PRIMS Full-text transcription (HTML)
ZUR LEHRE VOM LICHTSINNE.
SECHS MITTHEILUNGEN AN DIE KAISERL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN
ZWEITER UNVERÄNDERTER ABDRUCK.
WIEN. DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD’S SOHN.1878.
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Erste Mittheilung. Über successive Lichtinduction.

(Vorgelegt in der Sitzung am 8. Juni 1872.)

§. 1. Vorbemerkungen.

Als ich vor einigen Jahren an die Herausgabe des zweiten Abschnittes einer monographischen Arbeit über das binoculare Sehen 1)Die Lehre vom binocularen Sehen. Leipzig 1868. gehen wollte, welcher Abschnitt die binocularen Licht - empfindungen zu behandeln hat, kam ich sehr bald zu der Überzeugung, daß der Erfolg meiner Bemühungen ein sehr zweifelhafter sein müsse, wenn ich nicht zuvor die jetzt herr - schenden Theorien der Lichtempfindung überhaupt einer ausführ - lichen Kritik unterworfen hätte. Da diese Kritik für mich zu - gleich den Versuch einer Widerlegung vieler, jetzt fast allgemein verbreiteter Ansichten mit sich gebracht hätte und deshalb eine ziemlich umfassende Arbeit geworden wäre, so unterließ ich sie damals gänzlich, womit mir freilich auch die Fortsetzung der erwähnten Monographie vorerst unmöglich gemacht war.

Seitdem hat mich die fortgesetzte Beschäftigung mit physio - logischen und psychologischen Fragen immer mehr in der Über - zeugung bestärkt, daß jene moderne Richtung der Sinnenphysio - logie, welche insbesondere in der Physiologischen Optik von Helmholtz den scharfsinnigsten Ausdruck gefunden hat, uns nicht zur Wahrheit führt, und daß, wer der Forschung auf diesem Gebiete neue Wege erschliessen will, sich zuerst freimachen muß von den jetzt herrschenden Theorien.

Die Unzulänglichkeit der letzteren hat meiner Ansicht nach ihren wesentlichsten Grund in der spiritualistischen oder, wieHering, Lehre vom Lichtsinne. 12man sie euphemistisch bezeichnet hat, psychologischen Behand - lung von Fragen, die, wenn sie überhaupt mit Erfolg erörtert werden sollen, physiologisch untersucht werden müssen. Es zieht sich durch die moderne Sinnenphysiologie in ähnlicher Weise ein verhängnißvolles Vorurtheil, wie früher durch die Physiologie überhaupt. Wie man nämlich einst alles, was man nicht physio - logisch untersuchen konnte oder wollte, aus einer Lebenskraft erklärte, so erscheint jetzt auf jedem dritten Blatte einer physio - logischen Optik die Seele oder der Geist , das Urtheil , oder der Schluß als deus ex machina, um über alle Schwierigkeiten hinweg zu helfen. Wie es ferner in der That noch unzäh - lige Lebenserscheinungen gibt, die früher, und zwar selbstver - ständlich ganz überflüssiger Weise, wenn auch zuweilen recht scharfsinnig, aus der Lebenskraft erklärt worden sind, und die wir uns auch heute noch mit unserer ganzen Physik und Chemie nicht annähernd klar machen können, so gibt es auch noch zahl - lose Sinnesphänomene, die wir für jetzt einer eigentlich physio - logischen Untersuchung noch nicht unterwerfen können, und diese sind für die spiritualistische Physiologie ein sehr dankbares Gebiet, das ihr vorerst Niemand streitig machen wird. Daß aber auch zahlreiche Erscheinungen, die schon jetzt eine physiolo - gische Untersuchung zulassen, noch immer mit psychologischen Gemeinplätzen abgethan werden, ist wohl zu bedauern.

Im Gegensatze zu dieser spiritualistischen Richtung, welche sich begnügt, die Gesetze der Sinneserscheinungen, so weit sie nicht bereits physiologisch erklärt sind, aus der Eigenthümlichkeit des menschlichen Geistes abzuleiten, habe ich mich von Anfang an auf den physiologischen Boden gestellt und mich bemüht, die Phänomene des Bewußtseins als bedingt und getragen von or - ganischen Processen anzusehen und Verlauf und Verknüpfung der ersteren aus dem Ablauf der letzteren zu erläutern, soweit dies eben bis jetzt überhaupt möglich ist. Es ist nicht meine Absicht, hier den tief greifenden Unterschied ausführlicher dar - zulegen, welcher zwischen meiner Auffassung, sowie meiner Art, die Probleme der Sinnenphysiologie zu behandeln, und jener jetzt vorwaltenden spiritualistischen Ansicht und ihrer Methode besteht.

Dieser Unterschied wird dem aufmerksamen Leser schon in der vorliegenden kleinen Abhandlung, noch mehr aber in den fol -3 genden ersichtlich werden. Ich betone denselben jetzt hauptsäch - lich deshalb, um schon hier Einspruch zu erheben gegen die Bezeichnung, welche man meiner Theorie des Binocularsehens neuerdings zu geben pflegt. Helmholtz hat dieselbe nämlich als die nativistische bezeichnet, im Gegensatze zu der von ihm vertheidigten, welche er die empiristische nennt. Diese Be - zeichnungen sind durchaus nicht zutreffend, denn sie machen einen ganz nebensächlichen Punkt zur Hauptsache. Zwischen Nativismus und Empirismus besteht kein grundsätzlicher, sondern nur ein gradweiser Unterschied. Wenn uns, um dies hier abermals auszusprechen, die Organe angeboren sind, so sind es bis zu einem gewissen Grade auch ihre Functionen, das müssen selbst die strengsten Empiristen zugeben; und anderseits hat es nie einen Nativisten gegeben, der den gewaltigen Einfluß geleugnet hätte, welchen Gebrauch und Übung auf die Functionen unserer Organe und insbesondere der Sinnesorgane hat. Es kann sich also zwischen Nativisten und Empiristen , soweit sie wirkliche Physiologen sind, nur darum handeln, ob man die Grenzen des Angebornen weiter oder enger zu ziehen habe. Der Spiritualist freilich wird immer geneigt sein, das Gebiet des An - gebornen einzuengen, um für den menschlichen Geist einen freie - ren Spielraum zu gewinnen und denselben als möglichst unab - hängig von seiner organischen Grundlage darstellen zu können. Daher sind die Spiritualisten mit Vorliebe auch Empiristen .

Empirismus und Nativismus sind also keine Gegensätze, solange nur ihre Methode eine wahrhaft physiologische bleibt. Dies wird besonders einleuchtend, wenn man bedenkt, daß der nativistische Physiolog im Grunde auch Empirist ist, insofern er nämlich dasjenige, was der jetzt sogenannte Empirismus als einen Erwerb des individuellen Lebens ansieht, als einen Erwerb des Lebens aller jener zahllosen Wesen betrachtet, mit welchen das jetzt lebende Individuum in aufsteigender Linie verwandt ist und von welchen es das ihm Angeborne geerbt hat. Dagegen liegt zwischen der spiritualistischen und der physiologischen Methode eine tiefe Kluft. Denn es ist ein ganz grundsätzlicher Unter - schied, ob ich die Gesetze der Regungen des Bewußtseins aus den Gesetzen der Bewegungen des organischen Stoffes abzuleiten suche, oder ob ich mir diese Mühe erspare und kurzweg sage,1 *4jene Gesetze sind eben eine Eigenthümlichkeit des Geistes oder der Seele, und es ist z. B. etwas sehr verschiedenes, ob ich die Erscheinungen des Contrastes auf eine Reaction der Nerven - elemente zurückführe oder sie aus der Natur des menschlichen Geistes erkläre.

Diesen tiefgreifenden Unterschied der Methoden nicht er - kannt oder wenigstens nicht anerkannt zu haben, das ist’s, was ich meinen wissenschaftlichen Gegnern fast zum Vorwurfe machen möchte. Freilich, hätten sie ihn recht erkannt, so wären sie wohl kaum meine Gegner.

Es gibt noch immer unter den Naturforschern manchen heim - lichen Anhänger der Lebenskraft, aber kein Naturforscher, der diesen Namen mit Ehren trägt, wird es heute wagen, die Lebens - kraft als einen Factor in die Mechanik der Lebensprocesse rechnend einzuführen. Und mehr verlange ich auch von der spiritualistischen Physiologie nicht. Möge sie im Stillen und in philosophischen Abhandlungen ihren Ansichten über die Natur des menschlichen Geistes nachhängen, als ein Erklärungsprincip darf sie den letzteren nicht in die Sinnenphysiologie einfüh - ren, wenn sie sich nicht eines methodischen Fehlers schuldig machen will.

Man kann allerdings die Erscheinungen des Bewußtseins ohne alle Rücksicht auf ihr organisches Substrat untersuchen, man kann sie sichten, ordnen, allgemeine Gesetze ihres Verlaufes und ihrer Verknüpfung abstrahiren und dann die Einzelphänomene ableitend aus diesen Gesetzen erklären. So ist im wesentlichen zeither die philosophische Psychologie verfahren, soweit sie als rein empirische überhaupt etwas Positives leistete. Wir haben auf diesem Wege schätzbare Kenntnisse gewonnen; weit sind wir aber im Ganzen nicht gekommen. Es ist eben nicht besonders zweckmässig, sich über die Bewegungen eines Spiegelbildes den Kopf zu zerbrechen, wenn man den gespiegelten Körper selbst in seinen Bewegungen untersuchen kann. Wo das letztere noch nicht möglich ist, bleibt freilich nichts anderes übrig, als das Erstere zu thun.

Ganz anders, als diese philosophische Psychologie, welche bisher im Wesentlichen nur eine descriptive war, verfährt die physiologische Psychologie, oder wie ich sie lieber nennen möchte,5 die Physiologie des Bewußtseins. Sie betrachtet die Be - wußtseinsphänomene als Functionen physischer Vorgänge, und indem sie bei der Untersuchung der ersteren immer zugleich auch die letzteren im Auge behält, fließt ihr die Erkenntniß aus doppelter Quelle: das physische Ereigniß macht ihr das psy - chische verständlich und das psychische Ereigniß wirft umge - kehrt sein Licht auf das physische.

§. 2. Beschreibung des negativen Nachbildes einer hellen Scheibe auf dunklem Grunde.

Betrachtet man bei mässiger Beleuchtung mit beiden Augen unverrückten Blickes den irgendwie bezeichneten Mittelpunkt einer kleinen hellen Scheibe auf weit ausgedehntem dunklen Grunde eine Viertel - bis ganze Minute lang, schließt dann die Augen und schützt sie noch ausserdem vor dem Eindringen des Lichtes durch die Lider, so sieht man auf dem Grunde des mehr oder weniger dunklen Sehfeldes eine meist noch dunklere Scheibe scharf begrenzt und umgeben von einem lichten Hofe. Seine größte Helligkeit hat dieser Lichthof, wie ich ihn nennen will, in unmittelbarer Nähe des Nachbildrandes, und es nimmt seine Helligkeit in centrifugaler Richtung mehr oder weniger rasch ab, um sich schließlich unmerklich in den dunklen Grund zu verlieren.

Jeder Laie, den ich den Versuch anstellen ließ, bestätigte das Angegebene. Da aber ausserdem bei diesem Versuche vieler - lei anderes zu beobachten ist, dessen Beschreibung mehrere Seiten füllen könnte, so bekommt man von Laien, wenn sie ir - gend zu beobachten verstehen, gewöhnlich auch noch Mitthei - lungen über die dabei auftretenden subjectiven Farben, über den Helligkeitswechsel, das vorübergehende Verschwinden, die schein - baren Bewegungen des Nachbildes u. a. m. Alles dies kommt hier noch nicht in Betracht, da ich zunächst nur auf das Gewicht legen will, was jeder Laie angibt, wenn man ihn nur zur Be - schreibung des Gesehenen auffordert.

Aus meiner eigenen, übrigens auch von Anderen bestätigten Erfah - rung will ich zur näheren Erläuterung vorläufig nur noch folgendes hinzu - fügen:

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Der lichte Hof des Nachbildes der weißen Scheibe ist, wenn bei mäßiger Beleuchtung experimentirt wird, im Allgemeinen um so heller und breiter, je länger die Scheibe fixirt wird. Nach sehr langer Fixation sehe ich ihn sogar intensiv leuchtend. Vorübergehend reducirt er sich bisweilen auf einen schmalen hellen Saum, um bald nachher sich wieder auszubreiten, und was dergleichen Wechselphänomene mehr sind. Immer aber ist, sofern nur das Nachbild der Scheibe überhaupt deutlich sichtbar ist, auch der mehr oder minder breite Lichthof vorhanden.

Das Nachbild der Scheibe selbst kann in seiner Helligkeit im Ver - gleich zu der des allgemeinen Grundes variiren, so viel aber steht fest, daß es immer dunkler erscheint als der lichte Hof. Die Farben des Nachbildes und seines Lichthofes sind sehr verschieden, je nachdem man den Versuch bei natürlicher oder künstlicher Beleuchtung anstellt, worauf erst später eingegangen werden kann.

Vor der Anwendung einer irgend starken Beleuchtung muß bei die - sem wie bei allen folgenden Versuchen ganz besonders gewarnt werden, weil man dadurch nicht blos seine Augen angreift, sondern, was das eigent - lich Wesentliche ist, ganz andere und sozusagen unreine Resultate bekommt. Wie es nicht zweckmäßig wäre, die Untersuchungen über den Wärmesinn damit zu beginnen, daß man übermäßige Hitze oder Kälte auf die Haut wirken ließe, so ist es auch methodisch falsch, die Netzhaut mit intensivem Lichte zu blenden, wenn man ihre sozusagen normale Thätigkeit unter - suchen will. Wenn bei unserem Versuche das Nachbild der Scheibe sich nicht in der beschriebenen Weise zeigt, sondern ein deutlich entwickeltes positives Nachbild sich dauernd oder mehrmals wiederkehrend bemerklich macht, so war die Beleuchtung für das Versuchsauge zu stark.

Endlich sei noch besonders betont, daß der beschriebene, wie auch die folgenden Versuche, mit beiden Augen gleichzeitig anzustellen sind. Das Experimentiren mit nur einem Auge bedingt eine überflüssige Compli - cation durch den Wettstreit der Sehfelder.

§. 3. Der Lichthof des dunklen negativen Nachbildes fordert eine physiologische Erklärung.

Das im Vergleich zu seiner Umgebung dunkle Nachbild der hellen Scheibe, wie man es bei unserem Versuche gewinnt, erklärt man jetzt bekanntlich daraus, daß die vom Lichte der Scheibe getroffene Netzhautstelle ermüdet sei und deshalb nach Bedeckung der Augen durch die innern Reize minder stark er - regt werde, oder anders gesagt, ein schwächeres Eigenlicht ent - wickele, als die übrige Netzhaut. Das ist also zwar eine phy - siologische Erklärung des negativen Nachbildes, nicht aber des Lichthofes. Von dem letzteren sagt die Ermüdungstheorie nichts, und sie kann es auch nicht, weil sie eben ganz ausschließlich nur auf das negative Nachbild berechnet ist.

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Da also diese physiologische Theorie der Nachbilder zur Erklärung des Lichthofes nicht ausreicht, so pflegt man letzteren psychologisch zu erklären. So sagt Helmholtz in seiner physiologischen Optik S. 360: Es kann das negative Nachbild sogar im ganz dunklen Gesichtsfelde sichtbar werden, indem es hier als eine Verminderung der Helligkeit des Eigenlichtes der Netzhaut erscheint. In der Regel erscheint dann dieses Eigenlicht selbst in der nächsten Umgebung des dunklen Nachbildes durch Contrast mit diesem etwas heller . Helmholtz nimmt also den Lichthof des dunklen Nachbildes für eine Folge des simultanen Contrastes, und da er diesen rein psychologisch, d. h. aus einer Urtheilstäuschung erklärt, so bot sich ihm für eine eigentliche Untersuchung des Phänomens kein Anlaß.

