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DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG.
DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG
ERSTE ABTEILUNG. VON DER ÄLTESTEN ZEIT BIS UM DAS JAHR 1500 N. CHR.
MIT 315 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN HOLZSTICHEN.
BRAUNSCHWEIG,DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 1884.
[V]

VORWORT.

Wenn ich die vorliegende Arbeit, die mich mehr als zehn Jahre beschäftigt hat, der Öffentlichkeit übergebe, so hätte ich freilich gar mancherlei auf dem Herzen, das auszu - sprechen mich drängt. Gern möchte ich das Kind meiner Mühen dem Publikum empfehlen, seine Verdienste in das beste Licht stellen, um ihm einen recht groſsen Leser - kreis geneigt zu machen. Aber wozu der vielen Worte. Ich fasse die guten Wünsche für mein Buch kurz zusam - men in dem alten, deutschen Bergmannsgruſs: Glück auf!

Was man sonst in eine Vorrede zu bringen pflegt, das habe ich in der Einleitung mitgeteilt. Es hätte des - halb auch dieses Vorwortes nicht bedurft, wenn es mir nicht ein Herzensbedürfnis wäre, an dieser Stelle denjenigen, die mir die Anregung zu dieser Arbeit gegeben und mich in der Ausführung unterstützt haben, meinen Dank aus - zusprechen. Dieser Dank gebührt zunächst meinen ver - ehrten Lehrern, die zu meiner Freude alle noch am Leben sind, den Herren Professoren Robert Bunsen in Heidel - berg, Peter Tunner in Leoben und John Percy in London, alle hochverdient um die Eisenindustrie. Der Letztere, bei dem ich während der Jahre 1864 und 1865 als Assistent beschäftigt war, gab mir die unmittelbareVIVorwort.Anregung für die vorliegende Arbeit, indem er damals gerade mit seiner Sketch of the history of iron im zweiten Bande seiner Metallurgie beschäftigt, es gelegent - lich aussprach, eine ausführliche Geschichte des Eisens zu schreiben, das müſste einmal eine Aufgabe für mich werden. Diese Worte sind auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich habe sie nie vergessen und mich der Arbeit um so lieber unterzogen, da sie meinen Neigungen ganz entsprach.

Nicht minder gilt mein Dank den Männern, die mir bei der Ausführung hilfreich zur Seite gestanden haben, vor allen meinem verehrten Freunde Professor Linden - schmit in Mainz, der mich mit Rat und That unter - stützt und unablässig angeregt hat, dann Herrn Oberst von Cohausen in Wiesbaden, der mir Gelegenheit gab, mit ihm gemeinschaftlich die interessanten Untersuchun - gen auf der Salburg zu machen, ferner meinem Freunde Dr. Hostmann, der für mich in der zuvorkommendsten, uneigennützigsten Weise das schwierige Kapitel Amerika bearbeitete. Auch der Direktion und den Beamten der Darmstädter Hofbibliothek, die mich stets auf das Freund - lichste unterstützten und durch ihre Zuvorkommenheit mir es ermöglichten, an einem kleinen Orte ohne Bibliothek die schwere Aufgabe zu bewältigen, sage ich wärmsten Dank.

Mögen Alle, die sich für die Geschichte des Eisens interessieren, mein Buch mit Wohlwollen entgegennehmen, und möge dasſelbe sich recht viele Freunde erwerben!

Rheinhütte b. Biebrich a. Rh., im März 1884.

Dr. L. Beck.

[VII]

INHALTSVERZEICHNIS.

  • Seite
  • Einleitung1 52
  • Allgemeines 1. Einteilung 3. Behandlung 4. Quellen 5. Wichtigkeit und Verbreitung des Eisens 7. Eisenerze 9. Arten und Eigen - schaften des Eisens 11. Darstellung 16. Erste Entdeckung 17. Meteoreisen 18. Schmiedbarkeit desſelben 25. Alter des Eisens 33. Seine Stellung zu den übrigen Metallen 34. Die Metallzeitalter 35. Die Bronzezeit 39. Das Kupfer 46. Die Geschichte des Eisens von der ältesten Zeit bis zur Völker - wanderung.
  • Ägypten53 102
  • Einleitung 53. Der Nil 54. Älteste Geschichte, Steinzeit 55. Alte Geschichte 56. Pyramiden 57. Andere alte Bauwerke 59. Soziale Verhältnisse 62. Gewerbe 63. Baugewerbe 65. Schiffsbau, Glas - fabrikation 69. Gold 71. Silber 76. Elektron, Kupfer 77. Bronze 78. Eisen 82. Älteste Funde 85. Bewaffnung 89. Bezeichnung für Eisen und Stahl 93. Eisengewinnung und - Bereitung 97. Kordofan 98.
  • Die Semiten103 202
  • Chaldäa. Elam, Babylon, Assur 163. Mesopatamien 103. Urge - schichte 105.
  • Assyrien, Geschichte und Bauwerke 108. Babylon 114. Bau - werke 115. Ausgrabungen von Botta und Layard 116. Kanäle und Brücken 119. Bekleidung, Gewerbe 119. Handelsstraſsen 121. Waaren 123. Metalle: Gold 124. Silber, Kupfer 125. Bronze 126. Blei, Zinn 127. Eisen 128. Waffen 129. Als Tribut in den Schatz - kammern 133. Ausgrabungen von Place in Khorsabad 134. Wichtig - keit 138. Anderweitige Verwendung 139. Stahl 141.
  • Syrien. Damaskus 142. Schwerter 143. Kanaan. Chetiter. Re - tenu 145.
  • VIII
  • Seite
  • Israel. Älteste Geschichte 145. Verhältnis zu Phönizien, Handel 147. Metalle: Gold, Silber 149. Kupfer 150. Bronze 151. Zinn 155. Eisen 156. Erze 157. Schmelzung 158. Schmiede 159. In Sa - lomos Tempel 162. Bewaffnung 163. Werkzeuge und Geräte 167. Stahl 170. Phönizien 171. Älteste Geschichte 172. Kulturhistorische Bedeutung 173. Ansiedelungen in Spanien, Tharsis 177. Handel und dessen Einfluſs 178. Metalle: Gold 181. Silber 182. Kupfer, Bronze 184. Zinn 185. Eisen 191. Arabien 196. Bewaffnung 197. Karien, Lykien, Lydien 198.
  • Die Arier in Asien203 269
  • Indien, Persien, Armenien. Geographie 203. Pendschap 204. Die Veda 205. Eisen im Sanskrit 206. Waffen und Werkzeuge 207. Brahma, Buddah 210. Metalle: Gold 211. Stahl 213. Handel 213. Kupfer, Zinn, Eisen 216. Laht von Dehli 217. Die schwarze Pagode 223. Stahlschwerter 226. Bhrat-Sanhitâ 227. Eisen - gewinnung und Darstellung 229. Schmelzöfen 232. Wutzstahl (Wootz, Bulat, Damascenerstahl) 241. Hinterindien, Laos 250. Assam, Siam, Cochin-China 251. Zigeu - ner 253. Persien 255. Armenien 261. Chalybien 263.
  • Turanier und Mongolen270 290
  • Skythen, Turkomanen 270. Tschuden 274. Tschudenschürfe und Grä - ber 277. Sibirien, Mongolen 281. Buräten 284. Schmiedetataren 285. Kleinasien 286.
  • Chinesen291 302
  • Allgemeines 291. Metalle 292. Eisen 293. Maschinen, Steinkohlen 297.
  • Japanesen302 308
  • Kupfer 304. Eisen und Stahl 307.
  • Die Naturvölker in Afrika, Asien und Amerika309 373
  • Afrika309 335
  • Äthiopier und Ägypter 309. Sudan, Djur, Bongo, Niam-Niam u. s. w. 311. Die Negervölker Westafrikas 318. Die Kaffern 321. Die Völker Mittelafrikas 328. Madagaskar 334.
  • Die Malaien336 340
  • Sumatra 336. Borneo 337.
  • Amerika341 373
  • Allgemeines 341. Dr. Hostmann 343. Nordamerika 346. Mexiko, Peru 351. Skulpturwerke und Steinbearbeitung 354. Sprachliches 368.
  • Griechenland374 466
  • Einleitung 374. Mythologie 375. Homer 381: Gold 385. Silber 392. Kupfer, Erz 393. Eisen 401. Hesiod 412. Beziehungen zu Phö - nizien 418. Kreta 419. Euböa 423. Arkadien und Lakonien 426. Delphi 430. Lötung des Eisens 433. Eiserne Statuen 434. Berg - bau in Attika 437. Bewaffnung 442. Kriegsmaschinen 445. Heron und Philon 446. Eisenindustrie 452. Theophrast 457. Aristoteles 459. Abbildungen 461. Werkzeuge 463.
  • IX
  • Seite
  • Italien und die Römer467 582
  • Einleitung 467. Etrusker 468. Waffen derselben 471. Elba 473. Eisenfunde 477. Rom 481. Früher Gebrauch des Eisens 483. Münzsystem 485. Wirtschaftliche Zustände 488. Bergbau 490. Bergrecht 492. Technik 494. Bronze 498. Eisen 500. Römi - sche Eisenwerke (Norikum, Aquileja etc.) 507. Hüttenberg 512. Salburg 514. Wandsford 531. Rohluppen 533. Eisenschmieden 536. Eiserne Werkzeuge 538. Bewaffnung 548. Kriegsmaschinen 563. Rechtsverhältnisse der Waffenschmieden 565. Kaiserliche Waffenfabriken 567. Verwendung des Eisens zu Werken des Friedens 569. Maschinen 573. Wasserräder 579.
  • Die Geschichte des Eisens im Mittelalter.
  • Einleitung. Die prähistorische Zeit in Europa585 642
  • Einleitung 585. Steinzeit 586. Angebliche Bronzezeit 587. Eisen - funde aus der Steinzeit 593. Pfahlbauten 605. Prähistorische Eisenschmelzen im Berner Jura 614. Das Grabfeld von Hall - stadt 622. Luna silva. Eisenfunde im mährischen Gebirge 628. Eisenschmelzen in Hannover, Hostmann 636. In Holland, Bleekrode 639.
  • Übergang zum Mittelalter.
  • Hispanien643 653
  • Die Turdetanier 643. Bergbau der Iberer 644. Der Römer 647.
  • Gallien653 671
  • Massilia 653. Napoleon III. und die Ausgrabungen von Bibrakte 655. Bewaffnung 668.
  • Britannien671 682
  • Zinn 671. Pytheas 672. Die Römer 672. Forest of Dean 675.
  • Die Germanen (Europa).
  • Urzeit.
  • Mythische Zeit682 699
  • Römische Überlieferungen699 702
  • Archäologische Funde702 703
  • Mittelalter.
  • Bewaffnung703 728
  • Verwendung des Eisens zu Werken des Friedens728 729
  • Der Eisensteinbergbau730 733
  • Eisenschmelzen734 737
  • Arbeiterverhältnisse737 747
  • Das alte deutsche Bergrecht747 750
  • Eisengewinnung in Steiermark und Kärnten750 758
  • Im übrigen Deutschland Harz u. s. w. 758
  • Das Bergregal760
  • Berggesetze761
  • Fortsetzung der Nachrichten über den Eisenbergbau768
  • Steinkohlenbergbau769 771
  • Die rechtliche und soziale Stellung der Bergleute771 779
  • Die Eisenbereitung im Mittelalter.
  • Die Eisenbereitung in Herdgruben (Luppenfeuer, Renn - feuer, Windöfen u. s. w.) 779. Korsikanschmiede 784 789. Katalanschmiede 789 803.
  • X
  • Seite
  • Eisenbereitung in Schachtöfen. Die Bauernöfen im Nor - den 803 815. Die Stucköfen 816 830. Die Stahlfabrikation im Mittelalter830 837
  • Die Schmiedekunst. Einleitung 837 844. Schwertschmiede 844 856. Messerer und Klingenschmiede 856 861. Panzerer und Helmschmiede 861 872. Hufschmiede 873 880. Zunft - wesen 881 883. Handwerkssitten und Gebräuche 883 886. Die Schmiedezunft 886 887.
  • Vervollkommnung der Hilfsmittel. Die Drahtzieher, Nadler und Blechner 887 891.
  • Die Schuſswaffen und der Einfluſs der Erfindung des Schieſspulvers auf die Eisenindustrie.
  • Die Feuerwaffen 892 917. (Belagerung von Schloſs Tannen - berg) 917 918. Artilleriechronik 919 925. Büchsenmeister 925 930. Geschützgieſser 930 934. Geschütze 934 938. Geschützguſs 938 944.
  • Eisenguſs 945 952. Verwendung der Wasserkraft 952 955. Windmühlen 955. Blasebälge 956 959. Waldschmieden 959 963. Roheisengewinnung 963 967.
  • Wissenschaftliche Kenntnis des Eisenprozesses bei den Alten 967 973. Alchemie, Übergang, Theophilus Pres - byter 974 986. Leonardo da Vinci 986 1001.
  • Schluſs1001 1003
[1]

EINLEITUNG.

Die Geschichte des Eisens zu schreiben ist ein Wagnis, denn einerseits fehlt es an Vorarbeiten, andererseits liegen die Gebiete des Wissens, auf welchen eine solche Arbeit sich notwendig aufbauen muſs, Kulturgeschichte und Technologie, weit auseinander. Letzteres ist wohl der Hauptgrund, daſs es an einer umfassenden Bearbeitung des Gegen - standes bis jetzt gefehlt hat. Der Techniker beherrscht selten das historische Gebiet in dem Maſse, wie es für eine solche Untersuchung, die weit über das Gebiet des rein Mechanischen hinausgreifen muſs, erforderlich ist; ebensowenig ist aber von dem Historiker von Fach Verständnis und Interesse für die technische Seite der Entwickelung der Eisenindustrie zu erwarten. Der Verfasser ist von Beruf Techniker und wenn er auch eifrig bemüht war, das unermeſsliche Feld der Ge - schichte und der einschlägigen Litteratur nach Kräften auszubeuten, so ist er doch selbst wohl am meisten davon durchdrungen, wie unvoll - kommen seine Arbeit ist, wie weit das Geleistete hinter dem Erstrebten zurücksteht. Es ist ein erster Versuch auf einem unbebauten Felde, ein provisorischer Bau, an dem noch viele Bausteine, Verbindungen und Dekorationsglieder fehlen, der erst allmählich im Laufe der Zeit durch das Zusammenwirken Vieler seiner Vollendung entgegengeführt werden kann. Möge dieses Buch hierzu die Anregung geben!

Das Eisen bedingt und beherrscht unsere moderne Kultur. Es lieferte die Werkzeuge, die Waffen, die Maschinen, mit denen der Mensch sich seine Weltstellung errungen hat. Darum ist die Geschichte der Benutzung dieses Metalles ein wichtiger Teil der Entwickelungsgeschichte der Menschheit. Ist es auch ungebräuchlich,Beck, Geschichte des Eisens. 12Einleitung.einen leblosen Stoff zum Gegenstand einer historischen Untersuchung zu machen, so ist dies doch nicht ungerechtfertigt, am wenigsten bei dem Eisen. Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Ge - schichtschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu groſse Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Be - dingungen der menschlichen Entwickelung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtung fänden. Was hat den Umschwung der modernen Welt in solchem Maſse veranlaſst als die Erfindung der Dampfmaschine? Nehmen wir aber ein Geschichtsbuch, beispiels - weise eine Geschichte der französischen Revolution in die Hände, so finden wir darin wohl ausführliche Untersuchungen über Charakter, Herkunft, Bildungsgang der groſsen und kleinen Menschen, die in dieser Katastrophe eine Rolle gespielt haben, und der individuellen Eigen - tümlichkeit der leitenden Personen wird die gründlichste Beachtung geschenkt, aber von der Einwirkung, der oben erwähnten Erfindung des groſsen Watt, sowie des daran sich knüpfenden Umsturzes der ganzen alten Technik durch die Herrschaft, welche die Steinkohle in - folge derselben erlangte, lesen wir nichts. Und doch hat der mate - rielle Druck, der infolge des Vorsprungs Englands durch Ausbeutung obiger Erfindung auf der gesamten Industrie Frankreichs lastete, vielleicht mehr Menschen der Revolution in die Arme getrieben, als die Ideen der Encyklopädisten! Wer wird die historische Bedeutung solcher Thatsachen in Abrede stellen wollen, wenn wir nur auf den Ein - fluſs hinweisen, den in dem letzten Menschenalter die Veränderung des Verkehrs durch die Eisenbahnen auf unsere Entwickelung, auf unsere Geschichte geübt hat? Beide Erfindungen aber, die der Dampfmaschinen wie die der Eisenbahnen, waren bedingt und ermöglicht durch technische Fortschritte der Eisenbereitung, infolge deren dieses Metall billiger und besser beschafft werden konnte.

Eine Geschichte des Eisens hat zunächst das erste Auftreten, die früheste Verwendung, also das Alter desſelben zu untersuchen; dann die Art der Gewinnung, der Verarbeitung und der Benutzung, sowie die Fortschritte, die im Laufe der Zeit bei den verschiedenen Völkern hierin gemacht worden sind. Diese Untersuchung wird sich aber ausdehnen müssen auf den Einfluſs der Verwendung des Eisens und die hierin erzielten Fortschritte auf die Völker im ein - zelnen und die Menschheit im ganzen, sowie auch der Verkehr mit diesem Metall in rohem und verarbeiteten Zustand, der Eisenhandel, in das Gebiet unserer Betrachtung fällt.

3Einleitung.

Die Einteilung der Geschichte des Eisens nach Zeit - abschnitten läſst sich ganz gut in Uebereinstimmung bringen mit der gebräuchlichen Einteilung der allgemeinen Weltgeschichte. Die alte Zeit beginnt mit den Anfängen der Geschichte und endet mit der Völkerwanderung. In ihr war das Eisen zwar bekannt, seine Anwen - dung aber weniger allgemein und namentlich beeinträchtigt durch die Vorliebe für die Bronze. Mit der Völkerwanderung gelangte das Eisen als Material für Waffen und Werkzeuge zu unbedingter Herrschaft. Die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen geschah in dieser Periode auf die einfachste Weise, durch Reduktion in Gruben, Herden und Öfen mittels Blasebälgen ohne Anwendung von Maschinen. Das erhaltene Produkt war ein schmiedbares Eisen, das je nachdem es der Natur der Erze nach härter oder weicher war sich mehr dem Stahl oder dem Schmiedeisen näherte. Guſseisen war in dieser Periode gänzlich unbekannt.

Die zweite Periode, welche mit der Völkerwanderung beginnt und in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts abschlieſst, also das ganze Mittelalter umfaſst, ist dadurch charakterisiert, daſs in derselben das Eisen zu allgemeinster Verwendung kommt und das fast aus - schlieſsliche Nutzmetall wurde. Die Gewinnung geschieht auch in dieser Periode in ähnlicher Weise wie in der alten Zeit auf dem direkten Wege, doch wird bereits der Anfang zur Benutzung von Ma - schinenkräften gemacht, insbesondere kommt gegen Ende der Periode das natürliche Gefälle des Wassers als bewegende Kraft in Anwendung. Infolgedessen tritt ein Umschwung ein. Man fängt an, das Eisen in flüssiger Form als Roheisen darzustellen, man lernt den Eisenguſs kennen. Aus dem Roheisen stellt man ein besseres Schweiſseisen, einen besseren Stahl dar. Die indirekte Methode der Eisengewinnung erlangt den Sieg. Die neue Zeit wird auf dieser Grundlage eröffnet. Die Einführung der Hochöfen führt zu einer gänzlichen Umwälzung in der Eisenbereitung. Von nun ab treten die direkten Darstellungs - methoden mehr und mehr zurück. Das Eisen wird in flüssiger Form als Roheisen aus seinen Erzen ausgeschmolzen und aus diesem Roh - eisen durch einen zweiten Prozeſs Stabeisen und Stahl erzeugt. Die Roheisenerzeugung wird die Grundlage der gesamten Eisenfabrikation, wie dies noch heutzutage der Fall ist. Es geschieht dies in der dritten Periode noch unter fast ausschlieſslicher Anwendung von Holzkohle und Benutzung der Wasserkraft.

Mit der Einführung des Dampfes als Betriebskraft und des Sieges der Steinkohle über die Holzkohle durch die Erfindung des Puddel -1*4Einleitung.prozeſses findet die neue Zeit gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ihren Abschluſs. Die vierte Periode, die neueste Zeit, beginnt. Sie ist charakterisiert durch die Herrschaft der Steinkohle, die groſsartige Verwendung der Dampfkraft, die Massenstahlbereitung. In die - sem Zeitabschnitte stehen wir noch mitten inne.

Unsere geschichtliche Untersuchung wird sich vornehmlich auf die alte Zeit, das Mittelalter und die neue Zeit erstrecken. In bezug auf die neueste Zeit werden wir uns auf eine allgemeine Schilderung der zahlreichen Erfindungen und Verbesserungen beschränken müssen, denn eine gleich gründliche Behandlung der Entwickelung der Eisentechnik der neuesten Zeit würde sich dermaſsen in technischen Einzelheiten er - gehen müssen, daſs nur der Fachmann ihr mit Interesse folgen könnte. Es empfiehlt sich, diesen Abschnitt, wenn er ausführlich behandelt werden soll, zum selbständigen Vorwurf einer besonderen Arbeit zu machen.

Die Behandlung des Stoffes in den verschiedenen Abschnitten wird keine gleichmäſsige sein können. In der alten Zeit werden es die ersten Anfänge der Eisenindustrie, die Frage der frühesten Be - nutzung des Eisens, der Einfluſs dieser Benutzung im allgemeinen, wie auf die in der Geschichte des Altertumes in den Vordergrund tretenden Völker insbesondere sein, die uns beschäftigen müssen. Die technischen Fragen der Gewinnung und Verarbeitung werden dagegen mehr in den Hintergrund treten, teils weil sich nur Weniges darüber ermitteln läſst, teils weil die unvollkommenen Methoden jener Zeit, da sie kaum in irgend welchem Zusammenhang mit unseren modernen Darstellungsweisen stehen, von untergeordnetem Interesse sind. Darum empfiehlt es sich, die Geschichte des Eisens der alten Zeit nicht nach technischen Gesichtspunkten einzuteilen, sondern nach historischen und zwar in der Weise, daſs wir die Kenntnis und Verwendung bei den einzelnen Hauptkulturvölkern nach einander unserer Betrachtung unterziehen; zuerst die der Ägypter, dann die der semitischen Völker Ostasiens, darauf die der Arier, Turanier, Chinesen u. s. w., worauf wir uns zu den europäischen Völkern, zunächst zu den Griechen und Römern wenden.

In der Behandlung des Mittelalters wird es hier und da schon möglich sein gewisse technische Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen und die europäischen Völkerfamilien, die für die weitere Geschichte der Eisenindustrie bis zur neuesten Zeit allein in Betracht kommen, in ihrer Nebeneinanderentwickelung zu behandeln. In der neuen Zeit werden es vorzugsweise die technischen Fortschritte sein, welche die Einteilung des Stoffes bedingen.

5Einleitung.

Die Quellen der Geschichte des Eisens sind spärlich und zer - streut. Von Arbeiten, welche unser Thema in seiner Allgemeinheit behandeln, existieren nur einige Aufsätze in den gröſseren Handbüchern über Eisenhüttenkunde. Unter diesen sind hervorzuheben die Ein - leitung zu Karstens Handbuch der Eisenhüttenkunde, und John Percys Skizze der Geschichte des Eisens im zweiten Bande seiner Metallurgie, doch beschränkt sich die letzterwähnte vor - treffliche Arbeit auf Bemerkungen über das Alter des Eisens und auf Mitteilungen über die Einführung der Steinkohlen und Koks bei der Eisendarstellung in England. Eine neuere Schrift: La ferronerie von Liger enthält archäologisch Interessantes, ist aber in technischer Be - ziehung sehr mangelhaft. Das neueste Buch The prehistorical use of iron and steel by John V. Day, London 1877 sucht nur den Nachweis für den frühen Gebrauch des Eisens bei den Völkern des Altertums zu führen. Bieten uns die historischen Vorarbeiten wenig für unseren Zweck, so ist die technische Litteratur über das Eisen noch so jugend - lichen Alters, daſs sie für die Geschichte der früheren Zeit nur geringe Ausbeute giebt. Die ersten selbständigen Arbeiten, die das Eisen speziell zum Gegenstand technisch wissenschaftlicher Untersuchungen machten, sind die zwei klassischen Abhandlungen von Reaumur über den Zementstahl und die Darstellung des schmiedbaren Gusses aus dem Jahre 1722. Erst 1734 erschien die erste systematische Eisen - hüttenkunde von dem berühmten Swedenborg in lateinischer Sprache unter dem Titel Regnum subterraneum sive minerale de ferro . Die älteren, hervorragenden metallurgischen Werke, wie das grundlegende Werk des Georg Agricola De re metallica (1556) oder die Pyro - technia des Italieners Vanuccio Biringuccio (1540) enthalten nur sehr ungenügende Mitteilungen über die Darstellung des Eisens. Zu ihrer Zeit hatte die Wissenschaft von diesem Zweig der Metallurgie noch keine Notiz genommen und während sie und andere gelehrte Männer eingehend die Darstellung des Goldes, des Silbers, des Kupfers, des Bleies und des Quecksilbers studierten und zu verbessern suchten, blieb die Eisengewinnung eine unbeachtete Kunst, den Bauern in den ein - samen Waldschmieden überlassen. Dieselbe untergeordnete Stellung nahm die Eisengewinnung gegenüber der Gewinnung der anderen Metalle im klassischen Altertum ein. Deshalb sind die Mitteilungen der alten Schriftsteller über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens so auſserordentlich spärlich und meist so unklar, daſs sie den Eindruck machen, die Berichterstatter erzählten nach Hörensagen und hätten die Prozesse, die sie beschreiben, entweder nicht gekannt oder nicht ver -6Einleitung.standen. Die einschlägigen Bemerkungen finden sich zerstreut in den philosophischen, historischen wie poetischen Werken des Altertums; mühevoll muſs man sie zusammensuchen aus den Schriften des Homer, Hesiod, Herodot, Thukidides, Aristoteles und Theophrast, wie später aus denen des Diodor, Strabo, Plutarch, Pausanias und anderer griechischer, wie aus denjenigen des Cäsar, Virgil, Pli - nius, Tacitus und anderer römischer Schriftsteller, um einigermaſsen das Bild der alten Industrie wieder herzustellen. Über noch ältere Zeiten geben uns die Bibel, das Zend-Avest und die Veden, sowie die Inschriften der Ägypter, Assyrer, Inder und die Ueberlieferungen chinesischer Chronisten vereinzelte Aufschlüsse. Es bleibt eine beschwer - liche Mosaikarbeit, diese unbedeutenden Gedenksteinchen wieder zu einem Gesamtbild zu vereinigen.

Andere Quellen als die litterarischen müssen es ausmalen helfen.

Die Analogie, welche uns die Anthropologie an den technischen Kenntnissen unzivilisierter Völker nachweist, sowie das Ergebnis der Untersuchungen von Fundstücken aus vergangener Zeit, worüber uns die Archäologie Aufschluſs giebt, vermögen manche Lücke auszu - füllen. Deshalb müssen die metallurgischen Kenntnisse der Natur - völker, die Funde von alten eisernen Werkzeugen und Geräten, wie die Reste alter Bergwerke und Schmelzvorrichtungen in das Bereich unserer Untersuchung gezogen werden. Ferner geben Mythen und Sagen, in welchen vorhistorische Erinnerungen in phantastischem Ge - wand erscheinen, Fingerzeige für die Geschichte der Metallgewinnung mancher Völker, wie z. B. der Griechen und Germanen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die Ergebnisse der Sprachver - gleichung, welche namentlich, wenn über Alter und Ursitz der Eisen - gewinnung gehandelt wird, nicht unberührt gelassen werden dürfen, wenn auch weittragende Schluſsfolgerungen hier um so mehr zu ver - meiden sein werden, als diese schwierige Wissenschaft noch in ihren ersten Anfängen steht und die Versuchung, Lücken durch Hypothesen auszufüllen, bei jeder jungen Wissenschaft groſs ist.

Aus so heterogenen Bestandteilen muſs eine Geschichte des Eisens zusammengefügt werden.

Ehe wir nun in die eigentliche Behandlung unseres Themas ein - treten, wird es zweckmäſsig sein, auszuführen, woher es kommt, daſs das Eisen eine so hervorragende Rolle unter den Metallen spielt, also seine Eigenschaften und sein Vorkommen in der Natur zu schildern, sowie die Art seiner Gewinnung und die verschiedenen Zustände, in7Einleitung.denen es uns bekannt ist und in die es zum Zweck seiner Verwendung übergeführt wird.

Die Wichtigkeit des Eisens beruht auf seinen Eigenschaften und auf der Verbreitung seiner Erze. Von allen metallischen Ele - mentarbestandteilen nimmt das Eisen den hervorragendsten Anteil an der Zusammensetzung unseres Erdkörpers, zugleich ist es für die Wohlfahrt der Menschen der wichtigste.

Die Erze des Eisens finden sich nicht nur in mächtigen Lager - stätten in allen Formationen angehäuft, sondern die Oxyde dieses Metalls bilden einen wichtigen Gemengteil der Gesteine, welche die feste Erdkruste bilden. Vor allem enthalten die Silikatgesteine, aus denen das Gerippe der Erdkruste besteht, Eisen. Die nachfolgende Zusammenstellung giebt das Mengenverhältnis an, in dem es in den Wichtigsten derselben enthalten ist.

Durch ihre Verbreitung und Eigenschaften spielten die Sauerstoff - verbindungen des Eisens eine wichtige Rolle in dem groſsartigen Stoff - wechsel der unorganischen Welt, auf dem die geologischen Umbildungen beruhen. Das Eisenoxydul der Silikatgesteine bindet einen Teil der Kohlensäure, welche mit dem Regentropfen in die Tiefe dringt, und wird als ein im Überschuss von Kohlensäure gelöstes Karbonat der Oberfläche wieder zugeführt. In Berührung mit der Atmosphäre ver - liert die Lösung wieder einen Teil der Kohlensäure, während das Oxydul Sauerstoff aufnimmt, Wasser bindet und sich als gelber Eisen - schlamm absetzt. Das Freiwerden der Kohlensäure ruft organisches Leben hervor, indem es Kohlensäure atmende Sumpfpflanzen gedeihen läſst und hierbei zeigt sich eine solche Wechselwirkung organischer und unorganischer Thätigkeit, daſs es zweifelhaft bleibt, ob das Pflanzen - leben die Abscheidung der Kohlensäure, oder ob die Abscheidung der8Einleitung.Kohlensäure das Pflanzenleben veranlaſst. Der oxydische Eisenschlamm ist wiederum meist nur ein Zwischenstadium in dem unaufhörlichen Stoffaustausch. Durch die Bildung von Kohlenwasserstoff, Kohlen - und Schwefelsäure infolge der Verwesung abgestorbener Sumpfpflanzen wird er in lösliche Oxydulsalze zurückgeführt, um von neuem in den Kreislauf des Stoffwechsels einzutreten.

Eine nicht minder wichtige Rolle als in dem unorganischen spielt das Eisen in dem organischen Leben. Es ist das einzige schwere Me - tall, welches einen wesentlichen Bestandteil unseres Blutes ausmacht. Wir wissen ferner, daſs über die Grenzen unserer irdischen Wohnstätten hinaus das Eisen verbreitet ist. Gleichsam wie eine Versicherung, daſs auch auſserhalb unseres Planeten an diesem wichtigsten Metall kein Mangel sei, fallen aus dem unbekannten Weltraum von Zeit zu Zeit Blöcke gediegenen Eisens auf unsere Erde herab. Der metallische Zustand dieser Meteoriten überrascht uns, da wir das Eisen auf der Erde nicht in gediegenem Zustand finden und das künstlich reduzierte Metall nicht lange in unserer Sauerstoffatmosphäre bestehen kann. Wenn schon hieraus gefolgert werden muſs, daſs die Atmosphären, welche die Meteoriten oder die fremden Sterne, denen sie entstammen, denn man pflegt sie als Trümmer von Planeten, Kometen oder Fixsternen anzusehen, umgaben, keine Sauerstoffatmosphären gewesen sein kön - nen, so ist dies durch die interessanten Versuche Grahams neuerdings zur Gewiſsheit geworden. Graham bemerkte, daſs das meteorische Eisen, welches 1814 bei Lenarto in Ungarn gefallen war, bei der Erhitzung das dreifache Volumen von Luft ausgab, die aus 86 Proz. Wasserstoff und Proz. Kohlenoxydgas zusammengesetzt war, während unser künst - lich dargestelltes Eisen nur Kohlenoxydgas enthält und zwar 1 Volum. Wasserstoff ist demnach der Hauptbestandteil dieser meteorischen Atmosphäre. Die Resultate dieser Untersuchung werden bestätigt durch die Ergebnisse der Spektralanalyse, welche nachweist, daſs Eisen und Wasserstoff in hervorragender Weise an der Zusammensetzung der Sonnenatmosphäre teilnehmen.

Die Spektralanalyse macht es wahrscheinlich, daſs das Eisen der wichtigste mineralische Bestandteil des Zentralkörpers unseres ganzen Planetensystems ist und steht zu vermuten, daſs auch an der Masse unseres Erdkörpers das Eisen in viel gröſserem Verhältnis Teil nimmt, als aus der Zusammensetzung der Oberfläche, wo die leichte Kiesel - säure in Verbindung mit den verbrannten Metallen ausgeschieden ist, erscheint. Denn das spezifische Durchschnittsgewicht des gesamten Erdkörpers beträgt das 5,44 fache des Wassers, während das der äuſsern,9Einleitung.uns bekannten Erdkruste kaum halb so hoch ist. Die Wirkungsphäre des Sauerstoffs reicht wahrscheinlicher Weise nur bis zu relativ geringer Tiefe. Wenn die Temperatur nach dem Innern der Erde in derselben Weise zunimmt, wie in den uns bekannten Tiefen, so liegt der Wärme - ort, wo die Zersetzung des Wassers eintritt, also die chemischen Ver - wandtschaftsbedingungen, die an der Oberfläche der Erde herrschen, umgekehrt werden, verhältnismäſsig nicht fern und es ist anzunehmen, daſs über diese Grenze hinaus die schweren Metalle in unverbundenem Zustande angehäuft sind. Der ferndringende Blick der Spektralanalyse hat das Eisen noch weit auſserhalb unseres Planetensystems nachzu - weisen vermocht. In den Atmosphären des Aldebaran und des Sirius bilden Eisen und Wasserstoff die Hauptbestandteile.

Doch kehren wir zurück auf unsere Erde, wo zum Segen der Menschheit die Erze des Eisens sich allerwärts vorfinden.

Sie sind so verbreitet, daſs es eine höchst weitschweifige und er - müdende Arbeit sein würde, wollte man die bekannten Eisenerzvor - kommen aller Länder zusammentragen und so eine Geographie der Eisenerzlagerstätten liefern. Diejenigen, welche für die Geschichte des Eisens von besonderer Wichtigkeit sind, werden gelegentlich betreffen - den Orts erwähnt werden. Dagegen ist es von Interesse, eine Ueber - sicht der Erze nach ihrem chemischen Verhalten zu geben.

Die Eisenerze haben einen gemeinsamen chemischen Charakter, alle sind Sauerstoffverbindungen. Das reichste derselben ist das schwarze Oxyd, der Magneteisenstein, der aus drei Äquivalenten Eisen und vier Äquivalenten Sauerstoff zusammengesetzt ist und in chemisch reinem Zustande einen Eisengehalt von 72,4 Proz. hat. Sein spezifisches Gewicht schwankt zwischen 4,98 bis 5,20. Er findet sich krystallisiert im regulären System und ist hauptsächlich in Schweden, Norwegen, im Ural, in Kanada, Neu-Jersey und Pennsylvanien verbreitet.

Die zweitreichste, häufig vorkommende Sauerstoffverbindung des Eisens ist das rote Oxyd, das krystallinisch als Eisenglanz oder dicht als Roheisenstein sich findet. Es besteht aus zwei Äquiva - lenten Eisen mit drei Äquivalenten Sauerstoff und enthält im reinen Zustande 70 Proz. Eisen. Sein spezifisches Gewicht ist 5,19 bis 5,23. Die berühmten Eisenerze der Insel Elba bestehen aus Eisenglanz, wäh - rend der dichte Roteisenstein das wichtigste Erz Mitteldeutschlands bildet. Für sich erhitzt, verändert sich dieses Oxyd nicht, erst bei sehr hoher Temperatur entweicht ein Anteil seines Sauerstoffs; durch reduzierende Gase erleidet es dagegen schon bei verhältnismäſsig ge - ringer Hitze eine teilweise geringe Reduktion. Wird der Roteisen -10Einleitung.stein vor dem Verschmelzen einer Röstung unterworfen, so geschieht dies nur, um eine mechanische Auflockerung zu erreichen.

Die dritten, sehr verbreiteten Sauerstoffverbindungen des Eisens sind die braunen, wasserhaltigen Oxyde, die Brauneisensteine, welche als brauner Glaskopf, als Sumpferz, Seeerz, Bohnerz u. s. w. gefunden werden. Die wasserhaltigen Oxyde sind nicht krystallisiert. Die reinste Abänderung, der braune Glaskopf, besteht aus zwei Atomen Sesquioxyd und drei Atomen Wasser; eine zweite wasserreichere Verbindung ent - hält zwei Atome Wasser auf ein Atom Eisenoxyd. Diese Eisenhydrate sind in den dichten und erdigen Brauneisenerzen mit mehr oder weniger Thon vermischt. Wird das Erz erhitzt, so entweicht das Wasser und es bleibt wasserfreies, rotes Oxyd zurück. Brauneisensteine finden sich in allen Formationen. In den älteren, besonders in der silurischen und devonischen kommen sie meist in Gängen vor und sind oft das Um - wandlungsprodukt des Eisenspats, in welchem Falle sie sehr rein, reich an Mangan und vorzügliche Eisenerze sind. In den jüngeren Forma - tionen treten dagegen die Brauneisenerze häufiger als Lager auf, deren Bildung zuweilen, wie bei den schwedischen Seeerzen, noch fortschreitet. Organische Wesen sind oft die Veranlassungen solcher Ablagerungen. So scheiden Charen, Converfen und Moospflanzen in flachen Wassern, die doppeltkohlensaures Eisenoxydul gelöst enthalten, oft Eisenoxyd - hydrat aus, indem sie durch ihre Respirationsthätigkeit der Flüssigkeit den Überschuſs an Kohlensäure, der die Eisenverbindung gelöst hält, entziehen. Das ausgeschiedene Eisenoxydhydrat setzt sich um das Netzwerk der Pflanzenwurzeln ab. Daſs auch Infusorien das Eisen - oxydhydrat durch ihre Lebensthätigkeit unmittelbar zum Absatz bringen können, beweist die Entstehung der Seeerze Schwedens. Solche Ablagerungen können zwar unter Umständen von groſser Reinheit sein, in den meisten Fällen aber enthalten sie, abgesehen von den Thonein - mengungen, einen beträchtlichen Anteil an Phosphorsäure, der sie weniger für die Herstellung von Schmiedeisen und Stahl, als von Guſs - waren tauglich macht.

Die vierte oxydische Verbindung endlich, welche die Natur liefert, ist das hellgefärbte, kohlensaure Eisenoxydul, der Eisenspat. In reinem Zustande tritt er in der Krystallform des Kalkspats in Rhom - boëdern auf und ist eine Verbindung von einem Atom Eisenoxydul mit einem Atom Kohlensäure, welche in reinem Zustande 48,275 Proz. Eisen enthält. Meist jedoch ist es begleitet von den isomorphen Kar - bonaten, kohlensaurem Manganoxydul, kohlensaurer Magnesia und kohlensaurem Kalk. Das spezifische Gewicht dieses Erzes ist 3,7 bis11Einleitung.3,9. Eisenspat kommt in den älteren Formationen meist in Gängen vor, selten in Lagern. Sein oft beträchtlicher Mangangehalt macht dieses Erz besonders geeignet zur Stahlgewinnung. Vor seiner Verschmelzung wird es gewöhnlich einer Röstung unterworfen, wodurch die Kohlen - säure ausgetrieben und eine teilweise Oxydation herbeigeführt wird. Das Röstprodukt ist eine schwarze, zuweilen halbmetallisch glänzende Oxydverbindung des Eisens, die in ihrer Zusammensetzung dem Magnet - eisenerz nahe steht. Der Eisenspat erleidet schon beim Liegen an der Luft eine Zersetzung, wobei seine fast weiſse Farbe durch Gelb in dunkles Braun übergeht. Dabei tauscht sich Kohlensäure gegen Was - ser aus und das Oxydul nimmt Sauerstoff auf, bis das Endprodukt Brauneisenerz entsteht. Die berühmtesten Fundplätze dieses Eisen - spats sind in Steyermark und im Siegerland.

Das kohlensaure Eisenoxydul findet sich ferner in amorphem oder kryptokrystallinischem Zustand vermengt mit Thon in den thonigen Sphärosideriten, dem Kohleneisenstein (Blackband) u. s. w., Erze, die je nach ihren Beimengungen die verschiedenartigsten Farben und das verschiedenartigste Ansehen haben. Alle gehen durch Zer - setzung in Brauneisenstein über.

Die Darstellung des Eisens aus seinen Erzen ist ein leicht verständlicher Vorgang. Er beruht auf einer einfachen Reduktion der Oxyde, welche durch Kohle bei hoher Temperatur bewirkt wird. Das Eisen, welches auf diese Weise gewonnen wird, ist nicht chemisch rein, sondern enthält stets Kohlenstoff. Durch diese Beimengungen von Kohlenstoff wird es erst zu technischen Zwecken verwendbar. Be - kanntlich unterscheidet man drei Hauptmodifikationen des Eisens: Das Roheisen, den Stahl und das Schmiedeisen. Die Verschieden - heit dieser Modifikationen, die so groſs ist, daſs sie sprachlich durch besondere Worte bezeichnet werden, beruht auf dem verschiedenen Kohlenstoffgehalt. Das Roheisen enthält am meisten, 3 bis 5,93 Proz., das Stabeisen am wenigsten, 0,08 bis 0,6 Proz., der Stahl steht in der Mitte mit 0,6 bis 2,3 Proz. Kohlenstoff. Es ist bis heute noch nicht mit Bestimmtheit erwiesen, wie wir uns die chemische Bildung der Eisen - arten zu erklären haben, ob der Kohlenstoff in den Eisensorten mit einem Teile des Metalls in bestimmter chemischer Verbindung oder ob er nur in Auflösung enthalten ist. Nicht nur der ver - schiedene Gehalt an Kohlenstoff, sondern auch die Art seiner Verbin - dung bedingen die Verschiedenheit der Eigenarten. Das kohlenstoff - reichste Roheisen ist am leichtesten schmelzbar, das kohlenstoffärmste Stabeisen am schwersten. Der Stahl steht, wie im Kohlenstoffgehalt,12Einleitung.so auch bezüglich der Schmelzbarbeit in der Mitte. Man kann sagen, die Schmelzbarkeit des Eisens nimmt zu mit seinem Kohlenstoff - gehalt, doch wird diese allgemeine Regel eingeschränkt durch die Verschiedenheit des Verbindungszustandes des Kohlenstoffs im Eisen, besonders im Roheisen. Es giebt Eisensorten, die sowohl in bezug auf ihre Schmelzbarkeit, als auch ihrem sonstigen physikalischen Verhalten groſse Verschiedenheit zeigen, während ihre quantitative chemische Zusammensetzung ganz oder nahezu die gleiche ist. Man unterscheidet diese Roheisensorten nach ihrer Farbe als graues und weiſses Roh - eisen. In den grauen Roheisensorten ist nur ein Teil des Kohlen - stoffs chemisch gebunden, während ein anderer Teil in der Form krystallinischer Blättchen, als sogenannter Graphit, ausgeschieden ist. Diese dunklen Blättchen erteilen dem Eisen die eigentümliche graue Farbe. In den weiſsen Roheisensorten ist aller oder nahezu aller Kohlenstoff chemisch gebunden. Dadurch erklärt es sich, daſs die physikalischen Eigenschaften beider nicht dieselben sein können, da diese durch den gebundenen Kohlenstoff bedingt werden. Deshalb ist auch weiſses Eisen leichter schmelzbar als graues von gleichem Kohlenstoffgehalt. Doch wird das graue und nicht das weiſse Eisen zum Vergieſsen gebraucht und deshalb als Guſseisen bezeichnet, weil das weiſse Eisen hart und spröde ist und da es sich beim Erkalten stärker zusammenzieht und die Formen ungenügend ausfüllt.

In bezug auf die Schmelzbarkeit der Eisensorten hat Pouillet folgende Tabelle mitgeteilt1)S. Comptes rendues 1836, III. p. 793.:

    • Leicht schmelzbares weiſses Roheisen schmilzt bei 1050° C.
    • Schwer 1100° C.
    • Leicht graues Roheisen 1100° C.
    • Schwer 1200° C.
    Nach anderen Angaben schmelzbar zwischen 1400 bis 1600° C.
    • Leicht schmelzbarer Stahl 1300° C.
    • Schwer 1400° C.
    1850° C.
  • Schmiedeisen schmilzt bei 1500 bis 1700° C. 2000° C.

Eine zweite wichtige Eigenschaft des Eisens ist seine Härte, welche ebenfalls mit dem Kohlenstoffgehalt schwankt. Das kohlenstoff - ärmste Schmiedeisen ist die weichste Verbindung, welche sich deshalb am leichtesten bearbeiten läſst. Das kohlenstoffreichste Spiegeleisen ist die härteste Eisenverbindung. Das graue Roheisen ist viel weicher als das weiſse. Die gröſste Eigentümlichkeit in bezug auf die Härte zeigt der Stahl. Wird glühender Stahl langsam abgekühlt, so wird er13Einleitung.weich; kühlt man ihn dagegen rasch ab, so wird er hart und zwar so hart, daſs man mit Leichtigkeit den langsam erkalteten, ungelöschten Stahl mit dem rasch erkalteten, abgelöschten Stahl feilen, bohren und schneiden kann. Das Material läſst sich also ohne Schwierigkeit mit sich selbst bearbeiten. Diese ausgezeichnete Eigenschaft hat der Stahl vor den anderen Eisensorten voraus und sie ist es haupt - sächlich, die den Stahl zu der geschätztesten Eisenkohlenstoffverbindung macht. Während der langsam erkaltete Stahl kaum dem Schmied - eisen an Weichheit nachsteht, besitzt der abgelöschte Stahl nahezu die Härte des Spiegeleisens. Es gehen diese Härteunterschiede nach der gewöhnlichen Skala von 4 bis 7.

Vergleicht man die Stahlsorten unter einander, so bleibt auch hier die Regel richtig, daſs die Härte mit dem gebundenen Kohlenstoff - gehalt zunimmt, vorausgesetzt, daſs die verglichenen Stahlsorten unter denselben Umständen erkaltet sind. Stahl von gleichem Kohlenstoff - gehalt wird durch das Ablöschen um so härter, je gröſser die Tempe - raturdifferenz zwischen dem erhitzten Stahl und der Flüssigkeit, in der er abgelöscht wird, dem Härtewasser , und je gröſser die spezifische Wärme der Flüssigkeit, in welcher der Stahl gelöscht wird, ist. Mit der Härte nimmt auch die Sprödigkeit zu, so daſs glasharter Stahl sich pulvern läſst. Solcher Stahl ist für Werkzeuge meist zu hart und spröde. Beides aber kann man ihm wieder benehmen durch Erhitzen bis zu einer gewissen Temperatur und darauf folgendes langsames Abkühlen. Bei diesem langsamen Erhitzen, dem Anlassen , zeigt blanker, namentlich polierter Stahl eine Reihe auf einander folgender Farben, welche man die Anlauffarben nennt, nach denen man den Grad der Härte und Elastizität, welche man dem Stahl durch das An - lassen geben will, bestimmen kann. Die Anlauffarben folgen sich in nachfolgender Ordnung:

  • Bei 220° C. blaſsgelb,
  • 230° C. strohgelb,
  • 255° C. braun,
    • 265° C. purpurtleckig
    • 277° C. purpurfarbig
    violett,
  • 288° C. hellblau,
  • 297° C. dunkelblau,
  • 316° C. schwarzblau
    1)Dieselben Farben wiederholen sich wieder bei steigender Temperatur in rascherer Aufeinanderfolge.
    1).
14Einleitung.

Der Stahl wird um so weicher, je höher man ihn anläſst. Will man einem weichen, elastischen Gegenstand, z. B. einer Feder, die richtige Härte geben, so wird man sie blau anlaufen lassen, während man eine harte Schneide nur gelb anläſst.

Das Schmiedeisen zeigt die Eigenschaft der Härtung durch Ab - löschen nicht, man setzt deshalb die Grenze von Stahl und Schmied - eisen da, wo die Härtung aufhört; dies tritt bei einem Kohlenstoffgehalt von circa 0,62 Proz. ein.

Daſs Farbe und Textur der Eisensorten sehr abweichend sind, ist schon angedeutet worden. Je mehr gebundenen Kohlenstoff ein Eisen enthält, desto weiſser, silberfarbiger, je mehr ausgeschiedenen Kohlenstoff (Graphit), desto schwärzer wird es. Die Extreme der Farben zeigen groſsblättriges Gieſsereieisen, das fast schwarz ist, und Spiegel - eisen. Farbe und Glanz werden sehr beeinfluſst durch die Textur. So zeigen Schmiedeisen und Stahl ursprünglich krystallinischen blättrigen Bruch und glänzende Farbe, durch Schmieden und Walzen wird das Gefüge sehnig, der Glanz matt, die Farbe meist heller. Das Eisen krystallisiert im regulären System meist in Oktaëdern. Die Krystallform des Spiegeleisens, welches in groſsen, glänzenden Flächen bricht, ist noch nicht aufgeklärt.

Die Schmiedbarkeit des Eisens steht im allgemeinen im um - gekehrten Verhältnis zur Härte. Weiſses Eisen und abgelöschter Stahl sind sehr spröde; weicher Stahl und Schmiedeisen sehr dehnbar. Die Schmiedbarkeit wird beeinträchtigt durch chemische Verunreini - gungen; so machen geringe Beimengungen von Schwefel Eisen oder Stahl rotbrüchig, ebenso Kupfer. Phosphor erzeugt Kaltbruch, ähn - lich wirken Arsen und Antimon. Silicium beeinträchtigt die Festigkeit des Eisens. Ähnlich wie mit der Schmiedbarkeit verhält es sich mit der Zähigkeit.

Die Elastizität ist in besonders ausgezeichnetem Grade dem Stahl eigen. Es ist eine Verbindung von Härte und Zähigkeit. Beson - ders zeigt der angelassene Stahl eine Elastizität wie kein anderer Stoff; wir wollen hier nur an die feinen Uhrfedern erinnern.

Eine andere Eigenschaft, die unter den Nutzmetallen das Eisen allein besitzt, ist seine Schweiſsbarkeit. Erhitzt man Schmied - eisen und Stahl, so geht er lange, ehe er schmilzt, in einen erweichten Zustand über, in dem sich durch Drücken und Hämmern zwei Stücke mit einander verbinden lassen wie weiches Wachs. Die Schweiſsbar - keit steht im umgekehrten Verhältnis zum Kohlenstoffgehalt und hört auf mit dem harten Stahl. Roheisen ist nicht schweiſsbar. Die wich -15Einleitung.tigste Eigenschaft der Eisensorten ist seine Festigkeit, durch die sich das Eisen ebenfalls vor allen anderen Nutzmetallen auszeichnet. Sie variiert mit dem Kohlenstoffgehalt.

Die absolute Festigkeit, d. h. der Widerstand gegen das Zer - reiſsen, ist am gröſsten bei weichem Stahl, etwa doppelt so groſs, als bei Schmiedeisen. Die Versuchsziffern schwanken allerdings bedeu - tend, je nach der Reinheit und Bearbeitung der untersten Stahl - und Eisensorten. Bei dünnen Stäben ist die Festigkeit relativ gröſser als bei dicken. Es trägt die Flächeneinheit von 3 cm Quadrat bei Quadrat - stäben

  • von 3,0 cm Seitenfläche 2900 kg
  • 1,5 37500
  • 0,75 47500

Es rührt dies teils von der Bearbeitung, teils von der gröſseren Oberfläche her. Die Festigkeit des Schmiedeisens ist mehr als dreimal so groſs, als die des Guſseisens. Deshalb wendet man da, wo das Material auf Zugfestigkeit in Anspruch genommen wird, wie bei Brückenträgern, Schmiedeisen an. In bezug auf die relative Festig - keit, den Widerstand gegen das Zerdrücken, ist das graue Roh - eisen dem Schmiedeisen überlegen, deshalb wendet man zum Tragen, besonders als Unterstützungssäulen, Guſseisen an. Gute Stahlsorten, namentlich guter Guſsstahl, übertreffen in beiden Beziehungen alle übrigen Eisensorten. Es verhalten sich die Festigkeitskoeffizienten bei Zug und Druck in Kilogrammen pro Quadratzentimeter folgendermaſsen:

Die Aufgabe des Hüttenmannes ist es, dasjenige Eisen aus dem Erz darzustellen, welches dem Zweck seiner Verwendung am meisten entspricht. Aus jedem Erz lassen sich die drei Kohlenstoffverbindungen des Eisens erhalten, wenn auch nicht mit gleichem Vorteil, indem manche Eisenerze sich mehr als andere zur Darstellung einer bestimmten Eisensorte eignen. Das oxydische Eisenerz, wenn man es in Berührung mit Kohle glüht, wird reduziert. Dabei behält das reduzierte Eisen anfänglich die Gestalt der Erzstücke und ist frei oder nahezu frei von Kohlenstoff. Bleibt es aber weiterhin in Berührung mit den glühenden16Einleitung.Kohlen, so nimmt es Kohlenstoff auf und durchläuft, wenn die Tempe - ratur hoch genug ist, nach und nach alle Zustände der Kohlung von Schmiedeisen bis zu dem Roheisen, indem, je höher die Temperatur ist, um so mehr das Eisen das Bestreben zeigt, die gröſstmögliche Menge Kohlenstoff aufzunehmen und die leichtschmelzbarste Verbindung zu bilden. Soll aber Roheisen entstehen, so muſs die Hitze mindestens der Schmelztemperatur des weiſsen Eisens entsprechen; ist dies nicht der Fall, oder ist die Berührung mit den kohlenden Gasen unvollständig, von zu kurzer Dauer oder wirken auf das gekohlte Eisen nachträglich wieder oxydierende Gase ein, so entsteht kein Roheisen, sondern eine geringer gekohlte Verbindung, die, da sie schweiſsbar ist, sich zu einem Klumpen vereinigt, und meist dem Schmiedeisen, seltener dem Stahl entspricht. Da die Betriebsmittel, welche die Alten bei ihrer Eisenbereitung anwendeten, so unvollkommen waren, daſs dadurch die vollständige Kohlung nicht erreicht werden konnte, so erhielten sie nicht geflossenes Roheisen, sondern zusammengebackenes Schmied - eisen. Ihre Schmelzapparate waren Herde oder niedrige Öfen1)V. Mos. 4. 20., welche keine genügend lange Einwirkung der kohlenden Gase gestatteten; ihre Gebläsevorrichtungen waren so mangelhaft, daſs sie damit keine hohe Temperatur erzeugen konnten und endlich leiteten sie den Wind meistens in der Weise in den Ofen, daſs er das Metall traf und eine nachträgliche Entkohlung bewirken muſste. Aus allen diesen Ursachen blieb den Alten das geflossene Roheisen unbekannt, und wenn sie auch einige Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, daſs das Eisen schmelzbar ist und sich bei ihren Prozessen je nach den Umständen zuweilen etwas geflossenes Eisen gebildet haben mag, so stellten sie doch das Roheisen niemals absichtlich dar und kannten seine Ver - wendung weder zum Zwecke des Gieſsens noch zur Stahl - und Schmied - eisenbereitung.

Die einfache Reduktion, durch welche man direkt Schmiedeisen erhält, die sogenannte direkte Eisendarstellung , ist der natürlichste und leichteste Prozeſs der Eisenbereitung. Kein Wunder, daſs die Alten zuerst darauf verfielen! Ja, es dauerte Jahrtausende, bis man allmählich durch Erfahrungen und Beobachtungen die Wichtigkeit des Roheisens erkannte; daſs man es nicht nur zu vergieſsen lernte, son - dern auch fand, daſs sich der Stahl und das Schmiedeisen sicherer, besser und mit gröſserem, ökonomischem Vorteil aus dem Roheisen als unmittelbar aus dem Erz darstellen lieſsen.

17Einleitung.

Nach der Art, wie der Prozeſs in alter Zeit geführt wurde, war es vom Zufall abhängig, ob ein härteres oder ein weicheres Eisen, ob Stahl oder Schmiedeisen dargestellt wurde. Die Sprache machte anfangs auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen. An manchen Orten, wo die Erze die Bildung eines harten Eisens besonders begün - stigten, wurde von Anfang an meist Stahl erhalten, wie dies im Land der Chalyber und in Norikum der Fall war. Die überlegenen Eigen - schaften dieser Eisensorten führten dann auch zu seiner besonderen Benennung, die meist dem Namen des Landes, von dem es kam, ent - nommen war, und so wurden Ortsnamen im Laufe der Zeit zuweilen zum Begriffsworte, wie das griechische Χάλυψ für Stahl. Die Güte des Produktes war abhängig von dem Erz, daher lokal bedingt.

Erst durch die groſse Reform in dem Eisenhüttenwesen, durch die Erfindung der Roheisendarstellung und die Einführung des indirekten Verfahrens lernte man nach und nach aus demselben Erz nach Be - lieben die eine oder die andere Eisensorte darzustellen. Die Inder allein verstanden schon früh aus dem Schmiedeisen durch einen zweiten Prozeſs durch ein eigentümliches Verfahren den vorzüglichen indi - schen Stahl zu bereiten.

Die Mangelhaftigkeit der Schmelz - und Gebläsevorrichtungen suchten die Alten auszugleichen durch die Sorgfalt, mit der sie ihre Erze auswählten und zur Schmelzung vorbereiteten. Sie rösteten alle Erze, zerklopften das geröstete Erz zu Haselnuſsgröſse, siebten das Feine ab und gaben es meist innig mit Holzkohlenstückchen gemengt auf. Dadurch unterstützten sie die Wirkung der Hitze und der reduzie - renden Gase, so daſs sie bei kürzerer Chargendauer ein vollständiges Ausschmelzen bewirkten. Es war diese Vorbereitung um so notwen - diger, je flacher der Herd und je schwerschmelziger das Erz war.

Ehe wir nun aber auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens bei den einzelnen Völkern des Altertums näher eingehen, wollen wir noch zwei allgemeine Punkte in diesem einleitenden Teil der Betrach - tung unterziehen:

Die Frage der ersten Entdeckung des Eisens und die der Stellung des Eisens zur Bronze im Altertume.

Die Zeit der Entdeckung des Eisens feststellen zu wollen ist ein ebenso vergebliches Bemühen, als über den Weg, die Art und Weise dieser Entdeckung Theorieen aufzustellen. Wir finden das Eisen bereits in mannigfachem Gebrauche beim Eintritt der ältesten Kulturvölker in die Geschichte. Hypothesen, die über die Grenzen der ältesten Überlieferungen hinausgehen, stehen auf sehr zweifelhaftem Boden·Beck, Geschichte des Eisens. 218Einleitung.Dennoch gehört es zu unserer Aufgabe, auch zu diesen mehr oder weniger anerkannten Ansichten Stellung zu nehmen. Eine solche, die sich auf die uranfängliche Entdeckung des Eisens bezieht, ist enthalten in der verbreiteten Behauptung, daſs das Eisen, welches die Menschen zuerst benutzt hätten, Meteoreisen gewesen sei. Die Hypothese hat etwas Bestechendes. Meteoreisenblöcke haben sich in allen Gegenden der Erde gefunden. Einzelne, kleinere Massen sind an vielen Orten bekannt, angehäuft fanden sie sich am Maguragebirge in Ungarn, bei Kobija in Südamerika, bei Toluka in Mexiko, am groſsen Fischfluſs in Südafrika, auf Disko, Ost-Grönland und anderen Orten. Von gröſse - ren Massen sind am berühmtesten der 95,5 kg schwere Block von Elnbogen, die ursprünglich 800 kg schwere Masse von Krasnojarsk, die 1500 kg schwere Masse vom Red-River in Louisanna, die über 8500 kg schwere, am Flusse Bemdêgo in Brasilien und die auf 15000 kg ge - schätzte Masse von Otumba in Peru u. s. w. Auch ist die Kenntnis, daſs Steine und Eisen zeitweise vom Himmel fallen, sehr alt.

Die wissenschaftliche Thatsache, daſs meteorisches Eisen existiert, d. h. daſs metallische Eisenmassen zeitweise aus dem unbekannten Weltraum durch die Atmosphäre auf die Erde gelangen, ist indes, trotz mancherlei älteren Überlieferungen, erst seit Anfang dieses Jahr - hunderts anerkannt. Im vorigen Jahrhundert behandelte man noch die älteren Berichte als Märchen, was allein schon beweist, wie spär - lich die Zahl der Meteorfälle ist und wie selten solche beobachtet wer - den. Die Anerkennung der Meteoriten in der Wissenschaft ist für die Geschichte unserer Erkenntnis von nicht geringem Interesse. Obgleich die Erscheinung, daſs zuweilen mineralische Massen aus der Luft auf die Erde fielen, bereits im Altertum bekannt war, so wurde sie doch von den skeptischen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts gänzlich in Abrede gestellt. Bereits die parische Marmorchronik berichtet von einem Meteorsteinfall, der im 13. Jahrhundert vor Christus sich ereignete. Im Jahre 465 vor Christi wurde in Thrakien am Flusse Ägos ein sol - cher Steinfall beobachtet, über den Plutarch und Plinius berichten. Solche Steine wurden zuweilen als Heiligtümer verehrt, besonders im westlichen Asien, wo sie als Opfersteine bei den Blutopfern dienten. Ein solches Heiligtum ist auch der angeblich als Rubin vom Himmel gefallene, aber durch die Sünden der Menschen schwarz gewordene, jetzt in Silber gefaſste Stein Hadschar-el-Aswad in der Kaaba zu Mekka. Es ist dies der älteste aufbewahrte Meteorit, da sich das angebliche Meteoreisen von Pompeji durch die Untersuchung von Gustav Rose als künstliches Eisen erwiesen hat. Der erste von Zeugen beobachtete19Einleitung.und aktenmäſsig beschriebene Meteorsteinfall war der von Ensisheim am 7. November 1492, wobei ein 260 Pfund schwerer Stein mit groſsem Donnerklapf von den Lüften herabfiel . Auf Befehl Maximilians wurde dieser merkwürdige Stein in der Kirche aufbewahrt.

Die früheste bestimmte Nachricht über meteorisches Eisen giebt uns Plinius, der in seiner hist. nat. II, 59 folgenden Fall erzählt: item ferro in Lucanis (pluisse) anno antequam M. Crassus in Parthis in - teremtus est (53 vor Christi), omnesque cum eo Lucani milites, quorum magnus numerus in exercitu erat. Effigies quae pluit spongiarum fere similis erat.

Avicenna, der in Bokhara geboren war und von 978 bis 1036 lebte, schildert einen interessanten Meteoreisenfall. Bei Burgea in Persien, sagt er in seinem Traktat de conglutinatione lapidum, sei ein Stück Eisen 100 Mark schwer vom Himmel gefallen, das wegen seiner Härte fast unzerbrechlich war. Doch schickte man ein Stück davon an König Torat, welcher befahl, daſs man Degen und Schwerter aus der Masse anfertigen solle. Aber die Schmiede waren nicht imstande, sie zu zerbrechen noch zu verarbeiten.

Auch Georg Agrikola (1490 bis 1555), der Vater der montanisti - schen und metallurgischen Wissenschaft, wuſste, das zuweilen Eisen vom Himmel fiele, allerdings, wie es scheint, hauptsächlich aus arabi - schen Mitteilungen. Er erwähnt die Nachricht des Avicenna und fügt hinzu: Arabes autem dicunt, enses Alemanicos, qui optimi sunt, ex ejusmodi ferro fieri . Dies sei indessen unwahr und würden die Araber in diesem Punkte von den Kaufleuten belogen, denn den Ger - manen fiele das Eisen nicht vom Himmel.

Ferner berichtet der gelehrte Skaliger von einem Meteoreisenfall und fügt nach der damaligen Ansicht der Alchimisten über die Ent - stehung dieser Naturerscheinung hinzu: ferrum igitur a maximi coeli concreari potestate .

Trotz allen diesen Ueberlieferungen und Zeugnissen der angesehen - sten Gelehrten wurde im 18. Jahrhundert, insbesondere von rationalisti - scher Seite, die Existenz von Meteorsteinen, das Vorkommen von Meteoritenfällen in Abrede gestellt und die Ansicht, daſs derartige Körper vom Himmel fallen könnten, verpönt und verspottet. Die Auf - findung der groſsen Eisenmasse von Krasnojarsk durch den berühmten russischen Reisenden Pallas lenkte wieder die Aufmerksamkeit auf diese Frage. Diese 700 bis 800 Kilo schwere Masse, die den Ein - geborenen lange bekannt war, wurde 1749 zuerst von einem Kosaken Medwedeff am Jenisei aufgefunden. Durch diesen erhielt der2*20Einleitung.russische Gelehrte davon Kenntnis, der sie 1772 aufsuchte und den ganzen Block nach Petersburg verbringen lieſs.

Der Fundort war auf einem Gebirgsrücken zwischen den Neben - flüssen Ubei und Siaim wenige Meilen zur Rechten des Jenisei. Die Masse bestand nicht aus derbem Metall, sondern aus einem bienen - wabenähnlichen Netzwerk von Eisen, dessen Zellen mit einem olivin - ähnlichen Silikat angefüllt sind. Pallas beschreibt sie sehr gut folgendermaſsen1)Pallas, Reisen etc. III, 411.: Die ganze Wacke scheint eine rote, eisenstein - artige Schwarte gehabt zu haben. Das innere Wesen derselben ist ein geschmeidiges, weiſsbrüchiges, wie ein grober Seeschwamm löcherig ausgewebtes Eisen, dessen Zwischenräume mit runden und länglichen Tropfen des schönsten Olivins erfüllt sind, den man kennt. Die Tataren betrachteten es als ein vom Himmel gefallenes Heiligtum und es hatte sich bei ihnen die Kunde erhalten, daſs früher viele solcher Massen vom Himmel gefallen seien. Pallas hielt diese Über - lieferungen im Geist der damaligen Wissenschaft für Fabeln und sah in der Masse nur ein äuſserst merkwürdiges, unerklärliches Naturpro - dukt. Der deutsche Privatgelehrte Chladni war der erste, der, nachdem er sich lange mit dem Gegenstand beschäftigt hatte, im Jahre 1794 es wagte, die Pallasmasse für meteorischen Ursprungs zu erklären. Er erregte das Gelächter der Fachgelehrten und selbst klare Köpfe wie Lichtenberg fielen mit Hohn und Spott über ihn her. Solcher Verhöhnung war noch einige Zeitlang nachher ein jeder ausgesetzt, der Miene machte, ernstlich an die Existenz von Meteoriten zu glauben, infolgedessen sogar von den Vorstehern öffentlicher Sammlungen die als Meteorsteine und Meteoreisen bezeichneten Exemplare heimlich entfernt und fortgeworfen wurden; solches geschah in Dresden, Wien, Kopenhagen, Bern und anderen Orten. Da ereignete sich am 16. Juni 1794 am Tage bei heiterem Himmel der Steinregen von Siena in Tos - kana. Natürlich erregte er groſses Aufsehen, doch acceptierte man gern die Hypothese Hamiltons, der die Steine für Auswürflinge des 50 Meilen entfernten Vesuvs, der allerdings 18 Stunden früher eine Eruption gehabt hatte, erklärte. Diese Theorie hielt aber nicht Stich, als schon im nächsten Jahre am 13. Dezember 1795 bei Woodcottage in Yorkshire der Fall eines 56 Pfund schweren Steines beobachtet wurde, indem hier weit und breit kein Vulkan nachzuweisen war, da der nächste, der Hekla, 170 Meilen in der Luftlinie entfernt war. Durch diesen Fall wurde Howard zu einer gründlicheren und unbefangenen21Einleitung.Untersuchung veranlaſst und von ihm der meteorische Ursprung be - stätigt. 1798 fiel ein eisenreicher Meteorstein bei Benares in Bengalen, den er chemisch untersuchte und hierdurch zum ersten Male den charakteristischen, hohen Nickelgehalt (er gab ihn, allerdings zu hoch, auf 35 Proz. an) des Meteoreisens nachwies. Auf Grund chemischer Analyse erklärte er auch das Eisen von Otumba in Brasilien, sowie das Pallaseisen Krasnojarsk für meteorischen Ursprungs. Diese Publika - tionen ermutigten nun auch den deutschen Chemiker Klaproth, der sich schon längere Zeit im stillen mit der Frage beschäftigt hatte, mit seinen Analysen hervorzutreten1)Abhandl. der Berliner Akad. d. Wissenschaften, 3. Januar 1863.. Dieselben bestätigen den Nickel - gehalt des Meteoreisens, obgleich im Gegensatz zu Howard seine Be - stimmungen sämtlich zu gering ausgefallen sind. In der Eisenmasse, die am 26. Mai 1751 Abends 6 Uhr in der Nähe von Agram gefallen war und die im Wiener naturwissenschaftlichen Kabinet zum Teil aufbewahrt wurde, hatte er 96,5 Proz. Eisen und 3,5 Proz. Nickel er - mittelt2)Neuere Analysen von Werle und Kolger geben 8,18 und 11,84 Proz. Nickelgehalt.. Nachdem die französische Akademie der Wissenschaften noch kurze Zeit zuvor durch Abstimmung per majora beschlossen hatte, daſs es keine Meteorsteinfälle gäbe, trat jetzt auch der berühmte französische Gelehrte und Akademiker La Place mit der Hypothese hervor, daſs die betreffenden Steine durch Eruptionen der Mondvulkane auf die Erde geschleudert würden. Hierzu wäre aber eine anfäng - liche Wurfgeschwindigkeit von 7800 Fuſs in der Sekunde, also etwa die fünffache Anfangsgeschwindigkeit einer abgeschossenen Kanonenkugel erforderlich. Solche Eruptionen giebt es auf dem Monde nicht und ist diese Vermittelungstheorie längst verlassen. Zu gröſserer Beschämung der Akademie und wie zum Hohn auf den nicht lange zuvor gefaſsten Majoritätsbeschluſs ereignete sich am 26. April 1803 der groſse Stein - fall von l’Aigle in der Normandie, der in mindestens 12 Ortschaften von hunderten von Zeugen beobachtet wurde. Nachmittags 1 Uhr er - schien aus heiterem Himmel eine weit sichtbare Feuerkugel, gestaltete sich zu einer kleinen Wolke, die 5 bis 6 Minuten ein schreckliches Getöse, wie Kanonendonner und Gewehrfeuer erzeugte und aus der 2000 bis 3000 zischende Steine, von denen der gröſste, der aufgehoben wurde, 17½ Pfund wog, auf einer elliptischen Fläche von Lieues Länge und 1 Lieue Breite niederfielen3)Siehe Gilberts Annalen 15,74 und 16,44 und 70..

Nach dem Fall von l’Aigle verstummten alle Zweifler und sind22Einleitung.denn auch seit jener Zeit noch viele Meteoritenfälle direkt beobachtet worden, von denen wir nur einige, durch besondere Umstände bemerkens - werte, hervorheben wollen. So fiel am 27. Dezember 1848 gegen Abend bei Schie, Amt Ackershuus in Norwegen, ein Meteorstein auf das Eis, rikoschettierte und blieb liegen. Der Finder des Steins hieſs Dalsplads und wird deshalb dieser Stein oft irrtümlich mit diesem Namen bezeichnet, während es Regel ist, die Meteoriten nach dem Fundort zu benennen. Am 14. Juli 1860 fiel bei Dhurmsalla in Ost - indien ein glühender Stein mit geschmolzener Rinde in mehreren Stücken zur Erde, als man sie aber kurz darauf aufheben wollte, waren sie so kalt, daſs man sie nicht anfassen konnte. Die oberflächliche Erhitzung, durch Reibung beim Durchfliegen der Atmosphäre entstanden, war rasch verschwunden, denn der Stein führte die Temperatur des Weltraumes ( 50°) mit sich.

Von gediegenem Meteoreisen war das von Klaproth untersuchte von Agram lange das allein bekannte. 1811 lenkte Professor Neu - mann in Prag die Aufmerksamkeit auf einen 191 Pfund schweren Eisenblock, welcher der Tradition nach bei Elbogen in Böhmen vom Himmel gefallen war, dort verwahrt wurde und unter dem Namen der verwunschene Burggraf den Mittelpunkt vieler Sagen der Umgegend bildete. Die chemische Analyse ergab einen Gehalt von 88,2 Tln. Eisen, 8,5 Tln. Nickel, 0,6 Tln. Kobalt und 2,2 Tln. Phosphor, es war also ein normales Meteoreisen. Nachdem man die charakteristisch - sten Eigenschaften des meteorischen Eisens nicht nur in chemischer, sondern auch in physikalischer Beziehung erkannt hatte, indem v. Wid - mannstätten die eigentümliche, krystallinische Struktur, die nach dem Ätzen der glatten Flächen erscheint und die unter dem Namen der Widmannstättenschen Figuren bekannt sind, im Jahre 1808 be - schrieben hatte, so fing man jetzt an, viele alte, längst bekannte Eisen - blöcke auf ihren meteorischen Charakter zu untersuchen und bei dem allgemeinen Interesse, welchen der Gegenstand bereits erregte, wurden auf diese Weise viele neue Eisenmeteoriten aufgefunden: so 1814 der von Lenarto im Saroser Komitat, 1829 das Eisen von Bohumiliz, be - sonders aber die zahlreichen Eisenmassen in Amerika zum Teil von auſserordentlicher Gröſse, wie z. B. die von Durango in Mexiko, von der Humboldt 1811 berichtete, 40000 Pfund schwer, der von Bemdego, den Domingo da Mota Bothelo schon 1784 entdeckt hatte, unge - fähr 15000 Pfund, das schon erwähnte Otumbaeisen oder genauer Tukuman, Rio de la Plata, 1783 von Indianern entdeckt, über 30000 Pfund Gewicht.

23Einleitung.

In Nordamerika machte sich Shepard vornehmlich um die Unter - suchung der Meteoriten verdient. Er kannte 1846 bereits 22 Fundorte in den Staaten, darunter den über 3000 Pfund schweren Block vom Red River, Texas, weswegen, weil man ihn für Platina hielt, zwei kost - spielige Expeditionen ausgerüstet worden waren. In den Vereinigten Staaten, und zwar in Tennessee, ereignete sich im Jahre 1835 am letzten Juli oder am ersten August nach Agram der erste Meteoreisen - fall vor Zeugen. Auf den Feldern von Dickson fiel vor den Augen mehrerer Arbeiter aus einem explodierenden Meteor ein Körper auf ein Baumwollenfeld, auf welchem bald darauf beim Pflügen ein 9 Pfund schweres Stück Meteoreisen aufgefunden wurde.

Der dritte und merkwürdigste Fall vor Zeugen ereignete sich aber bei Hauptmannsdorf bei Braunau auf der bömisch-schlesischen Grenze am 14. Juli 1847, Morgens Uhr. Es bildete sich am Himmel eine Wolke, die mit einem Mal erglühte; Blitze zuckten nach allen Richtungen und zwei Feuerstreifen fuhren zur Erde mit heftigem Doppelknall, der alle Bewohner weckte. In einem 3 Fuſs tiefen Loche fand sich das eine 42 Pfund und 6 Lot schwere Stück Eisen, das nach 6 Stunden noch so heiſs war, daſs es niemand anfassen konnte; das zweite von 30 Pfund und 16 Lot fiel durch das Schindeldach eines armen Mannes in das Schlafzimmer seiner Kinder, ohne zu zünden. Der Mann war der Meinung, der Blitz habe eingeschlagen und ahnte nichts von der Sache. Erst am folgenden Tage, am 15. Juli, wurde das Stück nach eifrigem Suchen unter den Trümmern der Kammerwand aufgefunden.

Unter den sonstigen Meteoreisenfunden bietet das Eisen von Disko in der Baffinsbay ein besonderes Interesse dar, da sich hier Eisen - massen im Basalt eingeschlossen fanden. Sie müſsten also, wenn ihr meteorischer Charakter fest stände, bereits in einer früheren geologi - schen Epoche auf die Erde gelangt sein.

Nach dieser historischen Einleitung, die zur Genüge die Thatsache feststellt, daſs zeitweilig meteorische Körper aus der Atmosphäre auf unsere Erde gelangen, wollen wir die Eigenschaften des meteorischen Eisens, die wir zum Teil vorübergehend schon erwähnt haben, etwas näher betrachten.

