wichtigkeit schien, durch Anwendung weit em - pfindlicherer Methoden, als Hr. Börnstein und ich selbst sie an - wenden konnten, zu untersuchen, ob überhaupt eine Lichtwirkung bei anderen Metallen als Selen nachzuweisen ist, so veranlasste ich meinen Freund Gustav Hansemann, in seinem zur Unter - suchung von schwachen Thermo-Strömen eingerichteten Labora - torium eine Untersuchung der Sache vorzunehmen. Im Hanse - mann’schen Laboratorium ist durch eine Wand aus dicken Spiegel - glasscheiben, die den Beobachter von den Instrumenten trennt, ein relativ dunkler Raum abgeschieden, in welchem die Instrumente aufgestellt sind, so dass alle Luftströmungen und sonstige Ur - sachen localer Temperaturänderungen vermieden werden. Die nöthigen Bewegungen werden durch Schnüre, die durch die Glaswand gehen, ausgeführt. Dies und die grosse Empfindlichkeit seines Spiegelgalvanometers mit Drahtwindungen von 0,5 Q. E. Widerstand machte es ihm möglich, als Elektromotor ein Eisen - kupfer-Thermo-Element anzuwenden, welches eine constante elek - tromotorische Kraft von nahe 0,001 Daniell gab, wenn die eine Löthstelle durch kochendes Wasser, die andere durch einen Strom von Wasserleitungswasser auf constanter Temperatur erhalten wurde. Bei dieser geringen elektromotorischen Kraft konnte von einer Verdeckung der Lichtwirkung durch Erwärmung des Metall - blattes und durch Nachwirkung des Stromes gar nicht mehr die Rede sein und es war anzunehmen, dass die von Hrn. Börnstein mit Anwendung der Dämpfungsmethode gefundenen, 3 bis 500 mal grösseren Beleuchtungswerthe jetzt sicher hervortreten würden, wenn sie nicht auf Selbsttäuschung beruhten. Da Hr. Hansemann seine Versuche in einem dieser Abhandlung angeschlossenen Auf - satze selbst beschrieben hat, so will ich hier nur hervorheben, dass derselbe ebenso wenig als ich einen Einfluss des Lichtes zu finden vermochte. Auch die Dämpfungsmethode, mit welcher Hr. Hansemann die Börnstein’schen auffallenden Versuchsresultate mit Hülfe eine spassend scheinenden Spiegelgalvanometers, welches ich ihm hierzu zur Verfügung gestellt hatte, zu reproduciren suchte, ergaben bei Anwendung der nöthigen Vorsicht gegen Auftreten409 von Thermoströmen und anderen Störungen kein positives Er - gebniss.

Welches die Ursachen der abweichenden Versuchsresultate des Hrn. Börnstein sind, lässt sich nicht beurtheilen, da die Ver - suche desselben hierzu nicht eingehend genug beschrieben sind. Bei derartigen Messungen, welche die höchste Empfindlichkeit der Instrumente beanspruchen, treten leicht Störungen mit einer gewissen Constanz auf, und es ist immer etwas gewagt, neue Fundamentalerscheinungen ausschliesslich auf Mittelwerthe zu basiren, namentlich dann, wenn das Ergebniss noch weit inner - halb der Fehlergrenzen der einzelnen Versuche liegt, wie es bei den Börnstein’schen Versuchen der Fall ist.

Nach Obigem kann ich die Schlussfolgerungen, die Hr. Börn - stein aus seinen Versuchen zieht, nicht anerkennen, muss im Gegentheil bei meiner Ansicht stehen bleiben, dass eine Licht - wirkung bei anderen Metallen als beim Selen mit den bisherigen Hülfsmitteln nicht nachzuweisen ist.

Ich will damit nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass dies künftig mit sehr verfeinerten Messmethoden noch geschehen kann, und dass dann auch die Lichtwirkung auf das Selen durch diese verallgemeinerte Wirkung des Lichtes zu erklären wäre, glaube aber nicht, dass wir berechtigt sind, dieselbe als bestehend anzunehmen, bevor sie nicht durch unzweifelhafte Versuche nach - gewiesen ist. Bis dahin müssen wir die Lichtwirkung auf das Selen als dem Selen ausschliesslich zukommend ansehen und versuchen, in den besonderen Eigenschaften desselben eine Er - klärung für diese Lichtwirkung zu finden.

Bevor ich hierzu übergehe, muss ich noch kurz auf einige Anführungen des Hrn. Börnstein aus meiner der Akademie mit - getheilten Untersuchung über das Verhalten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom zurückgehen.

Hr. Börnstein hat wiederholt Angaben, die sich nur auf den gerade besprochenen Versuch bezogen, als allgemein gültige Ver - suchsresultate angeführt. So ist der mir zugeschriebene Satz, dass mit der Dauer der Erhitzung des amorphen Selens die Leitungs - fähigkeit, aber nicht die Lichtempfindlichkeit wachse, in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Ebenso ist es nicht richtig, dass sich stets ein Polarisationsstrom zeigt, als Folge anhaltender410 Ströme durch das Selen. Ich habe im Gegentheil bestimmt aus - gesprochen, dass dieser nur in exceptionellen Fällen, bei starken Strömen und frisch hergestellten Selenplättchen der gut leitenden Modification II nachweisbar sei, und dass in den meisten Fällen auch mit den empfindlichsten Hülfsmitteln keine Polarisation zu finden sei. Ich erklärte diese Polarisation als eine Elektrolyse der Berührungsfläche zwischen dem Selen und den dasselbe be - grenzenden Leitern. Die Lichtempfindlichkeit des Tellurs nimmt Hr. Börnstein als Thatsache an, ohne sie selbst untersucht zu haben, obgleich ich sie bestimmt in Abrede gestellt habe. Er stützt sich dabei ausschliesslich auf den gelegentlichen Versuch des Hrn. Adams, der an einem 1 Zoll langen Tellurstabe eine Lichtwirkung zu erkennen glaubte.

Da das Tellur nach Matthiessen ca. 2400 mal so grossen specifischen Leitungswiderstand hat, als Gold, und ausserdem viele physikalische Eigenschaften mit dem Selen gemein hat, so ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass das Tellur unter Um - ständen lichtempfindlich ist. Sein specifischer Leitungswiderstand ist aber immer erst circa 1 Millionstel von dem des Selens und da es seiner Sprödigkeit wegen bisher nicht in die Form so dünner Blätter gebracht werden kann, als die ductilen Metalle, so wird seine Lichtempfindlichkeit unter gewöhnlichen Umständen schwerlich nachweisbar sein. Mir ist dieser Nachweis auch mit circa 0,01 mm dicken Platten, die zwischen erwärmten Glas - platten aus geschmolzenem Tellur durch starken Druck ausgepresst waren, nicht gelungen.

Bereits in meiner vorläufigen Mittheilung an die Akademie von 1875 habe ich angegeben, dass die Zunahme der Leitungs - fähigkeit des Selens durch Beleuchtung im annähernden Verhält - nisse der Quadratwurzeln aus den Lichtstärken stehe. Bevor ich zur näheren Untersuchung dieser Frage überging, suchte ich mich erst zu vergewissern, dass gleiche Lichtstärken gleichfarbigen Lichtes bei demselben Selenpräparate unter sonst gleichen Verhält - nissen auch sicher die gleiche Lichtwirkung zeigten. Es sollten diese Versuche zugleich die Frage entscheiden, ob das Selen sich zur Herstellung eines brauchbaren Photometers eignete, das dann vor den bisher benutzten den grossen Vorzug haben würde, dass es frei von den bei photometrischen Messungen so störenden per -411 sönlichen Fehlern des Beobachters sein und auch für den Ver - gleich verschiedenfarbigen Lichtes bestimmte Zahlenwerthe geben würde.

Die zu diesen Versuchen benutzten Selenpräparate waren dieselben, wie ich sie in dem ersten Theile dieser Untersuchung beschrieben habe. Sie bestanden aus zwei 0,05 bis 0,10 mm dicken Platina -, Stahl - oder Kupferdrähten, die von einander isolirt auf einem Glimmerblättchen so befestigt waren, dass ein Zwischenraum von 0,5 bis 1 mm zwischen den Drähten frei blieb. Die Befestigung geschah auf die Weise, dass das Glimmer - blatt mit zwei Reihen feiner Löcher im Abstande von ca. 10 mm von einander versehen wurde. Durch diese Löcher wurden die Drähte gezogen und die Enden so verbunden, dass ein Draht - gitter auf der Oberfläche des Glimmerblattes entstand, dessen Drähte abwechselnd mit dem einen oder anderen der beiden Zu - leitungsdrähte verbunden waren. Auf dies Gitter wurde nun eine etwa ½ mm dicke Platte amorphen Selens gebracht, darauf eine zweite Glimmerplatte auf dieselbe gelegt und diese mit der ersten Glimmerplatte fest verbunden. Darauf wurde das Ganze zwischen zwei kleine Metallplatten mit elastischem Drucke ein - gesperrt und dann mit diesen in ein Paraffinbad getaucht, welches auf eine Temperatur von 200° bis 210 °C. gebracht war, und in dieser Temperatur mehrere Stunden lang durch einen passenden Wärmeregulator erhalten wurde. Nach eingetretener Abkühlung hatte das Plättchen dann in der Regel einen Leitungswiderstand von 500000 bis 1500000 Q. E. und eine Lichtempfindlichkeit, die einer Vergrösserung der Leitungsfähigkeit durch diffuses Tageslicht um 0,2 bis 0,5 entsprach; Lichtempfindlichkeit und Leitungsfähigkeit pflegten nach etlichen Tagen etwa auf die Hälfte zurückzugehen. Ein solches Selenplättchen wurde nun auf den Boden eines etwa 30 mm weiten und 60 mm langen Metallrohres befestigt, und die Zuleitungsdrähte mit ausserhalb desselben an - gebrachten isolirten Klemmen verbunden. Das Rohr selbst war um eine verticale Axe drehbar, so dass man das Selenplättchen durch Drehung des Rohres schnell und sicher von einer Licht - quelle auf die andere richten konnte. An dem Gestelle, welches die Axe trug, war ein 1 m langer Holzstab mit Millimeter - Theilung so befestigt, dass die Axe mit dem Beginn der Theilung412 zusammenfiel. Auf dem Holzstabe war ein Lichthalter mit Index verschiebbar, der zur Aufnahme der Normalkerze bestimmt war, die zum Vergleiche der gemessenen Lichtquelle diente.

Zur Ausführung der Messung wurde der Apparat so aufge - stellt, dass der Massstab mit der Normalkerze einen rechten Winkel mit der zu messenden Lichtquelle bildete, so dass man durch schnelle Drehung des Rohres von einem Anschlage zum anderen das Selen ohne wesentlichen Zeitverlust der Einwirkung der einen oder der anderen Lichtquelle aussetzen konnte. Die Contact-Klemmen des Rohres wurden dann in Verbindung mit den Zuleitungsröhren eines empfindlichen Galvanometers ge - bracht, in welche durch einen Contactgeber eine passende gal - vanische Kette eingeschaltet werden konnte. Je nach der Licht - empfindlichkeit des Selenplättchens und der Empfindlichkeit des Galvanometers wurden 1 bis 10 Daniell’sche Elemente, unter Umständen auch noch stärkere Batterien eingeschaltet. Es wur - den nun zuerst 4 Normalkerzen in einer Entfernung von 100 cm vom Selen-Plättchen neben einander aufgestellt und die auf dem Schieber befindliche Normalkerze so lange genähert, bis beim schnellen Wechsel des Selenrohres von einer Lichtquelle zur anderen keine dauernde Aenderung der Ablenkung des Spiegels mehr eintrat, wenn auch der kurze Moment der Dunkelheit während des Ueberganges des Rohres aus einer Stellung in die andere stets ein kurzes Zurückzucken des Spiegels bemerkbar machte. Die Stellung des Index ergab eine Entfernung der Normalkerze von 49,1 cm anstatt 50, die es nach dem umge - kehrten Quadrate der Entfernung hätte zeigen müssen. Der Grund dieser Verschiedenheit lag ersichtlich in der verstärkten Flamme der vier neben einander stehenden Kerzen durch gegen - seitige Erwärmung.

Bei einem weiteren Versuch wurde eine sehr gleichmässig brennende Petroleumlampe, welche in einem geschlossenen, in - wendig geschwärzten Gehäuse mit Blendung aufgestellt wurde, in verschiedenen Entfernungen mit der Normalkerze verglichen, deren Flammenhöhe durch häufiges Putzen des Dochtes auf 24 mm Höhe erhalten wurde.

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Die Abweichungen der berechneten Lichtstärken sind durch die unvermeidlichen Schwankungen der Helligkeit der Normal - kerze erklärlich. Bei den grösseren Entfernungen macht sich die Beleuchtung der Zimmerwände durch die offen brennende Normalkerze, durch welche der Beleuchtungswerth der letzteren erhöht wurde, sehr bemerklich.

Um diesen Uebelstand zu beseitigen, wurden zwei mit Ge - häusen versehene Petroleumlampen in verschiedenen Enfernungen aufgestellt, und die Entfernung der einen so lange geändert, bis Gleichgewicht eintrat.

Unzweifelhaft würde die Anwendung grösserer Sorfalt auf diese Versuche zu weit übereinstimmenderen Resultaten führen. 414Es genügte mir hier, durch die Versuche den Nachweis zu füh - ren, dass das Selen-Photometer auch ohne Anwendung beson - derer Sorgfalt hinreichend genaue Vergleichsresultate giebt, um in der Technik als praktisch brauchbares Photometer ver - wendet werden zu können.

Bei Beginn meiner Versuche mit dem Selen hoffte ich, dass sich mit Hülfe desselben ein Photometer construiren lassen würde, welches directe Angaben der Lichtstärke geben könne, und bemühte mich, zu dem Ende bestimmte Relationen zwi - schen der Lichtstärke und der Zunahme der Leitungsfähigkeit des Selens zu finden. Es zeigte sich jedoch, dass die Leitungs - fähigkeit desselben von zu vielen, nicht controllirbaren Factoren abhängt, um direct als Mass der Beleuchtung benutzt werden zu können. Namentlich tritt die Dauer der Beleuchtung, ebenso wie die Lichtstärke, als ein wirksamer Factor auf. Bei Modi - fication I bewirkt andauernde Beleuchtung eine fortschreitende Vergrösserung der Leitungsfähigkeit, während bei Modification II die Leitungsfähigkeit schon nach kurzer Zeit, oft schon nach 5 bis 10 Secunden ihr Maximum erreicht und dann erst schneller, dann langsamer, wieder abnimmt.

Diese Eigenschaft der Vergrösserung oder Verminderung der Leitungsfähigkeit durch die Dauer der Beleuchtung tritt bei verschiedenen Selen-Präparaten in sehr verschiedener Stärke auf. Je sorgfältiger man verhindert hat, dass das Selen sich bei sei - ner Umwandlung aus dem amorphen in den krystallinischen Zu - stand über 100 °C. erhitzt, desto geringer ist seine Leitungs - fähigkeit, und desto langsamer steigt dieselbe durch die Dauer der Beleuchtung. Das in der ersten der folgenden Versuchs - reihen, die mit A bezeichnet ist, benutzte Selenplättchen war durch Eintauchen in ein auf 100 °C. erhitztes Petroleumbad um - gewandelt, während das zu der mit B bezeichneten Versuchs - reihe benutzte Plättchen langsam mit seinem Petroleumbade bis 100 °C. erhitzt und dann mehrere Stunden in dieser Temperatur erhalten wurde. Die Versuche wurden in der Weise ausge - führt, dass durch eine, vor der Diaphragma-Oeffnung einer hellbrennenden Petroleumlampe aufgestellte Linse ein circa 14 mm grosses, scharfes Lichtbild auf das Selenplättchen geworfen wurde. Durch einen mit Alaunlösung gefüllten, 3,5 cm dicken415 Glastrog wurden dunkle Wärmestrahlen möglichst absorbirt. Der elektrische Strom ging nur während der Messung und nur so lange durch das Selen-Präparat, bis der Spiegel des aperiodisch schwingenden Galvanometers seine Ruhelage erreicht hatte.

Tabelle A. (Mod. I.)

Die Messungen sind mit 12 Daniell’schen Elementen ausgeführt, welche vor Eintritt der Beleuchtung eine Ablenkung von 92 Scalentheilen hervorbrachten.

Tabelle B. (Mod. I.)

Die Messungen sind mit 50 Daniell’schen Elementen ausgeführt.

Am folgenden Tage hatten beide Plättchen im Dunkeln nahe dieselbe Leitungsfähigkeit wie vor dem Versuche. Wie ersicht - lich, tritt die Lichtwirkung bei dem viel schlechter im Dunkeln leitenden Selenplättchen der zweiten Versuchsreihe viel langsamer ein, so dass sie erst nach Verlauf von 6 Stunden ihr Maximum erreichte. Die grossen Unregelmässigkeiten sind wahrscheinlich Folge verschiedener Temperatur. Die Zimmertemperatur war während des Versuches von 21 auf 25 °C. gestiegen.

Ein ganz verschiedenes Verhalten zeigt nun bei dauernder Beleuchtung das Selen, welches bei einer Temperatur von 200° bis 210° in krystallinisches umgewandelt und dabei längere Zeit in dieser Temperatur erhalten ist. Die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Messungen sind in oben beschriebener Weise mit einem Plättchen der Mod. II ausgeführt. Es wurde 1 Daniell dazu verwendet und dasselbe jedesmal so lange eingeschaltet,416 bis die Ablenkung ihr Maximum erreicht hatte, was nach etwa 10 Secunden der Fall war. Das unbeleuchtete Selenplättchen gab eine Ablenkung von 35 Scalentheilen.

Tabelle C. (Mod. II.)

Nach mehrstündiger Dunkelheit ging die Ablenkung auf 32 Scalen - theile zurück.

Es ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass die beiden Mo - dificationen des Selens sich einmal durch sehr verschiedene Lei - tungsfähigkeit, hauptsächlich aber dadurch unterscheiden, dass die Mod. II schon nach Verlauf weniger Secunden, das bei niedri - ger Temperatur umgewandelte Selen aber erst nach längerer Zeit das Maximum seiner Leitungsfähigkeit erreicht. Ist dies Maximum erreicht, so beginnt die Lichtwirkung sich wieder zu vermindern ein Vorgang, den man als Ermüdung des Selens bezeichnen kann und nähert sich asymptotisch bei Mod. II einem Mini - mum. In wie weit dieser Rückgang auch bei Mod. I eintritt, ist nicht untersucht worden; es scheint aber die Abnahme der Licht - wirkung nach Ueberschreitung des Maximums einen eben so lang - samen Verlauf zu haben, als das Ansteigen bis zum Maximum.

Dieser bei jedem Selen-Präparate verschiedene Einfluss der Beleuchtungsdauer auf die Grösse der Lichtwirkung macht es, wie schon gesagt, schwierig, bestimmte Relationen zwischen der Lichtstärke und der Lichtwirkung festzustellen. Die zahlreichen und vielseitigen Versuche, welche ich hierüber angestellt habe, gaben keine hinreichend übereinstimmenden Resultate. Sie ergaben417 nur, dass die Lichtwirkung in noch geringerem Masse als die Quadratwurzeln aus den Lichtstärken zunimmt. Die Versuche wurden einmal in der Weise angestellt, dass zwei constante Licht - quellen in verschiedenen Entfernungen in auf - und absteigender Reihe verglichen wurden. Ferner wurde vor die grosse, helle Flamme einer englischen Lampe mit doppeltem, flachen Dochte ein verschiebbares, dünnes Blech mit Löchern, die möglichst genau 1, 2, 3 bis 6 mm Durchmesser hatten, gesetzt, und das Selenpräparat wiederholt in auf - und absteigender Reihe nach - einander der Bestrahlung durch diese Löcher ausgesetzt. War das quadratische Gesetz richtig, so musste die Lichtwirkung dann den Durchmessern der Löcher proportional sein. Die über - einstimmendsten und zuverlässigsten Resultate gab eine dritte Methode, die darin bestand, dass ein Lichtbündel durch ein Doppelprisma in zwei Lichtbündel zerlegt und das Selen - plättchen abwechselnd dem einen oder anderen Strahlenbündel allein oder beiden zugleich ausgesetzt wurde. Es wurde zu diesen Versuchen die erwähnte Petroleumlampe mit doppeltem Flachbrenner mit einem Diaphragma von 2 mm Durchmesser be - nutzt. Im Dunkeln gab das Selen mit 4 Daniell’schen Elementen eine Ablenkung von 50 Scalentheilen.

Also Mittel der Ablenkung durch einen Strahl = 51,7, Mittel der Ablenkung durch den Gesammtstrahl = 63,5, was nahe dem Verhältnisse der Kubikwurzeln aus den Licht - stärken entspricht. Wie schon bei der Besprechung der Arbeit27418des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auf - fallende Erscheinung, dass das Licht die elektrische Leitungs - fähigkeit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen; und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den bisher beobachteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften des Selens gar keine Handhabe dafür darböten, diese Erschei - nung auf die bekannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen. Das in meinem früheren Aufsatze beschriebene besondere Ver - halten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und das oben auseinandergesetzte Verhalten desselben bei eintretender Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen.

Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen, welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100 °C. unter Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als eine allotrope Modification des hypothetischen metallischen, d. h. von latenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amor - phes Selen auf 200° anstatt auf 100 °C. und erhält es längere Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab, als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zu - stande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in der Weise, dass die Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur abnimmt, während sie bei dem bei 100 °C. umgewandelten kry - stallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte Modification1)Um diese rein zu erhalten, muss man das amorphe Selen in dünnen Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa 100 °C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umge - wandelte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermassen, dass schon eine weitere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweise Umwandlung in Modification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Wider - sprüche in den Angaben verschiedener Experimentatoren erklären..

419

Man kann sich nun die Modification II als eine Mischung oder Verbindung von krystallinischem und metallischem Selen vorstellen. Eine vollständige Umwandlung in metallisches Selen ist nicht möglich, da das letztere im reinen Zustande bei ge - wöhnlicher Lufttemperatur kein stabiler Zustand ist und sich bei eintretender Abkühlung bis auf einen durch Mischung oder Verbindung mit krystallinischem Selen vor Rückbildung ge - schützten Rest wieder in krystallinisches Selen, unter Aufnahme latenter Wärme, zurückbildet. Ein ganz analoges Verhalten finden wir beim Ozon. Wenn man reinen Sauerstoff der Gaselektrolyse durch den von mir beschriebenen Ozon-Apparat1)Pogg. Ann. Band 102, pag. 120. unterwirft, so wird ein Theil des Sauerstoffs in Ozon umgewandelt. Entzieht man das gebildete Ozon durch eine eingelegte Silberplatte oder auf andere Weise fortwährend der entstandenen Mischung von Sauerstoff und Ozon, so kann man nach und nach die ganze Sauerstoffmenge umwandeln. Beseitigt man das gebildete Ozon dagegen nicht, so tritt bald die Grenze auf, wo keine weitere Ozonbildung mehr stattfindet, da nur eine bestimmte Menge Ozon durch Mischung mit unactivem Sauerstoff vor Rückbildung in diesen geschützt wird. Wahrscheinlich ist das Ozon eine von latenter Wärme freie , allotrope Modification des Sauerstoffs und könnte als metallischer Sauerstoff bezeichnet werden ebenso wie das hypothetische metallische Selen. In diesem von latenter Wärme freien oder metallischen Zustande haben die Körper das grösste Bestreben, in chemische Verbindung mit einander zu treten, und es ist wahrscheinlich allgemein als der sogenannte active Zustand der Körper, wie er im status nascendi auftritt, zu betrachten. Da die Wärme die Stabilität der latente Wärme haltigen allotropen Zustände der Körper vermindert, so erklärt diese Anschauung auch die ziemlich allgemein beobachtete Be - günstigung chemischer Umbildungen durch Erwärmung. Ebenso erklärt sie die allgemein beobachtete Thatsache, dass die elek - trolytische Leitung durch Erwärmung begünstigt wird, da man annehmen muss, dass auch die chemischen Verbindungen ver - schiedener Körper allotrope, latente Wärme haltige Molekular - Zustände annehmen, die erst in den metallischen Zustand zu -27*420rückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eingehen können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle, Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Lei - tungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B. metallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede, von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur im reinen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des Stromes oder vielleicht noch während seiner Dauer durch Wieder - aufnahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen, dass die Aetherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die Stabilität der latente Wärme haltigen allotropen Molekular - zustände aufheben und dadurch den activen oder metallischen Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.

An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen, welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen, sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische Selenoberfläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Tem - peratur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch die dem Auge sichtbaren Strahlen des Spectrums und nicht auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spectrums liegenden chemischen und dunklen Wärmestrahlen ausgeübt wird, ist zwar bisher nicht zu erklären. Vielleicht werden aber später ein - gehendere Untersuchungen den Nachweis führen, dass jedem Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Aetherwellen ent - spricht, welche bei ihm das Maximum der chemischen Licht - wirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten durch Aetherschwingungen mittlerer, die der zusammengesetzten421 Körper mehr durch Aetherschwingungen kleiner Wellenlänge bewirkt wird.

Dass die Lichtwirkung auf die besser leitende, schon me - tallisches Selen gelöst haltende Mod. II weit schneller von statten geht und weit grösser ist, als auf das ungemischte krystallinische Selen, erklärt sich z. Th. dadurch, dass bei dem ersteren eine geringere Menge krystallinischen Selens zu reduciren ist, um eine leitende metallische Oberfläche herzustellen, zum Theil aber auch dadurch, dass die gut leitende Oberfläche wohl nur an wenigen Punkten mit den Zuleitungsdrähten in directer leitender Verbindung stehen. Es wird fast überall vom Strome noch eine nicht in den metallischen Zustand übergeführte Selenschicht zu durchlaufen sein, von deren Leitungswiderstande die Stärke des Stromes abhängig ist.

Zur Erklärung der merkwürdigen Erscheinung der Ermüdung des Selens bei andauernder Lichtwirkung muss man annehmen, dass das krystallinische Selen in höherem Grade durchscheinend ist als das metallische. In diesem Falle wird sich die Licht - wirkung anfangs auf grössere Tiefen erstrecken und schlecht leitendes krystallinisches Selen in gut leitendes metallisches um - wandeln. Sobald aber die Selenoberfläche eine zusammenhängende metallische Schicht geworden ist, so wirkt diese als ein Schirm, welcher das Licht von den anfänglich in grösserer Tiefe umge - wandelten metallischen Molekülen abhält und diesen dadurch ge - stattet, sich in krystallinisches Selen zurückzubilden. Bei einfach krystallinischem Selen tritt diese Ermüdung scheinbar nicht ein, im Gegentheil nimmt die Leitungsfähigkeit desselben durch Be - strahlung, wie früher nachgewiesen ist, mehrere Stunden lang zu. In Wirklichkeit tritt die vollständige Lichtwirkung aber nur sehr viel langsamer ein, da nach mehrstündiger Beleuchtung das Maximum der Lichtwirkung erreicht ist und dann ebenfalls ein Rückgang der Leitungsfähigkeit constatirt ist.

Dass die Lichtwirkung sich auf die Oberfläche und die der Oberfläche zunächst liegenden Selenschichten beschränkt, davon kann man sich leicht durch Vergleich der Lichtwirkung auf die beiden Seiten eines Selenplättchens überzeugen. Die Herstellung derselben bedingt, dass das Drahtgitter auf der einen Seite die Oberfläche des Plättchens berührt, während die andere Seite des422 Gitters von einer dünnen Selenschicht bedeckt ist. Wird die erstere Seite beleuchtet, so ist die Lichtwirkung 2 bis 3 mal so gross, als bei Beleuchtung der letzteren.

Es bleibt noch die verschiedene Lichtwirkung der farbigen Lichtstrahlen und der störende Einfluss derselben auf die Ver - gleichung verschiedenfarbigen Lichtes durch das Selen-Photometer zu erörtern.

Ich habe die Angaben Sale’s bestätigt gefunden, dass die Lichtwirkung erst mit den sichtbaren violetten Strahlen des Spectrums beginnt, von da ziemlich gleichmässig bis zum Roth steigt, im Ultraroth noch vorhanden ist und durch die darüber hinaus liegenden Strahlen nicht mehr stattfindet. Die nachstehende Versuchsreihe wurde mit einem schmalen, nur aus 2 parallelen Platindrähten in 1 mm Abstand bestehenden Selenplättchen bei Anwendung von 4 Daniell’schen Elementen ausgeführt. Das Spectrum wurde durch ein Glasprisma und eine hellbrennende Petroleumlampe mit Spalt hervorgebracht.

Diese ohne besondere Sorgfalt und nur zur Orientirung aus - geführte Versuchsreihe zeigt doch schon hinlänglich, dass das Selen-Photometer nicht ohne Weiteres zur Vergleichung ver - schiedenfarbigen Lichtes benutzt werden kann.

Es führt dies auf die Frage, was man sich bei der photo - metrischen Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes eigentlich zu denken hat. Eine Vergleichung der durch unsere Sehorgane hervorgerufenen Helligkeitsempfindung ist unausführbar und ganz individuell. Das Licht dient uns aber auch nicht dazu, eine mehr oder weniger grosse Helligkeit zu empfinden, sondern dazu, ent - fernte Gegenstände deutlich unterscheiden oder erkennen zu können, und ein richtiges Photometer sollte verschiedenfarbiges Licht als gleich angeben, wenn es uns in gleicher Weise entfernte Objecte423 erkennbar machte. Mit der Empfindung gleicher Helligkeit fällt diese Eigenschaft durchaus nicht zusammen. Betrachtet man eine Landschaft abwechselnd durch ein blaues und ein gelbes Glas, so erscheint sie uns im letzteren Falle viel heller; aber es ist darum, wenn das gelbe Glas viel Licht absorbirte, doch nicht ausgeschlossen, dass man durch das blaue Glas die Gegenstände der Landschaft viel deutlicher erkennt.

Das blaue Licht, welches in unser Auge gelangt, hat in diesem Falle für uns einen höheren Beleuchtungswerth, wenn es auch eine geringere Helligkeitsempfindung hervorruft. Den so definirten Beleuchtungswerth des farbigen Lichtes sollte ein für praktische Zwecke dienendes Photometer angeben.

Die bisherigen Photometer, welche auf Hervorbringung gleicher Helligkeitsempfindung beruhen, sind hierfür durchaus ungeeignet. Selbst abgesehen von dem verschiedenen Beleuchtungswerthe des farbigen Lichtes, ist es nicht möglich, sich ein bestimmtes Urtheil darüber zu bilden, wenn zwei verschiedenfarbige Beleuchtungen gleich hell sind. Jedenfalls ist ein solches Urtheil ein durchaus subjectives. Das Selen-Photometer hat vor diesen Photometern nun allerdings den grossen Vorzug, dass es unzweifelhafte An - gaben der Lichtwirkung des Lichtes aller Farben macht; diese Angaben sind aber nicht direct verwendbar, da das Selen von verschiedenfarbigem Lichte in verschiedenem Grade beeinflusst wird. Auch die Ermittelung und Benutzung einer Scala für die Lichtwirkung der verschiedenen Farben des Spectrums zur Cor - rectur der Angaben des Selen-Photometers reicht nicht aus, da es durchaus nicht feststeht, welchen Beleuchtungswerth die far - bigen Strahlen des Sonnenspectrums haben. Wäre aber auch eine Scala dafür ermittelt, so hätte sie doch nur einen ganz beschränkten Werth, da sie zur Vergleichung des Beleuchtungs - werthes farbigen Lichtes terrestrischer Lichtquellen nicht an - wendbar wäre.

Ich habe nun versucht, auf empirischem Wege eine Scala des Beleuchtungswerthes verschiedenfarbigen Lichtes, welches auf das Selen die gleiche Lichtwirkung ausübt, herzustellen.

Es wurde eine feine Druckschrift auf weissem Papier in einer Entfernung von ca. 5 Meter durch ein Fernrohr betrachtet. Eine gleichmässig und mit ziemlich weisser Flamme brennende424 Petroleumlampe konnte vom Beobachter durch einen Schnurlauf der Druckschrift so lange genähert werden, bis dieselbe in dem sonst dunklen Raume eben lesbar war. Dieselbe Procedur wurde wiederholt, nachdem eine farbige Glasscheibe vor die Lampe gesetzt war. War die Lampe so weit genähert, dass die Druck - schrift wieder eben lesbar war, so hatten beide Beleuchtungen den gleichen Beleuchtungswerth. Wurde nun die Lichtwirkung auf ein in der Ebene des Papiers angebrachtes Selen-Plättchen jedesmal bestimmt, so hatte man in dem Verhältnisse dieser Lichtwirkungen einen Factor, mit welchem die Angaben des Selen-Photometers für gleichen Beleuchtungswerth dieses farbigen Lichtes zu multipliciren waren. Es sollten in dieser Weise die Coefficienten für alle Farben des Spectrums ermittelt und so eine Correctur-Tabelle für die Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes gebildet werden. Leider ergab sich aber, dass die Augen der Beobachter durch die Anstrengung des Erkennens der Druck - schrift bei schwacher Beleuchtung und namentlich auch durch den schroffen Wechsel der Lichtfarbe in solchem Masse und und bei verschiedenen Personen so ungleich angegriffen wurden, dass keine übereinstimmenden Resultate zu erreichen waren und die Versuche aufgegeben werden mussten. Es ist zu hoffen, dass es anderen Beobachtern mit besseren Hülfsmitteln gelingen wird, eine solche Correctur-Tabelle für gleichen Beleuchtungswerth farbigen Lichtes herzustellen. Die Lichtempfindlichkeit des Selens würde uns dann zu einem Photometer verholfen haben, welches nicht, wie alle bisherigen, nur farbloses oder gleichfarbiges, son - dern Licht aller Farben vergleichen könnte und dabei frei vom persönlichen Fehler des Beobachters wäre.

Doch selbst ohne eine solche Corrections-Tabelle hat das Selen-Photometer den wesentlichen Vorzug vor anderen, dass es nicht, wie diese, bei geringen Differenzen der Lichtfarbe zu falschen Schätzungen verleitet, sondern bestimmte Angaben macht, über deren Bedeutung man sich verständigen kann.

[425]

Ueber Telephonie.

(Monatsbericht der Berliner Akademie vom 21. Januar.)

1878.

Die überraschenden Leistungen der elektrischen Telephone von Bell und Edison nehmen mit Recht auch das Interesse der Naturforscher in hohem Masse in Anspruch. Die durch sie an - gebahnte Lösung des Problems der Uebertragung der Töne und Sprachlaute nach entfernten Orten verspricht der Menschheit ein neues Verkehrs - und Culturmittel zu geben, welches ihre socialen Verhältnisse wesentlich beeinflussen und auch der Wissenschaft wesentliche Dienste leisten wird! Es erscheint daher angemessen, dass auch die Akademie diese so viel versprechenden Erfindungen in den Kreis ihrer Betrachtungen zieht.

Die Möglichkeit, nicht nur Töne, sondern auch Klänge und Sprachlaute in grösseren Entfernungen mechanisch zu reprodu - ciren, ist theoretisch durch Helmholtz bahnbrechende Unter - suchungen, welche das Wesen der Tonfarbe und Sprachgeräusche klar legten, gegeben.

Sind, wie er nachgewiesen hat, die Klänge und Laute nur dadurch von den reinen Tönen verschieden, dass letztere aus ein - fachen, erstere aus mehrfach über einander gelagerten Wellen - zügen des den Schall vermittelnden Mediums bestehen, und sind die Sprachgeräusche als unregelmässige Schwingungen, mit denen die Vocallaute beginnen oder enden, aufzufassen, so ist auch die Möglichkeit gegeben, auf mechanischem Wege eine gewisse Folge solcher Schwingungen an entfernten Orten wieder hervorzubringen. Das praktische Leben ist hierin sogar, wie häufig der Fall, der Wissenschaft vorangeeilt. Der bisher nicht genug beachtete so - genannte Sprechtelegraph , bestehend aus zwei Membranen, die426 durch einen starken und dabei möglichst leichten Faden oder feinen Draht, der an ihrer Mitte befestigt ist, gespannt werden, bewirkt eine vollkommen deutliche Uebertragung der Sprache auf viele hundert Meter Entfernung. Der Faden kann dabei an be - liebig vielen Punkten durch elastische Fäden von einigen Zoll Länge getragen, kann auch, bei ähnlicher elastischer Befestigung an den Ecken, beliebige Winkel bilden, ohne dass der Apparat die Fähigkeit verliert, selbst die völlig tonlose Flüstersprache mit vollständiger Deutlichkeit und Treue zu übertragen eine Leistung, welche bisher kein elektrisches Telephon auszuführen vermag. Wenn auch dieser Sprechtelegraph , oder richtiger dies Faden-Telephon keinen praktischen Werth hat, da seine Wirkung auf kurze Entfernungen beschränkt bleibt und durch Wind und Regen unterbrochen wird, so ist er doch desswegen höchst bemerkenswerth, weil er den Nachweis führt, dass gespannte Membranen befähigt sind, alle Luftschwingungen, von denen sie getroffen werden, in nahe vollkommener Weise aufzunehmen und alle Sprachlaute und Geräusche andererseits wieder hervorzu - bringen, wenn sie auf mechanischem Wege in ähnliche Schwin - gungen versetzt werden.

Reis versuchte bekanntlich zuerst, die Uebertragung von Tönen anstatt durch einen gespannten Faden durch elektrische Ströme zu bewirken. Er benutzte die Schwingungen einer den Schallwellen ausgesetzten Membran zur Hervorbringung von Schliessungs-Contacten einer galvanischen Kette. Die hierdurch erzeugten Stromwellen durchliefen am andern Ende der Leitung die Windungen eines Elektromagnetstabes, der, mit passenden Resonanzvorrichtungen versehen, dieselben Töne annähernd wieder hervorbrachte, von welchen die von den Schallwellen getroffene Membran in Schwingungen gesetzt wurde. Es konnte dies nur in sehr unvollkommener Weise geschehen, da die Contactvor - richtungen nur bei den grösseren Schwingungen der Membran wirksam werden und auch diese nur unvollständig wieder geben konnten.

Bell scheint zuerst den glücklichen Gedanken gehabt zu haben, durch die schwingende Membran selbst die zur Ueber - tragung ihrer Schwingungen dienenden Ströme hervorbringen zu lassen, indem er dieselbe aus weichem Eisen herstellte und ihre427 Mitte dem mit isolirtem Draht umwundenen Ende eines Stahl - magnetes sehr nahe gegenüberstellte. Durch die Schwingungen der Membran wurde nun die Anziehung zwischen Platte und Magnet und damit das magnetische Potential des umwundenen Endes des Magnetstabes abwechselnd vergrössert und verringert; es entstehen hiedurch im Umwindungsdrahte und der Leitung Ströme, welche bei der Kleinheit der Schwingungen der Platte den Schwingungen der Luftmasse entsprechende elektrische Sinus - Schwingungen erzeugten, die also im Stande waren, in einem am anderen Ende der Leitung eingeschalteten, ähnlichen Apparate wiederum Membran - und Luftschwingungen hervorzurufen. Es bleibt hiebei ohne Einfluss, dass, wie du Bois-Reymond (Archiv für Physiologie, 1877, S. 573 und 582) nachgewiesen hat, in der empfangenden Membran die Phasen und Amplitudenverhältnisse der Partialtöne andere sind, als in der gebenden Membran.

Ein wesentlich verschiedener Weg ist, wie es scheint, gleich - zeitig mit Bell von Edison betreten. Derselbe benutzt eine gal - vanische Kette, welche einen dauernden Strom durch die Leitung sendet.

In den Leitungskreis ist am gebenden Ende eine Schicht gepulverten Graphits eingeschaltet, welche sich zwischen zwei von einander isolirten Metallplatten in gelinder Pressung befindet. Die obere Platte ist an der schwingenden Membran befestigt und drückt das Graphitpulver, den Luftschwingungen entsprechend, mehr oder weniger zusammen. Dadurch wird der Leitungswider - stand des Graphitpulvers entprechend verändert, und hierdurch werden wiederum sinusoïde, den Luftschwingungen äquivalente Aenderungen der Stärke des die Leitung durchlaufenden Stromes hervorgerufen. Als Empfangsapparat benutzt Edison keine Membran, sondern eine andere, ganz eigenthümliche Vorrichtung. Sie be - ruht auf der Erfahrung, dass die Reibung, welche zwischen einem Metallstück und einem mit einer leitenden Flüssigkeit getränkten, gegen das Metallstück gedrückten Papierbande besteht, vermindert wird, wenn ein Strom durch das Papier zu diesem Metallstücke geht. Ich habe diese merkwürdige Erscheinung für den Fall be - stätigt gefunden, dass der Strom so gerichtet ist, dass sich Wasser - stoff an der Metallplatte ablagert, oder wenn das Metallstück aus einem nicht oxydirbaren Metalle besteht. Die Verminderung des428 Reibungscoefficienten durch den Strom rührt daher offenbar von elektrolytisch erzeugten Gasen her, welche sich auf der Metall - platte ablagern. Auffallend bleibt dabei aber die fast momentan zu nennende Schnelligkeit, mit welcher die Wirkung auch bei sehr schwachen Strömen eintritt.

Edison befestigt nun die gegen das feuchte Papier gedrückte Metallplatte an einem Schallbrette und zieht das über eine Walze geführte feuchte Papier durch continuirliche Drehung dieser Walze unter dem Metallstücke durch. Wenn nun das Metallstück und die metallene Walze in den Leitungskreis eingeschaltet sind, so bewirken die Stromänderungen, welche durch das stärker oder schwächer gepresste Graphitpulver hervorgerufen werden, äqui - valente Veränderungen des Reibungscoefficienten zwischen dem am Schallbrette befestigten Metallstücke und dem Papiere, wo - durch jenes in entsprechende Schwingungen versetzt wird, die sich dem Schallbrette und durch dieses der Luft mittheilen.

Das Edison’sche Telephon ist sehr bemerkenswerth durch die Neuheit der Hülfsmittel, welche bei demselben zur Verwendung kommen, ist aber offenbar noch nicht zur praktischen Brauch - barkeit durchgearbeitet. Das Bell’sche Telephon dagegen hat in seiner merkwürdig einfachen Form in kurzer Zeit, namentlich in Deutschland, eine grosse Verbreitung gefunden, und es liegt bereits ein grosses Erfahrungsmaterial zur Beurtheilung seiner Brauch - barkeit vor. Seine Mängel bestehen namentlich in der grossen Schwäche der reproducirten Sprachlaute, die für ein deutliches Verständniss ein Andrücken der Schallöffnung an’s Ohr und andrerseits ein unmittelbares Hineinsprechen in dieselbe erforder - lich machen. Dabei ist eine stille Umgebung nothwendig, damit das Ohr nicht durch fremde Geräusche abgestumpft und gestört wird. Ein noch schwerer wiegendes Hinderniss seiner praktischen Verwendung besteht aber darin, dass es auch vollständiger elektrischer Ruhe bedarf. Da es ausserordentlich schwache Ströme sind, welche durch die schwingende Eisenmembran erzeugt werden, und die andrerseits die Eisenmembran des anderen Instrumentes in ähnliche Schwingungen versetzen, so genügen auch sehr schwache fremde Ströme, um die letzteren zu stören und ver - wirrende Geräusche anderen Ursprungs dem Ohre zuzuführen.

Um mir Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Stärke der429 Ströme zu verschaffen, welche im Telephon thätig sind, stellte ich ein Bell’sches Telephon, dessen Magnetpol mit 800 Windungen 0.10 mm dicken Kupferdrahtes von 110 Q. E. Widerstand um - wunden war, in einen Leitungskreis ein, der ein Daniell’sches Element mit einem Commutator enthielt, durch den die Strom - richtung etwa 200 mal in der Secunde umgekehrt wurde.

Ohne eingeschalteten Widerstand erzeugten diese Stromwellen im Telephon ein weithin hörbares, höchst unharmonisches und dicht am Ohr kaum zu ertragendes Geräusch. Durch Einschal - tung von Widerstand verminderte sich dies Geräusch, war aber bei Einschaltung von 200000 Einheiten noch sehr laut vernehm - bar. Selbst einfache Schliessungen und Oeffnungen der Kette waren durch diesen Widerstand noch deutlich als kurzer Schall vernehmbar. Wurden 6 Daniells eingeschaltet, so konnte man das Geräusch durch 10 Millionen Einheiten noch deutlich ver - nehmen. Schaltete man 12 Daniells und 20 Millionen Einheiten Widerstand ein, so war das Geräusch entschieden deutlicher als im vorhergehenden Falle. In gleicher Weise fand ein Zunehmen seiner Stärke statt, als man 30 und 50 Millionen Einheiten mit 18 und resp. 30 Daniells einschaltete. Es ist dies eine Bestätigung der Beobachtung von Beetz, dass der Elektromagnetismus bei gleicher Stromstärke schneller in Leitungskreisen von grossem Widerstande mit entsprechend grösseren elektromotorischen Kräften hervorgerufen wird, als in Leitungskreisen mit geringem Wider - stande und verhältnissmässig geringeren elektromotorischen Kräften, da die in den Windungen des Elektromagneten auftretenden Gegen - ströme im letzteren Falle mehr zur Geltung kommen, als im ersteren.

Schaltet man in den Leitungskreis des Commutators die pri - märe Spirale eines kleinen Voltainductors, wie solche von Aerzten gewöhnlich verwendet werden, während Telephon und Widerstands - scala sich in dem Kreise des secundären Drahtes befanden, so erhielt man mit einem Daniell noch ein laut schallendes Geräusch bei Einschaltung von 50 Millionen Q. E., was selbst dann noch deutlich hörbar war, als man die secundäre Spirale ganz bis zum Ende der primären zurück schob.

Diese grosse Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons für schwache Ströme macht es sehr brauchbar als Galvanoskop,430 namentlich zum Nachweis schwacher, schnell sich verändernder Ströme, für welche es bisher kaum ein anderes Prüfungsmittel gab, als die Zuckungen des Froschschenkels. Auch bei Wider - standsmessungen mittelst der Brückenmethode wird das Telephon oft mit Vortheil anstatt des Galvanometers im Zweigdrahte der Brücke verwendet werden können. Es ist hiebei aber nöthig, nur gerade, in grösserer Entfernung von einander ausgestreckte Drähte als Widerstände zu verwenden, da anderenfalls Störungen durch Induction entstehen würden.

Es erklärt sich hierdurch vollständig die grosse Empfindlich - keit des Telephons gegen elektrische Störungen in den Leitungen, die seine Anwendung auf oberirdischen Leitungen sogar fast gänz - lich ausschliesst, wenn an denselben Stangen sich Leitungen be - finden, welche zu telegraphischer Correspondenz benutzt werden. Selbst wenn man zwei benachbarte, an denselben Stangen be - findliche Leitungen zur Bildung des Leitungskreises verwendet, wobei die von den entfernteren, übrigen Drähten ausgehende, elektrodynamische, wie elektrostatische Induction sich zum grössten Theile compensirt, hört man im Telephon doch jeden Strom, der durch einen dieser Drähte geht, als laut klatschendes Geräusch, welches die Telephonsprache ganz unverständlich macht, wenn es sich häufig wiederholt.

Noch weit schlimmer sind diese Störungen, wenn man die Erde zur Schliessung des Leitungskreises benutzt. Selbst wenn man für den Telephondraht besondere Erdplatten nimmt oder eine Gas - oder Wasserleitung als solche benutzt, hört man deut - lich jeden Strom, der durch benachbarte Erdplatten der Erde zu - geführt wird. Da das elektrische Potential bei der Verbreitung eines Stromes im Erdboden mit den Kuben der Entfernung vom Zuleitungspunkte abnimmt, so beweist auch dies die ungemeine Empfindlichkeit des Telephons für schwache Ströme.