Mir ist dagegen dieser Lichthof als eine durchaus ebenso merkwürdige Thatsache erschienen, wie das negative Nachbild selbst, und ich habe mich mit jener psychologischen Erklärung umsoweniger begnügen können, als man ganz mit demselben Rechte auch das negative Nachbild selbst psychologisch erklären, d. h. sagen könnte, die relative Dunkelheit des Nachbildes sei die Folge davon, daß man die Helligkeit dieser Stelle im Ver - gleich zu ihrer früheren viel größeren Helligkeit unterschätze.

Für mich würde übrigens die psychologische Erklärung des erwähnten Lichthofes aus dem simultanen Contraste schon des - halb hinfällig sein, weil ich den Hof des Nachbildes auch dann sehe, wenn das letztere eben einmal gar nicht dunkler ist als der Grund überhaupt, obwohl es dunkler ist als der Hof. Aber angenommen, Andere könnten diese nur unter besonderen Um - ständen auftretende Erscheinung nicht sogleich bestätigen, so ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum, wenn es sich nur um ein falsches Urtheil handelte, dieses Urtheil uns nur über den Helligkeitsgrad der nächsten Umgebung des Nachbildes und nicht über den des ganzen Grun - des überhaupt täuschen sollte. Die ganz gesetzmässige räumliche Begrenzung, innerhalb welcher sich das angebliche falsche Urtheil äußert, sollte, so meine ich, denn doch dazu auffordern, auch nach örtlichen Ursachen zu suchen und nicht gleich zum Übersinnlichen seine Zuflucht zu nehmen, das heißt auf jede wirkliche Erklärung zu verzichten.

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Die spiritualistische Physiologie behauptet also, daß das Eigenlicht der Netzhaut zwar an der Stelle des Nachbildes in Folge der Ermüdung schwächer, daß es aber in der unmittel - baren Umgebung durchaus nicht heller sei, als auf der übrigen Netzhaut, daß wir vielmehr nur urtheilen, es sei in der Nähe des Nachbildes heller, weil letzteres dunkler ist, als der Grund im Allgemeinen. Warum wir aber so urtheilen, wird nicht weiter erklärt, denn die Contrasterscheinungen sind eben eine Eigen - thümlichkeit des menschlichen Geistes.

Wenn ich nun auch überzeugt war, daß der beschriebene Lichthof ebenso wie zahllose andere Contrasterscheinungen in einer geänderten Thätigkeit der betroffenen Netzhautstelle be - gründet sei, so schien es mir doch immer sehr schwer, die An - hänger der spiritualistischen Theorie zu meiner Ansicht zu be - kehren, weil ich mir sagen mußte, daß wer sich durch Erklä - rungen, wie die oben angeführte, überhaupt befriedigt findet, auch um spiritualistische Hilfssätze nie verlegen sein wird, wenn der Hauptsatz Einwendungen erfährt; denn schließlich läßt sich jedes Sinnesphänomen in allen seinen Einzelheiten aus der Eigen - thümlichkeit des menschlichen Geistes ableiten mit demselben Rechte oder Unrechte, mit welchem man jede beliebige Natur - erscheinung aus der Allmacht des Schöpfers erklären kann. Ich bemühte mich daher, für meine eigene Ansicht entscheidende experimentelle Beweise beizubringen, d. h. für die blosse An - schauung und ohne irgend welchen Appell an das physiologische Gewissen des Experimentirenden den Beweis zu erbringen, daß der lichte Hof um ein dunkleres Nachbild in einer gesteigerten Entwickelung des sogenannten Eigenlichtes der betroffenen Netz - hautstellen, also wirklich physiologisch begründet sei.

Unter Netzhaut oder Netzhautstelle möchte ich hier, wie in dieser Abhandlung überhaupt, nicht blos die im Augapfel selbst gelegenen Theile des nervösen Sehapparates, sondern auch die mit der eigentlichen Netzhaut in näherer Verbindung stehenden Nervenfasern und Hirntheile verstanden wissen, soweit nämlich dieselben beim Zustandekommen einer Lichtempfin - dung mit betheiligt sind. Wir wissen bis jetzt noch nichts Sicheres über den Ort des psychophysischen Processes, an welchen die Lichtempfindung unmittelbar geknüpft ist. Wenn ich daher von Reaction oder veränderter Thätigkeit einer Netzhautstelle spreche, müßte ich, um nichts zu präjudi - ciren, eigentlich jedesmal hinzufügen: Beziehentlich derjenigen Opticusfasern und Hirntheile, welche beim Zustandekommen9 der Empfindung des auf jene Netzhautstelle wirkenden Licht - reizes mit betheiligt sind .

§. 4. Wenn die Lichthöfe zweier benachbarten dunklen negativen Nachbilder ineinandergreifen, so ver - stärken sie sich gegenseitig in ihrer Helligkeit.

Wenn es richtig ist, daß der helle Hof um ein dunkles negatives Nachbild, durch eine erhöhte Entwickelung von Eigen - licht an der betroffenen Netzhautstelle bedingt ist, so läßt sich erwarten, daß, wenn wir dieser Netzhautstelle eine doppelte Ver - anlassung zur gesteigerten Entwickelung des Eigenlichtes geben, dieses letztere nun auch um so heller und entschiedener sich be - merkbar machen werde.

Nehmen wir also zwei gleichgroße Quadrate weißen Papiers vom ungefähren Durchmesser der vorhin benutzten Scheibe, und legen sie parallel neben einander auf einen möglichst tief - schwarzen Grund derart, daß die beiden einander zugewandten Seiten etwa 4 Mm. von einander abstehen. Hierauf fixiren wir einen in der Mitte des dunklen Zwischenraumes der beiden Qua - drate gelegenen und irgendwie fein bezeichneten Punkt in der oben beschriebenen Weise. Im Gesichtsfelde der nachher voll - ständig gedeckten Augen erscheinen uns dann die negativen Nach - bilder der beiden Quadrate in ganz analoger Weise, wie vorhin das negative Nachbild der weißen Scheibe, beide umgeben von hellen Höfen gleich dem oben beschriebenen, und in der That bemerken wir, daß der Zwischenraum der beiden qua - dratischen Nachbilder im Allgemeinen intensiver leuchtet, als die übrigen Theile der hellen Höfe. Ich sage im Allgemeinen , weil infolge der Wandelbarkeit des Phänomens wohl ab und zu eine Phase eintritt, bei welcher dies nicht so entschieden ist; aber man merke wohl, daß dies eben nur vorübergehend der Fall und im Übrigen die größere Helligkeit der Stelle, wo gleichsam beide Höfe sich decken, eine so constante und leicht zu beobachtende Erscheinung ist, daß jeder intelligente Laie sie wahrnimmt. Im Beginne der Beobach - tung des Nachbildes können die Lichthöfe überall so hell er -10 scheinen, daß die noch größere Helligkeit des lichten Zwischen - raumes der quadratischen Nachbilder nicht sogleich auffällt, so - bald aber die Lebhaftigkeit des ganzen Bildes nachläßt, tritt jene deutlich hervor, und am schlagendsten ist diejenige Phase der Erscheinung, bei welcher die Nachbilder der Quadrate ganz ver - schwinden, und nur noch der frühere Zwischenraum zwischen beiden fortleuchtet und als heller Streifen auf einem gleich - mäßig dunkeln Grunde erscheint. Laien haben mir ihr Erstaunen ausgedrückt, als sie dies sahen. Denn daß sie im Nachbilde die Quadrate wiedersehen, wenn auch in veränderter Beleuchtung, überrascht sie zwar auch, sofern sie noch nie auf Nachbilder geachtet haben, aber daß sie bei diesem Versuche nur einen Streifen sehen, dem gleichsam nichts Reales im Vorbilde ent - spricht, erweckt ihnen neues Staunen.

Um die größere Helligkeit der Stelle des Grundes, wo die beiden Lichthöfe sich decken, zu erklären, werden die Anhänger der spiritualistischen Theorie wahrscheinlich sagen, unser Urtheil werde hier doppelt stark gefälscht, weil ihm dazu von zwei Seiten her durch die dunkeln Nachbilder der Quadrate Veranlassung gegeben werde, etwa so, wie man eine falsche Nachricht um so sicherer glaubt, wenn man gleichzeitig von zwei Seiten belogen wird. Was aber die Thatsache betrifft, daß man den im Vor - bilde dunkeln Zwischenraum auch dann noch leuchtend sieht, wenn die negativen dunkeln Nachbilder gar nicht mehr gleich - zeitig sichtbar sind, sondern man außer dem hellen Streifen nur noch einen gleichmäßigen dunkeln Grund sieht, so müßte die spiritualistische Theorie behaupten, daß, nachdem man einmal, verführt durch den Contrast, die falsche Idee gefaßt habe, dieser Theil des Gesichtsfeldes sei heller als alles Übrige, man sich nun von diesem Irrthum nicht sobald wieder losmachen könne, wenn auch die veranlassenden Ursachen der Täuschung bereits verschwunden sind; wie man denn in der That eine Lüge auch dann noch glauben kann, wenn die Lügner bereits wieder fort sind.

Hier böte sich nun für die Spiritualisten ein Anknüpfungspunkt, um auch die positiven Nachbilder in analoger Weise psychologisch zu erklären. Bekanntlich gibt ein lichter Streifen auf dunklem Grunde, wenn man ihn kurze Zeit betrachtet hat, im Gesichtsfelde des nachher geschlossenen Auges ein deutliches, wenn auch rasch vorübergehendes Nachbild, welches eben -11 falls hell auf dunklem Grunde erscheint, ganz so wie bei unserem Versuche der dunkle Zwischenstreif zwischen den Quadraten. Wenn man nicht wüßte, wie man sich das Nachbild erzeugt hat, so könnte man in der That beide Phänomene durchaus verwechseln, da abgesehen von der Dauer ein wesent - licher Unterschied nur in der Erzeugungsweise beruht. So gut nun die Spiritualisten sagen können, daß bei unserem Versuche der helle Streif nach dem Verschwinden der dunklen Nachbilder deshalb noch eine kurze Weile sichtbar sei, weil wir uns nicht schnell genug von unserem falschen Urtheil über die Helligkeit dieser Stelle des Gesichtsfeldes frei machen können, so gut könnten sie auch sagen, man sehe nach kurzer Betrachtung eines hellen Streifens auf dunklem Grunde auch nach Schluß der Augen darum noch eine Weile einen entsprechenden hellen Streifen im Gesichtsfelde, weil wir uns nicht schnell genug von der ursprünglich richtigen Ansicht frei machen können, daß die entsprechende Stelle des Gesichtsfeldes wirklich durch Licht gereizt werde. Die Spiritualisten würden durch die gegebene psycho - logische Erklärung der jetzt verbreiteten physiologischen Hypothese über - hoben, welche den Grund der positiven Nachbilder in einer Fortdauer der Erregung der betreffenden Netzhautstellen sucht, und in die spiritualistische Theorie käme auf diese Weise etwas mehr Zusammenhang und Consequenz der Durchführung.

Ich habe mir diese kleine Abschweifung erlaubt, um zu zeigen, daß es nicht schwer ist, psychologische Erklärungen zu geben, und um diese Art Erklärungen im Interesse des Folgenden in’s richtige Licht zu setzen. Vielleicht ist jetzt wenigstens bereits so viel erreicht, daß durch den hier besprochenen Versuch Einer oder der Andere zu zweifeln beginnt, so daß der Versuch des folgenden Paragraphen schon günstigere Bedingungen vor - findet.

Nehmen wir statt der beiden kleinen weißen Quadrate zwei beliebig größere, ebenfalls um circa 4 Mm. von einander ab - stehende, so bleibt die Erscheinung in Bezug auf den im Nach - bilde hellscheinenden Mittelstreif im Wesentlichen ganz dieselbe. Nimmt man die Quadrate so groß, daß sie fast an die Grenze des Sehfeldes reichen, so gilt immer noch für diesen Mittelstreifen dasselbe, wenn man auch die jetzt auf den peripherischen Netz - hauttheilen gelegenen Ränder der Quadrate gar nicht mehr sieht. Man hat dann eigentlich nur das negative Nachbild eines dunklen Streifens auf weit ausgebreitetem hellen Grunde vor sich, wovon der nächste Paragraph handelt.

§. 5. Beschreibung des negativen Nachbildes eines dunklen Streifens auf hellem Grunde.

Legt man einen etwa 4 Mm. breiten Streifen mattschwarzen Papieres auf einen weit ausgebreiteten rein weißen Grund und12 fixirt fest seine durch einen weißen Punkt bezeichnete Mitte eine Viertel - bis ganze Minute lang, so bemerkt man nachher im dunklen Sehfelde der geschlossenen und gedeckten Augen einen hellen Streifen. Indem ich nun wieder von den Farben des Streifens und ihrem Wechsel, von etwa vorhandenen schmalen, andersfarbigen Säumen, von der verschiedenen Helligkeit des Nachbildes an verschiedenen Stellen, von seinem Phasenwechsel etc. völlig absehe, betone ich hier nur zweierlei: die unter günstigen Umständen sehr intensive Helligkeit des Nachbildes und das Fehlen eines dem oben (§. 2) beschriebenen Lichthofe entsprechenden dunklen Hofes. Man könnte nämlich nach Ana - logie des Lichthofes der dunkeln negativen Nachbilder jetzt einen entsprechenden dunkeln Hof um das helle negative Nachbild erwarten, ganz besonders in Hinblick auf die psychologische Erklärung, welche von jenem Hofe gegeben wurde. Denn der Contrast zwischen dem hellen Nachbilde und dem dunkeln Grunde ist hier im Allgemeinen noch bedeutender, als bei unserem ersten Versuche und der Grund erscheint keineswegs absolut schwarz, vielmehr in einer mässigen und zuweilen sogar sehr mässigen Dunkelheit, daher denn die Dunkelheit dieses Grundes in der unmittelbaren Nähe des zuweilen sehr hell leuchtenden Nach - bildes sehr wohl durch Contrast verstärkt werden könnte. Wenn es nun auch vorkommt, daß Einzelne zwar nicht von selbst, aber doch auf besonderes Fragen, zugeben, daß die aller - nächste Nachbarschaft des Nachbildes etwas andersartig erscheint als der übrige Grund, so ist dies doch bei Laien nur eine Aus - nahme, und sie bestätigen, daß von einem Vergleiche dieser Er - scheinung mit dem lichten Hofe des dunkeln negativen Nach - bildes nur entfernt die Rede sein könne. Und was mich selbst betrifft, so kann ich letzterem nur beistimmen, wobei ich mir jedoch die genaue Erörterung dieses Punktes vorbehalte. Hier will ich eben nur von dem sprechen, was Jeder sozusagen mit Händen greifen kann. Das Wichtigste bei dem ganzen Versuche ist nämlich die große Helligkeit des Nachbildes, welche sich unter günstigen Umständen zu einem intensiven Leuchten steigert.

Sehen wir nun, wie man jetzt dieses Phänomen erklärt. Im Anschlusse an Fechner’s Theorie sagt Helmholtz, S. 363: Was die negativen Bilder im ganz verdunkelten Gesichtsfelde13 betrifft, so lehrt der Augenschein, daß sie durch Verringerung des Eigenlichtes der Netzhaut zu Stande kommen. Dieses Eigen - licht also, welches wir aus der Wirkung innerer Reize auf den Sehnervenapparat herleiten müssen, unterliegt den Wirkungen der Ermüdung ebenso wie der Eindruck des äußeren Lichtes. Auf unsern Versuch übertragen, will dies sagen, daß die ganze Netzhaut mit Ausnahme der Stelle, auf welcher das Bild des schwarzen Streifens lag, ermüdet wurde, daß darum im Sehfelde des geschlossenen Auges nur die unermüdete Netzhautstelle noch das ungeschwächte Eigenlicht zeigt, während dasselbe auf der ganzen übrigen Netzhaut sehr vermindert ist.