Das Meteoreisen ist in chemischer und physikalischer Beziehung durchaus verschieden von unserem künstlich dargestellten Eisen und besitzt so charakteristische Eigenschaften, daſs diese ein nahezu untrüg - liches Kriterium zwischen siderischem und tellurischem Eisen abgeben.

Das meteorische Eisen ist fast niemals eine homogene Masse, wie dies unser Kunsteisen ist. So abweichend weiſses und graues24Einleitung.Roheisen, Stahl und Schmiedeisen unter sich sind, so erscheint doch jede dieser Eisensorten in sich gleichartig. Das Meteoreisen dagegen stellt sich fast stets als ein aus verschiedenen Individuen zusammen - gesetzter Körper dar. Bemerkenswert ist bereits der allmähliche Über - gang von Meteorstein zum Meteoreisen. Zeigen schon die meisten Meteorsteine Einsprengungen von nickelhaltigem Eisen, so nehmen diese bei den Mesosideriten derart zu, daſs sie sich als ein körniges Ge - menge von Meteoreisen mit Magnetkies, Olivin und Augit darstellen. Bei weiterer Zunahme des metallischen Eisens entstehen die Pallasite , bei denen das Eisen ein zelliges Gerippe bildet, das mit Krystallen von Olivin porphyrartig erfüllt ist. Der Übergang der Pallasite zu dem derben Meteoreisen findet ebenfalls durch Zwischenstufen statt. End - lich stellt sich das derbe Meteoreisen selbst wieder als eine Verwachsung selbständiger Individuen von verschiedener Zusammensetzung dar. In chemischer Beziehung ist das Meteoreisen zunächst durch das Nicht - vorhandensein chemisch gebundenen Kohlenstoffs, ferner durch seinen hohen Nickelgehalt gegenüber dem fabrizierten Eisen charakterisiert. Derselbe schwankt meist zwischen 6 und 10 Proz., während künstliches Eisen kein Nickel oder höchstens nur bis ½ Proz. davon enthält. Das Nickel ist aber nicht gleichmäſsig in dem Meteoreisen verteilt, sondern es bildet verschieden zusammengesetzte Verbindungen teils nur mit Eisen, teils mit Eisen und Phosphor. Diese verschiedenen Körper kry - stallisieren selbständig neben einander aus, jedoch alle unter demselben tesseralen Krystallisationsgesetz, dem der Hauptbestandteil, das Eisen, unterworfen ist. Dadurch entstehen jene eigentümlichen Verwachsungen von Krystallindividuen, welche dem Meteoreisen eigen sind und welche die Veranlassung zu den Widmannstättenschen Figuren geben.

Feilt oder schleift man Meteoreisen an, so erscheint es uns, ab - gesehen von etwas lichterer Färbung, nicht wesentlich verschieden von gewöhnlichem Eisen; setzt man aber die glatten Flächen einer schwachen Säure aus, oder läſst man die polierte Fläche im Feuer anlaufen, so er - scheinen Zeichnungen, die eine gewisse Regelmäſsigkeit nach den Spal - tungsrichtungen des Hexaëders zeigen und die nach dem Wiener Gelehr - ten, der sie zuerst beschrieben hat, benannt werden. Diese Zeichnungen treten so scharf und deutlich auf, daſs man solche geätzte Flächen schwärzen und wie Buchdrucktypen abdrucken kann. Die Erscheinung zeigt das künstliche Eisen niemals. Allerdings treten auch bei manchem Meteoreisen diese Figuren sehr undeutlich und kaum erkennbar auf, wie z. B. bei dem Eisen von Braunau, dessen Fall dort direkt beobachtet wurde und das so krystallinisch und deutlich spaltbar ist, daſs das25Einleitung.ganze Stück als ein Krystallindividuum anzusehen ist. Demungeachtet, oder vielleicht gerade deshalb sind die beschriebenen Figuren nicht vorhanden und zeigt sich statt derselben nur eine mikroskopisch feine Streifung nach den Spaltungsrichtungen.

Bei weitem die Mehrzahl aber zeigt die schalenförmige Zusammen - setzung und die Figuren auf den Flächen. Man unterscheidet hierbei das Balkeneisen 1)Siehe Reichenbach, Pogg. Ann. 1861, Bd. 114, S. 99, 250, 264, 477. (Kamazit), welches die Hauptlinien, die sich meist in Winkeln von 30, 60 und 120 Grad schneiden, bildet; das Band - eisen (Tänit), welches in papierdünnen Blättchen das Balkeneisen umschlieſst. Das Fülleisen (Plessit), welches die von dem Balken - eisen gebildeten Zwischenräume ausfüllt. Das Glanzeisen (Lamprit) bildet glänzende, helle Nadeln, die unregelmäſsig zerstreut, auch nicht immer vorhanden sind, wie dies auch mit dem gelblichen Schwefeleisen (Troilit) der Fall ist2)Siehe Gustav Rose, Beschreibung und Einteilung der Meteoriten. Ber - lin, 1864, S. 39., das nur derb, häufig in cylindrischer Gestalt vorkommt. Chemisch unterscheidet man noch das schwerlösliche Phosphornickeleisen (Schreibersit).

Jede dieser Eisenverbindungen spielt ihre eigentümliche Rolle in dem Gewebe der Widmannstättenschen Figuren. Doch sind die ein - zelnen Individuen bei verschiedenen Eisenmeteoriten sehr verschieden entwickelt; während Braunau und mit ihm Arva, Senegal, Tarapaka, Green County und Smithland nur mikroskopische Streifung zeigen, wechselt die Breite des Balkeneisens bei Putnam von ½ mm bis Bohu - miliz von 4 bis 6 mm.

Näher auf die chemische und physikalische Charakteristik des Meteoreisens einzugehen, ist hier nicht am Platze, es genügt, die wesent - lichen Unterscheidungsmerkmale angedeutet zu haben und wird unsere Ausführung später noch ergänzt und erläutert werden durch die Be - schreibung des Tolukaeisens, das wir unserer speziellen Untersuchung unterzogen haben.

Gewiſs geht aus dem Angeführten zur Genüge hervor, daſs das Meteoreisen in seiner Zusammensetzung wesentlich von unserem Nutz - eisen abweicht und ist schon deshalb zu erwarten, daſs es auch in bezug auf seine technische Verwendbarkeit sich verschieden verhalten wird.

Die Frage der Schmiedbarkeit des Meteoreisens, die uns besonders interessiert, ist je nach dem Ergebnis einzelner Versuche, sehr ver - schieden beantwortet worden. Gerade in neuerer Zeit wurde die26Einleitung.Schmiedbarkeit von einigen englischen Gelehrten wieder angezweifelt, so von Professor Thorpe, der in einem Vortrag in der Glasgow Philo - sophical Society 1872 die Schmiedbarkeit des Meteoreisens gänzlich in Abrede stellte. Dieser Ansicht schloſs sich St. John V. Day in seinem 1877 erschienenen Buche The preshistoric use of iron and steel voll - ständig an, indem er zur Bestätigung hinzufügt, Professor Nöggerath in Bonn habe es vergeblich versucht, Meteoreisen zu schmieden. Solche miſslungene Versuche lieſsen sich zur Unterstützung dieser Ansicht noch manche anführen, wie z. B. der schon von Avicenna erzählte des persischen Königs Torat. Einen ähnlichen, miſslungenen Versuch lieſs Mahommed Seyd anstellen, der ebenfalls einem Schmied den Auftrag gab, aus einem vom Himmel gefallenen Klumpen Eisen ein Schwert, ein Messer und einen Dolch zu fertigen, aber das Eisen flog dem Schmied unter dem Hammer auseinander. Auch die vergeblichen Versuche, das Eisen von Bitburg in der Eifel in der Hitze zu verarbeiten, und als dies nicht gelang, es mit Zusatz von anderem Eisen zu verfrischen, dürften hier erwähnt werden.

Da die Zweifel über die Schmiedbarkeit auch durch den chemischen und physikalischen Zustand des Meteoreisens unterstützt werden, in - dem namentlich ein Nickelgehalt von 6 oder gar 10 Prozent unser Schmiedeisen zur Verarbeitung untauglich macht, so war es wohl an - gezeigt, diese Frage einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, um sie endgültig entscheiden zu können.

Der Verfasser hat den Versuch gemacht dies zu thun, indem er zunächst alle auf diesen Gegenstand bezüglichen Thatsachen in dem oben angeführten Aufsatz ausführlich zusammen stellte. Aus dieser Zu - sammenstellung ergiebt sich, daſs unter 70 Eisenmeteoriten, mit denen Versuche über ihr Verhalten unter dem Hammer angestellt worden waren, 48 sich als schmiedbar erwiesen, während nur 7 als absolut unschmiedbar aufgeführt sind.

Die amerikanischen Gelehrten, denen weitaus das gröſste Material zur Verfügung stand, indem von den aufgeführten 153 Fällen nicht weniger als 105 Amerika angehören, haben sich immer entschieden für die Schmiedbarkeit des Meteoreisens ausgesprochen. Dana sagt in seiner Mineralogie (S. 423): Meteoric iron is perfectly malleable and may be readily worked into cutting instruments and put to the same uses as manufactured iron . Shepard hat die Schmiedbarkeit zum Einteilungsprinzip gemacht, indem er die Eisenmeteorite in 1) hämmer - bar, gleichartige, 2) hämmerbar, ungleichartige und 3) spröde klassi - fiziert.

27Einleitung.

Indessen muſs bemerkt werden, daſs die Angaben bezüglich der Hämmerbarkeit nicht gleichen Wert haben, indem viele nur sehr oben hin geprüft worden zu sein scheinen. Es wird deshalb von Interesse sein, diejenigen Fälle besonders aufzuführen, über die wir Näheres wissen.

Nur ganz nebenbei erwähnen wir hier der sagenhaften Über - lieferungen, welche Attila, Timur und anderen Eroberern vom Himmel gefallene Schwerter in die siegreichen Hände geben. Immerhin deuten sie auf einen erfahrungsmäſsigen Kern. Dagegen wissen wir, daſs Kapitän Sowerby im Anfang des Jahrhunderts aus einem Stück Me - teoreisen vom Kap ein 2 Fuſs langes, 1⅜ Zoll breites Schwert für den Kaiser Alexander I. von Ruſsland schmieden lieſs. Ebenso lieſsen Partsch und v. Brudern aus dem Eisen von Lenarto Klingen an - fertigen, die eine mittlere Stahlhärte und auf ihrer Oberfläche die welligen Linien des Damaszenerstahles zeigten.

Aus dem Eisen von Krasnojarsk, obgleich Pallasit, sind Nägel und andere Gegenstände geschmiedet worden. Ferner befinden sich ver - schiedene aus Meteoreisen geschmiedete Gegenstände in öffentlichen Sammlungen, so ein quadratisch geschmiedetes Stäbchen von 22 g Ge - wicht von Bemdegoeisen in Göttingen, ferner in derselben Kollektion ein 260 g schweres, geschmiedetes Stück von Schwetz an der Weichsel.

Von dem Eisen von Grönland (Baffinsbay) brachte Kapitän Roſs bereits 1819 ein Messer, welches er von den Eskimos eralten hatte, mit. Es befindet sich im Britischen Museum und wurde von Wolla - ston, der es untersuchte, für Meteoreisen erklärt. Ähnliche Messer befinden sich in Wien und in Göttingen (von Kapitän Sabine). Diese Messer stammen indes wahrscheinlich alle von dem Diskoeisen, über dessen meteorischen Charakter Zweifel herrschen. Bekannt ist, daſs Meteoreisen von den Eingeborenen verschiedener Gegenden verarbeitet wird, so von den mexikanischen Indianern im Tolukathal, von den Negern am Senegal, welche Töpfe daraus gefertigt haben sollen, den Nomaqua in Südafrika, welche sich aus dem Meteoreisen vom Löwen - fluſs Waffen herstellten. Ähnliches wird von Madagaskar berichtet. Das Guildfordeisen soll vor seiner wissenschaftlichen Entdeckung von den Schmieden der Umgegend zu Nägeln, Hufeisen u. s. w. verarbeitet worden sein. Der Reisende Wrangel berichtet, daſs sich auf den Alaseyschen Bergrücken in Sibirien eine Menge gediegenes Eisen von vorzüglicher Güte finde, das von den Jakuten zu Messern, Beilen u. s. w. verarbeitet werde.

Trotz dieser groſsen Zahl glaubwürdiger Thatsachen, die für die28Einleitung.Schmiedbarkeit des Meteoreisens sprechen, schien es mir doch not - wendig, die Frage durch direkte Versuche zur Entscheidung zu bringen, um so mehr, als auch die Schweiſsbarkeit, Härtbarkeit u. s. w. näher untersucht werden sollte. Der Verfasser hat dies mit Tolukaeisen von vorzüglicher hexaëdrischer Spaltbarkeit gethan und ist ihm dies vollständig gelungen. Dass Tolukaeisen schmiedbar sei, war schon früher bekannt und machte ein in dortiger Gegend begüterter Minen - besitzer, Herr Stein, dem Verfasser hierüber folgende Mitteilung.

Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.

Das fragliche Meteoreisen von Toluka oder deutlicher von Ist - lahuaca wird hier und da von den dortigen Schmieden verarbeitet zu Pflügen, Beilen, Hacken, je nach der Gröſse des Stückes Meteoreisen. Doch gelingt es nicht immer, das Eisen nach Wunsch zu verarbeiten und die Leute werfen dann die sogenannten unnützen Stücke fort. Mir oder besser gesagt unserem Maschinisten ist es gelungen, einige kleine Stücke zu schmieden. Ich sende Ihnen per Post einen kleinen29Einleitung.Hammer und ein kleines Täfelchen, welche aus Meteoreisen geschmiedet sind. Der Hammer ist glatt gelassen, das Täfelchen ist mit Säure geätzt, wodurch die Widmannstättenschen charakteristischen Figuren zu ersehen sind. Ferner ein Stück Meteoreisen roh, d. h. nicht ver - arbeitet, sondern blos durchgesägt und die gesägte Fläche geätzt. Das Eisen wurde mit Anwendung von Eichenholzkohlen geschmiedet. Das Zersägen des Stückes war sehr schwierig und geschah unter stetem Zuthun von Seifenwasser mit einer ganz feinen Holzsäge. Mein Vater lieſs in Darmstadt ein groſses Stück mit Maschinenkraft zer - sägen, wobei circa 10 Zirkularsägen zu Grunde gingen.

Der Maschinist, der das Ausschmieden der erwähnten Stücke aus - geführt hatte, gab folgenden Bericht:

Die Versuche, Meteoreisen zu schmieden, waren einfacher Natur. Natürlich darf es nicht in Steinkohlen, sondern in Holzkohlen gewärmt werden. Die beiden Hämmer, welche ich damals schmieden lieſs, haben sogar Schweiſshitze vertragen, da das Meteoreisen etwas unganz war. Reines Feuer und gute Schweiſshitze sind nötig, das Eisen darf auch nicht rotglühend gehämmert werden, sondern im weiſswarmen Zustande, muſs demnach öfters gewärmt werden. Ob nun gerade das Meteor - eisen von Toluka das allein schmiedbare ist, kann ich nicht sagen. Unser Meteoreisen ist sehr rein und enthält auſser Nickel keinen an - deren fremden Körper. Die Bearbeitung mit der Feile hatte jedoch ihre Schwierigkeiten, da viele sehr harte Stellen an dem Hämmerchen vorhanden waren, die ich aber auf dem Schleifsteine glatt geschliffen habe. 24 stündiges Ausglühen in Holzkohlenasche half nicht viel.

Aus diesen Berichten geht hervor, daſs das meiste, jedoch nicht alles Tolukaeisen schmiedbar ist. Wie erwähnt, versuchte ich die Sache selbst und gelang mir das Schmieden eines möglichst ge - sunden Stückes, das von der Hauptmasse abgesägt worden war, voll - ständig. Als Feuerungsmaterial benutzte ich Buchenholzkohlen. Das Eisen war nicht so weich wie unser Schmiedeisen, lieſs sich aber bei mäſsiger Schweiſshitze leicht ausschmieden. Ebenso zeigte es sich ganz gut schweiſsbar. Das Meteoreisenstück wurde in die Form eines Stäbchens ausgeschmiedet und an ein ähnlich gestaltetes Stück weichen Schmiedeisens flach angeschweiſst. Die Naht war gesund, wenn auch wegen der Ungleichheit des Materials deutlich zu erkennen; nach dem Ätzen trat die Schweiſsstelle, sowie der Unterschied der beiden Eisensorten noch schärfer hervor. Das verschmiedete Meteor - eisen ist härter wie Schmiedeisen und weniger biegsam. Dagegen hat es nicht die Eigenschaften des Stahls. Vor allem läſst es sich30Einleitung.nicht härten. Verschiedene Versuche in dieser Richtung ergaben höchstens eine ganz unbedeutende Oberflächenhärtung infolge der Ab - schreckung, im Inneren blieb die Masse unverändert. So bog sich auch die meiſselförmige Schneide des abgeschreckten, geschmiedeten Meteor - eisens ebenso leicht um, wie die des nicht abgeschreckten. Im allge - meinen scheint das Material für schneidende Werkzeuge wenig geeignet zu sein, ebensowenig für Schwerter, da es sowohl der gleichmäſsigen Schneide als auch der Elastizität ermangelt. Dies wird bestätigt durch eine Mitteilung des Herrn Stein sen., wonach die Bewohner des Tolukathales nur die ordinärsten Geräte aus diesem Eisen machen, während sie sich alle schneidenden Werkzeuge von den Spaniern be - schaffen.

Da nun die Schmiedbarkeit des meteorischen Eisens erwiesen ist, könnte es nahe liegen, die kontroverse Frage, von der wir ausgingen, ob nämlich die Menschen der Urzeit zuerst das Meteoreisen aufgesucht und verarbeitet hätten, zu bejahen. Es hat auch diese Annahme bei oberflächlicher Betrachtung etwas Verführerisches. Je mehr man aber auf die Sache eingeht, je mehr muſs man zu der Überzeugung kommen, daſs diese Theorie falsch ist.

Zunächst spricht dagegen die Seltenheit des Meteoreisens. Seit etwa 80 Jahren ist es wissenschaftlich festgestellt, daſs zeitweilig meteori - sches Eisen vom Himmel auf die Erde gelangt. Seit dieser Zeit sind nur neun hierher gehörige Fälle beobachtet worden, von denen der Fall von Braunau mit 41 kg Gewicht der gröſste und wichtigste war. Man hat in diesem Zeitraume die ganze Erde nach Meteoreisen abge - sucht und doch hat man bis jetzt nicht mehr als 153 Fälle konstatiert.

Das Gesamtgewicht von 106 Fällen, deren Gewicht verzeichnet ist, beträgt annähernd 126000 kg, dies ergäbe für den einzelnen Fall circa 1190 kg, für alle 153 Fälle circa 182200 kg. Diese Angaben sind indessen zu hoch gegriffen, denn während alle groſsen Meteoreisenmassen eingerechnet sind, läſst sich annehmen, daſs die Fälle, über welche uns die Gewichtsangaben fehlen, nur unbedeutende waren.

Ferner darf das Diskoeisen, welches die gröſste Gewichtszahl, nämlich 40000 kg führt, kaum mehr als Meteoreisen angesehen werden. 1870 wurde dieses Eisen bei Ovifak auf der Insel Disko an der West - küste von Grönland unter Granitblöcken, neben einem hohen Basalt - rücken aufgefunden. Die gröſsten Blöcke von 560, 200 und 90 Zentner Gewicht wurden von einem schwedischen Krondampfer abgeholt und dem Stockholmer Museum einverleibt. In dem benachbarten Basalt hat man aber ebenfalls metallische Eisenmassen aufgefunden, so daſs31Einleitung.man annehmen muſs, daſs die Blöcke am Strande aus diesem ihren Ursprung haben. Professor Nordenskjöld, dem die Auffindung derselben zu verdanken ist, stellte die Theorie auf, daſs dieses Eisen in einer früheren geologischen Epoche, da der Basalt als eine brei - artige Masse aus dem Erdinnern hervorquoll, vom Himmel gefallen und so in das Gestein gelangt sei. Spätere Beobachtungen (von Stenstrup, Smith etc.) haben es aber wahrscheinlicher gemacht, daſs dieses Eisen tellurischen Ursprungs sei, indem es als ein Aus - scheidungsprodukt eines nickelhaltigen Magnetkieses, der jenen Basalt in groſsen Massen erfüllt, anzusehen ist. Jedenfalls zeigt das Eisen von Disko nicht die glänzende, weiſse Farbe des normalen Meteor - eisens, sondern eine graue wie Guſseisen.

Die aufgefundenen Riesenblöcke von Meteoreisen kommen aber für technische Verarbeitung der Urmenschen überhaupt nicht in betracht, da sie weder transportabel, noch zu zerteilen sind. Von Tucuman sind ungefähr 700 kg mit vieler Mühe abgeschlagen worden, die Haupt - masse liegt noch an Ort und Stelle. Durango ist gänzlich verloren gegangen, nur Stücke davon existieren in Sammlungen. Rogue-River - Mountains, Oregon ist mit dem Tode des Entdeckers, D. J. Evans, verloren gegangen. Das Hauptstück von Cranbourne liegt noch an Ort und Stelle und hat, trotz den vorzüglichen Werkzeugen der Neuzeit, allen Versuchen, Stücke davon abzuhauen, widerstanden1)Siehe Buchner a. a. O., Seite 198..

Sehen wir aber auch von diesen Umständen gänzlich ab, so ist das oben berechnete Gesamtgewicht aller bis jetzt aufgefundenen Meteoreisenmassen von 182200 kg nicht so groſs, als die viertägige Produktion eines einzigen modernen Hochofens! Für die Bedürfnisse der Erdbewohner für einen einzigen Tag ein verschwindender Bruchteil!

Dagegen ist es sehr wohl denkbar, daſs in einem einzelnen Fall ein Individuum oder auch selbst die Bewohner eines beschränkten Di - striktes Meteoreisen verarbeitet haben, wofür wir Beispiele an dem Eisen zu Grönland, Tolukathal u. s. w. bereits angeführt haben und spricht hierfür auch der Umstand, daſs in der alten Welt, welche die ältere Kultur besitzt, viel weniger Meteoreisen gefunden wird, als in der neuen. Daſs aber die gesamte Menschheit das Eisen auf diesem Wege kennen gelernt habe, läſst sich nicht annehmen, ebensowenig, daſs diese gelegentliche Ausbeutung zu einer metallurgischen Industrie oder zu einem geordneten Handel geführt habe. Abgesehen von der Spärlichkeit des Vorkommens sprechen hiergegen auch technische32Einleitung.Gründe. Das Meteoreisen ist als gediegenes Metall schwer zu erkennen, da es stets von einer harten Kruste von verschlacktem Eisenoxyduloxyd überzogen ist, wodurch es das Ansehen eines Brauneisensteines erlangt; es ist so hart, daſs nicht einzusehen ist, wie barbarische Völker mit ihren unvollkommenen Steinwerkzeugen gröſsere Blöcke verarbeiten konnten. Man könnte also höchstens annehmen, daſs die kleineren Stücke mit Feuer verschmiedet worden seien. Weit wahrscheinlicher ist aber, daſs auch dies erst geschah, nachdem man bereits das Eisen und seine Gewinnung aus den Erzen kennen gelernt hatte. Nachdem dies geschehen war und man mit den Eigenschaften des Eisens sich völlig vertraut gemacht hatte, war es leichter möglich, in den Meteoriten dasſelbe Metall wieder zu erkennen. Wie schwierig es trotzdem ist, das Meteoreisen zu erkennen und zu verarbeiten, beweisen verschiedene Fälle, daſs Blöcke von Meteoreisen viele Jahre lang in Schmieden lagen, meist als Ambose benutzt, ohne daſs ihre Natur erkannt oder sie technisch nutzbar gemacht worden wären; dies war der Fall bei dem Eisen von Rasgata und dem von Tukzon.

Überhaupt konnte aber die gelegentliche Auffindung eines Stückes Meteoreisen und seine Verarbeitung die Menschen in ihrer technischen Kultur durchaus nicht fördern. Zwischen dem Ausschmieden eines Meteoreisenstücks und der Auffindung und Verschmelzung der Eisen - erze besteht gar kein Zusammenhang. Das erstere konnte das letztere nicht bedingen, noch dazu hinführen. Die Entdeckung, aus gewissen Steinen mittels Holzkohle Eisen auszuschmelzen, blieb derselbe wich - tige Kulturfortschritt, gleichviel ob man Meteoreisen vorher oder nach - her gelegentlich verarbeitet hat.

Die frühere Verwendung des Meteoreisens ist aber auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil sie, wie oben ausgeführt wurde, nicht leicht ist und ein Material liefert, das namentlich für schneidende Werkzeuge, Messer, Meiſsel u. s. w. kaum verwendbar ist.

Man hat viel Gewicht gelegt auf ein ägyptisches Wort baaenepe

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oder koptisch be-ni-pe, welches Eisen in wörtlicher Übersetzung, aber Metall des Himmels bedeutet, und hat diese Bezeichnung als einen glänzenden Beweis dafür angeführt, daſs die Menschen das Eisen zuerst als Meteoreisen kennen gelernt haben müſsten.

Diese Deduktion hat aber um so weniger Wert, als das angeführte Wort sehr spät gebildet und als Bezeichnung für Eisen relativ neu ist. Allerdings hat es sich in der Form von be-ni-pe mit dem Sinne Eisen 33Einleitung.in der koptischen Sprache und besonders in dem sahidischen Dialekt erhalten. Die älteste Bezeichnung der Ägypter für Nutzmetall , worunter bei ihnen ursprünglich sowohl Kupfer als Eisen begriffen wurde, war ba , was zunächst etwas Hartes, Festes bedeutet. Wenn hieraus später das Wort baaenepe, koptisch be-ni-pe Metall des Himmels entstanden ist, so kann dies höchstens beweisen, daſs auch die Ägypter schon die Erfahrung machten, daſs Eisen, welches sie kannten, zeitweilig vom Himmel herabfiel. Es scheint nicht unwahr - scheinlich, daſs das griechische Wort σίδηρος ähnlich gebildet ist, denn die in sonst allen arischen Sprachen vorkommende Wurzel für Eisen ais, er, kann hier nur in dem zweiten Teile des Wortes ηρος stecken, während das Präfix σιδ mit dem lateinischen sidus, Gestirn, Himmel zusammenhängen dürfte. Diese Bezeichnung für Eisen Metall des Himmels dürfte bei den Griechen um so plausibeler erscheinen, als es ein alter Glaube war, daſs das Himmelsgewölbe aus Eisen bestehe, und dies kann wieder als ein Beweis dafür angesehen werden, daſs sie von Meteoreisenfällen mehr oder weniger bestimmte Kenntnis hatten.

Wir kommen zu folgendem Schluſs:

Die Thatsache, daſs aus dem unbekannten Himmelsraume zuweilen Massen metallischen Eisens auf die Erde herabfallen, war schon in sehr früher Zeit bekannt; doch bildete die Auffindung solcher Massen nicht den Ausgangspunkt der Eisenindustrie, vielmehr wurden sie erst als Eisen erkannt, nachdem die Ausschmelzung der Eisenerze bereits bekannt war. Dieser Prozeſs ist uralt und darf gerade die frühe Kenntnis des Meteoreisens als ein neuer Beweis für das hohe Alter der Eisenbereitung die wir ja bei den barbarischsten Stämmen Afrikas als eine seit undenklicher Zeit betriebene Operation kennen an - geführt werden.

Die erste Kenntnis der Verwendung des Eisens geht, wie erwähnt, in vorgeschichtliche Zeit zurück. Die meisten alten Völker schrieben den Ursprung oder die Entdeckung des Metalls einem Gott oder einem göttlichen Wesen zu, die Ägypter dem Osiris, die Römer dem Vulkan, die Germanen dem Odin, die Griechen dem Kadmos, dem Prometheus und den Kabiren. Auch die Angaben, die bestimmter in das Gewand der Geschichte gekleidet erscheinen, sind sagenhaft. Die heiligen Schriften der Israeliten nennen Thubalkain zuerst als einen Meister in allerlei Erz und Eisenwaaren 1)I. Mos. 4, 22.. Er lebte im achten Geschlecht nach Adam, jüdischer Rechnung gemäſs im Jahre 1057 nach Erschaf -Beck, Geschichte des Eisens. 334Einleitung.fung der Welt oder um 3000 vor Christi Geburt. Aber Thubalkain ist eine ebenso mythische Gestalt wie Prometheus. Sein Name bedeutet Thubal der Schmied.

Nach der parischen Marmorchronik hätten die phrygischen Dac - tylen das Eisen im Jahre 1432 v. Chr. entdeckt. Nach den chinesischen Annalen soll das Eisen in China im Jahre 2940 v. Chr. erfunden wor - den sein1)Annales de la Chine traduits par le P. de Meilla, p. 226..

Alle diese Angaben sind sagenhaft und unsicher. Dagegen wissen wir aus den erhaltenen Inschriften und Skulpturen der Ägypter, daſs bei ihnen bereits zur Zeit der ersten Könige der vierten Dynastie Eisen im Gebrauch war und diese historische Zeit geht selbst noch über die Thubalkains und die der ersten chinesischen Kaiser hinaus. Den Nachweis hierfür werden wir in dem Abschnitte über Ägypten erbringen.

Wenden wir uns nun zu der zweiten Frage, die wir in der Ein - leitung behandeln wollen, zu der Frage über die Stellung des Eisens zu den übrigen Metallen, insbesondere zu der Bronze im Altertume.

Die Erfindung und Darstellung der Metalle aus ihren Erzen war einer der gröſsten Fortschritte in der Kulturentwickelung des Men - schengeschlechts. Durch sie wurde er in den Stand gesetzt, seine Werkzeuge zu verbessern. Der Mensch unterscheidet sich von dem Tiere hauptsächlich durch die Anwendung von Werkzeugen, durch diese herrscht er. Vor der Entdeckung der Metalle verwendet er Holz, Knochen und Stein zu diesem Zwecke. Das sogenannte Steinzeitalter ging dem Metallzeitalter voraus und umfaſst einen ungeheuren, bis jetzt nur geahnten Zeitraum. Trotz ihrer langen Dauer wissen wir über die Steinzeit, auſser daſs sie überall nachweisbar ist, wenig Sicheres. Der Kampf um das Dasein war bei der Unvollkommenheit der Werkzeuge noch so erschwert, daſs er alle Kräfte des Individuums in Anspruch nahm, wodurch eine Entfaltung seiner höheren Geistes - kräfte sehr behindert war. Durch die Anwendung von Metallwerk - zeugen wurde die Überlegenheit der Menschen, ihre Herrschaft auf Erden gesichert. Die gröſsere Freiheit und Unabhängigkeit erweckten ein höheres Selbstgefühl, das sich allmählich zum politischen Bewuſstsein steigerte, und Veranlassung gab, durch Denkmale und Aufzeichnungen seine Erlebnisse zu verewigen, also zu den Anfängen der Geschichts - schreibung. Eine Geschichte beginnt für uns erst nach der Entdeckung der Metalle. Daraus folgt, daſs eine Untersuchung über das Alter der Metalle in vorgeschichtliche Zeiten zurückgreifen und infolgedessen35Einleitung.hypothetisch bleiben muſs. Demungeachtet ist diese Frage für uns von Wichtigkeit.

Das Metall, welches die Menschen allerwärts zuerst kennen lernten und aufsuchten, war das Gold, das sich in gediegenem Zu - stande auf oder nahe der Oberfläche findet und durch seine bemer - kenswerten Eigenschaften, seine Farbe, seinen Glanz, seine Schwere und seine Dehnbarkeit am frühesten die Aufmerksamkeit auf sich zog. Es wurde als Schmuck und zu Zieraten verwendet, da es sich zu selten und in zu kleinen Mengen fand, um es zu Werkzeugen verar - beiten zu können. Putzsucht und Habgier waren aber von Anfang an zwei mächtige Triebfedern für den gesellschaftlichen Fortschritt und diese hefteten sich schon in einer sehr frühen Periode an das Gold. Das Suchen nach Gold brachte die Menschen in neue Beziehungen zu der Natur; die Gewinnung und Verarbeitung lehrte sie neue Eigen - schaften kennen und führte sie dazu, neue Werkzeuge und Hilfsmittel zu erfinden. Das Gold kommt aber in der Natur mit fast sämtlichen übrigen Metallen vergesellschaftet vor. Eisen findet sich mit den Gold - flitterchen zusammen in dem Sande der Flüsse und Seifen als Magnet - eisenkörner, die beim Verwaschen des Goldes infolge ihrer Schwere mit diesem zurückbleiben. Mit Kupfer, Blei und Silber findet sich das Gold in den Haupterzen dieser Metalle, in dem Kupferkies und dem Bleiglanz und deren Umwandlungsprodukten verbunden. Das Aus - schmelzen des Goldes aus dem Sande oder den Erzen konnte darum leicht auch zu der Entdeckung der übrigen Metalle führen. Wie alt die Bekanntschaft des Goldes ist, läſst sich nicht bestimmen. Es ward in dem Steinzeitalter verwendet, ehe man noch eins der übrigen Me - talle kannte. Die ungeheuren Goldmassen, die schon in früher Zeit in den Schatzkammern der Herrscher Mittelasiens aufgehäuft waren, sind ein Beweis für das hohe Alter der Goldgewinnung. Daſs das Gold das ältest bekannte Metall war, wird von allen Seiten zugestanden, und in diesem Sinne lassen die Archäologen auch das goldene Zeitalter der Dichter gelten.

Weit schwieriger ist die Antwort auf die Frage: Welches war das älteste Nutzmetall? Kupfer, Bronze (Erz) oder Eisen? Alle drei wur - den schon in sehr alter Zeit zu Waffen und Werkzeugen verarbeitet. Eine weit verbreitete Meinung ist die, daſs die Benutzung des Kupfers und der Bronze älter sei, als die des Eisens. Archäologen wie Anthro - pologen halten noch vielfach an der alten Irrlehre fest, daſs auf die Steinzeit erst eine Bronzezeit und auf diese erst die Eisenzeit gefolgt sei. Diese Ansicht basiert zum Teil darauf, daſs bei den Ausgrabun -3*36Einleitung.gen alter Wohn - und Grabstätten häufig Geräte und Werkzeuge von Bronze, selten solche von Eisen gefunden werden und daſs diese Funde zeigen, daſs in jenen Zeiten die Bronze zu vielen Zwecken verwendet wurde, wofür wir uns heute des Eisens bedienen. Hauptsächlich stützt sich aber diese Lehre auf Überlieferung, auf die Ansichten und Mit - teilungen der griechischen und römischen Dichter und Schriftsteller. Die herrschende Ansicht unserer Zeit wird noch immer getreu ausge - drückt durch die Worte des römischen Dichters Lucretius1)Lucretius, Cursus de rer. nat. Lib. V. 1282 etc.:

Arma antiqua manus, ungues, dentesque fuerunt
Et lapides et item silvarum fragmina rami
Et flammae atque ignis postquam sint cognitae primum:
Posterius ferri vis est aerisque reperta,
Sed prius aeris erat, quam ferri cognitus usus.

Homer kann nicht als ein Gewährsmann für das Bronzezeitalter angeführt werden, indem in seinen Gedichten viele Stellen die Bekannt - schaft und Verwendung des Eisens bezeugen und er darüber schweigt, ob er Bronze oder Kupfer, die er nicht unterscheidet, für ältere Me - talle hält als das Eisen. Dagegen geht aus seinen Schilderungen aller - dings hervor, daſs der Dichter eine allgemeine Verwendung der Bronze oder des Kupfers für Zwecke der Bewaffnung zur Zeit des trojanischen Krieges annahm.

Hesiod ist es, der der Lehre von der Aufeinanderfolge der Bronze - und Eisenzeit zuerst Ausdruck gegeben hat. Er führt fünf Zeitalter auf, die seit Erschaffung der Erde einander gefolgt sind. Im Anfang herrschte die goldene Zeit, auf diese folgte die silberne, dann die eherne, hierauf folgte das Zeitalter der Heroen. Das fünfte endlich ist das eiserne, in dem die Gegenwart lebt.

Das erste Zeitalter war das glücklichste und vollkommenste.

Als mit den Göttern zugleich die sterblichen Menschen entstanden
2)Hesiod, Tagewerke v. 108 etc.
2),
Schufen die Götter, der hohen olympischen Häuser Bewohner,
Erst ein goldenes Geschlecht verschieden redender Menschen.
Diese lebten, da Kronos noch den Himmel beherrschte,
Lebten wie Götter dahin mit Seelen unkundig der Sorgen,
Kummer und Mühsal kannten sie nicht, nicht dräuendes Alter,
Hand und Fuſs ergötzten sich stets bei fröhlichen Festen,
Fern von jeglichem Übel, beglückt mit jeglichem Gute
Starben sie wie vom Schlaf besiegt.

Nach dem Tode wurden sie gute Dämonen, welche die sterblichen Menschen bewachen und bemerken alle gerechte Thaten und böse . Jene Menschen lebten in ewiger Jugend und wurden sehr alt.

37Einleitung.

Das zweite silberne Geschlecht war weder an Geist noch an Kraft dem vorhergegangenen gleich. Es erreichte nicht ein gleich hohes Alter. Denn sie enthielten sich nicht des Unrechtes und huldigten nicht den Unsterblichen. Doch war es noch von Ehre begleitet.

Jetzt schuf Vater Kronion ein drittes, ehernes, wildes, eichen - starkes Geschlecht von verschieden redenden Menschen, ganz unähnlich dem silbernen.

Sie erfreuten sich an Ares kläglichem Werke und lebten nicht von der Feldfrucht.

Eherne Wohnungen fertigten sie, nebst ehernen Waffen1)Τοῖς δἦν χάλκεα μὲν τευχεα, χάλκεοι δε τε ὄικοι Χαλκῷ δ̕ἐργαζοντο, μελας δὀυκ ἔσκε σίδηρος., sich aus Erz, denn sie kannten noch nicht das schwärzliche Eisen.

Diese mordeten sich mit eigener Hand und stiegen
Ungeehrt in die räumige Wohnung des grausen Aides.

Neu scheint das vierte Zeitalter, das Zeitalter der Heroen, von dem Dichter aus theologischen Gründen eingeschoben zu sein, um die Stammhelden des Vaterlandes nicht zu dem gewaltthätigen ehernen, noch zu dem miſsgünstigen eisernen Geschlecht zählen zu müssen. Der Dichter läſst die Menschen dieser Periode zwar aus dem ehernen Ge - schlecht entspringen, aber sie waren weit gerechter als dieses und man nannte sie Halbgötter .

Diesem folgt endlich das Geschlecht der Gegenwart, das fünfte Weltalter und der Dichter beginnt mit kräftigem Ausruf:

Wehe mir im fünften Geschlecht der Menschen Ersproſsnen!
Wär ich doch früher gestorben oder später geboren!
Dieses Geschlecht ist eisern! Nicht bei Tage, bei Nacht nicht
Ruh’n die Verworfenen aus von ihren Beschwerden und Mühen,
Denn die drückendsten Sorgen entsendeten ihnen die Götter.
Doch ein Gutes wird sich mit diesen Übeln verbinden:
Zeus vertilget, wenn ihm um die Schläfen die Locken ergraut sind,
Endlich auch dieses Geschlecht der verschieden redenden Menschen.

Zwei ganz verschiedene Elemente, ein philosophisches und ein historisches, sind in der Sage von den Weltaltern verwebt. Das philo - sophische wurzelt in dem der Menschennatur innewohnenden Bedürfnis, Zukunft und Vergangenheit schöner zu sehen als die Gegenwart, ein beglückendes Sehnen der Seele, das sie über sich selbst und die mate -38Einleitung.riellen Nichtigkeiten der Gegenwart erhebt. Diese Vorstellung, daſs der Mensch vormals besser, daſs er im Anfang als ein reines, schuld - loses Wesen geschaffen war, ist nicht den Griechen eigentümlich, son - dern kehrt in der Sagengeschichte aller Religionen wieder. Aber selbst die spezielle Fassung der Zeitalter haben nicht die Griechen allein, sondern sie findet sich in derselben Weise bei den Indern und Persern; sogar die alten Bewohner Mexikos nahmen vier ähnliche Weltperioden an.

Das historische Element für uns bei weitem das wichtigere , ist die Erinnerung der Griechen, daſs nicht allezeit ihre Vorfahren im Besitze der Metalle waren, sondern daſs sie erst nach und nach das Gold, das Silber, das Erz und das Eisen kennen und verwenden lernten.

Die Aufeinanderfolge dieser Metalle ist aber bei Hesiod eine ebenso theoretische Annahme, wie bei den Altertumsforschern unserer Zeit, denn er erklärt deutlich und bestimmt, daſs er in der Eisenzeit lebe und daſs das eherne Zeitalter längst verschwunden ist; so lange schon, daſs ihm die Zeit der sagenhaften Stammeshelden näher steht und er diese zwischen Bronze - und Eisenzeit als Übergangsperiode einschaltet. Hesiod lebt nach seiner eigenen Erklärung nicht in der Eisenzeit. Die Kunst der Erzverarbeitung erreichte aber lange nach Hesiod erst ihren Höhepunkt in Griechenland. Es war dies um die Zeit, als Herodot seine Geschichte schrieb, aber auch dieser Schrift - steller weiſs es nicht anders, als daſs man die gebräuchlichen Werk - zeuge wie Beile, Meiſsel u. s. w. von Eisen macht und er kann es sich gar nicht anders denken, als daſs auch die Ägypter beim Bau der groſsen Pyramiden sich eiserner Werkzeuge bedient hätten. Die älte - sten griechischen Schriftsteller legen demnach kein direktes Zeugnis ab für das Bronzezeitalter, dagegen liefern sie den bestimmtesten Nach - weis, daſs sie in dem Eisenzeitalter gelebt haben. Aus der poetischen Darstellung des Hesiod kann höchstens gefolgert werden, daſs die Theorie eines Bronzezeitalters schon vor etwa 2700 Jahren ge - spukt hat.

Die häufigeren Erzfunde in Gräbern und Ansiedlungen sind gleich - falls kein hinlänglicher Beweis für das höhere Alter der Bronze, da das Eisen in feuchtem Boden sich viel rascher und vollständiger oxydiert und auflöst als die Bronze, so daſs nur besondere Glücksumstände die Erhaltung von Eisenstücken durch Jahrtausende hindurch überhaupt ermöglichen. Indessen sind uns ja solche Eisenfunde aus ältester Zeit erhalten, aus Zeiten, in welchen die Bronze noch nicht nach - gewiesen werden kann.

39Einleitung.

Wenden wir uns nun zu den sachlichen Gründen, die für oder wider das Bronzezeitalter sprechen, und zwar vor allem zu den metal - lurgischen.

Die Bronze ist eine künstliche Legierung von Kupfer und Zinn. Dieses Metallgemisch ist nicht zu erlangen und wenigstens technisch verwendbar nie erlangt worden durch direktes Ausschmelzen von Erzen, welche zufälligerweise beide Metalle enthalten. Seine Bereitung setzt vielmehr die Darstellung von Kupfer und Zinn voraus. Um Bronze zu erhalten, muſs dem eingeschmolzenen Kupfer metallisches Zinn zu - gesetzt werden.

Das erste Erfordernis zur Darstellung der Bronze ist demnach die Darstellung des Kupfers aus seinen Erzen. Diese muſste der Erfindung der Bronze vorausgehen, und daſs dies der Fall war, ist auſser Zweifel. Das Kupfer war lange bekannt und im Gebrauch, ehe die Darstellung der Bronze entdeckt wurde. Die Streitfrage wäre demnach zunächst die: Ist das Kupfer früher entdeckt worden als das Eisen. Durch rein historische Beweismittel läſst sich dies nicht entscheiden, da die frühe - sten geschichtlichen Überlieferungen die Bekanntschaft des Eisens wie die des Kupfers bezeugen. Technische Gründe sprechen nicht für eine frühere Bekanntschaft der Gewinnung des Kupfers als der des Eisens. Allerdings wird das Kupfer häufiger in gediegenem Zustande ge - funden als das Eisen, sehr selten aber nur in Massen, die sich direkt zu Werkzeugen verarbeiten lassen, wie dies bei dem ganz auſser - ordentlichen Vorkommen am Oberen-See in Nordamerika der Fall ist. Dort, wo sich das Kupfer öfter in Begleitung von Silber in groſsen Klumpen in einem vulkanischen Gestein findet, lernten die barbarischen Indianerstämme freilich früh das natürliche Metall kennen und durch einfaches Ausschmieden zu Werkzeugen zu verarbeiten. Mit diesen trieben sie sogar Handel. Das Ausschmelzen des Kupfers, wie über - haupt jede andere metallurgische Operation blieben ihnen trotz dieser Verwendung unbekannt. Von der Darstellung des Kupfers aus seinen Erzen oder der Bereitung von Kupferlegierungen hatten sie keine Ahnung. Durch das gelegentliche Auffinden eines Stückes Kupfer und der Verarbeitung desſelben zu einem Gegenstande wurde also weder der Einzelne noch ein ganzes Volk zur Kunst der Darstellung des Metalles aus seinen Erzen geführt. Die Gewinnung und Verarbeitung von gediegenem Kupfer konnte aber immer nur eine zufällige, durch - aus lokale sein. Für die Gewinnung im groſsen kommt nur die Dar - stellung des Metalles aus seinen Erzen in Betracht. Kupfererze sind aber weit seltener und schwieriger zu gewinnen als Eisenerze. Dieser40Einleitung.Umstand wird nicht ausgeglichen durch die auffallendere Färbung der Kupfererze, die bei den oxydischen Erzen meist blau und grün ist. Die geschwefelten Erze, die teils goldfarbig wie der Kupferkies, teils metallglänzend wie Kupferglanz und Buntkupfererz sind, können hier weniger in Betracht kommen, da ihre Verarbeitung auf Kupfer weit schwieriger ist, so daſs wir annehmen dürfen, daſs die erste Darstel - lung des Metalls aus seinen oxydischen Erzen erfolgt ist. Die Erze des Eisens sind ebenfalls Oxyde. Die Extraktion der Metalle aus den Erzen ist eine analoge: Es ist eine einfache Reduktion mittels Kohlen - stoff, wozu in früheren Zeiten ausschlieſslich Holzkohlen verwendet wurden.

Ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, daſs man das Kupfer, um es aus seinen oxydischen Erzen zu gewinnen, bis über seinen Schmelzpunkt, der bei ungefähr 1100° C.1)Bei 1090° C. nach Daniell oder bei 1173° nach Plattner. liegt, erhitzen muſs. Um dagegen Eisen aus seinen Erzen zu gewinnen, ist es nicht nötig, dieselben über seinen Schmelzpunkt, der bei ungefähr 1200° C.2)Genauer 1224° C. liegt, zu erhitzen. Die Reduktion des Metalls geht nämlich schon bei weit niedrigerer Temperatur vor sich und hat das reduzierte Eisen die Eigenschaft, vor dem Schmelzen in einen wachsartigen Zustand über - zugehen, in dem die einzelnen Teilchen leicht zu einem Klumpen zu - sammenkleben oder zusammenschweiſsen. Hierdurch wird es möglich, bei verhältnismäſsig niedriger Temperatur, etwa bei 700° C., das Eisen aus seinen Erzen abzuscheiden, allerdings nicht als geschmolzenes Metall, sondern als eine lose zusammenhängende, schwammartige Masse, die sich aber schmieden und durch wiederholtes Glühen und Aus - schmieden zu jedem Zwecke wie unser Stabeisen verarbeiten läſst. In der Erreichung der hohen Schmelztemperaturen lag aber die gröſste Schwierigkeit für die Metallurgie des Altertums. Die Verbrennung von Holz in offenen Feuerstätten gab nicht die genügende Hitze zur Flüssig - machung des Goldes oder zur Ausschmelzung der Metalle aus ihren Erzen. Diese konnte erst erreicht werden durch Herstellung eines konzentrierten Brennstoffes, der einen höheren pyrometrischen Wärme - effekt ergab, durch geschlossene Feuerstätten und künstliche Zufüh - rung gepreſster Luft mit Hülfe von Blasebälgen. Brennmaterial, Schmelzapparat und Windzuführung sind noch heute die wichtigsten Erfordernisse für jede metallurgische Operation. Bei der Unvoll - kommenheit dieser Hilfsmittel im Altertume machte es einen unge -41Einleitung.heuren Unterschied, ob eine Operation bei 700° oder bei 1100° aus - führbar war. Deshalb war die Darstellung des Eisens in der oben geschilderten Weise weit leichter als die des Kupfers aus seinen oxy - dischen Erzen. Die Darstellung des Kupfers aus seinen wichtigsten, den geschwefelten Erzen war noch weit schwieriger, da diese auſser der Schmelzung noch verschiedene Vorbereitungen und Zwischen - prozesse verlangt, welche lange Beobachtung und Erfahrung voraus - setzen. Auf der anderen Seite muſs jedoch wohl im Auge behalten werden, daſs das Produkt, welches bei der einfachen Reduktion der Eisensteine erhalten wurde, sehr unrein und unvollkommen war. Je nach der Natur der Erze fiel ein härteres, stahlartiges oder weicheres, unserem Schmiedeisen ähnliches Produkt. Das geschmolzene Eisen, unser Guſs - eisen, blieb den Alten, wie oben ausgeführt wurde1)Weil sich derselbe erst bei viel höherer Temperatur, bei mindestens 1225° bildet., unbekannt. Die Schmelztemperatur des Goldes (1200°) scheint aber im allgemeinen die höchste Temperatur gewesen zu sein, welche die Alten bei ihren metallurgischen Operationen erreicht haben.

Nach diesen Auseinandersetzungen dürfen wir behaupten, daſs technische Gründe nicht vorliegen, welche eine frühere Bekanntschaft des Kupfers gegenüber dem Eisen annehmen lassen, daſs vielmehr die Wahrscheinlichkeit für das Umgekehrte spricht. Wir begnügen uns indeſs mit dem historischen Faktum, daſs Kupfer und Eisen den älte - sten Kulturvölkern bei ihrem Eintritt in die Geschichte bereits bekannt waren.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit der Bronzefrage. Die Darstellung der Bronze setzt die Bekanntschaft mit dem Kupfer vor - aus. Bei den Völkern, welche selbständig zur Erfindung der Bronze geführt wurden, muſs daher der Bronzezeit eine Kupferzeit voraus gegangen sein. Dies bestätigt sich auch bei allen alten Kulturvölkern, bei denen eine originelle Entwickelung der metallurgischen Kenntnisse angenommen werden kann, so bei den Ägyptern, Indern, Chinesen etc. Anders kann es sich freilich verhalten bei denjenigen Völkern, welche erst nach der Entdeckung der Bronze in die Geschichte eingetreten sind und denen die Metalle zuerst aus anderen Gegenden zugeführt wurden.

Das Kupfer ist aber nur eins der Metalle, welche zur Darstellung der Bronze erforderlich sind, der andere Bestandteil ist das Zinn. Die Darsteller der Legierung muſsten im Besitze von metallischem Zinn42Einleitung.sein. Dies ist ein wichtiges Moment zur Aufklärung über die Herkunft der Bronze.

Zinn ist ein Metall von viel geringerer Verbreitung als das Kupfer. Es findet sich verhältnismäſsig nur an wenig Orten auf der Erde. Die Fundstätten, welche für die Geschichte der alten Zeit in Betracht kommen, sind im Paropamisus im Gebiet der Drangen, die Strabo (Bd. XV. 2, 10) erwähnt, in Hinterindien und dem indischen Archipel, ferner in Iberien1)Der Zinnbergbau im kaukasischen Iberien scheint eine poetische Fiktion gewesen zu sein., der spanischen Provinz Gallizien, in Cornwall und in Devonshire. Die Zinnbergwerke Sachsens und Böhmens sind erst im späten Mittelalter entdeckt worden. Auch der galizische Zinn - bergbau, der unter der römischen Herrschaft in Blüte stand, scheint vergleichungsweise jüngeren Datums zu sein. Trotzdem war das Zinn Spaniens, das lusitanische Zinn , hochberühmt. Eine spätrömische Erklärung will sogar den griechischen Namen des Zinns Kassiteros von einem Berge Kassius in Südspanien herleiten. Im südlichen Spanien ist aber Zinn heutzutage unbekannt. Dagegen waren die süd - spanischen Häfen, vornehmlich Gades, Hauptstapelplätze des über - seeischen phönizisch-britanischen Zinnhandels. Der Handelsweg, den die phönizischen Schiffer mit Eifersucht, namentlich den Römern gegen - über, geheim hielten, ging durch die Straſse von Gibraltar. Vielleicht nur, um die römischen Kaufleute irre zu führen, verbreiteten sie neben manchen anderen Handelsmärchen über ihren Zinnhandel die Nach - richt, daſs sie das Metall aus Lusitanien, aus dem Gebiete des Bätis (Guadalquivir) bezögen.

Gerade der obenerwähnte griechische Namen des Zinns Kassi - teros führt uns auf den wirklichen Ursprung des Metalls. Als Ent - deckungsorte kommen jetzt überhaupt nur noch Indien, Britannien und der Paropamisus in Betracht. Die Griechen nannten allerdings die griechischen Zinninseln Kassiteriten; dieser Name ist aber von dem alten Namen des Metalls abgeleitet. Das Wort Kassiteros ist viel älter und stammt aus Asien und zwar aus den semitischen Sprachen. Es ist übergegangen in die Sanskritsprache als Kastira, welches indeſs als ein jüngeres, importiertes Wort angesehen wird. In der arabischen und aramäischen Sprache heiſst das Metall fast wie im Sanskrit, nämlich Kasdir und Kastir. Semitischen Stämmen war demnach, wie es scheint, das Zinn am frühesten bekannt, obgleich wir nicht nachweisen können, wo sie es gewonnen und woher sie es bezogen haben. Das Metall kann43Einleitung.nur da entdeckt worden sein, wo sein Erz sich findet. Es ist sehr leicht aus seinen Erzen zu reduzieren, besitzt eine niedrige Schmelztempe - ratur, ist leicht zu vergieſsen und zu verarbeiten und von höchst charakteristischer Metallfarbe. Ob das Zinn zuerst im kaukasischen Iberien, oder im Paropamisus oder in Hinterindien bereitet wurde und von da zu den Semiten kam, ist noch nicht klar gestellt. Es scheint sehr möglich, daſs es durch Küstenhandel aus Indien nach dem per - sischen und arabischen Meerbusen gelangte. Die Erfindung der Bronze scheint dagegen nicht aus Indien zu stammen. Wenigstens geben die alten Schriftsteller bestimmt an, daſs Bronze von westlichen Län - dern nach Indien eingeführt wurde. Dagegen sprechen viele Gründe dafür, daſs die Bronze von semitischen Völkern Westasiens, möglicher - weise auch von der turanischen Urbevölkerung des unteren Euphrat - landes zuerst dargestellt wurde. Sicherlich erhielt sie ihre allgemeine Anwendung, Verbreitung und groſse Bedeutung für die Kultur erst durch die Phönizier.

Gerade dadurch, daſs der Zinnstein nur in wenigen Gegenden der Erde gefunden wird, war der Zinnhandel schon im frühesten Altertum von höchster Bedeutung. Soweit geschichtliche Nachrichten darüber zurückgehen, war er in den Händen der Phönizier, die eine Art von Monopol daraus machten, über das sie mit Eifersucht wachten.

Wenden wir uns nun zu der Theorie der Bronzezeit, so leuchtet deren Unhaltbarkeit ein. Die Lehre von der Bronzezeit geht, streng genom - men, von der Voraussetzung aus, daſs die Erfindung der Bronze und ihre Darstellung an allen Orten eingetreten sei, nachdem die betref - fende Bevölkerung eine gewisse Kulturstufe erreicht hätte. Von keinem Metall oder Metallgemisch läſst sich dieses weniger annehmen wie von der Bronze. Die Erfindung der Bronze war ein auſserordentlicher Fortschritt in der Metallurgie, der nur von einem der hüttenmänni - schen Technik kundigen Volke, das im Besitze der beiden Metalle, des Kupfers und des Zinns war, gemacht werden konnte. Die Erfindung stammt allen Anzeichen nach aus Asien und wurde von den Phöniziern in umfassendster Weise ausgebeutet. Durch diese wurden erst die Völker Europas mit der Bronze bekannt. Als die Phönizier ihre kühnen Handelsfahrten zuerst längst den Küsten des Mittelmeeres, später auch im Atlantischen Ozean der Westküste Europas entlang unternahmen, befanden sich die meisten Völker Europas noch in einem Zustande der Barbarei, der mit dem der jetzigen Bewohner Afrikas verglichen wer - den kann. Werfen wir aber einen Blick auf die wilden Völkerschaften Inner-Afrikas, so finden wir einzelne, die nur Werkzeuge aus hartem44Einleitung.Holz und Stein kennen, andere, manchmal Nachbarstämme der ersteren, welche mit der Gewinnung des Eisens vertraut sind und sich Waffen und Werkzeuge aus diesem Metall bereiten. So haben z. B. die Man - dingos in Westafrika eine alte, einheimische Eisenindustrie, sie ver - stehen es, das Eisen in niedrigen Öfen aus seinen Erzen zu schmelzen und es zu verarbeiten, dagegen findet man bei den benachbarten Timamis, die durch Abstammung und Sprache mit jenen verwandt sind, von metallurgischen Kenntnissen keine Spur, so daſs sie nur Holz und Knochen für ihre Waffen und Werkzeuge zu verarbeiten verstehen. Selbst der Spaten, ihr einziges Ackergerät, ist nicht von Eisen, sondern von Holz. Von den Kaffernstämmen sind die Amakosa (oder Amagonda) seit ältester Zeit als Eisenschmiede berühmt. Sehr bedeutend ist die uralte Eisengewinnung in Darfur und Kordofan. Die Gewinnung und Verarbeitung des Kupfers spielt dagegen bei sämtlichen Negervölkern nur eine äuſserst geringe Rolle und es ist nichts darüber bekannt, daſs irgend ein Stamm sich des Kupfers statt des Eisens für seine Waffen und Werkzeuge bediene. Die Bronze ist ihnen gänzlich unbekannt und ist niemals von einem Negervolke erfunden und bereitet worden.

Nicht viel anders wird der Zustand der Urvölker Europas gewesen sein, als diese mit der überlegenen Kultur Westasiens in Verbindung traten. Einzelnen derselben war die Gewinnung und Verarbeitung der Metalle noch gänzlich unbekannt, andere stellten sich mit sehr unvoll - kommenen Hilfsmitteln Eisen von geringer Qualität dar. Da wurden ihnen von fremden Händlern, die mit Eifer Handelsverbindungen anzu - knüpfen suchten, schöne, goldglänzende Waffen angeboten, im Aus - tausch gegen Dinge, die sie im Überfluſs hatten und gering im Werte achteten. Diese Waffen waren nicht nur schöner von Ansehen, sondern auch viel zweckmäſsiger und vollkommener gearbeitet als ihre eigenen. Ferner wurden ihnen Luxusgeräte aus dem schönen Metall, in mannig - facher Weise verziert, zum Tausch als Zahlung angeboten. Was Wunder, daſs die neuen Gegenstände und damit das neue Metall in allgemeine Anwendung kamen, so daſs es selbst da, wo Eisengewinnung längst bestand, den Gebrauch des Eisens einschränkte. Denn das neue Metall hatte den groſsen Vorzug vor dem Eisen, daſs es sich leicht schmelzen und umgieſsen lieſs und diese Kunst lehrten die fremden Kaufleute den Eingeborenen, indem sie ihnen Schmelzformen lieferten, ihnen zeigten, wie die Schmelztiegel anzufertigen seien und wie man aus zerbrochenen und unbrauchbar gewordenen Gegenständen durch Umgieſsen wieder neue herstellen könne. Die fremden Handelsleute fuhren fort, nicht nur neue Waffen und Geräte, sondern auch das45Einleitung.Metall, die Bronze, die zum Bedürfnis geworden war, anzuliefern. So entstand das sogenannte Bronzezeitalter und soweit hat diese Theorie für Europa ihre Berechtigung. Ganz unannehmbar dagegen erscheint die Lehre, wenn sie so gedeutet wird, als ob Völker, wie z. B. die alten Bewohner Dänemarks, die in ihrem Lande weder Kupfer noch Zinn finden konnten, oder Binnenvölker, wie die Pfahlbaubewohner der Schweiz, die von der Zinnküste Englands weitab wohnten, selbständig die schwierige Darstellung der Bronze entdeckt und sofort Waffen und Werkzeuge von groſser Vollendung und geschmackvoller Form ge - gossen hätten. Auch die Ähnlichkeit dieser Formen in weit auseinander liegenden Gebieten widerspricht dem. Die Übereinstimmung der Mo - delle der Waffen, wenigstens deren Grundformen, z. B. die der soge - nannten Kelten , bei den verschiedensten Völkern Europas, die unter sich keine Verbindung hatten, beweist die Zuführung dieser Gegen - stände von auſsen aus demselben Ursprungsgebiete auf dem Wege des Handels. Allerdings mag sich in der Folge in einzelnen Gegenden eine gewisse Kunstfertigkeit, die Bronzegeräte nachzuahmen und selbständig aus ungeschmolzenem, altem Metall herzustellen, ja auch selbst neue Formen zu erfinden, entwickelt haben. In diesem Sinne kann man von einer selbständigen Kunst der Bronzebearbeitung in einzelnen Ländern Europas sprechen, doch wohl auch nur in diesem, und nicht in dem, als ob die durch ganz Europa verbreiteten Formen in verschiedenen Gegenden selbständig nebeneinander erfunden worden wären. Es bleibt immer noch auffallend genug, daſs die Verwendung der Bronze in Europa so allgemeine Verbreitung erlangte und so lange herrschend blieb, und läſst sich dies nur aus der groſsen Überlegenheit der Phö - nizier erklären, die durch ihre jedem Bedürfnis angepaſsten Waren von gefälligen Formen und durch ihre groſse Gewandtheit im Handel die Völker zu gewinnen und dauernd an sich zu fesseln wuſsten. Auch soll durchaus nicht behauptet werden, daſs das kleine Volk der Phö - nizier aus dem Stammlande am Mittelmeere diesen Handel allein betrieben und ausgebreitet hätte, ihre berühmten Kolonien Karthago, Gades, Massilia, die Städte an den Pomündungen, sowie das industrielle Volk der Etrusker waren Mitarbeiter und Teilhaber an diesem Ge - schäfte, welches später teilweise von Griechen und Römern fortgesetzt wurde. Alle Verführungskunst dieser gewandten Kaufleute würde in - dessen die Verdrängung von Stahl und Eisen durch die Bronze nicht ermöglicht haben, wenn das Eisen in der Vollkommenheit und in den mannigfaltigen Zuständen bereits bekannt gewesen wäre, wie wir es heutzutage kennen. Dies war aber durchaus nicht der Fall. Das46Einleitung.Eisen, welches die Alten kannten, war fast ausschlieſslich ein schlechtes Schmiedeisen. Wir haben schon erwähnt, daſs sie die Kunst des Eisengusses nicht verstanden, daſs dies eine verhältnismäſsig moderne Erfindung ist, die dem fünfzehnten Jahrhundert angehört. Der Stahl war zwar den Alten nicht unbekannt: Inder, Chalyber, Noriker und Hispanier verstanden es, Stahl herzustellen. Guter Stahl war aber selten und kostbar und wurde seine Darstellung als Geheimnis behan - delt. Das gemeinhin verwendete Eisen war das in oben beschriebener Weise reduzierte, schmiedbare Produkt, welches erst durch wiederholtes Glühen und Umschmieden ein brauchbares Schmiedeisen wurde.

Anders dagegen verhielt es sich mit dem Kupfer und dem Erz. Was zunächst das Kupfer anlangt, so hat es, abgesehen von seiner an das Gold erinnernden Farbe, vor dem Eisen die Vorzüge, daſs es weniger rasch rostet als das Eisen und daſs es weicher ist, infolge - dessen es sich leichter bearbeiten läſst. Namentlich läſst es sich kalt viel besser schmieden und treiben, und das war bei den unvollkommenen Heizvorrichtungen und Maschinen ein groſser Vorzug für seine Ver - wendung in alter Zeit. Infolgedessen lieſs es sich zu manigfaltigeren Zwecken verwenden, und wurde zu Dingen verarbeitet, wozu wir, die wir bei unseren vollkommenen Vorrichtungen nicht mehr danach zu fragen brauchen, ob das Metall sich besser kalt oder heiſs verarbeiten läſst, unbedingt Eisen nehmen. Denn darin ist man viel zu weit gegan - gen, wenn man behauptet hat, die Alten hätten aus ihrem Kupfer ebenso gute Werkzeuge zu machen verstanden, wie wir aus Stahl, ihre Bronzeschwerter hätten sich mit den Stahlschwertern messen können oder sie hätten aus Kupfer Steinmeiſsel hergestellt, mit denen sie die härtesten Steine bearbeiten konnten. Man spricht in bezug hierauf von einer verloren gegangenen Kunst , welche die Alten gehabt hätten, das Kupfer nach Belieben zu härten, und hat sich in mancherlei Hypo - thesen ergangen, worin diese Kunst bestanden hätte. Die Mittel, welche die Alten zur Härtung des Kupfers anwendeten, waren schwerlich andere als die wir auch kennen. Durch Hämmern kann man dem Kupfer, wie allen anderen Metallen eine dichtere und härtere Ober - fläche geben. Die Härte, die man aber durch dieses Mittel erreicht, ist nicht groſs, durchaus nicht genügend, um z. B. Meiſsel herzustellen, wie sie die Ägypter verwendeten, hart genug, um quarzhaltige Silikat - gesteine damit zu bearbeiten. Man hat von chemischen Härtemitteln, z. B. Zusatz von Arsenik gesprochen, doch sind absichtliche Zusätze dieser Art nicht erwiesen und wenig wahrscheinlich. Wohl aber ist es möglich, daſs man zufälliger Weise solche Legierungen erhielt, daſs47Einleitung.man aus gewissen Erzen z. B. arsen - oder phosphorhaltiges Kupfer be - kam, das härter war und seiner Härte wegen geschätzt und verwendet wurde. Aber auch aus einem solchen härteren Kupfer waren keine Meiſsel herzustellen, die mit Stahlmeiſseln verglichen werden können. In dieser Beziehung gebührte der Bronze jedenfalls der Vorzug. Die vorteilhafte Eigenschaft, daſs sie sich leicht in Formen gieſsen lieſs, was den Alten weder mit dem Kupfer, noch dem Eisen möglich war, haben wir schon hervorgehoben. Durch die Menge des Zinnzusatzes hatte man es in der Hand, ein härteres oder weicheres Metallgemisch herzustellen. Der ursprüngliche Zweck des Zusatzes von Zinn zum Kupfer war jedenfalls ein härteres Kupfer zu erhalten. Zugleich macht der Zinnzusatz das Kupfer leichtflüssiger, klingender und zäher, während freilich andererseits mit der Zunahme der Härte die Dehnbarkeit ab - nimmt, die Legierung wird spröde und läſst sich schwer schmieden und polieren: sie ist nur zu Guſswaren zu verwenden. Die Härte wächst anfänglich mit dem Zinngehalt und wird bei einem Zusatz von etwa 30 Proz. Zinn so groſs, daſs sich das Metallgemisch nur schwierig mit der Feile verarbeiten läſst. Bei gröſserem Zinngehalt nimmt die Härte wieder ab. Die erwähnte harte Legierung ist aber spröde wie Glas und zu Werkzeugen nicht verwendbar. Die Alten wählten für weichere Bronzen die Mischung von 5 Teilen Zinn mit 95 Teilen Kupfer, für die meisten Werkzeuge die Mischung von 10 Teilen Zinn mit 90 Teilen Kupfer, für leicht schmelzbare Guſsstücke, die weniger auszuhalten hatten, setzte man bis 25 Proz. Zinn zu. Die Bron - zen von 5 Proz. Zinngehalt und darunter sind leicht in kaltem Zustande zu bearbeiten, sehr geschmeidig, wenn auch etwas kantenrissig und da - bei härter als Kupfer. Die Legierungen von 5 bis 15 Proz. Zinngehalt sind hart, fest, zähe und politurfähig, lassen sich aber in der Kälte nur schwierig schmieden, während sie in der Rotglut leicht streckbar sind. Die Legierungen über 15 Proz. Zinngehalt sind spröde und hart.

Diese Abstufung in den Eigenschaften der Bronze je nach dem Zinngehalt gestattete die Auswahl der Zusammensetzung je nach dem Zweck. Für gewöhnliche Gefäſse, die nach dem Guſs dünn ausgetrieben wurden, wurde nach Plinius die Ollaria, eine Mischung von 96,2 Proz. Kupfer und 3,8 Proz. Zinn gewählt. Ebenso hatten die Bronzenägel einen sehr geringen Zinngehalt, Klaproth fand solche, die im Rhein gefun - den waren, aus 97,7 Teilen Kupfer und 2,3 Teilen Zinn zusammengesetzt. Mischungen mit 5 bis 6 Proz. Zinn wurden angewendet für Werkzeuge, die nicht spröde sein durften und nicht besonders hart zu sein brauchten, wie für Messer, Äxte und Schwerter. Der bekannte ägyptische Meiſsel48Einleitung.von Theben war im Verhältnis von 94: 6 zusammengesetzt; die Paal - stäbe Böhmens entsprechen meist dem Verhältnis von 95: 5.

Die wichtigste Komposition der Alten war die von 90 Teilen Kupfer mit 10 Teilen Zinn gemischte. Dies war die Legierung, welche die Phö - nizier hauptsächlich in den Handel brachten. Die meisten Bronzen der Pfahlbauten entsprechen diesem Mischungsverhältnisse1)Siehe Fellenberg, Analysen antiker Bronzen in den Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft zu Bonn. 1860 und 1861.. Plinius bezeichnet es als Kampanisches Erz. Namentlich wurden die meisten Waffen und Werkzeuge aus diesem Metall gemacht, das hart, fest und zähe, dabei in der Rotglut leicht zu schmieden war. Äxte, Beile, Speer - und Lanzenspitzen, Schwerter und namentlich die durch die Phönizier eingeführten und verbreiteten Kelten finden sich zumeist von dieser Zusammensetzung. An Güte stehen diese Waffen und Werkzeuge, wie erwähnt, hinter unseren heutigen Stahlgeräten weit zurück, denn die härteren sind spröde und die weichen sind wenig elastisch. Durch sorgfältige Behandlung und Bearbeitung können gewisse Eigenschaften gesteigert, das Metall dadurch gewissermaſsen verbessert werden. So wird die Bronze härter durch wiederholtes Umgieſsen. Sie wird auch schon dadurch härter, daſs man zu dem frisch bereiteten Gemische eine gröſsere Menge alten Materials von gleicher Zusammensetzung beim Schmelzen hinzufügt. Hieraus erklärte sich die Stelle des Pli - nius2)Plinius, historia nat. XXXIV, 9., in der er die Herstellung der Bronze beschreibt. Er sagt: dies Erz wird mittels des Blasebalges flüssig gemacht, dann fügt man ein Drittel des Gewichtes von alter Bronze, zerbrochene Stücken alter Geräte hinzu. Dies giebt eine besondere Würze, da nur das Alter und der Gebrauch das Erz zu seiner Vollendung bringt und die Reibung erst die natürliche Rauhigkeit des Metalls überwindet.

Man kann die Härte der Bronzeguſsstücken fernerhin erhöhen, wenn man sie möglichst dünn in Metallformen gieſst, wodurch die Oberfläche rasch erstarrt, analog dem Hartguſs bei der Eisengieſserei. Dagegen wird im Gegensatz zum Stahl die Bronze, wenn sie von neuem glühend gemacht und dann rasch abgelöscht wird, nicht härter, sondern weicher und man benutzt dieses Ausglühen und Ablöschen um der Sprödigkeit entgegenzuwirken.

Durch anhaltendes Hämmern erhöhen sich Härte und Elastizität. Alle diese Vorteile kannten und benutzten die Alten bei Herstellung ihrer Geräte und Werkzeuge.

49Einleitung.

Einen höheren Zinngehalt von 15 bis 25 Proz. wählte man zur Herstellung feiner Guſsstücke, als Ornamente, Figuren, Schalen, Schmuckgeräte, Armringe, Spangen, gegossene Münzen, zuweilen auch für Kelt - und Pfeilspitzen. Ein absichtlicher Bleizusatz kommt bei diesen Mischungen häufiger vor, namentlich bei denen, die nachher gefeilt, ge - schliffen und ziseliert werden sollten, da ein Bleizusatz die Legierung nicht nur noch leichtflüssiger, sondern auch weicher macht. Geringe Bleizusätze sind dagegen wohl nicht als absichtliche zu betrachten, indem weder das Zinn noch das Kupfer der Alten bleifrei zu sein pflegte, das Zinn überdies schon vielfach durch Zusatz von Blei ver - fälscht wurde.

Alle Bronzen schmelzen bei niedrigerer Temperatur als reines Kupfer, und zwar liegt der Schmelzpunkt des Kanonenmetalls, das 8 Teile Zinn enthält, bei 900° C., die Bronze, welche 13 Teile Zinn enthält, bei 835° C., die Legierung von 25 Proz. Zinngehalt bei 786° C.

Die Kunst der Alten in der Behandlung der Bronze war bewunderns - wert. Ihre Leistungen im Erzguſs sind staunenerregend sowohl durch ihre Groſsartigkeit (wir erinnern nur an das eherne Meer des Hiram und an den Koloſs von Rhodus des Lindiers Chares) als durch ihre Feinheit. Wir finden häufig Schmuckgegenstände so zart und dünn - wandig, daſs wir kaum begreifen, wie es möglich gewesen ist, daſs das flüssige Metall die Formen ausgefüllt haben kann. In keinem Zweige der Metallurgie haben die Alten so Groſses geleistet, als in der Herstellung und Verarbeitung der Bronze.

Mit aus diesem Grunde haben wir diesen Gegenstand bereits in der Einleitung mit einiger Ausführlichkeit behandeln zu müssen ge - glaubt, zugleich auch um von vornherein unsere Stellung zu der Frage des Bronzezeitalters zu präzisieren und durch Zusammenstellung der wichtigsten Thatsachen Wiederholungen in den folgenden Kapiteln, in denen wir noch häufig diesen Gegenstand berühren, zu vermeiden. Nach dieser allgemeinen Betrachtung wenden wir uns spezieller zu der Geschichte des Eisens bei den wichtigsten Kulturvölkern des Altertums.

Beck, Geschichte des Eisens. 4[50][51]

DIE GESCHICHTE DES EISENS VON DER ÄLTESTEN ZEIT BIS ZUR VÖLKERWANDERUNG.

[52][53]

Ägypten.

Wenn wir unsere Untersuchung über die Eisenindustrie im Alter - tum mit den Ägyptern beginnen, so geschieht dies nicht deshalb, weil wir dieselben als die ersten Erfinder der Eisengewinnung ansehen oder weil sie besonders Hervorragendes in der Eisentechnik geleistet hätten. Dies ist nicht der Fall, vielmehr trat dieser Zweig der Metallindustrie bei den Ägyptern relativ zurück. Es geschieht vielmehr deshalb, weil die beglaubigte Geschichte keines der alten Kulturvölker in so ent - fernte Zeit zurückreicht.

Tiefgewurzelt in dem Gemüt des ägyptischen Volkes saſs der Sinn für die Fortdauer nach dem Tode, für die Unsterblichkeit, der die Mutter der Geschichte ist. Dieser Glaube veranlaſste sie, ihre Toten einzubalsamieren, ihnen für die Ewigkeit begründete Felsengräber zu erbauen und ihre Thaten in Wort und Bild aufzuzeichnen und zu ver - künden. Treten wir in diese wiedereröffneten Grabkammern der Ur - väter unserer Kulturgeschichte, so erfüllt uns der Anblick dieser Riesen - bauten, die sich über den Leibern der Könige und Vornehmen des ehrwürdigen Volkes erheben, mit Staunen und Bewunderung. Wir sind imstande, nachdem der Schlüssel ihrer geheimnisvollen Bilderschrift, der Hieroglyphen, gefunden ist, die Thaten und Ereignisse aus Zeiten, die Jahrtausende zurückliegen, zu lesen. Mächtiger noch wirkt die unmittelbare Darstellung auf unsere Sinne. Längst vergangene Zeiten steigen vor uns auf, alles erscheint, als sei es gestern gewesen. Die Abbildungen, ob sie Kriegsthaten, Jagd, Fischfang, häusliche Be - schäftigung oder gewerbliche Verrichtungen darstellen, sind so frisch54Ägypten.in der Farbe, dabei so ausdrucksvoll und verständlich, daſs alles um uns lebendig zu werden scheint und wir in den Grüften des Todes das volle, heitere, bewegte Leben des ägyptischen Volkes empfinden. Das Wunderland nannten mit Recht deshalb auch schon die Alten das untere Nilthal.

