Holzstiche aus dem xylographischen Atelier von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.
Papier aus der mechanischen Papier-Fabrik der Gebrüder Vieweg zu Wendhausen bei Braunschweig.
Alle Rechte vorbehalten.
Indem ich die zweite Abteilung meiner Geschichte des Eisens der Öffentlichkeit übergebe, sei es mir ge - stattet, einige erläuternde Worte vorauszuschicken.
Der Plan des Werkes, eine umfassende Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung zu bieten, ist unverändert festgehalten; allein es liegt in der Natur der Sache, daſs mit der fortschreitenden Ent - wickelung der Eisenindustrie der technische Standpunkt mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Im ersten Teil überwog das kulturgeschichtliche Element, in den übrigen wird das technische vorherrschen, doch werden sich auch hier überall kulturgeschichtliche Anknüpfungen finden.
Eine grosse Schwierigkeit bot die Gliederung des Stoffes. In der alten Geschichte konnte die Einteilung nach Nationen vorangestellt und die technischen Erörterungen derselben untergeordnet werden, in der neueren Geschichte ist dies nicht mehr möglich, hier müssen die technischen Gesichts - punkte das Einteilungsprincip bilden, während die nationale Teilung zurücktritt. Dies wird mit jedem neuen Jahrhundert mehr der Fall, indem die Eisenindustrie um so mehr inter - national wird, je mehr sie sich der Gegenwart nähert. UmVIVorwort.die Fülle des Stoffes überhaupt bewältigen zu können und eine chronologische Ordnung festzuhalten, sind für die Haupteinteilung Abschnitte nach den Jahrhunderten ge - wählt worden. Jedes Jahrhundert zerfällt sodann in einen allgemeinen technischen Teil und in einen lokalen Teil, in welchem die Geschichte der einzelnen Länder abgehandelt wird. Diese Landesgeschichte enthält vielfach Beispiele für die allgemeine Geschichte. Je näher man aber der Gegenwart kommt, je mehr tritt der zweite Teil gegen den ersten zurück. Für das neunzehnte Jahrhundert läſst sich diese Einteilung überhaupt nicht mehr streng fest - halten. Denn während in den früheren Jahrhunderten, wie in der ganzen alten Zeit die Nachrichten über die Technik der Eisenbereitung so spärlich sind, daſs die Hauptarbeit darin bestand, das Material dafür zusammenzusuchen, so entwickelte sich seit der Erfindung der Dampfmaschine, besonders aber in unserem Jahrhundert eine solche Fülle der technischen Litteratur, daſs die Mühe umgekehrt darin bestand, in dieser Hochflut des Stoffes das Steuer fest - zuhalten, um den Kurs nicht zu verlieren. Bei der groſs - artigen Entwickelung der Eisenindustrie im neunzehnten Jahrhundert, bei der fast verwirrenden Teilung und Spe - cialisierung der technischen Prozesse war es durch die Menge des Materials nicht mehr möglich, an so groſsen Zeitabschnitten festzuhalten, es muſsten, um den histo - rischen Fortschritt klarstellen zu können, kürzere Perioden gewählt werden. Leider ist es bei dieser Art der Behand - lung nicht immer möglich gewesen, Wiederholungen zu vermeiden. Der Verfasser hat sich die gröſste Mühe ge - geben, dieselben möglichst zu beschränken und wo sie für das Verständnis unvermeidlich waren, ihnen neue Seiten abzugewinnen gesucht.
VIIVorwort.Eine andere kaum lösbare Schwierigkeit lag darin, den ungeheuren Stoff so zu bearbeiten, daſs er das Inter - esse des Technikers ebenso wie das des Nichttechnikers fesselt. Eine ganz leichte Arbeit wird es für den Laien in der Technik nicht sein, sich durch das Werk durch - zuarbeiten. Trotzdem wagt der Verfasser zu hoffen, daſs es jedem Gebildeten verständlich sein wird. Freilich ge - hört dazu freundliches Entgegenkommen der Leser, sowie gütige Nachsicht der berufenen Kritiker.
Rheinhütte-Biebrich, im Juni 1895.
Dr. L. Beck.
Eine neue Zeit begann um das Jahr 1500. Eine gewaltige Be - wegung hatte alle Geister in Europa ergriffen. Es vollzog sich ein Gärungsprozeſs, in dem das Alte in nichts zu verschwinden schien vor dem Neuen.
Auf allen Gebieten machte sich ein revolutionäres Streben fühl - bar. Der künstliche Bau der scholastischen Weltweisheit, auf theo - logischer Grundlage errichtet, stürzte in Trümmern vor dem frischen Hauch des Humanismus und vor der überzeugenden Kraft der Natur - wissenschaft. Himmel und Erde schienen sich zu verändern. Der alte Himmel war nicht mehr das über den Erdkreis gespannte Ge - wölbe, an dem Sonne, Mond und Sterne sich in täglichem Laufe um die ruhende Erdscheibe bewegten; der neue Himmel erweiterte sich zum unendlichen Raume, in dem Welten ihre gesetzmäſsigen Bahnen wanderten und deren Mittelpunkt — schon ahnte man dies und bald bewies es der gelehrte Kanonikus von Frauenburg, Nikolaus Koper - nikus — die Erde nicht war. Auch die alte Erde war nicht mehr dieselbe. Hatte doch der kühne Genuese Christoph Kolumbus im festen Glauben, daſs die Erde nicht die Scheibe sei, auf deren abgekehrter Seite sich die Hölle befinde, wie sie sein groſser Lands - mann Dante in der „ göttlichen Komödie “so ergreifend geschildert hatte, sondern daſs sie Kugelgestalt habe, es gewagt, seinem Glauben und seinem Kompaſs vertrauend, nach Westen in den unbekannten, unendlichen Ozean hinauszusteuern mit dem kühnen Entschluſs, die Erdkugel zu umfahren, um einen kürzeren Weg nach dem Goldlande Indien zu finden. Glänzender Erfolg hatte sein kühnes UnternehmenBeck, Geschichte des Eisens. 12Einleitung.gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, daſs ihr Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein - fache Mann, daſs die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt hatten, ein Märchen gewesen war.
Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge - biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.
Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte wichtige Ereignisse vollzogen. Den gröſsten Eindruck hatte die Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz erfaſste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig. Die groſse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek geworden sind.
Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus lieſs lateinische Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor - mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.
Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch - gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst, nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den3Einleitung.Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern.
Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin. Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis dahin allein maſsgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang.
Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwickelung am Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung starker politischer Körper, gröſserer Machtgebiete hin.
In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Ara - gonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der neuen Welt ihm zuströmten.
Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschie - den worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII. durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders der modernen Artillerie.
England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffenthaten zuletzt gescheitert: es muſste sich vor dem siegreichen Frankreich zurück - ziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahr - hundert lang die Entwickelung im Inneren und eine zielbewuſste Politik nach auſsen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bos - worth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der1*4Einleitung.roten und weiſsen Rose ein Ende gemacht. Heinrich Tudor bestieg als Heinrich VII. den englischen Thron, und wenn er auch kein Fürst von hervorragender Begabung war, so war doch seine Regierung eine kluge und sparsame, vor allem aber begriff er klar, daſs Eng - lands zukünftige Entwickelung von seiner bevorzugten Insellage bedingt sein müsse. Er lieſs deshalb die kriegerische Kontinentalpolitik seiner Vorgänger fallen und trat in freundschaftliche Beziehung mit der ersten Seemacht der damaligen Zeit, mit Spanien. Im Inneren aber stärkte er durch Schwächung des Adels und durch Kräftigung des Bürgerstandes die Einheit des Reiches.
Auch das skandinavische Reich im Norden Europas rang nach Entwickelung einheitlicher Macht. Äuſserlich war diese ja schon von der genialen Königin Margarete durch die Kalmarische Union im Jahre 1397 erreicht worden. Aber eine innere Verschmelzung der drei stammverwandten Königreiche Dänemark, Schweden und Nor - wegen wurde hierdurch nicht erzielt. Ihre Lebensbedingungen waren zu verschieden, als daſs die künstliche Vereinigung eine dauernde hätte sein können. Jedes der drei Reiche strebte nach selbständiger Einheit und schon hatten in Schweden die blutigen Kämpfe begonnen, die zu diesem Ziele führen sollten.
Sehen wir bei den westlichen und nordischen Reichen Europas eine ausgesprochene centripetale Entwickelung, so scheint bei den Reichen der Mitte, Deutschland und Italien, das centrifugale Streben den Sieg behalten zu sollen. Italien ist zerrissen durch widerstreitende Interessen, Deutschland durch die wachsende Macht der Lehens - fürsten, durch welche die Kaisermacht immer mehr eingeschränkt wird. Aber trotz dieser Zersplitterung läſst sich doch bei den Einzel - fürsten Italiens und Deutschlands ein ebenso energisches Streben nach Machterweiterung und nach Erhöhung der Souveränität erkennen, wie wir dies bei den einheitlichen Staaten des Westens gesehen haben. In dieser Beziehung ging das Haus Habsburg, bei dem die römische Kaiserkrone jetzt durch Gewohnheit erblich geworden war, selbst allen anderen voraus, indem es planmäſsig seine Hausmacht auf Kosten der kaiserlichen Macht vergröſserte und den mächtigen österreichischen Staat gründete.
Alle diese Bestrebungen nach Erhöhung der Fürstenmacht, nach Gründung starker staatlicher Verbände, fanden eine kräftige Stütze und eine sittliche Rechtfertigung in dem römischen Recht, das, aus den gleichen Verhältnissen hervorgegangen, auf dem Begriff der Souveränität des Staates aufgebaut war. Deshalb unterstützten die5Einleitung.Fürsten die Einführung des römischen Rechtes in egoistischem Inter - esse. Sie befreiten sich dadurch von der lästigen Bevormundung durch die Priesterschaft, deren maſsgebende Stellung eine Voraus - setzung des kanonischen Rechtes bildete. Auch das germanische Recht, welches mit dem kanonischen in der kommunistischen Grundlage, wonach der Besitz ursprünglich der Gesamtheit, der Gemeinschaft ge - hört, übereinstimmte, wurde von dem römischen Recht mit seiner scharfen Definition des Eigentums und seinen klaren Bestimmungen zum Schutz des persönlichen Besitzes verdrängt zum Vorteil der Reichen und Mächtigen, zum Nachteil der Armen und Besitzlosen.
Freilich lieſsen sich die Beschränkungen, welche das kanonische und zum Teil auch das germanische Recht der Mobilisierung des Eigentums in den Weg legte, nicht aufrecht erhalten in einer Zeit, in der Handel, Verkehr und Gewerbthätigkeit nach Ausdehnung und Entwickelung strebten. Besonders die Wucherverbote, welche jedes Zinsnehmen für das mobile Kapital für sündhaft, die jeden Handel, der nicht Tauschhandel war und der mit der Absicht, einen Gewinn zu erzielen, betrieben wurde, für unchristlich und wucherisch erklärten, konnten ohne groſse Nachteile nicht fortbestehen. Die schönen Grund - begriffe des deutschen Rechtes, Ehre und Treue, erwiesen sich un - zulänglich in Handel und Verkehr und wurden ersetzt durch die be - stimmteren Paragraphen des Justinianischen Gesetzbuches über das Eigentum.
Damit zog aber zugleich ein ganz neuer Geist in das wirtschaft - liche Gebiet. Auch auf ihm verdrängten neue Anschauungen die alten Gewohnheiten. Der Begriff des Geldes als Maſs für alle Werte kam jetzt erst zu allgemeiner Anerkennung. Daraus entsprang die Festsetzung von Preisen für Waren, für Güter und für die Arbeit. Es entsprang aber ferner daraus eine Wertschätzung des Besitzes von geprägtem Geld, die man früher kaum gekannt hatte und die zu einseitiger Übertreibung neigte. In engem Zusammenhange damit entwickelte sich eine gröſsere Beweg - lichkeit des Vermögens, insbesondere des mobilen Vermögens; — die fast vollständige Gleichstellung der beweglichen mit den unbeweglichen Gütern; die scharfe Unterscheidung von Eigentum und Forderung1)Siehe Roscher, Geschichte der Nationalökonomie 1874, S. 17..
Waren dies Vorteile für das wirtschaftliche Gebiet, so brachte uns die Übernahme der römischen Gesetzeserbschaft auch Nachteile. Der Römer kannte die freie Arbeit nicht, für ihn gab es nur Sklaven - arbeit; er verachtete infolgedessen die gewerbliche Arbeit, und frei -6Einleitung.willige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese nie - drige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organi - sationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden, Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zu - sammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger. Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens; — nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau, als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens.
Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung alle Gemüter ergriffen. — Wie auf allen Gebieten des Lebens der Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unter - richteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr durch Roheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus. Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu diesem Zweck wurden die Ablaſspfennige von den Armen und Be - drängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit und im Glauben, erfaſste die Christenheit. Trauer und Verstimmung zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten. Auch hier bereitete sich eine Revolution vor.
Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, daſs gerade um diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte, warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte, warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Er -7Einleitung.findungen waren es hauptsächlich, welche die alten Ver - hältnisse über den Haufen warfen und eine neue Zeit ins Leben riefen: die Erfindung des Schieſspulvers und die Erfindung der Buchdruckerkunst.
Wie unsere Zeit unter der Signatur des Dampfes steht, so stand die Zeit um das Jahr 1500 unter der Signatur des Pulvers und des Buchdruckes. Auch wir leben in einer stürmischen Zeit der Neu - gestaltung, des Fortschrittes und ihren Ausgangspunkt hat diese Periode in der Verbesserung der Dampfmaschine durch James Watt; denn durch diese Erfindung wurden die Kräfte der Menschen verviel - fältigt, durch diese Erfindung wurden neue, ungeahnte Verkehrsmittel geschaffen, welche die Bewohner der ganzen Erde in neue, enge Be - ziehungen gesetzt, tausenderlei neue Erwerbsmittel geschaffen haben. — Ähnlich waren die umgestaltenden Wirkungen der beiden Erfindungen am Ausgange des Mittelalters, die des Pulvers und des Buchdrucks.
Über die Erfindung des Schieſspulvers und ihre Bedeutung für die Geschichte der Eisenindustrie haben wir uns bereits im ersten Bande (S. 892) ausführlich ausgesprochen.
Indem wir daran anknüpfen, führen wir hier nur weiter aus, wie durchgreifend ihr Einfluſs auf die Umgestaltung der Bewaffnung und des Kriegswesens war und wie durch sie eine ganz neue Politik in Europa geschaffen wurde. Was wir oben in flüchtiger Skizze zu schildern versucht haben, das Streben, stärkere Machtgebiete zu bilden, hatte seinen Grund und Ausgang in der veränderten Kriegsführung infolge der Einführung der Feuerwaffen. Die Tapferkeit des einzelnen Mannes, seine Gewandtheit in der Führung der Waffen, selbst die Vor - trefflichkeit seiner kostspieligen Schutzbewaffnung verlor mehr und mehr an Bedeutung gegenüber der Zahl und der Güte der Feuer - röhren, von geübten, wenn auch nur abgerichteten Händen bedient. So sank der Wert des freien Ritters mit dem Glanze der mittel - alterlichen Kampfweise. Und wie der Wert des gewappneten Mannes gegenüber dem Handrohr gering wurde, so wurden es die Bollwerke des Rittertums, die Mauern und Türme ihrer Burgen gegenüber dem schweren Geschütz, den Stücken und Bombarden. Nicht mehr war der Fürst der mächtigste, der die glänzendste Ritterschaft um sich versammeln konnte, sondern der, welcher die Geldmittel besaſs, die meisten Schützen und die besten Büchsenmeister zu bezahlen.
In Deutschland hatte die Geschützkunst ihren Ausgangspunkt, ihre eigentliche Heimat. Deshalb waren es zunächst die reichen deutschen Städte, deren politische Macht und deren Ansehen wuchs8Einleitung.durch ihr Geschützwesen. Sie hatten zuerst geordnete Schützengilden, eine geordnete Landwehr.
Gegen sie konnten die einzelnen Ritter nichts mehr ausrichten, auch nicht das Aufgebot ganzer Ritterschaftsverbände durch die Landesfürsten. Die deutschen Städte lieferten die besten Truppen für das Reichsheer, sowohl in Beziehung auf Geschicklichkeit als Aus - rüstung des einzelnen Mannes. Ein stehendes Heer war dies noch nicht, aber ein Stock waffentüchtiger Leute, um den sich die lose Masse der damaligen Reichsheere gruppieren konnte. Ein solcher zuverlässiger Stock fehlte dem kriegslustigen Frankreich, deshalb ver - fielen seine Könige zuerst darauf, sich eine besoldete, stehende Truppe zu schaffen. Schon Karl VII. sah sich hierzu gezwungen, um die wilde Söldnerschar, welche nach Beendigung des englischen Krieges beschäftigungslos geworden war, die sogenannten Armagnaks, in Pflicht und Sold zu halten.
Diese Truppe, welche aus 5000 Armbrustschützen zu Fuſs und zu Pferd bestand, bereitete aber durch ihre schlechte Disziplin dem französischen Königtum mehr Verlegenheiten als Vorteile. Deshalb ging Karls Nachfolger Ludwig XI. dazu über, eine Leibgarde von Be - rufssoldaten aus fremden Söldnern, meist Schotten und Schweizern, zu bilden. Dadurch wurde die Einrichtung des stehenden Heeres eine bleibende für Frankreich, und bald sahen sich die übrigen europäischen Staaten gezwungen, Frankreichs Beispiel nachzuahmen. Dies hatte groſsen Einfluſs auf die Waffenfabrikation. Die gleichförmige Be - waffnung gröſserer Heeresmassen verlangte Massenfabrikation und so entstanden die ersten Gewehrfabriken.
Welchen Einfluſs die Entwickelung des Geschützwesens auf das Eisengewerbe ausgeübt hat, haben wir im ersten Teil unserer Geschichte bereits ausführlich nachgewiesen. Die erste Verwendung des neu erfundenen Eisengusses war für die Herstellung von Kanonenkugeln. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daſs das Bedürfnis der Artillerie die Erfindung des Eisengusses veranlaſst hat.
War die Erfindung des Schieſspulvers zunächst für die politische Entwickelung Europas von gröſstem Einfluſs, so war es die Erfin - dung der Buchdruckerkunst für die geistige Entwickelung.
Die mächtige Bewegung der Geister, die nervöse Erregtheit, welche für den Anfang des 16. Jahrhunderts symptomatisch ist, hatte ihren Grund und Ursprung in der so wunderbar einfachen und doch in ihrer Wirkung so unermeſslichen Erfindung des Johann Gens - fleisch, mehr bekannt unter dem Namen seiner Mutter v. Guten -9Einleitung.berg aus Mainz: der Einführung der beweglichen Typen zum Schrift - druck.
Keine Erfindung des menschlichen Geistes hat so durchschlagen - den Erfolg, so rasche Anerkennung und Verbreitung gehabt wie diese. Es ist deshalb wohl am Platze, bei derselben zu verweilen.
Göthes treffende Antwort auf die Frage: was ist Erfindung?: „ der Abschluſs des Gesuchten “, ist eine anerkannte Wahrheit, deshalb spielen aber doch die Umstände, der glückliche Zufall eine groſse Rolle bei der Bethätigung einer Erfindung. Wie dem aber auch sei, nicht die Auffindung einer neuen Thatsache allein bedingt den Wert einer Erfindung, sondern ihre praktische Verwertung. Der Erfinder muſs die Geschicklichkeit und die Mittel haben, seiner Idee eine zweckmäſsige Gestalt zu geben. Die Konzeption eines neuen Gedankens genügt noch nicht zu einer epochemachenden Erfindung. Die Über - setzung des Gedankens in die Praxis ist in den zahlreichsten Fällen der schwierigste und wichtigste Teil des Unternehmens. Ja selbst das Geschick, die Idee in eine praktische Form zu bringen, genügt nicht, wenn die materiellen Mittel zur Ausbeutung fehlen, und alles dies zusammengenommen hat keinen Wert, wenn kein Bedürfnis für die Erfindung vorliegt. Der Erfolg einer Erfindung ist demnach durch vier Faktoren bedingt: den Gedanken, die praktische Einkleidung, die Mittel zur Einführung und das Bedürfnis für die Sache. Wie manche schöne Idee hat keinen Anklang gefunden, weil nur einer dieser Faktoren fehlte; weil sie verfrüht war, weil das Geschick oder die Mittel für ihre Einführung in das Leben fehlten oder weil sie kein Interesse erweckte.
Bei der Erfindung der Buchdruckerkunst trafen alle genannten Bedingungen für den Erfolg auf das glücklichste zusammen, aber auch nur durch das Zusammenwirken mehrerer gleichstrebender Personen.
Die Idee des Druckes mit beweglichen Lettern und die praktische Ausarbeitung derselben sind das unbestrittene Verdienst Johannes Gutenbergs; für das Kapital und die geschäftliche Ausnutzung der Erfindung sorgten die mit Gutenberg verbundenen Mainzer Bürger Johann Faust und der hochbegabte Peter Schäffer, welchem letzteren wahrscheinlich die Erfindung des Letterngusses zugeschrieben werden muſs.
Wie sehr aber die Erfindung dem Bedürfnis der Zeit entsprach, das bewies der groſsartige Erfolg. Von Mainz aus verbreiteten sich in überraschend kurzer Zeit Druckereien über ganz Europa.
10Einleitung.Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war aus - schlieſslich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der Welt vor sich ging und was die groſsen Männer des Altertums gelehrt hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen, deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. An - fangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heid - nischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche Schriften, die das gröſste Interesse erregten. Die Wissenschaft, die bis dahin entweder ganz einseitig oder encyklopädisch gewesen war, trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungs - freudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von Hutten so schön Ausdruck verlieh in den Worten: „ O Jahrhundert, die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben! “
Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende Einfluſs der Buchdruckerkunst aus. — Durch das gesteigerte Bedürfnis der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede, Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte; dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum 15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet11Einleitung.waren, gab es Eisenarbeiter, welche ihr Gewerbe berufsmäſsig betrieben, doch standen diese meist nicht auf der Höhe, noch in dem Ansehen der übrigen Hüttenleute. Gold, Silber, Kupfer und Blei wurden weit höher geschätzt als das Eisen, deshalb schenkte man deren Gewinnung gröſsere Aufmerksamkeit und ein höheres Interesse. Eisen war ja freilich das unentbehrlichste Metall und keine Thätigkeit im Frieden wie im Kriege war denkbar ohne dieses. Aber die gütige Natur hatte es so reichlich und aller Orten hervorgebracht, daſs seine Erze fast wertlos schienen, und seine Gewinnung war so ein - fach, daſs ein jeder es auszuschmelzen im stande war. Deshalb erregte seine Darstellung die Beachtung der Gebildeten nur im ge - ringen Grade, und was diese darüber zu berichten wuſsten, ging nicht über das hinaus, was Plinius bereits mitgeteilt hatte. So ist die ganze mittelalterliche Litteratur über das Eisen, mit Ausnahme der wenigen Schriften, die wir im ersten Bande besprochen haben, unter denen die des Theophilus Presbyter (siehe I, 974) hervorragt, nur eine Wiederholung der bezüglichen Stellen des Aristoteles, Theo - phrast, Plinius und Strabo, zu denen nur noch Albertus Magnus als Autorität hinzutrat. Dies war in der ersten Periode des Buchdruckes kaum anders zu erwarten, denn in dieser wollte man zunächst hauptsächlich erfahren, was die berühmten Schriftsteller des Altertums von der Natur und den natürlichen Dingen gewuſst und was sie darüber gelehrt hatten. So ist diese meist encyklopädische Litteratur eine Rekapitulation des Wissens der Alten, eine Repetition für die Neuen. Eines der charakteristischsten Bücher dieser Periode, welches groſse Verbreitung in ganz Europa fand und in zahlreichen Auflagen gedruckt wurde, ist das Werk De rerum inventoribus, über die Erfinder der Dinge, des Polydorus Vergilius von Urbino. Dieses Buch, dessen älteste Auflage 1499 erschien, hat allein im 16. Jahrhundert 39 Auflagen erlebt1)Beckmann spricht in seinen „ Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen “, Bd. III, S. 571 ausführlich über das Werk und führt sämtliche Ausgaben an. Die älteste von 1499 führt den Titel: „ Polydori Vergilii Urbinatis de inventoribus rerum libri tres “. Auſser den 39 Auflagen im 16. Jahrhundert erschienen noch 12 Auflagen in lateinischer Sprache im 17. Jahrhundert, sowie ferner eine nebst einer deutschen Übersetzung im 18. Jahrhundert. Beckmann sind also 54 Auf - lagen bekannt gewesen.. Es wurde in allen Ländern Europas gelesen und ist interessant durch den freien Geist, in dem es geschrieben ist, durch die Bekämpfung des Aberglaubens, die scharfen Bemerkungen über den Hochmut und die Ausschweifungen der Geistlichkeit, sowie die freisinnige Behandlung der Frage der12Einleitung.Abkunft der katholischen Gebräuche. In dieser Beziehung trug es viel zur Aufklärung im 16. Jahrhundert bei und half mit die Refor - mation vorzubereiten.
Technische Belehrung, die man nach dem Titel erwarten sollte, bietet dagegen das Werk nur wenig. Es ist eine Zusammenstellung von Namen meist mythischer Persönlichkeiten, die den Griechen, Römern und Juden als die Erfinder der Künste und Handwerke galten. Das Eisen ist nur kurz in dem 19. Kapitel des II. Buches abgehandelt, welches den Titel führt: „ Wer zuerst Gold, Silber, Eisen, Blei, Erz, die Werkzeuge, das Feuer für sich, dann aus Kiesel und aus Holz, sowie die Blasebälge und die Kerzen erfunden hat. “ Aber vergeblich sucht man nach sachlichen Mitteilungen; man findet nur Namen und bezüglich des Eisens nur die von Plinius, Clemens von Alexandria, Herodot, Strabo, Josephus und in der heiligen Schrift namhaft gemachten Erfinder desſelben. Über die Eisen - gewinnung zur Zeit des Verfassers selbst erfahren wir nichts.
Die Eisenindustrie hatte aber im 15. Jahrhundert eine groſse Umwälzung erfahren. Wir wissen dies, wenn auch kein Schriftsteller dieses Jahrhunderts davon Kunde giebt. In den Anfang des 15. Jahr - hunderts fällt die Erfindung des Eisengusses und der Übergang zum Hochofenbetrieb, also von der direkten zu der indirekten Eisenberei - tung, zur Roheisenerzeugung. Wir haben diesen Umschwung und die Ursachen, welche dazu geführt haben, bereits ausführlich im letzten Theile des I. Bandes dieses Werkes dargestellt und begnügen uns, kurz die Hauptmomente zu wiederholen.
Der Ausgangspunkt sowohl der Erfindung des Eisengusses als des Überganges zur Roheisendarstellung bildete die Benutzung des Wassers als Betriebskraft bei der Eisenbereitung. Hauptsächlich nach zwei Richtungen wurde die Wasserkraft nutzbar gemacht: zur Be - wegung eiserner Hämmer beim Ausschmieden der Luppen und zur Bewegung der Blasebälge. Dadurch wurden beim Schmieden wie beim Schmelzen weit gröſsere Wirkungen erzielt, als das vordem geschehen war. Beim Schmelzen der Erze war die Wirkung der verstärkten Windzufuhr, anfangs zum Schrecken des Schmelzers, eine solche, daſs er das Eisen gar nicht mehr als eine zähe, wachsartige Masse, die sich unter dem Hammer schmieden lieſs, aus dem Ofen erhielt, sondern als ein flüssiges Metall, das erstarrt, unter dem Ham - mer auseinander flog. Dieses Eisen war so flüssig, daſs es sich wie geschmolzenes Erz in Formen gieſsen lieſs. Zum zweitenmal und zwar in einem Herdfeuer vor dem Winde niedergeschmolzen, ver -13Einleitung.wandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmäſsiger und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Be - nutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, daſs sich die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der Wälder in die Thäler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelz - feuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen, Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen in groſsen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in ent - legene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Theil unserer Ge - schichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte, der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste litterarische Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozeſs besingt und verherrlicht, ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze stellen.
Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre1)Vandeuvre, Stadt in der Champagne am Flüſschen Barse, westlich von Bar le Duc an der Eisenbahn von Chaumont nach Troyes.. Er schildert in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre 1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit, die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit, mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Be - geisterung auszudrücken weis, und er schildert anschaulich und mit liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch14Einleitung.geordnet und lehrreich. Er schreibt von sich als einem jugendlichen Dichter. Zu solcher Vollkommenheit in Beherrschung der latei - nischen poetischen Diktion dürfte es der Sohn des Hüttenmeisters von Vandeuvre aber kaum vor etwa dem 25. Lebensjahre gebracht haben, so daſs die Zeit, an die sich die Erinnerungen, welche er uns vorführt, knüpfen, gewiſs in das erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zurückgehen.
Das Gedicht1)Das Original des Gedichtes des Nicolas Bourbon ist sehr selten. Eine französische Übersetzung desſelben von Anton Dufrénoy ist abgedruckt in den Annales des Mines, Ser. III, T. XII, p. 137. Dieser ist folgende Note beigefügt: „ Die entlegene Zeit, in welcher das Gedicht des Nicolas Bourbon verfaſst wurde, die Genauigkeit, mit welcher die verschiedenen Operationen, die sich auf die Eisen - arbeit beziehen, geschildert sind, haben die Kommissare der Annales des Mines veranlaſst, davon eine Übersetzung zu veröffentlichen. “ Eine teilweise Übersetzung hiervon hat Herr Professor Ledebur in dem Jahrbuch für das Berg - und Hütten - wesen im Königreich Sachsen für 1881, S. 99 mitgeteilt. „ von der Eisenschmiede “, verfaſst 1517 von Nico - laus Bourbon, lautet:
„ Es war eine Winternacht; schwere Dunkelheit deckte die Erde; die Luft war bewegt, mit Regen überladen; die Winde bliesen mit Heftigkeit; eine schwere Müdigkeit teilte sich den ermatteten Gliedern mit: da erschien mir plötzlich Vulkan im Traume; sein Gesicht war schwarz und schrecklich; wie wenn er eben das Feuer verlassen, rieselte der Schweiſs von seinem ganzen Leibe; sein Haupthaar war mit Eisenrost bedeckt und aus seinen wilden Augen zuckten Blitze. Bei ihm waren drei seiner Gesellen, Riesen unglaublicher Gestalt, völlig nackt, des einen Auges beraubt: Cyklopen, wie man sie einst - mals nannte. Sie umstanden Vulkan, während er, der Gott, ohne meinen Schlaf zu unterbrechen, mich mit strafenden Worten ansprach: „ Jüngling, Undankbarer, der du deines Vaters und deines Vaterlandes vergiſst, warum verlierst du deine Zeit in dieser schmachvollen Un - thätigkeit? Warum vergeudest du unnütz deine besten Tage? Du versündigst dich an dem Namen, an dem Ruhm, an dem Talent deines Vaters, an ihm, der in Frieden seine Eisenarbeiter leitete, in seiner verständigen Umsicht es verstand, ihren Eifer zu erwecken und jede Leistung nach ihrem Verdienst zu belohnen. Unglücklicher! Warum vernachlässigst du so den väterlichen Ackergrund? Weshalb dies un - dankbare Vergessen der Wälder, die du so oft in deiner Jugend ge - schaut, du und deine Kameraden in frohem Spiel mit jungen Mädchen unter ihrem Laubwerk. — Diese Quellen, diese Bäche, welche diese lieblichen Wiesengründe bewässern und deren Gewässer den Schmieden15Einleitung.deines Vaters von so groſsem Nutzen sind, — die hast du vergessen? Die zauberischen Plätze, deren Anblick selbst die Himmlischen entzückt, sind die deinem Gedächtnis entschwunden? Menschlichen Wünschen scheint es schöner wie das Thal Tempe; es ist weniger bewölkt als die elysischen Inseln, so lieblich ist die Temperatur, so reich und mannigfaltig sind die Erzeugnisse. Also verachtest du dein Vaterland, deine heimischen Penaten, unglückseliges Kind? Dieses Land, so würdig der Musen, soll es nie besungen werden? Soll es ewig in unwürdiger Dunkelheit begraben bleiben?
Höre denn, welchen Rat ich dir erteilen will: wenn du klug bist, grabe meine Worte in deines Herzensgrund: ich will, daſs du deine Verse dazu weihest, diese Schmiede zu besingen und daſs du auf diese Art allen Menschen, die es noch nicht wissen, die Kunst der Ge - winnung des Eisens lehrst, dieses Metalls, so verderblich und doch gleichzeitig so kostbar; des Eisens, das die Quelle so groſsen Segens und so groſsen Unheils ist, des Lebens und des Todes! Nur mit seiner Hilfe kann man ja den wilden, unkultivierten Boden bearbeiten, um ihn fruchtbar zu machen für reichliche Ernten für die Menschen: die Bäume, die Weinberge, von denen man die wilden Schöſslinge weg - schneidet, damit sie von neuem in frischem Grün erstehen und sich mit Frucht bedecken.
Mit dem Eisen baut man die Häuser, durchschneidet man die harten Felsen: es ist jedem menschlichen Bedürfnis von Nutzen. Aber anderseits dient es zum Männermord, zu unseligen Kriegen, zur Rache, und geschleudert von Kriegsmaschinen oder von Menschen - händen dient es, den schrecklichen Tod zu beschleunigen.
Wohl denn, wenn du in deinem Stolz uns Gehorsam weigerst, so weist du wohl, was du zu fürchten hast für die Heimstätte deines Vaters. Noch nicht lange ist es her, daſs du es nur zu sehr erfahren hast, wenn du dich erinnerst der schrecklichen Wirkung unseres Zornes: meine Glut hat deine Verse verzehrt, ich habe das gastfreundliche Haus deines Vaters zur Beute der Flamme werden lassen, ja Gras würde jetzt an der Stätte jener Schmiede wachsen, wenn nicht der gnädige Herrscher des Olympos Einhalt geboten hätte, gerührt durch die Thränen deiner kindlichen Liebe. “
Er sprach’s und gefolgt von seinen Cyklopen verschwand er in dem Schoſse der Dunkelheit.
Lange Zeit grübelte ich über diese Worte nach, erschüttert von einem Auftrage von so hoher Stelle und ich beschloſs, das auszuführen, was mir befohlen war. So beginne ich denn schon heute, denn ich16Einleitung.mag damit nicht zögern, nicht, weil ich, o Vulkan, deine Blitze, deine Donner, deine tobenden Stürme fürchtete, aber ich lächle bei dem Gedanken, meine müde Seele für einige Zeit wachzurufen, und ihrem dichterischen Verlangen einen freien Aufschwung zu gestatten. Wolle du gnädig unser Unternehmen begünstigen, du mächtiger Schieds - richter der Welt, du, der einzige geschmückten Hauptes, der mit einem Losungswort uns schützen kann, denn du bist der höchste Gott: ver - leihe deinem jungen Kinde die erforderliche Kraft und Weisheit. —
Auf dem Gebiete von Vandeuvre giebt es einen Platz, worauf eine Eisenhütte (ce que nous nommons une forge) sich befindet. Sie liegt am Ufer des Flusses Barse, mitten in Wiesen und in der Nähe eines hohen Turmes, den einst vandalische Krieger errichtet hatten, wie dies die Geschichte und aufgefundene Monumente uns lehren; daher trägt jenes Gebiet den Namen Vandeuvre, dessen Nachbar - gebiet Langres groſsen Ruhm erworben hat. Hier ist, wie ich sagte, der Platz, wo die Eisenhütte liegt; hier ist es, wo mein Vater Bour - bon (o möchten die gütigen Götter ihn mir erhalten) die Arbeit leitet. Zunächst wählt er sich Arbeiter aus, die es verstehen, Bäume zu fällen, lange Mühe zu ertragen und die Axt zu führen; diese führt er in den Wald. Die Steinesche, die sich leicht fällen läſst, die wilde Esche, sowie die andern Eschenarten, die Steineiche, die Fichte und die Buche, Baumarten, die schon den Alten zur Feuerung ge - dient haben, stürzen krachend unter den Streichen der Axthiebe. Der ganze Wald hallt davon wieder; Haufen von Holz erheben sich nach allen Seiten hin. Der erfahrene Holzhacker schont das Unter - holz, der unwissende hackt die Stechpalme mit, der Buchs lehnt sich auf: denn die Kohle, aus diesen Hölzern gebrannt, ist zu nichts nütze; und wenn man sie anzünden will, so prasselt sie auf, wie das Holz des Lorbeers, wirft eine leuchtende Flamme aus und erlöscht rasch; die Arbeit aber läſst nach und der Arbeiter schäumt vor Wut. Hat man nun gefunden, daſs die Menge des geschlagenen Holzes genügt, so beginnen die Waldbewohner, arme Leute, nur schlecht bekleidet, aber stets zufrieden mit ihrem Los und geübt, Beschwerden zu er - tragen, das Holz zu messen, und die Holzhacker zählen die gefällten Stämme; sie beeifern sich aber, zu prüfen und die genaue Zahl auf - zunehmen, damit sie sich nicht irren bezüglich der Kohle, die sie meinem Vater abliefern, und daſs anderseits mein Vater nicht mehr bezahle als sie verdienen.
Jetzt sucht ein jeder einen entblöſsten, völlig trockenen Platz, denn die Kohle brennt sich nicht gut auf feuchtem Boden und verzehrt17Einleitung.sich zu Asche. So sucht auch der geschickte Arbeiter die hoch - gelegensten Plätze aus, um das Holz auf völlig trockenem Boden auf - zurichten. Dann baut er einen Holzstoſs auf von ungeheurer Masse, breit und rund an der Basis, oben wie eine Pyramide abschlieſsend. Alsbald bedeckt er dessen Oberfläche mit Eichen - und Buchenblättern, dann mit schwarzer, schwerer Kohlenlösche, so ist das Holz, das davon bedeckt wird, nicht mehr der Luft ausgesetzt. Wenn der Augenblick gekommen ist, das Feuer anzulegen, bedient man sich einer engen Öffnung, die darunter durchläuft und mit Sorgfalt hergestellt ist, die einen Kanal inmitten des Meilers bildet und dazu dient, das Feuer anzulegen; alsdann, sobald dies geschehen, verschlieſst er diese Öffnung hermetisch mit Blättern und lettiger Erde; weder Wind noch Luft können eindringen. Das Feuer, indem es mit der Luft in Verbindung zu treten sucht, kriecht langsam, aber vergeblich in das Innere, wobei sich sein Fortschreiten durch lautes Geräusch bemerklich macht. Säulen von Dampf steigen in die Luft auf, so dicht und schwer und von so durchdringendem Geruch, wie die, welche der Tartarus aus - atmet, oder wie der Wirbelwind, den der Sage nach Cacus, der Sohn Vulkans, gegen Herkules ausspie in dem Moment, ehe er den Todes - streich für seinen tempelschänderischen Raub in der Höhle des Berges Aventin durch Herkules empfing. Es ist nötig, daſs der Arbeiter sieben Tage und Nächte wacht, damit die Kohlen richtig gebrannt werden, daſs er die Regen vorausbeachte und den Wind, der von Süden bläst (Föhn), was der Anblick des Himmels sei und daſs er die Sterne beobachtete. Er lasse sich nie täuschen durch den Fuhr - mann und sein träges Gespann, noch durch Orion, welcher die Regen voraussagt, er kenne vollständig die verschiedenen Phasen des Mondes. Während sich das Brennen der Kohle vollzieht, kann sich der Köhler von Zeit zu Zeit ausruhen am Fuſse des Meilers. Sobald der Hahn seinen Morgengesang ertönen läſst, kommt seine Frau, um ihn bei seiner Mühe zu unterstützen: sie bringt ihm Knoblauch, Salz, Zwiebel, Öl und einen Schlauch Landwein, sowie ein Stück fetten Speckes. Sie wacht einige Nächte, um dem ermüdeten Gatten Gesellschaft zu leisten, fürchtet nicht teilzunehmen an der Mühe der Nachtwache, sorgt für seine Ruhe, bereitet ihm sein Lager, reinigt seine Hütte (für deren Errichtung er zuvor sorgen muſs); unser Mann arbeitet ohne Ermüdung, genieſst seine Ruhe; sie immer vergnügt wie er. Nach Verlauf von sieben Tagen ist das Kohlenbrennen vollständig zu Ende geführt, und man sieht das Feuer aufhören. Dann deckt man den Meiler ab mit der Hilfe von Harken, das Holz erscheint,Beck, Geschichte des Eisens. 218Einleitung.und hat eine vollständige Umwandlung erfahren. So erscheinen die Holzblöcke, die noch kurze Zeit vorher weiſs von Farbe und feucht waren, jetzt schwarz und trocken; indeſs sind sie nicht vermindert durch die Einwirkung des Feuers, ändern nur die Farbe und be - kommen neue Eigenschaften. Jetzt muſs der Fuhrmann kommen (denn der Regen schadet der Kohle), der mit Pferd und Wagen bis nach der Behausung des Eisenschmelzers hinfährt. Hiervon jetzt genug.
Und nun wollen wir reden von den Arbeiten der Bergleute (terrassier) und meine Bemerkungen über sie, die mir nicht, trotz meiner Jugend, entgangen sind. So nennt man nämlich die Arbeiter, welche nach unendlicher Mühe und langer Zeit es dahin bringen, die Eisenerze an die Oberfläche zu bringen, die, ohne Unterlaſs grabend, in die Eingeweide der Erde dringen, um dort die Eisenadern zu finden, die in der Tiefe verborgen sind, und die das Metall empor - ziehen mit Hilfe eines Seiles und einer Maschine, die sich in sich selbst dreht. Ihr könnt nun wohl fragen, wie ich es wissen kann, durch den bloſsen Anblick des Platzes, ob er Erz enthält? Die Kinder, selbst die Bauern wissen es, denn die rote Farbe zeigt es an, und es giebt keinen so unfruchtbaren Boden, wo man nicht Eisen finden könnte. Aber merkt Euch, was in der Regel das Erz besserer Güte anzeigt, das ist, daſs es viel wiegt, dessen Farbe ins Gelbliche spielt, und daſs es im Bruche funkelt; dann kann man seiner Güte gewiſs sein, und wird sich, wenn man es schmilzt, in seiner Hoffnung nicht täuschen; dann dürfen wir auch eines groſsen Überflusses von Eisen versichert sein. Was aber das Erz betrifft, das von leichtem Ge - wicht ist und von blasser Farbe, solches wird vom Feuer verzehrt, wie Mist und läſst im Ofen nichts zurück, als eine Masse fremder Bestand - teile trotz der Hilfe von Blasebälgen, die dabei nichts nützen können.
Nun muſs man das ganze Erz der gewöhnten Operation, der Waschung, unterziehen; ist es zu dick und zu sehr gemischt, so legt man es erst auf Kohlen, um es zu brennen, nachdem es hiernach in kleine Stücke zerbrochen ist, wäscht man es in einem Wasserlauf, der zu diesem Zwecke hergerichtet ist, alsdann wird es zu dem Auf - gange am Fuſse des Ofens gefahren. An dem Ufer des Flusses Barse liegt der Hochofen, wie man ihn nennt, von quadratischer Form, massig aufgeführt, aus gewöhnlichen Steinen, inwendig aber aus sehr harten Sandsteinen gebaut, welche in bewundernswertem Grade der Zerstörung durch die Flamme und Hitze zu widerstehen vermögen. Zwei ungeheure Blasebälge aus Ochsenhaut speisen von der Rück -19Einleitung.seite aus den Ofen und gehorchen einem Rade, welches unaufhörlich vom Wasser gedreht wird. Sie bewegen sich und blasen einer nach dem andern, indem sie abwechselnd sich füllen und entleeren, und ihre Bewegungen folgen mit groſser Gleichmäſsigkeit aufeinander. Vor dem Ofen steht der Schmelzer (denn so ist der Name dieses Arbeiters), er läſst geschickt das Eisen, welches „ Guſseisen “genannt wird, aus dem Ofen flieſsen, verlangsamt oder beschleunigt die Be - wegung der Bälge, entfernt mit eisernen Haken die Schlacken und regelt die Glut des Feuers; er sondert das gereinigte Eisen von dem ungereinigten und wacht Tag und Nacht, abgehärtet durch die Arbeit und an alle Mühsale gewöhnt; wie man sagt, schläft er kaum eine halbe Stunde und seine Mühe hört in den zwei Monaten, die man das Eisen in dem Inneren des Ofens läſst, nicht auf. Auf ihm ruht es, die Blasebälge zum Auswechseln der ersten, wenn sie dienst - untauglich geworden sind, instand zu setzen, und die Hitze zu erneuern und das Feuer zu unterhalten. Da strömen feurige Eisenbäche aus dem Ofen; das geschmolzene Metall flieſst unter zischendem Geräusche, Flammenwirbel und Rauch ausstoſsend, welcher bis zu den Gestirnen sich zu erheben scheint. Also hauchte der Ätna Flammen und Rauch aus, als Encela vergeblich seinen gewaltigen Körper frei zu machen suchte, und mit Mühe nur noch Atem holen konnte bei seinen ver - geblichen Anstrengungen; ein Knall ähnlich dem Donner bricht los; Flammen schlagen sprühend hervor und die Gewässer des Meeres schäumen auf. Während der Arbeit unterstützt ein zweiter Arbeiter den Schmelzer und hat die Aufgabe, frische Kohlen und Erze in den Ofen, sobald ein leerer Raum dort entstanden ist, durch seine weite Gicht zu schütten; dieser Arbeiter verharrt stets oben auf dem Ofen, wie ein treuer Wächter, ähnlich in seiner Gestalt und seinem Äuſseren dem Fährmann der Unterwelt; er hat um sich Arbeiter, welche zuvor die Formen machen, von runder und hohler Gestalt aus Lehm, dann gieſsen sie das Eisen in diese Formen hinein und gieſsen selbst (unerhörtes Wunder) Bomben (so nennt man diese höllischen Werk - zeuge, dämonische Erfindungen, Zeugnisse der Wut und des Zornes der Götter, schreckliche Waffen, welche Vulkan zum ersten Male den Deutschen in die Hände gegeben hat), auſser diesen gieſsen sie Mörser, welche dazu dienen, die Mauern niederzuwerfen und Städte und Festungen bis auf ihre Fundamente zu vernichten. Ähnlich dem Blitz, der die Flamme und das Feuer trägt, schleudern diese furcht - baren Maschinen Bomben, deren Wirkung ähnlich der des Don - ners ist.
2*20Einleitung.Das Eisen, welches aus dem Ofen kommt, nennt man noch nicht reines Eisen. Bald wird es durch einen andern Arbeiter der aber - maligen Einwirkung des Feuers unterworfen und in einem Ofen ein zweites Mal gereinigt, und er macht es genugsam weich, damit es die Gestalt von Kugeln (Luppen) annimmt. Alsdann erscheinen ge - schickte Arbeiter, es zu glätten und auszustrecken. Sie haben einen ungeheuren Eisenhammer, durch die Gewalt des Wassers getrieben. Sie erhitzen das Eisen noch einmal, indem sie es mit starken Zangen ergreifen und in die Mitte des Feuers halten, um es, wenn es auf Weiſsglut erhitzt ist, in die Gefäſse, zu diesem Zwecke vorgerichtet, zu tauchen. Darin ahmen sie den Chalybern nach, bei welchen der Fluſs Bibueras flieſst, dessen Wasser die Natur des Eisens weich macht, geschmeidiger und geeigneter zur Herstellung von Waffen. Hat das Feuer durchgewirkt, bearbeitet man es mit kräftigen Hammer - schlägen. Die ganze Umgegend, Luft, Berge und Wälder hallen davon wieder bis in ihre innersten Tiefen. Dann kann man die Eisenstücke in überraschender Weise sich ausdehnen und die Form langer, dünner Schnüre annehmen sehen; man könnte es für Wachs halten. Wenn das Eisen gut geschmiedet und ausgeschlagen ist, war es die Pflicht meines Vaters, es zum Wochenschlusse sorgfältig zu wiegen. Alsdann sieht man rasch den Köhler, den Platzarbeiter, den Schmelzer, die Schmiede heraneilen; sie versammeln sich freudig zur Empfangnahme des festgesetzten Lohnes und freudig verlassen sie meinen Vater. Mein Vater, um nicht Gefahr zu laufen, irgend einem den rechtmäſsigen Lohn zu schmälern, führt ein Buch über den Ver - dienst jeglichen Arbeiters; er will weder jemand betrügen, noch von ihm betrogen sein. Solcherart weis er genau, was einem jeglichen zukommt. Die Arbeiter, wenn sie das Geld in der Tasche haben, kommen nun zusammen, um die Mühsale, die sie erlitten, in der Freude eines Mahles zu vergessen. Wein und Fröhlichkeit beleben sie. Dieser trinkt seinem Nachbar zu, welcher gierig an einem Knochen nagt; jener ist zur Erde gesunken, vom Schlafe übermannt, und ermüdet von dem schlechten Wein, den er getrunken. Das Haus erschallt von ihrem Geschrei; eine unerhörte Verwirrung greift Platz; sie schwatzen die verschiedenartigsten Dinge durcheinander. Man möchte glauben, La - pithen vor sich zu sehen, wenn man sieht, wie die Becher durchs Zimmer fliegen, Schlägereien entstehen, wobei Tische umgeworfen werden und oft Blut flieſst. Solchen Aufregungen pflegt sich die länd - liche Bevölkerung zu überlassen, wenn der Wein sie irre führt. Die Folge dieser Ausschweifung aber ist, daſs ein einziger Tag die Früchte21Einleitung.der Mühen verzehrt, welche sie Tag und Nacht zu ertragen hatten, und sie aufs neue in lange Dürftigkeit versetzt. Aber warum sich erstaunen? Thun sie doch nichts, als den Gewohnheiten und Sitten der Groſsen nachzuahmen; denn wenn die Hirten schlafen, verirrt sich die Herde; aber täuschen wir uns nicht, ich will ja nicht sagen, daſs ihre Habgier schläft; denn nichts läſst sich vergleichen, ihren Fleiſs und ihren Eifer, ihre Einkünfte zu vermehren, die Ungerechtig - keiten zu verteidigen, welche keinen andern Zweck haben, als das arme Volk in ihr Garn fallen zu lassen und sie zum Opfer ihrer ver - brecherischen Ränke zu machen. Doch welche Unklugheit! Warum, armer Bourbon, sprichst du dich aus über diese kühne Freibeuterei? Warum, Unsinniger, suchst du dir nicht die Gunst der Groſsen zu fangen? ......
Was mich anlangt, so habe ich bis dahin meinen Gegenstand ausgemalt, ich bin aus Klugheit bei dem Kapitel des Eisens über manche Dinge hinweggegangen, welche wohl unser Interesse verdien - ten; ich habe zahlreiche Einzelheiten weggelassen, die mir einen älteren Dichter als mich und ein umfangreicheres Werk fordern würden. Was die Dinge anlangt, die ich bekannt gegeben habe, so habe ich sie nur leichthin behandelt für den einzigen Zweck, die Jugend zu unterrichten; deshalb, ihr jungen Leute, nehmt dieses kleine Gedicht mit Wohlwollen an, das Gedicht eines Kindes, dieses soll die Einleitung unserer Lieder sein.
Wenden wir uns zu dem Leben und Wirken des Mannes, den man mit Recht den Vater der Mineralogie und mit noch höherem Recht den Vater der Metallurgie nennt, der zuerst die reichen Schätze empirischer Kenntnisse auf diesen beiden Gebieten der Naturwissen - schaft mit philosophischem Geist durchdrungen und in lichtvoller Ordnung behandelt hat.
Georg Bauer, der als Schriftsteller nach der Sitte der Zeit seinen Namen latinisierte und sich Georgius Agricola1)Siehe Friedr. Aug. Schmid, Einige Nachrichten über G. Agricolas Leben und Schriften in G. Agricola, Bermannus, Freiberg 1806 und Dr. F. L. Becher, Die Mineralogen Georg Agricola zu Chemnitz und G. A. Werner zu Freiberg. Freiberg 1819. — Vergl. auch Dr. G. H. Jacobi, Der Mineraloge Georgius Agricola und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit, 1889 und Berg - und Hüttenmännische Zeitung, Juli 1889, S. 37 und Theodor Beck, Civil - inge ieur, Bd. XXXIV, Heft 8. nannte, wurde am 24. März 1494 zu Glauchau in der Grafschaft Schönburg geboren. Er erwarb sich eine gründliche humanistische Vorbildung, doch trat schon früh eine entschiedene Neigung für die Naturwissen - schaften bei ihm zu Tage. Nachdem er sich für das Lehrfach ent - schlossen hatte, wurde er bereits 1518 Rector extraordinarius für die griechische Sprache bei der „ groſsen Schule “in Zwickau.
Eine grammatische Abhandlung, die er 1520 schrieb, erregte Auf - sehen und brachte ihn mit namhaften Gelehrten in Verbindung, namentlich mit Petrus Mosellanus, der damals als Professor in Leipzig wirkte2)Siehe den Brief des Petr. Mosellanus an Agricola, der in Schmids Bermannus, S. 2 abgedruckt ist.. Dieser bestärkte Agricola in seinem Streben, sich noch weiter auszubilden. Zu diesem Zweck gab derselbe 1522 seine Stelle in Zwickau auf und bezog die Universität Leipzig als Lektor23Georg Agricola.bei Petrus Mosellanus. Dieser Aufenthalt war entscheidend für seine künftige Richtung. Durch seinen eigenen Genius, wie durch den Geist der Zeit zum Studium der Natur hingezogen, widmete er sich der Medizin und der Chemie. Sein Trieb zu noch gründlicherer Ausbildung, sowie des Mosellanus Tod veranlaſsten ihn, nach zwei - jährigem Aufenthalt im Jahre 1524 Leipzig zu verlassen und in das gelobte Land der Wissenschaften — insonderheit der Naturwissen - schaft — nach Italien zu ziehen.
Daselbst verbrachte er über zwei Jahre auf den berühmten Uni - versitäten von Bologna und Padua im eifrigen Studium besonders der Medizin und Philosophie. Agricola erwarb sich dort den medizi - nischen Doktorhut, sowie viele hochgebildete Freunde. Auf seiner Rückreise von Italien kam er, angezogen von den reichen Mineral - schätzen des Erzgebirges, nach der rasch erblühten Bergstadt Joachims - thal in Böhmen, und lieſs sich auf den Rat von Freunden daselbst als Arzt um so lieber nieder, als er hier die beste Gelegenheit fand, seinem Lieblingsstudium, der Mineralogie, nachzugehen. Sein Inter - esse für die Mineralogie stand in unmittelbarer Verbindung mit seinem medizinischen Beruf. Er war überzeugt, daſs ein gründliches Studium der Mineralien das beste Mittel sei, den Arzneischatz zu vermehren und zu verbessern. Er schreibt selbst: „ Diese Lücke in der Heil - kunde “— nämlich, daſs man die Heilmittel nicht sorgfältiger studiere, was nur da richtig geschehen könne, wo sie in der Natur vorkämen — „ war vorzüglich der Grund, der mich bewog, einen Bergort zu meinem Aufenthalt zu wählen. “
Aber der mächtige Eindruck, den das praktische Leben in dem rührigen, silberreichen Joachimsthal auf ihn machte, weckte bei dem strebsamen Gelehrten ein ganz neues Interesse. Er sah, welche mannigfachen Kenntnisse und welche Erfahrung zur Anlage und zum Betriebe der Bergwerke, zum Ausschmelzen und zur Scheidung der Metalle nötig sind, und er erfaſste diese Seite der praktischen Natur - wissenschaft mit dem ganzen Feuer seines strebsamen Geistes. Sieben Jahre blieb er in Joachimsthal, neben medizinischen und klassischen Studien hauptsächlich mit Mineralogie beschäftigt in fast täglichem Umgange mit bergwerkskundigen, praktischen Männern, wie dem Hütten - schreiber Lorenz Bermann und dem reichen Gewerken Bartho - lomäus Bach. Dieser Anregung entsprang die 1528 veröffentlichte originelle Schrift „ Bermannus sive de re metallica “, eine in klassi - scher, dialogisierender Form gehaltene lateinische Schrift über Berg - bau und Hüttenkunde. Dieses Büchlein erlebte zahlreiche Auflagen24Georg Agricola.und Übersetzungen, darunter die bereits genannte von Schmid (Freiberg 1806).
Bermannus erweckt in vieler Hinsicht unser Interesse. Fesselt zunächst die Form, das lebendige Gespräch, so erfreut bald noch mehr der reiche Inhalt und die glückliche Verbindung der klassischen Überlieferung mit der praktischen Gegenwart. Diese ist in genialer Weise durch die dramatische Form erreicht. Bermannus, der Joachimsthaler Freund des Agricola, der erfahrene Praktiker, erörtert die wichtigsten auf Bergbau und Hüttenkunde bezüglichen Fragen, mit zwei in den Schriften der Alten wohlerfahrenen Medizinern Jo - hannes Nävius und Nikolaus Ancon, und obwohl der eine seinen empirischen Standpunkt, die andern beiden die gelehrte Theorie kon - sequent festhalten, finden sie sich doch am Ende immer zusammen, indem die Kenntnisse des einen die der andern ergänzen, bestätigen und erweitern. So soll die kleine Schrift zugleich ein Beweis dafür sein, wie wichtig das Zusammenwirken von Praxis und Theorie ist. Zu - gleich ist sie eine liebenswürdige Huldigung, die Agricola, seinem Freunde Bermann, dem er seine Worte in den Mund gelegt und dessen Namen er dadurch unsterblich gemacht hat, darbringt1)Nach den Ansichten einiger Biographen des Agricola wären Nävius und Ancon Lehrer oder Freunde des Agricola in Italien gewesen. Dr. Laube ist aber in seiner Vergangenheit Joachimsthals, Prag 1873, der Ansicht, daſs es zwei Ärzte in Joachimsthal, von denen der eine sein Nachfolger gewesen ist, waren.. In diesem Büchlein finden wir die Hauptgesichtspunkte aller späteren um - fassenden Werke Agricolas in leichter Weise skizziert. Das gefällige Schriftchen, welches in klassischer Form doch so ganz aus dem praktischen Leben gegriffen war, erregte allgemeines Interesse und den lebhaften Beifall der gelehrtesten Männer jener Zeit, wie dies aus den beiden anerkennenden Briefen des Erasmus von Rotterdam2)Erasmus schreibt in einem Briefe an den Herrn von Könneritz: „ Ich kann kaum sagen, ob ich mich an dem Buch mehr erfreut oder belehrt habe. Auſserordentlich gefiel mir die Originalität der Durchführung, es erfreuen die ein - gestreuten Scherze und sehr angenehm berührt die Einfachheit des Styls, der fast attisch ist: vor Allem aber die Energie, mit der dem Leser die Gegenstände vor Augen geführt werden. Es schien mir nicht, als läse ich von Thälern, Hügeln, Bergwerken und Maschinen, sondern als sähe ich sie, und es fehlte nicht viel, so überkam mich bei der Beschreibung so vieler Silber - und Goldgruben eine Be - gierde nach diesen Dingen. “und des Petrus Plateanus, welche den zahlreichen späteren Auflagen vor - gedruckt sind, beweisen. Auch für die weitere Entwickelung und die äuſseren Lebensschicksale des Agricola war der Erfolg dieses Buches von maſsgebendem Einfluſs.
25Georg Agricola.Agricola war aber nicht nur Gelehrter, sondern auch ein Mann, der an dem öffentlichen Leben lebhaften Anteil nahm und die Fragen seiner Zeit mit Wärme ergriff. 1529 war Sultan Soliman vor Wien erschienen. 1530 erschien eine geharnischte Schrift Agricolas: Oratio de bello Turcicis inferendo, eine Art Kreuzzugspredigt gegen den Türken, die groſsen Anklang fand und die eigentlich der Aus - gangspunkt des für Agricolas Leben so wichtigen Verhältnisses zu dem späteren Kurfürsten Moritz von Sachsen wurde. Auch der Re - formation Luthers hatte er sich anfangs mit Begeisterung zugewandt. Es geschah dies in der Zeit, als er noch Lehrer in Zwickau war. Besonders war ihm, wie allen wohldenkenden Deutschen, der Ablaſs - kram des römischen Papstes in der Seele verhaſst und er trat ihm mit beiſsenden Epigrammen entgegen1)Siehe Albin, Meiſsn. Chronik, S. 355: Si nos injecto salvabit cistula nummo Heu! nimium infelix tu mihi pauper eris! Si nos, Christe, tua servatos morte beasti Jam nihil infelix tu mihi, pauper eris.. Aber dabei blieb er nicht stehen. Wie es sein innerstes Wesen verlangte, allem auf den Grund zu gehen, vertiefte er sich sogar in theologische Studien und schrieb ein Büchlein „ von den Überlieferungen der Apostel “, „ de traditionibus apostolicis “. Und doch sollte die feindliche Stellung zur Reforma - tion dem nach Wahrheit Strebenden am Abend des Lebens verhäng - nisvoll werden.
Der Beifall, den seine Schriften, insbesondere sein Bermannus fanden, lenkten die Blicke seiner Landsleute auf ihn und so entschloss er sich im Jahre 1531, einem Ruf der Bergstadt Chemnitz zu der Stelle eines Stadtphysikus Folge zu leisten. Wahrscheinlich geschah diese Berufung auf Veranlassung des Herzogs von Sachsen selbst, der ihm nicht lange danach auch die Stelle des ersten Historiographen des sächsischen Fürstenhauses (der albertinischen Linie) übertrug. Als solcher verfaſste er das genealogische Werk: „ Dominatores Saxoniae “.
Die Trennung von dem freundlichen Joachimsthal wurde ihm schwer. Aber jetzt erst fand er die Muſse, den Schatz der Erkennt - nis, den er dort mit rastlosem Fleiſse gesammelt hatte, der Welt in herrlichen Schriftwerken zu offenbaren. Schon 1533 erschien die mehr einleitende Schrift De mensuris et ponderibus, Libri V. Die Reihe berühmter Werke, die ihn unsterblich gemacht haben, begann er aber erst zehn Jahre später zu veröffentlichen, so durchdacht und ausgearbeitet, daſs sie in ihrer klassischen Vollendung heute noch unsere Bewunderung erregen. Im Jahre 1544 erschienen die Schriften, die als die Fundamentalwerke der Geologie anzusehen sind:
26Georg Agricola.Hieran reiht sich noch 1548 die sonderbare Schrift: De animanti - bus subterraneis (Von den lebenden Wesen im Inneren der Erde), in welcher die Existenz der Berggeister verfochten wird.
Noch gereifter und bedeutungsvoller waren die hierauf folgenden mineralogischen Werke des Agricola, von denen die Schrift De vete - ribus et novis metallis1)Mit der hochinteressanten Widmung an Georg Commerstadt, in welcher der Autor seinen Lebenslauf und seine wissenschaftlichen Grundsätze in geistvoller Weise und in klassischer Form schildert. mehr eine historische Einleitung ist, in welcher die Geschichte der Kenntnis der Metalle behandelt wird, während das groſse Werk De natura fossilium, Libri X2)Hiervon giebt es eine deutsche Übersetzung von Ernst Lehmann, welche 1812 bei Cratz und Gerlach in Freiberg erschienen ist., die zehn Bücher von den Mineralien, die Grundlage der wissenschaftlichen Mineralogie, insbesondere der Oryklognosie geworden ist. Dieses wichtige Werk erschien im Februar 1546 ebenfalls mit einer Widmung an Herzog Moritz von Sachsen.
Daneben arbeitete der fleiſsige Mann ununterbrochen an dem Werke, das am meisten seinen Ruhm begründet hat und das auch für uns das wichtigste ist, an den zehn Büchern De re metallica (über das Hüttenwesen). Es war dies sein Lieblingswerk, an dem er bis zu seinem Tode hämmerte und feilte, dessen Veröffentlichung er aber nicht mehr erlebte. Es war sein Schwanengesang. Obgleich in der Hauptsache schon im Jahre 1550 vollendet, gelangte es erst 1556 nach Agricolas Ableben zum Druck und zwar in Basel, wurde aber in diesem ersten Jahre bereits dreimal aufgelegt. Bis zum Jahre 1614 sind sieben Auflagen davon erschienen, sowie zwei deutsche Übersetzungen, die eine von Philipp Bechius 1580 bei Sigmundt Feyrabend in Frankfurt a. M., die andere 1621 in Basel.
Die äuſseren Lebensschicksale des groſsen Mannes hatten sich leider nicht so gestaltet, wie er es verdient hätte. Selbstlos wie er27Georg Agricola.war, opferte er sich für die Allgemeinheit und muſste in den letzten Jahren seines Lebens die Bitterkeit der Armut kennen lernen.
In noch schmerzlichere Bedrängnis brachte ihn sein Verhältnis zur Reformation. Er hatte der Sturmtrompete von Wittenberg mit derselben Begeisterung gelauscht, wie alle aufgeweckten Geister seiner Zeit. Auch ihm waren Luthers Hammerschläge an der Kirchenthüre zu Wittenberg sympathische Klänge gewesen. Aber die Konsequenzen dieser tief eingreifenden Revolution waren dem gewissenhaften, auf ernstes Studium gerichteten und entschieden konservativen Gelehrten nicht erfreulich. Die Bauernkriege, die er auf die Reformation zu - rückführte, miſsbilligte er; noch weniger aber konnte der reichstreue Mann sich mit der Auflehnung der protestantischen Fürsten gegen den Kaiser befreunden. Der Schmalkaldische Bund war ihm ein Un - recht. Zu diesen sich mehr und mehr verschärfenden Anschauungen wirkten verschiedene Verhältnisse bestimmend mit. Sein Aufenthalt in Italien und das intime Verhältnis zu seinen katholischen Lehrern mögen schon dazu beigetragen haben, noch mehr sein Verhältnis zu Erasmus von Rotterdam, dem er in freundschaftlicher Verehrung ergeben war, am meisten aber in älteren Jahren seine innigen Bezie - hungen zu Kurfürst Moritz von Sachsen, diesem hochbegabten, ehr - geizigen Fürsten, dessen rege Natur, wissenschaftliches Streben und hochfliegende Pläne Agricola mächtig anzogen. Es bestand zwischen dem jugendlichen Fürsten und dem gereiften Gelehrten ein geradezu freundschaftliches Verhältnis und Agricola hatte seinem Fürsten für viele Wohlthaten zu danken. Kurfürst Moritz gewährte ihm schon bald nach seiner Thronbesteigung, besonders auf die Empfehlung seines vertrauten Rates Dr. Kammerstädt freie Wohnung, einen Jahresgehalt und Steuerfreiheit zur unbehinderten Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Studien. Im Jahre 1546 war Agricola durch die Wahl seiner Mitbürger in Chemnitz nicht nur in den Stadtrat ge - wählt, sondern auch — eine Ausnahme der Regel — sofort zum Bürgermeister ernannt worden. Dieses Ehrenamt wurde ihm dreimal von neuem übertragen, ein Beweis, wie sehr ihn trotz abweichender Religionsansichten seine Mitbürger achteten. Aber in der Konflikts - zeit wurde er der streng protestantisch gesinnten Bürgerschaft ver - dächtig und infolgedessen nach vielen Verdrieſslichkeiten trotz sechsjähriger tadelloser Amtsführung im Jahre 1552 seines Amtes entsetzt. Die hauptsächliche Veranlassung hierzu war sein persön - liches Verhältnis zu Kurfürst Moritz und seine laute Verurteilung der schmalkaldischen Wirren. Agricola stand fest und unerschüt -28Georg Agricola.terlich auf der Seite des Kaisers und zwar mit solcher Begeisterung, daſs er als betagter Mann noch zu den Waffen griff und sich dem Heere Karls V. gegen die aufrührerischen Böhmen anschloſs, „ zur Bewährung seiner volkstümlichen Treue mit Hinterlassung seiner Kinder und schwangeren Gattin, ja mit Aufopferung seiner Habe “, wie er selbst schreibt. Die Chemnitzer dagegen hielten es mit dem Schmalkaldischen Bunde und mit dem Kurfürsten Johann Friederich. Diesem war es 1547 kurz vor der Schlacht von Mühlhausen gelungen, die Stadt Chemnitz in seine Hände zu bekommen. Als dann Herzog Moritz nach der Schlacht vor den Thoren erschien, verlieſs Agricola die Stadt und zog mit diesem, ein Schritt, den man ihm nachmals in gehässiger Weise als Feigheit oder gar als Verrat an der Stadt aus - gelegt hat. In Wahrheit war Agricola nicht nur ein guter Deut - scher, sondern auch ein guter Sachse, was er dadurch bewies, daſs er, als ihn im Jahre 1534 Herzog Heinrich der Jüngere von Braun - schweig unter fürstlichen Versprechungen zur Mithilfe der Wieder - aufnahme des Berg - und Hüttenwesens im Harze einlud, er diesen Ruf dankend ablehnte.
Seine Opposition gegen die reformatorischen Bestrebungen, wo - durch er sich so vielen Verdruſs schuf, verdient achtungsvolle Beur - teilung, denn sie entsprang bei ihm nur aus edler Vaterlandsliebe. So warm er sich anfangs der Bewegung zur Abstellung der Miſsbräuche in den katholischen Kirchen angeschlossen hatte, so sehr beklagte er nachmals die politische Uneinigkeit, die infolge derselben in Deutsch - land eingerissen war. Er hoffte auf Herzog Moritz als Wiederhersteller der deutschen Einheit. In diesem Sinne schrieb er in der Zueignung seines Werkes De natura eorum quae effluunt ex terra bereits 1545 an den Fürsten: „ Mögest du und dein Bruder, die Ihr von Gottes - furcht erwärmt seid, beten, daſs er unser durch Religionsirrungen gespaltenes Deutschland wieder zu seiner früheren Eintracht zurück - führe. “
Der sektiererische Geist, der in Deutschland immer mehr um sich griff, war ihm ein Greuel. Er konnte nicht einsehen, wie es ver - schiedene Arten des Christentums geben könne. Ihm war die christ - liche Religion etwas viel Höheres als das Bekenntnis, und so blieb es ihm unverständlich, warum sich diese nicht in der alten Form be - kennen lassen solle. Die leidenschaftliche Wut gegen die ihm ehr - würdigen Formen der früheren Gottesverehrung, die Spaltungen und die Zwietracht, welche die Reformation bewirkt hatten, erschienen ihm als ein Unglück, als ein Attentat gegen die Kultur. Kurz, er29Georg Agricola.sah diese weltbewegende Zeitfrage von dem Standpunkte des Patrioten und des von humanistischem Geiste erfüllten Katholiken an.