Bei oberirdischer Drahtführung sind Telephone aus diesen Gründen nur zu verwenden, wenn besondere Gestänge für die Telephonleitungen verwendet werden. Ferner ist die Erdleitung nur an Orten zu benutzen, die keine Telegraphenstationen haben, oder wo die zum Telegraphiren benutzten Erdplatten weit entfernt von denjenigen sind, welche für die Telephonleitungen benutzt werden.

431

Trotz dieser grossen Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons überträgt es doch die Schallwellen, von denen seine Membran getroffen wird, nur sehr unvollständig auf die correspondirende Membran und das derselben genäherte Ohr. Als der Schallöffnung eines nach Bell’s Angaben construirten, sehr empfindlichen Tele - phons eine laut tickende Taschenuhr genähert wurde, konnte man das laute Ticken derselben im andern Telephon nicht hören, selbst dann nicht, als die Uhr das Gehäuse des Telephons un - mittelbar berührte. Das oben erwähnte Fadentelephon übertrug das Ticken dagegen durch einen ca. 20 m langen Faden noch sehr deutlich. Dasselbe war noch vernehmbar, wenn die Uhr 8 cm von der Mündung des cylindrischen Hörrohrs entfernt war. Direct war das Ticken mit ungefähr gleicher Deutlichkeit noch auf 130 cm Entfernung hörbar, das Fadentelephon über - trug mithin etwa 1 / 260 der Schallstärke. Da das elektrische Tele - phon die leiseste Sprache noch verständlich übertrug, so muss es das tonlose, tickende, wenn auch lautere Geräusch der schnellen und unregelmässigen Schwingungen wegen, die es bilden, nicht mehr übermitteln können.

Aus gleicher Ursache ist auch die eigentliche, ganz tonlose Flüsterstimme durch das elektrische Telephon nicht mehr ver - nehmbar, während sie durch das Fadentelephon auf 20 m Ent - fernung noch deutlich vernehmbar ist. Ebenso übertragen elek - trische Telephone, welche die leiseste Sprache noch deutlich wiedergeben, den lauten, aber tonlosen Schlag zweier Eisenstücke oder Glasstücke gar nicht oder doch kaum merkbar.

Auffallend ist es, dass das elektrische Telephon trotz dieser geringen Fähigkeit, die aus sehr schnellen und unregelmässigen Schwingungen bestehenden Geräusche zu übertragen, doch die Klangfarbe der Töne und Sprachlaute so treu wiedergiebt, dass man die Stimmen des Sprechenden fast eben so gut durch das Telephon, als direct erkennen kann. Doch klingt die Stimme etwas klangreicher, was dem Umstande zuzuschreiben ist, dass die Töne besser und kräftiger reproducirt werden, als die Sprach - geräusche. Auch der Gesang klingt durch das Telephon in der Regel weicher und tonreicher als direct.

Um einen Anhalt dafür zu gewinnen, welchen Bruchtheil der Schallstärke, welche die Membran des einen Telephons trifft,432 von der des anderen wiedergegeben wird, stellte ich einige Ver - suche mit Spieldosen an. Die kleinere, welche kurze scharfe Töne gab, war im Freien auf offener Fläche von guten Ohren noch in 125 Meter Entfernung hörbar, während man durch das Telephon nur noch einzelne Töne hörte, wenn das Telephon mehr als 0,2 m von der Spieldose entfernt wurde. Es wurde hier also nur ca. 1 / 390000 des Schalles wirklich übertragen. Ein etwas grösseres Spielwerk, welches weniger hoch gestimmt war und länger andauernde Töne gab, war im Freien nicht viel weiter zu hören als die kleine Spieldose, aber das Telephon liess die gespielte Melodie noch in 1,2 m Entfernung erkennen. Es ergiebt dies eine Uebertragung von ca. 1 / 10000 der vom Telephon aufgenommenen Schallstärke. Wenn nun auch die Sprachlaute, so wie tiefere und mehr getragene Töne wahrscheinlich besser übertragen werden als die Töne der Spieldosen, so ist doch nicht anzunehmen, dass ein Bell’sches Telephon im Durchschnitt mehr wie 1 / 10000 der Schallmasse, von der es getroffen wird, auf das andere Telephon überträgt.

Es folgt aus dem Obigen, dass das Bell’sche Telephon trotz seiner überraschenden Leistungen doch nur in sehr unvollkom - mener Weise die Schallübertragung bewirkt.

Dass wir die Sprache des durch so ungemein schwache Ströme erregten Telephons verstehen, verdanken wir nur der ausserordentlichen Empfindlichkeit und dem grossen Umfange unseres Hörorgans, welche dasselbe befähigt, den Schall des Kanonenschusses, den es noch in 5 Meter[Entfernung] erträgt, in einer Entfernung von 50 km noch zu hören, also Luft - schwingungen noch innerhalb der 100 millionenfachen Stärke als Schall zu empfinden.

Das Telephon ist hiernach der Verbesserung noch in hohem Grade fähig und bedürftig. Wenn es auch nicht möglich ist, den Schallverlust ganz zu beseitigen was annähernd der Fall sein würde, wenn zu bewirken wäre, dass die Schwingungen der zweiten Membran dieselbe Amplitude wie die der ersten erhiel - ten da bei den wiederholten Umformungen von Bewegungen und Kräften immer ein Verlust an lebendiger Kraft durch Um - wandlung in Wärme stattfinden muss, so ist das vorhandene Missverhältniss doch viel zu gross. Mit der Verminderung433 dieses Verlustes und der dadurch erzielten Verstärkung des an - kommenden Schalles würde aber erreicht werden, dass das Ge - hör weniger angestrengt zu werden brauchte und in grösserem Abstande vom Instrumente die übermittelten Laute noch deut - lich vernehmen und unterscheiden könnte. Es würden denn auch die durch fremde, schwache elektrische Ströme hervor - gerufenen Störungen weniger störend empfunden werden, da sie von den ankommenden stärkeren Sprachlauten überdeckt würden.

Es ist hierdurch auch die Richtung angegeben, welche zur Verbesserung des Bell’schen Telephons einzuschlagen ist.

Um stärkere Ströme hervorzubringen, muss die zur Auf - nahme der Schallwellen bestimmte Membran hinlänglich gross und so beschaffen sein, dass die ihre Fläche treffenden Schall - wellen einen möglichst grossen Theil ihrer lebendigen Kraft auf sie übertragen können. Die Membran muss dabei hinlänglich beweglich sein, damit ihre Schwingungen nicht zu klein aus - fallen, und die zur Hervorbringung der elektrischen Ströme auf - gewandte Arbeit muss so gross sein, dass die in der Membran - schwingung angesammelte lebendige Kraft durch dieselbe consu - mirt wird, oder mit anderen Worten so gross, dass sie die Mem - branschwingungen aperiodisch macht. Eine Vergrösserung des Bell’schen Eisenblechs ist nur innerhalb sehr beschränkter Grenzen vortheilhaft, da grössere und entsprechend dickere Platten leicht Eigenschwingungen annehmen, welche die Deut - lichkeit der übermittelten Laute vermindern. Auch die magne - tische Anziehung der Eisenplatte darf beim Bell’schen Telephon nicht zu hoch gesteigert werden, da dieselbe sonst zu sehr ein - seitig durchgebogen und gespannt wird, was ebenfalls die Deut - lichkeit beeinträchtigt.

Ich habe nun mit wesentlichem Erfolge versucht, die mag - netische Anziehung zwischen der Eisenmembran und dem mit Draht umwundenen Magnetpole zu verstärken, ohne die ersteren aus ihrer Gleichgewichtslage zu bringen, indem ich sie zwischen die Polenden eines kräftigen Hufeisenmagnetes brachte.

Der über dem Eisenblech befindliche Pol bildete einen Ring, dessen Oeffnung das ziemlich weite Schallloch bildete, während der untere Pol des Hufeisens der Mitte der Schallöffnung gegen -28434über den mit Drahtrolle versehenen Eisenstift trug. Die Mem - bran selbst bestand nur in der Mitte aus Eisen, soweit sie dem ringförmigen Pole gegenüberstand, während der übrige Theil aus Messingblech, an welches das Eisen angelöthet wurde, herge - stellt war. Durch die Einwirkung des magnetischen Eisenringes ward nun die Mitte des Eisenblechs selbst stark magnetisch, es fand also eine sehr verstärkte Anziehung zwischen demselben und dem entgegengesetzt magnetischen Eisenstift statt, während die von beiden Seiten gleich stark angezogene Eisenplatte mit der ganzen Membran im Gleichgewichtszustande blieb, also frei nach beiden Seiten hin schwingen konnte.

Eine andere Modification bestand darin, dass ich beide Magnetpole ringförmig machte und mit kurzen, aufgeschnittenen Eisenröhren versah, die mit Windungen versehen wurden. Es standen jetzt der Eisenplatte zwei gleichartige, ringförmige Mag - netpole gerade gegenüber, während diese selbst die entgegenge - setzte Polarität hatte. Es ist dies dieselbe Combination, welche ich bei sogenannten polarisirtsn Relais vielfach mit gutem Er - folge verwende, bei denen die bewegliche, stark magnetische Eisenzunge zwischen zwei entgegengesetzt magnetischen und gleich weit von derselben entfernten Magnetpolen, deren Enden mit Windungen versehen sind, sich befindet.

Auch für telephonische Rufsignal-Apparate hat sich diese Anordnung bewährt. Befindet sich eine Stelle des Randes einer Stahlglocke, welche selbst an dem einen Pole eines Hufeisen - Magnetes befestigt ist, zwischen zwei mit Windungen versehenen Eisenstiften, welche den andern Pol des Hufeisen-Magnetes bilden, so giebt eine zweite, gleich gestimmte und ähnlich eingerichtete Glocke jeden Glockenschlag an die andere mit überraschender Stärke wieder, wenn die Windungen beider in einen Leitungs - kreis eingeschaltet sind. Dasselbe gilt von gleich gestimmten Stimmgabeln.

Anstatt zweier gleichgestimmter Glocken oder Stimmgabeln genügt es auch, wenn es sich nur um Uebertragung des Glocken - tons als Alarmsignal handelt, nur eine Glocke oder Stimmgabel in den Telephonkreis einzuschalten. Die Telephone geben dann laut tönende Glockenschläge.

Wenn auf diese Weise auch die Leistungsfähigkeit des Tele -435 phons bedeutend erhöht werden kann, so bleibt man doch bei Beibehaltung der Bell’schen Eisenmembran an ziemlich enge Grenzen gebunden, sowohl hinsichtlich der Grösse der den Schall aufnehmenden Membran, als der Stärke des wirksamen Magnetismus, deren Ueberschreitung die Sprachlaute undeut - lich macht und ihnen einen fremden, unangenehmen Neben - klang giebt.

Zur Construction grösserer, weit kräftigere Ströme liefernder Telephone benutze ich daher keine schwingende Eisenplatte, son - dern befestige an der die Schallwellen aufnehmenden Membran, die aus nicht magnetischem Material hergestellt wird, eine leichte Drahtrolle, welche frei in einem ringförmigen, stark magnetischen Felde schwebt. Durch die Schwingungen der Drahtrolle werden in derselben kräftige Ströme wechselnder Richtung inducirt, welche am andern Ende der Leitung entweder die Drahtrolle eines ähnlichen Instrumentes, oder die Eisenmembran eines Bell’schen Telephons in ähnliche Schwingungen versetzen.

Da man eine ebene Membran nicht über eine ziemlich enge Grenze hinaus vergrössern kann, ohne die übertragenen Sprach - laute zu verwirren, so habe ich auf Helmholtz Rath der Mem - bran die Form des Trommelfelles des Ohres gegeben.

Man erhält diese Form nach Helmholtz, wenn man eine feuchte Pergamenthaut oder Blase über den Rand eines Ringes spannt und ihre Mitte dann durch eine Schraube oder ander - weitig bis zur gewünschten Tiefe allmählich niederdrückt. Im getrockneten Zustande behält die Membran dann diese Form bei. Bildet man darauf nach dieser Form ein Metallmodell, so kann man Metallmembranen aus Messing oder besser Aluminiumblech mit Hülfe derselben drücken, welche genau dieselbe Form haben, wie die erstere. So geformte Membranen sind namentlich zur Aufnahme der Schallwellen und zur Uebertragung der lebendigen Kraft derselben auf in Schwingung zu setzende Massen ein Zweck, den sie auch im Ohre zu erfüllen haben besonders geeig - net, da ihre Durchbiegung hauptsächlich in der Nähe des Randes der Membran erfolgt, während dieselbe bei der ebenen Membran mehr in der Nähe des Centrum stattfindet, bei ihr daher auch nur die die Mitte der Platte treffenden Schallwellen zur vollen Wirkung kommen. Ein solches Telephon mit einer Pergament -28*436membran von 20 cm Durchmesser, einer Drahtrolle von 25 mm Durchmesser, 10 mm Höhe und 5 mm Dicke, in einem durch einen starken Elektromagnet erzeugten, kräftigen, magnetischen Felde, überträgt jeden in einem Zimmer von mässiger Grösse an beliebiger Stelle hervorgebrachten Laut mit voller Deutlichkeit auf eine grössere Zahl kleinerer Telephone. Bemerkenswerth ist dabei die grosse Reinheit und Klarheit, mit der das Telephon die Sprachlaute und Töne überträgt. Es kann dies zum Theil von der zweckmässigen Membranform, zum Theil aber auch davon herrühren, dass die Rolle bei der Verschiebung im cylin - drischen, magnetischen Felde regelmässigere sinusoïde Ströme erzeugt, als eine schwingende Eisenplatte. Wird eine solche Drahtrolle vermittelst einer Kurbel mit langer Krummzapfen - stange schnell auf und nieder bewegt, so kann man sich eines solchen Apparates mit Vortheil zur Erzeugung von kräftigen Sinus-Strömen bedienen.

Zur Wiedergabe der Sprachlaute ist die Trommelfell-Mem - bran-Form weniger gut geeignet. Es erscheint auch allgemein zweckmässiger, mit kräftigen, grösseren Instrumenten zu geben und mit kleinen, zarter und leichter construirten zu empfangen, wobei man das Instrument in die zweckmässigste Lage zum Ohre bringt.

Zu kräftige Empfangsapparate haben den Nachtheil, dass die durch die Schwingungen ihrer Membran erzeugten Gegenströme die bewegenden Ströme schwächen und die sinusoïden Wellenzüge der inducirten Ströme verschieben, wodurch die Sprache undeut - lich wird und fremde Klangfarben annimmt.

Es ist überhaupt kaum anzunehmen, dass es gelingen wird, Telephone nach Bell’schem Princip, bei denen die Schallwellen selbst die Arbeit der Hervorbringung der zu ihrer Uebertragung erforderlichen Ströme zu leisten haben, in der Art herzustellen, dass sie eine in grösserer Entfernung vom Telephon deutlich vernehmbare Sprache reden, und ganz unmöglich ist es, wie schon hervorgehoben, zu erzielen, dass sie die Schallmasse, von der ihre Membran getroffen wird, ungeschwächt oder gar ver - stärkt reproduciren. Diese Möglichkeit ist aber nicht ausgeschlossen, wenn eine galvanische Kette zur Bewegung der Membran des Empfangsapparates benutzt wird, welche dann die aufzuwendende437 Arbeit leistet. Reis hat dies mit Hülfe von Contacten, Edison mit Hülfe des Graphitpulvers, welches er in den Leitungskreis der Kette einschaltet, auszuführen versucht.

Contacte werden schwerlich hinreichend constant und zuver - lässig functioniren, um die Sprachlaute rein wiedergeben zu können. Möglich ist es aber, dass die Aufgabe auf dem von Edison eingeschlagenen Wege gelöst wird. Es kommt dabei nur darauf an, ein Material oder eine Vorrichtung aufzufinden, mit deren Hülfe beträchtliche und der Schwingungsamplitude der Membran proportionale Aenderungen des Widerstandes des Lei - tungskreises hervorgebracht werden. Das Graphitpulver hat eine zu unbeständige Form und Beschaffenheit, um diese Aufgabe mit Sicherheit erfüllen zu können. Versuche mit anderen Einrich - tungen, welche ich angestellt habe, haben bisher kein befriedi - gendes Resultat gegeben. Demungeachtet bleibt der Vorgang Edison’s sehr beachtenswerth, da er möglicherweise den Schlüssel zu künftiger bedeutender Fortentwickelung der Tele - phonie bildet.

Wenn aber hiernach die telephonischen Instrumente auch der weiteren Ausbildung innerhalb weiter Grenzen unterliegen, so werden die Leitungen doch immer den Anwendungskreis der - selben ziemlich eng begrenzen. Auch wenn man, wie schon früher als nothwendig nachgewiesen ist, für Telephonleitungen besondere Gestänge verwendet, an denen sich keine Telegraphen - leitungen befinden, und überall Doppelleitungen für die Telephone verwendet, so würde sich doch auch die Telephoncorrespondenz auf mehreren, an denselben Stangen befestigten Leitungen bei zunehmender Länge der Leitungen bald gegenseitig stören, so - wohl dadurch, dass durch unvollkommene Isolation Zweigströme auf die benachbarten Leitungen übergehen, als auch dadurch, dass durch elektrodynamische und elektrostatische Induction secundäre Ströme in denselben hervorgerufen werden, welche verwirrende Laute erzeugen. Die elektrodynamische Induction ist bei telegraphischen Leitungen in der Regel ganz zu vernach - lässigen, da sie mit der Länge der Leitungen nicht zunimmt, wenn vom Widerstande der Umwindungsdrähte abgesehen wird, und da die Dauer der elektrodynamisch inducirten Ströme zu kurz ist, um die telegraphischen Instrumente beeinflussen zu438 können. Bei telephonischen Apparaten bringen die kurzen, durch Voltainduction erzeugten Ströme aber schon sehr vernehm - bare Laute hervor, wenn die Leitungen auch nur auf kurze Strecken nebeneinander herlaufen.

Die secundäre, elektrostatische Induction, welche mit den Quadraten der Länge der Leitung wächst, wird ferner auch bei längeren oberirdischen Leitungen bald eine Grenze der Anwend - barkeit des Telephons, selbst dann, wenn nur telephonische Leitungen an denselben Stangen befestigt sind, herbeiführen.

Viel günstiger gestaltet sich in dieser Hinsicht das Verhält - niss für das Telephon bei Anwendung unterirdischer oder unter - seeischer Leitungen. Bevor ich erkannt hatte, dass die Stärke der Ströme, welche noch befähigt sind, das Telephon zur Her - vorbringung deutlich verständlicher Sprachlaute zu erregen, so ausserordentlich klein ist, bezweifelte ich die Anwendbarkeit der unterirdischen Leitungen auf grössere Entfernungen wegen der grossen Schwächung, welche die durch schnell wechselnde elektro - motorische Kräfte in den Leitungen hervorgerufenen Stromwellen mit der Länge der Leitung erleiden. Die Versuche, welche der Generalpostmeister Dr. Stephan, dem das deutsche Reich die Wiedereinführung der seit einem Vierteljahrhundert fast in Ver - gessenheit gekommenen unterirdischen Leitungen verdankt, mit Bell’schen Telephonen anstellen liess, gaben aber das über - raschende Resultat, dass man mit denselben auf Entfernungen von ca. 60 km noch vollkommen deutlich und verständlich sprechen kann. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass man mit Telephonen verstärkter Wirkung auch noch auf die doppelte oder selbst dreifache Entfernung eine gute Verständigung erzielen wird. Dies dürfte allerdings die Entfernungs-Grenze sein, inner - halb deren telephonische Correspondenz überhaupt praktisch ver - wendbar ist.

Leider sind auch bei unterirdischen Leitungen Störungen durch Rückströme aus der Erde, sowie durch elektrodynamische und elektrostatische Induction nicht ausgeschlossen. Die ersteren liessen sich, wie bei den oberirdischen Leitungen, durch An - wendung ganz metallischer Leitungskreise, unter Ausschluss der Erde als Rückleiter, ziemlich vollständig beseitigen. Dasselbe gilt in dem Falle auch von den Störungen durch Induction,439 wenn man die beiden, einen Telephonkreis bildenden isolirten Leiter zu einem besonderen, mit Eisendrähten umhüllten Kabel vereinigt. Wenn man dagegen, wie gewöhnlich der Kostener - sparung wegen der Fall ist, eine grössere Zahl von isolirten Leitern zu einem Kabel vereinigt, so treten Volta - wie statische Induction, des geringen Abstandes wegen, in verstärktem Masse auf und wirken sehr störend auf die telephonische Correspon - denz ein. Diese secundäre elektrostatische Induction tritt auch bei langen Kabelleistungen für telegraphische Correspon - denz, bei welcher sehr empfindliche Apparate zur Verwendung kommen müssen, schon störend auf. Ich habe daher vorge - schlagen, zu ihrer Beseitigung die einzelnen, zu einem mehr - drähtigen Kabel vereinigten Leitungen mit einer leitenden me - tallischen Hülle, die mit der äusseren Eisenbespinnung bez. dem Erdboden in leitender Verbindung steht, zu versehen. Schon eine Umhüllung der einzelnen isolirten Leitungen mit einer dünnen Stanniolschicht beseitigt die secundäre elektrostatische In - duction vollständig. Man kann sich hiervon leicht durch das Experiment überzeugen, wenn man zwei auf beiden Seiten mit Stanniol beklebte Glimmer - oder dünne Guttapercha-Platten auf einander legt. Isolirt man die inneren Belegungen und prüft die Ladung zwischen den äusseren Belegungen durch den Ausschlag eines Galvanometers, indem man den freien Pol einer abgeleiteten Batterie mit der einen äusseren Belegung verbindet, während man die zweite durch den Galvanometerdraht mit der Erde verbindet, oder in ähnlicher Weise mit Hülfe der Wippe, so erhält man eine eben so grosse Ladung, als wenn die mitt - leren Belegungen ganz fehlten. Verbindet man die letzteren dagegen mit der Erde, so erhält man keine Spur von secundärer Ladung in der mit dem Galvanometer verbundenen Stanniolbe - legung.

Dasselbe negative Resultat erhält man, wenn man die ein - zelnen isolirten Leiter eines aus mehreren Leitern bestehenden Kabels der ganzen Länge nach dicht mit Stanniol oder dünnen Blechstreifen aus einem beliebigen Metall umwickelt hat. Die metallische, wenn auch sehr dünne, leitende Hülle verhindert vollständig jede secundäre elektrostatische Induction oder Ladung eines Leiters durch die Ladung eines anderen. Dagegen wird440 die elektrodynamische Induction der Drähte auf einander dadurch nicht aufgehoben, wie Foucault behauptete1)Foucault nahm am 2. Juli 1869 in England ein Patent auf Um - hüllung der einzelnen Leiter mit Stanniol oder anderen leitenden Körpern mit dem ausgesprochenen Zwecke, die elektrodynamische Induction durch die in der Zinnhülle entstehenden Gegenströme zu compensiren..

Man kann sich hiervon ebenfalls leicht durch einen ein - fachen Versuch überzeugen.

Wenn man zwei mit Guttapercha oder Kautschuck isolirte Drähte zusammen auf eine Rolle aufwickelt, so sind in dem einen Drahte kräftige Ladungs -, so wie Volta-Inductionsströme zu be - obachten, wenn durch den andern eine galvanische Kette ab - wechselnd geschlossen und geöffnet wird. Stellt man die Rolle nun in ein Gefäss und füllt dasselbe nach und nach mit Wasser, so vermindern sich die Ladungsströme im ersteren Drahte und hören ganz auf, wenn das Wasser die Zwischenräume zwischen den Drähten vollständig ausgefüllt hat, wogegen die elektrodyna - misch inducirten Ströme sogar etwas stärker werden.

Für Telegraphenleitungen sind diese elektrodynamisch in - ducirten Ströme, wie schon hervorgehoben, ohne Bedeutung, da sie mit der Länge der Leitung nicht zunehmen; das so äusserst empfindliche Telephon wird jedoch durch dieselben noch erregt, wenn die inducirenden Ströme nicht ausserordentlich schwach sind. Man wird daher für Telephone auch besondere Kabellei - tungen anlegen müssen, so wie sie besonderer Gestänge bei ober - irdischer Drahtführung bedürfen.

Wie sich aus dem Obigen ergiebt, ist das Telephon noch wesentlicher Verbesserung fähig. Es werden zuverlässig in kur - zer Zeit Telephone hergestellt werden, welche die Sprache sowie musikalische Töne unvergleichlich lauter, deutlicher und reiner auf mässige Entfernungen hin übertragen, als es durch das Bell’sche Telephon bisher geschieht.

Das Telephon wird dann für den Verkehr in Städten und zwischen benachbarten Ortschaften grosse Dienste leisten, die weit über das hinausgehen, was der Telegraph für kurze Ent - fernungen zu leisten vermag. Das Telephon ist ein elektrisches Sprachrohr, welches ebenso wie dieses von Jedermann gehand -441 habt werden und die persönliche Besprechung vollständig ersetzen kann. Aber, wie es auf ganze kurze Entfernungen das Sprachrohr nie verdrängen wird, eben so wenig wird es je für grössere Ent - fernungen den Telegraphen ersetzen können. Doch auch in dem so beschränkten Kreise seiner Anwendbarkeit wird es bald zu den wichtigsten Trägern moderner Cultur gezählt werden, wenn nicht äussere Hindernisse seiner Entwickelung und Anwendung entgegen treten.

[442][443]

Physikalisch mechanische Betrachtungen, veranlasst durch eine Beobachtung der Thätigkeit des Vesuvs im Mai 1878.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. v. 17. Oct.)

1878.

Der Vesuv trug während meiner Anwesenheit in Neapel im Mai d. J. eine Dampfkrone, welche sich hin und wieder bei windstillem Wetter etwa bis auf seiner Höhe über dem Meeres - spiegel erhob. Während der Nacht erschien die Dampfkrone schwach leuchtend. Auffallend war mir hierbei, dass dieselbe, mit einem guten Fernrohre betrachtet, aus schnell auf einander fol - genden Dampfringen zu bestehen schien. Der Lichtschein war nicht constant. Seine Helligkeit war sehr veränderlich und hin und wieder schien er intermittirend zu sein.

Als ich am 14. Mai die recht beschwerliche Aufsteigung bis zum alten Kraterrande überwunden hatte, war ich im höchsten Masse überrascht durch den sich mir darbietenden Anblick. Auf der höchsten Spitze des Aschenkegels, welcher sich in der Mitte des grossen Kraters etwa bis zur halben Höhe seines Ran - des erhob, sah man eine hellglühende Oeffnung, aus welcher in ziemlich regelmässiger Folge alle 2 bis 3 Secunden heftige Ex - plosionen hervorbrachen. Die Stärke dieser Explosionen liess sich ohngefähr daraus ermessen, dass durch dieselben glühende Steine und Schlackenstücke in Menge bis bedeutend über meinen Standpunkt auf dem Rande des alten Kraters emporgeschleudert wurden und nach ihrem fast senkrecht erfolgenden Niederfalle auf der Oberfläche des inneren Axenkegels niederrollten. Die hellglühende Oeffnung des thätigen Kraters bildete ein unregel -444 mässiges Viereck, dessen mittlere Seitenlänge ich auf 5 bis 6 Meter schätzte. Jede Explosion riss die umgebende Luft mit sich fort und bildete dadurch über dem Berggipfel einen in sich von innen nach aussen rotirenden und sich beim Ausfsteigen erweiternden Dampfring. Sie war von einem dumpfen Knalle begleitet, wel - cher den ganzen Berggipfel merklich erschütterte. Eine eigent - liche Flammenerscheinung war nicht zu beobachten. Da jedoch heller Sonnenschein herrschte, so hatte die ausgestossene Dampf - masse in der Nähe der Krateröffnung die gelbliche Färbung, welche schwach leuchtende Flammen im Sonnenschein anzuneh - men pflegen.

Diese imposante Erscheinung wich wesentlich von der Vor - stellung ab, die ich mir von der Vulcanthätigkeit nach den ge - lesenen Beschreibungen gebildet hatte. Diese kurzen, scharfen, explosionsartigen, sich in so kurzen Zeitintervallen folgenden Dampfausstossungen waren nicht durch die Annahme zu erklären, dass dem flüssigen Erdinnern entstammende, oder in der aufstei - genden Lava durch Verdampfung eingeschlossenen Wassers er - zeugte Dampfmassen in Folge überwiegender Spannung die Lava im Kraterkanale durchbrochen hätten! Eine Gas - oder Dampf - blase, die durch überlagernde Flüssigkeiten emporsteigt, kann entweder nur in ähnlicher Weise wie eine Luftblase im Wasser langsam emporsteigen, indem sie ihr Volumen, der Druckvermin - derung entsprechend, continuirlich vergrössert und dann ohne Ueberdruck die Flüssigkeit verlässt, oder sie muss, wenn die hohe Spannung plötzlich entsteht und den Druck der in einem engen Kanale eingeschlossenen Flüssigkeit bedeutend überwiegt, die letz - tere in zusammenhängender Masse hinausschleudern. Im ersteren Falle müsste das Empordringen einer jeden Dampfblase eine ruhige, durchaus nicht explosionsartige Dampfbildung verursachen, im letzteren dagegen müssten mit jeder Explosion grosse Lava - massen herausgeschleudert werden, und es müsste längere Zeit verstreichen, bis eine folgende Explosion nach Wiederanfüllung des Kraterkanals mit Lava eintreten könnte. Es ist aber auch gar kein Grund zu erkennen, wodurch eine solche plötzliche überwiegende Dampfspannung in der glühenden Tiefe entstehen sollte. Nehmen wir auch an, dass in der Lava oder dem Magma eingeschlossene Wassermassen mit demselben im Kraterkanale445 emporstiegen und nach entsprechender Druckverminderung in Dampfform übergingen, so kann dieser Uebergang niemals plötz - lich sein, da der Druck sich nur langsam mit der abnehmenden Tiefe vermindert und da das Wasser, um in Dampfform über - zugehen, latente Wärme aufnehmen muss, wodurch dasselbe sowie die umgebende Lava abgekühlt, also die Ursache der Dampf - bildung so lange aufgehoben wird, bis die durch den entstan - denen Dampf bewirkte Abkühlung durch Wärmezuleitung von den entfernteren Lavatheilen ersetzt ist.

Noch eine andere scheinbare Möglichkeit der plötzlichen Entwickelung einer überwiegenden Dampfspannung möge hier erörtert werden. Bei sehr hoher Temperatur werden die Bestand - theile des Wassers wie die anderer chemischen Verbindungen bekanntlich dissociirt. Man könnte nun annehmen, dass im Magma nicht Wasser, sondern die dissociirten Bestandtheile desselben, also verdichtetes Knallgas enthalten wäre und dass dasselbe wieder zu Wasser verbrennt, wenn die Temperatur durch Ver - minderung der Drucksäule, und damit der Compression des Magma, auf einen gewissen Grad herabgesunken wäre. Es ist aber einmal im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass auch unter dem gewaltigen Drucke, den die starre Erdkruste auf das Magma ausübt, eine Dissociation des Wassers eintreten kann, da der Druck die Verbindung der Gase zu dem dichteren Wasser be - günstigt. Frühere Versuche haben mir gezeigt, dass bei einem sehr hohen Drucke kaltes Knallgas explodirt und in Wasserdampf verwandelt wird1)Ich stellte den Versuch folgendermassen an: Etwa 50 cm lange Glasröhren von ca. mm innerem und 4 bis 5 mm äusserem Durchmesser wurden an einem Ende zugeschmolzen und zum grössten Theile mit ange - säuertem Wasser gefüllt. In das offene Ende wurden dann 2 stark um - sponnene Platindrähte von etwa 15 cm Länge gesteckt, das aufrecht stehende Rohr an diesem Ende mit einer Papierhülle umgeben, welche mit dem bekannten, aus Kolophonium und Wachs zusammengeschmolzenen Mechaniker-Kitt vollgegossen wurde, nachdem die Luft im offenen Ende des Rohres durch Erwärmung desselben etwas ausgedehnt war. Der Kitt zog sich dann beim Erkalten einige Centimeter in das Rohr hinein und bildete einen vollkommenen Verschluss desselben. Wurde nun das Rohr in etwas schiefer Lage, so dass die Flüssigkeit die Platinadrähte vollständig umgab, in einen Holzkasten gebracht, und dann eine galvanische Kette. Wollte man aber auch annehmen, dass die446 dissociirende Kraft der Temperatur die associirende des Druckes überwindet, dass also das Wasser in Form verdichteten Knall - gases im Magma enthalten sei, so wäre doch nicht anzunehmen, dass eine plötzliche, mit bedeutender fernerer Erwärmung ver - knüpfte Verbindung der Wasserbestandtheile zu Wasserdampf eintreten könnte, da die entstehende grössere Erhitzung ja sogleich wieder dissociirend wirken müsste, der Process also nur langsam verlaufen könnte.

Es bleibt hiernach nur übrig, anzunehmen, dass im Krater Wasserstoffgas oder brennbare Wasserstoffverbindungen empor - stiegen, die auf irgend eine Weise mit Sauerstoff zu einer ex - plosiven Gasmischung vermischt und nach erfolgter Mischung im oberen Theile des Kraterganges entzündet wurden. Woher stammte aber das brennbare Gas, woher kam der Sauerstoff, und wie wurde in so kurzen Zeitabschnitten die nöthige vollständige Mischung bewirkt?

Erst nach längerer Betrachtung des interessanten Schauspiels machte ich eine Beobachtung, welche den letztgenannten Vorgang, die Mischung des aufsteigenden brennbaren Gases mit Sauerstoff, erklärte. Von der emporgeschleuderten Dampfwolke sonderten sich häufig kleine Wölkchen ab, die sich dann schnell seitwärts bewegten und mit grosser Geschwindigkeit in den Krater zu - rückkehrten. Bald darauf erfolgte dann die folgende Explosion. Der Anfangs so räthselhaft erscheinende, mechanische Vorgang1)von 10 Daniell’schen Elementen zwischen die Enden der Platinadrähte ge - stellt, so begann sogleich eine Wasserzersetzung. Wurden nur 3 bis 4 Daniells benutzt, so hörte die Wasserzersetzung nach kurzer Zeit auf und begann erst wieder, wenn die Zahl der Zellen vermehrt war. Wurden stärkere Batterien eingeschaltet, so erfolgte regelmässig nach Verlauf von 10 bis 30 Minuten eine Explosion mit Feuererscheinung, welche das Rohr zertrümmerte. Die Lichterscheinung wurde in einem Spiegel beobachtet, welcher vor einer Oeffnung im Kasten angebracht war. Die Erscheinung wiederholte sich unter gleichen Umständen mit vollständiger Regelmässig - keit; es konnte daher nur der Druck die Ursache der Entzündung des Knallgases sein. Die Grösse des zur Explosion bei bestimmter Temperatur erforderlichen Druckes habe ich nicht bestimmt. Nach der Rechnung konnte ein Glasrohr, wie die verwendeten, ca. 2000 Atm. Druck ertragen, ich glaube aber nicht, dass die Gasspannung vor der Explosion die Hälfte dieses Druckes erreicht hat.447 wurde durch diese von meinen Begleitern bestätigte Beobachtung vollständig aufgeklärt. Nimmt man an, dass aus dem bis zu grösserer Tiefe leeren oder mit losem Gerölle angefüllten Krater - gange ein continuirlicher Strom brennbaren Gases hervorbricht, so würde dieser, einmal entzündet, mit dem Sauerstoffe der at - mosphärischen Luft als mächtige, wenn auch wenig leuchtende Flamme verbrennen. Beim Beginn der vulcanischen Thätigkeit wird aber der leere Krater mit atmosphärischer Luft gefüllt sein. Tritt nun ein abermaliges Aufsteigen von Lava und damit ein Emporströmen brennbaren Gases ein, so wird sich dieses leich - tere und heisse Gas sehr schnell mit der darüber befindlichen, kalten und schweren atmosphärischen Luft mischen und mit der - selben ein explosives Gemenge bilden, welches dann durch mit - gerissene glühende Lavatheile entzündet wird. Die Folge kann eine mächtige Explosion sein, wie sie ja oft beim Beginn einer Ausbruchsperiode beobachtet ist. Ist die Krateröffnung weit und offen, so dass die atmosphärische Luft leichten Zugang zu dessen Innerem hat, so wird häufig diese erste Explosion keine weiteren im Gefolge haben, sondern es wird das nachströmende brennbare Gas mit der continuirlich einfliessenden, schweren atmosphärischen Luft ruhig in der Tiefe des Kraters verbrennen. Ist dagegen, wie beim Vesuv der Fall war, die Krateröffnung eng, so dass kein gleichzeitiges Aus - und Einströmen von Gasen und Luft durch dieselbe stattfinden kann, so sind alle Bedingungen für eine Reihe von Explosionen gegeben. Der durch die erste Ex - plosion gebildete, stark erhitzte Wasserdampf wird zum grössten Theile in grosser Geschwindigkeit aus der Oeffnung geworfen. Im nächsten Momente wirken zwei Kräfte zusammen, um eine rela - tive Leere im Krater zu erzeugen. Einmal wird der noch im oberen Theile desselben befindliche Dampf seinen Weg in Folge der Trägheit seiner Masse nach fortsetzen, wenn schon atmo - sphärisches Gleichgewicht eingetreten ist, und dadurch im Krater eine relative Leere erzeugen, und zweitens wird die in Folge dessen nach der Explosion eintretende kalte Luft den noch zu - rückgebliebenen Wasserdampf zum Theil condensiren und dadurch ein weiteres Nachströmen von atmosphärischer Luft verursachen. Diese einströmende Luft muss sich nun mit dem aus der Tiefe regelmässig zuströmenden, brennbaren Gase um so schneller448 mischen, als die schwerere Luft sich über der leichten befindet, und beide lebhaft bewegt sind. Sobald die Mischung explosiv geworden ist, wird die zweite Explosion erfolgen, und so fort. Eine grössere Zahl solcher Explosionen wird die dadurch erzeugte hohe Temperatur den Wänden der Kratermündung mittheilen und dieselben zum Glühen bringen. Wahrscheinlich rührte die beo - bachtete helle Gluth der Krateröffnung nur von diesen andauern - den Explosionen her, und es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass der Kratergang erst in bedeutenden Tiefen dem Erdinnern entstammende Glühhitze hatte, während die mittleren Tiefen dun - kel waren. Das Zeitintervall zwischen den Explosionen muss hauptsächlich von der Grösse des lufterfüllten Raumes im Krater abhängen. Es ist daher zu vermuthen, dass eine Beschleunigung der Folge der Explosionen auf ein Ansteigen der Lava im Krater, mithin auf einen nahenden Lava-Ausbruch hindeutet1)Es ist inzwischen eingetroffen..

Schwieriger als die Frage der Mischung des brennbaren Ga - ses mit atmosphärischer Luft sind die Fragen zu beantworten, welches die Art und der Ursprung des brennbaren Gases ist, das dem Erdinnern durch den Krater entsteigt, und welche Kräfte die geschmolzenen Massen bei Ausbrüchen bis zum Gipfel der Vulcane emporheben.

Die starke Dampfbildung macht es sehr wahrscheinlich, dass hauptsächlich Wasserstoff zur Verbrennung gekommen ist, sie lässt aber unentschieden, ob der Wasserstoff frei oder an andere brennbare Stoffe, wie Schwefel, Kohle etc., gebunden war. Viel - leicht war das brennbare Gas auch stark mit Wasserdampf ge - mischt, welcher dann die Dampfwolken zum Theil bilden konnte. Unzweifelhaft enthielten diese beträchtliche Quantitäten schwefli - ger Säure. Wenn der Wind meinem Standpunkte etwas von dem schon in hohem Masse mit atmosphärischer Luft gemischten Dampfe zuführte, so musste ich denselben schleunigst verändern, da das Einathmen der schwefligen Säure mir unerträglich war. Schwefelwasserstoff, welcher mit Sauerstoff zu schwefliger Säure verbrennt, könnte sich durch Wasserzersetzung erst in den tiefe - ren Schichten der festen Erdrinde gebildet haben. Wenn der Kratergang durch mächtige, vielleicht vielfach zerklüftete Lager449 von Schwefeleisen hindurchführt, so müssen glühende, aus dem flüssigen Erdinnern, dem Magma, entbundene und durch den Kratergang dringende Wasserdämpfe das Schwefeleisen zersetzen und Schwefelwasserstoff bilden, welcher dann, mit unzersetztem Wasserdampfe gemischt, emporsteigt. Dasselbe würde geschehen, wenn in die mit Tages - oder Meerwasser gefüllten Spalten auf - steigendes glühendes Magma eintritt. Wenn sich aber auch die Vesuv-Thätigkeit vielleicht so erklären lässt, so kann man doch nicht annehmen, dass dies für alle Vulcane gilt, da die Ver - brennungs-Producte vieler derselben gar keine oder doch nur sehr wenig schweflige Säure enthalten, und da auch wohl kaum anzunehmen ist, dass sich unter allen Vulcanen Lager von Schwefelkies oder Schwefeleisen befinden. Schwefelwasserstoff und Kohlenwasserstoff zersetzen sich bei hoher Temperatur unter geringem Drucke. Damit ist allerdings nicht erwiesen, dass sie bei dem hohen Drucke, unter welchem das Magma steht, nicht trotz der hohen Temperatur desselben in ihm bestehen könnten; es muss aber jedenfalls Zersetzung eintreten, wenn beim Aufstei - gen mit dem Magma oder durch dasselbe hindurch der Druck sich vermindert. Dass das Magma Wasser und Wasserstoff enthält, ist für Ersteres erwiesen und auch nicht überraschend, wenn man von der Kant-Laplace’schen Weltbildungstheorie ausgeht. Nach dieser muss man annehmen, dass die Körperatome im Anfang ein - zeln im Raume des Weltalls zerstreut waren. Hatten sich vielleicht durch ungleiche Vertheilung Anziehungscentren ge - bildet, so mussten sie sich zu diesen hin bewegen. Nach der mechanischen Wärmetheorie musste, wie Helmholtz nachwies, die in den beschleunigt bewegten Atomen angesammelte lebendige Kraft beim Aufeinandertreffen sich in Wärme umsetzen, und die Temperatur musste sich bei fortschreitender Verdichtung in schneller Progression erhöhen. Mit der steigenden Temperatur musste das Spiel der chemischen Verbindungskräfte beginnen. Verwandte, in Berührung kommende Atome mussten sich zu Körpermolekülen verbinden, die vielleicht bei anderweitigen Be - rührungen und bei durch grössere Verdichtung gestiegener Tem - peratur wieder zu anderen Verbindungen auseinander - und zu - sammengingen. Alle bei den herrschenden Temperatur - und Druckverhältnissen möglichen chemischen Verbindungen mussten29450entstehen und in der durch Wärmeverlust und Massendruck flüssig gewordenen Erdmasse, dem Magma, in inniger Mischung vorhanden sein.

Der gewöhnliche Ausgangspunkt geologischer Betrachtungen, dass die Erde eine feuerflüssige, wesentlich aus Silicaten beste - hende Kugel gewesen, und das Wasser mit den Gasen dieselbe als glühende Atmosphäre umgeben hätte, entspricht der obigen Anschauung nicht. Nur aus den äusseren, unter geringem Drucke stehenden Schichten der flüssig werdenden Erdmasse konnten Wasser und Gase sofort in Gasform entweichen, während sie in grössern Tiefen in dem Magma theils gelöst, theils in inniger Mischung von demselben zurückgehalten bleiben mussten. Gegen die Annahme, dass auch Wasserstoff und andere brenn - bare Stoffe im Magma zurückblieben, könnte die Thatsache sprechen, dass Sauerstoff jetzt einen grossen Theil unserer Atmo - sphäre bildet, also im Ueberschuss vorhanden gewesen sein müsste. Wir kennen aber den Einfluss des gewaltigen Druckes und der ihm entsprechenden hohen Temperatur, die im Erdinnern bei ihrer Bildung herrschten und der durch spätere Abkühlung bewirkten Aenderung der Verwandtschaftskräfte noch viel zu wenig, um entscheiden zu können, ob nicht der Sauerstoff bei der Erdbildung gänzlich verbunden war und erst in späteren Perioden mit dem grössten Theile des jetzt auf der Erdoberfläche befindlichen Wassers aus dem bereits flüssigen Magma entbunden wurde. Dass die Sonnenatmosphäre nach den Ergebnissen der Spectralanalyse zum grossen Theile aus freiem Wasserstoff be - steht und noch jetzt mächtige Wasserstoffmassen aus dem Son - nenkerne hervorbrechen, spricht für den Ueberschuss des Wasser - stoffs im Sonnensysteme, also für die letztere Ansicht. Dass wir in unserer Atmosphäre keinen freien Wasserstoff mehr vorfinden, könnte vielleicht dadurch erklärt werden, das der specifisch leichtere und in viel weiteren Grenzen compressible Wasserstoff eine weit höhere Atmosphäre als die schweren Gase bilden muss und der Erde dadurch fast ganz entzogen wurde, dass die Grenze derselben die Gleichgewichtsgrenze zwischen Anziehung und Centri - fugalkraft überschreitet. Wir wissen, dass unter Druck hoch er - hitztes Wasser Quarz und Silicate in beträchtlicher Menge löst, so wie andererseits, dass geschmolzene Silicate sowohl Wasser,451 als sogenannte permanente Gase absorbiren. Wie weit diese Eigenschaften durch den gewaltigen Druak und die hohen Tem - peraturen im Innern der Erde verstärkt werden, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist, dass mit Silicaten gesättigtes, glühen - des Wasser und mit Wasser gesättigte Silicate unverbunden, aber in inniger Mischung neben einander bestanden und z. Th. noch bestehen. Dasselbe wird von der Kohlensäure gelten, deren wässerige Lösung unter hohem Druck Kalk, Magnesia etc. in beträchtlichen Quantitäten aufnimmt. Es treten nun in dieser nicht homogenen Masse Kräfte auf, welche im Lauf der Zeit eine Sonderung der unverbunden neben einander lagernden flüssi - gen Massen bewirken mussten. Die Schwerkraft musste die specifisch schwereren allmählich dem tieferen Erdinnern zuführen, die leichteren also zur Peripherie bewegen, während die gegen - seitige stärkere Anziehung der schweren Massen die leichteren in ähnlicher Weise abstossen musste, wie Luftblasen in Flüssig - keiten sich abstossen.

Das Resultat dieser, namentlich in zähen Flüssigkeiten sehr langsam wirkenden Kräfte, von denen die erste, wirksamste bei zunehmender Tiefe noch mit der Intensität der Schwere abnimmt, musste eine ganz allmähliche Scheidung der schweren Flüssig - keiten von den leichten und eine Zusammenballung und Bewe - gung der letzteren zur Peripherie sein. Es können aber auch von vorn herein schon bei der Bildung der Erdkugel schwere und leichtere, mehr Alkalien, Kohlensäure und Wasser haltende Massen-Regionen gebildet sein, weil die Stoffe ursprünglich nicht gleichmässig, sondern gruppenweise im Weltall verbreitet waren.

Dieser Gruppirung schwerer und leichter Massen im Erdin - nern, oder dieser Schlierenbildung , wie Reyer es ausdrückt, muss ein bedeutender Antheil an der Formation der Erdkruste, so wie an den noch jetzt zu Tage tretenden vulcanischen Er - scheinungen zugeschrieben werden. Bevor ich hierauf näher ein - gehe, muss ich jedoch erst die gewichtigen Gründe in Betracht ziehen, welche Sir William Thomson der Annahme, dass die Erde im Innern noch flüssig sei oder auch nur bei Bildung der ersten festen Kruste noch flüssig gewesen sei, entgegenstellt.