Es ist nicht unsere Aufgabe, die Abkunft und ethnographische Stellung des ägyptischen Volkes zu untersuchen. Ob sie von den Äthiopiern stammen, wie Diodor behauptet, ob sie mit den Berbern blutsverwandt sind oder ob, was die meisten Ägyptologen annehmen, die weiſsen, herrschenden Kasten wenigstens von Osten her einwander - ten als ein Zweig der semitischen Bevölkerung Westasiens, hat für die Geschichte der Industrie des Landes wenig Bedeutung. Weit wichtiger für dieselbe sind die Kulturbedingungen, welche das Land darbietet. Diese sind so eigenartig, daſs durch sie zumeist die Frühreife des Volkes bedingt wurde. Das Geschenk des Nils nannten die Ägypter ihr Land mit Recht. Das ganze untere Land, in dem die Kultur Ägyptens sich entwickelte und blühte, ist aus dem fruchtbaren schwar - zen Schlamm des mächtigen Stromes gebildet, der aus den ausgedehnten Seeen Hochafrikas in der Nähe des Äquators entspringend, in mannig - fachen Windungen die Hochgebirge Afrikas in nördlicher Richtung durchschneidet, bis er in raschem Lauf, oft sprungweise in Wasser - fällen und Stromschnellen dem Thale zueilt, das, von den Parallel - ketten der lybischen und arabischen Bergketten eingeschlossen, das schmale Gebiet des eigentlichen Ägyptens bildet. Nachdem der Fluſs das wilde Hochgebirge verlassen hat, verlangsamt er seinen Lauf und dies giebt Veranlassung zu reichlichem Absatz des fruchtbaren Gebirgs - schlammes, der den gesegneten Boden Ägyptens bildet. Von Syene, wo der Strom den letzten Gebirgsriegel durchbricht, bis zu seiner Mündung am Mittelländischen Meer beträgt sein ganzer Fall nur 300 Fuſs. Die Schlammablagerungen des Nils sind aber keine gleich - mäſsigen, sondern periodische, die mit groſsartigen Überschwemmungen des unteren Landes verbunden sind. Die ungeheuren Regengüsse, welche in der äquatorialen Zone, in welcher der Ursprung der beiden Nilarme liegt, in bestimmten Jahreszeiten eintreten, sind die Ursache dieser Überschwemmungen. Mit dem Anfang des Sommers beginnt der Strom zu steigen, bis er Ende Juli aus seinen Ufern tritt und bald das ganze Thal zwischen den Bergketten erfüllt. Ende September pflegt er 20 Fuſs über seiner normalen Höhe zu stehen. Dann kehrt er ebenso allmählich in sein altes Bett zurück. Die fruchtbare Schlammdecke, die zurück bleibt, bestrahlt von der glühenden Sonne, läſst rasch die55Ägypten.üppigste Vegetation hervorsprieſsen, die eine zahlreiche Bevölkerung mühelos zu ernähren imstande ist.

Die regelmäſsigen Überschwemmungen des Nils waren die wich - tigste Kulturbedingung für die Bewohner Ägyptens. Sie zwangen den Hirten Vorkehrungen zu treffen zur Sicherung seiner Herde, den Land - mann zu genauer Feststellung seiner Ackergrenze. Sie nötigten Vor - räte anzusammeln für die wasserreiche Zeit und zum Verkehr auf dem Wasser in Nachen und Schiffen. Sie führten, nachdem man den Nutzen der Überschwemmungen für die Landwirtschaft erkannt hatte, zu Kanalanlagen, die den fruchtbaren Schlamm auch solchen Landes - teilen zuführten, die von der natürlichen Flut nicht erreicht wurden, während man andererseits Dämme errichtete, um den Absatz des Schlammes zu vermehren oder den Lauf des Flusses zu korrigieren. Solche Unternehmen waren zu umfassend, um das Werk Einzelner sein zu können, sie bedingten das Zusammenwirken einer groſsen Zahl von Händen. Dieses führte zur Organisation der Gesellschaft, zu ge - setzlicher Ordnung, gemeinschaftlicher Verwaltung, kurz zu einem geordneten Staatswesen, wie wir es in Ägypten so früh ausgebildet finden.

Die Geschichte Ägyptens beginnt, sowohl nach der übereinstimmen - den Überlieferung der Geschichtsschreiber des Altertums, als der auf - gefundenen Königstafeln, mit der Herrschaft des Menes, aus der Land - schaft This. Doch war bereits lange vor Menes Ägypten von einer Be - völkerung bewohnt, die höherer Kultur teilhaftig war. Wenn dies schon aus der uralten Stammeseinteilung, sowie aus den groſsartigen Bau - unternehmungen des Menes, die das Vorhandensein zahlreicher fach - kundiger Arbeitskräfte und Intelligenzen, die Kenntnis der Gewinnung und Bearbeitung der Baumaterialien u. s. w. voraussetzt, geschlossen werden kann, so ist dies auch nachgewiesen durch zahlreiche Bohrungen, die von Altertumsforschern im Nilthal gemacht worden sind. Diese haben in groſsen Tiefen aus dem angeschwemmten Boden Krüge, Thon - figuren, Steinmesser, in noch gröſserer Tiefe Töpferscherben und Ziegel - stücke ans Licht gebracht. Da die Ablagerung des Nilschlammes in groſsen Zeiträumen sehr gleichmäſsig verläuft, so hat man daraus eine Kultur von über 10000 Jahren berechnet.

Über ein Steinzeitalter Ägyptens wissen wir wenig; daſs es existiert hat, läſst sich schlieſsen sowohl aus den oben erwähnten Funden als auch aus der Verwendung steinerner Werkzeuge in historischer Zeit zu gewissen hieratischen Zwecken, z. B. aus dem Gebrauch steinerner Messer zum Öffnen der Bauchhöhlen der Verstorbenen zum Zweck der56Ägypten.Einbalsamierung. In den ältesten Zeiten, von denen wir bestimmtere Kenntnis haben, findet sich indessen neben der Verwendung von Stein - werkzeugen auch schon der Gebrauch der Metalle.

Von Menes erzählen Herodot und spätere Geschichtsschreiber, er habe den Nil oberhalb Memphis abgeleitet und die Stadt, die er ge - gründet habe, durch künstliche Dämme geschützt. Ferner habe er in derselben Stadt einen Tempel des Hephästos, d. h. des ägyptischen Gottes Ptah gegründet, der von späteren Königen erweitert wurde. Er habe den Gottesdienst organisiert, aber auch Üppigkeit und Wohlleben in Ägypten eingeführt. Sein Sohn und Nachfolger Athotis (Tota) soll die Königsburg erbaut haben, während Ünephes, der dritte König, die ersten Pyramiden errichtet hätte. Diese groſsartigen Unternehmungen setzen eine entwickelte Technik voraus.

Von Menes bis zur zweiten persischen Eroberung sollen nach Manetho aus Sebennytos, einem Priester zu Heliopolis, der im Auftrag der Ptolemäer unter Benutzung der alten hieratischen Schriften eine Geschichte des Landes verfaſst hat, 30 Dynastien mit 375 Königen ge - herrscht haben. Hätten diese hintereinander geherrscht, so müſste nach Bökhs Berechnung der Anfang der Regierung des Menes in das Jahr 5702 v. Chr. fallen. Es gilt aber jetzt als ausgemacht, daſs ein - zelne der aufgezählten Dynastieen und Könige gleichzeitig, nebenein - ander in verschiedenen Teilen des Landes regierten, und haben sich alle Ägyptologen bemüht, die Königstafeln von diesem Gesichtspunkte aus zu korrigieren. Auf diesem Wege findet Lepsius nach seiner Auf - stellung das Jahr 3892 v. Chr. als das Jahr des Regierungsantrittes des Königs Menes.

Die Nachrichten über die ersten Könige Ägyptens sind dürftig und wenig zuverlässig; sie beruhen auf Mitteilungen Herodots, Diodors und Anderer, die 3000 Jahre und mehr nach der Zeit des Menes ge - schrieben haben. Von den Herrschern der ersten Dynastieen wissen wir kaum mehr als die Namen, die allerdings schon manchen Finger - zeig geben, wie der des sechsten Königs nach Menes Mybempes hieſs, was mit Eisenfreund übersetzt wird.

Die Morgenröte der ägyptischen Geschichte beginnt mit den letzten Königen der dritten Dynastie und heller Tag erscheint mit dem Eintritt der vierten Dynastie, die etwa 800 Jahre nach Menes ans Ruder kam, denn von da ab haben wir die eigenen Aufzeichnungen und Darstellungen in den gewaltigen Pyramiden und Gräberbauten von Memphis und Gizeh. Die Pyramiden sind die charakteristischsten Wunderbauten Ägyptens. Es sind die Grabstätten seiner Könige. 57Ägypten.Schon in ältester Zeit suchten die Ägypter die Körper der Verstorbenen sowohl durch Einbalsamieren als durch Beisetzung in festen, geschütz - ten Steingräbern zu erhalten. Diodor überliefert uns (I. 51) den schönen Ausspruch: Die Ägypter legen auf die Zeit dieses Lebens nur ganz geringen Wert, dagegen den allerhöchsten auf die Fortdauer des Ruhmes ihrer Tugend nach dem Tode, und darum nennen sie auch die Wohnungen der Lebenden nur Herbergen , da wir in denselben nur kurze Zeit verweilten, die Gräber der Gestorbenen aber nennen sie ewige Häuser , da diese ja in der Unterwelt die ganze Ewigkeit hin - durch wohnten. Deshalb denken sie auch weniger an die Ausschmückung ihrer Häuser, auf die Gräber aber legen sie die übertriebenste Sorgfalt.

Westlich von Memphis in den Felsabhängen des lybischen Gebirges waren die ältesten Grabkammern teils in festen Fels gehauen, teils ausgemauert. Dort erhoben sich auch die Pyramiden, die gemauerten Grabstätten der Könige, durch riesigen Unterbau vor der Zerstörung der Wasserflut geschützt, hoch emporragend über den Gräbern der Unterthanen. Über 30 dieser Pyramidengräber sind an dem Bergabhange, der sich westlich von Memphis nach Süden zieht, noch deutlich zu erkennen. Lepsius und Brugsch haben die Reste von etwa 70 nach - gewiesen. Die umfangreichsten und schönsten stehen bei Gizeh, süd - westlich von Kairo. Chufu (Suphis), der erste König der vierten Dy - nastie, den Herodot Cheops nennt, erbaute die gröſste derselben, die zweitgröſste sein Bruder Chafra (griechisch Chephren). Über die Erbauung der groſsen Pyramide, die 500 ägyptische Ellen oder 716 Fuſs Seitenlänge und 480 (jetzt aber nur noch 450 Fuſs) Höhe hatte, er - zählt Herodot Folgendes:

Alle Ägypter muſsten dem Könige Frohndienste leisten. Die Einen waren angewiesen aus den Steinbrüchen am arabischen Gebirge Steine bis an den Nil zu schleppen. Waren die Steine auf Fahrzeugen über den Fluſs gebracht, so muſsten andere sie aufnehmen und nach dem sogenannten Lybischen Gebirge ziehen. Es waren aber an hun - derttausend Menschen immer auf drei Monate mit dieser Arbeit beschäftigt und war das Volk eine geraume Zeit also gedrückt. Zehn Jahre brauchten sie zur Anlage des Weges, auf welchem sie die Steine fortzogen, was nach meiner Ansicht kaum eine geringere Arbeit war, als der Bau der Pyramiden selbst. Zwanzig Jahre brauchten sie zum Bau der Pyramide, die terrassenförmig aufgeführt und mit groſsen, polierten Steinen verkleidet wurde. Es ist auch , fährt Herodot fort, mit ägyptischer Schrift an der Pyramide angegeben, wieviel von den Arbeitern an Rettigen, Zwiebeln und Knoblauch verzehrt wurde und58Ägypten.wenn ich mich recht erinnere, was der Dollmetscher, der die Schrift las, mir sagte, so wurden darauf 1600 Talente Silber (ungefähr acht Millionen Mark) verwendet. Wenn sich das wirklich so verhält, wieviel muſs dann natürlich noch weiter aufgewendet worden sein für das Eisen, mit dem man arbeitete und für die Nahrung und Kleidung der Arbeiter! Die Wahrheit der Angabe Herodots über die Erbauung der groſsen Pyramide wird durch ihren gegenwärtigen Zustand be - stätigt. Sie ist aus Quadern von Granit, der vom oberen Nil herbei - geschafft wurde, aufgeführt und mit geschliffenen Platten von weiſsem Numulitenkalk, der von der arabischen Seite herstammt, bekleidet.

Die ältesten Pyramiden, die bei Meidum und Dahschur stehen und noch der Zeit der dritten Dynastie angehören, sind aus Ziegeln erbaut und mit Quadern von Kalkstein bekleidet. Wahrscheinlich sind auch die Pyramiden von Saqara und von Abusir vor König Cheops erbaut. Der Kern derselben besteht aus rohen Steinblöcken, die durch da - zwischen geschütteten Nilschlamm verbunden und mit Kalksteinquadern umkleidet waren.

Schöner und regelmäſsiger als die beiden groſsen Pyramiden aus der Zeit des Cheops ist die kleinere Pyramide auf dem Felsenplateau von Gizeh, die König Menkera, der Sohn des Cheops, erbauen lieſs. Sie hat einen hohen Sockel und erhebt sich in 5 bis 6 stufenförmigen Ab - sätzen bis 218 Fuſs Höhe. Die Bekleidung ist bis zu bedeutender Höhe geschliffener Granit.

Die Ausführung solcher Riesenbauten setzt eine zahlreiche, in Ar - beit geübte Bevölkerung, groſse technische Vorkenntnis, sowie vorzüg - liche Werkzeuge und Hilfsmittel voraus. Die Pyramiden, die im Inne - ren Gänge und Kammern mit den Sarkophagen fürstlicher Personen enthalten, sind umgeben von ausgedehnten meist in den gewachsenen Fels eingehauenen Felsengräbern, in denen die Mumien der vornehmeren Diener und Unterthanen der mächtigen, autokratischen Herrscher bei - gesetzt sind. Die Wände der Grabkammern sind bedeckt mit Skulpturen und Gemälden, zum Teil Scenen aus dem Leben der Verstorbenen dar - stellend, aus denen wir die Sitten, den Kulturzustand besonders in Be - ziehung auf die Gewerbe erkennen. Bevor wir aber diese interessanten Abbildungen, die bis 3000 Jahre v. Chr. zurückgehen, näher ins Auge fassen, wollen wir kurz einen Überblick der weiteren Geschichte Ägyp - tens, namentlich in Hinblick auf die Bauthätigkeit seiner Könige geben.

Nach der mächtigen vierten Dynastie, die wegen ihrer Prachtbauten berühmt, aber wegen ihrer Härte und Tyrannei verrufen war, tritt erst vier Jahrhunderte später die zwölfte Dynastie wieder ruhmvoll in den59Ägypten.Vordergrund. Sie hatte ihren Sitz in Theben in Oberägypten, das sie durch ihre Bauwerke verherrlichte. Die Obelisken sind die charakte - ristischen Bauwerke dieser Periode. Der erste Obelisk ist der des Sesorthosis (auch Sesurtasen, Osortases, Usurtasen) zu Heliopolis (auch Amu, On). Dieser König führte auch den Bau des Ammontempels zu Theben fort, den sein Vater Amenemah I. begonnen hatte. Er und seine Nachfolger besiegten und unterwarfen das Land Kusch (Nubien). Der gröſste unter diesen Nachfolgern war Amenemah III., der nach Lepsius von 2221 bis 2179 v. Chr. regierte, derselbe den die Griechen Möris nennen. Er lieſs den groſsen See dieses Namens ausgraben, ein Riesenunternehmen, dem nur die Erbauung der groſsen Pyramiden und des Labyrinthes an die Seite gestellt werden können.

Nach Herodot hatte er 3600 Stadien oder etwa 80 geographische Meilen Umfang. Sein Zweck war die Nilüberschwemmungen zu regu - lieren. Herodot berichtet, daſs dies vollständig erreicht wurde und daſs nach der Herstellung dieses mächtigen Reservoirs das Land unter - halb Memphis hinreichend überschwemmt wurde, wenn der Nil nur 8 Ellen stieg, während zu seiner Zeit, durch Vernachlässigung und Ver - sumpfung des Sees, der Nil erst bei 15 bis 16 Ellen Höhe das untere Land überflutete. Derselbe König erbaute das berühmte Labyrinth, einen riesigen Reichspalast, der Gerichtshof und Sammelpunkt für alle Stämme Ägyptens sein sollte. Herodot, der den Riesenbau selbst gesehen hat, nennt es ein Werk über alle Beschreibung, gröſser und kostspie - liger als alle Bauwerke der Hellenen zusammengenommen1)Herodot II, 148.. Er hat zwölf bedeckte Höfe mit gegenüberstehenden Thoren, sechs nach Norden und sechs nach Süden zu aneinander stoſsend: ein und dieselbe Mauer umschlieſst sie von auſsen. Es befinden sich darin zweifache Kammern, die einen unter der Erde, die anderen oberhalb auf diesen, in Allem dreitausend, von jeder der beiden Arten fünfzehnhundert u. s. w. Die Hauptmasse des Gebäudes war nach dem Bericht des Plinius aus Granitblöcken hergestellt und wird dies durch die Trümmer bestätigt, die sich bei Howara finden.

Die Gräber von Beni-Hassan, Berscheh und Ziut in Mittelägypten gehören gleichfalls dieser Periode und dieser Dynastie an.

Die Abbildungen in denselben zeigen mancherlei technische Vor - richtungen; so ist in einem Grab von Berscheh der Transport einer kolossalen Steinbildsäule dargestellt. Eine Inschrift giebt die Höhe derselben auf 6,30 Meter an. Die Fortbewegung geht auf einer Schleife, die von vielen Menschen gezogen wird, vor sich.

60Ägypten.

Durch den Einfall der Hyksos erreichte die glänzende Herrschaft der zwölften Dynastie ein jähes Ende. Dieses Hirtenvolk semitischer Abstammung eroberte ganz Unterägypten und engte die Herrschaft der eingeborenen Könige auf ein beschränktes Gebiet in Oberägypten ein. Auch hier scheinen sie nur als Vasallen der Hirtenkönige regiert zu haben. Erst nach vielen Jahrhunderten gelang es den kriegerischen Königen der achtzehnten Dynastie nach langen Kämpfen, die barba - rischen Hyksos wieder gänzlich aus Ägypten zu vertreiben und von neuem eine einheitliche Herrschaft eingeborener Könige zu begründen. Unter dieser Dynastie gelangte Ägypten um die Mitte des zweiten Jahrtausend v. Chr. auf den Gipfel seiner Macht. Denn wenn das ägyptische Volk zur Zeit der vierten Dynastie als ein durchaus fried - liebendes, das Krieg und Kriegsdienst kaum kannte, erscheint, wenn es noch unter der Herrschaft der zwölften Dynastie wenig in kriege - rischen Kämpfen geübt und erfahren war, so daſs den hereinbrechen - den Nomaden der Sieg leicht wurde, so hatte sich in den Jahrhunderten der Abhängigkeit durch den Druck das ägyptische Volk zu einem starken, geübten Kriegsvolke umgewandelt. Sieg und Eroberung hef - teten sich an die gefürchteten Standarten der Könige der achtzehnten Dynastie. Theben, von dem die Befreiung ausgegangen war, wurde nun der anerkannte Mittelpunkt des Reiches und die reichste und blü - hendste Stadt Ägyptens. Dort richteten die kräftigen Herrscher die gewaltigen Paläste, Tempel und Steinbilder auf, die noch heute in ihren Trümmern das Staunen der Beschauer erwecken. Nahe an dem breiten, von Fahrzeugen belebten Strome erheben sich1)Dunker, Geschichte des Altertums I, 25. auf einer künstlichen, von Backsteinen eingefaſsten Terrasse, welche ein läng - liches Viereck von etwa ¾ Meile in Umfang bildet, von Palmenbäumen umgeben die Ruinen dieser Bauten stolz aus der grünen Niederung, unfern dem heutigen Dorfe Karnak.

Zwei Reihen liegender Widder, die auf dem Rande der Terrasse beginnen, führen zu kolossalen Propyläen, denen lange Säulenreihen, Säle und Hallen folgen. Die Masse von Trümmern verwirrt den Blick, der zunächst in diesen durcheinander geworfenen Resten von Mauern, den zerbrochenen Säulen, den verstümmelten Kolossen, den überein - ander gestürzten Obelisken keine Ordnung zu entdecken vermag. Aber zugleich imponirt die Mannigfaltigkeit und Pracht des Materials von farbigem Kalk und Sandstein, schönem Marmor, von rotem und dunklem Granit und schwarzem Basalt. Nirgends gab es je eine kunst -61Ägypten.vollere Verwendung verschiedenfarbigen Steinmaterials in gleichem Maſsstabe als wie hier. Es sind die Reste des groſsen Ammontempels, der wohl schon früher begonnen, von den ersten Herrschern der acht - zehnten Dynastie ausgebaut wurde. Nicht weit davon entfernt lagen die Prachtbauten des siegreichen Amenophis III. zu Luxor und auf der gegenüberliegenden Seite des Stromes zu Medinet-Habu. Bei letzterem ragen zwei Riesenbildsäulen von 60 Fuſs Höhe, eine davon die soge - nannte Statue des Memnon, in die Luft.

Die Höhe seiner Macht erreichte Ägypten unter Sethos und seinem Sohne Ramses II. (dem Sesostris der Griechen). Über die Thaten des letzteren, der eben so kriegerisch war, wie sein Vater, berichten die griechischen Geschichtsschreiber Fabelhaftes. Jedenfalls unternahm er siegreiche Eroberungszüge nach Süden in Afrika, wie nach Osten und Norden in Asien. Nach Diodor zählte sein Heer 600000 Fuſstruppen, 24000 Reiter und 27000 Streitwagen, seine Flotte 400 Schiffe. Dich - tung und Sage vergröſserten seinen Ruhm und die Überlieferung legte ihm den Beinamen der Groſse bei. Groſsartig waren seine Bauunter - nehmungen. Er war es, der den ersten Versuch machte, den Nil mit dem Roten Meere in Verbindung zu setzen. Die zahlreichen Denkmale, die er an vielen Orten hinterlassen hat, übertreffen die älteren Werke dieser Art an Schönheit und künstlerischer Ausführung. Die bedeu - tendsten lagen ebenfalls bei Luxor nicht weit von den Bauten des Amenophis. Dort finden sich noch die Trümmer des berühmten Ra - messeums, eines Tempels des Ammon, der aus prachtvollen Säulen - hallen, überragt von Kolossen aus verschiedenen Gesteinsarten, bestand.

Nach Ramses dem Groſsen begann der Glanz der ägyptischen Macht zu erbleichen, doch dauerte die Herrschaft der reichen, pracht - liebenden Ramessiden bis um das Jahr 1000 v. Chr. Nach dieser Zeit sank Ägypten mehr und mehr, bis es drei Jahrhunderte später seine Selbständigkeit verlor und die Beute assyrischer Eroberer wurde.

Die wunderbaren Denkmale aus den drei Glanzperioden Ägyptens aus den Zeiten der vierten, der zwölften und der achtzehnten Dynastie geben uns reiches Material zur Beurteilung des gewerblichen Lebens und der technischen Kenntnisse des Volkes an die Hand.

Beweist die Ausführung so wunderbarer Bauwerke, wie die der Pyramiden in der ersten, die des Labyrinthes in der zweiten und die der prachtvollen Tempel zu Theben in der dritten dieser Perioden Bauwerke, die unerreicht als ewige Denkmale menschlichen Schaffens dastehen , eine hohe Reife technischer Fertigkeit, die eine Menge mechanischer und mathematischer Kenntnisse sowohl als ganz vorzüg -62Ägypten.liche Werkzeuge voraussetzen, wie auch eine bedeutende Entwickelung des gewerblichen Lebens: so geben uns die Abbildungen und Inschriften, welche die Wände der Tempel und Gräber bedecken, die Bestätigung hierfür im einzelnen. Schon in frühester Zeit zeigen sich die Gewerbe in Ägypten in hoher Ausbildung und die Gewerbetreibenden bildeten einen wichtigen Teil der Bevölkerung.

Werfen wir einen Blick auf die sozialen Verhältnisse der Ägypter im allgemeinen, so erscheinen die verschiedenen Berufsarten in scharfer Trennung: Priester, Krieger, Handwerker, Schiffer, Ackerbauer und Hirten bilden gesetzlich getrennte Berufsklassen. Über alle herrscht der König, dessen Stellung eine so erhabene ist, daſs vor ihm alle gleich erscheinen. So scharf aber auch die verschiedenen Berufsklassen geschieden waren, so kann von einer Kasteneinteilung im strengen Sinne, wie sie beispielsweise in Indien bestand, nicht die Rede sein. Dem Gesetze und den Göttern gegenüber waren die Ägypter im allge - meinen gleich. Allerdings war das Volk in zwei Abteilungen geteilt, von denen die eine an dem Grundbesitze Teil hatte, während die andere daran keinen Teil hatte. Zu ersteren gehörten der König, die Priester und die Krieger; zu letzteren alle arbeitenden Klassen. Er - stere waren die Privilegierten, die allein die öffentlichen Angelegen - heiten ordneten und auch durch Gesetze in namhaften Dingen Vorrecht vor den besitzlosen Klassen genossen. Aus ihnen allein gingen die zahlreichen Beamten des Reiches hervor.

Die Berufsart der arbeitenden Klassen war erblich, doch beruhte dies nicht auf religiösen oder gesetzlichen Vorschriften, sondern es war das Ergebnis einer alten, entwickelten Kultur. Heirathen von Ange - hörigen verschiedener Berufsarten waren gestattet. Diodor betont, wie sehr diese Erblichkeit des Berufes zum Nutzen des Landes gewesen sei, indem z. B. die Ackerbauer schon von den Groſseltern her die Kenntnis des Bodens, die eigentümliche Art seiner Behandlung, die wichtigen Regeln der Bewässerung erlernt hätten, während in gleicher Weise die Hirten, die mit den Tieren ihrer Pflege aufwuchsen, durch die ererbten Kenntnisse viel gröſsere Erträgnisse aus der Viehzucht erzielten, als dies anderswo der Fall sei und daſs sie durch Nachdenken und künstliche Mittel dies zu unterstützen verständen. Als Beispiel führt er die künstlichen Brutmaschinen für die Hühner - und Gänse - zucht an. Von den eigentlichen Gewerbetreibenden sagt er folgende charakteristische und beherzigenswerte Worte1)Diodor, I. 74.: Auch Künste und Handwerke kann man bei den Ägyptern fleiſsig geübt und zu hoher63Ägypten.Ausbildung gebracht sehen. In diesem Lande allein nämlich läſst man die Gewerbetreibenden sich weder an einer anderen Beschäftigung noch an politischen Dingen beteiligen; sie dürfen vielmehr nur die vom Gesetz vorgeschriebene und von den Eltern ererbte Kunst betreiben, so daſs weder der Neid eines Meisters, noch politische Parteizwiste sie hindern können, ihren ganzen Eifer auf diese zu wenden. Anderwärts hingegen sieht man den Sinn der Handwerker hierhin und dahin ge - zogen, und aus Gier, reich zu werden, bleiben sie oft nicht bei ihrer eigentlichen Beschäftigung: Die einen wenden sich dem Landbau zu, die anderen betreiben zwei oder drei Geschäfte zugleich und in den de - mokratischen Staaten laufen die meisten in die Volksversammlungen und helfen den Staat zu Grunde richten, indem sie sich des Gewinns wegen in den Dienst solcher geben, die sie bezahlen; wenn aber bei den Ägyp - tern ein Handwerker sich an politischen Dingen beteiligen oder mehrere Geschäfte zugleich betreiben würde, so verfiele er in schwere Strafen.

Auſser Ackerbauer und Hirten waren die wichtigsten gewerblichen Zünfte die der Glas -, Metall -, Holz - und Lederarbeiter, die Lein - weber, Zeugwirker, Buntsticker, Seiler und Teppichwirker, dann die Färber, Gerber, Gürtler und Papiermacher, die Zimmerleute, Tischler, Maurer und Steinmetzen, die Tüncher und Maler, sofern sie nicht Künstler waren, ferner Musikanten, Sänger, Tänzer und endlich die Kleinkrämer. Jede gewerbliche Zunft hatte in den groſsen Städten ihr eigenes Quartier, das darnach benannt war, wie z. B. das Quartier der Goldschmiede, der Lederarbeiter u. s. w. Die einzelnen Handwerke waren streng getrennt; wenn sie auch nicht geradezu erblich waren, so blieb doch jeder für Lebzeiten bei seinem Handwerk und ein jeder wetteiferte mit seinem Nachbar, um es ihm zuvorzuthun. Es standen Strafen darauf, wenn einer in ein anderes Handwerk pfuschte.

Neben den zünftigen Handwerkern gab es allerdings auch noch Sklaven, denen gewerbliche Vorrichtungen auferlegt wurden. Es waren Kriegsgefangene, gekaufte Sklaven oder Verbrecher. Vor dem Gesetze waren diese ebenso geschützt wie die Freien. Sie wurden zu Diensten im Hause und zu niedrigen technischen Arbeiten verwendet. Ihre Zahl nahm zu, als Ägypten ein kriegerischer Staat wurde, und ihre Behand - lung, die früher sehr human gewesen war, wurde im Laufe der Zeit, insbesondere mit dem zunehmenden Verfall der alten Ordnung und dem Einfluſs der grausamen Denkweise der Asiaten, härter und unmensch - licher, wie wir an dem Beispiele der Bergwerkssklaven sehen werden.

Die Ackerbauer interessieren uns bei unserer Untersuchung nur insofern, als der Ackerbau die Grundlage des Wohlstandes Ägyptens64Ägypten.und die Ackerbauer das älteste Gewerbe waren: wir infolgedessen die ältesten Geräte und Werkzeuge bei ihnen finden. Der Pflug und die Sichel sind schon dargestellt in den Abbildungen der vierten Dynastie. Vom Pfluge gab es fünf verschiedene Arten. Die gewöhnlichste war ein krummes Holz, an dessen vorderem Ende sich die metallene (eiserne) Pflugschar befand, während der andere nach oben gekrümmte Teil gespalten war, um daran die Deichsel zu befestigen, an die zwei Ochsen gespannt wurden.

Metallene Sicheln, mit denen der Landmann das Korn schneidet, sind deutlich abgebildet in den Gräbern von Gizeh und Saqara (Fig. 4 u. 51)Lepsius, die Denkmale Ägyptens und Äthiopiens Vol. III, Blatt 43 und 47 (Grab 95 von Gizeh und Grab 15 von Saqara)..

Fig. 4.
Fig. 5.

Das Bild der Sichel ist ein uraltes hieroglyphisches Zeichen. Ebenso das Schöpfrad, dessen sich die Ägypter schon in frühester Zeit zur Bewässerung ihrer Felder bedienten. Es war dieses eines der Insignien des Hohenpriesters und findet sich charakteristischer Weise als ein symbolisches Schmuckzeichen des Hohenpriesters von Jerusalem wieder.

Mit dem Schöpfrade, das durch Menschen oder Tiere in Bewegung gesetzt wurde, hob man das Wasser aus den Bewässerungskanälen in die Höhe zur Überrieselung der Äcker. Es kann das Schöpfrad wohl als die älteste Maschine angesehen werden. Von dem Hebel machten die Ägypter allerdings auch bereits Gebrauch und zwar nicht nur beim Bauwesen, sondern auch beim Auspressen des Weines.

Nächst der Landwirtschaft war die Weberei das älteste und angesehenste Gewerbe in Ägypten. Ägyptische Leinwand war in der ganzen alten Welt hochgeschätzt und bildete den wichtigsten Ausfuhr - artikel. Die oberste Gottheit wird in den Gebeten der Ägypter häufig als Erfinder des Webstuhles gepriesen; als Schöpfer und Erhalter der Welt oft der Weber genannt. Im ersten Buch der heiligen Schriften des Turiner Papyrus (des sogenannten Totenbuches) heiſst es: Ich65Ägypten.(Gott) bin es, der die Kleider webt, sowie ich der Erfinder des Web - stuhles bin, ich, der ich den Durchgang der Fäden erdacht ; und an einer anderen Stelle: Höre mich mein Knecht! Webe Kleider, wirke Tuche, wirke Linnen, Gürtel, Armbänder für mich in Demut des Herzens, aus tiefster Ehrfurcht, für mich den Herrn aller Dinge.

An die Weberei, die nicht blos Leinen, Baumwolle und Wolle ver - arbeitete, sondern wenigstens zur Zeit der achtzehnten Dynastie auch Goldfäden kunstvoll mit einwob, schlieſst sich die Färberei, die in Ägypten in hoher Blüte stand, besonders war die Indigofärberei hier zu Haus.

Uralt waren die Gewerbe der Lederarbeiter, der Gerber, Gürtler und Schuster. Darstellungen ihrer Hantierungen finden sich bereits in den Wandzeichnungen der Gräber aus der vierten Dynastie.

Ebenso ausgebildet wie die Bekleidungsgewerbe waren die Nah - rungsgewerbe, von denen wir die Schlachter und Fleischer er - wähnen wollen, erstere oft abgebildet, wie sie mit einem groſsen Messer mit Metallklinge einen Ochsen zerlegen, letztere mit einem blanken Wetzstahl an der Seite, an dem sie das Messer wetzen, um den Kunden das Fleisch vorzuschneiden.

Alle die angeführten Gewerbe treten zurück an Interesse für unsere Untersuchung im Vergleich mit den Baugewerben. Wie Auſser - ordentliches die Ägypter in diesen geleistet haben, selbst im Hinblick auf unsere heutige vorgeschrittene Technik, geht schon aus dem früher angeführten hervor.

Die Baukunst wurde bei den Ägyptern als die hervorragendste Kunst geachtet und betrieben. Die Baumeister gingen aus der Priester - kaste hervor und waren vornehme und einfluſsreiche Beamte der Könige. Viele Namen groſser Meister dieser Kunst sind uns erhalten, während Bildhauer, Dichter oder Musiker sehr selten genannt werden. Die Bau - kunst war die Kunst bei den Ägyptern, die alle anderen Künste weit überragte. Die Namen der Baukünstler erscheinen neben den Namen der Könige, während andere Namen, etwa von Staatsmännern, Heerführern, Gelehrten kaum bekannt sind. So kennen wir Heka, den Baumeister des Königs Snephru, des letzten Königs der dritten Dyna - stie (3124 bis 3100 v. Chr.), ferner Hapu und Una, die Baumeister der Könige Teta (dem Othoes des Manetho) und Pepi (um 2700 v. Chr.). Zu den höchsten Ehren, ja zu fürstlicher Auszeichnung gelangte der Oberbaumeister des ruhmvollen Königs Amenophis III. (achtzehnte Dyna - stie) mit Namen Amenhotep. Ihm lieſs der König eine Bildsäule auf -Beck, Geschichte des Eisens. 566Ägypten.richten, die uns erhalten ist und auf der geschrieben steht1)Dunker, Geschichte des Altertums. I, 133.: Es erhob mich mein Herr zum Oberbaumeister. Ich verewigte den Namen des Königs, indem ich ausführen lieſs zwei Ebenbilder (die Säulen des Memnon) in diesem seinem groſsen Gebäude aus edlem, hartem Gestein. Ich lieſs diese Kunstwerke seiner Bilder vierzig Ellen betrug ihr Maſs in den Steinbergen brechen, ich lieſs bauen acht Schiffe; sie wurden aufwärts gefahren und aufgerichtet an ihrer zukünftigen Stelle. Dauern werden sie wie der Himmel. Unter Ramses II. wird Ame - neman als Baumeister der groſsen Thore am Tempel des Ptah in Memphis genannt2)Brugsch, Geschichte Ägyptens, S. 541..

Waren die geistigen Leiter der Bauunternehmungen in solcher Weise hervorragend, so standen auch die Baugewerbe hinter den ande - ren Gewerben nicht zurück. Die Benutzung des mannigfaltigen Stein - materials, welches aus allen Teilen Ägyptens herbeigeschafft wurde, ist um so bemerkenswerter, wenn man die Schwierigkeit und Kost - spieligkeit des Transportes erwägt.

Wir haben schon darauf hingewiesen, daſs nie und nirgend die Mannigfaltigkeit der natürlichen Farben der Gesteine, namentlich der schwer zu bearbeitenden Porphyre, Basalte, Granite und Syenite in so groſsartiger und zweckmäſsiger Weise verwendet worden sind, als bei den ägyptischen Bauwerken. Wir haben erwähnt, welche Riesen - arbeiten die groſsen Könige der vierten Dynastie ausführen lieſsen, um den Transport des schönen, gelblichen Kalksteins von dem arabi - schen Gebirge nach dem linken Nilufer zu ermöglichen. Aber dieses vorzügliche Material, welches die älteren Pharaonen benutzten, genügte den späteren nicht mehr, sie umkleideten die ganzen Pyramiden mit riesigen Platten von geschliffenem Granit, wozu sie das Material aus der oberen Nilgegend herbeischaffen muſsten. Die Steinbrüche, in denen dieses Material gewonnen und, wie kaum bezweifelt werden kann, mit Stahlmeiſsel zugerichtet wurde, lagen im Süden des Reiches. Wir wissen, daſs König Pepi gewaltige Steinbrüche im Thale Hama - mat, oberhalb Abydos, betreiben lieſs. Zur selben Zeit waren die Steinbrüche von El-Kab oberhalb Theben und die bei Syene im Be - trieb. Mit welchen Hilfsmitteln die gewaltigen Steinblöcke, wie z. B. die Obelisken und Kolosse gebrochen wurden, ist uns nicht bekannt; wir können nur staunen über die Leistungen. Dagegen sind über das Zurichten der Quader, das Zuhauen, Glätten und Polieren der Kolosse67Ägypten.zahlreiche Abbildungen erhalten, von welchen wir (Fig. 6 u. 7) einige mitteilen.

Die Werkzeuge der Steinmetzen waren Meiſsel und Spitzhammer, die beide aus einer schmalen Metallspitze, die mit einem Holzstiel ver - bunden war, hergestellt wurden. Diese Spitzen können in anbetracht

Fig. 6.

ihrer Gestalt und der Härte des bearbeiteten Materials nur Stahl ge - wesen sein (Fig. 8 a. f. S.). Bemerkenswert ist es aber, daſs die Bild -

Fig. 7.

hauer nicht nur zum Abschleifen, sondern auch zum letzten Zurichten ihrer Statuen den Abbildungen nach Steinwerkzeuge anwendeten.

5*68Ägypten.

Auſser den Natursteinen, die aus dem Gebirge zum Teil aus weiten Entfernungen hergeschafft werden muſsten, bedienten sich die ägypti - schen Baumeister in ausgedehntem Maſse künstlicher Lehmsteine und Ziegel. Die fabrikmäſsige Darstellung von Backsteinen findet sich zum öfteren in allen Einzelheiten dargestellt. Es war eine niedrige Beschäftigung, zu der meist Gefangene verwendet wurden, und daſs

Fig. 8.

diese verächtliche Arbeit den eingewanderten Israeliten als Frohndienst auferlegt war, wurde nach der Erzählung der Bibel der Hauptgrund ihrer Empörung gegen die Herrschaft des Pharao und ihres Auszugs.

Der Ziegelfabrikation verwandt ist die Töpferei, die ein uraltes Gewerbe in Ägypten war. Auf den Abbil - dungen sehen wir, wie die einen den rohen Thon herbeitragen, Andere ihn mit runden Steinen auf einer flachen Unterlage zerklopfen, um die eingemengten Steinteilchen zu zermalmen und ihn durchzuarbeiten. Dann wird er aus freier Hand oder mit der Töpfer - scheibe die lange vor Mosis Zeiten in Ägypten bekannt war zu Gefäſsen geformt. Die Formen dieser Gefäſse sind sehr mannigfaltig, wenn sie auch nicht den Reichtum der Erfindung und den Geschmack zeigen, wie wir ihn an den Gefäſsen der Griechen bewundern.

Den Töpfern reihen sich die Tüncher und Maler an. Sie bedienten sich zum Bemalen der Wände und Gefäſse ausschlieſslich der Erdfarben, und zwar für Rot des Bolus, für Gelb des Oker, für Blau gemahlenen Kupferglases, für Grün eines Gemenges von Blau und Gelb. Zu Schwarz nahm man Knochenkohle, zu Weiſs gemahlene Kreide. Die Farben wurden mit Wasser und Pflanzengummi angerührt.

Die zweite Hauptgruppe der Baugewerbe, die der Holzbearbei - tung, war ebenfalls in Ägypten hoch entwickelt. In einem Grabe

Fig. 9.

von Gizeh (vierte Dynastie) findet sich bereits die Abbildung eines Zimmermanns, der Bauholz sägt. Beifolgende Zeichnung (Fig. 9) ist eine ganz ähnliche, nur deut - lichere Darstellung aus einem Grabmal aus der Zeit der sechsten Dynastie zu Sauriet-el-Meitin1)Lepsius, Denkmäler. Vol. IV., Tab. 108.. Das breite Sägeblatt, ähnlich wie bei unserer Zimmermannssäge, ist69Ägypten.aus Metall. Der zu zersägende Stamm ist an einem im Boden be - festigten Ständer festgebunden, der zugleich als Führung für die ein - männische Säge diente. Unsere Säge mit dünnem Blatt und beweglichem Rahmen ist eine viel spätere Erfindung.

Besonders häufig und mannigfaltig ist die Holzbearbeitung dar - gestellt in Verbindung mit dem Schiffsbau. Die Ägypter bedienten sich hölzerner Schiffe, sowohl zum Verkehr als zum Transport von Waren, Getreide, Baumstämmen u. s. w. In den Gemälden der alten Grabkammern sieht man, wie Arbeiter einen Baum zerspalten (Fig. 10),

Fig. 10.

andere auf einem im Bau begriffenen Schiff Löcher für Pflöcke schlagen, andere das Holz behauen mit beilartigen Instrumenten von nebenstehender eigentümlicher Form (Fig. 11). Die Schiffe führen

Fig. 11.

Segel und Steuerräder und sind meistens an den beiden spitz zulaufen - den Enden blau gemalt, was möglicherweise einen Eisenbeschlag an - deuten könnte.

Von hervorragendem Interesse ist die Glasfabrikation der alten70Ägypten.Ägypter. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daſs sie die Erfinder des Glases waren. Das alte Märchen des Plinius, daſs phönizische Handels - leute es zufällig entdeckt hätten, indem sie sich einen Feuerherd aus Soda - oder Salpeterstücken auf einer Unterlage von Sand hergestellt und da - nach die ganze Masse durch die Hitze zu hellem Glase geschmolzen sei, trägt zu deutlich den Stempel der Unwahrheit. In den Grabkammern von Gizeh und Saquara, also zur Zeit der vierten Dynastie, lange ehe die Phönizier in der Geschichte erwähnt werden, findet sich bereits das Glasblasen abgebildet1)Lepsius a. a. O., Abt. II., Blatt 13., ebenso in den Gräbern von Beni-Hassan. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs die Ägypter durch das Ausschmelzen des durch Waschen angereicherten Goldsandes auf die Darstellung des Glases verfielen. Dieses Ausschmelzen geschah unter Zusatz von natür - licher Soda, die sich in Ägypten reichlich findet.

Dabei bildeten sich Schlacken, die mehr oder weniger gefärbte Gläser waren. Auf diese Weise lernten sie auch zugleich schon die Buntgläser kennen, durch die Ägypten berühmt war und mit denen ein groſser Handel getrieben wurde. In späterer Zeit blühte die Glas - fabrikation hauptsächlich in der Gegend von Alexandria, wo sich ein vorzüglich geeigneter, reiner Quarzsand fand. Das weiſse Glas der Ägypter kommt in seiner chemischen Zusammensetzung dem englischen Kronglas am nächsten. Die Glasfabrikation, welche die Phönizier erst später von den Erfindern erlernten, erreichte in Ägypten eine stau - nenswerte Ausbildung. So verstanden sie z. B. bereits die Kunst des Entfärbens des Glases mittels Braunstein. In der Darstellung künst - licher Edelsteine (Straſs) und buntfarbiger Perlen waren sie unerreicht. In Glasemaillen leisteten sie unübertreffliches, wie z. B. in ihren bunten Emaillen auf Metall, während sie andrerseits das Einschmelzen feiner Goldfäden in Glas vorzüglich ausführten. Ihre enkaustischen Arbeiten, ihre Glasmosaiken sind höchst kunstvoll. Sie verstanden es, ein sehr ge - schätztes Glasporzellan (Reaumursches Glas) zum Gebrauch zu machen. Im Schneiden und Schleifen des Glases waren sie äuſserst gewandt; kurz Winkelmann übertreibt in Beziehung auf die Ägypter kaum, wenn er behauptet, jenes alte Kulturvolk hätte eine höhere Voll - kommenheit in der Glasfabrikation erreicht als wir.

Der Handel mit Glaswaren nach Griechenland und Etrurien war sehr bedeutend. In späterer Zeit bestand ein Hauptteil des Tributes, den Ägypten an Rom zu entrichten hatte, aus Glas, Glasporzellan und Alabasterwaren aus den Fabriken von Memphis und Alexandria.

71Ägypten.

Von nicht geringerer Bedeutung waren aber diejenigen Gewerbe, die sich mit der Gewinnung und Verarbeitung der Metalle beschäftigten.

Bei ihrem ersten Eintritt in die Geschichte finden wir die Ägypter bereits bekannt mit den wichtigsten Metallen, mit Gold, Silber, Kupfer, Eisen und Blei und diese in mannigfachem Gebrauch.

Das Gold war auch bei ihnen das gesuchteste und geschätzteste Metall, wohl auch das älteste; daſs es wenigstens früher bekannt war als das Silber, geht daraus hervor, daſs der Name für Silber eigent - lich weiſses Gold bedeutet. Die Entdeckung des Goldes, wie die der Metalle überhaupt, schrieben die Ägypter dem Osiris zu, sowohl wegen der Bedeutung, die man dem Golde beilegte, als weil seine wirk - liche Entdeckung jeder historischen Erinnerung voraufging. Die Berg - werke, aus denen die Ägypter das Gold gewannen, lagen an der Süd - grenze des Reiches in Nubien. Der Besitz und die Sicherung des Besitzes dieser Goldbergwerke hat die ersten und die meisten Kriegszüge gegen die südlichen Grenzbewohner veranlaſst. Nub ist das Stammwort für Gold, davon abgeleitet ist Nubien, das Goldland. Das hieroglyphische Zeichen für Gold ist , welches als das Schmelzgefäſs mit dem flammenden Feuer darunter gedeutet wird1)Von Anderen auch als ein Tuch, in welchem der Goldsand gewaschen wird..

Die nubischen Goldbergwerke waren wohl schon zur Zeit der vier - ten Dynastie im Betrieb, wenigstens war die Goldgewinnung bekannt und finden sich Darstellungen des Verwaschens und Schmelzens des Goldes aus jener Zeit. Ebenso befinden sich ausführliche Darstel - lungen hiervon in den Gräbern von Beni-Hassan. Rosellini giebt ähnliche Abbildungen aus einem Grabe des Thotmes IV2)Rosellini, a. a. O., Tab. II., c. 11 Li., Fig. a. b. c..

Die Goldbergwerke wurden wenigstens in späterer Zeit aus - schlieſslich von Sklaven bebaut und gaben zur Zeit ihrer Blüte fabel - hafte Ausbeute. Diodor berichtet, daſs nach einer Inschrift die Gold - bergwerke zur Zeit des Osymandyas (Ramses II. ) einen jährlichen Ertrag von 32 Millionen Minen, also etwa 133 Millionen Pfund Sterling ab - warfen.

Linant und Bononi behaupten, diese reichen Goldgruben der Ägyp - ter in der Wüste von Bischarin im Lande von Bigah (Bugaitas der In - schrift von Axum), 17 bis 18 Tagereisen südöstlich von Derow am Nil, etwas oberhalb Kum-Ombu (dem alten Ombos) wieder aufgefunden zu72Ägypten.haben. Obgleich Inschriften besagen, daſs die Fatmiden noch im Jahre 989 n. Chr. hier Bergbau betrieben haben, so erklären sie die Adern für gänzlich abgebaut. Das Erz war goldführender Quarzsand. Es wurde zerklopft, zu Pulver zerstoſsen und auf geneigten Holztafeln verwaschen.

Es waren dieses aber jedenfalls nicht die einzigen Goldbergwerke Ägyptens, denn man kennt Reste alter, von den Ägyptern betriebener Goldbergwerke noch an anderen Orten, so zu Dschebel-Olbagi und in der Gegend von Akaba nahe dem roten Meere.

Fig. 12.

Eine Grabinschrift zu Abydos berichtet von einem Bergwerks - beamten des Königs Amenemhat, daſs er im oberen Land (Nubien) Bergbau und Goldwäschereien betrieb bis zu den Fällen des Waddi - Hualfar.

Es ist uns ein merkwürdiger Riſs eines Bergwerks nahe der Meeres - küste aus der Zeit des Königs Ramses II. erhalten, wohl der älteste Situationsplan, der existiert. Er befindet sich auf einem Papyrus der Turiner Sammlung und ist von Chabas ausführlich beschrieben1)Chabas, les inscriptions des mines d’or.. Nebenstehend (Fig. 12) geben wir die verkleinerte Copie des Planes. Bei73Ägypten.A, das im Original rot gemalt ist, steht erläuternd: Die Berge, von denen man das Gold bringt ; eine Inschrift bei B bedeutet Goldgebirg . C heiſst das Heiligtum Ammons am heiligen Berg , es bestand aus zwei Hallen, von Kammern umgeben, die wohl als Priesterwohnungen dienten. Bei H sind vier Häuser angedeutet, die Häuser des Landes von Ti, wo man das Gold aufbewahrte . Bei J stand eine Säule des Königs Ramamen. Nahe hierbei, wo die Wege sich teilen, lag bei K eine Zisterne, das umgebende Land war bebaut, wie es scheint zu einem Garten oder Lusthaine angelegt. Mitten in dem Kreuzungspunkt der Straſsen lag bei L ein zweiter Brunnen, zur Benutzung für die Vor - überziehenden. Der Hauptweg M führte in der Richtung nach links, wie aus dem Texte der Karte hervorgeht, nach dem Meere, wobei an das Rote Meer gedacht werden muſs1)Chabas nimmt deshalb an, Süd und Nord seien vertauscht, doch ist es sehr wohl möglich, daſs sich der Plan auf Goldbergwerke bezieht, die an der Ostküste des Roten Meeres lagen.. Daſs das Meer nahe war, geht auch daraus hervor, daſs der zweite Hauptweg mit Seemuscheln über - fahren war. Dieser Weg wird als die Straſse von Tipamat bezeichnet. Wo diese jedenfalls bedeutenden Goldbergwerke lagen, wissen wir nicht, da die Lage des Landes Ti nicht bekannt ist. Möglicherweise ist es dasſelbe Goldland, das neuerdings der Afrikareisende Kapitän Burton wieder aufgefunden hat. Dieser unternahm im Frühjahr 1877 eine Expedition nach dem alten Bergwerksdistrikt, der südöstlich der Sinai - halbinsel und des Golfes von Akaba am Ostufer des Roten Meeres liegt. Er fand dort die Reste ausgedehnter Grubenanlagen, die Trümmer alter Städte und andere Zeichen einer einstmals blühenden Bergwerks - industrie. Gold, Silber und Kupfer wurden nachgewiesen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs dies das Land Midiam2)Arabisch Madian. der heiligen Schrift ge - wesen ist. Das Kupfer wurde in Bergwerken gewonnen, die 10 engl. Meilen vom Roten Meere abliegen, während man das Gold aus dem Sande der Flüsse wusch. Da diese Flüsse von den höheren Gebirgen des inneren Landes kommen, so hofft Burton, dort die goldführenden Gänge selbst aufzufinden.

Bemerkenswert ist noch, daſs diese Bergwerke von Akaba unter Ramses III. jedenfalls schon bekannt waren, wie aus einer Inschrift, die sich auf der Nadel der Kleopatra , dem Obelisk, der seiner Zeit nach London verbracht wurde, hervorgeht. Dasſelbe bestätigt der Papyrus Harris im Britischen Museum durch folgende Worte: Ich, Ramses, habe meine Bevollmächtigten nach dem Lande Akaba gesendet74Ägypten.zu den groſsen Kupferminen, welche sich dort befinden: ihre Schiffe wurden mit Kupfer befrachtet u. s. w.

Danach scheint es, als ob der Bergbau im Lande Akaba doch ganz hauptsächlich auf Kupfer betrieben wurde, und müſste der Beweis, daſs Akaba das goldreiche Midiam sei, noch erbracht werden.

Über die Art des Betriebes der ägyptischen Goldbergwerke ist uns durch Diodor der charakteristische Bericht des griechischen Reisenden Agatharchides, der um 200 v. Chr. diese Bergwerke besuchte, erhalten, dem wir das Folgende entnehmen.

Die Arbeit in den Gruben geschah mit Hilfe des Feuers, durch dessen Glut das feste Gestein erst mürbe gemacht und dann mit Hammer und Meiſsel oder mit Schlägel und Eisen, wie der Bergmann sagt, her - eingebrochen wurde. Diese Arbeit verrichteten kräftige, junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren. Das reichere Erz wurde von Jünglingen unter 20 Jahren in Säcken, die sie auf den Rücken luden, aus der Grube getragen. Auf der Halde wurden die groben Erze in steinernen Mörsern mit eisernen Stöſsern zerstampft. War das Erz von Männern im Alter von 30 bis 40 Jahren auf diese Weise zerkleinert, so wurde es in Stein - mühlen zu dem feinsten Pulver zerrieben, wozu Weiber und Greise verwendet wurden. Hierauf wurde es auf flachen, geneigten Holztafeln mit einem gleichmäſsigen Strom Wasser verwaschen, indem ein ge - schickter Arbeiter das Erz fortwährend mit den Händen aufrührte. Zum Schluſs wurde der gewonnene Goldsand noch einmal mit zarten Schwämmen gewaschen, an denen die leichten Teilchen hängen blieben. Der angereicherte Sand war nun genügend gereinigt, um verschmolzen zu werden. Dies geschah in Schmelztiegeln unter Zusatz von Blei. Das Blei wurde wahrscheinlich verschlackt und das Gold dann nochmals geläutert, indem man es mit Blei und Kochsalz unter Hinzufügung von Spreu und etwas Zinn (? d. h. Blei) mengte und in einem Tiegel fünf Tage lang einer ununterbrochenen, scharfen Glut aussetzte; am sechsten Tage wurde der Tiegel herausgenommen und es fand sich bei richtiger Arbeit nichts darin, als das Gold. Bleioxyd und Chlorsilber hatten sich wohl mit der Tiegelmasse verschlackt und in die Wandung hineingezogen. Die ägyptischen Bergwerke waren Eigentum des Königs und die Arbeiten wurden von Sklaven, vielleicht teilweise auch von verurteilten Verbrechern, verrichtet. Das Los dieser Bergwerkssklaven war ein jammervolles. Nach Diodors Beschreibung muſsten sie an Ketten geschlossen ihre Arbeit verrichten. Sie waren unbekleidet, kaum daſs ihnen eine Binde zur Bedeckung ihrer Scham gestattet wurde. Zu Aufsehern wurden Männer bestellt, die ihre Sprache nicht verstanden75Ägypten.und von denen die Unglücklichen unablässig mit Peitschenhieben zur Arbeit angetrieben wurden, bis sie unter der Last und dem Elend ihren Geist aufgaben.

Wie wir in den alten Gräbern die Verwaschung des Goldes ab - gebildet finden, so ist dies ebenso der Fall mit der Verschmelzung und

Fig. 13.

Läuterung desſelben. Rossellini giebt Abbildungen aus einem theba - nischen Grabe aus der Zeit Thotmes IV .1)Rosselini, il monumenti dell Egitto II. Tab. II. c. n. Li. Fig. 2 a. b. c.. In der ersten ist dargestellt, wie das Golderz, d. h. der gewaschene Sand, in einem niedrigen Ofen mit Hilfe von Blasebälgen, welche getreten werden, einge - schmolzen wird. Die zweite zeigt, wie das geschmolzene Gold in einer flachen Schale, die uns sofort an das hieroglyphische Zeichen erinnert, aus dem Ofen gehoben wird. In der dritten sehen wir, wie

Fig. 14.

der Inhalt der Schale in kleine, becherförmige Tiegel ausgegossen wird. Die Form dieser Tiegel ist aus der Ab - bildung Fig. 13 zu erkennen. Einige Tiegel dieser Art be - finden sich in der Sammlung des Britischen Museums und des Museums in Berlin.

Gold diente den Ägyp - tern als Geld. Gold und Geld waren ihnen synonim, während den Hebräern sowie den übrigen Westasiaten76Ägypten.Geld und Silber gleichbedeutend waren. Das Gold wird in der Form von Ringen dargewogen, und daſs der Wert des Goldes ursprünglich nach dem älteren Wertmesser des Tauschhandels nach Zahl und Art des Rindviehs (pecunia) gemessen wurde, geht daraus hervor, daſs die Gewichte, mit denen die Goldringe dargewogen wurden, meist die Köpfe von Rindern und Schafen darstellen.

Hochentwickelt war bei den Ägyptern die Goldschmiedekunst. Abbildungen, sowie zahlreiche Funde von Goldschmucksachen beweisen dies. Beim Schmelzen des Goldes arbeitete der Goldschmied, wie Fig. 15 zeigt, mit einem sehr einfachen, geraden Lötrohr und einer Zange,

Fig. 15.

ähnlich einer Zuckerzange oder Pincette. Kunstvolle Arm -, Hals - und Ohrringe hat man bereits aus den Gräbern der zwölften Dynastie. Die höchste Blüte der Prunksucht, der Verschwendung und in Verbin - dung damit der Goldschmiedekunst fällt in die Zeit der achtzehnten Dynastie. Vasen aus Gold getrieben, andere aus Silber oder Erz mit Gold eingelegt finden sich in zahlreichen Abbildungen. Goldene Körb - chen von höchster Eleganz sind in dem Grabe Ramses III. dargestellt. Blumen, Laubwerk und Tiergestalten bilden die gewöhnlichen Deko - rationsmotive. Vorzügliches leisteten die Ägypter in der Vergoldung, namentlich der Blattvergoldung. Sie trugen die ausgeschlagenen Gold - blättchen so dünn auf, daſs sie wie eine aufgetragene Farbe erscheinen und zwar nicht nur auf Metall, sondern ebenso auf Holz, Papier und Stein. Kunstwerke aus Lasurstein, dem Lieblingsedelstein der alten Ägypter, mit Gold überzogen hat man öfter gefunden; ein Beispiel davon ist der vergoldete Skarabäus im Berliner Museum. Das Auftragen der Goldplättchen auf Papier u. s. w. geschah mittels eines Bindemittels, das Plinius Leukophoron nennt. Die Zunft der Goldschmiede war die angesehenste unter den Gewerkverbänden.

Weniger reich als an Gold war Ägypten an Silber. Das Silber heiſst hat und führt das hieroglyphische Zeichen , was, wie77Ägypten.bereits erwähnt, eigentlich weiſses Gold heiſst. Dieser Umstand, sowie die frühere Benutzung des Goldes als Geld deuten darauf hin, daſs das Gold in Ägypten vor dem Silber in Gebrauch war. Es scheint, daſs das Silber ursprünglich nicht im Lande gewonnen wurde, sondern vom Auslande kam. Es war anfänglich sehr selten, deshalb auch der Wertunterschied zwischen beiden Metallen in ältester Zeit gering. In den frühesten Anfzählungen von Beute oder Geschenken wird sogar Silber vor dem Golde genannt. Die Abbildungen der Kriegsbeute zeigen beide Metalle in gleichen Mengen. Es wird wie das Gold in Ringen oder ziegelförmigen Tafeln (Planschen) oder in Beuteln dar - gewogen. Von den südlichen Ländern kam kein Silber, sondern nur Gold und Elektron, eine Legierung von Gold und Silber. Dagegen erhielten die Ägypter reichlich Silber durch ihren Handel, besonders von den semitischen Nachbarvölkern vor allen von den Phöniziern. Zur Zeit der achtzehnten Dynastie waren die Ägypter schon reich an Silber. Sesostris soll dem Ammon in Theben ein Schiff aus Zedernholz von 280 Ellen Länge, das auſsen mit Gold, innen mit Silber überzogen war, als Weihgeschenk dargebracht haben. Nach Pollux hätten die Perser nach der Eroberung Ägyptens das reinste Silber aus diesem Lande be - zogen und Diodor rühmt die ungeheure Ausbeute der Silbergruben unter den Ptolomäern.

Elektron, die Legierung von Gold und Silber, die in früherer Zeit als ein selbständiges Metall angesehen und hochgeschätzt wurde, wird in den alten Inschriften oft neben dem Golde genannt. Es hieſs asem und hatte das dem Golde verwandte Zeichen [.]

Das wichtigste Nutzmetall der Ägypter war das Kupfer. Kupfer - bergwerke wurden in verschiedenen Teilen des Reiches betrieben. Wir haben oben die ausgedehnten, zur Zeit der achtzehnten Dynastie be - rühmten Kupferbergwerke von Akaba bereits erwähnt. Wilkinson führt Kupferbergwerke in der Erythräischen Wüste an. Lepsius hat die Reste von Kupferwerken, welche von der Zeit Thutmosis III. bis zur neunzehnten Dynastie (etwa 1600 bis 1400 v. Chr.) blühten, bei Sarbut - el-Chadem (Surabit-el-Khadem) am Abhange des Sinai nahe dem Roten Meere wieder aufgefunden. Hartland hält dieselben für Reste von Eisenwerken. Die Göttin, der dieses Land geweiht wurde, war Hathor, die Herrin von Mafkat , d. h. des Kupferlandes. Östlich und westlich von jenem Platze finden sich Halden von Kupferschlacken, die durch ihre schwarze Farbe grell von dem lichten Boden abstechen und durch ihre Ausdehnung auf lange fortgesetzten Betrieb schlieſsen78Ägypten.lassen. Die Bergwerke, von denen die Erze herbeigeschafft wurden, waren entfernt. Der Platz wurde für die Schmelzstätten des fast unaufhör - lichen Luftzugs wegen gewählt. Ebenso finden sich im Wadi Nasch die Reste alter Schmelzarbeit auf Kupfer. Die ältesten und merk - würdigsten Bergwerke finden sich aber auf der Sinaihalbinsel. Es sind die alten Kupferbergwerke des Wadi-Meghara, welche schon von den letzten Königen der dritten Dynastie betrieben wurden. Es war König Sephuris, der achte König der dritten Dynastie nach der Liste des Manetho, der die Stämme in der Umgebung der Sinaihalbinsel unter - warf und den groſsartigen Bergbau im Thale Meghara anlegte.

Fig. 16.

An den Felsen des Thales sind noch heute die etwa 5000 jährigen Inschriften zu sehen, welche die Thaten dieses Königs verherr - lichen. Wir geben (Fig. 16) von diesen Inschriften nur das charak - teristische Bild des Königs, wie er einen Gegner, die symbolische Darstellung der semitischen Feinde, niederwirft und mit der Keule bedroht, darüber das Zeichen , das sich auf den Bergbau des Platzes zu beziehen scheint und dann wohl die älteste Form von Schlägel und Eisen ist. Die Inschrift nennt Sephuris den groſsen Gott, den Bezwinger und Eroberer der Länder . Die Kupfer - bergwerke des Thales waren ausgedehnt und wie die benachbarten Türkisgruben und Eisenwerke durch Befestigungen geschützt.

Kupfer war in ältester Zeit in vielfältigem Gebrauch und wurden viele Werkzeuge und Geräte aus diesem Metalle gefertigt.

Die Bronze, die Legierung von Kupfer und Zinn, die später eine so groſse Rolle spielte, scheint zur Zeit der vierten Dynastie noch nicht bekannt gewesen zu sein. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daſs die Darstellung der Bronze in Ägypten erfunden wurde, vielmehr läſst sich annehmen, daſs dieselbe erst zur Zeit der zwölften, vielleicht erst zur Zeit der achtzehnten Dynastie durch den Handel eingeführt wurde. Die Gründe, welche hierfür sprechen, wollen wir in Folgendem ausein - andersetzen.

Das Zinn war den alten Ägyptern nicht bekannt; es giebt keine hieroglyphische Bezeichnung dafür, während Blei, that, oft erwähnt79Ägypten.wird. Auch haben sich keine Spuren der Benutzung dieses Metalls gefunden. Es ist auch nichts darüber bekannt, daſs Zinnerze jemals in Ägypten gefunden worden wären. Von den benachbarten Ländern, von denen sie Tribut bezogen oder Kriegsbeute errangen, erhielten sie kein Zinn, sonst würde es in den ausführlichen Listen, die uns hierüber erhalten sind, neben den anderen Metallen aufgeführt sein. Auf dem Handelswege wurde es ihnen schwerlich zugeführt. Dies lag in der Art und Weise, wie die Ägypter ihren Handel betrieben.

Der Handel Ägyptens war zwar bedeutend, dennoch waren die Ägypter kein hervorragendes Handelsvolk. Sie wurden mehr und zwar schon in frühester Zeit des Reichtums ihrer Natur und Kunsterzeugnisse wegen von anderen handeltreibenden Völkern aufgesucht, während sie selbst nicht in gleichem Maſse fremde Länder aufsuchten. Ägypten bildete einen groſsen Markt. Von allen Seiten brachten fremde Händler ihre Waren, um dagegen die Bodenerzeugniſse des Landes, die vorzügliche Leinwand, Glas, Goldwaren u. s. w. einzutauschen. In - folgedessen hatten es die Ägypter weniger nötig selbst Handelsreisen zu unternehmen. Reisen ins Ausland waren auch gegen die Natur und Gewohnheit des Volkes. Die strengen, religiösen Vorschriften in bezug auf Speisen, regelmäſsige Waschungen u. s. w. machten den Auf - enthalt in der Fremde fast unmöglich. In dieser Hinsicht zeigen sie eine Analogie mit den Israeliten der alten Zeit und einen Gegensatz zu den Phöniziern. Die Nachbarvölker Ägyptens und die Seehandel treibenden Phönizier, Griechen, Etrusker und später die Römer waren es vornehmlich, die mit Ägypten handelten. Da ihnen von diesen Völkern in der älteren Zeit kein Zinn zugeführt wurde, so kannten sie es auch nicht, denn es ist durchaus unwahrscheinlich, daſs Ägypten mit einem der entfernten Zinn produzierenden Länder, wie Spanien, England oder Hinterindien in direktem Handelsverkehr gestanden hätte.

Ebensowenig ist etwas darüber bekannt, daſs Zinn in den südlichen Grenzländern Ägyptens gefunden wird. War ihnen aber das Zinn als Metall unbekannt und besaſsen sie keine Zinnerze im Lande, so konnten sie auch nicht die Erfinder der Bronze sein. Vielmehr wurde den Ägyptern das Erz auf dem Handelswege zugeführt und zwar von Asien her, was durch die Inschriften bestätigt wird, in denen man häufig bei der Bezeichnung für Bronze den Zusatz aus Asien findet. Die lange fortgesetzte Verwendung des Kupfers zu Werkzeugen spricht umsomehr für diese Annahme, da ihre groſsen metallurgischen Kennt - nisse sie zur Verarbeitung der Bronze wohl befähigt hätten. Die Bronze wurde zuerst als Bronzeguſs und zwar für Schmuckgeräte und80Ägypten.Statuetten verwendet. Mit letzteren, meist Götterfiguren, die als aus dem heiligen Nillande kommend in der alten Welt als Amulette hoch - geschätzt waren, wurde in späterer Zeit ein ausgedehnter Handel getrieben.

Die Resultate der chemischen Untersuchungen alter ägyptischer Metallgeräte bestätigen unsere Ausführung. Das älteste Werkzeug, welches analysiert wurde, ist das Bruchstück eines Messers, welches etwa 13 Fuſs unter der Statue Ramses III., welche seit dem 14. Jahr - hundert v. Chr. ihre Stelle einnimmt, ausgegraben wurde. Die Analyse von Percy ergab:

97,12TeileKupfer,
2,29Arsen,
0,43Eisen,
0,24Zinn und Spuren von Gold.

Da die geringen Beimengungen fremder Metalle als zufällig an - zusehen sind, so haben wir es mit einem Kupfermesser zu thun. Die Beimengung von Arsenik ist wohl nur zufällig, wenn es auch nicht unmöglich wäre, daſs der Zusatz beabsichtigt gewesen wäre, um ein härteres Kupfer zu erzielen.

Die ägyptischen Bronzen, die analysiert worden sind, gehören alle der späteren Zeit bis zur achtzehnten Dynastie hinaufreichend an.

Die meisten der aufgefundenen Bronzefiguren, Vasen u. s. w. stam - men aus der Zeit der Psamnetiche. Doch sind auch ältere Bronzefunde erhalten. Das Berliner Museum besitzt eine Statuette aus Bronze leider ist sie nicht näher untersucht , die der Zeit Ramses II. an - gehört. Das Figürchen ist sehr kunstvoll hohl gegossen1)In Paris soll in der Sammlung eines Herrn Posno eine Statuette des Mentu - hotep (XI. Dynastie) sich befinden, ob dieselbe aber aus der Zeit jenes Königs stammt, ist höchst zweifelhaft. Wie auch die beliebte Darstellung des groſsen Ramses in Bronze noch kein hinreichender Beweis ist, daſs zur Zeit dieses Königs der Bronzeguſs in Ägypten bereits bekannt war. Ramses-Statuetten wurden später massenhaft gemacht.. Ein Meiſsel aus dem alten Theben bestand aus 94 Teilen Kupfer, 5,9 Teilen Zinn und 0,1 Teilen Eisen. Dieser Meiſsel, dessen Kopf glatt geschlagen war, während die Schärfe sich unverletzt zeigte, war so weich, daſs er sich auf Stein sofort umbog. Die meisten Vasen, Spiegel, Waffen u. s. w. zeigen eine Zusammensetzung von 80 bis 85 Teilen Kupfer und 15 bis 20 Teilen Zinn. Ein Spiegel im Berliner Museum, den Vauquelin untersuchte, ergab 85 Teile Kupfer, 14 Teile Zinn und 1 Teil Eisen.

81Ägypten.

In späterer Zeit wurde die Bronze zur Herstellung der mannig - fachsten Geräte verwendet, wie Schlüssel, Nägel, chirurgische Instru - mente, Dolche, Messer, Lanzenspitzen und andere Waffen, Spiegel, Spangen, Gefäſse, Schöpfgeräte, Löffel, Schalen Näpfe u. s. w. Die Thür - beschläge wurden öfter aus Erz gefertigt. Teile eines Schuppenpanzers, auf dessen Bronzeschuppen der Name des Königs Scheschonk (Schischak) steht, befinden sich in der Sammlung des Dr. Abbot zu Kairo. Schwertklingen wurden nach phönizischer Art gegossen und dann über - schmiedet; solche Klingen besitzt das Berliner Museum.

In den Wandgemälden und sonstigen kolorierten Darstellungen ist ein Unterschied zwischen Kupfer und Erz durch die Farbe nicht an - gedeutet. Rot ist die Farbe, welche für beide Metalle verwendet ist. Auch wo Grün ausnahmsweise für Metallgeräte benutzt wird, um die grüne Patina nachzuahmen, läſst sich nicht angeben, ob Kupfer oder Bronze gemeint sei. Ebenso scheint in der Namensbezeichnung kein bestimmter Unterschied gemacht worden zu sein. Es giebt drei Aus - drücke, die mit Kupfer und Kupfererzen in Beziehung stehen: chesbet, mafek und chomt. Einige Gelehrte, wie Champollion, nehmen mafek für Kupfer in Anspruch. Lepsius aber hat in seinem vorzüglichen Aufsatze über die Metalle der Ägypter1)Siehe E. R. Lepsius, Die Metalle in den ägyptischen Inschriften . Abhandl. der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1871. nachgewiesen, das chesbet und mafek nicht das Kupfer selbst bedeuten, daſs vielmehr chesbet, ein blauer Stein, Kupferlasur, und mafek, das mit chesbet in steter Verbindung genannt wird, Malachit sei. Mafek wird als grün bezeichnet und ist ein geschätzter Edelstein. Freilich wird auch Smaragd, Kupfergrün und Türkis unter demselben Worte verstanden. Man unterschied die verschiedenen Sorten qualitativ. Als der Beste wird der skythische und baktrische genannt. Brugsch hat nachgewiesen, daſs uralte Türkisgruben in dem erwähnten Kupferlande auf der Halb - insel Sinai wieder aufgefunden und in neuerer Zeit von einem Eng - länder, Mayor Macdonald, wieder in Betrieb gesetzt worden sind2)Siehe H. Brugsch, Wanderungen nach den Türkisminen und der Sinaihalb - insel. Leipzig 1868, S. 66 ff..

Chomt, hieroglyphisch , bezeichnet nach Lepsius Kupfer und Bronze, analog dem griechischen χαλκός. Das Zeichen wird ur - sprünglich allgemein für Metall angewendet, weshalb manche es mit Kupfer, andere mit Eisen übersetzen konnten. Die Form soll von dem Schmelztiegel hergeleitet sein. In den ältesten Inschriften im Wadi Maga -Beck, Geschichte des Eisens. 682Ägypten.rah kommt das Zeichen in liegender Stellung vor und hat mehr die Form einer Schale ; es geht später auch in nebenstehende Form über . In einer Inschrift heiſst es, die Lanze des Sonnengottes sei von leuch - tendem Chomt, worunter wohl eher Bronze wie Kupfer zu verstehen sein dürfte. Das Kupfer wurde, wie Abbildungen darstellen, in Barren oder Planschen gegossen, ähnlich wie Silber und Blei. Eine Inschrift führt 108 Ziegel von Kupfer gleich 2040 Ten auf. Ten war das ägyptische Einheitsgewicht. Eine solche Plansche, die hier mit Ziegel übersetzt ist, wog demnach 185 / 9 Ten = 1818 Gramm. Löcheriges Kupfer in dem Sinne von rohem Kupfer wird in Inschriften genannt, ebenso heiſst es das Kupfer in seinem Gestein im Sinne von Kupfererz und analog dem Golde in seinem Gestein . Es wird dem Golde gegenübergestellt, mit dem es die meiste Ähnlichkeit in der Farbe hat.

Neben der gewöhnlichen Bezeichnung chomt findet sich in der In - schrift von Dendera der Ausdruck , d. h. schwarzes Kupfer (χάλκος μέλας). Wenn Lepsius dies direkt mit Schwarzkupfer übersetzen zu können glaubt, so ist er doch wohl im Unrecht, denn es handelt sich hier um die Bezeichnung eines verarbeiteten Metalles. Schwarzkupfer als hüttenmännischer terminus, bedeutet aber ein unfertiges Zwischenprodukt bei der Kupfergewinnung, welches keiner technischen Verwendung fähig ist. Eher dürfte hier das schwarze Kupfer in demselben Sinne gemeint sein, wie der χάλκος μέλας der Griechen, nämlich als Bezeichnung des dunklen Kupfers im Gegensatze zu der helleren Bronze.

So kommen wir denn, nachdem wir die Gewerbe der Ägypter im allgemeinen und die metallurgischen Gewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung des Goldes, Silbers, Kupfers und Erzes insbesondere geschildert haben, zu dem Hauptgegenstande unserer Betrachtung, zu dem Eisen und dessen Gewinnung und Benutzung bei den Ägyptern.

Das Eisen war den Ägyptern schon in frühester Zeit bekannt. Hierfür sprechen direkte und indirekte Gründe.

Die indirekten Gründe sind die, daſs Eisenerze im Gebiete der Ägypter vorhanden waren, daſs die Bewohner schon in ältester Zeit so bedeutende metallurgische Kenntnisse und Erfahrungen besaſsen, daſs es auffallend gewesen wäre, wenn ihnen die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen unbekannt geblieben wäre, daſs ihre vollendeten Stein - hauerarbeiten aus härtestem Material, die Verarbeitung quarzhaltiger83Ägypten.Granite, sowie der festen Porphyre und Basalte des oberen Landes ohne die Benutzung von Stahlwerkzeugen kaum gedacht werden können.

Die äuſseren Gründe, daſs sich eiserne Gegenstände aus uralter Zeit erhalten haben, daſs uns die Abbildungen in den ältesten Gräbern die Benutzung des Eisens zeigen, daſs die Inschriften des Eisens er - wähnen und hieroglyphische Bezeichnungen für dieses Metall bekannt sind.