Schon als Herzog Heinrich der Fromme, des nachmaligen Kur - fürsten Moritz Vater, an die Regierung gekommen war, und die Lutheraner bevorzugte, wurde Agricola wegen seines Festhaltens am Katholizismus eine förmliche Verwarnung erteilt. Hierzu bemerkt ein zeitgenössischer Biograph Melchior Adam: „ Viele unbedacht - same Schritte mancher lutherischen Gelehrten und Schriftsteller, ein ärgerliches Leben vieler neuen Anhänger der gereinigten Lehre, die fanatischen Greuel des Bauernkrieges und der Bilderstürmer, die durch die Kirchenverbesserung erfolgte schnelle Abstellung alles Gepränges bei kirchlichen Gebräuchen hätten ihn nie zur evangelischen Bekehrung vermögen können. “ Es war ein achtungswerter Mut, daſs er in dieser Zeit, trotz aller äuſseren Verlockungen seinem strengen Gewissen folgend, dem Katholizismus auch im äuſserlichen Bekennt - nis treu blieb. Wohl aber verbitterten die Kränkung seiner Absetzung als Bürgermeister wegen seiner religiösen Anschauung, und der Hohn und Spott, den er ertragen muſste, die letzten Jahre seines Lebens und beschleunigten seinen Tod. Der als Gelehrter so milde Mann konnte sich im Kreise von Freunden und Mitbürgern nicht immer die Mäſsi - gung abgewinnen, frivolen Spott schweigend zu ertragen und es gab eine feige Clique in Chemnitz, die sich förmlich ein Geschäft daraus machte, den alten Herrn zu reizen. Es lag dann in seinem Wesen aufzubrausen und heftig seine Meinung zu verfechten. Diese unbe - schränkten, lauten Bekenntnisse bei einem Disput dieser Art sollen auch seinen frühen plötzlichen Tod herbeigeführt haben, und schmach - voll war die Behandlung, welche der edle Mann noch nach dem Tode von seinen Mitbürgern zu erdulden hatte. Am 21. November 1555 geschah es, daſs Agricola ganz unerwartet während eines heftigen mündlichen Zwistes in einer Gesellschaft mit Neuprotestanten von einem Schlagfluſs getroffen dahinstarb. Diese beklagenswerte Veran - lassung seines Todes erweckte erst recht den Haſs und den Ingrimm der neugeordneten evangelischen Behörden von Chemnitz, und da sie den Lebenden nicht anzufassen gewagt hatten, rächten sie sich an dem Toten, indem sie ihm ein ehrliches Begräbnis verweigerten. Ihm als früherem Bürgermeister und kurfürstlichem Historiographen und Pensionär mit freier Wohnung hätte nach altem Herkommen eine Grabstätte in der Hauptkirche gebührt, statt dessen entschied der Pastor Herr Johann Tettelbach, daſs ihm eine jede Beerdigung auf städtischem Gebiete zu versagen sei. So lag denn der Leichnam30Georg Agricola.Agricolas fast fünf Tage unbeerdigt, wie der eines Verfluchten, bis sich die wenigen Freunde des Verewigten an den damaligen Bischof Julius von Pflug in Zeitz, sieben Meilen von Chemnitz, wendeten. Dieser gewährte der Hülle des groſsen Mannes eine anständige Ruhe - stätte in der dortigen Stiftskirche mit friedlicher Abholung und allem Gepränge, wie es der katholische Ritus vorschreibt. Dies erfolgte aber erst am sechsten Tage nach seinem Hinscheiden, Mittwoch nach Katharina im Jahre 1555. Auf seinem Grabe wurde ein schöner Denkstein mit Inschrift errichtet. Sie lautet:
„ D. O. M. Giorgio Agricolae, Medicinae Doctori et Cons. Chem - nicensi, viro pietate atque doctrina insigni, deque Republica sua optime merito, cujus nomen scripta, quae reliquit, praeclara, immor - talitati consecrarunt. Spiritum autem Christus in sua illa aeterna tabernacula transtulit.
Uxor et Liberi lugentes F. C.
Mortuus est aetatis suae 62. 10 calend. Nov. Anno post Chri - stum natum 1555. “
Es ist ein melancholisches Schicksal, daſs oft die besten Männer von den Nächststehenden ihrer Zeit nicht verstanden werden, denn während der Leichnam des Georg Agricola solche Schmach seitens seiner Mitbürger erfuhr, war sein Ruhm als Gelehrter schon über das ganze gebildete Europa verbreitet. Und wie begründet dieser Ruhm war, dafür spricht der Umstand, daſs er bis zu unserer Zeit nicht abgenommen hat. Er war einer der gröſsten Naturphilosophen, die je gelebt haben. Unübertroffen ist er in seinen Schriften durch die wunderbare Durchdringung von Praxis und Theorie. Die Empirie, die damals allein die Technik und selbst die Naturwissenschaft be - herrschte, genügte ihm nicht, er strebte nach systematischer Behand - lung, besonders der Mineralogie und Metallurgie. Dabei sind seine Schriften klassisch in Ausdruck und Form, lebendig und kernig, anmutig und kräftig, scharfsinnig und originell. Gesner, mit dem er in wissenschaftlichem Verkehre stand, nennt Agricola den deut - schen Plinius. Melanchthon schreibt von ihm: Argenti venas olim celebravit Albertus Magnus Sed hunc longe vicit Georgius Agricola Medicus. In einem der Lobgedichte, die sein Freund und Landsmann Georg Fabricius nach seinem Tode auf ihn verfaſste, heiſst es:
31Georg Agricola.Ein anderer hervorragender Zeitgenosse, Joh. Bodinus schreibt über ihn1)J. Bodinus, meth. hist., p. 161.: Metallicam disciplinam ita tractavit Georg. Agricola, homo Germanus, ut Aristoteles ac Plinius in eo genere nihil intellexisse videantur.
Und ähnlich schreibt Thuanus, der ihn unter den groſsen, klassischen Schriftstellern aufführt:
Er hat in diesem Jahrhundert über Bergwerkswesen, Fossilien und unterirdische Geschöpfe mit solcher Sorgfalt geschrieben, daſs er in dieser Gattung die Alten übertraf.
Dabei durchweht seine Schriften bei aller Lebhaftigkeit des Aus - druckes ein Geist ruhiger Objektivität, wie er nur umfassendem Wissen, verbunden mit dem reinen Streben nach Wahrheit, eigen ist und sein Urteil der Geist der Gerechtigkeit und Mäſsigung. Er sagt selbst an einer Stelle: „ Wenn ich die Ergebnisse meiner Forschung schriftlich mitteile, bin ich wohl zuweilen genötigt, mit einigem Nach - druck die Schriften anderer zu bekämpfen und zu widerlegen, aber wahrlich nicht aus unredlicher Absicht, achtungswerte Männer herab - zusetzen, Männer, welche der Erforschung der Natur so viele Zeit und Mühe geopfert haben, sondern im Feuereifer, die schwarzen Nebel zu zerstreuen, welche unsere Kenntnisse von der unterirdischen Natur umhüllen und ein neues Licht darüber anzuzünden. Erreiche ich diesen Zweck nicht ganz, stifte ich durch meine Arbeit nicht den ge - hofften Nutzen, so ist es dem heiligen Dunkel zuzuschreiben, hinter welchem die Natur vorzüglich die Gegenstände im Inneren des Erd - körpers verbirgt. “
Daſs ein Arzt der erste Lehrer der Bergbau - und Hüttenkunde wurde, kann uns nicht wunder nehmen. Die einzelnen Disziplinen der Naturwissenschaft waren zu jener Zeit noch nicht getrennt, das Studium der Medizin umfaſste sie alle. Agricolas Genie lenkte sich aber mit Vorliebe der praktischen Naturforschung zu und er ver - teidigt die Würde derselben mit Nachdruck. „ Multi habent hanc opinionem, rem metallicam fortuitum quiddam esse et sordidum opus, atque omnino ejusmodi negotium, quod non tam artis indigeat, quam32Georg Agricola.laboris. “ Und an einer andern Stelle: „ Metallicus sic oportet mul - tarum artium et disciplinarum non ignarus. “
Dies schrieb er hauptsächlich gegenüber dem hochmütigen Dünkel derjenigen, die ihre schwindelhafte Mystik für etwas Höheres hielten, als die praktische Naturwissenschaft, und deren unwahrhaftige Hohl - heit Agricola mit scharfen Worten geiſselte. Er stand klar und fest auf dem Boden der Beobachtung; die Spekulation ohne diese Grundlage verwarf er, nur was er selbst gesehen und erkannt hat, will er beschreiben: „ Sic sane a me id praetermissum, quod nec ipse vidi, neque legi, nec ex hominibus fide dignio cognovi; id profecto, quod non vel vidi, vel lectum aut auditum suspendi, non est scriptum. “
Von diesem Geist des wahren Naturforschers erfüllt, schrieb er seine Werke1)Auſser den bereits angeführten noch eine medizinische Schrift „ De peste “. Basel 1552., schrieb er besonders seine zwölf Bücher De re metal - lica. Dieses Werk ist für uns das wichtigste. Wir haben bereits er - wähnt, daſs es erst nach seinem Tode im Jahre 1556 im Druck erschien, obgleich die Widmung desselben an Kurfürst Moritz und Herzog August von Sachsen schon von 1550 datiert ist. Jedenfalls feilte der ge - wissenhafte Mann noch immer an diesem seinem Lieblingswerk, denn das Horazische decem prematur in annis war auch sein Grundsatz. Ja, so vollendet das Werk vor uns liegt, so scheinen doch noch Ab - schnitte darin zu fehlen, wie dies aus einer Stelle hervorgeht, in der er sagt, die Beschreibung der Formerkunst werde er in seinem Werke „ De re metallica “geben; — diese ist er aber schuldig geblieben.
In der Widmung führt er zunächst die Bedeutung des Bergbaus besonders mit Hinweis auf die Landwirtschaft aus. Freilich, fährt er fort, sei es weit schwerer für ihn, über den Bergbau zu handeln als dem Columella — dessen Werk De re rustica, Libri XII ihm als Vorbild gedient zu haben scheint und dem er Titel und Einteilung nachbildete — über die Landwirtschaft. Denn Columella habe noch mehr als 50 griechische Schriften und 10 lateinische Werke als Quellen benutzen können, während ihm von klassischen Schriften nur die Bücher des Plinius zum Studium hätten dienen können.
„ In unserer Sprache sind aber nur zwei Schriften verfaſst, die eine „ „ über die Aufsuchung der Metalle und metallischen Stoffe ““, sehr verworren und von unbekanntem Autor, die andere handelt über die Erzgänge, über welche auch der Engländer Pandulphus gehandelt33Georg Agricola.haben soll. Diese deutsche Schrift verfaſste Kalb aus Freiberg, ein nicht ununterrichteter Arzt. “ Doch spricht Agricola auch von dieser Schrift geringschätzig. Beide sind wohl gänzlich verloren gegangen. Dagegen rühmt er das Werk des Italieners Vanuccio Biringuccio, das ihm genau bekannt war und das er, wie er bemerkt, zum Teil benutzt habe. Er erwähnt noch, daſs er dieses Buch von Franziscus Bodoarius, einem Patrizier Venedigs und einem sehr gelehrten und würdigen Mann, zum Geschenk erhalten habe.
Agricolas Werk De re metallica zerfällt in zwölf Bücher. Während das erste eine allgemeine Betrachtung über die Bedeutung der Erz - gewinnung giebt, handeln die fünf folgenden vom Vorkommen der Erze und vom Bergbau, das siebente von der Probierkunst, das achte vom Waschen, Aufbereiten und Rösten der Erze, das neunte von den Schmelzprozessen und Schmelzvorrichtungen im allgemeinen, das zehnte von der Scheidung von Gold und Silber und von der des Bleies von beiden, das elfte hauptsächlich von der Gewinnung des Silbers aus den Erzen, das zwölfte endlich behandelt die Bereitung des Salzes, des Salpeters, des Alauns u. s. w.
Über die Darstellung von Eisen und Stahl ist nur kurz im neun - ten Buche, in dem alle Schmelzverfahren zusammengestellt sind, Nach - richt gegeben. Überhaupt sind die Mitteilungen über das Eisen weniger ausführlich, als wie über die andern Metalle. Es ist das für uns sehr zu beklagen, aber nicht verwunderlich, da in jener Zeit das Eisen trotz des gestiegenen und immer steigenden Bedarfes noch das Stiefkind unter den Metallen war. Es wurde an vielen Plätzen, aber meist in wenig umfangreichen Betrieben gewonnen, von Leuten, die ihre Arbeit ganz empirisch betrieben, vielfach sogar noch von den Bauern als Nebengewerbe. Das Ausschmelzen des Eisens schien so einfach zu sein, seine Verarbeitung aus einer Reihe vererbter Hand - griffe zu bestehen, so daſs es das Interesse der Gelehrten nicht auf sich zog und auch die Habsucht der Besitzenden, namentlich der Fürsten nur in geringem Grade reizte.
Dennoch sind die Mitteilungen Agricolas über das Eisen inhalts - reicher und bedeutender, als man gewöhnlich annimmt, man muſs sich nur nicht mit den zwei kurzen Abschnitten über die Eisen - und Stahlbereitung im neunten Buche der Metallurgie, wie dies gewöhn - lich geschieht, begnügen, sondern sämtliche auf das Eisen bezügliche Stellen, die in den verschiedenen Werken zerstreut sind, zusammen - stellen. Wir wollen dies in systematischer Weise zu thun versuchen und die Stellen wörtlich nach dem lateinischen Originaltext wieder -Beck, Geschichte des Eisens. 334Georg Agricola.geben. Es wird sich dann zeigen, daſs Agricolas Kenntnisse vom Eisen doch recht umfassend waren und daſs uns über dasſelbe auſser von Vanuccio Biringuccio, nichts Besseres geschrieben worden ist bis zu den Schriften von Reaumur und Swedenborg im vorigen Jahrhundert. Auch in betreff des Eisens blieben die Werke Agri - colas die wichtigste Quelle der Erkenntnis der Gebildeten während der folgenden zwei Jahrhunderte.
Über die erste Erfindung des Eisens findet sich im ersten Buche de veteribus et novis metallis folgende sorgfältige Zusammenstellung aus den klassischen Schriften des Altertums:
Die Telchinen, welche aus Kreta zuerst nach Cypern und dann nach Rhodus kamen, betrieben sowohl Eisen - als auch Kupferwerke.
Aber in Asien haben die Chalyber zuerst das Eisen erfunden: in Kreta wiederum Faunus und die Diktäer, wie Herodot schreibt, jener im Gebirge Dicta, diese im Ida. Eine Eisenwerkstätte erfanden auch die Cyklopen, welche berühmte Erz - und Eisenschmiede waren: die Lötung des Eisens ersann Glaukos von Chios: die Kunst des Gieſsens Theodoros von Samos. Aber Cynira, der Sohn der Agriopa, erfand die Zange, den Hammer, den Rengel und den Amboſs, wie Diodor von Sizilien berichtet. Andere aber lehren, daſs Vulkan die Kunst der Bereitung des Eisens, Erzes, Goldes, Silbers, kurz aller Metalle für den Gebrauch der Menschen, die des Feuers bedürfen, zuerst erfunden und gelehrt habe. Weshalb die Arbeiter in diesen Dingen jenem Gott ihre Gelübde und Opfer darbringen: und das Feuer zur ewigen Erinnerung an die von ihm empfangene Wohlthat mit dem Namen des Vulkan benennen: wie die Soldaten den Krieg Mars, weil er die ersten Waffen bereitet und die ersten Kriege ge - führt habe.
Über die geographische Verbreitung des Eisens und über die wichtigsten Plätze, wo Eisen gewonnen wird, giebt das zweite Buch desſelben Werkes eine ausführliche und interessante Zusammenstellung, die um so wichtiger ist, als darin auch Bemerkungen über die Ver - wendung des Eisens in einzelnen Gegenden eingestreut werden, die von technischer Bedeutung sind.
Von den alten und neuen Metallen. 2. Buch.
Es bleibt noch das Eisen übrig, mit dessen Erzen alle Gebirgs - gegenden angefüllt sind. Die Hügel Britanniens erzeugen es, wie Strabo schreibt: das diesseitige Spanien, wie das ganze Gebiet der Pyrenäen, nach Plinius, der ferner berichtet, daſs in dem seewärts35Georg Agricola.gelegenen Kantabrien, da, wo der Ozean die Küste bespült, ein Berg hoch und steil hervorragt, der — unglaublich zu sagen — ganz aus diesem Stoff besteht. Sodann befinden sich bei Perigord und Bourges in Gallien Hütten, in denen Eisen dargestellt wird. In Deutschland findet sich, wie ich schon im vorhergehenden Buche erwähnt habe, Eisen in den böhmisch-mährischen Bergen (Luna sylva), wie Ptolo - mäus schreibt: dieses gruben nach Cornelius Tacitus die Gothinen. Dann kommt Steyermark (Noricum), dessen Eisen von den Versen der Dichter besungen wird. So Ovid:
„ Härter noch als Eisen, geschmolzen in norischem Feuer. “ Weiter - hin liegt im Tyrrhenischen Meer Elba: „ Die Insel gesegnet mit un - erschöpflichem Metall der Chalyber. “ Diese nennen die Griechen Äthalia und von ihr erzählen sie, wie auch die Latiner, daſs das Eisen wieder wachse. Aber Varro hat berichtet, daſs alles in Stäbe ge - streckt werden könne, was nach Populonia, einer tuskischen Stadt, hinübergebracht werde. Fernerhin gruben die Diktäer auf Kreta Eisen. Sodann war, wie Strabo erzählt, Kupfer und Eisen gemein im lilandischen Felde auf Euböa. Aber in Asien fand man Eisenerze bei Andira: im Gebiete der Chalyber: in den Gebirgen Palästinas, die nach Arabien zu schauen: in Carmanien. Und wie in Europa das norische und hispanische Eisen am meisten in den Liedern der Dichter gepriesen wird, so in Asien das chalybische. Deshalb haben dieselben Dichter den Namen Chalybien oft für Eisen miſsbraucht. In Afrika aber findet sich Eisen auf der Insel Meroe.
Weil nun in allen gebirgigen Gegenden Eisen im Überfluſs vor - kommt, so will ich nur die Erzgebiete anführen, die in unserer Zeit in gröſster Blüte stehen. Es giebt jetzt auch bei den Schotten, die in Britannien wohnen, wie in Spanien und Frankreich viel und gutes Eisen. Ebenso in Deutschland in der Gegend, die man die Eifel nennt, und zwar im Gebiete des Grafen von Manderscheid. Woselbst auch eiserne Öfen, die wir in den Warmräumen gebrauchen, gegossen werden. Die Art und Weise, wie diese gegossen werden, will ich in den Büchern über die Metalle beschreiben. (Ist aber leider nicht geschehen!)
Aber noch an vielen andern Plätzen des groſsen Deutschland wird dieses Metall dargestellt, welche einzeln aufzuführen mir unnötig erscheint, weshalb ich nur die besonders hervorragenden anführen will. So wird im Harz bei Muckshol, welches etwa 12000 Schritt von Nordhausen entfernt liegt, Eisenstein gegraben, welcher nahezu abgebaut zu sein scheint, und der Mennige ähnlich erscheint. In Hessen ist bei Waldungen Überfluſs an Eisenstein, sowie bei der3*36Georg Agricola.Stadt Siegen und im ganzen Sauerland, nach der kölnischen Seite zu, wo ebenfalls eiserne Öfen gegossen werden.
Sodann hat der Thüringer Wald (sylva Semana) sehr viel Eisen - erz: noch mehr das norische Land diesseits der Donau, wo an Güte die Erze bei Amberg gegen Sulzbach zu nicht weniger vortrefflich sind. Ferner wird an vielen Orten im Fichtelgebirge Eisen gegraben, ganz besonders bei Wunsiedel: im Elbogenschen (in Böhmen) bei der Lessau-Mark: im Meiſsnischen, insbesondere bei dem Dorf Pela, da, wo man nach rechts hin in das reiche Joachimsthal kommt, welches Bergwerk von seinem Entdecker Burkart und dem abschüssigen Ort seinen Namen hat. Sodann das zwischen dem Wald von Rascha und dem Kloster von Grünhain, welches man den Memmeler nennt: aber das beste soll das bei Lauenstein und Gieſshübel sein, wo auch eiserne Öfen gegossen werden. Es ist nicht weit von Pirna gegen Süden ge - legen. Bei Sagan in Schlesien wird auf Wiesen Eisenstein gegraben, vermittelst zwei Fuſs tiefer Schürfe. Tiefer darf man der Wasser wegen nicht niedergehen. Nach zehn Jahren wird das wieder erzeugte Eisen von neuem gegraben, gerade wie das elbanische, das ebenso sehr schwer ist. Weit voran steht aber das schwedische, welches Osemund genannt wird. Es wird in Upland gegraben, in einem Wald, der von Kupferthal bis zum Hafen Tuna sich erstreckt: ferner in Ostgot - land bei dem Dorf Advidha: bei der Stadt Tingualla an der Grenze Schwedens und Norwegens: in Norwegen zwischen Socnadal und Osterdal und im Gebiet Tillemarchia, drei Meilensteine von der Stadt Schida (in Drontheim?). Endlich wird in Norikum nicht weniger und häufig Stahleisen reichlich gewonnen und dargestellt, zumeist in Kärnten und Vordernberg. Doch nun auch genug vom Eisen.
Von den Eisenerzen berichtet Agricola ausführlich in seinem gröſsten mineralogischen Werke „ De natura fossilium “, allerdings ohne Berücksichtigung des hüttenmännischen Standpunktes. Wir geben in dem Folgenden einen Auszug seiner zum Teil sehr weit - läufigen Mitteilungen.
Über den Eisenrost sagt er im dritten Buche: „ Der Eisenrost (Hammerschlag) ist sozusagen eine Ausscheidung des metallischen Eisens. Der Eisenrost wird in der Erde ebenso selten ge - funden, als das gediegene Eisen. Man nennt ihn im Lateinischen bald ferrugo, bald rubigo. Ersteres, weil er sich wie ein Ausschlag an das naſs gemachte Eisen anlegt; letzteres, weil seine dunkle Farbe ins Rötliche schielt. Daher ihn auch einige rot, andere schwarz37Georg Agricola.nennen. Er ist ebenso adstringierend, aber weniger ätzend als der Vitriol. Die Schuhmacher bedienen sich seiner zum Schwärzen des Leders. Aus der Wäsche und den Kleidern sind Rostflecken schwer herauszubringen. “
Ausführlich handelt dann Agricola über die wichtigsten Eisen - miner im fünften Buche. Er giebt darin zunächst eine allgemeine Einteilung aller Steine in vier Geschlechter:
1. Eigentliche oder gemeine Steine (Magnetstein, Hämatit, Gips etc.). 2. Edelsteine (Diamant, Smaragd etc.). 3. Marmorarten (die sich schleifen lassen). 4. Fels - und Gebirgsarten (Sandstein, Kalkstein).
Zu dem ersten Geschlechte rechnet er den Magnetstein (Magnes), über den er sehr eingehend berichtet: „ Der Magnetstein ist wegen seiner wunderbaren Kraft, das Eisen an sich zu ziehen, unter allen Steinen der berühmteste und bekannteste. Die Griechen haben ihm die Namen: Magnes, magnetes, heraklischer Stein und Siderit bei - gelegt. Magnes und Magnetes wird er genannt nach seinem Ent - decker, der ihn auf dem Ida fand — eine Mutmaſsung des Nikan - der, wie Plinius berichtet —, oder nach der asiatischen Provinz Magnesia, einem Hauptfundort desſelben. Deshalb singt Lucretius von ihm:
Die Benennung „ heraklischer Stein “bezieht sich entweder auf die Stadt Heraklea oder auf den Herakles. Denn wie Herakles die gräſslichen, unbändigen Ungeheuer bezwang, so zieht der Magnet das Eisen, den Besieger aller Körper auf Erden, an sich und hält ihn gefangen. Diese Kraft erwarb ihm auch den Namen Siderit. Der Magnet hat das Ansehen des polierten Eisens und bricht auch ge - wöhnlich auf Eisensteingruben, freilich nur auf wenigen, denn ihrer giebt es bekanntermaſsen sehr viele. Es sind entweder kleine Stückchen davon in dem Eisenerz eingeschlossen oder er bildet mäch - tigere und gröſsere Mittel. “ Unter den Fundorten, die er nun auf - führt, erwähnt er die spanische Provinz Kantabrien, eine nordische Insel, nicht weit von Lappland, verschiedene Plätze in Deutschland, sowie Magnesia, „ linkerhand vom See Böbeis “und andere mehr. Nachdem er die wichtigsten physikalischen Kennzeichen: Farbe, Festig - keit und Schwere beschrieben hat, fährt er fort: „ Einige Magnete38Georg Agricola.ziehen das Eisen stark an, andere schwach; jener heiſst weiblicher Magnet. “— „ Der ganz gute Magnet begnügt sich nicht damit, das Eisen an sich zu ziehen und festzuhalten; er teilt sogar diese Kraft dem Eisen mit, so daſs dieses nunmehr selbst anderes Eisen an sich zu ziehen und festzuhalten vermag. Wenn man mehrere eiserne Ringe auf einem Tisch herumstreut und hält einen magnetischen Ring dar - über, so zieht dieser dieselben an, so daſs sie an ihm herabhängen. Ein Magnet, den man einem eisernen Ringe nahe bringt, teilt letz - terem die magnetische Kraft mit, so daſs dieser Ring einen zweiten, der zweite einen dritten und so ferner anzuziehen vermag; in wel - chem Falle dann die Ringe reihenweise und wie die Glieder einer Kette aneinander hängen, ohne daſs einer in den andern verschlun - gen ist. Von diesen Ringen hängt jedoch der erste am festesten und die folgenden immer lockerer, bis sie zuletzt gar nicht mehr halten. Diese Erscheinung hat von jeher die gröſste Bewunderung erweckt. Das gemeine Volk pflegte zu Plinius’ Zeiten das magnetische Eisen „ lebendiges Eisen “(ferrum vivum) zu nennen. Empedokles, ein Philosoph aus Agrigent, soll dem Magnet eine Seele beigelegt haben. — Die Theologen halten die Ursache dieser Kräfte des Magnetes für übernatürlich, die Ärzte für natürlich, obgleich unerklärbar. “
Nun folgt eine Aufzählung scheinbarer Wunder, die mit dem Magnet auszuführen sind, so z. B. die eiserne Kugel, die von einem Spiegel, durch einen verborgenen Magnet, angezogen wird, dann die schwebende Figur im Serapistempel zu Alexandria und endlich der bekannte Versuch des Baumeisters Dinokrates (der aber nicht gelang), ein magnetisches Gewölbe in einem Tempel der Arsinoe so zu konstruieren, daſs das Bild der Göttin im Mittelpunkte ganz frei schweben sollte.
Hieran knüpft Agricola verschiedene anekdotenhafte Berichte über die Entdeckung des Magneten, wie Bergleute, welche ihr Gezähe in der Grube zurückgelassen, am andern Tage ihre Schlägel und Eisen nicht mehr an ihrem Platze, sondern an der Decke hängend gefunden hätten, sowie die bekannten arabischen Märchen von den Magnetinseln. Von dem ökonomischen Gebrauche des Magneten er - wähnt er, daſs, nach Angabe des Plinius, die Glaser sich ehemals des Magnetes bedient hätten, weil sie glaubten, daſs er die Kiesel - feuchtigkeit ebenso an sich ziehe, wie das Eisen. Auch die Ärzte machten Gebrauch davon, wie man beim Galen und Dioskorides nachlesen könne. Des Kompasses bedienten sich die Schiffer und die Bergleute. Gebrannt nähme er die Farbe des Hämatites an, wofür man39Georg Agricola.ihn auch ehemals verkauft habe. Nachdem er noch den Stein „ thea - medes “, der eine dem Magnet entgegengesetzte Natur habe, so daſs er das Eisen abstoſse, statt anziehe, und der beiden indischen Inseln, auf deren einer der, welcher Nägel an den Schuhen hat, hängen bleibe, während er auf der andern den Fuſs nicht aufzusetzen ver - mag, erwähnt hat, wendet er sich zu den dem Magnetstein verwandten Steinarten, dem Hämatitos und dem Schistos. Was er über diese sagt, lassen wir wörtlich folgen:
In den Eisengruben, oft aber auch in eigenen, findet man Hä - matite und Schistos (Blutsteine und Glaskopf oder Faserstein), zwei (unter sich und dem Magnet) verwandte Steine, die auch aus derselben Materie verdichtet sind und nur in der Gestalt und in einigen andern Eigenschaften voneinander abweichen. Hämatite werden sie genannt, teils weil sie die Farbe des Blutes haben, wie dies Galen, der darin dem Theophrast folgt, bemerkt: teils weil sie, wie einer oder der andere meint, am Schleifsteine gerieben einen blutroten Saft geben.
Der Schistos aber wird so genannt, nicht weil er gespalten oder leicht spaltbar wäre, denn das ist er nicht, sondern weil er aussieht, als sei er gespalten (d. h. von faseriger Struktur). Seine einzelnen Teile sind so zusammengesetzt, als seien sie gerade wie Holz zusammen - gewachsen, ähnlich wie bei dem Salmiak.
Viele Gegenden Deutschlands erzeugen diese Steinarten, so Sach - sen in der Hildesheimer Gegend, jenseits des Moritzbergs, und zwar in Quadern. In demselben Sachsen beim vierten Meilensteine von Goslar, da, wo man nach dem Berge zu geht, den sie dort mit seinem Eigennamen „ Kalte Birke “nennen, diese nennen wir den Goslarischen.
Am Harze finden sie sich an verschiedenen Plätzen, vorzüglich aber bei Harzgerode, wo Schistos vorkommt, und bei Ilefeld, einem Kloster im Gebiete des Eichsfeldes. In Hessen, das ein Teil des Landes der Katten bildet, in den Bergen bei Gladenbach. Zu Müsen in einer Grube der Hermunduren, welche sie „ die Goldkrone “nennen. Ein Überfluſs an Schistos findet sich etwa 5000 Schritte von der Stadt Marienberg (im Erzgebirge). In Böhmen in den Eisengruben der Lessau-Mark (Karlsbader Gegend), ebenso zuweilen in den Silber - bergwerken von Joachimsthal. Jedoch an beiden Orten nur hier und da: wie auch in den Eisengruben von Norikum diesseits der Donau, zwei Meilensteine von Amberg entfernt, wenn man von Sulzbach nach Westen geht. Überall, wo Hämatit und Schistos gefunden wer - den, sind die Felsen rot und die Erde von derselben Farbe und aus40Georg Agricola.diesen sind sie ursprünglich entstanden. So schreibt auch gleicher - maſsen Dioskorides, daſs sich Hämatit in der roten sinopischen Erde fände. Ferner erzeugt Spanien Schistos; Arabien, Ägypten, Afrika und Äthiopien Hämatit. Die verschiedenen Steinarten weichen aber in der Farbe ab. Denn entweder sehen sie aus wie verdichtetes Blut und daher eben haben sie den Namen Hämatite: oder sie haben die Farbe des Eisens und dann wieder sind die äuſseren Teile von gelber Farbe: wie sie Müsen (oder Meiſsen? Misena) erzeugt (brauner Glaskopf). Oder sie sind ganz schwarz, wie diejenigen, welche an dem oben erwähnten Berge „ Kalte Birke “gegraben werden. Wie denn auch, wie Sotacus berichtet, in Afrika ein schwarzer Schistos wächst, den sie wegen der Farbe wie Holzkohlen Anthrazit nennen. “.....
Agricola fährt dann fort, die einzelnen Varietäten des Schistos zu beschreiben, wobei er besonders den weichen Eisenrahm und Eisen - glimmer dem harten Eisenglanz, wie er besonders bei Müsen vor - komme, gegenüberstellt. Dann wendet er sich zu den Farben, welche man durch Mahlen oder Brennen aus diesen Steinarten gewinnt, dem roten, gelben und schwärzlichen Ocker. Dabei hebt er hervor, daſs die Farben des gebrannten Schistos lichter sind, als die des unge - brannten. Er unterscheidet die vielen Varietäten in klarer Weise. Er schreibt nicht nur dem Hämatit, sondern auch dem Schistos einen adstringierenden Geschmack zu; kommt sodann auf die verschiedene Härte der einzelnen Arten, wobei im allgemeinen zu bemerken sei, daſs der Schistos um so härter sei, je mehr er wie Eisen glänze. Er erwähnt seine vorzüglichen Eigenschaften als Polierstein für die Goldschmiede. Danach führt er die verschiedenartigen eigentümlichen Formen auf, in denen besonders die Glasköpfe gefunden werden. Endlich wendet er sich eingehend zur Verwendung des Hämatites und Schistos in der Heilkunde.
Die Beschreibung des Agricola ist eine durchaus mineralogische. Von der Verwendung dieser Steinarten als Erze zur Gewinnung des Eisens spricht er nicht. Dennoch ist sie auch für uns von groſsem Interesse ihrer Gründlichkeit und Klarheit wegen.
Über das Eisen als Metall, seine Eigenschaften und seine Ver - wendung handelt er dagegen ausführlich in einem interessanten und für uns sehr wichtigen Kapitel des achten Buches „ de natura fossilium “folgendermaſsen:
Ich wende mich zu dem Eisen, von dem die Alten nirgends be - richten, daſs es gediegen vorkomme. Solches, das seine Farbe trägt, wird allerdings im Sand der Flüsse gegraben und gefunden, wenn41Georg Agricola.auch nur selten. Aber eben dieses ist noch nicht völlig rein: so daſs die schwarzen Graupen, aus denen das Zinn geschmolzen wird, reiner sind und weniger Schmelzens bedürfen, als diese Eisenkörner und Stückchen, was auch Albertus Magnus wohl bekannt war. Denn er schreibt, das Eisen wird in einer wässerigen Erde in der Gestalt von Hirsenkörnern, aber sehr verunreinigt gefunden. Die Farbe des un - polierten Eisens fällt ins Schwärzliche, die des polierten ins Mattweiſse. Das aus dem Erz geschmolzene Eisen ist flüssig und kann geschmolzen werden: wenn man es darauf, nachdem die Schlacken abgezogen sind, nochmals glüht (frischt — refrixit), so wird es weich, so daſs es unter dem Hammer gestreckt und zu Blechen ausgebreitet werden kann, aber gieſsen läſst es sich dann nicht mehr leicht: es sei denn, daſs man es in dieselbe Art Öfen bringt und niederschmelzt. Alles Eisen ist hart, deswegen giebt es auch von allen Metallen den gröſsten Schall. Aber das eine weicht darin von dem andern ab.
Denn einiges ist zähe und dies ist das beste, anderes nur mittel - mäſsig, deshalb auch nur von mittlerer Güte: anderes spröde und kupferhaltig: dieses ist das schlechteste. Von der ersten Sorte ist das schwedische, norwegische und norische, von der zweiten das von Lauenstein und Gieſshübel im Meiſsnischen und das von Sulzbach in den norischen Bergen diesseits der Donau; zu der dritten gehört das, welches auf dem Amboſs unter dem Hammer wie Glas auseinander fliegt: und das noch andere Fehler in sich vereinigt. Aus dem Eisen, wenn man es öfter schmelzt und von den Schlacken reinigt, entsteht das, was die Griechen στόμωμα nennen, die Lateiner aber, wenn ich mich nicht irre, öfter acies — Stahl. Von dieser Art war das serische, par - thische, norische, comensische. Bisweilen wandelt sich das Eisen in - folge der Güte seiner Erze in Stahl, wie auch noch heute das norische: bisweilen durch das Wasser, in das man es öfter eintaucht, wie zu Como in Italien und zu Bilbilis und Turassio in Spanien. Der Stahl wird zu höherem Preise als das übrige Eisen verkauft.
Wird das Eisen öfter gereinigt, so verliert es viel an Masse und Gewicht. Das Eisen wird verdorben durch einen Fehler, den man den Rost (ferrugo et rubigo) nennt; er entsteht durch die Berührung mit Feuchtigkeit, am raschesten mit Menschenblut. Mit Meerwasser kann man diese Flecken am schnellsten wieder herausbringen: und man schützt es davor durch mancherlei Umhüllungsmittel, durch Mennige, Bleiweiſs, Gips, Bitumen und flüssigen Teer. Das glühende Eisen bricht leicht, wenn es nicht durch Hammerschläge dicht gemacht ist. Aus Eisen werden mehr Gegenstände gefertigt, als aus irgend einem42Georg Agricola.andern Metall. Auſser als Geld haben es die Lacedämonier zu Ringen benutzt: Halsketten davon trugen die hispanischen Frauen: zu Delphi waren sehr schöne Kratere davon, ein Geschenk des lydischen Königs Alyattes, ein Werk des Glaukos von Chios: eiserne Statuen waren in dem lakonischen Skias, ein Werk des Theodoros von Samos. Aus Eisen macht man ferner Schlüssel, Thürangeln, Schlösser, Nägel, Gitter, Thüren, Thorflügel, Spaten, Stangen, Heugabeln, Haken, Drei - zacke, Dreifüſse, Setzeisen, Hämmer, Keile, Hauen, Äxte, Sicheln, Grabscheite, Keilhauen, Ambosse, Ketten, Hebel, Karste, Pflugscharen, Baummesser, Pfannen, Schüsseln, Löffel, Bratspieſse, Messer, Dolche, Degen, Beile, Speere, Wurfspieſse, Lanzen und andere Waffen, die ihre Namen von verschiedenen Völkerschaften führen. Ferner Wurf - lanzen, Mörserkeile, Fuſsangeln, Brustharnische, Helme, Beinschienen, Kugeln, die aus den ehernen Geschützen geschleudert werden, Hand - schellen u. s. w. Doch jezt genug vom Eisen .....
Nun endlich kommen wir zu dem, was Agricola vom hütten - männischen Standpunkte aus über die Bereitung und Verarbeitung von Eisen und Stahl in seinem Werke „ De re metallica “mitteilt.
Zunächst bemerkt er über die Prüfung der Eisenerze auf ihren Gehalt an Eisen im fünften Buche, worin er von der Probierkunst handelt, folgendes:
Endlich wird das Eisen im Schmiedefeuer probiert; es wird gleich - falls geröstet, zerstoſsen, gewaschen und getrocknet. Dann wird ein Magnet in die Masse (das Gekrätz) gelegt, welcher die Eisenteilchen an sich zieht: diese werden dann, nachdem sie mit einer Feder ab - gestrichen worden sind, in einen Tiegel gebracht, und wird der Magnet so oft in dies Pulver gelegt und die Teilchen abgestrichen, bis nichts mehr da ist, was der Magnet anziehe. Diese werden mit Salpeter im Tiegel eingeschmolzen bis zum Fluſs und so wird ein Eisenkorn ausgeschmolzen. Zieht der Magnet rasch und leicht die Eisenteilchen an sich, so schlieſsen wir, daſs das Eisenerz reich sei: scheint er sie aber eher abzustoſsen, so enthält das Erz wenig oder kein Eisen.
Agricola kennt nur diese eine trockene Probe, wie denn über - haupt auch in dem folgenden Jahrhundert der Eisengehalt der Eisen - erze einzig durch die Schmelzprobe im Tiegel bestimmt wurde.
Nun kommen die beiden wichtigen Kapitel im neunten Buche, welche von dem Ausschmelzen der Erze, von der Stabeisen - und Stahl - bereitung handeln.
(Luppenfeuer.) Eisenerz, das besonders gut ist, soll in einem Ofen geschmolzen werden, der dem folgenden fast gleich ist. Der43Georg Agricola.Schmelzherd soll 3½ Fuſs hoch und an 5 Fuſs breit und lang sein: in dessen Mitte sei ein Tiegel 1 Fuſs tief und 1½ Fuſs weit. Wie - wohl er höher oder niedriger, breiter oder enger sein kann, je nach - dem mehr oder weniger Eisen aus dem Erz bereitet wird. Dem Meister (Renner) soll ein gewisses Maſs Eisenerz gegeben werden, ob er daraus viel oder wenig Eisen schmelzen kann: will dieser seine Arbeit beginnen, so wirft er erst Kohlen in den Tiegel, darauf so viel gepochtes Eisenerz, gemischt mit ungelöschtem Kalk, als eine eiserne Schaufel fassen mag. Dann werfe er abermals Kohlen hinein und dies öfter und streue das Eisenerz darauf und zwar so lange, bis allmählich ein Haufen daraus entstehe, welchen er, nachdem die Kohlen entzündet, mittels Blasebälgen, die künstlich in ein Rohr (die Form) zusammengeführt sind, durch den Wind zur Glut an - facht und so ausschmelzt, welche Arbeit er bald in acht, bald in zehn, manchmal auch in zwölf Stunden vollbringen kann. Damit ihm aber das Feuer das Gesicht nicht verbrenne, wie dies zu ge - schehen pflegt, bedecke er es ganz mit einem Hut, an dem jedoch Löcher angebracht sind, durch welche er sehen und atmen kann. An dem Ofen sei eine Zugstange, mit der er, so oft es die Arbeit verlangt und sie verlangt es, sobald die Bälge zu viel Wind in den Ofen einblasen, oder sobald er selbst die übrigen Erze und Kohlen aufgiebt, oder sobald er die Schlacken abzieht, das Schuſsgerinne, durch welches das Aufschlagwasser auf das Rad geleitet wird, und die Welle, welche die Bälge niederdrückt, in ihrer Bewegung hemmt oder sich umdrehen läſst: auf diese Weise flieſst das Eisen in eine Masse (Stück) zusammen, von zwei bis drei Zentner Gewicht, je nach der Reichhaltigkeit der Erze. Alsbald öffnet der Meister das Schlacken - loch mit dem Spieſs und läſst, nachdem die Schlacken ganz ab - geflossen sind, die Masse erkalten: sodann soll er und die Gesellen dieselbe mit eisernen Brechstangen aus dem Ofen auf den Boden schaffen und sie mit hölzernen Hämmern, die dünne, aber 5 Fuſs lange Stiele haben, zusammenschlagen, damit er die Schlacken, welche ihr noch anhängen, abklopfe und sie dieselbe zugleich dicht mache und ausbreite. Denn wenn sie sogleich auf den Amboſs gelegt, mit dem groſsen Hammer, der von den Hebedaumen der Welle, die das Wasser - rad bewegt, aufgehoben wird, geschlagen würde, flöge sie auseinander: während so kann sie bald mit Zangen aufgehoben unter demselben Hammer mit einem scharfen Eisen (Schrotmeiſsel) in vier, fünf oder sechs Stücke, je nachdem sie groſs oder klein war, geteilt werden: aus diesen, nachdem sie von neuem in einem andern Herd ausgeheizt44Georg Agricola.und wiederum auf den Amboſs gebracht worden sind, fertigen die Schmiede quadratische Blöcke (Kolben), Pflugeisen, Radschienen, zu - meist aber Stangeneisen, von denen vier, sechs oder acht den fünften Teil eines Zentners wiegen: aus diesen pflegen sie dann abermals ver - schiedene Werkzeuge anzufertigen. Bei jedem Hammerschlag schüttet ein Junge mit einer Kelle Wasser auf das glühende Eisen, das die Schmiede formen: daher kommt es, daſs diese Schläge einen so lauten Schall geben, daſs man es weithin von der Hütte hört. Nachdem das „ Stück “aus dem Ofen, in dem die Erze geschmolzen worden sind, herausgebrochen ist, bleibt im Tiegel hartes Eisen, das sich nur schwer strecken läſst, zurück: aus diesem kann man die Köpfe der Pochstempel (Pocheisen) und andere ganz harte Gegenstände machen.
(Stücköfen.) Aber für die Eisenerze, welche kupferhaltig sind oder nur schwer, wenn sie geschmolzen werden, flieſsen, muſs man mehr Arbeit und stärkeres Feuer anwenden, denn man muſs sie nicht nur, um die metallischen Teile von den nicht metallischen zu trennen, unter einem trockenen Pochwerke zerkleinern, sondern sie auch rösten, wie die Erze anderer Metalle, damit die schädlichen Säfte sich ver - flüchtigen, und sie waschen, daſs alles, was leicht ist, von ihnen ge - schieden werde. Sie sollen aber in einem Ofen, der dem ersten ganz ähnlich, nur viel höher und weiter, um viel Erz und Kohlen fassen zu können, geschmolzen werden; dieser wird nun ganz mit Erzen, welche nicht über nuſsgroſs sein dürfen, und mit Kohlen angefüllt, welche die Schmelzer auf Stufen, die auf der einen Seite des Ofens angebracht sind, hinauftragen und einwerfen. Aus solchem Erz, wenn es einmal oder zweimal geschmolzen ist, wird dann ein Eisen erhalten, das geeignet ist, in dem Herd eines Eisenofens von neuem ausgeheizt und unter jenem groſsen Eisenhammer ausgebreitet und mit scharfen Eisen in Stücke zerschroten zu werden.
(Stahl.) So macht die Kunst mittels Feuer und Zuschlägen das Eisen und aus diesem den Stahl, welchen die Griechen στόμωμα nennen. Man wähle solches Eisen aus, das leicht flieſst, dabei hart ist und das sich leicht ausstrecken läſst. Denn wenn es auch aus Erzen, die mit andern Metallen gemischt sind, erblasen schmilzt, so ist es doch entweder weich oder spröde (fragile). Ein solches Eisen aber soll zuerst glühend in kleine Stücke zerschlagen, sodann mit zer - kleinerten, leichtflüssigen Zuschlägen vermischt werden: danach mache man in dem Frischherd einen Tiegel, aus demselben angefeuchteten Pulver, aus welchem man die Tiegel macht, die sich vor den Öfen,45Georg Agricola.in welchen man die Gold - und Silbererze schmelzt, befinden, mit einer Weite von 1½ Fuſs und 1 Fuſs tief. Die Bälge aber sollen so gesetzt werden, daſs sie durch die Form in die Mitte des Tiegels blasen: hierauf fülle man den Tiegel mit den besten Kohlen und setze ringsherum Bruchsteine, welche die Eisenstücke und die darüber geschütteten Kohlen zusammenhalten: aber sobald die Kohlen in Brand sind und der Tiegel glüht, läſst man den Wind blasen und der Zerennmeister giebt von der Mischung von Eisen und Fluſssteinen so viel auf, als ihm einzuschütten geboten erscheint; in diese taucht er, sobald sie geschmolzen ist, vier Eisenluppen, von denen eine jede 30 Pfund wiegt, ein und soll sie bei starkem Feuer fünf oder sechs Stunden schmelzen und dabei mit einer Krücke das flüssige Eisen öfter umrühren, damit die kleinen Öffnungen der Luppen den zarte - sten Teil derselben einsaugen, welche Teile durch ihre Kraft die fetten Teile der Luppen verzehren und ausdehnen: wodurch sie weich und einem Hefenteig ähnlich werden. Hierauf soll der Meister unter Beihülfe des Vorläufers eine Luppe mit der Zange herausziehen und auf den Amboſs bringen, damit der Hammer, der durch das Rad ab - wechselnd auf und ab bewegt wird, sie ausbreite. Ist dies geschehen, so wirft er sie noch heiſs in das Wasser und löscht sie ab: das so Abgelöschte bringt er wiederum auf den Amboſs und zerbricht es, in - dem er es mit demselben Hammer schlägt. Indem er die Stücke sofort betrachtet, sieht er, ob noch irgendwo sich Eisen zeigt, oder ob die ganze Masse dicht und in Stahl umgewandelt erscheint. Da - nach nimmt er ein Luppenstück nach dem andern mit der Zange heraus und zerbricht es nach dem Ausrecken in Stücke, dann macht er die Mischung (das Werk — den Sauer) wieder heiſs und setzt von der frischen einen Teil zu: welcher das ersetzt, was die Luppen aufgesaugt haben und die Kräfte des übrigen Teils auffrischt, so daſs es die Masselstücke, welche danach wieder in den Herd eingelegt werden, besser reinigt, deren jedes er, nachdem sie wie die ersten ausgeheizt sind, mit der Zange fasst, unter den Hammer bringt und in die Form von Stäben ausreckt. Diese wirft er noch glühend in ganz kaltes, flieſsendes Wasser, das nahe dabei sein muſs, wodurch es sich sofort verdichtet und in lauter Stahl verwandelt wird, welcher viel härter und weiſser ist als Eisen.
Fügen wir hier noch hinzu, daſs Agricola das Verzinnen eiserner Geschirre erwähnt1)De natura fossilium, Lib. IX, Bd. I, S. 891. und daſs er über die Verwendung der Stein -46Georg Agricola.kohle im Schmiedefeuer von den Eisenschmieden im Meiſsnischen bereits im Bermannus berichtet, so haben wir wohl alle Stellen zu - sammengestellt, die in seinen Werken auf die Eisenindustrie Bezug haben1)Zu erwähnen bliebe vielleicht nur noch ein Wörterverzeichnis des G. Agri - cola, welches mit einer Zuschrift an Wolfgang Macrel am XII. Calend. April. an. 1546 gedruckt und den Gesamtausgaben beigefügt ist. Darin sind einige auf Eisen und Stahl bezügliche Wörter enthalten..
Einen besondern Wert erhält das Buch des Agricola „ De re metallica “noch durch die vorzüglichen Zeichnungen, mit denen es ausgestattet ist. Dieselben sind in realistischer Weise von einem be - gabten Künstler, der selbst metallurgisches Verständnis hatte, nach der Natur aufgenommen. Es war dies Basilius Wefring, Bürger in Joachimsthal, wie Mathesius in seiner Joachimsthaler Chronik bezeugt, welcher die 264 Zeichnungen jedenfalls unter Agricolas Leitung angefertigt hat.
War Georg Agricola der hervorragendste deutsche metallur - gische Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, so war dies für die Völker romanischer Zunge der Italiener Vanuccio Biringuccio.
Er war ein Zeitgenosse des Agricola, als metallurgischer Schrifsteller sogar sein Vorläufer, denn die erste Auflage seiner Pyrotechnia erschien bereits 1540. Auch war dem Agricola das Buch des Biringuccio bekannt, als er sein Werk „ über die Metalle “schrieb, und er bekennt selbst in seiner Vorrede, es benutzt zu haben. Das Buch des Agricola ist aber so originell, so ganz auf eigener Erfahrung und Beobachtung aufgebaut, daſs sich kaum nachweisen läſst, wo er sich der Schriften des Italieners bedient habe. Trotz der Vortrefflichkeit der Hüttenkunde des Agricola bleibt es aber doch zu beklagen, daſs durch den Beifall und die Anerkennung, welche dieses Werk sich sofort nach seinem Erscheinen in Deutsch - land erworben hatte, das höchst originelle und inhaltsreiche Buch des Biringuccio bei uns unbeachtet blieb, so daſs dieses, während es in Italien und Frankreich denselben Ruhm erlangte, wie bei uns die Metallurgie des Agricola und in zahlreichen Auflagen verbreitet wurde, in Deutschland so gut wie unbekannt blieb, und als J. Beck -47Vanuccio Biringuccio.mann in seinen „ Beiträgen zur Geschichte der Erfindungen “(Bd. I, S. 133 etc.) 1780 wieder die Aufmerksamkeit darauf lenkte, galt dies fast mehr der litterarischen Kuriosität als dem reichen In - halt, der noch heute eine Quelle der Belehrung bietet, welche erst von den neuesten metallurgischen Schriftstellern richtig gewürdigt worden ist1)Siehe Percy, „ Gold and Silver “.. Leider giebt es keine deutsche Übersetzung des Werkes.
Das Buch des Biringuccio heiſst einfach „ Pyrotechnia “oder genauer „ Della pirotechnia, libri X “. Dasselbe ist aber kein „ Feuer - werksbuch “, wie deren mehrere in dieser Periode erschienen sind und die sich darauf beschränken, die Künste vorzutragen, die ein ge - prüfter Büchsenmeister verstehen muſs, sondern es ist ein systematisches Lehrbuch der Metallurgie, in dem allerdings der Guſs und die Be - arbeitung der Kanonen, die Pulverbereitung und die Minierkunst mit behandelt sind. Es ist in italienischer Sprache in Briefform verfaſst.
Konnten wir von Georg Agricola eine ziemlich ausführliche Lebensbeschreibung geben, so wissen wir von Vanuccio Biringuccio (oder Biringoccio) fast nichts, als das, was er hier und da in seinem Buche über sich selbst eingestreut hat.
Er war von edlem Geschlecht in der Stadt Siena geboren, in welchem Jahre aber ist unbekannt. Er studierte Mathematik und Naturwissenschaften und wurde ein bedeutender, ja ein berühmter Ingenieur. Mazuchelli2)Siehe Mazuchelli, Scrittori d’Italia II, p. 1262. „ Biringucci v. Birin - goccio (Vanuccio) Sanese “...... Fu chiamato da molti Principi ad operare presso di loro, e servi Pier Luigi Farnese Duca di Parma, poi Ercole d’Este, Duca di Ferrara, et appresso i Veneziani. Fu per adventura il primo de’ nostri Italiani che scrivesse sopra la cognitione e il gitto de’ metalli., der einzige Schriftsteller, der von Birin - guccio etwas zu sagen weis, nennt ihn einen Mathematiker, sehr erfahren besonders in der Kenntnis und der Schmelzung der Metalle, der um die Mitte des 16. Jahrhunderts gelebt habe. Er sei von ver - schiedenen Fürsten und Staaten seiner Kenntnisse wegen berufen worden, so von Peter Aloysius Farnese — den sein Vater Papst Paul III. 1545 zum ersten Herzoge von Parma gemacht hatte, der aber schon im Jahre 1547 ermordet wurde, von Herkules II. von Este, Herzog von Ferrara, der 1534 bis 1559 regierte3)Beckmann ist entschieden im Irrtume, wenn er annimmt, der von Ma - zuchelli genannte Ercole d’Este sei Herkules I. gewesen, der 50 Jahre früher, nämlich 1471 bis 1506, lebte. — und ebenso von der Republik Venedig. Mazuchelli nennt ihn den ersten Italiener, der über Metallurgie geschrieben habe.
48Vanuccio Biringuccio.Aus den in seinem Buche zerstreuten Stellen über sich selbst geht hervor, daſs er in jüngeren Jahren die Bergwerke und Eisenwerke des Fürsten Pandolfo im Thale von Boccheggiano zu leiten hatte und daselbst bedeutende Maschinenanlagen ausführte. Denn in dem Kapitel über die Eisenerze (Lib. I, Cap. VI) sagt er: „ Die meisten Eisenerze sind so sehr mit andern Metallen vermischt, daſs sie sich nur mit Mühe davon befreien lassen, wie ich solches in unserer Gegend bei Siena, als ich noch ein junger Mann war, erfahren habe, und zwar in dem Thale von Boccheggiano, wo sich mehrere Fabriken für Eisenbereitung des mächtigen Fürsten Pandolfo, deren Betrieb ich zu leiten hatte, befanden. Ich nahm zu den Eisenerzen von Elba noch diejenigen, welche in der Nachbarschaft gefunden wurden, hinzu und mit dem einen und dem andern habe ich schöne Erfah - rungen gemacht. “ In einem andern Kapitel, wo er von den Blase - bälgen und den Übertragungen spricht, erzählt er, daſs er in dem genannten Thale von Boccheggiano eine groſse Maschinenanlage ge - macht habe, bestehend aus einem groſsen Kübelrad, das eine Anzahl Bälge in Bewegung setzte, so daſs diese vier Feuer gleichzeitig be - dienen konnten, wofür man sonst vier Wasserräder nötig hatte. Er fügt bescheiden hinzu: „ Ich kann Euch dies nicht durch eine Zeich - nung deutlich machen, denn es wäre für mich eine zu schwierige Sache, es zu zeichnen. “
Ferner erfahren wir von Biringuccio, daſs er zu seiner Aus - bildung groſse Reisen, besonders nach Deutschland gemacht und daſs er in diesem Lande seine Kenntnisse vom Erzschmelzen sehr erweitert hat.
Da, wo er in dem Kapitel „ von den Öfen “vom Ausschmelzen der Kupfer - und Silbererze spricht, sagt er: „ Ich erinnere mich, in Deutschland, wo solche Kunst vielleicht am meisten in der ganzen Christenheit geübt wird und blüht, nicht allein diese Anordnung der Schachtöfen, sondern auch die Vorbereitung zum Schmelzen gesehen zu haben. “ Er schildert sodann das in Deutschland übliche Ver - fahren, silberhaltige Kupfererze in Schachtöfen zu schmelzen und fügt hinzu, daſs er sich desſelben selbst bedient habe.
Ebenso bemerkt er bei den Flammöfen, daſs solche in Deutschland auch zum Schmelzen von Erzen in Anwendung seien, daſs er zwar selbst keine gesehen habe, daſs sie ihm aber dort mit Worten so gut erklärt worden seien, daſs er eine Beschreibung davon liefern könne.
Besondere Erfahrung hatte er in dem Guſs, sowie in dem Aus - bohren der Geschütze, welche Künste er meisterlich beschrieben hat. 49Vanuccio Biringuccio.Als Stückgieſser scheint er hochberühmt gewesen zu sein und als solcher hauptsächlich wurde er von Fürsten und Städten berufen. Er beschreibt die Flammöfen zum Schmelzen des Kanonen - und Glockenmetalles nach den Verbesserungen, die er selbst dabei gemacht und wie er sie konstruiert habe. „ Ich will Euch nur von der Art von Öfen sprechen, welche ich ausgeführt habe, so oft ich dazu Ge - legenheit hatte, wobei ich von keiner der oben erwähnten Formen Gebrauch machte, sondern von allen diejenigen Teile nahm, welche mir am zweckmäſsigsten schienen. “
Ebenso beschreibt er Maschinen zum Ausbohren der Geschütze seiner eigenen Erfindung. Er spricht dabei von Erfahrungen, die er an unterschiedlichen Plätzen gemacht habe, wie z. B. zu Florenz, und von verschiedenen von ihm angewendeten Konstruktionen. So bohrte er schwere Stücke aus mittels einer starken Holzspindel, in der acht Bohrmesser eingesetzt waren. Das Riesengeschütz Leofante aber bohrte er mit einem groſsen „ französischen Bohrer “, wahrscheinlich einem Radbohrer, aus.
Aus alledem ersehen wir, daſs er ein thätiger, erfindungsreicher Ingenieur war1)Siehe auch Theodor Beck, Civilingenieur, S. 561.. Sein Todestag ist uns ebenso unbekannt, wie der Tag seiner Geburt und wir wissen nicht, wo seine Gebeine beigesetzt worden sind.
Vanuccio Biringuccio war ein Mann der ausübenden Praxis und dies drückt auch seinem Buche den Stempel auf. Es ist nicht in gewähltem Latein geschrieben, wie das des Agricola, sondern in seiner Muttersprache, leichthin erzählend, sogar des Autors toscanischen Dialekt nicht verleugnend. Es ist nicht so gelehrt und im einzelnen durchdacht und abgemessen, wie Agricolas Schriften, aber seine Ausdrucksweise ist gefällig, klar und lebendig. Meisterhaft sind seine Schilderungen und Beschreibungen technischer Vorgänge, anschaulich und unmittelbar, wie dies nur derjenige vermag, welcher die Dinge, die er beschreibt, selbst kennt und erlebt hat. Dabei hält er sich fern von aller Pedanterie und bleibt auch in ausführlichen Einzel - beschreibungen noch fesselnd. Die leichte Briefform unterstützt dies wesentlich. Sie ist zwar nicht ganz streng festgehalten, aber indem der Verfasser immer eine dritte Person anspricht und ihr die Dinge, die er vorträgt, zu verdeutlichen bestrebt ist, wird er von selbst deut - lich und der Leser versetzt sich unwillkürlich an die Stelle des Angeredeten. Der Zweck, zu belehren, liegt schon in dieser Form,Beck, Geschichte des Eisens. 450Vanuccio Biringuccio.wenn er auch nur gelegentlich betont wird. Dabei ist der umfang - reiche, spröde Stoff meisterlich disponiert, logisch geordnet und über - sichtlich behandelt.
Werfen wir nun einen Blick auf das Werk selbst.
Die erste Ausgabe erschien im Jahre 1540 in Venedig in Folio mit einer Zueignungsschrift von Moncelesi an Navo, aber ohne den Namen des Verfassers unter folgendem Titel: Della pirotechnia, libri X dove ampiamente si tratta di ogni sorte e diversita di miniere, ma ancora quanto si ricerca intorno alla pratica, di quelle cose, di quel che si appartiene a l’arte della fusione, ovver gitto de metalli come d’ogni altra cosa simile a questa. — In Venezia per Ventorino Roffinello 1540. 4°. —
Eine zweite Ausgabe erschien ebenfalls anonym 1550. „ Venezia per G. Padovano a instanzia di Curzio Navo. “
Eine dritte Ausgabe mit dem Namen des Autors erschien um 1558 zu Venedig und schon im folgenden Jahre eine neue vierte Auflage in Kleinoktav, welche ich besitze und deren Titel verdeutscht folgendermaſsen lautet: „ Des G. Vanuccio Biringuccio von Siena zehn Bücher von der Feuerkunst, in denen nicht nur von den Ver - schiedenheiten der Mineralien gehandelt wird, sondern auch von der Art ihrer Gewinnung; sowie von dem, was zur Kunst des Schmelzens und Gieſsens gehört, Glocken und Geschütze zu machen, Kunstfeuer - werk und andere sehr nützliche Dinge. — Von neuem durchgesehen und gedruckt mit den Abbildungen der bemerkenswertesten Dinge zu Venedig in der Druckerei des P. Gironimo Giglio und Genossen 15591)Alle folgenden Citate beziehen sich auf diese Ausgabe.. “
Vorgedruckt ist dem Texte ein Vorwort des Vanuccio Birin - guccio von Siena an den Herrn Bernardino Moncelese von Salo.
Eine fünfte Auflage erschien zu Bologna 1678.
Es giebt drei französische Übersetzungen der Pyrotechnia, die älteste von 1556 par Jacques Vincent à Paris chez Claude Fremy, die zweite von 1572, die dritte von 1627. Die Übersetzung von Vincent ist unvollständig, indem verschiedenes darin ausgelassen ist. Eine späte lateinische Übersetzung erschien 1658 zu Köln in Quart.
Das Werk zerfällt, wie der Titel besagt, in zehn Bücher, deren Hauptinhalt der folgende ist:
Nachdem in der Einleitung einiges über den Bergbau gesagt ist, handelt das erste Buch von den Metallen und deren Erzen; das zweite von den Halbmetallen und deren Zugutemachung; das dritte von dem51Vanuccio Biringuccio.Probieren der Erze, von ihrer Vorbereitung zum Schmelzen, von den Blasebälgen, Öfen und den Hüttenwerken und den Hüttenprozessen, wobei auch schon des Saigerns des Schwarzkupfers gedacht wird; das vierte von der Goldscheidung und der Bereitung des Scheidewassers; das fünfte von den Legierungen des Goldes, Kupfers, Silbers und Zinnes; das sechste von der Formerei, besonders von dem Gusse der metallenen Geschütze und Glocken; das siebente enthält die Be - schreibung der Schmelzöfen, der Bälge und Balgengerüste, der Bohr - mühlen zum Kanonenbohren und des Gusses eiserner Kugeln; das achte handelt vom Gusse kleiner Gegenstände; das neunte vom De - stillieren, Sublimieren und von der Münzkunst, sowie vom Gold - und Eisenschmieden, von der Zinnverarbeitung, der Schriftgieſserei, Draht - zieherei, dem Vergolden, der Anfertigung von Metallspiegeln und end - lich noch von der Töpferkunst und dem Kalkbrennen; das zehnte von der Bereitung des Schieſspulvers, der Feuerwerkerei und Minierkunst.
Ohne auf den reichen Inhalt der einzelnen Bücher näher ein - zugehen, wollen wir nur eine Übersicht derjenigen Kapitel geben, die mehr oder weniger direkt auf das Eisenhüttenwesen Bezug haben.
Im ersten Buche trägt das sechste Kapitel die Überschrift von den Erzen des Eisens und von seiner Natur. In demselben ist nicht nur eine Beschreibung der Eisenerze gegeben, sondern auch schon das Ausschmelzen der Erze geschildert. Deshalb läſst Biringuccio hierauf sogleich die wichtige Darstellung „ von der Praxis der Stahl - bereitung “als siebentes Kapitel folgen.
Im zweiten Buche sind nur etwa die Kapitel über die Kiese und Vitriole, dann über den Magnetstein und die Ocherarten zu erwähnen.
Im dritten Buche sind folgende Kapitel für uns von Interesse: „ Von dem Verfahren, alle Erze zu probieren “; „ Die Vorbereitung der Erze zum Schmelzen “; „ Über die Gestalt der Blasebälge und der Schmelzöfen “; und „ Von der Art und Weise, wie man beim Ver - schmelzen der Erze zu verfahren hat “; endlich das Schluſskapitel „ Über die Eigenschaften und Verschiedenheit der Holzkohlen und die Art, wie man sie zu bereiten pflegt “.
Das vierte und fünfte Buch enthalten nichts auf das Eisen Be - zügliches.
Das sechste Buch dagegen, welches den Guſs der Kanonen und Glocken beschreibt, ist für die Formerkunst von gröſster Wichtigkeit, wie schon aus der Aufzählung der einzelnen Kapitel hervorgehen wird. Sie lauten: „ Über die Beschaffenheit des Formsandes “; „ Über die Herstellung der Formen “; „ Über die Verschiedenheit der Geschütze4*52Vanuccio Biringuccio.und ihrer Dimensionen “; „ Über das Formen der metallenen Ver - zierungen “; „ Über das Formen der Kanonen “; „ Wie man die Seele der Geschütze formt “; „ Wie man den dritten Teil des Geschützes, „ die Büchse “genannt, formt “; „ Über die Guſstrichter und die Wind - pfeifen bei den Formen “; „ Über das Trocknen der Formen “; „ Was man bei der Herstellung der Geschütze wissen und beachten muſs “; endlich „ Groſse Glocken zu formen und zu gieſsen “.
Hieran reiht sich unmittelbar das siebente Buch, welches haupt - sächlich die Vorrichtungen zum Schmelzen und Gieſsen und die ver - schiedenen Arten desſelben schildert, und zwar in den folgenden Kapiteln: „ Wie man die verschiedenen Flammöfen (Reverberieröfen) zum Metallschmelzen macht “; „ Über deren Konstruktion “; „ Wie man die Schmelzgrube, die Schüssel oder den Test macht “; „ Wie man den Korb macht “; „ Von dem Schmelzen in Tiegeln, — im Herde (a crogiolo), — in kleinen Wind (Gebläse) öfen “; „ Über das Schmelzen der Bronze und anderer Metalle im allgemeinen “; „ Bemerkungen über den Guſs von Geschützen “; „ Über Bronzen und über zusammen - gesetzte und legierte Metalle überhaupt “; „ Über verschiedene Er - findungen betreffs der Blasebälge zum Metallschmelzen “; „ Über das Fertigmachen der Geschütze und der Geschützwagen “; „ Über den Guſs der eisernen Kugeln für grobe und leichte Geschütze “.
Das achte Buch handelt 1) zunächst von verschiedenen Arten Formsand zu machen, um kleine Bronzeguſsstücke darin zu gieſsen; 2) Von der Art, das Salz zu präparieren, um die Lauge dem Formsande beim Gieſsen zuzusetzen; 3) Von den Regeln und der Art des Formens im Staubsande mit Gieſsrahmen oder hölzernen Kästen in der Klein - gieſserei; 4) Methode, den Staubsand zu machen, um jedes Metall in die feuchte Form zu gieſsen und die Art des Formens; 5) Methode, verschiedene Modelle (relievi) abzuformen; 6) Von verschiedenen Stoffen, welche die Eigenschaft haben, das Metall flüssiger zu machen.
Im neunten Buche, welches die allgemeine Überschrift „ Von verschiedenen andern wichtigen Wirkungen des Feuers “trägt, sind die für uns wichtigsten Kapitel das von den Eisenschmieden und das vom Ziehen des Eisendrahtes.
Das zehnte Buch enthält nichts, was sich speziell auf die Eisen - industrie bezieht.
Aus dieser Inhaltsübersicht ergiebt sich schon, daſs Biringuccios Mitteilungen über das Eisen viel mannigfaltiger sind, als die des Agricola; sie sind auch, soweit dies das Gebiet der Technik betrifft, also über das Schmelzen, Gieſsen, Schmieden von Eisen und die Stahl -53Vanuccio Biringuccio.bereitung, viel ausführlicher, und so verlockend es wäre, sämtliche bezügliche Stellen in ausführlicher Übersetzung, in ähnlicher Weise, wie wir es bei Agricola gethan haben, zusammenzustellen, so würde dies doch zu weitläufig werden und zu unnötigen Wiederholungen Veranlassung geben, weil wir die betreffenden Stellen der Pyrotechnia doch wieder bei der speziellen Geschichte der Eisentechnik im 16. Jahr - hundert bei jeder einzelnen Schilderung anführen müssen. Da erscheint es uns aber als eine Ehrenschuld, dem groſsen, zu wenig bekann - ten Metallurgen gegenüber, seine Aussprüche möglichst wortgetreu wiederzugeben.
Georg Agricola und Vanuccio Biringuccio sind diejenigen Schriftsteller, deren Werke das Fundament der metallurgischen Wissen - schaft gelegt haben. Alle folgenden Autoren auf diesem Gebiete im 16., 17. und noch teilweise im 18. Jahrhundert stehen auf ihren Schultern und sind kaum über sie hinausgekommen. Wir können bei diesen späteren deshalb auch meist kurz verweilen.
Ein Zeitgenosse Georg Agricolas war Christoph Enzelius von Saalfeld, der unter demselben Titel wie jener ein Buch De re metallica schrieb1)De re Metallica, hoc est, de origine, varietate et natura corporum metalli - corum, lapidum, gemmarum, atque aliarum, quaere fodinis eruuntur, rerum, ad Medicinae usum deservientium, Libri III — Autore Christophoro Encelio Sal - ueldensi. — Cum Priv. Imp. Franc. apud Haered. Christiani Egenolphi MDLVII.. Es ist dies aber durchaus keine Hüttenkunde, sondern vielmehr ein Kompendium der Mineralogie, in der Haupt - sache nur ein Auszug aus den Schriften des Agricola. Eine gewisse ausdrucksvolle Kürze und Übersichtlichkeit war es wohl zumeist, die Philipp Melanchthon veranlaſste, die Drucklegung des Buches zu veranlassen, denn kein geringerer als der berühmte Reformator und vielseitige Gelehrte stand ihm Pathe. Enzelius, der, wie Agri - cola, ebenfalls Arzt war, schrieb sein mineralogisches Kompendium ausdrücklich zum „ Gebrauch der Medizin “. Doch scheint er dem Ruhm und der allgemeinen Anerkennung der Schriften des Agricola gegenüber zaghaft gewesen zu sein, seine Schrift zu veröffentlichen. 54Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.Dies bewirkte Melanchthon, der, wie Luther und Mathesius ein groſser Freund und Förderer der Mineralogie und der Bergbau - kunde1)Ph. Melanchthon schrieb selbst um diese Zeit die Schrift: De venis metallicis gratiarum actio et precatio. Wittenberg 1552., den pädagogischen Wert des mit gründlichem Fleiſs und mit Verständnis ausgearbeiteten Buches wohl erkannte. Er schickte es bereits im August 1551 mit einem empfehlenden Einführungs - schreiben an seinen Freund, den Drucker und Verleger Christian Egenolf in Frankfurt mit der Bitte, es drucken zu lassen. Doch geschah dies erst 1557 von den Erben des inzwischen verstorbenen Egenolf. In dem erwähnten Briefe, welcher dem Buche an Stelle einer Vorrede vorgedruckt ist, sagt Melanchthon ausdrücklich, daſs das Buch durchaus nicht den Anspruch mache, mit den Schriften des berühmten Agricola in Wettbewerb zu treten, daſs aber die fleiſsige Arbeit wohl ein dankenswerter Beitrag zur philosophischen Wissenschaft sei.
Der Abschnitt über das Eisen (Lib. I, Cap. XXVIII) bietet dem Historiker nur wenig, doch werden wir auf einige Bemerkungen über Gangerz und Sumpferz und das daraus gewonnene Eisen, sowie über Torf und Steinkohlen später zurückkommen.
Ein Schüler und Freund des Agricola und sein begeisterter Verehrer war der gelehrte Georg Fabricius von Meiſsen. Er war es, der nach Agricolas plötzlichem Tode die Drucklegung des Werkes „ De re metallica “besorgt hat. Das diesem Werke vorgedruckte, schwungvolle lateinische Gedicht „ an den Leser “trägt aber bereits die Jahreszahl 1551. Auſser verschiedenen Lobgedichten auf Agri - cola verfaſste Fabricius auch einige metallurgische Schriften, die aber erst nach seinem Tode im Druck erschienen2)Georgii Fabricii observationes, ed. Kentmann, 1564 und De metall. rebus ac nominibus ex schedis Georgii Fabricii, Tigur. 1565.. Sie enthalten indes nur Worterklärungen und Erläuterungen zu Agricola.