Thomson behauptet, dass die Erde eine weit grössere Starr - heit als eine massive Glas - oder selbst Stahlkugel haben müsse,29*452weil andernfalls die Meeresfluth in der beobachteten Grösse nicht eintreten könnte. Wäre die Erde im Innern noch flüssig, so müssten Land und Wasser gemeinsam die Fluthbewegungen ausführen, es könnte mithin keine relative Hebung des Wassers eintreten. Der geringe Widerstand einer mässig dicken, festen Kruste könne hierin nichts ändern. Wäre die Erde eine massive Glaskugel, so würde die Elasticität derselben ihr noch eine Fluth - bewegung gestatten, welche die für eine vollkommen starre Erde berechnete und mit der Erfahrung so ziemlich übereinstimmende Meeresfluth auf und, wenn sie von Stahl wäre, auf ihrer Grösse reduciren würde. Er erklärt es auch für unmöglich, dass sich eine feste Kruste bilden konnte, bevor die ganze Erde starr war, weil die festen Gesteine derselben nach Bischof’s Versuchen ca. 20 pCt. specifisch schwerer seien als die geschmolzene Masse, aus der sie erstarrt seien. Thomson nimmt daher an, die Erde sei ein fester Kern mit einem tiefen Meere geschmolzener Sili - cate, welches denselben bedeckt hätte, gewesen. Als sich bei weiterer Abkühlung erstarrte Felsmassen auf der Oberfläche bil - deten, seien dieselben bis auf den festen Kern hinabgesunken. Erst nachdem das ganze feuerflüssige Meer auf diese Weise mit Felsschollen ausgefüllt war, konnte sich eine dauernde feste Kruste bilden. Die Zwischenräume zwischen den versunkenen Schollen blieben mit geschmolzenen Massen angefüllt und sind es zum Theil noch jetzt. Diesen im starren Erdkörper einge - schlossenen flüssigen Lava-Massen entspringt nach Thomson’s Ansicht die Lava der Vulcane, und die von der Decke solcher Hohlräume auf den Boden derselben niederfallenden Felsmassen sind der Grund der Erdbeben. W. Thomson begründet diese Anschauung auf eine Rechnung seines Bruders James Thomson, nach welcher der Erstarrungspunkt flüssiger Massen durch den Druck in verschiedenem Sinne verschoben wird, je nach - dem der Körper sich beim Erstarren ausdehnt oder zu - sammenzieht. Beim Eise hat sich diese Rechnung voll - ständig bestätigt. Unter Zugrundelegung der Bischof’schen Ver - suche und der Hypothese von Laplace, nach welcher die Zu - nahme des Quadrates der Dichtigkeit der Zunahme des Druckes proportional ist, berechnet nun Thomson, dass für das Erdinnere die Schmelztemperatur der Silicate stets höher gewesen sei als453 die durch die Compression entstandene Temperatur. Da die hiernach berechnete Massenvertheilung im Erdkörper der zur Hervorbringung der beobachteten Präcession und Nutation er - forderlichen entspricht, so hält W. Thomson die Richtigkeit der Laplace’schen Hypothese und damit auch seine Anschauung von der Beschaffenheit und Bildung des Erdkörpers für erwiesen. Mallet, Roth und andere Geologen haben dieselbe mit geologi - schen Gründen bekämpft. Mallet greift auch die Richtigkeit der Bischof’schen Versuche an und hat durch eigene Versuche ge - funden, dass Hochofenschlacken sich beim Erstarren von der Schmelztemperatur bis zur Erstarrung nur um 6 pCt. zusammen - ziehen. Versuche, die mein Bruder Friedrich Siemens in seiner Flaschen-Glashütte in Dresden auf meine Veranlassung ange - stellt hat, erklären diese grossen Verschiedenheiten der Versuchs - Resultate. Es hat sich ergeben, dass das dünnflüssig geschmol - zene, sehr quarzreiche Flaschenglas sich von einem bestimmten Temperaturgrade an sehr schnell zusammenzieht und dabei zäh - flüssig wird. Je weiter die Abkühlung vorschreitet, desto ge - ringer wird die Zusammenziehung, und bei der Erstarrung selbst aus der noch plastischen Glasmasse findet sogar eine geringere Zusammenziehung statt, als bei festem Glase bei gleicher Tem - peraturdifferenz, was einer geringen Ausdehnung beim Uebergang in den festen Zustand gleichbedeutend ist. Von der bedeutenden Zusammenziehung des dünnflüssigen Glases bei eintretender Ab - kühlung konnte man sich schon durch den Augenschein über - zeugen, wenn man einen Tiegel im Ofenraum mit geläuterter, d. i. blasenfreier Glasmasse bis zum Rande füllte und denselben dann aus dem Ofen nahm. Das Niveau der Glasmasse sank dann ersichtlich, anfangs schneller, dann langsamer, obschon die Zusammenziehung der zuerst erkaltenden Tiegelwand eine ent - gegengesetzte Wirkung ausüben musste. Die Grösse dieser Zu - sammenziehung von der Temperatur des geschmolzenen Glases bis zur Lufttemperatur konnte für zwei Temperaturen mit aus - reichender Genauigkeit bestimmt werden. In den grossen, conti - nuirlich functionirenden Wannenöfen meines Bruders sind Schmelz - und Arbeitsraum räumlich geschieden und haben verschiedene, aber stets ziemlich gleichbleibende Temperaturen. Diese Tem - peraturen sind nach mehrfachen Bestimmungen meines Bruders454 im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis 1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen - abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög - lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte, sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo - lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt, darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft - blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm - merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht. Das Ergebniss war:

Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes Glas sich um 0,24 also um etwa dieses Betrages ausdehnt. Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas - masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus - dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden. Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs - sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist, als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht, wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte455 eiserne Form festgestellt. Eine beim Herausnehmen. aus der Form noch dunkelrothe Flasche hatte nach der Abkühlung im Kühlofen einen Umfang von 293,3 cm. Ein Gypsklumpen, der in derselben Form erstarrt war, was bekanntlich ohne Schwinden geschieht, hatte an derselben Stelle einen Umfang von 290,2 cm. Nimmt man an, dass der Temperaturunterschied zwischen roth - glühendem, noch plastischem Glase und der Lufttemperatur 800° C. betrug und dass die lineare Ausdehnung des schwer schmelz - baren Flaschenglases 0,0008 bei Erwärmung um 100 °C. beträgt, so würde die Contraction des festen Glases etwa doppelt so gross gewesen sein, als die hier gefundene, was auf eine Ausdehnung beim wirklichen Erstarren schliessen liess.

Entscheidender für die Frage, ob mit der Festwerdung aus dem noch plastischen Zustande der Silicate eine Contraction oder Ausdehnung verknüpft ist, ist die von Mallet ausgeführte Zusam - menstellung jahrelang durchgeführter Messungen der Grösse der in der Plate Glass Co. zu Blackwall gefertigten Spiegelplatten im rothglühenden, noch zähen und im abgekühlten Zustande. Dieselben ergaben eine Contraction von 0,53 pCt. Nimmt man auch hier einen Temperaturunterschied von 800 °C. und den Aus - dehnungscoefficienten für lineare Ausdehnung des festen Spiegel - glases zu 1 / 1100 oder 0,0009 pro 100 °C. an, so würde die lineare Contraction fester Glasmassen durch die Abkühlung 0,72 pCt. betragen, also eine geringe Ausdehnung beim eigentlichen Er - starren eingetreten sein. Die Frage, ob beim Uebergang in den krystallinischen Zustand bei den Silicaten eine Ausdehnung oder Zusammenziehung stattfindet, ist bisher durch Versuche nicht entschieden. Durch Schmelzung von krystallinischen Massen lässt sie sich auch kaum entscheiden, da erfahrungsmässig bei solchen Schmelzungen ein grosser Gewichtsverlust durch Ver - flüchtigung etc. eintritt. Wahrscheinlich ist, dass die Aenderung des specifischen Gewichtes durch die Krystallisation bei den ver - schiedenen Silicaten eben so verschieden ist als bei den übrigen Krystallen, bei denen nach noch unbekannten Gesetzen bisweilen Ausdehnung, bisweilen Zusammenziehung eintritt.

Es ergiebt sich aus dem Vorherigen, dass die Annahme, welche Thomson seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hat, dass beim Uebergange der Silicate aus dem flüssigen in den festen456 Zustand eine Volumverminderung von ca. 20 pCt. einträte, nicht zulässig ist. Die Contraction findet beim Uebergang in den amorphen Zustand gänzlich, beim Uebergange in den krystallini - schen wenigstens sicher zum bei Weitem grössten Theile wäh - rend des Ueberganges aus dem dünnflüssigen in den zähflüssigen Zustand statt. Die Thomson’sche Rechnung ergibt daher nicht, wie er annimmt, dass die Erde durch den Druck im Innern starr, sondern dass sie durch denselben zähflüssig oder plastisch wer - den musste.

Dieser zähflüssige Zustand, welchen der Quarz und die quarz - reichen Silicate bei der Abkühlung und nach Thomson’s Rech - nung auch durch den Druck annehmen, macht es auch erklärlich, dass sich eine feste Kruste aus schwererem Material auf der noch flüssigen Erde bilden konnte. Als die Abkühlung so weit vor - geschritten war, dass eine Erstarrung der äussersten Schichten des Erd-Ellipsoids möglich wurde, gingen dieselben zunächst in einen zähflüssigen Zustand über, der noch dadurch begünstigt wurde, dass Wasser, Kohlensäure und andere flüchtige Körper in Gasform aus demselben entwichen waren. Diese schwereren Schichten mussten in dem dünnflüssigen Magma versinken und wurden nach der Thomson’schen Theorie hierdurch noch zäher. Es musste sich also bis auf unbekannte Tiefen hin eine zusam - menhängende, zähe Stütz - und Schutzschicht für die demnächst sich bildende feste Kruste bilden. Diese zähe, plastische Masse musste in Folge ihrer Bildungsweise vielfach von Schichten und Kanälen leichtflüssigeren Magmas durchsetzt sein und so den letz - teren vielfach den Zugang zur erstarrten Rinde und der Erdober - fläche gestatten.

Der Annahme, dass ein solcher Zustand auch jetzt noch be - stehe, steht jedoch das Resultat Thomson’s gegenüber, dass die vorhandene Meeresfluth unbedingt eine starre Beschaffenheit der Erde erheische. Dem gegenüber muss ich aber auf einen, wie mir scheint, von Thomson ausser Betracht gelassenen Factor hinweisen. Es ist dies die Zeit, welche verfliessen muss, bis das Maximum der durch die[Anziehung] des Mondes und der Sonne bedingten Deformation des Erdellipsoids eingetreten ist. Bei den gewaltigen Dimensionen, welche der Erdkörper hat, muss diese Zeit eine beträchtliche sein, namentlich wenn man das Erdinnere457 als zähflüssig annimmt, wie es ja auch nach Thomson’s Rech - nungen wahrscheinlich ist. Wie langsam zähe Massen einem auf sie ausgeübten Drucke nachgeben, zeigt schon eine Kugel aus Pech oder einer ähnlichen zähen Substanz, die erst nach Monaten dem durch die Anziehung der Erde auf dieselbe ausgeübten Drucke vollständig nachgibt und zu einem Kuchen zerfliesst! Selbst wenn die Erde aus vollständig elastischem Material bestände, könnte das Fluth-Ellipsoid erst nach Verlauf einer bestimmten Zeit voll - ständig zu Stande kommen wie sich schon aus der Betrachtung ergiebt, dass der Schall im Wasser ca. 2 Stunden gebrauchen würde, um vom Centrum der Erde bis zu ihrer Peripherie zu gelangen. Zähflüssige Massen pflanzen den Schall nur in sehr geringem Grade fort. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass die Erdfluth auch wenn man annimmt, dass der Kruste keine in Betracht kommende Starrheit oder Elasticität zuzuschreiben ist bei der Rotation der Erde so weit hinter der Meeresfluth zurückbleibt, dass sie nur einen geringen vermindernden Einfluss auf dieselbe ausüben kann.

Bei der von Thomson adoptirten Ansicht, dass die Erde schon bei der ersten Bildung ihrer Oberfläche starr gewesen sei, und dass die vulcanischen Lavaergüsse Höhlungen im festen Erd - innern entstammten, in welchen nicht erstarrte Massen zurück - geblieben wären, ist nicht verständlich, durch welche Kräfte die Laven dann bis zur Höhe der Kratermündungen gehoben werden. Wenn auch angenommen wird, dass die eingeschlossene Lava bei der fortschreitenden Abkühlung der Erde noch nicht erstarrte, weil sie aus leichtflüssigeren Silicaten bestand als die umgebenden festen Massen, so musste sie doch immer kälter werden, und dabei musste ihr Volumen in höherem Masse abnehmen als das der Höhlungen, in denen sie sich befand. Standen diese durch Krater - kanäle in Verbindung mit der Atmosphäre, so konnte durch fort - schreitende Abkühlung keine Lava ausgetrieben, sondern es musste im Gegentheil Luft eingesogen werden. Auch eindringendes Tageswasser konnte keine Hebung der Lava verursachen, da es entweder durch den Kratergang dampfförmig entweichen konnte, oder der weitere Wasserzutritt durch die eintretende Dampfspan - nung inhibirt werden musste. Noch schwerer wäre bei der Thom - son’schen Annahme die Bildung der viele Tausend Fuss starken458 Sedimentschichten zu erklären, welche fast ohne Ausnahme die ganze Erdoberfläche bedecken. Wenn das Meer anfangs auch die ganze Erde bedeckte und vermöge seiner hohen Temperatur einen weit grösseren auflösenden und zerstörenden Einfluss auf seine felsige Unterlage ausüben musste, so konnte diese Wirkung sich doch nur auf geringe Tiefen erstrecken, da die aus dem Meere abgelagerten Sedimente das Urgestein bald vor weiterer Zerstörung schützen mussten. Ganz undenkbar ist es aber, in welcher Weise die oft zu vielen Tausenden vorhandenen und weite Länderstrecken gleichmässig bedeckenden, geschichteten Sedimente von wechselnder Zusammensetzung enstanden sein sollten. Die Geologen erklären diese Schichtungen bisher, ebenfalls ungenügend, dadurch, dass häufig wiederholte Hebungen und Senkungen einge - treten seien, durch welche ein andauernder Wechsel zwischen Festland und Meeresboden stattgefunden hätte. Ganz abgesehen von der Frage, durch welche Kräfte diese so häufig wiederholten Hebungen und Senkungen hervorgebracht werden konnten, und warum kein Theil der Erdoberfläche bei diesem Schaukelspiel vergessen wurde, erklärt sich durch diese Hypothese nicht die Mächtigkeit der Sedimentschichten. Denn wenn einmal eine Sedimentschicht von hinlänglicher Stärke, um die darunter lagern - den Urgesteine vor weiterer Verwitterung zu schützen, gebildet war, so mussten bei nachfolgenden Hebungen zunächst diese Se - dimente durch die Tageswasser wieder zerstört und dem Meere zugeführt werden. Eine weitere wesentliche Vermehrung der Sedimentmassen konnte also dann gar nicht mehr eintreten. Um die Bildung dieser und namentlich ihre Schichtung zu erklären, muss man nothwendig ihren Ursprung im Innern der Erde suchen. War das Meer nach Bildung und hinlänglicher Abkühlung der Kruste zum grössten Theil noch mit dem Magma verbunden, wie früher als wahrscheinlich angenommen wurde, so musste dem noch die ganze Erde bedeckenden Meere von geringer Tiefe durch un - zählige Krater wässeriges Magma zugeführt werden, dessen ge - löste oder lösliche Substanz das Meerwasser aufnahm, um sie durch seine Strömungen zu verbreiten und demnächst zur Bildung der Sedimentschichten zu verwenden. Erst als die Sedimente sich zum grössten Theile abgelagert hatten, begannen die Conti - nente sich zu heben, und es konnten nun weitere Umbildungen459 der trocken gewordenen Theile der Oberfläche durch die Ein - wirkung der Tageswasser und weitere, durch organisches Leben unterstützte Ablagerungen auf dem Meeresboden eintreten. Da aus dem sich allmählich abkühlenden Magma auch an der inneren Fläche der Erdkruste krystallinische Ablagerungen ausgeschieden werden mussten, so wurde das in demselben enthaltene Wasser um so ärmer an festen und gelösten Stoffen, je dicker die Erdkruste geworden war, und je langsamer daher die Abkühlung vorschritt. Es ist aus diesem Grunde wahrscheinlich, dass der Periode der feuerflüssigen Schlammvulcane eine andere Periode heisser Quellen folgte, welche das Meer fortdauernd erwärmten und dadurch or - ganisches Leben auch in den höchsten Breiten ermöglichten. Als endlich auch diese Quellen bis auf einige schwache Reste versiegten und Meer und Atmosphäre in den höheren Breiten sich hinlänglich abgekühlt hatten, musste das in den niederen Breiten noch wärmere Meer durch seine grössere Verdunstung in jenen gewaltige Niederschläge erzeugen, welche ihre Temperatur hinabdrückten und die Gletscherzeit hervorriefen1)Dass grössere Niederschläge die Temperatur der den Polarregionen benachbarten Breiten herabdrücken, hat Dove bereits als Grund der grös - seren Ausdehnung der Eisregion der südlichen Hemisphäre hervorgehoben. Da durch die vermehrten Niederschläge in der Atmosphäre auch mehr la - tente Wärme frei wird, so werden sie eine Ausbreitung der kalten Zone auf Kosten der Kälte der höheren Breiten hervorrufen. Es wird mithin die Polartemperatur in der Eiszeit höher gewesen sein als jetzt.. Erst als der erwärmende Einfluss des Erdinneren fast ganz geschwunden war, konnten die heutigen klimatischen Zustände entstehen.

Die Zeit der Ausscheidung der Sedimentmassen durch Aus - bruch von Wasser - und Kohlensäure-haltigem Magma musste von einer vermehrten Verkleinerung des Volumens des flüssigen oder plastischen Erdinnern begleitet sein. Mallet hatte bereits nachgewiesen, dass diese Volum-Verkleinerung, die er nur der Abkühlung durch Wärmeleitung der noch dünnen Erdkruste und nicht gleichzeitig dem Substanzverlust des Erdinneren durch Ausscheidung des grössten Theils des Meeres und der Sediment - massen zuschreibt, die Erdkruste zwingen musste, sich durch Runzeln, Erhebung von Gebirgen und Zerdrücken der Gesteine an ihren schwächsten Stellen dem Volumen des plastischen460 Kernes wider anzuschliessen. In der That kann man sich diese geologischen Erscheinungen mit Dana und Mallet nur durch das Auftreten tangential in der Erdrinde wirkender Kräfte erklären. Die Festigkeit der Erdkruste und deren Reaction gegen das flüs - sige oder doch plastische Erdinnere ist bei dem grossen Durch - messer der Erde auch bei den günstigsten Annahmen eine sehr geringe. Nimmt man an, dass dieselbe aus einer homogenen Basaltmasse ohne Sprünge oder geschwächte Stellen von 100 Kilometer Dicke bestehe, und dass die absolute so wie die rück - wirkende Festigkeit des Basalts 2000 Kilogramm pro cm be - trage, so muss der Druck, den diese Hülle auf den Kern ausübt, etwa 30000 Atmosphären betragen. Nimmt man ferner der Ein - fachheit wegen die Erde als Kugel vom Umfange von 40 Mil - lionen Meter an, so würde ein grösster Schnitt durch die feste Hohlkugel einen Querschnitt der Wandstärke derselben von 4. 107. 105. 104 oder von 4. 1016 cm ergeben. Die abso - lute Festigkeit des Querschnitts würde mithin 8. 1019 kg be - tragen. Um die Kugel zu sprengen, müsste im Innern ein Ueber - druck herrschen, welcher auf den Querschnitt der ganzen Kugel einen grösseren Druck ausübte. Da eine Atmosphäre auf einen cm mit ca. 1 k drückt und der Querschnitt der ganzen Erde 〈…〉 cm ist, so ist die Zahl der Atmo - sphären für das Gleichgewicht 〈…〉 π = 20 π oder = 62,8. Es würde also eine Druckvermehrung von 63 Atmosphären oder der Druck einer Säule geschmolzenen Gesteins von ca. 250 Me - ter genügen, um die feste Hülle der Erde unter den gemachten Voraussetzungen zu zersprengen, und eine gleiche Verminderung des Gegendrucks der flüssigen Masse müsste ausreichen, um sie zusammenzustauchen oder in ihren schwächsten Stellen zu zer - drücken oder endlich in Linien geringsten Widerstandes in Form mächtiger Schollen als fortlaufende Gebirgsketten in die Höhe zu treiben1)Die obige Annahme, dass die Druckfestigkeit gleich der absoluten sei, ist offenbar nicht genau richtig. Die erstere ist wahrscheinlich be - trächtlich grösser anzunehmen, was aber bei den ungeheuren Tangential -. Mallet nimmt nun an, dass diese Zerdrückungen der461 Erdkruste in Folge der Erkaltung und Zusammenziehung ihres Kerns nicht nur in früheren Perioden, wo die Abkühlung wegen der geringen Dicke der Kruste schneller von Statten ging, die jetzige Gestal -1)kräften, die durch theilweise Aufhebung des Gegendruckes des flüssigen Erdinnern in der Erdrinde auftreten, ganz unerheblich ist. Die Druckfestigkeit, oder der Widerstand, den die Körper dem Zer - drücktwerden entgegensetzen, bildet noch einen ziemlich dunklen Abschnitt der Mechanik. Es ist weder das Wesen der thätigen widerstehenden Kräfte bestimmt definirt, noch liegen zuverlässige, nach derselben Methode an demselben Material angestellte Versuche vor, aus denen sich ein Verhältniss oder Zusammenhang zwischen der absoluten und rückwirkenden Festigkeit herleiten liesse. Die vorhandenen Versuche zur Bestimmung der rückwir - kenden Festigkeit der Gesteine sind zum Theil ganz unrichtig angestellt. So sind in dem geologischen Lehrbuche von Pfaff Versuche angeführt*)Allgemeine Geologie als exacte Wissenschaft von Dr. Friedr. Pfaff S. 302., welche eine ganz exorbitante Festigkeit der Gesteine ergaben. Kalkstein sollte danach einen Druck von 21800 Atmosphären ertragen können. Der Fehler lag darin, dass der zu zerdrückende Stein eine viel grössere Fläche hatte als der drückende Stempel, dass also die Kraft, welche nöthig war, um das umgebende, nicht gedrückte Material zn zersprengen, nicht berück - sichtigt ward. Bekanntlich setzen elastische Körper einer geringen Ausdehnung und Zusammendrückung innerhalb ihrer Elasticitätsgrenze gleichen Widerstand entgegen. Dies macht es wahrscheinlich, dass ein wesentlicher Unter - schied auch da nicht besteht, wo die Elasticitätsgrenze überschritten wird, wo der Körper also reisst oder zerdrückt wird. Man kann sich nun die Aufgabe stellen, die Last zu bestimmen, welche ein möglichst günstig be - lasteter Cylinder in der Richtung seiner Achse zu tragen im Stade ist, wenn nur die Kraft, mit der die Massentheilchen aneinander haften, also nur die absolute Festigkeit als wirksam angesehen wird. Es sei AB eine sehr dünne, cylindrische Scheibe aus festem, homoge - nem und elastischem Material, welche ohne Reibung auf einer festen, ebenen Fläche liegt; der Coefficient der absoluten Festigkeit des Materials der Scheibe sei a. Wird ein concentrischer Ring derselben vom inneren Radius x und dem äusseren Radius x + dx gleichmässig belastet, so wird er sich comprimiren und einen der Belastung entsprechenden Seitendruck nach aussen und innen ausüben. Der erstere wird den umgebenden Ring zersprengen, wenn der Druck auf die Durchschnittsfläche des ganzen Rin - ges grösser wird als die absolute Festigkeit der Ringwand. Für das Gleich - gewicht wäre also, da die Höhe des Ringes aus der Rechnung fällt, wenn z den für das Gleichgewicht erforderlichen Druck auf die Flächeneinheit des Ringes bezeichnet,462 tung der Erdoberfläche hervorgebracht haben, sondern auch, dass diese Thätigkeit noch heute fortdauere und dass die bei der Zu - sammendrückung, Zertrümmerung oder mit Reibung verbundenen*) 〈…〉 Der auf der Fläche des Ringes 2 x π. d x lastende Druck d P ist dann, wenn P den gesuchten Gesammtdruck bezeichnet, 〈…〉 das Integral, zwischen den Grenzen r und 0 genommen, gibt 〈…〉 Die Zerdrückung einer solchen, ohne Reibung gleichmässig unter - stützten Scheibe würde also bei richtiger Belastung gerade so viel Kraft erfordern, als ihre Zerreissung. Bei einer gleichmässigen Belastung der Oberfläche würden die äusseren Ringe früher brechen, die Druckfestigkeit würde also geringer sein. Ein richtiger Ausdruck für die Druckfestigkeit würde durch diese Rechnung nur dann gewonnen, wenn der Seitendruck, welchen ein gedrücktes Massentheilchen ausübt, dem Drucke selbst gleich wäre, wie bei Flüssigkeiten, was aber nicht der Fall ist. Da der Seiten - druck aber geringer und von der Natur des Materials abhängig ist, so muss die Druckfestigkeit grösser sein, als die obige Rechnung ergiebt. Die Rechnung zeigt aber, dass die Druckfestigkeit von der Vertheilung des Druckes auf der Oberfläche des gedrückten Körpers abhängig ist, und erklärt, warum Druckfestigkeitsversuche stets so wenig übereinstim - mende Resultate gaben. Sehr modificirt wird die Festigkeit gegen das Zerdrücken unter Um - ständen durch die Gewölbebildung. Als ein vollkommenes Gewölbe kann man eine Hohlkugel von gleichmässiger homogener Wandstärke betrachten. Wird eine solche einem ganz gleichförmigen, äusseren Druck ausgesetzt, so muss sie sich dem Druck entsprechend zusammenziehen, ohne zu brechen. Es ergiebt sich dies aus der Betrachtung, dass ein Ausweichen der Moleküle der Kugelschaale nach aussen nicht eintreten kann, da die - selben ganz gleichmässig durch den äusseren Druck in ihrer Lage zurück - gehalten werden. Ebensowenig kann ein Ausweichen nach innen stattfin - den, da hiermit, der Concavität der inneren Fläche wegen, eine grössere Annäherung der Moleküle aneinander, also eine grössere locale Compres - sion verbunden wäre, als dem äusseren Drucke entspricht. Das Resultat des äusseren Druckes kann daher nur eine gleichmässige, ihm entsprechende Verminderung des Durchmessers der Hohlkugel sein. Wird die Kugel - schale dagegen von inneren, anstatt äusseren Kräften comprimirt, so gel - ten diese Betrachtungen für die äussere Fläche nicht. Hier kann ein Ausweichen463 Verschiebung der Gesteine in den Linien geringster Festigkeit geleistete Arbeit eine locale Schmelzung der Gesteine durch Umsetzung in Wärme hervorbrächte, deren Producte dann zum Theil als Lavaergüsse der Vulcane zu Tage treten. Roth hat bereits hervorgehoben, dass diese Verschiebungen und Zerdrü - ckungen einen langsamen, auf grosse Zeitabschnitte ausgedehnten Verlauf haben müssen und daher die zur Schmelzung der Ge - steine nothwendige Hitze nicht hervorbringen können. Es dürfte auch ausserdem unmöglich sein, die grossen Mengen der Gase und des Wassers, welche die Vulcane entbinden, durch solche locale Erhitzungen und Gesteinsschmelzungen zu erklären.

Wenn nun aber sowohl aus mechanischen, als aus geologi - schen Gründen die Ansicht der vollständigen Erstarrung des Erd - körpers verworfen und an der Ansicht festgehalten werden muss, dass das Erdinnere noch feurigflüssig oder wenigstens noch im plastischen Zustande von einer festen Rinde von mässiger Dicke umgeben ist, so fragt es sich, welche Kräfte die Eruptivgesteine früherer Perioden und noch heute die Laven bis zu den Mün - dungen hoch gelegener Krater emporhoben. Bei der nachgewie - senen geringen Widerstandskraft der festen Rinde muss man von einem Ueberdrucke des flüssigen Innern ganz absehen, denn ein - mal ist bei der stets fortschreitenden Abkühlung desselben kein Grund zu erkennen, welcher einen solchen Ueberdruck hervor - bringen könnte, und dann würde schon der geringste Ueberdruck durch ein allmähliches Nachgeben der gegen inneren Druck so wenig widerstandsfähigen Kruste wieder ausgeglichen werden. *)der Moleküle durch die resultirenden Tangentialkräfte unbehindert eintreten. Die Erhebungen von Theilen der Erdrinde durch solchen überwiegenden tangentialen Druck mussten daher auch stets nach aussen und nicht nach innen erfolgen. Es ergiebt sich hieraus auch, dass Kanäle in Felsmassen bis in die grössten Tiefen hinabreichen können, ohne zusammengedrückt zu werden. Dass dieselben wirklich kreisförmige Querschnitte haben, ist hierbei nicht nothwendig, da sich die Flächen grössten Widerstandes oder die Gewölbeflächen in der umgebenden Felswand selbstthätig bilden. Es ergiebt sich ferner, dass von einer Gewölbewirkung grösserer Theile der festen Erdrinde, durch welche nach Ansicht mancher Geologen die Bildung grosser Hohlräume unter derselben ermöglicht werden soll, nicht die Rede sein kann. Es fehlt eben die Grundbedingung für die Gewölbewirkung, der gleichmässige, auf die äussere Fläche wirkende Druck.464Es folgt aber hieraus auch, dass die Kruste überall, wenigstens in allen grösseren Abschnitten, von der unterlagernden, flüssigen oder plastischen Masse getragen werden muss, dass also überall in der Erde hydrostatisches Gleichgewicht herrschen muss. Nun müssen die leichtflüssigen alkalinischen und wasserhaltigen Laven, welche sich zwischen den zusammengeballten, zähen, die Grund - lage der festen Kruste bildenden Silicatmassen in verhältniss - mässig engen Kanälen und Hohlräumen im flüssigen Zustande erhalten haben, ein geringeres specifisches Gewicht haben, als die Erdrinde und die zähflüssigen Silicatmassen. Eröffnet sich ihnen daher durch Spaltungen in den jüngst erstarrten, unteren Schichtungen der festen Hülle ein Zugang zu den in dieser noch vorhandenen älteren, zur Oberfläche führenden Kanälen, so muss die Lava in ihnen emporsteigen, bis das hydrostatische Gleich - gewicht hergestellt oder der Kanal durch nachdringende zäh - flüssige Massen wieder verstopft ist. Dieser Auftrieb der flüssi - gen Laven durch hydrostatischen Druck wird in den höher gelegenen Kratertheilen durch Dampf und Gase, welche sich bei vermindertem Drucke aus den Laven entbinden, noch wesentlich verstärkt werden. Eine schwieriger zu beantwortende Frage bleibt aber die, wie eine neue Eruptionsthätigkeit entstehen kann, wenn der der vorhergehenden Eruption dienende Krater - gang durch erkaltete Lava geschlossen ist. Allein durch neu entstehende Spaltungen, welche neue Wege vom Erdinnern zu dem Kraterkanal eröffnen, erklärt sich die Sache nicht, wenn denselben auch eine wesentliche Mitwirkung zugeschrieben werden muss. Um den alten, durch erstarrte Lava verstopften Kanal wieder zu öffnen, ist offenbar Schmelzhitze erforderlich, die nicht von aus der Tiefe neu andringender, flüssiger Lava her - gegeben werden kann, da diese selbst dadurch bald zum Er - starren gebracht würde. Doch kann man eine einigermassen befriedigende Erklärung der Erscheinung, dass die alten Lava - wege sich wieder öffnen, wohl darin finden, dass die Lava bei ihrer Erstarrung aus dem dünnflüssigen Zustande sich um min - destens 1 / 10 ihres Volums zusammenzieht und dass der zähe Zu - stand, den sie dabei annimmt, sie verhindert, im Kraterkanale wieder niederzusinken. Sie wird daher vielfach zerklüftet er - starren, kann daher auch nach der Erstarrung brennbaren Gasen465 und glühenden Wasserdämpfen, die aus dem Innern von Neuem her - vordringen, den Durchgang gestatten. Diese werden theils durch Ab - gabe ihrer eigenen Wärme, theils durch die Wärme, welche durch Ver - brennung der Gase mit von oben oder durch Seitenwege eingedrun - gener Luft erzeugt wurde, die von frühern Ausbrüchen zurückgeblie - benen Laven wieder zum Schmelzen bringen und dadurch eine neue Ausbruchperiode einleiten. Die erste Veranlassung zu einer neuen Eruption werden wohl, wie schon erwähnt, immer neu - entstehende Spaltungen in den tieferen Schichten der Rinde in der Umgebung des Kraters geben. Die Erfahrung, dass Aus - brüche ruhender Vulcane fast immer durch Erdbeben angekün - digt werden, spricht auch dafür. Dass gerade in der Umgegend von Vulcanen, mögen sie noch thätig oder erloschen sein, häufig Erdbeben auftreten, beweist jedoch nicht, dass die Erdbeben Folge der vulcanischen Thätigkeit sind; es ist wahrscheinlich umgekehrt anzunehmen, dass Gegenden, welche häufigen Erd - beben ausgesetzt sind, die vulcanische Thätigkeit begünstigen. Dass häufig Risse in den jüngeren Gesteinbildungen der inneren Krustenseite auftreten müssen, erscheint unzweifelhaft. Diese Ablagerungen werden ganz verschiedener Natur sein je nach der örtlichen Beschaffenheit des Magma, aus dem sie sich ausschie - den. Ihr Contractions-Coefficient wird daher ebenfalls ganz ver - schieden sein. Bei fortschreitender Abkühlung dieser unteren Schichten müssen daher örtliche Spannungen eintreten, die zum Reissen der von anderen eingeschlossenen, sich stärker zusammen - ziehenden Massen führen müssen. Dies wird noch dadurch begünstigt, dass diese jüngeren Gesteine fest verbunden mit der älteren, bereits in früheren Perioden vielfach zerklüfteten Rinde sind, welche jetzt nur noch geringen Temperaturänderungen unterworfen ist. So wie von zwei aneinander geschmolzenen Glastafeln diejenige bei der Abkühlung zerspringen muss, welche sich stärker zusammenzieht, so müssen auch die jüngern Ge - steine bei ihrer Abkühlung platzen. Das Entstehen solcher, vielleicht weite Strecken fortlaufender, weit auseinander klaffen - der Risse muss auf der Oberfläche nothwendig als Erschütterung wahrgenommen werden, die um so stärker sein muss, je älter das zersprungene Gestein ist, je näher also die Spaltungen zur Oberfläche hinauf reichten. Auch in den oberen, neptunisch30466gebildeten Gesteinschichten können sich unter Umständen Spal - tungen aus denselben Ursachen bilden. Eine entstandene Spal - tung wird in der Regel mehrere andere im Gefolge haben, bis das elastische Gleichgewicht wieder hergestellt ist und die Spal - ten durch die benachbarten und tiefer liegenden Massen unter dem herrschenden Drucke wieder ausgefüllt sind.

Man muss nun annehmen, das in vulcanischen, häufigen Erdbeben ausgesetzten Gegenden solche Spaltungen durch die Natur des Gesteins und der dasselbe umgebenden Gesteinmassen besonders begünstigt sind. Es können auch häufig durch tan - gentiale Kräfte bewirkte, locale Verschiebungen der Erdrinde in Folge fortschreitender Verminderung des Volums des flüssigen Kerns die Veranlassung zur Zerreissung von Gesteinschichten bilden.

Man wird sich demnach die Grundlage der Vulcane als aus bereits vielfach zerklüfteten und zu immer weiteren Zerklüftungen disponirten Gesteinschichten zu denken haben, in die der wahr - scheinlich ebenfalls vielfach verzweigte Kratergang hinabreicht. Die älteren Zerklüftungen sind durch hineingepresstes zähes und schwer schmelzbares, später durch Abkühlung erstarrtes Magma ausgefüllt. Durch neu entstehende Spalten, welch ihrerseits wie - der andere hervorrufen, können Brüche entstehen, welche durch Bildung domartiger Kuppelgewölbe dem Druck der höher lagern - den Steinmassen entzogen werden. In diese dringt das entlastete plastische Magma ein, doch eilen ihm die eingeschlossenen leicht - flüssigen Laven sowie die entfesselten Dämpfe und Gase voraus. Ist nun gleichzeitig eine Verbindung mit dem zur Oberfläche führenden Kratergange durch die neuen Spalten hergestellt, so beginnen die letzteren, indem sie durch die Spalten der älteren Füllung des Kraterganges entweichen, ihre erhitzende und schmel - zende Thätigkeit, bis schliesslich die über dem plastischen Magma angesammelte Lava durch den hydrostatischen Druck, der auf sie ausgeübt wird, im wieder aufgeschlossenen Kratergange empor - getrieben wird. Ob sie die Mündung erreicht und zu Tage tritt, hängt von der Menge der angesammelten leichtflüssigen Lava, aber auch von der Höhe des Vulcans und dem specifischen Ge - wichte, so wie dem Gas - und Wassergehalte der Lava ab. Sehr hohe Vulcane geben zum Theil keine Laven mehr, sondern sie467 stossen nur mächtige Flammen und Wasser aus. Das hydrosta - tische Gleichgewicht wird bei ihnen bei der jetzigen Beschaffen - heit der Lava schon hergestellt werden, bevor die Lavasäule bis zum Gipfel des Kraters gestiegen ist. Es mag dies auch der Grund sein, warum die noch thätigen Vulcane meistens im oder am Meere liegen.

Wenn aber auch der Mechanismus der vulcanischen Thätig - keit und mancher anderer geologischer Thatsachen durch die An - nahme einer festen, auf einer feuerflüssigen oder plastischen Masse schwimmenden Erdkruste in einigermassen befriedigender Weise erklärt werden kann, so besteht doch noch eine Thatsache, wel - che nur durch Einführung einer weiteren neuen Hypothese mit dieser Annahme in Einklang zu bringen ist. Es ist dies die be - deutende Erhebung der Continente über den Meeresboden und die noch jetzt fortdauernde seculäre Hebung vieler Landstrecken. Die Höhendifferenz zwischen dem Hochplateau Asiens und dem Boden des stillen Meeres wird man mindestens auf 12000 Meter und, wenn man das auf Gesteingewicht reducirte Gewicht des Meerwassers in Abzug bringt, auf 10000 Meter veranschlagen können. Es repräsentirt das eine Druckdifferenz von ca. 1000 Atmosphären. Bei der nachgewiesenen geringen Festigkeit der Erdrinde erscheint es unabwendbar, dass das Hochplateau von Asien und mit ihm die übrigen Continente sich bis zur Gleich - gewichtslage niedersenken und der Boden der Meere sich bis zu derselben wieder erheben müsste. Will oder kann man daher die Annahme eines feuerflüssigen Erdinnern nicht aufgeben, so muss man annehmen, dass das nothwendige hydrostatische Gleich - gewicht durch die Verschiedenheit des specifischen Gewichtes der Gesteine, welche die Continente und den Meeresboden bilden, hergestellt ist, dass also der Meeresboden aus schwererem Gestein besteht als die Continente, oder auch dass die unter der festen Hülle befindlichen halbflüssigen Massen eine solche Dicke und ein so verschiedenes specifisches Gewicht haben, dass die Druck - differenz dadurch ausgeglichen wird. Die seculäre Hebung wäre dann die locale Fortbildung dieses Unterschiedes.

30*[468][469]

Die Elektricität im Dienste des Lebens.

Dieser Vortrag war für die Hauptversammlung der Naturforscherversammlung zu Baden-Baden bestimmt, konnte aber wegen verspäteter Anmeldung nur im Auszug in der physikalischen Section gehalten werden.

1879.

Es mag befremden, dass ich in dieser wissenschaftlichen Bestrebungen gewidmeten Versammlung über ein Thema zu sprechen übernehme, welches nach seinem Titel: Die Elektrici - tät im Dienste des Lebens , mehr technischer als wissenschaft - licher Natur zu sein scheint. Nun, meine Herren, ich habe es schon vor Jahren an einem anderen Orte, der, wie mir mein lieber Jugendfreund du Bois-Reymond mich berichtigend erwi - derte, allein dem Fortbau der wissenschaftlichen Erkenntniss um ihrer selbst willen bestimmt ist , in meiner Antrittsrede ausge - sprochen: dass der höhere und wahre Beruf der Wissenschaft der ist, den Schatz des Wissens und Könnens der ganzen Menschheit zu erhöhen und dieselbe dadurch einer höheren Cul - turstufe zuzuführen . Es geziemt sich daher auch wohl für eine wissenschaftliche Versammlung, von Zeit zu Zeit Umschau zu halten im Leben und sich der Resultate zu erfreuen, welche wissenschaftliche Forschung im Bunde mit praktisch schaffender Thätigkeit in diesem Sinne errungen hat! Dabei möchte ich aber nicht dahin missverstanden werden, als wollte ich den Werth wissenschaftlicher Forschung überhaupt mit dem Masse des praktischen Nutzens messen. Jeder neue Gedanke, jede neu erkannte Thatsache, jede bessere Erkenntniss ist eine Vermeh - rung des grossen einzig werthvollen Schatzes der Menschheit, ihres Wissensschatzes, und diesen zu bereichern, ohne jede Rücksicht auf etwaigen directen Nutzen oder damit verknüpften470 Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei - ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani’s, dass ein Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch - heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr - schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil noch Zeitgenossen Galvani’s und Volta’s, haben also noch an der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek - trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und belebend eingriffe!

Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte. Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun - gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan - genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län - dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim - nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei - wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich471 in der Vergoldungszelle vor ihren Augen ein gemeines Metall in wenigen Augenblicken mit einer festen Hülle glänzenden Goldes bedeckte! Unsere Jugend betrachtet Telegraphie und Galvano - plastik wie Dampfmaschine und Eisenbahn schon als so selbst - verständliche Dinge, wie unsere ältere Generation, welche alle diese Wunderdinge hat mitentstehen sehen oder selbstthätig bei ihrer Erschaffung mitgewirkt hat, in ihrer Jugendzeit etwa das Schiesspulver und die Buchdruckerkunst! Man könnte sich wirk - lich versucht fühlen, die Jugend zu bedauern, dass es ihr nicht vergönnt war, diesen schöpferischen Entwicklungsprocess mitzu - erleben wenn man sie nicht vielmehr darum beneiden müsste, dass sie Aussicht hat, die Wunder der Zukunft mitzuerschaffen, die aus der Saat erspriessen müssen, die wir gelegt haben!

Schon bald nachdem Volta die Grundlage unserer heutigen Kenntniss des elektrischen Stromes aufgedeckt und durch die Construction der nach ihm benannten Volta’schen Säule das Mittel gefunden hatte, einen andauernden elektrischen Strom herzustellen, begannen erfindungsreiche Köpfe auch über die Nutzbarkeit die - ser neuen wunderbaren Kraft zu grübeln. Schon 1808 schlug Dr. Sömmering vor, sie zur Telegraphie zu benutzen, und stellte auch ein Modell her, welches den Zweck zu erfüllen im Stande war. Um seinen Plan ins Leben einzuführen, bedurfte es frei - lich noch langer Jahre ernster Gelehrtenarbeit. Erst nachdem neben den physiologischen, chemischen und thermischen Wir - kungen des Stromes auch noch die Fernewirkungen desselben durch Oersted entdeckt und ihre Gesetze durch Männer wie Ampère, Schweigger, Arago, Faraday, Gauss und Weber, Wheat - stone, Lenz und Jacobi, Poggendorf, Dove und viele Andere näher ergründet waren, konnte der kühne Plan Sömmering’s in Erfül - lung gehen. Aber obschon die Telegraphen, welche Gauss und Weber in Göttingen, Steinheil bei München Anfangs der dreissiger Jahre wirklich herstellten, gut arbeiteten, verging doch noch ein Decennium, bis der praktische Sinn der Amerikaner und der Eng - länder die Telegraphie thatsächlich ins Leben rief. Von dieser Zeit an, seit etwa 30 Jahren, beginnt nun die Telegraphie ihre schnelle Entwickelung bis zu ihrer jetzigen hohen Bedeutung im Culturleben der Menschen. Alle Völker nehmen an diesem Wettlaufe Theil und unser deutsches Vaterland mit in erster472 Linie. Welch ein unentbehrliches Verkehrsmittel die Telegraphie bereits geworden ist, zeigt sich am besten, wenn durch heftige Stürme oder durch ein anderes ausserordentliches Ereigniss ein - mal eine dauernde Störung des Telegraphenbetriebes irgendwo eintritt. Es wird dies als eine kaum erträgliche Calamität em - pfunden, und unzählige Interessen leiden darunter schwer. Aber dennoch bürgt der bisherige Entwicklungsgang dafür, dass wir erst im Beginne der telegraphischen Aera stehen. Ist doch erst in der allerneuesten Zeit das Telephon erfunden worden, welches dem Telegraphen, der bis dahin schon anzeigte, schrieb, druckte und zeichnete, auch noch die Fähigkeit gegeben hat, die mensch - liche Sprache direct zu übertragen! Doch nicht auf die Mitthei - lung von Nachrichten allein beschränkt sich die Telegraphie im weiteren Sinne. Die durch den elektrischen Strom gegebene Möglichkeit, ohne merklichen Zeitverlust an entfernten Orten eine mechanische Wirkung auszuüben, hat ihm eine grosse Zahl anderweitiger Dienstleistungen auferlegt. Der Eisenbahntele - graph regelt den Gang der Züge, elektrische Signaleinrichtungen aller Art sichern diese und das Publicum gegen Gefahren. Die Blockirungsapparate vergrössern die Leistungsfähigkeit der Bah - nen, die Stationsblockapparate geleiten die Züge gefahrlos durch das Wirrsal von Geleisen und Weichen der Bahnhöfe, indem sie Entgleisungen oder Zusammenstösse, die durch Irrthümer oder Fahrlässigkeit hervorgerufen werden könnten, verhüten. Die elektrische Klingel verdrängt mehr und mehr die unbequeme und unsichere mechanische sowohl in den Wohnhäusern, als in Fabriken und Bergwerken. Der Feuertelegraph meldet das be - ginnende, noch leicht zu löschende Feuer, und telegraphisch wird ein versuchter Einbruch selbstthätig angezeigt. Der Militärtele - graph leitet die Bewegung und die Verpflegung des Heeres, der Vorpostentelegraph bringt sogar dessen äusserste Fühlhörner, die Vorposten, in steten directen Verkehr mit der Führung. Der elektrische Distanzmesser verkündet den Batterieen die Entfernung und Stellung des feindlichen Schiffes und zeigt den Augenblick an, in welchem der Verderben bringende Tor - pedo elektrisch zu zünden ist. Der elektrische Strom misst die Geschwindigkeit des Geschosses in der Luft und die Zunahme seiner Geschwindigkeit in jedem Theile des Geschützrohres. 473Der Börsentelegraph bringt dem Bankherrn fortlaufend und ohne jede Mitwirkung die Curse aller Börsenplätze und die wichtigen politischen Ereignisse gedruckt auf seinen Arbeitstisch. Dem Schiffer, dem Landmann bringt der Telegraph die Nachricht, dass ein Gewittersturm langsam heranzieht. Der elektrische Was - serstandszeiger zeigt der Pumpstation jeden Augenblick die Höhe des Wasserstandes im Reservoir, dem Schiffer im Hafen die Höhe der Fluth auf der zu überschreitenden Barre. Der elek - trische Grubengasmelder warnt vor Explosionsgefahr durch schla - gende Wetter kurz, wohin man sieht, trifft man den elek - trischen Strom als Helfer oder Beschützer! Doch nicht allein die grosse Fortpflanzungsgeschwindigkeit des elektrischen Stromes, die ihn zur schnellen Uebertragung von Signalen und überhaupt zur Ausführung kleiner mechanischen Leistungen an entfernten Orten so sehr geeignet macht, hat ihm eine ausgedehnte Be - nutzung im Leben verschafft, sondern auch seine zuerst entdeck - ten Eigenschaften, seine physiologischen, chemischen und ther - mischen Wirkungen. Die Aerzte bedienen sich zur Heilung menschlicher Leiden des elektrischen Stromes und machen un - blutige Operationen mit elektrisch zum Glühen gebrachten Drähten; der Bergmann, der Mineur sprengt seine Mine mittelst galvanischer Batterien oder mit Hülfe des magneto-elektrischen oder dynamo-elektrischen Minenzünders. Der Galvanoplastiker überlässt dem elektrischen Strome die Ausfüllung seiner Formen mit festem Metall; der elektrische Strom gravirt, vergoldet, versilbert, verkupfert, vernickelt. Dem Chemiker dient er zur Ausführung seiner Analysen, dem Physiker in unzähligen In - strumenten und Einrichtungen zu seinen wissenschaftlichen Un - tersuchungen.