Fassen wir die Beweise für die frühe Bekanntschaft der Ägypter mit dem Eisen in ihrer Aufeinanderfolge, so müssen wir zunächst nach - weisen, daſs sich Eisenerze in dem alten ägyptischen Gebiet vorfanden. Im eigentlichen Nilthal finden sich diese Erze freilich nicht, wohl aber in dem Bergland, das östlich vom Nil das Fluſsthal von dem Roten Meere scheidet. Dort findet es sich in Spalten und Klüften im Kalkgebirge. Wilkinson berichtet, daſs man die Reste alter Eisenbergwerke dort auf - gefunden habe. Ob aber in diesem Teile des Landes bedeutende Eisen - gewinnung statt gehabt hat, ist vorläufig nicht erwiesen. Sicher war dies dagegen auf der Sinai-Halbinsel der Fall. Ganz in der Nähe des Thales Maghara, nicht weit von den oben erwähnten Kupferberg - werken des Königs Sephuris fand Hartland1)S. Bericht von F. D. Hartland F. S. A. Proceedings of S. of Antiquaries of London. Vol. V. 2. series. p. 330 (13 Juni 1877). bei Surabit-el-Khadur die Reste ausgedehnter Eisengewinnung. Bei den mächtigen Schlacken - halden2)Die Schlacken enthalten durchschnittlich 52 Proz. Eisen. fanden sich die Reste eines alten Tempels, sowie einer Militär - niederlassung. Es ist Grund anzunehmen, daſs diese Eisenbergwerke gleichzeitig mit den benachbarten Kupfergruben betrieben wurden. H. Bauerman berichtet3)Quaterly Journ. Geol. Soc. London, Febr. 1869.: Im ganzen Wadi Nasb oder Baba treten Bänke von Brauneisenstein und Pyrolusit und Psilomelan auf. Zu Nasb sind darin kleine Schächte, ebenso auf dem anstoſsenden Plateau und alte Arbeiten auf Eisenerz finden sich auf der Westseite des Nasbthales. Sehr reich an Eisenerzen war das südliche Bergland des alten Ägyptens, das als Nubien, Äthiopien und Meroe genannt wird. Herodot, Diodor und Strabo berichten dies. Herodot bemerkt, daſs Eisen in Äthiopien viel häufiger sei, als in Ägypten; Kupfer sei dagegen so selten, daſs die Gefangenen öfter mit Ketten von Gold gefesselt wurden. Letzteres ist wohl eine Fabel, die sich der Vater der Geschichte aufbinden lieſs.

Daſs die Ägypter hinreichende metallurgische Kenntnisse und Hilfs - mittel mindestens schon zur Zeit der dritten Dynastie besaſsen, um im stande zu sein das Eisen aus seinen Erzen zu reduzieren, geht zur Ge -6*84Ägypten.nüge aus dem hervor, was wir bereits über die Einfachheit dieses Pro - zesses einerseits, sowie über die Gewinnung des Goldes und des Kupfers andererseits angeführt haben.

Es ist nicht denkbar, daſs die Ägypter die riesigen Bildwerke aus den härtesten Steinarten ohne Stahlwerkzeuge dargestellt haben könnten. Diese Betrachtung hat sich allen Ägyptologen aufgedrängt, welche diese Riesenwerke an Ort und Stelle untersucht haben. Der landläu - figen Theorie des Bronzezeitalters zu Liebe hat man allerdings ver - schiedene neue, unerweisliche Hypothesen erfunden. So hat man nament - lich die Behauptung aufgestellt, die Ägypter hätten eine geheime Kunst gehabt, ihr Kupfer oder Erz so hart zu machen wie Stahl. Nach Einigen hätten sie dies durch bloſses Hämmern erreicht, nach Anderen durch besondere Legierungen. Was die Wirkung des Hämmerns betrifft, so ist wohl bekannt, daſs durch dasſelbe sowohl das Kupfer als die weicheren Bronzearten geschmeidiger, zäher und elastischer werden, auch die Härte nimmt zu, doch nur in geringem Maſse; von Erreichung einer Stahlhärte auf diesem Wege kann nicht die Rede sein. Was aber die Härtung des Kupfers durch Legierung mit anderen Metallen betrifft, so sind diese Mischungen allerdings meistens härter, als das reine Kupfer; aber mit der Härte nimmt auch die Sprödigkeit zu und diese macht dieselben zu Steinbearbeitungswerkzeugen ungeeignet. Es kommen hier auch nur die Legierungen von Kupfer und Zinn in Be - tracht, denn das arsenikhaltige Kupfer, welches Percy analysiert hat, können wir vorläufig nicht als eine mit Absicht dargestellte Legierung ansehen. Arsenikzusatz macht das Kupfer zwar härter und weiſs das sogenannte Weiſskupfer wird auf diese Weise dargestellt zu Werkzeugen sind aber diese Verbindungen nicht geeignet. Mit Zinn legiert sich Kupfer leicht in jedem Verhältnis und wird das Produkt mit zunehmendem Zinngehalt bis zu einer gewissen Grenze härter, da - gegen vermindert sich seine Zähigkeit und geht bald in ein sprödes Produkt über, das, wenn es am härtesten ist, wie Glas zerspringt. Die Legierungen mit geringem Zinngehalt, welche die Alten meistens zu Werkzeugen verwendeten und denen sie durch Hämmern Geschmeidig - keit und Elastizität gaben, konnten in bezug auf Härte und Sprödig - keit durchaus nicht den Stahl ersetzen. Die Werkzeuge, die man aufgefunden hat, z. B. der thebanische Meiſsel, bestätigen dies vollständig.

Daſs die Ägypter Eisen kannten und verwendeten, wird erwiesen durch die interessanten archäologischen Funde, die gemacht worden sind. Bei der groſsen Oxydationsfähigkeit des Eisens müssen sich schon besonders günstige Umstände vereinigen, wenn wir Gegenstände85Ägypten.von Eisen erhalten finden sollen, die älter als tausend Jahre sind. Gegenstände, die aber über viertausend Jahre alt sind, können wir nur zu finden hoffen bei einem fast wunderbaren Zusammentreffen günstiger Bedingungen. Glücklicherweise ist aber ein solcher Fund gemacht worden, der deshalb für die Geschichte der Technik von groſser Wichtig - keit ist. Der Engländer J. R. Hill fand im Jahre 1837 beim Los - sprengen einiger Steinlagen von der groſsen Pyramide des Cheops in einer inneren Steinfuge ein Stück Eisen, das Bruchstück eines gröſseren Werkzeuges, welches wahrscheinlich während des Baues in die Fuge gefallen und verloren gegangen war. Oberst Howard Vyse brachte

Fig. 17.

dieses Stück, das er in seinem Werke die Pyramiden von Gizeh zu - erst beschrieben hat, nach England, wo es in der Sammlung des britischen Museums deponiert ist. Nebenstehende Zeichnung (Fig. 17) zeigt das Stück in seinem gegenwärtigen Zustande. Folgende Zeugnisse1)The prehistoric use of iron and steel by St. John V. Day. London 1877. p. 32 ff., welche Oberst Vyse mitteilt, geben einen Aufschluſs über die Auffindung, und sind dieselben von um so gröſserer Wichtigkeit, da man, verblendet durch die Theorie des Bronzezeitalters, dieselben teils absichtlich über - sehen, teils verdächtigt hat. Vyse schreibt: Herr Hill entdeckte ein Stück Eisen in einer inneren Steinfuge, nahe der Mündung des süd - lichen Luftkanals, welches wahrscheinlich das älteste bekannte Stück Schmiedeisen (wrought iron) ist. Es wurde dem britischen Museum überschickt mit folgenden Zeugnissen:

Hiermit wird bezeugt, daſs das von mir nahe der Mündung des Luftkanals der Südseite der groſsen Pyramide von Gizeh am Freitag, den 26. Mai, aufgefundene Stück Eisen von mir selbst aus einer86Ägypten.inneren Steinfuge genommen wurde, nachdem die zwei äuſseren Stein - lagen der jetzigen Oberfläche der Pyramide durch Sprengen mit Pulver entfernt worden waren und daſs keine andere Fuge oder Öffnung, durch welche das Eisen nach der ersten Erbauung der Pyramide hätte hingebracht werden können, mit obiger in Verbindung stand. Ich habe Herrn Perring die genaue Fundstelle Samstag, den 24. Juni, gezeigt.

Kairo, den 25. Juni 1837.

J. R. Hill.

Dem obigen Zeugnis des Herrn Hill kann ich hinzufügen, daſs, seitdem ich die Stelle vor Beginn der Sprengarbeit gesehen habe, zwei Lagen Steine entfernt worden sind und daſs, wenn das Stück Eisen der Fuge entnommen wurde, welche mir Herr Hill zeigte und die durch einen groſsen Stein bedeckt war, der zum Teil noch da ist, es unmöglich nach Erbauung der Pyramide an diese Stelle gelangt sein kann.

Kairo, den 27. Juni 1837.

J. S. Perring, Civilingenieur.

Wir bescheinigen, daſs wir die Stelle, der das Eisen durch Herrn Hill entnommen wurde, untersucht haben und sind der Ansicht, daſs das Eisen in der Fuge während dem Bau zurückblieb und daſs es nicht nachträglich hineingebracht worden sein kann.

Ed. S. Andrews.

James Mash, Civilingenieur.

Vyse fügt hinzu: Die Mündung des Luftkanals war uner - brochen; sie war 8⅞ Zoll hoch und Zoll weit und durch einen darüber vorragenden Stein vom Wüstensand geschützt.

Da die groſse Pyramide von König Chufu (Cheops) vor dem Jahre 3000 v. Chr. erbaut wurde, so hätte dieses merkwürdige Stück Eisen ein Alter von etwa 4900 Jahren. Es wurde von Vincent Day an - gebohrt und näher untersucht. Das Anbohren ergab, daſs es weiches Schmiedeisen war. Da das Stück seines Wertes und seiner Selten - heit wegen nicht im Feuer probiert werden durfte, so konnte nicht er - wiesen werden, ob das Eisen stahlartig oder ob Stahl damit verbunden war. Die chemische Untersuchung eines kleines Stückchens durch Walter Flight bestätigte, daſs es weiches Eisen mit einer geringen Beimengung von Nickel war. Doch enthielt es gebundenen Kohlenstoff, war deshalb kein meteorisches Eisen.

87Ägypten.

Bei genauer Untersuchung der Oberfläche fand Day in der Rost - hülle Abdrücke von Nummuliten, die sich dadurch erklären lassen, daſs die Quader, welche die Fuge bildeten, aus dem Nummulitenkalk der ery - thräischen Wüste bestanden. Auch dies beweist, daſs die Stücke Eisen sehr lange Zeit, daher wohl seit Erbauung der Pyramide an der Stelle eingeklemmt gewesen waren.

Es ist nicht zu verwundern, daſs dieser Fund, der nur durch ein Zusammentreffen der auſserordentlichsten Umstände ermöglicht war, allein steht.

Die übrigen ägyptischen Eisenfunde sind weit jüngeren Datums. Dem ungeachtet gehört auch der folgende noch zu den ältesten Eisenfunden, die wir kennen. Es ist eine eiserne Sichel, die von Bel - zoni unter den Füſsen einer Sphinx zu Karnack ausgegraben wurde

Fig. 18.

und von der wir Fig. 18 eine Abbildung geben. Der Finder schreibt darüber1)Narrative of the operations and recent discoveries within the Pyramido, Tombs and Excavations in Egypt and Nubia etc. by G. Belzoni, London 1871, p. 163 ff.: Die eiserne Sichel, auf die ich aufmerksam machen wollte, wurde unter den Füſsen einer der Sphinxe nach deren Entfernung ge - funden. Ich war gegenwärtig; einer der Leute hob sie auf und reichte sie mir. Sie war in drei Stücke gebrochen und so zerstört, daſs sich der Rost bis in die Mitte der Masse eingefressen hatte. Sie war eher dicker als die Sicheln unserer Tage, sonst von der gewöhnlichen Gestalt und Gröſse wie die unsrigen. Jetzt ist sie im Besitze des Herrn Salt. Es fragt sich nun, wann kamen die Statuen an ihren Platz?

Sie können keinenfalls nach der Zeit der Ptolemäer hingekommen sein, denn es scheint, daſs nach der Zeit des Cambyses, der die Götter - bilder der Ägypter zerstörte, kein Einfall in das Land mehr geschah, der88Ägypten.die Eingeborenen gezwungen hätte, ihre Heiligtümer zu verbergen. Aus der unregelmäſsigen und wirren Art der Aufstellung ist es klar, daſs diese Bildsäulen in der Hast versteckt worden sind. Da nun die Sichel unter der erwähnten Statue gefunden wurde, so glaube ich, daſs da - durch hinlänglich bewiesen ist, daſs Eisen lange vor der Invasion der Perser im Lande war. Sicheln derselben Form finden sich in vielen Abbildungen des Landbaues in den Gräbern.

Weitere Eisenfunde meist von unbestimmtem Alter sind in Ägyp - ten gemacht worden.

Über eine Bronzestatue mit eisernem Kern berichtet Baldry1)J. D. Baldry Esq. in der Sitzung vom 23. März 1878 s. Proceedings of the soc. of antiq. of London sec. series vol. VII. p. 416.. Er hatte dieselbe von einem Araber erhalten, der im November 1876 bei Ausgrabungen in der Nähe der Pyramiden beschäftigt war. Die ganze Figur war 27 Zoll hoch, also relativ groſs. Dr. Birch, Kustos der ägyptischen Altertümer des britischen Museums, berichtet darüber: Die Bronzefigur stellt einen hohen Staatsbeamten aus der Zeit der neunzehnten oder zwanzigsten Dynastie vor. Die Züge des mit Locken umrahmten Gesichts entsprechen dem ägyptischen Typus der zwanzig - sten Dynastie. Wie alle gröſseren Bronzestatuen war sie über einen Kern (core) von schwarzer Farbe, augenscheinlich aus Sand und Bitumen her - gestellt, gegossen. Besonders bemerkenswert ist, daſs durch den Kern des rechten Beines ein eiserner Stab durchgeht, um dem Kern beim Guſs gröſsere Stabilität zu geben; seine Gegenwart beweist die Kenntnis und Verwendung des Eisens des ba-en-pe, himmlischen Metalls , das benipe im Koptischen hieſs. Es hieſs noch Bâu-kam oder schwarzes Metall zu dieser und späterer Zeit. Aber Gegenstände von Eisen, deren Alter sich bestimmen läſst, sind selten in Samm - lungen, ja fast unbekannt. Die Konservierung des Eisens in diesem Fall ist veranlaſst durch die Umhüllung der Bronze, infolge deren es sozusagen hermetisch abgeschlossen war. Bei der Abwesenheit einer Inschrift kann das Alter nur nach dem Styl und der Tracht insbesondere nach der Frisur geschätzt werden. Die Art der Locken entsprächen am meisten der neunzehnten Dynastie (Ramses II. und seinen Nach - folgern), doch trug man ähnliche Haartouren zur Zeit der vierten und sechsten. Die kurzen Locken über der Stirn entsprächen sogar der vierten. Man sagt, das Stück stamme aus der Nähe der Pyramide, deren Gräber und Reste meist, doch nicht ausschlieſslich, der vierten, fünften und sechsten Dynastie angehören.

Zu Heliopolis sollen eiserne Klammern zur Verbindung der Quader89Ägypten.alter Mauern (aus der Zeit der achtzehnten Dynastie?) gefunden worden sein. Kleine Kunstgegenstände von Eisen von hohem Alter (bis 2000 v. Chr.) erwähnt Manduit1)Manduit, Emploie d’aisain 1844, und Troade 1848., der auch angiebt, daſs zur Zeit Ramses II. das Eisen im allgemeinen Gebrauche für Pflugscharen gewesen sei. Bei einer Mumie fanden sich chirurgische Instrumente von Eisen (Stahl?) zum Teil mit Elfenbeingriffen. Lord Prudhoe brachte ein altes eisernes Instrument von Ägypten mit2)Vincent Day a. a. O. p. 32.. Auch hat man eiserne Ringe in ägyp - tischen Gräbern gefunden.

Im Louvre befinden sich eiserne Pfeil - und Lanzenspitzen aus ägyptischen Gräbern, die allerdings wahrscheinlich einer jüngeren Zeit angehören. Ebenso gehören die Funde von Rhind, der in einem Grabe von Sebau Thürangeln und Nägel von Eisen fand und zwar so wohl erhalten, glänzend und biegsam, als hätten sie eben die Schmiede verlassen, dem Anfang unserer Zeitrechnung an.

Wenn uns die Entdeckung der uralten Eisenbergwerke zu Surabit - el-Khadur, sowie der merkwürdige Fund von Howard Vyse den Be - weis liefern, daſs Eisen schon zur Zeit der vierten Dynastie in Ägypten im Gebrauch war, so wird dies fernerhin durch die Abbildungen in den alten Grabkammern bestätigt, aus denen wir zugleich die Mannig - faltigkeit der Anwendung, wie die Art der Gewinnung des Eisens kennen lernen. Auf den Wandgemälden wird das Eisen mit blauer Farbe dargestellt, wie wir dies noch heute zu thun pflegen. Blau war für die Ägypter zur Bezeichnung des Eisens umsomehr die einzig mög - liche Farbe, da sie eine graue Farbe nicht kannten und Grau, wie Blau durch dieselbe Farbe, ein helles Kupferblau, darstellten. Ein charakte - ristisches Beispiel hierfür giebt der Esel ab, der stets blau gemalt ist. Mancherlei Werkzeuge, Geräte und Teile solcher sind schon in den Gräbern der fünften Dynastie mit blauer Farbe bezeichnet. Ein be - merkenswertes Beispiel ist der blau gemalte Wetzstahl, den der Schlächter an der Seite trägt, um an demselben sein breites Messer zu wetzen. Blau werden Schiffsbeschläge und das Band, das den Schiffsschnabel zusammenhält, gemalt. Blau werden besonders ver - schiedene Waffen und Teile von Kriegsgeräten dargestellt. Ein kurzer Blick auf die Bewaffnung der Ägypter dürfte hier am Platze sein. Dieselbe war sehr mannigfaltig. Diejenige Waffe, welche die älteste gewesen zu sein scheint, auch schon deshalb, weil es die ein - fachste und natürlichste ist, und die Kenntnis der Metalle nicht vor -90Ägypten.aussetzt, war die Holzkeule (Fig. 19 a). Sie wurde später mit Metall und zwar vornehmlich mit Eisen beschlagen. Herodot erwähnt (Lib. VII) die eisenbeschlagenen Keulen der Ägypter als ihre charakteristische Waffe. Die Waffe des Königs Senphru (Fig. 16), mit der er den Semiten schlägt, dürfte eine solche Keule gewesen sein. Die Keule erhielt sich bei der späteren Bewaffnung in mannigfachen Formen, wie

Fig. 19.

aus den Abbildungen von Benihassan ersichtlich ist (Fig. 19 a, b, c). Der Keule am nächsten steht die Axt, die sich aus derselben entwickelt hat, und zwar scheint bei den Ägyptern die Doppelaxt die ältere Form gewesen zu sein. Bei ihr war das runde Metallblatt einfach durch den geschlitzten Holzstiel gesteckt (Fig. 19 d u. 20), festgekeilt und durch Stifte befestigt. Die Doppelaxt ist die Waffe der Götter. Schon in91Ägypten.den Abbildungen im Wadi Megharah sind die Götter mit dieser Waffe dargestellt.

Neben der Doppelaxt entwickelt sich die einfache Axt in mannig - faltigen Formen, von denen in Fig. 21 (a. f. S.) mehrere abgebildet sind. Die gewöhnliche Axt bildet auſser dem Speer die ordonanzmäſsige Aus - rüstung der Schwerbewaffneten zur Zeit der achtzehnten Dynastie (Fig. 22). Besondere Aufmerksamkeit verdient die kunstvolle Kriegs - axt der Vornehmen (Fig. 19 e, f), umsomehr, da sie bereits in den Grab - abbildungen von Benihassan und Karnak (zwölfte und achtzehnte Dy - nastie) stets mit blauer Klinge dargestellt ist. Es war die nationale Waffe, chops genannt, eine Art Sichelschwert1)Chops = , das chops selbst erscheint als hieroglyphisches Zeichen , welches die Leibgarde der Pharaonen trug, das meist mit groſsem Luxus ausgeschmückt war und

Fig. 20.

eine breite Klinge von Stahl oder wenigstens mit Stahlschneide be - saſs. Dieselbe Waffe erscheint häufig in den Händen der Pha - raonen. Die Form der Stahl - klinge läſst auf eine hohe Stufe der Schmiedekunst schlieſsen. Die Klinge ist meist in Kupfer gefaſst und steckt in einem Eben - holzstiel, der oft reich vergoldet ist. So zeigt z. B. eine solche Waffe aus der Zeit Ramses III. die blaue Eisenklinge mit Blut - rinne, einen grünen Rücken von patinierter Bronze und einem ver - zierten, mit Gold ausgelegten Griff von Elfenbein, eine andere besteht aus einem rund geschweiften Eisenblatt mit Kupferhülse in einem Stiel von reich vergoldetem Ebenholz.

Weitere Waffen der Ägypter waren ein sichelförmiges Schwert (s. Fig. 19 g), Lanze, Speer und Dolche von verschiedenen Formen. Eine bevorzugte Waffe, die Waffe des Königs besonders seit der Zeit der Ramessiden waren Pfeil und Bogen, mit denen die Herrscher von ihrem herrlichen Streitwagen herab die Feinde erlegten. Der Gebrauch der Streitwagen kam erst später auf und stammt wohl aus Asien, doch waren die Streitwagen der Ägypter durch ihre leichte Konstruktion,92Ägypten.wobei hauptsächlich Metall in Anwendung kam, und durch ihre vor - zügliche Bespannung, denn die ägyptische Pferdezucht stand in hoher Blüte, im Altertum hoch berühmt und galten in späterer Zeit als die Stärke der ägyptischen Könige. Wenn auch bei den Streitwagen wie bei

Fig. 21.

den Waffen meist Kupfer und Bronze verwen - det wurden, so geschah dies doch auch hier - bei nicht ausschlieſslich. In einer Abbildung des Streitwagens eines äthiopischen Fürsten aus der Zeit des Tutauchamum ist der Wagen selbst gelb, d. h. von Gold, die Räder blau, d. h. von Eisen. Da Eisen und Stahl nur bei den reichsten Waffen und Geschirren verwendet wurde, so läſst sich schlieſsen, daſs es wohl ebenso teuer war als Kupfer und Erz. Auch bei den Verteidigungswaffen finden wir Eisen in An - wendung, besonders bei den Helmen. Die Kriegshelme der Könige, deren eigentümliche Formen keinen Zweifel darüber lassen, daſs sie aus Metall oder mit Metall überzogen waren, sind meistens blau gemalt.

Fig. 22.

Fig. 23 sind Abbildungen von Helmen ägyptischer Heerführer. Es waren teils Lederkappen, auf denen Metallschuppen aufgenäht waren, teils waren sie ganz aus Metall getrieben, wie dies auch die Erzählung des Herodot, daſs Psammetich seinen ehernen Helm als Trinkbecher benutzte, bestätigt.

Die Grabgemälde geben uns fernerhin ziemlich sicheren Aufschluſs über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens bei den Ägyptern. 93Ägypten.Ehe wir jedoch hierauf näher eingehen, wollen wir zunächst eine andere Kette von Beweisen für die frühe Bekanntschaft der Ägypter mit dem Eisen, welche aus der Hieroglyphenschrift herzuleiten ist, ins Auge fassen. Die Bezeichnungen für Eisen und Stahl in der alten Priester -

Fig. 23.

schrift waren verschiedene und herrscht infolgedessen unter den Ägyp - tologen noch immer einige Verwirrung. = ba, das Bild des Schmelz - tiegels ist das allgemeine Symbol für die Nutzmetalle. Wir haben gesehen, daſs Kupfer, Chomt, mit diesem Zeichen geschrieben wird. Champollion giebt nun für das Eisen dasſelbe Symbol . Rosellini giebt folgende Formen: und und = koptisch ⲂⲈⲚⲒⲠⲈ, benipe, Eisen des Himmels. Ba erscheint mit dem Determinativ als Stein, mit als Metall. Von hohem Interesse ist eine Stelle des Plinius (hist. nat. XXXVI, c. 11), wo er von den Ge - steinen, marmora, spricht, die sich zu Skulpturen eignen: Invenit Aegyp - tus in Aethiopia (lapidem), quem vocant ba salton, ferrei coloris atque duritiae, unde et nomen ei dedit. Demnach deutet schon Plinius ba als Eisen.

Birch dagegen giebt in seinem Wörterbuch umstehende Tafel:

94Ägypten.

Lepsius in seiner gründlichen Abhandlung über die Metalle der Ägypter, führt zwei ganz abweichende Formen als Bezeichnungen für Eisen an. Die eine und und mit dem phonetischen Wert men; die andere und und mit dem pho - netischen Wert tehaset, tahseti, tehset, übersetzt mit dem koptischen benipe.

Diese ganz abweichende, doppelte Bezeichnung des Metalls ist von einem besonderen historischen Interesse. Die erste Gruppe, men, ist die ältere. Sie erscheint in den früheren Inschriften, z. B. in den Tributaufzählungen von Karnak (achtzehnten Dynastie) und zwar meist in folgender Reihenfolge: Gold, Silber, Lasur, Smaragd, Kupfer, Eisen (men), Blei, Farben und Smirgel. Eigentümlicherweise wird men immer in Verbindung gebraucht, d. h. als verarbeitetes Eisen. Es heiſst meist Geräte von men. So z. B. in einer Aufzählung der Beute Thut - mosis III. : 100 ten Silber, 100 ten Gold, chesbet, mafek und Geräte von men ; desgleichen an einer zweiten Stelle: Stiere, mafek und Ge - räte von men . Ebenso erbeutete König Menephtes: Silber, Gold, Ge - räte von men u. s. w.

Das Eisen kam also in den meisten Fällen nicht in rohem Zustande, in Form von Luppen oder Stäben, in die Hände der Ägypter, sondern95Ägypten.verarbeitet zu Geräten. Wichtig ist es, welcherlei Geräte von men genannt werden. Es sind dies besonders Bewaffnungsstücke, so Leder - helme und Koller (Panzer), von denen letzterer auch oft in Verbindung mit Kupfer genannt wird. Beide Metalle wurden für die Metallplättchen, die dem Schuppenpanzer aufgenäht wurden, verwendet, wie dies auch durch die Farben in den Abbildungen der Grabkammern bestätigt wird. Vorzugsweise aus men, wie wir dies bereits aus den Wandgemälden er - sehen haben, wird die Waffe chops genannt. In einem Grabe von Qurnah werden 360 chops aus men aufgeführt. Alle Inschriften, in denen die Gruppe men zur Bezeichnung des Eisens vorkommt, stammen, wie erwähnt, aus früherer Zeit. Die spätesten Inschriften, in denen sich men findet, datieren aus der Zeit des äthiopischen Königs Taharka und des noch späteren Piancki. Men erscheint als einzige Bezeichnung für Eisen in derjenigen Periode, während welcher der ägyptische Han - del sich fast ausschlieſslich nach Süden zu bewegte und die Metalle, insbesondere Gold und Eisen von Süden her nach Ägypten kamen.

In späterer Zeit verschwindet dagegen die Gruppe men, während die Bezeichnung tehaset an dessen Stelle tritt, welche in alten Inschriften nicht erscheint. Waffen aus tehaset werden allerdings nicht genannt, dagegen Thürschlösser, Thoreinfassungen, Beschläge u. s. w. besonders in den Tempeln. Tehaset kam aus Asien, besonders aus Persien und einer Landschaft Bektot. In der Inschrift von Dendara heiſst es: Der König bringt Dir (Hathor) das Land Bektot versehen mit tehaset in seiner Natur (mit natürlichem Tehaset) aus den Minen Asiens, um anzufertigen die Schlösser der Thüren Deiner Wohnung und um einzu - fassen die Schreine Deiner Behausung, darbringend das tehaset Deinem Hause. Wir wissen auch aus anderen Umständen, daſs für allerlei Beschläge das Eisen sich der Bronze gegenüber auch in späterer Zeit behauptet hat, während es bei der Bewaffnung durch dieses zum Teil verdrängt wurde.

Daſs die Gruppen men und tehaset Eisen bedeuten und zwar ersteres das Eisen aus Äthiopien, letzteres das Eisen aus Asien, dürfte nach der gründlichen Auseinandersetzung von Lepsius nicht mehr be - zweifelt werden. Dagegen ist es fraglich, wie es sich mit dem Ausdrucke ba und baenepe verhält, der von Champollion, Birch und Brugsch für Eisen in Anspruch genommen wird und der sich in koptischen Dialekten in demselben Sinne erhalten hat1)S. Seite 32.. Brugsch leitet das koptische Wort (be-ni-pe) von ba-en-pe-t her = Eisen vom Himmel (Meteoreisen),96Ägypten.im Gegensatz zu ba-en-ito, Eisen der Erde. Basil Cooper erklärt das Wort ba, koptisch bo oder be als hartes Holz, Stein; ni = von und be, koptisch pe = Himmel. Demnach be-ni-pe = Stein vom Himmel, Meteorstein, respektive Meteoreisen. Über die Unwahrscheinlichkeit, daſs die erste Bekanntschaft des Eisens von Meteoreisen herzuleiten ist, haben wir früher gehandelt. Wohl ist es aber möglich, daſs man später die Identität des tellurischen und meteorischen Eisens erkannt und dem Eisen deshalb die Bezeichnung Metall des Himmels beilegte. Cooper will das Stammwort ba oder be auch in dem Namen des sechsten Nachfolgers des Menes, der Mibampes hieſs, wiederfinden. Nach ihm heiſst Mibampes der Eisenfreund . Wenn diese Hypothese begründet ist, so wäre allerdings das Eisen nicht nur das erstgefundene, sondern auch das erstgenannte aller Metalle, indem die Regierungszeit des Mibampes1)Mir-ba-pen, nach Lauth: Freund des Eisens. noch mehrere Jahrhunderte vor der des Snefru liegt.

Wie es sich damit aber auch verhalten mag, jedenfalls haben wir in dem Vorgehenden eine Reihe von Thatsachen, welche die frühe Bekannt - schaft der Ägypter mit dem Eisen erhärten, erbracht. Schon in der ältesten Zeit der beglaubigten Geschichte Ägyptens, in der Periode der vierten Dynastie, war das Eisen den Nilbewohnern bekannt und in Gebrauch und blieb in Gebrauch neben Kupfer und Bronze in allen Perioden der ägyptischen Geschichte. In der älteren Zeit, in der die Ägypter neben dem Eisen nur das Kupfer zu Werkzeugen verarbeiteten, scheint es so - gar in mannigfacherer Verwendung gewesen zu sein, als in späterer Zeit, nachdem die Ägypter durch Handel und Eroberungen mit der Bronze Asiens bekannt und förmlich überflutet wurden.

Zu allen Zeiten scheint die Eisengewinnung im eigenen Lande von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein, wenn auch aus den Resten alter Bergwerke im erythräischen Gebirge und auf der Sinaihalbinsel hervorgeht, daſs ihnen die Gewinnung nicht unbekannt war. Sie be - zogen vielmehr das meiste Eisen aus dem Auslande, und zwar in älterer Zeit als fertige Waren aus Äthiopien; während dieser Bezug späterhin, als Ägypten mit Ostasien in Verkehr kam und mit den Erzgeräten der Semiten, namentlich der Phönizier überschwemmt wurde, in den Hinter - grund trat und zwar so sehr, daſs die alte, wahrscheinlich äthiopische Bezeichnung für Eisen verloren ging und an dessen Stelle für das Eisen aus Asien ein neuer Name in Aufnahme kam. Ähnliche Wortwand - lungen begegnen wir im Altertume öfter.

Die Bezeichnung tehaset dürfte etwa dem biblischen Eisen des Nordens entsprechen.

97Ägypten.

Unsere Untersuchung führt uns darauf hin, daſs wir in Äthiopien den ältesten bekannten Sitz der Eisengewinnung zu suchen hätten. Dies wird bestätigt durch die erhaltenen Abbildungen, welche die Ge - winnung des Eisens bei den Ägyptern darstellen, und aus denen wir er - sehen, daſs das dargestellte Verfahren genau übereinstimmt mit der Gewinnungsmethode, wie sie heute noch in den eisenreichen Gegenden des oberen Äthiopiens und von Darfur betrieben wird, wo die Eisen - bereitung seit undenklicher Zeit heimisch zu sein scheint.

Fig. 24.

Auf einem Steine, der sich in Florenz befindet, ist in einer Gruppe von Darstellungen das Schmelzen und Schmieden eines Metalles ab - gebildet. Da sich dabei das Symbol befindet, so dürfen wir wohl annehmen, daſs es Eisen sein soll. In dem einen der Bilder tritt ein jugendlicher Sklave, der durch seinen runden Kopf mit ab -

Fig. 25.

stehenden Ohren als Neger charakterisiert ist, einen einfachen Blasebalg, aus dem der Wind durch ein Bambusrohr einer flachen Grube zugeführt wird, in welcher der Schmelzprozeſs, also in unserm Falle die Reduktion des Eisenerzes vor sich geht. In dem zweiten Bilde (Fig. 25) sieht man,Beck, Geschichte des Eisens. 798Ägypten.wie das Eisen auf einem Ambos, der aus einem flachen, runden, auf einem Holzklotze aufliegenden Stein besteht, ausgeschmiedet wird, und zwar besteht der Hammer, mit dem dies geschieht, ebenfalls nur aus einem halbkugelförmigen Steine, den der Zuschläger mit beiden Händen bewegt. Andere Abbildungen zeigen ähnliches mit kleinen Abweichungen. So finden wir auf einer statt der offenen Herdgrube einen Schmelz - ofen aus Thon, die einfachste Form eines niedrigen Schachtofens, eine andere stellt einen Ambos dar, der aus einer dicken Kupferplatte be - steht, während der dazugehörige Hammer ein runder Kupferklumpen ohne Stiel ist.

Vergleichen wir die erwähnten Darstellungen mit den Berichten der Reisenden, wie z. B. Nachtigalls oder Ruſseggers, über die Art und Weise, wie heute die Bewohner von Kordofan ihr Eisen gewinnen, so werden wir sehen, daſs die alten Abbildungen noch genau zu dem jetzigen Verfahren passen. Ruſsegger schreibt darüber1)Ruſsegger, Reise in Ägypten, Nubien und Ostsudan. Stuttgart 1844. II, 2. S. 286 ff.:

Im nördlichen Kordofan, westlich von Glèha bis Bara und Chursi dehnt sich der Eisendistrikt aus, so genannt wegen des reich - lich vorkommenden Raseneisensteins und der fast in jedem Dorfe statt - findenden Benutzung dieses Erzes. Dieselben dilluvialen Ablagerungen ziehen sich nach Ruſsegger wahrscheinlich durch ganz Mittel - und West-Sudan fort. In der Nähe von Bara, Chursin und Tendar wurden Ruſsegger 15 Dörfer bekannt, in deren Umgebung Raseneisenstein gewonnen wurde. Das Vorkommen ist überall das gleiche. Unter der obersten Sanddecke in einer Tiefe von 7 bis 8 Fuſs folgt die erste Eisensteinschicht, entweder ein reiner Thoneisenstein oder Sandlagen mit Raseneisensteinknollen. Der Abbau wird so roh wie möglich be - trieben. Es werden Schächte von 4 bis 5 Fuſs Weite höchstens 10 Fuſs niedergebracht; hat man das Erz erreicht, so wird weiteres Abteufen eingestellt und der Abbau begonnen, der darin besteht, daſs man zu - nächst bis zum Liegenden gräbt und dann vom Schachttiefsten aus das Erz ringsum wegnimmt, so lange dies ohne dringende Gefahr des Ein - sturzes möglich ist. Das Loch wird nicht verbaut, sondern verlassen und wenige Schritte davon ein neues gegraben. Ruſsegger zählte bei el Feradschaab auf einer Fläche von 400 bis 500 Quadratklafter 350 teils offener, teils verbrochener Schächte2)Mehemed Ali’s Versuche, einen besseren Betrieb durch Fremde einzuführen, scheiterten.. Das aus den Schächten99Ägypten.geförderte Erz wird sorgfältig geschieden. Nur das reichste wird ver - waschen und in Bohnengröſse zerklopft. Um die Erze zu schmelzen1)Ruſsegger II, 2. Theil, S. 290 ff., machen die Eingeborenen im Sande kleine kegelförmige Gruben, mit der Spitze nach unten. Der gröſste Durchmesser einer solchen Grube beträgt 12 bis 14 Zoll, ebensoviel die Tiefe. Ist nun eine solche Grube mit einem Gemenge von Holzkohlen und zerkleinertem Erz, ohne Zu - schlag, gefüllt, so wird noch ein Haufen Kohlen darauf geschüttet und Feuer eingetragen. Die Düsen des Blasebalges werden am Rande der Grube unter einem Winkel von 40 bis 45 Grad eingesetzt und mit dem Blasen begonnen. Nach einer Stunde beginnt die Masse sich zu setzen und zusammen zu sintern. In dem Verhältnisse, wie dies geschieht, werden von neuem Erz und Kohlen nachgetragen. Ungefähr nach zehn Stunden ist der gröſste Teil des leichtflüssigen Raseneisensteines geschmolzen und die Grube ziemlich angefüllt mit verschlackter Masse. Man nimmt nun Blasebalg und Düse weg, räumt das Feuer ab und läſst die Masse abkühlen. Das Resultat dieser ersten Schmelzung sind ungeflossene, zusammengebackene Erze, welche man für eine zweite Schmelzung beiseite legt, und Schlacken. Diese sind zweierlei, die oberen sind schwarz, schwer, von dichtem Bruch und eisenreich; sie werden als unbrauchbar fortgeworfen. Die unteren sind ebenfalls schwarz und schwer, aber mehr porös, stellenweise glasig und mit Körnern von reduziertem Eisen, mitunter von bedeutender Gröſse, ver - mengt. Letztere werden nochmals verschmolzen.

Diese zweite Schmelzung der metallisches Eisen enthaltenden Schlacken und der gebackenen Erze wird in derselben Grube, mit dem - selben Gebläse und unter denselben Umständen vorgenommen, dauert aber nur ein paar Stunden. Hierbei erhält man zu oberst eine dichte, ebenfalls sehr eisenreiche Schlacke, welche sichtbar mit metallischem Eisen gemengt ist und wieder zur Verschmelzung kommt, zu unterst, als Resultat des langwierigen Prozesses, einen graupigen, von Schlacken mehr oder weniger durchdrungenen Eisenkönig. Letzterer wird mühsam mit eisernen Keulen zerschlagen, die Schlacke möglichst ausgeschieden und das Eisen ohne weitere Behandlung den Schmieden als gares, weiches Eisen verkauft. Selten gelingt es diesen nackten, schwarzen Eisen - hüttenmännern, einen kompakten, schlackenfreien, reinen Eisenkönig zu erhalten. Ruſsegger kaufte einen solchen von 15 Pfund an Ort und Stelle, der sehr gutes, vollkommen weiches Eisen war.

Die Blasebälge, deren man sich bei dieser Operation bedient, sind7*100Ägypten.dem ganzen Verfahren entsprechend, d. h. noch auf der ersten Stufe der Erfindung. Teils sind es nur lederne, gewöhnliche Bälge, die ein Mann auf und nieder drückt, teils sind sie von besonderer, eigentüm - licher Form.

Aus Thon wird ein schüsselähnlicher Unterteil b mit einer ange - setzten, langen, etwas nach unten gekrümmten Röhre, wie es beistehende Skizze (Fig. 26) zeigt, angefertigt. Der offene Teil der Schüssel c wird mit einer Haut b bedeckt und diese am Rande von c durch Binden, teils durch Verschmieren soviel als möglich luftdicht befestigt. Diese Haut hat oben ein Loch, in das ein Arbeiter mit einem Finger fährt, und indem er nun abwechselnd die Haut spannt, und wieder bis

Fig. 26.

an den Boden der Schüssel niederdrückt, wobei er möglichst die obere Öffnung mit der Hand verschlieſst, erzeugt er Wind, der, soweit er nicht an seinem Finger vorbei entweicht, durch die Röhre d gepreſst wird, an deren Verlängerung sich die Düse befindet.

Die Kohlen zur Schmelzung werden aus Mimosen gebrannt. Dies geschieht in den Wäldern der Akaba auf ganz einfache Weise, indem ein kleiner, nur 2 bis 3 Fuſs hoher Haufen Holz angezündet und mit Sand bedeckt wird, um das Feuer in Schranken zu halten. Die Kohlen sind, da meist nur Astholz und Reisig zur Anwendung kommen, sehr klein, aber gut gebrannt, klingend und wenig abfärbend.

An Ort und Stelle verkaufen die Produzenten das rohe Eisen den Schmieden oder sonstigen Abnehmern um den Preis von 1⅓ bis Piaster (23 bis 26 Pfennige) pr. Pfund und zwar entweder im Wege des Tauschhandels oder für ägyptisches Geld1)In Kordofan kursiert ägyptisches Geld, da aber Mangel an Scheidemünze ist, so hat man einen alten, auch in Darfur üblichen Gebrauch beibehalten. Man hat nämlich eine Art Scheidemünze aus dünngeschlagenem Eisen von sonder - barer, unbequemer Form Diese Stücke heissen Haschasch und sind von. Ein Zentner kostet101Ägypten.also etwa 24 Mark, was sehr wenig ist in betracht der riesigen Arbeit.

Beim Rohschmelzen wie beim Schlackenschmelzen sind stets drei Mann beschäftigt, von denen zwei in Handhabung der Bälge sich ab - lösen und einer, nebst dem Aufgeben der Erze und Kohlen, die Lei - tung des Ganzen besorgt. Der höchste Luxus in Ausstattung eines solchen Etablissements besteht darin, daſs, wenn die Sonne auf den rötlichgelben Sand gar zu arg brennt, vier Stöcke eingerammt werden, über die eine Strohmatte gespannt wird.

Im besten Falle giebt ein Roh - und Schlackenschmelzen in 12 bis 14 Stunden 15 bis 20 Pfund gares Eisen. Obgleich von Rasenerzen erblasen ist es von ausnehmender Güte und zeichnet sich durch Weich - heit und Biegsamkeit aus.

Die Erze, die zur Verschmelzung kommen, sind reichhaltig und sollen zwischen 60 und 70 Proz. Roheisen enthalten. Von diesen bringen die Schwarzen nach ihrer Angabe zwischen 20 und 40 Proz. aus.

Obwohl der Raseneisenstein ein leichtschmelziges Erz ist, gelingt es ihnen doch nicht, das Eisen in einen vollkommen flüssigen Zustand zu versetzen, sondern sie erhalten es nur als eine teigige Masse. Die Phosphorsäure der Erze erleidet bei dieser niederen Temperatur wohl gar keine Reduktion, deshalb ist das Eisen so weich und durchaus nicht kaltbrüchig .

Diese lebendigen Beschreibungen der Methoden, mittels derer die barbarischen Bewohner des Sudan heute noch ihr Eisen gewinnen, lehren uns, wie unendlich einfach der Prozeſs der Eisengewinnung an und für sich ist und welch ein Irrtum in der Annahme liegt, daſs die Gewinnung des Eisens höhere metallurgische Kenntnisse oder kompli - zierterer Apparate bedürfe, als zur Gewinnung des Kupfers, zur Reinigung des Goldes oder gar zur Darstellung des Silbers erforderlich sind. Wenn wir ins Auge fassen, auf wie hoher Stufe technischer Bildung die Ägypter bei ihrem Eintritte in die Geschichte bereits erscheinen, wie ihre Kenntnisse der Chemie, ihre mechanischen Hilfsmittel, ihre metal - lurgischen Erfahrungen viel bedeutender waren, als die der Bewohner von Kordofan es heutzutage sind, so muſs zugegeben werden, daſs technische Gründe nicht vorhanden sind, die dafür sprechen, daſs den Ägyptern dies Eisen nicht bekannt gewesen sei. Wir glauben vielmehr in Vorstehendem zur Genüge nachgewiesen zu haben, daſs sie es darstellten und benutzten und zwar schon in den fernen Zeiten, aus denen ihre1)verschiedener Gröſse. Die kleinsten wiegen 1 bis 2 Lot und gelten einen Para (= 3 / 20 Pfennig).102Ägypten.ältesten Überlieferungen stammen. Allerdings war ihr Land weder an Eisenerz noch an Brennmaterial reich, deshalb war die Gewinnung im eigenen Lande, wie noch heute, wenig umfangreich. Aber sie kannten sowohl die Gewinnung als wie die Verarbeitung des Metalls, wenn sie auch meistenteils ihre Geräte von men aus Äthiopien bezogen, dessen Eisenreichtum schon die ältesten Reisenden rühmen und dessen Be - wohner noch heute in derselben Weise, wie vor 5000 Jahren, die Ge - winnung des Eisens als einen Erwerbszweig betreiben.

[103]

Die Semiten.

1. Chaldäa.

Elam, Babylon, Assur.

Wir wenden uns zu den Völkern semitischer Abstammung, welche als östliche Nachbaren der Ägypter das Gebiet zwischen dem Mittelmeere und dem persischen Hochlande, sowie vom Taurus bis zum arabischen Meere bewohnten, da ihre Geschichte sich ebenfalls in sehr entfernte Zeiten zurückverfolgen läſst und sie neben den Ägyptern den gröſsten Einfluſs auf die Zivilisation nicht nur Westasiens und Europas, sondern der ganzen Erde ausgeübt haben. Den gemeinschaftlichen Namen Semiten führen sie von ihrer durch die heiligen Schriften der Hebräer bezeugten gemeinschaftlichen Abstammung von Sem, dem älte - sten Sohne Noahs. Ihr erstes politisches Auftreten, sowie die gröſste Entfaltung ihrer Macht vollzog sich in dem Stromgebiete des Euphrat und Tigris. Die groſse Ebene, die diese beiden mächtigen Flüsse, nach - dem sie ihr gemeinschaftliches Heimatsgebiet, das wilde Gebirgsland Armeniens verlassen haben, in ihrem untern Laufe bilden, lockte durch ihre groſse Fruchtbarkeit die Nachbarvölker von Süden, Osten und Norden (nach Westen war es durch die syrische Wüste abgesperrt) zu friedlicher Ansiedelung und zu wildem Wettkampf um den Besitz.

Wie Mesopotamien, d. h. das Zwischenstromland, in seiner geogra - phischen Beschaffenheit manche Ähnlichkeit mit dem Nilthal zeigt, ebenso verhält es sich mit der Kulturentwickelung hier und dort. Wie in Ägypten der Nil die Lebensader des Landes ist, so ist in Meso - potamien dasſelbe mit dem Doppelstrome des Euphrat und Tigris der Fall. Wie dort der Fluſs durch seine Überschwemmungen reichen Segen über den sonnenwarmen Boden ausgieſst, so überfluten hier Wasser und104Die Semiten.Schlamm der beiden Ströme in regelmäſsiger Wiederkehr das inselartig eingeschlossene Land, eine Fruchtbarkeit erzeugend, welche die Schrift - steller des Altertums, vor allem der ehrwürdige Herodot, nicht genug preisen können. Diese regelmäſsigen Überflutungen führten zu Beob - achtungen der Jahreszeit, zur Einteilung des Jahres, zu astronomischen Erfahrungen, wie zu einer ausgeprägten Ordnung des Lebens. Sie führten ferner zu Schutzbauten, zur Anlage von Dämmen und Kanälen, um den Segen des Frühlings gleichmäſsig über das Land zu verteilen. Hier wie dort veranlaſsten die Überflutungen die Anlage mächtiger Steinbauten, die dem Andrange der schlammigen Sommerflut stand zu halten vermoch - ten. Diese gemeinschaftlichen Unternehmungen führten zur Organisation der Gesellschaft, zur Gründung eines groſsen Gemeinwesens unter fester monarchischer Spitze. Dieser Übereinstimmung zwischen Ägypten und dem Euphrat - und Tigrislande stehen aber ebenso scharf ausgeprägte Gegensätze gegenüber. Zunächst sind es hier zwei Flüsse, dort nur einer. Diese Flüsse sind nicht gleichmäſsig in ihrem Charakter und Verhalten. Der Tigris tritt als ein wilder Sohn der Berge aus dem geschlossenen Ge - birge hervor und verliert diesen Charakter nicht bis zu seiner Ver - einigung mit dem majestätischen Euphrat. In raschem, kürzeren Laufe eilt er dem Meere zu, genährt durch Flüsse und rauschende Bergwässer, die er von dem östlichen Hochgebirge, an das er sich immer anzu - schmiegen sucht, aufnimmt. Der Euphrat dagegen verläſst als ein wasserreicher Strom das Hochgebirge und eilt in einem nach Westen ausgeschweiften Bogen in ruhigem, stolzen Lauf, der Wüste den Frucht - boden abringend, dem Meere zu. Wenige Nebenflüsse schwellen seinen untern Lauf. Infolge dieser Verschiedenheit ist auch die Zeit der Überschwemmungen eine ungleiche; während der Tigris, dessen Quellen nicht in so hohen Regionen liegen, bereits im Juni aus seinen Ufern tritt, beginnen die Überschwemmungen des Euphrat, der in den höchsten Höhen Armeniens am Fuſse des Arrarat seine Heimat hat, erst im Juli. Die Überschwemmungen beider Ströme treten aber überhaupt nicht mit der fast mathematischen Regelmäſsigkeit wie die des Nils ein, sie sind wilder, zerstörender, besonders die des Tigris oft verheerend. Aus diesem Grunde ladet das Thal des Euphrat mehr zur Kolonisation und zur Anlage groſser Städte ein. Ein anderer groſser Unterschied zwischen Ägypten und dem Lande des Euphrat und Tigris besteht darin, daſs ersteres rings abgeschlossen gleich einer Insel, den feindlichen Einfällen fremder Völker wenig ausgesetzt war, während dieses in einem gewaltigen Halbkreis von Gebirgen umschlossen ist, welche von krie - gerischen, kräftigen Volksstämmen bewohnt waren. Der Reichtum des105Die Semiten.flachen Stromlandes forderte diese armen Bergbewohner zu Raub und Eroberung geradezu heraus. Während in Ägypten die Kultur sich friedlich und stetig entwickelte, sehen wir in Mesopotamien sich eine Umwälzung auf die andere folgen. Die ganze Geschichte des Landes ist eine Aufeinderfolge von Eroberungen, Glanzzeiten groſser Gemein - wesen, denen jäher Sturz und Zerstörung folgen. Solche Verhältnisse muſsten den Eingeborenen einen kräftigeren, härteren, grausameren Charakter aufprägen im Vergleich mit den friedfertigeren, heiteren, harmloseren Ägyptern. Auf diesen allgemeinen Kulturbedingungen baute sich die wechselnde Geschichte der Euphratländer auf. Über seine Urgeschichte wissen wir wenig bestimmtes. Berosus, ein Priester am Tempel des Bel zu Babylon, hat unter Antiochus Soter (von 282 bis 262 v. Chr.) eine Geschichte seines Landes, ähnlich wie Manetho in Ägypten, verfaſst, von der uns nur wenige Bruchstücke erhalten sind. Aus seinen Zeitangaben und Herrschertafeln würde ein ungeheures Alter der babylonischen Geschichte folgen, ungefähr dieselbe Zahl von Jahren, die Diodor angiebt, nämlich 473000 Jahre, während Plinius diese Zahl sogar auf 720000 erhöht.

Diese Zahlen sind, wie die Urgeschichte des Landes, sagenhaft; immerhin ist der Inhalt der Erzählung des Berosus bemerkenswert. Nachdem er die Entstehung der Welt und die Erschaffung der Menschen geschildert hat, berichtete er über die Zivilisation Mesopota - miens Folgendes1)Berosi fragm. 1. ed. Müller. Dunker, Geschichte des Altertums I, 231.:

Es war eine groſse Menge von Menschen verschiedenen Stammes, die Chaldäa bewohnten, aber sie lebten ohne Ordnung wie die Tiere. Da erschien ihnen aus dem Meere am Ufer Babyloniens ein weises Wesen, des Namens Oan . Es war dies ein Fischmensch, mit dem Oberleib eines Mannes und dem Schwanz eines Fisches. Am Morgen kam dies Wesen und verkehrte am Tage mit den Menschen. Es nahm keine Nahrung und tauchte mit Sonnenuntergang wieder in das Meer. Dieses Wesen lehrte den Menschen ihre Sprache und Wissen, das Ein - sammeln des Samens und der Früchte, die Regeln der Grenze, die Er - bauung von Städten und Tempeln, die Künste und die Schrift und alles, was zur Sittigung des menschlichen Lebens gehört. Auf Oans Ver - anlassung erwählte das Volk einen König, den Gründer der ersten Dynastie, die 432000 Jahre über das Land herrschte. Da kam die Sintflut. Xisuthros baute eine Arche, die in dem armenischen Gebirge wieder aufs trockne Land kam. Die Götter versöhnten sich mit Xisu -106Die Semiten.thros und nahmen ihn in den Himmel auf; seine Nachkommen zogen wieder nach Süden und gruben die heiligen Bücher in der Stadt Syp - para, wo Xisuthros sie auf Befehl der Götter vor der Flut vergraben hatte, wieder auf.

Die Überlieferung dieser groſsen Flut findet sich bei allen semi - tischen. Völkern. Die Geschichte des Oan ist in sofern für uns von besonderem Interesse, als sie den Ausgangspunkt der Kultur in den südlichsten Teil des Euphratgebietes, an das Gestade des Meeres, ver - legt. Auch die Bibel schreibt die erste Blüte einer Herrschaft in Ba - bylonien nicht den Semiten, sondern Nimrod dem Sohne des Kusch, der ein Nachkomme Hams war, zu. Unter den Kindern Kuschs ver - stehen aber die heiligen Schriften der Hebräer durchgehends südlich wohnende Völkerschaften. Diese Thatsache, daſs das erste zivilisierte Volk mit geordneter Staatseinrichtung an dem unteren Laufe des Euphrat ansäſsig und seine Abstammung noch den Semiten fremd war, wird auch durch die Thatsachen bestätigt, welche die zahlreichen assy - rischen Inschriften auf Ziegeln und Steintafeln enthüllt haben. Aus diesen geht hervor, daſs, ehe die Semiten die Herrschaft des Landes gewannen, im untern Euphratgebiete ein Volk ansäſsig war, welches bereits neben mancherlei technischen Kenntnissen mit der Schrift be - kannt war. Dieses Volk war nicht semitischer Abstammung, sondern gehörte einer andern Völkerfamilie, wie einige meinen, der turanischen (altaischen) an. Die Zeit der Selbständigkeit dieses Volkes geht über 2500 v. Chr. hinaus und mag wohl bis zum Jahre 3000 v. Chr. hinauf - reichen. Die Semiten wanderten wahrscheinlich von Süden her, aus Arabien, in das Euphratland ein, sie lernten die Schrift und mancherlei Künste von den Eingeborenen, die sie nach und nach absorbierten, doch nicht so vollständig, daſs sich nicht nach Jahrtausenden noch Reste der alten Sprache erhalten hätten. Besonders scheinen sich im Gebiete von Susa auch in späterer Zeit noch Volksgemeinschaften dieser Ur - bewohner erhalten zu haben, indem die in Susa aufgefundenen In - schriften diesem turanischen Volke angehören. Aber auch in dem übrigen Reiche war ihre Sprache nicht gänzlich verschwunden, was daraus hervorgeht, daſs noch in den späteren assyrischen Inschriften die Monatsbezeichnungen neben einander in assyrischer, babylonischer und turanischer (akkadische) Sprache angeführt werden. Semiten aus Arabien eroberten nach und nach das untere Stromland und gründeten Städte und Königreiche, die sich unter einander bekämpf - ten. Die ältesten dieser Königsstädte, welche die alten Inschriften wie die Bibel anführen, waren Arak, Ur und Nipur. Daneben werden107Die Semiten.genannt die Gebiete oder Völker der Akkad und Sumir. Auf der Ostseite des untern Euphrat entstand in derselben Periode das Reich Elam. Mancherlei Namen alter Könige, über deren Gleichzeitigkeit oder Aufeinanderfolge nichts bekannt ist, werden in den alten Keilschriften aufgeführt. Einer der ältesten davon war wohl Bin-gasit, König von Arak, Erbauer des Bit-Anna, d. h. der Tempel der Nana, der im Jahre 2280 v. Chr. von den Elamiten geplündert wurde. Ein mächtiger König in Südbabylonien war Uruk, der den Tempel und die Festung Ur dem Mondgott Sin zu Ehren erbaute. Derselbe Herrscher erbaute Tempel zu Arak, Nipur (Niffer) und Senkereh. Uruks Sohn, Dungi, vollendete den groſsen Tempel zu Ur. Von diesem Könige ist ein Gewichtsstein in Form einer Ente erhalten mit der Inschrift 10 Minen Dungis .

Inzwischen erhob sich das alte Reich der Elamiten auf dem linken Ufer des untern Euphrat zu immer gröſserer Macht. Sie dehnten ihr Reich auch auf das andere Euphratufer aus und brachten ganz Süd - babylonien in Abhängigkeit. Eine Inschrift Assurbanipals berichtet, daſs König Kudur-Nanchundi von Elam die Akkad unterdrückt, ihre Tempel zerstört und das heilige Bild der Göttin Nana von Arak (hebräisch Erech, griechisch Orchoe, heute Varka) entführt habe. Assur - banipal rühmt sich, daſs er 1635 Jahre später das Reich der Elamiten vernichtet und das alte Götterbild wieder zurückgeführt habe. Dem - nach geschah die Eroberung Araks im Jahre 2280 v. Chr. Die gröſste Ausdehnung erlangt das Reich Elam unter Kudur-Langamer (Kedor Laomer der Bibel), der seine Herrschaft siegreich bis zum Jordan aus - breitete (um 2100 v. Chr.). So wurde Elam das erste groſse Reich unter semitischer Herrschaft in den Euphratländern, und deshalb wird Elam in der heiligen Schrift der älteste Sohn Sems genannt, Assur der zweite, Arpsachad aber, von dem die Hebräer ihre Abstammung ableiteten, erst der dritte. Ein Nachfolger des Kudur-Langamer war Kudur-Mabut, von dem wir aus Inschriften wissen, daſs er in der Stadt Ur einen Tempel dem Mondgotte weihte, und daſs sein Sohn Rim-Aku einen groſsen Turm in derselben Stadt erbaute. Eine Bronzestatue, die in der Nähe von Bagdad aufgefunden wurde, enthält die Namen dieser beiden Könige eingeschrieben. Der mächtige Turm von Ur schützte indes Rim-Aku nicht vor schwerer Niederlage. Ein mächtiger Gegner war ihm im Norden erstanden (1976 v. Chr.) in Hammurabi von Agane, dem Gründer des alten babylonischen Reiches. Er schlug den Herrscher von Elam und entriſs ihm die wahrscheinlich turanischen Völkerschaften der Sumir und Akkad, d. h. das südliche Mesopotamien. Werden schon in den Überlieferungen über die alten Herrscher des Südens108Die Semiten.zahlreiche und groſsartige Bauten und alte Götterbilder erwähnt, sehen wir, daſs bereits ein geordnetes Gewichtsystem existierte, ja, daſs sogar eine Bronzestatue aus der Zeit um 2000 v. Chr. aufgefunden worden ist, so muſs eine entwickelte Technik in dem südlichen Euphratgebiete im dritten Jahrtausend vor Christi bereits vorhanden gewesen sein.

Die Bauthätigkeit entfaltet sich groſsartiger unter der Herrschaft des alten Babylon. Von Hammurabi wird namentlich berichtet, daſs er einen groſsen Kanal, den Nahar-Hammurabi , erbaute, der den Ländern der Akkad und Sumir reichliches Wasser zuführte; an der Mündung des Kanals baute er eine starke Festung mit Türmen so hoch wie Berge .

Die ältere Geschichte des babylonischen Reiches ist lückenhaft und noch vielfach in Dunkel gehüllt. Es genügt zu erwähnen, daſs im fünfzehnten Jahrhundert im Nord-Osten am oberen Tigris Assyrien sich zu selbständiger Macht erhob, daſs Babylon mit diesem bald in Kriege verwickelt wurde, die unaufhörlich mit wechselndem Glück bis zum Jahre 850 v. Chr. fortgeführt wurden, in welchem Jahre Babylon durch den siegreichen Salmanassar II. in Abhängigkeit gebracht wurde.

Dagegen verdient die Geschichte Assyriens, die durch die merk - würdigen Entdeckungen von Botta, Layard und Anderen, sowie durch die Entzifferung der Keilschriften durch Rowlinson und seine Nach - folger in den letzten 40 Jahren erst enthüllt worden ist, eine kurze Betrachtung. Als Sagen erkennen wir jetzt die bekannten Erzählungen von Ninus und Semiramis, die uns Diodor aus den älteren Schriften des Ktesias und Klytarch überliefert hat und die ihren Ursprung in medopersischen Märchen und Gesängen haben. Die Geschichte des Ninus und der Semiramis ist ein poetisches Gewebe aus mythologischen und historischen Reminiszenzen. Bemerkenswert bleibt immerhin, daſs auch in diesen Überlieferungen die Bauthätigkeit der beiden Herrscher, von denen Ninus als Gründer von Niniveh, Semiramis, die gewaltigere, als Gründerin Babylons gefeiert wird und der viele Bauten zugeschrieben werden, deren Ursprung in späterer historischer Zeit sich jetzt erweisen läſst, eine so groſse Rolle spielt. Wie Ninus durch die spätere Sage der Bau der Stadt Niniveh zugeschrieben wird, die nach Diodor ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien Breite, 480 Stadien Umfang bildete, und mit Umfassungsmauern von 100 Fuſs Höhe und einem Wallgang für drei doppelspännige Wagen, unterbrochen von 1500 Türmen von je 200 Fuſs Höhe, umgeben war, so wird der gewaltigen Semiramis mit der Gründung der Stadt Babylon, der Bau der riesigen Umfassungsmauern, der zwei Königsburgen, der109Die Semiten.Brücke über den Euphrat, des Tempels des Balos, der Seeen zur Ableitung des Euphrat, sowie der wunderbaren Königsstraſsen zu - geschrieben: erwiesenermaſsen Schöpfungen sehr verschiedener Jahr - hunderte. Was wir hauptsächlich durch Entzifferung von Keilschriften jetzt über die Geschichte Assyriens wissen, ist kurz Folgendes: Um 1800 v. Chr. bestanden schon die bescheidenen Anfänge der selbst - ständigen Herrschaft von Assur. In den Tributlisten des ägyptischen Königs Thutmosis III. wird erwähnt, daſs Assur Blaustein und Baum - stämme zu liefern hatte. Unzweifelhaft war die Stadt Assur die älteste Hauptstadt des Landes, die dem Nationalgott und dem Volke den Namen gab. Sie wurde indes schon früh von der jüngeren Schwester - stadt Niniveh, die später die dauernde Residenz der mächtigen assy - rischen Herrscher wurde, überflügelt. Von Salmanassar I. wissen wir, daſs er Kalah (Nimrud) um 1300 v. Chr. gründete, sowie den zerstörten Tempel der Istar in Niniveh wieder aufbaute. Genaueres erfahren wir indessen erst von der Herrschaft Tiglath Pilesar I. (1130 bis 1100 v. Chr.). In den Ecken des Tempels des Bin zu Assur fanden sich Thonzilinder, welche die Thaten der ersten fünf Jahre seiner Regierung erzählen. Er war, wie alle seine Nachfolger, ein kriegerischer Fürst, der in fast ununterbrochenem Kampfe mit den Nachbarvölkern stand. Die Lage Assyriens am Fuſse des Hochgebirges, als Ausfallspforte nach der Ebene, bedingte diese ewigen Kämpfe. Im Norden und Osten suchten die zahlreichen, aber meist uneinigen kriegerischen Stämme nach der reichen Ebene hinzudrängen. Diese muſste Assur zurückhalten, wollte er selbst die lockende Herrschaft des Tieflandes und der gewinnverheiſsenden Handelsstraſsen nach Westen sich erhalten. Dies ist auch der Grund - charakter der unzähligen Kämpfe der assyrischen Herrscher: einer - seits Abwehr der kriegerischen Bergvölker, andererseits Beute und Eroberungskriege nach Westen und Süden, besonders gegen Syrien und Babylonien. Es waren ihre eigenen Stammverwandten, gegen die sie die wichtigsten Feldzüge unternahmen. Denn die Assyrier waren wie diese Chaldäer und den Babyloniern nahe verwandt. Sie hatten dieselbe Religion, nur ihr Nationalgott Assur stand dem Bel Baby - loniens feindlich gegenüber. Ihre Sprache war nur dialektlich ver - schieden. Kleidung, Bewaffnung, Sitten und Gebräuche waren durch - aus ähnlich.

Nach dieser Überlieferung tritt wieder eine Lücke in der Geschichte Assyriens ein. Erst von der Zeit Assurbanipals (um 880 v. Chr.) an flieſsen die Quellen reichlicher. Er führte siegreiche Kriege gegen die Bergvölker sowie gegen die Syrier, und erzwang selbst von den Handels -110Die Semiten.städten Phöniziens Tribut. Seine Tributlisten sind von besonderem Interesse. 881 besiegte er die Moscher im Norden und erhob von ihnen Tribut an Eisen, sowie an Ochsen, Schafen und Ziegen. Von den Fürsten des Landes Narini, zwischen dem Zab und dem oberen Tigris, empfing er Gold und Silberbarren, Eisen, Schafe und Ochsen als Tribut. 876 erhebt er in den Gebieten Bit-Bakhian und Bit-Adin in der Nachbarschaft des reichen Karchemis einen Tribut von 20 Talenten Silber und 100 Talenten Eisen. Er war der erste assyrische Herrscher, der mit seinen geübten Kriegsscharen bis zum Mittelländischen Meere vordrang. Die Fürsten von Tyrus (Surru), Sydon (Sjidunu), Byblos (Gubli) und die Stadt Arados (Arvada), welche mitten im Meere liegt, zahlten Tribut Barren von Silber, Gold und Blei und umfaſsten meine Knie . Er lieſs am Libanon Cedern und Fichten für die Tempel seiner Götter fällen. In seiner Residenz zu Niniveh führte er gewal - tige Bauten aus. Die Inschriften in dem sogenannten Nordwestpalast zu Nimrud erzählen, daſs Aſsurnasipal die Stadt, die heruntergekommen war, von Grund auf neu erbaute, und daſs er einen Kanal vom oberen Zab abgeleitet hat, den er Pati-kanik nannte. Den Göttern Adar, Belit, Sin und Bin habe er Tempel erbaut. Ein Bild des Adar habe er anfertigen lassen und ihn zu seiner groſsen Gottheit in der Stadt Kalah erhoben. Er erbaute sich einen groſsen Palast von 360 Fuſs Länge und 300 Fuſs Breite. Zwei groſse Thorwege, die von geflügelten Löwen mit bärtigen Männerköpfen, Bildnissen des Gottes Nergal, be - wacht waren, führten von Norden her in eine Halle, die 154 Fuſs lang und 34 Fuſs breit war. Am Ende dieser Halle öffnete sich ein breites Thor, an dem zwei geflügelte, menschenköpfige Stiere aus gelbem Kalk - stein gehauen als Wächter standen. Dieses führte in einen Saal von 100 Fuſs Länge und 25 Fuſs Breite, an welchen sich zu beiden Seiten kleinere Säle anschlossen. Die Höhe dieser Räume betrug im Innern 16 bis 18 Fuſs. Bis zu einer Höhe von 10 bis 12 Fuſs waren die Wände mit dunkelfarbigen Alabasterplatten bekleidet, auf welchen in der nördlichen Halle die Thaten Assurnasipals in Reliefs verzeichnet waren, während die Wände des Saales mit kolossalen Figuren und Adlerköpfen geschmückt sind. Die Mauern über diesen waren mit glasierten Thon - platten oder gemalten Arabesken bekleidet. Neben den Trümmern des Palastes fand man die Steinbildsäule des Königs auf einfachem, viereckigem Sockel, in ernster ruhiger Haltung mit langem Gewand, ohne Kopfbedeckung mit langen Haaren, starkem Bart, ein Sichelschwert in der Rechten, einen kurzen Stab (Zepter) in der Linken. Auf seiner Brust fand sich folgende Keilinschrift: Assurbanipal, der mächtige111Die Semiten.König, der König der Völker, der König von Assur, der Sohn Tiglath Adars, Königs von Assur, des Sohnes Binnirars, Königs von Assur, Er - oberer vom Tigris bis zum Lande Labuana (Libanon). Bis zum groſsen Meer unterwarf er seiner Herrschaft alle Länder vom Aufgang zum Niedergange der Sonne1)Siehe Menant, S. 67.. Ihm folgte sein Sohn Salmanassar II., nicht minder siegreich in zahllosen Kriegen. Er unternahm vier Feldzüge gegen Syrien und es gelang ihm nach langen Kämpfen, die Fürsten Syriens, Phöniziens und Israels zinspflichtig zu machen.

Er führte den ersten siegreichen Feldzug gegen Babylon unter dessen König Marduk-Belusati und etablierte damit die Suprematie Assurs in Mesopotamien. Aus den Inschriften seines Palastes, des so - genannten Centralpalastes von Nimrud (Kalah), erfahren wir unter anderem, daſs er im Jahre 837 v. Chr. einen Feldzug gegen das nörd - lich gelegene Land Tabal (das Land der Tibarener) unternahm, bis zu ihren Bergwerken vordrang und 24 ihrer Fürsten Tribut auferlegte. Die Tributlisten Salmanassars II. sind überhaupt von groſsem Interesse. In dem genannten Palast fand sich ein Obelisk von schwarzem Basalt, auf welchem sich fünf Reliefdarstellungen von Tributzahlungen besieg - ter Völker befinden mit erklärenden Keilinschriften. Auf der ersten findet sich die Unterwerfung des Landes Israel mit der darunter stehenden Inschrift: Tribut von Jahua (Jehu), Sohnes des Chumri (Omri): Goldbarren, Silberbarren, goldene Schalen, goldene Ketten, goldene Becher, goldene Schöpfgefäſse, Blei, Speere. Dieses empfing ich2)Siehe Schraders Keilinschriften und altes Testament, S. 105.! Das zweite Bild erwähnt als Tribut des Landes Kirza Gold, Silber, Kupfer, Blei, Stäbe, Pferde und Kameele mit doppeltem Rücken . Als Tribut Marduk-Palassars, vom Lande Sukhi, d. h. Babylonien, wird aufgezählt: Silber, Gold, goldene Eimer, Stäbe, Amsihörner (Elfenbein), Burmigewänder und Stoffe. Das fünfte Relief zeigt die Tributleistung des Königs Garapunda vom Lande Patinai, bestehend in Silber, Gold, Blei, Kupfer, Gegenstände aus Kupfer, Amsihörner, hartes Holz. Sal - manassar II. kämpfte auch zuerst siegreich gegen die Meder. Ver - schiedene Könige folgten, unter denen wir nur Bin-nirarr (von 810 bis 781 v. Chr.) deshalb erwähnen wollen, weil uns von ihm eine interessante Keilinschrift, die sich auf einen siegreichen Feldzug in Syrien und eine groſsartige Brandschatzung der reichen Stadt Damaskus bezieht, er - halten ist; sie lautet:

Auch gegen das Land Imirisu (das Reich vor Damaskus) zog ich, gegen Mariah, den König vom Lande Imirisu. In Damaskus, der Haupt -112Die Semiten.stadt seines Königtums, schloſs ich wahrlich ihn ein. Gewaltiger Schrecken Assurs überfiel ihn, meine Knie umfaſste er, er unterwarf sich. 2300 Talente Silber, 20 Talente Gold, 3000 Talente Kupfer, 5000 Talente Eisen, Gewänder, geschnitzte Bilder, seine Reichtümer, seine Schätze ohne Zahl nahm ich in Damaskus, seiner Residenz, in - mitten seines Palastes in Empfang1)Schrader, Keilinschriften etc. S. 111, 112.. Ferner ragt Tiglath Pilesar II., (wahrscheinlich König Phul der Bibel), durch seine Kriege und Siege hervor. Er unterwarf Babylonien und das südliche Euphratgebiet bis zum Persischen Meerbusen. Ebenso Syrien und Israel bis zu den Gren - zen von Omri (Judäa). Er hatte seine Residenz im Zentralpalast von Nimrud. Nach dem Tode seines Sohnes Salmanassar IV. (722 v. Chr.) folgte Sargon, einer der thatkräftigsten Könige Assyriens. Er zwang wiederholt die Fürsten Arabiens und die Pharaonen Ägyptens zum Tribut. Als solcher wird genannt: Gold, Kräuter (Arome), Pferde und Kameele, und ein andermal: Kraut des Ostens (Indiens) ver - schiedener Art, Metalle, Pferde und Kameele. Jatnan, d. h. die Insel Cypern, huldigte ihm freiwillig und schickte Geschenke: Gold, Silber, Gefäſse, die Produkte ihres Landes . Der mächtige König baute sich zu Niniveh einen neuen groſsartigen Palast, den er Dur-Sarrukin, d. h. die Feste Sargons nannte; es ist dies der Palast zu Khorsabad. Die Fundamente waren aus Bruchsteinen, die Umfassungsmauern 45 Fuſs dick und von auſsen mit groſsen Bruchsteinen bekleidet. Zahlreiche Inschriften im Innern rühmen die Thaten Sargons. In den Fundamenten des Palastes fand sich ein Steinkasten, in welchem sieben Platten von Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei, Alabaster und Marmor lagen, bedeckt mit Inschriften, aus denen unter anderem hervorgeht, daſs der Palast in den Jahren 712 bis 706 v. Chr. erbaut wurde. Auf der Goldplatte steht: Palast Sarrukins, Statthalter Bels, Patis des Assur, des mächtigen Königs, Königs der Völker, Königs von Assur, der vom Aufgang bis zum Niedergang über die vier Weltgegenden herrscht und ihnen Statt - halter setzte. Nach meinem Willen habe ich in der Nachbarschaft der Berge eine Stadt erbaut und ihr den Namen Feste Sarrukin gegeben. Dem Salman, dem Sim, dem Samas, dem Bin und dem Adar habe ich inmitten der Stadt Wohnungen ihrer groſsen Gottheit erbaut. Den Ruhm meines Namens habe ich auf Tafeln von Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zinn, Alabaster und Marmor geschrieben und in die Fundamente des Palastes gelegt. Wer die Werke meiner Hände beschädigt und meinen Schatz beraubt, dessen Namen und Samen vernichte Assur, der hohe Herr.

113Die Semiten.

Aus einer anderen Inschrift erfahren wir, daſs die Stadt Karchemis im Jahre 717 v. Chr. 11 Talente Gold, 2100 Talente und 24 Minen Silber entrichten muſste, die in das Schatzhaus nach Kalah kamen. Sargon der Siegreiche wurde im Jahre 705 ermordet, ein Schicksal, welches viele seiner Nachfolger traf. Ihm folgte sein Sohn Sanherib in der Herrschaft nach. Dieser, der gleichfalls zahllose Kriege führte, und unter anderen im Jahre 694 Babylon einnahm und zerstörte, suchte seinen Vater durch den Glanz und die Groſsartigkeit seiner Bauten noch zu übertreffen. Er erbaute sich eine Burg, noch gröſser als die seines Vaters, den Palast von Kujundschick, den ausgedehntesten, den wir kennen. Die groſse Halle desſelben ist 180 Fuſs lang und 40 Fuſs breit, die Hauptgallerie 218 Fuſs lang und 25 Fuſs breit. 70 ver - schiedene Gemächer sind aufgedeckt worden. Von den Abbildungen im Innern sind besonders diejenigen von Interesse, welche die Bau - thätigkeit selbst zum Vorwurf haben. Da sehen wir, wie groſse be - hauene Steinblöcke mittels Flöſsen, welche zum Teil durch mit Luft gefüllte Säcke getragen sind, auf dem Tigris herbeigeschafft werden. Mancherlei Hantierungen sind abgebildet: Die Herstellung der Ziegel, das Landen der groſsen Steinblöcke u. s. w. Auf einem Relief erblickt man, wie das Steinbild eines Löwen, aufrecht stehend, von hölzernen Gerüsten umgeben, welches von einer groſsen Zahl von Arbeitern mittels Stricken und gabelförmigen Stangen im Gleichgewicht gehalten ist, fortgezogen wird. Der Löwe ruht auf einer Schleife, die ruckweise bewegt wird, während das hintere Ende der Schleife durch einen auf Keile gelegten Hebebaum gelüftet wird. Der Aufseher steht zwischen den Vorderfüſsen des Kolosses und kommandiert durch Handbewegungen die Arbeiter, während der König von seinem Wagen aus dem Schau - spiel zusieht. Inschriften erzählen, daſs er auſser dem Palast, dem Nebo und dem Merodach Tempel in Niniveh gebaut habe, daſs er die Stadt erneut und glänzend gemacht habe, wie die Sonne.