Dieser bis hierher allerdings ganz physiologischen Erklärung widerspricht nun aber die unbefangene Anschauung insofern, als uns das negative helle Nachbild viel heller erscheint, als sonst unter normalen Verhältnissen das Eigenlicht der Gesammtnetz - haut, auch wenn wir die Augen eine Viertel - bis ganze Minute geschlossen und somit die Netzhaut gleich lange ruhen liessen, als bei unserem Versuche den größten Theil derselben. Um nun diese im Vergleich zur gewöhnlichen Helligkeit des Eigenlichtes höchst auffallende und bisweilen förmlich leuchtende Helligkeit des negativen Nachbildes zu erklären, greift man wieder zum falschen Urtheil . Der starke Contrast, so sagt man, zwischen der Helligkeit des Nachbildes und der Dunkelheit des übrigen Gesichtsfeldes, welche Dunkelheit jetzt infolge der Ermüdung viel größer sei als gewöhnlich, lasse uns das Nachbild für viel heller halten, als es wirklich ist. Man fügt wohl auch hinzu, daß diese falsche Beurtheilung der Helligkeit des Nachbildes dadurch unter - stützt werde, daß wir irrigerweise annehmen, das Gesichtsfeld sei im Allgemeinen nicht dunkler, als es sonst bei geschlossenen Augen ist, und daß wir in Folge dessen die Helligkeit des Nach - bildes um ebensoviel überschätzen, als wir die Dunkelheit des Grundes unterschätzen.

Es ist nun, wie ich aus vielfacher Erfahrung weiß, gegen - über solchen Erklärungen ganz erfolglos, sich auf die unbefangene Anschauung zu berufen, welche Jedem zeigt, daß das negative Nachbild des schwarzen Streifens viel heller erscheint, als der innere Lichtnebel selbst dann, wenn wir die Augen viel länger als eine Minute geschlossen liessen. Denn mit Hilfe der falschen14 Urtheile kann man eben auch Hell in Dunkel, Weiß in Schwarz verkehren. Dagegen aber läßt sich glücklicherweise der Versuch so anordnen, daß er gestattet, das helle negative Nach - bild ganz direct mit einem objectiv Hellen zu ver - gleichen und somit seine Lichtstärke gewissermaßen zu messen. Es ist dies eine Versuchsweise, die sich auf viele andere subjective Licht - und Farbenerscheinungen anwenden läßt, welche durch sogenannten successiven und simultanen Contrast entstehen, eine Versuchsweise, welche wegen ihrer schlagenden Beweiskraft einem lange geführten Streite ein Ende machen wird. Daß dabei auch die Young’sche Farbentheorie ihr Ende findet, ist ein weiterer Vortheil der erwähnten Versuchsmethode.

§. 6. Vergleichung der subjectiven Helligkeit eines nega - tiven Nachbildes mit einer objectiven Helligkeit.

Machen wir die eine, z. B. rechte Hälfte des Gesichtsfeldes sehr dunkel, die andere hell und lassen außerdem durch die helle linke Hälfte einen etwa 4 Mm. breiten, ebenfalls sehr dunklen Streifen quer hindurch gehen, so daß er rechtwinkelig auf die scharfe Grenzlinie beider Hälften des Gesichtsfeldes trifft, so er - halten wir ein Vorbild, wie es Fig. 1 sehr verkleinert darstellt. Der Punkt a wird nun binocular ¼ 1 Minute lange fixirt und sodann werden die Augen geschlossen und verdeckt. Man sieht dann im Nachbilde die rechte Hälfte des Sehfeldes heller, die linke dunkler, beide getrennt durch eine scharfe Linie, in deren Nähe die Helligkeit der rechten Sehfeldhälfte wesentlich größer ist als im Übrigen, und zwar derart, daß diese Helligkeit in un - mittelbarer Nähe der Grenzlinie am größten ist und allmälig in

Fig. 1.

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Fig. 2.

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15 eine schwächere, aber weiterhin gleichmäßige Helligkeit über - geht. Dieser hellste Theil der rechten Hälfte entspricht dem oben beschriebenen Lichthofe. Quer durch die linke, jetzt dunk - lere Hälfte des Sehfeldes zieht sich ferner das helle Nachbild vom dunklen Querstreifen des Vorbildes, und zwar ist dessen Helligkeit noch größer als die des eben erwähnten Grenztheiles der rechten Sehfeldhälfte. Letztere näm - lich entspricht einem einfachen Lichthofe, während im Nachbilde des dunklen Querstreifens zwei Lichthöfe sich decken.

Um nun die subjective Helligkeit dieses Querstreifens mit einer objectiven Helligkeit zu vergleichen, bringe ich unmittelbar nach Schluß der Augen an die Stelle des Vorbildes (Fig. 1) ein Gesichtsfeld, dessen linke Hälfte tiefdunkel ist, während die rechte Hälfte eine sehr mäßige Helligkeit hat. Die Grenzlinie beider Hälften hat wieder genau dieselbe Lage wie im Vorbilde (siehe Fig. 2). Auf diesen Grund werfe ich nun mein Nachbild, indem ich einen Punkt a fixire, welcher dem Punkte a des Vor - bildes der Lage nach entspricht.

Die ganze linke Netzhauthälfte und denjenigen Theil der rechten, welcher dem dunklen Querstreifen des Vorbildes ent - spricht, traf während der Betrachtung des letzteren kein oder wenigstens nur äußerst schwaches Licht, daher diese Netzhaut - theile ausruhen konnten; die rechte Netzhauthälfte aber, mit Aus - nahme der, dem Querstreifen entsprechenden Stelle wurde be - leuchtet und ermüdet. Blicken wir nun auf den Punkt a des zweiten Gesichtsfeldes (Fig. 2), so wird jetzt die linke, also durch die vorhergehende Ruhe empfindlicher gewordene Netzhauthälfte von der Helligkeit der rechten Hälfte des Gesichtsfeldes getroffen, die rechte, ermüdete Netzhauthälfte aber bekommt gar kein oder nur äußerst schwaches Licht. Demnach müßte uns nach der Ermüdungstheorie die linke Sehfeldhälfte sehr dunkel erscheinen, denn das auf ihr erscheinende Licht wäre ja nur das in Folge der Ermüdung sehr schwache Eigenlicht der rechten Netzhaut - hälfte (wenn wir von dem äußerst schwachen objectiven Lichte absehen, welches diese Netzhauthälfte bei nicht ganz vollkom - mener Einrichtung des Versuches erhält). Eine Ausnahme macht die Stelle des Nachbildes vom Querstreifen, an welcher uns, da hier die Netzhaut ausruhen konnte, das ungeschwächte Eigen -16 licht der Netzhaut erscheinen müßte. Die rechte Sehfeldhälfte aber müßte relativ sehr hell erscheinen, denn hier trifft objec - tives Licht die ausgeruhte Netzhauthälfte, und gegen dieses, unter den günstigsten Bedingungen empfundene objective Licht müßte nach der Ermüdungstheorie das doch immer schwache Eigenlicht, welches wir im Nachbilde des Querstreifens sehen, sehr matt erscheinen.

Vergleichen wir nun aber die subjective, nur durch das Eigenlicht bedingte Helligkeit des Quer - streifennachbildes mit der objectiven Helligkeit der rechten Hälfte des Gesichtsfeldes, so finden wir die letztere bei irgend passenden Versuchsverhältnis - sen nicht nur nicht größer als die erstere, sondern das Nachbild des Querstreifens erscheint uns nahe - zu gleich hell, oder ebenso hell oder heller und im günstigsten Falle sogar viel heller als die rechte Gesichtsfeldhälfte, mit anderen Worten, das Eigenlicht der zuvor ermüdeten Netzhautstelle, welche dem Nachbilde des Querstreifens entspricht, ist im gün - stigen Falle heller als das objective, noch dazu von der durch vorhergegangene Ruhe empfindlich ge - machten Netzhauthälfte empfundene Licht.

Um den günstigsten Fall, wo das subjective Licht des Nachbildes heller erscheint als das objective, leicht herbeizuführen, benützt man als rechte, helle Hälfte des Gesichtsfeldes (Fig. 2) einen großen Bogen weißen Papieres, als linke Hälfte z. B. ein großes Stück schwarzen Sammtes, und beleuchtet das Gesichtsfeld durch eine leicht zu regulirende Lichtquelle, z. B. eine Lampe mit stellbarem Dochte oder eine Gasflamme. Dreht man während der Fixation des Punktes a den Docht langsam herab oder den Gashahn zu, so kommt man bald zu der Grenze, wo das Nachbild des Quer - streifens auf dem schwarzen Sammte heller leuchtet als das weiße Papier.

Hat man nach Betrachtung des Vorbildes (Fig. 1) rasch das Gesichtsfeld in der beschriebenen Weise gewechselt, so erscheint zuweilen anfangs selbst bei passend abgeschwächter Beleuchtung die ganze rechte Hälfte des Gesichtsfeldes (aus später zu bespre - chenden Gründen) so hell, daß die noch größere Helligkeit des Nachbildes vom Querstreifen zunächst noch nicht auffällt. Bald aber läßt die Helligkeit der rechten Gesichtsfeldfläche nach, die des Streifennachbildes wird immer auffallender und übertrifft, wie17 gesagt, die des weißen Papieres. Durch ein etwaiges vorüber - gehendes Verschwinden des ganzen oder einzelner Theile des Nachbildes wird sich der kundige Beobachter nicht irre machen lassen; für die Beweiskraft des Versuches ist es ohne Bedeutung.

Diese Beweiskraft aber ist eine schlagende; denn bisher hat, wie gesagt, die spiritualistische Physiologie immer behauptet, die große Helligkeit der negativen Nachbilder dunkler Objecte im geschlossenen Auge sei in Wirklichkeit gar nicht vorhanden, vielmehr sei sie eigentlich nicht größer als die Helligkeit des gewöhnlichen Lichtnebels oder Eigenlichtes der geschlossenen Augen. Unsere Vorstellung von der Helligkeit und vom Weißen sei eben relativ, und wenn das ganze Sehfeld in Folge der Er - müdung recht dunkel sei, so nehme man schon das an und für sich schwache Eigenlicht einer einzelnen nicht ermüdeten Netz - hautstelle für etwas sehr Helles oder Weißes. Genau derselbe Erregungszustand der Netzhaut, genau dasselbe Eigenlicht, sollte uns das einemal den Eindruck des Dunklen, das anderemal den Eindruck des Hellen machen, je nachdem von den umgebenden Netzhauttheilen der Eindruck des Hellen oder Dunklen kam. Für die reine Empfindung des Hell und Dunkel, des Schwarz und Weiß hatte man schon längst keinen Sinn mehr; diese Em - pfindungen dienten angeblich nur dazu, das geistige Spiel der Vorstellungen vom Weißen und Schwarzen in Bewegung zu setzen. Dieselbe Empfindung, die uns jetzt die Vorstellung des Schwarzen erweckte, sollte im nächsten Augenblicke die des Weißen hervorrufen, je nachdem eben die spiritualistische Physio - logie das eine oder das andere für ihre Erklärungen nöthig hatte.

Unser Versuch macht nun die Probe auf’s Exempel. Auf der einen Seite haben wir das reine Eigenlicht des Streifennachbil - des, auf der andern die Empfindung, welche uns ein objectiv Helles auf einer, noch dazu durch vorhergehende Ruhe empfind - licher gewordenen Netzhauthälfte macht, wir können die nur subjectiv erhellten Theile des Sehfeldes mit den zugleich objectiv erhellten direct vergleichen, und nun zeigt sich unwiderleglich, daß Jene im Rechte waren, welche an der Überzeugung fest - hielten, daß das Weiße oder Lichte, welches man im geschlos - senen Auge sieht, so gut ein Weißes oder Lichtes ist als das - jenige, welches man offenen Auges wahrnimmt.

Hering, Lehre vom Lichtsinne. 2
18

§. 7. Schlußfolgerungen.

Der im vorigen Paragraph besprochene Versuch läßt sich natürlich vielfach variiren; es kommt eben nur darauf an, den Gedanken einer directen Vergleichung des subjectiven Lichtes mit dem objectiven zur Durchführung zu bringen. Hätte ich vom Leser voraussetzen dürfen, daß er von vornherein mit mir der Annahme geneigt sei, eine lebhafte subjective Lichtempfindung, wie sie bei den bisher beschriebenen Versuchen beobachtet wird, könne nicht lediglich aus falschen Urtheilen entstehen, sondern müsse ihren physiologischen Grund im Sehorgane selbst haben, so hätte ich freilich meine Darlegung ganz anders beginnen können. Bei der großen Verbreitung aber, welche gegenwärtig die spiritualistische Theorie gewonnen hat, mußte ich zunächst solche Versuche herausgreifen, welche keinen Zweifel mehr da - gegen aufkommen lassen, daß die besprochenen subjectiven Lichterscheinungen aus den Eigenschaften unseres Sehorganes und nicht aus dem Übersinnlichen zu erklären sind. Ehe ich aber diese Erklärung versuche und eine Theorie der gesammten Licht - empfindung entwickele, ist noch eine große Reihe anderweiter Thatsachen zu besprechen. Für diesmal will ich mich darauf beschränken, aus den bisher angeführten Versuchen ein allge - meineres Gesetz abzuleiten, auf welches sich die später zu er - örternde Theorie mit zu gründen haben wird.

Wir sahen aus den drei obigen Versuchen, daß, wenn wir irgend ein Helles auf dunklem Grunde längere Zeit fixirt hatten, nachher im Sehfelde der geschlossenen und gedeckten Augen die Conturen des im Vorbilde Hellen uns wieder erschienen, aber jetzt eine relativ dunkle Fläche einschlossen und von einer Um - gebung abgrenzten, deren Helligkeit in unmittelbarer Nähe des Nachbildes am größten war und sich dann allmälig abstufte, um in die wieder dunklere Grundfärbung des übrigen Sehfeldes überzugehen. Ich bezeichnete diese, unter Umständen sehr große Helligkeit der nächsten Umgebung des dunkleren Nachbildes als den Lichthof. Um mich an den Sprachgebrauch anzuschließen, welcher von inducirten Farben spricht, die ich später auch aus - führlich zu erörtern haben werde, will ich das Licht des Licht -19 hofes um ein relativ dunkles negatives Nachbild als inducirtes Licht bezeichnen, und zwar als successiv inducirtes Licht, weil die gewöhnlich sogenannte Farbeninduction eine simultane ist. Wie man sich gewöhnt hat, von simultanem und successivem Contraste zu sprechen, so kann ich im Anschluß an diesen Ge - brauch auch von simultaner und successiver Licht - induction sprechen, um welch letztere es sich hier allein handelt.

Die successive Lichtinduction findet an jeder Netzhautstelle statt, wo bei Betrachtung des Vorbildes Helles und Dunkles an - einander grenzten, und zwar induciren die im Vorbilde hellen Theile das Licht auf jene Theile des Sehfeldes, die im Vorbilde dunkel waren, so daß letztere nun im Nachbilde des geschlossenen Auges heller erscheinen.

Das successiv inducirte Licht ist am stärksten in unmittel - barer Nähe der im Vorbilde hell gewesenen Theile und nimmt mit der Entfernung von der Grenze allmälig ab (Lichthof). Die Stärke und Ausbreitung des inducirten Lichtes hängt ab von der Stärke des Lichtes der im Vorbilde hellen Theile, von der mehr oder minder großen Dunkelheit der dunkleren Theile des Vor - bildes, von der Dauer der Betrachtung des Vorbildes, vom Orte der Netzhaut, auf welchem das Licht inducirt wurde, und endlich von dem jeweiligen Zustande der Netzhaut.