Ein origineller Schriftsteller war dagegen Lazarus Erker von Annaberg, der das erste selbständige Werk über die Probierkunst ge - schrieben hat. Er behandelt darin allerdings fast ausschlieſslich die Prüfung der Gold -, Silber -, Kupfer - und Bleierze. Was er über das Probieren der Eisenerze sagt, werden wir später mitteilen, hier sei nur erwähnt, daſs daraus hervorgeht, daſs zu seiner Zeit der Hoch - ofen - und Frischprozeſs schon allgemeine Verbreitung gefunden hatte. Sein Probierbuch erschien 1574 unter folgendem Titel: „ Beschrei - bung der allerfürnemsten Mineralischen Ertzt vnd Berckwerksarten, dieselbigen ...... trewlich vnd fleiſsig an Tag geben durch Lazarus55Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.Erckern. “ Die Vorrede ist an den „ allerdurchleuchtigsten etc. Herrn Maximiliano den Andern “gerichtet und schlieſst mit der Unterschrift „ geben Prag, nach Christi vnsres Seligmachers geburt im ein Tausent fünff hundert und vier und Siebenzigsten Jahre den III. Septem - bris u. s. w. Lazarus Ercker von Sant Anna Berck “......, „ gedruckt zu Prag inn der Alten Stadt durch Georgen Schwartz M.D.LXXIIIj. “ Dieses Werk fand groſsen und dauernden Beifall. Es blieb lange das angesehenste Probierbuch und wurde infolgedessen auch in den folgenden Jahrhunderten mehrfach neu aufgelegt1)Die mir bekannt gewordenen späteren Ausgaben sind von 1629, 1672, 1703 und 1736. Sie führen den prahlerischen Titel: Aula subterranae, domina domi - nantium, subdita subditorum. Das ist: Unterirdische Hoffhaltung, ohne welche weder die Herren regieren noch die Unterthanen gehorchen können, oder: Gründliche Beschreibung derjenigen Sachen, so in der tieffe der Erden wachsen etc. Vormals durch den Weltberühmten und gantz Teutschland zierenden Herren Lazarus Ercker, Weiland der Röm. Kayserl. Majest. obersten Bergmeister aufs treulichste beschrieben ...... (zum 4. mal gedruckt Frankfurt a. M. von Johann David Zunner — Anno MDCCIII).. Es existiert noch eine ganze Anzahl von „ Probierbüchlein “aus dem 16. Jahrhundert, unter denen die von Cyriakus Schreitmann von 1578 und das von Modestin Fachs von 1595 die bekanntesten sind. Doch ist in sämtlichen das Eisen nur nebenher behandelt, indem die Silber - und Goldproben den Hauptinhalt ausmachen.
Von weit gröſserem Interesse selbst vom technischen Standpunkt aus sind die originellen Bergpredigten des Mathesius, Pfarrers von Joachimsthal, namentlich diejenigen, welche in seiner „ Sarepta oder Bergpostill “enthalten sind.
Es ist eine merkwürdige Zeit und merkwürdige Umstände, denen dies eigenartige Werk seine Entstehung verdankt. Eine kurze Schil - derung derselben wird uns, ebenso wie die Lebensbeschreibung des Agricola, ein richtigeres Bild davon geben, als lange kulturgeschicht - liche Auseinandersetzungen.
Der Bergbau auf silberhaltige Erze im Erzgebirge hatte gegen das Ende des 15. Jahrhunderts einen wunderbaren Aufschwung ge - nommen, besonders auf der sächsischen Seite waren im Meiſsnischen durch die Erschürfung reicher Silbererzänge blühende Städte, wie Schneeberg, Annaberg und Marienberg, entstanden, welche mit ihrem Bergsegen den Herzog Albrecht von Meiſsen zum reichsten Fürsten Deutschlands machten. Bekannt ist, daſs einst in Schneeberg eine so groſse Silberstufe gewonnen wurde, daſs der Herzog mit seinen Gästen in der Grube daran zu Tafel sitzen konnte, wobei er in die56Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.Worte ausbrach: „ Der Kaiser Friedrich ist ein mächtiger Herr, aber solch einen Tisch, daran wir sitzen, hat er doch nicht. “ Aber die Glanzzeit der sächsischen Bergstädte dauerte nicht lange. Der Reich - tum, den die Natur bot, verwöhnte die Bergleute, so daſs sie nur raschem und mühelosem Gewinn nachgingen. Die reichen Mittel, die über der Thalsohle lagen und durch Stollen aufzuschlieſsen waren, wurden rasch abgebaut, dann aber verlieſsen die meisten durch den leichten Erwerb zu Abenteuern geneigten Bergleute die Bergwerke, um an einem andern Orte, wo man „ fündig “geworden war, in gleicher Weise ihr Glück zu versuchen. Es waren ähnliche Zustände, wie wir sie in unserm Jahrhundert bei den Goldfeldern von Kalifornien und Australien erlebt haben. In gleicher Weise lockte der Ruf des Silber - reichtums des Erzgebirges Abenteurer aus allen Ländern und aus allen Ständen an. Städte entstanden in unwirtbaren Gegenden in erstaunlich kurzer Zeit, um oft ebenso rasch wieder zur Unbedeutendheit herabzusinken, wenn der Bergsegen erschöpft war. Dies war bei dem sächsischen Silberbergbau im zweiten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts bereits eingetreten. Die reichen Erzmittel waren ab - gebaut, die Ausbeute lieſs nach, die fahrenden Bergleute sahen sich nach lohnenderer Arbeit um.
Da erklang plötzlich die Kunde von reichen Silberanbrüchen „ im Thal “im böhmischen Erzgebirge. „ Zum Thal “— noch hatte der Platz keinen andern Namen — wurde die Losung der Bergleute. „ Im Thal, im Thal mit Mutter und All “, das war der Ruf, der durch das ganze Erzgebirge scholl, wie Mathesius berichtet. Zwei säch - sische Bergleute, Bach aus Geyer und Öser aus Schlackenwerth, waren es gewesen, die wahrscheinlich im Jahre 1510 den ersten Berg - bau „ im Thal “eröffnet hatten1)Nach der Angabe in J. Böhms handschriftlicher Chronik in der Stadt - Dechantei zu Joachimsthal.. Doch war ihr Erfolg nicht groſs und fehlte es ihnen an Mitteln, ihren Bau fortzusetzen. Da bildete sich 1515 in Karlsbad eine Gewerkschaft zur Ausbeutung der Erz - gänge im Thal, der namentlich der Hauptgrundbesitzer der Gegend Graf Stefan Schlick beitrat. Diese erzielte schon 1516 glänzende Ausbeute und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht davon im Erzgebirge. Scharenweise kamen Bergleute und Kolonisten gezogen.
Überall fand man Silber, gediegen oder als reiches Rotgiltigerz, unter dem Rasen und unter Baumwurzeln, ähnlich, wie in Peru oder Bolivia. Im folgenden Jahre 1517 war schon eine Ortschaft entstanden57Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.mit einer Kapelle. 1518 wählten die Bergleute bereits zwei Berg - meister und einen Bergrichter, und die Grafen Schlick, die sich als Bergherren ansahen und das Regal beanspruchten, erlieſsen eine neue Bergordnung mit zeitgemäſseren Bestimmungen als die alte Wenzes - laussche; auch prägten sie die ersten Silbermünzen, da sie sich das Münzrecht gleichfalls anmaſsten, die unter dem Namen der „ Thaler “bald in alle Welt gingen und sich als Münzname dauernd erhalten hat. Das erste Schulhaus wurde bereits 1518 erbaut. 1520 wurde die in drei Jahren entstandene Stadt im Thale unter dem Namen Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. In demselben Jahre wurde auch schon die berühmt gewordene Lateinschule daselbst eröffnet.
Es war eine eigentümlich gemischte Gesellschaft, die sich in der neuen Stadt zusammengefunden hatte. Viel unruhige Köpfe waren darunter, das bewiesen die Aufstände, die in den Jahren 1523 und 1525 ausbrachen, aber auch viele tüchtige, nach Besserem ringende Kräfte, das bezeugen die vielen gemeinnützigen Stiftungen aus eigener Kraft und eigenen Mitteln und die gute städtische Verwaltung. Im Jahre 1525 wurden die bei dem Aufruhr vernichteten Statuten der Stadt erneuert und Dienstag nach Mariä Geburt öffentlich bekannt gemacht. Diesem Statut war bereits eine sehr gute Handwerker - ordnung mit ausführlichen Lohnfestsetzungen, selbst einer Apotheker - taxe beigefügt; ferner ein Luxusgesetz für Hochzeiten, Vorschriften über Leichenbestattung, eine Feuerordnung u. s. w. Die Stadt wuchs immer gröſser, so daſs Sebastian Münster1)Seb. Münster, Cosmographey 1592, S. 981. berichtet: „ Umb das jar Christi 1526 hat man im Joachimsthal angefangen zu bawen, und ist dies Thal so voll Gebavs gesteckt worden oben und unden, daſs die Heuser auff einander hocken und eine anzeigung geben einer groſsen Stadt “, und im Bermannus sagt Agricola 1528, daſs Joachims - thal an Städte wie Erfurt und Prag erinnere. Die erwähnten Auf - stände entstanden teils aus dem Widerstreben der unruhigen Bevöl - kerung gegen eine strenge Handhabung der Ordnung besonders in Bergsachen, teils aus dem Widerstande gegen die Heeresfolge, welche die Bergleute den Grafen Schlick mit Recht weigerten; endlich aus dem Zerwürfnis der Schlickschen mit dem Kaiser, welches zuerst darin seinen Ausdruck fand, daſs König Ferdinand I. nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1528 den Grafen Schlick das angemaſste Münzrecht entzog. Indessen hören wir nach der Unterdrückung des Aufruhrs vom Jahre 1525 nichts mehr von ernsten Kämpfen in der58Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.Stadt, vielmehr war die darauf folgende Zeit eine Periode glänzender, friedlicher Entwickelung. Im Jahre 1527 kam Agricola als Stadt - arzt nach Joachimsthal. 1530 wurde aus freiwilligen Beiträgen ein Spital und ein Friedhof erbaut und 1534 bis 1537 eine neue Kirche ganz aus eigenen Mitteln errichtet.
Die Joachimsthaler hatten sich von Anfang an entschieden der Reformation Luthers zugewendet. 1532 wurde Johannes Mathe - sius als Rektor an die Lateinschule berufen. Er war am 24. Juni 1504 zu Rochlitz in Sachsen geboren, von angesehener Familie, die mehrere gelehrte Glieder besaſs, darunter Burgard Mathesius, der lange Rektor bei St. Sebald in Nürnberg und später Vikar vom Stifte Bam - berg war. Johanns Vater Wolfgang war Ratsherr zu Rochlitz. Auch in diese Stadt, in deren Umgebung schon früher Bergbau be - trieben wurde, war das Silberfieber, welches damals das ganze Erz - gebirge ergriffen hatte, eingezogen. Der alte Wolfgang beteiligte sich eifrig dabei, scheint aber sein ganzes Vermögen dabei zugesetzt zu haben, so daſs, als er im Jahre 1521 starb, der verwaiste sieb - zehnjährige Johannes fast mittellos dastand. Doch hatte er bereits einen Blick in das Bergmannsleben thun können, denn sein Vater hatte schon in dem Jahre 1518 dem vierzehnjährigen Sohne eine An - stellung als Zubuſseeinnehmer auf einer Zeche verschafft gehabt. Nach des Vaters Tode aber verlieſs er Rochlitz und zog, seinem inneren Berufe folgend, als fahrender Schüler nach Nürnberg, wo sein Vetter Burkhard Rektor war. Es folgten nun wechselvolle Jahre der Prüfung für Johannes. Mit Luthers Schriften wurde er 1525 zuerst bekannt. Sie erweckten in ihm die Sehnsucht, den kühnen Reforma - tor persönlich kennen zu lernen, und so zog er 1528 zum erstenmal nach Wittenberg, das damals in höchster Blüte stand, wo neben Luther Philipp Melanchthon, Justus Jonas und Johann Bugenhagen wirkten. Sein Herzenswunsch war erfüllt, er saſs als eifriger Schüler zu den Füſsen des groſsen Mannes, dem er später so viel näher treten sollte.
Damals gestattete ihm die Knappheit seiner Mittel nicht, seinen Wunsch, auch noch Theologie zu studieren, zur Ausführung zu bringen. Er muſste für seinen Lebensunterhalt sorgen und so nahm er nach zwei Jahren 1530 die ihm von seinen ihn hochschätzenden Lehrern an - gebotene Stelle als Lehrgehülfe des Andreas Misenus zu Altenburg an. Von da wurde er bereits 1532, wie oben erwähnt, als Rektor an die Lateinschule nach Joachimsthal berufen. Hier begann und endete sein segensreiches Wirken. Leicht wurde ihm das anfangs freilich59Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.nicht gemacht. Er, der streng an Luthers Lehren hielt, fand mancherlei Widersacher. Zwar bekannten sich die Joachimsthaler mit Eifer zu der neuen evangelischen Lehre, aber es spukte viel Un - klarheit in den Köpfen dieser Bekenner. Den Samen dazu hatte der erste Pfarrer von Joachimsthal, Joh. Sylvius Egranus (Johann Wildauer aus Eger), selbst gegeben, der zwar, ehe er 1521 von Zwickau hierher berufen wurde, mit Luther eng verbündet gewesen war im Kampfe gegen Thomas Münzer und die Wiedertäufer, der aber sonst mehr der katholisierenden Richtung zuneigte und durchaus nach seinem Kopfe reformieren wollte. Schon vor ihm aber hatte das Silberfieber und der Ruf „ zum Thale “neben manchen fahrenden Schülern und Studenten, die ihrer alma mater den Rücken gekehrt hatten, um hier rasch reich zu werden, auch den unruhigen Karl - stadt hierher geführt, der mit seinem fanatischen Eifer auch schon manche Köpfe verdreht hatte. Daſs auch die Wiedertäufer eifrig und mit Erfolg hier für ihre Lehre warben, sieht man aus den strengen Maſsregeln, welche die Grafen Schlick gegen sie ergriffen. Alle An - feindungen und Schwierigkeiten — die allerdings so groſs waren, daſs nur die Bitten und der treue Beistand des Stadtarztes Dr. Nae - vius ihn davon zurückhielten, seine Stelle aufzugeben und Joachims - thal zu verlassen — überwand Mathesius durch seine Treue und Tüchtigkeit in seinem Lehrberuf.
Von Jahr zu Jahr erkannten die Bürger Joachimsthals immer mehr den Wert des gerechten, aufrichtigen, gelehrten Mannes und bald wandten sich ihm aller Herzen zu. Daſs die berühmtesten pro - testantischen Gelehrten, wie Melanchthon, Eoban Hesse, Justus Jonas und Georg Spalatin, in diesen Jahren 1535 bis 1537 nach Joachimsthal kamen, um ihm und der berühmt gewordenen Latein - schule, wo lateinische und griechische Schauspiele unter seiner Lei - tung mit bestem Erfolge aufgeführt wurden, ihren Besuch abzustatten, trug gewiſs auch viel zur Erhöhung seines Ansehens bei. Ein rühren - der Zug ist es aber, daſs die Dankbarkeit seiner Schüler und deren Eltern ihm die Mittel verschafften, den höchsten Wunsch seines Lebens, nämlich noch einmal nach Wittenberg ziehen zu dürfen und unter Luthers Leitung seine theologischen Studien zu vollenden, zur Er - füllung zu bringen.
Im Jahre 1538 machte ihn der Steiger Mathes Sax aus Dank - barkeit für den seinen Kindern erteilten Unterricht zum Mitgewerken bei einer neuen Zeche, wovon Mathesius in der Vorrede zu seiner Sarepta sagt: „ Unser lieber Gott hat mir durch meiner Schüler60Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.dankbare Eltern etliche Küxlein zugeworfen, davon ich zwei Jahre zu Wittenberg zum andernmal studiert und eine schöne kleine Liberei erzeugt habe. “ In Wittenberg gestalteten sich die Verhältnisse für ihn auſserordentlich günstig. Er wurde Luthers Tischgenosse und schloſs sich ihm in inniger, vertrauter Freundschaft an, so daſs nach Luthers Tod keiner so berufen war, das Leben des groſsen Mannes zu beschreiben, wie Mathesius. Hier in Wittenberg erhielt er erst sein charakteristisches Gepräge. Er kehrte, von einer stattlichen Deputation von Joachimsthaler Bürgern eingeholt, im Jahre 1541 als Pfarrer in das ihm liebe und zur Heimat gewordene Thal zurück. Luther hatte die sieben Mitglieder der Deputation im eigenen Hause bewirtet und so freundlich empfangen und wiederkommen heiſsen, daſs dieselben im folgenden Jahre 1542 ihren Besuch wiederholten.
Mathesius fand in seinem neuen Amte viel Arbeit vor. Sein Hauptstreben, das auch von Erfolg gekrönt war, ging dahin, eine strengere Kirchenordnung in seiner Gemeinde einzuführen. Natürlich begegnete er hierbei mancherlei Widerstand. Aber auch die politischen Verhältnisse brachten ihm viel Unruhe. Die Grafen Schlick, die eifrige Protestanten und seine treuen Beschützer waren, hatten sich viele Hoheitsrechte angemaſst, für die sie keine Rechtstitel besaſsen und die ihnen von der kaiserlichen Regierung bestritten wurden. Dieser Konflikt spitzte sich zum förmlichen Kampfe um den Besitz von Joachims - thal zu, bis im Jahre 1545 der Kaiser die Grafen Schlick mit Ge - walt zur Entsagung zwang. Eine kaiserliche Kommission nahm die Stadt für den Kaiser in Besitz. Die alten Privilegien wurden auf - gehoben und neue veröffentlicht. — Bei diesem ganzen Streit hatte Mathesius auf der Seite der Grafen Schlick gestanden, sowohl aus persönlicher Überzeugung, als weil er von der katholischen kaiserlichen Regierung für seine Gemeinde fürchtete. Als nun die kaiserliche Regierung an die Joachimsthaler Bürger das Ansinnen stellte, Kriegs - volk zu stellen zur Einnahme der sächsischen Orte Pletten und Gottes - gab, verweigerten diese, auf altes Bergrecht sich stützend1)Siehe Bd. I, S. 776., die Heeresfolge, und Mathesius forderte in seinen Predigten zum Wider - stande auf. Dafür wurde er mit Bürgermeister und Rat zur Ver - antwortung nach Prag geladen. Es war gewiſs ein saurer Gang für den pflichttreuen Mann. Von Mitte November 1545 bis Ausgang des Jahres muſsten sie warten, wurden dann aber mit glimpflichem Ver - weis entlassen. Mathesius wurde allein vor den Kaiser beschieden61Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.und der kluge Herr, der bekanntlich ein eifriger Freund und Förderer des Bergbaues war und dem deshalb Joachimsthal sehr am Herzen lag, sprach so freundlich, milde und verständig mit Mathesius, daſs dieser dem einzigen Verlangen des Kaisers, für die Folge sich aller aufreizenden Reden gegen die Obrigkeit zu enthalten, gern entsprach. Der Kaiser hatte durch seine Freundlichkeit sein Herz gewonnen und er blieb ihm in aufrichtiger Treue ergeben, wie manche Stellen seiner Predigten bezeugen. Nun aber brach der Schmalkaldische Krieg aus, der neue Unruhen über Joachimsthal, das natürlich fest beim Schmal - kaldischen Bunde hielt, brachte. Doch die Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 entschied rasch das Schicksal der Stadt. Sie ergab sich dem kaiserlichen Bevollmächtigten Graf Hassenstein, freilich war der gröſste Teil der Bürger zuvor geflohen. Den Grafen Schlick wurden ihre Güter genommen, Graf Albin Schlick floh nach Thürin - gen zum Grafen von Gleichen, wo er starb. Der immer noch mächtige Einfluſs der Schlick war damit gebrochen. Die Stadt wurde glimpflich behandelt, doch wurden ihr die alten Privilegien genommen. Am 10. Oktober 1547 erteilte der König der Stadt ein neues Privilegium in 14 Artikeln. In diesen wurde sie für alle Zeiten als freie Berg - stadt anerkannt, doch wurden die Freiheiten der Bürger darin wesent - lich eingeschränkt. Von da ab folgte nun eine lange Zeit der Ruhe für Joachimsthal, in der das segensreiche Wirken ihres treuen Pfarrers sich erst recht entfalten konnte. Freilich, die Glanzzeit Joachimsthals kehrte nicht mehr zurück, um so mehr aber Ruhe und Ordnung, so daſs Mathesius in seiner Joachimsthaler Chronik vom Jahre 1562 schreiben konnte: „ In diesen vergangenen 14 Jahren ist gottlob kein Todtschlag hier geschehen. “ Auch er fühlte sich glücklich in Joachims - thal, er liebte den Ort und seine Gemeinde, wie er auch von ihr ge - ehrt und geliebt wurde. Deshalb lehnte er auch alle Berufungen zu glänzenderen Stellungen, darunter auch die zu einer theologischen Professur in Leipzig ab. Befriedigt schreibt er in der Einleitung zur Sarepta:
„ Darneben hat mir Gott in diesem Gebirge unter den Herrn Schlicken gnädigen Herren gute und beständige Freunde, gehorsame Pfarrkinder und gottselige, fleiſsige Kollegen, einesteils gute Nach - barn, dankbare Schüler, die vielen Städten mit Ehren dienen, gegeben. Überdies eine bequeme luftige Wohnung und ein tugendliches Weib aus ehrlicher Freundschaft, liebe Kinder, treues Gesinde und darneben mit gelehrten Leuten groſse Kundschaft machen lassen, und feinen Hausfrieden und manche ehrliche Freude in diesem Thale mit ver -62Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.trauten Leuten bescheret. “ Der häufige Besuch gelehrter und hoch - verehrter Freunde verschönte ihm auch den Aufenthalt. Melanch - thon besuchte ihn noch zwei Jahre vor seinem Tode im Jahre 1558, welchen Besuch er dem schon erkrankten Freunde im folgenden Jahre erwiderte.
Mathesius selbst nahm der Tod plötzlich mitten in seiner Berufs - thätigkeit weg. Den 8. Oktober 1565 an einem Sonntage, als er eben über das Evangelium von der Auferweckung des Sohnes der Witwe gepredigt hatte, rührte ihn in der Kirche der Schlag und in wenigen Stunden war er eine Leiche. Die dankbare Knappschaft stiftete dem Vielbeweinten im Jahre 1572 ein Grabdenkmal.
Mathesius, ähnlich wie sein groſser Freund Luther, in der harten Schule des Lebens gebildet, hatte einen biederen Sinn, einen treuen, edlen, echt deutschen Charakter. Dabei war er ein Mann nicht nur von tiefer, sondern von fast universeller Gelehrsamkeit. Er ge - hörte zu den hervorragendsten Theologen, Philologen und Pädagogen seiner Zeit; Geschichte, Münzkunde, Musik und die Dichtkunst pflegte er, am meisten aber interessieren uns seine mineralogischen, berg - und hüttenmännischen und technischen Kenntnisse, die ganz hervor - ragend waren. In der Jugend schon auf den Bergbau hingewiesen, wuchs sein Interesse an dem Berufe in Joachimsthal, das sein Ent - stehen und sein Bestehen allein diesem Industriezweige verdankte. Er studierte nicht nur die Bücher des Agricola, der ja auch den gröſsten Teil seines bergmännischen Wissens in Joachimsthal gesammelt hatte, sondern er unterhielt sich mit Vorliebe mit den Bergleuten, fuhr selbst mit an und sammelte seltene Mineralien mit solchem Eifer und Erfolge, daſs er sich rühmen konnte, in seiner Sammlung Stufen zu besitzen, die selbst Agricola nicht habe1)Vorrede zur Sarepta, worin auch ein historisch-interessanter Katalog seiner Mineraliensammlung mitgeteilt ist.. Aus diesem warmen Interesse für den Bergbau und aus der Anregung, die Luther — selbst eines Bergmannes Sohn — gegeben hatte, hielt er jedes Jahr zu Joachimsthal eine besondere Bergpredigt, und die Sammlung dieser Bergpredigten ist das originelle Buch, welches er unter dem Namen Sarepta — bekanntlich eine altbiblische Bergstadt — veröffentlichte. Das Buch erschien 1562 unter dem Titel: „ Die Sarepta oder Berg - postille, samt der Joachimsthaler kurzen Chronik. “ Sie enthält 16 Predigten, welche der Reihe nach Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei u. s. w., sowie das Schmelzen, Münzwesen und Glasmachen63Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.umfassen, daran schlieſst sich dann eine chronistische, kurz gehaltene Darstellung der Geschichte von Joachimsthal von der Zeit seiner Entstehung an.
Die Predigten sind eine merkwürdige Verquickung von Technik und christlicher Theologie, aber so wahr, ernst gedacht und treffend, daſs sie noch heute tiefen Eindruck machen. An das, was der Berg - mann sieht und erlebt, knüpfen sich die Gleichnisse an, welche die Allmacht, die Güte, das Wirken Gottes, wie die Pflichten der Men - schen bezeugen sollen, und dies geschieht in so sachverständiger, ein - gehender Weise, daſs in gewissem Sinne die Sarepta doch ein Lehrbuch der Metallurgie genannt werden kann. Den Zweck, ein technisches Lehrbuch zu schreiben, verfolgte Mathesius zwar durchaus nicht, er verwahrt sich in seiner Vorrede sogar ausdrücklich dagegen, aber die mineralogischen und technischen Erklärungen, die mitgeteilten Ansichten über die Bildung der Mineralien, die Lagerung der Gesteine, den Bergbau, die Gewinnung und Behandlung der Metalle zeugen von so viel Erfahrung und Geist, daſs sie für den Historiker zu einer Quelle der Belehrung werden.
Die Predigt, die uns für unsern Zweck besonders interessiert, ist die achte der Sarepta, gehalten um 1558 und überschrieben: „ Berg - Predigt vom Eisen, Stahel vnnd der Regiment Seulen Danielis. “ Sie knüpft an das Traumbild des Königs Nebukadnezar von der gewal - tigen Bildsäule, dessen Haupt von Gold, dessen Brust und Arme von Silber, dessen Bauch und Lenden von Erz, dessen Schenkel von Eisen, dessen Füſse aber teils Eisen, teils Thon waren (Daniel II), und zwar redet er insbesondere von den eisernen Füſsen, „ daran etliche irdene Zehen waren “. „ Weil wir den bisher vom löthigen und silbrichten Golde und vom Silber und Kupfer geprediget, wollen wir im Namen des Herrn aller Herren heute von Eisen und Stahl reden und erstlich dies Metall, des kein Haus auf Erden gerathen kann, preiſsen und von seinem Namen, Natur und Eigenschaft und wie man es gräbt, rennet, schröt, zu Stahl machet, bergläufftiger Weise bei euch Bergleuten handeln, wie denn Daniel selber als ein Bergmann von des Eisens Stärke und Kraft redet. “
Mathesius giebt nun zunächst eine ausführliche Skizze über das Alter und die Geschichte des Eisens. Er hält das Eisen mit dem Kupfer für das älteste Metall, „ denn da Adam graben und roden, Eva spinnen und wirken, Kain mähen und schneiden, Abel, Seth und Enoch opfern und schlachten sollten, konnten sie des Eisenwerks nicht gerathen “. Wenn uns dieser naive Beweis auch nicht genügen64Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.dürfte, so giebt der Prediger hiernach eine reichhaltige Zusammen - stellung andrer Beweisstellen aus den alten Schriften, besonders aus der Bibel, worin er seine gründliche Kenntnis der hebräischen Sprache beweist. Seine sprachlichen Untersuchungen und Betrachtungen sind in der That höchst neu und geistreich. So spricht er beispielsweise die Vermutung aus, der Name der Stadt Barcelona stamme von dem hebräischen barzel, Eisen, her, denn es sei eine Stadt der Phönizier gewesen und diese hätten dort das berühmte spanische Eisen ein - gehandelt, der Name sei also gerade gebildet wie etwa Ferrara in Italien oder Eisenach in Thüringen, „ darinn der würdig Herr D. Luther seliger in die Schul gangen “.
Hierauf verbreitet er sich über das Vorkommen des Eisens und die Eisenbergwerke, wobei er hauptsächlich die der Nachbargebiete in Böhmen und Sachsen erwähnt. Er giebt genaue Angaben über Maſs und Gewicht, wonach die Erze gekauft werden, wie auch über den Preis des Eisens. Sodann beschreibt er die Vorbereitung der Erze und das Ausschmelzen derselben. Schildert dann die Arten des Eisens und wie man Stahl aus Eisen macht. Hierbei macht er wieder mancherlei Anmerkungen, z. B. daſs die Innsbrucker Harnisch - macher jetzt den gröſsten Ruhm hätten, dem Stahl die richtige Härtung zu geben, was dem dortigen Wasser zugeschrieben werde. Die Bergleute weist er darauf hin, wie wichtig bei dem Berggezäh das richtige Anschweiſsen des Stahles sei.
Auch seine Betrachtungen über die innige Verwandtschaft von Stahl, Eisen und Kupfer sind, wenn auch nicht richtig, doch inter - essant. Er führt nämlich aus, daſs, wie Eisen sich in Kupfer ver - wandle beim Eintauchen in gewisse vitriolische Laugen, so entstehe aus Eisen Stahl, sei also im Wesen nichts Verschiedenes. — So findet sich in dem technischen Teile dieser groſsen Predigt eine ganze Reihe von historisch wichtigen Bemerkungen, und wenn der Leser etwa glauben möchte, daſs eine so ausführliche technische Einleitung zu einer Predigt höchst ermüdend sein müsse, so wird jeder Berg - und Hütten - mann, der sie liest, den entgegengesetzten Eindruck empfangen.
An Bergleute war aber die Predigt gerichtet. Ihr Interesse wurde durch diese praktische Einleitung, die an ihr eigen Wissen und Können anknüpfte und doch vieles Neue und Merkwürdige brachte, so angeregt, daſs sie im stande waren, die folgenden groſsartigen Aus - führungen der Predigt zu verstehen. Denn nun entrollt der Prediger, indem er wieder zu dem Ausgangspunkte, der riesigen Bildsäule, die Nebukadnezar im Traume erschienen war und ihn so in Schrecken65Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.versetzt hatte, zurückkehrt, ein gewaltiges Bild der Weltgeschichte und des Weltgerichtes mit prophetischem Hinweis auf schwere Zeiten, die über unser deutsches Vaterland hereinbrechen würden (30jähriger Krieg); mit der ernsten Mahnung zu rechtzeitiger Einkehr. Die ganze Predigt ist von hohem historischen Interesse1)Über das Leben des Joh. Mathesius vergl. : Lebensbeschreibung des M. J. Mathesius durch M. Joh. Balthasar Mathesius, Dresden 1705; das Leben des M. Joh. Mathesius von Karl Fr. Ledderhose, Heidelberg 1849; Johann Mathesius von Dr. Jacob Nöggerath, Westermanns Monatshefte, Bd. 8, 1860; Dr. Gustav C. Laube, Aus der Vergangenheit Joachimsthals, Prag 1873..
Unter den im 16. Jahrhundert erschienenen Fachschriften, in denen sich beachtenswerte Angaben über Eisen und Stahl finden, sind ferner noch zu erwähnen: Kentmanns Mineralogie 1565 und Conrad Gesners Abhandlung: De omni rerum fossilium genere, gemmis, lapidibus metallicis etc. 1565.
Die mystisch-alchemischen Schriften jener Periode, wie die des Morienus Romanus De re metallica, metallorum transmuta - tione etc. 1564 und des Th. Moresinus Liber novus metallorum causis et transsubstantiatione 1593 verdienen kaum der Erwähnung. Bedeutsamer ist dagegen des Nic. Monardo Gespräch über das Eisen, welches 1580 in spanischer Sprache unter dem Titel: Dialogo del hierro y de sus grandezas etc. zuerst erschienen ist2)Das Gespräch ist gedruckt in des Verfassers: Historia de las plantas que se traen de las Indias. Sevilla 1580, 4°, fol. 125 — 147. Dieses Werk wurde zuerst ins Englische übersetzt unter dem Titel: N. Monardus, Joyful newes out of the newfound world 1580, ed 1596, fol. 139 — 163: The dialoge of Yron, which treateth of the greatness thereof. Das Gespräch vom Eisen wurde dann für sich allein von Carolus Clusius ins Lateinische übersetzt als Nicol. Monardi dia - logus de ferro, ejusque praestantia ac facultatibus und findet sich in Carol. Clusii exoticor., libr. X, Lugd. Bat. 1605. Diese lateinische Übersetzung wurde 1605 von Jeremias Gesner ins Deutsche übertragen als: „ Ein nützlich und lustig Gespräch von Stahl und Eisen etc. “ Leipzig 1615.. Es ist in Gesprächsform geschrieben und werden darin drei Personen, ein Doktor, ein Apotheker und ein Eisenhändler, ganz in der Weise von Agricolas Bermannus, redend eingeführt.
Der Eisenhändler Octunus, der aus Kantabrien gebürtig ist und die Eisenindustrie seines Heimatlandes genau kennt, giebt auf Ver - anlassung des Doktor Monardo eine Schilderung derselben, und führt alsdann aus, zu welchen Zwecken Eisen und Stahl verwendet werden. Dr. Monardus erklärt im zweiten Gespräche die Natur von Eisen und Stahl und seine Bedeutung in der Medizin. Nachdem Burgus, der Apotheker, auf des Doktors Veranlassung, die Bereitung der Eisen - und Stahlarzneien beschrieben hat, schildert MonardusBeck, Geschichte des Eisens. 566Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.die mannigfaltige Heilkraft derselben. Das Ganze ist wirklich, wie der Titel sagt, „ ein nützlich und lustig Gespräch “, und die prak - tischen Zusätze des deutschen Übersetzers Jeremias Gesner erhöhen noch seinen Wert.
Andreas Cesalpini von Arrezzo (geb. 1519), Professor in Pisa und Leibarzt des Papstes Clemens VIII., war, wie Monardo, ein berühmter Mediziner und Botaniker, und schrieb, wie dieser, ein Buch über die Metalle, welches zuerst 1596 zu Rom und dann 1604 zu Nürnberg unter dem Titel: „ De metallicis libri tres “gedruckt wurde. Es ist eine sehr schätzbare Mineralogie, in der auch dem Eisen und Stahl ein Kapitel gewidmet ist (Lib. III, Cap. VI), doch sucht man technische Angaben darin vergebens.
Interessanter und wichtiger hierfür sind zwei encyklopädische Werke. Das Buch De rerum varietate des Cardanus und der Piazza universale des Garzoni.
Hieronymus Castellioneus Cardanus aus Pavia, geboren 1501, gestorben 1576, war einer der gelehrtesten und scharfsinnigsten Männer seiner Zeit. Besonders berühmt ist er als Mathematiker und Cardans Regel zur Lösung der Gleichungen vierten Grades trägt heute noch seinen Namen. Ursprünglich Theologe, wendete er sich der Mathematik und den Naturwissenschaften zu, wurde 1553 Professor der Mathematik in Mailand, 1559 Professor der Medizin in Pavia und 1562 zu Bologna. Er beherrschte das ganze Gebiet der Natur - wissenschaften. Von seinen Schriften fanden besonders die Bücher De subtilitate (1550) und De rerum varietate (1556) groſse Ver - breitung. Das letztere wurde wiederholt ins Deutsche übersetzt, zuerst von Heinrich Pantaleon, der Arznei Doktor, unter dem Titel: Offenbarung der Natur und natürlicher Dinge, 1559. Cardanus war sehr eigenartig in seinem Denken, wenn auch ein eifriger Astro - loge und fest an Geistererscheinungen glaubend, trat er doch den alten überlieferten Doktrinen als Revolutionär gegenüber. Er ver - warf sie und erklärte alles aus dem Genius. Aus drei Universal - prinzipien: Materie, Form und Seele und aus drei Elementen: Erde, Luft und Wasser erklärte er das Wesen aller Dinge. Die Physik und Mechanik verdanken ihm wichtige Entdeckungen: er untersuchte die Schwere der Luft durch Versuche und lehrte zuerst das Parallelo - gramm der Kräfte für den Fall, daſs die Kräfte im rechten Winkel wirken1)Siehe Theodor Beck, Zivilingenieur, XXXV, 7. Heft.. — Die Offenbarung der Natur ist eine Encyklopädie des67Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.gesamten damaligen Wissens, darin sind auch die Metalle abgehandelt und seine Bemerkungen über Eisen und Stahl sind sehr beachtens - wert und werden bei den betreffenden Abschnitten mitgeteilt werden.
Noch mannigfaltiger und reichhaltiger sind aber die Mitteilungen über Eisen und Eisengewerbe in dem originellen „ Schauplatz “des Garzoni. Thomas Garzoni, einer der gröſsten italienischen Saty - riker, war geboren zu Bagna-Cavallo in der Romagna 1549. Er hieſs eigentlich mit seinem Taufnamen Oktavius, wofür ihm aber bei seinem Eintritt ins Kloster im Jahre 1566 der Name Thomas gegeben wurde. Sehr früh zeigte sich seine hohe Begabung und eine unbändige Lern - begier. Schon im 11. Jahre verfaſste er ein italienisches Gedicht, das groſsen Beifall fand, obgleich es nichts schilderte, als die ge - wöhnlichen Händel der Kinder. Im 14. Lebensjahre studierte er bereits zu Ferrara Rechtsgelehrsamkeit, gab aber dieses Studium auf, nachdem er in seinem 17. Jahre Ordensbruder geworden war. Er starb, kaum 40 Jahre alt, als ein Canonicus regularis Lateranensis in seiner Vaterstadt den 8. Juni 1589. Garzoni, obgleich Ordensbruder, war durch und durch Realist und besaſs eine groſse Kenntnis aller Lebensverhältnisse und eine vorzügliche Begabung, sie zu schildern. Er war ein scharfer Satyriker, aber im Geiste des Aristophanes, und erfüllt von dem Glauben an die siegreiche Kraft des Realismus. Seine drastischen Schilderungen der menschlichen Schwächen sind packende Sittenpredigten. Rastloser Fleiſs und aufreibende Thätig - keit machten seinem Leben früh im 40. Lebensjahre ein Ende.
Auſser seinem Buche „ La piazza universale “, das ins Lateinische, Französische und Deutsche übersetzt wurde, haben die satyrischen Schriften: „ L’hospitale de’ pazzi incurabili “, das deutsch als „ das Spital unheilbarer Narren und Närrinnen “, und „ La Sinagoga de gl’ignoranti “, in denen er die Gebrechen seiner Zeit verspottet und geiſselt, besondern Beifall gefunden. Der „ Piazza universale “, dessen erste Ausgabe im Jahre 1580 erschien, ist eine Schilderung aller Berufsarten, Künste und Gewerbe, sowohl nach Ursprung und Ent - stehung als in technischer Beziehung. Die 1651 von M. Merian herausgegebene deutsche Übersetzung führt den Haupttitel: Thomae Garzoni Piazza Universale oder Allgemeiner Schauplatz aller Künste, Professionen und Handwerke, und wenn auf dem ausführlicheren zweiten Titel gedruckt ist „ jedermänniglich, weſs Standts der sey, sehr nützlich und lustig zu lesen “, so ist dies ganz der Wahrheit entsprechend. In der Anlage erinnert das Buch an des Polydorus Vergilius’ Geschichte der Erfindungen, ist aber viel reicher an5*68Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.praktischem Inhalt und zeigt, mit jenem verglichen, recht deutlich den bedeutenden Fortschritt der Technik im Laufe des 16. Jahr - hunderts. Was er über Bergbau und Hüttenkunde mitteilt, ist meist aus Biringuccios Pyrotechnia entnommen, doch findet man auch viele originelle Mitteilungen, namentlich über die Kleineisengewerbe. So handelt z. B. der 46. Diskurs: „ Von Schmieden insgemein, in specie aber von Grobschmiedten, Kupferschmiedten, Messerschmiedten, Waffen - schmiedten, Schlossern, Scheerschmiedten, Schleiffern, Zinngieſsern, Spengelern oder Laternenmachern, Nadelmachern, Täschenbeschlagern, Sporern, Gürtlern und Huffschmiedten. “ Der 69. Diskurs, der über - schrieben ist: „ Von Bergleuten, von Rothgieſsern und sonderlich von Geschütz - und Glockengiessern “, behandelt zunächst das Aufsuchen der Erze und Erzmittel, das Schürfen, Probieren und Rösten der Erze, die Anlage des Bergwerkes, die Einteilung der Mineralien, die Ansichten über die Natur der Metalle, das Vorkommen derselben, die Kunst des Gieſsens und Formens besonders von Glocken und Kanonen, wobei wieder hauptsächlich Vanuccio ausgeschrieben ist.
So gab es also nach dem Mitgeteilten im 16. Jahrhundert bereits eine Litteratur des Eisens, wenn dieselbe auch zumeist nur in ver - schiedenen Werken eingestreut ist. Was sie uns bietet, giebt nur ein unvollständiges Bild der Eisentechnik jener Periode. Zur Vervoll - ständigung desſelben müssen noch viele andere Quellen herangezogen werden.
Über die Verwendung des Eisens zur Bewaffnung finden wir vieles in den Kriegsbüchern, die eine eigenartige Litteratur bilden und von denen wir die des Leonhard Fronsperger 1557 und des Grafen Reinhard zu Solms 1559 besonders namhaft machen. Manches findet sich in Chroniken, wie z. B. besonders in der Meiſsnischen Chronik des Albinus vom Jahre 1589.
Wichtige Aufschlüsse geben die Berg - und Hüttenordnungen, die Hammerwerkseinigungen, von denen besonders die Sulzbacher zu er - wähnen ist. Auch aus den Waldordnungen und den allgemeinen Landesgesetzen läſst sich manches entnehmen. Die Archive, besonders die der wichtigen Bergstädte, die Staatsarchive, die der Bergämter und königlich preuſsischen Regierungen enthalten in den auf Berg - bau und Hüttenwesen bezüglichen Akten, besonders aber in den betreffenden Rechnungen noch Schätze der Belehrung über die Ver - gangenheit, doch sind dieselben meist noch ungehoben. Eine Be - arbeitung dieses Materiales ist zeitraubend und sehr schwierig, weil sie nur an Ort und Stelle vorgenommen werden kann. Hoffentlich69Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.erwacht aber das Interesse für derartige Untersuchungen mehr und mehr, so daſs sich aus den Ergebnissen der Lokalforschungen mit der Zeit ein richtigeres und vollständigeres Bild der Entwickelung der Eisenindustrie im 16. Jahrhundert darstellen läſst, als dies bis jetzt noch möglich ist.
Zum Schlusse erwähnen wir noch, daſs auch das Studium der Mechanik, des Maschinenwesens, der Ingenieur - und Baukunst, worüber im 16. Jahrhundert bereits eine recht umfangreiche Litteratur vor - handen ist — wir führen die Werke von Albrecht Dürer, Tar - taglio, Rivius, Ramelli, Besson und Zonka an —, manchen Aufschluſs über das Eisenhüttenwesen jener Periode giebt.
Die Ansichten der Gelehrten des 16. Jahrhunderts über die Natur und das Wesen des Eisens waren noch die der aristote - lischen Philosophie. Das Eisen galt als ein durch Verdichtung von Dämpfen im Schoſse der Erde entstandenes Metall. Nach der Lehre der Alchimisten bestand es wie alle Metalle aus den zwei Materien oder „ Prinzipien “, aus Schwefel und Quecksilber. Mercurius est ma - teria metallorum cum sulphure sagte Geber. Davon sei der Schwefel der Vater, das Quecksilber die Mutter. Die natürliche Hitze des Schwefels zwinge und backe das Quecksilber in den Erdspalten der - maſsen zusammen, daſs aus beiden alle Metalle geboren werden: und aus diesen beiden Veränderungen entstehen allerlei unterschiedliche Metalle1)Monardo, Gespräch von Stahl und Eisen, S. 8.. Demnach bestehen alle Metalle aus derselben Materie und unterscheiden sich nur durch die gröſsere oder geringere Reinheit derselben. Im Golde sind sie am reinsten, und manche sagen, alle Metalle hätten Gold werden sollen, aber die Unvollkommenheit des Schwefels und des Quecksilbers hätten es verhindert. Eisen enthält diese Materien im Zustande der gröſsten Verunreinigung. Dies lehrte schon Geber2)Siehe Bd. I, S. 972., und Encelius drückt dies folgendermaſsen aus: Wenn poröses, erdiges und unreines Quecksilber mit Schwefel, der gleich - falls unrein, stinkend und erdig und von fester Beschaffenheit ist, sich vereinigt („ tanquam si pene morbidus cum matre menstruosa coit “), entsteht Eisen. Aus dieser Zusammensetzung werden nun auch die Eigenschaften des Eisens abgeleitet, zunächst seine unansehnliche Farbe. Monardo sagt, das Eisen sei finster, schwarz und grob,71Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.weil es aus solcher Materie seinen Anfang genommen habe. Ence - lius beschreibt das Eisen als metallisch, sehr bleifarbig, wenig röt - lich von unreinem Weiſs, magnetisch (? participans) und hart. Sodann wird seine Schwerschmelzbarkeit von seiner Unreinheit hergeleitet. Cäsalpinus1)Cäsalpinus, De metallicis, Libr. III, Cap. VI. sagt: Seine unedle Natur wird zunächst bezeugt durch seine Unschmelzbarkeit, die von den vielen trockenen, sehr dicken und erdigen Dünsten herrührt, ferner wird dieselbe durch seine schmutzig - graue Farbe (colore livido) bewiesen, wie es denn auch am raschesten Rost anzieht und in Staub zerfällt. Im Feuer aber steht es besser wie die übrigen unreinen Metalle, wegen der vielen erdigen Bei - mengung. Albertus Magnus sagt schon: Wenn das Eisen glüht, wird es rot, weil es mehrenteils irdisch ist. — Endlich wurde auch die Härte des Eisens aus der Unreinigkeit seiner Materie hergeleitet.
Über die schlechten Eigenschaften, welche wir seine „ Unarten “nennen, und den Einfluſs fremder Beimengungen auf dieselben teilen die metallurgischen Schriftsteller des 16. Jahrhunderts nur wenig mit. Agricola unterscheidet noch nicht zwischen Kalt - und Rotbruch; er sagt nur in seiner Hüttenkunde: „ Das schlechteste Eisen, welches wie Glas auf dem Amboſs zerspringe, sei kupferhaltig, ferrum fragile et aerosum. “ Sodann macht er im achten Buche bei der Röstung die Bemerkung, der Schwefel schade dem Eisen am meisten. Basilius Valentinus sagt von dem Eisenerz in bezug auf das darzustellende Eisen: „ Eisenstein nimmt die höchsten Metalle an sich, Gold, Silber, Kupfer, Zinn und Blei, davon es spröde und ohnartig wird, aber Gold und Silber schaden ihm nichts, die machen es geschmeidig; welches nur kupferflöſsig oder mit geringen Metallarten vermischt ist, das zerfällt auch leichtlich. “
Der Stahl wurde im allgemeinen als ein gereinigtes Eisen an - gesehen. Am ausführlichsten erklärt dies Albertus Magnus. Er sagt2)Alb. Magnus, De mineralibus et rebus metallicis, Lib. V, Cal. 1669, p. 369. Chalybs autem non est alia species metalli, quam ferrum sed subtilior et aquasior pars ferri ex ferro per destillationem extracta et ideo durior est et com - pactior propter vim ignis et propter partium subtilitatem quac duriores efficiun - tur quando uruntur. Est autem albius, propter majorem a terrestritate sepera - tionem et cum nimis induratur tunc scinditur et percussum comminuitur propter nimiam sui desiccationem.: Der Stahl ist keine andre Art Metall als das Eisen, nur feiner, indem die wässerigen Teile des Eisens durch Destillation von dem Eisen abgeschieden sind, dadurch wird es härter und dichter infolge der Kraft des Feuers und der Feinheit seiner Teile, welche72Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.härter werden, so oft man sie glüht. Er wird weiſser durch die gröſsere Abscheidung des Erdigen, und wenn er zu sehr gehärtet wird, zerspringt er und läſst sich unter dem Hammer zerkleinern wegen seiner zu groſsen Austrocknung.
Dies war auch die Ansicht derjenigen Metallurgen, welche, wie Agricola und Biringuccio, sich nicht so ganz auf den Boden der überlieferten Theorieen des Aristoteles und der Alchimisten stellten. Von dem Standpunkte der letzteren aus war diese Läuterung leicht zu erklären. Nach Monardos Ansicht wurde durch die fortgesetzte Behandlung des Eisens im Feuer ein Teil des erdigen Schwefels aus - getrieben. Die hellere, silberähnliche Farbe des Stahls galt als ein Beweis der Reinigung. Cäsalpinus sagt, daſs man dieselbe noch weiter (also wohl bis zum reinen Silber) fortsetzen könne, daſs man dies aber nicht thue, des groſsen Abbrandes wegen und weil das Eisen in dem unvollkommenen Zustande der Läuterung für viele Zwecke am geeignetsten sei.
Aus dieser Mischung von Schwefel und Quecksilber in unreinem Zustande erklärte man auch die medizinischen Wirkungen von Eisen und Stahl, die in den Schriften der Metallurgen des 16. Jahrhunderts, welche fast alle Ärzte waren, eine hervorragende Rolle spielen. Schon Galen hatte das Eisen für kalt und trocken erklärt, weshalb es als Medikament trocknend und zusammenziehend wirken muſste. Man teilte damals die Körper nach ihrer arzneilichen Wirkung in zwei Klassen: in solche, die kühlend, trocknend und beruhigend, und in solche, die wärmend, lösend und belebend wirkten. Das Eisen und seine Verbindungen spielten aber schon im hohen Altertum eine her - vorragende Rolle als Arzneimittel. Es galt im allgemeinen als kalt und trocken, aber seine Anwendung war eine so vielfältige, daſs es auch in Fällen angewendet wurde, wo wärmende und lösende Mittel geboten waren, deshalb erklärten es viele, wie schon Galen und Avicenna, für warm und trocken. Monardo giebt sich in seinem angeführten Gespräch Mühe, diese Widersprüche zu lösen, indem er auf die Zusammensetzung der Materie des Eisens selbst zurückgeht. Er sagt: das Eisen bestehe aus dem hitzigsten Schwefel und dem kältesten Quecksilber. Des Quecksilbers Natur sei wässerig und irdisch, dieses herrsche im Eisen vor, deshalb wirke dieses kühlend, trocknend, die Hitze des Schwefels aber bedingte seine lösende Wirkung. Da nun der Stahl mehr von Schwefel gereinigt sei, so wirke dieser mehr kühlend und trocknend, während das ungereinigte Eisen mehr wärmend und lösend wirke.
73Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Agricola hält sich von diesen theoretischen Spekulationen im ganzen fern, dagegen behandelt er wiederholt die mineralogisch wich - tige Frage, ob das Eisen in gediegenem Zustande in der Natur ge - funden werde. Im allgemeinen verneint er dies, wie die meisten Naturforscher dieses Jahrhunderts, doch gerät er bei dieser Frage in Widersprüche, weil er das meteorische Eisen nicht von dem terrestrischen unterscheidet. In seinem Werke, dem Bermannus, spricht er sich noch für das Vorkommen von gediegenem Eisen aus. Er sagt: „ Es ist sicher, daſs reine Massen von Eisen, sowie auch kleine Körner davon gefunden werden, wie dies schon Albertus wuſste “, und wiederholt diese Behauptung an einer andern Stelle1)„ Sed ferri quoque massae puri et grana quaedam parva, quod Albertus novit, reperiri certum est. “ Und an andrer Stelle: Ferri puri massae et granula quaedam, ut dixi, reperiuntur.. Dagegen sagt er in seinem späteren Werke De natura fossilium: die Alten hätten nirgends über das Vorkommen von gediegenem Eisen berichtet und die Körner, welche seine Farbe hätten und zuweilen im Sande der Flüsse ge - funden würden, seien so unrein, daſs sie erst geschmolzen werden müſsten, um sie zu verwenden. Da er sie mit Zinngraupen vergleicht, so dürften hier Magneteisenkörner, die sich oft in Seifenwerken finden, gemeint sein. Meteoreisen kennt Agricola nur aus den Schriften des Avicenna. Er verhält sich aber skeptisch gegen den auſser - irdischen Ursprung der Meteorsteinfälle und will dieselben lieber von vulkanischen Wirkungen herleiten2)Siehe Agricola, De ortu et causis subterraneurum, Lib. V und Bd. I, S. 19.. Encelius behauptet dagegen bestimmt, daſs gediegenes Eisen in der Erde gefunden werde. Nach ihm „ ist das Eisen zweierlei Art, entweder natürliches oder ge - schmolzenes. Das natürliche ist rein und wird in Bergwerken in Körnern oder Klumpen gefunden; die Deutschen nennen es „ gediegen Eisen “3)Siehe Ch. Encelius, l. c., Lib. I, Cap. 18. “.
Georg Fabricius führt einen beglaubigten Meteoreisenfall in Sachsen an, den er folgendermaſsen beschreibt4)Siehe Georgii Fabricii, observationes ed. Kentmann, 1565, p. 27: Fer - ream massam recremento similem, ex aëre decidisse in sylvis Neuhovianis prope Grimam, sunt qui affirmant, eamque massam multorum pondo fuisse, narrant, adeo ut in locum illum nec deportari propter gravitatem, nec curru adduci propter loca invia potuerit.: Verschiedene ver - sichern es, daſs eine Eisenmasse, ähnlich einer Schlacke, aus der Luft niedergefallen sei in den Waldungen von Neuhofen bei Grimma, diese Masse sei von groſsem Gewicht gewesen, so sehr, daſs man sie wegen ihrer Schwere nicht fortbringen konnte, noch lieſs sich ein Wagen74Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.an die Stelle bringen, wegen der Unwegsamkeit des Ortes. Dies er - eignete sich aber vor dem sächsischen Bürgerkriege, den die blutsver - wandten Fürsten gegeneinander führten. Ebenso berichtet Scaliger von dem Fall einer meteorischen Eisenmasse1)Siehe Bd. I, S. 19..
Über die Oxyde des Eisens hatte man, dem damaligen Stande der Wissenschaft entsprechend, sehr unklare Vorstellungen. Der Eisenrost galt allgemein als eine Krankheit des Eisens, welcher das Eisen verzehre. Agricola nennt ihn ein vitium metalli, von der das Eisen durch die Feuchtigkeit wie von einem Ausschlag befallen werde2)Siehe De natura fossilium, Lib. III, quod ea tanquam scabie quadam in - festatur ferrum, humore contactum.. Im Schoſse der Erde werde er ebenso selten gefunden, wie das gediegene Eisen. Schon Plinius unterscheidet ferrugo und rubigo und Agricola sagt, manche nennen ihn rot, manche schwarz3)Siehe oben S. 39.. Doch wird der Hammerschlag, das Eisenoxyduloxyd, welches beim Schmieden des Eisens abfällt, nicht als etwas dem Rost Verwandtes, sondern als ein Rückstand der Verbrennung, als eine Asche (cinis) angesehen, die mehr den Schlacken (ramenta oder recrementa ferri) verwandt war. Kentmann unterscheidet Frischschlacke, Stock - schlacke und Hammerschlag4)Joh. Kentmann, Mineralogia, 1565, p. 92: 1. Recrementa nigri ferri. 2. Desilentia de massa ferrea calido quando densatur et pulsatum malleis ligneis in massam redigitur „ Eysen, das da abspringt, wann man es zusammentreibt “. 3. Bractea, quae de ferro desiliunt, quando bacilla malleis magnis faciunt, postea fabri ferri acuunt. „ Groſser Hammerschlack, damit die Schmied stächeln. “. Monardo schildert den Eisenrost als eine Krankheit, die man auch als solche behandeln müsse und giebt Mittel gegen das Verrosten an. Er sagt: „ Es hat das Eisen seine Krankheit, welche dasſelbe verzehrt, nämlich den Rost, aber dawider sind viele Arzneien erfunden, also daſs man dasjenige, so aus Eisen gemacht, sauber, ohne Staub und in trocknen Orten behalte, dasſelbe oft gebrauche, mit Gold oder Silber überziehe, blau anlaufen lasse, mit Baumöl, Hirschwachs, Spieke, Fett von Geflügeln, Cerusin mit Essig versetzet u. s. w. einschmiere5)Vergleiche auch Agricola, De nat. fossil., Lib. VIII, oben S. 36.. Wenn’s aber verrostet, ist nichts bequemer, denn mit der Feile darüber her dasſelbe abgefeilet, in Essig gelegt und durch ein Feuer gezogen, so bringt man den Rost hinweg, es wäre denn schon ganz angefressen und verzehret, da kann keine Arznei mehr helfen. “ Cardanus spricht sich noch genauer über die Ursache und das Wesen des Rostes aus. Er setzt klar aus - einander, daſs dasſelbe nicht durch die Luft allein, sondern wesent -75Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.lich durch das Wasser bei Zutritt von Luft entstehe. Deshalb be - streiche man Sachen, die nicht rosten sollen, mit Öl, welches die Feuchtigkeit abhält. „ Dieweil denn das Öl den Rost weret und das Wasser solchen machet, vermerkend, wiewol daſs der Rost weder von der Kälte noch von der Feuchte entstehet. Denn das Öl ist an ihm selbst kalt und mag auch feucht werden oder an ihm selbst sein. Darum wird der Rost von einer faulenden Wärme, es faulet aber das Wasser, darum ist dieses Ding ein Gift. “ Obgleich man annahm, daſs beim Verrosten der Metalle etwas verzehrt werde, also eine Ge - wichtsverminderung eintreten müſste, war man doch mit der That - sache, daſs die Metalle bei ihrer „ Verkalkung “, d. h. Oxydation, an Gewicht zunehmen, schon früh bekannt. Geber wuſste dies schon vom Blei und vom Zinn. Ganz bestimmt sprach es Paul Eck von Sulzbach um 1490 aus, aber die Alchymisten nahmen keine Notiz davon. Cardanus, der dieselbe Beobachtung bei dem Blei gemacht hatte, erklärte die Erscheinung in seinem Werke De rerum subtili - tate aus der Entweichung der himmlischen Wärme, der er also ähn - lich wie die Chemiker des vorigen Jahrhunderts eine negative Schwere zuschrieb. Skaliger verdunkelt diese Idee des Cardanus nur, indem er ausführt, es würde das Metall durch Reduktion von in ihm ein - geschlossener Luft schwerer, wobei er spezifisches und absolutes Ge - wicht verwechselt.
Die Erze betrachtete man als Mineralien, die unmittelbar aus der Hand der Natur hervorgegangen seien und deshalb als die ein - fachen, elementaren Stoffe, die sich beim Schmelzen durch Zutritt von irgend etwas in Metalle verwandelten. Die Mineralien waren nach Aristoteles ebenfalls aus irdischen Ausdünstungen gebildet, und zwar die Steine aus trockenen, die Metalle aus feuchten, wes - halb die Steine unschmelzbar und zerreiblich, die Metalle schmelz - bar oder dehnbar wären. Diese Einteilung war indes nur so lange haltbar, als man nur die alten sieben planetarischen Metalle: Gold, Silber, Elektrum, Kupfer, Eisen, Blei und Zinn kannte. Schon Geber sah sich gezwungen, die Metalle in edle und unedle zu trennen und zu letzteren auch einige Halbmetalle zu rechnen. Im 16. Jahrhundert unterschied man bereits folgende Halbmetalle: Quecksilber, Antimon, Arsen, Kobalt, Wismut und Zink, die dadurch gekennzeichnet waren, daſs sie sich unter dem Hammer nicht strecken lieſsen. Die Steine teilte schon Aristoteles ebenfalls in zwei Gruppen ein, von denen die der einen aus fetten, die der anderen aus mageren Dünsten entstan - den waren; die erste umfaſste die brennbaren Fossilien, wie Schwefel,76Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Auripigment, die Bitumina, wozu auch die Kohlen gehörten, sowie noch einige andere Mineralien; die zweite Gruppe umfaſste alle übrigen Steinarten. Agricola nahm schon vier Klassen an: Gemeine Steine, Edelsteine, Marmorarten und Felsarten.
Die Eisenminer, nämlich Magneteisenstein, Hämatit und Glaskopf, gehören zur ersten Klasse. Agricola beschreibt die mineralogischen Kennzeichen derselben ausführlich, jedoch nicht als Eisenerze. Eisen - erz ist kein mineralogischer, sondern ein hüttenmännischer Begriff. Eisenerze nennen wir diejenigen Steine, aus denen Eisen mit Vorteil gewonnen werden kann. Es giebt sehr eisenreiche Mineralien, wie Magnet - und Schwefelkies, die, weil sie diese Bedingung nicht erfüllen, keine Eisenerze sind. Wenn wir die Eisenerze in die fünf Haupt - gruppen: Magnet -, Rot -, Braun -, Spat - und Thoneisensteine teilen, so ist dies ebenfalls eine praktische und keine mineralogische Ein - teilung, wenn auch jede dieser Erzarten durch ein besonderes Eisen - mineral charakterisiert ist. Die mineralogische Einteilung der oxy - dischen Eisenverbindungen, um die es sich hier allein handelt1)Siehe Bd. I, S. 9., ist unabhängig von der hüttenmännischen. Man muſs deshalb beide nebeneinander betrachten.
Agricola in seinen mineralogischen Schriften unterscheidet die oxydischen Eisenverbindungen am genauesten, ohne indes von ihrer chemischen Zusammensetzung irgend welche Kenntnis zu haben. Er beschreibt zunächst den Magnetstein, sodann die Hämatite und den „ Schistos “, indem er darin der Einteilung und Bezeichnung des Plinius folgt. Sie gehören alle zur ersten Klasse der Mineralien, zu den „ eigentlichen oder gemeinen Steinen “.
Was Agricola vom Magnetsteine berichtet, ist auszugsweise be - reits mitgeteilt worden2)Siehe oben S. 40.. Er hält ihn nicht für ein Eisenerz, sagt aber, daſs er die Farbe von poliertem Eisen habe und auch zumeist in Eisensteingruben gefunden werde, wo er entweder in kleinen Stücken im Erze eingesprengt oder in mächtigeren, gröſseren Mitteln vorkomme. In Deutschland führt er die folgenden Fundorte an: im Harze jenseits Harzburg, sieben Steine (Meilen) von Goslar entfernt, wo es aus einem besondern Schachte gefördert werde: in den meiſs - nischen Bergen in Eisenerzlagern nicht weit von Schwarzenberg und von Eibenstock, vornehmlich in der Grube, welche man die Magnet - grube nenne; ferner nicht weit von dem Orte Pela, da, wo man zur Rechten in das reiche Joachimsthal herabsteigt, welches Eisenberg -77Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.werk von seinem Entdecker Burkart und dem steilen Orte seinen Namen erhalten hat; im Gebiete der Franken; in Böhmen gleichfalls in den Eisenbergwerken des Lessawaldes, der zwischen der Stadt Schlackenwerth und deren Warmbad Karls IV. (Karlsbad) gelegen ist. Agricola weis zwar, daſs gebrannter Magnetstein dem Hämatit gleiche und als solcher verkauft werde, mit keiner Silbe aber erwähnt er seine Verwendung als Eisenerz. In Deutschland wurde zu jener Zeit Magneteisenstein nicht als solcher benutzt und die Beimengung von Magnetstein in den Erzen galt sogar als der Güte des Eisens nachteilig.
Die von Plinius überkommene Einteilung der übrigen Eisenerze in Hämatite und Schistos ist eine wenig glückliche.
Der eine Name ist von der Farbe, der andere von der Form abgeleitet; nach unserer Bezeichnungsweise würden wir sie mit Blut - stein und Glasköpfe übersetzen müssen, dies entspricht auch Agricola, in dem von ihm selbst aufgestellten Wörterverzeichnis, doch sagt er bei dem undefinierbaren Worte „ Schistos “selbst: „ Glasköpfe oder Blut - stein, denn viele Deutsche unterscheiden ihn nicht von dem Hämatit “. Es ist dies auch gar nicht möglich, da der rote Glaskopf Blutstein ist und der faserige Blutstein Glaskopf, ja, die Deutschen bezeichnen mit dem Namen Blutstein vorzugsweise den roten Glaskopf. So bleibt denn auch Agricolas Beschreibung, die wir oben bereits im Wort - laute mitgeteilt haben1)Siehe oben S. 42., trotz ihrer Ausführlichkeit, unklar, namentlich ist das, was er unter dem Namen Schistos beschreibt, vom mineralo - gischen Standpunkte aus ein wahres Sammelsurium. Es ist eigentlich eine Schilderung der gebräuchlichen Eisenerze, der Rot - und Braun - eisensteine, von deren technischer Verwendung der Verfasser aber nicht spricht.
Eine weniger wissenschaftliche, aber mehr praktische Einteilung und Beschreibung der Eisenerze giebt uns Vanuccio Biringuccio2)Siehe Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI..
„ Wie zuvor erwähnt “, schreibt er, „ wird das Eisenerz in den rauhesten Bergen gefunden, und dieses wird von den Alchimisten unedel genannt, weil es grobe, erdige Bestandteile mit sich führt, woher es kommt, dass das Eisen in der Glut des Feuers mehr erweicht als schmilzt, auch wegen seiner schlechten Beimengungen und groſsen Porosität leicht rostet und, wenn man es verarbeitet, sich verzehrt, indem es sich in Schlacke verwandelt.
(Wie gute Erze beschaffen sind:3)Birin - guccio hat dabei hauptsächlich die Erze von Elba und Toskana im Auge. Die Eisenerze zeigen sich, wie gesagt, verschiedener Art. Das gute soll hell und schwer sein,78Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.von festem Korn und rein von Erde und Gangart, wie von jeder Metall - beimischung. Diejenigen von brauner Farbe und die, welche schwarz sind oder die Farbe der Trauer (calamita — des Magnetes?) haben, sind nicht viel wert, weil sie fast alle Spuren von Kupfer enthalten.
Mir sind vier verschiedene Arten bekannt. Die erste ist jene helle (chiara), von der ich Euch sagte, daſs sie vollkommen ist, wenn sie schwarz ist; die zweite jene glänzende (lucente) von kleinem Korn, welche leicht zerreiblich und nicht sehr gut ist. Die (dritte) schwarze, von groſsem Korn hat wenig Wert, weil sie fast immer Kupfer und andere Metallbeimischungen mit sich führt. Die vierte ist schwarz, von kleinem Korn und mehr oder weniger gut, je nach dem Gestein, in dem sie sich findet. Die Erze, welche eine metallische Beimischung, wenn auch nicht viel, haben, kann man nur durch langandauernde und starke Feuer reinigen, denn es sind verdorbene Materien, die auf andere Weise voneinander kaum zu trennen sind. Von diesen macht man deshalb, da man sie nicht zur vollkommenen Weichheit bringen kann, weil sie sich aber leicht schmelzen lassen, Artillerie - kugeln und andere Guſswaren, welche, je nach der Menge der Ver - unreinigung, auch mehr oder weniger zerbrechlich sind. Diese Erze erzeugen sich, wie der Augenschein lehrt, in allen Gesteinsarten in den Bergen, aus welchen das beste, reinste Wasser hervorbricht, und wo die Luft gut ist. Oft erzeugt es sich in einem weiſsen Gestein, ähnlich dem Marmor, wenn es aber, mit diesem verbunden, geschmolzen wird, so wird das Eisen selten weich. Es findet sich ferner für sich in einer gewissen losen, roten Erde, dieses ist sehr zerreiblich und zeigt schwarze Flecken und gelbe Linsen. Ähnlich findet es sich auch in einer gewissen gelben Erde, die fast so leicht ist wie Schlamm, aber ich rate Euch nicht, bei diesem Eure Zeit zu verlieren, weil es nicht rein ist. Ihr werdet dies noch genauer beurteilen können, wenn Ihr dabei grün oder blau gefärbte Steine findet, oder beim Zerbrechen gelbe Körper wie Knöpfe oder schwarze wie Kohlen. “ Nachdem Biringuccio weiterhin auseinandergesetzt hat, wie man auf chemi - schem Wege die Verunreinigungen der Erze nachweisen kann, worüber wir an anderer Stelle sprechen wollen, fährt er fort: „ Dasjenige Erd - reich (mergola), an dem man erkennen kann, wo gutes Eisen sich findet, ist der Bolus oder eine andere erdige Substanz, rot, weich und fett, welche, wenn man sie mit den Zähnen zermalmt, kein Knirschen wie von Erde zeigt, denn hierin erweist sich nach der Meinung der Praktiker ein sehr vollkommenes Erz. Dieses ist aber nicht in Gängen (filone) geordnet.
79Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Um endlich zu erzählen, von welcher Art sich auſserdem noch Eisenerz findet, so ist das meiste von der Sorte, welche die Eisen - rostfarbe (color ferruginoso) zeigt, das, nach meinem Wissen, nicht sehr gut ist. Hiervon, wie von einer anderen schwarzen Sorte, habe ich viele im Gebiete von Siena, im Thale von Boccheggiano, sowie an vielen anderen Plätzen gesehen .... “
Encelius unterscheidet die nutzbaren Eisenminer in Eisenerz und in Eisenerde, ersteres findet sich in den Gebirgen und wird bergmännisch gewonnen, wie z. B. in seiner Heimat bei Saalfeld, letzteres findet sich im Flachlande, unter dem Ackerboden als eine rote Erde, die vom Roste gewissermaſsen angesteckt ist, wie in Schlesien und in Brandenburg. Es ist dies das Wiesenerz oder der Raseneisenstein, der in ganz Norddeutschland auf Eisen verschmolzen wurde, den Kentmann als Torgauer Erz, von lebergelber Farbe und schwammartig, „ darauſs man vil eysen rennet “, aufführt. Lazarus Erker1)Laz. Erker, Beschreibung der allerfürnehmsten mineralischen Erz - und Bergwerksarten 1574, Lib. IV, S. CXXXb etc. giebt folgende Beschreibung: „ Der Eysenstein der ist braun, vnd zeucht sich seine farb dahin, das er im gemeyn fast einem verrosten Eysen gleich sihet. Der beste und gar reiche Eysenstein aber, der frisch ist, des Farb ist blawlecht (bläulich), was vergleicht sich einem gediegen Eysen. Etliche Eisenstein seyn magnetisch, die durch jre Natur das Eysen sichtiglich zu sich ziehen, welches wie auch hernach berichtet wirdt, aus ihrer beyder verborgner hitz her - kommt ..... Der Stahelstein aber, der ist dem Eysenstein an seiner farb gar vngleich. vnd sihet etlicher gleich wie eine gelb - lichter spart ..... “
Die Entstehung der Erzlager schreibt Cardanus den Gestirnen zu, von denen die Sonne den mächtigsten Einfluſs hat. Deshalb seien die Erze nach den Breitengraden verschieden verteilt, und wegen der gröſseren Sonnennähe habe Potosi so viel Silber, Italien dagegen so wenig, aber viel Eisen, weil es nicht gar zu warm, aber auch nicht ganz kalt ist.
Die Eisenerze wurden meist durch Tagebau gewonnen. An manchen Orten, wo reiche Erzlager zu Tage ausstrichen, wurde das Erz aufgelesen, oder es wurden im Herbste, nachdem die Ernte ein - gethan war, Schurfgräben aufgeworfen und das Erz oberflächlich aus - gegraben. So geschah es in alter Zeit im Siegerlande und in der Herrschaft Sayn-Altenkirchen, und da hierbei oberflächliche Gänge80Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.und Erdhaufen entstanden, die denen der Maulwürfe („ Moll “) ähnlich waren, welche „ Mollhügel “hieſsen, so nannte man diese Art der Erz - gewinnung „ moltern “und das Erz Moltererz1)L. W. Cramer, Vom Berg -, Hütten - und Hammerwesen in den Nassau - Usingischen Landen, 1805, S. 86 f.. Diese Art der Ge - winnung stand dem Grundbesitzer frei und war nicht von einer Be - lehnung oder Mutung abhängig. Nachdem auf einem Grundstück der Molterstein gewonnen war, wurden die Gräben zugeworfen und der Acker wieder bestellt. In ähnlicher Weise geschah die Gewinnung der Rasenerze in Norddeutschland, Holland u. s. w. Agricola be - richtet2)Siehe oben S. 39., daſs man bei der Gewinnung der Wiesenerze in Schlesien zwei Fuſs tiefe Schurfgräben aufwerfe. Tiefer dürfe man wegen dem Grundwasser nicht niedergehen, doch wüchse das Erz nach, so daſs es nach zehn Jahren von neuem gegraben werden könne.
Wie das Seeerz in Schweden gewonnen wurde, haben wir aus - führlich im ersten Bande beschrieben3)Siehe Bd. I, S. 808.. Wo mächtige Erzlager waren, enstanden gröſsere Tagebaue, wie schon in ältester Zeit auf der Insel Elba, am Erzberg bei Eisenärz, zu Hüttenberg in Kärnten u. s. w. Aber auch durch regelmäſsigen Gangbergbau wurden schon im Mittel - alter die Eisenlager ausgebeutet, und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nahm der Bergbau einen so allgemeinen Aufschwung, daſs auch viele gröſsere Eisenerzlager durch regelrechte Stollen, Schächte und Strecken erschlossen und abgebaut wurden.