Bei allen diesen Anwendungen des elektrischen Stromes wird demselben keine grosse Arbeitsleistung aufgebürdet, und es ge - nügen zu seiner Hervorbringung die nach und nach vervollkomm - neten galvanischen Batterien oder die Magnet-Inductoren. Es lag der Gedanke nahe, diese Grenze zu überschreiten und vom elektrischen Strom auch grössere Arbeitsleistungen ausführen zu lassen. Eine solche Aufgabe war die Erzeugung des elektrischen Lichtes. Wenn man einen vom elektrischen Strom durchflosse - nen Leiter plötzlich unterbricht, so erhält man an der Trennungs -474 stelle einen leuchtenden Funken. War der Strom und die ihn erzeugende elektrische Spannung stark genug und die Entfernung der Enden des unterbrochenen Leiters von einander nicht zu gross, so dauert der Strom fort, und der trennende Luftraum wird durch eine glänzende andauernde Lichterscheinung, den sogenannten Davy’schen Bogen, ausgefüllt, welcher die leitende Verbindung wiederherstellt. Der Lichtbogen ist besonders glänzend und leuchtend, wenn die Enden des Leiters aus Kohle bestehen. Dieses elektrische Licht hat Gelehrte und Techniker lange be - schäftigt und auch vielfache Verwendung gefunden. Es waren zu seiner Erzeugung aber galvanische Ketten aus einer grossen Anzahl grosser Elemente nöthig, deren Beschaffung und Unter - haltung kostspielig, deren Aufstellung beschwerlich und deren starke Ausdünstungen schädlich sind. Die Anwendung des elek - trischen Lichtes blieb daher fast ein halbes Jahrhundert lang eine sehr beschränkte. Auch die Herstellung und Anwendung grosser magneto-elektrischer Maschinen, auf die ich später zurück - kommen werde, hat darin wenig geändert. Eben so wenig Erfolg hatte es, mittelst des elektrischen Stromes grössere Arbeitsleis - tungen zu erzeugen oder zu übertragen. Es hat sich eine grosse Anzahl von Constructeuren, von denen ich hier nur Jacobi in St. Petersburg, den Erfinder der Galvanoplastik, und den Ameri - kaner Page nennen will, mit der Herstellung grösserer elektrischer Kraftmaschinen beschäftigt; es hatte sogar der selige deutsche Bundestag eine Nationalbelohnung für eine gelungene Construc - tion solcher Maschinen ausgesetzt alle diese Anstrengungen scheiterten aber an der Kostspieligkeit und Schwierigkeit der Erzeugung der erforderlichen starken Ströme. Es gelang zwar Page, eine elektrische Maschine herzustellen, welche eine Arbeits - kraft von mehreren Pferdestärken leistete, und Jacobi fuhr mit einem elektrisch betriebenen Boot auf der Newa; doch erklärte schliesslich Letzterer selbst auf Grund seiner Versuche die Lösung der Aufgabe für unmöglich, weil die Erzeugung des elektrischen Stromes durch galvanische Batterien zu kostbar sei, und weil ferner durch die Gegenkraft, welche die arbeitende elektrische Maschine erzeugt, die wirkende kraft der Batterie zu sehr ver - mindert würde. Zu demselben Urtheil müssen wir durch das Mayer-Helmholtz’sche Gesetz der Erhaltung der Kraft gelangen. 475Arbeitskraft ist danach ein Aequivalent der Wärme, die zu ihrer Erzeugung verbraucht worden ist. Bei der Dampfmaschine wird diese Wärme durch Verbrennung von Kohle, bei der elektrischen durch Verbrennung von Zink in Salpetersäure oder einer anderen oxydirenden Flüssigkeit hervorgebracht. Dieses ist aber ein ganz unvergleichlich viel kostbareres Brennmaterial als Kohle! Wir werden daher wenigstens so lange auf die directe Erzeugung von grösseren Arbeitskräften durch Elektricität verzichten müssen, als nicht die Wissenschaft ganz neue Wege aufdeckt, welche uns zur billigen directen Erzeugung starker elektrischer Ströme führen.

Wenn wir aber auch zur ersten Erzeugung der Arbeitskraft auf die calorischen Maschinen, welche Wärme sei es direct oder vermittelst Wasserdampfes in Arbeit umsetzen, oder auf die Benutzung der in der Natur vorhandenen Kraftquellen ange - wiesen bleiben, so tritt doch die Frage auf: ob wir diese Arbeits - kräfte nicht zur Erzeugung starker elektrischer Ströme mit Vor - theil benutzen können, die dann ihrerseits wiederum zur Her - vorbringung elektrischen Lichtes, zu galvanischen Umsetzungen oder zur Uebertragung von Arbeitskraft nach anderen Orten hin technisch benutzt werden könnten. In der That ist dies mit Hülfe der magneto-elektrischen Maschinen ausführbar und auch seit längerer Zeit geschehen. Die magneto-elektrische Maschine beruht auf der von Faraday entdeckten Induction, d. i. der That - sache, dass in einem zum leitenden Kreise verbundenen Leiter, den man einem anderen Leiter nähert, in welchem ein Strom circulirt, während der Annäherung ein entgegengesetzt gerichteter, bei der Entfernung dagegen ein gleichgerichteter Strom entsteht. Dasselbe findet statt, wenn anstatt des von einem dauernden Strom durchflossenen Leiters ein Magnet vorhanden ist, dem der Leiter genähert oder von dem derselbe entfernt wird. Da gleich - gerichtete Ströme sich anziehen, ungleichgerichtete sich abstossen, so kostet sowohl die Annäherung des inducirten Leiters an den vom Strom dauernd durchlaufenen Leiter oder den seine Stelle vertretenden Magnet, als auch die Entfernung von demselben einen dem erzeugten Strom äquivalenten Verbrauch von Arbeit. Man nannte die hierauf basirten Maschinen zur Erzeugung elek - trischer Ströme magneto-elektrische Maschinen im Gegensatze zu den elektro-magnetischen, um dadurch anzudeuten, dass bei den476 magneto-elektrischen mit Hülfe von vorhandenen permanenten Magneten elektrischer Strom, bei den elektro-magnetischen da - gegen durch vorhandenen Strom Arbeit erzeugt wird. Die magneto - elektrischen Stromerzeuger sind in vielen verschiedenen Formen ausgeführt und bilden eines der wesentlichsten Hülfsmittel der Elektrotechnik. Es ist auch gelungen, magneto-elektrische Ma - schinen von solcher Stärke herzustellen, dass mittelst der durch sie erzeugten Ströme elektrisches Licht hervorgebracht werden konnte. Es tritt bei ihnen aber ein Uebelstand auf, der ihre Anwendbarkeit begrenzt. Stahlmagnete nehmen im Verhältniss zu Elektromagneten nur einen geringen Grad von Magnetismus an, und sie schwächen sich gegenseitig, wenn man sie einander mit gleichen Polen nähert oder deren mehrere zu einem grösseren Magneten vereinigt. Magneto-elektrische Maschinen müssen daher in sehr grossen Dimensionen ausgeführt werden, wenn sie kräftige Ströme erzeugen sollen, was sie schwerfällig und kostspielig macht. Ausserdem verlieren grössere Mengen benachbarter Stahlmagnete mit der Zeit und unter Mitwirkung der unvermeidlichen Stösse, die sie erleiden, ihren Magnetismus. So nützlich und unent - behrlich die magneto-elektrischen Maschinen daher auch zur Hervorbringung schwächerer Ströme sind, so eignen sich diesel - ben doch nicht zur Erzeugung so starker Ströme, wie sie das elektrische Licht, die Kraftübertragung und die Verwendung zu metallurgischen Zwecken verlangen.

Einen ersten bemerkenswerthen Schritt in dieser Richtung machte der englische Mechaniker Wilde, indem er eine kleinere magneto-elektrische Maschine mit einer grösseren combinirte und bei letzterer die Stahlmagnete durch einen grossen Elektromag - neten ersetzte. Er bediente sich hiebei meiner Construction der magneto-elektrischen Maschinen, bei welcher der bewegte Theil die Form eines um seine Axe rotirenden Cylinders (Doppel-T - Anker) hat. Lässt man beide Cylinder rotiren und leitet den durch einen Commutator gleichgerichteten Strom der magneto - elektrischen Maschine durch die Windungen des feststehenden Elektromagnetes der grösseren, so erzeugt letztere sehr kräftige Ströme, die auch von Wilde zur Hervorbringung elektrischen Lichtes und zur Herstellung von Kupferniederschlägen im Grossen benutzt wurden.

477

Es gelang mir, die Aufgabe der sicheren und billigen Er - zeugung starker elektrischer Ströme auf einem anderen Wege zu lösen, wobei die Anwendung von Stahlmagneten gänzlich fort - fiel. Das Prinzip, auf welchem diese Maschinen beruhen, ist dasselbe, auf welches die Elektrisirmaschinen von Töpler und Holtz begründet sind, das der Verstärkung der Ursache der Er - zeugung elektrischer Spannung durch die Wirkung derselben. Denkt man sich in einer magneto-elektrischen Maschine die Stahlmagnete durch Elektromagnete ersetzt und die durch einen Commutator gleichgerichteten Ströme des rotirenden Theils der Maschine in der Weise durch die Windungen des die Stahl - magnete ersetzenden Elektromagnetes geleitet, dass der Strom den Magnetismus im richtigen Sinne verstärkt, so muss der verstärkte Magnetismus wieder stärkere Ströme hervorbringen und so fort, bis wenn die Drehung gleichmässig fortdauert entweder das Maximum des Magnetismus im Eisen erreicht oder die Ma - schine durch zu grosse Wärmeentwickelung in den Drähten zer - stört wird. Es genügt dabei für den Beginn der sich steigernden Wirkung oder für das Angehen der Maschine ein sehr ge - ringer Grad von Magnetismus in den feststehenden Elektro - magneten. Nicht nur der auch in dem weichsten Eisen zurück - bleibende Magnetismus reicht für das sofortige Angehen der Maschine aus, es wird dies in der Regel bei neu erbauten Ma - schinen auch schon durch den Erdmagnetismus bewirkt. Ich habe diese Maschinen in meiner ersten Mittheilung über das den - selben zu Grunde liegende Prinzip an die königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Januar 1867 dynamo-elektrische Maschinen genannt, um dadurch anzudeuten, dass durch sie Arbeitskraft direct, d. h. hier ohne Vermittlung vorhandener permanenter Magnete, in elektrischen Strom umgewandelt wird. Da jede arbeitende elektro-magnetische Maschine, wie schon früher hervorgehoben, Gegenströme erzeugt, welche den sie be - wegenden elektrischen Strom schwächen, und da die Richtung dieser Ströme von der Richtung der Drehung der Maschine abhängig ist, so muss eine Rückwärtsdrehung derselben ihn um - gekehrt verstärken. Es wird daher, genau genommen, jede elektro-magnetische Maschine durch Rückwärtsdrehung eine dy - namo-elektrische. Dass man durch diesen Umstand nicht schon478 längst zufällig auf die dynamo-elektrische Stromerzeugung ge - kommen ist, erklärt sich wohl dadurch, dass besondere Con - structionsbedingungen bei den elektro-magnetischen Maschinen erfüllt werden müssen, damit sie als dynamo-elektrische Maschinen wirksam werden können.

Anfänglich wurden solche dynamo-elektrische Maschinen mit meinen früher erwähnten rotirenden Cylinder-Ankern herge - stellt. Es stellte sich aber heraus, dass das Eisen dieser Anker sich durch den schnellen und kräftigen Polwechsel stark erhitzt. Später sind durch Gramme und v. Hefner-Alteneck verbesserte Maschinen construirt worden, bei denen dieser Uebelstand in Wegfall kommt. Bei diesen mit unwesentlichen Modificationen jetzt allgemein benutzten dynamo-elektrischen Maschinen findet keine besondere Commutirung der inducirten Ströme wechselnder Richtung, wie bei den älteren magneto-elektrischen und dynamo - elektrischen Maschinen, statt, sondern es treten die Wechsel - ströme, welche in einer zusammenhängenden Reihe von Induc - tionsspiralen nach einander erzeugt werden, in einer Zweig - oder Brückenleitung direct zu einem continuirlichen gleichgerichteten Strome zusammen. Ich hatte eine solche Combination bereits bei einem Volta-Inductor in Anwendung gebracht, welcher in der ersten Pariser Ausstellung im Jahre 1855 ausgestellt war und sich jetzt in der historischen Sammlung des Postmuseums zu Berlin befindet. Diese, wegen ihrer Form so genannte Teller - maschine diente dazu, mit wenigen Elementen Ströme hoher Spannung zu erzeugen, wie sie zum Betriebe langer Telegraphen - linien erforderlich sind. Zur Erzeugung starker Ströme war sie nicht geeignet. Die Gramme’sche Maschine ist in allen wesent - lichen Punkten identisch mit der vom Professor Pacinotti con - struirten elektro-magnetischen Maschine, die Gramme durch Rück - wärtsdrehung, nach meinem Vorschlage, zu einem dynamo-elek - trischen Stromerzeuger machte. Sie besteht aus einem mit isolir - tem Draht umwundenen Eisenringe, der zwischen den Polen eines kräftigen Elektromagnetes rotirt. Der in sich geschlossene Umwindungsdraht ist in eine Anzahl gleicher Theile getheilt und an den Theilstellen mit Contacten versehen, welche bei der Ro - tation mit feststehenden federnden Contacten an zwei sich dia - metral gegenüberstehenden Punkten in Berührung kommen. Stehen479 diese Contacte senkrecht auf der Verbindungslinie der Pole des Magnetes und bilden sie die Endpunkte eines Zweigdrahtes, so nimmt dieser, wie bei der Tellermaschine, die in den beiden Windungshälften des Ringes inducirten entgegengerichteten Ströme als continuirlichen Strom auf. Die v. Hefner’sche Construction unterscheidet sich von der Pacinotti-Gramme’schen wesentlich dadurch, dass der Erstere nicht, wie die Letzteren, einen um - wickelten Ring benutzt, sondern einen vollen oder hohlen Eisen - Cylinder, welcher nur an seiner äusseren Fläche mit longitudi - nalen, in sich geschlossenen Windungen umgeben ist. Die einzelnen Abtheilungen dieser äusseren Windungen sind mit den sich dia - metral gegenüberstehenden Schleifcontacten in einer ohne Zeich - nung schwer verständlich zu machenden Weise derart combinirt, dass wiederum sämmtliche in den Umwindungsdrähten inducirte Ströme im Brückendraht als continuirlicher Strom auftreten. Vor der Pacinotti-Gramme’schen hat die v. Hefner’sche Construction den grossen Vorzug, dass bei ihr der grösste Theil des Umwin - dungsdrahtes der Induction unterworfen, also wirksam ist, wäh - rend bei der Gramme’schen nur der auf der äusseren Fläche des Ringes befindliche Draht, also nur etwa die Hälfte dessel - ben, zur Wirkung kommt.

Ich habe die dynamo-elektrische Maschine in ihren verschie - denen Formen eingehender als andere behandelt, da sie die Brücke zu einer weiteren grossartigen Entwicklung der Dienste bildet, welche die Elektricität der Menschheit zu leisten berufen ist. Wie ich schon bei der ersten Mittheilung des Prinzips der dynamo - elektrischen Maschine hervorhob, ist durch diese die Möglichkeit gegeben, Arbeitskraft in jedem Betrag in elektrischen Strom um - zuwandeln, um diesen zur elektrischen Beleuchtung, zu metallur - gischen Processen, zur Kraftübertragung und vielleicht künftig zu anderen uns noch unbekannten Zwecken zu benutzen. Es hat allerdings seitdem schon einer 12jährigen Arbeitszeit bedurft, um die Schwierigkeiten zu überwinden, welche der sicheren Er - zeugung und Verwendung dieser starken Ströme entgegentraten, und es wird auch noch weiterhin viel Arbeit und Geld aufge - wendet werden müssen, um die noch nothwendigen weiteren Fortschritte zu machen; wir können aber doch jetzt schon mit Zuversicht aussprechen, dass uns mit der dynamo-elektrischen480 Maschine ein weiteres wichtiges Hülfsmittel zur Nutzbarmachung der Naturkräfte im Dienste der Menschheit gegeben ist. Es tritt dies besonders klar hervor bei den Fortschritten, welche in neuerer Zeit die elektrische Beleuchtung gemacht hat. Es wird noch kaum ein wichtiger Leuchtthurm erbaut, der nicht elek - trisches Licht erhält. Mit elektrischem Lichte suchen schon jetzt grössere Schiffe Nachts und bei Nebel die gefahrdrohenden Klippen und begegnende Fahrzeuge zu erkennen; mit Hülfe des - selben vermögen die Schleppdampfer auch bei Nacht ihren Weg in Flüssen und Canälen zu finden. Elektrisches Licht beleuchtet schon vielfach Fabriken, Arbeitsplätze und grössere Hallen. Es spielt eine wichtige Rolle im Angriffs - wie im Vertheidigungs - krieg und hat sich überall da einen weiten Anwendungskreis geschaffen, wo grosse Helligkeit, die Schönheit des blendend weissen Lichtes und dessen verhältnissmässig geringe Heizkraft, sowie die Abwesenheit schädlicher Verbrennungsproducte in erster Linie in Betracht kommen. Bis vor wenigen Jahren bestand aber noch ein grosses Hinderniss der allgemeineren Verbreitung des elektrischen Lichtes seine geringe Theilbarkeit. Es war bis dahin nicht möglich, in einer Stromleitung mit Sicherheit mehr als einen Lichtbogen herzustellen. Es erklärt sich dies da - durch, dass die Regulirung des Mechanismus, welcher die Ab - stände der Kohlenspitzen, zwischen denen das elektrische Licht entsteht, regelt, durch die Stromstärke bewirkt wird, welche im Leitungskreise vorherrscht. Wird der Davy’sche Lichtbogen durch Abbrennen der Kohlen verlängert, so wird der Widerstand desselben grösser und damit auch die Stromstärke im Leitungs - kreise geringer, wodurch dann eine entsprechende Zusammen - schiebung der Kohlen durch den Lampenmechanismus bewirkt wird. Befinden sich nun mehrere Lichtbogen in demselben Lei - tungskreise, so ist die Stromstärke in demselben von der Summe der Widerstände sämmtlicher Lichtbogen abhängig, wobei es gleichgiltig bleibt, wie gross der Widerstand eines einzelnen ist.

Die Stromstärke kann also dann nicht mehr zur Regulirung der Bogenlängen der einzelnen Lichtbogen benutzt werden. Um diesem Uebelstand abzuhelfen und eine unbegrenzte Theilung des elektrischen Lichtes zu ermöglichen, hat man vielfach und bis in die neueste Zeit versucht, anstatt des Lichtbogens dünne Kohlen -481 oder Metallstäbchen, welche durch den elektrischen Strom glühend gemacht werden, als Lichtquellen zu benutzen. Es ist das so erzeugte Licht aber verhältnissmässig sehr schwach, kostet viel Strom, mithin viel Arbeitskraft und ist wohl kaum noch elek - trisches Licht zu nennen. Einen ersten wichtigen Schritt in der Richtung der Theilung des Lichtbogens machte Jablochkoff. Derselbe stellte zwei Kohlenstäbchen parallel neben einander und füllte den Zwischenraum mit Gips oder einer anderen schwer schmelzbaren Substanz aus. Von solchen elektrischen Kerzen konnten vier bis sechs in einen Leitungskreis eingesetzt werden, da die Bogenlänge hier für alle eine gegebene war.

Um ein gleichmässiges Abbrennen beider Kohlen zu erzielen, wurden nicht gleichgerichtete, sondern Wechselströme zur Licht - erzeugung benutzt, wie es schon früher bei Anwendung der magneto-elektrischen Maschinen zur Lichterzeugung geschehen war. Diese elektrischen Kerzen haben wesentlich zur Verbrei - tung der elektrischen Beleuchtung beigetragen, erfüllen aber ihren Zweck namentlich aus dem Grunde nur unvollkommen, weil sämmtliche Kerzen erlöschen, wenn eine aus irgend welchem Grunde versagt, und weil das Licht sich dann nicht selbstthätig wieder entzündet, wie es bei Anwendung elektrischer Lampen der Fall ist.

Es war der neuesten Zeit vorbehalten, die Lösung des Pro - blems der Theilung des elektrischen Lichtbogens bei Anwendung von die Bogenlängen regulirenden Mechanismen zu finden, und dadurch das wesentlichste Hinderniss zu beseitigen, welches der allgemeineren Anwendung der elektrischen Beleuchtung bisher noch entgegenstand. Es beruht die Regulirung hierbei auf der Anbringung einer Nebenschliessung für jeden Lichtbogen. In einer Stromverzweigung wird der Strom des einen Zweiges um so stärker, je grösser der Widerstand des anderen Zweiges wird. Ist nun die Lampe so construirt, dass eine Verstärkung des Stromes im Nebenzweige des Lichtbogens eine Annäherung der Kohlenspitzen bewirkt, so muss dies auch durch eintretende Ver - längerung des Lichtbogens geschehen und dadurch jeder Bogen in der normalen Länge erhalten werden. Ich hatte diese Ver - wendbarbarkeit des Nebenschlusses zur Regulirung des Licht - bogens schon früher erkannt und bei der Construction elek -31482trischer Lampen benutzt; wir verdanken aber dem schon genann - ten Herrn v. Hefner, dem Vorstande des Constructionsbureaus von Siemens & Halske, die gelungene Construction einer Lampe, welche mit Hülfe einer Differentialwirkung zwischen Haupt - und Nebenstrom die Aufgabe in sehr einfacher und vollkommener Weise löst. Mittelst solcher Lampen wurde zuerst die Kaiser - gallerie in Berlin als Annex der Berliner Gewerbeausstellung während der ganzen Ausstellungszeit beleuchtet.

Es sind ferner bereits die Empfangshalle der königlichen Ostbahn und das Reichstagsgebäude zu Berlin, der Münchener neue Bahnhof und mehrere Privatgebäude in dieser Weise elek - trisch beleuchtet. Es hat sich hierbei herausgestellt, dass die Kosten der Beleuchtung grösserer passender Räume bei etwa dreifacher Minimalhelligkeit des Bodens selbst bei Betrieb mit Gaskraftmaschinen nur etwa gleich den Kosten der Gasbeleuch - tung sind. Ich möchte hierbei aber doch bemerken, dass trotz - dem das elektrische Licht schwerlich jemals das Gaslicht wird verdrängen können. Die grosse Bequemlichkeit, Reinlichkeit, unbegrenzte Theilbarkeit des Gaslichtes, sowie die heizenden Eigenschaften des Gases werden demselben überall da den Vor - zug vor der Elektricität sichern, wo nicht die grössere Hellig - keit, welche durch elektrische Beleuchtung zu erzielen ist, die reine Weisse des Lichtes, die geringe Erwärmung und Verunrei - nigung der Luft der zu beleuchtenden grösseren Räume ent - scheidend für Anwendung der elektrischen Beleuchtung sprechen.

Weit weniger entwickelt als die Anwendung starker elek - trischer Ströme zur Beleuchtung ist bisher die Benutzung der - selben zur Kraftübertragung und zu chemischen Umformungen in der Metallurgie und chemischen Grossindustrie. In der Ber - liner Gewerbe-Ausstellung sind von Siemens & Halske zwei Beispiele der Kraftübertragung durch dynamo-elektrische Maschi - nen ausgestellt. Ein grosser Webstuhl und einige kleinere Maschinen werden durch eine elektro-dynamische Maschine be - trieben, die von einer, mit Ausnahme der Stellung der Feder - contacte, gleich construirten dynamo-elektrischen Maschine, welche im Maschinenraum aufgestellt ist, mittelst einer Draht - leitung in Bewegung gesetzt wird. Ferner ist eine etwa 300 m lange, in sich selbst geschlossene, schmalspurige Eisenbahn aus -483 gestellt, auf welcher eine kleine elektrische Locomotive mit drei angehängten Personenwagen in einer Geschwindigkeit von 3 bis 4 m per Secunde circulirt. Die Laufschienen der Bahn bilden die eine Leitung zu der im Maschinenraume stehenden dynamo - elektrischen Lichtmaschine grösserer Sorte, während eine zwischen den Laufschienen und ohne metallische Verbindung mit diesen angebrachte Mittelschiene das Ende der anderen Leitung bildet. Die Locomotive besteht im Wesentlichen aus einer der strom - gebenden ganz gleichen Maschine, deren eines Drahtende durch die Räder der Locomotive mit den Laufschienen in leitender Verbindung steht, während das andere Ende durch eine Contact - vorrichtung mit der Mittelschiene communicirt. Wird der Strom - lauf geschlossen und die stromgebende Maschine mit etwa 600 bis 700 Umdrehungen per Minute continuirlich gedreht, so setzt sich die Locomotive mit grosser Kraft in Bewegung und durchläuft mit constanter Geschwindigkeit die Bahn. Die Locomotive zieht an ihrem Zughaken mit etwa 200 kg, wenn die Wagen fest - gehalten werden, und mit 70 80 kg während der Fahrt mit 3 m Geschwindigkeit, was etwa einer Arbeitsleistung von drei effec - tiven Pferdestärken entspricht. Auffallend erscheint hierbei, dass diese Geschwindigkeit sich nur wenig ändert, wenn anstatt der gewöhnlichen Belastung der Personenwagen (mit 18 Personen) eine doppelte und selbst dreifache Belastung eintritt, und dass die Kraft des ersten Anzuges eine so sehr bedeutende ist. Es ist dies aber eine Eigenthümlichkeit der elektrischen Kraftüber - tragung überhaupt. Die Theorie derselben lässt sich in Kürze unter folgende Gesichtspunkte bringen. Denkt man sich eine dynamo-elektrische Maschine der Gramme’schen oder v. Hefner - schen Construction mit geschlossener Leitung in Drehung gesetzt, so wächst der Strom und damit der Magnetismus des fest - stehenden Elektromagnetes so weit an, wie die specielle Con - struction der Maschine und der eingeschaltete Widerstand es zulassen. Die Arbeitskraft, welche erforderlich ist, um die vom Strome durchlaufenden Umwindungsdrähte des rotirenden Eisen - ringes des Cylinders durch die Anziehungssphäre der Magnet - pole (das magnetische Feld) hindurchzutreiben, ist dabei einmal der Stromstärke in den Drähten, zweitens der Stärke des Magne - tismus, welcher innerhalb gewisser Grenzen ebenfalls proportio -31*484nal der Stromstärke ist, und drittens der Geschwindigkeit der Drähte oder der Rotationsgeschwindigkeit proportional. Da nun auch die Stromstärke dieser Geschwindigkeit als ihrer erzeugen - den Ursache proportional ist, so muss die zur Drehung verwen - dete Arbeit im Verhältniss der dritten Potenz der Rotations - geschwindigkeit stehen. Anders ist das Verhältniss, wenn eine zweite gleiche oder ähnliche Maschine in den Kreislauf ein - geschaltet ist. Diese wird durch den Strom, den die mecha - nisch in Drehung gesetzte dynamo-elektrische Maschine erzeugt, ihrerseits als elektro-magnetische Maschine gedreht und bringt dann, wie schon Jacobi fand, einen Gegenstrom hervor, der den wirkenden Strom schwächt. Ist diese arbeiterzeugende Maschine von gleicher Construction wie die stromerzeugende, so ist der auftretende Gegenstrom ebenfalls dem Quadrat ihrer Drehungs - geschwindigkeit proportional. Das Endresultat ist mithin eine im ganzen Leitungskreise thätige Stromstärke, die dem Quadrat der Geschwindigkeitsdifferenz beider Maschinen proportional ist. Sind c und c 'die Geschwindigkeiten der beiden entgegengesetzt rotirenden Maschinen, so ist mithin die herrschende Stromstärke proportional (c c') 2.

Es ist dann die von der stromerzeugenden Maschine verbrauchte Arbeit (c c ') 2 · c · k und die von der durch den Strom gedrehten Maschine geleistete Arbeit (c c') 2 · c '· k, wobei k eine von der Construction der Maschinen und dem Leitungswiderstande des ganzen Kreises abhängige Constante bezeichnet. Die Maximalrechnung ergiebt nun, dass das Maximum der Arbeitsleistung dann eintritt, wenn 〈…〉 ist, woraus gleichzeitig folgt, dass bei Erzielung des Arbeitsmaximums nur der verwendeten Arbeitskraft zur Be - nutzung kommt. Andererseits ist aber das Verhältniss der auf - gewendeten zur geleisteten Arbeit 〈…〉 , was besagt, dass die nutzbar gemachte Arbeit mit der Geschwindig - keit der Drehung proportional zunimmt. Die Frage: der wie - vielte Theil der aufgewendeten Arbeitskraft bei der elektrischen Kraftübertragung gewonnen wird, ist mithin allgemein nur dahin zu beantworten, dass der Kraftverlust um so geringer wird, je485 schneller die Maschine sich drehen, und dass er = 0 werden würde, wenn man sie unendlich schnell drehen könnte. Es folgt ferner aus der Formel, dass die Zugkraft der arbeitenden Ma - schine in viel grösserem Verhältniss als die Geschwindigkeits - differenz der beiden Maschinen ansteigt, woraus unmittelbar die geringe Abhängigkeit der Fortbewegungsgeschwindigkeit der Locomotive von der zu bewegenden Last und die grosse Kraft des ersten Anzugs sich ergiebt. Es muss hierbei bemerkt werden, dass die obige Rechnung weder die innere Reibung der Ma - schinen, noch den veränderlichen Widerstand der Schleifcon - tacte u. s. w. berücksichtigt, welche unter Umständen schwer ins Gewicht fallen.

Obgleich noch viele constructive Schwierigkeiten zu über - winden und viele Erfindungen noch zu machen sind, um elek - trische Kraftübertragung im Allgemeinen und elektrischen Eisen - bahn - oder besser Spurwegsbetrieb im Speciellen zur praktischen Benutzung im grossen Massstab völlig geeignet zu machen, so muss man doch die ersten damit gewonnenen Resultate für sehr befriedigend und vielversprechend erklären. Unter günstigen Verhältnissen können sie schon in ihrem gegenwärtigen Ent - wickelungsstadium sehr gute Dienste leisten.

Noch weit weniger entwickelt ist aber bisher die Anwen - dung starker elektrischer Ströme, wie sie jetzt durch Verbrauch von Arbeitskraft billig erzeugt werden können, zu chemischen und metallurgischen Zwecken. Die Anwendung beschränkt sich bis - her wesentlich auf die galvanische Reinigung des Kupfers und zur Scheidung desselben von Gold und Silber. Und doch wird der elektrische Strom gerade auf diesem Gebiete voraussichtlich künftig die grössten Erfolge aufzuweisen haben und auf ihm der Menschheit die grössten Dienste leisten! Technisch noch ganz unbebaut liegt das weite, so viel versprechende Gebiet der Elek - trolyse feuerflüssiger Leiter da, und weder die wissenschaftliche noch die technische Chemie hat die analytische und synthetische Kraft des Stromes bisher gebührend gewürdigt! Durch Auf - wendung von Arbeitskraft können mit Hülfe des elektrischen Stromes die festesten chemischen Verbindungen zerlegt und die Körperelemente in andere Zustände und Verbindungen über - geführt werden, in denen die verbrauchte Arbeit gleichsam auf -486 gespeichert ist. So repräsentirt die Verbrennungswärme des gal - vanisch in seine Elemente zerlegten Wassers das Aequivalent der zur Scheidung verbrauchten Arbeit. Es ist durchaus wahr - scheinlich, dass die Wissenschaft der Zukunft lehren wird, auch bequemer zu handhabende Brennstoffe, wie den Wasserstoff, durch Arbeitsaufwand mit Hülfe des elektrischen Stromes her - zustellen. Auch der weitere Schritt von der Darstellung von Brenn - zu der von Nährstoffen ist durchaus nicht undenkbar. Es gehört sogar kein allzukühner Flug der Phantasie dazu, um sich eine Zukunft auszumalen, in der die Menschheit die leben - dige Kraft, welche die Sonnenstrahlen der Erde in ungemesse - nem Betrag zuführen, und die sich uns zum Theil im Wind und in den Wasserfällen zur directen Benutzung zur Verfügung stellt, mit Hülfe des elektrischen Stromes zur Herstellung alles nöthi - gen Brennstoffes verwendet, und die für ihre Kindheit von der Natur vorsichtig aufgestapelten Kohlenlager ohne Nachtheil zu entbehren lernt!

[487]

Ueber die elektrische Eisenbahn der Berliner Gewerbeausstellung.

(Verein z. Beförderung d. Gewerbfleisses, Sitzung v. 9. Juni.)

1879.

Meine Herren, wenn Sie es wünschen, bin ich umsomehr dazu bereit über die elektrische Eisenbahn zu sprechen, als ich gehört habe, dass die Construction vielfach falsch aufgefasst wird. Es ist diese Eisenbahn nichts als ein Beispiel der Kraftüber - tragung, wie sie auch an einer anderen Stelle der Ausstellung dargestellt ist, wo eine dynamo-elektrische Maschine eine andere treibt, die ihrerseits einen Webstuhl in Bewegung setzt, dessen grosse Schützen sehr gut arbeiten. Hierbei ist ein Regulator an - gebracht, der sehr präcise wirkt. Dasselbe Prinzip der Kraftüber - tragung durch dynamo-elektrische Maschinen ist nun bei der Eisen - bahn auf die Bewegung von Wagen angewendet worden. Die erste Veranlassung zu der Einrichtung gab eine Anfrage des Bau - meister Westphal aus Cottbus über die Möglichkeit, die Kraft dort verbrannter Kohlen nach Berlin zu transportiren. Der Betreffende hatte nämlich eine Bemerkung meines Bruders Wilhelm in London über die Möglichkeit des Transports der Kraft des Niagarafalles gelesen und wollte dies hier in die Praxis übertragen. Ging dies auch nicht an, so sind wir doch der Sache näher getreten, um zu sehen, wie weit sich die elektrische Krafttransmission zum Transportiren auf Schienenbahnen benutzen lasse. Der Versuch, den wir machten, ist recht gut ausgefallen. Die Einrichtung, wie sie Ihnen in der Ausstellung entgegentritt, ist folgende: Es ist eine kleine schmalspurige Bahn, bei der die Schienen in einer Curve in sich zurückgehen, angelegt. In der Mitte derselben488 befindet sich eine dritte Schiene, ein aufrecht stehendes Flach - eisen. Die Locomotive trägt zwei Rollen, durch welche sie mit der letzteren in Verbindung steht ob Rollen oder Bürsten besser sind, muss noch ausprobirt werden. Eine dynamo-elektrische Maschine steht in der Maschinenhalle und eine gleiche bildet die Locomotive. Die Maschine in der Maschinenhalle wird durch die Dampfmaschine gedreht. Einer ihrer Pole steht in Verbindung mit der inneren Schiene, während der andere Pol mit den äusse - ren Schienen verbunden wird. Infolge dessen entsteht eine elek - trische Differenz zwischen der mittleren und den äusseren Schienen und die dynamo-elektrische Maschine der Locomotive, welche jetzt als elektro-magnetische, arbeitende Maschine auftritt, leitet durch ihre Umwindungsdrähte den elektrischen Strom von der inneren zu den äusseren Schienen, wobei die Räder der Locomotive den Contact mit äusseren Schienen bilden. Wo also auch die Ma - schine sich auf der Bahn befindet, wird sie von dem elektrischen Strome der dynamo-elektrischen Maschine in der Maschinenhalle durchlaufen und setzt dabei ihren Lauf so lange fort, bis dieser Strom unterbrochen wird. Sie müssen hier im Auge behalten, dass es eben dynamo-elektrische Maschinen sind, die sich ihre Magnete selber bilden. Ich wählte diesen Namen, als ich das Prinzip der dynamo-elektrischen Maschinen der Berliner Akademie der Wissenschaften im Januar 1866 zuerst mittheilte, in Analogie mit den gebräuchlichen Bezeichnungen elektro-magnetische und magneto-elektrische Maschinen, von denen erstere durch vor - handenen Strom Magnetismus, letztere durch vorhandenen Mag - netismus Strom erzeugen, während bei dynamo-elektrischen Ma - schinen Arbeitskraft direct in Strom verwandelt wird. Der kleine Rückstand von Magnetismus, der in dem Eisen der Elek - tromagnete stets zurückbleibt, genügt bei diesen Maschinen, um einen ganz schwachen Strom im bewegten Theile der Maschine zu erzeugen, dieser verstärkt den Magnetismus der feststehenden Magnete, wodurch wiederum stärkerer Strom erzeugt wird, und so arbeitet sich der Magnetismus durch die verwendete Kraft selbstthätig in die Höhe, bis die Ströme so stark werden, als es eben die Drähte vertragen können, ohne zu sehr erhitzt zu wer - den. Wird nun in einem solchen activen dynamo-elektrischen Kreise irgendwo die Leitung unterbrochen, so hört der elektrische489 Strom und damit auch der Magnetismus der primären Maschine auf. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass mangelhafte Isolation der Schienen nicht sehr schädlich ist. Ist die Loco - motive im Gange, so bilden ihre Leitungsdrähte eine viel bessere Leitung, wie die feuchte Erde, und ist die Leitung unterbrochen, so genügt diese Nebenleitung nicht, die dynamo-elektrische Wir - kung im Gange zu erhalten, der Magnetismus verschwindet daher und damit auch der Nebenstrom. Die Kraftübertragung und da - mit auch die Geschwindigkeit lassen sich innerhalb weiter Gren - zen steigern. Die ganze Sache ist aber noch zu neu, um schon jetzt bestimmte Angaben über die Grenzen des praktisch Erreich - baren machen zu können.

Wir haben 30, 40 bis 60 pCt. Kraftübertragung erzielt, doch können wir definitive Zahlen erst nach längerer Praxis angeben. Wie weit sich der Arbeitsverlust bei der elektrischen Kraftüber - tragung wird vermindern lassen, lässt sich noch nicht beurtheilen. Vorläufig wird man sich mit 30 bis 40 pCt. effectiver Arbeits - leistung begnügen müssen. Einen grossen Vorzug hat die elek - trische Kraftübertragung dadurch, dass sie die Lösung eines noch ungelösten mechanischen Problems von selber bringt. Es ist dies eine Construction, welche bewirkt, dass Maschinen sowohl bei langsamer wie bei schneller Bewegung immer mit voller Kraft arbeiten. Hätten wir dies Problem rein mechanisch praktisch gelöst, so würden wir auch weiter in der Construction der Strassenlocomotiven sein. Bei der dynamo-elektrischen Kraftüber - tragung ist es eben anders. Wenn die kraftgebende oder secun - däre Maschine grosse Arbeit zu leisten hat, mithin langsam geht, so sind die von ihr erzeugten Gegenströme entsprechend schwach und es verstärkt sich dadurch in gleichem Masse der Strom durch die Leitung. Dadurch wird der Elektromagnetismus und ihm entsprechend die Zugkraft der Maschine vergrössert. Die dynamo-elektrische Locomotive hat ferner den Vortheil, dass sie gleich in sich selbst die Kraft zum Bremsen trägt, indem sie als primäre oder stromerzeugende Maschine auftritt, wenn sie schneller wie diese umgedreht wird, mithin diese und mit ihr die arbei - tende Dampfmaschine umgekehrt zu drehen sucht.

Ich meine, es wird schon jetzt viele Fälle geben, wo elek - trische Kraftübertragung sowie auch elektrische Locomotiven490 praktisch mit Vortheil verwendbar sind. Die Maschine der Aus - stellung ist ursprünglich nicht dazu gemacht, um die 3 eleganten kleinen Personenwagen mit 18 bis 24 Personen in 1 bis 2 Minuten über die gegen 300 Meter lange Kreisbahn zu befördern, sondern um aus dem Kohlenstollen des Herrn Westphal Kohlen zu Tage zu fördern! Man muss daher auch ihre Leistungen als Schnell - zuglocomotive für das Ausstellungspublicum mit Nachsicht beur - theilen! Die Frage der Ausdehnung, welche der Anwendung der dynamo-elektrischen Locomotive möglicherweise zu geben ist, ist bisher schwer zu entscheiden. Sie hängt einmal vom Leitungs - widerstande der Schienen und zweitens von der Möglichkeit ab, dieselben hinreichend zu isoliren. Das erste Erforderniss, gerin - ger Leitungswiderstand der Schienen, lässt sich bei längeren Bahnen zum Theil dadurch erreichen, dass man von Zeit zu Zeit neue primäre Dynamomaschinen aufstellt, welche die elektrische Spannungs-Differenz zwischen der inneren und den äusseren Schienen aufrecht erhalten. Das zweite wird sich für längere Bahnen kaum auf anderem Wege erfüllen lassen als durch Con - struction hängender Eisenbahnen. Im ersten Erfindungseifer nach Auffindung des dynamo-elektrischen Prinzipes und der dadurch gegebenen Möglichkeit, beliebig starke Ströme billig zu erzeugen, träumte ich schon von einem Netze hängender elektrischer Eisen - bahnen über den Strassen Berlins, dessen niedriger Wasserstand leider kein unterirdisches Eisenbahnnetz gestattet und gab dem auch in einer Mittheilung an dieser Stelle Ausdruck. Es war aber ein langer Weg technischer Fortschritte bis zum jetzigen Standpunkte erst zurückzulegen und es wird auch noch ferner viel Wasser durch die Spree fliessen, bevor mein Traum auch nur in beschränktem Massstabe zur Ausführung kommen kann!

[491]

Ueber die dynamo-elektrische Maschine und deren Verwendung zum Betriebe von elektrischen Eisenbahnen.

(Vortrag im elektrotechn. Verein v. 27. Januar.)

1880.

Meine Herren! Wenn man früher einem Elektrotechniker eine Aufgabe stellte, bei welcher die Elektricität grössere Arbeit auszuüben hatte, dann pflegte er wohl zu sagen: die Elektricität thut keine Hausknechtsarbeit, die ist für feine Arbeit bestimmt; sie commandirt, dirigirt, löst Kräfte aus und ein, aber schwere Arbeit selbst zu thun, ist nicht ihre Sache! Das hat sich nun in der neueren Zeit vollständig geändert. Die dynamo-elektrische Maschine befähigt uns jetzt elektrische Ströme von jeder ge - wünschten Stärke billig zu erzeugen. Die Elektricität kann mithin jetzt auch in die Reihe der schwer arbeitenden Mächte eintreten.

Da die Bildung des elektrotechnischen Vereins ungefähr mit der Zeit der vollständigen praktischen Ausbildung der dynamo - elektrischen Maschine zusammenfällt, so hielt der geschäftsfüh - rende Ausschuss es für angemessen, dass in der ersten Sitzung des elektrotechnischen Vereins gerade über die dynamo-elektrische Maschine und über einen Vorschlag, den ich schon vor längerer Zeit gemacht habe und der Ihnen Allen von der Berliner Ge - werbe-Ausstellung her schon bekannt ist, den Vorschlag der An - wendung der Elektricität zur Fortbewegung von Fahrzeugen oder zum Betriebe elektrischer Eisenbahnen hier zuerst ein Vortrag gehalten werde.

Ich werde wohl damit beginnen müssen, Ihnen den Nach -492 weis zu liefern, warum wir früher nicht im Stande waren, grosse Kraftleistungen durch elektrische Ströme auszuüben. Wir hat - ten ja galvanische Säulen oder Batterien, wir konnten dieselben beliebig vergrössern und der Glaube, dass es gelingen würde, mit ihrer Hülfe elektrische Motoren herzustellen, die mit der Dampfmaschine concurriren könnten erschien nicht als unbe - rechtigt. Bekanntlich hatte der deutsche Bundestag sogar einen Preis ausgeschrieben für den, der die erste brauchbare elek - trische Locomotive herstellen würde. Es haben sich nament - lich Professor Jacoby in Petersburg und Page in Amerika sehr eingehend mit der Sache beschäftigt. Ersterer ist auch mit einem durch Elektricität getriebenen Boote auf der Newa spazieren ge - fahren; er erklärte jedoch am Schlusse seiner Versuche selbst, dass die Elektricität zur Leistung von schwerer Arbeit nicht brauchbar wäre, weil dieselbe zu kostspielig würde, und weil viele andere, ihm unüberwindlich scheinende, technische Schwie - rigkeiten der Lösung der Aufgabe entgegen träten.

Dass die Arbeitskraft des Stromes der galvanischen Batterie unverhältnissmässig kostspielig werden muss, ergiebt sich schon aus der Betrachtung, dass bei der galvanischen Säule Zink in oxy - direnden Säuren verbrannt wird. Das ist aber ein unverhältniss - mässig theureres Brennmaterial, als Kohle, die im Sauerstoff der atmosphärischen Luft verbrennt! Dazu kommt noch, dass die galvanische Kette aus Metallen und Flüssigkeiten besteht, dass der galvanische Leitungswiderstand der Flüssigkeiten aber ein ausserordentlich grosser ist. Galvanische Batterien müssen da - her mächtige Dimensionen erhalten, wenn sie geringen Leitungs - widerstand haben sollen. Geringer Widerstand des Leitungs - kreises ist aber für die Wirksamkeit elektrischer Kraftmaschinen ein unbedingtes Erforderniss; denn anderenfalls wird die Elek - tricität im Leitungsdrahte grösstentheils in Wärme umgewandelt und nicht in Arbeit.

Eine andere Quelle elektrischer Ströme ist die Thermo-Elek - tricität. Diese von Seebeck in Berlin entdeckte elektrische Kraft wird vielfach zur Erzeugung schwacher Ströme angewandt, die zur Messung sehr kleiner Temperaturunterschiede und zu ähnlichen Zwecken dienen. In neuerer Zeit hat man versucht, Thermosäulen in grossem Massstabe zu bauen und hat in der493 That sehr ansehnliche Ströme durch dieselben erzeugt. Indessen sind die Metalle, die gute Thermo-Elemente bilden, leider auch sehr schlechte Leiter für die Elektricität, und daher haben auch die Thermoketten grossen Leitungswiderstand, wenn sie nicht sehr grossen Querschnitt bekommen. In diesem Falle wird aber auch die Wärme von den erwärmten Löthstellen schnell zu den kalten fortgeführt, und es entsteht ein grosser Wärmeverlust. Ausserdem haben sich grössere, für starke Ströme eingerichtete Thermoketten bisher nicht als constant erwiesen.

Die dritte Methode, elektrische Ströme zu erzeugen, besteht in der Anwendung der von Faraday entdeckten Induction. Es sei mir gestattet, zum besseren Verständniss des Folgenden einige Worte über das Wesen der Induction zu sagen.