Dem Sanherib folgte im Jahre 668 Assarhaddar, dessen Herrschaft nicht minder ruhmvoll war. Unter seinen vielen Feldzügen erwähnen wir seinen Sieg über die Meder. Seine Fürsten brachten mir nach meiner Hauptstadt Niniveh ihre groſsen Tiere, Kupfer, das Produkt seiner Minen und flehten um Gnade. 679 schlug er den König Ab - dimilkut von Sidon, eroberte und zerstörte die Stadt. Seine Besitz - tümer, Gold, Silber und Edelsteine, den Schatz seines Palastes, sein ganzes unzählbares Volk, Ochsen, Schafe und Esel führte ich fort nach Assyrien. Er erweiterte den Palast des Sanherib, wozu ihm die Könige von Cypern Material und Schmuck durch Lieferungen und alsBeck, Geschichte des Eisens. 8114Die Semiten.Tribut herbeischafften. Sein glänzendster Feldzug war der gegen Ägypten, dessen nördliche Provinzen er eroberte. Er setzte Statthalter ein. Dem bekannten Necho übergab er das wichtigste Gebiet von Memphis und Sais. Unter ihm macht sich schon deutlich ägyptischer Kunsteinfluſs bemerkbar.

668 v. Chr. folgte sein Sohn Assurbanipal, der letzte der glänzen - den Herrscher Assyriens. Auch er führte viele ruhmvolle Kriege. Zu - erst gegen Ägypten, wo er bis Theben vordrang, welche Stadt er ein - nahm und brandschatzte. Gyges von Lydien huldigte ihm freiwillig. Er eroberte Susa und vernichtete die Herrschaft Elams. 32 Bilder der Könige Elams von Silber, Gold, Erz und Stein führte er mit sich fort und stellte sie in seinem Palast zu Kujundschik auf. Assur stand auf dem Gipfel seiner Macht. Da wendete sich das Glück. Dieser Um - schwung scheint durch den Einfall eines wilden skythischen Volkes, der Saken, herbeigeführt worden zu sein. Das ganze Reich ging aus den Fugen. Die unterdrückten Völker erhoben sich und fielen ab, und wenn auch Assurbanipal, der 626 v. Chr. starb, das schreckliche Ende nicht selbst erlebte, so war es doch nur 19 Jahre nach seinem Tode, daſs Niniveh, wie überliefert wird, von den Medern unter Kyaxares ein - genommen und gänzlich zerstört wurde, so daſs sein Name selbst von der Zeit an aus der Geschichte verschwunden ist. Keinen jäheren und schrecklicheren Sturz hat je ein so mächtiges Reich erlebt.

Die Herrschaft Mesopotamiens ging an Babylon über, dessen Statt - halter Nabopolassar schon 620 in Verbindung mit dem Meder Kyaxares das assyrische Joch abgeschüttelt und sich zum Herrscher des Euphrat - landes aufgeworfen hatte. Seinen Nachfolgern gelang es zum Teil wieder, die Trümmer des assyrischen Reiches unter ihrer Herrschaft zu vereinigen. Der glänzendste der babylonischen Könige war Nabo - polassars Sohn Nebukadnezar, der von 605 bis 561 regierte, der beson - ders bekannt ist durch die Zerstörung Jerusalems und die Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft. Weit bewunderungs - würdiger als seine Kriegsthaten erscheint Nebukadnezar durch seine groſsartigen und nützlichen Bauten. Namentlich that er Groſses für die Kanalisation des Euphratlandes. Er erbaute den groſsen Kanal Nahr-Marka, d. h. der Königsgraben, von dem er ein höchst kunstvolles System von Bewässerungsgräben ableitete. Zur Regulierung legte er ein kolossales Becken bei Syppara an, eine Nachahmung des Seees von Möris, das 10 Meilen im Umfang hatte und 35 Fuſs tief war. Ver - schiedene Schiffbrücken, sowie die stehende Brücke bei Babylon waren sein Werk. Er stellte die Handelsstraſsen wieder her und gründete115Die Semiten.Kolonieen und Häfen, so namentlich die Stadt Gerrha am persischen Meerbusen und Teredon am Ausfluſs des Euphrat, wodurch er einen kürzeren Handelsweg nach Indien schuf und hierdurch den Phöniziern viel Eintrag that. In Babylon machte er herrliche Parkanlagen, das Para - dies des Nebukadnezar, bekannt als die hängenden Gärten der Semiramis. Am groſsartigsten aber waren die Befestigungsbauten Nebukadnezars. Gegen Medien legte er eine lange Verteidigungslinie, die sogenannte medische Mauer an, die nördlich von Sippara sich an den Euphrat anschloſs. Babylon umgab er mit einer festen Mauer, die nach Hero - dots Beschreibung 50 babylonische Ellen stark und 200 Ellen hoch war. In dieser Mauer waren hundert Thore, sämtlich von Erz und mit eisernen Pfosten. Nebukadnezar starb 561.

Auch diese letzte Blüte semitischer Groſsmacht war nur von kurzer Dauer. Die schwachen Nachfolger des groſsen Nebukadnezars konnten sein Reich gegen den Andrang der jugendlichen medo-persi - schen Macht nicht behaupten. Das stolze Babel fiel vor dem siegreichen Cyrus nur 25 Jahre nach Nebukadnezars Tod. Die semitische Macht über Asien war für Jahrtausende vernichtet. Die arische Rasse trat die reiche Erbschaft an.

Wir haben uns etwas weitläufig über die alte Geschichte Assyriens und Babyloniens verbreitet, weil die dargestellten Thatsachen zum groſsen Teil erst durch neuere Forschungen ans Licht gekommen sind. Aus dem Mitgeteilten geht bereits hervor, daſs Assyrien auf keiner ge - ringen Stufe technischer Bildung gestanden haben muſs. Vor allem haben wir schon angedeutet, wie jeder der kräftigen Herrscher Assyriens seine Herrschaft durch gewaltige Bauten zu schmücken und zu ver - ewigen sucht. Schon bei den alten Völkern Mesopotamiens wird über groſsartige Bauwerke berichtet. Um 2300 v. Chr. errichteten Fürsten von Erech Tempel, die sie mit Bildern der Götter schmückten. Die Trümmer von Ur sind aufgefunden, der ältesten chaldäischen Stadt, die wir kennen. Dort liegen auch die Trümmer des berühmten Tempels des Sonnengottes. Die Stempel auf den Ziegeln des Unterbaues be - weisen das, sie lauten: Uruk, König von Ur, hat dem Gotte Sin diesen Tempel errichtet.

Hammurabi und alle seine Nachfolger verherrlichten ihren Ruhm durch mächtige Bauten in Babylon, während die gewaltigen Fürsten in Assyrien nicht zurückstanden und Niniveh mit riesigen Palastbauten erfüllten. Die Trümmer dieser Bauwerke, die lange verschüttet lagen und von den muhamedanischen Bewohnern als Werke der bösen Geister mit abergläubischer Furcht gemieden wurden, sind reiche Fundstätten8*116Die Semiten.für die neuere Geschichtsforschung geworden und werden mit ihrem Reichtum an Inschriften und beschriebenen Thoncylindern noch lange eine ergiebige Quelle unserer Erkenntnis werden. Es ist deshalb wohl angezeigt, die Namen der Männer nicht unerwähnt zu lassen, denen wir die Aufschlieſsung dieser Archive einer längst vergangenen Zeit verdanken. Von älteren Reisenden, die nur die Existenz der Trümmer - stätte uns bezeugt haben, wie Benjamin von Tudela, Marco Polo und Anderen, können wir absehen. Der erste, der den richtigen Weg ein - schlug und es unternahm selbständige Ausgrabungen vorzunehmen war Rich, der viele Jahre lang als britischer Resident in Bagdad zu - brachte und zwei Abhandlungen über die Ruinen von Babylon schrieb, deren erste in den von Hammer-Purgstall in Wien herausgegebenen Fundgruben des Orients im Jahre 1811 in Wien erschien. Richs Mit - teilungen bildeten lange fast die einzige Quelle unserer Kenntnisse über das alte Babylon. Überhaupt trat nach Rich wieder eine Pause in den Ausgrabungen ein, bis im Jahre 1843 Botta die Stellung eines französischen Konsuls in Mosul übernahm. Mosul liegt am Tigris gegenüber einer vergrabenen Trümmerstadt, die im Munde des Volkes die Stadt von drei Tagereisen hieſs und deren höchster Punkt als das Grab des Propheten Jonas bezeichnet wurde. Hier lag das einst so herrliche, seit Jahrtausenden vergessene Niniveh begraben. Botta begann hier seine Ausgrabungen, erst mit beschränkten Mitteln und geringem Erfolg. Aber er ermüdete nicht, und wenn er zaghaft wurde, feuerte ihn sein Freund Layard, mit dem er in brieflichem Verkehr stand und der bereits 1840 in Mosul gewesen war und da die ersten Eindrücke, die ihn später in seinen denkwürdigen Arbeiten begeisterten, empfing, zu neuen Unternehmungen an. Die ersten entscheidenden Erfolge hatte er bei seinen Ausgrabungen in dem Hügel von Kuijundschik, welcher nichts anderes war als der Trümmerhaufen des gewaltigen Palastes des Königs Sanherib. Ebenso entdeckte er zu Khorsabad die Trümmer des einst so stolzen Palastes des Königs Sargon und hier hatten seine Aus - grabungen den gröſsten Erfolg. Die französische Regierung unterstützte Botta, nachdem sein erster Brief über seine Ausbeute vom 5. April 1843 bekannt geworden war, auf das freigebigste.

Die Erfolge Bottas lieſsen Henry Layard keine Ruhe. Es war der Hügel von Nimrud, der bei seinen wiederholten Besuchen von Mosul immer aufs neue sein Interesse auf sich gezogen hatte. Er war über - zeugt, und sprach es Freunden und Bekannten gegenüber oft und be - stimmt aus, daſs dort wichtige Aufschlüsse durch Ausgrabungen zu erwarten seien. Es gelang ihm denn auch endlich 1845, den ebenso117Die Semiten.geistvollen als reichen Sir Stratford-Canning für seine Idee dermaſsen zu interessieren, daſs er ihm in liberalster Weise die Mittel zu seinen ersten Ausgrabungen zur Verfügung stellte. Die Erfolge der Aus - grabungen im Hügel von Nimrud übertrafen alle Erwartungen. Drei groſsartige Paläste der Könige wurden nach und nach aufgedeckt, dar - unter der älteste unter den bekannten, die Burg des Aſsurnasipal, der sogenannte Nordwestpalast. Es würde zu weit führen, die Erfolge Layards zu verfolgen, wir widerstehen dieser Versuchung, so lockend sie ist. Layards Ausgrabungen waren epochemachend. Die reiche Ausbeute, seine sachlichen Erklärungen, die glücklichen Kombinationen erschlossen mit einemmal ein groſsartiges Geschichtsbild. Dazu kamen die Entdeckungen auf dem Gebiete der Sprachforschung. Grotefend hatte bereits zu Anfang des Jahrhunderts einen glücklichen Anfang zur Entzifferung der Keilschriften gemacht. Epochemachend aber wurde die Interpretation der Felseninschriften von Behistan durch Major Rowlinson, durch welche mit einemmal der Schlüssel zur Erklärung der Keilschrift gefunden war. Rowlinson, Lassen und Andere haben seit jener Zeit viele Tafeln und Cylinder übersetzt. Doch liegt den Assyrologen immer noch ein reiches Material zur Verarbeitung vor.

Unterziehen wir nun die Bauten der Babylonier und Assyrier einer nähern Betrachtung, so fällt zunächst eine groſse Übereinstimmung des Materials sowie des Styles in das Auge. Der Ziegelbau herrscht vor. Bruchsteine konnten in der babylonischen Ebene überhaupt nicht ge - brochen werden, aber auch nach Niniveh muſsten sie aus ziemlicher Entfernung herbeigeschafft werden. Deshalb waren die weitläufigen Bauten nicht entfernt imstande, den Einflüssen der Atmosphäre den Widerstand zu bieten, wie die von ausgelesenstem Material wie für die Ewigkeit gegründeten Bauten der Ägypter. Sie zerfielen oft schon nach wenig Generationen, so daſs es mehrfach vorkommt, daſs spätere Herrscher das bessere Material früherer Bauten für ihre eigenen Paläste wieder verwendeten, trotz des feierlichen Fluches, den die Erbauer ge - wissermaſsen in Vorahnung des Schicksals ihrer Bauten, stets über solchen Frevel durch eine Inschrift auszusprechen pflegten. Die Ziegel aus Lehm wurden meist nicht einmal gebrannt. Der Unterbau wurde allerdings gewöhnlich aus gebrannten Steinen, der Oberbau aus an der Sonne getrockneten Lehmsteinen ausgeführt. Ein treffliches Binde - mittel anstatt Mörtel bildete der Asphalt, der in groſsen Lagern im Thale des Euphrat gefunden ward. In den Tempeln und Palästen wurden dann die Ziegelwände mit Alabaster oder richtiger einem grauen Gipsstein oder mit Kalksteinplatten ausgekleidet, welche zum Teil118Die Semiten.aus weiter Ferne herbeigeführt werden muſsten. Diese Platten waren, ähnlich den Steinwänden ägyptischer Bauten, mit Skulpturen bedeckt, welche in kräftigen Konturen teils stereotype Götter und Königsbilder, teils Thaten der Herrscher im Krieg und auf der Jagd wiedergaben. Ein anderes Material der Bekleidung, welches namentlich zur Dekoration der Auſsenwände gern verwendet wurde, waren glasierte, farbige Ziegel. Die Verwendung der Metalle zu gleichem Zweck berühren wir später. Das Material bedingte den Styl. Die geringe Festigkeit verlangte bei den hohen Bauten kolossale Grundmauern, auf welche dann die oberen Stockwerke in Absätzen aufgesetzt wurden. Eigentlicher Gewölbe bediente man sich nicht, nur kamen bei besserem Material Überkragungen vor, die bei schmalen Räumen einen Schluſs bilden, der an gotische Spitzbogen erinnert. Die Decken wurden aber meist aus Holzbalken hergestellt, die einfach auf den Stützmauern auflagen; die Grundform der Gebäude war durchgehend rechtwinklig und erscheinen die Stock - werke wie aufeinandergelegte Bauklötze von abnehmender Gröſse. Die Aufgänge waren durchgängig von auſsen. So typisch der Aufbau, so typisch erscheint auch die Zerstörung. Sobald die Holzdecke durch Feuer zerstört wurde, zerbröckelten die dicken Mauern, fielen in sich zusammen, die Kammern mit ihrem Schutt füllend, der ihren Inhalt be - grub. Das so zerstörte Material war wertlos und dies sowohl, als die dicke Schicht, die den Raum erfüllte, waren Ursache, daſs verhältnis - mäſsig so wenig Nachgrabungen von den späteren Bewohnern des Landes gemacht wurden und diese erst durch das wissenschaftliche Interesse unseres Jahrhunderts veranlaſst wurden. Auſser den Gips - und Kalk - platten, welche die Wände bekleiden, sind die Bauten mit groſsen Steinfiguren geschmückt, meist aus demselben Material, doch finden sich auch groſsartige viereckige Denksteine, ähnlich Obelisken, oder Altarsteine aus sehr hartem Basalt, die dann mit besonders wichtigen Keilinschriften bedeckt sind. Über die Gröſse und den Umfang der Königsbauten in Niniveh haben wir bereits bei den historischen Be - trachtungen Zahlen mitgeteilt.

Im Festungsbau leisteten die Herrscher Babyloniens und Ninivehs Gewaltiges. Da die Ebenen, in der die reichen Städte lagen, keinen natürlichen Schutz gewährten, so muſste er künstlich geschaffen wer - den. Das geschah durch Mauern und Thürme von riesiger Stärke und Höhe. Kein Volk des Altertums hat auch nur entfernt so umfang - reiche Befestigungsbauten aufzuweisen, wie sie Babylon und Niniveh besaſsen. Die Schutzmauer Babylons war acht deutsche Meilen lang. Fast noch bewundernswerter waren die Kanalbauten, von deren119Die Semiten.Wichtigkeit für den Wohlstand und die Sicherheit des Landes die alten chaldäischen Könige so durchdrungen waren, daſs sie in Auf - zählung ihrer Groſsthaten die Kanäle, die sie erbaut haben, immer ganz besonders hervorhoben. Dadurch war aber auch das ganze Euphrat - und Tigrisgebiet, welches jetzt zum gröſsten Teil Wüste ist, ein blühender Garten, dessen Anmut und Reichtum alle Schriftsteller des Altertums, die es kannten, überschwenglich preisen.

Schon Hammurabi rühmt sich, dem Lande Sumir und Akkad Wasser durch Kanäle zugeführt zu haben. Er legte auch viele Re - servoirs und Kanäle an, die sowohl dem Verkehr als der Bodenkultur dienten. Und seine Nachfolger überboten ihn in künstlichen Kanal - anlagen, in Quaibauten, Wassertunnels u. s. w. Es sind dies die Wasser - bäche Babylons, an denen die Juden ihre Gefangenschaft beweinten.

Zur Verteilung des Wassers in Gärten und Feldern dienten künst - liche Maschinen, Schöpfräder, die teils von Menschen, teils von Tieren gedreht wurden und die Gewässer in dem flachen Terrain von einem Niveau zum andern emporhoben.

Auch im Brückenbau leisteten bereits die Babylonier Bemerkens - wertes. Die sogenannte Brücke der Nikotris, welche aber, wie wir bereits erwähnt haben, ein Werk des Königs Nebukadnezars war, ver - band die beiden Königsburgen Babylons und soll nach dem Bericht des Ktesias eine Länge von 5 Radien (3000 Fuſs) gehabt haben. Steinpfeiler, die 12 Fuſs von einander abstanden, trugen den hölzernen Oberbau. Die Strompfeiler waren kunstvoll fundamentiert; um sie einbauen zu können, war der Strom während der Bauzeit abgeleitet worden. Sie bestanden aus groſsen Bruchsteinen, die mit eisernen Klammern, die eingebleit waren, zusammengehalten wurden. Der Holzbelag war 30 Fuſs breit und bestand aus Palmenstämmen und langen Balken von Zedern und Cypressen. Am Tage waren die Balkenaufzüge der Brücke nieder - gelassen, so daſs die Babylonier hinübergehen konnten, bei Nacht aber wurde sie aufgezogen1)Herodot I., 186 und Diodor 2, 8..

Es läſst sich von vornherein erwarten, daſs, wo uns eine so ent - wickelte Bauthätigkeit entgegentritt, auch die übrigen Zweige der Technik auf einer vorgeschrittenen Stufe gestanden haben müssen.

Dies wird uns sowohl durch die Überlieferung der alten Schrift - steller, durch erhaltene Inschriften, als auch durch die mannigfaltigen Reliefdarstellungen in den Palästen bestätigt. Vor allem standen die Bekleidungsgewerbe auf einer hohen Stufe. Das rauhere Klima be - dingte schon eine vollständigere Bekleidung als in Ägypten. Bei dem120Die Semiten.Reichtum und der Prachtliebe der Babylonier wählten sie dazu die kost - barsten Stoffe und die prachtvollsten Farben. Die Pracht der assyrisch - babylonischen Gewänder bestach auch die Augen fremder Völker, und sie wurden zu einem gesuchten Handelsartikel. Infolge hiervon ent - wickelte sich in den assyrischen Städten eine höchst kunstvolle und groſsartige Industrie der Bekleidung, welche die wichtigsten Ausfuhr - artikel für den babylonischen Handel lieferte. Ezechiel, der selbst im Euphratlande gelebt hat, sagte in seiner wichtigen Schilderung des tyrischen Handels (Ezechiel, 27, 23 etc., s. Movers, die Phönizer 2, 3, S. 258): Haran und Kanneh und Eden, die Händler Sabas, Assurs und Kilmad waren deine Handelschaft; sie handelten mit dir in Pracht -

Fig. 27.

röcken, in Mänteln von Hyazinthpurpur und Buntwirkerei und in den kost - barsten Fäden (von Seide) in Schnüren gewunden und fest auf deinem Markt.

Aus den Skulpturen der alten Königsstädte erkennt man gleichfalls die Pracht der Gewandung, mit der die assyrischen Reichen ihre Körper überluden (Fig. 27). Alle semitischen Völker nahmen die assyrische Tracht und die assyrischen Moden an, selbst die einfachen Israeliten; deshalb sagt Jesais (Jesaias 3, 16) im Zorn: Darum, daſs die Töchter Zions stolz sind und gehen mit aufgerichtetem Halse und geschminktem Angesicht, treten einher und haben köstliche Schuhe an ihren Füſsen: so wird der Herr ihre Scheitel kahl machen und an demselben Tage entrückt er den Schmuck der Fuſsspangen und die Netze und die kleinen Monde und die Ohrgehänge und die Schleier und die Kopf - binden und die Fuſsketten und die Gürtel und die Riechfläschchen und die Amulette und die Fingerringe und Nasenringe, die Mäntel und die Feierkleider, die Taschen und die Spiegel und die Flore und die Tur - bane und wird Stank für Wohlgeruch sein und ein loses Band für einen Gürtel und eine Glatze für ein gekraustes Haar und für einen weiten Mantel ein enger Sack; solches Alles für deine Schöne!

Die Kunstgewerbe, welchen diesem Luxus dienten, hatten ihren Hauptsitz in Babylon, welches Jahrhunderte hindurch dem Orient seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Meiste, was wir noch heute als121Die Semiten. orientalisch bezeichnen, fand sich dort schon damals in jenen ent - fernten Zeiten, wie aus obiger Schilderung hervorgeht. Kostbare Kleider, Zeugstoffe und Putzsachen gingen von Babylon nach allen Ländern der Welt. Babylonische Zeuge standen überall im höchsten Rufe, nicht nur wegen der Feinheit des Stoffes und Gewebes, sondern mehr noch wegen der eingewirkten und eingestickten farbigen Muster, wegen der kunstvollen Buntwirkerei. Die Stoffe waren feine Wolle, Leinewand und Byssus , wahrscheinlich ein Baumwollengewebe. Schon Semiramis war der Sage nach mit Byssusgewändern bekleidet. Zu der Bunt - wirkerei wurden besonders die phönizische Purpurseide und Goldfäden verwendet. Die Zeichnungen, die auf den Stoff eingewirkt wurden, stellten oft Wundertiere, Götterfiguren und Jagdszenen dar. Sie dien - ten im ganzen Altertum als Prachtgewänder zum Schmuck der Götter - bilder in den Tempeln, sowie zur Bekleidung der Fürsten und Edlen. Sie standen allezeit in hohem Werte. Ein Mantel von Sinear, d. i. Babylon, wird schon bei der Eroberung von Jericho als ein kostbares Beutestück aufgeführt. Bei Aristophanes beträgt der Preis eines babylonischen Wollkleides mit Buntwirkerei ein Talent (circa 4200 Mk.). Zu Catos Zeit galten die feinen triclinaria Babylonica, gewirkte Decken auf den Speisedivans, 800000 Sesterzien und Nero zahlte für eine einzige 4 Millionen1)Plinius, Hist. nat. 8, 74..

Neben der Weberei stand die Töpferei in Mesopotamien auf hoher Stufe. Der buntglasierten Ziegel haben wir bereits Erwähnung gethan. Die Anfertigung der Thoncylinder, in welche die Schrift eingegraben wurde, die statt dem Papieros dienten und die sich in groſser Zahl in den Palästen gefunden haben, sprechen auch für eine groſse Geschick - lichkeit in der Behandlung des Thones.

Eine Kunst, in der Babylon im ganzen Altertum voranstand, war die Anfertigung wohlriechender Salben. 25 der edelsten Arome Ara - biens und Indiens dienten zur Bereitung der feinsten Salbe, die Königssalbe genannt wurde. Kaum minder hochgeschätzt waren seine geschnittenen Edelsteine. Die Kunstschnitzerei blühte in Niniveh. Die Goldschmiedekunst, sowie die künstlerische Verarbeitung der Me - talle stand überhaupt in den Städten Mesopotamiens in hoher Blüte.

Die hochentwickelte Industrie hing aufs engste mit einem aus - gebreiteten Handel zusammen. Babylon und Niniveh bildeten den Knotenpunkt eines ausgedehnten Straſsennetzes, das ganz Westasien durchschnitt, südlich von Arabien und Ägypten, östlich bis nach Indien122Die Semiten.und West-China sich fortsetzte. Die Form des Verkehrs war die des Karawanenhandels, wie er noch heute in jenen Ländern betrieben wird. Er bewegte sich vornehmlich auf einigen Hauptstraſsen, die trotz aller politischen Umwälzungen dieselben blieben und heute noch zum Teil bestehen.

Die wichtigste Handelsstraſse von Osten her war die indische, die vom oberen Indus über den Paropamisus nach Baktria ging, von da folgte sie dem Nordrand der persischen Wüste und zog über Susa nach Babylon. In Baktrien vereinigte sich mit der indischen Straſse die serische oder Sesatenstraſse, die ostwärts über Sikkim nach China ging. Baktria und Marakanda (Samarkand) waren die ersten Stapelplätze indischer Waren nach Europa zu.

Nach Westen führten drei verschiedene Straſsen nach Phönizien und Ägypten. Die wichtigste dieser lief von Babylon auf der West - seite des Euphrat nordwärts bis Thipsach (Tapsacus), dem Knotenpunkt mehrerer der bedeutendsten Straſsen Westasiens. Hier mündete auch die Straſse von Niniveh, die anfangs dem Tigris nordwärts folgte, dann quer durch das nördliche Mesopotamien nach Haran ging, von wo sie direkt nach Thipsach führte. Von Thipsach wandte sich die Straſse westlich nach Ribla (II. Könige, 23, 33), von da über Hamath am Oron - tes nach Damaskus, wo sie sich teilte, indem ein Arm nach Tyrus lief und von da auf der Westseite des Jordans nach Ägypten ging, während die direkte Straſse nach Ägypten von Damaskus auf der Ostseite des Jordans durch das Gebiet der Ammoniter und Moabiter zog; dies war die Königsstraſse der alten Israeliten. Dieser älteste Karawanen - weg war der weitere, aber der bequemste und sicherste. Kürzer, jedoch beschwerlicher, waren die beiden anderen Straſsen, die durch die Wüste führten. Die eine war die aus der Geschichte Salomons bekannte Straſse von Tadmor. Sie ging von Babylon im Euphratthal nordwärts bis Karchenis, von da durch die Wüste nach Palmyra (Tadmor) und weiter nach dem oberen Syrien. Die andere ging direkt vom unteren Euphrat durch die syrische Wüste nach Ägypten. Wenn man die ge - wöhnlichen Stationen einhielt, dauerte die Reise von Babylon nach Ägypten auf diesem Wege 20 Tage, bei angestrengtem Marsch aber konnte man sie in acht Tagen zurücklegen.

Von groſser Wichtigkeit waren die arabischen Straſsen, die zum Teil vom Roten Meer (von Elath) durch die Wüste gingen, zum Teil aber von Ostarabien dem Persischen Meerbusen und dem Euphrat folgten. Nach Nordwesten gingen die Straſsen von Thapsukus nach Kleinasien und von demselben Platz nach dem Pontus.

123Die Semiten.

Herodot beschreibt genau die Karawanenstraſse von Ephesus und Sardes nach Susa, wie sie zu seiner Zeit war. Die Straſse war regel - mäſsig gebaut. Den ganzen Weg entlang waren öffentliche Karawan - sereien angelegt in einem regelmäſsigen Abstand von 7 bis 8 Stunden zur nächtlichen Unterkunft. Zum groſsen Teil ist diese Straſse dieselbe, die noch heute zwischen Smyrna und Ispahan benutzt wird, wie auf der alten Straſse über Damaskus noch heute die Pilgerkarawanen nach Mekka ziehen. Alle diese Straſsen waren regelmäſsig gebaute, soge - nannte Königsstraſsen , deren Anlage die assyrische Tradition schon der Semiramis zuschreibt.

Die Handelswaren der Babylonier waren nicht bloſs eigene Erzeug - nisse, sondern ihre Lage verschaffte ihnen auch einen groſsartigen Zwischenhandel. Die Euphratstädte waren die Hauptstapelplätze aller asiatischen Waren und so kam es, daſs mit dem Namen assyrischer oder babylonischer Waren manches bezeichnet wurde, was bloſs über Assyrien seinen Weg nahm. Die Waren, die von den südaramäischen Völkern nach Babylon gingen, waren Byssus, Korallen und Rubinen (Ezechiel 27, 16). Von Damaskus kam der Wein von Hebron, und die Wolle von Sachar. Auſserdem wurden von den phönizischen Städten besonders gefärbte Purpurgarne, die zur Buntstickerei verwendet wur - den, ferner Zinn - und Erzwaren, ägyptische Glaswaren und Silber ge - handelt. Von Arabien tauschten die Euphratstädte auſser den indischen Waren besonders einheimische Wolle gegen Waffen und Geräte ein.

Wie einfluſsreich und ausgedehnt der babylonische Handel schon in ältester Zeit war, geht daraus hervor, daſs nicht nur die semitischen Nachbarvölker, sondern die Perser und Griechen das babylonische Maſs - und Gewichtssystem, sowie selbst das Münzsystem annahmen. Die Babylonier hatten Doppelwährung. Man zahlte mit Gold und Silber in Form von Scheiben, Ringen und Barren, der Wert des Silbers zu dem des Goldes stand wie 1: 13⅓1)Brandis, Münzwesen Vorderasiens S. 158 u. s. w.. Die Mine war die Einheit, die - selbe war in fünfzig Scheckel geteilt. Die Goldmine war aber etwas leichter als die Silbermine, so daſs zehn Silberscheckel einem Gold - scheckel des leichteren Gewichtes gleich kamen.

Nach dieser Skizze des Handels und der Industrie Mesopotamiens bedarf es kaum mehr der Erwähnung, daſs die Bewohner des Euphrat - und Tigrislandes schon in sehr früher Zeit die Metalle kannten und verarbeiteten. Schon das Münzsystem beweist die Bekanntschaft des Goldes und Silbers in sehr alter Zeit. Zur Zeit Thuthmosis III. war das124Die Semiten.babylonische Münzsystem bereits in Syrien und bei den Phöniziern allgemein verbreitet.

Die Metalle, die wir im Gebrauch finden, sind Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei und Zinn. Das Gold war den Semiten in ältester Zeit be - kannt. Zwar findet sich in dem eigentlichen Mesopotamien kein Gold, aber der Handel führte ihnen das Metall schon in frühester Zeit zu. In den ältesten chaldäischen Ruinen hat man neben Steinwerkzeugen Schmucksachen von Gold aufgefunden. Die altassyrische Bezeichnung für Gold ist huraz . Daneben erscheinen in den anderen chal - däischen Dialekten die Bezeichnungen kuraza und kurassu, interessant durch die Verwandtschaft mit dem griechischen χφῦςόζ. Das meiste Gold des Handels kam aus dem Süden und zwar durch den arabischen Zwischenhandel teils aus Midian, teils aus Äthiopien, später auch aus Indien durch den Küstenhandel über Teredon und Gerrha. Der Krieg schaffte zwar keine Werte; aber er war die Veranlassung der Anhäufung ungeheurer Massen von Metallen und insbesonders von Gold in den Hauptstädten der orientalischen Könige. Wir haben aus den Tribut - tafeln der assyrischen Könige schon kennen gelernt, welche Menge von edlen Metallen sie aus ihren Kriegen mit heimbrachten. Der Gold - reichtum der assyrischen, babylonischen und später der persischen Könige grenzt ans Unglaubliche. Ktesias, dessen Angaben freilich meist übertrieben sind, behauptet, daſs bei der Eroberung Ninivehs die verbündeten Babylonier und Meder zehn Millionen Zentner Gold und hundert Millionen Zentner Silber erbeutet hätten. Aus einem Teil seines Beuteanteils baute Nebukadnezar in Babylon einen Tempel, in dem er eine Anzahl Götterbilder aus massivem Golde aufstellen lieſs. Das Bild des Bel wog 1000 Zentner, das Bild einer weiblichen Gottheit, der Rhea, ebenfalls 1000 Zentner, eine Statue der Beltis (Hera) 800 Zent - ner. Ferner stiftete er ein groſses goldenes Becken, das 1200 Zentner wog, und zwei kleinere von je 600 Zentner Gewicht. Nach Diodor betrug der Wert des Goldes, den Xerxes bei der Eroberung Babylons aus dem Belsistempel nahm, 7350 attische Talente, nahezu 500 Millionen Mark. Alexander der Groſse häufte bei seinem asiatischen Kriegszug in der Stadt Ekbatana 180000 Talente an geraubtem Gold und Silber auf. Wie alt muſs die Metallindustrie Westasiens gewesen sein, durch welche solche Massenansammlungen von Gold in so früher Zeit geschehen konnten! Die Goldschmiedekunst war auch in den Städten Chaldäas hoch entwickelt. Wir haben der Arm - und Fuſsspangen, Ohrringe, der kunstvollen Schwertgriffe u. s. w. schon gedacht, ebenso wie der Bild -125Die Semiten.werke. Die ältesten Bilder der Götter waren von Holz und wurden mit Goldblech überzogen, erst später fertigte man massive Bilder. Ebenso wurden Thronsessel, die Thüren in den Palästen, das Holz - getäfel an den Wänden, die Streitwagen der Könige mit Goldblech überzogen.

Silber hat sich in den ältesten Trümmerstädten des südlichen Mesopotamiens nicht gefunden, es wäre deshalb möglich, daſs ähn - lich wie in Ägypten, das Silber erst später bekannt geworden ist. Die ältesten Tributlisten berichten indeſs schon von Silber und scheint dieses Metall sogar in ungeheueren Mengen in den gröſseren Städten Westasiens angehäuft gewesen zu sein. Meist ist das Gewichtsquantum, was bei den Brandschatzungen erhoben wird, weit gröſser, als dem Wertverhältnis zwischen Gold und Silber entsprechen würde. So er - hebt Bin - nirar von Damaskus nur 20 Talente Gold, dagegen 2300 Ta - lente Silber, also mehr als das Hundertfache, während der relative Wert von Gold zu Silber nach dem Münzsystem wie 1: 13⅓ war. Silber kam um diese Zeit schon in groſsen Mengen durch den phöni - zischen Handel von Spanien nach Asien. Silber heiſst im Assyrischen kaspu (kaspa) . Silber wurde auſser zu den gangbarsten Münzen, dem Silberscheckel, zum Schmuck und Bildwerken, ähnlich wie das Gold verarbeitet. Vier silberne Stiere lieſs Assurbanipal zu Borsippa im Tempel Bit-sida aufstellen. In einer sehr alten akkadischen In - schrift heiſst es schon: Mit Platten von Silber und poliertem Kupfer bekleidete ich das Innere (des Tempels1)Siehe Talbot, Wörterverzeichnis Asiatick Journal VI. XLVII.. Pasalli hieſsen hölzerne Götterfiguren, welche mit Gold, öfter noch mit Silberblech überzogen wurden2)Siehe Talbot.. Die Figuren von gediegenem Gold und Silber waren wohl nicht gegossen, sondern getrieben und zusammengesetzt. In den Inschriften ist ein interessanter Gegensatz sowohl zwischen den edlen Metallen, die durch das Feuer geläutert werden, und denen, die mittels Feuer ge - gossen werden. In einer für die Metallurgie bedeutsamen Hymne an das Feuer heiſst es: O Feuer, von jedem Ding, das Namen hat, schaffst du die Herstellung. Vom Erz und Blei bist du der Schmelzer. Vom Gold und Silber bist du der Reiniger3)Siehe Talbot.!

Das Kupfer war in früher Anwendung teils zum Schmuck, teils zu Waffen und Werkzeugen.

Es fand sich in den ältesten chaldäischen Trümmerstädten zusam -126Die Semiten.men mit Steinwerkzeugen und Goldschmuck. Bemerkenswert ist der altassyrische Name des Kupfers. Er heiſst kipar (kiebar-Akkadisch Takabar). Dies läſst uns sofort der Insel Kypros (Cypern) gedenken. Da aber das Wort kipar älter ist als der Name der Insel, diese vielmehr in den alten Inschriften Jatnan heiſst, so dürfen wir wohl annehmen, daſs sowohl der Name Kypros, als das Wort aes Cyprium, cuprum und Kupfer aus der semitischen Sprache abzuleiten sind. Den frühen Gebrauch des Kupfers bezeugen die alten Gräber im südlichen Chaldäa, aus denen wir einen alten Ritus der Bestattung kennen lernen. In den geräumigen Grabkammern, die man zu Ur und Erek aufgefunden hat, lagen die Leichen auf einer Schilfmatte, meist nach der linken Seite gewendet, das Haupt auf einem Ziegel: der rechte Arm über die Brust nach links gelegt, ruht mit dem Finger auf dem Rande einer kupfernen Schale1)Siehe Dunker, Geschichte des Altertums I, 265.. Diese Leichen trugen Amulette, die an Draht befestigt waren. Es sind unscheinbare Steine, die einige deshalb für Meteorsteine halten wollen2)Siehe Rowlinson, The five great monarchies of the anciant eastern world 1873. p. 88..

Eine andere, sehr frühe Verwendung des Kupfers ist durch eine Entdeckung von Loftus erwiesen. Er fand in den Trümmern des Tempels von Mugheir (Ur) blau glasierte Ziegel mit Kupfernägeln. Diese Ziegel dienten wahrscheinlich zur Auskleidung des obersten Stockwerkes des Tempels, in dem das Bild des Gottes stand. Spangen und Ringe von Kupfer waren in ältester Zeit in Gebrauch. Zahlreich sind die Geräte und Waffen von Kupfer, die in den Palästen Ninivehs aufge - funden wurden.

Im eigentlichen Heimatlande der Assyrier finden sich im Tiyari - gebirge Kupfererze im Gebiet von Khurdistan. Ebenso in der Nähe von Diabekr. Kupfer wird häufig in den Tributlisten aufgeführt. Assarhadon legt den Medern einen Tribut an Kupfer auf. Das Produkt ihrer Bergwerke. Damaskus muſste, wie erwähnt, an Phul 3000 Talente Kupfer zahlen.

Die Chaldäer kannten bereits die Bronze, d. h. die Legierung von Kupfer und Zinn und verstanden sie zu schmelzen und zu gieſsen. Ob sie die Herstellung der Mischung selbst erfanden, ist zweifelhaft. Gegenstände von Zinn sind in den alten Trümmerstädten nicht auf - gefunden worden. In späteren Keilinschriften wird das Zinn erwähnt. Unter den sieben Kisten im Fundamente des Palastes des Sargon wird127Die Semiten.auch eine von Zinn aufgeführt. Demungeachtet ist die Verwendung des Zinns für sich noch nicht ganz erwiesen. Blei war dagegen wohl bekannt. Bleierze finden sich ebenfalls im Tiyarigebirge im Lande der Assyrer. Man kann von vornherein annehmen, daſs, wo Silber be - kannt war, auch das Blei nicht unbekannt sein konnte. Es scheint auch in Formen gegossen worden zu sein, wie wir aus der oben angeführten Stelle einer Hymne an das Feuer, in der es neben dem Erze genannt wird, schlieſsen dürfen. Sein Name war anna (annak) Gegenstände von Blei sind selten, doch hat man bereits in den älteren Trümmerstädten einige Sachen gefunden; so eine Schale und das Bruch - stück einer Pfeife zu Mugheier. Die Herkunft des Zinns bleibt immer noch unaufgeklärt und doch ist sie von gröſster Wichtigkeit wegen der ersten Entdeckung der Bronze.

Dem Gebiete der Drangen im südlichen Paropamisus, in dem nach Strabos Zeugnis Zinnbergwerke waren, liegt Mesopotamien näher als Phönizien. Lenormant will ferner eine ältere Gewinnung von Zinn in das kaukasische Iberien, d. h. in dem südlichen Georgien annehmen. Die Angaben hierüber scheinen jedoch noch sehr unbestimmt. Gegenstände von Bronze kommen bereits in den älteren Trümmerstädten Südbaby - loniens vor. Es wurde für alle gewöhnlichen Gegenstände des Ge - brauchs verarbeitet. Ringe und Spangen von Bronze hat man häufig gefunden, ebenso Jagdwaffen, Speere und Angeln.

Wir haben oben bereits erwähnt, daſs man eine Bronzestatuette in der Nähe von Bagdad aufgefunden hat, welche die Namen des ela - mitischen Königs Rim-Aku und seines Vaters Kudur-Mabuk trägt. Wenn sie wirklich aus der Zeit Rim-Akus stammt, so muſs sie etwa um 2000 v. Chr. angefertigt worden sein und wäre das älteste gegossene Bronzebild, das wir kennen. Lenormant ist geneigt, der turanischen Urbevölkerung die Erfindung der Bronzedarstellung und des Bronze - gusses zuzuschreiben und sprechen allerdings einige Umstände für diese Annahme. Die Turanier, die in den die mesopotamische Ebene im Halbkreis umgebenden Gebirgen vor der Einwanderung der Semiten von Süden und der Arier von Osten her ansässig gewesen zu sein scheinen, zeichnen sich, wo man sie näher kennen gelernt hat, durch hohe metallurgische Kenntnisse aus. Das Gebiet der in Susiana hei - mischen Turanier lag dem Gebiete der Drangen, die vielleicht stamm - verwandt waren, und in deren Gebiet Zinn gefunden wurde, nicht fern. Kupfer fand sich in den Ausläufern des Paropamisus zur Genüge. Die Bedingungen der Erfindung der Bronze waren also gegeben. Dem -128Die Semiten.ungeachtet fehlt noch viel zur Begründung dieser Annahme. Zur Zeit der assyrischen Herrschaft war die Verwendung der Bronze bereits ganz allgemein geworden. Wir finden in den Keilinschriften für die Bronze eine eigene Bezeichnung, was in der ägyptischen Sprache nicht nachzuweisen ist, nämlich eru 1)Siehe Smith, History of Assurbanipal p. 313..

Die meisten Bronzegeräte sind geschmiedet. In getriebener Arbeit leisteten die Assyrier Bedeutendes. Die ausgetriebenen Ornamente wurden dann mit dem Grabstichel vollendet. Getriebene Gefäſse, wie Kannen, Teller u. s. w. hat man gefunden. Auf die Verarbeitung der Bronze bei der Heeresausrüstung werden wir später zurückkommen. Massive Erzfiguren sind selten, häufiger Flachreliefs. Die kleinen massiven Tierfiguren, die man gefunden hat, scheinen als Gewichte ge - dient zu haben. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daſs die Bewohner Mesopotamiens imstande gewesen seien, gröſsere Guſsstücke von Bronze herzustellen. Der Guſs wurde nur für kleinere Gegenstände, am häufigsten zu Reliefgüssen, zur Ornamentierung von Sesseln, Wagen, Möbeln etc. angewendet und wurden diese Guſsstücke mit Stiften auf Holz befestigt. Eins der merkwürdigsten Bronzeguſsstücke, einen Drei - fuſs, bei dem die Bronze um das Eisen gegossen ist, werden wir weiter unten näher besprechen. Viele der aufgefundenen Bronzeguſsstücke tragen den Typus der phönizischen Handelswaren, die Dekoration ist oft in ägyptischem Styl gehalten. Auch entspricht die Mischung der assyri - schen Bronzen ganz der der phönizischen. Zur Zeit Sargons war die normale Mischung von 1 Teil Zinn auf 10 Teile Kupfer bereits allgemein gebräuchlich, daneben kommt die Mischung von 1: 7 vor. Es ist auſser Zweifel, daſs in späterer Zeit, d. h. in dem ganzen Jahrtausend v. Chr. die Assyrier und Babylonier ihr Zinn durch die Phönizier erhielten.

Das Eisen war den Chaldäern schon in frühester Zeit bekannt. Freilich sind in den ältesten Trümmerstädten Südbabyloniens die Eisen - funde rar. Wenn man aber die Zerstörbarkeit des Eisens durch Rost einerseits und die lange Zeit andererseits ins Auge faſst, so kann es uns nur noch wundern, daſs überhaupt noch eiserne Gegenstände er - halten geblieben sind. Bis jetzt hat man dort nur eiserne Finger - und Armringe aufgefunden. Eiserne Fingerringe waren ein charakteristischer Schmuck der alten Kulturvölker. Sie hatten eine symbolische Bedeutung. Die Mündigkeit oder richtiger die Wehrhaftigkeit des freien Mannes wurde durch Anlegung des eisernen Ringes kundgegeben, wir werden129Die Semiten.dieser Sitte, die auch den Ägyptern nicht fremd war, noch öfter be - gegnen. Zur Zeit der assyrischen Herrschaft finden wir das Eisen bereits im allgemeinen Gebrauch. Es kommt reichlich in den assyrischen Bergen vor. Layard fand es in Mengen 3 bis 4 Tagereisen von Mosul im Tiyarigebirge. Im benachbarten Churdistan gewinnen die kriegerischen Einwohner bis heute noch ihr Eisen selbst. Sein Name war parzil auch . Häufig kommt es in den Inschriften vor. Das Schwert (ku) von Eisen () wird oft erwähnt. So heiſst es in einer alten Inschrift: Als Ursu, König von Urarda hörte, daſs das Bild von Magdia sein Gott, weggeführt war: Mit einem Schwert von Eisen zerstörte er sein Leben1)Siehe Oppert, Khorsabad 9, 77. .

Fig. 28.

In einer, im britischen Museum aufbewahrten Inschrift heiſst es: Ich tötete einen andern Löwen mit einem Schwert von Eisen2)Journ. of the Asiatic Soc. Vol. III, p. 46. .

Die Schwertformen waren bereits sehr mannigfaltige, wie sich aus den assyrischen Skulpturen ergiebt und die Formvollendung von Klinge, Griff und Scheide ist geradezu überraschend. Die typische Gestaltung, die wir bei den Ägyptern eigentlich noch vermissen, tritt uns hier klar entwickelt in bestimmten Eigenarten entgegen. Die Könige tragen dasBeck, Geschichte des Eisens. 9130Die Semiten.lange, schmale, degenförmige Schwert mit reichverziertem Griff aus poliertem Holz oder Elfenbein mit kunstvollem Metallbeschlag und mit schön dekorierter Scheide (Fig. 28, 1, 2, 3). Bei den Kriegern der Leib - garde, die aus der Elite aller unterworfenen Völker in ihrer nationalen Bewaffnung zusammengesetzt war, erkennen wir die mannigfaltigsten Schwertformen. So das breite Schwert mit aufgebogener Parierstange (Fig. 28, 4), eine Form, die in Europa erst spät Eingang gefunden hat; diesem verwandt ein kräftiges Kurzschwert mit grader Parierstange (Fig. 28, 5). Dann wieder die Formen, die den älteren europäischen am nächsten stehen, das stumpf zugespitzte Schwert mit Knauf und Wulst ohne eigentliche Parierstange (Fig. 28, 6). Dann finden sich säbelartige Schwerter mit dazugehöriger breiter Scheide (Fig. 28, 7), ferner dolch -

Fig. 29.

artige Schwerter (Fig. 29, 9) und endlich Haumesser (Fig. 29, 10), ähnlich dem altdeutschen Sachs. Unzweifelhaft waren alle diese Schwerter von Eisen.

Ihre Ausrüstung, wie sie in den alten Skulpturen abgebildet ist, zeigt manche Ähnlichkeit mit derjenigen der Ägypter. Auch hier ist Pfeil und Bogen die Hauptwaffe der Fürsten und Vornehmen; der Speer die Waffe des Gemeinen. Dazu kommen Dolche, Schwerter und Streitkolben, die nach Herodots Angabe mit eisernen Spitzen versehen waren. Die Kriegswagen, die charakteristische Ausrüstung der Semiten, sind die Stärke des Heeres. Aber abweichend von den alten Ägyptern bedienen sich die Assyrer der Pferde auch zum Reiten. Die Reiterei bildet einen wichtigen Teil des Kriegsheeres. Der vornehme Reiter131Die Semiten.trägt Bogen und Pfeil und ein reich verziertes Schwert an der linken Seite. Doch gab es bei den Assyrern auch Lanzenreiter1)Layard, Monuments of Niniveh, Tab. 81., wohl die ältesten Ulanen. Nebenstehende Abbildung (Fig. 29) giebt einige Muster vorzüglich geschmiedeter assyrischer Lanzenspitzen. Das Pferd der Vornehmen ist reich geschirrt und gepanzert. Während die ge - wöhnliche Reiterei den Sattel nicht benutzt, ist auf den Abbildungen eine Art Reiterei dargestellt, deren Pferde sonderbare Sättel tragen, ähnlich den heutigen Damensätteln, auf denen sie auch in derselben Weise sitzen, so daſs beide Beine auf derselben Seite herabhängen. Da diese Reiter indes stets noch ein zweites Pferd am Zügel führen, so mögen sie wohl die Troſsknechte der Fürsten vorstellen2)Layard a. a. O., Tab. 11 u. 32..

Auf den Kriegswagen befinden sich gewöhnlich zwei Personen, der Kämpfer und der Wagenlenker. Die Wagen, die schon zur Zeit Sal - manassar I. um 1300 v. Chr. erwähnt werden, hatten, abweichend von den ägyptischen, eine doppelte Deichsel und waren mit drei Rossen bespannt. Die Räder sind Speichenräder, aber weit plumper als die der Ägypter, meist massiv oder mit dickem Holzkranz. In einer wichtigen Keilinschrift des Tiglath Pileser heiſst es indes: Ich be - diente mich eiserner Wagen, um die steilen Berge und die schwierigen Passagen zu überwinden3)Übersetzt von Rawlinson, Asiatic Journal XVIII, p. 172..

Die Fuſstruppen sind meist Lanzenträger, die mit einem kreisrunden Schilde ausgerüstet sind. Eine vornehmere Fuſstruppe bilden die Bogen - schützen, deren jeder seinen eigenen Schildträger hat. Die Schilde, welche diese trugen, waren sehr groſs, fast von Manneshöhe und wurden, da ihr Gewicht das freie Halten nicht erlaubte, auf den Boden aufgestellt. Sie sind oben umgebogen und ihre Form erinnert fast an ein Schilderhaus. Hinter diesem groſsen Schilde steht der Bogenschütze, der überdies durch ein Panzerhemd, das bis an die Kniee reicht, geschützt ist und versendet von da seine Pfeile. Wem fällt da nicht Homers Schil - derung der beiden Ajaxe vor Troja ein? Als Schutzwaffen dienten zum Teil Koller aus Leinenzeug, teils Panzer. Diese waren Schuppenpanzer, wie bei den Ägyptern. Die Helme sind Spitzhauben aus Metall; erst später scheinen die Helme mit Kämmen (Fig. 30 a. f. S.) aufgekommen zu sein. Die Waffen waren teils von Erz, teils von Eisen. Layard stieſs bei den Ausgrabungen von Nimrud, als er die erste Kammer aus - räumen lieſs, am Boden unter der Erde auf einen ganzen Haufen Eisen -9*132Die Semiten.stückchen. Es waren Schuppen von Panzern. Jedes Blättchen war 2 bis 3 Zoll lang, an einem Ende kreisförmig gerundet, am anderen eckig und hatte eine erhabene, getriebene Linie in der Mitte. Das Eisen war gänzlich in Rost verwandelt. Layard lieſs mehrere Körbe voll sammeln. Bei weiterem Graben in demselben Raume fanden sich Waffen von Kupfer, von Eisen und andere von Eisen mit Kupfer eingelegt. Zuletzt ent - deckte er auch einen vollkommenen Helm, von der Gestalt der auf den Reliefdarstellungen so häufig abgebildeten Sturmhauben. Der Helm war ganz von Eisen und nur am unteren Rande mit einem kupfernen Bande umzogen. Er war so gänzlich verrostet, daſs er unter den Fingern in Stücke zerfiel. Es fanden sich auch kupferne Panzer -

Fig. 30.

blättchen, die an den Ecken Löcher hatten, wodurch sie wahrscheinlich dem Leder aufgenäht waren.

Überhaupt spielte das Eisen bei der Ausrüstung der assyrischen Krieger eine groſse Rolle und ist es sowohl deshalb, als wegen der Metalltechnik im allgemeinen wohl angezeigt, einen Blick auf die Be - waffnung des assyrischen Heeres zu werfen. Die Assyrer waren ein kriegerisches Volk, wohlausgerüstet und stolz auf ihre Waffen. Oft heiſst es in den Inschriften: Ich verachte seine (des Gegners) Waffen. Die Assyrer hatten ein stehendes Heer. Die unterjochten Völker muſsten eine Anzahl Krieger zur Leibgarde des Königs stellen, im Kriege aber muſs die ganze waffenfähige Jugend Assyriens aufgeboten worden sein. Das stehende Heer war die Stärke Assurs und die Bewunderung seiner Feinde. Jesaias sagt: (5, 26 bis 29): Dies Volk schläft und133Die Semiten.schlummert nicht. Nicht löst sich der Gürtel seiner Lenden und nicht zerreiſsen die Riemen seiner Schuhe. Seine Pfeile sind geschärft und alle seine Bogen gespannt, seiner Rosse Hufe sind Kieseln gleich und seine Streitwagen gleichen dem Sturmwind.

Kupfer, Bronze und Eisen dienten zur Ausrüstung der Krieger, doch war von diesen das Eisen am meisten angewendet. Daſs das Schwert eine so wichtige Rolle in der Ausrüstung der assyrischen Helden spielt, beweist allein schon, daſs sie nicht nur Eisen, sondern auch den Stahl kannten und verwendeten; denn weder aus Kupfer, Bronze oder weichem Eisen lassen sich Schwerter herstellen, die anderen Waffen gegenüber eine entschiedene Überlegenheit haben, dies kann man nur aus dem elastischen Stahl. Allerdings giebt es kein besonderes Wort für Stahl, sie machten zwischen Eisen und Stahl, die ja auch nur bei geschärfter Beobachtung als verschieden erscheinen, keinen Unterschied. Stahl war ihnen nur ein besseres Eisen, geeigneter für Schwerter und schneidende Werkzeuge. Sie erhielten ihn zuerst und zumeist aus den nördlich des Taurus gelegenen Bergländern der Moscher, Tibarener und Chalyber. Schon in den ältesten Tributlisten aus dem Jahre 881 v. Chr. wird dem Volke der Moscher Tribut von Eisen und von Vieh auferlegt. Eisen wird zuerst genannt und es läſst sich wohl annehmen, daſs dies Eisen von besonderer Güte und sehr gesucht war, daſs es an Qualität dem Eisen, welches sich die Assyrer in ihrem eignen Lande bereiteten, überlegen war. Den Fürsten des Landes Narini im heutigen Churdistan wird in derselben Periode ein Tribut auferlegt und bei dessen Aufzählung von Metallen neben Gold und Silber nur Eisen genannt. Assurnasipal erhebt in dem Nachbargebiete von Karchemis nur Eisen und Silber. Weder Kupfer, noch Erz werden in jener Zeit erwähnt. Hieraus ersieht man, wie die kriegerischen Assyrer den Wert des Eisens zu schätzen wuſsten und wie reichlich sie es verwendeten. Erst, seitdem das assyrische Reich unter Salmanassar II. sich nach Süden weiter ausdehnte, seitdem es mit dem Reichtume von Babylon, Damaskus und den Städten Phöniziens bekannt wurde, wird Kupfer öfter genannt. Demungeachtet sehen wir, daſs Damaskus bei der groſsen Brandschatzung um das Jahr 800 v. Chr. neben 3000 Talenten Kupfer, 5000 Talente Eisen als Tribut auferlegt werden. Es darf daraus wohl geschlossen werden, daſs das Eisen in jener Zeit verbreiteter war, und in mannigfacherer Verwendung stand, als das Kupfer oder Erz. Es dürfte von Interesse sein, von der obenerwähnten Keilinschrift, welche sich auf die Eroberung von Da - maskus durch König Phul um das Jahr 800 v. Chr. bezieht, noch eine134Die Semiten.zweite, ausführlichere Übersetzung von Talbot1)Asiatic Journal vol. XIX, p. 181. zu geben. Sie lautet: Ich zog aus gegen das Land Tusu mit Heerscharen. Ich belagerte Mariah, den König von Tusu in seiner Hauptstadt Damaskus. Gewal - tige Furcht vor Assur, seinem Herrn, bewältigte sie, er beugte sich unter mein Joch, huldigte und warf sich zu Boden vor mir. 2300 Talente Silber, 20 Talente Gold, 3000 Talente Kupfer und 5000 Talente Eisen, schöne Gewänder von verschiedener Farbe, purpur und gelb, seinen Elfenbeinthron, seinen Elfenbeinpalankin mit geschnitzten Zier - raten und anderen Reichtum und Schätze und Überfluſs in der Stadt Da - maskus, seiner Residenzstadt, empfing ich mitten in seinem Palaste2)Ähnliche Inschriften, aus denen der geringe Wert und die gröſsere Ver - breitung des Eisens hervorgeht, kennen wir aus der Zeit Tiglat Pilesar II., s. Über - setzung der Keilinschriften von Talbot, Asiatic Journal XVIII, p. 172 u. 180..

Eher scheint es, daſs in späterer Zeit das Eisen wenigstens in den Schatzkammern der Könige seltener geworden oder von den Siegern im Vergleich der Bronze nicht mehr so begehrt wurde, wie früher. Wenigstens lassen einige Inschriften Sardanapals III. dies glaubhaft erscheinen. So heiſst es in einer Keilinschrift, die auch dadurch be - merkenswert ist, daſs des Zinns ausdrücklich Erwähnung geschieht: Um Ammibaal, den Sohn Zamans zu rächen, zog ich aus ich empfing Tribut von Silber, Gold, 100 Talente Zinn, 700 Talente Erz, drei - hundert Hände von Erz, Töpfe von Erz etc. Bei Eroberung eines anderen Schatzes erwirbt Sardanapal auſser dem Übrigen 100 Talente Eisen und 500 Talente Erz. Ein andermal fallen in seine Hände 20 Talente Silber, 1 Talent Gold, 200 Talente Erz und 100 Talente Eisen3)Siehe Oppert, expedition en Mesopotamie C. III, cap. 4..

Indessen können wir Schluſsfolgerungen aus diesen Ziffern nicht viel Wert beilegen gegenüber den Aufschlüssen, welche uns die Aus - grabungen geliefert haben, die den Reichtum an Eisen und seine mehr - fache Verwendung aufs klarste beweisen.

Kein Fund ist in dieser Beziehung so charakteristisch als der von Victor Place, der als Resident in Mosul unter der Herrschaft und mit Unterstützung Napoleon III. bedeutende Ausgrabungen zu Khorsabad vornahm, deren Ergebnisse in dem Prachtwerke: Niniveh et L’Assyrie par Victor Place, Paris 1867, veröffentlicht worden sind.

Place stieſs in den Trümmern des Palastes in Khorsabad auf ein groſsartiges Eisenmagazin, in welchem nach seiner Schätzung minde - stens ein Gewicht von 160000 kg Eisen beisammen lag. Das Magazin war 5 m lang, 2,60 m breit und 1,40 m hoch mit Eisen angefüllt. 135Die Semiten.Der gröſste Teil dieser Masse bestand aus nach zwei Seiten spitz zu - laufenden Eisenklumpen, wie sie in Fig. 31, 1, 2, 3 dargestellt sind. Sie hatten eine wechselnde Länge von 32 bis 48 cm, eine Dicke in der

Fig. 31.

Mitte von 7 bis 14 cm, und dem entsprechendes Gewicht von circa 4 bis 20 kg. Letzteres Gewicht giebt auch Place an. Charakteristisch ist, daſs alle nahe dem einen Ende ein enges Loch von 20 mm Weite haben. Victor Place sah diese sonderbaren Eisenblöcke für Werkzeuge136Die Semiten.an, über deren Zweck er sich freilich vergeblich den Kopf zerbrach. Das enge, unregelmäſsige Loch sollte für einen Holzstiel dienen. Hier - zu ist es aber viel zu klein und ganz ungeeignet. Diese Eisenblöcke sind vielmehr nichts anderes als Rohluppen, wie sie von den Eisen - schmelzen in den Handel gebracht wurden. Sie wurden an einem Stricke aufgereiht, wozu die enge Öffnung diente und so von Menschen oder Tieren, Mauleseln oder Kamelen transportiert. Ähnlichen Formen werden wir noch öfter begegnen. Es war die allgemein gebräuchliche Handelsform der Rohluppen1)Siehe meinen Aufsatz Nassausche Annalen. Bd. XIV, S. 317 ff.. Hierdurch erklärt es sich auch leicht,

Fig. 32.

daſs gerade diese Art Eisenblöcke die Hauptmasse des Schatzes bildet. Es war ein Vorrat unverarbeiteten Materials, hauptsächlich wohl für Kriegszwecke aufgespeichert. Die Luppen sind zum Teil nicht mehr intakt, auch sind die Formen nicht alle von obigem Typus. Der gröſste Teil des reichen Eisenschatzes von Khorsabad ist verloren gegangen, indem das Segelschiff, welches den Vorrat nach Frankreich schaffen sollte, leider an der sizilianischen Küste scheiterte. Einige die - ser Blöcke, die Place mit anderen Dingen in einer Kiste vorausgeschickt hatte, befinden sich im Museum des Louvre in Paris. Man hat diese Blöcke näher geprüft und gefunden, daſs Places Ansicht, es seien137Die Semiten.Werkzeuge von Stahl, irrig ist, indem es sich als gewöhnliches, weiches Eisen erwies, was auch unserer Erklärung entspricht. Neben diesen Rohluppen fanden sich aber in dem Eisenmagazine zu Khorsabad noch mancherlei andere Gegenstände von Eisen. Diese waren, wie die Lup - pen, regelmäſsig aufgeschichtet, jede Sorte für sich. Besonders ist eine ziemliche Menge von Ringen und Kettenstücken zu erwähnen (Fig. 32).

In dem Boden des Hofes waren Ringe mit Klammern in Stein be - festigt, die wahrscheinlich zum Anbinden von Pferden oder Opfertieren dienten. Pferdegebisse und Stangen von Eisen haben sich ebenfalls gefunden. Eiserne Spitzen von Enterhaken oder Schifferstangen finden sich in dem Magazine, wie denn auch die oben abgebildeten schweren Ketten Schiffsketten gewesen zu sein scheinen. Die in Fig. 31, 6, 7, 8 abgebildeten Eisen hält Place für Pflugschareisen, wahrscheinlicher waren es Schuhe von Brückenpfählen, die eingerammt wurden. Das Fig. 31, 5 abgebildete Werkzeug scheint ein Steinmetzhammer, vielleicht zum Zuhauen der Alabasterplatten gewesen zu sein. Es läſst sich leicht erkennen, daſs er mit den Rohluppen (Fig. 31, 1, 2, 3) nichts gemein hat, obgleich Place sie zusammenstellt. Fig. 32, 5 scheint eine eiserne Rad - nabe gewesen zu sein. Bemerkenswert ist, daſs das Eisen in diesem Magazine sich so gut erhalten hat. Die auſsenliegenden Stücke waren mit einer papierdicken Rostschicht bedeckt, die inneren nur mit einem Anflug von Rost. Das Eisen hatte einen hellen Klang. Place lieſs einiges davon zur Probe verarbeiten und erklärte der Schmied, auſser persischem Eisen nie besseres unter dem Hammer gehabt zu haben. Die Araber waren versessen darauf und verarbeiteten es zu Sensen und Sicheln. Place deckte einen ähnlichen Raum auf, der ein Magazin für Bronze und Kupfer gewesen zu sein scheint. Doch war dies fast ganz leer. Es läſst sich annehmen, daſs bei der letzten Plünderung von Niniveh man das wertvollere Metall fortschleppte, das wertlosere Eisen dagegen liegen lieſs.

Das merkwürdige Magazin giebt uns zu mancherlei Schluſs - folgerungen Veranlassung. Wir ersehen daraus zunächst, daſs die Könige Assyriens groſse Vorräte von Eisen anhäuften, die einen Teil ihres Schatzes bildeten, um für Bau - und Kriegszwecke verwendet zu werden. Dies ist in Übereinstimmung mit den Tributlisten, in denen, wie wir gesehen haben, in vielen Fällen das Eisen eine hervorragende Rolle spielt. Wahrscheinlich stellten die in den Listen aufgeführten Mengen von Metall den jeweiligen Inhalt solcher Schatzkammern be - siegter Fürsten dar. Die Form, in der das Eisen aufbewahrt wurde,138Die Semiten.war in der Hauptsache diejenige, wie es vom Schmied oder Schmelzer in den Handel gebracht wurde (der σόλον αυτοχόων Homers).

Aus dem Umstande, daſs der Feind bei der letzten Plünderung Ninivehs diesen Eisenschatz zurücklieſs, ehe er die Stadt der Paläste den Flammen übergab, während er die Vorräte der übrigen Metalle mit fortschleppte, geht hervor, daſs das Eisen schon damals am ge - ringsten im Werte stand, also das verbreitetste und gewöhnlichste Nutz - metall war. Die Übereinstimmung der Form der Rohluppen mit denen der Römer und des frühen Mittelalters läſst uns schlieſsen, daſs auch der Schmelzbetrieb und die Art der Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bei den Assyrern und deren Nachbarvölkern ähnlich war, wie wir sie später bei den Römern und Germanen genauer kennen lernen werden, im wesentlichen auch analog dem der Ägypter.

Fig. 33.

Über die Verarbeitung des Eisens und die Art seiner Verwendung geben uns weitere Funde Aufschluſs. Layard war es, der bei seinen Ausgrabungen zu Nimrud mancherlei Gegenstände von Eisen auffand. Schon im Herbste 1846 fand er jene groſse Menge eiserner Panzer - schuppen, deren wir oben schon Erwähnung gethan haben. Ebenso haben wir die aufgefundenen eisernen Spitzhauben bereits beschrieben.

Es wurden auch noch Helme von anderer Gestalt, einige mit hohem Kamm, aufgedeckt; aber alle zerfielen an der Luft, und es ge - lang nur mit groſser Vorsicht, einzelne Fragmente, die noch zusammen - hängen, zu sammeln1)Siehe Layard, Niniveh and its Remains, Paris 1856, p. 114.. Leider ist nicht mitgeteilt und wird bei dem Zustande, in dem sich die Helme befanden, schwer zu erkennen139Die Semiten.gewesen sein, in welcher Weise sie hergestellt waren. Wahrscheinlich waren sie, wie ähnliche bekannte Helme aus späterer Zeit, aus zwei, aus starkem Blech ausgetriebenen Hälften zusammengenietet. Bei denjenigen mit Kämmen ist dies leicht zu erkennen, indem der Kamm selbst die Nietnaht bildet. Jedenfalls beweist die Anfertigung der Pickelhauben ganz aus Eisen eine groſse Geschicklichkeit in der Be - handlung des Metalls. Die beiden Schalen, aus denen der Helm zu - sammengesetzt war, muſsten über einen Block oder einen entsprechen - den Ambos ausgetrieben werden. Layard hat bei seinen weiteren Ausgrabungen viele Waffen und Werkzeuge von Eisen aufgefunden. Man fand eiserne Schwerter, Dolche, Lanzen - und Pfeilspitzen. Von eisernen Werkzeugen aus Niniveh befinden sich im britischen Museum eine Art Doppelkeilhaue (Fig. 33, 1), ferner Hämmer, Messer und Äxte, ähnlich den nach Skulpturen (Fig. 28, 9, 10, 11) dargestellten1)Siehe Layard, Niniveh and Babylon, p. 177.. Am bemerkenswertesten ist das Bruchstück eines breiten Sägeblattes. Es ist 3 Fuſs 8 Zoll lang, 4⅝ Zoll breit und an dem einen Ende zu einem Griff geschmiedet (Fig. 33, 2). Wahrscheinlich war es keine zweihändige Säge, wie Layard annimmt, sondern eine breite, einhändige Säge, wie wir solche bei den Ägyptern kennen gelernt haben. Eine solche ein - händige Säge, eine Art Baumsäge, findet sich auf den Skulpturen abge - bildet (Fig. 28, 12). Die Werkzeuge und Waffen, sowie die Ketten beweisen auf das Bestimmteste, daſs die Assyrer in jener Zeit bereits vollständig mit dem Schweiſsen des Eisens vertraut waren.

Fig. 34.

Zu Bau - und Dekorationszwecken wurde das Eisen auch vielfach verwendet. Wir haben bei der Beschreibung der festen Brücke über den Euphrat bereits erwähnt, daſs die Steinquadern durch eiserne Bän - der, die eingebleit waren, verstärkt wur - den. Man hat vor einigen Jahren solche Klammern von nebenstehender Gestalt wieder aufgefunden (Fig. 342)Liger, la ferronerie I., 113.. Aus In - schriften von Niniveh geht hervor, daſs die Assyrer das Eisen häufig verwendeten, um das Gebälk zu verstärken und um Holz damit zu bekleiden. Eine In - schrift meldet: Ich Sennacherib, Groſskönig u.s.w. habe umkleidet ein Gebälk aus Zedernholz mit einer Verstärkung aus kiris (?) und von140Die Semiten.Eisen und habe den sikot (?) mit silbernen und eisernen Platten um - geben1)Siehe Oppert, expedition en Mesopotamie 1. III, p. 3..

Eine andere: Ich Sardanapal (III. ) habe diesen Palast gegrün - det .... ich habe eine Bedeckung von Eisen daran gemacht .... ich habe ein Zimmerwerk von Sandelholz gemacht und es umkleidet mit Ringen von Eisen2)Siehe Oppert, a. a. O, 1. V..

In Babylon gab es sogar Götzenbilder von Eisen. Ob dies auch Holzbilder waren, mit Eisenblech umkleidet, läſst sich nicht entscheiden.

Der Eisenguſs war den Chaldäern, wie den übrigen Völkern des Altertums unbekannt. Dagegen haben sich interessante Kombinationen von Bronzeguſs mit Eisen gefunden. In einer Erzvase fand Layard eine Anzahl gegossener Bronzeglöckchen mit eisernen Klöppeln, wie sie wahrscheinlich die gewappneten Pferde trugen3)Siehe Layard, Niniveh und Babylon, p. 177.. Unter kupfernen Kesseln fand er zerbrochene Füſse in Gestalt von Löwentatzen in Erz gegossen, mit Resten von eisernen Ringen und Stangen, wahrscheinlich alles Teile eines Dreifuſses, der als Untergestell des Kessels diente. Diese Löwenfüſse bieten das gröſste Interesse dar, denn die Bronze ist hier um die Stangen von Eisen herumgegossen4)Siehe Dr. Percys Beschreibung in dem Anhang zu Layards Niniveh und Babylon, p. 670.. Durch die Ausdehnung, die der Eisenkern durch das Rosten erfahren hat, war bei den meisten die Bronze auseinandergeplatzt. Der Guſs selbst war durchaus fehler - frei und die Berührung zwischen Eisen und Erz vollkommen. Augen - scheinlich war das Erz um das Eisen gegossen und nicht das Eisen nachträglich in die Bronze hineingesteckt. Wir haben bereits einen ähnlichen Fund aus Ägypten kennen gelernt, dasſelbe Verfahren kommt bei griechisch-römischen Kandelabern vor. Die Bronze hatte nach Percys Analyse die Zusammensetzung von 88,37 Proz. Kupfer und 11,33 Proz. Zinn. Der Eisenkern dient jedenfalls mehr der Festigkeit als zur Er - sparnis an wertvollerem Material. Wenn man die auſserordentlichen Leistungen der Assyrer auch auf diesem Gebiete der Technik ins Auge faſst, so würde unser Staunen über diese Vielseitigkeit des kriegerischen Volkes ganz maſslos sein, wenn wir nicht wüſsten, daſs diese Werke doch nur zum geringen Teil ihrem eigenen Genie zu danken sind. Den gröſsten Anteil daran haben die Künstler und Handwerker der durch die Assyrer unterworfenen Gebiete, welche die assyrischen Herrscher ganz systematisch in die Gefangenschaft nach ihrer Residenz schleppten,141Die Semiten.um dort ihre Kunst für sich zu verwerten. Dies berichtet die Bibel und die Keilinschriften bestätigen es. So heiſst es von Nebukadnezar wiederholt, daſs er alle Zimmerleute und alle Schmiede aus Jerusalem wegführte1)Siehe 2. Könige 24, 14 und 16, ebenso Jeremias 24, 1 und 29, 2.. In einer Keilinschrift rühmt sich Sennacherib: Die Handwerker sowohl der Aramäer als der Chaldäer habe ich mit mir fortgeführt2)Asiatic Journal XIX, p. 137. . Durch solche gewaltsame Konzentration tüchtiger Kräfte konnte freilich Groſses geleistet werden.

Legen wir uns zum Schluſs noch die Frage vor: haben die Assyrer den Stahl gekannt, so müssen wir dieselbe unbedingt bejahen. Ob sie ihn selbst dargestellt haben, ob sie ihn für etwas anderes ansahen, als ein besonders gutes Eisen, ist eine andere Frage und dürfte dies wohl bezweifelt werden. Eine besondere Bezeichnung für Stahl existiert, wie bereits erwähnt, in den Keilinschriften nicht. Wenn aber das Schwert von Eisen gerühmt wird, so können wir sicherlich annehmen, daſs dar - unter Stahl zu verstehen ist. Es war ja kein wesentlich anderer Prozeſs, durch den Stahl oder Eisen gewonnen wurde, weit mehr kam die Qua - lität der Erze dabei in Betracht. Die Unterscheidung der Qualität wurde aber im Altertume nur nach Ländern gemacht, wenn aber die Assyrer persisches Eisen beziehen oder den Moschern und Tibarenen (den Nachbarn der Chabyler) Tribut von Eisen auflegen, so können wir ziemlich bestimmt annehmen, daſs dies eine besondere Qualität Eisen, daſs es Stahl war. Dafür spricht auch der weitere Umstand, daſs, ob - gleich sie im allgemeinen es vorzogen, den leicht zu verarbeitenden grauen Alabaster für ihre Skulpturen und Inschriften zu benutzen, sie doch für besonders wichtige Aufzeichnungen den festen Basalt des Mons Masius verwendeten, der an Härte und Zähigkeit nicht hinter dem Granite Oberägyptens zurücksteht. Zum Einmeiſseln der Inschriften in dieses feste Gestein wendeten die Assyrer unzweifelhaft Stahlwerk - zeuge an.

[142]

Syrien.

Palästina, Phönizien, Arabien, Lydien.

Westlich des Euphrat dehnt sich bis zu den Höhen des Libanon hin die syrische Wüste, ein ödes Hochplateau. Deshalb nannten es die Alten Aram, d. h. das Hochland. Nur wenige Oasen sind in das weite Gebiet eingestreut, die als wichtige Rastorte für die Karawanen früh angesiedelt wurden. Karchemis (griechisch Kirkesion) an der Mündung des Aborrohas in den Euphrat und Damaskus am Fuſse des Antilibanon, die östliche und westliche Grenzstadt von Niniveh aus, haben wir be - reits durch die Brandschatzungen der Assyrer als reich an Metallen, besonders auch an Eisen, kennen gelernt. Damaskus, die herrliche Oase am Fuſse des wild zerklüfteten Bergkammes des Antilibanon ist eine uralte Stadt, der Markt der Völker, und Sitz aller Industrie. Muhamed verlegt hierher das Paradies. Dichter und Reisende preisen die Schönheit seiner Lage, den Balsam der Luft, die Frische des Wassers, die Pracht seiner Palmen und Reben, seiner Rosen und Früchte.

Aber nicht minder berühmt waren die Schwerter, die man auf dem Markte von Damaskus kaufte. Wenn diese auch nicht alle in Damaskus gefertigt wurden, wenn auch die besten Klingen aus Persien und Tiflis kamen und noch heute kommen, so waren seine Eisenschmiede doch hoch - berühmt. Wie Timur vor 500 Jahren nach der Eroberung von Damas - kus vor allem anderen die Schmiede mit sich fortführte, so thaten das - selbe die assyrischen Eroberer, und wenn Nebukadnezar sich rühmt, die Schmiede der Aramäer habe ich mit mir fortgeführt, so sind darunter insbesondere die Schmiede von Damaskus gemeint.

143Syrien.

Die Orientalen halten Damaskus für die älteste Stadt. Zur Zeit Abrahams bestand sie schon. Der ägyptische König Thutmosis III. eroberte um 1590 v. Chr. die Stadt Thamasku. Daſs die Waffen - fabrikation in Damaskus altberühmt ist, geht auch daraus hervor, daſs Kaiser Diokletian dort groſse Waffenfabriken für die römische Armee anlegte. Hierdurch, sowie durch die Kreuzzüge sind die Damaszener - klingen auch in Europa berühmt geworden. Man versteht darunter bekanntlich elastische Stahlklingen, die durch eine gewisse Zeichnung, den sogenannten Damast, charakterisiert sind. Dieser Damast, den die polierten und schwach geätzten Klingen zeigen, hat seine Ursache darin, daſs härterer und weicherer Stahl, oder Stahl und weiches Schmied - eisen miteinander verbunden sind. Diese Verbindung bewirkt die Hauptvorzüge einer guten Klinge, Härte der Schneide, Elastizität und Zähigkeit.