Die Gesetze, nach welchen diese Factoren die Stärke und Ausdehnung des successiv inducirten Lichtes bestimmen, sind mir erst zum Theile annähernd bekannt und sollen erst später genauer erörtert werden.

Ich habe im Obigen einige besonders einleuchtende Beispiele der successiven Lichtinduction gleichsam aus dem Zusammen - hange verwandter Erscheinungen herausgerissen und einzeln be - schrieben, um zunächst nur den Beweis zu führen, daß erstens ein Theil der Netzhaut den andern in seiner Thätigkeit bestimmt, und nicht jedes Netzhaut-Element ein von seinen Nachbarn un - abhängiges Einzelwesen darstellt, eine Behauptung, welche wie - derholt aufgestellt, aber nie zu allgemeiner Anerkennung ge - bracht worden ist; und um zweitens darzuthun, daß das soge - nannte Eigenlicht der Netzhaut schon innerhalb streng physio - logischer Grenzen eine bedeutende Intensität gewinnen kann. 2 *20Wenn ich dann in den nächsten Mittheilungen den simultanen und successiven Contrast zwischen Hell und Dunkel an einigen ebenfalls besonders einleuchtenden Beispielen erörtert haben werde, wird es möglich sein, die successive Lichtinduction aus allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten und sie dem physio - logischen Verständnisse viel näher zu rücken. Die Wichtigkeit aber der hier besprochenen Thatsachen für die Lehre von den negativen Nachbildern im geschlossenen Auge dürfte schon jetzt einem Jeden ersichtlich sein; denn daß die Ermüdungstheorie unfähig ist, die letzteren erschöpfend zu erklären, ist durch das Obige bereits genügend erwiesen.

Absichtlich habe ich in dieser gewissermaßen vorläufigen Mittheilung keine Rücksicht auf diejenigen Ansichten genommen, welche der meinigen mehr oder minder verwandt sind, und werde dies auch in den folgenden Mittheilungen nur ausnahmsweise thun, vielmehr die Vergleichung meiner Versuche und meiner Theorie mit denen anderer Forscher bis dahin verschieben, wo ich erstere in ihren Grundzügen dargelegt haben werde.

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Zweite Mittheilung. Über simultanen Lichtcontrast.

(Vorgelegt in der Sitzung am 11. December 1873.)

§. 8. Ein Beispiel für den Contrast zwischen Hell und Dunkel.

Um die Wirkung des simultanen Contrastes in recht schla - gender Weise mit einfachen Mitteln sichtbar zu machen, halte man einen schmalen Streifen dunkelgrauen Papiers vor einen tiefdunklen Hintergrund und betrachte fest einen irgendwie mar - kirten Punkt des Streifens.

Schiebt man sodann zwischen den Streifen und den dunklen Hintergrund ein großes Blatt weißen Papiers, so erscheint der Streifen auf dem nunmehr hellen Grunde viel dunkler als zuvor; entfernt man das weiße Papier wieder, so wird der Streifen so - fort wieder heller. Der scheinbare Helligkeitswechsel des grauen Streifens ist hiebei höchst auffällig.

Wenn man fest zu fixiren versteht, so ist die Einmischung des successiven Contrastes bei dem Versuche ausgeschlossen. Kleine Schwankungen des Auges, welche sich durch ein plötz - liches Dunkler - oder Hellerwerden der Ränder des grauen Strei - fens verrathen, beeinträchtigen das Wesentliche des Versuches nicht.

Den dunklen Untergrund kann man sich durch ein großes Stück schwarzen Sammtes herstellen; den Streifen schneidet man am besten von schwarz durchgefärbtem, nicht glänzendem Papier. Dasselbe ist im Ver - gleiche zum Schwarz des Sammtes dunkelgrau zu nennen. Das gewöhnlich als grau bezeichnete Papier ist für diesen Versuch, wie auch für die folgen - den, bei weitem nicht so zweckmäßig, weil es zu hell ist.

Daß der Wechsel der Pupillenweite nicht die wesentliche Ursache der verschiedenen scheinbaren Helligkeit des Papierstreifens ist, läßt sich zeigen,22 wenn man das eine Auge schließt, dicht an das andere einen kleinen Schirm mit einer Öffnung anbringt, die kleiner ist als die Pupille bei hellster Be - leuchtung, und dann den Versuch wiederholt. Auch vor beide Augen zu - gleich kann man je einen solchen Schirm mit kleinem Loche anbringen; doch ist dies ziemlich umständlich.

§. 9. Die beschriebene Contrastwirkung fordert eine physiologische Erklärung.

Die spiritualistische Theorie erklärt den Helligkeitswechsel des grauen Streifens bekanntlich aus einem falschen Urtheile. Die eigentliche Empfindung, welche durch das Netzhautbild des grauen Streifens erzeugt wird, soll ganz dieselbe sein, wenn der Streifen auf hellem, wie wenn er auf dunklem Grunde er - scheint, aber unser Urtheil soll anders ausfallen, wenn wir einen hellen, als wenn wir einen dunklen Grund neben dem Strei - fen sehen, und dieses Urtheil soll die Vorstellung bestimmen, die wir uns von dem Grau des Streifens machen.

Es kommt vor, daß uns ein und derselbe Mensch groß erscheint, wenn wir ihn neben einem viel kleineren, und ein an - dermal klein, wenn wir ihn neben einem viel größeren sehen. Wir sind, wie man sagt, nicht im Stande, die Größe eines Men - schen in der Erinnerung so festzuhalten, daß wir den späteren Eindruck mit dem früheren sicher vergleichen und die Gleichheit der Größe beider Eindrücke festzustellen vermöchten.

Helmholtz1)Physiol. Optik. S. 393. führt dieses Beispiel einer Contrastwirkung als ein Analogon für die Erscheinungen des Lichtcontrastes an. Ein und dasselbe Grau erscheint uns nach dieser Auffassung neben Weiß dunkler, neben Schwarz heller, weil wir den ersten Eindruck nicht genügend festzuhalten und seine Identität mit dem zweiten zu erkennen vermögen.

Diesem unvollkommenen Gedächtnisse aber läßt sich zu Hilfe kommen, wenn man den Wechsel des Grundes, auf wel - chem der graue Streifen erscheint, recht rasch vollzieht. Einige Augenblicke müßte man nach allen sonstigen Erfahrungen die Erinnerung an den ursprünglichen Eindruck doch festhalten können. Aber der Versuch lehrt das Gegentheil. Hat man den23 grauen Streifen anfangs auf weißem Grunde gesehen und zieht nun plötzlich das weiße Papier weg, so hellt sich ebenso plötzlich der Streifen auf, und schiebt man das weiße Papier rasch wieder vor, so verdunkelt sich der Streifen ganz plötzlich. Diese raschen Änderungen der Empfindung, dieses An - und Abschwellen der Helligkeit, welches als sol - ches empfunden und nicht erst nachträglich erschlossen wird, spricht sehr gegen obige Erklärung. Gesetzt, man habe neben einen Menschen mittlerer Größe erst einen sehr kleinen gestellt und lasse nun plötzlich an die Stelle des letzteren einen sehr großen treten, so müßte man den Menschen von mittlerer Größe im strengsten Sinne des Wortes urplötzlich zusammenschrumpfen sehen, wenn der oben gebrauchte Vergleich wirklich ganz zu - treffend sein sollte.

Die Unzulässigkeit einer Erklärung unseres Versuchs aus der Unmöglichkeit einer sicheren Vergleichung des früheren Ein - druckes mit dem späteren wird endlich ganz zweifellos, wenn wir den Versuch so abändern, daß die beiden Phasen desselben nicht nacheinander, sondern nebeneinander erscheinen.

Zu diesem Zwecke schneide man sich aus dem grauen (un - vollkommen schwarzen) Papiere zwei lange, etwa 4 Mm. breite Streifen, welche jedoch an beiden Enden noch durch ein queres Stück so zusammenhängen, daß der Abstand beider Streifen etwa 12 Mm. beträgt. Diesen Doppelstreifen lege man auf den tiefschwarzen Grund, befestige ihn an beiden Enden und markire auf dem Grunde einen Punkt, der genau in der Mitte zwischen beiden Streifen liegt. Während man nun diesen Punkt fest fixirt, schiebe man ein weißes Blatt, dessen Rand immer parallel zu den Streifen gehalten wird, an letzteren heran und unter dem einen Streifen hindurch bis dicht an den Fixationspunkt.

Wenn man in der Nähe der beiden Befestigungspunkte je ein Stück - chen Pappe unter die Streifen schiebt, oder die Enden der Streifen von vornherein auf Pappstückchen klebt, so liegen die Streifen dem Grunde nicht mehr dicht an, und es läßt sich leicht ein Papier unter dieselben schieben.

In dem Augenblicke, wo das weiße Papier unter dem einen Streifen erscheint, verdunkelt sich dieser plötzlich, und man kann nun seine Helligkeit mit der des anderen nach wie vor auf dunk - lem Grunde erscheinenden direct vergleichen, immer natürlich24 ohne Verrückung des Fixationspunktes. Die Differenz in der Helligkeit der beiden Streifen ist hier fast ebenso auffallend, wie der Helligkeitswechsel des einen Streifens beim vorigen Ver - suche, und eine wesentliche Einwirkung des successiven Con - trastes ist bei einiger Übung im Fixiren ebenfalls ausgeschlossen.

Demgemäß wird man jetzt nach einer anderen psycholo - gischen Erklärung greifen und sagen müssen, daß die beiden Streifen verschieden erscheinen, weil die scheinbare Helligkeit jedes Streifens nach der Helligkeit des ihn umgebenden Grundes beurtheilt werde, nicht aber nach der des entfernter liegenden anderen Streifens. Die hieraus resultirenden falschen Vorstel - lungen seien zu zwingend, als daß die wirkliche Gleichheit beider Streifen zur Wahrnehmung kommen könne, obgleich jetzt eine directe Vergleichung ihrer beiderseitigen Helligkeit mög - lich ist.

Diese Erklärung setzt voraus, daß die Vergleichung der Helligkeiten zweier Netzhautbilder um so unsicherer wird, je weiter dieselben auf der Netzhaut von einander entfernt sind. Offenbar hat diese Annahme schon einen stark physiologischen Beigeschmack, denn sie macht das Vergleichungsvermögen des menschlichen Geistes wenigstens mit abhängig von der relativen Lage des zu Vergleichenden auf der Netzhaut. Daß aber gleich - wohl auch diese Erklärung unzulässig ist, lehrt der folgende Paragraph. Der darin beschriebene Versuch fußt auf der Über - legung, daß, wenn die beiden, den grauen Streifen entsprechen - den Netzhautstellen trotz der gleichen objectiven Helligkeit der Streifen verschieden erregt sind, sie sich auch in Betreff der Nachwirkung dieser verschiedenen Erregung, d. h. im Nachbilde verschieden verhalten müssen. Sehen wir nun, was dieses Nach - bild lehrt.

§. 10. Vom Nachbilde einer Contrastempfindung.

Man schneide sich zwei 3 4 Cm. lange und ½ Cm. breite Streifen von dunkelgrauem (unvollkommen schwarzem) nicht glänzendem Papier und lege dieselben auf einen zur Hälfte weißen, zur anderen Hälfte tiefschwarzen Untergrund derart, daß auf jeder Seite der Grenzlinie ein Streifen und zwar parallel25 der letztern und mindestens 1 Cm. von ihr entfernt zu liegen kommt.

Dann fixire man einen auf der Grenzlinie und zwischen den Streifen gelegenen markirten Punkt ½ bis 1 Minute lang. Man bemerkt hierbei zuerst, daß der eine Streifen viel heller erscheint wie der andere, und daß ferner diese auffallende Hellig - keitsdifferenz allmälig wieder abnimmt, eine Erscheinung, die erst später besprochen werden kann. Schließt und verdeckt man sodann die Augen, so bemerkt man entweder sofort oder doch sehr bald das negative Nachbild. Die im Vorbilde helle Hälfte des Grundes erscheint jetzt als die dunklere, die im Vorbilde dunkle als die hellere, und zu beiden Seiten der Grenzlinie er - scheinen die Nachbilder der beiden Streifen.

An den letzteren fällt nun sogleich auf, daß sie eine sehr verschiedene Helligkeit zeigen, trotzdem daß die Streifen des Vorbildes objectiv gleich hell waren. Der früher heller erschei - nende Streifen ist im Nachbilde der dunklere und umgekehrt, und zwar ist die Helligkeitsdifferenz der Streifen im Nachbilde im Allgemeinen viel größer, als sie im Vorbilde erschien.

Die psychologische Erklärung dieser verschiedenen Hellig - keit der beiden Streifennachbilder müßte ganz analog derjenigen sein, welche oben von der verschiedenen scheinbaren Helligkeit der Streifen im Vorbilde gegeben wurde. Hienach würde sich die Erscheinung daraus erklären, daß die beiden an sich gleich hellen Streifennachbilder deshalb verschieden erscheinen, weil sie auf ungleichem Grunde liegen, der eine auf der zuvor ermüdeten und deshalb nun dunkler, der andere auf der nicht ermüdeten und deshalb heller empfindenden Netzhauthälfte.

Unverträglich hiermit erscheint zunächst die Thatsache, daß die Helligkeitsdifferenz der beiden Streifen im Nachbilde größer ist als im Vorbilde. Denn ihre verschiedene Helligkeit soll ja hier wie dort nur resultiren aus der verschiedenen Hellig - keit beider Hälften des Grundes; je größer letztere Verschieden - heit, desto größer muß nach der psychologischen Erklärung auch die der Nachbilder sein und umgekehrt. Wenn also die Hellig - keitsdifferenz der Streifen im Nachbilde größer ist, als im Vor - bilde, so müßte auch die Helligkeitsdifferenz der Grundhälften26 gleichzeitig immer größer erscheinen. Letzteres aber ist nicht der Fall. Überhaupt zeigt sich, sobald man nur darauf achtet, daß im Nachbilde die Helligkeits-Differenz der Streifen gar nicht immer gleichzeitig mit der Hellig - keitsdifferenz der Grundhälften wächst und abnimmt, sondern man erkennt sofort, daß eine gewisse gegenseitige Un - abhängigkeit beider Helligkeitsdifferenzen besteht. Bekanntlich verklingen die negativen Nachbilder allmälig, tauchen wieder auf, verschwinden wieder u. s. f. Diese verschiedenen Phasen laufen aber nicht in allen Theilen eines zusammengesetzten Nachbildes gleichzeitig ab, sondern ein Theil verblaßt eher und erscheint zu anderer Zeit wieder als der andere, und zwar erfolgt dies alles nicht regellos, sondern, wie später gezeigt werden wird, nach ganz bestimmten Gesetzen. So verhält es sich nun auch bei unserem Nachbilde, und man erkennt hiebei, daß die Grundvoraussetzung der oben gegebenen psycholo - gischen Erklärung gar nicht erfüllt ist, weil die Zu - und Abnahme der Helligkeitsdifferenz der Streifen im Nachbilde gar nicht derjenigen der Grundhälften parallel geht, sondern bald langsamer oder schneller als diese, bald sogar in entgegen - gesetzter Richtung verläuft.