Denken Sie sich zwei in sich geschlossene Leitungskreise, z. B. zwei Drähte, deren Anfang und Ende mit einander verbunden sind, von denen der eine von einem elektrischen Strome andau - ernd durchlaufen wird. Nähert man nun zwei parallele Theile dieser Strombahnen einander, so entsteht in dem stromlosen Leiter während der Annäherung ein Strom, welcher dem im an - deren vorhandenen Strome gleichgerichtet ist und der so lange andauert als die annähernde Bewegung. Entfernt man die Strom - bahnen wieder von einander, so entsteht im stromlosen Leiter ein gleich starker Strom, aber von entgegengesetzter, also dem vorhandenen primären Strome gleicher Richtung. Ein gleicher Vorgang findet statt, wenn man zwei parallele Theile des - selben von einem Strome dauernd durchflossenen Leiters einan - der nähert oder von einander entfernt. Im ersteren Falle findet mithin eine Verstärkung, im zweiten eine Schwächung des Stromes statt. Da nun gleichgerichtete Ströme, wie Ampère entdeckte, sich anziehen, während entgegengesetzte sich abstossen, so kann man aus zwei solchen beweglichen Theilen einer Strom - bahn eine sich selbstständig fortbewegende elektromagnetische oder hier besser elektrodynamische Maschine bilden, wenn man im Augenblicke der grössten Annäherung und der grössten Ent - fernung durch einen geeigneten Mechanismus, einen Commutator, die Enden des einen der beweglichen Theile der Strombahn mit einander verwechselt, also auch die Richtung des ihn durchlau - fenden Stromes umkehrt. Dann wird sowohl bei der Annäherung494 als bei der Entfernung der Strombahnen eine Arbeit im glei - chen Sinne vom elektrischen Strome geleistet, es findet aber auch in beiden Fällen eine ihr entsprechende Schwächung des vorhandenen Stromes statt. Dieselbe Erscheinung findet im ver - stärkten Masse statt, wenn man die beiden Theile der Strom - bahn um Eisenkerne wickelt und die Pole der so gebildeten Elektromagnete sich einander anziehend nähern oder abstossend von einander entfernen lässt. Eine solche elektromagnetische Maschine bewegt sich und leistet Arbeit, bewirkt aber gleich - zeitig eine ihre Leistung vermindernde Schwächung des wirksamen Stromes, der die Windungen des Elektromagnetes durchströmt. Dasselbe findet statt, wenn man anstatt des vom dauernden, nicht commutirten Strome umströmten Elektromagnetes Stahl - magnete verwendet. Auch bei solchen Maschinen findet eine der geleisteten Arbeit äquivalente Verminderung des den beweg - lichen Elektromagnet durchlaufenden elektrischen Stromes statt. Dreht man nun durch anderweitige Kräfte eine solche elektro - magnetische Maschine mit Stahlmagneten anstatt feststehender Elektromagnete, in deren Windungen kein Strom circulirt, in ent - gegengesetzter Richtung, wie die, in der sie durch einen elektrischen Strom bewegt wird, so kehrt sich auch die Richtung der indu - cirten Ströme um, man erhält mithin in dem Umwindungsdrahte eine Reihe von kurzen inducirten Strömen gleicher Richtung, die aber derjenigen entgegengesetzt ist, welche ein Strom haben müsste, der die Maschine selbst in Bewegung setzen sollte. Der - artige sogenante magneto-elektrische Stromerzeuger sind, bald nachdem Faraday die Induction entdeckt hatte, von Pixii, Clarke, Stöhrer und Anderen construirt und vielfach benutzt. Sie sind später durch die Alliance Co., durch mich selbst und durch Wilde noch weiter verbessert, so dass sie selbst Ströme von solcher Stärke lieferten, dass dieselben zur Erzeugung elektri - schen Lichtes verwendet werden konnten. Diese magneto-elek - trischen Stromerzeuger leiden jedoch an wesentlichen Mängeln, die sie zur sicheren Erzeugung sehr starker Ströme nicht geeignet machen. Einmal ist der Stahlmagnetismus sehr viel schwächer als der Magnetismus, den Elektromagnete gleicher Grösse anneh - men können; ferner nimmt der Stahlmagnetismus in viel gerin - gerem Masse zu, als die Masse des verwendeten Stahles, und495 endlich ist der Stahlmagnetismus, namentlich in grossen und kräftigen Magneten, wenig constant und verliert sich mit der Zeit zum grössten Theile. Endlich bedingt die grosse Stahl - masse, die zu kräftigen magneto-elektrischen Stromerzeugern ver - wendet werden muss, ein grosses Volumen der Maschine und mithin auch grosse oder eine grosse Zahl von Elektromagneten, die wiederum eine grosse Länge des Umwindungsdrahtes, also auch viel inneren Leitungswiderstand der Maschine bedingen. Dies bewirkt aber, dass ein grosser Theil der Energie des Stromes in Wärme anstatt in Arbeit umgewandelt wird. Aus allen diesen Gründen ist die magneto-elektrische Maschine weder zur Leistung von grösserer Arbeit, noch zur Erzeugung starker Ströme geeignet.

Dies war die Sachlage, als ich im Jahre 1866 auf den Ge - danken kam, dass eine elektromagnetische Maschine, in umge - kehrter Richtung von der, in der sie durch einen sie durchlau - fenden Strom bewegt wird, gedreht, eine Verstärkung dieses Stromes bewirken müsse. Der Gedanke lag eigentlich sehr nahe, da schon Jacoby den Nachweis geführt hatte, dass bei jeder durch den Strom bewegten elektromagnetischen Maschine ein Gegenstrom entstehen müsse, der den wirkenden Strom schwächt, und da, wie oben erörtert, die umgekehrte Bewegung die Rich - tung dieses schwächeren inducirten Stromes umkehren muss. In der That bestätigte sich nicht nur meine Voraussetzung, son - dern es stellte sich auch heraus, dass der auch im weichsten Eisen zurückbleibende Magnetismus schon ausreicht, um den Verstärkungsprocess des durch ihn erzeugten äusserst schwachen Stromes einzuleiten. Schon nach wenigen schnellen Umdrehun - gen ist bei einer passend eingerichteten dynamo-elektrischen Maschine der ihre Windung durchlaufende Strom so stark ge - worden, dass man die Drehungsgeschwindigkeit mässigen oder äussere Widerstände oder Gegenkräfte einschalten muss, um die Zerstörung der Maschine durch Ueberhitzung zu verhüten.

Ich habe in meiner Mittheilung über diese neue Stromer - zeugungsmethode an die hiesige Akademie der Wissenschaften am 17. Januar 1867 für sie den Namen dynamo-elektrische oder Dynamo-Maschine vorgeschlagen, um dadurch anzudeuten, dass bei ihr nicht, wie bei der magneto-elektrischen, vorhandener per -496 manenter Magnetismus zur Stromerzeugung benutzt wird, son - dern dass von ihr Arbeitskraft direct in elektrischen Strom um - gewandelt wird, wobei der erzeugte Magnetismus nur gleichsam als Zwischenproduct auftritt.

Schon nach den ersten erfolgreichen Resultaten erkannte ich und sprach es in meiner Mittheilung an die Akademie auch aus, dass durch diese neue Stromquelle der Anwendung des elektrischen Stromes neue weite technische Gebiete erschlossen würden. In der That befähigt uns das dynamo-elektrische Prin - cip, Maschinen in verhältnissmässig kleinen Dimensionen herzu - stellen, welche durch aufgewendete Arbeitskraft Ströme jeder Stärke zu erzeugen und direct technisch zu verwenden oder durch analoge Maschinen wieder in Arbeitskraft umzuwandeln gestatten.

Eine dynamo-elektrische Maschine ist hiernach nichts weiter als eine richtig construirte, umgekehrt d. h. gegen die Rich - tung, in welcher sie sich durch einen hindurchgeleiteten Strom von selber bewegt gedrehte elektromagnetische Maschine.

Die grossen Pläne, die ich schon damals auf dies neu - geborene Kind wie man es in der ersten Freude zu thun pflegt baute, waren aber noch nicht lebensfähig. Ich dachte unter Anderem damals auch schon an elektrische Bahnen durch Berlin, um den Verkehr auf den Strassen zu vermindern. Die dynamo elektrische Maschine war aber noch nicht fertig und hatte ihre Kinderkrankheiten noch erst zu überstehen. Als eine solche stellte sich eine neue Erscheinung, die Erhitzung des Eisens bei schnellem Wechsel der magnetischen Polarität, heraus. Die Moleküle des Eisens wollten sich nicht schnell genug drehen, und es bedurfte dazu aufzuwendender innerer Arbeit, die als Er - hitzung des Eisens auftrat. Die kräftigen Maschinen, die ich zur Erzeugung elektrischen Lichtes anfertigen liess, mussten aus diesem Grunde stets mit Wasser gekühlt werden, weil sonst die Magnete und Drähte zu heiss wurden.

Da kamen nun zwei Erfindungen zu Hülfe, welche die Sache bedeutend gefördert haben. Einmal erfand ein italienischer Ge - lehrter Pacinotti den nach ihm benannten Pacinotti’schen Ring. Es ist dies ein umwickelter Eisenring, oder mit anderen Worten ein zu einem geschlossenen Ringe gebogener, mit isolirtem Draht497 umwickelter Eisenstab. Wenn man einen solchen Ring in der Weise zwischen die Pole eines Elektromagnetes bringt, dass die Ebene des Ringes zwischen den concaven Polflächen liegt, und ihn dann um seine Axe dreht, so entstehen in den Windungen der beiden Ringhälften constante Ströme, die sich gegenseitig aufheben, wenn keine Ableitung vorhanden ist. Wird jedoch eine solche Ableitung durch Schleiffedern, die senkrecht auf der Verbindungslinie der Pole einander gegenüberstehen und nach einander mit den Abtheilungen des in sich geschlossenen Um - windungsdrahtes in leitende Berührung kommen, hergestellt, so combiniren sich die Ströme der beiden Ringhälften zu einem einzigen constanten Strome, der die Ableitung oder den Neben - schluss durchläuft.

Durch diesen Pacinotti’schen Ring hatten wir das Mittel gewonnen, einen inducirten Strom zu erzeugen ohne Polwechsel im Eisen, konnten mithin die Erhitzung desselben beseitigen.

Gramme in Paris hat das grosse Verdienst, zuerst mein dynamo-elektrisches Princip auf den Pacinotti’schen Ring ange - wendet und dadurch zuerst einen praktisch brauchbaren Strom - erzeuger für starke Ströme hergestellt zu haben. Einem der Oberingenieure meiner Firma, Herrn v. Hefner-Alteneck, gelang es bald darauf, diese Aufgabe auf eine wesentlich verschiedene und noch weit vortheilhaftere Weise zu lösen. Um dies ver - ständlich zu machen, muss ich erst sagen, dass die im Inneren des Pacinotti’schen Ringes liegenden Theile des Umwindungs - drahtes eigentlich keiner Inductionswirkung unterliegen; es ist mithin so ziemlich die Hälfte des Drahtes beim Pacinotti’schen Ringe für die eigentliche Wirkung verloren. v. Hefner-Alteneck hat nun anstatt des Ringes einen vollen Cylinder angewendet und diesen nur ausserhalb parallel der Axe mit isolirtem Draht umwickelt. Durch eine sinnreiche Stromschaltung hat er be - wirkt, dass, wenn der Cylinder sich zwischen den Polen eines Magnetes um seine Axe dreht, gleichgerichtete Ströme wie bei der Gramme’schen Maschine in der Schleifcontacte verbindenden Leitung entstehen. Der Vortheil, der durch diese Construction erzielt wird, ist klar; er besteht im Wesentlichen darin, dass bei ihr keine inneren Drähte vorhanden sind, die der Induction nicht unterworfen sind. Die v. Hefner’sche Maschine hat daher32498geringeren inneren Widerstand bei gleicher elektromotorischer Kraft, was von wesentlicher Bedeutung ist und ihr namentlich für Kraftübertragung ein Uebergewicht über die Gramme’sche Maschine giebt.

Diese beiden Maschinen sind es nun, auf denen die Erwei - terung des Gebietes der Elektrotechnik beruht. Es giebt zwar noch viele andere Constructionen dynamo-elektrischer Maschinen in Amerika allein ist eine ganze Menge patentirt es sind das aber alles nur Nachahmungen oder unwesentliche Modifica - tionen der obigen beiden, der Gramme’schen und der v. Hef - ner’schen Maschine.

Die ausgedehnteste Anwendung, welche die dynamo-elek - trische Maschine bisher in der Elektrotechnik gefunden hat, ist die zur Erzeugung elektrischen Lichtes. Diese wird wahrschein - lich in einer der nächsten Sitzungen des Vereins ausführlicher besprochen werden. Ich will mich hier daher auf die Kraft - übertragung beschränken, und zwar speciell auf die Kraftüber - tragung in ihrer Anwendung auf die Beförderung von Lasten mit Hülfe der Elektricität.

Wie ich Ihnen schon auseinandergesetzt habe, ist die dynamo-elektrische Maschine nichts als eine passend eingerich - tete, rückwärts gedrehte elektromagnetische. Wenn Sie also den Strom einer dynamo-elektrischen Maschine durch die Windungen einer ganz ähnlichen gehen lassen, dann muss sich diese drehen, und zwar muss sie sich in umgekehrter Richtung drehen, als wie die dynamo-elektrische gedreht wird. Es fragt sich nun, welche Kräfte dabei auftreten und welche Wirkungen erfolgen. Die getriebene dynamo-elektrische Maschine tritt jetzt als elektro - magnetische auf und hat die Eigenschaft aller elektromagneti - schen Maschinen, einen Gegenstrom zu erzeugen, der die Tendenz hat, den Strom der stromerzeugenden Maschine zu schwächen.

Nehmen wir nun an, wir hätten zwei ganz gleiche, wider - standslose, dynamo-elektrische Maschinen miteinander verbunden und wir drehten die eine in der zur Stromerzeugung erforder - lichen Richtung, dann würde die andere in entgegengesetzter Richtung rotiren. Da sie keinen Widerstand zu überwinden hat, müsste sich ihre Umdrehungsgeschwindigkeit so lange ver -499 grössern, bis der Gegenstrom, den sie erzeugt, gerade so stark wäre, als der Strom der Maschine, der sie in Bewegung setzt. Dann würde Gleichgewicht eintreten, es würde kein Strom mehr durch die Leitung gehen, aber es würde auch weder von der einen, noch von der anderen Maschine Arbeit verbraucht oder geleistet werden. Wenn Sie aber nun die getriebene Maschine belasten, so vermindern Sie dadurch zunächst ihre Geschwindig - keit; sowie sich die Geschwindigkeit vermindert, vermindert sich auch sogleich der von ihr erzeugte Gegenstrom; die Leitung und die Maschinen müssen mithin jetzt von einem Strom durch - laufen werden, der der Differenz der Rotationsgeschwindigkeiten beider Maschinen entspricht.

Dieser Ueberschuss des Stromes der stromerzeugenden Ma - schinen verursacht, dass sie der Drehung Widerstand leistet, also Arbeit consumirt, dass dagegen die getriebene Maschine eine der Stromstärke und der Drehungsgeschwindigkeit ent - sprechende Arbeit leistet.

Ich habe über diese Dinge an einer anderen Stelle Berech - nungen publicirt; es würde hier zu weit führen, diese zu ent - wickeln. Sie sehen aber schon aus der obigen Theorie, dass, je schneller die beiden Maschinen laufen, desto grösser die Ar - beit wird, die ein Strom von einer gewissen Stärke, der durch die Leitung geht, ausübt, und desto grösser anderentheils natür - lich auch die Arbeitskraft wird, die dazu nöthig ist, um den Strom zu erzeugen. Man kann daher die durch zwei Maschinen zu übertragende Arbeitskraft durch Vergrösserung der Rotations - geschwindigkeit fast unbegrenzt vermehren, wenigstens bis zu der Geschwindigkeitsgrenze, die noch praktisch zulässig ist. Es folgt auch aus dieser Betrachtung, dass eine bestimmte Arbeit bei grösserer Geschwindigkeit durch einen schwächeren Strom, mithin durch eine geringere Geschwindigkeitsdifferenz beider Maschinen zu erzielen ist. Da nun der Arbeitsverlust bei der Kraftüber - tragung, abgesehen von der Reibung und dem Stromverlust durch Erwärmung der Leitung, durch die Geschwindigkeits - differenz auszudrücken ist, so folgt hieraus auch, dass die Arbeit um so vollständiger übertragen wird, je grösser die Rotations - geschwindigkeit der Maschine ist. Die Frage, wie gross der Kraftverlust bei der elektrischen Kraftübertragung ist, kann da -32*500her nicht positiv beantwortet werden. Er ist um so kleiner, je kräftiger die Maschinen sind und je grösser ihre Rotationsge - schwindigkeit ist. Stellt man die Frage aber so: bei welcher Geschwindigkeitsdifferenz der getriebenen Maschine ist die über - tragene Arbeit bei constanter Geschwindigkeit des Stromerzeu - gers ein Maximum? so ergiebt die Rechnung, dass dies bei voll - kommenen dynamo-elektrischen Maschinen bei der Umdrehungs - geschwindigkeit der getriebenen der Fall sein würde. Unter einer vollkommenen dynamo-elektrischen Maschine verstehe ich hier eine solche, bei welcher die Eisenmassen so gross sind, dass der Magnetismus noch proportional der Stromstärke in den Umwindungsdrähten zunimmt, und bei welcher keine anderweiti - gen Störungen auftreten. Unter dieser Voraussetzung müsste die Arbeit einer Dynamo-Maschine mit den dritten Potenzen der Drehungsgeschwindigkeit zunehmen. Es ergiebt sich dies aus der Betrachtung, dass der bei der Drehung zu überwindende Widerstand der Stärke des Magnetismus und der Geschwindigkeit, mit welcher die Stromleiter an den Polen vorübergeführt werden, proportional sein muss. Da nun auch die Stärke des inducirten Stromes dieser Geschwindigkeit proportional ist und nach obiger Annahme die Stärke des durch den Strom erzeugten Magnetis - mus der Stromstärke mithin ebenfalls der Geschwindigkeit pro - portional ist, so ist der bei der Drehung zu überwindende Wider - stand dem Quadrat der Drehung proportional. Die Arbeit, welche die Ueberwindung dieses Widerstandes kostet, ist nun aber ihrerseits dem Product aus Widerstand in die Geschwin - digkeit, in der er überwunden werden muss, gleich. Es müsste danach die Arbeit, welche die Drehung einer einzelnen in sich geschlossenen Dynamo-Maschine kostet, der dritten Potenz der Umdrehungsgeschwindigkeit proportional sein.

Die Versuche lehren nun aber, dass dem nicht so ist; das Anwachsen der Arbeitskraft geht weit langsamer vor sich. Da - für giebt es verschiedene Gründe. Einmal vergrössert sich der Widerstand der Schleifcontacte wegen der Rauhheit der Flächen mit wachsender Geschwindigkeit. Dann ist die Stellung des Commutators von grossem Einfluss. Ist der die Windungen durchlaufende Strom stark, dann sind zwei Kräfte da, die die Lage der Magnetpole bedingen. Die eine ist der Magnetismus501 des feststehenden Elektromagnetes, die zweite die magnetisirende Kraft der Windungen, die bestrebt ist, die magnetische Axe senkrecht auf ihre Ebene zu stellen. Es resultirt hieraus eine Verschiebung der Lage der Magnetpole in der Richtung der Drehung, oder mit anderen Worten: ich muss die Gleitstellen nicht senkrecht zur Verbindungslinie der Pole des feststehenden Magnetes legen, sondern ich muss sie in der Richtung der Be - wegung verschieben. Den gleichen Einfluss hat die Geschwin - digkeit der Drehung an sich. Diese hat sogar einen merkwür - dig starken Einfluss, der darauf hindeutet, dass die Geschwin - digkeit, mit der der Magnetismus im Eisen sich fortbewegt, nicht unbegrenzt ist.

Diese Ursachen, zu denen vielleicht noch andere bisher nicht erkannte kommen, bewirken nun, wie die Versuche lehren, dass das Anwachsen der Arbeitskraft, welche die Drehung erfordert, nicht mit den dritten Potenzen der Drehungsgeschwin - digkeit wächst, sondern in einem wesentlich geringeren Grade. Würde die erstere Annahme richtig sein, dann müsste, wie schon gesagt, eine dynamo-elektrische Maschine, die eine elektromag - netische treibt, in dieser eine Arbeitskraft erzeugen, die am grössten wäre, wenn die Geschwindigkeit der getriebenen auf ein Drittel reducirt würde. Bei der magneto-elektrischen Maschine zeigt dieselbe Rechnung, dass das Maximum der Arbeit bei ein - halb Verzögerung eintritt, wohlverstanden das Maximum der Arbeit, die eine Maschine von einer bestimmten Grösse leisten kann, nicht das Maximum der Uebertragungsfähigkeit von Arbeit, die bei der kleinsten Verminderung der Geschwin - digkeit liegt.

Aus den zahlreichen Versuchen, die wir in neuerer Zeit über Kraftübertragung angestellt haben, ergiebt sich, dass bei mässiger Umdrehungsgeschwindigkeit etwa 45 bis 50 % der Ar - beitskraft als nutzbare Arbeit übertragen werden. Bei schnellerer Rotation ist diese Nutzarkeit bis auf 60 % der aufgewendeten Arbeit gestiegen; also von 100 Pferdekraft, mit der die strom - erzeugende Dynamo-Maschine getrieben würde, würden 60 Pferde - kraft von der elektromagnetischen Maschine wieder hergegeben werden können.

Meiner Ansicht nach ist die Frage, wie viel Procente der502 Arbeitskraft man elektrisch in maximo übertragen kann, damit aber noch nicht abgeschlossen; es ist das nur eine Frage der Construction und der Geschwindigkeit. Grosse Maschinen in grosser Geschwindigkeit bewegt werden immer einen höheren Nutz - effect geben als kleinere Maschinen und geringere Geschwindig - keit, und ich rechne ziemlich fest darauf, dass man auf 70 % und vielleicht noch höhere Procentsätze der Kraftübertragung ge - langen wird.

Jedenfalls ist die von einem französischen Gelehrten aufge - stellte Rechnung, dass 50 % das Maximum wäre, was theoretisch übertragen werden könnte, falsch. Das beweisen schon die hier vorliegenden Versuchstabellen.

Wenn man nun sagt: ja, 50 % Verlust ist doch immer noch sehr viel, so kann ich das nur bedingt zugeben. Berücksichtigt man, dass der Krafterzeuger, also der arbeitende Motor, hier feststeht und so schwer und so gross gemacht werden kann, wie es vortheilhaft erscheint, dass er also mit so guten Kesseln und so guter Heizung versehen werden kann, wie es erforderlich ist, um den grössten Nutzeffect vom Brennmaterial zu erzielen, dass dies aber bei kleineren Maschinen und namentlich bei Locomo - tiven nicht möglich ist, so ergiebt sich, dass ein elektrischer Betrieb schon mit 50 % Arbeitsverlust nicht weniger ökonomisch ist als der Locomotivbetrieb. Die Heizungskosten einer Loco - motive sind, wie mir von verschiedenen Sachverständigen ver - sichert worden ist, immer mindestens doppelt so gross, als die einer guten, grossen, stehenden Dampfmaschine mit grosser Ex - pansion und guten Kesseln. Ich sehe, mein Freund Schwartz - kopff schüttelt den Kopf, es ist möglich, dass ich etwas zu weit in dieser Annahme gegangen bin, aber sehr gross wird mein Irrthum wohl nicht sein.

Nimmt man dies aber als richtig an, dann würde die elektrische Uebertragung von einer grossen feststehenden Maschine schon bei 50 % Nutzeffect nicht mehr Heizkosten verursachen, wie eine Dampflocomotive auf Schienen bei gleicher Arbeitsleistung. In - dessen darauf kommt es meiner Ansicht nach gar nicht einmal so sehr an. Auf den grossen Verkehrsadern, auf die unser ganzes Leben jetzt zugeschnitten ist, auf den grossen Eisenbahnen, wird die Elektricität der Dampflocomotive keine Concurrenz machen,503 ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver - drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten wird, die das Gas nicht leisten kann.

Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver - wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist, oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen. Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können, da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen.

Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung leistet.

Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels, in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in504 Zukunft die elektrische Beförderungskraft von wesentlicher Be - deutung sein.

Eine dritte Anwendung ist der Betrieb elektrischer Hoch - bahnen. Wir wissen ja, dass man in Amerika jetzt die elevated railroad oder Säulenbahn in grossen Städten vielfach baut; namentlich in New-York ist sie schon in bedeutenter Ausdeh - nung vorhanden. Als ich im Jahre 1867, während der Pariser Ausstellung, einem höheren Eisenbahn-Fachmann meinen Plan mittheilte, Eisenbahnen auf freistehenden eisernen Säulen durch die Strassen Berlins zu bauen und dieselben elektrisch zu be - treiben, da erschien derselbe ihm mit Recht als eine kaum reali - sirbare Idee. Aber jetzt, nachdem die Amerikaner sie factisch durchgeführt haben, seitdem dort sogar schwere Locomotiven und volle Züge oben über die Säulen hinweglaufen und doch noch kein Unglücksfall dabei vorgekommen ist, kann man schon mit grösserem Vertrauen darauf eingehen. Meinerseits halte ich es für eine Grossstadt für eine absolute Nothwendigkeit, ausser den Strassenflächen für die Wagen und Fussgänger noch eine zweite Communicationsetage für den schnellen Ver - kehr zu haben. Sie sehen, wie mit dem steigenden Verkehr sich unsere belebteren Strassen schon jetzt täg - lich mehr verstopfen, es ist oft kaum mehr durchzukommen und kein Constabler kann das ändern. Wie soll das werden nach 10, 20, 50 Jahren! Die Statistik über die Zunahme des Verkehrs berechtigt uns mit der vollsten Bestimmtheit zu sagen, dass die Strassenfläche demselben schon in der nächsten Zeit nicht mehr genügen kann. Eine Abhülfe muss gefunden werden, wenn das auf wachsenden Verkehr sich gründende grossstädtische Leben nicht verkümmern und die weitere Entwickelung der Reichshauptstadt nicht vollständig gehemmt werden soll. Es muss also nothwendig für Berlin ein neues Communicationsnetz für schnellen Personen - und Güterverkehr geschaffen werden, wel - ches den Strassenverkehr nicht hindert und durch ihn nicht ge - hindert wird. Dazu erhalten wir nun die Stadtbahn. Diese schliesst aber nur eine einzige mitten durch Berlin gehende Linie auf. Die in der Nähe derselben Wohnenden haben zwar den Vortheil nach zwei Richtungen hin fahren zu können; der Verkehr strebt aber nach allen Richtungen hin. Die Stadtbahn505 kann dem Bedürfniss nach besseren Verkehrsmitteln daher in der That nur sehr einseitige und ungenügende Dienste leisten. Um ihm zu genügen, müsste ein Netz von ähnlichen Stadtbah - nen über ganz Berlin gelegt werden, was kaum erschwingliche Kosten und gewaltige Umwälzungen verursachen und die Stadt selbst im höchsten Grade verunzieren würde.

Ungemein viel leichter würde derselbe Zweck zum grossen Theil erreicht werden, wenn von allen Stationen der Stadtbahn nach Süden und Norden hin elektrische Hochbahnen gebaut würden, die ohne den Strassenverkehr zu hemmen, die Stadt - bahn mit allen Theilen Berlins in Verbindung bringen würde. Dann wäre wirklich ganz Berlin durch sie aufgeschlossen.

Eine weitere sehr nützliche Anwendung der elektrischen Triebkraft würde noch die sein, auf grosse Entfernungen hin kleine verdeckte Bahnen zu bauen, die dasselbe für grosse Entfernungen thun sollen, was mit so grossem Vortheil die pneumatische Post im kleineren Rayon, also im Innern von Städten ausübt. Es ist jetzt, wie die Herren vom Eisenbahnfache mir Alle bezeugen werden, eine grosse Belastung für die Eisenbahnen, dass sie oft nur des Post - und namentlich des Briefverkehrs wegen so häufig und schnell fahren müssen. Andererseits ist es für den Brief - verkehr, der doch immer die Basis allen Verkehrs ist, wieder von der grössten Bedeutung, möglichst schnelle Verbindungen zwischen allen Verkehrsplätzen des In - und Auslandes zu haben. Die Rohrpost erfüllt dies Bedürfniss für kleine Entfernungen, sie ist aber nur innerhalb sehr enger Grenzen anwendbar. Die elektrische Beförderung soll hier eintreten, um einen schnellen Briefverkehr, wie ihn die Rohrpost für kleine Entfernungen ge - währt, auch für grosse Entfernungen zu ermöglichen.

Ein solche elektrische Post ist in den Fig. 7 und 8 der Tafel schematisch dargestellt. Es ist angenommen, dass die kleine bedeckte Bahn[auf] dem Eisenbahndamme, von niedrigen eisernen Säulen S getragen, fortgeführt ist. Sind Wegeüber - gänge oder Stationen zu überschreiten so geschieht dies ent - weder durch Senkung der Bahn in bedeckte Canäle oder durch Steigung derselben bis zu der nöthigen Höhe. Auf den Säulen sind etwa ½ m lange Holzschwellen befestigt. Diese tragen die ebenfalls etwa ½ m hohen Blechträger b1, b2, die gleichzeitig die506 Seitenwände der eisernen Bahnbedeckung bilden. Zwischen diesen Blechträgern sind in passender Entfernung von einander leichte Holzschwellen durch Winkeleisen befestigt, auf denen die leichten Schienen a1, a2 gelagert sind. Von diesen Schienen ist die eine häufig mit den Blechträgern, die oben mittelst einer stückweise abnehmbaren Blechdecke d verbunden sind, die an - dere mit sämmtlichen eisernen Säulen leitend verbunden. Auf den Schienen laufen kleine vierrädrige Wagen mit 30cm hohen Rädern, deren Axen aus zwei von einander isolirton Theilen bestehen. Die eine Axe wird durch den rotirenden Cylinder einer kleinen v. Hefner’schen Dynamo-Maschine gebildet; jeder Umdrehung dieses Cylinders entspricht daher einer Umdrehung der Wagenräder. Wird nun eine stehende stromerzeugende Dynamo - Maschine an irgend einer Stelle der Bahn zwischen die beiden Schienen eingeschaltet, so bildet die eine Schiene nebst der Bahnbedeckung die eine isolirte Leitung, während die Erde ver - mittelst der eisernen Tragesäulen die Rückleitung bildet. Die leitende Verbindung der Schienen mit den Umwindungsdrähten der Triebmaschine wird durch die Räder hergestellt. Da der Widerstand bei einer Blechstärke der gleichzeitig als Bedeckung, als Träger und als Leiter des elektrischen Stromes dienenden Blechhülle der Bahn von 3 mm Blechstärke nur etwa 0,02 Queck - silber-Einheiten pro Kilometer beträgt so genügt es alle 20 km eine stehende Dynamo-Maschine zur Stromerzeugung aufzustellen. Da die Wagen, welche die Briefbehälter bilden, sehr leicht sind und ihre Last ebenfalls nicht gross ist, so werden ihre Axen 800 bis 1000 Umdrehungen machen können, sie also die Strecke mit Eisenbahngeschwindigkeit durchlaufen. Sind die stehenden Dynamo-Maschinen wesentlich stärker wie die Triebmaschinen, so wird die Geschwindigkeit eines Wagens sich nicht merklich vermindern, wenn mehrere Wagen gleichzeitig auf der Bahn laufen. Es können also Briefwagen in kurzen Zeitintervallen nach einander abgelassen werden. Die Einrichtungen zum all - mäligen Herabmindern der Geschwindigkeit und zum schliess - lichen Anhalten der Wagen an der Empfangsstation sind leicht herzustellen und werden hier übergangen.

Die Kosten einer solchen Anlage werden wesentlich von den Eisenpreisen abhängen. Bei der augenblicklichen unnatürlichen507 Höhe derselben wird man sie in der projectirten Grösse kaum unter 18000 Mark pro Kilometer herstellen können.

Indem ich diesen Vorschlag der öffentlichen Kritik unter - breite, will ich nur noch darauf aufmerksam machen, dass solche elektrische Postanlagen nicht an die Eisenbahnen gebunden sind, da einmal das Wesen der Dynamo-Maschine es ermöglicht, auch grosse Steigungen ohne eine ihnen entsprechende Verminderung der Geschwindigkeit zu überwinden, und da man das erforder - liche Niveau der Bahn durch die Höhe der tragenden Säulen herbeiführen kann, ohne eines geebneten Terrains zu bedürfen. Die elektrische Post gestattet daher auch Orte, die keine Eisen - bahnverbindung haben, der Wohlthat des schnellen Briefverkehrs theilhaftig zu machen.

Wir kommen zur zweiten Einrichtung, das ist die von mir vorgeschlagene elektrische Hochbahn. Auf beifolgender Tafel, Fig. 1 bis 4, ist eine solche dargestellt. Die Säulen S aus Schmiedeisen sind in etwa 10 m Entfernung von einander an der Strassenkante des Trottoirs, an der Stelle, wo die Strassenlaternen - Pfosten zu stehen pflegen, aufgestellt. Sie sind 4,5 m hoch, so dass bei Strassenübergängen auch die höchstbeladenen Wagen ungehindert unter den Blechträgern T, welche die Schienen tragen, passiren können. Diese Blechträger sind 40 cm hoch und lagern auf Schwellen H aus hartem Holze, die auf den Säulen befestigt sind. Auf den eisernen Längsträgern ruhen die niedrigen Schienen s. Ich übergehe hier die projectirten Sicher - heitsvorrichtungen gegen seitliche Schwankungen, Temperatur - ausdehnungen des Eisens etc., die aus den Zeichnungen direct ersichtlich sind und vielfach modificirt werden können. Von Wichtigkeit ist aber, dass die Längsträger mit den auf ihnen lagernden Schienen in keiner metallischen Verbindung mit ein - ander stehen dürfen. Das Geleise ist 1 m breit angenommen. Auf ihm bewegen sich die in Fig. 5 und 6 in grösserem Mass - stabe gezeichneten Personenwagen, die möglichst leicht für 15 Personen construirt sind. Bei diesen will ich nur hervor - heben, dass jedes Rad besonders gelagert ist, und dass die Axen - lager der Räder jeder Seite in leitender Verbindung mit einander stehen. Die beiden Triebräder R sind mit Riemscheiben r ver - sehen und erhalten durch diese ihre Triebkraft von der Dynamo -508 Maschine, die unter dem Boden des Wagens angebracht ist. Die Riemen können vom Inneren des Wagens aus nachgespannt werden. Die Polenden des Umwindungsdrahtes der treibenden Dynamo-Maschine stehen mit den stromleitenden Längsträgern und Schienen durch die Räder der rechten und linken Seite des Wagens in leitender Verbindung. Der elektrische Leitungs - widerstand der Träger und Schienen ist etwa 1 / 90 Einheit pro Kilometer, und es wird daher nur eine stehende Maschine für eine ganz Berlin durchlaufende elektrische Hochbahn erforderlich sein. Es sind treibende Maschinen angenommen, die mit 5 Pferde - kraft arbeiten und dem Wagen eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 km geben. Die Bremsung geschieht durch Stromunterbrechung, gewöhnliche Bremsung kann aber auch durch Kurzschluss der Maschine des Wagens in sehr kurzer Zeit geschehen. Obschon man in Amerika die früheren Sicherheitseinrichtungen gegen Entgleisungen der Hochbahnwagen als unnöthig fortgelassen hat, ist hier doch eine Fangeinrichtung G projectirt, die auch bei eintretender Entgleisung das Herabfallen des Wagens von den Trägern T unmöglich macht. Es sind das starke eiserne Fang - arme, die die obere Flansche der Träger umfassen. Der Preis einer solchen Hochbahn hängt ebenfalls wesentlich vom Eisen - preise ab. Obschon die Anlagekosten aber auch hoch sind (etwa 150000 Mark pro Kilometer), so macht doch schon ein Verkehr von 5 Personen pro Wagen bei 12 Wagen in der Stunde die Anlage rentabel eine Folge der äusserst geringen Betriebs - kosten des elektrischen Betriebes. Ich übergehe die Einrich - tungen der Perrons, der Kreuzungen u. s. w., um Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, und will nur noch bemerken, dass bei der beschriebenen Einrichtung ebenso wie bei der elektrischen Post mehrere Wagen gleichzeitig auf dem Geleise sich bewegen können, ohne dass die Geschwindigkeit dadurch wesentlich vermindert wird.

Wenn auch nicht zu verkennen ist, dass derartige, die Strassen durchlaufende Hochbahnen für die Bewohner der Strassen, durch die sie gehen, manches Unangenehme mit sich führen, so werden diese Unannehmlichkeiten doch durch die Wohlthat des schnellen, die Strasse entlastenden Verkehrs auch für sie reichlich aufge - wogen. Die Contruction der Bahn selbst kann bei unbedingter

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 4.

Fig. 6.

Fig. 5.

Fig. 3.

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509 Sicherheit doch so leicht und zierlich ausgeführt werden, dass von einer Verunstaltung der Strasse durch sie kaum die Rede sein kann. Die elektrisch betriebenen Wagen werden so schnell und geräuschlos, ohne jede andere unangenehme Erscheinungen, wie die Anwendung der Dampflocomotive sie mit sich bringen, über dem Verkehrsgewirre der Strassen dahin eilen, dass man sie bald kaum noch beachten wird. Da man der elektrischen Bahn nicht viele Haltestellen geben wird, so werden diese die natürlichen Ausgangs - und Knotenpunkte für Pferde - bahn - und Omnibuslinien bilden, diesen aber die unrentabeln langen Touren abnehmen. Mit ihrer Hülfe und unter Vermitte - lung der Stadtbahn würde dann ganz Berlin ein rationelles, schnelles, die Strassen entlastendes Verkehrssystem erhalten, wie keine andere Grossstadt es aufzuweisen hätte.

Berlin ist die Geburtsstätte der dynamo-elektrischen Maschine und der elektrischen Eisenbahn es sollte daher auch der Welt mit der Anlage eines Systems elektrischer Hochbahnen voran - gehen, dem es sich auf die Dauer doch nicht wird entziehen können! Ich bitte Sie, meine Herren, zur Realisirung dieses Vorschlages mitzuwirken!

Schliesslich habe ich noch die Anwendung des elektrischen Stromes der Dynamo-Maschine als Hülfstriebkraft für Locomotiv - bahnen zu erörtern. Eine solche Einrichtung, die sich mannig - fach modificiren lässt, ist in den beiden obenstehenden Abbil - dungen in 1 / 100 nat. Gr. schematisch dargestellt.

In der Mitte zwischen den Schienen, oder besser dicht neben dem Geleise, sind gabelförmige Stützen 8 aus Hartglas oder gut mit Firniss getränktem Holze aufgestellt, die ein kupfernes starkes Leitungsseil, welches an den Enden federnd gespannt ist, tragen. Die Wagen, welche mit treibenden Dynamo-Maschinen M in ähnlicher Weise, wie bei den elektrischen Hochbahnen beschrieben ist, versehen sind, tragen ein System von Rollen r, welche in ähnlicher Weise wie bei der Seil-Schleppschifffahrt das Leitungs - seil S aus seinen Gabelstützen aufnehmen und es nach dem Passiren des Wagens wieder in dieselben niederlegen. Die Rollen, deren Zahl sich nach Bedarf vermehren lässt, bilden die leitende Verbindung zwischen dem Seil und der treibenden elek - trischen Maschine, welche unter dem Wagen angebracht werden510 kann, und welche durch Riemenbetrieb oder auf andere Weise eine Axe des Wagens dreht. Die Rückleitung geschieht ver - mittelst des eisernen Gestelles des Wagens und der Räder R durch die Bahnschienen, wenn man es nicht vorzieht, zwei Lei - tungsseile anzuwenden und nur diese zur Stromleitung zu be - nutzen. Eine starke stehende Dynamo-Maschine, die zwischen dem Kupferdrahtseile und den Schienen oder event. zwischen den beiden Drahtseilen eingeschaltet ist, gestattet dann, eine beliebige Zahl von Axen des Zuges mit Triebkraft zu versehen. Anstatt des Drahtseiles kann man auch eine feste Leitschiene neben oder auch über der Bahn durch Hartglas oder Holz, isolirt vom Erdboden, anbringen und den Contact derselben mit den treibenden Dynamo-Maschinen durch einen auf der Leitungs - schiene laufenden Contactwagen herstellen, der vom Zuge durch ein leitendes Seil nachgezogen wird. Sollen die Dynamo-Ma - schinen zur Bremsung beim Niedergang des Zuges dienen, so brauchen die Polenden der Umwindungsdrähte nur durch einen Metallstreifen in directe leitende Verbindung mit einander ge - bracht werden. Sie treten dann als stromerzeugende Dynamo - Maschinen auf und erhitzen den durch Wasser gekühlten Metall - streifen. Die vom niederrollenden Zuge geleistete Arbeit wird dann zur Dampfentwickelung verbraucht.

Bei Gebirgsbahnen mit häufig wechselnden Steigungen würde der nöthige Aufenthalt zum Aus - und Einlegen des Drahtseils u. s. w. unbequem sein. Man kann dann auch den Dampf - erzeuger und Motor, sowie die stromerzeugende Dynamo-Maschine auf einem besonderen Wagen mitführen oder sie mit der Loco - motive verbinden. Es kann dann eine beliebige Anzahl von Wagen mit Triebmaschinen versehen werden, die durch Leitungs - seile mit der stromerzeugenden Dynamo-Maschine verbunden sind und durch sie getrieben werden.

Die Dynamo-Maschine wird dem Eisenbahnbetriebe noch auf vielen anderen Gebieten durch Kraftübertragung Dienste leisten; ich glaube aber schon über die Gebühr die Geduld der Versammlung in Anspruch genommen zu haben und bitte nur noch um wohlwollende und nachsichtige Kritik meiner Vorschläge.

[511]

Ueber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit der Kohle von der Temperatur.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. v. 5. Jan.)

1874.

Matthiessen machte zuerst1)Pogg. Ann. Bd. 103 S. 428 (1858). auf die merkwürdige Eigen - schaft der Kohle aufmerksam, bei höherer Temperatur die Elek - tricität besser zu leiten, als bei niedriger. Er fand für die am besten leitende und zugleich schwerste und festeste Modification derselben, die Gasretortenkohle, welche durch Zersetzung des überhitzten Leuchtgases entsteht und an den Wandungen der Retorten der Gasbereitungsanstalten abgesetzt wird, die specifische Leitungsfähigkeit (Quecksilber = 1 gesetzt) 0,0236 bei 25 °C. und zwischen 0 und 140 eine Verminderung des Widerstandes um 0,00245 für jeden Grad Celsius.

Beetz fand die Thatsache der Zunahme der Leitungsfähigkeit bei steigender Temperatur nur bei sogenannter künstlicher Kohle bestätigt, die aus Kohlenpulver mit einem geringen bindenden Zusatz von Theer oder Zuckerlösung zusammengepresst und darauf erhitzt wird, wodurch die Zuckerlösung in entweichendes Gas und Kohle zerlegt wird, aber nicht für Kohlenstäbe, die aus Retortenkohle geschnitten waren. Bei diesen konnte er keine Zunahme der Leitungsfähigkeit bei Erhöhung der Temperatur beobachten. Die Zunahme der Leitungsfähigkeit der sogenannten künstlichen Kohle erklärte Beetz durch einen stärkeren Druck, welchen die nur lose zusammenhängenden Kohlentheilchen auf512 einander ausüben müssten, wenn sie durch Erwärmung aus - gedehnt werden. Ich selbst hatte öfters Gelegenheit, mich bei anderweitigen Versuchen zu überzeugen, dass Matthiessen’s An - gabe richtig war. Um so auffallender war mir das Resultat einer neueren Arbeit von Felix Auerbach, vorgelegt von Riecke der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen, Jan. 1879, dahin gehend, dass die Gasretortenkohle sich hinsichtlich der elektrischen Leitungsfähigkeit wie die Metalllegirungen verhalte, indem ihr Leitungswiderstand bei wachsender Temperatur in steigendem Verhältniss zunehme. Dass ein so exacter Beobachter, wie Matthiessen, sich so vollständig geirrt haben sollte, konnte ich kaum annehmen, obschon auch Beetz bei der Gasretortenkohle keine Zunahme der Leitungsfähigkeit finden konnte; die Versuche Auerbach’s waren jedoch andererseits offenbar mit Sorgfalt und mit guten Instrumenten durchgeführt. Leider hatten alle drei Beobachter ihre Versuche nicht detaillirt genug beschrieben, um durch eine kritische Untersuchung derselben den Grund der Verschiedenheit ihrer Resultate ermitteln zu können. Bei der allgemeinen Anordnung der Auerbach’schen Versuche lässt sich im Wesentlichen nur die Art der Erhitzung der Kohlenstäbe und der geringe Widerstand derselben bemängeln. Die gleichmässige Erwärmung der ca. 6mm dicken und 122mm langen Stange in einer lufterfüllten Kammer bis zu einer bestimmten Temperatur dürfte sich nur sehr schwer ausführen lassen. Wie die Erwärmung der Luft ausgeführt wurde, ist aus der Beschreibung der Versuche nicht zu erkennen. Die Annahme, dass die Temperatur des Stabes mit der des Thermometers übereingestimmt habe, wenn keine weitere Veränderung des Widerstandes am Galvanometer zu bemerken war, dürfte für exacte Messungen wohl nicht zu - lässig sein. Da nur Mittel aus mehreren Messungen für jede Temperatur angegeben sind, ohne Angabe der Abweichung der einzelnen Messungen von einander, so fehlt jede Controle der Richtigkeit der vorausgesetzten Temperaturen der Kohlenstäbe. Immerhin ist die Uebereinstimmung der beobachteten und be - rechneten Resultate gross genug, um den Gedanken auszu - schliessen, dass das Endresultat der Messungen des Hrn. Auer - bach nur auf Beobachtungsfehlern beruhen könnte. Da eine un - zweifelhafte Entscheidung der Frage, ob und in welchem Grade

Fig. 7.

Fig. 8.

Fig. 9.

Fig. 10.

513 der Widerstand der Kohle bei Temperaturänderungen zu - oder abnimmt, nicht nur wissenschaftlich von grösstem Interesse ist, sondern auch eine grosse technische Wichtigkeit erlangt hat, so entschloss ich mich zu einer eingehenden Untersuchung derselben.