Die Anwendung von Wasserrädern als Bewegungsmaschinen für kräftige Pumpwerke ermöglichten erst den eigentlichen Tiefbau, den Abbau unter der Stollensohle.
Die Eisensteinbergwerke wurden indes zu Anfang des 16. Jahr - hunderts meistens noch ausschlieſslich nur über der Thalsohle mit Stollenbetrieb abgebaut, Tiefbau war für den geringpreisigen Eisen - stein damals noch zu kostspielig. — Regelmäſsiger Streckenbergbau auf Eisenerze fand besonders in Gebirgsgegenden statt. Im Harz ist er sehr alt. Als man im Jahre 1795 den alten Stollen der Vollmer - grube zwischen Elbingerode und Wernigerode, der winkelig, eng und nur durch Schrämmarbeit hergestellt war, aufräumte und erweiterte, fand man die Jahreszahl 1227 im Gestein eingehauen. An den mäch - tigsten und bekanntesten Erzstöcken ging man schon früh vom Tage - bau zum Stollenbau über, so auſser am Harz im Stahlberg bei Müsen im Siegerlande, am Erzberg bei Eisenärz, in Sulzbach und an vielen andern Orten.
81Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Auch das Feuersetzen kam bei der Gewinnung der Eisenerze hier und da in Anwendung; so geschah dies noch Ende des vorigen Jahr - hunderts zu Frauenberg im Erzgebirge, wo man den Magneteisenstein auf diese Weise gewann und an dem beschwerlichen Verfahren fest - hielt, weil dadurch zugleich das Erz eine teilweise Röstung erfuhr. Es würde zu weit führen, alle im 16. Jahrhundert betriebenen Eisen - bergwerke aufzuführen; wir werden bei der Geschichte der Eisen - industrie der einzelnen Länder Gelegenheit haben, die wichtigsten derselben namhaft zu machen.
Das geförderte Erz wurde in Haufen auf der Halde aufgefahren, und zwar in der Weise, daſs der Neunte oder Zehnte, welcher als Abgabe gewöhnlich dem Landesherrn zu entrichten war, für sich ge - stürzt wurde.
Wenn das Erz keiner besondern Aufbereitung bedurfte, so war es jetzt zum Verkauf oder zum Verschmelzen fertig und konnte die Probe genommen werden.
Das Probieren der Eisenerze geschah, wie das Probieren der Erze überhaupt, auf trockenem Wege. Die „ trockene Erzprobe “war bereits im 16. Jahrhundert zu einer Vollkommenheit entwickelt, daſs dieser Zweig der Chemie bis zu unserer Zeit wenig Änderungen und Verbesserungen erfahren hat. Die metallurgische Chemie, die unter dem Namen der Probierkunst begriffen wurde, war eine in sich abgeschlossene Wissenschaft oder nach der Ausdrucksweise der Alten „ eine Kunst “. Sie zeichnete sich sehr vorteilhaft vor den geheimnis - vollen Operationen der Alchimisten und Adepten durch Einfachheit und Klarheit aus. Bei ihr bildete die Wage bereits das wichtigste Instrument; sie war die einzige Form der chemischen Analyse. So ist die Probierkunst, obgleich fast ausschlieſslich von Berg - und Hüttenleuten für ihre praktischen Bedürfnisse gepflegt, in gewisser Beziehung der Ausgangspunkt der modernen Chemie geworden; denn erst dadurch, daſs man mit der Wage in der Hand alle chemischen Vorgänge prüfte, enstand die exakte chemische Wissenschaft.
Die Operationen des Probierers waren im wesentlichen die Ope - rationen des Hüttenmannes bei der Zugutemachung der Erze auf den kleinen Raum des Laboratoriums mit seinen Tiegeln, Kapellen, Muffeln, Windöfen und Handblasebälgen reduziert.
Wie die Ausschmelzung der Eisenerze ein einfacher Vorgang war, so war es auch das Probieren derselben auf ihren Gehalt. Es war dies eine einfache Tiegelprobe. Das gepulverte Eisenerz wurde in einem Tiegel mit Kohlenpulver gemengt zu einem Regulus, König,Beck, Geschichte des Eisens. 682Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.oder Probierkorn geschmolzen. Das Schmelzen geschah im Schmiede - feuer oder in einem Probierofen, bei dem der Schmelzherd durch einen eisernen Ring ersetzt wurde. In diesen wurde der Tiegel ein - gesetzt, die Kohlen eingetragen und mittels eines Doppelbalges von drei Werkschuh, also etwa einem Meter Länge, das Feuer angefacht. Fig. 1 giebt die Abbildung eines Probierofens nach Agricola.
Die Ermittelung des Eisengehaltes der Erze war der Hauptzweck der Probe, doch konnte man dasſelbe Verfahren auch anwenden, um die vorteilhafteste Zusammensetzung von Erzen und Zuschlägen, den sogenannten „ Möller “zu ermitteln. Man nannte dieses „ die Be - schickungsprobe “. Diese war indes im 16. Jahrhundert noch kaum
in Anwendung. Zur richtigen Schmelzprobe gehörte das richtige Probenehmen. Denn da der Zweck der Probe darin bestand, den richtigen Durchschnittsgehalt an Eisen zu ermitteln, so war es un - zulässig, ein einzelnes Erzstück zur Probe auszusuchen, man schöpfte vielmehr mit einer Schaufel von verschiedenen Stellen des Erzhaufens kleine Mengen, bildete aus diesen ein kleineres Haufwerk, von dem man in gleicher Weise wieder die Probe nahm, die dann zerkleinert und gut gemischt den möglichst richtigen Durchschnitt ergab. Das Erzpulver setzte man dann nach gehöriger Vorbereitung mit dem nötigen „ Fluſs “in die „ Tute “ein. Ehe wir dies näher beschreiben, wollen wir das erwähnen, was die Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, die über die Probierkunst geschrieben haben, mitteilen. Es sind dies83Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.besonders Georg Agricola und Lazarus Erker. Was ersterer im siebenten Buche De re metallica darüber gesagt hat, haben wir oben (S. 45) bereits angeführt. Er röstet das Erz, zieht die eisenhaltigen Teilchen mit dem Magnet aus, sammelt diese, mischt sie mit einem Fluſs und schmelzt sie in einer Tute im Schmiedefeuer. Der Eisen - könig wird gewogen.
Auch Lazarus Erker bedient sich bei der Eisenprobe des Mag - netes und giebt in seinem Probierbuche (p. CXXXI) fast die gleiche Vorschrift, nur etwas weitläufiger, wie Agricola. Unter der Über - schrift „ wie man probieren soll, ob ein Eysenstein reich an Eysen sei “schreibt er: „ Solche und dergleichen Eysensteine kann man durch kein andere weiſs leichtlicher und baſs probiren, dann durch den Magneten. Darumb so du denselben versuchen wilt, so röst ihn (wie - wohl ihn etliche ungeröst nehmen), reib ihn klein und nimb einen guten Magneten, welze oder zeuch den darinnen herumb, so hangt sich der gute Eisenstein alle an den Magneten, den streich mit einem Hasenfuſs herab und hebe wiederumb mit dem Magneten den Eysen - stein auff, so viel du aufheben kannst und so zuletzt was liegen bleibt, daſs sich nit aufheben will lassen, daſs ist taub und nicht guter Stein. Hiemit kannstu sehen, ob eine Bergkart Eysen hat, oder ob ein Eysenstein reich oder arm an Eysen sey, dann wie gemelt, so hebt der Magnet kein ander metal auff, dann allein Eysen und Stahel.
Der Stahelstein aber, der ist dem Eysenstein an seiner farb gar vngleich und sihet etlicher gleich wie ein gelblichter spart, den hebt der Magnet roh, wie auch etliche Eysenstein, gar nicht auff, so man aber den Stahelstein röstet, so ferbt er sich, daſs er dem reichen Eysenstein an der farb gleich ist, dann hebt der Magnet denselben gar gern und noch ehr und lieber als den Eysenstein .....
So durch solche Prob durch den Magneten befunden wird, daſs der Eysenstein gut und reich ist, so können dann die Hammerschmid mit ihren zuschlegen denselben im groſsen fewer ferner probiren und versuchen ..... “
Charakteristisch für die alte Eisenprobe ist die Vorbereitung der Erze, besonders das Rösten oder Brennen derselben und das Aus - ziehen mit dem Magnet. Aber auch die Schmelzung wich in mancher Beziehung von der jetzt gebräuchlichen ab. Die Tiegel waren zwar, wie die Abbildungen bei Agricola und andern beweisen, dieselben wie heutzutage (Fig. 2). Es waren die sogenannten „ hessischen “Tiegel oder Tuten von Groſsalmerode, die am Boden rund, am6*84Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.oberen Rande dreieckig ausliefen. Dieselben wurden erst mit einem Gemenge von Kohle und Lehm etwa 3 mm dick an den Wänden ausgeschlagen. Die Mischung bestand gewöhnlich aus 2 Tln. Kohlen - pulver und 1 Tl. Lehm. Dann wurde dies kohlenreiche Gemisch, welches die Reduktion bewirkte und aus 3 Tln. Kohlenstaub und 1 Tl. Lehm hergestellt war, eingetragen. Man drückte dieses fest ein, so daſs nur eine kleine Öffnung in der Mitte zum Einsetzen der Probe verblieb. Die Probe bestand aus dem Eisensteinpulver und dem Fluſs, welche zuvor in einem Mörser gehörig gemischt worden waren. Als Fluſs giebt Agricola nur Salpeter an. Jedenfalls wendete man Fluſsmittel an, welche die beigemengten Silikate leicht verschlackten und ein flüssiges Glas gaben, während man in späterer
Zeit auch solche Zuschläge als Fluſs - mittel gab, welche der Beschickung in Hochöfen entsprachen, also Kalk, Thon und Kieselerde. Es läſst sich vermuten, daſs man bei kalkhaltigen Erzen schon damals neben dem Sal - peter auch noch Glas zugab.
Die Schmelzung geschah in der Regel in einer Schmiedeesse vor dem Winde. Die Tiegel wurden mit Lehm befestigt und durch ein Stück Holz - kohle, das zu einem Deckel geformt war, verschlossen. Auf diesen Deckel wurde dann zum weiteren Schutze vor dem Winde noch etwas Kohlen - stübbe aufgedrückt. Man gab anfangs gelindes, dann heftiges Feuer. In etwa einer Stunde war die Probe fertig. Das Gewicht des Eisen - kornes gab das Ausbringen an Roheisen aus dem untersuchten Erze an. Aus dem Aussehen der Schlacke und des Regulus, sowie aus dessen Verhalten konnte man auf die Güte und Beschaffenheit des Eisensteines schlieſsen.
Eine Eisenprobe auf nassem Wege gab es damals noch nicht. Nur qualitativ lieſs sich Eisen durch flüssige Reagentien nachweisen. Schon Plinius erwähnt die Galläpfeltinktur als ein Reagens auf Eisen, und Paracelsus wies damit das Eisen in den Mineralwässern nach. — Interessant ist die Art, wie Biringuccio die Verunreini - gungen der Eisenerze auf nassem Wege nachweist. Er schreibt: Man kann auch die Reinheit der Erze auf die Weise erkennen, daſs man die Masse in eine starke Lauge (liscia forte — jedenfalls Scheide -85Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.wasser) einträgt, und sie, indem man sie herausnimmt, über ein gut unterhaltenes Feuer bringt, wobei es auf die Farbe des Rauches an - kommt, der sich entwickelt. Wenn sie längere Zeit in der Lauge gewesen ist, wobei man mit einem Blasebalge oder einem andern Rohre langsam hineingeblasen hat, so erkennt man an den Blasen, die sich bilden, an der Verschiedenheit der Farben ihre Verunrei - nigung, welche vom Kupfer herrührt.
In Nürnberg gab es schon in der ersten Hälfte des 16. Jahr - hunderts eine öffentliche Probieranstalt, die sich ganz besonders mit Erzproben beschäftigte.
Aus dem Eisengehalte lieſs sich die Schmelzwürdigkeit und der Wert des Erzes bestimmen. Nur gutartige und reiche Erze lieſsen sich mit den unvollkommenen Hilfsmitteln jener Zeit mit Vorteil verwenden, und viele Eisensteine, die jetzt gesucht und geschätzt sind, wurden damals als zu arm oder zu schwer schmelzig verworfen. Da man nur reiche, gut schmelzige Beschickungen verwenden konnte, war man gezwungen, die Erze durch vorbereitende Behandlung, durch Waschen, Rösten u. s. w. zu reinigen und anzureichern. Diese Vor - bereitung der Erze muſste weit sorgfältiger geschehen, als heut - zutage, und bildete deshalb einen viel wichtigeren Teil der hütten - männischen Praxis, als dies jetzt der Fall ist.
Agricola schreibt, man müsse die unreinen und schwer schmelzbaren Erze so sorgfältig rösten, wie die Erze anderer Metalle. Zur Vorbereitung sollte man sie erst unter einem Trockenpochwerk zerkleinern, sodann sie rösten, damit die schädlichen Säfte sich ver - flüchtigen und sie dann waschen, damit alles, was leicht ist, von ihnen geschieden werde. Die Gröſse der Erzstücke, die man aufgiebt, soll nicht über Nuſsgröſse betragen. — Das Zerkleinern der Erze ist die erste und wichtigste Vorbereitung der Erze für den Schmelz - prozeſs. Es ist einleuchtend, daſs auf kleinere Stücke, infolge der gröſseren Oberfläche, die reduzierenden Gase und die Hitze intensiver einwirken, und daſs die gleichmäſsige Gröſse der Erzstücke einen gleichmäſsigen Ofengang bewirkt. Biringuccio sagt, daſs diese Zer - kleinerung des Erzes zu Nuſsgröſse die einzige Vorbereitung sei, deren die Erze von Elba bedürften; dagegen müſsten unreinere Eisenerze ausgelesen, geröstet, nochmals gut sortiert und verwaschen werden. — Die Handscheidung war diejenige Art der Aufbereitung der Erze, welche, wegen ihrer Einfachheit und Billigkeit, auch bei den ge - ringeren Erzsorten gebräuchlich war. Man konnte dazu Frauen, Kinder und Greise, die zu anderer Arbeit nicht mehr zu gebrauchen86Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.waren, verwenden. Das Scheiden mit der Hand bestand in dem Zer - klopfen der Erzstücke mit einem Handhammer oder „ Fäustel “auf einem Stein oder einem Stück Eisen (Amboſs) als Unterlage, „ den Bocken “, und dem Auslesen, „ Ausklauben “, der tauben, unhaltigen oder unreinen Teile, „ denn unnütz Erz mit dem nützen zu verschmelzen ist schädlich “, sagt Agricola. Es geschah dies meistens schon auf der Halde. War das Erz mit Thon stark gemengt, lettig oder lehmig, so muſste dieser erst ausgewaschen, die unhaltigen Stücke aus - geklaubt werden. Die über nuſsgroſsen Erzstücke wurden zerkleinert.
Das Auslesen, „ Ausklauben “, geschah auf groſsen Tischen, den Klaub - tischen.
Fig. 3 zeigt einen Scheider mit dem Scheidehammer C und dem Erzfaſs E bei der Arbeit. Fig. 4 ist ein Klaubtisch, an dem Mädchen arbeiten (aus Agricola). Biringuccio hebt die Wichtigkeit des Sortierens der Eisenerze ebenfalls besonders hervor1)Van. Biringuccio, Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI.: „ Wer aber das Eisen weich machen will durch die Güte des Eisenerzes selbst, abgesehen von der Behandlung und den Kohlen, der muſs einen geschickten und erfahrenen Sortierer haben, der genau das Reine und das Unreine auswähle und sie durch das Urteil seines Auges und dadurch, daſs er sie zerbricht, voneinander sondert. “
87Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Zuweilen geschah das Zerkleinern der Erze unter einem groſsen Hammer mit platter Bahn, der durch Wasser bewegt wurde. Die Anwendung des Bock - oder Pochhammers, der in seiner Konstruk - tion dem Stabeisenhammer ähnlich war und nur durch die flache Hammerbahn und den plattenartigen Amboſs abwich, fand im Norden, namentlich in Schweden, mehr Eingang, während in Mitteleuropa die Stempelpochwerke gebräuchlicher waren. Agricola beschreibt nur die letzteren bei der Erzzerkleinerung; dieselben waren seiner Zeit im Erzgebirge bereits in allgemeiner Anwendung, während sie in den übrigen europäischen Ländern erst später Eingang fanden. So bediente man sich in Frankreich noch ausschlieſslich der Mörser und Siebe zur Zerkleinerung der Erze und erst im Jahre 1579 soll das erste Poch - werk aufgestellt worden sein1)Siehe Poppe, Geschichte der Künste und Wissenschaften, Bd. II, S. 381..
In Deutschland waren dagegen die Trockenpochwerke schon im 15. Jahrhundert in Anwendung. Sie gehörten zu denjenigen Arbeits - maschinen, welche, wie die groſsen Schmiedehämmer, infolge der Be - nutzung des Wassers als bewegende Kraft erfunden wurden. Wahr - scheinlich pochte man zuerst nur mit einem Stempel, später dann mit drei oder noch gewöhnlicher mit vier. Auch das Naſspoch - werk, durch welches erst eine rationelle Aufbereitung der fein ein - gesprengten Erze ermöglicht wurde, ist in Deutschland erfunden worden, und geschah dies bereits in den ersten Jahren des 16. Jahr - hunderts.
Der sächsische Edelmann Sigismund von Maltiz lieſs im Jahre 1505 oder 1507 die ersten Naſspochwerke zum Pochen der Zinnerze erbauen2)Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Bd. V, S. 103.. Agricola schreibt: Maltiz habe das Naſspochwerk erfunden, und im Jahre 1512 die ersten zu Dippoldiswalde und Alten - berg erbaut3)Agricola, De re metallica, Lib. VIII. Cum anno M.D.XII Georgius illustris Saxonum Dux in Misena jus omnium tumulorum e fodinis egestorum dedisset nobili et prudenti viro Sigismundo Malthicio, patri Joannis Episcopi Miseni et Henrici: Is Dippoldisvaldi et Aldebergi, quibus in locis fodiuntur lapilli nigri, ex quibus plumbum candidum conficitur, rejectis pilis siccis, cribris amplis, mola, invenit machinam, quae venas udas pilis praeferratis tunderet.. In Joachimsthal baute einige Jahre später Paul Grommestetter, aus Schwarz gebürtig, daher Schwarzer genannt, das erste Naſspochwerk zur Aufbereitung der Silbererze. 1521 wurde dann ebendaselbst ein groſses Pochwerk, um über den Plan zu waschen, angelegt, welches groſse Ersparnisse brachte. 1525 baute Hans Pörtner das erste Naſspochwerk zu Schlackenwalde. Auſserhalb88Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.Sachsen und Böhmen scheinen damals Pochwerke noch nicht im Ge - brauch gewesen zu sein. Wenigstens wurde das erste Trockenpoch - werk im Harze, welches nur mit einem Stempel arbeitete, erst 1524 unter der Regierung Heinrichs des Jüngeren von Peter Philipp zu Wildemann angelegt. Während bei dem Trockenpochwerk die an Stempeln befestigten Pocheisen auf eine offene Pochsohle, welche aus einem mit Eisenblech beschlagenen Eisenklotz hergestellt war, auf -
schlugen, war die Pochsohle bei dem Naſspochwerke mit einem starken Kasten umgeben, in dessen einer Wand ein Gitter oder ein Sieb eingesetzt war, durch welches das Wasser mit dem Pochmehle aus - strömte. Zum Zerkleinern der Eisenerze wendete man das Naſs - pochwerk nicht an, weil dies zu kostspielig gewesen wäre, man auch die Zerkleinerung des Erzes nicht bis zur Pulver - oder Schliegform. sondern nur bis zur Nuſsgröſse erstrebte. Fig. 5 zeigt ein Trocken - pochwerk mit vier Stempeln nach einer der zahlreichen Abbildungen89Rösten der Erze.in Agricolas De re metallica. Es werden immer zwei Pochstempel durch Daumen an der Welle gleichzeitig gehoben. In Fig. 6 sind Wasserradwelle mit Daumen (a), Pochstempel mit und ohne Poch - eisen (b, c), Pocheisen (d) für sich, Spannring (e) und ein Hebe - daumen (f) für sich dargestellt. Ausführlichere Angaben über die
Konstruktion der Pochwerke jener Zeit findet man im achten Buche De re metallica.
Das Verwaschen der Erze geschah in Schlämmgräben oder Schlammgerinnen, wie es Agricola in Fig. 7 darstellt. In der Regel war bei den Eisenerzen nur ein Abwaschen der lettigen Beimengung nötig. Ein Verwaschen durch Siebe kam bei Gangerz kaum vor, wohl aber bei den Wiesenerzen oder Raseneisensteinen.
Die wichtigste Vorbereitung der Erze zum Schmelzprozeſs ist das Rösten. Auch dieser Prozeſs war in früheren Zeiten von gröſserer Bedeutung und allgemeiner gebräuchlich als heutzutage, denn in unsern jetzigen gewaltigen Hochöfen vollzieht sich die Röstung im Schacht des Hochofens von selbst. Ganz anders war dies bei den alten Rennfeuern und Stucköfen. Da muſste die Röstung als eine90Rösten der Erze.selbständige Operation der Schmelzung vorausgehen, und man röstete auch solche Erze, die heutzutage infolge der starken Gebläse einer solchen Vorbereitung gar nicht mehr bedürfen. Denn die Röstung ist nicht nur eine chemische, sondern auch eine mechanische Vorbereitung der Erze. — Agricola drückt dies bereits1)De re metallica, Lib. VIII. At duabus de causis venae uruntur vel enim ut ex duris molles et fragiles factae facilius aut tundi malleis pilisve, aut mox excoqui possent: vel ut res pingues comburantur sulphur scilicet, bitumen, auri - pigmentum, sandaraca: sed sulphur saepius in venis metallicis inest et plerumque plus quam caetera noect metallis omnibus excepto auro: verum maxime nocet ferro. klar und bestimmt folgendermaſsen aus: Die Erze werden aus zweierlei Ursachen ge - röstet, entweder damit man die harten weich und zerbrechlich mache, um sie leichter mit Fäusteln oder Pochwerken zerkleinern zu können, oder damit die fettigen Beimengungen, wie Schwefel, Bitumen, Arse - nik (Auripigment und Sandarach) verbrannt werden: der Schwefel ist aber am häufigsten in den Erzen und schadet allen Metallen — auſser dem Gold — mehr denn die andern: am meisten aber schadet er dem Eisen.
Das Rösten der Eisenerze ist ein Brennen auf einem Glühfeuer. Es wurde angewendet:
Das Rösten geschah in freien Haufen, in Stadeln oder in Öfen. Das Rösten in Haufen erforderte keine baulichen Vorrichtungen, es geschah auf ebenem Boden über einer rostartigen Holzlage. Diese Art der Röstung haben wir bereits bei der alten Eisengewinnung in Schweden und in Steiermark kennen gelernt1)Siehe Bd. I, S. 809 und 821.. Agricola sagt: Diese Art des Röstens ist bei allen Arten von Erzen in Anwendung. Zunächst wird die Erde ausgegraben, so daſs eine viereckige Fläche, welche nach der Stirnseite frei ist, entsteht. Auf diese wird eine Lage von Holzscheiten gelegt, darüber eine zweite im rechten Winkel, welches man den Rost nennt: dies wiederholt man, bis die Schicht eine bis zwei Ellen hoch ist: hierauf wird dann das Erz, welcher Art
es sei, nachdem es zu - vor mit Hämmern zer - kleinert worden ist, aus - gebreitet: erst das gröb - ste, dann das mittlere, zu oberst das feinste, so daſs der Haufen die Form einer Pyramide erhält. Derselbe wird wie ein Kohlenmeiler gedeckt und dann ent - zündet.
Zu dem Rösten in Stadeln gehört ein meist längliches, viereckiges Mauerwerk, das auf einer der Schmalseiten offen ist. Es ist dies die Röststadel oder Röststätte. Ringsum sind Zuglöcher angebracht. Das Aufschichten des Erzes und des Brennmaterials geschieht in ähnlicher Weise wie bei den freien Haufen, doch ist hierbei weniger Brenn - material nötig, auch hat man das Feuer mehr in der Gewalt.
Im Agricola finden sich verschiedene Abbildungen von Röst - stadeln und dem Rösten der Erze in denselben. Fig. 8 stellt die Zurichtung des Holzrostes in einem Röststadel dar, Fig. 9 zeigt links einen besetzten Stadel im Brand, rechts einen nach vollendeter Röstung, der abgewässert wird. Agricola giebt die Maſse der Röststadeln für Kupferstein zu 12 Werkschuh Länge, 8 Breite und 3 Tiefe an. Auch Biringuccio spricht nur vom Rösten der Eisenerze in Stadeln. Er92Rösten der Erze.sagt, der Schmelzer müsse die Erze „ in einem offenen Ofen rösten “(à forno aperto la ricuoca) und zwar wiederholt. „ Wenn er sie dann röstet und wieder röstet und sie gut ausdampfen läſst, ehe er sie verschmilzt, erhält er ein gutes Eisen, das sich leicht bearbeiten läſst. “ Was hier unter forno aperto gemeint ist, läſst sich allerdings nicht bestimmt behaupten. Dem Wortlaut nach müſste man zumeist an die eigentümlichen, hohen Röststadeln oder Röstöfen denken, welche Agricola am Ende seines achten Buches erwähnt: Hae fornaces
structuram habent similem struc - turam fornacum, in quibus venae excoquuntur, nisi quod ex priore parte pateant: altae vero sunt pedes sex: latae quatuor.
Die Röstöfen, wenn solche überhaupt damals schon ange - wendet wurden, waren Schacht - öfen. In ihrer einfachsten Ge - stalt waren es schachtförmige Gruben in trockenem Boden in steil abfallenden Hügeln, ähnlich den primitiven Kalköfen oder Kalkgruben. Besser sind die gemauerten Schachtöfen, die einen runden oder viereckigen Querschnitt und meistens die Gestalt eines umgekehrten Kegels oder einer Pyramide hatten.
Es ist möglich, daſs die Röstung in Schachtöfen in den Gegenden, wo Spateisensteine verschmolzen wurden, wie besonders im Sieger - lande und am Erzberge in Steiermark, ferner in der Dauphiné, Graf - schaft Foix, Roussillon und Navarra, schon sehr früh im Gebrauche war, doch fehlen darüber bestimmte Angaben.
Möglich, daſs Biringuccios Forno aperto, den wir oben als Röststadel erklärt haben, ein unten offener Schachtofen bedeuten soll.
Auch das Rösten von wertvolleren Erzen in einem backofen - artigen Flammofen beschreibt Agricola bereits.
Eigentümlich war das Rösten der Erze in den Rennherden zu Corsica. Es geschah in denselben Herdöfen, in denen auch die Erze reduziert und eingeschmolzen wurden, und bildete den ersten Teil dieser Arbeit. Hierbei wurde die Röstung viel weiter getrieben, als dies sonst gebräuchlich war, so daſs die Erzmasse bereits zusammen -93Rösten der Erze.sinterte und schon eine teilweise Reduktion eintrat. Das Nähere hierüber findet sich im ersten Teile, S. 785.
Hatte das Rösten nur den Zweck, allzu feste Erze mürbe zu machen, aufzulockern, so war jetzt vor dem Einschmelzen nur noch ein Zer - klopfen nötig; handelte es sich aber um die Oxydation beigemengter schwefel - oder arsenikhaltiger Kiese oder Glanze, oder auch von Phosphorverbindungen, so folgte der Röstung ein Abwässern und Auslaugen. Dies konnte durch Einleiten von Wasser in die Röst - stadel, wie dies in der Zeichnung von Agricola, Fig. 9, dargestellt ist, geschehen, oder durch Ausbreiten im Freien, wonach dann der Regen die Auflösung und Wegführung der schädlichen Salze bewirkte, oder durch Behandlung in besondern Wässerungskasten, die etwa 3 m breit und 6 m lang waren und 5 bis 10 t faſsten. Die Erz - haufen blieben ein bis drei Jahre an der Luft liegen, wobei immer wieder von Zeit zu Zeit Wasser darauf geleitet wurde, ehe sie zur Verwendung in den Schmelzofen kamen.
Man kann das künstliche Rösten und Abwässern durch die lang - same, aber lange fortgesetzte Einwirkung der Atmosphärilien, also durch das Verwittern an der Luft ersetzen. Dieses geschah viel - fach bei Spateisensteinen, die man auf diese Weise „ reif “werden lieſs. Freilich müſsten die Erze dann viele Jahre auf der Halde liegen, ehe sie verschmolzen werden konnten, und da dies groſses Betriebskapital erfordert, so kommt dieses Verfahren heutzutage, wo man bestrebt ist, alle Prozesse möglichst abzukürzen, um die Produk - tion zu erhöhen, nur noch ausnahmsweise in Anwendung.
Wiederholtes Rösten und Auslaugenlassen durch den Regen empfiehlt Biringuccio als die beste Vorbereitung. Er beschreibt dies (Pyrotechnia, Lib. I, Cap. VI) also: „ Nachdem die Erze am offenen Feuer halb geröstet sind, und Regengüsse sie benetzt, und die Sonne sie wieder getrocknet haben, läſst sie der „ „ Sortierer ““eine Zeitlang liegen. Ehe er sie dann zum zweitenmal ganz klein zum Röstofen bringt, sieht er sie Stück für Stück durch, indem er nun das aussondert, was äuſserlich die Spur eines andern Metalles zeigt. Wenn er sie dann röstet und wieder röstet, und sie gut ausdampfen läſst, ehe er sie einschmilzt, so erhält er ein gutes Eisen u. s. w. “
Nun war das Erz so weit vorbereitet, daſs es verschmolzen werden konnte. Selten aber waren die Erze so zusammengesetzt, daſs dies ohne weiteres ohne Zusätze, welche die Schmelzung beförderten, also ohne sogenannte Zuschläge geschehen konnte. Da die Gangart in den meisten Fällen eine kieselige oder thonige, d. h. eine saure war,94Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.so war ein basischer Zuschlag erforderlich, und hierfür diente von altersher der Kalk. Dieser wurde im Altertume meist in gebranntem Zustande, als gelöschter Kalk, mit dem die zerklopften oder gepochten, feinen Erze eingebunden wurden, angewendet. So beschreibt es Agricola bei den Rennfeuern. Die niedrige Temperatur im Schmelz - herde war die Veranlassung zu diesem Verfahren, indem die An - wendung von ungebranntem Kalke den Prozeſs sehr verzögert und den Kohlenverbrauch unverhältnismäſsig gesteigert haben würde.
Das verkohlte Holz — die Holzkohle — war das wichtigste Brennmaterial für das Ausschmelzen der Erze, sowie für alle hütten - männischen Operationen in früheren Zeiten. Dies wird bestätigt so - wohl durch Ausgrabungen1)Siehe Bd. I, 523., wie durch viele Stellen griechischer und römischer Schriftsteller. Bei keinem finden wir indes eine genaue Beschreibung des Vorganges der Holzverkohlung, wir wissen nur, daſs sie in Gruben und Haufen oder Meilern geschah. Der erste, der ausführlicher über die Holzverkohlung geschrieben hat, ist Vanuccio Biringuccio2)Pyrotechnia, Libr. III, Cap. X.. Er unterscheidet die Holzverkohlung in Meilern und die in Gruben, und berichtet darüber im zehnten Kapitel des dritten Buches seiner Pyrotechnia, welches überschrieben ist „ Von den Eigenschaften und Verschiedenheiten der Kohlen und wie man sie zu machen pflegt “, folgendes:
.... „ Gewiſs glaube ich, daſs die Menschen eher die Erze ent - behren könnten, als die Brennmaterialien (das Feuer), wegen des mannigfaltigen Nutzens derselben, und sie (die Natur) hat auſser den Bäumen an mehreren Orten auch Steine gemacht, welche die Natur von wirklichen Kohlen haben, und womit sie in jenen Ländern das Eisen bearbeiten, die andern Metalle schmelzen und Steine zu - bereiten, um Kalk zum Mauern zu machen. Aber wir wollen hier jetzt nicht an entfernte Dinge denken, da wir ja sehen, daſs die Natur jedem Bedürfnisse entspricht und hinsichtlich der Erze bietet sie zur Hilfe, wenn nicht auf denselben Bergen, so doch in der Nach - barschaft, stets eine reichliche Menge von Bäumen dar, denn sie weiss, wie viele man davon nötig hat. Die Holzkohle ist der Stoff, welcher95Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.in erster Linie für das Schmelzen wichtig ist und besonders, daſs man sie von guter Qualität habe, deshalb muſs man sich über die Bereitung der Kohlen und über die Verschiedenheit der Holzsorten unterrichten, über welches beides ich nun berichten will.
Zuerst spreche ich von der Verschiedenheit der Hölzer, wovon jeder Praktiker genaue Kenntnis haben muſs. Denn alle jene Ope - rationen, welche ein nachhaltiges, kräftiges und lebhaftes Feuer nötig haben, erfordern eine Kohle, die von kräftigem und festem Holze gemacht ist und nicht von weichem.
Wo man aber Flammfeuer nötig hat, wie in den Reverberieröfen, ist die Kohle unnütz, hierzu bedient man sich des reifen, trockenen Holzes. — Harte Kohlen nennt man die von gewissen Holzarten, welche von Natur erdig sind, wie die Eiche, Buche, (eccio?), Ulme, Esche und andere grobe und harte Holzarten; weiche Kohlen aber macht man aus den gewöhnlicheren Holzarten, die mehr lufthaltiger Natur sind, wie die Tanne, Weide, Ulme, Haselstaude und ähnliche von sehr weicher und schwacher Qualität. Alle Kohle ist aber nichts anderes als die hitzige und trockene Holzsubstanz, aus der die wässe - rigen und fetten Teile, die das Holz enthält, durch das Feuer aus - getrieben sind. — Man muſs auch das Holz lange Zeit gespalten an einem trockenen Orte lagern lassen, oder es in einen Wärmeofen bringen, um es trocken zu machen; denn so lange es noch Feuchtig - keit enthält, brennt es nicht zu Asche und widersteht dem Feuer. “
Biringuccio betrachtet nun das Wesen der Verbrennung, deren Intensität einerseits von der elementaren Substanz des Holzes, ander - seits von der Art und den Mitteln der Verbrennung abhängig sei. Bei der Verbrennung unterscheidet er drei Vorgänge: erstens die Ausdunstung der Feuchtigkeit des Holzes, welche ein unreiner Dampf sei, welcher bei starker Hitze sich entzünde und die Flamme bilde, zweitens die Verbrennung der Kohle und drittens die Abscheidung der erdigen Bestandteile des Holzes in der Asche.
Obgleich die Kohle nicht die lebhafte Flamme des Holzes ent - wickele, so gäbe es doch eine viel stärkere Hitze als dieses, weil die Feuchtigkeit ausgetrieben, die „ lebendige Kraft “sehr konzentriert sei und die Luft besser eindringen könne. Holz ohne Kohlen gäbe auch trotz des Blasebalges keine genügende Hitze zum Schmelzen. Dabei sei es noch sehr wichtig, das Holz je nach dem Standort, wo es ge - wachsen, auszuwählen. — Lasse man diese Vorschriften auſser acht, so mache man sich leicht vergebliche Mühe und Kosten. So z. B., wenn man Gold, Silber, Kupfer oder andere Metalle schmelzen wolle96Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.und dazu Birkenkohle nehme, würde man sich wohl umsonst abmühen, ebenso, wenn man etwas dickes Eisen schweiſsen (bollire) wolle und dazu Kohlen von Weiden, Tannen, Maſsholder, Espen oder ähnlichen Holzarten nehme, würde man schwerlich die genügende Kraft der Hitze erzielen, Kohle von Kastanien, Weiden und ähnlichen Bäumen könne der Eisenschmied überhaupt nicht gebrauchen.
„ Im allgemeinen ist es nicht ratsam, Kohle zu brennen an Orten, wo gutes Holz nur spärlich vorkommt, auſser wenn man dazu ge - zwungen ist. Die Güte des Holzes allein genügt aber nicht, die Art der Bereitung muſs auch die richtige sein, und Kohlen von derselben Holzart können starken oder schwachen Brand machen, je nachdem sie auf die eine oder die andere Art gemacht, mit einer oder der andern Erde gedeckt sind, und es macht einen groſsen Unterschied, ob das Holz noch jung ist oder von alten Bäumen, oder ob es rein ist oder astreich, ob es gesund und stark geschlagen wurde, ob zu einer oder der andern Jahreszeit, ob das Holz trocken und ausgereift oder noch grün war, ob es dann gut aufgesetzt und lufttrocken war, und so macht es auch einen groſsen Unterschied, ob die Bäume auf hohen Bergen, wo sie frei stehen und die Sonne Kraft hat, oder ob sie an schattigen und sumpfigen Plätzen gewachsen sind. Wo man nur Flamme braucht, ist es gerade umgekehrt, indem das Feuer und die Flamme, das die letzteren geben, sehr stark ist. Manchem mag dies unglaublich scheinen, aber Versuche werden ihn davon über - zeugen und den Grund will ich sogleich angeben; da nämlich nur das Holz auf den Bergen gehörig austrocknen und die verbrennliche Feuchtigkeit verdichten kann, wird die Porosität vermindert, wodurch das Feuer nur schwer in das Innere eindringen und die inwendige Feuchtigkeit nur schwer aus den kleinen, engen Poren ausdünsten kann zum Brennen, so daſs sie sich fast ohne Flamme verzehrt. Bei dem Holze, welches im Thale oder im Sumpfe wächst, ist dies nicht der Fall. Wenn hier durch das Feuer die überflüssige, kalte, wässerige Feuchtigkeit verjagt ist, bleibt das Holz locker und porös zurück. Durch dieses dringt das kräftige Feuer mit Leichtigkeit ein, was bei frisch geschlagenem Holze wieder viel weniger geschieht, als bei trockenem.
Lassen wir aber jetzt das Holz beiseite, und wenden wir uns zu unserm eigentlichen Gegenstande, zur Kohle. Die Kenntnis derselben ist für die Feuerung von gröſster Wichtigkeit. Man muſs die Art des Holzes kennen, muſs wissen, daſs es nicht länger als ein Jahr geschlagen ist und ob es auf trockenem oder an einem feuchten und weichen Orte gewachsen ist. Denn nasses Holz, welches das Wasser97Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.wie ein Schwamm aufgesaugt hat, taugt nichts, obgleich solches Holz zur Fundamentierung von Gebäuden sehr geeignet sein kann und ich habe selbst solche Hölzer herausziehen sehen, die über 400 Jahre im Boden staken und so frisch aussahen, als ob sie gestern eingesetzt worden wären.
Nun will ich Euch aber die Herstellungsarten der Holzkohlen lehren ..... Es giebt deren zwei. Die erste und von allen die beste nennt man die Meilerverkohlung (à pagliaro — eigentlich nach Art des Strohschobers). Um sie auszuführen, wählt man einen für das Holz, welches geschlagen werden muſs, geeigneten Platz. Er sei eben, und wenn er es nicht ist, mache man ihn so und gebe ihm die Form einer kreisrunden Stätte (una ara tonda), in die Mitte stecke man vier starke Stangen ins Geviert oder drei ins Dreieck, so daſs sie nahezu eine halbe Elle voneinander stehen und um diese herum legt Ihr Kreis über Kreis all Euer gespaltenes Holz, mit klein gemachten Klötzen (Schmalholz) dazwischen, in Gestalt einer abgestumpften Pyramide oder eines Strohschobers, woher der Name kommt. Um gute Kohle zu machen, muſs das Holz wenigstens sechs Monate oder ein Jahr getrocknet sein. Man setzt aber mit gewissen Zwischen - räumen Lage über Lage, bis Ihr die Höhe und Breite erreicht habt, welche Ihr dem Meiler geben wollt, und in der Mitte zwischen den Stangen laſst Ihr eine Leere bis oben hin. Wenn dies geschehen ist, bedeckt Ihr alles aufs beste mit Farnkrautblättern und mit Pfriemkraut und darüber mit guter Erde, so zähe und trocken, wie man sie gräbt, und deckt so bis obenhin, indem man die Decke etwa eine Hand dick macht, alles gut zubereitet und gut geschlossen, daſs sie nichts durchläſst, ausgenommen, wo man am Kopfe zehn oder zwölf Luftlöcher läſst, um den Rauch und die Feuchtigkeit, welche das Holz und die Erde enthalten, entweichen zu lassen. Nachdem dies geschehen, laſst Ihr auf den Boden des Loches in der Mitte zwischen den Stangen Feuer werfen und darüber trockene Reiser und dürre Blätter und füllt es damit bis obenhin oder so weit, daſs Ihr glaubt, daſs das Feuer sich überall mitteile. Alsdann verschlieſst man auch noch diese oberste Öffnung mit Erde und läſst nur die Luftlöcher offen. So kommt nach und nach in sechs bis acht Tagen der ganze Meiler in Brand und kocht (treibt). Wenn man sieht, daſs an den Luftlöchern der starke Rauch aufhört, kann man annehmen, daſs er gar ist. Alsdann verschlieſst man ihn oben, ringsherum und überall mit derselben Sorte von Erde, so daſs alle Luftlöcher nichts ausatmen können, damit das Feuer, weil sein Aus -Beck, Geschichte des Eisens. 798Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.atmen gehemmt ist, sofort ersticke und verlösche. Auf diese Art bleibt all Euer Holz in Kohle verwandelt ohne Asche oder Feuchtig - keit. Auch könnt Ihr, wenn Ihr sie nicht ganz abkühlen lassen, sondern sofort davon haben wollt, davon nehmen, indem Ihr eine Seite der Erde der Decke, die Ihr gemacht habt, abhebt, wenn dies auch wegen der Hitze keine ganz unbeschwerliche Sache ist.
Man macht auch noch Holzkohlen auf eine andere Art, und zwar machen es auf diese Weise meistens die Schmiede, wenn sie Kohlen von Birken oder Kastanien machen; dieselben werden dadurch härter, aber weniger gut. Man macht eine Grube in der Erde, anderthalb Ellen im Durchmesser und ebenso tief. Man füllt sie und häufelt sie auch mit Birkenwurzelstöcken oder gespaltenem Kastanienholz oder anderm Holze, und läſst in der Mitte eine Höhlung vom Gipfel bis zum Boden, um das Feuer darin zu entzünden. Das übrige wird mit
Farnkraut oder Besen - pfriem bedeckt und darauf mit Erde, wie ich es oben bei der Her - stellung der groſsen Meiler beschrieben habe, und ebenso ver - fährt man auch beim Feuergeben und Aus - löschen. Aber weil nur wenig Feuer (d. h. Brennholz) hier eingesetzt wird, so ist es in acht bis zehn Stunden völlig gar. Sie müssen auch von gutem Holze gemacht werden, be - sonders wenn man nicht mit dem Winde starker Blasebälge arbeitet, da sie wegen ihrer Härte nicht so gut brennen, als die in Meiler gemachten. Aber wenn sie in Brand gebracht sind, halten sie gut an. Gute Kohle muſs von gutem, trockenem Holze sein, gar und nicht verbrannt, wodurch sie zerfallen und matt werden, während gare Kohle groſse, feste Stücke giebt, die einen Klang geben wie Glas. “
Zum Schlusse hebt Biringuccio noch hervor, wie wichtig es ist, daſs die Holzkohlen trocken aufbewahrt werden, indem sie, wenn sie feucht werden, unter Funkensprühen knisternd auseinander - fahren.
Die Meiler, die Biringuccio beschreibt, sind die sogenannten „ wälschen “, welche einen aus Stangen (Quandelstäben) hergestellten Quandelschacht haben, durch welchen der Meiler von der Mitte aus99Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.von oben angezündet wird. Es sind ferner „ stehende Meiler “, d. h. solche, bei denen die Holzscheite aufrecht stehend, nur wenig gegen die Achse geneigt, in Kreisen um den „ Quandel “gestellt werden. Es ist dies also dieselbe Art Meiler, welche auch bei uns und in dem ganzen westlichen Europa die gebräuchlichste ist. Die „ slavischen “Meiler1)Siehe Bd. I, S. 523. mit horizontaler Zündgasse sind mehr im östlichen Europa und die „ liegenden “Meiler, bei denen das Holz horizontal um die Achse gelegt wird, in Skandinavien gebräuchlich. Auch ist die Be - schreibung so klar und verständlich, daſs wir kaum noch etwas hinzuzufügen haben. Die theoretischen Betrachtungen, namentlich über den Unterschied von hartem und weichem Holze und über die Verbrennung, sowie über die Verkohlung, sind sehr beachtenswert.
Werfen wir noch einen Blick auf die beigefügten Abbildungen, Fig. 10 und 11. Dieselben sind, wie die meisten Zeichnungen Birin -
guccios, sehr skizzen - haft und nicht durch - aus zuverlässig. So ist der fertige Meiler, der in Fig. 10 rechts dar - gestellt ist, viel zu steil; bei solcher Rüstung würde die Decke gleich herabfallen. Aus dem angefangenen Meiler zur Linken erkennen wir, daſs das Holz in vier Stockwerken, in der oben beschriebenen Weise nach dem Quandel zu geneigt, aufgebaut ist. Der Köhler zur Linken des Bildes schleppt das zum Verkohlen bestimmte, nach Maſs zu - gerichtete Holz herbei. Nach der Art, wie er es trägt, dürfen wir schlieſsen, daſs es die noch jetzt gebräuchliche Länge von 60 bis 70 cm hat, so daſs der ganze Meiler eine Höhe von ungefähr 2 m haben dürfte. Es ist in der Zeichnung nicht angedeutet, daſs in den aufeinander folgenden Stockwerken des Meilers die Holzscheite immer mehr geneigt sind, so daſs dieselben in dem obersten, der sogenannten „ Haube “, welche den Abschluſs bildet, mehr liegen als stehen. Doch halten wir dies für ein Versehen des Zeichners. Denn im allgemeinen geht sowohl aus der Zeichnung, wie aus der Beschreibung hervor, daſs das Kohlenbrennen in Meilern damals im wesentlichen gerade so be -7*100Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.trieben wurde wie heutzutage, und wie dies wohl auch schon 2000 Jahre zuvor der Fall war, was sich aus dem, was Theophrast und Plinius darüber mitgeteilt haben, schlieſsen läſst.
Die Köhlerei ist ein nur auf Erfahrung beruhendes Gewerbe, um das sich die Spekulation in früheren Perioden nicht bekümmerte, und welches die Theorie, die sich seit kaum mehr als einem Jahr - hundert damit befaſst hat, auch nicht mehr wesentlich fördern konnte. Vanuccio gebührt aber das Verdienst, den technisch hochwichtigen Vorgang bei der Holzverkohlung zuerst eingehend, klar und ausführ - lich beschrieben zu haben: und wie keine frühere Schilderung existiert, die dieser an die Seite gestellt werden könnte, so ist auch in den folgenden 200 Jahren bis zu Wallners Schrift über die schwedische Holzverkohlung (1740) nichts Ausführliches darüber veröffentlicht worden. Wir finden nur in einzelnen Werken, wie in Garzonis Schauplatz (113. Gespräch) Auszüge aus Biringuccio. Sehr mit Unrecht wird in der einschlägigen Fachlitteratur auf diesen Auszug, der zum Teil ein wörtlicher Abdruck ist, öfter hingewiesen, während ich die viel gediegenere, umfangreichere Quelle in der Pyrotechnia nirgends erwähnt gefunden habe. Über die Grubenverkohlung, wahr - scheinlich die älteste Art der Verkohlung, die aber in Deutschland und in Nordeuropa jetzt ganz ungebräuchlich ist, besitzen wir über - haupt keine besseren Nachrichten, als die oben angeführten. Aus der beigefügten Abbildung, Fig. 11, geht hervor, daſs bei diesem Verfahren nicht zugerichtetes Scheitholz, sondern Astholz und Wurzelstücke verkohlt wurden, denn solche trägt der Köhler auf der linken Seite in die Grube ein, der Knabe rechts hält einen ziemlich geraden Ast, der jedenfalls als Quandel dienen soll, um den oben beschriebenen mittleren Zugkanal herzustellen. Aus der Abbildung der in Brand befindlichen Grube erkennen wir, daſs das Holz noch über der Grube aufgehäuft war. Die Grubenkohlen sind, wie oben erwähnt, hart und zu vielen Zwecken nicht zu gebrauchen, auch fallen viele schlechte Brände, und ist der Abbrand bei ihrer Herstellung gröſser als in Meilern; aber sie lassen sich leicht und rasch herstellen, und wenn Garzoni erzählt, daſs die Kohlenträger, die er unter die Klasse der Fachini rechnet, und welche zu seiner Zeit die Holzkohlen für die Küchen und die Schmiede hausierend in den italienischen Städten herumtrugen, ihre Kohlen häufig selbst machten, so läſst sich vermuten, daſs dies auf dem einfachen und raschen Wege der Grubenverkohlung geschah.
Die Verwendung der Steinkohlen war zu Anfang des 16. Jahr - hunderts noch eine sehr beschränkte. Doch wurden sie in den Gegen -101Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.den, wo sie zu Tag anstanden und mit leichter Mühe gewonnen werden konnten, sowohl zum Hausbrand als auch in den Schmieden benutzt. Dies berichtet Biringuccio in der bereits oben angeführten Stelle1)Siehe S. 102., wo er sagt, daſs man in jenen Ländern, wo sich Steinkohlen fänden, solche verwende, um Eisen zu bearbeiten, Metalle zu schmelzen, Backsteine zu machen und Kalk zu brennen. Aber die Verwendung der Steinkohle in Schmiedefeuern geht in viel frühere Jahrhunderte zurück. Ein Schmied soll es gewesen sein, der die Steinkohlen im Bistum Lüttich im Jahre 1198 entdeckte und zuerst verwendete2)Siehe Bd. I, S. 769..
Die Chronik Lamberts des Kleinen, welche von Reinerus, einem Mönch von St. Jacob zu Lüttich, fortgesetzt wurde, setzt die Ent - deckung der Steinkohlen 15 Jahre später, erwähnt aber dabei ebenfalls gleich ihre Verwendung für Schmiede und Metallarbeiter. Zum Jahre 1213 ist darin bemerkt: „ Das Jahr geht zu Ende, vorher aber will ich noch drei nützliche und höchst merkwürdige Entdeckungen in unsrer Gegend anführen, nämlich Mergelerde, die zur Verbesserung des Bodens dient, schwarze Erde, den Holzkohlen sehr ähn - lich (terra nigra carbonum simillima), welche für Schmiede, Metallarbeiter und arme Leute als Feuerungsmittel von groſser Bedeutung ist, und drittens, daſs Blei in unsrer Gegend aufgefunden worden. “ Hundert Jahre früher aber werden schon „ Kol - kulen “, Kohlengruben, im Wurmrevier bei Herzogenrath erwähnt3)In den Annales Rodenses, ab - gedruckt in M. S. P. Ernst, Histoire de Limbourg. Siehe auch den Aufsatz „ Zur Geschichte der Kohlenbergwerke im Wurmrevier “von Michèl im Echo der Gegenwart vom 7. Mai 1873, Nr. 126 und folgende., auf dem zur Augustinerabtei Klosterrath gehörigen Grund und Boden. Dies dürften die ältesten Steinkohlengruben des europäischen Fest - landes sein. In England wird der Anfang des Steinkohlenbergbaues bis vor die Zeit Wilhelms des Eroberers um die Mitte des 9. Jahr - hunderts zurückdatiert.
Während in Aachen und Lüttich, wie in Deutschland überhaupt die Steinkohlen nicht zu den Regalien gerechnet wurden, ihre Ge - winnung vielmehr dem Grundbesitzer zustand, erklärte Wilhelm der Eroberer dieselben in England für Regal und verlieh dasſelbe mit den übrigen Bergregalien an die Groſsen des Reiches.
Die Steinkohlengruben von Staffordshire bei Newcastle-under-Lyne, welche damals schon in Betrieb standen, oder bald danach eröffnet wurden, erklärte er als Grundherr (Lord of the manor) für königlichen102Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.Besitz. Die Steinkohlen von Newcastle-on-Tyne werden im Jahre 1234 zum erstenmal erwähnt. In diesem Jahre bestätigte König Heinrich III. das Privileg, welches sein Vater, König Johann, Newcastle gegeben hatte, worin er den genannten „ ehrlichen Leuten “(probi homines) auf ihr Gesuch hin das Recht verlieh, Kohlen und Steine in dem ge - wöhnlichen Feld auſserhalb der Mauer, genannt Castle-Moor, zu graben, wie es scheint, nur für den eigenen Gebrauch. Doch wurden diese Steinkohlen bald danach bereits zu Schiff nach London gebracht. Im Jahre 1273 erhebt zum erstenmal der in London ansässige Adel bei König Eduard I. Beschwerde gegen den überhand nehmenden Ge - brauch der Steinkohlen (sea coals) — es waren hauptsächlich Ge - werbetreibende, namentlich die Färber und Bierbrauer, die sich der - selben bedienten — und den damit verknüpften Belästigungen durch Rauch und üblen Geruch. Infolgedessen wurden auch Verordnungen dagegen erlassen, doch nahm der Gebrauch und die Zufuhr von New - castle-on-Tyne nach London trotzdem ständig zu. Zur Zeit Eduards III. waren die Wälder in der Umgegend von London bereits so dünn und infolgedessen das Holz so teuer geworden, daſs die ärmere Bevölke - rung auf die Benutzung der Schiffskohle angewiesen war.
Eduard III. trug wesentlich zur Hebung des Steinkohlenbergbaues von Newcastle bei, denn wenn Eduard I. den „ ehrlichen Leuten “von Newcastle nur erlaubt hatte, Kohlen im Felde Castle-moor zu graben, so gab Eduard III. die ganzen Felder von Castle-moor und Castle - field den Bürgern von Newcastle in Eigentum, mit dem Recht der Steinkohlengewinnung. Richard II. legte 1379 den ersten Zoll auf die Kohlenschiffe, die von Newcastle nach London kamen. Dieser Zoll warf später groſse Summen ab. Trotz des Zolles und trotz der wiederholten Petitionen des Adels und der Bürgerschaft von London gegen das schädliche und ungesunde Brennmaterial (to prohibit the further use of so noxious and unhealthy a kind of fuel) stieg die Einfuhr fortwährend. 1421 war dieselbe bereits so groſs, daſs Hein - rich V. besondere Kommissäre anstellte, wegen des richtigen Maſses und der richtigen Verzollung. Seit dieser Zeit war die Steinkohle das allgemein gebräuchliche Brennmaterial in London.
Über das Alter des westfälischen Steinkohlenbergbaues haben wir bereits im ersten Bande1)Siehe Bd. I, S. 770. Mitteilungen gemacht, auch dort ver - wendeten die Schmiede bereits die Steinkohlen. In Sachsen soll die Steinkohlengewinnung bis in das 10. Jahrhundert zurückreichen2)Siehe Karmarsch, Geschichte der Technologie, S. 239.. 103Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.Der älteste Bergbau wurde zu Zwickau betrieben. Derselbe war zu Anfang des 15. Jahrhunderts bereits in starker Ausbeute, obgleich damals das Klafter Holz nur sechs bis sieben Groschen kostete, die Steinkohle also nur einen sehr niedrigen Preis haben konnte. Die erste schriftliche Steinkohlenordnung für Zwickau wurde 1520 er - lassen und zwar von den Besitzern, dem Stift Grünhain und dem Ritter von der Planitz; 1532 folgte die erste und 1552 die zweite kurfürstliche Kohlenordnung. Die Steinkohlen wurden schon früh vielfach von den Schmieden benutzt. In den alten Schmiedeartikeln vom Jahre 1348 heiſst es: „ daz sullet ir wizzen, daz alle smide, die niederhalb der mur sitzen, mit nichte sullen smiden mit steinkolen “1)Siehe D. Herzog, Geschichte des Zwickauer Steinkohlenbergbaues. Dresden 1852, S. 3..
Bei Wettin im Saalkreise wurden 1466 Steinkohlen entdeckt. Daſs die Kohlen von Potschappel bei Dresden und die böhmischen Braun - kohlen im 16. Jahrhundert bereits bekannt waren und benutzt wurden, geht aus Kentmanns Mineralogie hervor, der die ersteren als Bitu - men Bohemicum, die andern als carbones bituminosi et fossiles non procul Dresdae anführt. Der Grubenbetrieb auf die Braunkohlen auf dem Meiſsner in Hessen, die aber ebenfalls Steinkohlen ähnlich sind, wurde unter Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel im Jahre 1578 von dem bekannten „ Pfarrer, Salzgreven und Holzvoigt “von Allen - dorf, Johannes Rhenanus, eröffnet2)Siehe H. Cramer, Johannes Rhenanus, 1879, S. 36.. Schon 1571 hatte der Land - graf auf einen Bericht des Rhenanus über das Kohlenvorkommen am Meiſsner geantwortet, daſs er gewillt sei, zum Besten seiner armen Unterthanen das Kohlenbergwerk zu bauen. Rhenanus benutzte die Kohle hauptsächlich zum Salzsieden. Er stieſs dabei aber auf Schwie - rigkeiten und lieſs deshalb 1588 — was damals noch etwas Neues war — einen eisernen Rost anfertigen. Auch Roste von „ gebackenen Steinen “für Holz - und Kohlenfeuer konstruierte er, woraus hervor - zugehen scheint, daſs man das Holz vordem noch ohne Rost ver - brannt hatte.
Über das Wesen und die Entstehung der Steinkohlen herrschten bereits im 16. Jahrhundert Meinungsverschiedenheiten, zumeist darüber, ob die Kohle, wie die Theologen wollten, etwas Fertiges, mit der Erde zu - gleich Erschaffenes oder etwas nachträglich Entstandenes, ähnlich den organischen Wesen sei. Die meisten Naturforscher dieser Periode halten die Steinkohle für ein eingetrocknetes Harz. Georg Agri - cola3)De natura fossilium, Lib. IV. ist der Meinung, daſs die Steinkohle ein fetter, harziger, mit104Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.einer schwefligen Materie vermischter Saft sei, der in der Erde verhärtet und zu Stein geworden sei. Cardanus nennt die Stein - kohlen „ Judenpech “, d. i. Asphalt. Er sagt: England ist voll von schwarzem Judenpech, welches man Bitumen nennt, womit man auch dort Steine aus Erde brennt. Und Libavius1)Libav. I. singul. P. 3, c. 9, p. 1045. sagt: Die Steinkohlen sind gegrabene, schwarze, harzige oder Pech-Kohlen, hart wie Steine und sehr schweflig, gar leicht anzubrennen, daher sie auch zum Ein - heizen und zu Schmiedearbeiten sehr bequem und dienlich sind. Christoph Encelius kommt unserer modernen Anschauung näher, indem er ihre Entstehung vom Torfe ableitet. Er sagt: Der Torf ist ein Bitumen, welches durch die Sonnenhitze an der Oberfläche der Erde ausgetrocknet ist, er ist ohne Zweifel die Mutter der Stein - kohle, welche ein durch die Hitze im Inneren der Erde fest gewordenes Bitumen ist2)Encelius, De re metallica, Lib. de lithantrac. Thurfius … est bitumen calore solis exsiccatum extra terram mater procul dubio carbonis lapidei, qui est bitumen induratum calore intra terram..
Über die Verwendung der Steinkohlen haben wir bereits ver - schiedene Stellen angeführt. Ihre Hauptverwendung im 16. Jahrhundert war für den Hausbrand der ärmeren Leute und in den Schmieden. Auſserdem wurden sie benutzt zum Brennen von Ziegel - und Back - steinen, von Kalksteinen, zum Salzsieden, dagegen konnte man sie zu andern metallurgischen Operationen, zum Schmelzen der Erze, zum Frischen des Eisens u. s. w. in jener Zeit noch nicht verwenden. Agricola spricht sich über den Gebrauch der Steinkohlen am deut - lichsten, und zwar im vierten Buche des groſsen Werkes „ De natura fossilium “, welches überhaupt die beste und ausführlichste Abhandlung jener Periode über die Steinkohlen ist, folgendermaſsen aus3)Etenim fabri aeraerii et ferrarii carbonum, quod eis multo diutius duret, vice ipso utuntur. Sed quia sua pinguitudine inficit ferrum et fragile facit, qui subtilia opera efficiunt, hoc non utuntur, nisi eorum qui ex ligno fiunt, magna fuerit penuria. Eodem bitumine hi quos ligna deficiunt, cibos coquunt, caldaria, in quibus hyeme degunt vitam, calfaciunt, calcem urunt, vitium vero foetoris plerunque sale, in ignem injecto, corrigunt. Agricolae eodem vites oblinunt, quod vermes illarum oculos rodentes interficiat. Eodem decoris gratia quidam tingunt palpebras et capillos. In medicinae vero usu exsiccat et digerit. At ex duro polito tigurantur effigies hominum: globuli quibus numerantur preces gemmae annulis inferendae, aut funda claudendae. Id nostris temporibus gagates dicitur.: Denn die Erz - und Eisenschmiede bedienen sich der Steinkohlen, die ihnen viel länger anhält. Aber weil sie durch ihren Fettgehalt das Eisen verdirbt und brüchig macht, so nehmen die, welche feinere Arbeiten machen, sie nicht, auſser wenn sie an Holzkohlen groſsen Mangel105Holzverkohlung, Steinkohlen und Torf.haben. Mit demselben Bitumen kochen die, denen das Holz fehlt, ihre Speisen, heizen damit die warmen Stuben, in denen sie im Winter ihr Leben verbringen, und brennen damit Kalk, den bösen Geruch aber vertreiben sie meistens mit Salz, das sie in das Feuer werfen. Die Bauern streichen damit (mit dem daraus gewonnenen Teer) die Weinstöcke an, damit dadurch die Würmer, welche die jungen Triebe abnagen, getötet werden. Derselben heilsamen Wirkung wegen bestreichen sie sich zuweilen die Augenlider und Haare damit. Als Medizin aber wirkt es austrocknend und abführend. Aus dem harten, glänzenden aber macht man menschliche Figuren: kleine Kugeln, an denen man die Gebete abzählt (am Rosenkranze), Edel - steine für Ringe und Knöpfe für die Geldtäschchen. Dieses wird in unsrer Zeit „ Gagat “genannt.
Im allgemeinen war aber die Verwendung der Steinkohlen zu Anfang des 16. Jahrhunderts noch eine sehr geringe und auf die Gegenden, wo Steinkohle auf Tagebau gewonnen werden konnte, beschränkte. Doch beginnt in dieser Periode die Steinkohle Export - artikel zu werden. Zunächst in England, wo sich die Ausfuhr von Newcastle aus nicht auf den Handel mit London beschränkte, sondern Steinkohlen auch nach Schottland, ja sogar bereits nach Holland, Hamburg und Dänemark verladen wurden. Lüttich handelte mit Steinkohlen. Auch auf dem Rheine fing man an, Steinkohlen zu ver - schiffen. 1545 ging ein Schiff mit Eisen von einem badischen Hütten - werke nach der Grafschaft Berg und brachte als Rückfracht Stein - kohlen zurück, die wie Holz verzollt wurden1)Siehe Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheines XII, 386 etc..
War die Bedeutung der Steinkohle für die Metallurgie im 16. Jahr - hundert nur eine sehr geringe, so war die des Torfes fast gleich null. Die Verwendung des Torfes für den Hausbrand war freilich in Deutschland längst gebräuchlich. Friesland und Holland sind die klassischen Länder dafür. Schon Plinius erzählt von den alten Bewohnern Frieslands, den Chauken2)Siehe Plinius, Hist. nat. XVI, 1., daſs sie eine lehmige Erde mit den Händen zusammenballten, an der Sonne oder mehr noch durch den Wind trocknen lieſsen und damit sowohl ihre Speisen kochten als ihre Behausungen erwärmten. Die frühesten Nachrichten über Torfgräbereien stammen aus dem 12. Jahrhundert3)Siehe Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen IV, 395.. Ein Abt Ludolf erlaubte im Jahre 1113 einem Nonnenkloster in der Nähe von Utrecht, auf einem Teile seiner Torfmoore (vena vom altfrie -106Von den Öfen.sischen venne, holländisch veen) zum eigenen Gebrauche Torf (ces - pides = gestochener Rasen, Stechtorf) zu graben. Das Wort Torf, Torff, Turf, latinisirt turba, turbo, turbae, turfa, kommt am Ende des 12. Jahrhunderts zuerst vor1)Siehe Ducange, Glossarium Lambertus Ardensio (um 1200), p. 257: similiter mariscum (Torfmoor), ut ajunt, proprium perfodi et in turbas dissecari.. Hieraus entstand das Wort turbaria für Torfmoor (1259 bei Matthäus Paris), und turbagium, das Recht Torf zu graben (1308 in einem Diplome Philipps des Schönen). Im 13. Jahrhundert wurde der Gebrauch des Torfes im westlichen Deutschland allgemeiner. In der Eisenindustrie fand er aber noch keine Verwendung, weder im Mittelalter noch im 16. Jahrhundert.
Die Öfen sind die wichtigsten Apparate für die hüttenmännische Behandlung der Erze. Schon Plinius sagt, daſs die Gestalt der Eisenschmelzöfen von groſser Verschiedenheit sei: fornacium magna differentia est. Im 16. Jahrhundert finden wir bereits alle Haupt - arten von Öfen, deren wir uns heute bedienen, in Benutzung. Der Herdofen und der Tiegel waren wohl die ältesten Schmelzgefäſse und schon seit vorgeschichtlicher Zeit in Anwendung. Die Herdöfen treten uns bei Agricola als Stadeln, Gruben, gestampfte und ge - mauerte Herde, Feinbrennherde, Treibherde und Garöfen mit und ohne Gebläse entgegen. Ebenso erscheint der Schachtofen von seinem Übergange zur Stadel als forno aperto bei Biringuccio bis zum Eisen - hochofen mit Gebläse in mannigfacher Form und Gestalt. Die Ge - bläseöfen erscheinen als Windöfen, Tiegelöfen, Muffelöfen, Töpferöfen, Glasöfen, Destillieröfen u. s. w. Auch die Flammöfen von dem uralten Backofen ausgehend, erscheinen bereits in ihrer charakteristischen Form mit getrennter Rostfeuerung. Agricola behandelt die Öfen zwar nicht in systematischer Weise, er giebt aber bei der Schilderung der verschiedenen hüttenmännischen Vorgänge mehr oder weniger genaue Beschreibungen der angewendeten Öfen mit trefflichen Zeich - nungen. Biringuccio dagegen hat in seiner Pyrotechnia ein selb - ständiges Kapitel „ Von den Formen der Schachtöfen und der gewöhn - lichen Öfen zum Schmelzen der Erze “2)Delle forme delle Maniche et Forni per fonder le minere, Pyrot. Lib. III, Cap. III..
107Von den Öfen.Dasselbe handelt selbstredend nicht von den Eisenschmelzöfen allein, sondern von allen Arten von metallurgischen Öfen und wird charakteristisch folgendermaſsen eingeleitet:
Man hat wohl acht zu geben, mit welchen Mitteln man vor - gehen muſs, um die Schmelzfeuer zu bereiten. Solche sind insbesondere die Öfen (forni), die man nach Bedarf und nach den Eigenschaften der Mineralien herrichten muſs. Gewöhnlich hat man zu diesem Zwecke Schachtöfen (maniche von manica = Ärmel), oben weit und am Fuſse eng, welche mit Holzkohlen und dem Winde von gewaltigen Blasebälgen ein mächtiges Feuer geben, sowohl weil es eingeengt, als auch weil es seitlich vor Abkühlung geschützt ist, und das Feuer wird nach dem Belieben der Meister um so gröſser, je mehr sie den Wind verstärken durch zwei oder drei Paare von Blasebälgen (Fig. 12)1)Biringuccios Abbildungen sind höchst mangelhaft, manchmal kaum ver - ständlich, da sie aber durch ihr Alter ehrwürdig sind und der Text sich öfter auf sie bezieht, teilen wir sie dennoch mit.. Aber unsinnig viel Gewalt darf man nicht anwenden, weil dies oft
schadet anstatt zu nützen; denn man verzehrt dann die Güte der Erze, indem man sie verdampfen und sich in Rauch auflösen läſst, weshalb die Flamm - öfen für Holz und Koh - len, geschlossen und gut konstruiert, oft besser ge - eignet sind als Schacht - öfen. Wenn man sich dieser bedient, wird das Erz zuerst, indem es geröstet wird, sehr gut abgedampft, dann pocht man es und nachdem man es herausgenommen hat, mischt man die Beschickung, und durch solche Maſsregeln muſs man es dahin bringen, wenn es nicht von Natur leicht schmelzbar ist, daſs man den Widerstand seiner Härte besiegt, indem man stets Vorsicht und Geduld eines Meisters anwendet. Und eben zu diesem Zweck erinnere ich mich, in Deutschland, wo solche Kunst vielleicht am meisten geübt wird und blüht in der ganzen Christenheit, nicht allein die Anordnung der Schachtöfen, sondern auch die Vor - bereitung zum Schmelzen gesehen zu haben. Zu welchem Zweck sie die Kupfererze, die auch viel Silber enthielten, nachdem sie sie in Stückchen wie Bohnen zerbrochen hatten, mit dem vierten Teil Eisen -108Von den Öfen.schlacken und dem andern Viertel gestoſsenem Bleierz und etwa ein Drittel von dem Ganzen gestoſsenen Marmor auf einem Estrich mischten und nachdem sie eine Schichte daraus geformt hatten, davon in einen Kasten faſsten und sie zum Schmelzen in den Schachtofen brachten. Von dieser Mischung (Möller, Beschickung) und den Kohlen wurde der Ofen immer voll gehalten, und sowie die Kohlen verzehrt wurden und die Erze schmolzen, gab man immer wieder davon auf. Wenn ich dies betrachte, halte ich es für gewiſs (ja ich bin dessen sehr sicher, weil ich mich selbst dessen bedient habe), daſs jedes andere Erz, welches seiner Natur nach nicht sehr weit von dem genannten entfernt ist, auf gleiche Weise sich reduzieren würde, wie dies bei der Reinigung durch die Schmelzung aus der Art und Weise, deren die andern sich bedienen, erscheint. Es ist dies die groſse Pforte, die man passieren muſs, um sicher auf andere Wege zu kommen, die
nach den gewünschten Zielen führen.