Es giebt einen Damast, den ich den natürlichen nennen möchte, es ist dies derjenige, den der indische Wootzstahl zeigt, in welchem in einer nicht vollständig geschmolzenen Stahlmasse weichere Partieen ausge - schieden sind. Dadurch entsteht beim Ausschmieden eine unregel - mäſsige Damastzeichnung, die man mit dem Ausdruck Wasser bezeichnet, weil die glänzenderen, härteren Partieen wie verschwimmende Wasser - tropfen aus der weicheren, dunkleren Grundmasse hervorschimmern. Der künstliche Damast entsteht dadurch, daſs man absichtlich härteren und weicheren Stahl, resp. Stahl und Schmiedeisen zusammenschweiſst und ausschmiedet, diese Stäbe zerschneidet oder umbiegt und von neuem schweiſst und ausreckt und dieses öfter wiederholt, um eine möglichst innige Verbindung der beiden Körper zu erzielen. Dadurch werden geradlinige Zeichnungen auf der Klinge hervorgebracht. Will man, was namentlich im Orient vorgezogen wird, wellige Linien er - zeugen, so braucht man nur die geschweiſsten Zaine auf einem Schraub - stock schraubenförmig zu winden, ehe man sie von neuem ausschmiedet und schweiſst. Da wir auf diesen Gegenstand noch einigemal zurück - kommen müssen, so mögen diese allgemeinen Bemerkungen hier genügen.

Westlich von dem felsigen Antilibanon erstreckt sich die eigen - tümliche Einsenkung von Kölesyrien, das hohle Syrien, das in eine nördliche und eine südliche Abdachung mit den Fluſsthälern des Orontes und des Jordan zerfällt. Dieses ganze Gebiet bis zum Meere hin nannten die Hebräer Kanaan, d. h. das Tiefland. Die schnee - bedeckten Höhen des Libanon bilden den Mittelpunkt. Besonders die südliche Abdachung ist ein fruchtbares, waldreiches Bergland bis nach Samaria hin, während Judäa steinig und kahl ist, und mit seinen tief -144Syrien.eingerissenen Thälern ein ernstes Landschaftsbild darbietet, dessen melancholischer Charakter sich mit der Annäherung zum toten Meere steigert. Rasch fällt das Gebirge der parallel laufenden Meeresküste zu. Hier wohnten die Phönizier. Kanaan war eine alte Heimat der Semiten, doch nennt die heilige Schrift Kanaan einen jüngeren Sohn des Cham, dessen ältester Sohn Sidon war. Demnach hielten die He - bräer die Phönizier für die ältesten Ansiedler, der zweite Sohn hieſs Chet, von dem die Chetiter, Hetiter oder Cheta ihren Namen herleiteten, die in der Mitte des zweiten Jahrtausend die Obmacht in Palästina hatten und gewaltige Gegner der Ägypter waren. Ihr Stammgebiet war südlich von Judäa. In das Land Kanaan wanderten die Hebräer unter der Leitung ihres Stammvaters Abraham von Osten her ein. Abraham stammt aus der elamitischen Stadt Ur. Die Einwanderung geschah kurz vor der Zeit, als König Kedor-Laomer (Kudur Lagomer) von Elam die Fürsten Kanaans mit Krieg überzog1)Siehe oben S. 107.. Es war dies vor dem Jahre 2000 v. Chr. Aus den Schilderungen der heiligen Schriften der Juden geht hervor, daſs damals bereits geordnete Zustände in Kanaan bestanden. Es gab Fürsten, die in befestigten Städten wohn - ten. Damaskus und Sidon bestanden, Sodom und Gomorrha waren befestigte Plätze. Das Eigentum war in festen Händen, Ackerbau wurde betrieben, Gold und namentlich Silber war reichlich in Kanaan. Das babylonische Münzsystem war angenommen und der Silberscheckel das anerkannte Geld. Die Chetiter, vielleicht die zurückgedrängten Hyksos, waren ein streitbares Volk. Ihre kriegerische Ausrüstung war denen der Ägypter überlegen, insbesondere waren sie gefürchtet wegen ihrer Streitwagen, die bekanntlich die Ägypter von ihnen annahmen. Auch waren sie reich an Silber und Gold, wie aus den Tributlisten des Thutmosis hervorgeht.

Nördlich von ihnen wohnten die Retenu, wahrscheinlich bis zum Libanon und Damaskus hin, die reich waren an Eisen. Sie muſsten dem siegreichen ägyptischen Könige auſser Eisen als solches: Helme, Rüstungen, Streitäxte, Streitwagen und Kunstarbeiten als Tribut ent - richten. Hieraus ersehen wir, daſs schon vor Thutmosis und lange vor Moses in Kanaan eine entwickelte Kultur bestand, daſs Ackerbau und Gewerbe betrieben wurden, daſs die Metalle bekannt waren und nament - lich Eisen vielfach und mit hohem Geschick verarbeitet wurde.

Die Hebräer, die zuerst als Wanderhirten in das Land kamen, und schon unter Abraham feste Wohnplätze erwarben, wurden die Erben dieser Kultur. Israel und Phönizien verbreitete sie in die ganze Welt.

145Syrien.

Phönizien und Israel, die beiden stammverwandten Nachbar - völker, haben eine sehr verschiedene Entwickelung genommen, und doch sind beide die wichtigsten Kulturvölker der Erde, die Lehrer des Menschengeschlechtes geworden, dieses für das sittliche, jenes für das materielle Wohl der Völker.

Phönizien und Israel sind die Blüten des semitischen Stammes, in ihnen hat dieser seine Mission erfüllt und die reiche Erbschaft seiner Bildung den indogermanischen Völkern vermacht. Welche Gegensätze zwischen beiden entsprechend der Doppelnatur im Menschen: die ideale Sehnsucht nach höherer, geistiger Befriedigung bei Israel; die that - kräftige Sinnlichkeit bei den Phöniziern, und wenn auch beide Völker manchmal ihre Rolle vertauscht zu haben scheinen, so verwischt sich der Grundcharakter nicht.

Abraham, der Stammvater der Israeliten, zog auf Jehovas Befehl aus Ur in Mesopotamien. Er ging über den Euphrat und von da süd - wärts in der Richtung der alten Karawanenstraſse, die von Hamath südwärts führt nach dem verheiſsenen Lande Kanaan. Sein Leben war das eines Nomaden und er zog mit seinen Herden bis nach Ägyp - ten. Aus unbekannten Ursachen wanderte er wieder nordwärts, bis er sich bei Hebron im südlichen Kanaan ankaufte, indem er von dem Fürsten des Landes die Höhle von Machpela und das umliegende Gebiet für 400 Scheckel Silber als Begräbnisstätte für sein Weib Sarah erwarb. Dies war der erste Grundbesitz des Stammvaters von Israel. Die alte Geschichte des jüdischen Volkes ist so mit Sagen und Umdichtungen ausgeschmückt, daſs der reale Kern oft schwer zu erkennen ist. Erst von der Zeit des Auszuges aus Ägypten an stehen die Überlieferungen auf festerem, geschichtlichem Boden. Die Israeliten waren, anscheinend infolge wiederholten Miſswachses in Kanaan, als eine Schar nomadisieren - der Hirten in Ägypten eingefallen, hatten sich aber dort in einem ihnen von den ägyptischen Herrschern abgetretenen Distrikt, dem Lande Gosen , vermutlich dem Waddi-Tumailat zwischen dem Nil und dem Nordrande des Roten Meeres, angesiedelt und zum Ackerbau bequemt. Durch irgend ein Ereignis, wahrscheinlich durch schwere Frohndienste, die den Ansiedlern bei dem Bau des groſsen Kanals, der den Nil mit dem Roten Meere verbinden sollte, auferlegt worden waren, wurde der ganze Stamm veranlaſst, mit Hab und Gut auszuwandern unter Führung ihres groſsen Gesetzgebers Moses. Es geschah dies nach Angabe des Verfassers des jüdischen Kalenders, Hillel ha-Nasi II., im Jahre 1312 v. Chr. und zwar unter der Regierung des Königs Menephta, desBeck, Geschichte des Eisens. 10146Syrien.schwächlichen Sohnes des groſsen Ramses II1)Die jüdische Einwanderung in Ägypten darf nicht verwechselt werden mit dem Einbruch der semitischen Hyksos, die von 2200 bis 1600 v. Chr. Ägypten in Unterwürfigkeit hielten. Dunker giebt den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten von 1560 bis 1320 v. Chr. an.. Erst nach langen Kämpfen und Mühsalen gelang es den Juden in Kanaan wieder festen Fuſs zu fassen und die ursprüngliche Bevölkerung teils zu ver - drängen, teils zu vernichten und so die Herrschaft Israels in Kanaan auf - zurichten. Noch lange Zeit hindurch hatte das jüdische Volk heftige Kämpfe zu bestehen, ehe es den Besitz des heiligen Landes gegenüber den kriegerischen Nachbarvölkern sicher gestellt hatte. Ihr Land lag in dem Knotenpunkte von drei Weltteilen und von drei verschiedenen Kulturentwickelungen. Kein Volk der Erde ist so wechselvollen, mannig - faltigen und bedeutenden Einflüssen ausgesetzt gewesen, als das jüdische, und in keinem Lande haben sich so verschiedenartige Elemente in fried - lichem Handel und in blutigem Kampfe begegnet, als in Israel. Schon in der Kindheit als eine rohe, semitische Nomadenhorde zu der alten ägyptischen Weisheit in die Schule geschickt, wurde ihnen auch im Alter das Lernen nicht geschenkt. Die groſsen Handelsstraſsen von Westasien nach Ägypten und Arabien zogen mitten durch ihr Land und diese hielten das Volk in unausgesetzter Verbindung mit Ägypten, Arabien, den Euphratländern und Kleinasien. Aber die groſsen Handelsstraſsen waren auch die Kriegsstraſsen. Der Weg aus dem Osten nach Ägypten führte durch Israel und Ägypten, war das Ziel der Eroberungszüge aller asiatischen Herrscher von Kedor-Laomer bis auf Cyrus. Für die ägyptische, wie für die asiatische Herrschaft war Israel am Eingangstore Ägyptens gelegen, ein gleich wichtiger Besitz. Wenn auch Alexander der Groſse das asiatische und ägyptische Reich gleichzeitig in den Staub warf und dadurch der Rivalität auf einige Zeit ein Ende machte, so bildete doch alsbald nach des groſsen Eroberers Tode Israel wieder den Zankapfel zwischen den Ptolemäern und Seleukiden. Alle diese harten Schicksale konnten jedoch die bewundernswürdige moralische Kraft des israelitischen Volkes nicht brechen, sondern nur läutern. Jemehr das jüdische Volk durch den Ehrgeiz fremder Despoten mit blutiger Gewalt zur Teilnahme an den Fragen des Tages gezwungen wurde, desto mehr zog es sich in sich selbst zurück, desto mehr pflegte es die idealen Keime seines religiösen Lebens, desto mehr fand es innere Tröstung und desto verstockter wurde es nach auſsen, bis zuletzt diese berufene Verstocktheit der Juden dahin führte, daſs ihre Nationa - lität vollständig vernichtet und zertreten wurde. Aber der edle Keim147Syrien.dieses wunderbaren Wesens konnte nicht zertreten werden, er hat die stolze Pracht Asiens und die Habgier des Römerreiches lange über - dauert.

In ihren heiligen Schriften haben die Kinder Israels sich selbst gerettet. Es war ihr Schatz, den sie verwahrten, sorgsamer als alle Reichtümer des Tempels und sie haben ihn erhalten trotz Brand und Verwüstung. Wie die heiligen Schriften der Juden noch heute der lebendige Born sittlicher Erfrischung sind, so sind sie auch ein reicher Quell geschichtlicher Belehrung, reicher als irgend eine andere Hinter - lassenschaft aus so früher Zeit.

Auch in technischen Dingen gewähren die alten Bücher mancher - lei Aufklärung. Das Volk Israel war zwar weder ein Industrie - noch ein Handelsvolk. Obgleich im Mittelpunkte des Handelsverkehres lebend, verhielten sie sich doch, so lange sie als Nation bestanden, dem Welt - handel gegenüber passiv. Während der reiche Phönizier die ganze damals bekannte Welt bereiste, blieb der Israelit zu Haus, denn nur zu Haus konnte er die strengen Gebote seiner Religion erfüllen, nur im gelobten Lande wohnte Jehovah. Wie konnte er unter Fremden den Sabbat heiligen, wie Jehovah es befohlen hatte? So stand ihre Re - ligion ihrer Handelsthätigkeit im Wege und dies war wieder die Ver - anlassung, daſs sich keine bedeutende Industrie in Israel entwickelte, wenigstens hielt die Industrie der israelitischen Städte keinen Vergleich aus mit der von Damaskus, Tyrus und Sidon.

Die Phönizier waren die Händler für Israel, sie lieferten alles, was dies Volk bedurfte, indem sie dafür die reichen Naturprodukte Kanaans in Tausch nahmen. Auf den Lokalverkehr mit Phönizien und Damas - kus beschränkte sich der Handel der Juden auſser in den Zeiten, in welchen sie durch glückliche Kriege und durch die Habgier unter - nehmungslustiger Fürsten, wie namentlich Salomos, vorübergehend in den groſsen Weltverkehr mit hineingezogen wurden. Der Handel mit Phönizien fordert fast allein Beachtung1)Über den phönizisch-israelitischen Handel vergleiche Movers, die Phöni - zier II, 3. Abteilung, S. 200 ff..

Die Phönizier lieferten den Israeliten vornehmlich alle Luxus - bedürfnisse, Prachtgewänder, geschnittene Steine, Gold und Silber, ferner alle Arten von Metallwaren; dafür bezogen sie aus Israel die Kornfrüchte, besonders Weizen. Hesekiel in seinem Klageliede über Tyrus führt die israelitischen Waren auf2)Ezechiel 27, 17.: Juda und das Land Israel haben auch mit dir gehandelt und haben dir Weizen von Minnith10*148Syrien.und Balsam und Honig und Öl und Mastich auf deine Märkte gebracht. Der Getreidehandel der Israeliten war so bedeutend, daſs der jährliche Umschlag sich nach Movers auf 12500000 Thaler belief1)Movers a. a. O. II, 3, S. 212.. Judäa lieferte reichlich Olivenöl, ebenso Wollgewebe, wozu die Wolle von den groſsen Herden jenseits des Jordans geliefert wurde, während die galiläischen Hausfrauen den Flachs zu feinen Leinwandgespinnsten spannen und diese verwoben, um sie an die phönizischen Krämer zu verkaufen. Die Hausfrau geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen; sie strecket ihre Hände zum Rocken und ihre Finger fassen die Spindel2)Sprüche Salomonis 31, 13 und 19.. Balsam aus Gilead, die resina der Alten, war eines der kostbarsten Erzeugnisse Palästinas, und Styrax eine andere Harzart war von den Ägyptern gesucht zum Einbalsamieren ihrer Toten. Die Industrie der Israeliten beschränkte sich auſser auf das Weben von Zeugen, auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, nur die Salbenbereiter arbeiteten ebenfalls für den phönizischen Handel. Als gewerbsmäſsige Beschäftigungen werden in der heiligen Schrift Metallarbeiter, Schlosser, Zimmerleute, Töpfer und Walker erwähnt. Nach der Zeit des Exil stand das Handwerk in hohem Ansehen in Israel, so daſs selbst die Wohlhabenden ihre Kinder ein Handwerk lernen lassen muſsten.

Von der Gewinnung und Verarbeitung der Metalle in Israel sprechen die heiligen Schriften häufig. Die Tradition nennt Thubal - kain, den Sohn der Zillah, der um das Jahr 1057 der Welt lebte, einen Meister in allerlei Erz und Eisenwerk .

Wie Adam, der aus Erde gebildete , und Enod, der Mensch heiſst, so bedeutet Kenan der Schmied, während Abel (hebel) der schwächere Hirte, den jener erschlägt, der Vorzügliche heiſst. Auch in dem Namen der Mutter des Thubalkain, der Zillah, d. h. der Schwarzen , liegt wohl eine dichterische Anspielung auf das Schmiede - gewerbe. Thubal soll mit einem arabischen Worte tubal, das Eisen - schlacke bedeutet, verwandt sein, so daſs Thubalkain geradezu der Eisenschmied wäre. Josephus nennt die Chalyber als die Nachkommen des Thubalkain, und wird Thubal als ein Volk, mit dem Israel und Phöni - zien in Handelsverbindung steht, oft genannt. Es ist gewiſs, daſs die Juden ihre Stahlwaren zum Teil aus dem nördlichen Armenien, dem alten Stahllande der Chalyber bezogen, aber auch ein ethnographischer Zusammenhang, eine semitische Ansiedelung in Nordarmenien ist höchst wahrscheinlich. Sicher ist, daſs schon in frühester Zeit den Israeliten149Syrien.Gold, Silber, Kupfer und Eisen bekannt waren. Doch war das eigene Land nicht reich an Metallen, namentlich nicht an den edlen Metallen. Diese wurden nicht im Lande gewonnen, sondern durch den beschränk - ten Handel nur spärlich nach Israel gebracht. Erst durch die glück - lichen Kriegszüge Sauls und Davids kam reichlich Gold und Silber in das Land, welches diese aus den Schatzkammern der besiegten Fürsten und Städte wegnahmen. Doch übertreibt wohl die Chronik, wenn sie David sprechen läſst: Siehe, ich habe in meiner Armut verschafft zum Hause des Herrn 100000 Zentner Goldes und 1000000 Zentner Silber, dazu Erz und Eisen ohne Zahl, denn es sind sein zu viel1)I. Chronik 23, 14..

Den gröſsten Goldreichtum häufte Salomo auf, teils durch Erb - schaft, teils durch Tributzahlungen unterworfener Fürsten, teils endlich durch den groſsen Handelsgewinn, den er aus seinen Ophirfahrten, die er in Gemeinschaft mit dem Könige Hiram von Tyrus unternommen hatte, zog. Von der ersten dieser Ophirfahrten betrug Salomos Gewinn - teil bereits 420 Zentner Gold. Aus Ophir2)Hiob 28, 16. und aus Arabien3)Psalm 72, 15. kam das meiste Gold nach Israel. Zu Münzen wurde Gold in alter Zeit nicht verwendet, dagegen war es in Form von Ringen, die ein be - stimmtes Gewicht hatten und öfter wohl geradezu als Geld benutzt wurden, gebräuchlich. In der Erzählung von Isaaks Brautwerbung um Rebekka heiſst es4)1. Moses 24, 22.: Da nun die Kamele alle getrunken hatten, nahm er eine güldene Spange, einen halben Scheckel schwer und zween Armringe an ihre Hände, 10 Scheckel Goldes schwer und zog hervor silberne und güldene Kleinode und gab sie der Rebekka, aber ihrem Bruder und der Mutter gab er Würze. Goldene Spangen trugen die ismaelitischen (arabischen) Kaufleute in den Haaren und selbst die Hälse ihrer Kamele schmückten sie damit. Als Schmuck der Heilig - tümer wird das Gold bei den Israeliten schon sehr früh erwähnt, so ordnet Moses betreffs der Stiftshütte an5)2. Moses 26, 37.: Ihr sollt dem Vorhange fünf Säulen machen von Föhrenholz mit Gold überzogen, mit güldenen Knäufen und sollt ihnen schöne Füſse geben. Dies war die älteste und einfachste Art der Vergoldung, wie sie nicht nur bei den Israeliten, sondern auch bei den Assyrern, Griechen u. s. w. angewendet wurde. Man nagelte das ausgeschlagene Goldblech auf das Holz der Thüren, der Säulen, der Bettstellen u. s. w. fest. Diese solide Vergoldung wird in der heiligen Schrift oft erwähnt6)Z. B. 2. Moses 24, 14, 15; Jesaias 41, 7..

Mit dem Silber verhielt es sich wie mit dem Golde. Im Lande wurde es nicht oder nur in geringer Menge gewonnen, es kam aber150Syrien.durch den Handel dahin und zwar relativ reichlicher als das Gold. Zur Zeit, da die Israeliten nach Kanaan kamen, bestand in Syrien bereits eine wohlgeordnete Geldwirtschaft, der sich die Einwanderer so rasch bequemten, daſs zur Zeit der Abfassung der ältesten Teile des Pentateuch schon alle Wertangaben nach Silberwährung gemacht wurden und sich nur in den gesetzlichen Strafbestimmungen Spuren der früheren Wertberechnung nach Rindern und Schafen finden. Letzte - res wurde namentlich beim Viehdiebstahl noch aufrecht erhalten. So soll nach einem sehr alten Gesetze1)2. Mosis 22, 1 bis 4. ein Dieb Ersatz leisten: Vier Schafe für ein Schaf und fünf Ochsen für einen Ochsen, kann er sie aber nicht geben, so soll er als Sklave verkauft werden. Die Tradi - tion, dergemäſs Abraham das Erbbegräbnis bei Hebron für 400 Scheckel Silber kaufte, ist ein Zeichen, daſs schon bei dem ersten Verkehre der Israeliten mit den Eingeborenen Silbergeld im Handel gebräuchlich war. Silber kam ferner ebenso wie Gold reichlich in das Land durch die Kriegszüge Davids, und zu Salomos Zeit wurde es fast gering geschätzt, so daſs der König nur goldene Gefäſse benutzte, denn, sagt die Chronik in ihrer übertriebenen Weise, Silber war für nichts geachtet in Salomos Tagen2)2. Chronik 9, 20. und im Buche der Könige3)1. Könige 10, 27; ebenso aber auch 1. Könige 10, 21. heiſst es: Salomo machte, daſs des Silbers so viel war in Jerusalem als Steine. Dem Propheten Ezechiel war die Art der Gewinnung des Silbers, namentlich der Abtreibeprozeſs wohl bekannt, denn er sagt: Das Haus Israel ist zu Schaum geworden; alles Erz, Zinn, Eisen und Blei ist zu Silber - schaum worden. Ähnliche Anspielungen auf den Abtreibeprozeſs und die hüttenmännische Gewinnung finden sich an verschiedenen Stellen.

Das Kupfer war den Hebräern ebenfalls schon bei ihrem Ein - tritte in die Geschichte bekannt. Ihre Sprache machte keinen Unter - schied zwischen Kupfer und Erz. Letzteres wird nur zuweilen durch ein Beiwort charakterisiert. Das Kupfer heiſst נְחשֶׁת n’choschet. Die Übersetzer der Bibel, durchgehends in der traditionellen Theorie der Aufeinanderfolge der Metalle befangen, setzen durchgehends dafür Erz, obgleich hierzu in vielen Fällen keine Berechtigung vorliegt.

Die Tradition nennt bereits Thubalkain einen Meister in allerlei Kupfer und Eisenwerk. Es scheint aber, daſs die Hebräer ihre metallur - gischen Kenntnisse zum gröſsten Teil von den Kananitern empfingen. Aus den Inschriften des ägyptischen Königs Thutmosis III. um 1500 v. Chr. und des groſsen Ramses, die siegreiche Kriege gegen das da - mals herrschende Volk Kanaans, gegen die Cheta, Chetiter oder die151Syrien.Hetiter führten, geht hervor, daſs diese reich an Metallen waren und sie vorzüglich zu verarbeiten verstanden. Sie zahlen reichen Tribut an die Pharaonen von Gold, Silber, Erz, Elfenbein, Ebenholz und Lapis Lazuli (chesbet) und Edelsteinen u. s. w., Dinge, die sie nicht nur durch den Handel erworben haben können, und die das Alter des kananitischen Handels und den Reichtum seiner Herrscher beweisen. Unter diesen Tributgaben werden besonders gerühmt und abgebildet die kunst - vollen Metallvasen, die aus getriebenem Erz gewesen zu sein scheinen.

Daſs die Kananiter Kupfer und Eisen in ihrem Lande gewannen und reich an Metallen waren, wird uns durch die Überlieferungen der heiligen Schrift bestätigt. Jehova führt sein Volk in ein Land, da du Brot genug zu essen hast, da auch nichts mangelt; ein Land, dessen Steine Eisen sind und da du Erz (d. h. Kupfer) aus den Bergen hauest 1)5. Mosis 8, 9.. Aus dieser Stelle erweist sich, um dies nebenher zu erwähnen, recht deutlich, wie verkehrt die gebräuchliche Übersetzung des n’choschet mit Erz, statt mit Kupfer ist, denn die künstlich bereitete Kupfer - Zinnbronze kann man nicht aus den Bergen hauen, hier ist also nur Kupfer richtig. Der Metallreichtum der Kananiter, insbesondere auch an kunstvollen Erzvasen, wird bestätigt durch die Mitteilungen über die Einnahme von Jericho2)S. Josua 6, 9 und 24., welche die Gefäſse von Kupfer besonders hervorheben. Sie wurden im Tempelschatz aufgestellt. Es ist wohl anzunehmen, daſs hier Gefäſse aus Erz gemeint sind, ähnliche Arbeiten, wie die von Homer gepriesenen sidonischen Mischkrüge. Derselben Art waren auch die goldenen, silbernen und ehernen Gefäſse, welche der König von Hamat David zum Geschenk machte3)I. Chronik 18, 10..

Indessen waren auch die Hebräer zur Zeit des Mosis mit dem Erz bereits bekannt. Dies geht bestimmt aus den Angaben über den Bau der Stiftshütte und die Anfertigung der Bundeslade hervor. Mosis richtete bereits in der Wüste ein ehernes Schlangenbild auf zur Heilung der von den giftigen Schlangen gebissenen Israeliten. Das Bild der Schlange, aus Ägypten mitgebracht, blieb auch noch später Symbol der Heilkraft, und sogar ein Mittel zur Heilung. Ob es gegossen war, erfahren wir nicht. Es läſst sich deshalb auch nicht entscheiden, ob es von Erz oder Kupfer war. Daſs aber die Israeliten beim Exodus die Kunst des Metallgusses bereits kannten, geht aus der Aufrichtung des goldenen Kalbes (des ägyptischen Apis) hervor. Es heiſst4)2. Mosis 32, 3 und 4. ganz bestimmt: Da riſs alles Volk seine goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron. Und er nahm sie von ihren Händen und152Syrien.entwarf (das Bild) mit einem Griffel und machte ein gegossenes Kalb1)Ebenso 5. Mosis 9, 16..

Indessen läſst sich kaum annehmen, daſs Aaron im stande war, ein groſses Götzenbild, welches das ganze Lager der Israeliten anbeten sollte, aus einer Masse von Metall zu gieſsen. Ziehen wir in betracht, daſs alle älteren Götzenbilder jener Zeit aus Holz hergestellt und nur mit Goldblech und gegossenen Teilen verziert waren, erwägen wir ferner die darauffolgende Stelle des Chronisten2)2. Mosis 32, 20.: Mosis nahm das Kalb, das sie gemacht hatten und verbrannte es mit Feuer und zer - malmte es zu Pulver, stäubte dieses auf das Wasser und gab es den Kindern Israel zu trinken , so müssen wir annehmen, daſs der eigent - liche Körper des Götzenbildes aus Holz bestand, daſs auf dieses Holz - gerüst sich die letzterwähnte Stelle bezieht und daſs nur die Aus - schmückung des Stierbildes aus Gold bestand. Die Hauptteile dieser dekorativen Umkleidung waren gegossen. Gold zu vergieſsen erfordert eine höhere Temperatur als zum Erzguſs nötig ist. War den Israeliten jener Periode das Erz überhaupt bekannt, so läſst sich daraus wohl folgern, daſs sie auch den Erzguſs kannten. Hierfür haben wir aber auch das direkte Zeugnis des Verfassers des zweiten Buches Mosis in der Beschreibung der Einrichtung der Stiftshütte.

Die Kinder Israels hatten beim Auszug aus Ägypten groſse Mengen von Gold, Silber und Erz mitgenommen, welches sie sogar zum Teil durch Betrug den Ägyptern weggenommen hatten. Nachdem Mosis die Gebote Jehovas verkündet hatte, ordnete er den Bau eines Tempels, der Stiftshütte, an und schrieb hierzu Abgaben, die Hebeopfer aus, und zwar in erster Linie Gold, Silber und Erz. Die Juden spendeten so reichlich, daſs Mosis mehr hatte, als nötig war. Auf Gottes Befehl lieſs er die Bundeslade, den Gnadenstuhl, den Tisch für die Schau - brote, den Leuchter des Tempels, den Räucheraltar und die Stiftshütte machen. Alle diese Kunstwerke waren aus Holz hergestellt, mit Gold, Silber, Kupfer und Erz verziert und verstärkt.

An der Bundeslade waren die vier Ringe an den Ecken zum Tra - gen mittels durchsteckter Stangen aus Gold gegossen3)2. Mosis 24, 12.. Die zwei Cherubine auf dem Gnadenstuhl waren von Gold getrieben. Das gröſste Kunstwerk ganz aus Gold war der siebenarmige Leuchter, an dem ein Zentner Gold war. An den Teppichen der Stiftshütte waren die Hefte aus Erz4)2 Mosis 26, 11.. Der Brandopferaltar war von Föhrenholz mit Erz (Kupfer) überzogen, hatte gegossene Ringe an den Ecken und war zum Tragen153Syrien.eingerichtet. Alles Opfergerät war von Erz. Um den Altar lief ein ehernes Gitter wie ein Netz, mit vier Ringen an seinen vier Ecken1)2. Mosis 27, 1 bis 5.. Der Hof der Stiftshütte hatte einen Umhang, der an Säulen befestigt war, die auf ehernen Füſsen ruhten2)2. Mosis 29, 9 ff.. Selbst die Nägel in der Stifts - hütte waren von Erz3)2. Mosis 27, 19.. Ebenso war der Vorhang an der Thür des Tempels von fünf Säulen unterstützt, die gegossene, eherne Füſse hatten4)2. Mosis 26, 37..

Groſse Massen von Erz schleppte der siegreiche König David auf seinen Kriegszügen zusammen. Durch die Besiegung des reichen Königs Hadad-Eser von Syrien gewann er groſse Mengen von Erz aus dessen Städten Behta und Berothai5)2. Samuel 8, 8. (oder Tibehath und Chun), woraus Salomo später das eherne Meer anfertigen lieſs.

Die groſsartigsten Werke in Erzguſs lieſs der reiche und mächtige König Salomo ausführen: jedoch nicht durch jüdische Künstler, sondern durch Männer aus Tyrus. Hieraus darf gefolgert werden, daſs die Kunstfertigkeit der Hebräer im Metallguſs doch weit zurück stand gegen die der Phönizier. Der Guſs des ehernen Meeres und der groſsen Säulen ist uns umständlich überliefert worden, der Bericht ist für die Geschichte der metallurgischen Technik von solcher Wichtigkeit, daſs, obgleich wir ihn als bekannt voraussetzen dürfen, wir ihn doch im Wortlaute hier wiedergeben. König Hiram von Tyrus, der schon mit David in inniger Freundschaft gelebt hatte, schickte Salomo einen Künstler, der denselben Namen führte, wie er selbst. Der Bericht im ersten Buch der Könige lautet6)1. Könige 7, 13 bis 47 (M. Luther).:

13. Und der König Salomo sandte hin, und lieſs holen Hiram von Tyrus.

14. Einer Wittwe Sohn, aus dem Stamm Naphtali und sein Vater war ein Mann von Tyrus gewesen, der war ein Meister im Erz, voll Weisheit, Verstand und Kunst zu arbeiten allerlei Erzwerke. Da er zum König Salomo kam, machte er alle seine Werke.

15. Und machte zwei eherne Säulen, eine jegliche 18 Ellen hoch und ein Faden von 12 Ellen war das Maſs um jegliche Säule her.

16. Und machte zwei Knäufe von Erz gegossen, oben auf die Säulen zu setzen und ein jeglicher Knauf war fünf Ellen hoch.

17. Und es waren an jeglichem Knauf oben auf der Säule sieben geflochtene Reife, wie Ketten.

18. Und machte an jeglichem Knauf zwei Reihen Granatäpfel umher an einem Reif, damit der Knauf bedeckt ward.

19. Und die Knäufe waren wie die Rosen vor der Halle, vier Ellen groſs.

20. Und der Granatäpfel in den Reihen umher waren 200, oben und unten an dem Reif, der um den Bauch des Knaufs herging an jeglichem Knauf auf beiden Säulen.

154Syrien.

21. Und er richtete die Säulen auf vor der Halle des Tempels. Und die er zur rechten Hand setzte, hieſs er Jachin und die er zur linken Hand setzte, hieſs er Boas.

22. Und es stand also oben auf den Säulen wie die Rosen. Also war vollendet das Werk der Säulen.

23. Und er machte ein Meer, gegossen zehn Ellen weit, von einem Rande zum andern, rund umher, und fünf Ellen hoch und eine Schnur 30 Ellen lang war das Maſs ringsum.

24. Und um dasſelbe Meer, das zehn Ellen weit war, gingen Knoten an seinem Rande rings ums Meer her, der Knoten aber waren zwei Reihen gegossen.

25. Und es stand auf 12 Rindern, welcher drei gegen Mitternacht gewandt waren, drei gegen Abend, drei gegen Mittag und drei gegen Morgen und das Meer oben drauf, daſs alle ihre Hinterteile inwendig waren.

26. Seine Dicke aber war eine Hand breit und sein Rand war wie eines Bechers Rand, wie eine aufgegangene Rose und ging darein 2000 Bath.

27. Er machte auch zehn eherne Gestühle, einen jeglichen vier Ellen lang und breit und drei Ellen hoch.

28. Es war aber das Gestühle also gemacht, daſs es Seiten hatte zwischen den Leisten.

29. Und an den Seiten zwischen den Leisten waren Löwen, Ochsen und Cherubine. Und die Seiten, daran die Löwen und Ochsen waren, hatten Leisten oben und unten und Füſslein daran.

30. Und ein jegliches Gestühle hatte vier eherne Räder mit ehernem Gestell. Und auf den vier Ecken waren Achseln (Fuſsstützen) gegossen, eine jegliche gegen der andern über, unten an den Kessel gelehnt.

31. Aber der Hals mitten auf dem Gestühle war eine Elle hoch und rund, anderthalb Ellen weit und waren Pockeln an dem Halse, in Feldern die vier - eckicht waren und nicht rund.

32. Die vier Räder aber standen unten an den Seiten und die Achsen oder Räder waren unten am Gestühle, ein jegliches Rad war anderthalb Ellen hoch.

33. Und waren Räder wie Wagenräder. Und ihre Achsen, Staben, Speichen und Felgen waren alles gegossen.

34. Und die vier Achseln, auf den vier Ecken eines jeglichen Gestühles, waren auch am Gestühle.

35. Und am Halse oben auf dem Gestühle, eine halbe Elle hoch, rund umher, waren Leisten und Seiten am Gestühle.

36. Und er lieſs auf die Fläche derselben Seiten und Leisten graben Cherubim, Löwen und Palmenbäume, ein jegliches am andern, rings umher daran.

37. Auf die Weise machte er zehn Gestühle, gegossen, einerlei Maſs und Raum war an allen.

38. Und er machte zehn eherne Kessel, daſs vierzig Bath in einen Kessel gingen und war vier Ellen groſs und auf jeglichem Gestühle war ein Kessel.

39. Und setzte fünf Gestühle an die rechte Ecke des Hauses und die anderen fünf an die linke Ecke, aber das Meer setzte er zur rechten, vorne an gegen Mittag.

40. Und Hiram machte auch Töpfe, Schaufeln, Becken, und vollendete also alle Werke, die der König Salomo am Hause des Herrn machen lieſs.

41. Nämlich die zwei Säulen und die keuliche Knäufe oben auf den zwei Säulen und die zwei geflochtene Reife, zu bedecken die zwei keuliche Knäufe auf den Säulen.

42. Und die vierhundert Granatäpfel an den zwei geflochtenen Reifen, je zwei155Syrien.Reihen Granatäpfel an einem Reife, zu bedecken die zwei keuliche Knäufe auf den Säulen.

43. Dazu die zehn Gestühle und zehn Kessel oben darauf.

44. Und das Meer und zwölf Rinder unter dem Meer.

45. Und die Töpfe, Schaufeln und Becken. Und alle diese Gefäſse, die Hiram dem Könige Salomo machte zum Hause des Herrn, waren von lauterm Erz.

46. In der Gegend am Jordan lieſs sie der König gieſsen, in dicker Erde, zwischen Suchot und Zarthan.

47. Und Salomo lieſs alle Gefäſse ungewogen, vor der sehr groſen Menge des Erzes.

Es kann kein Zweifel herrschen, daſs hier wirklich Bronze gemeint ist, denn aus Kupfer wären so gewaltige Guſsstücke für die Künstler des Altertums nicht herzustellen gewesen, hier hat aber die Bezeich - nung n’choschet meistens noch ein Adjektiv bei sich, entweder m’morat oder maruk, d. h. glänzend oder hell. Nur weil man eben n’choschet immer mit Erz zu übersetzen gewöhnt ist, konnten einzelne Er - klärer, z. B. der Verfasser der Vulgata hierbei an Messing (aurichacum) denken, was sich zu solchen Massengüssen gar nicht eignen würde. Hier soll der Ausdruck helles, glänzendes Kupfer vielmehr gerade die Bronze im Gegensatze zum unlegierten Kupfer bezeichnen1)Siehe Ägypten S. 82..

Erst zur Zeit Ezechiels kommt eine andere Kupferlegierung vor, die wohl unser Messing bedeutet, es ist dies das chaschmal2)Ezechiel 1, 4. 17 und 82., verwandt mit dem ägyptischen kasabel. Andere Ausdrücke in der jüngeren Litteratur wie n’choschet kalal3)Ezechiel 1, 7. und n’choschet muts’hab4)Esra 8, 27. bedeuten wohl korinthisches Erz.

Auſser zu gröſseren Guſsstücken zur Ausschmückung des Tempels wurden Erz und Kupfer vielfach im täglichen Leben angewandt, so zu Gefäſsen allerlei Art5)3. Mosis 6, 28; 4. Mosis 16, 39; 2. Chronik 4, 16; Esra 8, 27., zur kriegerischen Ausrüstung und zwar zu Helmen, Harnischen, Schilden, Spieſsen und Bogen6)Z. B. 1. Samuel 17, 5, 6, 38; 2. Samuel 21, 16., zu Ketten7)Richter 16, 21. für Heftnadeln, Stifte, zu mannigfaltigen Schmuckgeräten u. s. w.

Mit dem Zinn בְדִיּלׄ wurden die Israeliten früh bekannt, wahr - scheinlich durch den phönizischen Handel. Es wird meist neben den anderen Metallen als Handelsartikel aufgezählt; so heiſst es in Ezechiel 27, 12 von Tyrus: Du hast deinen Handel auf dem Meere gehabt und allerlei Ware, Silber, Eisen, Zinn und Blei auf deine Märkte gebracht. Hier ist also bestimmt gesagt, daſs es durch den Seehandel nach Tyrus kam8)Ähn - liche Stellen 4. Mosis 31, 22; Ezechiel 22, 18, 20.. Öfter wird es mit Blei verwechselt, ähnlich wie das plumbum album der Römer. So heiſst es in Jesaias in einem156Syrien.Gleichnisse, das von einem verunglückten Silberschmelzen genommen ist1)Jesaias 1, 22.: dein Silber ist Schaum geworden (v. 25) . Du muſst deinen Schaum aufs lauterste fegen und alles dein Zinn wegthun. Hier kann nur Blei gemeint sein. Von einer Verwendung des Zinns für sich er - fahren wir in den Schriften der Juden nichts. Blei war den Juden jedenfalls sehr früh bekannt. Seine Verwendung war indeſs auch nur eine beschränkte. Es wird erwähnt als Gewicht und als Lotblei2)Siehe Amos 7, 7; Zacharias 5, 8.. Eine Tafel von Blei, auf der eine Inschrift eingegraben war, erwähnt Hiob (Kapitel 19, 24).

Wie das Kupfer, so war den Israeliten nicht minder das Eisen schon in allerfrühester Zeit bekannt. Auch seine Entdeckung wird dem Thubalkain zugeschrieben, oder vielmehr sagt die heilige Schrift ganz einfach: Thubalkain, der in der fünften Generation Adams lebte, war ein Meister in allerlei Erz (Kupfer) und Eisenwerk. Thubalkain ist die mythische Figur, die als Erfinder der Nutzmetalle angesehen wird, wie sie uns bei allen Völkern des Altertums begegnet. Wie zuvor er - wähnt, bedeutet Kenan der Schmied, Thubal soll im arabischen Eisen - schlacke heiſsen. Näher liegt der Hinweis auf das Volk Thubal, welches in den Schriften der Juden oft genannt wird und unter dem wir die eisenkundigen Chaliber zu verstehen haben. Eisenerze kamen in Israel vor und wurden gewonnen und verarbeitet. Aus der oben bereits er - wähnten Schilderung Kanaans als ein Land, dessen Steine Eisen sind und da du Kupfer aus den Bergen hauest , dürfte hervorgehen, daſs, während das Kupfererz durch regelmäſsigen Bergbau gewonnen wurde, Eisenerze nur an der Oberfläche gelesen zu werden brauchten. Doch schlieſst dies nicht aus, daſs auch Eisenerze bergmännisch gewonnen wurden. Jedenfalls waren die Juden mit dem Bergbau vertraut. Sie trafen ihn schon in Blüte, als sie Kanaan eroberten, und wenn sie selbst auch diese Industrie wenig betrieben zu haben scheinen, so lieſsen sie dieselbe doch nicht zu Grunde gehen. Daſs jedem einigermaſsen Gebildeten der Begriff eines Bergwerkes, die Idee eines Schachtes ge - läufig war, geht aus den vielen, dem Bergbau entnommenen Bildern und Gleichnissen der heiligen Schriften hervor. Die berühmteste bezügliche Stelle ist Buch Hiob 28, 1, 2 und 9: Es hat das Silber seine Gänge und das Gold seinen Ort, da man es schmilzt. Eisen bricht man aus der Erde und aus den Steinen schmilzt man das Kupfer. Fern von den Wohnungen bricht man den hinabhängenden Schacht, durch die Felsen werden Gänge gebrochen und man erforschte das157Syrien.Dunkel und die Todesnacht. Hier haben wir einen direkten Hinweis auf die bergmännische Gewinnung der Eisenerze. Weitere Beweise für Bergbau und Metallgewinnung im Gebiete von Palästina, von dem heute freilich nichts mehr bekannt ist, und von dem uns die Schriften der Hebräer Bestimmtes nicht mitteilen, geben uns die Namen mancher Ortschaften an die Hand1)Siehe Rougemonts Bronzezeit S. 185 u. s. w.. Im südlichen Judäa wohnten in alter Zeit der kananitische Stamm der Keniter mit ihrer Hauptstadt Kajin, d. h. die Stadt der Schmiede. Scharuhen, von Scharah, gieſsen, die Stadt der Gieſser, der Schmelzer lag im Gebiete des Stammes Simeon. Die gleiche Bedeutung hat Ziph von zuph, gieſsen, bei Hebron in Judäa. Nibschan (von nabasch, leuchten) könnte die Stadt der leuchtenden Öfen heiſsen, während Schiehim die Stadt der Waffen heiſst. Beide lagen in Juda, während Hether, die Stadt der Metalle, im Gebiete von Simeon lag. Im übrigen Palästina nordwärts finden wir wenig bezügliche Namen, erst an den Abhängen des Libanon begegnen wir wieder solchen. Im Gebiete von Asser, dem verheiſsen war, daſs an seinen Schuhen Eisen und Erz sein sollten , finden sich drei Städte nahe bei einander, die auf Bergbau hinweisen. Hamhad, die Stadt der Erze, Mischeal, die Stadt der tiefen Gruben, und Beten, die Stadt der Schachte. Nörd - lich von Asser lag im Gebiete der Phönizier Sarepta, von dem die Tra - dition erzählt, daſs es eine Bergwerksstadt gewesen sei. Palästina ist in geognostischer Hinsicht noch wenig durchforscht und wissen wir deshalb von altem Bergbau kaum etwas. Aus diesen Namen ebenso - wohl, als wie aus andern Umständen erscheint es wahrscheinlich, daſs im südlichen Juda und im nörddlichen Idumäa Bergbau betrieben wurde, ebenso wie am Libanon, worüber wir Bestimmteres wissen. Eisen kam jedoch auch im inneren Lande vor. Die Berge, die von der Grenze Moabs nach Norden zu das untere Jordanthal begrenzten, hieſsen nach Josephus das Eisengebirge2)Joseph, Bell. jud. 4, 8, 2.. Die gegenüberliegenden Berge im Westen Jerichos führen ebenfalls Eisen. Nahe den Jordanquellen bei Hasbeya sind Eisengruben ausgebeutet worden3)Siehe Rougemont, Bronzezeit 87..

Eisenstein kommt im Libanon reichlich vor. Nach Ruſseggers Be - schreibung4)Siehe Ruſsegger a. a. O. I., 2 S. 788 u. s. w. setzen im Kalksteine der oberen Juraformation am rechten Gehänge der Thalschlucht von Merdschibah mächtige, stockartige Lagerstätten von Thoneisen mit Eisenocker auf. Dieselben gehören einem mächtigen Zuge an, der sich parallel den Kalkschichten von Nordwesten nach Südosten erstreckt und dem sich die zum Teil über -158Syrien.einanderliegenden, groſsen, linsenförmigen Erzkörper anreihen. Der Zug kann durch die alten Halden und Pingen in der angegebenen Richtung über eine Stunde weit dem Gebirge hinan verfolgt werden. Schön krystallisierter Spateisenstein durchschwärmt die Masse des Thoneisensteines in kleinen Gängen. Höher aufwärts finden Wieder - holungen derselben Erzformation statt. Der Hauptzug wurde auch bei Ruſseggers Besuch noch gebaut und geht dieser Abbau in hohes Alter - tum zurück. Überall zeigen sich die Spuren des schlechten Betriebes der Alten, die nach allen Richtungen den Boden mit niedrigen Strecken durchwühlt haben. Es ist deutlich zu erkennen, daſs sie bloſs das leicht - flüssige Erz aushielten, schwerflüssiges gar nicht gewannen oder fort - warfen. Keine der Gruben hatte eine groſse Ausdehnung, doch ziehen sich die Halden erstaunlich weit in dem Gebirge fort. Nach Ruſseggers Schmelzprobe hält der Eisenstein von Merdschibah 50 bis 60 Proz. Roheisen. Das daraus gewonnene Eisen ist tadellos und es stecken hier noch Schätze im Boden. Doch ist deren Ausbeutung durch die Holzarmut des Libanon beschränkt. Früher, als die Umgegend noch reicher an Waldungen war, hatte auch die Eisengewinnung einen gröſseren Umfang. Denn hier sind gewiſs die Gruben zu suchen, von denen Edrisi1)Edrisi by Jaubert I., p. 355. berichtet, daſs aus den dortigen Erzen ein trefflicher Stahl bereitet werde, der in ganz Syrien Absatz fände. Damals lag aber auch bei Beirut noch ein 12 engl. Meilen langer Wald, der sich bis in das Gebirge erstreckte. Brocchi2)Brocchi, Giornale vol. III., 284. glaubt nicht, daſs die kaiser - liche Waffenfabrik zu Damaskus von diesen Bergwerken ihren Stahl bezogen. Die wenigen Zentner Erz, welche die Eingeborenen jährlich gewinnen, verschmelzen sie nach Art der Turkomanen in einer Art niedriger Stucköfen mit Holz.

Über die Art der Verschmelzung der Eisenerze geben uns die heiligen Schriften direkt keine Aufklärung. Vorstehende Schilderung Ruſseggers dürfte indeſs doch einiges Licht auf eine wichtige Stelle werfen. Es ist die Stelle 5. Mosis 4, 20: Der Herr hat euch aus dem eisernen Ofen, nämlich aus Ägypten geführt. Hier bedeutet der eiserne Ofen der Ort der Qual! Wir wissen, daſs nach der barbarischen Kriegs - sitte jener Zeit Kriegsgefangene unter anderen oft in die glühenden Ziegelbrennöfen geworfen wurden3)Siehe 2 Samuel 12, 31.. In ähnlichem Sinne steht hier der eiserne Ofen. Nun kann ganz unmöglich hier ein eiserner Ofen in unserem Sinne gemeint sein, solche gab es weder früher, noch giebt159Syrien.es solche heute in Syrien. Überhaupt kann nicht ein Ofen von Eisen gemeint sein, sondern nur ein Ofen, um Eisen aus dem Erz zu schmelzen. Konnte er aber als Ort der Qual in dem Sinne gedacht werden, so muſste es schon ein Schachtofen sein, also etwa ein Stuckofen, wie ihn Ruſsegger erwähnt. Dies läſst uns schlieſsen, daſs sich schon damals die Hebräer zum Ausschmelzen der Eisenerze nicht der einfachen Gruben bedient haben, wie wir sie bei den Ägyptern kennen gelernt hatten, sondern daſs sie niedrige Krummöfen dafür anwendeten. Daſs die Juden den Blasebalg kannten und bei der Eisengewinnung und Verarbeitung benutzten, wissen wir bestimmt. Jeremias 6, 27 bis 29 heiſst es: Ich habe dich zum Schmelzer gesetzt über mein Volk, das so hart ist, daſs du ihr Wesen erfahren und prüfen sollst. Sie sind eitel verdorbenes Erz und Eisen. Der Blasebalg ist verbrannt, das Blei verschwindet, das Schmelzen ist umsonst, denn das Böse ist nicht davon geschieden. Über die Arbeit des Eisenschmiedes (charasch barzel), der mit seinen Gehilfen (chaberim) am Feuer arbeitet, haben wir eine herrliche Stelle im Jesaias 44, 11, 12: Es schmiedet einer das Eisen in der Zange, arbeitet in der Glut und bereitet es mit Hämmern und arbeitet daran mit ganzer Kraft seines Armes: leidet auch Hunger bis er nimmer kann: trinkt auch nicht Wasser bis er matt wird.

Die Eisenschmiede bildeten ein altes und angesehenes Gewerbe in Israel. Sie werden häufig neben den Zimmerleuten genannt. Es waren die angesehensten Gewerbe. Unter Schmied werden alle Metall - arbeiter verstanden, unter Zimmermann alle die Holzarbeiter und zwar ganz besonders solche, die das Holz in kunstvoller Weise bearbeiteten. In der Patriarchenzeit gab es noch kein Gewerbe, ein jeder machte sich sein notwendiges Gerät selbst, oder lieſs es von seinen Knechten machen. Selbständige Gewerbetreibende kommen erst in der Zeit nach dem Exodus vor. Aaron fertigt nach der Tradition das goldene Kalb noch selbst an. Zur Herstellung der Stiftshütte braucht indes Moses bereits einen Künstler, den Bezalel vom Stamme Juda, dem er als Gehilfen den Ahaliab vom Stamme Dan beigab1)Siehe 2. Moses 35, 30 und 34.. Dieser Bau - meister wird von der Schrift als eine hochansehnliche Persönlichkeit angeführt. Sein Stammbaum wird in drei Generationen aufgeführt und seine Kunstfertigkeit wird durch folgende Worte gepriesen2)2. Moses 31, 32 und 33.: Der Herr hat ihn erfüllt mit dem Geiste Gottes, daſs er weise, ver - ständig, geschickt sei zu allerlei Werk; künstlich zu arbeiten am Gold, Silber und Erz; Edelsteine schneiden und einsetzen, Holz zimmern, zu160Syrien.machen allerlei künstliche Arbeit. Die Ausbildung eines ausübenden Architekten muſste zu jener Zeit noch eine sehr vielseitige sein, nach dem Wortgebrauch der alten Zeit würde man indes den Mann doch nur einen Zimmermann genannt haben. Diese Zimmerleute waren demnach nicht nur Bauhandwerker, sondern auch Künstler in Holz, Bildschnitzer und Bildhauer. Im Gebiet des Stammes Juda gab es ein Thal der Zimmerleute. Diese leiteten sich direkt von Juda ab, ihr Stammbaum wird 1. Chron. Kap. 4, 14 ausführlich mitgeteilt. Sie waren hoch angesehen. Dieses Thal der Zimmerleute (jetzt Lydda1)Siehe auch Nehemia 11, 35. war zwischen Lod und Ono an der Straſse von Jerusalem nach Jaffa, nahe der Grenze der Philister. Mit dem Zimmermann zugleich wird oft der Metallschmied erwähnt. Sie waren es, welche gemeinschaftlich die Götzenbilder anfertigten. So heiſst es in Jesaias (41, 7): Der Zimmermann nahm den Goldschmied zu sich und machte mit dem Hammer das Blech glatt auf dem Ambos, und sprachen: Das soll fein stehen und hefteten es mit Nägeln, daſs es nicht sollte wackeln ; fer - ner (44, 13): Der andere zimmert Holz und miſst es mit der Schnur und zeichnet es mit Rötelstein und behaut es und zirkelt es ab und macht es wie ein Mannsbild, wie einen schönen Menschen, der im Hause wohne. Ebenso spricht Jeremias im Zorn über dieſe Götzenbilder (10, 3 und 5): Denn der Heiden Götter sind lauter Nichts. Sie hauen im Wald einen Baum und der Werkmeister macht sie mit dem Beil: Und schmückt sie mit Silber und Gold und heftet sie mit Nägeln und Hämmern, daſs sie nicht umfallen. Es sind ja nichts denn Säulen überzogen. Die Herstellung dieser Götzenbilder scheint ein Haupt - industriezweig der Zimmerleute von Lod gewesen zu sein, die sie in Gemeinschaft mit Gold - und Erzschmieden ausführten, deshalb nennen einige es auch das Thal der Schmiede2)Siehe Rougemont a. a. O. 190.. Ob aber auch die Eisen - schmiede Judas in diesem Thale ihren Sitz hatten, ist unerwiesen. Es wäre nicht ganz unwahrscheinlich, daſs sie ebenfalls hier oder nicht weit der Grenze der Philister zusammen gewohnt hätten, weil wir aus dem Buche Samuel erfahren, daſs zur Zeit der Richter kein Eisen - schmied in ganz Israel gefunden wurde, indem diese jedenfalls von den siegreichen Philistern mit Vorbedacht alle weggeführt waren. Die bemerkenswerte Stelle lautet3)1. Samuel 17, 19 bis 22.: Es ward aber kein Schmied im ganzen Lande Israel erfunden, denn die Philister gedachten, die Ebräer möchten Schwerdt und Spieſs machen. Und muſste ganz Israel hinabziehen zu den Philistern, wenn jemand hatte eine Pflugschar, Haue, Beil oder161Syrien.Sense zu schärfen. Da nun der Streittag kam, ward kein Schwert und Spieſs gefunden in des ganzen Volkes Hand, das mit Saul und Jonathan war, nur Saul und sein Sohn hatten Waffen.

Aus dem Mitgeteilten geht immerhin schon hervor, daſs die Zimmer - leute, die Gold - und die Eisenschmiede selbständige Gewerbe waren, die bereits in früher Zeit im Ansehen standen. Auſser diesen werden noch besonders Salbenbereiter, Töpfer, Walker, Weber und Bäcker ge - nannt, zu denen in den gröſseren Städten später auch noch die Barbiere hinzukamen. Die Gewerbetreibenden pflegten in den groſsen Städten in Straſsen und Quartieren zusammen zu wohnen. So kennen wir in Jerusalem eine Bäckerstraſse, ein Töpferthor.

Trotzdem dürfen wir uns keine übertriebene Vorstellung weder vom Kunstgewerbe, noch von der eigentlichen Kunst in Israel machen. In allen diesem waren die Juden von ihren Nachbarn, den Phöniziern abhängig. Der Entwickelung der Bildkunst stand das strenge Gebot Moses entgegen, welches das erste der zehn Gebote auf den Tafeln des Sinai war, du sollst dir kein Bild noch ein Gleichnis machen . Noch bestimmter heiſst es 5. Mos. 27, 15: Verflucht sei, wer einen Götzen oder gegossenes Bild macht, ein Werk aus Werkmeister Hände. Auch in der Baukunst waren die Israeliten abhängig. Der eigentlich natio - nale Bau war der Holzbau. In der Beziehung ist die Stiftshütte Moses das Prototyp. Die gewaltigen Steinbauten, der Palast des David und der Tempel Salomos wurden beide durch fremde Künstler aus Tyrus und mit fremder Hilfe aufgeführt. So weit wir den Stil des Gold - schmucks, der Säulen, der Leuchter beurteilen können, war die Kunst - richtung eher mehr assyrisch, als ägyptisch. Die Cherubim, die schon beim Gnadenstuhl in der Stiftshütte vorkommen, entsprechen gewiſs den analogen Bildwerken Ninivehs, den geflügelten Löwen mit Menschen - gesichtern u. s. w. Die Zedern des Libanon waren das beliebteste Bau - material. Doch hatten die Juden selbst zur Zeit Davids und Salomos über deren Fällung keine freie Verfügung, sondern sie bekamen sie durch die Könige von Tyrus1)Siehe 2. Samuel 5, 11.. Die Mitteilungen über den Bau des Palastes Davids und des salomonischen Tempels geben uns einen ziemlich deut - lichen Einblick über die Leistung der Hebräer in Bezug auf Kunst und Gewerbe. Hiram von Tyrus sendet dem David zu seinem Palastbau sowohl die gefällten Zedern als auch die Steinmetzen. David trug sich bereits mit der Idee, auch Jehovah einen würdigeren Tempel zu bauen, aber die vielen Kriege lieſsen sie nicht zur Ausführung kommen. Beck, Geschichte des Eisens. 11162Syrien.Als er gestorben war, ging sein Sohn Salomo schleunigst ans Werk, aber er muſste sich ebenfalls an Hiram, den König von Tyrus, seines Vaters treuen und aufrichtigen Freund wenden, der ihn denn auch in jeder Art unterstützte. Auch er muſste die Zedern von Hiram erbitten1)1. Könige 5, 6.. Ebenso wurden die Werksteine gemeinschaftlich von sidonischen und hebräischen Werkleuten gebrochen und zugerichtet. Alles war wohl vorbereitet, so daſs2)1. Könige 6, 7., da das Haus gesetzt war, die Steine zuvor ganz zugerichtet waren, daſs man keinen Hammer, noch Beil, noch irgend ein Eisenzeug im Bau hörete . Aus dieser Stelle geht klar hervor, daſs es eiserne Werkzeuge waren, deren sich die Bauarbeiter bedienten, sowohl die Hämmer als die Beile, Steinhämmer, Meiſsel u. s. w.

Der salomonische Tempelbau war die gröſste architektonische Kunstleistung der Juden. Trotz der Hilfe fremder Künstler scheint indes die Architektur eine sehr einfache gewesen zu sein, um so prunk - voller war die innere Ausschmückung mit Gold und prächtigen Tep - pichen. Auch hierbei herrschte assyrischer Stil vor. Über die ge - waltigen Erzguſsstücke, die jedenfalls das Originellste waren, haben wir schon oben berichtet. Eisen wurde beim Bau des Tempels wenig verwendet. Das Eisen galt für zu gering, es war viel gemeiner als Erz. Nur für Nägel und Klammern, und zwar wahrscheinlich für solche, die man nicht sah, wurde es benutzt, wenigstens hatte David vorsorglich für diesen Zweck groſse Mengen von Eisen gesammelt. Die Stelle des Chronisten lautet3)Siehe Chron. 23, 3.: Und David bereitete vieles Eisen zu Nägeln an den Thüren, in den Thoren und was zu nageln wäre und so viel Erz, daſs es nicht zu wiegen war. Wenn das Eisen bei diesem luxuriösen Tempelbau wenig angewendet wurde, so lag dies nicht an seiner Seltenheit, sondern umgekehrt an seiner Gemeinheit. Seine Verwendung im praktischen Leben war eine sehr allgemeine und mannig - faltige. In frühester Zeit werden bereits die eisernen Kriegswagen der Kananiter gepriesen. Schon in den Kriegen der Chetiter gegen die Ägyp - ter waren die Streitwagen die Stärke der ersteren. Die Ägypter nah - men dieses Ausrüstungsstück von ihnen an. Ebenso waren die Kananiter gewaltig durch ihre Kriegswagen4)Siehe Josua 17, 16 und 18.. Zur Zeit Josuas konnte Juda nur die Städte auf den Höhen einnehmen, weil im Kampfe in der Ebene die Kananiter zu überlegen waren durch ihre Kriegswagen. Der Herr war mit Juda, daſs er das Gebirg einnahm; denn er konnte die Ein - wohner im Grund nicht einnehmen, darum, daſs sie eiserne Wagen hatten5)Richter 1, 19.. Die Zahl der Wagen war groſs bei den Heeren der Kananiter. 163Syrien.Jabin, der Kananiter König, hatte 900 eiserne Wagen1)Richter 4, 3.. Das Heer der Philister aber, welches gegen Saul zog, hatte sogar 30000 Streit - wagen. Ob diese Wagen ganz von Eisen waren, oder, was wahrschein - licher ist, nur eiserne Naben, Achsen, Radreife und vielleicht auch Felgen hatten, während der obere Wagenkasten nur mit Eisenblech beschlagen war, läſst sich mit Bestimmtheit nicht angeben. Indessen scheint es, als ob sie hauptsächlich aus Eisen bestanden hätten; dafür spricht auch der charakteristische Ausdruck, der sich öfter wiederholt: David verlähmte alle ihre Wagen2)Siehe 2. Samuel 8, 4.. Wäre viel Holz daran gewesen, so hätte er sie gewiſs verbrannt. David war es auch, der nach seinem glänzenden Siege über die Syrier die eisernen Streitwagen im jüdischen Heere einführte.

Eine merkwürdige Eisenkonstruktion, die an dieser Stelle sowohl ihres Alters, als ihres Charakters wegen Erwähnung verdient, ist das eiserne Bett des Königs Og von Basan. Allein der König Og von Basan war noch übrig von den Riesen (den Enakitern, welche die älteren Bewohner des kananitischen Gebietes südlich von Judäa waren). Siehe sein eisernes Bett ist allhier zu Rabbath (der Hauptstadt der Kinder Ammons) neun Ellen lang, vier Ellen breit, nach eines Mannes Ellenbogen.

Selbstverständlich spielt auch das Eisen eine wichtige Rolle bei der Bewaffnung der Kananiter und der Hebräer, sowohl für Schutz - wie für Trutzwaffen. Als die Kinder Israel aus Ägypten in das Land Kanaan zogen, war ihre Bewaffnung im Vergleich mit der der Kananiter unvollkommen. Sie waren nicht beritten, hatten keine Kriegswagen, sondern waren ausschlieſslich Fuſsvolk. Bogen und Pfeil, Schleuder und Spieſs bildeten ihre Hauptwaffen. Doch war auch das Schwert schon in allgemeinem Gebrauch. Das Schwert war die vornehmste Waffe, so daſs Schwert und Waffe oft als synonym erscheinen. Merk - würdigerweise wird, so oft das Schwert auch genannt wird, doch an keiner Stelle gesagt, aus welchem Metall es gefertigt war. Es scheint den Schriftstellern selbstverständlich zu sein, daſs es nur aus einem Metall bestehen konnte, nämlich aus Eisen. Da viele aber annehmen, die Schwerter der Israeliten seien aus Erz gewesen, so wollen wir die einzelnen Stellen näher betrachten. Das Schwert wird bereits er - wähnt bei der Erzählung vom Paradiese. Der Herr, nachdem er Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, lagerte vor den Garten Eden den Cherubim mit einem flammenden Schwert3)1. Mos. 3, 24.. Wörtlich heiſst die11*164Syrien.Stelle: er lagerte zur Morgenseite des Gartens Eden die Kerubim und die Klinge des Schwertes das sich umwälzt. Ich glaube, daſs hier eine blinkende Damaszenerklinge beschrieben werden soll. Herr Dr. Baer in Biebrich schreibt mir hierüber:

Was nun die Bibelstelle Genesis 3, 24 betrifft, so lautet dieselbe: Und er vertrieb den Adam und lagerte zur Morgenseite des Gartens Eden die Kerubim und die Klinge des Schwertes das sich um - wälzt hebräisch וְאֵת לַהַט הַחֶדֶב הַמִּתְהַפֶּבֶת. Das Wort לַהַט heiſst eigent - lich Flamme von der Radix להט brennen ebenso wie לַהַב von Radix לחב Flamme und dann übertragen Klinge bedeutet vom Blinken und Blitzen der scharfen Klinge. Z. B. Richter 3, 22; 1. Samuel 17, 7; Nahum 3, 3. Luthers Übersetzung bloſsen hauenden Schwert ist ungenau.

Die Erzväter waren mit Schwertern bewaffnet. Isaak spricht zu Esau: Mit deinem Schwert wirst du dich nähren1)1. Mos. 27, 40. und zu Joseph sagt Jakob: Ich habe dir ein Stück Land gegeben, das ich mit meinem Schwert und Bogen aus der Hand der Amoriter genommen habe2)1. Mos. 48, 22..

Die Juden, die aus Ägypten zogen, waren mit Schwertern bewaff - net. Moses sagt zu ihnen bei dem Feste des goldenen Kalbes: Gürte ein Jeglicher sein Schwert auf seine Lenden3)2. Mos. 32. 27.. In den Kämpfen Jo - suas werden Schwert und Bogen als die Waffen der Israeliten genannt4)Josua 24, 12.. Daſs diese Schwerter Hiebwaffen waren, geht aus dem oft wieder - kehrenden Ausdruck hervor: Er schlägt sie mit der Schärfe des Schwertes5)Josua 10, 39, 11, 10, 11, 12; Richter 1, 8 etc. . Indessen bedeutete chereb, das Schwert, nicht allein das eigentliche, lange Schwert, welches hauptsächlich als Hiebwaffe diente, sondern auch kurze, dolchartige Waffen, sowie selbst das Stein - messer oder Steinbeil6)2. Mos. 20, 22. und die Messer der Beschneidung so genannt werden. Etymologisch bedeutet chereb der Durchdringende, der Schneidende, der Spitzige. Daſs auch dolchartige Waffen zuweilen dar - unter begriffen sind, geht aus der merkwürdigen Schilderung des Schwertes des Ehud hervor, die, weil sie so lebhaft und anschaulich ist, manche Komentatoren verführt hat, diese Ausnahmswaffe zum Typus der hebräischen Schwerter zu machen. Es wird erzählt7)Richter 3, 16.: Ehud machte sich ein zweischneidiges Schwert, eine Elle lang, und gürtete es unter sein Kleid auf der rechten Seite .... (4, 21 u. 22). Ehud aber reckte seine linke Hand aus und nahm das Schwert von165Syrien.seiner rechten Hüfte und stieſs es ihm .... in den Bauch, daſs auch das Heft der Schneide noch hinein fuhr und das Fett das Heft verschloſs. Hier handelt es sich um einen, mit groſser List und Vorsicht aus - geführten Meuchelmord. Das Schwert war dolchartig und kurz, um es besser verbergen zu können, er versteckte es in seinem Gewand auf der rechten, verkehrten Seite, um weniger Verdacht zu erregen, auf den furchtbaren Todesstoſs mit der linken Hand hatte er sich jeden - falls eingeübt. Der Erzähler gibt die ungewöhnlichen Einzelheiten, nämlich, daſs er die Waffe auf der rechten Seite in seinem Gewand verbarg und den Stoſs mit der Linken führte, gerade deshalb an, weil dies gegen den Gebrauch war, um darzuthun, mit welcher List Ehud seinen Mord vollbrachte. Statt also den Schluſs zu ziehen, die Juden hätten für gewöhnlich die Schwerter rechts getragen, muſs man gerade das Umgekehrte folgern, sonst müſste man gerade so folgerichtig an - nehmen, sie hätten auch alle mit der Linken gekämpft, was an und für sich widersinnig ist und durch viele Stellen widerlegt wird.

Das Schwert wurde an einem Gehänge an der linken Seite ge - tragen und stak in einer Scheide. Das Gehänge scheint unter dem Obergewande um die Lenden befestigt gewesen zu sein1)Siehe Mos. 32, 27.. David, als er gegen den Goliath kämpfen will, gürtete das Schwert, das ihm Saul gegeben, über seine Kleider2)1. Samuel 17, 39.. Nachdem er den Riesen mit der Schleuder zu Boden gestreckt, riſs er dessen eigenes Schwert aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab3)1. Samuel 17, 51.. Doch lieſsen sich die Fürsten und Heerführer ihr Schlachtschwert auch öfter von einem Waffenträger nachtragen, wie dies Saul in seinem letzten verzweifelten Kampfe gegen die Philister auf dem Gebirge Gilboa that. Er nahm das Schwert von seinem Waffenträger, der sich weigert, ihn zu durchbohren, und stürzt sich selbst hinein4)1. Samuel 31, 4; vergleiche auch 4. Mos. 26, 7.. Sauls Schwert war also gerade und spitz, wahr - scheinlich ein zweischneidiges, gerades Schlachtschwert. Zweischneidige Schwerter werden oft erwähnt5)Siehe Sprüche Sal. 5, 4.. Ebenso wird der Blitz der ge - schwungenen Klinge gerühmt.

Im Buche Hiob heiſst es (20, 25): Ein bloſses Schwert wird durch ihn ausgehen und des Schwertes Blitz, der ihnen bitter sein wird, wird mit Schrecken über ihn fahren . Das Schwert war das Symbol des Krieges; Jehovah verheiſst: Es soll kein Schwert durch Euer Land gehen, d. h. ihr sollt in Frieden leben6)3. Mos. 26, 6.. Fragen wir uns nun, aus welchem Material bestanden die Schwerter, so geben uns in Erman -166Syrien.gelung direkter Mitteilungen, zunächst folgende Stellen darüber Auf - schluſs. In Jesaias heiſst es (2, 4): Da werden sie ihre Schwerter (in - folge des Friedens) zu Pflugscharen und ihre Spieſse zu Sicheln machen. Im umgekehrten Sinne ruft der Prophet Joel (3, 15): Machet aus Euren Pflugscharen Schwerter und aus Euren Sicheln Spieſse. Hier kann nur Eisen gemeint sein. Bronze läſst sich durch einfaches Umschmieden nicht so leicht in andere Form bringen. Auch wissen wir bereits, daſs von den Spieſsen ausdrücklich bezeugt wird, daſs ihre Spitzen von Eisen waren1)Siehe 1. Samuel 17, 7.. Bezüglich des Metalls der Pflugschar haben wir keine direkte Bestätigung, daſs es Eisen war, aber nicht nur technische Gründe sprechen dafür, sondern auch die früher erwähnten Funde von Place zu Khorsabad. Halten wir diese Stellen zusammen mit der bereits angeführten Stelle aus Samuel 1, 13, 19: Es ward aber kein Schmied im ganzen Land Israel erfunden, denn die Philister gedachten, die Ebräer möchten sich Schwert und Spieſs machen. Und muſste ganz Israel hinabziehen zu den Philistern, wenn jemand hatte eine Pflug - schar, Haue, Beil und Sense zu schärfen. Auch hier kann nur Eisen gemeint sein. Die Beile der Hebräer waren aus Eisen, wie uns in mehreren Stellen bestätigt wird2)Siehe 5. Mos. 19, 5; 2. Könige 6, 5.. Wären, wie die Anhänger der Bronzezeittheorie uns gern glauben machen wollen, Schwerter und Spieſse von Bronze gewesen, so hätte man nicht zum Schmied zu gehen brauchen, um die Waffe zu schärfen, da nach ihrer Theorie diese Waffen ja gegossen wurden. Auſser diesen, für den Unbefangenen überzeugen - den Gründen wird aber jeder, der Bronzeschwerter und Stahlschwerter in der Hand gehabt hat, sich sagen müssen, daſs man ein hauendes Schwert von irgend welchem kriegerischen Wert nur aus Stahl machen kann, daſs das Schwert als Waffe und zwar speziell als Hiebwaffe über - haupt nur eine Bedeutung erlangen konnte, wenn es von Stahl war. Die Bronzeschwerter konnten als Stichwaffen vielleicht einigen Wert haben, aber zur vornehmsten und vorzüglichsten Waffe, zu der Waffe katexochen konnte nur die aus stahlartigem Eisen hergestellte Hiebwaffe wer - den3)Daſs die Hiebwaffen von Eisen waren, geht auch aus der alten Gesetzesstelle über den Totschlag (4. Mos. 35, 16) hervor. Wer jemand mit einem Eisen erschlägt, daſs er stirbt, der ist ein Totschläger und soll des Todes sterben. Dasſelbe heiſst es von einem, der mit einem Steine schlägt, dagegen werden Kupfer oder Erz hierbei nicht genannt.. Auch das Blitzen des Schwertes, das Hiob rühmt, kann auch nur an einer handlichen, elastischen Stahlklinge gerühmt werden. Bedenken wir ferner, daſs die assyrischen Keilinschriften bereits das167Syrien.Schwert von Eisen rühmen, so werden wir keinen Zweifel mehr hegen, daſs die Schwerter der Hebräer Eisenschwerter waren. Auch sonst wurde das Eisen für die Waffen verwendet, besonders für die Angriffs - waffen. Von dem Speer Goliaths, der in einer auserlesenen Prunk - rüstung daher kam, heiſst es1)1. Samuel 1, 6.: Der Schaft seines Spieſses war wie ein Weberbaum und das Eisen seines Spieſses hatte 600 Scheckel Eisen. Im allgemeinen scheint allerdings bei den Prunkwaffen mehr das Erz in Gebrauch gewesen zu sein. So heiſst es gerade von der herrlichen Rüstung Goliaths2)1. Samuel 17, 5 und 6.. Er hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt und einen schuppigen Panzer an und das Gerüst seines Panzers war fünftausend Scheckel Erz. Und hatte eherne Beinharnische an seinen Schenkeln und einen ehernen Schild auf seinen Schultern. Indes sind diese ganzen Angaben auf Rechnung des Dichters zu setzen, haben also nur insofern einen positiven Wert, als derartige Bewaffnung zur Zeit desſelben denkbar war. Die erbeuteten Waffen berühmter Helden und Heerführer wurden im Triumph im Lande umhergetragen und dann in den Tempel aufgehängt3)Siehe 1. Samuel 31, 9 und 10.. Die Waffen der gemeinen Soldaten wurden in Haufen verbrannt4)Siehe Ezechiel 39, 9.. Daſs die Harnische, jedenfalls Schuppen - panzer, ähnlich wie sie die Assyrer trugen, meist von Eisen waren, geht aus der Stelle im Buche Hiob 20, 24 hervor: Er wird fliehen vor dem eisernen Harnisch und der eherne Bogen wird ihn verjagen. Ganz allgemein wurde das Eisen für die Werkzeuge der Handwerker und den täglichen Gebrauch angewendet. Vor allem andern scheint das Beil stets von Eisen gewesen zu sein. In den Gesetzesbestimmungen über den Totschlag heiſst es5)5. Mos. 19, 5.: Wenn jemand mit seinem Nächsten in den Wald ginge, Holz zu hauen und holt mit der Hand die Axt aus, das Holz abzuhauen und das Eisen führe vom Stiel und träfe seinen Näch - sten u. s. w. Und ähnlich heiſst es bei der Erzählung eines sehr sonder - baren Wunders des Propheten Elisa6)2. Könige 6, 5, 6.: Und da einer Holz fällte, fiel das Eisen in das Wasser. Aber der Mann Gottes sprach: Wo ist es entfallen? Und da er ihnen den Ort zeigte, schnitt er ein Holz ab und stieſs daselbst hin, da schwamm das Eisen. Ebenso waren die Meiſsel zur Steinbearbeitung von Eisen. Eine alte Gesetzesbestimmung muſste es sein, die vorschreibt7)5. Mos. 27, 5.: Du sollst dem Herrn deinem Gott einen steinernen Altar bauen, darüber kein Eisen fährt. Es ist eine ganz unrichtige Auslegung einiger Kommentatoren, daſs hier Eisen genannt sei im Gegensatz zur Bronze, sondern die Stelle will besagen, es soll168Syrien.kein mit Kunst zugerichteter Altar, sondern, wie es in ältester Zeit Sitte war, ein unbehauener Stein gewöhnlich auf dem Gipfel eines Berges als Altar dienen. Daſs die Steinmeiſsel von Eisen, d. h. von Stahl waren, geht unzweideutig aus der Beschreibung des salomonischen Tempelbaues hervor. Salomo läſst nämlich die groſsen Quadern des Unterbaues schon in den Steinbrüchen des Libanons teils durch sido - nische, teils durch eigene Steinmetzen fertig zurichten. Der Chronist sagt1)1. Könige 6, 7.: Und da das Haus gesetzt war, waren die Steine zuvor ganz zugerichtet, daſs man keinen Hammer noch Beil, noch irgend ein Eisen - zeug im Bauen hörte. Von Eisen waren ferner die Sägen2)Eggen. und zwar nicht bloſs die Steinsägen. Einer der barbarischen Kriegsgebräuche der alten Hebräer bestand darin, gefangene Feinde mit eisernen Sägen zu zersägen. Diesem scheuſslichen Gebrauche huldigte auch der fromme Psalmist David. Im Buche Samuel3)2. Samuel 12, 31. heiſst es: Aber das Volk (von Rabbath) führte er (David) hinaus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken4)Richtiger eiserne Walzen . Es waren Bodenwalzen, wahrscheinlich ein Rundholz mit Eisenzacken, die als Eggen dienten. und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen5)1. Chronik 21, 3..