Ich liess mir cylindrische Kohlenstäbe verschiedener Dicke und Länge anfertigen. Dieselben wurden an den Enden etwa 15mm weit galvanisch verkupfert. Dann wurden die Drähte einer Kupferlitze an die verkupferten Enden gelegt und dieselben mit feinem Kupferdraht einige Male umwunden, um sie dadurch an der Kohle zu befestigen. Das so vorbereitete Kohlenende wurde nun wieder in die Kupferlösung gebracht, und so viel Kupfer darauf niedergeschlagen, dass die Kupferdrähte mit der ersten Verkupferung und dadurch auch mit der Kohle fest verwachsen waren. Die Erwärmung der so vorbereiteten Kohlen geschah in dem Bade einer nicht leitenden Flüssigkeit. Für niedrige Tem - peraturen bis 60 °C. benutzte ich ein schweres Petroleum, für höhere bis 270 °C. geschmolzenes Paraffin. Die Flüssigkeit be - fand sich in einem Blechtroge und konnte durch untergesetzte Brenner erhitzt oder durch Einsetzen des Troges in Schnee abge - kühlt werden. Der ca. 260 mm lange, 75 mm breite und 80 mm hohe Trog wurde durch eine Schieferplatte bedeckt, die von zwei kupfernen Bolzen durchbohrt war, welche an beiden Enden ge - eignete Klemmen trugen. In die unteren Klemmen wurden die Kupferenden der Kohle eingespannt und darauf zu noch grösserer Sicherheit mit denselben verlöthet. Vermittelst der oberen Klemmen des Schieferdeckels des Troges wurde die Kohle in eine Brückencombination eingeführt, welche aus zwei genau ab - geglichenen Widerständen im Verhältniss 1: 100 und einer Widerstandsscala, die 1 / 10 bis 10000 Q. E. einzuschalten ge - stattete, bestand. Als Galvanometer diente ein empfindliches Spiegelgalvanometer mit vier Drahtrollen und einem astatischen Magnetnadelpaare. Zur Controle der Einrichtung und Consta - tirung ihrer Empfindlichkeit sowie der Genauigkeit der Messungen wurde zunächst anstatt der Kohle eine zweite Widerstandsscala eingeschaltet, und constatirt, dass beim Gleichgewicht die Wider - stände der beiden Scalen sich immer im Verhältniss 1: 100 be - fanden, wenn der Widerstand der Zuleitungen, der auf 0,033 Q. E. bestimmt wurde, in Rechnung gezogen wurde. Die Einschaltung33514von 1 / 10 Q. E. im grossen Brückenzweige über oder unter das Gleichgewicht bewirkte eine Ablenkung des Spiegels um circa 20 Scalenteile, wenn 1 Einheit im kleinen Brückenzweige ein - geschaltet war. Die Temperatur des Bades wurde mittels zweier verglichener Fuess’scher Thermometer abgelesen, von denen das eine Temperaturen von 30 bis + 70 mit 0,1 Grad Theilung, das andere Temperaturen von 10 bis 300° mit Gradtheilung ab - zulesen gestattete. Das Thermometer wurde durch einen seit - lichen Schlitz in der Schieferplatte in das Bad eingeführt, welcher gestattete, dasselbe in der Nähe des Kohlenstabes in der ganzen Länge des Bades hin - und herzuführen, um dadurch eine gleich - mässige Temperatur desselben und die Uebereinstimmung der Temperaturen des Thermometers und der Kohle zu bewirken. Es gelang mir auf diese Weise leicht, eine beliebige Temperatur hervorzubringen und so lange zu erhalten, bis mein Sohn Wil - helm, der mir bei diesen Versuchen assistirte, die Einstöpselung des Gleichgewichtswiderstandes vollendet hatte. Es wurden ge - wöhnlich mit derselben Kohle die Temperaturen von 0 bis 250 °C. ein oder auch mehrere Male in auf - und absteigender Reihen - folge durchgemessen.

Der Widerstand der Zuleitungsdrähte betrug bei sämmtlichen Messungen 0,033 Q. E.; derselbe ist in Vertical-Colonne 4 von dem abgelesenen Widerstande in Col. 3 abgezogen. In Col. 8515 ist die procentische Zunahme der Leitungsfähigkeit zwischen zwei benachbarten Messungen für Temperatur berechnet. Die Messungen derselben Kohle wichen an verschiedenen Tagen er - heblich von einander ab, was sich zum Theil aus Temperatur -[schwankungen] der Zimmerluft erklärt, welche das Verhältniss des Widerstandes der Brückenzweige etwas veränderte. Genaue Versuche mit höherer Erhitzung als 270° (die noch durch ein Paraffinbad zu erreichen ist) sind nur schwierig anzustellen, da es an einer sicheren Erhitzungsmethode, so wie an bequemen Mitteln, die Temperatur der Kohle mit Genauigkeit zu bestim - men, fehlt. Um jedoch Gewissheit darüber zu erlangen, ob der Widerstand der Kohle auch bei Erhitzungen bis zur Glühhitze noch stetig abnimmt, liess ich ein ca. 200 mm langes Kupferrohr von ca. 20 mm lichter Weite anfertigen. Vermittelst zweier durch - bohrter Gypspfropfen, durch welche die Kupferansätze der Kohlen - enden hindurchgeführt wurden, ward der Kohlenstab so ziemlich in der Mitte des Kupferrohres schwebend erhalten. Das so vor - bereitete Kupferrohr ward nun auf einen kleinen offenen Cha - motte-Ofen gelegt und durch ein in demselben angefachtes gleich - mässiges Holzkohlenfeuer erhitzt. Der Widerstand der Kohle war bei Lufttemperatur vor der Erhitzung = 1,452 Q. E. Wäh - rend der Erhitzung verminderte sich der Widerstand fortdauernd. Als das Kupferrohr so weit erhitzt war, dass kleine Zinnstück - chen in Berührung mit seiner Oberfläche schmolzen, war der Widerstand = 1,375 Q. E. und als auch Zinkstückchen schmolzen, war er 1,298 Q. E. Nimmt man die Schmelztemperatur des Zinnes zu 230 °C. und die des Zinkes zu 423 °C. an, so ergiebt dies, die Zimmertemperatur zu 20 °C. angenommen, zwischen ihr und der Zinnschmelztemperatur eine procentische Zunahme der Leitungsfähigkeit von 0,00025 und zwischen dieser und der Zinkschmelztemperatur eine Zunahme von 0,00029 für jeden Temperaturgrad. Wahrscheinlich hatte die Kohle noch nicht vollständig die Temperatur der Röhre angenommen. Es wurde darauf die Erhitzung bis zur dunkelen Rothgluth des Kupferrohres fortgesetzt. Der Widerstand der Kohle veränderte sich dabei sehr unregelmässig und schwankend. Als die Temperatur des Rohres jedoch einige Minuten in der Rothgluth erhalten war, wurde er constant und auf 1,300 bestimmt. Es wurden nun die33*516Kohlen schnell aus dem Ofen entfernt, und das Rohr schnell ab - gekühlt. Dabei nahm der Widerstand der Kohle stetig zu, bis er, als das Rohr die Zimmertemperatur wieder angenommen hatte, auf 1,685 stehen blieb. Die beobachtete bedeutende Vergrösse - rung des Widerstandes, den die Kohle nach erfolgter Abkühlung im Vergleich mit der Messung bei Beginn des Versuches zeigte, ist wohl wesentlich dem Umstande zuzuschreiben, dass der im Rohre enthaltene Sauerstoff einen Theil der Kohle verzehrt und ihren Widerstand dadurch dauernd vergrössert hatte. Da - für spricht auch die Vergrösserung des Widerstandes während der langsamen Erhitzung von der Zinkschmelzhitze bis zur Rothgluth. Während der schnellen Abkühlung von dieser bis zur Zimmertemperatur konnte keine in Betracht kommende weitere Verbrennung der Kohle eintreten. Nimmt man die Rothgluth zu 900 °C. an, so ergiebt die Widerstandszunahme während der Abkühlung eine procentische Verminderung der Leitungsfähigkeit von 0,00033 pro Grad, eine Uebereinstimmung mit den bei niedrigen Temperaturen gefundenen Werthen, die bei der Un - sicherheit der Temperaturannahme wohl nur zufällig ist. Als erwiesen ist aber durch diesen Versuch anzusehen, dass die Leitungsfähigkeit der Kohle bis zur Gluthhitze hin zunimmt.

Der Umstand, dass ich wie Matthiessen die Verbindung der Kohlenenden mit den Zuleitungsdrähten durch galvanische Ver - kupferung hergestellt hatte, während Auerbach sie dadurch be - wirkte, dass er die Kohlenenden in geschmolzenes Loth tauchte und darin erkalten liess, machte es mir wahrscheinlich, dass hierin der hauptsächliche Grund der unrichtigen Ergebnisse der Versuche des Letzteren zu suchen sei. Ich habe bereits im Jahre 18601)Pogg. Ann. Bd. 110. p. 11. auf die Beobachtung hingewiesen, dass Metall - drähte, wenn sie ohne vorherige Amalgamirung in ein Queck - silberbad getaucht werden, einen Uebergangswiderstand zeigen, der wohl unzweifelhaft von einer schlecht leitenden, auf der Oberfläche der Metalle durch Molekularanziehung verdichteten Luftschicht, die der Strom durchlaufen muss, herrührt. Da die Kohlenstäbe, welche Auerbach benutzte, bei geringer Länge ver - hältnissmässig stark (etwa 6 mm im Quadrat) waren, mithin nur517 wenig Widerstand hatten, so konnte der Widerstand einer ähn - lichen Luftschicht, die auf der Oberfläche der Kohle wegen ihrer viel grösseren Verdichtungskraft für Gase auch viel stärker sein wird als bei den Metallen, einen überwiegenden Einfluss auf seine Messungsresultate ausgeübt haben. Zur Prüfung dieser Vermuthung brach ich einen Kohlenstab, der bereits zu Messun - gen gedient und eine entschiedene Vergrösserung der Leitungs - fähigkeit bei wachsender Temperatur gezeigt hatte, etwa 20 mm von dem Kupferüberzuge des einen Endes ab und tauchte das freie Ende nach Auerbach’s Methode in geschmolzenes Loth, an welches nach der Erkaltung der andere Zuleitungsdrath zur Brücke festgelöthet wurde. Der Erfolg war ein überraschender. Der Widerstand des jetzt etwa 10 mm langen Kohlenstabes ver - grösserte sich ganz entschieden bei steigender Temperatur! Ein anderer Versuch mit einem längeren Kohlenstabe, dessen eines Ende ebenfalls nach Auerbach’s Methode durch Loth mit dem Brückendrahte verbunden wurde, ergab zwar noch eine Zunahme der Leitungsfähigkeit bei wachsender Temperatur, doch war der Coefficient derselben ein weit kleinerer geworden. Eine genaue Messung erwies sich als unthunlich, da der Widerstand, nament - lich bei höheren Temperaturen, zu schwankend war.

Endlich wurde noch ein Gasretortenkohlenstab von quadra - tischem Querschnitte, von 63 mm Durchnittsfläche und 120 mm Länge, zunächt an den Enden mit Loth umgossen, und dann der Widerstand bei verschiedenen Temperaturen gemessen. Die Messungen waren sehr unconstant, doch war ein entschiedenes Ansteigen des Widerstandes bei steigender Temperatur zu beob - achten. Darauf wurden die Lothkappen entfernt und die Enden galvanisch verkupfert. Es ergab sich jetzt bei steigender Tem - peratur eine ebenso entschiedene und ganz regelmässige Vermin - derung des Widerstandes.

Durch diese Versuche ist wohl unzweifelhaft erwiesen, dass bei der von Auerbach benutzten Methode der Umgiessung der Kohlenenden mit Loth keine directe Verbindung der Kohle mit dem Metalle erzielt wird, dass im Gegentheil wie beim Eintauchen eines nicht direct amalgamirbaren Metalles in Quecksilber eine die Kohle und das umhüllende Metall trennende Schicht verdich - teter Luft auch nach der Erkaltung des Lothes fortbesteht, und518 dass die abweichenden Resultate Auerbach’s hierdurch ihre voll - ständige Erklärung finden.

Es ist hiermit aber die Frage noch nicht entschieden, ob die den Leitungswiderstand vergrössernde Luftschicht selbst die Eigenschaft besitzt, ihren Leitungswiderstand bei wachsender Temperatur in dem beobachteten Masse zu vergrössern. Es ist auch denkbar, dass die ungleiche Ausdehnung des Metalles und der Kohle eine Lockerung und Verbindung und eine Verminde - rung der Zahl der wirklichen Berührungspunkte zwischen Kohle und Metall herbeiführt. Dass bei der galvanischen Verkupferung eine[trennende] Luftschicht nicht auftritt, ist wohl namentlich dem Umstande zuzuschreiben, dass die Flüssigkeit das auf der Kohlenoberfläche condensirte Gas auflöst, bevor der Kupfernieder - schlag beginnt. Es empfiehlt sich aus diesem Grunde auch, die Kohlenenden vor Beginn der Verkupferung auszukochen oder doch einige Zeit in der erhitzten Verkupferungsflüssigkeit stehen zu lassen. Anstatt der Verkupferung habe ich mich auch mit gutem Erfolge der Vergoldung der Kohlenenden in einer heissen Cyan-Goldlösung bedient. Mit der Goldschicht wurden dann die kupfernen Zuleitungen durch Kupferniederschlag in der beschrie - benen Weise metallisch verbunden.

Mit einem auf diese Weise mit Zuleitung versehenen runden Kohlenstabe von 2,43 mm Dicke und 148 mm Länge zwischen den Kupferansätzen, welche aus einem ausgewählten, sehr dich - ten und feinkörnigen Stück Berliner Gasretortenkohle geschnitten waren, wurde dann die folgende Versuchsreihe erzielt. Bei dieser so wie bei den späteren Versuchsreihen wurde sowohl der Widerstand genauer gemessen, als auch die Temperatur längere Zeit constant gehalten, als bei den früheren Versuchen. (Siehe Tabelle A auf nebenstehender Seite.)

Die specifische Leitungsfähigkeit der Gasretortenkohle ist hiernach bei 0 °C 0,0136 (Quecksilber = 1) und der Coefficient der Zunahme der Leitungsfähigkeit 0,000345 pro Grad Celsius.

Die sogenannte künstliche Kohle, welche jetzt vorzugsweise zur Erzeugung des elektrischen Lichtes benutzt wird, wird in der Regel aus gepulverter Gasretortenkohle mit Theer oder con - centrirter Zuckerlösung als Bindemittel gepresst und durch wieder - holtes Glühen und Tränken dicht und gut leitend gemacht. Für519 Tabelle A.

Tabelle B.

520diese hatte Beetz eine beträchtliche Zunahme der Leitungsfähig - keit bei wachsender Temperatur constatirt, während er eine solche bei Kohlenstäben, die aus Gasretortekohlen geschnitten waren, nicht fand. Es erschien nicht unwahrscheinlich, dass die aus zersetztem Theer oder Zucker entstandene Kohle, welche die Gaskohlen-Partikelchen trennt, andere Eigenschaften besitzt als die Gasretortenkohle, da die aus festen Kohlenwasserstoffen re - ducirte Kohle sehr hartnäckig auch noch bei starker Erhitzung Wasserstoff zurückhält und dann ein sehr schlechter Leiter ist wie z. B. die nicht sehr stark und anhaltend geglühte Holzkohle. Eine solche schlecht leitende Zwischenschicht konnte auch den Coefficienten der Zunahme der Leitungsfähigkeit wesentlich be - einflussen. Der Versuch hat dies jedoch nicht bestätigt. Es wurden zwei verschiedene französische, künstliche, runde Kohlen - stäbe in der beschriebenen Weise mit Zuleitungen versehen und ihr Widerstand bei verschiedenen Temperaturen gemessen. Es ergaben sich dabei folgende Tabellen (siehe Tabelle B auf vor - stehender Seite):

Es folgt hieraus, dass die künstlichen, durch Pressung aus Kohlenpulver erzeugten Kohlenstangen, ebenso wie die aus Gas - retortenkohle geschnittenen, bei wachsenden Temperaturen eine grössere Leitungsfähigkeit zeigen, und dass die Zunahme nicht ganz so gross ist wie bei der Gasretortenkohle. Die von ande - ren Beobachtern gefundenen abweichenden Resultate werden wahr - scheinlich ebenfalls auf mangelhafte Verbindung der Enden zu - rückzuführen sein.

Bei den beschriebenen Versuchen stellt sich keine bestimmte Vergrösserung oder Verminderung des Zunahme-Coefficienten mit der Temperatur heraus. Ich nehme auch um so mehr Anstand, aus den mitgetheilten Messungen in dieser Hinsicht eine be - stimmte Ansicht auszusprechen, als sie überhaupt nicht so be - stimmte und sichere Resultate angegeben haben, wie die ange - wendete Methode sie erwarten liess. Ob diese bisher nicht er - klärlichen Unregelmässigkeiten darin zu suchen sind, dass die leitende Verbindung auch bei der galvanischen Verkupferung noch nicht als vollkommen zu betrachten ist, oder ob die Kohle ähnlichen, ihre Leitungsfähigkeit ändernden Einflüssen unterliegt, wie das Selen, muss einer eingehenderen Untersuchung vorbe -521 halten bleiben. Die Erklärung, welche Beetz für die Erschei - nung der Zunahme der Leitungsfähigkeit der Kohle bei steigen - der Temperatur gegeben hat, würde nur auf Kohlenpulver oder lose zusammenhängende Kohle anwendbar sein, welche von festen, sich weniger wie die Kohle ausdehnenden Wänden umschlossen war. Da das Gesammtvolumen des Körpers in demselben Ver - hältniss wächst wie das seiner Theile, so kann eine vergrösserte Pressung der Theile bei gleichmässiger Temperaturerhöhung bei nicht eingeschlossenen Körpern auch nicht eintreten. Beetz führt zur Unterstützung seiner Hypothese einige Versuche an, die er mit Metallspähnen angestellt hat. Sowohl durch äussere Com - pression als durch Erhitzung verminderte sich der Leitungs - widerstand derselben. Dass dies eintreten muss, wenn wirk - lich eine Compression des Pulvers auftritt, ist wohl unzweifel - haft und auch durch Versuche vielfach bestätigt. Wenn das Pulver von Gefässwänden theilweise umschlossen war, konnte da - her sehr wohl eine Verminderung des Widerstandes eintreten. Wahrscheinlich ist aber auch die auf der Oberfläche der Theil - chen des Pulvers condensirte Luft von Einfluss gewesen. Der Rückschluss vom Pulver auf eine zusammenhängende Masse ohne umschliessende Wände, wie die geformte Kohle, kann aber nicht zugestanden werden. Dass selbst ein starker Druck die Lei - tungsfähigkeit der geformten Kohle nicht ändert, ist durch einen einfachen Versuch nachzuweisen. Versieht man die Enden eines Kohlencylinders durch galvanische Verkupferung mit sicheren, angelötheten Zuleitungen, und setzt dann den Kohlenstab in der Richtung seiner Axe einer starken Pressung aus, so verän - dert sich der Leitungswiderstand desselben nicht im mindesten, wenn man selbst den Druck bis zur Zertrümmerung der Kohle steigert. Es zeigt dies, dass die gut imprägnirte und gebrannte geformte Kohle als fester, wenn auch noch poröser Körper und nicht mehr als nur lose zusammenhängendes, verschiebbares Pul - ver zu betrachten ist. In noch viel höherem Grade gilt dies von der ungepulverten, festen Gasretortenkohle. Der Bildungs - process dieser Kohle geht in ähnlicher Weise vor sich, wie die galvanische Abscheidung der Metalle, da, wie schon hervorge - hoben wurde, die Kohle in unmittelbarer Berührung mit der Fläche der Retortenwand frei wird und sieh durch Molekular -522 anziehung im Augenblick des Freiwerdens an einander legt. Die Gasretortenkohle ist mithin nicht als zusammengebackenes Pul - ver, sondern als eine feste Kohlenmasse zu betrachten. Dass das specifische Gewicht der Gasretortenkohle ein verschiedenes ist, wird wohl mehr eine Folge eingeschlossener kleiner Hohl - räume und der Einschliessung fremder Körper als einer Ver - schiedenheit der Masse selbst zuzuschreiben sein. Die allge - mein gültige Eigenschaft der Kohle, in höherer Temperatur besser zu leiten, muss daher als eine Eigenschaft der Kohlen - materie selbst und nicht als eine Folge ihrer Structur aufgefasst werden.

Eine Analogie für dies Verhalten der Kohle bildet das der Elektrolyte zu denen nach Hittorf auch Einfach-Schwefel - kupfer und andere zusammengesetzte feste Körper zu rechnen sind und von einfachen Körpern Tellur und Selen. Letzteres ist bei schneller Abkühlung aus dem geschmolzenen Zustande ein Nichtleiter wie auch der Diamant. Wird es bis 100 °C. erwärmt, so wird es krystallinisch und leitet dann die Elektri - cität, wie die Kohle, in der Weise, dass seine Leitungsfähigkeit bei wachsender Temperatur zunimmt. Das Selen verliert bei der Erwärmung auf 100 °C. latente Wärme; es ist daher wahr - scheinlich, dass diese Verminderung der latenten Wärme es zu einem Leiter der Elektricität gemacht hat. Wenn man schnell erstarrtes, sogenanntes amorphes Selen bis in die Nähe seines Schmelzpunktes, d. i. bis über 200 °C. erhitzt und längere Zeit in dieser Temperatur erhält, so verliert es noch mehr latente Wärme und nimmt dann, wie ich gezeigt habe1)Pogg. Ann. 159, S. 127., eine weit grössere Leitungsfähigkeit an. Es leitet die Elektricität aber jetzt wie ein Metall, d. i. seine Leitungsfähigkeit nimmt bei Erhöhung der Temperatur ab. Es erscheint daher wahrschein - lich, dass die Eigenschaft des krystallinischen, noch latente Wärme haltenden Selens, die Elektricität wie die Elektrolyte und die Kohle in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig - keit mit der Temperatur zunimmt, daher rührt, dass es noch latente Wärme enthält. Da latente wie freie Wärme ein Hinder -523 niss der Elektricitätsleitung bilden oder wahrscheinlich sogar die Ursache des Leitungswiderstandes sind, und da die Stabilität allotroper Zustände, welche Wärme gebunden halten, durch Er - hitzung sich vermindert oder ganz verloren geht, wobei dann die latente Wärme entweicht, so muss das Hinderniss, welches die letztere dem Durchgange des elektrischen Stromes entgegensetzt, bei erhöhter Temperatur geringer werden. Die bessere Leitungs - fähigkeit der Kohle bei höherer Temperatur lässt sich daher wie beim krystallinischen Selen erklären, wenn man annimmt, dass die Kohle wie dieses eine latente Wärme enthaltende, allotrope Modification eines hypothetischen metallischen Kohlen - stoffs ist.

Für diese Annahme spricht auch das Verhalten der Kohlen - stäbe, zwischen denen ein Davy’scher Lichtbogen gebildet wird. Das elektrische Licht hat bekanntlich seinen Sitz namentlich auf der hell glühenden Oberfläche der positiven Kohle. Von dieser geht nun auch der Transport der Kohle zur negativen Kohle aus. Stellt man zwei nicht zu starke Kohlenstäbe mit ebenen paral - lelen Grenzflächen einander dicht, etwa 1 mm von einander, gegenüber und lässt einen sehr starken Strom zwischen ihnen übergehen, so findet ein schnelles Uebergehen der Kohle von der positiven zur negativen Kohle statt, und die letztere wächst eben so schnell, als die obere verzehrt wird. Die Folge ist, dass der Zwischenraum fortwandert, ohne merklich grösser zu werden. Es erklärt sich dies dadurch, dass die Kohle während ihres Transportes durch den Bogen nicht verbrennen kann, weil der schmale Zwischenraum das Eindringen der Luft nicht oder doch nur in sehr geringem Masse gestattet. Den durch gleich - gerichteten Strom gebildeten elektrischen Lichtbogen pflegt man so zu reguliren, dass der Bogen gerade die nöthige Länge hat, um alle transportirte Kohle zu verbrennen. In diesem Falle bemerkt man deutlich durch ein lichtschwächendes Glas, dass es wesentlich die oft wechselnden Stellen der positiven Kohlenober - fläche, von denen der Davy’sche Bogen grösstentheils ausgeht, sind, die sehr hell leuchten. Es ist also nicht, wie wohl ange - nommen wird, das Aufschlagen der durch den Bogen losgeris - senen und transportirten Kohlentheilchen auf die negative Kohle, sondern das Loslösen derselben von der positiven Kohle, was524 das Licht wesentlich erzeugt. Diese Wärmeerzeugung an der Trennungsstelle der losgelösten von der festen Kohle ist kaum anders zu erklären als dadurch, dass der Kohlenstoff durch den elektrischen Strom in metallischer Form fortgeführt wird, dass mithin die latente Wärme der Kohle an der Trennungsstelle frei wird und dadurch diese vorzugsweise hoch erhitzt.

[525]

Ueber elektro-technische Hülfsmittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken.

(Vortrag im elektrotechn. Verein v. 25. Mai.)

1880.

Die Veranlassung dieser Mittheilung ist das Entsetzen, welches ich und wohl wir Alle so häufig empfinden, wenn wir in den Zeitungen lesen: in einem Bergwerke sind wieder viele, oft hunderte von Menschenleben durch schlagende Wetter zu Grunde gegangen! Es kommt dies in den Kohlenbergwerken aller Länder mit einer schrecklichen Regelmässigkeit vor, und man merkt nicht, dass etwas Wirksames geschieht, um diese traurigen Katastrophen zu beseitigen, und sieht nicht, dass im Laufe der Zeit grössere Sicherheit herbeigeführt ist. Die Elektricität ist ja häufig Helferin in der Noth, und es scheint mir eine wichtige Aufgabe für den Elektro-technischen Verein zu sein, auch diese Humani - tätsfrage vor sein Forum zu ziehen. Ich glaube, dass dies auch nicht ohne Nutzen sein wird, da in der That mehrere Vorschläge, die schon vor längerer Zeit gemacht, aber erfolglos geblieben sind, wesentlich, weil die damalige Technik noch nicht hinreichend entwickelt war, jetzt ausführbar erscheinen. Es ist immer gut, in solchen Fällen von Zeit zu Zeit eine Revision vorzunehmen und Alles, was früher nicht praktisch erschien, mit dem Wissen und Können der neueren Zeit zu beleuchten. Ich möchte Ihnen daher zuerst eine kleine Uebersicht über die Ursachen dieser schreck - lichen Explosionen und die Mittel, die zu ihrer Vermeidung in Anwendung kommen, geben, soweit ich sie als Laie kenne; denn ich bin kein Bergmann, kann also die schlagenden Wetter nur vom physikalischen und chemischen Standpunkt, und nicht vom rein bergmännischen aus behandeln.

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Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben - oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser - stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent - lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che - mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können. Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz - substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei - werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure, und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen - vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir - kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel - ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen - den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu - nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist durch die überlagernden Stein - und Erdschichten nach und nach entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt, zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be - findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein, je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo - sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben - gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was527 unter Umständen durch Bewegung der Luft noch befördert wird. Dann erst tritt die Gefahr ein. Das Grubengas ist nämlich zwar brennbar, explodirt aber erst, wenn es mit Luft, also mit Sauer - stoff in hinlänglichem Masse vermischt ist, so dass eine gleich - zeitige Verbrennung der ganzen Masse stattfinden kann. Es folgt schon hieraus, dass man kaum dahin gelangen wird, die schla - gende Wettergefahr vollständig zu beseitigen.

Man kann sich dies auf drei Weisen vorstellen: die eine wäre im Prinzip die, dass man das Auftreten der Gase aus dem Flöz in die Grubenluft überhaupt verhinderte. Die zweite wäre die, dass man die austretenden Gase sofort und noch bevor eine gefährliche Mischung entstände, unschädlich macht; es kann dies durch Ventilation oder Verbrennung geschehen. Die dritte Me - thode wäre ein passendes Signalsystem, welches nicht nur in der Grube selbst, sondern auch den Beamten ausserhalb der Grube fortlaufend und selbstthätig anzeigt, welches der Stand der Gruben - gas-Entwickelung und Ausquellung in der Grube ist, so dass man keine Leute hineinlässt, wenn Gefahr vorhanden ist, und sie rechtzeitig zurückruft, wenn sie während der Arbeit entsteht. Das sind die drei Wege, auf denen man dem Feinde zu Leibe zu gehen und ihn wenigstens unschädlich zu machen suchen kann. Das beste, wirksamste Mittel wird immer eine gute Ventilation der Grube sein. Diese wird auch überall und meist mit grosser Sorgfalt angewendet, und sie ist das Mittel, die grossen Kohlen - massen zu fördern ohne zu grosse Verluste an Menschenleben. Das zweite allgemein angewendete Hülfsmittel ist die Verwendung der segensreichen Erfindung der Grubenlampe von Humphrey Davy. Sie beruht darauf, dass Flammen erlöschen, wenn sie unter die Glühhitze abgekühlt werden. Hält man eine Kerzenflamme unter ein engmaschiges Drahtnetz, so brennt sie nur bis zu diesem Netze. Das Drahtnetz entzieht dem hindurchstreichenden brennen - den Gase viel Wärme, und da die Flamme ohne Glühhitze nicht bestehen kann, so erlischt sie innerhalb des Netzes. Ist also eine Lampe mit einem guten, engen Drahtnetz umgeben, so kann eine Explosion sich nicht durch das Netz hindurch fortpflanzen, es wird mithin das ausserhalb des Netzes befindliche explosive Gas nicht entzündet. Der Bergmann kann aus dem eigenthümlichen Zucken der Flamme ersehen, dass Gefahr vorhanden ist. Das sind528 recht schöne und ausserordentlich wirksame Mittel, die gewiss vielen Tausenden das Leben gerettet haben. Leider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt, dass sie nicht ausreichen; denn wenn sie ausreichten, würden wir nicht fortlaufend noch so viele Explosionen haben, und die häufigen Unglücksfälle durch mörderische schlagende Wetter, die, ich muss sagen, zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch überall in der Welt so häufig vorkommen, würden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten. Es vergeht aber fast kein Monat, wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die öffentlichen Blätter gemeldet wird. Es zeigt dies unwiderleglich, dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass noch nach anderen gesucht werden muss.

Es haben sich auch schon vielfach Gelehrte und Techniker mit dieser Frage beschäftigt und haben Hülfsmittel anderer Art in Vorschlag gebracht. Davy selbst, dann Graham, ein berühmter englischer Chemiker, haben die Natur der schlagenden Wetter in einigen Gruben, die besonders gefährlich waren, genau unter - sucht und die chemischen Eigenschaften des Grubengases ermittelt. Merkwürdigerweise hat Graham1)Chemical Gazette, Dec. 1845, No. 75. Dinglers Polytechnisches Journal Bd. 99, S. 138. gefunden, dass fein vertheiltes Platina auf reines Kohlengrubengas nicht, wie auf andere Kohlen - wasserstoffe, katalytisch einwirkte. Die Autorität Grahams ist wohl der Grund gewesen, weshalb das fein vertheilte Platina als Hülfsmittel zur Anzeige vorhandenen Grubengases bis auf neuere Zeit ausser Betracht geblieben ist. Im Jahre 1847 machte Payerne in Paris2)Dinglers P. J. Bd. 103, S. 153. allerdings den Vorschlag, Pumpen in der Grube aufzustellen, welche die Luft durch grosse Diaphragmen, die mit Platinmohr oder Platinschwamm belegt waren, pumpen sollten. Er sagt, im Widerspruch mit Graham und Dr. Ure, das Grubengas würde langsam durch die Contactwirkung des fein ver - theilten Platinas verbrennen, und daher eine gefahrlose Reinigung der Luft von Grubengas eintreten. Dieser Vorschlag hat weiter keinen Erfolg gehabt. Vielleicht ist er der Kostspieligkeit der nöthigen grossen Massen von Platina wegen gar nicht praktisch versucht.

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Im Jahre 1868 machte Delaurier1)Dinglers P. J. Bd. 190, S. 339. der Pariser Akademie einen ganz originellen Vorschlag zur Sicherung der Arbeiter gegen Grubengas-Explosionen. Er wollte einen isolirten Draht durch die ganze Grube legen, der an verschiedenen Stellen verdünnt und daselbst mit Schwefelblumen bestreut werden sollte. Bevor die Arbeiter die Grube beträten, sollte dann der Strom einer kräftigen galvanischen Batterie durch den Draht geleitet werden. Dieser würde die verdünnten Stellen des Drahtes erhitzen und den Schwefel entzünden, der dann seinerseits die schlagenden Wetter entzünden würde, wenn irgend welche vorhanden waren. Ent - stände keine Explosion, so könnten die Arbeiter ohne Gefahr die Grube betreten. Dieser Vorschlag, eine Prüfung auf Explo - sion vor dem Eintritt der Arbeiter in die Grube vorzunehmen, erscheint sehr beachtenswerth.

Die dritte vorgeschlagene Methode besteht nun darin, ein gutes Anzeigesystem zu organisiren, dass die nöthigen Mittel gewährt, die Gefahr zur rechten Zeit zu erkennen und sie durch richtig geleitete Ventilation zu beseitigen, bevor die Gasmischung explosiv wird.

Ansell in London schlug 18672)Dinglers P. J. Bd. 183, S. 552: Jahrg. 1867. vor, die Gefährlichkeit der schlagenden Wetter dadurch zu verringern, dass man Apparate aufstellte, welche auf elektrischem Wege angesammeltes Gruben - gas in der Grube selbst wie ausserhalb derselben anzeigten. Sein Apparat beruhte auf der Erscheinung, dass manche Stoffe, wie Kautschuck, Marmor u. s. w. undurchdringlich für atmo - sphärische Luft, aber leicht durchdringlich für Grubengas und manche andere Gase sind. Da die Anfüllung eines Raumes mit einem Gase kein Hinderniss für die gleichzeitige Anfüllung mit einem anderen Gase ist, so muss daher in eine mit Luft gefüllte Kautschuckblase, die in einen grubengashaltigen Raum gebracht wird, Grubengas durch die Kautschuckwand hindurch einströmen und die Blase sich in Folge dessen ausdehnen. Ansell construirte nun Apparate, bei welchen diese durch En - dosmose bewirkte Druckvermehrung im Innern eines mit einer Kautschuck - oder Marmorplatte abgeschlossenen Luftraumes zur34530Hervorbringung eines Contactes benutzt wurde, durch welchen an beliebigen Stellen ein elektrisches Warnungssignal gegeben wurde. Auch dieser sinnreiche Vorschlag hat meines Wissens keine praktische Anwendung gefunden. Vielleicht war der Um - stand daran Schuld, dass eine Ansammlung von Kohlensäure osmotisch ähnlich wirkt, wie Grubengas, man daher nicht sicher wissen konnte, welches Gas durch den Apparat angezeigt wurde.

Dr. van der Weyde hat 18701)Dinglers P. J. Bd. 196, S. 513: Jahrg. 1870. eine Modification des An - sell’schen Apparates vorgeschlagen, während A. Winkler 18792)Dinglers P. J. Bd. 231, S. 280: Jahrg. 1879. vorschlug, häufige Analysen des in der Grubenluft vorhandenen Grubengases vorzunehmen, indem man das durch beigemischtes Grubengas verminderte specifische Gewicht der Grubenluft be - stimmt. Endlich hat ein A. P. unterzeichneter Anonymus 18773)Dinglers P. J. Bd. 226, S. 510: Jahrg. 1877. vorgeschlagen, durch fortdauernde Inductionsfunken das ent - zündlich gewordene Gemisch von atmosphärischer Luft und Grubengas in einem mit Drahtwalzen verschlossenen Gefässe zu entzünden und durch die entstehende Explosion einen Contact herzustellen, welcher ein Gefahrsignal geben sollte.

Neuerdings hat ein Herr Studiosus Körner in Freiberg ein Deutsches Reichspatent Nr. 6179 auf einen Apparat genommen, welcher auf der von Graham geleugneten, jedoch von Payerne im Widerspruch mit diesem und mit Dr. Ure aufrecht erhaltenen und zu seinem Vorschlage benutzten langsamen Verbrennung des Grubengases durch fein vertheiltes Platina (Platina-Moor oder Schwamm) beruht. Er will die Wärme, die durch diese lang - same Verbrennung entsteht, dazu benutzen, Quecksilber-Thermo - meter zu erhitzen und die steigende Quecksilber-Säule zur Her - stellung von Contacten in ähnlicher Weise wie Ansel verwenden, um Signale drohender Gefahr zu geben. Auf den etwas com - plicirten telegraphischen Mechanismus, welcher die Nummer oder den Ort des Gefahr meldenden Apparates ausserhalb der Grube anzeigen soll, will ich hier nicht näher eingehen.

Wie aus dieser historischen Uebersicht der zu meiner531 Kenntniss gekommenen Vorschläge, die bisher gemacht sind, um die schrecklich grossen Verluste an Menschenleben und Eigen - thum, welche fortwährend durch schlagende Wetter verursacht werden, zu verhüten, hervorgeht, giebt es ausser der Venti - lation und der Sicherheitslampe noch mehrere Mittel, um entweder die Ansammlung schlagender Wetter in gefahrbringender Grösse zu verhindern oder die Gefahr rechtzeitig anzumelden und da - durch den Verlusten vorzubeugen. In der Praxis sind dieselben meines Wissens bisher alle nicht zur Anwendung gekommen. Es ist möglich, dass Versuche mit einzelnen dieser Vorschläge gemacht und dass dieselben nicht befriedigend ausgefallen sind. Wenn die Theorie aber richtig ist, dürfen einzelne ungünstige Versuche nicht zurückschrecken, da praktische Schwierigkeiten fast immer zu überwinden sind. Ausserdem ist namentlich die Elektrotechnik in neuerer Zeit sehr vorgeschritten und macht Manches jetzt leicht und sicher ausführbar, woran früher alle Mühen scheiterten! Es lohnt sich daher wohl, die Frage der er - höhten Sicherung der Kohlengruben gegen schlagende Wetter an der Hand der bisher gemachten Vorschläge und unter Berück - sichtigung des jetzigen Standpunktes der Technik einer Prüfung zu unterziehen.

Die Möglichkeit, den Austritt von Grubengas überhaupt durch Erzeugung eines dauernden Ueberdruckes im ganzen Bergwerke zu verhindern, ist wohl kaum zu bezweifeln, da ja schon die ge - ringe Veränderung des Atmosphärendruckes sich so ausser - ordentlich bemerklich macht. Wahrscheinlich würde ein diese Schwankungen wenig übersteigender Ueberdruck schon ausreichen, um nicht nur jedes Einströmen von Grubengas zu verhindern, sondern es würde umgekehrt häufig Luft durch die Kohlenflöze getrieben werden und diese dadurch nach und nach von Gruben - gas befreit werden. Ob sich aber wirklich durch kräftige Ven - tilation und geeignete Verschlussvorrichtungen ein Ueberdruck in der Grube wird herstellen lassen, wird in jedem Einzelfalle erst festgestellt werden müssen. In der Regel wird man diese Methode wahrscheinlich nicht anwenden können. Noch viel weniger wird sich zu allgemeinerer Verwendung die von Payerne vorgeschlagene, fortlaufende Reinigung der Luft der Gruben von Grubengas durch wiederholtes Hindurchtreiben derselben durch34*532fein vertheiltes Platina eignen. Schon die grosse Veränderlich - keit der Grubengaseinströmung würde diese Methode ganz abgesehen von ihrer Kostspieligkeit unanwendbar und selbst gefährlich machen. Beachtenswerther ist dagegen, wie schon hervorgehoben, das von Delaurier vorgeschlagene Mittel, vor Eintritt der Arbeiter in die Grube an verschiedenen Stellen der - selben galvanische Zündungsversuche zu machen. Bei dem jetzigen, weit entwickelteren Stande der galvanischen Zündungen würde sich dies mit grosser Sicherheit und mit verhältnissmässig ge - ringen Mühen und Kosten durchführen lassen. Freilich wäre der Schutz gegen Explosionen während der Arbeit immer noch nicht erreicht. Um auch diesen zu erzielen, müssten an sehr vielen und namentlich den hochgelegenen und besonders gefähr - deten Stellen stets sichere Zündungsstellen vorhanden sein, wie z. B. offene Flammen. Das leichte Grubengas lagert sich zu - nächst stets an der Decke der inneren Räume (Gänge u. s. w.) der Grube ab und vermischt sich erst allmählich durch Diffusion und Luftströme mit der atmosphärischen Luft zu explosivem Gemenge. Wird es angezündet, bevor diese Mischung eingetreten ist, so findet eine gefahrlose, ruhige Verbrennung des Gases statt, welche den Arbeitern Zeit lässt, sich zurückzuziehen. Die Gruben durch viele, nahe der Decke angebrachte, offene Flammen zu - gleich zu erleuchten und gegen Explosionen zu sichern, ist meines Wissens auch schon vorgeschlagen. Gas -, Petroleum - oder Oel - flammen verzehren aber sehr schnell den Sauerstoff der Luft in den Gruben und mischen sie mit ihren nicht athembaren Ver - brennungsproducten. Ohne diesen Uebelstand würde sich aber derselbe Zweck durch elektrische Beleuchtung erzielen lassen. Es lassen sich jetzt in einen Leitungskreis 20 bis 30 kleine elek - trische Lichter einschalten, die von einer am Tage stehenden Kraftmaschine gespeist und jederzeit gleichzeitig entzündet und ausgelöscht werden können. Die verhältnissmässig geringen Kosten dieser Grubenbeleuchtung würden durch bessere und schnellere Arbeit bei heller Beleuchtung wahrscheinlich mehr wie äquilibrirt werden. Wenn die Flammen einige Zeit vor dem Einfahren der Arbeiter angesteckt und während der Arbeitszeit leuchtend er - halten werden, wird kaum jemals ein grösserer Unglücksfall durch schlagende Wetter zu verzeichnen sein! In vielen Fällen533 wird man freilich der nicht ganz unbedeutenden Kosten der ersten Anlage, der geringen Mächtigkeit der Kohlenflötze und der grossen Ausdehnung des Arbeitsfeldes wegen diese Sicherungsmethode nicht anwenden können. Es bieten dann die Vorschläge von Ansell und Körner ebenfalls wirksame Mittel zur Verhütung von Unglücksfällen durch schlagende Wetter. Beide Vorschläge kom - men, wie schon hervorgehoben, darauf hinaus, an verschiedenen und namentlich den besonders gefährdeten Stellen des Gruben - baues Instrumente aufzustellen, welche das Auftreten von Gruben - gas sowohl den in der Grube beschäftigten Arbeitern wie an einem ausserhalb der Grube gelegenen Orte sogleich anzeigen. Functioniren die Apparate unter allen Umständen sicher und sind sie in ausreichender Zahl und an den richtigen Stellen in der Grube aufgestellt, so wird die durch ein solches Controlsystem gegebene Sicherheit ebenfalls eine ziemlich ausreichende sein. Ein Ansell’scher, durch Endosmose wirksamer Anzeiger für Grubengas lässt sich sehr einfach und billig herstellen. Sie sehen dort einen solchen Apparat, der einfach aus einem Metallringe besteht, dessen Oeffnungen mit einer Kautschuckmembran ver - schlossen sind. Die eine dieser Membrane ist in ihrer Mitte mit einem Stückchen Platinablech versehen, an welches ein Draht ge - löthet ist, der zu einer Klemme führt. Dem Platinaplättchen steht eine Contactschraube nahe gegenüber, die mit einer anderen Klemme leitend verbunden ist. Ist die Luft, in welcher der kleine Apparat steht, nun mit Grubengas geschwängert, so dringt dieses durch den Kautschuck hindurch und vermehrt das Volumen der eingeschlossenen Luft. Das Platinaplättchen kommt daher in Berührung mit der Contactschraube, wodurch der Leitungs - kreis, in den der Apparat vermittelst seiner beiden Klemmen eingeschaltet war, geschlossen wird. Sind in denselben eine gal - vanische Kette und ein oder mehrere Klingelwerke eingeschaltet, so werden diese ertönen und die Gefahr anzeigen. Wenn man einem jeden dieser Apparate eine besondere Leitung zu Tage giebt oder wenigstens die Apparate in Gruppen theilt, von denen jede ihren besonderen Leitungsdraht hat (bei Benutzung der Erde als Rückleitung), so ist auch sofort zu erkennen, welcher Apparat oder welche Gruppe die Gefahr gemeldet hat. Als Mängel dieser Einrichtung ist aber zu bezeichnen, dass es einmal zweifelhaft534 bleibt, ob Grubengashlen oder Kosäure das Alarmsignal verursacht hat, sowie ferner, dass nach Beseitigung der alarmirenden Gas - mischung noch eine geraume Zeit verstreicht, bis das eingedrun - gene Gas durch Exosmose wieder ausgetrieben ist und dadurch der Contact selbstthätig wieder aufgehoben wird. Von diesen beiden Uebelständen ist der Körner’sche Apparat, welcher auf der Erhitzung des fein vertheilten Platinas durch langsame Ver - brennung des Grubengases beruht, frei. Dagegen musste es abgesehen von der unnöthig complicirten Construction des An - zeigeapparates zweifelhaft erscheinen, ob die Erhitzung des Platinamoors durch geringe Mengen beigemengten Grubengases auch unter allen Umständen sicher eintreten würde. Wie schon erwähnt, hatte der hochverdiente Professor Graham, der Entdecker der Osmose, bei Untersuchung des reinen Grubengases, welches an einer Stelle einer Kohlengrube continuirlich ausströmte, ge - funden, dass dasselbe durch Berührung mit kaltem Platinamoor nicht, wie andere Kohlenwasserstoffe und Wasserstoff, langsam verbrennt, und erklärte dies sogar für ein Unterscheidungsmerk - mal des Grubengases. Dem widersprach Payerne, ohne, wie es scheint, bei den Chemikern rechten Glauben gefunden zu haben. Es ist mir wenigstens über entscheidende anderweitige Versuche nichts bekannt geworden. Eine Reihe von Versuchen, die Herr Dr. Fellinger in meinem Laboratorium angestellt hat, haben nun aber entscheidend festgestellt, dass reines, aus essigsaurem Blei erzeugtes Grubengas in der That ebenso wie Wasserstoff und die übrigen gasförmigen Kohlenwasserstoffe durch die katalytische Wirkung des Platinamoors auch dann mit Sauerstoff verbunden wird, wenn das Platinamoor nicht erwärmt ist. Auch ist die katalytische Wirkung des Platinamoors in ausreichendem Grade constant, um es zur Construction eines Grubengasmelders ver wenden zu können.

Weniger geeignet wie Endosmose und katalytische Wirkung des Platinas erscheint die von Winkler 1879 vorgeschlagene Methode der Anzeige des Grubengases durch Bestimmung der Verminderung des specifischen Gewichtes der Grubenluft. Ein - mal erfordern derartige Wägungen sehr exacte Einrichtungen mit grossen Ballons, die in den feuchten, engen Grubengängen schwer anzubringen und in Ordnung zu halten sind, und zweitens535 können Schwankungen des Atmosphärendruckes und Kohlen - säuregehaltes der Luft dieselben vollständig fälschen. Aber auch sowohl die Ansell’sche als die Körner’sche Methode der Anzeige von Grubengas leiden an dem Uebelstande, dass sie, abgesehen von Störungen, nur einen bestimmten Grad der Mischung der Grubenluft mit Grubengas anzeigen. Da eine geringe Bei - mengung von Grubengas niemals, auch bei kräftigster, völlig ausreichender Ventilation nicht, zu vermeiden ist, so zeigen die Apparate nur an, ob der zulässige Grad von Beimischung über - schritten ist, oder nicht, geben aber keinen Anhalt dafür, in welchem Grade es der Fall ist und ob sich der Grubengasgehalt mit bedrohlicher Geschwindigkeit steigert oder constant bleibt. Dies wird sich in befriedigender Weise dadurch erzielen lassen, dass man anstatt gewöhnlicher Quecksilber-Thermometer, wie Körner sie verwendet, thermo-elektrische Ketten benutzt. Sie sehen hier drei solcher Ketten, von denen die eine Seite mit einer dünnen Lage Platinamoor bedeckt ist. Jede dieser Ketten communicirt durch einen Leitungsdraht mit gemeinschaftlicher Rückleitung mit einem Galvanometer, das in Praxi im Gruben - hause aufgestellt sein würde. Sobald man unter eine dieser Glocken, unter welchen sich die thermo-elektrischen Ketten be - finden, eine kleine Quantität Grubengas oder auch gewöhnliches Leuchtgas bringt, wird die betreffende Nadel abgelenkt. Die Grösse ihrer Ablenkung bildet nun ein Mass der Menge des Grubengases, welches der Luft beigemengt ist. Denkt man sich nun eine Reihe von solchen thermo-elektrischen Indicatoren an geeigneten Stellen vertheilt und lässt die Leitungen in das Grubenhaus münden, so geben die Ablenkungen der Galvano - meter ein getreues Bild der jedesmaligen Beimischung von Grubengas in den verschiedenen Theilen der Grube. Der control - lirende Ingenieur kann daher den Ventilationsapparat functioniren lassen, um einer wachsenden Beimischung von Grubengas ent - gegen zu wirken, oder er giebt, falls bereits eine wirkliche Ge - fahr im Anzuge ist, ein elektrisches Glockensignal, welches die Arbeiter aus dem Schachte zurückruft. Man könnte auch, wie es bei der hier vorgelegten Einrichtung geschehen ist, die osmotische und katalytische Methode combiniren und die eine zur Controle der anderen benutzen. Die osmotischen Anzeiger536 würden dann so einzustellen sein, dass sie erst eine wirklich eintretende Gefahr durch Klingelsignale in - und ausserhalb der Grube anmeldeten, während die katalytischen durch die Ab - lenkung der Galvanometernadeln den Nachweis führten, dass die gemeldete Beimischung eines fremden Gases aus Grubengas oder einem anderen brennbaren Gase und nicht aus Kohlensäure be - steht, und gleichzeitig Ort und Art des Anwachsens der gefähr - lichen Gasmischung anzeigten. Der Nachtheil des thermo - elektrischen Anzeigers gegenüber dem Körner’schen Vorschlage, dass er eine grosse Anzahl isolirter Leitungen erfordert, kommt bei dem heutigen Stande der Technik weniger in Betracht, da sich mit verhältnissmässig geringen Kosten eine grosse Menge hinlänglich isolirter Leitungen in einem Kabel vereinigen lässt. Wenn nun auch keine mechanische Einrichtung stets unfehlbar functionirt, mithin auch durch die gemachten Vorschläge keine absolute Sicherheit gegen schlagende Wetter zu erreichen ist, so erscheint es doch als ganz ausser Frage stehend, dass sich auf den angedeuteten Wegen die Sicherheit der Grubenarbeiter in sehr bedeutendem Grade erhöhen lässt. Der elektro-technische Verein wird sich hoffentlich noch öfter mit dieser wichtigen Frage zu beschäftigen haben. Hat er durch diese Anregung er - zielt, dass die Frage erhöhter Sicherheit gegen Schädigung durch schlagende Wetter überall in den betreffenden Fachkreisen ernst in Betracht gezogen und von ihnen anerkannt wird, dass es ausser Ventilation und Davy’scher Laterne noch andere, allem Anscheine nach brauchbare Hülfsmittel giebt, und dass es eine Pflicht ist, ihre praktische Anwendbarkeit zu prüfen, so hat er sich ein unbestreitbares Verdienst erworben.