„ Kap. III. Von den Formen der Schacht - öfen (maniche) und der gewöhnlichen Öfen (forni) zum Schmelzen der Erze. “
(S. 114.) „ Um Schacht - öfen zu machen, muſs man Steine haben, welche dem Feuer genügend widerstehen (verschiedene passende Steinsorten werden aufgeführt)1)La silice negra a pizzicata di bianco, ò certa pietra morta faldosa che è qua si mezza di talco. “..... (S. 115.) „ Ich werde die gewöhnliche Form (der Schachtöfen) angeben, denn die Abweichungen sind weiter keine, als daſs die Mauern doppelt gemacht werden, oder nochmals verdoppelt bei den Blasebälgen (auf der Formseite). Auch giebt es Meister, die sie (im Schmelzraum) in verschiedenen Formen zu machen pflegen, der eine lang und schmal, der andere unten etwas ge - krümmt. Wieder andere machen sie da, wo der Wind der Bälge ein - tritt, mehr oder weniger weit. Aber um zum Schlusse zu kommen, alle lassen sie den Ofen an eine Mauer anlehnen2)Vergleiche Agricola, De re metallica, Lib. IX zu Anfang., welche für das Wasser zum Bau des Wasserrades, welches die Bälge bewegt, geeignet ist, und gewöhnlich giebt man ihnen die Form eines Mühlentrichters,109Von den Öfen.an der Öffnung weit und am Boden eng (Fig. 13)1)In diesen eigentümlichen Zeichnungen sind in den Abteilungen a, b, c die inneren Schmelzräume dargestellt. und man macht in der Regel deren vier oder sechs, je nach der Menge der Erze, die man verarbeiten will, oder je nachdem man Wasserkraft hat, und die Werke, welche die Blasebälge treiben, paſst man so den Ver - hältnissen an, daſs mit dem Wasser und vermittelst eines Wasser - rades alle Öfen, oder so viele Ihr davon wollt, auf einmal arbeiten, was gewiſs nicht nur eine sinnreiche, sondern auch eine sehr nützliche Sache ist u. s. w ...... “
„ Ich wende mich wieder zu den Schachtöfen. Zuvor habe ich schon gesagt, daſs sie an eine Mauer angebaut werden und einige schneiden sie sogar in diese ein. Aber um nicht soviel Mühe zu haben, muſs man jeden Ofen zwischen zwei Pfeilern, etwa 2½ Ellen von - einander entfernt und 4 oder mehr Ellen hoch setzen, welche die Höhe des Ofens noch überragen, damit diese (die Öfen) keinen Schaden thun, und zwischen diesen Pfeilern baut man den Ofen von jenen Steinen, welche, wie ich oben gesagt habe, nicht schmelzen, indem man sie mit wenig Kalk aufmauert, genau als Geschwister (Zwillings - öfen), und am stärksten da, wo sie am meisten von dem Feuer zu leiden haben. Um ihnen die Form ihrer Höhlung zu geben, muſs man zuerst als Fundament eines solchen Ofens eine etwas nach vor - wärts geneigte Ebene herstellen, ½ Elle hoch von der Erde, über welcher man anfängt zu mauern und eine viereckige Höhlung zu machen, 1½ Hand breit und von jeder Ecke dieses Bodens spanne man zwei Schnüre in die Höhe, welche die Gestalt der umgekehrten Pyramide angeben (Fig. 13 a), welche von der äuſsersten Mündung 2 / 4 (wahrscheinlich Ellen in der lichten Weite) habe und vom Grunde aus sei die Höhe 2 Ellen, oder 1¾, denn in der That ist weder in der Länge noch in der Breite ein wenig mehr oder weniger von Belang, denn ob man diese Dinge gerade so oder so machen will, hängt von den Ansichten der Meister ab. Wenn dies geschehen ist, schlieſst man vornen mit gutem Mauerwerk, welches beinahe gerade steht. In Wahrheit aber, um es gut zu machen, muſs man alles mit - einander aufmauern, um die Mauern gut miteinander zu verbinden, und die genannte Vordermauer muſs nur so hoch gemacht werden, daſs der Schmelzer ohne zu groſse Unbequemlichkeiten dahin ge - langen kann, um Kohlen und Erze aufzuheben. Ich mache darauf aufmerksam, daſs, je strengflüssiger die Erze sind, desto länger muſs110Von den Öfen.das, was Ihr schmelzen wollt, im Feuer bleiben, sie kommen dann mehr erweicht und heiſser an den Ort, wo das Feuer durch die Ge - walt des Windes am mächtigsten ist. Hinter diesen Schachtofen, von der Seite der Mauer, wo die Blasebälge sind und das Wasserrad oder eine andere Einrichtung sie bewegt, setzt man eine Form von Kupfer, welche an ihrem breitesten Teil die beiden Mündungen der Blase - bälge aufnimmt, damit durch das Loch dieser Form innerhalb des Ofens immer ein einziger, kontinuierlicher Luftstrom entstehe und nicht deren zwei. Vorausgesetzt, daſs nicht zwei Formen von zwei Paar Blasebälgen eingesetzt werden, deren Mundstücke in gerader Linie so gerichtet sind, daſs der Wind beinahe in der Mitte des Ofens den begegnenden treffe und sich nach abwärts wende. An der Vorder - seite des Ofens sei eine Öffnung mit einer Einpassung (Brust), in welche ein steinernes Thürchen eingesetzt wird, um durch dieses die Erze im Inneren nach Bedürfnis heben, setzen oder zurecht schieben zu können, und alsdann macht man am Fuſse dieser Brust mit dem Boden gleich ein kleines Loch, durch welches die geschmolzene Materie herauskommen soll und man macht auch nahe bei dem Ofen, wo dieses kleine Loch herausgeht, einen Herd aus Eisenplatten oder Steinplatten in die Erde gemauert nach Art eines Scheffels oder von ähnlicher Gröſse (einen Tiegel). Seitlich davon macht man eine Grube in die Erde, 1 Elle breit und ½ tief. Nachdem Ihr alle diese Dinge gemacht habt und nun mit dem Ofen arbeiten wollt, so nehmt Kohlenstaub und Thon oder Pfeifenerde und etwas Asche1)Vergleiche Agricolas ausführliche Beschreibung der Bereitung von Kohlen - lösche im 9. Buche De re metallica., welche in einem hölzernen oder steinernen Becken mittels eines mit dem Rade der Blasebälge verbundenen Hammers von Holz, indem er sie tüchtig zusammenschlägt und zwar in feuchtem Zustande und mit so viel Wasser, daſs sie gut zusammenhalten, vermischt werden. Wenn man sie so zugerichtet hat, nimmt man sie, und macht davon den Boden des Ofens, und schlägt ihn bestens mit einem abgerundeten Stein oder Holz, um ihn fest zu machen, wie bei den Aschenherden; auch giebt man ihm eine kleine Neigung nach dem kleinen Loche hin, damit das geschmolzene Metall leicht herausflieſsen kann, und dann schlieſst man mit dem eingefugten Steine und Lehm die Öffnung, welche man vorher gelassen hat, um den Boden (des Ofens) herzu - richten. Erhaltet nur das kleine, zwei Finger breite Loch, das Ihr lieſset, um das Metall und Schlacke nach Eurem Belieben zu dem111Von den Öfen.Herde zu leiten. Und wenn dies geschehen ist, füllt man mit der - selben Mischung von Kohlenstaub und Erde den Herd, welchen Ihr vor dem Ofen gemacht habt, und durch Schlagen preſst Ihr sie zu - sammen und macht sie gut fest, und indem man dann in der Mitte herausschneidet, nimmt man etwas heraus, und macht einen Tiegel bis auf den Boden, eine Hand breit. Seitlich macht man ein Loch, um einen Ausgang zu schaffen, welcher in die seitliche Grube hinaus geht, von der ich sagte, daſs sie in die Erde gemacht werden müsse. Dann macht man zwischen der Ausfluſsöffnung des Ofens und dem Tiegel einen Kanal. Wenn ihr sehet, daſs der Raum zwischen dem Boden (des Ofens) und der Mündung der Blasebälge voll von ge - schmolzenem Metall und Schlacke ist, macht man den Ofen mit einem Eisen auf und läſst die ganze Schmelzung, die man gemacht hatte, heraus durch jenen Kanal in den Tiegel. Dort scheidet sich alle metallische Substanz ab, indem man sie sich setzen läſst, weil sie schwerer und weniger schleimig ist, und die erdigen Teile, geschmolzen und in Schlacke verwandelt, trennen sich, und stehen oben schwimmend, so sage ich Euch, wie die geschmolzenen Erze sich reinigen. Und also, wie ich es Euch gesagt habe, errichtet und macht man die gewöhnlichen Schachtöfen.
Einige haben die Schachtöfen schon doppelt gemacht mit zwei Paar Blasebälgen, indem sie den einen Ofen in den andern anordneten [d. h. übereinander, wie der mittlere Ofen der Abbildung (Fig. 13 b) gezeichnet ist], und so bewirkte man, daſs die Schmelzung vom ersten in den zweiten floſs. Dies scheint mir eine Sache zu sein, die nicht nur doppelte Mühe und mehr Kosten verursacht, sondern die auch mehr abergläubisch als nützlich ist. Denn wenn Euch der Hohlraum eines Schachtes zu wenig erscheint, was Euch verführt, zwei Öfen zu machen, so macht einen langen anstatt zwei, und setzt auch, wenn es nicht schon hinreicht, zwei oder drei Paar Blasebälge hinein, so viele Ihr für gut haltet. —
Einige andere machen die Schachtöfen (maniche) wie wirkliche Ärmel (manica = Ärmel), woher erstere den Namen haben, unten weit und gebogen wie ein Ellbogen, und von da ab gerade, wie Ihr aus der vorstehenden Figur (Fig. 13 c), welche neben die andern deutlich gezeichnet ist, sehen könnt. Von diesen flieſst alles, was schmilzt, in eine Grube oder einen Tiegel, den man da anlegt. Seinen Wind nimmt er ungefähr in der Biegung des Ellbogens auf oder vier Finger breit darüber. Aber diese Form gefällt mir nicht, wenn man nicht wenigstens ¾ von der vorderen Mündung zustopft (Ofen112Von den Öfen.mit offener Brust, Sumpfofen). Denn mir scheint, daſs die Kohlen und Flammen, von der Kraft des Windes getrieben, mehr durch die Mün - dung herausfliegen müssen, als davon darin bleibt. —
Einige andere vertauschen die Schachtöfen mit andern Öfen. Weil sie weiche Mineralien zu schmelzen haben, machen sie Schmelz - öfen gewöhnlicher Art mit Wind (Herdöfen). Und wieder andere machen Flammöfen (Reverberieröfen) für Holz, weil sie kein kräftiges Feuer geben wollen, wie dasjenige ist, welches die Schachtöfen mit Wind und Kohlen geben, welche sich in der That für Blei, für Zinn und gewisse verwitterte Erze nicht eignen. Sie sagen auch, daſs sie in den so beschaffenen Öfen schmelzen, weil sich die Erze in solchen Feuern nicht bis zur Verdampfung ausdehnen und das Feuer sich gelinder darin entwickelt, sie sagen sogar, daſs es ungefähr so sei, als ob die Erze vor dem Schmelzen darin geröstet würden. Obgleich
ich niemals einen solchen Ofen ge - sehen habe, so sind sie mir doch mit Wor - ten so gut erklärt wor - den, daſs ich, indem ich diese Euch wieder - hole, denke, daſs sie Euch genügen könn - ten. Auch will ich zum besseren Verständnis sie durch Zeichnung erklären. Aber seien sie, wie sie wollen, mir scheinen sie mehr zum Rösten als wie zum Schmelzen dienlich. Nach dem, wie ich es ver - standen habe, macht man in die Erde ein gemauertes Fundament, rund, wie ein ebenes Rad, welches 2½ Ellen im Durchmesser hat, eine Höhe von der Erde, oder wenn Ihr wollt, eine Dicke von ½ Elle, und in der Mitte desſelben macht man ein Loch, wie das eines Mühl - steines, ¾ Ellen breit oder wenig mehr, und darunter bringt man einen Hohlraum an, welcher beinahe von einer Seite des Rades bis zur andern geht, durch welchen man Feuer gehen lassen kann (Fig. 14). Und dann mauert man über diesem Rad a und setzt den Hohlraum in der Mitte fort, indem man ihn jedoch fortwährend verengt, bis er 1½ Ellen hoch ist, ähnlich einer Trompete (Trichter) oder einem umgestürzten Laugekorb und dies hat als Rohr zu dienen, in welchem das Feuer aufsteigt. Und wenn Ihr an seinem Ende angekommen seid, macht man113Von den Öfen.eine Ebene (Herd), welche vier Abläufe nach den äuſseren Seiten hin hat, d. h. sie sei an vier Stellen geteilt. Der Mund, aus dem die Flammen zuströmen, habe eine Weite von ⅓ Elle und von da sich erweiternd um ⅛ Elle, wo er sich nach auſsen öffnet. Mit einer Mauer von ¼ Elle umschlieſst man und baut ein Gewölbe, und deckt überall auf das beste in der Höhe von 1¼ Elle und unten an jedem Ende, wo ein Ablauf hinkommt, macht man ein kleines Loch, damit man einen Kanal habe, durch welchen das geschmolzene Erz herauskommen und ablaufen kann. Unter diesem sei eine Grube, welche je nach den Materien, welche herausflieſsen, sie aufnehmen. Und drei und vier Finger breit über der Ebene des Ofens (im Inneren) macht man zwei kleine Löcher, um das Erz sehen, legen und behandeln zu kön - nen, welche mit zwei kleinen Thürchen nach Belieben geöffnet oder geschlossen werden können. Und an dem Gewölbe, ein wenig über diesen Löchern, macht man vier Ausputzöffnungen, damit der über - schüssige Rauch und Flammen austreten können. Dies ist die Ofenform, wie man sagt, welche aber nach meiner Meinung nicht sehr leistungs - fähig ist.
Einige machen auch, wie ich gehört habe, zum Schmelzen der Erze gewöhnliche Flammöfen, aber sie machen sie lang und nicht rund. Die Abläufe der Böden haben sie nach der Seite hin, wo die Flammen eintreten, um da die Erze immer leicht erreichen und so die Schlacke darausziehen zu können, und auch, damit das Feuer sie überall besser trifft; und den Weg für das Feuer machen sie durch den hinteren Teil und unter der Ebene des Ofens, was für mich auch keine Sache ist, die mir gefällt, wenn ich sehe, daſs das Erz die Eintrittsöffnung des Feuers besetzt hält, indem es als Schlacke oder Metall ausflieſst.
Einige andere schmelzen die Erze mit einfachen Holzflammen, dadurch, daſs sie diesen verschiedene Eingangswege in die Öfen geben, von welchen Öfen und Instrumenten zum Schmelzen der Erze ich hier Mitteilung machen wollte, damit auch Ihr davon sprechen könnt; wenn es sich aber darum handelt, sich eines zu bedienen, so würdet Ihr, nach meinem Rate, mit dem Schachtofen arbeiten, weil er leistungsfähig ist und mehr Erfolg verspricht, besonders bei gewissen Arten von Metallen; welche mächtige Feuer zum Schmelzen erfordern.
Das Eisen, wovon ich bezüglich des Erzes genug gesagt habe, will ich auch in diesem Kapitel nicht mit Stillschweigen übergehen und will Euch sagen, daſs die Hilfsmittel, deren man sich bedient zum Schmelzen und Reinigen desſelben, wenn man sie auch ÖfenBeck, Geschichte des Eisens. 8114Von den Öfen.(forni) nennt, doch in Wirklichkeit Schachtöfen (maniche) sind. Aller - dings sind sie viel gröſser und auch in anderer Weise dem Zwecke mehr angepaſst als die gewöhnlichen, weil das Eisen wegen seiner schlecht gemischten Erdigkeit eine gröſsere Menge Feuer erfordert und gröſsere Gewalt, und deshalb macht man jene groſsen Blase - bälge und jene groſsen Hohlräume zur Aufnahme der Kohlen; woher ich jene Schachtöfen 7 und wohl auch nahezu 8 Ellen hoch und 2½ Ellen weit gesehen habe in seinem Durchmesser in der Mitte und unten 2 Ellen.
Und wer sie gut machen will, der schneidet sie in eine Grotte (Abhang) ein, so daſs man auf der Fläche darüber die Erze leicht lagern kann und die Kohlen, indem man dort leicht die Traglasten der Tiere, die sie herbei bringen, ablegen kann. Wohl verstanden, keiner dieser Schachtöfen ist so klein, daſs er nicht 50 bis 60 Säcke Kohlen verlangte, und ebenso fortwährend sechs oder acht Lasten Erz, und deshalb ist es nicht zum Verwundern, daſs man viel Wind nötig hat, um das Feuer lebendig zu erhalten und daſs man groſse Blasebälge braucht. Von diesen habe ich schon gesprochen und Euch schon vorher durch Abbildung (Fig. 12) gezeigt, wie sie gerade zum Ofen stehen, und daſs sie ihren Wind in ein Rohr schicken beinahe am Boden des Ofens mit einer Mündung (Form — lugello), welche den Wind abwärts weist. Und wenn man jene Wasserkünste gemacht hat, welche man auf andere Weise (als mit Wasser) nicht machen könnte, trägt man die Frucht der Mühseligkeiten davon, welche man ertragen hat, entweder Eisen oder Kupfer oder Silber oder welches Mineral es sei, von welchen allen man keines ganz entbehren kann, weil man sonst wegen wenig Wissen viel Nutzen entbehren würde. “
Handelt das vorstehende ausführliche Kapitel des Biringuccio mehr von den Schachtöfen, so beschreibt er im weiteren Verlaufe seiner Darstellung der verschiedenen Schmelzmethoden auch die andern Ofenarten mit groſser Gründlichkeit. Was er oben bereits über die Flammöfen mitgeteilt hat, wird erweitert und ergänzt durch das erste Kapitel des siebenten Buches: „ Wie man Flammöfen für den Erzguſs macht etc. “
Nachdem er einleitend bemerkt hat, daſs dies auf sehr ver - schiedene Weise geschähe, fährt er fort: „ Um Euch aber durch die groſse Verschiedenheit der Anordnungen nicht zu verwirren, werde ich Euch nur von der Art sprechen, welche ich ausgeführt habe, so oft ich dazu Gelegenheit hatte, wobei ich von keiner der oben erwähnten Formen Gebrauch machte, sondern von allen diejenigen115Von den Öfen.Teile nahm, welche mir am zweckmäſsigsten schienen. Zuerst habe ich die Feuerstelle ausgewählt, alsdann den ganzen Hohlraum genau von der gewünschten Gröſse auf die Erde gezeichnet und auch die Mauerstärken darum. Damit Ihr dies besser versteht, wollen wir annehmen, ich hätte einen Durchmesser von 2½ Ellen nötig gehabt. Dann habe ich mir eine gerade Linie von 3½ (oder 3⅔) Ellen ge -
zogen und habe sie unten durch eine Linie von ⅔ Ellen geteilt für die Eintrittsöffnung der Flammen, siehe Fig. 15. Dann habe ich bei 2 Ellen eine Linie durch - gezogen von 2¼ Ellen Länge und habe so eine Kreuzform gebildet. Am hintersten Ende habe ich eine Linie von einer Hand Breite gezogen und habe alle von Punkt zu Punkt mit geraden Linien umzogen und an die Enden der gröſsten Arme des Kreuzes habe ich die Fenster gezeichnet oder richtiger zu sagen, die Ausströmungsöffnungen der Flammen. Dann habe ich den Raum gezeichnet, wo man das Holz
zur Feuerung einlegt und habe die Dicke der Mauer, von der ich haben wollte, daſs sie sich zwischen das Erz und diesen Raum stelle, angegeben. Hiernach habe ich noch soviel ringsherum aufgetragen, wie ich haben wollte, daſs die Dicke der Mauer überall betrage, welche ich vom Boden an aufwärts immer 1 Elle (oder wenigstens ¾ Ellen) stark gemacht habe. Und nach dieser Anord - nung habe ich mauern und die massiven Wände des Feuerraumes aufführen lassen, auſsen bis zu 1 Elle hoch über den Boden, und wenn ich sie der Kostenersparnis wegen hohl gemacht habe, so lieſs ich sie mit Asche und Erde ausfüllen und mit Stampfen festmachen. Dann habe ich darüber einen ebenen Boden von Ziegelsteinen her - stellen lassen, welcher durchgehends nach der Abstichöffnung hin8*116Von den Öfen.Fall hatte (etwa ½ Elle oder weniger), damit die geschmolzene Bronze nicht stehen bleiben könne, noch nach vornen flösse. Dar - über lieſs ich noch eine Ebene von Ziegelsteinen mit eingeschnitte - nem Ablauf mauern, wozu ich nicht nur die Steine mit den schärfsten Kanten auswählte, sondern sie auch noch abschleifen lieſs, um sie besser aneinander passend zu machen. Dann habe ich darüber nach derselben Anordnung der Zeichnung den Hohlraum vollenden lassen, wie ich ihn beschrieben und auch hier gezeichnet habe, Fig. 161)Die eingezeichnete krumme Linie soll den mittleren Durchschnitt des Flamm - ofengewölbes darstellen. (a. v. S.), und der gewissermaſsen die Form einer Laute ergiebt.
Wenn nun dieser erste Teil gemacht ist, schneidet Ihr etwa zwei Ziegelsteine heraus, entweder hochkantig oder flach, wie es Euch am besten scheint, und da hinein legt Ihr den Abstich, aus einem pyramidenförmigen Eisen gebildet, so daſs das breite Ende dem ge - schmolzenen Erze zugekehrt ist, so daſs dieses dagegen drückt und so den Ofen um so besser verschlieſst. Ich habe verschiedene Me - thoden befolgt, um die Ziegel so auszuschneiden und, wenn ich konnte, habe ich es am liebsten mit einem der Steine so gemacht, welche das Feuer berühren. Dann lieſs ich die Mauern nach der Anordnung ausführen, daſs ich die Fensterchen (die Züge) mit zwei Abschrägungen versah und mit einer Öffnung von wenigstens einer halben Elle im Inneren. Bei der vierten Elle, um welche der Meister dann die Mauer erhöht hatte, lieſs ich den Zirkel des Gewölbes, welches den Ofen bedeckt, anfangen. Und auſserhalb habe ich die Mauern gerade aufführen und an der Stelle der Fenster auskehlen lassen nach Art von Schieſsscharten, welche sich nach auſsen erweitern und nach innen verengen, und in dieser Höhe habe ich die Mauer ein - gezogen und um ¼ Elle schwächer gemacht, wobei ich jedoch über die Höhe hinausging, wo das geschmolzene Erz mit seinem groſsen Gewichte schiebt. Nachdem nun das Gewölbe geschlagen war und die Bogen über den Fenstern, lieſs ich den Raum folgen, wo man das Holz zum Feuermachen einlegt. Hierzu lieſs ich zuerst eine groſse Grube machen, tief und lang, wie der ganze Ofen, diese lieſs ich ½ Elle tiefer als die Ebene der Eintrittsöffnung des Feuers mit einer Ein - deckung aus Bogen, welche über die Breite dieses Grabens gespannt wurden, versehen. Diese standen drei Finger voneinander entfernt, nach und nach sich erweiternd, so daſs vom ersten bis zum letzten etwa ⅓ bis 1 Elle oder mehr Fall nach der Mündung hin, wo man117Von den Öfen.das Holz aufgiebt, war. Und auch im Inneren habe ich zwischen den Mauern eine gewisse Wölbung geben lassen, damit die Seitenmauer die Flamme nach und nach zur Eintrittsöffnung (in den Schmelzraum) hindränge, und die an der Mauer an der Front nach einwärts dränge und am Kopf breiter werde. Das Gewölbe aber verlaufe so, daſs es vorne bei der Eingangsöffnung des Holzes eng anfängt, und indem es sich erhebt, weiter wird, bis wo das Feuer einzutreten hat, damit die Flammen sich drängend vorwärts gehen und gedrängt vom Gewölbe und dem Anpaſs der Brustwehr (der Feuerbrücke) ganz vereinigt in den Schmelzraum eintreten. In dieser Gestalt habe ich nicht nur das Gewölbe des Feuerungsraumes anfangen lassen, sondern auch den, in welchem die Bronze sich befindet. Doch habe ich zu bewirken gesucht, daſs das Gewölbe der Feuerung etwas niedriger sei, als das des Ofens, und daſs die erwähnte Wölbung an dem Teile der Mauer wenig über der Ebene des Bogens anfängt und sich aufstützt, damit die Flamme zum Durchzug nach dem Fuchse, welcher nach dem Ofen führt, hingedrängt werde. Und so führe ich das Gewölbe über der Abstichöffnung niedrig, damit die zurückgeworfenen Flammen stoſsweise auf das Metall fallen. Die Höhe von der Ebene der Bogen bis zur Ebene der Eintrittsöffnung lasse ich ½ Elle machen und die Dicke zwischen dem Holzfeuer und dem Schmelzherde ¾. Über dem Bogen, der offen geblieben ist, lasse ich das andere Gewölbe folgen, welches den Ofen da, wo das Metallbad ist, bedeckt. Dieses macht man konkav, aber so niedrig, daſs von der unteren Ebene bis zu seiner gröſsten Höhe ungefähr 1¼ Elle ist, oder etwas weniger, damit es die Flammen und deren Hitze der Bronze näher bringt. Auch will ich, daſs das Gewölbe nach der Abschüssigkeit des Bodens in gleichem Grade herabsteige, damit die Flammen nicht in der Höhe bleiben, sondern nach der Richtung des Abstichloches hingejagt werden, um den Boden zu erhitzen und die darüber befindliche Bronze, worin das Wichtigste des Ganzen liegt. —
Nachdem dieses Gewölbe nun so gemacht war, habe ich das über den Fenstern (Zuglöchern) gemacht, welche offen gelassen wurden, damit die Flamme dort austrete. Um aber in den Ofen sehen und die Bronze darin bearbeiten zu können, werden zwei kleine Öffnungen von ⅛ Elle oder ein wenig mehr Weite durch die Mauer geführt. So können die Flammen herausschlagen, um andern zum Eintreten Platz zu machen, wenn die kleine Thür vor dem Ausgangspförtchen verschlossen ist, wie Ihr einsehen werdet. Diese oder eine andere von den erwähnten Formen könnt Ihr nach Belieben machen, wenn118Von den Öfen.Ihr nur darauf achtet, den Raum, wo das Holz liegt, geräumig zu machen, damit er genug fassen kann, und entsprechend sei der Schmelzraum ausreichend, damit nicht viel Metall und wenig Feuer da sei. “ Nun folgt eine ausführliche Ermahnung, den Ofen im Inneren sorgfältig mit feuerfestem Thon auszukleiden, dann den Ofen gehörig zu trocknen und anzuwärmen, danach alle entstandenen Risse aus - zubessern und mit Holzasche auszustreichen, damit kein Metall durch die Risse dringe ..... „ Aber es könnte sein, daſs die erforderliche Metallmasse so groſs wäre, daſs Ihr es nicht für gut halten würdet, Euch einem einzigen Ofen anzuvertrauen, sondern es machen würdet, wie Leonardo da Vinci, der ausgezeichnete Bildhauer, welcher den groſsen Koloſs eines Pferdes, das er für den Herzog von Mailand zu machen hatte, aus drei Öfen auf einmal goſs. Das Gleiche habe ich gehört
von einem Glockengieſser in Flandern, welcher, als er sein Material schmel - zen wollte, dies in zwei Öfen thun muſste, da es ihm mit einem das erste Mal nicht gelang. Doch kann ich nicht glauben, daſs einem, der die Menge des Feuers zu der Menge des Materials richtig bemiſst, im Groſsen wie im Kleinen dies nicht gelingen sollte. Ich sage zwar nicht, daſs, wenn ich so etwas zu machen hätte, ich mir anmaſsen würde, das zu wissen, was andere nicht wissen, aber so weit es den Feuerkanal und den Feuerraum anlangt, so würde ich denselben so groſs machen, daſs ihm die Flammen nicht fehlen würden. Um es aber noch besser zu machen, würde ich deren zwei anlegen (Fig. 17), so daſs jeder für sich die Flammen nach dem Schmelz - raume bringe, in der Weise, daſs sie beim Eintritte in das Innere voneinander getrennt wären, dann aber sich verbänden und Eins würden. Denn ich weis wohl, daſs, wenn die Kanäle sich begegnen würden, die Flammen sich beeinträchtigen, und in ihrem Laufe, um auf die Bronze zu schlagen, sich hindern würden dadurch, daſs sie sich einander vertrieben.
Damit Ihr aber das, was ich Euch sage, besser versteht, zeige ich Euch hier in einer Zeichnung den Grundriſs des Ofens, wie ich ihn machen würde, Fig. 17.
119Von den Öfen.Ich will nicht fortfahren, ohne Euch auch etwas zu sagen von denen, welche ihre Öfen oval machen und zwar quer zu dem Eingange des Feuers (Fig. 18). Da es sich nach einer und derselben Richtung bewege, so müsse von der Eintrittsöffnung bis zur Abstich - stelle ein Raum von einer gewissen Weite sein, damit die Flamme, ehe sie durch die Fenster (Züge) austritt, erst zweimal auf jeder Seite über der Bronze herumwirbele, wie es die Zeichnung zeigt.
Die, welche der Meinung sind, daſs es besser sei, den Ofen der Länge nach oval zu machen, haben vielleicht noch einen besseren Beweggrund, wenn sie sagen, der Ofen enthalte in dieser Form eine gröſsere Menge vereinigter Flammen über der Bronze und zwischen derselben und daſs das Feuer, wo es in gröſserer Menge vorhanden sei, auch gröſsere Kraft besitze; wenn man in der Bronze aber arbeiten
wolle, so lasse sich dies bei diesem Ofen leichter thun.
Diejenigen, welche bei der runden Form stehen bleiben, führen zwei sehr wichtige Gründe dafür an. Der eine ist, daſs diese Art Öfen seit lan - ger Zeit im Gebrauche sind und daſs die vielen Erfahrungen, die man mit ihnen gemacht hat, sehr dienlich sind. Auſserdem glaube ich aber, daſs ein weiterer Grund darin besteht, daſs in einem Kreise alle Strahlen nach der Mitte hinstreben, und daſs das Feuer, welches in jenem Hohlraume eingeschlossen ist, sich nicht anders verhält, als die Sonne in einem Hohlspiegel, von welcher wir sehen, daſs sie Feuer entzündet.
Das ist es, was ich von den verschiedenen Ofenformen gefunden habe.
Nun bringe man in dem Euch rätlich erscheinenden Ofen die Bronze an den dafür bestimmten Ort, ¼ Elle vom Boden entfernt auf Ziegelsteine oder kleine Bronzestücke, und lege tüchtig Holz ein, damit die Flammen überall darum schlagen; mit Hilfe eines Schür - eisens und trockenen Holzes entzündet man das Feuer, so viel, daſs alles flüssig wird. Wenn dann die Bronze gut geschmolzen ist, läſst man, indem man das Abstichloch öffnet, sie durch einen Kanal in die Form laufen, so daſs sich alle Hohlräume derselben füllen, wie ich seiner Zeit genau und ausführlich zeigen werde ..... “
120Von den Öfen.Sind Biringuccios ausführliche Abhandlungen über die Schacht - und Flammöfen von hohem historischen Interesse, so verdienen seine Schilderungen des Schmelzens in Herden und in Tiegeln im Windofen gleichfalls unsere Beachtung. Sie sind im siebenten Buche der Pyro - technia enthalten. Das zweite Kapitel desſelben ist überschrieben:
Die Arten des Schmel - zens in der Schüssel (ca - tino — im Herde) und andere Arten des Metall - schmelzens mit Kohlen und Blasebälgen.
„ Das Schmelzen im Herde (in der Schüssel) und im Korbe (Schanz - korbe) ist gleichsam ein und dieselbe Sache, und bei dem einen wie bei dem andern bedient man sich der Kohlen und der Blasebälge, die man je nach der Menge dessen, was man schmelzen will, klein oder groſs macht, oder man bringt mehrere oder weniger an, je nach dem Falle. Man macht die Schüssel, Fig. 19, oder Wanne, oder das Schmelzbecken, wie es die Meister nennen, aus Backsteinmauerwerk und Thon nach Art der Schmiedeessen, und mit -
ten vor die Düsen der Blasebälge macht man eine runde Höhlung nach Art einer Waschschüssel, oben weit und am Boden eng, mit einem Loche zum Entleeren, in welches man, damit man es nach Bedarf verstopfen kann, einen eisernen Dorn steckt oder einen ge - schnittenen, zugespitzten Backstein. Dann wird das Ganze gut mit Asche ausgestrichen und die Düse so angepaſst, daſs der Wind auf die Mitte trifft, damit er das Metall nicht nur schmilzt, sondern auch warm erhält. Zuerst füllt man nun mit Kohlen und brennt sie gut aus, dann füllt man von neuem mit Kohlen, setzt sie in Brand und läſst sie nach und nach von selbst ersticken, alsdann beginnt man mit dem Schmelzen, indem man ein oder zwei Paar Blasebälge in121Von den Öfen.Bewegung setzt und oben auf die Kohlen das Material legt, welches man schmelzen will. Wenn es geschmolzen ist, zieht Ihr den Dorn heraus, den Ihr in den Boden gesteckt habt, und führt das Metall durch einen Kanal nach Euren Formen (Fig. 20).
Zwischen dem Korbe (Fig. 21 a) und der Schüssel (Fig. 21 b), dem Kessel oder der Wanne, wie ich sie beschrieben habe, ist kein Unterschied, als daſs der Korb auf einem groſsen, freien Platze gemacht wird. Er setzt sich zusammen aus Hölzern, die in kreisrunder Form in die Erde geschlagen und dann überflochten werden mit Ruten von Kastanien, Weiden oder Nuſsbäumen, ganz so, wie ein Tragkorb oder Schanzkorb, jedoch so hoch und so weit, wie es Euch nötig scheint. Dann füllt man ihn mit festgestampfter Erde und macht in der Mitte eine runde Höhlung, so tief und so breit, wie Ihr glaubt, daſs sie das Material, welches man schmelzen will, fassen könne.
Nachdem Ihr den Boden gemacht, ein Abstichloch für die Bronze ange - bracht, einen eisernen Dorn gut eingesetzt und alles gehörig mit Asche, die mit Salzwasser an - gemacht ist, bestrichen habt, brennt Ihr sie aus. Nachdem Ihr dann die Blasebälge an ihre Stelle gesetzt habt, richtet Ihr die Düsen so, wie Ihr es bei dem Herdofen (der Schüssel) gethan habt und schmelzt nieder. Der erste von diesen Korböfen, den ich gesehen habe, war in Palermo. Später sah ich noch mehrere an verschiedenen Orten, und mit einem solchen Appa - rate goſs der Meister eine Glocke von etwa 1000 Pfund. Sehr viel gebrauchen ihn gewisse savoyische und französische Meister, welche umherziehen und Glocken gieſsen, und habe ich schon welche von diesen gesehen, die zwei bis drei Paar Blasebälge darum setzten, und habe auch solche gesehen, die anstatt aus Baumzweigen und Hölzern aus Mauerwerk gemacht waren, wie kleine Türmchen, und diese ge - fallen mir sehr gut, und wenn ich je damit zu arbeiten hätte, würde ich keine andere machen, als solche aus Mauerwerk. “
Diese Öfen erinnern bereits an kleine Kupolöfen. Bemerkenswert ist an denselben ihre Beweglichkeit. Es waren nicht geradezu transportable Schmelzöfen, wie sie Reaumur im Anfange des vorigen Jahrhunderts122Von den Öfen.zuerst beschrieben hat, aber diese Schanzkorböfen lieſsen sich überall leicht und rasch aufrichten, so daſs die erwähnten hausierenden savoyischen und französischen Meister vielleicht selbst das ganze Gestell zu dem Schmelzofen mit sich führten, daſs sie dann nur am Orte, wo sie Arbeit fanden, frisch ausstampften und auskleideten.
Diese Korböfen sind ferner auch dadurch von besonderm Inter - esse, als sie den charakteristischsten Übergang des Herdofens in den Schachtofen darstellen. Und als Schachtöfen sind sie wieder die ersten Beispiele von Massenöfen, d. h. von Öfen, deren Inneres nicht gemauert, sondern gestampft ist.
Zur Schmelzung noch kleinerer Metallmassen diente das Schmelzen im Löffel, welches wir noch ähnlich bei den hausierenden Löffelgieſsern und Zinnflickern finden. Biringuccio beschreibt dieses Verfahren im dritten Kapitel als „ die Art, im Löffel zu schmelzen “.
Der Gieſslöffel, Fig. 22 a, ist ein kleines Schüsselchen mit einem Gitter von Eisenstäben wie ein Vogelkäfig überzogen, derselbe hat
einen Handgriff, um ihn leicht von der Esse neh - men und ihn dahin tra - gen zu können, wo es Euch paſst. Er ist ein allgemeines und gewöhn - liches Gerät der Meister, wo es sich um kleine Guſswaren handelt, denn bei einem groſsen Ge - wichte würde man ihn auch, wenn man Hebel und Winden zu Hilfe nähme, nur schwer mit den Armen aufheben können, und wenn man es dennoch thäte, so könnte man nur mit Anstrengung die vorerwähnte Schüssel heben und, wenn dabei ein Fehler gemacht würde, könnte es zu Verlust führen. Auch hierzu bedarf man einer Esse und ein paar guter Blasebälge b, welche groſs und gut mit Leder (Tuch) beschlagen sind. Das er - wähnte Schüsselchen aber wird von guter, gebrannter Erde gemacht, gehörig mit Asche bestrichen, dann setzt man es vor die Düse, indem man oben rings um den Rand einen Kranz von zwei oder drei Back - steinen macht, damit diese die Kohlen besser und in gröſserer Menge zusammenhalten. Alsdann zündet man an, und wenn man die Kohlen in dem Löffel gut in Brand gesetzt hat, legt man die Stücke des zu schmelzenden Materiales nach und nach darauf, die, wenn sie ein -123Von den Öfen.geschmolzen sind, in den Behälter herabflieſsen. Dann hebt man den Löffel heraus und trägt ihn dahin, wo die Formen aufgestellt sind und gieſst damit.
Ich habe auch mit offenem Gieſslöffel gieſsen sehen, d. h. ohne Esse und ohne glühende Asche darum, sondern mitten in einem Raume, wo der nackte Löffel auf einem eisernen Dreifuſse stand. Die Blasebälge hatten lange Röhren und die Mündungen, aus denen der Wind kam, gingen über den Rand des Löffels. Der Löffel selbst hatte eine groſse Weite und war vorn höher als hinten; um den Rand war ein vier Finger breiter Reif von Eisen gelegt, um die Kohlen zusammenzuhalten. Auf diese Weise habe ich mehrmals Silber in gröſserer Menge schmelzen sehen, es schmolz sehr gut und sauber, und man arbeitete mit groſser Leichtigkeit und Kohlenersparnis. Und für den Fall, daſs ein Körnchen zufällig aus dem Löffel flösse, stellte der Meister eine Schüssel mit Wasser darunter, damit auch das kleinste darin aufgefangen würde und sich darin sammele.
Kap. III. Die Art, im Tiegel zu schmelzen, Fig. 23.
Das Schmelzen im Tiegel ist das Verfahren, welches bei kleinen Gegenständen gebräuchlich ist. Es geschieht auf zweierlei Weise, mit
Wind aus Blasebälgen oder mit dem Zugofen. Das Schmelzen mit Blase - bälgen, das ich zunächst beschreiben will, ist am gebräuchlichsten, man schmilzt auf diese Art schnell und sie ist den Goldschmieden und jedermann sehr bekannt. Ich brauchte daher wohl auch nichts darüber zu sagen, dennoch, um Euch zu belehren, wenn Ihr es vielleicht nicht wissen solltet, sage ich Euch die Vorschrift. Zunächst richtet man eine kleine Esse zu mit einem Paar Blasebälgen, die mit der Hand oder auf andere Weise betrieben werden. Dann nimmt man einen Tiegel von der Gröſse, die man nötig hat, und füllt ihn mit dem Material, das man schmelzen will. Dann entzündet man auf der Esse vor der Öffnung, wo der Wind ausströmt, eine solche Menge Kohlen, als man denkt, sie könnten gut den Tiegel be - decken. Dann setzt Ihr den mit dem Schmelzmaterial gefüllten Tiegel mitten in die angezündeten Kohlen über den Windstrom, zwei oder drei124Von den Öfen.Finger von der Wand, wo der Wind austritt, oder mehr oder weniger, je nach der Gröſse des Tiegels oder der Mächtigkeit der Blasebälge. Man läſst dann alles nach und nach in Brand geraten, und sobald man es schön rot sieht, facht man mit dem Winde an und verstärkt das Feuer, und so läſst man es so lange kräftig wirken, bis alles gut geschmolzen ist. Dabei müſst Ihr darauf achten, daſs Ihr den Tiegel immer in der Mitte, aufrecht, zwischen den Kohlen erhöht und gut bedeckt haltet, zu diesem Zwecke bedient sich der eine eines halben Ringes von Stabeisen, der andere macht ihn von Ziegelstücken auf der oberen Fläche der Esse, und dies geschieht nur, um die Kohlen zusammenzuhalten und um mehr darüber aufhäufen zu können, damit man ein stärkeres Feuer bekomme und die Luft nicht über der Fläche durchdringen könne. Wenn dann das Metall eingeschmolzen und von aller Asche und Kohlen rein ist, gieſst man es nach Belieben in die Formen.
Es giebt einige (besonders Messinggieſser), welche zur gröſseren Bequemlichkeit eine gemauerte Höhlung machen, rund oder quadra - tisch von einem Palmo (= 25 cm) Durchmesser, oder etwas mehr oder weniger, und quer darüber nahe dem Rande bringen sie zwei oder drei Eisen an, daſs der Wind von den Blasebälgen sie unterhalb trifft und läſst sie so gleichsam die Rolle eines kleinen Schachtofens spielen. Dann stellen sie die Tiegel auf die Eisen mit der Beschickung und füllen sie und häuflen sie mit Kohlen, setzen, sobald es warm wird, die Blasebälge in Bewegung und schmelzen es. Und solche Meister sagen, daſs sie durch Erfahrung gefunden hätten, daſs das Messing auf diese Weise seine Farbe besser erhalte, als auf irgend eine andere, auch schmelze man schneller und werde alles auf diese Weise ohne viele Mühe aufs beste geschmolzen.
Kap. VI. Über die Art, in kleinen Windöfen (fornello a vento) zu schmelzen.
Diese Art, mit dem Windofen (Fig. 24) zu schmelzen, wird von vielen der Schmelzen mit dem Luftofen (Zugofen) genannt, und läſst sich mit geringer Mühe ausführen. Man macht zunächst, je nach Be - lieben, einen kleinen oder groſsen Ofen mit Tiegeln und Kohlen, aber ohne Wind von Blasebälgen, jedoch nicht ohne Zugluft, welche aus dem Raume, in dem man den Ofen macht, und aus der Anordnung des Ofens hervorgeht, und welche im Laufe der Zeit das Schmelzen derjenigen Sache und derjenigen Menge bewirkt, welche Ihr schmel - zen wollt, die aber im richtigen Verhältnisse zu dem Hohlraume, dem Feuer und der Luft, welche soviel wie möglich Zug erzeugen125Von den Öfen.soll, stehen muſs. Um dies zu erreichen, macht man zunächst den Ofen aus Mauerwerk, oder man arbeitet ihn aus einem Felsen - vorsprung oder einer Wand von Lehm heraus, oder man kann sie auch tragbar machen aus Eisenstäben mit Lehm, wie ich es Euch beschreiben werde. In welcher Weise Ihr es aber auch macht, so müſst Ihr ihn an einen Ort stellen, der Zug erzeugt. Ihr könnt ihn z. B. in ein groſses Zimmer stellen oder zwischen Thür und Fenster. Man macht ihn von runder oder quadratischer Form nach Belieben. Aus Backsteinen läſst er sich am besten quadratisch machen. Nach - dem man den Platz ausgewählt hat, macht man ihn unten ½ oder auch ¾ Elle weit und 1¼ Elle hoch, und an der Ausmündung ⅓ Elle, oder, wenn Ihr wollt, auch mehr; mit dem Boden gleich macht man ein Loch ¼ Elle oder mehr weit und einen Palmo (= 25 cm) hoch. An der Mündung macht man einen Rost aus eisernen Querstäben, auf
welchen man in der Mitte ein Stück Ziegel - stein legt, so groſs wie der Boden des Tiegels. Diesen hat man beim Schmelzen darauf zu stellen, damit er immer gerade steht, auch wenn die Kohlen sich ver - zehren. Wenn er in der Mitte des Feuers erhöht eingestellt ist, füllt man den Hohlraum ganz mit Kohlen, nachdem man vorher den Tiegel mit dem zu schmelzenden Material gefüllt hat.
Und so laſst Ihr alles stehen, ohne es anzurühren, ausgenommen, daſs Ihr Kohlen zufügt, wenn die, welche Ihr aufgelegt habt, verzehrt sind, bis daſs es geschmolzen ist.
Diese Öfen schmelzen schneller oder langsamer, je nachdem die Kohlen sind und der Ort, wo sie gemacht sind, oder je nachdem sie die Zugluft bequem aufnehmen können. Auch macht man sie, wie gesagt, zuweilen tragbar auf einem groſsen, eisernen Dreifuſs, wie ein mit Lehm ausgekleideter kleiner Tragkorb. Am Boden macht man einen Rost, und wer will, daſs es schneller schmelze, stellt eine Schüssel mit Wasser darunter, in welches die brennenden Kohlen fallen, welche durch die Öffnungen des Rostes gehen, und, indem sie sich löschen, verursachen sie durch ihre Hitze eine Verdunstung, welche Zug ver - ursacht, der sehr nützlich ist. Diese Schüssel mit Wasser hilft auch126Von den Blasebälgen.denen viel, welche Gold oder Silber schmelzen, denn wenn irgend ein Körnchen davon durch Zufall herabfällt, wie es vorkommt beim Hantieren oder Kohlenauflegen, so fällt es in die Schüssel voll Wasser an einem sicheren Orte, wo man es leicht wiederfinden kann.
Ehe wir uns nun zur Beschreibung der verschiedenen Arten des Ausschmelzens der Eisenerze im Speziellen wenden, müssen wir noch die wichtigsten mechanischen Hilfsmittel, wie sie im Anfange des 16. Jahrhunderts zur Beförderung der Schmelzung gebräuchlich waren, betrachten.
Das wichtigste mechanische Beförderungsmittel der Schmelzung ist das Gebläse. Als solches war in der ersten Hälfte des 16. Jahr - hunderts zum Schmelzen der Erze fast ausschlieſslich der Blasebalg in Anwendung. Zwar war möglicherweise in den Hochgebirgsgegen - den der Pyrenäen und der Alpen auch das Wassertrommelgebläse im Gebrauch, da dieses aber weder von Biringuccio noch von Agri - cola, noch von irgend einem andern Schriftsteller des 16. Jahr - hunderts erwähnt wird, so haben wir keine Veranlassung, schon an dieser Stelle auf seine Konstruktion näher einzugehen. Über die Blase - bälge dagegen besitzen wir ausführliche Mitteilungen sowohl von Agri - cola als von Biringuccio, und diese ergänzen sich gewissermaſsen, indem ersterer mehr die Konstruktion des Balges, letzterer mehr die Arten der Bewegung desſelben behandelt. Man kannte damals nur den Lederbalg. Der Holzblasebalg, der später im Hüttenwesen so allgemeine Verbreitung fand, war noch nicht erfunden. Der Form nach waren die Bälge fast ausschlieſslich Spitzbälge. Der cylindrische Lederbalg mit kreisrundem Boden und Deckel, wie ihn nach Agri - colas Beschreibung die Lusitanier beim Zinnschmelzen verwendeten (s. Fig. 303, Bd. I), war eine Ausnahme. Agricola beschreibt die Konstruktion des Spitzbalges zum Erzschmelzen genau (Lib. IX, De re metallica). Wir wollen den Hauptinhalt im Auszuge mitteilen mit einigen Zeichnungen des Originals. Jeder Blasebalg (Fig. 25) besteht aus dem Balgleib und dem Balghaupt. Der Balgleib ist zu - sammengesetzt aus zwei Holzbrettern, „ den Backen “, aus zwei Rahmen und aus zwei Balgledern. Der obere Backen oder der Balgdeckel127Von den Blasebälgen.ist eine Handbreite (palmus = 75 mm)1)NB. Wo es nicht auf eine besonders sorgfältige Maſsangabe, also auf ganz genaue Reduktion des Landesmaſses ankommt, oder wo die richtige Gröſse des Landesmaſses unbekannt ist, setzen wir den Fuſs oder Werkschuh = 300 mm, die Elle = 2 Fuſs = 600 mm, den palmus (die Handbreite) = ¼ Fuſs = 75 mm, den Querfinger (digitus) = 1 / 16 Fuſs = 18,75 mm. dick, fünf Werkschuh und drei Handbreiten (= 1,725 m) lang, am hinteren Teile, dessen Ecken gerundet oder gebrochen werden, 2½ Werkschuh (0,75 m) breit, am vordern, da, wo das Balghaupt sich anschlieſst, eine Elle (0,60 m).
Der ganze Balgleib verengert sich also nach dem Balghaupt. Die Balgbacken sind in der Regel aus zwei Fichtenbrettern zusammen - geleimt, diese pflegt man auſsen mit zwei schmalen, spitz zulaufen - den Lindenbrettern zu umgeben. In letztere werden die Nägel des Balgleders eingeschlagen. Diejenigen, welche diesen Rahmen von Lindenholz nicht anwenden, nehmen die Fichtenbretter entsprechend dicker. An dem oberen Balgbrett, dem Balgdeckel, befindet sich ein Spundloch und der Balgsterzel oder Balgarm. Das Spundloch ist meistens eine viereckige Öffnung, sechs Querfinger (= 112,5 mm) lang und vier Querfinger (75 mm) breit. Es ist wie ein Schiebkästchen
eingerichtet und wird mit einem Schieber als Deckel geschlossen, der zwei Palmen einen Querfinger (168 3 / 3 mm) lang und breit und drei Querfinger (56¼ mm) dick ist. Diesen oberen Schieber öffnet der Schmelzer mehr oder weniger dann, wenn der Druck im Balg zu stark wird, so daſs das Zerplatzen des Leders zu befürchten steht. Andere haben für denselben Zweck statt dieses viereckigen Schiebers runde Löcher im Balgdeckel, in welche ein Zapfen eingesteckt wird, der nach Bedürfnis gelockert oder herausgenommen werden kann. Der Balgsterzel bildet den Hebel, auf welchen die Daumen drücken oder der Balg sonst bewegt wird, also den Angriffspunkt der bewegenden128Von den Blasebälgen.Kraft. Er besteht aus einem starken Holz, 525 mm Länge und 150 mm mittlerer Breite. Es ist auf den Deckel aufgeleimt und mit Holz - nägeln aufgestiftet und ragt sieben Querfinger über dem Deckel vor. Gegen dasſelbe ist auf der entgegengesetzten Seite des Deckels ein zweites Holz von 750 mm Länge und 75 mm Dicke dawider geleimt und verstiftet zur Verstärkung, um den Zug und Druck auszuhalten. Der untere Balgbacken, der Boden (Fig. 26), ist, wie der Deckel, aus zwei starken Fichtenbrettern und zwei schmalen Lindenbrettern zu - sammengeleimt; er ist von gleicher Breite und Dicke, aber länger, weil er zugleich die untere Seite des Balghauptes bildet. Der Balg - boden enthält das Ventil, den „ Windfang “. Dieser Windfang befindet sich eine halbe Elle vom Ende. Er ist in der Mitte 300 mm lang und 225 mm breit und durch einen Steg in der Mitte, der, nicht aus
dem Boden herausgeschnitten, einen Teil desſelben bildet und 81,25 mm breit ist, geteilt. Der Deckel des Windfangs aber, der 356 mm lang und 281 mm
breit ist, wird aus einem „ subtilen “Brettchen gebildet, das mit einer Ziegenhaut bekleidet ist; der haarige Teil desſelben ist nach unten gekehrt, während die Haut an einer Seite mit Stiften an den inneren Balgboden aufgenagelt ist. Das Leder besteht, den beiden Öffnungen im Boden, welche sieben Querfinger voneinander abstehen, entsprechend, aus zwei Stücken. Durch jeden der Schlitze geht ein Riemen, welcher auſserhalb an der unteren Seite des Bodens befestigt ist und bewirkt, daſs die Klappen nur bis zu einer gewissen Höhe sich öffnen und nicht überschlagen können. Drei Spannen von dem hinteren Ende des Bodens ist ein starker, eiserner, etwas zusammengedrückter Ring in demselben befestigt. Die beiden Bügel zwischen Balgboden und Deckel sind Rahmen von der Gestalt der Backen; sie liegen zwischen diesen und dienen dazu, das Balgleder daran zu befestigen, um ihm mehr Halt zu geben.
Sie sind aus vier Lindenbrettern von 75 mm auf 37 mm ausge - schnitten. Das Balghaupt oder der Balgkopf bildet einen Kasten für129Von den Blasebälgen.sich, der auſser nach der dem Balgleib zugekehrten Seite ringsum ge - schlossen ist. An der dem Balgleib abgewendeten Seite befindet sich die Öffnung für die „ Balgliese “oder Düse, so heiſst das Blechrohr, durch welches der Wind ausströmt. Das Leder des Balges wird aus Ochsen - oder Pferdehäuten bereitet. Aber Ochsenleder ist besser als Roſsleder. Die zwei, aus je einer Haut bestehenden Lederstücke, die am hinteren Teile des Balges in der Mitte zusammenstoſsen, sind 3½ Werkschuh (= 1,05 m) breit. Sie werden an den Balgbacken und
Bügeln mit Riemen und eisernen Hakennägeln festgenagelt (Fig. 27). Die länglichen Nagel - köpfe, 47 mm breit, so daſs an den Backen einer den andern be - rührt; an den Bügeln stehen sie weiter von - einander ab, damit das Leder nicht zu sehr gespannt wird und zer - reiſst. Andere nehmen statt der Nägel eiserne Schrauben. Das Balg - haupt ist mit einem drei Querfinger breiten, eisernen Bande um - zogen. Die Düse ist von Eisenblech und vorn drei Querfinger weit, im Ganzen drei Werkschuh (900 mm) lang. Das Balghaupt ist mit dem beweglichen Balgdeckel durch ein doppeltes Scharnier ver - bunden.
Diese Bälge hatten keinen Windsammler, der als Regulator diente, sondern sie bliesen den Wind nur stoſsweise, beim Zusammenpressen aus. Deshalb muſsten, um dem Schmelzofen fortwährend Wind zu - zuführen, mindestens zwei Bälge zusammen blasen, und zwar in der Weise, daſs abwechselnd der eine saugte, während der andere blies1)Allerdings kannte Agricola auch bereits den Doppelbalg mit feststehender Scheidewand und aufgesetztem Windkasten. Er beschreibt ihn beim Probierofen. Zum Erzschmelzen aber waren diese Bälge nicht in Anwendung..
Beck, Geschichte des Eisens. 9130Von den Blasebälgen.Zuweilen kombinierte man auch drei Bälge zu einem System, doch waren zwei die Regel und spricht man daher von den Bälgen oder von dem Bälgenpaar. Die Bälge ruhten auf einem starken Gerüste, dem Balggerüste, Fig. 28 (a. v. S.), über dessen Konstruktion Agricola
ebenfalls eingehende Mitteilung macht. Die - ses Gerüst stand in dem hinteren Teil der Hütte, unmittelbar hinter der Mauer, gegen welche
die Schmelzöfen angebaut waren. Auf derselben Seite befand sich auch das Wasserrad, welches die Bälge bewegte. Die beiden Balg - liesen bliesen zusammen in ein gemeinschaftliches, trichterähnliches
Blech, die Form, welche in die Ofenwand eingelassen war. So kam nur ein Luftstrahl in den Ofen. Die Form, Fig. 29, wurde aus Kupfer - oder Eisenblech zusammengefalzt. Ihre Länge betrug 487¼ mm. Das Blech nahm man 9½ mm, am Boden aber 19 mm dick.
131Von den Blasebälgen.Der Querschnitt der Form war nämlich kein voller Kreis, sondern auf der unteren Seite, wo sie auf dem Mauerwerk des Ofens auflag,
war sie abgeplattet. Die vordere Öffnung war 56 mm breit, 47 mm hoch. Der hinterste, breiteste Teil hatte 500 mm. An diesem weitesten Teile pflegten die Bleche nicht ganz übereinander zu grei - fen, so daſs ein Schlitz blieb. Die Düsen der Bälge, welche in die Form mündeten, hat - ten vorn 94 mm lichte Öff - nung.
Die Bewegung der Bälge wurde vermittelt durch höl - zerne oder eiserne Daumen, Kämme oder sogenannte Wellfüſse, welche in eine Welle, manchmal die Was - serradwelle selbst, fest eingezapft waren. Diese drückten entweder direkt auf den Balgsterzel und preſsten so den Balg zusammen oder
auf einen Zughebel, der an dem Balgsterzel befestigt war. Die Gegenbewegung, der Auf - gang des Balges, wurde durch ein Gegengewicht, welches an einer Hebelstange, einer Art Balancier, dessen anderes Ende mit der Zugstange des Balges verbunden war, bewirkt.
Die Bewegung der Bälge geschah indessen in jener Zeit nicht immer durch Wasserkraft, sondern vielfach noch durch Menschen und Tiere.
Es überschreitet den Rahmen unserer Aufgabe, auf die Art und Weise der Benutzung dieser Kräfte näher einzugehen. Dieses müſste in einer Geschichte des Maschinenbaues behandelt werden. Wohl9*132Von den Blasebälgen.aber gehört es zur Vervollständigung unseres Geschichtsbildes, die Formen der Verwendung der lebenden und der toten motorischen Kräfte in jener Periode übersichtlich vorzuführen, um so mehr, da alle Fortschritte auf diesem Gebiete unmittelbare Fortschritte der Eisenindustrie veranlaſst haben.
Die direkte Bewegung des Balgdeckels mit der Hand kommt bei den gewöhnlichen Hüttenbälgen, wie wir sie oben beschrieben haben, nicht vor, wohl aber finden wir diese Art der Kraftübertragung bei
den früher beschriebenen cylindrischen Bälgen (siehe Bd. I, S. 957) in Anwen - dung. Die einfache Umsetzung der Kraft mittels Hebel und Zugstange (Fig. 30, a. S. 130), wie wir sie bei den Schmieden noch meistens sehen, war bei den groſsen Hüttenbälgen nicht wohl anwendbar, wohl aber bei den Bälgen kleiner Frisch - und namentlich der Zerennfeuer. Da aber auch bei diesen die Bewegung durch die Zugstange auf die Dauer zu anstrengend war und nicht die nötige Sicherheit für einen kontinuierlichen, gleich - mäſsigen Luftstrom, wie er erforderlich war, bot, so unterstützte man die Arbeit des Menschen entweder durch ein Tretwerk, ähnlich wie bei einer Orgel, oder durch das Tretrad. Ein solches Tretwerk, in Verbindung mit einem System von drei Blasebälgen zur Grubenventi - lation und sehr primitiver Kraftüberleitung mittels Lederschnur, giebt die Abbildung des Agricola, Fig. 31 (a. S. 130). Die Treträder waren133Von den Blasebälgen.schon ziemlich mannigfaltiger Konstruktion. Am einfachsten waren die Horizontalräder, in welchen zwei Arbeiter umliefen, welche sich mit den Händen an einem feststehenden Gerüst halten, Fig. 32 (a. S. 131). Wirkungsvoller und weniger anstrengend für die Arbeiter waren die aufrecht stehenden Laufräder, in deren Inneren gewöhnlich zwei Männer in der Weise liefen, daſs sie auf den an der Innenseite des Radkranzes angebrachten Stufen aufstiegen und dadurch das beweglich aufgehängte Rad durch ihr Gewicht umtrieben. Während sich also das Rad herum bewegte, blieben die Treter immer in derselben Höhe. Ein solches Rad von etwa 4 m Durchmesser ist nach Agricola Fig. 33 (a. S. 131) abgebildet. Gab man dem Laufrad einen sehr
groſsen Durchmesser, wie in Fig. 34, so konnte durch den langen Hebelarm schon eine bedeutende Kraft ausgeübt werden.
Bei den Treträdern wendete man auch Tiere an, besonders Hunde und Ziegen, die förmlich für diese Arbeit abgerichtet wurden, und solche von Hunden bewegte Laufräder zum Ziehen des Blasebalges finden sich heute noch bei den Nagelschmieden im Gebrauch1)Kürzlich sah ich noch ein solches von einem Hunde bewegtes Laufrad bei einem Nagelschmied in Schmitten im Taunus im Betriebe.. In Fig. 35 ist ein solches von Ziegen bewegtes Laufrad aus dem Agricola abgebildet. Pferde lieſsen sich in dieser Art Laufrädern nicht gut verwenden. Diese lieſs man aber in einer andern Art von Rädern, bei welchen die Trittleisten an der Auſsenseite des Rad -134Von den Blasebälgen.kranzes angebracht waren, laufen, wie dies Agricola Fig. 36 (a. v. S.) darstellt. Der Fleiſs des Pferdes wird hier in sehr eigentümlicher
Art dadurch angespornt, daſs ihm der Futterkorb so vor die Nase gehängt ist, daſs es, um ihn zu erreichen, ge - zwungen ist, auf die Tritt - leisten des Laufrades, das dann immer unter ihm aus - weicht, zu treten.
Weit zweckmäſsiger wurde die Kraft des Pferdes aber an dem Pferdegöpel, Fig. 37 und Fig. 38, wie er jetzt noch im Gebrauch ist, ausge - nutzt. Fig. 39 zeigt die Be - nutzung des Göpels zur Be - wegung eines Bälgepaares nach Agricola.
Bei weitem der beste und auch am meisten angewandte Motor zum Betriebe der Hüt - tenbälge war die Wasserkraft, die durch Wasserräder über - tragen wurde. Es waren dies
in Deutschland in der Regel oberschlächtige Räder. Bei Agricola finden wir wenigstens keine andern abgebildet. Sehr mannigfaltig war135Von den Blasebälgen.die Art der Kraftübertragung vom Motor auf den Balg. Über diesen Gegenstand hat sich Biringuccio weitläufig in seinem Kapitel über die Blasebälge (Lib. VII, Cap. VII: Modi di diversi ingegni de accomo - dare mantici per fondere metalli) ausgesprochen und teilen wir das Wichtigste daraus in folgendem mit: „ Ein wichtiges und notwendiges Mittel für die meisten Schmelzungen sind die Blasebälge, bei denen man nicht nur darauf sehen muſs, daſs sie geschmeidig und ausreichend mit Tuch (Leder) beschlagen sind, sondern auch lang, von groſsem Hub und von gutem Aussehen, daſs sie gute Ventile haben, lange und gute Röhren (Düsen) und daſs sie nicht durch Risse Wind verlieren. Die Art, sie einzurichten, ist sehr wichtig für ihre Wirkung und deshalb werde ich jetzt einige einfache Maschinen angeben, um sie mit
Wasser oder mit Menschenkraft zu bewegen, damit ihr Euch vorkom - menden Falles derselben bedienen könnt. Obgleich ein jeder Meister diesen Effekt nach seinem Gutdünken hervorzubringen pflegt, so stimmen doch alle in der Absicht überein, kräftig und schnell zu erhitzen, um das Material zu schmelzen. Da man einen starken, mächtigen Wind anstrebt, damit das Feuer entsprechend sei, und da die Menschenkräfte groſsen Dingen gegenüber schwach sind, so sucht man nach Maschinen, indem man verschiedene Hebel anwendet oder die Hilfe des Wassers. Deshalb ordnen einige ein Kübelrad an, sechs, sieben oder acht Ellen im Durchmesser, je nach der Lokalität und der Wassermenge, so daſs seine Welle unter dem Ende des Brettes, welches auf der Rückseite unten an den Bälgen sich be - findet (dem Balgsterzel), durchgeht und daſs in dieser Welle an den richtigen Stellen zwei einander gegenüberstehende Querhebel (Daumen) 136Von den Blasebälgen.befestigt sind, Fig. 40. Das obere Brett der Blasebälge, der Deckel, sei fest, während das untere, der Boden (gerade umgekehrt wie bei Agricola), durch nichts gehalten, herabfalle und den Blasebalg öffne. Dieser dehne sich aus, bis er über die Daumen des Wasserrades an - komme, worauf die von der Wasserkraft bewegten Daumen das Ende des Brettes unten am Blasebalge heben und gegen den oberen Teil
drücken, und wenn sie — die Daumen — vorüber - gegangen sind, fällt der Balg wieder zurück; auf diese Weise wird das Ende des Brettes unten am Balge immer wieder von dem Ende des Dau - mens mitgenommen, wie Ihr aus der Zeichnung erseht.
Auch richtet man die Blasebälge für Wasserkraft noch auf mehrere andere Arten ein, wovon ich zwei beschreiben will, damit Ihr Euch vor - kommenden Falles mit diesen oder mit Teilen derselben ausrüsten könnt. Man mache zuerst ein Kübelrad, wie das vorhin erwähnte und
am Ende seines Zapfens, auf dem es ruht, bringe man eine gekröpfte Achse an, wie bei einem Schleif - stein, welcher Krumm - zapfen, indem er sich hebt, eine Stange nie - derdrückt und indem er herabgeht, dieselbe in die Höhe zieht (d. h. den gegenüber liegenden Teil eines zweiarmigen Hebels). Diese Stange ist über den Blasebälgen quer gelagert und hat zwei Arme, wie ein Kreuz, an welchen die Deckel der Blasebälge angehängt sind, von denen das Rad bei seiner Umdrehung immer einen in die Höhe zieht (siehe Fig. 41, die un - richtige Zeichnung des Biringuccio)1)In den historischen Notizen von Th. Beck, „ Zivilingenieur “, 1888, Taf. XVII, sind diese Balgsysteme nach der Beschreibung verbessert abgebildet..
137Von den Blasebälgen.Die andere Art macht man ähnlich, wie die eben beschriebene. Auch sie besteht aus einem Wasserrad, am Ende von dessen Welle sich ein ähnlicher Krummzapfen befinde. Über den Blasebälgen sei ein Querhebel in Zapfen ruhend, welcher an einem Ende ein Gegen - gewicht hat, am andern den Griff, auf der Seite des Krummzapfens, welche, indem er sich dreht, den Hebel hinunterzieht und hinauf - schiebt und dieser, an geeigneter Stelle mit den Bälgen verbunden, wird den einen davon niederdrücken, während das Gegengewicht gehoben wird, und der andere hebt sich, wenn dieses wieder herunter - sinkt. Biringuccio giebt hierzu die nebenstehenden Abbildungen (s. Fig. 42), die übrigens, wie viele seiner Zeichnungen, recht mangel -
haft sind, namentlich ist die Anordnung des Krummzapfens durch - aus falsch.
Viel verständlicher ist die Abbildung des Agricola, Fig. 43 a. f. S. Hier werden die Böden der Bälge durch Well - füſse niedergedrückt und sodann durch Gegen - gewichte aufgezogen. Jeder Balg hat hier seinen eigenen Balancier und Kontragewicht, wie dies in Deutschland wenigstens am gebräuch - lichsten war. Das Gegengewicht pflegte entweder ein dicker Stein zu sein, welcher an dem der Zugstange entgegengesetzten, breiten Ende des Querhebels oder Balanciers festgebunden war, oder besser war es ein viereckiger eiserner Kasten, der, in ähnlicher Weise auf dem Hebel befestigt, mit Steinen oder Eisenstücken gefüllt und beschwert wurde. Bei dieser Anordnung war es leicht, das Gegengewicht zu vermehren oder zu vermindern, je nachdem der Balg rascher oder langsamer gehen sollte.
Biringuccio wendet sich nun in seiner Beschreibung zu den durch Menschenkraft bewegten Bälgen, wie sie besonders bei Schmiede - feuern gebräuchlich waren, indem er folgendermaſsen fortfährt: Man macht auch für Menschenkraft durch verschiedene Hebel noch man - cherlei Bewegungsvorrichtungen für Blasebälge. Die gewöhnlichste und gebräuchlichste ist die mit einem aufrechten, in Zapfen gelagerten Kreuz mit einer Querstange, welche an dem oberen Arme befestigt ist und an dem Querarm vorbeigehend, herabläuft bis zu einer Höhe138Von den Blasebälgen.von einer halben Elle vom Boden. An die Arme dieses Kreuzes hängt man die Blasebälge (Fig. 44) an und so schiebt ein Mann,
indem er sich um einen Schritt bewegt, den Griff des Hebels einmal vorwärts und zieht das andere Mal rückwärts und auf diese Art werden139Von den Blasebälgen.die Bälge bewegt, indem sie aufsteigen, wenn sie gezogen werden und sich senken, wenn sie losgelassen werden.
Eine andere Art wird viel gebraucht, weil der Arbeiter selbst, wenn er das Eisen nicht schmiedet, ohne Hilfe eines andern die Blasebälge bewegen kann. Zu diesem Zwecke stellt man einen Pfosten aufrecht mitten zwischen die Blasebälge (Fig. 45, a. f. S.) und darüber legt man ein Holz in Zapfen mit einem Gegengewicht am einen Ende, während man an das andere einen Strick bindet, welcher an einer Stange herabgeht, die längs der ganzen Schmiede auf die Erde gesetzt und so angebunden ist, daſs sie etwas Neigung von der Erde ab hat. Wenn man nun mit einem Fuſs darauf steigt und so das Seil be - lastet, so wirkt es wie das Schwungrad einer Glocke und so, indem man herauf - und herabsteigt von jener Stange, werden die Blasebälge
gezogen und abgelassen und machen dadurch Wind und zwar mit sehr gutem Erfolge.
Viele, namentlich die Metallgieſser, bringen die Blasebälge dadurch in Bewegung, daſs sie ein Hanfseil an der Decke oder einem andern über den Blasebälgen befind - lichen Gegenstand befestigen, so daſs es in der Mitte über sie zu hängen kommt, an dieses bindet man ein Querholz (das einen Balancier bildet, der mit den Bälgen verbunden ist, an denen sich der Arbeiter zugleich festhält) und das die Meister „ glogo “zu nennen pflegen, und indem er auf die Bälge springt, abwechselnd auf den einen und auf den andern, läſst man sie, indem man sie belastet, Wind erzeugen und es erzeugt sich soviel, daſs man eine beliebige Menge Material schmelzen kann (Fig. 46, a. f. S.)1)Vergleiche hiermit die Blasebälge der Indier in den Khasiabergen, Bd. I, Fig. 46..
Auch legte man, um je einen der Bälge aufsteigen zu machen, eine horizontale Welle mit Zapfen über den Ort, wo die Blasebälge aufgestellt sind, mit zwei Armen, die durch einen Hebel bewegt werden, welcher von unten in das Ende des Holzes zunächst dem äuſseren Zapfen gesteckt ist. Wird dieser Hebel von einem oder zwei Männern140Von den Blasebälgen.zwei Schritte vor und zwei Schritte zurückgetrieben, so hebt sich bald der eine, bald der andere Blasebalg, wie Ihr aus der Zeichnung (Fig. 44) erseht.
In dieser und vielen andern Weisen kann man es auch noch machen: So macht man z. B. ein groſses doppeltes Rad, so daſs ein
Mensch darin gehen kann (Tretrad) und welches auf der einen Seite stellenweise gezahnt sei. Auch kann man statt eines halben Zahnrades ein Holz aufrecht stellen (eine leiterartige Zahn - stange), welches einen Hebel in die Höhe hebt, der eine in der Mitte in Zapfen gelagerte Stange treibt, an welche die Ringe des Blasebalges angehängt sind. Wenn sich dann das groſse Rad dreht, so greifen die Zähne in das Sprossenwerk des Hebels, bewegen ihn (am gegenüber - liegenden Ende) aufwärts und treiben den Wagebalken, an dem die Blasebälge angehängt sind. Der eine bewegt sich durch diesen Antrieb nach oben, der andere durch sein Fallen nach unten. Und so be -
wegen sie sich, um das zu thun, was erforder - lich ist (Fig. 47)1)Vergl. Th. Beck, a. a. O., Fig. 7..
Es giebt unendlich viele Arten aufzuheben, niederzudrücken und zu ziehen, welche man alle anwenden könnte, um derartige Wirkungen hervorzubringen, und ich erinnere mich, daſs, als ich über diese Maschine nachdachte, ich zu dem Schlusse kam, daſs alle jene Wirkungen, welche sich mit Wasser hervorbringen lassen, im Falle der Not auch durch Menschenkräfte erzeugt werden könnten, und daſs ebenso alles, was man mit Menschenkräften macht, viel leichter durch das Wasser gemacht werden könnte. Unter anderm141Von den Blasebälgen.habe ich eine Maschinerie in einem Gebäude des Thales von Boccheg - giano angeordnet, welche mit einem einzigen Rade in einem und dem - selben Raume vier verschiedenen Essen diente und diese Maschinerie that dieselben Dienste wie vier Wasserräder. Es war dies ein Kübelrad, wie gewöhnlich, und an seiner Welle waren die Arme (Hebedaumen) angebracht, welche die Blasebälge bei der ersten Esse hoben. Ferner war an dem Ende der Welle, wo der Zapfen war, ein Krummzapfen, welcher, indem er sich in einem hölzernen Stempel umdrehte, einen Hebel in die Höhe hob und ihn beim Rückgange wieder abwärts be - wegte, und dieser schob einen Arm von einer andern Welle, welche bis über die Blasebälge einer andern Esse reichte und bei den Schüben, welche er machte, hob er bald den einen, bald den andern Arm, an die die Blasebälge angehängt waren. Und von dieser ging wieder eine
andere Stange aus, die eine andere Welle an - trieb, welche horinzontal über einem andern Paar Blasebälge lag und welche in gleicher Weise durch den Schub, welchen sie hervorbrachte, die Blasebälge hob, die an die andern beiden Arme angehängt waren. Und so brachte die eine Welle (des Wasserrades) von einem Gerät zum andern, indem sie auf dieselbe Weise die andern trieb, die Wirkung hervor, daſs alle vier einzeln oder zu zwei oder zu drei, je nach dem Willen des Meisters, sich bewegten. Und ich glaube, daſs man es mit noch mehr so machen könnte, wenn das Wasser mächtig genug wäre, um die Hebel zu heben, welche die Wasser treiben, worauf man zu achten hat. Was aber die Anordnung betrifft, so ist dies eine leichte Sache, denn von der ersten Bewegung kann man zu vielen übergehen. Aber was mir bei dieser Wirkungsweise der Instand - haltung entgegen zu sein scheint, ist das Bestehen aus so vielen Teilen und daſs so viel Gewicht zu bewegen und so viele Kräfte fortzupflanzen sind, so daſs bei jedem Spiele der Maschinerie ein groſser Lärm entstand durch die Stöſse der Hölzer.