Daher läßt sich sogar bei jedem Versuche wiederholt be - obachten, daß die Helligkeitsdifferenz der Streifen im Nachbilde eine zeitlang größer ist als die der Grundhälften, daß also das hellere Streifennachbild noch heller erscheint als die helle Hälfte des Grundes, das dunkle noch dunkler als die dunkle Grundhälfte. Dies läßt sich in keiner Weise als eine Contrasterscheinung im psychologischen Sinne auffassen. Wie paradox eine solche Auffassung wäre, wird recht anschaulich, wenn man wieder auf das oben erwähnte Bei - spiel einer Contrastwirkung zurückgreift. Man denke sich zwei ganz gleich große Menschen (die beiden angeblich gleichen Er - regungszustände oder Empfindungen der Streifen im Nachbilde) und zwar nicht weit von einander stehend; ferner neben dem einen noch einen oder mehrere Riesen (die Helligkeit der helleren Grundhälfte), neben dem anderen noch einen oder mehrere Zwerge (die Dunkelheit der dunkleren Grundhälfte). Unter solchen Umständen wäre es zwar denkbar, daß der zwischen27 den Riesen stehende mittlere Mensch etwas kleiner erschiene als der gleich große bei den Zwergen stehende; undenkbar aber ist es, daß dieser scheinbare Größenunterschied der beiden gleich großen mittleren Menschen größer werden könne, als der wirk - liche Größenunterschied zwischen den Riesen und Zwergen selbst, und daß also der neben den Zwergen stehende mittlere Mensch im Contraste zu diesen noch größer erscheinen könne als die nicht weit davon befindlichen Riesen, und der neben letzteren stehende mittlere Mensch noch kleiner als die Zwerge. Vom Standpunkte der psychologischen Theorie ist es durchaus ge - stattet, diese Parallele zwischen Größencontrasten und Hellig - keitscontrasten zu ziehen, denn jene Theorie erklärt ja beide aus demselben psychologischen Gesetze.

Vollends aber wird der psychologischen Erklärung aller Boden durch folgende Thatsache entzogen.

Wenn die Lebhaftigkeit des Nachbildes schon etwas nach - gelassen hat, tritt ein - oder mehrmal eine Phase desselben ein, bei welcher die Helligkeitsdifferenz der Grundhälften ganz ver - schwindet, doch aber die beiden Streifennachbilder ganz deutlich erscheinen, und zwar das eine heller und das andere dunkler als der rechts und links gleichhelle Grund. Hier kann also von Contrastwirkung überhaupt nicht mehr die Rede sein, weil die conditio sine qua non derselben, nämlich die verschiedene Helligkeit des Grundes gar nicht mehr vorhanden ist.

Dies beweist nun, daß die verschiedene Helligkeit der Streifennachbilder ihren Grund in einem verschiedenen Erre - gungszustande der entsprechenden Netzhautstellen haben muß, und hieraus folgt wieder, daß diese beiden Netzhautstellen auch während der Betrachtung des Vorbildes verschieden erregt wur - den; denn die verschiedene Nachwirkung fordert hier auch eine verschiedene Vorwirkung, und es wäre durchaus nicht einzu - sehen, warum die beiden Netzhautstellen, wenn sie durch das Vorbild ganz gleich erregt worden wären, im Nachbilde eine so verschiedene Erregung und zwar in ganz gesetzmäßiger Weise zeigen sollten. Somit kommen wir schließlich zu dem Ergebniß, daß im Vorbilde die objectiv gleichen Streifen des - halb verschieden hell erscheinen, weil die beiden28 entsprechenden Netzhautstellen1)Vergl. meine Anmerkung zu §. 3. S. 8. sich wirklich in ver - schiedener Erregung befinden.

Es ist bemerkenswerth, daß bei dem beschriebenen Nachbildver - suche die etwaige Ungeübtheit des Beobachters im Fixiren die wesentlichen Erscheinungen beeinträchtigen, nicht aber sie begünstigen oder gar selbst hervorrufen könnte. Gesetzten Falls nämlich, der Blick schwankte bei Be - trachtung des Vorbildes erheblich hin und her, so würde die Netzhautstelle, welche nur durch das Licht des grauen Streifens auf weißem Grunde ge - reizt werden soll, zugleich Licht von den anstoßenden Theilen dieses weißen Grundes empfangen und also stärker ermüdet werden, als dies bei strenger Fixation der Fall wäre. Umgekehrt würde die Netzhautstelle, welche das Bild des anderen Streifens trägt, weniger ermüdet werden, als bei strenger Fixation. Da nun nach der Ermüdungstheorie stärker ermüdete Netzhaut - stellen im geschlossenen Auge dunkler erscheinen als minder ermüdete, so müßte das Nachbild des auf hellem Grunde liegenden Streifens als das dunklere erscheinen, während doch das Gegentheil der Fall ist. Dieser Umstand macht den beschriebenen Versuch besonders werthvoll und beweisend, und muß den Anfänger, der etwa das oben Angegebene nicht gleich bestätigen könnte, zu dem Bedenken veranlassen, ob er nicht durch schlechtes Fixiren den Erfolg des Versuches selbst vereitelt hat.

Was den Einwand betrifft, daß derlei Versuche in ihren Resultaten viel zu wechselnd und unsicher seien, um große Beweiskraft zu haben, so muß er ganz entschieden zurückgewiesen werden, denn ich habe alle hier beschriebenen Versuche nicht blos selbst angestellt, sondern auch von ver - schiedenen Laien wiederholen lassen. Der Geübte sieht freilich mehr als der Anfänger, aber die Hauptsachen sieht auch der Anfänger sogleich, wenn er nur einigermaßen zu beobachten versteht. Unsicherheit und Zufälligkeit der auf die oben beschriebene Weise erzeugten Nachbilder kann auch nicht zugegeben werden, denn dieselben folgen ganz strengen Gesetzen, und wenn man einmal das Zufällige auszuscheiden gelernt hat, so kann man jeden intelligenten Laien solche Versuche anstellen lassen. Wenn manche Oph - thalmologen behaupten, sie erhielten nie deutliche Nachbilder, so beweist dies nur, daß sie sich solche nie methodisch erzeugt haben. Als es sich noch nicht von selbst verstand, daß jeder Anatom oder Physiologe unter dem Mikroskop zu beobachten verstehen müsse, wurde auch häufig von denen, die selbst nicht mikroskopiren konnten, gegen die Resultate der mikrosko - pischen Forschungen eingewandt, dieselben seien zu unsicher und durch zu viele Fehlerquellen getrübt, als daß man ihnen Zutrauen schenken dürfe.

Sollte Jemand bei dem oben beschriebenen Versuche nicht sogleich alles das sehen, was ich beschrieben habe, so wird er doch sogleich Einiges davon sehen und dann sehr bald auch das Übrige, wenn er sich nur die Mühe nimmt, den Versuch öfter, bei verschiedenen Beleuchtungen und mit grauem Papiere von verschiedenen Helligkeiten anzustellen. Den zu diesen Versuchen nöthigen Sinn für Hell und Dunkel hat Jeder, der nicht augen - krank ist. Wo freilich der Farbensinn in’s Spiel kommt, trifft man größere individuelle Verschiedenheiten.

29

Die oben beschriebenen einfachen Versuche gestatten die mannigfachsten Abänderungen. Ich habe eine Form für dieselben gesucht, in welcher sie Jeder mit möglichst einfachen Mitteln so - fort anstellen kann. Die Wenigen, welche gegenwärtig der spiri - tualistischen Theorie des Contrastes nicht beipflichten, werden vielleicht meinen, daß es viele andere Versuche gebe, welche jene Theorien ebenso zwingend widerlegen. Ich muß aber be - merken, daß alle mir bisher bekannt gewordenen Versuche oder vielmehr die Beschreibungen derselben, sich doch, wenn auch oft gezwungener Weise, irgend einer von jenen psychologischen Erklärungen unterwerfen lassen, welche die Spiritualisten so er - finderisch entwickelt haben. Ich lege deshalb Gewicht darauf, die Versuche so eingerichtet zu haben, daß sie die psychologische Erklärung geradezu ad absurdum führen, d. h. daß die Bedin - gung, von welcher nach der psychologischen Erklärung die Con - trastwirkung abhängen soll, in diesem Falle gar nicht gegeben ist, während doch die Wirkung selbst deutlich hervortritt.

§. 11. Der simultane Contrast beruht darauf, daß die Licht - empfindung einer Netzhautstelle nicht blos von der Beleuchtung der letzteren, sondern auch von der Be - leuchtung der übrigen Netzhaut abhängt.

Der vorige Paragraph hat bewiesen, daß die Netzhautstelle, welche vom Lichte des auf weißem Grunde gelegenen grauen Streifens beleuchtet wurde, anders empfand, als die vom gleich hellen Lichte des Streifens auf schwarzem Grunde beleuchtete. Diese Verschiedenheit der Empfindung bei gleichem Reize konnte, wie gezeigt wurde, nur darauf beruhen, daß die Erregung der fraglichen Netzhautstelle nicht blos von ihrer eigenen Beleuch - tung, sondern zugleich von der Beleuchtung der umgebenden Netzhaut abhing. Die heutige Physiologie ist gewöhnt, die ver - schiedene Stärke der Reaction, welche auf gleich starke Reizung eines Organes erfolgen kann, aus einer verschiedenen Erreg - barkeit des letzteren zu erklären. Im Anschluß an diese Auf - fassung könnte man auch sagen, daß die Contrastwirkung darauf beruhe, daß die Erregbarkeit und demnach mittelbar auch die30 Erregung einer Netzhautstelle eine Function der gleichzeitigen Beleuchtung der übrigen Netzhaut oder wenigstens der Nach - barstellen sei. Hienach würde uns der graue Streifen auf weißem Grunde deshalb dunkler erscheinen, als auf schwarzem Grunde, weil die Erregbarkeit der entsprechenden Netzhautstelle durch gleichzeitige starke Beleuchtung ihrer Umgebung herabgesetzt wird.

Eine eigentliche Erklärung ist damit zwar nicht gegeben, aber die Ursache der Contrastwirkung wird durch diese Auffas - sung wenigstens auf physiologischen Boden verlegt und mit an - deren Thatsachen der Physiologie in Analogie gebracht.

Dem entsprechend drückte J. K. Becker1)Poggendorff, Annal. d. Physik. Ergänzungsbd. V. S. 305. das Gesetz der Contrastwirkung folgendermaßen aus: Irgend ein Theil der Netzhaut ist für neue Lichteindrücke empfänglicher, wenn die Umgebung nur schwache Lichteindrücke empfängt, als wenn sie stärkere empfangen würde. Mach hingegen nimmt nicht eine Hemmung der Erregbarkeit an, sondern eine Hemmung des Ab - flusses der Erregung in’s Sensorium. Er sagt nämlich2)Mach, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. 57. Bd. 1868. S. 11.: Es ist nicht unwahrscheinlich, daß von der Erregung einer Netzhaut - stelle desto mehr oder weniger in das Sensorium abfließen könne, je weniger, beziehungsweise mehr, die ganze Netzhaut erregt ist.

Die Erregungen zweier Stellen versperren sich sozusagen gegenseitig den Abfluß in’s Sensorium.

Das Wesentliche dieser Bemerkungen Becker’s und Mach’s scheint mir jedoch lediglich darin zu liegen, daß sie nach einer physiologischen Erklärung suchen. Im Übrigen kann ich weder der einen noch der andern Auffassung ganz beipflichten.

§. 12. Der simultane Contrast als negative Lichtinduction.

Erinnern wir uns desjenigen, was ich in meiner ersten Mit - theilung über die successive Lichtinduction vorgebracht habe, so ergibt sich eine interessante Beziehung zwischen dieser und dem simultanen Contraste.

31

Auch die Erscheinungen der successiven Lichtinduction lehrten uns, daß die Empfindung einer Netzhautstelle nicht blos von ihrer eigenen Beleuchtung, sondern auch von der Beleuchtung ihrer Nachbarn abhängt. Es verrieth sich dies bei der successiven Lichtinduction dadurch, daß eine gar nicht oder nur äußerst schwach beleuchtete Netzhautstelle, deren Umgebung stark be - leuchtet wurde, im negativen Nachbilde eine viel stärkere Hellig - keit zeigte, als eine solche, deren Nachbarn zuvor nicht beleuchtet wurden. Die Contrasterscheinungen haben uns umgekehrt gelehrt, daß die Helligkeitsempfindung einer schwach beleuchteten Netz - hautstelle herabgemindert wird, wenn ihre Umgebung stärker beleuchtet wird.

Der Herabsetzung der Helligkeitsempfindung oder Erregung während der Betrachtung des Vor - bildes entspricht nun die Steigerung der Hellig - keitsempfindung oder Erregung im Nachbilde, und die successive Lichtinduction erscheint somit als Gegensatz der simultanen Contrastwirkung, als die in ihr Gegentheil umgeschlagene Wirkung des Simultancontrastes. Umgekehrt könnte man die simultane Contrast - wirkung als simultane negative Lichtinduction be - zeichnen.

Hienach liegt es auch sehr nahe, einen innigen causalen Zusammenhang zwischen beiden Erscheinungen anzunehmen und die während der Dauer des Contrastes stattfindende Herabmin - derung der Helligkeitsempfindung (Erregung oder Erregbarkeit) geradezu als die Ursache der nachher eintretenden Steigerung an - zusehen.

Durch den von mir früher gegebenen Nachweis, daß die successive Lichtinduction einen physiologischen Grund haben muß, erlangt nun auch die Forderung einer physiologischen Erklärung des simultanen Contrastes noch größere Berechtigung, denn man könnte aus den Thatsachen der successiven Lichtinduction, wenn man dieselbe als physiologisch begründet ansieht, die Erschei - nungen des simultanen Contrastes a priori ableiten.

32

§. 13. Die simultane Contrastwirkung nimmt ab mit dem gegenseitigen Abstande der contrastirenden Netz - hautstellen.

Die Untersuchung der successiven Lichtinduction lehrte, daß die Helligkeit des inducirten Lichtes abnahm mit der Ent - fernung von derjenigen Stelle, von welcher aus das Licht indu - cirt wurde. Bei der Beziehung, welche wir soeben zwischen suc - cessiver Lichtinduction und simultanem Contraste gefunden haben, können wir nun schließen, daß auch die Contrastwirkung oder negative Lichtinduction abnehmen werde mit der Entfernung von derjenigen Netzhautstelle, von welcher aus das negative Licht oder die Verdunklung inducirt wird. Zum Beweise dafür, daß es sich wirklich so verhält, will ich einen einzigen, leicht zu improvisirenden Versuch anführen; denn der Satz selbst wird weder von den Spiritualisten noch von den Vertretern der physio - logischen Hypothese bestritten, und mancherlei Beweise für den - selben sind von verschiedenen Seiten bereits beigebracht worden.

Man lege zwei 4 Cm. lange und ½ Cm. breite Streifen dunkelgrauen Papiers auf einen tiefdunklen Grund parallel neben - einander bei einem gegenseitigen Abstande von etwa 1 Cm. In der Mitte und auf mittlerer Höhe zwischen beiden Streifen mache man auf dem Grunde eine Marke. Nachdem man dann seine Augen einige Zeit geschlossen gehalten hat, fixire man diese Marke und schiebe ein großes weißes Blatt von der Seite bis dicht an den einen Streifen heran. Man wird bemerken, daß dieser Streifen fortan deutlich dunkler erscheint, als der andere. Zur Controle schiebe man dann das weiße Blatt von der an - deren Seite her an den anderen Streifen, und sofort wird dieser als der dunklere erscheinen. Ob man gleichzeitig mit der Ver - dunklung des einen Streifens auch eine Veränderung des andern bemerkt oder nicht, ist hier vorerst gleichgiltig; denn der Ver - such beweist jedenfalls, besonders wenn man ihn etwas variirt, daß die Contrastwirkung in der Nähe stärker ist, als bei größe - rem Abstande.