Die Juden bedienten sich ferner eiserner Pfannen6)Hesekiel 4, 3.. Daſs die Pflugscharen, Hacken, Heugabeln und Sensen von Eisen waren, geht aus den oben bereits angeführten Stellen7)1. Samuel 13, 19 und 20; Jesaias 2, 4; Joel 2, 15. hervor. Die Ketten, die be - sonders nur als Fesseln dienten, scheinen in älterer Zeit von Bronze, später aber von Eisen gewesen zu sein. Simson wird8)Richter 16, 21. von den Phi - listern mit ehernen Ketten gebunden. Im Prophet Daniel (4, 12) heiſst eine Stelle: Er soll in eisernen und ehernen Ketten gehen , und der jüngste Psalmist sagt (149, 8): Ihre Könige zu binden mit Ketten und ihre Edlen mit eisernen Fesseln. Die Dreschflegel scheinen mit Eisen beschlagen gewesen zu sein. Im Prophet Amos (1, 3) heiſst es: Damaskus hat Gilead mit eisernen Zacken gedroschen. Der Hirtenstab war mit Eisen beschlagen, denn dieser ist gemeint, wenn der Psalmist sagt (2, 9): Du sollst sie mit eisernem Scepter (Rute) zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeiſsen. Die Riegel an den Thüren waren teils aus Erz, häufiger aus Eisen. Eherne Riegel haben die Thore Jerichos, aber der Psalmist sagt (107, 16): Er zerbricht eherne Thüren und zerschlägt eiserne Riegel. Ebenso Jesaias 45, 2: Ich will die ehernen Thüren zerschlagen und die eisernen Riegel zer - brechen. Die Nägel waren meist von Eisen und zwar sowohl die Nägel die zu Bauzwecken dienten als auch die Schuhnägel9)Chronik 23, 3; 5. Mos. 33, 25..

169Syrien.

Wie uns aus der Geschichte der assyrischen Könige bekannt ist, waren in den Schatzkammern der Tempel und Paläste der semitischen Städte Metallvorräte angehäuft und zwar nicht nur von Gold und Silber, sondern auch von Kupfer und Eisen. So sagt schon Josua1)Josua 22, 8.: Ihr kommt herein mit groſsem Gut zu euren Hütten, mit sehr viel Vieh, Silber, Gold, Erz, Eisen und Kleidern, so teilt nun den Raub der Feinde. Bei der Belagerung von Jericho fiel den Juden der Schatz, bestehend aus Gold, Silber, ehernen und eisernen Gefäſsen in die Hände und sie weihten ihn dem Tempel2)Josua 6, 19 und 6, 24.. David rühmt sich3)1. Chronik 23, 14.: Siehe ich habe in meiner Armut verschafft zum Hause des Herrn 100000 Zentner Gold, und tausend mal tausend Zentner Silber, dazu Erz und Eisen ohne Zahl, denn es ist sein zu viel.

Zu welchem Zwecke das Eisen dienen sollte, geht aus einer anderen Stelle hervor4)1. Chronik 22, 3.: David bereitete viel Eisen zu Nägeln für die Thüren und Thore.

Der Ausdruck, David bereitete viel Eisen, ist bemerkenswert und läſst uns annehmen, daſs zu Davids Zeit Eisen in Palästina dargestellt wurde. Indessen kam dieses Metall und namentlich die besseren Qua - litäten desſelben auch durch den Handel nach Israel. Tyrus war zur Zeit der Propheten der berühmteste Markt für Eisen und Eisenwaren. In den Klagen Hesekiels über den Fall von Tyrus heiſst es: Du hast deinen Handel5)1. Chronik 27, 12. auf dem Meere gehabt und allerlei Ware, Silber, Eisen, Zinn und Blei auf den Markt gebracht (13) Javan, Thubal und Mesech haben mit dir gehandelt und haben dir leibeigene Leute und Erz auf deinen Markt gebracht (19). Dan und Javan und Mehusal haben auch auf deinen Markt gebracht Eisenwerk, Kasia und Kalmus. Vom Norden kam das beste Eisen, unter dem wir jedenfalls Stahl verstehen müssen, es war das Eisen des Nordens immer durch seine Härte und Festigkeit berühmt. Der Prophet sagt6)Jeremias 15, 12.: Meinst du nicht, daſs etwa ein Eisen sei, welches könnte das Erz und Eisen von Mitternacht (das Eisen des Nordens) zerschlagen? Daſs die Hebräer den Stahl bereits gekannt haben, geht auch aus dem Sprüchwort hervor: Man schärft das Eisen mit dem Eisen7)Sprüche Salomonis 27, 17.. Indessen bedarf hier ein Irrtum der Berichtigung, der von Gesenius herrührt und sich, wie es mit gewagten Hypothesen oder Irrtümern berühmter Männer oft geht, immer fort - erhalten hat und häufig nachgedruckt wird. Es ist die Erklärung der Stelle Nahums Kap. 2, 4, in welcher der Ausdruck פַּלְדָה paldah, nach170Syrien.Gesenius, Stahl bedeuten soll1)Siehe auch Wiener, Bibl. Realwörterbuch II, S. 595; Rougemont, Bronze - zeit, S. 195.. Wir erlauben uns über diesen Gegen - stand, statt jeder eigenen Bemerkung, einen Brief des Herrn Dr. Bär in Biebrich, eines der gründlichsten Kenner der hebräischen Sprache, mitzuteilen.

.... Nach nochmaliger genauer Prüfung ergab sich als Resultat, daſs ein Wort פַּלְדָה gar nicht existiert. In Nahum 2, 4 heiſst es in Pluralform באש פְּלָדוׁת הדנב, von diesem Plural פְּלָדוׁת einen nicht vorkommenden Singular פַּלְדָה zu bilden ist an sich schon gewagt. Aber ihm die Bedeutung Stahl beizulegen ist eine von Gesenius in seinem Wörterbuche angenommene Be - deutung, von welcher keiner von allen alten Nationalgram - matikern etwas weis. Auch daſs im Arabischen Phalud ähnlich פַּלְדָה Stahl heiſse ist unrichtig. Das arabische Wort dafür ist Bûlâd mit B, nicht P. Wieder auf die Stelle in Nahum zurückkommend ist dieselbe zu übersetzen: mit funken - sprühendem Gespann , פְּלָדוׁח, vom Stamme לפד = פלד feurig sein, flammen ; so übersetzen auch Septuaginta und Vulgata, so auch Luther: seine Wagen leuchten wie Feuer .

Die wirkliche hebräische Bezeichnung für Stahl aber findet sich Ezechiel 27, 19: בַּדְזֶל צָשׁוׁת (Barsel aschoth) d. h. wörtlich: gehärtetes Eisen = Stahl. Der Grammatiker David Kimchi erklärt dazu unzweideutig: צשות תואד לבדזל והוא הנקדא בלצז אצוור. Das Wort צָשׁוׁת ist das Adjektiv zu בַּדְזֶל und ist dessen Bedeutung gleich dem Französischen acier. Auch die syrische Übersetzung gibt dafür:〈…〉〈…〉 ebenso die Vulgata ferrum fabrefactum. Aus jener Ezechielstelle er - fahren wir zugleich, woher den alten Israeliten der Stahl zu - kam, aus Arabien her mittels der Phönizier. Es hat gewiſs für Sie Interesse, noch zu wissen, wie im Rabbinischen Stahl heiſst. Die rabbinische Benennung ist אִסְטָמָא (Istama) Talmud Berachoth, p. 62 b, vom Griechischen στομόω stählen .

Wir ersehen hieraus, daſs die Israeliten nicht nur aus dem Norden, sondern auch aus dem Süden, nämlich aus Usal in Jemen Stahl bezogen.

Das Eisen war das verbreitetste und billigste Metall in Israel, des -171Syrien.halb wird es in allen Aufzählungen, in denen die Metalle benannt werden, zuletzt angeführt1)1. Mos. 4, 22; 2. Mos. 31, 22; Josua 22, 8; 1. Chron. 23, 14; Ezechiel 22, 20..

Aus allem Angeführten geht demnach zweifellos hervor, daſs die Juden das Eisen kannten, daſs sie es im eigenen Lande gewannen und daſs sie es zu verarbeiten verstanden. Der Eisenguſs war noch unbekannt, während sie mit dem Guſse von Gold und Bronze vertraut waren. Das Ausschmieden verstanden sie dagegen vortrefflich, wie aus der Verwendung des Eisens für Pfannen sowohl wie für Schwerter hervorgeht. Sie bedienten sich bereits des Blasebalgs. Daſs sie das Schweiſsen des Eisens verstanden, läſst sich daraus entnehmen, daſs sie eiserne Ketten besaſsen. Das Blechschlagen und das Vernieten des Bleches war ihnen bekannt. Ebenso kannten sie den Stahl, den sie teils aus dem Norden bezogen, es war das Eisen des Nordens, der Stahl der Chalyber: teils aus dem Süden, aus Arabien2)Wir haben die meisten Stellen des alten Testamentes, die sich auf das Eisen beziehen, im Texte gegeben. Wir stellen diese Stellen, sowie diejenigen, die wir noch nicht mitgeteilt haben, hier nochmals zusammen. 1. Mos. 4, 22; 3. Mos. 26, 19; 4. Mos. 31, 22, 25; 4. Mos. 35, 16; 5. Mos. 3, 11; 4, 20; 8, 9; 19, 5; 27, 5; 28, 48; 33, 25; Josua 6, 19; 6, 24; 22, 8; 17, 16; Richter 1, 19; 4, 3; 2. Samuel 12, 31; 1. Könige 6, 7; 4. 13 ; 2. Könige 6, 5, 6; 1. Chron. 20, 3; 21, 3; 23, 14; Hiob 20, 24; 41, 18: Er achtet Eisen wie Stroh und Erz wie faules Holz; 19, 24; 28, 12; 40, 13; Psalm 2, 9; 14, 9, 8; Sprüche Salomonis 27, 17; Prediger Salo - monis 10, 10: Wenn ein Eisen stumpf wird und an der Schmiede ungeschliffen bleibt, muſs man es mit Macht wieder schärfen; Jesaias 1, 18: Ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen; 6, 27; 28, 29; 11, 4; 15, 12; 44, 12; 45, 2; Jeremias; Hesekiel 4, 3; 22, 18; 22, 20; 27, 12, 13; 27, 19; Amos 1, 3; Daniel 4, 12..

Lange vor den Hebräern wohnten in Kanaan bereits die Phöni - zier. Sie werden von den heiligen Schriften der Juden als Söhne Chams bezeichnet, doch erscheinen sie in historischer Zeit völlig semiti - siert. Waren die Israeliten ein einfaches, ernstes Ackerbauvolk, so waren ihre verbündeten Nachbarn und Stammesgenossen, die Phönizier, ein üppiges, unternehmungslustiges und verschlagenes Kaufmannsvolk. Als solche erscheinen sie schon bei ihrem Eintritte in die Geschichte. Forscht man weiter nach den ersten Anfängen des Volkes, so erkennt man mit Bestimmtheit, daſs die Phönizier schon in sehr früher Zeit in Kanaan ansäſsig waren, während die Einwanderung der Israeliten noch als ein erkennbares Faktum in historische Zeit fällt. Zwar steht zu ver - muten, daſs auch sie von Osten her eingewandert sind, doch entwickelte sich ihre ganze Kultur auf dem Boden, auf dem wir sie in geschicht - licher Zeit ansäſsig finden. Sie selbst hielten sich für Urbewohner, der172Syrien.Erde entsprossen und die Überlieferungen der Israeliten nennen in Übereinstimmung hiermit Sidon den Erstgeborenen Kanaans1)1. Mos. 10, 15. . In frühester Zeit lebte das Volk wahrscheinlich vom Fischfange, denn Sidon heiſst in der phönizischen Sprache Fischfang . Diese Be - schäftigung führte naturgemäſs zur Schiffahrt und der Handelsgeist, der um so mehr bei ihnen geweckt werden muſste, weil die groſse Handelsstraſse von Asien nach Ägypten und Arabien durch ihr Gebiet führte, veranlaſste sie zu Wagnissen zur See von solcher Kühnheit, wie sie vor ihnen kein anderes Volk unternommen hatte. Während die Ackerbaubevölkerung Israels eine entschieden monarchische Gesinnung hatte und sich, wenn auch unter verschiedenen Formen um eine Person zu scharen suchte, herrschte bei den Phöniziern gerade das Gegenteil dieser nationalen Einheitsbestrebung. Wie die Kananiter zu Abrahams Zeit in unzählige kleine Diminutivkönigreiche zerteilt waren, so herrschte auch bei den Phöniziern nie eine geschlossene Einheit, sondern jede der groſsen Städte hatte autonome Selbständigkeit und einen eigenen Fürsten. Ja, so gänzlich zuwider war dem phönizischen Kaufmanns - volke die Allgewalt des Einzelnen, daſs sie selbst in einzelnen Städten den König noch unter einen hohen Rat angesehener Bürger stellten, wodurch die monarchische Spitze so geschwächt wurde, daſs die späteren Koloniestädte der Phönizier ganz davon abstrahierten und eine voll - ständig republikanische Staatsform in ihren Gemeinwesen einführten.

Die phönizischen und syrischen Städte sind von hohem Alter. Viele derselben werden bereits in Inschriften aus der Zeit Thutmosis III. (1591 bis 1565) erwähnt. Sanchuniathon, ein Hierophant, der um die Zeit des trojanischen Krieges lebte und aus dessen Schriften Bruchstücke von Philon von Byblos erhalten sind, nennt Byblos die älteste Stadt der Welt. Sidon bestand schon vor der Einwanderung Abrahams, ebenso Damaskus, das nach Berosus von Kain selbst gegründet wurde. Tyrus ist zwar jünger als Sidon, doch sicherlich älter als das Jahr 1209, welches als das Jahr seiner Gründung angegeben wird, denn Zor, d. h. Tyrus, wurde bereits von Sethos I. in Ägypten (1440 bis 1400 v. Chr.) er - obert. Zur Zeit, als Israel zuerst mit den Phöniziern in Verbindung trat, war Sidon die herrschende Stadt. Jakob erwähnt sterbend die Stadt und ihren Hafen2)1. Mos. 49, 13.. Damals war sie bereits eine blühende Handelsstadt. Als Verwandte und Nachbarn der Chetiter teilten sie jedenfalls deren Kultur und dürfen wir sicher annehmen, daſs auch ihre metallurgischen Kenntnisse bereits auf derselben hohen Stufe standen,173Syrien.wie die der Chetiter. Nach dem Exodus traten die phönizischen Könige zu den Juden, nachdem diese die Obmacht in Kanaan erlangt hatten, in ein freundschaftliches Verhältnis. Denn während die phöni - zischen Städte zu stark waren, als daſs die Juden daran denken konn - ten, sie ohne verzweifelten Kampf zu erobern, so lag es in der wohl - bedachten Politik der Phönizier, alsbald mit dem kräftigen Volke, das seine unentbehrliche Kornkammer besetzt hatte, in gute Beziehung zu treten. Sie räumte deshalb den nördlichen schwächeren Stämmen des israelitischen Volkes, Asser, Isaschar, Zebulon, Naphtali und Dan gewisse Gebietsteile, über die sie vordem Hoheitsrechte ausgeübt hatten, freiwillig ein, wofür andererseits die Israeliten sich zu gewissen Leistungen bequemen muſsten, die für den phönizischen Handel von Wichtigkeit waren. So besorgten Asser und Isaschar den Waren - transport der Karawanen durch ihr Gebiet und halfen beim Auf - und Abladen der Waren1)Richter 18, 1.. Die Küstenstämme Isaschar und Zebulon da - gegen halfen beim Be - und Entladen der Schiffe und standen den Phöniziern beim Fischfang und beim Suchen der Purpurschnecken bei.

Es wurde bereits hervorgehoben, daſs die Kananiter in einem Lande wohnten, welches den Zankapfel ägyptischer und chaldäischer Macht, den Ausgleich ägyptischer und chaldäischer Kultur bilden muſste. Sie wohnten nahe der uralten und wichtigen Handelsstraſse, die von Asien nach Afrika führte. Nicht die Phönizier haben diese Handelswege ge - schaffen, nicht waren sie die Veranlassung dieses Handels, aber sie zogen die Vorteile dieser Verkehrswege und nur der groſsartige Land - handel konnte die Bedeutung des auf wenige Städte und einen schmalen Küstenstrich beschränkten Gebietes der Phönizier ermöglichen.

Das Sinnen und Trachten der Phönizier wurde durch ihre Handels - tätigkeit mehr auf Äuſserliches gelenkt. Zwar hatten auch sie oder die ihnen stammverwandten Kananiter einmal eine Stadt der heiligen Bücher, ähnlich dem Sais der Ägypter oder dem Syppara der Baby - lonier, es war die Stadt Kirjath Sepher (jetzt Debir nahe bei Hebron), die Stadt der Orakel, die Josua (15, 15) erwähnt, aber wir wissen von dieser kananitischen Stadt nichts als den Namen. Die Phönizier haben uns keine heiligen Bücher hinterlassen wie die Hebräer, haben keine in Stein gemeiſselte Urkunden wie die Ägypter, keine Bibliotheken von Thoncylinder mit Keilinschriften wie die Assyrer, selbst ihre Bau - denkmale sind so spärlich und unbedeutend, daſs sie nicht entfernt mit den Wunderbauten Ägyptens oder den Prachtpalästen Assyriens und174Syrien.Babylons zu vergleichen sind. So würden wir von diesem merkwürdigen Volke, wenn wir auf ihre eigenen Überlieferungen beschränkt wären, so gut als nichts wissen, obgleich vielleicht kein Volk auf die Zivilisation so mächtig eingewirkt hat wie dieses. Dafür aber haben wir die Zeugnisse der Israeliten, der griechischen und römischen Schriftsteller. Aus diesen müssen wir unsere Belehrung schöpfen, die freilich, da sie aus zweiter Hand kommt und aus meist viel späterer Zeit, nicht die Zuverlässigkeit der unmittelbaren Mitteilungen der oben angeführten Geschichtsquellen hat. Einstimmig preisen alle Quellen den groſsartigen Seehandel der Phönizier. Die Griechen leiten ganz direkt einen groſsen Teil ihrer Kultur und selbst ihre Religion von den phönizischen Städten ab und ebenso einstimmig sind Strabo und Plinius darin, daſs die Zivilisation sämtlicher Küstenländer des Mittelmeeres auf die Einwirkung der Phönizier zurückzuführen ist. Es ist unendlich zu beklagen, daſs die Werke des Mochos, der vor dem trojanischen Kriege lebte1)Siehe Strabo, S. 756. und des Sanchuniathon der um oder nicht lange nach dieser Epoche lebte, ver - loren gegangen sind, die anderen Bruchstücke des uns erhaltenen Aus - zuges des Philon von Byblos aus den Schriften des letzteren bieten uns weniges. Über die Gewerbe der Phönizier, über ihre technische Bildung, über ihre Verwendung der Metalle fehlen uns die direkten Zeugnisse, wir können hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jedenfalls aber haben wir ein Recht anzunehmen, daſs ihre Technik sehr ähnlich und nicht geringer war, als die der Kananiter, die ihre Stammesbrüder waren und deren Gebiet sie zum Teil beherrschten. Die Metallindustrie der Phönizier wird demnach zur Zeit der Herrschaft der Chetiter in der Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. und später zur Zeit der Eroberung von Kanaan durch die Israeliten zum mindesten auf der Höhe ge - standen haben, die wir bereits früher geschildert haben. Nördlich der Cheta wohnten nach den Inschriften Thutmosis III. die Retenu, die reich an gutem Eisen waren. Wir dürfen annehmen, daſs dies Volk am Südabhange des Libanon wohnte und wenn nicht mit den Phöniziern identisch, so doch verwandt und benachbart war. Die gröſste zivilisa - torische Einwirkung übten die Phönizier durch ihre Schiffahrt, ihren Handel und ihre Kolonisation aus und zwar erstreckt sich diese Wirkung nicht allein auf das ganze Mittelmeerbecken, sondern auch auf die Küste des Schwarzen Meeres und des Atlantischen Ozeans, bis nach England hin. Ihre Götter zogen mit ihnen, besonders Baal - Melkart, der Gott der männlichen Kraft, welchen wir als Herkules175Syrien.wiederfinden, und die Astarte, die wandernde Mondgöttin mit dem Symbol der Sichel, welche das weibliche Prinzip darstellt, ebenso finden wir die Götter der Arbeit, die Kabiren, zu denen Kadmos gehörte, als Daktylen, Telchinen, Kureten etc. in vielen, dem phöni - zischen Heimatlande weit entfernten Gegenden mehr oder weniger deutlich wieder. Wenn auch die Wanderungen der Phönizier mit unserem Gegenstande keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, so sind sie für die Ausbreitung der metallurgischen Kenntnisse doch von so auſserordentlicher Wichtigkeit, daſs wir gezwungen sind, bei ihnen zu verweilen. Die Schiffahrt der Phönizier war zunächst Küstenschiffahrt. Einer ihrer höchsten Götter hatte das erste Boot aus einem hohlen Stamme hergestellt und so die Schiffahrt erfunden. Ihre Ver - bindungen mit Ägypten waren sehr alt zu Wasser wie zu Lande. In Ägypten blieben sie indes mehr Händler, obgleich sie in späterer Zeit dort eigene Häfen hatten. Die erste Kolonie legten sie auf der ihrem Lande nächsten, sozusagen gegenüberliegenden, reichen Insel Cypern an. Von Sidon gingen diese ersten Ansiedelungen aus. Von den neun Königreichen, die auf Cypern bestanden, waren fünf von Sidon ge - gründet. Cypern lieferte den Phöniziern vor allen anderen Produkten Kupfer in reichlichen Mengen und galt Cypern im Altertume gewisser - maſsen als die Heimat des Kupfers, von dem Namen der Insel leitet man den Namen des Metalls, das cyprische Erz, cuprum, Kupfer ab1)Der indes, wie zuvor bemerkt, aus der assyrischen Sprache stammt, S. 126..

Daſs der Einfall der Hyksos in Ägypten und ihre Vertreibung aus dem Nillande nicht ohne Einfluſs auf Kanaan und speziell auf die An - siedelungen und Auswanderungen von den Hafenstädten der phönizisch - philisträischen Küste gewesen sind, darf mit Sicherheit angenommen werden, obgleich der unmittelbare Zusammenhang bis jetzt noch nicht klar gestellt ist. Die Kolonisation Cyperns gab nicht nur der Industrie und Handelsthätigkeit Sidons, sondern auch ihrer späteren Kolonial - politik eine bestimmte Richtung. Wir wissen zwar, daſs auch im Libanon Kupferbergwerke bestanden, daſs südlich von Judäa Kupfer - gruben im Betriebe waren, aber diese waren weder im unmittelbaren Besitz der Sidonier, noch gaben sie entfernt eine so reiche Ausbeute wie die Bergwerke auf Cypern. Nur durch letztere wurde Phönizien zum kupferreichsten Lande der Erde. Von nun an war es wesentlich der Erwerb von Metallen, der die Phönizier zur Anlage von Kolonieen reizte. Wann die erste Besiedelung Cyperns stattgefunden hat, ist noch durchaus unaufgeklärt. Wenn Dunker dafür2)Dunker, Geschichte des Altertums 2, 43. die Mitte des176Syrien.13. Jahrhunderts angibt, so ist dies nur als ein Minimum der Zeit - berechnung anzusehen. Nehmen wir diese Zahl als annähernd richtig an, so muſs der Kupferreichtum der Chetiter über drei Jahrhunderte früher aus anderen Quellen geflossen sein. Da wir ferner vermuten dürfen, daſs der Bronzeguſs in Ägypten zur Zeit der Ramessiten und in Israel zur Zeit des Exodus bekannt war, so muſsten die metallur - gischen Kenntnisse der Phönizier, namentlich auch ihre Kunst der Bronzebereitung älter sein, als die erste Ansiedelung von Cypern. Waren sie aber in Asien vielleicht nur Schüler einer älteren Kultur auch in metallurgischen Dingen, so traten sie in Europa doch überall als Lehrer auf und die Spuren ihrer Ansiedelungen sind bezeichnet durch die Anlage von Bergwerken. Wir wollen einen Blick auf die wichtigsten und namentlich die für unseren Zweck bedeutsamsten Kolonieen der Phönizier werfen, doch bemerken wir im voraus, daſs wir hierbei den Ausdruck phönizische Kolonieen nicht so beschränkt auf - fassen, daſs wir darunter nur Kolonieen von Sidon, Tyrus, Aradus, den eigentlichen Städten des beschränkten Gebietes der Phönizier begreifen, sondern daſs wir es für möglich und wahrscheinlich halten, daſs auch die verwandten Nachbarstämme der Philister und ihre Hafenstädte Gaza, Asdod und Joppe und andere, wenn auch in beschränkterem Maſse, an diesen Kolonisationen Teil genommen haben. Bestimmen zu wollen, ob die Ansiedelung eines Distriktes durch Philister (Pheresiter, Hetiter, Luditer) oder Phönizier erfolgt sei, scheint uns indes vorläufig eine vergebliche Mühe zu sein, wie auch die Behauptung von Rougemont (Bronzezeit), daſs in allen Pelasgern Philister zu erkennen seien, zum mindesten sehr gewagt ist. Nach Cypern war es die Insel Rhodos, auf der die Phönizier festen Fuſs faſsten. Es kann dies als ihr Eintritt in Europa bezeichnet werden. Ferner setzten sie sich auf Kreta fest, das lange ein Mittelpunkt ihrer Macht und Kultur im Ägäischen Meere blieb. Von ihren vielen sonstigen Kolonieen auf Melos, Thera, Samo - thrake, Thasos, Lemnos, Kythere u. s. w. ist die Ansiedelung von Thasos für uns die interessanteste, weil sie hier den groſsartigsten Bergbau und zwar auf goldführenden Quarzsand anlegten. Auch Thasos wurde als Mittelpunkt einer bedeutenden Industrie, ein Mittelpunkt der Kultur und dehnte sich der Handel von Thasos über Tracien bis nach der Donauebene aus. Die Archäologen, welche an dem Bronzezeitalter fest - halten, nehmen an, daſs durch den Handel von Thasos aus die ältere Kupferzeit in Ungarn etwa im 12. Jahrhundert v. Chr. durch eine Bronzezeit verdrängt worden sei1)Siehe Rougemont.. Die Phönizier drangen weiter vor177Syrien.an der Küste Griechenlands entlang, sie siedelten sich auf Euböa an, wo sie Kupferbergwerke eröffneten, gründeten Kadmos, drangen ans Adriatische Meer, wo sie sich an der für den europäischen Landhandel so wichtigen Mündung des Po anbauten. Sie sollen dort eine Stadt Adria gegründet haben, von der dieses Meer noch heute seinen Namen trägt. Es waren Sidonier, welche diese Kolonieen anlegten. Ebenso fuhren diese der afrikanischen Küste entlang, gründeten Alt-Karthago, Hyppo und Utika (Tunis), besiedelten Sizilien, Malta und Sardinien und drangen bis nach Gibraltar zu den Säulen des Herkules vor.

Die Ansiedelung in Spanien bildet einen Wendepunkt in der Ge - schichte Phöniziens. Er fällt zusammen mit dem Niedergange von Sidon und mit dem Aufschwunge von Tyrus. Diese Umwälzung war zunächst eine politische. Sidon hatte schwere Kämpfe zu bestehen und wurde um 1200 v. Chr. von einem König von Askalon zerstört. Obgleich es aus seinen Trümmern wieder erstand, erlangte es doch nie mehr seinen früheren Glanz. Das jüngere Tyrus verstand es die Ober - gewalt an sich zu reiſsen und von dieser Zeit an knüpft sich denn auch die Geschichte der phönizischen Kolonisation an die Geschichte von Tyrus. Die Hauptquelle des groſsartigen Reichtums von Tyrus war der Silberhandel und die Silbergewinnung Spaniens. Um das Jahr 1100 wurde Gades an dem Ufer des Atlantischen Ozeans jenseits der Säulen des Herkules gegründet und diese Stadt war der wichtigste Stapelplatz für den Silber - und den Zinnhandel und blieb es, nach - dem auch Tyrus und die ganze Herrlichkeit Phöniziens längst ver - blichen war.

Tarsis war Jahrhunderte lang der Inbegriff des Reichtums. Tarsis war ursprünglich die Stadt und das Gebiet von Gades, doch nannte man so das ganze silberreiche Land an den Ufern des Bätis, manchmal verstand man ganz Spanien darunter. Tarsisschiffe hieſsen die groſsen schweren Handelsschiffe der Phönizier. Durch ihre Gröſse, Belastungs - fähigkeit und Schnelligkeit waren sie die Bewunderung der Propheten Judas, wie der Schriftsteller des klassischen Altertums. Tarsis war für die Alten das, was einmal eine Zeitlang Kalifornien war, der In - begriff des Metallreichtums. Bezeichnend ist die Anekdote1)Aristoteles, de mirabl. auscult. cap. 147., daſs die ersten phönizischen Schiffe, die in Spanien gelandet seien, so viel Silber für wertlose Waren eingetauscht hätten, daſs, nachdem das Schiff bis zur Grenze seiner Tragfähigkeit beladen war, sie ihre Anker und Ketten zurückgelassen und sich solche aus purem Silber neu angefertigt hätten.

Beck, Geschichte des Eisens. 12178Syrien.

Tyrus, welches den Silberhandel Spaniens beherrschte, war be - wundert und beneidet wegen seines Reichtums. Der Prophet Jesaias sagt von ihr: Tyrus, die Kronen spendet, ihre Kaufleute sind Fürsten und ihre Händler die Geehrten der Erde.

Doch auch dieser Glanz erlosch. Die reichen Städte Syriens, der Wohlstand Ägyptens lockten die assyrischen Könige zu häufigen Kriegszügen. Keine Stadt hat so viele und lange Belagerungen aus - zuhalten gehabt wie Tyrus. Dazu kam das Emporblühen ihrer eigenen Kolonieen, sowie die politische Entfaltung von Griechenland. So be - gann der Glanz von Tyrus schon vom achten Jahrhundert an zu ver - bleichen. Seine Kolonie Gades und vor allem Karthago wurden die Erben seines Reichtums. 581 eroberte und zerstörte Nebukadnezar das Bollwerk der Phönizier. Es erhob sich zwar wieder aus den Trümmern, als aber Alexander der Groſse es nochmals vernichtete, sank es auf die Stufe einer wohlhabenden Provinzialstadt herab, bis es allmählich immer mehr in Verfall kam.

Der Handel war die Stärke der Phönizier. In Bezug auf den Landhandel nutzten sie nicht nur ihre günstige, geographische Lage aus, sondern sie suchten sich direkt und indirekt die wichtigsten Etappen dieses Handels zu sichern. Direkt, indem sie an den wichtig - sten Karawanenstraſsen Städte und Faktoreien anlegten, wie die rasch aufblühenden Städte Hamath, Edoma und Thypsach, indirekt, indem sie mit den Fürsten der Länder, durch welche die Handelsstraſsen zogen, Bündnisse zum Schutze des Handels abschlossen.

Auf diese Weise suchten sie sich namentlich den Zugang zum Roten Meere zu sichern. Wie sie früher zu diesem Zwecke sich die krie - gerischen Philister durch Geschenke geneigt erhalten hatten, so ver - fuhren sie später ebenso gegenüber Israel, nachdem dieses durch die siegreichen Kriegszüge Davids die Obmacht in dem Gebiete vom Libanon bis zum Roten Meere erlangt hatte. Der weise König Hiram von Tyrus schloſs enge Freundschaft mit David und Salomon und der letztere vergalt die guten Dienste der Phönizier damit, daſs er ihnen freiwillig den Hafen der Stadt Elath zu Eziongeber am Roten Meere einräumte, wo sie sofort eine Schiffswerfte anlegten. Sie suchten die Fürsten Israels direkt für den Handel zu interessieren und veranlaſsten dadurch den König David, die Stadt Tadmor in der Wüste an der kürzeren Karawanenstraſse von Syrien nach dem Euphrat anzulegen und zu befestigen. Von Eziongeber aus unternahm Hiram in Ver - bindung mit König Salomo die berühmten Ophirfahrten. Die aus - gesandten Schiffe brachten Gold, Edelsteine, Sandelholz, Elfenbein,179Syrien.Affen und Pfauen mit heim. Den groſsen Gewinn dieser Unterneh - mungen teilten sie untereinander.

Der phönizische Handel war wesentlich ein Hausierhandel, den sie in seiner beschränkteren Form im Nachbargebiete, z. B. in Israel oder von den Koloniestädten aus betrieben, im groſsartigeren Maſsstabe aber zu Land als Karawanenhandel, auf dem Meere als Seehandel. Die Waren, die sie verkauften, produzierten sie nur zum kleineren Teil selbst. Meistens kauften sie Waren an einem Orte auf, um sie an einem andern mit möglichst hohem Gewinn wieder zu verhandeln, so hatten ihre Ge - schäfte manchmal den Charakter des Tauschhandels, manchmal den des Groſsadventurgeschäftes (z. B. die Ophirfahrten). In Zahlung nahmen sie am liebsten Gold und Silber, dann auch Kupfer und Zinn. Diese waren die Quellen ihres Reichtums1)Siehe Diodor 5, 35.. Sie verarbeiteten sowohl die rohen Metalle, als wie die sonstigen Rohstoffe zu hunderterlei fertigen Handelsartikeln, die sie dem Geschmack und den Gewohnheiten der Völker, mit denen sie handelten, auf das Gewandteste anzupassen ver - standen. Spitzbuben nennt sie Homer, die tausenderlei Tand mit - bringen im dunklen Meerschiff2)Odyssee 15, 416..

Die Schiffe, deren sich die Phönizier bedienten, waren groſse, breit gebaute Handelsschiffe mit flachem Boden, meist mit zwei übereinander - gebauten Ruderreihen auf beiden Seiten, so daſs also vier Reihen von Ruderern sie vorwärts bewegten. Sie waren berühmt wegen ihrer Schnelligkeit, die gröſser war als die der Kriegs - und Piratenschiffe und nach den uns übermittelten Angaben nicht geringer als die unserer Seedampfer gewesen sein muſs. Sie waren schwarz, jedenfalls geteert, daher Homers Bezeichnung dunkeles Meerschiff .

Der Kultureinfluſs der Phönizier auf Europa war ein ganz eminenter. Es waren nicht nur ihre Kolonieen, nicht nur die Faktoreien, die sie auch in fremden Städten anlegten, sondern zu allermeist war es der unermüdliche Hausierhandel, der teils von den Städten Phöniziens direkt, mehr aber noch von den phönizischen Kolonieen ausgehend, ganz Europa mit einer Art von Netz umspann, dessen Hauptfäden die natürlichen Handelsstraſsen, die den groſsen Wasserläufen folgten, bildeten. Der phönizische Händler brachte nicht allein fremde Waren, sondern er brachte auch fremde Bedürfnisse in die barbarischen Länder. Der fremde Tand wurde Mode und Bedürfnis. Dazu verstanden die semi - tischen Kaufleute das Aufschneiden wie keine anderen. Phönizische Lügen waren im ganzen Altertume etwa das was wir Münchhausiaden12*180Syrien.nennen. Es war aber nicht alles gelogen. Der Gesichtskreis der Barbaren erweiterte sich mit dem Kreise ihrer Bedürfnisse und die fremden Händler leiteten die wilden Eingeborenen zur eigenen Thätig - keit, zur Produktion an, ganz vornehmlich suchten sie sie zum Aufsuchen und zur Gewinnung der Mineralschätze zu veranlassen. Mit den phantastischen Amuletten, die gegen Krankheit und bösen Zauber gut sein sollten, brachten sie auch ein Stück ihrer heimischen Religion in das fremde Land. Wo durch ihren Handel feste Ansiedelungen ent - standen, wurde ihr Einfluſs noch gröſser. Da lernten die Barbaren ein neues, bequemes, genuſsreiches Leben kennen, üppig und prunkvoll, gegen das ihnen ihre seitherige Existenz arm und jämmerlich erschien. Dieses Gefühl erhielt sich selbst bei den Juden gegenüber den fast königlichen Kaufleuten von Tyrus und unter dem reichen Manne, der bei allen irdischen Genüssen doch nicht in den Himmel kommt, ist vor allem der üppige Kaufherr, wie er in den benachbarten Küstenstädten wohnte, gemeint. Gutes und Schlimmes brachten die fremden Händler das schlimmste war der Sklavenhandel. Die sinnliche Form ihrer Religion, der Götzendienst, das Bild des starken Baal-Melkart, der schönen, verführerischen Astarte schlichen sich leicht in die Vorstellung der rauhen Barbaren ein. Die fremden Händler lebten den Barbaren zu Gefallen, sie schmeichelten sich ein und so faſsten sie bald festen Fuſs, wo es nur etwas zu verdienen gab. Wurden sie zahlreicher an einem Ort, so schlossen sie sich zu Gemeinden zusammen, meist in be - sonderen Stadtvierteln. Sie bildeten Kaufmannsgilden und selbst religiöse Gemeinden mit eigenen Tempeln, in denen sie die Götter in ihrer eigenen, sinnlichen Weise verehrten. Hinter der üppigen Form ihres Gottesdienstes war aber doch der tiefe Keim der ganzen chal - däischen Kultur verborgen, und so konnten sie die Vorarbeiter für die Ausbreitung des Christentums werden. Phönizier und Hebräer waren so nahe verwandt, daſs von der Zeit des Exils an sie als einer Nation angehörig betrachtet werden dürfen. Auch treten die Hebräer von der Zeit ihrer Wegführung an in vieler Beziehung in die Fuſstapfen der Phönizier. Sie hatten ihre Seſshaftigkeit verloren. Das Ausziehen in die Fremde war ihnen nichts ungewohntes mehr. Der Gewinn lockte, sie fingen selbst an ein Handelsvolk zu werden. Vielfach lieſsen sie sich in fremden Städten in den Quartieren ihrer Brüder, der Phönizier, den alten Ghettos, nieder. Das jüdische Element drängte nach und nach das phönizische zurück. Hierdurch wurde es ermöglicht, als dann die groſse religiöse Reform im Heimatlande sich vollzog, daſs das Christentum eine so rasche und intensive Ausbreitung erfahren konnte,181Syrien.und es ist deutlich zu erkennen, wie die Ausbreitung des Christentums den alten phönizischen Ansiedelungen folgt. Auf Cypern waren die ersten phönizischen Kolonieen, auf Cypern entstand die erste christliche Gemeinde, die sich dann weiter nach Kleinasien, Griechenland bis nach Rom verbreiteten.

Die Phönizier waren ein Weltvolk, ihre Kultur war deshalb durch viele Faktoren beeinfluſst. Die Grundlage aber bildete die semitische Kultur der Chaldäer. Die Griechen schrieben ihnen die Erfindung der Schrift zu und doch haben sie nur die Keilschrift der Assyrer in einer praktischen Weise umgestaltet. Praktisch waren sie aber überhaupt, wie dies bei ihrer materialistischen Richtung nicht anders möglich war. Wie ihre Schrift, so war ihr Maſs -, Gewichts - und Münzsystem chal - däisch. Dabei hatten sie für den Geldverkehr infolge ihres Reichtums an Silber die Silberwährung angenommen. Sie führten, wie es scheint, zuerst Geld im eigentlichen Sinne des Wortes ein. Es waren dies allerdings keine geprägten Münzen, sondern nach Maſs zugeschnittene Täfelchen, die nach altem Gebrauche noch zugewogen wurden. Das höchst rationelle, chaldäische Gewichtssystem basierte auf einem ge - wissen Kubikmaſs Wasser. Diese Kubikeinheit Wasser hatte nach unserem Gewichte 822 kg. Dieses war das babylonische Talent. Es wurde eingeteilt in 60 Mana (griechisch Mienen), eine Mana in 50 Scheckel (Säckel). Dem chaldäischen Längenmaſs, welches ebenfalls von den Phöniziern und durch diese von den Griechen angenommen wurde, lag die babylonische Elle gleich 234 Pariser Linien zu Grunde. Zwei Drittel der Elle war der babylonische Fuſs. Nicht nur die Phönizier und Griechen, sondern auch die Assyrer und Perser bedienten sich dieses Maſs - und Gewichtssystems. 750 v. Chr. prägte man zuerst zu Argos und Aegina eine Münze, die Drachme, gleich einem halben Scheckel, von denen 6000 auf das Talent gingen, aus. In späterer Zeit war in Syrien auch Kupfergeld gebräuchlich, wenigstens steht in Ezechiel 16, 36, das Wort Kupfer n’choschet, für Geld.

Fragen wir nach der Gewinnung und Verwendung der Metalle bei den Phöniziern, so haben wir auch mehr von ihrem Handel, als von ihrer Industrie zu berichten.

Das Gold gewannen sie im eigenen Lande nicht, auch wohl kaum in Cölesyrien. Dagegen hatten sie berühmte Bergwerke in ihren Kolonieen, besonders zu Siphnos und Thasos, wo die Phönizier und zwar die Sidonier schon fünf Geschlechter vor Herkules (1500 v. Chr.) eine Stadt erbaut haben sollen. Diese Bergwerke lagen gegenüber Samotrake, und Herodot erzählt bewundernd, die Phönizier hätten dort182Syrien.einen ganzen Berg umgewendet. Demnach scheint es ein groſsartiger Tagebau gewesen zu sein. Die gröſsere Menge des Goldes floſs aber aus ihrem Handel mit Arabien1)Ezechiel 27, 22. und später aus ihren Ophirfahrten. Es entsprang wohl in beiden Fällen denselben Quellen, denn auch die arabischen Händler von Saba und Raema gewannen es nicht im eigenen Lande, sondern erwarben es durch ihren Seehandel. Die Ophirfahrten hatten denn auch wesentlich den Zweck, den Arabern den Gewinn zu entziehen, den sie aus dem Zwischenhandel zogen. Wo die ophirischen Goldländer lagen, ist noch immer eine Streitfrage. Seitdem neuer - dings die Goldlager westlich von Sofala aufgefunden worden sind und man dort die Trümmer einer alten, wohlgebauten, angeblich in ihren Resten an ägyptische Bauart erinnernde Stadt entdeckt hat, neigt man wieder allgemeiner zu der Ansicht, daſs das Ophir der Alten an der Ostküste Afrikas in dem Lande der Äthiopier lag, indem man glaubt, in jenen Goldfeldern die ophirischen Lager wieder aufgefunden zu haben. Die entgegenstehende Ansicht ist die, daſs das ophirische Gold von Indien kam und zwar, da das indische Tiefland arm an Gold ist, daſs es aus dem Berglande am oberen Indus gekommen wäre. Eine dritte Ansicht ist die, daſs es aus Ceylon gekommen sei. Da aus den Angaben der heiligen Schrift hervorzugehen scheint, daſs das Gold von ver - schiedenen Plätzen kam, indem es unter verschiedenen Namen aufge - führt wird, so könnten wohl sämtliche Annahmen richtig sein. Dennoch ist es wahrscheinlicher, daſs die gröſsere Menge des Goldes von Ost - afrika kam, während von Indien, wohin allerdings sowohl die arabischen, als die phönizischen Händler fuhren, besonders Edelsteine, Perlen, Pfauen und ein Teil der Gewürze Arabias geholt wurden. Gold scheinen indes die Araber selbst in Madian, südwestlich von Sinai ge - wonnen zu haben. Eine weit gröſsere Rolle spielte aber in dem phöni - zischen Handel das Silber. Es ist anzunehmen, daſs auch in Kanaan Silber gewonnen wurde, oder daſs vielleicht auch Silbererze aus fremden Ländern da verschmolzen wurden. Das Silberland der Phönizier war Spanien und der Silberhandel in diesem Lande bildete eine der wichtig - sten Grundlagen ihres Handels und Reichtums. Den Silbererzen spürten die Phönizier überall nach und eine groſse Zahl ihrer Ansiedelungen wurde veranlaſst durch Bergbauunternehmungen auf Silber. Dies zeugt von groſsen montanistischen und geognostischen Kenntnissen, denn ohne diese ist das absichtliche Aufsuchen und Erschürfen solcher Erzlagerstätten nicht möglich. Dazu kommt, daſs das Silber nicht wie183Syrien.das Gold an der Oberfläche gefunden wird, sondern daſs es in Gängen vorkommt, die tief in dem festen Gestein niedersetzen und die an der Oberfläche nur dem erfahrenen Bergmann den Reichtum verraten, welchen die Tiefe birgt. Ebenso ist, wie schon mehrfach erwähnt wurde, die Darstellung des Silbers aus dem silberhaltigen Bleiglanz, denn dies war beinahe überall das Erz, das die Phönizier zu Gute machten, eine schwierige, komplizierte Operation. Der Dichter des Buches Hiob nennt darum dieses Metall sehr bezeichnend das Silber der Mühen . In frühester Zeit schon gewannen die Phönizier Silber auf Cypern, ferner in Kleinasien, wo bei Tokat im Taurus sehr alte Gruben sind. Die Sage von dem blinden Phineus in Bithynien, der seine beiden Söhne in der Erde vergraben lieſs, wo sie unaufhörlich mit Geiſseln geschlagen wurden, deutet auf alten phönizischen Bergbau, sowie zu - gleich auf die harte Behandlung der phönizischen Bergwerkssklaven, die noch grausamer gewesen sein soll, als die der ägyptischen. Silber gewannen die Phönizier in Thracien vielleicht in Epirus und Attika mit Gold zugleich auf Thasos und Siphnos. Später aber, als sich den Phöniziern die reichen Schätze Spaniens öffneten, verdunkelte der Ruhm des Tarsissilbers aus dem Bergwalde des Tartessos und von Turitanien alle übrigen Bezugsquellen. Daſs Silber reichlich in Phö - nizien im Umlauf war und einen relativ geringen Wert hatte, ersieht man aus den hohen Preisen der Arbeit und der Naturprodukte Israels. So hatte ein Hüter der königlichen Weinberge, wahrscheinlich neben Naturalverpflegung, ein Jahreseinkommen von 482 Mark. Ein Sklave kostete 124 Mark1)Mädchen unter 5 Jahren kosteten 2 Thlr. 12 Sgr., Knaben unter 5 Jahren 4 Thlr. 4 Sgr., Mädchen von 5 bis 20 Jahren 8 Thlr. 8 Sgr., Knaben dieses Alters das Doppelte, Frauen von 20 bis 60 Jahren 25 Thlr., Männer desselben Alters 41 Thlr. 16 Sgr. Für Greise und Greisinnen über 60 Jahren standen die Preise zu 12 Thlr. 15 Sgr. und 8 Thlr. 8 Sgr., ein ägyptisches Pferd wurde mit 375 Mark, ein Streitwagen sogar mit 1500 Mark bezahlt. Allerdings sind dies Preise aus der Salomonischen Zeit, in der ungewöhnlich viel Silber in Israel war, und infolgedessen alle Preise gestiegen waren. Zu Davids Zeit war alles billiger und wurde Joseph von seinen Brüdern für nur 50 Mark als Sklave verkauft.

Auch der Preis des Weizens war für ein so auſserordentlich frucht - bares Land im Vergleich mit anderen Ländern des Altertums hoch. Movers berechnet ihn zu Mark 6,55 pro preuſsischen Scheffel2)Siehe Movers, die Phönizier II, 3. Abtheilung, S. 213..

Aus dem Silber zogen die alten Phönizier wohl ihren gröſsten184Syrien.Handelsgewinn. Von kaum geringerer Bedeutung war indessen der Kupfer - und Erzhandel der Phönizier. Das Kupfer gewannen sie ebenfalls zum gröſsten Teile aus eigenen Gruben, von denen nur wenige, wie Sarepta und Phiron, in Syrien lagen, die meisten dagegen auf den Kolonieen an den Küsten des Mittelmeeres sich befanden. Vor allen war es Cypern, das durch seinen Reichtum an Kupfererz von Alters her berühmt war und das nach der allgemeinen Ansicht von dem Metall den Namen hat, der als Begriffswort in die germanischen und romani - schen Sprachen übergegangen ist. Berühmte Kupfergruben hatten ferner - hin die Phönizier in Cilicien, zu Tartessa, zu Temesa in Unteritalien und auf Euböa angelegt. Doch bezogen sie auch groſse Mengen von Kupfer durch den Handel. Ezechiel sagt1)Ezechiel, 27, 13.: Javan, Thubal und Meschesch handelten mit dir und gaben dir für deine Waren Sklaven und Kupfergeschirr . Thubal und Meschesch soll das Land der Tiba - rener und Moscher zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere gewesen sein, welches Xenophon bei dem Rückzuge mit seinem Heere besuchte und der dort über die allgemeine Verwendung des Kupfers zu Hausgeräten erstaunte.

Das berühmteste Metall der Phönizier und nächst dem Silber ihr wichtigster Handelsartikel war aber die Bronze oder das Erz. Es ist möglich, daſs die Komposition dieser Legierung ihre eigene Erfindung war. Wenn aber auch vielleicht die Entdeckung von einem andern Volke ausging, so waren es doch die Phönizier, die dieser Komposition die allgemeine Verwendung und Verbreitung in allen Ländern, mit denen sie in Handelsverbindung standen, verschafft haben. Ihr aus - gebreiteter Erzhandel basierte zum Teil auf dem Reichtume ihrer Kolonieen an Kupfer, zumeist aber auch auf der vollständigen Mono - polisierung des Zinnhandels.

Woher die Phönizier in ältester Zeit das Zinn bezogen, ist eine wichtige Frage, die noch nicht ganz aufgeklärt ist, denn es steht fest, daſs die Entdeckung des Erzes älter ist, als die Entdeckung des See - weges nach der britannischen Küste. Wir können nicht umhin, diese Frage hier nochmals eingehend zu prüfen. In Kanaan wird kein Zinn gefunden, ebensowenig in den aramäischen und arabischen Nachbar - ländern. Weder in Ägypten noch in Kleinasien oder Mesopotamien ist ein Zinnvorkommen bekannt. Das Zinn muſs also aus weiter Ent - fernung nach Phönizien gebracht worden sein, und dies ist allerdings ein Umstand, der die Erfindung der Zinnbronze durch die Phönizier zweifelhaft erscheinen läſst.

185Syrien.

Es ist bekannt, daſs in späterer Zeit die Phönizier ihr Zinn aus Britannien bezogen und daſs die Herrschaft über diesen Handel eine wesentliche Quelle ihres Reichtums war. Es ist aber nicht wahrschein - lich, daſs dieser Bezug schon so alt ist, als die Erfindung der Bronze. Demnach müssen die Phönizier in älterer Zeit, vor dem Jahre 1200 v. Chr. anderswoher welches bezogen haben. Einige sind der Ansicht, daſs das Zinn schon in sehr früher Zeit durch den arabischen Zwischen - handel von Indien zu den Phöniziern kam. Die Hauptstütze für diese Annahme ist die Identität der Bezeichnung für Zinn im Sanskrit und in den arabisch-aramäischen Sprachen. Kastira heiſst das Zinn im Sanskrit, kastir im Aramäischen, kasdir im Arabischen, mit welchem ferner das griechische κασσίτερος in engster Beziehung steht. Hierbei nehmen die Verfechter der ersten Ansicht an, daſs das Wort aus dem Sanskrit in die semitischen Sprachen übergegangen sei, während die Vertreter der andern Ansicht mit weit mehr Grund das Umgekehrte annehmen, nämlich daſs das Wort und die Ware von Arabien aus nach Indien importiert worden ist. Hierfür haben wir die direkten Zeug - nisse der alten Schriftsteller. Sowohl in dem Arrianischen Periplus, als auch in der Naturgeschichte des Plinius wird das Zinn neben Blei und Erz unter den Einfuhrartikeln nach Indien aufgeführt1)Plinius hist. nat. 34, 48 sagt: India neque aes, neque plumbum (album) habet, gemisque suis ac margaritis haec permutat.. Vorder - indien hat überdies wenig Zinn und waren die noch nicht langentdeckten Zinnvorkommen im Mewar und nordwestlich vom Vindhyagebirge den Alten unbekannt, dagegen ist freilich Hinterindien und die indischen Inseln, besonders Siam, Malakka und die Insel Banka sehr reich an diesem Metalle, das heutzutage in Menge von da nach Europa kommt. Doch ist das Bankazinn erst seit dem Jahre 1711 in Europa bekannt. Die phönizischen und arabischen Schiffe sind aber in alter Zeit nicht bis zu jenen Ländern vorgedrungen und wenn was nicht wahrscheinlich andererseits schon ein Handelsverkehr zwischen Hinter - und Vorder - indien bestanden hätte, durch den das Metall in die Hände der Phöni - zier hätte gelangen können, so bleibt es unerklärlich, wie später phönizische und arabische Händler Zinn nach Indien fahren und dort mit Vorteil absetzen konnten.

Die Herleitung des Zinns in der vorbritannischen Zeit von Hinter - indien und dem indischen Archipel erscheint demnach wenig begründet. Bei der Dürftigkeit aller Nachrichten über die Herkunft des Zinns in ältester Zeit bekommt die Mitteilung Strabos, daſs die Drangen in ihrem Gebiete am Südabhange des Paropamisus Zinn durch Bergbau gewonnen186Syrien.hätten, eine hervorragende Bedeutung. Neuere Reisende haben die Reste alter Zinnbergwerke bei Bamian im Hindu-Kusch am Flusse Hindmend (Haetumat), der die Stadt Bost oder Best (das Abeste der Alten1)Siehe Rougemont 82. um - flieſst, entdeckt und bringt man diese mit dem erwähnten Zinnbergbau in Verbindung. Daſs der Paſs von Bamian und wohl auch diese ganze Gegend einmal in handelspolitischer wie strategischer Beziehung eine ganz auſserordentliche Bedeutung gehabt hat, geht aus den Felsen - inschriften, alten Skulpturen u. s. w. hervor, die sich dort noch finden, obgleich sie meist aus einer späteren Periode zu stammen scheinen. Wir haben bereits erwähnt, daſs die Erfindung der Zinnbronze vielleicht in jenen Gebieten von einer älteren turanischen Bevölkerung gemacht worden sein dürfte, namentlich, wenn es sich bestätigt, daſs jenes bei Bagdad gefundene metallene Bildnis, in dem die Namen der Könige Kudur-Mabuk und Rim-Aku eingegraben stehen, wirklich aus Bronze besteht2)Siehe Dunker, Geschichte des Altertums I, 241..

Eine andere Ansicht neigt sich dahin, daſs Zinn am Südabhange des Kaukasus, im heutigen Georgien gewonnen worden sei. Es soll Zinnerz in diesem Lande vorkommen und früher bergmännisch gewonnen worden sein. Was aber wohl am meisten zu dieser Idee geführt hat, ist der Umstand, daſs die Griechen den benachbarten Chalybern auch die Erfindung des Erzes neben der des Silbers und des Stahles zuschrieben. Auch in der heiligen Schrift heiſst es, daſs Tyrus Erzwaren von Thubal d. h. von den Tibarenern bezog und manche wollen daraus folgern, daſs sie auch Zinn aus jener Gegend bekamen. Vorläufig sind alle diese Annahmen als Hypothesen anzusehen. Keiner der Schriftsteller des klassischen Altertums, die über die Iberer, Tibarener und Chalyber schreiben, berichtet auch nur das geringste von Zinngewinnung oder Zinnhandel dieser Völker. Moses von Chorene, ein geborener Armenier (um 370 n. Chr.), der eine Spezialgeschichte Armeniens geschrieben hat, weiſs nichts davon, ebensowenig läſst sich den wilden Thälern des Kaukasus, in denen diese Zinngewinnung stattgehabt haben soll, eine hohe metallurgische Kultur unterstellen. Wir bleiben deshalb vor - läufig auf die alleinige Möglichkeit eines älteren Zinnbezuges aus Drangiana durch die semitischen Völker angewiesen.

Eine weitere Theorie, die ebenfalls namhafte Vertreter hat3)Siehe Movers., ist die, daſs schon lange, ehe die Phönizier die Handelswege nach Britannien fanden und aufsuchten, Zinn von Britannien aus nach Westasien gelangt sei, daſs dieses Zinn durch den Tauschverkehr dorthin gebracht worden187Syrien.sei, ohne daſs die westasiatischen Händler und Erzschmelzer eine Ahnung davon hatten, aus welchem Lande das Metall stammte. Für diese Ansicht spricht der Umstand, daſs die Phönizier die kontinentalen Überlandwege des Zinnhandels nicht geschaffen haben, sondern vor - fanden, daſs sie ihnen mit Eifer nachgingen und ihre ältesten Kolonieen zum Teil an den Ausgangspunkten dieses Überlandhandels nach dem Mittelländischen Meere angelegt wurden. Unzweifelhaft ist, daſs ein kontinentaler Handel mit britannischem Zinn geraume Zeit vor Auffin - dung des Seeweges nach den Kassiteriden schon bestand. Und wenn wir auch die Ansicht, daſs alles Zinn der Phönizier von jeher von Britannien gekommen sei, durchaus nicht zu der unserigen machen wollen, so ist es doch von höchstem Interesse, die Landhandelswege des Zinnes näher ins Auge zu fassen, da sie für die Kulturentwickelung von hervor - ragender Bedeutung sind. Die Handelsstraſsen der Kontinente folgten zu allen Zeiten den Hauptfluſsthälern. Da waren es denn der britan - nischen Küste gegenüber zwei Hauptflüsse, die von jeher für den Handel dieser Insel die wichtigsten waren, die Seine und der Rhein. Die Handelsstraſse des Seinethales führte von selbst in die des Rhone - thales. Diese Straſse war für die Erreichung des Mittelmeeres die kürzeste und bequemste. Der Handelsweg des Rheines hat für England die Vorteile, daſs die Überfahrt des Kanales zur See kürzer und sicherer ist, daſs der Rhein ein längerer und wasserreicherer, deshalb für die Schiffahrt zuverlässigerer Strom ist, ferner, daſs er nach dem östlichen Europa, also nach Griechenland und Westasien den kürzeren Weg bildet. Vom oberen Rheinthale aus sind die Übergänge freilich alle beschwer - lich und gefahrvoll, aber man kann von da ebensowohl das Rhonethal, als das Thal des Po, wie das der Donau erreichen und diese Dreiteilung des Handelsweges vom Oberrhein aus hat auch schon in alter Zeit be - standen. Schon ehe Gades entstand, d. h. schon ehe die Phönizier direkt auf dem Seewege zu den Kassiteriden gelangten, gab es eine kürzere Überlandstraſse, die von der Mündung der Garonne über Tolosa (Toulouse) nach Narbo (Narbonne) führte. Alle diese Handelsstraſsen haben ihre wechselnden Schicksale gehabt. Die Überlandwege sind aber nur in friedlichen Zeiten sicher; je länger sie sind, durch je verschiedener Stämme Gebiet ein groſser Handelsweg geht, je unzuverlässiger sind sie. Dies ist der Grund, weshalb, obgleich die Überlandwege durchgehends näher waren und trotz der unvollkommenen Schiffahrtskunde dennoch der Seeweg durch die Säulen des Herkules bis zu den Kassiteriden, nachdem er einmal bekannt geworden war, alle anderen Handelsstraſsen in den Hintergrund drängte und der Hauptweg für den Zinnhandel188Syrien.wurde. Dies war aber sicherlich nicht zu allen Zeiten so. Der Handels - austausch der Bewohner der britannischen Küste wie der der gallischen und germanischen andererseits war nur ein beschränkter. Die Britannier waren weder in der Schiffahrt so erfahren, noch hatten sie eine Ver - anlassung, gewagte Seereisen zu unternehmen, überhaupt scheinen sie mehr von den fremden Händlern aufgesucht worden zu sein. Darum waren für britannische Produkte, also jedenfalls auch für das Zinn die zwei natürlichsten Straſsen, nämlich die der Seine und die des Rheines die ältesten. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen der Sprachforschung. Der britannische Name für Zinn umfaſst ein gewisses Gebiet, das Gallien, Germanien und Italien in sich begreift, selbst der lateinische Ausdruck stannum rührt von dem britannischen ystaën her, während anderer - seits der phönizische Name kasdir ein anderes Gebiet umfaſst, nämlich das ganze semitische Gebiet, Indien, Kleinasien und Griechenland. Hieraus dürfen wir folgern, daſs in den Grenzen des erstgenannten Gebietes schon ein Zinnhandel von Britannien aus bestand, ehe die Phönizier ihr Erz nach diesen Gegenden brachten, während Kleinasien, Griechenland und Indien ihr Zinn zunächst von den Semiten bezogen.

Bestand aber schon vor den Phöniziern unabhängiger Zinnhandel von Britannien aus, so ist es allerdings nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, daſs das Zinn, schon ehe die Phönizier die Ufer des Mittelmeeres zu kolonisieren begannen, bis zum Mittelmeere besonders nach Südfrankreich und Italien gelangte. Die Phönizier tauschten das britannische Zinn von den Barbaren an den Ufern des Adriatischen und Tyrrhenischen Meeres ein. Erst nach und nach gelang es ihnen, die Herkunft dieses Zinnes auszukundschaften, und erst durch die Auf - findung und Sicherstellung des Seeweges nach den Kassiteriden konnten sie den britannischen Zinnhandel monopolisieren. Sie tauschten das Zinn mit Vorliebe ein, sie gingen seinem Ursprunge mit Eifer nach, weil sie mit der Erzfabrikation bereits vertraut waren und weil es in Asien ein seltenes, hochgeschätztes Metall war. Daſs die Zinngewinnung in Spanien und Frankreich jemals eine besondere historische Bedeutung gehabt hat, daſs die Phönizier das Zinn aus diesen Quellen früher be - zogen haben, als das britannische, scheint uns durchaus unwahrscheinlich. Die Zinnerzvorkommen Spaniens sind alle ziemlich unbedeutend, so daſs sich auch heutzutage die Gewinnung nicht lohnt. Sie liegen alle in dem nordöstlichen Spanien, also dem, dem Mittelmeere abgewendeten Teile. Zinn kommt vor in den Pyrenäen im Thale des Cinka, an den Quellen des Duero, in Galizien und in Beira in Portugal. Es wird gegenwärtig an keinem dieser Punkte bergmännisch gewonnen. Das189Syrien.richtigste Urteil liefert ein englischer, offizieller Bericht von J. Smith mitgeteilt in: The Cassiterides, an inquiry into the commercial opera - tions of the Phönizians etc., London 1863 (p. 46) . Hiernach baut die spanische Regierung keine Zinnminen, und allein die Landleute sammeln neben ihrer gewöhnlichen Arbeit etwas weniges von diesem Metall in den Flüssen der Granitberge Galiziens und bei Zamora (Leon), ohne je Stollen anzulegen oder Schächte zu graben. Die Gegend, wo in Spanien Zinn gefunden wird, würde kaum die Gröſse einer englischen Quadrat - meile haben. Alles Zinn, das im Handel ist, kommt aus England. Nichts spricht dafür, daſs jemals das Land mehr Zinn hervorgebracht habe, als heute, und deshalb ist die Behauptung des Plinius falsch, der es anzweifelt, daſs man das Zinn auf Barken aus Weiden mit Fellen überzogen über das Meer hole, man wisse jetzt, das Lusitanien und Galizien es hervorbringen! Das lusitanische Zinn war das Zinn, welches über Gades gehandelt wurde, der Ausdruck ist demnach ähnlich gebildet wie englischer Thee oder holländischer Kaffee. Es ist ein Irrtum der alten Geographen, der unbedeutenden Zinngewinnung des westlichen Iberiens eine besondere Wichtigkeit beizulegen. Noch ge - ringere Bedeutung können wir dem Zinnvorkommen Südfrankreichs zuschreiben. Als mineralogische Seltenheit kommt Zinn vor in Limousin, la Marche, zu Piriac (Loire inferieure), zu Penestin (Morbihan). Eine bergmännische Gewinnung läſst sich darauf nicht treiben. Wenn man aus dem Vorkommen alter Wäschereien am Thale der Aurence, nördlich von Limoges, auf Zinngewinnung schlieſsen will, so ist dies ganz hypo - thetisch. Daſs im Mittelalter in Armorika Zinn benutzt wurde, beweist auch nichts für die Gewinnung im eigenen Lande. Die Zinnbergwerke in Deutschland bei Zinnwald in Böhmen sind bekanntlich erst seit einigen Jahrhunderten eröffnet worden. Das Ergebnis unserer Unter - suchung besteht also darin, daſs die Semiten vielleicht eine ältere, asiatische Bezugsquelle für Zinn hatten, die am wahrscheinlichsten die Zinngruben der Drangen waren, daſs aber das britannische Zinn, welches später fast allein gehandelt wurde, schon früh durch Tauschhandel über Land an die Gestade des Mittelmeeres und so nach Westasien kam.

Die Frage über das Alter der Bronze hängt hiermit eng zusammen. Die Statuette aus der Gegend von Bagdad, welche den Namen des Königs Rim-Aku trägt, würde, wenn es als richtig anzunehmen ist, daſs sie aus Bronze besteht, und aus der Regierungszeit dieses Königs stammt, das älteste Bronzefundstück sein. Die ältesten, ägyptischen Bronzesachen scheinen aus der Zeit des Königs Ramses II., also aus der Zeit vor dem Exodus herzustammen. Zur Zeit Thutmosis III., also circa190Syrien.200 Jahre früher, bringen die besiegten Cheta Geschenke von Vasen, die ihrem Charakter nach teils aus Erz, teils aus Eisen bestanden haben können. Es ist wahrscheinlich, daſs unter den Gefäſsen, die Josua bei der Einnahme von Jericho erbeutet und dem Tempel weiht, eherne Gefäſse waren, wie sowohl die sidonischen Gefäſse, die Homer preist, als die Gefäſse, die der König von Hamath dem David sendet, aus Bronze gewesen sein mögen. Die erste sichere Überlieferung über Bronze - guſs haben wir in dem Bericht über den Tempelbau des Königs Salomo.

Die Leistungen des Erzgieſsers Hiram sind aber so auſserordent - licher Art, daſs man die Erfindung dieser Kunst lange zurückdatieren muſs. Es unterliegt deshalb kaum einem Zweifel, daſs die Bronze in der Mitte des zweiten Jahrtausends in Ägypten und Westasien bereits bekannt war. Von dieser Zeit an begann die Wichtigkeit des phöni - zischen Erzhandels, die von dem Jahre Eintausend bis zur Zerstörung von Tyrus durch Nebukadnezar ihre gröſste Bedeutung erlangte. Der Hauptstapelplatz für den phönizischen Zinnhandel war Gades. Von da aus entdeckte der Kaufmann Midakritus1)Plinius, hist. nat. 7, 57. die Kassiteriden. Die Phönizier, die auf der See überhaupt niemand gegen sich aufkommen lieſsen und auch als Piraten verschrieen waren, wachten mit Ängst - lichkeit über die Geheimhaltung dieses Seeweges nach dem Zinnlande. Bekannt ist die Erzählung, daſs ein phönizischer Kapitän, als er wahr - nahm, daſs ein römisches Schiff ihnen nachfuhr, um seinen Weg aus - zukundschaften, absichtlich einen falschen Kurs nahm, so daſs er und das verfolgende Schiff scheiterten. Er rettete sein Leben, kehrte in seine Heimath zurück und wurde für seine patriotische That hoch - geehrt. Daſs die Karthager 470 bis 466 v. Chr. eine Flotte unter Himilco ausrüsteten zur Auffindung der Zinneinfuhr muſs ebenfalls hier erwähnt werden. Der Grieche Phyteas suchte 200 Jahre später den Weg des Zinnhandels von Massilia aus. Erst Publius Crassus ge - lang es, den Seeweg nach Britannien aufzufinden und der Welt bekannt zu machen2)Diodor III, Kap. 5, 11..

Auf dem Zinnhandel beruht die Erzfabrikation und diese war Jahrhunderte hindurch vielleicht die wichtigste Industrie der Phönizier. Homer rühmt den sidonischen Mischkrug, reich an Erfindung. Es scheint, als ob dies getriebene Arbeit gewesen sei, während der Erz - guſs hauptsächlich in Tyrus betrieben wurde3)Siehe Strabo..

Wir haben schon in der Einleitung erwähnt, daſs im Altertume ganz stereotype Mischungen von Kupfer und Zinn gebräuchlich waren,191Syrien.welche sich auf die Phönizier zurückführen lassen. Ebenso wurden von ihnen bestimmte Formen von Waffen und Werkzeugen in den Handel gebracht, die infolgedessen fast unverändert in allen europäi - schen und westasiatischen Ländern wiedergefunden werden. Wir führen als bekanntestes Beispiel das beilartige Messer, die sogenannten Celten (Paalstäbe) an. Im Laufe der Zeit veränderten sich diese For - men etwas nach dem Geschmack der verschiedenen Nationen. Auch waren die Phönizier nicht engherzig, sie accomodierten sich nicht nur dem Geschmack der Barbaren, sondern sie lehrten sie auch das Umschmelzen und Gieſsen unbrauchbarer und zerbrochener Bronzegeräte, wenigstens macht die Ähnlichkeit der Guſsformen und des Guſsverfahrens in allen Ländern Europas es wahrscheinlich, daſs es die Phönizier selbst waren, die den Wilden die Anleitung zum Umgieſsen ihrer gewöhn - lichen Geräte denn nur Formen von solchen findet man gegeben haben. Bei der Stellung der Phönizier als Vermittler zwischen ägyp - tischer und chaldäischer Kultur ist es nicht zu verwundern, daſs ihre künstlerischen Motive zur Dekoration besonders ihrer Gefäſse teils ägyptischen, teils assyrischen Charakter zeigen. Man hat Erzgefäſse mit ägyptischen Dekorationen in Niniveh gefunden, die den Phöniziern zugeschrieben werden.

Bemerkenswert ist es, daſs auch die Phönizier kein eigenes Wort für Bronze besaſsen, sondern daſs sie es, wie die Hebräer, mit dem Kupfer zusammenfaſsten (hebräisch n’choscheth, aramäisch n’choscho, chaldäisch n’chasch, arabisch nuchas).

Wir haben bereits darauf hingewiesen, daſs die Phönizier mit dem Eisen schon in frühester Zeit bekannt waren. Dafür haben wir das Zeugnis der ägyptischen Inschriften des Königs Thutmosis, der von den besiegten Retenu, die an den Abhängen des Libanon wohnten, Eisen sowohl, als Streitwagen, Rüstungen, Helme, Streitäxte und Kunst - gegenstände erhebt1)Dunker a. a. O., I, 124.. Wir haben dafür die Zeugnisse der heiligen Schriften der Hebräer, über die Verwendung bei den Kananitern. Wir haben dafür endlich die Überlieferungen der Phönizier selbst. Diese sind zwar unvollkommen und in ein mythisches Gewand gehüllt, ver - dienen aber jedenfalls Beachtung. Phylon von Biblos erzählt aus den Aufzeichnungen des Sanchuniaton, daſs Uroos (Esau), einer der ersten Nachkommen der Götter, das erste Schiff und die ersten Götzenbilder gemacht habe. Unter seinen Nachkommen war Chrysor (Hephästos der Griechen), dieser erfand die Bereitung des Eisens. Nur die Ent -192Syrien.deckung dieses Metalls wird als eine der gröſsten Wohlthaten den Göttern zugeschrieben, von Kupfer und Erz schweigt die Erzählung des Phylon. Von El, dem groſsen Gott (dem Kronos der Griechen) berichtet Phylon, er habe sich eine Sichel und eine Lanze aus Eisen gemacht, seinen Vater (Uranus) damit angegriffen und aus dem Lande getrieben. Er umgab sein Haus mit einer Mauer und gründete die erste Stadt der Phönizier, Byblos. Seinen Sohn Sadid tötete er mit einem Schwerte. Seine Schwester Astarte die Gröſste aber fand einen vom Himmel herabgefallenen Stern (einen Meteoriten), nahm ihn auf und weihte ihn in Tyrus auf der heiligen Insel, so wurde sie die Grün - derin des ältesten Heiligtums zu Tyrus. Der obengenannte Chrysor, der Erfinder des Eisens, gehörte zu den Kabirim, d. h. die Gewaltigen, die Groſsen. Es waren zunächst die sieben oberen Götter, die unter diesem Namen in ein System vereinigt waren. Obgleich dieses künstliche System der sieben Götter, denen sich als achter Esmum mit dem Schlangenstab, der Gott der Weisheit und der Schrift (Hermes Trismegistos, Asklepios Ophiurchos) anschlieſst, für jünger gehalten wird, so bestand es doch schon vor der Kolonisation der griechischen Inseln, da dort der alte Glaube an die Kabiren (Daktylen, Telchinen, Kureten etc. auf Lemnos, Samotrake, Rhodos) bestand. Die Kabiren heiſsen Kinder des Sydik, der Gerechtigkeit, die Griechen nannten sie Kinder des Sonnengottes. Der älteste war Chrysor, der Erfinder des Eisens. Sein Name bedeutet der Ordner . Er war der Schutzgott des Handwerkes, der Industrie, des Reichtums. Er wird auf den phö - nizischen Münzen abgebildet mit Schurzfell, Hammer und Zange (wie Hephästos). Ihm folgt in der Reihe der Kabiren seine Schwester Harmonia, die Mondgöttin mit der Sichel oder den Kuhhörnern, die wandernde Astarte, die ihr Bruder Baal Melkart, der dritte der Kabiren, sucht. Baal Melkart ist zum Teil Herkules, zum Teil Kadmos. Er gilt als der Erfinder des Steinbaues und des Bergbaues. Schiffahrt, Handel, Gewerbe und Industrie, die Grundlagen der Thätigkeit und des Wohl - standes, standen bei den Phöniziern in hohem Ansehen. Der Schützer derselben, Chrysor, wird deshalb der älteste der Kabiren genannt.

Demungeachtet darf man sich von den Kunstleistungen der Phö - nizier keine zu hohe Meinung machen. Im Kunstbau leisteten sie nichts Hervorragendes. Das Holz des Libanon war ihr Hauptbau - material, wie auch bei den Israeliten. Dadurch vernachlässigten sie den Steinbau. Was an phönizischen Steinbauten erhalten ist, trägt den Charakter des Massiven, Plumpen, Cyklopischen. Die charakteristi - schen Steinbauten der Phönizier sind massive Thürme, deren Unterbau193Syrien.in der Weise der Cyklopenmauern aus groſsen Steinen, ohne Mörtel zusammengefügt ist. Die Türme sind mehrstöckig, durch eine Treppe von auſsen oder im Inneren zu besteigen und enthalten oben meist einen Monolith, eine kurze massive Steinsäule, oben abgerundet oder zugespitzt. Sie dienten vielleicht dem Kultus, hauptsächlich aber als Warttürme und Leuchttürme, wodurch ihre Lage am steilen Meeresufer und an wichtigen Hafeneingängen bedingt ist. Daſs die Phönizier ausgedehnte Steinbrüche im Libanon betrieben, geht aus der Erzählung des salomonischen Tempelbaues hervor. Ebenso haben wir ihren Berg - bau sowohl im Libanon, als auf ihren Kolonieen schon öfter erwähnt. In der Bildkunst waren ihre Leistungen mehr barock als schön. Zu - nächst waren ihre Götzenbilder ursprünglich wie die der Kananiter aus Holz geschnitzt und mit Metallen verziert. Dabei liebten sie fratzenhafte Gestalten. Zusammensetzungen von Menschen und Tiergestalten, die sie wohl den Ägyptern abgesehen hatten, ohne ihre Bedeutung zu be - greifen. Ein Beispiel hierfür giebt uns das Bild des Dagon in der alten Philisterstadt Asdod, das einen Fischleib mit menschlichem Antlitz, Händen und Füſsen darstellte (an Oan, den alten babylonischen Fisch - gott erinnernd). Astarte trug ein Stierhaupt. Moloch, der Gott des Krieges, wurde meist unter einem gräulichen Stierbilde verehrt. Diesem wurden mit Vorliebe Menschenopfer gebracht: und da dem grausamen Sinne der Phönizier das Schlachtopfer nicht genügte, so verbrannte man die Menschen lebendig, welches dann häufig so geschah, daſs das Götzenbild selbst ein glühender Ofen war. Ein solches Götzenbild war der Stier des Phalaris, ebenso die Bildsäule des Kronos (Moloch in Karthago), welches die Arme in halberhabener Haltung vorstreckte, so daſs die gefesselten Opfer, die in horizontaler Stellung daraufgelegt wurden, in einen mit Feuer angefüllten Schlund rollten1)Siehe Diodor 20, 14.. Auch die kleinen Götzenbilder, die als Amulette getragen wurden und mit denen die Phönizier einen groſsen Handel trieben, indem sie dieselben auch den Barbaren als Zauberbilder verhandelten, zeichnen sich durch gräuliche und gesuchte Häſslichkeit aus. Unter ihnen erscheint oft Chrysor mit Hammer und Zange.