Ich kann Euch das nicht durch Zeichnung deutlich machen, denn es wäre für mich eine zu schwierige Sache, es zu zeichnen. Mögen Euch die genügen, welche ich Euch geboten habe und welche Euch142Von den Blasebälgen.den Weg zeigen können zu dem, was Ihr nötig habt, wenn meine Worte nicht genügend waren, um es auszudrücken. “
Dieses Problem, mehrere Feuer und mehrere Bälgepaare von einem Wasserrad aus zu betreiben, welche Biringuccio so klar
und lebendig beschrieben hat, ist eine Lieblingsaufgabe der späte - ren italienischen Mechaniker des 16. Jahrhunderts geblieben, und wir können es uns nicht versagen, zum Schlusse eine Lösung derselben, welche Agostino Ramelli in seinem Werke: „ Le diverse et artificiose machine “, Parizi 1588 (Fig. CXXXVII, Fol. 213), in einem vorzüglichen Kupferstiche ausgeführt hat, hier in verkleinertem Bilde zum Schlusse mitzuteilen (Fig. 48). Ramelli giebt dazu folgende Er - klärung1)(Cap. CXXXVII): Per opera della presente machina di puo in uno istesso tempo fare scaldare il ferro a due fuocne con l’aiutu d’un canale, Perche il detto canale facendo tornare la ruota signata H con la forga del suo corso, fa uobtrare la manuella G, ch’ i fitta nell’ esstrimenta d’ell esse di quella, allaquale manuella essendo giunta la barra E che disopera piglia il braciullo, ilaqualè fitto nel sub - bio D, ella s’alza et s’abaffa perli riuot ginenti d’essa maniella et fa co’l suo alzaro et abbassarsi tornar’hora da’ un cant’, hora dall’ altro esso subbio per uia del bracciulo sudetto, nel qual subbio essendo fitt’ un’ altro bracciuolo, ch’a duoi anelli nella sua estensita, lo fa co’l suo moto andare innanzi et indietro et essendo a glianelli die questo bracciullo giunti per uia di duoi alquesti tai mouimenti andar’ auicenda innanzi et indietro esse subij, ciascuno de quali hauendo in se fitti duoi altri bracciuoli, che sestegnono le braccia de i mantici EV. AI, gli alzano, et li fanno per cotai mouimente soffiare auicenda nelle fucine sudette, come benissimo si puo comprendere per il disegne. Der vollständige Titel des berühmten Werkes lautet: Le diverse et artificiose machine nelle quali si contengono varii ed industriosi movimenti, degni di gran discimo speculationi, per caverne beneficio infinito in ogni sorte d’operatione in ligua Italiana et Francese. Paris 1588. Fol. (Deutsche Übersetzung. Leipzig 1620.):
Mit Hilfe der hier abgebildeten Maschine kann man in einer und derselben Zeit das Eisen in zwei Feuern erhitzen mit Hilfe von nur einem Wassergerinne. Während dieses Gerinne durch die Kraft des Wasserlaufes das Rad umdreht, dreht er die Kurbel, welche an dem Ende der Radwelle befestigt ist, und an welche die Stange befestigt ist, die an ihrem andern Ende143Von den Blasebälgen.den kurzen Arm (Hebel) faſst, welcher mit dem Wellbaum verbunden ist, und durch die Umdrehung der Kurbel auf - und abgezogen wird, wodurch er bei seinem Auf - und Niedergange den Wellbaum hin und her dreht, was alles durch den kurzen Arm geschieht. In diesem Wellbaum ist ein anderer kurzer Arm befestigt, welcher an seinem Ende in zwei Ringe ausläuft, welche durch die Bewegung hin - und hergehen und mittels dieser Ringe ist derselbe mit zwei andern kurzen Armen verbunden, welche in den zwei Wellbäumen befestigt sind, und durch seinen Hin - und Hergang bewegt er diese Wellen vor - und rückwärts. Jede dieser ist wieder mit zwei kurzen Armen versehen, welche mit den Zugstangen der Blasebälge verbunden, diese aufziehen, und durch diese Bewegung bewirkt, daſs einer um den andern Wind in die erwähnten Feuer bläst, wie aus der Zeichnung leicht zu verstehen ist.
Das Ausschmelzen der Eisenerze geschah zu Anfang des 16. Jahr - hunderts in Rennherden, in Stücköfen, in Blauöfen und in Hochöfen.
In den Herden und Stücköfen erhielt man unmittelbar ein zu einer Luppe zusammengebackenes, schmiedbares Produkt, man nennt dies deshalb das direkte Verfahren, in den hohen Öfen oder Hoch - öfen erhielt man geschmolzenes, flüssiges Roheisen, welches man durch eine zweite Operation, das Verfrischen, erst in Schmiedeeisen oder Stahl umwandelte, deshalb heiſst dieses Schmelzverfahren das in - direkte. Dieses letztere war eine neue Erfindung, deren Anfänge sich bis in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts zurück verfolgen lassen. Über die älteren direkten Methoden der Eisengewinnung, wie über die Erfindung des Hochofenbetriebes, der Roheisendarstellung, haben wir im ersten Bande ausführlich gehandelt. Wir werden uns deshalb bezüglich der direkten Methoden in der Hauptsache auf das beschränken, was Agricola und Biringuccio über das Schmelzverfahren zu ihrer Zeit mitteilen, um dann ausführlicher auf das Wesen des Hochofen - prozesses, der zwar beim Beginne unseres Zeitabschnittes schon bekannt war, aber noch wenig Verbreitung gefunden hatte, einzugehen. Nur in einzelnen Gegenden, und zwar hauptsächlich im Stromgebiete des Rheines, war er in Anwendung. Daher kommt es, daſs er Agricola ganz unbekannt geblieben ist und auch Biringuccio nur von Hören - sagen, wie es scheint, von ihm spricht. Beide beschreiben in ihren Werken nur die indirekten Schmelzmethoden, welche zu ihrer Zeit die gebräuchlichsten waren.
Besonders waren es die Rennherde oder Luppenfeuer, welche die weiteste Verbreitung hatten und in allgemeiner Anwendung stan - den, denn diese lieſsen sich ohne Mühe und Kosten überall leicht145Luppenschmiede.aufrichten und waren nicht, wie die Stück - und Hochöfen, von einer Wasserkraft abhängig. Allerdings war man zu Beginn des 16. Jahr - hunderts auch bei dem Luppenfeuer vielfach zur Benutzung der Wasserkraft, sowohl zur Bewegung der Blasebälge, als auch zu der des Schmiedehammers übergegangen. Aber daneben standen noch viele Luppenfeuer auf den Bergen in wald - und erzreichen Revieren, deren Bälge mit Menschenhand oder vermittels eines Tretwerkes — woher die Bezeichnung „ Trethütten “kommt — bewegt, und deren Hämmer nur von den kräftigen Armen des „ Waldschmiedes “geschwungen wurden.
Der Schmelzofen dieser Rennwerke, die man auch Zerennfeuer, Luppenschmiede, Iserschmitten, Waldschmitten nannte, war ein ein - facher Herd. Derselbe war in den meisten Fällen gemauert. Bei leichtschmelzigen Erzen genügte sogar eine einfache Grube, die mit losen Steinen, um die Kohlen zusammenzuhalten, umgeben wurde. So war es beim Ausschmelzen der vorzüglichen Erze von Elba zu Biringuccios Zeiten noch der Fall. Er sagt1)Lib. I, Cap. VI.: „ Die Erze von Elba sind von solcher Güte, daſs es, um das Eisen herausziehen und zu seiner Reinheit zu bringen, nicht der Gewalt heftiger Feuer und vieler Vorrichtungen bedarf, wie dies bei andern Erzen der Fall ist, sondern indem man es einfach in einer Schmiede vor die Mündung des Blase - balges bringt, schmelzt man bei einem ordentlichen Feuer ein sehr weiches und leicht zu behandelndes Eisen aus, von dem man leicht jedes beliebige Schmiedestück herstellen kann, wie wenn es Silber oder ein anderes leicht zu verarbeitendes Metall wäre. “
Wie ein solcher Luppenherd hergestellt wurde, beschreibt Birin - guccio folgendermaſsen:
„ Die Erze, nachdem man sie zuvor in kleine Stücke von Nuſs - gröſse zerbrochen hat, werden an dem dafür bestimmten Platze in einem Haufen aufgefahren. Alsdann macht man um diesen Haufen herum eine Einfriedigung (clausura) in Form eines Kreises aus dickeren Erzstücken oder aus andern, tauben Steinen, die man nur dorthin stellt, um die Kohlen und das Feuer zusammenzuhalten. Mit diesen Kohlen bedeckt man aufs beste die zu reduzierenden Erze. Alsdann läſst man die durch ein Wasserrad bewegten Bälge an und schmilzt nur mit einem Feuer von acht bis zehn Stunden. Auf diese Art reinigt man es von dem Erdigen, welches es enthält, und es verbleibt das Eisen geläutert, in einer Masse, ähnlich einem Wachsklumpen,Beck, Geschichte des Eisens. 10146Luppenschmiede.welcher sich leicht aus der Umwallung herausheben läſst. So zieht man es warm aus dem Herde und bricht es mit Handkeulen in mehrere Stücke. Man erwärmt dann ein jedes der Stücke von neuem und schmiedet sie unter dem Hammer zu Luppenstäben. Nachdem dies geschehen, bringt man diese in dieselbe Esse zurück, heizt sie gut aus, und teilt sie mit den erwähnten Keulen, und schmiedet sie aus, entweder (rund) in Gestalt von Ruten, oder viereckig oder wie man will. Ist die Arbeit vollendet, so findet man, daſs das Erz sich um nicht mehr als um 40 bis 45 Prozent verringert hat, der Rest ist das reinste Eisen, ein Ausbringen, wie es bei keinem andern Eisenerze vorkommt. “
In der That war ein so einfaches Schmelzverfahren, das bei einem Feuer gleich ein gutes, fertiges Schmiedeeisen bei einem Ausbringen von 55 bis 66 Prozent gab, nur bei so vorzüglichem Erze, wie das von Elba war, möglich.
Für reiche und gutartige Erze war das Verschmelzen im Luppen - feuer leichter und vorteilhafter als im Schachtofen. Dies hebt auch Agricola in seiner bereits oben (S. 42) mitgeteilten Schilderung eines Rennfeuers hervor. Der Schmelzapparat, den er beschreibt, ist aber nicht so einfach, wie der vorige, sondern er ist sorgfältig aus Mauerwerk hergestellt, das ungefähr 1,5 m breit und lang und 1 m hoch ist. In der Mitte dieses massiven Mauerwerkes befindet sich der eigentliche Schmelzherd in Form eines flachen Tiegels von etwa 45 cm Durchmesser und 30 cm Tiefe. Der Herd, der aus Gestübbe gestampft ist, wird erst mit Kohlen angewärmt, auf diese werden dann lagen - weise Gichten von Erz und Kohlen in regelmäſsigem Wechsel auf - getragen und der Wind angelassen. Dem Erze wird nach Bedürfnis noch gebrannter Kalk als Fluſsmittel beigemischt. Das Schmelzen dauert acht bis zwölf Stunden. Während des Einschmelzens läſst der Schmelzer von Zeit zu Zeit die Schlacke abflieſsen. Den Wind regu - liert er durch eine Zugstange, welche mit einer Schütze verbunden ist, die den Zufluſs des Aufschlagwassers regelt. Das reduzierte Eisen sammelt sich in einen Klumpen von 100 bis 150 kg zumeist am Boden zusammen. Der Meister untersucht dessen fortschreitendes Anwachsen mittels einer Eisenstange, hebt und wendet dieselbe von Zeit zu Zeit, läſst, wenn er ihm gar zu sein scheint, die Schlacke durch das ge - öffnete Schlackenloch völlig abflieſsen, räumt die Kohlen weg und hebt mit Hilfe seiner Gehilfen, meist deren zwei, dem Knechte und dem Schlackenläufer, die Luppe mit eisernen Brechstangen und der groſsen Luppenzange aus dem Herde auf den Boden der Schmiede. Hier wird147Luppenschmiede.sie zunächst mit starken Holzhämmern mit fünf Fuſs langen Stielen abgeklopft, um die Schlacke, die ihr anhängt, zu entfernen und sie oberflächlich zu dichten.
Beistehende Abbildung (Fig. 49) illustriert die Beschreibung des Agricola.
Bei A sehen wir den Schmelzofen, der unter einer Esse steht, zur Abführung der Gase, über dem Herde des Ofens den flammenden
Kohlenhaufen, dessen Glut der Meister mit seiner linken Hand mit - tels eines Hebels (B), der mit der Schütze verbunden ist, regu - liert, während er mit seiner rechten einen Luppenstab zum Aus - heizen in das Feuer schiebt. Ein um den unteren Teil des Ge - sichtes geschlungenes Tuch, das Mund und Nase bedeckt, schützt ihn vor der Glut und den schädlichen Gasen. Aus dem Schlacken - loch C zur rechten Seite flieſst die Schlacke reichlich ab, während das reduzierte Eisen auf den Boden des Her - des vor dem Winde zu - sammenschweiſst. Hat sich die Luppe gebildet, so wird der Rest der Schlacke abgelassen, die Kohle fortgeräumt und die Luppe E mit Brechstangen und Zangen auf den Hüttenboden gehoben. Hier wird sie von den Knechten mit groſsen hölzernen Hämmern abgeklopft. Alsdann wird sie unter den Wasserhammer gebracht und mit einem Setzeisen (I) im Kolben (F) zerteilt. Diese werden in einem besondern Feuer ausgeheizt und in10*148Luppenschmiede.Luppenstäbe (G) geschmiedet, die dann weiter zu Schienen, Pflug - eisen u. s. w. ausgeschmiedet werden, wie dies im Vordergrunde unserer Abbildung dargestellt ist. Das Ausheizen geschieht nach unserm Bilde in dem Schmelzherde selbst, während im Texte gesagt ist, daſs dies in einem besondern Herde vorgenommen werde.
Diese Art der Eisenbereitung in Rennherden war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die gebräuchlichste und hat sich auch bei uns in Deutschland neben den Hochöfen noch lange Zeit erhalten. Trotzdem ist uns über dieses Verfahren nur sehr wenig überliefert und wir müssen neuere Berichte zu Hilfe nehmen, um uns das Bild der Vergangenheit auszumalen. Auſser bei Biringuccio und Agricola finden wir nur noch bei Monardo in seinem „ Lustigen Gespräch von Stahl und Eisen “einige nähere Angaben über die Rennarbeit aus dem 16. Jahrhundert. Monardo selbst schreibt allerdings nur wenig von den in Spanien gebräuchlichen Catalanschmieden1)Siehe Bd. I, S. 802., dagegen hat der deutsche Übersetzer, Jeremias Gesner, in einem wertvollen Zusatze des in seiner Heimat in Schlesien damals (1615 und früher) übliche Verfahren folgendermaſsen beschrieben: In Schlesien und in andern benachbarten, ebenen Landen wird der Eisenstein in sumpfigen Orten bald unter dem Rasen gegraben, sind kleine, rote Stücke, die werden gewaschen, fuderweise auf Hammer - und Schmelzhütten ge - fahren, auf eine Grube voll glühender Kohlen schaufelweise gestreuet, eine nach der andern, bis genug ist, — da schmelzet es zu Haufen; — wenn die Grube voll ist und wohl zusammengeflossen, welches die Hammermeister mit einem Stachel erforschen, räumen sie die Kohlen weg und stechen die Grube ab, so flieſsen die Schlacken heraus (an etlichen Orten werfen sie Kalksteine unter dem Schmelzen zu, die scheiden die Schlacken ab), danach heben sie den Klumpf oder Luppe aus der Schmelzgrube, schlagen mit groſsen Hämmern die übrigen Schlacken vollends ab und treiben die Luppe zusammen. Danach schleppen sie solche Luppe mit den Haken auf einen groſsen Hammer, von Wasser getrieben, pochen die Schlacken wohl heraus und spalten sie vielmal zu kleinen Stücken. Diese werden hernach auf einer sonderen Esse geglüht und wieder auf den groſsen Hammer ge - bracht, allda sie zu Schienen oder Stäben formieret und gemacht werden.
Auf dem Schmiedeberge aber im schlesischen Gebirge wird das Eisenerz oder Stein in tiefen Gängen und harten Felsen gebrochen,149Luppenschmiede.wie auch in Böheim, Mähren, Österreich und Steiermark, und geschmolzen wie oben. “
Die leichtschmelzigen Raseneisensteine Niederschlesiens wurden demnach in höchst primitiven Gruben, ähnlich wie sie Biringuccio beschreibt, geschmolzen.
Betrachten wir den Rennwerksbetrieb im allgemeinen, so lassen sich einige allgemeine Erfahrungssätze, die zum Teil schon aus dem früher Mitgeteilten hervorgehen, feststellen. Die Gröſse des Herdes, sowohl die Weite als die Tiefe, sind bedingt durch die Art der Erze und der Kohlen, sowie durch die Stärke des Windes. Bei leicht - flüssigen Erzen, schweren Kohlen und kräftigem Winde wird man diese Dimensionen gröſser wählen, als im umgekehrten Falle. Der Abstand der Form vom Boden schwankte bei den deutschen Luppen - feuern von 30 bis 50 cm. Die Form lag in der Regel ganz horizontal, wie bei den Hochöfen. Der Herd war auf Lehmgrund oder auf Mauer - werk mit Gestübbe ausgeschlagen. Derselbe wurde zum Beginne des Schmelzprozesses erst „ ausgebrannt “, d. h. es wurde erst eine Kruste von Erz eingeschmolzen, welche den festen Boden für die Luppe und die flüssige Schlacke bildete. Das Erz wurde schaufelweise auf die aufgehäuften Kohlen aufgetragen und wurde die folgende erst auf - geworfen, nachdem die vorhergehende durchgeschmolzen, „ durchge - trieben “, war. Je schneller das Erz durchtrieb, je roher wurde die Luppe, indem bei der höheren Temperatur das reduzierte Eisen Kohlenstoff aufnahm; je langsamer das Durchtreiben geschah, je garer wurde die Luppe, je geschmeidiger, schmiedbarer das Eisen, aber je geringer war auch das Ausbringen, indem ein groſser Teil des Erzes unreduziert in die Schlacke ging. Den vorteilhaftesten Mittelweg zu finden war die Kunst des Renners. Auch hatte er es dadurch in der Hand, ein weicheres oder härteres Eisen zu erzeugen.
Hierauf gründeten sich auch die beiden hauptsächlichen Methoden der deutschen Luppenfrischarbeit, die wir nach den Ländern, wo sie hauptsächlich in Anwendung waren und sich am längsten erhalten haben, die schlesische und die pfälzische Rennarbeit nennen können. Bei ersterer wurde das Erz unmittelbar auf gares Eisen verschmolzen, bei letzterer wurde erst eine rohe oder halbgare Luppe erblasen, welche dann in einem zweiten Feuer zu Gareisen umge - schmolzen wurde.
Das günstigere Ausbringen bei dem ersten Einschmelzen im pfäl - zischen Luppenherde wurde wieder ausgeglichen durch den starken Abbrand beim Umschmelzen, der oft bis zu 30 Prozent betrug. Im150Luppenschmiede.schlesischen Herde wurden die Luppenstücke wieder in demselben Herde ausgeheizt, wie es auch in der Abbildung des Agricola (Fig. 49) dargestellt ist. Das Ausbringen war bei gut geführter Arbeit günstiger, doch war diese auch schwieriger und nicht für alle Erz - arten geeignet. — In Oberschlesien war das Verfahren wieder anders. Hierbei trug man Erz und Kohlen lagenweise auf und schmolz mit in den Herd geneigter „ stark stechender “Form ein. Damit die Erze nicht durchrollen, sondern so wie aufgegeben niederschmolzen, be - feuchtete man die Erze mit Wasser, ja man rührte sie an manchen Orten zu einem förmlichen Brei an, den man über die Kohlen aus - goſs. Die Kohlengichten von 3 bis 4 Kubikfuſs blieben dabei konstant, während man mit dem Erzsatze je nach dem Gange des Schmelz - prozesses wechselt. Das Eisen schmolz bei lebhaftem Winde rasch und also mehr roh ein, und wurde dann auf dem Boden durch den stehenden Wind zur Gare gebracht. Dies wurde beschleunigt durch öfteres Abstechen der Rohschlacke und Aufbrechen des angesetzten Eisens. Hier ist also Roheinschmelzen und Frischen in demselben Herde verbunden. Die oberschlesischen Luppenherde waren aus feuer - festem Thone oder aus Ziegeln rund aufgeführt1)Siehe Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, II, S. 530 etc.. Alle sechs Stunden war eine Luppe von 1¼ bis 1½ Ztr. fertig, so daſs in sechs Arbeits - tagen wöchentlich 36 bis 40 Ztr. Stabeisen geschmiedet werden konnten. Nach Karstens Angabe brauchte man in Oberschlesien für Tarnowitzer Erze im Luppenfeuer zu 1 Ztr. Stabeisen 60 rhein. Kubikfuſs Holz - kohlen, und erzielte dabei ein Ausbringen an Eisen von 12½ Prozent des Gewichtes der Erze, während beim Hochofen - und Frischprozesse zur Darstellung von 1 Ztr. Stabeisen nur 42 rhein. Kubikfuſs Kohlen bei 17 Prozent Ausbringen aus denselben Erzen erforderlich sind2)Für 1 Ztr. Roheisen werden 7 Scheffel = 2,3916 Kubikfuſs = 16,7412 Kubik - fuſs Kohlen gebraucht resp. 19,1 Kubikfuſs bei 2 / 7 Abgang des Roheisens beim Verfrischen. Der Kohlenverbrauch im Frischfeuer = 32,9 rhein. Kubikfuſs ergiebt Gesamtkohlenverbrauch zirka 42 Kubikfuſs. Das mittlere Ausbringen aus den Tarnowitzer Erzen ist 24 Prozent, davon 2 / 7 Abgang beim Verfrischen ergiebt 17 Prozent Stabeisen..
Bei den oberschlesischen Erzen ist also der Rennwerksbetrieb entschieden unvorteilhafter als das indirekte Verfahren, und dies ist allgemein der Fall bei geringhaltigen Erzen. Bei reichen Erzen kann er unter Umständen bezüglich des Kohlenverbrauches günstiger sein, dagegen wird der Abbrand an Eisen bei den Luppenschmieden immer gröſser sein. Dies liegt in der Natur des Prozesses. Derselbe muſs so geführt werden, daſs das Eisenerz gerade reduziert ist, wenn es vor151Luppenschmiede.die Form kommt, damit es keine Zeit hat, Kohlenstoff aufzunehmen. Diese Grenze ist aber unmöglich mit Sicherheit zu treffen, dickere, festere Stückchen werden nicht oder unvollkommen reduziert vor die Form kommen und sich im Schmelzraume verschlacken.
Die Schlacke muſs möglichst eisenreich und dickflüssig sein, damit sie nachträgliche Kohlung verhindert, und das reduzierte Eisen nicht ganz bedeckt und von der Wirkung des Windes abschlieſst. Es ist dies dieselbe Art von Schlacken, die sich in den prähistorischen Schmelzstätten gefunden haben (Bd. I, S. 525). Ihrer Zusammensetzung nach sind es Gemenge von Singulo - und Subsilikaten, die sich aber meist dem Singulosilikat nähern, wie dies aus den von Berthier angestellten Analysen hervorgeht1)Annales des mines, 3me Série, T. 512; Archiv für Bergbau VII, 223 u. 356.. Übrigens schwanken die Schlacken sehr in ihrer Zusammensetzung je nach den Erzen. Das Eisen ist öfter bis nahe zur Hälfte durch Mangan ersetzt. Richard teilt folgende mittlere Zusammensetzung mit:
Die französischen Luppenschmieden, welche sich besonders in den Gebirgsländern Südfrankreichs bis in dieses Jahrhundert erhalten haben, sind bereits im ersten Bande (S. 792) ausführlich beschrieben worden. Der darin betriebene Schmelzprozeſs unterscheidet sich von der deutschen Rennarbeit dadurch, daſs die Erze, welche mit Kohlen - staub gemischt aufgegeben werden, zuerst einer scharfen Röstung, die so weit getrieben wird, daſs die Erze zusammenbacken, in dem Schmelzherde selbst unterworfen werden, dieser folgt dann das Ein - schmelzen in denselben Herden und ohne daſs die gebackenen Erze herausgenommen werden. Dieses Schmelzverfahren beschränkte sich nicht auf Südfrankreich, es war in den ganzen spanischen Pyrenäen, besonders in den alten Sitzen der Basken, in Biscaya, Guypozcoa und Navarra, sowie in den cantabrischen Bergen in Anwendung. Man152Luppenschmiede.pflegte die verschiedenen Arten des Prozesses unter dem Namen Katalanschmieden zusammenzufassen.
Wir verweisen wegen derselben auf unsere ausführliche Schilderung im ersten Bande, wo auch bereits das, was Monardo über dieses Schmelzverfahren überliefert hat, mitgeteilt ist.
Einige Ergänzungen werden wir bei der Geschichte des Eisens in Frankreich und Spanien nachbringen1)Die Litteratur über die französischen Luppenschmieden ist eine sehr um - fangreiche. Die wichtigsten Schriften sind folgende: La Peyrouse, Abhand - lungen über die Eisenbergwerke und Eisenhütten in der Grafschaft Foix. Aus dem Französischen von Karsten 1789. — Tronson de Courdray, Beschreibung der Eisenmanipulation auf Corsika. Deutsch von Wille. — Rinman, Geschichte des Eisens I, 543 u. f. — Muthuon, Traité des forges dites catalanes etc. Turin 1808. — Gueymard, Mémoire sur les forges catalanes etc. ; Annales des mines 1, 385. — Berthier, Untersuchungen der Erze und Schlacken der Luppenfeuer zu des Arques im Archiv für Bergbau VII, 323. — Derselbe, Über die Natur der Luppen - schlacken und Frischschlacken; ebendaselbst 356. — Combes, Über die kata - lonischen Frischhütten zu Gincla und Sahorre; ebendaselbst IX, 465. — Aufsätze von Marrot, Annal. des mines 3, Série VIII, 461. — François, Annal. des mines XIII, 535 u. XIV, 95, 425. — T. Richard, Siehe oben. — Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1816, II, 522 etc..
Einen weiteren Aufschluſs über die Luppen - oder Rennfeuer des 16. Jahrhunderts geben uns die interessanten Faktoreirechnungen der Gittelder Hütten am Harze2)Diese Rechnungen, welche die Periode von 1573 bis 1849 umfassen, befinden sich im Archive des Oberbergamtes zu Klausthal und verdanke ich die Erlaubnis der Benutzung derselben dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Berg - hauptmannes Achenbach daselbst. Ich werde bei der Lokalgeschichte auf diese historisch hochinteressanten Akten bei der Geschichte des Eisens im Harze aus - führlich zu sprechen kommen.. Sie beziehen sich auf den „ Massen - ofen “, die „ Deichhütte “, die Oberhütte und Clusingshütte. Von diesen war Clusingshütte im 16. Jahrhundert ein gröſseres Rennwerk mit eigenem Hüttenteiche. In der ersten Zeit von 1573 bis 1580 war dasſelbe verpachtet. Von 1580 bis 1590 fehlen die Rechnungen. Dagegen wurde es 1590 und später von der fürstlich braunschwei - gischen Herrschaft in eigener Regie betrieben, und geben uns die zwei Quartalsrechnungen von 1590 einen Einblick in den Betrieb dieses Werkes.
Wir sehen aus den Rechnungen, daſs nicht nur im 16., sondern noch während des ganzen 17. Jahrhunderts die „ Zerennhütten “sich noch neben den Hochöfen und den Frischhütten erhielten, und zwar nicht nur auf den groſsen Höfen und Bauerngütern, wo dieser Betrieb nach alter Väter Weise noch lange fortgesetzt wurde, sondern auch auf den fürstlichen Hütten, neben den Frischschmelzen her. Der153Luppenschmiede.Grund hierfür lag in dem billigen Preise und in der Qualität des Zerenneisens, weshalb es namentlich von den Bergschmieden der Ober - harzer Bergwerke vorgezogen wurde.
Ein weiterer Grund lag darin, daſs die Anlage einer Zerennhütte sehr einfach war, infolgedessen nur wenig Anlagekosten und auch nur geringe Betriebskosten erforderte. Die Wasserkraft war das einzig Wichtige und Wertvolle bei einer solchen Anlage. Sie hatte zwei Räder zu treiben, eins für den Hammer und eins für die Blasebälge, das Hammerrad und das Blaserad, und brauchte lange nicht so stark zu sein, als für einen Hochofen oder Massenofen.
Der Schmelzherd selbst hatte einen gemauerten Boden, auf dem der Herd mit Lehm und mit Gestübbe aufgeschlagen wurde. Er hatte wie auch die oberpfälzischen Zerennherde, nur auf einer Seite, auf der Formseite, einen eisernen Zacken, „ Taggen “genannt.
Aus den Baukostenrechnungen ergiebt sich, daſs einen neuen Herd zu machen 10 Groschen, also etwa 1 Mk. kostete, das gesamte Eisen für den Herd ist mit 1 Fl. 4 Gr., also etwa mit 3 Mk. angesetzt. Die Form war von Kupfer, das Blasewerk waren Lederbälge.
Es wurde hauptsächlich sogenanntes „ Waageisen “gemacht. Eine Waag war gleich ⅓ Centner, ungefähr 18½ kg und war ursprünglich wohl dasjenige Gewicht, welches ein Schmied auf dem Rücken von Gittelde nach Zellerfeld zur Bergfaktorei trug. Auſser zu Waageisen wurde das Produkt des Zerenneisens direkt zu gewissen ordinären Werkzeugen ausgeschmiedet, hauptsächlich zu Pflugeisen und Kellen - blättern. Der Preis des Zerenneisens war beträchtlich niedriger als der des Frischeisens („ Zweigeschmolzenen Eisens “). Im Jahre 1590 kostete „ Zweigeschmolzenes Eisen “per Tonne 200 Mk., „ Clusings - eisen “(Zerenneisen) 160 Mk. Dementsprechend waren aber auch die Gestehungskosten. Dieselben berechnen sich für die Tonne:
Hieraus ersieht man, daſs der Verlust an Eisen im Zerennfeuer beträchtlich gröſser war, als bei den beiden Prozessen des Schmelzens im Hochofen und des Verfrischens zusammengenommen, dagegen stellte sich der Kohlenaufwand und der Arbeitslohn viel niedriger.
Im ganzen wurde in den zwei Quartalen des Jahres 1590 nach Ausweis der Rechnungen auf der Clusingshütte 7740 kg Zerenneisen gemacht, was, das Jahr zu 300 Arbeitstagen gerechnet, 51,6 kg für den Tag entsprechen würde.
Waren die Rennherde zu Anfang des 16. Jahrhunderts auch noch die am meisten verbreiteten Vorrichtungen zum Ausschmelzen der Eisenerze, so genügten sie doch nicht, sobald es sich um die Ver - hüttung von schwer schmelzbaren, unreinen Erzen handelte. Solche bedurften längeren Verweilens in der Reduktionszone und höherer Temperatur in der Schmelzzone, als dies bei den Luppenfeuern mög - lich war. Für solche Erze waren deshalb Schachtöfen vorzuziehen und wendete man solche auch schon seit alter Zeit hierfür an1)Siehe Bd. I, 507, 803.. Es waren dies die sogenannten Stücköfen oder Stucköfen, auch Wolfs -, Plaa -, Blau - und Bauernöfen genannt, in welchen das Eisen sich eben - falls zu einem Klumpen von schmiedbarem Eisen — Stück oder Stuck, Wolff, Luppe, Maſs und Guſs genannt — am Boden sammelte und wenn dasselbe die gewünschte Gare und Gröſse erlangt hatte, mit Brechstangen aufgebrochen und mit Haken und Zangen aus dem Ofen gezogen wurde. Diese Eisenklumpen waren meist beträchtlich gröſser, als die Luppen der Rennfeuer.
Biringuccio teilt über das Verschmelzen der Eisenerze in Schachtöfen folgendes mit. Nachdem er die groſse Reinheit der elba - nischen Erze gerühmt hat, fährt er (Lib. I, Cap. VI) fort: „ Aber es giebt nur wenige, welche nicht mit andern Erzarten gemischt sind und nicht in ihrem eigenen Wesen in einem groben und rohen Zu - stande vorkommen, wodurch es nötig wird, daſs sie durch groſse Öfen hindurchgehen bei mächtigem und lustigem Feuer, wozu viele Kohlen gehören und eine Menge Arbeiter, denn auf andere Weise könnte seine Roheit nicht bemeistert werden. Keines ist nämlich ganz ohne155Stücköfen.böse Beimischung oder Spuren von andern Metallen, von welchen es oft so durchdrungen ist, daſs man es nur mit Mühe davon befreien kann, wie ich solches in unserer Gegend bei Siena, als ich noch ein junger Mann war, erfahren habe, und zwar in dem Thale von Boccheggiano, wo sich mehrere Fabriken für Eisenbearbeitung des mächtigen Fürsten Pandolfo befanden, deren Betrieb ich zu leiten hatte. Ich nahm zu den Eisenerzen von Elba noch diejenigen, welche in der Nachbarschaft gefunden werden, hinzu und mit den einen und den andern (d. h. mit dieser Gattierung) habe ich schöne Resultate erzielt. “ Diese Erze, die denen von Bascaya, Bresciana und Buti ähn - lich sind, muſsten erst sorgfältig geröstet, ausgelesen, sortiert und gewaschen werden. Sodann sind mehrere Hochöfen (forni) — so nennt man die Schachtöfen, die einen groſsen Schmelzraum haben — nötig,
die so geformt und gestaltet sind, wie es in nebenstehender Fig. 50 dargestellt ist.
Mit diesem Ofen sind ein Paar groſse Blase - bälge verbunden, die ganz dicht an der Ofenmauer anliegen, nach Art eines groſsen Flügelpaares von 6 bis 8 Ellen (braccia = 3,50 m bis 4,67 m)1)1 braccio = 0,58365 m. Höhe, welche durch ein starkes Wasserrad bewegt werden. Sie haben eine groſse Öffnung zum Blasen. Und so bringt man mit ihrem mächtigen Winde, der in diese Schacht - öfen ungefähr 2½ Ellen vom Boden durch ein Rohr geschickt wird, und nachdem man sie mit Kohlen gefüllt hat, das Erz zum Schmelzen und je nach der Sorte einmal oder zweimal, bis es in gutes Eisen verwandelt ist, das man zur Schmiede geben kann, weil es sich gut ausstrecken läſst. Trotzdem kommt es sehr oft vor, daſs bei aller Sorgfalt es nicht möglich gewesen ist, das Erz zu einer solchen Weichheit zu bringen, daſs es sich verarbeiten läſst wegen der Tücke seiner Beimengungen, welche beim Schmelzen sich unzertrennlich mit ihm vereinigen. Wenn man aber durch irgend eine Sache (einen Zu - schlag) dieser abhelfen kann, um es leicht löslich zu machen, so ist dies die beste und leichteste Art, um es zu gröſserer Vollkommenheit156Stücköfen.zu bringen. — Erze finden sich aber von vielen Sorten und man reinigt sie auf mancherlei Weise, je nach ihrer Beschaffenheit und je nach dem Wissen und Können der Schmelzmeister. “
Nach der Verschiedenheit der Vorbereitung der Erze, des Schmelz - verfahrens und der Qualität der Kohlen falle das Ausbringen aus denselben Erzen sehr verschieden aus. Er zweifle nicht, daſs Kohlen von weichen Holzarten auch das Eisen weich und sehnig mache, während es umgekehrt durch harte Kohlen hart, fest und von ge - brochener Sehne werde. Und nun kommt Biringuccio auf die bereits angeführte Wichtigkeit der Vorbereitung der Erze, um weiches, sehniges Eisen zu erzeugen. — Dies gelinge indes trotz sorgfältigster Vorbereitung nicht immer: „ Kommt es nun aber dennoch, daſs es durch seine eigene Natur und trotz aller Sorgfalt kein weiches, son - dern nur hartes Eisen giebt, so ist es in diesem Falle gut, Stahl daraus zu machen, ja es ist sogar weit besser, als weiches Eisen daraus machen zu wollen. Manche nennen wohl solches Erz schon Stahl und nicht Eisen (- erz). Aber so weit ich sehe, irren diese, denn es läſst sich keine solche Verschiedenheit zwischen Stahl und Eisen wahrnehmen, daſs es schon in den Erzen zu unter - scheiden wäre. Auch habe ich niemals von diesen Theoretikern (speculatori) erfahren können, welche Eigenschaften sie diesen zu - schreiben. Ich glaube vielmehr, daſs man es Eisenerz nennen kann, wenn man auch, indem man bei richtiger Behandlung doch kein weiches Eisen giebt, besser Stahl daraus macht, wie ich weiter unten ausführlicher darlegen will. “
Agricola beschreibt ebenfalls von der Schmelzung der Eisen - erze im Schachtofen nur den Stückofenbetrieb1)Siehe oben S. 44.. Er ist, wie Birin - guccio, der Ansicht, daſs derselbe für unreinere, schwer schmelzigere Erze, die mehr Arbeit und stärkeres Feuer bedürfen, vorzuziehen sei. Diese Erze bedürfen sorgfältiger Vorbehandlung durch Zerkleinern, Rösten und Waschen und werden dann in Schachtöfen eingeschmolzen, die den zuvor von ihm beschriebenen Krummöfen ganz ähnlich, nur viel höher und weiter seien. Einen solchen Ofen, von dem Agri - cola die in Fig. 51 reproduzierte Abbildung A giebt, wird ganz mit Kohlen und gepochtem Erz, das nicht über nuſsgroſs sein darf, an - gefüllt, welche der Schmelzer in flachen Körben (Rispen) aufgiebt, indem er auf den Stufen einer Treppe, die an der Ofenwand ange - bracht ist, in die Höhe steigt und sie in bestimmter Reihenfolge ein -157Stücköfen.wirft, den Ofen damit anfüllt, und ihn gefüllt hält, bis Erz genug eingetragen ist, um eine genügend groſse Luppe zu erhalten. Auch Agricola bestätigt, daſs dieses Niederschmelzen bei manchen Erzen zweimal erfolgen muſste, um eine Luppe von gutem Eisen zu erhalten. Diese wurde mit einem groſsen Setzeisen B unter dem Wasserhammer in Stücke zerhauen, welche auf einem besondern Herd, dem Löschherd, von
neuem ausgeheizt und ausgeschmiedet wur - den. Die Beschreibung des Agricola ist noch unvollständiger, als die des Biringuccio, da - gegen trägt seine bes - sere Zeichnung vieles zum Verständnis bei. Auf dieser Zeichnung erblicken wir zunächst den Ofen A. Es ist ein viereckiger Schacht - ofen mit offener Gicht und geschlossener Brust. Er ist mit regelmäſsig geformten Steinen gebaut, die un - ten, nach dem Schmelz - raum zu, an Gröſse zu - nehmen. Diese Steine können der Zeich - nung nach ebensowohl gebrannte Ziegelsteine als wie behauene Sand - steine sein und dies stimmt ganz mit Agri - colas Angaben über den Bau der Schachtöfen im allgemeinen im Anfang des neunten Buches seiner Hüttenkunde überein, wo er ausdrücklich sagt, daſs solche Öfen in der einen wie in der andern Weise aufgeführt würden, daſs aber gute Natursteine ihrer gröſseren Widerstandsfähigkeit wegen sowohl gegen Feuer als gegen den „ Kobalt “, d. h. gegen die chemische Einwirkung der Dämpfe, vorzuziehen seien. Der Ofen hat rechtwinke -158Stücköfen.ligen Querschnitt und erweitert sich etwas nach oben. Es ist kein Grund, anzunehmen, daſs das Ofeninnere anders gestaltet war, er ähnelt also weit mehr den schwedischen Bauernöfen, als den späteren Stück - öfen, welche einen Kohlensack hatten und nach der Gicht zu sich ver - engten. Der Ofen hat auf der Vorderseite eine Brust, d. h. eine Öffnung im Mauerwerk, die mit Lehm oder Lehmsteinen verschlossen ist und am Ende jeder Charge zum Zweck der Entleerung des Ofens, besonders des Ausbrechens des „ Stuckes “ausgebrochen und vor Beginn der näch - sten Charge wieder neu hergestellt wird. Auch die Schlacke wird durch diese Brust aus Öffnungen, welche man mit einem eisernen Spieſs hineinstöſst, abgelassen. Die Bälge dagegen liegen auf der Rückseite. Die ganze Anordnung ist also ganz wie bei den Metallschmelzöfen und gerade so stellt dieselbe Biringuccio in Fig. 50 dar, welcher die Anordnung des Ofens und der Bälge in der Queransicht, also recht - winkelig, zu der Darstellung des Agricola zeigt. Diese Anordnung ist sowohl die natürlichere, als auch die der historischen Entwicke - lung entsprechendere. Sie weicht aber durchaus von den in Steier - mark wohl schon damals gebräuchlichen Stücköfen ab. Die Gestalt und Gröſse der lezteren war indes durch besondere lokale Verhält - nisse bedingt, die wir später erläutern werden, und wir dürfen wohl annehmen, daſs die oben erwähnten Ofendimensionen die Anfangs des 16. Jahrhunderts allgemein gebräuchlichen waren.
Wir sehen ferner den Aufgeber, der die Treppe am Ofen hinauf - gestiegen ist, um die Beschickung in den Ofen zu werfen. Zum Schutz gegen die Ofengase hat er Mund und Nase mit einem Tuch verbunden. Die Gestalt des Mannes ist in der Zeichnung zu groſs ausgefallen. Wäre sie richtig, so betrüge die Ofenhöhe nur etwa 1,60 m; während Agricola ausdrücklich sagt, daſs die Eisenschmelz - öfen viel weiter und höher (multo ampliora et altiora) seien, als die zuvor beschriebenen Erzschmelzöfen (Krummöfen), deren Höhe er auf sechs Werkschuh angiebt, was auch dadurch bestätigt wird, daſs diese direkt vom Boden aus beschickt werden, während der Aufgeber beim Eisenschmelzofen zu diesem Zwecke erst eine Treppe hinaufsteigen muſs. Acht Werkschuh oder 2,40 m wird deshalb als die niedrigste Höhe der Stücköfen von der Art, wie sie Agricola beschreibt, anzu - nehmen sein. Biringuccio giebt auch kein Maſs für die Ofenhöhe an, dagegen bestimmt er die Gröſse seiner Blasebälge zu sechs bis acht Ellen gleich 3,50 m bis 4,67 m und danach würde die Höhe des Ofens, vorausgesetzt, daſs die unvollkommene Zeichnung einigermaſsen im Maſsstab gezeichnet ist, etwa 3⅓ m betragen. Zehn Fuſs, also159Stücköfen.3⅓ m, ist die Höhe, welche von den meisten älteren Stücköfen an - gegeben wird und dürfte wohl schon im 16. Jahrhundert das normale Höhenmaſs gewesen sein. — In der Abbildung des Hüttenraumes vor dem Ofen zieht Verschiedenes unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Unmittelbar vor dem Ofen befindet sich eine runde Vertiefung, ein Sumpf, in den die Schlacke floſs, um dann, wenn die Oberfläche genügend erkaltet war, in Scheiben abgehoben und aus der Hütte ge - fahren zu werden. Vor diesem Sumpf liegt die in Stücke zerhauene Luppe. Es lassen sich 14 Stücke zählen. Neben diesen liegen die Holzhämmer, mit denen die Luppe, sobald sie aus dem Stückofen ge - zogen ist, abgeklopft wird. Links lehnt an dem Hammergerüst der groſse Schrotmeiſsel oder das Setzeisen, mit dem die Luppe zerteilt wird. Dies geschieht unter dem Wasserhammer, den wir vorn links erblicken. Er hat eine breite, platte Bahn und schlägt auf einen Amboſs, der fast wie ein Tisch von quadratischer Form gestaltet ist. Die platte Gestalt ist notwendig, weil die Luppe erst zu einem flachen Kuchen ausgeschlagen wird, der dann erst mit dem groſsen Schrot - meiſsel unter dem Hammer in Stücke zersetzt wird. Diese Arbeit ist soeben vollendet und so benutzen der Schmiedemeister und sein Geselle die Pause, um ihre Mahlzeit einzunehmen, während der Knecht des Schmelzers auf der rechten Seite des Bildes damit beschäftigt ist, einen Füllkorb mit Erz zu füllen. Die Holzkohlen sind vom Erz getrennt, in einem besondern Haufen mehr nach vorn gelagert. Die Luppenstücke müssen zur weiteren Verarbeitung in einem andern Feuer, dem sogenannten Löschherd, der aber auf dem Bilde nicht zu sehen ist, ausgeheizt werden.
So giebt uns die Zeichnung des Agricola ein recht anschauliches Bild der wichtigsten Arbeiten bei dem Stückofenbetrieb.
Über Konstruktion, Bau, Anwärmen und Betrieb der Stücköfen können wir noch mancherlei aus Agricolas allgemeiner Beschreibung der Schachtöfen entnehmen. So erklärt er es für eine unbedingte Notwendigkeit, daſs unter jedem Schachtofen sich ein gemauerter Hohlraum, die Abzucht, befinde, damit der Boden des Herdes trocken liege und die Feuchtigkeit des Untergrundes die Schmelzung nicht beeinträchtige. Er giebt darüber folgende Vorschrift1)Sub quoque autem catino et foco fornacis ad altitudinem cubiti sit trans - versum et latens humoris receptaculum, longum pedes tres, latum palmos tres altum cubitum ex saxis tantum tectum vel lateribus factum, saxis: quod ni esset atque ita se haberet, ni ignium humorem ex terris eliceret ..... quo modo magnum damnum contraheret.:
160Stücköfen.Unter jedem Tiegel oder Herd eines Schmelzofens muſs in der Tiefe von einer Elle eine verborgene Abzucht sein, drei Werkschuh lang, drei Spannen breit und eine Elle hoch, aus Bruchsteinen oder Ziegeln gemacht und ganz mit Steinplatten gedeckt: denn wenn dies nicht geschähe, würde die Kraft des Feuers die Feuchtigkeit aus der Erde ziehen ...., wodurch groſser Schaden entstände. Dieser Hohl - raum muſs Abführungskanäle nach auſsen haben. Denn nachdem der Ofen auf gutem Fundament aufgebaut ist, wird der Herd aus Gestübbe geschlagen. Das Gestübbe wird aus Kohlenstaub und Lehm bereitet. Zu diesem Zwecke wird erst die Holzkohle unter einem Pochwerk, das nur Stempel von Holz hat, zerstampft und sodann gesiebt. Der Lehm wird erst getrocknet, dann durchgehordet und hierauf in den Kasten, in dem sich das Kohlenpulver befindet, hineingesiebt. Nach - dem es gut gemischt ist, wird es in eine Grube eingetragen, in der es angefeuchtet längere Zeit liegen bleibt. Die Grube ist mit Brettern zugedeckt. Man nimmt zwei Teile Kohlen auf einen Teil Lehm. Der Zubereitung eines guten Gestübbes legt Agricola groſsen Wert bei. — Nachdem dann der Ofen im Inneren sorgfältig mit Lehm aus - gestrichen, teils um die Fugen zu decken, teils die Steine vor der Glut zu schützen, wird auf dem Boden des Ofens der Herd mit Ge - stübbe sorgfältig geschlagen. Die Art, wie dies gemacht wird, die Werkzeuge, die dabei gebraucht werden u. s. w., beschreibt Agricola weitläufig. Nachdem die Brust des Ofens mit Lehm geschlossen wor - den ist, folgt das Anwärmen. Dieses bezweckt zunächst ein gutes Austrocknen, sodann eine Erwärmung des Schmelzraumes, damit das Mauerwerk durch die zu plötzliche Erhitzung beim Schmelzen nicht Schaden leide und sich die geschmolzene Masse nicht an die noch kalten Wände ansetze und dadurch das ganze Schmelzwerk störe. Das Eintragen des Feuers geschieht dabei durch die Form. Ehe man das Erz aufgiebt, schlägt man etwas Schlacke vor; läuft diese wohl - geschmolzen ab, so kann man mit dem regelmäſsigen Aufgichten be - ginnen. Dies geschieht in der Weise, daſs abwechselnd Kohlen und Erz aufgetragen und in Lagen ausgebreitet werden. Dabei ist es alter Brauch, den Kohlensatz gleich zu halten, mit dem Erzsatz aber nach Bedürfnis, d. h. nach der Hitze im Ofen, nach der Art der Erze u. s. w., zu wechseln.
Waren die von Agricola und Biringuccio beschriebenen und dargestellten Arten der Stücköfen wohl diejenigen, welche in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die gröſste Verbreitung hatten, so entwickelten sich diese Öfen in Gestalt, Gröſse und Betrieb ver -161Stücköfen.schieden in verschiedenen Gegenden und wir müssen schon in dieser Periode verschiedene Arten von Stücköfen nebeneinander unterscheiden.
Die einfachsten und primitivsten Schachtöfen waren die in Schweden gebräuchlichen Bauernöfen. Wir haben die Konstruktion und den Betrieb derselben bereits ausführlich im ersten Bande1)Siehe Bd. I, S. 809 ff. be - handelt. Dieselben waren noch kleiner und unvollkommener, als die zweite, bereits oben beschriebene Art, welche bis in dieses Jahrhundert in Ungarn unter dem Namen „ Slovakenöfen “in Anwendung waren und die sich in Siebenbürgen, der Walachei und Bulgarien noch heut - zutage finden2)In den sechziger Jahren war noch ein Slovakenofen zu Marvanykö im Zipser Komitat im Betriebe.. Als dritte Art möchten wir die steirischen Stück - öfen, die sich bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in Steiermark erhalten haben, bezeichnen; als vierte endlich die niedrigen Blauöfen
der Grafschaft Henneberg, welche noch in diesem Jahrhundert zu Schmalkalden betrieben wurden.
Zu unserer Schilderung der schwedischen Bauernöfen haben wir hier nur noch einiges Weniges nachzutragen. Swedenborg, welcher in seinem trefflichen Buche „ de ferro “eine genaue Beschreibung dieser Öfen giebt3)Swedenborgius, De ferro 1734, fol. 105, §. 3. De vena ferri palustri, ejusque coctione et praeparatione Sveciae praesertim in Angermannia et Dalecarlia, sive de ferro, quod Sveciae vocatur „ Myrjern “., hält das Verschmelzen der Sumpferze (vena palu - dinosa) zu Sumpfeisen (ferrum palustre - „ Myrjern “) für die älteste Art der Eisengewinnung in Schweden. Die ältesten Öfen sind nach seiner Beschreibung diejenigen mit einem Balg, der getreten wird, wie sie zu seiner Zeit, in den ersten Dezennien des vorigen Jahr - hunderts, noch in Dalekarlien gebräuchlich waren. Er beschreibt dieselben folgendermaſsen:
„ In Dalekarlien wird der Schmelzofen (ustrina), Fig. 52, irgendwo in der Ebene angelegt, indem man eine Grube von drei Fuſs Tiefe,Beck, Geschichte des Eisens. 11162Stücköfen.fünf Fuſs Länge und vier Fuſs Breite macht. Die Weite am Boden beträgt zwei Fuſs. Er wird ohne Kanal zur Abführung der Feuchtig - keit, ohne Bodenstein und ohne die sorgfältige Konstruktion des Schmelzraumes (foci), wie dies bei den gröſseren Öfen geschieht, sondern nur aus flachen Steinen, die mit Thon verstrichen werden, hergestellt. Der Boden besteht nur aus trockener Erde mit etwas Schlacken ver - mischt. Anders ist es in Ångermanland: hier hat der Schmelzraum zwei Öffnungen zum Windeinblasen. Der Herd oder Tiegel ist nicht unähnlich denjenigen, in welchen man das Kupfer zu reinigen pflegt, aber er ist tiefer als die in Dalekarlien gebräuchlichen und nach obenzu weiter. Die Lederbälge werden von Wasserrädern getrieben, weshalb auch die Öfen gröſser sind und eine gröſsere Menge Erz in derselben Zeit darin geschmolzen werden kann; indessen sind diese Art Öfen noch nicht überall in Ångermanland im Gebrauch. Ferner sind auch im westlichen Dalekarlien, sowie in Lima gröſsere Öfen erbaut worden, welche mit zwei Bälgen (flabella, eigentlich Fächer) verbunden sind; sie sind breiter und haben eine Öffnung, durch welche die Schlacke ausläuft; es kann in diesen in der gleichen Zeit die doppelte Menge Erz geschmolzen werden. Im übrigen besteht der Boden der Öfen in Ångermanland aus einer Steinplatte; die Tiefe des Schmelzherdes ist 1½ Ellen, der obere Umfang 1½ Ellen im Durch - messer und von kreisrundem Querschnitt bis zur Form. Der Raum darunter aber ist quadratisch von ⅜ Ellen Seitenlänge, mit ab - gerundeten Ecken. Die Form liegt vom Boden 4 Zoll ab.
Sonst macht man (bei den alten Öfen) keinerlei Öffnung, um die Schlacke abzulassen, wie dies bei den Hochöfen der Fall ist, sondern wenn sich die Schlacke gesammelt hat, so daſs sie bis zum Formmunde gestiegen ist, so läſst man sie durch diese allgemeine Öffnung ab - flieſsen; für gewöhnlich verbleiben aber diese flüssigen Unreinigkeiten in dem Schmelzraume bis zur Beendigung der ganzen Schmelzung, und wenn sie erstarren, bilden sie die Oberfläche der Eisenluppe.
Doch damit ich nicht so oberflächlich die Konstruktion dieser kleinen, aber durch ihr Alter und ihre Einfachheit bemerkenswerte Anlagen übergehe, will ich eine genauere Beschreibung davon geben.
Man legt dieselben an trockenen Plätzen an, in Wäldern oder in abfallenden, von Hügeln umkränzten Seitenthälern, wo sie vor Wind und Sturm geschützt sind: besser noch ist es, wenn man einen Ort sucht, wenn er zu finden ist, am Ufer eines Baches, welcher ein Wasserrad treiben und die Bälge (flabella) bewegen kann, die man andernfalls, wenn kein Wasser zur Hand ist, treten muſs. Sie werden163Stücköfen.auf dem nackten Boden aufgerichtet, indem man erst eine Mauer von ½ bis ¾ Elle Dicke herstellt, hierauf wird der Tiegel oder Schmelz - herd aufgeführt, dem man eine länglich-viereckige Gestalt giebt, 1½ Ellen lang, ½ bis ¾ Elle breit, 1 Elle senkrechte Höhe. Wo der Tiegel (das Gestell) aufhört, beginnt der Schacht des Ofens, welcher sich kegelförmig nach oben erweitert bis zu 2½ Ellen Durchmesser. Von dem Boden des Herdes bis zur Gicht giebt man ihm eine Höhe von 4½ Ellen und der Mauer eine Dicke von ¼ bis ½ Elle.
Die Innenwände des Ofens, sowohl des Schachtes als auch des Schmelzraumes, werden mit dem besten Thon ausgestrichen. Der Boden des Ofens wird mit Kohlenpulver bedeckt und zwar mit frischem, wenn der Ofen neu gebaut und die Schmelzung erst begonnen wird, während man später die übrigbleibenden Kohlen mit darunter mischt. Unten wird dann die Form, durch welche die Führer den Wind in den Ofen treiben, hergerichtet und zwar ½ Elle vom Bodenstein: der Formrüssel erhält eine ganz schwache Neigung nach innen zu, so daſs ein Tropfen Wasser eben noch von selbst auslaufen kann. Die Wände des Öfchens werden mit Balken umkleidet, derart, daſs ein Abstand von ¼ bis ¾ Elle zwischen diesen und dem Steinmauer - werk bleiben, welcher mit lehmigem Sand (pulvere terreo) ausgefüllt und bis obenhin festgestampft wird. Wenn die Arbeit lebhaft geht und das Feuer durch das Mauerwerk schlägt und die Holzumkleidung zu verzehren droht, so bändigt man die Glut durch Anspritzen von Wasser. Meistenteils werden zwei Lederbälge angewendet. Wenn man mit zweien bläst, nennt man die Hütte „ Twekielling “, wenn nur mit einem „ Enkielling “. — Der Durchmesser des Wasserrades beträgt drei Ellen und die Länge der Hebelstange, welche von dem Rade be - wegt wird, sechs Ellen. — Wenn aber kein Bach vorhanden ist, so wird der Balg von einer Frau oder einem Mann bewegt. Die Frau dreht Spindel und Faden dabei und besorgt so doppelte Arbeit, indem sie mit Füſsen und Händen thätig ist, doppelten Gewinn erhoffend1)Swedenborg drückt dies in dichterischer Anwandlung so aus: Urget que utrumque opus, tam pedibus manibusque sedula est, in spemque laborat..
Die Art und Weise, wie die Schmelzung der Erze vor sich geht, haben wir bereits im ersten Bande ausführlich auseinandergesetzt2)Bd. I, S. 812.. Das Charakteristische war, daſs mit rohem Holz geschmolzen wurde. Dasſelbe wurde über dem Ofen aufgehäuft, wie es in Swedenborgs skizzenhafter Zeichnung (Fig. 53 a und b, a. f. S.) dargestellt ist. Die erste Operation bestand in der Hauptsache nur in der Holzverkohlung,11*164Stücköfen.damit war aber ein allmähliches, sich bis zur Schmelzhöhe steigerndes Vorwärmen der Ofenwände verbunden, welche der Vorbereitung der Erze sehr zu statten kam. Nur hieraus läſst es sich erklären, daſs Versuche, das Sumpferz mit Holzkohlen in denselben Öfen einzuschmelzen, un - günstige Resultate hatten und nur ein ungares Produkt lieferten.
Das Feuer wurde bei den alten dalekarlischen Öfen durch die Form eingetragen. Beim ersten Schmelzen, wobei der Ofen noch
a.
kalt war, erhielt man ½ groſses Pfund1)Ein Lieſspfund gleich 20 Pfund. (5 kg) Eisen, aber schon nach dreimal 24 Stunden fielen 1½ bis 2 Lieſspfund (15 bis 20 kg). Die ausgeschmolzene Masse wurde mit Haken aus dem Ofen gezogen und mit der Zange unter den Hammer gebracht und erhielt hier eine runde Form, indem alle Auswüchse niedergeschlagen wurden. Man pflegte sieben Schmelzen in einer vollen Schicht (Tag und Nacht) zu machen. Der normale Zeitaufwand für eine Schmelzung betrug
b.
zwei Stunden und reicht diese Zeit gerade hin, daſs ein Mann soviel Holz spalten und zurichten konnte, als für das Schmelzen nötig war. An einem solchen einfachen Ofen (Enkielling) waren nämlich in der Regel nur zwei Arbeiter beschäftigt, der eine, der das Holz spaltete und aufgab und der andere, der die Bälge trat. Das Aufbrechen, Schmieden u. s. w. besorgten dann beide gemeinschaftlich.
165Stücköfen.War das ausgebrachte Eisen unrein, so muſste es in einem Löschherde umgeschmolzen werden; war es aber gut geschmolzen, so brachte man es unmittelbar unter den Hammer und schmiedete es aus. Dabei wurden die Verunreinigungen herausgetrieben und es blieb nur zähes Eisen zurück. Allerdings pflegte hierbei die Hälfte des Gewichtes der Luppe in Verlust zu gehen.
Diese alten dalekarlischen Bauernöfen sind wohl als die primi - tivsten Stücköfen anzusehen. Ähnliche Öfen gab es in Finnland und Ruſsland. Diejenigen, welche Agricola und Biringuccio beschrieben haben, waren in Süddeutschland, Italien, überhaupt in dem ganzen südlichen Europa heimisch und waren auch diejenigen, welche sich am längsten erhalten haben und sich in den südlichsten Ländern Europas heute noch finden.
In Kärnten waren die „ Stücköfen “im 16. Jahrhundert in all - gemeinem Gebrauch. Sie standen in den Plaahütten, welche den Radmeistern gehörten. Sie hatten rechtwinkeligen oder cylindrischen Querschnitt und waren sechs bis acht Fuſs hoch1)Siehe Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges, S. 24.. Die Brust wurde einfach mit Lehm geschlossen. Der „ Brustseite “gegenüber lag die „ Wasserseite “, während der Wind seitlich durch die „ Eſseisenseite “eintrat. Dem Eſseisen, d. h. der Form gegenüber lag die Windseite. Erz und Kohle wurden lagenweise aufgegeben und die zusammen - gesinterten, halb geschmolzenen Erze mehrmals auf die Oberfläche gebracht, bis sich endlich im Sumpfe der Eisenklumpen, „ das Stück “, ein halb rohes, halb gefrischtes Produkt, ansammelte, welches als solches in den Handel gebracht wurde. Eine Schmelzung dauerte 8 bis 12 Stunden und wurden Stücke von 8 bis 12 Ztr. erzeugt. Der Kohlenaufwand betrug noch im vorigen Jahrhundert bis zu 60 Kubik - fuſs pro Zentner und das Ausbringen aus den besten Hüttenberger Erzen nur 20 bis 24 Prozent.
Neben diesen Stuckhütten, welche keinen Wasserhammer hatten, bestanden schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Kärnten die „ Deutsch-Hämmer “. Diese enthielten neben einem kleinen Stückofen einen Löschherd und einen Wasserhammer. Das geschmolzene Stück, welches kleiner war, wie das einer Stuckhütte, wurde sogleich in drei bis vier Stücke zerschroten, im Löschherd ausgeheizt und direkt zu verschiedenen Grobwaren oder auch zu Stahl ausgeschmiedet. Dieses sind die Hütten, wie sie Agricola beschrieben hat. Ihre Besitzer hieſsen Hammermeister. Über die ökonomischen und recht -166Stücköfen.lichen Verhältnisse dieser Eisenhütten und Hämmer in Kärnten und Krain werden wir später zurückkommen.
Ähnlich waren die Stücköfen in Ungarn, welche sich als „ Slo - wakenöfen “bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts in Ungarn erhalten haben. Zu dieser Art gehörten auch die Stücköfen, welche um das Jahr 1770 noch in der Wochein in Krain in Anwendung waren. Da dieselben im Betriebe einige Absonderlichkeiten zeigen, wollen wir sie hier kurz beschreiben1)Siehe Oryctographia Carniolica oder Physikalische Erdbeschreibung des Herzogtums Krain, Istrien und zum Teil der benachbarten Länder. Leipzig 1778, Bd. I, S. 20..
Über die Wochein und den uralten Eisenhüttenbetrieb daselbst, der namentlich zur Zeit der Römerherrschaft blühte, haben wir bereits im ersten Bande berichtet2)Siehe Bd. I, S. 507.. Es scheint, daſs sich der alte Betrieb in dem geschützten Thale ohne groſse Störungen und deshalb auch ohne groſse Veränderungen durch viele Jahrhunderte erhalten hat. Die Stücköfen, die hier gewöhnlich als Wolföfen bezeichnet wurden, hatten ein viereckiges Rauhgemäuer von 8 Fuſs Seiten - länge und 11 Fuſs Höhe, vom „ Wolfbett “bis zum „ Einsturz “, d. h. vom Boden bis zur Gicht, und waren aus gewöhnlichen Kalksteinen aufgeführt. Das inwendige Futter wurde aus einem glimmerartigen Sandsteine und schwarzem Thon hergestellt. Dieser Sandstein war sehr feuerbeständig, ein wahrer „ saxum fornaceum “. Das Innere des Ofens hatte kreisförmigen Querschnitt, zwei Fuſs Durchmesser das Wolfbett und einen Fuſs der Einsturz, in der Mitte aber war der Ofen weiter. In dem Rauhmauerwerk befanden sich zwei halbmond - förmige Gewölbe von zwei bis drei Fuſs Höhe, das eine führte zur Ofenbrust, das andere zum Schlackenabstich. Die Öffnung für die Brust war die wichtigste, denn diese war zugleich auch die Formseite. Hier lagen die Bälge, welche den Wind in den Ofen trieben, und hier wurde der Wolf ausgebrochen, wenn die Schmelzung beendet war. Sie hatte zwei Fuſs im Quadrat. Die Blasebälge lagen auf Walzen, um sie leicht zurückschieben zu können, wenn der Ofen aufgemacht wurde. Die Brust wurde nur mit Thon zugemacht; die Form war ein einfaches rundes Loch, welches mit einem hölzernen Keil durch denselben gestoſsen wurde. Die Ofenwand des andern Gewölbes war dagegen mit Ziegeln vermauert, so daſs in der Mitte nur ein Schlitz blieb von vier bis sechs Zoll Breite und zwei Fuſs Höhe. Dieser wurde ebenfalls mit Thon zugemacht und bildete das Abstichloch für die Schlacken, das leicht hoch oder niedrig geöffnet werden konnte. 167Stücköfen.Häufiger aber brachte man statt dieses Schlitzes viereckige Öffnungen in verschiedener Höhe an, welche mit einem eisernen, mit Lehm be - schlagenen Stöpsel zugestopft wurden und dienten diese dann als Schlackenlöcher. Das Eigentümliche bei den Wolfsöfen der Wochein war, daſs die Form nicht in der gleichen Höhenlage blieb, sondern daſs man dieselbe anfangs ganz tief, nahe dem Boden, ansetzte und sie dann während dem Betriebe höher und höher legte. In der tiefsten Lage lieſs man sie so lange, bis aus dem Eſsloche Funken und kleine Schlackenkerne herausflogen; wenn dies geschah, so wurden auf den Seiten in dem Brustgewölbe kleine Öffnungen gemacht, um der Schlacke Abfluſs zu geben.
„ Fängt nun einmal der Wolf an, sich nach und nach zu setzen, oder wie man sonst zu sagen pflegt, zu wachsen, so wurde ein anderes Esloch zween Zoll höher gemacht oder besser gesagt, ausgebrochen und der Blasebalg erhöhte sich, sowie auch die Schlackenlöcher, sowohl in dieser als in der andern Fläche.
Je desto mehr steigt man auch mit dem Esloch, gemeiniglich bis unter den gewölbten Bogen oder den Mauerzirkel; da wird aber auch auf der Brustseite der Thon, der die Öffnung verstopft hat, weg - gebrochen, wo man denn noch während der Schmelzung die Masse oder den Wolf stocken sieht. “
Diese alte Schilderung von einem erfahrenen Hüttenmanne, aus Krain gebürtig und selbst Gewerke — wie aus den eingestreuten Be - merkungen der Beschreibung hervorgeht —, ist sehr beachtenswert. Der Schluſssatz soll heiſsen, daſs man die mit Thon „ vermachte “Brustwand gegen Ende der Schmelzung oben aufbrach, um den Wolf im Herd beobachten zu können und gerade auf diese Art den Zeit - moment bestimmte, wann der Wolf fertig war und man die Bälge abführen durfte.
Um einen Wolf zu machen, wurden 40 bis 50 Zentner Erz ge - nommen, wozu, nachdem der Ofen gehörig ausgeheizt war, beinahe die gleiche Menge Kohlen eingesetzt wurden. Als Zuschlag gab man nur zu 3 Zentner (315 Pfund) 60 bis 70 Pfund „ Nägelschnutt-Sinter “, d. h. Hammerschlag, wie er bei den Nagelschmieden fiel. „ Das Schlackenauge “— jedenfalls auf der Schlackenabstichseite — „ wird stets geräumt und offen gehalten; nach 18 bis 20 Stunden, wenn der ganze Erzsatz eingesetzt ist und der Ofen eingeht, werden auf der Walze die Bälge zurückgeschoben, die Brust eingerennt und der Wolf oder die geschmolzene Eisenmasse mit Haken herausgezogen, welcher dann gemeiniglich 15 bis 17 Zentner an Gewicht hat. Man nimmt168Stücköfen.jedoch nicht gleich bei Öffnung der Brust einen solchen Wolf heraus, sondern man muſs so lange warten, bis er „ gestockt “hat; hat man ihn einmal aus dem Ofen, so wird er unter einen 13 Zentner schweren Hammer gebracht, eine ungeheure Schwere, und in acht, auch mehr Stücke zersetzt, welche man in der dortigen Hüttensprache Kothlizhe nennet, sowie das mit den Schlacken aus dem Ofen flieſsende Eisen Pogahze1)Graglach in Steiermark, siehe Bd. I. genannt wird. Nachdem der Wolf aus dem Ofen und in dem Grunde mit Wassereinsprengen abgekühlt ist, so werden die darin befindlichen eisenhaltigen Schlacken abgekratzt und in den Fluſs geworfen, wo dann das Eisen sich durch das Anprellen der Stein absondert, welches alle Arbeiter, wenn sie Zeit haben, besonders aber die Weiber und Kinder, aus den Flüssen zu sammeln pflegen und von den Hüttenverwesern gegen eine gesetzte Taxe eingelöst wird. Dies ist bei den dortigen Hütten das sogenannte Probiraina oder Waschwerk und wird auch als ein Zusatz mit dem Erz ver - schmolzen. “ Auch diese Art, das Wascheisen zu gewinnen, ist höchst primitiv, deshalb wahrscheinlich sehr alt.
Die Kothlizhe (massa) wurde dann weiter in den Plähfeuern ver - arbeitet, worüber später berichtet werden wird.
In Steiermark hatte sich schon in früher Zeit aus den Hand - und Tretöfen, die auf dem „ Arzberge “und dem Prebügel gestanden hatten, der Stückofenbetrieb an den beiden Hauptthälern zu Eisenerz und zu Vordernberg entwickelt. Auch hier waren die Öfen anfangs klein. Da man aber durch den Mangel an Holzkohlen in nächster Nähe gezwungen war, die Masseln oder Stucke in unverarbeitetem Zustande zu verkaufen, so kam man bald dazu, die Öfen gröſser zu bauen und gröſsere Stücke zu erzeugen, weil hierdurch an Kohlen wie an Arbeitslohn gespart wurde. Kohlenmangel und die Art des Eisenhandels waren also die Veranlassung für die einigermaſsen ab - weichende Konstruktion der Stücköfen in Steiermark. Wir haben diese bereits im ersten Bande (S. 819 u. s. w.) geschildert und be - schränken uns hier darauf, die charakteristischen Unterschiede noch - mals hervorzuheben2)Vergl. Swedenborgius, De ferro.. Swedenborg in seinem Werke De ferro (1734) und Jars in seinem Reiseberichte von 1758 haben im vorigen Jahr - hundert nach eigener Anschauung die besten Schilderungen davon ge - liefert. Das Eigentümliche der steirischen Stücköfen bestand haupt - sächlich darin, daſs die Blaseöffnung und die Ausziehöffnung auf derselben Seite lagen, so daſs durch die Lehmwand, welche am Schluſs169Stücköfen.der Schmelzung jedesmal ausgebrochen wurde, auch geblasen wurde. Die Ursache hierfür lag an der Stellung der Öfen zu den Wasserrädern. Man hatte bei diesen Stückhütten nur ein Wasserrad, welches die Bälge in Bewegung setzte, dagegen kein zweites, wie in den Deutschhämmern, um einen Hammer zu treiben, da ein solcher überhaupt nicht vor - handen war. Die Bälge muſsten bei jedem Aufbrechen abgehoben und auf die Seite gerückt werden, damit sie beim Ausziehen der Luppe durch die Glut nicht verbrannten. Das Ausziehen der schweren Luppe konnte nicht, wie bei den kleineren Öfen, mit Haken geschehen, sondern geschah durch ein Ziehwerk mittels einer schweren Zange, die an einer Kette befestigt war. Diese Kette wurde ebenfalls von der Wasserradwelle in Bewegung gesetzt. Das 13 bis 14 Zentner schwere Stück konnte deshalb auch nicht, wie da, wo man sich eines Wasserhammers bediente, in eine Anzahl von Luppenstücken, wie sie zum Ausheizen und Verschmieden geschickt waren, zerteilt werden, sondern zwei Arbeiter hieben sie erst mit Beilen bis auf die Hälfte ein und teilten sie dann mit schweren Hämmern und Keilen völlig in zwei Stücke (Halbmassen), von denen ein jedes also sechs bis sieben Zentner wog und die so auf die Hammerwerke bei St. Gallen ge - fahren wurden.