[537]

Maschine zur Trennung magnetischer und unmagnetischer Erze.

(Vortrag im Verein z. Bef. d. Gewerbfleisses. 7. Juni.)

1880.

Meine Herren, es ist eigentlich eine uralte Sache, über die ich Ihnen hier einige Worte sagen will. Die bekannte und viel - fach angewendete Kraft des Magnetes, Eisen anzuziehen, ist in Gewerben fast so lange, als die Magnete existiren, angewendet. Man hat immer durch Kämme von Stahlmagneten aus den Spänen das Eisen entfernt; man wandte, um gleich auf die neueste Zeit überzuspringen, in der Müllerei, seit man nicht mehr mit Steinen, sondern mit Walzen zu mahlen anfing, wieder die Magnete an, um Eisenstücke aus dem Korn zu entfernen, weil ein solches Eisenstück, welches hineinkommt, die Walzen zerstört. In der Regel macht man es so, dass man Kämme aus Stahlmagneten in verschiedenen Lagen hinter einander setzt, so dass der be - treffende Gegenstand von einem Kamm auf den andern fällt; das Eisen bleibt auf den Kämmen sitzen und wird dann von Zeit zu Zeit abgeputzt. Man hat auch Walzen gemacht, die aus lauter Magneten bestehen, deren Pole nach aussen gewendet sind, auf die man das zu reinigende Korn auffallen lässt, und die nun herumgedreht werden, so dass während der Drehung das Eisen sitzen bleibt, welches dann durch Bürsten entfernt wird. Das geht alles recht gut, doch ist es nur anwendbar da, wo stark anziehende Kräfte vorhanden, also wo metallisches Eisen zu beseitigen ist, ferner da, wo es sich nicht um grosse Quantitäten handelt, denn diese Procedur ist ziemlich umständlich.

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Veranlassung zu meiner Construction gab eine belgische Gesellschaft, die Zinkerze in Spanien verarbeitet, und die dort einen Galmei bricht, der mit Eisenstein, ich glaube Spatheisenstein, umschlossen und schwer ganz von ihm zu trennen ist, so dass die zerkleinerte Masse aus einer Mischung von Spatheisenstein und von Galmei besteht; diese konnten durch keine Aufbereitungs - arbeit von einander getrennt werden; das ganze Eisen musste der Destillationsbehandlung mit unterzogen werden, und das kostete viele Kohle, die dort sehr theuer ist. Der Director der Gesellschaft kam also zu mir und fragte, ob wir ihm keine Maschinen machen könnten, die die Erze trennten, und zwar 20 Tonnen täglich. Ich lehnte es erst ab, aber die Herren be - standen darauf, und wir machten einen Vertrag, der das beider - seitige Interesse wahrte. So habe ich mir denn die Sache weiter durchdacht und bin dann zu dieser Maschine gekommen.

Wenn wir uns das technische Vorhaben überlegen, finden wir, dass es drei Momente sind, auf die man seine Constructions - gedanken richten muss. Die Magnete sollen nur das festhalten, was in ihre unmittelbare Nähe kommt; wenn man sie zu stark machte, würden sie auch nicht-magnetische Stücke mit fest halten; es darf also die magnetische Anziehungskraft nicht zu gross sein. Weiter ist nöthig, den Magneten eine häufige Wahl zu geben, um alle Theile des durchgehenden Erzgemisches in wirkliche Berührung mit einem Magnetpole zu bringen. Es müssen also viele Magnetpole vorhanden sein, und diese müssen sich mit wechselnder Polarität gegenüber stehen, damit durch magnetische Induction das Anhaften noch vergrössert wird und so auch die grösseren Stücke festgehalten werden können. Ein zweiter Grundsatz muss ferner der sein, dass das Entfernen der magnetischen Theile continuirlich vor sich geht, überhaupt muss der ganze Prozess continuirlich verlaufen, sonst kann er keine Massen befördern; Elektromagnete, die abwechselnd magnetisch und unmagnetisch werden, sind hierbei nicht anzuwenden, weil diese zu grosse elektrische Arbeit kosten und keinen Apparat geben, der viel schaffen kann; es musste also eine Einrichtung getroffen werden, dass das, was an den Magneten fest gehalten wird, continuirlich abgestreift wird. Nun sehen Sie hier (Fig. 52) eine Maschine, wie ich sie auf diese Grundsätze hin construirt habe. 539

Fig. 52.

540Sie besteht aus einer etwas schief liegenden Axe, die mit einem Schraubengewinde umgeben ist; um dieses Schraubengewinde ist eine feststehende Messingröhre gelegt (die Axe ist Stahl, aber die Schraube und die Röhre Messing); die Röhre ist oben auf - geschnitten und aufgebogen und mit einem Abstreifer versehen, der sich tangential von innen an den magnetischen Hohlcylinder anlegt; dieser Hohlcylinder besteht nun aus lauter Eisenscheiben, die neben einander liegen und durch zwischenliegende Messing - ringe von einander getrennt sind; ausserhalb sind diese Eisen - scheiben durch Eisenstangen verbunden, so dass sie also eigen - thümlich gestellte Hufeisenmagnete werden, deren ringförmige Pole die innere Wand des Hohlcylinders bilden. Die Magneti - sirung wird durch isolirte Drähte hervorgebracht, welche vor Anbringung der äusseren Eisenstangen zwischen die Scheiben gewickelt werden. Die ersten Zwischenräume erhalten aus einem Grunde, den ich nachher hervorhebe, nur wenig Windungen, die folgenden mehr, und nur am Ende sind sie vollgewickelt. Durch den die Windungen durchlaufenden elektrischen Strom entsteht eine regelmässige Folge von Nord - und Südpol. Wir haben also eine glatte Röhrenfläche, die aus lauter ringförmigen Nord - und Südpolen, die dicht neben einander liegen, besteht. Der so aus magnetischen Scheiben wechselnder Polarität gebildete Hohl - cylinder ist an dem einen Ende durch eine durchlöcherte Scheibe mit der Axe des Apparats verbunden und am andern lagert er an der feststehenden inneren Messingröhre. Das zu trennende Material wird dem ersteren Ende des Hohlcylinders zugeführt und durchläuft dann langsam den etwas schräg gestellten roti - renden Cylinder. Es muss hierbei die rotirenden ringförmigen Magnetpole passiren, die die magnetischen Theile festhalten und mit in die Höhe nehmen, wo sie durch den Abstreifer festgehalten und in die feststehende innere Röhre geworfen werden, aus welcher sie durch die Schraube hinausgeschraubt werden. Wenn nun gleich am Anfange ein sehr starker Magnetismus vorhanden wäre, so würde hier gleich alles magnetische Material in zu grosser Masse festsitzen; der ganze Raum würde gefüllt werden und die Trennung würde entweder schon hier bei den ersten Ringen ganz vor sich gehen, oder, wenn das nicht ginge, würde der Apparat das nicht leisten können, was er soll; darum ist die541 Einrichtung getroffen, dass der Magnetismus erst allmählich in voller Stärke auftritt, so dass beim Durchgange des Erzes durch den rotirenden Hohlcylinder immer stärker werdende magnetische Kräfte auf die magnetischen Theile des Gemisches wirken. Wie stark der Strom zu machen ist, hängt von der Natur des Erzes und dem Grade der Röstung desselben ab. Es genügt gewöhn - lich der Strom einer kleinen dynamo - oder magnet-elektrischen Maschine, da die neue, hier zur Verwendung gekommene Form der Elektromagnete einen sehr starken Magnetismus erzeugt. Es hat sich herausgestellt, dass der vom Eisenerz zu trennende Galmei ebenfalls etwas eisenhaltig ist; er enthält 5 bis 10 pCt. Bei vollständiger Röstung genügt dieser Eisengehalt, um auch den Galmei durch die Magnetpole festzuhalten, wenn man zu starke Ströme anwendet. Es giebt also keine wirklich exacte Scheidung, weil auch das Eisen ein bischen Zink enthält. Des - wegen muss der Strom so gewählt werden, dass man das ge - wünschte Scheidungsverhältniss bekommt; das kann man dadurch machen, dass man die stromerzeugende Maschine so schnell dreht, dass man das gewünschte Scheidungsverhältniss bekommt.

Es scheint mir nun, dass eine solche Maschine heutzutage nicht ohne Werth wäre, nicht allein für das specielle Erzvor - kommen, für welche sie construirt ist; ich meine, es giebt auch andere Fälle, wo es sich darum handelt, magnetische von un - magnetischen Erzen oder anderen Stoffen zu trennen. Wenn das kleine, hier in natürlicher Grösse gezeichnete Ding in Betrieb ist, giebt es schon 1 bis 2 Tonnen in der Stunde. Da man die Maschine beliebig vergrössern kann, so würde man auch weit grössere Quantitäten mit geringer Mühe und geringen Kosten verarbeiten können.

Ein anderer Punkt ist die Verwendung für die Müllerei. Ich las neulich eine Notiz in einer amerikanischen Zeitung, es hätte dort Jemand eine ähnliche Maschine gemacht, die die über - raschende Thatsache nachwiese, dass so viel Eisen im Korn wäre, dass man beinahe eine Eisenhütte auf alles das Eisen an - legen könnte. Das wäre ja nun eine Kleinigkeit, dass das Korn gleich vom Händler durch eine solche Maschine gelassen und damit die Gefahr, die für die Mühlen entsteht, wenn Eisen im Korn ist, beseitigt würde. Ich glaube also, dass die Maschine542 von allgemeinerer Bedeutung ist. Ich glaube auch, dass die Con - struction möglichst einfach und richtig ist. Man kann sie sich gar nicht anders denken, als eine Röhre, durch die das Material schnell hindurch läuft, die sich schnell dreht, um allen Molecülen Gelegenheit zu geben, die Magnetpole zu berühren. In der Praxis hat sich die Maschine gut bewährt, die Besteller hatten 1000 kg von ihrem Erz herkommen lassen, die in Zeit einer Stunde völlig befriedigend getrennt wurden.

[543]

Der elektrische Aufzug.

(Vortrag im elektrotechn. Verein. 26. Oct.)

1880.

Die Kraftübertragung durch dynamo-elektrische Maschinen hat in dem von der Firma Siemens & Halske in Mannheim aus - gestellten Aufzuge (lift) für Personen eine neue Anwendung ge - funden, die von grosser Bedeutung zu werden verspricht. Auf - züge von Personen, wie sie in grossen Hotels und Geschäfts - localen häufig eingerichtet werden, um den Gästen die Mühe und den Zeitaufwand des Treppensteigens zu ersparen, werden bisher fast ausnahmslos hydraulisch eingerichtet. Seilaufzüge, wie sie zur Hebung von Waaren u. s. w. allgemein benutzt wer - den, erachtet man als nicht sicher genug für die Personen - beförderung. Der hydraulische Aufzug ist aber sehr kostspielig in der Anlage und häufig kaum ausführbar, da er die Einsenkung eines Druckrohres von gleicher Tiefe wie die grösste Höhe der beabsichtigten Hebung bedingt. Auch der Betrieb solcher hy - draulischen Aufzüge ist gewöhnlich sehr kostspielig, da jede ein - zelne Hebung die Füllung des Druckrohres mit unter hohem Druck stehendem Leitungswasser erfordert.

Der elektrische Aufzug soll nun diese Mängel des hydrau - lischen Aufzuges beseitigen, ohne eine geringere Sicherheit wie dieser darzubieten. Er beruht auf der Kraftübertragung durch dynamo-elektrische Maschinen. Das geringe Gewicht einer solchen Maschine im Vergleich mit ihrer Arbeitsleistung ge - stattet, die Maschine auf den durch sie zu bewegenden Fahrstuhl zu setzen und ihr durch Drahtleitungen den bewegenden elek - trischen Strom zuzuführen. Die Einrichtung kann also in der544 Weise getroffen werden, dass die Maschine an einer festliegenden Leiter oder Zahnstange gleichsam hinaufklettert und den an ihr befestigten Fahrstuhl mitnimmt. Dieser feststehenden Leiter oder Zahnstange kann man jede gewünschte Festigkeit geben, so dass eine Gefahr ihres Bruches ganz ausgeschlossen ist. Bei sehr hohen Aufzügen kann man die Zahnstange auch an den Wandungen des Gebäudes oder Schachtes beliebig oft befestigen, so dass sie sich nicht in der ganzen Länge selbst zu tragen braucht.

Der erste derartige Aufzug, der von Siemens & Halske in der Mannheimer Industrieausstellung ausgestellt wurde, und der dazu diente, das Publicum auf einen Aussichtsthurm von un - gefähr 20 m Höhe emporzuheben, ist nach diesen Grundsätzen gebaut. Die Zahnstange L ist, wie die vier zugehörigen Ab - bildungen erkennen lassen, hier eine aus Stahl bestehende Leiter, deren Wangen aus dreifachen Stahlblechen von etwa 5 mm Dicke und 60 mm Breite bestehen, die derartig mit einander vernietet sind, dass immer mindestens die volle Tragfähigkeit zweier Bleche in jeder der beiden Wangen zur Geltung kommt. Die beiden Wangen sind durch vernietete Sprossen aus Rundstahl von 15 mm Dicke mit einander zu einer leiterartigen Zahn - stange verbunden. Die Sprossen haben einen Abstand von 35 mm, von Mitte zu Mitte gemessen. Diese Leiter L reicht in senkrechter Lage von der Höhe des Aussichtsthurmes zum Boden und ist oben und unten an starken Balken sicher be - festigt. Die Leiter geht durch die Mitte des Fahrstuhles, unter welchem sich, von einem sie rings umschliessenden Holzkasten H umgeben, die Dynamo-Maschine M befindet. Die Axe dieser Dynamo-Maschine endet in einer Schraube ohne Ende S, die zwei Zahnräder R1 und R2 dreht, welche von beiden Seiten in die Sprossen der Leiter eingreifen. Ein auf dem Fahrstuhle befindlicher Hebel h ist mit einem Stromschalter derartig ver - bunden, dass bei der mittleren Stellung des Hebels die Strom - leitung unterbrochen ist, während die Hebelstellungen nach rechts oder links bewirken, dass die Dynamo-Maschine und mit ihr die treibende Schraube ohne Ende in dem einen oder anderen Sinne rotiren, den Fahrstuhl mithin auf - oder abwärts bewegen. Durch passende Einrichtungen wird bewirkt, dass sich diese

Fig. 53.

Fig. 54.

Fig. 55.

Fig. 56.

Verlag von Julius Springer, Berlin N.

545 Umschaltung selbstthätig an jedem Endpunkte der Hebung bezw. Senkung vollzieht.

Die Ganghöhe der treibenden Schraube ist so klein, dass ein Hinabschnellen des Fahrstuhles bei Unterbrechung des Stromes nicht eintreten kann. Um jedoch die Arbeit der He - bung der Last des Fahrstuhles und der Dynamo-Maschine zu ersparen und die Arbeitsleistung der Dynamo-Maschine beim Auf - und Niedergang des Fahrstuhles annähernd gleich zu machen, ist der Fahrstuhl und seine mittlere Belastung durch ein Gegengewicht, welches an zwei Drahtbandseilen D hängt, ausgeglichen. Das andere Ende der beiden, über zwei Rollen am oberen Ende des Aussichtsthurmes laufenden Drahtseile ist an dem Fahrstuhle befestigt. Diese Drahtseile und die Zahn - stange selbst finden gleichzeitig Verwendung als Leiter der Elektricität, indem sie die primäre und secundäre Dynamo-Ma - schine mit einander leitend verbinden.

Fig. 53 (Fig. 53 56 auf Tafel V) zeigt den Fahrstuhl in seiner höchsten Stellung auf der Höhe des Aussichtsthurmes, Fig. 54 giebt ihn in seiner tiefsten Stellung, im Begriff seine Bewegung nach oben anzutreten; Fig. 55 und 56 erläutern die Anordnung der unter dem Fahrstuhl angebrachten dynamo-elek - trischen Maschine M, der von ihr getriebenen Schraube ohne Ende S, sowie der beiden in die Leiter L eingreifenden Zahn - räder R1 und R2. Die Leiter L wird von zwei Paar, oberhalb und unterhalb des Fahrstuhls angebrachten Rollen berührt, welche den Strom aus der Leiter L der Maschine M zuführen.

Durch den beschriebenen elektrischen Aufzug sind in den wenigen Wochen seiner Thätigkeit in der Mannheimer Ausstellung etwa 8000 Personen ohne jede Störung auf den Aussichtsthurm gehoben und wieder hinab befördert worden. Die Geschwindig - keit betrug etwa 0,5 m in der Secunde.

Als Vorzüge dieses Systems vor dem hydraulischen lassen sich namentlich anführen: 1. die verhältnissmässig billige Her - stellung und leichte Aufstellung und 2. der billige Betrieb. Dies gilt namentlich dann, wenn ein Motor zum Treiben der primären Dynamo-Maschine bereits vorhanden ist, oder wenn sich mehrere benachbarte Aufzugsbesitzer zur Einrichtung einer gemeinsamen Maschinenanlage zum Betriebe derselben vereinigen.

35546

Zur Hebung von Gütern, Baumaterialien u. s. w., bei welcher absolute Sicherheit nicht, wie bei der Personenbeförderung, erste Bedingung ist, wird man sich der oben beschriebenen Hebungs - einrichtung ausser etwa bei Hebungen auf sehr bedeutende Höhen, wohl nicht bedienen und statt derselben die Hebung durch Drahtseile verwenden. Es wird aber in vielen Fällen sehr zweckmässig sein, elektrische Transmission zur Drehung der Seiltrommeln zu verwenden. Namentlich bei Bauten und an - deren Hebeeinrichtungen für vorübergehenden Gebrauch wird die elektrische Krafttransmission der Einfachheit und Leichtigkeit der Einrichtung und Aufstellung wegen sich häufig als sehr vor - theilhaft erweisen.

[547]

Die dynamo-elektrische Maschine.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. d. Wiss. v. 18. Nov.)

1880.

Mit dem Namen dynamo-elektrische Maschine bezeichnete ich in einer Mittheilung, welche der Akademie von meinem ver - ehrten Lehrer und Freunde Martin Magnus am 17. Januar 1867 gemacht wurde, ein Maschinensystem, bei welchem die bis dahin bei Inductionsmaschinen zur Erzeugung elektrischer Ströme ver - wendeten Stahl - oder dauernd magnetisirten Elektromagnete durch solche Elektromagnete ersetzt waren, deren Drahtwindungen einen Theil des Stromlaufes der inducirten Drahtspiralen bildeten. Ich wies in dieser Mittheilung nach, dass bei jeder elektromag - netischen Kraftmaschine, wenn sie durch äussere Kräfte in ent - gegengesetztem Sinne gedreht wird, als der, in welchem sie sich durch eine in ihren Stromkreis eingeschaltete galvanische Kette bewegt, eine fortlaufende Verstärkung des in ihren Windungen circulirenden Stromes eintreten muss. Ich zeigte ferner, dass bei zweckentsprechender Construction der Maschine der im Eisen zurückbleibende Magnetismus ausreicht, um bei hinläng - lich schneller Drehung diesen Steigerungsprocess einzuleiten, so dass eine einmal thätig gewesene Maschine für immer die Eigen - schaft gewonnen hat, elektrische Ströme zu erzeugen, deren Stärke eine Function der Drehungsgeschwindigkeit ist. Endlich wies ich schon in dieser Mittheilung darauf hin, dass durch diese Combination das bisher bestandene Hinderniss der Erzeugung sehr starker Ströme durch Aufwendung von Arbeitskraft hin - weggeräumt sei, und sprach die Erwartung aus, dass viele Ge - biete der Technik durch die ihr von nun an zu Gebote stehen -35*548den, leicht und billig zu erzeugenden, starken Ströme einen wichtigen Antrieb zu weiterer Entwickelung finden würden.

Es bedurfte eines Zeitraumes von vierzehn Jahren, bis die letztere Erwartung ersichtlich in Erfüllung ging. Gegenwärtig benutzt die Hüttenindustrie bereits dynamo-elektrische Maschinen, welche täglich Tonnen Kupfers galvanisch in chemisch reinem Zu - stande niederschlagen und es dabei von den Edelmetallen, die es enthielt, trennen. Durch dynamo-elektrische Maschinen er - zeugte Ströme speisen bereits hunderttausende von elektrischen Lichtern, und diese[beginnen] schon in vielen Fällen die älte - ren Beleuchtungsarten zu verdrängen. Eine kaum übersehbare Tragweite scheint aber in neuerer Zeit die Uebertragung und Vertheilung von Arbeitskraft durch dynamo-elektrische Maschinen und namentlich die Fortbewegung von Personen und Lasten durch den elektrischen Strom zu gewinnen.

Obgleich ich an dieser Entwickelung der dynamo-elektri - schen Machine und ihrer Anwendung stets thätigen Antheil ge - nommen habe, fand ich doch keine Veranlassung, der Akademie über diese Arbeiten zu berichten, da es weniger wissenschaftliche als technische Aufgaben waren, die gelöst werden mussten, um die Maschine selbst und die Hülfsorgane derselben für ihre tech - nische Verwendung zweckentsprechend auszubilden.

Nachdem jedoch gegenwärtig hierin ein gewisser Abschnitt erreicht ist, bitte ich die Akademie, mir zu gestatten, ihr zu - nächst eine Uebersicht des Ganges dieser Entwickelung und der Richtungen, in welchen weitere Verbesserungen anzustreben sind, und demnächst eine Arbeit des Dr. Frölich vorzulegen, in welcher derselbe die zahlreichen zon mir veranlassten Versuche mit dy - namo-elektrischen Maschinen zusammenstellt und eine Theorie ihrer Wirkung und ihrer Benutzung zur Kraftübertragung ent - wickelt hat.

Bei der ursprünglich von mir construirten dynamo-elektri - schen Maschine bestand der bewegliche Theil aus meinem roti - renden Cylindermagnete, dessen Construction im Jahre 1857 von mir publicirt wurde1)Poggend. Ann. Bd. 101. p. 271.. Die Wechselströme, welche in den Lei - tungsdrähten dieses Cylindermagnetes bei seiner Rotation zwi -549 schen den ausgehöhlten Polen eines starken Elektromagnetes auf - treten, wurden durch einen Commutator mit Schleiffedern gleich gerichtet und durchliefen dann die Windungen des fest stehenden Elektromagnetes. Es stellte sich bei dieser Maschine der uner - wartete Umstand ein, dass die Erwärmung des rotirenden Ankers eine viel grössere war, als die Rechnung ergab, wenn man nur den Leitungswiderstand des Umwindungsdrahtes und die Strom - stärke in Betracht zog. Als Ursache dieser grösseren Wärme - entwickelung ergab sich bald, dass das Eisen des Ankers selbst sich bedeutend erwärmte. Zum Theil war diese Erwärmung den Strömen zuzuschreiben, welche der Magnetismus des festen Mag - netes im Eisen des rotirenden Ankers erzeugen musste (den sogen. Foucault’schen Strömen); doch sie blieb auch zum grössten Theile noch bestehen, als der Anker aus dünnen Eisenblechen mit isolirenden Zwischenlagen, die den Foucault’schen Strömen den Weg versperrten, hergestellt war. Es musste daher eine andere Ursache der Wärmeentwickelung im Eisen wirksam sein. Eine nähere Untersuchung der Erscheinung ergab in der That, dass das Eisen bei sehr schnellem und plötzlichem Wechsel seiner magnetischen Polarität sich erhitzt, wenn die Magnetisi - rung sich dem Maximum der magnetischen Capacität des Eisens nähert. Dieser Uebelstand der Erhitzung des rotirenden Ankers machte es nothwendig, denselben bei längerem Gebrauche der Maschine durch einen Wasserstrom zu kühlen, um die Verbren - nung der Umspinnung der Drähte und anderer durch Erhitzung zerstörbarer Theile derselben zu verhindern. Die Unbequemlich - keit dieser Kühlung und der durch die Umwandlung von Arbeit in Wärme bedingte beträchtliche Arbeitsverlust bildeten jedoch ein grosses Hinderniss der Anwendung der dynamo-elektrischen Maschine. Die Beseitigung desselben wurde angebahnt durch den magnet-elektrischen Stromgeber, welchen Pacinotti im Nuovo Cimento 1863 publicirte. Derselbe bestand aus einem Eisen - ringe, welcher seiner ganzen Länge nach mit einer Drahtspirale umwunden war und der zwischen den ausgehöhlten Polen eines per - manenten Magnetes rotirte. Durch magnetische Vertheilung bil - deten sich in diesem Eisenringe Magnetpole, welche den entgegen - gesetzten Polen des festen Magnetes gegenüberstanden und ihre Lage auch dann beibehielten, wenn der Eisenring rotirte. Da550 hierbei die äusseren Theile der Drahtwindungen des Ringes con - tinuirlich die beiden feststehenden magnetischen Felder zwischen den Magnetpolen und dem Eisenringe durchliefen, so mussten in dem in sich geschlossenen Umwindungsdrahte entgegengesetzt gerichtete elektro-motorische Kräfte auftreten, die keinen Strom erzeugen konnten, weil sie gleich gross waren. Verband man aber die einzelnen Drahtwindungen oder gleichmässig auf der Ringoberfläche vertheilte Gruppen dieser Windungen leitend mit Metallstücken, die concentrisch um die Rotationsaxe des Ringes gruppirt waren, und liess man diese unter zwei feststehenden Schleiffedern fortgehen, welche sich in gleichem Abstande von beiden Magnetpolen gegenüberstanden, so vereinigten sich die beiden entgegengesetzten Ströme der Drahtwindungen, welche nun eine Ableitung fanden, zu einem einzigen continuirlichen Strome durch den die Schleiffedern verbindenden Stromleiter. Ich hatte zwar schon viel früher eine ähnliche Combination be - nutzt, um continuirliche Ströme mit Hülfe einer in sich geschlos - senen Inductionsspirale zu erzeugen1)Eine derartige Maschine zur Hervorbringung continuirlicher hoch - gespannter Ströme für telegraphische Zwecke war von Siemens & Halske in der Londoner Industrieausstellung von 1855 ausgestellt und befindet sich gegenwärtig im hiesigen Postmuseum. Sie besteht aus einem flachen Conus oder Teller, welcher auf einer ebenen Fläche sich abrollt. War der Rand der Mantelfläche des Conus mit kleinen Elektromagneten besetzt, deren Windungen einen in sich geschlossenen Leitungskreis bildeten, während die ebene Fläche mit Stahlmagneten armirt war, so näherte sich bei dem Fort - rollen des Tellers die Hälfte der Elektromagnetpole den Polen der Stahl - magnete, während sich die andere Hälfte von denselben entfernte. Der gemein - same Umwindungsdraht communicirte zwischen je zwei der Hufeisen-Elek - tromagnete, die sich in radialer Lage befanden, mit Contactstücken, die im Kreise um die Welle angebracht waren, welche den Teller drehte, d. i. rollen liess. Zwei mit der Welle verbundene isolirte Schleiffedern waren so eingestellt, dass sie stets die Contactstellen berührten, welche zu dem den Stahlmagneten nächsten und zu dem ihnen fernsten Elektromagnete führten. Da bei der Annäherung und Entfernung der Elektromagnete von den permanenten Magneten Ströme entgegengesetzter Richtung in den Windungen der ersteren inducirt werden, so vereinigen sich dieselben in den Schleiffedern zu einem continuirlichen, bei gleichmässiger Drehung constanten Strome. Sollte die Maschine als elektro-magnetische Kraft - maschine benutzt werden, so wurde ein eiserner Conus verwendet und die Elektromagnete in die ebene Fläche gesetzt., der Pacinotti’sche Ring551 hat aber vor dieser den Vorzug grösserer Einfacheit, und dass der allmählich vor sich gehende Polwechsel im Eisen weniger Wärme entwickelt. Dem Anschein nach hat Pacinotti seine Ringmaschine nur zur Herstellung kleiner magnet-elektrischer Stromerzeuger und kleiner elektro-magnetischer Maschinen ver - wendet. Gramme in Paris hatte zuerst, im Jahre 1868, den glücklichen Gedanken, dynamo-elektrische Maschinen mit Hülfe des Pacinotti’schen Ringes auszuführen und dadurch die lästige Erhitzung des Eisens der rotirenden Cylindermagnete zu be - seitigen.

Der Gramme’schen dynamo-elektrischen Maschine haftet aber noch der Mangel an, dass nur die die magnetischen Felder durch - laufenden äusseren Theile der Drahtwindungen der inducirenden Wirkung unterliegen, während die innere Hälfte derselben ohne wesentliche Wirkung bleibt und den Widerstand der Strombahn nur nutzlos erhöht. v. Hefner-Alteneck beseitigte denselben bei der nach ihm benannten dynamo-elektrischen Maschine zum grossen Theile dadurch, dass er den rotirenden Ring oder auch einen massiven Eisencylinder nur an der Aussenseite mit Win - dungen versah, welche gruppenweise, wie bei der Gramme’schen Maschine, mit Contactstücken und Schleiffedern oder Drahtbürsten communicirten. Die Gramme’sche und die v. Hefner’sche Maschine sind vielfach in wissenschaftlichen und technischen Schriften dar - gestellt und erörtert worden, ich werde daher hier auf eine spe - cielle Beschreibung derselben nicht eingehen. Sie bilden gegen - wärtig die typischen Grundformen für Maschinen zur Erzeugung starker elektrischer Ströme für technische Zwecke und werden diesen entsprechend in den verschiedensten Formen und Grössen ausgeführt. So besitzen z. B. die Maschinen v. Hefner’scher Construction, welche zur Kupferraffinirung in der Kupferhütte zu Oker benutzt werden und von denen eine jede täglich in zwölf hinter einander geschalteten Zellen ca. 300 kg Rohkupfer auflöst und galvanisch in Plattform wieder niederschlägt, Umwindungs - drähte von 13 cm Querschnitt, während Maschinen zur Er - zeugung vieler elektrischer Lichter und zur Kraftübertragung Um - windungsdrähte vom Gewichte mehrerer Centner haben.

Diese im Vergleich mit früheren elektrischen Apparaten colossalen Leistungen und Dimensionen werden jedoch noch be -552 deutend überschritten werden, wenn die neuerdings angebahnte Anwendung der dynamo-elektrischen Maschine zur Kraftüber - tragung allgemeiner geworden ist.

Wenn man zwei dynamo-elektrische Maschinen in denselben Kreislauf bringt und die eine mit constanter Geschwindigkeit dreht, so muss die andere sich als elektro-magnetische Maschine in umgekehrter Richtung drehen, wie schon aus der Betrachtung folgt, dass eine dynamo-elektrische Maschine eine in umge - kehrter Richtung gedrehte elektro-magnetische Maschine ist. Der Gegenstrom, den diese durch den Strom rotirende Maschine er - zeugt, schwächt nun den durch die primäre dynamo-elektrische Maschine erzeugten Strom und vermindert dadurch zugleich auch die Arbeit, welche zur Drehung der letzteren erforderlich ist. Hätte die secundäre Maschine weder innere noch äussere Arbeit zu verrichten, so würde sich ihre Geschwindigkeit so weit steigern, bis ihre elektromotorische Gegenkraft der der primären Maschine das Gleichgewicht hielte. Es würde dann kein Strom mehr durch die Leitung gehen, aber auch weder Arbeit consumirt noch ge - leistet. Vollständig kann dieser Gleichgewichtszustand natürlich niemals erreicht werden, weil die secundäre Maschine innere Widerstände zu überwinden hat und weil die primäre Maschine eine von ihrer Construction abhängende Geschwindigkeit erreichen muss, bevor der dynamo-elektrische Verstärkungsprozess des Stromes seinen Anfang nimmt. Wird der secundären Maschine nun eine Arbeitsleistung aufgebürdet, so vermindert sich dadurch ihre Geschwindigkeit. Mit dieser vermindert sich die von der Rotationsgeschwindigkeit abhängige Gegenkraft, und es durch - läuft nun beide Maschinen ein der Differenz ihrer elektrischen Kräfte entsprechender Strom, dessen Erzeugung Kraft verbraucht und der seinerseits in der secundären Maschine die ihr auferlegte Arbeit leistet. Ich habe bereits an anderen Orten1)Zeitschrift des elektro-technischen Vereins. Februarheft 1879. darauf hin - gewiesen, dass der bei dieser Kraftübertragung erzielte Nutzeffect keine constante Grösse ist, sondern von dem Verhältnisse der Geschwindigkeit beider Maschinen abhängt, und dass er mit der Rotationsgeschwindigkeit derselben wächst. Durch die nachfolgend beschriebene Untersuchung hat sich dies innerhalb gewisser553 Grenzen bestätigt. Praktisch ist bisher ein Nutzeffect bis zu 60 pCt. der aufgewendeten Arbeit erzielt worden, und es sind mit den grössten zur Verwendung gekommenen Maschinen, die allerdings nicht speciell für Kraftübertragung, sondern für Beleuchtungszwecke construirt waren, bis zu 10 mit dem Prony’schen Zaume gemessene Pferdekräfte übertragen worden, mit einem Nutzeffecte von durchschittlich 50 pCt. Es wird hier - nach bei der elektrischen Kraftübertragung bisher nur etwa die Hälfte der aufgewendeten Arbeit als Nutzarbeit wieder ge - wonnen, während die Hälfte zur Ueberwindung der Maschinen - und Leitungswiderstände verbraucht und in Wärme umgewandelt wird. Die Grösse dieses Kraftverlustes ist offenbar von der Construction der Maschine abhängig. Wäre keine Aussicht vor - handen, durch Verbesserung dieser Constructionen eine wesent - liche Verminderung desselben herbeizuführen, so würde die tech - nische Verwendung der elektrischen Kraftübertragung eine einiger - massen beschränkte bleiben. Es ist daher von Wichtigkeit, die in der Maschinenconstruction liegenden Ursachen des Kraftver - lustes festzustellen und dann in Betracht zu ziehen, ob und auf welchem Wege eine gänzliche oder theilweise Beseitigung dieser Verlustquellen anzubahnen ist. Es können hierbei die rein mechanischen Kraftverluste durch Reibungen, Luftwiderstände, Stösse etc. in den Maschinen ausser Betracht gelassen werden. Sie bilden nur einen kleinen Theil des Verlustes, und ihre mög - lichste Verminderung ist durch Anwendung bekannter Construc - tionsgrundsätze herbeizuführen.

Die wesentliche und niemals ganz zu beseitigende physika - lische Ursache des Kraftverlustes ist die Erwärmung der Leiter durch den elektrischen Strom. Da bei den Maschinen, bei welchen kein plötzlicher Wechsel des Magnetismus stattfindet, auch keine merkliche unmittelbare Erwärmung des Eisens der Elektromagnete eintritt, so braucht bei diesen überhaupt nur diese Erwärmung der Leiter durch die sie durchlaufenden Ströme in Betracht ge - zogen zu werden. Diese Leiter sind hier nicht nur die Lei - tungsdrähte der Maschinen und die leitende Verbindung der - selben, sondern auch die bewegten Metallmassen der Maschinen, in welchen Ströme inducirt werden, die sie erwärmen (die soge - nannten Foucault’schen Ströme). Als wesentlicher Grundsatz554 für die Construction der dynamo-elektrischen Maschinen ergiebt sich hiernach, dass

  • 1. alle ausserwesentlichen Widerstände der Maschine, d. i. hier alle diejenigen Leitungsdrähte, welche nicht elektro - motorisch wirken, möglichst beseitigt oder doch vermindert werden;
  • 2. dass die Leitungsfähigkeit aller Leiter, auch der elektro - motorisch wirksamen, möglichst gross gemacht wird;
  • 3. dass durch die Anordnung der Metallmassen, in welchen durch bewegte Stromleiter oder Magnete Foucault’sche Ströme erzeugt werden können, diesen die Strombahn möglichst abgeschnitten wird;
  • 4. dass der in den Elektromagneten erzeugte Magnetismus möglichst vollständig und direct zur Wirkung kommt;
  • 5. dass die Abtheilungen der Windungen des inducirten Drahtes, welche von Strömen wechselnder Richtung durchströmt werden, möglichst klein, die Zahl der Abthei - lungen mithin möglichst gross gemacht wird, damit der beim Stromwechsel eintretende Extracurrent möglichst klein wird.

Betrachten wir die beiden diesen Betrachtungen zu Grunde liegenden Maschinensysteme, das Gramme’sche und das v. Hef - ner’sche, vom Standpunkte dieser Constructionsbedingungen aus, so finden wir, dass dieselben bei beiden nur in unvollkommener Weise erfüllt werden.

Bei beiden Maschinen wirkt der Magnetismus nicht direct inducirend auf die bewegten Drähte des Ankers, sondern es geschieht dies im Wesentlichen erst indirect durch den im Gramme’schen Ringe oder dem v. Hefner’schen äusserlich um - wickelten Eisencylinder durch die ausgehöhlten Magnetpole der festen Magnete erregten Magnetismus. Dass die directe induci - rende Wirkung der ausgehöhlten Magnetpole auf die rotirenden Drähte nur gering ist, ergiebt das Experiment, wenn man bei der v. Hefner’schen Maschine den Eisencylinder durch einen Cylinder aus nicht magnetischem Material ersetzt. Es folgt dies aber auch schon aus der Betrachtung, dass auf einen bewegten Draht nur diejenigen Theile des ausgehöhlten Magnetpoles in gleichem Sinne wie der Magnetismus des inneren Cylinders in -555 ducirend einwirken, welche ausserhalb der der Drehungsaxe pa - rallelen, durch den rotirenden Draht gelegten Ebene liegen, die senkrecht auf dem Drehungsradius des Drahtes steht, während die innerhalb dieser Ebene liegenden Theile der ausgehöhlten Pole eine entgegengesetzte Wirkung ausüben. Es muss daher bei beiden Maschinen zur Herbeiführung einer bestimmten In - ductionswirkung ein weit stärkerer Elektromagnet zur Wirkung kommen, wie unter günstigeren Bedingungen erforderlich wäre. Um diesen stärkeren Magnetismus zu erzeugen, muss ein grösserer Theil des zur Maschine verwendeten Leitungsdrahtes auf Kosten der Länge des inducirten Drahtes zur Magnetisirung des festen Magnetes verwendet werden.

Zur Beseitigung der Foucault’schen Ströme im rotirenden Eisenringe wird letzterer sowohl bei der Gramme’schen wie bei der v. Hefner’schen Maschine aus übersponnenen oder lackirten Eisendrähten gewickelt. Der Kreislauf dieser Ströme wird hier - durch auf den Umfang der Eisendrähte eingeschränkt, mithin auch der Wärmeverlust durch dieselben sehr klein gemacht. Dagegen bieten die ausgehöhlten Magnetpole diesen Strömen noch grössere geschlossene Strombahnen dar, welche Wärme - verluste bedingen.

Bei dem Pacinotti’schen Ringe der Gramme’schen Maschine liegt, wie schon hervorgehoben, ein grosser Kraftverlust, durch nutzlose Verlängerung des Umwindungsdrahtes, in dem Umstande, dass nur die äusseren Theile des Umwindungsdrahtes elektro - motorisch wirken, während die im Inneren des Ringes liegenden Theile desselben nur als Leiter auftreten und nutzlos erwärmt werden müssen. Bei dem nur äusserlich umwickelten v. Hefner - schen Eisencylinder ist dies Verhältniss wesentlich günstiger, doch bilden auch bei diesem die die Stirnflächen der Cylinder bedeckenden Drahtstücke todte Widerstände. Ist die Länge des Cylinders, wie gewöhnlich der Fall, ein Vielfaches des Durch - messers, so ist der durch die nicht inducirend wirksamen Drähte erzeugte Verlust an Leitungsfähigkeit allerdings weit geringer, wie bei der Gramme’schen Maschine. Dagegen hat diese aber den Vorzug einer einfacheren Drahtführung, welche die Möglich - keit gewährt, eine grössere Zahl kleinerer Windungsabtheilungen einzuführen, wodurch der Kraftverlust durch den beim Wechsel556 der Stromrichtung eintretenden Extracurrent und die zum Theil von diesem abhängige lästige Funkenbildung vermindert wird.

Von noch grösserer Bedeutung, wie diese Verlustquellen, welche alle auf unnütze Vergrösserung der zur Erzielung eines bestimmten Effectes erforderlichen Maschine und ihres Leitungs - widerstandes hinführen, ist aber, wie aus der Zusammenstellung unserer Versuche durch Dr. Frölich hervorgeht, der rückwir - kende Einfluss der die Drähte der Maschine durchlaufenden in - ducirten Ströme selbst. Dieser Einfluss ist bei beiden hier be - trachteten Maschinensystemen ein doppelter, nämlich einmal die Verschiebung der Lage der magnetischen Pole des Pacinotti’schen Ringes, resp. des v. Hefner’schen Cylinders, und zweitens die Herabdrückung des magnetischen Maximums, sowohl der festen Magnetpole, wie des Ringes, durch Magnetisirung des Eisens im Sinne der inducirten Ströme, mithin senkrecht auf die Richtung des wirksamen Magnetismus. Die inducirten Ströme suchen den Ring resp. den Cylinder derart zu magnetisiren, dass die Polebene senkrecht auf der Polebene der festen Magnete steht, es muss die wirk - liche Polebene daher die Resultante der beiden, senkrecht auf einander stehenden, magnetisirenden Einflüsse sein. Es ergiebt sich dies auch daraus, dass man die Schleiffedern beim Gange der Maschine um einen von der Stärke des inducirenden Stromes abhängigen Betrag nachstellen muss, um das Maximum der Wir - kung zu erhalten. Durch diese Magnetisirung in einer zur Richtung des inducirenden Magnetismus senkrechten Richtung wird nun ein Theil der hypothetischen magnetischen Eisenmole - küle in Anspruch genommen; es muss daher die Magnetisirung des Ringes durch den festen Magnet entsprechend kleiner wer - den. Aus dem Umstande, dass man die Contactfedern oder Bürsten bei schnellerer Rotation des Cylinders mehr wie bei langsamerem Gange nachstellen muss, auch wenn durch äussere eingeschaltete Widerstände die Stromstärke constant erhalten wird, ergiebt sich ferner, dass entweder ein Mitführen des im Ringe oder Cylinder durch die feststehenden Magnetpole erzeug - ten Magnetismus durch das rotirende Eisen stattfindet, oder dass Zeit zur Ausführung der Magnetisirung erforderlich ist, die Ringmagnetisirung mithin um so kleiner wird, je grösser die Rotationsgeschwindigkeit des Ringes ist.

557

Diesen Ursachen ist auch die auffallende Erscheinung zuzu - schreiben, dass die Stromstärke der in sich geschlossenen Dyna - momaschine nach Beendigung des Steigerungsprocesses der Drehungsgeschwindigkeit nahe proportional ist, während das dynamo-elektrische Princip an sich (d. h. ohne Berücksichtigung der Erwärmung der Drähte, der secundären Wirkung der indu - cirten Ströme u. s. w.) bei jeder Drehungsgeschwindigkeit ein Ansteigen des Stromes bis zu derselben unendlichen Höhe be - dingt, wenn der Magnetismus der Stromstärke proportional ist.

Ob und in wie weit eine Vervollkommnung der Construc - tion der dynamo-elektrischen Maschinen die geschilderten Mängel derselben zu beseitigen im Stande ist, lässt sich theoretisch nicht feststellen. Auf die Pläne, durch welche eine solche Ver - vollkommnung angestrebt wird, hier einzugehen, würde zweck - los sein. Um jedoch das Bild der gegenwärtigen Sachlage zu vervollständigen, will ich noch einige meiner Versuchsconstruc - tionen beschreiben, welche den Ausgangspunct zu diesen Be - strebungen bilden. Dieselben hatten den directen Zweck, Ma - schinen für chemische Zwecke herzustellen, bei welchen geringe elektromotorische Kraft ausreichend, aber sehr geringer innerer Widerstand erforderlich ist.

Die eine dieser Versuchsconstructionen, die sogenannte Topf - maschine, hat als Grundlage meinen schon früher beschriebenen Cylindermagnet oder Doppel-T-Anker (Siemens armature). Wenn man einen solchen transversal umwickelten Magnet, dessen Pol - flächen Theile eines Cylindermantels sind, mit parallelen Leitern umgiebt, die an einem Ende sämmtlich mit einander leitend ver - bunden sind, und dieselben um den Cylindermagnet rotiren lässt, so werden in denjenigen Drähten, welche sich gerade über der einen Polfläche befinden, positive, in den über der anderen be - findlichen negative Ströme inducirt, welche sich durch passend angebrachte Schleifcontacte, welche alle in gleichem Sinne indu - cirten Drähte oder Kupferstäbe leitend mit einander verbinden, zu Strömen grosser Stärke vereinigen, da der Widerstand der Maschine ein ausserordentlich geringer ist.

Die Potentialdifferenz der beiden Schleifcontacte konnte der Kürze der inducirten Leiter wegen selbstverständlich nur eine geringe sein. Sie erreichte bei der grössten zulässigen Rota -558 tionsgeschwindigkeit noch nicht ein Daniell, was aber ausreichend für galvanoplastische Zwecke ist.

Durch Anbringung eines Mantels aus isolirten Eisendrähten lässt sich die Stärke der magnetischen Felder und damit die elektro-motorische Kraft des Stromes noch beträchtlich verstärken. Bei dieser Construction der dynamo-elektrischen Maschine wirkt der Magnetismus direct inducirend; es fällt daher bei ihr eine Reihe der oben erörterten Constructionsfehler fort. Sie bildet daher den Ausgangspunkt für verbesserte Constructionen von dynamo-elektrischen Maschinen, über welche ich mir weitere Mittheilungen vorbehalte.