Fehlt den Phöniziern ein höherer Schönheitssinn in der Baukunst und Bildkunst im groſsen, so waren sie doch im Kunstgewerbe nicht nur höchst geschickt, sondern sie entwickelten hierin auch groſsen Geschmack. Besonders war dies in den getriebenen Arbeiten der Fall. Sowohl die Arbeiten ihrer Goldschmiede, als die getriebenen ArbeitenBeck, Geschichte des Eisens. 13194Syrien.aus Erz und Kupfer und namentlich die aus Erz, Silber und Gold zusammengesetzten werden von den Schriftstellern des Alters hoch gepriesen1)Odyssee 15, 416, 424, 460; Ilias 23, 746.. Ihre ganzen Anstrengungen in künstlerischer Beziehung dienten, wie es scheint, mehr dem Geschmack anderer Nationen, als daſs sie selbst darin tonangebend gewesen wären. Besonders den Ägyptern und Babyloniern sahen sie die beliebten Formen ab und verwendeten sie für ihre für den Handel fabrikmäſsig hergestellten Gefäſse. Nächst den Mischkrügen reich an Erfindung waren die phönizischen Prunk - waffen, namentlich ihre ehernen Panzer berühmt. Goliaths ehernen Schuppenpanzer rühmt Samuel. Kinyras von Cypern schenkte dem Agamemnon einen herrlichen mit Gold, Blaustahl und Zinn verzierten Panzer.

Der Erzguſs stand um das Jahr 1000 v. Chr. in höchster Blüte, wie aus der Schilderung des salomonischen Tempelbaues hervorgeht. Kleine, gegossene Erzgegenstände bildeten einen Haupthandelsartikel der Phönizier. Diese waren sehr mannigfaltig. Die wichtigsten waren die gebräuchlichsten Waffen der Barbaren. Beile, Lanzenspitzen, Pfeil - spitzen, Schwerter u. s. w.

Neben dem Erze bildete das Glas, namentlich in Form bunter Glasperlen, einen Haupthandelsartikel. Die Phönizier rühmten sich selbst der Erfindung des Glases. Sie erzählen, daſs phönizische Schiffer am Ufer des Belos, eines Flusses in Phönizien aus Blöcken von Salpeter sich einen Herd auf einer Grundlage von reinem Quarzsand bereitet und ein Feuer gemacht hätten, da sei der Salpeter und der Sand zu Glas zusammengeflossen und auf diese Weise sei das Glas entdeckt worden. Diese unwahrscheinliche Erzählung gehört jedenfalls zu den phönizischen Handelslügen. Wir haben schon bei einer früheren Gelegenheit erwähnt, daſs die Ägypter die Erfinder des Glases waren und daſs diese Erfindung nicht auf einem so unglaublichen Zufall, als vielmehr auf den Erfahrungen, die man beim Ausschmelzen des gold - haltigen Quarzsandes machen muſste, beruht. Auch war das ägyptische Glas im Altertume stets das berühmteste, namentlich die buntigen Glasflüsse, Glasemaillen und vielfarbigen Perlen. In späterer Zeit war Alexandria der Hauptsitz dieser Industrie. Die Phönizier handelten indes nicht nur mit ägyptischen Glaswaren, sondern stellten sie auch selbst dar. Sidon und Sarepta waren dafür berühmt2)Diodor XVI, 2, 25. Die Glas - bereitung ist ein Schmelzprozeſs, der deshalb an dieser Stelle Erwähnung verdient.

195Syrien.

Wir sehen aus dem angeführten, daſs die Phönizier auf einer hohen Stufe metallurgischer Kenntnisse und Erfahrungen standen. Wenn nun die Nachrichten über die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens spärlicher sind, so beweist dies nicht, daſs die Phönizier das Eisen weniger benutzt und geschätzt hätten, sondern daſs die Schriftsteller dies als selbstverständlich ansahen. Die Beweise über das Alter der Bekanntschaft des Eisens bei den Phöniziern haben wir bereits angeführt. Über die Art der Verwendung gilt zunächst alles das, was wir bei den Hebräern erwähnt haben, auch für die Phönizier. Sowohl im Gebirge des Libanon als in ihren Kolonieen gewannen sie in früher Zeit Eisen. Wie Tyrus zur Zeit Salomos die Stein - brüche im Libanon ausbeutete, so waren auch die alten Eisenberg - werke in seinem Besitze. Uralt war die phönizische Eisengewinnung an Ida in Phrygien. Ebenso gewannen sie auf Cypern neben dem Kupfer auch Eisen, wie die Sagen von den zauberkundigen Telchinen, die als Eisenschmiede berühmt waren, beweisen. Ein Irrtum ist es aber, wenn Movers in seiner vorzüglichen Geschichte der Phönizier aus einer alten Inschrift herauslesen will, daſs die metallkundigen Cyprier auch bereits den Eisenguſs gekannt und eiserne Götzenbilder gegossen hätten1)Movers, d. Phönizier III, 3, S. 68.. Der Ausdruck נָסַךְ בַּרְוֶל (Nasach Barzel), den er mit Eisengieſser über - setzt, bedeutet2)Nach der Erklärung des Herrn Dr. Bähr. wirklich dem Eisen gieſsen (von יֶצַק Jezak), d. h. dem eisernen Götzenbilde ein Guſsopfer bringen, ganz wie dies ähnlich Jesaias 40, 19; 44, 10 vorkommt.

Der Handel mit Eisen und Stahl auf dem Markte zu Tyrus war ganz bedeutend, wie wir bereits aus der Schilderung des Ezechiel wissen. Namentlich kamen hier die feineren Eisen - oder vielmehr Stahlsorten aus dem Lande der Chalyber, aus Westarabien, vielleicht auch sogar aus Indien hin. Das Eisen war das gewöhnliche Nutzmetall und stand am geringsten im Werte. Wenn ein altes Handelsmärchen der Phönizier erzählt, die ersten Kaufleute, die nach Tartessium gekommen seien, hätten für wertlosen Tand soviel Silber eingetauscht, daſs sie, um es nur alles bergen zu können, ihre Anker und Ketten zurückgelassen und sich solche von Silber angefertigt hätten, so sind hier zweifel - los nur Ketten und Anker aus dem wertlosesten Metall, aus Eisen gemeint.

Als Handelsartikel namentlich in dem Handel mit den barbarischen Völkern Europas spielte das Eisen allerdings eine untergeordnete Rolle, einesteils, weil die meisten Völker zu denen sie kamen, das13*196Syrien.Eisen bereits besaſsen und es sich selbst darstellten, andererseits, weil sie aus dem Handel mit Bronze und Bronzewaren einen gröſseren Handels - gewinn zogen. Deshalb poussierten sie den Erzhandel auf jede Weise, so sehr, daſs es ihnen gelang, bei manchen der barbarischen Völker der Bronze ein Übergewicht über das Eisen zu verschaffen, welches dieselbe in ihrer eigenen Heimat als Gebrauchsmetall für die gewöhn - lichen Werkzeuge des Ackerbaues und der Industrie niemals erlangt hatte.

Den Phöniziern gebührt der Ruhm, zur Entwickelung und Aus - breitung der metallurgischen Kenntnisse der Semiten am meisten beigetragen zu haben, insbesondere gilt dies in bezug auf die Her - stellung und Verarbeitung der Bronze. Indes haben auch die Nach - barvölker der Phönizier an diesem Ruhme Teil. Gaza und Asdod im Lande der Philister waren berühmte Industriestädte und reich durch ihren Handel. Damaskus haben wir gleichfalls schon erwähnt. Aber nicht nur die Kananiter, sondern auch die Araber im Süden, wie die stammverwandten Völker Kleinasiens nahmen Teil an diesem Berufe der Semiten. Unsere Kenntnisse von diesen Ländern sind freilich weit geringer als die von Chaldäa und Syrien.

Die Araber waren vordem wie heute vorwiegend ein Nomadenvolk. Arabien ist vielleicht die älteste Heimat aller Semiten, wenigstens ist die semitische Rasse in keinem Lande zu allen Zeiten so unvermischt geblieben wie in Arabien. Ihre einzigen Ansiedelungen an den Küsten, besonders die am Roten Meere sind uralt. Es waren Araber, gegen die König Snefru mehr als 3000 Jahre v. Chr. um den Besitz der Berg - werke am Sinai kämpfte. Es waren arabische Wanderhirten, die um das Jahr 1950 v. Chr. siegreich in Ägypten einbrachen und die wir als Hyksos kennen. Der Handel der arabischen Küstenländer reicht bis in die fernste Zeit hinauf. Ismaelitische Kaufleute sind es, die den Joseph als Sklaven von seinen Brüdern gegen 50 Mark erhandlen und nach Ägypten verkaufen. Die Zahl ihrer Kamele, die goldene Halb - monde und Goldringe trugen, rühmt das alte Testament. War aber ihr Landhandel schon bedeutend, so war es ihr Seehandel noch viel mehr.

Der Reichtum der Sabäer (Scheba) in Südarabien war im Altertume fast sprichwörtlich. Bekannt sind die reichen Geschenke, die ihre Königin an Salomo sandte. Der Grieche Agarthachides, der um 200 v. Chr. diese Gegenden bereiste, erklärt die Sabäer für das reichste Volk der Erde. Diese Reichtümer flossen ihnen zum Teil aus dem eigenen Lande, hauptsächlich aber durch ihren Seehandel mit Äthiopien und Indien zu. Die Araber waren es, die in sehr früher Zeit die197Syrien.Schätze Indiens nach dem Westen brachten. Des Bergbaues am Sinai in arabischem Gebiet haben wir bereits bei der Geschichte der Ägypter gedacht, ebenso der Bergwerke und Goldwäschereien im Lande Madian, die Burton wieder aufgefunden hat. Das Eisen kannten sie unzweifel - haft früh. Die Eisenbergwerke am Sinai scheinen bis zur Zeit der dritten Dynastie zurückzureichen. Aus dem glücklichen Arabien, aus Usal, dem heutigen Sanaa kam feiner Stahl auf den Markt von Tyrus1)Ezechiel 27, 29.. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs dieser Stahl indischen Ursprungs war. Die Araber verarbeiteten den Stahl früh zu Schwertern. Waffen werden als Handelsartikel der alten Araber erwähnt und haben wir uns darunter gewiſs hauptsächlich Schwerter vorzustellen, denn das Schwert ist die Hauptwaffe des freien Arabers von jeher gewesen. Mit den guten Schwertklingen wurde später ein förmlicher Kultus getrieben. Sie erhielten Namen, erbten fort und der Ruhm eines Schwertes über - dauerte Generationen. Diese Gebräuche sind auch hauptsächlich erst durch die Araber bei der europäischen Ritterschaft in Gebrauch ge - kommen. Als gröſster Reichtum des Propheten Mohammed werden von den arabischen Schriftstellern seine zehn Schwerter gepriesen. Das berühmteste derselben war Dsulfakar, d. h. der Durchbohrer. Albufeda erzählt, daſs er diesen von Mombas al Heyjahi, dem Sohne des Alsaha - mitam in der Schlacht von Bedr erbeutet hätte. Drei nahm er den Söhnen des Koinobas ab2)Klemm a. a. O. 2, 47.. Dschamabi führt die zehn Schwerter Mohammeds mit Namen auf, es waren: 1. Mabur, der Mandelspitzige; 2. Al-Adhb, der

Fig. 35.

Gespitzte; 3. Dsulfakar, der Durchbohrer, den er in keinem Treffen ablegte und den Ali von ihm erbte; 4. Al Kola aus Kola in Assyrien, von trefflicher Klinge; 5. Al Battar, der Scharfschneidige; 6. Al-Half, der Tod; 7. Al-Medham, der Wohlschneidende; 8. Al Bosub, der Tiefeindringende; 9. Al - Kadib, der Zierlichschneidende und 10. das Schwert seines Vaters. Der Dsulfakar lief der Überlieferung nach sonder - barer Weise in zwei Spitzen aus (Fig. 35). Er wurde oft abgebildet und später ein gebräuchliches arabisches Schwert - zeichen 2)Klemm a. a. O. 2, 47.. Im Türkenzelt in Dresden befindet sich eine alte Klinge mit folgender arabischer Inschrift: Es ist kein Heiliger als Ali und kein Schwert als der Dsulfakar, das von Mohammed geerbte, zweispitzige Schwert. Mein Vertrauen steht auf Gott. Auf einem persischen Schwert derselben Sammlung steht auf einer Seite die persische Inschrift: So198Syrien.lange dir eine Hoffnung bleibt, setze deine Hoffnung auf mich. Auf der anderen ist Dsulfakar abgebildet.

Die Kunst des Schmiedens war alt in Arabien und die hauptsäch - lichste Kunst, deshalb heist jeder Künstler Schmied 1)Einleitung in das Studium der arabischen Sprache von Freytag, Bonn 1861..

Die Schmiede pflegten unter den arabischen Nomaden herumzuziehen und waren bekannt als solche, die den Tag ihrer Weiterreise nicht angaben, so daſs man sich auf ihre Angaben nicht verlassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit ist deshalb sprichwörtlich geworden2)Meid 8, 18.. Be - rühmte Schwertschmiede lebten im Munde des Volkes fort und nach ihnen bezeichnete man die Schwerter, ähnlich wie bei uns die alten Geigen. Die Tradition schreibt dem König David vorzügliche Klingen zu. Hanifitische Schwerter hatten ihren Namen von Alhanaf ben Kais, ebenso war Soraidj ein berühmter Schwertschmied. Von guten Schwer - tern wird gesagt, daſs die Oberfläche einen wellenförmigen Glanz zeige oder ähnlich, wie wenn Ameisen auf ihr kröchen. Die arabischen Schwerter hatten auch das Zeichen des Verfertigers, sie staken in Scheiden und hingen an einem Gehenk. Nicht minder vorzüglich waren die arabischen Ringelpanzer. Dieselben trugen auch oft Namen. Die besten bestanden aus stählernen Ringen, von denen je zwei und zwei ineinandergekettet waren. Die einzelnen Ringchen waren durch Nieten verbunden. Je kleiner die Ringe, je weicher und geschmeidiger der Panzer. Berühmt waren Davidische Panzer, die Mohammed selbst irrtümlich dem König David zuschrieb3)Sur. 21, 80 u. 34, 10..

Die Solukischen Panzer aus der Stadt Soluk in Jemen hatten ein doppeltes Gewebe von Ringen. Läſst sich auch nicht verkennen, daſs persischer Einfluſs auf die Vervollkommnung der Bewaffnung vor Mohammed eingewirkt hat, so dürfen wir doch, wenn wir die Stabilität der Kultur bei den Arabern in ihrer Heimat erwägen, wohl annehmen, daſs sie schon in früher Zeit sich gute Waffen aus Eisen und Stahl selbst zu bereiten verstanden haben.

Über die Semiten, die nördlich von Syrien im Süden von Klein - asien ansäſsig waren, können wir ebenfalls nur lückenhafte Nachrichten mitteilen.

Zwei Einwanderungsströme bewegten sich von Osten her nach Kleinasien, im Norden Indogermanen, im Süden Semiten. Syrien zu - nächst wohnten Kilikier, dann folgten der Küste entlang die Lykier, Karier und Lydier. Die Kilikier, welche den Phöniziern zunächst wohnten, zeigten denn auch gröſste Verwandtschaft in Sprache und199Syrien.Sitten mit diesen. Ihre Bewaffnung soll nach Herodots Angabe mehr mit der ägyptischen übereingestimmt haben. Sie trieben lebhaften Handel und waren kühne Seefahrer und Seeräuber. Dasſelbe gilt von den Kariern, die schon vor den Phöniziern die benachbarten Inseln im ägäischen Meere bevölkert hatten. Sie waren als Seeräuber, wie als Krieger gefürchtet. Die eiserne Doppelaxt war ihre Nationalwaffe. Von 731 bis 670 v. Chr. hatten sie die Seeherrschaft im Ägäischen Meere. Ihre kriegerische Ausrüstung war besser als die der Griechen und nahmen diese im wesentlichen ihre Bewaffnung an. Der Name ihres Hauptgottes, den die Griechen Zeus Chrysoar nennen, erinnert sofort an Chrysor, den ersten der phönizischen Kabiren.

Zeus Stratios wurde mit der Doppelaxt abgebildet. Die Griechen behaupteten, sie nennten ihren Zeus Labrandes von der Doppelaxt, die im lydischen und karischen Labrys hieſs.

Die Lykier wohnten im rauhen Berglande. Sie trugen einen Federschmuck am Hute, sichelförmige Schwerter, Dolche, Panzer, Bein - schienen, Bogen und Rohrpfeile, und waren wegen ihrer Tapferkeit be - kannt. Sarpedon und Glaukus waren ihre bekannten Führer im troja - nischen Kriege.

Die gröſste Bedeutung von den semitischen Stämmen Kleinasiens erlangten die Lydier, namentlich durch ihren Einfluſs, den sie auf die Griechen ausgeübt haben. Es war dasjenige semitische Volk mit dem die Griechen in unmittelbarsten Verkehr kamen; mit denen sie als Nachbarn sich schlagen und vertragen muſsten. Sie besaſsen längere Zeit hindurch die höchste Macht und das gröſste Ansehen in Kleinasien. Lud wird in den hebräischen Völkertafeln als ein Sohn Sems angeführt und es läſst sich nicht bezweifeln, daſs unter Lud auch der Stammvater der Lydier gemeint ist. Nach ihren eigenen Traditionen geht ihre Geschichte in unbestimmte Zeit zurück. Zuerst herrschte eine mythische Dynastie, welche sich direkt von den Göttern ableitete. Dann kam um das Jahr 1200 v. Chr. ein Herrschergeschlecht, welches seinen Ursprung ebenfalls direkt auf Sandon, den Sonnengott der Lydier, zurückführt. Die Griechen nennen diesen Herkules und man pflegt deshalb diese erste historische Dynastie Lydiens als die der Herakliden zu bezeichnen. Es war Agron, der im vierten Geschlechte von Sandon entsprungen war, der 1194 den Thron von Lydien bestieg. 22 Herakliden saſsen auf dem Throne Lydiens, welche 505 Jahre lang über Lydien herrschten. Der letzte wurde im Jahre 689 v. Chr. von Gyges dem Mermiaden seiner Herrschaft beraubt. Aus der Zeit der Herrschaft der Herakliden wissen wir nur sehr wenig, Homer rühmt die Maeonen, das sind die Lydier,200Syrien.wegen ihres Handels, ihres Reichtums und ihrer Pferde. Der Einfall der Kimmerier in Kleinasien, welcher fast zu derselben Zeit wie der Einfall der Skythen in Assyrien und Medien statt hatte, scheint in die Zeit der Letzten der Herakliden zu fallen. Lydien litt schwer durch diese Invasion, setzte ihr aber auch den energischsten Widerstand entgegen. Allyates, dem vierten Könige der Mermiaden gelang es, die Kimmerier gänzlich aus seinem Gebiete zu verdrängen und seine Herr - schaft bis zum Halys auszudehnen. Es geschah dies um die Zeit, als sich die Herrschaft der Assyrier bis nach Kleinasien hin ausgebreitet hatte. Lydien trat nun in ein Bundesverhältnis mit Assyrien und der Halys wurde zur gegenseitigen Grenze erklärt. Unter Allyates beinahe fünfzigjähriger Regierung, 612 bis 562 v. Chr., gelangte das lydische Reich zu hoher Blüte. Krösus, der Sohn des Allyates, wurde der Erbe dieses Reichtums, der ja sprichwörtlich geworden ist, aber ebenso be - kannt ist sein Fall und der Zusammenbruch der lydischen Herrschaft durch den Perserkönig Cyrus. Wir wissen von der lydischen Technik nicht viel. Der Reichtum und Glanz, die Üppigkeit und Pracht ihrer Hauptstadt Sardes waren indes bei den Griechen in der Zeit ihres Emporstrebens fast sprichwörtlich. Man nannte es das goldene Sardes . Die ganze Kultur in der lydischen Hauptstadt hatte einen durchaus orientalischen Anstrich. Der Reichtum an Gold und Silber, an Sklaven und Buhlerinnen, die Üppigkeit des Lebens machte einen tiefen Ein - druck auf die Griechen. Dabei waren die Könige der letzten Dynastie keine Wüstlinge, sondern kriegerisch und hochgebildet. Sie waren politisch klug genug, nicht durch Gewalt, sondern durch Geschenke die Griechen sich wohlgesinnt zu machen. Aus diesen Geschenken, die noch lange nach dem Sturze der lydischen Herrschaft die Prachtstücke berühmter griechischer Tempel, namentlich auch des Heiligtumes zu Delphi bildeten, wissen wir fast allein etwas von der Kunsttechnik der Lydier. Schon Gyges widmete dem Orakel zu Delphi, durch dessen Spruch er in seiner Herrschaft bestätigt worden war, viele und reiche Geschenke, unter denen Herodot sechs goldene Mischgefäſse, 30 Talente schwer, hervorhebt. Zu der Zeit Allyates blühten die Goldwäschereien am Patoklos, die Bergwerke am Imolos und Syphos. Dabei zahlten ihm die Nachbarvölker, wie auch die reichen griechischen Städte, z. B. Milet, Tribut. Kein Wunder, daſs er den Reichtum des Krösus zusammenbrachte. Im Lande wurde ihm ein gewaltiges Grabdenkmal errichtet, das noch heute in seinen Trümmern sichtbar ist. Herodot nennt es, abgesehen von den Bauten in Ägypten und Babylonien, das gröſste Bauwerk der Welt. Es war ein Unterbau von Stein, 3800 Fuſs201Syrien.im Quadrat, der die eigentliche Grabkammer umschloſs, auf diesem war von Erde ein hoher Hügel, ähnlich einer abgestumpften Pyramide aufgeschüttet, auf deren oberer Fläche fünf Säulen mit Inschriften, welche die Thaten des Allyates verherrlichten, aufgerichtet waren. Dieses Denkmal ist noch heute sichthar am Gypäischen See auf dem Felde Bin Tepe, d. h. dem Felde der tausend Hügel. Das Material des Unterbaues waren grünliche, gut polierte Marmorquadern, die durch Schwalbenschwänze von Blei zusammengehalten wurden1)Hamilton Asia minor 144, 145.. Derselbe Allyates weihte unter vielen anderen Opfergaben, nachdem er von einer Krankheit genesen war, dem Tempel zu Delphi ein silbernes Mischgefäſs, das auf einem Untersatze von poliertem Eisen stand. Dieses Gefäſs, insbesondere der Untersatz, galt als das gröſste Kunst - werk, was in Delphi stand. Glaukos aus Chios hatte es im Auftrage von Allyates gefertigt. Herodot erzählt: Als er einer Krankheit ent - ronnen war, hatte er nach Delphi einen groſsen silbernen Mischkrug geweiht und ein Untergestell dazu von gelötetem Eisen, das sehens - werteste vor allen anderen delphischen Weihgeschenken, ein Werk des Glaukos von Chios, welcher allein unter allen Menschen die Lötung2)Griech. κόλλησις. des Eisens erfunden hat. Wird auch der Ruhm der Ausführung dieses Kunstwerkes einem griechischen Künstler zugeschrieben, so dürfen wir doch sicher annehmen, daſs die Ausführung nicht ohne Einwirkung des kunstsinnigen Königs geschah, der nach dem Gebrauche jener Zeit das Material zu dem Werke dem Künstler lieferte. Wir wissen, daſs die lydische Kunst die Griechen vielfach beeinfluſst hat. In der Vorliebe und in der Geschicklichkeit der Verarbeitung der Metalle standen diese mindestens auf der Höhe der Phönizier. Wenn der eiserne Untersatz des silbernen Mischkruges in Delphi so bewundert werden konnte, so läſst sich nichts Anderes annehmen, als daſs seine Grundmasse aus poliertem Stahl bestand. Gewöhnliches Eisen hätte sich nicht Jahrhunderte durch so erhalten, daſs es noch die Bewunderung der Nachwelt hätte hervor - rufen können. Daſs die Lydier Meister der Stahlbereitung waren, geht aus einem erhaltenen Bruchstücke des Daimachos, eines Schriftstellers, der zur Zeit Alexander des Groſsen lebte, hervor, in der es heiſst: Von Stahlsorten (Τῶν στόμωμάτων) giebt es den Chalybischen, den von Synope, den Lydischen und den Lacedämonischen. Der Chalybische ist der beste für Zimmermannswerkzeuge, der Lacedämonische für Feilen, Bohrer, Grabstichel, und Meiſsel; der Lydische ist ebenfalls geeignet202Syrien.für Feilen, ferner für Messer, Rasiermesser und Raspeln. Diese wenigen Angaben über die lydische Metallverwendung geben uns nicht nur den Beweis ihrer hohen Kenntnis des Eisens, sondern ein Zeugnis der hoch - entwickelten Kunst der Stahlbereitung und Verarbeitung.

Alle Zweige der Semiten haben Groſses geleistet nicht nur in der kunstvollen Verarbeitung von Gold und Silber, nicht nur in der Her - stellung, dem Gieſsen und Schmieden der Bronze, sondern auch in der Bearbeitung von Eisen und Stahl.

[203]

Die Arier in Asien.

Indien, Persien, Armenien.

Östlich von Mesopotamien beginnt das Bergland, das immer höher ansteigend sich auftürmt bis zu den Riesengipfeln des Himalaya, den höchsten Höhen der Erde. Dort ist die Heimat unserer Vorfahren, der Arier. Östlich des oberen Indusgebietes an den Abhängen des Hindukusch (Paropamisus) waren sie zuerst seſshaft. Von da ver - breiteten sie sich nach Südosten in das Fünfstromland (das Pendschab) und weiter nach Indien; nach Westen in das Gebiet der Perser (Era - nier) und von da weiter nach dem Kaukasus und nach Europa. In dem Fünfstromland, dem nordwestlichen Indien, entwickelten sich zu - erst geordnete Verhältnisse. Hier gründeten die Arier feste Ansie - delungen, Städte und geschlossene Gemeinwesen. Von da verbreiteten sie sich nach Süden und Osten, nach dem Thale des Ganges und dem südlichen Dekkhan, welches im Besitz fremder, schwarzfarbiger Völker war. Sie errangen sich durch Kampf und geistige Überlegenheit die Herrschaft des Wunderlandes Indien.

Die Schneeberge des Himalaya, die Felsenmauer des Paropamisus trennte Indien von der übrigen Welt, deshalb blieb es unberührt von den Schicksalen Westeuropas. Politisch und ethnographisch haben weder die Ägypter noch die Semiten in älterer Zeit einen bemerkenswerten Einfluſs auf Indien ausgeübt. Die Arier sind wesentlich verschieden von den genannten westlichen Kulturvölkern. Eine eigentümliche Verschiedenheit fällt bei der historischen Betrachtung sofort auf. Wäh - rend die Ägypter schon in den Anfängen ihrer Entwickelung Steindenk - male für die Nachwelt bauen und die Herrscher den Ruhm ihrer Thaten in festen Stein einmeiſseln, damit sie im Gedächtnis ihrer Nachkommen204Die Arier in Asien.fortleben, während die Semiten in Mesopotamien Prachtbauten aus - führen und durch Bild und Schrift ihre Thaten verherrlichen, während die Hebräer die älteste Geschichte ihres Volkes aufzeichnen und diese Aufzeichnungen als Heiligtümer verehren und bewahren, fehlt den indischen Ariern aller Sinn für die Geschichte, sie leben so ganz im Genuſs der Gegenwart, daſs ihnen Vergangenheit und Zukunft fast gleichgültig ist. Ihr Leben erscheint wie der Somarausch, den sie als höchstes Opfer betrachten. Die Phantasie überkleidet die rauhe Wirklichkeit mit den buntschillernsten Gewändern und schwer ist es, dahinter die wahre Gestalt zu erkennen. Die Poesie führt den Griffel der indischen Geschichtsschreiber und Gesetzgeber, die nackte Wirklichkeit verbirgt sich hinter blendenden Feuergarben wunderbarer Traumbilder. Dies erschwert die Arbeit jeder historischen Forschung, namentlich wenn sie auf so reale Ziele ausgeht, wie die unserige. Aber des Zaubers der Schönheit, der in dieser indischen Dichtung und Philosophie liegt, kann sich keiner entziehen, der ihnen nahetritt. Wir fühlen, daſs es verwandte Töne sind, die zu uns klingen. Freuen wir uns des Glanzes der olympischen Götter, so stört uns doch überall die interessierte Herzlosigkeit ihrer semitischen Vorbilder, erhebt uns das Walhalla der nordischen Götter, so lastet auf ihnen doch der Druck einer strengen, unfreundlichen Natur, versenken wir uns aber in die vedischen Gesänge, so fühlen wir neben der Blutsverwandtschaft die reine Freude an der Natur, an einer schönen, reichen, wunderbaren Natur, die das Dasein nicht zu einem Kampfe, sondern zu einem Ge - nusse macht.

Aus solcher Stimmung erklärt sich das geringe Interesse an Ver - gangenheit und Zukunft und das poetische Genie der arischen Indier.

Indessen ist die Geschichte der Arier in Indien eine wechselvolle und ihre Entwickelung eine scharf ausgeprägte. Wir haben schon erwähnt, daſs die Arier aus einem nordwestlichen Berglande in das weite Gefilde des Indus, das Fünfstromland, einwanderten. Diese Erinnerung hat sich einigermaſsen erhalten, doch betrachten sie sich in diesem Gebiete weder als Fremde, noch als Einwanderer oder Eroberer. Sie wissen nur, daſs ihre Väter nördlicher wohnten. Vielmehr betrachten sie sich als Kinder des Bodens auf dem sie wohnen und wissen von keinem anderen Volke vor ihnen.

Im Pendschab entwickelte sich das arische Wesen voll und breit. Sie bildeten Gemeinwesen, aber viele nebeneinander, die sich ihrer gemeinsamen Abstammung bewuſst waren, gemeinsame Sprache, Sitten und Religion bewahrten, sich aber untereinander in häufigen Kämpfen205Die Arier in Asien.befehdeten. Gemeinsam war ihre schöne, erhabene Religion, die im wesentlichen eine Naturverehrung war, gemeinsam ihre reiche Sprache, wundervolle Dichtkunst, die ihren Ausdruck fand in dem Rigveda. Veda heiſst das Wissen Rigveda das Wissen der Lobpreisung , es sind die indischen Psalmen. So wenig wir über die wichtigen Schicksalswendungen der indischen Arier eine thatsächliche Über - lieferung haben, so wenig besitzen wir solche über die Zeit und Ent - stehung dieser merkwürdigen Gesänge, die in ihrer Sammlung das älteste und angesehenste Religionsbuch der Indier bilden. Aus dem Inhalte läſst sich erkennen, daſs sie abgefaſst wurden zu der Zeit, als die Arier noch im Fünfstromlande wohnten und bevor sie in das Thal des Ganges hinabgestiegen waren, deswegen kann man die Zeit ihrer Abfassung ziemlich bestimmt vor das Jahr 1500 v. Chr. setzen.

In den Gesängen der Veda erklingt ein frischer, kräftiger Ton. Es ist nicht der üppige, träumerische Naturgenuſs der späteren Dichtungen, sondern das männliche Sicheinsfühlen mit einer schönen, aber gesunden Natur. Von den hohen Göttern, die den obersten Himmel, das Firmament beherrschen ist Agni, der Gott des Feuers, der am meisten angerufen wird. Weit mehr aber wenden sich die Gebete der Vedas an einen jüngeren Gott, der den Menschen näher steht, an den Herrscher des Luftkreises, dem Herrn von Regen und Wind, von Sturm, Donner und Blitz, der wie Agni auch als Herr der Schlachten erscheint, an Indra. Aus den Gesängen der Rigveda, die also etwa aus der Zeit stammen mögen, als Thutmosis in Ägypten gegen die Cheta im Lande Kanaan zu Felde zog, erkennen wir deutlich, daſs die Arier am Indus schon auf einer ziemlich hohen Stufe der Kultur standen, daſs sie mit den Metallen, Gold, Silber, Kupfer und besonders dem Eisen genau vertraut waren. Wenn auch das Leben der alten Indier sehr einfach war sie lebten hauptsächlich vom Ertrage ihrer Viehherden , so herrschte doch bei den Vornehmen, und Standesunterschiede ent - wickelten sich sehr früh in Indien, bereits ein ziemlicher Luxus. Sie lagen auf Divanen, die mit kostbaren Polstern belegt waren, in den Ge - mächern waren Teppiche und mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückte Tischchen. Die Könige lieſsen sich in reichgeschmückten Palankinen austragen und saſsen auf einem Throne aus Feigenholz geschnitzt mit Löwenbildern als Stützen. Die Gefäſse der Fürsten waren von Gold, während die der geringeren Leute aus gegossenem Kupfer waren, die alle wenig haltbar und weit geringer als die westasiatischen Erzgefäſse waren. Das Eisen war den arischen Indiern sehr früh bekannt, es wurde zu Waffen und Werkzeugen (und unter letzteren besonders zu206Die Arier in Asien.Äxten) verarbeitet, schon ehe die Trennung der indogermanischen Stämme, die jedenfalls lange vor Abfassung der Veden geschah, statt hatte. Dies geht zunächst aus der Sprache hervor. Die Wurzel für Eisen ist in allen indogermanischen Sprachen dieselbe. Es bedarf wohl heutzutage nicht mehr des Nachweises, daſs das Sanskritwort ayas Eisen bedeutet. Diesem Worte den Sinn von Bronze unter - schieben zu wollen, war doch auch nur in der Theorie eines älteren Bronzezeitalters ganz befangenen Gelehrten für eine kurze Zeit möglich. Max Müller hat seinen anfänglichen Irrtum in dieser Hinsicht längst zugestanden. Ayas hängt wahrscheinlich mit der Wurzel vas zusammen und bedeutet das Helle, Leuchtende, Glänzende und könnte demnach ein Kollektivname für alle Metalle sein. Sicherlich ist aber in den im Sanskrit abgefaſsten Schriften unter ayas nur das eine bestimmte Metall, nämlich das Eisen gemeint. Das Wort ayas findet sich in den meisten indogermanischen Sprachen als Bezeichnung für Eisen wieder, freilich unter mancherlei Umwandelungen, wie sie eben die Umprägung eines Wurzelwortes in die Dialekte mit sich bringt. Das gothische Wurzel - wort ais, hat wie vas und ayas zunächst den Begriff des Leuchtenden, Glänzenden. Die Worte für Eisen lauten: Sanskrit ayas. Zend. ayanh und dieses entspricht dem altgothischen ais.

Die nachfolgende Zusammenstellung giebt die wichtigsten Ab - leitungen von der gothischen Wurzel ais (Sanskrit ayas), welcher der Begriff leuchten , glänzen zu Grunde liegt. Es zerspalten sich diese Derivativen in zwei Gruppen, eine sehr vollständige mit der Be - deutung Eisen, eine sehr lückenhafte mit schwankendem Begriff teils Bronze, teils Erz, auch Glanz, Ehre u. s. w. Wir lassen diese in ihrer Zusammenstellung hier folgen:

207Die Arier in Asien.

Zu der ersten Reihe der Derivative von ayas mit dem Sinn Eisen müssen wir auch das scheinbar ganz abweichende griechische σίδηρος rechnen2)Siehe Einleitung S. 33..

Aus der groſsen Reihe von Ausdrücken für Eisen, die fast alle indogermanischen Sprachen umfassen und alle einer Wurzel entstammen, muſs geschlossen werden, daſs das Eisen den Ariern in ihren Ursitzen bereits bekannt war ehe die Trennung der sämtlichen aufgeführten Glieder der arischen Familie vor sich ging.

Das Eisen war zur Zeit der Abfassung des Rigveda bei den Ariern im Gebrauch und war das Hauptmetall für die Bewaffnung. Indras Donnerkeil, den Twaschtar (Hephästos) der Künstler des Himmels an - fertigte, ist von Eisen, manchmal in der übertriebenen Ausdrucksweise der indischen Dichter auch von Gold. Indra, der Luftgott, fährt auf goldenem Wagen, gezogen von zwei roten Rossen. Neben dem Donner - keil (Speer) der manchmal vier -, manchmal hunderteckig (oder mit hundert Buckeln) genannt wird, trägt Indra die Hauptwaffe der Arier, den Bogen. Den preiswürdigen Speer Indras hat ebenfalls Twaschtar geschmiedet. Auſserdem werden in dem Rigveda Kriegswagen, Stan - darten, Schwerter, Äxte und Trommeln als Kriegsgerät erwähnt3)Rigv. 1, 28; 5, 6; 27, 29.. 208Die Arier in Asien.Die Führer die auf Wagen kämpften, wie die Cheta und die trojanischen Helden, tragen eiserne Panzer1)Rigv. 6, 75.. An einer Stelle heiſst es2)Rigv. I, N. Vagra 21, 3.: Indra ist gewappnet in Eisen . Die Axt war im allgemeinen Gebrauch. Agni, der Feuergott, weist auch die Gabe dessen nicht zurück, der keine Kuh und keine Axt hat und ihm nur kleine Holzstückchen zuträgt (als Nahrung für das Opferfeuer). Die Axt dient zum Fällen der Bäume. Mit gewaltigem Wurfe traf Indra den finstern Wrietra, daſs ihm die Schultern brachen, wie ein mit der Axt gefällter Baum sank Achi zur Erde3)Rigv. I, 32.. Indra, du nahmst in deine Hand den Donnerkeil von Eisen , heiſst es an einer Stelle4)Rigv. Trad. Wilson Vagra XIII, 8.: Der Speer (Wajra) Indras glänzt hell5)Rigv. I, 4; 16, 8.. Er wird gewetzt um ihn zu schärfen6)Rigv. I, 4; 17, 4.. Er hat einen Schaft7)Rigv. I, III, 26, 5.. Indra schmiedet ihn selbst, wenigstens heiſst er der Schmied des Donnerkeils8)Wilson Rigv., S. 19.. An anderer Stelle wird Twaschtar als sein Verfertiger oder als der - jenige genannt, der ihn im stande hält. Twaschtar schärft den fern - treffenden Donnerkeil9)I, III, 36, 2. Wilson, S. 85.. An einer anderen Stelle heiſst es: Dem kunstvoll gefertigten, goldenen, vielklingigen (vielknotigen) Donnerkeil, den der kunstfertige Twaschtri für ihn gefertigt hat . Auch die Spitzen der Pfeile sind von glänzendem Metall, d. h. von Eisen, denn keine Stelle deutet darauf hin, daſs die Arier der ältesten Zeit das Kupfer gekannt und zu Waffen verwendet haben. Diese mannigfaltige Verwendung des Eisens beweist bereits einen entwickelten Gewerbebetrieb. Die Gold - und Eisen - schmiede sind nicht die einzigen Gewerbetreibenden, die in dem Rigveda genannt werden, daneben geschieht der Weberei, der Lederbereitung und Verarbeitung und namentlich auch des Schiffbaues Erwähnung. Die arischen Indier scheinen in sehr früher Zeit kühne Fahrten auf dem Indischen Ozean getrieben zu haben auf Ruderschiffen von hundert Rudern getrieben10)Muir. Sanskrit tents 5, 457, 461, 465. . Es deutet manches darauf hin, daſs früher indische Seeschiffe nach Arabien kamen oder umgekehrt arabische nach Indien. Kurz, das ganze Lebensbild der alten Arier ist ein frisches, bewegtes, männliches. Agni ist gewaltig, aber er ist ein freund - licher Gott, sein Licht erhellt die Dunkelheit. Indra ist ein starker Gott, ein Kriegsmann, ein Speerträger. Wenn er seinen Speer schleu - dert, entsteht der Donner, der Blitz ist sein Speer, den er in die schwarzen Leiber der Dämonen, der Wolken, einbohrt.

Eine merkwürdige Wandlung dieser jugendfrischen Kraft der Arier begann mit ihrer Einwanderung in das tropische Gangesthal mit seiner209Die Arier in Asien.weichen erschlaffenden Luft. Diese Einwanderung begann in der Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr. Harte Kämpfe hatten die verbündeten Stämme der Arier zu bestehen, die vom oberen Ganges aus in das Ge - biet des heiligen Stromes eindrangen, ihnen gegenüber standen geübte Kriegsheere unter mächtigen Fürsten. Im Rigveda sind schon die ersten Kämpfe geschildert. Die zehn Stämme des Pendschab, an deren Spitze die kriegerischen Söhne Bharakas, die den Streit kennen , werden trotz der Gebete und Schlachtgesänge des Priesters Visvamitra von dem Könige Sudas, des Fürsten der Tritsu, zurückgeschlagen. Aber wohl nicht viel später finden wir schon im fernen Osten im Ganges - gebiete das arische Reich der Maghada, dessen Gründung Dunker um 1480 v. Chr. setzt. Von da ab war die Herrschaft der Arier im Ganges - gebiete gesichert. Es bildete sich ein glänzender Sagenkreis um diese Eroberungskriege an der Jamune (Dschumna) und am Ganges, welcher uns in den phantastischen Erzählungen des Heldengedichtes Mahab - harata zum Teil erhalten ist. Dunker nimmt die Zeit des elften Jahr - hunderts v. Chr. als die Zeit des Abschlusses dieses groſsen National - gedichtes der arischen Indier an, während die Form, in der wir es kennen, wohl erst aus den letzten Jahrhunderten v. Chr. stammt1)Dunker, a. a. O. III, 61.. Welcher Unterschied in Geist und Behandlung dieses Gedichtes gegenüber den Hymnen des Rigveda. Die Geschichte der Väter ist vergessen, die Wirklichkeit verschwindet vor einem Gewirr phantastischer Legenden, die vor allem einen theologischen Zweck haben, Religions - und Sitten - lehren predigen sollen. Das Heldengedicht bekommt den Charakter eines encyklopädischen Lehrgedichtes und der Schwulst macht es fast ungenieſsbar. Ein klares Geschichtsbild empfangen wir aus dem Maha - bharata nicht, es hat deshalb auch keinen Zweck für uns, dem Faden der historischen Erzählung nachzuforschen. Nur die Erzählung der groſsen Schlacht zwischen den Pandu und den Kuru ist voll unmittel - barer Anschaulichkeit. In ihr werden die Waffen der fünf Brüder, die als Heerführer vor den Pandu herziehen, genau geschildert und ist diese Schilderung für die kriegerische Ausrüstung der alten Indier von Interesse. Sie ziehen alle auf Streitwagen, die mit Bannern geschmückt sind, vor dem Heere her. Vor dem Banner Judhischthiras, des ersten der Helden, tönten zwei Trommeln2)Dunker 69.. Neben ihm fuhr der langarmige Bhima, den eisernen, goldgezierten Streitkolben in der Hand, mit finsterm Blick und zusammengezogenen Brauen. Der Dritte war der Träger des groſsen Bogens, Ardschuna, mit dem Affen im Banner, derBeck, Geschichte des Eisens. 14210Die Arier in Asien.Standhafte , der Zermalmer der Kinderscharen u. s. w. Dann kommen Nakula, der mit dem Schwerte kämpfte und Sahaveda. Die Helden kämpften gegen die Helden von ihren Kriegswagen und selten lassen sie sich herab, das Schwert in der Hand vom Wagen zu springen und die Köpfe des Fuſsvolkes wie Samen auszustreuen . Auch Elefanten kämpfen in der Schlacht. Dringen diese gegen die Wagen ein und reicht der groſse Bogen und die eisenspitzigen Pfeile nicht aus sie zurückzuscheuchen, so ergreift der Held das groſse Schwert , mit dem er dem harnischgezierten Elefanten den Rüssel an der Wurzel neben den Fangzähnen abhaut. Im eigentlichen Handgemenge dient der Streitkolben. Sind auch die Schilde und Streitkolben zerbrochen, dann ringen sie noch mit den Armen im Ring - und Faustkampf.

Die ganze Schilderung der groſsen Schlacht scheint einem älteren Epos entnommen, oder hatte sich die Tradition dieses Ereignisses so leb - haft in der Erinnerung der Indier erhalten daſs der priesterliche Über - arbeiter des Mahabharata nicht wagen durfte, viel daran abzuändern. Wenn im Mahabharata der alte kräftige Geist der Arier wenigstens noch in einzelnen Episoden lebendig wird und Gestalt gewinnt, so erscheint in dem anderen berühmten Heldengedichte der Inder, dem Ramajana, welches allerdings wohl erst nach dem Jahre 500 v. Chr., als sich die Arier bereits über Südindien, dem Deckhan bis nach Ceylon (Lanka) aus - gebreitet hatten, abgefaſst worden ist, bereits ganz der Geist indolenter Entsagung, stiller Unterwerfung, leidenschaftsloser Pflichterfüllung, duldenden Gehorsams, kurz des Versenkens in Brâm schon zu Leb - zeiten, der die ganze spätere Entwickelung der indischen Philosophie und des indischen Wesens charakterisiert, ausgeprägt. Die Grund - bedingungen dieser Entwickelung lagen allerdings schon in der Welt - anschauung der Arier im Fünfstromlande. Es ist der pantheistische Grundgedanke, der die arische Weltbetrachtung charakterisiert: von Brahma geht alles aus, zu Brahma kehrt alles zurück. Alle Einzel - erscheinung ist nur vorübergehend, ein hinfälliger Schatten, alles kehrt zurück und ist in dem All dem Ôm des Sanskrit, der Silbe von drei Buchstaben enthalten. Es ist klar, daſs diese Weltanschauung leicht zu einer Verflüchtigung des realen Seins, zu einer Auflösung praktischen Strebens, zu Indolenz, Gleichgültigkeit und zur Weltverachtung führen muſste, und dies war denn auch um so mehr der Fall, als sich der Schwerpunkt indischer Herrschaft und indischen Reichtumes nach Süden verrückte. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser abstrakten Philosophie ging die scharfe Ausprägung des Kastenwesens und das zunehmende Ansehen der Priesterkaste, der Brahmanen. In dem211Die Arier in Asien.Kampfe der Kuru und Pandu erscheint noch die Kriegskaste als die wichtigste, die Könige, aus den Kriegern hervorgegangen, bestimmen alles, die Priester stehen als heilige Sänger im Hintergrunde. Aber nach der Unterwerfung der schwarzen Urbewohner, der Schwarzhäute , der Sutras, wird das Kastenwesen strenger entwickelt, die Priesterkaste der Brahmanen herrschend. Der Ganges wurde der heilige Strom . Im Gangesthale entwickelten sich die Zentren der Macht und des Reich - tumes Indiens. Die pessimistische Weltanschauung siegte über die heitere Naturverehrung der Vedas. Manus Gesetzbuch ist die Grund - schrift der älteren Brahmareligion. Neben der Seelenwanderung, die nicht als Strafe erscheint, giebt es nach Manus Lehre noch 21 Höllen. Es sei bemerkt, daſs von diesen eine spitziges Eisen , eine andere der Schwert geblätterte Wald , eine dritte die Grube der glühenden Kohlen genannt wird. Das wichtigste Mittel zur Heiligung ist die Askese, durch die aber nur die zwei obersten Kasten zur Heiligkeit gelangen. Die Reformation Buddhas im sechsten Jahrhundert v. Chr. war in der Hauptsache ein Protest gegen das Kastenwesen, namentlich gegen die weitgehenden Vorrechte der Priesterkaste. Die Lehre von der Liebe zu der ganzen Menschheit und die Aufhebung der Kasten waren die Fundamente seiner Lehre. Dafür aber führte er das Kloster - wesen und einen komplizierten Formalismus in seine Religion ein, welche letztere bald zu geistlosem Formenkram ausartete, der die Veranlassung wurde, daſs der Buddhismus nach langen Kämpfen doch wieder durch das moderne Brahmanentum (den Wischnu - und Çivadienst) aus Vorderindien verdrängt wurde. Wenden wir uns, nachdem wir nur in groben Umrissen die Staffage gezeichnet haben, in der sich die indische Kultur entwickelt hat, speziell zu ihren metallurgischen Kenntnissen.

Gold und Eisen waren die Hauptmetalle der alten Arier. Wir haben schon darauf hingewiesen, daſs das Gold in dem Rigveda häufig erwähnt wird und besaſsen die Indier, als sie noch im Fünfstromlande wohnten, dieses Metall bereits reichlich. Der Sänger Kakschwat rühmt sich1)Rigv. I, 126, 23. von König Swamaya am Ufer des Indus 100 Gerth Goldes, 100 Rinder, 10 vierspännige Wagen und eine Herde von 1060 Kühen als Preis für seinen Gesang erhalten zu haben. Mit Gold waren die Pferdegeschirre geschmückt, golden heiſst der Wagen Indras. Es ist merkwürdig, daſs Indien zu allen Zeiten als das Goldland galt, obgleich die Goldgewinnung im eigenen Lande nie sehr bedeutend gewesen zu sein scheint. Die arabischen Kaufleute erzählten Wunderdinge von dem Goldreichtume14*212Die Arier in Asien.Taprobanes (Ceylons), obgleich dort gar kein Gold vorkommt. Im Mittelalter war der Goldreichtum Indiens sprüchwörtlich und er gab die Veranlassung zu der Entdeckung von Amerika. Daraus folgt, daſs der Handel Indiens, der für die vielen reichen Naturprodukte gerade noch wie heute massenhaft Gold dem Lande zuführt, sehr alt sein muſs. Schon Herodot, welcher der erste von den Schriftstellern des Altertums ist, der von Indien etwas weiſs1)Herodot III, 98 bis 106., denn Homers Andeutung ist ganz unklar, erzählt uns bereits das Mährchen von den goldsuchenden Ameisen2)Herodot II, 655, 660.. Es wird vermutet, daſs diese Erzählung auf Goldwäschereien der Daranda, die von den indischen Völkern den Persern am nächsten wohnten, zurückzuführen ist. Die nördlichsten Indier, die Daranda, zwischen Kaschmir und dem oberen Indus wuschen seit Alters Gold und da dieser Teil von Indien den westlichen Kulturstaaten des Altertums am nächsten lag, so ist wohl hierdurch zuerst der Glaube an den Gold - reichtum Indiens verbreitet worden, wie denn auch die bekannte Sage von den Gold bewachenden Ameisen hier ihren Ursprung hat. Es soll nämlich der Boden jener Gegenden ganz durchwühlt sein von einer Murmeltierart, die eine beträchtliche Gröſse erreicht. Moorcroft3)Asiatic researches vol. VII, p. 435., der das Land besucht hat, ist der Ansicht, daſs nur ein sprachliches Miſsverständnis Herodots die Verwechselung zwischen Murmeltieren und Ameisen veranlaſst habe. Thatsächlich erleichterten diese Murmel - tiere den Eingeborenen das Goldsuchen, denn sie lockern den gold - haltigen Boden auf, infolgedessen dann in der Regenzeit die herab - strömenden Wassermassen die leichte Erde fortschwemmen, während das schwere Gold zurückbleibt. Nach Beendigung der Regenzeit ziehen die Bewohner aus und suchen in den Regenfurchen des umgewühlten Bodens die ausgewaschenen Goldflitterchen. Vielleicht war dies auch zum Teil das Gold von Ophir, welches den Indus herabgeführt und an der Mündung den Kaufleuten aus Westen verhandelt wurde.

Auch im oberen Gangesgebiete, im Lande der Musikani, wurde bereits im Altertume Gold gewaschen. Die Flüsse Baddakhs und von Jockardo, sowie des Hindukusch sind goldführend. Auch die Flüsse Nepals führen Gold. Von Hinterindien, das viel reicher an Gold ist als das nördliche Indien, werden wir später sprechen. Im Deckhan kommt Gold vor im östlichen Plateau von Mysore4)Ritter VI, 316. und im Nalla-Malla - gebirge zusammen mit Diamanten5)Ritter VI, 342.. Neuerdings sind goldführende Quarzgänge in Südindien im Winaaddistrikt entdeckt worden, natür -213Die Arier in Asien.lich soll hier auch wieder das Ophir der Bibel entdeckt sein. Im allgemeinen ist die Goldgewinnung des groſsen Gebietes von Vorder - indien nicht bedeutend und scheint es auch in früherer Zeit nicht ge - wesen zu sein, so daſs die eigene Produktion seinen Ruhm als das Goldland nicht rechtfertigen würde, aber wie schon bemerkt, der Handel mit seinen sonstigen Reichtümern, die enorm sind, ist sehr alt und so war die Goldzufuhr nach Indien stets eine auſserordentliche. Die Rigveda kennt bereits die Schiffahrt und rühmt es als männlich, sich auf die offene See zu wagen. In den Hymnen kommt der Ausdruck vor Handelnd wie ein Krämer . Das Gesetzbuch Manus (vor dem Jahre 1000 verfaſst) erwähnt der Leute, die der Schiffahrt auf dem Ozean kundig sind und sagt1)IX, 332.: Wer am schnellsten Reichtum erlangen will, muſs die Gefahren und das Elend des groſsen Ozeans nicht achten. Es erwähnt der reisenden Warenhändler, die Maghada jedenfalls nach der reichen Handelsstadt gleichen Namens, heiſsen2)7, 47 Ritter V, 436 etc.. Es ist unzweifel - haft, daſs zur Zeit Salomos bereits ein Seehandel zwischen Arabien und Indien bestand. Wenn es auch nicht sicher ist, ob die Ophirschiffe das viele Gold von Indien mitbrachten, daſs dieses vielmehr wahrscheinlicher aus Nubien kam, so ist es doch unzweifelhaft, daſs Elfenbein, Sandelholz, Affen und Pfauen, welche die Ophirschiffe mitbrachten, nur aus Indien stammen konnten. Die seidenen Stoffe, welche als tyrische in den Handel gebracht wurden, kamen gleichfalls aus Indien. Es ist sogar wahrscheinlich, daſs die Ägypter die baumwollenen Binden, die bei der Einbalsamierung gebraucht wurden, aus Indien erhielten, denn die An - pflanzung der Baumwollenstaude in Ägypten ist jünger als der Gebrauch dieser Binden. Indischer Stahl, indische Schwerter kamen als Handels - artikel früh nach Westasien. Unter dem serischen Eisen der Römer ist wahrscheinlich indisches zu verstehen. Es ist charakteristisch, daſs die Sanskritnamen der spezifisch indischen Produkte sowohl bei den Semiten als den Indogermanen Eingang fanden, z. B. Karbasa, die Baumwolle, im Hebräischen karbas, kommt im Lateinischen als carbasa vor. Die Namen für Pfeffer im Sanskrit, Pippali, griechisch πέπεϱι; Zucker, im Sanskrit sarkara ist in alle westlichen Sprachen über - gegangen. Ähnlich ist es mit dem Zimmet, den Pfauen und vielen anderen Produkten Indiens. Es ist auch zu natürlich, daſs der auſser - ordentliche Naturreichtum die Händler des Westens anzog, und nur die groſsen Terrainschwierigkeiten verhinderten es, daſs auch die kühnen Eroberer Westasiens, namentlich die Könige Assyriens, mit ihren Heeren214Die Arier in Asien.in Indien eindrangen. Versuche scheinen sie wohl gemacht zu haben. Wenigstens dürfte die im Altertume sehr verbreitete Sage von dem Kriegszuge der Semiramis nach Indien nicht ganz ohne eine geschicht - liche Grundlage sein. Erschlossen wurde Indien zuerst durch einen Kriegszug des Darius Hystaspis, der die Provinz Gedrosia dem Perser - reiche einverleibte. Die indischen Fürsten Gedrosias muſsten 21 Mil - lionen Mark Gold jährlichen Tribut bezahlen. Wichtiger aber war der kühne Kriegszug Alexanders von Macedonien, eine der merkwürdigsten Unternehmungen, welche die Geschichte kennt. Hat dieser Feldzug für die Macht der macedonischen Herrschaft auch keinen dauernden Erfolg gehabt, so war sie von allen Unternehmungen des genialen Alexanders für die europäische Kultur vielleicht die bedeutsamste. Von da an datiert der regelmäſsige und innigere Verkehr Indiens mit Europa, von da an haben darum auch die geschichtlichen Nachrichten der klassischen Schriftsteller eine bestimmtere und glaubwürdigere Form. Das erste Buch über Indien stammt allerdings noch aus einer früheren Zeit. Es war verfaſst von einem Griechen, Ktesias, der als Leibarzt in den Diensten des persischen Königs Artaxerxes Memnon, welcher im Jahre 404 v. Chr. die Regierung antrat, stand. Seine Erzählungen basierten auf mündlichen Mitteilungen, die er gesammelt hatte, er kannte Indien aus eigener Anschauung nicht, deshalb war Wahres und Falsches bunt durcheinandergeworfen und die ganze Schilderung hatte, wie ja auch noch so viele spätere, den Charakter des Märchenhaften. Gerade dadurch aber trugen die Schriften des Ktesias nicht wenig dazu bei, Alexander für seine indische Expedition zu entflammen. Auch uns sind durch Ktesias manche dankenswerte Mitteilungen über Indien erhalten worden. Nachdem die Römer Syrien und Ägypten besiegt hatten, war es ihr gröſstes Interesse, einen gesicherten Seehandel vom Roten Meere aus mit Indien zu etablieren. Der Steuermann Hypalos soll den Südwest-Monsun zuerst benutzt haben, mit Hilfe dessen es möglich war, in kurzer Zeit quer durch das offene Meer nach Indien zu schiffen. Für die Römer war der Seeweg nach Indien um so wich - tiger geworden, als der Landhandel durch die feindlichen Parther abgeschnitten war. Der römisch-indische Seehandel nahm rasch groſs - artige Dimensionen an. Der Hauptstapelplatz war die Insel Dioskorides (Diu Sokotora). Die wichtigsten Häfen an der indischen Westküste, welche sie besuchten, waren Muziris und besonders Barygaza am Aus - fluſse des Nerbuddah, südwestlich von Guzerat. Die römischen Handels - schiffe dehnten ihre Fahrten bis Taprobane (Ceylon), ja, bis zur Koro - mandelküste und Hinterindien aus. Andererseits kamen aber nach215Die Arier in Asien.Arrians Bericht1)Arrian, Periplus ed. Hudson S. 27. ebenso indische Händler nach Arabien. Ihr Haupt - hafen war Agania, heute Aden, doch auch auf Dioskorides hatten sie ihre Geschäftslokale als Fremdlinge aus Indien . Die Hauptwaren der Indier waren Zimmet, Gewürze, Seidengewebe, Wohlgerüche, Elfen - bein, Sandelholz, Pfauen, Eisen und Stahl, Smirgel, Edelsteine und Perlen. Dafür gingen nach Indien: Kupfer und Erz, Blei, Zinn, Silber - und Goldwaren und gemünztes Geld. Die Ausfuhr des letzteren, welches meist gemünztes Silber war, betrug nach Plinius jährlich 50 Millionen Sesterzen = 27900000 Mark. Dieser konstante Silber - abfluſs war eine groſse Schwächung für Rom und der indische Handel, der besonders dem Luxus und der Prachtliebe der Römer Vorschub leistete, hat nicht wenig zum Ruine Roms beigetragen. Der Einfluſs der Römer auf die Indier war dagegen nur sehr gering. Zwar zirku - lierte das römische Geld in den Hafenstädten2)Die älteste römische Münze, die in Indien gefunden wurde, stammt aus dem Jahre 177 v. Chr., aber bei der auſser - ordentlich zahlreichen Bevölkerung Indiens machte sich die römische Metalleinfuhr kaum bemerklich. Die indischen Kaufleute hatten an dem Handel nicht geringeren Anteil wie die griechischen und römischen. Im Landhandel waren die Indier besonders gewandt. Sie hausierten namentlich mit Edelsteinen, den berühmtesten Erzeugnissen ihres Landes, die sie auch vorzüglich zu fälschen verstanden, was indes mehr ihrer Geschicklichkeit, als ihrer Ehrlichkeit zum Lobe gereichte. Die indischen Händler, meist aus der Kaste der Brahmanen, gingen im Altertume wie im Mittelalter in ihrem nationalen Kostüme und erregten dadurch in hohem Maſse die Neugierde fremder Völker. Sie zogen bis nach Kleinasien und Griechenland. Beispielsweise wurde im Jahre 60 v. Chr. ein indischer Kaufmann von einem barbarischen Volksstamme am Kaspischen Meere ergriffen und als ein wertvolles Geschenk dem gallischen Prokonsul Metellus Celer zugeschickt.

Doch auch am Seehandel beteiligten sich die Indier. Wir haben ihre Niederlassungen am Roten Meere bereits erwähnt, aber auch in Alexandria waren indische Kaufleute ansäſsig, die sich sogar an dem Mittelmeerhandel beteiligten. Durch den Sturz des römischen Reiches, durch die Eroberung Persiens und den Fall der Sassaniden, sowie durch die Eroberung Ägyptens durch die Araber erlitt der indische Handel eine Reihe von Schlägen, von denen er sich indes ziemlich rasch wieder erholte, da die mohammedanischen Araber fast noch eifriger als ihre heidnischen Vorfahren den indischen Handel pflegten. Die Handelsstraſse nach Indien wurde dagegen gänzlich216Die Arier in Asien.verlegt infolge der Auffindung des Seeweges nach Indien durch die Portugiesen.

Dieser groſsartige Handel war die Ursache des Goldreichtums Indiens, nicht ihr Bergbau und die heimische Produktion. Waren diese von keiner hervorragenden Bedeutung, so war die Blei - und Silbergewinnung relativ noch viel unbedeutender, obgleich silberhaltige Bleiglanze im Himalaya, in Nepal1)Ritter IV, 53., zu Rohr Kamthie2)Ritter IV, 396. im alten Mag - hada wie im Nalla-Mallagebirge3)Ritter VI, 342. und in Ajimir4)Ritter VI, 907. im Mewargebirge5)Ritter VI, 882. vorkommen. An dem Silber machten die römischen Kaufleute ihren gröſsten Geschäftsgewinn. Den Angaben der Geschichtsschreiber zu - folge profitierten die Indienfahrer nach Deckung aller Auslagen noch durchschnittlich 100 Prozent.

Kupfer ist verhältnismäſsig wenig in Indien verbreitet. Es kommt vor in Kaschmir, Sirmor, Malajabhuni, Nepal6)Ritter IV, 53, 64., ferner in Ajimir7)Ritter VI, 907. und Mewar, auch im Nalla-Mallagebirge8)Ritter VI, 342., aber diese Vorkommen scheinen alle nicht bedeutend zu sein und es wurde in früherer Zeit so wenig gewonnen, daſs die Alten der Ansicht waren, in Indien gäbe es kein Kupfer. Nur Ptolemäus erwähnt eines Stammes der Chalkites, die so geheiſsen haben sollen, weil sie Kupferbergbau trieben. Erz und Kupfer waren daher Haupteinfuhrartikel, die vornehmlich gegen Perlen und Edelsteine umgesetzt wurden. In späterer Zeit verwendeten die Indier Kupfer und Messing zu Münzen. Nach Buddhas Zeit wurden die Idole aus Kupfer, teilweise auch aus Erz getrieben. Eine Art von korinthischem Erz in Indien wird schon von Pseudo-Aristoteles erwähnt. Auch das Zinn bezogen die Indier, wie oben erwähnt wurde, von den arabisch-phönizischen Kaufleuten. Indisches Eisen und indischer Stahl waren dagegen schon in hohem Altertume berühmt. Das Land ist überall reich an Eisenerzen, besonders in dem Windhjagebirge, der Halbinsel Guzerat, den westlichen Gâhts, dem Insellande Kutsch, in Salem auf der Coromandelküste, im Nalla-Mallagebirge, in Orissa in Bengalen, ferner im Norden in dem westlichen Himalaya, in Kaschmir, Nepal, in Assam und Godvana.

Die alte Eisenindustrie einerseits, die Armut an Kupfer andererseits machen es schon an und für sich unwahrscheinlich, daſs in Indien eine Bronzeperiode der Eisenperiode vorausgegangen ist, umsoweniger, da es kaum zweifelhaft ist, daſs die Bronze erst durch den phönizischen Handel in Indien bekannt geworden ist. Damals war aber die Ge -217Die Arier in Asien.winnung und Verarbeitung des Eisens in Indien schon allgemein be - kannt. Stahl - und Eisenwaren gehörten zu den geschätztesten Aus - fuhrartikeln Indiens. Wir haben bereits früher bemerkt, daſs der Stahl, der zu Ezechiels Zeit auf den Markt von Tyrus gebracht wurde, wahrscheinlich aus Indien stammte. Wir haben der eisernen Waffen Erwähnung gethan, die bereits im Rigveda erwähnt werden. Ktesias, der erste, der über Indien schreibt (um 400 v. Chr.), erzählt uns als ein besonderes bemerkenswertes Faktum, daſs König Artaxerxes Memnon ihm zwei indische Schwerter als besonders wertvolle Gaben geschenkt habe. Wenn wir nicht wüſsten, welchen Wert die Indier auf guten Stahl von jeher gelegt haben, würde es uns ganz unbegreiflich erscheinen, daſs König Porus nach dem Berichte von Quintus Curtius dem gewal - tigen Sieger Alexander dem Groſsen als Hauptgeschenk einen Stahl - kuchen von 30 Pfund Gewicht dargebracht habe (σόλον αυτοχόων).

Arrian erwähnt des Hafens von Adula (Aden) an der arabischen Küste als eines wichtigen Eisenmarktes, wo besonders die von Indien importierten Beile, Äxte, Säbel u. s. w., daneben auch indischer Roh - stahl (στόμωμα) verkauft wurde.

Welche wichtige Rolle das Eisen und der Stahl im indischen Handel spielten, geht aus vielen sporadischen Mitteilungen hervor. So stammt das aus Tausend und eine Nacht so bekannte Mährchen von dem Magnetberg, der Schiffe und Menschen anzieht, aus Indien. Plinius1)Hist. nat. II, 98. schreibt darüber: Neben dem Indusfluſs giebt es zwei Berge, wovon der eine alles Eisen anzieht, während der andere es abstöſst, hat man eiserne Nägel an den Schuhen, so kann man von dem einen Berge den Fuſs nicht mehr losreiſsen, auf dem anderen nicht feststehen. Dies beweist zum mindesten eine genaue Kenntnis des Magnetismus. Auch daſs das Eisen den Blitz anzieht, war den Indiern schon frühe bekannt. Ktesias erzählt, daſs die indischen Schwerter in die Erde gepflanzt die Kraft hätten Hagel und Blitzstrahl abzuwenden, er habe selbst den König dies verrichten sehen. Nicht nur in der Bereitung des Stahls, sondern auch in der Verarbeitung des Eisens leisteten die Indier ganz Auſserordentliches.

Bei Dehli steht eine massive Säule von Eisen, die schon seit uralter Zeit als ein Heiligtum verehrt wird. Es ist der Lâht von Dehli (der Pfeiler von Dehli). Wunderbare Sagen knüpfen sich an dieses alte Denkmal. Dar - unter ist auch diejenige zu rechnen, die berichtet, die Säule bestehe aus einem Gemisch von sieben Metallen. In Wahrheit besteht sie nur aus einem, nämlich einem stahlartigen Eisen. Die Zahl sieben nach den sieben218Die Arier in Asien.Planeten, denen die sieben Metalle zugehören, spielt eben bei den Indiern dieselbe Rolle wie bei den Chaldäern und wie später bei den Alchimisten. Demungeachtet ist diese eiserne Säule ein so merkwür -

Fig. 36.

diges Denkmal alt indischer Schmiede - kunst, daſs sie selbst ein Wunder der Ausgangspunkt wunderbarer Le - genden wurde. In der Mittellinie und nahe dem Ende der Kolonade von Masjid-i-kutb-ud-Islam bei Dehli steht der berühmte Lâht, von dem General Cunningham in dem einen offiziellen Bericht im Jahre 1862 folgende Be - schreibung giebt1)Archaeological Survey Report to the Government of India for 1861 / 62.: Die Säule von Dehli ist eine massive Welle (shaft) aus verschiedenen Metallen von über 16 Zoll Durchmesser und ungefähr 50 Fuſs lang. Es ist wahr, daſs an vielen Stellen Risse sind, die zeigen, daſs der Guſs unvollkommen war; aber wenn wir die auſserordentliche Schwierigkeit, eine Säule von so gewaltigen Dimensionen herzustellen, erwägen, so wird unser Erstaunen nicht verringert, wenn wir auch sehen, daſs der Guſs Mängel zeigt. Die ganze Höhe der Säule über dem Boden beträgt 22 Fuſs, der glatte Teil indes nur 15 Fuſs, da das Kapital Fuſs hat und der untere rauhe Teil ebenfalls Fuſs beträgt (Fig. 36). Aber seine Länge unter dem Boden ist beträchtlich gröſser, als die freistehende, da bei der vor kurzem vorgenommenen Nachgrabung 26 Fuſs niedergegangen wurde, ohne das Fundament, auf dem der Pfeiler ruht, zu erreichen. Die ganze Länge der Säule ist deshalb höher als 48 Fuſs, wieviel ist noch unbekannt, doch muſs dies beträchtlich sein, da die Säule durch die Ausgrabung nicht einmal219Die Arier in Asien.gelockert wurde. Ich halte es deshalb für sehr möglich, daſs sie nicht weniger als 60 Fuſs lang ist. Der untere Durchmesser der Säule ist 16,4 Zoll, der obere 12,05 Zoll, die Verjüngung beträgt 0,29 Zoll per Fuſs. Die Säule enthält ungefähr 80 Kubikfuſs Metall und wiegt über 17 Tonnen (17000 Kilo). Es ist ein Irrtum des Berichterstatters, den Lâht für eine gegossene Säule zu halten, sie besteht vielmehr aus geschmiedetem Eisen. Dies ist nachgewiesen durch die Experimente und die Analyse, welche Dr. Percy mit einem von der Säule abgehauenen Stücke vorgenom - men hat. Er war im stande, sie direkt zu dünnen Nägeln auszuschmieden1)Architecture of Ancient Dehli by H. Hardy, London, Arundel Society 1872, p. 41.. Das Eisen hat nach Dr. Murray Thomsons Untersuchung ein spezifisches Gewicht von 7,662)Journal of Iron and Steel Instit. vol. II, 1872, p. 156.. Die ganze Säule scheint aus lauter einzelnen Luppen von circa 50 Pfund Gewicht zusammengeschweiſst zu sein.

Das Alter dieser merkwürdigen Säule ist unbekannt. General Cunningham giebt das Jahr 319 n. Chr. als Jahr der Aufstellung in seinem Berichte an. Er schreibt3)l. c. Report, Art 66.: Diese eiserne Säule erzählt ihre eigene Geschichte in einer tiefeingegrabenen Sanskritinschrift von sechs Zeilen auf ihrer Westseite. Die Inschrift wurde von J. Princep über - setzt, der bemerkt, daſs die Säule, die Waffe des Ruhmes (Kirtti bhuja) des Fürsten (Raja) Dhawa und die eingehauenen Buchstaben die Bilder der Hiebe, die sein Schwert seinen Feinden beibrachte, als Inschrift seines unsterblichen Ruhmes genannt wurden. Es heiſst ferner, daſs er die Vahlikas am Indus unterwarf, worunter jedenfalls die Bahlikas des Fünfstromlandes gemeint sind und endlich, daſs er durch seinen starken Arm sich die ungeteilte Herrschaft der Erde für lange Zeit erwarb. Dies ist die ganze mangelhafte Auskunft, welche uns die Inschrift giebt, auſser, daſs der Fürst ein Verehrer Wischnus war. Princep glaubt, daſs die Inschrift aus dem dritten oder vierten Jahrhundert n. Chr. stamme, Mr. Thomas hält diese Angabe in An - betracht des Styles der Inschrift für zu hoch gegriffen. Ich stimme indes mit Princep überein, da die Schriftzeichen genau mit denen der Guptainschriften übereinstimmen. Ich habe bereits das Jahr 319 als für den Raja Dhawa wahrscheinlich erwähnt, welches das Anfangsjahr der Balabhi und Guptaperiode ist, da es mir wahrscheinlich scheint, daſs er selbst zum Sturze der mächtigen Gupta-Dynastie beigetragen hat. Ein Raja Dhawa ist indes aus dieser Zeit nicht bekannt, wohl aber aus einer weit früheren, nämlich aus der Zeit des neunten oder zehnten Jahrhunderts v. Chr. Nach Garein de Tassy (les monuments220Die Arier in Asien.d’architecture de Dehli, Journ. Asiatique Juli 1860) ist es gewiſs, daſs Mid - hava (Raja Dhawa) der neunzehnte Herrscher nach Yudhistir, dem ältesten Sohn Pandus, dessen Periode mit 1425 v. Chr. beginnt, ist. Dies ergäbe bei einer durchschnittlichen Regierungsdauer von 27 Jahren das Jahr 912 v. Chr. Deshalb ist es möglich, daſs die Säule einer weit älteren Zeit angehört.

Über die Inschrift bemerkt Princep: Die Sprache ist Sanskrit, die Schriftzeichen gehören der Form des Nagari an, die ich dem dritten oder vierten Jahrhundert n. Chr. zuschreibe, die Buchstaben sind nur eingekratzt (squared of), da sie wahrscheinlieh nur mit einem kurzen Meiſsel von Stahl (cheni) eingepunzt wurden. Indische Sagen berichten, daſs die Säule so tief in die Erde hinabreicht, daſs sie den König der Schlangen verwundet habe. Cole berichtete (Architecture of Ancient Dehli, p. 44): Ein gelehrter Brahmane versicherte den König Anang - pâl 1051, daſs die Säule so tief in den Grund eingetrieben sei, daſs sie das Haupt von Vasuki, dem Könige der Schlangen, der die Erde trägt, erreiche und daſs, so lange sie feststehe, auch die Herrschaft seiner Familie bestehen würde. Als Anang-pâl sie aufgrub um sie zu ent - fernen, fand er die Erde mit dem Blute des Schlangenkönigs gefärbt. Da erfaſste ihn Reue über seinen Unglauben an die Worte des Brah - manen und er wollte sie wieder aufrichten, konnte sie aber nicht wieder fest im Boden befestigen. Also verblieb sie lose (dhila) und daher erhielt das Land und die Stadt den Namen Dhili (Dheli). Diese Sage der Entstehung des Namens der Stadt Dheli existiert in vielen Lesarten1)Day, The prehistoric use of iron, p. 155 etc.. Ihr Hauptsinn ist immer der, daſs, so lange diese eiserne Säule steht, soll Hindostan (oder die betreffenden Herrschergeschlechter) bestehen.

Übrigens stehen auf der Säule noch verschiedene andere Inschriften aus späterer Zeit, die auch zu manchen der Sagen Veranlassung gegeben haben.

Die vielen zum Teil sich widersprechenden Sagen über das Alter und die Entstehung des Dheli Lhât beweisen, daſs die Erinnerung an die wirkliche Herstellung dieses auſserordentlichen Schmiedestückes verloren gegangen ist und wir sind deshalb berechtigt, auf ein sehr hohes Alter seiner Entstehung zu schlieſsen. Betrachten wir die Her - stellung dieser merkwürdigen Säule, so müssen wir die Kunst der alten Schmiede bewundern. Noch heute würde trotz Dampfhammer und Bessemerofen die Darstellung einer solchen riesigen Eisensäule von 50 Fuſs Länge und Fuſs Durchmesser eine staunenswerte Leistung221Die Arier in Asien.sein, wie war solche aber jenen indischen Schmieden der alten Zeit möglich, die nichts hatten, als ihre Handbälge und geringe Holzkohlen? Mallet schreibt hierüber1)Day a. a. O., 164.:

Es existieren keine Beweise, daſs bei dem indischen Schmiede - verfahren jemals schwerere Rohluppen als von 90 bis 100 Pfund erzeugt worden sind . Solche sind zu klein, als daſs damit eine Stange von 16 Zoll Durchmesser hergestellt werden könnte. Es ist indessen denk - bar, daſs die kleinen Luppenstücke, die aus solchen Luppen erzielt werden konnten, zu Zainen geschweiſst, die dann wieder zu einem Pakete gebunden wurden, aus denen ein solcher Stab, die Möglichkeit genügender Schweiſshitze und Stärke der Hämmer vorausgesetzt, in die cylindrische Form des eisernen Pfeilers hätte geschmiedet werden können.

Nun ist aber die Grenze der Gröſse eines Paketes, das mit reich - lichen Heizvorrichtungen geschweiſst werden soll, gegeben, wenn die Masse im Verhältnis zur Hitze des Ofens so groſs ist, daſs das Äuſsere der Pakete verbrennt und wegschmilzt infolge der langsamen Mitteilung der Hitze, woher bei langer Heizung es nötig wird, fortwährend durch neues Eisen das alte zu ersetzen. Diese Grenze ist schon vor - dem in unseren besten Schweiſsöfen erreicht worden. Sie wurde that - sächlich berührt, als man in Liverpool in den Mersey Eisenwerken die groſse 13 Zoll - Kanone ausschmiedete. Wenn deshalb die Eisen - schmiede Indiens zwischen dem dritten und vierten Jahrhundert (oder viel früher nach unserer obigen Auseinandersetzung) Windöfen mit riesigen Essen oder Gebläsemaschinen von einer Gröſse und Leistungs - fähigkeit, die uns unbekannt ist, was in Hinblick auf die primitiven Apparate der Eingeborenen nicht zu begreifen wäre, besaſsen, so k