Wenn man sich übrigens in der Beobachtung kleinerer Helligkeitsunterschiede einigermaßen geübt hat oder auch nur33 auf die Erscheinungen des simultanen Contrastes zu achten an - fängt, so findet man allenthalben Bestätigungen des erwähnten Satzes. Man lege z. B. ein kleines weißes Papierschnitzel auf einen tiefschwarzen Grund und fixire, nachdem man seine Netz - häute etwas ruhen gelassen hat, einen Punkt des Schnitzels; dann sieht man ganz deutlich, daß der Grund in unmittelbarer Nähe des Schnitzels deutlich schwärzer erscheint als die übrige Fläche. Dieses tiefere Schwarz erstreckt sich viel weiter als das bei einiger Übung sehr kleine Gebiet, innerhalb dessen das Bild des Schnitzels sich wegen der kleinen Schwankungen der Augen verschiebt, so daß das tiefere Schwarz der Umgebung sich nicht aus dem successiven Contraste erklären läßt. Doch darf man, besonders bei starker Beleuchtung, die Betrachtung nicht zu lange fortsetzen, weil sich dann die Erscheinungen der simultanen positiven Lichtinduction einmischen, welche erst später zu besprechen sein werden.

Der hier nachgewiesene Parallelismus zwischen der simul - tanen Contrastwirkung und der successiven Lichtinduction läßt sich übrigens noch anderweit nachweisen, doch kann dies erst später erörtert werden.

§. 14. Schlußbemerkungen.

Es ist von besonderem Interesse, daß wir in der Beobach - tung der successiven Lichtinduction ein neues Mittel gefunden haben, um den simultanen Contrast zu untersuchen, wenn auch nur in seinen Nachwirkungen. Diese Nachwirkungen, da sie in gesetzmäßiger Beziehung stehen zu ihren Vorwirkungen, näm - lich den Contrastwirkungen, lassen uns allerlei Schlüsse auf die letzteren machen. Dies ist besonders deshalb von Wichtigkeit, weil die Nachbilder des geschlossenen Auges eine in vielen Be - ziehungen reinere, von Nebenumständen weniger beeinflußte Beobachtung gestatten, als die Bilder des offenen Auges. Im Nachbilde eines Papierstreifens z. B. sehe ich nicht das Korn des Papiers, nicht seine kleinen Knickungen oder Biegungen, nicht Staubkörner oder Fasern, mit einem Worte, ich sehe nicht ein Papier, welches sich von seinem Grunde abhebt, sondern nurHering, Lehre vom Lichtsinne. 334ein Stück Sehfeld, welches anders leuchtet als seine Umgebung.

Alle die rein mechanisch erfolgenden Associationen, welche durch die eben angeführten Nebenumstände ausgelöst werden, fallen im Nachbilde weg; die Helligkeit und Färbung des Strei - fens fesselt allein meine Aufmerksamkeit. Ähnlich wie die Nach - bilder verhalten sich in dieser Beziehung die rotirenden Scheiben, weil sie viel homogenere Lichtflächen geben, als andere Objecte. Deshalb lassen sich auch, wie bekannt, Beobachtungen über Helligkeitsunterschiede und Contraste an solchen Scheiben viel besser anstellen, als mit den oben beschriebenen Methoden. Gleichwohl habe ich es vorgezogen, zunächst nur solche Ver - suche vorzuführen, welche Jeder ohne besondere Apparate an - stellen kann. Wer die Erscheinungen des simultanen Contrastes an rotirenden Scheiben oder Cylindern untersuchen will, findet hiezu in Mach’s Abhandlungen über die Wirkung der räum - lichen Vertheilung des Lichtreizes auf die Netzhaut 1)Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. 52 57. Bd. die beste Anleitung.

Die von ihm angestellten Versuche, welche sich (stofflich, wenn auch nicht intellectuell) an einen von Helmholtz2)Physiologische Optik, S. 413. an - gegebenen Versuch anschließen, sind, soviel ich sehe, das Beste und Exacteste, was bisher auf diesem Gebiete geleistet wurde, und ich werde später vielfach darauf zurückzukommen haben. Mach fordert, wie ich schon oben erwähnte, für die von ihm aufgestellten Gesetze der Contrastwirkungen ebenfalls eine phy - siologische Erklärung, ich glaube aber nicht, daß in dem von Mach beigebrachten interessanten Versuchsmaterial, aus wel - chem er jene Gesetze abstrahirt, für die Spiritualisten eine zwin - gende Veranlassung liegen wird, ihre Theorie aufzugeben; denn die Gesetze Mach’s sagen im Grunde auch nichts anderes aus, als was die spiritualistische Theorie ebenfalls annimmt, wenn auch nicht auf Grund einer so exacten Untersuchung, nämlich: daß Helles und Dunkles oder Helleres und minder Helles sich gegenseitig heben und zwar umsomehr, je größer ihr Helligkeits - unterschied ist und je näher sie einander sind. Wenn sich dies,35 wie die Spiritualisten meinen, sozusagen von selbst versteht, weil es als eine Eigenthümlichkeit des menschlichen Geistes keiner weiteren Erklärung bedarf, oder keiner solchen zugänglich ist, so sind eben auch alle Beobachtungen Mach’s damit erklärt, denn sie lassen sich sämmtlich a priori aus obigem Satze ab - leiten.

Ebensowenig glaube ich, daß die oben beschriebenen Ver - suche, obwohl ich ihnen zwingende Beweiskraft zuerkenne, hin - reichen werden, um eine so weit verbreitete und tief eingewur - zelte Theorie zu verdrängen. Dies kann nicht durch einzelne Gegenversuche, sondern nur durch eine andere Theorie geschehen, welche nicht blos die simultanen Contrastwirkungen, sondern das ganze große Gebiet der Lichtempfindung umfaßt und dadurch, daß sie alle wesentlichen Thatsachen dieses Gebietes unter einen und zwar physiologischen Gesichtspunkt bringt, den Beweis liefert, daß sie der Wahrheit näher liegt, als die jetzige Theorie der Ge - sichtsempfindungen, welche aus physiologischen Hypothesen und spiritualistischen Erklärungen zusammengewürfelt ist.

3 *[36]

Dritte Mittheilung. Über simultane Lichtinduction und über successiven Contrast.

(Vorgelegt in der Sitzung am 18. December 1873.)

Über simultane Lichtinduction.

§. 15. Beschreibung eines Falles von simultaner Licht - induction.

Man stelle sich ein Gesichtsfeld her, welches zur Hälfte hellweiß, zur andern Hälfte tiefschwarz ist, also z. B. aus einem großen Bogen weißen Papiers und aus schwarzem Sammt be - steht, und fixire anhaltend einen markirten Punkt der Grenz - linie beider. Je länger man hinblickt, desto deutlicher sieht man das ursprünglich tiefe Schwarz in Grau übergehen, während gleichzeitig eine Abnahme der Helligkeit des Weißen, doch min - der deutlich, zu bemerken ist. Der Helligkeitszuwachs der schwarzen Fläche ist am größten in unmittelbarer Nähe der Grenzlinie und nimmt mit der Entfernung von dieser anfangs ziemlich rasch, im weiteren Verlaufe des Versuches aber lang - samer ab und breitet sich schließlich immer deutlicher über die ganze schwarze Fläche aus.

Da es schwer ist, den Fixationspunkt längere Zeit ganz fest - zuhalten, so bemerkt man häufig ein plötzliches helles Auf - leuchten des Randes der weißen Fläche oder man sieht umge - kehrt am Rande der schwarzen Fläche plötzlich einen tiefdunklen Streifen; dies sind die bekannten Erscheinungen des successiven Contrastes. Sieht man am Rande der weißen Fläche den lich - teren Saum, so erscheint die übrige weiße Fläche, besonders in nächster Nähe dieses Saumes, grauer als zuvor; sieht man den tiefschwarzen Saum an der schwarzen Hälfte, so erscheint die37 übrige schwarze Fläche, und zwar besonders in unmittelbarer Nähe des Saumes noch heller.

An jedem Stückchen schwarzen Papiers, welches man auf eine helle, weiße Fläche legt, macht man ganz analoge Be - obachtungen.

Da bei solchen Versuchen überall da, wo helle und dunkle Flächen zusammenstossen, bei lange dauernder Fixation die dunklen Theile sich mehr und mehr mit Licht überziehen, so will ich im Anschlusse an die gebräuchlichen Bezeichnungen diese Erscheinung als simultane Lichtinduction benennen.

§. 16. Die simultane Lichtinduction läßt sich nicht als bloße Ermüdungserscheinung auffassen.

Die halb physiologische, halb psychologische Erklärung, welche die spiritualistische Theorie von der beschriebenen Er - scheinung gibt, ist folgende:

Infolge der zunehmenden Ermüdung, welcher die vom Weißen beleuchtete Netzhauthälfte unterworfen ist, erscheint dieses Weiß zunehmend lichtschwächer oder grauer. Dem ent - sprechend wird die Contrastwirkung zwischen diesem Weiß und dem Schwarz immer schwächer, und nimmt letzteres scheinbar an Helligkeit zu. Dieser Schein wird noch dadurch begünstigt, daß es nicht möglich ist, ganz fest zu fixiren. Denn infolge der unwillkürlichen Blickschwankungen schiebt sich abwechselnd bald ein schmaler Streif des Weißen auf die Netzhauthälfte, die zuvor Schwarz sah und daher relativ ausgeruht ist, bald ein schmaler Streif des Schwarzen auf die zuvor durch das Weiß er - müdete Netzhauthälfte. Im ersten Falle sieht man den entspre - chenden Streifen des Weißen wieder in der ursprünglichen Hellig - keit, und dagegen erscheint das übrige Weiß im Contraste noch grauer; im andern Falle sieht man den Streifen des Schwarzen viel dunkler als das übrige Schwarz, weil es jetzt auf einen stark ermüdeten Netzhauttheil fällt, und im Contraste hierzu er - scheint uns die übrige schwarze Fläche noch heller, am meisten in unmittelbarer Nähe des tief dunklen Saumes.

Diese Erklärung legt also ein besonderes Gewicht auf das, was ich nur als nebensächlich erwähnt habe, nämlich auf das38 durch Blickschwankungen erzeugte Erscheinen eines hellweißen oder tiefschwarzen Saumes, und sie muß dies thun, weil sie nur hieraus erklären kann, warum das Schwarze gerade in unmittel - barer Nähe des Weißen am hellsten erscheint, obgleich man ver - muthen sollte, daß es hier in Folge des Contrastes am aller - dunkelsten erscheinen müßte.

Einem, der längere Zeit gut fixiren kann, wird in der That das zeitweilige Auftreten des tiefschwarzen oder hellweißen Saumes nur den Eindruck des Nebensächlichen machen, weil es eben eine immer rasch vorübergehende Erscheinung ist, während das oben als wesentlich Bezeichnete dauernd sichtbar ist. Ferner läßt sich durchaus nicht bestätigen, daß das Weiß des bisweilen auf - tretenden hellen Streifens nur so hell sein soll, wie anfangs die ganze weiße Fläche, vielmehr erscheint es viel heller; und andererseits sieht man den tiefschwarzen Saum, wenn er einmal auftritt, keineswegs dunkler als die schwarze Fläche im Anfange, sondern nur etwa ebenso schwarz. Aber auf das, was man wirk - lich sieht, kommt im Grunde genommen bei den spiritualistischen Erklärungen überhaupt nicht viel an, sondern auf das, was man unbewußt dabei denkt; und man wird also sagen, daß wir uns nur infolge eines falschen Urtheils den hellen Saum heller als das ursprüngliche Weiß, und den dunklen nur ebenso schwarz wie das ursprüngliche Schwarz vorstellen.

Ich will nun hier nicht weiter auf eine kritische Analyse der psychologischen Erklärung eingehen, weil der Leser das, was ich zu sagen hätte, schon aus meinen früheren Mittheilungen er - rathen kann, sondern ich will sogleich an die experimentelle Widerlegung jener Erklärung gehen.

Man klebe auf eine weiße, hellbeleuchtete und weit aus - gebreitete Fläche einen etwa 1 Cm. breiten Streifen von matt - schwarzem Papier oder Sammt und auf den Mittelpunkt des Streifens ein sehr kleines Schnitzel weißen Papiers, welches als Fixationspunkt zu dienen hat. Nachdem man diesen Punkt ½ bis 1 Minute lang fixirt hat, mindere man rasch die Beleuchtung (durch Herabdrehen des Lampendochtes, Zudrehen des Gashahnes oder Verkleinerung der Oeffnung, durch welche das Licht in’s Dunkelzimmer fällt). Hierbei bemerkt man deutlich, wie der schwarze Streifen rasch heller, der weiße Grund rasch dunkler39 wird, und sobald die Beleuchtung hinreichend gemindert ist, erscheint der schwarze Streifen heller als der weiße Grund.

Wenn man diese auffallende Erscheinung lediglich aus der Ermüdung erklären will, muß man annehmen, daß hier die Er - müdung durch das anfangs helle Weiß des Grundes so bedeu - tend geworden sei, daß nunmehr das lichtschwächer gemachte Weiß eine schwächere Lichtempfindung auslöst als der schwarze Streifen, welcher, besonders bei der abgeschwächten Beleuchtung, nur Licht von verschwindend kleiner Intensität aussendet; dies heißt also mit anderen Worten, daß die vorher von Weiß be - leuchteten Netzhauttheile derart gelähmt sind, daß ein mäßiger Lichtreiz nicht einmal mehr im Stande ist, eine Empfindung aus - zulösen, welche der Empfindung des Eigenlichtes auf dem nicht ermüdeten Netzhauttheile gleichkommt.

Mit diesem unvermeidlichen Zugeständniß wäre wenigstens die Erkenntniß gewonnen, daß das Eigenlicht der Netzhaut unter passenden Umständen eine Helligkeit zeigt, welche größer ist, als die Helligkeit eines, von einer zuvor ermüdeten Netzhaut - stelle empfundenen schwachen objectiven Lichtes.

Zur Erläuterung dieses wichtigen Satzes will ich hier noch einen Versuch einschalten.

Man stelle sich ein Gesichtsfeld her, welches z. B. zur rechten Hälfte hellweiß, zur linken tiefschwarz ist und fixire einen hervorstechend mar - kirten Punkt der Grenzlinie ½ 1 Minute lang. Sodann lasse man rasch das Gesichtsfeld um 90° um den Fixationspunkt drehen, so daß nunmehr die weiße Hälfte nach unten zu liegen kommt. Sehr bald zeigt sich dann die Wirkung des successiven Contrastes: das linke untere Viertel des Ge - sichtsfeldes erscheint am hellsten, das rechte obere am dunkelsten oder viel - mehr schwarz, die beiden andern sind heller als das letztere, dunkler als das erstere.

Gesetzten Falls nun, das rechte untere Viertel erschiene, wie das meistens der Fall ist, heller als das linke obere, so braucht man nur die Beleuchtung fortschreitend zu mindern, um sehr bald zu erreichen, daß das linke obere Viertel entschieden heller wird, als das rechte untere. Auf er - sterem aber erscheint nur das Eigenlicht des nicht ermüdeten Netzhaut - viertels, auf dem rechten untern Viertel dagegen das schwache objective, aber von einem ermüdeten Netzhautviertel empfundene Licht. Jenes Eigenlicht erweist sich also stärker als das schwache objec - tive Licht.

Auch hier, wie bei allen derartigen Versuchen, bemerkt man, daß die Erscheinung verschiedene Phasen durchmacht, und daß dasjenige, was40 ich soeben beschrieben habe, nur in einer bestimmten, aber mehrmals wie - derkehrenden Phase am deutlichsten ist.

Wir kommen jetzt zurück auf unsern Versuch mit dem schwarzen Streifen auf weißem Grunde. Derselbe erschien nach längerer Fixation heller als der weiße Grund, wenn wir die Be - leuchtung bis zu einem gewissen Grade vermindert hatten. Um nun zu wissen, ob diese seine relativ große Helligkeit auf einer Lichtinduction beruht, oder, wie die psychologische Erklärung will, nur darauf, daß die übrige Netzhaut infolge großer Er - müdung das schwache weiße Licht noch schwächer empfindet, als der nicht ermüdete Netzhautstreifen die sogenannten inneren Reize1)Beziehentlich außerdem das Minimum von objectivem Licht, welches von dem schwarzen Streifen bei so schwacher Beleuchtung ausgeht., müssen wir das Eigenlicht dieses Streifens vergleichen mit dem Eigenlichte einer andern, ebenfalls nicht ermüdeten Netzhautstelle, deren Nachbarschaft aber nicht stark beleuchtet und also einer etwaigen Lichtinduction weniger oder gar nicht ausgesetzt war.