Eine zweite Construction ruht auf einer ganz abweichenden Grundlage, nämlich auf der sogenannten unipolaren Induction. Bekanntlich entsteht in einem Hohlcylinder, welchen man um das Nord - oder Südende eines Magnetstabes rotiren lässt, ein Stromimpuls, der sich durch einen Strom in der leitenden Ver - bindung von Schleiffedern an den beiden Enden des rotirenden Cylinders kundgiebt. Es wurde nun ein Hufeisen mit langen cylindrischen Schenkeln so placirt, dass die Polenden nach oben gerichtet waren. Das untere Drittheil der Schenkel wurde mit Drahtwindungen von sehr grossem Querschnitt (etwa 20 cm, umgeben. Um die oberen zwei Drittel der Länge der Schenkel rotirten zwei Hohlcylinder aus Kupfer, deren untere Enden mit den oberen Anfängen der unter sich verbundenen Spiralen durch ein System von Schleiffedern communicirten, während die an dem oberen Ende derselben angebrachten Schleiffedern isolirt waren. Die rotirenden Cylinder waren mit einem eisernen Mantel um - geben, welcher den Zweck hatte, den Magnetismus des Elektro - magnetes, resp. die Stärke der cylindrischen magnetischen Felder, in denen die Kupfercylinder arbeiteten, zu vergrössern. Es ge - lang bei den allerdings bedeutenden Dimensionen dieser Ma - schine, durch unipolare Induction einen Strom zu erzeugen, welcher in einem äusserst geringen Widerstande thätig war und eine elektro-motorische Kraft von ca. 1. Daniell besass. Trotz dieser verhältnissmässig bedeutenden Leistungen war der Nutz - effect dieser Maschine nicht befriedigend, da die Reibung der Schleiffedern zu gross war und die Leistung der Grösse der Maschine nicht entsprach.

559

Ich will hier noch bemerken, dass mein Freund G. Kirch - hoff mir einen beachtenswerthen Vorschlag machte, um die elektromotorische Kraft dieser Maschine durch Vergrösserung der Länge des inducirten Leiters zu vermehren.

Er schlug vor, die Wände der rotirenden Hohlcylinder durch Längsschnitte zu trennen und sie dann mit isolirenden Zwischen - lagen wieder zu einem Hohlcylinder zusammenzufügen. Jedes Ende eines der so gebildeten isolirten Stäbe sollte mit einem isolirten Schleifringe leitend verbunden werden. Durch die im Kreise anzuordnenden Schleiffedern konnten dann die Enden der Stäbe beider Cylinder derartig verbunden werden, dass sie in demselben Sinne elektromotorisch wirkten. Technische Schwierig - keiten haben die Durchführung dieses beachtenswerthen Vor - schlages bisher verhindert, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass dieselben zu überwinden sind. Auffallend ist bei dieser Maschine, dass der Magnetismus des grossen Hufeisenmagnetes viel früher von der Proportionalität mit dem (primären) Strom abweicht, als zu erwarten war. In der nachfolgenden Tabelle enthält die erste Colonne die Stärke des magnetisirenden Stromes in Stromeinheiten, die zweite die Spannungsdifferenz an den Schleiffedern in Daniells, die dritte die Umdrehungszahl der Kupfercylinder. Wäre der Magnetismus der Stärke des primären Stromes proportional, so müssten die Zahlen der vierten Colonne denen der ersten proportional sein, was ersichtlich nicht der Fall ist. Ebenso wenig ist bei dem durch einen Widerstand geschlossenen Leitungskreise die in der letzten Colonne an - gegebene Stromstärke in demselben dem Producte aus Strom - stärke des primären Kreises in die Tourenzahl, dividirt durch den eingeschalteten Widerstand, proportional. (Siehe Tabelle auf S. 560.)

Dass die Magnetschenkel, die aus Eisenröhren von 16 cm äusserem, 9 cm innerem Durchmesser und 116 cm Länge bestanden, schon bis zum Maximum magnetisirt gewesen waren, ist schon aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil der schwache rück - bleibende Magnetismus bereits etwa ein Achtel der stärksten Spannung gab, wie aus dem 10. Versuch hervorgeht. Es ist aber möglich, dass der Magnetismus nicht gleichmässig auf der Peripherie der feststehenden Magnetschenkel vertheilt war,560 und dass daher die augenblicklich in schwächeren magnetischen Feldern befindlichen Theile der rotirenden Cylinder eine Neben - schliessung für die in stärkeren Feldern inducirten Ströme bildeten. Bei Durchführung des Kirchhoff’schen Vorschlages würde dies fortfallen.

[561]

Beiträge zur Theorie des Elektro - magnetismus.

(Mon. ber. d. Berl. Akad. v. 23. Juni.)

1881.

Veranlassung zu dieser Untersuchung gab mir die Frage, welchen Einfluss auf die Grösse der Magnetisirung der im Eisen eines Elektromagnetes bereits vorhandene oder gleichzeitig in ihm in einer anderen Richtung durch äussere Kräfte hervorgerufene Magnetismus ausübt.

Die Ampère’sche Theorie verlangt die Annahme eines solchen Einflusses, wenn man mit Wilhelm Weber annimmt, dass der Magnetismus, in Uebereinstimmung mit Müller’s Ver - suchen, in den magnetischen Körpern stets vollständig, aber in einer begrenzten Menge vorhanden ist. Giebt es aber nur eine begrenzte Zahl von Elementarmagneten oder von sie ersetzenden Solenoiden im Eisen, so kann eine magnetisirende oder richtende Kraft nicht dieselbe Wirkung haben, wenn eine auf ihr senkrecht stehende Richtkraft gleichzeitig auf die Elementarmagnete drehend einwirkt. Es ergiebt sich dies für das Maximum der Magnetisirung ohne Weiteres aus der Betrachtung, dass man zwei gleichzeitig auf eine Eisenmasse wirkende Kräfte, die dieselbe in zwei senk - recht auf einander stehenden Richtungen zu magnetisiren bestrebt sind, immer durch eine dritte in der Richtung und Stärke der Resultante dieser Kräfte wirkende Kraft ersetzen kann. Die Magnetisirung der Eisenmasse wird daher im Sinne der Resultante der magnetisirenden Kräfte erfolgen und wird in dieser Richtung ihr Maximum erreichen. Das magnetische Moment der in der Richtung dieser Resultante gerichteten Elementarmagnete muss36562daher in der Richtung der wirksamen, hier als gleich gross an - genommenen Kräfte 〈…〉 betragen. Es muss dies wenigstens dann der Fall sein, wenn der magnetisirte Eisenkörper eine Kugel ist und das Maximum der Magnetisirung in der Richtung der Componente der Kräfte wirklich erreicht wird. Für Eisenmassen mit verschiedenen Dimensionen complicirt sich diese Betrachtung durch die Verschiedenheit der gegenseitigen Verstärkung des Magnetismus, welche die magnetisirten Eisenmolecüle auf ein - ander ausüben, worauf ich später zurückkommen werde.

Durch Versuche ist diese Folgerung aus der Ampère-Weber - schen Theorie bisher meines Wissens noch nicht bestätigt. Es hat dies zum Theil wohl darin seinen Grund, dass der Vorgang der Magnetisirung der magnetischen Körper überhaupt noch nicht in allen Richtungen aufgeklärt ist, wodurch die experimentelle Entscheidung einer bestimmten Frage sehr erschwert wird, zum Theil bei dieser speciellen Frage aber darin, dass es schwer fiel, den störenden Einfluss der starken magnetisirenden Kräfte selbst auf die Messung eines bestimmten magnetischen Momentes des Eisens zu eliminiren. Um dies zu erzielen, war es nöthig, be - sonders geformte Elektromagnete in Anwendung zu bringen, bei denen sowohl die magnetisirende Kraft, wie der von ihr im Eisen erzeugte Magnetismus der einen Richtung ohne Einfluss auf die Angaben des Mess-Apparates blieben, mit dem die Magnetisirung in einer anderen Richtung gemessen wurde.

Diese Bedingung wird erfüllt durch ein gerades Eisenrohr, welches mit der Axe parallel laufenden, isolirten Drähten derart umwunden ist, dass die äussere und die innere Wandfläche des Rohres gleichförmig mit parallelen Drähten bedeckt sind. Eine solche longitudinale Umwindung wie sie bei dem in der Elektrotechnik vielfach verwendeten Pacinotti’schen Ringe zur Verwendung kommt bewirkt, wenn sie von einem elektrischen Strome durchlaufen wird, in allen ihren Theilen eine Magneti - sirung der Rohrwand im Sinne der Tangenten des Rohres, so dass das Rohr einen in sich selbst geschlossenen Ring-Magnet darstellt. Wie Kirchhoff1)Poggendorff’s Annalen Ergänzungsbd. 5, S. 1. nachgewiesen hat, übt ein solcher, in sich geschlossener Ring-Elektromagnet keine Wirkung nach aussen563 aus. Für die Axe des Eisenrohres ergiebt sich dies auch schon aus der Betrachtung, dass alle Theile der Rohrwand, sowie die longitudinalen Windungen symmetrisch zu der Axe liegen und dass die magnetische Fernwirkung entgegengesetzt liegender Windungen und magnetisirter Eisentheile sich in Bezug auf sie aufhebt. Umgiebt man nun das longitudinal umwickelte Eisen - rohr mit einer zweiten äusseren, transversal gewickelten Spirale, welche, von einem Strome durchlaufen, das Eisenrohr im Sinne der Axe des Rohres magnetisirt, so ist die Summe der magne - tischen Momente der Spirale und des Eisenrohres in dieser Richtung an einem in der Axe des Rohres aufgestellten Spiegel - Magnetometer zu messen, während ein Strom durch die longitu - dinalen Windungen und der durch sie hervorgerufene tangentiale Magnetismus der Rohrwand ohne Einfluss auf das Magnetometer bleiben.

Bei den Versuchen wurde ein Eisenrohr von 15 mm innerem Durchmesser, 150 mm Länge und 3 mm Wandstärke benutzt, welches mit 36 longitudinalen Windungen von 1 mm dickem Kupferdrahte versehen war. Das longitudinal umwundene Rohr wurde in eine Drahtspirale aus 328 Windungen gleichen Drahtes von 100 mm Länge gesteckt. Das Rohr ragte etwa 25 mm auf beiden Seiten aus der Spirale heraus. Die Wirkung der Spirale auf das Galvanometer wurde durch eine zweite, von der ersteren entfernten Spirale compensirt, welche eine Verlängerung des Drahtes der ersteren bildete, so dass beide Spiralen stets von demselben Strome durchlaufen wurden.

Wurde nun das so umwundene Eisenrohr senkrecht zum Meridian in die Richtung nach einem Magnetometer mit aperio - disch schwingendem Glockenmagneten gebracht und ein Strom von etwa 10 Bunsen-Elementen durch die äussere Spirale B ge - schickt, so gab das Magnetometer einen Scalenausschlag, der ein Mass des im Sinne der Axe des Rohres erzeugten Magnetismus bildete. Es wurde demnächst nach einander eine Batterie von 1 bis 8 Elementen gleichzeitig in die innere (longitudinale) Spi - rale A eingeschaltet. Die Ablenkung des Magnetometers ver - minderte sich in Folge dessen, und zwar nahm diese Vermin - derung mit der Verstärkung der Batterie in der longitudinalen Spirale zu.

36*564

Die Versuche wurden so angestellt, dass erst die Ablenkung des Magnetometers bei Einstellung der Batterie in die äussere (transversale) Spirale ohne Strom in der longitudinalen Spirale abgelesen, dann nach einander stärkere Batterien in die longi - tudinale Spirale eingeschaltet und die dann erfolgenden Ablen - kungen beobachtet wurden:

Tabelle 1.

Wie hieraus ersichtlich, nahm der dem Strom in B ent - sprechende Ausschlag des Magnetometers während der Versuche ab, was offenbar von der gleichzeitigen Abnahme des Stromes in B herrührt. In der Curve zu Tab. 1 (Taf. VI) sind diese Versuche auf gleich starken Strom in B reducirt aufgezeichnet (Abscisse: Stromstärke in A, Ordinate: Ausschlag des Magnetometers).

Es ist hierdurch nachgewiesen, dass der durch eine mag - netisirende Kraft in einer Eisenmasse erzeugte Magnetismus kleiner wird, wenn gleichzeitig durch andere Kräfte eine Mag - netisirung derselben in einer senkrecht auf ihr stehenden Rich - tung stattfindet. Die Umkehr der Stromrichtung in der longi - tudinalen Spirale bleibt dabei ganz ohne Einfluss auf die Grösse der Ablenkung.

Der Ringmagnetismus nähert sich schon bei verhältniss - mässig schwachen Strömen seinem Maximum. Es rührt dies ein - mal davon her, dass die magnetisirende Gesammtwirkung eines von Eisen ganz umgebenen, von einem elektrischen Strome durch - laufenen Drahtes eine sehr viel grössere ist, als wenn derselbe Draht um einen Eisenstab gewunden ist, und ferner von der565 bedeutenden verstärkenden Wirkung, die der Ankerschluss in einem kurzen Magnete auf den Magnetismus ausübt. Die mag - netisirende Wirkung eines, der Einfachheit wegen als unendlich lang angenommenen, mit der Cylinderaxe zusammenfallenden Drahtes lässt sich durch eine einfache Rechnung bestimmen.

Fig. 57.

Es sei A ein Eisenrohr von der Länge l, dem mittleren Halbmesser ϱ und einer geringen Wandstärke s. Es sei ferner m n die Axe des Rohres, welche mit der eines geraden un - begrenzt langen Leiters m n zusammenfällt. Das Stromelement d x wird dann auf einen in der Röhrenwand liegenden Eisenkörper von den Dimensionen ϱ. d α, s und d l eine magnetisirende Kraft im Sinne der Tangente des Rohres ausüben, welche ausgedrückt wird, wenn mit i die Stromstärke und mit α der Peripherie - winkel bezeichnet wird, durch: 〈…〉 oder für den ganzen Ring durch: 〈…〉

Der Magnetismus des ganzen Ringes im Sinne seiner Peri - pherie ist dann 〈…〉 und da auf alle Ringe der ganzen Rohrlänge dieselbe Wirkung stattfindet, hat der Magnetismus des ganzen Rohres von der Länge l den Werth 〈…〉

Da der Werth von ϱ in diesem Ausdrucke nicht mehr vor - kommt, so ist der Durchmesser des Rohres auf die Grösse des erzeugten Magnetismus ohne Einfluss. Der in der Eisenwand566 eines Rohres durch einen centralen unbegrenzten Leiter erzeugte Gesammtmagnetismus ist daher unabhängig von dem Durchmesser des Rohres und direct proportional seiner Länge und seiner Wandstärke.

Zur Prüfung der Richtigkeit dieses Rechnungsresultates wurden 3 Eisenröhren von gleicher Länge, aber verschiedener Wandstärke und verschiedenem Durchmesser angefertigt, und jedes der Rohre mit zwei longitudinalen Spiralen versehen. Die primäre Spirale bestand bei jedem Rohre aus 90, die secundäre aus 30 Windungen. Durch die primäre Spirale wurden Ströme wechselnder Richtung geschickt und der in der secundären Spi - rale durch die Umkehr des Magnetismus erzeugte inducirte Strom durch den Ausschlag des Spiegelgalvanometers gemessen. Die Dimensionen der Eisenrohre a, b, und c von 100 mm Länge waren

Die Resultate der Versuche sind in Tab. 2 und den zugehörigen Curven der Tafel VI enthalten; in den Curven ist die Stromstärke Abscisse, der Magnetismus Ordinate. Wie aus dem Diagramm I ersichtlich, in welchem die horizontalen Abscissen die gemes - sene Stromstärke, die verticalen die durch die zugehörigen In - ductionsspiralen erzeugten Ausschläge bedeuten, ist der durch diese gemessene Magnetismus der Wandstärke ziemlich proportional, während die grössere lichte Weite zwar einen vermindernden Einfluss ausübt, der aber nicht bedeutend ist und durch die Art der Messung seine Erklärung findet. Genaue Uebereinstimmung liess sich bei diesen Versuchen aus dem Grunde nicht erwarten, weil die Beschaffenheit des Eisens bei Elektromagneten einen wesentlichen Einfluss ausübt.

Es ist bisher nur die directe magnetisirende Wirkung, welche ein mit der Ringaxe zusammenfallender Strom auf das Eisenrohr ausübt, in Betracht gezogen, nicht die verstärkende Wirkung, welche die durch den Strom aus ihrer Gleichgewichtslage im Sinne der Magnetisirungsrichtung abgelenkten Elementarmagnete567 oder Solenoide auf einander ausüben und dadurch den Magnetis - mus vermehren. Es ist schwer, sich von dieser verstärkenden Molecularwirkung, welche eine so wesentliche Rolle bei den elektromagnetischen Erscheinungen bildet, Rechenschaft zu geben, wenn man an der Ampère-Weber’schen Anschauung festhält, dass die Molecularmagnete mit gleichmässigem Abstande ihrer Mittelpunkte in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es ist auch kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nach - zuweisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne Ein - fluss blieben und an keiner Stelle eines nicht magnetisirten Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete auftreten könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und gleichzeitig eine leicht übersichtliche Erklärung für viele elektromagnetische Er - scheinungen gewonnen, wenn man die Ampère-Weber’sche Theorie durch die Annahme modificirt, dass jedes Eisen-Molecül aus zwei einander mit entgegengesetzten Polen nahe gegenüber - stehenden Elementarmagneten besteht, die zusammen in jeder Richtung frei und ohne Arbeitsaufwand drehbar sind, während jedes Molecularmagnetpaar durch äussere magnetisirende Kräfte in ähnlicher Weise auseinander gedreht wird, wie es mit einem astatischen Nadelpaare der Fall sein würde, wenn die Magnet - Nadeln sich einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen drehen könnten. Wird der Abstand der Elementarmagnete von einander als klein dem Abstande der gepaarten Molecüle gegen - über angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz - flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine richtende äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden Elementarmagnete der gepaarten Eisenmolecüle in verschiedenem Sinne drehen, so dass alle Nordpole der einen, alle Südpole der entgegengesetzten Richtung zugewendet werden. Wenn keine Wirkung der so magnetisirten Eisenmolecüle auf einander stattfände, so müsste das Kräftepaar, welches als magnetisirende Kraft die Elementar - magnete eines Molecüls aus einander zu drehen bestrebt ist, gleich der Kraft sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen Elementarmagnetpole der Drehung entgegen auf einander wirken. Es findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen568 den entgegengesetzten Polen aller so gerichteten Elementar - magnetpole und eine Abstossung zwischen allen gleichen Polen statt, deren Resultante eine Verstärkung der durch die magne - tisirende Kraft direct erzeugten Drehung ergiebt. Diese ver - stärkende Wechselwirkung findet nur in der Richtung der Magnetisirung statt, da die Wechselwirkungen neben einander liegender Molecularmagnetgruppen sich ausgleichen. Die Erschei - nung der Remanenz des Magnetismus oder der magnetischen Coërcitivkraft, sowie die Erwärmung der Elektromagnete durch häufigen schnellen Polwechsel verlangen ferner die Annahme, dass sich der Drehung der Elementarmagnete gegeneinander ein Reibungswiderstand entgegensetzt, während die gepaarten Mole - cüle sich, wie angenommen, widerstandslos in jeder Richtung drehen können. Dieser Reibungswiderstand begrenzt die gegen - seitige Verstärkung der Drehung der Elementarmagnete und ver - hindert andererseits das vollständige Verschwinden des Magne - tismus nach Aufhören der äusseren magnetisirenden Kraft.

Durch Annahme dieser Modification der Ampère-Weber’schen Theorie finden manche bisher unklare magnetische Erscheinungen ihre einfache Erklärung. Es muss nach ihr der Magnetismus eines Eisenstabes, auf dessen sämmtliche Molecüle eine gleiche magnetisirende Kraft ausgeübt wird, mit der Länge des Stabes so lange zunehmen, bis ein Gleichgewichtszustand zwischen allen Drehungs - und Reibungsmomenten sämmtlicher im Sinne der Magnetisirung vor einanderliegenden Molecularmagneten einge - treten ist.

Es muss die Mitte des Stabes daher am stärksten magnetisirt werden und hier am ehesten eine Annäherung an das Maximum der Magnetisirung eintreten. Es muss ferner ein dünner Stab durch gleiche auf ihn einwirkende Kräfte stärker magnetisirt werden, sich also auch früher dem Maximum der Magnetisirung nähern wie ein dicker, da beim dünnen Stabe alle verstärkend auf einander wirkenden Molecularmagnete mehr direct hinter ein - ander liegen, die Gesammtwirkung daher grösser sein muss. Da die Molecule der Endflächen der Elektromagnet-Stäbe nur der den Magnetismus verstärkenden Wirkung der Molecular Magnete von einer Seite ausgesetzt sind, so muss der Magnetismus der Endflächen kurzer Stäbe gleich sein der Hälfte des Magnetismus569 der Mitte des Stabes + der directen Magnetisirung durch die magnetisirende Kraft. Dass diese letztere directe Drehung klein ist im Vergleich mit der der gegenseitigen Verstärkung, folgt aus der starken Magnetisirung kurzer geschlossener Ring - oder Huf - eisenmagnete durch schwache magnetisirende Kräfte. Bei einem solchen in sich geschlossenen Ringmagnete muss die Magnetisirung eines jeden Querschnittes des Ringes sich verhalten, wie die des Querschnittes durch die Mitte eines sehr langen Magnetstabes, da im Ringe die verstärkende Wirkung ebenso wie die äussere magne - tisirende in jedem Querschnitte dieselbe ist. Die Grösse der Magnetisirung eines geschlossenen Ringmagnetes wird daher einmal durch das Maximum der Magnetisirbarkeit des Eisens und zweitens durch die Summe der Reibungswiderstände der Molecularmagnete des ganzen Kreises bedingt. Bei gleicher magnetisirender Ein - wirkung auf alle Molecularmagnete durch äussere Kräfte muss daher die verstärkende Wirkung mit der Länge des zum Ringe gebogenen Eisens abnehmen. Es musste daher auch bei den oben beschriebenen Versuchen das weitere Rohr c durch gleiche magne - tisirende Kräfte einen geringeren Magnetismus annehmen wie das engere Rohr b von gleicher Wandstärke. Wie schon aus den oben mitgetheilten Versuchen sich ergiebt und durch die späteren sich noch bestimmter herausstellen wird, genügt schon ein verhält - nissmässig schwacher Strom in der magnetisirenden Spirale, um den Ringmagnetismus der Maximalmagnetisirung zu nähern. Es muss mithin die gegenseitige Verstärkung des Magnetismus der Molecularmagnete die directe Magnetisirung durch die äussere magnetisirende Kraft bedeutend überwiegen. Es wird dies auch durch die Thatsache bestätigt, dass eine dünne Eisenscheibe, die auf die Polfläche eines starken Magnetes gelegt wird, von diesem nicht merklich angezogen wird, wenn die Ränder der Scheibe nicht über die Polflächen hinausragen, dass aber sofort eine starke Anziehung eintritt, wenn ein Theil der Eisenplatte über den Rand der Polfläche hinausragt.

Ein Widerspruch gegen diese Anschauung schien darin zu liegen, dass die Tragkraft von geschlossenen Hufeisenmagneten nach einigen Beobachtern mit dem Quadrat des Magnetismus, nach anderen wenigstens in einem viel höheren Verhältnisse, wie der Magnetismus selbst, zunehmen soll. Wie aus den folgenden570 Versuchen sich ergiebt, ist die Tragkraft eines kurzen Ring - oder Röhrenmagnetes aber nahe direct proportional dem durch In - duction gemessenen wirksamen Magnetismus. Dass dies der Fall sein muss, ergiebt sich aus der Betrachtung, dass die magnetische Anziehung zweier unendlich naher Querschnitte des Ringes der Summe der gegenseitigen Anziehung aller magneti - sirten Molecularmagnete auf beiden Seiten der Schnittfläche gleich sein muss, dass diese Summe aller anziehenden Kräfte aber auch als der im Ringquerschnitte thätige Magnetismus zu betrachten ist. Die abweichenden Beobachtungen werden durch zu grosse Länge des magnetischen Kreises, durch unvollkommene Berührung der Anker - und Magnetflächen und durch zu geringe Grösse der Berührungsflächen zu erklären sein.

Es wurde ein Röhrenmagnet von 10,8 mm lichter Weite, 2,3 mm Wandstärke und 150 mm Länge so hergerichtet, dass er durch einen durch die Rohraxe gehenden Schnitt in zwei Halbcylinder getheilt wurde. Die Röhrenhälften wurden sorg - fältig auf einander geschliffen und jede mit einer Hälfte der beiden Drahtspiralen umwunden. Durch passende Vorrichtungen konnte nun das Gewicht bestimmt werden, welches erforderlich war, um die Röhrenhälften auseinander zu reissen und gleichzeitig der in der Inductionsspirale bei der Trennung entstehende Inductions - strom gemessen werden. In der folgenden Tabelle 2 (S. 571, 572) enthält die erste Verticalspalte die Stromstärke der Magnetisirungs - spirale, die zweite den beim Abreissen entstehenden inducirten Strom, die dritte die Abreissgewichte in Kilogrammen, die vierte den Quotienten der Zahlen der beiden letzten Spalten. Diese Quotienten der vierten Spalte sollten alle gleich sein, wenn die Tragkraft dem thätigen Magnetismus direct proportional war. Wie ersichtlich finden beträchtliche Abweichungen statt und die Quotienten nehmen mit steigender Stromstärke etwas ab. Es kann dies aber auch der grösseren Zusammenpressung der Schnitt - flächen, der Verbiegung und anderen mechanischen Ursachen zu - geschrieben werden.

Eine zweckmässigere Form ist diesem Röhrenmagneten da - durch zu geben, dass das Eisenrohr zum Kreise gebogen wird. Ist der von Eisen rings umschlossene, ringförmige Hohlraum mit einer passend gewickelten Drahtspirale ausgefüllt, nachdem das571 Tabelle 2. a) Eisenrohr I. Wandstärke = 2,3 mm; Lichtweite 10,8 mm.

b) Eisenrohr II. Wandstärke = 4,5 mm; Lichtweite 11 mm.

572c) Eisenrohr III. Wandstärke = 4,5 mm; Lichtweite 17,5 mm.

kreisförmige Rohr durch einen Schnitt durch die grösste Ring - ebene in zwei gleiche Halbringe getheilt und dadurch das Ein - legen der Drahtspirale ermöglicht ist, so wird man ohne grossen Fehler für diesen ringförmigen Rohrmagnet die oben entwickelte Formel für die Magnetisirung und die Tragkraft anwenden können, wenn der Radius des Ringes nicht zu klein ist.

Tabelle 3.

Die Tabelle 3 giebt die mit einem solchen ringförmigen Röhrenmagnete angestellten Abreissversuche.

Verlag von Julius Springer, Berlin N.

573

Die beiden gleichen ringförmigen Eisenschalen, welche, auf - einander gelegt, den Röhrenmagnet bilden, waren gut aufein - ander geschliffen. An jeder Schale war ein messingener Bügel befestigt, mittelst deren die Magnetschalen auseinander gerissen werden konnten. Die Spirale bestand aus 360 Windungen über - sponnenen Kupferdrahtes von 0,5 mm Dicke und 8,7 Einheiten Widerstand. Der innere Durchmesser derselben betrug 62 mm, der äussere 81 mm, ihr Querschnitt war mithin ein Kreis von 86 mm Durchmesser. Die Wandstärke der Eisenschalen betrug 2 mm. Zur Messung des im Röhrenmagnet entwickelten Magnetismus waren 50 Windungen feinen isolirten Drahtes mit der Draht - spirale zusammen aufgewickelt, so dass diese aus der beschrie - benen Hauptspirale und einer Nebenspirale bestand, die von ein - ander isolirt waren. Haupt - und Nebenspirale waren mit der oberen Eisenschale fest verbunden, so dass die untere Eisen - schale den abzureissenden Anker bildete. Die Bewegung nach dem Abreissen war durch eine durch den Ring hindurchgehende, am Bügel der unteren Ringschale befestigte Stange mit Anschlag auf einige Millimeter begrenzt.

Es wurde nun ein stark gedämpftes Spiegelgalvanometer durch einen passend eingerichteten Commutator in der Weise mit den beiden Spiralen verbunden, dass man bei der einen Commutator-Stellung mit Hülfe einer Nebenschliessung der Haupt - spirale die Stromstärke der letzteren, bei der anderen den beim Abreissen in der Inductions-Spirale inducirten Strom messen konnte. Das Abreissen geschah in der Weise, dass der untere Theil der an dem Ankerbügel befestigten Stange ebenfalls mit einem Ansatze versehen war, welcher gestattete, scheibenförmige Bleigewichte mit Einschnitten, die bis zur Mitte der Scheiben reichten, auf die Stange zu schieben, die dann durch den An - satz festgehalten wurden. War durch Ansetzen der nöthigen Anzahl solcher Gewichte die Tragkraft des Magnetes annähernd äquilibrirt, so wurde ein ebenfalls an der Tragstange des Ankers befestigte Federwage langsam angezogen und das von ihr im Augenblicke des Abreissens angezeigte Gewicht notirt, während ein anderer Beobachter den Ausschlag des Spiegelgalvanometers beobachtete, welcher den beim Abreissen in der Inductionsspirale erzeugten Strom angab. Dieser Ausschlag ist ein Mass des beim574 Abreissen des Ankers im Magnete verschwundenen Magnetismus, also auch ein Mass der Verstärkung des Magnetismus durch den Ankerschluss. Um den ganzen vor dem Abreissen im Mag - nete vorhandenen wirksamen Magnetismus zu erhalten, muss man den Ausschlag hinzuzählen, der bei Unterbrechung des mag - netisirenden Stromes eintritt, nachdem von demselben der durch die Induction der Hauptspirale selbst auf die Inductionsspirale bedingte Ausschlag abgezogen ist. Diesen Zahlen sind die Ab - reissgewichte annähernd proportional. Die Abweichungen er - klären sich genügend dadurch, dass auch bei geöffneter Kette noch Magnetismus im Eisen des Magnetes zurückbleibt, sowie durch die trotz sorgfältiger Aufschleifung doch immer noch un - vollkommene Berührung aller Eisenmolecüle beider Seiten der Schnittfläche an einander. Die Berührung muss um so voll - ständiger werden, je stärker der Druck der Flächen auf ein - ander ist.

Wie sich aus der Tabelle ergiebt, ist die beobachtete Maxi - mal-Tragkraft 65,2 Kilogramm. Das aus dem Ansteigen der Tragkraft zu berechnende Maximum der Tragkraft würde etwa 75 Kilogramm sein. Das Gewicht der zum Ringe gebogenen Eisen-Röhre betrug 192,54 Gramm, das Gewicht der Draht - spirale 130 Gramm. Ein Gramm Eisengewicht (Magnet und Anker zusammen gerechnet) trug daher 323 Gramm, und bei obiger Annahme für das Maximum des Magnetismus war die Tragkraft das 390 fache des Gesammt-Gewichtes des Eisens.

Mit dem beschriebenen Apparate wurde darauf die Ver - änderung vorgenommen, dass er mit 12 äusseren Drahtrollen versehen wurde, die getheilt auf den in sich geschlossenen Ring aufgesetzt waren und dann mit isolirtem Draht bewickelt wurden. Die innere Weite der Rolle war etwa 5 mm grösser als die Ringdicke, so dass ein Abreissen der Ringhälften von einander ausgeführt werden konnte, ohne durch die Drahtrollen gehindert zu werden. Die Rollen wurden darauf mit einem gleichen iso - lirten Drahte bewickelt, wie der war, welcher zur inneren Haupt - spirale verwendet wurde. Zwei gegenüberstehende dieser Rollen wurden als Inductionsspirale geschaltet, die übrigen bildeten eine Hauptspirale zur Erzeugung einer Magnetisirung des Ringes, deren Richtung überall senkrecht auf der Richtung des durch575 die innere Hauptspirale erzeugten Rohrmagnetismus stehen musste. Die Grösse des erzeugten Ringmagnetismus konnte durch den Ausschlag gemessen werden, der bei Schliessung der äusseren Hauptspirale in der Inductionsspirale hervorgebracht wurde. Dieser Ausschlag giebt zwar nur die Grösse desjenigen Magne - tismus an, der in dem Theile des Ringes entsteht, welcher von der Inductionsspirale umschlossen ist, also durch Ringtheile, welche keiner oder doch nur einer geringen directen Magnetisirung durch die Hauptspirale unterliegen, er kann aber doch als Mass des gesammten, im Ringe erzeugten Magnetismus ohne beträchtlichen Fehler gelten, weil einmal, wie schon hervorgehoben ist, die directe Drehung der Elementarmagnete durch die magnetisirende äussere Kraft nur klein ist im Vergleich mit der gegenseitigen Verstärkung der Molecularmagnete, und weil die Schwächung der Fortpflanzung der Magnetisirung durch geringe Längen weichen Eisens von hinlänglichem Querschnitt nicht bedeutend ist.

Es wurde nun in die äussere (transversale) Hauptspirale eine Batterie eingeschaltet. Durch geeignete Commutation wurde an demselben Spiegel-Galvanometer erst der durch die Inductions - spirale bewirkte Ausschlag und darauf die herrschende Stromstärke in der Hauptspirale gemessen und dies mehrere Male wiederholt, wobei die Stromrichtung der Hauptspirale jedesmal umgekehrt wurde. Der durch die Inductionsspirale bewirkte Ausschlag bildete dann das Mass des durch die Stromstärke I im Ringe erzeugten Magnetismus.

Liess man nun in einem der beiden magnetischen Kreise den Strom der Hauptspirale fortdauern und schloss dann die Hauptspirale des anderen Kreises, so erhielt man in der Induc - tionsspirale des letzteren einen Ausschlag, der eine Verminderung des in diesem Kreise erzeugten Magnetismus anzeigte. Es wurde dadurch das mit geraden Röhrenmagneten erhaltene Resultat be - stätigt, dass die Magnetisirung des Eisens durch eine äussere magnetisirende Kraft kleiner wird, wenn eine gleichzeitige Magne - tisirung in einem auf ihr senkrecht stehenden Sinne vorhanden ist oder hervorgerufen wird.

Während der ersten Abtheilung der Versuche betrug die Stärke des äusseren Stromes ungefähr 800, während der zweiten Abtheilung ungefähr 200; diejenigen Versuche, in denen diese576 Stromstärke von den genannten Zahlen abwich, wurden auf die Zahlen 800 bez. 200 reducirt unter der Annahme, dass die Ein - wirkung des äusseren Stromes proportional dessen Stärke sei, was bei den geringen Abweichungen zulässig erschien.

Tabelle 4.

Es wurde ferner das Ansteigen des von der äusseren pri - mären Spirale allein erzeugten Magnetismus beobachtet, indem die in der äusseren secundären Spirale auftretenden Ausschläge gemessen wurden. Das An - oder Absetzen der unteren Hälfte des Eisenringes ergab in diesem Falle keine Induction; die In - ductionsausschläge sind die nach mehrmaligem Schliessen und Oeffnen des Stromes von Einer Richtung erhaltenen; die beim ersten Schliessen erhaltenen waren, namentlich bei schwachem Strom, etwas grösser, jedoch höchstens um 5 % (s. Tab. 5).

War in der inneren Spirale Strom, und wurde der Strom in der äusseren Spirale gewechselt (+ geschlossen, geöffnet, 577 Tabelle 5.

geschlossen, geöffnet u. s. w.), und wurde ferner in der inneren secundären Spirale beobachtet, so war der erste Ausschlag um ca. 2 % grösser als die folgenden.

Hiernach scheint die dem äusseren Strom allein entsprechende Remanenz erheblich geringer zu sein, als die dem inneren Strom entsprechende.

In der Tafel VI bedeuten a1 a die Curven des dem inneren Strom allein entsprechenden Magnetismus (Tab. 4, Sp. 2), b1 u. b2 die Curven bei gleichzeitiger Einwirkung des äusseren Stromes und zwar b1 für die Stromstärke 200, b2 für die Strom stärke 800.

Die specielle Anordnung der Versuche war folgende.

Zunächst wurde das Ansteigen des Magnetismus in der zur Mittellinie des Ringes senkrechten Richtung beobachtet, bei Ein - wirkung sowohl des inneren Stromes (Windungen in der Richtung der Mittellinie), als des äusseren Stromes (Windungen senkrecht zur Mittellinie); als Mass dieses Magnetismus wurde der in einer inneren, secundären Spirale (Windungen in der Richtung der Mittellinie, inducirte Strom angenommen; die in der folgenden Tabelle enthaltenen Ausschläge sind mit Ausnahme der Spalten 3 und 5 sämmtlich in der inneren, secundären Spirale beobachtet. Es wurde gemessen (in dieser Reihenfolge) s. Tab. 4:

1. Der Ausschlag beim Ansetzen der unteren Hälfte des Eisenringes an die obere; 2. der Ausschlag bei Schliessung des inneren Stromes; 3. die Stärke des inneren Stromes; 4. der Aus - schlag bei Schliessung des äusseren Stromes; 5. die Stärke des äusseren Stromes: 6. der Ausschlag bei Oeffnung des äusseren Stromes; 7. der Ausschlag bei Oeffnung des inneren Stromes;375788. der Ausschlag bei Abnahme der unteren Hälfte des Eisen - ringes.

Nimmt man an, dass nach Oeffnung der Ströme und Ab - nahme der unteren Ringhälfte davon kein oder ein ganz con - stanter remanenter Magnetismus vorhanden sei, so muss die Summe aller Inductionsausschläge Null sein; dies ist auch mit genügender Annäherung der Fall, wie Spalte 9 zeigt; Spalte 10 [(1) + (2)] zeigt den durch den inneren Strom, Spalte 11 [(1) + (2) + (4)] den durch den inneren und den äusseren Strom erzeugten Magnetismus; Spalte 12 [(1) + (2) + (7) + (8)] den dem inneren Strom entsprechenden remanenten Magnetismus.

Aus dem nachgewiesenen, schwächendem Einflusse, den zu - rückgebliebener oder gleichzeitig erzeugter transversal gerichteter Magnetismus auf die Grösse der Magnetisirung ausübt, erklären sich viele störende Erscheinungen bei wissenschaftlichen elek - tromagnetischen Untersuchungen, sowie bei der technischen An - wendung des Magnetismus.

Die zu den beschriebenen Versuchen benutzten geraden oder ringförmigen Röhren-Elektromagnete zeichnen sich dadurch vor den bisher benutzten Elektromagnet-Constructionen aus, dass sie bei gegebenem Eisen - und Kupfergewichte einen weit grösseren magnetischen Effect geben, wie die letzteren. Sie werden daher namentlich in der Elektrotechnik häufig eine nützliche Verwendung finden. Die Eigenschaft des ringförmigen Röhrenmagnetes, den Leitungsdraht vollständig mit einem Eisenmantel zu umgeben, macht ihn aber auch zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen, für deren Lösung es bisher an geeigneten Hülfsmitteln fehlte, be - sonders geeignet. Es ist eine solche z. B. die Frage der Schirm - wirkung des Eisens. Es erschien zwar wahrscheinlich und wurde bisher auch wohl ziemlich allgemein angenommen, dass die magne - tische Fernwirkung durch einen zwischenliegenden Eisenschirm nicht direct beeinflusst würde und dass die beobachtete Aende - rung der magnetischen Fernwirkung durch die Wirkung des im zwischenliegenden Eisenschirme hervorgerufenen Magnetismus zu erklären sei. Entscheidende Versuche sind darüber aber meines Wissens noch nicht angestellt, und es war dies mit den bisher bekannten Hülfsmitteln auch kaum ausführbar.

Um die Frage mit Hülfe des ringförmigen Röhrenmagnetes579 zu entscheiden, liess ich zwei möglichst gleiche solcher Magnete anfertigen und stellte sie auf beiden Seiten des Glockenmagnetes eines aperiodisch schwingenden Spiegelmagnetometers in der Weise auf, dass ich die Drahtspiralen mittelst gespannter Drähte an senkrecht stehenden Rahmen befestigte, welche dem Magnete beliebig zu nähern waren. Es wurde nun derselbe Strom durch die beiden Drahtspiralen hintereinander geleitet und das eine Brett so lange verschoben, bis keine Ablenkung des Magneto - meters beim Eintritt und bei der Unterbrechung des Stromes mehr stattfand. Es wurde dann abwechselnd die eine oder die andere Drahtspirale mit ihren beiden Rohrhälften bedeckt, so dass dieselbe jetzt einen geschlossenen Röhrenmagnet bildete, und die entstehenden Ablenkungen des Magnetometers bei Strom - schluss in Scalentheilen abgelesen. Die Versuche ergaben, dass in der That eine unzweifelhafte, wenn auch nur geringe, dauernde Verminderung des magnetischen Momentes einer Drahtspirale ein - tritt, wenn sie ganz von einem Eisenrohr umschlossen ist. Durch Annäherung der geschwächten Spirale lässt sich die Grösse dieser Schirmwirkung bestimmen. Sie ist scheinbar proportional der Dicke der Rohrwand, doch bedarf dies noch weiterer Bestätigung. Ich will hier nur noch bemerken, dass eine magnetische Fern - wirkung des Eisens, wenn eine solche bei einem als Röhren - magnet magnetisirten röhrenförmigen Ringmagnete als vorhan - den angenommen werden könnte, eine Verstärkung und keine Schwächung der Fernwirkung der Spirale hervorbringen müsste. Ich hoffe, zu einer näheren Untersuchung dieser Frage später Gelegenheit zu finden und enthalte mich einstweilen einer Er - klärung dieser auffallenden Erscheinung.

Diese thatsächlich stattfindende, wenn auch nur geringe Schirmwirkung des Eisens legte mir die Frage nahe, ob sich mit Hülfe des Röhren-Magnetes nicht entscheiden liesse, ob die magnetische Fernwirkung eine direct und geradlinig wirkende, unmittelbare ist, wie es seit Newton von der Schwerkraft ange - nommen wird, oder ob sie eine von Molecül zu Molecül der zwischen liegenden Materie oder des hypothetischen Aethers fort - schreitende Wirkung ist, wie es für die elektrische Vertheilung von Faraday zuerst angenommen und von mir auf experimen -37*580tellem Wege als zulässig nachgewiesen wurde1)Pogg. Ann. Bd. 102 pag. 66.. In der That schien eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden zu sein, dass die von einer Drahtspirale ausgehende magnetische Kraft nicht gleichzeitig in der geschlossenen Röhrenwand, die sie durch - dringen muss, eine beträchtliche Arbeit, die Magnetisirung des geschlossenen Röhrenmagnetes, ausführen und während dieser Zeit zugleich eine ungeschwächte Fernwirkung ausüben könne. Es erschien wahrscheinlicher, dass die Fernwirkung hinter der Rohrwand erst beginnen würde, wenn die beim Durchgang durch das Eisen in der Drehung der Elementarmagnete zu leistende Arbeit gethan war. Die Versuche haben diese Vermuthung nicht bestätigt. Es wurde zu denselben mit geringer Abänderung die - selbe Zusammenstellung zweier getheilter ringförmiger Röhren - magnete mit einem zwischen ihnen aufgestellten Spiegelmagneto - meter benutzt, wie sie bei dem oben beschriebenen Versuche benutzt wurden. Zunächst wurden die parallelen und gleich grossen, auf beiden Seiten des Magnetometers aufgestellten Draht - spiralen so eingestellt, dass ein Strom, der sie beide hinterein - einander durchlief, keine Einwirkung auf das Magnetometer zeigte. Darauf wurde eine der beiden Spiralen, ohne ihre Lage zu verän - dern, mit den zugehörigen Eisenschaalen bedeckt und der Versuch wiederholt. Es zeigte sich auch jetzt keine sichere Ablenkung des Magnetometers, wie es der Fall sein müsste, wenn der Strom der einen Spirale länger oder stärker auf das Magnetometer ge - wirkt hätte, wie der der anderen. Da die Zeitdifferenz mög - licher Weise sehr kurz war und dadurch ihre Wirkung unmerk - lich wurde bei der kräftigen Gesammtwirkung jeder Spirale, so modificirte ich den Versuch auf Vorschlag des Dr. Frölich, dem ich für die Leitung dieser und der früher beschriebenen Ver - suche zu danken habe, in der Weise, dass anstatt des Magne - tometers eine dritte, unbedeckte Spirale aufgestellt und die äusseren, ebenfalls unbedeckten Spiralen wieder so eingestellt wurden, dass kein Strom in der mittleren Spirale durch sie in - ducirt wurde. Zur Messung desselben wurde die Ladung eines Glimmercondensators benutzt, mit dessen beiden Belegungen die Drahtenden der mittleren Spirale in Verbindung gesetzt waren. 581Mein mehrfach beschriebener Fallhammer zur Hervorbringung von Strömen sehr kurzer Zeitdauer wurde nun so eingeschaltet, dass ein kräftiger Strom[durch] die beiden Spiralen dauernd cir - culirte. Der eine der beiden verstellbaren Stifte des Fallhammers unterbrach nun diesen Strom, während der zweite nach einer sehr kurzen Zeit den Kreis der mittleren Drahtspirale und des Con - densators unterbrach. Da die mittlere Spirale aus einer sehr grossen Anzahl Windungen feinen Drahtes bestand, so musste schon eine sehr geringe Differenz der magnetischen Momente der beiden äusseren Spiralen eine messbare Ladung des Condensators hervorbringen. Da durch die Unterbrechung des einen Verbin - dungsdrahtes zwischen mittlerer Spule und Condensator dieser isolirt wurde und derselbe in diesem Zustande eine Ladung mehrere Minuten ohne merkliche Schwächung derselben behielt, wie durch Versuche constatirt wurde, so musste die spätere Ent - ladung des Condensators durch ein empfindliches Spiegelgalvano - meter ein Mass der im Augenblicke der Unterbrechung des Con - densatordrahtes an den Enden des Umwindungsdrahtes der mitt - leren Spirale herrschenden Potential-Differenz bilden. Es wird frei - lich bei dieser Anordnung des Versuches nicht eigentlich die Ver - zögerung des Eintrittes der Fernwirkung der im Eisen einge - schlossenen Drahtspirale gemessen, sondern gleichsam das Com - plement derselben, nämlich die vermuthete Verstärkung der magnetischen Fernwirkung dieser Spirale bei Aufhören der Mag - netisirung des Eisens des Röhrenmagnetes nach Unterbrechung des Stromes. Es ist aber wohl anzunehmen, dass diese Wirkung eintreten müsste, wenn die vermuthete Verzögerung der Fernwir - kung durch die Magnetisirung vorhanden wäre, weil anderenfalls Energie verloren ginge. Auch diese Versuche geben ein negatives Resultat. Wenigstens waren die erhaltenen Differenzen so klein und schwankend, dass sie nicht als entscheidend zu betrachten waren.

Die zuletzt beschriebenen Versuche haben gelegentlich auf eine recht schlagende und einfache Weise die Helmholtz’sche Theorie der Entladung des Condensators durch eine Reihe wechselnder Entladungen und erneuten Ladungen bestätigt. Lässt man nur eine unbedeckte Spirale auf die Inductionsspirale ein - wirken und vergrössert zwischen je zwei Versuchen die Dauer582 der Verbindung des Condensators mit der inducirten Spirale, so gehen die anfänglich positiven Entladungsausschläge des Conden - sators bald in negative über. Bei weiterer Verlängerung der Zeit der Verbindung werden sie wieder positiv, und so fort. Dabei nehmen die Ausschläge allmählich ab.

Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin N.

About this transcription

TextGesammelte Abhandlungen und Vorträge
Author Werner von Siemens
Extent617 images; 153391 tokens; 17629 types; 1109461 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

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Bibliographic informationGesammelte Abhandlungen und Vorträge Werner von Siemens. . VIII, 582 S. SpringerBerlin1881.

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