Swedenborg beschreibt den Betrieb der Stücköfen zu Vordern - berg, wie er sie um das Jahr 1710 gesehen hatte, von denen ihm aber erzählt wurde, daſs dieselben schon seit 800 Jahren im Gebrauch seien1)Siehe Swedenborgius, De ferro, p. 177 (§. XIX).. Es waren damals 16 solcher Öfen vorhanden, die alle einer dicht neben dem andern an dem reiſsenden Fluſs im Vordernberger Thale gelegen waren. Ein jeder war mit einem Dach überbaut und hatte sein besonderes Rösthaus.
„ Die Höhe eines Ofens betrug 14 Fuſs, der Durchmesser des oberen Hohlraumes dicht über der Form (der Kohlensack) 4 Fuſs, am Boden aber 2 Fuſs. Das Innere des Hohlraumes wurde auf das sorg - fältigste mit Lehm ausgefugt und bestrichen.
Wenn das Erz geröstet werden sollte, so wurde zuerst eine Lage von Kohlen und hierauf eine von Erz ½ Fuſs dick ausgebreitet, hierauf wieder eine Lage von Kohlen und darüber Erz und so in dreifacher Folge; zuletzt wurde der Rest des erforderlichen Erzes in der Form eines Scheiterhaufens aufgeschichtet; diese Rösthaufen hieſsen Grametl. Hierauf wurde Feuer untergelegt, welches drei Wochen erhalten wurde, damit das Erz durch die langandauernde Röstung leichter zu170Stücköfen.Pulver zerstoſsen werden konnte, weil es alsdann im Ofen besser zu Eisen zusammenschmolz. Das zerkleinerte oder gepulverte Erz wurde mit Hilfe von Wasser - oder Handrädern auf die Gicht des Ofens empor - gezogen (Fig. 55).
Wenn der Ofen nun mit Kohlen gefüllt war, wurde ein Satz Erz aufgetragen, der dem Maſse einer Tonne gleichkam. Die Kohlen - füllung sank nach einiger Zeit nieder, indem das Feuer langsam durch - drang: war dies geschehen, so wurden acht Maſs Kohlen, die in Körben geteilt waren, aufgetragen und hierauf Erz lagenweise ausgebreitet, was 15 Stunden hindurch fortgesetzt zu werden pflegte. Mit diesem Brennmaterial gestattete man dem Erz, indem die Kohlen sich durch das Feuer verzehrten, bis zur Form niederzugehen und so erschien vor der Form die Luppe, „ Masse “1)Swedenborgius schreibt „ Hallmassen “statt „ Halbmassen “, aber auch dies ist ein Irrtum, denn die Halbmassen sind die zwei Hälften des zerteilten Stückes oder der Masse. Die alte Bezeichnung war „ das Maſs “. genannt, die sich, wie erwähnt, in einem Zeitraume von 15 Stunden ansammelte. — Die Schlacke wurde auf der Brustseite nahe den Düsen der Blasebälge laufen lassen.
Beim Ausbrechen des Eisenklumpens fand man immer über jenem noch einen Teil flüssigen Eisens, welches besonders und von dem Eisenstück getrennt herausgelassen wurde und welches Graglach hieſs2)Swedenborg schreibt fälschlich Krogloch.: es war dies eine Materie des besten und ausgesuchtesten Roheisens und wurde diese Sorte für geeignet gehalten, entweder in Stahl umgewandelt zu werden oder Geräte (utensilia) daraus zu machen3)Vergl. Bd. I, S. 823.. Nachdem diese abgelassen, wurde die zurückgebliebene Materie, die Luppe oder „ Halbmassen “, welche eine Breite von 5 Fuſs einnahm, aus dem Ofen gezogen und von Männern, solange sie noch heiſs war, in zwei Teile geteilt, von denen ein jeder Teil 10 Zentner schwer zu sein pflegte, so daſs man jeden Tag und Nacht eine Masse von 20 Zentnern zu erhalten pflegte.
Dieses Verfahren, das Eisen zu schmelzen, das Schmelzwerk täg - lich von neuem zu beginnen und eine feste Eisenluppe aus dem Ofen zu ziehen, sei, wie viele sagen, schon seit 800 Jahren, also etwa seit 910, im Gebrauch; und wenn sie auch zugestehen, daſs eine gröſsere Menge von Eisen gewonnen werden könne, wenn die Schmelzung nach der in Kärnten gebräuchlichen Weise (in Floſsöfen), kontinuierlich und nicht mit Unterbrechungen geschähe, so behaupten sie doch, bedürfe es die eigentümliche Trägheit ihres Erzes, daſs ein Wechsel kurzer, unterbrochener Schmelzungen stattfände, denn sie glaubten, daſs ihre171Stücköfen.Erze ein anhaltendes und soviel schärferes Feuer nicht ertragen, noch daſs sie dann jenes beste Eisen, welches die Oberflächen der Luppen enthalten, erlangen könnten. Übrigens waren sie in der Lage, in jeder Woche sieben solcher Stücke in einem Ofen erzeugen zu können. “
Swedenborg beschreibt nun weiter den Stückofenbetrieb in „ Steiermark “, wobei, da er Styria im Gegensatz zu Vordernberg ge - braucht, wohl nur an Eisenärz gedacht werden kann. Was er hierüber anführt, ist nicht eigene Erfahrung, sondern den Mit -
teilungen eines „ glaubhaften Gewährsmannes “entnommen. Er sagt, man habe drei ver - schiedene Ofenarten, groſse, mittlere und kleine. Die groſsen seien 18 Fuſs, die mittlern 14 Fuſs hoch. Von den kleinen giebt er die Höhe nicht an, doch dürfen wir dieselben wohl zu 10 bis 12 Fuſs annehmen. Diese letz - teren seien die ältesten und auch die zahlreichsten, wes - halb uns diese hier auch allein interessieren. Sie wären in ihrem unteren Teile quadra - tisch von zwei Fuſs Seiten - länge. Indem sich der Ofen über der Form bis etwa zur Mitte der ganzen Höhe bis zu vier Fuſs erweitert, ging der quadratische Querschnitt in einen kreisrunden über. Von der gröſsten Weite in der Mitte verengte sich der Ofen nach oben bis zur Gicht auf einen Fuſs. Swedenborg vergleicht die Gestalt des Ofeninneren mit einem italienischen, aus - gebauchten Krug. Die inneren Ofenwände wurden aus feuerfestem Lehm aufgestampft und sollen diese 12 Jahre lang gehalten haben1)Vergl. Schreber, Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. XI, S. 15..
Die nebenstehenden Zeichnungen, Fig. 54 und 55, sollen das Bild eines der groſsen steirischen Stücköfen geben, wozu aber Sweden -172Stücköfen.borg bemerkt, daſs die mittleren und kleinen nur durch die Maſse verschieden seien. Danach hätte der Ofen in einem Rauhmauerwerk gestanden, in dessen vorderen Teil ein Gewölbe eingebaut war, durch welches man zur Ofenbrust gelangte. Charakteristisch sind besonders die Gestalt des Ofeninneren und das Schlackenloch, welches sich links von dem Formloch befindet.
In der Zeichnung Fig. 55 soll der Moment dargestellt werden, in dem der Ofen aufgebrochen ist, um das Stück herauszuziehen. Die faden -
artige Linie deutet die Kette an, mittels der dies geschieht. Sie wickelt sich um die Blase - welle auf. Die Blasebälge, welche durch die Hebedaumen bewegt werden, sind aus - gehängt und auf die Seite geschoben. Es geschah dies mittels des Zughebels. Der einfache Aufzug, durch welchen die Erzkörbe zur Ofengicht gehoben werden, wird gleich - falls durch die Blasewelle be - wegt. — Ein solcher Ofen hielt mehrere Jahre, während das Gestell alle Vierteljahr erneuert werden muſste.
In den kleinen Öfen er - hielt man alle 6 Stunden ein Stück von 2¼ bis 2½ Zent - ner Gewicht, so daſs in 24 Stunden 8 bis 10 Zentner Eisen gewonnen wurden. Es wurden 20 bis 24 Gichten, jede zu 2 Faſs Erz und ein Maſs Kohlen (wovon drei einen Sack ausmachten), aufgegeben. Im Durchschnitt wurde in Eisenerz beim Stückofenbetrieb aus 1 Zentner Erz 39¼ Pfund Rauheisen ausgebracht und wurde zu 1 Zentner Eisen 2 Faſs gleich 10 Wiener Scheffel Kohlen gebraucht. Über weitere Einzelheiten des steirischen Stückofenbetriebes, z. B. über die Herstellung der Lehmform, lese man im ersten Bande nach1)Bd. I, S. 820 ff., wo ein ausführlicher Auszug aus173Stücköfen.Jars’1)G. Jars, Metallurgische Reisen, deutsch von Gerhard, Bd, I, S. 64. Beschreibung des steirischen Stückofenbetriebes von 1765 mitgeteilt ist.
Die vierte Art der Stücköfen, welche in Thüringen, in der Graf - schaft Henneberg, besonders bei Suhl und Schmalkalden, seit vielen Jahrhunderten betrieben wurde, verdient unsere Aufmerksamkeit einer - seits, weil es der älteste nachweisbare Stückofenbetrieb in Deutschland ist, der sich auch am längsten, nämlich noch bis in die vierziger Jahre unseres Jahrhunderts, erhalten hat, anderseits, weil er das deut - lichste Beispiel des unmittelbaren Überganges vom Stückofen - zum Hochofenbetriebe darbietet. Wir haben das Wichtigste darüber bereits im ersten Bande mitgeteilt2)Siehe Bd. I, S. 824.. Der Bergbau auf dem Stahlberge bei Schmalkalden soll der Überlieferung nach bereits im Jahre 385 unserer Zeitrechnung von einem Steiermärker eröffnet worden sein. Wenn dies auch sagenhaft ist, so spricht doch nichts gegen die Möglichkeit. Im Stahlberge finden sich Erze, die den steirischen sehr ähnlich sind. Es ist der Spateisenstein und das aus der Verwitterung desſelben entstandene Braunerz. Die Übertragung des steirischen Betriebes hierher erscheint deshalb durchaus wahrscheinlich. Jedenfalls bestand hier schon Eisensteinbergbau und Eisengewinnung in jener Zeit, als slawische Stämme sich im Thüringerwalde anzusiedeln suchten3)Siehe R. Fulda, Über den Schmalkalder Bergbau, S. 9.. Die ersten Anlagen befanden sich auf dem Rücken der Berge, da, wo die Eisenlager zu Tage ausstrichen. Man ging den reichsten Erzen nach. Roteisenstein, Eisenglanz und Glaskopf suchte man zu ge - winnen, während man das Spaterz unbenutzt liegen lieſs.
Das Ausschmelzen der Erze geschah in Luppenfeuern, deren Bälge mit Hand oder Fuſs betrieben wurden. Alte Schlackenhaufen auf den Höhen legen noch Zeugnis ab von diesem Betriebe. Als der Bergbau gröſseren Umfang annahm und man anfing, die Wasser - kraft der Bäche für den Schmelzprozeſs dienstbar zu machen, was bereits im 13. Jahrhundert geschehen zu sein scheint4)Joh. Just. Winkelmann sagt in seiner „ Beschreibung der Fürstentümer Hessen und Hersfeld, VI. Teil, Bremen 1697 “, Bd. II, S. 295: „ Der Ruhm von Schmalkalden wird noch weiter vermehrt, wegen der daselbst sich befindlichen und von Gott verliehenen reichen Stahl - und Eisenberg - und Hammerwerken, deren Bergwerke teils über 450, teils über 350 Jahre im Gange und fündig gemacht worden. “, wurden zwar die alten Rennfeuer zum Teil noch beibehalten, wie zu Altenrode im Thüringer Thale und am Kaltenbach bei Steinbach-Liebenstein. Da -174Stücköfen.neben aber entstanden in der Nähe von Schmalkalden und Suhla Stücköfen. Dieselben waren fast genau so, wie die von Swedenborg beschriebenen kleinen steirischen zugestellt. Das Innere, das aus feuerbeständigen Sandsteinen der jüngeren Sandsteinformation her - gestellt war, hatte die Gestalt von zwei mit den Grundflächen auf - einander gestellten, abgestutzten Kegeln oder Pyramiden, denn die ältesten Öfen der Art scheinen viereckigen Querschnitt gehabt zu haben1)Siehe Joh. Chr. Quantz, Hüttenschreiber zu Lerbach, Praktische Ab - handlung über die Eisen - und Stahlmanipulation in der Herrschaft Schmalkalden. Nürnberg 1799.. Die Weite am Boden betrug 2½ Fuſs, im Kohlensack 4 Fuſs 2 Zoll und an der Gicht 1½ Fuſs, die Höhe der älteren Öfen 12 Fuſs. Der Kohlensack lag in der Mitte der Ofenhöhe. Auf der Gicht war ein trichterförmiger Aufsatz von einigen Fuſs Höhe aufgebaut, um besser aufgeben zu können (Fig. 56). Die Form lag 14 Zoll über dem Bodenstein, ganz horizontal, und ragte 3 Zoll in den Herd hinein.
Der Bodenstein, der aus Kieselkonglomerat bestand, hatte 2 bis 3 Zoll Fall nach der Brustseite zu. Die „ Vermalterung “, d. h. der Möller, bestand nach Quantz’ Angabe im vorigen Jahrhundert aus ⅓ Stahl - berger, ⅓ Mommeler Eisenstein und ⅓ Lech oder Schlacke, welche beim Zängen der „ Deuls “(Luppenstücke) abfiel. Der Ofen wurde erst mit 12 Stützen gleich 1½ Fuder Kohlen gefüllt, angezündet und, nachdem das Feuer durchgebrannt war, mit Erz und Kohlen be - schickt.
Auf ein Füllfaſs (circa 1 Kubikfuſs) Erz gab man ein Füllfaſs Kohlen, was etwa dem vierfachen Volumen entsprach. Auf diese Weise wurden 15 Gichten gesetzt. Alsdann stach man die Schlacke ab, die man fortwährend abflieſsen lieſs. Dieselbe wurde des Wasch -175Stücköfen.eisens wegen zerklopft. Im Herde des Ofens beginnt die Eisenmasse sich aufzubauen. Entsprechend wie dieses geschieht, läſst man die Schlacke sich ansammlen, damit die Masse im Ofen warm gehalten werde, weil im entgegengesetzten Falle das Losbrechen des „ Gusses “sehr erschwert werden würde. Dies geschieht einfach dadurch, daſs man mit dem Schlackenstich, den man anfangs ziemlich nahe dem Boden angesetzt hatte, allmählich in die Höhe geht. Auf die ersten 15 Gichten folgen noch weitere 21 bis 24. Der Schmelzer prüft mit dem Formhaken, ob sich das Eisen genügend im Herde aufgebaut hat. Ist dies der Fall, so werden zwei leichte Gichten, d. h. Kohlen - gichten ohne Erzsatz, aufgegeben. Sobald diese vor die Form gerückt sind, stöſst man die Ofenbrust, die nur mit Lehm, Ziegeln und Schlackenbrocken zugemacht war, auf und bricht den „ Guſs “mit Brechstangen los und zieht ihn mit Haken heraus. Man bedeckt ihn sofort mit Kohlenstübbe, damit er warm bleibt, und zerschrotet ihn unter dem Wasserhammer in zwei Teile, die auch hier „ Stücke “hieſsen und von denen Quantz den Namen „ Stückofen “ableitet. Das eine Stück kommt sogleich in das Löschfeuer, um es warm zu halten, während das andere in kleine Teile zerschroten wird. Zu dieser Arbeit sind acht Arbeiter erforderlich. Währenddem macht der Schmelzer den Ofen wieder zu, giebt dann im Anfang nur Kohlen auf, dann wieder abwechselnd Erz und Kohlengichten, bis er nach der 15. die Schlacke laufen läſst u. s. w., wie oben beschrieben. Gewöhnlich wurde der Ofen am Sonntag mit Kohlen gefüllt, am Montag die Bälge angelassen und am Samstagmorgen ausgeblasen. So geschah es im vorigen Jahrhundert. Früher aber ward der Ofen jedesmal ganz niedergeblasen und nach dem Ausziehen des „ Guſsstückes “die ganze Arbeit wieder von vorn angefangen. Man nannte dies die „ einfachen Güsse “, im Gegensatz zu den, bei der die ganze Woche fortgeführten Arbeit gewonnenen „ doppelten Güssen “.
Das Eigentümliche des schmalkaldischen Betriebes bestand aber darin, daſs man in denselben Öfen, wenn das Bedürfnis vorlag, auch Roheisen, sogenanntes „ Scheibeneisen “, schmolz und wurde dabei nach Quantz’ Angabe nichts geändert, als daſs man die Form 2 Zoll tiefer legte, so daſs dieselbe statt 14 Zoll nur 12 Zoll über dem Bodenstein lag und daſs man sie nicht in den Ofen hineinragen lieſs. Doch lag nicht hierin allein die Ursache der veränderten Wirkung, sondern in der Art und Weise, wie der Betrieb geführt wurde. Man setzte kleinere Erzgichten, blies schärfer, indem man die Bälge rascher wechseln lieſs, und stach die Schlacken nicht ab oder nur soweit es176Stücköfen.dringend nötig war, so daſs das Eisen immer durch eine Schlacken - decke vor der entkohlenden Wirkung des Windes geschützt war.
Hier haben wir also den unmittelbaren Übergang des Stück - ofenbetriebes zum Hochofenbetrieb, und in der That sind im Schmalkaldischen die „ Blauöfen “, niedrige Hochöfen mit geschlossener Brust, unmittelbar aus den Stücköfen entstanden.
Fassen wir den Stückofenbetrieb als Schmelzprozeſs ins Auge, so unterscheidet sich derselbe von dem Herdofenbetriebe wesentlich dadurch, daſs der ganze Prozeſs im Inneren des Ofens verläuft und der Arbeiter hierbei durch sein Eingreifen, sein Nachhelfen mit der Brechstange u. s. w. diesen nicht befördern kann. Dagegen hat er mit der Rennarbeit das gemein, daſs der Betrieb ein unterbrochener ist und unmittelbar eine schmiedbare Luppe erzielt wird. Während aber bei den Rennfeuern Reduktion, Kohlung, Schmelzung und Ent - kohlung fast gleichzeitig und in einem örtlich eng umschlossenen Raume vor sich gehen, findet dies im Stückofen in zeitlicher und örtlicher Aufeinanderfolge statt, indem die Reduktion sich in dem erweiterten Ofenraume oberhalb der Form vollzieht, während die Schmelzung und Entkohlung vor der Form geschehen.
Vom Hochofenbetrieb unterscheidet sich der Stückofenbetrieb aber wesentlich dadurch, daſs die Kohlung eine unvollständige bleibt, daſs das Erz reduziert, aber nur wenig gekohlt vor die Form gelangt und hier noch durch die Einwirkung des Windes des etwaigen Über - schusses an Kohle beraubt wird. Deshalb setzt man die Eisenmasse möglichst unmittelbar der Einwirkung des Windes aus, indem man die Schlacke fortwährend ablaufen läſst und der Form meistens eine Neigung nach dem Ofeninneren zu giebt. Daſs bei einem solchen Schmelzprozeſs die Schlacke sehr eisenreich ausfallen muſs, so daſs sie mehr einer Frisch - wie einer Hochofenschlacke gleicht, ist ein - leuchtend, denn einerseits ist die Reduktion oberhalb der Form keine vollkommene, so daſs die vorhandene Kieselsäure noch reichlich Eisen - oxydul vorfindet, anderseits wirkt der Wind, der meist durch eine nach unten geneigte Form eingeführt wird, frischend auf das Eisen im Gestell ein, wobei eine weitere Menge Eisenoxydul in die Schlacke übergeführt wird. Die abgestochene Schlacke ist höchstens ein Sin - gulosilikat, welches 53 bis 54 Proz. Eisen - und Manganoxydul enthält1)Siehe Bd. I, S. 825.. Dies Eisenoxydul in der Schlacke wirkt wie beim Frischprozeſs ent - kohlend auf das Eisen. Dabei hat die Schlacke einen niedrigen177Stücköfen.Schmelzpunkt, weshalb die Form fast immer dunkel geht und häufig gereinigt werden muſs. So wird also bei dem Stückofenbetriebe nur ein Teil des Eisens aus den Erzen als metallische Masse abgeschieden und ist der Schmelzverlust demnach ein sehr hoher. Nur reiche, leichtschmelzige Erze lassen sich überhaupt so behandeln, bei armen Erzen würde fast alles Eisen in die Schlacken gehen, das wenige Eisen selbst aber, da es durch das Übermaſs an Schlacke der Ein - wirkung des Windes entzogen würde, als Roheisen sich abscheiden. Auch bei richtig geführtem Betriebe ging doch immer etwa die Hälfte des in den Erzen enthaltenen Eisens in die Schlacke. Es kann dies nicht als ein Fehler angesehen werden, sondern der Prozeſs erforderte eine so eisenreiche Schlacke. Natürlich wurde er dadurch sehr un - ökonomisch. Wenn er sich trotzdem, auch nachdem der Hochofen - prozeſs erfunden war, in wichtigen eisenerzeugenden Gebieten so lange erhalten hat, so liegt dies daran, daſs bei verhältnismäſsig geringen Anlagekosten und einfacher Arbeit ein Eisen von ganz vorzüglicher Güte erzeugt wurde. Dies ist natürlich, weil erstens Reduktion und Schmelzung bei möglichst niedriger Temperatur erfolgen, wobei die schädlichen Verunreinigungen des Eisens, besonders die Phosphorsäure, noch nicht zu Phosphor reduziert und in das Eisen übergeführt werden und weil zweitens die nachträgliche Einwirkung des Windes und der Eisenoxydulschlacke im Herde eine weitere Reinigung bewirkt. Daſs das Produkt, welches bei dem Stückofenbetriebe erhalten wird, in sich nicht gleichförmig ist, daſs bei geringen Abweichungen in der Beschaffenheit der Erze, ihrem Eisengehalt, ihrer Schmelzbarkeit u. s. w. bei jeder Schmelzung eine andere Qualität fällt, ist einleuchtend. Es kann ebensogut ein ganz weiches, wie ein ganz hartes, stahlartiges Eisen im Stückofen erzeugt werden.
In der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hatten die Stücköfen eine groſse Verbreitung. In ihnen und in den Rennherden wurde der weitaus gröſste Teil des benötigten Eisens dargestellt.
Obgleich die Einführung des Hochofenbetriebes und der dadurch bedingte Übergang von der direkten zu der indirekten Eisengewinnung ein so wichtiges Ereignis war, daſs es den bedeutsamsten AbschnittBeck, Geschichte des Eisens. 12178Blauöfen.in der ganzen Geschichte des Eisens bildet, so daſs man die Zeit vor der Einführung der Hochöfen als die alte Zeit, diejenige seit der - selben als die neue Zeit in der Geschichte der Eisenindustrie bezeichnen muſs, so ist dieser Übergang doch durchaus kein plötzlicher und gewaltsamer, sondern ein ganz allmählicher gewesen, der sich nicht als eine geniale Erfindung oder Entdeckung, sondern als praktische Erfahrung beim Stückofenbetriebe darstellte, welche wahrscheinlich nicht einmal an einem einzelnen Platze zuerst gemacht und von diesem aus verbreitet wurde, sondern sich überall, wo ausgedehnter Stück - ofenbetrieb geraume Zeit betrieben wurde, von selbst ergab.
Wie leicht dieser Übergang war, haben wir bereits bei der Schilderung des schmalkaldischen Blauofenbetriebes gesehen. Man konnte in demselben Ofen durch geringe Abänderungen der Wind - führung, des Erzsatzes und des Schlackenabstechens einmal eine Luppe schmiedbaren Eisens, das andere Mal flüssiges Roheisen erhalten. Führte man den Betrieb in letzterer Weise, so hatte man den Vorteil, daſs man immer fortblasen konnte, indem man nur in kurzen Zwischen - räumen die geschmolzene Masse Eisen und Schlacken aus dem Herde ablaufen lieſs. Man brauchte nicht den Betrieb zu unterbrechen, wie dies der Fall war, wenn man den Ofen als Stückofen auf Erzeugung einer schmiedbaren Luppe führte. Dieser charakteristische Unter - schied, daſs man fortblasen konnte, war auch die Veranlassung, daſs diese Art Öfen in Thüringen, wie auch in andern Gegenden Mittel - und Norddeutschlands, den Namen „ Blauöfen “erhielten, ein Name, der, wie wir bereits früher nachgewiesen haben, keineswegs von der blauen Farbe, sondern von der alten Bezeichnung „ Blaseöfen “, steierisch Plaaöfen, herzuleiten ist1)Siehe Bd. I, S. 816. Mit dem Ausdrucke Plaaofen wurden in Steiermark ursprünglich die Stücköfen im allgemeinen bezeichnet, ebenso waren die alten thüringischen Blauöfen Stücköfen, während später der Ausdruck Blauöfen in Deutschland denjenigen niedrigen Schachtöfen mit geschlossener Brust, in welchen flüssiges Roheisen aus den Erzen erzeugt wurde, beigelegt wurde. Diese Öfen waren aus den Stücköfen entstanden und wichen in ihren Dimensionen kaum von denselben ab. Konnte man doch in denselben Öfen den Betrieb in der einen und der andern Weise führen. Sobald man aber darauf ausging, flüssiges Roheisen zu erzeugen und Öfen nur für diesen Zweck erbaute, bediente man sich bei der Zustellung der Erfahrungen, die man bei den Stücköfen bereits gemacht hatte. Insbesondere machte179Blauöfen.man den Schmelzraum kleiner, legte die Form tiefer, 12 Zoll statt 14 Zoll, und verengerte den unteren Ofenraum. Dadurch erhielt man eine höhere Temperatur im Schmelzraum, infolgedessen auch eine höhere Temperatur über demselben, wodurch das Eisen vollstän - diger reduziert und gekohlt wurde, als dies beim Stückofen der Fall war. Indem man ferner den Wind nicht auf das Eisen im Herde einwirken lieſs, dadurch, daſs man der Form eine horizontale, meist sogar eine etwas nach aufwärts gerichtete Lage gab, und das ge - schmolzene Eisen immer mit Schlacke bedeckt hielt, erreichte man schon den Zweck, flüssiges Roheisen zu erhalten. Die Vorteile dieses Schmelzverfahrens lagen darin, daſs man ein besseres Ausbringen aus den Erzen und geringeren Kohlenverbrauch hatte. Das bessere Aus - bringen war dadurch bedingt, daſs bei der höheren Temperatur das Eisen vollständiger reduziert und die Erdbasen verschlackt wurden, wodurch weniger Eisenoxydul in die Schlacke übergeführt wurde. Der geringere Kohlenverbrauch wurde hauptsächlich dadurch herbeigeführt, daſs der Betrieb ununterbrochen fortging, während er beim Stückofen mit jedem neuen „ Guss “oder „ Wolf “von neuem begonnen werden muſste.
In allen übrigen Dingen hielt man sich dagegen fast ängstlich an die Erfahrungen, die man bei den alten Stücköfen gemacht hatte. Dies geschah namentlich bezüglich der Gestalt und der Gröſsenverhältnisse.
Man machte die Blauöfen ursprünglich nicht höher als die Stück - öfen, und hielt genau daran fest, daſs die gröſste Ofenweite in der Mitte, der Kohlensack also in der halben Höhe lag. Man behielt die Gestalt zweier, mit der Basis aufeinander gestellter abgestutzter Pyra - miden oder Kegel bei. Obgleich die Erhöhung der Öfen, namentlich die des Schachtes, sich schon früh als vorteilhaft erwiesen haben muſs, ging man doch nur sehr allmählich von den alten Maſsen ab. Die hohen, d. h. mehr als 18 Fuſs hohen Blau - und Floſsöfen gelangten erst im vorigen Jahrhundert zur Einführung. Sie verdrängten dann allerdings rasch die niedrigen Blauöfen, welche sich nur für die Verarbeitung der Bohr - und Drehspäne bei den Gewehrfabriken zu Suhl und Neustadt-Eberswalde bis in dieses Jahrhundert erhalten haben.
Die alten Blauöfen waren, wie erwähnt, nicht höher als die Stück - öfen. Ein Ofen von 14 Fuſs Höhe hatte folgende Hauptmaſse. Die Höhe vom Boden bis zum Kohlensacke war gleich der Höhe vom Kohlensacke bis zur Gicht, also gleich 7 Fuſs. Die Weite des Ofens an der Gicht betrug 2 Fuſs, im Kohlensacke 5 Fuſs und am Boden12*180Blauöfen.3 Fuſs. Bei den ältesten Öfen war das Untergestell viereckig. Der Bodenstein pflegte aus einem einzigen groſsen Stein zu bestehen. In Schmalkalden nahm man dazu eine Kieselbreccie. Der Bodenstein war 4 Fuſs lang, 3½ Fuſs breit, 1½ Fuſs dick und fiel nach dem Abstiche 2½ Zoll, nach der Form 1 Zoll. Unter dem Bodensteine lagen Kreuzkanäle von 1½ Fuſs Höhe, ähnlich wie bei den Stück - öfen. Die Öfen, welche aus Sandstein erbaut wurden, hatten ein Ar - beits - und ein Formgewölbe.
Wenn auch zwischen den deutschen Blauöfen, wie sie in Thüringen und am Harze gebräuchlich waren, und den Floſsöfen der österreichi -
Grundriſs.
Aufriſs von der Formseite.
schen Alpenländer ein wesentlicher Unterschied nicht bestand, so wollen wir doch eine jede Ofenart für sich behandeln.
Über die thüringischen Blauöfen hat Quantz die ausführlichste Auskunft gegeben. Ihre Konstruktion ist aus nebenstehenden Abbil - dungen, Fig. 57 bis 60, ersichtlich, ihre Maſse haben wir bereits bei dem schmalkaldischen Stückofenbetriebe mitgeteilt. Die Brust oder der „ Abstich “, wie Quantz sie bezeichnet, war ähnlich wie bei den Stücköfen, 2 Fuſs breit und 14 Zoll hoch. Sie wurde erst mit Kohlenstübbe zugestampft, später aber, wenn das Gestell erwärmt war, mit Sandsteinen zugesetzt und mit Lehm verschmiert. Diese Versetzsteine schlossen sich aber nur auf der einen Seite an die Herdwand an, auf der andern verblieb ein 3 Zoll breiter Spalt, der mit Lehm verwahrt wurde und als Stichöffnung zum Ablassen von Schlacken und Eisen diente.
181Blauöfen.Nachdem die Brust geschlossen war, wurde der Ofen zum Anheizen mit Kohlen gefüllt, und zwar schüttete man zunächst auf die Sohle des Herdes weiche Kohlen. War der Ofen bis zur halben Höhe gefüllt, so führte man durch die Form einige glühende Kohlen ein und blies diese mit dem Balge langsam an, bis man sich überzeugt hatte, daſs das Feuer um sich griff. Hierauf füllte man den Ofen vollends bis zur Gicht. Wenn dann nach drei bis vier Stunden die Kohlen völlig in Brand geraten und bereits etwas niedergebrannt waren, wurde zuerst ein Füllfaſs voll Kohlen und eine Schaufel voll
Aufriſs von der Stichseite.
Profil durch A B.
Eisenstein, welche zu - vor auf der Gichtplatte erwärmt worden waren, aufgegeben und das Ge - bläse angelassen.
So wie sich der Ofen mehr und mehr er - wärmte, wurde auch der Eisensteinsatz verstärkt und in demselben Verhältnis lieſs man auch die Bälge schneller wechseln. Ehe der Eisenstein aufgegeben wurde, stürzte man denselben auf die Gichtplatten, welche den erweiterten Trichter zur Gicht bildeten, um ihn vorzuwärmen, die Feuchtigkeit auszutreiben und schon die Röstung einzuleiten. Letzteres wurde auch durch ein hohes Aufgeben, d. h. ein hohes Aufhäufen des Erzes über der Gicht, erreicht. Beim Aufgeben wurden die groben Kohlen nach der Formseite hingezogen, um den Luftzug im Ofen zu unter - halten und den Eisenstein auf der Windseite niederzuschmelzen. Man gab überall sehr kleine Kohlengichten von 4 bis 5 Kubikfuſs, wovon bei regelmäſsigem Ofengange stündlich vier durchgesetzt wurden.
Besondere Zuschläge oder Flüsse wurden nicht gebraucht, man suchte vielmehr die richtige Schlackenbildung in bezug auf Menge und Zusammensetzung durch entsprechende Gattierung der verschie -182Blauöfen.denen Eisensteinsorten zu erreichen. Hierbei war man bestrebt, nicht mehr Schlacke zu erzeugen, als für den Zweck nötig war, indem man dieselbe in der Regel nicht während dem Niederschmelzen, sondern mit dem Eisen zusammen abstach. Nach dem Füllen und Anblasen vergingen 12 bis 14 Stunden, bis man zum erstenmal das Stichloch mit dem Handstachel aufstieſs, und die aus Eisen und Schlacken bestehende Schmelzmasse in eine aus Stübbe und Sand hergestellte runde Grube vor dem Ofen laufen lieſs. Hatten sich im Ofen Ansätze, sogenannte „ Hurten “, gebildet, so wurde der Abstich weiter aufge - brochen und dieselben mit dem Rengel losgestoſsen und herausgeschafft. Das Abstichloch oder das Auge wurde dann in den ersten Tagen mit Gestübbe, später aber mit feuchtem Lehm zugestopft.
Die geschmolzene Masse in der Grube wurde mit Wasser besprengt, wodurch sich die Schlacke abschied, erstarrte und abgehoben werden konnte. Dies wurde zwei - bis dreimal je nach der Menge der Schlacken wiederholt.
Der Roheisenkuchen blieb so lange in der Grube liegen, bis seit dem Ablassen wieder vier Gichten aufgegeben waren, alsdann wurde er hervorgezogen und unter einer Wasserrinne abgekühlt. Dadurch wurde das Eisen abgeschreckt, wonach es sich leichter zerschlagen lieſs und die Schlacke leichter absprang. Auch lieſs sich das ab - geschreckte Eisen leichter im Löschherde verfrischen.
Dieses Eisen, welches die Form eines flachen Kuchens hatte, hieſs „ Scheibeneisen “. Dasſelbe pflegte im Löschherde zu Stahl verfrischt zu werden, sollte es aber zu Eisen gefrischt werden, was in Schmal - kalden nach der Kaltfrischmethode geschah, so lieſs man es in Leisten laufen und darin langsam erstarren. Man gewann es dann als so - genannte „ Gänse “oder „ Gänze “.
Das Roheisen der schmalkaldischen Blauöfen war dickgrell, des - halb zur Gieſserei nicht geeignet, um so mehr zur Stahlbereitung, und zwar pflegte man das Stückofeneisen mit dem Scheibeneisen hierfür zusammen zu verfrischen. Für Stabeisen arbeitete man auf „ blumige Flossen “, während man für die Stahlfeuer mehr Spiegelflossen zu erzeugen suchte. Wie sehr Stückofen und Blauofen verwandt waren, erweist sich auch daraus, daſs man, wenn man den Blauofen ausblasen wollte, zum Schlusse noch ein Stück darin herstellte. Dieses war eine Accidenz des Schmelzers. Zu dem Zwecke gab er vor dem Ausblasen noch soviel Eisenstein, als die Kohlen tragen konnten, auf, schmolz das Ganze nieder und brach dann die gebildete Luppe, welche mehrere Zentner schwer war, nachdem er die Ofenbrust eingestoſsen hatte,183Blauöfen.ganz wie beim Stückofen auf. Auch diese Luppe wurde im Lösch - feuer mit Scheibeneisen zu Stahl verfrischt.
Hieraus erkennt man auch, wodurch man überhaupt dazu kam, den Blauofenbetrieb von dem Stückofenbetriebe zu trennen.
Man bedurfte bei dieser Art der Stahlbereitung auſser dem Stück - eisen auch dickgrelles Roheisen. Dies bildete sich in den steierischen Stücköfen zwar nebenher als Graglach, allein man hatte es nicht in der Hand, die Menge desſelben zu bestimmen, und so erwies es sich als vorteilhafter, dieses flüssige Eisen in besondern Öfen oder durch besondere Schmelzungen für sich darzustellen.
War der Blauofen im richtigen Gange, so wurde nach je acht Sätzen, meistens alle 1½ bis 2 Stunden, abgestochen und dabei jedes - mal ein Kuchen von 1½ bis 2½ Zentner Eisengewicht erhalten.
Auf diese Weise verschmolz man in den hohen Blauöfen in 24 Stunden gewöhnlich 3 bis 3½ Fuder Eisensteine mit 3½ bis 4 Fuder Kohlen, und erhielt davon 30 bis 35 Zentner Roheisen. Man rechnete auf ein Fuder Stahlberger Eisenstein 10 Zentner, auf ein Fuder von der Mommel 9½ Zentner. Die kleinen Blauöfen arbeiteten weniger günstig. Bei dem 1½ fachen Kohlenaufwande lieferten sie im Tage nur 12 bis 15 Zentner Roheisen.
Anfangs fiel meistens Spiegeleisen, „ sperriges “(= spatiges) Eisen genannt; dies ging dann in ein strahliges Eisen von feinem, dichtem Korn, weiſsgrauer Farbe und glatter Oberfläche über. Dieses war das harte Eisen zur Stahlarbeit. Für das Kaltfrischen suchte man dagegen ein schnellfrischendes Eisen zu erblasen. Es war dies eine Art „ luckiger Floſs “, ganz weiſs, feinstrahlig, inwendig voller Löcher, die oft bunt angelaufen waren, die Oberfläche voller Blasen. Dieses kohlenstoffarme Roheisen ging rasch im Frischherde. Die Schlacke war weiſs, schaumig, bimssteinartig bei dem heiſsen Gange, sonst dicht, von bräunlicher Farbe, unmittelbar auf dem Eisen aber grün und glasig.
Die hohen Blauöfen, welche Hochöfen mit geschlossener Brust waren, in denen nur Roheisen und niemals schmiedbares Eisen her - gestellt wurde, kamen, wie oben erwähnt, erst im vorigen Jahrhundert in Schmalkalden zur Einführung und können deshalb auch hier noch nicht näher berücksichtigt werden.
Früher schon fanden dagegen ähnliche Öfen in den deutsch - österreichischen Alpenländern, und zwar zuerst in Kärnten, Eingang, wo man bereits im 16. Jahrhundert auf der Urtler Hütte vom Stück - ofen zum Hochofenbetriebe überging, oder richtiger gesagt, man baute Schachtöfen, in denen man nur flüssiges Eisen darstellte. Diese Öfen, welche, wie die Stücköfen, eine geschlossene Brust hatten, nannte man Floſsöfen. Die Stadt St. Veit besaſs den ersten derartigen Ofen. In einer alten Rechnung des dortigen Stadtarchives heiſst es1)Siehe Münichsdörfer a. a. O., S. 72.:
„ Kurz nach Publizierung der Bergordnung im Jahre 1567 wurde der Stadt St. Veit ein förmliches kaiserliches Privilegium und Kon - zessionsbrief für einen Floſsofen in Urtl gegeben, und zu den der Stadt gehörigen Hämmern zu St. Salvator wurden im Jahre 1580 nur Flossen vom Urtlerofen zugeführt. “ Diese Erfindung stammte aus Deutschland, was daraus klar hervorgeht, daſs man diese neuen Öfen „ deutsche Floſsöfen “nannte. Sie waren keine einheimische Er - findung, hatten sich nicht organisch aus den Stücköfen entwickelt, sondern wurden als etwas Fremdes aus der Fremde eingeführt.
Münichsdörfer teilt folgendes über dieselben mit: „ Die ersten Floſsöfen in Kärnten hatten rechteckigen Querschnitt, erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging man auf runden Querschnitt über; erstere mit rechteckigem Querschnitte nannte man die deut - schen Floſsöfen, letztere mit rundem, weil zuerst in Steiermark in Ausführung gebracht, die steierischen oder innerberger Floſsöfen. —
Der reichen Stadt St. Veit waren die Mittel zum Baue eines Floſsofens in Urtl gegeben. Die Floſsöfen waren 12 bis 14 Fuſs hoch, es wurde mit einer Form geblasen und der Wind in Spitzbälgen er - zeugt. Man unterschied auch hier, wie bei den Stucköfen die Brust -, Wasser -, Wind - und Eſseisenseite. Der Querschnitt der Öfen war, wie erwähnt, zuerst rechteckig, die Form des inneren Raumes gleich zwei übereinander gestellten Pyramiden mit dem Kohlensacke in der Mitte; Weite des Kohlensackes nur 3 Fuſs, der Gicht 17 bis 18 Zoll; Weite des Eisenherdes am Boden von der Brust - zur Wasserseite 18 Zoll, von der Wind - zur Eſseisenseite 34 Zoll, die Formhöhe über dem Boden 13 Zoll. Die Öfen waren aus einem feuerbeständigen, granitischen Gesteine aufgeführt.
185Floſsöfen.In einem Jahre führte man meist nur zwei Kampagnen ab, und es betrugen die Jahreserzeugungen eines solchen Floſsofens im Anfange 5000 bis 6000 Zentner Flossen, das Stück nahe bei 5 Zentner Gewicht. Man stach die Flossen in Masseln oder Gänzen von 4 Fuſs Länge, 1 Fuſs Breite und 4 Zoll Dicke. In 24 Stunden wurden sieben bis acht Stücke solcher Flossen erzeugt mit einem Kohlenaufwande von 22 bis 26 Schaff à 15,5 Kubikfuſs pro Meiler Roheisen. Drei Stück Flossen wurden ein Zug genannt. “ Dies kam jedenfalls daher, daſs man je drei Abstiche der Gänze mit dem Haspelwerke herauszog. Um Stahl zu machen, lieſs man das dafür erblasene Roheisen in eine vor dem Ofen aus Stübbe hergerichtete Grube, ähnlich wie beim Kupferschmelzen, laufen und begoſs sie, nachdem sich Eisen und Schlacke gut abgeschieden hatten, mit Wasser, zog erst die Schlacke ab und goſs dann von neuem Wasser auf. Die dünne eiserne Scheibe, die durch die Abkühlung entstand, hob man ab und goſs wieder Wasser auf, so fuhr man fort, bis man 20 bis 25 „ Blatteln “abgehoben hatte. Diese wurden dann geröstet und zu Stahl verfrischt.
So wichtige Vorteile diese Erfindung der Roheisendarstellung brachte, so ist doch sehr bemerkenswert, daſs diese neue Methode der Erzschmelzung nur sehr langsam Eingang in den eisenerzeugen - den Ländern Österreichs fand, daſs viemehr der Stückofenbetrieb noch zwei Jahrhunderte lang herrschend blieb. Viel trug dazu die zunftmäſsige Gewöhnung der Arbeiter, die jeder Neuerung abhold war, bei. Denn als die Stadt St. Veit, die Vorteile des kontinuierlichen Betriebes einsehend, im Jahre 1606 auch in Hüttenberg einen Floſs - ofen erbauen wollte, erhoben sich alle Radgewerke von Mosing, Hüttenberg und Lölling und die Eisenhändler von Althofen wie ein Mann gegen die Konzession und schilderten in einem Protokolle das Elend, die „ Verderbnis “, welches durch Erbauung eines zweiten Floſs - ofens über die Märkte Hüttenbergs und Althofens hereinbrechen müſste. Der Gewerke Urban Latacher wurde in der Gewerken - versammlung in dieser Angelegenheit als Schreiber erwählt, und ihm 20 Thaler hierfür zugebilligt. Er erhielt den Auftrag, sich zur nieder - österreichischen Regierung nach Gratz zu begeben, um mündlich und schriftlich gegen die Erbauung des Floſsofens zu protestieren. Für die Reise erhielt Latacher 10 Dukaten und Vergütung der Reise - kosten.
Wirklich erwirkten die Gewerken die Hintertreibung des Baues, allein man riet ihnen, in Hüttenberg in Gemeinschaft einen Unions - ofen zu erbauen, was im Jahre 1606 in der Gewerkenversammlung186Hochöfen.zwar zum Beschlusse erhoben, aber aus Uneinigkeit der einzelnen Gewerken auch nur auf dem Papiere verblieb. Ein Gewerke wollte an dem zu erbauenden Floſsofen mehr Anteile erlangen als der zweite; Karl Vellner zu Treibach verlangte sogar die Hälfte. Als man dies Begehren abwies, erbaute er im Jahre 1606 in Treibach auf eigene Rechnung, ungeachtet des Verbotes seitens des Vizedomes und Berg - richters ohne Konzession einen Floſsofen, den zweiten in Kärnten. In einem Zeitraume von etwa 100 Jahren entstanden nur vier der - artige Öfen: um 1580 der zu Urtl, 1606 die Floſsöfen in der Heft und zu Treibach und 1650 der zu Gilligstein bei Eberstein.
Der wichtigste Fortschritt der Eisenindustrie, welcher den Ab - schluſs der alten und den Übergang der neuen Geschichte bildet, war die Einführung der Hochöfen. Sie fällt bereits in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts1)Siehe Bd. I, S. 96.. Aber diese Verbesserung, die zuerst im Rheingebiet Eingang gefunden zu haben scheint, verbreitete sich äuſserst langsam, so daſs dieselbe noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Westdeutschland und Ostfrankreich beschränkt blieb. Agricola berichtet uns nichts über Hochöfen, denn weder in Sachsen, noch in Böhmen, Schlesien oder Österreich waren dieselben bekannt geworden und augenscheinlich hatte der gelehrte Metallurg nie einen solchen Ofen selbst gesehen. Auch Biringuccio geht nicht näher auf dieselben ein, doch hatte er Kenntnis von ihnen und werden wir das wenige, was er darüber sagt, nachher mitteilen.
Zuvor ist es nötig, das Wesen des Fortschrittes, der in der Ein - führung des Hochofenbetriebes lag, sowie den Unterschied der Hoch - öfen von den seither beschriebenen Ofenarten zu beleuchten. Der Übergang zum Hochofenbetrieb war bedingt durch die stärkere und gleichmäſsigere Windzufuhr, und diese ergab sich von selbst, sowie man angefangen hatte, die Wasserkraft für die Bewegung der Blase - bälge in Anspruch zu nehmen. In den alten Windöfen, Waldschmieden und Bauernöfen, deren Bälge gezogen oder getreten wurden, konnte187Hochöfen.man nur eine armselige Produktion erzielen; dies wurde anders, als man die Plahäuser, Hütten - und Hammerwerke in die Thäler ver - legte und Bäche und Flüsse die Räder treiben lieſs, welche die Bälge in Bewegung setzten. Dadurch konnte man in den Zerennherden und noch mehr in den Stücköfen gröſsere Eisenmassen auf einmal schmelzen, als dies früher der Fall war. Man lernte die Stücköfen höher und weiter zu bauen und gröſsere Mengen von Erz auf einmal einzuschmelzen. Trotzdem blieb die ganze Eisengewinnung nur eine beschränkte, denn man konnte in den genannten Öfen nur reichhaltige und leichtschmelzige Erze verhütten. Für den Rennwerksbetrieb waren nur die leicht reduzierbarsten Erze zu verwenden, denn hierbei muſste sich ja Reduktion und Schmelzung fast in demselben Punkte, in dem engbegrenzten Verbrennungsraum vor der Form, vollziehen. Im Stückofen war dies etwas besser, indem die Erze länger im Ofen verweilten und dadurch besser vorgewärmt wurden, und Reduktion und Schmelzung räumlich und zeitlich mehr getrennt waren. Da man aber auch hier die Temperatur niedrig führen muſste, um den Zweck zu erreichen, indem bei gesteigerter Temperatur sofort die Qualität und das Ausbringen des Eisens ungünstig beeinfluſst wurden, so konnte man auch für diesen Prozeſs nur reiche, reine und gut - artige Erze verwenden. Solche Erze bilden aber nur den kleinsten Teil der vielen und mächtigen Eisenerzablagerungen, die überall auf der Erde verbreitet sind. Um schwerer schmelzbare Erze mit Vor - teil zugute machen zu können, muſste der Hochofenprozeſs erfunden werden.
Der Stückofenbetrieb führte von selbst darauf hin. Wir haben bereits gesehen, wie leicht sich der Übergang vom Stückofen zum Blauofen und zum Floſsofen vollzog. Man hätte bei diesen letzt - genannten Ofenarten stehen bleiben können, wie dies auch in manchen Gegenden geschah, aber auch in diesen lieſsen sich nur bessere und reiche Erze mit Vorteil verhütten. Waren die Erze arm, so fielen zu viel Schlacken, waren sie strengflüssig, so ge - langten sie unreduziert vor die Form und ein groſser Teil des Eisens ging in die Schlacken. Bei dem Stückofenbetrieb muſste man nach Einführung des Wasserradbetriebes die Erfahrung machen, daſs, wenn man den Wind verstärkte, dadurch, daſs man gröſsere Bälge verwendete oder die Bälge rascher wechseln lieſs, der gröſste Teil des Eisens in flüssiger Form abgeschieden wurde. Dies war für den Zweck dieses Betriebes nicht erwünscht, denn das Stück wurde dadurch kleiner und wuchs nicht zusammen, es „ stockte “nicht. 188Hochöfen.Seitdem man aber gelernt hatte, den „ Graglach “, das geflossene Eisen, für sich oder mit dem Stückeisen zusammen zu verfrischen, war man längst von der Meinung abgekommen, dieses geflossene Eisen als etwas Unnützes anzusehen. Im Gegenteil muſste man bald zur Erkenntnis kommen, daſs es für manche Erze vorteilhafter war, dieselben nur auf flüssiges Eisen zu verschmelzen und dieses nachher zu weichem Eisen oder zu Stahl zu verfrischen, als direkt Schmiede - eisen zu erzeugen. Man wurde auch schon bei dem Stückofen - betrieb darauf hingeführt, daſs dies um so rascher und vollkommener geschah, je enger man den Ofen vor der Form und je weiter und höher man den Schacht machte. Durch ersteres wurde die Schmelz - temperatnr im Herde erhöht, durch letzteres die Reduktion und Koh - lung des Eisens befördert, weil die Erze viel länger im Ofen ver - weilten, wodurch genügende Zeit zur vollständigen Reduktion und Kohlung geboten wurde. Auch konnten sich bei der höheren Schmelz - temperatur diejenigen Bestandteile der Erze, welche deren Streng - flüssigkeit bedingten, verschlacken oder reduzieren.
Aber hierbei entstand eine andere Schwierigkeit. Dadurch, daſs man den unteren Ofenraum zusammengezogen hatte, um die Schmelzhitze in demselben zu steigern, hatte man keinen Platz mehr, das Eisen und die Schlacke in den engen Tiegel zu fassen.
Man hätte also fortwährend in ganz kurzen Zwischenräumen ab - stechen müssen, um so öfter, je kräftiger geblasen wurde, je besser die Schmelzung verlief. Dies hätte aber nicht ohne Unterbrechung der Schmelzung und Abkühlung des Ofens geschehen können. So muſste man daran denken, den Sammelraum für das flüssige Eisen gröſser zu machen, und dies erreicht man dadurch, daſs man den Tiegelofen in einen Sumpfofen umwandelte, d. h. daſs man den Raum unterhalb der Form derart erweiterte, daſs er bis vor den Ofen vorragte. Hierdurch entstand der Hochofen, dessen charakte - ristischstes Merkmal in früherer Zeit die offene Brust war. Die offene Brust war aber noch durch einen andern Umstand be - dingt. Je unreinere und schwerschmelzigere Erze man verhüttete, je leichter bildeten sich feste Ansätze und Verunreinigungen im Ge - stell. Um diese entfernen zu können, muſste man mit Brechstangen im Gestell arbeiten können, und dies war nur möglich bei der offenen Ofenbrust. Dadurch, daſs der untere Teil des erweiterten Gestelles, der „ Herd “oder „ Eisenkasten “, bis vor die Ofenwand verlängert wurde, entstand der dem Hochofen eigentümliche Vorherd, durch welchen man zum Inneren des Ofens gelangen konnte, der aber189Hochöfen.während dem Schmelzen sorgfältig mit Kohlenstübbe geschlossen ge - halten wurde, um die Abkühlung des Herdes möglichst zu vermeiden.
Den Namen Hochöfen oder Hohöfen bekamen aber diese Öfen nicht von diesen wichtigen, inneren Änderungen, sondern von der mehr ins Auge fallenden Erscheinung, daſs sie höher aufgeführt wurden, als die alten Stücköfen. Freilich waren diese Hochöfen im Vergleich mit unsern heutigen Riesenöfen armselige Bauwerke. Die ganze Er - höhung gegen die Stücköfen betrug 5 bis 6 Fuſs, so daſs die Hoch - öfen des 16. Jahrhunderts meist nur eine Höhe von 16 bis 18 Fuſs hatten. Die Erhöhung war veranlaſst durch die notwendige Ver - gröſserung des Schachtraumes. Diese und die gleichzeitige Ver - engerung des Gestelles gab die Veranlassung zu einem neuen Ofen - teil, der „ Rast “, welche die Verbindung zwischen Ofenschacht und Gestell bildete. Leider giebt es keine Abbildungen von Hochöfen aus dem 16. Jahrhundert. Um dem Leser eine Vorstellung eines
Hochofens aus früherer Zeit und seiner einzelnen Teile geben zu können, müssen wir uns mit der Darstellung eines Holzkohlen - hochofens aus dem vorigen Jahrhundert begnügen.
Der eigentliche Schmelzofen steht in einem massiven Rauh - gemäuer von Bruchsteinen oder Backsteinen. In diesem Rauhgemäuer (A A, Fig. 61) sind unten zwei Gewölbe ausgespart, welche den Zu - gang zu dem Schmelzofen gestatten. Das vordere (B B, Fig. 61, und 62, 63 a. f. S.), welches meist das gröſsere ist, heiſst das „ Arbeits - gewölbe “, und diese Ofenseite, die Brust - oder Stichseite, weil hier190Hochöfen.der Zugang zu dem Ofeninneren ist, hier also Eisen und Schlacken abgelassen und von hier aus das Gestell gereinigt wird. Die gegen - überliegende Seite heiſst die Hinter - oder Rückseite. Die Seite, auf welcher sich die Blasebälge befinden und der Wind durch die Form in den Ofen tritt, heiſst die Form - oder Blaseseite, die gegenüber - liegende Seite, gegen welche der Windstrom der Blasebälge gerichtet ist, die Windseite. Das Ofeninnere wurde aus möglichst feuerfestem Material hergestellt. Namentlich muſste man für den unteren Teil des Ofens, den eigentlichen Schmelzraum, gute, feuerbeständige Steine wählen. Die drei Haupträume des Ofeninneren sind der Schacht E P (Fig. 62, 63), die Rast K P und das Gestell K. Der Schacht nimmt den oberen, gröſsten Raum ein; er erweitert sich von seiner oberen
Öffnung, der „ Gicht “E, bis zu der unteren Öffnung P, dem „ Kohlen - sack “. Der Kohlensack bildet meistens nur eine Fläche, wie in unserer Abbildung, zuweilen aber sind an dieser weitesten Stelle des Ofens die Wände ein kurzes Stück senkrecht geführt, so daſs ein cylindri - sches Zwischenstück entsteht, wovon wohl die Bezeichnung Kohlensack herrührt. Vom Kohlensack bis zum oberen Rande des Gestelles ist der Ofen zusammengezogen (I I K) und dieser trichterförmige Ofenteil heiſst die „ Rast “, der untere, engste Ofenteil, welcher den eigent - lichen Schmelzraum bildet, das „ Gestell “. In dieses mündet die Wind - form M (Fig. 62) etwa in halber Höhe ein. Den Raum über den Formen nennt man das Obergestell, den unter denselben das Unter -191Hochöfen.gestell. Das Untergestell erweitert sich über die Vorderwand hinaus zum Herd oder Eisenkasten c (Fig. 63), dem Sammelraum für die ge - schmolzene Masse. Der aus dem Ofen hervorragende Teil des Herdes heiſst der Vorherd. Der über demselben befindliche Stein, welcher die Vorderwand über dem Herd abschlieſst, heiſst der Tümpelstein I (Fig. 63). Er wurde meist noch an seiner vorderen Unterkante durch ein starkes Eisen, das Tümpeleisen i, geschützt. Tümpelstein und Tümpel - eisen bilden zusammen den Tümpel, der besonders viel auszuhalten hat, sowohl durch Hitze und Abkühlung als durch das Arbeiten im Gestell. Nach vorn ist der Herd durch einen groſsen, vorgesetzten Stein F (Fig. 63) abgeschlossen, welcher der Wallstein oder der Damm heiſst. In demselben ist entweder an der einen unteren Seite die Rinne ein - gehauen, welche das Stichloch oder den Abstich bildet, welcher mit Lehm geschlossen gehalten wird, den man durchstöſst, wenn man
das flüssige Eisen abzapfen, „ abstechen “will, oder er schlieſst überhaupt nur auf der einen Seite fest an die Ofenwand an, während auf der andern ein Schlitz bleibt, der mit Lehm zugestopft wurde und in dem man den Abstich anbrachte. An den Wallstein lehnt sich auf der dem Stich entgegengesetzten Seite die Schlackentrift an, über welche die über den Wall flieſsenden Schlacken abgelassen werden. Wie erwähnt, muſs der untere Teil des Ofens aus besonders feuerfestem Material hergestellt sein; wählt man hierzu Steine, so nennt man dies eine Steinzustellung, stampft man das Gestell aus feuerfestem Thon, dem grober Quarzsand eingemengt wird, auf, so heiſst dies eine Massenzustellung. Letztere war da gebräuchlich, wo feuerfeste Steine nicht zu haben waren. Die alten Steingestelle hatten in der Regel viereckigen Querschnitt, während man die Massengestelle meist rund machte.
Ein Steingestell späterer Zeit ist in Fig. 64 dargestellt; a a ist der Bodenstein, welcher die Sohle des Herdes bildet. Derselbe ist bei gröſseren Hochöfen aus mehreren genau abgepaſsten Steinen zusammen - gesetzt. Unter dem Bodenstein befindet sich eine Schicht Sand oder192Hochöfen.gestampfter Lehm, darunter eine eiserne Platte o o, welche die Kreuz - Abzüchte n n, die zur Ableitung der Bodenfeuchtigkeit im Fundament ausgespart sind, bedecken. d ist der Wallstein, ihm gegenüber be - findet sich der Rückstein c, zu beiden Seiten die Backensteine b b. c ist der Tümpelstein mit dem Tümpeleisen f und dem Tümpel - blech g. Die Steine h i, in denen die Formlöcher ausgespart sind, heiſsen die Formsteine. Die alten Hochöfen hatten nur ein Formloch und zwar meistens in der Ofenseite rechts vom Formgewölbe.
Die gröſsten Schachtöfen zum Schmelzen der Eisenerze, welche Biringuccio erwähnt, waren 7 bis 8 Ellen, also etwa 4,20 bis 4,80 m, hoch. Sie waren am Boden 1,20, im Kohlensack 1,50 m weit und scheinen demnach eher Stücköfen als Hochöfen gewesen zu sein1)Siehe oben S. 155.. Doch waren auch die letzteren im 16. Jahrhundert nicht höher. Tölle und Gärtner berichten, daſs die ältesten Hochöfen im Harz etwa 16 bis 18 Fuſs hoch gewesen seien. Sie waren vier - eckig, hatten aber eine kreisrunde Gicht von 2 Fuſs 6 Zoll Durch - messer; der Schacht war 13 Fuſs hoch, dagegen das Gestell auſser - ordentlich eng. Es war vor der Form nur 10 Zoll weit, oben 12 Zoll und 36 bis 40 Zoll hoch. Die Blasezeit war 25 Wochen, die aber meist nicht erreicht wurde. Das Rauhmauerwerk war 5 Fuſs 10 Zoll im Quadrat. Die beste Beschreibung eines Hochofens und seines Betriebes aus jener Zeit ist noch diejenige, welche in dem Gedicht des Bourbon enthalten ist.
Danach war der Ofen von Vandeuvre, dessen starke Blasebälge aus Ochsenhaut, durch ein Wasserrad, welches die Wasser des Flusses Barsa umtrieben, von quadratischer Form massiv von Natursteinen aufgeführt, das Rauhgemäuer aus gewöhnlichen Steinen, das innere „ Ofenfutter “aus einem sehr harten Sandstein, der besonders feuer - beständig war. Der Wind trat durch die hintere Seite in den Ofen, so daſs die Formseite der Arbeitsseite entgegengesetzt war, wie dies auch bei den alten Stücköfen des Agricola und Biringuccio (Fig. 50, 51, a. S. 155, 157) der Fall war. Der Schmelzer sticht das „ Guſs - eisen “auf der Vorderseite des Ofens ab und entfernt die Schlacken mit eisernen Haken. „ Da strömen feurige Eisenbäche aus dem Ofen; das geschmolzene Metall flieſst unter zischendem Geräusche, Flammen - wirbel und Rauch ausstoſsend, welcher bis zu den Gestirnen sich zu erheben scheint. “ Der Betrieb war ein kontinuierlicher und dauerte eine Hüttenreise, zwei Monate. Den Ofen bediente der Schmelzer,193Hochöfen.der die Stärke des Windes regelte, die Bälge im Stand hielt, die Schlacken entfernte und das Eisen abstach. Auf der Gicht befand sich der Aufgeber, der in regelmäſsigem Wechsel Erz und Kohlen aufgab. Dann waren noch Former bei dem Ofen beschäftigt, welche die Guſsformen aus Lehm herstellten. Über Konstruktion und Maſs - verhältnisse aber giebt uns das Gedicht keinen Aufschluſs.
Lange vor dieser Zeit waren schon Hochöfen im Siegerland im Betriebe gewesen1)Siehe Bd. I, S. 964.. Dort wurden bereits im Jahre 1443 gesetzliche Bestimmungen erlassen, um das Wasserrecht zwischen den Schmelz - werken und Mühlen, sowie den Eisenhütten untereinander zu ordnen. Zahlreiche Eisenhütten waren damals in der Grafschaft Nassau-Siegen entstanden und dadurch, daſs sie ununterbrochen Tag und Nacht viele Wochen hindurch mit starken Bälgen bliesen, beeinträchtigten sie den Betrieb der Getreidemühlen, weshalb am 21. Juli 1443 diese wichtige „ Verordnung “erlassen wurde, die ein „ Weistum “genannt wird, „ wie es mit dem Schmelzen und Mahlen zu halten, wenn zwei Hütten oder Mühlen in einen Graben gehen “.
Es wird darin bestimmt, daſs, wenn bei kleinem Wasser das - selbe unzureichend sei, beide Werke zu treiben, die Besitzer darum losen sollten, wem das Vorrecht gebühre. — Der Erlaſs eines solchen Gesetzes läſst darauf schlieſsen, daſs solche Streitfälle oft vorkamen, daſs zahlreiche Hütten im Betriebe standen und daſs diese keine neuen Anlagen sein konnten, geht sowohl daraus hervor, daſs die Verordnung ein „ Weistum “, d. h. eine schon seit langer Zeit anerkannte Rechtsgewohnheit war, als auch, daſs den ur - alten und für das tägliche Brot unentbehrlichen Getreidemühlen keine Vorrechte vor den Schmelzhütten eingeräumt wurden. Eine so groſse Wichtigkeit hatten letztere schon in jener Zeit für das Siegerland. Ihre groſse Anzahl wird bestätigt durch die nassau-siegenschen Renteirechnungen vom Jahre 1444, worin bereits 29 „ Blasehütten “aufgeführt werden2)Siehe J. Ph. Becher: Mineralogische Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande nebst einer Geschichte des Siegenschen Hütten - und Hammerwesens, Marburg 1789.. Darunter werden namentlich folgende genannt: vier Hütten auf der Eisern, zwei auf der Gosenbach, die Hütte des Tilmann Fick (jetzt der Ort Fickenhütten), eine bei Caan und eine unterm Hain, beide am Weiſsbach gelegen, ferner die Blashütten bei Dreisbach, Osthelden, Niederndorf, Freudenberg, Weidenau, auf der Ubach und auf der Allenbach, welche als die „ neue Hütte “bezeichnet wird. Diese Blasehütten waren Hochofenwerke und keine Stückhütten. Beck, Geschichte des Eisens. 13194Hochöfen.Dies geht unter anderm auch daraus hervor, daſs Blasehütten und Hammerhütten ganz getrennt waren. In ersteren wurden die Erze zu Masseleisen verschmolzen, in den letzteren wurde das Masseleisen zu Stabeisen oder Stahl verfrischt. Freilich war ihr Betrieb noch höchst einfach und unvollkommen. Die Hüttenreisen dauerten nicht länger als drei bis vier Wochen und der Aufwand an Kohlen und Eisenstein war ein sehr groſser. Immer neue Werke kamen hinzu und die alten dehnten ihren Betrieb aus, so daſs um das Jahr 1500 bereits Schwierigkeiten entstanden, sowohl wegen des Wassers als wegen des Holzes und es muſsten weitere gesetzliche Beschränkungen eingeführt werden. Dies geschah durch die „ Kurbriefe “, welche vor allem darauf hinzielten, die Produktion der Hütten in ein bestimmtes Verhältnis zu dem Erträgnis der Waldungen zu bringen.
Die Kurbriefe waren „ die Gesetze der Massenbläser und Hammer - schmiede “, deren wichtigste Bestimmungen diejenigen über die be - schränkte Hütten - und Hammerzeit waren. Den ersten und deshalb für uns wichtigsten, vollständigen Kurbrief erteilte im Jahre 1516 Graf Johann1)Siehe Becher a. a. O., S. 516.. Aber dieses Gesetz, „ nach dem Hütten und Hämmer künftig betrieben werden sollten “, war kein neuer Entwurf, sondern eine Zusammenstellung von älteren landesherrlichen Verordnungen, von Schlüssen und Übereinkünften der Massenbläser und Hammer - schmiede unter sich und von altem „ undenklichem Herkommen, das ihnen mehr wie schriftliche Gesetze, das ihnen ein Heiligtum war “. Der Kurbrief entstand auf das Gesuch der Massenbläser und Hammer - schmiede, welche darin „ die uralte Massenbläser - und Hammer - schmiedezunft “genannt werden, die alten Ordnungen mit einigen neuen, ihr Handwerk betreffenden Artikeln, die sie überreichten, in ein Ganzes zu bringen und dafür die obrigkeitliche Bestätigung zu erteilen. Es war darin insbesondere bestimmt, daſs eine Massen - hütte oder Blashütte im Jahre nur zwölf Wochen und nicht länger, die Woche zu sechs Tagen gerechnet, betrieben werden sollte. Und weil das Anheben der Massenhütten auf den Tag des heiligen Kreuzes den Massenbläsern ungelegen, ja schädlich wäre, weil sie dadurch gegen Pfingsten ablassen müſsten, so sollten künftig die Hütten gleich nach Ostern anheben und die Reise bis Pfingsten dauern, so daſs jede Hütte in dieser Periode sechs Wochen blasen könnte, ohne daſs ein Hammer sie behindern dürfe. Von Pfingsten bis Michaelis ver - hielt es sich dann umgekehrt und hatten die Hämmer in diesem195Hochöfen.Zeitraume das Vorrecht auf dem Wasser und die Hütten durften ihnen davon nichts entziehen, wenn solches nicht überflüssig war. — Von Michaelis bis Weihnachten erhielten dagegen die Hütten dieses Vorrecht, welches dann wieder an die Eisenhämmer oder Hammer - hütten überging. Es sollte indes jedem unbenommen sein, bei vollem Wasser mehr wie sechs Wochen, auch die zwölf Wochen hinterein - ander „ in einer Reise “zu blasen, jedoch — „ auf sein Ebenteuer “, d. h. auf seine Gefahr und Wagnis und mit dem Beding, daſs kein Hammer auf irgend eine Art behindert werde. Keinenfalls sollte aber eine Hütte länger als zwölf Wochen im Jahre blasen und eine jede, die hiergegen handle, von jedem Tag, den sie zuviel blies, dem heiligen Kreuz mit sechs Pfund Wachs, der herrschaftlichen Kasse mit sechs und den Brüdern oder der Zunft mit zwei Gulden verfallen sein. Auch verordnet dieser Kurbrief, daſs kein Massenbläser und Hammerschmied mehr Kohlen kaufe oder sich in Vorrat anschaffe, wie er nötig habe, damit sowohl der Arme wie der Reiche die er - forderlichen Kohlen bekommen könnten und alle Kohlen sollten mit dem im Lande eingeführten Kohlenmaſs gemessen werden. Bereits im Jahre 1528 muſste Graf Wilhelm, jedenfalls weil damals schon Kohlenmangel einzutreten begann, die Hüttenzeit der Massenbläser von zwölf Wochen auf acht Wochen herabsetzen und die Strafe für jeden Tag, der überhüttet wurde, auf zehn Gulden erhöhen. Das Kohlenmaſs wurde folgendermaſsen festgesetzt: ein Wagen sollte 2 Fuder zu 5 „ Zain “oder „ Zehn “, wie es früher hieſs, haben. Der Zain ist also der zehnte Teil des Wagens und faſst 17⅔ Kubikfuſs, so daſs das Fuder 88⅓, der Wagen 176⅔ Kubikfuſs Inhalt hatte. Dieses Maſs hat sich bis in dieses Jahrhundert erhalten. — Das Gewicht des Eisens wurde nach „ Stalln “gerechnet. Ein Stalln Roh - eisen war von alters her bis zum Jahre 1851 gleich 150 Pfund. 16 Stalln machten einen Wagen Roheisen aus. Stabeisen wurde nach „ Wag “gerechnet, eine Wag geschmiedetes Eisen wog 120 Pfund und war es Vorschrift, daſs aus einem Stalln Roheisen eine Wag ge - schmiedetes Eisen dargestellt wurde. Über die Abänderung dieser Gewichte, sowie über das Gewicht des Stahls im Siegenschen werden wir später zu sprechen Gelegenheit haben.
Becher, dem die siegenschen und Dillenburger Akten noch vollständig zugänglich waren1)Leider sind dieselben infolge der politischen Wandlungen zum Teil ver - kommen, zum Teil an den verschiedensten Orten zerstreut. Die siegenschen Berg -, sagt, über den Bau und die Ein -13*196Hochöfen.richtung der hohen Öfen des 16. Jahrhunderts habe er nie eine Nachricht gefunden1)Becher, a. a. O. S. 525.. Für die Angabe, welche Simmersbach in seiner Geschichte des Siegerländer Bergbaues macht, daſs nach der Tradition im Siegerland im 12. Jahrhundert Blauöfen von 10 Fuſs Höhe zuerst in Aufnahme gekommen seien, im 15. Jahrhundert schon Hochöfen von 20 bis 22 Fuſs Höhe im Brauch gewesen seien, ist es mir nicht gelungen, irgend welche Quelle aufzufinden.
Daſs die Hochöfen im Siegerland bereits im 15. Jahrhundert eine solche Höhe gehabt hätten, scheint sehr unwahrscheinlich, denn Becher sagt, die Hochöfen zu seiner Zeit, also gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, seien in der Regel 19 und 20 Fuſs hoch ge - wesen2)A. a. O. S. 543.; die Öfen des 16. und 17. Jahrhunderts seien aber viel un - vollkommener gewesen, oder, wie er sich ausdrückt3)A. a. O. S. 525., „ daſs die Öfen die jetzige vorteilhafte Struktur nicht gehabt “, und da ihre Produk - tion eine viel geringere war, als die der Öfen des vorigen Jahrhunderts, so läſst sich daraus mit Wahrscheinlichkeit schlieſsen, daſs sie auch weniger hoch waren.