Zu diesem Zwecke kann beispielsweise folgende Abänderung des Versuches dienen.

Wir kleben den 1 Cm. breiten, schwarzen Streifen auf einen größeren weißen Streifen, welcher ihn nach allen Seiten um etwa 2 Cm. überragt, und legen dann diesen weißen Streifen auf einen weit ausgebreiteten schwarzen Grund. Oder wir schneiden aus der Mitte eines 5 Cm. breiten und 7 Cm. langen weißen Streifens einen Streifen von 1 Cm. Höhe und 3 Cm. Länge aus und legen ersteren auf den schwarzen Grund. Beidenfalls mar - kiren wir uns durch ein sehr kleines weißes Papierschnitzel die Mitte des schwarzen Streifens und fixiren dieselbe ½ 1 Minute lang. Dann mindern wir die Beleuchtung und kommen dadurch bald dahin, wo der schwarze Streifen heller erscheint als der schwarze Grund, obwohl beide objectiv gleich dunkel und die ihnen entsprechenden Netz - hautstellen also, wie man sagt, gleich wenig er - müdet sind.

Die viel größere Helligkeit des schwarzen Streifens im Vergleich zu der des schwarzen Grundes tritt besonders schla - gend hervor, wenn man zum Vergleiche nicht die Theile des41 Grundes wählt, welche unmittelbar an das Weiße grenzen, denn diese Theile waren ja auch der simultanen Lichtinduction unter - worfen, sondern die entfernteren Theile.

Da der Versuch ziemlich große Übung im festen Fixiren fordert, so wird Mancher durch das Aufblitzen der hellen Säume des Weißen gestört werden. Ein Solcher kann sich dann da - durch helfen, daß er die Beleuchtung auf Null herabsetzt oder die Augen ganz schließt. Denn im Grunde bleibt der Versuch auch dann noch ebenso beweisend, obgleich es sich dann gar nicht mehr um die simultane, son - dern um die successive Lichtinduction handelt, welche ich in meiner ersten Mittheilung besprochen habe. Ohnedies wird ja der Leser schon erkannt haben, daß die successive Lichtinduction nichts weiter ist, als die deutlicher hervortretende Fortsetzung der simultanen.

Die letztbeschriebene Abänderung des Versuches, wobei man also nur noch das negative Nachbild vor sich hat, ist nun deshalb besonders beweisend, weil dabei das Nachbild nach einiger Zeit in eine Phase tritt, bei welcher man nichts mehr sieht, als nur das hellleuchtende Nachbild des schmalen, schwarzen Streifens auf einem gleich - mäßig dunklen Grunde, während man nach der Ermü - dungstheorie vielmehr entweder das dunkle Nachbild des weißen, in der Mitte ausgeschnittenen Streifens auf gleichmäßig hellerem Grunde oder aber gar nichts sehen müßte.

Die Vertreter der Ermüdungstheorie dürfen nicht einwenden, daß die oben beschriebene Erscheinung aus einer verschiedenen Ermüdbarkeit der centralen und der peripheren Netzhaut zu erklären sei, denn daß hierin nicht der wesentliche Grund der Erscheinung liegt, geht aus dem in §. 6 meiner ersten Mittheilung beschriebenen Versuche hervor. Man fixire den Punkt a des in Fig. 1 verkleinert dargestellten Gesichtsfeldes ½ 1 Minute lang, schließe und verdecke dann die Augen, und man wird finden, daß das Nachbild des schwarzen Querstreifens viel heller erscheint, als der sym - metrisch gelegene Theil des Grundes auf der andern Sehfeldhälfte, und auch hier wird man Phasen erhalten, wo der Unterschied zwischen rechter und linker Sehfeldhälfte ganz undeutlich wird, während das Nachbild des Quer - streifens allein hell auf dunklerem Grunde erscheint. Oder man fixire die Grenzlinie eines zur Hälfte schwarzen, zur andern weißen Gesichtsfeldes, während auf letzterer noch ein schwarzer Streifen parallel zur Grenzlinie und nicht weit von ihr gelegen ist, und man wird im negativen Nachbilde des geschlossenen Auges ganz Analoges, wie bei den andern Versuchen, be - obachten.

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Die beschriebenen Versuche haben gelehrt, daß dunkle Felder auf hellem Grunde bei längerer Fixation deshalb immer heller werden, weil von der umgebenden hellen Fläche Licht auf sie inducirt wird, welches immer deutlicher hervortritt, je mehr man die objective Beleuchtung mindert. Denn dieses Heller - werden trat nur an denjenigen objectiv dunklen Stellen beson - ders deutlich hervor, welche an objectiv helle Flächen angrenzten oder von solchen umgeben waren, während doch die Ermüdung auf allen dunklen Theilen der Netzhaut gleichmäßig ausge - schlossen blieb: Beweis, daß das simultan inducirte Licht wirklich auf einer veränderten Erregung und Empfindung, nicht aber auf einer durch unbewußte Schlüsse hervorgerufenen falschen Vorstellung be - ruht.

§. 17. Vom Zusammenhange zwischen dem simultanen Contraste, der simultanen und der successiven Lichtinduction.

Die Veränderung, welche die Erscheinungen der simultanen Lichtinduction zeigten, wenn die objective Beleuchtung gemindert wurde, lehrte uns schon, daß die simultane Lichtinduction ohne scharfe Grenze in die successive übergehen kann, und es wurde dadurch anschaulich gemacht, wie beide Erscheinungen im Grunde identisch sind. Daher müssen die innigen Beziehungen, welche, wie ich in §. 12 meiner zweiten Mittheilung hervorhob, zwischen successiver Lichtinduction und simultanem Contraste bestehen, auch zwischen diesem und der simultanen Lichtinduction vor - handen sein, was denn auch bei den vorhin beschriebenen Ver - suchen ganz deutlich hervortritt. Der Zusammenhang aller drei Vorgänge ist nämlich dieser: Im Beginne der fixirenden Be - trachtung einer Grenzlinie zwischen Hellem und Dunklem er - scheint das Dunkle, besonders in unmittelbarer Nähe des Hellen, noch dunkler, als es bei Abwesenheit des Hellen erscheinen würde simultaner Contrast ; setzen wir aber die Fixation längere Zeit fort, so nimmt die anfängliche Verdunklung wieder mehr und mehr ab und geht allmälig in eine Erhellung über, die abermals in unmittelbarer Nähe der Grenzlinie am deut -43 lichsten ist simultane Lichtinduction ; diese Erhel - lung endlich bleibt noch längere Zeit sichtbar, auch wenn wir das objectiv Helle als die veranlassende Ursache entfernen oder die Helligkeit desselben stark herabsetzen oder das Auge schließen successive Lichtinduction. Mit andern Worten, der simultane Contrast schlägt bei fortgesetzter Fixation allmälig in sein Gegentheil um, und diese sozusagen negative Phase des Simultancontrastes dauert auch nach Abschwächung oder Ent - fernung des objectiv Hellen noch eine gewisse Zeit hindurch fort.

Dies ist in den gröbsten Umrissen der Zusammenhang zwischen den bis jetzt geschilderten drei Vorgängen, welche, wie ich zeigte, alle drei und jeder für sich beweisen, daß die Erre - gung und Empfindung einer Netzhautstelle nicht blos von der eigenen, sondern auch von der Beleuchtung der übrigen Netzhaut abhängt.

Über successiven Lichtcontrast.

§. 18. Die Erklärung des successiven Contrastes aus der Ermüdung ist unzureichend.

Hat man einen Streifen weißen Papiers auf schwarzem Grunde eine Zeit lang fixirt und entfernt dann rasch den Streifen, so erscheint im Allgemeinen die entsprechende Stelle des Grundes dunkler als zuvor. Die übliche Erklärung hiefür ist bekanntlich folgende: Die vom Lichte des weißen Streifens beleuchtete Netz - hautstelle wird stärker ermüdet, als die übrige Netzhaut, und empfindet darum nach Entfernung des Streifens das schwache Licht des schwarzen Grundes noch schwächer, als die übrige Netzhaut.

Die nähere Beobachtung des ganzen Verlaufes eines solchen Nachbildes lehrt jedoch, daß diese Erklärung durchaus nicht zu - reichend ist.

Erstens nämlich nimmt das negative Nachbild keineswegs stetig an Deutlichkeit ab, sondern schwindet zwar allmälig und verschwindet endlich ganz, aber nur um nach einiger Zeit und ohne jeden äußeren Anlaß wieder hervorzutreten, verschwindet abermals und kehrt nochmals wieder etc.; und zwar ist der zeit -44 liche Ablauf aller dieser Phasen des Nachbildes kein regelloser, sondern folgt bestimmten Gesetzen. Zweitens kommt es vor, daß das negative Nachbild in gewissen Phasen eigent - lich gar nicht dunkler erscheint als der Grund, son - dern nur dunkler als die nächst umgebenden Theile des Grundes: alles Thatsachen, welche leicht zu bestätigen sind und sich aus der Ermüdung nicht nur nicht erklären lassen, sondern sogar gegen die Annahme sprechen, daß es sich hier um eine bloße Ermüdungserscheinung handle.

Legt man auf einen hellen weißen Grund einen tief dunklen Streifen und fixirt letzteren anhaltend, so sieht man nach Ent - fernung desselben die entsprechende Stelle des Grundes bedeu - tend heller, und auch dieses Nachbild nimmt nicht stetig an Helligkeit ab, sondern erscheint nach dem erstmaligen Ver - schwinden ein - oder mehrmals wieder, ehe es endgiltig ver - klingt.

Blinzeln, Bewegungen des Auges etc. stören einigermaßen den ge - setzmäßigen Verlauf der Nachbilderscheinungen und sind deshalb möglichst zu vermeiden. Daß aber das periodische Verschwinden und Wiedererscheinen der Nachbilder nicht lediglich durch derartige zufällige Störungen bedingt ist, erkennt man schon, wenn man solche Versuche öfter anstellt, und ins - besondere wird es durch längere Versuchsreihen erwiesen, weil dabei die Zufälligkeiten immer mehr hinter der Gesetzmäßigkeit zurücktreten. Ich muß mich also mit Aubert gegen Helmholtz erklären, welcher das periodische Verschwinden der Nachbilder lediglich auf Zufälligkeiten zu - rückführen will.

Ganz unverträglich mit der Ermüdungshypothese ist ferner die Thatsache, daß selbst sehr deutliche negative Nachbilder in deutliche positive übergehen können. Fixire ich z. B. eine Gas - flamme etwa 20 Min. lang und blicke dann auf ein hell beleuch - tetes weißes Papier, so entwickelt sich mir zuerst ein, abge - sehen von der sonstigen Färbung, fast schwärzlich zu nennendes negatives Nachbild, welches aber nach einiger Zeit in ein deut - lich positives übergeht, um nachher wieder negativ zu werden. Hier habe ich also die betreffende Netzhautstelle sehr stark ermüdet , und dennoch empfindet sie nach einiger Zeit das helle Weiß des Papiers noch heller, als die nicht durch das Flammenbild ermüdete Netzhaut.

Je schwächer der Grund leuchtet, auf welchem man ein negatives Nachbild sich entwickeln läßt, desto leichter wird es45 vorübergehend positiv; am leichtesten natürlich bei verschlos - senen und verdunkelten Augen. Absichtlich aber habe ich den ungünstigsten Fall angeführt, bei welchem das Nachbild auf einer hellen weißen Fläche positiv werden muß. Auch diese vorübergehende Umwandlung negativer Nachbilder in positive folgt bestimmten Gesetzen und ist keineswegs auf zufällige mechanische oder psychische Einflüsse zurückzuführen.

Indessen will ich gern zugeben, daß sich die Ermüdungs - hypothese gegenüber diesen Einwendungen durch allerlei Hilfs - hypothesen helfen könnte, und es sollen diese Einwendungen hier zunächst nur lehren, daß jene Hypothese nur diejenigen Phasen der Nachbilder berücksichtigt, welche eben zu ihr passen, die andern aber, welche an sich genau ebenso wichtig sind, ganz und gar unerklärt läßt.

Aber wenn es auch alle diese noch unerklärten Phasen nicht gäbe, schon allein die Helligkeitsverhältnisse gerade der - jenigen Phasen, auf welche sich die Ermüdungshypothese aus - schließlich stützt, würden eindringlich genug gegen dieselbe zeugen.

Man betrachte eine weit ausgedehnte, weiße und hell be - leuchtete Fläche 20 bis 30″ lang und suche sich Rechenschaft zu geben von der Helligkeitsabnahme, welche die Fläche wäh - rend dieser Betrachtung erleidet. Dann nehme man einen schma - len, weißen Streifen von derselben Helligkeit wie jene Fläche, lege ihn auf einen dunklen Grund, und nachdem man mehrere Minuten die Augen ausruhen ließ, fixire man einen Punkt des Streifens ebenso lange wie zuvor die weiße Fläche. Hierauf blicke man wieder auf die letztere, und man wird einen dunkel - grauen Streifen sehen, dessen scheinbare Helligkeit viel geringer ist, als die scheinbare Helligkeit der weißen Fläche nach 30″ langer Betrachtung war. Man mache den Versuch in umgekehrter Reihenfolge, und man wird wieder dasselbe Ergebniß haben.

Jeder Unbefangene wird nach diesen Versuchen erstaunt sein, zu hören, daß dem Weiß, welches er auf der hellen Fläche nach 30″ langer Betrachtung sieht, genau dieselbe Empfindung zu Grunde liege, wie dem Dunkelgrau, welches ihm in dem, auf46 der hellen Fläche sichtbaren Nachbilde des 30″ lang betrachteten hellen Streifens erscheint, und daß nur seine unbewußten falschen Schlüsse der Grund seien, daß er sich beide, an sich gleiche Em - pfindungen so verschieden vorstelle.

Nach der spiritualistischen Theorie nämlich sollen wir die bei anhaltender Fixation einer weißen Fläche eintretende Ab - nahme der Helligkeitsempfindung nur deshalb nicht in ihrem vollen Maße wahrnehmen, weil wir die ursprüngliche Hellig - keitsempfindung nicht zum Vergleiche daneben haben. Wenn wir dagegen das negative Nachbild des weißen Streifens auf der weißen Fläche sehen, so kann die Empfindung der ermüdeten Netzhautpartie mit derjenigen der unermüdeten unmittelbar ver - glichen werden, und deshalb soll uns nun der große Unterschied beider Empfindungen erst zum Bewußtsein kommen.

Mit demselben Rechte, mit welchem die spiritualistische Theorie alle successiven Contrasterscheinungen oder negativen Nachbilder einzig und allein aus der Ermüdung für Weiß er - klärt soweit es sich nicht um Farben im engeren Sinne handelt könnte man dieselben Erscheinungen auch aus der Ermüdung für Schwarz erklären.

Wie nämlich eine weiße Fläche bei längerer Betrachtung immer dunkler erscheint, so erscheint eine schwarze Fläche dabei immer heller. Wenn nun Einer annehmen wollte, die Em - pfindung des Hellen oder Weißen beruhe nicht auf einer im Ver - gleich zum Ruhezustand der Netzhaut gesteigerten Erregung derselben, sondern darauf, daß die Empfindung des Dunklen oder Schwarzen, durch welche sich das innere Leben (der Stoff - wechsel oder wie man will) der Netzhaut manifestire, durch das äußere Licht mehr oder minder gehemmt werde, welche Hemmung man eben als gemindertes Dunkel, d. h. als Hellig - keit empfinde: so würde er unter Beihilfe der unbewußten fal - schen Urtheile und Schlüsse alle Erscheinungen des successiven Contrastes ebensogut erklären können, wie dies jetzt aus der angenommenen Ermüdung für Weiß geschieht. Und wenn gar Einer käme und sagte, das Sensorium ermüde für die von der Netzhaut her erweckte Empfindung des Dunklen ebenso leicht, als für die von ebendaher erweckte Empfindung des Hellen, so würde er noch leichteres Spiel und gar nicht nöthig47 haben, so künstliche Hilfshypothesen zu machen, wie sie jetzt gemacht werden müssen.

§. 19. Vom Antheile der successiven Lichtinduction an den Erscheinungen des successiven Contrastes.

Wer häufig Nachbilder im geschlossenen Auge beobachtet hat, wird wissen, daß in Fällen, wo ein deutliches negatives Nachbild eines gut fixirten, hellen Objectes auf dunklem Grunde eigentlich gar nicht zur Entwicklung kommt, doch die Umrisse des hellen Objectes häufig im verdunkelten Gesichtsfelde des ge - schlossenen Auges wieder zu erkennen sind an mehr oder min - der breiten, nach der einen Seite scharf absetzenden, nach der andern verwaschenen Streifen, welche sich vom dunklen Grunde durch etwas größere Helligkeit unterscheiden lassen. Hat man z. B. die Grenzlinie eines zur linken Hälfte dunklern, zur rechten Hälfte hellern Gesichtsfeldes wenige Secunden lang bei schwacher Beleuchtung fixirt und schließt dann die Augen, so beschränkt sich öfters das negative Nachbild im geschlossenen Auge ledig - lich auf einen senkrecht durch das Gesichtsfeld gehenden Nebel - streif, welcher nach rechts scharf abgeschnitten ist, nach links hin verschwimmt, während der Grund allenthalben gleich dunkel erscheint. Oft stellt sich das negative Nachbild wenigstens im Beginne seiner Entwicklung in dieser Weise dar, und erst nach - her bemerkt man eine stärkere Verdunklung der rechten Ge - sichtsfeldhälfte, beginnend von dem Streifen und sich weiter und weiter nach rechts verbreitend, während die linke Hälfte ebenfalls vom Streifen her allmälig heller wird.

Der Leser, welcher meine früheren Mittheilungen kennt, weiß bereits, daß dieser nebelhafte, die Grenze des negativen Nachbildes der weißen Fläche markirende Streifen die Folge einer unter den angeführten Bedingungen nur schwachen Lichtinduc - tion und also die erste Andeutung jenes Lichthofes ist, wel - cher immer das negative Nachbild eines hellen, auf dunklem Grunde betrachteten Objectes im Sehfelde des geschlossenen Auges umgibt.

Nicht die größere Dunkelheit der zuvor stärker erregten (ermüdeten) Netzhautstellen ist es also, durch die sich das ne -48 gative Nachbild in solchen Fällen zuerst verräth, sondern der durch die Induction erzeugte Lichthof: das inducirte Licht zeich - net hier zuerst und bisweilen allein die Umrisse des betrachteten hellen Objectes auf dem sonst gleichmäßig dunklen Sehfelde des geschlossenen Auges ab.

Hieraus geht, auch wenn wir von der successiven Licht - induction weiter gar nichts wüßten, die hohe Bedeutung der - selben für die Entwicklung der negativen Nachbilder hervor.

In der That, mit größerem Rechte, als die jetzige Theorie alle negativen Nachbilder aus der Ermüdung ableitet, ließen sie sich aus der successiven Lichtinduction erklären, wenn man sich dazu verstehen wollte, die unbewußten Schlüsse zu Hilfe zu nehmen.

Man lege auf einen weit ausgebreiteten, schwarzen Grund zwei große weiße Blätter so, daß sie vom schwarzen Grunde nur einen Streifen von 1 Cm. Breite frei lassen. Dann mache man auf der Mitte dieses Streifens eine kleine, weiße Marke und fixire dieselbe einige Zeit. Wenn man dann rasch die beiden weißen Blätter wegnimmt oder besser wegnehmen läßt, so er - scheint auf dem nun schwarzen Grunde das negative Nachbild, welches im inducirten Lichte leuchtet. Je länger die Fixation des Vorbildes währte, desto heller ist im Allgemeinen das Nachbild.

Aus der Ermüdungshypothese erklärt sich dieses manchmal geradezu leuchtende Nachbild nur höchst gezwungener Weise unter Beihilfe der spiritualistischen Contrastlehre. Der Unbe - fangene wird die Erklärung aus der Lichtinduction viel entspre - chender finden, denn er wird nur ungern glauben, daß das helle Nachbild, welches er sieht, eigentlich noch dieselbe Empfindung, dasselbe Schwarz ist, welches er gleich beim ersten Blick auf dem schwarzen Streifen sah.

Nun mache man den entgegengesetzten Versuch: man lege große schwarze Blätter in der oben beschriebenen Art auf einen weißen Grund und fixire anhaltend den weißen Streifen. Dann entferne man rasch die schwarzen Blätter und man wird das negative Nachbild sehen als dunkleren Streifen auf hellem Grunde. Je länger die Betrachtung des Vorbildes, desto dunkler dieses Nachbild.

49

Wollte man auch dieses Nachbild lediglich aus der suc - cessiven Lichtinduction erklären, so müßte man sagen, der helle Streifen im Vorbilde habe Licht auf die zuvor dunklen Theile der Netzhaut inducirt, welches inducirte Licht sich nach Entfer - nung der schwarzen Blätter zu dem nun sichtbar werdenden ob - jectiven Lichte gleichsam hinzuaddire, daher die früher dunklen Theile des Gesichtsfeldes jetzt heller erscheinen müssen, als der Streifen. Dieser selbst werde eigentlich nicht dunkler empfun - den, als zu Anfang der Betrachtung, sondern erscheine uns nur so im Contraste gegen die hellere Umgebung.

Aber der Unbefangene müßte jetzt diese Erklärung des dunklern negativen Nachbildes aus der bloßen Lichtinduction ebenso unannehmbar finden, als vorhin die Erklärung des hel - lern negativen Nachbildes aus der Ermüdung, und zwar auch wieder deshalb, weil der Augenschein so stark dagegen spricht. Denn jenes dunkle Nachbild erscheint eben grau oder sogar dunkelgrau, nicht aber weiß, und es ist schwer, Jemandem ein - reden zu wollen, daß das, was er dunkelgrau sieht, eigentlich ebenso weiß von ihm empfunden wird, wie anfangs der weiße Streifen zwischen den schwarzen Blättern. Gern glaubt Jeder, daß sein Auge ihn über die wirkliche Helligkeit des Streifens täuschen könne, und daß wirklich der weiße Grund auch an Stelle des Nachbildes nicht dunkler ist, als anderswo, aber daß sein Urtheil, und noch dazu ein unbewußtes , ihn so über seine Empfindung täuschen könne, das glaubt er nicht so leicht.

Ich würde in der That denselben Fehler begehen, welchen ich vorhin der jetzt geltenden Theorie vorwarf, wenn ich, nach - dem ich das thatsächliche Vorhandensein der successiven Licht - induction erwiesen habe, nun alle Erscheinungen des successiven Contrastes daraus erklären wollte; es galt aber, hier nochmals darzuthun, wie leicht alle Räthsel der Empfindung zu lösen sind, wenn man sich je nach Bedarf spiritualistischer Ausflüchte bedient.

Daß eine Netzhautstelle, auf welche äußeres Licht einge - wirkt hat, im Allgemeinen eine schwächere sogenannte Erreg - barkeit für dieses selbe Licht hat, als eine zuvor nicht von diesem Licht getroffene Stelle, dies will ich durchaus nicht be -Hering, Lehre vom Lichtsinne. 450streiten, sondern werde später diese Veränderung der Erregbar - keit ausführlich zu erörtern haben. Dagegen aber darf nun auch auf Grund dieser Mittheilungen verlangt werden, daß die suc - cessive Lichtinduction und ihre sehr wesentliche Mitwirkung bei den Erscheinungen des successiven Contrastes anerkannt werde.

§. 20. Schlußbemerkungen.

Durch die vorliegende und die beiden früheren Mitthei - lungen hoffe ich im Leser wenigstens so viel Zweifel an der Richtigkeit der jetzt herrschenden Theorie der Gesichtsempfin - dungen erweckt zu haben, als nöthig ist, um für eine neue Theorie zugänglich zu werden.

Ich hätte, wenn ich nicht Furcht vor der Ermüdung des Lesers gehabt hätte, von den zahlreichen Thatsachen, welche mit jener Theorie nicht in Einklang zu bringen sind, noch so manche anführen und insbesondere die Erscheinungen der In - duction und des Contrastes auch noch an den Farbenempfin - dungen erläutern können. Aber ich halte es für zweckmässiger, nunmehr sogleich die Grundzüge meiner Theorie selbst darzu - legen und dann aus derselben nach und nach die Thatsachen gruppenweise zu entwickeln. Was die Farben (im engern Sinne) betrifft, so sei hier nur soviel bemerkt, daß die Erscheinungen der Induction und des Contrastes sich ebenso wie zwischen Schwarz und Weiß oder Dunkel und Hell, auch zwischen Blau und Gelb und zwischen Grün und Roth erzeugen lassen, so daß man im Allgemeinen alle in diesen Mittheilungen angegebenen Versuche in’s Farbige übersetzen kann, wenn man festhält, daß sich Schwarz zu Weiß verhält wie Blau zu Gelb und wie Grün zu Roth.

[51]

Vierte Mittheilung. Über die sogenannte Intensität der Lichtempfindung und über die Empfindung des Schwarzen.

(Vorgelegt in der Sitzung am 19. März 1874.)

§. 21. Von der sogenannten Intensität der Licht - empfindung.

Wenn es sich darum handelt, für die verschiedenen Eigen - schaften unserer Empfindungen passende und strenge Begriffe und Bezeichnungen zu erhalten, so ist das erste Erforderniß, daß man diese Begriffe lediglich aus den Empfindungen selbst abziehe und es streng vermeide, die Empfindung mit ihren physikalischen oder physiologischen Ursachen zu verwechseln, oder irgend ein Princip der Eintheilung dem Gebiete der letzteren zu entnehmen. Es ist auffällig, daß gegen diese eigentlich selbstverständliche Forderung noch immer verstossen wird, und daß wir daher viel - fach bei Malern eine objectivere Auffassung der Gesichtsempfin - dungen finden, als bei Physikern und Physiologen, ja daß sogar im gemeinen Sprachgebrauche in mancher Beziehung größere Klarheit über den hier zu behandelnden Gegenstand herrscht als in der Literatur der physiologischen Optik.

Jede Gesichtsempfindung erinnert uns mehr oder minder lebhaft an andere Gesichtsempfindungen, jede hat mit gewissen anderen eine ganz besondere Ähnlichkeit. Darauf beruht die innere Verwandtschaft der Gesichtsempfindungen untereinander und die Möglichkeit, sie von dem großen Kreise der Empfin - dungen überhaupt als ein besonderes Empfindungsgebiet abzu - grenzen. Wir sind auch meistens im Stande, sofort anzugeben, worin diese Ähnlichkeit oder Verwandtschaft hauptsächlich liegt, und was eigentlich das tertium comparationis ist.

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Letzteres darf freilich nicht in den physikalischen oder physiologischen Bedingungen der Gesichtsempfindungen gesucht werden, denn über diese sagt ja die Empfindung an sich zunächst noch gar nichts aus. Die Ähnlichkeit zweier Gesichtsempfin - dungen darin zu suchen, daß beide durch Ätherschwingungen veranlaßt, oder daß beide von der Netzhaut her erweckt werden, wäre ebenso falsch, als die Ähnlichkeit zweier Neger darin fin - den zu wollen, daß beide in Afrika erzeugt sind. Das tertium comparationis ist vielmehr in den gegebenen Empfindungen selbst zu suchen.

Denken wir uns die ganze Reihe der Übergänge vom tiefsten Schwarz bis zum lichtesten Weiß, so sind dies offenbar lauter in sich nahe verwandte Empfindungen, und wir sind auch gar nicht in Zweifel, worauf diese ihre Verwandtschaft vorzugsweise beruht. Wir sagen, alle Empfindungen dieser Reihe sind heller als das Schwarz am einen, dunkler als das Weiß am andern Ende der Reihe. In zweifacher Hinsicht also haben alle diese Empfindungen etwas Gemeinsames; erstens haben sie alle, ver - glichen mit dem reinen Weiß, etwas Dunkles, Schattiges oder Schwärzliches, andererseits haben sie, verglichen mit dem reinen Schwarz, alle etwas Helles oder Weißliches; mit andern Wor - ten, jede dieser Übergangsempfindungen erinnert uns zugleich an Weiß und Schwarz, nur überwiegt hier mehr das eine, dort mehr das andere, oder das eine findet sich nur spurweise, das andere deutlich u. s. f.

Betrachten wir das Grau, welches in der Mitte der ganzen Reihe liegt und also von Schwarz und Weiß gleichweit entfernt ist, so können wir nicht sagen, daß wir in demselben eigent - liches Weiß oder eigentliches Schwarz sehen, sondern wir haben eine sowohl vom Weiß als vom Schwarz verschiedene Empfin - dung, eine Empfindung besonderer Qualität, sehen aber doch in diesem Grau gewissermaßen Helligkeit und Dunkelheit, Weiß und Schwarz zugleich, beide gleichsam abgeschwächt. Nur das reine Weiß und Schwarz scheinen mit einander fast keine Ähn - lichkeit zu haben, sondern wir fassen sie vielmehr als Gegen - sätze auf. Worauf dies beruht, ist hier nicht weiter zu unter - suchen; vielmehr will ich gerade darauf Gewicht legen, daß53 uns diese beiden Empfindungen ganz besonders verschieden er - scheinen.

Da Schwarz und Weiß oder Dunkel und Hell genau ge - nommen nicht Eigenschaften der Aussendinge, sondern zunächst nur Eigenschaften unserer Empfindung sind, so ist es gestattet, von schwarzen oder dunklen und von weißen oder hellen Empfin - dungen zu sprechen. In diesem Sinne kann man auch die ganze Reihe der Übergangsempfindungen vom reinsten Schwarz zum reinsten oder lichtesten Weiß als die schwarzweiße Empfin - dungsreihe bezeichnen, weil alle Empfindungen dieser Reihe nur Schwarz und Weiß in verschiedenen Verhältnissen der Deut - lichkeit, aber keine andere Farbe enthalten.

Verfolgen wir nun diese Übergänge vom Schwarzen nach dem Weißen hin, so sehen wir, wie die Empfindung Schritt für Schritt ihre Qualität ändert, wie das Schwarz allmälig in Grau und dieses weiterhin in Weiß übergeht; wir sehen, wie die Em - pfindung des Schwarzen mehr und mehr beeinträchtigt, verunrei - nigt oder verdrängt wird durch das mehr und mehr sich vor - drängende Weiß, oder wie, wenn wir vom Weiß zum Schwarz zurückgehen, umgekehrt das Weiß mehr und mehr verunreinigt oder verdrängt wird durch das immer stärker hervortretende Schwarz.

Wenn nun Einer sagen wollte, daß unter solchen Verhält - nissen die Empfindung auf der einen Seite, nämlich im tiefsten Schwarz, gleich Null sei, und daß ihre Intensität nach der an - dern Seite hin wachse und endlich im reinsten Weiß ihr Maximum habe, so könnte ein Anderer mit demselben Recht sagen, daß die Empfindung im reinsten Weiß gleich Null sei und im tiefsten Schwarz ihre höchste Intensität erreiche. Denn während der Eine so verfährt, als ob das Schwarz gar nicht vorhanden wäre, verführe der Andere ebenso mit dem Weiß, und eines wäre so richtig oder falsch wie das andere.