Die Hochöfen des Siegerlandes waren von Natursteinen erbaut, mit feuerfesten Sandsteinen im Inneren ausgekleidet. Die uralten Sandsteinbrüche an der „ kalten Eiche “, dem Paſs zwischen Dill und Sieg, zwischen Dillenburg und dem Siegerland heiſsen schon in sehr früher Zeit „ die Gestellsteinbrüche “. Die Hochöfen hatten viereckigen Querschnitt, sonderbarer Weise war derselbe weder quadratisch noch rechtwinkelig, sondern er stellte ein verschobenes Viereck dar mit einem rechten, zwei stumpfen und einem spitzen Winkel. Letzteren nannte man die „ lange Eck “. Diese Art der Zustellung war uralt, die siegenschen Hochofenmeister hielten abergläubisch daran fest und es ist kaum zweifelhaft, daſs schon die ersten Hochöfen, also auch die des 16. Jahrhunderts, in dieser Weise konstruiert waren, weshalb wir diese absonderliche Bauart hier näher betrachten müssen. Über der Form gab man dem Gestell eine Neigung nach der Windseite1)werks - und Hüttenrechnungen, „ die Renterei-Rechnungen “dürften vielleicht bei dem Oberbergamt in Bonn noch vorhanden sein, die übrigen Siegerländer Akten befinden sich wohl zumeist im Archiv des Oberpräsidiums der Provinz Westfalen zu Münster. Die Dillenburger Akten sind im königl. preuſsischen Staatsarchiv zu Wiesbaden, doch habe ich von den vielen von Becher angeführten älteren Rech - nungen und Verleihungen dort nichts vorgefunden, als ein sehr unleserliches Kon - zept einer Rechnung vom Jahre 1444. Dagegen befinden sich daselbst Abschriften einer Eisenstein-Bergordnung von Graf Johann d. Älteren; die Hütten -, Stein - und Kostenmaſsordnung von 1535 und die Bergordnung von Graf Wilhelm von 1559.197Hochöfen.zu von drei bis sechs Zoll, so daſs die Formwand um soviel der Windseite zugeneigt war, die Windseite ebensoviel zurückwich. Der Stellmeister nannte dies aus dem Winkel bauen und that dies aus der Ursache, damit die Form während des Betriebes geschont werde, was wohl nur so verstanden werden kann, daſs infolge dieser schiefen Stellung das schwerere Erz mehr vor der Form, die leichtere Kohle mehr auf der Windseite niedergingen, dadurch der Fokus der Hitze nicht so unmittelbar vor der Form lag. Nebenstehende Zeichnung (Fig. 65) giebt das Profil eines solchen Ofens mit geschobener Ecke.
Es ist die Abbildung des Grünebacher Hoch - ofens im Amte Freusburg, aus den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts1)Siehe Karsten, Eisenhüttenkunde, Tafel XXI, Fig. 6.. Die Achsenlinie des Gestelles fiel nicht mit der des Schachtes zu - sammen. Der Ofen hatte eine Höhe von 20¾ Fuſs. Die Gicht bildete ein verschobenes Vier - eck von 26 auf 24 Zoll Seitenlänge; der Kohlen - sack, der von der Form - zur Windseite etwas geneigt ist, hat 7 Fuſs auf 8 Fuſs im Querschnitt. Der Ofenschacht bildet demnach eine unregel - mäſsige, abgestumpfte Pyramide, deren Grund - fläche nicht in der horizontalen Ebene liegt. Die Achse des Gestelles neigt sich gegen die des Schachtes und liegt das Mittel des 4 Fuſs hohen Gestelles im Verhältnis von 10: 4 der Form näher als dem Schachtmittel. Das Ober - gestell ist durch eine gekrümmte Fläche an den Kohlensack angeschlossen. So entsteht die eigentümlich verschobene Ofenform, die in der Zeichnung dar - gestellt ist.
Die Form lag etwa 15 Zoll über dem Bodenstein und in der Mitte, also 1 Fuſs von der Rückwand und 1 Fuſs vom Tümpel ab. — Die Rast war ungefähr 2 Fuſs hoch und machte mit der Horizontalen einen Winkel zwischen 30 und 40 Grad.
Über den Betrieb der alten siegenschen Blasehütten im 15. und 16. Jahrhundert macht der erfahrene Becher mancherlei Mitteilungen, die er hauptsächlich aus alten Rechnungen geschöpft hat. Im allge - meinen stellt sich danach der Betrieb sowohl der Hütten - als der Hammerwerke als ein noch sehr unvollkommener dar. Becher198Hochöfen.führt als Beispiel, und es ist dies das älteste, welches ich kenne, die Betriebsabrechnung von drei Hüttenreisen an, die im Jahre 1553 in den Hütten zu Rinzenau, auf der Ahe (früher Ohe) und auf der zu Freudenberg von der Landeshoheit gehüttet wurden. Diese drei Reisen, worüber wir die genaue Abrechnung in der Eisenhütten - geschichte des Siegerlandes bringen werden, umfaſsten 24 Hütten - wochen. Man verblies in dieser Zeit 576 Wagen Eisenstein und 660 Wagen Kohlen und erhielt auf diesen drei Hütten an Roh - und Wascheisen ungefähr 100 Wagen und an „ Edeleisen “(Rohstahleisen oder Spiegeleisen) 26 Karn. Danach fielen aus 4 Wagen Eisenstein und 4½ Wagen Kohlen in 24 Stunden zirka 12 5 / 9 Stalln Eisen. Mit diesem Ergebnis war man allerdings selbst damals nicht zufrieden und stand am Schlusse der Rechnung die Bemerkung, daſs, „ wenn der Landesherr allen Stein mit den Kohlen hätte kaufen sollen, so wäre in Verlust geblasen und geschmiedet worden “. Bei günstigem Betriebe sollten in 24 Stunden aus 4 Wagen Eisenstein und 4 Wagen Kohlen 16 Stalln oder ein Wagen Roheisen erfolgen oder, nach Ge - wicht berechnet, aus 2920 kg Spateisenstein in 24 Stunden 1200 kg Roheisen erblasen werden. Hierzu wurden 707 Kubikfuſs Kohlen verbraucht. Der Wagen Spateisenstein ist hierbei zu 730 kg ange - nommen und entspräche das Ausbringen 41,1 Proz. des Erzgewichtes. Unter der gleichen Annahme betrug dagegen das Ausbringen der drei obengenannten Hütten im Jahre 1553 bei 12½ Proz. mehr Kohlenverbrauch nur 32,24 Proz.
Im Ganzen war das Ausbringen der siegenschen Hütten ein günstiges, infolge der Reichhaltigkeit und Leichtschmelzbarkeit der Erze. Die benachbarten dillenburgischen Hütten, welche die schwerer schmelzbaren Roteisensteine oder weniger reiche Brauneisensteine ver - schmelzen muſsten, hatten eine viel geringere Produktion. Als Beispiel hierfür kann die Ludwigshütte bei Biedenkopf in dem vormaligen hessi - schen Hinterlande angeführt werden1)Die Nachrichten finden sich in Klipsteins Mineralogischem Briefwechsel (1781), Bd. II, S. 93 unter der Aufschrift: „ Geschichte und Beschreibung der Ludwigshütte und der dazu gehörigen Stäbhämmer von E. Klipstein, revidiert von Hütteninspektor Herwig (in Schmalkalden). “ Die Geschichte beginnt mit dem Jahre 1588, doch fehlen die Perioden von 1602 bis 1625 und von 1654 bis 1663.. Diese hatte in der Periode von 1588 bis 1601 das stärkste durchschnittliche Ausbringen, nämlich 15 41 / 63 Ztr. = etwa 850 kg, dazu wurden 4 61 / 63 Fuder Eisenstein und 4 31 / 63 Fuder Kohlen verbraucht. Das höchste Ausbringen wurde im Jahre 1597 erzielt, während in dem unmittelbar vorausgehenden Jahre199Hochöfen.das geringste Ausbringen von nur 7 43 / 84 Ztr. = zirka 405 kg bei 4 17 / 84 Fuder Eisenstein und 5 Fuder Kohlen erhalten wurde.
Jedenfalls waren die Erze, welche in diesem Jahre verschmolzen worden waren, viel geringhaltiger. Indessen fiel auch die Produktion um so geringer aus, je mehr Guſsware und je weniger Massel erzeugt wurden. Im Siegerlande gingen um diese Zeit schon einzelne Hütten fast allein auf Guſswaren.
Weiteren Aufschluſs über den Hochofenbetrieb im 16. Jahr - hundert geben uns die Faktorei-Rechnungen der Gittelder Hütte am Harz.
Der „ Massenofen “zu Gittelde scheint erst unter Herzog Julius von Braunschweig erbaut und in Betrieb gesetzt worden zu sein. Über den Betrieb geben die vorhandenen Rechnungen ziemlich voll - ständigen Aufschluſs; über die Konstruktion des Ofens erfahren wir aber nur wenig. Er war niedrig, hatte viereckigen Querschnitt, bei jeder Reise wurde ein neues Gestell („ Tell “) eingebaut; dieses wurde aus Bruchsteinen, welche der Meister zu brechen und zu behauen hatte und wofür ihm ein Mariengulden vergütet wurde, hergestellt. Die Erze, welche von dem benachbarten Iberg kamen, wurden zum Teil geröstet oder richtiger gebrannt, denn der Zweck war weniger eine Oxydation als das feste Erz mürbe zu machen, um es besser pochen zu können. Fast aller Eisenstein wurde „ gebockt “, d. h. mit Hämmern klein geklopft. Die Erze wurden also in zerkleinertem, fast pulverförmigem Zustande aufgegeben. Das Eisen, welches gewonnen wurde, war sogenanntes „ Stahleisen “, welches auf den nahegelegenen Hammerhütten, der Oberhütte und der Deichhütte verfrischt wurde. Es war teils weiſses, teils graues Roheisen. Aus demselben wurden auch die „ Pucheisen “für die Pochwerke der Oberharzer Bergwerke und die „ Taken “, d. h. die eisernen Zacken, für die Frischfeuer der Hammerhütten hergestellt. Das Herrichten der Guſsformen war Sache des Schmelzmeisters und erhielt er acht Mariengroschen Former - lohn für den Zentner Pucheisen. Der Massenofen ging nur zeitweilig und waren die einzelnen Hüttenreisen meistens sehr kurz. Aus der Zeit von 1573 bis 1590 sind zehn Quartalsrechnungen vorhanden. Nur in fünf Quartalen war der Massenofen überhaupt in Betrieb und wurde in dieser ganzen Zeit nur 127 Tage geblasen, so daſs sich die Länge einer Hüttenreise pro Quartal im Durchschnitt auf 25 4 / 10 Tage stellt. 1573 und 1590 betrugen die Reisen je 15 Tage, 1575 24 Tage, 1577 28 Tage und 1578 sogar 45 Tage, dieses war eine ausnahms - weise lange Kampagne.
200Hochöfen.Das Rösten der Erze geschah in einfachen Haufen mit Holz. Der Holzverbrauch betrug in den fünf Quartalen, in welchen 593½ Fuder Erze verschmolzen wurden, 101 Malter. Das Malter Holz kostete 3 Groschen 10 Pfennige. Die gesamten Röstkosten einschlieſs - lich des Holzes betrugen 47 Gulden 8 Mariengroschen 8 Pfennige oder für die Tonne des erzeugten Eisens 1,12 Mk. — Zum Ver - schmelzen des angeführten Erzquantums von 593½ Fuder waren 678 Fuder Holzkohlen erforderlich oder pro Tonne ausgebrachten Eisens zu 5,33 Fuder Eisenstein 6,09 Fuder Kohlen. Die gesamte Erzeugung betrug 2045 Ztr. Stahleisen und 180 Ztr. Pucheisen; die Tagesproduktion 17,52 Ztr. oder 968 kg1)Hierbei ist der Zentner, der 110 Pfund hatte, rund zu 55 kg berechnet..
Die Produktionskosten stellten sich folgendermaſsen:
Der prozentale Aufwand an Erz und Kohlen dem Gewichte nach läſst sich nur annähernd berechnen, da beide nicht gewogen, sondern gemessen wurden und es sich nur ungefähr schätzen läſst, was ein Fuder Erz oder ein Fuder Kohle wog.
Der Eisensteinbergbau des östlichen Harzes hat eine ältere und bedeutendere Geschichte als der des westlichen, trotzdem wurde auch hier der Hochofenbetrieb erst verhältnismäſsig spät eingeführt. Der Hochofen von Ilsenburg, welcher im Jahre 1546 erbaut wurde2)Zeitschrift des Harzvereins, Bd. XIII, S. 255; Bd. XIV, S. 14., scheint der erste und älteste des Harzes gewesen zu sein.
Über die alten Hochöfen des Ostharzes wissen wir aber nur sehr wenig. Sie waren jedenfalls nicht hoch, denn es erregte groſses Auf - sehen, als gegen Ende des 16. Jahrhunderts Hanns Sien oder Sieme, ein Mann aus dem Voigtland3)Vergl. Tölle und Gärtner, Eisenhüttenmagazin 1792, S. 88 und Zeitschrift des Harz - vereins, Bd. XIV, S. 13., zu Wiede (Wieda) einen Hochofen von 24 Fuſs (= 7 m) Höhe erbaute. Übrigens waren schon die alten Öfen auf festem Grund gebaut und mit Abzüchten für die Feuchtig -201Hochöfen.keit versehen. Die Abzüchte wurden mit breiten Steinen gedeckt, auf denen eine Schicht „ Schutt “aufgestampft war, auf welchem dann der Bodenstein aufgelegt wurde. Der Ofensockel, d. h. das untere Rauhmauerwerk, war 5 Fuſs 10 Zoll im Quadrat und 5 Fuſs hoch. Der Ofenschacht war 13 Fuſs hoch und geneigt, an der Basis vier - eckig, oben rund. Das Gestell war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll weit. Vor der Form betrug die Weite 10 Zoll, die Länge bis zum Wall 22 Zoll. Das ganze Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuſs Fassungs - raum. Die gesetzlich zulässige längste Blasezeit betrug 25 Wochen, doch wurde diese selten erreicht. Da kam, wie bereits erwähnt, gegen Ende des Jahrhunderts Hans Sien und erbaute seinen neuen groſsen Ofen, den gröſsten am ganzen Harz. Das Rauhgemäuer des - ſelben hatte 7 Fuſs im Quadrat und seine Höhe betrug 24 Fuſs; die Gicht, d. h. die Plattform der Gicht, hatte 4 Fuſs im Quadrat. Die Maſse des Gestelles blieben unverändert, so daſs also nur der Schacht wesentlich höher wurde. Ob die geneigte Stellung von Schacht und Gestell beibehalten wurde, wird nicht angegeben, doch scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein und bestand vermutlich darin, ab - gesehen von der gröſseren Schachthöhe, welche als eine technische Verbesserung insofern jedenfalls anzusehen war, als sie eine bessere Vorbereitung und Verschmelzung strengflüssiger Erze erlaubte, der Hauptunterschied gegen die alte Bauart. Der neue Hochofen erregte das gröſste Aufsehen im ganzen Harz und Hans Sien wurde so berühmt, daſs er an verschiedene Orte zur Errichtung neuer Öfen berufen wurde. Als richtiger „ Meister “hielt er seine „ Kunst “sehr geheim, teilte sie niemand mit und vererbte sie allein auf seinen Sohn Christoph, der dann nach des Vaters Abgang der berühm - teste Ofenbaumeister des Landes war. Diesem folgte nach seinem Ableben Hans Valtin (Valentin) Teichmann von St. Andreasberg, der die kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein, d. h. ohne Metallform, geblasen worden war. Von Teichmann ging die Kunst an die gleichfalls in Andreasberg heimische Familie Köhler über und blieb bei derselben bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Ähnlichen Verhältnissen begegnet man auch in andern Gegenden und liefern dieselben den Beweis, wie empirisch der Ofen - bau betrieben wurde, wie gering die theoretischen Kenntnisse der Hüttenherren, Ofenmeister und Massen - oder Maschenbläser waren. Diese vererbte geheime Kunst der Ofenzustellung war auch der Grund, daſs Verbesserungen kaum aufkommen konnten und daſs man in ge - wissen Bezirken an gewissen Ofenformen mit abergläubischer Ängst -202Hochöfen.lichkeit festhielt. Indessen soll dadurch das Verdienst der ersten Ofenbaumeister, namentlich des Hans und Christoph Sien, in keiner Weise geschmälert werden. Ihnen darf man wohl das Ver - dienst zuschreiben, das charakteristische Harzer Ofenprofil, welches für die lokalen Verhältnisse damals das zweckentsprechendste war, auf Grundlage von Versuchen und Erfahrungen erfunden, ausgearbeitet und eingeführt zu haben.
Wie am metallreichen Harz, so hat auch in dem industriellen Sachsen die Einführung der Hochöfen erst verhältnismäſsig spät stattgefunden. Allerdings sagt G. Agricola bereits in seiner Ab - handlung De vet. et novis metallis, welche im Jahre 1545 verfaſst sein dürfte, daſs in den Eisenhütten zu Lauenstein und Gieshübel ebenfalls eiserne Öfen gegossen wurden. Dort müſsten also um jene Zeit bereits Hochöfen im Gange gewesen sein. Bestimmte Nach - richten über den Bau von Hochöfen finden sich aber erst aus der Regierungszeit des Kurfürsten August. Im Jahre 1575 lieſs dieser auf den Rat Bernsteins bei Schöneck einen „ Massenofen “und Stahlhammer errichten, um die dortigen Eisensteine und Waldungen besser verwerten zu können. Weit früher wurden Hochöfen im Mosel - gebiet und in der Eifel betrieben.
In der Grafschaft Ottweiler wurden schon zu Anfang des 16. Jahr - hunderts Guſswaren aus dem Hochofen gegossen. Wir erfahren dies aus einem Vertrage vom Montag nach Vincula Petri 1514, durch den Graf Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken die „ Isenschmitt bei Wiebelskirchen, uff der Oster gelegen “, mitsamt dem Eisenerz in der Grafschaft Ottweiler an Lux von Nassau und Johann von Lichten - stein gegen den halben Ertrag in Erbpacht verleiht; die Pächter sollen nach dem Vertrage dem Grafen jährlich 10 Zentner Eisen, ferner den zehnten Wagen Eisenstein und von jedem Wagen Holz - kohlen 2 Albus geben, dagegen alles Eisen für den Gebrauch des Grafen zu 1 rhein. Gulden den Zentner liefern, für eiserne „ Heffen “(Töpfe) 1 Ort und 1 Heller bezahlt nehmen, für „ Öfen, Büchsen oder Büchsensteine zu gieſsen “nur 1 Gulden.
Ebenso war in der Eifel der Guſs eiserner Öfen schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Gange, und zwar ohne Zweifel direkt aus Hochöfen. Agricola erwähnt derselben und Petrus Albinus schreibt in seiner im Jahre 1590 erschienen Berg-Chronika: „ Aber in der Herrschaft Schleiden am Hellthal, desgleichen in der Herrschaft Kronenberg und Kieln (nicht fern von der Grafschaft Manderscheidt) find man guten Eisenstein, daraus man fürbündig203Hochöfen.gut Schmiede-Eisen macht und Eisern öfen geuſset, die da weit hinaus ins Oberland, als Franken, Schwaben u. s. w. verführet werden; dessen schon Agricola mit diesen Worten gedenket: „ Ferrum laudatum et copiosum est Germanis, qui incolunt regionem quam Eifelam nominamus et quidam in ditione comitis Mander - scheiti, ubi et ferreae fornaces, quibus utimur in caldariis, conflantur. “ Die meisten dieser Eisenwerke lagen in dem sogenannten Schleidener Thal. Auf die ältesten Werke daselbst werden wir später noch zu sprechen kommen. Des eigentümlichen Betriebes, der sich bis zur Mitte unseres Jahrhunderts dort erhalten hat und unter dem Namen der „ Schleidener Thals Arbeit “bekannt war, müssen wir hier näherer Erwähnung thun, weil er in origineller Weise manche Eigen - tümlichkeiten des alten Stückofenbetriebes beibehalten hat. Wir teilen über denselben aus einem Aufsatze des Oberbergrats Fulda zu Bonn vom Jahre 18231)Vergl. Karstens Archiv für Bergbau und Hüttenwesen, Bd. VII, S. 9. das Folgende mit: In der Hütte, welche noch den alten Namen Raidwerk führte, stand der Hochofen mit dem Hammer unter einem Dache. Zu jedem Hammer gehörten zwei Feuer, ein Frischfeuer und ein Wärmfeuer. Es wurde nur Roheisen zum Verfrischen erzeugt und auſser dem eigenen Bedarf an Hüttenguſs, nämlich Zacken, Boden u. s. w., kein Guſswerk angefertigt. Die Erze, welche verhüttet wurden, bestanden aus Thon - und Raseneisen - stein und aus braunem Glaskopf. Die Erze waren sehr leichtflüssig und bedurften keines Zuschlages von Kalk. Die Höhe des Ofeninneren betrug 19 Fuſs 3 Zoll. Die 3 Fuſs 6 Zoll hohe Rast hatte auf der hinteren Seite einen Neigungswinkel von 45 Grad, auf den drei übrigen Seiten von 60 Grad. Die Form lag geneigt, stach etwa ¼ Zoll auf den Fuſs in den Herd und ihr Rüssel war 2¼ Zoll breit und ⅞ Zoll hoch. Sie bestand aus vier geschmiedeten eisernen, aneinander geschobenen, aber fest zusammengreifenden Schienen, welche den Vorteil gewährten, durch die Verschiebung derselben die Formöffnung weiter oder enger stellen zu können, je nachdem der Prozeſs des Schmelzens oder des Läuterns es erforderte. Die Schmel - zung verlief leicht und einfach. Das Eisen der ersten Blasewoche war graphitreicher, weshalb es zum Vergieſsen verwendet wurde. In den darauf folgenden Wochen fiel bei normalem Betriebe ein halbiertes Roheisen, welches verfrischt wurde. Das ganze Hochofenpersonal be - stand aus dem Meister (Schmelzer), dem Stechknecht und zwei Auf - gebern.
204Hochöfen.Die Eigentümlichkeit der „ Schleidener Thals Arbeit “bestand darin, daſs schon in dem Hochofen selbst ein Vorfrischen für das nach - folgende Verfrischen im Herd stattfand. Man nannte dies das „ Destil - lieren “, die Arbeit dabei war die folgende: sobald das Gestell bis auf zwei Zoll unter der Form mit Roheisen ausgefüllt war, machte der Meister mittels des Formstechers unmittelbar über der Formöffnung mit Lehm oder Schlacke eine künstliche Nase von etwa zwei Zoll Länge. Dadurch wurde der volle Windstrom auf die Oberfläche des flüssigen Eisens geleitet, von dem man die Schlacke möglichst rein abzog. Der Wind wurde nun verstärkt und der Vorherd durch einen Klumpen erstarrter Schlacke fester verwahrt, um zu verhindern, daſs kein Eisen über den Wall geworfen wurde. Das Eisen im Gestell kam in eine wallende Bewegung, es trat eine langsame Entkohlung ein, die Schlacke färbte sich dunkler, das Eisen, das zuvor eine rote Farbe im Gestell hatte, wurde heller. Dabei wurde aber das Niederschmelzen der Gichten nicht unterbrochen, sondern nur verlangsamt, etwa im Verhältnis von 3: 5. Die Schlacke wurde dünnflüssiger, so daſs sie leicht unter der krustenartigen Schutzdecke des Vorherdes hindurch - lief. Die erkaltete Schlacke war porös, leicht und von dunkler Farbe, der Frischfeuer-Rohschlacke sehr ähnlich und würde es noch mehr gewesen sein, wenn nicht die stets nachschmelzende Hochofenschlacke ihre Beschaffenheit geändert hätte. Die helle Farbe des flüssigen Eisens und der Eintritt feinen Funkensprühens aus dem Gestell in die Form waren die Zeichen, daſs der Läuterungsprozeſs sein Ende erreicht hatte. Früher wurde nicht abgestochen, aber auch nicht später, weil jene Funken schon eintretendes Verbrennen von Eisen andeuteten. Die Dauer der Läuterungszeit war sehr verschieden, je nach der Weite des Gestelles, so daſs sie zwischen 1 bis 4 Stunden schwankte. Das Eisen, welches beim Abstechen lebhaft Funken warf, war nach dem Erkalten im Bruch porös und fast silberweiſs („ luckiger Floſs “). Nach dem Laufenlassen wurde die Schutzdecke des Vorherdes weg - gebrochen, der Herd gereinigt und mit Kohlenstübbe geschlossen und die Nase hinter der Form abgestoſsen, worauf das regelmäſsige Nieder - schmelzen wieder begann. Das geläuterte Eisen wurde nun auf einer Art von Wallonherd verfrischt. Durch die beschriebene Vorbereitung verlief der Frischprozeſs sehr rasch. Er erforderte, bei sehr geringem Kohlenaufwand, für jede Luppe nur etwa ¾ Stunden, so daſs in einem Herde täglich 32 Luppen von je 30 bis 35 kg gemacht wurden.
Wie alt diese „ Schleidener Thals Arbeit “, die nur bei sehr gut - artigen und leichtschmelzigen Erzen möglich war, in jener Gegend205Hochöfen.ist, läſst sich nicht bestimmt angeben. Sie hat aber den Charakter eines sehr alten Betriebes und dürfte wohl bis in das 16. Jahr - hundert zurückreichen.
In Frankreich und Italien war der Hochofenbetrieb schon im Anfang des 16. Jahrhunderts im Gebrauch, dies beweist für Frank - reich das in der Einleitung mitgeteilte Gedicht des Nikolas Bour - bon, für Italien die Angaben des Biringuccio.
In den nordischen Ländern Europas, besonders in den eisen - reichen Staaten England und Schweden, fanden die Hochöfen erst ver - hältnismäſsig spät Eingang: in England um die Mitte des 16. Jahr - hunderts, in Schweden sogar erst gegen Ende desſelben. Nach beiden Ländern scheinen sie von Deutschland aus verpflanzt worden zu sein.
Durch die Einführung des Hochofenbetriebes erlitt die ganze Eisenfabrikation eine tief eingreifende Umwandlung; einesteils da - durch, daſs man dazu überging, das Schmiedeeisen aus dem Roheisen anstatt direkt aus den Erzen darzustellen, andererseits, daſs man das flüssige Eisen in Formen goſs, wodurch eine ganz neue Industrie, die Eisengieſserei, ins Leben gerufen wurde. Das Vergieſsen geschah direkt aus dem Hochofen und zwar meist neben der Darstellung von dem Roheisen für den Frischprozeſs, der Erzeugung von „ Gänzen “, „ Floſsen “u. s. w. her. Auch goſs man anfangs nur die einfachsten Gegenstände, worunter Pocheisen und Kugeln die wichtigsten waren. Allmählich lernte man aber auch verzierte Gegenstände, namentlich die mit mannigfachem Bildwerk geschmückten Ofenplatten zu gieſsen, wozu die Erzeugung von grauem Roheisen notwendig war, und wir ersehen aus den Rechnungen, daſs um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Siegerlande bereits sieben Hochöfen fast ausschlieſslich auf Guſs - werk gingen. Das Nähere werden wir in einem besondern Kapitel über den Eisenguſs mitteilen.
Das Ausschmelzen der Eisenerze zu flüssigem Roheisen in den Hochöfen hatte einen andern neuen Hüttenprozeſs zur unmittelbaren Folge, die Darstellung des geschmeidigen Eisens durch ein oxydieren - des Schmelzen des Roheisens in Herden oder den „ Frischprozeſs “. Auch dieses Verfahren entstand nicht auf einmal in dem Kopfe eines Erfinders, sondern bildete sich ganz allmählich aus dem alten Schmelz - prozeſs und längst bekannten Erfahrungen heraus und nahm in ver - schiedenen Ländern nach der Art der Roheisensorten, nach dem Produkt, welches man darzustellen strebte und nach dem Umfange des Betriebes verschiedene Formen an, die uns als verschiedene Frisch - methoden überliefert sind. Ursprünglich bildete sich das Eisen - und Stahlfrischen im Anschluſs an die Stückofenarbeit aus. Das groſse Stück oder die Masse, welche, wie wir gesehen haben, ein sehr un - gleichmäſsiges Produkt darstellte, wurde erst in zwei Hälften (Halb - massen) geteilt, welche, um sie weiter verarbeiten zu können und sie zu gleichmäſsiger Ware zu verschmieden, in kleinere Stücke (Deule) zerhauen, in besondern Herden erhitzt und dann unter dem Hammer verarbeitet wurden. Diese Herde waren einfache Gruben aus Lehm und Lösche hergestellt. Bezweckte diese Operation ursprünglich nur ein Ausheizen der Luppenstücke, so ergab sich daraus von selbst auch eine Verbesserung des ungleichmäſsigen Produktes, indem die rohesten und unreinsten Teile abschmolzen, die halbgaren vor dem Winde entkohlt, d. h. gefrischt wurden, und die ganze Masse reiner und gleichförmiger wurde. Dabei machte man bald die Er - fahrung, daſs man härteres oder weicheres Eisen, Stahl oder Schmiede -207Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.eisen in denselben Herden und mit denselben Materialien erhalten konnte, je nach der Auswahl derselben und der Art des Einschmelzens.
So lernte man beispielsweise in den österreichischen Alpenländern schon früh vorzüglichen Stahl dadurch bereiten, daſs man mehr von dem beim Stückofenschmelzen mitfallenden flüssigen Roheisen, dem „ Graglach “, in dem Herde einschmolz und den „ Deul “dann in und mit diesem Bade von kohlenstoffreicherem Eisen verfrischte. Ja, man muſste bald zu der Überzeugung kommen, daſs man vorteilhafter arbeitete und einen gleichmäſsigeren Stahl erzielte, wenn man, statt das im Stückofen erzeugte unreine Product einem Nachfrischen zu unterwerfen, das geflossene Eisen für sich allein verfrischte. Dies führte zur Umwandlung der Stücköfen in Blau - und Hochöfen und zur Einführung des eigentlichen Frischprozesses. Derselbe hat sich also ganz allmählich aus der Behandlung des Stückofeneisens im Lösch - herd entwickelt und müssen wir deshalb dieses Verfahren zuerst einer kurzen Betrachtung unterziehen.
Schon bei den alten Rennfeuern hatte man häufig einen be - sondern Löschherd zum Ausheizen der Luppen1)Siehe Bd. I, S. 783.. In demselben fand aber kein eigentliches Frischen statt, sondern nur eine Reini - gung insoweit, als beim Erhitzen des Luppenstücks bis zur Schweiſs - hitze die eingemengte Schlacke und die rohesten Eisenteile ab - schmolzen.
Nicht viel anders war es beim Ausheizen der beim Stückofen - betrieb erzeugten Halbmassen, Schirbeln, Deule u. s. w. Dies ge - schah in Steyermark, wie bereits erwähnt, aus ökonomischen Gründen nicht am Erzberg selbst, sondern in dem etwa 60 Kilometer entfernten Hüttenort St. Gallen. Die Art und Weise, wie dabei ver - fahren wurde, haben wir bereits kurz im ersten Bande mitgeteilt2)Siehe Bd. I, S. 826., es ist aber nötig, daſs wir hier nochmals etwas genauer die Vorgänge betrachten, wobei wir uns hauptsächlich an die Schilderung des Augenzeugen G. Jars3)Gabr. Jars, Metal - lurgische Reisen 1777, Bd. I, S. 69. halten.
Der Herd, in welchem die Halbmassen der Stücköfen verarbeitet wurden, war einer Schmiedeesse gleich und nur ungefähr einen Fuſs über die Hüttensohle erhöht. Er war abweichend von den thüringischen Löschherden4)Wenigstens im Jahre 1758, als Jars die St. Gallener Werke besuchte., welche weder Boden - noch Formzacken hatten, von eisernen Platten umgeben, von welchen die eine einen wesentlichen Teil des Herdes ausmachte. Diese hatte nämlich in verschiedener208Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.Höhe Öffnungen von ½ Zoll Durchmesser, welche dazu dienten, die Schlacken in eine darunter befindliche 2 Fuſs tiefe Grube ablaufen zu lassen. Der eigentliche Herd wurde aus angefeuchteter Lösche aufgestampft, darüber breitete man etwas Schlacken von der vorher - gehenden Arbeit aus, welche den Herdboden bildeten.
Der Wind wurde durch zwei einfache Bälge erzeugt, welche in eine Form bliesen. Nachdem der Herd ganz mit Kohlen gefüllt war, legte man eine der groſsen Luppen oder Halbmassen, wie sie von den Stücköfen von Eisenerz kamen1)Siehe oben S. 169. und welche zwischen 7 und 8 Zentner wogen, darauf, bedeckte dieselben ganz mit Kohlen und lieſs das Gebläse angehen. Wenn es nötig war, gab man mehr Kohlen auf und fuhr mit dem Gebläse fort, bis die ganze Masse in Weiſsglut war. Während dieser Zeit schied sich etwas Eisen nebst den Schlacken ab und sammelte sich auf dem Boden des Herdes. Sobald sich eine gewisse Menge davon angesammelt hatte, öffnete man mit einem eisernen Stachel eines der kleinen Löcher in der Schlackenplatte und lieſs die Schlacke in die Grube, in welche man vorher etwas Wasser gegossen hatte, laufen. Doch stach man immer nur einen Teil der Schlacke ab, um dem Herd nicht zu viel Wärme zu entziehen. Das abgeschmolzene Eisen sammelte sich allmählich in Klumpen auf dem Boden.
Sobald man sah, daſs die Masse hinlänglich vom Feuer durch - drungen oder weich war, was man vermittelst eines eisernen Stachels, den man in dieselbe hineinsticht, erkannte, zog man dieselbe mit Hilfe einer groſsen Zange, welche an einem Krahne befestigt war, heraus und indem ein Mann das Ende des Hebels niederdrückte, hob er das Stück in die Höhe; man schwenkte den Krahnen herum und derjenige, welcher den Hebel regierte, brachte das Stück auf den Amboſs. Man lieſs alsdann den Hammer angehen und denselben verschiedene Schläge auf die Mitte des Stückes thun, um es etwas auszubreiten, setzte hierauf das Setzeisen an und teilte es durch wiederholte Schläge des Hammers in zwei Teile. Hierbei löste sich ein Teil des Eisens ringsum an der Oberfläche, welches weicher war, als der in der Mitte befindliche Stahl, los. Während diese Arbeit des Teilens unter dem Hammer vor sich ging, brachte man die eine abgeschrotene Hälfte zurück auf den Herd, damit sie nicht nur warm blieb, sondern, währenddem die andere Hälfte in zwei weitere Stücke geteilt wurde, noch mehr Hitze annähme. Eins dieser beiden Stücke209Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.brachte man in einen andern Herd, während das andere nochmals geteilt wurde. So fuhr man mit dem Teilen fort bis zu Stücken von 12 bis 20 kg. Bei jedem Teilen fiel etwas Eisen ab, welches man sammelte, bis man genug hatte, um eine Frischluppe daraus herzu - stellen.
Die auf diese Art aus dem Kern der Masse (nucleus ferri1)Vergl. Bd. I, S. 507. ge - hauenen Stücke waren fast reiner Stahl, welche man in das Feuer brachte, um sie auszuwärmen und daraus viereckige Stäbe von 2 Zoll Stärke und 2 bis 3 Fuſs Länge zu schmieden. Wenn sie so aus - geschmiedet waren, warf man sie, so wie sie vom Hammer kamen, in flieſsendes Wasser. Alsdann schlug man diese Stangen über einem Amboſs entzwei, wobei sich dann verschiedene Sorten zeigten: einige waren noch mit Eisen vermischt, andere bestanden aus mehr oder weniger gutem Stahl und wurde alles in den Hammerhütten sortiert. Die besten Stücke, aus denen man den berühmten steyri - schen Stahl machte, sprangen wie Glas, zeigten nach der Härtung ein feines Korn, ohne Flecken oder Risse, indes war dieser Stahl doch noch nicht vollkommen und deshalb hieſs er Rauh -, Rauch - oder Rohstahl. Andere Stangen waren kein Stahl, aber doch auch hart und spröde, weshalb man es Harteisen nannte. Es war nach mehrmaligem Ausschmieden immer noch geeignet, um Sensen, Klingen und andere gewöhnliche Werkzeuge daraus zu machen. Wenn man diese Stücke zum Ausschmieden heiſs machte, warf man gewöhnliche Frischschlacken auf, welche das Eisen umhüllen und vor der ent - kohlenden Wirkung des Windes möglichst schützen sollten. Beim Ausheizen des Stückeisens geschah dies nicht, weil dieses genug Schlacke und Unreinigkeiten mit sich führte. Sonst wurde bei jedem Auswärmen zum Ausschmieden Schlacke zugesetzt, die dann, wenn sich zu viel davon im Herde angesammelt hatte, von Zeit zu Zeit abgelassen wurde.
Die Hämmer, unter welchen man zu St. Gallen die Stücke schmiedete, waren verhältnismäſsig schwer. Sie waren 90 cm hoch, ihre Bahn war 60 cm lang und 5 cm breit, am Kopf oder Gesicht hatten sie 45 und am Helm 39 cm Durchmesser. Ihr Gewicht betrug 490 kg. Ein kleines Rad, welches an einer Welle von 75 cm Durch - messer angesteckt war, bewirkte die Bewegung, dieses Rad hatte 2,40 m im Durchmesser und Schaufeln, auf welche eine beträchtliche Quantität Wasser fiel.
Beck, Geschichte des Eisens. 14210Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.Alles Eisen, welches bei dem Teilen vom Stücke abgefallen und bei Seite gelegt worden war, wurde ähnlich wie das Floſseisen ver - frischt, nur blieb es nicht so lange im Feuer. Wenn es aus dem Herde kam, brachte man die Luppe, um sie rundum zu behämmern, auf den Amboſs, alsdann teilte man sie in verschiedene Stücke oder Kolben. Unter dem Hammer erkannte der Schmied an der Härte die Stücke, welche gutes, weiches Eisen gaben, und die, welche Stahl enthielten. Die letzteren Stücke schmiedete er zu vier - kantigen Stäben von 45 mm Stärke aus, welche er ebenso härtete wie den Stahl. Dieselben entsprachen aber mehr dem Harteisen und wurden zu ordinären Werkzeugen verarbeitet, zu den Schneiden aber muſste man guten Stahl nehmen.
Das gute Eisen war nach dem Ausschmieden weich und ge - schmeidig und für Bleche sehr geeignet.
In ganz ähnlicher Weise wurde das Osmundeisen in Schweden behandelt.
Aus obiger Beschreibung der Behandlung und Verarbeitung des Stückofeneisens ersieht man, wie nahe dieselbe dem Frischprozeſs verwandt war und zu demselben hinführte. Denn wenn auch der Prozeſs in der Hauptsache nur ein Reinigen durch Ausheizen be - zweckte, so wurde doch schon bei der ersten Operation, dem Er - hitzen der groſsen Luppen, das abtropfende rohe Eisen durch den Wind gefrischt und sammelte sich als gefrischtes Eisen am Boden an. Dieses und das beim weiteren Ausheizen und Schmieden fallende Eisen wurde dann in dem Herde einer Operation unterworfen, die füglich ein Frischen genannt werden kann. Nur war das eingesetzte Material ganz ungleich, indem es teils aus Roheisen, teils aus Stahl, teils aus weichem, teils aus verbranntem Eisen bestand. Es sollte im Feuer in erster Linie zusammengeschweiſst werden, in zweiter Linie wurde es aber auch gefrischt. Die Verschiedenheit des dabei erzielten Produktes war weniger von der Führung des Prozesses, als von der Beschaffenheit des eingesetzten Materiales abhängig. Den - noch war das ganze Verfahren von dem Verfrischen des Flosseneisens, also dem eigentlichen Frischprozeſs, so wenig verschieden, daſs Jars kaum zwischen beiden unterschieden hat.
Ebenso wie in Steyermark führte in Thüringen, besonders im Schmalkaldischen und Hennebergischen, die Verarbeitung des Stück - ofeneisens zur Frischarbeit. Hierüber giebt Quantz1)J. Chr. Quantz, Prakt. Abhandlung über die Eisen - und Stahlmanipula - tion in der Herrschaft Schmalkalden 1799, S. 100 etc. die ausführ -211Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.lichsten und besten Nachrichten, die wir im Folgenden auszugsweise mitteilen.
Die thüringischen Löschfeuer hatten keinen eigentlichen Herd, sondern bestanden bloſs aus einer Grube von Kohlenlösche, welche, wenn „ das Feuer “neu gemacht wurde, angefeuchtet und festgestampft wurde. Ein gut gestampfter Herd hielt ¼ Jahr und länger. An einer Seite der Grube war die Stirnmauer von Sandsteinen aufgeführt, in welcher die kupferne Form 6 bis 7 Zoll, je nach der Gröſse der Blasebälge, hervorragte. Die Höhenlage der Form war keine be - stimmte, sondern eine durch die Schmelzoperation von Fall zu Fall bedingte, doch war ein gröſserer Abstand zwischen Formmaul und Gestübbesohle erwünscht, weil man dann eine gröſsere Menge Roh - eisen einschmelzen konnte. Das Formmaul war halbkreisförmig, wie ein liegendesD, 45 mm im Durchmesser und 4 bis 5 Grad geneigt. Die Hämmer waren viel leichter, als die zu St. Gallen, 175 kg schwer, hatten 1 m Hub, und wurden von einem zirka 2 m hohen Wasserrade bewegt. Der Amboſs war, wie ein schwerer Schmiedeamboſs, in einem Eichen - oder Tannenblock befestigt, doch war er aus Guſseisen her - gestellt und hatte eine Unterlage von einigen groſsen Eisenstücken, welche man „ Chavatten1)Einer der viel verketzertsten Termini technici, von dem lateinischen caput ab - stammend, heute noch als Cabotte, Chabotte, Chavotte, Schawotte, Schowatte, Schabatte u. s. w. in den etymologisch unglaublichsten Umbildungen als Bezeich - nung der Amboſsschale, des eisernen Amboſsuntergestelles, gebräuchlich. “nannte. Der Hammerstock stand nicht in der Erde fest, sondern machte eine elastische Bewegung, welche durch einen starken Baum, der unter dem Hammerstock der Länge nach hingelegt war, vermittelt wurde. Die Hammerbahn war verstählt.
Die Löscharbeit begreift zweierlei Arbeiten, das Ausschmieden und das Schmelzen des Deuls2)Deul. Dachel, Tajol.. Beide Arbeiten geschehen in dem - selben Herde, aber nicht gleichzeitig, sondern eine nach der andern. Wenn die Arbeit ihren Anfang nimmt, wird das Kohlengestübbe auf dem Boden der Grube ausgebreitet, darauf Kohlen geschüttet und da, wo die Einhaltezangen zu liegen kommen, eine Brustwehr von Kohlengestübbe gemacht. Das Gebläse wird angelassen und wenn die Grube etwas ausgewärmt ist, werden die Stücke vom vorigen Deul in zwei oder drei Hitzen zu Stäben ausgeschmiedet. Hierbei wird von Zeit zu Zeit Stocklech (Hammerschlacke) aufgegeben, damit das Feuer nicht zu trocken gehe und der Abbrand nicht zu groſs werde. Schweiſssand wird dagegen keiner gebraucht. — Von dem14*212Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.aufgegebenen Stocklech und von dem, was beim Ausschmieden der Stäbe abfällt, wird auf dem Boden eine kleine Luppe, „ der Frisch - vogel “genannt, von dem die Arbeiter sagen: er müsse das Herz oder einen zähen Grund haben, bereitet.
Ist das Ausschmieden der Stücke des vorigen Deuls geschehen, so wird mit dem Schmelzen eines neuen Deuls begonnen. Hierzu verwendet man die Produkte des Blauofens, die zerteilten „ Güsse “und Scheibeneisen1)Siehe oben S. 175.. Statt der „ Güsse “wurde in späterer Zeit häufig altes Eisen gebraucht, doch können wir hiervon an dieser Stelle absehen. Zuerst wurde das Guſsstück eingeschmolzen, es waren dies etwa 15 kg schwere Teilstücke der Masse, welche beim Stückofen - betriebe erhalten worden war. Diese Stücke spannte man in eine Zange, welche man schon während des Ausschmiedens, um das Eisen vorzuwärmen, der Form gegenüber einlegte. Sobald das Einschmelzen
beginnen sollte, schob man sie dicht vor die Form ins Feuer. Das Stückeisen vereinigte sich, indem es niederschmolz, mit dem Frisch - vogel und bildete die Schutzdecke von garem Eisen auf der Stübbe - sohle, welche unbedingt erforderlich ist, damit sich das nachher ein - zuschmelzende Scheibeneisen darauf anfrischen kann. Auf der bloſsen Stübbesohle könnte das Roheisen nicht frischen, sondern würde die - selbe durchbohren und für den Arbeiter verloren gehen. Geschah dies doch trotz der Schutzdecke zuweilen, wenn ein zu groſses Stück Scheibeneisen auf einmal und ungefrischt auf den Herdboden ge - langte, dann wurde die Stelle, worauf ein solches Stück Scheiben - eisen fiel, wieder roh und flüssig und ging durch die Stübbe.
213Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.Auf das Niederschmelzen des Guſsstückes folgt das Einschmelzen des Scheibeneisens, welches den wichtigsten Teil des Prozesses bildet. Ob in ältester Zeit, wo mehr Guſsstücke und weniger Scheibeneisen fielen, schon in ganz gleicher Weise gearbeitet wurde, ist zu be - zweifeln, in späteren Zeiten, wo das Scheibeneisen das Hauptprodukt war, bestand auch die Hauptkunst des Löschschmiedes darin, bei jeder einzelnen Operation möglichst viel Scheibeneisen zu verfrischen. Hierbei wurde folgendermaſsen verfahren.
Während dem Einschmelzen der Guſsstücke legt der Arbeiter ein Stück Scheibeneisen, in eine Zange gespannt, zum Erwärmen der Form gegenüber ans Feuer und sowie das Einschmelzen des Guſs - stückes geschehen und eine gare Sohle gebildet ist, bringt er das erwärmte Scheibeneisen in der Zange recht vor die Form und läſst es niederschmelzen. Neben diese Zange bringt er eine zweite Zange mit ebensolchem erwärmten Scheibeneisen, und wenn das Eisen in der ersten Zange eingeschmolzen ist, noch eine dritte und vierte, bis er von diesem Scheibeneisen zu einem Deul genug hat. So werden etwa zwei Zentner eingeschmolzen, doch ist die Menge wechselnd und je mehr Scheibeneisen man auf ein niedergeschmolzenes Guſs - stück einschmelzen kann, desto vorteilhafter ist es. Dies ist ab - hängig von der Stärke der Bälge, der Güte der Kohlen und der Geschicklichkeit des Arbeiters. Wird zu viel von den Guſsstücken im Verhältnis zum Scheibeneisen gesetzt, so wird der Deul zu „ trocken “. Setzt man zu viel Scheibeneisen, welches dem Deul „ den Saft giebt “, so wird die Gare verzögert und der Kohlenaufwand er - höht. Die Zangen mit dem Scheibeneisen schmelzen nie rein ab, sondern es bleibt an denselben mehr oder weniger gefrischte Masse hängen. Sie werden nach dem Ausziehen in einen Wassertrog ge - worfen und dann das anhängende Eisen mit dem Hammer abgeklopft. Dieses wird dann sofort wieder aufs Feuer geworfen. Bei der letzten Zange, wo also das Einschmelzen des Scheibeneisens vollendet und der Deul „ seiner Geburt nahe “ist, befindet sich das an der Zange angeschweiſste Eisen bereits in einem völlig gefrischten Zustande.
Wiewohl nun der Arbeiter gleich im Anfange des Schmelzens für eine ziemliche Menge gares Eisen gesorgt hat, so würde diese doch nicht hinreichen, die ganze Menge Scheibeneisen, welche zu einem Deul geschmolzen wird, ohne andere Hilfsmittel in gares Eisen zu verwandeln. Hierzu dient der Zusatz von Stocklech und Hammer - schlag, welche beim Zängen des Deuls und dem Ausschmieden ab - fallen, und hiervon giebt der Löscher mehr oder weniger auf, je214Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.nachdem das Feuer heiſs oder frisch geht. Er giebt dieselben vor der Gicht oder der Form gegenüber auf und damit reguliert er die Gare des Gutes im Herde. Ein anderes Mittel für denselben Zweck besteht in dem Vorschieben oder Zurückziehen der Zangen mit dem Scheibeneisen, wodurch das Abschmelzen desſelben beschleunigt oder verlangsamt wird. Geht es im Feuer zu heiſs, d. h., ist das Gut zu dünn und weich im Herde, so zieht der Arbeiter die Zange mit dem Scheibeneisen etwas zurück und giebt mehr Stocklech auf. Geht im Gegenteil das Gut zu frisch, so hält er mit dem Aufgeben des Stock - lechs ein und schiebt das Scheibeneisen etwas in das Feuer vorwärts. Den Gang der Arbeit erkennt man teils an der Flamme, teils und vorzüglich aber an den Spieſsschalen oder „ Stachelweichen “, d. h. der Masse, welche sich beim Arbeiten in dem Herde mit dem Spieſs an diesen anlegt. Je kleiner diese Spieſsschalen und je röter sie sind, je heiſser geht es im Feuer, und umgekehrt desto frischer, je länger sich diese Schalen an den Spieſs anlegen, je fester sie an demselben haften und je weiſser ihre Farbe ist.
Da die Schlacke beim Löschfeuer äuſserst flüssig ist, so wird sie von dem starken Gebläse, mit kleinen Mengen des frisch einge - schmolzenen Roheisens, nach den äuſseren Teilen des Herdes ge - trieben, wo sie sich ansetzt. Dies geschieht zumeist unter der Form, an der Vorderseite und der Form gegenüber, während die Hinter - seite, wo kein Gestübbe anliegt und wo die Kohlen aufgegeben werden, frei bleibt. Von hier aus muſs deshalb das Angesetzte öfters los - gebrochen und wieder in das Feuer gestoſsen werden, damit die Form frei bleibt, das im Lech befindliche Eisen aussaigert und das Eisen im Herde eine genügende Schlackendecke, um es vor dem Verbrennen zu schützen, behält. Unterlieſse man dies Hereinstoſsen des Lechs, so würde das Eisen zu trocken und spröde ausfallen, weil es seines Saftes beraubt würde. Auch giebt das eingeschmolzene Scheibeneisen in dem Lech seinen überflüssigen Kohlenstoff ab und wird zu garem Eisen. Deshalb läſst der Löscher nur sehr selten den Lech ablaufen und nur im Falle des gröſsten Überflusses sticht er einen Teil des - ſelben durch das „ Lachthol “ab.
Wenn die letzte Zange Scheibeneisen eingeschmolzen ist, so läſst man das Gebläse mit derselben Geschwindigkeit noch einige Minuten fortgehen, um auch das zuletzt geschmolzene gar zu machen. Es entsteht alsdann ein Kochen oder Aufwallen im Feuer. Glaubt der Arbeiter, daſs das zuletzt eingeschmolzene Eisen gefrischt sei, so räumt er einen Teil des die Brustwehr ausmachenden Gestübbes weg,215Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.läſst das Gebläse langsamer gehen und schafft mit einer langgestielten Kratze die Kohlen vom Deul weg. Hierauf wird mit der Kratze unter - sucht, ob der obere Rand des Deuls weich oder hart sei. Findet sich der Rand noch weich, mithin noch nicht gehörig gefrischt, so werden nochmals grobe Kohlen aufgegeben, die weggescharrten Kohlen mit der Kratze wieder darüber gezogen und das Gebläse noch einige Minuten schwach angelassen. Wenn die groben. Kohlen gröſstenteils verzehrt sind, so ist auch der Deul fertig. Die Kohlen werden nun abermals mit der Kratze weggeschafft, der Rand des Deuls nieder - geschlagen, die kesselförmige Vertiefung voll Kohlenlösche gefüllt und das in derselben zurückgebliebene Lech vom Winde fortgejagt. Das Kohlengestübbe der Brustwehr wird alsdann vollends weggeräumt und ein zweiter Arbeiter schützt unterdessen das Gebläse ganz ab. Jetzt wird der Deul losgebrochen, in die Höhe gebracht, einer von den Arbeitern faſst ihn mit der Zange und zwei andere mit dem Brecheisen darunter, wuchten ihn so heraus, daſs er auf die hohle Seite vor dem Herd zu liegen kommt. Man beklopft ihn nun mit einem Vorhammer, um die sehr poröse Masse näher zusammen - zubringen, wobei eine groſse Menge leichtflüssiges Lech herausläuft, welches hier „ Rinnlech “heiſst und beim Schmelzen der Guſsstücke wieder zugesetzt wird. Je mehr Rinnlech bei einem Deul verfällt, desto besser ist das Stabeisen, umgekehrt, desto schlechter, weil dann das Lech dem Arbeiter vor der Zeit entschlüpft und das Eisen einer trockenen Hitze ausgesetzt war.
Nunmehr kommt der Deul unter den Wasserhammer, unter welchem er durch Hin - und Herbewegen zu einem runden, etwa 3 Zoll starken Kuchen gezängt und mit dem Setzeisen in zwei gleiche Hälften zerschroten wird. Die eine Hälfte wird gleich wieder ins Feuer ge - bracht, welches unterdessen wieder hergestellt worden, die andere Hälfte aber wird noch in vier kleinere Stücke zerschroten, welche man dem Stückezängen unterwirft, um die Teile noch mehr zu ver - dichten und den Stücken eine rundere Gestalt und verminderte Oberfläche zu geben, wodurch das Abbrennen im Feuer sehr ver - mindert wird. Hierauf wird die andere Hälfte wieder aus dem Feuer herausgeholt und mit ihr ebenso verfahren. Während nun diese zweite Hälfte zerschroten und gezängt wird, ist das erste Stück von der ersten Hälfte schweiſswarm und wird zu Stäben ausgereckt. Aus einem Deul erfolgten 1½, 1¾ bis 2 Zentner Stabeisen. Der gewöhn - liche Abgang an Roheisen wurde auf ¼ gerechnet oder aus 100 Pfund Roheisen muſsten 75 Pfund Stabeisen geliefert werden. Der Löscher216Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.war für den Abgang an Roheisen nicht verantwortlich, erhielt aber auch den Überschuſs an Stabeisen nicht bezahlt. Auf einen Zentner rechnete man drei Stützen Kohlen. Diese Angaben waren nur unge - fähre, um so mehr, da weder Kohlen noch Roheisen zugewogen wurden.
Das Eisen, welches in den Löschfeuern erzeugt wurde, war von vorzüglicher Güte und besaſs einen hohen Grad von Weichheit und Zähigkeit. Die Oberfläche der Stäbe war glatt und rein wie beim Stahl. Das Stabeisen aus den Löschfeuern wurde meist für Draht und Gewehrläufe verarbeitet.
Die im vorstehenden beschriebene Löschfeuerarbeit geht zwar, wie wir gesehen haben, vom Ausheizen des Stückeisens aus, ist aber bereits eine richtige Frischarbeit und wir haben dieselbe deshalb so ausführlich geschildert, weil der ganze Prozeſs einfach und verständ - lich ist. Dabei kann er als die Grundlage der übrigen Frisch - verfahren angesehen werden, so daſs wir bei den Erklärungen dieser in der Folge hierauf verweisen und dieselben dadurch abkürzen können. Man ersieht bereits aus obigen Darstellungen, wie die Be - handlung des Stückofeneisens im Löschherd, unter Zusatz von Roh - eisen, von selbst zur Verarbeitung des Roheisens für sich allein, d. h. zu der eigentlichen Frischarbeit führen muſste. Da indes nicht alle Eisensorten in derselben Weise behandelt werden konnten, die Eisen - arten aber ihrem Wesen nach fast so verschieden waren, wie die Erze, aus welchen sie gewonnen wurden, so ergab sich hieraus eine groſse Zahl voneinander abweichender Frischmethoden, die teils geographisch, wie die deutsche, die steirische, die wallonische, die englische u. s. w. Frischarbeit, teils technisch, wie Kochfrischen, Kalt - frischen, Warmfrischen, Bratfrischen, Tiegelfrischen, unterschieden wurden. Alle haben den gleichen Zweck: Roheisen in Stabeisen oder Stahl umzuwandeln und bei allen geschieht dieses durch ein oxy - dierendes Schmelzen in einem Schmelzherd, dem Frischfeuer. Die Entfernung des im Roheisen vorhandenen Überschusses an Kohlen - stoff ist dabei die wichtigste Aufgabe des Frischprozesses1)Vergl. Bd. I, Einleitung, S. 11 und 15..
„ Frischen “wurde dieser Vorgang im Deutschen genannt, weil dieser Bezeichnung die Auffassung zu Grunde lag, daſs etwas Ver - dorbenes — das Roheisen — wieder frisch gemacht, in seinen besseren Zustand, den des geschmeidigen Eisens, übergeführt würde. Daſs das Roheisen als ein unvollkommener oder verdorbener Zustand des Eisens angesehen wurde, geht aus seinem Namen hervor. Nach der217Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.alten steirischen Bezeichnung Graglach wurde wenigstens das beim Stückofenbetrieb fallende Roheisen nur als eine Schlacke (Lacht) oder ein Schwefelmetall (Lech) angesehen1)Vergl. Bd. I, S. 964.. Roheisen bezeichnet etwas Unvollkommenes und die englische Bezeichnung „ pig-iron “hat, wie im Deutschen „ Saueisen “, etwas Verächtliches. Daſs das Frischen dieses Eisens als eine Reinigung desſelben angesehen wurde, geht deutlich aus der gleichbedeutenden englischen und französischen Be - zeichnung für dasſelbe — refining-proceſs, affinage — hervor. Diese Reinigung wurde vollbracht durch die frische Luft, den Gebläsewind. Über den chemischen Vorgang dabei war man im 16. Jahrhundert noch völlig im unklaren. Wie zum Hochofenprozeſs, so war man auch zum Frischprozeſs nur auf dem Wege der Erfahrung und Beob - achtung, also durchaus empirisch, gekommen.
In der Hauptsache ist das Wesen des Frischprozesses ja leicht zu begreifen; es ist eine Reinigung durch ein oxydierendes Schmelzen, wobei in erster Linie der Überschuſs an Kohlenstoff, auſser diesem aber auch die in dem Roheisen enthaltenen sonstigen Beimengungen, besonders Silicium, Phosphor, Schwefel und fremde Metalle, entfernt werden sollen. In seinen Einzelheiten ist aber der Frischprozeſs vom chemisch-metallurgischen Standpunkte oft recht schwer zu verstehen, weil sich die Vorgänge, örtlich und zeitlich, fast gleichzeitig vollziehen und der unmittelbaren Beobachtung vollständig entzogen sind. Die Fortschritte der Erkenntnis des Wesens der Frischprozesse bilden, wie die aller andern Eisenhüttenprozesse, selbst einen Teil der Geschichte des Eisens und könnten wir uns deshalb mit dem, was wir oben hierüber gesagt haben, begnügen. Wenn wir trotzdem hier schon eine kurze Skizze des chemisch-metallurgischen Vorganges bei dem Frischprozeſs geben, so ist dies ein Exkurs, der nur dazu dienen soll, dem Leser das Verständnis des Folgenden zu erleichtern.
Der chemische Unterschied des Eisens in seinen charakteristischen Modifikationen als Roheisen, Stahl und weiches Eisen ist bedingt durch seinen Kohlenstoffgehalt2)Siehe Bd. I, S. 11.. Das Roheisen enthält davon am meisten, den übrigen Eisenarten gegenüber also einen Überschuſs. Auſser Kohlenstoff enthält aber das Roheisen noch andere Bei - mengungen, besonders die bereits oben genannten Silicium, Phosphor, Schwefel und fremde Metalle, und es enthält davon um so mehr, aus je unreineren Erzen, mit je aschenhaltigerem Brennmaterial und bei je höherer Temperatur es erzeugt ist. Diese Beimengungen sind für218Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.das Roheisen nicht geradezu als Verunreinigungen zu betrachten, indem, wenn man das Roheisen für Gieſsereizwecke verwendet, einzelne dieser Beimengungen in gewissen Grenzen sogar erwünscht sind, ebenso wie auch für die modernen Prozesse von Bessemer und Thomas-Gilchrist, bei dem ersten ein gewisser Siliciumgehalt, bei dem zweiten ein gewisser Phosphorgehalt geradezu eine Notwendig - keit sind. Für den Frischprozeſs sind alle oben genannten Bei - mengungen als Verunreinigungen zu betrachten, welche zugleich mit dem Überschuſs an Kohlenstoff abgeschieden werden müssen. Wird nun das Roheisen, wie es bei dem Frischen geschieht, eingeschmolzen und der Wirkung des Windes ausgesetzt, so oxydiert zuerst das Silicium zu Kieselsäure, welche sich unmittelbar mit vorhandenem oder gleichzeitig gebildetem, oxydiertem Eisen zu einem Eisenoxydul - silikat und zwar zu einem Bisilikat von der Zusammensetzung FeO. SiO2 verbindet, und zwar so lange, als noch unoxydiertes Sili - cium vorhanden ist1)Siehe (Percy) Dr. H. Wedding, Handbuch d. Eisenhüttenkunde, 3. Abth., S. 9..
Hierauf wird nur Eisen oxydiert, welches von dem Bisilikat auf - genommen wird, bis der Verbindungszustand des Singulosilikates, 2 FeO. SiO2, erreicht ist. Dieses ist die niedrigste Silicierungsstufe des Eisenoxyduls. Die gebildeten Silikate scheiden sich beim Frischen als flüssige Schlacken ab. Bis dahin hat eine Einwirkung auf den gleichzeitig vorhandenen Kohlenstoff im Eisen kaum stattgefunden. Von diesem Moment an ändert sich der Vorgang. Die Oxydation des Eisens schreitet fort, da aber Eisenoxydul für sich nicht bestehen kann und alle Kieselsäure chemisch gebunden ist, so verbindet es sich mit der höheren Oxydationsstufe des Eisens, dem Eisenoxyd, zu der sehr beständigen Verbindung von Eisenoxyduloxyd und diese hat die Eigenschaft, sich leicht in dem Eisensingulosilikat aufzulösen. Nun erst, wenn Eisenoxyduloxyd im gelösten Zustande vorhanden ist, beginnt eine Oxydation des Kohlenstoffs durch dasſelbe: das Oxyduloxyd giebt einen Teil seines Sauerstoffs an den Kohlenstoff ab, welcher dadurch in der gasförmigen Form des Kohlenoxyds aus - geschieden wird. Das reduzierte Eisenoxyduloxyd nimmt aber mit groſser Begierde wieder Sauerstoff aus der Luft auf, um dann, in den früheren Zustand zurückgekehrt, bei erneuter Berührung mit Kohlenstoffeisen in gleicher Weise auf den Kohlenstoff einzuwirken. Das Eisenoxyduloxyd ist demnach der Vermittler zwischen dem Sauer -219Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.stoff der Luft und dem Kohlenstoff des Eisens. Da aber selten das zu verfrischende Eisen soviel Silicium enthält, um die genügende Menge Schlacke aus sich selbst zu bilden, diese aber schon des eben geschilderten Zweckes wegen nicht entbehrt werden kann, so pflegt man Eisenoxydulschlacke zuzusetzen, und zwar in der Regel solche, welche bereits Eisenoxyduloxyd in Lösung enthält. Es sind dies die Garschlacken, von denen die Stockschlacken, Hammerschlacken, Rinn - schlacken u. s. w., kurz alle diejenigen, welche bei der mechanischen Bearbeitung des Eisens aus diesem ausgepreſst werden, die garsten, d. h. die an Eisenoxyduloxyd reichsten sind. Durch den Zusatz dieser eisenoxyduloxydhaltigen Schlacken wird das Frischen be - fördert.
Diese chemischen Vorgänge bilden die Grundlage aller Frisch - prozesse, worunter nicht nur das Herdfrischen, der alte Prozeſs, mit dem wir uns hier beschäftigen, sondern auch die neuen Prozesse des Puddelns, des Bessemerns u. s. w. begriffen sind. Der Kohlen - stoff ist kein zufälliger, sondern ein notwendiger Bestandteil des Eisens, während Silicium, Schwefel, Phosphor und Mangan zufällige Beimengungen sind, die in ganz verschiedenen Mengen auftreten. Das Silicium wird durch das Frischschmelzen leicht abgeschieden, wie wir gesehen haben. Anders verhält es sich mit dem Phosphor. Dieser oxydiert zwar auch bei niedriger Temperatur, wird aber bei höherer Temperatur wieder reduziert und verbleibt im Eisen, für welches er ein sehr schädlicher Begleiter ist, da er dasſelbe im hohen Grade kaltbrüchig macht. Die Abscheidung des Phosphors durch oxydierendes Schmelzen erfolgt also nur bei einer Temperatur, die dem Schmelzpunkt des Roheisens nahe liegt. Nun unterscheidet man beim Frischen zwei Perioden, die hauptsächlich durch die Wärmeentwickelung unterschieden sind, das Rohfrischen und das Garfrischen. Bei dem Rohfrischen wird der gröſste Teil des Kohlen - stoffs oxydiert und das Roheisen etwa bis zur Stufe des Stahls ent - kohlt. Während dieser Zeit wird durch die Umwandlung des festen Kohlenstoffs in das gasförmige Kohlenoxyd viel Wärme gebunden und der Schmelzmasse entzogen, dadurch bleibt die Temperatur während dieser Periode relativ niedrig. In der zweiten Periode geht die Ent - kohlung langsamer von statten, es entweicht wenig Kohlenoxydgas, während mehr Eisen verbrennt, welches seine ganze Verbrennungswärme dem Schmelzgut abgiebt, wodurch die Temperatur beim Garfrischen bedeutend gesteigert wird. Nur in der ersten Periode oxydiert Phos - phor und geht als Phosphorsäure in die Schlacke, während in der220Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.zweiten die Hitze so steigt, daſs die Phosphorsäure wieder reduziert wird. Der Phosphor läſst sich also nur dadurch entfernen, daſs man unmittelbar vor dem Eintritt des Garfrischens die Schlacke absticht. Immer bleibt indes die Abscheidung des Phosphors beim Frisch - prozeſs nur eine unvollkommene. Viel vorteilhafter lassen sich phosphorhaltige Erze im Rennfeuer verschmelzen, weil in diesem die Temperatur viel niedriger ist als im Hochofen und gar nicht bis zu dem Punkte, wo die Phosphorsäure der Erze reduziert wird, steigt. Diese Thatsache hat besonders viel dazu beigetragen, daſs sich in den Gegenden, wo hauptsächlich Raseneisensteine verhüttet wurden, die Rennfeuer so lange erhalten haben.
Schwefel hat bekanntlich groſse Affinität zum Eisen und wenn er auch durch den Sauerstoff der Luft oxydiert wird, so geschieht dies doch nur langsam. Da jedoch der Frischprozeſs im Vergleich mit dem Puddel - und Bessemerprozeſs langsam verläuft, ist die Abscheidung des Schwefels bei jenem vollkommener als bei diesen. Die Gegenwart von Mangan unterstützt wesentlich die Abscheidung des Schwefels.
Mangan ist ein erwünschter Bestandteil des Roheisens, welches verfrischt werden soll, besonders bei der Stahlbereitung. Der Grund liegt zunächst darin, daſs Mangan sich sehr leicht verschlackt, es oxydiert leichter als Eisen und sein Oxydul bildet mit Kieselsäure eine sehr flüssige Schlacke. Diese Manganoxydulschlacke hat aber nicht die Lösungsfähigkeit für Eisenoxyduloxyd, wie die Eisenoxydul - schlacke, dadurch verzögert sie die Entkohlung des Eisens und dieses ist namentlich bei der Stahlbereitung in den meisten Fällen er - wünscht. Infolgedessen entsteht überhaupt aus manganreichem Roheisen leichter Stahl, als aus manganfreiem. Die Dünnflüssigkeit der Manganschlacke hat den doppelten Vorteil beim Frischen, daſs sie einerseits das Eisen besser einhüllt, als die zähe Eisenschlacke, und daſs sie anderseits, wenn das Eisen anfängt teigartig zu werden, besser aussaigert. So einfach die Theorie des Frischprozesses danach erscheint, so mannigfaltig ist doch die praktische Ausführung, je nach der Qualität des Eisens. Zunächst verhält sich einmal das graue Eisen im Frischfeuer ganz anders als das weiſse. Letzteres, welches den Kohlenstoff in gebundener Form enthält, frischt rasch, ersteres, welches den Kohlenstoff mehr oder weniger in der ausge - schieden Form als Graphit enthält, frischt langsam. Es muſs nämlich aller Kohlenstoff desſelben erst in den gebundenen Zustand über - geführt werden und hierauf beruht eine Reihe von Vorbereitungs - arbeiten, welchen graues Eisen zum Verfrischen unterworfen wird,221Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.die wir später im einzelnen kennen lernen werden, die aber alle den Zweck haben, den Kohlenstoff in den gebundenen Zustand über - zuführen, also graues Eisen in weiſses umzuwandeln. Da aber der Zweck des Frischens nicht bloſs der ist, den Kohlenstoff abzuscheiden, sondern auch die schädlichen Beimengungen zu entfernen und dies um so langsamer geht, je unreiner das Roheisen ist, so ergiebt sich auch hieraus, daſs man das Frischen beschleunigen oder verzögern muſs, je nachdem weniger oder mehr Beimengungen abgeschieden werden müssen. Die Verzögerung sucht man besonders bei dem ersten Teil des Frischprozesses, dem Rohfrischen, zu erreichen, da - durch, daſs man das Eisen länger im Zustande des Roheisens erhält und dies geschieht durch rasches Einschmelzen und Zusatz indiffe - renter Schlacke, welche das eingeschmolzene Eisen vor dem Winde schützt. Beschleunigt wird die Entkohlung durch langsames Ein - schmelzen vor dem Winde und Zusatz von Garschlacke, ferner durch das Arbeiten mit der Brechstange im Eisen, durch Rühren und Auf - brechen, wodurch das Eisen immer wieder der Einwirkung des Windes ausgesetzt wird. Ebenso wird durch eine tiefere Herdgrube der Prozeſs verzögert, durch eine flachere derselbe beschleunigt. Zu starker Wind und zu groſse Hitze verzögern mehr die Kohlen - abscheidung als daſs sie sie beschleunigen. Eine starke Neigung der Gebläseform, ein „ stechender Wind “gart nicht beim Einschmelzen, sondern wirkt mehr auf das Eisen im Herde. Von diesen Gesichts - punkten aus sind die vielen verschiedenen Frischmethoden, welche wir in der Folge kennen lernen werden, zu beurteilen.
So wenig Agricola und Biringuccio uns Mitteilungen über den Hochofenprozeſs machen, so wenig thun sie dies über den Frischprozeſs. Dennoch wurde derselbe in Verbindung mit dem Hochofenbetriebe im 16. Jahrhundert bereits in ausgedehnter Weise angewendet und entwickelte sich in verschiedenen Gegenden, der Eigenart des Roheisens entsprechend, in ganz verschiedener Weise. Es ist nicht zu bezweifeln, daſs sich schon in diesem Jahrhundert der Frischprozeſs nach seinen drei Hauptrichtungen ausgebildet hatte und daſs, während im Salzburgischen, in Tirol und Oberitalien die „ Einmalschmelzerei “betrieben wurde, in der Eifel bereits die „ Wallonschmiede “bestand, während am Oberrhein, in Baden und Schwaben, wo man graues Eisen zu verfrischen hatte, die deutsche Aufbrechschmiede zur Ausbildung gelangte, welche bald der wich - tigste Frischprozeſs nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa wurde.
222Schmiedeisenbereitung in Frischfeuern.Die Einmalschmelzerei lehnt sich am meisten an die oben beschriebenen alten Verfahren des Ausheizens und Reinigens des Stückeisens an. Sie setzt ein gutartiges, schnellfrischendes, weiſses Roheisen, welches den Kohlenstoff im gebundenen Zustande enthält, voraus. Nur ein solches läſst sich bei einmaligem Niederschmelzen im Frischherde in Stabeisen umwandeln. Deshalb konnte dieses Ver - fahren auch nur da Eingang finden, wo ein solches Roheisen ge - wonnen wurde, und das war in Deutschland, besonders in den öster - reichischen Alpen und im Siegerlande der Fall.
Ursprünglich stellte man in denselben Herden Stahl und Stab - eisen dar, ja wo es die Natur des Eisens erlaubte, war die Frisch - arbeit mehr auf Stahl als auf Schmiedeeisen gerichtet. Wenn wir in unserer historischen